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Full text of "Biochemische Zeitschrift 169.1925"

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ı Biochemische Zeitschrift 


Unter Mitwirkung von 


N. Ascoll-Catania, L. Asher-Bern, À. Bach-Moskau, M. Bergmann- Dresden, G. Bertrand- 
Paris, A. Bickel- Berlin, F. Blumenthal-Berlin, Fr. Boas- Weihenstephan, A. Bonanni-Rom, 
F. Bottazzi- Neapel, G. Bredig - Karlsruhe i. B., WI. Butkewitsch - Moskau, M. Cremer- 
Berlin, R. Doerr-Basel, A. Durig- Wien, F. Ehrlich- Breslau, H.y. Euler-Stockholm, S. Flexner- 
New York, J. Forssman-Lund, 8, Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, H. Freundlich- Berlin, 
E. Friedberger - Greifswald, E. Friedmann - Berlin, E. Fromm - Wien, 0. Fürth - Wien, 
F. Haber - Berlin, M. Hahn- Berlin, P. Häri-Budapest, F. Hayduck - Berlin, E. Hägg- 
lund - Abo, V. Henri - Paris, V. Henriques- Kopenhagen, R. 0. Herzog- Berlin, K. Hess- 
Berlin, W. Heubner - Göttingen, R. Höber - Kiel, M. Jacoby - Berlin, P. Karrer- Zürich, 
N. Kochmann - Halle a. S., R. Krimberg - Riga, F. Landolf - Buenos Aires, L. Langstein- 
Berlin, E. Laqueur - Amsterdam, 0. Lemmermann - Berlin, E. J. Lesser- Mannheim, 
P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann - Budapest, 8. Loewe - Dorpat, A. Loewy - Davos, 
H. Lüers - München, Th. Madsen - Kopenhagen, A. Magnus - Lrey-Berlin, J. A. Mandel- 
New York, E. Mangold - Berlin, L. Marchlewski- Krakau, P. Mayer - Karlsbad, J. Meisen- 
heimer- Tübingen, 0. Meyerhof-Berlin, L. Michaelis-Nagoya, H. Molisch - Wien, H. Mursch- 
hauser - Düsseldorf, W. Nernst - Berlin, C. v. Noorden - Frankfurt a. M., W. Omelianski- 
Leningrad, W. Ostwald - Leipzig, A. Palladin - Charkow, J. K. Parnas - Lemberg, Th. Paul- 
München, W. Pauli-Wien, R. Pfeiffer - Breslau, E. P. Pick-Wien, L. Pincussen - Berlin, 
J. Pohl-Breslau, Ch. Porcher-Lyon, D.N.Prianischnikow-Moskau, H. Pringsheim- Berlin, 
P. Rona-Berlin, H. Sachs-Heidelberg, §. Salaskin-Leningrad, T. Sasaki-Tokio, B. Sbarsky- 
Moskau, A. Scheunert - Leipzig, A. Schlossmann - Düsseldorf, E. Schmitz - Breslau, 
§. P. L. Sörensen - Kopenhagen, K. Spiro - Basel, E. H. Starling - London, J. Stoklasa - Prag, 
W. Straub - München, K. Suto- Kanazawa, U. Suzuki- Tokio, H.v. Tappeiner - München, 
K. Thomas - Leipzig, H. Thoms - Berlin, C. Tigerstedt - Helsingfors, P.Trendelenburg - 
Freiburg i. Br, 0. Warburg - Berlin, G. v. Wendt- Helsingfors, E. Widmark - Lund, 
W. Wiechowski-Prag, A. Wohl - Danzig, J. Wohlgemuth - Berlin, N. Zelinsky - Moskau. 


herausgegeben von 


C. Neuberg-Berlin 


Hundertneunundsechzigster Band 


` Berlin 
Verlag von Julius Springer 


1926 


Druck von Friedr. Vieweg & Sohn Akt.«Ges., Braunschweig. 





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Inhalt. 





Bodnar, J. und Iréne Villányi. Über die Thermostabilität des pflanz- 


lichen Amylasezymogens . . . s.s.s 2 2 2 0 2 200 een. 
Ehrlich, Felix und Friedrich Schubert. Über die Chemie der Inkrusten 
dés RlachRas = u u... =. wire Baer we 


Zaykowsky, J. Über den Einfluß des Calciums und der 
säure auf die Milch. . . 2. 2 2 2 En 0 2 2 0 nen 


Slobodska-Zaykowska, N. Zur Frage nach der konservierenden Wirkung 


von Milchhefe auf Milchsäurebakterien . . . . . s. as 2.2... 
Förster, Julius. Die Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der 
roten Blutkörperchen . . . . 2 2 2 2 2 2 sosoo oe e 


Utkin-Ljubowzow, L. und Xenia. Eine neue Methode zur Bestimmung 
der Serumtryptasen . . . . 2 2 ssb soos osseo oo 
Bach, A. und K. Nikolajew. Sind sauerstoffübertragende Enzyme 
mit wasserstoffübertragenden identisch? . . . . 2 2.2... . 


Sbarsky, B. Zur Kenntnis des Mechanismus der Immunitätserschei- 
nungen. I. Mitteilung: Die Adsorption des Diphtherietoxins durch 
Meerschweinchen- und Rattenerythrocyten . . .. . 2.2... 


Fürth, Otto. Bemerkungen zu der Abhandlung von J. Tillmans und 
A. Alt „Über den Gehalt der wichtigsten Proteinarten der Lebens- 
mittel an Tryptophan und ein neues Verfahren der Tryptophan- 
bestimmung“ e . s. s sos an a en Bi ee end 


Mosonyi, Johann. Zur Magensalzsäurebildung aus den Chloriden 
dəs Blutes. s ër s u 2 2 u. ur a a eh ie ae 


Adlersberg, D. Die antagonistische Wirkung des Insulins und des 
Hypophysenhormons auf den Wasserhaushalt. . . . 2.2... 


Klein, @. Aldehydabspaltung aus Zuckerarten . . o e 


Lustig, B. Versuche über den Eiweißabbau mit Trypsin unter gleich 
zeitiger Dialyse . . . 2. 2 2. 2 2 22220. er 


Rondoni, P. Über die Beteiligung des Pyrrols am Aufbau des Melanins 


Enriques, Eugen und Rudolf Sivö. Neues Verfahren zur Bestimmung 
des Bilirubingehaltes von Seren und Duodenalsäften . . .. . 


Foit, Richard. Eine einfache Methode zur raschen und verläßlichen 
Bestimmung des Stickstoffs im Harne und Blute. . ..... 


Virtanen, Artturi I. und Brita Bärlund. Die Oxydation des Glycerins 
zu Dioxyaceton durch Bakterien . . . . s.s soas seses 


Jendrassik, L. Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Ad- 
SOFDENLIEN. s -s i 6. a 4 De AE re m te en A 


149033 


100 


105 


113 


117 


IV Inhalt. 


Mangold, Ernst und Constanze Schmitt-Krahmer. Über die Milch- 
säurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II. 

Sen, Kshitish Chandra. Über die chemische Natur der Adsorption . 

Hägglund, Erik, Arne Söderblom und Bölge Troberg. Über die Ab- 
hängigkeit der alkoholischen ie von der Wasserstoffionen- 
konzentration. III. ; 

Heller, Józef. Chemische en über die Metamorphose 
der Insekten. III. u Über die er und 
„latente“: Entwicklung . 

Dingemanse, Elisabeth und Ernst Di Über die Adsskption von 
Giften an Kohle. III. Mitteilung: Über die Verteilung von Giften 
zwischen Magen- bzw. Darmwand und Kohle. 


Kaplansky, S. Über die ie tierischer un bei Zee 
temperatur gn Zi e ee, a A 

Serejski, Mark. Über das Wein de heier 

Parnas, J. K. und A. Klisiecki. Über Ammoniakgehalt und mare 
bildung im Blute. IV. m Ist im kreisenden Blute Ammo- 
niak vorhanden ? NI f g 

Rona, P. und H. A, Krebs. Physikalisch- dE E E 
über die Isohämagglutination. I. Mitteilung: Die ee der 
Elektrolyte bei der Isohämagglutination . 

Kuroda, T. Über den Einfluß der Wesserstöftionenkonventration 
auf die en Wirkung einiger Phenole und aromatischer 
Säuren . en Tas Sinn Se ae re Dër a a 

Lasch, Fritz. e ersuche am isolierten, übsriebenden Dam: 
I. Mitteilung: Methodik SC a h 

— — Resorptionsversuche am isolierten, überlebonden Derm mn Mit- 
teilung: Der Einfluß von Saponin auf die Resorption von Calcium 

Harpuder, Karl. Kee chemische en am normalen 
Knorpel . 

Rona, P. und H. stane, Nepkelonisteläche Untersuchungen über 
fermentative Eiweißspaltung. V. e EEN 

Christomanos, Anastasios A. Zur Pharmakologie einiger Benzyl- 
alkohole, DECHE EE G S 

Mozotowski, W. und J. K. Panai: Über eine neue Form der Chin- 
hydronelektrode ; 

Kalwaryjski, Bernard E. Über Samenfädenagglutination. unter Ein- 
wirkung chemischer Agenzien . A 

Sorochowitsch, S. Über den Formentzehalt is Blutes bei experi- 
menteller Sympathicotonie . . . ale É 

Irger, Jacques. Zur Frage des Eisenstöffwechbels.; im tiörischen Orga: 
nismus nach der Milzexstirpation l 

Gutbier, A. und Berta Ottenstein. Über einen t Behnelldialysator für 
klinische Zwecke und für die ärztliche Praxis 

Hamano, Sadayuki. Photoaktivierung von Cholesterin, Fetten Ge 
anderen Substanzen durch X-Strahlen. (Mitgeteilt von Prof. 
U. Suzuki) . 


Gertz, Otto. Über die Desdasn dar E EE nee De 


Seite 


186 


192 


200 


208 


235 


. 245 


249 


, 265 


266 





Inhalt. 


Starlinger, Wilhelm. Über das Verteilungsverhältnis der Eiweiß- 
körpergruppen in Kr ee Seren bei positiver Kom- 
plementbindungsreaktion . . . 2» 2: 2 2 2 2 nn nr ne. 

Tsakalotos, A. E. Die trypanozide Wirkung der Chinsalkaloide i in vitro 

Elion, L. Zur Kenntnis der nn bei der dee von 
Zucker durch Hefe . 

Behrens, Martin und Nikolai Sikolajewitsc Iwanofl: ES Versuche 
über die Carboligase . . . j 

Pirschle, Karl. Acetaldehyd als Zwischenprodukt bei der Keimung 
fetthaltiger Samen . 

Kolthofl, I. M. Der Ausdruck für die Reaktion von wässerigen ae 

Martos, Georg von und Bodo Schneider. Beeinflussung der Leberzell- 
atmung durch Traubenzuckerzufuhr zum Gesamtorganismus . . 

Ernst, Zoltän und Julius Förster. Einige Beiträge zur Chemie des auf 
dem Höhepunkt der Insulinwirkung beobachteten Blutzuckers . 


Lebedew, A. Notiz über die der PTA auf Methyl- 
BIVOXAl. 4 aus u en wë E ir En e Dë de A 


Berichtigung: -< a 2.2. er e a mie e er 


Autorenverzeichnis . . sa s e s e e s a o 2 2 o e o 





Über die Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 


Von 
J. Bodnár und Iréne Villányi. 


(Aus dem kgl. ung. pflanzenbiochemischen Institut in Budapest, aus dem 
medizinisch-chemischen Institut der Universität in Debrecen und aus dem 
chemischen Institut der Universität in Szeged !).) 


(Eingegangen am 4. Dezember 1925.) 


Wir haben uns mit der Untersuchung des Amylasegehaltes ver- 
schiedener Getreidesamen beschäftigt, um zu erfahren, ob zwischen 
dem Amylasegehalt und der Keimfähigkeit der Samen ein solcher 
Zusammenhang vorhanden ist?), daß man aus dem Amylasegehalt 
auf die Keimfähigkeit der Samen schließen könne. Eine Wahrnehmung 
bei der Inangriffnahme unserer Untersuchungen lenkte uns vorläufig 
von unserem Ziele ab und führte uns zur Erkennung der Thermo- 
stabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 

Wir begannen unsere Untersuchungen mit Weizen, und zur Be- 
stimmung der Amylase wurde der gemahlene Weizen mit Stärkelösung 
vermischt, nach Zufügung von Toluol in den Thermostaten gestellt, und 
der entstandene reduzierende Zucker in gewissen Zeitintervallen be- 
stimmt. Es ist bei den enzymatischen Untersuchungen die Einstellung 
einer sogenannten Kontrollprobe stets notwendig; dies geschieht der- 
artig, daß die enzymenthaltende Lösung oder das Material zur Ver- 
nichtung des Enzyms durch Hitze inaktiviert wird. Zur Inaktivierung 
wurde das Weizenmehl mit Wasser vermischt, in einer Porzellanschale 
auf kochendem Wasserbad eine Stunde lang erhitzt, der nach der 
Verdampfung des Wassers erhaltene noch feuchte Brei auf eine Glas- 
platte aufgeschmiert, im Wasserdampfschrank gänzlich getrocknet 
und nachher pulverisiert. Das auf diese Weise inaktivierte Mehl hatte 


1) Die in dieser Mitteilung publizierten Untersuchungen wurden vom 
Oktober 1922 bis August 1923 durchgeführt. 
2) A. Nemec et F. Duchon, Annal. de la Science Agronomique francaise 
et etrangere 88, 320, 1921; 121, 1923; C.R. 174, 632, 1922. 
Biochemische Zeitschrift Band 169. 1 


2 J. Bodnár u. I. Villányi: 


eine deutliche amylolytische Wirkung, zersetzte die Stärke unter 
Bildung einer erheblichen Menge reduzierenden Zuckers. 

Indem wir daran dachten, daß bei der Temperatur der Inakti- 
vierung und der Austrocknung (unter 100°) die Amylase des Weizen- 
mehls nicht gänzlich inaktiviert wurde, führten wir die Inaktivierung 
so durch, daß das mit Wasser vermischte Mehl in einem Porzellan- 
becherglas eine Stunde lang bei 100° im CaCl,-Wasserbad gekocht 
wurde, und vollführten den Versuch im übrigen auf die schon beschrie- 
bene Weise. Das gewonnene inaktivierte Mehl wirkte ebenfalls zer- 
setzend auf die Stärke ein. Mit diesem bei 100° in Gegenwart von 
Wasser inaktivierten Mehle wurden die folgenden Versuche durch- 
geführt. 

I. Versuchsreihe. 

Es wurden je 2 g natives und inaktives Mehl mit je 100 ccm 1proz. 
Kahlbaumscher löslicher Stärkelösung vermischt, die erste Probe sofort, 
abfiltriert (Ostündiger Versuch) und die übrigen mit je 3ccm Toluol 
im Thermostaten bei 37° aufbewahrt. Nach Ablauf der Versuchszeit 
wurde filtriert und in 20ccm des Filtrats der reduzierende Zucker 
nach Bertrand bestimmt und als Glucose berechnet. Die angegebenen 
Glucosemengen beziehen sich auf 100 eem Lösung und sind Mittel- 
werte von untereinander gut übereinstimmenden parallelen Be- 
stimmungen. 

Tabelle I. 


` ! ` KMn 04°) 8 Glucose 
Versuchszeit 
re Mehl | Inaktiviertes Mehl Se cs Mehl | Inakti: ee viertes Mebl 
Stunden ae 
O 


CH 5 l 4 195,0 
21,5 | 322,5 102° ` 
48 278 | 430,0 120,0 


*) 1ccm KMnO, entspricht 5,6 mg Cu. 














Diese I. Versuchsreihe wurde mehrmals mit verschiedenen in- 
aktivierten Weizenmehlen mit ähnlichen Ergebnissen wiederholt. 
Das native Mehl (2 g) enthielt ursprünglich keinen bestimmbaren Zucker, 
der in dem Ostündigen Versuch angegebene Zucker entstand, während 
das native Mehl mit der Stärkelösung vermischt und abfiltriert wurde. 
Der in dem Ostündigen Versuch bei dem inaktivierten Weizenmehl 
gewonnene Zucker ist — im Gegensatz zum nativen Mehle — nicht 
auf Amylasewirkung zurückzuführen, denn das inaktivierte Mehl 
enthält auch ursprünglich Zucker, welcher während der Inaktivierung 
entsteht. Wenn das in der I. Versuchsreihe gebrauchte inaktivierte 
Weizenmehl mit Wasser extrahiert wurde, fanden wir in dem wässerigen 
Extrakt ebenfalls 55 mg Zucker, es entstand also auf Wirkung des 





Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 3 


inaktivierten Mehles nach 48 Stunden nicht 120 mg, sondern 120 — 55 
= 65 mg Zucker. Daraus konnten wir daher folgern, daß das inaktivierte 
Weizenmehl ursprünglich keine aktive Amylase, sondern eine solche 
Substanz — Amylasezymogen — enthält, aus welcher die aktive Amylase 
während des Stehens mit Stärkelösung frei gemacht wird. 

Falls wir das native Weizenmehl der Autolyse unterwarfen, zer- 
setzte die Amylase des Mehles — wie aus den Daten der II. Versuchs- 
reihe ersichtlich ist — die Stärke des Mehles und auch das inaktivierte 
Mehl wirkte ähnlich. 

II. Versuchsreihe. 


Diese Versuchsreihe unterscheidet sich dadurch von der I. Versuchs- 
reihe, daß statt 100 ccm Stärkelösung 100 ccm Wasser genommen 


wurden. 
Tabelle II. 


| KMnO,*’) E | Glucose 
Versuchszeit ee I en 
he Mehl | Inaktiviertes Mehl ` | Natives Mehl Insktiviertes Mehl 
> m '| mg mg 


2,7 0 37,5 
5,1 25,0 70.0 
k 5,6 57,5 ~ 775 





SN Leem K MnO; We 5,6 mg Cu. 


Nach diesen Daten entstanden bei 2 g autolysiertem nativen Mehl 
57,5 mg Zucker, bei 2g inaktiviertem Mehl 77,5 — 37,5 = 40 mg 
Zucker. 

Der wässerige Extrakt des nativen Weizenmehls gab mit Jod- 
læung keine Färbung, der wässerige Extrakt des inaktivierten Mehles 
färbte sich dagegen blau; demnach enthielt das inaktivierte Mehl 
wasserlösliche Stärke. Es sollte aus dem inaktivierten Mehle während 
des Extrahierens die aktive Amylase in Lösung übergehen, denn der 
im Thermostaten erhaltene Extrakt ergab nach Ablauf einer gewissen 
Zeit mit Jodlösung rote, sodann gelbe Färbung, und es erhöhte sich 
auch seine reduzierende Fähigkeit, wie dies die Daten der III. Versuchs- 
reihe beweisen. Als wir den Extrakt vorerst aufkochten, bemerkten 
wir kein Verschwinden der Stärkereaktion und keine Erhöhung der 
reduzierenden Fähigkeit; es wurde demnach beim Kochen die aus 
dem Amylasezymogen entstehende aktive Amylase vernichtet. 


III. Versuchsreihe. 


Es wurden 4g inaktiviertes Weizenmehl mit 200 ccm toluol- 
haltigen Wassers vermischt und nach 24stündigem Stehen abfiltriert. 
Das Filtrat wurde in zwei gleiche Teile geteilt, der eine aufgekocht 
und der ursprüngliche reduzierende Zucker bestimmt; dann nach Zu- 
fügung von je 3 ccm Toluol in den Thermostaten (37°) gestellt, und mit 


1* 


4 J. Bodnär u. I. Villänyi: 
in gewissen Zeitintervallen entnommenen Proben die Stärkereaktion 
und die Zuckerbestimmung durchgeführt. 


Tabelle III. 
I = ungekochter Extrakt, II = gekochter Extrakt. 














| Stärkereaktion K Mon Glucose 
Versuchszeit ' 
, Iı | n I Il 
Stunden | | vr) Ä 
ne a nn pe nie ei er arena a an 

0 blau | blau || ai | 92 27,5 28,0 

24 5 na =n = — 

48 violett S — — der Se 

96 | rotviolett, i = = == =a 
120 rot i 11,8 9,0 36,5 27,5 

144 , i SECH N Er dee, 

168 gelb S b — ! — | — — 





*) Leem K MnO, entspricht 6 mg Cu. 


Nach den Daten der IV. Versuchsreihe verliert der vorerst auf 
80° erwärmte Extrakt des nativen Weizenmehls die stärkezersetzende 
Eigenschaft, ähnlich verhält sich der Extrakt des inaktivierten Weizen- 
mehls. 

IV. Versuchsreihe. 


Es wurden 24 Stunden hindurch 6g natives Weizenmehl mit 
240 ccm toluolhaltigen Wassers extrahiert, das Filtrat in zwei gleiche 
Teile geteilt und der eine aufgekocht. Zu 80 ccm (= 2g Mehl) jeden 
Teiles wurden 100 ccm tł proz. Stärkelösung und 3ccm Toluol gegeben, 
in den Thermostaten gestellt und in nach gewisser Zeit entnommenen 
Proben von 20 ccm der Zucker bestimmt. Eine ähnliche Reihe wurde 
auch mit inaktiviertem Mehle eingestellt. Die angegebenen Zucker- 
mengen sind auf 80 ccm ursprünglichen Extrakts berechnet. 


Tabelle IV. 
I = ungekochter Extrakt, II = gekochter Extrakt. 


Glucose 


ll KM) | E 
Versuchszeit See 
I II I II 
Stunden ccm ccm i mg mg 


Nativer Weizenmehlextrakt. 





0 | 29 | 1,0 67,5 22,5 
24 10,7 0,9 274,5 22,5 
48 | 19,3 1,0 513,0 22,5 

120 | 20,0 1,0 535,5 22,5 
Inaktiver Weizenmehlextrakt. 

0 | 3,0 | 31 | 68,0 68,0 
24 | 3,9 3,1 94,5 68,0 
48 N 5,0 3,0 120,0 68,0 

mm i 6.4 3.0 162,0 68,0 


”*) 1 ccm K MnO, entspricht 5,6 mg Cu. 


Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 5 


In der V. Versuchsreihe wurde die Wirkung der nativen und in- 
aktivierten Weizenmehle derartig untersucht, daß neben der Stärke- 
reaktion mit der Fehlingschen Lösung auf reduzierenden Zucker, und 
mit dem Barfoed-Reagens auf Glucose geprüft wurde. Sowohl bei 
der Einwirkung des nativen wie des inaktivierten Weizenmehls auf 
Stärke gelang es, die Glucose nachzuweisen; so ist im bei 100° in- 
aktivierten Mehle auch Maltose (in Form von Zymogen) vorhanden. 


V. Versuchsreihe. 


Es wurden 2g natives und 2g inaktiviertes Weizenmehl mit je 
100 ccm 0,5proz. Stärkelösung vermischt, nach Zufügung von je 3 ccm 
Toluol in den Thermostaten von 37° gestellt, und die Reaktionen mit 
in gewissen Zeitintervallen entnommenen Proben von 3 bis 4ccm 
durchgeführt. 





























Tabelle V. 
+ schwach positiv, ++ positiv, +++ stark positiv. 
ee 8 i Reakti 7 7 E Reaktion nn 
Versuchs» | Stärkereaktion Fehling sche: Lösung l mit Barfocd-Reagene 
au Natives Inaktiviertes Natives | Inaktiviertes | Natives Inaktiviertes 
Stunden Mehl Mehl Mehl | Mehl i Meh! Mehl 
0 | blau KE: blau ı +++ | + negativ negativ 
24 | violett n | +++! + + i 
48 rotviolett a. +++ sbb ++ cb 
72 rot bläulich-' +++ ++ | +++ + 
| violett ' | | 
120 || gelb violett ` +++ : ++ +++ ++ 
168 | „ ee) E 


Die Daten der VI. Versuchsreihe beweisen, daß auch das mit Wasser 
ausgelaugte, also zuckerfreie inaktivierte Weizenmehl die Stärke 
zersetzte. 


VI. Versuchsreihe. 


Es wurde diese Versuchsreihe mit dem extrahierten inaktivierten 
Mehle, der ersten Versuchsreihe ähnlich, eingestellt. 


Tabelle VI. 
Versuchszeit ` K Mn O: ei 8 Glucose = 
Stunden ccm mg Sr 


n ` 0 0 
24 22 30 
48 7 65 


*) I ccm K MnO, entspricht 5,6 mg Cu. 











Als wir in einer Flasche mehrere Monate hindurch aufbewahrtes 
Weizenmehl inaktivierten, wirkte das gewonnene inaktivierte Mehl 


6 ` J. Bodnár u. I. Villányi: 


nicht zersetzend auf die Stärke ein. Dieses Mehl stammte aus der 
Oberfläche des in der Flasche aufbewahrten Mehles; das aus den unteren 
Schichten genommene Mehl gab ein solches inaktiviertes Mehl, welches 
schwach, aber bestimmt auf die Stärke wirkte. Auf Grund dieser 
Erfahrungen schien der Gedanke naheliegend, daß in erster Reihe das 
frisch gemahlene Mehl die Eigenschaft besitzt, bei 100° in Gegenwart 
von Wasser inaktiviert, nicht seine stärkeverzuckernde Eigenschaft 
zu verlieren. Zum Beweis dieser Vermutung wurde aus dem Weizen- 
muster, von dem das aufbewahrte Mehl stammte, frisch gemahlenes 
Mehl bereitet, und davon ein solches inaktiviertes Mehl erhalten, welches 
die Stärke energisch zersetzte. Aus alledem kann man folgern, daß 
das Weizenmehl in Berührung mit der Luft jene Eigenschaft verlor, 
in inaktivierendem Zustande auf die Stärke einzuwirken. Die dies- 
bezüglichen Versuchsdaten enthält die VII. Versuchsreihe (a = aus 
der Oberfläche des abgestandenen Weizenmehles, b = aus der Mitte 
desselben Mehles, ce = aus demselben Weizen gewonnenes, aber aus 
frisch gemahlenem Mehle stammendes inaktiviertes Weizenmehl). 


VII. Versuchsreihe. 


Die Einstellung der Versuchsreihe geschah ähnlich der I. Versuchsreihe. 
Die Daten sind Mittelwerte von untereinander gut übereinstimmenden 
parallelen Bestimmungen. 
































Tabelle VII. 
EE Mi KMn O, et Ä Glucose 
zeit a b c i a b c 
Stunden |! ccm cem cem | mg mg mg 
Zee BP — EE L ent e a 
0 | 38 4,5 | 7,0 | 60,0 72,5 115 
24 3,6 5,6 190 | 575 ` 900 330 
48 3,7 6 3 21 A | 600 ' 102,5 370 


| 

| 

| 
a 1 ccm K Mn O, entspricht 6,5 mg Cu. 


Nach den Daten der VIII. Versuchsreihe verhalten sich die aus 
frisch gemahlenem Roggen und Gerste bereiteten inaktivierten Mehle 
ähnlich dem inaktivierten Weizenmehl. 


VIII. Versuchsreihe. 


Die Bereitung und die Untersuchung der Wirkung des inaktivierten 
Roggen- und Gerstenmehls geschah nach den beim Weizenmehl 
beschriebenen Methoden. 


Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 7 

















Tabelle VIII. 
Wes WEE SEA KMn ` JI Glueese o 
EE Natives Mehl | Inaktiviertes Mehl 
u ne; RE E EE SE 
0 270 57,5 
24 432 122,5 
48 — 152,5 
0 15,7 | 2,9 Ä 70 45,0 
24 tz 7,0 | 385 115,0 
48 i 24,5 | 


9,0 442 147,5 
*) 1 ccm entspricht 6,5 mg Cu. 


Der wässerige Extrakt des inaktivierten Roggenmehls färbte 
sich mit Jodlösung rot, der des inaktivierten Gerstenmehls blau. Der 
wässerige Extrakt des Gerstenmehls mit Toluol im Thermostaten 
aufbewahrt, gab, wie es aus der IX. Versuchsreihe ersichtlich ist, nach 
Ablauf einer gewissen Zeit mit Jodlösung eine rote Färbung. 


IX. Versuchsreihe. 


Die Einstellung dieser Versuchsreihe geschah auf die in der III. Ver- 
suchsreihe beschriebene Weise. 


Tabelle IX. 
I = ungekochter Gerstenextrakt, II = gekochter Gerstenextrakt. 





| Stärkereaktion 
I | II 


! 


Versuchszeit | Stärkereaktion Versuchszeit 














Stunden || I | lI Stunden 
ee KE Par | wer a breet er San Vene ee TEL SS a ee ee 
0 l blau blau 96 | | rot blau 
4 | S - mu o e 
A8 | violett 18 0 — 


HI H 


Nach den Daten der Versuchsreihen I bis IX verlieren die Weizen-, 
Roggen- und Gerstenmehle, in Gegenwart von Wasser längere Zeit 
auf 100° erwärmt, ihre stärkeverzuckernde Eigenschaft nicht. Dem 
entgegen verlieren die aus Mehlen bereiteten wässerigen Extrakte, 
schon auf 80° erwärmt, gänzlich ihre amylolytische Wirkung. Die 
Amylase ist demnach in den Samen in zweierlei Formen vorhanden, 
und zwar als wasserlösliche thermolabile Amylase und als wasser- 
unlösliches thermostabiles Amylasezymogen; aus diesem Zymogen 
entsteht die wasserlösliche und hitzeunbeständige Amylase. Trotzdem 


8 J. Bodnár u. I. Villányi: 


die pflanzliche Amylase zu den besser bekannten und sehr viel studierten 
Enzymen gehört, ist in der Literatur über die Thermostabilität des 
pflanzlichen Amylasezymogens keine Mitteilung zu finden. Das ist 
auch leicht begreiflich, nachdem zum Studium der Eigenschaften der 
pflanzlichen Amylase der aus den pflanzlichen Objekten, so in erster 
Reihe aus Gerste (Malz) bereitete wässerige Extrakt gebraucht 
wurde; dieser Extrakt enthält aber nur die thermolabile Amylase, 
da das thermostabile Amylasezymogen wasserunlöslich und dadurch 
nicht extrahierbar ist, und daher in der mit Wasser extrahierten Sub- 
stanz zurückbleibt. 


Zuletzt führten Palladin und Popoff!) mit verschiedenen Blättern 
(Roggen, Ricinus, Akazie, Rüben) solche Untersuchungen durch, aus 
denen man folgern kann, daß in den Blättern nur ein geringer Teil 
der Amylase in freier wasserlöslicher Form vorhanden ist, der andere 
größere Teil zum Protoplasma gebunden ist und aus dieser gebundenen 
Amylase die wasserlösliche aktive Amylase frei gemacht wird. Genannte 
haben die zerriebenen Blätter mit chloroformhaltigem Wasser einige 
Tage autolysiert, filtriert, die zurückgebliebene Substanz ausgepreßt, 
mit Wasser gut ausgewaschen und wieder ausgepreßt. Trotzdem, 
daß die wasserlösliche Amylase aus den Blättern gänzlich entfernt 
wurde, zeigte die ausgewaschene Blättersubstanz eine große amylo- 
lytische Wirkung. Nachdem die gekochten Blätter die Stärke nicht 
zersetzten, wurde die an das Protoplasma gebundene Amylase durch 
Hitze vernichtet. Demgegenüber beweisen unsere später bekannt- 
zumachenden Versuche, daß nicht nur die Samen, sondern auch die 
grünen Blätter thermostabiles Amylasezymogen enthalten. 

Wenn das Weizenmehl sämtliche Amylase in wasserlöslicher Form 
enthalten würde, könnte das mit Wasser extrahierte Mehl auf die 
Stärke nicht einwirken. Als wir die Wirkung des mit Wasser mehrmals 
extrahierten Mehles auf die Stärke untersuchten, erfuhren wir, daß 
es anfangs kaum eine Wirkung auf die Stärke ausübt, später zersetzte 
es jedoch die Stärke ebenso energisch wie das mit Wasser nicht extra- 
hierte Weizenmehl. So ist aus dem Weizenmehl nur die aktive Amylase 
auslösbar ; der größte Teil der Amylase ist in Form von wasserunlöslichem 
Zymogen vorhanden, und es ist eine gewisse Zeit zur Freimachung der 
wasserlöslichen aktiven Amylase aus dem Zymogen erforderlich. Es 
ist nun fraglich, ob das Wasser nicht derartige Bestandteile (Salze) 
auslöst, welche zur Tätigkeit der Amylase notwendig sind. Nach den 
Untersuchungen von Bierry, Preti, Kendall und Shermann?) hat die 
gewöhnliche Dialyse (Auswaschen) auf die Malzdiastase keine Wirkung. 


1) W. Palladin und H. Popoff, diese Zeitschr. 128, 487, 1922. 
2) F. Czapek, Biochemie der Pflanzen, II. Aufl., 1913, S. 437. 


Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 9 


Lisbonne und Vulquin!) fanden, daß nur mit elektrischer Dialyse 
die anorganischen Salze in solchem Maße extrahiert werden können, 
daß man inaktive Amylase gewinnt, welche sodann bei Zugabe von 
Salzen sich reaktiviert. 

Über die stärkehydrolysierende Eigenschaft des nativen und 
extrahierten Weizenmehls geben die Daten der X. Versuchsreihe 
zahlenmäßige Aufklärung. 


X. Versuchsreihe. 


Es wurden 2g natives Weizenmehl mit 50 ccm toluolhaltigen 
Wassers in ein Zentrifugenrohr gebracht, nach öfterem Schütteln 
eine halbe Stunde lang stehen gelassen und sodann zentrifugiert. Dieser 
Prozeß wurde mit 50 ccm Wasser sechsmal wiederholt, und so wurden 
2g Weizenmehl siebenmal mit Wasser extrahiert. Die Einstellung 
der Versuchsreihe geschah in der bei der I. Versuchsreihe beschriebenen 
Weise, und die gewonnenen Daten sind Mittelwerte von untereinander 
gut übereinstimmenden parallelen Bestimmungen. 


Tabelle X. 
a = natives Weizenmehl, b = mit Wasser extrahiertes Weizenmehl. 





(` KMnO,* | Glucose 








Versuchszeit ii 
| a b a b 
Stunden 2 ccm cm ` A o mg | mg 
0 ee 7 | 0 | 220 0 
24,0 | 23,4 | 380 367,5 


*) Leem KMnO, entspricht 5,8 mg Cu. 


XI. Versuchsreihe. 


Diese Versuchsreihe wurde ähnlich der. V. Versuchsreihe ein- 
gestellt, mit dem Unterschied, daß statt inaktivierten Weizenmehls 
mit Wasser extrahiertes natives Weizenmehl verwendet wurde. 














Tabelle XI. 
a = natives Weizenmehl, b = mit Wasser extrahiertes natives Weizenmehl. 
E | Reakti i Reakti 
TAR | Stärkereaktion Fehling che Lösung l mit Harfocd-Resgens 
Stunden b ao j b | a Ir 
a a a E SE ee 
o | blau | biau i +++ | negativ || negativ | negativ 
24 | violett violett +++ |; ++ + +(?) 
48 | rotviolett | rotviolett | +++ Ä +++ | ++ ++ 
12 rot rot +++ +++ FET +++ 











1) l.e. 


10 J. Bodnär u. 1. Villänyi: 


Es ist bekannt, daß die keimenden Samen viel mehr Amylase 
als die ruhenden Samen enthalten; die Amylase entsteht aus dem 
Amylasezymogen während der Keimung. Auf Grund der Unter- 
suchungen von Bach und Oparin!) verhält sich der Amylasegehalt 
der ruhenden Weizensamen zu den keimenden Samen wie 1:23. 
Während der Keimung wird das Zymogen zersetzt, und so ist es höchst- 
wahrscheinlich, daß die keimenden Samen im Gegensatz zu den ruhenden 
Samen kein Amylasezymogen enthalten. Nachdem auf Grund unserer 
Untersuchungen nur das Zymogen der Amylase thermostabil ist, schien 
es interessant, Untersuchungen in der Richtung zu vollführen, ob das 
aus keimendem Weizen bereitete inaktivierte Mehl die Stärke zersetzte. 
Nach den Daten der XII. Versuchsreihe gab das aus keimendem Weizen 
bereitete, ursprünglich sehr stark aktive Mehl ein solches inaktiviertes 
Mehl, welches überhaupt auf die Stärke nicht wirkte; so enthält der 
keimende Weizen kein Amylasezymogen, es bildete sich während der 
Keimung die wasserlösliche thermolabile Amylase aus dem Zymogen. 


XI. Versuchsreihe. 


Es wurde der Versuch mit aus keimendem Weizen bereitetem, 
inaktiviertem Mehle der I. Versuchsreihe ähnlich eingestellt, und 
wir geben nur die Menge der verbrauchten KMnO,-Lösung an, aus 
welcher im Ostündigen Versuch ebensoviel verbraucht wurde als nach 
Verlauf von 48 Stunden. 


Tabelle XII. 
Versuchszeit KMn O, 8 
Stunden cm 

0 28,8, 28,3 
48 28.0, 28.5 


Das inaktivierte Mehl des keimenden Weizens mit verdünnter 
Stärkelösung vermengt, ergab auch nach Tagen mit Jodlösung eine 
reine blaue Färbung. 

Kurz erwähnten wir schon, daß es uns gelungen ist, nicht bloß 
in Samen, sondern auch in grünen Blättern die Gegenwart des thermo- 
stabilen Ampylasezymogens nachzuweisen. Diese Untersuchungen 
wurden auf folgende Weise durchgeführt: Es wurden 5 g frische Blätter 
in einem Porzellanmörser mit 1 bis 2g Merckscher Quarzsplitter gut 
zerrieben, der Inhalt des Mörsers mit 80 bis 100 ccm Wasser in einem 
Erlenmeyerkolben gespült, auf einer Asbestplatte 10 Minuten lang 
gekocht, sodann in eine Porzellanschale gebracht und auf dem Wasser- 
bade zur Trockne eingedampft. Die auf diese Weise gewonnene Sub- 





1) A. Bach und A.Oparin, diese Zeitschr. 134, 183, 1922. 


Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 11 


stanz wurde fein pulverisiert, mit 100 ccm Wasser und 2 bis 3 ccm 
Toluol vermischt, im Thermostaten bei 37° aufbewahrt, nach 24 Stunden 
abfiltriert, das Filtrat in zwei Teile geteilt und der eine Teil aufgekocht. 
Dann wurden zu beiden Teilen § ccm lproz. Stärkelösung und 2 bis 
3ccm Toluol hinzugefügt; aus den im Thermostaten aufbewahrten 
Lösungen wurden zeitweise Proben von 3 bis 4ccm entnommen und 
auf Stärke geprüft. 
XII. Versuchsreihe. 


Nach den Daten der XIII. Versuchsreihe enthalten die unter- 
suchten Blätter mit Ausnahme der Gurken -und Traubenblätter thermo- 
stabiles Amylasezymogen. Nachdem die Stärkereaktion der auf- 
gekochten Lösungen selbst nach 120 Stunden keine Änderung zeigte, 
kann die Stärkezersetzung nicht auf die Wirkung der in den Blättern 
vorhandenen Säuren zurückgeführt werden. 























Tabelle XIII. 
& = mit ungekochter Lösung, b = mit gekochter Lösung. 

Versuchszeit, Stdn. T 0 | 24 | 48 Im ` 

S 
SE, Ä er 
Versuchsblätter von a | bi a | b ` a | b l a | b 
Gurken. . . . | blau | blau || blau | blau | blau | blau blau | blau 
Mais . .. .. e | » | >» : rot no 
Kraut . e, A Se gelb TE e Be: De H 
Bohnen . ; ER | rot = rot S — 8 
Sojabohnen. . | - „ violett | „ ‚violett | „ violett | „ 
Rettig ....ı , „ | blau | „ || blau | „ rot S 
Ricinus. ... | S í | violett | „ "violett | „ violett) „ 
Zuckerrübe . . | „ j blau S rot e — x 
Kartoffel... | „ .» | rot -l gabi , — S 
Trauben `, . | A „ = blau „ =: blau » ` blau i 





Bekanntlich sind die Enzyme in Gegenwart ihrer Substrate auf 
äußere schädliche Einflüsse weniger empfindlich; nun ist es fraglich, 
wie die Abwesenheit der Stärke die Thermostabilität des Amylase- 
zymogens beeinflußt. Zur Untersuchung dieser Frage sind die Amylase- 
zymogen enthaltenden Blätter besonders geeignet, nachdem die Blätter 
leicht stärkefrei zu machen sind. Die mit den vorher im Dunkeln 
aufbewahrten Blättern durchgeführten Untersuchungen beweisen, daß 
die Thermostabilität des in Blättern vorhandenen Amylasezymogens 
nicht an die Gegenwart der Stärke gebunden ist. 

In letzterer Zeit machte Biedermann!) die interessante Entdeckung, 
daß gekochte Stärkelösung während des Stehens unter Bildung von 
Dextrin und Zucker gespalten wird. Dieser Vorgang, welchen Bieder- 


1) W. Biedermann, Fermentforsch. 1, 385, 474, 1916; 2, 488, 1919; 
4, 1, 359, 1921. 





12 J. Bodnär u. I. Villänyi: Thermostabilität usw. 


mann die Autolyse der Stärke benannte, wurde von Speichelasche, 
NaCl, CaCl}, KCI stark stimuliert. Diese Erscheinung erklärte Bieder- 
mann vorerst so, daß während der Autolyse aus der Stärke sich Amylase 
bildet; später änderte er diese Meinung derartig, daß die Stärke bei 
der Autolyse durch die Wirkung jener Amylase zersetzt wird, die aus 
den an den Stärkekörnern anhaftenden thermostabilen Amylase- 
zymogenspuren entsteht. Zur Entstehung der Amylase aus dem Zy- 
mogen sowie zur Reaktivierung einer gekochten Speichellösung ist 
Sauerstoff (Berührung mit Luft) unerläßlich!). Die auf den Stärke- 
körnern haftenden Amylasezymogenspuren stammen aus dem pflanz- 
lichen Objekt, aus welchem die Stärke hergestellt wurde; so müssen 
auch die pflanzlichen Objekte (Mehle der Stärkesamen) Amylase- 
zymogen enthalten, und zwar in größerer Menge als die aus ihnen 
gewonnene Stärke. Dies wurde durch unsere Versuche bestätigt. 

Die Hydrolyse der Stärke wird neuerdings nach Biedermann?) 
sowie nach Haehn?) und Iljin®) bloß durch einfache Salze und Salz- 
mischungen (Alkalichloride und -phosphate) durchgeführt, und bei 
diesem Prozeß hat der Luftsauerstoff auch eine entscheidende Bedeutung. 
Nach unseren im Gange befindlichen Untersuchungen scheint der 
Sauerstoff bei der Entstehung der Getreideamylase aus ihrem thermo- 
stabilen Zymogen keine Rolle zu spielen. 


1) W. Biedermann, diese Zeitschr. 129, 582, 1922. 

2) Derselbe, ebendaselbst 185, 282, 1923; 187, 35, 1923. 
3) H. Haehn, ebendaselbst 185, 587, 1923. 

t) W. S. Iljin, ebendaselbst 145, 14, 1924. 


Über die Chemie der Inkrusten des Flachses. 


Von 
Felix Ehrlich und Friedrich Schubert. 


(Aus dem Institut für Biochemie und landwirtschaftliche Technologie 
der Universität Breslau.) 


(Eingegangen am 3. Oktober 1925.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Die Chemie der Inkrusten, d.h. der die Bastfasern umhüllenden 
Substanzen in den Stengeln von Faserpflanzen, wie Flachs und Hanf, 
ist bisher nur wenig erforscht worden. Man nimmt ziemlich allgemein 
an, daß die /nkrusten des Flachses (Linum usitatissimum), der in dieser 
Hinsicht noch am meisten untersucht ist, neben Lignin und wachs- 
ähnlichen Körpern zum größten Teil aus Pektinstoffen bestehen von 
ähnlicher Art und Beschaffenheit, wie sie sonst weit verbreitet in der 
Pflanzenwelt beobachtet sind. Diese die Bastfasern des Flachses ver- 
kittenden Pektinstoffe, die ebenso wie das Lignin in kaltem Wasser 
unlöslich sind, lassen sich durch heißes Wasser, durch Säuren und 
Alkalien aus den Stengeln der Pflanze extrahieren, werden aber auch 
durch biochemische Einwirkung gewisser Mikroorganismen, der Röst- 
pilze und -bakterien, abgebaut und in Lösung gebracht, ein Vorgang, 
der bei der technischen Aufbereitung der Flachsfaser, der Flachs- 
röste, eine wichtige Rolle spielt. Im Hinblick auf diese praktische Frage 
haben sich auch schon frühzeitig viele Untersucher mit der Chemie 
des Röstprozesses und der dabei aus den Pektinstoffen sich ergebenden 


’Zersetzungsprodukte beschäftigt, unter denen neben Gasen, wie Kohlen- 


dioxyd und Wasserstoff, Alkohol, flüchtige organische Säuren, wie 
Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure und andere Zerfallstoffe der 
Gärung und Fäulnis beobachtet wurden!). Über die Chemie des Flachs- 
pektins selbst war aber bis vor kurzem nur so viel bekannt, daß es, 


1) Fribes und Winogradski, C.r. 121, 742, 1895; Beijerink und v. Delden, 
Chem. Centralbl. 1905, II, 843; Haumann, Annal. Institut Pasteur 16, 
379, 1902; J. Behrens, Die Pektingärung in Lafars Handb. d. techn. Myko- 
logie, 2. Aufl. 8, 269 bis 286. 


LA F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


ähnlich wie die Pektinstoffe anderer Pflanzen, Säurecharakter besitzt 
und daß als seine Bausteine Pentose- und Hexosegruppen zu betrachten 
sind 1). 

Ausgehend von technischen Fragen der Flachsaufbereitung hat 
dann neuerdings E.Correns?) einige Versuche über die Chemie des 
Flachspektins angestellt, wobei er sich auf die Kenntnis der früher 
erschienenen Arbeiten von v. Fellenberg?) und F. Ehrlich‘) über die 
Pektinstoffe anderer Pflanzen stützte. Correns fand im Flachspektin 
verschiedener Darstellungsverfahren Mengen von 3,7 bis 6,9 Proz. 
Methylalkohol und vermutete in diesem Pektin die Anwesenheit von 
Kohlenhydratverbindungen, wie Araban, Methylpentosen, Galaktose 
und Galakturonsäure. Er hat indes diese Verbindungen aus dem Flachs- 
pektin nicht isoliert, sondern glaubt sie nur durch die Schleimsäure- 
reaktion und durch verschiedene Farbreaktionen nachgewiesen zu 
haben, die aber, wie früher oft genug betont wurde, keineswegs ein- 
deutig sind. 

Nachdem jetzt durch Untersuchungen an der Zuckerrübe®) zum 
ersten Male ein tieferer Einblick in die qualitative und quantitative 
Zusammensetzung der Pektinstoffe einer Pflanze gewonnen worden 
ist, erschien es von besonderem Interesse, die hierbei gemachten Er- 
fahrungen auf die Durchforschung der Pektinstoffe anderer Pflanzen, 
vor allem des Flachses, zu übertragen. Es galt dabei namentlich auch 
die Frage zu klären, ob überhaupt Unterschiede im chemischen Aufbau 
des Moleküls der Pektine verschiedener Pflanzen bestehen und in 
welchem Maße, und schließlich inwieweit eine Differenzierung der 
Struktur der Pektine verschiedener Pflanzenteile, wie der Wurzeln, 
der Früchte, der Stengel usw., tatsächlich zu beobachten ist. 


Die folgenden Untersuchungen bemühen sich, die hier noch 
bestehenden Lücken unserer Kenntnisse über die Chemie der Pflanzen- 
inkrusten zu einem großen Teile auszufüllen, indem sie zum ersten 
Male einen annähernd vollständigen Überblick über die chemische Struktur 
des Flachspektins und über die Art und die Mengenverhältnisse der darin 
enthaltenen Bausteine liefern. Es gelang, die beiden Haupibestandteile des 
Flachspektins, ein Hexopentosan und die Pektinsäure, in ihre Grund- 
körper zu zerlegen und diese fast sämtlich in Substanz zu isolieren und 

1) J. Behrens, Zentralbl. f. Bakt. II, 4, 514, 1898; II, 8, 114, 1902; 
K. Störmer, ebendaselbst II, 18, 35, 1904. 

2) Faserforschung 1, 229, 1921. 

3) Diese Zeitschr. 85, 118, 1918. 

t) Chem.-Ztg. 1917, 197. 

D Vgl. die vorhergehende Arbeit von F. Ehrlich und R. v. Sommerfeld, 
diese Zeitschr. 168, 263, 1926, wo sich auch weitere Angaben über die 
Literatur der Pektinstoffe finden. 





Inkrusten des Flachses. 15 


quansiiativ zu bestimmen, so daß es auch möglich war, eine chemische 
Formel für die Pektinsäure aufzustellen, die mit den tatsächlichen 
Befunden gut übereinstimmt. 

Es steht zu erwarten, daß die Resultate der vorliegenden Arbeit 
auf pflanzenphysiologischem Gebiete zu manchen Schlußfolgerungen 
über die Rolle der Inkrusten und der Pektinstoffe in den Pflanzen, 
über ihre Entstehung und über ihr Schicksal darin führen werden. 
Sie können auch die Grundlagen bilden für biochemische Unter- 
suchungen mannigfacher Art, die sich mit der Einwirkung von Enzymen 
und Mikroorganismen auf die Pektine von Flachs und Hanf und mit 
den dabei auftretenden Umsetzungsprodukten im Hinblick auf die 
Vorgänge bei der Röste beschäftigen. Hierüber wird später zu be- 
richten sein. i 

Als Ausgangsmaterial für die folgenden Untersuchungen diente 
einige Zeit gelagerter Strohflachs, d. h. in nicht völlig ausgereiftem 
Zustande geraufte und an der Luft getrocknete Flachsstengel, die 
nicht der Röste unterworfen waren, also noch alle ursprünglich vor- 
handenen Pektinstoffe enthielten. 

Um aus solchem Material Pektin zu gewinnen, hat sich Correns!) 
des für Pektinstoffe anderer Pflanzen ausgearbeiteten Verfahrens von 
Bourquelot und Herissey?) bedient. Dieses besteht darin, daß man 
mit Alkohol zunächst alle alkohollöslichen Bestandteile aus dem Aus- 
gangsmaterial extrahiert, dann mit Wasser unter Druck erhitzt und 
die filtrierte Lösung mit der doppelten Menge Alkohol unter Zusatz 
von Salzsäure fällt. Da Correns durch einstündiges Erhitzen mit Wasser 
auf 2 Atm. Druck aus dem Strohflachs nur 0,04 Proz. Pektin erhalten 
hatte und der Alkoholverbrauch bei dieser Gewinnungsmethode ein 
sehr beträchtlicher war, schien es vor allem wichtig, zur Darstellung 
größerer Mengen Ausgangsmaterials ein geeigneteres Verfahren aus- 
zuarbeiten, das auch gestattete, die in Alkohol löslichen Spaltprodukte 
des ursprünglichen Pektins zu erfassen, die Correns bei seiner Arbeits- 
weise vernachlässigt hatte. 

Da der Begriff der Pektinstoffe sich im wesentlichen mit dem 
Teil der Inkrusten des Flachses deckt, die in kaltem Wasser unlöslich, 
mit heißem Wasser aber extrahierbar sind, schien es für die Zwecke 
eines brauchbaren Darstellungsverfahrens zunächst wichtig, ähnlich 
wie bei der Rübe, planmäßige Auslaugeversuche am Strohflachs mit 
Wasser verschiedener Temperaturgrade in verschieden langen Zeit- 
Träumen anzustellen. 


1) a. a. O. 
2) Chem. Centralbl. 1898, II, 20; 1899, I 875; II 32. 


16 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Zuvor war eine Entfernung der wasserlöslichen Substanzen des 
Saftes der Flachsstengel erforderlich. Diese gelingt leicht, wenn man 
den Strohflachs, in reichlichen Wassermengen suspendiert, vier- bis 
fünfmal unter jedesmaliger Erneuerung des Wassers bei 50 bis 60° 
einige Stunden auslaugt. Hierdurch wird er vollständig von löslichen 
Kohlenhydraten usw. befreit, ohne daß dabei die Pektinsubstanzen an 
gegriffen werden. Ä 

Bringt man den so vorbereiteten Strohflachs in kochendes Wasser, 
so gibt er bald Pektinstoffe an dieses ab. Es zeigt sich aber, daß die 
Löslichmachung des Flachspektins außer von der Temperatur sehr wesent- 
lich von der Zeitdauer der Einwirkung des heißen Wassers abhängig ist. 
Diese Tatsache hat Correns bei seinen Versuchen nicht genügend 
beachtet, woraus sich ohne weiteres die von ihm erhaltene sehr geringe 
Ausbeute an Pektin erklärt. Da andererseits das in Lösung gegangene 
Pektin durch längere Behandlung mit kochendem Wasser bereits eine 
merkbare Zersetzung erfährt, wurde zur Gewinnung eines möglichst 
wenig abgebauten Flachspektins zweckmäßig so verfahren, daß der 
mit lauwarmem Wasser vorbehandelte Strohflachs zehn- bis zwölfmal 
mit der 10- bis 20fachen Menge destillierten Wassers je 1 bis 2 Stunden 
ausgekocht wurde. Die jedesmal abgegossenen und filtrierten wässerigen 
Extrakte ergaben gesammelt, zur Trockne verdampft durchschnittlich 
6 bis 7 Proz. wasserlösliches Pektin, Hydropektin genannt, auf luft- 
trockenen Strohflachs gerechnet, in Form von hellbraunen, gelatine- 
artigen Blättchen, die äußerlich dem Hydropektin der Zuckerrübe sehr 
ähnlich waren. 

Bei dieser Art der Auslaugung verbleiben in den rückständigen 
Flachsstengeln noch recht beträchtliche Mengen von Pektinstoffen. 
Man kann diese gewinnen und kann überhaupt den ganzen Prozeß 
der Überführung des Flachspektins in die lösliche Modifikation wesent- 
lich beschleunigen und scheinbar eine größere Ausbeute daran erzielen, 
wenn man mit heißem Wasser unter einem Überdruck von 1 bis 2 Atm., 
entsprechend einer Temperatur von 120 bis 135°, extrahiert. So wurden 
z. B.in einem Falle aus 100 g lufttrockenem Strohflachs, der unter normalem 
Druck an kochendes Wasser nach siebenmaliger Auslaugung 3,17g 
Hydropektin abgegeben hatte, bei fortgesezter zwölfmaliger Auskochung 
mit Wasser unter 1 Atm. Überdruck noch 11,21g und bei weiterem fünf- 
maligen Erhitzen auf 2 Atm. schließlich 1,76 g lösliches Pektin extrahiert, 
so daß die @esamiausbeute aus lufttrockenem Strohflachs auf 16,14 Proz. 
Hydropektin anstieg oder 18,45 Proz. auf wasserfreien Strohflachs be- 
rechnet. Die durch Kochen mit Wasser unter erhöhtem Druck aus Stroh- 
flachs erzielten Extrakte zeigten aber alle Merkmale einer bereits ziemlich 
weitgehenden Zersetzung des ursprünglich gelösten Pektins. Sie waren 
je nach Steigerung des Druckes mehr oder minder dunkel gefärbt und 


Inkrusten des Flachses. 17 


getrübt, rochen stark karamelartig, zeigten höhere Acidität und er- 
geben bei der Verdampfung tief dunkel- bis schwarzbraun gefärbte, 
offenbar stark verunreinigte Pektinpräparate.. Aus diesem Grunde 
wurde für die folgenden Untersuchungen, bei denen es darauf ankam, 
ein dem ursprünglichen Flachspektin in seinem Aufbau möglichst 
angenähert konstituiertes Substrat zu erhalten, zumeist nur durch 
kochendes Wasser bei normalem Druck nach dem oben erwähnten 
Verfahren gewonnenes Hydropektin aus Strohflachs verwendet, wenn 
diese Methode sich auch langwieriger gestaltet. 

Das so erhaltene Hydropektin, das im Gegensatz zu dem ursprüng- 
lichen Flachspektin sich schon in kaltem Wasser nach anfänglichem 
Aufquellen glatt löst, ist nun keine einheitliche Substanz, sondern erweist 
sich, von geringen beigemengten Verunreinigungen abgesehen, im 
wesentlichen stets als ein Gemisch zweier voneinander total verschiedener 
Substanzen, eines vorläufig als Hexopentosan bezeichneten Kohlen- 
hydratanhydrids und eines Calcium-Magnesiumsalzes der Pektinsäure. 
Analog wie beim Rübenpektin ist nämlich das Löslichwerden des ur- 
sprünglich wasserunlöslichen Flachspektins beim Behandeln mit heißem 
Wasser nicht als ein einfacher physikalischer, sondern als ein chemischer 
Vorgang zu deuten, bei dem das Wasser selbst hydrolytisch auf das 
Urpektin des Flachses wirkt und dieses in zwei wasserlösliche Ver- 
bindungen aufspaltet, die dann beim Verdampfen der Extrakte in 
Form des auch hier der Vereinfachung halber als ‚„Hydropektin“, 
d.h. durch Wasserhydrolyse gewonnenes Pektin, benannten Substanz- 
gemisches hinterbleiben. Die Trennung des Gemisches gelingt leicht 
mittels 70proz. Alkohols, in dem sich das Hexopentosan schon in der 
Kälte löst, während das Salz der Pektinsäure darin unlöslich ist. In 
rohem Zustande sind die Mengen beider Körper in dem zunächst er- 
haltenen Gemisch ungefähr gleich. Bei verschiedensten Auslaugungen 
von Strohflachs wurden annähernd konstant auf 55 Teile Hexopentosan 
etwa 45 Teile Ca-Mg-Salz der Pektinsäure beobachtet. Die Tatsache, 
daf beide Substanzen im Hydropektin sich stets in gleichbleibenden 
Mengenverhältnissen vorfinden, macht es sehr wahrscheinlich, daß sie 
im ursprünglichen Pektinmolekül in einer chemischen Bindung vor- 
kommen, die allerdings sehr locker zu denken ist und schon durch 
heißes Wasser gesprengt werden kann. Als ein weiterer wichtiger 
Beweis hierfür dürfte auch gelten, daß aus Strohflachs, der von löslichen 
Kohlenhydraten usw. durch Auslaugen mit lauwarmem Wasser befreit, 
aber noch nicht mit heißem Wasser behandelt worden ist, durch noch so 
lange Zeit währendes Auskochen mit 70proz. Alkohol keine Spur von 
Hexopentosan zu extrahieren ist. Es kann sich also bei diesem Saccharid 
kaum um zufällige Beimengungen oder um eine neben dem Pektin im 
Flachs vorhandene Verbindung handeln, sondern man muß offenbar 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 9 


18 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


annehmen, daß die Verhältnisse hier ähnlich liegen wie beim Rüben- 
pektin!), und daß das Hexopentosan ebenso wie das Salz der Pektinsäure 
einen integrierenden Bestandteil des ursprünglichen Flachspektins aus- 
macht. Da das Hexopentosan weder durch mäßig konzentrierten 
Alkohol noch durch Bleiessig aus wässerigen Lösungen fällbar ist, so 
erklärt es sich, daß diese Verbindung der Aufmerksamkeit früherer 
Beobachter?) entgangen ist, die immer nur die mit Alkohol fällbare 
Substanz als ‚„Pektin‘‘ betrachtet haben. 


Aus den alkoholischen Lösungen des Hydropektins kann das 
Hexopentosan durch Verdampfen, Wiederaufnahme mit kaltem Wasser 
und Verdunsten der Extrakte in Form eines dunkelbraunen Körpers 
gewonnen werden. Eine weitere Reinigung desselben war nicht möglich, 
so daß auch die Frage nicht mit Sicherheit entschieden werden konnte, 
ob es sich hier um eine einheitliche Verbindung oder um ein Gemisch 
von Zuckeranhydriden handelt. Das trockene Hexopentosan zeigt 
direkt eine Linksdrehung von lol, = — 23,1’, gibt stark die Orcinreaktion 
auf Pentosen und reduziert schwach Fehlingsche Lösung, bedeutend 
kräftiger aber nach Erhitzen mit Säuren. Bei wiederholtem Auskochen 
des zunächst erhaltenen Hexopentosans mit Alkohol fallender Kon- 
zentration von 96 bis 65 Proz. erhält man Präparate mit allmählich 
steigender Linksdrehung bis zu einem Maximalwert von [a], = — 144,1°. 
Das Hexopentosan des Flachspektins verhält sich also ähnlich dem 
Araban des Rübenpektins, nur daß in letzterem Falle meist höhere 
Linksdrehungen beobachtet wurden (— 77° bis — 174°). Da die niedriger 
drehenden Fraktionen des Hexopentosans gewöhnlich mehr reduzierten 
und einen Mehrgehalt von Säure aufwiesen gegenüber den hoch- 
drehenden Fraktionen, so erscheint es wohl möglich, daß in dem 
Hexopentosan ursprünglich eine einheitliche Verbindung vorlag, die 
aber unter der Einwirkung des heißen Wassers und von Essigsäure, die 
beim Verdampfen der Extrakte aus Pektinsäure abgespalten wurde, 
eine partielle Hydrolyse zu Zuckeranhydriden und Zuckergemischen 
verschiedener Drehung erlitten hat. 


Eine weitere Aufklärung über die Zusammensetzung des Hexo- 
pentosans erbrachte seine totale Hydrolyse, die sich schon durch mehr- 
stündiges Erhitzen mittels sehr verdünnter Schwefelsäure leicht durch- 
führen ließ. Hierbei war ein Umschlagen der ursprünglichen Links- 
drehung zu einer Rechtsdrehung von ungefähr gleicher Höhe zu beob- 
achten. Während nun das Araban des Rübenpektins bei seiner Hydro- 
lyse nur l-Arabinose liefert, erwies sich der Aufbau des Hexopentosans 


1) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a. a. O. 
2) Correns, a. a. O. 


Inkrusten des Flachses. 19 


aus Flachspektin, wie schon sein Name andeutet, als wesentlich kom- 
plizierter. Aus 8,5g Hexopentosan wurde durch Aufspaltung und 
weitere Reinigung ein stark reduzierender Zuckersirup im Gewicht von 
12g mit einem Gehalt von 7,5g Gesamtzucker gewonnen, der selbst 
eine Drehung von [a]5 = + 32,6° aufwies. Der Sirup ergab alle 
Pentosenreaktionen, war aber zum Teil vergärbar, was auf die 
Anwesenheit von Hexosen hindeutete, während das ungespaltene 
Hexopentosan durch Hefe nicht angegriffen wurde. Mit Hilfe 
von Furfurolbestimmungen und kombinierten Gärverfahren mittels 
Brennereihefe und Lactosehefe ließen sich annähernd quantitativ 
folgende Mengen Kohlenhydrate im Gesamtzucker aus Hexopentosan 
feststellen : 


Pentosen . . . . 2 2 2 2 2 2. 55 Proz. 
d-Galaktose . . . . . E ee N 17 ,„ 
d-Fructose . . . 2 2 2 2 20.0. 20 ,, 


Von den Pentosen war die l-Arabinose durch die Darstellung ihres 
Benzylphenylhydrazons und Diphenylhydrazons scharf zu charakte- 
risieren. Von den durch verschiedenartige Hefen vergärbaren Zuckern 
ließ sich die d-Galaktose durch ihr Benzylphenylhydrazon sowie durch 
ihre Oxydation zu Schleimsäure deutlich nachweisen, die d-Fructose 
außer durch ihre Vergärbarkeit mittels der obergärigen Heferasse XII 
durch den stark positiven Ausfall der Seliwanoff-Weehutzenschen 
Reaktion mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen. Beweise für die 
Anwesenheit anderer Hexosen waren nicht zu erbringen. Methyl- 
pentosen waren ebenfalls nicht vorhanden. 


Nimmt man unter Berücksichtigung der unvermeidlichen Versuchs- 
fehler das oben ermittelte Mengenverhältnis der einzelnen bei der 
Hydrolyse erhaltenen Kohlenhydrate als Grundlage, eo müßte dem- 
zufolge das Hexopentosan des Flachspektins aus 3 mol Pentosen, 1 mol 
Galaktose und Toma Fructose aufgebaut sein. Wenn man weiterhin 
annimmt, daß diese 5 Moleküle Zucker unter Austritt von 4 Molekülen 
Wasser das Molekül des Polysaccharids gebildet haben, so ließe sich die 
Bruttoformel und die Hydrolyse des Hexopentosans durch folgende 
Gleichung darstellen: 


Ca HasO23 + 4 H30 = 3C,H,,0, + CH 20, + Ce H1206 
Hexopentosan Pentose d-Galaktose d-Fructose 


In der Voraussetzung, daß die 3 Moleküle Pentose ausschließlich 
aus l-Arabinose bestehen, würde sich die Gesamtdrehung der aus 
Hexopentosan abgespaltenen 5 Moleküle Zucker zu [a]p = + 55,50 

2% 


20 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


berechnen!). Diesem Werte gegenüber erscheint die oben gefundene 
Mischdrehung + 32,60 der bei der Hydrolyse des Hexopentosans er- 
haltene Zucker um ein beträchtliches zu niedrig, so daß man hieraus 
folgern muß, daß neben Arabinose noch eine niedriger drehende Pentose 
in dem Zuckergemisch vorhanden war. Als solche kann nur die 
l-X ylose in Betracht kommen, deren spezifische Drehung [a], = + 1% 
gegenüber + 105° der l-Arabinose beträgt. Direkte Beweise für die 
Existenz dieses Kohlenhydrats ließen sich in diesem Falle allerdings 
nicht erbringen, was bei dem Mangel geeigneter Methoden zur Ab- 
scheidung kleiner Mengen von Xylose aus derartig heterogen zusammen- 
gesetzten Zuckergemischen nicht verwundern kann. Weder war eine 
Isolierung als Hydrazon, noch in Form des typischen Doppelsalzes 
der Xylonsäure mit Bromcadmium trotz vielfacher Versuche möglich. 
Dagegen gelang »päter glatt der Nachweis der 1-Xylose in der Pektin- 
säure des Flachspektins. Diese Tatsache und die folgende Kalkulation 
machen es äußerst wahrscheinlich, daß auch im Hexopentosan 1-X ylose 
neben 1-Arabinose vorhanden ist. Macht man nämlich die durchaus 
plausible Annahme, daß von den 3 Molekülen Pentose 2 Moleküle aus 
l-Arabinose und 1 Molekül aus l-Xylose bestehen, so würde sich die 
Gesamtdrehung der Zucker aus Hexopentosan zu [a]p = + 39,6° 
berechnen, während + 32,6% gefunden wurde. Die beobachtete geringe 
Differenz zwischen diesen Werten liegt aber innerhalb der Fehler- 
grenzen, wenn man die Schwierigkeiten der analytischen Methodik 
bei derartigen Bestimmungen berücksichtigt und bedenkt, daß bei 
der langdauernden Hydrolyse des Polysaccharids mit Schwefelsäure 
die Bildung von Reversions- und Zersetzungsprodukten, die auf die 
Gesamtdrehung einen entsprechenden Einfluß ausübten, unvermeidlich 
war. Unter diesen Voraussetzungen würde man also das alkohol- 
lösliche Hexopentosan des Flachspektins, wenn es sich hier wirklich um 
einen einheitlichen Körper und nicht um ein Gemisch von Pentosanen 
und Hexosanen handelt, als ein G@alaktan-Fruktosan-X ylan-Di- Araban 
zu betrachten haben. 


Dem rohen Hexopentosan, wie es sich zunächst beim Verdampfen 
der alkoholischen Lösungen des Hydropektins ergibt, ist regelmäßig 
in Mengen bis zu 25 Proz. ein eigentümlicher harzartiger Körper, eine 
Harzsäure, beigemengt, die sich in vieler Hinsicht dem Lignin sehr 
ähnlich verhält. Nach Auswaschen mit kaltem Wasser, wiederholtem 
Lösen in Natronlauge und Fällen mit Salzsäure gewinnt man die Harz- 
säure als ein dunkelbraunes Pulver, das, in Säuren und Wasser fast 
unlöslich, von Kohlenhydraten frei ist und sich in verdünntem Alkohol 


1) Hierbei ist die spezifische Drehung [a]p der l-Arabinose zu + 105°, 
der d-Galaktose zu + 80,5°, der d-Fructose zu — 93° angesetzt. 


Inkrusten des Flachses. 21 


und Alkalien mit tiefbrauner Farbe löst. Die gereinigte Verbindung, 
die auch darin dem Lignin ähnelt, daß sie die von Marcusson!) für 
Furankörper als charakteristisch beschriebenen Schwelreaktionen in 
typischer Weise gibt, wurde vorläufig nicht weiter untersucht. Ob es 
sich hier um einen Begleiter des Pektins aus anderen Inkrusten des 
Flachses her handelt oder um einen Bestandteil des Flachspektins 
selbst, läßt sich daher zunächst nicht entscheiden. Immerhin ist es 
bemerkenswert, daß diese Ligninharzsäure aus den zuckerfreien Flachs- 
stengeln direkt mit verdünntem Alkohol nicht zu extrahieren war, dagegen 
stets aus dem mit heißem Wasser erhaltenen Hydropektin und außer 
als Beimengung des Hydropektins auch bei der Hydrolyse des Hexo- 
pentosans und der Pektinsäure in kleineren Mengen beobachtet wurde. 
Es ist wohl möglich, daß es sich hier um eine Umwandlungssubstanz 
des ursprünglichen Flachspektins zu anderen ligninartigen Körpern 
handelt, die sich noch mit der Mutiersubstanz in lockerer Bindung be- 
finden. Hierüber sollen weitere Untersuchungen Aufklärung ver- 
schaffen. 


Vom Standpunkt der Pektinchemie mußte sich das besondere 
Interesse der in ungefähr gleichen Mengen neben dem Hexopentosan 
vorhandenen zweiten Komponente des Hydropektins zuwenden, dem 
Calcium- Magnesiumsalz der Pektinsäure. 


Dieses Salz hinterbleibt als graubraune, körnige Masse bei voll- 
ständiger Extraktion des Hydropektins mit 70proz. Alkohol. Durch 
wiederholtes Lösen in Wasser, Klären und Fällen der filtrierten Lösung 
mit Alkohol gewinnt man daraus zu etwa 50 Proz. das annähernd reine 
Salz als fast farbloses Pulver, das schon in kaltem Wasser mit schwach 
hellgelber Farbe löslich ist und neutral reagiert. Sein Aschengehalt 
wurde konstant zu etwa 6,3 Proz. gefunden und bestand regelmäßig 
im wesentlichen aus Calcium und Magnesium neben Spuren von Eisen 
und Kieselsäure. Die einheitliche Beschaffenheit des bei verschiedenen 
Darstellungen gewonnenen Salzes bewies auch seine spezifische Drehung, 
die in ziemlicher Konstanz annähernd zu [a]» = + 93° beobachtet 
wurde. Das vollkommen getrocknete Salz enthielt 40,28 Proz. C und 
5,69 Proz. H. Sein Gehalt an Methoxyl wurde durchschnittlich zu 
3,6 Proz. CH,O gefunden. Bei der Destillation mit Salzsäure ergab 
das Salz Furfurol in einer Menge, die scheinbar 38,80 Proz. Pentose 
entsprach. 


Aus der wässerigen Lösung des Calcium-Magnesiumsalzes läßt 
sich nach Zusatz von Salzsäure durch überschüssigen Alkohol die 





1) Ber. 58, 869, 1925. 


22 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


freie Pektinsäure!) in Form von gallertartigen Flocken fällen, die beim 
Behandeln und Waschen mit Alkohol und Äther zu einem feinen, farb- 
losen Pulver zusammenschrumpfen. In einfacherer Weise, ohne vor- 
herige Isolierung des Ca-Mg-Salzes, kann man die Pektinsäure direkt 
aus den wässerigen Lösungen des Hydropektins durch Fällen mit 
Alkohol und Salzsäure gewinnen und durch Umlösen und Wieder- 
fällen weiter reinigen. Auch die mehrfach gereinigte Säure enthält 
immer noch etwas Asche, deren Gehalt auch durch wiederholte Um- 
fällung nicht unter 0,8 Proz. sinkt. 

Die Pektinsäure aus Flachspektin zeigt in ihren physikalischen 
und chemischen Eigenschaften große Ähnlichkeit mit der Pektinsäure 
des Rübenpektins. Wie diese stellt sie ein reversibles Kolloid dar, das 
beim Benetzen mit Wasser aufquillt und schon in kaltem Wasser mit 
schwach gelblicher Farbe löslich ist. Die lufttrockene Substanz enthält 
stets noch Wasser gebunden, dessen Menge je nach dem Feuchtigkeits- 
grad der Luft zwischen 12 bis 15 Proz. schwanken kann und das bei 
105 bis 110° oder noch gründlicher im Vakuum bei 100° über P,O; 
wegzutrocknen ist. Die vollständig getrocknete Verbindung zieht an 
der Luft, ohne sich äußerlich zu verändern, wieder Wasser in den an- 
gegebenen Mengenverhältnissen an. Daß es sich um eine hochmolekulare 
Substanz handelt, zeigt die Molekulargewichtsbestimmung in wässeriger 
Lösung nach der Gefrierpunktsmethode, die ein Molekulargewicht der 
trockenen Säure von 1421 ergab. Doch ist die eigentliche Molekular- 
größe der getrockneten Verbindung offenbar um etwa 15 Proz. niedriger 
zu veranschlagen, d.h. um den Betrag, bis zu dem die Säure Kon, 
stitutionswasser‘ aus der Lösung angezogen hat. Die vollkommen 


1) Hier und im folgenden ist für das Pektin und seine Abbauprodukte 
die Nomenklatur beibehalten, die früher zuerst beim Rübenpektin von 
mir angegeben wurde (F. Ehrlich, Chem.-Ztg. 1917, S.197; Deutsch. Zucker- 
ind. 1924, Nr. 36; F. Ehrlich und o Sommerfeld, diese Zeitschr., 168, 
263, 1926.) Danach wird der in den Pflanzen ursprünglich vor- 
handene, in kaltem Wasser unlösliche Körper als eigentliches Pektin an- 
gesehen, das durch heißes Wasser zu Hydropektin hydrolysiert wird. Die 
hieraus durch Alkohol und Salzsäure zu gewinnende Verbindung, eine 
Estersäure, wird als Pektinsäure bezeichnet, da sie wohl dem Pektin in 
ihrem Grundaufbau noch sehr nahe steht, aber durch die Wasserhydrolyse 
und den Aschenentzug doch weitgehende Denaturierung erfahren hat. 
Frühere Forscher haben diese denaturierte Verbindung nicht sehr glücklich 
„Pektin‘ genannt und als ‚„Pektinsäure‘‘ schwerlösliche Substanzen be- 
trachtet, die durch Säure- oder Alkalispaltung aus wässerigen Pektinlösungen 
sich ergaben und von denen wir heute wissen, daß sie im wesentlichen 
aus Anhydriden der Galakturonsäure bestehen. Es erscheint mirzweckmäßiger, 
für diese Verbindungen besser die rein chemischen Namen wie Di-, Tetra-, 
Polygalakturonsäure einzuführen. Vgl. auch das am Ende dieses Abschnitts 
befindliche Schema des Abbaus des Pektins. F. Ehrlich. 





Inkrusten des Flachses. 23 


gereinigte Pektinsäure reagiert gegen Lackmus und Phenolphthalein 
deutlich sauer und zeigt die Eigenschaften einer mittelstarken Pflanzen- 
säure entsprechend ihrer H-Ionenkonzentration von pe = 4,2. Die 
‘Lösungen der Säure und ihres Ca-Mg-Salzes geben mit Lösungen von 
Metallsalzen sowie mit Kalk- und Barytwasser flockige, zum Teil 
gelatinöse Niederschläge. Wie ihr Salz, so dreht auch die freie Säure 
deutlich nach rechts. Verschiedene Präparate der Pektinsäure zeigten 
ein spezifisches Drehungsvermögen, dessen Werte zwischen [a], = +930 
bis + 120 schwankten. 


Ebenso wie die Rüben-Pektinsäure erweist sich auch die Flachs- 
Pektinsäure als eine Estersäure, deren Carboxylgruppen teils frei, 
teils an Meihylalkohol gebunden sind. Die Methylestergruppen sind 
durch Alkalien schon in der Kälte leicht verseifbar!) und der durch 
kalte Natronlauge oder Barytwasser abgespaltene Methylalkohol kann 
direkt bereits auf diesem Wege durch Rücktitration quantitativ be- 
stimmt werden. Die hierbei ermittelten Werte für den Gehalt der 
Pektinsäure an Methylalkohol stimmten gut überein mit den nach 
der Methode von Zeisel-Fanto-Stritar gefundenen Zahlen. Durch- 
schnittlich betrug der Gehalt an Methoxyl 3,8 bis 4,1 Proz. C H,0, 
während in der Rüben-Pektinsäure Mengen von 6 bis zu 9 Proz. beob- 
achtet wurden?). 


Die bis dahin als Baustein der Pektinstoffe nicht bekannte und 
zuerst im Rübenpektin?) nachgewiesene Essigsäure wurde auch in der 
Pektinsäure des Flachses als wesentlicher Bestandteil ermittelt. Sie 
ist in Form von Acetylgruppen an die Pektinsäure gebunden und 
daraus am einfachsten durch Erhitzen mit Barytwasser abzuspalten, 
ein Verfahren, das kombiniert mit nachfolgender Wasserdampf- 
destillation der sauren, von Ameisensäure befreiten Lösung zur Be- 
stimmung der Essigsäure benutzt wurde. Die Ausbeute an Essigsäure, 
die man durch Titration feststellte und als Bariumacetat noch näher 
:charakterisierte, belief sich auf 8,6 Proz., bezogen auf trockene Pektin- 
säure. Die gleiche Verbindung des Rübenpektins enthielt dagegen 
ll bis 12 Proz. Essigsäure. 


Es ist wohl möglich, daß sich der niedrigere Gehalt des Flachs- 
pektins an Essigsäure und Methylalkohol dadurch erklären kann, daß 
durch hydrolytische Wirkung des heißen Wassers oder von Säuren bei 
der Darstellung oder schon vorher durch Fermente in dem ursprüng- 
lichen Flachs eine partielle Abspaltung von Acetyl- und Methoxyl- 


gruppen erfolgt ist. 


1) v. Fellenberg, a a O. 
2) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a.a. O. 


24 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Von größtem Interesse für die Chemie des Flachspektins ist nun, 
daß der Hauptkomplex der daraus hergestellten Pektinsäure ebenso 
wie beim Rübenpektin!) aus Molekülen der d-Galakturonsäure auf- 
gebaut ist. Schon der positive Ausfall verschiedener Farbreaktionen, ° 
wie der Orcin- und Naphthoresorcinreaktion, der Furfurolbildung bei 
der Salzsäuredestillation, der Schleimsäurebildung bei der Oxydation 
mit Salpetersäure, konnten in Verbindung mit den früheren Beob- 
achtungen die Vermutung nahe legen, daß innerhalb des Pektinsäure- 
moleküls eine Kohlenhydratsäure mit Aldehyd- oder Ketogruppen vor- 
handen sein müßte. Der Nachweis mittels dieser Reaktionen, die auch 
Correns?) mit seinen Pektinpräparaten aus Flachs angestellt hat, war 
aber keineswegs eindeutig, da weiterhin in der Pektinsäure auch 
Galaktose und Pentosen gefunden wurden, die bekanntlich ebenfalls 
mehrere der erwähnten Reaktionen geben. 


Der entscheidende Nachweis dafür, daß die zuerst von F. Ehrlich?) 
im Rübenpektin aufgefundene d-Galakturonsäure einen normalen inte- 
grierenden Bestandteil des Pektins und der Pektinsäure auch des Flachses 
bildet, gelang uns erst durch die Isolierung eines dimolekularen An- 
hydrids der d-Galakturonsäure von der Formel OC Haha und der 
kristallisierten monomolekularen d-Galakturonsäure C,H,,O, zu erbringen. 


Die Behandlung der Pektinsäure aus Flachs mit 2proz. Salz- 
säure bei Wasserbadwärme lieferte in einer Ausbeute von etwa 
10 Proz. eine wasserlösliche, durch Alkohol fällbare, stark rechisdrehende 
Säure, die mit gleichen Eigenschaften auch durch Einwirkung 
von Barytwasser in der Kälte und nachfolgende Abtrennung mit 
Schwefelsäure und Alkohol gewonnen werden konnte. Ihre Titrierbarkeit 
mit Alkali gegen Phenolphthalein und ihre Wasserstoffionen- 
konzentration von py = 3,4 zeigt, daß es sich um eine wirkliche Säure 
handelt. Im Gegensatz zur Pektinsäure enthielt sie keine weiteren 
Monosaccharide, trotzdem war aber deutliche Orcin- und Naphtho- 
resorcinreaktion zu beobachten, sie lieferte ferner bei Oxydation . 
Schleimsäure, bei Destillation mit Salzsäure Furfurol und Kohlensäure 
und gab mit Schwermetallsalzen und Erdalkalien flockige, zum Teil 
gelatinöse Niederschläge. In wässeriger Lösung zeigte sie die hohe 
spezifische Drehung [a]p = + 236°. Durch dieses Verhalten und durch 
die Befunde der Elementaranalyse und der Molekulargewichts- 
bestimmung wurde erwiesen, daß hier eine Verbindung von der Formel 
2C,H,00, — 2H,0 = C2 Hiethe oder genauer C,,H,},0,(C0,H), vorlag, 


1) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a. a. O. 

2) a.a. O. 

3) F. Ehrlich, Chem.-Ztg. 1917, S. 197; Deutsche Zuckerind. 1924, 
Nr. 36; Chem. Centralbl. 1924, II, 2797; F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a a. O. 


Inkrusten des Flachses. 25 


die in allen ihren Eigenschaften und in ihrer Zusammensetzung völlig 
übereinstimmte und identisch war mit der zuerst aus Rübenpektin 
isolierten zweibasischen Digalakturonsäureb. Trotz vielfacher Ab- 
änderung der Versuche war es nicht möglich, die aus Rüben-Pektinsäure 
hauptsächlich erhaltene isomere Digalakturonsäure a, die in Wasser 
schwer und in Salzsäure unlöslich ist, auch aus Flachspektin zu ge- 
winnen. Dieser negative Befund könnte darauf hindeuten, daß, so 
nahe chemische Verwandtschaft auch die beiden Pektinsäuren auf- 
weisen, doch gewisse Unterschiede in der Bindung der Galakturon- 
säuregruppen in ihren Molekülen vorhanden sein müssen. Auf diese 
Fragen werden indes erst weitere eingehende Untersuchungen sichere 
Antwort geben können. 


In bedeutend größerer Ausbeute, bis zu 40 Proz. und mehr, ließ 
sich nun regelmäßig neben der Digalakturonsäure b bei der Salzsäure- 
hydrolyse der Pektinsäure stets auch in Form ihres Ca-Salzes die 
monomolekulare d-Galakturonsäure isolieren. Dieselbe Säure entsteht 
ausschließlich, wenn Pektinsäure lange Zeit bis zur Aufspaltung aller 
Zwischenprodukte mit verdünnter Schwefelsäure gekocht wird, wobei 
es gelang, über das Bariumsalz einen spontan kristallisierenden Säure- 
sirup zu gewinnen. Die in geringen Mengen erhaltene, aus Wasser 
umkristallisierte Substanz reagierte stark sauer, reduzierte in der Hitze 
kräftig Fehlingsche Lösung, gab deutlich die Orcin- und Naphtho- 
resorcinreaktion und wurde bereits in der Kälte durch Brom zu Schleim- 
säure oxydiert. Außer durch diese Eigenschaften erwies sich die isolierte 
Verbindung durch ihre Kristallform und durch ihre Drehung als 
identisch mit der aus Rübenpektin zuerst dargestellten d-Galakturon- 
säure. Die kristallisierte Säure zeigte allerdings, da sie aus wässeriger 
Lösung abgeschieden war, keine Mutarotation, sondern sofort eine 
konstante Drehung von [a]» = + 52,7, die aber recht gut mit dem 
Werte der Enddrehung (+ 53,4%) der aus Rübenpektin früher er- 
haltenen Galakturonsäure übereinstimmt. Die geringe Ausbeute an 
kristallisierter Galakturonsäure, die sich bei den Versuchen ergab, 
ist leicht dadurch erklärbar, daß die ursprünglich aus der Pektinsäure 
abgespaltene Galakturonsäure durch die langdauernde Einwirkung 
der Mineralsäure weitergehende Zersetzungen zu nicht kristallisierenden 
sirupösen Abbauprodukten erfahren hat. Unter diesen findet sich eine 
in den Mutterlaugen angereicherte, schon in der Kälte Fehlingsche 
Lösung stark reduzierende Substanz, die noch die Pentosenreaktionen 
gibt, wahrscheinlich also ein Furanderivat ist. 


Bei der Hydrolyse der Pektinsäure ergaben sich in Form der Disäure 
und des Ca-Salzes der Monosäure im ganzen etwa 56 Proz. Galakturon- 
säure. Um ihren Gehalt in der Pektinsäure noch genauer zu bestimmen, 


26 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


wurde reine trockene Pektinsäure nach Tollens-Lefevre!) mit 12proz. 
Salzsäure erhitzt und das dabei abgespaltene Kohlendioryd quantitativ 
bestimmt. Danach berechnet enthält die Pektinsäure aus Flache 
61 Proz. Galakturonsäure, weist also diesen Hauptbaustein in ähnlichen 
Mengenverhältnissen auf, wie er früher in der Rüben-Pektinsäure ge- 
funden wurde (65 Proz.). Hierbei muß allerdings die Frage vorläufig 
noch ungeklärt bleiben, ob abweichend vom Rübenpektin die Flachs- 
Pektinsäure neben Galakturonsäure nicht etwa noch Glykuronsäure 
enthält, da doch beide Uronsäuren bei der Säuredestillation CO, ab- 
spalten. Auch bei den obigen Isolierungsversuchen der Galakturon- 
körper könnte unter Umständen die Glykuronsäure übersehen worden 
sein, da einmal die Abscheidung nicht quantitativ durchzuführen war 
und da es auch zurzeit an sicheren Methoden zur Trennung und Be- 
stimmung von kleinen Mengen der beiden in vieler Hinsicht sehr 
ähnlichen Verbindungen nebeneinander fehlt?). Für die Anwesenheit 
von Glykuronsäure neben Galakturonsäure im Flachspektin könnte 
folgende theoretische Überlegung sprechen. Genetisch läßt sich die 
Bildung von l-Arabinose im Araban und in der Pektinsäure des Rüben- 
pektins im Pflanzenorganismus mit großer Wahrscheinlichkeit so er- 
klären, daß aus primär entstandener d-Galakturonsäure Kohlendioxyd 
nach folgender Gleichung abgespalten, 


C,H,0,.C0,H = CO, + C,H,00;, 


und daß dabei sekundär /!-Arabinose gebildet wird. Nach derselben 
Bruttogleichung wäre aber auch die Möglichkeit des Zerfalls der 
d-Glykuronsäure in Kohlendioxyd und l-Xylose gegeben, eine Reaktion, 
die unter natürlichen Bedingungen zuerst Salkowski und Neuberg?) 
beim bakteriellen Abbau der Glykuronsäure aufgezeigt haben. Daß 
von den beiden Pentosen im Rübenpektin nur l-Arabinose, im Flachs- 
pektin aber, wie später näher gezeigt wird, neben l-Arabinose auch 
l-Xylose gefunden wurde, wäre unter diesen Gesichtspunkten vielleicht 
so zu deuten, daß im Pektin der Rübe nur d-Galakturonsäure, im Pektin 
des Flachses aber neben dieser Uronsäure auch d-Glykuronsäure vor- 
kommt. Hierüber werden mit Sicherheit erst weitere eingehende 
Untersuchungen unter Anwendung verbesserter Analysenmethoden 
Aufschluß geben können. 


1) Ber. 40, 4513, 1907. 

2) Die Überführung der Uronsäuren in Schleimsäure und Zuckersäure 
ist im vorliegenden Falle wenig brauchbar, da die Oxydationen an sich 
nicht quantitativ verlaufen und hier noch durch die Gegenwart von Galaktose 
und Pentosen gestört werden. 

3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 86, 261, 1902; 87, 464, 1903. 





Inkrusten des Flachses. i 21 


Die genaue Erforschung der Zusammensetzung der Flachs- Pektin- 
säure führte nun weiterhin zu dem Ergebnis, daß außer den bisher 
aufgefundenen Bestandteilen, dem Methylalkohol, der Essigsäure und 
der alle anderen der Menge nach überwiegenden d-Galakturonsäure 
noch in ihrem Molekül drei Monosaccharide vorhanden sind, nämlich 
die l- Arabinose, die l-X ylose und die d-Galaktose. Ihre Isolierung gelang 
aus den alkoholischen Filtraten, die man erhält, wenn man Pektinsäure 
durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure total hydrolysiert, die 
Schwefelsäure mit Bariumcarbonat ausfällt und das noch in Lösung 
befindliche Bariumgalakturonat mit Alkohol niederschlägt. 


Es könnte hier zunächst der Einwand gemacht werden, daß diese 
Zuckerarten nicht dem Molekül der Pektinsäure angehören, sondern 
ursprünglich in einer alkoholunlöslichen Anhydridform, nach Art von 
Pentosanen oder Hemicellulosen, der Pektinsäure oder dem Pektin 
beigemengt waren und mit diesen Stoffen zusammen der Hydrolyse 
unterlagen. Gegen diese Vermutung spricht aber das ganze chemische 
Verhalten der Pektinsäure, die sich, wie viele Reihen von Beobachtungen 
erkennen lassen, analog der Rüben-Pektinsäure als ein einheitlicher 
Körper erwiesen hat. Zufolge der weiteren Untersuchungen wird man 
vielmehr als sichergestellt annehmen müssen, daß der aus Arabinose, 
Xylose und Galaktose aufgebaute Trisaccharidkomplex in glykosidartiger 
Bindung im Pektinsäuremolekül (ähnlich wie die Galakturonsäure- 
moleküle, unter sich) relativ fest verankert ist und daß sich erst bei 
der Säurehydrolyse regelmäßig in konstanten Mengenverhältnissen 
die einzelnen Zuckerarten neben der Galakturonsäure daraus 


abspalten. 

Die aus der Pektinsäure abgespaltenen Kohlenhydrate wurden 
teils kristallisiert gewonnen, wie die Xylose und Galaktose, teils durch 
Derivate und durch Bestimmung der Drehung näher charakterisiert. 
Von der Arabinose und Galaktose wurden die Benzylphenylhydrazone 
dargestellt, durch Oxydation die Galaktose in Schleimsäure, die X ylose 
in das typische xylonsaure Bromcadmiumsalz übergeführt. Durch 
Titration des erst erhaltenen Zuckergemisches, aus der Furfurol- 
bestimmung nach Destillation mit Salzsäure und aus der Vergärung 
mit Lactosehefe ergaben sich annähernd folgende Mengen der einzelnen 
Zuckerarten, bezogen auf reine, trockene Pektinsäure: 


l1-Arabinose . . . . 2. 2 2 202. 10,9 Proz. 
l-Xylose . . 2... 22 2200. 10,9 ,„ 
d-Galaktose . . . . 2 22.02. 13,6 ,, 


Ebenso wie im Rübenpektin waren auch im Flachspektin Methyl- 
pentosen nicht nachweisbar. Sowohl die sehr charakteristische Reaktion 


28 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


von Rosenthaler!) wie die von Tollens- Widtsoe?) für diese Verbindungen 
fielen im Hydropektin und in der Pektinsäure des Flachses und in den 
entsprechenden Salzsäuredestillaten in allen Fällen negativ aus. Die 
von Correns?) angegebenen Nachweise von Methylpentosen oder daraus 
destilliertem Methylfurfurol im Flachspektin mittels Resorcin oder 
a-Naphthol erscheinen nicht stichhaltig, da auch Zersetzungsprodukte 
anderer Kohlenhydrate dieselben Färbungen geben. Ebensowenig für 
die vorliegenden Zwecke brauchbar ist die von v. Fellenberg‘) benutzte 
Alkohollöslichkeit eines angeblich aus Methylpentosen des Pektins 
gewonnenen Methylfurfurolphloroglucids, worauf zuerst Votocek5) und 
später Tollens®) eine Methode zur Bestimmung dieser Zucker begründet 
haben. Diese alkohollöslichen Stoffe des Phloroglucidniederschlags 
stammen in diesen Fällen offenbar aus einer ganz anderen Quelle her, 
nämlich aus der Galakturonsäure, die, wie sich gezeigt hat, bei der 
Destillation mit Salzsäure regelmäßig mit Phloroglucin 7 bis 8 Proz. 
alkohollösliche Substanzen liefert, ohne daß auch nur eine Spur un 
furfurol in den Destillaten nachweisbar wäre. 

Zieht man abschließend nunmehr die Summe der Mengen aller 
dieser im einzelnen nachgewiesenen und bestimmten Bausteine des 
Moleküls der Pektinsäure des Flachspektins, so ergibt sich nachstehende 
Übersicht, die gleichzeitig beweist, daß andere Bestandteile neben den 
von uns gefundenen kaum noch in Frage kommen können. 

Die vollkommen getrocknete Flachs-Pektinsäure liefert demnach 
bei totaler Aufspaltung folgende Substanzmengen: 


d-Galakturonsäure (+ d-Glykuronsäure ?) . 61,15 Proz. 


Methylalkohol . . . . 2 2 2 2 2220. 4,13 „ 
Essigsäure . .. 2 2 2 2 nn a 8,62 „ 
l-Arabinose . . . 2 2 2 2 2 2 2 2 2 a 10,9 „ 
EXylose < 5% Su u a wei 10,9 „, 
d-Galaktose . . . 2. 2 2 2 2 2 2 2 2 0. 13,6 ,, 
Asche (als Carbonat). . . . 2. 2.2... 1,0 „ 
Im ganzen. . . 110,3 Proz. 


Da bei der Hydrolyse der Pektinsäure entsprechende Mengen 
Wasser aufgenommen werden, über die sich zunächst nichts aussagen 


1) Zeitschr. f. analyt. Chem. 48, 167, 1909. 

2) Ber. 88, 143, 1900. 

3) a. a. O. 

1) a. a. O. 

5) Ber. 80, 1195, 1897. 

€) Ellett und Tollens, Ber. 88, 492, 1905; IV. Mayer und Tollens, Ber. 40, 
2441, 1907. 


Inkrusten des Flachses. 29 


läßt, so muß naturgemäß die Gesamtmenge der Bausteine nicht un- 
beträchtlich mehr als 100 Proz. betragen. 


Wenn auch durch Vervollkommnung der Darstellungs- und 
Analysenmethoden einzelne der erhaltenen Zahlenwerte vermutlich 
später noch geringe Korrekturen erfahren werden, so ist es doch jetzt 
bereits möglich, sich ein annähernd ri:htiges Bild von der Zusammen- 
setzung der Flachs-Pektinsäure zu machen, und es erscheint durchaus 
gangbar, auf Grund dieser Analysenergebnisse und auf Grund der 
ermittelten Molekulargröße eine Bruttoformel dieser Verbindung ab- 
zuleiten. Geht man nämlich von der Annahme aus, daß 4 Moleküle 
Galakturonsäuret!), 2 Moleküle Methylalkohol, 2 Moleküle Essigsäure 
und je 1 Molekül Arabinose, Xylose und Galaktose sich unter Austritt 
von 10 Molekülen Wasser zusammengeschlossen haben, so wäre die 
Brutioformel der Flachs-Pektinsäure C Deele, und die Hydrolyse dieser 
Verbindung wäre durch folgende Gleichung zu veranschaulichen: 


Cas Hee ae + 10 H20 = 4C,H,,0, + 2CH,0OH 
Flachs-Pektinsäure Galakturonsäure Methylalkohol 
+ 2CH,C0O,H + C,H,,0; + Cs H100; + Geist 

Essigsäure Arabinose Xylose Galaktose 


Die Flachs-Pektinsäure wäre also als eine Diaceyl-Arabino-X ylo- 
Galakto-dimethoxy-T etragalakturonsäure aufzufassen. 


Die nachfolgende Zusammenstellung der aus der Theorie er- 
rechneten und der experimentell gefundenen Prozentzahlen für die 
einzelnen Bausteine und für das gesamte Molekül der Pektinsäure gibt 
einen recht guten Beweis für die Richtigkeit der aufgestellten Formel 
und Gleichung: 











l, | Prozente des Moleküls der 
Molekular» Flaehs»Pektinsäure 
i gewicht | 








berechnet | gefunden °) 
ge ehren eg = Ee 





Mol. Galakturonsäure . . .. . 

















4 | 61,15 
2 „ Methylalkohol ..... . | 4,13 
2 „ Essigsäure. ....... 8,62 
l „ Arabinose........ | 10,90 
EH, et DEE EEGENEN 10,90 
l > Galaktose. ....... 13,60 
109,30 
— 10 Mol H,O = — 14,25 
Cae Hes Os 95,05 
Asche: 1,00 

”) In der vollkommen getrockneten Pektinsäure. 96,05 


l 1) Es bleibe hierbei zunächst noch unentschieden, ob und inwieweit 
diese etwa durch Moleküle der Glykuronsäure ersetzt sind. 


30 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Durch die Methode der Gefrierpunktserniedrigung wurde ein 
Molekelgewicht der trockenen Pektinsäure von 1421 gefunden, das 
leidlich mit dem theoretisch errechneten Werte von 1260 stimmt, 
wenn man berücksichtigt, daß es sich um eine kolloidale, nicht ganz 
vollkommen von Aschebeimengungen befreite Substanz handelt. Die 
Übereinstimmung ist aber eine merkwürdig gute, wenn man die nicht 
unwahrscheinliche Annahme macht, daß die völlig getrocknete Pektin- 
säure aus wässeriger Lösung in ähnlicher Weise Wasser anzieht und 
ihr Molekül dadurch vermehrt, wie dies an der Luft geschieht, wobei 
eine durchschnittliche Wasseraufnahme’ von 12 bis 15 Proz. erfolgen 
kann. Nehmen wir an, daß auf diese Weise eine Vergrößerung des 
Moleküls um 10 Mol. Konstitutionswasser = 14,25 Proz. eintritt, so 
wäre der errechnete Wert von 1440 fast identisch mit dem wirklich 
gefundenen. 


Die Werte der bei der Elementaranalyse der Pektinsäure beob- 
achteten Zahlen decken sich ebenfalls innerhalb der hier möglichen 
Fehlergrenzen annähernd mit der Theorie: 


In Prozenten der trockenen Pektinsäure 
Für C,Hg0, berechnet: C 43,81 H 5,39 O 50,80 
Nach Abzug der Asche gef.:C 43,21 H 5,67 O 51,12 
C 42,91 H 5,89 O 51,20 
C 42,89 H 5,68 O 51,43 


In der Erwägung, daß die Flachs-Pektinsäure ähnlich wie die 
Pektinsäure aus Rüben eine Estersäure darstellt und daß von den 
vier Carboxylgruppen der in ihr enthaltenen 4 Moleküle Galakturon- 
säure zwei esterartig an Methylalkohol gebunden, zwei aber, die vorher 
durch Calcium und Magnesium abgesättigt waren, unbesetzt sind, 
würde sich für die freie Flachs-Pektinsäure die erweiterte Formel 


Cao HeoO32 - (COOCH,),. (COOH), 


ergeben. Bei Annahme von zwei freien Carboxylgruppen müßte sich 
demnach theoretisch für lg Pektinsäure eine Acidität entsprechend 
15,9 cem n/10 NaOH berechnen, während tatsächlich Werte wie 15,2, 
15,2, 15,7, 16,4, 15,7, 15,8, 15,6 usw. bei der Titration gegen Phenol- 
phthalein gefunden wurden. 

Um die Übersicht vollständig zu machen und einen besseren Ver- 
gleich mit der Zusammensetzung des Rübenpektins!) zu ermöglichen, 
sei im folgenden ein Schema des Abbaus des Flachspektins und der daber 
erhaltenen Spaltprodukte gegeben. 


1) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, diese Zeitschr. 168, 263, 1926. 


Inkrusten des Flachses. 31 


Flachs-Pektin, 
in kaltem Wasser unlöslich, durch heißes Wasser gespalten und gelöst zu 


Hydropektin 
in 70proz. Alkohol 


yosh “nlöstich 


Heropentosan (linksdrehend) Ca-Mg-Salz der Pektinsäure 
Gas Halen (und Ligninsäure?), (rechtsdrehend) 
durch Säurehydrolyse mit Salzsäure und Alkohol 


l.Xy- l-Arabi- d-Fruc- d-Galak- 
lose nose tose tose 


Pektinsäure, 
Cas Hes Le + 10 H30, 
durch Säurehydrolyse 
a 











Pr SC ! | 
BEA | 
Digalakturon- | | 
säure b, | | | | Ä 
CH 4O0s(CO;H), Ä | | 
| d | | | 
Geck A Sek t LA AA A 
ethylalkoho ST, - D N Y Q 
sig feg g g į 
SI, 228 3 X 3 
GEO S3 % B 23 58 
Zë Se y S 
O ge! = 


Sieht man zunächst von besonderen Einzelheiten ab, so ist die 
Analogie in der Zusammensetzung des Flachs- und Rübenpektins eine 
sehr weitgehende, da beide Arten von Pektinstoffen unter der Ein- 
wirkung von heißem Wasser leicht in alkohollösliche Polysaccharide 
und in den Komplex der Pektinsäure zerfallen, die in Alkohol un- 
löslich ist. 

Beide Pektinarten und besonders die aus ihnen gewonnenen Pektin- 
säuren, die nur wenig voneinander verschiedene Molekulargröße und 
Elementarzusammensetzung entsprechend den Formeln ` Ce He las 
(Rübe) und Ce Heel (Flachs) besitzen, weisen bei weitergehender 
Spaltung im wesentlichen die gleichen Bausteine offenbar in analoger 
Anordnung auf. Merkbare Unterschiede zeigen aber im Verhältnis zu 
den Pektinsäuren in den Hydropektinen beider Pflanzen die Anteile 
der alkohollöslichen Polysaccharide, die bei der Rübe nur !/, bis Lis 


32 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


beim Flachs mehr als die Hälfte betragen. Sie differieren auch stark 
in der Zuasmmensetzung, da die betreffende Fraktion des Rüben- 
hydropektins, das Araban, nur Arabinose enthält, das Hexopentosan des 
Flachspektins aber viel komplizierter außer aus Arabinose noch aus 
Xylose, Fructose, Galaktose und einer noch näher zu erforschenden 
Ligninsäure aufgebaut ist. 

Es ist aus vielerlei Anzeichen herzuleiten, daß während des Wachs- 
tums der Pflanze gewisse Veränderungen und Umwandlungen im 
Molekül der Pektinstoffe vor sich gehen, wobei sich anscheinend aus 
dem Pektinsäurekomplex sekundär diejenigen leicht abspaltbaren 
Polysaccharide bilden, die sich dann in alkohollöslicher Form im 
Hydropektin vorfinden. So erscheint z. B. die Entstehung des Arabans 
im Rübenpektin durch CO,-Abspaltung aus der Galakturongruppe 
der Pektinsäure durchaus denkbar und ebenso die eines Xylans aus 
Glykuronkomplexen. Im Sinne dieser genetischen Anschauung wäre 
das Flachspektin gegenüber dem Rübenpektin als eine intramolekular 
viel weitergehend umgewandelte Substanz aufzufassen, die vermutlich 
auch noch anderen, tiefer greifenden hiochemischen Reaktionen unter- 
legen war, wie sich aus manchen pflanzenphysiologischen Betrachtungen 
folgern läßt. 

Mit dieser Auffassung steht durchaus im Einklang, daß im Rüben- 
hydropektin die Pektinsäure noch zu ?/, bis %, vorhanden ist, im Flachs- 
hydropektin aber weniger als die Hälfte ausmacht. Was den inneren 
Bau dieser Verbindungen anbetrifft, so erscheint es von größter Be- 
deutung, daß das Hauptgerüst beider Komplexe übereinstimmend 
4 Moleküle Galakturonsäure bilden, die untereinander verkittet sind, 
indem zwischen den Aldehyd- und Hydroxylgruppen Wasseraustritt 
erfolgt ist, während von den vier freien Carboxylgruppen nach Art 
einer Estersäure zwei mit Methoxylresten behaftet sind. An dem Galak- 
turonkomplex hängt mit einer besonderen Bindung in der Rüben- 
Pektinsäure ein Disaccharid, bestehend aus Arabinose und Galaktose, 
in der Flachs-Pektinsäure ein Trisaccharid, bestehend aus Arabinose, 
Xylose und Galaktose. Diese Monosaccharide sind unter sich in jedem 
Falle glykosidartig gebunden und durch Laugen in der Kälte von dem 
Galakturonkomplex loszulösen, wobei sie miteinander nach Art von 
Polysacchariden verknüpft bleiben, die erst durch Säurehydrolyse sich 
in reduzierende Zucker verwandeln. Jede Pektinsäure enthält außerdem 
noch Acetylgruppen, die aus Rüben drei, die aus Flachs zwei, die ver- 
mutlich nicht am Galakturonkomplex, sondern an den Kohlenhydrat- 
gruppen befestigt sind. Dafür spricht auch, daß schon durch kalte 
Barytlauge wohl die Digalakturonsäuren von den Zuckermolekülen 
loszulösen sind und als. unlösliches Bariumsalz ausfallen, die Ab- 
sprengung der Essigsäure aber erst beim Behandeln des Filtrats, in 


Inkrusten des Flachses. 33 


dem sich die Polysaccharide befinden, mit heißem Barytwasser erfolgt. 
Entsprechend dem Mehrgehalt an Xylose, durch die sich die Flachs- 
Pektinsäure wesentlich von der aus Rüben unterscheidet, enthält sie 
weniger Methylalkohol und Essigsäure im Molekül als letztere. 

Als wichtiger Unterschied im Verhalten beider Verbindungen ist 
schließlich noch die Tatsache hervorzuheben, daß mit Säuren und 
Laugen aus der Rüben-Pektinsäure die Digalakturonsäuren a und b 
abzuspalten sind, aus der Flachs-Pektinsäure aber nur die Digalakturon- 
säure b. Es deutet dies auf eine Verschiedenheit im Aufbau des Galak- 
turonkomplexes oder der Bindungen innerhalb desselben hin. Wie schon 
bemerkt, könnte aber diese Erscheinung auch vielleicht dadurch zu 
erklären sein, daß 1 oder 2 Moleküle Galakturonsäure in der Flachs- 
pektinsäure durch Glykuronsäure ersetzt sind, wodurch die Entstehung 
der schwerlöslichen Digalakturonsäure a verhindert wäre. 

Es ist wohl möglich, daß mit dieser Differenz in ihrer Struktur 
auch die Unterschiede hinsichtlich der @elbildung beider Pektinsäuren 
im Zusammenhang stehen. Die Rüben-Pektinsäure selbst und ihre 
Salze neigen viel mehr dazu, aus Lösungen gefällt, gallertartige Nieder- 
schläge von kolloidalem Charakter zu bilden, wie die Flachs-Pektinsäure, 
die häufig nur in flockigen, grießigen Ausscheidungen auftritt und 
der Gelbildung viel weniger leicht unterliegt. 

Es wird in dieser Hinsicht von besonderem Interesse sein, die 
vorliegenden Untersuchungen über die chemische Struktur der Pektine 
und Pektinsäuren auf diejenigen Pektinstoffe auszudehnen, die sich 
wie die der Obstfrüchte hervorragend durch ihre intensive Gelbildung 
auszeichnen. Hierüber wird später berichtet werden. 


Experimenteller Teil. 


1. Die Umwandlung des Flachspektins in Hydropektin und seine zweckmäßige 
Darstellung. 


Das zu der vorliegenden Untersuchung benutzte Rohmaterial, das uns 
von der Zuckerfabrik Gebrüder Schoeller & Co., Rosenthal bei Breslau, 
zur Verfügung gestellt wurde, bestand aus einem im Jahre 1923 auf den 
Feldern in der Nähe von Breslau gewachsenen und getrockneten normalen 
Strohflachs von durchschnittlich 12,54 Proz. Wassergehalt (bei 110° 
getrocknet). 

Von diesem wurden 100g unter Knickung der ganzen Stengel, die 
entsprechend zusammengepreßt wurden, in einem Liter fassenden 
Emailletopf eingelegt und zunächst vier- bis fünfmal hintereinander mit 
je 2 Litern destillierten Wassers bei 55 bis 60° je 1 Stunde ausgelaugt, wobei 
der Flachs sich stets völlig unter Wasser befand. Nach jedesmaliger Be- 
endigung der Auslaugung wurde vom Extraktionswasser abgegossen und 
der Flachs scharf unter einer Hebelpresse abgepreßt. Nach viermaliger 
Auslaugung zeigte der zuletzt erhaltene wässerige Extrakt auf Prüfung 
mittels der a-Naphtholreaktion Abwesenheit von Zucker. Um die bis dahin 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 3 


34 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Beobachtungen über periodische Auslaugungen von 100g 


























An Er = | | EH 

Da des enge Reduktion ' bei 
we D [Tepe gie ën Termo | or, ern 
| Auslsugung | q kamal | U = 2) scher Lösung | Phenolpkti 
Std. | | alt 8 (eem nito N 
1 l 50° — 2 Liter + 0,60 er = 0,55 
2 l 50 2, +0,15 ° ++ = 0,10 
3 1 50 2 ` + 0,10 Ss = 0,05 
4 l %9 2 , +0,15 schw. + | esche + ` 0,05 
5 l 100 2 „ + 0,05 4 | + 0,05 
6 l 100 i + 0,10 dë 4: 0.05 
7 l 100 D + 0,15 ir ge A 0,08 
8&8 > |] 100 2 „ +0,10 _ schw. + de, 0,08 
9 l 100 2 „ +0,10 | schw. + + | 0,08 
10 1 100 2 _” +0,05 | schw.+ | schw. + OO 
ll 1 121 1, LO00 + | a 0,3 
12 l ENEE d +0,60 + Lt © og 
13 1 121 L , +050. + | SÉ 0,8% 
l4 0 1 121 1, | +040: + A 0,3: 
5 ı 1 21 1, +0,30 | + + 0,4 
16 1 21 1, +0,20; + dë 0,4 
D 1 21, AE + 0,3 
l l „ + 0,10 + + 0,8% 
19 l 121 l „ +0,10 | schw. + + 0,3 
20 1 121. 1. — +0,10 | schw. + na 0,8 
a O 21 1, +0,10 | schw. + = 0,2 
2, 1 121 l „ +005 ` schw.+ + 0% 
23 | l 135 350 cem : — 0,10, ++ l ++ 1,1 
24 | 1 135 | 350 „ | —010 | ++ |! ++ Ä 10 
25 1 0,0135 30 „ 0 gie. "8 "le 0,6 
2 1 Ä 15 350, ` 0 + ++ | 0,7 
27 ı 15:35 ++ | 0,6 


Aus 100g lufttrockenem Strohflachs Gesamtiausbeute an Pektinsi 


Erklärungen der Zeichen für den Ausfall der Reaktionen: + p 


noch ungelösten Pektinstoffe in Lösung zu bringen, wurde nunmehr die 
Auslaugung der Flachsstengel mit kochendem Wasser bei 100° C systematisch 
fortgesetzt. Die dabei erhaltenen hellgelben Extraktflüssigkeiten wurden 
durch Leinwand koliert und in großen Porzellanschalen auf dem Wasserbade 
zur Trockne eingedampft. Vorher waren die einzelnen Lösungen auf ihr 
Polarisationsvermögen, auf ihr Verhalten gegen Fehlingsche Lösung, gegen 
Orcinsalzsäure auf Pentosen untersucht und ihre Acidität durch Titration 
durch n/10 Natronlauge gemessen worden. Durch das schonende. Ein- 
dunsten auf dem Wasserbade konnte das Hydropektin in Form von hell- 
braunen Blättehen gewonnen werden, welche mit Hilfe eines Spatels aus 
den Schalen herausgekratzt und nun bei 105°C getrocknet und gewogen 
wurden. Die obige Tabelle gibt eine Übersicht über den Verlauf der 
ausgeführten Prüfungen wie über die Ausbeuten, welche bei den einzelnen 
Auskochungen gewonnen werden konnten. Zur Ermittlung der Mengen der 
alkohollöslichen und -unlöslichen Bestandteile des Hydropektins wurden die 


Inkrusten des Flachses. 35 







em Strohflachs mit Wasser verschiedener Temperaturen. 
















t der | Von der Trocken» / Drehung der ER - Se e so A | Aus 100 g luft» 
| substanz sind in | alkoholischen 5 d E ia E SS E e ck ES trocken. Stroh» 
ke | Wproz. Alkohol Lösung der aus, ZS a= o ze5gc |gs528§3 ` Dachs wurden 
d | gelaugten Ss S E E SE: erhalten 
Se Trockensubst. Pia: g ae SE SS | Trocken» 
unlöslich 6—10, 1=1 |? SE a | 3.288 | 82558 | substanz 
8, pin 0Sacch. 0843 (Eë ZE SE e 








= 
| ; 
! 12,918 in Wasser von 50° lösliche Extraktstoffe der Flachsstengel 








| 045 , 0,15 0 + ` 1 sche, + dk 43 ga 
041 ; 0,14 0 ri #1 zk "Ra E 
OAE. Lt = 00 + ++ + [SE3°% 
029 | 0,11 — 0,05 + | ++ es, n LE 
0,25 | 0,10 — 0,1 gë ++ + ess" 
023 | 0,12 0 + | +4 + R Sa 
0,18 0,14 | 0 L bës: ge Vs BY. 
0,71 0,84 l — 0,4 Tr | ++ + ver 
047 | 1,03 , —02 ++ ıı ++ + Lë? 
0,60 0,55 — 0,1 ++ ++ kt I > 
0,54 | 048 A ++ | ++ + [88 
0,61 0,39 — 0,1 +r | +7 | F | g p 
0,51 | 029 | cc ++ r+ ep K E & 
057 106 Aë kk | ++ | + 182383 
0,55 | 0,12 —0,1 TT Ä Ei 4 SÉ IER et 
0,7 0,17 — 0,4 pr mi A T > g 
FOR A s ++ | ++ + N< 
0,42 0,14 | — 0,5 ++ ++ | + a e 
| i e geg 
 OA0 | 0,02 —0,5 ++ ++ + a Bä S 
030 | 002 | —05 ++ kae Ver © Sr 
0,23 | 0,07 — 0,5 ++ ++ | H |s gan P 
0,17 ó 0,05 Jk — 0,5 + + + + i + T En 3 
10,43 5/71 | | 


einzelnen Trockenrückstände jeder Auslaugung in der zehnfachen Menge 
70proz. Alkohols 24 Stunden unter wiederholtem Umschütteln suspendiert, 
der alkoholische Extrakt durch Filtration von den unlöslichen Rückständen 
getrennt, welche nach Trocknen bei 105° gewogen wurden. So konnten 
bereits bei diesen Vorversuchen die beiden Hauptkomponenten des Hydro- 
pektins, das in Alkohol lösliche Hexopentosan und das unlösliche Calcium- 
Magnesiumsalz der Pektinsäure bezüglich ihres ungefähren gegenseitigen 
Gewichtsverhältnisses wie ihrer Reaktionen gegen Orcin auf Pentosen und 
Naphthoresorein auf Aldehyd- bzw. Ketozuckersäuren untersucht werden. 
Die Ergebnisse dieser Versuche wie das Mengenverhältnis der alkohol- 
löslichen zu den unlöslichen Anteilen des Hydropektins sind ebenfalls in 
der umstehenden Übersicht zusammengestellt. 

Nach sieben Auslaugungen erschien es infolge des Rückganges der 
Ausbeute ratsam, die Temperatur durch Erhöhung des Druckes auf 1 Atmo- 
sphäre Überdruck zu steigern. Dazu wurden dieselben vorher ausgelaugten 


KE 


36 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


100 g Strohflachs in einem Porzellanbecher im Autoklaven wiederholt mit 
Wasser weiter ausgekocht. Schließlich wurde durch weitere fünf Aus- 
laugungen bei 2 Atmosphären Überdruck die Extraktion bis zur Erschöpfung 
durchgeführt und so insgesamt eine Ausbeute von 16 Proz. an rohem Hydro- 
pektin aus lufttrockenem Strohflachs erzielt. 


Aus dem Ansteigen der Linksdrehung bei der Behandlung im Auto- 
klaven und aus der stärkeren Dunkelfärbung der erhaltenen Produkte 
ließ sich folgern, daß das rechtsdrehende Calcium-Magnesiumsalz der 
Pektinsäure unter diesen Bedingungen bereits Zersetzungen erfährt, die 
sich bei Erhöhung des Druckes noch steigern. Daher wurde im folgenden, 
um möglichst schonend zu arbeiten und ein möglichst wenig zersetztes 
Rohprodukt zu gewinnen, nur mit kochendem destillierten Wasser bei 
gewöhnlichem Druck erhitzt. Am zweckmäßigsten gestaltete sich die 
Extraktion, wenn 1l kg Strohflachs mit je 10 Litern destillierten Wassers 
etwa zehn- bis zwölfmal ausgekocht wurde. Unter Beibehaltung der oben 
beschriebenen Behandlung wurden dann die Extrakte auf dem Wasserbad 
zur Trockne verdampft. Auf diese Weise konnten aus 1kg Strohflachs 
60 bis 70 g Hydropektin gewonnen werden, wenn vorher Zucker und andere 
direkt lösliche Stoffe des Pflanzensaftes durch vier bis fünf aufeinander 
folgende Extraktionen bei 50 bis 60°C aus dem Rohmaterial entfernt waren. 


2. Die Trennung des Hydropektins in ein Hexopentosan und ein Calcium- 
Magnesiumsa!z der Pektinsäure. Lignin-Harzsäure als Nebenprodukt. 


Zur weiteren Trennung der Hydrolysenprodukte wurden jedesmal 
60 bis 70 g Hydropektin nach feinem Pulverisieren in einer ungefähr 20fachen 
Menge 70proz. Alkohols unter häufigem Umschütteln suspendiert. Nach 
24 Stunden wird abfiltriert, mit 70proz. Alkohol nachgewaschen und nun 
am Rückflußkühler mit je 1 Liter 70proz. Alkohol je l Stunde so oft. aus- 
gekocht, bis die Drehung der alkoholischen Filtrate möglichst auf 0° ge- 
sunken ist. Der Filterrückstand stellt das Calcium-Magnesiumsalz der 
Pektinsäure dar. Folgende Tabelle gibt ein Beispiel für die Erschöpfung der 
Extraktionen, beobachtet durch den Abfall der einzelnen Drehungen der 
Auszüge: 


Dreh des alkoho- 
lischen Filtrats (l = 0,5) 
in Graden Sacch. nach :: 


L Suspension des Hydropektins. . ...... — 0,79 
2. Auskochung „ $ E E E — DA 
3. = 5 $ Br dr San an — 0,25 
4, g v , METER DONE — 01 
5. S a a E E E 0 


Die alkoholischen Filtrate enthalten das Hexopentosan gelöst. Zu 
dessen Gewinnung werden die vereinigten alkoholischen Extrakte im 
Vakuum bei etwa 35° stark eingeengt. Dabei zeigt sich, daß sich ein grau- 
brauner, fein verteilter, reichlicher Niederschlag ausgeschieden hat, dessen 
Trennung von der eingedampften Lösung sich als sehr schwierig erweist. 
Seine Filtration gestaltet sich höchst zeitraubend, da der harzartige 
Körper sehr bald die Poren des Filters verstopft. Zu seiner vorläufigen 
Untersuchung wurde daher zunächst nur dekantiert und der Rückstand auf 
einem Tonteller getrocknet. Auf Grund seines äußeren Verhaltens und 


Inkrusten des Flachses. 37 


seiner Reaktionen scheint zu folgern, daß es sich bier um eine dem Lignin 
ähnliche Harzsäure handelt, die sich wie folgt verhält: 


In kaltem Wasser . . . . . fast unlöslich 
„ kochendem Wasser . . . zum Teil löslich, fällt in der 


Kälte wieder aus 
„ Natronlauge . ..... 


„ Natriumcarbonat ... . .Yleicht löslich mit tiefbrauner Farbe 
„ Ammoniak. . . .... 
Salzsäure . . .... . . . fällt den Körper aus seiner 
alkalischen Lösung wieder 
aus 


Diese letzte Beobachtung zeigte einen Weg zu seiner weiteren Reinigung. 
Die Lignin-Harzsäure, wie dieser Körper vorläufig benannt sei, wurde in 
Natronlauge gelöst und mit Salzsäure wieder zur Abscheidung gebracht. 
Auf diese Weise viermal umgefällt, wird sie mit Wasser gewaschen und bei 
105° getrocknet. Nunmehr zeigt sie die folgenden Reaktionen: 


In kaltem Wasser... .... unlöslich 

In kochendem Wasser . . . . . wenig löslich 

Fehlingsche Lösung . . . . . . nursehr schwach reduziert 
Oreinreaktion . . . .. . . . . negativ 

In 96proz. Alkohol . . . . . fast unlöslich 

In 50- bis 60proz. Alkohol . . . löslich 

In Äther . . . . . . unlöslich 

a-N aphtholreaktion. nn. . negativ 


Die in dieser Weise gereinigte Substanz zeigte deutlich die als typisch 
für Ligminsäuren von Marcusson!) beschriebenen Schwelreaktionen. 


Zu diesem Zwecke wurde 1 g Substanz in einem Glasrohr der Schwelung 
unterworfen und die dabei entweichenden Gase und Dämpfe durch Ab- 
kühlung und in alkoholischer Salzsäure aufgefangen. Das übergehende 
Schwelwasser färbte fuchsinschweflige Säure rot, reduzierte ammoniakali- 
sche Silberlösung sofort in der Kälte und gab mit Anilinacetat eine intensive 
Rotfärbung. Beim Verdampfen hinterließ das erhaltene Schwelwasser 
ein gelbbraunes ÖJ, welches beim Erhitzen mit Salzsäure Huminsäuren 
lieferte, die bis auf geringe Reste in Natronlauge löslich waren. Die alko- 
holische Salzsäure hatte sich während des Versuchs dunkelbraun gefärbt. 
Sie wurde unter Zusatz von etwas konzentrierter Salzsäure zur Trockne 
verdampft. Dabei blieben schwarzbraune, in Natronlauge nur sehr wenig 
lösliche Kondensationsprodukte zurück. 

Der Ausfall dieser Reaktionen spricht für die Anwesenheit von Furan- 
kernen, wie solche in Ligninsäuren beobachtet sind. 

Zum Beweis dafür, daß das Hexapentosan und die Ligninsäure in 
freier Form sich in den Flachsstengeln nicht vorfinden, sondern erst durch 
die Einwirkung von heißem Wasser daraus abgespalten werden, wurden 
folgende Versuche angestellt: 

1 kg gehäckselter Strohflachs wurde fünfmal mit je 15 Liter destillierten 
Wassers bei 55° C ausgelaugt. Bei der fünften Extraktion zeigte das Ablauf. 


1) a. a. O. 


38 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


wasser keine Reaktion mit a-Naphthol auf Zucker. Der ausgelaugte Flachs 
wurde dann gut abgepreßt und an der Luft getrocknet. 


Nunmehr wurden 250g dieses getrockneten Strohflachses in einem 
großen Glaskolben mit 3 Liter 70proz. Alkohol 3 Stunden am Rückfluß- 
kühler gekocht und die Lösung heiß filtriert. Beim Abkühlen scheidet sich 
aus dem Filtrat ein grünlicher Niederschlag (0,5g)ab. Die von neuem filtrierte 
dunkelgrün gefärbte alkoholische Lösung hinterläßt beim Verdampfen 
im Vakuum einen bräunlichen wachsartigen Rückstand, der bei Wasserbad- 
wärme schmilzt und in der Kälte wieder erstarrt. Eine auf diese Weise 
dreimal durchgeführte erschöpfende Extraktion lieferte im ganzen 4,0g 
Extraktstoffe, die in Wasser unlöslich waren und im wesentlichen aus 
Chlorophyll, Xanthophyli, Fetten und wachsartiger Masse bestanden. 
Hexopentosan oder irgendwelche anderen Kohlenhydrate waren darin nicht 
vorhanden, ebensowenig war die Ligninsäure darin nachweisbar. 


Der mit Alkohol ausgekochte, gut nachgewaschene und an der Luft 
getrocknete Strohflachs wurde dann mit 6 Liter destillierten Wassers 
2 Stunden lang bei 100°C ausgekocht. Aus den kolierten Extraktflüssig- 
keiten erhielt man beim Verdampfen 3,3 g Hydropektlin. Dies bestand zu 
etwa ],8 g aus alkohollöslichem Hezxopentosan, in dem auch die Ligninsdure 
nachweisbar war. 


Zum Vergleich wurden noch 250g des oben erhaltenen, nicht mit 
Alkohol vorbehandelten Strohflachses genau so mit heißem Wasser extra- 
hiert und dabei im ganzen 3,0 g Hydropektin gewonnen. 


8. Das Hexopentosan und seine Spaltprodukte. 


Zur Trennung des Hexopentosans von der beigemengten Harzsäure und 
zu seiner weiteren Reinigung wurden die wie oben beschrieben mit 70proz. 
Alkohol aus Hydropektin erhaltenen Extraktlösungen im Vakuum bei 35° 
eingedampft und aus dem trockenen Rückstande nunmehr das Hexopentosan 
mit kaltem Wasser herausgelöst. Die wässerigen Filtrate lieferten dann 
beim Verdunsten im Vakuum das Hexopentosan in der Form, wie es für die 
folgende Untersuchung Verwendung fand. Es stellt eine dunkelbraun 
gefärbte körnige Masse dar, die, zu Pulver zerrieben, sich mit bräunlicher 
Farbe in Wasser löst. Die Lösung reduziert heiß Fehlingsche Lösung 
direkt nur wenig, aber kräftig nach Erhitzen mit Salzsäure, und gibt starke 
Orcinreaktion auf Pentosen. 


Zu der folgenden Untersuchung wurde das Hexopentosan über Death 
im Vakuum bei 100° 7 Stunden getrocknet. 


Spezifische Drehung. 0,3 g trockene Substanz, in 10 ccm H,O gelöst, 
ergaben im 1-dm-Rohr eine Drehung von — 0,69%. Daraus berechnet sich 


[a]p = — 28,1°. 


lg trockenes Hexopentosan neutralisiert gegen Phenolphthalein 
4,7 ccm n/10 NaOH. Es war also noch durch geringe Säuremengen ver- 
unreinigt, vermutlich Essigsäure und Spuren mit in Lösung gegangener 
Pektinsäure. Die Substanz liefert, nach Tollens- Krüger mit 12proz. Salzsäure 
destilliert, deutlich Furfurol, das im Destillat mit Phloroglucin gefällt 
und bestimmt wurde: 


1. Angewandt: 0,6354 g trockenes Hexopentosan. 
Gefunden: 0,1600 e Furfurolphloroglucid. 


Inkrusten des Flachses. 39 


Danach berechnet sich auf Grund der Kröberschen Tabellen!): 


Pentosan . . . 2 2 2.2.2.2... 23,06 Proz. 
bzw.Pentose. .. 2... 2.2.0.2... 26,2 RR 


2. Angewandt: 0,6160 g trockenes Hexopentosan. 
Gefunden: 0,1510g Furfurolphloroglucid. 


Danach berechnet sich: 


Pentosan . . . . 2 2 , 22,50 Proz. 
bzw. Pentose. . . -. .» 2 2 2 2 2.20.2557 „ 


Es wurde nunmehr versucht, das Hexopentosan weiter zu reinigen, 
indem man es aufeinander folgenden Auskochungen mit Alkohol fallender 
Konzentration unterwarf. In den Extrakt des Alkohols, dessen Konzen- 
tration anfangs 96 Proz., schließlich 65 Proz. betrug, gingen wechselnde 
Mengen linksdrehender Substanz über, deren spezifische Drehung von 
— 23° bis — 144° stieg. Einheitliche Körper ließen sich dabei nicht isolieren, 
es scheint sich hier um ein Gemisch verschiedener Zuckeranhydride zu 
handeln. 


Zum Zwecke der Extraktion wurden 10 g Hexopentosan fraktioniert 
ausgekocht mit je 200 ccm Alkohol, dessen Konzentration allmählich von 
96 auf 65 Proz. herabgesetzt wurde. Die sich dabei ergebenden alkoholischen 
Extrakte wurden polarisiert, im Vakuum bei 40° zur Trockne verdampft 
und gewogen. Die Trockenrückstände wurden in wässriger Lösung auf 
ihre spezifische Drehung und auf ihren Säuregehalt untersucht. 





N Polarisation Gewicht des lg Extrakt neus pa Drehung 








Nr. f Gewichts» der trockenen tralisiert n/10 trockenen 
des Alkohol ` prosente des en Extraktes ein sauer Toaung 
| 0 Sacch. O = 1) g ccm le] p 

1 oe 05 | 165 47 | — 2929 

2 | 96 —03 ı: 075 44 © — 71 

3 96 —03 | 087 41 702398 

4 | o  ; —04 0,60 38 ` — 262 

5 96 — 0,7 0,85 3,4 — 32,9 

6 | oe 08 0,90 3,2 — 31,1 

7 | 96 086 0,30 3,2 — 37,6 

8&8 i 90 | — 0,4 0,16 3,1 — 54,0 

9 90 —04 |€ 017 3,0 — 53,1 
10 Së — 0,6 0,23 29 —— 668 
11 85 | 06 — 02 2.9 — 62,9 
12 | 80 —08 , 031 3,0 — 78,1 
13 " 75 | — 1,0 0,65 24 — 102,3 
4 o 70 — 14 0,60 2,6 —107,0 
16 6 | —09 07W | 22 — 4l 


Zurück blieb eine tief dunkelbraun gefärbte Masse (etwa l g), deren 
Lösungen nicht mehr polarisierbar waren. 

Das im Extrakt Nr. 6 erhaltene Hexopentosan wurde nach vierstündiger 
Trocknung bei 78° im Vakuum gesondert untersucht : 





1) van der Haar, Anleitung zum Nachweis von Monosacchariden usw. 
1920, S. 77. 


40 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Spezifische Drehung. Angewandt: 0,1419 g trockene Substanz gelöst 
in 10 cem H,O. 


ap = — 0,44° 
= 1 [a]p = — 31,1°. 
c= 1,419 


lg trockene Substanz neutralisiert 3,11] cem n/10 NaOH. 


Furfurolbestimmung nach Destillation mit 12proz. Salzsäure: An- 
gewandt: 0,6613 g Hexopentosan Nr. 6, wie oben getrocknet. Gefunden: 
0,1241 g Furfurolphloroglucid. 


Daraus berechnet sich: 
Pentosan . . . . 2... . . . 17,35 Proz. 
Pentose. . . . aas. . . . 19,70 


Zur Isolierung der einzelnen darin als Bausteine enthaltenen Kohlen- 
hydrate wurde das Hexopentosan der Hydrolyse unterworfen. 


Hydrolyse des Hexopentosans. 


8,5g Hexopentosan werden im Rundkolben mit 425ccm lproz. 
Schwefelsäure auf dem Baboblech am Rückflußkühler gekocht. 





d Drehung der Lösung 
j ap U — 05) | [@]p 

















Vor dem Kochen ... , _—0,65° — 22,5 
Gekocht ia Std.. |.. | —0,20 

m e. A E lr be 

5 d e Dee + 0,25 

» 21; mn è | T 0,40 

n d n À T 0,55 , 

nm 61/3 n >. œ Fr 0,60 ý 

n Tila n e | + 0,60 | + 22,1° 


Nach etwa sechsstündigem Kochen ist also die Drehung konstant ge- 
worden. Es haben sich aus der Lösung geringe Mengen Ligninsäure und 
harzige Produkte abgeschieden, von denen abfiltriert wird. Zur Neutrali- 
sation wird die bräunliche Lösung mit überschüssigem Bariumcarbonat 
kochend neutralisiert, von dem überschüssigen Bariumcarbonat und dem 
niedergeschlagenen Bariumsulfat abfiltriert und das Filtrat nach Klärung 
mit Blutkohlle im Vakuum zum Sirup eingeengt. Dieser wird 
wiederholt mit 90proz. Alkohol ausgekocht und die vereinigten Extrakte 
erneut im Vakuum zum Sirup eingeengt, der zur weiteren Reinigung mehr- 
mals mit 90proz. Alkohol in der Kälte ausgezogen wird. Die mit Koble 
aufgekochten und filtrierten alkoholischen Lösungen ergaben beim Ver- 
dunsten einen hellgelben klaren Sirup in einer Menge von 12 g, der für die 
folgenden Untersuchungen benutzt wurde. 


Reaktionen des Zuckersirups. Reduktion von 
Fehlingscher Lösung in der Hitze . . . stark positiv 
Orcinreaktion auf Peniosen . . . 
Naphthoresorcinreaktion auf Aldehydzucker 
BUTEN `, e a a . . . negativ 
Seliwanoj f- Weehuizensche eet ich . . stark positiv 


LI 23 


Inkrusten des Flachses. 41 


Mit Fehlingscher Lösung titriert, zeigte der Sirup einen Gesamt- 
zuckergehalt entsprechend 7,5g als Dextrose gerechnet. 
Spezifische Drehung des Zuckersirups auf Gesamtzucker gerechnet. 


Angewandt 0,48 g Sirup, entsprechend 0,30 g Gesamtzucker, in 10 cem 
H,O gelöst. 


ai —= + 0,499 
l= 05 [a]D = + 32,6°. 
C zs 3,0 


Furfurolbestimmung nach Destillation mit Salzsäure: 


1. Angewandt: 0,3000 g Zucker, entsprechend 0,480 g Sirup, 
gelöst in 10 ccm H,O. 
Gefunden: 0,1478 g Furfurolphloroglucid entsprechend, 
55,9 Proz. Arabinose. 


2. Angewandt: 0,3000 g Zucker, entsprechend 0,48g Sirup, 
gelöst in 10 ccm H,O. 
Gefunden: 0,1464 g Furfurolphloroglucid. Diese entsprechen 
55,5 Proz. Arabinose. 


Diese Prozentzahlen für Arabinose sowie der positive Ausfall der 
Ketosenreaktion deuteten darauf hin, daß auch Hexosen am Aufbau an 
dem Hexopentosanmolekül beteiligt sein mußten. Die Entscheidung 
brachten die folgenden Gärversuche: 


Gärversuche mit ungespaltenem Hexopentosan. 


Zunächst wurde festgestellt, daß das ungespaltene Hexopentosan durch 
Brennerei- und Milchzuckerhefe nicht vergärbar ist. 

Zur Vergärung wurden angesetzt je 2ccm einer etwa 3- bis 4proz. 
ungespaltenen Hexopentosanlösung im Kluyverschen Apparat unter Be- 
nutzung eines Thermostaten von 30°C. Als Hefe wurde sowohl Brennerei- 
hefe Rasse XII als auch Lactosehefe, beide frisch von einer Reinkultur 
gezüchtet, in Anwendung gebracht. Als Nährlösung für diese Hefen diente 
Peptonlösung von der Zusammensetzung: 


Pepton Witte . . . . . . . 0,5 Proz. 
KH,PO, esaa ...05 „ 
MESO; 2 a #8 A-2202. 5 


Es wurden jedoch auch Versuche ohne diesen Zusatz angestellt: 
| 





Dauer der 














Heferasse Nährlösung Beobachtun Ergebnis 
SE EE EE E GE SE ee EE Ga 2 K D dE SE m Tarzan 
Rasse XII. ...... Peptonlösung | 

e AlL a net Destilliertes Wasser j ` 
Lactosehefe ...... Peptonlösung l 2 Tage Keine Gärung 
n E E Destilliertes Wasser ` 


Damit ist der Beweis geliefert, daß Hexopentosan nicht vergärbar ist 
und daß es auch nicht etwa andere vergärbare Kohlenhydrate als Verun- 
reinigung enthält. Fällt also die Gärung bei gespaltenem Hexopentosan 
positiv aus, so kann sie nur verursacht sein durch Hexosen, welche einen 
integrierenden Bestandteil des Hexopentosans bilden. 


42 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Vergärung von gespallenem Hexopentosan. | 

Die zur Untersuchung gebrachten Lösungen wurden völlig von 
Bariumionen befreit, um eine etwaige schädliche Einwirkung derselben 
auf die Gärung zu vermeiden. 

Zur Gärung gelangt eine Siruplösung des gespaltenen Hexopentosans, 
welche der Titration zufolge 3 Proz. Gesamtzucker (als Dextrose berechnet) 
enthält. Aus dieser waren mit einigen Tropfen n/10 Schwefelsäure die 
letzten Spuren von Bariumionen herausgefällt worden, so daß die Lösung 
ganz schwach sauer gegen Lackmus reagierte. Ihr wird noch dieselbe Menge 
Hefeextrakt als Nährlösung zugefügt, so daß nun die Konzentration der 
zur Gärung angesetzten Flüssigkeit 1,5 Proz. Gesamtzucker beträgt. Wie 
bei den vorigen Versuchen wurden auch hier frisch gezüchtete Hefezellen der 
Rasse XII und von Lactosehefe benutzt. Die Gärung wurde im Kluyverschen 
Apparat quantitativ vorgenommen bei Gebrauch eines Thermostaten von 
30°C, wobei zu gleicher Zeit stets blinde Versuche eine Kontrolle für die 
Genauigkeit und Eindeutigkeit der Gärversuche bildeten. 

1. Gärversuch. Dauer 24 Stunden. Rasse XII entwickelt aus 3 ccm 
der wie oben beschrieben vorbereiteten Zuckerlösung, enthaltend 0,045 g 
Gesamtzucker, 2,1l cem Kohlensäure!). Diese Menge. CO, entspricht 
0,0086 g Fructose. Daraus berechnet sich ein Gehalt von 

19 Proz. Fructose im Gesamtzucker. 

2.Gärversuch. Abgelesen nach 24 Stunden. Rasse XII in völlig analoger 
Weise zur Anwendung gebracht. Gefunden aus 3ccm derselben Zucker- 
lösung 2,2 cem CO,. Daraus berechnet sich ein Gehalt von 

20 Proz. Fructose im Gesamtzucker. 

Die vergorene Flüssigkeit wurde erneut mit Lactosehefe geimpft. 
Wieder trat eine Gärung auf, aus welcher der Gehalt an Galaktose zu 
ermitteln war. 

Lactosehefe entwickelt aus 3ccm Siruplösung, enthaltend 0,045g 
Gesamtzucker, 1,7 ccm CO,, entsprechend 0,0076 g Galaktose. Die Gärung 
wurde nach 48 Stunden als beendet betrachtet. Daraus berechnet sich 

17 Proz. Galaktose im Gesamtzucker. 

Ein Kontrollversuch mit der Nährlösung ohne Siruplösungzusatz 
ergab keine Kohlensäureentwicklung. 

Parallelversuche wurden im Lohnsteinschen Apparat in analoger 
Weise angesetzt. Nach 6 Stunden war die Fructose mit Rasse XII bei 30° 
vollständig vergoren. Auf Neuimpfung mit Lactosehefe setzt nach 4 Stunden 
eine weitere Kohlensäureentwicklung ein, welche nach 48 Stunden beendet 
war; es wurden die folgenden Werte gefunden: 

Mit Rasse XII vergoren, ergibt sich: 1. 0,60 g Hexose. 


2. 0,628 „, 
Daraus berechnet sich: 1. Fructose 20 Proz.) im Gesamt- 
2: js 20,6 ,, | zucker 


Nach Impfung mit Lactosehefe ergibt sich: 
1. 0,5 g Galaktose entsprechend 16,5 Proz.) Galaktose im 


2. 0,52 g d = 11,3: ;; Gesamtzucker 
Im Mittel: 20 Proz. Fructose, 
17 ,  Galaktose. 


1) Bei all diesen Angaben ist das Volumen der Kohlensäure reduziert 
auf 0° und 760 mm. 


Inkrusten des Flachses. 43 


Durch mikroskopische Untersuchung der vergorenen Flüssigkeit wird 
jedesmal ein gutes Wachstum der Hefe und völlige Freiheit von störenden 
Bakterien festgestellt. Weitere Kontrollversuche zeigten, daß Galaktose 
auch bei Anwesenheit von Glucose selbst nach Zugabe desselben Hefe- 
extraktes als Nährlösung nicht von Rasse XII angegriffen wird, sondern 
erst durch Nachimpfung mit Lactosehefe vergärt. 


Damit ergibt sich, daß der durch Rasse XII vergorene Zucker nur 
Glucose, Mannose oder Fructose sein kann, da Galaktose von dieser Hefe 
auch im Verlauf von 6 Stunden nicht angegriffen wird!). Die Prüfung des 
Zuckersirups mittels der Reaktion von Seliwanoff-Weehuizen auf Ketosen 
gibt einen so stark positiven Ausfall, so daß im vorliegenden Falle mit 
großer Wahrscheinlichkeit nur Fructose für die Gärung durch Rasse XII 
in Betracht kommt. Auf Grund dieser Untersuchungen folgt für die Zu- 
sammensetzung der Kohlenhydrate des Hexopentosans: 


Pentosen (l-Arabinose und 1-Xylose?). 55,5 Proz. 


d-Fructose . . .» 2 2 2 2 2.2 .2.0.2,0 ,„ 
d-Galaktose . . . . : 2: 2 2 2 ...170 „ 
Insgesamt . . . 92,5 Proz. 


Die genaue Identifizierung der l-Arabinose und d-Galaktose gelang 
durch die Darstellung einiger Hydrazone: 


l- Arabinosediphenylhydrazon?). 


4,6 g des oben untersuchten Sirups werden in einem kleinen Becherglas 
in 10 com H,O gelöst und nach Zugabe von 50 ccm 96proz. Alkohols mit 
5g Diphenylhydrazin versetzt. Auf dem Wasserbade wird Y, Stunde zum 
Sieden erhitzt, wobei die Ausscheidung des Hydrazons in gelben Flocken 
beginnt. Nach 24 Stunden ist die gesamte Flüssigkeit zu einem hellgelben 
Kristallbrei erstarrt, der abgesaugt, mit 75proz., dann mit 96proz. Alkohol, 
schließlich mit Äther nachgewaschen wird. l-Arabinosediphenylhydrazon 
1,7g in Form einer rein weißen Kristallmasse. Zur Umkristallisation 
wird diese in 60 ccm einer 50 proz. wässerigen Pyridinlösung unter Erhitzen 
auf dem Wasserbad gelöst, die Lösung mit Tierkohle entfärbt und 
filtriert... Beim Abkühlen scheiden sich lange, schneeweiße, seidenglänzende 
Kristalle ab, welche nach 24stündigem Stehen abgesaugt, mit Pyridin- 
wasser, Alkohol und Äther nachgewaschen und im Vakuum über Schwefel- 
säure 24 Stunden getrocknet. lg. 


Spezifische Drehung. Angewandt 0,1000 g, !-Arabinosediphenylhydrazon 
in 10 ccm reinem Pyridin gelöst. 


ap = + 0,29° 
l = 2 [a]p = L IA bn, 
c = 1 


Müther und Tollens?) finden die Drehung: 
[a]p = + 14,9%. 


1) Vgl. van der Haar, Anleitung 1920, S. 108. 
2) Neuberg, Ber. 88, 2243, 1900. 
3) Müther und Tollens, Ber. 87, 312, 1904. 


44 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Der Schmelzpunkt des reinen völlig getrockneten Hydrazons wurde 
bei 200° beobachtet, während Müther und Tollens 204 bis 205° gefunden 
haben. Zur Kontrolle wurde noch aus reiner Arabinose!) das Diphenyl- 
hydrazon hergestellt. Das Gemisch aus diesem und dem aus dem Sirup 
gewonnenen Präparat schmolz ebenfalls bei 200°. 


Nachweis der Galaktose durch Oxydation zu Schleimsäure. 


l g des beschriebenen Sirups wird in einem kleinen Becherglas 
in 12 ccm Salpetersäure (vom spezifischen Gewicht 1,15) zu einer hellgelben 
Lösung gelöst und im Wasserbade auf ein Drittel des ursprünglichen 
Volumens eingedampft. Die über Nacht gebildeten Schleimsäurekristalle 
wurden im Goochtiegel abgesaugt, mit wenig Wasser gewaschen und in 
wenig verdünnter Natronlauge gelöst. Durch Ansäuern mit Salzsäure und 
Einengen der Lösung wurden sie wieder abgeschieden, die Kristalle mit 
wenig kaltem Wasser gewaschen und bei 110° getrocknet. 


Der Schmelzpunkt der Schleimsäure lag bei 213°, übereinstimmend mit 
Kent und Tollens?). 


u) der l-Arabinose und d-Galaktose durch die Darstellung ihrer 
Benzylphenylhydrazone. 


l-ArabinosebenzylIphenylhydrazon. 2g des auf S. 40 erhaltenen Zucker- 
sirups wurden in 15 cem 75proz. Alkohols gelöst und mit der Suspension 
von 2g Benzylphenylhydrazin in 5ccm 75proz. Alkohols versetzt, das 
nach gutem Umrühren in Lösung geht. Nach kurzem Erwärmen auf dem 
Wasserbad wird 24 Stunden zur Kristallisation stehengelassen. Nach 
dieser Zeit ist die Lösung in einen hellgelben Kristallbrei von !-Arabinose- 
benzylphenylhydrazon erstarrt, der abgesaugt wird und nach Waschen und 
Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure 0,9 g wiegt. Nach Umkristallisieren 
aus 75proz. Alkohol und Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure werden 
0,42 g reinweißes Hydrazon gewonnen vom Schmelzpunkt 173°, der mit 


dem von Ruff und Ollendorf?) zu 174° gefundenen befriedigend über- 
einstimmt. 


Angewandt: 0,3084 g l-Arabinosebenzylphenylhydrazon. 
Gefunden: 23,6ccm N (20°, 753 mm). 


Cis Hz: OL No- Ber. : N 8,48 Proz. 
Gef.: N 8,64 


d-Galaktosebenzylphenylhydrazon. Das Filtrat der zuerst erhaltenen 
Kristalle vom Arabinosebenzylphenylhydrazon wird mit demselben 
Volumen Wasser versetzt. Die Lösung trübt sich stark und läßt im Laufe 
von 24 Stunden einen kristallinischen Niederschlag im Gewicht von 0,5g 
fallen, welcher das noch unreine, gelbliche Galaktosebenzylphenylhydrazon 
darstellt. Dasselbe zeigt noch eine schwach positive Orcinreaktion. 


Es wird aus wenig 30proz. Alkohol umkristallisiert. Die Kristalle 
des reinen Hydrazons (0,19), welche nun nicht mehr die Orcinreaktion 
geben, schmelzen scharf bei 158°. 


!) Die Arabinose war von Kahlbaum bezogen. 
2) Ann. Chem. 227, 221, 1885. 
3) Ber. 82, 3235, 1899. 





Inkrusten des Flachsee. ` 45 


Behrend und Hofmann!) geben dafür den Schmelzpunkt 157 bis 158° an. 


Zur Prüfung des aus Hexopentosan erhaltenen Zuckersirups auf einen 
Gebalt an Xylose wurde noch die Bertrandsche Reaktion angestellt, die 
aber negativ ausfiel. 


3g Sirup in 9 ccm Wasser gelöst wurden mit 4 g CACO, und 2 g Brom 
versetzt und das Gemisch 20 Stunden unter häufigem Schütteln stehen- 
gelassen. Nach Wegkochen des Broms wurde die filtrierte Lösung auf dem 
Wasserbad eingeengt und mit Alkohol versetzt, wobei sich viel Zersetzungs- 
produkte ausschieden. Von neuem filtriert ergab die Lösung beim Ver- 
dunsten einen Sirup, der, mit 96proz. Alkohol verrührt, keine Ausscheidung 
der typischen Kristalle des Brom-cadmiumsalzes der Xylonsäure erkennen 
ließ. Vgl. aber die auf S. 20 aus der Drehung des Zuckersirups gezogenen 
Schlußfolgerungen hinsichtlich seines Gehalts an l-Xylose. 


4. Caleium-Magnesiumsalz der Pektinsäure und die freie Pektinsäure. 


Bei der vorher beschriebenen Extraktion des Hexopentosans aus dem 
Hydropektin hinterbleibt eine in 70proz. Alkohol unlösliche graubraune, 
körnige Masse, die nach vierstündigem Trocknen bei 105° sich gut pulveri- 
sieren läßt. Sie besteht im wesentlichen aus einem Calcium-Magnesiumsalz 
der Pektinsäure. Die folgende Aufstellung gibt ein Bild von den Mengen- 
verbältnissen der beiden Substanzen im Hydropektin, aus ganz verschiedenen 
Auslaugungen des Flachses herstammend: 


in Proz. des Hydropektins 








o Ca-Mg.Salz d | 
a |i Hydropektin | Pektinsiure | Hexopentosan 'CasMg-Salz der 
K S e F Pektinsäure Hexopentosan 
ı || 650 | 26,7 33 | an 58,9 
2 | 65,5 301 | 35,4 | 46,0 54,0 
a 5 56,0 | 2,0 -> 300 | 46,4 53,6 


Im Durchschnitt sämtlicher Untersuchungen bleibt das Verhältnis 
von Calcium-Magnesiumsalz zu Hexopentosan innerhalb von Schwankungen 
von 5 Proz. nach oben und unten konstant und beträgt etwa Ap: 55. 


Zur weiteren Reinigung werden 26 g des rohen Ca-Mg-Salzes der Pektin- 
säure auf dem Wasserbad unter mäßiger Erwärmung in 0,8 bis 1 Liter 
destilliorten Wassers gelöst. Die mit Kieselgur versetzte, sehr langsam 
klar filtrierende Lösung wird im Vakuum bei 40° auf etwa 100 ccm ein- 
geengt und mit der drei- bis vierfachen Menge 85proz. Alkohols versetzt. 
Es fällt ein hellgrauer, flockiger Niederschlag, das Calcium- Magnesiumsalz 
der Pektinsäure, das sich gut am Boden des Gefäßes absetzt, so daß 
e nun leicht durch Filtration von der hellbraun gefärbten darüber 
stehenden Flüssigkeit getrennt werden kann. Nach gutem Nachwaschen 
mit 70proz. Alkohol und möglichst vollständigem Abtropfen wird der 
Filterrückstand erneut in Wasser gelöst und nun über Kieselgur in 
85proz. Alkohol einfiltriert. Diese Filtration braucht bedeutend weniger 
Zeit als die erste. Auf diese Weise noch zweimal umgefällt, wird endlich 


!) Ann. Chem. 866, 277, 1909. 


46 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


der mit 70proz. Alkohol gut gewaschene Niederschlag vorsichtig vom Filter 
abgehoben und 24 Stunden unter 96proz. Alkohol und nach erneuter 
Filtration 48 Stunden unter Äther suspendiert, wobei er allmählich zu einer 
körnigen Masse zusammenschrumpft. Das auf einer Nutsche abfiltrierte, 
mit Äther nachgewaschene und scharf abgesaugte Produkt wird dann durch 
Zerreiben im Achatmörser schnell von den letzten Resten Äthers befreit. 
Die Gewinnung eines farblosen trockenen Präparates hängt von der Schnellig- 
keit des Arbeitens bei diesem Trocknungsprozesse ab. Auf diese Weise 
werden 12,5 g reines Ca-Mg-Salz der Pektinsäure in Form eines lockeren, 
weißen Pulvers gewonnen, das im Vakuum über H,SO, vollkommen ge- 
trocknet wird. 


Mit einem noch 7 Stunden bei 100° in der Trockenpistole im Vakuum 
über P,O, getrockneten Salze werden die folgenden Untersuchungen an- 
gestellt. 


Das Ca-Mg-Salz der Pektinsäure reduziert in wässeriger Lösung beim 
Kochen Fehlingsche Lösung nur schwach, lg etwa 3,5 ccm Fehlingsche 
Lösung. 

Das Salz reagiert gegen Lackmus und Phenolphthalein neutral. 


Naphthoresorceinreaktion . . . . . stark positiv 
Oreinreaktion . . .. . HEH en 
Aschegehalt. 1. Bestimmung . . . 6,31 SCH 
2. Se . . . 6,20 „ ee Asche 
3. = ...684 „ 


Die Asche enthält hauptsächlich Calcium und Magnesium, nur in Spuren 
Eisen, Aluminium, Kieselsäure. 


Spezifische Drehung. 0,2020 g trockenes Ca-Mg-Salz der Pektinsäure 
gelöst in 10 ccm Wasser. 


ap = 0,94 
l = 0,5 [a9 = + 98,1. 
c = 2,02 


Methoxylbestimmung nach Zeisel-Fanto-Stritar : 
1. Angewandt: 0,1702 g trockenes Ca-Mg-Salz. 
Gefunden: 0,0477 g AgJ. entsprechend 
3,7 Proz. Methoxyl (CH,O). 
2. Angewandt: 0,1995 g trockenes Ca-Mg-Salz. 
Gefunden: 0,0529g AgJ, entsprechend 
3,5 Proz. Methoxyl (CH,O). 
Elementaranalyse des Ca-Mg-Salzes der Pektinsäure. Angewandt: 


0,1959 g Ca-Mg-Salz, bei 100° im P,O,-Vakuum 4 Stunden getrocknet. 
Gefunden: 0,2880g CO, 0,0891g H,O, 0,0134 g Asche. 


Daraus berechnet sich: 6,84 Proz. Asche. 


C 40,28 H 5,69 auf aschenhaltige Substanz bezogen. 
C 43,04 H 6,07 ,, aschefreie 


Inkrusten des Flachses. 47 


Furfurolbestimmung nach Destillation mmt Salzsäure. Angewandt: 
0,4033 g trockenes Ca-Mg-Salz. Gefunden: 0,1500 g Furfurolphloroglucid, 
scheinbar entsprechend 


Pentosan . . . . 2.2 2.2. 34,33 Proz. 
Pentose . -. -. . . 2 . . . . 38,80 ,, 


Darstellung der freien Pektinsäure aus dem reinen Calcium-Magnesiumsalz. 


5,9 g des eben beschriebenen Ca-Mg-Salzes werden in 100 cem destillierten 
Wassers gelöst und mit 4,7 ccm 10proz. Salzsäure versetzt, so daß Kongo- 
papier gerade gebläut wird. Diese Lösung wird durch ein Filter über Kieselgur 
in so viel 96proz. Alkohol eingetropft, daß nach Beendigung der Filtration 
der Alkohol eine Konzentration von etwa 70 bis 75 Proz. aufweist. Dabei 
hat sich die Pektinsäure in fast farblosen Flocken am Boden des Filtrier- 
stutzens abgesetzt. Sie wird abfiltriert und zur völligen Befreiung von 
Cl-Ionen noch einmal aus wässeriger Lösung mit Alkohol umgefällt. Das 
gereinigte Produkt wird gut mit 70proz., dann 96proz. Alkohol gewaschen, 
nach 24stündiger Suspension unter 96proz. Alkohol und längerer Auf- 
bewahrung unter Äther rasch abgesaugt, lufttrocken verrieben und dann bei 
100° C nachgetrocknet. So konnten 4,7 g, d. h. 80 Proz. des Ca-Mg-Salzes, 
als freie Pektinsäure in Form eines fast weißen lockeren Pulvers gewonnen 
werden. Nach einigem Umschütteln löst sie sich in kaltem Wasser mit 
schwach gelber Farbe. 

Die Pektinsäure reduziert heiß Fehlingsche Lösung nur schwach, sie 
gibt eine stark positive Orcinreaktion und eine ebenfalls stark positive 
Naphthoresoreinreaktion. Zur Untersuchung wurde sie noch im Vakuum 
über P,O, 5 Stunden getrocknet bei 78°C. 

Die so erhaltene Pektinsäure war noch aschehaltig. In zwei Präparaten 
betrug der Aschegehalt 0,84 und 1,14 Proz. Eine weitere Herabminderung 
des Aschegehaltes nach den angegebenen Fällungsverfahren war nicht 
möglich. Die Substanz zeigte gegen Lackmus und Phenolphthalein deutlich 
saure Reaktion: 

l g Pektinsäure neutralisierte 15,7 ccm n/l0O NaOH gegen Phenol- 
phthalein. 


Spezifische Drehung. 0,3016 g trockene Pektinsäure in 10 ccm H,O 
gelöst. 


aD = + 1,870 
l= 05 off = + 119,7". 
c = 3,016 


Methoxylbestimmung nach Zeisel-Fanto-Siritar : . 
l. Angewandt: 0,2900 g trockene Pektinsäure. 
Gefunden: 0,0834g AgJ, entsprechend 
3,80 Proz. CH,O. 


2. Angewandt: 0,2731 g trockene Pektinsäure. 
Gefunden: 0,0778g AgJ, entsprechend 


3,76 Proz. CH,O. 
Furfurolbestimmung nach Destillation mit Salzsäure: 


l. Angewandt: 0,4582 g trockene Pektinsäure. 
Gefunden: 0,1678 g Furfurolphloroglucid. 


48 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Daraus ergibt sich scheinbar: 


Pentosan . . . . .2 2 2 2.0. 33,54 Proz. 
Pentose . . . . a 2 2 2 2 0. 38,12 „, 


Das Furfurolphloroglucid wurde zur Untersuchung auf Methyl- 
pentosen!) mit 96proz. Alkohol bei 60°C extrahiert. Gewiehtsverlust des 
Furfurolphloroglueids durch Alkoholextraktion: 

0,0189 g Methylfurfurolphloroglueid (?). Daraus würde sich berechnen 
auf Grund der Eletschen Tabelle?): 8,89 Proz. Rhamnosehydrat (?), be- 
zogen auf 0,4582 g trockene Substanz. 


2. Angewandt: 0,4998 g trockene Pektinsäure. 
Gefunden: 0,1794 e Furfurolphloroglucid. 


Daraus ergibt sich scheinbar: 


Pentosan . . . . . 2 . . . . 32,69 Proz. 
Pentose `, . . ... e Ré m LE 


Gefunden durch Extraktion des Furfurolphloroglucids mit 96proz. 
Alkohol bei 60°C: 

0,0216 g Methyl£urfurolphloroglucid ( ?). Dies würde ergeben: 9,08 Proz. 
Rhamnosehydrat (?), bezogen auf 0,4998 g Pektinsäure. 

Daß es sich hier nicht um Methylpentosen handeln kann, zeigen die 
weiter unten (s. S. 62 bis 64) mit anderen Reaktionen vorgenommenen 
Untersuchungen. 


HI 


Molekulargewichtsbestimmung nach der kryoskopischen Methode: 
Angewandt: 0,1912g trockene Pektinsäure. 

Lösungsmittel: 10,00g H,O. 

Gefunden: Gefrierpunktserniedrigung: Ae, 1. 0,025°. 


2. 0,023°. 
3. 0,025°. 
Daraus ergibt sich das 
85,8 . 0,1912 
Molekulargewicht der Pektinsäure = E = 1421. 


0,025 


Bestimmung der H-Ionenkonzentration. Mit Hilfe des Walpole- 
Michaelisschen Komparators ergab eine ungefähr 0,lproz. Lösung die 
H-Ionenkonzentration: op = 4,2. 


Vereinfachtes Verfahren zur Darstellung der freien Pektinsäure. 


Im weiteren Verlauf der Arbeit wurde die freie Pektinsäure, ausgehend 
vom Hydropektin, direkt aus dem bei der Auslaugung des Hexopentosans 
verbleibenden rohen Ca-Mg-Salz hergestellt. Zu diesem Zwecke wurde die 
unfiltrierte, wässerige Lösung des Salzes mit Salzsäure gegen Kongo 
angesäuert. Statt verdünnter Salzsäure kann auch ein Überschuß kon- 
zentrierter angewandt werden, vorausgesetzt, daß die Filtration der salz- 
sauren Pektinsäurelösung in den Alkohol nicht zu lange dauert, da sonst 
weitergehender Abbau einsetzt. Auf diese Weise ergaben sioh Präparate der 
Pektinsäure, deren Hauptkonstanten festgelegt wurden. Sie waren zur Ver- 
treibung des noch anhaftenden Alkohols stets erst bei 100° vorgetrocknet 


1) Votocek, Tollens, a.a. O. 
2) van der Haar, Anleitung, 1920, S. 82. 


Inkrusten des Flachses. 49 


und dann vor der eigentlichen Untersuchung in der Trockenpistole 
über Phosphorpentoxyd im Vakuum bei 78°C nachgetrocknet bis zur 
Gewichtskonstanz, welche gewöhnlich nach 4 bis 5 Stunden eintrat. 


Die folgende Übersicht ergibt eine Zusammenstellung der spezifischen 
Drehung, der Acidität und des Methoxylgehalts verschiedener nach diesem 
Verfahren gewonnener Pektinsäurepräparate aus Hydropektin des Flachses : 





| Ig Pektinsäure | ` 
EEN | neutralisiert | Die Pektinsäure 
Pektinsäure- ; Spezifische ` ` n/10 NaOH enthält 





Se eci j Drehung Leift ge Gre Ä Methoxyl 
DEE éen EE, en EEN 
l | + 925 15,2 | 4,01 
2, +17 15,2 3,80 
au | 41197 15,7 3,76 
4 | + %0 | 164 4,10 
5 | +34 15,7 4.03 
6 41110 17,2 3,81 
7 +1196 : 158 3,98 
8 + 114,4 16,2 3,99 
9 + 116,1 15,6 4,05 


*) Pektinsäure Nr.3 ist identisch mit der auf S.47 bis 48 beschriebenen Pektinsäure, welche 
aus dem Calcium-Magnesiumsalz hergestellt wurde. 


Zur Bestimmung des Methoxylgehalts wurden zwei Wege beschritten, 
welche stets zu einer guten Übereinstimmung der Ergebnisse führten: 


1. Die schon erwähnte Methode von Zeisel-Fanto-Stritar. 


2. Die Bestimmung des Methoxylgehalts durch Verseifung mit Natron- 
lauge bekannten Gehalts und Rücktitration mit Schwefelsäure. 


Hierbei wurde eine genau gewogene Menge Pektinsäure in Wasser 
gelöst, die Lösung mit n/10 NaOH gegen Phenolphthalein genau neutrali- 
siert, dann mit einer bestimmten Mengen/10 NaOH im Überschuß 12Stunden 
Im gut verschlossenen Gefäß stehengelassen. Darauf wurde die unver- 
brauchte Natronlauge mit n/10 Schwefelsäure zurücktitriert, z. B.: 


Angewandt: 0,1289 g Pektinsäure mit 3,81 Proz. Methoxyl CH,O 
nach Zeisel-Fanto. 


Zur direkten Neutralisation verbraucht diese Menge Pektinsäure 2,2 cem 
n/l0 NaOH gegen Phenolphthalein. Die neutralisierte Lösung wird mit 
5,0ccm n/lO NaOH versetzt. Nach 12 Stunden sind zur Rücktitration 
erforderlich 3,3 ccm n/10 H,SO,. Die Differenz entspricht 0,0053 g CH,O. 
Daraus berechnet sich 4,1 Proz. CH,O. 


Verbrennungsanalysen verschiedener Pektinsäurepräparate. Die Pektin- 
säure war, wie beschrieben, erst vorgetrocknet und darauf im Vakuum 
über P,O; bis zur Gewichtskonstanz bei 78°C nachgetrocknet worden. 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 4 


50 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


l. Angewandt: 0,1902 g trockene Pektinsäure Nr. 1. 
0,2967 gCO,, 0,0994 g H,O, 0,0016g Asche (= 0,84 Proz.). 
Gefunden: C42,91 H 5,89 


bezogen auf aschefreie Substanz. 


2. Angewandt: 0,2082 g trockene Pektinsäure Nr. 1. 
0,3246 g CO, 0,1073g H,O, 0,0018g Asche (= 0,86 Proz.). 
Gefunden: C 42,89 H 5,68 


bezogen auf aschefreie Substanz. 


3. Angewandt: 0,2085 g trockene Pektinsäure Nr. 3. 
0,3267 g CO., 0,1072g H,O, 0,0023 g Asche ( = 1,14 Proz.). 
Gefunden: C 43,21 H 5,67 


bezogen auf aschefreie Substanz. 


Hydrolysen der Pektinsäure. 


Spaltung der Pektinsäure mit 2 proz. Salzsäure. 


l. 3g Pektinsäure Nr. 4 werden in 100 ccm 2proz. Salzsäure gelöst 
und 8 Stunden auf dem Weasserbade im bedeckten Becherglas erhitzt. 
Nach 1 Stunde beginnt die Bildung eines sehr feinen, geringen braunen 
Niederschlages, der sich im Laufe der Spaltung nicht mehr vermehrt. Um 
festzustellen, ob bei einer längeren Erwärmung dieser Niederschlag erneut 
auftritt, wird nach Filtration die Flüssigkeit weitere 6 Stunden erwärmt: 
die Lösung bleibt klar. 


Der abgeschiedene harzige Niederschlag I bedeckt nach Filtration das 
Filter in so dünner Schicht, daß auf eine Untersuchung verzichtet werden 
muß. Das im Vakuum bei 37° C eingeengte Filtrat wird mit 96proz. Alkohol 
gefällt. Es scheidet sich ein hellbräunlicher Niederschlag ab, der nach 
gründlichem Waschen mit Alkohol und Äther und Trocknen im Vakuum 
über H,SO, ein gelbliches Pulver darstellt: 

0,26 g Digalakturonsäure b. 

Das Filtrat der Digalakturonsäure b wird zur Verteilung des Alkohols 
im Vakuum bei 30° eingeengt, die zurückbleibende wässerige saure Flüssigkeit 
mit CaCO, neutralisiert und nach Entfärben mit Blutkohle in 96proz. 
Alkohol einfiltriert. Es fällt als hellbrauner Niederschlag das Ca-Salz der 
Galakturonsäure. Somit ist die Pektinsäure in zwei aus Galakturonsäure 
bestehende Bausteine gespalten worden: 

0,26 g Digalakturonsäure b, 
1,52 g Ca-Salz der Galakturonsäure. 

Die Pektinsäure besteht also, daraus berechnet, aus etwa 56 Proz. 
Galakturonsäure. 

2. In völlig gleicher Weise werden 6g Pektinsäure Nr. 6 mit 100 ccm 
2proz. Salzsäure 8 Stunden auf dem Wasserbad erhitzt. Durch dieselbe 
Weiterverarbeitung werden gewonnen: 

0,17 g Niederschlag I, 
0,63g Digalakturonsäure b, 
2,30 g Ca-Salz der Galakturonsäure, 


d. h. umgerechnet etwa 49 Proz. in Form von Galakturonsäure. 


Inkrusten des Flachses. 51 


Nähere Untersuchung der Spaltprodukte der Pektinsäure. 


Niederschlag I. Ligninsäure? 


In Form eines braunen harzartigen Pulvers gewonnen, gibt die Sub- 
stanz folgende Reaktionen: 


In kaltem Wasser . . . . 2.2 2220. unlöslich 

Drehung in 50proz. alkoholischer re . ap = + 0° (l = 0,26) 
Naphthoresoreinreaktion . . . . negativ 
Orcinreaktion . . . . 2 2 2 2200. . negativ 

Fehlingsche Lösung . . . . . ........ . schwach positiv 

In Natronlauge . . . . . 2.2.2.2... . leicht löslich 


Mit Salzsäure `, . . . . 2 2 2 2 2... aus der alkalischen 
dunkelbraunen Lösung 
wieder ausfällbar 


Der Niederschlag verhält sich also wie die auf S. 36 bis 37 beschriebene 
aus der Hexopentosanfraktion erhaltene Lignin-Harzsäure und ist scheinbar 
mit dieser identisch. 


Digalakturonsäure b aus der Pektinsäure Nr. 4. 


l. Das Rohprodukt der Digalakturonsäure b liefert nach zweimaligem 
Umfällen der wässerigen Lösung mit 96proz. Alkohol eine Substanz in 
Form eines lockeren, weißen Pulvers, welches, ohne sich äußerlich zu ver- 
ändern, aus der Luft leicht Wasser anzieht und darum einer besonderen 
Sorgfalt beim Trocknen bedarf. 

Sobald aus dem in der Achatschale zerriebenen Pulver der Äther 
verdunstet ist, wird dasselbe im Vakuum über CaCl, 2 Tage lang unter 
häufigem Evakuieren getrocknet, um es von den erheblichen Alkohol- 
mengen, welche es stets einschließt, zu befreien. Erst jetzt kann es unmittel- 
bar vor der Untersuchung in der Trockenpistole über P,O, bei 100° 
getrocknet werden, ohne daß ein Zusammenballen oder Verkrusten der 
Substanz zu befürchten ist. 


Reaktionen der nr b. 


In kaltem Wasser . . . . . . . löslich mit schwach 
hellgelber Farbe 

Orcinreaktion . . . >02... stark positiv 

Naphthoresoreinreaktion Be n g e Go 


Fehlingsche Lösung wird kochend nur schwach reduziert. 


Spezifische Drehung. Angewandt: 0,053g Digalakturonsäure b, 
7 Stunden im en über P,O, getrocknet, in 5ccm Wasser gelöst. 


= + 2,5° 
Se = 1 [a]} = + 235,9. 
c = 1,06 


Aus der Titration gegen Phenolphthalein folgt, daß 1 g Digalakturonsäure 
b 44,45 cem n/10 NaOH neutralisiert. Aus ihrer Formel Cio Hu Oẹ(CO,H), 
berechnet sich die zur Neutralisation nötige Menge n/10 Natronlauge zu 
56,8 cem. Die Differenz zwischen diesem theoretischen und beobachteten 
Werte dürfte aus der Tatsache zu erklären sein, daß die Substanz trotz 
häufigen Umfällens stets noch Asche hartnäckig festhält, wie aus der 
Elementaranalyse hervorgeht: 


4* 


52 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Elementaranalyse der Digalakturonsäure b. 0,2072g trockene Substanz: 
0,3089 g CO, 0,0895 g H,O, 0,0019g Asche (= 0,93 Proz.). 
Gefunden: C 41,04 H 4,88 
bezogen auf aschefreie trockene Substanz. 
Nach der Formel C,,H,s01,; berechnet sich: 
C 40,9 H 4,55 


H-Ionenkonzentration. Mit Hilfe des Walpole-Michaelisschen Kom- 


parators wurde in einer 0,lproz. Lösung die H-Ionenkonzentration zu 
pu = 3,4 gefunden. 


Molekelgewichtsbestimmung nach der kryoskopischen Methode; 
Angewandt: 0,053 g trockene Digalakturonsäure b. 
Lösungsmittel: 5,00 g Wasser. 
Gefrierpunktserniedrigung: 4; = 0,060°. 


EE, EE 
0,060 
Für Ciz: His O12 ber. 352 
gef. 328 


Digalakturonsäure b aus der Pektinsãure Nr. 6. 


2. Nach zweimaligem Umfällen mit Alkohol aus der wässerigen Lösung 
unter Entfärben mit Tierkohle werden 0,39 g trockene Digalakturonsäure b 
in Form eines schneeweißen Pulvers gewonnen. 


0,0969 g derselben wurden in 10 ccm Wasser gelöst und polarisiert: 


ap = + 2,290 
Ee 1 [a] = + 286,8°. 
Ges 0,969 


Zu ihrer Neutralisation verbraucht sie für 1 g auf Grund ihrer Titration 
gegen Phenolphthalein 42,1 cem n/l10 NaOH, während sich, wie oben 
gezeigt, theoretisch 56,8 cem n/10 NaOH berechnen. Sie läßt sich ebenfalls 
nicht vollkommen von Asche befreien. 


Calciumsalz der d-Galakturonsäure. 


Das, wie beschrieben, bei der Hydrolyse der Pektinsäuren Nr. 4 und 6 
erhaltene Calciumsalz der Galakturonsäure wird vereinigt in Wasser gelöst. 
Die Lösung wird mit Tierkohle entfärbt, filtriert, im Vakuum eingeengt 
und das Calciumsalz nochmals mittels Alkohol daraus gefällt. Es wird nach 
dem Trocknen über P,O; im Vakuum bei 100° als weißes Pulver (1,72 g) 
gewonnen und zeigt, in 40 ccm Wasser gelöst, die Drehung: 


ap = + 0,90° 
fe 0,25 demnach [a]p = + 83,7°, 
E 4,3 


Diese Lösung wird mit 75 ccm n/1l0 Oxalsäurelösung versetzt, so daß 
nach Abfiltrieren von dem gebildeten Calciumoxalatniederschlag im Filtrat 
gerade noch ein ganz schwacher Überschuß von Caleiumionen nachgewiesen 
werden kann. Das Filtrat wird im Vakuum zum Sirup eingeengt und dieser 
mit 90proz. Alkohol verrieben. Die Extrakte wurden verdampft und die 
Rückstände von neuem mit Alkohol ausgezogen, bis schließlich klare Lösung 





Inkrusten dee Flachses. 53 


des jedesmal erhaltenen Sirups eintritt. Der eingedunstete Endsirup kri- 
stallisiert nicht, was ebenso wie die hohe Drehung des Calciumsalzes darauf 
hinzudeuten scheint, daß hier noch andere amorphe, höher drehende Zwischen- 
produkte nebenher vorliegen, welche die Galakturonsäure am Kristallisieren 
hindern. 
Spaltung der Pektinsäure mit Barytwasser. 
Digalakturonsäure b. 


6,5g der Pektinsäure Nr. 7 wurden in 100 ccm destillierten Wassers 
gelöst. Die klare, schwach hellbraune Lösung versetzte man mit 250 ccm 
n/l0 Barytwasser. Nach einigen Minuten scheidet sich ein flockiger, 
gelatinöser Niederschlag ab, der sich nach 12 Stunden gut absetzt, so daß 
er von der darüber stehenden klaren Flüssigkeit!) durch Dekantieren und 
darauf folgendes Filtrieren gut getrennt werden kann. In dem Niederschlag 
war hauptsächlich Digalakturonsäure b enthalten, die beim Ausziehen 
mit kalter Salzsäure bis auf einige Verunreinigungen glatt in Lösung ging. 

Aus der filtrierten Lösung wurde das gelöste Barium mit Schwefelsäure 
in geringem Überschuß gefällt, dann die klar filtrierte Flüssigkeit im 
Vakuum bei 35° vorsichtig eingeengt und in 96proz. Alkohol einfiltriert. 
Es fällt ein reichlicher, hellgrauer Niederschlag der Polygalakturonsäure b, 
der sich noch als stark aschebaltig erweist. Erst nach dreimaligem Um- 
fällen aus Wasser und Alkohol wird diese Säure als schneeweißes, trockenes 
Pulver (0,35 g) gewonnen. Nach dreitägigem Trocknen im Vakuum über 
CaCl, ergibt die Digalakturonsäure b aus Pektinsäure die folgende spezifische 
Drehung: 

Angewandt: 0,2713g Substanz, welche noch 7 Stunden im Vakuum 
über P,O, bei 78° nachgetrocknet war, in 10 ccm Wasser gelöst. 


ad’ = + 6,250 
Ia [a]p = + 280,4.. 
= 2,713 


lg dieser Säure neutralisiert 39 cem n/l0 Natronlauge; dieser Wert 
erreicht ebenfalls nicht den theoretisch errechneten von 56,8, da die Substanz 
nicht völlig von Asche zu befreien war. 


Gehalt der Pektinsäure an Essigsäure. 


3 g trockene Pektinsäure Nr. 8 wurden in 100 ccm destillierten Wassers 
gelöst und mit n/10 Barytwasser titriert. 


3g Pektinsäure neutralisieren 48,5 ccm n/10 Barytwasser, 
lg demnach 16,2 ,, n/10 Barytwasser. 


Diese titrierte Lösung wurde in einem graßen Rundkolben mit 94,4 ccm 
n/10 Barytwasser versetzt und gut verschlossen mehrere Tage aufbewahrt. 
Hierbei fand ein erheblicher Verbrauch von Barytwasser infolge Verseifung 
der Methylestergruppen der Pektinsäure statt, die man durch Rücktitration 
mit n/10 Schwefelsäure feststellte. 


Vorgelegt . -. - . . 2.2.2.2... Dë eem n/10 Barytwasser 
Zurücktitriett . , . . . . . . . 50,2 „ n/10 H,SO, 
Demnach zur Verseifung ver- 

braucht. . . . . ... . 44,2 „ n/10 Barytwasser 


1000 ccm n/10 Barytwasser entsprechen 3,1g CH,O. 


1) Das Filtrat zeigt ap = - 0,1 (l = 0,5). 


54 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Daraus berechnet sich der Methylalkoholgehalt der Pektinsäure zu 
4,10 Proz. CH,O, ein Wert, der mit dem nach Zeisel-Fanto ermittelten 
3,99 Proz. CH,O gut übereinstimmt. 

Nach dieser Titration wurde der Lösung erneut 100 ccm n/10 Baryt- 
wasser hinzugefügt, worauf man sie im Rundkolben auf dem Wasserbad 
6 Stunden lang erhitzte bei Anwendung eines Rückflußkühlers, der vor dem 
Eindringen von Kohlensäure aus der Luft oben durch einen mit Natronkalk 
gefüllten Aufsatz geschützt war. Bei dieser Erwärmung findet nunmehr 
die Verseifung der Acetylgruppen im Pektinsäuremolekül statt, wobei 
essigsaures Barium entsteht. Um die abgespaltene Essigsäure zu bestimmen, 
wurde die alkalische Lösung mit 125 ccm 10proz. Schwefelsäure angesäuert 
und einer Wasserdampfdestillation unterworfen. Da beim Destillieren 
aber nicht allein die Essigsäure, sondern auch durch Spaltung aus Kohlen- 
hydraten gebildete Ameisensäure mit den Wasserdämpfen flüchtig ist, 
muß aus dem Destillat erst die Ameisensäure entfernt werden. Zu diesem 
Zwecke wurden die 8 Liter Destillat, die zu ihrer Neutralisation 58,95 ccm 
n/10 Barytwasser verbrauchten, mit einem geringen Überschuß von Baryt- 
wasser auf dem Wasserbad so weit eingeengt, daß ihr Volumen ungefähr 
200 ccm umfaßte. Dieser Flüssigkeitsmenge wird zur Zerstörung der 
Ameisensäuret) eine Lösung von 9g Kaliumbichromat und 40 g konzentrierter 
Schwefelsäure in 100 ccm Wasser zugefügt, und nun erneut eine Wasser- 
dampfdestillation vorgenommen. Hierbei geht dann nur die Essigsäure 
über, deren Menge durch direkte Titration bestimmt werden kann: 


Das 1. Liter Destillat neutralisierte. . . . 27,7 ccm n/l0 Barytwasser 
e Së e = DEE >) ag ER 
DCH: up a e e Ar, e EE g i 
POE: e e Br ee EE. e e 
23 5. LE 29 33 KW F s ?, 0,2 9 Sa 
Die in 3 g Pektinsäure enthaltene Essigsäure 
neutralisierte demnach. . . . . . . . . 43,1ccm n/10 Barytwasser 
entsprechend `, . . . 0,2586 g Essigsäure. 


Die Pektinsäure enthält lee , l . . . . 8,62 Proz. 


Die mit Baryt neutralisierten Destillate wurden auf dem Wasserbad 
in einer Porzellanschale und schließlich in einer Platinschale zur Trockne 
verdampft; dadurch wurde das Bariumsalz der Essigsäure gewonnen, das 
durch wiederholtes Auskochen mit Alkohol gereinigt und bei 110° getrocknet 
wurde. 0,14 g reines Salz ergab beim Erhitzen mit Schwefelsäure Dämpfe, 
die den typischen Geruch der Essigsäure erkennen ließen. Beim Abrauchen 
mit Schwefelsäure hinterblieben aus 0,1232g des trockenen Ba-Salzes 
0,1133 g BaSO,. 

Ba(C,H,O,), Ber.: Ba 53,80 
Gef.: Ba 54,10 


Spaltung der Pektinsäure mit 2proz. Schwefelsäure. 

10 g Pektinsäure werden in 400 ccm 2proz. Schwefelsäure gelöst und 
die Lösung im Kolben auf einem Baboblech über freier Flamme am Rück- 
flußkühler gekocht. Nach den im folgenden angegebenen Zeiten wird die 
jedesmal abgekühlte Lösung auf ihre Drehung untersucht, um den Verlauf 
des Abbaus der Pektinsäure zu studieren. 


1) Abderhalden, Handb. d. biochem. Arbeitsmethod. 2, 23, 1910. 








Inkrusten des Flachses. 55 





1 Pektinsäure 
Kochdauer ——— | Kochdauer 
in Stunden Nr. 5 Nr. 3 in Stunden 





Grade Sacch. (! = 1 





0 + 2,5 
d + 2,1 
l +18 
2 +15 
3 
5 


Drehung in Graden Saccharose 


O1 23456 Zë I 20 9 42 A WISS SI WB 
Erhitzungscdaver in Stunden 


Abb. 1. Spaltung der Pektinsäure mit 2 proz. Schwefelsäure. 


Die auf Grund dieser Zahlen bei der Hydrolyse von Pektinsäure Nr. 5 
und Nr.3 sich ergebenden sehr ähnlich verlaufenden Kurven zeigen, daß 
schon nach sehr kurzer Dauer der Hydrolyse ein starkes Ansteigen der 
Drehung zu beobachten ist infolge des Auftretens der zuerst aus der Pektin- 
säure abgespaltenen Digalakturonsäure b, die, wie oben nachgewiesen, 
ein sehr hohes spezifisches Drehungsvermögen besitzt. Wie der nun 
einsetzende stetige Abfall der Drehungskurve erweist, wird die zuerst 
abgespaltene Digalakturonsäure beim weiteren Kochen zu niedriger 
drehenden Bausteinen aufgespalten. Der schließlich immer flachere Verlauf 
der Kurve zeigt an, daß diese Bausteine beim Kochen immer weitergehende 
Zersetzungen erfahren, worauf auch die Verfärbung und der karamelartige 
Geruch der am Ende des Versuchs erhaltenen Lösungen hindeutet. 

Nach Beendigung der Spaltung wird die Lösung durch Kochen mit 
Bariumcarbonat neutralisiert und das mit Blutkohle behandelte und ge- 
klärte Filtrat im Vakuum stark eingeengt. Wird es nun mit dem vier- 
bis fünffachen Volumen 85proz. Alkohols versetzt, so erhält man einen 
noch bräunlich gefärbten Niederschlag des Bariumsalzes der Galakturon- 
säure, während die nebenher entstandenen Monosaccharide in das Filtrat 
übergehen. Aus den 10 g Pektinsäure Nr. 5 ergaben sich nach diesem Ver- 
fahren 4,2g rohes Bariumgalakturonat. 


Das Bariumsalz der d-Galakturonsäure. 


Zur weiteren Reinigung wird das Bariumsalz in Wasser gelöst, mit 
Tierkohle aufgekocht und über Kieselgur in die vier- bis fünffache Menge 
Alkohol einfiltriert, aus welchem es in weißen dichten Flocken ausfällt 


56 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


und sich gut am Boden des Gefäßes absetzt. Nach Filtration wird der 
Niederschlag längere Zeit in 96proz. Alkohol und dann in Äther suspendiert, 
abgesaugt und nach möglichst schnellem Zerreiben im Achatmörser 2 Tage 
im Vakuum über CaCl, getrocknet. Nach zwei- bis dreimaliger Umfällung 
gewinnt man das Bariumsalz der d-Galakturonsäure als ein feines, weißes 
Pulver, das sich leicht mit hellgelber Farbe in Wasser löst und stark die 
Orein- und Naphthoresorceinreaktion gibt. Zur Analyse wurde es 5 Stunden 
im Vakuum bei 100° über P,O, getrocknet. 


Spezifische Drehung des Bariumgalakturonals. 
1. Angewandt: 0,5966 g trockenes Ba-Salz, gelöst in 50 ccm Wasser. 


ai = + 0,420 
= 1 [ap = + 85,8°. 
c= 119 


2. Angewandt: 0,2867 g trockenes Ba-Salz, gelöst in 10 cem Wasser. 


oi = + 1,040 
I = l Lol = + 36,20 e 
c = 2,87 


Zur Bestimmung des Bariumgehalts des Bariumgalakturonats werden 
0,5369 g wie oben getrocknetes Bariumsalz in 50 ccm Wasser gelöst und in 
der Wärme mit so viel n/10 Schwefelsäure versetzt, daß ein ganz geringer 
Überschuß derselben vorhanden ist. Nach gutem Absitzen wird das gefällte 
Bariumsulfat filtriert und nach dem Auswaschen verascht. Es verblieben 
0,2432 g BaSO,. 

Für (C,H,0,),. Ba. Ber.: Ba 26,19 
Gef.: Ba 26,65 


d-Galakturonsäure aus Pektinsäure. 


Aus ihrem Bariumsalz wird die Galakturonsäure in verdünnter 
wässeriger Lösung mit Schwefelsäure frei gemacht und die noch Ba in 
geringem Überschuß enthaltende Flürsigkeit im Vakuum bei etwa 40°C zur 
Trockene verdampft. Der zurückbleibende gelbbraune Sirup wird wiederholt 
mit 96proz. Alkohol ausgekocht. Dabei geht die Galakturonsäure in Lösung. 
Die von ungelösten Flocken abfiltrierten alkoholischen Extrakte werden 
erneut im Vakuum auf ein kleines Volumen eingeengt und dann vorsichtig 
auf dem Wasserbade zum Sirup eingedunstet. 


Der so gewonnene Galakturonsäuresirup kristallisiert nach kräftigem 
Reiben spontan im Verlauf von 24 Stunden, wobei sich die Kristalle in 
Form von kleinen, feinen Nadeln in reichlicher Menge ausschieden. Diese 
werden erneut in wenigen Tropfen Wasser gelöst und die geklärte Lösung 
der Kristallisation überlassen. Über Nacht war der daraus erhaltene Sirup 
zu einer festen kristallinischen Masse erstarrt. Diese wurde, mit 93proz. 
Alkohol gut verrieben, abgesaugt, mit Alkohol und Äther nachgewaschen 
und im Vakuum über H, SO, 2 Tage lang getrocknet. 0,35 g des zuerst. 
gewonnenen Sirups lieferten nach dieser Behandlung 0,18 g d-Galakturon- 
säure in Form von reinweißen Kriställchen. 





Inkrusten des Flachses. 57 


Spezifische Drehung der d-Galakturonsäure. Angewandt: 0,1808 g 
trockene Substanz, gelöst in 5 cem Wasser. 


ap = + 1,735° 
l= 1 [ap = + 47,98%. 
c= 3,616 


Die Galakturonsäure zeigt keine Mutarotation. Zur Wiederabscheidung 
der Galakturonsäure wird die polarisierte Lösung im Vakuum über CaCl, 
zur Trockne verdunstet und der hinterbleibende Sirup auf dem Wasserbad 
in 20ccm 96proz. Alkohol gelöst. Nach Klärung mit Kieselgur und 
Filtration von wenigen unlöslichen Rückständen wird die Lösung wieder 
vorsichtig eingedunstet. Der so gewonnene Sirup scheidet, mit wenig 
Wasser verrührt, nach kurzem Stehen gut ausgebildete, oft zu ganzen 
Büscheln vereinigte Kristalle aus, die zum Teil in länglichen, sargdeckel- 
ähnlichen Prismen anschießen. Schon Spuren dieser Galakturonsäure 
geben deutlich die Tollenssche Orcin- und Naphthoresorcinreaktion. 
Gewonnen 0,0968 g reine Galakturonsäure in schneeweißen Kriställchen. 
Zur Bestimmung der spezifischen Drehung wurden diese 0,0968 g Substanz 
in § ecm Wasser gelöst. 


aD = + 1,02? 
l= 1 Lol = + 59,7%, keine Mutarotation. 
c= 1,936 


Diese spezifische Drehung stimmt fast genau mit dem Endwert der- 
jenigen überein, die F. Ehrlich!) an der zuerst kristallisiert erhaltenen 
Galakturonsäure aus dem Pektin der Rübe beobachtet hat; er fand 
[a]p = + 53,48. 


Oxydation der Galakturonsäure zu Schleimsäure mittels Brom. Die 
polarisierte Galakturonsäurelösung wird auf 20 ccm verdünnt und in 
einer Stöpselflasche mit 3 cem Brom versetzt und unter häufigem Um- 
schütteln 14 Tage lang aufbewahrt. Nach 3 Tagen schied sich über dem 
Brom bereits eine feine Kristallschicht von Schleimsäure ab, welche sich 
im Verlauf der weiteren Einwirkung noch wesentlich vermehrte. Die Kri- 
stalle zeigen mikroskopisch betrachtet schön ausgebildete, typische Schleim- 
säurekristallform. Der Flascheninhalt wird dann in eine Waschflasche 
übergeführt und durch Hindurchsaugen von Luft mittels einer Wasser- 
strahlpumpe von dem unverbrauchten Brom befreit. Nunmehr wird der 
gesamte Rückstand in einer Kristallisationsschale vorsichtig auf dem 
Wasserbade eingeengt; die abgeschiedene Schleimsäure wird auf einem 
Goochtiegel abgesaugt, mit wenig Wasser gewaschen und im Trockenschrank 
bei 105° getrocknet: 0,0641 g Schleimsäure. Aus 0,0968 g Galakturonsäure 
waren theoretisch zu erwarten 0,1048g Schleimsäure. Die gefundene 
Ausbeute beträgt somit etwa 60 Proz. der Theorie. Die Schleimsäure 
zeigte den richtigen, in der Literatur angegebenen Schmelzpunkt 213°. 
Das Filtrat der Schleimsäure drehte noch immer das polarisierte Licht 
nach rechts, und gab noch die Orcin- und Naphthoresorcinreaktion, ein 
Zeichen, daß die Oxydation der Galakturonsäure zur Schleimsäure mittels 
Brom nicht quantitativ verlaufen ist. 


1) a. a. O. 


58 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Die Monosaccharide der Pektinsäure. 


Bei der Ausfällung des Bariumsalzes der Galakturonsäure aus wässeriger 
Lösung ergab sich ein alkoholisches Filtrat, das noch die bei der Schwefel- 
säurespaltung der Pektinsäure nebenber entstandenen reduzierenden 
Kohlenhydrate enthielt. Dieses Filtrat: (s. S. 55) wurde zur Vertreibung des 
Alkohols im Vakuum zur Trockne verdampft. Der stark positive Ausfall 
der Naphthoresorcinreaktion wie der Ba-Gehalt dieses Rückstandes zeigen, 
daß eine vollkommene Trennung der Zucker von dem Ba-Salz der Galakturon- 
säure noch nicht stattgefunden hat. Um diese durchzuführen, wurde der 
Rückstand erschöpfend mit 96proz. Alkohol extrahiert und diese Extrakte 
im Vakuum zum Sirup eingeengt. Nach mehrmaligem Auflösen in Wasser, 
Eindampfen und Umlösen mit 96proz. Alkohol wurde schließlich ein Ba- 
freier, sich klar lösender Sirup erhalten. Der Sirup wurde dann noch 
einmal in Wasser gelöst, die Lösung mit Tierkohle entfärbt und vorsichtig 
auf dem Wasserbad eingedunstet. Auf diese Weise wurden 6,7 g Sirup 
gewonnen. 


Reaktionen des Zuckersirups: 


Mit Schwefelsäure . . . . 2 2.2.2.2... kein BaSO;,- 
Niederschlag 
urn DEE . . . . negativ 
Orcinreaktion . . . nenne... stark positiv 
Gärung mit Rasse XII. e, . negativ 
Gärung mit Lactosehefe . . . . positiv 


Rosenthalersche Reaktion auf Methylpentosen . negativ 
Seliwanoff-Weehuizensche Reaktion auf Ketosen ge 
Der Zuckergehalt des Sirups. 1,7g Sirup werden in 100 ccm Wasser 
gelöst. 1,0 ccm dieser Siruplösung reduziert beim Kochen 1,65 ccm 
Fehlingsche Lösung vollständig. 
Demnach enthalten 
6,7 g Sirup 3,3g Gesamtzucker, als Det berechnet. 
Spezifische Drehung des Zuckersirups. Angewandt: 1,7g Sirup ent- 
haltend 0,825 g Gesamtzucker in 100 ccm Wasser gelöst. 
ap = + 1,075° 


= 2 [a]p = + 29,6°. 
G= 1,7 

bezogen auf das Gewicht des Sirups. 
c= 0,825 [a]p = + 64,850, 


bezogen auf das Gewicht des gelösten Gesamtzuckers!). 

1) Aus den folgenden Untersuchungen ergibt sich, daß in dem Sirup 
Galaktose, Arabinose und Xylose in äquimolekularen Mengen enthalten 
sind. Nimmt man als Grundlage für die angegebenen Zucker die spezifischen 
Drehungen: 


Galaktose . . . . . . . . . [a]p = + 80,6° 
Xylose ........ . . [al = + 19 
Arabinose . . . 2.2.2... [a]p = + 105° 


an, so würde sich für ein Gemisch aus je 1 Molekül dieser drei Kohlehydrate 
die Mischdrehung [a]p = + 68,9% berechnen, die mit der oben angegebenen 
innerhalb der Fehlergrenzen der benutzten Bestimmungsverfahren leidlich 
übereinstimmt. Vgl. S.65 bis 66, sowie auch S. 20. 


Inkrusten des Flachses. 59 


Bestimmung der Pentosen im Zuckersirup. Angewandt: 1,14g Sirup 
enthaltend 0,5533 g Zucker. 

Gefunden: 0,3289 g Furfurolphloroglucid. Daraus berechnen sich 
29,9 Proz. Pentosen, bezogen auf den Sirup. Auf Grund der Ermittlung des 
Gesamtzuckers durch die oben ausgeführte Titration mit Fehlingscher 
Lösung ergibt sich: 

61,6 Proz. Pentosen bezogen auf den im Sirup enthaltenen 
38,4 ,  Gealaktose Gesamtzucker. 


Alkoholexiraktion des Furfurolphloroglucids (Methylpentosen ?). An- 
gewandt: 0,3289 g Furfurolphloroglucid. Mit 96proz. Alkohol extrahiert: 
0,0067 g. 

Angenommen, diese 0,0067 g stellten Methylfurfurolphloroglucid dar, 
so würde diese Menge 0,014g Rhamnosehydrat entsprechen, oder umge- 
rechnet: der Sirup müßte 1,2 Proz., der Gesamtzucker 2,5 Proz. Methyl- 
pentosen enthalten. 

Das bisherige Ergebnis der Untersuchung des Zuckersirups ließ auf 
Anwesenheit von Pentosen, vielleicht auf Methylpentosen (?) und ver- 
gärbare Hexosen schließen. Es wurde im folgenden versucht, durch Her- 
stellung von Derivaten der Monosaccharide diese näher zu charakterisieren 
und die Zucker selbst in kristallisierter Form abzuscheiden. 


l-Arabinosebenzylphenylhydrazon aus Pektinsäure. 


ög Zuckersirup aus Pektinsäure werden in 10 ccm 75proz. Alkohol 
gelöst und nach Zugabe von 1,8g Benzylphenylhydrazin auf dem 
Wasserbade schwach erwärmt. Beim Umrühren geht das Benzyl- 
phenylhydrazin in der Wärme bald in Lösung, und bereits nach 1 Stunde 
beginnt eine reichliche Kristallisation von Arabinosebenzylphenylhydrazon, 
welche vollständig wird, wenn man das Reaktionsgemisch abgekühlt 
24 Stunden stehen läßt. 

Der schwach gelb gefärbte Kristallbrei wird abgesaugt, zunächst 
mit 75proz. Alkohol, später mit 96proz. Alkohol, dann mit Äther nachge- 
waschen und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. So werden 
0,65g noch gelblich aussehendes, rohes Arabinosebenzylphenylhydrazon 
erhalten. Dieses wird aus wenig 75proz. Alkohol umkristallisiert und dabei 
in Gestalt von feinen, schneeweißen Nadeln gewonnen. Nach Absaugen 
und vollständigem Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure wurden 
0,49 g reines l-Arabinosebenzylphenylhydrazon erhalten. 

Das Präparat beginnt bei 170° zu sintern und schmilzt unter Schäumen 
und Zersetzung bei 173° in guter Übereinstimmung mit Ruff und Ollendorf!), 
die für dasselbe Hydrazon einen Schmelzpunkt von 174° angeben. 

Das isolierte 1-Arabinosebenzylphenylhydrazon dreht in einer methyl- 
alkoholischen Lösung links und zeigt die folgende spezifische Drehung: 

0,0590 g trockener Substanz wurden in 10 ccm Methylalkohol gelöst. 


ap = — 0,15° 
c= 0,59 [a]p = — 12,7° 
De. .,.2 
Browne und Tollens?) fanden: [a]p = — 12,1°. 


1) Ber. 82, 3235, 1899. 
2) Ber. 85, 1461, 1902. 


60 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Zur Analyse wurde die Substanz im Vakuum über Schwefelsäure bis 
zur Gewichtskonatanz getrocknet. 


Angewandt: 0,1978 g trockenes Hydrazon. 
Gefunden: 15,3 cem N (20°, 752 mm). 


Für C,H,0,N;,.- Ber.: N 8,48 
Gef.: N 8,71 


d-Galaktosebenzylphenylhydrazon aus Pektinsäure. 


Das erste alkoholische Filtrat des Arabinosebenzylphenylhydrazons 
wird mit 100 ccm Wasser versetzt, nachdem es auf dem Wasserbad auf 
30 ccm eingeengt worden war. Aus einer sofort einsetzenden Trübung hat 
sich über Nacht ein gelber, kristallinischer Niederschlag von d-Galaktose- 
benzyIphenylhydrazon abgeschieden. Er wird abgesaugt, mit 30proz. Alkohol 
nachgewaschen und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet: 0,4g 
rohes Galaktosebenzylphenylhydrazon. Nach Umkristallisieren aus 30 proz. 
Alkohol werden 0,21 g trocknes farbloses Hydrazon gewonnen, welches die 
Orcinreaktion nicht mehr gibt. Seine Kristalle schmelzen bei 157 bis 158°, 
entsprechend den Angaben von Behrend und Hofmann!). 

0,0566 g d-Galaktosebenzylphenylhydrazon in 6,9ccm reinem Methyl- 
alkohol gelöst zeigen die Drehung ap = — 0,13° im 1-dm-Rohr bei der 
Konzentration c = 0,82. Daraus berechnet sich die spezifische Drehung 


[a]p = — 18,8°, 


während van Ekenstein und Lobry de Bruyn?) [a]p = — 17,2 beobachteten. 


Schleimsäure aus d-Galaktose der Pektinsäure. 


l g des Zuckersirups wird in 12 cem Salpetersäure vom spezifischen 
Gewicht 1,15 in einem kleinen Becherglase gelöst und die Lösung im 
Wasserbade auf ein Drittel des Volumens eingeengt. Die über Nacht ab- 
geschiedenen Schleimsäurekristalle werden nach dem Waschen in ver- 
dünnter Natronlauge gelöst, daraus wieder mit Salzsäure gefällt, abgesaugt, 
gewaschen und 4 Stunden bei 105° getrocknet. 0,0843 g Schleimsäure vom 
Schmelzpunkt 212 bis 213°. 


Kristallisierte d-Galaktose aus der Pektinsäure. 


Durch Schwefelsäurespaltung war aus der Pektinsäure Nr. 3 bei völlig 
gleicher Arbeitsweise nach wiederholter Behandlung mit Tierkohle ein 
reiner Zuckersirup gewonnen worden im Gewicht von 2,27g, der nach 
kurzem Stehen beim Reiben kristallisierte. Nach viertägigem Stehen 
wurde die zähe Kristallmasse mit 93proz. Alkohol verrieben, abgesaugt, 
mit wenig Alkohol gewaschen und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. 
Diese schwach gelblich gefärbten Kristalle (0,382 g) wurden in 10 cem 
Wasser gelöst und sofort polarisiert im 2-dm-Rohr. Es zeigt sich eine 
Anfangsdrehung von [a]p = + 131,4, welche ihren Einndwert bei 


1) Ann. d. Chem. 866, 277, 1909. 
2) v. Ekenstein und Lobry de Bruyn, Rec. Trav. P. B. 15, 225, 1896. 


Inkrusten des Flachses. 61 


[a]p = + 79,4° erreicht. Da Tollens!) für Galaktose ebenfalls nach Muta- 
rotation [a]p = + 80,5° fand, deutete diese spezifische Drehung auf 
Galaktose hin. Trotzdem gibt der Zucker noch schwach die Orcinreaktion. 
Nach erneutem Umkristallisieren aus Alkohol werden schneeweiße, trockene 
Kristalle von d-Galaktose gewonnen, die nun keine Spur einer Oreinreaktion 
mehr geben, also frei von Pentosen sind. 


0,2072 g d-Galaktose, gelöst in 10 ccm Wasser, zeigten im 2-dm-Rohr 
bei 20° sofort beobachtet ap = + 5,14° und nach 24 Stunden ap = + 3,33, 
demnach 


Anfangsdrehung . . . . . . [a]p = + 124° und 
Enddrehung . . . . . . . . [a®]= + 80,4%, 


während Tollens!) Mutarotation von [a]n = + 117° bis [a]n = + 80,5° 
beobachtet hat. 


Es lag somit reine kristallisierte d-Galaktose vor. 


Die zur Polarisation verwandte Lösung wurde eingedampft und der 
Rückstand mit Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,15 zu Schleim- 
säure oxydiert. Es bildeten sich die typischen Schleimsäurekristalle, 
welche den von Tollens?) angegebenen Schmelzpunkt 213° zeigten. 


I-Xylose aus Peklinsäure. 


1. Xylonsäure- Bromcadmiumsalz nach Bertrand. 


Nach Abscheidung der Arabinose und Galaktose als Benzylphenyl- 
hydrazone aus dem bei der Hydrolyse der Pektinsäure gewonnenen 
Zuckersirup (S. 58 bis 60) ergab sich ein Filtrat, das immer noch stark 
die Orcinreaktion zeigte. Es wurde nach den Angaben von Ruff und 
Ollendorf?) von dem überschüssigen Benzylphenylhydrazin und etwa in 
Lösung gehaltenen Hydrazonen der Arabinose und Galaktose durch 
Formaldehyd befreit und so in Form eines Sirups gewonnen, der mit 
Tierkohle aufgehellt wurde. Lufttrocken wog dieser 1,2g. Er wurde 
mit 3,5g Wasser verrührt und mit 1,4g CdCO, und 0,9g Brom versetzt. 
Nach kurzem Erwärmen auf dem Wasserbad wurde das Ganze unter 
häufigem Umrühren stehengelassen, nach 20 Stunden kurz aufgekocht, 
siedend filtriert und mit wenig Wasser nachgewaschen. Nach vorsichtigem 
Einengen auf dem Wasserbad wird der erhaltene Sirup mit dem gleichen 
Volumen absoluten Alkohols verrieben. Bereits nach 4 Stunden haben 
sich die gut ausgebildeten bootförmigen Kristalle des Bertrandschent) 
Xylonsäure-Bromcadmiumsalzes abgeschieden, deren typisches Aussehen 
für die Anwesenheit der Xylose charakteristisch ist. Nach 48stündigem 
Stehen wird das Salz abgesaugt, in wenig Wasser wieder gelöst und die 
Lösung mit absolutem Alkohol verrührt, wobei sich das Salz in Form 
feiner farbloser Kristalle absetzt. 


1) Tollens, Handb. d. Kohlenhydrate 1914, S. 286. 

2) Ann. d. Chem. 227, 221, 1885. 

3) Ber. 82, 3234, 1899. 

1) Widtsoe und Tollens, Ber. 88, 136, 1900, Anmerkung. 


62 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: 


Spezifische Drehung des X ylonsäure-Bromcadmiumsalzes. Angewandt: 
0,0744g, im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet, wurden in 5ccm 
Wasser gelöst. 


ap = + 0,12° 
l = 1 [a]p = + Bel, 
CG zs 1,488 


Browne und Tollens!) fanden [a]n = + 7,4°. 


2. Kristallisierte 1-X ylose. 


Das Filtrat der aus dem Zuckersirup kristallisiert abgeschiedenen 
Galaktose, welches weder die Rosenthalersche Methylpentosenreaktion 
noch die Seliwanoff- Weehuizensche Ketosenreaktion gibt, wird nochmals 
mit Tierkohle behandelt. Nach allmählichem Eindunsten auf dem Wasser- 
bade und Abkühlen beginnt es schon nach einem Tage von neuem, reichliche, 
schöne, wasserhelle Prismen abzuscheiden. Diese werden nach sechstägigem 
Stehen abgesaugt und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. 0,62g. 
Polarisiert zeigt die Lösung von 0,62 g Xylose in 1Occm Wasser im 1,-dm- 
Rohr Mutarotation mit einer Anfangsdrehung von [a]» = + 64,8° und einer 
Enddrehung von [a]p = + 21,3 (ap = + 0,66°). Der Zucker gibt schon 
in Spuren eine stark positive Orcinreaktion. 

Die mit wenig Wasser verdünnte Zuckerlösung wird nochmals mit 
Tierkohle entfärbt, filtriert und auf dem Woasserbade allmählich zum 
Sirup eingedunstet. Nach einigen Stunden setzt wieder die Kristallisation 
ein. Nach 6 Tagen wird die feste, weiße Kristallmasse mit 96proz. Alkohol 
verrieben, abgesaugt, mit Alkohol und Äther gewaschen und im Vakuum 
über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. 0,3078 g schnee- 
weiße, kristallisierte !-Xylose. Diese Menge wird in 10 ccm Wasser gelöst 
und im 2-dm-Rohr polarisiert. Sofort beobachtet a = + 3,21° und 
nach 24 Stunden a} = + 1,21%. Demnach 


Anfangsdrehung . . . . . . [a]? = + 52,1° 
Enddrehung. . . . . . Io = + 197° 
Tollens?) beobachtete die Anfangedrchung .. . . [a] = + 78,6° 
und die Enddrehung . . . . . gr A ER ik la] = + 19,2° 


Die Lösung ergab eine SE Rosenthalersche Methylpentosen- 
reaktion. Auch das Filtrat der zuerst aus dem Sirup abgeschiedenen X ylose 
zeigte nach Klärung mit Tierkohle keine Seliwanoff-Weehutizensche und 
Rosenthalersche Reaktion. Es sind also unter den Monosacchariden der 
Pektinsäure Ketosen und Methylpentosen nicht nachweisbar. 


Untersuchungen über den vermeintlichen Gehalt der Pektinsäure an 
Methylpentosen. 


Bei den im Laufe der Untersuchungen (s. S. 48 und 59) angestellten 
Pentosenbestimmungen durch Furfuroldestillation ergab die teilweise Alkohol- 
löslichkeit des Phloroglucids scheinbar Anwesenheit von Methylpentosen. Zur 
Aufklärung der Frage, ob es sich hier wirklich um Methylpentosen oder nur 
um gewisse Zersetzungsprodukte anderer Beikörper handelt, wurden außer 
den bereits angestellten noch die folgenden Untersuchungen ausgeführt. 





1) Ber. 85, 1461, 1902. 
2) Handbuch der Kohlenhydrate 1914, S. 28. 


Inkrusten des Flachses. 63 


Pektinsäure und der aus ihr gewonnene Zuckersirup wurden mit Hilfe 
der Rosenthalerschen Reaktion auf Methylpentosen geprüft. Nach Rosen- 
thaler!) ist der Beweis fürihre Anwesenheit erbracht, wenn nach Erwärmung 
der zu untersuchenden Substanz mit konzentrierter Salzsäure und Aceton 
im Wasserbad innerhalb Y, Stunde eine deutliche, himbeerrote Färbung 
auftritt, welche im Spektrum typische Absorptionslinien zeigt. Weder 
bei der Pektinsäure, noch bei dem Zuckersirup trat die himbeerrote Farbe 
mit ihren charakteristischen Spektrallinien auf. Wurde diesen Untersuchungs- 
objekten aber eine Spur Rhamnosehydrat zugesetzt, so fiel die Rosenthaler- 
sche Reaktion deutlich positiv aus, ein Zeichen, daß andere Beikörper die 
Färbung nicht verdeckt haben konnten. Methylpentosen können also in 
diesen Präparaten nicht vorhanden gewesen sein. 

Zur eindeutigen Lösung dieser Frage wurden nun noch Untersuchungen 
mit Digalakturonsäure aus Rübenpektin angestellt. Von dieser Verbindung 
mußte man nach den früher angestellten Untersuchungen annehmen, 
daß sie nur aus Anhydriden der Galakturonsäure besteht und keine weiteren 
Kohlenhydrate enthält. Es wurde nun zunächst geprüft, ob nach Salzsäure- 
destillation von reiner Digalakturonsäure a aus Rüben das aus den Destillaten 
gewonnene Furfurolphloroglucid partiell in Alkohol löslich ist und in 
welchem Grade. 

Angewandt: 0,4386 g trockene Digalakturonsäure a. 

Gefunden: 0,1759 g Furfurolphloroglucid (im Wasserbadtrockenschrank 
bei 98° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet). Von dieser Menge lösen sich 
in 96proz. Alkohol 0,0117 g. Daraus berechnet sich nach der Elletschen 
Tabelle?®): 

0,0288 g Methylfurfurolphloroglucid (?) entsprechend 6,6 Proz. 
Rhamnosehydrat ( ?), bezogen auf Digalakturonsäure. Die mit dieser Substanz 
versuchte Rosenthalersche Reaktion verlief negativ. 

Zur weiteren Untersuchung wurde nun eine andere Portion Digalakturon- 
säure dem Verfahren der Tollensschen Salzsäuredestillation unterworfen. 
Mit den ersten sechs gesondert aufgefangenen Destillaten wurde die Rosen- 
thalersche und T'ollens-Widisoesche?) Reaktion angestellt. Nach letzterer 
Methode erwärmt man 5 bis 10 ccm des Destillats der Furfuroldestillation 
mit demselben Volumen 38proz. Salzsäure während einiger Minuten auf 
dem Wasserbade. Bei Gegenwart von Methylpentosen tritt dann eine schwach 
gelborange Färbung auf, während spektroskopisch ein Band zwischen 
grün und blau wahrzunehmen ist. In der folgenden Tabelle ist das Ergebnis 
einer solchen Destillation von 0,2g Digalakturonsäure a angegeben: 





Tollens- Widtsoesche Reaktion | Absorptions» 
. linien im 
Farbe eis Spektrum 








a S f 
Rosenthaler sche Reaktion li Absorptions» 


linien im 
Fraktion Farbe | Spektrum 























1 s. schw. hellgelb —_— | 1 | Farblos 22 
2 is 2 ei 
3 i Se 3 | | 

4 schw. rötlich- | — 4 |\schw. hellgelb 

5 Ss 5 | | 

6 = o ` 


| Pe 
braun | | — 


| 


1) Zeitschr. f. analyt. Chem. 48, 167, 1909. 
2) van der Haar, Anleitung 1920, S. 82. 
3) Ber. 38, 143, 1900. 


64 F. Ehrlich u Fr. Schubert: 


Nachdem diese Prüfung wieder negativ verlaufen war, wurden erneut 
0,2g Digalakturonsäure a in völlig gleicher Weise destilliert, nachdem ihr 
0,05 g Rhamnosehydrat zugesetzt worden war: Wie die folgende Zusammen- 
stellung zeigt, tritt sowohl die Rosenthalersche wie die Widisoesche Reaktion 
deutlich positiv auf: 





Absorptions: | W’idtsoesche Reaktion , Absorptions 
linien im | inien im 


(Fraka Fade | 
Spektrum i Fraktion | Farbe ‚ Spektrum 


Rosenthalersche Reaktion 








Fraktion ~ Farbe 
1 schw. hellgelb — l | s. schw. hellgelb — 
2 :' rötlich hellgelb ; schw. + 2 ' schw. hellgelb | schw. + 
3 himbeerrot | + 3 | + 
4 2 + S | gelborange T 
5 » Paa EE 
6 schw. himbeerrot || schw. +, 6 schw. + 





Damit ist gezeigt, daß der Befund von alkohollöslichem Furfurol- 
phloroglucid bei der Zersetzung von Pektinstoffen mit Salzsäure 
nicht allgemein zu einem Schluß auf Methylpentosen berechtigt, denn 
schon bei Salzsäuredestillation der von Methylpentosen freien Galakturon- 
säure und daher auch bei der Destillation der Pektinsäure für sich treten 
Zersetzungsprodukte auf, welche in 96proz. Alkohol löslich und nicht mit 
Methylfurfurolphloroglucid identisch sind. Es glückte tatsächlich nie, in 
irgend einem Präparat des Hexopentosans und der Pektinsäure aus Flachs 
Methylpentosen durch die angegebenen Farbreaktionen nachzuweisen. 


Die quantitative Ermittlung der Galakturonsäure und der Kohlenhydrate im 
Molekül der Pektinsäure. 


Nachdem durch diese Untersuchungen der Beweis erbracht ist, daß 
Methylpentosen am Aufbau des Pektinsäuremoleküls nicht beteiligt sind, 
sei zum Schluß die Methode angegeben, nach der versucht worden ist, über 
die quantitativen Mengenverhältnisse der einzelnen Bausteine des Pektin- 
säuremoleküls Aufschluß zu erhalten. Schon aus der Spaltung der Pektin- 
säure mit Salzsäure (s. S. 50) konnte geschlossen werden, daß die Pektin- 
säure zu ungefähr 56 Proz. aus Galakturonsäure bestehen müsse. Um genau 
festzustellen, in welcher Menge die Galakturonsäure in der Pektinsäure 
enthalten ist, wurde die von Tollens und Lefèvre!) für die Bestimmung von 
Glucuronsäure ausgearbeitete Methode auf die vorliegenden Untersuchungen 
übertragen. Nach Tollens und Lefèvre!) spaltet Glucuronsäure bei der 
Destillation mit Salzsäure vom spezifischen Gewicht 1,06 Kohlensäure ab; 
aus der quantitativ bestimmten Menge derselben läßt sich nach der 
Gleichung 

C,H,0; =.C;:H,0, + 2H,0 + CO, 


der Gehalt an Glucuron berechnen. 
Zur Berechnung des Gehalts an Galakturonsäure bedarf die Gleichung 
der folgenden Abänderung: 


CsH10O: = C5H,0, + 3 H,O + CO.. 


1) Tollens und Lefèvre, Ber. 40, 4513, 1907. 


Inkrusten des Flachses. 65 


Aus ihr geht hervor, daß 1 Mol. Kohlensäure 1 Mol. Galakturonsäure 
entspricht. 


Bei der Erhitzung mit 12proz. Salzsäure ergaben 0,8196g trockene 
Pektinsäure Nr. 3 0,1139g CO,. Durch Multiplikation von 0,1139 mit 4,4 
ergibt sich 0,5012 g Galakturonsäure, entsprechend 61,15 Proz. Galakturon- 
säurc in der Pektinsäure. 


Damit ist zugleich ein Weg vorgezeichnet, um festzustellen, welche 
Mengen Furfurol bei der Salzsäuredestillation der Pektinsäure einerseits 
aus der Galakturonsäure, andererseits aus den nebenher vorhandenen 
Pentosen entstanden sind. 


Zu diesem Zwecke wurde zunächst Digalakturonsäure quantitativ 
einmal auf die Furfurolabspaltung und parallel dazu auf die CO,-Abspaltung 
beim Erhitzen mit Salzsäure untersucht. Die aus der letzteren gefundene 
Galakturonsäuremenge wurde mit der bei der Furfuroldestillation erhaltenen 
Furfurolphloroglucidmenge verglichen. Dabei ergab sich, daß unter den 
Bedingungen der Bestimmungsmethoden von Tollens und Lefèvre ein Teil 
Furfurolphloroglucid 2,94 Teilen Galakturonsäure CH0, bzw. 2,67 Teilen 
Digalakturonsäure Cia H1601: entsprechen. Diese Beobachtung gibt eine 
Möglichkeit, durch Kombination der Werte der Furfuroldestillation mit 
denen der Kohlendioxydabspaltung den Gehalt der Pentosen und der 
Galakturonsäure in der Pektinsäure zu bestimmen. 


Aus der Gesamtbestimmung der SEBES durch Salzsäuredestillation 
der Pektinsäure ergab sich: 


Angewandt: 0,4582 g reine, trockene Pektinsäure. 
Gefunden: 0,1772 g Furfurolphloroglucid. 


Daraus berechnet sich für lg Pektinsäure 0,3868 g Furfurolphloro- 
glucid im ganzen. Die CO,-Abspaltung nach Tollens-Lejerre liefert für 
dieselbe Pektinsäure folgende Werte: 


Angewandt: 1,2364 g reine, trockene Pektinsäure. 
Gefunden: 0,1605g CO. 


Durch Multiplikation mit 4,4 ergeben sich 0,7062 g Galakturonsäure, 
entsprechend 57,1 Proz. Galakturonsäure in der Pektinsäure, d. h. 1g 
Pektinsäure enthält 0,5710g Galakturonsäure. Durch Division dieser 
Menge durch den oben gefundenen Faktor 2,94 ergibt sich, daß die in 1g 
Pektinsäure enthaltene Galakturonsäuremenge 0,1943 g Furfurolphloroglucid 
entspricht. 


Zieht man diese Menge Furfurolphloroglucid von der oben insgesamt 
aus l g Pektinsäure erhaltenen ab, so ergibt sich 0,3868g — 0,1943 g 
= 0,1925 g, d. h. die Menge Furfurolphloroglucid für 1 g Pektinsäure, die 
allein aus den Pentosen entstanden ist. 


Dieser Zahl entspricht nach der Kröberschen Tabelle eine Menge von 
21,8 Proz. Pentosen, berechnet als Arabinose in der Pektinsäure. 


Nun konnte schon aus der spezifischen Drehung des Zuckersirups der 
Pektinsäure (s. S. 58, Anm.) mit großer Wahrscheinlichkeit gefolgert werden, 
daß die einzelnen darin enthaltenen Kohlehydrate in äquimolekularen 
Mengen vorhanden sind. Demnach müßte die isolierte Xylose in derselben 
prozentualen Menge am Aufbau der Pektinsäure beteiligt sein, wie die 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 5 


66 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: Inkrusten des Flachses. 


Arabinose; es ergibt sich daher für die beiden Zucker aus dem analytisch 
gefundenen Gesamtwert der Pentosen: 


10,9 Proz. Arabinose und 
10,9 , _Xylose in der Pektinsäure. 


Da in diesem Zuckersirup das Verhältnis der Pentosen zur Galaktose 
wie 61,6: 38,4 gefunden worden war (s. S. 59), verbleibt für die pro- 
zentuale Menge der Galaktose: 


13,6 Proz. Galaktose in der Pektinsäure. 


Wenn essich hier infolge der Unzulänglichkeit der Bestimmungsmethoden 
und sonstiger Fehlerquellen auch nur um Annäherungswerte handeln kann, 
so läßt sich jedenfalls aus dem Vergleich der nach verschiedenen Verfahren 
gefundenen Mengenverhältnisse und ihrer Größenordnung so viel mit 
Sicherheit folgern, daß von den verschiedenen Kohlehydraten je ein Molekül 
im Pektinsäuremolekül vorkommt. 





Über den Einfluß des Caleiums und der Phosphorsäure 
auf die Milch. 


Von 


J. Zaykowsky. 
(Aus dem agronomischen Institut in Leningrad, Rußland.) 
(Eingegangen am 5. Dezember 1925.) 


Die Frage, auf welche Weise der tierische Organismus die im 
Futter enthaltenen organischen Nährstoffe ausnutzt, ist bereits aus- 
führlich behandelt worden, wenigstens beschäftigt man sich mit diesem 
Problem seit mehreren Jahrzehnten; dagegen ist die Rolle, welche die 
Mineralsalze im Organismus der Tiere spielen, bis jetzt wenig beachtet 
worden. Diese Frage gewinnt aber eine sehr große Bedeutung, wenn man 
einerseits das Bedürfnis des Organismus bedenkt, ein gewisses Minimum 
an mineralischen Nährstoffen zu erhalten, und andererseits die Mannig- 
faltigkeit in bezug auf die Zusammensetzung und den Gehalt an an- 
organischen Salzen beachtet, durch welche sich die verschiedenen 
‚Futtermittel auszeichnen. Zieht man außerdem noch in Betracht, daß 
diese Mineralsalze für den lebenden Organismus nicht nur im Verlauf 
des Wachstums (was besonders wichtig ist), sondern auch während des 
gesamten Lebens unumgänglich notwendig sind, um seine mineralische 
Bilanz aufrechtzuerhalten, so tritt die Wichtigkeit dieser Frage ganz 
klar zutage. Eine spezielle Bedeutung haben die anorganischen Nähr- 
stoffe für das Milchvieh überhaupt und besonders für die Kühe während 
ihrer Laktationsperiode. Bisher wurde die Futterration für eine 
milchende Kuh ausschließlich nach dem Stärkeäquivalent und dem 
Eiweißminimum im Verhältnis zum Gewicht des Tieres und zu seiner 
Milchproduktion zusammengestellt. Weder die Qualität noch die 
Quantität der anorganischen Salze wurde in irgend einer Weise be- 
rücksichtigt, indem man von vornherein annahm, daß die Futterration 
genügend Mineralbestandteile enthält, nicht nur um den Organismus 
zu erhalten, sondern auch um das zugleich mit der Milch ausgeschiedene 
Defizit zu decken. Eine Erschwerung tritt hier freilich noch durch den 


5* 


68 J. Zaykowsky: 


Umstand ein, daß bisher keine ausreichende Klarheit darüber bestand, 
in welchem Grade der Organismus des Tieres die Salze verwerten kann, 
die er mit dem Futter erhält. 


Fingerlingks (1) Untersuchungen haben gezeigt, daß die Ausnutzung 
oder Assimilation des Calciums und der Phosphorsäure durch den tierischen 
Organismus unmittelbar von der Quantität der im Futter befindlichen 
Rohfaser abhängt. Je mehr Rohfaserstoffe das Futter enthält, desto 
weniger nutzt der Organismus die Mineralstoffe aus. Auf Grund derselben 
Beobachtungen werden bei Darreichung groben Futters nur 50 Proz., bei 
konzentriertem durchschnittlich 90 Proz. der gesamten im Futter befind- 
lichen Menge von Calcium- und phosphorsauren Salzen vom Organismus 
assimiliertt. DBerücksichtigt man die wechselnde Zusammensetzung der 
Futterstoffe, die individuellen Eigenschaften des Tieres, die Milchproduktion 
und die eben angeführten Daten über den Koeffizienten der ausgenutzten 
anorganischen Salze, so könnte möglicherweise der Fall eintreten, daß 
dem Tiere zwar eine hinreichende Menge organischer Nährstoffe, aber eine 
ungenügende Quantität mineralischer Salze in seiner Futterration dar- 
geboten wird. Wir wissen, daß die Milch einen bestimmten Gehalt an 
anorganischen Substanzen aufweist, der in verhältnismäßig engen Grenzen 
von 0,7 bis 0,8 Proz. schwankt. Erhält nun die Kuh während der Laktations- 
periode eine Salzmenge, die dem natürlichen Bedürfnis ihres Organismus 
mit Rücksicht auf das Verschwinden von Salzen infolge Ausscheidung mit 
der Milch nicht genügt, so ist es klar ersichtlich, daß das Tier nicht die 
maximale Milchmenge liefern kann, die bei ausreichender mineralischer 
Ernährung produziert werden könnte. 

Seit dem Jahre 1916 sind in Deutschland eine Reihe von Unter- 
suchungen ausgeführt worden, die sich einerseits auf die Verdaulichkeit 
bzw. Unverdaulichkeit der anorganischen Nährstoffe und andererseits auf 
die Erscheinungen, die durch verstärkte oder ungenügende Ernährung mit 
Mineralsalzen im Organismus hervorgerufen werden, erstreckten. Alle 
diese Forschungen berücksichtigen ausschließlich den Einfluß der wichtigsten 
mineralischen Nährbestandteile, nämlich des Calciums und der Phosphor- 
säure. Ohne auf die einzelnen Versuche auf diesem Gebiete näher ein- 
zugehen [am Ende der Arbeit ist die diesbezügliche Literatur angeführt (2)], 
sei hier erwähnt, daß die meisten Autoren den günstigen Einfluß der inten- 
siven mineralischen Ernährung auf den animalischen Organismus anerkannt 
haben. Obgleich die meisten Versuche mit kleinen Tieren (einschließlich 
Mäusen) vorgenommen wurden, waren die dabei erhaltenen Resultate 
doch derart überzeugend, daß jetzt in den landwirtschaftlichen Betrieben 
Deutschlands der Zusatz von Calciumsalzen zum Viehfutter bereits ein- 
geführt worden ist (vorzugsweise werden Chlorcalcium und kohlensaures 
Calcium ihrer Wohlfeilheit wegen angewandt). Der günstige Einfluß der 
als Zusatz zur Nahrung in den animalischen Organismus eingeführten 
Calciumsalze kann gegenwärtig als eine feststehende Tatsache angesehen 
werden; nicht nur das Wachstum der Tiere, sondern auch die Milchproduk.- 
tion werden dadurch gesteigert. 


Somit bestehen hinsichtlich der fördernden Wirkung der Calcium - 
und teilweise der phosphorsauren Salze keinerlei Zweifel mehr; der 


Einfluß der übrigen Salze ist aber bisher noch gar nicht erforscht 
worden. Jeder Organismus, sowohl der vegetabilische als auch der 


Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 69 


animalische, enthält auch eine ganze Reihe anderer anorganischer 
Verbindungen, und wenn auch einige derselben in nur unbedeutenden 
Quantitäten vorhanden sind, so ist ihre Anwesenheit dennoch für die 
normale Entwicklung und die physiologischen Funktionen des lebenden 
Organismus unbedingt erforderlich. Das gilt natürlich in gleicher Weise 
ebenso für die Anionen wie für die Kationen. Ja, es ist sogar möglich, 
daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den anorganischen 
Salzen und dem Körperbau des Tieres besteht, unter anderem z.B. 
zwischen den Eisenverbindungen und der Färbung (Pigment), oder 
zwischen den phosphorsauren Calciumsalzen und dem Knochengerüst. 
Die Bedeutung dieser Beziehungen wurde bisher überhaupt noch nicht 
erforscht. 

Von besonderer Wichtigkeit ist es, den Einfluß der anorganischen . 
Salze auf den animalischen Organismus an russischen Tieren zu unter- 
suchen. Die ungeheure Ausdehnung Rußlands mit seinem sehr ver- 
schiedenartigen Boden hat die Notwendigkeit zur Folge, die groben 
sowie die konzentrierten Futtermittel von einer Gegend in die andere 
zu transportieren. Dieses Futter hat natürlich, je nach dem Boden, 
eine sehr wechselnde organische und anorganische Zusammensetzung. 
Leider blieb die Untersuchung des Futters bis jetzt in den meisten 
Fällen auf eine Bestimmung der organischen Nährstoffe beschränkt, 
die mineralischen Bestandteile wurden nur als Asche gekennzeichnet, 
ohne daß ihre Zusammensetzung sowie das quantitative Verhältnis 
der einzelnen Aschenbestandteile untereinander und des gesamten 
anorganischen Anteils zu den übrigen Nährstoffen untersucht wurde. 
Eine nicht geringere Bedeutung hat die mineralische Ernährung des 
Milchviehs für die Milchwirtschaft und speziell für die Käsebereitung. 

Es ist eine allbekannte Tatsache, daß bei der Zubereitung von harten 
Käsesorten (Emmentaler Typus) lange Zeit ein untaugliches Produkt 
hergestellt wurde, und daß vielleicht auch jetzt noch der sogenannte 
russische Schweizerkäse mit dem in seiner Heimat, der Schweiz, bereiteten 
Produkt nichts gemeinsam hat. Diese Tatsache kann man wohl kaum nur 
durch ungeeignetes Personal oder durch klimatische Verhältnisse erklären, 
denn die ersten Käser hatten ihr Gewerbe in der Schweiz erlernt, und 
überdies war es nicht schwierig, die Temperatur in den Käsekellern den 
in der Schweiz geltenden Bedingungen anzugleichen. 

Was die bakterielle Flora anbetrifft, so wies unser Produkt, trotz 
einer Impfung mit Bakterien aus dem Schweizer Käse, doch gegenüber 
dem aus der Schweiz stammenden eine große Verschiedenheit auf. 
Die Ursache hierfür liegt wohl tiefer begründet, nämlich in der chemischen 
Konstitution der Milch und in ihrer Qualität. Allein die chemische 
Zusammensetzung der Milch ist ziemlich konstant und variiert nur 
innerhalb der quantitativen Verhältnisse der Milchbestandteile. Wir 
wollen nunmehr untersuchen, welchen Einfluß diese oder jene Zu- 


70 J. Zaykowsky: 


sammensetzung der Milch auf das Reifen des Käses haben kann. Be- 
kanntlich enthält die Milch, außer Wasser, Kohlenhydrate (Milchzucker), 
Eiweißkörper (hauptsächlich Casein), Fett und anorganische Salze. Die 
Menge des Fettes, soweit es frisch ist, wirkt nur auf die Feinheit, nicht 
aber auf den Charakter des Käsegeschmacks. Die Menge der Eiweiß- 
stoffe kann nur die Quantität des Käses beeinflussen, denn der Molken- 
gehalt im Käse muß bei richtiger Behandlung des Gerinnsels und bei 
vorschriftsmäßigem Pressen mehr oder weniger konstant sein; folglich 
sollte die Quantität der stickstoffhaltigen Bestandteile derselben 
Sorte theoretisch immer gleich bleiben. So kann auch dieser Bestandteil 
der Milch keinen Einfluß auf das Reifen des Käses haben. Anders 
verhält es sich mit dem Milchzucker und den anorganischen Salzen. 

Bekanntlich erleidet der Milchzucker unter dem Einfluß von 
Bakterien eine Spaltung, wobei sich verschiedene Zerfallsprodukte 
bilden, unter denen die Milchsäure die erste Stelle einnimmt. Ihre 
Menge hängt ausschließlich von vorhandenem Milchzucker ab, denn 
der Zersetzungsprozeß des Zuckers verläuft quantitativ bis zu Ende, 
und der gesamte Zucker verschwindet schon in den ersten Tagen nach 
der Zubereitung des Käses. Infolgedessen hängt der Milchsäuregehalt 
im Käse jedesmal von der Menge des in der Milch enthaltenen Milch- 
zuckers ab. Die Milchsäure spielt somit im Reifungsprozeß des Käses 
eine große Rolle. Sie beschleunigt einerseits die Wirkung der im Käse 
befindlichen Enzyme, also auch des Labferments, und ist andererseits 
eine Art Regulator des ganzen Reifungsvorganges, da die Vermehrung 
und die Entwicklung der verschiedenen Mikroorganismen vom Säure- 
gehalt abhängt. Je mehr Milchsäure der Käse enthält, desto weniger 
eignet er sich zur Entwicklung von Bakterien und desto schneller 
sterben dieselben ab. van Dam (4) hat dargetan, daß in richtig reifenden 
harten Käsesorten die Acidität, welche nicht durch Titration, sondern 
durch Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration gemessen wird, 
konstant bleibt; folglich muß die sich bildende Milchsäure entweder 
verschwinden oder in irgend eine chemische Verbindung übergehen. 
Ein Teil der Milchsäure wird nun von den Mikroorganismen weiter 
zerlegt, ein Teil geht in eine wenig stabile Verbindung mit den basischen 
Gruppen des Paracaseins über, der Rest wird durch die in der Molke 
und in dem Gerinnsel befindlichen Calciumsalze neutralisiert. Wenn 
nun die für den Käse verwendete Milch viel Milchzucker und wenig 
anorganische Salze enthält, welche die entstehende große Menge Milch- 
säure zu neutralisieren vermögen, so wird der aus einer derartigen Milch 
zubereitete Käse nicht ordnungsgemäß reifen, oder die Reifung verläuft 
in irgend einer anderen Richtung. Der Käse erhält dann nicht den für 
ihn charakteristischen Geschmack und Geruch und die richtige Struktur 
der Masse. In dem einander nicht entsprechenden Verhältnis des 





Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 71 


Milchzuckers zu den anorganischen Salzen, besonders dem Calcium 
in der Milch, ist also die Ursache für einige Fehler des russischen 
Schweizerkäses zu suchen. Besonders dadurch erhält er einen vom 
echten Schweizerkäse verschiedenen Charakter. Dieser Umstand wird 
noch durch die von A. A. Kalantar mitgeteilte Feststellung bestätigt, 
daß der bei der Käsebereitung angewendete Zusatz von Calciumsalzen 
zur Milch günstige Resultate ergab. 

Außerdem wirkt der Gehalt an Calciumsalzen in der Milch un- 
mittelbar auf die Säuerung der Milch durch das Labferment; je mehr 
Caleiumsalze in der Milch enthalten sind, desto schneller gerinnt sie, 
unter sonst gleichen Bedingungen. 

Obgleich, wie schon oben erwähnt, die ergänzende Fütterung der 
Tiere mit Calciumsalzen (in Deutschland) bereits hinlänglich erforscht 
ist und günstige Resultate hinsichtlich des Wachstums der jungen 
Tiere sowie betreffs des Milchertrags bei Ziegen erzielt worden sind, 
so war es doch von Interesse, diese Ergebnisse mit unter unseren Be- 
dingungen angestellten Versuchen zu vergleichen. Ich habe mich in 
den von mir ausgeführten Untersuchungen bemüht, den Einfluß der 
Salze nicht nur unmittelbar auf den Milchertrag, sondern auch auf 
die Zusammensetzung der Milch zu ermitteln. Von den oben erwähnten 
Erwägungen ausgehend, mußte man nicht nur den gesamten Asche- 
gehalt der Milch, sondern auch deren Hauptbestandteile, Calcium und 
Phosphor, bestimmen. Die experimentelle Viehfütterung mit an- 
organischen Salzen kann teilweise als Entscheidung dafür dienen, ob 
die Tiere genügend mineralische Nahrung erhalten oder nicht. Wenn 
ein bestimmtes Tier bei richtig zusammengesetzter Nahrung die maxi- 
male Quantität Milch produziert und sich dieser Milchertrag nach der 
ergänzenden Fütterung mit anorganischen Salzen nicht vergrößert, 
so ist dies ein Beweis dafür, daß die Futterration genügend Mineral, 
bestandteile enthält. Wird dagegen bei ordnungsgemäß zusammen- 
gesetzter Nahrung die Milchproduktion eines bestimmten Tieres nach 
dem Zusatz anorganischer Salze zum Futter gesteigert, so kana man 
mit Gewißheit behaupten, daß das Tier die mineralischen Bestandteile 
entweder in ungenügender Menge oder, was das gleiche besagt, in 
unverdaulicher Form erhält. Zu derselben Schlußfolgerung gelangt 
man, wenn sich der Fettgehalt vergrößert, ohne daß der Milchertrag 
zunimmt. 

Um die angeschnittenen Fragen zu entscheiden, habe ich noch im 
Jahre 1924 im Landwirtschaftlichen Institut zu Wologda Versuche an 
milchenden Kühen angestellt. 

Obgleich die Daten dieser Versuche aus äußeren Gründen hier nicht 


angeführt werden können, muß ich doch erwähnen, daß bereite bei diesen 
vorläufigen Versuchen ein erhöhter Milchertrag bei den Versuchskühen 


72 J. Zaykowsky: 


bemerkt wurde. Diese Beobachtungen über die Wirkung der ergänzenden 
mineralischen Ernährung auf das Milchvieh wurden im laufenden Jahre 
in der Zootechnischen Versuchsstation des agronomischen Instituts in 
Leningrad fortgesetzt. Obgleich aie Resultate dieser Versuche weder 
umfangreich noch vollständig genug sind, sind sie doch von so großer 
Beweiskraft, daß es nicht ohne Interesse ist, sie zu veröffentlichen. Für 
die Versuche wurden folgende Kühe ausgewählt, welche sich weder durch 
großen Milchertrag noch durch besonderen Fettgehalt der Milch auszeich- 
neten: Guria, Geran, Saria und Swanka. Die beiden ersten befanden sich 
im siebten bis achten Monat, die zwei letzten im sechsten bis siebten Monat 
ihrer Laktationsperiode, d. h. gerade zu einem Zeitpunkt, in welchem 
weder die Menge noch der Fettgehalt der Milch starken Veränderungen 
unterliegt. Die Kühe erhielten während der Versuchsperiode sowie 10 Tage 
vor und 10 Tage nach derselben eine gleichmäßige Futterration. Zum 
Experiment wurde zweibasisches phosphorsaures und kohlensaures Cal- 
cium verwandt. Obgleich Loew (5) Calciumchlorid ausdrücklich als er- 
gänzendes Futtermittel empfiehlt, wurde doch kohlensaures Calcium 
gewählt, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens ist durch A. Morgens (6) 
Versuche erwiesen, daß beide Salze auf den animalischen Organismus ein 
und dieselbe Wirkung ausüben, nur daß die Anwendung des Calcium- 
chlorids auf kleine Mengen beschränkt werden muß, weil größere Mengen 
desselben auf den Organismus schädlich wirken können. Zweitens kann 
das kohlensaure Calcium von praktischer Bedeutung sein, weil es viel 
wohlfeiler als das Calciumchlorid ist. Auch das kohlensaure Salz kann 
für das Tier schädlich werden, da es die Salzsäure des Magensaftes neutra- 
lisiert und dadurch die Verdauung erschwert; außerdem kann es, in großen 
Dosen angewandt, durch die sich bildende Kohlensäure Blähungen hervor- 
rufen. Diese Frage muß noch weiter bearbeitet werden. Während unserer 
Versuche konnten, bei einer täglichen Dosis von nicht über 100g pro Tier, 
keinerlei schädliche Symptome wahrgenommen werden. Nachdem die 
Tiere ihre bestimmte Ration 10 Tage lang erhalten hatten, wurde die Milch 
untersucht; darauf wurde begonnen, den Kühen Salz zu geben, das dem 
Futter trocken beigemischt wurde. Zwei Kühe bekamen zuerst kohlensaures 
Calcium, beginnend mit je 30 g pro Kopf; die Gabe wurde täglich so ver- 
größert, daß die Kühe nach 8 Tagen 100g erhielten. Zur gleichen Zeit 
bekamen die zwei anderen Kühe phosphorsaures Calcium von 20 g pro Tier 
täglich angefangen und bis zu 80 g aufsteigend. Die ergänzende Fütterung 
mit anorganischen Salzen dauerte 10 Tage. 2 Tage bevor der Salzzusatz 
aufhörte und 24 Stunden darauf wurden Milchproben zur Untersuchung 
entnommen. Nach Beendigung des ersten Versuchs erhielten die Kühe 
noch 10 Tage dieselbe Ration, die Milch wurde wiederum untersucht. 
Darauf wurde den Kühen wieder Salz gegeben, aber in umgekehrter Ordnung, 
derart, daß die Kühe, welche kohlensaures Salz erhalten hatten, jetzt phos- 
phorsaures Calcium bekamen, und umgekehrt. Am Schluß des Versuchs 
wurde die Milch, ebenso wie beim ersten Experiment zweimal untersucht. 
An demselben Tage, an dem die Proben entnommen wurden, wurde die 
Asche, das Calcium als CaO und der Phosphor als P,O, bestimmt. Außer- 
dem wurde täglich das spezifische Gewicht, der Fettgehalt und die Acidität 
der Milch untersucht. Die Ergebnisse der Versuche sind in die Tabellen 
nach Perioden eingetragen. Die erste Periode umfaßt die 10 Tage vor dem 
Zusatz der anorganischen Salze, die zweite 10 Tage der ergänzenden mine- 
ralischen Ernährung, die dritte die Zwischenzeit von 10 Tagen und die 
vierte wiederum 10 Tage der anorganischen Zusätze. | 


Einfluß des Caleciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 73 





22 | 

3 3- ki £ & P,O, 
= Š | 3 SE 

SO Ze 

N | L Proz. 





Name der Kuh: Guria. 


























l © —  —  1134'j| 3,55 | 4,02 || 32,3 ! 16,51 | 0,711 | 0,148 |0,189 ` 
2 242,7 | 307,7 , 121,8 | 3,97 4,83 || 33,2 | 18,18 | 0,784 | 0,168 | 0,239° 
3 | — ; — ||107,6 || 3,61 | 4,38 || 32,9 | 18,02 | 0,751 | 0,149 | 0,208 
4 2884| — 1193" 382 454 | 33.9 | 17.62 | 0,787 |0177 |0222 
Name der Kuh: Geran. 
l1 — | — 1006|] 3,63 : 3,65 31,9 | 18,18 ! 0,797 |0,155 |0,166 
2 2884| — 106,0 || 3,78 | 4,00 | 32,5 | 19,19 | 0,805 |0,177 |0,184°) 
3 | — | —_ | 99,8 3,59 | 3,58 | 32,1 | 19,19 | 0,800 |0,161 | 0,179 
4 242,7 | 307,7 | 103,5 | 3,92 | 4,05 | 33,0 ' 20,12 0,822 | 0,173 |0,215*) 
Name der Kuh: Saria. 
l — | — 11076 3,46 | 3,72 || 32,4 || 19,16 ' 0,747 | 0,1451 0,1652 
2 || 288,4 — 1129, 3,78 | 4,26 | 33,4 || 19,56 0,806 |0,1709|0,1750° 
3 —  — 1105 3,33 | 3,68 j| 33,0 || 19,16 | 0,768 | 0,1650! 0,1698 
4 ' 242,7 | 307,7 | 127,5 ` 3,70 | 4,72 || 33,8 20'10 | 0'837 0,1716| 0,1788*) 
Name der Kuh: Swanka. 
l : — i — ‚1117 3,43 | 3,83 |] 32,6 | 18,20 | 0,797 | 0,1716, 0,1788 
2 ` 242,7 | 307,7 | 120,3 ı 3,82 | 4,59 || 33,2 | 20,10 | 0,876 0,1901| 0,1900) 
3 j — j — ‚ 110,9 3,30 | 3,66 | 33,0 | 19,16 | 0,806 |0,1745/ 0,1761 
4 |; 288,4 1118,3 || 3,65 | 4,32 | 339 | 19,16 | 0,920 | 0,1799| 0,1881°) 











*) Daten für die Salze im Durchschnitt aus zwei Bestimmungen. 


Die Quantität an anorganischen Salzen, welche die Kühe im 
Futter bekamen, muß auch berücksichtigt werden; die Ration blieb, 
wie erwähnt, im Verlauf des ganzen Versuchs unverändert. Der Gehalt 
an CaO und P,O, ist aus der beigefügten Tabelle ersichtlich. 








l Grobes Futter | Konzentriertes Futter | Mineralische Salze in g für 10 Tage 
1 1 





























| | £ im 
Name der Kuh Kohls, Leins |Weizen-| Malz» ||im groben Futter, konzentrierten 
j | Heu rechain a a , Futter 
| Pfd. | Pfd. | Pid. | Pid. | Pfd. | Pé. | CaO | PRO; CaO | Paie 
GE EE se A e SE Ee Tee T ——- ge 
Guria... |24| — 4, 7 | — | 3 1060 | 466 | 142 | 685 
Geran . |24 |— 40| 5 — 2 || 1050 | 456 | 102 | 484 
Saria . 24 | 4 j —. 9 l 5 1034 | 351 || 193 | 984 
Swanka "24| 4;—i 8 2 5 : 1034 | 351 | 182 | 964 


Wir wollen jetzt die mineralische Bilanz der Tiere vor und nach 
der ergänzenden Fütterung mit anorganischen Salzen betrachten. 
Die Menge der Calciumsalze und der Phosphorsäure, die während der 
Versuchsperiode mit der Milch ausgeschieden wurden, ist in beifolgender 
Tabelle angeführt. 


74 J. Zaykowsky: 





Namen der Kühe: men der Kühe: | Guria | Ge we I Aa Swanka 


Periode CaO Te Sak CaO OE | CaO | POs | CaO CaO | PO, PaO, 


168 | 214 EES 156 | 167 156 | 178 | 192 200 


204 | 291 | 181 195 | 193 | 197 || 229 . 239 
| 160 | 224 | 161 179 182 | 188 | 193 195 
| 211 | 265 179 222 | 219 ` 228 || 213 222 





A DD ki 


Diese Salzmenge muß unbedingt in den Organismus des Tieres ein- 
geführt werden. Aber außerdem bedarf die Kuh einer gewissen Menge 
von Salzen zum Leben. Bogdanoff stützt sich auf Hennebergs Daten und 
führt aus, daß zum Erhalten des Gewichts einer 400 kg schweren Kuh 
täglich 41 g CaO und 21g P,O; eingeführt werden müssen. So müssen 
insgesamt im Laufe von 10 Tagen etwa 575g CaO und 450g P,O, dem 
Tiere zugeführt werden. Diese Quantitäten mineralischer Salze entsprechen 
ungefähr der Hälfte der anorganischen Salzmenge, welche jede Versuchskuh 
in einer Ration im Futter erhielt. So wäre anscheinend alles geregelt, 
denn die Ausscheidung von Salzen wurde durch die in doppelter Menge 
im Futter enthaltenen gedeckt. Aber in Wirklichkeit kann der animalische 
Organismus nur ein Drittel bis die Hälfte aller Salze ausnutzen, die das 
Futter enthält (nach Angaben von Bogdanoff). Je gröber das, Futter, 
je mehr Rohfaser es enthält, desto kleiner ist die Salzmenge, die assimiliert 
wird. Nimmt man an, daß die Hälfte der mit dem Futter eingeführten 
Salze von den Versuchstieren assimiliert wurde, so stimmte die Ausgabe 
mit der Einnahme überein. Da aber der größte Teil des Calciums gerade 
im groben Futter enthalten war, also schlechter assimiliert wurde (ein 
Drittel), so übersteigt die Ausgabe die Einnahme bedeutend, und die Menge 
an Calciumsalzen, welche die Kühe im Futter erhielten, war für ihren Bedarf 
bei weitem nicht ausreichend. Mit den phosphorsauren Salzen verhielt 
ee sich bedeutend besser; die Hauptmenge des Phosphors in der den Ver- 
suchskühen gegebenen Ration war in dem konzentrierten Futter enthalten 
und wurde infolgedessen besser vom Organismus utilisiert. Das bestätigen 
auch die Ergebnisse des Versuchs: das Füttern mit Calciumsalzen, welche 
Phosphor enthielten, und mit solchen ohne Phosphor hatte ein und dieselbe 
Wirkung. Das Resultat wäre wahrscheinlich anders ausgefallen, wenn die 
Kühe nicht genügend konzentriertes Futter bekommen hätten, wie das 
in Bauernwirtschaften vorkommt. Wie aus den Daten der Tabelle ersichtlich 
ist, hatte die ergänzende Fütterung mit anorganischen Salzen sowohl auf 
die Menge, als auch auf die Beschaffenheit der Milch Einfluß. Die Menge 
der gemolkenen Milch hat sich bedeutend vergrößert, um 7 bis 8 Proz. 
Es muß hier bemerkt werden, daß gerade während der Versuchszeit ein 
Wechsel des Personals, welches das Vieh pflegt, stattgefunden hatte, und 
zwar der Melkerinnen. Dieser Wechsel bewirkte in der ersten Zeit eine 
Änderung der Menge sowie des Fettgehaltes der Milch. Die monatliche 
Summierung des Milchertrags der ganzen Herde (72 Stück) ergab, daß 
bei allen Kühen, mit Ausnahme der Versuchstiere, während dieser Zeit 
weniger Fett in der Milch enthalten war. Dieser Umstand ist sehr charak- 
teristisch und bestätigt die Richtigkeit des angestellten Versuchs. 

Nicht nur der Fettgehalt, sondern auch das spezifische Gewicht wird 
erhöht, was auf eine Zunahme der festen Bestandteile der Milch hinweist 
und bei der Käsefabrikation von Bedeutung ist. Ebenso wichtig ist der 
erhöhte Gehalt an Calcium- und phosphorsauren Salzen. Obgleich diese 








Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 75 


Zunahme als sehr unbedeutend erscheint, so wirkt sie doch sehr auf die 
Qualität der Milch bei der Käsebereitung. Die Bestimmung der Gerinnungs- 
geschwindigkeit der Milch durch Labferment vor und nach dem Versuch 
bot einige Schwierigkeiten, da es nicht möglich war, mehrere zur Gerinnung 
erforderliche Bedingungen gleichmäßig innezuhalten. Daher erfolgte die 
Beobachtung dieser Veränderung auf indirektem Wege, nämlich durch 
Zusatz gewisser Mengen gelöster Calciumsalze zur Milch. Zur Untersuchung 
gelangte chlor- und phosphorsaures Calcium. Die Resultate dieser Versuche 
sind in der nachfolgenden Tabelle angeführt. 











Zu 50 ccm Milch Ca O | Gerinnungszeit von | Zu 50 vom Milch Ca O ‚Gerinnungszeit von 
als CaCl, zugesetzt | Leem Iproz. Lab i als Ca(H2 PO4)2 zugesetzt ` 1 ccm 1Iproz. Lab 




















SR 6’ 5” s SE | 7’ Or: 
0,0162 | g w 0,0306 U 33” 
0,0081 A Zi 0,0153 Ä 2 18" 
0,0040 4' 34" 0,0076 | 3’ 17" 


Man ersieht aus diesen Daten, daß ein geringer Zusatz von Calcium- 
salzen zur Milch eine starke Wirkung auf die Gerinnungsgeschwindigkeit 
der Milch durch Labferment ausübt. Dabei wirkt das phosphorsaure 
Calcium stärker, wahrscheinlich infolge der gleichzeitig erhöhten Wasser- 
stoffionenkonzentration. Diese Erscheinung ist bei der Zubereitung der 
süßen Käsesorten von großer Bedeutung, besonders der harten (Emmentaler 
Typus). Die Vergrößerung der Menge der Calciumsalze spielt auch im 
Reifungsprozeß der Käse eine große Rolle bei der Neutralisation der sich 
bildenden Milchsäure. 


Wenn man die aus dem Versuch erhaltenen Daten summiert, so ergibt 
sich, daß die ergänzende Ernährung der Kühe mit anorganischen Salzen 
sowohl auf die Quantität als auch auf die Qualität der Milch einen günstigen 
Einfluß ausgeübt hat. Nach dem spezifischen Gewicht zu urteilen, nimmt 
nicht nur das Fett, sondern auch alle anderen Bestandteile der Milch zu, 
auch die mineralischen. Diese Auffassung widerspricht der Ansicht von 
Jensen, der die Möglichkeit leugnet, den Aschegehalt der Milch durch 
Salzfütterung zu vergrößern (nach Bogdanoff zitiert). 

Obgleich der angestellte Versuch weder auf Vollständigkeit noch 
auf besondere Genauigkeit Anspruch erheben kann, so kann man doch 
schon einen Plan für die weitere Behandlung dieser (in Rußland zum 


ersten Male) angeschnittenen Frage entwerfen. 

1. Die Lösung der Frage, ein wie großer Teil der im Futter ent- 
haltenen anorganischen Salze vom Tier assimiliert wird. 

2. Eine gründliche Untersuchung der russischen Futtermittel nicht 
nur in bezug auf den Gehalt an roher Asche, sondern auch der einzelnen 
Salze. Diese Frage ist besonders wichtig, weil wir sehr verschiedene 
Futterstoffe besitzen, deren Asche fast gar nicht untersucht worden 
ist, und weil wir uns in den meisten Fällen mit den Angaben deutscher 
Forscher begnügen müssen. 

3. Die Erforschung des Zusammenhangs zwischen dem Vor- 
handensein dieser oder jener anorganischen Salze im Futter und dem 


76 J. Zaykowsky : Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure usw. 


Körperbau des Tieres. Hier können nicht nur phosphorsaure Calcium- 
salze, sondern auch andere Salze eine Rolle spielen. 

4. Die Wirkung der Salze auf die Zucht junger Tiere und besonders 
auf die künstliche Erhöhung der Milchproduktion einzelner Kühe. 

5. Der Einfluß der Salze auf den Milchertrag und die Zusammen- 
setzung der Milch. 

6. Der Zusammenhang zwischen den Salzen in der Milch und 
ihrer Qualität, auch des aus derselben zubereiteten Käses. 

7. Die Lösung der Frage, inwiefern eine Erhöhung des Fettgehalts 
oder der Qualität der Milch bei der ergänzenden mineralischen Ernährung 
als ein Beweis dafür dienen kann, daß die Futtermittel zu wenig an- 
organische Bestandteile enthalten. Das wird dort von Bedeutung sein, 
wo es unmöglich ist, eine vollständige chemische Analyse der Futter- 
mittel auszuführen. 

Bei der "Durchführung dieser Versuche wurde ich zuerst von 
W. K. Iwankin und von O. A. Fedorowa unterstützt, denen ich auch 
an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte. 


Literatur. 


1) v. Fingerlingk, Landw. Versuchsstat. 75, 1. — 2) Loew und Emmerich, 
Landw. Jahrb. 48, 313; Kraemer, Mitt. d. Deutsch. Landw. Ges. 1916; 
Württemb. Wochenbl. f. d. Landw. 1917; Jahrb. d. Deutsch. Landw. 
Ges. 1917; F. Mach, Württemb. Wochenbl. f. d. Landw. 1917; Mitt. d. 
Deutsch. Landw. Ges. 1917 u. 1918; O. v. d. Heide, Heim u. Scholle 1918; 
Richardson, Landw. Presse 1918; D. Meyer, ebendaselbst 1918; Stutzer, 
 ebendaselbet 1918; v. Fingerlingk, diese Zeitschr. 87, 266. — 3) J. Zaykowsky 
und N. Slobodska -Zaykowska, ebendaselbst 159, Heft 4/5, 1925. — 
4) v. Dam, Centralbl. f. Bakteriol., Abt. II, 26, 1910. — 5) Loew, Mitt. 
d. Deutsch. Landw. Ges. 1917 u. 1918. — 6) A. Morgen, H. Wagner, 
G. Schöler und Elsa Ohlmer, Landw. Versuchsstat. 1919. — 7) E. A. Bogda- 
noff, Fütterung der Milchkühe. 1916. 








Zur Frage nach der konservierenden Wirkung von Milchhefe 
auf Milchsäurehbakterien. 


Von 
N. Slobodska-Zaykowska. 


(Aus dem Milchwirtschaftsinstitut zu Wologda.) 
(Eingegangen am 5. Dezember 1925.) 


Im Milchwirtschaftsinstitut zu Wologoda wurde von S. A. Koroleff 
die Art der Konservierung wertvoller Kulturen von Milchsäuremikroben 
durch gemeinsames Wachstum mit Milchhefe in die Praxis eingeführt. 
Damit sich die Milchsäurebakterien in vollkommen einwandfreiem Zu- 
stande erhalten, genügt es, derartige Kulturen drei bis viermal im Jahre 
umzuimpfen. Die Gewinnung einer reinen Zucht bei einer derartigen 
Mischung bereitet keinerlei Schwierigkeiten ; sie muß nur vor der Aussaat 
in Petrischalen erfrischt, d. h. zweimal nacheinander auf Milch gegossen 
werden. Bei der Aussaat in Petrischalen bedient man sich irgend eines 
beliebigen festen, durchsichtigen Nährbodens, der zum Gedeihen von 
Hefe geeignet ist. Milchsäurestreptokokken gedeihen auf einem der- 
artigen Nährmilieu in der Regel gut, und ihre Trennung aus den ent- 
wickelten Kolonien erfolgt ohne Mühewaltung. Für die Milchsäure- 
stäbchen bedarf es keines speziellen Nährsubstrats, obwohl dieselben 
auf einem gewöhnlichen Nährboden in Laboratorien nicht gedeihen. 
Es dürfte ein sogenannter ‚negativer Boden‘ genügen, auf dem 
eine Aussaat in Probierröhrchen mit Milch vorgenommen wird, und 
zwar aus jeder Schale diejenigen Teile des Nährbodens, in denen keine 
Hefekolonien vorhanden sind. Die bei der Infizierung der Schale dorthin 
gelangten Zellen von Milchsäurestäbchen bleiben lebensfähig und 
entwickeln sich nur dann nicht zu Kolonien, wenn sich der Nährboden 
als untauglich erweist. Die Aussaat auf Milch dagegen gedeiht gut bei 
entsprechenden Temperaturbedingungen. Die aus einer derartigen 
Mischung hervorgegangenen Kulturen unterscheiden sich hinsichtlich 
ihrer Eigenschaften kaum von den ursprünglichen, selbst dann nicht, 
wenn sie mehrere Jahre hindurch mit Hefe aufbewahrt werden. Diese 
Konservierungsmethode von Kulturen in lebendem Zustande basiert 


18 N. Slobodska-Zaykowska.: 


auf den natürlichen Assoziationsverbindungen, denen die bakteriologische 
Wissenschaft so häufig in der Praxis begegnet. Die Zubereitung einer 
ganzen Reihe von gesäuerten Milchprodukten: Kefir, Kumis, Yoghurt 
Mazzoni, schwedische konservierte Milch, beruht auf einer Verbindung 
von Mikroorganismen. Diese Produkte konnten sich im Laufe vieler 
Jahrhunderte unverdorben erhalten, obwohl die Umgebung der 
primitiven Nomadenstämme und selbst der ansässigen Völker des 
Südens, die sich mit der Bereitung derartiger Präparate befaßten, 
sanitären und bakteriologischen Ansprüchen wohl kaum genügt hätte. 
In bakteriologischer Beziehung stellen alle diese Sauermilchpräparate 
hauptsächlich eine Verbindung von Milchsäuremikroben — Stäbchen 
und Streptokokken — mit verschiedenartigen Hefen dar. Eine analoge 
Kombination finden wir bei denjenigen Sauerteigen, die bei der Wein- 
gewinnung und Bierbrauerei angewandt werden: auch hier sind Hefen- 
und Milchsäuremikroben vorhanden. Die Analyse beliebiger gepreßter 
Hefen ergibt das Überwiegen von zwei dieser Mikroorganismen. Alle 
derartige Sauerteige zeichnen sich durch eine außerordentliche Lebens- 
fähigkeit aus. Unter solchen Bedingungen erhalten sich die Milchsäure- 
bakterien überaus lange. So beschaffene Sauerteige sind seit Urzeiten 
bekannt und überall in denjenigen Gegenden verbreitet, wo für die 
Viehzucht geeignete Bedingungen vorherrschen. Die Abgeschlossenheit 
der betreffenden Ländereien von den benachbarten Gebieten erwies 
sich als ein fördernder Faktor für die Entstehung verschiedener Sauer- 
milcharten. Als Beispiel sei einerseits die schwedische konservierte 
Milch und andererseits die bulgarische saure Milch angeführt. Vergleicht 
man jedoch die mikrobiologische Zusammensetzung von: Mazzoni, 
Leben, Yoghurt — so ergibt sich, daß der Hauptbestandteil dieser 
Produkte, der lange Lactobacillus (Bacill. bulgaricus, lebenis, mazun.), 
sich so unwesentlich von allen drei Mikroben unterscheidet, daß sie 
nur mit großer Mühe für verschiedene Arten milchsaurer Mikroben 
angesehen werden können. Die Mehrzahl der Forscher ist daher auch 
geneigt, im gegebenen Falle ihre Identität anzunehmen und allenfalls 
eine Rassenabweichung gelten zu lassen. 


Beachtenswert ist, daß diese höchst nahrhaften Produkte sowohl 
bakteriologisch als auch biochemisch, hinsichtlich jedes einzelnen 
Komponenten, bereits untersucht worden sind. 


Leider wird in diesen Arbeiten die Frage nach der Ursache der 
merkwürdigen Beständigkeit der Mikrobenverbindungen nicht berührt. 
Dieses Problem, wurde erst später behandelt, als es sich herausstellte, 
daß die trockenen Heilpräparate „Yoghurt‘“, die eine Zeitlang äußerst 
verbreitet waren, keinen völligen Ersatz boten, da denselben die zur 
Bereitung von saurer Milch erforderlichen Bestandteile fehlten. 





Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 79 


Im Jahre 1905 erschien folgende Mitteilung von Grizoni: „Nuovo 
latte fermentato facile a prepararsi nei Servizi ospidalieri‘‘ [H. Giodda!)]. 
In dieser Arbeit werden Analysenwerte von saurer Milch angeführt, die 
seit alter Zeit in Sartenfamilien derart bereitet wird, daß täglich mit einem 
Löffel gesäuerter Milch mit altem „djaddu‘‘ neue Portionen frisch gekochter 
Milch gesäuert werden. Die gesäuerte Milch bleibt bei einer Temperatur 
von 25° bis zur Gerinnung stehen, darauf wird sie in einen kalten Raum 
gebracht oder in kaltes Wasser gestellt. Ein besonderes Interesse bietet 
diese Art saurer Milch insofern, als der Autor der zitierten Arbeit bei der 
Untersuchung nur zwei mikrobiologische Bestandteile fand: Bacillus 
Sardons und Saccharomyces Sardons, wozu bemerkt wird, daß Saprophyten 
für gewöhnlich in dieser Milch nicht gedeihen. 

Man sollte meinen, daß diese Abhandlung von vornherein als Richt- 
schnur für weitere Beobachtungen hinsichtlich der Frage mikrobiologischer 
Verbindungen hätte dienen können. Dessenungeachtet erschien im Jahre 
1913 die Veröffentlichung eines deutschen Forschers: Hohenadel, Unter- 
suchungen über Yoghurt-Trockenpräparate?). Der Verfasser wirft hier 
die Frage nach der Symbiose des bulgarischen Mikroorganismus mit den 
Milchsäurestreptokokken aus dem Grunde auf, weil er bei Untersuchungen 
von Yoghurt-Trockenpräparaten durchaus nicht immer Hefe vorfand. 
Er zog daraus den Schluß, daß die Hefe keinen notwendigen Bestandteil 
bildet, sondern nur einen zufälligen Befund darstellt. In der Arbeit von 
S. A. Koroleff (Wiestnik Bakt. Agr. Versuchsstation Moskau), „Über die 
Wechselwirkung einiger Milchsäuremikroben‘“, werden jedoch die gegen- 
seitigen Beziehungen dieser beiden Mikroben (Bac. bulgaricus und Str. 
lactis) eindeutig in dem Sinne aufgeklärt, daß eine Symbiose zwischen diesen 
nicht besteht. 


Die letztere Arbeit, deren Ergebnisse von überzeugender Beweis- 
kraft sind, gibt uns Veranlassung, die Ursache der langen Lebensdauer 
dieser Assoziationsverbindungen zu erforschen und die Beziehungen 
eines etwaigen Zusammenlebens von Milchsäuremikroben klarzustellen. 
Gleichzeitig wird unsere Aufmerksamkeit auf einen dritten Faktor 
gelenkt, der stets beim Sauerteig von Bedeutung ist: das ist die 
Frage nach der Rolle, welche die Hefe bei der Aufbewahrung mit Milch- 
säuremikroben spielt. Ein Hinweis auf dieses Problem ergibt sich 
logischerweise auf Grund der oben zitierten Arbeit. 


Über diese Frage findet man in der Literatur Bemerkungen in dieser 
Richtung nur in zwei Arbeiten. Die Autoren teilen bloß ganz kurz Beob- 
schtungen mit, welche die Wechselwirkung zwischen Milchsäurebakterien 
und Hefe zum Gegenstand haben. Über den günstigen Einfluß von Hefe 
auf Milchsäuremikroben berichtet Beyerinck in: ‚Die Erscheinung der 
Fleckenbildung oder Agglutination bei Alkoholhefen‘‘?). Indem der Autor 
von der Hefeagglutination in Gegenwart von Lactokokken spricht, teilt 
er die von ihm beobachtete Tatsache mit, daß Lactokokken in Reinkulturen 
rasch die Eigenschaft der Schleimbildung verlieren; bei Aufbewahrung 
mit Hefe büßen sie dagegen diese Eigenschaft bis zu einem Jahre und 


1} Centralbl. f. Bakteriol. 15. 
2) Ebendaselbst 88, 115. 
3) Ebendaselbst 20, 641. 


80 N. Slobodska-Zaykowska : 


darüber nicht ein. Ja sogar diejenigen Mikroben, welche die Fāhigkeit 
der Schleimbildung verloren haben, gewinnen diese Eigenschaft bei der 
Aussaat mit Hefe wieder zurück. Beyerinck bestātigt auch, daß bei Kulturen 
in Petrischalen eine herabsetzende Wirkung der Lactokokken auf Hefe 
festzustellen ist: die Hefekolonien entwickeln sich schlechter an den 
Stellen, wo die Lactokokken vorhanden sind. Hier sei erwähnt, daß Beyerinck 
mit Hefen und Milchsäuremikroben arbeitete, die aus gepreßter Hefe 
entstanden waren. In der Literatur finden sich auch Angaben hinsichtlich 
der .konservierenden Wirkung der Hefe auf typische Milchsäuremikroben: 
Sandelin, Über die Einwirkung einiger aus Butter isolierten Hefearten auf 
Bestandteile der Milch!). Hier berichtet Sandelin, daß Milchsäurebakterien, 
die mit einer beliebigen Hefenart ausgesät waren, sich nach zwei Monaten 
als aktiv erwiesen, dagegen wurde derselbe Mikroorganismus in einer reinen 
Kultur abgetötet. Der Autor sucht eine Erklärung für eine derartige Ver- 
längerung der Lebensdauer einerseits darin zu finden, daß die Hefenzelle, 
während sie den proteolytischen Eiweißzerfall der Milch hervorruft, eine 
hinreichende Anzahl stickstoffhaltiger Produkte hervorbringt, die von den 
Milchsäurebakterien leicht verarbeitet werden. Andererseits darin, daß 
dieselben Hefen die Fähigkeit besitzen, die Milchsäure zu zerlegen, wenn 
ihre Menge ausreicht und das Wachstum beider Mikroben gemeinsam 
erfolgt. 


Mit diesen beiden Hinweisen sind die in der Literatur vorhandenen 
Daten über diese Frage erschöpft, jedenfalls im Bereiche der zu dieser 
Arbeit verwandten Quellen. Jedoch verdient die Art der Aufbewahrung 
von Milchsäurebakterien durch gemeinsames Wachstum mit Milchhefe 
die allergrößte Aufmerksamkeit, sowohl wegen ihrer großen Einfachheit, 
als auch wegen der Resultate, die bei ihrer Anwendung erreicht werden. 


Im allgemeinen schwankt die Dauer der Aufbewahrung von Milch- 
kulturen verschiedener Milchsäuremikroben zwischen 1 und 2 Wochen 
in Abhängigkeit von der Temperatur des Raumes. Wenn man die 
Mikroben mit Hefe aussät, kann man die Dauer bis zu einem Jahre und 
darüber verlängern. Die Eigenschaften der Kulturen bleiben hierbei 
fast ganz erhalten. Dieser Umstand ist sehr wichtig im Hinblick auf 
die Leichtigkeit, mit der die Milchsäurebakterien ihre säureproduzierende 
Fähigkeit einbüßen. Dank dieser Methode ist man daher in der Lage, 
wertvolle Kulturen von Milchsäuremikroben lange Zeit in Laboratorien 
aufzubewahren, ohne öftere Umsaaten vornehmen zu müssen, und was 
besonders hervorzuheben ist, in fast ursprünglicher Frische. Gerade 
das gelingt in Laboratorien selten, selbst nicht mit weniger empfindlichen 
Kulturen als Milchsäurebakterien. Im vorliegenden Falle interessiert 
uns hauptsächlich die Erhaltung der biologischen Eigenschaften der 
Bakterien. Die vorgeschlagene Methode erfüllt auch darin ihren Zweck, 
daß sie bei der Trennung dieser Mikroben keine Schwierigkeiten bereitet. 
Auf welchen Faktoren die günstige Einwirkung von Hefezellen auf 


1) Centralbl. f. Bakteriol. 58, 132. 


Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 81 


die Dauer der Aufbewahrungszeit von Milchsäuremikroben bei gemein- 
samem Wachstum in lebensfähigem Zustande beruht, das war die Frage, 
der die vorliegende Abhandlung gewidmet war. Zu diesem Zwecke 
wurde eine ganze Reihe von Versuchen zur Aufklärung des Problems 
vorgenommen; Vermehrung von Hefe in Reinkultur sowie gemeinsam 
mit Milchsäurebakterien, die Dauer der Aufbewahrung in beiden Fällen, 
der Eiweißzerfall der Milch, der Säuregehalt der Kulturen usw. 

Die Frage nach den biochemischen Eigenschaften der Hefe ist 
in der Literatur bereits ausführlich behandelt worden. Die Unter- 
suchungen über Kefir (Freudenreich), Kumis (Rubinsky), Yoghurt und 
Mazzoni (Kunize), eine große Anzahl spezieller Arbeiten über Wein- 
und Bierhefe, schließlich die Arbeit von Dombrowsky über die Rolle 
der Hefe in Milchprodukten behandeln eingehend die biochemische 
Eigenart dieser Mikroorganismen. 


Wird die Kuhmilch (eigene Versuche) mit Hefepilzen infiziert, 
so tritt nach 18 Stunden kräftige Gärung ein, die nach 3 bis 4 Tagen 
aufhört, obgleich sich die Milch äußerlich nicht sichtbar verändert; 
nur auf dem Boden der Probierröhrchen zeigt sich in dieser Zeit ein 
geringer Bodensatz. Die Anzahl der Zellen in einem Kubikzentimeter 
ergibt in verschiedenen Perioden des Wachstums folgende Werte. Die 
zu untersuchende Milch hat in einem Falle 21° nach Thörner, im 
anderen 23°. 

















Versuch 1. Versuch 2. 
Zeit © Acidität | Zahl der Mikroben H Acidität | Zahl der Mikroben 

0 Stdn. 21,0 50000 | o Stdn. | 

5, an | 350 000 e 
H, Du 90000 Im ” | 
16 `" 220 3100000 |2 - 
22 „ ! 250 | 15000000 |48 „ 
0, | 290 16 000 000 9 Tage 
3, 360 | 22000000 | 36 , 
o ` 42.0 38 000 000 

4 Tage | 48,0 66 000 000 

„490 63 000 000 








Die in dieser Tabelle angeführte Acidität stellt sich nach der 
Entfernung der Kohlensäure ein. Allerdings wurde diese Beseitigung 
in sehr primitiver Weise vorgenommen durch andauerndes und sorg- 
fältiges Durchschütteln unter gleichzeitigem Erwärmen. Der Säure- 
gehalt ist, wie ersichtlich, sehr gering und kann daher keine Gerinnung 
der Milch hervorrufen. Ein längeres Aufbewahren von Hefe in Milch 
bewirkt nur eine unbedeutende Erhöhung der Acidität. Eineinhalb- 
und zweijährige Kulturen gaben 50° nach Thörner. Mit diesen Befunden 
stimmen die in der Literatur vorliegenden Angaben vollkommen überein, 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 6 


82 N. Slobodska-Zaykowska: 


' daß Hefe bis zu 36 Proz., d.h. in sehr geringem Maße, Milchsäure 
entwickelt!). Die Hauptmenge des Zuckers wird in Alkohol und Kohlen- 
säure umgewandelt. Nach 5 Tagen lassen sich nur noch Spuren von 
Zucker nachweisen. Das geht deutlich aus der Tabelle über die 
Acidität in Hefen-Milchkulturen vor und nach der Entfernung von 
CO, hervor. Ä 








Acidität 

















Zeit nn 
Vor Entfernung von C O3 | Nach Entfernung von CO; 
43,0 29,0 
103,0 33.0 
85,0 | 36,0 
68.0 | 38,0 
i 66,0 i 40,0 
Io, 56,0 | 42,0 
Kontrolle 26,0 26,0 


Ein Vergleich dieser Zahlen zeigt, daß die starke Acidität (103° nach 
dreimal 24 Stunden) ausschließlich durch den hohen Gehalt an Kohlensäure 
bedingt wird, die bei der gewöhnlichen Titration mit Phenolphthalein 
gleichfalls berücksichtigt wird. Es muß vermerkt werden, daß die Milch, 
obgleich sie nach dreimal 24 Stunden 103° Acidität aufwies, dennoch beim 
Erwärmen bis auf 60° zwecks Entfernung der Kohlensäure nicht gerann 
und die Acidität nach dem Erwärmen nur 33° betrug. Am sechsten Tage 
der Beobachtung hingegen, als die allgemeine Acidität der Milch 66° betrug 
(infolge der freien Ausscheidung von Kohlensäuregas aus der gärenden 
Flüssigkeit), bewerkstelligte schon ein geringes Erwärmen das Gerinnen 
der Milch. Die Acidität derselben betrug nach der Entfernung der CO, 
40°. Obgleich die Acidität der Milch bei Kultivierung von Hefen in Milch 
so gering bleibt, daß dadurch keine Gerinnung der Milch erfolgt, so gerinnt 
die Milch dennoch, wenn die Hefe lange in ihr aufbewahrt wird. Das Ge- 
rinnsel ist sehr schwach ausgeprägt. Gewöhnlich ist die obere Schicht 
der Milch zu dieser Zeit schon peptonisiert. Diese Gerinnung ist dem er- 
höhten Säuregehalt und gleichzeitig der Wirkung des koagulierenden 
Ferments zuzuschreiben — analog dem Labmagen des Tieres. Die Be- 
stimmung der Koagulase in Hefenzellen ist für diese Arbeit nicht unter- 
nommen worden. Auf ihr Vorhandensein weisen aber die Veränderungen 
der Milch hin, die beim Begießen alter, vertrockneter Milchkulturen der 
Hefe mit frischen Portionen steriler Milch eintreten. Im vorliegenden 
Falle kann man die Geschwindigkeit der Peptonisation — nach 24 Stunden — 
auf Kosten der Protease setzen, die wahrscheinlich in ungebundener Form 
in den vertrockneten Milchkulturen zugegen ist, da die Peptonisation 
bereits eintritt, bevor eine Vermehrung der Zellen beobachtet wird. Die 
nach der Methode von Moores ausgeführte Bestimmung der Frische der 
Milch in Hefe-Milchkulturen verschiedenen Alters deutet gleichfalls auf 
die Anwesenheit der Protease hin. Die Methode besteht darin, daß man 
in der einen Probe den Grad der Acidität durch Titration mit dezinormaler 
Alkalilösung feststellt und in der anderen den Grad der Frische durch 


1) Rubinsky, Centralbl. f. Bakteriol. 28, 374. 


Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 83 


Titration mit dezinormaler Schwefelsäure: Die Summe dieser beiden 
Größen bildet den Maßstab für die tatsächliche Frische der Milch, indem 
man als unumstößliche Tatsache ansehen kann, daß die Summe dieser 
Werte des Milchfrischegrades fast beständig innerhalb der Grenzen von 
60 bis 70 ccm Alkali und Säure auf 100 com Milch schwankt. 


Die Daten der Bestimmungen sind in folgender Tabelle angeführt: 














Alter der Kulturen | Grad der Acidität | Grad « der Frische | Summe 
A p a e r E = Eee mt Io ee T Ge 
1 Tag | 24 50 l T4 
2 Tage | 26 | 44 | 70 
45 „ 32 | 21 | 53 


Dieses Absinken des Frischegrades der Milch bei unbedeutender 
Erhöhung der Acidität erinnert sehr an die Veränderungen, welche 
die Milch beim Hinzufügen von Labmagenferment erleidet. Die Milch, 
welche während 4 Stunden der Wirkung von Labmagenferment in 
einer 0,0l proz. Lösung unterworfen war, ergab bei der Untersuchung 
nach der Mooreschen Methode folgende Werte. 











© Mib o | Grad der Acidität | Grad der Frische | Summe 
= 
40,0 | 62,0 
21,0 43,0 
l 


f 







Kontrolle 
mit einer 0,01 proz. Lösung 
von Labmagenferment 





| 


Auf Rechnung dieses Ferments ist auch der proteolytische Zerfall 
zu setzen, der jedesmal bei langdauerndem Aufbewahren von Hefe- 
kulturen in Milch vor sich geht. Daß in Hefen-Milchkulturen tatsächlich 
eine Proteolyse stattfindet, geht daraus hervor, daß der aus Casein 
bestehende Bodensatz allmählich in Lösung geht. Die Bestimmung 
des gelösten Stickstoffs in 8 bis 9 Monate alten Kulturen ergibt 3 bis 
5 Proz. des gelösten Eiweißes, d. h. zu dieser Zeit ist bereits das gesamte 
Eiweiß der Milch peptonisiert. Eine so langdauernde Wirkung ließe 
sich auf das Ferment zurückführen, das noch in den abgestorbenen 
Zellen aktiv bleibt. Aber gerade im Hinblick auf das Absterben der 
Zellen stellt die Hefe ein interessantes Objekt dar. 


Die runden Milch-Hefepilze gehören zur Gruppe der Torulen und 
besitzen daher nicht die Funktion der Sporenbildung. Dessen un- 
geachtet sind sie sehr beständig. Die Milchkulturen dieser Hefen, 
die während 4 bis 5 Jahren nicht umgeimpft wurden, waren voll- 
ständig peptonisiert und infolge eines so langen Zeitraums gänzlich 
vertrocknet, beim Begießen mit frischer steriler Milch belebten sie sich 
aber wieder. Nur diejenigen der aufbewahrten Kulturen, welche durch 


6* 


84 N. Slobodska-Zaykowska : 


Schimmelpilze verunreinigt waren, konnten nicht aufgefrischt werden. 
Von 44 Kulturen waren dies 6. 

Das Aufbewahren von Hefe in Kolben mit viel Milch (100 ccm) 
im Laufe zweier Jahre zeigte, daß in diesem Alter die flüssig gebliebene 


Kultur einige Millionen lebensfähiger Zellen in einem Kubikzentimeter 
enthält. 


In der Literatur findet sich die Angabe von Hansen, daß Bierhefen, 
auf Filtrierpapier getrocknet und mit Kohlepulver vermischt, sich bis zu 
einem Jahre erhalten, Sporenzellen hingegen bis zu zwei Jahren. Besonders 
zahlreiche Untersuchungen über die Lebensfähigkeit der Hefen sind von 
Will ausgeführt worden!). Dieser Autor untersuchte mit Kohlepulver, 
Asbest, Sägespänen usw. konservierte Hefen. Seine Beobachtungen er- 
gaben, daß Asbest als geeignetes Konservierungsmittel anzusehen ist. 
Dabei ist als notwendige Bedingung für gutes Aufbewahren ein hermetischer 
Verschluß der Büchsen, in denen sich die Hefe befindet, erforderlich. Bei 
der während einer Reihe von Jahren systematisch ausgeführten Unter- 
suchung der Entwicklungsmöglichkeit von Hefe in einer 10proz. Zucker- 
lösung ergab sich, daß noch nach 17 Jahren eine Vermehrung von Hefen- 
zellen im Nährboden stattgefunden hatte. Das Wachstum der Hefenzellen 
war allerdings schon entartet, d. h. die Kulturarten hatten sich in wilde 
verwandelt. Nach den Beobachtungen dieses Forschers ging die Ver- 
unreinigung des Büchseninhalts durch Schimmelpilze mit dem Aussterben 
der Hefekulturen einher. Alle diese Befunde sprechen für die ungeheure 
Lebensfähigkeit der Hefenzellen, obwohl es einige Bedingungen gibt, unter 
denen sie weniger beständig sind als andere Elemente der Mikroflore. 
Wie schon erwähnt, berichtet Beyerinck über die günstige Wirkung von 
Hefe auf Milchsäuremikroben, und führt die herabsetzende Wirkung der 
letzteren auf die Hefenkolonien an. Bedeutend eher stellte Henneberg 
[Lebensdauer einiger Kulturheferassen, Frohberg, Saaz, Rasse II und 
Rasse XII in feuchtem Zustande bei niedriger Temperatur und der Einfluß 
verschiedener Organismen auf diese Hefen?)] fest, daß sich in Präparaten 
von gepreßter Hefe Arten von Milchsäuremikroben vorfinden, welche der 
Hefe direkt schädlich sind. Hierhin gehören die Arten von Milchsäure- 
bakterien, welche viele flüchtige Fettsäuren bilden, wie z. B. Essig- und 
Valeriansäure. Ferner: Bacillus brassicae fermentatae, panis fermentati, 
Buchneri u.a. In bereits abgestorbener Hefe gelang es Henneberg, im 
Laufe einiger Monate lebensfähige Milchsäuremikroben aufzufinden. In 
einem Falle wurden drei dieser Mikrobenarten gefunden. In diesem Zu- 
sammenhang dürfte die Erwähnung einer Erscheinung nicht ohne Interesse 
sein, die bei der Wiederbelebung von trockenem Kefir beobachtet wurde. 
Die Hefe stirbt dabei häufig ab, und die Kefirkörner gaben bei der Wieder- 
belebung Streptokokken und Stäbchen, nachdem sie etwa 6 Jahre lang 
ohne Benutzung aufbewahrt worden waren. Die Hefe hingegen fehlte 
gänzlich. Wenn man in Erwägung zieht, daß selbst solche typische Milch- 
säurebakterien, wie Bacterium casei, nach den Untersuchungen von 
Orla-Jensen unter ihren Stoffwechselprodukten flüchtige Fettsäuren auf- 
weisen, 80 ist es durchaus verständlich, daß die Aufbewahrungsbedingungen 
von Hefe mit Milchsäuremikroben sich nicht als sehr nützlich für die Hefe 





1) Will, Centralbl. f. Bakteriol., II. Abt., 24, 405. 
3) Wochenschr. f. Brauerei 1904, Nr. 19—23. 


Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 85 


erweisen, selbst wenn sie für die Milchsäuremikroben günstige Folgen 
zeitigen. 

Indem wir nunmehr zu der Frage nach der gemeinsamen Ent- 
wicklung und Aufbewahrung von Milchsäuremikroben mit Hefe über- 
gehen, wollen wir noch einige Angaben über die Entwicklung und Auf- 
bewahrung von Milchsäuremikroben allein anführen. Die Frage der 
Aufbewahrungsmöglichkeit reiner Kulturen, sowohl in flüssiger als 
auch in trockener Form, ist genügend geklärt. 


Die Praxis lehrt, daß flüssige Kulturen 1 bis 2 Wochen aufbewahrt 
werden können, abhängig von der Temperatur des Raumes und der Rasse 
der jeweiligen Mikroben. Bisweilen gelingt es, eine beinahe dreiwöchige 
Kultur wieder zu beleben. Trockene Sauerteige lassen sich bedeutend 
länger aufbewahren. Aus den hierüber existierenden Vorschriften geht 
hervor, daß 4 Monate den gesetzmäßigen Termin für die Erhaltung der 
Kulturen bilden. Jedoch ergab die Analyse von Sauerteigen, welche 6 bis 
9 Monate aufbewahrt wurden, noch lebensfähige Mikroben. In dieser 
Hinsicht ist eine Feststellung von Wehmer!) von Bedeutung. Nach seinen 
Beobachtungen können technische Milchsäuremikroben, die sich durch 
ständige Neutralisierung von Milchsäure bei der Gärung entwickeln, in 
trockenern Zustande bis zu 6 Jahren aufbewahrt werden, wobei ihre physio- 
logischen Eigenschaften keine Einbuße erleiden. Zehnjährige Kulturen 
enthielten nach den Angaben von Wehmer keine lebenden Zellen mehr. 

Eine so lange Aufbewahrung trockener Kulturen ist durchaus ver- 
ständlich, da fast die gesamte Molke bei der Zubereitung trockener Sauer- 
teige entfernt wird, durch Verdünnung mit großen Mengen von Reisstärke 
oder irgend einer anderen Substanz. So gelingt es, den Konzentrationsgrad 
der Milchsäure in den Kulturen gänzlich herabzusetzen. Die Milchsäure 
bildet bekanntlich das größte Hindernis beim Aufbewahren von in inaktivem 
Zustande befindlichen Kulturen in Flüssigkeiten (Milch). Sie verhindert 
such die Spaltung des Milchzuckers.. Das Hinzufügen von Kreidekalk 
kann als Beweis hierfür dienen. Der Zusatz von kohlensaurem Kalk zur 
Milch (bei häufigem Durchschütteln) bietet den Milchsäurebakterien eine 
Entwicklungsmöglichkeit auf einem auserlesenen Nährboden unter den 
Bedingungen einer beständigen Milchsäureneutralisation. Hierdurch bleibt 
eine maximale Menge lebensfähiger Zellen dauernd am Leben, die an das 
numerische Maximum nahe heranreicht, welches für die angewandte Rasse 
charakteristisch ist. So weist eine Rasse im Alter von einer Woche, deren 
Maximum 4 Milliarden Zellen beträgt, nach 12 Stunden unter gegebenen 
Umständen 3500000000 auf. Eine 1 Monat alte Kultur gibt 2430000000 
und gerinnt in 12 bis 15 Stunden. Die Aussaat von Milchsäuremikroben 
auf einem Nährboden, der wenig oder gar keinen Zucker enthält (Fleisch- 
bouillon-Pepton), ruft eine weniger üppige Entwicklung dieser Mikroben 
hervor, begünstigt aber eine längere Aufbewahrungsdauer. Eine Bouillon- 
aussaat von 16 Tagen enthält in Leem bis zu 250000000 Mikroben, eine 
von 35 Tagen 73000000, Gerinnung nach 12 bis 15 Stunden. Man kann 
Milchsäurebakterien auch in gewöhnlichem Wasser aufbewahren, auf 
Grund der Versuche Petersons?), die eine Wasser-Bakterienemulsion in 


1) Wehmer, Centralbl. f. Bakteriol. 84. 
23) Peterson, ebendaselbst 18. 


86 . N. Slobodska-Zaykowska: 


einem Röhrchen einschmolz. Nach dieser Methode konnten die Bakterien 
ein Jahr und darüber aufbewahrt werden. 


Stellt man nun den Angaben über die Aufbewahrungsmöglichkeit 
von Milchsäurebakterien mit Hefe diejenigen über ihr gemeinsames 
Wachstum gegenüber, so gewinnt man den Eindruck, daß die Hefe 
auf irgend eine Weise eine längere Aufbewahrungsdauer der Milch- 
säuremikroben in aktiver Form begünstigt. Um die Ursache einer 
derartigen Wirkung aufzuklären, wurden Versuche über die Art der 
Vermehrung und die Energie der Säurebildung dieser Mikroben an- 
gestellt, sowohl in reinen als auch in gemischten Kulturen. Die Unter- 
suchungen bestanden darin, daß in bestimmten Zeitabschnitten Aus- 
saaten in Petrischalen vorgenommen wurden und die Acidität be- 
stimmt wurde. Es sollten auch noch periodische Bestimmungen des 
Alkohols und der Kohlensäure ausgeführt werden, doch mußte aus 
technischen Gründen hiervon Abstand genommen werden. Die Ent- 
wicklung von Milchsäurebakterien (Str. lactis) und Hefe in reinen und 
gemischten Kulturen: 


Versuch 1. 














Milchsäurebakterien 


Zahl 
Acidität der Mikroben 














Milcbsäurebakterien + Hefe 
Zabl 


Zabl der 
Ba dér Mikroben Hefezahl 


Mikroben 













— | 210 A 210° 50000] 21,0, 

5 Stdn. | 24.0 12.000.000 21.0 | 350000) 220, 9000000 
10 26.0| 276 000.000 | Set 900000) 26.0: 321.000 000 
16 52,0 E 21.0 | 3100000 | 59.0 | 1 302 000 000 
22 78.0 3 00.000.000 | 25.0 15000000 || 80.0 | 3 600 000 000 


90,0 | 3 800 000 000 
100,0 | 3 700 000 000 
106,0 | 1 400 000 000 |15 900 000 
108.0 \ 640 000 000 29 900 000 
450| — 1100| 149000000] — 









104,0 |1 300 000 000 
106,0 | 870.000 000 
16 Tage || 120,0, steril 


30 ” || 90,0 15400000 000! 29.0 
"| 96,0 |4 100 000 000 E 
, | 
kd 


Aus der Tabelle ersieht man, daß die Milchsäurebakterien in der 
reinen Kultur nach 2 Wochen absterben, während sie mit Hefe zur 
Zeit der letzten Analyse nach 8 Monaten einige zehn Millionen er- 
reichen. Hier fällt auch noch die verlangsamte Entwicklung von Hefe 
in den gemischten Kulturen auf. Im übrigen verläuft der Prozeß mehr 
oder weniger gleich. 


Die gleichen Resultate ergibt ein zweiter analog angestellter Versuch. 
Auch hier wird eine verlangsamte Entwicklung von Hefe bei gemein- 
samem Wachstum beobachtet. Die Acidität der gemischten Kulturen 
ist etwas höher als diejenige bei Milchsäurebakterien allein. 


Die Entwicklung von Milchsäurebakterien (Str. lactis) und Milchhefe 
in reinen und gemischten Kulturen. 


Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 87 


Versuch 2. 





| Milchsäurebakterien + Hefe 












Zahl der 
Mikroben | Acidität 


91700) 25,0 | 2500000! 160000 
131000! 29,0 | 350000000" 200.000 
1015 000 | 55.0 |990 000 000 | 2000 000 














S 95,0 |8 000 000 00011 43,0 |21 000 000 105,0 | 670 000 000 | 3 200 000 
48 88,0 | 760000000. 48,0 |36 000 000 | 110,0 | 500 000 000 | 4 650 000 
9 Tage | 101,0 steril 57,0 138 500 000 || 117,0 | 50 000 000 27 000.000 
ss, l 1120 | eck | 48,0 |35 000 0001 133,0 | 44 000 000 |41 000 000 





Bei langem Aufbewahren solcher gemischter Kulturen in Gegen- 
wart einer genügenden Menge Flüssigkeit und Schutzvorrichtung 
gegen das Vertrocknen ergaben sich bei der Analyse folgende Werte: 








— - | 
iniz d Alter von 1 a 1 Jahr | 5 
Einjährige Kulturen uad O Mounton Zweijährige Kulturen 














| Acidität l Zahl der | Acidität Bakterien | Acidität | fabl der 
Reine Hefenkultur. . . 55,0 |51 500000; 52,0 !8500 000° 48,0 | 4 300 000 
Miscbun ng von Milchs 875 500 000 ' — 20 000 | 78,0 12 000 
säurebakterien + Hefe | 78 000 000, — |2500 000 — 1 800 000 
NurMilchsäurebakterien | 130,0 | steril © — | steril ' 140 | steril 
Konttolle sa eco.» 220 Ge ek Es = 


H 


Die Bestimmung der Menge der löslichen Eiweißstoffe in einer 
8 Monate alten Kultur ergab folgende Werte: 


Kontrole. . 2% 5:2. 2 = # 2 3. 8 258 . 0,534 Proz. 
Reine Milchsäurebakterien . . . . 2 2 s e s’ . 0,834 ,, 
Reine Hefe... . . . 2 2 2 2 2 2 0. ei Od ` 
Mischung von Hefe und Milchsäurebakterien. . . . 3,624 ,, 


Diese Tabelle bietet schon ein Interesse hinsichtlich des Aciditäts- 
grades: Während die Kulturen von allerdings längst abgestorbenen Milch- 
säuremikroben hohe Zahlen ergeben, höhere als für gewöhnlich Strepto- 
kokken, was sich wahrscheinlich teilweise durch das Austrocknen des 
Nährbodens erklären läßt, so sinkt die Acidität gemischter Kulturen recht 
stark von 120 bis auf 80° trotz des Austrocknens. Allerdings wurde in diesen 
Versuchen das Zahlenverhältnis der Säuren, die während des Gärungs- 
prozesses entstanden, nicht festgestellt. Dieser Wert wäre besonders 
wichtig bei gemischten Kulturen. Der Alkohol wurde nicht bestimmt. 
Zieht man aber in Betracht, daß die CO,-Menge in einer reinen Hefekultur 
nur 18 bis 20° in den ersten 24 Stunden beträgt, während die Milchsäure- 
bakterien bei gemeinsamem Wachstum ihre maximale Entwicklung schon 
vor Ablauf der ersten 12 Stunden erreichen, so liegt gar kein Grund vor 
anzunehmen, die Acidität gemischter Kulturen werde durch irgendwelche 
andere Faktoren hervorgerufen, als bei einem ausschließlichen Milchsäure- 


88 N. Slobodska-Zaykowska: 


prozeß allein, d. h. der vorwiegenden Entstehung von Milchsäure. Das 
Sinken der Acidität bei langem Aufbewahren ist auf den Zusatz der Hefe 
zurückzuführen. Über diesen Gegenstand existiert eine Arbeit von Mazé 
und Rout, die in Comptes Rendus Société Biologique 80, 336 im Jahre 1917 
erschien. In dieser Abhandlung kommen die Autoren zu dem Schluß, 
daß die Hefe die Fähigkeit besitzt, milchsaures Calcium, das zum Nähragar 
zugefügt wird, zu zersetzen. Doch läßt sich das Sinken der Acidität in 
gemischten Kulturen auch auf andere Weise erklären. Es liegen Beob- 
achtungen vor, nach denen die Hefe nicht die Fähigkeit der Milchsäure- 
zerlegung besitzt. Buchner und Meisenheimer!) gelangten beim Studium 
der Frage nach der Existenz eines Milchsäurezwischenstadiums bei der 
alkoholischen Gärung mit Hefe zu negativen Resultaten. Obgleich die 
Arbeit der genannten Autoren nicht als erschöpfend betrachtet werden 
kann, so hat doch die Erfahrung gelehrt, daß beim Aufbewahren von Hefe 
während eines Monats, unter den Bedingungen eines künstlichen Zusatzes 
von Milchsäure, keine Verminderung der Acidität bei den Kulturen eintritt. 
Es ist möglich, daß die Funktion der Hefe sich ändert, wenn andere Elemente, 
z. B. Milchsäurebakterien, zugegen sind. Denkbar wäre auch, daß die 
Acidität der gemischten Kulturen sich nur zum Teil aus Milchsäure und 
zum größten Teil aus Kohlensäure zusammensetzt. Letztere verflüchtigt 
sich im Verlauf des Peptonisierungsprozesses, und die zurückbleibende 
Milchsäure weist dann einen geringeren Aciditätsgrad auf. Eine schnelle 
Gerinnung der Milch in den gemischten Kulturen kann nicht ohne Einfluß 
auf die weitere Säureproduktion sein. Die Diffusion von Milchsäure sowie 
auch von Zucker in gallertartigen Nährböden, wie z. B. in geronnener Milch, 
kann nicht so schnell wie in Flüssigkeiten vonstatten gehen. Infolgedessen 
muß die Produktion von Milchsäure weiter fortschreiten, und die Acidität 
ist wohl zum größten Teil auf die Kohlensäure zurückzuführen, die bei 
der Hefegärung entsteht und sich zu diesem Zeitpunkt bemerkbar macht. 


Entspricht dies den Tatsachen, so kann man das Sinken der 
Acidität alter Kulturen durch die Ausscheidung von Kohlensäure 
aus dem Nährboden erklären, der allmählich in gemischten Kulturen 


peptonisiert wird. Jedenfalls bedarf divse Frage noch der weiteren 
Bearbeitung. 


Was nun die Kultur reiner Hefen anbelangt, so haben sie von allen 
den geringsten Säuregehalt, obgleich der Prozeß des Eiweißzerfalls bei 
ihnen in demselben Maße wie in den gemischten Kulturen vonstatten geht, 
jedenfalls nach der Menge des gelösten Eiweißes zu urteilen. Der Einwand, 
den man hinsichtlich des Vertrocknens der Kulturen erheben kann wegen 
ihrer langen Aufbewahrung, bezieht sich in gleicher Weise auf alle drei 
Arten der Versuchsgefäße. Infolgedessen kann dieser Umstand ignoriert 
werden, um so mehr als Schutzmittel --- wie das Umwickeln der Büchsen 
mit Pergamentpapier und das Anlegen von Gummideckeln — angewandt 
wurden. Man muß übrigens bemerken, daß die Bestimmung des Säure- 
gehaltes in alten Kulturen infolge der starken Färbung der Flüssigkeiten, 
die vollständig peptonisiert sind, sehr erschwert ist. Diese Färbung macht 
die Bestimmung des Umschlagspunktes des Indikators undeutlich. Wenn 
die Enzymproduktion und diejenige des Stoffwechsels mit den äußeren 


1) Centralbl. f. Bakteriol. 25, 299. 


Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 89 


Lebensbedingungen eines Organismus eng verknüpft ist, wofür die an 
Aspergillus niger angestellten Beobachtungen sprechen, so dürfte zu er- 
warten sein, daß sich auch die Funktion der Hefezelle verändern kann, 
insbesondere in Gegenwart eines anderen Mikroorganismus. Bei der Be- 
trachtung dieser Tabelle verdient noch Interesse die Verringerung der Zahl 
der Hefezellen in den gemischten Kulturen, die bedeutend stärker aus- 
geprägt ist als in der reinen Hefekultur. Anscheinend haben wir es bei 
der gemeinsamen Existenz von Milchsäuremikroben und Hefe mit Faktoren 
zu tun, die auf eine lange Lebensdauer der Hefezellen von ungünstigem 
Einfluß sind. Sieht man von der unmittelbaren Einwirkung der Zellelemente 
als solcher bei den Mikroben ab und berücksichtigt man hier mit der An- 
häufung von Milchsäure vielleicht auch andere Säuren, so dürfte man 
voraussetzen, daß ein dauerndes Verbleiben der Hefe auf einem Nährboden 
von großer Acidität ihr Wachstum ungünstig beeinflußt. Es wäre auch 
in der Tat schwierig, eine andere Ursache aufzufinden. Erscheinungen 
wie Autolyse oder Selbstverdauung, die bei Hefezellen an und für sich 
vorkommen, dürften hier nicht zutage treten, da im gegebenen Falle die 
Grundbedingungen fehlen, die ein Hervortreten dieser Eigenschaft be- 
wirken, nämlich eine vorhergehende üppige Entwicklung der Hefe unter 
günstigen Bedingungen und eine Entfernung der Hefe aus dem Nährboden. 
Ferner spricht der Zeitraum des Absterbens von der Dauer eines Jahres 
schon an sich dafür, daß wir es hier nicht mit einer Autolyse, sondern gerade 
mit einem wirklichen Absterbevorgang zu tun haben. Die Art des 
Absterbens findet auch in einer reinen Hefekultur statt, jedoch bei weitem 
langsamer. Die Ursache hierfür kann man auch in der erhöhten Acidität, 
die einstweilen das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen reiner und 
gemischter Hefekultur bildet, suchen. 


Zur Aufklärung der Frage, welche Rolle die Säure spielt, ist 
folgender Versuch unternommen worden: 


Vier Kolben steriler Milch, in denen eine Aussaat von runder Milchhefe 
vorgenommen wurde, wurden bei Zimmertemperatur bis zur Beendigung 
der Gärung gehalten und alsdann die restliche Acidität und die Zahl der 
Hefezellen in 1 cem Milch für je einen Kolben bestimmt. Sodann wurde 
in zwei dieser Kolben je 1 ccm konzentrierter Milchsäure zugesetzt, worauf 
wiederum die Acidität bestimmt wurde und die Kolben einen Monat lang 
aufbewahrt wurden. Nach Ablauf dieser Zeit erfolgte Aussast in Petri- 
schalen mit Bierwürzeagar. 


Die Resultate dieses Versuchs gehen aus nachstehender Tabelle 
hervor: 





mm mn nn e —- -MM 








Nach 1, Jahr 


Zahl der 
Mi kroben 










Nach I Monat 


1 
TES Zahl der 
Aciditat Mikroben ege 


BEN il, 
l. Kontrolle . . . . 48,0 30.000 000 | 39,0 |28 000 000 ; 56,0 ;52000000 
2O, . . e. | 48,0 |24000000 41,0 26 600.00 53.0 48000000 
3. Mit Milchsäurebakt. | 70,0 25.000.000." 80 o |24900000] 92,0 ,23000000 


4. „ E 68,0 23 000 000 ' 68.0 E 79,0 22000000 


Zu Anfang 


Zahi der 
Mikroben 




































90 N. Slobodska-Zaykowska: 


Nach einem halben Jahre ergaben die Analysen derselben Kulturen 
in den beiden ersten Kolben (Kontrolle) 52000000 und 48000000 Keime 
bei einer Acidität von 56 und 53; in den beiden anderen (dritter und 
vierter Kolben) erhöhte sich die Acidität ebenfalls, und zwar auf 79 
und 92 bei gleichzeitiger unveränderter, oder höchstens etwas ver- 
minderter Zahl der Hefezellen. Dieser Umstand gibt keine Veranlassung 
zu der Annahme, daß einerseits Milchhefe die Milchsäure als solche 
zersetzt, selbst wenn die Hefe unter obigen Verhältnissen ein halbes 
Jahr aufbewahrt wird, und daß andererseits die Milchsäure immerhin 
den Hefezellen gegenüber nicht indifferent ist. In ihrer Gegenwart 
entwickeln sie sich schlechter und erreichen kein so großes numerisches 
Maximum wie unter normalen Bedingungen. 


Diesem Befunde widerspricht nicht der von Mazé ausgeführte Versuch. 
Er bediente sich bei seinen Experimenten des milchsauren Calciums und 
kam zu dem Schluß, daß die Hefe in Gegenwart von Sauerstoff milchsaures 
Ca zersetzt, und zwar unter für das Wachstum höchst ungünstigen Be- 
dingungen. Nach 8 Monaten (29. Dezember 1924) betrug die Acidität: 
Nr. 1 = 45; Nr. 2 = 75; Nr. 3 = 100; Nr. 4 = 125. 


Auf Grund dieses Versuchs kann man sagen, daß einmonatiges Auf- 
bewahren von Milch-Hefekulturen unter Zusatz von Milchsäure keine 
Verminderung der Zahl lebensfähiger Zellen hervorruft. Es ist möglich, 
daß ein noch längeres Aufbewahren und größere Säurekonzentrationen als 
die Milchsäure und flüchtigen Fettsäuren andere Folgen zeitigen wird. Die 
zu diesem Zwecke von uns angestellten Versuche sollten diese Frage auf- 
klären. Die Bestimmung der Hefezellen in halbjährigen Kulturen zeigte 
eine Verminderung in den Gefäßen, denen Milchsäure zugesetzt war, und 
die Acidität erreichte 80 bis 90°, d. h. sie überstieg die Kontrollziffer 11⁄4- 
bis 2mal. Als überzeugender Beweis könnte der Vergleich bei gemeinsamem 
Wachstum von Hefe mit Streptococcus lactis dienen, da er geringe Zahlen 
für die Acidität ergibt, mit Milchsäurestäbchen, die Milchsäure bis zu 
3 Proz. produzieren (Bacterium bulgaricus, Bacterium casei). Im Laufe der 
Arbeit entstand natürlich die Frage, ob nicht vielleicht die Hefezellen an 
sich notwendig sind zur Erhaltung von Milchsäurebakterien, und ob nicht 
nur diejenigen chemischen Prozesse, die sie in der Milch hervorrufen, von 
Bedeutung sind. Die Absicht, einen Versuch mit Buchners Zymase anzu- 
stellen, scheiterte an der Unmöglichkeit, dieses Präparat zu erlangen. 
Man mußte sich mit dem Wachstum von Milchsäurebakterien in solcher 
Milch begnügen, in der sich die Hefen entwickelten, und dann zum größten 
Teil, aber doch nicht vollständig entfernt wurden. Der Versuch, solche 
Milch durch ein Chamberleinfilter durchzulassen, gelang nicht, da die 
Poren desselben für die Dispersionsphase der Milch zu klein waren. Eine 
starke Erhöhung der Temperatur hätte dagegen eine Gerinnung der Milch 
hervorrufen können, was durchaus unerwünscht wäre. Allein schon die 
Beobachtungen an der durch Hefe entzuckerten Milch geben einige Hin- 
weise. Ungeachtet der Anwesenheit großer Mengen von nahrhaften Eiweiß- 
substanzen, geht die Entwicklung der Milchsäuremikroben in quantitativer 
Hinsicht bedeutend schlechter vor sich, sie erreicht nicht die Grenzen 
wie in der normalen Laboratoriumsmilch und beträgt nur 3 bis 5 Proz. 
der Zahl, die für die betreffende Rasse charakteristisch ist. Die Acidität 








Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 91 


erhöht sich in einer solchen Milch ganz minimal, um 2 bis 3° (von 51,0 
zu 55,0), trotzdem gerimnt die Milch, wahrscheinlich infolge der kombinierten 
Wirkung von Labsäureferment (Hefenkoagulase) und Milchsäure, in welche 
die Milchsäuremikroben schnell und gierig den Milchzucker überführen, 
der in geringer Menge nach der Hefengärung übriggeblieben ist. Die Be- 
stimmung der Mikrobenzahl in solcher Milch ergab nach 1% Monaten 
fast die ursprüngliche Ziffer — gegen 70000000, wobei die Mikroben auf 
Fleisch-Pepton-Agar gut gedeihen und die Milch schnell zum Gerinnen 
bringen. Eine Aussaat nach 21, Monaten ergab beinahe gleiche Resultate. 







| Versuch 1 


l " Milchsäures | 
| Fere | Mikroben | 


Versuch 2 


Milchsäure» 
Mikroben 











66 000 000 

37 000 000 
TE 61 000 000 

Pe IE a | 19881 000 | 60 000 000 

Der Zusatz von Zucker zur Milch über die gewöhnliche Norm 
(4 bis 5 Proz.) hinaus ist anscheinend nicht günstig. 

Es muß bemerkt werden, daß eine Menge von 10 Proz. Saccharose 
hinzugefügt wurde unter der Voraussetzung, daß die Milchhefe diese 
utilisieren würde, indem sie den Zucker durch Invertase in Glucose 
und Fructose zerlegt. Die Vergrößerung der Zuckermenge bis zu 14 Proz. 
erweist sich als ungünstig, so schwankte schon nach einem halben Jahre 
die Zahl der Hefezellen in gemischten Kulturen um 900000, also gerade 
in den Grenzen, welche die gemischten Kulturen für Hefe nach 11, Jahren 
erreichen. Die Milchsäurebakterien erreichen auch nicht die Normal- 
ziffer und sterben bald ab. Wodurch dieser Umstand zu erklären jist, 
werden die nächsten Analysen und Beobachtungen ergeben. Zurzeit 
läßt sich nur die Tatsache konstatieren, daß bei Vergrößerung des 
Zuckergehalts die Proteolyse ungleichmäßig bei gemischten und reinen 
Kulturen verläuft, wie es bei der Normalmilch beobachtet wurde. 
Nach 6 bis 7 Monaten der Aufbewahrung reiner Hefekulturen in Milch 
unter Zusatz von 14 Proz. Zucker erweisen sie sich als vollständig 
peptonisierte Flüssigkeiten, nur ein geringer Bodensatz von Casein 
ist vorhanden. Hingegen ergeben gemischte Hefekulturen mit Milch- 
säuremikroben ein kompaktes Gerinnsel, von dem sich nur eine geringe 
Schicht peptonisierter Flüssigkeit abhebt. Die chemische Unter- 
suchung der gelösten Eiweißkörper bestätigt diesen Befund. Die 
Proteolyse gemischter Kulturen erreicht 1,06 Proz. der gelösten Eiweiß- 
körper; bei reiner Hefe 2,75 Proz. Es gibt Hinweise dafür, daß die 
Proteolyse im Gärungsprozeß hauptsächlich durch die herabsetzende 
Wirkung der sich bildenden Aldehyde und Äther gehemmt wird. Es 


92 N. Slobodska-Zaykowska : Konservierende Wirkung von Milchhefe usw. 


ist möglich, daß beim gemeinsamen Wachstum — unter der Bedingung 
erhöhten Zuckergehalts — Faktoren zutage treten, welche entweder 
die Produktion oder die Funktion des Enzyms hemmen. Jedenfalls 
übersteigt die Acidität die Norm der gemischten Kulturen und steigt 
bis zu 160,00. Es ist zu hoffen, daß weitere Versuche, die in unserem 
Laboratorium vorgenommen werden, die Frage nach der Ursache der 
Aufbewahrungsmöglichkeit von Milchsäuremikroben, bei deren gemein- 
samen Wachstum mit Milchhefe mehr oder weniger aufklären werden. 
Die vorliegende Arbeit ist nur eine vorläufige Mitteilung; Versuche 
in dieser Richtung sind im Gange. 





Die Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten 
Blutkörperchen. 


Von 
Julius Förster. 


(Mitteilung aus der k. ung. Päzmäny-Peter-Universität in Budapest.) 
(Eingegangen am 8. Dezember 1925.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Das Blut gehört zu jenen Geweben des Körpers, die — im Gegen- 
satz zu anderen Geweben — aus mobilen Zellen bestehen, welche im 
Plasma suspendiert sind. 


Die überwiegende Mehrzahl der Zellen sind rote Blutkörperchen, also 
kernlose Zellen, und bloß ein verschwindender Anteil besteht aus kern- 
haltigen weißen Blutzellen. Die roten Blutkörperchen haben sozusagen 
kaum ein eigenes Zellenleben; ihre Hauptaufgabe ist die Vermittlung des 
Gas- und Stoffwechsels zwischen den Geweben, einen eigenen Stoffwechsel 
und, wie wir früher angenommen haben, einen Gaswechsel haben sie nicht; 
nach /tami!) haben nur die weißen Blutzellen einen Gaswechsel. Morawitz?) 
und Warburg?) haben zuerst festgestellt, daß die kernlosen roten Blut- 
körperchen der Säugetiere einen verhältnismäßig bedeutenden Gaswechsel 
haben, daß sie also O, verbrauchen und CO, produzieren; das O,-Bedürfnis 
des menschlichen Blutes ist aber so minimal, daß es mit den empfindlichsten 
Methoden gerade noch nachweisbar ist. Je jünger das Tier, um so größer 
ist das O,-Bedürfnis der roten Blutkörperchen, und noch mehr Sauerstoff 
verbraucht das Blut von durch Aderlaß oder Phenylhydrazinvergiftung 
anämisch gemachten Tieren. Masing konnte einen gewissen Parallelismus 
zwischen dem O,-Verbrauch der roten Blutkörperchen und der Zahl der 
jungen Zellformen nachweisen. Seiner Ansicht nach ist nämlich in solchem 
Blute, welches viel junge Blutkörperchen enthält, mehr aus den Kernresten 
herstammende Nucleinsäure vorhanden, und nach diesem Autor wächst der 
O,-Verbrauch entsprechend mit dem Nucleinsäuregehalt. Neuerdings hat 
Denecke *) darauf hingewiesen, daß bei Anämien parallel mit der Zahl der 
polychromatischen roten Blutkörperchen die O,-Zehrung des Blutes höher 


1) Itami, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 60, 76. 
2) Morawitz, ebendaselbst 60, 298. 

3) Warburg, Zeitschr. f. phys. Chem. 59, 112. 

4) Denecke, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 86, 216. 


94 J. Förster: 


wird. Nach alledem können wir erwarten, daß bei unter vermindertem 
Luftdruck lebenden Tieren, unter der Wirkung des Höhenklimas, der 
O,-Verbrauch des Blutes erhöht ist, weil unter diesen Umständen junge 
rote Blutzellen im Blute erscheinen. In diesem Sinne haben bisher nur 
Masing und Morawitz!) Versuche angestellt. Sie haben das O,-Bedürfnis 
ihres eigenen Blutes festgestellt einerseits in Heidelberg, andererseits in 
Col d’Olen, in der Höhe von etwa 3000 m im Verlaufe eines achttägigen 
Aufenthalts. Sie fanden, daß das Blut in 5 Stunden bei 37°C 0,5 bis 
1,0 Vol.-Proz. O, verbraucht, sowohl an einem Orte von normalem Luft- 
druck wie in der Höhe. Die Autoren selbst halten ihre Ergebnisse für 
auffallend und denken daran, daß die Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs 
unterhalb der Versuchsfehler ihrer Methodik liegt. (Sie arbeiteten mit der 
Ferricyanmethode von Haldane-Barcroft, deren Fehlergrenze 0,6 Proz. 
beträgt.) 

Mit dieser Frage zusammenhängende Versuche haben wir in Davos 
mit A. Loewy?) ausgeführt; zu unseren Versuchen haben wir Kaninchen 
verwendet, weil das Blut dieser Tiere mehr Sauerstoff verbraucht wie 
das menschliche Blut. Unsere Versuchsergebnisse haben gezeigt, daß 
das Blut eines unter 430 mm Hg lebenden Tieres 93Proz. mehr O, 
verbraucht als dasjenige eines Tieres, welches unter 630 mm Hg lebt. 
Im Zusammenhang mit diesen Versuchen haben wir gefunden, daß 
im Blute rote Blutkörperchen mit übernormalem Durchmesser er- 
scheinen, welche sich dabei polychromatisch färben, daß also die 
Steigerung des O,-Verbrauchs diesen jungen roten Blutkörperchen 
zuzuschreiben ist. Unsere Versuche haben wir, wie erwähnt, mit dem 
Blute von bei 630 und 410 mm Hg lebenden Tieren angestellt, welcher 
Luftdruck etwa einer Höhendifferenz von 1500 und 4000 m entsprechen 
würde. Es schien also von Interesse zu sein, die Versuche zu wieder- 
holen und zu ergänzen mit solchen Tieren, die wir imstande sind, vom 
755- bis 750-mm-Hg-Luftdruck unter 460 bis 430 mm Hg zu setzen. 
Wenn die Druckunterschiede größer sind, so ist auch eine größere 
Differenz im O,-Verbrauch zu erwarten. 


Unsere vorliegenden Versuche — wie auch die vorherigen — wurden 
mit dem Wintersteinschen?) Mikrorespirometer ausgeführt, mit welchem 
auch die kleineren Ausschläge auf das exakteste zu konstatieren sind. 
Indem wir die Beschreibung des Apparats übergehen, wollen wir nur so viel 
bemerken, daß wir seine neueste Modifikation benutzten, auf dessen Hg- 
Manometer die Menge des verbrauchten O, unmittelbar in Kubikmilli- 
metern ablesbar ist. In die eine Kugel des Apparats geben wir Tyrode- 
lösung, in die andere kam das sterile, mit einer Pipette abgemessene Blut. 
Das Blut sättigten wir nachher mit Sauerstoff und trieben die Luft aus der 
Kugel mit Sauerstoff aus. In das Gefäß, welches in die das Blut enthaltende 
Kugel hineinreicht, legten wir ein mit 3proz. KOH-Lösung durchtränktes 
Filterpapier zur Absorption der entstehenden Kohlensäure. Dann legten 


1) Masing und Morawitz, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 98, 301. 
2?) Loewy und Förster, diese Zeitschr. 145, 318, 1924. 
3) Winterstein, diese Zeitschr. 46, 440; Zeitschr. f. biol. Techn. 8, 246. 





Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten Blutkörperchen. 95 


wir den ganzen Apparat in ein Wasserbad von 38°C, in welchem er mittels 
eines Exzenterapparats in stetiger Bewegung gehalten wurde. Die Ab. ` 
lesung begannen wir nur, als die Temperaturunterschiede zwischen den 
zwei Gefäßen ausgeglichen waren. Selbstverständlich haben wir im Laufe 
der Versuche unter den Kautelen der strengsten Sterilität gearbeitet. 

Um unsere Versuchstiere eine längere Zeit hindurch unter vermindertem 
Luftdruck zu halten, ohne sie aus ihren gewohnten Lebensverhältnissen 
zu reißen, mußten wir einen solchen Apparat konstruieren, der dem Tiere 
tunlichst Bewegung erlaubt. Darum haben wir den in Abb. 1 sichtbaren 
Apparat zusammengestellt. Das Versuchstier wurde in einer Glasglocke 
von etwa 60cm Höhe und 30 cm Durchmesser untergebracht (A), die 
oben eine Öffnung für einen doppelt durchbohrten Gummistopfen besitzt. 





Abb. 1. 


Aus der Glasglocke saugten wir die Luft mit einer Wasserstrahlpumpe 
aus (G) und besorgten die Ventilation und Druckregulierung mittels des 
mit Quecksilber gefüllten Gefäßes B. Das Gefäß ist etwa 50 cm hoch 
und wird oben durch einen dreifach durchbohrten Gummistopfen zu- 
gemacht; durch die eine Bohrung regulierten wir den Luftdruck mit einem 
langen Glasrohr E, je tiefer wir das Glasrohr in das Quecksilber einsenkten, 
eine um so höhere Quecksilbersäule mußte durch die Luftpumpe über- 
wunden werden, damit die Außenluft durch die Leitung C in den Zylinder 
gelangte. Den im ganzen System bestehenden Druck maßen wir an einem 
Quecksilbermanometer D, das durch die zweite Bohrung des Gummi- 
stopfens auf B mittels der Leitung d verbunden war. Das Manometer 
besteht aus einem U-förmigen, mit Quecksilber gefüllten Glasrohr, zwischen 
seinen Schenkeln ist eine Zentimeterskala angebracht, eventuell können 
wir aus der Differenz zwischen den Quecksilberniveaus in den beiden 
Schenkeln gleich den im System herrschenden Druck notieren. Damit 
die Quecksilbertröpfchen aus den bei dem Saugen entstehenden Blasen nicht in 
die Glocke A gelangen, haben wir zwischen die Glocke A und den Zylinder B 
das Gefäß C geschaltet. Bei der zur Unterbringung des Tieres dienenden 
Glocke A war die Abdichtung der unteren Öffnung notwendig. Zu diesem 
Zwecke diente uns anfangs eine geschliffene Glasplatte, die wir mit Hahnfett 
an die Glocke fügten und auf diese Weise luftdicht schließen wollten. 
Dies gelingt aber bei einem so großen Zylinder nur mit Mühe und Not, 


96 J. Förster: 


deshalb gingen wir bald zur folgenden Methode über: 10g Zinkoxyd und 
je 30 g Glycerin, Gelatine und destilliertes Wasser wurden auf dem Wasser- 
' bad so lange erwärmt, bis eine flüssige Masse entstand. Mit dieser Masse, 
die beim Erkalten fest wird, haben wir den Rand der Glasglocke umgossen. 
Die Masse schließt ausgezeichnet, man mußte nur Sorge tragen, daß der 
in der Glasglocke kondensierende Wasserdampf und der Harn des Versuchs- 
tieres nicht zur Masse gelangt und dieselbe aufweicht, weil dann das luft- 
dichte Schließen aufhört. Nach Beendigung des Versuchs kann die Masse 
an einer Stelle aufgeschnitten und in einem Stücke abgezogen werden. 

Wir setzten unsere Versuchstiere für 15 bis 66 Stunden unter die 
Glocke und gaben Karotten als Nahrung, wodurch auch das Wasser- 
bedürfnis der Tiere befriedigt war. Den Luftdruck verminderten wir 
in jedem Falle stufenweise im Laufe von 8 bis 10 Minuten auf die be- 
absichtigten 410 bis 460 mm Hg, und von dem verminderten Luftdruck 
kehrten wir nach Beendigung des Versuchs wieder allmählich (4 bis 
8 Minuten) zum normalen atmosphärischen Drucke zurück. Die Tiere 
befanden sich während der ganzen Versuchsdauer gut, und es war an 
ihnen nur eine mehr- oder mindergradige Dyspnoe zu beachten. 

Von unseren Versuchskaninchen entnahmen wir das Blut aus dem 
Ohre und defibrinierten es durch Schütteln mit Glasperlen. Beim 
Defibrinieren wird das Blut ärmer an weißen Blutkörperchen, weil 
ein Teil derselben in die ausfallenden Fibrinfäden gelangt. Das 
defibrinierte Blut filtrierten wir auf einem Asbestfilter, wobei es wieder 
ärmer an Leucocyten wird. Darauf haben auch Denecke und Roessingh?) 
hingewiesen. In zwei Fällen haben wir im Kapillarblut, im defibrinierten 
Blut und im filtrierten Blut die Leucocytenzahl bestimmt. 








Im Kapillarblut . ... 2.2: 222200. 7400 4400 
Nach dem Defibrinieren durch Schütteln . ` 4200 2600 
Nach dem Filtrieren auf Asbest .. ... 2900 | 1900 


Die Verminderung der Leucocytenzahl ist aber nur vorteilhaft für 
unsere Untersuchungen, weil ja der größte Teil des durch die Leuco- 
cyten verbrauchten Sauerstoffs bei der Bestimmung wegfällt. Wir 
bestimmten den O,-Verbrauch von 1 ccm des auf diese Art steril ent- 
nommenen und vorbereiteten Blutes an den bei 750 bis 760 mm Hg 
lebenden Kaninchen. Die Tiere setzten wir dann für 15 bis 66 Stunden 
einem auf 430 bis 450 mm Hg verminderten Luftdruck aus, und un- 
mittelbar nachdem wir sie aus dem Apparat herausgenommen haben, 
bestimmten wir den O,-Verbrauch des Blutes. Alle Versuche führten 


wir bei 38°C aus. Unsere Ergebnisse fassen wir in folgender Tabelle 
zusammen: 


1) Roessingh, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 188, 367. 


Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten Blutkörperchen. 97 


0,-Verbrauch von 1l cem Blut während 10 Minuten bei unter 755 mm Hg 
lebenden Tieren. 





cmm Sauerstoff 


10 |! 40 5,0 4,0 2,0 5,0 3,0 6,0 
90 3,0 7,0 3,0 3,0 4,0 3,0 5,0 
3,0 1,0 40 5,0 5,0 6,0 5,0 4,0 
4,0 5.0 4,0 3,0 3,0 5,0 6,0 3,0 
2,0 5,0 3,0 6,0 3,0 4,0 
4,0 3,0 3,0 5,0 3,0 
4,0 4,0 
4,0 
3,0 
Mittelwerte 


425 | 316 | 457 | 333 | 400 | 433 | 425 | 444 


Im Durchschnittswert ausgedrückt, verbraucht das Blut von 
unter 750 bis 760 mm Hg lebenden Kaninchen bei 38°C pro Kubik- 
Zentimeter alle 10 Minuten 4,04cmm O, auf 0°C und 760mm Hg 
umgerechnet 3,52 cmm, 100 ccm Blut verbrauchen also 2,11 ccm stündlich. 


0,-Verbrauch von Leem Blut während 10 Minuten bei unter 460 mm Hg 
lebenden Tieren. 





1. | 2. | 3. | 4. | 5, 6. | 7. 
Stunden unter 460 mm Hg 








cmm Sauerstoffverbrauch 


11,0 10,0 70 | 110 10,0 13,0 11,0 
9,0 10,0 | 10,0 7,0 7,0 8,0 12,0 
10,0 7,0 11,0 | 8,0 9,0 15,0 13,0 
12,0 11,0 90: 70 8,0 90 11,0 
9,0 120 | 90 10,0 11,0 ' 90 

10,0 | 100 On ` 180 

Mittelwerte 
05 | 94 I 983 | 86 | 884 12 | 118 


Im Durchschnittswert ausgedrückt, verbraucht das Blut eines 
Kaninchens, das 15 bis 66 Stunden lang unter einem Luftdruck von 
460 mm Hg gelebt hat, pro Kubikzentimeter und 10 Minuten bei 38° C 
10,03 cmm O,, auf 0°C und 760 mm Hg umgerechnet 8,83 cmm, 100 cem 
Blut verbrauchten also 5,29 ccm pro Stunde. 

Zwischen dem O,-Verbrauch der beiden Tiere besteht also eine 
Differenz von etwa 150 Proz. 


Es ist mit Bestimmtheit zu konstatieren, daß der Sauerstoff- 
verbrauch der roten Blutkörperchen der Versuchstiere größer ist, 
wenn wir die Tiere unter vermindertem Luftdruck halten, weil dann 

Biochemische Zeitschrift Band 169, 7 


98 J. Förster: 


junge rote Blutkörperchen im Blute erscheinen, die in erhöhtem Maße 
Sauerstoff verbrauchen. Der erhöhte O,-Verbrauch kann nicht den 
Leucocyten zugeschrieben werden, weil ja dieselben, wie wir uns in 
unseren Versuchen überzeugt haben, sich nicht vermehren. Im Blute 
müssen dabei keine kernhaltigen roten Blutkörperchen vorhanden sein. 
Die kernlosen Blutkörperchen verbrauchen, wie wir. erwähnt haben, 
auch nach den Untersuchungen von Masing und Morawitz!), in erhöhten 
Maße Sauerstoff; so ist der Sauerstoffverbrauch des Blutes ganz junger 
Tiere und noch mehr bei anämischen Tieren im Regenerationszustand 
erhöht. Im gefärbten Präparat sehen wir Polychromasie und bei sehr 
schwerer Anämie ist auch der Durchmesser der Blutkörperchen größer. 


Den vergrößerten Durchmesser der roten Blutkörperchen finden 
wir auch bei unter vermindertem Luftdruck lebenden Tieren. 


Durchmesser der roten Blutkörperchen. 








| Normal 
| bei 755 mm Hg bei 630 mm Hg |bei 440 mm Hg, lebendes Tier 
| Proz. Proz. Proz. 

5,2 bis 6,0 u 3 | 4 

6,0 bis 6,9 u 36 34 34 

6,9 bis 7,8 u 60 5l 26 

78 bis 8,1 ø 1 11 29 

7,8 bis 8,7 u ) 

8,7 bis 9,0 u 5 

Durchschnittlich . | 6,1 u | 6,5 u | 6,9 u 


Während der durchschnittliche Durchmesser der roten Blut- 
körperchen von bei 750 bis 760 mm Hg lebenden Tieren 6,1 u ist, beträgt 
er bei den unter 630 mm Hg lebenden 6,5 u, und bei dem Kaninchen, 
das 49 Stunden bei 440 mm Hg gelebt hat, 6,9 u, also um 0,8 u mehr. 
Bei den letzteren zwei Tieren sind außerdem Blutkörperchen von 
solchen Durchmessern zu finden (8,1 bis 9,0 u), wie sie bei den bei 


760 mm Hg Luftdruck lebenden Tieren überhaupt nicht zu beob- 
achten sind. 


Zuntz, Loewy, Müller und Caspari?) haben an mikroskopischen 
Schnitten bewiesen, daß bei solchen Tieren, die eine längere Zeit dem 
Höhenklima ausgesetzt waren, die äußere Schicht des roten Knochen- 
marks dicker ist und mehr rote Blutkörperchen enthält wie dasjenige 
von Tieren, die auf der Ebene leben. Aus dieser Tatsache müssen 





1) Masing und Morawitz, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 98, 301. 
2) Zuntz, Loewy, Müller und Caspari, Höhenklima und Bergwanderungen, 


Berlin 1906, 198ff. — Loewy und Müller, Deutsch. med. Wochenschr. 
1904, 121. 





Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten Blutkörperchen. 99 


wir auf eine erhöhte Blutkörperchenbildung schließen. Trotzdem hat 
bei solchen Tieren außer Schaumann und Rosenquist!) kein Autor kern - 
haltige rote Blutkörperchen gefunden. Auch wir fanden in unseren, 
aus den Versuchstieren verfertigten Präparaten keine kernhaltigen 
roten Blutkörperchen, nur Anisocytose, Polychromasie und, wıe erwähnt, 
abnorm große Blutkörperchen. Diese Untersuchungen sprechen also 
auch dafür, daß der erhöhte Sauerstoffverbrauch des Blutes von bei 
vermindertem Luftdruck lebenden Tieren durch die erhöhte Sauerstoff- 
zehrung der kernlosen jungen roten Blutkörperchen zustande kommt. 
In diesen roten Blutkörperchen können die Nucleinsäuren, also Kern- 
reste, eine Rolle bei dem erhöhten Sauerstoffverbrauch spielen. 


1) Schaumann und Rosenquist, Zeitschr. f. klin. Med. 85, 1898. 


Eine neue Methode zur Bestimmung der Serumtryptasen. 


Von 
L. und Xenia Utkin-Ljubowzow. 


(Aus der Abteilung für experimentelle Pathologie und Pharmakologie des 
Staatlichen Chemo - Pharmazeutischen Forschungsinstituts zu Moskau.) 


(Eingegangen am 11. Dezember 1925.) 


Wenn wir an dieser Stelle von Serumproteasen sprechen, so meinen 
wir damit diejenigen proteolytischen Fermente, die so oder anders im 
Serum anzutreffen sind. Wir halten es für einen entschiedenen Mißgriff, 
die Serumproteasen immer als sekundär, durch Zerfall von Zell- 
elementen erst bei der Gewinnung des Serums auftretende Fermente 
zu betrachten und stimmen der Anschauung Oppenheimers!) bei, daß 
in vivo Proteasen im strömenden Blute vorhanden sein müssen. Ohne 
die entsprechende Diskussion aufzunehmen, ist die von uns hier vor- 
geschlagene Methode auf diejenigen Proteasen im Serum zugespitzt, 
die man tatsächlich vorfindet, und da ist eine ‚neue Methode“ ent- 
schieden gerechtfertigt. Denn trotz einer großen Zahl von Arbeiten, 
die den Serumproteasen und speziell auch den Bestimmungsmethoden 
gewidmet sind, ist keiner der Vorschläge als vorwurfsfrei zu betrachten. 
Die Serumautolyse führt nicht zum Ziele; die proteolytische Wirkung 
ist durch das sogenannte Antitrypsin gedeckt, und in Wasser neutraler 
oder schwach alkalischer Pufferung bekommt man meist keine oder 
manchmal ganz geringe Werte, wie wir das auch öfters zu beobachten 
Gelegenheit haben. Auf der ‚„Beseitigung‘“ des Antitrypsins in Ver- 
bindung mit Autolyse beruhen als Beispiel die Methoden von 
Jobling?); es liegt jedoch in diesen und anderen Fällen absolut keine 
Sicherheit vor, daß das Antitrypsin tatsächlich komplett beseitigt und 
daß das Ferment nicht geschädigt wird. Dieses betrifft besonders 
die Methoden der Beseitigung des Antitrypsins durch Kaolin, Ton- 
erde usw., da nach den Untersuchungen von Jamakawa?) anorganische 


1) Die Fermente und ihre Wirkungen, 1925, XIV. Hauptteil, Kap. 4. 


2) Jobling, Petersen und Eggstein, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 24, 
460, 1916. 


3) Journ. of exper. Med. 27, 1918. 


L. u. X. Utkin-Ljubowzow: Neue Methode zur Bestimmung usw. 101 


Adsorbentien gerade das Ferment adsorbieren und das Antiferment 
intakt lassen. Unsere Versuche, durch Kaolin eine meßbare Serum- 
autolyse hervorzubringen, verliefen auch resultatlos. Die Dehydrations- 
methode von Schierge!) führt, abgesehen von ihrer Kompliziertheit, 
entschieden zu einer partiellen Inaktivierung der Proteasen durch 
Bearbeitung mit Alkohol. 

Einen Vorzug der Methode bedeutet die Anwendung statt der 
Eigenproteine des Serums eines wohlcharakterisierten Substrats, 
des Caseins, denn die Eigenproteine können von Fall zu Fall quantitativ 
und qualitativ wechseln und das besonders bei pathologischen Zuständen, 
so daß in einen jeden solchen Autolyseversuch neue unbekannte Faktoren 
eingeführt werden. Wo das Studium der Autolyse nicht Selbstzweck 
ist, ist sie zur Proteasebestimmung entschieden zu verwerfen. 

Wie sich eine Methode auch gestalten mag, bietet die Arbeit 
in gepufferten Medien ganz allgemeine und wohlbekannte Vorzüge, und 
da muß man sich für diese oder jene Pufferung entscheiden. Wenn 
wir mit Oppenheimer (l.c.) der Meinung Ausdruck geben, daß native 
Proteasen im Plasma vorhanden sein müssen, so denken wir vor allen 
Dingen an dreierlei Quellen: ausgeschwemmte Organproteasen, leuco- 
cytäre Protease und vielleicht aus dem Darmtraktus rückresorbierte 
Tryptasen. In allen drei Fällen haben wir es auch mit Fermenten zu 
tun, die nahe dem neutralen Punkt ihr Optimum besitzen, wenngleich 
nebenher auch Pepsinasen (eventuell auch Peptasen) vorliegen können 
und unter den Zellfermenten auch tatsächlich vorliegen. Okubo?) findet 
den optimalen pe - Wert für Serum mit 7. Alles dieses veranlaßte uns, 
sich vor allen Dingen für die Pufferung pg = etwa 7 zu entscheiden. 
Wir sind eben dabei, die Serumproteasen in bezug auf ihre Wirkungs- 
optima zu charakterisieren. Die Ergebnisse werden uns über die genaue 
Pufferung näher belehren, unsere Methode selbst wird dadurch nicht 
berührt und gestattet uns, die Messung bei beliebiger H*-Konzentration 
durchzuführen. 


Unsere Methode gründet sich auf der Beobachtung des einen von 
uns®), daß eine Leberaufschwemmung bei pe = 4,5 bis 5,0 einen Teil 
ihrer Proteine ausflockt; dabei verteilen sich die Pepsinasen zwischen 
Niederschlag und Filtrat. Was die alkalischen Tryptasen betrifft, so 
werden sie vom Niederschlag komplett adsorbiert, das Filtrat zeigt in 
diesem Falle überhaupt keine Caseinverdauung. Nach Denaturierung 
des Niederschlags mittels Acetons kann die Tätigkeit der niedergerissenen 
Tryptasen zum Vorschein gebracht werden. 


1) Zeitschr. f. exper. Med. 82, 1923; 84, 1923. 
2) Ber. Phys. 27, 195; 28, 467. 
3) L. Utkin-Ljubouzow, diese Zeitschr. 158, 50, 1925. 


102 L. u. X. Utkin-Ljubowzow: 


In Analogie dazu versuchten wir, die Adsorption der Serum- 
tryptasen durch ein in der isoelektrischen Zone ausflockendes fremdes 
Protein durchzuführen und die tryptische Verdauung am Adsorptions- 
komplex zu studieren, dabei hofften wir, uns von dem ‚Antitrypsin“ 
zu befreien und somit den ganzen Versuch einfach und übersichtlich 
zu gestalten. Als Substrat wählten wir wiederum das Casein mit dem 
JP bei pg = 4,6; wie bekannt, zeigen bei dieser Säuerung die hydro- 
philen Serumproteine keine Koagulationserscheinungen, das Casein 
dagegen flockt komplett aus. Außerdem besitzt es die wertvolle Eigen- 
schaft, verhältnismäßig leicht durch proteolytische Fermente gespalten 
zu werden; die Einheitlichkeit des Substrats ist durch ein ganz be- 
stimmtes Handelspräparat garantiert. Da wir an die klinische Ein- 
führung dachten, so bemühten wir uns, die Serummenge auf das 
minimalste zu verringern. 

Im einzelnen gestaltet sich das Verfahren folgendermaßen: 1 ccm 
Serum wird im Zentrifugierröhrchen mit 3 ccm 1proz. neutraler Casein- 
lösung!) gemischt; nun werden unter Umrühren 0,5 ccm Acetatgemisch, 
hergestellt durch Mischen gleicher Volumina n/l Essigsäure und 
Natriumacetat, hinzugegeben. Das Casein flockt momentan aus. Das 
Röhrchen wird 3 bis 5 Minuten scharf zentrifugiert. Der Niederschlag 
bleibt so fest am Boden des Röhrchens haften, daß die Flüssigkeit 
ruhig abgegossen werden kann. Der Niederschlag wird sodann zweimal 
mit dem erwähnten, hundertfach verdünnten Acetatgemisch mittels 
eines Glasfadens durchgewirbelt und auf der Zentrifuge gewaschen, 
was zur Entfernung der Serumreste, also auch des Antitrypsins, führt. 
Nun wird der Niederschlag in 5ccm 0,2proz. Soda gelöst, weitere 
6,5ccm Wasser werden hinzugefügt, 1 ccm dieser Flüssigkeit dient zur 
gesamten N-Bestimmung (Mikro-Kjeldahl). In zwei trockene kleine 
Erlenmeyerkölbchen werden zu Beem der Flüssigkeit und 5 ccm eines 
Phosphatpuffers pe = 7,1?) (m/3) eingetragen. 

Dem Inhalt des einen Kölbchens werden einige Tropfen Toluol zu- 
gegeben, wonach es gut verkorkt für 24 Stunden in den Thermostaten 
bei 370 gestellt wird. Das andere Kölbchen wird auf Neutralrot 
neutralisiert, auf dem kochenden Wasserbade erwärmt und mit Hilfe 
von 5 ccm l proz. kolloidalen Eisenhydroxyds unter Zusatz einiger 
Tropfen gesättigter K,SO, enteiweißt. Ebenso verfährt man nach 
24 Stunden mit dem anderen Kölbchen. Nach Erkalten wird der 
Inhalt der Kölbehen auf 50 ccm aufgefüllt und durch ein trockenes 
Filterchen filtriert; im beliebigen Teile des Filtrats wird der 
Rest-N bestimmt. 


1) Die Bereitung siehe bei L. Utkin-Ljubowzow, 1. c. 
2) Die für Serumprotease optimale Reaktion (nach Okubo, l. ce. S.]), 





Neue Methode zur Bestimmung der Serumtryptasen. 103 


Der Gesamt-N-Wert mit den beiden Rest-N-Werten gibt die 
Möglichkeit, den Grad der Caseinspaltung in Prozenten vom Gesamt- 
protein auszudrücken. Die angeführte Tabelle I demopstriert die 
Resultate einer Anzahl von Versuchen, die in Doppelbestimmungen 
ausgeführt sind. Wir arbeiteten mit Seren von Kaninchen, Meer- 
schweinchen und Hund. 


























Tabelle I. 
| Ant Rest:N Casein» 
Nr. Tier Gesamt-N Rest: N Rest,N Zuwäche zerfall Differenz 
u 1 i i mg | mg | mg mgo Proz. Proz. 
I ,- 1. Kaninchen 2,18 0,11 0,71 0,60 29,0 01 
| ; 2,18 0,12 0,72 0,60 29,1 ? 
2 | 2. Kaninchen 2,10 0,13 0,62 0,49 249 


3 ' 1.Meerschweinchen | 2,42 0,18 1,45 1,27 66,7 
l 


4 ' 2. Meerschweinchen 2,78 0,12 1,95 1,83 68,8 


5, 1. Hund 1,82 | 0,10 | 051 | 041 | 238 | o7 
| 199 | 0,09 | 053 | 04 | 23,1 
6 2. Hund 2,12 | 0,10 | 050 | 040 | 198 | o7 
| 2,05 | 0,10 | 0,50 | 040 | 20,5 

7, Mensch 217 | 014 | 0,80 | 0,86 | 325 


217 | 015 | 082 | 067 | 331 | 96 


Wie ersichtlich, hatten wir in Parallelversuchen gute Überein- 
stimmungen. Die Maximaldifferenz übersteigt nicht 2,6 Proz. 

Dieses weist darauf hin, daß unter gleichen Bedingungen das 
Casein gleiche Proteasemengen aus dem Serum niederreißt. Allerdings 
belehrte uns ein spezieller Versuch, daß nicht die ganze Tryptase 
quantitativ an das Casein geht, ein geringer Teil bleibt in Lösung. Wie 
es scheint, kann die Methode dadurch nicht beanstandet werden, da 
die Fermentschwankungen durch sie vollkommen wiedergegeben 
werden. 

Der entsprechende Versuch zur Klärung des Adsorptionsgrades 
der Tryptase durch Casein entsprechend unserer Anordnung verlief 
wie folgt: Die vom Caseinniederschlag im Zentrifugierröhrchen ab- 
gegossene Flüssigkeit gelangte in ein zweites Röhrchen, es wurden 
zu ihr nochmals 3 cem lproz. Casein zugefügt. Der sich von neuem 
bildende Niederschlag wurde genau wie bei der Grundbestimmung 
behandelt. Die Ergebnisse ersieht man aus Tabelle II. 

Wir versuchten, auch durch Erhöhung der Caseinmenge eine reich- 
lichere Adsorption zu erreichen, wir überzeugten uns, daß dieses nicht 
möglich ist. Wir führen hier immer solchen Versuch an, in welchem die 
Abhängigkeit der Proteaseadsorption von der Caseinmenge durch 


104 L. u. X. Utkin-Ljubowzow : Neue Methode zur Bestimmung usw. 


Tabelle II. 


N Erste Fällung | Zweite Fallung 





Untersuchung der in der Flüssigkeit hinterbleibenden freien Protease 
studiert wurde. 

In vier Röhrchen gelangten zu l ccm Serum verschiedene Casein- 
mengen, die Volumen wurden mit Wasser ausgeglichen und in allen 
Röhrchen wurde das Casein mittels des Acetatpuffers ausgeflockt. 

Nach Zentrifugieren kamen die einzelnen Lösungen in vier weitere 
Röhrchen, wo nunmehr gleiche Mengen Casein hinzugegeben wurden 
(3ccm). Nach zweiter Ausflockung wurde der Versuch in gewöhnlicher 
Art beendet. 








Tabelle III. 
N | Caseinlösung | Caseinzerfall 
r. 
EE u 
1 l 36,4 
2 2 18,1 
3 3 11,5 
4 4 9,8 


Wenn wir diese Resultate graphisch ausdrücken, so erhalten wir 
einen typischen Adsorptionsverlauf; die Anreicherung des Adsorbenten 
führt nicht zu einer Adsorptionsvergrößerung. Diese vorgeschlagene 
Methode hat vor den anderen den Vorzug, daß die Verdauung in einem 
bestimmten gepufferten Milieu verläuft, welches frei von Antitrypsin 
ist und frei von anderen Begleitstoffen des Serums. Die zur Bestimmung 
gelangenden Rest-N-Werte sind bedeutend höher als in anderen 
Methoden, was durch Verkleinerung des Versuchsfehlers auch einen 
entschiedenen Vorteil bietet. 


Sind sauerstoffübertragende Enzyme mit wasserstoff- 
übertragenden identisch ? 


Von 
A.Bach und K. Nikolajew. 


(Aus dem biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 11. Dezember 1925.) 


In dem Bestreben, seine Dehydrierungstheorie zu einer um- 
fassenden Lehre von den vitalen Oxydationen auszubauen, gelangte 
H. Wieland (1) zu der Ansicht, daß die vielfach erforschte Sauerstoff- 
aktivierung bei diesen Prozessen keine Rolle spiele. Indem er (2) für 
die Autoxydation ungesättigter Systeme, soweit sie bei Wasserausschluß 
verläuft, sich der Enngler-Bachschen Peroxydtheorie anschließt, glaubt 
er betonen zu können, daß in wässerigen Lösungen, also auch in der 
lebenden Zelle, die Oxydationen ihren Weg nicht über die Aktivierung 
des molekularen Sauerstoffs durch primäre Peroxydbildung, sondern 
ausschließlich über die Aktivierung des Wasserstoffs der Substrate 
nehmen. Erst beim Zusammentreffen des aktivierten Wasserstoffs 
mit inertem Sauerstoff entstehe sekundär Hydroperoxyd, eine Reaktion, 
die Wieland als indirekte Autoxydation bezeichnet. 

Bekanntlich ist zwischen den Erscheinungen der direkten Autoxy- 
dation, das ist, der Sauerstoffaktivierung durch primäre Anlagerung 
von ganzen Sauerstoffmolekülen unter Peroxydbildung, und der 
Wirkung der Oxydasen ein weitgehender Parallelismus festgestellt 
worden. Ein chemischer Körper, der an und für sich durch den mole- 
kularen Sauerstoff nicht mit meßbarer Geschwindigkeit angegriffen 
wird, läßt sich durch denselben in Anwesenheit eines leicht oxydablen 
Körpers rasch oxydieren. Beispiel: Indigolösung und Terpentinöl. 
Da Terpene nachgewiesenermaßen der direkten Autoxydation unter 
Peroxydbildung anheimfallen, so wird angenommen, daß der gegenüber 
dem molekularen Sauerstoff beständige Farbstoff hier durch den 
aktiven Sauerstoff des Peroxyds oxydiert wird. Die oxydierende 
Wirkung des Systems autoxydabler Körper + Sauerstoff — Peroxyd 
kann weiter durch Schwermetallsalze, in ähnlicher Weise wie die des 


106 A. Bach u. K. Nikolajew: 


Hydroperoxyds durch Eisen-II-Sulfat, beträchtlich beschleunigt werden. 
Schwermetallsalze bewirken hier eine Beschleunigung der Reaktion, 
indem sie mit den entsprechenden Peroxyden Additionsprodukte von 
höherem Oxydationspotential bilden. Nun hat sich die gewöhnliche 
Oxydase (Phenoloxydase) als ein Gemisch von zwei voneinander 
trennbaren Agenzien erwiesen. Für sich allein übt das eine in An- 
wesenheit von molekularem Sauerstoff gar keine, das andere nur eine 
schwache oxydierende Wirkung aus. Ersteres, als Peroxydase be- 
zeichnetes, beschleunigt die oxydierende Wirkung des Hydroperoxyds 
und anderer, bei der Autoxydation von ungesättigten Verbindungen 
entstehender Peroxyde, in ähnlicher Weise wie es Schwermetallsalze 
tun; letzteres, als Oxygenase bezeichnetes, nimmt in ähnlicher Weise 
wie das Terpentinöl molekularen Sauerstoff unter Peroxydbildung 
auf. Die Richtigkeit dieser Auffassung scheint darin ihre Bestätigung 
zu finden, daß man aus den oxydierenden Systemen: 


Peroxydase + Oxygenase + O, 
und 


Schwermetallsalz + autoxydabler Körper + O, 
die gemischten Systeme: 


Schwermetallsalz + Oxygenase + O, 
und 


Peroxydase + autoxydabler Körper + O, 
darstellen kann. 


Die Annahme, daß die Sauerstoffaktivierung bei den vitalen 
Oxydationsprozessen keine Rolle spiele, zwingt zu der Schlußfolgerung, 
daß die Wirkung der Oxygenase und der Peroxydase in keinem Zu- 
sammenhange mit den Erscheinungen der Autoxydation und deren 
katalytischen Beeinflussung stehe. Wieland geht diesen weiteren Schritt 
und faßt die Oxygenase und die Peroxydase als wasserstoffaktivierende 
Agenzien auf. Die Oxygenase soll nicht dem molekularen Sauerstoff 
unter Peroxydbildung, sondern den Wasserstoff der Substrate aktivieren 
und ihn zur direkten Vereinigung mit dem molekularen Sauerstoff 
als Wasserstoffakzeptor befähigen. Die gleiche Wasserstoffaktivierung 
soll auch durch die Peroxydase, die auf den Wasserstoffakzeptor H,O, 
eingestellt sei, bewirkt werden. Durch diese Annahme wird die Funktion 
dieser bisher als Oxydationsenzyme angesehenen Agenzien in die 
Dehydrierungstheorie hineingefügt. 


Seine Auffassung stützt Wieland auf an und für sich sehr 
interessante und bedeutungsvolle Versuche. Es ist ihm nämlich ge- 
lungen, die Oxydation des Äthylalkohols zu Essigsäure durch lebende 


Sind O,-übertragende Enzyme mit H,-übertragenden identisch? 107 


Essigbakterien sowie durch daraus dargestellte Dauerpräparate, 
unter Ersatz des Sauerstoffs durch Methylenblau als Wasserstoffakzeptor 
zu bewirken. Da hierbei der Farbstoff zur Leucobase reduziert wird, 
so glaubt Wieland, die Alkoholoxydase zum Fungieren als Redukase 
gezwungen zu haben (3). Andererseits stellte er fest, daß das Schar- 
dinger--Enzym der Milch, welches die Reduktion des Methylenblaus 
durch Aldehyde beschleunigt, wobei letztere zu den entsprechenden 
Säuren oxydiert werden, die gleiche Oxydationsreaktion auch durch den 
molekularen Sauerstoff vermittelt. Es hat hier den Anschein, als ob 
eine Rodukase unter geeigneten Bedingungen auch als ‚„Aeroxydase“ 
fungieren könne. 


Gegen diese Auffassung ist von Bach (4) der Einwand erhoben 
worden, daß die Versuche nicht mit isolierten Enzymen, sondern mit 
der ganzen Körpersubstanz der Essigbakterien oder mit der Milch aus- 
geführt worden sind. Mit derartigen Materialien, welche Gemische von 
verschiedenen Enzymen und anderweitigen Substanzen darstellen, 
lassen sich nicht eindeutige Resultate erzielen. Beweisend werden 
diese Versuche erst dann sein, wenn es gelingen wird, mit der tsolierten 
Alkoholoxydase Alkohol zu Essigsäure, mit dem stsolierten Schardinger- 
Enzym Aldehyde zu den entsprechenden Säuren sowohl durch die 
Vermittlung des Mehylenblaus wie durch die Vermittlung des molekularen 
Sauerstoffs zu oxydieren. Leider schlugen bisher alle Versuche, die 
Alkoholoxydase aus den Essigbakterien in aktivem Zustande zu isolieren, 
fehl. Dagegen konnten Sbarsky und Michlin (5) in hiesigem Institut 
das Schardinger-Enzym (Perhydridase) der Milch durch Konzentrieren 
im Rahm, Entbuttern und Fällen der Buttermilch mit Aceton weit- 
gehend reinigen. Hier lag also die Möglichkeit vor, nachzuprüfen, ob 
tatsächlich das isolierte Enzym imstande ist, molekularen Sauerstoff 
für Oxydationszwecke zu verwerten, wie es die Phenoloxydase tut. 
Wir wiederholten daher die Wielandschen Versuche mit Salicylaldehyd 
unter Anwendung des nach Sbarsky und Michlin isolierten Enzyms 
der Milch. 


l Liter frischer Buttermilch wurde mit 3 Liter frisch über- 
destilliertem Aceton gefällt, der entstandene Niederschlag wurde unter 
vermindertem Druck abfiltriert, nochmals mit Aceton verrieben und 
das erhaltene Pulver zum Verdunsten des Fällungsmittels auf ein 
Papier ausgebreitet und dann durch Ausziehen mit Petroläther ent- 
fettet. Die Ausbeute betrug 42g. Das Präparat war wenig löslich in 
Wasser. 


Zunächst wurden Versuche mit einer wässerigen Emulsion des 
Enzympräparates angestellt, 12g des Trockenpulvers wurden mit 
50 ccm Wasser zu einer feinen und haltbaren Emulsion verrieben. Die 


108 A.Bach u. K. Nikolajew: 


Wirksamkeit letzterer wurde in der Weise bestimmt, daß 1 ccm davon 
mit 2 cem Wasser, 1 ccm lproz. Acetaldehydlösung und 1 cem 1 proz. 
Natriumnitratlösung vermischt und bei 65° während einer halben Stunde 
im Thermostaten stehengelassen wurde. Dann wurde das Reaktions- 
gemisch mit 1 ccm gesättigter Lösung von basischem Bleiacetat versetzt, 
filtriert, und von dem klaren Filtrat wurden 3ccm zur Bestimmung 
des gebildeten Nitrits nach Jlosvay-Lunge angewandt. Leem Enzym- 
emulsion lieferte 0,0567 mg N,O,; etwa 27 mal soviel wie die frische Milch. 


Zur Ausführung der Versuche dienten zylindrische Gefäße von 200 ccm 
Inhalt mit angeschmolzenen Zu- und Ableitungsröhren, welche mit Glas- 
hähnen versehen waren. Die angewandte Methodik war folgende: 

Zwei Gefäße wurden mit reinem, ausgekochtem Wasser gefüllt, und 
aus dem einen wurde das Wasser mit reinem Wasserstoff, aus dem anderen 
mit reiner Luft verdrängt. Beide Gefäße wurden mit je 0,35g Salicyl- 
aldehyd, 3,3 ccm Phosphatpuffer (pe = 7,6), 10 ccm Enzymemulsion und 
Wasser bis auf 20 ccm beschickt und im Thermostaten während 6 bis 8 Stun- 
den bei 60° unter Hindurchleitung von Wasserstoff bzw. Luft gehalten. 
Zur Isolierung der gebildeten Salicylsäure wurden die Reaktionsgemische 
mit Wasser auf das Doppelte verdünnt, mit je 1 cem n H, SO, zur Fällung 
der Eiweißstoffe angesäuert, filtriert und das Filtrat viermal mit Äther 
extrahiert. Die vereinigten Extrakte, welche neben unverändertem Salicyl- 
aldehyd Saligenin und Salicylsäure enthielten, wurden mit Natriumsulfat 
entwässert und wiederholt mit Natriumcarbonat und wenig Wasser aus- 
geschüttelt. Die vereinigten wässerigen Auszüge, welche die Salicylsäure 
als Natriumsalicylat enthielten, wurden zur Entfernung des Salicylaldehyds 
und des Saligenins wiederholt mit Äther ausgeschüttelt, bis die ätherischen 
Auszüge keine Violettfärbung mit Eisenalaun gaben. In der restierenden 
Natriumsalicylatlösung wurde die Salicylsäure kolorimetrisch bestimmt. 
Wieland isolierte aus der Natriumsalicylatlösung die freie Säure in Substanz 
und bestimmte sie entweder durch Wägen oder durch Titration. Wir 
fanden aber, daß das einfachere direkte Kolorimetrieren gut überein- 
stimmende Resultate liefert. 

In der angegebenen Weise wurden auch Kontrollversuche mit durch 
Hitze inaktivierter Enzymemulsion im Wasserstoff- und Luftstrom aus- 
geführt. 

Dabei wurden folgende Resultate erhalten: 


Gebildete Salicylsäure in Grammen 


Wasserstoff Luft 
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym Inaktives Enzym 
0,01018 0 0,01845 0 


Wie aus diesen Zahlen zu ersehen ist, ergab die aus dem gefällten 
Enzym "dargestellte Emulsion, in Übereinstimmung mit den Wieland- 
schen Befunden, beträchtlich mehr Salicylsäure im Luftstrom als im 
Wasserstoffstrom. Zu ganz anderen Resultaten gelangten wir aber, 
als wir anstatt der ersten Fällung, welche noch die Mehrzahl der Bestand- 
teile der Buttermilch enthielt, Extrakte aus derselben verwandten. 
Sbarsky und Michlin teilen mit, daß ihr durch Fällen der Buttermilch 





Sind O,-übertragende Enzyme mit H,-übertragenden identisch? 109 


mit Aceton erhaltenes Präparat keine merkliche Enzymmengen an 
reines Wasser abgibt. Dagegen ist es ihnen gelungen, durch Ausziehen 
des Trockenpulvers mit n/200 Salzsäure und Neutralisieren mit Natrium- 
carbonat sehr wirksame Enzymlösungen zu gewinnen. Mit verschiedenen 
in dieser Weise dargestellten Enzymlösungen führten wir folgende 
Versuche aus. 


1. 10 cem Enzymlösung, deren Wirksamkeit der von 400 ccm Milch 
entsprach, wurden mit 0,25 g Salicylaldehyd versetzt, mit 5 ccm Phosphat- 
gemisch auf pe = 7,55 gepuffert und im Thermostaten bei 60° während 
12 Stunden mit einem reinen Luftstrom behandelt. Gleichzeitig wurde ein 
Versuch im Wasserstoff unter denselben Bedingungen und Kontrollversuche 
mit inaktivierter Enzymlösung angestellt. Resultate: 


Gebildete Salicylsäure in Grammen 


Wasserstoff Luft , 
EE EES, JEEE 0 E EE E EE, 
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym lInaktives Enzym 

0,01832 0 0,00984 0 


2. 13 cem Enzymlösung entsprechend 130 ccm Milch, 0,25g Salicyl- 
aldehyd, 6 ccm Phosphatgemisch (pe = 6,8) wurden 8 Stunden bei 60° 
mit Wasserstoff bzw. Luft behandelt. Erhalten: 


Gebildete Salicylsäure in Grammen 


Wasserstoff Luft 
EN EE NT a N 
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym Inaktives Enzym 

0,00556 0 0,00884 0 


3. 10 ccm Enzymlösung entsprechend 300 cem Milch, 0,25g Salicyl- 
aldehyd, Beem Wasser und 5ccm Phosphatgemisch (pg = 6,8) wurden 
9 Stunden wie oben behandelt 


Gebildete Salicylsäure in Grammen 


Wasserstoff Luft 
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym Inaktives Enzym 
0,01664 0 0,007 26 0 


Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß das durch Fällen mit Aceton, 
Entfetten und Ausziehen mit schwacher Säure von gewissen Begleit- 
stoffen befreite Enzym weniger Salicylsäure in Sauerstoffatmosphäre 
als in Wasserstoffatmosphäre liefert. Das gereinigte Enzym behält 
daher wohl seine Fähigkeit, die gleichzeitige Oxydation und Reduktion 
zweier Aldehydmoleküle auf Kosten des Wassers zu bewirken, nicht 
aber die Fähigkeit, den molekularen Sauerstoff auf den Salicylaldehyd 
zu übertragen. Mit anderen Worten, es kann wohl als reduzierendes bzw. 
oxydoreduzierendes Enzym, nicht aber als Oxydase fungieren. 

Wie erklärt sich nun dieser Unterschied zwischen der Wirkung des 
gereinigten und des ungereinigten Enzyms ? Am nächsten lag die schon 
von Bach geäußerte Vermutung, daß die in frischer Milch enthaltene 


110 A. Bach u. K. Nikolajew: 


Peroxydase bei der Oxydation des Salicylaldehyds durch den moleku- 
laren Sauerstoff mit ins Spiel komme, indem sie die Übertragung des 
aktiven Sauerstoffs des primär entstehenden Aldehydperoxyds be- 
schleunige. Wir führten daher Versuche über das Verhalten des Salicyl- 
aldehyds gegen Peroxydase in verschiedenen Richtungen aus. 


Für die Versuche benutzten wir eine Lösung von gereinigter pflanz- 
licher Peroxydase (aus Meerrettich), deren Wirksamkeit nach der 
Guajakolmethode bestimmt wurde. 1 ccm Peroxydaselösung = 11,5 mg 
oxydierten Guajakols. Die Versuche wurden unter denselben Be- 
dingungen wie die oben beschriebenen ausgeführt. Da sämtliche Er- 
gebnisse negativ ausfielen, wollen wir auf die Einzelheiten hier nicht 
eingehen. Bemerkt sei nur, daß auch bei Anwendung von Hydro- 
peroxyd anstatt Sauerstoff als Wasserstoffakzeptor keine Bildung ` 
von Salicylsäure nachgewiesen werden konnte. Die oben erwähnte 
Vermutung Bachs trifft also nicht zu; die in der Milch vorhandene 
Peroxydase ist nicht für die gesteigerte Oxydation des Salicylaldehyds 
in Anwesenheit von Sauerstoff verantwortlich. Zugleich wird aber auch 
dadurch die Annahme Wielands, die Peroxydase sei eine auf Hydro- 
peroxyd als Wasserstoffakzeptor eingestellte Dehydrase, hinfällig gemacht. 
Die Peroxydase ist ebensowenig imstande,’den Wasserstoff des Salicyl- 
aldehyds zu aktivieren und ihn zur direkten Vereinigung mit dem 
molekularen Sauerstoff bzw. mit dem Sauerstoff des Hydroperoxyds 
zu befähigen, wie den aktiven Sauerstoff des Hydroperoxyds auf den 
Salicylaldehyd zu übertragen. 


Wir gelangen also zu der Überzeugung, daß an der von Wieland 
festgestellten Zunahme der Oxydation des Salicylaldehyds in An- 
wesenheit von Sauerstoff weder das Schardinger-Enzym (Perhydridase), 
noch die Peroxydase der Milch beteiligt sind. Da andererseits zu der 
Annahme, daß in der Milch eine noch unbekannte, molekularen Sauer- 
stoff übertragende Oxydase vorkomme, keinerlei Veranlassung vorliegt, 
so drängt sich der Schluß auf, daß die hier in Betracht kommende 
Reaktion nicht enzymatischer Natur ist. Es scheint uns, daß die Sach- 
lage sich an folgendem, recht eindeutigem Beispiel erläutern läßt. 


Bringt man frische Milch mit wenig Methylenblau, Acetaldehyd 
oder noch besser mit Hypoxanthin (6) im Vakuum zusammen und 
erhitzt auf 60°, so beobachtet man, daß der Farbstoff sich rasch ent- 
färbt; er wird zur Leucobase hydriert und büßt daher seine Fähigkeit, 
als Wasserstoffakzeptor zu fungieren, ein, wodurch die Reaktion zum 
Stillstand gebracht wird. Läßt man Sauerstoff zutreten, so färbt sich 
das Reaktionsgemisch sehr rasch blau, um dann nach kurzer Zeit sich 
wiederum zu entfärben. Mit überschüssigem Hypoxanthin unter 
Toluolzusatz läßt sich diese Operation beliebig wiederholen. Die Rück- 





Sind O,-übertragende Enzyme mit H,-übertragenden identisch? 111 


kehr der Blaufärbung des Reaktionsgemisches bedeutet die Dehydrierung 
der Leucobase durch den molekularen Sauerstoff, wodurch die Reaktion 
wieder in Gang gesetzt wird. Da überall, wo die Leucobase mit moleku- 
larem Sauerstoff zusammentrifft, die Dehydrierung mit fast unmeßbar 
großer Geschwindigkeit erfolgt, so ist es einleuchtend, daß das Enzym 


_ der Milch nichts mit der Rückkehr der Blaufärbung unter dem Einfluß 


des Sauerstoffs zu tun hat. Der Sauerstoff fungiert hier nur als sekun- 
därer Wasserstoffakzeptor und nur deshalb, weil der primäre Wasserstoff- 
akzeptor, das Methylenblau, nach dem Hydrieren sehr leicht oxydierbar 
ist. Wegen des sichtbaren Farbenumschlags läßt sich hier die Reaktion 
leicht verfolgen. Mit einem ungefärbten primären Wasserstoffakzeptor 
würde dessen Intervention unbeachtet bleiben und eine direkte 
dehydrierende Wirkung des molekularen Sauerstoffs dem Aldehyd gegen- 
über im Sinne Wielands vortäuschen. Wir halten es für sehr wahr- 
scheinlich, daß die frische Milch derartige primäre Wasserstoff- 
akzeptoren (vielleicht lipoider Natur) enthält, deren Wirkung der des 
Methylenblaus in unserem Beispiel analog ist. Durch genügende 
Reinigung des Enzyms werden diese Begleitstoffe entfernt und die 
sekundäre Wirkung des Sauerstoffs ausgeschaltet. 


Zusammenfassung. 


Die Annahme Wielands, daß das Schardinger-Enzym (Perhydridase) 
der Milch sowohl Methylenblau wie molekularen Sauerstoff als Wasser- 
stoffakzeptoren verwerten, also zugleich als Redukase und Oxydase 
fungieren könne, wurde an der Oxydation des Salicylaldehyds mit 
dem nach Sbarsky und Michlin isolierten Milchenzym einer experimen- 
tellen Prüfung unterzogen. Eine wässerige Suspension des durch Fällen 
von Buttermilch mit Aceton erhaltenen Niederschlags ergab, in Über- 
einstimmung mit dem von Wieland mit der Milch gemachten Befund, 
mehr Salicylsäure im Luftstrom als im Wasserstoffstrom (0,01845 g 
gegen 0,01018g). Durch Extraktion des Niederschlags mit 0,02n 
Salzsäure und nachträgliche Neutralisation erhaltene Enzymlösungen 
lieferten dagegen in Anwesenheit von Sauerstoff weniger Salicylsäure 
als bei Sauerstoffausschluß (als Durchschnittswert aus drei Versuchen 
0,00681 g gegen 0,0135g). Durch Kontrollversuche mit pflanzlicher 
Peroxydase wurde festgestellt, daß der von Wieland beobachtete 
Mehrbetrag an Salicylsäure in Gegenwart von Sauerstoff nicht der 
Wirkung der in der Milch enthaltenen Peroxydase zugeschrieben werden 
kann. Der Unterschied zwischen dem Verhalten des isolierten Enzyms 
und der Milch in Gegenwart von Sauerstoff wird durch die Annahme 
erklärt, daß die Milch Begleitstoffe (vielleicht lipoider Natur) enthält, 
welche als Wasserstoffakzeptoren fungieren und, ähnlich dem reduzierten 


112 A. Bach u. K. Nikolajew: Sind O,-übertragende Enzyme usw. 


Methylenblau, durch den molekularen Sauerstoff leicht dehydriert 
werden. Dadurch wird eine direkte Verwertung des Sauerstoffs durch 
das Schardinger-Enzym (,„Oxydasewirkung‘‘) da vorgetäuscht, wo eine 
einfache akatalytische Reaktion vor sich geht. 


Literatur. 


1) H. Wieland, Über den Mechanismus der Oxydationsvorgänge. 
Ergebn. d. Physiol. 20, 477, 1922; Mechanismus d. Oxydation und Reduktion 
in der lebenden Zelle. Handb. d. Biochem. (2. Aufl.) 2, 252, 1923. — 
2) Derselbe, B. 47, 2109, 1914. — 3) Derselbe, B. 46, 3327, 1913. — 4) A. Bach, 
B. 46, 3864, 1913. — 5) Sbarsky und Michlin, diese Zeitschr. 155, 485, 
1925. — 6) Morgan, Stewart and Hopkins, Proc. Royal. Soc. 94, 1922. 














Zur Kenntnis des Mechanismus der Immunitätserscheinungen. 


I. Mitteilung: 
Die Adsorption des Diphtherietoxins durch Meerschweinchen- und 
Rattenerythrocyten. 
Von 


B. Sharsky. 


(Aus dem biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 11. Dezember 1925.) 


Auf Grund meiner Untersuchungen über die Adsorption von 
Eiweißabbauprodukten durch die roten Blutkörperchen gelangte ich (1) 
zu einer Hypothese, welche auf folgenden Tatsachen beruht. Die roten 
Blutkörperchen besitzen die Fähigkeit, nicht nur Eiweißabbauprodukte 
im allgemeinen, sondern auch Toxine zu adsorbieren. Einer der 
wichtigsten Faktoren, die die Erkrankung eines Tieres durch ein be- 
stimmtes Toxin bedingen, ist in der Toxinmenge gegeben, welche durch 
die Erythrocyten dieses Tieres gebunden wird. 

Besitzen die Erythrocyten eines Tieres (z. B. des Kaninchens, des 
Meerschweinchens oder des Menschen) eine hohe Adsorptionsfähigkeit 
für ein bestimmtes Toxin (z. B. Diphtherietoxin), so erkrankt das Tier 
bereits durch kleine Dosen und wird es als empfänglich bezeichnet. 
Ist dagegen die Adsorptionsfähigkeit gering (z. B. bei Ratten), so 
erkrankt das Tier auch nach großen Toxingaben (Diphtherietoxin) 
nicht, es ist immun. Jede Substanz, die die Adsorption des Toxins 
durch die Erythrocyten verringert, wirkt dadurch als Antitoxin. Diese 
Ansicht ist bereits im wesentlichen durch einige experimentelle Unter- 
suchungen bestätigt worden. 


So konnten wir in Gemeinschaft mit Michlin (2) feststellen, daß die 

hrocyten verschiedener Tierarten (Ratte, Kaninchen, Meerschweinchen, . 
Pferd und Taube) die im Diphtherietoxin enthaltenen Eiweißabbauprodukte 
nicht in gleichem Maße adsorbieren. Es ergab sich, daß das Blut der gegen 
Diphtherietoxin empfindlichsten Tiere die größten Mengen von Eiweiß- 
abbauprodukten aus dem Toxin adsorbiert, und umgekehrt. Ordnet man 
die genannten Tierarten in eine Reihe nach dem Grad ihrer Empfindlich- 
keit gegen Diphtherietoxin, so bilden Ratte und Taube das erste und das 
letzte Glied der Reihe. Geordnet nach ihrer Fähigkeit, Eiweißabbauprodukte 
zu adsorbieren, ergaben die genannten Tiere genau die gleiche Reihe. 

In Gemeinschaft mit L. Subkowa (3) gelang es mir, zu beweisen, daß 
Chinin, welches die Adsorption der Eiweißabbauprodukte des Diphtherie- 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 8 


114 B. Sbarsky: 


toxins in vitro verhindert, zugleich antitoxische Eigenschaften aufweist. 
Ein Gemisch von Diphtherietoxin und Chinin rief an Kaninchen bei sub- 
kutaner Einführung keinerlei Vergiftungserscheinungen hervor, und die 
Tiere blieben am Leben. 

Eine Bestätigung der von mir geäußerten Hypothese könnte durch 
folgenden Versuch erbracht werden. Falls die Erythrocyten empfäng- 
licher Tiere ihre Adsorptionsfähigkeit in vitro beibehalten, so muß 
das Toxin nach Umschütteln mit Erythrocyten solcher Tiere größten- 
teils durch die Blutkörperchen gebunden werden. Nach Abtrennen 
der Blutkörperchen soll das Toxin nunmehr als weniger toxisch oder 
vollständig atoxisch erscheinen. Derartige Versuche sind von 
N.Griasnow (4) vorgenommen worden. 

Griasnow versuchte zu ermitteln, ob bei meinen Versuchen lediglich 
die Eiweißabbauprodukte des Toxins oder daneben auch die toxischen 
Stoffe zur Adsorption gelangten. Zu 1 cem Oxalatblut fügte er eine solche 
Menge Diphtherietoxin hinzu, die eben noch imstande war, bei Tauben 
Nekrose hervorzurufen. Das Gesamtvolumen des Gemisches betrug 7 ccm. 
Das Gemisch wurde im Brutschrank stehengelassen und alsdann die Blut- 
körperchen abzentrifugiert. Sowohl das Zentrifugat, wie die Blutkörperchen 
wurden, jedes für sich allein, Tauben injiziert. Es ergab sich, daß die Blut- 
körperchen kein Ödem verursachten, während das Zentrifugat toxisch 
blieb. Auf Grund dieser Versuche folgerte Griasnow, daß die von mir ent- 
deckte Eigenschaft der Erythrocyten sich nur auf die Eiweißabbauprodukte, 


nicht aber auf das Toxin bezieht. 

Vor kurzem sind von Litwarew (5) ähnliche Versuche angestellt 
worden, die aber zu ganz anderen Ergebnissen führten. 

Litwarew fand, daß die Erythrocyten von Tauben beim Schütteln 
mit einer Lösung von Diphtherietoxin eine Bindung des Toxins be- 
wirken. Nach Abtrennung der Blutkörperchen durch Zentrifugieren 
stellte es sich heraus, daß das Zentrifugat seine Toxizität eingebüßt hat. 
Was die Blutkörperchen anbelangt, so brachte die Injektion derselben 
bei gegen Diphtherietoxin sehr empfindlichen Vögeln Immunität hervor: 
nach vorangehender Hämolyse wirkten dieselben Erythrocyten tödlich. 

Mit Rücksicht auf die widersprechenden Ergebnisse der Versuche 
von Griasnow und Litwarew schien es mir von Interesse, die fragliche 
Erscheinung näher zu untersuchen. 

Bei seinen Versuchen scheint Griasnow das Verhältnis zwischen 
der Erythrocytenmenge und dem Volumen der Toxinlösung schlecht 
gewählt zu haben. Leem ÖOxalatblut (die Menge reinen Blutes ist 
folglich noch kleiner) enthält eine sehr geringe Anzahl von Erythro- 
cyten. In einer früheren Mitteilung (6) habe ich darauf hingewiesen, 
daß die Menge der adsorbierten Eiweißabbauprodukte der Zahl der 
Erythrocyten direkt proportional ist. In den Versuchen Griasnows 
konnte die kleine Quantität von Erythrocyten (dazu noch in 7 ccm 
Gesamtlösung zerstreut) vielleicht ganz unbedeutende Mengen Toxin 


Mechanismus der Immunitätserscheinungen. I. 115 


adsorbieren, so daß eine Veränderung des Verhaltens der Versuchs- 
tiere kaum zu erwarten war. 

Die von mir angestellten Versuche wurden nicht mit Vollblut, 
sondern mit isolierten Erythrocyten, von denen überdies größere 
Mengen verwendet wurden, vorgenommen. 

Um das Verhalten der Erythrocyten empfänglicher und immuner 
Tiere ein- und demselben Toxin gegenüber zu erforschen, wurden unter 
vollständig gleichen "Bedingungen folgende Versuche mit den Erythro- 
cyten von Meerschweinchen und Ratten angestellt. 

Das Blut wurde dem Herzen der Meerschweinchen und Ratten 
entnommen. Um individuelle Abweichungen zu vermeiden, wurde das 
Blut mehrerer Meerschweinchen oder Ratten (10 bis 15 ccm) verwendet 
und in 1000 bis 1200 ccm Kochsalzlösung übertragen. Ich wählte dieses 
Verfahren zur Isolierung der Erythrocyten, da beim Defibrinieren weniger 
befriedigende Resultate erzielt wurden. Das Gemisch wurde zentrifugiert. 

Die auf diese Weise gewonnenen Erythrocyten wurden an der 
Zentrifuge vier- bis fünfmal bei 3500 bis 4000 Umdrehungen mit 
physijologischer Kochsalzlösung gewaschen. 

Nach dem Zentrifugieren wurden zwei Zentrifugierröhrchen mit 
gleichen Mengen Erythrocytenemulsion von Meerschweinchen und 
Ratten beschickt. In einer Reihe von Versuchen betrug die verwendete 
Erythrocytenmenge 4 bis 8ccm. Den Erythrocyten wurden alsdann 
je zwei tödliche Einheiten Diphtherietoxin in 2ccm physiologischer 
Kochsalzlösung hinzugefügt. Das Gemisch wurde umgeschüttelt und 
1 Stunde im Brutschrank bei 370 stehengelassen. Alsdann wurden 
beide Röhrchen bei 3500 bis 4000 Umdrehungen 15 Minuten lang 
zentrifugiert. Das vollständig klare Zentrifugat wurde abpipettiert. 

In jedem Versuch erhielten fünf Meerschweinchen von gleichem 
Gewicht subkutane Injektionen: Zwei Meerschweinchen erhielten je 
l ccm Zentrifugat von Meerschweinchen- bzw. Rattenerythrocyten, 
zwei Meerschweinchen je 3ccm Erythrocyten (aus der Kappe der 
Röhrchen) von Meerschweinchen und Ratten und ein Kontrolltier 
l ccm (eine Todeseinheit) des ursprünglichen Diphtherietoxins. 

16 Versuche an je fünf Meerschweinchen (im ganzen 80 Versuchs- 
tiere) ergaben folgende Resultate. 


Tabelle I. Meerschweinchen. 


Behandelt mit Zahl der Überlebten die 
Erythrocyten von Versuchstiere Kontrolltiere in Tagen 


ug 0 




















Meer- 
schweinchen s — em 
Ratten 16 blieben am Leben 


Die Kontrolltiere gingen nach 3 bis 4 Tagen zugrunde. 
8% 


116 B. Sbarsky: Mechanismus der Immunitätserscheinungen. I. 























Tabelle II. 

Meerschweinchen mit Zentrifugat behandelt. 
Zum Marrs | Zahl der Überlebten die 
EE von Í Versuchstiere Kontrolltiere in Tagen 

5 | 6 
Meer- 2 8,5 
schweinchen 4 ‘10 
5 blieben am Leben 
Ratten 16 d 





Die Tiere, welche Meerschweinchenerythrocyten erhalten hatten, 
starben zur gleichen Zeit wie die Kontrolltiere, zum Teil sogar um 
l bis 11, Tage früher. 

Die Meerschweinchen, denen Rattenerythrocyten injiziert wurden, 
blieben am Leben. 

Die Meerschweinchen, die Zentrifugat von Meerschweinchen- 
erythrocyten erhalten hatten, überlebten die Kontrolltiere durch- 
schnittlich um 6 bis 10 Tage. Fünf Meerschweinchen unter 16 blieben 
überhaupt am Leben. 

Die Meerschweinchen, denen Zentrifugat von Rattenerythrocyten 
injiziert wurde, starben zur gleichen Zeit wie die Kontrolltiere ; manchmal 
überlebten sie die letzteren um einige Stunden. 

Aus diesen Ergebnissen geht mit voller Klarheit hervor, daß die 
Erythrocyten von Meerschweinchen Diphtherietoxin adsorbieren, während 
den Rattenerythrocyten diese Eigenschaft fehlt. 

Die Adsorption von Toxin durch Erythrocyten des Meerschweinchens, 
die mit der Empfindlichkeit dieser Tiere gegen Diphtherie übereinstimmt, 
und das entgegengesetzte Verhalten der Ratten bestätigen also die von 
mir geäußerte Hypothese. 


Literatur. 


1) B. Sbarsky, diese Zeitschr 185, 30, 1923. — 2) B.Sbarsky und 
D. Michlin, ebendaselbst 141, 37, 1923. — 3) B. Sbarsky und L. Subkowa, 
ebendaselbst 161, 406, 1925. — 4) N. Griasnow, ebendaselbst 145, 63, 1924. — 
5) Litwarew, Vortrag im 2. Kongreß der russ. Pathologen 1925. — 
6) B. Sbarsky, diese Zeitschr. 141, 33, 1923. 


Bemerkungen zu der Abhandlung von J. Tillmans und A. Alt 

„Über den Gehalt der wichtigsten Proteinarten der Lebens- 

mittel an Tryptophan und ein neues Verfahren der Tryptophan- 
bestimmung“!). 


Von 
Otto Fürth. 


(Eingegangen am 12. Dezember 1925.) 


Die unter obigem Titel im November in dieser Zeitschrift erschienene 
Abhandlung veranlaßt mich zu nachfolgenden Bemerkungen: 

1. Die genannten Autoren teilen mit, daß, wenn man „reine Trypto- 
phanlösung‘‘ oder eine solche von tryptophanhaltigem Eiweiß mit einer 
Spur Formaldehyd und einem großen Überschuß Schwefelsäure von 66 Proz. 
versetzt, allmählich eine deutliche weingelbe Färbung eintritt. — Sie 
bezeichnen dies als Entdeckung einer ganz neuen, für Tryptophan spezifischen 
Eiweißreaktion (S. 139). 

Demgegenüber stelle ich fest, daß diese Reaktion, die sich ganz ähnlich 
auch abspielt, wenn man statt der konzentrierten Schwefelsäure konzen- 
trierte Salzsäure anwendet, bereits im Jahre 1920 von mir und E. Nobel?) 
beschrieben worden ist: „Wir gingen anfangs derart vor, daß wir den Nitrit- 
zusatz sogleich auf den Salzsäurezusatz folgen ließen und nun etwa eine 
halbe Stunde lang den Eintritt des Maximums der Färbung abwarteten. 
Spätere Versuche haben uns darüber belehrt, daß es zweckmäßig ist, die 
mit Formaldehyd und Salzsäure versetzte Reaktionsflüssigkeit nach gutem 
Durchmischen 5 bis 10 Minuten sich selbst zu überlassen. Dabei kündigt 
sich der Ablauf der ersten Phase der Reaktion dem Auge durch Eintritt einer 
gelblichen Färbung an. Setzt man nunmehr Nitritlösung zu, so sieht man 
alsbald unter den zufließenden Nitrittropfen einen intensiv violettroten 
Farbenring auftreten‘... Ferner heißt es in einer weiteren Abhandlung 
[mit F.Lieben®)], daß, wenn man eine mit Formaldehyd und konzen- 
trierter Salzsäure angesetzte Probe einige Zeit (mindestens 5 Minuten) 
sich selbst überläßt, sich die erste Phase der Reaktion durch eine Gelbfärbung 
bemerkbar macht. 

Die kolorimetrische Methode von Tilmans und Alt basiert demnach 
auf einer nicht von ihnen, sondern von mir und meinen Mitarbeitern zuerst 
beschriebenen Reaktion; sie kolorimetrieren die erste gelbe, wir die zweite 
violettrote Phase der Reaktion von Voisenet. 


1) Diese Zeitschr. 164, 135, 1925. 
2) O. Fürth und E. Nobel, ebendaselbst 109, 110, 1920. 
3) O. Fürth und F. Lieben, diese Zeitschr. 109, 126, 1920. 


118 O. Fürth: 


2. Der von den genannten Autoren gerügte Nachteil, daß es oft nicht 
leicht ist, bei der Voisenetreaktion mit verschiedenen Eiweißkörpern ganz 
identische Farbentöne zu erzielen, ist von mir mit meinen Mitarbeitern 
seit Jahren immer wieder betont worden. Es wäre daher nur zu begrüßen, 
wenn die erste gelbe Phase der Voisenetreaktion bessere Chancen für die 
Kolorimetrie böte, als die zweite, violettrote (wobei ich jedoch bemerke, 
daß die Kolorimetrie auch ohne Blauglas bei einiger Übung ganz gut möglich 
ist). Ob dies tatsächlich der Fall ist, werden nur Zusatzversuche mit reinem 
Tryptophan, welche bisher nicht vorliegen, entscheiden können. 

3. In meiner Abhandlung mit Z. Dische!) ist auf Grund zahlreicher, 
sorgfältiger Versuche von uns der Nachweis erbracht worden, daß die in 
unseren frühesten Abhandlungen gefundenen Tryptophanwerte insgesamt 
infolge des von uns neu aufgedeckten ‚„Woasserfehlers‘‘ etwa um ein Viertel 
zu hoch gewesen sind, unsere älteren Angaben demnach korrigiert werden 
müssen. Es ist nun ein höchst befremdlicher Vorgang, wenn Tillmans 
und Alt in ihrer Tabelle S. 160, trotzdem ihnen die letzgenannte Arbeit 
bekannt gewesen ist, ihre Werte nicht mit den neuen Werten von Fürth 
und Dische (bzw. mit dementsprechend korrigierten Werten), sondern mit 
den längst von uns als überholt bezeichneten alten Werten von Fürth, 
Nobel und Lieben vergleichen. 

Tatsächlich ergibt eine richtige Nebeneinanderstellung (vgl. S. 284 
und 295!): 





|| Tstimans und AN | Fürth und Dische 














Eieralbumin . .... | 1,24 1,8 


Wittepepton . . ... 4,27 4,0 
Casein...... ie 1,60 1,7 
Molkeneiweiß .... 1,73 2,3 


Die Übereinstimmung ist ganz leidlich, um so mehr, als das käufliche 
sogenannte Eiereiweiß und das Molkeneiweiß ja sehr wechselnde Mengen 
der etwa 3 Proz. Tryptophan enthaltenden Globuline enthalten. Es wird 
nötig sein, eine größere Zahl ganz reiner, womöglich wasserlöslicher Proteine 
nach beiden Methoden zu vergleichen. 

Stellt man ferner den Werten der Tabelle von Tillmans und Alt (S. 160) 
die (nach Fürth-Dische) um ein Viertel ihres Betrages verminderten Beträge 
von Fürth, Nobel und Lieben gegenüber, so zeigt sich auch hier meistens 
leidliche Übereinstimmung: 


Ba ne | Fürth, Lieben 
| Tillmans und Al korrigiert 








Eidotter . 2.22... 1,3 | 1.7 
Holländer Käse ... | 1,54 1,5 
Limburger Käse... 1,45 1,5 
Handkäse . ..... \ 1,58 1,5 
Weizenglobulin ... 2,5 2,4 
Hordein .......» | 1,0 | 1,3—1,4 
Gliadin (Roggen). . . 0,64 0,5 
Erbsen ....... | 1,1 1,3—1,4 
Bohnen ....... | 1,93 1,5 
Linsen. . :. 2... | 1,35 | 1,8 


< 


1) O. Fürth und Z. Dische, diese Zeitschr. 146, 275, 1924. 





Bemerkungen zur Abhandlung von Tillmans und Alt. 119 


Unsere alte Zahl für Molkeneiweiß der Frauenmilch ist zu streichen, 
da es sich später herausgestellt hat, daß es sich um einen groben Kolori- 
metriefehler, verursacht durch Fetttrübung, gehandelt hat. 

Es bleiben daher nur wesentlichere Diskrepanzen bei Weizen-, Roggen- 
und Reismehl, beim Weizengliadin und mehreren Getreideglobulinen, bei 
welch letzteren die sehr niedrigen Zahlen der Autoren Zweifel erregen müssen. 

Auch mache ich noch darauf aufmerksam, daß einige weitere Werte 
von Fürth und Dische gut mit denen von May und Rose übereinstimmen, 
deren Methode die Autoren als ganz zuverlässig anerkennen: 





| May und Rose | Fürth und Dische 








Lactalbumin . .... 2,4 2,3 
Edestin ....... 1,5 1,7 


3 





Nun halten sich aber Tilmans und Alt für berechtigt, unsere 
Methode in folgender Weise abzuurteilen, wobei sie sonderbarerweise immer 
wieder von der alten, überholten Methode Fürth-Nobel reden (S. 138): 
„Dieselbe ermöglicht zwar eine gewisse Orientierung und in einzelnen Fällen 
auch eindeutige Werte. Für die Mehrzahl der Proteine jedoch stehen die 
gefundenen Resultate in gar keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen 
Gehalt an Tryptophan‘, ferner S. 161: ‚Die Methode Fürth und Nobel 
ist als quantitative Methode auszuschalten.“ 

Ich halte dieses Urteil für vollständig unberechtigt und lege dagegen 
ernste und energische Verwahrung ein. 

Daß die Tryptophanbestimmungsmethode auch in der verbesserten 
Form, die ihr meine und meiner Mitarbeiter langjährigen Bemühungen 
gegeben haben, noch lange nicht frei von Mängeln ist, habe ich bei jeder 
Gelegenheit in unzweideutiger Weise betont, und ich werde es sicherlich 
mit großer Freude begrüßen, wenn sich aus dem von uns als quantitative 
Methode begründeten Voisenetverfahren durch irgend eine zweckentsprechende 
Modifikation, sei es der angewandten Säure oder des Oxydationsmittels, 
oder des angewandten Aldehyds — oder vielleicht auch durch Kolori- 
metrierung der gelben ‚‚Vorfarbe‘‘ nach Tilmans und Alt, ein tatsächlicher 
Fortschritt entwickeln sollte. — Zu der Feststellung eines solchen werden 
aber natürlich nicht Analysen von Nahrungsmitteln geeignet sein, sondern 
in mannigfacher Weise variierte Bestimmungen (etwa so, wie wir den 
Tryptophangehalt des Fibrins und Caseins seinerzeit in ausgedehnten 
Versuchsreihen ermittelt haben), vor allem aber auch Zusatzversuche mit 
reinem Tryptophan. 


Zur Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes. 


Von 
Johann Mosonyi. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität in Budapest.) 
(Eingegangen am 14. Dezember 1925.) 


In den Deckzellen der Magenschleimhaut wird während der Ver- 
dauung aus dem fast neutral reagierenden Blute eine starke anorganische 
Säure, Salzsäure, gebildet. Zur Bildung dieser Säure werden vom 
Organismus die Chloridverbindungen des Blutes und in erster Reihe 
das Kochsalz verwendet. Zur genaueren Untersuchung dieser Frage 
und um über die Art und Weise der chemischen Vorgänge irgendwelche 
Aufschlüsse zu gewinnen, wurde im Blutserum mehrerer Kaninchen 
vor und nach der Fütterung der Chloridgehalt bestimmt. 

Die Versuchstiere wurden 12 Stunden lang im Stoffwechselkäfig 
ohne Wasser- und Nahrungsaufnahme gehalten, wonach aus einer, nach 
Einreibung mit einem xylolhaltigen Wattebausche erweiterten Haut- 
vene Beem Blut genommen wurden. Danach fütterte ich die Tiere und 
nahm 2 Stunden nach der Fütterung mit demselben Verfahren noch- 
mals 5 ccm Blut, worauf ebenfalls nach 2 Stunden eine dritte 
Blutentnahme folgte. In letzterem Falle wurde das Blut nur immer 
von einem Tiere untersucht. 

Der Chloridgehalt wurde in allen Blutproben mit dem von 
Rusznyak (1) beschriebenen Mikroverfahren bestimmt. Ich hielt mich 
wohl nicht eng an die Vorschriften des Autors, konnte aber doch genaue, 
übereinstimmende Resultate erhalten. Statt der Ernstschen Pipetten 
gebrauchte ich einfach eine mit Quecksilber kalibrierte, 0,1 ccm fassende 
Pipette. DBrachte die abgemessene 0,lccm Serummenge, nachdem 
das durch das Aufsaugen an der Pipette außen anhaftende Serum mit 
Löschpapier abgesaugt wurde, in einen kleinen Erlenmeyerbecher. Die 
Pipette wurde mit etwa 10 bis 15 ccm Wasser durchgewaschen. Dann 
fügte ich 2 ccm n/100 AgNO,-Lösung und 5 bis 6 Tropfen konzentrierte 
HNO, hinzu und erhitzte vorsichtig am Drahtnetz. Während der 
Erhitzung geschah durch Zusatz einiger Tropfen KMnO,-Lösung 
die Oxydation des Eiweißes. Sobald sich das Hypermangan nicht mehr 
entfärbte, verwendete ich eine stärkere Flamme und erhitzte die Lösung 
bis zum Sieden 5 Minuten lang. Das Nichteinhalten besonders der 
5 Minuten dauernden Erhitzung wirkt beim Titrieren störend. Zuletzt 


J. Mosonyi: Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes. 121 


wurde die gelbbraune Flüssigkeit durch Zusatz einiger Tropfen einer 
Glucoselösung entfärbtt. Nach Abkühlung titrierte ich mit n/100 
Ammoniumrhodanid und Ferriammoniumsulfat (konzentrierte wässerige 
Lösung) als Indikator. 

Schon kurz nach der Nahrungsaufnahme tritt die Salzsäure- 
sekretion ein, und erreicht nach 2 Stunden den höchsten Grad, weshalb 
die zweite Blutentnahme 2 Stunden nach der Fütterung geschah. Da 
sich die Salzsäure aus den Chloridverbindungen des Blutes bildet, muß 
sich der Chloridgehalt des Blutes nach Salzsäuresekretion verringern. 
Wie aus der Tabelle ersichtlich, sind die im Hungerzustande erhaltenen 
Chloridwerte bedeutend größer als jene nach Nahrungsaufnahme. Die 
Differenz schwankt zwischen 6 bis 10 Proz. 

Die im Hungerzustand gefundenen Chloridwerte sind etwas höher 
als die von verschiedenen Autoren in der Literatur beschriebenen 
Werte, welche Erscheinung aber höchstwahrscheinlich nur die Folge 
einer geringeren Bluteindickung ist, die von der l12stündigen Nahrungs- 
und Flüssigkeitsentziehung herrührt. In der 4 Stunden nach der 
Fütterung entnommenen Blutprobe fand ich denselben Chloridgehalt, 
wie in 2 Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 


































| Nas Cl-Gehalt | Na Cl-Gehalt Na Cl-Gehalt Prozentuale 
S ` Differenz 
5 in 100 ccm in 100 ccm in 100 ccm ehen deù 
S Serum Serum gebildeten 
S 2 Stunden nach | 4 Stunden nach COz.Werten 
Sé vor und nach 












Verdauung | der Verdauung | der Verdauung der Verdauung 





1. Gruppe 
1 || 0,7020 0,6142 = 0,0878 125 | 9,7 
2 | 0,7371 0,6610 0,6435 0,0761 10,3 | 9,4 
3 | 0,7020 0,6493 = 0,0627 75 | 12,9 
4 || 0,7195 0,7020 sš 0,0175 24 | 10,6 
2. Gruppe: 
1 | 0,7137 0,6493 —  ! 0,0834 8,8 Se 
Su 0,7137 0,6084 — 101083 147 9,2 
3 0,7055 0,5967 —  ' 0,1088 15,4 22,2 
4 0,7078 0,6435 | 0,8493 | 0,0643 | Se 
5, 0,7312 | 0612 | — 3010| 8 ; 18 
3. Gruppe: 
1 " 0,6510 0,6084 = 0,0426 ' 65 | 8,6 
2 0,6903 0,6610 | — 0,0293 42 4,3 
3 0,6727 0,6025 = 0,0702 10,4 12,2 
A ` 07137 0,6552 0,6510 0,0585 8,2 7,7 
5 | 0,7020 0,637 = 0,0644 91 | 7,0 
4. Gruppe: 
1 "` 08727 0,6318 | ds 0,0409 | 61 1,2 
2 : 0,8844 0,6376 — 0,0468 6,7 7,0 
3 0,6727 0,6493 | — 0,0234 3,5 4,8 
4 06903 ` 0,6435 0,6493 0,0468 6,6 9,9 
5 0,6669 | 0,6318 = 0,0351 5,2 10,2 


122 J. Mosonyi: 


Daß die Verminderung des Chlorgehalts des Blutes während der 
Verdauung nicht etwa durch Hydrämie zustande kommt, beweist 
auch die Erhöhung des gebundenen Kohlensäurewertes (siehe später), 
welcher sich im Falle einer Hydrämie ebenfalls: erniedrigen müßte. 

Bei demselben Versuchstier und in denselben Blutproben be- 
stimmte H. Tangl (2) mit dem Barcroftschen Apparat den gebundenen 
Kohlensäuregehalt des Blutes. Von diesen Resultaten nahm ich in 
meiner Tabelle nur die perzentuellen Differenzwerte, die sich zwischen 
den vor und nach der Nahrungsaufnahme durchgeführten Kohlen- 
säurebestimmungen ergaben, auf. Nach diesen Versuchen vermehrt 
sich bedeutend während der Verdauung der gebundene Kohlensäure- 
gehalt des Blutes. Diese Versuchsergebnisse möchte ich in späteren 
Ausführungen anwenden. 

Über die Art und Weise der Salzsäurebildung sind die Anschauungen 
noch sehr abweichend und größtenteils unbewiesen. 


Nach Brücke (3) dürfte das NaCl in Anwesenheit von Na HCO, durch 
die Sekretionsnerven elektrolytisch gespalten werden, wodurch Na,CO, 
und HCl entsteht. NaHCO, + NaCl = Na,CO, + HCl. Die Brücksche 
Anschauung wird von Ralfe (3) mit folgendem Versuch unterstützt. Eine 
U-förmige Röhre wird in der Mitte mit einer tierischen Membran auf zwei 
Teile geteilt. Gibt man auf die eine Seite Na Cl-, auf die andere eine NaHCO,- 
Lösung und leitet schwachen elektrischen Strom hindurch, so entsteht 
an der Seite der Kathode alkalische und an der Seite der Anode durch 
Bildung von Salzsäure saure Reaktion. Gamgee hielt diese Theorie lediglich 
für eine Hypothese, da die genannten Autoren zur Durchführung dieser 
Spaltung solche Kräfte annehmen, welche eigentlich nicht nachweisbar 
sind. Maly (3) nimmt an, daß die alkalische Reaktion des Blutes von den 
sauren Salzen, und zwar vom NaHCO, und Na,HPO, herrührt. Durch 
die Einwirkung der im Blute immer im Überschuß anwesenden Kohlensäure 
auf das Na,HPO, entsteht Non, PO, Na,HPO, + CO, + H,O 
= NaHCO, + NaH,PO,. Das NaH,PO, reagiert dann mit NaCl, wo- 
durch sich neuerlich Na, H PO, und HCl bildet. Nach Maly verläuft diese 
Reaktion im Blute, und da die Salzsäure eine größere Diffusionsfähigkeit 
besitzt wie andere Säuren, dürfte sie von den Magendrüsen leicht sezerniert 


werden. 

Gamgee (3) änderte die von Maly vertretene Anschauung insofern 
ab, daß er den Deckzellen der Magenschleimhaut hinsichtlich einiger 
Salze, wie Na, KCl und Phosphaten eine elektive Absonderungsfähigkeit 
zuschreibt, und die obgenannte chemische Reaktion geht nach ihm 
selbst in den Zellen vor sich. Diese abgeänderte Theorie ist auch mut: 
den unsrigen experimentellen Ergebnissen in voller Übereinstimmung. 
Es dürfte nur noch jener Umstand betont werden, daß zum Ablauf 
dieser chemischen Reaktion sich die CO,-Konzentration bedeutend 
erhöhen muß. CO, enthält das Blut stets im Überschuß, damit aber 
die Reaktion zur Salzsäurebildung führe, ist eine höhere Kohlensäure- 
konzentration nötig, welche von dem nach Nahrungsaufnahme ge- 


Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes. 123 


steigerten OxydationsprozeB der Magendrüsenzellen (auf nervösem 
Wege) herrührt. 

Nach der chemischen Gleichung wird ebensoviel Salzsäure wie 
Na HCO, gebildet, mit anderen Worten, in dem Maße sich der Chlorid- 
gehalt des Blutes verringert, muß die NaHCO,-Konzentration steigen. 
Rechnet man aber die gefundenen Kubikmillimeter CO,-Werte auf 
NaHCO, um, so kann dieser Parallelismus nicht genau nachgewiesen 
werden, da die während der Verdauung gebildete NaHCO,-Menge 
viel kleiner ist, als nach der fehlenden Chloridmenge zu erwarten 
wäre. Da aber 2 Stunden nach der Nahrungsaufnahme die sekretorische 
Tätigkeit des Pankreas auch schon begonnen hat, ist es leicht ver- 
ständlich, daß der fehlende Teil des NaHCO, schon gewiß im Darm 
abgesondert wurde. Dies dürften auch die Befunde von Bennet und 
Dodds (4) beweisen. Die Autoren untersuchten den Einfluß der Ver- 
dauung auf die alveolare CO,-Tension und haben sie während der Ver- 
dauung erhöht gefunden. Nach der Gleichung, da bei HCl-Bildung 
die NaHCO,-Konzentration des Blutes steigt, verringert sich vorüber- 
gehend die Hydrogenionenkonzentration. Die verringerte Cou wirkt 
aber reizvermindernd auf das Atemzentrum, worauf der Organismus, 
um die schwache Alkalose zu kompensieren und um Kohlensäure zu 
retinieren, die Atemzüge verringert. Nach Bennet und Dodds ist die 
alveolare CO,-Tensionserhöhung proportional der im mittels Magen- 
sonde ausgeheberten Mageninhalt bestimmten Magensäure und muß 
deshalb der gebildeten NaHCO,-Menge ebenfalls proportional sein, 

Folgenderweise mußte auch die während der Verdauung entstandene 
NaCl-Differenz dem gleichfalls gebildeten NaHCO,-Plus entsprechen, was 
aber nur darum nicht nachgewiesen werden konnte, da die begonnene 
Pankreassekretion einen Teil des NaHCO, schon abgesondert hat. Kestner 
und Plaut (5), die während der Verdauung die Verringerung der Hydrogen- 
ionkonzentration nachweisen konnten, haben beim Beginn der Pankreas- 
sekretion eine Verschiebung der Blutreaktion nach der sauren Seite ge- 
funden. Gamgee hält wohl die Malysche Theorie für wahrscheinlich, gibt 
aber doch einer anderen Anschauung den Vorzug. Er nimmt an, daß die 
Deckzellen der Magenschleimhaut eine Elektivität für gewisse Salze be- 
sitzen, und, auf die Untersuchungen von Carl Schmidt sich stützend, der 
im Mageninhalt neben HCl, K, Na und Ca-Chloride, weiterhin Ca- und 
Mg-Phosphate nachweisen konnte, dürfte nach ihm die Salzsäurebildung 
nach folgender Gleichung ablaufen: 2Na,HPO, + 3CaCl, = Ca,(PO,)s 


.+ 4NaCl + 2HCl. Nach dieser Anschauung könnte aber die Erhöhung 


der locker gebundenen Kohlensäurekonzentration nicht erklärt werden, 
und ferner nicht jene neueren Untersuchungen, die von Bennet und Dodds, 
Kestner-Plaut und von vielen anderen angestellt wurden, und welche die 
Erhöhung der alveolaren Kohlensäuretension und Hydrogenionkonzen- 
trationsverminderung des Blutes nachweisen konnte. 

Vorübergehend könnte der locker gebundene Kohlensäuregehalt des 
Blutes auch derart zustande kommen, daß die durch die intensive Magen- 
drüsenfunktion entstandene Kohlensäure das zur NaHCO,-Bildung nötige 


124 J. Mosonyi: Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes. 


Alkali von der Eiweiß-Alkaliverbindung nimmt. Da aber dieser Vorgang 
zu einer Erhöhung der Hydrogenionkonzentration führt, dürften sich die 
Atembewegungen nicht vermindern, es käme sogar eine Beschleunigung 
der Atemtätigkeit zustande, wodurch dann die Kohlensäure durch die 
Lungen rasch entfernt und die NaHCO,-Verbindung sich wieder auflösen 
würde. Daß im Blute auf diese Weise eine nachweisbare größere, locker 
gebundene Kohlensäurekonzentrationserhöhung wirklich nicht zustande 
kommt, bestätigen die Befunde der klinischen Untersuchungen von Bennet 
und Dodds, die bei hyp- und anaciden Kranken, obwohl Magensaftsekretion, 
also Drüsentätigkeit und dadurch CO,-Bildung nicht fehlen, die alveolare 
CO,-Tension kaum oder überhaupt nicht erhöht fanden. Wäre aber das 
Blut alkalisch, so müßte auch die alveolare Kohlensäurespannung unbedingt 
erhöht sein. 

Der NaHCO,-Gehalt des Blutes kann sich also nur auf die Weise 
vermehren, daß durch die Spaltung des Kochsalzes ins Blut ein Alkali- 
überschuß gerät, welcher, im Falle die Salzsäurebildung nach der Gamgee- 
schen Theorie abliefe, im Blute nicht vorhanden wäre, und infolgedessen 
wäre weder gebundene Kohlensäurevermehrung noch alveolare Kohlen- 
säuretensionserhöhung und Hydrogenionkonzentrationsverminderung nach- 
weisbar. 

Von Hollo und Weisz (6) wurde eine in 2 Minuten durchführbare 
kolorimetrische Methode zur Bestimmung der alveolaren CO,-Tension 
beschrieben. Dieses Verfahren dürfte zur Diagnose der Magensekretions- 
anomalien dienen. Die Autoren erwähnen weiterhin, daß diese Untersuchung 
nicht bei allen Kranken durchführbar ist, da sich der Kranke während 
der Untersuchung in vollständiger Ruhe befinden muß, was aber bei 
neurasthenischen Kranken nicht zu erreichen ist. Dieser Umstand ver- 
anlaßte mich, die Befunde dieser Experimente in den Dienst der praktischen 
Medizin zu stellen. Wie von vornherein zu erwarten ist, wird sich der 
NaCl-Gehalt des Blutes den verschiedenen Sekretionsanomalien gemäß 
in verschiedenem Maße verändern. Die klinischen Untersuchungen sind 
im Gange. 

Zusammenfassung. 


Da die Magensalzsäure aus den Chloriden des Blutes entsteht, 
muß sich die Menge dieser Salze nach Magenverdauung verringern. 
Mit Hilfe der Versuchsergebnisse von Tangl kann von den Theorien, 
die sich mit dem chemischen Verlauf der Magensalzsäurebildung be- 
fassen, nur jene als höchstwahrscheinlich angesehen werden, welche 
mit der Erhöhung des Bicarbonatgehalts des Blutes vereinbar ist 
(Malysche Theorie). 


Literatur. 


1) Rusznyak, diese Zeitschr. 142, 23, 1920. — 2) H. Tangl, Magyar 
Orv. Arch. 5, 1925. — 3) Gamgee, Chemie d. Verd., S. 121. Leipzig 1897. — 
4) Bennet und Dodds, Journ. of Phys. 54 u. 55; Brit. Journ. of exper. 
pathol. 2; Intern. Journ. of gastroent. 1921 u. 1922. — 5) Kestner und 
Plaut, Pflügers Arch. 205, 43, 1924. — 6) Hollo und Weisz, Klin. Wochenschr. 
1, 343, 1924. 


Versuche zur Theorie der aceton-äthylalkoholischen Gärung. 


Von 
Stefan Bakonyi, Budapest. 


(Eingegangen am 14. Dezember 1925.) 


Die aceton-äthylalkoholische Gärung besteht darin, daß Stärke 
oder Zucker durch den Bacillus macerans!) und Bacillus acetoaethylicus?) 
zu Aceton und Äthylalkohol vergoren werden. Nach meinen mehr- 
jährigen Laboratoriums- und Betriebsexperimenten sei der typische 
Verlauf der Gärung im folgenden geschildert: 

Die Rohstoffe werden unter Zugabe von etwas Schlemmkreide 
(etwa 10 Proz. der vorhandenen Stärke oder Zucker) mit Wasser soweit 
verdünnt, daß die Konzentration der Stärke 4 bis 5 Proz. ausmacht. 
Die Maische wird unter 1,5 bis 2 Atmosphären Druck 1 bis 2 Stunden 
lang sterilisiert und mit einer absoluten Reinkultur des B. macerans 
oder B. acetoaethylicus infiziert. Die Temperatur wird zwischen 40 bis 
420C gehalten. Nach 12 bis 14 Stunden setzt die Gärung ein, wobei 
CO, und H, (58: 42 Vol.-Proz.) entweichen. Nach 150 bis 170 Stunden 
ist die Stärke oder der Zucker vergoren. Die durch Destillation ge- 
wonnenen Gärprodukte bestehen aus !/ Aceton und ?/, Äthylalkohol, 
nebst kleinen Mengen von Fuselölen. In der Schlempe bleiben kleine 
Mengen von essigsaurem und ameisensaurem Kalk zurück. Die Aus- 
beute beträgt etwa 40 Gewichtsprozente der angewandten Stärke. 
Wird die Konzentration der Stärke erhöht, so fällt die Gesamtausbeute 
und das Aceton-Alkoholverhältnis wird zugunsten des Acetons bis 
zu 1:1,8 bis 1:1,6 verschoben. Wird dagegen die Konzentration 
erniedrigt, so erhöht sich die Gesamtausbeute und das Aceton-Alkohol- 
verhältnis wird zugunsten des Alkohols verschoben. 

Da das Hauptprodukt der Gärung Äthylalkohol ist, kann von 
vornherein eine weitgehende Analogie zwischen aceton-äthylalkoholischer 
und rein äthylalkoholischer Gärung vermutet werden. Vergegen- 


1) Schardinger, Zentralbl. f. Bakteriol., II. Abt., 14, 772; 19, 161. 

2) Northrop, Asche and Morgan, Journ. of Industr. and Engin. Chemistry 
11, 723—727; Peterson, Fred and Verhulst, ebendaselbst 18, 757—759; 
Arzberger, Peterson and Fred, Journ. of biol. Chem. 44, 465—479. 





126 St. Bakonyi: 


wärtigen wir uns die zentrale Rolle des Acetaldehyds in der Neuberg- 
schen Gärungstheorie!), so müssen wir zuerst fragen, ob Acetaldehyd 
als Zwischenprodukt der aceton-äthylalkoholischen Gärung erwiesen 
werden kann. Nach folgenden Versuchen muß diese Frage bejaht werden. 


1. Vergärung des Acetaldehyds. 


Da die genannten Bazillenarten gegen Chemikalien äußerst emp- 
findlich sind, wird Acetaldehyd über 0,3 Proz. nicht gut vertragen. 
Zu einer sterilen Maische aus 200 g Maismehl (etwa 118g Stärke ent- 
sprechend), 20g Schlemmkreide und 2800 g Leitungswasser wurden 
10 g frisch destillierten Acetaldehyds gegeben und wie üblich vergoren. 
Untenstehende Tabelle zeigt die Ergebnisse dieser Versuche und der 
gleichzeitig angesetzten Kontrollversuche (ohne Acetaldehyd). 





3 | Kontrollversuche | Hauptversuche l Mehrertrag 
u 3 | Aceton Alkohol | Aceton | Alkohol | Aceton | Alkobol _ 
1 | 165,88 31,67 | 19,1 37,83 3,23 6,16 
2 | 165,81 31,82 19,24 37,76 3,43 5,94 
3 15,90 31,59 19,27 37,79 3,37 6,20 
4 15,78 31,63 19,02 38,11 3,24 6,48 
5 | 15,8 31,65 19,95 37,84 310 | 6,19 


Acetaldehyd ist also vollständig vergärbar. 


2. Abfangen des Acetaldehyds mittels Sulfit. 


Zur unter l. angegebenen Maische wurden 0,6 bis 1 Proz. NaH SO, 
gegeben. 


Kontrollversuche | Hauptversuche ' 
Nr. Acetaldehyd 
Aceton Alkohol | Aceton Alkohol 














1 15,70 31,70 13,60 27,63 6,25 
2 15,68 31,77 13,62 27,69 6,30 
3 15,75 31,86 13,45 27,76 6,31 
4 15,66 31,72 13,67 27,50 6,20 
5 | 1560 ; 31,99 13,50 27,77 | 6,34 


Der Ertrag an Acetaldehyd entspricht dem Minderertrag an Aceton 
und Äthylalkohol. 





1) Neuberg, Monographie, Jena 1918; und in Oppenheimers Handb. 
d. Biochem. 2, 1924 (2. Aufl.). Nach der modernsten Auffassung: Ce H00; 
+ H,0-C,H,0, > 2CH,0OH.CHOH.CHO (Glycerinaldehyd; daraus 
durch Methylglyoxal oder Glycerinsäure) > 2CH,.CO.COOH + 2H, 
(Brenztraubensäure und ‚„‚disponibler‘‘ Wasserstoff) > (Decarboxylierung) 
2CH,.CHO + 2CO,. 





Aceton-äthylalkoholische Gärung. 127 


Diese Versuche beweisen eine vollständige Analogie mit der 
äthylalkoholischen Gärung bis zum Acetaldehyd. Im weiteren Verlauf 
der Gärung kann das 3 C-atomige Aceton aus dem 2 C-atomigen Acet- 
aldehyd durch einen Kondensationsprozeß, und zwar durch Aldol- 
kondensation 


2CH,.CHO CH,.CHOH.CH,.CHO 


entstehen. Diese Möglichkeit wird dadurch bestätigt, daß Acetaldol 
vollständig vergärbar ist. In den folgenden Versuchen wurde der üblichen 
Maische 10 g Acetaldol zugegeben. 


Kontrollversuche | 

































Ñ Hauptversuche | Mehrertrag 

É | Aceton | Alkohol Aceton Alkohol | Aceton | Alkohol 
i e ee aaa aaae. rer penna T Emer PE A e EE e 

1 | 15,65 3145 | 1852 | 3761 | 287 | am 

2 ji 15,60 31,38 | 18,79 | 37,714 | 2,79 6,36 

3 | 15,60 ‚3143 | 18,76 | 3759 | 3,16 6,16 

4 ` 15,61 31,27 || 1870 | 37,80 | 3,09 | 653 

5 | 16,72 31,43 | 18,59 |; 3771 | 387 | 628 


Über den weiteren Verlauf der Gärung können verschiedene Hypo- 
thesen aufgestellt werden. Nach der Neubergschen allgemeinen Gärungs- 
tabelle!) wird die Entstehung des Acetons aus Acetaldol folgender- 
maßen vorgestellt: 


CH, .CHOH CH, . CHO —> CH, . CHOH CH, . COOH 


Acetaldol #-Oxybuttersäure 
—(CH,.CO.CH,.COOH— CH,.CO.CH, + CO,. 
Acetessigsäure Aceton 


Indessen ist die Vergärung der ß-Oxybuttersäure nicht gelungen. 
Außerdem ist die stufenweise Oxydation des Acetaldols in Gegenwart 
von naszierendem Wasserstoff, wenn auch nicht geradezu unmöglich, 
doch wenig wahrscheinlich. Auch bleibt die Frage: warum Aceton 
und Äthylalkohol im nahezu fixen Verhältnis 1:2 entstehen, un- 
beantwortet. Man dürfte von einer Hypothese über Aldolvergärung 
auch eine Erklärung dieses nahezu fixen Verhältnisses erwarten. 


In der Enträtselung der erwähnten Frage gibt folgende Erfahrungs- 
tatsache einen wertvollen Fingerzeig: Essigsaurer Kalk ist vollständig 
vergärbar. Dabei entsteht ausschließlich Aceton. Folgende Versuche 
wurden unter Zugabe von 20 g reinstem essigsauren Kalk vorgenommen. 


1) Zitiert nach Euler-Lindner, Chemie der Hefe und der alkoholischen 
Gärung, S. 178. 


128 St. Bakonyi: Aceton-äthylalkoholische Gärung. 








, | 
EN Kontrollversuche Hauptversuche Ä Mehrertrag 
| Aceton Alkohol || Aceton Alkohol |, Aceton 
1 15,83 31,85 23,12 31,68 | 7,29 
2 15,89 32,01 23,07 31,73 7,18 
3 15,75 31,58 23,09 31,80 1,24 
4 15,70 31,58 23,11 31,69 7,41 
5 | 15,79 31,78 23,05 31,72 7,26 


Da 1 Mol essigsaurer Kalk 1 Mol Aceton entspricht, wäre ein 
Mehrertrag von 7,34g Aceton zu erwarten, in vorzüglicher Überein- 
stimmung mit obiger Tabelle. 

Diese Versuche, in Vereinigung mit der Tatsache, daß essigsaurer 
Kalk bei jeder Acetongärung nachweisbar ist, legen die Vermutung 
nahe, daß Essigsäure eine Zwischenstufe der Acetonbildung darstellt. 
Es scheint nicht unwahrscheinlich, daß Acetaldol unter Aufnahme 
von einem Molekül Wasser in Äthylalkohol und Essigsäure gespalten 
wird (Cannizarosche Reaktion) 


H 
CH,.CHOH.CH,.CHO + H,0—>CH,.CHOH.CH,.C.OH 
— CH,.CH,OH+CH,.COOH. 


Diese Reaktion ist vollständig analog der Dismutation des 
Acetaldehyds nach der zweten Vergärungsform Neubergs. Die Essig- 
säure wird durch die vorhandene Kreide gebunden und der essigsaure 
Kalk, wie oben festgestellt, zu Aceton vergoren. 

Nach dieser hypothetischen Dismutation des Acetaldols entstehen 
2 Mol Äthylalkohol auf 1 Mol Aceton. Dies bedeutet ein Aceton- 
Alkoholverhältnis von 1: 1,57, was bei erhöhten Maischkonzentrationen 
sehr nahe erreicht wird. Bei üblichen Konzentrationen, wie oben, darf 
angenommen werden, daß ein Teil des Acetaldehyds durch den vor- 
handenen naszierenden Wasserstoff zu Äthylalkohol reduziert wird. 

Das vollständige Bild der Gärung ist also folgendes: Kin kleiner 
Teil des Acetaldehyds wird durch den disponiblen Wasserstoff zu Äthyl- 
alkohol reduziert. Zum überwiegenden Teile wird er aber zu Acelaldol 
kondensiert und dieses zu Äthylalkohol und Essigsäure dismutiert. 
Essigsäure vergärt weiter zu Aceton. Infolge der Aldolkondensation 
wird ein großer Teil des disponiblen Wasserstoffs frei und gelangt in 
die Gärgase. Die Quelle der Kohlensäure ist teilweise die Decarboxy- 
lierung der Brenztraubensäure. teilweise die Reaktion zwischen Essig- 
säure und Kreide nebst Vergärung des entstandenen essigsauren Kalkes. 
Die Gärungsgleichung gestaltet sich folgendermaßen: 


2 Ce Bett, +4H,0 > 2C,H,0H + CH,.CO.CH, +5C0, + 4H, + H,O. 








Die antagonistische Wirkung des Insulins 
und des Hypophysenhormons auf den Wasserhaushalt. 


Von 
D. Adlersberg. 


(Aus der I. medizinischen Universitätsklinik in Wien.) 
(Eingegangen am 17. Dezember 1925.) 


In einer diesen Titel tragenden Arbeit geben Serebrijsks und Vollmer!) 
unter anderem auch an, daß Insulin die diuretische Wirkung reichlicher 
peroraler Wasserzufuhr hemmt. Die Autoren berufen sich dabei auf 
frühere eigene Untersuchungen?) und beschäftigen sich in dieser 
Mitteilung besonders mit der kombinierten Wirkung von Pitu- 
glandol und Insulin auf die Diurese. Im folgenden soll nur zur Frage 
der Beeinflussung der Diurese beim normalen Menschen und beim 
Blasenfistelhund durch Insulin Stellung genommen werden, und zwar 
auf Grund von Untersuchungen, die nach ähnlichen Überlegungen 
vor 2 Jahren ausgeführt wurden. Von einer Fortsetzung und Publikation 
der Versuche wurde damals mangels einheitlicher Ergebnisse abgesehen. 


Die Versuchsanordnung gestaltete sich bei drei normalen Versuchs- 
personen derart, daß in einem Intervall von 2 Tagen zweimal der Volhardsche 
Wasserversuch ausgeführt wurde. Der erste Versuch diente als Kontrolle, 
im anderen wurde Insulin injiziert, und zwar 10 bis 20 Einheiten des auch 
sonst verwendeten Insulins Wellcome. In zwei von diesen Fällen wurde 
dem Insulinversuch ein zweiter Kontrollversuch angeschlossen. Bei zwes 
anderen normalen Versuchspersonen modifizierten wir die Versuchs- 
anordnungen, indem wir stündlich in der Zeit von 6 bis 12 Uhr vormittags 
auf nüchternen Magen je 200 ccm Wasser trinken ließen. Auch hier folgte 
einem Kontrollversuch nach 2 Tagen ein Insulinversuch. In diesen fünf 
Versuchsreihen bewirkte das Insulin dreimal eine deutliche Diuresehemmung, 
in zwei Versuchsreihen war aber eine diesbezügliche Wirkung nicht vor- 
handen. Zur Illustration mögen zwei Versuchsreihen dienen (Tabellen I 
und II). 


1) Diese Zeitschr. 164, 1, 1925. 
2) Ebendaselbst 158, 366, 1925. 


Biochemische Zeitschrift Band 169, 9 





130 D. Adlersberg : 


Tabelle I. 
A. W., 35 Jahre alt. Normaler interner Befund. 


Zeit | Hammenge | Spezifisches | 


G en 














5. XII. 1923. Kontrollversuch. 
6 bis 12h stündlich 200 ccm Wasser per os (nüchtern). 


6—7h 170 1010 

1—8 | 625 1006 

8—9 | 200 1010 

9—10 | 290 1006 | 

10—11 | 230 `. 1008 | In 4 Stunden: 1015 cem, spezifisches 
11—12 340 1006 Gewicht im Durchschnitt 1006,25 
12—1 | 155 1005 


7. XII. 1923. Insulinversuch. 
Weasserzufuhr wie oben. 9h vorm. 20 Einheiten Insulin Wellcome subkutan. 


6-75 | 350 1002 | 

1—8 | 510 1001 

8—9 185 1010 

98-10 J 185 1010 
10—11 | 32 1020 In 4 Stunden: 508 cem, spezifisches 
1—12 | al 1010 Gewicht im Durchschnitt 1010,5 
12-1 | 2350 1002 

Tabelle II. 


Ap. L., 28 Jahre alt. Normaler interner Befund. 








ewicht 


Zeit | Harnmenge "Gewicht 

















28. XI. 1923. Kontrollversuch. 739 bis 8h (nüchtern) 1500 ccm per os. 





8—9h | 470 1003 
9—10 770 1002 
10—11 380 1001 
11—12 | 160 1007 
| 1780 
30. XI. 1923. 1. Insulinversuch. 
Wasserzufuhr wie oben. 7h 20 Einheiten Insulin. 
8—9h 150 1008 
9—10 485 1003 
10—11 = 1001 
11—12 1002 
| 1740 


3. XII. 1923. 2. Insulinversuch. 
Wasserzufuhr siehe Kontrollversuch. 8h 20 Einheiten Insulin. 


Ka | 360 1003 

9—10 710 1002 
10-11 . 540 1002 
1—12 ! EG 1010 


| 
| 


| 


1750 











Insulin und Hypophysenhormon. 131 


Tabelle I demonstriert deutlich Hemmung der Diurese durch Insulin, 
ähnlich, wie es Serebrijski und Vollmer beobachten konnten. Im Kontroll- 
versuch ohne Insulin werden in 4 Stunden 1015 cem Wasser ausgeschieden, 
das spezifische Gewicht beträgt im Durchschnitt 1006, im Insulinversuch 
werden in der gleichen Zeit und bei gleicher Flüssigkeitszufuhr 508 ccm 
ausgeschieden. das spezifische Gewicht beträgt im Durchschnitt 1010. 
Die relativ größere Menge in der letzten Stunde des Insulinversuchs be- 
deutet offenbar eine kompensatorische Mehrausscheidung des früher ein- 
gesparten Wassers. Ein ähnliches Verhalten zeigten die zwei anderen 
positiv reagierenden Fälle. 

Die negativen Versuche illustriert Tabelle II, die eine über die auch 
sonst bei Verdünnungsversuchen vorkommenden Schwankungen hinaus- 
gehende Beeinflussung der Diurese vermissen läßt. Während man im 
ersten Insulinversuch der Tabelle II noch den Eindruck gewinnen könnte, 
daß vielleicht in der ersten, möglicherweise noch in der zweiten Harn- 
portion eine gewisse Wirkung vorhanden ist, trotz der unbeeinflußten 
Gesamtmenge, so eind im zweiten Insulinversuch bei der, gleichen 
Versuchsperson die Einzelportionen und die Gesamtmenge gegenüber dem 
Kontrollversuch unverändert. 

Es wurde weiter der Eindruck gewonnen, daß in Versuchen, in 
welchen nach der Insulininjektion der hyperinsulinämische Symptomen- 
komplex stark zum Vorschein kam (starkes Herzklopfen, Schwitzen, 
Vermehrung der Atmung), auch Hemmung der Diurese zu sehen war. 
Dagegen waren in den negativen Versuchen die Erscheinungen der 
Hyperinsulinämie nicht in diesem Ausmaß vorhanden. Dies legt den 
Gedanken nahe, daß in diesen Versuchen das Insulin, vielleicht infolge 
schlechterer Durchblutung der Niere, gesteigerter extrarenaler Wasser- 
abgabe usw.. also gewissermaßen erst sekundär antidiuretisch wirkt. 

In ähnlicher Weise fielen Versuche am Blasenfistelhund verschieden 
aus, indem das eine Mal Hemmung, ein anderes Mal aber keine Beein- 
flussung der Diurese bei gleichen Insulin- und Wassermengen und auch 
sonst identischen Versuchsbedingungen zu sehen war. 


Die antidiuretische Wirkung des Insulins bei reichlicher Flüssigkeits- 
zufuhr ist — was den normalen Menschen und den Blasenfistelhund 
anlangt — keineswegs konstant!). 


1) In jüngster Zeit scheinen Koref und Mautner ähnliche Resultate 
wie wir am Blasenfistelhund erhalten zu haben, doch läßt sich aus dem 
ganz kurzen Bericht (Klin. Wochenschr. 1925, Nr. 48 S.2323) kein ab- 
schließendes Urteil gewinnen. 


dE 


Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 


Von 
G. Klein. 


(Aus dem pflanzenphysiologischen Institut der Universität: Wien.) 
(Eingegangen am 19. Dezember 1925.) 


Schoh früher wurde wiederholt festgestellt, daß Zuckerarten und 
auch andere organische Substanzen unter gewissen, ganz verschiedenen 
Versuchsbedingungen Aldehyde abspalten. 

So erhielt Neuberg!) aus organischen Säuren und Oxysäuren 
(Propion-, Glycerin-, Bernstein-, Malein-, Fumar-, Wein- und Croton- 
säure), aber auch aus Serin und Isoserin in Sonnenlicht bei gleich- 
zeitiger Zugabe eines anorganischen Katalysators (Ferrosulfat) Acet- 
aldehyd. Dieselben Resultate erzielte Neuberg?) bei Behandlung der 
benannten Stoffe mit Wasserstoffsuperoxyd und Ferrosulfat als 
Katalysator. Er stellte fest, daß die nicht lichtempfindlichen organischen 
Säuren auch durch Mangan- und Uransalze, ebenso wie durch Anthracen- 
derivate lichtempfindlich werden und unter diesen Verhältnissen auch 
aus Milch-, Bernstein-, Äpfel-, Wein- und Citronensäure®), Äthylenglykol, 
Äthylendiamin und Colamin Acetaldehyd bilden. Dieser Aldehyd 
entsteht aus allen genannten Substanzen durch H,0,-Wirkung mit 
Katalysatoren. Aus Äpfelsäure erhielt Neuberg bei Fe- und UO,- 
Katalyse Oxybrenztraubensäure, also ein Keton. Spoehr*) fand bei 
Behandlung von Essig-, Äpfel-, Wein-, Glyoxal- und Glykolsäure, 
Acetaldehyd und Äthylalkohol mit ultraviolettem Licht bei 30° und 
starker Lüftung langsame Zersetzung. Bei dieser konnte er als Zwischen- 
stufen der Decarboxylierung Acet- und Formaldehyd, bzw. Formaldehyd 
allein neben anderen Substanzen allerdings nur „qualitativ“ fest- 
stellen. Auch aus dem Preßsaft der als säurereich bekannten sub- 
kulenten Pflanzen fand er nach Belichtung im Destillat Formaldehyd 
und Ameisensäure. Woraus diese Substanzen im Preßsaft entstanden, 





1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 67, 58, 1914. 

2) C. Neuberg, ebendaselbst 18, 305, 1908; 29, 279, 1910; 61, 325, 1914. 
3) C. Neuberg und B. Rewald, ebendaselbst 67, 127, 1914. 

t) H.A.Spoehr, ebendaselbst 57, 95, 1913. 





G. Klein: Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 133 


ist allerdings nicht zu erweisen. Auf die Folgerungen, die aus diesen 
„Modellversuchen‘‘ auf biochemische Vorgänge in Pflanzen gezogen 
wurden, braucht hier nicht eingegangen zu werden!). 

Schließlich befaßte sich Rosenthaler?) eingehend mit der Abspaltung 
von Aldehyden aus Stoffen, die in der Pflanze vorkommen und aus 
deren Struktur die Möglichkeit hierfür abgeleitet werden kann. Er 
behandelte die Stoffe (je 0,2g) mit 20 ccm verdünnter Schwefelsäure 
und 0,4g Kaliumpermanganat in der Kälte, zerstörte hierauf den 
Permanganatüberschuß und destillierte. Im Destillat prüfte er auf 
die Aldehyde qualitativ mit fünf angegebenen Farbenreaktionen und 
quantitativ auf Grund der dargestellten Nitrophenylhydrazone. Er 
erhielt von den vielen geprüften Stoffen Formaldehyd aus mehr- 
wertigen Alkoholen (Glycerin, Erythrit, Mannit, Duleit), Aldehyden 
(Vanillin), höheren Säuren (Veratrum- und ÖOpiansäure), aus Zuckern 
(Arabinose, Glucose, Fructose, Saccharose und Galaktose), Phenol- 
äthern (Eugenol, Quajakol), einem Gilycosid (Salicin) und vielen 
Alkaloiden, also bei Vorhandensein von Methoxy-, Methylendioxy- 
und Methylimidgruppen. 

Kropat?) hatte aus „Extractum ferri pomati‘ bei Oxydation mit 
KMnO, und H,SO, beträchtliche Mengen von Formaldehyd erhalten, 
was er auf die Oxydation der Äpfelsäure zurückführt, was aber von 
Rosenthaler nicht bestätigt werden konnte. Organische Säuren und 
Oxysäuren lieferten Rosenthaler keinen Formaldehyd. 

Acetaldehyd und nur diesen erhielt Rosenthaler nur bei Milchsäure- 
und Rhamnosebehandlung, also bei Gegenwart einer Äthoxygruppe 
und einigen Äthylenimidkörpern. [Die Bildung von Acetaldehyd aus 
Milchsäure wird schon methodisch zur quantitativen Milchsäure- 
bestimmung verwendet#).] 


Die quantitativen Ausbeuten Rosenthalers betrugen bei 


Glucose . . 2. 2.2.2 .. 0,24 bis 2,5 Proz. 
Galaktose. . . . .... 0,02 ,„ 0,04 ,, 
Fructose . . . aaa’ 0,006 — 0,02 , 
Saccharose . . . .... 0,006 ,„, 0,05 , 
Mamnit. . . . 2.2 202. 0,04 ,„ 0,08 ,, 
Glycerin . . . . 2... 9 „18 an 


Entgegen Trillats®) Angaben, daß Rohrzucker bei Überhitzung 
mit Wasserdampf Formaldehyd abspalte, erhielt Rosenthaler bei mehr- 


1) G. Klein und O. Werner, diese Zeitschr. 168, 361, 1926. 

2) L. Rosenthaler, Arch. f. Pharm. 251, 587, 1913. 

3) K. Kropat, ebendaselbst 251, 90, 1913. 

t) Abderhaldens Handb. d. biochem. Arbeitsmeth. 5 (2), 1256, 1912; 
o. Meyerhof, Pflügers Arch. 188, 114, 1921. 

H Trillat, zitiert nach Rosenthaler, Arch. f. Pharm. 251, 587, 1913. 


134 G. Klein: 


stündiger Wasserdampfdestillation lproz. Lösungen von Glucose, 
Fructose und Saccharose mit und ohne Weinsäure keinen Formaldehyd. 


Eigene Untersuchungen. 


Ich war auf merkwürdige Art auf diese Aldehydabspaltung auf- 
merksam geworden. Bei der Abfangung der Zwischenprodukte bei 
der Nitratassimilation der höheren Pflanze!) destillierte ich einmal 
zur qualitativen Prüfung auf Ammoniak eine Probe einer zucker- 
haltigen (5 Proz.) Nährlösung mit Magnesia usta. Bei der Neßlerschen 
Probe im Destillat trat statt der erwarteten schwachgelben Färbung 
eine dicke, orangegelbe Fällung auf, die bei den verwendeten 30 ccm 
Lösung unmöglich von den eventuell vorhandenen Ammoniakspuren 
herrühren konnte. Da nur reduzierende Stoffe stören konnten, die 
aus der Nährlösung destillierten, wurde probeweise eine Destillation 
in Dimedonlösung durchgeführt, um eventuell störende Aldehyde zu 
finden. Noch während der Destillation trat in der Vorlage Trübung 
und dichte Ausfällung von einem feinen, weißen Nadelgeflecht ein, 
das sich bei der Schmelzpunktbestimmung als Formaldomedon ent- 
puppte. 

Systematisch durchgeführte Untersuchungen ergaben nun folgendes: 
l- bis 5proz. Lösungen reinster Glucose (Merck) in destilliertem Wasser 
ergaben bei saurer ebenso wie bei neutraler und alkalischer Reaktion 
im Destillat beträchtliche Mengen Formaldehyd, bei alkalischer Reaktion 
am meisten. Höhere Zuckerkonzentrationen sind nicht gut verwendbar, 
da sie schnell karamelisieren, Konzentrationen unter 1 Proz. spalten 
erst Formaldehyd ab, bis sie durch Abdestillieren entsprechead 
konzentriert geworden sind. Die Abspaltung beginnt erst, bis die 
Lösung durch beginnendes Karamelisieren gelbbraun wird. Am ge- 
eignetsten erwies sich für Destillation größerer Mengen ein auf den 
Kolben aufgesetztes, kurzes Stutzersches Aufsatzrohr, das mit einem 
Rapidkühler verbunden in eine Dimedonvorlage (Peligotsche Röhre) 
mündet und oben mit graduiertem Rohre (mit Glashahn) zum Nachfüllen 
von Wasser abgeschlossen ist?). 

Die Abspaltung des Formaldehyds beginnt erst, wenn genügend 
Wasser abgedampft, die Lösung genügend konzentriert (5- bis 10 proz. 
Lösungen spalten bald nach Beginn des Siedens) und gelbbraun ge- 
worden ist. Wenn die Verkohlung des gesamten Zuckers einmal so 
weit gegangen ist, daß die Lösung dunkelbraun schäumt, geht kein 
Formaldehyd mehr über. 


1) G. Klein und J. Kisser, Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien, 
math.-naturw. K1., Abt. I, 1925. 


2) Q. Klein und K. Pirschle, diese Zeitschr. 168, 340, 1926. 











Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 135 


Die maximale Ausbeute erhält man, wenn man bis zur Gelbbraun- 
färbung der Lösung abdestilliert und dann durch wiederholten Zusatz 
von wenig H,O (etwa 10 bis 20 ccm) den Zucker nicht zu stark ein- 
dampfen und damit verkohlen läßt. Bei Destillation von 200 ccm 
einer 2proz. Lösung von reinster Glucose (Kahlbaum) konnten auf 
diesem Wege 55 mg Formaldomedon = 6,1 mg Formaldehyd erhalten 
werden (also etwa 0,3 Proz.), und zwar 15 mg bis zur Braunfärbung, 
35 mg während des Karamelisierens und 5 mg aus der verkohlten Masse. 


Es muß betont werden, daß die Formaldehydabspaltung bei saurer 
(n, n/10, n/100, n/1000 H,SO,), neutraler und alkalischer Reaktion 
(n, n/10, n/100, n/1000 NaOH) gelang, im allgemeinen bei alkalischer 
Reaktion mit bester Ausbeute. 


Verunreinigungen können nach all dem Gesagten nicht in Betracht 
kommen; überdies gibt reinste Glucose (auch nach mehrmaliger Um- 
scheidung) bei gleichen Versuchsbedingungen annähernd dieselben 
Mengen Formaldehyd wie Rohglucose. 


Für schnelles Arbeiten und zum Demonstrieren eignen sich am 
besten die bei meinen Assimilationsuntersuchungen verwendete 
Mikromethode (Destillation im Mikrokölbcehen mit einigen Kubik- 
zentimetern Lösung in eine gekühlte Mikrovorlage mit Dimedonlösung). 
In 5 bis 10 Minuten kann man das bereits während des Destillierens 
sich abscheidende Formaldomedon demonstrieren. 


So wie Glucose spalten auch alle anderen untersuchten Mono- 
(Pentosen und Hexosen) und Disaccharide Aldehyd ab. Und zwar 
Fructose, Galaktose, Maltose, Lactose, Saccharose und Arabinose 
Formaldehyd, das Trisaccharid Raffinose nur Spuren Formaldehyd. 
Dagegen gaben Polysaccharide wie Cellulose (aufgeschwemmte Filter- 
papierfasern) relativ reichlich Formaldehyd. Ebenso geben Glykogen, 
Dextrin, Amylum solubile, Kartoffelstärke, Lichenin und besonders 
Inulin reichlich Aldehyd, nicht Gummi arabicum. 

Die Menthylpentose Rhamnose gibt Acetaldehyd in reichlicher 
Ausbeute. 

Auch aus den Glykosiden läßt sich, soweit sie in der Hitze und 
in neutraler Lösung schon Zucker abspalten, Aldehyd darstellen. 

So gaben Salicin, Quereitrin, Coniferin, Arbutin und Phlorhidzin 
Aldehyd, Äsculin in neutraler Lösung Spuren, auf Zusatz von Phosphor- 
säure reichlich Formaldehyd, Hesperidin nur in saurer Lösung Form- 
aldehyd; Acetaldehyd von der Rhamnose war im Mikroverfahren nur 
in Spuren greifbar. 

Alle Polysaccharide und Glykoside geben natürlich bei vorher- 
gehender Hydrolyse oder saurer Destillation weit größere Ausbeuten 


136 G. Klein: 


als bei neutraler Destillation. Glycerin spaltet große Mengen eines 
Aldehyds (aus 100 ccm einer lproz. Lösung 54 mg), der gleichfalls als 
Formaldehyd bestimmt wurde. 


Chitin und Glucosamin-HCl, also die N-haltigen Saccharide, 
spalten keine Aldehyde ab. 


Die fünf- und sechswertigen Alkohole spalten nichts ab, ebenso- 
wenig die Oxydationsstufen der Zucker, Zucker- und Schleimsäure. 


Aliphatische Säuren und ÖOxysäuren spalten nicht, nicht Amino- 
säuren und zyklische Phenole. Dagegen gab @lykolsäure große Mengen 
Formaldehyd. 


Flüchtige oder destillierbare Aldehyde und Ketone wurden natürlich 
nicht untersucht. 


Eine Tabelle möge die Verhältnisse übersichtlich illustrieren. Je 
0,lg wurden der Mikrodestillation unterworfen und das erhaltene 
Produkt mit dem Mikroschmelzpunktsapparat bestimmt!). 


Organischer Körper EM: Formaldehyd Acetsldchyd | Sonstiger Aldebyd 
Glucose . . 2 2 2 2 220 0% | er — a 
Fructose. e 0.0 f wei ee an 
Mannose. . 2.2.22 20°... | Zë _ | — 
Galaktose . . e s | xe Gs | = 
Saccharose ( Glucose—Fructose) wb | Sun | nen 
Laktose (Glucose—Galaktose) '  ***** eg a 
Maltose (Glucose) ...... rr — — 
Raffinose (Glucose-Fructose— | | 

Galaktose) Es a a lee, Eé | * t = Se 
Arabinose . ,, see l ERR — — 
BEA ER deeg — | geg Se 
E e a e E | Bech = e 
Lichenin. .... aeee’ i t** = | Sg 
Stärke (löslich) . . ETE ** = en 
Stärke (Kartoffel)... . . - I = Sc 
Agar o a Wanne | * Se , = 
Gummi arabicum . ..... Ä — —_ = 
Cellulose (Filterpapier) . dëi nr _ | = 
Chitin e . > 18 > ọ ọ ò ò ọ o i rS — — 
Glucosamin—HCl . .. ...» — za | ze 
Glucosamin + KOH ....|! | = = | gr 
Kirythrit i s- ee eu 8 8 2% — = SN 
Mamnit . ..: 2 2 222.020. | — — — 
Zuckersãure . » : 2 22 202. Se = Së 
Schleimsäure. . . . . :» Get — s 2 
ülni A ie e ée e NI E e | S | — u 
Äsculin + H, PO, SR w ie ! EE | = | mn 


1) G. Klein’ uad O. Werner, diese Zeitschr. 168, 361, 1926. 


Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 137 


Organischer Körper | Formaldehyd Acetaldehyd | Sonstiger Aldehyd 











sl [išl] 


BESSERE 
PETEERE] 
WER 


| 

l : Giyoxalmedon 

| (Umlagerung 
160-170, 

| Schmelzp. etwa 220°) 

| 


| 


RER 





| | Acrolein 

| (Um g 
, bei 95°, 

| | ı Schmelzp. etwa 120°) 


*) Bemerkung: Die Acroleinverbindung mit Dimedon bildet sicb recht Greg, oxydiert sich 
anscheinend in der Luft. 


Die Ergebnisse zeigen klar, daß alle Zucker im ersten Stadium 
der Zersetzung die freie Aldehydgruppe in Form von Formaldehyd 
wieder abspalten, nur die Methylpentose spaltet ihrer Konfiguration 
entsprechend Acetaldehyd. Dasselbe gilt für die aus Monosen zu- 
sammengesetzten Polyosen und Polysaccharide, ebenso für die Glyko- 
side. Die letzteren geben die Aldehyde, die ihren Zuckern entsprechen, 
alle aber nach Maß der Abspaltung beim Kochen. 


Alle anderen untersuchten Substanzen der verschiedenen Körper- 
klassen, mit Ausnahme von Glykolsäure und Glycerin, spalten diese 
beiden Aldehyde nicht ab. Daneben können noch aus manchen Stoffen 
verschiedene andere Aldehyde bei vollständiger Zersetzung entstehen, 
wie das längst bekannte Acrolein aus Glycerin. 


Ob bei den Körpern mit irgenwie gebundenen Monosacchariden 
der Aldehyd schon aus dem Molekül in Bindung oder erst beim Frei- 
werden der Zucker durch Kochen auftritt, läßt sich so nicht entscheiden. 

Die leichte Abspaltbarkeit von Formaldehyd aus Zuckern, deren 
Genese aller Wahrscheinlichkeit nach vom Formaldehyd ausgeht, ist 
von theoretischem und für das Destillationsverfahren aus organischen 
Lösungen und Organextrakten auch von methodischem Interesse. 


138 G. Klein: Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 


Zusammenfassung. 


Es wurde gefunden, daß Zucker (Aldosen und Ketosen) bei 
Destillation in reinem destillierten Wasser Aldehyd abspalten, der bei 
allen untersuchten Pentosen und Hexosen als Formaldehyd, bei der 
Methylpentose Rhamnose als Acetaldehyd bestimmt wurde. 

Auch die Polysaccharide und Glykoside spalten die Aldehyde, 
die ihren Zuckern entsprechen, viel mehr nach Hydrolyse als beim 
Kochen in destilliertem Wasser. Die Spaltung geht bei saurer, neutraler 
und alkalischer Reaktion gleichsinnig vor sich. 

Die erhaltenen Mengen entsprechen keinem stöchiometrischen 
Verhältnis. 

Alle anderen untersuchten Stoffe spalten diese Aldehyde nicht ab. 
Nur Glykolsäure und Glycerin spalten reichlich Formaldehyd ab. 

Von Acrolein und Glyoxal wurde das Dimedonprodukt bestimmt. 








Versuche 
über den Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 


Von 
B. Lustig. 


(Aus dem chemischen Laboratorium „Rudolfsspital‘“ in Wien.) 


(Eingegangen am 19. Dezember 1925.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Bei dem usuellen Studium der Fermenteinwirkung auf Eiweiß- 
körper wird keine Rücksicht darauf genommen, ob die gefundenen 
Veränderungen nicht sekundärer Natur sind. Insbesondere bestehen 
über die ersten Abbauprodukte!) Unklarheiten, die sich teilweise durch 
nichtaseptisches Arbeiten, Hemmung der weiteren Spaltung durch 
die Abbauprodukte erklären lassen. Es schien uns von Interesse zu 
sein, einmal den Eiweißabbau in Nachahmung der Vorgänge im 
Organismus so vorzunehmen, daß das Material nach dem Versetzen 
mit dem entsprechenden Ferment in einem Dialysierbeutel der Dialyse 
bei 37 bis 38° C (in einem Trockenschrank) unterworfen, das als Dialysat- 
wasser dienende, auf 38°C vorgewärmte, destillierte Wasser öfters 
gewechselt wird und hierbei die Reihenfolge und die Stärke des Abbaues 
der einzelnen Stoffe sowie die Umstände, die die Abbaustärke beein- 
flussen können, festgestellt werden. Mit Rücksicht auf die geringen 
Mengenverhältnisse, die der Versuch erlaubte, mußte sich unser Vor- 
gehen darauf beschränken, im Dialysat in möglichst rascher Auf- 
einanderfolge möglichst quantitativ wenigstens eine Reihe bekannter 
Stoffe nachzuweisen. Untersucht wurde auf folgende Stoffe und 
Reaktionen (die Zahlen beziehen sich auf die Gesamtmenge des 
Dialysats): 

1. Stickstoffgehalt quantitativ nach Kjeldahl. 

2. Ammoniak kolorimetrisch durch Versetzen der Lösung mit 
Kalilauge und Nessler und Vergleichen mit Lösungen von bekanntem 
Ammoniakgehalt. 

1) Fischer-Abderhalden, Zeitschr. f phys. Chem. 89, 81; 40, 215, 1903; 
wo en Beitr. 1, 501, 1902; Levene, Zeitschr. f. phys. Chem. 


140 B. Lustig: 


3. Aminogruppen quantitativ nach Sörensen. 

4. Tryptophan quantitativ nach Komm- Börinyer!); 5ccm der zu 
untersuchenden Lösung werden mit 5ccm einer l5proz. Salzsäure 
(welche auf 500 eem 6ccm einer 0,1l proz. Formaldehydlösung enthält) 
versetzt, dann 10 ccm konzentrierter Schwefelsäure langsam zugegeben. 
Nach dem Abkühlen der Mischung entsteht, bei Anwesenheit von 
Tryptophan, ein 24 Stunden konstanter, violettroter Farbton. Der 
Tryptophangehalt wird kolorimetrisch gegenüber einer Lösung von 
bekanntem Tryptophangehalt bestimmt. Zur Kontrolle wurden eine 
Reihe Bestimmungen auch nach Fürth-Lieben mit Hilfe der Voisene- 
schen Reaktion ausgeführt. Diese ergab fast gleiche Werte (bis 4 Proz. 
Differenz). 

5. Tyrosin wurde quantitativ nach M. Weiss?) mittels der Millon- 
schen Reaktion bestimmt. Die Ausführung ist folgende: 3 ccm der zu 
untersuchenden Lösung werden mit 2ccm einer 10proz. Quecksilber- 
oxydsulfatlösung in proz. Schwefelsäure und drei Tropten einer 
Y,proz. Natriumnitritlösung versetzt und bei ganz schwacher Flamme 
(Spiritusflamme) bis zum Sieden aufgekocht. Nach 5 Minuten ist die 
größte Farbtonintensität vorhanden. Als Vergleichslösung wird eine 
Tyrosinlösung in der Verdünnung 1:50000 verwendet. Im Falle der 
Farbton der untersuchten Substanz viel stärker ist als der der Ver- 
gleichslösung, so muß die Lösung entsprechend verdünnt und der 
Versuch wiederholt werden, da der Farbton nur in dieser Konzen- 
tration quaatıtativ sein soll. Nach unseren Untersuchungen ist die 
Fehlergrenze dieser Bestimmungsmethode auch bei genauer Einhaltung 
der Versuchsbedingungen relativ groß. 

6. Xanthoproteinreaktion. Wir haben diese Bestimmung in der 
Weise ausgeführt, daß gleiche Mengen (l ccm) der zu untersuchenden 
Lösung immer mit der gleichen Menge (2 ccm) konzentrierter Salpeter- 
säure und nach dem Erhitzen (10 Minuten am Wasserbad) mit 5 cem 
Ammoniak versetzt wurden. Der entstandene Farbton wurde mit 
der Xanthoproteinreaktion einer Albuminlösung von bekanntem Stick- 
stoffgehalt verglichen. Die Xanthoproteinreaktion der Albuminlösung 
wurde in der gleichen Weise ausgeführt. Die angegebenen Zahlen be- 
ziehen sich auf Kubikzentimeter der Albuminlösung (Stickstoffgehalt 
pro 1l cem 0,0019 g N), welche der Stärke der Reaktion entsprechen. 

7. Molischs Reaktion auf Kohlehydrate (mit a-Naphthol und 
konzentrierter Schwefelsäure). 

8. Histidin quantitativ nach H. Brunswick’). Die zu unter- 
suchende Substanz wird mit konzentrierter Salpetersäure erhitzt, 

1) Zeitschr. f. phys. Chem. 124, 382, 1923. 


2) Diese Zeitschr. 97, 170, 1919. 
7 Zeitschr. f. phys. Chem. 127, 268, 1923. 











Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 141 


dann mit festem Natriumcarbonat neutralisiert und im Überschuß 
versetzt und mit frisch hergestelltem Diazoreagens nach Pauli!) auf 
Rotfärbung untersucht. Sonstige Reaktion gebende Stoffe (wie 
Tyrosin, Tryptophan) sind durch Nitrierung mit Salpetersäure 
(Xanthoproteinreaktion) und nachheriges Behandeln mit Ammoniak 
unwirksam gemacht. 

9. Chinonreaktion auf Aminosäuren. 

10. Schwefelbleireaktion. 

11. Biuretreaktion. 

12. Gerbsäurefällung in essigsaurer Lösung. 

13. Phosphorwolframsäurefällung in salzsaurer Lösung. 


Um gleichzeitig zu sehen, ob verschiedene Eiweißstoffe bei gleicher 
Versuchsanordnung gleiche Erscheinungen zeigen oder etwaige Unter- 
schiede gegeneinander, schritten wir an die gleichzeitige Untersuchung 
von Serumalbumin, Serumglobulin und Casein. Das Albumin und 
Globulin wurden mit Ammonsulfat zweimal gefällt und 14 bis 20 Tage 
gegen fließendes Wasser dialysiert. Das Casein wurde vor der Ver- 
wendung in Sodalösung gelöst und 24 Stunden dialysiert. Die ver- 
wendete Trypsinlösung wurde zwecks Reinigung mit der sechsfachen 
Alkoholmenge gefällt, schnell filtriert und mit Alkoholäther nach- 
gewaschen. Der Stickstoffgehalt für einen Versuch betrug: 


bei Casein . . . 2... 0,3607 g Stickstoff 
„ Albumin . ..... 0,1328 g ee 
» Globulin . ..... 0,1374 g 5 
vn Trypin....... 0,0325 g ge 


Albumin und Globulin wurden vor der Verwendung der Hitze- 
koagulation unterworfen. Die Dialysate wurden siebenmal je 1 Stunde 
gewechselt. (Stickstoffgehalt, Ammoniak, Tryptophangehalt, Tyrosin- 
gehalt, Aminogruppen siehe Tabelle Ia und Xanthoproteinreaktion, 
Biuretreaktion, Gerbsäurefällung, Phosphorwolframsäurefällung, Chinon- 
reaktion siehe Tabelle Ib.) 


Tabelle Ia*). 
Verdauungsversuche mit Trypsin. 


Daya 1 2 | o| a| s| 6| comme 


1. Stickstoffgehalt mg. ` 

















l. Albumin . . . . 4,11 | 4,50 | 9,20 | 6,20 | 5,40| 7,1 | 5,2 | 0,0407 g N 
2. Globulin 45 | 7,6 i 84 |45 |43 |60 | 37 | 0,0390 gN 
3. Casein ..... 4,2 |224 125,0 26,1 123,5 jl14,2 |12,5 | 0,1279gN 
+4. Trypsin (allein) . |08 | 1,2 |10 |1,1 | 0,9 | 1,0 | 0,6 | 0,0066 gN 

















°) Die Resultate der Versuche I—VI sind in Tafel I graphisch dargestellt. 


1) Zeitschr. f. phys. Chem. 142, 508, 1904. 


142 B. Lustig: 


Tabelle Ia. (Fortsetzung). 











 Dielysat ` 1 | 2 | 3 | 4 | 5 E 7 Gesamtmenge 


2. Ammoniakgehalt in mg N. 



















































































L Albumin .. .. [0,12 ) 0,15 | 0,32) 0,2 | 0,18] 0,23] 0,2 | 14 mg N 
2. Globulin 0,08 | 0,25| 0,2 | 0,25| 0,2 | 0,28; 0,18] 134 „ N 
3. Casein ..... 0,24 | 0,78: 0,86 | 0,97 | 0,22) 0,25 02 | 332 „N 
4. Trypsin (allein) . || 0,06 | 0,08 | 0,06| 0,06 | 0,03 , 0,10, 0,06| 045 „ N 
3. Trypthophangehalt in mg. 
1. Albumin .. df da CR 22 18112 08 |13 | 7,3 mg Trypt 
2. Globulin .... g 18 '23 |12 |16 |12 | 87, , 
3. Casein ..... 40 ' 1,2 | 1,8 | 29 |32 |l61l, „ 
4. Trypsin (allein) . ES negativ 
4. Aminogruppen nach Sörensen ccm n/lO KOH. 
1. Albumin .... ||14 !33 |44 | 23 | 33 | 3,1 | 23 |20,1ccemn/lO 
2. Globulin . . . . |24 !39 |56 | 23 | 38 | 29 | 4,3 |302 „r/loO 
3. Casein ..... 51 157 |75 | 5,2 | 6,5 | 42 | 2,8 |370 „ n/l0 
4. Trypsin (allein) . |06 | 1,1 | 0,7 |1, |; 12 |1,2 |07 | 64 „n/lO 
5. Tyrosingehalt in mg. 
l, Albumin .. .. |0, |08 |15 |15 | 2,5 ! 22 | 1,5 | 10,3 mgTyrosin 
2. Globulin 01 |08 |12 20 |18 115 !30 |104, , 
3. Casein ..... 0,8 | 1,8 | 2,8 | 36 | 25 |42 | 28 |185, „ 
4. Trypsin (allein) . | negativ 
*) g.s. = ganz schwach. 
Tabelle Ih. 
Verdauungsversuche mit Trypsin. 
Dialysat | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | a 
6. Xanthoproteinreaktion in ccm Albuminlösung. 
1, Albumin . . . [15 2,4 1,3 1,5 2,8 24 1,5 |13,4ccm 
2. Globulin . . . | 0,9 1,8 3,2 2,4 2,5 1,5 24 |147 , 
3. Casein . . . . | 32 7,5 60 48 45 75 45 375 A 
4. Trypsin (allein) |, schwache, quantitativ nicht meßbare Reaktion 
7. Biuretreaktion. 
1. Albumin . . . | — — — + + + + 
2. Globulin . . . | — — — — + + A 
3. Casein . . — + +++ ++i + 4 > 
4. Trypsin (allein) — — — — — — — 
8. Gerbsäurefällung. 
1. Albumin . . . | — — | — — |gs] + gs9) + gs. 
2. Globulin . . . |; — = — — |+gs |+gs. | -+ g.s. 
3. Casein .. SC T Sean F + T zg 
4. Trypsin (allein) |— — — — — — — 
9. Chinonreaktion. 
l. Albumin . . . || +] + Pree EEE 
2. Globulin . . . || + + Tr SE + 
3. Casein . . . . ++ E Fre a ir IFT tt Ba Ges 
4. Trypsin (allein) | — | +g |. |+ g.s. + g. s.|+ g.s. + g.8.|+ g.s 


°) g. s. = ganz schwach. 








Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 143 


Tabelle Ib. (Fortsetzung). 


mer ee zm = mS 
i Gesamt» 
Kr | il: E o 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | menge 

















10. Phosphorwolframsäure. 


l. Albumin f | — — | — — |+ g.s.|+ g. 8. 
2. Globulin ii — — |+gs+gs + + 
3. Casein ... — +g.s.| ++' + ++! + 
4. Trypsin (allein) : — , — — | — er Se 4 

















ll. Die Schwefelbleireaktion war in allen Dialysaten negativ, in 
den Verdauungsrückständen schwach positiv. 

12. Histidin war besonders bei Casein stark positiv, bei Albumin 
von der ersten, bei Globulin von der zweiten Fraktion ganz schwach 
positiv, bei Trypsin negativ. 

13. Molischs Reaktion war bei Globulin von der zweiten Fraktion 
an, bei Albumin von der ersten Fraktion an positiv. Bei Casein negativ. 


Die Versuche, bei denen am stärksten Casein (33,2 Proz.), gegen- 
über Albumin (23,2 Proz.) und Globulin (23,2 Proz.) abgebaut wurden, 
ergaben eine Reihe Unterschiede gegenüber den gewöhnlichen Ver- 
dauungsversuchen ohne Dialyse. Es zeigte sich ein späteres Hervor- 
treten der die Biuretreaktion und Gerbsäurefällung gebenden Stoffe, am 
wenigsten noch bei Casein. Auch die mit Phosphorwolframsäure fäll- 
baren Stoffe erschienen später, sie waren bei Casein von der zweiten 
Stunde an, bei Globulin von der vierten Stunde an sehr schwach positiv, 
bei Albumin nur in den letzten zwei Stunden kaum nachweisbar. Im 
Gegensatz dazu steht das sofortige Erscheinen der freien Aminogruppen 
und der die Chinonreaktion gebenden Stoffe. Auffallend ist das Fehlen 
der Schwefelbleireaktion in den Dislysaten. Histidin war entsprechend 
dem hohen Histidingehalt des Caseins bei diesem besonders stark, bei 
Globulin von der zweiten Stunde an und bei Albumin von Anfang an, 
aber sehr schwach nachweisbar. Gering war im Verhältnis zu der Menge 
des verwendeten Materials und der Stärke der Chinonreaktion die 
Menge der freien Aminogruppen bei Casein gegenüber dem Albumin 
und Globulin. 

Um das Vorhandensein von Peptonen in der ersten Abbaustunde 
zu kontrollieren, führten wir folgende Versuche aus: 

50 ccm Globulinlösung (N 0,1374) wurden der Hitzekoagulation 
unterworfen, mit Trypsinlösung versetzt und durch 15 Minuten bei 38°C 
dialysiert, dann zwecks Verhinderung einer weiteren Trypsinwirkung 
auf 100°C erhitzt. Das Filtrat des Verdauungsrückstandes wurde mit 
Essigsäure angesäuert mit Kochsalz in der Hitze gesättigt und heiß 
filtriert. Das Filtrat zeigte nach dem Abkühlen keinerlei Trübung, was 


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Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 145 


auf das Fehlen von Albumosen schließen läßt, gab die Biuretreaktion 
und beim Versetzen mit Gerbsäure eine deutliche Trübung. Das Dialysat 
gab mit Biuret und Gerbsäure keine Reaktion. Es zeigte sich bei diesem 
Versuch, daß zwar Peptone beim Abbau erzeugt werden, doch sind diese, 
da die Dialysate des Globulins die Biuretreaktion erst von der vierten 
Stunde an geben, wohl schwer dialysabel. 


Es schien uns weiter von Interesse zu sein, die in ihren Arbeiten 
durch Bizzaro!), Roseo?) und Abderhalden?) über die stärkere Verdauung 
des koagulierten gegenüber dem nichtkoagulierten Eiweiß gemachten 
Wahrnehmungen zu untersuchen, da die Angaben ganz allgemeiner 
Natur sind und nicht näher auf das Wesen des Vorganges eingehen. 
Auch kann das etwaige Vorhandensein von Antitrypsin den Unterschied 
allein nicht erklären. Es wurde Pseudoglobulin in folgender Weise 
untersucht. 

Gleiche Mengen der Eiweißlösung, von der ein Teil möglichst fein- 
flockig auskoaguliert wurde, wurden mit der gleichen Menge einer 
wirksamen, aber verdünnten Trypsinlösung versetzt und bei 38°C 
dialysiert. Die Trypsinlösung wurde vor der Verwendung 24 Stunden 
gegen fließendes Wasser dialysiert, um es nach Möglichkeit von den 
Abbauprodukten zu befreien. Der Stickstoffgehalt für einen Eiweiß- 
versuch betrug: 0,5124g N. Der Stickstoffgehalt der ersten Trypsin- 
lösung betrug: 0,0734 g N. Der Stickstoffgehalt für den zweiten Trypsin- 
zusatz betrug: 0,1282 g N. 

Die Dialysate wurden zuerst achtmal nach je 1 Stunde gewechselt, 
dann siebenmal nach je 3 Stunden. Nach der 15. Fraktion wurde die 
Lösung mit einer frischen Trypsinlösung versetzt und dreimal je 1 Stunde 
dialysiert (Fraktion 16 bis 18). 

Die Versuche ergaben folgende Resultate (Tabelle II): 


7. Molischa Reaktion war in den Dialysaten der koagulierten 
Fraktion von der zweiten Stunde an positiv. Bei den nichtkoagulierten 
ebenfalls, nur etwas schwächer. In den Dialysaten des Trypsins nur 
in den Fraktionen 16 bis 18 ganz schwach positiv. 

8. Histidin war in allen Dialysaten des koagulierten und nicht- 
koagulierten Pseudoglobulins ganz schwach positiv. Bei den Trypsin- 
dialysaten nur in den Fraktionen 16 bis 18. 

9. Chinonreaktion war in allen Dialysaten positiv. 


10. Die Schwefelbleireaktion war in allen Dialysaten negativ, nur 
in den Verdauungsrückständen schwach positiv. 


1) Journ. of phys. 46, 267, 1917. 
2) Arch. di Fisiol. Journ. 10, 559, 1912. 
3) Zeitschr. f. phys. Chem. 181, 1912. 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 10 


146 B. Lustig: 



































Tabelle . 
Dialysat [i | 2 | 3 | 4 | Se | 7 | 8 | 
L Stick: 
Kosguliert . . . . . 160 |15,0 |20,0 '10,5 |130 |125 |145 |11,5 3 
Nichtkoaguliert . . . „100 |114 |162 ! 95 | 85 | 65 85 | 86 |2 
Trypsinlösung ' $ 30 | 25 | 21 | 20 | r6 | 15 | 25 | r5 
II. Ammo 
Koaguliert . . . . . | 0,51] 025| 0,25] 0,20] 0,20] 0,21] 0,16] 0,07) 
Nichtkoaguliert. . . || 0,35 | 0,30 | 0,28 | 0,15| 0,16 | 0,16, 0,12] 0,17) 
inlösung ... | 010| 010| 012| 012| 010; 008| 00| 013| 
Ill. Trypto 
Koaguliert - . . . . | 44 | 28 | 27 | 32 | 25 | 29 | 27 | 28 
Nichtkoaguliert.. . . 16 | 30 | 25 | 26 | 17 | 20 | 21 | 11 


Trypsinlösung . .. 


TV. Ty 


Koaguliert . . ... | 10 | 28 | 30 | 30 | 20 | 42 | 39 ; 32 
Nichtkoaguliert . . . | o7 | 30 | 25 | 26 | 17 | 25 | 32 ai 
Trypsinlösung negativ 


V. Freie Aminogruppen 











Koaguliert . . . . 60 | 8,0 |24,9 ;14,6 |20,6 |182 |121 |10,2 1 
Nichtkoaguliert 50 | 48 |127 |152 |128 |132 |106 | 8,4 1 
Trypsinlösung op ` 05 15 | 22 | 18 | 15 | 21; rl) 
VI. Xanthoproteinreal 
Koaguliert . . . .. 35 | 15 | 35 | 60 |120 |140 |150 |100 |; 
Nichtkoaguliert. . . | 21 | 20 | 35 | 25 | 50 |118 | 60 2 
Trypsinlösung ..... | 10 | op . o8 | 06 | 10 : 12 06 | 05 








11. Die Biuretreaktion war beim auskoagulierten Eiweiß von der 
dritten Stunde an ganz schwach positiv, beim nichtauskoagulierten von 
der fünften Stunde an. In den Trypsindialysaten 1 bis 15 war sie negativ, 
in den Dialysaten 16 bis 18 ganz schwach positiv. 

12. Gerbsäure gab bei den auskoagulierten Dialysaten von der 
dritten Stunde an, bei den nichtauskoagulierten von der vierten Fraktion 
an ganz schwache Trübungen. Im Falle wir eine größere Menge des die 
Reaktion gebenden Dialysats mit Essigsäure und Gerbsäure versetzten, 
nach einer halben Stunde filtrierten und den Rückstand in ein paar 
Tropfen Kalilauge lösten, so gab das Filtrat nach dem Versetzen 
mit CaCl, (zwecks Ausfällung der Gerbsäure) eine schwache Biuret- 
reaktion. Bei den Dialysaten der Trypsinlösung negativ. 

13. Phosphorwolframsäure war in den Dialysaten 1 bis 3 sowohl 
des koagulierten wie nichtkoagulierten Pseudoglobulins negativ. In 
den Dialysaten 4 bis 15 schwach positiv, in den Dialysaten 16 bis 18 
gab sie schwache stickstoffhaltige Fällungen. In den Dialysaten des 
Trypsins mit Ausnahme der Fraktion 16bis18 (ganz schwache Trübungen)) 
negativ. Die Versuche mit Pseudoglobulin ergaben, daß beim koagulierten 





Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 147 


njena || si sim || Gesamtmenge 1—18 
























































in mg. 

115 |175 |14,0 |13,5 '14,2 |45,0 |66,0 |323 | 0,3750gN (57 Proz.) 

150 |150 |12,5 | 9,5 |12,7 |36,5 |55,0 |28,0 | 0,2815gN (39,1 Proz.) 
e 25| 22 |18 | 20 | 18 |170 |ı65 |170 | 0,08108N 

mmg N. 

017. 0,07 0,12| 0,16] 0,15| 1,16| 0,92' 0,75] 5,65mgN 

012. 0,12! 0,15] 0,16] 0,14| 117| 0,86| 0,69) 65390 „N 

o8| 007| 0.06| 0005| 003| 023! 046| 039| 117? N 
B in mg. 

| 4l | 52 | 43 3,8 | 3,1 | 10,4 | 102 10,6 | 88,4 mg Tryptophan 
A 38 | 1,8 | 29 | 23 , 98 | 10,1 | 89 | 088 „ k 
negativ | 1,2 1,9 1,0 41 „ 8 

in mg. 

30 | 25 | 30 | 21 | 28 | 56 | 38 | 3,9 ` 65,6 mg Tyrosin 

35 ' 14 | 31 | 23 | 22 | 49 | 25 | 43 | 51, `, 

negativ 1,2 0,8 1,0 30 , e 

in ccm n/l0O KOH. 

60 160 , 80 |112 | 85 !41,0 |370 !285 |287,0 cem n/lO 

A 62 60 | 70 | 65 | 387 |252 | 258 |2230 „ n/l0 
05:07:08 | 08 | 06 | 45 | 32 | 35 | 270 „ n/lo 
Albuminlösung. 

20 '100 |12,0 |122 | 60 36,0 |270 |24,0 |257,4 ccm 

142185 | 82 | 50 | 52 !280 |21,0 170 |1781 „ 

35 2,4 2,8 2,1 1,5 | 4,7 4,5 | 2,6 ) n 








Eiweiß eine viel stärkere Verdauung dem Stickstoffgehalte nach eintritt 
(57 Proz.) als beim nichtkoagulierten (39,1 Proz.), nach Abzug der in 
den Trypsindialysaten vorhandenen Stickstoffmenge.. Am geringsten 
waren die Unterschiede beim Ammoniak, am stärksten bei den die Xantho- 
proteinreaktion gebenden Stoffen. Was die Unterschiede gegenüber 
den Verdauungsversuchen ohne Dialyse anbetrifft, so zeigte sich auch 
hier, daß die die Biuretreaktion und Gerbsäurefällung gebenden Stoffe 
erst später und in geringen, kaum nachweisbaren Mengen eıscheinen, 
früher jedoch bei der koagulierten Fraktion. Die schwefelhaltigen 
Bausteine konnten nur in den Verdauungsrückständen nachgewiesen 
werden. Histidin war, wenn auch sehr schwach, in allen Dialysaten früh 
nschweisbar. Die Diaminosäuren und die anderen mit Phosphorwolfram- 
sure fällbaren Stoffe waren erst von der vierten Stunde an nachweisbar. 


Zusammenfassend können wir sagen, daß der Tryps'nabbau unter 
gleichzeitiger fraktionierter Dialyse uns folgendes gezeigt hat: 
l. Der Trypsinabbau bringt sofort (primär) einen Abbau von 
Aminosäuren in größerer Menge hervor. 
10 * 


148 B. Lustig: Eiweißabbau mit Trypein unter gleichzeitiger Dialyse. 


2. Frühzeitiger Nachweis geringer Histidinmengen bei Serum- 
Albumin und Serum-Globulin. 

3. Verbleiben' der schwefelhaltigen Bausteine in den Verdauungs- 
rückständen. 

4. Unterschiede im Gehalt freier Aminogruppen zwischen Casein 
und Albumin in den Dialysaten. 


5. Späteres Hervortreten der Molischreaktion bei Globulinen. 
6. Relativ spätes Auftauchen von Peptonen, Albumosen, Diamino- 


3äuren und anderen durch Phosphorwolframsäure fällbaren Stoffen in 
den Dialysaten (besonders bei Albumin). 


Zum Schluß sei mir gestattet, Herrn Prof. Dr. E. Freund, der 
mich bei der Ausführung dieser Arbeit auf das wärmste unterstützt 
hat, meinen Dank auszusprechen. 


Über die Beteiligung des Pyrrols am Aufbau des Melanins. 


Erwiderung auf den Aufsatz „„Pigmentstudien“ von Br. Bloch und F. Schaaf 
in dieser Zeitschrift Bd. 162, Heft 8/6, 1925. 


Von 
P. Rondoni. 


(Institut für allgemeine Pathologie der Universität zu Mailand.) 
(Eingegangen am 19. Dezember 1925.) 


In einer vor kurzem erschienenen Arbeit suchen Br. Bloch und Schaaf 
neue Beweise für die Auffassung zu bringen, daß Brenzcatechinderivate 
am Aufbau der natürlichen Melanine beteiligt sind, eine Annahme, die 
Bloch selbst eigentlich als eine Arbeitshypothese betrachten will, und die 
besonders auf dem Parallelismus zwischen Dopareaktion und Befähigung 
der Zellen zur Pigmentbildung beruht. Ich kann mich nicht auf eine aus- 
führliche Kritik der Blochschen, wohl interessanten Ergebnisse und Über- 
legungen einlassen; ich möchte aber einige Bunkte hervorheben, die sich 
besonders auf die durch Block und Schaaf ausgeübte Kritik der Befunde 
von Angeli, Saccardi, Gallerani, Quattrini und von mir beziehen. 

Bloch und Schaaf sagen (S. 184), daß die Fichtenspanreaktion die 
Teilnahme des Pyrrolkerns am Aufbau des Melanins nicht beweisen soll, 
und daß bei Positivität dieser Pyrrolreaktion der Pyrrolring gar nicht im 
Melanogen, auch nicht im fertigen Melanin selbst vorhanden zu sein braucht, 
denn er kann erst während der Probe infolge der Erhitzung entstehen. 
Nun wissen wir sehr gut, daß eine RingschließBung während einer starken 
Erhitzung unter reduzierenden Reaktionsbedingungen (z. B. Erhitzung mit 
Zinkstaub), d. h. unter Bedingungen, die einer Synthese günstig sind, statt- 
finden kann; in diesem Falle dürfte wohl dem Erscheinen einer Fichten- 
spanreaktion keine Bedeutung für den wirklichen Inhalt des erhitzten 
Stoffes an Pyrrolringen beigemessen werden. So hat Neuberg (Beitr. z. 
wissensch. Med. u. Chem., Festschrift für E. Salkowski. Berlin 1904) nach- 
gewiesen, daß die meisten Aminosäuren, allein oder besser mit Zinkstaub 
erhitzt, diese Pyrrolreaktion geben, eben weil der Pyrrolring aus offenen 
N- und C-Ketten durch Ringschließung entsteht. Es wurde aber durch 
Angeli und Pieroni (Atti R. Accad. d. Lincei 80, 241, 1921, 1. Sem.) wohl 
auseinandergesetzt, daß, wenn man die Erhitzung der zu prüfenden Sub- 
stanz unter oxydierenden Bedingungen, z. B. in Gegenwart von Kali, 
ausführt, eine positive Pyrrolreaktion nicht mit beliebigen N-haltigen 
organischen Stoffen zustande kommt, sondern nur mit Pyrrol- oder Indol- 
ring enthaltenden Stoffen: es wäre ja unverständlich, daß unter solchen 


150 P. Rondoni: 


Bedingungen (wie die Schmelze mit Kali), die einem Abbau günstig 
sind, eine synthetische Reaktion wie die Pyrrolbildung stattfinden könnte, 
In einer Arbeit, die Bloch und. Schaaf wahrscheinlich nicht kennen 
(denn sie zitieren nur eine vorangehende Arbeit aus Sperimentale 74, 1920), 
und die im Sperimentale 75, 1921, erschien, habe ich wohl meine Auf- 
merksamkeit darauf gelenkt und deutlich gesagt, daß nicht alle pyrogenen 
Reaktionen gleichzusetzen sind, daß man diejenigen, die mit einer Re- 
duktion einhergehen und der Synthese günstig sind, von denjenigen streng 
zu unterscheiden sind, die mit einer Oxydation einhergehen und eine Zer- 
setzung einleiten. Nur der positive Pyrrolbefund bei oxydierender Heiß- 
behandlung eines gegebenen Stoffes darf als gültig für die Annahme prä. 
formierter Pyrrolringe betrachtet werden. Die von uns untersuchten 
Melanine (z. B. das von mir in der zitierten Arbeit studierte Tintenfisch- 
melanin) und auch ein von Salkowski (Virehows Arch. 227, II, S. 121, 1920) 
studiertes, aus einer melanotischen Geschwulst stammendes Melanin gaben 
die Fichtenspanreaktion bei der Schmelze mit Kali: sie dürfen also als 
Pyrrol- oder Indolring enthaltende Stoffe betrachtet werden. Ich stimme 
mit Bloch und Schaaf überein, daß die Kenntnis der Bildung von dunklen 
Pigmenten aus farblosen Vorstufen ein sehr interessantes physikalisch- 
chemisches Problem darstellt; ich möchte aber der von den Verfassern 
gemachten Aufzählung (S. 187) der diesbezüglichen Untersuchungen die 
langjährigen und gründlichen Arbeiten von A. Angeli über Pyrrolschwarz 
zusetzen (die meisten wurden in den „Atti d. R. Accad. d. Lincei‘‘ ver- 
öffentlicht und sind den reinen Chemikern wohlbekannt). Die vorsichtige 
Oxydation des Pyrrols führt nämlich zur Bildung eines schwarzen Stoffes, 
der den Namen von künstlichem Melanin nicht weniger als andere Produkte 
aus Tyrosin oder aus Dopa verdient. Wenn man die Oxydation des Pyrrols 
mit Chromsäure unternimmt, hat der Vorgang eine große Ähnlichkeit 
mit dem Oxydationsvorgang des Anilins: Wie aus Anilin Anilinschwarz 
und dann Chinon entstehen,®o bekommt man aus Pyrrol erstens Pyrrol- 
schwarz und dann Maleinimid, d. h. einen Körper, der ebenfalls zwei CO- 
Gruppen im Ringe enthält. Nun sind diese schwarzen Kondensations- 
und Oxydationsprodukte des Pyrrols in ihrer elementaren Konstitution 
den natürlichen Melaninen sehr ähnlich, wie Angeli und seine Mitarbeiter 
stets betont haben; ihr Gehalt an N ist sogar viel konstanter als der- 
jenige der von Bloch und Schaaf aus Dopa hergestellten Pigmente. Auch 
die Eigenschaften des Pyrrolschwarz stehen den Eigenschaften der natür- 
lichen Melanine viel näher als diejenigen des aus Dopa hergestellten Körpers; 
so ist dieser nach Bloch und Schaaf (S. 190) schwer löslich in kaltem Wasser, 
etwas leichter in heißem, wenig löslich in Alkohol, gut löslich in Säuren; 
indem die schwarzen Pyrrolderivate von Angeli viel widerstandsfähiger 
allen Lösungsmitteln gegenüber sind und nur durch Alkalien gelöst werden 
können, stehen sie in großer und nicht zu vernachlässigender Analogie 
mit den natürlichen Melaninen. 


In meiner oben zitierten Arbeit habe ich auch die Bedeutung kolloidaler 
Momente für die Pyrroloxydation berührt: Es scheint, daß dieser Vorgang 
ebenso wie die Oxydation des 3, 4-Dioxyphenylalanins mit dem py-Wert 
und mit dem kolloidalen Zustande des Mediums in Zusammenhang steht. 
Wir sind aber eher zu der Annahme geneigt, daß besondere enzymatische 
Kräfte bei der raschen Schwarzbildung im Tierkörper am Werke sind. 
Wir haben nämlich gesehen, daß Haut-, Tintendrüse- (des Tintenfisches), 
Geschwulstextrakte Pyrrol in vitro zu schwärzen vermögen en, 


Beteiligung des Pyrrols am Aufbau des Melanins. 151 


Rondoni, Brancati), und daß die Injektion in vivo von Pyrrolverbindungen 
pigmentierte Flecken auf der Haut von Kaninchen (nicht aber von albi- 
notischen Kaninchen, wo vielleicht gewisse enzymatische Kräfte fehlen) 
und, wie D’Agata nachwies, in der Masse einer Geschwulst hervorruft. 
Die das beste Resultat gebenden Pyrrolderivate waren bis jetzt das Na-Salz 
der a-Pyrrolcarbonsäure (Rondoni, Qualirini), ein a, a-Dimethylpyrrol, 
ein Methylpyrrylketon (Califano). Wenn wir also einem Paralleliemus 
im Verhalten in vitro und in vivo eine Bedeutung beimessen sollen, dann 
dürfen wir als auffallend diese Befähigung des Pyrrols und einiger Pyrrol- 
derivate zur Schwarzbildung a) in vitro durch die Einwirkung gelinder, 
wohlbekannter Oxydationsmittel, b) in vitro durch gewisse Organextrakte, 
ol in vivo in verschiedenen Geweben der Tiere und des Menschen finden. 
Wer einmal das Wachstum von dunklen Haarbüscheln auf der Haut eines 
grauen Kaninchens nach subkutaner Impfung von Natronsalzen der 
a-Pyrrolcarbonsäure gesehen hat, wird niemals das Phänomen als neben- 
sächlich beurteilen, obwohl sicherlich mehrere Möglichkeiten diskutiert 
werden könnten und jeder Simplizismus der Erklärung vermieden werden 
sollte. 

Es sei auch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß beide, 
Pyrrolschwarz und natürliches Melanin, in der Kälte mit sehr verdünnter 
Permanganatlösung oxydiert, farblose Flüssigkeiten geben, die einen 
reichen Gehalt an Oxalsäure und Pyrrolcarbonsäuren aufweisen (Angeli); 
auch hier haben wir es mit einem typischen Zersetzungsvorgang zu tun, 
aus dem Pyrrolderivate hervorgehen, die in der experimentellen Pigmento- 
genese am besten Verwendung gefunden haben. 

Einen übrigens sehr schwierigen Punkt möchte ich nun am Ende 
hervorheben: Die Injektion von Pyrrol und von gewissen Pyrrolverbin- 
dungen ruft im Harn das Erscheinen all jener Reaktionen hervor, die 
wir bei an melanotischen Geschwülsten leidenden Patienten finden: 
Schwärzung durch gelinde Oxydation, Komplexbildung mit Diazoverbin- 
dungen (und daraus Niederschlagsbildung oder Farbumschläge), Thor- 
mählensche Reaktion. Dasselbe Verhalten des Harns beobachtet man, 
wenn man natürliche Melanine oder Pyrrolschwar.. injiziert. Etwas scheint 
also auf die Beteiligung von Pyrrolkörpern an der Entstehung der so- 
genannten Melanurie hinzudeuten. 

Wenn wir bedenken, daß die Farbstoffbildung aus Tyrosin, aus 
Adrenalin, aus Dioxyphenylalanin mit Organextrakten gar nicht regel- 
mäßig auftritt (so hat neulich Mawas gefunden, daß Extrakte aus einer 
melanotischen Geschwulst das Tyrosin nicht zu schwärzen vermoohten ; 
C.r.d.1. Soc. d. Biol. 88, 332, 1923), daß die Färbung der Haut und der 
Hasre am lebenden Tiere nur mit Pyrrolderivaten mit einer gewissen 
Regelmäßigkeit zu erzielen ist, so dürfen wir die Angeksche Pyrroltheorie 
der Melanogenese nicht beiseite lassen und ihr sogar die größte forschende 
Aufmerksamkeit widmen. 


Neues Verfahren zur Bestimmung des Bilirubingehaltes 
von Seren und Duodenalsäften. 


Von 


Eugen Enriques (Florenz) und Rudolf Sivo. 


(Aus der III. medizinischen Klinik der k. ungar. Päzmäny-Peter-Universität 
in Budapest.) 


(Eingegangen am 20. Dezember 1925.) 


Seitdem Hijmans van den Bergh die Aufmerksamkeit auf die 
große diagnostische Bedeutung der Serumbilirubinbestimmung lenkte, 
wurden zahlreiche Methoden zur möglichst genauen quantitativen Be- 
stimmung vorgeschlagen. Mit der eingehenden Besprechung der ver- 
schiedenen Verfahren wollen wir uns nicht befassen und nur die Grund- 
prinzipien hervorheben, auf welchen dieselben basieren. 

Die empfohlenen Methoden sind in fünf Gruppen zu fassen. 


l. Verfahren, durch welche mittels verschiedenartig erreichter Oxy- 
dierung Bilirubin in Biliverdin verwandelt wird. — Diese Methoden folgern 
aus der Intensität der charakteristischen Farbenreaktion bzw. des Vor- 
kommens in verschiedenen Verdünnungen auf das Quantum von Bili- 
rubin (Gilbert, Hammarsten, Herzjeld). 

2. Spektrophotometrische Verfahren (Hüfner). 

3. Die Methode Hammarstens, welche durch Extraktion und Kristalli- 
sierung mittels analytischer Messungen das Bilirubin ausweist. 

4. Verfahren, welche durch Vergleich der Originalfarbe des Serums 
bzw. des Plasmas mit Kaliumbichromat den Bilirubingehalt ergeben. 

5. Verfahren zur kolorimetrischen Bestimmung von Azobilirubin, 
entstanden durch Beigabe des Ehrlich-Pröscherschen Reagens (Hijmans 
van den Bergh, Haselhorst, Thannhauser und Andersen, de Martini). 

Von der Besprechung der ersten vier Gruppen wollen wir absehen, 
einerseits weil deren langwierige komplizierte Methodik für klinische Ver- 
wendung ungeeignet ist, andererseits weil durch dieselben entsprechende 
Genauigkeit und Spezifizität nicht erreichbar sind. 


Eine genauere Besprechung müssen wir jedoch dem van den Bergh- 
schen Diazoverfahren widmen, weil dasselbe und dessen verschiedene 
Modifikationen heute fast allein klinische Verwendung finden. Vor 
allem wollen wir auf die verschiedenen Fehlerquellen hinweisen und 
jene Modifikationen besprechen, welche zu deren Ausmerzung von 


E. Enriques u. R. Siv6: Bestimmung des Bilirubingehaltes usw. 153 


einigen Autoren vorgeschlagen wurden, sodann werden wir auf unser 
neues Verfahren übergehen, welches sowohl durch seine Einfachheit 
als auch durch befriedigende, die bisherige weit übersteigende Genauig- 
keit geeignet ist, den Bilirubingehalt der Seren und Duodenalsäfte 
zu bestimmen. 

Die Fehlerquellen und Schwierigkeiten des van den Berghschen 
Verfahrens sind folgende: z 

L Es begegnet Schwierigkeiten, eine mit der Vergleichslösung 
ganz gleich nuancierte Farbenreaktion zu erhalten. 

2. Das mit Alkohol präzipitierte Eiweiß absorbiert stets namhafte 
Bilirubinmengen, ganz gleich, ob das Serum direkte oder indirekte 
Reaktion ergibt. Das auf diese Weise der Bestimmung entfallende 
Bilirubingquantum ist nicht gleichmäßig, sondern in verschiedenen 
Seren in größtem Maße unbeständig. 

3. Laut Originalvorschrift muß das Serum etwa fünffach ver- 
dünnt werden, wodurch bei Seren von geringem Bilirubingehalt bis 
zur Unbestimmbarkeit schwache oder zweifelhafte, eventuell negative 
Reaktionen in Erscheinung treten. 

Diese Schwierigkeiten und Fehlerquellen beeinflussen derart die 
quantitative Bilirubinbestimmung, daß die Ergebnisse selbst die für 
klinische Zwecke erforderliche Genauigkeit nicht erreichen. 

Thannhauser und Andersen verwenden zwecks Ausschaltung der ver- 
schiedenen Farbennuancen der zu bestimmenden und zu vergleichenden 
Flüssigkeiten ein stark saures Medium. Bei dieser Methode jedoch muß 
die Vergleichsflüssigkeit so oft erneuert werden, daß deren klinische Ver- 
wendbarkeit zweifelhaft ist. 

Die Fehlerquelle, welche dadurch entsteht, daß mit dem durch 
Einwirkung des Alkohols präzipitierten Eiweiß auch Bilirubin ausfällt, 
soll dadurch behoben werden, daß das Serum — im Falle direkter 
Reaktion — vorerst im Übermaß mit Diazomischung vermengt wird, 
weil angeblich das vor der Eiweißpräzipitierung bereits entstandene 
Azobilirubin, welches im Gegensatz zu Bılirubin in Alkohol gut löslich 
ist, mit Eiweiß zusammen nicht mehr präzipitiert. Eine ähnliche 
Modifikation empfehlen Greppi und de Micheli auch bei solchen Seren, 
welche eine indirekte Diazoreaktion ergeben. Diese Autoren haben 
das Medium mit der Diazomischung so stark angesäuert, daß selbst bei 
Zugabe von Alkohol kein Präzipitat entstand. In diesen Fällen jedoch 
erschwert die Bestimmung einerseits der violette Farbenton und anderer- 
seits die leimartige Konsistenz der Flüssigkeit. 

Adler und Meyer behaupten, daß in der laut Vorschrift von van den Bergh 
und Thannhauser bereiteten Vergleichslösung ein Teil des Bilirubins bei 
Chloroformverdunstung verschwindet, deshalb verdünnen sie die konzen- 


trierte Chloroformbilirubinlösung mit so großen Alkoholmengen, in welchen 
auch das Chloroform löslich ist. 


154 E. Enriques u. R. Siv6: 


Zur Verringerung der Fehlerquelle, welche dadurch entsteht, daß 
mit dem Eiweißpräzipitat auch Bilirubin ausfällt, empfehlen Adler 
und Meyer vor der Bestimmung eine möglichst starke Verdünnung 
des Serums mit Wasser. 


Dieses Verfahren verhindert zwar nicht, verringert jedoch die 
durch Ausfall von Bilirubin verursachte Fehlerquelle, kann aber nur 
bei stark ikterischen Seren angewendet werden, weil, wie bereits oben 
erwähnt, schon die fünffache Verdünnung der Originalmethode die 
Bestimmung von geringen Bilirubinmengen unmöglich macht. Anderer- 
seits müßte bei stark ikterischen Seren, bei welchen hochgradige Ver- 
dünnung möglich, sogar notwendig ist, nebst den erhaltenen Resultaten 
auch der Grad der Verdünnung angegeben werden, weil sich ent- 
sprechend den verschiedenen Verdünnungen auch verschiedene Resultate 
ergeben, wie untenstehende Tabelle I erweist. 



























Tabelle I. 
Be g Alkobolbestimmung nn 
Nr. 1:1 | 1:2 1:4 Differenz 
| Verdünnung Verdünnung Verdünnung 
mg»-Proz. | mg»Proz. | mgeProz. Proz. 
a a ee a in 
l 043 4,96 Gun 31,2 
2 | 6,58 8,7 10,12 | 34,9 


Wie ersichtlich, stehen wir nicht unbedeutenden und vom prakti- 
schen Gesichtspunkt nicht gleichgültigen Abweichungen gegenüber, 
sondern stoßen auf so bedeutende Fehlerquellen, welche die Ermittlung 
selbst annähernd entsprechender Resultate unmöglich machen. Wir 
haben somit nachgewiesen, daß es weder mit dem Originalverfahren, 
noch mit dessen verschiedenen Modifikationen gelingt jene größte 
Fehlerquelle auszumerzen, welche dadurch entsteht, daß mit dem 
Eiweißpräzipitat eine namhafte Menge von Bilirubin ausfällt. Es 
schien daher notwendig, ein solches Mittel zu finden, welches ohne 
Eiweißpräzipitierung die Bestimmung der ganzen Bilirubinmenge 
ermöglicht, ohne Rücksicht darauf, ob sich eine direkte oder indirekte 
Reaktion ergab. 

Adler und Strauss haben als erste beobachtet, daß mittels Purinderivaten 
indirekte Reaktion ergebendes Bilirubin durch Umwandlung des kolloidalen 
Zustandes des Serumeiweißes in solches von direkter Reaktion verwandelt 
wird, ebenso wie es durch Alkohol geschieht. Lepehne hat, gestützt auf 
diese Tatsache, ein Verfahren zur Ermittlung der qualitativen Reaktion 
des Serumbilirubins ausgearbeitet. Enriques hat im Jahre 1923 empfohlen, 
daß zur quantitativen Bestimmung des Bilirubins ein Verfahren aus- 
gearbeitet werde, bei welchem statt Alkohol Coffein verwendet wird, was 
jedoch Lepehne nicht gelungen ist. 


Bestimmung des Bilirubingehaltes usw. 155 


H. 

Bei den mit Hilfe des Authenrsethschen Kolorimeters vor- 
genommenen Bestimmungen haben wir immer eine 20proz. wässerige 
Lösung von Coffeinum Natrium-Benzoicum verwendet. Vollkommen 
gleiche Resultate haben wir jedoch auch mit 20proz. Lösung von 
Coffeinum Natrium-Salicylicum erhalten. Das zitronensaure Salz von 
Coffein sowie Theobrominum Natrium-Salicylicum haben jedoch keine 
verwendbaren Farbennuancen ergeben. Bevor wir die Bestimmung 
des Bilirubingehalts der Seren in Angriff genommen haben, mußten 
wir mit Hilfe von künstlichen Bilirubinlösungen bekannter Kon- 
zentration eine Skala herstellen. Die Lösungen wurden mit dem von 
der Firma Hellige bezogenen, für Zwecke der Authenriethschen Kolorı- 
meter in Verkehr gebrachten Standardkeil verglichen. Die Bereitung 
dieser Lösungen geschah, indem wir 0,01 g Bilirubin in 100 ccm n/100 
NaOH auflösten und mit destilliertem Wasser weiter verdünnten. 
Die Fertigstellung der Skala muß mit größter Geschwindigkeit ge- 
schehen. Es genügt, drei Bestimmungen zu machen, was am besten mit 
Lösungen von 0,8, 1,2 und 1,6 mg-Proz. geschieht, es ist aber wichtig, daß 
der ganze Vorgang innerhalb 10 Minuten beendet ist. Die Verdünnung 
geschieht in einer Dunkelkammer, und nur nach Beigabe des Diazo- 
reagens soll das Resultat bei Tageslicht abgelesen werden. Die alkalische 
Bilirubinlösung unterliegt nämlich ziemlich rascher Verwandlung und 
zeigt eine bedeutend schwächere Farbenreaktion als die, welche der 
Bilirubinmenge entsprechen würde. Selbstverständlich wurde die Skala 
mit den gleichen Mengen von Bilirubinlösung, Coffein und Diazo- 
reagens fertiggestellt, wie zur Bestimmung von Seren und Duodenal- 
säften verwendet wurden: 0,50 ccm Bilirubinlösung + 0,50 ccm 20proz. 
Coffeinlösung + 0,20 ccm Diazomischung. Vollkommen gleiche Resultate 
erzielten wir, wenn die Lösungen in anderen Quantitäten, jedoch im 
selben Verhältnis verwendet wurden, z. B. 0,25ccm Bilirubinlösung 
+ 0,25 ccm 20 proz. Coffeinlösung + 0,10 ccm Diazomischung. Dasselbe 
bezieht sich selbstredend auch auf Seren und Duodenalsäfte. 

Die Richtigkeit unserer Skala und dementsprechend die Ver- 
trauenswürdigkeit unserer Resultate haben wir mit Hilfe der von der 
Firma Hellige gesandten Skala für Alkoholbestimmungen kontrolliert. 
Deshalb haben wir nach der van den Bergh-Thannhauserschen Vor- 
schrift Bilirubinlösungen in Chloroformalkohol unbekannter Kon- 
zentration hergestellt und dieselben gleichzeitig mit Hilfe sowohl von 
Alkohol als auch von Coffein bestimmt. Die erzielten Resultate zeigt 
Tabelle II. 

Wie ersichtlich, übersteigt die Divergenz der Resultate in keinem 
einzigen Falle 5Proz. und auch diese erscheint teils zugunsten der 
Alkohol-, teils zugunsten der Coffeinbestimmung. Diese Differenzen 


156 E. Enriques u. R. Siv6: 





Tabelle II 

Nr | Alkoholbestimmung Coffeinbestimmung Differenz 
a mg-Proz. mg-Proz. Proz. 
1 ` 0,87 | 0,89 | 22 
2 1,83 1,88 2,7 
3 2,75 2,89 4,8 
4 ` 2,88 2,76 — 4,2 
5 | 3,44 3,52 | 2,3 
6 | 5,38 5,18 | — 3,7 
7 | 5,92 | 6,00 | 1,3 
8 6,36 6,65 4,3 
9 11,92 12,20 2,3 
10 13,00 13,25 2,0 


sind übrigens so geringfügig, daß dieselben bei einer kolorimetrischen 
Bestimmung als natürlich zu betrachten sind. 

Die Vertrauenswürdigkeit unserer Skala ist somit erwiesen, wir 
können nunmehr auf unsere Bestimmungen in Seren und Duodenal- 
säften übergehen. 

Solche Sera, welche bereits makroskopisch ikterisch erscheinen, 
sowie Duodenalsäfte sind vor der Bestimmung mit destillieriem Wasser 
zu verdünnen, und zwar so lange, bis die Bilirubinkonzentration in 
den Rahmen der Skala fällt. Vom verdünnten Serum oder Duodenal- 
saft kommen 0,50 ccm unmittelbar in den Trog des Appaıats, dazu 
nehmen wir 0,50 ccm 20 proz. Coffeinum Natrium-Benzoicum und sodann 
0,20 ccm Diazoreagens. Die Farbenreaktion erreicht in einigen Sekunden 
ihr Maximum und gelangt zur Ablesung; das Medium ist vollkommen 
durchsichtig und die Farbennuance ist mit der der Vergleichslösung voll- 
kommen identisch. Manche Sera enthalten jedoch größere Mengen 
von Lutein, wenn diese gleichzeitig einen sehr niedrigen Bilirubin- 
spiegel haben, erscheint ein braunroter Farbenton, welcher die Be- 
stimmung erschwert. Diese kleine Schwierigkeit kann jedoch leicht 
beseitigt werden, wenn wir hinter den Vergleichskeil ein ebenso ver- 
dünntes Serum stellen, oder noch einfacher, wenn wir das weiße Milch- 
glas des Authenriethschen Kolorimeters durch ein lichtbraunes, grünlich 
nuanciertes Milchglas ersetzen. 

Nach Besprechuug unseres Verfahrens gehen wir auf die Mitteilung 
der Resultate über, welche wir bei Seren und Duodenalsäften erhalten 
haben, indem wir stets die mit Alkohol und die mit Coffein erzielten 
Ergebnisse miteinander vergleichen!). 





1) Die Alkoholbestimmungen haben wir laut Originalvorschrift der durch 
die Firma Hellige in Verkehr gebrachten Skala vorgenommen, und zwar 
zu 0,50 ccm Serum Leem Alkohol gegeben; nach Zentrifugierung haben 
wir lccm der verbleibenden Flüssigkeit in den Trog gebracht, sodann 
wurden l cem Alkohol und 0,30 ccm Diazolösung beigegeben. Das Ab- 
lesen erfolgte stets nach 3 Minuten. l 





Bestimmung des Bilirubingehaltes usw. 157 


1. Sera mit direkter Diazoreaktion. 











Tabelle III. 
Nr. i Diagnöse ie edea d onen: , Differenz Prompt oder 
| mgEroz. ` mgeProz. | Proz. e 
| Er er IT. Eure u rue GE z 
Tu 1. B.,iet.cat. ..... 60 10,95 | 452 | Prompt 
2 | L. K., cholelithiasis . . | 3,46 6,45 |! 463 ` S 
3|) P.M., cholangitis 
purulenta ...... | 49 8,97 45,3 5 
d'r J. B., adhaesiones | 
periduod. . ..... 5,0 7,8 35,9 a 
5 | F. P., ict.cat. . . . .. 3284 | A 265 i 
6 I.G., ict. cat. ..... 7,52 136 | 47 | $ 
7. M.M., myodeg. cordis . 3,06 5,04 393 | N 
8| A. V., myodeg. cordis . . 1.66 288 | 427 : Verzögert 
en E? Sec E cat. .... | 110 18,96 '` 425 Prompt 
| ‚ cho gitis 
n | a a Bun | 7,8 12,87 39,4 P 
J. e icter. cat. . . . . 10,12 14,7 31,2 K 
d I. Se , cirrhosis hep. | | 
a EE L Lë 2,24 43,3 | Verzögert 
D H. er ict. cat. .... © 649 10,52 37,3 | Prompt 
P.M., cholangitis l | | 
purulenta . . .... | 9,54 16,25  .41,3 F 
A J.R. ict.cat. ..... Aë | 403 43,7 i 
16, F. P., ict.cat. . . .... | 1185 | 21,75 | 4504 8 
17 ı L.A., ict. toxica | 9,66 16,64 | 419 | N 
18° L. Sz, iet.eat. . . . . . | T% 134° 418 ` 
19" R.P., cholelithiasis . . 11,73 18,8 37,6 $ 
om H.Sch., ict. eat... | 82 143 26 | , 


Im Falle direkter Bilirubinämie haben die mit Coffein erzielten Re- 
sultate die mit Alkohol erzielten Ergebnisse stets mit 35 bis 45 Proz. über- 
stiegen, nur im Falle Nr. 5, wo hochgradige Gelbsucht vorhanden war, 
verringerte sich die Differenz auf 26 Proz. Diesen Umstand erklärt jedoch 
in befriedigender Weise der außergewöhnlich hohe Bilirubinspiegel, welcher 
eine 12fache Verdünnung ermöglichte und so die Fehlerquelle der Alkohol- 
bestimmung wesentlich verringerte. Um die bei der Alkoholbestimmung 
ausfallende Bilirubinmenge zu ermitteln, haben wir das Alkoholpräzipitat 
des Serums zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Hierzu haben 
wir l cem Coffeinum Natrium-Benzoicum und 0,20 ccm Diazolösung bei- 
gegeben und in jedem Falle eine außerordentlich lebhafte rote Farben- 
reaktion erhalten, wodurch die bedeutende Menge des durch Eiweißpräzi- 
pitation ausfallenden Bilirubins erwiesen ist. 


2. Sera indirekter Reaktion mit erhöhtem Bilirubingehali (s. Tabelle IV). 


Wie ersichtlich, sind die mit Coffein erhaltenen Resultate auch in diesen 
Fällen um 15 bis 25 Proz. höher als bei Alkoholbestimmung. Die bei letzterem 
Verfahren erhaltenen Niederschläge haben wir auch immer auf deren Bili- 
rubingehalt hin untersucht und jedesmal das Entstehen ausgeprochen 
rosafarbener Reaktion beobachtet, wohl war diese Reaktion nicht so lebhaft 
als in Fällen direkter Reaktion. Auf Grund dieser Erfahrung ist es uns 


158 E. Enriques u. R. Sivó: 

















Tabelle IV. 
Alkohol» Coftein» i 
Nr. Diagnose Keeseren Kasgeeueg | Differenz 

i E mg-+Proz. mg-Proz. | Proz. O 
1 K.F., myodeg. cordis.. 307 au ae 
2 ` KE Oe, malaria. . ... . > 312 ; 40 | 22,2 
3 L.H. myodeg. cordis. . © 302 | 4.08 25,9 
4 A. R., ce. ventric. ... , 188 | 2,5 248 
5 E.L., diabetes mellitus . 65 | 21 214 
6 F. D. , cholecystitis ‚37 2,3 | 
7 l 
8 
9 
0 


ba 


unverständlich, wie van den Bergh, Thannhauser und Andersen der Ansicht 
sein können, daß Bilirubin indirekter Reaktion in dem durch Alkohol 
verursachten Eiweißniederschlag nur in belanglosen Spuren auffindbar 
ist. Es ist nicht zu bestreiten, daß der Eiweißniederschlag von Seren 
direkter Diazoreaktion eine lebhaftere Farbenreaktion ergibt als Sera 
indirekter Reaktion, jedoch ist es uns auch in letzteren Fällen stets ge- 
lungen, im Niederschlag das Bilirubin nachzuweisen. 

Einen glänzenden Beweis der Richtigkeit vorstehender Behauptung 
gibt der Fall Nr. 7 in der Tabelle der direkten und Fall Nr. 1 in der Tabelle 
der indirekten Reaktionen. In beiden Fällen ergaben sich bei Coffein- 
bestimmung Resultate von etwa 5 mg-Proz. Mittels Alkoholbestimmung 
konnten wir im Serum direkter Reaktion 3,06 mg-Proz. (— 39,3 Proz.), 
im Serum indirekter Reaktion 3,97 mg-Proz. (— 20,6 Proz.) Bilirubin nach- 
weisen. Die Untersuchung der Niederschläge erklärt die verschiedenen 
Resultate der Alkoholbestimmung, welche in beiden Seren beiläufig gleichen 
Bilirubingehaltes gewonnen wurden. Die Aufarbeitung dieser Seren ergibt 
nämlich im Präzipitat des Serums direkter Reaktion lebhaft rote, in jenem 
indirekter Reaktion nur rosafarbene Farbennuance. 


3. Normalsera. 


Wir haben 50 solche Fälle zum Gegenstand der Bestimmung gemacht. 
bei welchen die klinische Untersuchung auf vollkommen gesunde Leber 
schließen ließ. Von diesen veröffentlichen wir aus technischen Gründen 
nur 20 (s. Tabelle V). 

Die Werte variieren zwischen 0,8 und 2 mg-Proz. Die Alkohol- und 
Coffeinbestimmung zeigt eine Divergenz von 15 bis 25 Proz. Hervor- 
zuheben ist, daß bei vielen Seren, deren Bilirubingehalt mittels Alkohol 
unbestimmbar, in manchen Fällen sogar negativer Reaktion war, mit 
Hilfe des Coffeins immer sichere und gut bestimmbare Resultate erreicht 
wurden. Wir haben auch jene Krankheiten zum Gegenstand der Unter- 
suchung ‘gewählt, bei welchen einzelne Autoren (Hetényi) Verringerung 
des Serumbilirubinspiegels, andere sogar (Conti und Galassi) negative 
Reaktion ermittelt haben. Bei Fällen. von schwerer Tubörkulose, Nephritis 
‘und kachektischer Zustände haben wir tatsächlich oft geringe Werte er- 
halten, die Bilirubinmenge war jedoch selbst in Fällen negativer Alkohol- 
bestimmung mit Coffein immer mit Sicherheit bestimmbar. 


Bestimmung des Bilirubingehaltes use, 159 























Tabelle V 
| | Alkohol» | Coffein» 
| Nr Name | bestimmung | bestimmung Differenz 
| ` mg-Proz |  mg-Proz. Proz. 
| | 
l M.G. 0,92 | 1,15 | 20,0 
2 P. V. 1,07 | 1,45 26,2 
3 | P.K. 0,93 1,17 20,5 
4 | J.L. 1,15 | 1,50 23,3 
5 | M.K. | 1,53 | 1,85 17,3 
6 | L.P. [i 1,03 1,20 14,2 
7| J. Sch. | 1,19 | 1,60 25,0 
8 | R.S. |! 1,23 | 1,50 18,0 
9 G.M. | 1,56 1,85 15,6 
10 | J.8. | 1839 1,74 20,1 
1 L.K. 1,57 1,92 18,2 
12 © Dë 1,43 1/76 18,3 
13 LS , 1,41 1,75 19,5 
4 | A.S. | 1,31 1,69 22,5 
15 | K.B. | 131 1.68 22,0 
16 ` M. COs. | 1,38 1,68 17,9 
17 | B.S. : 1,42 1,85 23,2 
18 A.K. 1,47 1,88 21,8 
19 F. Sz. | 1,43 1,73 17,3 
2 ` J.H. | 1,63 1,03 15,6 
4. Duodenalsäfte. 
Tabelle VI. 
Alkohols a [Alkohol | Cotteine | ewen 
Nr. Diagnose bestimmung Differenz 
mg Pror. ee 
TEE, ee Ze EE E EE DE ag et EE E e Sa: Se 
1 | Sch. R., ict. cat. . 2 22... 4,92 5,45 "1 an o7 
2 | L.H., ict. cat. EN | 22,17 43 | 88 
| 3 "AM. cholangitis urulenta . | 47,65 50,84 6,3 
4 AE A. ict. toxica B le . | 93,31 95,04 2,2 
5 ` L-A., ict. toxica Lebergalle. . | 11,33 12,0 Dr 
6 'M.A,iet.oat.. 2.22... .. lo 37,14 37,62 1,3 


Bei Untersuchungen von Duodenalsäften hat unser Verfahren und die 
Alkoholbestimmung einander nahestehende Resultate ergeben, was auch 
natürlich ist, weil in der Mehrzahl der Fälle die Beigabe von Alkohol keinen 
Niederschlag erzeugt und demnach vom Standpunkt der Untersuchung 
diese ebenso wie künstliche Bilirubinlösungen zu betrachten sind. 





Zusammenfassung. 
Unser Verfahren bietet mehr als die allgemein gebräuchliche 
Alkoholbestimmung von Bilirubin: 


L Weil wir durch dasselbe den ganzen und faktischen Bilirubin- 
gehalt bestimmen, indem die Eiweißpräzipitation und der bei derselben 


160 E. Enriques u. R. Siv6: Bestimmung des Bilirubingehaltes usw. 


unvermeidliche Bilirubinverlust vermieden wird. Die Basis des Ver- 
fahrens ist die Veränderung des kolloidalen Zustandes des Serum- 
eiweißes. 


2. Weil zur Bestimmung 0,25ccm Serum genügt, welches durch 
einen Stich in den Finger mit der Frankeschen Lanzette gewonnen 
wird; das aussickernde Blut wird in einer U-Kapillarröhre aufgefangen, 
wodurch Venenpunktion zu vermeiden ist. Dieses Verfahren bietet 
demnach auch die Möglichkeit von Serienbestimmungen. 


3. Weil dasselbe nebst Genauigkeit, durch Ausschaltung der 
Zentrifugierung eine einfachere und raschere Bestimmung ermöglicht. 


Literatur. 


Adler, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 2 und 39. — Adler und Meyer, 
ebendaselbst 1922, Nr. 50. — Adler und Strauss, ebendaselbst 1923, Nr. 20. — 
De Martini, Riforma Medica 1922, Nr. 13 und 48. — De Micheli und Greppi, 
Arch. di Pat. e Clin. Med. 1923, Nr. 1. — Enriques, Rivista Crit. di Clin. 
Med. 1924, Nr. 23 und 24. — Ernst und Förster, Klin. Wochenschr 1922, 
Nr. 1. — Herzfeld, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 189. — Haselhorst, Münch. 
med. Wochenschr. 1921, Nr.6. — Hetenyi, Zeitschr. f. klin. Med. 9. — 
Hijmans van den Bergh, Der Gallenfarbstoff im Blute. Leipzig 1918. — 
Lepehne, Deutsch. med. Wochenschr. 1923, Nr. 20. — Meulengracht, Deutsch. 
Arch. f. klin. Med. 187. — Thannhauser und Andersen, ebendaselbst 187. 





Eine einfache Methode 
zur raschen und verläßlichen Bestimmung des Stickstoffs ` 
im Harne und Blute. 


Von 
Richard Foit. 


(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Karls-Universität in Prag.) 
(Eingegangen am 21. Dezember 1925.) 


Mit 2 Abbildungen im Text. 


Zurzeit werden die Stickstoffbestimmungen zumeist mittels der 
Kjeldahlschen Methode durchgeführt, jedoch beansprucht dieselbe bei 
genauer Durchführung ziemlich viel Zeit, und viele Kliniker sind darum 
genötigt, auf zahlreichere Stickstoffbestimmungen zu verzichten oder 
sich mit verschiedenen Modifikationen des Knopp-Hüfnerschen Ver- 
fahrens zu begnügen, deren Resultate aber keinen besonderen Anspruch 
auf Genauigkeit erheben können. 

Darum war ich bestrebt, den Biochemikern und besonders den 
Klinikern eine einfache und gar nicht zeitraubende Methode zur Ver- 
fügung zu stellen, welche auch bei kleinen Mengen von Stickstoff 
(0,2 bis 10,0 mg) gute Resultate liefert und bei verschiedensten bioche- 
mischen Stickstoffbestimmungen Anwendung finden kann. 


Prinzip der Mothode. 


Die Durchführung besteht aus zwei Etappen: 
Die erste ist die energische Oxydation der untersuchten Substanz, 
und die Überführung des Stickstoffs in die Form eines Ammonsalzes. 


Zweite Etappe: Einwirkung von Bromlauge auf das entstandene 
Ammoniumsulfat und volumetrische Bestimmung des Stickstoffs. 
Biochemische Zeitschrift Band 169. II 


162 R. Foit: 


Die erste Etappe würde im Prinzip nichts Neues bedeuten, aber 
ihre Durchführung geschieht auf einer neuen Grundlage. 


Ich verwende: 
a) nur eine kleine Menge von Schwefelsäure, 
b) keinen Katalysator, 


c) hochprozeniiges Wasserstoffsuperoxyd zur Verstärkung der Oxy- 
dation und füge dasselbe nur dann zu, wenn die Zerstörung schon weit 
fortgeschritten und fast der gesamte Kohlenstoff ausgeschieden ist. 


d) Das Verbrennungskölbchen wird über einer kleinen, freien 
Flamme erhitzt und wird mittels eires U-förmig mehrmals zusammen- 
gelegten Papierstreifens oder mittels eines Eprouvettenhalters in der 
Hand gehalten. Das Kölbchen hat einen Inhalt von 50 ccm, ist aus 
Jenaer Glas verfertigt und hat eine dem Kjeldahlkolben ähnliche Form. 
(Der Unterschied ist nur klein und es kann eventuell auch ein gewöhn- 
licher Kjeldahlkolben von 50 ccm Inhalt verwendet werden.) 


Bemerkungen: 


Zu a. 15 bis 20 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure genügen bei 
einem Stickstoffgehalt von höchstens 0,01g vollkommen zum Kjeldahli- 
sieren der untersuchten Substanz und zum Binden des entstandenen 
Ammoniaks. 


Zu b. Die Katalysatoren beschleunigen zwar die Oxydation, 
binden aber oft — und zwar genug fest — das Ammoniak, und viele 
Autoren verzeichnen gelegentlich verhältnismäßig hohe Stickstoff- 
verluste (5 bis 6 Proz.), welche sie der Verwendung von Katalysatoren 
zuschreiben (Fleury, Levaltier u.a.). Bei dieser Methode entfallen die 
Katalysatoren schon auch darum, weil die Kjeldahlisation auch ohne 
dieselben eine vollkommene ist ; sogar auch bei chemischen Verbindungen, 
deren Verbrennung durch die Kjeldahlmethode überhaupt nicht oder nur 
schwer möglich ist. Z.B. ac. phenyleinchoninicum, Tryptophan 
(Neuberg, Popowski). 

Zu c. Unter allen Oxydationsmitteln bewährte sich am besten 
das 30proz. Wasserstoffsuperoxyd wegen seiner mächtigen Oxydations- 
kraft und deshalb auch, weil es keine den Verlauf der Reaktion störende 
Wirkungen ausübt. Es hat auch den Vorteil, daß man es bei schwer 
verbrennlichen Substanzen auch mehrmals nacheinander hinzufügen 
kann. 

Zu d. Ein Verbrennungskölbchen von 50 ccm erwies sich als das 
vorteilhafteste nach zahlreichen Versuchen. Das Erhitzen über einer 
kleinen freien Flamme hatte niemals die von vielen Forschern be- 
fürchteten Stickstoffverluste zur Folge. 





Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs. 163 


Die zweite Etappe (volumometrische Bestimmung des Stick- 
stoffs mittels Bromlauge) wird in einem besonderen Apparat!) 
(siehe Abb. 1) durchgeführt?2). Kalibriert ist das Rohr folgender- 
maßen: Über dem Hahn mit Teilstrichen zu 0,1 eem bis auf 
6,0ccm; unter dem Hahn genau so bis auf IO ccm; der verengte 
Teil unter dem Hahn ist geteilt zu 0,02 ccm, so daß Unterschiede 
von 0,01 ccm (etwa 0,01 mg) deutlich abgelesen werden können. 


Der Apparat wird an einem Stativ befestigt; am 
besten in einer Federklemme, damit er mit einem Griff 
frei gemacht oder befestigt werden kann. 


In den unteren Teil des Rohres läßt man von oben 
die kjeldahlisierte Flüssigkeit und nachher noch zweimal je 
5ccm Bromlauge hinzufließen. Nach einer Weile schüttelt 
man das ganze gut durch, um auch die letzten Reste des 
gasförmigen Stickstoffs frei zumachen. Dann überschichtet 
man von obenher das Gemisch mit destilliertem Wasser 
von einer uns bekannten Temperatur. Dann hält man 
die untere Öffnung des Apparats zu und öffnet den Hahn. 
Über diesem sollen sich dabei 2 bis 3 Tropfen Wasser be- 
finden. Dadurch bekommen wir den gasförmigen Stickstoff 
unter den äußeren (barometrischen) Druck. Die Temperatur 
des Gases entspricht der Temperatur des beigefügten 
destillierten Wassers, der Wasserdampfdruck wird gemäß 
der Temperatur festgestellt, und den barometrischen 
Druck liest man am Quecksilberbarometer ab. Nun sind 
sämtliche Daten vorhanden, um nach folgender Formel 





v P — Pu > 
= 0,0012 ma EE ee SÉ ht d 
g 505 1 4 0,0367.t 760 as Gewic es 
abgemessenen Gases berechnen zu können. Abb. 1. 


Bei dieser volumetrischen Bestimmung ist ein be- (Schematisch.) 
sonderes Gewicht auf folgende drei Umstände zu legen: 

1. Das Durchschütteln des Apparate nach Zusatz der Bromlauge 
ist wichtig, um die Gesamtmenge des Stickstoffs zu erhalten. Darum 
wurde bei der Konstruktion des Azotometers die notwendige Mobilität 
so sehr berücksichtigt. 

2. Der zweite wichtige Umstand ist das Sammeln des Stickstoffs 
über Wasser. Dadurch werden zwei Nachteile behoben. Zunächst würde 
der Dampfdruck über dem Laugengemisch nicht zu errechnen sein, da 


1) Erzeuger Alois Kreidl, Prag. 

2) Andere ähnliche Apparate (Knopp-Hüfner, Kowarski) ergeben fehler- 
hatte Resultate und werden darum für genaue Arbeiten mit Recht nicht 
verwendet. 


II 


164 R. Foit: 


er wegen der wechselnden Konzentration nicht immer proportional 
zur Temperatur wäre. Weiter bringen wir die Temperatur des Gases 
durch das Wasser sofort auf einen uns bekannten Grad; sonst 
müßten wir lange warten, bis der durch die Lauge erwärmte Apparat 
seine Wärme mit der der Umgebung ausgleicht. 


3. Feigl und Weise) berichten, daß bei Einwirkung von Bromlauge 
auf organische Substanzen ein Teil des Stickstoffs mit Kohlenstoff 
Cyanverbindungen bildet und uns hierdurch bei der Volumenmessung 
entgeht. Dieser bemerkenswerte Fehler ist bei dieser Methode auch 
ausgeschaltet, da in den Apparat nur eine vom Kohlenstoff vollständig 
befreite Substanz eingeführt wird und somit die Bildung von Cyan- 
verbindungen ausgeschlossen ist. 


Durchführung der Stickstoffbestimmung. 


Benötigte Reagenzien: 
1. Reinste konzentrierte Schwefelsäure in Tropfflasche. 


2. 30proz. Wasserstoffsuperoxyd (,Perhydrol‘‘ Merck), auch in Tropf- 
flasche. 


3. Eine gesättigte Lösung von chemisch reinem NaCl?). 


4. Bromlauge, d. h. ungefähr 20 Tropfen (l cem) Brom auf 10 ccm 
40proz. chemisch reiner Natronlauge (Merck). 


Von der zu untersuchenden Substanz nimmt 

man womöglich so viel, daß sie 1,0 bis 10,0 mg 

Stickstoff enthalte. Die Substanz (z. B. % ccm 

x Harn) wird in das Verbrennungskölbchen ein- 
geführt und 15 Tropfen Schwefelsäure zugesetzt; 
um den Hals des Kolbens legt man einen mehr- 
mals zusammengelegten Papierstreifen (Abb. 2), 
hält damit den Kolben und erhitzt über einer 
kleinen Flamme unter dem Abzug, bis sämtliches 
Wasser verjagt ist. Dabei bewegt man den 
Kolben so, daß der Inhalt in ständiger Bewegung 
sei und die Seitenwände bespült. Dadurch ver- 
hütet man ein eventuell zu starkes Schäumen 
oder ein „Anbrennpen‘“. Bis der Inhalt schon 
genügend eingedickt ist, beginnt er zu dunkeln durch den ausgeschiede- 
nen Kohlenstoff. Kurz darauf bleibt im Kolben eine Flüssigkeit, 
welche größtenteils nur mehr aus Schwefelsäure besteht, deren Dämpfe 


Abb. 2. 


1) Abderhaldens Handb. d. biol. Arbeitsmeth. Abt. IV, Teil 4, 5. 740. 

2) Eine geeignete Kochsalzlösung können wir uns auch aus gewöhn- 
lichem reinen Kochsalz derart bereiten, daß wir zu der mit diesem Kochsalz 
im Kochen gesättigten Lösung 50 ccm 40proz. Natronlauge pro Liter bei- 
fügen und weitere 10 Minuten kochen. Dann lassen wir die Lösung 3 bis 
4 Stunden stehen und gießen die klare Schicht in eine besondere Flasche 
ab. Eine Filtration wäre schwer durchführbar. 


Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs. 165 


sich auf den Kolbenwänden niederschlagen und an diesen als Schwefel- 
säure ruhig herunterfließen. Man erwärmt so noch eine halbe Minute 
und läßt dann den Kolben eine viertel Minute auskühlen. Nun läßt man 
vorsichtig 2 bis 3 Tropfen H,O, in das Kölbchen laufen, worauf der Inhalt 
seine Farbe verliert. Falls dies nicht genügen sollte, setzt man noch 2 bis 
3 Tropfen zu. Dann erwärmt man das Kölbchen wieder über der Flamme, 
verjagt dadurch das Wasser und erhitzt 1 bis 2 Minuten so weit, bis die 
Kondensation der Schwefelsäuredämpfe wieder sichtbar wird. (Im Falle, 
daß auch jetzt noch der Inhalt braun oder trübe sein sollte, muß man die 
Oxydation mit dem H,O, wiederholen. Diese Notwendigkeit tritt jedoch 
bei biologischem und klinischem Untersuchungsmaterial selten ein.) 


Dann läßt man das Kölbchen 1 bis 2 Minuten auskühlen. 


Während dieser Zeit macht man das Azotometer bereit, indem man 
in den unteren Teil bis zum Hahn die konzentrierte Kochsalzlösung einsaugt. 
Dies geschieht so, daß man das untere Ende des Azotometers in die Koch- 
salzlösung eintaucht, den Hahn öffnet, die obere Öffnung des Rohres mit 
dem Daumen verschließt, und an dem kleinen abgezweigten Röhrchen 
saugt man dann die Kochsalzlösung bis zum Hahn herauf. Dann schließt 
man den Hahn und schüttet die über ihn gelangte Flüssigkeit weg und 
spült den oberen Teil der Röhre mit Wasser aus. Dann füllt man in den 
oberen Teil ungefähr 3 ccm destilliertes Wasser und läßt dasselbe durch 
einfaches Öffnen des Hahnes in den unteren Teil vorsichtig hineinlaufen. 


Nun setzt man zu dem inzwischen etwas abgekühlten Kölbchen- 
inhalt vorsichtig 3 bis 4ccm destilliertes Wasser hinzu und läßt dieses 
zum größten Teil verdampfen. Dies ist notwendig, um die letzten Spuren 
des Wasserstoffsuperoxyds zu beseitigen. 


Der Inhalt des Kölbchens wird nun vorsichtig mit destilliertem Wasser 
auf etwa 3ccm verdünnt!), sodann in den oberen Teil des Azotometers 
übergossen und in langsamem Strome in den unteren Teil überführt. Dann 
gibt man 2 bis 3 ccm destilliertes Wasser in den Kolben, spült ihn damit 
gut durch, gießt es wieder in den oberen Teil des Apparates und läßt dieses 
Spülwasser auch in den unteren Teil hineinfließen. Dieses Durchspülen 
des Kölbchens wiederholt man auf diese Weise noch zweimal (eventuell 
dreimal). Auf diese Weise wird die ganze untersuchte Substanz quantitativ 
in den Apparat überführt. Dabei können immer 1 bis 2 Tropfen Flüssigkeit 
über dem Hahn bleiben, ohne das Resultat zu beeinträchtigen. 


Nun bringt man in den oberen Teil des Azotometers 5 bis 6 ccm Brom- 
lauge und läßt davon Beem in den unteren Teil fließen, darauf füllt man 
den oberen Teil wieder mit Bromlauge auf etwa 5 ccm, welche man dann 
in etwas rascherem Strome hineinfließen läßt. Nun läßt man den Apparat 
l bis 2 Minuten stehen, bis die Gasbläschen zum größten Teil das Flüssig- 
keitsniveau erreicht haben. Dann wird der Apparat aus der Klemme ge- 
nommen, und indem er noch vertikal gehalten wird, verstopft man die 
untere Öffnung mit dem Daumen; dann neigt man den Apparat fast in 
die Horizontale und schüttelt ihn in der Längsrichtung 10 Sekunden 
tüchtig durch, um so sämtlichen Stickstoff zu sammeln. Dabei muß aber 
die Schlinge nach unten gerichtet sein, damit in dieselbe weder Stickstoff 


= e nn Kn e 


1) Es ist empfehlenswert — nach erfolgter Verdünnung — das Kölbchen 
unter der Wasserleitung kurz abzukühlen. 


166 R. Foit: 


noch Luft gelangen kann. Dann stellt man den Apparat vertikal auf die 
Dauer von etwa Y, Minute und läßt erst jetzt die untere Öffnung frei. 
Falls sich im Apparat weniger als 1 ccm Gas befindet, müssen wir ein- 
bis zweimal das Schütteln wiederholen. Eventuell an der Röhrenwand 
haftende Bläschen entfernt man so, daß man den Apparat bei zugehaltener 
unterer Öffnung in die Horizontale neigt und die große Gasblase entlang 
der Röhrenwand gleiten läßt; dadurch werden sämtliche kleine Bläschen 
mitgenommen. Bei allen diesen Handgriffen muß verhütet werden, daß 
Luft in den Apparat eindringe oder Stickstoff entweiche. Dies wird leicht 
gelingen, wenn man darauf achtet, die Schlinge in der Horizontallage immer 
nach unten gerichtet zu halten. 


Nun gibt man den Apparat wieder in die Klemme und füllt in den 
oberen Teil 3 bis 4 cem destilliertes Wasser, welches man langsam — bis 
auf einen kleinen Rest — in den unteren Teil fließen läßt, um so die Lauge 
mit destilliertem Wasser zu überschichten; auf diese Weise bekommt man 
den Stickstoff über Wasser. Da er aber unter dem negativen Drucke der 
unter ihm befindlichen Flüssigkeitssäule ist, muß diese Druckdifferenz 
ausgeglichen werden. Dies geschieht so, daß man die untere Öffnung zuhält 
und den Hahn aufmacht. Dadurch verkleinert sich das Volumen des 
Stickstoffs, welche Verkleinerung sich dadurch kenntlich macht, daß etwa 
0,1 eem Wasser aus dem oberen in den unteren Teil tritt. Nun klopft man 
zwei- bis dreimal mit dem Finger auf den Apparat, um den Wassertropfen, 
welcher sich manchmal unter dem Hahn festhält, herunterzuschütteln, 
und nun liest man den unteren Meniskus ab. Die Zahl der abgelesenen 
Kubikzentimeter rechnet man um in Milligramme mit Hilfe der schon 
angeführten Formel, oder so, daß man die Anzahl der Kubikzentimeter 
mit der in der unten beigefügten Tabelle gefundenen Zahl multipliziert. 
So erhält man die Menge des in der untersuchten Substanz enthaltenen 


Stickstoffs in Milligrammen. 


Vom Urin nimmt man !/,ccm zur Untersuchung. Die ganze Be- 
stimmung dauert 15 bis 20 Minuten. 


Zur Bestimmung des Reststickstoffs im Blute und Punktaten empfehle 
ich eine Enteiweißung mit 5 proz. Trichloressigsäure bei Zusatz von Kaolin?). 
Zur gewöhnlichen Reststickstoffbestimmung im Blute ist die dem Apparat 
beigelegte graduierte Versuchsröhre gut geeignet. Man bringt in die Ver- 
suchsröhre ungefähr 4 ccm Blut oder Serum, füllt mit 5proz. Trichloressig- 
säure bis 20 ccm auf, gibt etwa 1l g Kaolin dazu, schüttelt gut durch und 
überträgt den Inhalt auf ein Filter. Die ersten 5 bis 6 Tropfen läßt man in 
eine separate Eprouvette fallen und schüttet dieselben dann wieder auf 
das Filter zurück. Von dem Filtrat — welches ganz klar sein muß — nimmt 
man 10 ccm mit einer Pipette und überträgt diese in das Verbrennungs- 
kölbcehen, und die Stiokstoffbestimmung wird nun durchgeführt, wie sie 
oben beschrieben wurde. Das Resultat multipliziert mit 2, ergibt jene 
Menge Stickstoff, welche in dem zur Untersuchung in die graduierte Versuchs- 
röhre genommenen Blute (Serum, Punktat) enthalten ist. Die Verbrennung 
und Azotometrie solcher Filtrate dauert 5 bis 10 Minuten länger als beim 
Harne (also 25 bis 30 Minuten). Für die Genauigkeit der Reststickstoff- 
bestimmung ist die Art der Enteiweißung sehr wichtig, da die Reststickstoff- 
zahl davon sehr abhängt. 


1) Ohne Kaolinzusatz erhalten wir höhere Endresultate. 





Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs. 167 


Da diese Methode gerade auch bei kleineren Stickstoffmengen genauere 
Werte liefert als das Mikrokjeldahlverfahren, wurde dieselbe von einigen 
in der Biochemie und der Pharmakochemie arbeitenden Kollegen anstatt 
des Mikrokjeldahls bereits eingeführt. 


Die in der Klinik erforderliche Genauigkeit wird bei dieser Methode 
fünf- bis zehnfach übertroffen. 


Sie ist auch für die rasche und verhältnismäßig sehr genaue Bestimmung 
des Eiweißes geeignet. 


In den Tabellen I und II sind die Ergebnisse bei einigen Präparaten 
und bei physiologischem Material angegeben. 


Tabelle I. 





Stickstoff 


Die untersuchte Substanz berechnet ' gefunden 
o Le mg | Pe 














Harnstoff `... 8,32 8,34 | 0,24 
CCS 3,16 316 | 000 
REN 1.14 112 ! 1% 
ee a ee 0.441 0,435 | 1,36 
EN 0,264 0.271 | 2.65 

Asparaginsäure . . 2 22.2... 5.26 5.29 | 0,57 

Hordeninsulfat `... 4,90 4,88 f 0,40 

Cholinchlorhydrat . . |... 0.225 0.227 0,88 

Phenyleinchoninsäure . . . . . . |! 6,72 6,53 | 2,82 

Tabelle II. 
5 e des zur Unte a n | Differenz 
| ü an i Ge le 3 8 Feen, der 
i ntersucht | ng 
Matena auf eigene Methode re So | Benin 
ccm ccm "P, Pros. 
| j 
Urin...... Gesamt- wl 5 . 16) 04 
EE Eiweiß ck 39—50 11. 09 
Rinderblut . . . | Gesamt-N N 0,5 5 6 0,6 
| Rest-N | o 4 40 28 | 12 

Rinderplasma . Bu 2—4 40 3; 22 

Hundeblut . . . Rest-N 2—4 10 , 8 2,3 

Pleuritusexsudat | Eiweiß l 20 l 2. 1,1 

i Rest-N | 4 0 , 4] 17 


In der letzten Zeit erschien die Arbeit von A. Kultjugin und E. Gu- 
bareff!), die ebenfalls die Veraschung unter Zusatz von Perhydrol emp- 
feblen, jedoch den Stickstoff nicht volumetrisch, sondern kolorimetrisch 
mit Nesslers Reagens bestimmen, wobei der mittlere Fehler bei sehr leicht 
verbrennbaren Substanzen (Harnstoff, Alanin, Asparagin) mit + 4,3 Proz. 
angegeben wird. 


1) A. Kultjugin und E. Gubareff, diese Zeitschr. 164, 437, 1926. 





168 R. Foit: Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs. 








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160°1 
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860 1 
OUT 








| 1 
| 

















Die Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton durch Bakterien. 
Von 
Artturi I. Virtanen und Brita Bärlund. 


(Aus dem Laboratorium der Butterexportgesellschaft Valio m. b. H., 
Helsinki, Finnland.) 


(Eingegangen am 21. Dezember 1925.) 
Mit 4 Abbildungen im Text. 


Nach @. Bertrand!) kommt einer von ihm aus Vogelbeere (Sorbus 
aucuparia) isolierten Bakterie die Fähigkeit zu, Sorbit zu Sorbose zu 
oxydieren. Außer Sorbit werden auch andere Alkohole, welche die 


HH 
Gruppe CH,0OH—C—C- enthalten, zu entsprechenden, zweiWasserstoff- 
OHOH H OH 
atome ärmeren Zuckerarten oxydiert, die Gruppe CH, OH—C—C— 


OHH 
bleibt dagegen intakt?). Bertrand hat mit seiner ‚„Sorbosebakterie‘““, 
welche nach O. Emmerling?) identisch mit B.xylinum (Brown) ist, 
Glycerin, Erythrit, Sorbit und Mannit oxydiert. Aus Glycerinkultur 
hat Bertrand kristallinisches Dioxyaceton in einer Menge von 25 Proz. 
von Glycerin isoliert. 

Die oxydative Fähigkeit des B.xylinum, die zu einheitlichen 
Zuckerarten zu führen scheint, ist präparativ sehr wichtig. Wir haben 
deshalb diesem Oxydationsreaktionen besondere Aufmerksamkeit ge- 
widmet und behandeln diesmal die Bildung von Dioxyaceton. Die 
Einwirkung der Wasserstoffionenkonzentration auf die Oxydation des 
Glycerins ist dabei besonders berücksichtigt worden. 


Das Bakterienmaterial. 
Bei unseren Versuchen kamen zwei verschiedene Bakterien in An- 
wendung. 
1. B. xylinum, das wir Herrn Prof. Dr. F. Ehrlich (Breslau) ver- 
danken. Dieser Bakterie ist charakteristisch die Fähigkeit, zähe 


1) C. r. 126, 842, 984, 1898; Bull. soc. Chim. (3) 19, 502, 1898. 
2) C. r. 126, 762, 1898. 
3) Ber. 82, 541, 1899. 


170 A. I. Virtanen u. B. Bärlund: 


Cellulosehäutchen zu bilden. Sie ist schon früher in der Literatur be- 
schrieben worden!). 

2. Eine Bakterie, welche in unserem Laboratorium aus Rübensaft 
isoliert wurde. Sie wird von uns wegen ihrer Fähigkeit, Glycerin kräftig 
zu Dioxyaceton zu oxydieren, als B. dioxyacetonicum bezeichnet. Die 
Isolierung von B. dioxyacetonicum geschah in folgender Weise: 

Frischer Traubensaft wurde bei Zimmertemperatur während 2 Wochen 
unter Weatteverschluß bewahrt, wonach ein wenig Essigsäure zugesetzt 
wurde. Nach 5 Tagen wurden aus der Lösung Plattenkulturen in Molke- 
gelatine, deren pg durch Zusatz von Essigsäure bis etwa pp = 5,0 eingestellt 
war, angelegt. Auf den Platten bildeten sich nach einer Woche sehr kleine, 
tröpfchenartige Kolonien, welche in proz. Glycerinbouillon geimpft 
wurden. 

B. dioxyacetonicum unterscheidet sich von B. xylinum am deutlichsten 
dadurch, daß sie keine zähen Cellulosehäutchen bildet. Zwar entsteht in 
glyeerinhaltigem Hefeextrakt auch bei B. dioxyacetonicum zuerst ein 
sehr dünnes Häutchen auf der Oberfläche, es gibt aber keine Cellulose- 
reaktion und sinkt durch leichtes Umschütteln zu Boden. Ein neues 
Häutchen wird dann nicht mehr gebildet, die Lösung wird nur getrübt. 

Die Form der Zellen ist sehr variierend. Auf Hefegelatineplatten 
gewachsen, sind die Zellen nach 10 Tagen lang, stabförmig, meistens einzeln, 
nach einem Monat kürzer, oval. In glycerinhaltigem Hefeextrakt sind 
kürzere oder längere, aus Kurzstäbchen bestehende Ketten zu finden. In 
derselben Nährlösung, welche n/20 an Phosphat ist, sind die Zellen sehr 
klein, bisweilen nahezu kugelförmig. Die Kolonien auf Würzeagar sind 
nach 4 Tagen tropfenförmig, durchsichtig, 0,5 bis 1,0 mm im Diameter, 
später von einem weißen Häutchen umgeben. 

B. dioxyacetonicum ist beweglich und unterscheidet sich dadurch von 
B.xylinum, das stets unbeweglich ist. Die Beweglichkeit wurde in 6 Tage 
alten Würzegelatine-Kulturen untersucht. Das Temperaturoptimum liegt 
bei 25 bis 28°. Bei 10° fehlt das Wachstum gänzlich, bei 13° tritt 
eine geringe Entwicklung ein. Über 30° ist das Wachstum sehr schwach, 
35° wirken schon tötend. 

Die optimale Wasserstoffionenkonzentration für das Wachstum und 
auch für Dioxyacetonbildung liegt bei pag etwa 5,0. Unter py 2,5 und 
über pn 7,0 wächst die Bakterie nicht. 

Bei B. xylinum liegt das Wachstumsoptimum such bei op etwa 5,0, 
das Optimum der Dioxyacetonbildung dagegen zwischen op 5 und 6. 


Die Bildung von Dioxyaceton mit B. dioxyacetonicum. 


Als Grundnährlösung kam ein 0,5proz. Wasserextrakt aus Hefe 
in Anwendung. Der Extrakt wurde durch Erhitzen der Preßhefe in 
Wasser bei 120° während 15 Minuten und darauf folgende Zentrifugierung 
hergestellt. Die Woasserstoffionenkonzentration der Versuchslösungen 
wurde mit verschiedenen Puffern reguliert. Phosphat-, Citrat-, Glykokoll- 
und Acetatpuffer kamen dabei in Anwendung. Die Nährlösung enthielt 
stets, wenn nichts anderes angegeben, 4,3 Proz. Glycerin. 

Das Volumen der Gärlösung bei jedem Versuch war 50 cem, und 
die Höhe der Flüssigkeitsschicht, welche auch von Bedeutung für die 


1) Brown: Chem. Soc. 20, I, S. 638. 


Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 171 


Oxydation des Glycerins ist (siehe unten), 3cm. Die Impfung der 
Bakterien in den bei 120° sterilisierten Nährlösungen geschah mit 
Platinöse. Die Versuchstemperatur bei den Hauptversuchen war 27°. 


Für die Bestimmung des Dioxyacetons wurden von Zeit zu Zeit 
Proben von 2ccm, entsprechend 0,086 g Glycerin, aus der Gärlösung 
mit steriler Pipette herausgenommen. Die Bestimmung geschah nach 
der üblichen Zuckerbestimmungsmethode von Bertrand. Die Reduktions- 
kraft des Dioxyacetons wurde zuerst mit möglichst reinem Präparat 
von Dioxyaoceton bestimmt. Das angewandte Präparat war aus dem 
durch Hochvakuumdestillation gereinigten Dioxyaceton (siehe unten) 
durch Umkristallisation zuerst aus Alkohol und dann aus Aceton und 
nachfolgende Trocknung im Vakuumexsikkator hergestellt. Die 
Reduktionskraft dieses Präparats ist in der folgenden Tabelle!) zu 
finden. 








Dioxyaceton ' Cu 1 Dioxyaceton | Cu Dioxyaceton Cu 
CN g TFT ë g | TE | m 
6:19 25 | 38,7 50 64,7 
10 79 30 35,6 60 79,8 
15 140 40 | 49,5 70 96,8 


Diese Tabelle ist bei unseren Dioxyacetonbestimmungen in An- 
wendung gekommen. Die Reduktionskraft des Dioxyacetons ist merk- 
würdigerweise viel schwächer als die der Hexosen. Sehr verdünnte 
Lösungen von Dioxyaceton reduzieren Fehlingsche Lösung verhältnis- 
mäßig bedeutend schwächer als die etwas mehr konzentrierten Lösungen. 


Dioxyaceton reduziert Fehlingsche Lösung schon in der Kälte 
und, wie es scheint, gleich stark wie bei Siedehitze, obwohl die Reduktion 
hierbei viel langsamer als in siedender Lösung vor sich geht. Die 
Reduktionskraft von 10 mg Dioxyaceton entsprach nach etwa 40stün- 
digem Stehen in Fehlingscher Lösung bei Zimmertemperatur 8,0 mg Cu. 
Die übliche Zuckerbestimmung, wobei die Lösung 3 Minuten gekocht 
wird, gab 7,9 mg Cu (siehe Tabelle). 

Die Isolierung des Dioxyacetons aus der Gärlösung geschah 
folgenderweise?). 450 ccm Gärlösung, welche, aus der Reduktionskraft 
zu schließen, 11,375 g Dioxyaceton enthielt, wurden filtriert und dann 
im Vakuum unter 60° zu einem dicken Sirup verdampft. Der Rückstand 
wurde mit 80 ccm absoluten Alkohols versetzt. Nach ein paar Stunden 
wurde filtriert, wonach das Filtrat mit 30 ccm Äther gefällt und noch- 
mals filtriert wurde. Nach Abdampfen des Äther-Alkohols im Vakuum 





1) Die Bestimmungen für diese Tabelle sind in unserem Laboratorium 
von Herrn Mag. H. Karström und N. Fontell ausgeführt worden. 
2?) Vgl. Bertrand, C.r. 126, 842, 1897. 


172 A.I. Virtanen u. B. Bärlund: 


bei etwa 20° blieb ein schwach gelber Sirup zurück, der aus der Zucker- 
bestimmung zu schließen, 9,0 g Dioxyaceton enthielt. Der Sirup wurde im 
Hochvakuum destilliert!), wobei die übergegangene Flüssigkeit bei kräf- 
tiger Kühlung sofort zu einer Kristallmasse vom Schmelzpunkt 65 bis 71° 
erstarrt. Durch Farbenreaktionen und Bisulfitverbindung wurde die 
Substanz als Dioxyaceton charakterisiert. Es scheint, daß durch Ein- 
wirkung von B. dioxyacetonicum auf Glycerin nur Dioxyaceton entsteht. 

Die Resultate aus unseren Gärversuchen, welche alle durch zwei 
Parallelversuche kontrolliert wurden, gehen aus folgenden Tabellen 
hervor. Die Menge von Dioxyaceton in Prozenten vom Glycerin ist 
dabei unter der Annahme, daß die Reduktionskraft der Lösung aus- 
schließlich auf das Dioxyaceton zurückzuführen ist, berechnet worden. 

















Tabelle I. 
Puffer: n/20 Phosphat. 
| u Per are Vo 
Zeit in Tagen 2ccm redu- | Dioxyaceton ` ` 2 cem redus Dioxyaceton 
| zierten Cu ' vom Glycerin zierten Cu vom Glycerin 
| mg äi Proz. j! mg Proz. u 
—- — [u =m 
4 0 0 | 1,3 3,7 
7 0 0 | 2,5 7,0 
ll 0 0 | 6,5 10,9 
25 0 0 9,5 13,3 
30 0 0 | 11,8 15,8 








7 ege Pa = BI 
Zeit in Tagen 2 ccm redus l Dioxyaceton | 2 ccm redu" Dioxyaceton 


zierten Cu vom Glycerin ` ` zierten Cu | vom Ölycerin 
mg | Proz. më mg | Proz. 























4 35,6 000354 | 50,9 48,3 
GE 42,0 40,9 | 60,4 56,1 
11 | 44,5 | 43,0 | 62,9 58,1 
25 47,7 45,7 76.3 | 68.3 
30 56,3 52,5 | 80,1 | 71,5 
Pr = 6,0 | pa = 7,0 
Zeit in Tagen | 2eemredur | Bes | Ze redu | Dioxyaceton ` 
zierten Cu vom Glycerin | zierten Cu vom Glycerin 
| mg Proz. hb mg Proz. 
4 | 5,7 | 10,2 ENER 
d 6,5 10,9 0 0 
ll 14,0 | 17,8 0 | 0 
25 19,1 21,9 | 0 | 0 
30 | 23,2 | 25,5 l 22 | 6,0 


1) H.O. L. Fischer und H. Mildbrand, Ber. 57, 707, 1924. 


Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 173 


Tabelle II. 
Puffer: n/30 Citrat. 









Dioxyaceton 
vom Glycerin 


Proz. 


Dioxyaceton 
vom Glycerin 


Proz. 






| 
5 | — | — | 2,9 7,3 
8 = | = 2,9 7,3 
13 0 0 3,5 | 8,0 
15 0 0 | — | — 
22 0 0 l 12,1 16,0 
41 0 0 | _ | — 











| pa = 5l l Pa = 5,6 













































Zeit in Tagen || 2 ccm redus Dioxyaceton | 2 ccm redus | Dioxyaceton 
| zierten Cu vom Glycerin | zierten Cu vom Glycerin 
Ä | mg | Proz. 
| S 2 
7,0 | = | Ge 
9,5 5,4 | 9,5 
12,5 | — | — 
16,6 = = 
20,4 | 8,3 12,2 
27,3 i 15,9 19,7 
\ Pu =~ 6,1 | Pa = 7,0 
Zeit in Tagen 2 ccm redu» Dioxyaceton ` 2 ccm redus Dioxyaceton 
| zierten Cu vom Glycerin ` ` zierten Cu vom Glycerin 
` 8 i m Proz. WW mg Proz. 
5 | = rs e De 
8 — — | — — 
3 | 0 0 D | = 
15 — — = = 
22 | 1,3 3,7 0 0 
4l 45 | 90 0 0 
Tabelle III. 
Puffer: Glykokoll. 
Pua = 3,7 ! 
Dioxyaceton 2ccm redu» Dioxyaceton 











vom Glycerin zierten Cu 


Proz. 


vom Glycerin 
Proz. 


174 A. I. Virtanen u. B. Bärlund: 


Tabelle III E 








| Pu = 42 
Zeit in Tagen | 2ccm redus | Dioxyaceton 
, zierten Cu | vom Glycerin 
m Proz 
5 41,0 | 40,0 
9 55,4 | 51,8 
7 2 57,2 | 53,2 
| 98,6 | 84,6 
3 TI 99 | s 


Alle diese Versuche zeigen übereinstimmend, daß das Optimum 
der Dioxyacetonbildung bei pa etwa 5,0 liegt. Das Optimum ist sehr 
eng, wie aus den den Tabellen ent- 
sprechenden Kurven in den Abb. 1, 
2 und 3 deutlich hervorgeht. Unter 
Pu 3 wird das Glycerin nicht mehr 
oxydiert, bei 94 7 liegt die oberste 
Grenze der Reaktion. 

Die Puffer scheinen außer ihrer 
wasserstoffionenkonzentrationsregu- 
lierenden auch eine spezifische 
Wirkung bei der Oxydation des 





J0 
È 
$ 
À 20 
% 
Š 
870 
S 
ER 
Abb. 1. Dioxyacetonbildung Abb.2. Dioxyacetonbildung 
in n/20 Phosphatpuffer. in n/30 Citratpuffer. 


Glycerins zu haben. Am günstigsten verlief die Oxydation in 
Glykokollpufferlösung. In 30 Tagen wurde hierbei Dioxyaceton in 
einer Ausbeute von 84,6 Proz. von Glycerin gebildet, obwohl die Wasser- 
stoffionenkonzentration nicht die optimale war. In n/30 Phosphat- 
lösung war die Ausbeute an Dioxyaceton in derselben Zeit bei optimalem 
Pu 68,3 Proz. und in n/30 Citratlösung 23 Proz. 


| 





Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 175 


Der Einfluß der Phosphatkonzentration auf die Dioxy- 
acetonbildung wurde näher untersucht. Die Resultate aus dieser 
Versuchsserie sind aus den Kurven in Abb. 4 ersichtlich. n/20 
scheint die optimale Phosphatkonzentration für die Reaktion 
zu sein. | 


Was die Einwirkung der Glycerinkonzentration auf die Dioxy- 
acetonbildung betrifft, so geht aus unseren Versuchen hervor, 
daß die gebildeten Dioxyacetonmengen bei genügender Glycerin- 
konzentration von der Anfangskonzentration des Glycerins ziemlich 
unabhängig sind. In 2,15 proz. 
Glycerinlösung entsprach die Re- 
duktionskraft nach 10 Tagen etwa 


110 






100 vier Fünftel derjenigen in 4,3 proz. 
Ao 
ITU: e 
a 80 
E Be 
S ep 22 
Fa 
J n SE 
KR e 
Zu GË 
a 
e La 
J0 X ag Gë 
SW 
` 5 u 


A 20 15 20 25 J0 





Zeit in Tagen 
Abb. 3. Dioxyacetonbildung Abb. 4. Dioxyacetonbildung 
in Glykokolipuffer. bei verschiedenen Phosphatkonzen- 


trationen. Py = A0. 


Weil das B. dioxyacetonicum stark aerob ist, war es anzunehmen, 
daß eine möglichst freie Luftzufuhr das Wachstum der Bakterien und 
dadurch die Oxydation des Glycerins begünstigt. In der Tat zeigten 
die Versuche, daß die Dioxyacetonbildung viel schneller in dünner als 
in dicker Flüssigkeitsschicht vor sich geht. Wir führen eine Versuchs- 
serie an. 


176 A.I. Virtanen u. B. Bärlund: 


Tabelle IV. 
Puffer: n/20 Phosphat. py = 4,5. 





— — m in n UL I 
1 ` 


50 ccm Gärlösung. 50 ccm Gärlösung. 
Die Höhe der Flüssigkeitsschicht 1 ccm Die Höhe der Flüssigkeitsschicht 3 ccm 
























Zeit 
2 ccm redu». ioxyaceton ` e | i 
in Tagen ae En een | ns en Pu 

| mg | Proz. | mg | Proz. 
4 | 26,4 | 28,4 | 16,5 20,4 
6 35,0 34,9 | 21,9 24,3 
8 — | — | 34,3 34,2 
12 39,4 38,5 | 34,3 34,2 
14 36,6 36,3 | 35,9 Ä 35,6 
16 38,8 38,4 36,2 | 36,1 
23 36,6 36,3 7,4 | 45,4 
34 | 40,4 39,5 68,7 | 62,5 


Der günstige Einfluß der größeren Flüssigkeitsoberfläche ist im 
Anfang der Reaktion sehr deutlich, die Oxydation kommt jedoch nach 
einigen Tagen zum Stillstand, so daß nach einigen Monaten die Aus- 
beute an Dioxyaceton viel besser in Kolben mit höherer Flüssigkeits- 
schicht ist. Will man möglichst schnell Dioxyaceton herstellen. 
ist es vorteilhaft, die Gärlösung in möglichst dünner Schicht zu 
halten. 


Die Bildung von Dioxyaceton mit B. xylinum. 


Die Versuche mit B. xylinum wurden in derselben Weise wie mit 
B. dioxyacetonicum ausgeführt. Die Ausbeuten an Dioxyaceton mit 
B. xylinum waren bei jedem Versuch viel schlechter als mit unserer 
Dioxyacetonbakterie. Es ist möglich, daß Dioxyaceton bei B. xylinum 
zur Cellulose aufgebaut wird, und daß die schlechten Ausbeuten an 
Dioxyaceton mit dieser Bakterie darauf zurückzuführen sind. Wir 
kommen später auf diese Frage zurück. In der Tabelle V sind die 
Resultate aus einer Versuchsserie mit B. xylinum angeführt. 


Tabelle V. 
Puffer: n/20 Phosphat. 
































= ı Pa = 45 Pu =50 | Pu = 60 Pa = 71,0 
in ' 2 ccm redus y i2 ccm redu» Oe 2 cem redus ` or: | 2 ccm redu: 
Tagen zierten Cu “Glycerin.  derten Cu Oheen zierten Cu | Glycerin“ \ zierten Cu 
io mg I Proz > mg Poos | mg | Proz mg 
II 5,2 | 9,6 6,7 — 11,8 15,8 O 
22 7,0 DS © — — 1.124 16,6 o 
29 114 |, 152 114 |, 15,2 15,6 19,6 O 











Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 177 


Das Optimum der Dioxyacetonbildung scheint bei B. xylinum 
zwischen pe 5 und 6 zu liegen. Bei pe 7 wird das Glycerin nicht mehr 
oxydiert. Die 9a-Kurve der Dioxyacetonbildung ist also bei B. xylinum 
und B. dioxyacetonicum ziemlich gleich. 


Zusammenfassung. 


Es wurde aus Rübensaft eine Bakterie isoliert, welche Glycerin 
nahezu quantitativ zu Dioxyaceton oxydiert. Mit dieser Bakterie 
(B.dioxyacetonicum) und B.xylinum (Brown) wurde die Bildung von 
Dioxyaceton in Gilycerin-Hefeextraktlösungen bei verschiedenem py 
verfolgt. Das 94-Optimum ist eng und liegt bei B. dioxyacetonicuni 
bei pe etwa 5,0, bei B. xylinum zwischen pe 5 und 6. Die Einwirkung 
verschiedener Puffer und Pufferkonzentrationen auf die Oxydation 
wurde auch näher untersucht. 

Für Bestimmung des Dioxyacetons wurde das Vermögen dieser 
Verbindung, Fehlingsche Lösung zu reduzieren, bei verschiedenen 
Konzentrationen quantitativ bestimmt. 





Biochemische Zeitschrift Band 169. 12 


Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien. 


Von 
L. Jendrassik. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.) 
(Eingegangen am 22. Dezember 1925.) 


Bei der Messung der ÖOberflächenspannung von hochmolekularen, 
kapillaraktiven Lösungen mit der Ringmethode, nach dem Verfahren 
von R. Brinkman!), erhält man, wie bekannt, mit der Zeit sinkende 
Werte. Diese Erscheinung wird sowohl von L.du Nouy?) als von 
Brinkman und seinen Mitarbeitern so gedeutet, daß hier die Adsorption 
in die oberste Schicht beträchtlich lange Zeit in Anspruch nimmt. 
Der sich zuletzt einstellende konstante Wert entspricht der statischen 
Oberflächenspannung. Wird aber — nach T. Tominaga?) — nach 
Eintritt des Adsorptionsgleichgewichts die Oberfläche der Flüssigkeit 
gestört (‚verfrischt‘‘), so erhöht sich weder die Oberflächenspannung 
und kann oft auch ganz ihren Anfangswert erreichen. Dies geschieht 
einfacherweise durch Abstreifen der Oberfläche durch ein Stückchen 
Filtrierpapier. Dieses Verfahren wird auch bei der Messung des reinen 
Lösungsmittels (z. B. Wassers) benutzt, um die Oberfläche von kleinen 
Mengen kapillaraktiver Unsauberkeiten zu befreien. 

Bei einem solchen Vorgehen fand ich aber unerwarteterweise 
oft ein starkes Sinken der Oberflächenspannung, und nach meinen Er- 
fahrungen muß dies als Regel gelten. Streift man die Oberfläche der 
meisten wässerigen Lösungen mit einem Stückchen Filtrierpapier ab, 
oder gibt ein Stückchen Filtrierpapier hinein, so ist die Oberflächen- 
‘ spannung binnen Bruchteilen einer Minute schon beträchtlich er- 
niedrigt. Der größte Betrag, den ich solcherweise erhalten habe, war 
über 22 Proz. (in Eiereiweiß). 

Die so erhaltbaren Erniedrigungen sind im allgemeinen auffallend 
groß und liegen sehr weit oberhalb der Fehlergrenze, mit welcher eine 





1) R. Brinkman und van Dam, Münch. med. Wochenschr. 68, 1550, 1921. 
2) P. Lecomte du Nouy, B. 25, 217. 


3) T. Tominaga (unter Brinkman), diese Zeitschr. 140, 230, 1923; 
141, 248, 1923. 


L. Jendrassik: Beeinflussung der Oberflächenspannung usw. 179 


solche Bestimmung ausführbar ist. Auf die Oberflächenspannung des 
reinen Wassers selbst ist das Behandeln mit Filtrierpapier ohne Einfluß. 
Ebenso bleibt die Wirkung bei bestimmten wässerigen Lösungen aus, 
ist daher keine allgemeingültige Erscheinung. 


Im ersten Augenblick würde man denken, daß diese Erscheinung 
einfach dadurch zustande kommt, daß vom Papier irgend ein kapillar- 
aktives Agens in die Lösung gezogen wird, oder daß es eine Oberflächen- 
spannung erhöhende Substanz wegadsorbiert. Keines ist aber der Fall, 
und auf Grund der im folgenden beschriebenen Versuche muß die Er- 
klärung eine ganz andere sein. Ich glaube sogar, daß diese Erklärung nicht 
einfach aus den bisher bekannten Kapillarerscheinungen ableitbar ist. 
Es ist daher möglich, daß diese Erscheinungen auf bisher nicht bekannte 
oder nicht genügend berücksichtigte Verhältnisse ein Licht werfen werden. 

Aus äußeren Gründen konnte ich diese Versuche nicht so weit verfolgen, 
daß ich Endgültiges über das Zustandekommen der Erscheinung aussagen 
könnte. Die in Betracht kommenden Möglichkeiten sind aber auch durch 
das bisherige Versuchsmaterial recht gut eingeschränkt!). 


Methodik. 


Die Messungen wurden den Brinkmanschen Vorschriften gemäß vor- 
genommen. Der Wasserwert des verwendeten Platinringes betrug bei 20° 
135,0 mg. Die gemessenen Flüssigkeiten befanden sich in Uhrgläsern, 
die vorher in der Flamme gesäubert wurden. — Wurde die Beobachtung 
für eine längere Zeit ausgedehnt (über 15 Minuten), so hielt ich die Lösungen 
in feuchter Kammer, so daß ich die Uhrgläser, auf eine stark befeuchtete 
Papierwatteschicht gesetzt, mit Petrischalen bedeckt hielt. Ich glaube 
nämlich, daß ein Verdunsten von der Oberfläche dort zu einem Konzen- 
trationszuwachs und dadurch zu einer entsprechenden Veränderung der 
Oberflächenspannung führen kann. Vergleichende Versuche zeigen auch, 
daß dies tatsächlich der Fall ist. Ein Bedecken der Lösungen muß auch 
auf Grund der hier beschriebenen Versuche empfohlen werden, da größere 
Staubteilchen, auf die Oberfläche fallend, vielleicht wie Papier die Ober- 
flächenspannung erniedrigen. 

Zu den Tropfenzahlbestimmungen wurde das Stalagmometer von 
Traube verwendet. 


Versuchsergebnisse. 


Die Erscheinung wurde zum erstenmal an Pferdeserum und einer 
Eucupinlösung gefunden (1924). Sobald aber diese wiederholt zur 
Beobachtung kam, suchte ich sie an einer größeren Zahl verschiedener 
Lösungen nachzuweisen, zumerstenmalan kolloiden Lösungen. Untersucht 
wurden: Pferdeserum und -plasma, Eiereiweiß, Gelatine, Hämoglobin, 
Pepton, Natriumoleat. Es stellte sich heraus, daß auf Einfluß von 
Filtrierpapier an allen den untersuchten Lösungen die Oberflächen- 


1) Ein Bericht hierüber wurde schon in der Sitzung vom 10. No- 
vember 1925 der Physiologischen Sektion zu Budapest erstattet (vgl. 
Orvosi Hetilap 1925, Nr. 49). 


12 * 


180 L. Jendrassik: 


spannung eine Senkung erweist. Die Wirkung zeigt nur in quantitativer 
Hinsicht Verschiedenheiten. 

Ebenso zeigen die Erscheinungen die untersuchten Alkaloidsalze: 
Eucupin-HCl, Cocain-HCl und Novocain-HCl. Auch Lösungen 
anorganischer Neutralsalze, wie ROL CaCl, machen von der Regel 
keine Ausnahme. Die Oberflächenspannung eines 96proz. Äthyl- 
alkohols wird nicht beeinflußt, ebenso nicht eine 20proz. (sie wurde 
eher erhöht). Ungefähr 4 Proz. Äthyläther enthaltendes Wasser erwies 
aber eine beträchtliche Senkung. 

Derartige Einflüsse können wahrscheinlich die verschiedensten, 
große Oberfläche darbietenden Körper hervorbringen. Ich habe bisher — 
außer Papier — nur Watte und Talkum untersucht. Dieses letztere 
kann an bestimmten Lösungen (wie Pepton) eine sehr starke Senkung 
zustande bringen. Andere Lösungen aber, deren Oberflächenspannung 
durch Papier vermindert wird, bleiben durch Talkum unbeeinflußt. 
Es verursacht dieses sogar oft ein Steigen der Oberflächenspannung 
(z.B. an Hämoglobin). 

Beispiele dieser Messungen werden am Ende dieser Arbeit an- 
geführt. Hier seien in Kürze die hauptsächlichsten Regelmäßigkeiten 
angeführt, wie diese aus den bisherigen Versuchen hervorzugehen 
scheinen: 

1. Die Wirkung des Papiers oder Talkums bleibt stundenlang 
unverändert bestehen. Wir können das Papier aus der Lösung ent- 
fernen, die Oberflächenspannung bleibt trotzdem auf dem gesenkten 
Niveau. 

2. Die Wirkung ist sehr abhängig von der Schichtdicke der Lösung. 
Je dünner die Flüssigkeitslage ist, desto ausgeprägter kommt sie zu- 
stande. Oberhalb 14%, bis Zem Höhe kann der Einfluß auch nicht 
kleiner Papiermengen völlig vermißt werden. 

3. Die Stärke der Wirkung hängt auch von der Konzentration 
der untersuchten Lösung bzw. von der Ausgangsoberflächenspannung 
ab. Bei Natriumoleat z. B. ist die Wirkung bei 0,001 proz. Lösung sehr 
ausgesprochen, bei einer 0,1l proz., welche schon ursprünglich eine sehr 
tiefe Oberflächenspannung besitzt, ist diese eben nur angedeutet zu 
finden. Sehr verdünnte Lösungen zeigen aber wieder ein scheinbar 
entgegengesetztes Verhalten. Ist nämlich so wenig kapillaraktive 
Substanz vorhanden, daß die Konzentration durch Adsorption an 
das Papier beträchtlich vermindert wird, so steigt die Oberflächen- 
spannung. Dies geschieht auch beim Reinigen der Oberfläche durch 
Filtrierpapier. 

4. Die oberflächenspannungsenkende Wirkung ist reversibel. Stört 
man die Oberfläche dadurch, daß man die Lösung in ein anderes Uhrglas 
übersenkt, oder, viel stärker, dadurch, daß man es durch eine Pipette 











Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien. 181 


oder ein Kapillarrohr saugt, so verschwindet die senkende Wirkung des 
Papiers in verschiedenem Grade. Ist die Kapillare eng, wie z. B. am 
Stalagmometer von Traube, so kann die Oberflächenspannung durch 
ein- bis dreimaliges Durchsaugen auch vollständig restituiert werden. 
Ein nochmaliges Behandeln mit Papier senkt dann die Oberflächen- 
spannung abermals zum ursprünglichen Werte herab. Dieser Umstand 
ist sehr wichtig, weil er beweist, daß die Senkung nicht von ausgespülten 
Stoffen herrührt, welche die Oberflächenspannung vermindern, oder 
vom Wegadsorbieren eines die Öberflächenspannung steigernden 
Stoffes. Die letztere Möglichkeit wird durch die Reversibilität völlig 
widerlegt. Würde ein kapillaraktiver Stoff, der aus dem Papier in die 
Lösung diffundiert, die Senkung bedingen, so sollte diese Wirkung 
auch nach Durchgang durch die Glaskapillare bestehen bleiben. Diese 
Erklärungsversuche sind aber schon an sich recht unwahrscheinlich, da 
die Oberflächenspannung des reinen Wassers durch diese Stoffe nicht 
beeinflußt wird. Hiergegen spricht auch, daß (z. B. durch Talkum) 
verschiedene Lösungen in verschiedener Richtung beeinflußt werden. 
Bangsches gereinigtes Löschpapier wirkt auch senkend. 

Die Reversibilität der Erscheinung beweist daher, daß irgend eine 
physikalische Veränderung der Lösung die Ursache sein muß. 

5. Mit dem Stalagmometer können wir den senkenden Einfluß des 
Papiers an Eiweiß-, Pepton- und Na-Oleatlösungen nicht messen. Die 
Tropfenzahl bleibt auch dieselbe, nachdem der mit der Ringmethode 
gemessene Wert durch Einlegen eines Papierstückchens eine starke 
Abnahme zeigte. Die Erklärung hierfür könnte schon darin liegen, 
daß die Senkung nur an der statischen Oberflächenspannung zur Geltung 
kommt, und dadurch wird es bei der halbdynamischen Stalagmometer- 
methode vermißt. Eine Bedingung dieses Umstandes könnte aber auch 
die Reversion im Stalagmometer sein. Wird die Senkung beim Durch- 
fluß rückgängig gemacht, so ist auch gar nicht zu erwarten, daß diese 
auch in der Tropfenzahl zum Ausdruck komme. Es sei noch dahin- 
gestellt, in welchem Grade diese letztere Erklärung bei den Eiweiß- 
und Peptonlösungen zutrifft. Daß es aber, wenigstens bei bestimmten 
Lösungen vom Belang ist, zeigt das Beispiel des Eucupins, deren 
Spannungserniedrigung auch durch das Stalagmometer nachzuweisen 
ist, und die nachträgliche Messung mit der Ringmethode zeigt, daß 
die Oberflächenspannung sich nur zum Teil regeneriert hatte. 

Nach alledem könnte man als einen Fehler des Stalagmometers 
ansehen, daß es die Oberflächenspannung der gemessenen Lösung 
dadurch verfälscht, daß derartig hervorgerufene Zustände bei der 
Messung nicht zum Ausdruck gelangen können. Es ist aber noch 
fraglich, ob das als ein Nachteil oder vielleicht als ein Vorteil des 
Instruments anzusehen ist. 


182 L. Jendrassik : 


6. Behandelt man eine Lösung (z. B. Na-Oleat) mit Filtrierpapier, 
nachdem sie sich auf die statische Oberflächenspannung eingestellt 
hatte, erhält man ebenso die senkende Wirkung. Dies beweist, daß 
durch den Eingriff nicht nur das Zustandekommen des Adsorptions- 
gleichgewichts befördert wird, sondern sich ein anderes Gleichgewicht 
entwickelt, wobei vielleicht die Konzentration des Dune 
Stoffes in der Oberfläche größer ist. 


Zusammenfassung. 


Kommen wässerige kolloidale und kristalloide Lösungen mit 
Filtrierpapier in Berührung, so wird ihre mittels der Ringmethode 
gemessene Oberflächenspannung beträchtlich gesenkt. Diese Wirkung 
kann man mit Tropfenzählung bei den meisten Lösungen nicht nach- 
weisen. Beim Durchgang am Stalagmometer (oder an anderen 
Kapillaren) wird die Wirkung (zum Teil oder ganz) rückgängig gemacht. 
Talkum wirkt an einzelnen Lösungen erniedrigend, an anderen steigernd. 

Es wird bei diesen Einflüssen der physikalische Zustand der 


Lösung verändert, vielleicht auch die Konzentration in der Ober- 
flächenschicht. 


Einige Beispiele der Oberflächenspannungsmessungen. 


l. 5 Proz. Eiereiweiß in 0,9proz. NaCl (2 ccm). 
Nach 6 Min.: 66,4 dyn/cm. 


» 8 „ Oberfläche mit Filtrierpapier (= Fp.) ab- 
gestreift. 
„ 14 ,„ 51,0dyn/cm. 


2. Dieselbe Lösung wie 1, mit Filtrierpapier abgestreift (2 ccm). 
Nach 3 Min.: 53,7 dyn/cm. 
ji 8 „53,7 za 
» 60 „ 937 e 
3. 10 Proz. Eiereiweiß in 0,9 proz. NaCl. 
Nach 10 Min.: 62,1 dyn/cm. 


» 11 ,„ In 15cem Lösung (Höhe +2cm) 6qcm Fp. 
gelegt. 

» 15 ,„61,6dyn/cm. 

» 16 ,„ Zem der Lösung auf Uhrglas gebracht 
+ 2 qem Fp. 

» 18 on 49,4dynjcm. 

» 20 , Mit einer Pipette davon 1,5 ccm in ein anderes 


Uhrglas überlassen. 
» 23 „ 583 dyn/cm (fast zurückgegangen). 





Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien. 183 


4. 


10. 


Pferdeplasma (proz. Na-Citrat) (2 ccm). 
Nach 10 Min.: 64,3 dyn/cm. 
» 11 „ + 2qcm Fp. 
„ 13 „ 55,1 dyn/cm. 


. Pferdeplasma (%proz. Na-Citrat) (2 ccm). 


Nach 20 Min.: 62,9 dyn/cm + 2,5 qem Fp. 
» 24 „ 55,1 on 
» 25 , Einmal am Stalagmometer durchgesaugt. 
a 30 ,„  62,9dyn/cm (völlig zurückgegangen). 
» 31 „ + 2,5qem Fp. 
» 33 ,„ 55,6 dyn/cm. 


. 10 Proz. Gelatine in 0,9proz. NaCl (2 cem). 


Nach 6 Min.: 53,2 dyn/cm. 
„ 8 TT + 114 qem Fp. 
a 10 , 50,2dyn/cm. 
sp 44 „ 49,9 sn 
» 45 ,, Am Stalagmometer einmal durchgelassen. 
» 52 ,„ 52,9 dyn/cm (fast ganz zurückgegangen). 


. 0,1proz. Gelatinelösung in 0,9proz. NaCl (2 ccm). 


Nach 5 Min.: 70,5 dyn/cm. 
i 6 „ + 3qem Fp. 
D 8 ,„ 57,8 dyn/cm. 
„ 10 , Am Stalagmometer durchgelassen. 
„ 12 , 62,1 dyn/cm (zum Teil zurückgegangen). 


. 0,1l proz. Gelatinelösung in 0,9proz NaCl (8 cem). 


Stalagmometer: 71,5 dyn/cm. 
8 cem + 8 qem Fp.: 71,5 Ge (unverändert). 


. 0,1 Proz. Pepton (Witte) in Tyrodelösung (2 cem). 


Nach 7 Min.: 58,3 dyn/cm. 
e 8 „ + 1% Stück Bangpapier. 
Ss H on 56,7 dyn/cm. 


0,1 Proz. Pepton (Witte) in Tyrodelösung (2ccm) + ung. 0,lg 
Talkum. 
Nach 5 Min.: 49,7 dyn/cm. 
0,01 Proz. Pepton (Witte) in Tyrodelösung (2 ccm). 
Nach 4 Min.: 64,8 dyn/cm + % Stück Bangpapier. 
LE 7 LI 3 39 
1 Proz. Hämoglobin cryst. (Merck) in Tyrodelösung (2 cem). 
Nach 10 Min.: 52,6 dyn/cm. 


» 1 „ + ung. 0,1g Talkum. 
» 13 on  54,5dyn/cm (etwas erhöht). 


1 Proz. Hämoglobin cryst. (Merck) in Tyrodelösung (2 cem) + 2 qem 
Fp 


Nach 3 Min.: 48,6 dyn/cm (gesunken). 


184 L. Jendrassik : 
11. 0,1 proz. Eucupin-HCl (2 ccm): 63,5 dyn/cm. 
+ 1,5 qcm Fp.: 51,4 D 
O,1proz. Eucupin-HCl (5 ccm) + 5qcm Fp. 
Nach 3 Min.: 57,5 dyn/cm. 
LK) 6 29 55,9 LE) 
ag 10 ag 56,2 > 


HI 


LEI 120 LE 


10 bis 20 Min.: Dreimaliges Durchlassen am Stalagmo- 


meter. Es ergibt sich der Wert hierzu im 
Mittel: 63,9 dyn/cm. 


25 Min. (an der Torsionswage): 59,9 dyn/cm, zum 


Teil zurückgegangen. 
(an der Torsionswage): 59,4 dyn/cm, zum 
Teil zurückgegangen. 


12. 0,l proz. Eucupinlösung (2 ccm). 


Nach 5 Min.: 


» 200 „ 


62,9 dyn/cm. 

+ ung. 5cg Talkum. 
67,2 dyn/cm. 

57,8 op 


0,l proz. Eucupinlösung (2ccm) + etwas Watte. 


Nach 


1 Min.: 


62,6 dyn/cm. 


13. 1proz. Cocain-H Cl (1,5 ccm). 


Nach 6 Min.: 


68,8 dyn/cm. 


l proz. Cocain-H Cl (1,5 cem) + 2 qem Fp. 


Nach 10 Min.: 


54,3 dyn/cm. 


l proz. Cocain-H Cl (1,5 cem) + 5 cg Talkum. 


Nach 5 Min.: 


99 20 LEI 


63,7 dyn/cm. 
64,2 .. 


14. 5proz. Novocain-H Cl (1,5 ccm). 


Nach 2 Min.: 


LE 230 39 


69,9 dyn/cm. 

+ 2 qem Fp. 

55,1 dyn/cm. 

Papier herausgenommen. 
55,3 dyn/cm (unverändert). 


proz. Novocain-H Cl (1,5 cem) + 5 cg Talkum. 
Nach 2 Min.: 62,1 dyn/cm. 


„ 12 „62,6 8 
„ 220 „63,4 2 (bleibt gesunken). 
15. +5proz. CaCl, (1,5 cem). 
Nach 3 Min.: 71,6 dyn/cm. 
— proz. CaCl, (1,5 cem) + 2 qem Fp. 

Nach 5 Min.: 65,9 dyn/cm. 
a H „740 i 
„ 22 ,„ 74,2 S 


Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien. 185 
16. 10proz. KCI (1,5 ccm). 
Nach 2 Min.: 74,5 dyn/cm. 


10proz. KCI (1,5 cem) + 2,5 qcm Fp. 
Nach 5 Min.: 64,8 dyn/cm. 


l0 proz. KCL (1,5 cem) + 5 cg Talkum. 
Nach 8 Min.: 76,4 dyn/cm. 


17. 96proz. Äthylalkohol: 31,1 dyn/cm. 
+ 2,5 qem Fp.: 31,1 ES 
+ 20 proz. Äthylalkohol (4,5ccm): 46,4 e 
+8 gem bn: 48,1 2 


+0,1g Talkum: 508 „ 


18. 2ccm H,O + 3 Tropfen Äthyläther (pro narc.): 65,1 dyn Jem. 
+ 2qcmFp.: 57,0 up 


2 ccm H,O + 5 Tropfen Äthyläther (pro narc.): 55,9 m 
+ 5cg Talkum: 56,7 np 


19. 0,001 proz. Natriumoleat (1,5 ccm). 


20 Sek. nach dem Ausschütten in das Uhrglas: 72,1 dyn/cm. 
Nach 3Min. 67,0 dyn/cm 

LE) 8 LE 65,1 99 

» 18 ,„ 61,8 > 

LE) 31 39 59,4 239 


0,001 proz. Natriumoleat (5 ccm) + 8 qem Fp. 
Nach 34 Min.: 53,5 dyn/cm (zweimal am Stalagmometer 
durchgelassen). 
a AR „ 55,3 Ge . (zum Teil zurückgegangen). 
0,001proz. Natriumoleat (2ccm) + 3 qem Fp. 
Nach 34 Min.: 49,1 dyn/cm. 


0,001 proz. Natriumoleat (3 ccm) + 4 qem Fp. 
Nach 20 Sek.: 65,6 dyn/cm. 
ge 4 Min.: 59,4 S 
0,l proz. Natriumoleat (5 ccm). 
Nach 30 Min.: 37,8 dyn/cm. 
In 35 99 37,5 Lé 
» 40 , + 7 qem Fp. 
LE) 43 33 37,3 33 
20. H,O (1,5 ccm): 72,1 dyn/cm. 
+ 2qem Fp.: 73,4 ge 
H,O (1,5ccm) + Talkum (0,1 g): 73,2 dyn/cm. 


Über 
die Milchsäurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II. 
Von 
Ernst Mangold und Constanze Schmitt-Krahmer. 


(Ausgeführt mit Unterstützung der Notgemeinschaft der deutschen 
Wissenschaft.) 


(Aus dem tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen 
Hochschule Berlin.) 


(Eingegangen am 22. Dezember 1925.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


In der ersten Mitteilung!) wurde gezeigt, daß glatte Muskulatur 
(Taubenmagen) im frischen Zustande Milchsäurewerte aufweist, die 
sich den in der Literatur für die quergestreifte bekannten annähern, 
und daß sich auch bei der glatten ausnahmslos eine postmortale Zu- 
nahme des Milchsäuregehaltes nachweisen läßt. Diese Zunahme zeigte 
mit den von Potonié?) beobachteten mechanischen Veränderungen bei 
der Totenstarre des gleichen Objektes einen auffallend überein- 
stimmenden zeitlichen Verlauf. Es wurde daher angenommen, daB 
auch bei der glatten Muskulatur die Milchsäurebildung mit den mecha- 
nischen Veränderungen der Totenstarre in ursächlichem Zusammen- 
hange steht. Erstere erreichte nämlich beim Taubenmagen im Durch- 
schnitt nach 1 Stunde einen relativen und nach 3 Stunden den absoluten 
Höhepunkt; die bei der Totenstarre des Haupt- und Zwischenmuskels 
vom Taubenmagen registrierte Verkürzung erreichte einen relativen 
Höhepunkt durchschnittlich nach 2, den absoluten nach 3 bis 4 Stunden, 
und die gleichzeitig sklerometrisch verfolgte Härtezunahme ebenso 
nach 2 bzw. 3 Stunden nach dem Tode des Tieres. 

Da nun diese beiden mechanischen Veränderungen während der 
Totenstarre beim Muskelmagen von Hühnern eine langsamere Entwicklung 
erfahren und beide erst nach 5 Stunden post mortem ihren durch- 


1) E. Mangold und C. Schmitt-Krahmer, diese Zeitschr. 167, 1, 1926. 
2) H. Potonié, Pflügers Arch. 209, 395, 1925. 


E. Mangold u. C. Schmitt-Krahmer: Milchsäurebildung usw. II. 187 


schnittlichen Höhepunkt erreichen!), so mußte es für die Beurteilung 
eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Milchsäurebildung und 
Totenstarre glatter Muskulatur von besonderem Interesse sein, auch 
am Hühnermagen die postmortale Milchsäurebildung zu verfolgen, um 
zu sehen, ob sie auch hier den mechanischen Veränderungen parallel 
verläuft. 


Daher wurden ganz in derselben Weise, wie es in der ersten Mit- 
teilung für den Taubenmagen beschrieben ist, nun auch am Muskel- 
magen von 14 Hühnern Bestimmungen der Milchsäure durchgeführt. 


Dieses Objekt hatte gegenüber dem kleineren Taubenmagen 
methodisch den Vorteil, daß die einzelnen acht Teile, in die es, zwecks 
zeitlich um je 1 Stunde auseinander liegender Analysen, zerlegt werden 
mußte, größer waren und daher höhere absolute Mengen von Milch- 
säure enthielten. | 


Auch die prozentischen Milchsäurewerte erwiesen sich im Hühner- 
magen höher. Diejenigen für die frische Magenmuskulatur beliefen 
sich im Durchschnitt auf 0,089 Proz. mit individuellen Schwankungen 
von 0,059 bis 0,135 Proz. (beim Taubenmagen 0,075 Proz. mit 0,049 
bis 0,098 Proz.). Die während der auch beim Hühnermagen ausnahmslos 
eintretenden postmortalen Zunahme der Milchsäure beobachteten 
Maxima betrugen im Durchschnitt 0,145 Proz., mit Schwankungen 
von 0,104 bis 0,323 Proz. Milchsäure (bei der Taube betrug der höchste 
beobachtete Wert nur 0,140 Proz.). 


Diese Milchsäurewerte nähern sich also noch mehr als beim Tauben- 
magen den für die quergestreifte Muskulatur bekannten. 


Bei den Hühnerversuchen wurden die Magenstücke fast ausnahmslos 
so verteilt, daß je eine Milchsäurebestimmung sogleich, dann nach 
l, 2, 3 usw. bis 7 Stunden nach der Tötung stattfand, so daß für 
jede dieser Stunden eine große Zahl von Einzelbestimmungen vorliegt. 
Der Wert für die 20. Stunde wurde nur bei 2 Mägen ermittelt. 


Die für jedes einzelne Tier nach den Analysenwerten aufgestellten 
Kurven für die Milchsäurebildung zeigten beim Hühnermagen in einer 
größeren Zahl der Fälle als bei dem der Taube einen etwas unregel- 
mäßigen Verlauf, indem einzelne Magenstücke einen während des 
allgemeinen Anstieges des Milchsäuregehaltes vorübergehend abfallenden 
Wert ergaben. Es wurden aber wegen zu großer Unregelmäßigkeit, bei 
der offenbar unkontrollierbare Bedingungen vorlagen, nur die von 
dem einzigen verwendeten Hahne erhaltenen Zahlen aus der Verwertung 
für die Aufstellung der Tabelle I sowie der Gesamtdurchschnitiskurve 


1) H. Potonié, Pflügers Arch. 209, 395, 1925. 








Prozent Milchsäure in der glatten Muskulatur dee Hühnermagens. 


Tabelle I. 


Zeit nach 
dem Tode | 


E. Mangold u. C. Schmitt-Krahmer: 


ne "e "e "e "e "e 


Ss ` Ga "e "e" "e "gx 


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A ke e La La on Led La 


nen gx "ës 














des Verlaufes der Müchsäurebildung 
(Abb. 1) ausgeschlossen. Wir geben 
hier die, in gleicher Weise wie die- 
jenige in der ersten Mitteilung für 
den Taubenmagen, wegen einiger 
Abweichungen in der nach dem 
Tode der Tiere gewählten Zeit 
der Milchsäurebestimmungen redu- 
zierte, Gesamtdurchschnittskurve des 
Verlaufs der Milchsäurebildung im 
Hühnermagen wieder, in der alle 
Einzelanalysen von 14 Hennen ver- 
wertet sind (Abk. 1). 

Auch hier zeigt sich wie beim 
Taubenmagen (vgl. die Abb. 1 der 
ersten Mitteilung) schon in der 
ersten Stunde ein steiler Anstieg, 
der, hier indessen über die erste 
Stunde hinausgehend, erst nach 
2 Stunden post mortem einen rela- 
tiven Höhepunkt, und den absoluten 
Höhepunkt erst nach 5 Stunden er- 
reicht, Wie beim Taubenmagen 
zwischen der 1. und 3., so erfolgt 
hier zwischen der 2. und 5. Stunde 
nur noch ein sehr langsamer und 
geringer weiterer Anstieg. Wie bei 
jenem schon nach der 3., so 
setzt beim Hühnermagen nach der 
5. Stunde der allmähliche Abfall 
ein. Der 20-Stunden-Wert geht 
beim Hühnermagen (hier nur zwei 
Einzelbestimmungen) nicht so nahe 
an den Anfangswert herunter, wie 
es bei der Taube der Fall war. 

Aus diesen Untersuchungen 
ergibt sich, daß die postmortale 
Milchsäurebildung beim Hühner- 
magen zeitlich anders verläuft als 
beim Taubenmagen, indem sie beim 
Hühnermagen durchschnittlich zwei 
Stunden später als dort ihren Höhe- 
punkt erreicht. Es zeigt sich aber 





Milchsäurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II. 189 


auch, daß bei beiden Objekten die postmortale Zunahme des Milchsäure- 
gehaltes mit der Entwicklung der die Totenstarre kennzeichnenden mecha- 
nischen Veränderungen parallel verläuft. Besonders die zeitliche 
Übereinstimmung in der Erreichung des Höhepunktes der chemischen 
und mechanischen Veränderung fällt deutlich in die Augen; denn 
die durchschnittliche Zeit für den gemeinsamen Höhepunkt der 
beiden Veränderungen liegt beim Taubenmagen 3 und beim Hühner- 
magen 5 Stunden nach dem Tode. 





2 3 4 5 6 7 
Stunden nach dem Tode 
Abb. 1. Postmortale Milchsäurebildung im Hühnermagen. 


Dieses Verhalten erhebt die in der ersten Mitteilung experimentell 
begründete Annahme, daß die postmortale Milchsäurebildung auch bei 
der glatten Muskulatur mit den mechanischen Veränderungen bei der Toten- 
starre (Verkürzung und Härtezunahme) in ursächlichem Zusammenhange 
steht, zur Gewißheit. Im Einklang mit den Erfahrungen an der quer- 
gestreiften Muskulatur ist dieser Zusammenhang natürlich so zu ver- 
stehen, daß die Milchsäurebildung Bedingung für die Entwicklung der 
Totenstarre ist. Hiermit stimmt auch gut überein, daß besonders beim 
Hühnermagen die Milchsäurebildung einen etwas früheren und steileren 
Anstieg zeigt als die mechanischen Veränderungen, und daß auch die ge- 
ringen zeitlichen Abweichungen in der Erreichung der beiden verschieden- 
artigen Höhepunkte, wie schon für den Taubenmagen erwähnt wurde, 
stetsim Sinne des etwas vorangehenden Milchsäuremaximums ausfallen. 

Es braucht nun aber nicht so zu sein, daß die Milchsäurebildung 
stets allein als einzige Bedingung die Totenstarre auslöst. Der eine 
von uns hat schon seit Jahren den Standpunkt vertreten, daß das 
Zusammentreffen mehrerer Bedingungen für die Entwicklung der Toten- 
starre maßgebend oder erforderlich sein kann. In diesem Sinne wurde der 
Begriff der ‚‚Starrebereitschaft‘‘ aufgestellt!). Diese wurde zunächst für 
den häufig beobachteten Fall der plötzlichen oder stufenweisen Aus- 
lösung der Starreverkürzung durch elektrische oder automatische 


1) E Mangold, Deutsch. med. Wochenschr. 1920, Nr. 16; Deutsch. 
physiol. Ges. 1920, s. Ber. über d. ges. Physiol. 2, 1920. 


190 E. Mangold u. C. Schmitt-Krahmer: 


Reizung hypothetisch so gedeutet!), daß im Anschluß an Embdens 
Untersuchungen über die Milchsäurebildung angenommen wurde, daß 
die Starrebereitschaft auf der Bildung einer Milchsäurevorstufe beruhe, 
die in solchen Fällen erst durch die Reizung des Muskels in Milchsäure 
übergeführt werde, die dann als Verkürzungssubstanz die Kontraktur 
auslöse. 

Wiederholt hat der eine von uns und seine Schüler?) auf die Starre- 
bereitschaft hingewiesen in dem Sinne, daß eine solche von einem be- 
stimmten Zeitpunkte an infolge vorbereitender innerer Veränderungen 
im Muskel bestehe und dann eine Auslösung des Starreeintritts durch 
mechanische oder chemische Veranlassung möglich sei®). In der hierin 
ausgesprochenen Annahme, daß die Totenstarre durch das Zusammen- 
treffen mehrerer Bedingungen und Zustandsänderungen des Muskels 
bedingt sein kann, liegt der grundsätzliche Sinn des Begriffs der Starre- 
bereitschaft, den Riesser‘) offenbar verkannt hat. Unsere Anschauung 
hat sich auch durch die Untersuchung von Deuticke®) neuerdings grund- 
sätzlich bestätigt, wonach für die Entwicklung der Totenstarre nicht 
die Anhäufung einer bestimmten Säuremenge, sondern auch das Hinzu- 
treten anderer Ursachen von Bedeutung ist; als solche stellt er die 
Veränderungen an den Muskelkolloiden in den Vordergrund, die er 
nachweisen konnte und die er mit Wahrscheinlichkeit auf Schädigung 
durch die vorangegangene Säurebildung zurückführt. Dieses neue Er- 
gebnis steht insofern mit dem Begriff der Starrebereitschaft im Einklang, 
als die in unseren früheren Versuchen zu dieser hinzutretenden, die 
Starreverkürzung auslösenden Reizungen des Muskels ja wohl zweifellos 
auch Veränderungen der Muskelkolloide herbeiführen, die dann im 
Sinne von Deuticke neben der vorangegangenen Säurebildung starre- 
erregend wirkten. 

Daß die Annahme einer Starrebereitschaft und damit mehrerer 
für die Auslösung der Totenstarre wirksamer Bedingungen mancherlei 
Erscheinungen zu erklären vermag, die hinsichtlich der Totenstarre 
zu beobachten sind und bisher nicht gedeutet wurden, hat der eine 
von uns anderenorts erwähnt®) und neuerdings ausführlich dargelegt’). 

Zurückkommend auf die oben wiedergegebenen Versuche am 
Hühnermagen darf wohl gesagt werden, daß hiernach die Totenstarre 


D A. Eckstein, Deutsch. med. Wochenschr. 1920, Nr. 16. 

2) Derselbe, Pflügers Arch. 181, 201, 1920; Hecht, ebendaselbst 182, 
199, 1920. 

3) E. Mangold, ebendaselbst 188, 313, 1921. 

t) O. Riesser, Handb. d. norm. u. pathol. Physiol. 8, 257, 1925. 

5) H. J. Deuticke, Deutsch. physiol. Ges. 1925, s. Ber. über d. ges. 
Physiol. 82, 689, 1925; Zeitschr. f. physiol. Chem. 149, 259, 1925. 

D E. Mangold, Die Naturwissenschaften 1922, Heft 41. 

?) Derselbe, Ergebn. d. Physiol. 1926. 


Milchsäurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II. 191 


der glatten Muskulatur und ihr Zusammenhang mit Stoffwechsel- 
vorgängen einerseits nicht mehr so problematisch erscheinen wird, 
wie sie Rtesser!) noch in neuester Zeit beurteilt, und daß sie andererseits 
in ihren mechanischen und chemischen Erscheinungen weitgehend mit 
der der quergestreiften Muskeln übereinstimmt. 

Anschließend sei hier noch vorläufig bemerkt, daß auch die quer- 
gestresften Muskeln der Vögel nach unseren bisherigen Untersuchungen 
schon im frischen Zustande erhebliche Mengen Milchsäure aufweisen 
und mit ihren Maxima bei der Totenstarre an die höchsten von 
Säugermuskeln beschriebenen Werte heranreichen. 


Zusammenfassung. 


In der glatten Muskulatur des Hühnermagens wurden im frischen 
Zustande durchschnittlich 0,093 Proz. (0,059 bis 0,135 Proz.) Milch- 
säure gefunden, auf der Höhe der Totenstarre 0,145 Proz. (0,104 bis 
0,323 Proz.). 

Die postmortale Milchsäurebildung verläuft, mit etwas früherem 
und steilerem Beginn, zeitlich parallel den mechanischen Veränderungen 
(Verkürzung, Härtezunahme) der Totenstarre des Muskelmagens. Sie 
erreicht mit diesen zugleich in 5 Stunden nach dem Tode ihren Höhe- 
punkt, wonach dann allmählicher Abfall der Milchsäurewerte eintritt. 

Da der zeitliche Verlauf dieser Veränderungen für den Hühner- 
und Taubenmagen verschieden ist, bei jedem dieser beiden Organe 
aber für die mechanischen und chemischen Veränderungen überein- 
stimmt, so ist nunmehr mit Sicherheit anzunehmen, daß auch bei 
der Totenstarre der glatten Muskulatur die Milchsäurebildung eine 
Bedingung für die mechanischen Veränderungen (Verkürzung, Härte- 
zunahme) im Sinne einer Kontraktursubstanz darstellt. 


1) Riesser, im Handb. d. norm. u. pathol. Physiol. 8, 257, 1925. 


Über die chemische Natur der Adsorption. 


Von 
Kshitish Chandra Sen. 


(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Allahabad, Indien.) 
(Eingegangen am 22. Dezember 1925.) 


In einer früheren Mitteilung!) habe ich dargetan, daß der chemischen 
Natur des Adsorbens in bezug auf die Art und den Grad der Adsorption 
eines Stoffes aus seiner Lösung eine große Bedeutung zukommt. Es 
hat sich erwiesen, daß die Langmuirsche Adsorptionstheorie?) die 
Bildung unbestimmter chemischer Verbindungen zwischen dem Ad- 
sorbens und der adsorbierbaren Substanz voraussetzt. Verallgemeinert 
man die Theorie, so führt sie zu einem besseren Verständnis vieler 
Erscheinungen, bei denen sich nur schwer ein Unterschied zwischen 
einer wahren Verbindung und einer Adsorption feststellen läßt. In 
der vorliegenden Abhandlung soll gezeigt werden, daß der Grad der 
Adsorption bei chemisch aktiven Oberflächen in hohem Maße von 
der chemischen Natur des adsorbierbaren Stoffes abhängt. Die 
experimentellen Ergebnisse umfassen die Adsorption von Säuren und 
Basen durch basische Substanzen sowie die von Säuren und Basen 
durch saure Stoffe, ferner die Änderung der Ionenadsorption eines 
Salzes und seine Abhängigkeit von der Natur der Oberfläche. Zugleich 
wird eine kurze Übersicht über einige bei elektroosmotischen Messungen 
erhaltene Resultate gegeben. 

Tabelle I. 
Adsorbens: Chromhydroxyd 0,261 g. 
Adsorption von Schwefelsäure und Natriumhydroxyd pro Gramm Adsorbens. 




















Adsorption von Schwefelsäure Adsorption vòn Natriumbydroxyd 

Ursprüngliche Konzentration A | Ursprüngliche Konzentration ! 
e Milliäquivalente EE | Milliäquivalente EES 

2,3826 7,838 | 2,3826 ~ 1682 

2,0840 7,280 — — 
1,7670 6439 | 1,7670 1,582 
1,4500 | 5,405 1,4500 1,524 

1,1320 | 4,273 d — | Ss 


1) Kolloid-Zeitschr. 86, 193. 1915. 
2) Journ Amer. Chem. Soc. 88, 2221, 1916; 89, 354, 541, 1917. 


K.C. Sen: Chemische Natur der Adsorption. 193 


Tabelle II. 
Adsorbens: Aluminiumhydroxyd 0,267 g. 
Adsorption von Schwefelsäure und Natriumhydroxyd gleicher Konzentration 
pro Gramm Adsorbens. 





l Ursprüngliche Konzentrahien Adsorption | Adsorption 
Milliäquivalente von Säure von Alkali 

1,1320 1,793 1,224 

0,9902 1,706 1,161 

0.7921 1,630 1,109 

0,5940 1,484 1,034 

0,39605 1187 | 0,959 

Tabelle III. 


Adsorbens: Eisenhydroxyd 0,2559 g. 
Adsorption von Schwefelsäure und Natriumhydroxyd pro Gramm Adsorbens. 








Adsorption von Natriumhydroxyd 







Ursprüngliche Konzentration 








SC Milläquivalente 

en EES ee eren | m bs e E 
1,1320 1,696 | 0,9434 0,7949 
0,9607 1,651 0,7548 0,6828 
0,8235 1,597 | 0,5659 0,6098 
0,6861 1,536 0,3773 0,5368 
0.5491 1483 || 0.2830 0,5199 

Tabelle IV. 


Adsorbens: Mangandioxydhydrat. 
Adsorption von Säure und Alkali. 


i _Adsorbierte 


Ursprünglich 
Menge 
H’ oder OH',Ionen 


vorhandene Menge 
H’ oder OH’ .Ionen 


Angewandte Lösung 











Schwefekäure . . . . | 0,0094 0,0003 


Essigsäure ......- 0,0162 0,0003 
Natriumhydroxyd .. | 0,0170 0,0080 
2 e 0,0340 0,0110 
Kaliumhydroxyd .. . | 0.0170 0,0080 
ege e 0,0340 0,0110 


N 


Aus diesen Tabellen geht hervor, daß die Natur des Adsorbens 
sowohl auf den Adsorptionsgrad der Säure als auch der Base einen ganz 
bestimmten Einfluß ausübt. So ergibt sich bei den Hydroxyden des 
Eisens, Aluminiums und Chroms, daß die adsorbierte Säuremenge 
weitaus größer ist als die von Alkali. Im Falle des Chromhydroxyds 
beträgt das Verhältnis ungefähr 4:1. Beim Eisenoxyd wird um die 
Hälfte mehr Säure als Alkali adsorbiert. Dagegen findet man beim 
sauer wirkenden Mangandioxydhydrat, daß eine viel stärkere Adsorp- 
tion von Alkali als von Säure stattfindet. Betrachtet man wiederum 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 13 


194 K. C. Sen: 


das Beispiel des Eisen- und Aluminiumhydroxyds und den Grad der 
Alkaliadsorption, so tritt eine ähnliche Wirkung der Oberflächen- 
natur klar zutage. Aus den Tabellen II und III ist ersichtlich, daß 
das Aluminiumoxyd eine viel größere Quantität von Alkali adsorbiert 
als Eisenoxyd. Es ist allgemein bekannt, daß das Aluminiumhydroxyd 
bedeutend stärker sauer wirkt als Eisenhydroxyd und sich leichter in 
konzentrierten Alkalien löst, indem es Salze vom Typus der Aluminate 
bildet. Naturgemäß weist daher das Aluminiumoxyd gegenüber 
Hydroxylionen eine größere chemische Affinität auf als Eisenhydroxyd. 
Umgekehrt sollte letzteres gegenüber Säuren ein stärkeres Adsorptions- 
vermögen als Aluminiumhydroxyd zeigen. Diese Vermutung konnte 
experimentell bestätigt werden in Versuchen mit Citronen-, Wein-, 
Oxal- und Maleinsäure. | 

Nur bei Anwendung von Schwefelsäure ergab ein vereinzeltes 
Experiment, daß Aluminiumoxyd stärker als Eisenoxyd adsorbierte. 
Dieser Versuch bedarf daher einer Wiederholung. Im Falle des Chrom- 
hydroxyds wurde jedoch sowohl Säure als auch Alkali stärker adsorbiert 
als durch Eisenoxyd. Wahrscheinlich spielt hier außer der chemischen 
Affinität noch ein anderer Faktor eine Rolle. 

In der vorhergehenden Arbeit habe ich bereits festgestellt, daß 
Eisenhydroxyd in einer Suspension negativ geladener Partikeln durch 
Schütteln mit Salzen, wie Natriumarsenit, Natriumphosphat usw., 
stabilisiert werden kann, wenn eine bevorzugte Adsorption negativer 
Ionen erfolgt. Es wurde ebenfalls ermittelt, daß die Adsorption eines 
Salzes durch basische Adsorbentien viel geringer ist als die einer Säure. 
Tabelle V gibt die Ergebnisse der Adsorption von Natriumarsenit 
und arseniger Säure durch Chromhydroxyd wieder. 


Tabelle V. 






Ursprüngliche Konzentration Adsorption Adsorption 
ausgedrückt in von von 
Natriumarsenit arseniger Säure 


Jod»Milliäquivalenten 





e E EE 


11,3568 3,7518 4,0002 
9,4809 3,5997 3,8025 
7,5847 3,3513 ` 3,5794 
5,6885 3,0014 3,2549 
3,7924 2,4235 2,8037 


Boswell und Dickson!) erhielten ähnliche Resultate mit Eisen- 
hydroxyd, die auch von mir bestätigt werden konnten. Zusatz von 
Alkali vermindert somit den Grad der Adsorption von Arsenitionen 
aus Arsenigsäurelösungen durch die basischen Eisen- und Chrom- 
oxyde. Bei Natriumeitrat, -phosphat usw. kann man die Adsorption 


1) Journ. Amer. Chem. Soc. 40, 1793, 1918. 


Chemische Natur der Adsorption. 195 


negativer Ionen im Vergleich mit der Adsorption der reinen Säuren 
vernachlässigen. 


Bisher wurde ein vergleichendes Studium der Adsorption von Säure 
und Alkali sowie von Säure und Salz unternommen. Nunmehr soll gezeigt 
werden, daß die Natur des Adsorbens einen großen Einfluß auf die Adsorption 
positiver oder negativer Ionen ausübt. So konnte @kizelli!) dartun, daß 
frisch gefällte Kieselsäure den basischen Anteil hauptsächlich von Neutral- 
salzlösungen wie NaCl, KCl, CaCl, unter Freisetzung von Säure adsorbiert. 
Er führte jedoch keine quantitativen Messungen bezüglich der relativen 
Mengen der adsorbierten Säure und Base aus. In einer früheren Mitteilung?) 
wurde berichtet, daß nach der Ausfällung von Arsensulfid durch KCl 
aus einer kolloidalen Lösung, die Chloridionen in einem Ausmaß von 
50 Proz. im Verhältnis zu den Kaliumionen adsorbiert werden. 


Die folgenden Ergebnisse?) behandeln die Adsorption von positiven 
sowie negativen Ionen aus der gleichen Lösung durch Mangandioxyd- 
hydrat. 


Tabelle VI. Mangandioxyd = 1,1g. Volumen der Lösung = 40 ccm. 




















Konzentration Adsorption von _ Adsorption von 


d der Lösung | Kationenäquivalenten | Anionenäquivalenten 
CuSO, 2.22... | on | 0,00162 0,00022 
MnCh,. . . 2... | 05 n | 0,000 68 0,000 148 
C,H 2 5 i 0,58 n | 0,000 44 0,000 148 


Diese Zahlen beweisen, daß sich das negativ geladene Mangan- 
dioxyd gegenüber Basen wie eine Säure verhält und Salze vom Typ 
der Manganite bilden kann. Es adsorbiert auch negative Ionen in 
einem gewissen Umfang, und obwohl diese Adsorption geringer ist 
als die des basischen Anteils, so kann sie doch nicht vollständig ver- 
nachlässigt werden. Es wird ferner gezeigt werden, daß in äquivalenten 
Konzentrationen das SOy-Ion viel stärker adsorbiert wird als die 
C/’-Ionen, in Äquivalenten ausgedrückt. Daher sollte Kupfersulfat 
im ganzen stärker adsorbiert werden als Kupferchlorid, was tatsächlich 
experimentell bestätigt wurde. Tabelle VII gibt einige dieser Er- 
gebnisse wieder. 

Tabelle VII. Mangandioxyd = 0,8 g. Volumen der Lösung = 20 cem. 








| Adsorpti 
Salz | ee | von Kationen 
Cdtle a . , — 0605n 0,0488 
CdS0O, . 2... 0,8056 n 0,0514 
MgCl...’ » 05 n 0,0044 
Ve, ...... -0605n 0.0097 


1) C. r. 176, 1714, 1923. 
2) Journ. of phys. Chem. 29, 522, 1925. 
3) Vgl. Chatterjee und Dhar, Kolloid-Zeitschr. 88, 18, 1923. 


13 * 


a 


196 K.C. Sen: 


Tabelle VII (Fortsetzung). 
Mangandioxyd = Lie Volumen der Lösung = 40 ccm. 


BR. Kier een o EE „Adson GG 
der Lösung 








Aus Tabelle VII geht hervor, daß Sulfate in der Regel stärker 
durch Mangandioxyd adsorbiert werden als Chloride, und die Adsorption 
des Kations wird deutlich durch die Gegenwart des Anions beeinflußt. 
Wird das Anion stark adsorbiert, so wird auch die Kationenadsorption 
erhöht und die Gesamtadsorption des Salzes wird dadurch größer. 

Diese Tatsache wurde bereite früher von Lachs und Michaelis!) fest- 
gestellt; Estrup?) fand, daß ein Kation in Abwesenheit eines leicht ad- 
sorbierbaren Anions viel leichter adsorbiert wird und umgekehrt. Über- 
haupt wurden viele Beispiele dieser Art bei der Adsorption von sauren 
und basischen Substanzen in Gegenwart von Elektrolyten?) gegeben. 

Es kann jetzt als feststehend betrachtet werden, daß die bevorzugte 
Adsorption eines Ions von grundlegender Bedeutung ist bei der Pepti- 
sation oder Ausfällung elektrisch geladener Suspensionen. Natürlich 
ist es wichtig, hier die Frage aufzuwerfen, wie die Wirkung einiger 
Salze, z. B. mit verschiedenen Anionen und dem gleichen Kation, 
auf eine negativ geladene Suspension sein würde, wenn man den 
Adsorptionsgrad der Salze und ihr Fällungsvermögen betrachtet. In 
vorhergehenden Arbeiten®) habe ich dargetan, daß die Wirkung 
der Anionen auf die Fällungswerte der Salze in einem derartigen Falle 
stark von der Valenz der Anionen und ihrer Adsorptionsfähigkeit 
abhängt. Gewöhnlich üben höherwertige Anionen einen größeren 
stabilisierenden Einfluß aus als die niedrigerwertigen Anionen. So konnte 
bereits gezeigt werden, daß das Sulfation stärker adsorbiert wird als 
das Chloridion, und man kann infolgedessen annehmen, daß Kupfer- 
chlorid ein stärkeres Koagulationsvermögen besitzt als Kupfersulfat. 
Es ist jedoch schon festgestellt worden, daß Kupfersulfat durch 
Mangandioxyd stärker adsorbiert wird als Kupferchlorid, oder, genauer 


1) Zeitschr. f. Elektrochem. 17, 1, 1911. 

2) Kolloidzeitschr. 11, 8, 1912. 

3) Pelet-Tolivet, Die Theorie des Farbeprozesses 1910, S. 94, 95, 149; 
Bancroft, Applied Colloid Chemistry 1921, S. 115. 

t) Zeitschr. f. anorgan. Chem. 142, 352, 1925.; Journ. of phys. Chem. 
29, 523, 1925. 


Chemische Natur der Adsorption. 197 


ausgedrückt, das Kupfer des Kupfersulfats wird stärker adsorbiert 
als das des Kupferchlorids. Dieser Befund könnte im ersten Augenblick 
zu der Annahme verleiten, daß Salze, die stärker adsorbiert werden, 
eine geringere Koagulationsfähigkeit besitzen. Der Fehlschluß wird 
aber sofort deutlich, wenn man daran denkt, daß die stärkere Adsorption 
von Kupfersulfat gegenüber dem Kupferchlorid auf der größeren Adsorp- 
tion der Sulfationen gegenüber den Chloridionen beruht. Die Fällungs- 
werte derartiger Salze für negativ geladene Kolloide sind im allgemeinen 
niedrig, und innerhalb dieser Konzentrationen übt das Sulfation eine 
stärkere stabilisierende Wirkung aus als das Chloridion. In einigen 
Fällen kann es tatsächlich möglich sein daß das Sulfation wirksamer 
ist als das Kupferion selbst, ein Beispiel, auf das wir später noch zurück- 
kommen werden. Es muß daher betont werden, daß das Fällungs- 
vermögen eines Salzes abhängig ist vom Grad der bevorzugten Adsorption 
des fällenden Ions und nicht von der Gesamtadsorption. Diese Er- 
scheinung, die ganz allgemein bei einwertigen und vielen zweiwertigen 
Elektrolyten auftritt, wird für gewöhnlich von vielen Forschern über- 
sehen, wenn die Ergebnisse der direkten Adsorption von Salzen in 
Beziehung zu ihrem Koagulationsvermögen besprochen werden. Es 
muß hier auch folgendes bemerkt werden: Da die Anwesenheit eines 
Kations die Adsorption des Anions beeinflußt und umgekehrt, so ist 
es möglich, daß bei einer Anzahl von Salzen mit demselben Anion, 
die Größe der Anionenadsorption durch eine negativ geladene Ober- 
fläche verschieden sein kann bei verschiedenen Salzen. Infolgedessen 
ist Freundlichs Auffassung!), daß äquivalente Mengen verschiedener 
Ionen notwendig sind zur Neutralisation der Ladung für dieselbe Menge 
des Kolloids, nicht länger haltbar. In Tabelle VIII geht aus elektro- 
endosmotischen Versuchen mit einer negativ geladenen Oberfläche von 
Mangandioxyd?) hervor, daß die Chloridionen bei Anwendung ver- 
schiedener Salze verschieden adsorbiert werden. 


Tabelle VIII. 


Menge des elektroosmotischen Stromes in Kubikzentimetern in 3 Minuten. 











ee KCI NaCI Na 1" Licı 
0 98 f 9,8 9,8 
n/3000 74 |© 16 ke 
n/1000 5.4 16,3 16.6 
n/500 33 131 143 
n/250 3.0 un | 134 


1) Zeitechr. f. physikal. Chem. 78, 385, 1910. 
2) Mukherjee, Journ. Ind. Chem. Soc. 2, 217, 1925. 


198 K.C. Sen: 


Aus diesen Messungen scheint hervorzugehen, daß das Chloridion 
des. Natrium- und Lithiumchlorids viel stärker wirksam ist als das 
Chloridion des Kaliumchlorids, und es ist tatsächlich wirksamer als 
das Natrium- oder Lithiumion bei diesen Konzentrationen. Es ist 
auch wahrscheinlich, daß das Lithiumchlorid im ganzen stärker adsorbiert 
wird bei diesen Konzentrationen als Kaliumchlorid, obwohl das 
Kaliumion bevorzugt stärker adsorbiert werden müßte als das Lithium- 
ion, weil die Ladung an der Oberfläche sofort vermindert wird. Ein 
ähnliches Resultat wird auch bei Anwendung von Kieselsäuredia- 
phragmen erhalten. Diese Befunde zeigen die Wichtigkeit einer Er- 
klärung für den Grad der bevorzugten Adsorption des fällenden Ions. 


In Tabelle IX werden die mit Alundumdiaphragmen und 
Lösungen bestimmter Kupfersalze erhaltenen Resultate wiedergegeben ?). 














Tabelle IX. 
i } 
Lösung | | Normalität Ä Menge |  Wanderungsrichtung 
cm/sec | 
| I 
Kupferacetat .... .» | 0,1 0,048 Zur Anode 
ra Ber | 0,01 0,085 S a 
ee S 0,004 | 0,098 3 = 
en E E E | 0,002 0,091 ` e 
Kupfermitrat . .... | 0,1 | 0,081 e i 
we e 7 EE 0,01 0,127 > á 
m aae aa | 0,004 0,132 5 5 
in un nee 0,002 0,111 - a 
Kupfersulfat. ... . . 0,2 | 0,019 „ Kathode 
er ee j 0,1 0,020 x e 
en S 0,01 | 0,016 » Anode 
FE BEE se 0,004 | 0,028 > X 
n E 0,002 0,089 » 3 
Kupferchlorid . ... 0,002 0,113 | y S 


Diese Werte zeigen, daß das Kupferion gegenüber Acetat, Nitrat, 
Chlorid und Sulfat in verdünnten Lösungen bevorzugt adsorbiert zu 
werden scheint, und weniger leicht als Sulfat, wenn die Lösung kon- 
zentrierter wird. Diese Daten geben auch eine Erklärung für das selt- 
same, von Reed?) beobachtete Phänomen, daß Kupfersulfatlösungen 
durch eine poröse Membran zur Kathode gehen, Kupferitratlösungen 
zur Anode. 

Es ist augenscheinlich, daß diese Adsorption des gleichgeladenen 
Ions auf der chemischen Affinität beruht, die zwischen der geladenen 
Oberfläche und dem fraglichen Ion besteht. Eine elektrische Adsorption 
ist in diesen Fällen nicht möglich. Infolgedessen gelangen wir zu der 


1) Briggs, Bennett und Pierson, Journ. of phys. Chem. 22, 268, 1918. 
2) Trans. Amer. Elektrochem. Soc. 2, 238, 1902. 


Chemische Natur der Adsorption. 199 


Anschauung, daß diese chemische Adsorption eine grundlegende Rolle 
spielt bei der Adsorption von Salzen und Ionen durch geladene oder 
nicht geladene Oberflächen. In einer früheren Abhandlung!) zeigte 
ich, daß diese chemische Adsorption infolge der Betätigung der Rest- 
valenzen abhängt von den Öberflächenatomen des Kristallgitters. 
Dies scheint auch die Ansicht von Fajans und Beckerath?) zu sein. 
Da das Wachstum eines Kristalls in seiner Lösung gleichbedeutend 
ist mit der Anziehung, welche die Ionen an der Oberfläche des Kristalls 
gegenüber den Ionen in der Lösung besitzen, so ist es klar, daß die 
von Marc?) angestellten Betrachtungen über die Adsorption von 
Kristallen aus wässerigen Lösungen, von Paneth, sowie Paneth und 
Horowstz*) über die Adsorption von Radioelementen durch kristalline 
Adsorbentien, und von Beekley und Taylor) über die Adsorption von 
Silbersalzen durch Silberjodid, von allgemeiner Bedeutung sein sollten. 


Zusammenfassung. 


1. Es ist gezeigt worden, daß die chemische Natur des Adsorbens 
einen großen Einfluß ausübt auf die Adsorption von Salzen oder Ionen 
aus ihrer Lösung. 

2. Es wurde gefunden, daß die Gegenwart eines leicht adsorbier- 
baren Anions den Grad der Adsorption des Kations erhöht. 

3. Negative Ionen werden oft durch negativ geladene Oberflächen 
adsorbiert gemäß der chemischen Affinität, die zwischen beiden 
existiert. 

4. Bei der Betrachtung der Ergebnisse der direkten Adsorption 
von Salzen oder Ionen in Beziehung zu ihrem Koagulationsvermögen 
sollten zwei Tatsachen berücksichtigt werden. Die Adsorption eines 
negativen Ions stabilisiert ein negativ geladenes Sol in Koagulations- 
versuchen, während es auch die Gesamtadsorption des Salzes erhöht. 
Zweitens braucht das gleichgeladene Ion nicht in der gleichen Weise 
in Salzlösungen, die verschiedene Kationen enthalten, adsorbiert zu 
werden. Freundlichs Auffassung, die Adsorption gleicher Mengen von 
Ionen sei nötig zur Ladungsneutralisation, versagt völlig in einem der- 
artigen Falle. 


1) Kolloid-Zeitschr. 86, 193, 1925. 

2) Zeitschr. f. physik. Chem. 97, 478, 1921. 

3) Ebendaselbst. 75, 710, 1911; 81, 641, 1913. 

*) Physik. Zeitschr. 15, 924, 1914; Zeitschr. f. physikal. Chem. 89, 513, 
1915. 

5) Journ. of phys. Chem. 29, 942, 1925. 


Uber die Abhängigkeit der alkoholischen Gärung von der 
Wasserstoffionenkonzentration. III. 


Von 
Erik Hägglund, Arne Söderblom und Bölge Troberg. 


(Aus dem chemischen |Laboratorium der Akademie zu Äbo, Finnland.) 


(Eingegangen am 23. Dezember 1925.) 


Bei unserem Studium der Gärungsgeschwindigkeit wurde bis jetzt 
ausschließlich die Kohlensäureentwicklung gemessen. In dem Aciditäts- 
bereich, pe = 4 bis 6 entsprechend, kann man auch annehmen, daß die 
Kohlensäureentwicklung wirklich ein zuverlässiges Maß des Zucker- 
zerfallsist. In dem Maße aber, wie wir uns dem neutralen und alkalischen 
Gebiet nähern, also bei einer Wasserstoffionenkonzentration der 
Lösung, pe > 6 entsprechend, tritt eine gewisse Unsicherheit ein, 
und zwar einerseits, weil dabei die Kohlensäure von der gärenden 
Lösung stärker zurückgehalten wird, andererseits weil sich hier in 
steigendem Maße die dritte Vergärungsform geltend macht. Diese 
Erscheinung hat gegebenenfalls eine Herabsetzung der Kohlensäure- 
entwicklung zur Folge; es ist aber deswegen gar nicht gesagt, daß die 
Geschwindigkeit des Zuckerzerfalls durch die Verringerung der Wasser- 
stoffionenkonzentration beeinflußt wird. Die Messung der Gärungs- 
geschwindigkeit durch Feststellung der in der Zeiteinheit entwickelten 
Menge Kohlensäure wird also in diesem Aciditätsbereich irreführend. 
Infolgedessen sind natürlich auch die Kurventeile, welche die relative 
Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung in der Nähe des Neutral- 
punkts darstellen, für die Geschwindigkeit der Gärung, d. h. den Zucker- 
zerfall nicht maßgeblich. 

Um die wahre Geschwindigkeit kennenzulernen, muß man also 
hier den Zuckerabbau verfolgen. Diese Sache ist so gut wie gar nicht 
untersucht worden. Die einzige Untersuchung, die Erwähnung ver- 
dient, ist eine von Zuler und Svanberg!). Diese Forscher untersuchten 
die Gärkraft von frischer Hefe und Trockenhefe bei pe = 5,8 und 
etwa 8,5. Was die Gärungsgeschwindigkeit, gemessen am Zucker- 


1) H. 105, 222, 1919. 





E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg: Abhängigkeit usw. III. 201 


verbrauch, betrifft, so sind die Ergebnisse nicht ganz eindeutig und die 
Autoren ziehen in erwähnter Beziehung aus den Versuchsergebnissen 
keine Schlüsse. Die Untersuchungen verfolgten offenbar in erster Linie 
andere Ziele. Für eine Torulahefe erwies sich die Geschwindigkeit des 
Zuckerverbrauchs in dem Bereich pe = 5 bis 7 in den fünf ersten 
Gärungsstunden konstant. Neuberg hat mit seinen Mitarbeitern be- 
kanntlich sehr wertvolle Untersuchungen über den Gärungsverlauf bei 
alkalischer Reaktion des Substrats veröffentlicht. Er befaßte sich 
dabei aber nicht mit der Frage der Geschwindigkeit des Zuckerabbaus. 

Um diese Frage aufzuklären, haben wir eine große Anzahl Ver- 
suche unter verschiedenen Bedingungen ausgeführt, deren Resultate 
hier im wesentlichen mitgeteilt werden sollen. 

Zunächst wurde das Verhalten von mäßig gepufferten Zucker- 
lösungen studiert. Zu bemerken ist dabei, daß dauernd Alkali zugesetzt 
werden muß, wenn die Alkalinität des Gärungssubstrats aufrecht- 
erhalten werden soll. Das geschah durch Zutropfung von 10n kohlen- 
säurefreier Natronlauge, bis eine schwache Rosafärbung von zugesetztem 
Phenolphthalein eintrat!.. Zur Kontrolle der Wasserstoffionen- 
konzentration wurden jede halbe Stunde Proben entnommen und 
elektrometrisch untersucht. Gleichzeitig wurden Zuckerbestimmungen 
ausgeführt. Die Gärung wurde nach bestimmten Zeiten in heraus- 
genommenen Proben durch Zusatz von einem Überschuß von Schwefel- 
säure sofort zum Stillstand gebracht. Für die Volumenzunahme durch 
den Alkalizusatz, die allerdings in diesem Falle keine große Beachtung 
verdient, wurde bei der Zuckerbestimmung korrigiert. 


I. Geschwindigkeit des Zuckerverbrauchs. 


Versuch I. 


0,15 mol. Na-Phosphat in 1 Liter 5proz. Glucoselösung. 40g frischer 
Oberhefe H. Temperatur 30,0°. 









ee 











Zeit Vorhandene Zuckermenge | Vorhandene Zuckermenge 
in 10 ccm PH in 10 ccm 
NEG, SEEN 8 g g 
Ob 8,04 0,52 | 50 | 0,52 
0 30 7,54 0,47 | 0,48 
1 o 7,63 0,43 | 0,43 
1 30 7,61 0,38 i 0,38 
2 0 8,08 0,33 | 0,33 
230 | Su 0,29 0.29 
3 0 | 849 0,25 | 0,26 
3 30 7,91 0,21 0,21 
A 0 So 0,17 0,17 





1) Ähnlich verfuhren Euler und Svanberg, a. a. O. 


202 E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg: 


Versuch II. 


0,15 mol. Na-Phosphat in 1 Liter 5proz. Glucoselösung. 40g Trockenhefe, 
aus Oberhefe H durch Trocknung bei gewöhnlicher Temperatur bereitet 
und fein pulverisiertt. Temperatur 30,0°. 
























A | B 
Zeit Vorhandene Zuckermenge Vorhandene Zuckermenge 
| PH in 10 ccm | Pu in 10 ccm 

lenese g ge & Z Z o 

a re, Eee ne ee 
Oh I 792 ` 0,51 EN 5,70 0,51 
0 30 | aa ` 0,46 | 0,44 
1 o | 82 | = | 0,42 
1 30 7,65 | 0,35 0,37 
2 0 81 . 0,28 | 0,31 
2 30 |, 7,66 0,18 | Ä 0,22 
30 | 8,28 0,12 | 0,17 
3 30 7,60 | 0,04 , | 0,09 


Aus diesen Versuchen ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß die 
Geschwindigkeit des Zuckerverbrauchs in dem Bereich der Wasserstoff- 
tonenkonzentration entsprechend py = 5,7 bis 8 gleich groß ist. Das gilt 
sowohl bei der Gärung mit frischer Hefe als auch mit Trockenhefe. 

Ein ähnliches Bild ergab sich bei dem Studium der Gärung in 
stark gepufferten Lösungen, wie aus den folgenden Versuchen hervorgeht. 


Versuch III. 


500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 0,40 mol. Phosphat (Na-Salz), 50g 
Oberhefe H, 40 g Glucose. Temperatur 30,0°. 








A 
ECH 
a Ta ` EH ` a Ke pa ZS 

SG Wë E N GE GENEE SS Im 

Oh 6,0 38,0 7,5 | 100 . aan 
o 3%] — 28,3 L 0 33,6 
1 oi — 19,8 dur ze? 19,7 |- 26,5 
1 30 j — | 11,5 20. 12,7 ho 18,7 
2 o | = 3,6 I — 6,8 — > 105 
3 ol 58 0,2 ' 7,0 0,6 er 0,6 





In einem Versuch, bei welchem die Wasserstoffionenkonzentration 
Pu = ll entsprach, trat überhaupt keine Gärung ein. 


Die Gärungsgeschwindigkeit, gemessen durch den Zuckerverbrauch, 
ist auch bei noch saurer Reaktion des Substrats unverändert, wie die 
folgende Tabelle zeigt. 


Abhängigkeit d. alkoholischen Gärung v. d. H-Ionenkonzentration.III. 203 


Versuch IV. 


500 cem Gärflüssigkeit, enthaltend 0,40 mol. Phosphat (Na-Salz) und 50g 
Oberhefe R. Temperatur 29,4°. 


——— — u 0. —— — ma — en ESSENER a ng - - _ > mmm 


A | B 























Zeit 
in Stunden | Zuckergehalt der Lösung | Pu Zuckergebalt der Lösung 

E s PEEL AA EEN 
=- | See EE 

0 38 ` 50,0 | 6,0 50,0 

l - 43,1 |o — 42,9 

2 3,7 34,5 I 35,0 

4 Ge | 14,3 | = ' 12,2 


Im Anschluß an diese Versuche wurde auch untersucht, ob die 
Gärung durch Anwesenheit von alkalisch reagierendem Sulfit gehemmt 
wird. Für den Vergleich wurde gleichzeitig die Geschwindigkeit der 
Gärung von Natriumbicarbonat enthaltenden Zuckerlösungen fest- 


gestellt: 
























Versuch V. 
| a In 
500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 50 gu 500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 50 g 
| Glucose, 0,65 mol. NNHCO;, 50 g frische || Glucose, 0,75 mol. Naa SO3, 50 g frische 
Zeit GES R, 2 ccm Hefeextrakt (1:10) |Oberhefe R, 2 ccm Hefeextrakt (1:10) 
in Stunden | Temperatur 30,20 Temperatur 30,29 
| | 
| Pa | Vergorene Zuckermenge 
D e E e Se j 
TE EEN u N aen, le I ige 
o "Sé | 0 "au | 0 
EN 2,3 Ke | 3,0 
2 8,6 Te 8,2 
3 | C 18,3 GE | 16,7 
6 as | 28.4 | a 20,6 
8 — 39,1 | — | 26,7 


Es geht aus den Versuchen hervor, daß die Anfangsgeschwindigkeit 
praktisch gleich groß ist. Im Laufe der Gärung wird aber die Gärung 
durch das Vorhandensein von Sulfit geschwächt. Diese Hemmung ist 
allem Anschein nach auf die Anreicherung des Substrats mit der Acet- 
aldehyd-Sulfitverbindung zurückzuführen. 


Das Ergebnis wird durch die folgenden beiden Versuchsreihen 
bestätigt, wobei ein nur relativ schwach gepuffertes Gärungssubstrat 
benutzt wurde. Die Alkalinität wurde wie früher durch Zutropfen von 
starker Natronlauge aufrechterhalten. 


204 E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg: 


Versuch VI. 
Temperatur 30,0°. 


Í 1000 ccm Gärflüssigkeit. enthaltend 50 g Glucose. "` 1000 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 50g 
0,2 mol. Na-phosphat, 20 g Trockenhefe (aus Ober» |' Glucose, 40 y Nas S O3, 20 g Trocken» 
hefe R hefe (aus Oberhefe R) 




































Zeit EEN 
in £ 
Stunden Vergorener Vergorener Vergorener Zucker 
PH Zucker Zucker Pa z 
Jl en A - 
S | 17 0 | 46 0 | 7,6 0 
2 | 785 aan | 30 | 75 15,5 
Versuch VII. 


Der Zuckerschwund wurde durch Drehungsabnahme festgestellt!). 
Temperatur 30,0°. 
































1000 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 25 g 1000 ccm Gärflüssigkeit, entbaltend 
Fructose, 0,2 mol. Ma phosphat: 15 g 25 g Fructose, 40g Nas SO: 15g 
Zeit Trockenhefe (aus Oberhefe R) i Trockenhefe k 
in | B ! Be en 
Stunden: ' 
Anwesende Anwesende Anwesende Zuckermenge 
Zuckermenge PH Zuckermenge | po 
e | en ee Se E EE 
Ins a 5.8 50 ap | 50 
1 | 80 25,6 24,9 8,0 | 28,2 
2 | 76 5,8 3, 79 17,8 





Zum Schluß sei noch ein Versuch erwähnt, wobei die Gärung mit 
Trockenhefe in stark gepufferten Lösungen geschah. 


Versuch VIII. 


500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 0,4 mol. Phosphat (Na-Salz), 20 g 
Trockenhefe R, 20g Glucose. Temperatur 30,0°. 





A t B | C 





















Zucke Zuckerge k | 
eo EE | re 
O g | g 
Oh 5,8 200. 71 200: 94 20,0 
0 30 18,4 | 18,1 | 18,9 
10 167 | 16.7 18,5 
1 30 = "Wë | 179 
2 0 13,3 21 o! 16,1 
3 0 93 08 | 126 
4 0 Di 5,6 o 70 ` 4,3 , Ta" 8,7 


Auch hier zeigt sich, daß die Zuckerabnahme in den Versuchen A 
und B praktisch gleich groß ist. Die starke Alkalinität der Lösung C 


1) Vgl. Neuberg, Hirsch und Reinfurth, diese Zeitschr. 105, 307, 1920. 


Abhängigkeit d. alkoholischen Gärung v. d. H-Ionenkonzentration. III. 205 


hemmt die Gärung im Anfang recht stark. Aber nach etwa 11, bis 
2 Stunden, da die Wasserstoffionenkonzentration etwas gestiegen ist, 
wird die Gärungsgeschwindigkeit auch in diesen Versuch ebenso groß 
wie in dem Versuch A oder B. 


IH. Geschwindigkeit des Zuckerverbrauchs mit derjenigen der 
Kohlensäureentwicklung verglichen. 

Wie bereits hervorgehoben wurde,. war schon von vornherein 
anzunehmen, daß in dem Maße wie die Reaktion des Gärungssubstrats 
sich dem Neutralpunkt bzw. dem alkalischen Gebiet näherte, die direkt 
gemessene Kohlensäureentwicklung als kein zuverlässiges Maß der 
Gärung betrachtet werden könnte, einerseits weil sicherlich nicht 
unwesentliche Mengen Kohlensäure von der gärenden Lösung zurück- 
gehalten wurde und andererseits, weil der Gärungsverlauf nicht mehr 
ganz nach der ersten Vergärungsform verläuft. Da die oben angeführten 
Versuche zeigen, daß der Zuckerabbau weit in das alkalische Gebiet 
hinein mit derselben Geschwindigkeit verläuft wie bei „optimaler“ 
saurer Reaktion des Substrats, war es von großem Interesse, zu sehen, 
mit welcher Geschwindigkeit die Kohlensäure unter solchen Verhält- 
nissen entwickelt wurde. 

Wir führen folgende Versuche an: 


Versuch IX. 


Gäransatz: 25 ccm 5proz. Phosphatlösung, enthaltend 1,25 g Glucose. 
Die Kohlensäure volumetrisch wie früher gemessen. Alle Kohlensäure‘ 
beim Abstellen des Versuchs durch Zusatz von 10 ccm 10proz. Schwefel- 
säure ausgetrieben. 


A. 1g frische Oberhefe R. Gärung 2 Stunden. 











i Versuch Nr. | WE, | 1 Së 2 | 3 | 4 er 
Pa vor der Gärung . . . .... S 85 175 5,6 4,5 
De nach der Gärung ...... ı 69 | 69 5,0 3,6 
Zuckerverbrauch in g 
| 0,74 | 076 | 0,82 | 0,82 


Kohlensäure in cem 
i 89,6 | 1416 | 140,7 | 134,7 


B. 1g Trockenhefe aus Oberhefe R. Gärung 1 Stunde. 


BEE Versuch Nr. I Ki l 2 | 3 IN f 5 


Dep vor der Gärung . A8 “| 6,2 | 5,1 4,2 i 
Pa nach der Gärung . | 





BA in g 

I 025 |; 036 | 033 | 037 | 031 
Kohlensäure in ccm 
38,9 | 25 | 56,6 | 720 | 653 


206 E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg: 


Versuch X. 


In diesem Versuch wurde die Alkalinität durch Zutropfung von starker 
Natronlauge bei po ~ 10 aufrechterhalten. Der Gäransatz wie im Ver- 
such IX. 1g Trockenhefe R. Gärungszeit 1 Stunde. Zum Schluß wurde 
die Gärflüssigkeit wie früher mit Schwefelsäure versetzt. 

Es trat keine Kohlensäureentwicklung ein. Der Versuch wurde mit 
demselben Ergebnis wiederholt. Die Gärung mit Trockenhefe von der 
von uns benutzten Rasse wird bei einer Wasserstoffionenkonzentration 
von pa = ~ 10 vollständig gehemmt. Ein Zuckerverbrauch konnte 
nicht nachgewiesen werden. 


Versuch XI. 


Zur weiteren Kontrolle wurde ein größerer Versuch angesetzt. Gāransatz 
500 cem proz. Glucoselösung mit 0,15 mol. Phosphat. Die Lösung A 
wurde durch Alkalizusatz auf pe = 8,5 gehalten. In der Lösung B 
betrug pa ~ 5,7. Die Kohlensäure wurde durch Wägung bestimmt. 20g 
Oberhefe H. Gärungszeit 3 Stunden. Temperatur 30,0°. 
A. PH = 8,0 bis 8,5 B. Pu = ~ 5,7 
Kohlensäure `, 4,47 8 6,37 g 
Zuckerverbrauch . . .. . 12,4 g 12,7 g 


Diskussion der Versuchsergebnisse. 


Es ergibt sich aus den Versuchen, daß die Gärung mit den von uns 
untersuchten Hefen in frischer und getrockneter Form, wenn sie durch 
den Zuckerverbrauch gemessen wird, in einem sehr weiten Bereich der 
Wasserstoffionenkonzentration, nämlich von pa = ~ 4 Su pg = ~ 85, 
mit derselben Geschwindigkeit verläuft. Dies würde ja bedeuten, daß 
das Enzym oder die Enzyme, welche die Gärung einleiten, ein außer- 
ordentlich breites pa-Optimum haben. 

Nach Ansicht verschiedener Forscher, in erster Linie Harden 
und von Euler, besteht die einleitende Phase der Gärung in einer Ver- 
esterung des Zuckers mit Phosphorsäure. Die Phosphorylierung ist, 
wie Euler und Nordlund!) gezeigt haben, in hohem Grade von der 
Wasserstoffionenkonzentration des Gärungssubstrats abhängig. Die 
optimale Wasserstoffionenkonzentration der Phosphatese entspricht 
Pa = ~ 6,3. Die Wirkung dieses Enzyms wird bei neutraler und 
schwach alkalischer Reaktion außerordentlich stark geschwächt. 
Dasselbe ist auch bei Erhöhung der Wasserstoffionenkonzentration 
der Fall. 

Stellt man sich auf den Standpunkt, daß der Zuckerabbau von 
einem einzigen Enzymkomplex bewirkt wird, der sowohl in der sauren 
als alkalischen Lösung tätig ist, und setzt man voraus, was wohl be- 
rechtigt sein dürfte, daß die Wirkung der Phosphatese unter allen 





1) H. 116, 234, 1921. 


| 
| 


Abhängigkeit d. alkoholischen Gärung v. d. H-Ionenkonzentration. III. 207 


Umständen der pg-Aktivitätskurve von Euler folgt, so wird man zu 
dem merkwürdigen Schlußsatz gezwungen, daß die Phosphatese für den 
enzymatischen Zuckerzerfall keine Bedeutung hat. 

Es ist aber gar nicht undenkbar, daß in der Hefe außer dem ge- 
wöhnlichen Gärungsenzymkomplex, der Zymase, auch andere zucker- 
abbauende Enzyme unter Umständen, z.B. in alkalischer Lösung, 
wirksam sein und unter Umständen sich neben der gewöhnlichen 
Gärung geltend machen können. Wenn man annimmt, daß die letzt- 
genannte Abbaureaktion nicht mit einer Phosphorylierung des Zuckers 
eingeleitet wird, so kann die Theorie, daß die Bildung von Gärungs- 
hexosephosphorsäuren für den Zuckerzerfall eine Vorbedingung ist, 
noch verteidigt werden, wenn man diesen Zerfall auf die gewöhnliche 
Gärung beschränkt. | 

Wir werden später auf diese Frage in anderem Zusammenhang 
zurückkommen. Die Untersuchungen werden fortgesetzt. 


Zusammenfassung. 


1. Der Zuckerzerfall, durch das Verschwinden des Zuckers und 
nicht durch die Kohlensäureentwicklung gemessen, verläuft mut den 
von uns untersuchten Hefen in frischer und getrockneter Form in 
einem Gebiet der Wasserstoffionenkonzentration, entsprechend etwa 
Dn = 4 bis 8,5, mit derselben Geschwindigkeit. 

2. Der Zuckerabbau wird durch die Anwesenheit von Sulfit bei 
Pu = 8 im Anfang der Gärung nicht verzögert. Erst später tritt eine 
Verlangsamung ein; sie kann wahrscheinlich auf die Anreicherung der 
Acetaldehyd-Sulfitverbindung, die vermutlich gärungshemmend wirkt, 
zurückgeführt werden. 

3. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen früherer Mitteilungen 
verläuft die Kohlensäureentwicklung bei schwach saurer Reaktion des 
Gärungssubstrats, entsprechend pe =5 bis 6, mit maximaler Ge- 
schwindigkeit. 

4. Bei einer Wasserstoffionenkonzentration, entsprechend pg = 10, 
tritt keine Gärung mehr ein. 

6. Die Ergebnisse, insbesondere die Frage betreffend der Anteil- 
nahme der Phosphorsäure im Gärungsvorgang, wurden diskutiert. 


Chemische Untersuchungen über die Metamorphose der Insekten. 


III. Mitteilung: 
Über die „subitane‘“ und „latente“ Entwicklung!). 


Von 
Josef Heller. 


(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität Lwów.) 
(Eingegangen am 24. Dezember 1925.) 


Mit 5 Abbildungen im Text. 


I. 


Das Puppenstadium dauert bei verschiedenen Insektenformen 
verschieden lange, je nachdem es im Sommer durchgemacht wird, 
oder sich über den Winter erstreckt; im ersten Falle einige Wochen. 
im anderen mehrere Monate. Es gibt auch Formen, bei denen beide 
Arten der Puppenentwicklung abwechseln, wie bei unseren Pieriden, 
Vanessen, und es kommt gelegentlich vor, daß eine Form mit lang- 
lebender, überwinternder Puppe in wenigen Wochen ausschlüpft. 
Besonders interessant liegen diese Verhältnisse bei der Araschnia 
levana-prorsa, wo bekanntlich beide Generationen eine so verschiedene 
Flügelfärbung aufweisen, daß sie für verschiedene Arten gehalten 
wurden. 

Nun hat Fr. Süffert?) gezeigt, daß dieser Saison-Dimorphismus 
mit der Entwicklungsweise der Puppe verknüpft ist, indem die Subitan- 
entwicklung in der Regel die Prorsa, die Latententwicklung dagegen 
Levana ergibt. Es ist dabei gleichgültig, ob die Puppen an sich zum 
entsprechenden Entwicklungsmodus veranlagt waren, oder dieser 
ihnen durch Temperaturreiz (subitan durch Wärme, latent durch 
Kälte) aufgezwungen worden ist. Man kann aber auch durch Kälte- 


1) I. Mitteilung: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 210, 736, 1925; 
II. Mitteilung: diese Zeitschr. 165, 411, 1925. 
2) Fr. Süffert, Biol. Zentralbl. 44,. 173—188, 1924. 





J. Heller: Chemische Untersuchungen über die Metamorphose usw. III. 209 


einwirkung während einer eng umgrenzten ‚sensiblen‘ Periode eine 
„Kälte-Levana‘ bei subitaner Entwicklung erreichen. Ein Gegenstück, 
eine „Wärme-Prorsa‘‘ bei latenter Entwicklung, ließ sich bisher nicht 
erhalten. 


Die Bedeutung dieser Arbeit scheint darin zu liegen, daß sie das 
wichtige Problem des Entwicklungsmodus, welches, nach bisherigen 
Ergebnissen zu schließen, durch Stoffwechselversuche zu lösen ist, 
mit einem anderen Forschungsgebiet in Beziehung bringt, mit den 
bekannten Experimenten über den Einfluß der Temperatur auf 
die Zeichnung der Insekten. Doch ist die Darstellung des Wesens der 
beiden Entwicklungsmodi in der Arbeit von Süffert derart, daß sie die 
beiden Forschungsrichtungen wieder auseinander führen könnte. 


Süffert!) schreibt nämlich: ‚Beginnt die Puppenentwicklung 
sofort bei der Verpuppung?).... so entsteht die Prorsaform (,,Subitan- 
prorsa‘“). Beginnt die Puppenentwicklung nicht sofort bei der Ver- 
puppung, sondern wird erst eine Latenzperiode durchgemacht, während 
der die Entwicklung stillsteht, so entsteht die Levanaform (,„Latenz- 
levana‘‘) usw. Und weiter unten noch deutlicher: ‚Bei der Latenz 
steht die Entwicklung äuf einem sehr frühen (vermutlich vor der 
sensiblen Periode liegendem) Punkte vollkommen still und verläuft 
dann, einmal in Gang gekommen, mit normaler Geschwindigkeit.“ 


Nun ist zu beachten, daß nach Süffert die sensible Periode für die 
Hinterflügel in die Zeit gegen 12 Stunden, für die Vorderflügel um 
24 Stunden nach der Verpuppung fällt. 


Diese Darstellung der Sachlage entspricht wohl den ökologischen 
Verhältnissen und macht da» gelegentliche Auftreten einer zweiten 
Generation im warmen Spätherbst statt im Frühling ohne weiteres 
verständlich. Sie steht jedoch mit gewissen Tatsachen im Widerspruch, 
die sich aus Stoffwechselversuchen ergeben. 


Wir wissen aus den Versuchen von Tangl?), Weinland*) und Krogh’), 
daß die Entwicklung im Puppenstadium aus zwei Prozessen besteht. 
Der eine, dissimilatorische (‚negative‘‘, Weiland) bewirkt eine Zerstörung 
der larvalen Organe, er dominiert am Anfang, nimmt aber immer mehr 
an Intensität ab. Der andere, assimilatorische (positive, Weiland), 
welcher einer Entwicklung der Imaginalscheiben entspricht, ist am 
Anfang unbedeutend, gewinnt aber schnell an Intensität und drängt 


1) Biol. Zentralbl. 44, 182. 
2) Von uns hervorgehoben. 
3) Pflügers Arch. 180. 
t) Zeitschr. f. Biol. 47, 1905. 
5) Zeitschr. f. allgem. Physiol. 16, 1914. 
Biochemische Zeitschrift Band 169. 14 


210 J. Heller: 


dann den ersten zurück. So kann man mit Krogh drei Abschnitte im 
Puppenstadium annehmen: 


L Mit fallendem Stoffwechsel, in welchem der dissimilatorische 
Prozeß dominiert. 


2. Mit minimalem Stoffwechsel, während dessen der erste Prozeß 
sein Minimum erreicht hat und der andere erst anfängt. 


3. Mit rasch ansteigendem Stoffwechsel, wo der assimilatorische 
Prozeß dominiert. 


Alle bisherigen Untersuchungen beziehen sich auf die Subitan- 
entwicklung, aber eine Fußnote bei Krogh!) läßt erkennen, daß er die 
„Winterruhe“ der Puppen der zweiten Periode zuteilt. Daß Krogh 
auch hier das Richtige getroffen hat, beweisen unsere eigenen Unter- 
suchungen an Deilephila Euphorbiae. 


Nun hatte ich in diesem Sommer die Gelegenheit, die subitane 
Entwicklung bei über 80 Deslephtlen zu untersuchen. So ergab sich die 
Möglichkeit, die beiden Entwicklungsweisen bei ein und derselben Art, und 
zwar solcher mit — in Mitteleuropa — regelmäßiger ‚‚latenter‘“ Ent- 
wicklung, zu vergleichen. Wir wollen also an diesem Beispiel entscheiden, 
welcher Art die Unterschiede zwischen den beiden Entwicklungsweisen 
sind. Gibt es eine Latenzperiode, wie sie Süffert annimmt, die in weniger 
als 12 Stunden nach der Verpuppung einsetzt und dann, nach der 
Überwinterung, durch eine Entwicklungsperiode gefolgt wird, welche 
genau der ganzen Subitanentwicklung entspricht? Oder hat man viel- 
mehr beide Entwicklungsmodi als einen verschieden lange ausgedehnten, 
sonst aber gleichen Vorgang zu betrachten ? 


Vollständigkeitshalber schicken wir noch eine Schilderung der 
Subitanentwicklung bei Argynnis paphia (einem Tagfalter wie Araschnia) 
voraus, da es möglich wäre, daß die Subitanentwicklung auf phylo- 
genetischer Basis anders verläuft, als auf Grund individueller Ab- 
weichung. 


II. Die Subitanentwicklung bei Argynnis paphia L. 


Der bekannte Silberstrich oder Kaisermantel, der größte unserer 
Perlmutterfalter, fliegt im Juni und August. Seine Raupe überwintert 
und lebt bis im Mai hauptsächlich an Himbeeren. Ist sie reif zur Ver- 
puppung, dann klammert sie sich mit den Afterfüßen an irgend einen 
dünnen Zweig oder Blattstiel an. Das Körperende wird noch durch 
ein kleines aber dichtes Gespinnst an die Unterlage befestigt. In dieser 
Position — kopfabwärts — verharrt sie auch während der ganzen 
Puppenperiode als seltsam eckige, mit käfergrün metallisch glänzenden 


1) Siehe weiter unten Fußnote S. 228. 








d 
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 211 


Flecken geschmückte Puppe. Beim Schmetterling zeichnet sich das 
Männchen durch schwarze Bestäubung der Rippen an den Vorder- 
flügeln aus. 


Die Raupen wurden am 31. Mai — mit dem Hinterleibe an dünne 
Zweige angeheftet — gefunden. Die Zweige wurden knapp an den 
Anheftungsstellen abgeschnitten, so daß die Raupen an dünnen Holz- 
stäbchen hingen. Zwei Exemplare wurden mit diesen Stäbchen mittels 
dünnen Drahtes an Glashaken kleiner Respirationsgläser befestigt. 
Die Gläser von etwa 30ccm Inhalt kommunizierten mit Barcroft- 
manometern, waren mit je 0,3ccm Kalilauge (4 Proz.) beschickt und 
dienen in der üblichen Weise zu den Respirationsversuchen!). 


Zufälligerweise war, wie sich beim Ausschlüpfen gezeigt hat, das 
eine Exemplar Männchen, das andere Weibchen. Die Untersuchung 
wurde so geleitet, daß Versuchsdauer und Pause zwischen zwei Ver- 
suchen gleich waren. 


Die Verpuppung erfolgte während des ersten Versuches, den ich 
(auf reduzierte Sauerstoffwerte umgerechnet) weiter unten anführe. 
Alle Versuche wurden in einem großen Luftbad von 20° ausgeführt, 
während die Zimmertemperatur um diesen Wert schwankte und 18 
bis 220 betrug. Da bei dieser Versuchsanordnung die Puppen nicht 
gewogen werden konnten, werden die Sauerstoffwerte in Kubikzenti- 
metern pro Stunde und Individuum auf 0°, 760 mm Hg und Trocken- 
heit reduziert angegeben und nur an einem Orte zur Orientierung auf 
Grund des durchschnittlichen Anfangsgewichtes der Puppen von 
Argynnis paphia, (0,5 g) auf 1 kg Gewicht und 1 Stunde umgerechnet. 


Tabelle I. 
Die Verpuppung. 








— be lm [en 














| Seuerstälfverbraiich 
Tag Zeit | S Bemerkung 
| | , t = 200 
| cmm bé cmm cmm n prasid. cmm pro Std. | 
Lt 10 | —- j o — | Ir we, "2 
1. VI. „ 1930 | 940,0 1150,0 188,0 230,0 ' 2 verpuppt 
1. VI. 20 30 238,0 191,0 238,0 191,0 ` 
1. VI. | 21 30 | 240,0 178,0 240,0 1780 | 
1. VI. 22 30 222,0 158,0 222,0 158,0 |l 
2. VI. 4 30 1059,0 919,0 176,5 153,0 o' verpuppt 
2. VI. HO ju — — — — 
2. VI. 11 30 :| 345,0 317,0 | 138,0 127,0 | 
2. VI. 19 30 j 1079 A 1022,5 135,0 128,0 | 
2. VI. 20 30 128 A 119,0 | 128,0 119,0 


1) Vgl. dazu Parnas, Abderhaldens Handb. d. biol. Arbeitemeth. 5,’ 
3. Abt., S. 667; sowie II. Mitteilung: diese Zeitschr. 165, 411, 1926. 


14 * 


x 


212 


J. Heller: 


In der ersten Tabelle und Abb. 1 sind die Werte für den Sauerstoff- 
verbrauch während der Verpuppung dargestellt. Die weibliche Raupe 


S 740 


N 
S 


Sauerstofverórauch p 
a Š 
o BEIS S 


Abb. 1. Sauerstoffverbrauch während der Verpuppung 
bei Argynnis paphia. Die Rechtecke stellen den 
Sauerstoffverbrauch in einzelnen Versuchsperioden 
dar, die ausgezogene Linie für g, 


strichelte für 9. 





Z 4 6 8 O 12 M WÉ B 20 22 24 26 28 30 
Stunden 


die ges 


verpuppte sich vor dem ersten 
Ablesen der Manometer, und 
ihr Sauerstoffverbrauch ver- 
mindert sich fortan. Das 
Männchen verpuppt sich 8 
bis 10 Stunden später. Wir 
sehen bei ihm ein aus- 
geprägtes Maximum einige 
Stunden vor der Verpuppung. 
Es entspricht wahrschein- 
lich den heftigen Bewegun- 
gen, welche das Abstreifen 
der Raupenhaut besorgen. 
Ein ähnliches Maximum 
haben wir bei Desiephila 
Euphorbiae mit nachfolgen- 


der Überwinterung sowie einer mit Subitanentwicklung während 
des ganzen letzten Tages vor der Verpuppung gefunden. 


Tabelle II. 








1. VI. | 19h30’ 
1. VI. 22 30 
2. VI. 4 30 
2. VI. 20 30 
3. VI. 10 30 
3. VI. 23 00 
4. VI. 19 30 
5. VI. 10 30 
6. VI. 9 30 
8. VI. 11 00 
9. VI. 19 30 
10. VI. ` 8 00 
11. VI. | 130 
i 12. VI. 15 00 
14. VI. | 22 30 
16. VI. 6 00 
16. VI. 18 00 
17. VI. 23 00 
18. VI. 21 00 
20. VI. 8 00 
20. VI. 11 30 
20. VI. | 1645 


| 
Tag | Zeit | 
l 





Stunden seit 
Versuchsbeginn 














Sauerstoff verbrauch 








in cmm pro Stunde 
A g 
188,0 230,0 
222,0 158,0 
176,5 153,0 
128,0 119,0 
95,0 88,0 
92,0 86,0 
75,0 56,0 
61,0 ' 60,0 
60,0 62,0 
60,0 63,0 
61,0 61,5 
61,0 65,0 
64,0 67,0 
71,0 83,0 
92,0 95,0 
99,0 | 103,5 
111,0 115,0 
130 | 1220 
125,5 125,0 
201,0 193,0 
204,0 197,5 


Beide ausgeschlüpft. 


In dieser zweiten Tabelle haben wir einen Auszug aus 16 Experi- 
menten, aus denen der Sauerstoffverbrauch pro Stunde berechnet wurde. 


Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 213 


Abb.2 zeigt diese Werte. Die Kurve für Weibchen ist im ganzen 
gegen diejenige für das Männchen nach links verschoben, entsprechend 
der früheren Verpuppung des ersten. Sonst weisen beide Kurven jene 
typische Gestalt auf, der wir auch bei Deslephila begegnen und welche 
im allgemeinen mit der Kurve für Tenebrio nach Krogh!) übereinstimmt. 





Abb. 2. 
Stoffwechsel während der Metamorphose bei Argynnis paphia. Die 3 und Ge Zeichen 
bedeuten den Sauerstoffverbrauch in Kubikmillimetern pro Stunde und Individuum 
laut Tab. Il. Die Rechtecke stellen die Kohlensäureabgabe in Kubikmillimetern 
pro Stunde und Individuum laut Tab. IV dar. 























Tabelle III. 
Das Ausschlüpfen. 
o SR HR eebe u | 
Tag Zeit | Bemerkung 
` ` emm cmm ` emm pro Std emm pro Std. 
Reeg Lee ZEN 
vi 120 | — ı — — |! — | 
av 1300 " 180,0 ' 1730 | 1800 | 1730 
| 
| 


2%. VI. 1645 | 1080,0 1100,0 | 291,0 ' 294,0 | Beide ausgeschlüpft 
ai 1715 | 164,5 1215 | 3290 | 243,0 


2. VI. | 17 30 61,5 552 | 2460 | 225,0 


Die rasch ansteigenden Werte des letzten Tages sind in der 
dritten Tabelle genauer zusammengestellt worden. Die beiden Falter 
schlüpften zwar während desselben Versuches von 33%, Stunden 
Dauer aus, aber aus dem rascheren Abklingen der Sauerstoffwerte 
für das Weibchen können wir vermuten, daß es früher als das 
Männchen ausschlüpfte. 


1) Zeitschr. f. allgem. Phys. 16, 1916. 


214 J. Heller: 














Tabelle IV. 
TI l WE Stunden |  Kohlensäureabgbe - 
Tag Zeit Ka | cmm pro | Bemerkungen 
beginn, ` Stunde e 

2. VI. | 11h00 458 ER 208,0 Veran um. um 8 Uhr 
3. VI. | 20 00 ee 195 6.36 192,5 Norm 

9. VI. | 19 00 198 16,5 8,41 Sa | 
15. VI. || 12 00 || 330 26,0 | 132 100,0 | 
18. VI. || 12 00 402 16,0 8,14 113,0 ; 
19. VI. || 11 00 425 7,0 3,56 154,5 | 
19. VI. | 18 00 || 432 2,5 1.27 | 1820 || Ausgeschlüpft um 13 Uhr 








Gewicht der Raupe . .. . . 676 mg Abgestreifte Raupenhaut = 4,0 mg 
® des ausgeschl. Falters 273 mg b Puppenhülle = 6,0 mg 
Wasserverlust = 186,0 45.52 
CO, Abgabe = 89,5 mg = 45,52 ccm R.-Q. = =>- = 0,705. 
Summa: 295,5 mg pe 
Gewichtsverlust des 
R-Kolbens samt Tier 203,0 mg 


Differenz 92,5 mg — ergibt den Sauerstoffverbrauch = 64,7 ccm 


An einem dritten Exemplar haben wir eine Versuchsreihe nach 
der Methode von Haldane ausgeführt, deren Resultate betreffend die 
Kohlensäureabgabe in der Tabelle IV zusammengestellt und in der Abb. 2 
veranschaulicht werden. 


Die Raupe wurde kopfabwärts hängend in einem Behälter von 250 ccm 
Inhalt befestigt. Durch den doppelt durchbohrten Gummistopfen wurde 
durch ein Glasrohr die von Wasserdampf und Kohlensäure befreite Luft 
in den Kolben geleitet. Durch die andere Bohrung ging ein anderes Glasrohr 
bis nahe an den Boden durch, welches die Luft aus dem Kolben durch 
gewogene Absorptionsgefäße (l. mit Calciumchlorid, 2. mit Natronkalk 
und Calciumchlorid schichtenweise gefüllt) befördert hatte. Die Lüftung 
wurde durch Ansaugen in eine 2-Liter-Vakuumflasche mit entsprechend 
zugedrehtem Glashahn besorgt. Zwischen die Vakuumflasche und Ab- 
sorptionsgefäße war noch eine Waschflasche mit konzentrierter Schwefel- 
säure eingeschaltet, um einen Übergang der Feuchtigkeit in die letzten, 
was bei der langsamen Ventilation möglich wäre, zu verhüten. Die Wasch- 
flasche fungierte dann zugleich als Blasenzähler. In passenden Intervallen, 
etwa je 24 Stunden, wurden die Absorptionsgefäße und der Kolben samt 
Versuchsobjekt gewogen, wobei sich die Wasserdampf- und Kohlensäure- 
produktion unmittelbar ergaben. Der Sauerstoffverbrauch wurde als 
Differenz aus der Gewichtszunahme der beiden Absorptionsgefäße und 
der Gewichtsabnahme des Kolbens berechnet. 


Da diese Methode für die Kohlensäureabgabe viel genauere Werte 
gibt, als für den Sauerstoffverbrauch, so wurde nur mit CO, 
Werten gerechnet und der Sauerstoffverbrauch lediglich als Gesamt- 
summe zur Berechnung des respiratorischen Quotienten herangezogen. 

Das Experiment begann am 1. Juni, also gleichzeitig mit den oben 
besprochenen. Die Raupe von 676 mg Gewicht verpuppte sich am 


Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 215 


2. Juni frühmorgens. Das Ausschlüpfen erfolgte am 19. Juni, es war 
somit die Puppenperiode um etwa 30 Stunden kürzer als bei den beiden 
anderen. 


Der respiratorische Quotient beträgt in diesem Versuche 0,708. 
Die Kohlensäureabgabe wird durch die Rechtecke der zweiten Abbildung 
dargestellt. Der Verlauf derselben entspricht vollständig den beiden 
Kurven für den Sauerstoffverbrauch. 


Es sei noch der Versuch 13 mitgeteilt, in welchem nach derselben 
Methode die Kohlensäureabgabe während des Ausschlüpfens und dann 
während des ganzen Lebens des Falters bestimmt wurde: 


Versuch 13. 


Argynnis-Paphia-Puppe kurz vor dem Ausschlüpfen. Gewicht 506 mg. 
Temperatur 20°. Versuchsdauer 24,5 Stunden, wobei der männliche 
Schmetterling ausschlüpft. 

CO,-Abgabe = 7,5 mg = 3,82 ccm = 156,0 cmm pro Stunde. 

Das Imago wird im Apparat belassen und stirbt nach 154 Stunden 
bei 130 mg Gewicht. 

In dieser Zeit beträgt die Kohlensäureproduktion 25,0 mg = 12,7 ccm, 
das sind 82,5 cmm CO, pro Stunde. 

Es bleibt noch übrig, die gewonnenen Werte für Vergleichszwecke 
auf 1 kg Gewicht umzurechnen. Aus Gründen, die in derersten Mitteilung 
näher erörtert werden, wird als Bezugseinheit 1 kg des Puppenanfangs- 
gewichtes angenommen. Aus sechs Bestimmungen erhalten wir als 
durchschnittliches Anfangsgewicht der Puppen 580 mg. So ergibt sich 
die Tabelle V. 


























Tabelle V. 
Durchschnittliches Anfangsgewicht der Puppen 580 mg. 
o Lui 
enfangsgewicht 
und I Std. 
` SR e JL eem 
Sauerstoffverbrauch während der Verpuppung . . . . . . 398,0 
24 Stunden nach der Verpuppung . . 270,0 
ep im Minimum (etwa 80 Stunden nach der 
Verpuppung) .. . s .». 2. 2.2.2.2. 100,0 
u während des Ausschlüpfens . . . . . " 508,0 


Sauerstoffverbrauch während der ganzen Puppenzeit = 111,5 Liter 
pro l kg Gewicht = 260 ccm pro Kilogramm/Stunde. 

Durchschnittsgewicht des frisch ausgeschlüpften Falters = 270 mg. 

Kohlensäureabgabe des frisch ausgeschlüpften Falters = 270 ccm pro 


Stunde und 1 kg Puppenanfangsgewicht = 577 ccm pro Stunde und 1kg 
Faltergewicht. 


216 I. Heller: 


Kohlensäureabgabe während des ganzen Falterlebens: 12,7 ccm 
= 82,5 cmm pro Stunde. 


Endgewicht des Falters . . . . . . . 130 mg 
Anfangsgewicht des Falters. . . . . . 270 , 
Durchschnittsgewicht des Falters. . . 200 mg 


Kohlensäureproduktion = 415,0 ccm pro Stunde und 1kg Durch- 
schnittsgewicht. 


Die Werte dieser Tabelle sind, was die Puppen anbelangt, viel 
höher, zum Teil doppelt so groß als diejenigen für Deilephila, auch 
bei der subitanen Entwicklung. 

Was die Lage der sensiblen Periode von Süffert betrifft, so liegt 
sie für beide Flügelpaare (12 bzw. 24 Stunden nach der Verpuppung) 
am steil abfallenden Schenkel der Kurve. 


II. Die Subitanentwicklung bei Deilephila euphorbiae. 

In den Versuchsreihen des Vorjahres wurde der Einfluß der 
Temperatur während der Puppenzeit, von der Verpuppung angefangen, 
studiert. In diesem Jahre sollte dieser Einfluß schon während des 
Raupenlebens untersucht werden. 


Es wurden ganz junge Exemplare zur Zucht bevorzugt. Seit Anfang 
Juli wurden die Standorte von Euphorbia ciparissias nach den Raupen 
abgesucht, und schon am 19. Juli wurden über 50 kleine Räupchen ge- 
sammelt. Im Gegensatz zu den großen, bunt gefärbten und an kleinen 
Euphorbiakräutchen sitzenden reifen Raupen sind die kleinen, schwärzlich 
(dann gelbgrün) gefärbten jungen Exemplare schwer aufzufinden, um so 
mehr, als sie kräftige, grüne Triebe bevorzugen, wo sie sich an der Unter- 
seite der schmalen Blättchen verstecken. Man geht am sichersten vor, 
wenn man hin und her streifend nach abgenagten Gipfeln der grünen Triebe 
sucht. Bemerkt man solche, so sind die benachbarten Pflanzen sehr genau, 
Zoll für Zoll, zu untersuchen, und man findet dann gewöhnlich 40 bis 
70 Stück auf einmal. 

Die Raupen wurden in Standgefäße von 5 bis 10 Liter Inhalt gebracht, 
wo gepflückte Euphorbien straußartig geordnet hineingestellt wurden. Mit 
Wasser berieselt, behielten die Pflanzen bei einer Temperatur von 23 
auch nach 48 Stunden ihre Frische. Bei dieser Anordnung behalten die 
Raupen beim Fressen dieselbe Körperlage wie in der Natur, wobei die 
Exkremente ungehindert zu Boden fallen können. Die Feuchtigkeit hält sich 
in entsprechenden Grenzen, und die Sterblichkeit der Raupen ist sehr gering. 


Es wurden insgesamt über 300 Raupen bis zur Verpuppung ge- 
züchtet, wobei sie gruppenweise verschiedenen Temperaturen aus- 
gesetzt wurden. Die Versuche werden noch teilweise an den Puppen 
fortgesetzt und sind im großen und ganzen noch nicht abgeschlossen. 
Hier wollen wir uns nur mit einer Gruppe von 80 Raupen befassen, 
welche die ganze Zeit bei 22 bis 230 gezüchtet wurden, sich bei der- 
selben Temperatur verpuppten und die ganze Puppenzeit zugebracht 
haben. Von dieser Zahl gelangten 72 zur Entwicklung nach 19 bis 
22 Tagen der Puppenperiode, 4 andere nach 8 bis 12 Wochen, die 





Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 217 


letzten 4 blieben bis jetzt unentwickelt und werden wahrscheinlich 
überwintern. Zur Verpuppung gingen die Raupen zum großen Teile 
nicht in den Boden, sondern verfertigten sich durch Zusammenkleben 
der Euphorbiablätter ein Nest. 

An den Faltern ließ sich keine abnorme Färbung oder sonst etwas 
Ungewöhnliches beobachten. Sie waren geschlechtsreif und es fand 
auch Begattung statt. Es scheint, als ob zu diesem Zwecke den Faltern 
eine Flugmöglichkeit gegeben werden müsse, wozu sich geräumige 
Glasglocken eignen. An den hineingelegten Euphorbien fanden sich 
dann Eier, aus denen nach 6 Tagen Räupchen ausschlüpften, die weiter 
gezüchtet wurden. Die Begattung und die Bebrütung fanden in dem- 
selben Luftbad von 22 bis 23° statt. 

Am 19. Juli wurden im Freien auch einige Eier gefunden, aus 
denen die Raupen am 22. Juli ausschlüpften. Die Verpuppung der- 
selben erfolgte am 16. und 17. August, und somit lebten die Raupen 
etwa 25 Tage. Davon entfallen etwa 4 Tage auf die Verpuppung selbst. 
Der Falter lebt 10 bis 14 Tage, es beträgt also die ganze Lebensdauer 
bei subitaner Entwicklung und 230 etwa 2Monate. Da der Falter 
schon im Juni erscheint und die Raupen bis zur Hälfte September 
häufig sind, so ist es wahrscheinlich, daß wenigstens in warmen Jahren 
bei diesen Schwärmern in Mitteleuropa eine Sommergeneration auf- 
tritt, deren Nachkommen dann als Puppen überwintern (siehe weiter 
unten, S. 229). 

Es verdient auch bemerkt zu werden, daß von diesen 80 Puppen 
keine einzige umgekommen ist. Es waren unter ihnen auch Zwerg- 
puppen, die bei der Überwinterung so schwer durchkommen; ja sogar 
verwundete Exemplare, die viel Hämolymphe verloren hatten, kamen 
glatt durch. Wie groß die Unterschiede im Gewicht der Falter waren, 
zeigen folgende Zahlen: 


Falter Nr. 313 wog 1,838 mg 
»  » 308 „ 475 „ 


Ich erblicke darin einen Hinweis darauf, daß die Subitan- 
entwicklung auch bei Detlephila primär ist, die „latente“ erst als eine 
Anpassung an ungünstige klimatische Verhältnisse aus derselben 
hervorgegangen ist. Dabei wurden verschiedene Regulierungsmecha- 
nismen nötig, welche die Grenzen der Toleranz stark eingeengt haben. 
Trotz der schlechten Chancen einzelner Individuen wird die Sicherheit 
der Art vergrößert. 

Als charakteristische Merkmale der subitanen Entwicklung wären 
zu nennen: 

L Die Beweglichkeit der Puppe, die während der ganzen Puppen- 
periode so groß ist, wie bei der langsamen Entwicklung nur während 


J. Heller: 


218 


































































‘ íi í | | í | L 
er ban Kat En U ka o et Eat ege éi ee 
- |-'2|—| Dë — | gë — | — lët gaz || gg | gL! 99| 99| gn ge se| 93| — | — MH 
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IA MWL 


Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 219 


der ersten und der letzten Tage. Nimmt man eine Puppe in die Hand, 
so schlägt sie mit den Abdominalsegmenten nach allen Richtungen. 
Eine ‚„Latenz‘-Puppe braucht erst eines ziemlich starken Druckes, um 
einige derartige Bewegungen langsam auszuführen. 

2. Gewichtsverlust!) läßt schon 2 bis 3 Tage nach der Verpuppung 
keinen Zweifel übrig, welcher Weg zur Entwicklung eingeschlagen 
worden ist. Tabelle VI gibt davon ein Bild. Wir finden dort Werte 
für die Gewichtsverluste von 20 Individuen mit subitaner Entwicklung. 
Die unterste Zeile bringt zum Vergleich entsprechende Werte für die 
Puppe Nr. 101, welche die Metamorphose mit Überwinterung durch- 
macht. 

Es fällt in der Tabelle auf, daß verschiedene Puppen mit ver- 
schieden großen Gewichtsverlusten die Metamorphose beenden, etwa 
von 11 bis 29 Proz. Demgegenüber schlüpfen die Schmetterlinge mit 
ziemlich konstanten Anfangsgewichten aus (siehe weiter unten, S. 220). 
Es erschien somit wahrscheinlich, daß die Unterschiede der Gewichts- 
verluste der letzten Tage zufälliger Natur sind, und es wurde nach den 
Ursachen gesucht. Es gelang auch, einen Zusammenhang dieser Verluste 
mit den Respirationsversuchen festzustellen. Die Verhältnisse stellt 
uns die Tabelle VII dar. 























Tabelle VII*). 

Nr. de | Geschlecht REN le d Dauer 
R Däe a 
Ee EES Proz. eege | in Stunden 

wm wl o 6 8,25 

102 op ! 22,5 3 4,5 
Es S 22,4 1 18.0 
139 e) etwa 22,0 5 13.0 
104 e 16,2 1 3.25 
138 EN 15,9 Gs SC 
135 ei 15,7 1 1,0 
133 C 14,8 = A 
113 E 14,7 en E 
108 Q etwa 14,0 SC ER 
106 Er 13,7 ER = 
114 CO etwa 13,0 — > E 
121 Q „ 123 Së = 
152 Q 12,0 -= = 
119 ? 11,2 = = 
nn ? 11,0 1 2.0 
125 E 11,0 Zi Se 
128 | Q 10,3 Ss = 
115 ' e 10,2 a s 
122 | g 9,8 | 2 = 


Ze Bei den Puppen 139, 108, 114 und 121 ist der Totalverlust durch Extrapolation erhalten 
wo . 


1) Ältere Beobachtungen über Gewichtsverlust während der Meta- 
morphose s. bei Bachmetjew, Zeitschr. f. wiss. Zool. 71, 557 bis 560, 1902. 


220 J. Heller: 


Der Zusammenhang ist ganz evident. Was seine Deutung betrifft, 
so glauben wir den Verlust als die Abgabe des gebildeten Wassers deuten 
zu können. Man kann hier aber nicht an eine austrocknende Wirkung 
der Kalilauge in den Respirationsgläsern denken, dazu ist die 4proz. 
Lösung zu verdünnt. Es handelt sich hier eher um ein mechanisches 
Auspressen des Exkrets in den letzten Tagen bei dem häufigen An- 
packen der Puppen. wobei unter der dünnen Chitinscheide die Ver- 
dunstung stattfindet. 


Wir sehen ferner aus der Tabelle, daß der Verlust bei Männchen 
viel größer ist als bei den Weibchen. Die Werte für die zu Respirations- 
versuchen nicht benutzten Männchen liegen um 14 Proz., bei Weibchen 
um 11 Proz. Auch bei den zu den Versuchen angewandten Individuen 
liegen die Werte entsprechend höher für Männchen. Dies ist begreiflich 
an Hand der Resultate, die wir für Anfangsgewichte der ausschlüpfenden 
Schmetterlinge erhalten haben. Dieselben betragen im Durchschnitt: 


Für Männchen 44,1 Proz. des Anfangsgewichts der Puppen 
D Weibchen 53,3 LE 33 39 LE 


Die einzelnen Werte zeigt die Tabelle VIII. 
































Tabelle VIII. 
Männchen | | | Weibchen 
Se | Ee? Zeien TIOckengewicht| Nr. , Ausschlüpien aer eg 
Leen, Lebendgewichts Ee  Lebendgewichis 
Proz. Proz. | Proz. Proz. 
102 44,3 32,7 . 107 — 586 | 33,8 
104 44,1 30,8 18 | 59,6 32,3 
106 42,7 30,5 15 | 50,7 33,1 
113 45.4 | 29,2 116 ` 52,0 x 
114 46,7 313 119 | 61.0 31,9 
117 45,6 | 325 122 51,1 34,4 
120 48.0 340 123 — +7 32.0 
129 36,8 De © 128 56,5 31,0 
130 47,3 | 32,1 131 54,0 31,4 
133 46,5 33,2 132 | 46,0 Se 
134 50,0 ' 295 139 45,6 == 
135 45,8 30,2 141 49,6 == 
144 48,0 31,1 | 142 55,4 29,6 
153 40,3 Ge 149 52,9 = 
219 39,0 un 151 51,4 Së 
306 36,3 SCH 152 | 480 — 
307 45,4 — 14 | 52,7 = 
311 | 40,1 = "209 59,2 2 
370 . 464 — ! 3B 54,2 = 
405 45,6 = 335 | STA = 
Durchschnitt: 44,1 | 31,4 ' Durchschnitt: 1 53,3 | 32,1 





Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 221 


Hier ist zu bemerken, daß wir in der ersten Mitteilung derartige 
Regelmäßigkeit in Abhängigkeit von Geschlecht nicht gefunden haben. 
Es handelte sich aber dort um ‚getriebene‘‘ Puppen, d.h. solche, bei 
denen die letzte Entwicklungsperiode durch ausgiebige Temperatur- 
steigerung stark verkürzt wurde. Die dort angeführten Werte wurden 
auch in diesem Jahre durch ähnlich geleitete Experimente im all- 
gemeinen bestätigt. Augenscheinlich wird also dieser Unterschied im 
Gewichtsverlust der beiden Geschlechter in der letzten Periode deutlich, 
wo die ausgebildeten Eier einen beträchtlichen Teil des Gewichts beim 
Weibchen ausmachen. Das ‚Treiben‘ vermindert dann den Unterschied. 

Einige Aufmerksamkeit ist noch auf den Wendepunkt in der Ent- 
wicklung zu richten, also auf jenen Zeitabschnitt, wo der Gewichts- 
verlust für Zeiteinheit minimal geworden ist, um dann wieder an- 
zusteigen. In der Tabelle IX finden wir diesen Punkt für 12 Puppen 
angegeben. Im Durchschnitt liegt er zwischen 2,6 und 2,7 Proz. Gewichts- 
verlust, also am fünften bis sechsten Tage nach der Verpuppung. 


Tabelle IX. 








Wendepunkt bei 








Wendepunkt bei 














l 
Nr. der Puppe | Proz. Gewichtsverlus Nr. der Puppe H Proz. Gewichtsverlust 
102 | 2,4 135 | 2,8 
103 25 138 ' 3,0 
104 2,8 139 | 25 
106 1,9 149 i 2,3 
107 24 152 3.2 
123 2,3 153 | 37 


Ein Vergleich mit der Tabelle VI beweist, daß, je größer der Verlust 
beim Wendepunkt, also je später dieser eintritt, desto länger im all- 
gemeinen die Entwicklung dauert. 


Der besprochene Wendepunkt entspricht nicht dem ‚Anfang der 
Stoffwechselsteigerung‘‘ unserer ersten Mitteilung. Es war dort ein 
Zeitabschnitt gemeint, wo der Sauerstoffverbrauch schon ganz deutlich 
höhere Werte aufweist!). Der Wendepunkt für die Gewichts- 
abnahme liegt auch in diesem Falle zwischen 2 und 4 Proz. Verlust, 
entsprechend etwa dem 50. bis 60. Tage nach der Verpuppung. 


3. Der Sauerstoffverbrauch. Derselbe wurde nach derselben Methode 
bestimmt, wie bei Argynnis paphia. Sämtliche Versuche wurden bei 
220 ausgeführt. Die Resultate wurden auf 1kg Anfangsgewicht der 
Puppe und 1 Stunde umgerechnet und in Kubikzentimetern auf 0°, 
160 mm Hg und Trockenheit reduzierten Sauerstoff ausgedrückt. 


1) Pflügers Archiv 210, 753, 1925. 


222 J. Heller: 


Beim Vergleichen der Resultate stoßen wir auf eine Schwierigkeit, 
und zwar die verschieden lange Dauer des Puppenstadiums. Um doch 
vergleichbare Werte zu erhalten, wurden die Stundenzahlen mit einem 
entsprechenden Faktor multipliziert. Da die meisten untersuchten 
Puppen am 21. Tage ausschlüpften, so wurde als Faktor ein Bruch 
angewandt, mit 21 als Zähler und der Anzahl der Tage des Puppen- 
stadiums als Nenner. So entstand auf Grund von 34 Experimenten 
an 12 Puppen die Tabelle X. 























Tabelle X. 
SS Puppe Stunden nach | Gewichtsverlust | "uerstoff- Geschlecht 
l Nr. der Verpuppung Proz. ccm 
1 f 123 2 0 262,0 g 
2 | 139 2 o. 209,0 Q 
3 123 24 1,0 164,0 ? 
4 123 58 | Lë 145,0 Q 
E 139 75 1,7 83,0 S 
6 |} 19 98 2,0 63,3 ` Ẹ 
7 | 18 118 3,7 825 g 
8 123 120 2,6 53,6 a 
9 149 120 3,0 627 ` 2 
10 139 121 2,7 64,0 | 9 
ll | 18 138 4,7 80,5 ch 
12 | 123 145 | 3,1 65,7 Q 
13 139 150 3,7 56,2 ? 
14 103 172 | 30 69/0 L 
15 | 13 191 4,7 63,0 g 
16 | 138 194 3,9 62,8 o 
17 153 213 | 7,6 67.0 o 
18 123 222 | 6,5 64.8 Q 
19 | 153 240 9,6 116.0 o 
2 ` 103 245 4,6 95.0 — 
21 | 168 264 49 90.0 = 
22 | 164 268 5,4 101,0 o 
23 å € 123 282 9,7 86.5 Q 
24 i 164 288 5,2 115,0 SS 
25 | 102 304 5,9 139,0 E 
26 | 157 312 5,6 124.8 = 
27 139 336 10,3 117,2 Q 
28 103 à ' 359 10,0 156.0 = 
29 | 155 | 360 72 120.0 = 
30 123 402 15,5 158,0 o] 
au JI 153 | 408 23.0 226,0 o 
32 1 ` 446 28,7 280,0 a 
3000183 | 474 22,4 289,0 Q 
34 107 | 484 | 9,0 240,0 Q 


Die Abb. 3 bringt diese Werte in graphischer Darstellung. 


Am Tage der Verpuppung finden wir einen Wert von über 200 cem 
pro Kilogrammstunde. Am nächsten Tage sind es noch 164 ccm, dann 








Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 223 


fällt der Verbrauch immer mehr, bis er am fünften Tage ein Minimum 
von 50 bis 60 ccm pro Kilogrammstunde erreicht. Um diesen Minimal- 
wert schwanken die Werte bis gegen den zehnten Tag, wo der Anstieg 
beginnt. Schon am dritten Tage vor dem Ausschlüpfen steigert sich 
der Sauerstoffverbrauch auf 200 ccm und erreicht am letzten Tage den 
hohen Wert von 290 ccm. Immerhin steht dieser Wert weit hinter 
dem für Argynnis paphia ermittelten (etwa 500 ccm für 1 kg Puppen- 
anfangsgewicht und 1 Stunde), sowie auch das Minimum von 60 ccm 


N 
S 


Š 





-Sauerstoff verdrauch in cm? pro kg und Stunde 
ki 
Gi 
S 


120 
00 
40 
0 400 500 
0 100 200 EE 30 0 
Abb. 3. 


Sauerstoff verbrauch während der Subitanentwicklung bei Deilephila Euphorbiae. 
Die Punkte stellen den Sauerstoffverbrauch in Kubikzentimetern pro Stunde und 
1 kg Anfangsgewicht der Puppen dar. 


dasjenige von Paphia (100 cem) nicht erreicht, obwohl die Temperatur 
bei Paphia 20°, bei Deilephila dagegen 22° betrug. Sonst aber sehen 
wir eine gute Übereinstimmung der Kurven für beide Arten. Man 
beachte besonders das raschere Abfallen des Sauerstoffverbrauchs und 
das langsamere Ansteigen, wobei in beiden Fällen die Schlußwerte 
beträchtlich über die Anfangswerte gestiegen sind. 


In einem Falle, bei der Puppe Nr. 139, wurden die Messungen 
schon vor der Verpuppung angestellt. Es zeigte sich, daß am Tage 
vor der Verpuppung eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs statthat, 
ähnlich wie es für Paphia in den letzten Stunden vor der Verpuppung 
nachgewiesen wurde. Es sei noch bemerkt, daß die Paphia-Raupen 
noch 24 Stunden vor der Verpuppung sich fortbewegen können (soweit 
sie noch nicht mit dem Hinterleib angeheftet sind), Deilephila-Raupen 
dagegen wenigstens in den letzten 48 Stunden nicht mehr zu kriechen 
imstande sind. 


224 J. Heller: 


IV. Die „latente“ Entwicklung. 


Die Vorgänge bei der ‚latenten‘‘ Entwicklung wurden in der ersten 
Mitteilung beschrieben. Hier sei das Wesentlichste angeführt. 


Die Raupen wurden im August gesammelt. Die Verpuppung geschah 
bei Zimmertemperatur (etwa 19%). Dann wurde ein Teil der Puppen 
(Gruppe l und 4) einer Temperatur von 25°, ein anderer Teil (Gruppe 2, 
3 und 5) einer solchen von 10° ausgesetzt. Nach einigen Wochen wiesen 
die ersten einen kleineren Sauerstoffverbrauch als die anderen auf, wobei 
alle Versuche bei 18° ausgeführt wurden. Sie hatten also einen niedrigeren 
Grundumsatz, d. h. Stoffumsatz bei 18°. Dementsprechend differierten 
auch die Gewichtsverluste nicht so sehr, wie aus dem großen Temperatur- 
unterschied erwartet werden konnte. Da die Entwicklungsgeschwindigkeit 
im allgemeinen der Stoffwechselgröße Schritt hält (s. unten, S. 231), die 
letzte aber dem Grundumsatz proportional ist, so bedeutet es auch eine 
Beeinflussung der Entwicklungsdauer, die in gewissen Grenzen von der 
Temperaturhöhe unabhängig wird. 

Diese Deutung der Respirationsversuche wurde durch folgendes Ex- 
periment bestätigt: Am 13. Dezember wurde die zweite Gruppe in den 
Thermostaten von 25°, die vierte Gruppe in den gekühlten Raum von 10° 
gebracht. Entsprechend dem höheren Grundumsatz der zweiten Gruppe 
stieg ihr Stoffwechsel und somit die Entwicklungsgeschwindigkeit derart, 
daß binnen 6 Wochen die Falter ausgeschlüpft sind. Bei der vierten Gruppe 
dagegen fiel der Stoffwechsel tiefer als bei der dritten und fünften Gruppe. 

Es zeigte sich ferner, daß, ähnlich wie in der Natur, die Temperatur 
während der zweiten Periode niedriger sein muß als während der ersten. 
Ist es nicht der Fall, so wird der Stoffverbrauch größer, als die Vorräte 
es erlauben, und die Puppe geht an der Erschöpfung ihrer Reserven zu- 
grunde. 


Wir wollen nun die charakteristischen Größen des Puppenstadiums, 
also den Gewichtsverlust und den Sauerstoffverbrauch, für beide 
Entwicklungsweisen miteinander vergleichen. Es darf aber dabei der 
Umstand nicht aus dem Auge gelassen werden, daß bei den oben ge- 
schilderten Untersuchungen die Verhältnisse weit mehr von den natür- 
lichen abweichen als bei der Subitanentwicklung. Am nächsten noch 
stehen die Bedingungen der dritten und fünften Gruppe, welche der 
Temperatur des Leitungswassers ausgesetzt worden waren, denjenigen 
im Freiland. Es würde nur die Temperatur der Wintermonate im 
Freien niedriger ausfallen, etwa 0 bis 4° statt 10°. Da aber dieser Zeit- 
abschnitt noch dem Minimum des Stoffwechsels entspricht, welches 
bei diesen niedrigen Temperaturen sehr kleine absolute Werte erreicht, 
so dürften die dadurch verursachten Unterschiede nicht wesentlich 
gein. 

Um nun die Gewichtsverhältnisse bei den beiden Entwicklungs- 
weisen zu vergleichen, muß zuerst eine entsprechende Durchschnitts- 
kurve für die Subitanentwicklung konstruiert werden. Da alle Puppen 
der dritten Gruppe zu mehrmaligen Respirationsversuchen verwendet 





Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 225 


wurden, so müssen aus den oben dargelegten Gründen auch hier die 
vier ersten Puppen.der Tabelle VI in Betracht kommen. Außerdem 
sind die Stundenzahlen für die Puppe Nr. 102 mit 21/19 (S. 222) zu 
multiplizieren. So gelangen wir zu folgenden Mittelwerten: 








Tabelle XI. 
Stunden | Gewichtsverlust ER DES Gewichtsverlust 

Proz. Proz. 
24 | — 288 9,2 
48 1,6 312 10,4 
12 1,9 336 12,2 
96 22 360 13.6 
120 2,8 3834 15,3 
144 3.4 408 16,9 
168 3,8 432 19,4 
192 48 456 21,0 
216 5.46 480 23.9 
240 6,5 504 26,6 

264 75 


Die so erhaltene Gewichtsverlustkurve ist auf der Abb. 4, zu- 
sammen mit jener für die dritte Gruppe (siehe erste Mitteilung, S. 746) 
dargestellt. Die Ordinaten sind für beide Kurven gleich und sind durch 


u 
& 


d Pu, 
gen 
< 


N 
Q 










E, g 
ubita ichhu 
500 


des Anfangsgewichtes 





0 160 200 Za en 320 440 0 Stunden 
0 5 e 2900 3000 3600 4300 > 2% 6800 7200 
Latentni Along 
Abb. 4. 


Gewichtsverlustkurven für beide Entwicklungsweisen. Dreiecke»Subitanentwicklung; 

Kreise-Latententwicklung. Die Kurve für die Subitanentwicklung ist aus den 

Werten für die Puppen 102, 123, 139 und 153 konstruiert. Als Kurve für die 

Latententwicklung ist die Kurve für die dritte Gruppe der ersten Mitteilung 
übernommen worden. 


prozentualen Gewichtsverlust gegeben. Was die Abszissen anbelangt, 

so hat die Subitanentwicklung im Durchschnitt 21 Tage, die der dritten 

Gruppe dagegen 300 Tage gedauert. Wenn also im ersten Falle ein 
Biochemische Zeitschrift Band 169, 15 


226 J. Heller: 


Teilstrich 20 Stunden bedeutet, so macht er im zweiten Falle 300 Stunden 
aus. Die Abbildung zeigt uns deutlich, wie sehr die Gewichtsverlust- 
kurve in beiden Fällen ähnlich verläuft. Noch besser wäre die Über- 
einstimmung, wenn wir zum Vergleich die Kurve für die fünfte Gruppe 
heranziehen. 


Auch in diesem Zusammenhange zeigen sich die besseren Chancen 
bei der subitanen Entwicklung. Die Puppen der dritten und fünften 
Gruppe sind wegen des zu großen Gewichtsverlustes zum Teil ver- 
kümmert oder konnten überhaupt nicht schlüpfen. Die vier Puppen 
bei subitaner Entwicklung ergeben beim gleichen Gewichtsverlust 
tadellose Schmetterlinge. 


Der Sauerstoffverbrauch. Die Durchschnittswerte für den Sauer- 
stoffverbrauch lassen sich für die Subitanentwicklung auf Grund der 
Tabelle X berechnen und die Abb. 3 stellt eine derartige Durchschnitts- 
kurve dar. Etwas schwieriger stellt sich die Sachlage für die latente 
Entwicklung dar. In der ersten Mitteilung haben wir nur die Kurven- 
stücke für die ersten Tage nach der Verpuppung und die letzten vor 
dem Ausschlüpfen angegeben. Den dem Minimum entsprechenden 
Abschnitt können wir auf Grund dortiger Tabelle VI (S. 747) kon- 
struieren. Die jetzigen Experimente sind bei 220, die der ersten Mit- 
teilung dagegen bei 18° ausgeführt worden. Wil man also die Er- 
gebnisse miteinander vergleichen, so sind alle Werte auf 22° umzu- 
rechnen, was auf Grund der Tabelle VII (erste Mitteilung, S. 748) 
ohne Schwierigkeiten mögli:h ist. Man kann annehmen, daß der Stoff- 
wechsel im Intervall von 18 bis 25° ungefähr der Temperatur proportional 
ansteigt. Wenn also der Sauerstoffverbrauch für die Puppen der zweiten 
und dritten Gruppe bei 18° 13,7 Kilogrammstunden beträgt und 


bei 25° 28,7 ccm, dann berechnen wir ihn für 220 als 13,7 + SC A 
= 13,7 + 8,6 = 22,3 ccm. Somit ist das Verhältnis Sauerstoffverbrauch 
bei 220 : Sauerstoffverbrauch bei 18° = 22,3 : 13,7 = 1,62 und mit 
diesem Faktor muß man die bei 18° gemessenen Werte multiplizieren. 
Die so umgeformten Werte der beiden Endstücke werden nach der 
Mitte verlängert. Es bleibt dann aber noch eine Lücke übrig, ent- 
sprechend den Monaten Januar bis März. Wir müssen also aus unseren 
Versuchsprotokollen entsprechende Ergebnisse anführen. DieTabelle XII 
bringt die nötigen Werte schon auf 220 umgerechnet. Als Minimum 
wird der oben berechnete Wert 22,3 ccm angenommen, und man erhält 
eine Kurve, die den Vergleich ermöglicht. Man darf aber nicht ver- 
gessen, daß es lediglich eine rechnerisch konstruierte Kurve ist, welche 
den Sauerstoffverbrauch angibt, den die Puppen bei shrem Grund- 
umsatz haben würden. Sie ist natürlich nicht realisierbar, da für einen 








Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 227 























Tabelle XII. 
| 
Puppe ` ` Alter | Supmtot | puppe | Atter Feb 
Nr. | Tage | - ccm N r. | Tage PS 
e Sa en en SL: _— 
26 | 140 23,4 
o E 23,8 Si 266 28,7 
24 172 27,4 45 271 30.0 
45 | 192 | 286 49 | 25 59,0 


derart großen Stoffverbrauch die Reservestoffe der Puppe nicht 
ausreichen würden. Um den wirklichen Stoffumsatz zu er- 
halten, müßte man alle Werte auf den Sauerstoffverbrauch bei 10° 
umrechnen. 


Die erhaltene Kurve ist in der Abb. 5 dargestellt. Der Maßstab 
für die Ordinaten ist hier der nämliche wie für die Subitanentwicklung, 


g u.Stunde 


Saverstaffverbrauch in cm? pro k 
a 
IS Ss 





0 120 180 20 300 360 #420 0 540 600 6560 720 
Stunden 


Abb. 5. 


Sauerstoffverbrauch während der Latententwicklung bei Deilephila Eupborbiae. 
Abszissen: Stunden nach der Verpuppung. 
Ordinaten: Kubikzentimeter pro Stunde und 1 kg Anfangsgewicht der Puppen. 


für die Abszissen ist er für die latente Entwicklung 15mal kleiner als 
für diesubitane. Somit bedeutet ein Teilstrich in der Abb. 3 20 Stunden 
und in der Abb. 5 300 Stunden. 

Die Kurven zeigen nicht mehr diejenige Übereinstimmung wie 
die Gewichtsverlustkurven. Der allgemeine Charakter der Kurven 
ist zwar derselbe. Man erkennt hier und dort die charakteristi- 
schen drei Perioden, hier und dort ist der absteigende Schenkel 
viel steiler als der ansteigende, aber die Kurven weisen zwei markante 
Unterschiede auf: 

15* 


228 J. Heller: 


L Der Sauerstoffverbrauch liegt beim Minimum der subitanen 
Entwicklung viel höher (etwa 50 ccm) als bei der latenten bei derselben 
Temperatur (etwa 22,3 ccm)!). 

2. Die relative Länge der drei Perioden ist verschieden. Es dauert 


nämlich 
Tabelle XIII. 


| Bei der subitanen Entwicklung | Bei der latenten Entwicklung 
Die erste Periode . . | etwa 100 St. = 20 Proz. | etwa 750 St. — 10,4 Proz. 
„ zweite „ : 
„ dritte , 























Man sieht also, daß die erste Periode bei den beiden Entwicklungs- 
weisen die kürzeste ist. Was die längste anbelangt, so ist es bei der 
subitanen Entwicklung die dritte, bei der latenten aber die zweite, 
welche etwa dreimal solange dauert als die beiden anderen. Es 
ist sehr interessant zu erinnern, daß nach Krogh die zweite Periode 
bei Tenebrio mit fallender Temperatur an Dauer zunimmt. Es fragt 
sich nun, ob wir mit einer derart immer mehr und mehr in die Länge 
gezogenen zweiten Periode einen stetigen Übergang zwischen den 
beiden Entwicklungswegen erreichen können? Daran schließt sich 
die Frage, ob man mittels Temperaturänderungen die Puppe zwingen 
kann, einen bestimmten Entwicklungsmodus anzuschlagen. Bevor 
wir zu dieser Frage übergehen, möchten wir feststellen, daß die an- 
geführte Darstellung der Latenz von Süffert mit den oben erörterten 
Tatsachen völlig unvereinbar ist. Von einer Latenz im Sinne eines 
Entwicklungsstillstands könnte nur an der Höhe der zweiten Periode 
gesprochen werden. Sonst stellen beide Entwicklungsweisen denselben 
Vorgang von verschieden langer zeitlicher Ausdehnung dar. i 

Nicht die ,Latenz“ scheint uns für die überwinternden Puppen 
charakteristisch zu sein, sondern die Fähigkeit, in der ersten Periode 
ihren Grundumsatz der Temperatur entsprechend einstellen zu können. 


1) Dieser Punkt hat schon im Jahre 1914 Kroghs Aufmerksamkeit 
auf sich gezogen, freilich beim Vergleich von zwei sehr verschiedenen Ob- 
jekten (Tenebrio und Sphinx). Er schreibt nämlich (Zeitschr. f. allgem. 
Physiol. 16, 187, 1914, Fußnote): ‚The metabolism does not become very 
low in the Tenebrio pupa, and the desintegration ist far from complete. In 
resting chrysalides of Sphinx ligustri, in which the larval tissues are very 
completely desintegrated, and there is a long period of inactivity before the 
formation of tissues for the butterfly hegins, the metabolism during the resting 
period fall much lower. I found for instance the oxygen take up per kg and 
hour by such chrysalides as 51 c? at 28,5°, 18 c? at 1% and 5 c? only at 10,6°.“ 

Es sind dies ungefähr Werte, wie bei unseren Gruppen 2, 3 und 5 
der ersten Mitteilung. Die Werte für die zwei anderen Gruppen waren 
nicht ganz die Hälfte. 


Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 229 


V. Der Einfluß der Temperatur auf die Entwicklungsweise. 


Es ist eine längst bekannte Tatsache, daß die Entwicklungsweise 
durch Temperaturänderungen zu beeinflussen ist. Es wird gewöhnlich 
angenommen, daß erhöhte Temperatur stets die Subitanentwicklung, 
niedrige dagegen stets die latente erfolgen läßt, auch wenn die Puppen 
„an sich“ zum entgegengesetzten Entwicklungsmodus veranlagt waren. 


Die Sache ist aber nicht so einfach, und schon Weismann ist hier 
auf Schwierigkeiten gestoßen. Wir lesen bei Biedermann!): ‚Der 
umgekehrte Versuch Weismanns, durch Erhöhung der Temperatur die 
Wintergeneration?) zur Annahme der Sommerform zu zwingen, glückte 
niemals. ... Solche Puppen setzte nun Weismann unmittelbar nach 
der Verpuppung (zum Teil auch schon als Raupen) ins Gewächshaus, 
wo tagsüber die Temperatur oft bis auf 24° R stieg. Immer war das 
Resultat dasselbe, alle oder fast alle Puppen überwinterten und 
schlüpften als Winterform (levana) erst im nächsten Jahre aus. Öfter 
dagegen kam es vor, daß einige der Schmetterlinge noch im Herbst nach 
etwa nur l4tägiger Puppenruhe ausschlüpften, und diese waren dann 
stets prorsa (Sommerform).‘“ 


Ähnlichen Schwierigkeiten ist Weismann auch bei der Winter- 
generation von Pieris napi und mancher Vanessen begegnet. Be- 
kanntlich wurde er dadurch bewogen, die Winterform, wenigstens bei 
Araschnia, als genetisch älter, weil beständiger, zu erklären. 


Unsere Untersuchungen an Deilephila haben eine ganz andere 
Erklärung dieser Tatsachen ergeben. 


Es zeigte sich nämlich, daß es bei dieser Art zweierlei äußerlich 
nicht zu unterscheidende aber verschieden veranlagte Raupen gibt. 
Die einen, welche im Juli so weit überwiegen, daß sie über 90 Proz. der 
gesammelten Raupen ergaben, können bei entsprechend hoher Tem- 
peratur die Subitanentwicklung durchmachen. Die anderen, welche 
im August dominieren und im September fast die einzigen sind, haben 
in der Regel eine Latententwicklung. Sogar durch die Anwendung von 
einer Temperatur von 30°, vom frühen Raupenalter angefangen, ist es uns 
nicht gelungen, diese Raupen zur Subitanentwicklung zu zwingen. Sie 
richten sich mittels der oben besprochenen Einstellung ihres Grundumsatzes 
auf die Latententwicklung ein. 

Die anderen Puppen entbehren aber dieser Fähigkeit der An- 
passung ihres Grundumsatzes an die Temperatur und sind gegen. die 
Änderungen derselben sehr empfindlich. Bei der Deilephila dürfte 
die Grenze, unter welcher die subitane Entwicklung überhaupt nicht 


1) Wintersteins Handb. d. vergl. Phys. 8, 1742. 
2) Bei Araschnia Levana-Prorsa. 


230 J. Heller: 


vorkommt, bei 20° liegen. Bei Zimmertemperatur (16 bis 18°) dauert 
das Puppenstadium derartiger Individuen gegen 4 Monate, so daß 
die Falter in der Zeit um Weihnachten erscheinen. Ich möchte in 
diesen Fällen von einer protrahterten Entwicklung sprechen. Bei einer 
Erniedrigung der Temperatur bis etwa 10° schlüpft der Schmetterling 
etwa im Mai oder Juni aus. In diesem Falle besteht also kein Unter- 
schied gegenüber der latenten Entwicklung. | 


Auch einer Erhöhung der Temperatur gegenüber sind die ‚Subitan- 


puppen“ sehr empfindlich. Bei 22 bis 23° dauerte das Puppenstadium 
gegen 21 Tage, bei 25° 17 Tage und bei 30° nur 13 Tage. 


Aber auch bei jenen Puppen, welche einer Erhöhung der Temperatur 
mit einer niedrigen Einstellung ihres Grundumsatzes begegnen, läßt 
sich eine ergiebige Verkürzung der Puppenzeit erreichen. Man kann 
nämlich diese Einstellung bei niedriger Temperatur entsprechend hoch 
ausfallen lassen und mittels nachfolgender Temperatursteigerung den 
Stoffwechsel und die Entwicklung beschleunigen. Eine Einstellung des 
Grundumsatzes ist nämlich nur in den ersten Wochen nach der Ver- 
puppung möglich. Diesen Vorgang möchten wir als ‚Treiben‘ der 
Puppen bezeichnen. 


Die Vorgänge bei Deilephila lassen sich durch folgendes Schema 
darstellen: 


Tabelle XIV. 


Bei einer Temperatur von 
| über 20° 16—180 


Puppen ohne Ein- NM 





















stellung dee Grund- 

umsatzes .. .. . subitan | protrahiert latent protrahiert 
Puppen mit Ein- 

stellung des Grund- | 

umsatzes . .... ‚ latent*) latent latent Treiben 


*) Viele Puppen vertrocknen bei einer solchen Entwicklung infolge Erschöpfung der Reserven. 


Obiges Schema bezieht sich nur auf Experimente, in denen die 
Temperatur konstant gehalten oder erst während der Puppenzeit 
verändert wurde. Die Experimente, in denen die Temperaturänderungen 


das Raupenstadium oder die Verpuppung selbst betrafen, sind noch 
nicht abgeschlossen. 


Aus den oben dargestellten Beziehungen zwischen Temperatur 
und Entwicklungsdauer erhellt, daß als Bindeglied zwischen den beiden 
die Stoffwechselgröße fungiert. Die Temperaturerhöhung wirkt nur 
dann und immer dann beschleunigend auf die Entwicklung, wenn sie 
zugleich den Stoffwechsel steigert. Es bezieht sich dasselbe auch auf eine 

















Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 231 


Verzögerung mittels Temperaturerniedrigung. Die Verhältnisse liegen 
hier nunmehr klar, seitdem wir wissen, daß der Stoffwechsel durch zwei 
variableGrößen bestimmt wird, deren einedie Temperatur, die andere aber der 
Grundumsatz ist. Es ist interessant, unter Berücksichtigung des obigen 
Satzes eine zusammenfassende Darstellung der Temperaturexperimente 
bei den Schmetterlingen, wie z. B. die von Biedermann zu lesen. Da sieht 
man, wie durch die Einführung der anderen Variablen vieles klar wird. 

Es erscheint zweckmäßig, den Betrag dieser Stoffwechselgröße — 
entsprechend Tangls „Entwicklungsarbeit für Zeiteinheit‘‘!) — bei 
verschiedenen Entwicklungsweisen und unter verschiedenen Bedin- 
gungen zu bestimmen, weil allem Anschein nach auf diese Weise die 
beste Charakteristik des Entwicklungsganges zu erzielen ist. Dem 
Begriff der Entwicklung wird der des Stoffumsatzes koordiniert, der 
besonders in jenen Phasen zur Charakteristik der Vorgänge dienen 
kann, in welchen die morphologischen Änderungen gar nicht oder nicht 
ohne die Zerstörung des Objekts zu erfassen sind. 

Es ergeben sich unter diesen Bedingungen auch Rückschlüsse 
auf die Frage der Beeinflussung der Flügelzeichnung durch die Tem- 
peratur. Es war nämlich von verschiedenen Forschern beobachtet 
worden, daß die Zeichnung bei vielen Insektenarten von der Dauer 
der Puppenzeit abhängig ist. Zuletzt hat es ja Süffert für die Araschnia 
genauer nachgewiesen. Da unsere Untersuchungen ergaben, daß die 
Entwicklungsgeschwindigkeit der Stoffwechselgröße proportional ist, 
so bilden sie eine Stütze für die „Stoffwechseltheorie‘“ der Gräfin 
v. Linden. Jedenfalls wird sich diese Theorie mit der von uns an- 
gewandten Methodik in einzelnen Fällen genauer und auf einer anderen 
Grundlage prüfen lassen als es seinerzeit der Verfasserin möglich war. 


VI. Über die Bedeutung der Subitanentwicklung bei Deilephila Euphorbiae. 


Es wurde oben festgestellt, daß von den zwei Arten Raupen der 
Deilephila Euphorbiae diejenigen, welche einer Subitanentwicklung 
fähig sind, zeitlich früher auftreten als die anderen, später dagegen 
selten sind. Wir deuten diesen Tatbestand als das fakultative Auftreten 
einer zweiten Generation. Es ist nämlich eine Temperatur von etwa 21° 
nötig, um aus den Juliraupen einen Schmetterling im August zu ergeben, 


1) Tangls Begriff der Entwicklungsarbeit wurde in letzter Zeit einer 
Kritik unterzogen (Needham Physiol. Rev. 5, 46—49, 1925). Die Kritik 
wendet sich gegen eine: Definition des Begriffs, wie sie von Tangi nicht 
gegeben wurde. Nach Tangl ist Entwicklungs- (Umbildungs-) Arbeit 
durch jene Menge chemischer Energie gegeben, welche während der embryo- 
nalen (bzw. metamorphotischen) Entwicklung in andere Energiearten und 
schließlich in Wärme verwandelt wird. Es scheint, daß die Bezeichnung 
Arbeit in diesem Falle irreführend ist und durch Stoffumsatz zu ersetzen wäre. 


232 J. Heller: 


also zu einer Zeit, wo es noch genügend Spielraum zur Ausbildung über- 
winternder Puppen gibt. Diese Temperatur dürfte in Mitteleuropa in 
manchen Jahren im Juli überschritten werden. Lwow z. B. liegt 
zwischen den Durchschnittsisothermen für Juli 20 und 21%. Daß 
es eine zweite Generation von Sphingiden in warmen Jahren 
geben kann, bestätigt Taschenberg!): ,„...in manchen Jahren 
sind hier und da, wie 1887 im südlichen Bayern, wahrscheinlich 
infolge des warmen und trockenen Sommers, zwei Bruten beob- 
achtet worden.“ 

Man sicht also, daß das Auftreten einer zweiten Generation 
bei den Sphingiden möglich ist). Wie könnte diese fakultative 
Sommergeneration zu einer habituellen werden, ohne eine Klima- 
änderung ? 

Man beachte den Unterschied zwischen der habituellen Subitan- 
entwicklung bei Argynnis und der fakultativen bei Deilephila. Man 
findet, daß der Stoffwechsel in seinem Minimum bei Argynnis zweimal 
höher liegt bei 20° als bei Deslephila bei 220, auf 1 kg Gewicht gerechnet 3). 


k 
Da TE bei den Puppen ungefähr gleich 4 anzunehmen ist, so würde 


Argynnis bei 15° denselben Stoffwechsel zeigen wie Deilephila bei 220, 
also noch einer Subitanentwicklung fähig sein. Deslephila hat bei 
etwa 17° eine protrahierte Entwicklung (siehe oben, S. 230). Bei 
Argynnis entspricht dieser Temperatur (15 — 5)" also 100°. Wir können 
annehmen, daß dem so sei, denn bei Araschnia, welche eine verwandte 
Form mit habitueller Subitanentwicklung darstellt, konnte Weismann 
bei 10° eine protrahierte Entwicklung erhalten, welche die Prorsa- 
Varietät ergab. Erst viel niedrigere Temperaturen führten zu einer 
Latententwicklung, aus der Levana resultierte. 


Es erhellt daraus, daß eine fakultative Subitanentwicklung zur 
habituellen wird, sobald sich der Grundumsatz entsprechend erhöht. 


1) Taschenberg, Insekten, in Brehms Tierleben, 3. Aufl., S. 391. 

2) Dem russischen Entomologen Pallas war es schon im 18. Jahr- 
hundert bekannt: „ .. . harvaque saepe intra mensem edit sphingem.“‘“ 
Lit. nach Garbowski, Sitzungber. der K. Akademied. Wiss. in Wien, Mathem.- 
naturwiss. Klasse, 101, 918, 1892. 

3) Daß dieser Unterschied nicht durch die Artverschiedenheit oder 
die Gewichtsverhältnisse bedingt ist, beweisen Experimente, in denen die 
Kohlensäureabgabe während des imaginalen Lebens bei Deilephila be- 
stimmt wurde: 

Versuch 4: Männlich, mittleres Gewicht (= 1, Anfangs- + % End- 
gewicht) = 975 mg, Dauer 250 Stunden. Kohlensäureabgabe = 162,7 ccm 
= 0,65ccm pro Stunde = 668 cem pro Kilogramm/Stunde. 

Versuch 6: Männlich, mittleres Gewicht = 910mg; Dauer 302 Stunden; 
Kohlensäureabgabe = 164,4 = 598 ccm pro Kilogramm/Stunde. 











Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 233 


Diese Ausführungen erlauben uns, das Phänomen des Saison- 
Dimorphismus in einem neuen Lichte zu erblicken. Folgende Tatsachen 
sind hier von Bedeutung: 

1. Bei Araschnia levana-prorsa können wir wenigstens bei der 
Sommergeneration das Auftreten beiderlei Raupen — mit und ohne 
Anpassung des Grundumsatzes an die Temperatur — feststellen [unsere 
Deutung der Experimente von Weismann, Dorfmeister!)], was schwerlich 
mit einem „erblichen Rhythmus“ vereinbar ist. 


2. Es wurde in einigen Fällen festgestellt, daß die Länge der Puppen- 
periode erblich übertragbar ist?2). Es gibt auch Andeutungen, daß die 
Eigenschaft der Anpassung des Grundumsatzes (und die Höhe desselben 
im anderen Falle) als Mendelfaktoren zu betrachten sind. 

Es ist also möglich, daß die Grundbedingung für den Saison- 
Dimorphismus im Auftreten dieser Mendelfaktoren gegeben ist, wobei 
die klimatischen Verhältnisse die Aufspaltung in zwei Generationen 
besorgen. Als ein Hilfsfaktor könnte hier der Umstand wirken, daß 
gewisse Kombinationen der Mendelfaktoren lebensunfähige Individuen 
ergeben können. 

Einige Worte seien noch dem Wesen der Regulierung des Grund- 
umsatzes gewidmet. Wir haben in der ersten Mitteilung die Vermutung 
geäußert, daß sie durch verschieden ausgedehnte Histolyse zustande 
kommt. Es wurde dann auch an einen Unterschied im Grad der 
Karyolyse gedacht. Histologische Untersuchungen, auf diesen Punkt 
gerichtet, sind seit einigen Monaten im Laufe, doch läßt sich über den 
Ausgang noch nichts sagen. Es ist aber auch denkbar, daß die Regu- 
lierung hormonaler Natur ist. Hat doch Kope schon im Jahre 19173) 
wahrscheinlich gemacht, daß ein Hormon die Metamorphose einleitet, 
welches vom Gehirn der Raupe produziert wird. Für den oben ent- 
wickelten Tatbestand hat übrigens die Lösung dieser speziellen Frage 
keine unmittelbare Bedeutung. | 


Zusammenfassung. 
L Die Gewichtsverlust- und die Sauerstoffverbrauchskurve 
charakterisieren die Entwicklung während der Puppenzeit. 
Es wurden diese Kurven ermittelt: 
a) Für Subitanentwicklung bei Argynnis Paphia. 
b) Für Subitanentwicklung bei Deilephila Euphorbiae. 
c) Für Latententwicklung bei Deilephila Euphorbiae. 


1) Biedermann, S. 1742 bis 1745. 
2) Derselbe, S. 1768. 
3) S. Kopeć, Rozprawy Akademji Umiej. w. Krakowie 57, Ser. B. 1917. 


234 J. Heller: Chemische Untersuchungen über die Metamorphose usw. III. 


Eine Übereinstimmung aller dieser Kurven beweist, daß die beiden 
Entwicklungsweisen als ein und derselbe Vorgang von verschiedener 
zeitlicher Ausdehnung zu betrachten sind. 


2. Es wurden bei Deilephila Euphorbiae zwei Arten Raupen ge- 
funden. Die einen lieferten Puppen, deren Entwicklungsgeschwindigkeit 
mit der Höhe der Temperatur ab- und zunahm, bis zu einer Subitan- 
entwicklung bei 22 bis 23°. 

Die anderen ergaben Puppen, die trotz erhöhter (bis 30°) Tem- 
peratur überwintern. 


3. Da die ersten Raupen anfangs überwiegen (im Juli bis 90 Proz.), 
dann aber selten angetroffen werden, und da in warmen Jahren die 
zur Subitanentwicklung nötige Temperatur im Juli erreicht wird, so 


kann diese Erscheinung als eine fakultative zweite Generation ge- 
deutet werden. 


Über die Adsorption von Giften an Kohle. 


III. Mitteilung: 
Über die Verteilung von Giften zwischen Magen- bzw. Darmwand und Kohle. 


Von 
Elisabeth Dingemanse und Ernst Laqueur. 


(Aus dem pharmako-therapeutischen Laboratorium der Universität 
Amsterdam.) 


(Eingegangen am 28. Dezember 1925.) 


Für die therapeutische Verwendung von Kohle zur Bestreitung 
eines einmal an den Körper per os eingebrachten Giftes ist natürlich 
von großer Bedeutung, wie sich die Adsorption an Kohle nicht nur 
gegenüber Giftlösungen in vitro vollzieht, sondern gegenüber solchen, 
die sich in den Eingeweiden befinden. 


Denn im Gegensatz zu den reinen in vitro-Versuchen steht das 
Gift nicht sozusagen frei dem Angriff der Kohle gegenüber, sondern 
es ist auch von der Magen- bzw. Darmwand adsorbiert. Die Kohle 
hat dann nicht nur die Aufgabe, das in der freien Lösung befindliche 
Gift aufzunehmen, sondern auch das etwa an den Wänden adsorbierte 
davon abzuziehen. Physikalisch handelt es sich also um Verteilung 
eines Giftes zwischen Kohle und Eingeweidewand. 


Nachdem wir in den vorhergehenden Mitteilungen verschiedene 
Kohlenarten hinsichtlich der Stärke ihres Adsorptionsvermögens 
gegenüber Giften verglichen und dabei festgestellt hatten, daß die 
Supra-Noritkohle, namentlich in der Form der Medizinal-Supra-Norit, 
zurzeit das Maximum leistet, konnten wir uns begnügen, nur mit dieser 
einen Kohlenart unsere Versuche anzustellen. Ausnahmsweise wurden 
noch zwei Versuche mit einer Merckschen Kohle angestellt. Des 
weiteren haben wir auch nur zwei Gifte von den früher benutzten 


236 E. Dingemanse u. E. Laqueur: 


Stoffen ausgewählt als Vertreter der Hauptgruppen, nämlich Sublimat 
und Strychnin. 


Um möglichst übersehbare Verhältnisse zu haben, mußten wir 
natürlich Weiterführung der Giftlösung von den Orten der Anwendung 
verhindern, durften also weder eine mechanische Weiterbeförderung in 
einen tieferen Darmabschnitt, noch Resorption zulassen. Das Einfachste 
war daher, frische Magen oder Därme zu nehmen, darin die Lösung 
einzufüllen und nach einer gewissen Zeit, wobei Magen oder Darm 
bewegt wurden, das Adsorbens, die Kohle, bei anhaltender Bewegung 
hinzuzusetzen. Durch Vergleich der Giftmengen in der Lösung, ohne 
Zusatz von Kohle mit solchen mit Zusatz, erhält man eine Vorstellung 
von der Leistung der Kohle. 


Die näheren Einzelheiten geben wir bei den Versuchen 
selbst. 


Wir haben uns bei der Untersuchung der Adsorption vom Sublimat 
begnügt mit der Bestimmung des Kations, weil das in diesem Falle das 
einzige Wichtige war. Der Quecksilbergehalt wird dann einfach umgerechnet 
auf HgCl,. 

Zur Quecksilberbestimmung in der Kohle haben wir anfangs die 
Methode nach Bauer!) versucht. Obgleich diese Methode für organische 
Quecksilberverbindungen, wie der Verfasser angibt, ganz gute Resultate 
liefert, zeigte sie sich für die vollständige Zerstörung der Kohle weniger 
geeignet. 

Meistens war bei dieser Methode zur völligen Zersetzung der Kohle 
ein 12- bis l4stündiges Erhitzen notwendig, wobei dann manchmal nach 
Zusatz des Perhydrol eine mehr oder weniger heftige Explosion erfolgte 
und die noch nicht destruierte Kohle in die Peligeische Röhre geschleudert 
wurde. 


Zu besseren Resultaten gelangten wir, als wir die Kohle destruierten 
nach Carius und im Röhreninhalt den Quecksilbergehalt dann wie von 
Bauer angegeben bestimmten. 


Dabei ist darauf zu achten, daß die Flüssigkeit nach dem Neutralisieren 
mit Ammoniak nur ganz schwach alkalisch reagiert. 


I. Sublimatversuche. 
A. Versuche im Schweinemagen. 


Methodik. 


Ein gut gereinigter, frischer Schweinemagen wird mit einer etwa 
0,2proz. Sublimatlösung teilweise gefüllt und 10 Minuten lang an der 
Schüttelmaschine geschüttelt. Sodann werden 5 gin 250 ccm n/20 Salzsäure 
suspendierter Supra-Noritkohle hinzugefügt und weiter 45 Minuten lang 
geschüttelt. 


1) Ber. 54, 2079, 1921. 





Adsorption von Giften an Kohle. III. 237 


Darauf wird der Mageninhalt in einen Meßzylinder gegossen und der 
Magen noch zweimal mit 250 ccm destillierten Wassers nachgespült. Die 
erhaltene Kohlesuspension wird auf 1l Liter gebracht und zentrifugiert. 
Das klare Filtrat wird abgegossen. Die Kohle wird mit wenig Wasser aus 
dem Gefäß gespült, bei 37° getrocknet und gewogen. 


Für die Quecksilberbestimmung in der Kohle wurde immer Le Kohle 
abgewogen, in ein kleines Röhrchen gebracht, und das Röhrchen in ein mit 
3ccm Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,5 beschicktes Einschmelz- 
rohr hineingebracht. Das zugeschmolzene Rohr wird 3 Stunden lang auf 
240° erhitzt. Der klare Röhreninhalt wird in ein Becherglas gespült und 
Ammoniak bis zur schwach alkalischen Reaktion hinzugefügt. Darauf 
wird ein Überschuß von einer 0,04n Cyankaliumlösung zugesetzt, wobei 
sich das Hg(CN), bildet. Der Überschuß KCN wird mit 0,04 n Silber- 
nitrat zurücktitriertt. Indikator Jodkalium. 

Zur Bestimmung von Sublimat im Filtrat der Kohle wurden 250 ccm 
der Flüssigkeit zur Trockne eingedampft, und in dem Rückstand nach 
Aufschließen mit Salpetersäure im Einschmelzrohr der Sublimatgehalt 
bestimmt. 

Bei unmittelbarer Bestimmung von HgCl, in 29,13 mg Sublimat 
wurden nach Zusatz von Cyankalium und Zurücktitrieren des überschüssigen 
Cyankaliums mit Silbernitrat 28,19 mg HgCl, gefunden. 


Nach Erhitzen von 29 mg Sublimat mit Salpetersäure im Einschmelz- 
rohr, Neutralisieren und Zurücktitrieren des nicht verbrauchten Cyankaliums 
wurden 28,11 mg HgÜl, gefunden. 


Nach diesen Vorversuchen wurde festgestellt, wieviel Sublimat 
aus einer etwa (0,2proz. Lösung unter obengenannten Bedingungen 
vom Magen resorbiert wird, ohne Zusatz von Kohle. 


Versuch 1. In einen Schweinemagen werden 250 ccm etwa 0,2proz. 
Sublimatlösung gebracht und 10 Minuten lang geschüttelt. Hierauf werden 
250 ccm n/20 Salzsäure hinzugefügt und weitere 45 Minuten geschüttelt. 
Der Mageninhalt wird in einen Meßzylinder gegossen, und der Magen zweimal 
mit 250 ccm destillierten Wassers tüchtig geschüttelt. Die Sublimatlösung 
samt Spülflüssigkeit bis 1 Liter aufgefüllt; hiervon 250 ccm eingedampft, 
nach Destruieren betrug der Sublimatgehalt 53 bzw. 52,56 Proz. des zu- 
gefügten Sublimats. 


Es sind also 47 bzw. 47,44 Proz., im Mittel 47,22 Proz., Sublimat 
vom Magen adsorbiert worden. 


Darauf wurden mehrere analoge Versuche mit Zusatz von Kohle 


durchgeführt. 


Bei den Versuchen 2, 3 und 4 wurden nach 10 Minuten langem Schütteln 
mit der 0,2proz. Sublimatlösung 5 g in 250 ccm n/20 Salzsäure suspen- 
dierter Kohle hinzugefügt und dann weitere 45 Minuten geschüttelt. 


Das Resultat ist in Tabelle I wiedergegeben. 


Wie aus Tabelle I ersichtlich ist, geht fast alles Sublimat aus der 
Lösung, aber auch der in den ersten 10 Minuten vom Magen adsorbierte 


238 E. Dingemanse u. E. Laqueur: 


Tabelle I. 


















i Sublimat gefunden Im ganzen 
Sublimat» = 
Versuch zusatz | | Arne 
mg m | SCH Proz. | Pe | 
2 503,0 | 473,67 | oi 19,1 3,8 97,95 
3 483,25 459,08 | 95,00 | 26,0 5,38 100,38 
4 483,25 | 460,70 | 95,30 | 19,0 3,9 99,2 


Anteil an die Kohle. Im Magen blieben höchstens 2,0 Proz. der zu- 
gefügten Menge Sublimat zurück. | 


Es ist fraglich, ob selbst diese geringen Sublimatreste wirklich 
noch am Magen adsorbiert sind oder nur in der Kohle sitzen, die trotz 
Nachspülens immer noch an der Magenwand hängen bleibt. 


In Ergänzung unserer Versuche in den vorhergehenden Mittei- 
lungen haben wir hier nochmals unter sonst dem Magenversuch ent- 
sprechenden Bedingungen einen Versuch in vitro angestellt, wieviel 
Sublimat in diesem Falle von der Kohle adsorbiert wird. 


Versuch 5. 5 g Supra-Norit werden in 250 ccm n/20 Salzsäure suspen- 
dert, 250 ccm 0,2proz. Sublimatlösung zugegeben und 45 Minuten lang 
in der Schüttelmaschine geschüttelt. Hier wurden im Filtrat zurückgefunden 
6,42 mg HgCl, oder 1,2 Proz.; es wurden also von der Kohle adsorbiert 
98,8 Proz., d. h. etwas mehr als im Magen. 


Zum Vergleich mit der Supra-Noritkohle haben wir noch, die 
Carbo Medicin. Merck 15107 herangezogen. 


Auch bei diesem Versuch wurde die Sublimatlösung 10 Minuten 
lang im Magen geschüttelt und dann nach Zusatz von 5g Merckscher 
Kohle in n/20 Salzsäure suspendiert, weitere 45 Minuten geschüttelt. 
Von der Kohle wurden 83 Proz. adsorbiert, im Filtrat waren 11 Proz. 
der zugefügten Menge Sublimat zu finden; im ganzen 94 Proz. 


Die Kohle war weniger leicht vom Magen zu entfernen als die 
Supra-Noritkohle, wodurch das größere Defizit an Sublimat (etwa 
6 Proz.) zu erklären ist. Ebenso wie in vitro zeigt sich in diesem Versuch 
mit überlebendem Organ die Noritkohle der Merckschen Kohle über- 
jegen. 

Der nächste Versuch 6 wurde angestellt, um zu sehen, ob das 
ganze Sublimat, das in 10 Minuten vom Magen adsorbiert ist, durch 
die Kohle wieder weggeholt wird, und sich so ein sublimatfreies Filtrat 
ergibt. 


Versuch 6. In Schweinemagen wurden 250 ccm einer etwa 0,2proz. 
Sublimatlösung gebracht und 10 Minuten geschüttelt. Dann wird der 


Adsorption von Giften an Kohle. III. 239 


Mageninhalt entfernt, und der Magen zweimal mit 250 ccm destillierten 
Wassers nachgespült und bis 1l Liter aufgefüllt (Filtrat A). In 250 ccm 
wird der Sublimatgehalt bestimmt. 


Darauf wird in den Magen eine Suspension von 5g Kohle in 500 ccm 
n/20 Salzsäure gebracht und 45 Minuten lang geschüttelt. Die Kohle- 
suspension samt zweimal 250 ccm Spülwasser wurde wieder auf 1 Liter 
aufgefüllt, und in diesem Filtrat B bzw. in der Kohle der Sublimatgehalt 
bestimmt. 








Tabelle II. 
f Sublimat» | Gefundenes Sublimat 
Versuch GES , im Filtrat A in Kohle ` im Filtrat B 
o jo mo A mg | Proz | mg Proz. | mg Proz. 
a Pau E 
6 483,25 | 318,4 65,9 149,2 30,8 23,3 4,8 
7 483,25 | 331,7 | 686 || 1482 | 30,7 152 | 31 














Aus diesem Versuch zeigt sich, daß es keinen Zweck hat, nach 
10 Minuten langem Schütteln den Magen auszuspülen, denn im Filtrat 
der Kohle beim Versuch 6 und 7 ist der Sublimatgehalt ebenso 
wie im Versuch 1, 2 und 3 zwischen 3 bis 5 Proz., d. i. sogar 10 bis 
14 Proz. von dem im Magen gebliebenen Sublimat. Vom Magen 
war also nach 10 Minuten Schütteln 31,4 bis 34,1 Proz. adsorbiert 
worden. l 


Der folgende Versuch unterscheidet sich von den Versuchen 6 und 7 
nur dadurch, daß %, Stunden mit 0,2proz. Sublimatlösung im Magen 
geschüttelt wurde und nach Entleerung noch einmal 45 Minuten mit 
5 g in 500 ccm n/20 Salzsäure suspendierter Kohle. Dabei wurde 
gefunden: 


In der Magenflüssigkeit nach %,stündigem Schütteln 58,4 Proz. 
HgCl,; also vom Magen adsorbiert 41,6 Proz. HgCl,, nach dem 
Schütteln von der Kohle adsorbiert 33,8 Proz., und im Filtrat der Kohle 
4,2 Proz. von der total zugefügten Menge Sublimat. 


Als letzter Versuch dieser Reihe wurden 250 ccm 0,2proz. Sublimat- 
lösung 45 Minuten lang im Magen geschüttelt. Nach Entfernen 
der Sublimatlösung A und Nachspülen wurde eine Suspension 
von 5g Kohle in 500 ccm n/20 Salzsäure in den Magen gebracht 
und 10 Minuten lang geschüttelt, die Kohlesuspension aus dem 
Magen entfernt und mit zweimal 250 ccm Wasser nachgespült 
(Kohle B + Filtrat B), dann wurde noch einmal 5 g in Salzsäure 
suspendierter Kohle in den Magen gebracht und %, Stunden ge- 
schüttelt (Kohle C + Filtrat C). 


240. E Dingemanse u. E. Laqueur: 


Hier wurden in den verschiedenen Filtraten und Kohlen gefunden: 


In der Lösung A nach 45 Minuten Schütteln . . 57,8 Proz. HgCl, 
In der Kohle B nach 10 Minuten Schütteln . . 14,55 „  Hgül, 


Im Filtrat der Kohle B ....... e... 36 vw HgO, 
In der Kohle C nach 45 Minuten Schütteln . . 18,7 „ HgO, 
Im Filtrat der KohleC . ...... 2... . 24 „ Hgo, 


der ursprünglich zugefügten Sublimatmenge. 


Es wurden in den ersten 10 Minuten von der Kohle nur etwa 
34 Proz. des vom Magen adsorbierten Sublimats losgelöst und adsorbiert. 
Auch hier war es nach zweimaligem Schütteln mit Kohle nicht möglich, 
ein sublimatfreies Filtrat zu erhalten, denn es enthielt das Filtrat B 
und Filtrat C 9 bzw. 10 Proz. des vom Magen adsorbierten Sublimats. 


Um zu sehen, ob das Schütteln die Adsorption am Magen und die 
Adsorption an der Kohle beeinflußt, wurde nachgegangen, wieviel 
Sublimat vom Magen resorbiert wird, wenn der Magen mit der Sublimat- 
lösung 10 Minuten lang in Ruhe liegen bleibt. Nach Entfernen der 
Flüssigkeit und nach Ausspülen wurden in der Flüssigkeitsmenge 
87,7 Proz. vom zugefügten Sublimat zurückgefunden. In diesem Falle 
waren also nur etwa 13 Proz. vom Magen adsorbiert worden. 


Zum Schluß wurde ein Schweinemagen mit 250 ccm einer etwa 
0,2proz. Sublimatlösung beschickt und ohne Schütteln 10 Minuten lang 
liegengelassen. Dann 5 g in 250 ccm n/20 Salzsäure suspendierter 
Kohle zugesetzt und ebenfalls 45 Minuten lang ohne Schütteln stehen- 
gelassen. 


Es waren an der Kohle adsorbiert worden 96 Proz. HgCl, und im 
Filtrat anwesend 3,3 Proz. HgCl,. 


Das Endresultat stimmt also mit den Versuchen, wobei die ganze 
Zeit geschüttelt wurde, genau überein. 


B. Versuche mit Schweinedarm. 


Die Versuche mit Schweinedarm wurden aus zweierlei Gründen 
angestellt, um festzustellen, erstens ob die Kohle im Darm in alkali- 
schem Milieu ebenso leicht Sublimat adsorbiert wie in saurem Milieu 
im Magen; zweitens ob das von der Kohle im Magen adsorbierte 
Sublimat im Darmmilieu wieder losgelöst wird. 


Für die Versuche mit Schweinedarm wurden 125ccm einer 0,8proz. 
Bicarbonatlösung und 125ccm einer 0,4 proz. Sublimatlösung in etwa 
lm Schweinedarm gebracht und 10 Minuten lang geschüttelt. Im Filtrat 
wurden 26,5 Proz. vom zugesetzten Sublimat zurückgefunden. 


Im Darm waren also 73,5 Proz. vom Sublimat zurückgeblieben. 











Adsorption von Giften an Kohle. III. ` 241 


Bei den folgenden Versuchen wurde nach 10 Minuten Schütteln 
mit obengenannter Sublimat-Bicarbonatlösung, 5g Kohle, suspendiert 
in 250ccm 0,4prom. Bicarbonatlösung, hinzugefügt und weitere 
45 Minuten geschüttelt. Nach dieser Zeit waren durch die Kohle 45 Proz. 
HgCl, adsorbiert worden, während im Filtrat 0,8 Proz. vom zugefügten 
Sublimat zurückgefunden wurde. Offenbar war im Darm in alkalischer 
Lösung bedeutend weniger durch die Kohle adsorbiert worden als 
in saurem Magenmilieu. 


Bei Wiederholung dieses Versuchs in vitro, d.h. beim Schütteln 
obengenannter Mengen Sublimats und Bicarbonats, entstand sehr 
bald ein roter Niederschlag in der Lösung, und zwar durch Bildung 
des Carbonats unter CO,-Entwicklung; bekanntlich gibt Carbonat mit 
Sublimat einen roten Niederschlag des basischen Salzes; nach 
10 Minuten Schütteln enthielt das Filtrat 45 Proz. des zugefügten 
Sublimats. 


Zu erwarten ist also, daß sich im Darm nach 10 Minuten 
Schütteln gleichfalls der größte Teil des Sublimats als basisches 
Salz absetzt und darum nachher von der Kohle nur ein kleiner 
Teil (etwa 45 Proz. der total zugefügten Menge Sublimat) 
adsorbiertt wird, der Niederschlag aber mit der Kohle aus 
dem Darm gespült, sofern er nicht teilweise auch von der Kohle 
adsorbiert ist. 


Wir haben diese Versuche nicht weiter fortgesetzt, sondern bei 
den folgenden Versuchen am Schweinedarm die bei den Magenversuchen 
nach Schütteln mit Sublimat erhaltene Kohle benutzt; der Sublimat- 
gehalt war also bekannt. 


2g Kohle, welche im Magen 117,61 mg Sublimat adsorbiert hatten, 
wurden in 200 ccm 4prom. Natriumbicarbonatlösung suspendiert. Diese 
Suspension wurde in 1 m langem Darm 34 Stunden lang geschüttelt. Dann 
die Flüssigkeit aus dem Darm entfernt und dreimal mit 100 ccm destillierten 
Wassers nachgespült. Der Sublimatgehalt wurde in üblicher Weise in der 
Kohle und im Filtrat bestimmt. 


Im Filtrat wurden 12 mg und in der Kohle 97,8 mg Sublimat 
gefunden. 


Ein zweiter auf dieselbe Weise ausgeführter Versuch ergab im Filtrat 
16 mg und in der Kohle 100,9 mg Sublimat. In beiden Versuchen war 
also kein Sublimat vom Darm adsorbiert worden. | 


Schließlich wurde noch 2g derselben Kohle mit 200 ccm Natrium- 
bicarbonat %, Stunden lang in vitro geschüttelt. Es ergab im Filtrat 
2,44 mg und 3 mg Sublimat. 


Es wurden also im Darm unter gleichen Umständen einige Prozente 
mehr aus der Kohle herausgelöst als in vitro. 
Biochemische Zeitschrift Band 169. 16 


242 E. Dingemanse u. E. Laqueur: 


Nach Eichholz!) besitzt lebendes und nach Clower und Walters?) 
auch totes Gewebe die Fähigkeit, Alkaloide aus ihren Adsorptions- 
verbindungen herauszulösen. Wahrscheinlich ist auch in unseren 
Versuchen Magen- und Darm-Mukosa imstande, etwas Sublimat 
aus der Kohle loszulösen, und so läßt sich erklären, weshalb man beim 
Schütteln von Kohle im Magen und Darm mit Sublimat niemals 
sublimatfreie Filtrate erhält. 


II. Versuche mit Strychninnitrat. 
Adsorption von Strychninnitrat an Kohle im Schweinemagen. 


Die Anordnung des Versuchs war die gleiche wie bei den Sublimat- 
versuchen im Schweinemagen. 

Versuch 1. In den Magen wurden 250 ccm einer 0,5 proz. Strychninnitrat- 
lösung gebracht und 10 Minuten lang geschüttelt; dann eine Suspension 
von 3,75g Supra-Noritkohle in 250 ccm n/20 Salzsäure zugesetzt und 
noch 45 Minuten lang geschüttelt; nachher der Magen mit zweimal 250 ccm 
destillierten Wassers nachgewaschen. Das Filtrat wurde durch Zentri- 
fugieren von der Kohle getrennt. 

Da es keine Methode gibt, das von der Kohle adsorbierte Strychnin- 
nitrat ohne weiteres zu bestimmen, und eine Strychninbestimmung mit der 
Permanganatmethode nach Kolthoff auch im Filtrat des Magenschleims 
wegen nicht möglich ist, wurde der Strychningehalt des Filtrats annähernd 
an Fröschen bestimmt. Das Zentrifugat gab qualitativ mit Kalium- 
quecksilberjodid einen starken Niederschlag und zeigte mit Kalium- 
bichromat und Schwefelsäure Violettfärbung. Das Zentrifugat wurde 
auf l Liter aufgefüllt; 1 ccm beim Frosch von etwa 50 g eingespritzt, 
gab nach 12 Minuten Krämpfe; desgleichen 1 ccm bei einer Verdünnung 
bis 4000 ccm, und zwar nach 40 Minuten. Auch bei einer Verdünnung 
auf 6000 ccm traten noch Krämpfe auf, dagegen nicht mehr bei einer 
Verdünnung auf 8000 ccm. Alle Frösche waren am nächsten Morgen 
wieder normal. 

Da eine Dosis von 0,025 mg Strychninnitrat beim Frosch von 
50g Krämpfe hervorruft, so müssen im Filtrat annähernd noch 
0,025 x 6000 = 150 mg Strychninnitrat vorhanden sein. Die Strych- 
ninnitratlösung enthielt anfangs 1250 mg Strychninnitrat; nicht von 
der Kohle adsorbiert waren also 12 Proz. 

Ein zweiter, gleich angelegter Versuch ergab dasselbe Resultat, 
d.h. ergab 12 Proz. nicht adsorbiertes Strychninnitrat. 


Versuch 3. Dieser Versuch wurde unter übrigens gleichen Be- 


1) Diese Zeitschr. 128, 320, 1922. 
2) Journ. Amer. med. assoc. 75, 655, 1920. 








Adsorption von Giften an Kohle. III. 243 


250 ccm 0,5proz. Strychninnitratlösung 125ccm dieser Lösung zu- 
gesetzt. Das Zeutrifugat wurde bis 1 Liter aufgefüllt. 


l ccm vom Zentrifugat, eingeengt bis 500 ccm, erregte bei einigen 
Fröschen von 50 g noch Krämpfe, bei anderen nicht mehr. In der Lösung 
waren annähernd noch anwesend 12,5 mg Strychninnitrat, d. h. 2 Proz. 


der zugefügten Menge. 


Der nächste Versuch 4 mit der gleichen Menge Strychninnitrat 
ergab, im Zentrifugat auf dieselbe Weise bestimmt, 6,25 mg Strychnin- 
nitrat oder 1 Proz. der zugefügten Menge. 


| Versuch 5. Hier wurde der Strychninnitratzusatz noch weiter 
herabgesetzt, und statt 125ccm einer 0,5proz. Strychninnitratlösung 
nur 100 ccm = 500 mg Strychninnitrat hinzugefügt. Hier waren im 
Filtrat noch etwa 5,0 mg Strychninnitrat anwesend, d.h. 1,0 Proz. 
der ursprünglichen Menge. 


Derselbe Versuch, in viiro wiederholt, ergab ein strychninfreie 
Filtrat. 


Nun wurden 500 mg Strychninnitrat in 1 Liter n/20 Salzsäure 
gelöst. Nach Zusatz von 15g Supra-Noritkohle wurde %, Stunde 
geschüttelt. Das Filtrat war strychninfrei. Die Kohle wurde ge- 
trocknet, dann 2 g dieser Kohle in 200 ccm 4prom. Bicarbonatlösung 
suspendiert und 3⁄4 Stunden im Darm geschüttelt, das Filtrat bis 25 ccm 
eingedampft; 0,5 ccm beim Frosch injiziert, gab keine Krämpfe. 

Der Darm war also nicht imstande, Strychninnitrat von der Kohle 
abzulösen. 

Es ist durch die obigen Versuche natürlich noch nichts über das 
Verhalten von Kohle-Giftgemischen beim lebenden Tiere zu sagen, 
bei dem doch ein Loslösen des Giftes durchaus möglich ist. Solche 
Versuche sollen später mitgeteilt werden. 


Zusammenfassung. 


1. Beim Schütteln einer Sublimatlösung im Schweinemagen wurden 
nach 10 Minuten 32,5 Proz., nach 45 Minuten 42 Proz., nach 55 Minuten 
47 Proz. vom Magen adsorbiert; ohne Schütteln werden dagegen 
nach 10 Minuten nur 12 Proz. vom Magen adsorbiert. 


2. Beim Schütteln mit Kohle geht fast das ganze vom Magen 
adsorbierte Sublimat an die Kohle. 

Nur ein kleiner Anteil bleibt im Magen, und zwar in der Magen- 
flüssigkeit zurück. 

3. Durch wiederholtes Schütteln mit neuer Kohle gelingt es nicht, 
das Filtrat sublimatfrei zu erhalten. 


244 E. Dingemanse u. E. Laqueur : Adsorption von Giften an Kohle. III. 


4. Auch beim Schütteln mit Sublimat, das an Kohle adsor- 
biert ist, wird vom Darm ein kleiner Teil des einmal adsorbierten 
Sublimats losgelöst. Dieses wird im Filtrat wiedergefunden. 

5. Ebenso wie bei den Versuchen in vitro zeigte sich bei den 
Magenversuchen die Supra-Noritkohle der Merckschen Kohle in bezug 
auf das Adsorptionsvermögen überlegen. 

6. Bei analogen Versuchen mit Strychnin wurden nach genügenden 
Kohlenzusatz nur Spuren Strychnin im Filtrat der Magenflüssigkeit 
nachgewiesen. 

Wurde das von der Kohle adsorbierte Strychnin im Darm ge- 
schüttelt, so wurde in der Darmflüssigkeit kein Strychnin gefunden. 


Über die Autolyse tierischer Organe bei Zimmertemperatur. 


Von 
S. Kaplansky. 


(Aus dem Institut für allgemeine Pathologie der 1. Staatsuniversität, Moskau.) 
(Eingegangen am 28. Dezember 1925.) 


Die Untersuchungen über die Autolyse verschiedener Organe 
wurden bisher für gewöhnlich im Thermostaten bei Bruttemperatur 
vorgenommen, indessen ist es doch oft dringend erforderlich, den 
Einfluß der Autolyse auf die Organe nicht nur bei der Temperatur 
von 37°, die allerdings sehr begünstigend auf die autolytischen Fermente 
einwirkt, sondern auch bei Zimmertemperatur kennenzulernen. Von 
ganz besonderer Wichtigkeit ist diese Frage bei Analysen verschiedener 
Organextrakte, da eine Reihe von Stoffen, die in den Extrakten nach- 
zuweisen sind, in den Organen nicht präformiert vorhanden sind und 
somit als typische Produkte der Autolyse angesehen werden können. 
Beachtenswert wird dieser Umstand in den Fällen, in denen zwischen 
dem Beginn der Untersuchung und der Entnahme des Organs beim 
Tiere ein mehr oder weniger langer Zeitraum verstrichen ist, oder auch 
dann, wenn die Extraktion bei einer für die autolytischen Fermente 
unschädlichen Temperatur erfolgte. Da sich diese Bedingungen nicht 
immer umgehen lassen, so ist man natürlich in derartigen Fällen ge- 
zwungen, den Einfluß der Autolyse in Betracht zu ziehen. Unter der 
großen Anzahl von Arbeiten über diesen Gegenstand fand ich jedoch 
in der Literatur keine Angaben über die Frage, mit welcher Geschwindig- 
keit die Autolyse bei Zimmertemperatur vonstatten geht. Zur Auf- 
klärung dieses Problems habe ich eine Reihe von Untersuchungen über 
die Autolyse der Leber, Milz und der Muskeln ausgeführt. Ich bediente 
mich dabei folgender Methodik: 


Den durch Aderlaß getöteten Hunden wurden augenblicklich die 
betreffenden Organe — Milz, Leber oder Muskeln — entnommen und 


Biochemische Zeitschrift Band 169. R 17 


246 S. Kaplansky: 


möglichst rasch zweimal in einer Hackmaschine zerkleinert. Die so erhaltene 
homogene Masse wurde in gleiche Portionen geteilt und in weithalsige 
Erlenmeyerkolben gebracht. In jeden Kolben wurde zuvor eine bestimmte 
Menge Wasser und etwas Toluol gegeben. Die Sterilität des Organbreies 
in jedem Kolben wurde durch spezielle Kontrollversuche festgestellt. Der 
Inhalt eines der Kolben wurde sofort gekocht, um die autolytischen Fermente 
zu vernichten; die übrigen Kolben wurden nach bestimmten Zeiträumen — 
einer nach dem anderen — zum Kochen gebracht. 24 Stunden später 
wurden alle Kolben nochmals unter vorsichtigem Zusatz von 5proz. Essig- 
säure aufgekocht. Die Beendigung der Eiweißfällung wurde jedesmal mit 
Kaliumferrocyanid nachgeprüft. Nachdem die Kolben abgekühlt waren, 
wurde ihr Inhalt mit Wasser wieder bis auf das Anfangsgewicht zurück- 
gebracht. Dieses Vorgehen erwies sich als unumgänglich notwendig, um 
die eventuell beim Kochen eingetretene Veränderung der Konzentration 
wieder auszugleichen. Darauf wurde vom koagulierten Eiweiß abfiltriert 
und aus dem Filtrat zwei Proben zur Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl 
entnommen. 


I. Die Autolyse der Muskeln. 


1200 g Muskelbrei wurden in gleiche Portionen von 200 g geteilt und 
darauf in Kolben gebracht, in denen: sich 500g Wasser und 10g Toluol 
befanden. Der Inhalt des einen Kolbens wurde alsdann sofort gekocht, 
die übrigen Kolben 3, 6, 9, 12 und 24 Stunden später. Die Werte für den 
Reststickstoff jeder Portion sind in Tabelle I wiedergegeben. 

















Tabelle I. 
Nr. des : Zeitpunkt ` Verbraucht | N | Zunahme des N 
Kolben: | des Kuchens ' ccm n/10 H. SO, Proz. Proz. 
1 sofort 21,00 | 0,294 = 
2 nach 3 Std. 20.90 0,291 — 
3 se, ` : ` 21,25 0,297 — 
4 k e 2 21,78 0,305 3,4 
5 „n 12 , 22,26 0.311 6,7 
6 „24 „ 29,15 0,324 10,0 


Aus der Tabelle I ist ersichtlich, daß sich die Menge des Stickstoffs 
innerhalb der ersten 6 Stunden fast gar nicht verändert, infolgedessen 
findet auch keine Autolyse statt. 9 Stunden nach der Entnahme der 
Muskeln betrug die Zunahme des Stickstoffs 3,4 Proz., nach 12 Stunden 
5,7 Proz. und schließlich nach 24 Stunden 10 Proz. Die Autolyse der 
Muskeln erfolgt demnach bei Zimmertemperatur ziemlich langsam. 
Der Versuch wurde noch zweimal wiederholt und ergab dieselben 
Resultate. 


II. Die Autolyse der Leber. 


300 g Leberbrei wurden in sechs gleiche Portionen geteilt und in Kolben 
mit 100g Wasser und 5g Toluol gebracht. Eine Portion wurde alsdann 
sofort aufgekocht, die übrigen 3, 6, 9, 12, 24 Stunden später. 





Autolyse tierischer Organe bei Zimmertemperatur. 247 














Tabelle II. 

Nr. Pant _ Zeitpunkt ` Verbraucht: | N Zunahme des N 

Kolbens | den Koc Kochens FIR eem n/10 H250, Proz. Proz. 
Deeg ee EE EE 

1 ‚sofort 17,50 0,245 — 

2 | nach 3 Std. 17,65 0,247 = 

3 | i , 17.98 0.251 24 

A !, e „ | 1846 0,258 53 

b 31.32, 18,95 0,263 7,3 

6 | „A „| 19,75 0,270 12,6 


Aus der Tabelle II geht hervor, daß die Autolyse der Leber bei 
Zimmertemperatur etwas schneller verläuft als die Autolyse der Muskeln, 
aber auch hier läßt sich nur eine unbedeutende Zunahme des Extraktiv- 
stickstoffs während der ersten 6 Stunden feststellen. 


II. Die Autolyse der Milz. 


30g Milz wurden in Portionen von 10g geteilt und in Kolben mit 
20g Wasser und 3g Toluol gebracht. Die folgende Behandlung war der- 
jenigen der vorhergehenden Versuche gleich. 


Die Resultate sind in Tabelle III wiedergegeben. 


Tabelle III. 


Nr. des f Zeitpunkt Verbraucht | N Zunahme des N 
Kolbens | des Kochens | ccm n]10H,SO, | Proz. Pros. 

















1. sofort 6,16 HN 0,350 | = 
2 nach 3 Std. 6.39 0,358 22 
3 1,6, 6,62 | 0,370 8,8 
Ae D ` 7.15 0,400 143 
5 | „112 | a | 048 ; 194 
6 "A? a | 0451 | 288 


Die Autolyse der Milz erfolgt sehr rasch, fast dreimal so schnell 
wie die der Muskeln. Schon nach 6 Stunden erreicht die Zunahme 
des Extraktivstickstoffs 8,8 Proz., während man in den Extrakten von 
Muskeln und Leber zu dieser Zeit keine bemerkenswerte Erhöhung 
der Stickstoffmenge konstatieren kann. 

Da bei der Autolyse hauptsächlich der Aminosäurenstickstoff 
zunimmt, der verhältnismäßig nur einen geringen Teil des gesamten 
Extraktivstickstoffs ausmacht, wurden noch folgende Versuche an- 
gestellt, um über den Verlauf der Autolyse größere Klarheit zu ge- 
winnen. In diesen Fällen wurde in den Extrakten nur der Aminosäuren- 
stickstoff bestimmt, was nach der Folinschen kolorimetrischen Methode 
geschah. Die Extrakte wurden genau so wie in den oben beschriebenen 
Versuchen bereitet. Aus den Extrakten wurde das Ammoniak von 


17 * 


248 S. Kaplansky: Autolyse tierischer Organe bei Zimmertemperatur. 


vornherein durch einen Luftstrom aus sodaalkalischer Lösung entfernt. 
Die Resultate sind in Tabelle IV wiedergegeben. 

















Tabelle IV. 
7 , Menge N in I ccm ' Menge N in 1 ccm | Men e N in 1 ccm 
reese | Muskelextrakt Leberextrakt ilzextrakt 
es Kochens | 
| mg mg mg 
sofort N 13 | 10 ll 
nach 3 Std. | 14 11 16 
|| 15 13 23 


Die Zunahme des Aminosäurenstickstoffs erfolgt viel rascher als 
diejenige des Gesamtstickstoffs, aber auch hier unterscheidet sich die 
Autolyse der Milz durch ihre Geschwindigkeit von der Autolyse der 
Leber und der Muskeln. Während die Zunahme des Aminosäurenstick- 
stoffs bei Leber 15 Proz. und bei Muskeln 33 Proz. betrug, war bei der 
Milz eine Erhöhung um 100 Proz. eingetreten. 








Über das Wesen des Antitrypsins. 


Von 
Mark Serejski. 


(Aus dem biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 28. Dezember 1925.) 


Die Frage nach der antitryptischen Wirkung hat zu vielen Arbeiten 
Veranlassung gegeben, hauptsächlich wegen ihres Zustandekommens 

Die ersten, die sich mit dieser Frage beschäftigten, waren Camus 
und @ley (1897), Landsteiner (1900), Jacoby (1908), Dantlewsky u. a. Sie 
konnten feststellen, daß Serum, mit Trypsin behandelt, entschieden die 
fermentative Wirkung des letzteren herabsetzt. Dieser Eigenschaft des 
Serums hat man in klinisch-diagnostischer Hinsicht eine große Bedeutung 
zugemessen. Eine Reihe von Forschern (Brieger und Bergmann, Wiens, 
Meyer u. a.) untersuchten die hemmende Eigenschaft des Serums bei ver- 
schiedenen Krankheiten, aber bisher gelang es noch nicht, einen sicheren, 
gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen Erkrankungen und Antitrypsin- 
gehalt im Serum aufzudecken. 

Die Natur der hier in Betracht kommenden hemmenden Substanz ist 
ebenfalls von verschiedener Seite näher untersucht worden. Nach Hedin 
deckt sich das Antitrypsin mit dem Serumalbumin; Kaemmerer u. a. halten 
das Antitrypsin für thermolabil und nicht dialysabel, Rosenthal 
H. Pfeiffer, Rusznyak u. a. bringen dagegen die antitryptische Wirkung 
mit dem Auftreten von Eiweißabbauprodukten in Zusammenhang, und 
dementsprechend halten sie das Antitrypsin für thermostabil (Doeblin) 
und dialysabel. Endlich wird die antitryptische Wirkung auf Rechnung 
der Lipoide getragen. Es gelang nämlich Pick und Pfibram, Schwarz, 
Bauer, die hemmenden Substanzen durch Behandlung des Serums mit 
Äther, Aceton und anderen lipoidlösenden Stoffen zu entfernen. 

Sämtliche Forscher sind der Meinung, daß das Antitrypsin kolloidaler 
Natur sei. 

In der letzten Zeit wurde durch die Arbeiten von Jobling und 
Petersen (1) großes Aufsehen erregt. Diese Forscher vermochten nicht 
bloß die hemmenden Substanzen durch Ausschütteln mit Chloroform zu 
entfernen, sondern auch dieselben durch Seifen ungesättigter Fettsäuren 
zu ersetzen, wobei die hemmende Wirkung dieser Säuren in direktem 
Verhältnis zu der Jodzahl der Fettsäuren stand. Demgemäß fanden Jobling 
und Petersen, daß sowohl gesättigte wie auch ungesättigte, aber jodierte 
Fettsäuren keine hemmende Wirkung auszuüben imstande sind. An der 
Hand verschiedener Versuche stellten diese Autoren eine weitgehende 


250 M. Serejski: 


Hypothese über die Bedeutung der lipoidhemmenden Substanz für die 
Physiologie und Pathologie auf. Sie geben an, daß bei der Tuberkulose die 
Tuberkelbazillen und das verkäste Gewebe ungesättigte Fettsäuren ent- 
halten. Die günstige therapeutische Wirkung des KJ bei verschiedenen 
Erkrankungen sei dadurch bedingt, daß Jod den antitryptischen Titer 
vermindert, wodurch die proteolytische Aktivität des Organismus gesteigert 
wird. Bei der sogenannten Abderhaldenschen Reaktion soll nicht das dem 
Serum zugesetzte Gewebe durch spezifische Abwehrfermente, sondern die 
Serumproteine abgebaut werden, nachdem das Antitrypsin durch Adsorption 
ausgeschaltet worden ist. 


Die Angaben von Jobling und Petersen waren von sSlowtzow (2), 
de Crinis (3) u. a. bestätigt. de Crinis geht noch weiter und behauptet, 
daß unter den Lipoiden speziell den Cholesterinen die antitryptische 
Wirkung zukomme. Jobling und Petersen führten ihre Versuche aus, indem 
sie das mit Natriumoleat versetzte Trypsin eine halbe Stunde lang im Brut- 
schrank hielten und dann mit Casein zusammenbrachten. Nach ver- 
schiedenen Zeitabschnitten wurde der nichtkoagulable Proteinstickstoff 
bestimmt. Sie trugen aber dabei dem Einfluß der Seifen auf die Beschaffen- 
heit einzelner Komponenten keine Rechnung. Diese Lücke empfanden wir 
um so lebhafter, als zur Bestimmung der Trypsinwirkung auf Eiweiß 
(Casein) gerade die Methode von Folin-Denis angewandt wurde. Diese 
Methode besteht bekanntlich darin, daß Eiweiß durch Hinzufügen von 
Essigsäure-Natriumchlorid und Kochen gefällt, der Rückstand abfiltriert 
und im Filtrat Stickstoff bestimmt wird. Es sei an dieser Stelle gleich 
bemerkt, daß bei Ausfällung der Eiweißstoffe, wie auch anderer Kolloide, 
die Anwesenheit fremder Substanzen von größter Bedeutung sein könne. 
Zusatz von Elektrolyten, entgegengesetzt geladener Kolloide usw. führen 
öfters zur schroffen Veränderung bei der Ausflockung der Eiweißkörper. 
Unter dem Einfluß der Seifen könnte die kolloidale Trypsinlösung Dis- 
persitätsveränderungen erleiden, wobei wir wissen, daß der Dispersitätsgrad 
für die Aktivität der Fermente von ausschlaggebender Bedeutung sei 
[Fodor (4)]. Andererseits könnte die Bearbeitung des Caseins durch Säuren 
in Anwesenheit von Seifen kaum ohne Einfluß auf die größere oder geringere 
Ausflockung des Caseins bleiben. Kurz gesagt, die antitryptische Wirkung 
der Seife konnte daraus resultieren, daß die Seifen auf das Trypsin und das 
Casein in dem Sinne einwirken, daß sie einen Teil dieser Substanzen aus 
der Lösung in den Niederschlag überführen. 


Es schien uns notwendig, vor allem die Versuche von Jobling und 
Petersen nachzuprüfen. 


Gemäß Jobling und Peersen verfuhren wir in folgender Weise. 
1,0 Casein (Kahlbaum ‚klar löslich“) wurde mit 1 Proz. Natrium- 
carbonat zerrieben und auf 100,0 ccm aufgefüllt. Die Lösung wurde ab- 
filtriert und mit einer 0,2 proz., klar filtrierten Trypsinlösung (Kahlbaum) 
versetzt. Zur Herstellung der Seifen benutzten wir teils käufliche 
reine Oleinsäure (Kahlbaum), teils von uns selber aus Olivenöl isolierte. 
Die Oleinsäure aus Olivenöl wurde in der Weise bereitet, daß das Öl 
mit alkoholischer Kalilauge verseift, die Seifen mit Petroläther extrahiet, 
mit Salzsäure zerlegt wurden, worauf der Äther abdestilliert wurde. 
Diese Operation wurde einigemal wiederholt. Die Natronseifen wurden 











Wesen des Antitrypsins. 251 


ex tempore als lproz. Lösung dargestellt. Das Trypsin wurde mit 
der Seife eine halbe Stunde im Brutschrank stehengelassen und dann 
mit Caseinlösung vermengt. 

Jobling und Petersen geben an, daß das Kahlbaumsche Natriumoleat 
keine hemmende Wirkung auf Trypsin ausübe, wohl aber das aus 
Olivenöl frisch hergestellte. In unseren Versuchen konnten wir diesen 
Unterschied nicht wahrnehmen. Die von uns bestimmte Jodzahl 
glich für die Oleinsäure (Kahlbaum) 92,1, für die von uns hergestellte 
81,2. Im übrigen aber konnten wir ihre Befunde vollauf bestätigen. 
In allen Fällen, wo zur Mischung Casein-Trypsin Oleate beigefügt 
werden, bekommt man bedeutend weniger nichtkoagulablen N, als 
in den Kontrollen ohne Seife d.h. es machte den Eindruck einer 
antitryptischen Wirkung der Natriumoleate. 

Weitere Versuche führten uns aber zu der Überzeugung, daß eine 
antiiryplische Wirkung von Seifen überhaupt nicht existiert. Es stellte 
sich tatsächlich heraus, daß die Seifen sowohl auf Trypsin wie auch 
auf Casein eine fällende Wirkung ausüben und infolgedessen die Menge 
des unkoagulablen Stickstoffs vermindern. 

Es erschien uns von größter Wichtigkeit, in erster Linie den Einfluß 
der Seifen auf das Casein selbst zu ermitteln, ein Kontrollversuch, 
den Jobling und Petersen weggelassen haben. 

Wir stellten eine Reihe von Versuchen von Casein und steigender 
Konzentration von Seifen und für verschiedene Zeitabschnitte auf. 
Die Proben blieben im Brutschrank. Zur Fällung benutzten wir eine 
Mischung von 10 Proz. Essigsäure und 20 Proz. Natriumchlorid. (Auf 
10,0 Casein 3,0 dieser Mischung.) Alle Proben wurden auf 10 Minuten 
in kochendes Wasser gestellt, die Rückstände auf abgewogenen Filtern 
gesammelt und nach Trocknen durch Wägen bestimmt. Schon der 
einfache Blick auf die Proben zeigt, daß die Rückstände der Seifen- 
proben umfangreicher waren. 


Tabelle I. 
Einfluß der Oleate auf Caseinfällung. 

Caseinlösung Na-Olest | Gewichte der Rückstände 
ccm ccm | __ nach 8 Stunden | nach 24 Stunden St 
25 | 0 0,159 | 0,148 
25 5 | 0,213 | 0,244 
25 5 | 0,192 0,186 
25 10 0,202 | 0,220 
25 10 0,253 0,244 
25 12,5 — | 0,299 
25 12,5 | — | 0,292 


Wie aus der Tabelle I erhellt, gibt das Casein in der Kontrollprobe 
stets einen geringeren Rückstand als in der Seifenprobe. Mit anderen 


252 M. Serejski: 


Worten, in Anwesenheit von Seifen wird aus der Lösung durch die Säuren 
bedeutend mehr Casein gefält. Diese Zunahme stieg bei großen Kon- 
zentrationen der Seife bis auf 100 Proz. und glich ungefähr der Hemmung, 
die Jobling und Petersen für die entsprechende Konzentration angezeigt 
haben. 


Diese Resultate wiederholten sich regelrecht in den mehrmaligen 
Nachprüfungen. In einigen Versuchen begnügten wir uns nicht bloß 
mit der Gewichtszunahmebestimmung, sondern stellten noch den 
N-Gehalt des Rückstandes fest (nach Kjeldahl). Als Beispiel folgender 
Befund: 

Im Rückstand ohne Seife . . ..... 3,9 mg N 


a ve mit ge E og e p e E ou, es 


Das Natriumoleat und das Filter waren stickstofffrei. 


Wir gingen dann zum Studium der Wirkung der Seifen auf das 
zweite Ingredienz, das Trypsin, über. Zu je IO eem einer 0,2proz. 
Trypsinlösung wurden steigende Mengen Natriumoleat zugesetzt und 
die Gemische für eine halbe Stunde im Brutschrank bei 37° aufbewahrt. 
Gleichzeitig wurden Kontrollproben mit physiologischer Kochsalz- 
lösung anstatt Seife in ähnlicher Weise angestellt. Sämtliche Proben 
wurden dann mit 15 bis 20 ccm Petroläther zwei- bis dreimal extra- 
hiert, zentrifugiert und die wässerigen Fermentlösungen von der Äther- 
schicht im Scheidetrichter getrennt. Die durch Seifenzusatz stark 
getrübten Lösungen erschienen nach diesem Behandeln klar, die 
Ätherschicht blieb dagegen dick und undurchsichtig. Mit diesen 
Fermentlösungen wurden Verdauungsversuche mit Casein in üblicher 
Weise angestellt. Die erhaltenen Resultate sind in Tabelle II zu- 
sammengestellt. 

Tabelle II. 
Trypsinwirkung nach Behandlung mit Seifen. 




















Reststickstoff | 
` ` mg Proz O 
Kontrollversuch `, .. 5,93 | 100 
Hauptversuch Nr.l. . 3,82 66 

Se e EE, De 2,91 49 

ý „3... | 253 44 

e „4 0,63 10 


Aus der Tabelle II ergibt sich mit voller Bestimmtheit, daß durch 
die Vorbehandlung des Trypsins mit Natriumoleat und nachherige 
Entfernung des letzteren ein Teil des Ferments mitgerissen wird, und 
so entsteht der Eindruck, daß die Fermentwirkung herabgesetzt ist. 
Wir wiederholten diese Versuche mehrmals und erhielten stets ganz 


Wesen des Antitrypeins. 253 


ähnliche Resultate. Jobling und Peersen behaupten, daß das Anti- 
trypsin durch Äther, Chloroform sehr langsam extrahiert wird. So 
mußten sie, um das Antitrypsin aus dem Serum zu entfernen, das 
letztere für 48 Stunden stehenlassen. Wir konnten in unseren Versuchen 
den Vorwurf voraussehen, daß trotz des wiederholten Ausschüttelns 
mit Äther die Seifen (Antitrypsin) in kurzer Zeit nicht genügend aus- 
geschaltet werden. Deshalb versuchten wir, das Trypsin mit Seife und 
Äther 50 Stunden zu halten, mehrmals in dieser Zeit das Schütteln 
wiederholend. Die Kontrolle ohne Seife unterlag derselben Operation. 
In der Tabelle II unter Nr. 4 findet sich ein solches Resultat und dabei 
noch viel demonstrativer. 

Wir sehen also, daß die Oleinseifen dem Trypsin gegenüber das- 
selbe bewirken, wie dem Casein gegenüber, vielleicht in noch größerem 
Umfang. Und zwar vermindert die Trypsinlösung nach dem Stehen 
mit Seife und nachherigem Extrahieren dieser Seife ganz entschieden 
die Aktivität des Trypsins. 

Es hat sich erwiesen, daß zur Hemmung der Trypsinwirkung das 
Vorhandensein der Seifen während der Reaktion nicht notwendig ist. 
Schon eine bloße Berührung während ganz kurzer Zeit des Trypsins 
mit den Seifen genügt, um seine fermentative Wirkung herabzusetzen, 
unbeachtet dessen, daß die Seifen aus der Lösung entfernt werden. 
Ein Teil des Trypsins wird dabei mit der Seife gefällt, wie man es nach 
der Stickstoffbestimmung der extrahierten Seifen beurteilen kann, und 
bleibt deshalb außer Wirkung auf Casein. Es besteht also kein 
Grund, hier von Antitrypsin zu sprechen. Unter Antikörper versteht 
man gewöhnlich einen Stoff, der neutralisierend auf die Aktivität 
einer anderen Substanz wirkt. In unserem Falle handelt es sich um 
die Erscheinung der Ausflockung des einen Kolloids durch ein anderes. 
Das ist eine Erscheinung, die, wie wir es schon sagten, bei dem Zu- 
sammenwirken verschiedener elektrisch geladener Kolloide verbreitet 
ist. Das führte uns zu der Schlußfolgerung, daß Seifen ungesättigter 
Fettsäuren nicht nur kein Antitrypsin darstellen, wie es Jobling und 
Petersen behaupten, sie können nicht einmal als hemmende Substanzen 
bezeichnet werden, genau so, wie es falsch wäre, das (NH,),SO, als 
Antieiweißstoff zu bezeichnen nur deswegen, weil es Eiweiß ausfällt. 

Die vor kurzem erschienene Arbeit von Schierge (5) steht auch 
mit den früheren Anschauungen über das Wesen des Antitrypsins, 
speziell den Anschauungen von Jobling und Petersen im Widerspruch. 
Dieser Verfasser versucht, die proteolytischen Erscheinungen des 
Serums kolloidchemisch zu deuten, wobei der Begriff des Antiferments 
fallengelassen werden kann. Er fällte das Serumeiweiß mit Alkohol aus, 
wodurch das Ferment mitgerissen wird. Bei nachheriger Peptisation 
des getrockneten Eiweißniederschlags ist eine proteolytische Wirkung 


254 M. Serejski: Wesen des Antitrypsins. 


auf Carmin-Fibrin in allen Seren festzustellen. Eine gewisse Ver- 
minderung der Dispersität und Hydratation nach Wiederauflösung 
führen zur Aktivierung der Fermente. Dieser Verfasser, der ganz 
andere Wege geht, kommt schließlich zu derselben Anschauung über 
die zweifelhafte Natur des Antitrypsins, insbesondere über die Theorie 
von Jobling und Petersen wie wir. 


Literatur. 


1) Jobling und Petersen, Journ. of exper. Med. 19, 239 bis 251; eben- 
daselbst 19, 251 bis 259; ebendaselbst 19, 459 bis 480. — 2) Sliowtzow, 
Russk. Physiol. Journ. im. Sjetschenowa 1919. — 3) De Crinis, Die Be 
teiligung humoraler Lebensvorgänge im epileptischen Anfall 1920. — 
4) Fodor, Das Fermentproblem 1922. — 5) Schierge, Zeitschr. f. exper. Med. 
82, 1923. 





Über Ammoniakgehalt und Ammoniakbildung im Blute. 


IV. Mitteilung: 
Ist im kreisenden Blute Ammoniak vorhanden? 


Von 


J. K. Parnas und A. Klisiecki. 
(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität Lwów.) 


(Eingegangen am 28. Dezember 1925.) 
Mit 2 Abbildungen im Text. 


I. 


Die Frage des Blutammoniaks hat in den letzten Jahren wieder 
in erhöhtem Maße die Aufmerksamkeit der Physiologen auf sich gezogen. 
Man hat mit Recht bemerkt, daß in dem Maße, wie die Methoden zur 
Bestimmung des Blutammoniaks vervollkommnet werden, die im 
Blute gefundenen Mengen immer geringer ausfallen. 


Die Arbeiten von Folin und Denis (1912) und Nash und Benedict (1922) 
bilden Marksteine in dieser Entwicklung der Frage. Diese Entwicklung 
mußte, als nur noch hundertstel Milllgramm Ammoniak in 100 g Blut 
gefunden wurden, zu der Frage führen, ob im kreisenden Blut überhaupt 
Ammoniak vorhanden sei? Diese Frage hat im Zusammenhang mit der 
Ammoniakausscheidung im Harn sowie den Grundfragen des inter- 
mediären Stoffwechsels eine prinzipielle Bedeutung. 

Die Frage, ob im kreisenden Blute Ammoniak vorhanden ist, wurde 
einerseits von Parnas mit Heller und Taubenhaus!), andererseits von 
Henriquez und Gottlieb?) sowie von Fontés und Yovanovitsch®) bearbeitet 
und in verschiedener Weise beantwortet. Sie erscheint zu wichtig, als daß 
zwei ganz widersprechende Auffassungen nebeneinander bestehen könnten. 
Als die erste Publikation von Fontés und Yovanovitsch) erschien, in welcher 
die Autoren die Behauptung aufstellten, daß im Blute ganz allgemein kein 
Ammoniak und keine Ammoniumsalze vorhanden seien, waren wir überzeugt, 
daß weitere Versuche die Autoren überzeugen würden, daß ihre Schlüsse 


1) Diese Zeitschr. 152, 1, 1924; 155, 247, 1925; 159, 298, 1925. 
Therapia, Budapest, Koranyi-Festschrift S. 78 (1926). 

2) Zeitchr. f. physiol. Chem. 188, 254, 1924. 

3) C. r. Soc. de Biol. 92, 1406, 1925; Bull. de la Soc. de chim. Biol. 7, 
1044 bis 1055 1925. 


256 J. K. Parnas u. A. Klisiecki: 


unberechtigt waren; waren doch damals die Versuche von Parnas!) 
publiziert, welche seitdem von Luck und Seth?) bestätigt und in Überein- 
stimmung mit früheren Feststellungen von Nash und Benedict die be- 
deutenden Verschiedenheiten aufdeckten, die zwischen verschiedenen 
Blutarten bestehen. Nachdem aber jetzt die Arbeit von Fontés und 
Yovanovitch in erweiterter Fassung erscheint, ist eine Stellungsnahme zu 
dieser Frage nicht zu vermeiden. Ist doch der Betrieb der wissenschaft- 
lichen Literatur unserer Zeit derart, daß selbst der Fachgelehrte im 
engeren Sinne die Arbeiten nur aus Referaten kennt: dieses macht es 
nötig, gewisse Punkte zu betonen, die unter anderen Umständen selbst 
für sich sprechen würden?). 

Wir haben die vorliegende Arbeit speziell dem Hundeblut ge- 
widmet, weil dieses, zwar bei Forschungen über Ammoniakbildung 
am häufigsten bearbeitet, nichtsdestoweniger aber am wenigsten 
genau bekannt ist. Parnas und Heler hatten aus zufälligen Gründen 
das Kaninchen als Versuchsobjekt gewählt, und dieser Zufall hat die 
Erforschung der Ammoniakbildung ermöglicht, welche am Hundeblut 
kaum möglich gewesen wäre. Unsere Kenntnisse vom Ammoniak im 
Hundeblut beschränken sich darauf, daß die Ammoniakbildung ähnlich 
wie beim Pferd und beim Rind sehr langsam erfolgt. Wir gingen jetzt 
darauf aus, die Anfangswerte des Ammoniakgehalts und die Gesetz- 
mäßigkeiten der Ammoniakbildung kennenzulernen. Indem wir die 
Ergebnisse vorwegnehmen, möchten wir feststellen, daß auch Hunde- 
blut Ammoniak enthält, sein Ammoniakgehalt ist in verschiedenen Gefäß- 
bezirken genau und in engen Grenzen bestimmt und in charakteristischer 
Weise verschieden. 

II. 

Die Frage des Blutammoniaks kann immer noch nicht behandelt 
werden, ohne daß eine ausführliche Erörterung der Bestimmungs- 
methoden vorausgeschickt würde. Die von uns angewandte Methode 
ist genau so, wie sie in der Mitteilung I und II beschrieben worden ist; 
es hatte sich in keinem Punkte das Bedürfnis einer Änderung ergeben‘). 
Wir möchten das Prinzip der Methode nochmals rekapitulieren. 


1) Diese Zeitschr. 155, 247, 1925. 

2) Biochem. Journ. 19, 360, 1925. 

3) Diese Bemerkung knüpfen wir daran, daß der Referent des 
Chemischen Zentralblattes bei Besprechung der ersten Arbeit von Fontés und 
Yovanovitsch von der minutiösen Methode dieser Autoren spricht, indem 
er das Epitheton anwendet, welches diese Autoren in ihrer sehr höflichen 
Besprechung der Arbeit von Parnas und Heller geben. Ein scheinbar 
geringfügiger Umstand, der jedoch einem mit dem Gegenstand nicht genau 
vertrauten Leser notwendigerweise eine Stellungnahme in bezug auf die 
widersprechenden Schlüsse beider Arbeiten suggeriert. 

4) Bis auf eine geringfügige Änderung der Apparatur, in der jetzt zur 
Dampfeinleitung in den Destillierkolben ein Metallhahn verwendet wird, 
da Glashähne leicht springen. 








NH,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 257 


Das Blut wird in das Kölbchen hineingebracht, in welchem sich 
Paraffin und eine gesättigte Natriumboratlösung befindet; diese 
Reagenzien sind durch vorherige Destillation von Ammoniakspuren be- 
freit, was in jedem einzelnen Versuch festgestellt wird. Die Boratlösung 
stellt einen Puffer von besonderer Neutralisationskapazität dar, welcher 
dem zugesetzten Blute seine H-Ionenkonzentration (pe = 9,3) aufdrängt. 

Es wird durch den evakuierten Kolben ein Wasserdampfstrom 
eingeleitet, der mit dem Druck einer Atmosphäre eintritt und aus dem 
Kolbeninhalt das Ammoniak entführt. Es wird auf diese Weise in 3 bis 
5 Minuten bei 25° und einem Druck von 22 bis 26 mm Hg eine der 
destillierten Flüssigkeit mindestens gleiche Menge Destillat abgetrieben 
und aufgefangen. 

Das Wesentlichste an der Methode ist jedoch das System der 
Kontrollversuche;; nach jeder Destillation wird durch eine nachfolgende, 
der ersten genau entsprechende Kontrolldestillation festgestellt, ob 
alles Ammoniak abgetrieben worden ist, und gegebenenfalls — in den 
ersten Versuchsreihen immer —, ob eine zugesetzte Ammoniakmenge 
vollständig abdestilliert werden kann. 

Wir haben keinen einzigen Versuch publiziert, in dem die Kontrolle 
über die Ammoniakfreiheit der Reagenzien und des Apparats, sowie 
die Kontrolle der vollständigen Vertreibung des Ammoniaks nicht 
durchgeführt worden wäre. 

Es gibt kaum eine biochemische Methode, in welcher auch dem 
Geübten nicht hier und da ein Irrtum unterlaufen könnte. Diese 
Irrtümer werden durch Analysen und Versuchsreihen entdeckt und 
ausgeschaltet. Wir haben unsere Versuche stets auf diese Kontrolle 
eingestellt und können ruhig sagen, daß aus der Reihe fallende Be- 
stimmungen wohl hier und da vorkamen, aber stets entdeckt und 
durch wiederholte Bestimmungen als Irrtümer festgestellt worden sind. 

Die Methode, welche von Fontés und Yovanovitsch verwendet wird, 
ist ganz anderer Art. Sie verwenden große Blutmengen von 100 bis 
250 ccm, alkalisieren mit gesättigter Lithiumcarbonatlösung und 
destillieren mit Wasserdampf in luftverdünntem Raume bei 45 bis 50° 
und während 30 Minuten. Das Ammoniak wird in titrierter Salzsäure 
aufgefangen und maßanalytisch bestimmt. Die Autoren begnügen 
sich mit summarischen Kontrollen der Leistungsfähigkeit ihrer Methode, 
ohne Kontrollen der Einzelanalyse. Unter der kleinen Zahl der Ver- 
suche, die sie angeben, finden wir keine zwei Bestimmungen an dem 
gleichen Blute. Indem wir diese Punkte hervorheben, sind wir weit 
davon entfernt, an der Methode, die wir nicht erprobt haben, Kritik 
üben zu wollen. Sie wäre wahrscheinlich für Versuche an einem Tiere 
bestens geeignet, welches eine ebenso langsame Ammoniakbildung wie 
der Hund und dabei größere Blutmengen (z. B. wie das Rind oder das 


258 J. K. Parnas u. A. Klisiecki: 


Pferd) besäße. Wir möchten uns aber gegen eine Kritik wehren, welche 
Fontés und Yovanovitsch an den von uns angewandten, von ihnen jedoch 
nicht erprobten Methoden geübt haben. Zur Zeit, als sie ihre Ergebnisse 
mitteilten, war es bereits durch die Publikationen von Parnas bekannt, 
daß sich das Blut verschiedener Tiere verschieden verhält und daß 
Hund und Kaninchen in dieser Beziehung geradezu Grenzfälle dar- 
stellen. Eine Kritik der fremden Methode wäre auf Grund der ver- 
schiedenen Befunde unstatthaft, welche Fontes und Yovanovitsch am 
Hunde, Parnas dagegen am Kaninchen erhoben haben, und es sei 
daran erinnert, daß Parnas und Heller sich einer solchen Kritik gegen- 
über den am Hunde gewonnenen Ergebnissen von Nash und Benedict auf 
Grund ihrer eigenen Kaninchenversuche ausdrücklich enthalten haben. 
Aber die Erörterung von Fontés und Yovanovitsch, die sich auf ver- 
mutliche Fehlerquellen unserer Methode beziehen, muß hier doch 
analysiert werden. Der Einwand, daß wir das Ammoniak in absolut 
kleinen Mengen bestimmt haben, klingt befremdend in der Arbeit aus 
einem Institut, in dem die minimetrischen Methoden so erfolgreich 
gefördert worden sind. Wir erinnern daran, daß die Fehlergrenzen 
der Ammoniakbestimmung in den im Blute vorkommenden Mengen 
von Parnas und Taubenhaus untersucht worden sind, und daß es in 
den hier diskutierten Fragen des NH,-Gehalts im kreisenden Blute 
selbst auf einen Fehler von 10 Proz. nicht ankommen würde. 

Die Vermutung, daß ein Überschuß von Natronlauge in der Borat- 
lösung eine NH,-Bildung durch Hydrolyse von Amidoverbindungen 
hervorrufen könnte, erscheint schon gar nicht begründet; es kommt 
doch bei hydrolysierenden Wirkungen nur auf die H und OH’-Ionen- 
konzentration an und nicht auf die Zusammensetzung des Puffer- 
gemisches; und warum sollte denn diese Wirkung nach ener Destillation 
aufhören, und die zweite Destillation segar nach Verlauf einer halben 
Stunde ganz blanke Destillate liefern? Wir glauben, daß sich dieser 
Einwand bei einer aufmerksamen Durchsicht unserer Versuche von 
selbst erledigt. 

Wenn schließlich Fontés und Yovanovitsch die Überzeugung aus- 
sprechen, daß zwischen Kaninchenblut und Hundeblut kein Unter. 
schied in dem Sinne bestehen könnte, daß im Kaninchenblut mehr 
Ammoniak enthalten wäre als im Hundeblut, und zwar weil das 
Kaninchen ein Pflanzenfresser, der Hund aber Fleischfresser ist, so 
glauben wir, daß dieses Denkschema sich in diesem Falle nicht 
bewährt, und daß die Ammoniakfrage für eine derartige deduktive 
Behandlung nicht reif ist!). 

1) Die Lage ist heute kaum anders, als sie im Jahre 1855 von 


Claude Bernard charakterisiert worden ist. (Legons de Physiologie Ex- 
perimentale 1, 14, Zeile 6 von unten bis S. 15, Zeile 14 von oben. Paris 1855.) 








NH,-Gehalt und Bildung im Blute. IV. 259 


Das Hauptergebnis von Fontés und Yovanoviisch ist die Fest- 
stellung, daß im arteriellen Hundeblut Ammoniakmengen von 0,01 mg 
NH,-Stickstoff in 100 ccm vorkommen, und daß höhere Werte gefunden 
werden, wenn das Blut erst eine Zeitlang nach der Entnahme untersucht 
wird. Wir haben gegen dieses Ergebnis nichts einzuwenden, auch wir 
haben Blutproben beobachtet, in welchen ähnlich geringe Ammoniak- 
mengen enthalten waren. Wenn aber Fontés und. Yovanoviisch auf 
Grund dieser Werte für das Hundeblut und der von Parnas und Heller 
festgestellten Geschwindigkeit der Ammoniakbildung im Kaninchen- 
blut die These aufstellen, daß im Hundeblut überhaupt kein 
Ammoniak enthalten ist, so halten wir diesen Schluß für unbegründet. 
Die eigenen Versuche von Fontés und Yovanovitsch bieten aber für 
einen solchen Rückschluß gar keine Grundlage. 


MI. 


Die experimentellen Aufgaben dieser Arbeit betreffen nach dem 
oben Gesagten den Anfangswert an Ammoniak im Hundeblut!) sowie 
den Verlauf der Ammoniakbildung in diesem Blute. Beide Aufgaben 
hängen zusammen, denn ein Rückschluß auf den Anfangswert bei 
bekanntem Verlauf erhöht die Sicherheit dieser Werte. 

Die analytische Prozedur war dieselbe wie in früheren Unter- 
suchungen; das Blut wurde immer mit Lithiumoxalat ungerinnbar 
gemacht. | 

Wir stellen die Ergebnisse in Tabellen zusammen, aus welchen alle 
Einzelheiten zu ersehen sind. 

Tabelle I enthält eine Zusammenstellung von Daten, die sich auf 
Hundeblut sofort oder kurze Zeit nach der Entnahme beziehen. Es 
ist aus ihr zu ersehen, daß unsere Werte für Carotisblut in 
guter Übereinstimmung zwischen 0,025 und 0,04 liegen, und daß die 
Schwankungen innerhalb dieser Werte keinen deutlichen Zusammenhang 
mit der Zeit und der Temperatur der Aufbewahrung aufweisen. Ver- 
gleichen wir sie mit den Werten der anderen Autoren, so sehen wir 
sie im allgemeinen niedriger als die von Nash und Benedict (sofort 
nach Entnahme 0,06, 0,07, 0,08, 0,1), dagegen höher als die Werte von 
Fontés und Yovanovitsch (gegen 0,01). Es sei indessen auf den Umstand 
aufmerksam gemacht, daß wir in Versuchen, in welchen das Blut 
gleicher Art demselben Individuum in verschiedener Zeit entnommen 
worden ist, genau gleiche Werte finden. Nach dem Wert unserer Ver- 
suche, z. B. vom 4. Dezember, zweifeln wir nicht daran, daß so niedrige 


1) Das Physiologische Institut unserer Universität hat uns durch Über- 
lassen von Tiermaterial unterstützt, wofür wir seinem Leiter, Prof. Dr. 
A. Beck, bestens danken. 


J. K. Parnas u. A. Klisiecki: 


260 




















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"I NPW 








NH,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 261 


Werte, wie sie von Fontés und Yovanovitsch gefunden werden, auch 
vorkommen können. 

Im Jugularisblut finden wir stets höhere Werte als im Carotisblut 
beim gleichen Tiere. Die Verschiedenheit dieser Werte haben wir oft 
durch unmittelbaren kolorimetrischen Vergleich der Destillate fest- 
stellen können. Dem arteriellen Blute ähnlich ist Blut der Vena hepatica. 

Diese Feststellung stimmt nicht überein mit der Behauptung von 
Fontés und Yovanovitsch, welche angeben, daß venöses Blut weniger 
Ammoniak enthält als arterielles. Dieser Widerspruch bedarf noch einer 
Aufklärung!); es wäre in Anbetracht der Feststellung von Winterstein?) 
einerseits, nach der im Nervensystem Ammoniak gebildet wird, anderer- 
seits von Meyerhof, Lohmann und Meier?), der Ammoniakbildung im 
überlebenden Warmblütermuskel gefunden hat, merkwürdig, wenn 
das arterielle Blut mehr Ammoniak enthielte als das venöse. 

Für das Blut der Vena renalis fanden wir in Übereinstimmung 
mit Nash und Benedict oft sehr viel höhere Werte als für irgend ein 
anderes Blut. 

IV. 


In einer früheren Mitteilung beschrieb Parnas am Hundeblut, das 
beim Erwachen aus leichter Äthernarkose entnommen wurde, eine 
sehr schwache Ammoniakbildung. So zeigte dieses Blut, dessen An- 
fangsgehalt 0,05 mg-Proz. war, nach 25 Stunden bei 17°C nur 
0,18 mg-Proz., und dasselbe Blut enthielt nach 100 Stunden 0,71mg-Proz. 
Dieser Endwert war bei 40°C und nach 18 Stunden erreicht, doch 
waren in diesem Versuch keine früheren Werte festgestellt worden, so 
daß hier nur der Endwert festgestellt wird. Diese sehr langsame 
Ammoniakbildung entspricht auch den Beobachtungen von Nash und 
Benedict. In ihren Versuchen sehen wir ein Anwachsen des Ammoniak- 
gehalts bei Zimmertemperatur um etwa 0,01 mg-Proz. pro Stunde. 
In der letzten Zeit haben auch Murray Luck und Trilock Nat Seth‘) 
mit ganz anderer Methode die oben zitierten Ergebnisse bestätigt. 

Als wir die Untersuchung der Ammoniakbildung im Hundeblut 
wieder aufnahmen, fanden wir, daß die Verhältnisse im Hundeblut 
komplizierter liegen als etwa im Kaninchenblut. In der Untersuchung 
von Parnas und Heller war die Ammoniakbildung im Kaninchenblut 
so gleichmäßig, daß Punkte aus verschiedenen Versuchen genau 


1) Es sei auf den Umstand hingewiesen, daB Fontés und Yovanovıisch 
um so geringere Werte finden, je größere Blutmengen sie der Destillation 
unterwerfen. Bei ihren Bestimmungen am venösen Blut haben sie die 
größten Blutmengen destilliert (250 cem). 

2) Diese Zeitschr. 156, 138, 1925; 167, 401, 1926. 

?) Ebendaselbst 157, 459, 1925. 

t) Biochem. Journ. 19, 360, 1925. 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 18 


262 J. K. Parnas u. A. Klisiecki: 


zusammenfielen. Beim Hundeblut ist von einer solchen Regelmäßigkeit 
keine Rede!). | 

Wir fanden also, daß die meisten Blutproben bei 20° eine Ammoniak- 
bildung zeigten, welche sehr langsam verlief und der Kurve der von 
Parnas bestimmten Ammoniakbildung im Hundeblut entsprach; daß 
aber in manchen Fällen dieser langsamen Ammoniakbildung eine 
weitere folgte, die zu dem Gehalt über 1,0 mg-Proz. führte. 

Da wir uns darüber klar werden wollten, welcher Grad und welcher 
Teil der Ammoniakbildung physiologisch in Frage kommen könnte, 
stellten wir Versuche an, in welchen das Blut in geschlossenen Gefäßen, 
in dünner Schicht und einer Atmosphäre mit 5 bis 6 Proz. CO,-Gehalt 
bei 38 bis 40° gehalten wurde. Das Ergebnis dieser Versuche war 
ganz klar; die Arnmoniakbildung ging sehr schnell vor sich, erreichte 
in 3 Stunden den Wert von 0,45 mg-Proz., auf dem er sich eine 
Zeitlang hielt, dann setzte eine weitere Ammoniakbildung ein, 
welche in 22 Stunden den Gehalt des Carotisblutes auf 1,2 mg-Proz. 
brachte. Es liegt nahe, nur dem ersten Teil der Ammoniakbildung im 
Hundeblut eine physiologische Bedeutung zuzuschreiben. Ob der 
zweite Teil autolytischen oder bakteriellen Charakter hat, vermögen 
wir noch nicht zu sagen. Es schließt sich daran die Frage, ob die 
Ammoniakbildung, die wir im Blute beobachten, ein biologischer, 
aus dem Organismus stattfindender Vorgang ist, oder etwa, wie Blut- 
gerinnung, ein extravaskulärer Prozeß. Auch diese Frage können wir 
beantworten: In einem Versuch, in welchem der Hund während des 
Versuchs ohne Verletzung des Herzens oder Blutung getötet wurde, 
haben wir das Blut der linken Kammer 30 Minuten nach der Tötung 
untersucht und einen Wert gefunden, welcher der Ammoniakbildung 
sn vitro entspricht, trotzdem vor dem Tode das arterielle Blut nur 
0,037 mg-Proz. enthielt. 

In der Tabelle II sind Daten aus Versuchen zusammengestellt, 
in welchen das Blut bei 20° gehalten wurde. Dieselben Daten sind in 
Abb.1 graphisch dargestellt. In den Tabellen bezieht ‚sich jedes 
Kästchen auf das Blut eines und desselben Hundes. 


1) Ein jeder, der mit Hundeblut arbeitet, muß den Eindruck haben, 
daß es ein labileres System darstellt, als etwa Kaninchen-, Pferde-, Rinder- 
oder Menschenblut. Es seien hier einige Beobachtungen angeführt. Ein 
Hundeblut, das 2 Tage lang unter Paraffin bei 20°C gestanden, hatte 
an Stelle des für das Hundeblut so charakteristischen Geruchs einen aus- 
gesprochenen Senfölgeruch, der sich nach Ausbreitung des Blutes an der 
Luft schnell verflüchtigte. Blut aus einem in Äthernarkose gehaltenen 
Hunde war nach 24 Stunden in Alveolarluft und bei 20° weitgehend in 
Methämoglobin umgewandelt. Hundeblut, das in Alveolarluft bei 39° 
gehalten wurde, war nach 6 Stunden hämolysiert und nach 20 Stunden 
war Hämoglobin total auskristallisiert. 


NH,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 263 


Tabelle II. 





—— 


| 


Bemerkungen 


Datum Blutart Zeit nach in 100 air 
Blutentnahme ng | 








Il Hund in ÄAthernarkose. 
I Blut unter Paraffin 
| bei 20° 


| Hund ohne Narkose: 
l Blut bei 200° unter 








| Paraffin 
| 
Mee ee 48 0,44 | In Athernarkose ents 
| : bei 209 
Vena portao | 2 Op a 
n 24 0,45 | i 
Arteris carotis | dë, 0,05 , | Veronalnarkose: Blut 
n | 1 18 0,06 | bei 0° unter Paraffin 
el 8 IL Om. 
Vena jugularis 0 10 0.02 | } Leichte Athernarkose. 
| te 


Betrachtet man die Linien, welche das Anwachsen des Ammoniak- 
gehalts mit der Zeit darstellen, so sieht man, daß sie beim Extrapolieren 
auf den Anfangswert niemals auf Null weisen. In allen diesen Ver- 
suchen war die Temperatur des Blutes genau definiert. 

Tabelle III. 


nn LU nn nn nn nn a a- ep 



















Datum | 
| ` | 
14. XII. ee nach Ent- 0,3 | Obne Narkose 
nahme auf 0° abge- 0,4 
| kühlt, dann in ein 0,45 
Luftgemisch mit 6 Proz. 4 0,45 
| CO, bei 39 gebracht 6 2 0,56 
| (nach 44’) 22 17 1,25 
_ Vena jugularis: wie oben 1 0,3 
| für Carotisblut ange- 2 9 0,4 
geben behandelt (39°) 37 0,45 
45 0.45 
5 40 0,6 
10. XII. | Arteria carotis: Luft- 2 15 0,32 
emisch mit 5,15 Proz. 5 0,33 
ohlendioxyd (39°) 22 1,4 
Vena jugularis: wie oben 2 15 0,30 
behandelt 4 0,30 


18* 


264 J. K. Parnas u. A. Klisiecki: 


Die Versuche, in welchen das Blut bei 39° gehalten wurde, sind 
in Tabelle III und im Oberteil der Abb. 1 zusammengestellt. Aus den 
Kurven ist zu ersehen, daß die Ammoniakbildung bei dem Gehalt 
von 0,3 bis 0,45, der bei 20° nur langsam erreicht wird, auch hier 
haltmacht, um erst später in einem anderen Prozeß weiter anzusteigen. 





Abb.1. Ammoniakbildung im Hundeblut. 
Abszissen: Zeit in Stunden. Ordinsten: Ammoniakgehalt in 100 ccm Blut, in mg Ammoniak N. 
Untere Kurven: Ammoniakbildung bei 39°. Obere Kurven: Ammoniakbildung bei 20°. 


À 


Die hier mitgeteilten Tatsachen zeigen 
einen Umriß der Ammoniakschicksale im Hunde- 
blut. Es wird im Blute durch einen spontan 
in den Gefäßen, aber auch in vitro verlaufenden 


Ss 
[N 


N in 100ccm Blut 
> A 
u e 





ei? Prozeß gebildet, kommt aber vielleicht auch aus 
> den Geweben; eine besondere Quelle ist jeden- 
i e falls, wie schon Nash und Benedict gefunden 
ar. haben, die Niere. Ob aus dieser letzten Tat- 

z Y jugularis sache der Schluß gezogen werden kann, 

nn as daß das im Nierenvenenblut zurückfließende 


Ammoniak einen Überschuß derjenigen Menge 
darstellt, die für die Ausscheidung der Säuren mit dem Harn gebildet 
worden ist, halten wir durchaus nicht für ausgemacht. Es scheint 
möglich, daß dieses Ammoniak mit der direkten Ausscheidung 
saurer Produkte im Harn zusammenhängt, ähnlich, wie das für die 
Magensekretion der Salzsäure angenommen wird. Doch mußte diese 
Vermutung besonders geprüft werden. Eine Entfernung des 
Ammoniaks aus dem Blute scheint zwischen Vena portae und Vena 
hepatica einerseits, dem linken Herzen andererseits stattzufinden, also 
in Leber und Lunge, im Blute selber oder in Zusammenwirkung mit 
den Geweben. 

Ob es unter diesen Umständen für irgend eine Frage des inter- 
mediären Stoffwechsels förderlich sein kann, die Ammoniakfreiheit 
des Blutes zu stipulieren, diese Frage wollen wir nicht diskutieren. 
Es mag ein Idealzustand des tierischen Organismus denkbar sein, in 
welchem ein harmonischer Verlauf der ammoniakbildenden und 
ammoniakbindenden Prozesse den Ammoniakgehalt des Blutes auf 
einem sehr niedrigen Niveau hält. Wir meinen dies im ähnlichem Sinne, 


NH;,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 265 


wie man sich einen Zustand vorstellen könnte, in welchem alle Milch- 
säure, die im Muskel, Nervensystem, Leber gebildet wird, auch am 
Orte ihrer Bildung oxydativ entfernt wird, und auch die durch Blut- 
glykolyse entstehende Milchsäure durch diese Prozesse auf einem 
sehr niedrigen Niveau gehalten wird. Man wird aber daraufhin nicht 
behaupten, daß im Blute keine Milchsäure enthalten sei, denn tat- 
sächlich ist sie immer im Blute vorhanden und variiert quantitativ mit 
der Funktion und dem Zustand des Organismus. 

Das Hundeblut mit seiner sehr langsamen Ammoniakbildung war 
für die Bearbeitung der Frage nach dem Ammoniakgehalt des kreisenden 
Blutes besonders geeignet. Für das Kaninchenblut ergeben sich auf 
Grund der Versuche von Parnas und Heler ähnliche Werte für 
den Ammoniakgehalt. Auf die besonders wichtige Frage nach den 
Verhältnissen im Menschenblut werden wir in einer späteren Mitteilung 
zurückkommen. 


Zusammenfassung. 


Das strömende Blut enthält wohldefinierte Ammoniakmengen, 
die je nach Tierart, Gefäßbezirk variieren und beim Hund besonders 
starke individuelle Schwankungen aufweisen. 

Im Hundeblut beträgt der Ammoniakstickstoffgehalt des 
arteriellen Blutes einige Hundertstel Milligramm in 100 com Blut; 
im venösen Blut ist der Gehalt höher als im arteriellen. 

Die Ammoniakbildung im Hundeblut erfolgt sehr langsam, und 
zwar ist in diesem Vorgang eine Ammoniakbildung zu unterscheiden, 
die bei 39° in 3 bis 4 Stunden abläuft und wahrscheinlich den 
physiologischen Vorgang darstellt, während später eine weitere 
Ammoniakbildung einsetzt, die vielleicht autolytischen Charakter hat. 


Physikalisch-chemische 
Untersuchungen über die Isohämagglutination. 


I. Mitteilung: 
Die Bedeutung der Elektrolyte bei der Isohämagglutination. 


Von 
P.Rona und H. A. Krebs. 


(Aus der chemischen Abteilung des Pathologischen Institutes 
der Universität Berlin). 


(Eingegangen am 29. Dezember 1925.) 


Bordets Untersuchungen haben gelehrt, daß bei den Agglutinations- 
vorgängen Elektrolyte eine hervorragende Rolle spielen!). Borde 
beobachtete, daß die Bakterienagglutination ausbleibt, wenn man 
die Bakterien mit dem Agglutinin im elektrolytfreien Medium zu- 
sammenbringt. Erst ein Zusatz von Salzen bewirkt die Agglutination. 
So kam Bordet zu der Vorstellung, daß das, was agglutiniert, das Salz 
sei; die Funktion des Agglutinins bestehe darin, daß es die Bakterien 
derart verändere, daß sie durch Salze agglutiniert werden können. 
Nach Rona und György?) sind bei der Ricinagglutination der roten 
Blutkörperchen die Verhältnisse ganz analog. Auch hier kommt die 
Agglutination nur bei Anwesenheit von Salzen zustande. 

Wir stellten uns die Aufgabe, die Erscheinung der Isoagglutination 
der roten Blutkörperchen von physikochemischen Gesichtspunkten 
aus zu studieren. Bisher liegen über die physikalische Chemie der 
Isoagglutination nur ganz vereinzelte Angaben in der Literatur vor’). 

Im Hinblick auf die oben erwähnten Tatschen lag es nahe, zunächst 
die Bedeutung der Elektrolyte bei der Isohämagglutination genauer 
zu untersuchen. 

Unter ‚„Isohämagglutination‘‘ versteht man die Tatsache, daß 
die Sera mancher Menschen die roten Blutkörperchen anderer Menschen 
zu agglutinieren vermögen. 


Die biologischen Gesetzmäßigkeiten der Isohämagglutination sind 
insbesondere durch die Arbeiten von Landsteiner, Jansky, Moss, von Dungern, 
Hirszfeld, Bernstein und Lattes aufgedeckt worden). Nach o Dungern 


1) Bordet, Ann. d l’Inst. Pasteur 13, 225, 1899. 

2) Rona und György, diese Zeitschr. 105, 120, 1920. 

3) Siehe besonders F. Schütz und E. Wöhlisch, Klin. Wochenschr. 1924, 
S. 1614; L. Lattes, Hämatologica 2, 401, 1921. 

4) Siehe L. Lattes, Die Individualität des Blutes. Berlin 1925. 


P. Rona u. H. A Krebs: Physikalisch-chemische Untersuchungen usw. I. 267 


und Hirszfeld nimmt man an, daß es zwei verschiedene agglutinable Sub- 
stanzen der Erythrocyten (,A“ und ‚„B‘) und zwei verschiedene Serum- 
agglutinine LO" und D) gibt. Durch die verschiedenen Kombinationen 
kommen folgende vier Blutgruppen zustande. 








Gruppe (nach lutinable Substan Agglutinin 
| ee ee rn 
1 O a+ p 
2 A ß 
3 B a 
4 A+B 0 


Die Gruppenzugehörigkeit des Individuums ist eine konstitutionelle 
Eigenschaft. Sie ist das ganze Leben hindurch konstant, ist unabhängig 
von Krankheitszuständen und vererbt sich gesetzmäßig nach den Mendel- 
schen Regeln. Die Häufigkeit der einzelnen Gruppen ist bei verschiedenen 
Rassen verschieden. 


Allgemeines zur Versuchsanordnung. 


Die Agglutination wurde in Uhrgläsern beobachtet. Die Erythrocyten 
wurden in etwa 5proz. Suspension dem Serum bzw. der Serumverdünnung 
zugesetzt. Die Ablesung der Resultate erfolgte makroskopisch und mikro- 
skopisch. Es bedeutet in den Protokollen 


— mikroskopisch und makroskopisch keine Agglutination, 


+ nur mikroskopisch Agglutination zu erkennen, makro- 
skopisch negativ, 
++ makroskopisch gerade sichtbare Agglutination, 


+++  makroskopisch sehr deutlich sichtbare Agglutination, 
+++ + makroskopisch sehr starke Agglutination. 


Die Versuche wurden bei Zimmertemperatur angestellt. 


Wir legten uns bei der experimentellen Inangriffnahme unseres 
Problems zunächst die Frage vor, ob eine Isoagglutination auch im 
elektrolytfreien oder elektrolytarmen Milieu vor sich gehen kann. 


Es war dabei vorerst erforderlich, die Elektrolyte aus dem Serum 
möglichst vollständig zu entfernen. Wir benutzten dazu das Verfahren der 
Elektrodialyse in der Anordnung von Freundlich und Farmer Loeb!). Mit 
dieser Methode gelingt es auf relativ schonende Weise, innerhalb weniger 
Stunden ein Serum weitgehend elektrolytfrei zu machen. Über den Grad 
der Elektrolytentfernung orientierten wir uns durch die Messung der 
spezifischen Leitfähigkeit. 

Die Euglobuline flocken bei der Entfernung der Elektrolyte aus. 
Es galt daher zunächst festzustellen, ob das gruppenspezifische Iso- 
agglutinin in dem ausfallenden Euglobulin oder in dem in elektrolytfreiem 
Wasser löslichen Serumrest enthalten ist. Wir elektrodialysierten ein 
Serum der Gruppe O bis zur Leitfähigkeit 1,4. 10-4 (22°) (d.h. etwa 98,8 Proz. 
der ursprünglich vorhandenen Ionen sind entfernt). Bei Drittelsättigung des 
in Lösung gebliebenen Serumrestes mit Ammonsulfat entstand keine Trübung. 
Das Euglobulin war demnach vollständig ausgefallen. pp der Lösung 6,1. 


— 


1) H. Freundlich und L. F. Loeb, diese Zeitschr. 150, 522, 1924. 





268 P. Rona u. H. A. Krebs: 


9 Teile des Serumrestes wurden mit 1 Teil 8,5proz. Kochsalzlösung ver- 
setzt, so daß die Lösung den Blutkörperchen isotonisch war. Ein orientieren- 
der Versuch ergab, daß die Lösung Blutkörperchen A noch stark aggluti- 
nierte, während Blutkörperchen der Gruppe O nicht agglutiniert wurden. 
Danach ist also das gruppenspezifische Isoagglutinin in dem wasserlöslichen 
Serumrest vorhanden. Wir prüften dann, ob etwa die gesamte Agglutinin- 
menge in dem Serumrest enthalten sei, indem wir den Agglutinintiter des 
ursprünglichen Serums und den des durch die Elektrodialyse erhaltenen 
Restes vergleichend feststellten. Es wurden von beiden Flüssigkeiten 
geometrisch absteigende Verdünnungsreihen hergestellt und jede Ver- 
dünnung mit gleichen Teilen einer 5proz. Blutkörperchensuspension ver- 
setzt. Die Resultate sind in Tabelle I wiedergegeben. 


Tabelle I. 
Agglutination von Blutkörperchen A durch ein Serum O (Vergleich des 
Agglutiningehalts des nativen Serums und des durch Elektrodialyse vom 
Euglobulin befreiten Serums. Das native Serum enthält mehr Agglutinin a 
als der up 

















Serum; (bzw. | Agglutination nach Agglutination nach 
Serumrest»)Vers« Minuten 60 Minuten 

dünnung ed | 
(endgültig) | Nativ»Serum | Serumrest | Nativ-Serum | Serumrest 
1:4 +++ +++ ++++ | LtEtt 
1:8 FPEF HHF) TETE 5 e 
1:16 +++ ++ ++++ "tt 
1:32 ++ +(+) +++ ++ 
1:64 +(+) SS) Sech 
1:128 +(+) = ++(+) + 


Es ergibt sich, daß der Serumrest weniger Agglutinin enthält als das 
native Serum. 

In einer zweiten Versuchsreihe mit einem Serum der Gruppe A er- 
hielten wir ein analoges Resultat. Dieses Serum wurde so lange elektro" 
dialysiert, bis eine Leitfähigkeit. von 1,37 . 10-5 (20,8°) erreicht war (d. h. daß 
99,9 Proz. der Serumelektrolyte entfernt waren). Der Agglutinintiter 
wurde in gleicher Weise wie oben bestimmt. Resultat siehe Tabelle II. 


Tabelle II. 


Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A. 

Vergleich des Agglutiningehalts des nativen Serums und des durch Elektro- 

dialyse vom Euglobulin befreiten Serums. Das native Serum enthält mehr 
Agglutinin $ als der Serumrest. 













— 











e u on na | inatio 
E gaer Mir gei = | Ba ge 
(endgültig) Nativ:Serum | Serumrest | Nativ.Serum | Serumrest 
1:2 ++++ © ++++ | +4 ++ | ++ ++ 
1:4 PE F E ++++ +++(+) 
1:8 +++(+) | FF PFPE 5 FH) 
1:16 +++ | ++ o +++ o) ++ 
1:32 | ++) + Ä ++ Lt) 
1:64 e 4 Ł i + | 
l : 128 = | Ss i t | — 





Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 269 


Auch in diesem Versuch enthielt der Serumrest reichlich Agglutinin, 
jedoch wiederum etwas weniger als das native Serum. Es wurde daher das 
ausgefallene Euglobulin in physiologischer Kochsalzlösung, die n/150 
Natronlauge enthielt, aufgelöst und die Lösung mit gleichen Teilen einer 
öproz. Erythrocytensuspension der Gruppe B versetzt. Nach 1 Stunde 
war e zu einer starken Agglutination gekommen, während Blutkörperchen 
der Gruppe A nicht agglutiniert wurden. Es enthielt also auch die Euglobulin- 
fraktion noch gruppenspezifisches Isoagglutinin. 

In einem dritten Falle war der Hauptanteil des Isoagglutinins in der 
Euglobulinfraktion enthalten. Ein Serum der Gruppe A wurde bis zur 
Leitfähigkeit 1,7. 10-5 elektrodialysiert und der Agglutinationstiter des 
nativen Serums, des mit Kochsalz versetzten in Lösung gebliebenen Serum- 
restes und der in schwach alkalischer Kochsalzlösung gelösten Globulin- 
fraktion festgestellt (Tabelle III). Ein analoges Resultat erhielten wir in 
einem anderen Versuch mit einem Serum der Gruppe O. 


Tabelle III. 


Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A. 
Vergleich des Agglutiningehalts des nativen Serums, des durch Elektro- 
dialyse vom Euglobulin befreiten Serums und der Euglobulinfraktion. 
Der Hauptanteil des Agglutinins ist in der u A EN enthalten. 


























Verdünnung S Agglutination nach 3 Minuten u Agglutination nach ei Minuten 
(endgültig) ' Nativ-Serum Serumrest Zus Nativ-Serum | Serumrest Euglobulin 
2. er u un E i — 
1:2 l +++ | 44) r ++++ | ++++| ++ + 
1:4 4444| + +++ | +4+4++ | +) SH 
Ip +++ — i +++ HH + o ++ 
1:16 ++ — ++ +++ EE 
1:32 "Zi — + l ++ — | ++ 
1 :64 + l — — ıı ++ — ZC? 
1:128 = eg = we = T 
e arole ST ana 





Aus diesen Versuchen geht hervor, daß die gruppenspezifischen 
Isoagglutinine a und ß nicht regelmäßig in der gleichen Serumfraktion 
enthalten sind. Sowohl die in elektrolytfreiem Medium löslichen Anteile 
als auch die unlöslichen Euglobuline sind als Träger der Isoagglutinine 
anzusehen. 

Die Erklärung hierfür ist wohl darin zu suchen, daß zwischen den 
verschiedenen Serumfraktionen keine scharfen Grenzen bestehen. Es 
ist anzunehmen, daß die bei der Elektrodialyse ausfallenderiı Körper 
nicht immer genau gleichartig sind. 


Die Agelutination im elektrolytarmen Medium. 


In den folgenden Versuchen wurde zumeist der durch die Elektro- 
dialyse erhaltene Serumrest verwendet. Wir untersuchten zunächst, 
ob eine Verminderung des Elektrolytgehalts des Mediums die Iso- 
agglutination beeinflußt. Die Versuchsanordnung war folgende: Wir 





370 P. Rona u. H. A. Krebse: 


stellten 5proz. Blutkörperchensuspensionen her, wobei der Elektrolyt- 
gehalt der Suspensionsflüssigkeit dadurch variiert wurde, daß 
wechselnde Mengen Kochsalzlösung zu isotonischer (8 Proz.) Rohr- 
zucker- bzw. Traubenzuckerlösung (6 Proz.) hinzugefügt wurden. 
Dabei darf man nicht unter einen Kochsalzgehalt von 7 bis 10 Millimol 
im Liter heruntergehen, da in ganz elektrolytfreiem Milieu die Blut- 
körperchen spontan agglutinieren [Gürber!), Bang?) u. al Von dem 
elektrolytarmen Serumrest wurden 9 Teile mit 1 Teil 80proz. Rohr- 
zucker- (bzw. 60proz. Traubenzuckerlösung bzw. 8,5proz. Kochsalz- 
lösung) versetzt. Es wurden gleiche Teile (je 0,25 ccm) Blutkörperchen- 
suspension und Serumrest zusammengebracht. Einen solchen Versuch 
gibt Tabelle IV wieder. 
Tabelle IV. 


Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A bei 
variiertem Kochsalzgehalt (Suspensionsflüssigkeit Traubenzucker 






















+ Kochsalz). 
anengen | Agglutination nach en. | Agglutinstion nach 
area x 15 Minuten | % Minuten ae: | 30 Minuten 
et 22 e e e SE = EE me 
E ads see a TI "HH 
10 | ++++ | ++++ 70 ++(+) +++ 
20 ++++ | ++++ 140 | +++ 1 +++ 


Der Versuch zeigt, daß bei Abnahme des Elektrolytgehalts zunächst 
die Agglutination ein wenig abgeschwächt ist (bei Reduktion des 
Elektrolytgehalts auf etwa die Hälfte). Bei weiterer Verringerung der 
Kochsalzmenge nimmt die Agglutination sehr stark zu. 

Wiederholte Versuche dieser Art mit anderen Seren und Blut- 
körperchen fielen stets gleichsinnig aus. 

Hiernach scheint es, daß die Rolle der Elektrolyte bei Isoagglu- 
tination nicht so wesentlich ist wie etwa bei der Ricinagglutination 
der Erythrocyten (Rona und György) oder bei der Bakterienagglutination 
nach Bordets Untersuchungen. Denn die Blutkörperchenagglutination 
durch Isoagglutinine kommt in unseren Versuchen auch bei sehr ge- 
ringer Elektrolytmenge zustande. 

Wir verfolgten nun weiterhin die Beobachtung der Zunahme der 
Agglutination bei geringem Elektrolytgehalt. Wir fragten uns, ob 
hier die Agglutination noch gruppenspezifisch ist. Es wurden in gleicher 
Anordnung wie in dem oben beschriebenen Versuch Blutkörperchen A 
mit dem dazugehörigen Serum der Gruppe A zusammengebracht. Das 
Resultat gibt Tabelle V wieder. 


1) Gürber, Habilitationsschrift. Würzburg 1904. 
2) I. Bang, diese Zeitschr. 16, 255, 1909. 





Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 271 


Tabelle V. 


Agglutination von Blutkörperchen A durch ein Serum der Gruppe A bei 
variiertem Elektrolytgehalt. 





Tommie | anuano ` Test! Age: 
kopzenir: Agglutination nach konsent Agglutination nach 
e mol 15 Minuten 30 Minuten E: Is 15 Minuten E EE, Minuten 





7 +++ | ++++ CS 
10 +++ | +44+ 
a | IH | FFH | w 


Es ergibt sich, daß die PR bei geringem Elektrolyt- 
gehalt unspezifisch ist. Das Serum agglutiniert die eigenen Blut- 
körperchen, wenn der Kochsalzgehalt unter ein Drittel des Normal- 
wertes sinkt. 

Diese unspezifische Agglutination läßt sich durch nachträglichen 
Zusatz von geringen Mengen physiologischer Kochsalzlösung voll- 
ständig rückgängig machen; es tritt in wenigen Sekunden Deglutination 
ein. Diese Beobachtung ist vielleicht in Beziehung zu bringen zu der 
schon lange bekannten Tatsache, daß die Agglutination roter Blut- 
körperchen in Nichtleiterlösungen (Rohrzucker, Traubenzucker) durch 
Neutralsalze gehemmt und aufgehoben wird. Auch die Flockung der 
Blutkörperchenstromata durch H Jonen und Sublimat wird nach 
F. Haffner?) durch Neutralsalz gehemmt?). 

Die unspezifische Blutkörperagglutination im elektrolytarmen 
Medium wird außer durch Neutralsalz auch durch sehr geringe Mengen 
von Natronlauge wieder rückgängig gemacht. 

In dem folgenden Versuch (Tabelle VI) haben wir festgestellt, 
bis zu welcher Verdünnung der Serumrest die eigenen Blutkörperchen 
im elektrolytarmen Milieu (10 Millimol Kochsalz im Liter) zu agglu- 
tinieren vermag. Es zeigt sich, daß Verdünnungen bis 1: 1024 noch 


Tabelle VI. 


Agglutination von Blutkörperchen O durch das eigene Serum bei einem 
Kochsalzgehalt von 10 Millimol im Liter in Rohrzuckerlösung. 














Verdünnung|| Agglutination nach vertan Agglutination nach 
(endgültig) 30 Minuten © Minuten | tendsüttig) 0 Minuten | 60 Minuten 
1:4 i +++4+ | ++++ | 1:128 PE E 
1:8 $ ++++ +rrYr 1: 256 + + 
1:16  ++++ ++++ | 1:512 +o è © +4 
1:32 p +++) | ++++ | 1:1024 t | ž 
1:64 Lt ++(+) | 1:2048 sa E 


1) F. Haffner, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 196, 15, 1922. 
2) Bezüglich der Erklärung dieser Erscheinungen siehe Höber, Physikal. 
Chem. d. Zelle u. d. Gewebe, 5. Aufl., S. 615f. 


272 P. Rona u. H. A. Krebs: 


wirksam sind. Bemerkenswert ist ferner, daß (im Gegensatz zur Iso- 
agglutination) innerhalb kurzer Zeit das Maximum der Agglutination 
erreicht ist. Nach 30 Minuten ist bereits keine wesentliche Zunahme 
mehr festzustellen. | 

Mit der echten ‚Autoagglutination“ hat die von uns beob- 
achtete unspezifische Agglutination nichts zu tun. Charakteristisch 
für die Autoagglutination ist erstens die Temperaturabhängigkeit der 
Agglutination [sie findet nur bei tiefen Temperaturen (unter Körper- 
temperatur) statt] und fernerhin nach Lattes eine Geldrollenbildung, die 
bei Verdünnung des Serums besonders zu beobachten ist. Beide 
Kriterien treffen in unserem Falle nicht zu. Die Agglutination ist bei 
40 und 50° ebenso stark wie bei Zimmertemperatur. 

Wir haben weiterhin die Frage untersucht, ob bei der Isoagglu- 
tination spezifische Ionenwirkungen eine Rolle spielen. Wir er- 
setzten zunächst das Kochsalz einmal durch Calciumchlorid, ferner 
durch Natriumsulfat. Die Caleiumchlorid- und Natriumsulfat- 
konzentration betrug m/10 (d. i. die dem Erythrocyten isotonische 
Konzentration). 

Tabelle VII. 


Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A bei 
Anwesenheit verschiedenartiger Elektrolyte (NaCl, CaCl,, Na,SO,). 


















verdDonunu Agglutination nach 30 Minuten in | Agglutination naeh 60 Minuten in 
e 

(endgültig) Na Cl ‚Ca Ch n Nas SO, | ' NaCl Ca Cl, ai > S e, 
IS: ee 
1:4 ++ ++ | EH, HEHH) tht | +++ 
1:8 Fr PT Ce GT i FF 
1:16 ch + + |! HH! +) +(+) 
1:32 | Se t Ir | GE | Se + 
(ni — = =: 4 + + 
1:128 | — —_ = = Z — 


Tabelle VIII. 
Einfluß des Lanthans auf die Isoagglutination (Serum Gruppe O, Blut- 


körperchen A). Die Blutkörperchensuspension, welche m/25600 Lanthan- 
nitrat enthält, wird geringer agglutiniert als dielanthanfreien E 













an; Agglutination nach 30 Minuten Agglutination nach 60 Minuten 


verdünnung 


(endgültig) Lantban behandelte _unbehandelte Lanthan behandelte | unbehandelte 


Blutkörperchen Blutkörperchen ` Blutkörperchen Blutkörperchen 








1:2 +++), ++++ ++++ | ++++ 
1:4 | EEO HH | HHGO | ++++ 
1:8 +(+) +++4) | ++ | ++++ 
1:16 ` + ++ ++ +++ 
1:32 + ++ +) | +H) 
Ia ` + + | PPE p St 

l : 128 SC + | Sa | +(+) 
1:256 | + F | + | + 





Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 273 


Wie aus Tabelle VII hervorgeht, ist es für die Isoagglutination 
gleichgültig, welcher Art die anwesenden Elektrolyte sind. In Kochsalz, 
Glaubersalz, Calciumchlorid geht die Agglutination in genau gleicher 
Stärke vor sich. 

Als Vertreter eines dreiwertigen Kations haben wir Lanthan 
hinsichtlich seiner Beeinflussung der Isoagglutination untersucht. 
Bekanntlich vermag Lanthan (wie sämtliche drei- und höherwertigen 
Kationen) in relativ sehr geringen Mengen die Blutkörperchen zu 
flocken, zu agglutinieren. Für unsere Versuche kam nur eine Lanthan- 
konzentration in Betracht, die nicht mehr agglutinierend wirksam 
ist. Wir stellten in einem orientierenden Versuch fest, daß eine 5proz. 
Blutkörperchensuspension von Lanthannitrat in der Konzentration 
m/12800 nach 3 Stunden schwach agglutiniert wird, während m /25600 
nicht agglutiniert. Wir benutzten daher für den Lanthanversuch eine 
5proz. Erythrocytensuspension (Gruppe A), die m/25600 Lanthan- 
nitrat enthielt, und untersuchten vergleichend den Agglutinintiter dieser 
und einer lanthanfreien Suspension (Tabelle VIII). 

Die Tabelle lehrt, daß Lanthan unter den gewählten Versuchs- 
bedingungen die Agglutinierbarkeit der Blutkörperchen vermindert. 

Die agglutinable Substanz der roten Blutkörperchen (oder das 
Serumagglutinin) scheint durch Lanthan also schon in sehr geringen 
Konzentrationen zum Teil zerstört zu werden. Da Lanthan (wie alle 
dreiwertigen Kationen) ein starkes Eiweißfällungsmittel ist, so ist diese 
Tatsache wohl verständlich. 

Eingehender haben wir den Einfluß der H-Ionenkonzentration 
auf die Isoagglutination untersucht. Wir verfuhren in der Weise, daß 
je 2 ccm eines Serums der Gruppe O mit 0,5 und 1 ccm isotonischer (n/7) 
Natronlauge und Salzsäure versetzt und mit physiologischer Kochsalz- 
lösung auf 4ccm aufgefüllt wurden. Diese Serumverdünnungen ver- 
schiedener H'-Ionenkonzentration wurden mit gleichen Teilen 5proz. 
Blutkörperchensuspension (Gruppe A) versetzt. Die Messung des Py 
erfolgte elektrometrisch in der U-Elektrode. Die endgültige Serum- 
verdünnung betrug hier 1:4. Wir untersuchten außerdem in gleicher 
Weise die Agglutination bei der Serumverdünnung 1:16. Im sauren 
Gebiet (Pu 4,3 und 5,8) war das Serum trübe, infolge der Fällung der 
Euglobuline. Die Resultate siehe Tabelle IX und X. | 


Tabelle IX. Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die Isoagglutination. 
Serum GruppeO. Blutkörperchen A. Serumverdünnung 1: 16. 








Agglutination nach = Agglutination nach 
4,3 +(+) | ++ 9,6 ++ | +++ 

5,8 ++ tr 10,6 +(+) l +(+) 

75 TE + + + + a 











274 | P. Rona u. H. A. Krebs: 


Tabelle X. 


Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die Isoagglutination. Serum 
m O. Blutkörperchen A. Serumverdünnung 1:4. 





Agglutination nach 


u Fre 30 Minuten | 60 Minuten | 120 Minuten 





Die Isoagglutination ist nach diesen Versuchen sehr weitgehend 
unabhängig von der H-Ionenkonzentration des Mediums. Bei py 7,5 
und Py 9,6 ist überhaupt kein Unterschied in der Stärke der Agglu- 
tination festzustellen. Eine starke Zunahme der [H+] (Py 5,8 und 4,3) 
schwächt die Agglutination ein wenig ab. Als Ursache für diese Tat- 
sache kommen hauptsächlich zwei Faktoren in Betracht. Erstens 
werden in diesem ` pe - Bereich die Serumagglutinine, soweit sie 
der Euglobulinfraktion angehören, ausgeflockt oder wenigstens in 
ihrer Dispersität vergröbert und dadurch unwirksamer gemacht. 
Zweitens werden auch die Blutkörperchen durch Säure stark verändert. 
Nach Haffner!) tritt bei einem pe kleiner als 4,5 regelmäßig Hämolyse 
ein. Es ist demnach sehr wohl möglich, daß durch die Säure der Vor- 
gang der Isoagglutination selbst nicht beeinflußt wird, daß vielmehr die 
Abschwächung der Agglutination auf sekundäre Momente zurück- 
zuführen ist. 

Auch bei stärker alkalischer Reaktion ist die Agglutination etwas 
schwächer. Dies kommt am deutlichsten bei starker Serumverdünnung 
zum Ausdruck?). 

Es ist auch in diesem Falle denkbar, daß die Abschwächung durch 
sekundäre Faktoren bewerkstelligt wird. Höhere Alkaligrade können 
ebenfalls die Serumeiweißkörper oder auch die Blutkörperchensubstanz 
verändern; höhere Alkalikonzentrationen hämolysieren bekanntlich. 


Zusammenfassung der Ergebnisse. 


l. Die bei der Elektrodialyse erhaltenen Serumfraktionen 
(Euglobulinfraktion und der in elektrolytfreien Medium lösliche Rest) 
enthalten beide die gruppenspezifischen Isoagglutinine. Der Haupt- 
anteil der Agglutinine ist in einigen Fällen im ,Serumrest“, in anderen 
jedoch in der Euglobulinfraktion vorhanden. 


1) F. Haffner, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 196, 15, 1922. 
2) Ähnliche Befunde erhoben Michaelis und Davidsohn bei der Bakterien - 
agglutination durch spezifische Agglutinine (diese Zeitschr. 47, 59, 1912.). 


Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 275 


2. Durch Verminderung des Elektrolytgehaltse des Mediums 
(und Ersatz der Elektrolyte durch Rohrzucker oder Traubenzucker 
zur Aufrechterhaltung der Isotonie) wird zunächst die Agglutination 
unbedeutend abgeschwächt. Beim Absinken der Elektrolytkonzentration 
auf etwa unter ein Drittel des Normalwertes nimmt die Agglutination 
stark zu. Jedoch ist die Agglutination der Blutkörperchen durch Serum 
bei geringem Elektrolytgehalt unspezifisch; sie ist reversibel durch 
Elektrolytzusatz. 


3. Vollständiger Ersatz des Kochsalzes durch Glaubersalz oder 
Calciumchlorid in isotonischen Konzentrationen ist ohne Einfluß auf 
die Isoagglutination. 


4. Lanthan schwächt in sehr geringen Konzentrationen (in denen 
es allein nicht zu agglutinieren vermag) die Isoagglutination etwas ab. 


5. Die Isoagglutination ist von der H-Ionenkonzentration des 
Mediums weitgehend unabhängig. Im sauren Gebiet wird die Agglu- 
tination erst bei den H-Ionenkonzentrationen beeinflußt, wo bereits 
grobe, sichtbare Schädigungen der Serumbestandteile (Flockung) 
und der Blutkörperchen (Hämolyse) auftreten. Im stärker alkalischen 
Gebiet (pe 10,6) ist die Agglutination etwas abgeschwächt. 


Anhangsweise seien einige Versuche mitgeteilt, die den Einfluß 
von Fremdsubstanzen, von oberflächenaktiven Verbindungen, von 
Alkaloiden auf die Isoagglutination zu prüfen zur Aufgabe hatten. 
Diese Untersuchungen werden noch fortgesetzt. 


Versuche mit Urethanen. 


Methyl-, Äthyl- und Isopropylurethan wurden in m/5 Lösung ver- 
wendet. Höhere Konzentrationen sind infolge der Hypertonie der Lösung 
ungeeignet. Isobutyl- und Isoamylurethan wurden in gesättigter Lösung 
in 0,85proz. Kochsalzlösung benützt. Je 0,25ccm der Urethanlösung 
kamen zusammen mit je 0,25ccm unverdünnten Serums der Gruppe A 
und je 0,25 ccm proz. Erythrocytensuspension der Gruppe B. In Kon- 
trollen befand sich an Stelle der Urethanlösung 0,25 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung. 

In allen Versuchen war die Agglutination nach 1 Stunde bei Anwesenheit 
von Urethanen genau so stark wie in den urethanfreien Kontrollen. 

Ein weiterer Versuch mit einem Serum der Gruppe B und Erythrocyten 
verlief im gleichen Sinne. 

Ebenso waren auch geringere Urethankonzentrationen ohne Einfluß 
auf die Isoagglutination. 


Versuche mit Chinin. 


In dem folgenden Versuch wurde Chininum hydrochloricum (in 
physiologischer Kochsalzlösung gelöst) in absteigenden Konzentrationen 
(je 0,25ccm) einem agglutinierendem System (Serum der Gruppe A, zu 


276 P. Rona u. H. A. Krebs: 


gleichen Teilen verdünnt mit physiologischer Kochsalzlösung je 0,25 
+ Erythrocyten der Gruppe B in 5proz. Suspension in physiologischer 
Kochsalzlösung je 0,25) hinzugefügt. 





Endgültige 


Agglutination nach 
3 Min. ` 60 Min. 


Chininkonzentration 




















+++ | + + geringe Hämolyse 


1: 1200 

1: 2400 NNN ++++ 
1: 4800 FERH ++++ 
1: 9600 ++ ++ ++++ 
Lea tt Lt 


Es ergibt sich aus dem Versuch, daß Chinin erst in den Konzentrationen 
einen Einfluß auf die Isoagglutination ausübt, wo es hämolytisch wirkt, 
also grobe Alterationen der roten Blutkörperchen herbeiführt. 

Bemerkenswert ist der folgende Versuch, in dem absteigende Serum- 
mengen mit gleichen Erythrocyten- und Chininmengen zusammengebracht 
wurden. Die Chininkonzentration war 1:1200. Das Serum gehörte der 
Gruppe A, die Blutkörperchen der Gruppe B an. 










Endgültige Agglutination nach 


Serumkonzentration 








l: +++ keine Hämolyse +++ keine Hämolyse 
l: partielle vollständige 5 
1:1 vollständige 5 ý j 
l : 24 | n al ” D 
48 n H n ” 


Der Versuch zeigt, daß Serum die Hämolyse durch Chinin aufhebt. 
Es handelt sich offensichtlich um eine Analogie zu der von Ransom?) 
entdeckten Tatsache, daß die Saponinhämolyse durch Cholesterin ge- 
hemmt wird. 


Zusammenfassend läßt sich über die Chininversuche sagen: 


Chininum hydrochloricum wirkt in hohen Konzentrationen hämolytisch. 
In geringeren Konzentrationen, die nicht hämolysieren, ist es ohne Einfluß 
auf die Isoagglutination. Die Chininhämolyse wird durch Blutserum ge- 
hemmt. 


Versuch mit Eucupin (Isoamylhydrocuprein). 


Eucupinum bihydrochloricum wurde in der gleichen Anordnung wie 
Chinin untersucht. 








Endgültige | i Agglutination nach 
Eucup nkonzentration 60 Min. 


600 Hämolyse 








1 

l: 1200 8 
1: 2400 +++ 
1: 4800 +++ 
1: 9600 d ++++ 
1:19 200 | Fead 


1) Ransom, Deutsch. med. Wochenschr. 1901, S. 194. 








Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 277 


Das Resultat des Versuchs entspricht etwa dem Chininversuch: in 
den hohen Konzentrationen (1:600 und 1: 1200) hämolysiert Eucupin, 
in geringeren Konzentrationen (unter 1:9600) ıst es ganz ohne Einfluß 
auf die Isoagglutination. In den dazwischen liegenden mittleren Kon- 
zentrationen scheint ee die Agglutination leicht zu hemmen. 


Versuche mit Vucin (Isooetylhydrocuprein). 


Versuchsanordnung ebenso wie in den vorhergehenden Versuchen. 
Das Serum gehörte der Gruppe O an und war 1:3 verdünnt; Erythro- 


cyten Gruppe B. 




















Endgültige i Agglutinstion nach 
Vucinkonzentratior ' 1 Std. 2 Stdn. 
1: 3600 ' fast vollständige Hämolyse vollständige Hämolyse 
1: 7200 ` DES? +++ teilweise 
1: 14400 | +++ +++ 
1:57 600 + er tF 


Der Versuch ergibt, daß Vuen in hohen Konzentrationen (1: 3600, 
1:7200) hämolysiert und in den geringeren die Agglutination überhaupt 
nicht beeinflußt. 


Versuche mit Optochin (Äthylhydroeuprein). 


Anordnung wie in den vorhergehenden Versuchen. Serum A, 
Erythrocyten B. 











Endgültige ee 
Optochinkonzentration. 30 Min. | 60 Min. 
| 

1: 600 — | SÉ 
1:1200 |; +++ ++++ 
1 : 2400  Lrtt I 
1:4800 0°, ++++ | ++++ 
1 : 9600 0 ++++ |! ++++ 


Der Versuch zeigt, daß Optochin in einer Konzentration 1: 600 die 
Agglutination fast ganz aufhebt, ohne — innerhalb der Beobachtungszeit — 
zu hämolysieren. Bei 1: 1200 ist noch eine geringe Hemmung bemerkbar. 
Niedrigere Konzentrationen sind unwirksam. 

Damit ist zunächst eine Substanz gefunden, die, ohne sichtliche 
Schädigungen der Erythrocyten herbeizuführen, die Agglutination über- 
haupt beeinflußt. Optochin schien demnach geeignet, die Frage zu verfolgen, 
ob etwa die Agglutination der Blutkörperchen A in anderer Weise beein- 
flußbar wäre als die Agglutination der Blutkörperchen B. 

In dieser Richtung haben wir eine größere Anzahl Versuche angestellt. 

Zunächst wurden eine Reihe verschiedener Sera in folgender Anordnung 
untersucht: Das Serum wurde mit physiologischer Kochsalzlösung auf das 
dreifache Volumen verdünnt. Von der Serumverdünnung wurden 0,25 com 
mit gleichen Teilen einer 0,5proz. Lösung von Optochinum hydrochloricum' 
in physiologischer Kochsalzlösung versetzt. Dazu kamen 0,25 ccm einer 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 19 


278 P. Rona u. H. A Krebse: 


etwa 5proz. Erythrocytensuspension. In den parallel gehenden Kontroll- 
versuchen befand sich an Stelle der Optochinlösung die entsprechende 
Menge physiologischer Kochsalzlösung. Die Resultate sind tabellarisch 
zusammengestellt. 

Aus der Tabelle Ia ergibt sich, daß der Einfluß des Optochins unter 
den gewählten Versuchsbedingungen auf die verschiedenen Sera nicht 
gleichartig ist. In einigen Fällen ist überhaupt kein Einfluß oder nur ein 
sehr geringer zu konstatieren (Nr. 21, 10, 13, 14). In der Mehrzahl der Fälle 
ist eine Hemmung zu beobachten. Die Beeinflußbarkeit der Agglutination 
durch Optochin weist keine gesetzmäßigen Beziehungen zu der Blutgruppen- 
zugehörigkeit auf, wenn auch gewisse Unterschiede in dem Verhalten der 
einzelnen Gruppen dem Optochin gegenüber angedeutet sind. Weitere, 
umfangreichere Untersuchungen müssen die endgültige Klärung bringen. 











Tabelle Ia. 
nn der Isoagglutination durch Optochin. 
TE Serum ! Erythrocyten Agglutination 
fi Name Gruppe | Gruppe | obne en mit Eee 

l Br. A B | ++ — 

2 Fr. A B +++ + 

3 Tag. A B | +4 4 

4 Be. A B "E ee = 

5 Lü. A | B 1 t++++ + 

6 Rh. A B +++ ++ 

7 | Pu. A | B | +++ — 

8 Jo. A B | +++ — 

9 Kr. A B ++++ — 
10 He. B | A +++ ++(+) 
11 Re. B Ä A +++ = 
12 | Cr. | B | A g o ie = 
3 0 Ke 0o | B > 44H ++(+) 
14 | Wa. | 0 B ++ +(+) 
15 Schä. 0 | B ++ — 
16 Ma. 0 | B ++++ + 
17 Mi. 0 B I1 +++ + 
8 | Ja. o | B uë Fpa + 
19 Gr. | 0 B tr SCH 
20 Gr. 0 A +++ ++ 
21 | Ja. 0 | A +++ +++ 
2 | Ki 0 | A +++ — 


Weitere Versuche zielten darauf hin, festzustellen, ob sich etwa 
unter anderen Versuchsbedingungen Zusammenhänge zwischen SAUDpen: 
zugehörigkeit und Optochinhemmung auffinden ließen. 

In den folgenden Versuchen wurde das Serum mit Optochinlösung 
versetzt und der Agglutiningehalt des reinen und des optochinhaltigen 
Serums bestimmt, indem diejenige Serumverdünnung festgestellt wurde, 
die nach einer bestimmten Zeit nicht mehr agglutinierte. 

Einige Versuche dieser Art seien hier wiedergegeben. 

Tabelle IIa zeigt einen Versuch, in dem die Agglutination der Blut- 
körperchen B wesentlich stärker gehemmt wird als die Agglutination der 
Blutkörperchen A. Während das Serum ursprünglich die Erythrocyten A 








Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 279 


und B etwa gleich stark agglutiniert, werden nach Optochinzusatz zum 
Serum die Blutkörperchen B kaum noch agglutiniert, die Blutkörperchen A 
dagegen nur wenig schwächer als vorher. 


Tabelle IIa. 
Beeinflussung der Agglutination durch Optochin. 


Serum der Gruppe O. Das Agglutinin f wird stärker gehemmt als das 
Agglutinin a. 







































| Agglutination von Blutkörperchen 1 Agglutination von Blutkörperchen 
Serum- der Gruppe A der Gruppe B 
inn oa | Teei i g l aTa 
o $ ohne Optochin Optochin 1 Proz. V ohne Optochin | Optochin 1 Proz. 
1: 4 ++++ +++ +4++ ` + 
1:8 | +4+++ +++, ++ + 
l: 16 +++ +++ 0 ++ | + 
l: 32 SE | Fr | ++ + 
l: 64 | + + FE SE 
1:128 + | Ge + es 
1: 256 | — Ss = BER 





Diese Verhältnisse fanden sich jedoch nicht regelmäßig. Tabelle IIIa 
gibt einen Versuch wieder, in dem Hemmung der Agglutination durch 
Optochin in beiden Fällen etwa gleichartig ist. 


Tabelle III a. 
Beeinflussung der Agglutination durch Optochin. 


Ein Serum der Gruppe O ist mit verschiedenen Mengen Optochin versetzt 
und jeweils der Agglutinintiter festgestellt. Das Agglutinin a wird in etwa 
gleicher Weise wie das Agglutinin $ durch Optochin gehemmt. 








Agglutination von Blutkörperchen A Agglutination von Blutkörperchen B 
ec , 1 Teil Serum | 1 Teil Serum 1 1 Teil Serum 
































(endgültig) | Serum okas +1 el + a va onne Gë ai + 
d en en | 0, Proz. | are: 05 Proz. 0, Proz. 

LI 4 4444 | +++ | +++ + | HHHH | 

ap, Zu, Selbst, lee 

EE +++ | +++ | +++ ++ ++ 

1: 32 | ++] ++] ++ + + | + 

l: 64 | + + | + + + 

1:128 | — = | — - | = 

l : 256 E — | — _— ; — Pas Pen 


Es stellte sich sogar heraus, daß die Agglutination verschiedener 
Erythrocyten der gleichen Gruppe durch Optochin in verschiedener Weise 
beeinflußt werden kann. Einen solchen Versuch gibt Tabelle IVa wieder. 
Es dürfte dies erklärlich sein im Hinblick auf die bekannte Tatsache, daß 
überhaupt der Grad der Agglutinierbarkeit der verschiedenen Erythrocyten 
der gleichen Blutgruppe erheblich schwankt. 


19* 


280 P. Rona u. H. A. Krebs: Physikalisch-chemische Untersuchungen usw. I. 


Die angeführten Versuche, insbesondere der letzte, machen es sehr 
unwahrscheinlich, daß sich durch die Optochinhemmung die Agglutination 
der Blutkörperchen A von der Agglutination der Blutkörperchen B diffe- 
renzieren läßt. 


Tabelle IV a. 
Beeinflussung der Agglutination durch Optochin. 


Serum der Gruppe O. Die verschiedenen Erythrocyten der Gruppe A 
werden ungleicbmäßig durch Optochin beeinflußt. Die schlechter agglutinier- 
baren (Pat. Ha.) werden stārker beeinflußt. 
















lutination von 


Agglu Agglutination von 
Blutkörperchen A (Pat. St.) 


Blutkörperchen A (Pat. Ha.) 









Serums 
verdünnun 1 Teil Serum | 1 Teil Serum 
(endgültig ëch Serum ohne Serum ohne + 1 Teil + 1 Teil 
Optochin Optocbin ı Optochin 
| 0,5 Proz. Proz. 








Zusammenfassend läßt sich über die Optochinversuche sagen: 
Optochin hemmt in hohen Konzentrationen die Isoagglutination. 


Unterschiede in der Hemmung bei den verschiedenen Blutgruppen 
ließen sich nicht sicher feststellen. 





Über den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration 
auf die antiseptische Wirkung einiger Phenole 
und aromatischer Säuren. 


Von 
T. Kuroda. 


(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Berlin.) 
(Eingegangen am 29. Dezember 1925.) 


Daß Säuren die antiseptische Wirkung der Phenole erhöhen, ist 
von verschiedenen Forschern gefunden worden!). Über den Einfluß 
von Alkali auf Phenole findet man in der Literatur die Angabe?), daß 
Alkali die antiseptische Wirkung der Phenole aufhebt, was mit dem 
Befund von Robert Koch?) übereinstimmt, daß Phenolnatrium eine 
sehr schwache antiseptische Wirkung zeigt. Bei diesen Versuchen ist 
eine genaue Messung der Wasserstoffionenkonzentration nicht vor- 
genommen worden. Man hat Laugen im Überschuß zugesetzt, so daß 
in der Lösung kein freies Phenol mehr vorhanden war, sondern Phenol- 
alkali neben Alkali. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß diese Lösungen 
nicht gepuffert waren, so daß durch Verunreinigungen eine Ver- 
schiebung der Wasserstoffionenkonzentration möglich war. 

Es schien uns von Interesse, die im Titel genannten Beziehungen 
etwas näher zu studieren und sowohl das alkalische als auch das saure 
Gebiet zu berücksichtigen. Es ist ja bekannt, daß Desinfektions- 
versuche des einen Autors mit Versuchen eines anderen niemals zu 
vergleichen sind, weil bei derartigen Versuchen die Innehaltung der 
Versuchsbedingungen kaum möglich ist, schon wegen der verschiedenen 
Widerstandsfähigkeit der verwendeten Mikroorganismen. Es muß 
also verlangt werden, daß unter den gleichen Bedingungen mit den 
gleichen Mikroorganismen sowohl das saure als auch das alkalische 
Gebiet untersucht wird. Auf Veranlassung von Prof. Joachimoglu 
habe ich mich dieser Aufgabe unterzogen. 


1) Vgl. Hailer, Die Desinfektion. Weyls Handb. d. Hyg. 2. Aufl. 8, 1109. 
2) Frei, Zeitschr. f. Hyg. 75, 451, 1913. 
3) Zitiert nach Frei. 


282 T. Kuroda: 


Zu den Versuchen verwendeten wir Bacterium coli und Bacillus 
prodigiosus. Es wurden sowohl Abtötungsversuche als auch Versuche 
zur Feststellung der Entwicklungshemmung ausgeführt. 

Die Prodigiosusbazillen wurden auf Glasperlen in einem Exsikkator 
mit Chlorcalcium bei Zimmertemperatur getrocknet. Die Trocknung 
bei 37° schädigt die Bakterien. Die mit Bakterien behafteten Glas- 
perlen wurden in die zu untersuchende Lösung gebracht, nach ver- 
schiedenen Zeiten herausgenommen, in sterilem Wasser zweimal ab- 
gespült und dann in flüssigen Agar von 40 bis 420 gebracht. Damit 
wurden Platten gegossen. Zur Herstellung einer bestimmten Wasser- 
stoffionenkonzentration benutzten wir Pufferlösungen nach Sörensen!). 
Wir begnügten uns dabei nicht mit der berechneten Wasserstoffionen- 
konzentration, sondern haben dies mit der kolorimetrischen Methode 
von L. Michaelis?) kontrolliert. 

In der Tabelle I geben wir einen Versuch mit Carbolsäure bei einer 
Konzentration von 1:350 wieder. Wir sehen aus dem Versuch, daß 
im sauren Gebiet kein Wachstum stattgefunden hat, während im 
alkalischen py 7,8 bis 10,1 eine Abnahme der Desinfektionswirkung 
zu beobachten ist. Dasselbe ergibt ein Versuch bei einer Konzentration 
von Carbolsäure 1: 216. 

Tabelle I. 
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Tabelle II gibt einen Versuch mit o-Kresol bei einer Konzentration 
von 1: 600 wieder. Im wesentlichen stimmt das Versuchsergebnis mit 
den Ergebnissen der Carbolsäureversuche überein. Auch hier sehen 
wir, daß in der Nähe des Neutralpunktes und namentlich im schwach 
alkalischen eine Abnahme der antiseptischen Wirkung zu beobachten ist. 


1) Vgl. diese Zeitschr. 21, 131, 1909. 
2) Vgl. Houben, Handb. d. org. Methoden 1, 1013. 





Finfluß der H-Ionenkonzentration auf die antiseptische Wirkung usw. 283 


Tabelle II. 
o-Kresol (1: 600). 22°, 
























































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Die Versuche der Tabellen III, IV und V mit p- und m-Kresol 
entsprechen vollkommen dem eben Gesagten. 


Weiter haben wir das o-Chlorphenol untersucht, vgl. Tabelle VI. 
Wir wollen darauf hinweisen, daß auch ein Überschuß von Hydroxyl- 
ionen eine Verstärkung der antiseptischen Wirkung der Phenole bedingt, 
was die Tabelle VI besonders deutlich zeigt. Im übrigen haben wir 
auch hier das gleiche Resultat wie bei den anderen Phenolen. 


Die Tabellen VII und VIII geben Versuche mit m- bzw. p-Chlor- 
phenol, Tabellen IX und X die Versuche mit Thymol wieder. Die 
Versuche mit Colibazillen haben die gleichen Resultate ergeben. Von 
einer Wiedergabe der Tabellen sehen wir ab. 


Weiter haben wir unsere Ergebnisse mit Hefe kontrolliert. Wir 
benutzten Buchnersche Gärkölbcehen!). Die entwickelte Kohlensäure 
wurde durch Wägung ermittelt. Die Gärung ging bei einer Temperatur 
von 18° vor sich. Die gewünschte Wasserstoffionenkonzentration haben 
wir mit Hilfe der oben erwähnten Pufferlösungen hergestellt. Es ist 
klar, daß während der Gärung eine Verschiebung der Wasserstoffionen- 
konzentration stattfindet. Wir haben zu Beginn des Versuchs und 
nach 22 Stunden eine Messung auf elektrometrischem Wege vor- 
genommen. Die Zahlen sind in der Tabelle XI enthalten. Die Tabelle 
zeigt uns, daß bei pg 0,85 (Wert zu Beginn des Versuchs) eine starke 
Hemmung der CO,-Produktion zu beobachten ist. Bei Py 6,82 (Ver- 
such 2) ist die CO,-Entwicklung stärker als in den Kontrollen mit 
bzw. ohne Carbolsäure (Versuche 4 und 5). Bei pe 11,6 sehen wir eine 
deutliche antiseptische Wirkung, wie in den Bakterienversuchen. 








1) Vgl. Joachimoglu, diese Zeitschr. 180, 240, 1922. 




















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Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die antiseptische Wirkung usw. 




















































































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T. Kuroda: 


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287 


Einfluß der H Ionenkonzentration auf die antiseptische Wirkung usw. 


































































































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Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die antiseptische Wirkung usw. 






















































































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290 T. Kuroda: 


Von aromatischen Säuren haben wir Benzoesäure und Salicylsäure 
geprüft. Vgl. Tabelle XII und XIII. Bei saurer Reaktion ist die anti- 
septische Wirkung der Säuren sehr deutlich, während um die neutrale 
Zone eine antiseptische Wirkung kaum festzustellen ist. 

Es fragt sich nun, ob bej den geschilderten Versuchen es sich um 
eine direkte Wirkung der H-Ionen bzw. OH-Ionen handelt oder ob 
diese lonen physikalische Konstanten, wie z. B. den Teilungs- 
koeffizienten zwischen Lipoiden und Wasser ändert und indirekt die 
antiseptische Wirkung beeinflußt. Zur Prüfung dieser Frage haben 
wir den Teilungskoeffizienten des Phenols zwischen Olivenöl und 
Wasser bei verschiedener H-Ionenkonzentration bestimmt. Die Be- 
stimmung wurde in der Weise ausgeführt, daß wir 50 ccm einer 0,5 proz. 
wässerigen Carbolsäurelösung mit 50 ccm reinen Olivenöls 16 Stunden 
lang im Schüttelapparat bei 18° schüttelten. Nachdem sich die ölige 
Schicht von der wässerigen geschieden hatte, wurde die wässerige vor- 
sichtig abpipettiert und zentrifugiert und durch ein gehärtetes Filter 
filtriert. In 10 ccm des Filtrats wurden nach der Methode von Beckurts 
und Koppeschaar!) und gravimetrisch durch Fällung mit Bromwasser 
die Carbolsäure bestimmt und der Prozentgehalt berechnet. Die Zahlen 
finden sich in Tabelle XIV. Die Analysenresultate der Phenol- 
bestimmung durch Titration nach Beckurts und Koppeschaar bzw. nach 
dem gravimetrischen Verfahren stimmen gut überein. 

Eine Bestimmung des Teilungskoeffizienten bei alkalischer 
Reaktion war nicht möglich, weil durch Verseifung eine Klärung und 
Trennung der wässerigen von der öligen Schicht nicht möglich war. 
Wir können also nur die Zahlen vergleichen, die bei saurer Reaktion 
und neutraler Reaktion gewonnen sind. Bei neutraler Reaktion beträgt 
der Teilungskoeffizient 7,2. Dieser Wert stimmt mit einem früher 
von H. Fühner?) ermittelten überein. 

Bei saurer Reaktion ist der Teilungskoeffizient etwas höher. Er 
beträgt 8,09. Auch in anderen Versuchen, die wir hier nicht wieder- 
geben, fanden wir immer, daß bei saurer Reaktion unter sonst gleichen 
Bedingungen der Teilungskoeffizient in der sauren Lösung höher ist 
als in der neutralen. Es scheint demnach, daß die starke Wirksamkeit 
des Phenols bei saurer Reaktion durch den höheren Teilungs- 
koeffizienten zum Teil wenigstens erklärt werden kann. Daneben 
spielen wahrscheinlich noch andere Faktoren, Dissoziation der Carbol- 
säure, direkte Wirkung der H- bzw. OH-Ionen eine Rolle. 

Änderungen der Oberflächenspannung durch die saure Reaktion 
kommen nicht in Betracht. Die Messung der Tropfenzahl im Stalagmo- 
meter ergab im Versuch 1 und 3 der Tabelle XIV keinen Unterschied. 


1) Zitiert nach W. Autenrieth, Die Auffindung der Gifte S. 46, 1923. 
2) H. Fühner, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 75, 66, 1914. 


Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die antiseptische Wirkung usw. 291 


Zusammenfassung. 


1. Es wurde die antiseptische Wirkung der Carbolsäure, der 
drei isomeren Kresole, der drei isomeren Chlorphenole, des Thymols, 
der Benzoesäure und Salicylsäure bei verschiedenen H-Ionenkonzen- 
trationen untersucht. 

2. Die Versuche wurden mit Prodigiosus-, Colibazillen und Hefe 
ausgeführt. Die gewünschte H-Ionenkonzentration wurde mit Hilfe 
von Pufferlösungen nach Sörensen hergestellt. 

3. Bei saurer Reaktion war die Wirkung der Phenole und auch 
der aromatischen Säuren am stärksten, um den neutralen Punkt herum 
am schwächsten. Bei stark alkalischer Reaktion war eine antiseptische 
Wirkung nachweisbar. 

4. Bei saurer Reaktion ist der Teilungskoeffizient der Carbolsäure 
zwischen Olivenöl und Wasser größer als bei neutraler Reaktion. 


Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. 


I. Mitteilung: 
Methodik. 


Von 
Fritz Lasch. 


(Aus der biologischen Abteilung des Pharmakognostischen Instituts der 
Wiener Universität.) 


(Eingegangen am 30. Dezember 1925.) 
Mit 2 Abbildungen im Text. 


Die Technik der Resorptionsversuche von Organen in situ ist 
heute wohl allgemein bekannt. Sie besteht am Darm prinzipiell in 
der Isolierung einer Darmschlinge bei erhaltenem Mesenterium und 
Einführen einer verschließbaren Kanüle durch die Bauchwand in die 
Darmschlinge. Durch die Kanüle können die zu untersuchenden 
Lösungen eingefüllt werden. Eine Versuchsanordnung, bei der die 
Resorption von der Schleimhaut des isolierten, überlebenden Darms 
aus verfolgt werden kann, habe ich in der mir zugänglichen Literatur 
nirgends finden können. Ich habe nun versucht, eine solche Methode 
auszuarbeiten, bei der es möglich ist, das Verhalten von chemischen 
Substanzen in der Innenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Darms 
quantitativ zu verfolgen und eventuell den Einfluß resorptions- 
fördernder oder -hemmender Zusätze dabei zu untersuchen. Meine 
im nachstehenden genau beschriebene Methode lehnt sich eng an die 
Versuchsanordnung für den isolierten, überlebenden Darm an, wie 
sie P. Trendelenburg!) angegeben hat. Es wird in seiner Methode die 
Tätigkeit des Darms unter Füllung des Lumens registriert und so die 
echten peristaltischen Kontraktionen, nicht nur die Pendelbewegungen 


1) P. Trendelenburg, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 81, 55, 1917. 


F. Lasch : Resorptionsversuche am isolierten, überleb. Darm. IT. 293 


wie nach Magnus festgestellt. Die medikamentösen Zusätze erfolgen 
nach Trendelenburg in die Außenflüssigkeit des Darms. 

Der Gedanke, von dem ich nun ausging, war der, eine genau ge- 
messene Menge von Flüssigkeit mit einem bestimmten Gehalt ver- 
schiedener Substanzen in das Lumen des Darms einzubringen, nach 
einer gewissen Zeit in dieser Lösung jene Stoffe wieder quantitativ 
zu bestimmen und aus ihrem eventuellen Verschwinden Schlüsse auf 
die Resorption ziehen zu können. Das Darminnere wird dabei unter 
jenen Druck gesetzt, der für die Peristaltik des Organs optimal ist, 
und dieser während des ganzen Versuchs beibehalten. Am Ende des- 
selben wird die Innenflüssigkeit des Darms möglichst quantitativ 
entfernt, in ihr die zu untersuchende Substanz quantitativ bestimmt 
und es kann dann sofort ein zweiter Versuch mit oder ohne Zugabe 
resorptionsfördernder oder -hemmender Mittel zum Vergleich an- 
geschlossen werden. | 


Es war nun bei der Versuchsanordnung des isolierten Organs von 
vornherein klar, daß bei ihm die Resorptionsverhältnisse nicht derartig 
physiologisch sein würden, wie an der vom Mesenterium her durch- 
bluteten isolierten Darmschlinge in situ, da ja durch die Blut- 
zirkulation die resorbierten Substanzen stets abtransportiert werden 
und so eine Anreicherung in der Darmwand selbst vermieden wird. 
Um nun in diesem Punkte ebenfalls den physiologischen Bedingungen 
möglichst nahezukommen, wurde die Menge der Außenflüssigkeit 
(Ringer), in die der Darm während des Versuchs eingehängt wird, 
sehr groß genommen (1,5 bis 3,0 ccm Innenflüssigkeit des Darms, 
dagegen 1400 bis 1600 ccm Außenflüssigkeit). Trotzdem kann wohl 
unter den geschilderten Bedingungen das Verschwinden von Substanzen 


‚aus der Innenflüssigkeit nicht als reine physiologische Resorption im 


engeren Sinne des Wortes aufgefaßt werden, weil eine Reihe von 
Faktoren fehlt, die bei der Resorption am lebenden Tiere selbst eine 
gewichtige Rolle spielt, so die Strömung der Gefäße, der Austausch 
zwischen Zellen und Blut und anderes mehr. Ich möchte hier auch 
nur kurz auf die Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration sowohl 
in der Innen- wie auch in der Außenflüssigkeit hinweisen. Letztere 
(Ringer) soll der des Blutes möglichst gleich sein (pe = 7,3 bis 7,4). 
Auf den Einfluß der p„-Konzentration bei der Dialyse des Calciums, 
mit dessen Resorptionsverhältnissen ich mich zunächst beschäftigt 
habe, wurde neuerdings von Loeb!) und Loeb und Nichols?) hin- 
gewiesen. 


1) Loeb, Journ. of gen. physiol. 6, 453, 1924. 
2) Loeb und Nichols, Proc. of the soc. f. exper. biol. a. med. 22, 275, 
1925. 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 20 


294 F. Lasch: 


Jedenfalls erlaubt jedoch die Versuchsanordnung, wie sie hier 
mitgeteilt wird, in vergleichenden Versuchen zu beobachten, wieviel 
von einer eingebrachten Substanz vom Darmlumen aus mit oder ohne 
Zusatz von resorptionsfördernden oder -hemmenden Mitteln ver- 
schwindet. Sie dürfte auch gewisse Vorteile insoweit bieten, als man 
medikamentöse Zusätze direkt in das Innere des Darms einbringen 
und ihre Wirkung auf die Peristaltik beobachten kann. Dieser Vorgang 
dürfte wohl physiologischer sein als der Zusatz in die Außenflüssigkeit 
nach Trendelenburg. Über solche Versuche soll ein anderes Mal be- 
richtet werden. 


Über die Versuchsanordnung selbst gibt nachstehende schematische 
Skizze Aufschluß: 





Sauerstoff- 
Bombe 


Abb. 1. 


Das Stativ mit den Mariottschen Flaschen ist bedeutend kleiner (etwa 5 mal) gezeichnet als 
das Wasserbad mit der Kanüle. 1. [Das Stativ für die beiden Mariottschen Flaschen mit den 
Versuchslösungen Mı und Ma besitzt oben die Rollen R, über welche die die Flaschen tragenden 
Ketten laufen, die an den Haken K; und K3 befestigt werden können. Die beiden Flaschen sind 
mit den Führungsringen F am Stativ beweglich befestigt. Das Stativ hat eine vom Boden an ge: 
rechnete Skala und besitzt unten einen Dreifuß. 2. Von den beiden Mariott schen Flaschen gehen 
die Gummischläuche @ zu einem Zweiwegbahn ZW und dann weiter zur Darmkanüle Dk, die im 
Wasserbade W mit Hilfe der Klemmschrauben H (ebenso wie die Sauerstoffkanüle So) befestigt 
ist. Gl=Glashahn, Doe = Darmöffnung, A = Abflußöfnung der Darmkanüle. Letztere geht durch 
ein Loch des Wasserbadbodens und wird durch den Gummischlauch Schl gedichtet. Das Wasserbad 
hat die Dimensionen!: Höhe 10, Breite 12, Länge 17 cm, sein Inhalt faßt etwa 1400 bis 1600 ccm. 
Es steht auf einem Dreifuß. T= Thermometer, Qu = Quetschbahn, Glw = Glaswanne unter dem 
Abflußrohr der Kanüle (für die Aufnahme der Durchspülungsflüssigkeit). Mi= Mikrobrenner, 
H = Hebel mit dem Schreiber Sch. Ky= Kymographiontrommel, Ge= Gewichtsbelastung des 
Schreibhebels, meist etwa 2g, Fl = Flüssigkeitsspiegel der Ringerlösung (Außenflüssigkeit). 
D = Darm. 





Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. I. Sub 


Nebenstehend seien die Maße für die Darmkanüle selbet und deren 
Bau kurz skzziert: 


Die Kanüle kann mit den angegebenen 
Maßen und den entsprechend weiten Darm- 
öffnungen (für jede Tierart verschieden) von 
jedem Glasbläser angefertigt werden!). Die 
Maße sind natürlich nicht unbedingt bindend, 
nur auf zwei Punkte muß bei der Herstellung 
Gewicht gelegt werden, da ihre Beachtung 
die Bedingung für das Gelingen der Ver- 
suche darstellt!). Der Ansatz der Abfluß- 
kanüle A muß unbedingt höher liegen als 
der tiefste Punkt der ganzen Kanüle B. 
Sonst gelangt beim Ablassen der Innenflüssig- 
keit des Darmes auch Flüssigkeit aus dem 
toten Raume (straffiert) der Kanüle mit 
zur Untersuchung, die gar nicht im Darme 
selbst gewesen ist, und die Resultate sind 
wertlos. 2. Der Ansatz des Abflußrohres der 
Kanüle (4) muß in der direkten, senk- 
rechten Fortsetzung des Darmansatzrohres D 
liegen, damit beim Absaugen der Innen- 
flüssigkeit des Darmes nur diese selbst 
abgesaugt wird. 

Wenn diese beiden Punkte bei der Her- 
stellung der Kanüle beachtet werden, so 
gelangt nur die geringe Flüssigkeitsmenge 
im toten Raume X—-Z mit der abgesaugten Abb. 2. 
Darmflüssigkeit zur Untersuchung. Diese be- À 
trug bei Kanülen in den angegebenen Dimensionen, wie ich mich in zahlreichen 
Leerversuchen überzeugen konnte, selbst beim kräftigsten Absaugen mit 
einer 5ccm Rekordspritze bei L nie mehr wie 0,lccm. Da nun die Darm- 
innenflüssigkeit je nach Größe des Darmstückes 1,3 bis 3,0 ccm, eventuell 
noch mehr beträgt, so spielen diese 0,1 ccm toter Raum wenig Rolle. Die 
Versuchsresultate können dadurch niemals wesentlich verändert werden, 
da ja auch die Flüssigkeit im toten Raume X — Z den Anfangsgehalt der 
Lösung an zu untersuchender Substanz besitzt. — Wenn man bei L mit 
einer 5-ccm-Rekordspritze wiederholt kräftig absaugt, bis keine Flüssigkeit 
mehr kommt, so bleibt nun infolge der angegebenen Konstruktion der Kanüle 
die Flüssigkeit im toten Raume (straffiert) vollkommen unberührt, und nur 
alles, was senkrecht zur Saugrichtung bei L ist, d. h. die Innenflüssigkeit 
des Darmes + die Flüssigkeit des toten Raumes (X — Z) von 0,1 ccm gelangt 
in die Spritze und damit zur Untersuchung. Dabei ist nur vor dem Ver- 
suchsbeginn darauf zu achten, daß weder im Darminnern noch im (straffierten) 
toten Raume Luftblasen vorhanden sind. Besonders in letzterem Falle 
gelangt sonst durch Nachgeben der Flüssigkeitssäule Lösung aus dem toten 
Raume beim Absaugen mit in die Spritze. Enthält der Darm selbst im 
Innern aber Luftblasen, so gelangen bei Vergleichsuntersuchungen hinter- 
einander verschieden große Flüssigkeitsmengen in das Innere des Darmes. 





1) Die ganze Apparatur kann fertig bezogen werden durch die Glas- 
bläserei O. Ewald, Wien IX, Währingerstraße 26, Österreich. 


20 * 


296 F. Lasch: 


In beiden Fällen erhält man dann falsche Resultate. — Man vermeidet 
die Luftblasen im (straffierten) toten Raume am besten dadurch, daß man 
die ganze Kanüle bis zur Darmöffnung schon vor dem Aufbinden des 
Darmes mit der Versuchslösung luftblasenfrei füllt und dann den Glashahn 
schließt. Das Vorhandensein von Luftblasen im Darme selbst umgeht man 
dadurch, daß man denselben erst etwa fünf- bis sechsmal mit der Versuchs- 
flüssigkeit füllt und diese immer wieder abläßt, eventuell, wenn eine be- 
sonders hartnäckige Blase an der Kuppe des Barmes vorhanden sein sollte, 
die auf diese Weise nicht zu entfernen ist, sucht man diese durch sehr sanfte 
Massage nach abwärts mit gleichzeitigem Saugen bei L zu beseitigen, was 
stets gelingt. Dann erst füllt man den Darm zum endgültigen Versuch. 

Die Befestigung der Kanüle im Wasserbad erfolgt einerseits durch 
einen Metallbügel mit Klemmschrauben, der am Rande des Gefäßes fest- 
geklemmt wird, andererseits geht das Abflußrohr durch ein im Boden des 
Wasserbadgefäßes vorhandenes Loch hindurch nach außen und unten. 
Um das Abflußrohr der Kanüle, das durch das erwähnte Loch des Wasser- 
bades geht, zieht man ein Stück Gummischlauch, so daß Rohr + Schlauch 
etwas größer als das Loch sind; man führt erst das Glasrohr der Kanüle 
durch die Öffnung des Bodens, bis sich dann der Schlauch im Loche fest- 
klemmt, und dichtet auf diese Weise ab. 

Das Wasserbad selbst kann aus Metall sein (bei unserer Apparatur 
besteht es aus Zinkblech), es kann aber auch ebensogut eine Glaswannse 
von otwa 1400 bis 1600 cem Inhalt verwendet werden, in deren Boden man 
vom Gilasbläser ein entsprechendes Loch machen läßt. Das gläserne 
Wasserbad hat den Voıteil der besseren seitlichen Beobachtung. Empfeblens- 
wert ist nur, daß man das Loch für das Abflußrohr der Kanüle.in der Mitte 
einer Längsseite des Gefäßes anbringen läßt, damit man beim Aufbinden 
des Darmes auf die Kanüle von allen Seiten freie Zugänglichkeit und 
Bewegungsfreiheit für die Hände besitzt. 


Der Vorgang des Versuchs selbst gestaltet sich dann folgender- 
maßen: Der Dünndarm eines durch Entbluten aus der Carotis ge- 
töteten Meerschweinchens (man kann aber auch ebensogut den Darm 
anderer Tiergattungen verwenden und hält sich dazu eine Anzahl von 
Kanülen mit verschieden weiten Darmöffnungen vorrätig) wird gänzlich 
vom Mesenterium bei sehr vorsichtiger Präparation befreit. Man sucht 
sich ein passendes Stück von etwa 5 bis 6 cm Länge aus, schneidet das 
Darmstück heraus und ligiert es gut an einem Ende. In der Ligatur läßt 
man dann eine Fadenschlinge für das Häkchen des Fadens für den Schreib- 
hebel. (Ich habe stets in allen Versuchen Darmstücke des Jejunums und 
obersten Ileums genommen.) Hierauf sucht man durch sehr zartes 
Streichen von der Ligatur her gegen das freie Darmende den Inhalt 
des Darms zu entleeren, was leichter gelingt, wenn derselbe fest 
(knollig) und nicht flüssig ist. Man bindet nun das freie Ende des 
Darms, nachdem man es über die Darmöffnung der Kanüle gezogen 
hat, an derselben fest, und zwar mit Zwirn an der dazu bestimmten 
Eindellung. Dann hakt man den Haken des Fadens, der zum Schreib- 
hebel führt, in die erwähnte Schlinge der Ligatur an der Darmkuppe 
ein, belastet den Hebel eventuell entsprechend und bereitet alles für 








Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. I. 297 


die Schreibung am Kymographion vor. Nun füllt man das Wasserbad 
mit einer bereits vorher auf 37 bis 380 (nicht über 40°) erwärmten 
Warmblüterringerlösung bis über die Darmkuppe (etwa 1400 bis 
1600 ccm bei den angegebenen Wasserbaddimensionen).. Vor Beginn 
des Aufbindens der Darmschlinge werden (wie dies schon bei Be- 
schreibung der Kanüle erwähnt wurde) die zu untersuchenden Lösungen 
in die beiden Mariottschen Flaschen des Stativs (jede etwa 250 ccm 
fassend) eingefüllt und mit jener Lösung, mit der der Versuch be- 
gonnen werden soll, durch Heben der Flasche und Öffnen aller Ver- 
bindungshähne, Schläuche und Kanüle bis zur Spitze der Darmöffnung 
luftblasenfrei gefüllt. Dann werden alle Hähne geschlossen, die Flasche 
wieder unter das Wasserbadniveau gesenkt und der Darm wie ge- 
schildert aufgebunden. Nach dem Aufbinden des Darms, Verbinden 
mit der Schreibvorrichtung und Füllung des Wasserbads (wie oben 
angegeben) beginnt man mit der Sauerstoffdurchleitung und läßt 
dann die Untersuchungslösung durch Öffnen und richtige Stellung 
aller Hähne zwischen der entsprechenden Marsottschen Flasche und 
dem Darmlumen und Heben der Flasche durch Emporziehen am 
Stativ ins Innere des Darms eintreten. Die Martsotische Flasche wird 
so weit gehoben, bis der Darm seine peristaltischen Bewegungen beginnt, 
was am Kymographion verfolgt werden kann. In dieser Stellung wird 
dann die Flasche mit der Kette am Haken des Stativfußes fixiert und 
die Druckhöhe des Flüssigkeitsniveaus der Flasche an der Skala ab- 
gelesen. Die Druckhöhe kann aber auch am Kymographion nach 
P. Trendelenburg!) graphisch registriert werden. Man führt zu diesem 
Zwecke einfach einen Gummischlauch vom Glasrohr, das durch den 
durchbohrten Kork des Halses der Martottschen Flasche geht, zu 
einem Pistonrecorder. 

Eine unbedingte Notwendigkeit ist nur, daß bei aufeinander- 
folgenden Vergleichsversuchen stets derselbe Druck (Druckhöhe) 
herrscht, da sonst verschieden große Flüssigkeitsmengen in den Darm 
eingepreßt werden und die Versuchsergebnisse wertlos sind. Nachdem 
die Flüssigkeit in den Darm eingetreten ist und die Flasche am Stativ 
fixiert wurde, wird der Darm durch Ablassen und wieder Füllen (etwa 
drei- bis fünfmal) von etwaigen Luftblasen befreit und am Ende neuer- 
dings gefüllt. Dann notiert man die Zeit des Versuchsbeginns. Nach 
Ablauf der gewählten Versuchszeit wird der Glashahn der Darmkanüle 
geschlossen, am Gummischlauch des Ablaufrohres derselben außerhalb 
des Wasserbads eine 5-ccm-Rekordspritze angesetzt, der Quetschhahn 
des Schlauches geöffnet und die Lösung im Innern des Darms durch 
mehrmaliges Absaugen. gänzlich entfernt, bis keine Flüssigkeit mehr 


1) P. Trendelenburg, l. e 


208 F. Lasch: 


abgesaugt wird. Die Spritze entleert man am besten immer in einen 
graduierten 5 oder 10 ccm fassenden Meßzylinder mit eingeschliffenem 
Glasstopfen. Nach Ablassen der Innenflüssigkeit kann man sofort 
einen zweiten Versuch mit derselben oder einer anderen Lösung (in 
der zweiten Mariottschen Flasche) anschließen. In letzterem Falle 
schließt man den Zweiweghahn erst vollständig, entleert den Rest der 
ersten Lösung, der sich noch im Schlauch und in der Kanüle befindet, 
durch Öffnen des Glashahns der Kanüle und des Quetschhahns am 
Abflußschlauch derselben und wäscht nun durch Umstellen des Zwei- 
weghahns sowohl den Schlauch wie die Kanüle mit der neuen Lösung 
gründlich durch. Dann füllt und entleert man den Darm selbst wieder 
drei- bis fünfmal wie vor Beginn des ersten Versuchs, läßt endlich 
wieder dauernd Lösung in sein Inneres eintreten und beginnt den 
zweiten Versuch. Auf die dem ersten vollkommen gleich sein sollenden 
Druckverhältnisse wurde bereits weiter oben hingewiesen. Bei einiger 
Übung ist die Zeit, die das Ablassen der Flüssigkeit des ersten Versuchs 
aus dem Darm und das Wechseln der Lösungen in der Kanüle bis zu 
Beginn des zweiten Versuchs umfaßt, höchstens 4 bis 5 Minuten. Die 
Versuchsdauer ist selbstverständlich in Vergleichsversuchen, namentlich 
wenn irgendwelche resorptionsfördernde oder -hemmende Substanzen 
geprüft werden sollen, in allen Versuchen vollkommen gleich lang zu 
halten. Es möge ferner nur angedeutet werden, daß auch die Versuchs- 
dauer von Wichtigkeit ist; sie soll nicht zu kurz genommen werden, 
um ein deutliches Ergebnis außerhalb der Fehlergrenzen der chemischen 
Methoden der zu untersuchenden Substanzen zu ermöglichen, anderer- 
seits sind zu lange Versuchszeiten nicht ratsam, um die mit der Zeit 
sicher auftretenden postmortalen Veränderungen der Schleimhäute 
selbst bei intakter, gut arbeitender Muskulatur des Darms zu ver- 
meiden. In den Versuchen, die ich mit Calciumchlorid vorgenommen 
habe, habe ich das Optimum meiner Resultate bei zwei hintereinander 
laufenden Versuchen an ein und demselben Darm bei 90 bis 100 Minuten 
Versuchsdauer pro Versuch feststellen können. Auch bei Ausdehnung 
der Zeiten auf 120 bis 135 Minuten konnte ich keine besseren Resultate 
bekommen. 

Die Flüssigkeitsmengen des Darms bei solch genau durchgeführten 
Versuchen differieren nach dem Ablassen fast nie mehr als um 0,05 
bis O,lcem bei einer Gesamtflüssigkeitsmenge von 1,5 bis 3,0 ccm, 
je nach Größe des untersuchten Darmstückes. Es ist ratsam, nicht 
zu kleine Stücke zu nehmen, da die Resorption ja von der Größe der 
Innenfläche beeinflußt werden dürfte. 

Die Bestimmung der zu untersuchenden Substanzen in der Innen- 
flüssigkeit kann nach den üblichen chemischen Mikromethoden durch- 
geführt werden, bei denen ja 0,5ccm meist genügen. Es können so 











Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. I. 299 


bei einer Flüssigkeitsmenge von mindestens 1,5ccm drei Parallel- 
analysen durchgeführt werden, was ausreichende Genauigkeit gewähr- 
leistet. Es ist unbedingt: notwendig, wie schon eingangs erwähnt 
wurde, die ?g-Konzentration der Versuchslösungen und der Außen- 
flüssigkeit (Ringer) jeweils zu bestimmen, wofür die kolorimetrische 
Bestimmungsmethode mit Indikatorenreihen nach L. Michaelis genügen 
dürfte, da es sich ja um klare Lösungsmittel handelt. 


Nachstehend seien einige Versuche wiedergegeben, die einer 
größeren Reihe entnommen sind, die zur Bestimmung des Einflusses 
des Saponins auf die Resorption von Calcium ausgeführt wurden, 
über die in der anschließenden Mitteilung berichtet werden wird. Die 
Versuche zeigen sehr deutlich, daß die geschilderte Methodik auch 
zur Prüfung anderer Fragestellungen brauchbar ist. In den angeführten 
Versuchsbeispielen wird der Einfluß von NaCl auf den Übertritt von 
Calciumchlorid im isolierten, überlebenden Darme gezeigt. Es ist aus 
den nachstehenden Tabellen zu ersehen, daß in allen Versuchen, bei 
denen die Innenflüssigkeit des Darms auf eine Kochsalzkonzentration 
von 0,9 Proz. gebracht worden war, um etwa 12 bis 13 Proz. des Anfangs- 
gehalts der Lösung an Calcium mehr resorbiert wurde, d. h. ver- 
schwunden ist als ohne NaCl-Zusatz. 


Der Außenringer hatte in diesen Versuchen eine pg von 7,3. Die 
Calciumlösungen wurden jeweils frisch aus kristallisiertem Calcium- 
chlorid Kahlbaum pro analysi mit Aqua dest. hergestellt und der 
Calciumgehalt nach der Methode von de Waard!) bestimmt. Die 
Calciumwerte sind stets Mittelwerte aus mindestens drei gut über- 
einstimmenden Analysen. Die pa-Konzentration war mit und ohne 
NaCl-Zusatz stets 7,0. Alle Versuche wurden am Dünndarm von 
vom Meerschweinchen von 300 bis 600 g Gewicht ausgeführt. 




































Tabelle I 

g | & | Ä Ss E | SS ds | o | d | gë 

Set Pa RAER j E a ez 5 

E Hæ S deg "Se p P BE (Ui 
EEE HR HRH e 
Su 2|8|2818%, eëuglëe Ze |, Ch 
> 5 Kl E FE SG aas SS SE 1 e ERY aNg 

5| E 3 50 3555 (32r p (Sg Ti 

Ā |A CS Sž | ð | s |" Sag 
1 | 100 | 52 | 2 za | Nur Ca | 2,297 | 2,149 l 0,148 | 63 | — | — 
2 || 100 | 52 2 : 24 |CaNacı| 2,297 | 1,896 || 0,401 , 18,2 |! 0,253 | 188 
3 | 100 | 52 | 2 | 24 | Nur Ca | 2352 | 2234 lo118| 51 | — | — 
4 || 100 | 52 | 2 | 24 | Ca NaCl | 2352 | 1,886 || 0,457 | 19,0 |; 0,339 | 270 





1) de Waard, diese Zeitschr. 97, 176. 1919. 


300 F. Lasch: Resorptionsversuche am isolierten, überleb. Darm. I. 


Zusammenfassung. 


Es wird eine Methode für Resorptionsversuche am isolierten, 
überlebenden Darme von Warmblütern angegeben und genau be- 
schrieben. Anschließend werden einige Versuche mitgeteilt, die die 
Brauchbarkeit der Methode für die verschiedensten Fragestellungen 
darlegen sollen. Diese Versuche zeigen, daß das Verschwinden von 
Calcium aus der Innenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Dünn- 
darms von Meerschweinchen vom Kochsalzgehalt der Lösung beein- 
flußt wird. Besitzt die Flüssigkeit einen hohen Gehalt an NaCl 
(0,9 Proz.), so verschwindet unter sonst vollkommen gleichen Ver- 
suchsbedingungen um etwa 230 Proz. (Mittelwert) mehr Calcium aus 
der Innenflüssigkeit des Darms, als wenn in der Lösung kein NaCl 
vorhanden ist. 





Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. 


II. Mitteilung: 
Der Einfluß von Saponin auf die Resorption von Calcium. 


Von 
Fritz Lasch. 


(Aus der biologischen Abteilung des Pharmakognostischen Instituts der 
Wiener Universität.) 


(Eingegangen am 30. Dezember 1925.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Die Resorption von Saponinen durch die Darmwand beim Menschen 
und Tiere war besonders in neuerer Zeit wieder Gegenstand zahlreicher 
Untersuchungen. 


Kofler, Kollert und Grill!) konnten im Gegensatz zu älteren Autoren 
(Kobert, Daebler, Friboes und Fieger) feststellen, daß die Darmschleimhaut 
für Saponine normal undurchgängig ist. Zu denselben Schlüssen kamen 
Bayer und @aisböck®), die in Tierversuchen eine Resorption von Saponinen 
nur bei Schädigung der Schleimhaut des Darmes mit Jalapa usw. nach- 
weisen konnten. Die Versuche von Lasch und Perutz?) bestätigten diese 
Ergebnisse. Diese Autoren konnten aber auch bei Verabreichung sehr großer 
Saponindosen, von denen sie annehmen, daß durch sie die Schleimhaut in 
ihrer Funktion gestört ist, eine Resorption von Saponinen feststellen. 
Kofler und Kaurek*) zeigten in einer vor kurzem erschienenen Arbeit, 
daß durch gleichzeitige Verabreichung von Saponinen die Wirkung von 
peroral zugeführtem Strophantin und Digitoxin bei Fröschen und Mäusen 
wesentlich gesteigert wird, indem schon Bruchteile der sonstigen tödlichen 
Dosis letal wirken. Bei Kaninchen waren die Versuchsergebnisse zweifelhaft. 


Es schien nun von Interesse, festzustellen, ob die Saponine einen 
resorptionsfördernden Einfluß auch auf andere chemische Substanzen, 
nicht nur auf Strophantin und Digitoxin besitzen. Es wäre hier nur 





1) Kofler, Kollert und Grill, Wien. klin. Wochenschr. 1925, Nr. 13; 
daselbst auch ältere Literatur. 

2) Bayer und Gaisböck, W. med. W. 1924, Nr. 39 und 40. 

3) Lasch und Perutz, W. klin. Woch. 1925, Nr. 15; The urologie a. 
cutan. rewiew 29, 514, 1925. 

t) Kofler und Kaurek, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 109, 362, 1925. 


302 F. Lasch: 


zu erinnern, daß durch Saponine die Oberflächenaktivität in hohem 
Grade beeinflußt wird, wie sowohl der alte Schulversuch zeigt, bei 
dem durch Kohle adsorbiertes Methylenblau unter Saponinzusatz glatt 
durchs Filter geht, als auch neuere Versuche von Brinkmann und 
Szt. György!) darlegen. Sie konnten feststellen, daß Hämoglobinlösungen 
unter Saponinzusatz Kollodiumfilter passieren. Demnach könnten die 
Saponine die Oberfläche der Darmschleimhaut vielleicht für Substanzen 
durchgängiger machen als sie es sonst ist, ohne irgendwelche makro- 
skopische oder mikroskopische Veränderungen zu setzen, welche auch 
von Lasch und Perutz?) bei der Autopsie der Versuchstiere vermißt 
wurden. 

Von diesen Erwägungen ausgehend, untersuchte ich den Einfluß 
der Saponine auf die Resorption des Calciums. Letzteres wählte ich 
deshalb, weil über seine Resorptionsfähigkeit beim Tiere und Menschen 
bei peroraler Verabreichung noch heute keine volle Klarheit besteht. 
Während die Mehrzahl der Untersucher [Denis und Minot’), Han- 
dovsky*), Clarc5), Jansen®) u al eine Resorption von Calcium bei 
peroraler Verabreichung auf Grund von Untersuchungen des Blut- 
calciumspiegels ablehnen, glauben Richter-Quitiner”) und Mason?) diese 
nachgewiesen zu haben. Es dürfte jedoch schon in Hinsicht auf die 
therapeutische Wichtigkeit des Calciums bei der Tetanie, anderen 
spasmophylen Krankheitszuständen, bei Hämophylie zur Gerinnungs- 
förderung usw. von Bedeutung sein, klarzustellen, ob und unter welchen 
Bedingungen Calcium bei peroraler Verabreichung zur Resorption 
gelangt. Wenn es möglich wäre, durch Zusatz anderer Substanzen in 
nicht toxische Dosen, z.B. von Saponinen, eine sichere Resorption 
des Calciums vom Magendarmtrakt aus zu bewirken, so würde dies 
unter anderem auch einen unleugbaren therapeutischen Fortschritt 
darstellen. 

Ich habe nun Versuche in dieser Richtung am isolierten, über- 
lebenden Darme nach der von mir angegebenen Methode?) vorgenommen, 
und zwar, weil mir gerade diese Versuchsanordnung vorerst über- 
sichtlicher erschien als die am ganzen Tiere, dessen Resorptionsverhält- 
nisse doch wohl von den verschiedensten Umständen (Ernährung usw.) 


1) Brinkmann und Szt. György, diese Zeitschr. 189, 261, 1923. 

2) Lasch und Perutz, Wien. klin. Wochenschr. 1925, Nr. 13; The 
urologie a. cutan. rewiew 29, 514, 1925. 

3) Denis und Minot, Journ. of biol. Chem. 41, 357, 1920. 

t) Handovsky, Jahrb. f. Kinderheilk. 41, 432, 1920. 

5) Clarc, Journ. of biol. Chem. 48, 89, 1920. 

6) Jansen, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 145, 209, 1924. 

?) Richter-Quitiner, diese Zeitschr. 114, 58, 1921. 

8) Mason, Journ. of biol. Chem. 47, 3, 1921. 

D Losch, Vorausgehende Mitteilung in dieser Zeitschr. 


Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. II. 303 


abhängig sein dürften. Als Saponin verwendete ich in allen Versuchen 
ein Saponinum purum albissimum Merck mit dem hämolytischen 
Index 1:20875. Nach den Versuchen Kofler und Kaureks!) wirken 
alle Saponine bei der Resorptionsförderung im wesentlichen gleich, 
sie haben dabei auch das Mercksche Saponin untersucht. Die Calcium- 
lösungen stellte ich aus kristallisiertem Calciumchlorid Kahlbaum pro 
analysi mit destilliertem Wasser stets frisch her und bestimmte den 
Calciumgehalt nach der Mikromethode von de Waard?).. Diese Methode 
hat sich gut bewährt, besonders wenn man nach Blühdorn und @enck?) 
und Hecht?) auf die möglichen Fehlerquellen, d.h. Festhaften des 
Calciumoxalatniederschlags an den Wänden des Zentrifugenröhrchens 
und dadurch Verluste beim Abheben der Waschflüssigkeit achtet. 
Die Calciumwerte in den Tabellen sind stets Mittelwerte von mindestens 
drei gut miteinander übereinstimmenden Parallelanalysen. Da nach 
Loeb®) und Loeb und Nichols®) die Diffusion des Calciums im Serum 
weitgehend von der Wasserstoffionenkonzentration abhängt, so habe 
ich diese in den Calciumlösungen stets bestimmt. Ich verwandte hierzu 
die kolorimetrische Methode mit Indikatorenreihen nach L. Michaelis, 
deren Genauigkeit, da es sich ja um klare Lösungsmittel (Aqua dest.) 
handelte, genügen dürfte. 


Die Versuchsmethodik selbst war vollkommen die in der vorausgehenden 
Mitteilung angegebene Anordnung. Alle Versuche wurden am Dünndarm 
von Meerschweinchen von 300 bis 600g Gewicht ausgeführt, und zwar 
wurde nur Jejunum und oberstes Ileum der Tiere verwendet. Es wurden 
stets hintereinanderlaufende Vergleichsversuche in der Weise angestellt, 
daß zuerst die Lösung mit Calcium allein und anschließend daran die 
Calciumlösung derselben Zusammensetzung unter Zusatz von Saponinen 
zur Resorption gelangte. Es wurde der Calciumgehalt in der Versuchs- 
flüssigkeit bestimmt, die Lösung ins Lumen des Darms einlaufen und eine 
gewisse Zeit bei konstantem Druck in seinem Innern gelassen; dann wurde 
die Lösung möglichst quantitativ abgesaugt und der Calciumgehalt wiederum 
festgestellt. Aus einer Differenz außerhalb der Fehlerquellen der Calcium- 
bestimmungsmethode (+ 5 Proz.) konnte auf das Verschwinden von Calcium 
aus der Innenflüssigkeit des Darms während der Versuchszeit geschlossen 
werden, und diese wurde dann unter gewissen in der ersten Mitteilung 
angegebenen Vorsichtsmaßregeln als Resorption aufgefaßt.  Derselbe 
Versuch wurde dann bei sonst vollkommen gleichen Bedingungen (Zeit, 
Druck, Flüssigkeitsmenge) unter Zusatz von Saponinen mit derselben 
Calciumlösung an demselben Darm wiederholt. Ergab nun dieser Versuch 
bei gleichem Anfangsgehalt der Lösung an Calcium ein größeres Verschwinden 


1) Kofler und Kaurek, 1l. c. 

2) de Waard, diese Zeitschr. 97, 176, 1919. 

3) Blühdorn und Genck, ebendaselbst 185, 581, 1925. 

$) Hecht, ebendaselbst 148, 342, 1923. 

5) R. Loeb, Journ. of gen. phys. 6, 453, 1924. 

©) Loeb und Nichols, Proc. of the soc. f. exp. biol. a. med. 22, 275, 1925. 


304 F. Lasch: 


desselben aus der Innenflüssigkeit des Darms, so dürfte dies wohl mit 
Sicherheit auf den Einfluß des Saponins zurückzuführen sein. Auf den 
jeweils vollkommen gleichen pu-Gehalt wurde, wie schon oben erwähnt, 
geachtet. Als Außenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Darms wurde 
eine Ringerlösung von einer mp = 7,3 und folgender Zusammensetzung 
verwendet: NaHCO, 0,03 Proz., CaCl, 0,024 Proz., KO 0,042 Proz., 
NaCl 0,9 Proz. Die Lebensfähigkeit des Darms wurde, wie angegeben, 
fortlaufend während der ganzen Versuche durch Aufzeichnung seiner 
peristaltischen Bewegungen am Kymographion registriert. Es sei gleich 
an dieser Stelle festgestellt, daß eine wesentliche Beeinflussung der mus- 
kulären Darmtätigkeit bei den angewandten Saponindosen nicht festgestellt 
werden konnte. Die Temperatur des Wasserbads war während der ganzen 
Versuche genau zwischen 37 bis 38°, niemals höher. 

Nachstehend seien zunächst einige Versuchsreihen wiedergegeben, die 
den Einfluß des Saponins auf die Resorption von Calcium deutlich erkennen 
lassen. Es ist gleichzeitig aus ihnen gut zu ersehen, daß die Zeitdauer der 
Versuche auf die Resorptionsgröße von Bedeutung ist. 





















































Tabelle 1. 
 Zet/ | Te Te 
dé | 3 ` 5 5 | 5 > ER | eg ra | Differenz | e, Seponin e d 
OBERT o D ekzä ' eg pro em ` (resorbiert) ` mehr Calcium 
= Ke 3 "el E, 53458 resorbiert 
a | 5 =8188|®*  $#e38p e Sal g TI Se 
rale, "rt ëä io 
ıı 3 |8 ZS SI e e sg 
= H IS 2 -=£ ges SZ D 5 2 e E e oc 
ES jx ëëiël Be | €) 30 Si 
EIE | zig 0% ý S S E- E |aeg 
BR. JET. | e, N s e gaH e Klatz? 
BE: | SE SS IR BE. A e 
= | H SE in 
la | 15 52/23|70| Ca + Naci KÉ ee 
b|| 15| 52 23 70 | dass. +18 0.3008| 13,0 0,165 | 110 
2a || 25 | 52 23 701Ca+ NaCl E Wrah ees 
b|| 25/52 23 7,0|das.+1S 13,4 0,138 | 80 
3a | 30 | 52 2,3 7,0 | Ca + Nacl ' l! — | — 
b|| 30| 52 2,4/7,0 dass. + 1 S ' 11,0 | 0,119 | 100 
4a | 45 52 24|7,0 Ca + NaCl D E Ne 
b|| 45,52 25|70|das. + 5 S 15,6 | 0,182 | 100 
5a | 60/52 19/70 Ca + Nacı TE it 
b || 60| 52 19.70 das. + 5 S 20,5 | 0,232: 98,5 
6a || 90| 52 |24; 70| Ca + Nac. Tl es 
b || 90| 52 2470| dass. + 58S 30,7 | 0,460 180 








Ta || 100| 52 | 24 |70| Ca + NaCl 
b || 100| 52 | 2,4 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,352 | 1,337 |1,015 | 44,1 | 0,614 | 140 
8a | 100 | 52 | 2,9 | 70| Ca + Nacı 2352 Lëns |0457 | 190 | — — 














b | 100 | 52 | 2,9 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,352 | 1,697 opp | 29,0 | 0,200 | 70,0 
9a |110 52 21 |70| Ca + Nacı | 2409 |2086 (0323 | 134 | — | — 

b || 110 | 52 | 2,1 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,409 | 1,706 |0,703 | 29,3 | 0,380 120 
10a | 135 | 52 | 1,8 | 7,0 | Ca + NaCl | 2,409 | 2,195 0204 s5 | — | — 

b |: 135 | 52 | 1,8 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,409 | 1,847 |0,562 | 23,4 | 0,358 | 170 





Aus Tabelle I ist zu ersehen, daß in allen Versuchen unter dem Einfluß 
von Saponinum purum albissium Merck mehr Calcium aus der Innen- 
flüssigkeit des Darms verschwunden ist als ohne Saponin. Die Menge 
sowohl des ohne wie unter Saponinzusatz resorbierten Calciums unterliegt 








Reeorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. II. 305 


dabei wohl individuellen Schwankungen der Darmverhältnisse der einzelnen 
Versuchstiere, ist jedoch gut in Beziehung zu setzen zur Dauer der Versuche, 
und es läßt sich im allgemeinen feststellen, je länger die Dauer, desto größer 
die Resorption. Nachstehend möge eine graphische Darstellung dies ver- 
anschaulichen. In derselben sind die Mittelwerte des resorbierten Calciums 
in Prozenten des Anfangsgehalts aus allen Versuchen von gleicher Dauer 
sowohl mit als auch ohne Einwirkung von Saponinen im Zusammenhang 
mit der Versuchszeit zusammengestellt. 









110 35 
Zet m Minuten 
ere Calcium mit Saponin. 


$ 
S 








Mittelwerte des resorbierten 
Ca in Proz. des Antangsyehalts 


Zeit in der Lösung 


Minuten 











15 5,8 | 13,0 
25 7.4 13,4 
30 58 , 110 
Ap 76 | 156 
60 | 104 20,5 
90 107 30,7 
100 18,2 36,5 
110 13,4 29,3 
135 | 8,5 23.4 


Aus dieser Abbildung ist zu ersehen, welchen Einfluß die Zeitdauer 
auf die Resorptionsgröße ausübt; beide stehen mit geringen individuellen 
Schwankungen bis zu einer Versuchsdauer von ungefāhr 100 Minuten im 
direkten proportionalen Verhältnis. Über 100 Minuten nimmt die Resorp- 
tionsgröße wiederum stark ab, wohl weil die funktionelle Tätigkeit der 
Darmschleimhaut bereits trotz möglichst physiologischer Bedingungen am 
isolierten Darm bei so langer Zeitdauer nicht mehr ihre volle Tätigkeit 
entfalten kann. Diese Ansicht erfährt eine Stütze dadurch, daß nicht nur 
die Resorption von Calcium allein, sondern auch von Calcium unter Saponin- 
wirkung deutlich abnimmt. Überhaupt laufen beide Kurven (Resorption 
mit und ohne Saponin) im allgemeinen parallel, nur ist bei den optimalen 
längeren Versuchszeiten (90 und 100 Minuten) die Resorptionsbeeinflussung 
unter Saponinzusatz stärker. Das Parallelgehen beider Kurven ist zugleich 
eine Kontrolle gegen etwaige Fehler der Methodik. 


306 F. Lasch: 


Zusammenfassend läßt sich über obige Versuche sagen, daß bei 
vollkommen gleichen Versuchsbedingungen (Zeit, Temperatur, Pgp, 
gleicher Anfangskonzentration von Calcium) Calcium allein von der 
Innenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Darms aus je nach Länge 
der Einwirkung in nicht sehr großem Maße (5 bis 18 Proz. des Anfangs- 
gehalts) verschwindet, d.h. resorbiert wird, während bei Zugabe von 
1,0 bis 5,0 mg Saponinum purum albissimum Merck pro Kubikzentimeter 

der gleich zusammengesetzten Calciumlösung um 70 bis 180 Proz. 
mehr (11 bis 36,5 Proz. des Ca-Anfangsgehalts) Calcium zur Resorption 
gelangt. 

Eine Anzahl weiterer Versuche wurde vorgenommen, um zu prüfen, 
ob Saponin auch ohne den 0,9proz. Kochsalzgehalt der Innenflüssigkeit 
seine. volle Wirkung entfalte, nachdem nach Versuchen, die in der 
ersten Mitteilung in dieser Zeitschrift wiedergegeben wurden, in allen 
Versuchen, bei denen die Innenflüssigkeit kochsalzfrei war, Calcium 
allein fast gar nicht (nur wenige Prozente) aus der Innenflüssigkeit 
verschwand. Es war denkbar, daß Saponin vermöge seiner starken 
Oberflächenaktivität auch unter diesen Bedingungen seinen Einfluß 
auf die Resorptionsfähigkeit des Caleiums unverändert ausübe. Eine 
Tabelle möge die Ergebnisse dieser Versuche übersichtlich darstellen. 


Tabelle II. 


Unter dem Ein» 



























































| G | | | er 
z g | E Sp E | Calciumgehalt | 5 
= E 5. H Ze der Lösung in |, Differenz fluß von Sapos 
ei 
5 | 8585| BU | = St - 
RK {A eël È KEE | wël 8 | ggs 
alle ie | e | a | fe, ffe 
= | % g SZ p BBSS 2 | A o | aS | e 38 
KAZEN S SI HE = = A Sei A | SEJ 
>l E 3 S | 2,5 Le = ct E53 o No 
ESTIR | g Il | e P |gs E [383 
EE EE A ca EEE |o oe |743 8 x 
gelt | I ges eg 
la |100 | 52 | 2,4 7,0 Calcium ohne | 2297 | 2149 | 0,148! 63! — | — 
/ Na | i 
b |100| 52 [24 | 70 Calcium ohne | 2,297 | 1,602 || 0,695 | 31,6 | 0,547 | 500 
a ` v 
2a 100,52 2,4 70 Calcium ohne | 2,297 | 2,181 || 0,113 | 5,1 | 9 a 
| i a 
b 100 52 |2,4!7,0| Calcium ohne | 2,297 | 1,856 | 0,438 | 19,9 | 0,325 ` 390 
| | NaCl + 58 | | | 


Diese beiden Versuche legen vollkommen übereinstimmend dar, 
daß ohne einen Kochsalzgehalt von 0,9 Proz. der Calciumlösung im 
Innern des Darms bei einer Versuchsdauer von 100 Minuten nicht 
mehr Calcium aus der Flüssigkeit verschwindet als bei einer Dauer 
von 15 Minuten, wie ein Vergleich mit den Zahlen der Tabelle I lehrt. 
Unter Zusatz von Saponin hingegen zur kochsalzfreien Calciumlösung 
verschwindet nicht viel weniger Calcium als wenn der Kochsalzgehalt 


Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. II. 307 


der Innenflüssigkeit 0,9 Proz. beträgt. Eine kurze Tabelle zeigt dies 
übersichtlicher. 
Tabelle III. 








Mittelwerte des deeg Calciums in Proz. des Anfangsgehalts der Lösung an 


Dauer cium bei folgenden Zussinmensetzungen 


des 
Versuchs ae Na CIl 
























Calcium ohne NaCl 
0,9 Proz. + 5 mg 
0,9 Proz. Saponin pro 1 cem 


15 mi, 5,8 13 = 
100 18 2 36,5 25,7 


Die hier mitgeteilten Versuche lassen mit großer Wahrscheinlichkeit 
den Schluß zu, daß Saponine, wie es von Kofler und Kaurek!) für 
Strophantin und Digitoxin bei Frosch und Maus nachgewiesen wurde, 
am isolierten, überlebenden Dünndarm des Meerschweinchens einen 
deutlichen, stark fördernden Einfluß auf die Resorption von Calcium- 
lösungen haben, auch wenn diese keinen Gehalt an Kochsalz (0,9 Proz.) 
besitzen. Es werden nun am Tiere in vivo Versuche notwendig sein, 
um zu entscheiden, ob unter dem Einfluß von nicht toxischen Saponin- 
dosen Calcium bei peroraler Verabreichung zur Resorption gelangt 
und in einer Erhöhung des Blutcalciumspiegels nachweisbar ist. Solche 
Untersuchungen sind bereits im Gange. 


Calcium ohne 
Na ClsZusatz 


Calcium + NaCl 
0,9 Proz. + 5 mg Saponin 








Zusammenfassung. 


Es wird der Einfluß von Saponinum purum albissimum Merck auf 
die Resorption von Calcium am isolierten, überlebenden Dünndarm 
des Meerschweinchens nach einer neuen Methode untersucht. 

Unter dem Einfluß des Saponins verschwindet bedeutend mehr 
(um 70 bis 180 Proz.) Calcium aus der Innenflüssigkeit des Darms, 
d. h. wird resorbiert, auch wenn die zur Resorption gelangende Calcium- 
lösung keinen Kochsalzgehalt von 0,9 Proz. besitzt. 





1) Kofler und Kaurek, l. c. 


Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 


Von 
Karl Harpuder. 


(Aus der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses Wiesbaden.) 
(Eingegangen am 5. Januar 1926.) 


Mit 1 Abbildung im Text. 


Die Physiologie hat sich bisher mit den Eigenschaften des Knorpel- 
gewebes nur wenig befaßt. Wir kennen wohl die chemische Zusammen- 
setzung des Knorpels und wissen einiges über die Struktur und die 
chemischen Eigenschaften seiner Bausteine, dagegen sind Unter- 
suchungen über das biologisch wichtige, physikalisch-chemische Ver- 
halten der Knorpelsubstanz im ganzen und der einzelnen Baustoffe 
nur von einseitigen Gesichtspunkten aus vorgenommen worden. Anderer- 
seits genügen die vorhandenen, gründlichen anatomischen Befunde 
allein nicht, um Verständnis für das normale Verhalten des Knorpels 
und die Genese krankhafter Knorpelveränderungen zu erhalten. Es 
erscheint daher möglich, durch systematische Untersuchung von 
normalem und krankem Knorpel weitere Aufschlüsse über seine normale 
und pathologische Physiologie zu gewinnen. Die vorliegenden Unter- 
suchungen befassen sich aber zunächst bloß mit normalem, mensch- 
lichem Knorpel. 


I. Versuche am ganzen Knorpelgewebe. 


Das Material!) wurde regelmäßig aus dem Kniegelenk erwachsener 
Leichen, durchschnittlich nicht später als 10 bis 12 Stunden nach dem 
Tode entnommen, in physiologischer Kochsalzlösung frei von Blut gewaschen 
und 3 Stunden in NaCl-Lösung aufbewahrt, dann zu den Versuchen ver- 
wendet. 


Da der gefäßlose Knorpel des Erwachsenen für die Zu- und Abfuhr 
von Stoffen lediglich auf Diffusionsvorgänge angewiesen ist, wurden 


zunächst seine Permeabilitätsverhältnisse als eine seiner wesentlichsten 
Eigenschaften studiert. 


1) Das Material verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. 
Herzheimer. 





K. Harpuder: Physik.-chem. Untersuchungen am norm. Knorpel. 309 


Zu diesem Zwecke wurden Extraktionshülsen von Schleicher & 
Schüll (3,3 cm Durchmesser und 8,8 cm Höhe) am Boden mit einem Loch 
von etwa 1,0 qcm versehen und dann dreimal in flüssiges Paraffin von 58° 
Schmelzpunkt zur halben Höhe versenkt. Der Ausschnitt im Boden wurde 
vom Paraffin befreit und über ihn möglichst gleichmäßige Knorpelscheibchen 
von etwa 0,5mm Dicke durch Bestreichen des Randes mit flüssigem 
Paraffin geklebt. Die so verschlossenen Hülsen wurden in Bechergläser 
von 100 ccm Inhalt gesetzt, die 10 bis 15 ccm physiologischer NaCl-Lösung 
enthielten. Trat in den nächsten 3 Stunden keine Flüssigkeit in die Hülsen 
ein, so wurden sie abgespült und zum Versuch verwendet. Ließen sie 
Flüssigkeit durch, so wurden sie nicht benutzt. 

Zum Versuch selbst wurden in das Becherglas 20 ccm einer Lösung, 
die den permeierenden Stoff in etwa blutisotonischer Konzentration ent- 
hielt, gegeben, die Hülse eingesetzt und ebenfalls mit 20 ccm einer blut- 
isotonen Gegenflüssigkeit (Dextroselösung, NaCl-Lösung) gefüllt. Die 
Ansätze kamen für 48 Stunden in den Eisschrank, danach wurde der per- 
meierende Stoff in der Außen- und Innenlösung quantitativ bestimmt. 
Auch nach 72 Stunden wurden Proben entnommen. Stets wurden voll- 
ständig getrennte Doppelversuche angesetzt. 


Prüft man in dieser Weise die Durchtritisgeschwindigkeit der Elektro- 
lyte in eine isotonische Traubenzuckerlösung, so zeigt sich, daß sie 
allgemein eine recht geringe ist. Nach 48 Stunden bestehen beträchtliche 
Konzentrationsdifferenzen zwischen Außen- und Innenflüssigkeit, die 
sich nach weiteren 24 Stunden nur wenig — durchschnittlich um 10 bis 
15 Proz. — vermindern. Die Anionen ordnen sich dabei in eine Reihe: 
HCO, >J’ >H,PO, > Cl’ > Acetat’ > Br’ > Sulfat > Harnsäure, 
annähernd wie sie als Hofmeistersche Reihe bei zahlreichen biologischen 
Vorgängen beobachtet ist. Für die Kationen ergibt sich 


NH, >K’>Na 
und Mg" > Ca” > Ba”, 


ebenfalls in Übereinstimmung mit den sonst beobachteten Kationen- 
anordnungen. 


Die Dialysegeschwindigkeit der Anionen wurde an ihren Natrium- 
salzen nachgeprüft. In der folgenden Tabelle sind die Einzelwerte nach 
48 Stunden wiedergegeben, wie sie sich im Mittel aus zwei Doppelversuchen 
ergaben. Die Schwankungen zwischen den Einzelzahlen waren nicht un- 
beträchtliche — bis 12 Proz. —, was wohl mit der nicht vollkommen gleich- 
mäßigen Dicke und Beschaffenheit der Knorpelschnitte zusammenhängt. 
Die Resultate waren unabhängig davon, ob das Perichondrium erhalten 
war oder fehlte. Bestimmt wurde das Chlorid nach Volhard, Bromid und 
Jodid nach dem gleichen Prinzip, das Sulfat als Bariumsalz nach den 
Angaben im Treadwell, das Bicarbonat durch Titration mit HCl gegen 
Kongorot, das Acetat durch Überdestillieren der mit Phosphorsäure an- 
gesäuerten Lösung und Titration des Destillats mit NaOH gegen Phenol- 
phthalein, das Phosphat durch Titration mit Uranacetatlösung und 
Cochenille, die Harnsäure kolorimetrisch mit Cyannatrium und Phosphor- 
wolframsäure. 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 21 


310 K. Harpuder: 











Tabelle I. 
| Konzentration Konzentration 
Natrium N außen innen Verhältnis 

| Proz. | Proz. außen : innen 
Bicarbonat u. 24... 04 | oo | 2,89 
Jodidd ....... 1,74 | 0,565 3,08 
Phosphat (prim.) . . 1,44 0,39 3,71 
Chlorid . . . .... 0,796 0,187 4,26 
Acetat . . ....n. 0,574 0,098 5,85 
Bromid. ...... 1,10 0,124 8,87 
Sulfat . . . 2... 0,570 0,047 12,1 
Urat [saures*)] .. . 0,0422 ` 0,003 14,0 





*) Die Uratlösung wurde hergestellt, indem 50 mg Harnsäure in 100 ccm physiologischer Na Cl» 
Lösung in der Siedehitze mit n/10 NaOH gelöst wurden. Die Reaktion wurde mit Neutralrot 
kontrolliert und dann an der Gaskette nachgemessen. 


Der Durchtritt der Kationen wurde an ihren Chloriden verfolgt. 
Auch hier ergibt die Tabelle II Mittelwerte aus zwei Doppelversuchen. 
Die Bestimmung des Ammoniaks wurde titrimetrisch nach Folin, die des 
Natriums und Kaliums nach Kramer-Tisdall ausgeführt. Die Erdalkalien 
wurden nach den Angaben im Treadwell bestimmt. 





Tabelle II. 
äs K ti K trati 
| Kë on Lë "o on f E rhältnis 
RER EE d 9,498 aas ` | 2,27 
Kalium. ...... 0.450 0,130 3,46 
Natrium . ..... 0,796 0,187 4,26 
Magnesium . . .. . 0,26 0,146 2,03 
Calcium ...... | 0,506 0,157 3,22 
Barium. ...... | 1,523 0,282 6,40 


Aus den beiden Tabellen ergibt sich, daß der Knorpel nicht wie 
die Plasmahaut der roten Blutkörperchen oder wie nach den jüngsten 
Untersuchungen von Michaelis (1) getrocknetes Kollodium und die 
Apfelschale generell Anionen oder Kationen zurückhält, sondern daß 
er, im ganzen schlecht permeabel, die einzelnen Ionen je nach ihrer 
Stellung in der lyophilen Reihe individuell mehr oder minder durch- 
läßt. Dieses Verhalten ließ sich noch weiter bestätigen dadurch, daß 
die Dialyse nicht gegen Traubenzuckerlösung, sondern gegen Salz- 
lösungen vorgenommen wurde. Prüft man die Permeabilität einer 
Natriumsulfatlösung durch Knorpel gegen eine Natriumchloridlösung, 
so muß der Durchtritt des Sulfats höher sein als gegenüber einer 
Dextroselösung, wenn die Behinderung durch eine Passageunfähigkeit 
des Kations bedingt wird. Der Versuch ergibt aber, daß das Verhältnis 








Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 311 


Sulfat außen zu innen 11:1 ist, also etwa das gleiche wie in Tabelle I. 
Ebensowenig wurde die Dialyse von Urat oder Phosphat dadurch ver- 
ändert, daß als Innenflüssigkeit Na Cl-Lösung gewählt wurde. Auch die 
Wanderung der Kationen Ba und Ca konnte nicht beschleunigt werden, 
als ihren Chloriden statt Dextrose NaCl-Lösungen gegenübergestellt 
wurden. | 


Sehr auffallende Ergebnisse hatten Versuche, den Durchtritt von 
H und OH’ zu verfolgen. Als Außenflüssigkeit dienten etwa n/1000 
HCl und H,SO, NaOH und KOH. Die nach 48 Stunden an der 
Gaskette festgestellten Wasserstoffzahlen waren mit HCl 


außen: 3,58; innen: 5,10; 
mit H,SO, 
außen: 3,65; innen: 5,79. 


In anderen Versuchen wurden ähnliche Resultate erhalten, in 
seltenen Fällen war die Differenz erheblich geringer, betrug einmal 
sogar nur 0,25. Mit NaOH waren die Werte 


außen: 7,73; innen: 6,27; 
mit KOH 
außen: 8,33; innen: 6,50. 


In weiteren Versuchen wurden stärkere und geringere Differenzen, 
herunter bis 0,3 beobachtet. Eine regelmäßige Abhängigkeit von der 
Reaktion der Außenlösung konnte nicht festgestellt werden. So stellte 
sich in einem Versuch bei einem py 7,32 der Außenlösung ein Innenwert 
von 5,50, ein zweites Mal bei po 7,29 außen für die Innenflüssigkeit 
die Zahl 7,00 ein. Jedenfalls handelt es sich um verschiedene Be- 
schaffenheit der Knorpelscheibchen. Im ganzen ist die Dialyse- 
behinderung der sonst beweglichsten H’ und OH’ sehr stark, zum Teil 
enorm, was wohl auf Reaktion derselben mit der Knorpelsubstanz 
und Veränderung des Gewebes zu beziehen ist. 


Auch die Dialyse von Nichlelektrolyten wurde untersucht, und 
zwar wurden als Typen der lipoidunlöslichen Stoffe die Dextrose, als 
Vertreter wenig fettlöslicher Körper der Harnstoff und endlich als 
gut lipoidlösliche Substanzen Urethan und Aceton!) gewählt. 


Es kamen wieder isotonische Lösungen des betreffenden Körpers 
als Außenflüssigkeit, physiologische NaCl-Lösung als Innenflüssigkeit 
zur Verwendung. Nach 48 Stunden erfolgte die quantitative Bestimmung 
innen und außen, die bei der Dextrose polarimetrisch mit dem Landolt- 
schen Apparat, beim Harnstoff und Urethan durch Kjeldahlisieren, beim 


1) Aceton wird in wässeriger Lösung von den Paraffinhülsen selbst in 
48 Stunden nur in Spuren durchgelassen. 


21 * 


312 K. Harpuder: 


Aceton nach Messinger-Huppert ausgeführt wurde. Die Ergebnisse waren 
folgende (je zwei Doppelversuche): 











Tabelle III. 
, EE EE y Jerhälta is 
. Promo | Pm JI 
Dextrose ...... 3,67 0,33 | 11,12 
Harnstoff. ..... | 4,01 0,25 16,04 
Urethan-N ..... ' 0,464 0,106 ` 4,37 
Aceton . ...... | 1,89 1,13 | 1,67 


Es besteht also ein offenbarer Zusammenhang zwischen Lipoid- 
löslichkeit und Durchtrittsgeschwindigkeit der Nichtelektrolyte durch 
den Knorpel, wie dies auch für die Zellmembranen nachgewiesen ist. 
Beim Aceton erfolgt in 48 Stunden ein fast vollständiger Ausgleich, 
während die Dialyse des Traubenzuckers äußerst langsam vor sich geht. 


Es war noch die Frage zu entscheiden, ob die Permeabilität des 
Knorpels durch Vorbehandlung mit oberflächenaktiven Substanzen 
zu erhöhen ist, wie Brinkman und van Dam dies für schlecht durch- 
gängige Membranen, z. B. aus formolgehärteter Gelatine zeigen konnten. 
Es wurden daher Knorpelscheibchen für 24 Stunden zunächst in 
Urethanlösung, in gesättigte, wässerige Tributyrinlösung eingebracht, 
häufig umgeschüttelt und nach dieser Zeit gründlich abgespült und 
3 Stunden lang in oft gewechselter physiologischer NaCl-Lösung ge- 
wässert. Alsdann. wurden sie in üblicher Weise zu Versuchen ver- 
wendet. Doch ergab sich beim Durchtritt von Sulfat, Phosphat und 
Dextrose keine verwertbare Abweichung von den in den Tabellen 
niedergelegten Resultaten. 


Zusammenfassend kann nach diesen Versuchen gesagt werden, 
daß der normale Knorpel ein schlecht permeables Gewebe ist. Im einzelnen 
hängt die Durchtritisgeschwindigkeit der Elektrolyte von der Stellung 
ihrer Ionen in den Ionenreihen ab, während die Dialyse der Nichi- 
elektrolyte von ihrer Lipoidlöslichkeit abhängt. 


Es interessierte weiter, ob Knorpel imstande ist, Salze an die 
umgebende Lösung abzugeben. Man hat den Ausfall von Natriumurat 
am Knorpel bei der Gicht so zu erklären versucht, daß ein Austritt 
von Natriumsalzen und dadurch eine Löslichkeitsverminderung des 
Urats stattfinde..e Doch war eine experimentelle Nachprüfung dieser 
Hypothese nicht erfolgt. Um sie auszuführen, wurden die Extraktions- 
hülsen mit Bodenöffnungen von etwa 2,5 qcm versehen und nach 
dem Paraffinieren mit Knorpelscheiben beklebt. Als Außen- und 








Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 313 


Innenflüssigkeit wurden je 10 ccm destillierten Wassers oder je 10 ccm 
5proz. Dextroselösung verwendet. Es zeigte sich, daß die mit Peri- 
chondrium bedeckte Knorpelseite in 48 Stunden Kalium, Natrium, 
Calcium, Chlorid, Phosphat und Sulfat in analytisch nachweisbarer 
Menge nicht abgibt. Die verletzte Knorpelseite gibt an destilliertes 
Wasser wie an Dextroselösung Spuren von NaCl, kein Kalium, kein 
Calcium, kein Sulfat und Phosphat ab. Wurden dünn geschnittene 
Knorpelscheiben mit einem Trockengewicht von 0,280 g bzw. 0,289 g 
mit je 20 ccm Dextroselösung geschüttelt und dann nach 48 "oder 
72 Stunden die Lösung analysiert, so fanden sich in ihr 4 bis 5 mg-Proz. 
NaCl, kein Kalium, kein Calcium, eine Spur Sulfat, kein Phosphat. 
An eine 0,90proz. NaCl-Lösung gibt Knorpel keine Salze in nach- 
weisbarer Menge ab. 


Endlich wurden Versuche über die Quellbarkeit des Knorpels und 
ihre Abhängigkeit von Salzen, von Nichtelektrolyten und namentlich 
von der Reaktion angestellt, letzteres in der Hoffnung, ein begrenztes 
Quellungsminimum zu finden und dadurch das kolloidale System des 
ganzen Gewebes in bestimmter Richtung zu charakterisieren. 


In üblicher Weise wurden Knorpelscheibehen mit Fließpapier abge- 
trocknet, gewogen, für 24 Stunden in Lösungen eingelegt und nach Ab- 
tupfen mit Fließpapier wieder gewogen. Die Versuche mit frischem Knorpel 
gaben aber keine verwertbaren Resultate, die Quellungsgröße war in allen 
Fällen sehr gering und innerhalb oder zu wenig oberhalb der Fehlergrenzen 
der Methodik. Daher wurden die Knorpelstückchen in späteren Versuchen 
vorsichtig bei 37° im Brutschrank 24 Stunden lang getrocknet, gewogen 
und nun in die Lösungen gebracht, um wie sonst weiter behandelt zu 
werden. 

Als Lösungen wurden verwendet je 10 ccm destillierten Wassers, 
dem durch m/60 Phosphatpuffer oder Säure- und Laugezusatz bestimmte 
Reaktionen erteilt wurden, physiologische NaCl-Lösung eventuell mit Zusatz 
von 0,02 bis 0,05 Proz. CaCl,, Dextroselösung. 


Die Gewichtszunahme der Knorpelstückchen betrug in den ver- 
schiedenen Versuchen 350 bis 400 Proz. des Ausgangsgewichts. Im 
gleichen Ansatz mit Knorpel gleichen Ursprungs sind Schwankungen 
von 30 bis 40 Proz. zu beobachten, ohne daß hierauf Gewicht gelegt 
werden könnte. Im Bereich der im Organismus überhaupt denkbaren 
Reaktionsschwankungen ist die Quellungsgröße des Knorpels als 
konstant zu betrachten. Bei relativ stark alkalischer Reaktion — 
n/100 NaOH — steigt sie mäßig an, bei verhältnismäßig stark saurer 
Reaktion sinkt sie etwas ab. Ein umschriebenes Quellungsminimum 
ist nicht erkennbar. 


Tabelle IV gibt einen Versuch in destilliertem Wasser unter Zusatz 
von m/60 Natriumphosphat zur Reaktionsregulierung wieder. 


314 K. Harpuder: 











Tabelle IV. 
Do Ä Anfangsgewicht ea | Beten 
IRRE N mg ë ë | ` më Anfangsgewichts 
7,72 56,6 | 195,7 | 346 
199 55,9 | 188,4 335 
1,34 62,9 l 225,1 358 
6,98 53,3 | 195,6 367 
6,60 32,6 | 108,6 333 
29 51,2 | 1656 320 
5,91 67,3 | 222,5 330 
3,81 65,6 | 224,8 343 
5,26 103,3 340,2 330 


In einem ähnlichen Versuch unter Zusatz verdünnter Natronlauge 
und Salzsäure betrug die Gewichtszunahme bei pa 9,47 414 Proz., 
Pa 7,85 400 Proz., hielt sich von da über den Neutralpunkt hinaus bis 
zu einem pg 4,70 um 360 Proz. mit den üblichen Schwankungen und 
sank dann auf 320 bis 340 Proz. ab. In physiologischer NaCl, auch 
mit Zusatz von CaCl,, in Glucoselösungen waren die Resultate die 
gleichen. So bewegte sich die Quellungsgröße in Glucose mit m/60 
Phosphat von pa 7,73 bis 4,87 zwischen 346 und 369 Proz. und fiel 
bei pe 4,55 auf 309 Proz., bei py 4,13 auf 281 Proz. ab (primäres Phosphat 
und freie Phophorsäure 64:1). 

Im ganzen ist die Quellung des normalen Knorpels!) eine ziemlich 
konstante, von äußeren Faktoren, wie sie biologisch eine Rolle spielen 
könnten, unabhängige Größe. 


Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu Befunden von Freudenberg 
und György (2), die in Phosphatgemischen ein Quellungsminimum des 
Knorpels bei py 5,3 fanden, auf beiden Seiten davon einen jähen Anstieg 
der Quellung, dem weiterhin wieder ein Abfall folgte. Worauf diese 
Divergenz der Resultate zurückzuführen ist, können wir nicht erklären, 
vielleicht ja auf die wesentlich verschiedene Versuchsdauer. 


II. Versuche an isolierten Knorpelbestandteilen. 


Von isolierten Knorpelbestandteilen ist bekannt: das Chondromukoid 
(Mörner), das Albuminoid, das Glutin, die Chondroitinschwefelsäure und 


1) Bei einem Fall von Arthropathia deform. konnten inzwischen fast 
entgegengesetzte Befunde erhoben werden. Weiteres Material wird unter- 
sucht werden. 





Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 315 


e 
endlich Glykogen und Salze. Die folgenden Untersuchungen beschränken 
sich auf diejenigen Substanzen, deren Anwesenheit für den Knorpel charak- 
teristisch ist. 

Das Chondromukoid wurde (nach den Prinzipien Mörners) hergestellt, 
indem etwa 5g fein zerschnittener Knorpel 8 Tage lang bei 40° mit 75 ccm 
n/10 HCl ausgezogen wurden. Die Knorpelstückchen wurden dann auf 
dem Filter säurefrei gewaschen und 3 Stunden lang in der Kälte, hierauf 
durch kurzes Aufkochen mit 50 ccm n/10 NaOH extrahiert. Der Extrakt 
wurde mit l n HCI vollständig ausgefällt, die weiße, flockige Fällung auf 
dem Filter gründlich mit verdünnter HCl gewaschen, mit 1 n NaOH 
gelöst, der Rückstand durch Ausschleudern entfernt, die Lösung wieder 
mit 1n HCl gefällt. Umfällung und Auswaschen wurden im ganzen dreimal 
vorgenommen. Schließlich wurde der Niederschlag wieder in 1 n NaOH 
gelöst und mit In und n/10 HCl gegen Lackmus vorsichtig neutralisiert. 
Von dieser Lösung wurden je 2ccm in Reagenzgläser gebracht und mit 
n/100 HCl in abgestuften Mengen versetzt, dann mit n/1l0 und 1 n Säure. 
Die Reaktionen wurden an der Gaskette gemessen. Weiter wurden mit der 
Lösung die bekannten Fällungsreaktionen angestellt. 


In Übereinstimmung mit den vorhandenen Literaturangaben 
erwies sich das von uns dargestellte Chondromukoid fällbar mit Eisen- 
chlorid- und Kupfersulfatlösung, nicht fällbar mit Sublimat. Es erwies 
sich weiter, daß durch Sättigung mit NaCl eine Ausflockung eintritt, 
ebenso durch Eintragen von Ammonsulfat, und zwar beginnend bei 
einer Konzentration von 33 Proz. und vollständig bei 50 Proz. Durch 
Kochen oder durch Alkoholzusatz konnte eine Koagulation nicht 
herbeigeführt werden. Phosphorwolframsäure + HCI fällt, Ferrocyan- 
kalium-Essigsäure nicht. Auf Zusatz von HCl trat Flockung auf bei 
Py etwa 3,1, die sich in breiter Zone bis pg etwa 0,6 erstreckt. Das 
Maximum der Flockung liegt bei py etwa 1,9. Auf beiden Seiten des 
Fällungsbereichs sind Trübungszonen, die im Alkalischen bei pp etwa 4,0 
endet, während auf der sauren Seite erst bei einer Salzsäurekonzentration 
von 5 Proz. eine völlige Aufhellung eintritt. 


Das C’hondromukoid ist also ein Ampholyt, das seinen isoelektrischen 
Bereich sehr weit im Sauren hat, verhältnismäßig starke Säurenatur 
und sehr schwache basische Eigenschaften besitzt. Ob die Breite der 
instabilen Zone eine seiner charakteristischen Eigenschaften ist oder 
ob es sich um die Folge von Beimischungen handelt, die trotz der 
sorgfältigen Präparation nicht entfernt wurden, läßt sich nicht ent- 
scheiden. 


Zur Darstellung des Albuminoids wurde nach zwei verschiedenen 
Methoden vorgegangen. Entweder wurden die Knorpelstückchen so extra- 
hiert wie zur Gewinnung des Chondromukoids, der Rückstand des alkalischen 
Auszugs mit Wasser alkalifrei gewaschen und nun mit n/10 HCl in der 
Siedehitze erneut extrahiert. Oder es wurden die nativen Knorpelstücke 
zunächst 24 Stunden mit n/l0O NaOH digeriert, alkalifrei gewaschen, 
durch gründliches Auskochen mit Wasser von Glutin befreit und nun 


316 K. Harpuder: 


das Albuminoid aus den Resten mit n/10 HCl in der Kälte und durch Auf- 
kochen herausgelöst. 


Die neutralisierte Lösung des Albuminotds ist durch Säure oder 
Alkali nicht fällbar, auch nicht beim Erhitzen. Sie ist ferner nicht 
fällbar mit NaCl, Eisenchlorid, Kupfersulfat, Ferrocyankalium-Essig- 
säure, Sublimat-Salzsäure.. Koagulation ist möglich mit Ammon- 
sulfat, Alkohol, Phosphorwolframsäure + Salzsäure. Die Alkohol- 
fällung ergibt ein von der Reaktion abhängiges Stabilitätsminimum, 
das bei einem py von etwa 6,4 liegt. Die hier nötige Alkoholkonzentration 
beträgt nur 20 Proz. Auch die Fällung mit Ammonsulfat tritt schon 
bei niedriger Salzkonzentration auf, bei etwa 25 Proz. 


Das @lutin des Knorpels wurde dargestellt, indem fein zerschnittene 
Knorpelstückchen zunächst mit n/10 NaOH 48 Stunden lang digeriert 
und dadurch von dem Chondromukoid und der Chondroitinschwefel- 
säure befreit wurden. Sie wurden dann frei von Alkali gewaschen und 
hierauf mit Wasser in der Siedehitze der Leim ausgezogen. Die Eigen- 
schaften des Knorpelglutins sind mit denen der anderen Glutine 
identisch, es ist durch Schwermetallsalze und durch Ferrocyankalium- 
Essigsäure nicht. fällbar, aber auch nicht durch Sublimat-Salzsäure. 
Durch Phosphorwolframsäure und Sulfosalicylsäure wird es koaguliert. 
Auf Zusatz verdünnter Säuren zu einer neutralen Lösung tritt Fällung 
auf, die bei Anwendung von HCl ihr Maximum bei pe 4,6 bis 4,5 aufwies. 
Die instabile Zone reichte von py etwa 4,95 bis py etwa 4,1. Daß 
sich der isoelektrische Punkt des Knorpelglutins nicht vollständig 
mit dem der Gelatine von 4,7 deckt, darf wohl nicht auf eine 
Wesensverschiedenheit bezogen werden, sondern ist eher eine Folge 
fremder Beimengungen. 


Endlich wurde noch die C'hondrotinschwefelsäure nach Schmiede- 
bergs (3) Angaben als Natriumsalz isoliert. Zur Befreiung vom Glutin 
wurde besonders sorgfältig vorgegangen, siebenmal umgefällt, so daß 
das Filtrat keine Spur von Biuretreaktion mehr gab. Es resultierte 
ein eben gelbliches Pulver, das in Wasser leicht löslich ist. Auf Säure- 
oder Alkalizusatz tritt keine Fällung auf, ebensowenig auf Zusatz von 
Phosphorwolframsäure —H Cl und Ammonsulfat. Mit Alkohol sind auch 
verdünnte Lösungen fällbar, und zwar ist die Fällbarkeit maximal 
bei alkalischer Reaktion, so daß bei einem pg von etwa 10,5 75 Proz. 
Alkohol, bei >11 40 Proz. Alkohol benötigt werden, um eine grob- 
flockige Koagulation zu erzielen. Diese Fällbarkeit bleibt bestehen 
auch bei Zusatz von 33 Proz. NaOH. Bei Reaktionen von pe < 10 
sind erst hohe Alkoholkonzentrationen imstande, eine feinflockige Aus- 
scheidung herbeizuführen, die langsam sedimentiert. Sie kommt auch 
bei stark saurer Reaktion noch hervor. 


Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 317 


Mit Kupfersulfatlösung tritt Blaufärbung, aber keine Fällung auf. 
Es werden beträchtliche Mengen Kupfer in Lösung gehalten. Mit 
neutralem Eisenchlorid tritt ein Niederschlag auf. Da die freie Säure 
wegen ihrer Zersetzlichkeit nicht darstellbar ist, mußte sich die Unter- 
suchung der Chondroitinschwefelsäure auf die Eigenschaften ihres 
Natriumsalzes beschränken. Um aber Aufschluß über die Größen- 
ordnung ihrer Dissoziationskonstanten zu erhalten, wurde an einer 
Lösung des Salzes die Pufferwirkung einer verdünnten HCl gegenüber 
gemessen. 

Ee wurden je zwei Versuche mit zwei verschiedenen Präparaten vor- 
genommen. Die Salzlösung war unter der Annahme eines Molekulargewichts 
von 495,3 (Alzona) 0,002 mol. Je 2ccm davon wurden mit abgestuften 
Mengen etwa n/l100 HCl versetzt, mit ausgekochtem Wasser auf 7 ccm 
gebracht und dann ihre Reaktion an der Gaskette gemessen. In gleicher 
Weise wurden Ansätze mit Salzsäure und Wasser und 0,002 mol. NaCl 


hergestellt. Die folgende Tabelle V und Kurve ergibt die aus den Ver- 
suchswerten errechneten mittleren Resultate: 











Tabelle V. 
cem n/100 Cl Ra Beete Wien Du in NaCl 
0 6,73 = 
0,01 6,56 | 5,87 
0,05 6,22 | 1,84 
0,10 6,87 | 3,98 
0,30 4,50 | 3,46 
0,50 3,81 | 3,12 
0,80 3,29 | 2,96 
1,00 2,95 2,77 


Trägt man auf der Ordinate eines 
Koordinatensystems die gemessenen 
Pn-Werte, auf der Abszisse die zu- 
gesetzten Säuremengen ab, so er- 
hält man daraus nebenstehende zwei 
Kurven, von denen die ausgezogene 
die Titration des chondroitinschwefel- 
sauren Natriums, die gestrichelte die 
entsprechenden Werte im NaCl dar- 
stellt. Es ergibt sich, daß das Bereich SS 
der intensivsten Pufferung, des größten EE". SEE. 
Abstandes zwischen NaCl-Werten und ee 


. . A5 Titrationskurve des chondroitin» 
denen in der Lösung des chondroitin- ee N 





318 K. Harpuder: 


schwefelsauren Natriums bei einer Reaktion von py 6,2 liegt. Danach 
wäre also der Chondroitinschwefelsäure eine Dissoziationskonstante in 
dieser Größenordnung zuzuschreiben und sie ihrer Stärke nach zwischen 
die stärkere Harnsäure und die schwächere Kohlensäure einzureihen. 
Der größte Abstand in der Richtung der Abszisse beträgt zwischen 
den beiden Kurven 0,35ccm n/100 HCl = 1,75 ccm n/500 Säure, 
eine in Betracht der Methodik und der Unsicherheit des Molekular. 
gewichts der Chondroitinschwefelsäure leidliche Übereinstimmung 
mit den der Berechnung nach zu jedem Ansatz verwendeten 2 ccm 
n/500 Säure. 

Von einigem Interesse war es schließlich noch, die Eigenschaften 
einer Lösung zu prüfen, die ein Gemisch der verschiedenen Knorpel- 
bestandteile darstellt. Eine solche, durch Kochen des Knorpels mit 
Wasser bereitete Lösung, die Glutin, Chondromukoid und Chondroitin- 
schwefelsäure enthält, wird als Chondrinlösung bezeichnet. Sie erwies 
sich fällbar mit Eisenchlorid, Kupfersulfat und Bleiacetat, ebenso mit 
Sulfosalicylsäure und mit Phosphorwolframsäure-HCl. Ammonsulfat 
erzeugte einen Niederschlag bei etwa 40 Proz. Sättigung, Alkohol bei 
einer Konzentration von etwa 70 Proz. Mit NaCl war auch bei Sättigung 
keine Fällung zu erzielen. Auf Zusatz von Natronlauge wird die ur- 
sprünglich leicht trübe Lösung völlig klar, auf Zusatz von 5 Proz. 
Essigsäure tritt Koagulation ein, die durch Eisessig oder noch leichter 
mit Salzsäure wieder in Lösung gebracht werden kann. Die Zone der 
größten Instabilität (grobe Flockung) besteht zwischen pe 2,5 bis 2,6, 
zu deren beiden Seiten breite Bereiche abnehmender Trübung vor- 
handen sind, auf der alkalischen bus Py 3,7, auf der sauren bis etwa 1,0. 
Die instabile Zone variiert in den einzelnen Versuchen um 0,1 bis 0,3 
in den ?,-Werten, offenbar ist die Zsammensetzung der Chondrin- 
lösung nicht immer gleich. 


Zusammenfassung. 


Die Permeabilität des intakten Knorpels ist gering. Die Durch- 
trittsgeschwindigkeit der einzelnen Ionen hängt von ihrer Stellung in 
der Hofmeisterschen Reihe ab, die der Nichtelektrolyte von ihrer 
Lipoidlöslichkeit. 

Die Quellung des normalen Knorpels beträgt etwa 350 bis 400 Proz. 
des Trockengewichts und ist von äußeren Faktoren, die biologisch eine 
Rolle spielen, unabhängig. Bei relativ stark alkalischer Reaktion 
findet ein Anstieg, bei stark sauren Werten ein Absinken der Wasser- 
aufnahme statt. 


Eine Ionenabgabe erfolgt bei intaktem Knorpel nicht. 











Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 319 


Die einzelnen Bestandteile des Knorpels, Chondromukoid, Albu- 
minoid, Glutin und Chondroitinschwefelsäure werden namentlich nach 
ihren Fällbarkeitsbedingungen untersucht. Für die ersten drei werden 
charakteristische Stabilitätsminima festgestellt, die sich bei weit aus- 
einander liegenden Reaktionen befinden. Die Dissoziationskonstante 
der Chondroitinschwefelsäure wird ihrer Größenordnung nach festgelegt 
und die Säure nach ihrer Stärke zwischen Harnsäure und Kohlensäure 
eingereiht. 

Literatur. 
1) L. Michaelis und A. Fujita, diese Zeitschr. 158, 28; 161, 47, 1925. — 


2) E. Freudenberg und P. György, ebendaselbst 121, 131, 1921. — 3) Schmiede- 
berg, Arch. f. exper. Pathol. 28, 355, 1891. 





Nephelometrische 
Untersuchungen über fermentative Eiweißspaltung. V. 


Von 
P.Rona und H. Kleinmann. 


(Aus der chemischen Abteilung des pathologischen Instituts der Universität 
Berlin, Charite). 


(Eingegangen am 5. Januar 1926.) 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


I. Nephelometrische Methode zur Bestimmung der tryptischen Verdauung. 


L In unserer dritten Mitteilung!) über nephelometrische Unter- 
suchung fermentativer Eiweißspaltung haben wir über eine Methode 
der Caseinbestimmung mittels der Chinidintrübung berichtet. Wir 
haben daselbst auch kurz die Anwendung der Caseinbestimmungs- 
methode für die Untersuchung tryptischer Verdauung beschrieben. 
Da mit dieser Methode alle unsere weiteren Untersuchungen über 
Trypsin vorgenommen wurden und ihr Prinzip sich von dem der all- 
gemein zur Untersuchung der Trypsinwirkung benutzten Methoden 
(die meist auf der Bestimmung der Spaltprodukte beruhen) unter- 
scheidet, soll hier eine eingehendere Darstellung der Methode 
gegeben werden. 

‘ Die Methode beruht auf der Bestimmung der Menge des noch 
ungespalten vorhandenen Substrats (Casein), die man durch Herstellung 
einer haltbaren, homogenen Trübung mittels Chinidins ermittelt. 

Dabei wird angenommen, daß das, was durch die Chinidinreaktion 
erfaßt wird, das unabgebaute Eiweiß darstellt. 


1) Diese Zeitschr. 155, 34, 1925. 


P. Rona u. H. Kleinmann : Nephelometrische Untersuchungen. V. 321 


Die nephelometrische Methode der Trypsinwirkungsbestimmung ge- 
stattet in hochverdünnten Lösungen zu arbeiten und schon hierdurch 
die Wirkung sekundärer störender Verunreinigungen zu umgehen. So 
liegt das Substrat (Casein) bei unseren Versuchen in einer Konzentration 
von 0,025 Proz. vor. Die Fermentlösung, die eine genügende Spaltung 
dieser Konzentration in etwa LG Stunde bewirkt, ist eine filtrierte Auf- 
schlämmung eines Pankreaspräparats im Verhältnis 1 : 3000, die im Versuch 
noch zehnfach verdünnt wird, also in einer Konzentration von 1: 30000. 
Wäre die das Ferment tragende bzw. verunreinigende Substanz z. B. reines 
NaCl, das völlig in Lösung ginge, was beim Aufschlämmen der das Ferment 
begleitenden Substanzen nie der Fall ist, so wäre die endgültige Konzentration 
an NaCl etwa n/1750, welche Konzentration keinerlei Einfluß auf den 
Spaltungsvorgang ausübt. Wenngleich die Eliminierung des Einflusses 
bei den unbekannten begleitenden Stoffen in diesen Verdünnungen 
nicht bewiesen ist, so ist die relative Reinheit des Systems doch augen- 
scheinlich. 


Benutzt wurde stets das Nephelometer von Kleinmann (Schmidt und 
Haensch). 


2. Die Bestimmung der Trypsinwirkung wird so vorgenommen, 


. daß in einem Gefäß bestimmte Mengen von Natriumcaseinatlösungen 


mit Wasser, Puffer und Fermentlösung vermischt werden und die 
Mischung im Thermostaten der Spaltung überlassen wird. In be- 
stimmten Zeitabständen werden der Mischung gleiche Volumina ent- 
nommen. Die entnommenen Portionen, in denen die Spaltung un- 
mittelbar mit der Entnahme unterbrochen wird, werden durch Ein- 
fließenlassen in eine bestimmte Pufferlösung auf einen für die Analyse 
notwendigen py gebracht und mit einem Trübungsreagens (Chinidin) 
versetzt. Die entstehenden Eiweißtrübungen werden dann mit einer 
Entnahme vor dem Fermentzusatz — die gleich 100 Proz. gesetzt wird, 
da sie noch das ganze ungespaltene Eiweiß enthält — verglichen. Die 
Spaltung wird in Prozenten ausgedrückt. 


Die für den Versuch notwendigen Lösungen sind: 


1. Caseinlösung. Diese wird durch Lösen von 5g Casein Hammarsten 
in 12ccm n Natronlauge und Auffüllen der Lösung mit Aqua dest. zu 
2000 hergestellt. 


Wirlösen jetzt das Casein nicht, wie früher beschrieben, in Natriumacetat- 
lösungen, sondern verwenden die angegebene Lösung von Natriumcaseinat. 
Die Lösung, deren py nach der Herstellung etwa 8,82 ist, wird unter Toluol- 
zusatz im Eisschrank aufbewahrt. Die Lösung zeigt nach einiger Zeit 
Trübung. Zum Versuch wird ein Teil durch quantitative Filter mehr- 
mals filtriert. Wird er nicht völlig klar, so schadet das nichts, da das Casein 
im Versuchssystem durch die Zugabe von Puffern sich völlig klar löst. 


2. Versuchspuffier. Als Puffer, den wir dem System zusetzen, ver- 
wenden wir je nach der gewünschten Acidität Phosphatpuffer (Py 5 bis 8) 
und Glykokollpuffer (py 8 bis 10). Die Konzentration dieser Puffer darf 
nicht zu groß sein, denn einmal soll die Salzwirkung auf die Fermente nicht 
unnötig stark hervortreten und dann muß die Acidität der Lösung durch 


322 P. Rona u. H. Kleinmann: 


einen stärker konzentrierten anderen Puffer nach der Spaltung auf die für 
die Analyse notwendige Acidität gebracht werden. Wir verwandten 
m/15 Puffer, deren Konzentration, da sie im Versuch auf etwa das Dreifache 
verdünnt werden, im System etwa m/45 beträgt. 


3. Als Vorlagepujfer, der die Entnahme auf den für die Analyse not- 
wendigen Pg zu bringen hat, verwenden wir m/l Phosphatpuffer. Die 
Acidität der Lösungen, die für die Analyse etwa 7,8 sein soll, wird bei einer 
Spaltungsacidität von etwa 7,5 bis 8,0 erhalten durch Anwendung eines 
Vorlagepuffers von 35,2 Volumenteilen sekundären und 4,8 primären 
Phosphats. po dieses Puffers ist 7,78. Bei anderen Spaltungsaciditäten ist 
es notwendig, einen anderen Vorlagepuffer anzuwenden, um bei der Be- 
stimmung in den Lösungen eine Acidität von etwa 7,8 zu erzielen. 


So verwandten wir bei einer Spaltungsacidität von 5,76 einen Vorlage- 
puffer von dem Py 8,02 und erhielten in der Mischung Py 7,78; bei einer 
Spaltungsacidität von 7,78 wurde ein Puffer von 7,70 verwandt und ergab 
7,78; bei pe 8,02 Spaltung, Vorlage 7,65; bei 9,5 Spaltung, Vorlage 6,7. 


Sollen variierende Aciditäten zur Spaltung benutzt werden, so ist der 
Vorlagepuffer zu erproben, der bei den später angegebenen Mischungs- 
volumina den Gr der endgültig zu analysierenden Lösung auf etwa 7,8 
bringt. 


4. Chinidinlösung. Als Trübungsreagens dient eine heiß gesättigte 
Lösung von Chinidinum hydrochloricum!!). 

Die gesättigte Lösung muß, da sie sehr langsam auskristallisiert, nach 
ihrer Herstellung mindestens 12 Stunden lang gestanden haben. Zum 
Versuch wird ein Teil der Lösung abfiltriert. 


A. Als Ferment dienten Aufschlämmungen von Pankreatin Rhenania 
oder Pankreas dispert (Krause) in einer Konzentration 1:20 mit Aqua dest. 
Die Aufschlämmung bleibt unter gelegentlichem Umrühren etwa 10 Minuten 
bei Zimmertemperatur stehen, wird dann filtriert und mit Aqua dest. 
verdünnt. Die geeigneten Konzentrationen betrugen bei Spaltungen über 
30 Minuten 1: 3000, bei Spaltungen über 2 Stunden etwa 1: 8000. Da diese 
Fermentlösung im Versuchssystem noch etwa um das Zehnfache verdünnt 
wird, beträgt die endgültige Konzentration etwa 1:30 000 bis 1: 80000. 


Die Unterbrechung der Spaltung nach der Abnahme der Probe könnte 
in verschiedener Weise erfolgen. Es käme ein Außerkraftsetzen des Ferments 
durch Kälte, Hitze, Giftwirkung oder p„-Variation in Frage. Bei der 
Methode der peptischen Spaltung hatte sich als einfachstes Mittel die 
Neutralisation der sauren Lösung, in der das Pepsin wirkt, erwiesen. 

Hinsichtlich der Caseinwirkung hatten wir in unserer dritten Ver- 
öffentlichung mitgeteilt, daß bei Versuchen über 30 Minuten Spaltungszeit 
die Giftwirkung des als Trübungsreagens sofort hinzuzusetzenden Chinidins 
genüge, um die Spaltung zu unterbrechen. 


Bei späteren Versuchen hatte sich die Notwendigkeit ergeben, 
die Trypsinspaltung anders zu unterbrechen, da bei Versuchen über 


1) Das Präparat wurde uns von der Firma Zimmer & Co., Vereinigte 
Chininfabriken Frankfurt a. M., freundlichst zur Verfügung gestellt, 
wofür wir der Firma hiermit unseren Dank aussprechen. 











Nephelometrische Untersuchungen. V. 323 


mehrere Stunden weder die Haltbarkeit der Chinidintrübungen noch ihre 
Giftwirkung ausreicht. Auch zeigte es sich als praktisch, die analy- 
tischen Messungen beliebige Zeit nach dem Fermentversuch vornehmen 
zu können. 

Es wurde daher wie beim Pepsin versucht, die Unterbrechung durch 
Variation des pe vorzunehmen. Die Proben wurden zu 2,5 ccm n/25 HCl 
zugesetzt, wodurch die Spaltung unterbrochen wurde. Bei der Analyse 
wurde dann die gleiche Menge n/25 NaOH und dann wie stets Puffer 
und Chinidinlösung hinzugefügt. Die Chinidinwirkung genügt im all- 
gemeinen, um während der Messungszeit die Wirkung des eventuell 
nicht zerstörten, bei der alkalischen Reaktion wieder wirksamen Ferments 
zu verhindern. Der durch Säure und Laugenzusatz vorhandene Salz- 
gehalt von n/200 — abgesehen von dem Puffer — stört die Chinidin- 
bestimmung nicht. 


Trotzdem erwies sich die Unterbrechung durch Kochen als handlicher 
und zugleich sicherer, die Wiederwirkung des Ferments bei alkalischer 
Reaktion verhindernd. Durch Hineinfließenlassen der Probe in kochendes 
Wasser wird die Fermentwirkung sofort dauernd unterbrochen. 


Die Caseinlösungen flocken beim Kochen nicht aus. Jedoch ändert 
sich die Beschaffenheit des Eiweißes mit der Kochzeit derart, daß die 
Trübungsreaktion mit Chinidin je nach der Kochzeit verschieden stark 
ausfällt. Die Trübungsreaktion von Caseinlösungen mit Chinidin ist bei 
gekochten Lösungen stärker als bei ungekochten. Diese Änderung der 
Reektionsart erreicht aber bei einer Kochzeit von 6 Minuten ein Maximum, 
um dann konstant zu bleiben. Auch ist die Änderung der Reaktion bei 
verschieden konzentrierten Eiweißlösungen völlig proportional, so daß die 
Proportionalität der Trübung mit der Konzentration durch das Kochen 
nicht beeinflußt wird. 


Wir haben die Kochunterbrechung als geeignetste Unterbrechungsform 
für unsere Untersuchungen gewählt. 


3. Zur Beschreibung der Methode sei ein Vergleich von zwei Ferment- 
lösungen, z. B. eines geschädigten und eines ungeschädigten Ferments, 
unter gleichen Bedingungen geschildert. 


Jeder Versuch wird in zwei Parallelen angesetzt. In je einen 
75ccm fassenden Meßzylinder werden 12,0 ccm Caseinlösung, 15 ccm 
m/15 Phosphatpuffer (beispielsweise bei einer Spaltung bei einem Py 
von 8,02 ein Puffer, der aus 9,9 Teilen sekundären und 0,1 Teil 
primären Phosphats besteht) und Wasser zu 46 ccm einpipettiert und 
vermischt. Der Versuch soll 30 Minuten dauern und sieben Abnahmen 
enthalten. Es werden hierzu 28 große, etwa 25 ccm fassende Reagenz- 
gläser vorbereitet. Die Reagenzgläser sollen eine Marke bei 20 ccm 
Volumen tragen. Sie enthalten je 5ccm Wasser und stehen in einem 
Wasserbad, das siedet. 


« Nunmehr werden aus jedem Meßzylinder 10 ccm entnommen, je 
4,5ccm werden in ein Reagenzglas pipettiert und je 5,5 ccm verworfen. 
Bei dieser ersten Abnahme werden deshalb nicht 5ccm wie bei den 


324 P. Rona u. H. Kleinmann: 


späteren entnommen, weil die Systeme nuhmehr durch Zugabe von 
Fermentlösung verdünnt werden. Die entnommenen Lösungen bleiben 
genau 6 Minuten in den Reagenzgläsern im siedenden Wasserbad und 
werden dann in kaltem Wasser abgekühlt. Ebenso werden stets alle 
folgenden Abnahmen behandelt. Sie bleiben 6 Minuten im Wasserbad 
und werden dann abgekühlt. Der Zusatz von Trübungsreagens darf 
erst nach völligem Temperaturausgleich erfolgen. Die vier Meß- 
zylinder, die vor der ersten Entnahme bereits in einem Wasserbad- 
thermostaten auf 37° vorgewärmt worden waren, werden nunmehr zu 
einer genau markierten Zeit mit je 4ccm der klar filtrierten, eben- 
falls vorgewärmten, zu vergleichenden Fermentlösungen versetzt und 
mittels Pipette durchmischt. In Abständen von je 5 Minuten werden 
— mit je stets der gleichen Pipette — 5ccm aus jedem Meß- 
zylinder entnommen und in die kochende Vorlage gegeben. Nach 
der siebenten Entnahme (nach 30 Minuten Spaltung) bleiben 10 ccm 
. Flüssigkeit als Rest, die zur ?u-Bestimmung dienen. 


Die gekochten Entnahmen können, sobald sie abgekühlt sind, 
sofort analysiert werden oder können zugestopft beliebig lange auf- 
bewahrt werden. 


Zur Bestimmung kommen in die Reagenzgläser je 5cem Phos- 
phatpuffer m/15, der die Acidität der Lösung auf 7,78 bringen soll. 


Zu der Mischung werden je 5ccm der kalten gesättigten Chinidin- 
lösung gegeben. Das Volumen der Mischung wird durch Auffüllen mit 
Wasser bis zur Reagenzglasmarke auf 20 ccm gebracht. 


Der Vergleich erfolgt im Nephelometer von Schmidt und Haensch 
innerhalb von etwa 45 Minuten gegen die erste Abnahme, deren Kon- 
zentration gleich 100 Proz. gesetzt wird. Die Vergleichslösung wird 
zweckmäßig auf die Nephelometeröffnung 20 gesetzt. Die Nephelo- 
meterablesungen verhalten sich umgekehrt proportional den Kon- 
zentrationen. 


Bei Spaltungen über 50 Proz. ist es zur Erhöhung der Genauigkeit 
zweckmäßig, nicht gegen die Ausgangslösung, die 100 Proz. beträgt, 
sondern gegen eine halb so starke zu messen. 


Wir haben die Methode so geprüft, daß wir einen Modellferment- 
versuch ohne Ferment durchgearbeitet haben, d.h. die Versuchs- 
anordnung glich völlig der beschriebenen, nur wurde statt wirksamen 
Ferments abgekochtes verwandt, und die Veränderung der Substrat- 
menge erfolgte nicht durch Fermentspaltung, sondern durch Variation 
der abgenommenen Menge. Die abgenommenen Mengen wurden se 
gewählt, daß sie 90, 80, 70, 60, 50, 40, 30, 20 und 10 Proz. der Ausgangs- 
lösung betrugen. Die Modellspaltungen gingen also von 10 bis 90 Proz. 


Nephelometrische Untersuchungen. V. 325 


Die Spaltungen von 60 bis 90 Proz. wurden nicht nur gegen die 
100 Proz., sondern auch gegen eine 50proz. Ausgangslösung gemessen. 


Den Verlauf des Versuchs zeigt Abb. 1. 


CTT 
IBASEN 


30 










Die gerade Linie der Abb. 1 stellt die theoretisch richtigen Werte 
dar. Die gefundenen Punkte weichen im Durchschnitt nur um 
einen Betrag von 1,6 Proz. von den theoretischen Werten ab. Nie- 
mals übersteigt der Fehler 3 Proz. Die Werte über 60 Proz. schein- 
barer Spaltung werden genauer gegen die 50 Proz. und nicht gegen 
die 100 Proz. Eiweiß enthaltende Lösung als Vergleichslösung 
gemessen. = 


In diesen Fehlern sind die beim Fermentversuch unvermeidlichen 
Fehler beim Pipettieren, Mischen usw. mit enthalten. 


Die Prüfung zeigt also, daß sich mittels der beschriebenen Methode 
der Verlauf einer tryptischen Spaltung in 0,025proz. Caseinlösungen 
mit einer solchen Genauigkeit darstellen läßt, daß die Lage des einzelnen 
Kurvenpunktes mit einer Genauigkeit von rund 2 Proz. Fehler be- 
stimmt wird. 

Da ein bestimmter Anteil des Fehlers (der Stellfehler beim Nephelo- 
metrieren) konstant ist, so ist, wie uns zahlreiche Versuche lehrten, die 
Genauigkeit bei Spaltung um einige Prozente (also z. B. die Lage des 
ersten Kurvenpunktes) am geringsten. Auch die Messung der Spal- 
tungen über 70 Proz. werden infolge der geringen Trübung der 
Lösungen nicht mehr absolut zuverlässig. 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 22 


326 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Als Beispiel für die Methode seien Spaltungen angeführt, von 
denen die erste mittels Säureunterbrechung, die zweite mittels Koch- 
unterbrechung erhalten wurde. 

I0 





Spaltungszeit 


H e 30 a ei 30 720 150 





Nephelometrische Untersuchungen. V. 327 


Versuch 2. Caseinspaltung. Säureunterbrechung. Drei Parallel- 
versuche I bis III; je 12ccm Caseinlösung, 15 ccm Puffergemisch, 46 ccm 
destilliertes Wasser; dann je 4ccm Fermentlösung (1: 7000). In den Vor- 
lagen: 2,ö5ccm n/25 HCl (zur Unterbrechung), 2,5ccm n/25 NaOH, 
Beem Pufferlösung, 5ccm Chinidinlösung. 





















































maj CC Ce Lu Tonnen 
0 _Nephelometerablesung, Durchschnitt i 20 | 20,3 | 19,7 | 200 
— Spaltung, Proz... - ... 2.2.2... F — — | ZI, 
15 ' Nephelometerablesung, Durchschnitt Er 25,1 | ES ES 25,2 SCH? 20 
Spaltung, Proz... . . TREF 20,5 | BEN 
E  Nepbelometergbleeunng, EE IET 29,4 | 29 29, 3 3 | 29, D 
‚Spaltung, Drog, e sss Lë 31,7 
A8  Nepbhelometergableeong, Du Durchschnitt | 36; 353 d | 35,0 | 34,5 | gu 
| 42,7 
60 Nephelometerablesung, Durchschnitt | 314 | 30,7 | 315 | 15 
‚Spaltung, Proz... ..... Dr ara u 53,1 
90 ` Nephelometerablesung, Durchschnitt nitt | 31,0 | 30,0 | 295 © 10 
u Spaltung, Proz...» .» 2 2.2.2... | 66,5 o 
120 | Nephelometerablesung, 205 | 32,0 Tan 30,0 fe RG 20 
Spaltung, Proz. ee \ 77, l 
Nephelometerablesung, | Durchschnitt i 34 | 36 0 er 





i Spaltung, Drog, .. sasae | Go 2 Ä p 


Versuch 3. Caseinspaltung. Unterbrechung durch Kochen. Vier 
Parallelversuche I bis IV. Je 12 cem Caseinlösung; 15 ccm Puffer, 46 ccm 
destilliertes Wasser; dann je 4ccm Fermentlösung (1: 7000). In den Vor- 
lagen: ö5ccm destilliertes Wasser, 5ccm Puffer, 5ccm Chinidinlösung. 



























































Min. || nn jaja dë du IV a mit 
d |Nephelometerablosung, Durchschnitt. | 20.0 | 20,0 20 
Spaltung, Proz... ... 2.2 .2..» ` 
15 || Nephelometerablesung, on 
Spaltung, Proz.. .........| Ian 
20 | Nephelometerablesung, Durchschnitt ||28,5|28,6 |28,4|28,0| 20 
1 Spaltung, Proz... . ans Fe 30,07 | 
45 | Nephelometerablesung, Durchschnitt "Nephelomsterablesung, Durchschnitt | 41,1 |4 41 0 ol 34,5 | 34 3 
Spaltung, Proz... . ». 2. 22.0...) 42,0 
"60 Nephelometerablesung, Durch Durchschnitt fa 3 | 32,0 | 32,2 | 32,3 
Spaltung, Proz... ... 2:2... 63,2 
sl Nephelometerablesung, Durchschnitt w jaa, 6 | 35,1 | 32,8 | 32,5! 10 
‚Spaltung, Proz, oonan e | 690 | 





22* 


328 P Rona u. H. Kleinmann: 


Versuch 3 (Fortsetzung). 


Min. | 1 Salnimiw | Verglichen mit 
120 | Nephelometerablesung, Durchschnitt 
Spaltung, Proz `, 




















150 








Die Punkte der Abb. 2 wurden aus dem Durchschnitt von drei 
Parallelversuchen, die Punkte der Abb. 3 aus dem Durchschnitt von 
vier Versuchen entnommen. Die Tabellen zeigen die Übereinstimmung 
der einzelnen Parallelversuche. 


Beide Arbeitsformen ergeben Kurven, die dem Verlauf einer 
monomolekularen Umsetzung entsprechen. Es wird hierauf in der 
Arbeit über Trypsinkinetik genau eingegangen werden. 


II. Beziehungen zwischen Trypsinstabilität und Weasserstoffionen- 
konzentration. 


Bei Versuchen über Kinetik der Trypsinwirkung wurde beob- 
achtet, daß bei Kurven, die einen Fermentversuch von 2 bis 21, Stunden 
darstellten, eine weit stärkere Abflachung des Kurvenverlaufs zu 
finden war als bei gleichartigen Versuchen, bei denen (bei gleichem 
Umsatz) die Spaltung nur eine halbe Stunde dauerte. Die Vorstellung 
war naheliegend, daß diese Abnahme der fermentativen Wirksamkeit 
mit der Zeit neben anderen Faktoren durch eine Schädigung bedingt 
ist, die das Trypsin durch die Bedingungen des Milieus (Verdünnung, 
Temperatur, Ionenkonzentration usw.) erfährt, die bei Versuchen 
über längere Spaltungszeiten stärker hervortreten müssen als bei 
kurzdauernden Versuchen. Es wurde daher diejenige Schädigung, die 
Trypsin in einer Lösung durch einfaches Stehenlassen bei der gewählten 
Versuchstemperatur (40,00) erfährt, unter Variation des Ferment- 
präparats, der Zeit und vor allem der Acidität der Lösung zum Gegen- 
stand einer Untersuchung gemacht, deren Resultate hier mitgeteilt 
werden. Es zeigte sich, um das Ergebnis vorwegzunehmen, daß 
Trypsinpräparate verschiedener Herkunft (Pankreatin Rhenania, 
Pankreas dispert, Krause) die größte Beständigkeit bei einer stark 
sauren Reaktion (py 1,7) zeigten, so daß einstündiges Stehen des 
Ferments bei dieser Reaktion so gut wie keine Schädigung bewirkte. 
Bei weiterer Steigerung der Acidität nahm die Stabilität des Enzyms 
jedoch wieder ab; ebenso bei zunehmenden Reaktionen nach der 
alkalischen Seite hin. 


Nephelometrische Untersuchungen. V. 329 


Es wurden auch Untersuchungen über den Einfluß verschiedener 
Salzlösungen (von Puffern) sowie über den Einfluß von Leitungs- 
und destilliertem Wasser angestellt. 

Zur Bestimmung der Trypsinwirkung bedienten wir uns der voran- 
gehend geschilderten nephelometrischen Methode. 


Die Versuche wurden in der Weise angestellt, daß zunächst ein 
größerer Vorrat einer Caseinlösung (mit dem entsprechenden Puffer) be- 
reitet wurde. Einen Teil davon versetzte man mit der Fermentlösung un- 
mittelbar nachdem diese hergestellt war, einen anderen Teil erst nachdem 
dieselbe Fermentlösung bei 40° eine Stunde gestanden hatte. So wurde 
die Wirkung der betreffenden Fermentlösungen auf das gleiche Substrat- 
system beobachtet. Als solches diente im allgemeinen eine Mischung von 
120 ccm Caseinlösung — wie oben beschrieben hergestellt — dazu 150 ccm 
m/15 Phosphatpuffer von py etwa 7,8 und destilliertes Wasser zu 460 ccm. 
Zu diesem Gemisch wurde bei Versuchen, die die Abhängigkeit der Trypsin- 
stabilittät von der Woasserstoffionenkonzentration untersuchten, vor der 
Auffüllung mit Wasser diejenige Äquivalentmenge an Natronlauge gegeben, 
die dem Gehalt an Säure der zum Versuch verwandten Fermentlösung 
entsprach. Hierdurch wurde eine Verschiebung der H-Ionenkonzentration 
des Spaltungsversuchs durch die bei verschiedenen Versuchen variierende 
Acidität der Fermentlösung ausgeschlossen. Im Versuchssystem selbst 
entstand dadurch nur eine gewisse Menge NaCl, die aber bei dem Vergleichs- 
versuch (mit sofortigem Fermentzusatz) die gleiche war wiein dem Versuch, 
wo das Ferment erst nach längerem Stehen zugefügt wurde. 


Von dem Substratsystem wurden für jeden Versuch 46 ccm verwandt, 
und es wurden, da stets in Parallelversuchen gearbeitet wurde, zweimal 
46 ccm angesetzt. Die gleiche Menge wurde für die Versuche mit dem 
„geschädigten‘‘ Ferment angewandt. Da bei jedem Versuch stets zwei 
verschiedene Trypsinpräparate oder zwei verschiedene Aciditäten mit- 
einander verglichen wurden, so brauchte man für jede Versuchsreihe 
8 x 46 = 368ccm Substratgemisch. — Die Menge von 46 ccm ermöglichte, 
in jedem einzelnen Versuch die fermentative Spaltung durch sechs Be- 
stimmungen zu verfolgen, da für jede Bestimmung eine Abnahme von 
Becm nötig war. Bestimmt wurde die Spaltung nach 0, 15, 30, 60, 90 
und 120 Minuten. 


Die bei der Untersuchung benutzten Fermentpräparste waren 
Pankreatin Rhenania und Pankreas dispert der Krause medico A.-G.!). — 
l g Fermentpulver wurde zunächst mit 20 ccm destillierten Wassers von 
Zimmertemperatur angerührt; die Aufschwemmung blieb unter gelegent- 
lichem Umrühren bei Zimmertemperatur 15 Minuten stehen und wurde 
dann durch ein quantitatives Filter filtriert. 1 ccm des Filtrats wurde mit 
destilliertem Wasser auf 100 ccm verdünnt und diese verdünnte Lösung 
im Wasserbad auf 40° vorgewärmt, damit sie nach Zugabe der entsprechenden 
Verdünnungsflüssigkeit sofort dem Substratgemisch zugegeben werden 
konnte. Als Verdünnungsflüssigkeit — die ebenfalls auf 40° vorgewärmt 
war — wurde in einer Reihe von Versuchen Salzsäure von einer solchen 
Normalität gewählt, daß die endgültig verdünnte Fermentlösung diejenige 


1) Beiden Firmen sei für die freundliche Überlassung der Präparate 
unser bester Dank ausgesprochen. 


330 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Acidität hatte, bei der ihre Stabilität geprüft werden sollte. Die endgültige 
Fermentverüdnnung war etwa 1: 7000. — Die endgültige H-Ionenkonzen- 
tration der Fermentlösung wurde stets durch Messung an der Gaskette 
ermittelt. 


Unmittelbar nach Zufügen der Verdünnungsflüssigkeit (also Salzsäure- 
oder eine Pufferlösung, Leitungs- und destilliertes Wasser) wurden je 
4,0 ccm der Fermentlösung entnommen und zu je einem Substratsystem 
zugefügt, dessen Spaltung dann nephelometrisch verfolgt wurde. 

Die übrige Menge des Ferment-Säure- (oder Ferment-Puffer-) Gemischs 
blieb im Thermostaten bei 40° genau 60 Minuten stehen; nach dieser Zeit 
wurden ebenfalls 4 ccm entnommen und — wie in den Parallelversuchen — 
dem Substratsystem zugefügt, und nun die Spaltung nephelometrisch 
verfolgt. Verschiedenheiten im Spaltungsverlauf vor und nach dem ein- 
stündigen Stehen der Fermentlösung müssen demnach auf die Veränderung, 
die das Ferment bei dem einstündigen Stehen erleidet, zurückgeführt werden. 


Im folgenden seien die Versuche wiedergegeben, die bei Variation 
der H-Ionenkonzentration ausgeführt wurden. Die Versuche erstrecken 
sich von einem De von 1,06 bis zu einem fe von 12,5. 


Versuch 1. Fermentpräparat I: Pankreatin Rhenania. A: nach so- 
fortigem Fermentzusatz. B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei 
einem De von 1,07. — Fermentpräparat II: Pankreas dispert (Krause). 
A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des 
Ferments bei pe 1,09. 






































Tabelle I. 
| IA | IA IB | HB 
Min.| Be ' Verglichen mit 
| Pa 725| KR "a | 7,30 || 
0 "Nephelometerablesung . BE 200 200 | 20,0 I 20,0 | 
| Spaltung, Proz. . . .. WEE EEN Lie = 
20 A =19_ 





18 || Nephelometerablesung . || 35,8 EC 29,0 | vs 
| Spaltung, Proz. 432 | 475 : 31,0 | 36,5 
. 30,8 41,5 | 33,2 | 39,6 | 


| Zee Del 
Spaltung, Proz. SCH 51, 3 | 63.8 | 39,7 | 494° | 


60 | EE Ee | 35,0 38,5 | 36,0 | 23,5 A 
| 
i 
| 
| 








30 ` Nephelometerablesung . 

























I= 15, All=10 
W I= 20, B H=10 

| Spaltung, Proz. 572 | 66,3 | 44,4 | 57,5. 
on Nephelometerablesung. . | 280 | 190 32,6 27,5 F AI ee in 








| 64.2 | 73,7 53,9 | 63,3 | 


Spaltung, Proz... . - 
nr Bed 34,8 BO ATS 





120 ` ‚ Nephelometerablesung . 1=15 


' Spaltung, Proz. "ez | 808 | 569 | 69,7. 


Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,07 etwa 
17,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 1,07 etwa 13,5 Proz. 





Nephelometrische Untersuchungen. V. 331 


Versuch 2. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente bei 
Py 1,07 (bei I) bzw. 1,06 (bei II). 





























Tabelle II. 
| IA | DA | IB | IB! TE i 
o Ea Pei za | 733 | 732 | ui E 
| Nopkalomelsrablesung 8 | 200 | 20,0 |», 19,5 sl 20,2 ul EZ 20 ` 


SCHERER 


Spaltung, Proz. 








24,0 | 27,0 | 27,8 | 24,0 
32,2 | 312 | 29,6 | 
37,9 | 35,8 | 32,4 | 











187 | 470 452 AN 
Nephelometerablesung . | 36,4 | 36,8 | 31,7 | 
"Spaltung, Proz. ... . R 68,8 | 58,1 | 52,6 | 50,4 


Nephelometerablesung . | 30,9 | 33,6 | 22,8 | 27,0 


Spaltung, Proz. . . . . | 67,6 | 643 | 56,1 | 55,5 | 


Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,07 etwa 
9,5 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei pp 1,06 etwa 11,7 Proz. 


Versuch 3. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach so- 
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei 
Py 1,59 (bei I) bzw. 1,60 (bei II). 





u 




































Tabelle III. 
` 7 na EE: E u 
Min.  — -|—--- 4 Verglichen mit 
win 7,65 7,62 | 
el elle ne men eh f : 
o 'i Nephelometerablesung . _ 20 l 20,0 | 198! am 
Leen Fell 
15 || Nephelometerablesung . | 25,5 | 28,1 | 26,1 | 280. 
| Spaltung, Proz. . . . . | 215 | 28,8 | 234 | 298 28 | 23,4 | 29,8 
30 Nephelometerablesung . || | 315 | 34,5 | 3 1,5 | 34,5 , 30,1 | 339 33,9 | 20 
| Spaltung, Proz. 


EZ 36,5 | 42,0 | 33,5 | 41,0 ' 
1 32,3 | 39,1 | 41,2 | 38,0 Al 


Spaltung, Proz. . . © 53,6 | 61,6 | 51,7 | 614 


90 Nöchslomsteraklenng . 39,1 | 43,1 | 40,5 | 42,1 


| Spaltung, Proz. . SE 66,8 | 722 | 63,0 | 71,5 

120 | Nephelometerablesung . 36,4 Al 41,8 418 | 333 | ge: 10 | 
. Spaltung, Proz. . . . .|| 72,5 | 76,0 | 70,0 | an 
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,59 etwa 4.8 Proz., 


von Pankreas dispert (Krause) bei pe 1,60 etwa 3,0 Proz. 


60 , Nephelometerablesung 





332 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Versuch 4. Fermentpräparat I und II wieim Versuch 1. A : nach sofortigem 
Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermentse bei pe 1,64 (bei D 



























19,6 | 19,8 | 19,9 | 19,4 20 | 


29,4 | 30,0 | 29,6 | 31,8 
32,0: 334 | 32,4 | 370 
36,5 | 40,5 | 31,1 | 39,3 
45,2 | 51,6 | 35,7 | 49,1 
35,0 | 38,2 | 32,8 | 34,0 


62,8 | 68,6 | 54,3 | 64,7 
35,0 | 35,3 | 33,1 | 30,4 
772 | 80,2 | 69,8 | 77,0 
33,3 | 30,2 | 32,9 | 25,2 
























Spaltung, Proz. . . . . 
30 || Nephelometerablesung . 
Spaltung, Proz. 


Nephelometerablesung . 
Spaltung, Proz. .... 


60 







90 Nephelometerablesung . 
Spaltung, Proz. . 5 


Nephelometerablesung . 


Spaltung, Proz. . | 85,0 | 86,8 | 78,7 | 84,1 
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pg 1,64 etwa 
12,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei pg 1,66 etwa 6,3 Proz. 

Versuch 5. Fermentprāparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente 
bei pe 1,73 (I und II). Tabelle V. 


120 












TI B | 
7,58 











| 
|l Verglichen mit 











Nephelometereblesung . 
Spaltung, Proz. 

15 | Nephelometerablesung . | 26,8 | 28,4 | 27,6 | 26,9 | 
Spaltung, Proz. || 25,3 | 29,5 | 27,5 | 25,6 | 


30 || Nephelometerablesung . 
Spaltung, Proz. .. . 


60 || Nephelometerablesung . 
Spaltung, Proz. ... . 


90 || Nophelometerablesung . 








38,0 | 43,0 | 32,7 | 38,2 


was azlaulenl 
| 36,4 | 37,6 | 29,1 | 38,2 Al=l 





725 | 81,4 | 65,6 | 77,0 
39,0 | 40,9 | 29,0 | 35,3 
| Spaltung, Proz. 82,1 | 87,8 | 75,9 | 85,8 


Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,73 etwa 
9,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 1,73 etwa 5,7 Proz. 


Spaltung, Proz. ... . 
120 || Nephelometerablesung . 












Nephelometrische Untersuchungen. V. 333 


Versuch 6. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach soforti- 
gem Fermentzusatz; B: Zusatz nach einstündigem Stehen des Ferments bei 



































Pa 1,76 (I oder II). Tabelle VI. 
s IA | HA | IB Í IB 

Min. -- ——|———| Verglichen mit 
| on PH 7,67 7,69 7,70 i 7,05 ne i 
d Nephelometerablesung . ! 200 | 20,0 | 20,0 | 19,6 I 20 
ZE .'- | -1|1-|- _ 
EN EE EE 2339| 21,2 | 23,8 | 22,5 | 20 
5 Spaltung, Proz. .. | 16,3 | 57| 16,0 | 11,1 | 





37,1 | 25,9 | 30,5 | 2531 ` op 





46,1 | 22,7 | 34,4 | 21,0: 


E Spaltung, Proz. & 
41,9 32,7 | 35,1 | 





li 


Spaltung, Proz... . . | 69,2 | 38,7 | 57,3 | 326 


60 Ss elometerablesung 





cz Nephelometerablesung . | 41,2 | 40,9 | 393 | 


KAN 51,0 74,6 | i 
30,7 | 38,2 d 34,3 | 


Spaltung, Spaltung, Proz. . . . 


T Nephelometerablesung . 


| Spaltung, Proz. . . .. | a 60,7 | 82,6 | 
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei py 1,76 etwa 
10,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei Py 1,76 8,5 Proz. 











Versuch 7. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach sofor- 
tigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei py 2,05 


IA I A 
Min. Verglichen mit 
_ 7, d 7, a. 7. am 


0 EE EE 20, 1| 


20,0 | 20 | 

a E 200 — o D f 
, Spaltung, Proz. | — | — | = 8 = 

E 22,6 | 23,6 | 220 | 21,8 























































15 | Nephelometerablesung . 20 
eat Proz. ı 114 | 15,3 | 01 | 82 on 

20 || Nephelometerablesung . | 24,8 | 27,7 | 23,9 | | 24,7 20 

~ | Spaltung, Proz. 19,3 | 27: 8] 164 ir 190 

60 | Nephelometerablesung . | 31,4 | 38,3 | 27,9 | 30,7 20 O 

| Spaltung, Proz. E ala 348| 

90 || Nephelometerablesung . | 33,1 | 40,5 | AI=20. A H = 15 







61,4 | 39,5 | 50,7 


| Spaltung, Proz. d 
35,0 |: 39,1 | 38,5 | 36,4 








120 ' Nophelometerablesung S 








| Spaltung, Proz. . . . . || 582 | 69,3 | 48,1 | 58,2 
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pg 2,05 etwa 
18,2 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei Py 2,05 etwa 22,2 Proz. 


334 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Versuch 8. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach so- 
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei 











De 2,05 (I und II). Tabelle VIII. 
nn IA . na | IB | up NR 
in. | = er erglichen mi 
(nie 7.58 | 7,53 | 7,58 A 




























































0 | Nephelometerablesung . | 20,0 o| 20,3 La 20,0 | 20 am 
Spaltung, Proz. u E 
15 | Nephelometerablesung . || 24,3 SCH a ı 233 | a O 
| Spaltung, Proz. . . . . | 17,7 | 22,8 | 141 | 194) 
30 || Nephelometerablesung . || 26,9 | 30,5 | 25,5 | 29,5 20 
| 25,7 | 344 | 21,5 | 32,2 | 
o 36,9 | 32,6 | 317 | 319 EELER 
` Spaltung, Proz. . . ER | 54,0 | 34,9 | sai 
ER ' Nephelometerablesung . 36,6 | 36,7 | 28,6 | 34,5 DEG SE 








Spaltung, Proz. „| 57,8 673 | 47,6 | 65,2 


t AI=1, A Hen 

120 |, Nephelometerablesung . | 37,4 | 41,5 | 34,9 | 382 AlSIZAT=U 
‚ Spaltung, Proz. .. . . | 67,8 | 759 | 58,0 | 73,8 | 

Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei Py 2,05 etwa 


20,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 2,05 etwa 2,71 Proz. 


Versuch 9. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach so- 
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments, I bei 


De 1,67, II bei pe 2,56. Tabelle IX. 
| Al 
Verglichen mit 


AH | BI | Bu 
| PH765| 7,83 7,56 | 7,58 


20,6 | 200| — Tan 20,0 























Min. 





























0 | Nephelometerablesung . 
| Spaltung, Proz. 
15. f N ephelometerablesung . 

| Spaltung, Proz. 









EN 
30,9 | 26,4 | 30,6 | 27,6 ' 20,0 


m— e e EE ee m a 


E 24,2 346 | al 








35,9 | ai 359 | 31,7 20,0 
Mé 35,7 | 44,3 | 369 








30 N ephelometerablesung . 




















Spaltung, Proz. 

60 | Nephelometerablesung . 212 | 33,5 | 26,6! 32 ala EE 
" Spaltung, Proz. . . . . | 684 | 55,2 | 62.4 | Er u 
| | Al= 5AI=10 
sine .121,3 34,6 | 217 | 29,7 BIS 6 BIL=10 
o Spaltung, Proz. . . . ie 76,6 | 71,1 | 724 | 668 on 
120 | Nephelometerablosung ~ „| — | 369 | 27,7 | 32,5 HS eu 

; Spaltung, Proz. .. .. | — |sıol 826] mei 


Fermentschädigung von Panien dispert (Krause) bei pg 1,67 etwa 
3,4 Proz., bei Ge 2,56 etwa 4,2 Proz. 


Nephelometrische Untersuchungen. V. 335 


Versuch 10. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach so- 
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments, I bei 
Pu 1,54, II bei pe 2,02. Tabelle X. 

EE 


Min. 


BI B II 








| PRESSE z 
— Verglichen mit 

















7,72 
0 : Nephelometerablesung . 20,0 | 20,4 | 20,5 | 203 a 20,5 j 20,0 ` 
BEE? Spaltung, Proz. f ek — | — SSES ER 
15 | AN. 31,4 | 27,3 ES 28,0 26,0 | 20,0 
Spaltung, Proz. . . . . | 36,2 | 26,7 | 28,6 | 23,0 o 
E EE 344 | 304 | 303 | 286 | 20,0 


441,7; 34,2 | 34,0 | o Si 
W Spaltung, Proz. . . . . j| 41,7 , 34,2 | 34,0 | 30,0 | l 
A i= 15, ATT= 15 
| SE S ECH | 29,0 | 40,4 | ale B L22 B Ilc 20 
| Spaltung, Proz. , 546 | 483 | 50,4 | 44,4 ' 
Pe er Tee 


90 ` Nephelometerablesung . 29,4 | 28,0 | 38,3 | SCH?) SE AU=12 



































Be ER ran en 
D Spaltung, Proz. . , S 66,0 | 57,1 | 60,8 | 53,8 | 


12% | Al= 8, Als li 

120 ` | Nephelometerablesung . | 26,1 | Bes | 31,1 | 25,7 RIZR NA 
| Spaltung, Proz. . . . . 693 | 688 | 67,8 | 61,0 D 
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei py 1,54 etwa 


9,1 Proz., bei Py 2,02 etwa 7,5 Proz. 


Versuch 11. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach so- 
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments, I bei 














De 2,59, II bei py 4,53. Tabelle XI. 
IN Bun Ar Ian nu" BII : 
Min. | | _— 1 Verglichen mit 
| " PH 7,16 7,81 i 771 l o, 7, 7,81 

















0 | Nephelometerablesung . | 20,0 l 20,3 


~ Spaltung, Proz. en — I | — z 
15 ` Nephelometerablesung . | 29,7 29,7 | 26,4 | 27,9 ET 25, e 
2 

























Spaltung, Proz. 3237| 242 | 28,3 | ag 
30 || Nephelometerablesung . | 31,8 | 28,5 | 30,3 | 26,6 
Spaltung, Proz. . . = 37,1 | 29,7 | 340 | 24,7 


























60 Nop haaa eut ; 38,2 | 36,2 | 31,2 | 30,3 | ale en 
Spaltung, Proz. 60,7 | 44,6 | 51,9 | 34,0 SÉ 

Al=10, All=13 

90 N ohne: . ` 38,4 | 32,5 38,4 | 32,5 | 308 30,8 (E 35,9 | ALR AH 
Spaltung, Proz. .. .. en 7140| 600 | 675 67,5 | 443 i 

120 || Nephelometerablesung . ` 30,7 | 232 | 19, 28,2 | 19,5 | 33,2 A I= 5 Al= 8 

en ea es I= 5, = 

| Spaltung, Proz. . . | 83,7 | 71,6 | 74 sg 1548 | 


Fermentschädigung (Pankreas dispert) bei pe 2,59 etwa 9,5 Proz., 
bei Py 4,53 etwa 22,7 Proz. 


336 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Versuch 12. Fermentpräparate I: Pankreatin Rhenania; II: Pankreas 
' dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach ein- 
stündigem Stehen des Ferments I bei pg 2,97, II: bei py 2,90. 






















































Tabelle XII. 
déi | > Bn | Ge Ge Verglichen mit 
d O i i Pu 7a Ji | Lu 180 | i 
0 || Nephelometerablesung . 20,1 | 19,7 | 19,7 | 200 ` au 
Spaltung, Proz. OS a Ba l 
15 ke SR ng . : 215 | 224 | 20,8 | 21,3 | 20,0 
| Spaltung, Proz. .. .. = 7,1 zu 107| 38! 61 | 
30 | Ne phelometerablesung . S 24.1 a2] | 22,9 SÉ 200 
Spaltung: Proz. ...., 170| — | 5383| 1238 ı E 
d Nephelometerablesung . .| 28,2 | 29,5 | 23,9 | 26,3 | 20,0 
|| Spaltung, Proz. . ... ' 29,1 | 323 | 16,4 | 24,0 | 
90 . Nephelometerablesung . | 33,8 | 36,1 | 26,7 | 30, 30,2 ` 200 o 
Spaltung, Proz. . . . . || 40,8 | 45180137, 
120 || Nephelometerablesung . || 42,0 | 39,6 i 28,9 k 328 || A dE Au=ı7 


Spaltung, Proz. 52,4 | 58,0 ; 30,7 | 48, 2 
Fermentschädigung von Pankreatin Rioñanis bei Py 2,97 etwa 
38,4 Proz., von Pankreas dispert bei py 2,90 etwa 28,4 Proz. 


Versuch 13. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz: B: nach einstündigem Stehen I bei pe 3,85, 


II bei py 5,55. Tabelle XIII. 
I BII 
8.03 


An ` BI 


| AI 
Se Verglichen mit 
‚Pa 7, 88| 8, o | 7,94 


| 

Min. | 
allen = 2 Inne 

fi 




















d Nephelometerablesung . im 20,0 | 20,3 2»3|: 20, A | 18,9 | 20,0 
| Spaltung, Proz. SEH E EWEG B 
EE 25,3 2353| 254 | 24,0 | 24,9 | 200 E 
Spaltung, Proz. . . . . | 21,0 | 21,3 | 16,6 |196 —ö{ 
Nephelometerablesung ‚| 30,9 | 30,4 30,4 | 26,9 | 28,5 | mn ` 








Spaltung, Proz. . . i 35,2 | 34,1 34,1 | 25,6 | 298 Eu 
| Nephelometerablesung . || 32,0 | 313 | = | 36,1 | AISI15 AN 15 
| = 








Spaltung, Proz. „| 63,1 | 521| — Tan" KR 
EE EE . | 334 | 31,8 32,8 Alu Ha 18 
EEN Bin 1=15 en, 


© || Spaltung, Proz. . .. . 70,1 | 51,5 | 544 
120 Ä Nephelometerablesung . | 22,3 | 20,8 | 35,2 | 35,9 
Spaltung, Proz. . . . . | 77,6 | 760 | 659 | 66,6 


Fermentschädigung von Pankreas dispert bei py 3,85 etwa 24,2 Proz., 
bei py 5,55 etwa 17,8 Proz. 






















Nephelometrische Untersuchungen. V. 337 


Versuch 14. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen I bei pe 12,5, 
II bei pe 8,21. 
































Tabelle XIV. 
FR EEN Al | An | BI | BH | 
Min. | SE Verglichen mit 
| Pn825 820 | 7,85 | 7.94 | 
o | Nephelometerablesung . |spaitung| 19,8 Ispeitung| 20,2 i 20 
= | Spaltung, Proz. .... „n | — | a, Joe 
Nephelometerablesung . „ | 258| „ |245 
a Spaltung, Proz. .... „ | 225! „ 1194 
30  Nephelometerablesung . „ | 294| „ | 265 
= Spaltung, Proz. Ma k | 32,0 | Re | 24,5 
| Nephelonieterablisand | „ |348| „ | 30,5 
4 Spaltung, Proz. .... „| 42,5 | ? | 34.4 
90 | Nephelometerablesung . | „ 3235| „ | 35,5 
Spaltung, Proz. .... | „ | 537] „ | 43,8 
A Ha 12, BII = 20 





120 | Nephelometerablesung . 5 | 18,6 | e | 40,5 
az Proz. .... i 5 | 65,6 | „ | 50,6 
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pe 12,5 total, 

bei pe 8,21 etwa 18,4 Proz. 





Versuch 15. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A. Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen. I bei pe 8,95, 
II bei Py 9,56. 


Tabelle XV. 


| | ar | an 
Min. | BR 
Ir 8,01 








get Verglichen mit 
71 


o | Nephelomoterablesung . 20,1 SCH 20, 5 | 20,1 Jarl 2 20,0 
=T= Janea 
i F | 34,0 28,0 | 30,2 

Spaltung, Proz. ." 34,4 | 411 | 285 | 337° 
Nephelometerablesung . ` 32,0 | 28,5 | 34,5 | 39,9 


























Spaltung, Proz. . . . . || 53,1 | 64,9 | 42,0 | 49,8 


Nephelometerablesung . | 34,5 . 30,9 | 31,6 | 38,6 











l 


Spaltung, Proz. .... | 71,0 | 80,0 | 52,5 | 61,1 S 


Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei py 8,95 etwa 
21,2 Proz., bei pc 9,56 etwa 20,0 Proz. 


338 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Versuch 16. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen bei pe 6,5l. 


Tabelle XVI. 





Lili ee 
gel 










0 || Nephelometersblesung . 
ji Spaltung, Proz. .... 
40 | Nephelometerablesung . 
| Spaltung, Proz. 





80 | Nephelometerablesung . | 


Spaltung, Proz. 






120 Nephelometerablesung = 
Spaltung, Proz. 


Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pe 6,51 etwa 
21,3 Proz. 


Versuch 17. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente I 
bei pe 10,94, II bei pg 6,88. 












































Tabelle XVII. 

WE 8 IA AU | " LÉI veiam at 

Min er ls an na en Verglichen mit 

WS SÉ "Dn 7,78| 7,78 Ä 778 | 7,78 

Nephelometerablosung . | | 20,0 | 19,9 a ur. 19,8 | 19,7 | 20,0 

Spaltung, Proz. . . a a — — i 
Nephelometerablesung . | 2: 25,7 Ä 25,4 Ä 23,9 er 232 | 20,0 
Spaltung, Proz. . 222| as 6a | 13,8 ` B 
“Nephelometerablesung . | 292 | 27,1 | 25,4 | 25,4 | 20,0 
Spaltung, Proz ‚315 | 26,2 | 23] 23 | OOOO 

60 || Nephelometerablesung . | 39,5 | 33,4 | 30,5 | 24,5 200 
Spaltung, Proz . | 49,4 | 40,1 | 344 | 2981 

90 ` Nephelometerablesung . || 29,6 | 31,1 | 35,7 | 33,3 at: 12 ES 











Als 
` | 
ee | 
‚ Spaltung, Proz. .... | 59,4 | 51,7 | 44,0 | 40,0 | 


120 | Nephelometerablesung . | 41,5 | 39,8 40,7 d 30,1 HE E 

















Spaltung, Proz. a e l 71,0 | EH 50,8 | | 50,0 E 


Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pg 10,94 etwa 
27,5 Proz., bei py 6,88 etwa 20,6 Proz. 


Nephelometrische Untersuchungen. V. 339 


Versuch 18. Fermentpräparat: Pankreas dispert(Krause). A.: Nach so- 
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments I bei 


Pu 12,14, II bei py 6,91. Tabelle XVIII. 


An ` BI BI 











a | AL St e 
Min. | _ [Puosı ES | SES 724 i Verglichen mit 
Deu a EE T Keine eine 1 E EE 

0 | Nephelometerablesung . SE 20,0 0 er 20,0 20 | 20,0 


| Spaltung, Proz. ... . 
15 HE N ephelometerablesung . 


| Spaltung, Proz. .... E 
SEENEN 
30 Nephelometerablesung . 


___; Spaltung, Proz. | d 
60 | Neph Nehmen. | a 1.392 | „_| 33,4 
Wr se va EE, ve 200 




















En 





























80 ' Nephelometerablesung .;, „ | 36,8 | „ 1380 Alz 10, B II = 20 

| Spaltung, Proz. . . . . Te | 728i „ 1473| u 

120 | RE | Ce I 33,5 d 3 |395 |A I= 6, Bil=15 
| Spaltung, Proz. .... | „ | 821| „ |620 ` 


Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei py 12,14 total, 
bei Py 6,91 etwa 26,6 Proz. 


Versuch 19. Fermentpräparate: I Pankreatin Rhenania, II Pankreas 
dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem 
Stehen des Ferments bei Py 7,36 (bei I) bzw. pe 7,50 (bei II). Die betreffen- 
den (H`) sind durch Phosphatpuffer hergestellt (Endkonzentration des 
Puffers n/100). Tabelle XIX. 





























Min. ie m re | ven Verglichen mit 
N: BES an D 7,84| 7,82 rl. ZAN 

0 | Nephelometerablesung . | 20,0 | er 19,9 | 19,8 j- an ` 

ei „=|=. LI ern 
15 20,0 

| Spaltung, Proz. .... RE IR TER nn 
Nephelnmeterablesung . . 29,2 , 34,4 | 23,2 | 254 | 20,0 

| Spaltung, Proz. a5 la 





60 | Nechelomebreileung x Í 35,5 | 34,5 | 23,5 | — "Al Al 18 


Spaltung, Proz. . . . . | 43,7 | 56,5 | 149 | SE 











90 || Nephelometerablesung . | 33,8 | 39,2 | 25,3 | 29,6 ey” i 
Spaltung, Proz. . . . . | 56,6 | 61,7 | 20,8 | 324 0000 

120° nt | 35,9 | 41,3 | 28 ,2 | 39,1 a ae 11 
Spaltung, Proz. .... | 63,8 | 73,4 | 29,1 | 48,8 ` 


Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei py 7,36 (Phosphat- 
puffer) etwa 63,3 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 7,50 (Phosphat- 
puffer) etwa 53,9 Proz. 


340 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Versuch 20. Fermentpräparate: I Pankreatin Rhenania, II Pankreas 
dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem 
Stehen des Ferments bei Py 6,98 (bei I). Die betreffenden (H`) sind durch 
Phosphatpuffer hergestellt (Endkonzentration des Puffers n/100). 


Tabelle XX. 





Min. 





I LA IB 
| P 792 | "wi pP 7.92 7.92 

0 Nephölometerableaung _ d 
Spaltung, Proz. 


BEE 8 


i 

















Spaltung, Proz. SH 
30 | N ephelometerablesung . |. 





Spaltung, Proz. 






E EE 
60 || Nephelometerablesung . 







Spaltung, Proz. ER 
Nephelometerablesung . ` 







Spaltung, Proz. 





Nephelometerablesung . 
| Spaltung, Proz. 


Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 6,98 (Phosphat- 
puffer) etwa 29,9 Proz. 


Versuch 21. Die Fermente wurden in Leitungswasser gelöst. I Pankreatin 
Rhenania, II Pankreas dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz; 
B: nach einstündigem Stehen mit dem sechsfachen Volumen Leitungswasser 
bei pyg 7,34 (bei I) bzw. bei pu 6,99 (bei II). 

































Tabelle XXI. 
dÄ | ra | ua | 1B | nB 
Min. |, $ x en Verglichen mit 
Pu 7.78 7,75 7,80 N O 
Ne Sat 20,0 del 19,9 Ke 20,0 MME 20,2 ma) m 
|| Spaltung, P Proz. Eo VE 
15 EEE TE . |; 21,7 Far, 23,2 ET 2 | 21,0 0.9 









` Spaltung, Proz. 7,7 | 13,7 | 5,6 | 4,8 


245 | 250 | 23,0 | 23,5 


18,4 | 22. 13,0 | 14,8 | 


ı 27,0 | 30,9 | 25,6 | 27,9 














30 Nephelometerablesung . 





| Spaltung, Proz. 








60 Nephelometerablesung ; 














Nephelometrische Untersuchungen. V. 341 


Tabelle XXI (Fortsetzung). 

















| "A | NA IB | up , 
Min. | ——— — Verglichen mit 
| |pa7ıs| 775 | 780 | 784 | 





| Spaltung, Proz. .... l 259 | 353| 21,8 | 283 | 


90 || Nephelometerablesung . | 33,4 | 39,7 | 27,5 | 33,1 
Spaltung, Proz. .. . .|| 40,1 | 51,5 | 27,3 | 39,5 
120 || Nephelometerablesung . | 36,3 | 41,9 | 32,6 | 48,1 20,0 


| Spaltung, Proz. . . . . || 44,8 | 64,2 | 38,6 | 48,1 











Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 7,34 (Leitungs- 
wasser) etwa 19,6 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei pe 6,99 (Leitungs- 
wasser) etwa 22,2 Proz. 


Versuch 22. Fermentprāparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen I bei py 4,56 
(Verdünnung mit destilliertem Wasser ohne Puffer), II bei py 7,08 (Ver- 
dünnung mit Leitungswasser, kein Puffer). 





















Tabelle XXII. 
SE E 
Min. Ir nen ea Ye , Verglichen mit 
l 1 SE 7,72) 7,73 7,80 7 ‚78 d 
0 1 Nephelometerablesung . 20,2 | 20,0 | 20,0 201 200 
= || Spaltung, Proz. E , — !— TI — | — | 
16 


| Nephelome an: WW 


30,8 | 36,9 | 23,9 | 31,4 AL Blu. I= 20,0 

E se AE 5, 

. . || 35,0 | 59,4 | 16,4 | 36,3 o 
27,4 | 31,1 | 27,3 | — |AI=15, All= 8 


30 || Nephelometerablesung . WI én 
298 74,0 | 26,7 | 60,4 


Spaltung, Proz. 

















ER Nephelometerablesung . 












21,6 | 362 | 27,7 | 19,7 Alz lä Alz 5 
BI=15, BII= 5 
‚ Spaltung, Proz. 63,7 | 86,2 | 45,9 | 79,6 
90 — Nephelometerablesung . | 31,8 | 40,7 | 31,7 | 30,5 | Al= BAUS 4 
) BI=15, BII= 5 








Al= 5, All= 3 


| Spaltung, Proz... .| 749 |1 
120 


74,9 |100 | 52,7 | 86 
 Nephelometerablesung ` 37,5 | 32,3 | 27,4 | 38,9 | 


86,7 | 100 





„Spaltung, Proz. ... . 





Fermentschädigung bei Pankreas dispert (Krause) bei pe 4,56 
(destilliertes Wasser) etwa 29,8 Proz., bei py 7,08 (Leitungswasser) etwa 
14,7 Proz. 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 23 


342 P. Rona u. H. Kleinmann: 


Versuch 23. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach 
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente 
bei I Py 8,44 (n/100 Bicarbonat), II pg 7,61 (n/100 Phosphatpuffer). 








Tabelle XXIII. 
Min. 


(Ai TI an uni 00. | 
Verglichen mit 
Puy 8,06 KR 8,01 


0 0 || Nephelometerablesung . | 198 | 19,7 | T 20,2 Fr 























Spaltung, Proz. ... - ee 
15 1 Nephelometerablesung . | 27,1 | 32,5 | 239, 26,3 | 200 ` 
| Spaltung, Proz. .. . . | 26,1 | 38,5 | 16,4 | 24,0 (` 
30 | Nephelometerablesung - || 32,0 | 37,4 | 26,4 | 28,3 | AT, BI u I= 








Spaltung, Proz. . . . . | 375 | 54,5 | 24,2 | 29,3 


















D | Al=15, All= 9 
60 i| Nephelometerablesung . || 32,2 | 38,6 | 30,4 | 38,1 ma 
Spaltung, Proz. . . . . || 534 | 76,7 | 34,1 | 47,5 













Al=10, All= 5 
BI=20, BI=15 


90 || Nephelometerahlesung . || 33,5 | 32,9 | 37,1 | 36,7 


Spaltung, Proz. . . . . | 702 | 84,8 | 46,1 | 59,1 
120 || Nephelometerablesung . | 36,1 | 37,0 | 32,0 | 38,1 | A 


I ‚Al 4 
Deeg Il ° _  — (BI=15, Bllzl 
| Spaltung, Proz. .... 80,6 | 93,7 | 53,1 | 68,5 | 


Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pg 8,44 (Bi- 
carbonat) etwa 35,7 Proz., bei py 7,61 (Phosphatpuffer) etwa 32,3 Proz. 


Der Grad der Schädigung, die das Ferment bei seinem Verweilen 
in dem in den einzelnen Versuchen angegebenen Milieu erlitten hat, 
wurde in der Weise bestimmt, daß man zu verschiedenen Zeiten (nach 
40, 80, 120 Minuten) die Umsätze bei dem ungeschädigten und dem 
geschädigten Ferment miteinander verglich und die prozentische Ab- 
nahme des Umsatzes berechnete; der Mittelwert der gefundenen Ab- 
nahmen ist als Maß der ‚Schädigung‘ angegeben, und zwar wurde 
hierbei der Umsatz des ungeschädigten Fermentes gleich 100 gesetzt. 
Ist dieses Verfahren auch nicht ganz einwandfrei, so gibt sie die 
Größenordnung der Fermentschädigung zweifellos richtig an. Be- 
quemer wäre es gewesen, sich der nach dem monomolekularen Re- 
aktionsverlauf berechneten Konstante des Spaltungsverlaufs der ein- 
zelnen Versuche zu bedienen. Wenn aber auch in einer ganzen Reihe 
der Versuche der monomolekulare Verlauf der fermentativen Spaltung 
seine Geltung hat, so sinkt bei den meisten die monomolekulare 
Reaktionskonstante so stark ab, daß von ihrer Anwendung ab- 
gesehen werden mußte. 


Nephelometrische Untersuchungen. V. 343 


Die Gesamtheit der Versuche ergibt sowohlfür Pankreatin Rhenania 
als für Pankreas dispert (Krause), daß das Maximum der Stabilität bei 
einer stark sauren Reaktion, bei pe etwa 1,7 liegt. Hier beträgt die 
Schädigung nur 3 bis 4 Proz., liegt also fast noch innerhalb der Fehler 
der Bestimmungsmethode. Bei stärker sauren und stärker alkalischen 
Reaktionen nimmt die Beständigkeit des Ferments ab. Bei der ge- 
wählten Versuchsanordnung, bei einstündigem Stehen der Ferment- 
lösung im Gebiet von De etwa 3 bis etwa 11 betrug die Wirkungsabnahme 
20 bis 30 Proz.; bei pu 12 war eine sehr schnelle, totale Zerstörung des 
Ferments zu beobachten. Daß die H-Ionen jedoch nicht die allein 
maßgebenden Faktoren bei dem komplexen Vorgang der Ferment- 
schädigung sind, zeigen die Versuche mit Phosphatpuffern, bei welchen 
(bei pg 7 bis 8, unter den Bedingungen der übrigen Versuche) Schädi- 
gungen bis zu 50 Proz. zu beobachten waren. Leitungswasser schädigt 
das Ferment weniger als destilliertes Wasser. Das Gebiet der opti- 
malen Wirksamkeit und das der größten Stabilität fallen also nach 
diesen Versuchen keineswegs zusammen. Eine tiefere Einsicht in die 
Verhältnisse ist jedoch erst bei Weiterführung der Untersuchungen 
nach verschiedenen Richtungen, vor allem mit gereinigten Fermenten, 
zu erwarten. Praktisch ergibt sich aus den Versuchen, daß Pankreas- 
präparate durch die Acidität, wie sie im Magen herrscht, auch ohne 
„Schutzmittel‘ in ihrer Wirksamkeit nicht geschädigt werden dürften. 


Vorliegende Arbeit wurde mit Mitteln der Notgemeinschaft der 
Deutschen Wissenschaft ausgeführt. 

Bei der Ausführung der Versuche leistete uns Fräulein Otte wert- 
volle Hilfe. 


23% 


Zur Pharmakologie einiger Benzylalkohole'). 


Von 
Anastasios A. Christomanos. 


(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Berlin.) 


(Eingegangen am 6. Januar 1926.) 


Von den drei Isomeren Oxybenzylalkoholen ist nur die Ortho- 
verbindung pharmakologisch studiert worden. Sie wurde neuerdings 
von amerikanischen Autoren (Lundholm, Hirschfelder, Noorgard?) als 
Lokalanästhetikum empfohlen. Seine lokalanästhetische Wirkung 
wurde auch durch Joachimoglu und Zeltner’) im hiesigen Institut 
geprüft und in Versuchen an Menschen gefunden, daß genügend starke 
Konzentrationen (1,8 Proz.) eine sofortige, über 1, Stunde dauernde 
Anästhesie hervorrufen. Über die pharmakologische Wirkung der 
beiden anderen isomeren Alkohole war bis heute sehr wenig bekannt. 
Es ist mir von Prof. Joachimoglu die Aufgabe gestellt worden, diese 
zwei Verbindungen zu studieren. Da sie im Handel nicht erhältlich 
sind, so habe ich sie auf synthetischem Wege dargestellt. 


Darstellung des m-Oxybenzylalkohols. 


Die Darstellung des m-Oxybenzylalkohols beruht auf der Tatsache, 
daß m-Oxybenzoesäure durch naszierenden Wasserstoff in saurer Lösung 
oH zu dem entsprechenden Alkohol reduziert wird. Diese 
Ex Reduktion wurde zuerst im Jahre 1877 von van den Velden‘) 
| beschrieben. Wir haben diese Methode angewandt. Man ver- 
'CH.OH fährt folgendermaßen: Etwa 50 g m-Oxybenzoesäure werden 
EE in einer Pulverflasche mit ein wenig Wasser übergossen 
und dann stückweise 4proz. Natriumamalgam hinzugesetzt. Es entwickelt 
sich Wasserstoff und die Lösung erhitzt sich von selbst. Geht die Temperatur 
über 45 bis 60°, so unterbricht man den Amalgamzusatz. Es ist darauf zu 
achten, daß die Reaktion der Lösung schwach saurer bleibt, was man durch 
Zufügen von verdünnter Salzsäure erreicht. Innerhalb 10 bis 12 Stunden 





1) Auszug aus meiner Dissertation. Berlin 1925. 

2) Journ. of pharm. and exper. Pathol. 15, 237, 1920. 

3) Zentralbl. f. Chirurgie 1925, Nr. 20. 

4) Journ. f. prakt. Chem. (2) 15, 165; Beilstein, 4. Aufl., 6, 896, 1923. 





A.A.Christomanos: Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 345 


setzt man die 25fache Menge Amalgam zu. Van den Velden gibt in seiner 
Abhandlung die 50fache Menge an. Nach unseren Erfahrungen ist eine so 
große Menge nicht nötig. Nachdem sich nun alles Amalgam gelöst hat 
und die Reaktion sauer ist (Kongopapier), wird filtriert, das Filtrat in einen 
Schütteltrichter mit Äther ausgeschüttelt und der Äther verdampft. Es 
hinterbleibt ein dicker, gelblicher Sirup, der zwecks Reinigung in wenig 
Wasser aufgenommen wird. Die Lösung erwärmt man auf dem Wasserbad 
und setzt Calciumcarbonat zu bis zum Überschuß. Es wird nun filtriert, 
das Filtrat mit Äther ausgeschüttelt und der Äther verdampft. In der 
Porzellanschale hinterbleibt eine dicke, goldgelbe Flüssigkeit, die nach einigen 
Stunden im Vakuum über Schwefelsäure in derben Spießen kristallisiert. 
Die Kristalle werden mit Filtrierpapier getrocknet und stellen ein völlig 
reines Produkt dar. Ausbeute 10 Proz. der Theorie. Den Schmelzpunkt 
des auf diese Weise dargestellten m-Oxybenzylalkohols bestimmten wir 
zu 67° (unkorr.). Mit Eisenchlorid gibt die wässerige Lösung eine veilchen- 
blaue Färbung. 


Darstellung des p-Oxybenzylalkohols. 


Dieser Körper wird folgendermaßen dargestellt!): 68g Phenol werden 
in 94ccm einer 40proz. Kalilauge gelöst und, nachdem alles in Lösung 
gegangen ist, vorsichtig 71 ccm Formalin hinzugesetzt und das Ganze auf 
dem Wasserbad bei einer Temperatur von 40 bis 60° 24 Stunden gehalten. 
Dabei verbindet sich der Formaldehyd mit dem Kaliumphenolat zu o- und 
p-Oxybenzylalkohol. Dann wird mit verdünnter Schwefel- 
säure sehr vorsichtig und ohne Erhitzung (denn es bilden sich OH 
dabei harzige Polymerisationsprodukte, die den ganzen Prozeß / | 
ungünstig beeinflussen) neutralisiert. Es scheidet sich ein j 
braunes, nach Phenol riechendes Öl aus, welches auf der Ober- N P 
fläche der Flüssigkeit schwimmt. Am Boden des Gefäßes ist Č H,OH 
eine mehr oder weniger dicke Schicht Kaliumsulfat. Nun wird 
die ganze Flüssigkeit mit dem Öl in einem Schütteltrichter zweimal mit der 
doppelten Menge Äther ausgeschüttelt, der Äther, welcher das in ihn über- 
gegangene ölige Gemisch der beiden Alkohole enthält, wird mit wasserfreiem 
Kaliumsulfat zwecks Entwässerung versetzt und nach 24 Stunden filtriert 
und abdestilliert. Im Destillationskolben verbleibt eine dicke, stechend 
riechende (Ameisensäure) Flüssigkeit, die in einer offenen Schale der Kri- 
stallisation überlassen wird. Im Laufe von etwa 2 Wochen scheiden sich 
dann mikroskopische Kriställchen ab, deren Menge immer mehr zunimmt, 
so daß die Flüssigkeit dick und trübe wird. Nach 1 Woche ist die Kristalli- 
sation so weit vorgeschritten, daß man die mit Öl vermischten Kristalle 
auf Tonteller ausbreiten kann. Nach Absaugen des Öles hinterbleibt ein 
weißgelbes kristallinisches Pulver. Diese Substanz enthält noch geringe 
Spuren Öl und besteht aus einem Gemisch von p-Oxybenzylalkohol und 
o-Oxybenzylalkohol. Zwecks Reinigung wird die Substanz, nachdem sie 
sorgfältig vom Tonteller entfernt wurde, in möglichst wenig kochendem 
Wasser gelöst und heiß filtriert. Im Filtrat scheiden sich bei 80° sofort 
feine Blättchen des sehr schwer löslichen p-Oxybenzylalkohols ab. Nach 


1) Auwers und Daeke, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 82, 3374; Chem. 
Zentralbl. 1900, I, 192; Manasse, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27, 2409; 
85, 3844; Beilstein, 4. Aufl., 6, 897, 1923; Lederer, Journ. f. prakt. Chem. 
(2) 50, 225, 1894; Chem. Zentralbl. 1894, II, 555. 


346 A. A. Christomanos: 


Abkühlen des Filtrats wird filtriert und die p-Oxybenzylalkoholkristalle 
noch einmal in kochendem Wasser gelöst und nach der Abscheidung 
zwischen Filtrierpapier getrocknet. Durch diesen Prozeß wurde die Para- 
von der Ortho-Verbindung getrennt, indem die Ortho-Verbindung als leicht 
löslich jedesmal in der Lösung zurückblieb. Die erhaltenen Kristalle können 
als genügend rein angesehen werden und die Bestimmung des Schmelz- 
punkts ergab 110° (unkorr.). Diese Zahl stimmt mit der von Lederer ge- 
fundenen überein. Auwers und Daeke!) fanden einen Schmelzpunkt von 
124,5 bis 125°. Die Löslichkeit in Wasser, die nicht genau bekannt war, 
wurde bei 18° zu 0,13 Proz. gefunden. Im siedenden Wasser ist p-Oxy- 
benzylalkohol besser löslich, bis zu 1 Proz., fällt aber bei 80 bis 85° sofort 
aus. Mit Eisenchlorid versetzt, gibt die wässerige Lösung von p-Oxybenzyl- 
alkohol eine schwache, bald erblassende, blauviolette Farbe. 


Darstellung des 2, 6-Dimethylol-p-Kresols. 


Neben den drei isomeren Oxybenzylalkoholen haben wir zum Vergleich 
den 2, 6-Dimethylol-p-Kresolalkohol!) untersucht. Man verfährt folgender- 
maßen: 32 g p-Kresol werden in 40 ccm 20proz. KOH gelöst und langsam 

60 ccm Formalin hinzugegossen und bei 75° 5 Stunden 

oH gehalten. Nach dem Abkühlen wird mit Kohlen- 
OHCH,/\CH,OH dioxyd behandelt, bis ein Öl ausfällt. Das Öl wird 
j in einem Schütteltrichter aufgenommen und in einer 

V Porzellanschale stehengelassen, wo es nach einiger 

KR H, Zeit auskristallisiert. Die Kristalle werden getrocknet 

8 und aus heißem Essigäther umkristallisiert. Die 
Prozedur wird wiederholt, bis die Substanz rein ist. Dieser Körper kri- 
stallisiert in prismatischen Nadeln, gibt mit Eisenchlorid amethystblaue 
Farbe. Unser Produkt zeigt einen Schmelzpunkt von 127,5°2) (unkorr.). 


Wirkung der isomeren Oxybenzylalkohole auf Bacterlum coli. 


Zur Prüfung der antiseptischen Wirkung wurde eine 24stündige 
Schrägagarkultur von Bact. coli in 4 ccm physiologischer Na Cl-Lösung 
aufgeschwemmt. Von dieser Aufschwemmung setzte ich 4 Tropfen 
in 4 ccm der O,1proz. Lösung der Alkohole. Die Mischung wurde bei 37° 
gehalten. Nach verschiedenen Zeitintervallen wurde mit einer Platinöse 
auf Schrägagar übergeimpft. Es ergab sich regelmäßig, daß nach 
5 Stunden noch immer keine Wirkung bei der Ortho- und Meta- 
verbindung zu beobachten war, während die Paraverbindung nach 
5 Stunden eine schwache Wirkung entfaltete, die sich nach 12 Stunden 


1) Auwers, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 2525; Chem. Zentralbl. 
1907, II, 322; vgl. auch Beilstein, 4. Aufl., 6, 1127. Nach Abschluß meiner 
Versuche erschien eine Abhandlung von H. H. Jensen (Journ. of Pharm. 
and exper. Therap. 26, 127, 1925). Hier wird ein Schmelzpunkt von 129 
bis 131° angegeben. 

2) Der Schmelzpunkt dieser Substanz wird in der Literatur verschieden 
angegeben. Ullmann, Britiner 130,5° (korr.), Auwers 133 bis 134°. 





Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 347 


weiter steigerte, so daß nach 24 Stunden der Agar steril blieb. Im 
Gegensatz dazu hemmten die Ortho- und Metaverbindung das Wachs- 
tum auch nach 24 Stunden nicht. Der Dialkohol verhielt sich ebenso. 
Um die Beziehungen zwischen der antiseptischen Wirkung dieser drei 
isomeren Alkohole und den ihnen entsprechenden Säuren festzustellen, 
wiederholten wir dieselben Versuche mit 0,2proz. wässerigen Lösungen 
der o-, m- und p-Oxybenzoesäure. Wir fanden, daß die 0-Oxybenzoe- 
säure (Salicylsäure) die wirksamste ist. Dann folgt die m- und zuletzt 
die p-Oxybenzoesäure, die kaum eine antiseptische Wirkung zeigt. 
Demnach nimmt die antiseptische Wirkung in der Reihenfolge ab: 














Bei den Alkobolen | Bei den Säuren 
p-Oxybenzylalkohol 0o-Oxybenzoesäure 
m- n m- n 
o- n p- n 


Lokalanästhetische Wirkung des p- und m-Oxybenzylalkohols. 


Die lokalanästhetische Wirkung dieser Pharmaka ist viel schwächer 
als die des 0o-Öxybenzylalkohols. Wir prüften die lokalanästhetische 
Wirkung am Auge der Katze und in Selbstversuchen an der Zunge. 
Die Paraverbindung ist gänzlich wirkungslos, während die Meta- 
verbindung eine ganz schwache lokalanästhetische Wirkung am Auge 
der Katze und auf der Menschenzunge zeigt. 


Versuche an normalen Fröschen. 


Es wurden Temporarien verwendet. Die wässerigen Lösungen 
wurden in den Brustlymphsack injiziert. Die Konzentration der Lösung 
betrug bei der Ortho- und Metaverbindung 1 Proz., bei der Para- 
verbindung 0,13 Proz. Bei den mit o-Oxybenzylalkohol gespritzten 
Fröschen trat nach Dosen von 9 bis 10 mg pro 10g Frosch nach 
15 Minuten Atemstillstand ein mit einer leichten Parese, die sich weiter 
steigerte, so daß nach etwa 20 Minuten die Frösche Rückenlage ver- 
trugen. Es handelt sich um eine allgemeine vollständige Lähmung. 
In diesem Stadium war der Ischiadikus faradisch erregbar. Das 
Lähmungsstadium tritt nach den genannten Dosen zurück. Es kommt 
zu einem Stadium einer gesteigerten Reflexerregbarkeit. Die Frösche 
bieten das Bild einer Strychninvergiftung. Nach diesem Stadium 
folgt ein neues Lähmungsstadium, welches mit dem Exitus endet. 


Die Dosis letalis minima beträgt: 


bei p-Oxybenzylalkohol 1,6 mg pro 10g Frosch 
„ m-Oxybenzylalkohol 6 , ,„ 10g S 
„ o-Oxybenzylalkohol 10 „ ww 10g Se 


348 A. A. Christomanos: 


Die Wirkung des m-Oxybenzylalkohols weicht in einigen Punkten 
von der Wirkung der Orthoverbindung ab. Der Atemstillstand tritt 
erst später ein, nach 30 Minuten und mehr mit nachfolgender Lähmung 
und Steigerung der Reflexe. Die wirksame Dosis beträgt 5 mg pro 
10 g Frosch. Vor dem Exitus wurden Krämpfe der hinteren Extremi- 
täten beobachtet. Auch hier war im Lähmungsstadium der Ischiadikus 
faradisch erregbar, bei der Paraverbindung war, wie bei der Ortho- 
verbindung, eine sehr deutliche Steigerung der Reflexerregbarkeit 
nachzuweisen. Die wirksame Dosis beträgt 1,5 mg pro 10g Frosch. 


Wirkungen auf weiße Mäuse. 


Das Verhalten der Mäuse zu den drei isomeren Oxybenzylalkoholen 
entspricht dem der Frösche. Wir spritzten die Lösungen intraperitoneal. 
Die Dosis letalis minima beträgt: 

bei 0o-Oxybenzylalkohol 4,6 mg pro 10g Maus 


vn m-Oxybenzylalkohol 4,2 „ ,„ 10g ,„ 
» p-Oxybenzylalkohol 2,5 „ „ 10g ,„ 


Was die Symptome der Vergiftungen und ihre Ursache anbelangt, 
so handelt es sich offenbar wie bei den Fröschen um einen zentralen 
Angriffspunkt. Eigentümlich ist auch hier die Steigerung der Reflexe, 
die sowohl bei der Ortho- wie bei der Paraverbindung sehr deutlich 
ist. Zuweilen schreien die Tiere nach Injektion des p-Oxybenzyl- 
alkohols im Krampfstadium, was bei den anderen Verbindungen 
niemals vorkommt. Dagegen zeigt die Metaverbindung eine geringe 
Steigerung der Reflexe. Hier tritt die Lähmung besonders in den 
Vordergrund. 


Schicksal des o- und p-Oxybenzylalkohols und des Dialkohols 
im menschlichen Organismus. 


Nencki!) berichtet, daß der Oxybenzylalkohol im Körper zu 
Salicylsäure oxydiert wird. 


Er verfolgte diesen Vorgang nur qualitativ. Dabei bemerkte er, daß 
die Ausscheidung des zu Salicylsäure umgewandelten Oxybenzylalkohols 
2 bis 3 Tage dauerte, wenn auch die Hauptmenge in den ersten 24 Stunden 
zur Ausscheidung gelangt. Devrient?) untersuchte in unserem Institut 
die Ausscheidung der Salicylsäure und gelangte zu dem Ergebnis, daß die 
Salicylsäure unvollständig im Harn ausgeschieden wird, und zwar höchstens 
bis zu 14,86 Proz. der eingenommenen Menge. Devrient fand, daß die Aus- 
scheidung innerhalb der ersten 24 Stunden beendet war. Am zweiten und 
dritten Tage fand er nur geringe Mengen im Harne. Unsere Untersuchungen 
knüpfen an diesen Punkt an. Wir verabreichten Menschen (Männern 22 bis 


1) Nencki, Opera omnia 2, 17, 1906, Braunschweig. 
2) Devrient, Arch. f. exper. Pharm. u. Pathol. 90, 242. 





Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 349 


27 Jahre alt) 0,5 bis 1,5 g o-Oxybenzylalkohol und untersuchten im Harn 
der nächsten 24 Stunden die ausgeschiedene Menge des zu Salicyl- bzw. 
Salicylursäure oxydierten o-Oxybenzylalkohols zuerst nach der Methode 
von Sauerland!). Sehr störend bei diesem Verfahren ist die Bildung von 
Emulsionen beim Ausschütteln des angesäuerten Harns mit dem Gemisch 
von Petroläther und Chloroform. Wir haben aus diesem Grunde die Methode 
von Beck und Piccard?) angewandt. Wir stellten fest, daß die Befunde 
von Devrient über die Ausscheidung der Salicylsäure mit den unsrigen 
übereinstimmen. 

Wir fanden, daß die innerhalb 24 Stunden als Salicylsäure aus- 
geschiedene o-Oxybenzylalkoholmenge bis 8 Proz. der eingeführten 
Menge entspricht. Dabei ist zu bedenken, daß wir nicht Salicylsäure, 
sondern den entsprechenden Alkohol zugeführt haben. Dieses Resultat 
führte uns auf den Gedanken, daß der eingenommene o-Oxybenzyl- 
alkohol nicht zu Salicylsäure oxydiert wurde, sondern als aromatischer 
Alkohol gepaart mit Schwefelsäure, vielleicht auch Glykuronsäure, 
ausgeschieden wird. Zur Entscheidung dieser Frage haben wir bei 
einer Versuchsperson zunächst die mit dem Harn in 24 Stunden 
ausgeschiedene Menge präformierte und gepaarte Schwefelsäure be- 
stimmt. Nach Einnahme von o-Öxybenzylalkohol wurde die gleiche 
Bestimmung im Urin der nächsten 24 Stunden vorgenommen. Die 
Versuchsperson hat während des Versuchs die gleiche Kost bekommen. 


eem 


Bestimmung der Salicylsäure im Harn. 


on nl 


Der Harn wird auf dem Wasserbad verdampft, der Rückstand 
mit Alkohol extrahiert, filtriert, der Alkohol verdampft, mit Wasser 
aufgenommen, welches durch Schwefelsäure schwach angesäuert 
wurde, filtriert und in einem Schütteltrichter mit Äther ausgeschüttelt. 
Die Salicylsäure geht in den Äther über. Der Äther wird verdampft 
und der schwach gelbliche Rückstand mit destilliertem Wasser auf- 
genommen. Um die Menge der in Lösung befindlichen Salicyl- bzw. 
Salicylursäure festzustellen, wird die wässerige Lösung in einem, 
graduierten Zylinder mit einigen Tropfen Eisenchlorid bis zu deutlicher 
Färbung versetzt. Die Farbe wechselt je nach der vorhandenen Menge 
Saliclysäure zwischen hellrot und tiefviolett. In einen anderen Meß- 
zylinder von gleichem Durchmesser wird eine bestimmte Menge 
destillierten Wassers (etwa so viel Kubikzentimeter wie beim ersten 
Zylinder) gegossen und mit der gleichen Menge Eisenchlorid versetzt. 
Nun wird aus einer Bürette tropfenweise eine wässerige Natrium- 
salicylatlösung (0,1 g zu 1000 Wasser) hinzugesetzt, bis die Farbe der 


1) Sauerland, diese Zeitschr. 40, 66, 1912. 
2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 8, 817, 1875; zitiert nach A. Heffter 
in Neubergs Handbuch ‚Der Harn‘ 1, 820. Verlag Springer, 1911. 


350 A. A. Christomanos: 


Lösung des ersten Zylinders möglichst gleicht. Die Menge Salicyl- 
säure ergibt sich aus den verbrauchten Kubikzentimetern Natrium- 
salicylatlösung (l ccm entspricht 0,0000862 g Salicylsäure) und der 
Differenz des Volumens der beiden Lösungen in den zwei Meßzylindern. 


Bestimmung der Schwefelsäure und der Ätherschwefelsäure'). 


Der Harn wird in der Kälte mit verdünnter Salzsäure und einem 
Überschuß 5proz. Bariumchloridlösung versetzt. Nach 24 Stunden 
wird der Niederschlag abfiltriert, geglüht und gewogen. Er stellt die 
präformierte Schwefelsäure dar. Eine andere Harnfraktion wird mit 
einigen Kubikzentimetern konzentrierter Salzsäure gekocht und in der 
Wärme mit 5proz. Bariumchlorid versetzt. Nach 24 Stunden wird 
der Niederschlag abfiltriert, geglüht und gewogen. Er stellt die 
Gesamtschwefelsäure dar. Durch Subtraktion des Wertes der prä- 
formierten Schwefelsäure von der Gesamtschwefelsäure erhält man den 
Wert für die aromatische Schwefelsäure. 

Es ergab sich aus unseren Versuchen, daß nach Einnahme von 
o-Oxybenzylalkohol sowie p-Oxybenzylalkohol die Menge der ge- 
paarten Schwefelsäure im Harn proportional der eingeführten Menge 
zunimmt. Es muß dabei bemerkt werden, daß nach Einnahme von 
o-Oxybenzylalkohol die entsprechende Säure kolorimetrisch im Hame 
nachzuweisen ist, während für die Bestimmung der p-Oxybenzoesäure 
eine entsprechende Methode nicht bekannt ist. Im Gegensatz zu diesen 
beiden Alkoholen wurde nach Einnahme des 2, 6-Dimethylol-p-Kresols 
keine Erhöhung der Werte für die gepaarte Schwefelsäure festgestellt. 
Nach Behandlung des Harns, wie oben bei der Isolierung der Salicyl- 
säure geschildert, gab der Rückstand der ätherischen Lösung mit 
Eisenchlorid eine rotviolette Färbung. Diese ist verschieden von der 
Färbung, die der reine Dialkohol gibt. Hier ist die Färbung rein blau. 
Welches Umwandlungsprodukt des Dialkohols hier vorliegt, geht aus 
den vorliegenden Versuchen nicht hervor. 


Zusammenfassung. 


l. Zum pharmakologischen Vergleich mit dem o-Oxybenzyl- 
alkohol (Saligenin) wurde der m- und p-Oxybenzylalkohol, außerdem 
ein Dialkohol, das 2, 6-Dimethylol-p-Kresol, dargestellt. 

2. Der p-Oxybenzylalkohol zeigt eine schwache antiseptische 
Wirkung, noch schwächer wirkt die m-Verbindung und noch schwächer 
die o-Verbindung. Bei den entsprechenden Säuren nimmt die anti- 
septische Wirkung in der Reihenfolge o-, m-, p-Oxybenzoesäure ab. 


1) Vgl. auch Thierfelder, Handb. d. chem. Analyse, 9. Aufl., 1924, S. 690. 











Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 351 


3. Während der o-Oxybenzylalkohol eine deutliche lokalanästhe- 
tische Wirkung hat, wirkt die m-Verbindung sehr schwach, bei der 
Paraverbindung ist eine lokalanästhetische Wirkung nicht fest- 
zustellen. 

4. Bei Fröschen und Mäusen rufen die Oxybenzylalkohole eine 
allgemeine Lähmung mit zentralem Angriffspunkt hervor. Zuweilen 
folgt dem Lähmungsstadium ein Stadium gesteigerter Reflexerreg- 
barkeit. 

5. In Versuchen am Menschen wird gefunden, daß der o0-Oxy- 
benzylalkohol zum Teil zu Salicylsäure oxydiert wird, gleichzeitig 
findet eine Paarung mit Schwefelsäure statt, da nach Einnahme des 
Alkohols die Menge der aromatischen Schwefelsäuren im Harne 
zunimmt. 

6. Bei der p-Verbindung haben wir die gleichen Verhältnisse, nur 
ist hier der Nachweis der Oxydation zu der entsprechenden Säure 
mangels charakteristischer Reaktion nicht möglich. 

7. Eine Paarung mit Schwefelsäure konnte bei 2, 6-Dimethylol- 
p-Kresol nicht nachgewiesen werden. 


Über eine neue Form der Chinhydronelektrode. 


Von 
W. Mozolowski und dJ. K. Parnas. 


(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität Lwów.) 


(Eingegangen am 6. Januar 1926.) 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


Das große Interesse, welches die Chinhydronelektrode gefunden 
hat, und ihre so zahlreichen Anwendungen haben es mit sich gebracht, 
daß in den letzten Jahren viele Modelle der Elektrodengefäße 
vorgeschlagen und auf den Markt gebracht worden sind. Es war 
in der Konstruktion und Anwendung der Chinhydronelektroden 
fast eine Übereiltheit zu bemerken, neben wohlüberlegten, zweck- 
mäßigen Formen!) wurden komplizierte, unzweckmäßige Vorrichtungen 
empfohlen, und es konnte vorkommen, daß die Chinhydronelektrode 
für Messungen am Vollblut empfohlen wurde, ohne daß bemerkt worden 
ist, daß infolge der vollständigen Umwandlung von Oxyhämoglobin 
in Methämoglobin nicht nur das Gleichgewicht der Basen und Säuren 
im Blute, sondern auch das Verhältnis des Chinons zu Hydrochinon 
völlig verschoben wird. 

Der neuen Form, die wir hier beschreiben wollen, liegt die Er- 
fahrung zugrunde, daß es für die schnelle und sichere Einstellung des 
Elektrodenpotentials — besonders im gefährlichen Gebiet der schwach 
alkalischen Reaktion — wichtig ist, die Elektrode von ungelöstem 
Chinhy«iron völlig umgeben zu halten?). 


1) Vgl. besonders Cullen und Biilmann, Journ. of biol. Chem. 64, 
729, 1925; Kolthoff, Zeitschr. für physiol. Chem. 144, 259, 1925; Schaeffer 
und Schmidt, diese Zeitschr. 156, 63, 1925. 

2) Die immer wiederholte Theorie, welche die Chinhydronelektrode als 
eine Wasserstoffelektrode vom Wasserstoffdruck gleich 10-724 Atmosphären 
auffaßt, sollte eigentlich nach den Darlegungen von Clark (Determination 
of H-Ion-Concentration, 2. Aufl., 1923, S. 245 bis 259) aus den Abhand- 
lungen und Büchern verschwinden; sie ist nicht nur physikalisch sinnlos, 
sondern auch in bezug auf die Konstruktion der Elektroden irreführend. 


W. Mozolowski u. J. K. Parnas: Neue Form der Chinhydronelektrode. 353 


Eine Überschichtung des Elektrodenmetalls mit Chinhydron ist 
besonders dann wichtig, wenn man in salzhaltigen oder alkalischen 
Lösungen mit hydrochinongesättigten Chinhydronelektroden arbeitet. 
Dieser Punkt wird, ohne besondere Begründung, in dem neuen Hand- 
buch von Ostwald Luther!) betont (,in diesem Falle schüttelt man die 
Lösungen einige Stunden mit den Bodenkörpern und läßt diese bei der 
Messung die tief eingetauchte Elektrode umgeben‘), er scheint auch 
in der wohlüberlegten Elektrode von Ettisch?) zum Teil berücksichtigt 
zu sein, wo die Drahtspitze in die Chinhydronschicht am Boden ein- 
taucht, wie aus der Zeichnung zu ersehen ist. 

Unsere Elektrode besteht aus einem Glasröhrchen, dessen Boden 
durch aufgebranntes Gold inwendig vergoldet ist; die Vergoldung 
kommuniziert durch einen im Boden eingeschmolzenen Platindraht 
mit dem ableitenden Draht. Sie kann leicht in jeder Größe, auch für 
sehr kleine Flüssigkeitsmengen angefertigt werden. Über der Ver- 
goldung sind die Wände des Röhrchens eingebuchtet, damit die Ver- 
goldung nicht verletzt und der ableitende Heber in einiger Entfernung 
von der Chinhydronschicht gehalten wird. l 


Die Einzelheiten sind aus der Zeichnung zu ersehen (Abb 1). Zur 
Anfertigung der Elektrode schmilzt man in den Boden eines passend 
weiten Röhrchens aus Thüringer Glas einen 
Platindraht ein, der etwa 3mm ins Innere 
ragt, und legt ihn im Inneren eng an die Wand. 
Man löst etwa 0,lg Goldchlorid in einem 
Tropfen absoluten Alkohols. auf und gibt, - 
unter Kühlung mit Leitungswasser, einen 
Tropfen Lavendelöl dazu; von der braunen 


Lösung bringt man vorsichtig einen Tropfen GE EE 
auf den Boden des Elektrodenröhrchens. Man Vë Vergoldung 
steckt nun in dieses Rohr ein zweites, fast an — Zement 
den Boden reichendes Rohr, durch das man — lu Droht 


Luft durchsaugt, und beginnt mittels kleiner 
Flamme etwa lcm oberhalb des Bodens vor- 
sichtig zu erhitzen, indem man das Elektroden- 
rohr um das innere Rohr dauernd dreht. Man erhitzt schließlich, nach 
vorsichtiger Eintrocknung und Veraschung, in immer größerer, zum 
Schluß in der rauschenden Flamme des Bunsenbrenners. Wenn die 
Goldschicht nicht gleichmäßig ist, muß man die Aufbrennung wieder- 
holen. Man soll eine glatte, in Durchsicht blaue Vergoldung erzielen, 
wie man sie auf alten venezianischen Gläsern sieht. 





1) Ostwald Luther, Physikochemische Messungen, 4. Auri., 1925, S. 480. 
2) Ettisch, Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie 42, 302, 1925. 


354 W. Mozolowski u. J. K. Parnas: Neue Form der Chinhydronelektrode. 


Zum Schluß macht man in der Gebläseflamme, etwa 8 bis 10 mm 
über dem Boden, mittels eines Drahtes Einbuchtungen in die Röhren- 
wände und behandelt die Vergoldung einige Stunden lang mit ver- 
dünnter Salpetersäure. An den Platindraht wird ein längerer Kupfer- 
draht angelötet, und die Drähte werden durch ein darübergeschobenes 
Glasrohr mittels Khotinskizements fixiert und an dem Elektrodenrohr 
befestigt. 

Die Füllung und Reinigung der Elektrode — durch Ausspritzen 
mit Wasser — ist überaus einfach und schnell. Die Elektrode stellt 
sich augenblicklich ein. 

Die Zusammenstellung des Elements geschieht mittels eines Ver- 
bindungsstücks, welches zur Hälfte mit Chlorkaliumagar und dessen 
enger zweiter Arm mit der untersuchten Flüssigkeit gefüllt wird. Die 





Abb. 2. Abb. 3. 


Chinhydronelektroden haben einen Salzfehler, und es ist deshalb nicht 
zweckmäßig, den KCl-Agarheber direkt in den Elektrodenraum ein- 
tauchen zu lassen, besonders dann, wenn man nur wenig untersuchte 
Flüssigkeit in der Elektrode hat. Die Halbagarheber (Abb. 2) ent- 
fernen die starke KCl-Lösung aus dem Elektrodenraum. Sie werden, 
wenn außer Gebrauch, in der gesättigten K Cl-Lösung gehalten und sind 
dann, nach Durchspülung des freien Armes mit Wasser gebrauchs- 
fertig. Ähnliche Dienste leistet übrigens auch ein gewöhnliches Agar- 
U-Rohr, dessen Enden nach oben umgebogen (Abb. 3) und nicht ganz 
mit Agar gefüllt sind; man füllt dann über das Agar einen Tropfen der 
untersuchten Lösung und taucht dann erst ein. Ein solches Rohr kann 
auch dazu dienen, um Chinhydronketten zusammenzustellen, wenn 
man diesen vor dem Element Chinhydronelektrode-Kalomelelektrode 
den Vorzug gibt und die Rechnung vereinfachen will. 


Über Samenfädenagglutination 
unter Einwirkung chemischer Agenzien.! 


Von 
Bernard E. Kalwaryjski. 


(Aus dem medizinisch-chemischen Institut und dem histologisch-embryo- 
logischen Institut der Universität Lwów.) 


(Eingegangen am 6. Januar 1926.) 
Mit 24 Abbildungen im Text!). 


Einleitung. 


Das Entstehen der vorliegenden Arbeit geht von einer Beobachtung 
über den Einfluß des Kohlendioxyds auf den Befruchtungsvorgang und 
auf die ersten Stadien der Embryonalentwicklung der Rana temporaria 
aus. 

Die erste in Leitungswasser vorbereitete Aufschwemmung der 
Temporariasamenfäden, die einer CO,-Atmosphäre ausgesetzt wurde, 
erlag nämlich nach etwa 20 Sekunden einer Ausflockung. Die Flocken 
waren annähernd 1 bis 2cmm groß. 

Nachdem alle möglichen Fehlerquellen der Versuchsanordnung 
und Beobachtung sorgfältig ausgeschlossen waren, konnte man zweifellos 
feststellen, daß die in Leitungswasser aufgeschwemmten Spermien 
einer Agglutination unter der CO,-Einwirkung unterliegen. 

Diese Arbeit wurde unternommen, um sowohl für diese Tatsache 
als auch einige verwandte Erscheinungen eine Erklärung zu bringen. 

Die Ausflockungsphänomene der Samenfäden verschiedener Tier- 
arten waren von vielen Autoren beobachtet und beschrieben. Jedoch 
erst in dem letzten Jahrzehnte hat man diesen Erscheinungen, welche 
sich als sehr allgemein erwiesen, mehr Aufmerksamkeit geschenkt. 


1) Die Objekte sind mit dem photographischen Okular von Zeiss „Phoku“ 
aufgenommen, und zwar Abb. 1, 2, 5, 6, 8 bis 10, 12 his 14, 16 bis 18, 20, 
21 und 23 mit Zeiss Apochr. 16mm, Abb. 3, 4, 7, 11, 15, 19, 22 und 24 mit 
Zeiss homogener Immersion !/,". Alle hier wiedergegebenen Objekte ent- 
stammen den Hoden von Rana temporaria und stellen eine etwa zweimalige 
Vergrößerung der Originalaufnahmen dar. 


356 B. E. Kalwaryjski: 


Die älteren und neueren Angaben über dieses Thema sind so zerstreut 
und schwer zugänglich, daß es mir trotz aller Mühe nicht gelungen ist, die 
ganze Literatur zu sammeln. Die folgende Darstellung soll die Angaben 
zunächst chronologisch ordnen. Erst bei der Besprechung eigener Er- 
gebnisse werde ich zu einer kritischen Übersicht kommen. 

A. Kölliker!) beschreibt unter anderem die Ausflockung der Samen- 
fäden unter dem Einfluß verschiedener Chromsäurelösungen: 1: 400, 
1:100 und 1:40. In der letztgenannten Lösung dauert die Bewegung 
noch 1 bis 2 Minuten und sodann ‚backen‘ „die Fäden mit einem sich 
bildenden Gerinnsel zusammen“, 

J. Loeb?) berichtet in seiner Arbeit über die Befruchtung der Seeigeleier 
mit Seesternsamen, daß Zusatz von mehr als l cem n/10 NaOH-Lösung 
zu der Spermaaufschwemmung eine tiefgreifende Veränderung des Aus- 
sehensder Suspension zur Folge hat. „Man bemerkt oft“ — schreibt J. Loeb—, 
„daß die trübe Suspension des Samens in der Lösung sich ziemlich plötzlich 
klärt. Das beruht auf einer Fällung des Samens. Wenn das eintritt, so findet 
keine Befruchtung statt. Ich vermag‘ — schreibt J. Loeb —, „den Grund für 
diese Beziehung nicht anzugeben“. 

In seiner nächsten Arbeit über dasselbe Thema beschreibt J. Loeb?) 
eine starke Agglutination der Ochracea-Samenfäden, welche 13 Minuten in 
Seewasser verweilten, das auf 100 ccm 2ccm n/10 NaOH enthielt. Samen- 
fäden, die so behandelt und nachher in Strongyluseier enthaltendes 
Seewasser versetzt wurden, befruchteten nicht mehr. Die Samenfäden 
agglutinierten stark unter Klumpenbildung. ‚Beim Beginn dieser Agglu- 
tination waren die einzelnen Spermatozoen noch beweglich, und die Be- 
weglichkeit der Spermatozoen beschleunigte die Bildung von größeren 
Aggregaten einzelner Spermatozoen. Später aber hörte auch die Beweglich- 
‚keit der Spermatozoen auf.“ J. Loeb beruft sich auf Taylor, nach dessen 
Meinung die Agglutination der Seesternsamenfäden der Vidolschen Probe 
sehr ähnlich ist. Außerdem überzeugte er sich, ‚daß die Agglutination in 
alkalischem Seewasser nicht nur bei dem Samen von Asterias ochracea zu 
beobachten ist, sondern auch bei dem Samen von Asterias capitata, Pygno- 
podia spuria und Asterina‘“. 

Die Samenfäden der Seeigel agglutinieren unter denselben Bedingungen 
nicht. J. Loeb unterscheidet zwei Arten der Agglutination: 1. die Agglu- 
tination der Samenfäden auf der Oberfläche der Eier, welche .befruchtet 
werden sollen; 2. die Agglutination der Samenfäden untereinander. Die 
zweite entspricht ‚der Erscheinung der Klumpen- oder Niederschlagbildung, 
obwohl der agglutinierte Samen nicht notwendig zu Boden fällt‘. Im See- 
wasser unter Beigabe von n/l0 HCl im Verhältnis von 100: 2 bilden die 
Samenfäden oft Klumpen, aber nicht immer. Deswegen will auch J. Loeb 
nicht annehmen, ,... daß die Klumpenbildung (Agglutination) der Samen- 
fäden miteinander ein vorgerückteres Stadium der Veränderungen bildet, 
welche die Befruchtung des Seeigels ermöglichen‘“. 

Fr. R. Lillie*) machte in seinen Befruchtungsstudien mehrere Beob- 
achtungen über die Agglomeration der Samenfäden der Echinodermen(Arbacia) 
und der Polychaeten (Nereis). Er stellte fest, daß frische Aufschwemmung dee 


1) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 7, 233, 1856. 
2) Pflügers Arch. 99, 351f., 1903. 

3) Ebendaselbst 104, 335f., 1904. 

t) Journ. of exper. Zoology 14, 515 bis 574, 1913. 





Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 357 


Nereissamen schon nach 5 Sekunden nebelartige Anhäufungen bildet. Diese 
selbständige Verdichtung sieht Lite als ein Sympton der Aktivität an und 
nennt sie Aggregation. In der Annahme, daß CO, als ein Stoffwechselprodukt 
der Spermatozoen auf die oben erwähnte Erscheinung Einfluß hat, stellte er 
eine Reihe von Versuchen an, bei welchen er Seewasser anwandte, das mit 
Kohlensäure gesättigt war. Eine aus dieser Stammlösung angefertigte 
Iproz. Lösung wirkte bei Nereis so, daß ‚paralyzed the spermatozoa 
immediately‘. Eine 0,5proz. Lösung ruft bei schwacher Aktivität eine 
Aggregation hervor. Die Empfindlichkeit gegenüber CO, ist bei Nereis 
sehr ausgeprägt; die Loligo-Samenfäden bewegen sich in 50 proz. Lösung 
schwach, in 20proz. dagegen lebhaft. Vollständige Lähmung ruft bei 
Chaetopterus eine 331/,- bis 40proz. Lösung, bei Arbacia schon eine 3proz. 
hervor. Zum Vergleich untersuchte er das Verhalten des Spermas gegenüber 
H,SO, HCl, HNO, CH,COOH in n/1000 und n/10000 Lösungen. Es 
zeigte sich dabei, daß die Essigsäure die stärkste, die Salzsäure die schwächste 
lähmende Wirkung entfaltet. Die Samenfäden in n/5000 Salzsäurelösung 
sind stark aktiviert und erliegen der Aggregation, wogegen in n/5000 Essig- 
säurelösung die Samenfäden sich kaum bewegen. Die Nereissamenfäden 
sind den Laugen gegenüber sehr empfindlich und erliegen unter Klumpen- 
bildung der Agglutination, welche bei Anwendung sogar von starken Säuren 
niemals vorkommt. Eine n/2500 Kalilaugelösung bewirkt eine fast mo- 
mentane Agglutination, trotzdem sie chemotaktisch nicht wirkt. Die 
Samenfäden der Arbacia sind gegenüber der Säureeinwirkung mehr wider- 
standsfähig als die Nereisspermatozoen; die Empfindlichkeit der beiden 
Species den Laugen gegenüber ist ein gleiche. Die Agglutination bei beiden 
Arten ist irreversibel. Die Samenfäden behalten ihre Beweglichkeit in 
agglutinierten Massen bei. Die größte Aggregation ist in der Mitte des 
Tropfens der Spermaaufschwemmung zu beobachten. Nach Zugabe eines 
CO,-haltigen Wassertropfens zum Sperma unter einem Deckglas entsteht 
ein charakteristischer Ring. Die Samenfäden gelangen gar nicht zum 
Zentrum des hineingelassenen Tropfens, da ihre Bewegungen schon auf der 
Peripherie des Ringes aufhören. Die unter Einfluß von CO, aggregierten 
Samenfäden sind keineswegs agglutiniert, und ihr Verhalten entspricht 
der Aktivation in frischer Spermaaufschwemmung. Fr. Lillie vermutet, 
daß die Aggregation infolge positiver Chemotaxis der Samenfäden gegen 
Kohlendioxyd zustande kommt, welches ein Stoffwechselprodukt der 
Spermatozoen darstellt. Die Samenfäden, die direkt dem Deckglase auf- 
liegen, erliegen nicht der Aggregation infolge eines Antagonismus der 
Chemotaxis und der Thigmotaxis, zugunsten der letzteren. Bei älterer 
Aufschwemmung verläuft die ganze Erscheinung langsamer und schließlich 
hört sie ganz auf. Die durch hohe Temperatur abgetöteten Samenfäden 
verfallen nicht der Aggregation, was beweisen soll, daß sie keine physikalische 
Erscheinung ist. Ein mit CO, gesättigter Tropfen des Seewassers verursacht 
in Spermaaufschwemmung die Bildung des Ringes, welcher aus lauter 
gelähmten Samenfäden besteht. Außerhalb des Ringes besteht eine klare 
Zone, durch welche die Samenfäden mit großer Geschwindigkeit gegen den 
Ring losstürzen, wo sie fast momentan einer Erlahmung anheimfallen. Diese 
Erscheinung verläuft schnell, und im Resultat wächst die zentrale Aggre- 
gation mit einer merklichen Geschwindigkeit an, so daß in kurzer Zeit 
sämtliche Samenfäden gebunden werden. Bei der Anwendung schwacher 
Kohlensäurelösungen entsteht die Aggregation innerhalb des Tropfens, 
dagegen bei starken Lösungen auf der Peripherie. Nach der Meinung 
Fr. Lillies ist die plötzliche Aktivation der Samenfäden in Seewasser vcr- 
Biochemische Zeitschrift Band 169. 24 


358 B. E. Kalwaryjski: 


ursacht durch die Anwesenheit von Kohlensäure, welche durch die Sperma- 
tozoen produziert wird; dieser Vorgang fand durch die chemische Analyse 
seine Bestätigung. Etwas ältere Spermaaufschwemmungen weisen das 
Aggregationsphänomen nur gemeinsam mit der Thigmotaxis auf. Fr. Lillie 
unterscheidet prinzipiell die Aggregation von der Agglutination der 
Spermien; bei der Aggregation sind die Samenfäden nur locker verbunden 
und eine leichte Bewegung genügt, um sie loszulösen. In agglutinierten 
Massen sind die Spermatozoen sehr stark verfilzt, und selbststarkes Schütteln 
bringt eine Trennung nicht zustande. Die agglutinierten Nereissamenfäden 
lassen sich mit der Nadel oder durch tödlich wirkende Lösungen loslösen. 
Die Arbaciaspermatozoen weisen gewöhnlich eine schwächere Agglutination 
auf. Die Fragmentation des Ringes ist für die Agglutination charakteristisch. 
Die unter Einwirkung von Säuren gebildeten Ringe erliegen — aus- 
genommen schwache Säuren — der Fragmentation nicht. Die Agglutination 
kann so stark sein, daß die Flüssigkeit zwischen den agglutinierten Massen 
durchsichtig wird. Die agglutinierten Massen verschwinden langsam binnen 
einiger Minuten, aber die Agglutination läßt sich mikroskopisch noch nach 
mehr als einer halben Stunde nachweisen. Den agglutinierenden Faktor 
bilden die aus den Eizellen ausgeschiedenen Substanzen. Der Eizellen- 
extrakt übt auf die Samenfäden folgende Wirkungen aus: 1. regt auf kurze 
Zeit ihre Aktivität an; 2. verursacht chemotaktische Erscheinungen sowie 
die Agglutination und 3. schließlich lähmt die Samenfäden vollständig. 

Die Agglutination kommt zustande durch Verklebung der Spermatozoen- 
köpfe, die Schwänze bleiben anfänglich frei. Nur in späteren Stadien der 
Agglutination ist die Beweglichkeit der Samenfäden zerstört. Das Zu- 
sammenkleben der Köpfe weist auf Veränderungen der Protoplasma- 
häutchen hin. Die Köpfe der Nereisspermatozoen sind während der Agglu- 
tination sphärisch aufgequollen und verlieren dabei ihre Eigenschaft der 
starken Lichtbrechung. So veränderte agglutinierte Samenfäden liegen 
bewegungslos. Einzelne außerhalb der Agglutinate liegende Samenfäden 
trifft man nur fixiert am Glase und niemals freihängend in der Flüssigkeit. 

In einer weiteren Abhandlung unterscheidet Fr. Lillie!) voneinander 
prinzipiell verschiedene Erscheinungen, welche in der Spermaaufschwemmung 
der Arbacia stattfinden können: 1. Aktivation, 2. Aggregation, 3. Agglu- 
tination und 4. Massenkoagulation, welche letztere seitens Fr. Lillie als 
letale Erscheinung angesehen wird. Die Agglutination hat keine toxische 
Wirkung, schädigt nicht die Lebensleistungen der Spermien, ist reversibel 
und die Dauer der Agglutination ist von der Konzentration des aggluti- 
nierenden Mediums abhängig. Die Agglutination ist als eine biologische 
Erscheinung von der Aggregation zu trennen. Sie unterscheidet sich von 
der Aggregation sowohl durch eine stärkere Intensität der Erscheinung als 
auch dadurch, daß sie nicht wiederholt werden kann, sobald sie schon 
einmal stattgefunden hat. Weiter hängt die Agglutination von der physi- 
kalischen Adhäsion ab und ist spezifisch. Im Gegensatz zur Massen- 
koagulation ist nach Fr. Lilie die Aggregation 1. nicht toxisch, 2. reversibel 
und 3. von der Beweglichkeit der Samenfäden abhängig. Die Agglutination 
soll nur als eine durch Eierzellensekret ein und derselben Spezies verursachte 
Reaktion angesehen werden. | 

J. Loeb?) knüpft an die Untersuchungen Fr. Lillies an, wobei er die 
ganze Frage von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachtet. Er be- 


= 1) Biol. Bull. 28, 1 bis 21, 1915. 
2) Journ. of exper. Zoölogy 17, 123 bis 138, 1914. 





Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 359 


schreibt Gebilde unter dem Namen ‚‚cluster formation‘, die aus Samenfäden 
der Seeigel bzw. der Seesterne zusammengesetzt sind. Die Anwesenheit von 
Eizellen derselben Species in Seewasser bedingt das Vorkommen der 
„cluster formation‘. Diese Klumpenbildung hält J. Loeb als identisch mit 
der von Fr. Lillie beschriebenen Agglutination der Samenfäden. J. Loeb 
stellt fest, daß die Samenfäden durch Zusatz von NaOH-Lösungen, art- 
fremdem Eiweiß, Blutserum oder anderen Substanzen agglutinieren. Auf 
diese Weise agglutinierte Samenfäden erinnerten an kurze Fäden, die sich 
in unregelmäßige Netze verflechten. ‚Cluster formation‘‘ dagegen ähneln 
sehr den Oberflächenspannungsphänomenen. Die sich bildenden Massen 
besitzen eine sphärische Form; sobald zwei von solchen ‚‚cluster formation“ 
sich in allernächster Nähe befinden, fließen sie in eine größere sphärische 
Masse zusammen. Alle so zusammengeballte Samenfäden sind beweglich 
und schwimmen als ein Ganzes in Seewasser, welches Eierzellensekrete 
enthält. Sobald die Samenfäden sich entweder in reinem Seewasser oder 
im Seewasser nach Zugabe von artfremden Eiern befinden, dann ist dieses 
Phänomen nicht zu beobachten. Die wahre Agglutination weist weder die 
Oberflächenspannungsphänomene noch ‚Cluster formation“ auf. Nach 
J. Loeb ist die ‚Cluster formation‘ eine einfache Funktion der Samenfäden- 
beweglichkeit. Samenfäden, welche ihre Beweglichkeit durch Einwirkung 
von NaCN (1 bis 2 Tropfen 0,1 proz. Lösung auf 3 ccm Seewasser), KCl oder 
erhöhter Temperatur (35 bis 36°C) eingebüßt haben, bilden keine ‚‚cluster 
formation‘ im Seewasser, welches die dazu sonst nötigen Stoffe enthält. 
Sobald die Beweglichkeit der Samenfäden wiederkehrt, stellt sich die 
Haufenbildung wieder ein, wozu aber die Anwesenheit der Eizellen 
derselben Spezies notwendig ist. Die wahre Agglutination kommt 
zustande ohne Rücksicht darauf, ob die Samenfäden beweglich sind oder 
z. B. durch KCN-Einwirkung sie ihre Beweglichkeit eingebüßt haben. 
„Cluster formation‘ kann also nicht als eine Abstufung der Agglutination 
angesehen werden. Von J. Loeb beschriebene ‚‚cluster formation“ stellt 
sich mikroskopisch als perlartige Anhäufungen der Samenfäden dar. Inner- 
halb dieser Anhäufungen können sich frei liegende Samenfäden befinden, 
welche wiederum jederzeit sich der, Cluster formation‘ anschließen können. 
„Cluster formation‘ dauern nur einige Minuten, ähnlich wie die von Fr. Lillie 
beschriebenen Agglutinate. J. Loeb fand dabei, daß sie länger in neutraler 
als in alkalischer Lösung dauert, und daß die ‚‚cluster formation‘‘ um so 
schneller zerfällt, je mehr die Alkaleszenz des Seewassers durch Zusatz 
von NaOH erhöht wird. Auf Grund weiterer Beobachtungen nimmt 
J. Loeb an, daß ‚cluster formation‘‘ vom negativen Chemotropismus ab- 
hängig ist. Seewasser, welches aktive Substanzen der Eierzellen enthält, 
bewirkt diesen Chemotropismus. J. Loeb nämlich stellt sich vor, daß die 
von Fr. Lillie beschriebene Ringbildung mit einer hellen Zone um den hinein- 
gelassenen Tropfen herum die Folge sein kann eines negativen Chemo- 
tropismus der Samenfäden gegen die aus den Eiern ausgeschiedenen Stoffe, 
welche in dem Tropfen in hoher Konzentration enthalten sind. Dazu gesellt 
sich noch der postive Chemotropismus der Samenfäden gegen dieselben, 
aber durch Seewasser schon verdünnten Stoffe. Eier, die durch die 
Einwirkung von Salzsäure (3 cem n/10 HCl : 50 ccm Seewasser) von 
ihrer Membran befreit sind, gaben nie eine ‚‚luster formation‘, und 
Seewasser dagegen, welches Eizellenmembranen enthält, das vorher 
zuerst angesäuertt und dann durch Zusatz von NaOH neutralisiert 
wurde, gab noch im Verlauf von 3 Tagen ausgesprochene „cluster 
formation“. 


24 * 


360 B. E. Kalwaryjski: 


J. Gray!) beschreibt eine Agglutination der Forellensamenfäden unter 
dem Einfluß der Elektrolyten. Die Lanthanchloridlösung verklumpt die 
Spermatozoen in 0,003 mol. und sogar in 0,0005 mol. Lösung. In einer weiteren 
Abhandlung beschäftigt sich J. Gray?) mit den Agglutinationsphänomenen 
in Spermaaufschwemmungen von Echinus miliaris. Die drei- und vier, 
wertigen Chloride von La, Ce u. a. in oben erwähnter 0,0005 molhaltigen 
Konzentration, bringen die Spermatozoen zur völligen Ausflockung. 
Die Agglutination ist von der H'-Ionenkonzentration in hohem Grade 
abhängig, und in einem Medium, dessen pp etwas mehr als 6,5 beträgt, 
kommt sie nicht mehr zustande. Die durch Schwermetalle hervorgerufene 
Ausflockung kommt nur bei neutraler Reaktion zustande. Durch Zusatz 
von Natriumcitrat kann die Agglutination wieder aufgehoben werden. Die 
Samenfäden verlieren durch Zusatz mehrwertiger Kationen ihre negative 
Ladung, was mit der H'-Ionenwirkung identisch sein soll. Durch Zusatz des 
Natriumeitrats sollen die Samenfäden ihre vorherige Ladung von neuem 
gewinnen. 

J. Yamane?) beschreibt Haufenbildungen bei Pferdespermatozoen und 
betrachtet sie als von H-Ionenkonzentration und Elektrolyten abhängig. 
Besonders ausgeprägte Agglutination erhielt er in einer Lösung, zu welcher 
auf 10 ccm dünner Spermaaufschwemmung 0,2 bis 0,3 cem 10proz. Eisen- 
chloridsolution verwendet wurde. 


E.Gellhorn‘) beschreibt eine starke Agglutination der Teemporaria- 
Samenfäden, die ebenfalls unter der Einwirkung des Eisenchlorids zustande 
kommt. Gellhorn hält diese Agglutination für eine typische Wirkung des 
Eisenchlorids auf Samenfäden des Frosches. Eisenchlorid tötet die Sper- 
matozoen in sehr geringen Konzentrationen unter grober Ausflockung. 
Mikroskopisch erscheinen die Klumpen als ein dichtes Netzwerk, welches 
aus den Samenfäden gebildet ist. Die KCl + FeCl,-Lösung übt auf die in 
Agglutination geratenen Samenfäden keine Veränderung der äußeren Form 
aus; sieläßt jedochinden in Agglutination geratenen Samenfäden eine teilweise 
oder vollständige Auflösung in Kernchenreihen erkennen. In verdünnten 
Lösungen wirken außer den Fe”-Salzen agglutinierend noch Aluminium- 
und Bleisalze. Die Eisenchloridagglutination der Temporaria-Samenfäden 
ist nach Gellhorn ganz zu trennen von der Haufenbildung, welche Yamane 
bei Pferdesperma, Loew®) bei Ratienspermatozoen, Ballowitz*) bei Dasypus 
beschreiben. Nach Loews (l.c.) Angabe beschreibt Dewitz ähnliche Bildungen 
bei den Spermatozoen der weißen Maus. 


G. Hertwig?) beschreibt das Vorkommen einer sehr starken Agglutination 
der Temporariasamenfäden unter dem Einfluß der verdünnten Trypaflavin- 
lösungen, welche noch in 0,25 Prom. ihre Wirkung sehr deutlich ausübt. 
Eine Erklärung dieser Tatsache gibt @. Hertwig in seiner kurzen Mitteilung 
nicht an. 


1) Journ. of Physiol. 58, 308f., 1920. 

2) Proc. of the Roy. Soc., Ser. B., 91, 147 bis 157, 1920. 

3) Journ. of the College of Agricult. Hokkaido Imp. Univer. Sapporo 9, 
197 bis 226, 1921. 

4) Pflügers Arch. 198, 571 bis 573, 1922. 

5) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. 111, Abt. III, 118 bis 132, 1902. 

¢) Anat. Anz. 29, 321 bis 324, 1906. 

7) Verh. d. Anat. Ges. 58, 223f., 1924. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 361 


Die Abhandlung von M. Sampson!) über die Iso- und Heteroagglu- 
tination der verschiedenen Echinodermienspermien steht mit meiner 
Untersuchung in keinem direkten Zusammenhang, da ich mich in dieser 
Arbeit speziell nur mit der Chemoagglutination befasse. Einige Einzelheiten 
möchte ich jedoch anführen. Sampson beschreibt den Verlauf der Iso- und 
Heteroagglutination, wobei die Konfigurationen der Ausflockung Unter- 
schiede aufweisen. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Agglutina- 
tionsformen besteht darin, daß die Heteroagglutination als irreversible, die 
Isoagglutination dagegen als reversible erscheint. 

E. Godlewski jun.?) beschreibt eine Agglutination der Seeigelsperma, 
welche durch fremde Sperma inaktiviert wird, und in der Ausflockung eben 
den Grund der Inaktivation sieht (,,... l’essence des processus de Pin- 
activation du sperme d’oursin par le sperme ötranger‘‘). E. Godlewski jun. 
stellte fest, daß ein alkalisches Medium in hohem Grade die Agglutination 
begünstigt. In der erwähnten Arbeit spricht sich der genannte Autor über 
den Mechanismus des Agglutinationsphänomens nicht aus; in früheren 
Arbeiten?) *) 5) über den Antagonismus der verschiedenen Samenmischungen 
(Strongylocenirotus + Choetopterus + Dentalium) steht er auf dem Stand- 
punkt der Ehrlichschen Seitenkettentheorie, welche er als sehr nützlich und 
brauchbar für die von ihm erörterten Probleme erklärte. 

Aus den jüngst veröffentlichten Untersuchungen A. Waltons®) über 
die Ausflockung von sSeeigelspermaaufschwemmungen, welche mir erst 
nach dem völligen Abschluß meiner Versuche bekannt geworden sind, geht 
hervor, daß in extrem sauren Lösungen die Samenfäden ihre Wanderungs- 
richtung im elektrischen Felde ändern und zur Kathode wandern. Die 
Ausflockung ist von bestimmten H'-Ionenkonzentrationen abhängig. Die 
maximale Ausflockung liegt nach dem Verfasser für Seeigelspermatozoen 
im Gebiet oe = 3,0, welcher sich als isoelektrischer Punkt erwiesen hat. 


Material und Methodik. 


Das Untersuchungsmaterial stammte aus kräftigen und geschlechts- 
reifen Individuen der Rana temporaria, und nur vergleichungshalber wurde 
eine Spermaufschwemmung von Bufo vulgaris und Hecht (Esox lucius) 
benutzt. Die Experimente wurden nur teilweise während der Brunstperiode 
ausgeführt. Der Samen wurde dem kopulierenden Männchen aus den prall 
gefüllten Samenbläschen entnommen. Der größte Teil meiner Unter- 
suchungen wurde jedoch außerhalb der Brunstperiode ausgeführt, nämlich 
von November angefangen bis Ende März, und einige Experimente wurden 
schon nach der Kopulationszeit angestellt. Da natürlicherweise zu dieser 
Zeit keine Spur von einer Ansammlung des Samens in den Samenbläschen 
zu finden war, so blieb nur der eine Weg, eine Samenfädenaufschwemmung 
zu erhalten, nämlich die Hoden in einer Flüssigkeit zu zerfetzen. In den 
genannten Zeitperioden besaßen die Hoden eine Unmasse reifer Samenfäden, 


1) Biol. bull. of the marine hist. laborat. 48, 267 bis 284, 1922. 

2) C.r. Biol. 91, 84 bis 86, 1924. 

3) Bull. Inter. de l’Acad. de Science de Cracovie 1910. 

4) Arch. f. Entwick.-Mechan. 88, 193, 1911. 

5) Physiologie der Zeugung; Wintersteins Handb. d. vergl. Physiol. 8, 
2. Hälfte, S. 883 bis 884, 1914. 

€) Brit. Journ. of exper. Biol. 2, 13f., 1924. 


362 B. E. Kalwaryjski: 


was mit den Angaben der vortrefflichen Arbeit Witschis!) völlig übereinstimmt. 
Dieser stellte fest, daß noch nach 3 Wochen nach der Brunstperiode die 
Hoden befruchtungsfähige Samenfäden enthalten. Nach Ablauf der Brunst- 
periode spielen sich in den Hoden große Veränderungen ab, welche bei den 
„frühen Rassen‘ (zu welchen unsere einheimische Temporaris gehört) um die 
Mitte September zum Stillstand kommen. Die Ruheperiode dauert von 
der Mitte September bis zum Eintritt der Brunstperiode, und während 
dieser Ruheperiode sind die Hoden mit reifen Samenfäden vollgepfropft, 
die zu Bündeln angeordnet sind. Diese Bündel zerfallen in der Brunst- 
periode von selbst, aber der Zerfall dieser Bündel kommt fast ebensogut 
zustande, wenn man aus den Hoden eine Aufschwemmung bereitet. Die 
Tiere wurden in der Regel dekapitiert, und es wurde auch die Inhalations- 
narkose vermieden. Die Hoden wurden jedesmal ohne Peritoneumüberzug 
exstirpiert und jede Spur des Blutes wurde sorgfältig im fließendem Wasser 
abgewaschen. 

Die Spermaaufschwemmung wurde jedesmal in gleicher Weise immer 
gleichartig vorbereitet, indem man den Hoden in 2 ccm Flüssigkeit (meistens 
in Kontrollösung) mittels einer Pinzette in einem Uhrglas so lange zerzupfte, 
bis die so entstandene dicke Aufschwemmung eine milchige Beschaffenheit 
annahm. Die festeren Gewebe und allerlei Detritus wurden entfernt. 
Solche Aufschwemmung wird als Standardsuspension bezeichnet. Aus dieser 
wurden je nach Bedarf mittels einer Pipette 0,3 bis 0,75ccm der Auf- 
schwemmung entnommen und zu 10 ccm mit der nötigen Flüssigkeit vər- 
dünnt. Mit der so vorbereiteten Samenfädenaufschwemmung konnte man 
Versuche anstellen in Reagenzgläschen, Kolben, im hängenden Tropfen 
oder auch in mikroskopischen Gaskammern. Das für die Versuche nötige 
Kohlendioxyd entwickelte man im Kippschen Apparate unter allen. üblichen 
Kautelen, welche die Reinheit des Gases versichern. 

Bei den Untersuchungen über die Einwirkung des Kohlendioxyds auf 
die Samenfäden wurde eine unmittelbare Durchleitung des Gases durch die 
Aufschwemmung vermieden, da es sich als unzweckmäßig erwies, die 
Samensuspension stark durch die Gasblasen zu erschüttern. Die Exposition 
in reinem Kohlendioxyd als auch mit Kohlendioxydluftmischungen, wurde 
in Erlenmeyerschen Kolben von etwa 1 Liter ausgeführt. In einer Aqua dest. 
enthaltenden pneumatischen Wanne, wurden die Kolben mit Gas gefüllt. 
Anfangs wurden die Gasmischungen in großen Gasometern vorbereitet, 
besser jedoch erwies sich die Vorbereitung der Gasmischungen in den 
Kolben selbst, indem man jeden Kolben teilte und mit beliebigem Quantum 
Wasser füllte, welches mit CO, verdrängt wurde. 

Die vorbereitete Samenfädenaufschwemmung wurde mit einem 
schnellen Griff in die Kolben entleert, wieder mit Kork geschlossen, darauf 
wurden mit dem Kolben durch einige Minuten schaukelnde Bewegungen 
ausgeführt, um alle Flüssigkeitsteilchen mit dem Gasgemisch in Berührung 
zu bringen. 

Den Experimentbedingungen entsprechend, dauerte die Exposition 
von einigen Minuten bis zu 12 Stunden. Veränderungen, welchen die 
Samenfädenaufschwemmung unterlag, wurden makroskopisch während 
und nach der Exposition beobachtet. Außerdem wurden nach beendeter 
Exposition kleine Portionen des Versuchsmaterials mikroskopisch untersucht. 

Die Versuche in den mikroskopischen Gaskammern wurden folgender- 
maßen angestellt: Reines Kohlendioxyd bzw. die Gasmischung wurde durch 


1) Zeitschr. f. Zellen- u. Gewebelehre 1, 530 bis 541, 1924. 





Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 363 


ein zuführendes Röhrchen zugeleitet. Das ausführende Röhrchen der 
Gaskammer besaß ginen kurzen Gummischlauch, welcher in ein mit 
Wasser gefülltes Gefäß eingetaucht war, was einerseits eine stetige Kon- 
trolle des Gaszuflusses sicherte und andererseits das Eindringen der 
Luftatmosphäre in die Gaskammer während einer Sistierung des Gaszuflusses 
ausschloß. Zwischen der Gaskammer und der Gasquelle wurde ein Dreiwege- 
hahn angeschlossen, dessen einer Arm mit einer Wasserstrahlluftpumpe 
verbunden war, um im beliebigen oder nötigen Momente die Exposition 
zu sistieren bzw. eine energische Durchlüftung einzustellen. Vor der 
Durchlüftung war es immer nötig, das Kontroll- und Sicherheitsgefäß 
wegzunehmen, um eine sehr unangenehme Weasseraspiration in die Kammer 
zu vermeiden. 

Die Bestimmung der Weasserstoffionenkonzentration wurde nur auf 
dem kolorimetrischen Wege ausgeführt; als Indikatoren wurden die von 
J. Clark!) angegebenen Farbstoffe benutzt?). Als Standardlösungen 
wurden Mc Ilvains Pufferreihen benutzt, die sich als sehr praktisch erwiesen, 
da sie eine große Skala der H--Ionenkonzentration entwickeln können. Es 
hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen, mehrere Indikatoren für ein und 
dieselbe Puffermischung zu verwenden. Da die Samenfädenaufschwem- 
mungen trübe sind, so war es notwendig, sich des Walpoleschen Kom- 
parators zu bedienen und vorgeschriebene Kontrollen für die getrübten 
Lösungen anzuwenden. Die benutzten Reagenzgläser waren genau aus- 
gemessen, alle desselben Kalibers. Das Flüssigkeitsquantum betrug immer 
10 ccm. 

Die Versuche, welche die Aufgabe hatten, den Einfluß der Salze auf die 
Agglutination der Spermien zu erforschen, waren sehr einfach angestellt. 
Die Spermasaufschwemmungen wurden in denjenigen Lösungen vorbereitet, 
welche untersucht werden sollten in bezug auf ihre Einwirkungsweise. 
Die Lösungen wurden entweder genau titriert oder aus analytisch gewogenen 
Substanzen in verschiedenen Normalverdünnungen vorbereitet. 

Das Studium des Einflusses der Salze auf die Kohlensäureagglutination 
stieß auf eine Schwierigkeit, da an den Wänden der Kolben ein gewisses 
Quantum destillierten Wassers blieb, welches die Normalität der unter- 
suchten Lösungen in unberechenbarer Weise verdünnte. Diese Schwierigkeit 
konnte nicht ganz umgangen werden. Aber die Fehlerquelle wurde dadurch 
verringert, daß die Innenwände der Kolben paraffiniert wurden und das 
Gas in einem sehr langsamen Strome eingelassen wurde. Auf diese Weise 
blieben auf den Innenwänden der Kolben nur solche minimalen Wasser- 
tropfen haften, daß sie angesichts der verwendeten, ziemlich starken 
Lösungen in einer Quantität von 10 ccm als unschädlich für das Gesamt- 
ergebnis der Versuche betrachtet werden konnten. 

Die Untersuchung der Agglutination unter dem Einfluß anderer 
Agenzien wurde in Reagenzgläsern ausgeführt, wobei das Gesamtquantum der 
Flüssigkeit immer 10ccm betrug. Eine ganze Reihe der untersuchten Lö- 
sungen, wie z.B. stärker konzentrierte Säuren und Salze rufen große Ver- 
änderungen in der äußeren Form der Samenfäden hervor oder zerstören sie 
sogarganz. Diese Umstände waren für dieweitere Beobachtung sehr nachteilig. 
Um diesen Nachteil zu umgehen, wurde im neutralen Medium eine äußerst 





1) J. Clark, The Determination of Hydrogen Ions. Baltimore 1920. 
2) Thymol blue (T.B.), Brom-thymol-blue (B.T. B.), Cresol purple 
(C.P.) usw. 


364 B. E. Kalwaryjski: 


Gebrauchsmaterial entnommen wurden. Als sehr zweckmäßig erwies sich 
eine 0,3proz. MgCl,-Lösung [@elihorn!) gebraucht Leitungswasser], welche 
einen günstigen Einfluß auf die Lebensfähigkeit und Stabilität der äußeren 
Form der Temporariasamenfäden ausübt. So vorbereitete Suspensionen 
waren einige Stunden lang gebrauchsfähig. Den MgCl,-Zusatz konnte man 
in Deutung der Versuche ohne weiteres vernachlässigen, da es sich um 
Quantitäten handelt, die in Agglutinationsphänomenen keine Rolle spielen. 
(Berechnung: In n MgCl,-Lösung sind 47,7g des Salzes in einem Liter 
gelöst. Eine n/500 Lösung des Magnesiumchlorids in l cem besitzt etwa 
0,0000954 g des Salzes. Verdünnt man jetzt 0,3 ccm der in 0,3proz. MgCl,- 
Lösung vorbereiteten Samenfädenaufschwemmung bis zu 10 ccm, so kommt 
auf Leem so vorbereiteter Spermiensuspension 0,00009g MgCl, was 
annähernd einer n/500 Lösung entspricht. So eine starke Verdünnung 
kann ohne weiteres in diesen Experimenten vernachlässigt werden, da nur 
viel stärkere Lösungen, etwa n/10 eine Wirkung ausüben, was später ein- 
gehend erörtert werden soll.) 

Auf solche Weise vorbereitetes Material war sehr bequem zu hand- 
haben und erwies sich für diese Art von Experimenten als bestens geeignet. 

Die Kataphorese der Samenfäden in verschiedenen Medien und in ver- 
schiedenen Aggregatzuständen wurde so angestellt, daß eine mikroskopische 
Beobachtung der Erscheinungen möglich war. Die von L. Michaelis?) 
angegebene Anordnung wurde als bequemste gewählt. Um die Ströme 
in der Flüssigkeit möglichst zu sistieren, war es geeignet, einen Wall aus 
Glaserkitt, Wachs oder weichem Paraffin am Objektglas anzulegen, und so 
entstand ein kleines Bassin, in welchem sich keine Bewegung der Flüssig- 
keit andeuten konnte, was auch mikroskopisch auf den unbeweglichen 
(vorher abgetöteten) Samenfäden leicht festzustellen war. Bei der Deutung 
der Ergebnisse in solcher Weise angestellter Versuche ist jedoch größte 
Vorsicht angezeigt, da ja selbst ein Auflehnen der Hand auf den Tisch schon 
Niveaudifferenzen hervorruft, welche zu Täuschungen führen können. 
Die kataphoretische Wanderung, wurde jedesmal peinlichst kontrolliert 
unter stetigem, in gewissen Zeitintervallen wiederholtem Ändern der 
Stromrichtung. 


Experimenteller Teil. 


Den Versuchen mit Spermienaufschwemmungen gingen Versuche 
voraus, welche an lebenden Tieren und isolierten Hoden als ergänzende 
und zugleich als einführende Versuche angestellt wurden. Es handelt 
sich nämlich um Beantwortung der Frage, wie sich die Samenfäden 
bei den Tieren bzw. in den isolierten Hoden verhalten, welche durch 
den Einfluß einer reinen CO,-Atmosphäre asphyktisch geworden sind. 
Gesunde männliche Temporariaexemplare wurden unter eine Glasglocke 
gesetzt, durch welche Kohlendioxydstrom durchgeleitet wurde. Die 
Exposition dauerte 2 bis 28 Stunden. Erst mit der vollständigen 
Sistierung des Blutkreislaufs in den Schwimmhäuten, wurde die eigent- 


1) Pflügers Arch. 185, 266 bis 279, 1920. 
2) L. Michaelis, Praktikum der physikalischen Chemie, I. Aufl., 
1921, S. 100—102. 





Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 365 


liche Betrachtung eingeleitet, meist erst nach drei- bis vierstündiger 
Exposition. 

Es zeigte sich bald, daß in den ersten Minuten der Präparations- 
arbeit an den Tieren, die aus der Glasglocke herausgenommen wurden, 
der Kreislauf, wenn auch sehr träge, sich doch einstellte, und daß 
heftige reflektorische Zuckungen zum Vorschein kamen. Im Zustande 
einer tiefen Asphyxie präparierte Tiere zeichneten sich immer durch 
äußerst geblähte Lungen und Diastole des Herzens aus. Die Samen- 
'fädenaufschwemmungen aus den asphyktischen Exemplaren besaßen 
eine Lebensfähigkeit, welche den Kontrollaufschwemmungen gleich 
war. Die Tiere, welche sich 24 Stunden in einer CO,-Atmosphäre be- 
fanden und bei denen die vorderen Extremitäten von Totenstarre 
schon ergriffen waren, enthielten in den Hoden Samenfäden, die, in 
0,3proz. NaCl-Lösung aufgeschwemmt, anfangs bewegungslos waren, 
nach wenigen Minuten konnte man bei einer nicht unbeträchtlichen 
Zahl der Samenfäden Bewegungen und Oszillationen aufweisen. 
8 Stunden nach der Vorbereitung solcher Aufschwemmung konnte 
man noch bei vielen Samenfäden Bewegungen wahrnehmen. 

In einer zweiten Reihe der Experimente wurden die frisch prä- 
parierten Hoden der CO,-Einwirkung ausgesetzt. Proben des Materials 
wurden mittels einer Platinöse aus der Schnittoberfläche heraus- 
genommen und in verschiedenen Lösungen untersucht. Folgende 
Lösungen kamen in Betracht: Destilliertes Wasser (unwirksam als 
chemisches, stark wirkend als physiologisches Medium), Leitungs- 
wasser (für die ejakulierten Samenfäden als physiologisch zu be- 
trachtendes Medium), 0,3proz. MgC],-Lösung (als eine Flüssigkeit, die 
die Lebensfähigkeit der Samenfäden in bedeutendem Grade erhöht) 
und schließlich NNHCO,-Lösungen. NaHCO,-Lösungen wurden als ein 
Puffer gegenüber der säuernden Wirkung des Kohlendioxyds benutzt. 

Nach 1!/,stündiger Exposition der Hoden, wiesen die in destil- 
liertem Wasser aufgeschwemmten Samenfäden nur eine sehr schwache 
Beweglichkeit auf, aber nach 10 bis 15 Sekunden nehmen die 
Oszillationen an Energie zu. In Leitungswasser verhält sich eine kleine 
Portion der Samenfäden genau so. Eine Portion der Samenfäden 
wurde nach 2stündiger Exposition der Hoden in eine l proz. Na HCO,- 
Lösung gebracht. Nach wenigen Sekunden weist die Samenfäden- 
aufschwemmung regelmäßige Beweglichkeit der Spermien auf, und 
nach 2 Minuten stellen sich Deformationen der äußeren Gestalt der 
Samenfäden ein in Form von Ösen und Haken. In 0,3proz. MgCl,- 
Lösung sind die Spermatozoen aus dem exponierten Material viel 
weniger beweglich. Die 24stündige Exposition desselben Materials 
gab folgende Resultate: Die in destilliertes Wasser gebrachten Ver- 
suchsportionen weisen anfangs keine Bewegung auf, erst nach 11, bis 


366 B. E. Kalwaryjski: 


2 Minuten kann man einige langsame Bewegungen mancher Samen- 
fäden beobachten. In Leitungswasser verhält sich die Sache fast ebenso. 
In 0,1l proz. NaHCO,-Lösung läßt sich nach 30 bis 40 Sekunden eine 
leichte Bewegung beobachten, welche jedoch nicht zunimmt. Die 
Deformation der Samenfäden ist viel weniger häufig als in destilliertem 
oder Leitungswasser. In 0,3proz. MgCl,-Lösung führt nur eine kleine 
Zahl der Samenfäden Bewegungen aus. 

In der dritten Versuchsserie wurden Spermatozoen solcher Exem- 
plare untersucht, die 24 Stunden vor der Untersuchung getötet wurden; 
ein Teil der Samenfäden war gut beweglich. 

Die Lebensfähigkeit der Samenfäden, die unter verschiedenen 
Bedingungen entnommen wurden, verhielt sich nun gleichartig, un- 
abhängig davon, ob 1. die Samenfäden von Individuen abstammen, 
die einer sehr langen Einwirkung des Kohlendioxyds ausgesetzt, aber 
sonst nicht beschädigt waren, oder ob 2. an isolierten Hoden, welche 
in einer CO,-Atmosphäre verweilten, und endlich 3. an solchen Exem- 
plaren, die bereits 24 Stunden tot waren. Die Samenfäden, welche 
aus den mit CO, behandelten Tieren bzw. den isolierten Hoden ab- 
stammen, zeigen zunächst keine Bewegungen, und erst nach einigen 
Minuten lassen sich Bewegungen des Schwanzes beobachten. Auch 
Samenfäden, welche in isolierten Hoden der Kohlendioxydwirkung 
ausgesetzt wurden, liegen anfangs bewegungslos und erst nachträglich 
stellen sich die Bewegungen ein. 

Die Reihenfolge der völligen Lähmung und nachherigen Be- 
wegungen macht die Annahme einer Narkose der Samenfäden durch 
Kohlendioxyd sehr wahrscheinlich. 

Es wäre noch zu beantworten, warum die entnommenen Samen- 
fädenproben keine Agglutination aufweisen. Vorläufig dürfte man 
annehmen, daß entweder die Konzentration des Kohlendioxyds in 
den Samenfäden zu klein war, um nach Verdünnung zum Volumen 
der Aufschwemmung eine Agglutination zustande zu bringen, oder 
daß im Innern der Hoden besondere Bedingungen existieren, welche 
die agglutinierende Wirkung des Kohlendioxyds hemmen und welche 
die CO,-Einwirkung nur auf eine Hemmung der Bewegungen beschränkt. 

Die NaHCO,-Lösungen wurden schon bei diesen Experimenten 
gebraucht, um die säuernde Wirkung des Kohlendioxyds zu puffern; 
diese Lösung übt eine günstige Einwirkung auf die Beweglichkeit und 
das Erhalten der normalen äußeren Form der Samenfäden aus. 

Die Einwirkung des Kohlendioxyds auf die Spermatozoen ist im 
hohen Grade abhängig von dem Medium, der Aufschwemmung. Man 
muß also noch die Einwirkung des Mediums auf die Samenfäden berück- 
sichtigen, sowohl in bezug auf das Verhalten der Beweglichkeit als auch 
in bezug auf das Verhalten der äußeren Gestalt der Spermatozoen. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 367 


Da Veränderungen der äußeren Form der Samenfäden sich oft wieder- 
holen werden, so mögen hier die charakteristischen Deformationen be- 
sprochen sein. Es handelt sich hauptsächlich um Spermienformveränderungen, 
welche schon seit Leuvenhoek (1687) bekannt sind [zitiert nach Broman})], 
und welche in einer Knickung und Zusammenrollung des Kopfes bestehen. . 
Kölliker?) beschreibt genau analoge Veränderungen. Nach Beschreibung 
Bromans (l. c.) rollen sich die Köpfe uhrfederähnlich ein. Die Deformationen 
der äußeren Gestalt der Samenfäden sieht Broman als ‚„krampfartige 
Veränderungen‘ an und unterscheidet keine anderen Formen mehr. G. Gell- 
korn (Le, S. 10) macht noch auf eine weiter fortgeschrittene Deformation 
der Temporariasamenfäden aufmerksam. Nämlich in KCl-Lösungen bilden 
die Samenfäden schon nach einigen Minuten nicht nur Ösen, sondern auch 
vollständige Ringe, welche lange Zeit Rotationsbewegungen ausführen und 
manchmal fortechreitende oder pendelartige Bewegungen aufweisen. 
Der von Gellhorn beschriebenen Form bin ich sehr oft begegnet. Außer 
diesen Formen wurden von mir noch einige andere beobachtet, die, obwohl 
sie sehr oft hervortraten, jedoch die Aufmerksamkeit des Beobachters wenig 
in Anspruch nahmen; es handelt sich nämlich um Veränderungen der 
Gestalt der Samenfäden, die darin bestehen, daß entweder das Ende des 
Schwanzes sich einrollt und äußerst lebendige Bewegungen ausführt, oder 
daß die Spermatozoen die Gestalt des Buchstabens ‚V‘‘ annehmen und in 
der Regel im Raume beweglich sind. Diese Formänderungen sind wahr- 
scheinlich als anfängliche Stadien der nächstfolgenden Deformationen zu 
betrachten, da in den Aufschwemmungen, welche nur tote Samenfäden 
enthalten, den oben beschriebenen Formen nie begegnet wurde und dieselbe 
Aufschwemmung einige Zeit vorher dennoch reich an diesen Übergangs- 
formen war. Die nach Bromann (l. œ) und @ellhorn (l. c.) angegebenen Zeit- 
fristen und Medien, in welchen die Deformationen auftreten, stimmen 
mit den meinigen nicht überein. Nach Broman führt erst zwei- bis vier- 
stündiges Verweilen der Spermatozoen in gewöhnlichem Wasser zu den 
charakteristischen Deformationen. Hunderte — meinerseits — ausgeführte 
Versuche und zahllose Beobachtungen zeigen aber, daß in Leitungswasser 
schon nach 4 Minuten die Formveränderungen der Samenfäden aufzutreten 
beginnen, und nach 45 Minuten kann man nur ausnahmsweise normalen 
Spermatozoen begegnen. Die Formveränderungen, welche durch Einrollen 
des ganzen Körpers der Samenfäden zustande kamen, werden von Gellhorn 
als charakteristisch (spezifisch) für KCl-Einwirkung erklärt. Die von 
Gellhorn beschriebenen und mikrophotographisch abgebildeten Deformationen 
erhielt ich schon nach einigen Sekunden in destilliertem Wasser; normal 
aussehende Samenfäden wurden nach 5 bis 10 Minuten nur ausnahmsweise 
beobachtet. Auch in Leitungswasser kamen die Deformationen vollständig 
zustande, obwohl in nicht so kurzer Zeit, und die Samenfäden bewegten 
sich noch eine Zeitlang. Deshalb bin ich der Meinung, daß die von @ellhorn 
beschriebene K Cl-Einwirkung auf die Samenfäden nicht als spezifisch zu 
betrachten ist. Nach Gellhorn entstehen in Leitungswasser die ösen- 
artigen und federähnlichen Deformationen der Spermatozoen erst nach 
einigen Stunden und sind als durch den Tod bedingte Veränderungen 
zu betrachten. 


1) Arch. f. mikr. Anat. 70, 331 bis 339, 1907. 
2) Handb. d. Gewebelehre d. Menschen. Bearb. v. v. Ebner, III. Aufl., 
8, 424, 1902. 


368 B. E. Kalwaryjski: 


In Salzlösungen, welche die äußere Gestalt und Beweglichkeit der 
Samenfäden erhalten, sind die toten Spermatozoen gar nicht oder sehr wenig 
deformiert, wie z. B. in 0,3proz. MgCl,-Lösung, wo die Deformationen 
äußerst selten zu begegnen sind. 


Was die narkotische Wirkung des CO, auf die Samenfäden an- 
belangt, so wurde zweifellos eine zweiphasige Reaktion festgestellt ; 
eine anfängliche Erregung!) und darauf folgende Lähmung der Beweg- 
lichkeit. H. Nagai?) hat bei der Wimperbewegung der Paramäcien 
die zweiphasige Reaktion durch die Einwirkung des CO, nachgewiesen. 
Nagatis und meine Beobachtungen differieren jedoch in mancher Hin- 
sicht, was sich durch die Verschiedenheit der Objekte und ihrer Emp- 
findlichkeit erklären läßt. Bei den Erregungs- bzw. Lähmungs- 
phänomenen, welche die Samenfäden aufweisen, kommen hohe 
Tensionen des Kohlendioxyds in Betracht; auch die Art des Mediums 
spielt hier eine hervorragende Rolle. Die Samenfäden, welche in reiner 
CO,-Atmosphäre bis 30 Minuten verweilen und völlig erlahmt er- 
scheinen, erreichen ihre Beweglichkeit und Lebensfähigkeit wieder, 
wenn man die Spermaaufschwemmung energisch durchlüftet. Die 
Belebung betrifft nur eine kleine Zahl sämtlicher Samenfäden. Einmal 
gelang es mir, die Belebung von Samenfäden in einer Aufschwemmung 
zu beobachten, welche über 1 Stunde reinem CO, ausgesetzt war. 


Th. Engelmann?) weist auf die Möglichkeit der Belebung von Zellen 
hin, welche der CO,-Einwirkung ausgesetzt waren, und zwar durch das 
Durchlüften mit einem indifferenten Gase bzw. mit der Luft. Er betont die 
Bedeutung der chemischen Neutralisierung des Mediums, für welche bei 
Ansäuerung durch das Kohlendioxyd eine Durchlüftung genügend erscheint. 
Auch macht Th. Engelmann auf die anfängliche Erregung und nachherige 
Lähmung der Wimperbewegungen unter dem Einfluß der Säuren aufmerk- 
sam. Diese Erscheinung beschreibt unter anderem auch Weinland*), und 
die Angaben Eingelmanns bestätigt E. Gellhorn (l. c., S. 278). 


Da die Einwirkungsweise des Kohlendioxyds auf die Samenfäden 
unter verschiedenen Bedingungen auch zu verschiedenen Erscheinungen 
führt, so beginne ich die Beschreibung dieser mannigfaltigen Bilder mit der 
Erörterung einer zehnminutigen Einwirkung des Kohlendioxyds auf die 
in Leitungswasser aufgeschwemmte Spermiensuspension. Der Verlauf 
der Erscheinung in einem mit CO, gefüllten Erlenmeyerschen Kolben geht 
folgendermaßen vor sich: Anfangs behält die Aufschwemmung noch durch 
einige Sekunden den vorherigen asbestartigen Schimmer. Alsbald beginnt 
sie matt zu erscheinen und ungefähr nach einer Minute erscheinen in der 
Aufschwemmung kleine Flocken, welche rasch an Volumen zunehmen, so 


1) Eingehende Besprechung und ausführliche Literaturangaben über 
das Erregungsstadium bei den Narkoseerscheinungen findet man in Winter- 
steins Monographie über die Narkose (Berlin, J. Springer, 1919). 

2) Zeitschr. f. allgem. Physiol. A. 34 bis 42, 1905; 6, 201f., 1907. 

3) Handb. d. Physiol., Herausgegeb. von L. Hermann, 1, 363f., 1879. 

4) Pflügers Arch. 58, 109, 1894. 





Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 369 


daß sich die Flüssigkeit ganz aufklärt. Die in dieser Weise veränderte Auf- 
schwemmung ist 2 bis 3 Tage haltbar. — In der Gaskammer, durch welche 
CO, ständig strömt, hat die Erscheinung denselben Verlauf. Wie schon 
früher erwähnt wurde, nimmt anfangs die Beweglichkeit der Samenfäden 
unter dem Einfluß des Kohlendioxyds energisch zu, um dann rasch ab- 
zuflauen. Schon in den ersten Sekunden läßt sich beobachten, daß die 
Samenfädenschwänze, welche kurz vorher noch ernergische Bewegungen aus- 
führen, sich aneinander und an die bisher frei schwebenden Cytoplasmaballen 
anzukleben beginnen. Die angeklebten Schwänzchen führen heftige Be- 
wegungen aus. Die Klebrigkeit des ganzen Spermatozoenkörpers wächst 
an, die Samenfäden kleben sich entweder der ganzen Länge nach aneinander 
an oder das Schwanzende schmiegt sich an den Kopf eines anderen 
Spermatozoen an, oder auch die verklebten Samenfäden überkreuzen sich. 
Die verklebten Samenfäden bewegen sich anfänglich in der Flüssigkeit; 
in kurzer Zeit aber, trotz der energischen Oszillationen der Schwänze, be- 
wegen sich die Samenfäden nicht mehr vorwärts und sind nur von der 
Stromrichtung der Flüssigkeit abhängig. Diese Strombewegungen fügen 
neue Samenfäden hinzu, und in kurzer Zeit entsteht ein ziemlich großer 
Klumpen. Wenn die Aufschwemmung dünnflüssig ist, so sind die ent- 
standenen Flocken klein und spärlich. Erst nach einer Erschütterung der 
Kammer vergrößern sich die Flocken bedeutend, da eine große Zahl der 
Samenfäden in Berührung kommt. Die Bewegungen der Schwänze sind 
sichtbar und manchmal sehr energisch, was jedoch auch von dem Material 
selbst abhängig ist. 


Ein rascher Strom von Kohlendioxyd bewirkt das Entstehen von 
Klumpen, deren Umrisse unregelmäßig und zerfetzt: erscheinen. Schon 
eineschwache Vergrößerung, A-Zeiss x Okul. N : 4, erlaubt die Beobachtung 
zu machen, daß die Flocken aus Samenfäden bestehen, welche äußerlich 
nicht verändert erscheinen. Kurz nachher, denn schon nach 2 bis 3 Minuten 
kann man genau beobachten, wie anfangs eine kleine Zahl der Samenfäden 
sich einzurollen und Ösen zu bilden beginnt, wie die Spermatozoenköpfe die 
Form der Haken bzw. Spiralen annehmen, und wie überhaupt die De- 
formationen stark an Zahl zunehmen. Als Folgeerscheinung der Spermien- 
deformationen läßt sich mikroskopisch unmittelbar beobachten, wie die 
Flocken ihre Gestalt verändern indem die Umrisse sich runden. Nach einer 
halben Stunde Durchlüftung waren alle Samenfäden, sowohl die 
in Flocken angehäuften als auch die frei liegenden deformiert und geschlängelt 
und man konnte an ihnen nur schwache ÖOszillationen wahrnehmen. — 
In destilliertem Wasser ist der Verlauf der Erscheinung der obigen Beschrei- 
bung sehr ähnlich mit dem Unterschiede, daß die Veränderungen viel 
schneller vor sich gehen. Sogar eine möglichst rasch vorbereitete Auf- 
schwemmung, welche momentan der energischen CO,-Einwirkung aus- 
gesetzt wurde, weist eine größere Zahl der deformierten Samenfäden in 
noch ganz frischen Flocken auf. Nach einigen Minuten nehmen die Agglu- 
tinate eine klumpenähnliche Gestalt an, da alle Samenfäden deformiert sind. 


Ganz anders verläuft die Erscheinung in einer 0,3 proz. Mg Cl,-Lösung. 
(Die Lösungen verstehen sich immer als in destilliertem Wasser vorbereitete, 
wenn anders nicht ausdrücklich angedeutet wird.) 


Auch hier entstehen die Agglutinate ebenso schnell wie in destilliertem 
Wasser; die Konfiguration der Klumpen aber ist eine ganz andere, weil die 
Samenfäden keiner Deformation erliegen, und wenn es ausnahmsweise doch 
vorkommt, so geschieht es in schwächstem Grade. Wenn so entstandene 


370 B. E. Kalwaryjski: 


Agglutinate in der CO,-Atmosphäre gelassen werden, so überdauern sie 
2 bis 3 Tage, ohne ihr Aussehen einzubüßen. 

Aus der in Leitungswasser vorbereiteten Spermienaufschwemmung be- 
kommt man unter dem Einfluß des Kohlendioxyds viel kleinere und nicht 
so stark verfilzte als die oben beschriebenen Agglutinate. Die in destilliertem 
Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung vorbereiteten Samenfädensuspen- 
sionen liefern unter denselben Bedingungen große, kompakte und stark 
verfilzte Flocken. 

Die Beobachtung im hängenden Tropfen gab Gelegenheit zu weiteren 
Folgerungen. Es stellte sich heraus, daß die unter dem Einfluß des Kohlen- 
dioxyds entstandenen Agglutinate sich ganz loslösen konnten, wenn nur 
die Samenfäden nach der erlittenen temporären aber Ree Lähmung 
genug lebensfähig waren. 

Die Erscheinungen der Desagglutination lassen eh sehr gut außer- 
halb des hängenden Tropfens beobachten, indem man den CO,-Strom 
aus einer dünnen Kanüle auf den Tropfen am Objektglase lenkt. Der 
Verlauf der Desagglutination geht sowohl in Leitungs- und destilliertem 
Wasser als auch in 0,3proz. MgCl,-Lösung ähnlich vor sich, jedoch mit 
charakteristischen Merkmalen für jedes Medium. Am besten läßt sich die 
Erscheinung in 0,3proz. MgCl.Lösung vorbereiteten Spermiensuspensionen 
demonstrieren, und auf ebensolchem Material basiert die nächstfolgende 
Beschreibung. ht) 

Eine einminutige Exposition führt gewöhnlich zu einer ausgeprägten 
Agglutination; die zusammengeklebten Spermatozoen weisen jedoch große 
Beweglichkeit auf. Ungefähr 3 Minuten nach der Beendigung der Exposition 
nimmt die Beweglichkeit der Samenfäden stetig zu, die Agglutinate lösen 
sich schnell los, und schließlich bleibt von den Klumpen nichts übrig. 
Wiederholte Exposition hat eine neue Agglutination zur Folge, wonach 
eine Durchbrechung des CO,-Zuflusses wiederum nach einigen Minuten 
eine Desintegration herbeiführt. Diese Erscheinung läßt sich viele Male 
reproduzieren. Die Desagglutination verläuft makroskopisch als ein Los- 
reißen kleiner Nubekel, welche rasch in der Flüssigkeit verschwinden. 
Man kann während der Beobachtung sowohl in den hängenden Tropfen 
als auch auf dem Objektträger feststellen. daß sich am Rande des Tropfens 
die Samenfäden in stetig zunehmender Zahl ansammeln. Ein Teil legt sich 
ohne jegliche Ordnung, die Mehrzahl der Spermatozoen verhält sich aber so, 
als ob ihnen eine starke Tendenz zur Einnahme der senkrechten Stellung 
dem Tropfenrande gegenüber inneliege. Da man mit einer Aufschwemmung 
lebender Spermien zu tun hat, so kann man annehmen, daß es sich hier 
um zweierlei Tropismen handelt: 1. eine möglichst dünne Schicht der 
Tropfen zu erreichen, wo der Luftzutritt am besten ist (Aerotaxis bzw. Oxy- 
taxis), 2. eine möglichst feste (steife) Grenze zu finden, welche die Rand- 
schicht der Tropfen bildet, und zwar wegen der Wirkung von Oberflächen- 
spannung, welche an dem Tropfenrande zum vollen Ausdruck kommt 
(Thigmotaxis) [Massart!)]. Die erste Annahme fällt jedoch fort, weil die 
Erscheinung sowohl in der Luft als auch in der CO,-Atmosphäre ganz 
ähnlich verläuft. Wenn die Ansammlung der Samenfäden an der Grenze 
des Tropfens einem positiven Tropismus gegen Sauerstoff der Luftatmosphäre 
entsprechen würde, so könnte man erwarten, daß während der CO,-Ein- 
wirkung die Samenfäden von dem Rande nach der Mitte des Tropfens 
streben werden, wo in den ersten Momenten der partielle O,-Druck größer 


1) Bull. de Acad. Roy. de Belg., 3 Ser., 18, 1889. 











Samenfädenagglutination unter. Einwirkung chemischer Agenzien. 371 


ist als in der umgebenden Atmosphäre. Es war aber nicht der Fall. Um 
den Sachverhalt zu klären und um rein physikalische Einflüsse auszuschließen, 
wurden zwei hängende Tropfen zugleich beobachtet: der eine enthielt 
tote und der andere sehr lebensfähige und stark bewegliche Samenfäden. 
Sowohl im einen als auch im anderen Tropfen sammelten sich die Sperma- 
tozoen am Rande des Tropfens, wobei die toten sich mehr regelmäßig 
einstellten, die lebendigen hingegen schwache Bewegungen ausführten, 
wenn sie in unmittelbare Berührung mit dem Deckglase kamen (Thigmo- 
taxis); wenn durch eine Erschütterung diese Berührung aufgehoben wurde, 
bewegten sich die Samenfäden wieder sehr rasch fort. 

Angesichts solcher Ergebnisse lag die Vermutung nahe, daß die An- 
sammlung der Samenfäden am Rande des Tropfens bedingt ist durch die 
Flüssigkeitsströme, welche bei dem Austrocknen des Randsaumes des 
Tropfens entstehen. Um diese Annahme zu prüfen, wurde durch die Gas- 
kammer, in welcher sich die hängenden Tropfen mit toten und lebenden 
Spermien befanden, ein energischer Luftstrom hindurchgeleitet, was ein 
rasches Austrocknen der Tropfen herbeiführte. Die ganze Erscheinung der 
Radialstellung der Samenfäden verlief in sehr schnellem Tempo. Es ist 
selbstverständlich, daß bei solchen Versuchsbedingungen noch eine große 
Anzahl der Samenfäden in der Mitte des Tropfens blieb. Auf diese Weise 
ist es gelungen, biologische Momente der Radialstellung der Spermatozoen 
in den Tropfen auszuschließen. 

Die toten Samenfäden aus den alten bzw. bis 53°C erhitzten Sperma- 
aufschwemmungen agglutinieren unter dem Einfluß des Kohlendioayds 
und die Agglutinate besitzen die oben erwähnten Konfigurationen, welche 
für die lebenden Spermatozoen charakteristisch sind. Das Zustandekommen 
der Agglutination der toten Spermien beweist, daß sie als keine Lebens- 
erscheinung betrachtet werden darf und daß es ohne jede Bedeutung ist, 
auf welche Weise die Samenfäden ihr Leben verlieren. 


Gellhorn (l. c.) stellte bei den Meerschweinchenspermatozoen fest, daß 
eine OI. bis 0,01proz. NaHCO,-Lösung einen günstigen Einfluß auf die 
Beweglichkeit der Samenfäden ausübt, und aus seinen Versuchen schließt 
er, daß hier das Carbonation und nicht die niedrige Wasserstoffionen- 
konzentration (pe = 7,5 bis 11,0) von Bedeutung ist. Nach meinen Beob- 
achtungen übten 0,1 bis 0,3proz. NaHCO,-Lösungen ohne Zweifel einen 
günstigen Einfluß auf die Beweglichkeit der Froschsamenfäden aus und 
verlängerten auf einige Stunden die Lebensfähigkeit der Samenfäden, die 
Deformationen konnten jedoch nicht verhindert werden. Ein hängender 
Tropfen der in 0,lproz. NaHCO,-Lösung vorbereiteten Aufschwemmung, 
wurde der reinen durchströmenden CO,-Atmosphäre ausgesetzt. Binnen 
5 Minuten weisen die Samenfäden Lähmung der Bewegungen auf, aber die 
Agglutination fand nicht statt, und in dieser Beziehung erwies sich sogar 
zweistündige Exposition als völlig erfolglos. 

In 0,2- bis 0,3proz. NaHCO,-Lösung ruft eine längere Exposition, 
welche über 1 Stunde dauerte, bei nur einem Teil der Samenfäden eine 
Lähmung hervor. Eine Spur von irgendwelcher Agglutination war nicht 
zu sehen. Analog in Gaskolben angestellte Versuche gaben identische 
Resultate. Da Gellhorn die Rolle der Carbonationen als einen stimulierenden 
Faktor betrachtete, so wurde der Orientierung halber folgender Versuch 
angestellt: Eine Samenfädenaufschwemmung wurde in NaHCO,-Lösung 
vorbereitet, welche mit Leitungswasser äquimolekular war. Diese Spermien- 
suspension wurde einer CO, durchströmenden Atmosphäre ausgesetzt. Im 


372 B. E. Kalwaryjski: 


Gegensatz zu der groben Ausflockung, welche unter diesen Bedingungen 
bei Spermien in Leitungswasser auftritt, waren die hier entstandenen 
Agglutinate spärlich und klein. Es war also notwendig festzustellen, welche 
Relation zwischen der CO,-Sättigung eines Mediums und der auftretenden 
Agglutination besteht. 

Es wurde eine Versuchsreihe vorgenommen, bei welcher zwei 
Variable in Betracht kamen: 1. verschiedene Tensionen des Kohlen- 
dioxyds, 2. verschiedene Zusammensetzung der Lösungen, in welchen 
die Samenfäden aufgeschwemmt werden sollten. Zahlreiche, vielmal 
wiederholte und kontrollierte Versuche haben festgestellt, daß die Agglu- 
tination der Samenfäden in destilliertem Wasser zustande kommt, wenn die 
CO,-Tension 2 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt. Dieselbe 
CO,-Tension ruft in 0,3proz. MgCl,-Lösung eine Andeutung der Agglu- 
tination hervor, und eine zweimal höhere Tension hat eine ausgesprochene 
Ausflockung zur Folge. In Leitungswasser kommt eine kaum bemerkbare 
Ausflockung zustande durch die Einwirkung einer Gasmischung, in welcher 
die CO,-Tension mehr als 50 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt. 
In einer NaHCO,-Lösung, welche äquimolekular mit Leitungswasser 
ist, ist eine Agglutination erst bei der Einwirkung eines Gasgemisches 
festzustellen, in welchem die Kohlendioxydtension 75 Proz. des atmosphäfri- 
schen Druckes beträgt (vgl. Tabelle I). 

Die hier angegebenen Beobachtungen lassen also leicht feststellen, daß 
die in verschiedenen Medien eintretende Ausflockung von verschiedener 
CO,-Tension abhängig ist. Die in verschiedenen Medien auftretenden 
Konfigurationsunterschiede der Flocken wurden schon oben (S. 355 bis 361) 
hinreichend erörtert, indem eine Abhängigkeit zwischen dem Konfigurations- 
bilde der Agglutinate und der äußeren Gestalt der Spermien festgestellt 
wurde. Außerdem läßt sich noch eine verschiedene Intensität der Aus- 
flockung feststellen, welche durch die Höhe der jedesmal angewandten 
Tension des Kohlendioxyds bedingt ist. Die Intensität der Ausflockung 
wird durch Einwirkung verschiedener CO,-Tensionen hinreichend ab- 
gestuft.. Typische Ausflockungsintensitäten lassen sich ohne besondere 
Schwierigkeit genügend abgrenzen, und zwar kommt eine schwach aus- 
geprägte Ausflockung in der Form kurzer und zerfranzter Fäden vor, wes- 
halb sie auch fädchenartig genannt und mit einem Symbol + bezeichnet 
wird!). Sie kommt zustande z. B. durch Einwirkung auf die in destilliertem 
Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermien, eines 
CO,-Luftgemischs, in welchem die Kohlendioxydtension 2 Proz. des atmo- 
sphärischen Druckes beträgt. 

Die erste Stufe einer gut ausgebildeten Agglutination läßt den einzelnen 
Agglutinaten eine fädchen-netzartige Struktur erkennen, wobei das Netz 
ganzlockerist. Dieser Intensitätsgrad der Ausflockung wird demgemäß netz- 
artig genannt und mit dem Symbol + gekennzeichnet. So eine Ausflockungs- 
art kam zustande, wenn z. B. auf die in destillierttem Wasser bzw. in 
0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermien ein Gasgemisch ein- 
einwirkt, in welchem die CO,-Tension 10 Proz. des atmosphärischen Druckes 
ausmacht. Etwas höhere CO,-Tension hat naturgemäß stärkere Ausflockung 
zur Folge, welche mit Symbolen + ! bzw. + + bezeichnet wird. 





1) Ein Ausrufungszeichen (!) bezeichnet einen stärkeren Agglutinations- 
grad, welcher eine Mittelstellung zwischen zwei benachbarten Agglutinations- 
graden annimmt. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 


Eine starke Ausflockung ist in 
mikroskopisch beobachteten Agglu- 
tinaten durch eine starke Verfilzung 
der Spermien charakterisiert, das ge- 
bildete Netz ist dicht, die einzelnen 
Brocken sind von großer Aus- 
dehnung. Diese Ausflockungsart wird 
netz-klumpenartig genannt und mit 
Symbol ++ + bezeichnet. Sie ent- 
steht durch eine Einwirkung auf 
die Spermienaufschwemmungen einer 
Gasmischung, in welcher die CO,- 
Tension 50 Proz. des atmosphärischen 
Druckes beträgt. 

Noch stärkerer Agglutinations- 


grad hat zur Folge eine ausgeprägte 
Klumpenbildung; die Spermien sind 
unverwickelbar zusammengeballt, und 
einzelne Spermien sind nur an der 
Peripherie der Klumpen deutlich zu 
erkennen. So starke Ausflockung 
wird klumpenartig genannt und mit 
einem Symbol +-+-+-+ gekenn- 
zeichnet. So eine Art der Agglutination 
kommt zustande durch Einwirkung 
z.B. reiner CO,-Atmosphäre auf die 
in destilliertem bzw. in 0,3 proz. Mg Cl,- 
Lösung aufgeschwemmten Spermien. 

In weiterer Folge war es not- 
wendig festzustellen, in welchem 
Grade die Art der Agglutinate 
durch das Medium beeinflußt wird : 
Drei Kolben von 930ccm wurden 
mit einer Gasmischung mit 60 Proz. 
CO, gefüllt. Zu gleicher Zeit 
wurden drei Arten von Spermien- 
aufschwemmungen vorbereitet; die 
erste in 0,3 proz. MgCl,-Lösung, die 
zweite in destilliertem Wasser und 
die dritte in Leitungswasser. In 
jeden Kolben kam eine der drei 
genannten Aufschwemmungen. Die 
oben erwähnte CO,-Tension wurde 
gewählt, da sie in Leitungswasser 
eine Agglutination nur andeutungs- 
weise hervorruft, wogegen sie in 
MgCl,-Lösung und in destilliertem 
Wasser hochgradige Ausflockung 

Biochemiscke Zeitschrift Band 169. 


Tabelle I. 


Agglutinationsverlauf der in verschiedenen Medien aufgeschwemmten Temporariaspermien unter Einwirkung von 


C O,-Luftmischungen. 


CO;,Tensionen in Prozenten des atmosphärischen Druckes 


Art des Aufschwemmungsmediums 








373 


+ 

+ 

sa 
+ 
4 + 
+ H 
t F 


+ 
T 
+ 
Sg d 
ap H 
+H]! Í 
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25 


374 B. E. Kalwaryjski: 


bewirkt. Der Kolben mit den in 0,3proz. MgCl, -Lösung auf- 
geschwemmten Spermien weist makroskopisch eine hochgradige Aus- 





Abb. 1. Abb. 2. 


Zwei verschiedene, obwohl sehr benachbarte Konfigurationen der Samenfädenagglutinationen, 

welche durch die Einwirkung auf die in 0,3proz. Mg Cl¿-Lösung aufgeschwemmten Spermien einer 

COa-Luftmischung, in welcher die CO,-Tension 60 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt. 

zustande kam. Charakteristisch ist die spinnwebartige Zeichnung und unregelmäßige Umrißlinie 
der Agglutinate. i 





Abb. 3. Abb. 4. 
Dasselbe Objekt: Immersion. Vergrößerung 


Dasselbe Objekt bei der Immersions» eines lockeren Agglutinats, in welchem das 


Meiers, gegenseitige Verhalten der agglutinierten Samen- 
Es ist die äußerst dichte Verfilzung der fäden zum Vorschein kommt, wobei eine parallele 
Samenfäden zu bemerken. Anordnung der Samenfäden deutlich zu sehen ist. 


flockung auf. Mikroskopisch bei schwacher Vergrößerung erscheinen 
die Agglutinate netzartig und zeigen eine Tendenz zur dichten 
Klumpenbildung (Abb.1, 2). 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 375 


Bei starker Vergrößerung der verdichteten Teile der Agglutinate 
ist eine beinahe parallele Anordnung der Samenfäden wahrzunehmen, 
obwohl auch eine unregelmäßige Verfilzung nicht zu leugnen ist 
(Abb. 3, 4). Die loseren Stellen 
der Agglutinate lassen außer 
der parallelen Anordnung auch 
eine Verknotung, welche durch 
Spermienschwänze gebildet sind, 
feststellen (vgl. Abb. 4). 

Der Inhalt des zweiten Kol- 
bens mit den in destilliertem 
Wasser aufgeschwemmten Samen- 
fäden unterscheidet sich wenig 
von dem ersten; nach 10 Mi- 
nuten dauernder Exposition sind 
die Flocken mehr abgerundet 
und von mittlerer Größe. Mikro- 
skopisch stellen sich die Agglu- Abb. 5. 
tinate als ein mur wenig zer- Marin A nm 
franzter Klumpen dar, welcher und der Einwirkung oben bezeichneter COy- 
fast ausschließlich aus defor- KENN ee allen Ein: 
mierten Samenfäden zusammen- die aus ausnahmslos deformierten Samenfäden 
gesetzt ist (Abb. 5). TREE 








Abb. 6. Abb. 7. 
Agglutination der Samenfäden, welche in 


Leitungswasser aufgeschwemmt und der oben Dasselbe Objekt bei der Immersions» 


bezeichneten CO3-Luftmischung ausgesetzt . VORTSCEURE S e 
wurden. Es ist ein außerordentlich deutlicher Die Deformationen der Samenfäden sind 
Unterschied in der Agglutinationsintensität im deutlich zu sehen. 

Vergleich mit voriger Abbildung zu konsta» Man kann ösen» und federartige Defor» 
tieren. Die Agglutinate sind locker und klein. mationen ohne weiteres gut wahrnehmen. 


25* 


376 B. E. Kalwaryjski: 


Tabell 


Einfluß der verschiedenen CO,-Tensionen auf die Beweglichkeit und Agglutination 
MgC],-Lösung aufgeschwemmt sind 














| 














ZS Zeit der Expos | 


















































2 CO,-Tension de 
LU 
3 2 Proz. | 10 Proz. | 2 
g Leitungswasser 0,3 proz. Mg ClgsLösg. | Leitungswasser 0,3proz. MgCla»Lösg.|| Leitungswasser 
SE EE e 
3 | Beweglich ABgluti| Beweglich, Aggluti| Beweglich- Beweglich- 28 Beweglichs Aggluti 
in. keit intensit. kei | intensit. koit er intensit. keit 'intensit 
5 Mittelstark, | — Gut, leichte —_ Unmittelbar Anfangs gar ++ Sehr — 
bleibt Abschwäch. nach der Ex» keine, nach schwache. 
|| bestehen nach 107 | portion gar 3' seltene , worauf gänz: 
| keine, nach und kaum ‚licher Stills ' 
| 5' seltene bemerkbare stand 
Oszilla- | 
‚, tionen der 
Schwänze | | 
10 ||Die Oszille — |Ein Teil deri + ' Einzelne — Einzelne +++ Sehr = 
tionen der Spermien be: | Spermien Spermien schwach, ist 
Spermien» weglich, ' schwach be» beweglich, jedoch nach 
schwänze nach 10’ Ab» weglich, später Still», .20’ noch er 
schwächen | schwächung ` nach 50’ das» stand halten 
sich nach |! | selbe ; 
| 10’ ab | 
25 Schwache, — Schwache, +! Nicht _ Nicht +++ Anfangs | — 
ein Teil der nach 10’ ver- bemerkt bemerkt keine, später 
|| Spermien mehrte Os, ‚Oszillations- 
weist lang» zillationen bewegungen 
dauernde | bei einigen ` 
Oazilla», | Spermien 
i| tionen auf i 
60 | Oszillations» — Gar keine, + + ' Anfangs gar — Nicht + + +| Anfangs gar — 
| bewegungen auch nach 10’ keine, nach bemerkt | | keine, n 
bei kaum 5' Oszilla» | 5 Oszillas 
einigen Sper. tionen der | | tionen der 
mien, die . Spermien» | Spermien» | 
nach 5’ zus schwänze schwänze 
nehmen ; _ einiger einiger 
l Samenfäden ‚ Samentäden 


Anmerkung. Zeiten in der Rubrik „Beweglichkeit“ sind als angegeben nach der Expositionsebbrechung zu verstehen 


Der dritte Kolben, mit der in Leitungswasser vorbereiteten Samen- 
fädensuspension, weist makroskopisch nach zehnminutiger Exposition 
sehr kleine, lockere Agglutinate auf, welche fast ausschließlich aus 
stark deformierten Samenfäden bestehen. Im Felde sieht man jedoch 
viele Spermatozoen, welche ganz lose liegen und eine entweder ganz 
normale oder leicht deformierte Gestalt bewahren (Abb.6). Eine 
stärkere Vergrößerung zeigt, daß die Agglutinate aus wenigen verwickel- 
ten und größtenteils deformierten Spermatozoen bestanden (Abb. 6, 7). 

Um die letale Tension des Kohlendioxyds für jede Art der Samen- 
fädensuspension und verschiedene Expositionszeiten durchschnittlich 
zu bestimmen, wurde eine Reihe von Experimenten ausgeführt, deren 
Ergebnisse in der beigefügten Tabelle II angegeben sind. Es wurde 


! Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 377 


TI. 


intensität der Temporariaspermien, welche in Leitungswasser bezw. in 0,3 proz. 
bei verschiedener Expositionsdauer. 





- 





atmosphärischen Druckes 





Proz. 50 Proz. 1 100 Proz. 
0.3proz. Mg ClzsLösg. 





0.3 proz. Mg Clz-Lösg. Leitungswasser 0,3 proz. Mg ClzsLösg. Leitungswasser 
| A a D 
h, ' Agglutis | he Age, Aggluti- ` p , | Aggluti- 
a | nations | ar nations» | Beweglich- A peet lich er 





; | Aggluti» 
Beweglich» 
keit keit nations, 





























l intensit. | | intensit. intensit. i intensit. intensit. 
Schwache, | + + +!!: Nur ein Teil + Keine et 1i Sehr seltene | + + + Keine ++++!! 
worauf gänz- | derSpermien u und kaum 
ħicher Still» in Bewegung, ` bemerkbare 
stand nach 10’ | Oszilla- 
etwas | tionen, 
stärkere worauf in 
' Kürze Still, 
stand 
Sehr +++! Sehr + Gar keine '++++!| Anfangs + 4+4 +| Gar keine ++++!! 
schwache, schwache, | keine, nach 
worauf voll» ‚worauf voll» i ' Ce 
ständiger ‚ ständiger ung der 
|| Stillstand Stillstand | Ä permien- 
| schwänze | 
' einiger 
‚ Samentläden, 
| | ' nach 50’ | 
| Stillstand 
Anfangs +++! Keine + Gar keine ++++! Gar keine | +++!!| Gar keine ++++ 1!!! 
Bewegung | 
nureinzelner | 
Samentäden, 
die in Kürze | | 
aufhört i l 
infana: gar ++ +! Keine + Gar keine |++++! | Gar keine | +++ !!| Gar keine BE + 
eine, n 
d 
Spermien- 
schwänze | | 
einiger | | | 
Samentäden | i i 


angenommen, daß die Bewegung der Spermienschwänze als Indikator 

der Lebenserscheinungen anzusehen und ständige Bewegungslosigkeit 
als Todeszeichen zu betrachten sind. Zwei Spermiensuspensionsarten 
wurden in Betracht gezogen, nämlich die in Leitungswasser und in 
der 0,3 proz. MgCl,-Lösung vorbereiteten Aufschwemmungen. Leitungs- 

wasser wurde bei diesen Versuchen als im gewissen Sinne physiologisches 
Medium betrachtet, das frisch ejakulierte Temporariasperma findet sein 
natürliches, physiologisches Medium in süßen Gewässern. Die CO,- 
Tension wurde so gewählt, daß jede Suspension bei jeder angewandten 
Exposition möglichst charakteristische Merkmale liefere. Die maximale 
Expositionsdauer wurde von der durchschnittlichen Lebensresistenz der 
aufgeschwemmten Samenfäden in Abhängigkeit gebracht. 


zilla. 
tionen der 


378 B. E. Kalwaryjski: 


Die Beobachtungsresultate sind folgende: Die CO,-Tension von 
2 Proz. des atmosphärischen Druckes wirkt bei einstündiger Exposition 
auf die in 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermien letal. 


Die in Leitungswasser aufgeschwemmten Spermien lassen unter 
denselben Bedingungen noch manche schwache Lebenserscheinung 
wahrnehmen. Die CO,-Tension, welche 10 Proz. des atmosphärischen 
Druckes beträgt, wirkt nach 25 Minuten auf beide erwähnte Arten 
der Samenfädenaufschwemmungen letal, obwohl Abweichungen 
in dem Verhalten einzelner Samenfäden und in verschiedenen 
Zeiten verfertigten Spermiensuspensionen zum deutlichen Ausdruck 
kommen. 


Eine CO,-Tension von 50 Proz. Atmosphäre erwies sich als 
unbedingt letal für die sowohl in 0,3proz. MgCl,-Lösung als auch in 
Leitungswasser aufgeschwemmten Samenfäden. Es besteht jedoch 
eine Zeitdifferenz in bezug auf die tödliche Wirkung des Kohlendioxyds 
auf beide Suspensionsarten: Die in 0,3proz. MgCl, aufgeschwemmten 
Spermien gehen unter obigen Bedingungen in 5 Minuten zugrunde, 
dagegen erliegen die in Leitungswasser aufgeschwemmten erst nach 
25 Minuten demselben Schicksal. Die individuellen Unterschiede in der 
Resistenz der Samenfäden gegen CO,-Einwirkung erwiesen sich als 
auffallend hoch. 


Obwohl nun die Intensität der Agglutination in einem geraden 
Verhältnis zur Höhe der CO,-Tension steht, so sind jedoch hier nur 
relative Werte von einer Bedeutung, da außer dem Partialdrucke 
noch die Art des Mediums, in welchem die Spermien sich befinden, 
sich von ausschlaggebender Wichtigkeit erwies. Tabelle I erläutert das 
hier Gesagte. 


Diese Ergebnisse gaben jedoch keinen Aufschluß auf die offen- 
stehenden Fragen, nämlich, ob die Samenfädenausflockung durch 
die spezifische Einwirkung des Kohlendioxyds in gewissen Medien 
bedingt oder ob die Ansäuerung der Suspensionen, also die Wasserstoff- 
ionenkonzentration, von ausschlaggebender Bedeutung sei. 


Es war notwendig, eine Reihe von Bestimmungen der H'-Ionenkonzen- 
trationen an untersuchten Spermienaufschwemmungen und gebrauchten 
Lösungen vorzunehmen. Die ersten Bestimmungen wurden an Lösungen 
ausgeführt; diese Lösungen wurden einer Einwirkung von verschiedenen 
CO,-Luftgemischen ausgesetzt und dann in bezug auf die H’-Ionenkonzen- 
tration untersucht. Die Versuchsanordnung bei Bestimmungen an Spermien- 
suspensionen waren mit den obigen identisch. Es zeigte sich alsbald, daß 
die Größenunterschiede der H'-Ionenkonzentration zwischen den reinen 
Lösungen und der Samenfädenaufschwemmungen bei sonst identischer 
Versuchsanordnung in sehr kleinen Grenzen schwanken. Diese lassen sich 
in 0,1 bis 0,2 p,-Werten ausdrücken, liegen also an der Genauigkeitsgrenze 
der Methode (vgl. Tabelle III). 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 379 


Destilliertes Wasser und 0,3proz. MgCl,-Lösung als ganz ungepuffert 
und Leitungswasser mit sehr kleinem Pufferungsvermögen ändern nach 
Zusatz der Spermiensuspension nicht ihre Eigenschaften in dieser Be- 
ziehung. Um so mehr war zu erwarten, daß die Pufferlösungen bei dem 
Zusatze einer Samenfädensuspension gar keinen Änderungen in ihren 
H'-Werten unterliegen werden. 

Die 0,3proz. MgCl,-Lösung gleicht beinahe einer n/18 Lösung, welche 
zu keinem merklichen Salzfehler bei den Bestimmungen der H’'-Ionen- 
konzentrationen führen kann. 

Es wurde schon früher hervorgehoben, daß eine CO,-Tension, welche 
1 bis 2 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt, in destilliertem Wasser 
anfängliche Agglutination hervorruft. Bei zweimal höheren Tensionen resultiert 
eine ausgezeichnete fädchenartige Agglutination. 

Im ersten Falle beträgt die Wasserstoffzahl p,, = 5,3 bis 5,2, im 
zweiten Falle pu = 4,8 bis 4,6. In Leitungswasser wurde eine nur 
sehr schwache Samenfädenagglutination hervorgerufen bei einer CO,- 
Tension, welche 50 bis 60 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt. 
Die Wasserstoffionenzahl betrug Du = 5,4 bis 5,2 bis pa = 5,0. Das 
Ansteigen der CO,-Tension hatte eine Steigerung der H'-Ionenkonzen- 
tration zur Folge, und die wiederum verstärkt die Intensität der 
Ausflockung. Es wurde also ohne Zweifel ein enger Parallelismus zwischen 
Wasserstoffzahl und der Agglutinationserscheinung festgestellt. Eine 
ursächliche Abhängigkeit zwischen diesen beiden Erscheinungsreihen 
wurde damit noch nicht bewiesen. 

Nicht ohne Bedeutung ist der Umstand, daß Kohlendioxyd sehr 
rasch und tief in das Protoplasma eindringt und parallel mit der Ver- 
minderung der Oberflächenspannung die narkotischen Einwirkungen 
hervorruft [ Winterstein!)]. Diese Erwägungen müssen Berücksichtigung 
finden, da außer der Wasserstoffionenkonzentration selbst die oben 
erwähnten Momente, wie rasches Eindringen des CO,, narkotische 
Wirkung und Verminderung der Öberflächenspannung bei dem Zu- 
standekommen der Agglutinationserscheinung eine Rolle spielen konnten. 

Es war also wichtig, die spezifische Einwirkung des Kohlendioxyds 
ganz auszuschließen, was durch Puffer ohne Schwierigkeiten erfüllt 
werden konnte. Diese Versuchsserie wurde mit einer Samenfäder- 
aufschwemmung. in. 0,3proz. MgCl, angestellt. 

Es wurden Mc Ilvainesche Puffermischungen angewandt (welche 
aus 0,2 molarem basischen Na- Phosphat und 0,1 molarer Citronen- 
säure zusammengesetzt sind). Es wurde eine ganze Skala von Py = 7,6 
bis 3,0 vorbereitet. 

In Reagensgläschen, welche 0,5 ccm der Samenfädenaufschwem- 
mung enthielten, wurden je 10 ccm Puffer von je verschiedenem py = 5,4 
bis 4,4 zugegeben. Die Agglutination kam nicht zustande. In den Puffer- 


1) H. Winterstein, Die Narkose S. 228f, 1919. 


380 B. E. Kalwaryjski: 


gemischen von geringer Wasserstoffionenkonzentration weisen die 
Samenfäden sogar einige Zeit Beweglichkeit auf, bei höheren H’-Ionen- 
konzentrationen hört die Bewegung nach kurzer Dauer auf oder es 
tritt sogar eine momentane Lähmung ein, ohne jede Spur einer Aus- 
flockung. So gelangt man zu anscheinend widersprechenden Ergeb- 
nissen: Es tritt einerseits eine energische Ausflockung der Samenfäden 
unter dem Einfluß des Kohlendioxyds ein, wobei die H -Ionenkonzen- 
tration ausschlaggebend erscheint, andererseits erweisen sich die 
Wasserstoffionenkonzentrationen der Puffermischungen, die stark 
genug waren, um ausgiebige Agglutination zu erzeugen, ohne jeden 
Einfluß auf die Samenfädenaufschwemmung. 


Als mögliche Erläuterung dieser Tatsachen habe ich angenommen, 
daß die Hemmung der Ausflockung bei den genannten Puffergemischen 
durch hohe Konzentrationen von Salzen bedingt sei [L. Michaelis!)]. 


Orientierungshalber wurden die Mischungen von unagglutinierten 
Samenfädenaufschwemmungen und Pufferlösungen mit destilliertem 
Wasser stark verdünnt, und in einem Augenblick ging die Ausflockung 
vor sich, deren höchste Intensität in stark saurer Lösung erreicht wurde. 
In dieser einfachen Weise gelang es, die anscheinend widersprechenden 
Resultate genügend zu erklären, wohl aber entstanden neue Spezial- 
fragen. In erster Linie mußte man sich darüber klar werden, welche 
Salze und ganz besonders, welche im biologischen Sinne wichtigen 
Salze eine hemmende Wirkung auf die Agglutinationsphänomene ent- 
falten. Weiter mußte beantwortet werden, ob Kationen oder Anionen 
und unter welchen Bedingungen sie den Ausfall der Agglutination 
bewirken. 


Bevor wir an obige Fragen herantreten, sollen noch einige Beobachtungen 
angeführt werden, welche den Einfluß der verdünnten Puffermischungen 
auf die Samenfädenaufschwemmungen betreffen. 


Da Mc Ilvaines Puffer einer großen Verdünnung benötigen, um 
die Einwirkungsweise der H’-Ionenkonzentration anstandslos zu demon- 
strieren, so wählte ich die Michaelisschen Regulatoren, die aus Mischungen 
von n Acid. acet, und n Natr. acetic. bestehen, wobei die Konzentration 
des Natriumacetats stets einer n/20 Lösung entspricht. In dieser (und auch 
sogar bei zwei- bis dreimal stärkerer) Konzentration, leisteten die Regu- 
latoren dasselbe, so daß es nicht nötig war, dieselben irgendwie zu verdünnen. 
Die Ausflockungen, welche durch Regulatoreneinwirkung zustande kamen, 
ließen sich mit viel größerer Feinheit abstufen als durch Einwirkung der 
verschiedenen CO,-Spannungen. 


0,5 ccm der Standardsuspension in 0,3 proz. MgCl,-Lösung ergaben 
nach Zugabe 9,5 ccm des Michaelisschen Puffergemisches von py = 5,3 


1) L. Michaelis, Technik der Säureagglutination. Abderhaldens Handb. 
d. biol. Arbeitsmethod., Abt. XIII, Teil 2, S. 288, 1924. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 381 


sehr feine, lockere, leicht zerfallende Agglutinate; freiliegende Samen- 
fäden befanden sich in sehr großer Zahl (Abb. 8, 9). 


Der Regulator von Py = 5,0 gab ein sehr ähnliches Bild, nur 
waren die Agglutinate ein wenig stärker, manche sogar stellen sich 
noch üppiger vor; unter ihnen befanden sich aber auch ganz lockere 
Flocken, außerdem waren freiliegende Spermien noch überall zu sehen. 





Abb. 8. Abb. 9. 


Dasselbe Objekt unter gleicher Vergrößerung. 


Agglutination der Samenfäden, 


welche durch Einwirkung des Michaelisschen Eine Anhäufung der oben abgebildeten 


Regulators von Py = 5,3 auf die in 0,3 proz. 
MgClz-Lösung aufgeschwemmten Spermien 
zustande kam. Man sieht kleine und lockere 
Agglutinate, welche aus undeformierten 
Samenfäden bestehen. 


Agglutinate zu einem großen Klumpen, der 

eine starke Agglutination nachahmt, jedoch ist 

keine Verfilzung der Samenfäden eingetreten, 

man sieht sie fast einzeln liegen, obwohl 
die Spermien dicht angeordnet sind. 


Der Regulator von Py = 4,7 entsprach fast genau der Ansäuerung 
des destillierten Wassers bzw. der 0,3proz. MgCl,-Lösung durch CO,- 
Tension, welche 2 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt. In 
Leitungswasser ist dieselbe H -Ionenkonzentration zu erreichen durch 
eine Sättigung mit einem Gasgemisch, deren CO,-Tension 75 Proz. des 
atmosphärischen Druckes beträgt. Dieser Regulator bewirkt eine 
ziemlich starke Ausflockung, die Agglutinate sind genügend fest. Die 
mehr lockeren Flocken, betrachtet unter einer Immersion (1/,’’, Zeiss), 
zeigen ein Bild, welches sehr ähnlich ist einer Samenfädenaufschwem- 
mung in 0,3proz. MgCl,-Lösung, die durch eine CO,-Tension, welche 
60 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt, angesäuert wurde. 
Mehr kompakte Stellen zeigen bei derselben Vergrößerung sehr ‚stark 
verfilzte aber sehr wenig deformierte Samenfäden. (Abb. 10, 11). 


Spermiensuspension, welche in Leitungswasser vorbereitet wurde 
und welche unmittelbar mit einem Regulator von pn = 4,7 vermischt 
wurde, gab lockere und zahlreiche Agglutinate. Da eine ganz frische 


382 B. E. Kalwaryjski: 


Aufschwemmung gebraucht wurde, so erlagen die Samenfäden keiner 
Deformation, und die allgemeine Konfiguration der Flocken unterschied 





Abb. 10. Abb. 11. 


Agglutination der in 0,3proz. Mg Cla-Lösung Dasselbe Objekt bei der Immersions- 
aufgeschwemmten Spermien, welche der Ein» verörißoruiän 


wirkung des Michaelisschen Regulators von 

Dp = 4,7 ausgesetzt wurden. Man sicht Es sei auf das gegenseitige Verhalten der 

ziemlich starke Verfilzung der Samenfäden, agglutinierten Samenfäden aufmerksam ge» 

welche nur ausnahmsweise Deformationss macht und vergleichsweise auf die Abb. 4 
erscheinungen verraten. hingewiesen. 





Abb. 12. 


Agglutination der Samenfäden, welche in 


D D Kä E e 
E augeschwemmt und e Dën derselben, ec 


nach der Anfertigung der Suspension der ` eer Anfertigung der Michaelissche Regulator 


Einwirkung des Michaelisschen Regulators von 

Pu = 4,7 ausgesetzt wurden. Konfiguration 

des Agglutinats ist der in Abb. 10 grunde Die Agglutinate sind ziemlich locker und 

sätzlich gleich, was der Anwesenheit une bestehen meistenteils aus deformierten 
deformierter Spermien zuzuschreiben ist. Samenfäden. 


von py = 4,7 zugesetzt wurde. 


sich gar nicht von derjenigen, welche in der Aufschwemmung mit 
0,3proz. MgCl,-Gehalt entstanden (Abb. 12, vgl. Abb. 10). 








Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 383 


Dieselbe Samenfädenaufschwemmung läßt nach 30 bis 45 Minuten 
langen ruhigem Stehen Veränderungen in deräußeren Gestalt der Sperma- 
tozoen erkennen. Nach Zugabe des Puffergemisches von pg = 4,7 ändert 
sich das Ausflockungsbild bedeutend. Obwohl die Agglutinate ebenso 
kompakt sind wie die obigen, so ist ihre Konfiguration in eine klumpen- 
förmige übergegangen, was mit der Deformation der Samenfäden in 
unmittelbarer Abhängigkeit steht. Die Agglutinate liegen nebenein- 
ander als isolierte Klümpchen ; die Spermien von normaler Gestalt sind 
nur vereinzelt zu sehen (Abb. 13). 

Dieses Bild erinnert sehr an die Art der Spermienausflockung, 
welche entsteht durch CO,-Einwirkung bei einer Tension, die 60 Proz. 
des atmosphärischen Druckes beträgt, auf die in dem Leitungswasser 
vorbereiteten Samenfädenaufschwemmung (vgl. Abb. 6). 

In destilliertem Wasser. vorbereitete Spermiensuspension, welche 
erst 30 Minuten nach ihrer Vorbereitung mit Michaelisschem Regulator 





Abb. 14. 
Agglutination der in destilliertem Wasser vors 
bereiteten Samenfädensuspension, welche erst 


` nach eingetretener Deformation der Spermien 


der Einwirkung des Michaelisschen Regulators 
von Py = 4,7 ausgesetzt wurde. Die Aggluti- 
nate nd von demselben Charakter und 
gleicher Konfiguration wie die, welche in 


Abb. 15. 
Dasselbe Objekt ` 
wie in voriger Abbildung unter einer 
Immersionsvergrößerung. 
Man sicht ziemlich dicht verfilzte und fast 
ausnahmslos ösen» und federartig deformierte 
Samenfäden. 


Abb. 13 abgebildet sind. 


behandelt wurde, erliegt einer Ausflockung, wobei die Agglutinate 
wenig dicht sind; einen Teil der Spermien findet man freiliegend. Die 
Samenfäden sind mit wenigen Ausnahmen deformiert, und das ganze 
Bild erinnert stark an die Agglutination der in Leitungswasser auf- 
geschwemmten Samenfäden, welche erst nach einiger Zeit der Puffer- 
lösungswirkung ausgesetzt wurde (Abb. 14). Unter Immersions- 
vergrößerung läßt sich leicht nachweisen, daß die Agglutinate zu- 
sammengesetzt sind aus stark deformierten Samenfäden, welche die 
Gestalt von Ösen und Ringen annehmen (Abb. 15). 


384 B. E. Kalwaryjski: 


Läßt man das Kohlendioxyd bei einer Tension, welche 60 Proz. 
des atmosphärischen Druckes beträgt, auf eine in Leitungswassser auf- 
geschwemmte Spermiensuspension einwirken, so erhielt man ein Bild, 
welches dem oben beschriebenen sehr ähnlich ist. 

Sättigung mit reiner CO,-Atmosphäre einer Spermienaufschwem- 
mung in destilliertem Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung, bewirkt 
eine Wasserstoffionenkonzentration 
von Py = 3,5. 

Die bisher beschriebenen Agglu- 
tinationsbilder waren wenig ausge- 
sprochen, was den niedrigen Werten 
der ` H Jonenkonzentrationen der 
angewandten Lösungen zuzuschrei- 
ben ist. 

Erst jetzt gelangen stark aus- 
gebildete Agglutinationsbilder zur 
Beschreibung, welche unter dem 
Einfluß der hohen Wasserstoffionen- 
konzentrationen zustande kommen. 
Auch bei dieser Versuchsanordnung 
Abb. 16. wurden zu den 0,5ccm Standard- 


Ein großes Agglutinat aus den in 0,3pro.. Spermienaufschwemmung 9,5 ccm 


Mg Clas Lösung aufgeschwemmten Spermien, ichaeli gul 
welche einer Einwirkung des Michaelisschen des Mic isschen Re ators von 


Regulators von Py = 3,5 ausgesetzt wurden. Dn = 3,5 zugegeben. 





Man sieht höchstgradige Verfilzung der Samen» ER DS 
fäden, welche einen unregelmäßigen, zers Die ın 0,3 proz. Mg Cl,-Lösung 
franzten Brocken bilden. vorbereitete Samenfädenaufschwem- 


mung agglutinierte sehr stark, es 

entstanden sehr große Flocken, welche sich nur schwierig mechanisch los- 
lösen lassen. Deformierten Spermien begegnet man nur ausnahmsweise. 
CO,-Luftgemisch, in welchem die Kohlendioxydtension 60 Proz. 
des atmosphärischen Druckes beträgt, verursacht in einer in 0,3 proz. 


Tabelle III. Wasserstoffionenkonzentrationen, welche erzeugt werden «durch . 
in welchen die Suspension 





m er pm _ = pe, a fe dmb pech -m 


CO» Tension in Prozen 





I 

















1 Proz. | 2 Proz. 5 Proz. | 10 Proz. 
Art der Flüssigkeit Spermien: | 'Spermien« Spermien- Spermi 
Rein von auf ‘Rein von aufs Rein von | auf» Rein von | suf 
Spermien | schwem- ‚Spermien | schwem* | Spermien | schwem» Spermien | schwe 
mung 7 mung mung men 
Pp desLeitungswassers, | i ; 
in welchem die Gas» | 
mischung aufgelöst ist | 7,0-6,8 | 7,2-7,0 i 66 ! — — — 16,0-5,8 —- 


Py des destillierten 
Wassers, in welchem ` 





die Gasmischung auf» 


get e Ae 5,2-5,0 | 5,3-5,2 ` 4,8-4,6 — 4544 4746: 44 — 


385 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 


MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermiensuspension ausgeprägte Aus- 
floekung, jedoch die Agglutinate sind nicht so stark entwickelt wie im 
letzten Falle, was mit niedriger H'-Ionenkonzentration im Zusammen- 





hang steht (s. Tabelle III, Abb. 16, vgl. Abb. 1, 2). 


Abb. 17. 


Agglutination der in Leitungswasser aufge» 
schwemmten Spermien, welche sogleich nach 
Anfertigung der Suspension einer Einwirkung 
des Michaelisschen Regulators von Du = 3.5 
ausgesetzt wurde. 
Man sieht grobe, dichte Agglutinate, welche 
aus vollständig undeformierten Samenfäden 
zusammengesetzt sind. 


Abb. 18. 


Agglutination der Samenfäden aus derselben 
Samenfädenaufschwemmung, welche erst 
45 Minuten nach ihrer Anfertigung der Eins 
wirkung des Michaelisschen Regulators von 
Pu = 3,5 ausgesetzt wurde. Man sieht, daß 
die Agglutinate sich als klumpenartige Brocken 
darstellen, welche aus lauter deformierten 
Samenfäden bestehen. 


Die Samenfädenaufschwemmung, welche in Leitungswasser vor- 
bereitet und sogleich nach der Verfertigung einer Einwirkung des Puffer- 
gemisches von De = 3,5 ausgesetzt wurde, stellt ein Bild dar, welches 


dem eben beschriebenen 
vgl. Abb. 1, 2). 


in allen 


Details ähnlich ist (Abb. 17, 


säuerung mit C O,-Luftmischungen der Spermienaufschwemmungen bzw. der Lösungen, 
angefertigt sind. 








des atmosphärischen Druckes 




















25 Proz. 50 Proz. | 60 Proz. ` 75 Proz. | 100 Proz. 
| TT Spermien» ` |Spermien- Spermien» Spermien» 
'Rein von aufs Rein von aufs Rein von Rein von aufs | Rein von | auf» 
aaae dk schwem- Soe schwem» | Spermien | schwem- | Spermien ` schwem-» ` Spermien schwem» 
i mung mung | | mung 





424,0 


56 | 5,7-5,6 | 5,4-5,2 | 5,4-5,2 | 





ee 
| 





3,8-3,6 


5,2-5,0 | 5,2-5,0 








5,0-4,8| 50 | 4,8-4,6 4847 
| 48-4, 


| 3,6-3,4 , 3,6-3,5 





tiege — 


386 u B. E. Kalwaryjski: 


Dieselbe Aufschwemmung gab ein ganz anderes Bild, wenn sie erst 
nach 45 Minuten mit dem Puffergemisch von py = 3,5 zugesetzt 
wurde; die Flocken bestanden stets aus deformierten Samenfäden und 
die Art der Agglutinate entspricht dem netz-klumpigen Typus, deren 
Silhouette mehr rundlich sich darstellt. (Abb. 18.) 


Vergleicht man jetzt diese Agglutinate mit denen, welche durch 
eine CO,-Einwirkung (Tension des Kohlendioxyds 60 Proz. des atmo- 
sphärischen Druckes beträgt) bewirkt wurden, so merkt man leicht 
eine große gegenseitige Ähnlichkeit, obwohl im ersten Falle die Intensität 
der Ausflockung viel größer als bei den letzten ist (vgl. Abb. 6). 





Abb. 19. 





Agglutination der in destilliertem Wasser auf: 
geschwemmten Samenfäden, zu welchen un» 


Dasselbe Objekt unter Immersions» 


vergrößerung. mittelbar nach der Suspensionsanfertigung der 
Es sind die stark deformierten Michaelissche Regulator von Py = 3,5 zu 
und dicht verfilzten Samenfäden gesetzt wurde. Man sieht ein sehr großes 


Agglutinat, das aus undeformierten Samen» 

täden besteht und den abgebildeten Aggluti» 

naten in Abb. 16 (zum Teil auch in Abb. 17) 
sehr ähnlich ist. 


zu bemerken. 


Eine Immersionsvergrößerung (!/,”) weist in den Agglutinate 
eine Verfilzung der stark deformierten Spermatozoen auf, die Agglutinate 
sind stark entwickelt, und nur ausnahmsweise trifft man vereinzelte 
Samenfäden (Abb. 19, vgl. Abb. 7). 


Die in destilliertem Wasser vorbereitete Samenfädenaufschwem- 
mung, welche sogleich nach der Verfertigung mit dem Regulator von 
Pa = 3,5 vermischt wurde, agglutiniert ganz ähnlich wie die in Leitungs- 
wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmte Suspension 
(Abb. 20, vgl. Abb. 16, 17). 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 387 


Dieselbe Spermienaufschwemmung erst 45 Minuten nach der Vor- 
bereitung mit der Pufferlösung vermischt, ergab ganz anders geformte 
Agglutinate, welche abgerundet und klumpenähnlich sind. Wie man 
aus einer Immersionsvergrößerung ersieht, bestehen die Flocken fast 
ausschließlich aus deformierten Samenfäden (Abb. 21, 22). 


Sehr auffallend ist die tiefgreifende Ähnlichkeit zwischen den 
Agglutinationsbildern, welche einerseits unter dem Einfluß der CO,- 
Luftmischung, andererseits durch Einwirkung von Pufferlösungen 
entstanden sind (vgl. Abb. 5). Diese große, fast bis an die Identitäts- 
grenze herangehende Ähnlichkeit der Ausflockungsphänomene, welche 


Us Se KK Si e 
— Le, 
` €; e D 


-p 


4 
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cél 
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~œ e 


aS 
. 





Abb. 21. Ahb. 22. 
Agglutination derselben Samenfädenauf; Dasselbe Objekt unter Immersions» 
schwemmung, welche 5 Minuten nach ihrer Ä vergrößerung. 
Anfertigung der Einwirkung des Michaelisschen Nur ir; kleiner Tell der Samanliden ist 


Regulators von Py = 3,5 ausgesetzt wurde. 

Die Agglutinate sind fast ausnahmslos aus d undeformiert. 5 

deformierten Spermien klumpenartig geformt. Größtenteils sind charakteristische ösen- 

Das Agglutinationsbild erinnert stark an die und federartige Deformationen ein» 
Abb. 18. getreten. 


durch CO,-Einwirkung bzw. durch Puffermischungen zustande kamen, 
spricht im höchsten Grade für die einheitliche Natur der Erscheinung. 


Die oben hervorgehobenen Unterschiede in der Konfiguration der 
Agglutinate (S. 356 bis 361) finden eine befriedigende Interpretation in 
dem Verhalten der äußeren Gestalt der Samenfäden. Durch die Ein- 
wirkung des Kohlendioxyds auf die in 0,3 proz. MgCl,-Lösung vorbereitete 
Samenfädensuspension erhielt man in bezug auf die Konfiguration 
immer nur eine Art der Agglutinate. Die in destilliertem bzw. in 
Leitungswasser aufgeschwemmten Spermien, welche infolge CO,-Ein- 
wirkung einer Ausflockung unterliegen, erlitten durch das längere 
Verweilen in physiologisch wirksamen Medien allmähliche Veränderung. 
Es war sehr schwierig, die einzelnen Momente zu beobachten, da Aus- 


388 B. E. Kalwaryjski: 


flockung erst bei längerer Expositionsdauer zustande kommt. Unter- 
dessen ist das Verweilen der Samenfäden in destilliertem bzw. in 
Leitungswasser von großem Einfluß auf die Gestalt der Spermien und 
folglich auch auf die Konfiguration der Agglutinate. Außerdem mußte 
man noch die langsam vor sich gehende toxische Wirkung (nicht 
Penetration) des Kohlendioxyds in Betracht ziehen. 

Das Verwenden der Pufferlösungen hat es ermöglicht, diese Ver- 
änderungen Schritt für Schritt zu verfolgen. Die Anfangs- und End- 
stadien der Veränderungen, welche die Agglutinate durchmachen, sind 
in den beiliegenden Abbildungen wiedergegeben. 

Die Spermien gehen unter dem Einfluß der Regulatorenlösungen 
fast augenblicklich zugrunde und verharren in einer Gestalt, welche 
für den gegebenen Moment charakteristisch ist. So war es möglich, 
aus ein und derselben Samenfädensuspension, unter dem Einfluß der 
Puffermischungen wohl charakteristische, aber untereinander grund- 
verschiedene Bilder zu erhalten (vgl. Abb. 17, 18, 20, 21, 22). 

Es wurde bei den Versuchen mit Kohlendioxyd klargelegt, daß 
sich merkliche Unterschiede in den Konfigurationen der Agglutinate 
und in der Intensität der Ausflockung von Spermienaufschwemmungen 
nachweisen lassen, was davon abhängt, ob die Suspensionen in de- 
stilliertem bzw. Leitungswasser oder in 0,3proz. MgCl,-Lösung ver- 
fertigt wurde. 

Im Gegensatz dazu liefern die Samenfädenaufschwemmungen 
sowohl in destilliertem als auch in Leitungswasser und 0,3proz. 
MgCl,-Lösung unter dem Einfluß des Regulators pe = 4,7 sehr 
ähnliche Bilder in bezug auf Ausflockungsintensität. (Vgl. Abb. 10, 
12, 13, 14.) Um eine Ausflockung hingegen durch CO,-Einwirkung 
in einer in Leitungswasser vorbereiteten Samenfädenaufschwem- 
mung zu erzielen, ist eine 30mal höhere Tension notwendig als 
für eine in destilliertem Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl, - Lösung 
verfertigte Spermiensuspension. Dieses verschiedene Verhalten der 
Samenfädenaufschwemmungen kann uns als Maßstab dienen, wie 
einerseits die Puffermischungen die chemischen und physiologischen 
Differenzen zwischen destilliertem und Leitungswasser leicht ausgleichen 
und andererseits, wie große Schwankungen in der angewandten CO;- 
Tension nötig sind, um die identische Ansäuerung des destillierten 
bzw. Leitungswassers herbeizuführen, zwecks Gewinnung von analogen 
Ausflockungsphänomenen. 


Nach dieser zum Verständnis der Ausflockungsbilder notwendigen 
Beschreibung der verschiedenen Agglutinationsbedingungen können 
wir uns nun an die ausführlichere Besprechung der Wirkungsweise der 
neutralen Salze bei den uns hier angehenden Erscheinungen wenden. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 389 


Die Kationenwirkung wurde an den Chloriden folgender Metalle 
untersucht: RK. Li, Na, NH‘, Ca” und Mg’; die Anionenwirkung an 
Natriumsalzen der CI’, Br’, J’, ONS, CH,COO’ und SO, 

Die Beteiligung der Kationen wurde in den Agglutinationserscheinungen 
untersucht, welche hauptsächlich unter Einwirkung des CO, zustande 
kamen. Wie schon früher erwähnt wurde, konnte der Titer ge- 
brauchter Lösungen bei den Versuchen nicht bewahrt werden, und umsomehr 
würde die Anwendung stärker verdünnter Lösungen zu unabweichbaren 
Ungenauigkeiten führen, was man doch vermeiden wollte. 

Die Samenfädensuspensionen wurden größtenteils in einer Lösung 


hergestellt, deren Einfluß auf das Ausflockungsvermögen untersucht 
werden sollte. 


Jede zu untersuchende Salzlösung wurde in einer ganzen Reihe von 
verschieden starken Konzentrationen verfertigt, welche untereinander 
um 1/,, Normalität differieren. 

Indessen zeigte es sich, daß die Samenfäden, welche verschiedenen 
Exemplaren entnommen waren, gewisse individuelle Schwankungen 
in bezug auf Empfindlichkeit gegen die H'-Ionenkonzentration und 
auf die Anwesenheit von Kationen darstellen. Da die angewandte 
Versuchsmethodik mit der zufälligen Verdünnung der gebrauchten 
Lösungen stets rechnen mußte, so wurde immer nur die stärkste 
Konzentration berücksichtigt, bei welcher die Agglutination noch 
zustande kam. 


Um die hier besprochenen Verhältnisse quantitativ und anschaulich 
darzustellen, wurden aus den entsprechenden Konzentrationen der 
titrierten Lösungen die Grammäquivalente der Kationen berechnet. 
Die Versuche wurden auf zweierlei Art angestellt. Zuerst wurden in 
einer Versuchsreihe Lösungen von zunehmender Stärke angewandt, um 
die schwächste Konzentration zu bestimmen, welche noch Hemmungs- 
wirkungen ausübt. In der anderen Versuchsreihe wurde entgegengesetzt 
verfahren. Es wurde eine maximale Konzentration gesucht, bei welcher 
die Agglutination noch eben wahrnehmbar war. Obwohl während der 
Arbeit viele Hunderte von Bestimmungen in dieser zweifachen Weise 
ausgeführt wurden, erwies es sich jedoch bei schriftlicher Darstellung 
als zweckmäßig, sich auf die minimalen Konzentrationswerte zu be- 
grenzen, bei welchen die Agglutination noch nicht zustande kommen 
kann. Die Lösungen, deren Konzentrationsgrad niedriger liegt, er- 
möglichen selbstverständlich den Eintritt der Ausflockung. Gesamt- 
ergebnisse über diese zahlreichen und mühsamen Experimente sind in 
beigefügter Tabelle IV gegeben. 


‚Aus ihr geht besonders hervor. 

1. Lithiumchlorid in n/8 Lösung wirkt immer noch hemmend auf 
die Agglutination, welche sogar mikroskopisch nicht nachzuweisen ist. 
Die Abnahme der Konzentration der n/8 Lösung zur n/9 Lösung, 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 26 


390 B. E. Kalwaryjski: 














































































i Tabell 
Wirkung der Kationen auf den Agglutinationsverlauf der Temporari 
ess ee Angewandt 
KOCH 

zm = pe vr RRE WENN LE DET 
3 + He | 3 - Bi 3 ja Si 
V p j gagag) e “ "e C SEI = a = o Fr: Í 

8 E z #84 u E E R 25% Stiet: 8 a z5 SE 
muer Bet Ze dl ans Get ds Eet Get Ze agimi 
“ES | 8% |< 815332 “soj ZS E > 5220| MS aa 773 1332% 
BSR Eg Sehens | Sag] 86 BahRarı SSR] E8 Sehe 
Seel 28 |E32 | 955g 880| 28 532 5558 SE 5# 15321675; 

SE: Gë 6” 3 opa wS |9 EK) CW E Ss? “53 
SZ SR Ian ENTE IN Ei E Ier ESZ n El S gr Sng 
mp SI zg A SI S.I < K anj E a < F E a 
—— — | = mm 
n/4 |4,0-3,5 — lag 
n/ő 14,0-3,8| — 60 | 0767 | 28—36, + 17,8 | 1307 
n/6 |4,0-3,8| — 3,833| ogag "3538 + |6,533| 0'933 
n/7 4,0-3,8! — 3,285| 0435 28-308 ++ 15,6 (en 
n/8 || 4,0-3,8) — 2,875| 0320 13,8-36| ++! 14,9 0'545 
n/9 | 4,0-3,8; + 0255 | 38-36 + ++ 4,355 0435 

n/104,0-3,8| ++ eet ECH OCH AE äh 








welche in Li’-Grammäquivalenten berechnet 0,098 mg auf lccm 
beträgt, bewirkt das anfängliche Auftreten der Agglutination. 


2. Natriumchlorid wirkt hemmend bis zu der n/5 Lösung, in welcher 
das Na’-Grammäquivalent auf 1 ccm berechnet 4,60 mg beträgt. Zu 
einer wenn auch sehr zarten Agglutination kommt es schon in einer 
n/6 Lösung. Die Konzentration des Na'-Kations auf 1 ccm berechnet 
ist im Vergleich zur vorigen Lösung um 0,767 mg des Natriumgramm- 
äquivalents verkleinert. 


3. Kaliumchlorid bis zu n/4 Lösung übt eine hemmende Wirkung 
auf die Ausflockung aus. In einer n/5 Lösung läßt sich anfänglich 
Agglutination leicht erkennen. Konzentration, welche die Agglutination 
verursacht, beträgt in Grammäquivalenten, auf Leem berechnet, 
2,04 mg. 

4. Ammoniumchlorid verhält sich analog dem Kaliumchlorid. Die 
maximale Konzentrationsgrenze, bei welcher die Agglutination noch 
gehemmt ist, scheint noch ein wenig tiefer zu liegen. 


5. Calciumchlorid beeinflußt in hohem Grade die Ausflockung, 
indem n/7 Lösung noch hemmend wirkt. Erst in n/8 Lösung kommt 
die Agglutination zum Vorschein. 


6. Magnesiumchlorid läßt noch in einer n/6 Lösung das Ausbleiben 
der Agglutination erkennen. n/7 Lösung ist nicht mehr imstande, die 
Ausflockung zu hemmen, obwohl die Agglutinate spärlich und zierlich 
sind. Die Ausflockung bewirkende Konzentrationsabnahme, auf 1 ccm 
in Grammäquivalenten des Me Kations berechnet, beträgt 0,291 mg. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 391 


IV. 
spermien unter dem Einfluß reiner Kohlendioxydatmosphäre. 












a H ` p 3 H z | e D 3 ER: 
ER d Pe iggen g sp. 388° 
LI Bä ibirit Lt zb ih 
AEO SS uas £ E RSR Ae E Ke Ss 
BSG d EE 3 age | 3355 SE EF à $ 35 d 
SC EE BEEE E BET 
ei RE ir ER IB zu: 
| | mg mg 











3 

1,002 1,06 
ve: 0,669 0.407 
= 0,477 0.291 
3 0.358 0.192 
3 138-36) ++ |2227 | 0279 13,9-3,8| ++ | 1355| 0,195 
13 138-361 +++] 2,005 |  139-38|44++1122 | ° 





Es ist also ohne weiteres sichtbar, daß die hier in Betracht kommen- 
den Kationen sich in eine Reihe ordnen lassen, und zwar am besten 
in der Richtung abnehmender, hemmender Wirkung: 


Li >Ca >Mg >Na >K > NH. 


Dieselben Ergebnisse wurden auch bei den Versuchen mit Puffer- 
mischungen, welche Ausflockungsvorgänge verursachen, erreicht. 


Es wurde außerdem eine Versuchsreihe angestellt, um antago- 
nistische Wirkung der Kationen auf die Agglutinationsphänomene zu 
ermitteln. Die Versuche sind aber nicht abgeschlossen und Endschlüsse 
werden später bei anderer Gelegenheit berichtet werden. Es ist nur zu 
berichten, daß hier in Betracht kommende Kationen in allen möglichen 
Kombinationen gar keine antagonistische Wirkungen auf das Aus- 
flockungsphänomen ausüben. Eher konnte man von einer Cumulation 
in Abhängigkeit von individuellen Eigenschaften jedes einzelnen 
Kations sprechen. 


Um die Wirkung der Anionenreihe auf die Säureausflockung der 
Samenfädensuspension festzustellen, wurde die Versuchsanordnung ganz 
analog wie bei den Versuchen mit der Kationenreihe angestellt. Die 
Anionen wurden als Natriumsalze angewandt, wobei folgende Ver- 
bindungen in Betracht kamen: Noa Pri, NaCl’, Na J', Na SO, 
Na CNS Die Versuchsergebnisse sind in der beigefügten Tabelle V 
angegeben. Man sieht, daß die verschiedenen Natriumsalze in der- 
selben Konzentration die Ausflockung hemmen bzw. daß in der für 
alle Salze gleichen Lösung die Agglutination noch zustande kommt. 


28 * 


392 B. E. Kalwaryjski: 


Tabele V. 


Agglutinationsverlauf der Temporariaspermien unter dem Einfluß der 
reinen Kohlendioxydatmosphäre bei Anwesenheit der verschiedenen Anionen. 









Angewandte Salze 


Na’ | Ne CNS | Na; SO‘, 
Ee 








Ne CH 
































Tit „.%.H'l . a Hal 9 e wël Hal s| a v Hal s a ao 
i 228 kon | HH kons (22S. kon EZ] kom KEE 
33 S zentrat. 33 ch zentrat. 33 E | zentrat. KEE 5 | zentrat EZE 

“u =) C Ad u. € a 

= | pu lëël pu TEEN pu BI pu 75 pp "ES 
5 [39-38] — |38-36| — "3,9-3,8: — 39-38| — |3,9-3,8| + 
np 138-36; + :3,8-3,6| + 3,8-3,7! + '3,9-3,8| + |3,938| z 
ag |38-36| + "38-361 + 3938 + 39-38] + |3938] - 
n/8 13,7-36| ++, 3,8-3,6 | ++ ! 3,8-3,7 | ++ | 3,9-38 , ++ |3,9-3,8| ++ 





Die durch CO,-Einwirkung bedingte Ausflockung in Anwesenheit 
aller erwähnten Natrsumsalze weist ein Hemmungsbild auf, wie es sich 
für Na -Kationen als charakteristisch erwies. 

Die durch die Michaelisschen Regulatoren unter sonst gleichen 
Bedingungen bewirkte Agglutination verlief analog der durch CO, 
verursachten Ausflockung. Um die Versuchsanordnung und den Gang 
des Experiments in dieser Experimentenserie anschaulich zu geben, 
wird beispielsweise der Verlauf des Versuchs mit Na’CN S’-Lösung 
eingehend besprochen. Der Verlauf des Versuchs war folgender: Die dicke 
Spermiensuspension wurde in 0,3 proz. MgCl,-Lösung vorbereitet, was für 
den Verlauf des Versuchs — wie oben auseinandergesetzt wurde — ohne 
jeden nachteiligen Einfluß blieb. Die Fragestellung wurde in folgender 
Weise aufgefaßt: Inwieweit äußert sich der Einfluß des CNS’-Ions 
auf den Verlauf der durch den Michaeisschen Regulator von py = 41 
bewirkten Spermienausflockung. 

Die Standardsuspension wurde stets in einer Menge von 0,4 ccm, 
die Pufferlösung stets in einer Menge von 5cem genommen. Die 
Na’CNS’-Lösung wurde in verschiedenen, genau abgemessenen 
Quantitäten zugeschüttet!). Die ganze Mischung wurde mit de- 


1) Während der Ausführung des Versuchs traf ich auf eine gewissermaßen 
paradoxe Erscheinung, welche in gewissem Sinne, dem Danysz- Phänomen 
analog ist. Wurde nämlich zu den Lösungen, welche die Agglutination sehr 
stark hemmen, die Spermiensuspension zugeschüttet, so trat sofort heftigste 
Ausflockung hervor, wogegen umgekehrt dieselben Lösungen, schnell 
zu der Samenfädensuspension zugegossen, die Agglutinationshemmung klar 
erkennen lassen. Vielleicht wird es am einfachsten sein, diese Erscheinung 
sich folgendermaßen zu erklären: durch Zusatz der Suspension wird näm- 
lich die oberflächliche Schicht der hemmenden Lösung verdünnt, weshalb 
die Konzentration der hemmenden Körper plötzlich abnimmt und weswegen 
die charakteristische, ausflockende Wirkung des Regulators deutlich zum 
Vorschein kommt. Wird demgegenüber zu der Spermasuspension die 








Samenfä-enagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 393 


stilliertem Wasser auf das Volumen bis zu 10 ccm gebracht. Die bei- 
gefügte Tabelle VI macht den Gang des Versuchs anschaulich. 


Tabelle VI. 


Erläuterung des Versuchsverlaufs unter Einwirkung der NaCN S-Lösung 
auf den Agglutinationsprozeß der Temporariaspermien. Protokollauszug, 
Versuch Nr. 73 22. III. 1925. 














t A 
Menge der Aul» GE der Menge der ` ge Mesa Menge des Agglutina. 
a Kon vn, 0, dienen Ven 
SIE | Flüssigkeit 
EE E B ee a 
e ck EE zu, a 
0,4 5 | 1,50 5,750 3,10 = 
0,4 5 | 1,25 5,175 3,35 = 
0,4 5 10 ' 4600 3,60 Si 
0,4 5 0,75 4,025 As A 
0,4 5 | 0,50 3,450 410 € + 
0,4 5 | 0,25 2,875 4,35 as 
0,4 5 | 0,00 2,300 500° I ++++ 


Die Grammäquivalentenzahl des Na’-Kations unterscheidet sich 
bei den Versuchen mit verschiedenen Anionengruppen von der bei den 
Untersuchungen mit der Kationenreihe festgestellten Zahl. Den Grund 
für diese Differenz können wir in der nur kleinen Variation der Zu- 





ganze Portion der Flüssigkeit von agglutinationshemmenden Eigenschaften 
schnell zugegossen, so wächst die Konzentration der hemmenden Ver- 
bindungen in der Aufschwemmung so schnell, daß die ausflockende Wirkung 
des Regulators nicht zustande kommen kann. Die deutlich ausgebildeten 
Agglutinate, welche beim Zusatz der Samensuspension zur „hemmenden 
Lösung“ entstehen, erliegen keiner mechanischen Desintegration mehr, 
besonders dann, wenn die Tötung der Spermien sehr schnell vor sich ge- 
gangen war —, so daß man in diesem Falle in gewissem Sinne von einer 
Irreversibilität der Agglutination sprechen kann. 

Es ist auch eine andere Deutung dieser Erscheinung anzunehmen; 
nach Höbers Darstellung (Physikalische Chemie der Zelle und Gewebe. 
V. Aufl.. 1922 bis 1924, S. 239) haben Spring und Freundlich gefunden, 
daB „ein und dieselbe Elektrolytenmenge, der gleichen Menge Kolloid- 
lösung zugefügt, bei raschem Zusatz eine totale Ausflockung bewirken kann, 
während sie bei langsamem Zusatz die Stabilität: nicht oder wenig stört“. 
In meinen Versuchen kann also die Ausflockung, «die in einer Lösung zu- 
stande kommt, welche sonst ausgesprochen hemmend wirkt, in oben an- 
gedeuteter Weise erklärt werden. — Nach Freundlich ist es wahrscheinlich, 
daß der rasche Zusatz eine ungleichmäßige Verteilung der entladenden 
Ionen auf alle Kolloidpartikelchen bewirkt, wodurch an Stelle der gleichen 
Potentiale Potentialunterschiede zur Ausbildung kommen, die den Anlaß 
zu gegenseitiger Anziehung und Ausflockung geben. 


394 B. E. Kalwaryjski: 


sammensetzung der angewandten Lösungen finden. Es soll jedoch 
gleich auseinandergesetzt werden, daß diese Differenz nur sehr klein 
ist und keinen Grund dafür gibt, die Ergebnisse als zweideutig und 
unsicher zu erklären. Durch die Anwesenheit des Natriumrhodanats 
bewirkte rudimentäre Ausflockung tritt bei einer Konzentration auf, 
welche in Natriumgrammäquivalenten auf l ccm berechnet 4,025 mg 
beträgt. Indessen zeigt die Tabelle IV, daß 3,833 mg des Na’ Gramm. 
äquivalents auf l cem berechnet eine schwache Agglutination noch 
erkennen läßt und 4,60 mg deutliche Agglutinationshemmung zur 
Folge hat. Die Ausflockung kommt also in diesen Grenzen zustande. 
Die für Natriumrhodanat in meinem Experiment erhaltene Agglu- 
tinationszahl beträgt 4,025 mg des Na -Grammäquivalents auf 1 ccm der 
Lösung; sie liegt also näher der agglutinatinnsauslösenden als der 
agglutinationshemmenden Konzentration. 


4,025 (Na Wert der noch agglutinationsauslösend. Konz. in Leem) 
— 3,833 (Na -Wert aus Tabelle IV), 


0,192 
4,60 (Na -Wert d agglutinationshemmend. Konz. in 1 cem, a Tab. IV) 





4,60 > 4,025 — 3,833 
m mmm mm uf 
0,575 > 0,192. 


Um den Anteil der Kationen bei Ausflockungserscheinungen 
möglichst zu begrenzen, sogar ganz auszuschließen, wurden die Samen- 
fäden reinen Säurelösungen ausgesetzt. In schwachen sauren Lösungen 
wurden die Spermien unmittelbar aufgeschwemmt. Bei den Versuchen 
mit stärkeren Lösungen wurden die Standardaufschwemmungen in 
dünnen Lösungen entsprechender Säuren vorbereitet und der Ein- 
wirkung stärkerer Solutionen ausgesetzt. Die Versuche wurden mit 
Salz-, Schwefel-, Orthophosphor- und Essigsäure angestellt. Da die 
Säurelösungen selbstverständlich gar nicht gepuffert sind, so bewirkt 
der Zusatz von Spermienaufschwemmung eine kleine Senkung der 
bestehenden H'-Ionenkonzentration, welche jedesmal bestimmt und 
berücksichtigt wurde. Für die in Betracht kommenden Säuren konnte 
man drei charakteristische Konzentrationsstärken feststellen: 


l. Eine so schwache, daß die Agglutination noch nicht zustande 
kommen kann. 
2. Eine Konzentration, die zur maximalen Ausflockung führt. 


3. Eine so starke Konzentration, welche die Agglutination voll- 
kommen hemmt (Abb. 23, 24). 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 395 


Das verschiedene Verhalten der angewandten Säuren in bezug auf 
den Agglutinationsverlauf der T’emporariaspermien ist aus der bei- 
gefügten Tabelle VII ersichtlich. 





Abb. 23. 
Agglutinationshemmung der Temporaria» Dasselbe Objekt unter Immersions- 
samenfäden in n/i Essigsäurelösung. Da vergrößerung. 


oh Free LK Sa Man sieht, daß die Samenfäden deutlich auf» 
liche, aber eine Verklebung der Spermien gequollen und manche leicht deformiert 

untereinander kommt nicht zustande. Die sind, aber einzeln liegen und keine Agglu- 
Samenfäden sehen etwas aufgequollen aus. tinationstendenz verraten. 


Tabelle VII. 


Einwirkung freier Säuren auf den Agglutinationsverlauf der Temporaria- 
spermien. 





R Angewandte Säuren 








HOH ) H,SO, HPO; CHCOOH 
. | Aggluu . je Agglu- s Agglu- K: Agglu- 
ën tinations» _ eieiei ie ve | naw. Í raston: Zaan, tinations» 
nuogos | intensität ; PUPESETA | intensität | ?UNgSgra intensität PUNESE intensität 
Em EE En Se en rn à ae ä E 
n/40 000 | n/20000 | | NEE 
bis n/30 000 | 3° | bis EN, = n/2000 (e bis n/15000 + 
| 
ia © ++++| wm  ++++ pasoo +tEH ai | +++ + 
nid bis n/5|  — La bis e, c TI a ot EB M 
vor geg ' | , vop 
ständige ständi ständige 
gglus Agglus l Agglus 
‚ tinationss | tinations» | tinations» 
hemmung | hemmung hemmung 


Zum zweiten Male stoßen wir auf eine Agglutinationshemmung, 
welche einer Erklärung bedarf, 

Da die beschriebene Spermienagglutination mit der Ausflockung 
einer Suspension völlig übereinstimmt, so war man berechtigt 
anzunehmen, daß die Agglutinationshemmung der Umladungs- 
erscheinung entspricht (Höber, 1l. c., S. 235 bis 237). Diese Annahme 


396 B. E. Kalwaryjski: 


konnten die Kataphoreseerscheinungen bestätigen. Schon R. Lillie!) 
stellte fest, daß die Samenfäden im elektrischen Felde zur Anode 
wandern. Diese Beobachtung trifft in bezug auf die Samenfäden der 
Rana temporaria völlig zu, soweit die Aufschwemmung eine neutrale 
oder schwach saure Lösung darstellt. 


Die in Essigsäurelösung aufgeschwemmten Samenfäden erliegen 
keiner Agglutination und wandern ziemlich schnell zur Kathode. Die 
Änderung der Wanderungsrichtung im elektrischen Felde ist hier sehr 
deutlich. Da die Samenfäden bei niedriger H'-Ionenkonzentration, 
welche noch keine Agglutination bewirken, zur Anode wandern, und 
da andererseits bei hoher Wasserstoffionenkonzentration (In Essigsäure- 
lösung, welche völlige Agglutinationshemmung verursacht) die Spermien 
zur Kathode wandern, so ist man aus diesem Grunde berechtigt, den 
Versuchsbedingungen entsprechend, eine isoelektrische Zone anzu- 
nehmen, welche gerade solchen H’-Ionenkonzentrationen entspricht, 
die starke Ausflockungserscheinungen bewirken. 


Die Samenfädenaufschwemmungen konnten in H’-Ionenkonzen- 
trationen, welche Ausflockung bedingen, selbstverständlich nicht für 
die Kataphorese benutzt werden. Daraus entstand auch eine Schwierig- 
keit für die experimentelle Bestimmung der Breite der isoelektrischen 
Zone. Um einen Ausweg aus dieser Schwierigkeit zu finden, wurde 
folgendes Verfahren gewählt: Zu den Säurelösungen wurde so viel 
NaCl-Lösung zugegeben, daß auf je l ccm der Aufschwemmung je 
4,6 mg Na-Grammäquivalente fiel, was eine Hemmung der Ausflockung 
zur Folge hatte. Unter diesen Bedingungen stellte sich heraus, daß 
die isoelektrische Zone für hier in Betracht kommende Säuren zwischen 
Pa = 3,6 bis 2,6 schwankt. Der NaCl-Zusatz enthielt jedoch eine Fehler- 
quelle, die aber leider nicht anders umgangen werden konnte, und des- 
halb ist den erhaltenen Zahlen nur ein relativer und nicht absoluter 
Wert zuzuschreiben. 


In der vorliegenden Arbeit dienten als Versuchsobjekt vorwiegend 
Spermien der Rana temporaria. Gelegentlich führte ich auch einige Ver- 
suche mit den Samenfäden der Bufo vulgaris und des Hechtes (Esox lucius) 
aus. Die CO,- und Regulatoreneinwirkung rufen bei der entsprechenden 
Kationenkonzentration in den Aufschwemmungen eine ausgesprochene 
Ausflockung hervor. — Als Versuchsobjekte eignen sich diese Gattungen 
nicht. Die Samenfäden des Esox lucius sind zu klein, um an ihnen morpho- 
logische Veränderungen, welche mit den Agglutinationsphänomenen ver- 
bunden sind, wahrzunehmen, und deshalb weist auch die Konfiguration der 
Agglutinate keine merklichen Unterschiede auf. Obwohl die Samenfäden 
von Bufo vulgaris leicht der Ausflockung anheimfallen, so sind sie auf die 
Differenzen der H'-Ionenkonzentrationen doch nicht so empfindlich wie die 


1) The Amer. Journ. of Physiol. 8, 272 bis 283, 1902. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 397 


Temporariaspermien. Infolgedessen bewirken die verhältnismäßig von- 
cinander entfernten H'-Ionenkonzentrationen eine gleiche Ausflockung. 
Außerdem erliegen die Samenfäden der Bufo vulgaris sehr leicht weitgehen- 
den Deformationen. 


Das Studium der Spermienagglutination in verschiedenen 
Medien unter dem Einfluß des Kohlendioxyds, sauren Regulatoren 
und freien Säuren erlaubt, die Bedingungen der Erscheinung genau 
festzustellen. 


Eine Agglutination der Temporariasamenfäden läßt sich noch auf 
ganz anderem Wege herbeiführen, welcher mit der Ansäuerung des 
Mediums nichts Gemeinsames hat. Hierzu gehören z. B. 70 proz. 
Äthylalkohol (und höher), die über 60°C erhöhte Temperatur und 
was uns hier am meisten angeht, starke Laugenlösungen. Es ließen 
sich noch mehr Beispiele anführen, die jedoch zurzeit ohne Bedeutung 
sind. In aller Kürze werden hier die Agglutinationserscheinungen 
berücksichtigt, welche durch Laugenlösungen hervorgerufen wurden. 
Auf diese Tatsache stieß ich bei der Wiederholung der Versuche 
A. Köllikers (l.c.), welcher Samenfäden belebte, die eine Zeitlang in 
Säurelösungen verweilt hatten. Dazu benutzte ich verschieden starke 
Laugelösungen, z. B. n/10 NaOH-Lösung, die deutliche Ausflockung 
hervorruft. Die Agglutinate unterscheiden sich von den Säureagglu- 
tinaten durch eine abweichende Konfiguration. Die Flocken sind 
klumpenartig, mehr sammetartig und erliegen sehr leicht einer Kolli- 
quation. Dieser Erscheinung konnte ich nicht genügend Zeit widmen; 
jedenfalls führe ich sie an als Ergänzung zu der in dieser Arbeit be- 
sprochenen Agglutinationserscheinungen. Ich glaube annehmen zu 
können, daß ähnlich wie die in neutralen Medien aufgeschwemmten 
Spermien unter dem Einfluß der Säuren elektrostatischen Verände- 
rungen unterliegen und mit Verlust der gleichnamigen Ladung der 
Ausflockung anheimfallen, so auch starke Laugelösungen analoge 
Erscheinungen bewirken. 


Heute unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Spermien- 
agglutination zu den weitverbreiteten Erscheinungen gehört. Wie ich 
schon oben angab, ist es zurzeit nicht leicht, die Agglutination ver- 
schiedener Herkunft von nur einem Agens abhängig zu machen, wie 
z. B. von den elektrostatischen Veränderungen, die sich an der Spermien- 
oberfläche abspielen. Erscheint jedoch als angängig, Erscheinungen 
der Art, wie Spermienagglutination, von einem einheitlichen Standpunkt 
aus genügend zu erklären, so ist dies niemals zu vernachlässigen. Man 
muß jedoch stets im Auge behalten, daß verschiedene, sogar der Gattung 
nach nicht weit voneinander stehende Versuchsobjekte, ganz ver- 
schieden auf identische Reize reagieren können. Im Gegensatz dazu 


398 B. E. Kalwaryjski: 


können die Gattungsunterschiede nicht immer die Abweichungen im 
Erscheinungsverlauf begründen. 

Auf Grund der in dieser Arbeit angeführten Beobachtungen unter- 
liegt es keinem Zweifel mehr, daß die Agglutination der Temporaria- 
spermien sowohl unter dem Einfluß des Kohlendioxyds als auch die 
Agglutination unter dem Einfluß organischer und anorganischer freier 
Säuren und sauer reagierender Pufferlösungen auf der Wirkung der 
Wasserstoffionenkonzentration beruht. 

Zwar kennt man außer der Agglutination noch andere Aggregations- 
zustände der Spermien, die sich jedoch ziemlich deutlich von den hier 
beschriebenen Ausflockungserscheinungen unterscheiden, und vielleicht 
sogar zum Teil der Lillieschen ‚„Aktivation‘ entsprechen. Die dicke, 
auf dem Uhrglas vorbereitete Spermienaufschwemmung, bildet im 
Verlauf von einigen bis zu mehreren Minuten graupenartige Haufen, 
die dem Uhrglas stark angeheftet sind. Diese Adhäsion der Spermien- 
anhäufungen ist gewiß der Thigmotaktis zuzuschreiben. Es ist nicht 
ausgeschlossen, daß die erwähnten Aggregationen zustande kommen 
infolge der besonderen Neigung der Samenfäden zum Aufkleben an 
kleine Gewebe — und ganz besonders — an Hodenteile, welche regel- 
mäßig in einer Spermienaufschwemmung sich befinden. 

Unter dem Mikroskop sieht man in fast jeder Spermienaufschwem- 
mung Samenfädenbündel, angeordnet um die sSertollischen Zellen 
herum; die Schwänze der Spermien befinden sich in einer äußerst regen 
Bewegung. Diese Spermienanhäufung beruht nach K. Grobben!) auf 
der positiven Chemotaxis der Spermien gegeneinander, sowie gegen 
trophische Substanzen, welche von den Sertollischen Zellen ausgeschieden 
sind. Ich beobachtete des öfteren, daß bei heftigem Schütteln der 
Spermienaufschwemmung im Kolben, die Samenfäden sich zu läng- 
lichen, bandförmigen und zerfranzten Gebilden verkleben, welche 
Agglutinationserscheinungen vortäuschen können. Diese Gebilde 
ordnen sich an Gewebsteilchen und besitzen ein sehr dichtes Gefüge. 
Ohne Zweifel haben wir es hier mit einer rein physikalischen und keiner 
spezifischen Erscheinung zu tun. Kleine Portionen der Spermien- 
aufschwemmungen weisen in Kontrollgläsern keine irgendwelche 
Aggregatsänderungen der Suspensionen auf. Spontane Aggregate 
werden von Rindersperma, sowie auch von Menschensperma gebildet, 
worauf Debenedetti?) hinweist. Er sieht in dieser Erscheinung eine 
Analogie zu der geldrollenartigen Anordnung der Erythrocyten. Es 
ist nicht ausgeschlossen, daß diese von mir beobachteten Gebilde unter 
dem Einfluß der Oberflächenkräfte entstehen, ähnlich wie dies nach 

1) Zoolog. Anz. 22, 106, 1899. 

2) Rif. med. (Osp. civ. Ass.) 80, 440f., 1923. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 399 


M. Heidenhain!) (Sympeksis) für die Anordnung der Erythrocyten in 
Geldrollenform gelten soll. Nach Joh. Brodersen?) reicht die Heidenhain- 
sche Erklärung nicht aus für die Bildung von ‚Geldrollen“, die durch 
eine Einwirkung der gelatinhaltigen Lösung verursacht sind." 


Im Laufe der vorliegenden Arbeit hatte ich zweimal Gelegenheit, 
Menschensperma zu beobachten, welches unter dem Einfluß des Kohlen- 
dioxyds keine Agglutination ergab. Ich will noch auf die ausführliche 
Arbeit Yamane (l. c.) aus diesem Gebiet aufmerksam machen, in welcher 
der Autor das Entstehen der ‚Spermienhaufenbildung‘“ in Abhängigkeit 
stellt von der Wasserstoffionenkonzentration und von der Kationen- 
wirkung, der er eine große Rolle zuschreibt. In bezug auf die Bedeutung 
der Wasserstoffionenkonzentration für die Agglutinationserscheinungen 
der Spermien sind die Ergebnisse Yamanes und die meinigen überein- 
stimmend, trotz der großen Verschiedenheit der Versuchsobjekte. 
Yamane betont außerdem die grundliegende Bedeutung der Kationen- 
wirkung für die Spermienhaufenbildung und die Eigenbewegung der 
Spermien, wobei er die Erscheinung nicht als eine einfache Ausflockung 
betrachten will. Wie daraus ersichtlich ist, stimmen die Ergebnisse 
Yamanes in dieser Hinsicht mit den meinigen nicht überein, was 
möglicherweise durch die Objektsunterschiede bedingt ist. 

Einen anderen Standpunkt nimmt @ellhorn an, der bei der Anführung 
der Anschauung Yamanes über die Bedeutung der H-Ionenkonzentration 
für die Agglutinationserscheinungen der Spermien schreibt: ‚Dies 
dürfte für die Spermatozoen des Frosches keine Geltung haben, da 
z.B. selbst in n/100 oder n/1000 H OU die Eskulentenspermatozoen 
keine Haufenbildung zeigen“). Auf Grund hier niedergelegter Unter- 
suchungen ist es klar, daß diese Behauptung @ellhorns für Samenfäden 
der Rana temporaria und Bufo vulgaris keine Geltung hat. 


Versuche an Eskulenienspermien veranlaßten mich, die Angaben 
Gellhorns insofern zu bestätigen, daß tatsächlich die Eskulentensamen- 
fäden „in n/100 oder n/1000 H Cl’ keine Haufenbildung zeigen“. Geht 
man aber in der Verdünnung der Salzsäure weiter, so zeigte sich, 
daß die H Cl’-Lösungen von einer n/3000 bis n/5000 Konzentration eine 
typische Ausflockung hervorrufen. Außer der H Cl’-Lösung ruft n/200 
Essigsäure eine ausgesprochene Agglutination der Eskulenienspermien 
hervor. Die zehnfach verdünnten Pufferlösungen Mc Ilvaines bewirken 
eine maximale Ausflockung bei den H‘-Ionenkonzentrationen, die 
zwischen pe = 3,4 bis 3,8 liegen; bei pe = 2,2 kommt es schon zu 
einer Agglutinationshemmung, welche auch bei niederen ?y-Werten 


1) M. Heidenhain, Plasma und Zelle 2, 1068 bis 1070, 1911. 
2) Zeitschr. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. 76, 104, 1925. 
2) Pflügers Arch. 198, 573, 1922. 


400 B. E. Kalwaryjski: 


durch Kationenüberschuß zustande kommt. Aus dem Gesagten geht 
es klar hervor, daß die Behauptung Gellhorns über die Belanglosigkeit 
der H’-Ionenkonzentration für die Agglutinationserscheinungen an 
Froschspermatozoen insbesondere der Eskulentensamenfäden, dem 
wirklichen Sachverhalt nicht entspricht. 


Die Toleranz der Spermien sehr vieler Gattungen und besonders 
der Rana temporaria gegen die Säuren ist groß genug, und ihre Samen- 
fäden weisen sogar in n/10 Salzsäure noch eine kurze Zeit Bewegungen 
auf. Die Angaben E.@Gelhorns!) sprechen für die große Toleranz der 
Spermatozoen gegen Säuren. Er gibt an, daß in einer Lösung, deren 
H'-Ionenkonzentration k = 10”? ist, noch kurzdauernde Bewegungen 
beobachtet werden, und wenn der H'-Ionengehalt sich bis zu k = 10”? 
verringert, so dauern die Bewegungen viel länger. Diese Versuche 
waren von E.@Gellhorn an Temporariasamenfäden angestellt. 

Gellhorn arbeitete mit Sörensenschen Glykokoll- und Phosphat- 
puffern, wobei er in seinen Befruchtungsstudien II ausdrücklich angibt, 
„daß die Grenzen, innerhalb deren normale Entwicklung noch zustande 
kommt, für die Spermatozoen bei pe =3 und pe = 13... liegen, 
wenn die Konzentration der Puffer n/40 ist‘“?). 

Wie aus meinen hier niedergelegten Untersuchungen hervorgeht, 
üben die Kationen der alkalischen Metalle und alkalischen Erden eine 
hemmende Wirkung auf den Agglutinationsverlauf der Temporaria- 
spermien aus, wenn die in Betracht kommenden Salze erst eine n/4 
bis n/8 Konzentration erreichen. Da Gellhorn über irgendwelche Agglu- 
tinationserscheinungen der Spermien in sauren Medien keine Angaben 
machte, so liegt es nahe, anzunehmen, daß in den von Gellhorn an. 
gestellten Versuchen ein stetiger Ausfall der Samenfädenagglutination 
stattgefunden hat, obwohl in der Versuchsanordnung die Bedingungen 
nicht dazu gegeben waren. Dieser Sachverhalt erfordert eine Erklärung, 
und angesichts meiner eigenen Versuchsergebnisse fühlte ich mich 
berechtigt, obige Bedenken an dieser Stelle auszusprechen. 

Man könnte hier zwar Beispiele anführen, welche zu beweisen 
scheinen, daß unter verwandten Gattungen große Reaktionsunter- 
schiede bestehen können. Es genügt zu erinnern, daß Samenfäden 
des ‚Strongylocentrotus purpuratus in angesäuertem Seewasser einer 
Agglutination unterliegen), während die Ochraceaspermien nur in stark 
alkalisiertem Seewasser einer Ausflockung anheimfallen. Die Gattungs- 
unterschiede in diesem Falle sind jedoch bedeutend größer als die, 
welche zwischen Rana temporaria und Rana esculenta bestehen, die 


1) Pflügers Arch. 196, 387f., 1922. 
2) Pflügers Arch. 196, 392, 1922. 
3) J. Loeb, Le, 1904, S 340. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 401 


Reaktionsunterschiede also viel verständlicher für diese Echinodermen 
erscheinen. 

Fr. Lillie führt Beispiele verschiedener Empfindlichkeiten gegen- 
über verschieden starken CO,-Lösungen für folgende Gattungen an: 
Loligo bewegt sich noch in der von Fr. Lülie genannten 50proz. Lösung, 
Chaetopterus erliegt völliger Lähmung erst in 331- bis 40Oproz. Lösung, 
Arbacia in 3proz. und Nereis in Iproz. Lösung. Aus diesem ergibt sich, 
daß verschiedene Spermagattungen auf verschiedene CO,-Tensionen 
und daraus folgende H -Ionenkonzentrationen nicht einheitlich reagieren. 

Zwischen den begeißelten Bakterienarten und tierischen Samen- 
fäden darf man in mancher Hinsicht eine Parallele ziehen und deswegen 
will ich dieser Analogie ein wenig weiter folgen. Bekannterweise sind 
für Bakterienstämme die Unterschiede im Ausflockungsvermögen bei 
gewissen H -Ionenkonzentrationen diagnostisch verwertet worden 
(L. Michaelis !). Obwohl Th. Eisenberg?) in seinen gründlichen Ab- 
handlungen Zweifel gegen die Spezifität der Säureagglutination aus- 
gesprochen hat, bleibt es dennoch fest, daß sich diese Methode in ge- 
wissen Fällen als verwendbar erwiesen hat. Es ist nicht ausgeschlossen, 
daß die Säureagglutinationswerte der Samenfäden sich als ein Hilfs- 
mittel in der Bestimmung der Verwandtschaftsgrade der verschiedenen 
Tierspezies anwendbar erweisen werden. Bis heutzutage gibt es keine 
systematisch vergleichende Angaben über die erwähnte Frage. Ver- 
öffentlichungen von Gray, Walton, Yamane u. a., sowie meine jetzige, 
füllen diese Lücke nicht aus. 

In flüssigen Medien aufgeschwemmte Samenfäden sind als eine 
disperse Phase aufzufassen, die sich nach den für feine Suspensionen 
gültigen Regeln verhält. Es ist zu betonen, daß die Agglutinations- 
phänomene der Spermatozoen schon längst von J. Loeb (l. c.) 
ähnlich erklärt wurden. In der bereits erwähnten Abhandlung 
spricht sich dieser unübertroffene Meister der biologischen Forschung 
folgendermaßen aus: ‚Bei der nahen Beziehung, welche zwischen 
dem Prozeß der Aggregatbildung (Agglutination) von in Flüssigkeit 
suspendierten Teilchen und ihrer elektrischen Ladung besteht, lag es 
nahe, zu versuchen, ob vielleicht die elektrischen Ladungen der See- 
stern- und Seeigelspermatozoen im Kontakt mit Seeigeleiern Unter- 
schiede zeigen, welche dem Vermögen dieser Spermatozoen, das See- 
igelei in alkalischen, neutralen oder sauren Lösungen zu befruchten, 
parallel laufen.“ 

Ich möchte noch auf einige Einzelheiten hinweisen, welche das 
Verhalten der Temporariaspermien gegenüber dem Kohlendioxyd 


1) Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 28, 1914. 
2) Zeitschr. f. Bakt. 88, 70f., 472f., 561f., 1919. 


402 B. E. Kalwaryjeki: 


betreffen. Es hat sich im Laufe der Versuche gezeigt, daß Spermatozoen 
in alkalisch reagierenden und sonst unschädlichen Medien (z. B. 
NaHCO,-Lösungen) unter der CO,-Einwirkung einer Lähmung unter- 
liegen, ohne der Agglutination anheimzufallen. Die Agglutination, 
welche durch CO,-Einwirkung zustande kommt, ist gewiß von der 
H-Ionenkonzentration abhängig. Sodann konnte man die lähmende 
Kohlendioxydwirkung als eine Erscheinung der Säurestarre annehmen ; 
diese Erscheinung wurde sehr eingehend auf einzelligen Wesen und 
bewimperten Zellen durch Th. v. Engelmann!) und K. Kühne?) studiert, 
welche Autoren die Säurestarre als eine allgemeine Reaktion der 
lebendigen Masse auf entsprechende Reize ansahen. 


Wird durch eine 0,3proz. Natrium- bzw. Magnesiumsäurecarbonat- 
lösung ein stetiger CO,-Strom durchgeleitet, so kommt es natürlicher- 
weise zu keinem bedeutenden Zuwachs der vorhandenen H’-Ionen- 
konzentration und die Lösung weist einen pp-Wert auf, welcher zwischen 
7,6 bis 7,4 schwankt. Demnach kann unter diesen Bedingungen von 
irgend einer Ansäuerung der Lösung nicht die Rede sein. Wird in 
einer 0,3proz. NaHCO,-Lösung eine Spermiensuspension angefertigt 
und einer stetigen CO,-Einwirkung ausgesetzt, so kommt es zu den 
bekannten Lähmungserscheinungen. Da die H-Ionenkonzentration 
unter diesen Bedingungen auf der basischen Seite liegt, so ist kein 
Grund gegeben, um die Lähmungserscheinungen der Ansäuerung des 
Mediums zuzuschreiben. Die durch Versuchsbedingungen geschaffenen 
anoxybiotischen Verhältnisse sind als vollständig belanglos anzusehen. 
Schon Kühne und Engelmann haben nachgewiesen, daß in reiner Wasser- 
stoffatmosphäre die Flimmer- und Samenzellen noch eine längere Zeit 
Bewegungen ausführen können. 


Auch meinerseits habe ich die Wirkung der anoxybiotischen 
Bedingungen auf die Temporariaspermien einer Prüfung unterzogen, 
indem ich die Samenfädenaufschwemmungen einer stundenlangen Ein- 
wirkung des Kohlenoxyds (CO) (Leuchtgases) ausgesetzt habe und nur 
eine leichte Abnahme der Beweglichkeit beobachten konnte. 


Die Lähmungserscheinungen der in NaHCO, aufgeschwemmten 
Spermien, welche der Kohlendioxydwirkung ausgesetzt wurden, konnten 
weder in dieser Weise erklärt als auch nicht mit der alten Auffassung 
Kühnes, der CO,-Lähmungen einer Ansäuerung des Mediums zuschreibt, 
in Einklang gebracht werden. So wurde ich vor eine offene Frage 
gestellt, die einer experimentellen Lösung und einer Bewältigung ge- 


1) Physiologie der Protoplasma- und Flimmerbewegung. Handb. d. 
Physiol., herausgegeben von L. Hermann, 1, 401, 1879. 
2) Arch. f. mikr. Anat. 2, 372£., 377, 1866. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 403 


waltiger Literatur bedarf. Sowohl der ersten als auch der zweiten 
Aufgabe konnte ich leider keine Zeit mehr opfern. 


Was die Literaturangaben über die CO,-Wirkung auf lebende 
Substanz anbelangt, so bin ich hauptsächlich den ausführlichen Kapiteln 
Loevys!) über die Kohlensäure in dem Heffterschen Handb. d. exper. 
Pharm. (1924) gefolgt. Eine interessante und höchst wichtige Darstellung 
der schwierigen Frage über den Mechanismus der CO,-Einwirkung 
bringt die Abhandlung von M.H.Jacobs?), dem mich ganz an- 
zuschließen ich mir erlaube. Jacobs hat gefunden, daß Kohlensäure auf 
die Kaulquappen von Kröten giftiger wirkt als andere Säuren unter 
gleichen H -Ionenkonzentrationen. Meinerseits kann ich diese Angaben — 
obwohl am anderen Objekt — vollständig bestätigen, um so mehr, daß 
die Neutralisierung der Lösung durch Bicarbonat keineswegs die 
toxischen Wirkungen der CO, aufhebt. 


Die Kohlendioxydwirkung auf die lebendige Substanz geht nach 
Jacobs Darstellung folgendermaßen vor sich: Die sich bildende Kohlen- 
säure erliegt teilweise einer elektrolytischen Dissoziation auf H. und 
HCO,-Ionen, und die ansäuernde Wirkung der H'-Ionen läßt sich 
sogleich erkennen, teilweise aber kommt die Einwirkung der CO,- und 
H,CO,-Molekeln zum Ausdruck. Die Ionen bleiben als eine adsorbierte 
Schicht an der Oberfläche der Zelle, in dem die H -Ionen elektrostatische 
Veränderungen bewirken. Die Moleküle des Kohlendioxyds dringen 
sehr leicht in das Zellinnere hinein, um dort einer sekundären Dissoziation 
zu unterliegen. Es ist anzunehmen, daß das Eindringen von CO, in 
den Zelleib zur Bildung von Kohlensäure führt, welche wiederum 
sogleich einer Dissoziation in H- und HCO’ -Ionen erliegt. In dem 
Zelleib abgespaltene Wasserstoffionen müssen also andere Wirkungen 
herbeiführen als es bei schwer penetrierenden Säuren der Fall ist. Nach 
Jacobs Meinung erinnert die CO,-Wirkung stark an die Wirkungsweise 
des Dichloräthylsulfids auf das Zellprotoplasma. Als ein bedeutender 
Unterschied in den durch Kohlensäure sowie andere Säuren und saure 
Puffergemische bewirkten Ausflockungen soll hervorgehoben werden, 
daß nur die unter dem Einfluß des Kohlendioxyds entstandenen Agglu- 
tinate fast vollständig reversibel sind, was mit der Lebensfähigkeit 
der Samenfäden in keinem engen Zusammenhang steht, obwohl ein 
solcher nicht in Abrede gestellt werden kann. Es ist wahrscheinlich, 
daß die Desagglutination der durch CO, bewirkten Ausflockung durch 
Verminderung der Kohlendioxydspannung im Zellinnern unter ent- 
sprechenden Bedingungen zustande kommt. | 


1) Kohlensäure. Handb. d. exper. Pharm. Herausgegeben von 
‚A. Heffter, 1, 73 bis 121, 1923. 
2) Amer. Journ. of Physiol. 51, 321 bis 331, 1920. 


404 B. E. Kalwaryjski: 


Die hemmende Wirkung der ein- und zweiwertigen Kationen tritt 
nicht nur bei der Säureagglutination der Spermien, sondern auch bei 
Agglutinationsphänomenen der Bakterien und Erythrocyten auf. Eine 
erschöpfende Erklärung dieser Tatsachen liegt zurzeit nicht vor, obwohl 
fast unzählige Arbeiten sich mit dieser Frage beschäftigen. W. Pauli 
und H. Handowsky!) haben nachgewiesen, daß die Neutralsalze die 
Viskosität des amphoteren Eiweißes vermindern. Es ist mit Bestimmt- 
heit anzunehmen, daß adsorbierte Ionen nicht nur elektrostatische Ver- 
änderungen an der Oberfläche der Samenfäden hervorrufen. Die 
Wirkung der Salzionen als physiologische „Schmiermittel“ und als 
stark vermindernde Viskosität, kann sich vielleicht auch im Hemmung»- 
effekt der Agglutination ausdrücken. Wird diese Erklärung für zu- 
treffend angenommen, so bliebe noch übrig, das Wesen der aufgehobenen 
Viskosität der Samenfädenoberfläche noch näher zu erklären. 

Nach den Untersuchungen J. Loeb und H. Wasteneys?) verhindern 
die Salze die Quellung der oberflächlichsten Schicht der Zellen unter 
dem Einfluß der Säuren und darin besteht die entgiftende Beschaffen- 
heit der Neutralsalze in Säuremischungen. Von diesem Gesichtspunkt 
ausgehend, kann die Säureagglutination der Samenfäden als eine 
toxische Wirkung betrachtet werden. Die Verhinderung der Säure- 
agglutination der Samenfäden durch den Zusatz von Neutralsalzen, 
kann also in Loebs Sinne als eine Entgiftung betrachtet werden. Diese 
Entgiftung kann man nach J. Loeb einer verminderten Quellbarkeit 
der Oberflächenhäutchen der Samenfäden zuschreiben. 

Aus dem Gesagten ist zu ersehen, daß eine erschöpfende Erklärung 
der Wirkungsweise von Neutralsalzen unter besonders so komplizierten 
Verhältnissen, wie sie bei der Säureagglutination der Spermien vor- 
liegen, zurzeit noch fehlt. Man muß sich nur mit möglichst exakter 
Beschreibung der Tatsachen begnügen. Gegenüber dieser Frage nimmt 
auch Th. Eisenberg in seinen eingehenden Studien über Bakterien- 
agglutination eine analoge Stellung ein. 

Die Ansicht Gellhorns, daß die starke Spermienausflockung, welche 
durch Eisenchloridlösung bewirkt ist, als spezifisch typische bzw. 
elektive Wirkung dieses Salzes aufzufassen ist, scheint mir nicht un- 
anfechtbar zu sein. Es wäre meiner Ansicht nach höchst merkwürdig, 
wenn der Zusatz der FeCl,-Lösung zu einer Spermienaufschwemmung 
keine Ausflockung hervorrufen würde. 

Da die Temporariasamenfäden durch Neutralsalze weder in 
neutralem noch in leicht alkalischem noch in saurem Medium aus- 
geflockt werden können, dagegen durch bestimmte H’-Ionenkonzen- 


1) Hofmeisters Beitr. z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 415 bis 448, 1908. 
2) Diese Zeitschr. 89, 167 bis 170, 1912. 








Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. ` 405 


tration stark agglutiniert werden, so hat man vollen Grund anzunehmen, 
daß die Temporariaspermatozoen in Lösungen sich als anodische hydro- 
phobe disperse Phase verhalten. Bei einer solchen Betrachtung der 
Tatsachen besitzt die von Gellhorn beschriebene Agglutination gar 
nichts Typisches an sich und darf somit als eine morphologische Be- 
sonderheit der FeCl,-Wirkung (Salzwirkung) nicht angesehen werden. 

Einer speziellen Besprechung bedarf noch die Beobachtung 
G. Hertwigs (l.c.) über die Agglutination der Temporariaspermien 
unter der Einwirkung der Trypaflavinlösungen. @. Hertwig sah, daß 
die unter Einwirkung des Trypaflavins in heftigste Agglutination 
geratenen Spermatozoen mit den Köpfen zusammenkleben und die 
Schwänze noch lebhafte Bewegungen ausführen. Obwohl ich mehrere 
hunderte Male agglutinierte Spermatozoen sah, kann ich mich Hertwige 
Beobachtung nicht anschließen und die von mir vorgelegten Mikro- 
photographien sprechen nicht zugunsten seiner Beschreibung. Wenn 
die Spermien zur Ausflockung kommen, charakterisieren sie sich durch 
eine ausgesprochen klebrige Beschaffenheit des ganzen Körpers und 
die Schwänze kleben viel schneller an andere Schwänze, Spermien- 
köpfe, Zellen und allerlei Detritus als es zu zufälligen Zusammenkleben 
der Samenfädenköpfe kommt, was der Länge der Schwänze und ihrer 
regen Bewegung zuzuschreiben ist. 

Die Wasserstoffionenkonzentration der Trypaflavinlösungen ist 
als hoch zu betrachten. Nach flüchtigen, von mir ausgeführten Be- 
stimmungen, besitzt eine 0,5proz. Trypaflavinlösung eine H'-Ionen- 
konzentration, deren ?a-Wert annähernd 3,0 ist. Da es mir gelungen ist, 
die durch Trypaflavin bewirkte Ausflockung durch den Zusatz der ein- 
und zweiwertigen Chloridsalze stufenweise zu hemmen, so bin ich zur 
Überzeugung gekommen, daß die durch das Trypaflavin bewirkte 
Ausflockung als Säureagglutination aufzufassen ist. 

Die Agglutinationshemmung, welche durch starke Säurelösungen 
entfaltet wird, beruht aller Wahrscheinlichkeit nach auf Erscheinungen, 
welche dem Wesen: nach elektrostatischer Natur sind. Es handelt sich 
um eine Umladung, die an der Samenfädenoberfläche stattfindet, was 
in kataphoretischen Experimenten eine genügende Begründung ge- 
funden hat. 

Die Spermatozoen verschiedener Arten sind in ihrem Verhalten 
gegenüber Neutralsalzen (Gray), Laugen (Loeb) und Säuren (Loeb, 
Lilie, Kalwaryjski) nicht einheitlich. Während die einen unter dem Ein- 
fluß von Neutralsalzen agglutinieren, flocken andere bei Anwesenheit 
von Laugen und noch andere bei Einwirkung von Säuren aus. Die 
Spermatozoen verhalten sich in dieser Beziehung analog den ver- 
schiedenen Bakterienarten, wie aus den Untersuchungen Th. Eisenbergs 
hervorgeht, welcher eine abweichende Agglutinabilität verschiedener 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 97 


406 B. E. Kalwaryjski: 


Bakterienarten gegenüber chemischen Reagenzien feststellte. Diesen 
Sachverhalt versucht Eisenberg mit der Annahme zu erklären, daB die 
nach Stämmen und Arten variierende Flockbarkeit in der komplizierten 
Zusammensetzung des flockbaren Substrats — verstanden als Kolloid- 
gemisch — seinen Grund hat. Th. Eisenberg spricht sich über den 
Mechanismus der erörterten Erscheinung nicht genauer aus. Was 
die Samenfädenausflockung anbelangt, so möchte ich die Vermutung 
aussprechen, daß die durch Neutralsalze sich ausflockenden Sperma- 
tozoen eine aus hydrophilen Kolloiden zusammengesetzte Oberfläche 
besitzen, während diejenigen Spermatozoen, welchesich durch H -Ionen 
ausflocken lassen, auf eine Beschaffenheit ihrer Oberfläche hinweisen, 
die aus hydrophilen Kolloiden besteht. Die durch Säuren bzw. durch 
Laugen bedingten Ausflockungen scheinen auf keine tiefgreifenden 
Unterschiede der Spermatozoenarten hinzuweisen. Dafür spricht der 
Umstand, daß es mir z. B. gelungen ist, die Temporariaspermatozoen 
zur Ausflockung zu bringen, sowohl mit Säuren als auch mit Laugen. 
Ich wäre geneigt, anzunehmen, daß das in dieser Beziehung verschiedene 
Verhalten der Spermatozoenarten nur auf quantitativen Unterschieden 
beruht, die sich durch die Veränderungen der elektrischen Ladungen der 
Samenfäden im Verhältnis zum dispergierenden Medium bestimmen 
lassen. | 


Zusammenfassung. 


l. Langdauernde Asphyxie der männlichen Temporartaexemplare 
in Kohlendioxydatmosphäre übt keine schädigende Wirkung auf die 
Beweglichkeit der Samenfäden aus. 


2. Die Samenfäden aus dem auspräparierten Hoden, welche eine 
Zeitlang in CO,-Atmosphäre verweilten, sind in ihrer Beweglichkeit 
für kurze Zeit beeinträchtigt; die Beweglichkeit nimmt jedoch schnell 
zu, aber die gewöhnliche Lebhaftigkeit wird nie erreicht. 


3. Die Temporariasamenfäden, welche in destilliertem bzw. 
Leitungswasser oder 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmt sind, 
unterliegen unter der Einwirkung einer Kohlendioxydatmosphäre der 
Agglutination. 


4. Da in destilliertem Wasser und in 0,3proz. MgCl,-Lösung eine 
Agglutination bei der Einwirkung eines CO,-Luftgemisches schon 
zustande kommt, in welchem Gemisch die CO,-Tension 2 Proz. des 
atmosphärischen Druckes beträgt, in Leitungswasser eine Agglutination 
erst durch 30mal höhere Tension bewirkt wird, und in NaHCO,- 
Lösungen sogar eine reine CO,-Atmosphäre wirkungslos ist, so geht 
aus diesen Tatsachen hervor, daß die durch CO, bewirkte Ausflockung 
der Temporariasamenfäden von der absoluten Höhe der CO,-Tension un- 
abhängig ist. 


Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 407 


5. Das Konfigurationsbild der Agglutinate ist abhängig 1. von 
der Beschaffenheit des agglutinierenden Mediums und 2. von den 
Veränderungen der äußeren Form der Spermatozoen. Die nicht- 
deformierten Samenfäden liefern Agglutinate, die durch zerfranzte, un- 
regelmäßige Umrißlinien charakterisiert sind. Die stark deformierten 
Spermatozoen agglutinieren in klumpenähnlichen Brocken mit scharfer 
und runder Umrandung. In gewissen, oben auseinandergesetzten Be- 
dingungen kann die erste Form in die zweite übergehen, niemals um- 
gekehrt. 


6. Die durch CO,-Einwirkung hervorgerufene Agglutination der 
Temporariasamenfäden erwies sich von der Wasserstoffionenkonzen- 
tration als direkt abhängig, und ist als eine Säureagglutination auf- 
zufassen. Die untere Grenze der wirksamen H -Ionenkonzentration 
liegt bei pe = 5,5. 


7. Sowohl lebendige als auch abgetötete T’emporariasamenfäden 
unterliegen der Säureagglutination, was darauf hinweist, daß diese 
Erscheinung mit Lebensäußerungen der Spermien in keinem ursäch- 
lichen Zusammenhang steht. 


8. Die Anwesenheit von ein- und zweiwertigen Kationen neutraler 
Salze im agglutinierenden Medium wirkt hemmend auf den Verlauf 
der Agglutination. Die niederen Grenzwerte der wirksamen Konzen- 
tration sind für verschiedene Kationen verschieden. Die Hemmungs- 
erscheinungen lassen sich mit größter Feinheit durch die Anwendung 
verschieden starker Salzlösungen abstufen. 


Nach der Intensität der Hemmungswirkung läßt sich folgende 
Kationenreihe aufstellen 


Li >Ca Me >Na >K>NH. 


9. Keinen Einfluß auf den Agglutinationsvorgang der Temporaria- 
spermienaufschwemmungen üben folgende Anionen aus: Br’, Cl’, J’, 
SO, CNS’, insofern der Säuregrad des agglutinierenden Mediums 
De = 2,5 nicht überschreitet. 


10. In entsprechenden Konzentrationen rufen freie Säuren (und 
entsprechend saure Pufferlösungen) eine ausgeprägte Agglutinations- 
hemmung hervor. Diese scheint auf der Umladung der Oberflächen 
der Spermien zu beruhen, was sich in einer Änderung der Wanderungs- 
richtung von (abgetöteten) Samenfäden im elektrischen Felde kundgibt. 
JL Außer den T’emporariaspermien unterliegen der Säureaggluti- 
nation auch Spermien anderer Spezies, wie Rana esculenta, Bufo 
vulgaris, Esox lucius und andere. Säureaglutination der Spermien 
scheint ein weitverbreitetes Phänomen zu sein. 


27* 


408 B. E. Kalwaryjski: Samenfädenagglutination usw. 


12. Da verschiedene Spermienarten entweder in Neutralsalz- 
lösungen oder in Säurelösungen einer Agglutination unterliegen, so 
ist anzunehmen, daß dieses verschiedene Verhalten der Samenfäden 
gegenüber den chemischen Agenzien von der Beschaffenheit der Samen- 
fädenoberfläche abhängig ist. Im ersten Falle kann man der Ober- 
flächenschicht der Spermien eine Beschaffenheit, welche den hydro- 
philen Kolloiden, im zweiten Falle den Suspensionskolloiden eigen ist, 
zuschreiben. 

13. Wird eine und dieselbe Spermienart sowohl durch starke 
Säuren als auch durch starke Laugelösungen zur Agglutination ge- 
bracht, so ist anzunehmen, daß es sich hier nur um Veränderungen in 
der elektrischen Ladung der Spermienoberfläche handelt, wobei im 
ersten Falle die Wasserstoff-, im zweiten die Hydroxylionenkon- 
zentration eine entscheidende Wirkung ausübt. 


Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. J.K. 
Parnas meinen besonderen Dank für die Leitung der hier nieder- 
gelegten Arbeit auszusprechen, wie auch meinem hochverehrten Chef 
Herrn Prof. Dr. W. Szymonowicz für deren wohlwollende Förderung. 


Über den Fermentgehalt 
des Blutes bei experimenteller Sympathicotonie. 


Von 
S. Sorochowitsch (Charkow). 


(Aus der chemischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses zu Berlin.) 
(Eingegangen am 7. Januar 1926.) 


Wohlgemuth hat im Verein mit Mochizuki!) und Seo?) gezeigt, daß 
es beim Kaninchen gelingt, durch Unterbindung und Durchschneidung 
des Pankreasganges einen Zustand hervorzurufen, den man berechtigt 
ist, als chronische Sympathicotonie aufzufassen. Denn man beobachtet 
bei dieseri Tieren, wenn der Ausfall der äußeren Sekretion des Pankreas 
lange genug bestanden hat, sowohl Erscheinungen erhöhter Reizbarkeit 
wie solche erhöhter Erregung des Sympathicus. So konnte bei ihnen 
festgestellt werden ein erhöhter Blutzucker, herabgesetzte Zucker- 
toleranz, erheblich verstärkte Reaktion auf Adrenalin, Verschiebung 
des Elektrolytgehalts des Blutes zugunsten des Kaliums und oft auch 
erhöhter Gehalt des Blutes an Adrenalin. Ferner wurde beobachtet, 
daß alle parasympathischen Gifte, wie Cholin, Acetylcholin, Pilocarpin 
und Physostigmin, die sonst beim normalen Tiere stets Blutzucker- 
steigerung bewirken, bei denselben Tieren im sympathicotonischen 
Stadium völlig wirkungslos bleiben. 

Wir hatten uns nun die Aufgabe gestellt, zu untersuchen, ob 
unter dem Einfluß des Sympathicus auch der Fermentgehalt des Blutes 
eine Änderung erfährt. Da die Voraussetzung für den Eintritt des 
sympathicotonischen Zustandes ein gänzliches Sistieren der äußeren 
Sekretion des Pankreas Vorbedingung ist, so war immerhin die Möglich- 
keit einer Änderung des Fermentgehalts des Blutes gegeben. 

Aus früheren Untersuchungen von Wohlgemuth?) wissen wir, daß 
Unterbindung und Durchschneidung des Pankreasganges zunächst zu 
einer enormen Vermehrung der Diastase im Blute führt, die aber nach 


1) Wohlgemuth und Mochizuki, Klin. Wochenschr. 1924, Nr. 29, S. 1320; 
diese Zeitschr. 150, 123, 1924. 

2) Wohlgemuth und Seo, Klin. Wochenschr. 1925, Nr. 30; diese Zeitschr. 
168, 271, 1925. 

3) Wohlgemuth, diese Zeitschr. 21, 381, 1909. 


410 S. Sorochowitsch: 


spätestens 8 Tagen wieder vollkommen ausgeglichen ist. Ebenso ist 
auch zunächst die Lipase des Blutes vermehrt und der Gehalt an 
Fibrinogen, aber auch sie nur für die Dauer von höchstens 8 Tagen; 
dann zeigt das Blut wieder normale Verhältnisse. Ob nach einem 
längeren Zeitintervall von mehreren Wochen oder gar Monaten nicht 
doch wieder eine Vermehrung eintritt, war bisher noch nicht geprüft 
worden. Wir untersuchten nun das Blut auf Diastase, Lipase, Phenolase, 
Fibrinferment und Fibrinogen, Antitrypsin. Die Methodik war für 
Diastase, Lipase, Fibrinferment und Fibrinogen die bekannte. Zur 
Bestimmung der Phenolasen bediente ich mich der im hiesigen Labo 
ratorium ausgearbeiteten Methode von Zizume!), und zur Ermittlung 
des Antitrypsins wurde das Einreihenverfahren angewandt. (Siehe 
Wohlgemuth, Fermentmethoden, 1913, S. 198.) 


Auf diese Weise untersuchte ich im ganzen drei Tiere. Erst wurden 
im normalen Blute die Werte ermittelt, dann 3 bzw. 4 Tage nach Unter, 
bindung und Durchschneidung des Pankreasganges und schließlich 
4 bis 6 Wochen später. Als Kriterium für den Eintritt der Sympathi- 
cotonie diente die Höhe des Blutzuckers in nüchternem Zustande. 


Ich lasse nunmehr die Protokolle folgen. 


Versuch 1. 
Kaninchen, männlich, 2430 g, Blutzucker nüchtern 0,0784 Proz. 





























| Lipase 
| | sofort | % Min. 60 Min. open 
| 
Diastase 3%, = 16 | WM | 
Phenolase 3% = 8.. | 126 92 a | 40 
Fibrinferment = 125 JI + Chinin | 116 103 %4 o 22 
Fibrinogen = 125 . . | + Atoxyl 112 110 86 | 26 


Antitrypsin = 333 | | | 


3 ec nach der nenn Blutzucker nüchtern 0,110 Proz. 











Lipase 
| sofort 30 Min. SH opa 
Diastase a = 512 | 
Phenolase ? Seng = 16 . 134 96 85 | 49 
Fibrinferment = 125 + Chinin 114 93 87 27 
Fibrinogen = 500 . . || + Atoxyl | 119 114 104 | 15 


Antitrypsin = 250 





1) Hizume, diese Zeitschr. 147, 216, 1924. 


Fermentgehalt des Blutes usw. | COON 


32 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern 0,131 Proz. 

















Tropfen» 
` ı differenz 








Diastase 35 3) — 16 

Phenolase 2 2 = 16 4] 
Fibrinferment = 125 27 
Fibrinogen = 125. . 9 


Antitrypsin = 333 


Hiernach sehen wir 32 Tage nach der Unterbindung des Pankreas- 
ganges keine wesentlichen Veränderungen im Fermentgehalt des Blutes 
gegenüber der Norm, kurz nach der Unterbindung dagegen, wie zu 
erwarten war, eine deutliche Zunahme der Diastase, der Lipase und 
des Fibrinogens. Was speziell die Lipase des Kaninchenserums an- 
betrifft, so unterscheidet sie sich von der des Menschenserums durch 
ihre ausgesprochene Chinin- und Atoxylresistenz. Es scheint aber, als 
wenn die Atoxylresistenz nach Ausschaltung der äußeren Sekretion 
allmählich schwächer geworden ist. 


Versuch 2. 
Kaninchen, weiblich, 2290 g, Blutzucker nüchtern 0,081 Proz. 






| | Lipase 
| 30 Min. 
| 








|! Tropfen. 


sofort differenz 






Diastase Si = 32 


Phenolase 38 = 16 133 113 104 > 29 
Fibrinferment = 62,5 | + Chinin | 121 116 108 13 
Fibrinogen = 125 . . | + Atoxyl | 118 112 108 10 





Ä 


lL 


3 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern 0,109 Proz. 


Lipase 
|| sofort | 30 Min. | 60 Min. | Mëtten: 


Diastase 38, = 512 
Phenolase 3}, = 16 132 
Tee = = 125 + Chinin | 122 









Fibrinogen = 250 . . | + Atoxyl 110 





412 S. Sorochowitsch: 


35 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern 0,124 Proz. 





Lipase 


sofort 30 Min. 6 Min. | Ech 








Diastase 3, = 32 
Phenolase 3 Sc = 16 . 
Fibrinferment = 125 
Fibrinogen = 125 . 
Antitrypsin = 250 
Auch bei diesem Tiere ist 5 Wochen nach Unterbindung des 
Pankreasganges keine Änderung in dem Fermentgehalt des Blutes 
gegenüber der Norm zu .konstatieren. Auffallend ist, daß hier die 


Atoxylresistenz, die bei dem normalen Tiere allerdings nicht sonderlich 
groß war, vollkommen verschwunden ist. 











Versuch 3. 
Kaninchen, männlich, 2150 EE Blutzucker nüchtern 0,074 Proz. 
u o TE SE 
sofort 60 Min. Lage 
Diastase 3 w =16 OR 
Phenolase 2 Sc = 16 . 135 Se 
Fibrinferment = 625 | + Chinin 112 
Fibrinogen = 125 . . || + Atoxyl 116 e Ze e 
Antitrypsin = 500 





4 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern u Proz. 


Lipase 


, Tropfen. 


Diastase 3y = | 

Phenolase 38 Sei =16 .| 135 
Fibrinferment = 62 5 + Chinin 117 
Fibrinogen = 250 . . | + Atoxyl 112 
Antitrypsin = 500 















y 








| Lipase 
Diastase ge Di — 8 "ke 
Phenolase 3}, = 16 . 133 95 91 42 
Fibrinferment = 125 + Chinin 109 97 95 14 


Fibrinogen = 125 . . || + Atoxyl 115 114 112 3 
Antitrypsin = 333 


Fermentgehalt des Blutes usw. 413 


Wie in den beiden anderen Versuchen, sehen wir auch hier keine 
Änderung des Fermentbestandes gegenüber dem normalen Tiere, doch 
ist auch bei diesem Tiere die Atoxylresistenz der Serumlipase gänzlich 
verschwunden. Wie dieser in allen drei Versuchen wiederkehrende 
Befund zu deuten ist, läßt sich schwer sagen. Ob er auf dem Auftreten 
von irgendwelchen Begleitstoffen beruht, die in dem normalen Serum 
des Kaninchens nicht angetroffen werden, entzieht sich unserer Be- 
urteilung. Wir möchten diesem Befund keine besondere Bedeutung 
beimessen, zumal bei der Untersuchung zweier anderer Tiere, bei denen 
die Pankreasgangunterbindung bereits 6 Monate zurücklag, eine atoxyl- 
resistente Lipase im Serum sich hat nicht feststellen lassen. Wir ver- 
zichten auf die Wiedergabe der betreffenden Protokolle, da sie auch 
sonst keine Abweichungen von den Normalwerten zeigten. 


Von der Überlegung ausgehend, daß man eine besonders hoch- 
gradige Sympathicotonie erzeugen kann, wenn man Tieren das Pankreas 
exstirpiert, haben wir unsere Untersuchungen noch auf pankreaslose 
Hunde ausgedehnt. Im ganzen kamen vier Tiere zur Untersuchung, 
doch will ich nur die Resultate von zwei Versuchen mitteilen, da in 
den beiden anderen Versuchen die Tiere die Exstirpation nur kurze 
Zeit überlebten. 


Versuch 4. 


Dogge, männlich, Operation verläuft glatt, Hund lebt 14 Tage, wird am 
15. durch Entbluten getötet. Vor der Operation: 

















Eu Lipase 
nn sofort | 9Min, aopen: 
Diastase Sch = 256 
Phenolase 3% = 32 . 131 118 102 29 
Fibrinferment = 62,5 || + Chinin 125 123 121 | 4 
Fibrinogen = 125 . . || + Atoxyl | 117 116 114 | 3 





Antitrypsin = 333 | | | 


Entblutung am 15. Tage. 


a: E Lipase 
; Tropfen» 
EE solom k wi onn | am 60 Min. sul differenz ` 











2 380 | 





| 
Phenolase 34, = 32 | 132 125 123 | 9 
Fibrinferment = 125 | + Chinin 124 122 120 4 
Fibrinogen = 125 . í ' 116 115 | 113 3 
| | 


+ Atoxyl 
Antitrypsin = 250 


414 S. Sorochowitsch: 


Abgesehen von der Lipase, sehen wir keine wesentlichen Änderungen 
im Fermentgehalt des Blutes nach der Pankreasexstirpation. Der 
Diastasegehalt und die Phenolase und ebenso Fibrinferment sind 
unverändert geblieben, das Antitrypsin scheint eine kleine Abnahme 
aufzuweisen ; sie ist aber so minimal, daß ihr wohl kaum eine besondere 
Bedeutung beigelegt zu werden braucht. Eine wesentliche Änderung 
zeigt sich nur im Lipasegehalt des Blutes, und zwar eine beträchtliche 
Abnahme. 


Versuch 5. 


Schäferhund, männlich. Operation verläuft glatt; das Tier frißt gut und 
ist sehr munter. Blutzucker nach 4 Tagen 0,377 Proz. Nach 4 Wochen 
Blutzucker 0,201 Proz. Tier ist weiter munter. Nach weiteren 4 Wochen 
ist das Tier so schwach, daß es kaum auf den Füßen stehen kann, es wird 
nunmehr durch Entbluten getötet. Blutzucker 0,227 Proz. Vor der Operation: 





ee Lipase 
| sofort d 30 Min. | 60 Min. | 0 Min. | AL 

| ! | TI" 
Diastase 2, = BI | 








Phenolase Di =32. | 138 121 | = | 25 
Fibrinferment = 625 | + Chinin į 127 125 , 4 
| 117 115 ; Sp 3 


Fibrinogen = 125... | + Atoxyl 


Antitrypsin = 500 | 








Lipase 






















































sofort | 30 Min. | 60 Min. E 
Diastase 38, = 256 | ' 
Phenolase 3% = 32 .| | 139 130 125 |! M 
Fibrinferment = 62,5 | + Chinin 127 126 124 | 3 
Fibrinogen = 125. . + Atoxyl 117 116 115 2 
Antitrypsin = 333 Ä 
8 Wochen nach der Operation, 
a  Lipmse 
| sofort 3% Min. | 60 Min. | umpien: 
= - me ee nn E , SE SE 
Diastase w — 256 | 
Phenolase 33 SN = 32 . 142 137 134 | 8 
Fibrinferment = 62,5 | + Chinin 126 124 123 3 
116 |; 115 3 


Fibrinogen = 125 . . | + Atoxyl 113 
Antitrypsin = 333 | 


Fermentgehalt des Blutes usw. 415 


Auch hier ist die Verschiebung im Fermentgehalt des Blutes trotz 
des langen Bestehens des Pankreasdiabetes und der enormen Ab- 
magerung des Tieres keine auffällige, abgesehen von der Lipase, die 
auch hier ganz beträchtlich reduziert ist. 


Dieser Befund steht in guter Übereinstimmung mit den Unter- 
suchungen von Hiruma!) über die Verteilung der Lipase in den einzelnen 
Körperregionen. Hiruma hat auf Veranlassung von Wohlgemuth das 
Blut aus verschiedenen Gefäßen auf seinen Lipasegehalt geprüft und 
festgestellt, daß von allen Portionen das Blut der Vena pankreatico- 
duodenalis am meisten Lipase enthält. Er schloß daraus, daß von 
dem Pankreas ständig Lipase an das Blut abgegeben wird, und daß 
das Pankreas vielleicht als Quelle der Blutlipase zu gelten habe. Wenn 
das der Fall war, mußte die Entfernung des Pankreas schließlich zu 
einer Verarmung des Blutes an Lipase führen. Und in der Tat hat sich 
dies in unseren Versuchen feststellen lassen. 


Auffallend ist ferner, daß trotz Entfernung des Pankreas der 
Gehalt des Blutes an Diastase sich nicht ändert, sondern daß selbst 
bei wochenlangem Bestehen des pankreaslosen Zustandes Diastase in 
normaler Menge im Blute angetroffen wird. Es stimmen damit meine 
Resultate überein mit den Beobachtungen von Wohlgemuth, wonach 
Fehlen des Pankreas keinesfalls ein Verschwinden der Diastase im 
Blute, wie man vordem vielfach glaubte, zur Folge zu haben braucht. 
Der Diastasegehalt des Blutes ist somit ganz unabhängig von der 
Funktionstüchtigkeit des Pankreas, und die Quelle für die Diastase 
im Blute ist nicht oder nicht allein im Pankreas zu suchen, sondern in 
allen Organen, in denen Diastase angetroffen wird. 


Was endlich das Antitrypsin anbetrifft, so hat sich kaum ein 
Unterschied beim Fehlen des Pankreas gegenüber dem Gehalt des 
normalen Blutes ergeben. Dieser Befund steht im Widerspruch mit 
der Beobachtung von Cobliner?) und Stawraky?), die gleichfalls an 
Hunden den Antitrypsingehalt des Blutes untersuchten. Cobliner hat 
jedoch mit einem Hunde gearbeitet, dem das Pankreas nur partiell 
entfernt war; er stellte fest, daß 14 Tage nach der Operation der Anti- 
trypsingehalt vermindert und kurz vor dem Tode fast vollständig ver- 
schwunden war. Stawraky, der an fünf pankreaslosen Hunden diese 
Frage studierte, kam zu dem Schluß, daß der Hauptreiz für die Anti- 
trypsinbildung im Blute vom Pankreas ausgeht, daß aber noch daneben 
das Leucocytenferment und die Gewebsproteasen eine Rolle spielen. 
Nach meinen Untersuchungen besteht diese dominierende Stellung des 





1) K. Hiruma, diese Zeitschr. 189, 336, 1923. 
2) Cobliner, diese Zeitschr. 25, 494, 1910. 
3) Stawraky, Zeitschr. f. physiol. Chem. 89, 381, 1914. 


416 S. Sorochowitsch: Fermentgehalt des Blutes usw. 


Pankreas nicht, denn sonst hätten wir so lange nach der Entfernung 
des Pankreas nicht noch fast normale Antitrypsinwerte im Blute ge- 
funden. Wir wollen durchaus nicht die Abhängigkeit der Antitrypsin- 
bildung vom Pankreas gänzlich negieren, glauben aber, daß seine Gegen- 
wart keinesfalls ausschlaggebend für den Gehalt des Blutes an Anti- 
trypsin ist, ein Standpunkt, den vor längerer Zeit bereits Kurt Meyer!), 
dem wir in dieser Frage so eingehende Untersuchungen verdanken, 
vertreten hat. 
Zusammenfassung. 


L Im Zustande chronischer Sympathicotonie beim Kaninchen 
ändert sich der Fermentgehalt des Blutes nicht wesentlich. 

2. Bei pankreaslosen Hunden bleibt der Diastase-, Phenolase- und 
Fibrinfermentgehalt des Blutes ebenfalls fast unverändert, desgleichen 
die Menge des Antitrypsins. Dagegen nimmt die Lipase ganz beträchtlich 
ab. Das weist darauf hin, daß zum mindesten ein großer Teil der Blut- 
lipase aus dem Pankreas stammt. 


1) K. Meyer, Fol. Serolog. 7, 471, 1911. 


Zur Frage des Eisenstoffwechsels im tierischen Organismus 
nach der Milzexstirpation. 


Von 
Jacques Irger. 


(Aus dem Laboratorium der II. medizinischen Klinik der Charité, Berlin.) 
(Eingegangen am 9. Januar 1926.) 


Einleitung. 


1. Die Physiologie des Eisenstoffwechsels im tierischen bzw. mensch- 
lichen Organismus ist bis auf den heutigen Tag ungeklärt. Die älteren 
Arbeiten der Kobertschen!) Schule, die sich eingehend mit der Frage des 
Eisentransports beschäftigte, bringen uns nichts Positives. Der Grund 
ist klar: Die Methode war nicht genügend ausgearbeitet, so daß viele 
Tatsachen, die vor 20 Jahren aufgestellt wurden, heute für uns ihren 
Wert verlieren. Auch die jüngeren Arbeiten der letzteren Jahre treffen 
nicht das Ziel. Die Bestrebung, den Eisenstoffwechsel bzw. den Eisen- 
transport im Organismus dem Einfluß bestimmter Organe zuzuschreiben, 
stößt auf viele Widersprüche, die die Lösung des Problems hindern. 

2. Die Milz spielt eine sehr große Rolle im tierischen bzw. mensch- 
lichen Organismus. Sie nimmt an vielen komplizierten Prozessen, 
besonders an blutbildenden und verschiedenen Formen von Anämie 
und Hämatolyse teil. Es besteht in dieser Hinsicht keine große Differenz 
in der Auffassung verschiedener Autoren. Wegen der großen Rolle, die 
man seit vielen Jahren der Milz zugeschrieben hat, führte man ver- 
schiedene physiologische sowie pathologische Erscheinungen im 
Organismus, deren Erklärungen uns fern blieben, auf den Einfluß der 
Milz zurück. Die Tätigkeit der Milz bei blutbildenden und hämato- 
lytischen Prozessen wollte man, da die Eigenschaften des Blutes und die 
Änderungen, die es erfährt, eng mit dem dabei abspaltenden Eisen ver- 
bunden sind, in einen Zusammenhang mit dem Eisenstoffwechsel 
bringen. So erklärt sich die Bestrebung, den Eisenstoffwechsel 
quantitativ in Beziehung zu der Milz zu bringen. 





1) Kobert und Mitarbeiter, Arbeiten d. pharm. Inst. zu Dorpat 7, 1891. 


418 J. Irger: 


3. Die Arbeiten von L. Asher!) und seinen Schülern (Grossenbach, 
Zimmermann, Vogel, Nakayama u. a.) über die Beziehungen der Milz 
zum Eisenstoffwechsel, haben zur Aufstellung der Lehre geführt, daß 
der Milz eine dominierende Rolle im Eisenstoffwechsel zukomme, 
indem sie dem Körper im Stoffwechsel frei werdendes Eisen zur weiteren 
Verarbeitung aufbewahre. Diese Lehre stellte Asher hauptsächlich 
auf Grund der Eisenanalysen im Kote bei normalen und milzlosen 
Hunden auf. So schreibt z.B. Grossenbacher (unter Asher) in einer 
Arbeit: ‚Dem täglichen Mittel von 9,32 mg Fe beim normalen Tiere 
stehen die täglichen Mittel 24,58 und 20,93 mg Fe beim entmilzten 
Tiere gegenüber; es bestand demnach bei dem milzlosen Hunde eine 
mehr als doppelt so hohe Eisenausscheidung wie beim Normaltiere.“ 
Auf der anderen Seite haben aber Pearce, Krumbhaar und Frazier?) 
in umfassenden Studien über die Milz die Angabe gemacht, daß in 
dem Falle, wo eine vermehrte Eisenausscheidung stattfindet, diese 
nicht von dem Fehlen der Milz abhängt, sondern nur von einer ver- 
mehrten Blutkörperchenzerstörung, die im Zusammenhang mit einer 
sekundären Anämie steht. - 

Es lag mir deshalb der Gedanke nahe, die Angaben von L. Asher 
nachzuprüfen um zu sehen, ob überhaupt ein Anhaltspunkt besteht, 
die Milz als ein Organ, dem eine dominierende Rolle im Eisenstoff- 
wechsel zukommt, zu bezeichnen. 


Methode. 


Die Methode der Eisenbestimmung zerfällt in zwei Teile. 1. In die 
Veraschung nach Neumann?) und 2. in die Eisenbestimmung nach 
Butterfield‘). 

1. Die Veraschung. 

Die zur Analyse gelangte Substanz wird zuerst nach Neumann verascht. 
Die Veraschung wird in einem mittelgroßen Rundkolben aus Jenaer Glas 
vorgenommen. Über dem Kolben befindet sich ein kleiner Tropftrichter, 
der die Tropfenzahl des Säuregemischs, die zu der zu untersuchenden 
Flüssigkeit bzw. Substanz im Kolben hinzutropft, reguliert. Bei guter 
Übung dauert die Veraschung nicht länger als 25 bis 30 Minuten. Es ist 
hier die Art der Substanz in Betracht zu ziehen. Bei Blut und Galle gebt die 
Veraschung ziemlich schnell vor sich, während sie bei Kot und Urin länger 
dauert. Nach der Veraschung wird der Kolben ungefähr eine halbe Stunde 
lang erwärmt. Nach Abkühlung der veraschten Substanz wird dreimal 
soviel Wasser, als von dem Säuregemisch verbraucht wurde, zur Verdünnung 
der Lösung hinzugefügt, (5 bis 10 Minuten) gekocht und weiter verarbeitet. 


1) L. Asher (und Schüler), diese Zeitschr. 17, 78 und 297, 1909; 48, 
386, 1912; 151, 119, 1924. 

2) Pearce, Krumbhaar und Frazier, „The spleen and Anaemia“. 
Philadelphia und London 1917. 

3) A. Neumann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 87, 1902. 

4) E. E. Butterfield, ebendaselbst 62, 173, 1909. 





Eisenstoffwechsel. 419 


2. Die Eisenbestimmung nach Butterfield. 


Die nach Neumann vereschte Substanz wird der nach Butterfield 
eingeführten Modifikation der ursprünglichen Neumannschen Eisen- 
bestimmung unterworfen. Die mit Wasser verdünnte und etwa 10 Minuten 
lang gekochte Lösung wird nach dem Abkühlen mit 20 ccm Zinkreagenz 
versetzt und so lange unter Abkühlung Ammoniak hinzugefügt, bis der 
entstandene weiße Zinkniederschlag bestehen bleibt. Nun gibt man ein 
wenig Überschuß an Ammoniak hinzu, bis sich der Niederschlag gerade 
gelöst hat. Die Lösung wird dann auf einem Baboblech bis zum Sieden 
erhitzt und eine halbe Stunde eventuell länger im flotten Sieden gehalten. 
Man muß sehr vorsichtig erhitzen, um das Schleudern der Flüssigkeit zu 
verhüten. Nachdem sich der kristallinische Niederschlag von Zink- 
ammoniumphosphat abgeschieden hat, erhitzt man die Flüssigkeit noch 
etwa 5 bis 10 Minuten. Die überstehende Flüssigkeit wird, während sie noch 
heiß ist, durch ein aschefreies Filter von dem Niederschlag abfiltriert, 
der Niederschlag dreimal mit heißem Wasser gewaschen. Das Filtrat darf 
nach dem Ansäuern mit HC] keine Rhodanreaktion geben. Der Niederschlag 
wird dann in verdünnter Schwefelsäure gelöst und mit Zink reduziert, die 
reduzierte Lösung durch Glaswolle, die mit Schwefelsäure gewaschen ist, 
in ein Becherglas filtriert und mit einer n/100 Permanganatlösung titriert. 
Das Permanganat wird gegen Thiosulfat von bekanntem Titer eingestellt, 
der Titer von Thiosulfat mit n/100 Kaliumbichromat kontrolliert. 


Anordnung der Versuche. 


Die Versuche wurden an zwei Hündinnen angestellt. Das Versuchstier 
wurde in einem Stoffwechselkäfig, der genug geräumig war, in einem be- 
sonderen Raume untergebracht. Die Wände des Käfigs bestanden aus 
Glasplatten. Auf die Sauberkeit dieses Käfigs wurde die größte Aufmerksam- 
keit verwendet, so daß der Urin, der in einem Glasgefäß gesammelt wurde, 
ohne irgendwelche Verunreinigung in das Harngefäß herunterfloß. Das 
Auffangen des Kotes bereitete keine Schwierigkeit. Das Futter wurde 
konstant gehalten und bestand beim ersten Tier aus 200g gekochtem Fleisch 
und 150g gekochtem Reis, beim zweiten aus 300 g rohem Fleisch, 100 g 
Brot und 20 g Fett. Der erste Hund hatte ein Körpergewicht von 14,5 kg, 
der zweite von 12,4kg. Die Hunde fraßen während der ganzen Zeit des 
Versuchs sehr gut. Der Versuch dauerte 2 bzw. 6 Monate, so daß man den 
Einfluß der Nahrung auf den Eisenstoffwechsel während dieser Zeit als 
einen nicht geänderten beobachten konnte. 


Verarbeitung des Materials. 


Der von einigen Tagen gesammelte Kot wird zusammengetan und auf 
dem Wasserbad eingetrocknet, der trockene Kot fein pulverisiert und dann 
im Trockenschrank bis zum konstanten Gewicht weiter getrocknet. Zur 
Analyse gelangten stets aliquote Teile des pulverisierten Kotes (2 g). 
Der Urin wurde vorher eingedampft und verascht. Da der Urin sehr kleine 
Mengen an Eisen enthält, wurden immer möglichst große Mengen von 
Urin analysiert. Von der Galle sowie vom Blute verarbeitete ich meistens 
10 ccm. Wenn die Menge der zu untersuchenden Flüssigkeit zu klein war, 
z. B. beim Blute, so begnügte ich mich mit kleineren Mengen, 5cem. Bei 
jeder Analyse wurden Doppelbestimmungen angestellt, die sich sehr bewährt 


420 J. Irger: 


hatten und die nicht zu umgehen sind, wenn man in der Richtigkeit der 
Methode sicher sein will. Die Galle wurde im Laufe von 6 bis 10 Stunden 
täglich gesammelt und die Menge auf 24 Stunden berechnet. An anderen 
Tagen wurde das Tier für 24 Stunden in das Gestell eingestellt. Bei der 
von 24 Stunden gesammelten Gallenmenge war kein quantitativer Unter- 
schied von der in 6- bis 10stündigen (berechnet auf 24 Stunden) zu ver- 
zeichnen. 


Das Blut wurde mit der Spritze durch Hinzufügung von einem Körnchen 
Natriumoxalat ungeronnen aufgefangen. Es wurden Erythrocyten und 
Leucocyten ausgezählt, das Hämoglobin nach Sahli, das Blutkörperchen- 
volumen, das aus einigen Gründen nur beim zweiten Hunde vorgenommen 
werden konnte, nach Bönniger, bestimmt. 


Versuche. Experimenteller Teil. 


Ich habe, wie schon erwähnt wurde, Versuche an zwei Hündinnen 
angestellt. Zuerst wurde in einer Vorperiode die Eisenausscheidung durch 
Analysen des Eisens im Urin, Kote, Blute und Galle studiert und mit denen, 
die nach der Exstirpation der Milz festgestellt worden sind, verglichen. 
Zur Gewinnung der Galle wurde eine Gallenfistel dem Hunde nach Pawlow 
angelegt. Die Bestimmung des Blutkörperchenvolumens, der Hämoglobin- 
gehalt im Blute, die Zahl der Erythrocyten und Leucocyten ergänzten die 
Eisenanalysen. Tch führe die verschiedenen Analysen hier der Reihe nach an. 


1. Urin. 


Obwohl Urin nur kleine Mengen von Eisen enthält, können wir dieselben 
leicht messen. Durch die Funktion der Niere werden verschiedene Schlacken 
aus dem Körper ausgeschieden, die wir fast immer im Urin nachweisen 
können. So muß eine vermehrte Eisenausscheidung, wenn sie nach Ex- 
stirpation der Milz eintritt, im Urin zum Vorschein kommen. Wie aber 
die Tabellen I und II zeigen, ist keine Vermehrung der Eisenausscheidung 
im Urin nach der Milzexstirpation zu verzeichnen. Es ist eher eine kleine 
Verminderung des Eisengehalts im Urin beim zweiten Hunde zu kon- 
statieren. Der Durchschnittsgehalt des Eisens im Urin in 24 Stunden 
betrug vor der Milzexstirpation beim ersten Hunde 1,091 mg, beim zweiten 
0,536 mg. Nach der Milzexstirpation beim ersten 1,282, beim zweiten 
0,471 mg. 


2. Kot. 


Eine große Aufmerksamkeit wurde dem Eisen im Kote gewidmet, da 
Asher hauptsächlich auf Grund der Eisenanalysen des Kotes seine Lehre 
über die dominierende Rolle der Milz im Eisenstoffwechsel aufgestellt hat. 
Wie aus den Tabellen III und IV ersichtlich ist, besteht nach der Milz- 
exstirpation eine Verminderung des Eisens im Kote. Ich möchte vorläufig 
keinen besonderen Schluß daraus ziehen, jedoch nachdrücklich betonen, 
daß die von Asher nach der Milzexstirpation festgestellte Eisenvermehrung 
im Kote nicht gefunden worden ist. Dies ist eine der wichtigsten Fest- 
stellungen, zu der die vorliegende Untersuchung geführt hat. Der Durch- 
schnittegehalt an Eisen im Kote beim ersten Hunde vor der Milzexstirpation 
betrug 23,653, beim zweiten 31,054 mg, nach der Milzexstirpation beim 
ersten 17,951 mg, beim zweiten 18,401 mg. 


Eisenstoffwechsel. 431 


Tabelle I (Hündin ]). . 
EE 


Fe in unters Durchschnitis: 


Datum | Gesammelte: | Untersuchte Fe im Urin 


Urinmenge Urinmenge war an in 24 Std. an risen 
1925 ccm ccm | mg mg mg 
25., 26. III. 728 364 0,725 N,725 
27., 28. III. 1440: 720 1,367 1367 | 
29., 30. III. 1830 | 800 0,948 1.084 | 
31. IN. 900 ' 900 1,283 1,224*) 1,091 
l. IV. >. 800 | 820 | 1227 | 1365 | 
2, IV. 860 860 1116 . 1,116 | 
3., 4. IV. | 1380 690 om . 0781 
Milzexstirpation am 8. IV. 1925 vorgenommen. 
19., 20. IV. 2470 1235 1,255 | 1255 | 
21., 22. IV. 1060 530 1,562 |! 171,562 
23. 1V. 1250 >` 1250 1,339 18339 | 
24., 25. IV. | 2094 1047 | 1478 1478 | 1,282 
26., 27. IV. | 1890 ! 945 1229 1229 
28., 29. IV. 2470 ' 1235 | 1,450 1,450 
30. IV. L oan, 750 , 0,669 0,669 
Tabelle II (Hündin 2). 
8., 9. VT. 360 345 | 090 | 0,45 | 
10., 11. VI. Us, 576 0,725 0,725 
15., 16. VI. 1174 587 0,558 0,558 
18., 19. VI. : 1650 825 0,614 0,614 
21., 22. VI. 972 | 486 0,446 . 0,446 0,586 
23. VI. 590 590 0,614 0,614 
26., 27. VI. 1236 618 0,446 ` 0,446 
30. VI. und 
1. VII. 900 450 0,390 0,390 
Milzexstirpation am 9. VIT. 1925 vorgenommen. 
1., 2. IX. 1150 : 575 | 0,02 0502 
d. 5. IX 608 ! 304 ı 0,335 0,335 | 
6., 7. IX. 1320 ' 660 0,446 | 0,446 
8., 9. IX. | 1460 730 0,502 0,502 
11., 12, IX. 520 | 260 0,558 | 0,558 0471 
13., 14. IX. 330 165 | 0,502 0,502 
15., 16. IX. ` 688 344 0,446 | 0446 
22., 23. IX. 600 300 0,474 | 044 | 
au 25. IX. © 370 185 | 0446 0,446 
29., 30. IX. 450 225 0,502 0.502 


| 
e) An Ge eis wurde der Urin von 25 Stunden gesammelt, der Eisengehalt dementian 
auf 24 Stunden berec. 
Tabelle III (Hündin 1). 








Unter» : = ie Durchschn. e 
Datum " Gesammel» Trockener suchter suchten | Fe im Kot ` Gebalt an 
' ter Kot 1 Kot trockener Kot in 24 Std. | Eisen in 
| Kot | 24 Std. 
O0 085 edoa | e sm | a Iw 
25. bis 29. IIT., 2520 | 52,0 a" 5,024 | 28,724 
30. III. 75,0 21,0 2 ‚76 9,001 | op 658 
31. III. und | = 
1,2.Iv. | 186,0 44.0 2 | 3,236 | 27,730 - 
3. bis 6. IV. 1175 38,5 2 | 2734 | 13,167 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 28 
































422 J. Irger: 
i Unters E E ? Durchschn.. 
Datum nl Toogkener | Aë, suchten Ke Mao | Tan 
' Kot or 24 Std. 
1925 g g | £ mgo | mg è ; mg 
Milzexstirpation am 8. IV. 1925 vorgenommen. 
7. bis 19, IV. | 190,0 ' 565 2 6,026 | 21,279 
20. „ 26. IV. ` 304,0 84,5 | 2 3465 20,913 | 
27., 28. IV 126,0 52,0 2 3,069 , 11399 17,91 
29., 30. IV. 45,0 20,5 2 3,627 | 18,588 
l. bis 3. V. 37,0 27,0 2 5,273 | 17,597 
Tabelle IV (Hündin 2). 
8. bis 10. VI. 57,0 280 2 5,695 26,580 | 
ll. „ 16. VI. ` 105,0 345 ` 2 11,586 | 33,312 
17. „ 23. VI. 895 32,5 2 — 17589 | 40,834 31,064 
24. „ 30. VI. 
und 1. VIL! 72,0 280 | 2 13423 23,491 
Milzexstirpation am 9. VII. 1925 vorgenommen. 
8. bis 12. IX. | 89,5 37,5 2 8,264 28,511 
13. „ 20.IX. 159,5 280 | 2 | 5,807 | 20,507 
21. "aal 925 | 385 2 443 30.615 
27. „ 30. IX.. 18,401 
und 1. X. 795 325 ' 2 ! 4523 14,699 
2, bis 6. X. | 865 | 365 2 | 4355 15,897 | 
7. „13.X. 1000 | 365 — 2 ' 6589 | 17,178 | 
Tabelle V (Hündin 1): Gallenfistel am 4. Mai 1925 angelegt. 
/ Cesammelte GE Fe in de t 
Datum Gm 24Std. Untersuchte fein der Fein der | Durchschn ‚Gebe 
| berechnet E Gallenmenge | pro 24 Std. | Galle in 24 Std. 
1925 | cem ccm mg mg mg 
- = = m= et M eg l 
11. V. 184 10 0,251 4,618 | 
12, V. 109,23 10 0,251 2,741 
13. V. 4,10 0,306 4,406 
14, V. 160 10 0,251 4,016 
15. V. ı 180 | 10 0,234 4,212 
18, V. | 1497 10 0,223 3,278 3.882 
19. V. | 17 | 10 0,234 2,737 
20. V. 120,05 10 0,267 3,204 
22 V. | 12348 | 10 0.251 3.097 
23. V. | 96 10 0,251 2,409 
25. V. ` oi 10 0,502 : 3,012 
26. V. | 45 | 10 0,502 | 2259 | 
Tabelle VI (Hündin 2). Gallenfistel am 12. November 1925 angelegt. 
20. XI. 120 10 0,335 | 4,020 
24. XI. | 138 10 0,335 4,623 
25. XI. 160 10 0,251 4,019 
26. XI. | 184 10 0.234 4,314 
30. XI. 184 10 | 0,234 4,314 4458 
1. XII. 228 10 0,234 5,346 
2. XII. | 171,42 10 0.234 4.019 
3. XII. | 212,56 0 | 0212 4,507 
9. XII. | 199,50 10 | 0,234 | 4678 | 
10. XIT. 200 10 0234, 4,690 


Eisenstoffwechsel. 423 


3. Galle. 


Auch die Wirkung der Milzexstirpation auf das Galleneisen wurde 
studiert. Die Galle, wie wir schon aus früheren Arbeiten!) wissen, scheidet 
erhebliche Mengen von Eisen in den Darm ab. Die Mengen schwanken zwar, 
aber erlauben uns, einen Blick in den Eisenstoffwechsel zu werfen. Wie 
schon erwähnt wurde, ließ ich den Hunden zu diesem Zwecke eine Gallen- 
fistel anlegen und verglich die Mengen mit denen, die mir auf Grund der 
erwähnten Arbeiten vorlagen. In den Tabellen V und VI sind die Eisen- 
bestinmmungen der Galle zusammengestellt. Sie lehren uns, daß nach der 
Milzexstirpation die Eisenausscheidung, wie z. B. beim zweiten Hunde, 
erhöht ist, was beim ersten Hunde nicht der Fall ist, so daß wir daraus 
vorläufig keinen positiven Schluß ziehen können. 


4. Bilirubin. 


Das Bilirubin, wie die Tabellen VII und VIII zeigen, verhält sich ähnlich 
wie bei den normalen Hunden, bei denen keine Milzexstirpation vorgenommen 
wurde. 





Tabelle VII. 
Bilirubin, bestimmt nach H. van den Bergh (Hündin 1). 
| Gesammelte Galle Bilirubin Bilirubin in der Durchschnittsgehalt 
Datum | sehe in Teem Galle | Galle pro 24 Std, | 8 Bilirubin 
1925 |! cem o mg mg Im ` 
| | | 
uv, | s ue Im ` 
12. V. 109,23 0,30 32,769 
13. V. o M4 0,25 | 36 
14, V. | 160 0,25 40 | 
15. V. 180 0,25 | 45 
18. V` 147 0,25 36750, 0,277 
19. V. ` 117 0,20 | 2340. 
22, V. ` 123,48 030 — 3704 
23, V. ` 96 0,35 ` 33600 
25. V. 60 | 030 | 18 | 
26. V. ` 45 | 0,35 | 15,750 
Tabelle VIII. 
Bilirubin, bestimmt nach H. van den Bergh (Hündin 2). 
20. XI, | 120 0,14 , 16,80 l 
24. XI. 138 0.28 38.64 | 
25. XI. 160 0.28 44.80 Ä 
26. XI | 18 0.20 3680 | 
30. XI. | 18 0,20 | 36,80 Sai? 
1. XII. | 228 0.20 4560 | 9 
2. XIL | 17142 0.20 | 34.28 
3. SI. 212,56 0,20 42,51 
9. XII. | 199,50 0,175 | 34,91 
10. XII. | 200 0,20 40 


1) Brugsch und Irger, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 88, H. 4/6, 1923; 
48, H. 5/6, 1924. 
28 *+ 


424 J. Irger: 


5. Blut. 


Den inneren Zusammenhang, der zwischen blutbildenden bzw. anämi- 
sierenden Prozessen und der Milz besteht, müßte man eigentlich bei der 
quantitativen Untersuchung des Eisengehalts im Blute, vor und nach der 
Milzexstirpation, nachweisen können. Ich bin deswegen an die Bestimmung 
des Bluteisens herangegangen. Die Tabellen IX und X geben die Resultate 
wieder. Wie aus den Tabellen zu ersehen ist, besteht kein Unterschied 
in dem Eisengehalt des Blutes vor und nach der Milzexstirpation. 


Tabelle IX (Hündin 1). 














, . ER Durchschnittsgehal 
Datum | Blut, EE Fe in 1 cem Blut u an Eisen i 
1925 © J eem 8 mg mg mg 
1.Iv. ` 10 3,472 0347 | 
3. IV. | 10 3,264 036. 0882 
8. IV. | 10 3,236 0,323 ' | 
Nach der Milzexstirpation. 
20.IV. | 10 3,403 030 | 
29. IV. | 10 3,013 ` 0801 
4. V. 10 3,292 0,329 0,331 
27. V 10 3,459 0,345 
8v | W | 3,571 | 0357 
Tabelle X (Hündin 2). 
30. VI. | 10 4,523 0.452 
3. VII. 10 4,802 0.480 0,467 
7. VIL | 10 4,718 0,471 
Nach der Milzexstirpation. 
17. IX. | 10 | 4,523 0,452 
l. X. | 10 4,411 0.441 
6 X. | 10 4,523 0,452 | 
15.X. 5 2,289 0.457 0,452 
20. X. 5 2,233 0,446 | 
27.X. | 5 2,233 | 046 | 
1. XI. 5 2,373 aan | 


6. Zahl der Erythrocyten und Leucocyten. 
Hämoglobingehalt und Blutkörperchenvolumen. 


Ich führe hier die Zahl der roten und weißen Blutkörperchen, den 
Hämoglobingehalt des Blutes, die bei beiden Hunden vor und nach der 
Milzexstirpation bestimmt worden sind, an. Das Blutkörperchenvolumen 
konnte aus einigen Gründen nur beim zweiten Hunde bestimmt werden. 
Wie aus den Tabellen XI und XII ersichtlich ist, nimmt die Zahl der 
Erothrocyten und der Hämaglobingehalt nach der Milzexstirpation ab. 
Dies gilt auch von den Leucocyten. Die Anämie tritt trotz der eisenreichen 
Ernährung auf, entgegen der Annahme von Nakayama!), daß die Ernährung 


1) Nakayama, diese Zeitschr. 151, 119, 1924. 


Eisenstoffwechsel. 


425 


mit eisenhaltigem Fleisch, dem Anämie fördernden Einfluß der Milzexstir- 


pstion entgegenwirke!). 


Tabelle XI (Hündin ]). 

















eu | Hämoglobin» ' 
Datum | gehalt Erythrocyten | Leucocyten 
i 1925 WE Proz. E 
1. IV. | 8 6 600 000 
2. IV. 87 6 200 000 
3. IV. 84 6 510 000 
Nach der Milzexstirpation. 
20. IV. 71 "6 300 000 
27. IV. 77 | 5 900 000 
A 7l , 5 500 000 
27. V. 63 ' 5175 000 | 
29. V. 62 A 950 000 
Tabelle XII (Hündin 2). 
30. VI. ` 112 8 975 000 
1. VII. 109 8 250 000 
3. VII. 110 8 300 000 
Nach der Milzexstirpation. 
17. IX. | 108 ! 7900000 | 
1.X. | 95 ı 6 250 000 | 
6. X. | 92 6 250 000 
13. X. "om | 6300000 | 
20. X. | 75 6 400 000 | 
29, X. 84 | 5.400 000 | 
30. X. | 88 6450000 | 
Tabelle XIII. 
Blutkörperchenvolumen, bestimmt nach Bönniger (Hündin 2). 
u Datum Blutkörperchen 
1925 Vol.Proz. 
30. VI. | 37 
3. VIIL. | 40 
7. VIL | 39 
Nach der Milzexstirpation. 
17. IX. ! 33 
1. X. 39 
6. X. | 34 
15. X. 30,3 
2. X. | 33 
27. X. l 33 
1. XI. 30,2 


40 400 


40 200 
42 500 


48 400 
47 700 
31 000 
16 500 
14 800 


15 130 
14 500 
14 500 


7 200 
H 360 
9 000 
11 000 
15 000 
9 400 
8 800 


1) Von großem Interesse ist der Befund, den Pearce, Krumbhaar und 
Frazier (l.c.) auf Grund ihrer umfassenden Studien über die Milz und die 


Anämie erhoben haben. Er deckt sich im großen ganzen mit meinem. 


Pearce, Krumbhaar and Frazier: ‚...The results of studies of the 
influence of food containing a large amount of iron in presumably easily 
utilizable form, as in raw beef spleen, does not support the view that anaemia 


is due to lack of iron in the food“. 


426 J. Irger: Eisenstoffwechsel. 


Schlußfolgerung. 


Nach den Untersuchungen, die an zwei Hunden angestellt wurden, 
um den Einfluß der Milzexstirpation auf den Eisenstoffwechsel zu 
studieren, ergab sich kein Anhaltspunkt für Änderungen derselben 
durch die Milzexstirpation. Die Analysen des Eisengehalts im Urin, 
Kote, Galle und Blute — vor und nach der Milzexstirpation — führten 
zu einem negativen Resultat. So konnte die alte Hypothese von Asher, 
die Müz sei ein Organ des Eisenstoffwechsels, der eine dominierende 
Rolle in der Eisenausscheidung zugesprochen wurde, nicht bestätigt 
werden. 


Über einen Schnelldialysator 
für klinische Zwecke und für die ärztliche Praxis. 


Von 
A. Gutbier und Berta Ottenstein. 


(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Jena.) 
(Eingegangen am 11. Januar 1926.) 


Mit 6 Abbildungen im Text. 


Man sieht sich oft vor die Aufgabe gestellt, kleinere Quantitäten 
von physiologischen Flüssigkeiten möglichst schnell durch Dialyse von 
Elektrolyten befreien zu müssen. Deshalb erschien es uns wünschens- 
wert, nachdem der ‚‚Schnelldialysator‘“!) sich ja bei Untersuchungen 
aller Art recht gut bewährt?), in seiner bisher vorliegenden Ausführung?) 
aber nur für größere Flüssigkeitsmengen 4) in Betracht kommt, noch 
einen besonderen, auf dem gleichen Prinzip aufgebauten Schnelldial ysator 
für klinische Zwecke und für die ärztliche Praxis zu konstruieren. Nach 
mancherlei Versuchen glauben wir, nunmehr eine für den genannten 


1) A.Qutbier, J. Huber und W. Schieber, Ber. 55, 1518, 1922; Chem.-Ztg. 
47, 109, 1923. 

2) Vgl. besonders Hans Pringsheim und Walter Fuchs, Ber. 56, 1764, 
1923; Wilhelm Eller, Liebigs Ann. 442, 175, 1925; B. Bleyer und St. Diez, 
Milchwirtschaftl. Forsch. 2, 231, 1925; Arthur Simon und Theodor Schmidt, 
Kolloid-Zeitschr., Ergänzungsband 86, 66, 1925; Ernst Wilke-Dörfurt und 
Marta Deker, ebendaselbst Ergänzungsband 86, 305, 1925; H. Rheinboldt, 
ebendaselbst 87, 391, 1925; Houben-Weyl, Methoden der organischen 
Chemie, 3. Aufl., 1, 483. 

3) Ein neues Modell dieses Apparats wird jetzt von der Mineralchemie 
A.-G. in Oeslau bei Coburg in den Handel gebracht. 

4) Dieser Dialysator wird zurzeit in zwei Größen, mit einem Fassungs- 
vermögen des Pergamentpapiersacks von 1000 und von 100 ccm angefertigt. 





428 A. Gutbier u. B. Ottenstein: 


Sonderfall brauchbare und auch handliche Apparatur (Abb. 1) be- 
schreiben zu können. 

Wir erreichen gegenüber anderen Vorrichtungen bei größter 
Betriebssicherheit gesteigerte Dialysiergeschwindigkeit und verhindern 





Abb. 1. 


gleichzeitig Volumenänderungen, vor allem Verdünnung der Innen- 
flüssigkeit dadurch, daß wir den Dialysator im Außenwasser rotieren 
lassen. 


Um eine derartige Bewegung auch sehr geringer Flüssigkeitsmengen 
zu ermöglichen, ist eine Scheibe von 17cm Durchmesser mit fünf kreis- 
runden, erhöhten und mit Rillen versehenen Öffnungen konstruiert worden, 
so, daß sich auswechselbare Körbehen durchaus betriebssicher in die Rillen 
eindrehen lassen. Die Körbehen sind in zweierlei Hinsicht eingerichtet 
und abgemessen: einmal können sie zur Aufnahme «der gangbaren drei 
Größen der Diffusionshülsen Nr. 579 und 579A von Carl Schleicher & Schüll- 
Düren dienen, zum anderen können sie aber auch mit in natürlichen Falten 
angelegtem Pergamentpapier überzogen werden. 

Die Scheibe ist mit einer Schraube an einer Welle sicher befestigt, 
kann demgemäß auch, wenn nötig, leicht wieder abgenommen werden 
und wird mittels metallischer, Welle und Antriebsrad tragender Farigarme 
in ein etwa 3 Liter fassendes, 20 cm weites und ebenso hohes, die Außen- 
flüssigkeit aufnehmendes Gefäß eingehängt. Das Gefäß ist durch Rohr- 
schellen mit einer in Abb. 1 nicht mit abgebildeten Zu- und Abflußvor- 
richtung für das destillierte Wasser versehen, das man zweckmäßig einem 


Schnelldialysator. 429 


hochgestellten Vorratsgefäß entnimmt und in der schon beschriebenen 
Weise!) ununterbrochen langsam zu- und ablaufen läßt. Die heberartige, 
verstellbare Abflußröhre regelt den Stand «es Außenwassers im Gefäß 
und gestattet gleichzeitig in jedem gewünschten Augenblick die Entnahme 
von Proben der ablaufenden Flüssigkeit zur Analyse. 

Der Antrieb der Scheibe und damit der Körbchen samt Inhalt kann 
mit jedem beliebigen kleinen Motor bewirkt werden. Im Jenaer Laboratorium 
wird mit einem kleinen Elektromotor mit Vorgelege gearbeitet, das in 
seinen Abmessungen so berechnet ist, daß dem System verschiedene Um- 
drehungsgeschwindigkeiten, z. B. von 50, 100 und 150 Umdrehungen in 
der Minute, erteilt werden können. 

Für medizinische Untersuchungen besteht der Vorzug unseres 
Dialysators hauptsächlich darin, daß bei erhöhter Dialysiergeschwindig- 
keit zu gleicher Zeit fünf verschiedene Proben in Mengen von 2 bis 50 ccm 
der Reinigung unterworfen werden können. Mit Ausnahme des Halters 
ist die ganze Apparatur aus glasiertem, weißem Hartsteingut gefertigt 
und daher leicht sauber zu halten; die Körbchen können sogar aus- 
gekocht und auch während der Dialyse geschlossen werden, z. B. mit 
passendem Stopfen aus Glas oder aus Hartsteingut. 

Nachdem dieser Dialysator sich im Prinzip schon bei der Unter- 
suchung: über Harnkolloide?) zu unserer Zufriedenheit bewährt hatte, 
haben wir nunmehr nach der Fertigstellung des endgültigen Modells, 
um seine Leistungsfähigkeit, d. h. die mit ihm erzielbaren Dialysier- 
geschwindigkeiten kennenzulernen, verschiedene Flüssigkeiten — 
Elektrolytlösungen, kolloid-disperse Systeme, Mischungen von kolloid- 
und ion-dispersen Lösungen und physiologische Flüssigkeiten — der 
Dialyse in der neuen Apparatur bei 100 Umdrehungen in der Minute 
unter Verwendung der in die Körbchen gestellten Diffusionshülsen 
einerseits und eines über die Körbchen angelegten Säckchens aus 
Pergamentpapier andererseits und zum Vergleich auch der Dialyse in 
nicht bewegten gleichen Diffusionshülsen bei derselben Temperatur (18°) 
und bei durchaus gleichartigem Wasserdurchfluß von 0,5 Litern in der 
Stunde unterworfen. Wir haben den Vorgang der Elektrolytentfernung 
mes;end verfolgt dadurch, daß wir in gewissen Zeitabschnitten mit 
geeichten Mikropipetten bestimmte geringe Mengen des Dialysator- 
inhalts herausnahmen und unter Zuhilfenahme von n/100 Lösungen 
maßanalytisch untersuchten?). 

Wir stellen die Ergebnisse einiger dieser Versuche der Einfachheit 
halber in Kurvenbildern (Abb. 2 bis 6) zusammen und bemerken noch, 
daß die hier mitgeteilten Chlorbestimmungen nach dem Verfahren von 


1) A. Gutbier, J. Huber und W. Schieber, Ber. 55, 1518, 1922. 

2) B.Olttenstein, diese Zeitschr. 128, 382, 1922. 

3) Die Analysenresultate stellen selbstverständlich keine absoluten, 
sondern nur Vergleichswerte dar. Siehe hierzu A. @uibier, J. Huber und 
H. Schieber, Ber. ab, 1518, 1922. 


430 A. Gutbier u. B. Ottenstein: 


J. Volhard in der von V. Rothmund und A. Burgstaller!) vorgeschlagenen 
Modifikation, im Blute nach der Ausfällung des Eiweißes mit Uranyl- 
acetat, ausgeführt worden sind. Die Kurven geben die prozentuale 
Steigerung der Abnahme des Chlorions in der Innenflüssigkeit während 





— 


44H 





III 
dern 
Abb. 2. Abb. 3. Je 50ccm gleicher Teile 
Je 25 ccm 0,1 n HCI. 0,5 proz. Gummiextrakt + 0,1 n HCL 


der Dialyse an, und zwar beziehen sich die Kurven a auf die Dialysier- 
geschwindigkeit in nicht bewegten Diffusionshülsen, die Kurven b auf den 
Verlauf der Elektrolytentfernung in den gleichen, aber im Schnelldialy- 
sator rotierenden Diffusionshülsen, die Kurven c auf die Geschwindigkeit 


700 
% 





0 0 
2 4Y © 8 N 
Stunden 
Abb. A NaCl in je 50 ccm Abb.5. NaCI in je 50 ccm 
Normal»Urin. Gesamtblut (Rinderblut). 


1) Zeitschr. f. anorg. Chem. 68, 330,1909; 4. Gutbier und L. Birckenbach, 
Praktische Anleitung zur Maßanalyse, IV. Aufl., S. 207. Stuttgart, 1924. 





Schnelldialysator. 431 


der Verminderung des Chlorions in den mit einem Überzug von Pergament- 
papier!) in noch zu beschreibender Art versehenen Körbchen. 


Aus dem Vergleich der Kurven a und b ist eine gute Wirkung des 
Prinzips der Schnelldialyse schon bei der Verwendung der Schleicher 
& Schüllschen Diffusionshülsen zu erkennen. Die Kurven c aber 
lehren, daß eine noch größere und sehr vor- 
teilhafte Steigerung der Dialysiergeschwindig- 
keit erzielt wird, wenn die Diffusionshülsen 
durch in natürlichen Falten über die Körbchen 
angelegte Säckchen von Pergamentpapier er- 
setzt werden. 


Der Überzug der Körbchen mit der 
Membran hat so zu erfolgen, daß das ganze 
Gebilde von unten her sackartig umschlossen 
ist, und daß das Pergamentpapier sich in natür- 
lichen Falten anlegt. Hierdurch wird?) nicht 
allein die Membranfläche nach Möglichkeit groß 
gestaltet, sondern auch eine innige Berührung 
der Innenflüssigkeit mit dem Außenwasser er- 
zielt, das sich mit der Drehung des Dialysators Abb.6. NaCl in je 15ccm 
in den Falten stoßen muß. Blutserum (Menschenblut). 


Der Überzug läßt sich leicht bewerkstelligen®): Man durchweicht 
ein entsprechend großes Stück Pergamentpapier gut in destilliertem Wasser 
und legt es über ein dem Durchmesser und der Höhe des betreffenden 
Körbcehens entsprechendes Glasgefäß sorgfältig, Falte neben Falte, an. 
So entsteht ein Säckchen, aus dem man nach kurzer Zeit das Glas heraus- 
zieht, um nun das Körbchen einzuführen. Man umschließt weiter die 
Membrane und das Körbchen an der obersten Stelle fest mittels einer 
Schnur und schneidet das überstehende Pergamentpapier ab. Jetzt wird 
die Flüssigkeit eingefüllt, das Körbchen in die dazugehörende Öffnung der 
Scheibe eingedreht, und die Dialyse kann beginnen. 





Der ‚Schnelldialysator für klinische Zwecke und für die ärztliche 
Praxis“ ist der Mineralchemie A.-G. in Oeslau bei Coburg geschützt 
und von ihr zu beziehen. Die Firma liefert auch die für den Dialysator 
in Betracht kommenden Schleicher & Schüllschen Diffusionshülsen 
und vorschriftsmäßig vorbereitete Pergamentpapiersäckchen zum 
Überzug der einzelnen Körbchen. 


1) Benutzt wird grundsätzlich das ‚„Pergamentpapier zur Dialyse 
C 155: 100° von Carl Schleicher & Schüll-Düren. 

2) Vgl. A. @utbier, J. Huber und W. Schieber, Ber. 50, 1518, 1922. 

3) Vgl. A. Gutbier und A. Mayer, Zeitschr. f. anorg. u. allgem. Chem. 
121, 215, 1922. 


Photoaktivierung von Cholesterin, 
Fetten und anderen Substanzen durch X-Strahlen. 


Von 
Sadayuki Hamano. 


(Aus dem biochemischen Laboratorium des Instituts für physikalische 
und chemische Forschungen zu Tokio.) 


(Mitgeteilt von Prof. U. Suzuki.) 
(Eingegangen am 13. Januar 1926.) 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


Der Verfasser hat jüngst beobachtet, daß Cholesterin, Ölsäure, 
Lebertran, Balsam, Campher, Abietinsäure usw. nach der Behandlung 
mit Ultraviolettstrahlen im Dunkeln auf photographische Platten 
einwirken!). - 

Diese Wirkung tritt am stärksten in Gegenwart von Sauerstoff 
auf. Gesättigte Fettsäuren, Traubenzucker, Rohrzucker, Stärke, 
Aminosäuren und Eiweißstoffe usw. zeigten keinen Photoeffekt nach 
der Bestrahlung. 

Der Verfasser hat nun dieselben Versuche mit X-Strahlen angestellt 
und ähnliche Resultate erhalten. 

Zu diesem Zwecke wurden die X-Strahlen von einem Coolidgeschen 
Rohre, welches mit einer Wolframantikathode versehen ist, entwickelt. 
Während des Betriebes war die Potentialdifferenz 30000 Volt und 
die Stromstärke betrug 5 bis 6 Milliamperes. 

lg der sorgfältig gereinigten und getrockneten Substanz, wie 
Cholesterin oder Borneol, wurde in ein gewähnliches Reagenzglas 
gefüllt, das offene Ende wurde zugeschmolzen, mit dünnem Stanniol- 
papier von 0,015 mm Dicke doppelt umwickelt und in der Entfernung 
von 17cm von der Strahlenquelle 5 Stunden lang andauernd den 


1) Diese Zeitschr. 168, 438, 1925; Journ. Agr. Chem. Soc. Japan 1, 
Nr. 10, 1925. 


S. Hamano: Photoaktivierung von Cholesterin usw. durch X-Strahlen. 433 
X-Strahlen ausgesetzt. Hierauf wurde die Substanz herausgenommen, 
in eine kleine Kristallisierschale gegeben (k = 1,6 cm, D = 2,7 cm), 
mit einer photographischen Platte (Lionexpreß, Ortho) bedeckt und 





Abb. 1. Lebertran. Links: 5 Stunden bestrahlt. Rechts: nicht bestrahlt. 





Abb.2. Cholesterin. Rechts: nicht bestrahlt. Links: 18 Stunden bestrahlt. 





Abb.3. Oleinsäure. Rechts: 5 Stunden bestrahlt. Links: nicht bestrahlt. 


in einem vollkommen dunklen Raume 24 Stunden stehengelassen. 
Nach dieser Zeit wurde das Negativ in gewöhnlicher Weise 
entwickelt. Auf diese Weise wurde gefunden, daß Cholesterin, 


434 S.Hamano: Photoaktivierung von Cholesterin usw. durch X-Strahlen. 


Borneol und Elaidinsäure stark auf Photoplatten reagierten, während 
die unbestrahlten Substanzen keine Wirkung hervorbrachten. Auch 
Ölsäure und Lebertran, die ursprünglich nur schwache Wirkung 
hatten, reagierten nach der Bestrahlung bedeutend stärker. Wird 
das Reagenzrohr mit Kohlensäure gefüllt, anstatt mit Luft oder 
Sauerstoff, so beobachtet man nach der Bestrahlung keine Photo- 
wirkung. 

Ob die mit X-Strahlen aktivierten Substanzen antirachitische 
Wirkung auf Tiere entfalten, wie nach der Ultraviolettbestrahlung, 
muß später untersucht werden. 


Weitere Versuche sind im Gange. 


Über die Oxydasen der Algen. 


Von 
Otto Gertz. 


(Aus dem botanischen Institut der Universität Lund.) 
(Eingegangen am 13. Januar 1926.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Über die Verbreitung und die Wirkungsweise oxydierender Enzyme 
liegen hinsichtlich der Algen Untersuchungen von mehreren Forschern, 
von Seger, Laureys, Atkins, Reed, Duggar, Davis und Hampton und 
Baas-Becking, vor. Im vorigen Jahre hat ferner der Verfasser die 
sogenannten Jodidoxydasen einer eingehenden Prüfung unterzogen. 
Ich konnte in dieser Arbeit nachweisen, daß Oxydasen dieser Art — 
die aus Alkalijodiden freies Jod abspalten — bei den Rhodophyceen 
vorhanden sind und in erheblicher Menge bei einzelnen Gattungen, 
wie z.B. bei Rhodomela, Polysiphonia, Delesseria sanguinea, Odon- 
thalia, Brongniartella und Furcellaria, auftreten. Bei anderen Gattungen 
dagegen, wie z. B. bei Ceramium, Cystoclonium, Rhodymenia und 
Nemalion, fehlen diese Stoffe vollständig. Inwieweit die betreffenden 
Oxydasen — die Jodidoxydasen — spezifische, von anderen oxydatisch 
wirkenden Enzymen verschiedene Stoffe darstellen, sei beiläufig un- 
entschieden. 

Weil meine bei diesen Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse in 
wichtigen Punkten von den Erfahrenheiten anderer Forscher erheblich 
abweichen, schien es mir notwendig, die Algenoxydasen nach ver- 
schiedenen Methoden zu prüfen und dieselben überhaupt einer ein- 
gehenden Revision zu unterziehen. Die Untersuchungen wurden daher 
im Sommer 1925 weiter vorfolgt. Sie sind auf der zoologischen Station 
Kristineberg — an der schwedischen Westküste — ausgeführt und 
durch die Gewährung eines Beitrags von der Physiographischen Gesell- 
schaft zu Lund unterstützt. 

Bei meinen schon veröffentlichten Untersuchungen benutzte ich 
folgende Methode. 


436 O. Gertz: 


Zum Sieden erhitzter Stärkekleister (eine Federmesserspitze Kartoffel- 
stärke, 100 cem Wasser) wurde mit Jodkalium (3g) und Gelatine (10g!) 
versetzt und das Gemisch dann in eine Petrischale ergossen. Nach Ab- 
kühlung des Inhalts wurde das zum Prüfen benutzte Material — 
frisch abgeschnittene Thallusstückchen, ausgepreßter Saft zerquetschter 
Algen — auf das erstarrte Substrat der Petrischale gebracht und das Ganze 
auf einen dunklen, kühlen Ort — in den Eisschrank — gestellt. Schon nach 
einigen Stunden war bei energisch wirkender Oxydase eine durch Jod- 
stärke bedingte Blaufärbung an der Berührungsstelle des Substrats zu sehen. 
Im allgemeinen erforderte doch die Reaktion eine längere Einwirkung, bis 
auf 12 Stunden oder mehr. 


Unter 35 in dieser Weise geprüften Rhodophyceen führten 25 
Oxydasen, und unter diesen waren 13 verhältnismäßig oxydasenreich. 

Bei meinen im Jahre 1925 weiter verfolgten Untersuchungen 
benutzte ich zum Prüfen der Oxydasen in erster Linie die Benzidinprobe. 
Für diesen Zweck wurden die Thallusstückchen in einer Reibschale 
mit feinem, chemisch reinem Quarzsand?) verrieben und mit destil- 
liertem Wasser in geringer Menge versetzt. Der Gewebebrei wurde 
durch ein feines Seihtuch koliert und gepreßt und dabei eine prächtig 
rot gefärbte, am meisten in Orange lebhaft fluoreszierende Flüssigkeit?) 
gewonnen. Ein Tropfen dieser Lösung wurde auf ein mit alkoholischer 


1) Von den käuflichen Gelatinen ist nur diejenige zu verwenden, die 
in verflüssigtem Zustande eine saure Reaktion besitzt. Neutral oder alkalisch 
reagierende Gelatine ist für den Versuch unbrauchbar, weil dann keine 
Bläuung der Stärke eintritt. In einzelnen Fällen kam zum Prüfen der 
Jodidoxydasen noch eine andere Methode zur Verwendung. Diese besteht 
darin, in Probierröhrchen einige Tropfen ausgepreßten Saft einem Gemisch 
von flüssigem Stärkekleister und Jodkaliumlösung zuzufügen; wird dann 
mit verdünnter Essigsäure angesäuert, so tritt nach einigen Stunden eine 
allmählich tiefer werdende, durch Jodstärkebildung bedingte bläuliche 
Färbung der Flüssigkeit ein. So z.B. bei Delesseria sanguinea, Polysiphonia 
nigrescens und Furcellaria fastigiata. In einer nicht angesäuerten Lösung 
tritt aber keine Bildung von Jodstärke ein; andererseits bleibt selbstver- 
ständlich auch die Jodstärkebildung aus, wenn kein Algenpreßsaft dem 
essigsauren Gemisch von Stärkekleister und Jodkaliumlösung zugefügt 
wird. 

2) Glaspulver ist für diese Untersuchung ungeeignet, weil das Wasser 
wegen Lösung verschiedener Bestandteile des Glases eine alkalische Reaktion 
bekommt. Man überzeugt sich davon leicht, wenn man Glaspulver mit 
dlestilliertem Wasser versetzt und einen Tropfen alkoholischer Phenol- 
phthaleinlösung oder Rosolsäure hinzufügt. Dann tritt nämlich eine kräftige, 
durch die Alkaleszenz der Flüssigkeit bedingte Rotfärbung ein. 

3} Anstatt einer hellen Flüssigkeit entstand bei einigen Algen eine 
fadenziehende, schleimartige Masse, wie z. B. bei Nemalion multifidum, 
Chondrus crispus, Scinaia J[urcellata und Cruoria pellita. Bei diesen fielen 
ferner auch die Benzidin- und Guajakproben negativ aus, was vielleicht 
darauf zurückzuführen ist, daß die überaus reichlich vorkommenden 
Schleime hier durch Adsorption den Zellen die Oxydasen entziehen und 
dadurch die Reaktionstätigkeit derselben beeinträchtigen. | 


Oxydasen der Algen. 437 


Benzidinlösung durchtränktes und dann getrocknetes Filtrierpapier 
angebracht. In Fällen nicht im Saft vorliegender Oxydasen trat keine 
Umfärbung des Papiers ein. Waren dagegen oxydatische Stoffe vor- 
handen, so nahm die genäßte Papierfläche fast momentan oder wenigstens 
beim Trocknen eine mehr oder weniger kräftige, oft dunkelblaue 
Färbung der den Tropfen umgebenden Zone an. 

Andererseits benutzte ich ferner, um Oxydasen nachzuweisen, die 
Guajakprobe. Diese wurde in der Weise ausgeführt, daß der aus zer- 
quetschten Algenteilen gewonnene Saft in einem Probierröhrchen mit 
dem in absolutem Alkohol gelösten Guajakharz!) vorsichtig über- 
schichtet wurde. Beim Vorkommen von Oxydasen entstand eine ring- 
förmige, blaue Färbung in der Grenzschicht zwischen den Flüssigkeiten. 
Diese trat bei kräftig wirkender Oxydase fast momentan auf; in anderen 
Fällen erforderte sie längere Zeit, bis auf eine Viertelstunde. 

Das nähere Verhalten der mit den oben beschriebenen Reagenzien 
untersuchten verschiedenen Algen ergibt sich aus der Tabelle I. 

Aus der Tabelle I geht ohne weiteres hervor, daß, wie schon oben 
erwähnt, die oxydatische Tätigkeit unter den Algen genau auf die 
Rhodophyceen beschränkt ist. Es ist ferner auch ersichtlich, daß 
für einzelne systematische Gruppen der Oxydasengehalt gewissermaßen 
charakteristisch ist. Dies trifft z. B. für die Familie Rhodomelaceae zu, 
bei welcher sich alle von mir untersuchten Arten als verhältnismäßig 
oxydasenreich herausstellten. In anderen Gruppen dagegen zeigt die 
Verteilung oxydasenführender und oxydasenfreier Arten ein sehr 
buntes Bild, und das Vorhandensein bzw. das Fehlen von Oxydasen 
kann demnach keineswegs als ein allgemeines systematisches Merkmal 
angesehen werden. 

Die oxydatische Tätigkeit macht sich übrigens mit sehr ver- 
schiedener Intensität geltend. Besonders kräftig fielen die Oxydasen- 
reaktionen mit Benzidin und Guajakharz bei folgenden Arten aus: 
Delesseria sanguinea, Odonthalia dentata, Furcellaria fastigiata, Rhodo- 
mela subfusca, Rh. virgata, Polysiphonia elongata, P. fibrillosa, P. 
nigrescens, Brongniartella byssoides, Pterosiphonia parasiiica und 
Trailliella intricata. Andererseits waren bei anderen Algen die oxy- 
datischen Wirkungen weniger hervortretend, und die betreffenden 
Reaktionen fielen nicht selten so schwach aus, daß sich das Vorhanden- 
sein oder das Fehlen von Oxydasen nur mit Schwierigkeit feststellen 


1) Ich benutzte auch eine Lösung von Guajakharz in konzentrierter 
Chloralhydratlösung (5 : 2 Wasser). Weil dieses Reagenz ein höheres spezifi- 
sches Gewicht besitzt, wird der zu prüfende Algenextrakt über diese Lösung 
überschichtet. Auch in diesem Falle tritt in der Grenzzone eine kräftige 
Blaufärbung ein, wie z. B. in Versuchen mit Delesseria sanguinea, Furcellaria 
und anderen. 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 99 


438 O. Gertz: 














Rhodophyceae. | 
Erythrotrichis ceramicola (Lyngb.) Aresch... . . ı 
Porphyropsis coccinea J. GQ. Ag. . . ...... 
Porphyra laciniata (Lighif.) Ag. ©... ..... 
Nemalion multifidum (Web. et Mohr) J. G. Ag. 
Scinaia furcellata (Turn.) Ben, .. 2.2... | 


Chondrus crispus (L.) Lyngb. . .. . 2.2... 
Pays membranifolia (Good. et Woodw.) 
A ) 





+ 111 4# 


II+ +1 I 1 


Lomentaria clavellosa (Turn.) Gail. ...... 
Plocamium coccineum (Huds.) Lyngb. ..... l 
Delesseria alata (Huds.) Lamour. ....... | 
Delesseria ruscifolia (Turn.) Lamour. ..... 
Delesseria sinuosa (Good. et Woodw.) Lamour. . . | 
Delesseria sanguinea (L.) Lamour. ...... . 
Bonnemaisonia asparagoides (Woodw.) Ae... | 
Polysiphonia urceolata (Lightf.) Grev. . . . .. | 
Polysiphonia fibrillosa (Dillw.) Gren ..... . 
Polysiphonia elongata ( Huds.) Harv.. ..... | 
Polysiphonia nigrescens (Dillw.) Grev. .. .. . | 
Pterosiphonia parasitica ( Huds.) Falkenb. ... 
Brongniartella byssoides (Good. et Woodw.) | 
e E a en et en ee | 
Rhodomela subfusca (Woodw.) Ag. ...... | 
Rhodomela virgata Kiellm. . . : 2 2 2 20. 
Odonthalia dentata (L.) Lyngb. `, | 
Heterosiphonia coccinea ( Huds.) Falkenb.. . . . | 
Chantransia virgatula ( aw.) Thur, ...... | 
Spermothamnion roseolum (Ag.) Pringeh .. . . | 
Trailliella intricate Batters. . . . 2:22 2 203. | 
Griffithsia corallina (Lightf.) Ag. . ...... | 
Callithamnion corymbosum (Smith) Lyngb... . . | 
Plumaria elegans (Bonnem.) Schmitz.. .. , | 
Ptilota plumosa (L.) Ag. ©. . 2: 2 2 2 2 2. | 
Antithamnion plumula (Ellis) Thur.. ..... 
Ceramium rubrum (Huds.) Ag. . . 22 2 2... | 


+++++ +++++4+H+ I I I I I DJ 





ben 


Polyides rotundus € a. Grev ns waren 
Cruoria pellita (Lyngb.) Fries. . . . > 2 22... | 
Hildenbrandtia rosea Katz . . 2 2 2 2 2. 

Corallina officinalis `... 0117 | 


1) Diese aus dem adriatischen Meere und aus der Nordsee bekannte Alge wurde von mir 
im August 1925 an der schwedischen Westküste entdeckt. Sie kommt bei Strömmarna unweit 
von der zoologischen Station Kristineberg in einer Tiefe von etwa 6 m spärlich auf Steinen und 
Muschelschalen vor. 


+it+r+t++l1+|++ +++ ELE +44 4444 A + | 
II I++I II I++l++++++++++ +++++t++l +11 I I+ 1 I I 


(II 





Oxydasen der Algen: 439 


Tabelle I (Fortsetzung). 














Phaeophyceae. u 
Ralfsia verrucosa (Aresch.) J. A. Ag. ..... | 
Asperococcus bullosus Lamour.. . . ... | 
Desmarestia aculeata (L.) Lamour.. .. ... . | 
Mesogloia vermiculata (Engl.) Le Jol. ..... 





Laminaria saccharina (L.) Lamour ....... 

Laminaria Oloustoni ( Edm.) Le Jol. ...... 

Fucus vesiculosus L. . . . . 22 2200. 

Ascophyllum nodosum (L.) Le Job... ..... | 

Halidrys siliquosa (L.) Lyngb. . .... 2... Ä 
Chlorophyceae. 

Enteromorpha intestinalis (L.) Link ...... 

Ulva Lactuca (L.) Le Jol. ... 2. 2220200 

Characeae. 

Chara fragilis Desv. e 22 en — — — 
Cyanophyceae. | 

Rivularia atra Roth `... A ı- 1-1 - 


ließ. Nur schwache Reaktionen auf Oxydase erzielte ich bei Chondrus 
crispus, Delesseria alata, Polysiphonia urceolata, Heterosiphonia coccinea, 
Griffühsia corallina, Callithamnion corymbosum, Plumaria elegans, Ptilota 
plumosa und Polyides rotundus. 

Vergleicht man die mit den drei benutzten Reagenzien gewonnenen 
Resultate, so ergibt sich im großen ganzen eine genaue Übereinstimmung. 
Einzelne Unterschiede liegen aber jedenfalls vor. In einigen Fällen 
sind sie doch aller Wahrscheinlichkeit nach durch Verunreinigung des 
untersuchten Materials mit Algen anderer Art bedingt, welche sich 
ja der Aufmerksamkeit leicht entziehen können, wenn sie in winzigen 
Mengen auftreten. Hauptsächlich zwei epiphytische Algen kommen 
hier in Betracht, Trailliella intricata und Erythrotrichia ceramicola, 
die an herumtreibenden Algenindividuen fast konstant auftreten. 
Diese Epiphyten sind besonders oxydasenreich und können dem- 
nach, auch wenn sie in geringer Menge auf nicht oxydasenführenden 
Algenarten eingemischt vorkommen, diesen oxydatische Wirkungen 
mitteilen. 

Hinsichtlich der angeführten Ergebnisse ist ferner noch zu er- 
wähnen, daß einzelne als oxydasenführend gefundene Algenarten in 
einer oder anderer Versuchsreihe negative Reaktion gaben, wie z.B. 
Delesseria sinuosa, Chondrus crispus, Phyllophora membranifolia, 
Lomeniaria clavellosa, Cruoria pellita und Corallina officinalis, ferner 
auch im Gegenteil, daß sich oxydasenfreie Arten in irgend einem Versuch 
schwach positiv verhielten. Die abweichenden Ergebnisse finden 


29% 


440 O. Gertz: 


wahrscheinlich ihre Erklärung darin, daß der Gehalt an Oxydase und 
die Tätigkeit derselben nach dem Alter der Pflanze verschieden ist. 
Vielleicht stehen sie auch in Zusammenhang damit, daß die Grenzen 
zwischen oxydasenfreien und oxydasenarmen Algenarten in der Tat 
unscharf sind. 

Als Erklärung der in einigen Fällen fehlenden Übereinstimmung 
sei weiterhin auch darauf hingewiesen, daß die benutzten, voneinander, 
wie es scheint, ganz unabhängigen Reaktionen eine verschiedene Emp- 
findlichkeit besitzen und demnach in verschiedener Weise ausfallen, 
wenn die Oxydasen in sehr geringer Menge vorkommen, oder wenn sie 
nur wenig wirksam sind. Im allgemeinen scheint die Reaktion mit 
Jodkaliumstärke am empfindlichsten zu sein. Diese war bei Phyllophora 
membranifolia, Lomentaria clavellosa, Delesseria sinuosa, Rhodochorton 
membranaceum, Cruoria pellita und Corallina officinalis sehr schwach 
und oft nur spurweise vorhanden ` in einigen Versuchen, mit z. B. Phyllo- 
phora membranifolia, Delesseria sinuosa, Cruoria und Corallina, fiel die 
Reaktion ganz negativ aus. 

Eigentlich zeigten nur Chondrus crispus, Ptilota plumosa und Dilsea 
edulis einen mehr auffallenden Unterschied und wiesen demnach auf 
ein verschiedenes Verhalten in bezug auf die benutzten Reagenzien 
hin. Die kräftige Reaktion bei z. B. Dilsea edulis mit Jodkaliumstärke 
und die völlig negativen Reaktionsergebnisse bei dieser Alge mit Benzidin 
und Guajakharz lassen sich in anderer Weise kaum erklären, geschweige 
denn die Verschiedenheiten, die Chondrus und Ptilota aufweisen. 

Hinsichtlich der Benzidinprobe sei noch erwähnt, daß bei einzelnen 
Algenarten anstatt der normalen Blaufärbung eine dunkel violette, 
beinahe schwarzbraune Färbung eintritt. Dies habe ich z.B. bei 
Furcellaria fastigiata und Brongniartella byssoides beobachtet. 


Bekanntlich treten einzelne Rhodophyceen unter Umständen mit 
mehr oder weniger ausgeprägter, grünlicher Farbe auf. Um den Oxy- 
dasengehalt auch solcher Formen zu prüfen, untersuchte ich sowohl 
dunkelviolette bis beinahe tiefschwarze als auch hellgrün gefärbte, in 
seichtem Wasser vorkommende Formen von Furcellaria fastigiata, 
andererseits auch rosenrote und grüne Formen von Delesseria alata 
und die überhaupt grünlich gefärbte Rhodomela virgata. Hinsichtlich 
der oxydatischen Aktivität wurde aber kein Unterschied zwischen 
den verschieden gefärbten Formen gefunden. 

Die Benzidinprobe gründet sich bekanntlich auf die Eigenschaft 
des Benzidins, sich unter Oxydation in eine blau gefärbte Verbindung 
umzuwandeln. Für meine weiteren Untersuchungen bediente ich mich 
einer Modifikation dieser Probe, die sich in einigen Fällen geeigneter 
erwies, Oxydasen nachzuweisen. Diese Probe wurde in der Weise aus- 


Oxydasen der Algen. 441 


geführt, daß ich die alkoholische Benzidinlösung auf den Objektträger 
goß und, nach dem Abdampfen des Lösungsmittels, eine dünne 
Schicht der in der Reibschale zerquetschten Algenmasse auf die mit 
Benzidinkristallen bedeckte Fläche des Objektträgers anbrachte. Nach 
dem Eintrocknen wurde diese Masse mit einem Tropfen destillierten 
Wassers betupft, mit Deckgläschen bedeckt und mit dem Mikroskop 
untersucht. Wenn oxydasenführende Zellen vorhanden waren, traten 
teils im Medium blau gefärbte Niederschläge, teils eine blaue Färbung 
der Benzidinkristalle, teils ferner in vielen Fällen eine Blaufärbung 
des Inhalts einzelner Zellen ein. Auf diese Weise konnte ich auch Algen 
untersuchen, die nur in sehr geringer Menge zu beziehen waren und 
demnach einer makroskopischen Prüfung nicht unterliegen konnten. 
Ferner konnten auch von Epiphyten überwachsene Algen, die sich 
von der epiphytischen Vegetation nicht ohne weiteres isolieren ließen, 
mit der Benzidinprobe untersucht werden. Die Resultate dieser meiner 
Untersuchungen stimmten im großen ganzen mit den oben erwähnten 
überein. Folgende Algenarten wurden nach der modifizierten Benzidin- 
methode näher geprüft. 


Tabelle II. 





Erythrotrichia ceramicola (Lyngb.) Aresch.. ... 2.2... | 
Porphyropsis coccinea J. @. Ag. . 2 22er. | 
Nemalion multifidum (Web. et Mohr) J. G. Ag... ..... 1 
Scinaia furcellata (Turn.) Biv. .... 2.2 2 2200. | 
Chondrus crispus (L.) Lyngb. .. :. .: 2:2 220.000. | 
Euthora cristata (L.) J. G. Ag. ©. no soaa | 
Lomentaria clavellosa (Turn.) Gall... .. 22. 22200. | 
Delesseria alata ( Huds.) Lamour. .. .. . 2222000. | 
Delesseria ruscifolia (Turn.) Lamour. . .. 2... 22.0. | 
Delesseria sinuosa (Good. et Woodw.) Lamour . . ...... | 
Delesseria sanguinea (L.) Lamour. .. .. 2... 22000. 
Bonnemaisonia asparagoides (Woodw.) Ag... » 2»... .. | 
Polysiphonia urceolata (Lightf.) Grev. ..... 2.222 .. l 
Pterosiphonia parasitica ( Huds.) Falkenb. ......... 
Brongniartella byssoides (Good. et Woodw.) Schmitz. .... 

Rhodomela subfusca (Woodw.) Ag. e, | 





Odonthalia dentata (L.) Lyngb. -.... 2.2 22200. 

Heterosiphonia coccinea ( Huds.) Falkenb. ... ...... | 
Chantransia virgatula ( arv.) Thur. . ... 2.2 2 2220. i 
Spermothamnion roseolum (Ag.) Pringsh. ......... | 
Trailliella intricata Batters. . : >: 2: 2 2 N m nn. | 
Griffithsia corallina (Lightf.) Ag. . : >: 2 222200. | 
Callithamnion corymbosum (Smith) Lyngb.. . .. . 2... | 
Plumaria elegans (Bonnem.) Schmtz. . .. 2»: 22.2... | 
Antithamnion plumula (Ellis) Thur.. ... 2... 222.0. 

Rhodochorton Rothii (Turt.) Nāg.. . . :.. 2.2... | 
Rhodochorton membranaceum Magnus. . , .. 

- Dilsea edulis Stackh.. . . aoaaa nnn | 
Cruoria pellita (Lyngb.) Fries... .2. 2.222020. | 
Corallina officinalis L. . . 2: 2: 2 NE m rn er ren e | 


EEE EFF beckck keck EE dek 


442 O. Gertz: 


Eine Blaufärbung des Zellinhalts war bei dieser Untersuchung an 
folgenden Algen zu sehen: Delesseria sanguinea, D. alata, Heterosiphonia, 
Euthora, Odonthalia (Blaufärbung besonders im Inhalt verwundeter 
Zellen und vor allem, wie es scheint, an den Chromatophoren), 
Trailliella (verwundete Zellen; besonders beim Trocknen wurden die 
Querwände der Zellen gefärbt), Polysiphonia fibrillosa (Zellinhalt und 
Zellwände), Callithamnion corymbosum (es färben sich hier auch intakte 
Zellen), Erythrotrichha (an verwundeten Zellen tritt ein blau gefärbter 
Pfropfen auf) und Bonnemaisonia (besonders die Endzellen der Thallus- 
fäden erschienen kompakt blau). Hinsichtlich der Traslliella sei hinzu- 
gefügt, daß sich die kleinen kugeligen Zellen der Fäden intensiv blau 
färben, die übrigen dagegen ungefärbt werden, mit Ausnahme der 
jüngsten Zellen in der Spitze der Fäden, die eine dunkelblaue Farbe 
annehmen. Es scheint demnach, wenigstens in einzelnen Fällen, eine 
bestimmte Lokalisierung der Oxydasen vorhanden zu sein. 

Kommt Oxydase in größerer Menge vor, so tritt im Inhalt der 
Zellen eine Auskristallisierung der blau gefärbten Verbindung ein. 
Dies wurde z.B. bei Callithamnion corymbosum und Polysiphonia 
urceolata beobachtet. Insbesondere bei Polysiphonia urceolata waren 
die Kristalle gut entwickelt und traten in Form von Trichitenbüscheln 
wechselnder Gestalt auf. 

Unter den in der Tabelle angeführten Algen wurden einzelne als 
verhältnismäßig kräftig oxydasenführend gefunden, obgleich sie sich 

beim Prüfen ausgepreßten Saftes als nur 

-K K wenig oxydatisch aktiv erwiesen hatten. 

E J r Offenbar ist dies darauf zurückzuführen, 
daß die geprüfte Flüssigkeit bei der 
K makroskopischen Untersuchung zu ver- 
= dünnt war oder daß die Oxydase beim 
Abb. 1. Zerquetschen der Gewebe durch andere 
Polysiphonia urceolata. Tricbitens Stoffe inaktiviert wurde. 
büschel der bei der Benzidinprobe 
erhaltenen blau gefärbten Verbindung. Bei besonders oxydasenreichen Algen 
EES gelingt die Benzidinprobe auch in der 
Weise, daß man intakte Algen auf dem Benzidinpapier preßt und 
eintrocknen läßt. Mit Brongniartella erhält man dann auf dem 
Papier einen zierlichen Abdruck des fein verzweigten Thallus in 
bläulicher Farbe; die Brongniartella selbst färbt sich kräftig dunkelblau, 
beinahe schwarz. In einem Versuch mit Delesseria sanguinea wurden 
die Blätter des Thallus nur teilweise blau gefärbt, das Papier aber nur 
schwach gebläut. 
Es wurden ferner Versuche gemacht, die Oxydasen aus dem Preß- 
saft durch Verdünnung mit 97 proz. Alkohol auszufällen. Eine geeignete 
Methode, diese Stoffe zu separieren, war auch das Aussalzen mit. 


Oxydasen der Algen. | 443 


Ammonsulfat. Die durch Alkohol oder Ammonsulfat ausgefëllten 
Präzipitate — ÖOxydasen nebst begleitenden Stoffen verschiedener 
Art, wie z.B. Eiweißstoffe, Farbstoffe usw. — wurden abfiltriert; 
auf eine weitere Isolierung der Oxydasen wurde verzichtet, weil vor- 
läufig keine geeignete Methode zur Verfügung steht, die eingemischten 
Fremdkörper zu entfernen. 


Die mit Ammonsulfat oder Alkohol gewonnenen Präzipitate 
waren amorphe Massen von hell- oder dunkelroter Farbe. Selbst- 
verständlich üben sie in wasserfreiem Zustande keine oder nur geringe 
oxydatische Wirkungen beim Prüfen mit Benzidin und Guajakharz 
aus. Mit Jodkaliumstärke wurde aber eine sehr kräftige Reaktion 
erhalten. Folgende Arten habe ich in dieser Richtung näher untersucht: 
Dilsea edulis, Delesseria sanguinea, Odonthalia dentata, Brongniartella 
byssoides und Corallina officinalis. Die Präzipitate von z. B. Ceramium 
rubrum und Porphyra laciniata waren, wie zu erwarten war, ohne 
oxydatische Wirkungen. 


In Wasser aufgeschwemmt und zum Teil gelöst, zeigten die be- 
treffenden Niederschläge sehr energische Oxydasenwirkung. Dies 
wurde bei Furcellaria und Delesseria sanguinea näher untersucht. 
Sowohl mit Benzidin als auch mit Guajakharz erzeugten die Präzipitate 
auf diese Weise prächtige Blaufärbungen. Betreffs der Jodkalium- 
stärkeprobe habe ich schon oben hervorgehoben, daß sich oxydasen- 
führende Präzipitate in entsprechender Weise auch hinsichtlich dieser 
Reaktion verhalten. 


Das beim Filtrieren gewonnene Filtrat entbehrte in sämtlichen 
untersuchten Fällen oxydatischer Eigenschaften. Die Oxydasen waren 
demnach aus dem Preßsaft quantitativ herausgefällt. 


Wie die Enzyme überhaupt, zeichnen sich die Oxydasen be- 
kanntlich durch eine ausgeprägte Hitzeempfindlichkeit aus. Auch 
die Oxydasen der Algen waren sehr thermolabil. Sowohl der Preßsaft 
als auch die mit Alkohol oder Ammonsulfat gewonnenen Präzipitate 
wurden beim Sieden oxydatisch wirkungslos. 


Um den Temperaturgrad zu bestimmen, bei welchem die Tätigkeit 
der Oxydasen verloren geht, wurde Preßsaft von Delesseria sanguinea 
in Probierröhrchen auf Wasserbad 5 Minuten lang auf verschiedene 
Temperaturgrade erwärmt und die oxydatische Fähigkeit der Flüssigkeit 
auf Benzidinpapier geprüft. Es zeigte sich, daß die Zerstörung der 
Oxydasen genau bei 70° C erfolgt. Nach einer Erwärmung bis auf 69° C 
war noch eine Bläuung des Benzidins zu sehen, aber bei 70° C und noch 
höheren Temperaturgraden war diese Fähigkeit nicht mehr vorhanden. 
Genau bei diesem Grade (70°C) fängt übrigens der rote Farbstoff der 
Algen, das Phykoerythrin — in chemischer Hinsicht bekanntlich ein 


444 O. Gertz: 


Eiweißkörper —, an zu erstarren. Die Fluoreszenz desselben geht ver- 
loren und die Farbe wird grauviolett bis gelblich graubraun. 

Die Algenoxydasen behalten unter Umständen verhältnismäßig 
lange Zeit ihre Aktivität. Um weiterhin diese Eigenschaft zu prüfen, 
wurde frisch hergestellter Preßsaft von Delesseria sanguinea mit einigen 
Tropfen Toluol versetzt und am dunklen und kühlen Orte aufbewahrt. 
Nach 3 Monaten untersuchte ich mit dem Benzidinpapier die Tätigkeit 
desselben und konnte dabei keine Abschwächung finden. In anderen 
Versuchen wurden Thallusstückchen von Delesseria sanguinea!), Fur- 
cellarsa und Brongniartella in Glycerin zerquetscht und in derselben 
Weise der Preßsaft, der besonders bei Furcellaria und Brongniartella 
eine tief dunkelbraune, beinahe schwarze Farbe besaß, von Zeit zu Zeit 
geprüft. Auch in diesem Falle war die oxydatische Fähigkeit nach 
3 Monaten kräftig und unverändert. Betreffs meiner im Jahre 1924 
hergestellten, mit Alkohol oder Ammonsulfat gewonnenen oxydasen- 
führenden Niederschläge habe ich schon früher erwähnt, daß sie noch 
nach 8 Monaten oxydatisch wirkungsfähig waren. Sowohl bei Delesserta 
sanguinea als auch bei Odonthalia dentata beobachtete ich in diesen 
Versuchen Bläuung der Jodkaliumstärkegelatine. Daneben war 
Reaktion, wenigstens spurweise, bei Brongniartella byssoides, Fur- 
cellaria fastigiata und Corallina officinalis zu sehen. 

Betreffs der Widerstandsfähigkeit der betreffenden Oxydasen 
seien noch folgende Beobachtungen angeführt. Thallusstückchen ven 
Delesseria sanguinea wurden 2 Tage lang mit destilliertem Wasser 
behandelt; beim Prüfen der Flüssigkeit sowie auch des zerquetschten 
Gewebebreis waren keine Spuren oxydatischer Wirkung mehr zu sehen. 
Offenbar hatten sich die Oxydasen durch Verfaulen der Masse ver- 
ändert. Fügt man aber dem frisch hergestellten Gewebebrei oder dem 
Preßsaft desinfizierende Stoffe, wie z. B. Toluol zu, so behalten sie die 
oxydatischen Eigenschaften lange Zeit bei. Auch bei vorsichtiger 
Pressung und geeigneter Trocknung der Algen bleiben sie erhalten. 
In einem anderen Versuch wurde durch Vertreibung hergestellter Gewebe- 
brei von Furcellaria nach 12 Stunden mit destilliertem Wasser an- 
geschüttelt. Der Preßsaft zeigte sich dann sowohl mit Benzidin als 
auch mit Guajakharz wirkungslos. Mit Furcellaria wurde auch ein 
Versuch gemacht, aus dem frischen Preßsaft die Oxydasen mit Ammon- 
sulfat auszufällen. Wurde der Niederschlag dann mit destilliertem 
Wasser versetzt und 18 Stunden lang stehengelassen, so erwies sich 
dieser oxydatisch wirkungslos, offenbar infolge Fäulnis. 


1) Beim Behandeln von Delesseria mit Glycerin fängt diese sofort an, 
mit gelblicher Farbe zu fluoreszieren. Dies erklärt sich dadurch, daß beim 
Tode der Zellen das Phykoerythrin aus den Chromatophoren austritt und 
in Lösung geht. 


Oxydasen der Algen. 445 


Um die Diffusionsfähigkeit der Oxydasen zu prüfen, wurden 
Thallusstückchen von Delesseria sanguinea und Brongniartella byssoides 
mit einigen Tropfen Toluol versetzt und mit destilliertem Wasser über- 
gossen. Nach 14 Tagen wurde die Flüssigkeit — von Brongniartella 
ungefärbt, von Delesseria ziegelbraun — geprüft und dabei oxydasenfrei 
gefunden. Die Algenstückchen wurden dann zerquetscht, und der 
Preßsaft zeigte sich beim Prüfen mit Benzidin oxydatisch wirkungs- 
fähig. 

Andererseits liegen auch Beobachtungen vor, die auf eine leichte 
Löslichkeit der Oxydase und auf eine bedeutende Diffusionsfähigkeit 
derselben hindeutet. Nimmt man auf das Benzidinpapier einen Tropfen 
Preßsaft von Delesseria sanguinea auf, so saugt sich dieser im Papier 
ein und das Enzym dringt ganz so weit nach dem Rande aus wie die 
Flüssigkeit überhaupt. Man findet in diesem Falle keine von nur 
dem Lösungsmittel genäßte äußere, farblose Zone — wie bei vielen 
Versuchen über Kapillaranalyse —, sondern das Benzidinpapier färbt 
sich ganz so weit blau, wie das Wasser überhaupt dringt. Ein anderer 
diesbezüglicher Versuch wurde auch angestellt. Läßt man Preßsaft 
von Delesseria sich in einem Benzidinpapierstreifen hinaufsaugen, so 
dringen die gelösten Oxydasen ganz so weit nach oben wie die Flüssigkeit, 
und man bekommt eine nach oben zu immer gesteigerte Blaufärbung 
des Papiers. Ein solcher Versuch wurde auch mit der Jodkaliumstärke- 
probe gemacht. In einem Fließpapierstreifen ließ ich den Preßsaft von 
Delesseria sich hinaufsaugen, und der Streifen wurde dann in eine Petri- 
schale auf Jodkaliumstärkegelatine gelegt. Es zeigte sich, daß über 
der ganzen Fläche dieser Masse, die mit der durch den aufgesaugten 
Preßsaft genäßten Zone des Papiers in Berührung war, Blaufärbung 
eintrat. Hinsichtlich dieses Versuchs sei nebenbei auch erwähnt, daß 
die betreffende Petrischale dann auf einem dunklen, kühlen Orte 
14 Tage lang stehen blieb. Das Gelatinesubstrat wurde dabei von 
Schimmelpilzen verschiedener Art überwachsen, aber der Abschnitt, 
der durch die Wirkung der Oxydase Jod abgespalten hatte, war völlig 
steril und zeigte eine sehr scharfe Grenzlinie gegen die im übrigen ganz 
verpilzte Gelatinemasse. Offenbar hat die, wenn auch sehr geringe 
Menge des abgespaltenen Jods die Keimung und die Entwicklung der 
Schimmelpilze verhindert. Es liegt hier ein interessanter biologischer 
Nachweis des durch Jodidoxydasen abgespaltenen Jods vor. 


Was noch die Permeabilität der Zellen gegen Oxydase anbetrifft, 
so ist diese offenbar bei den Algen ganz verschieden. Hierdurch erklärt 
sich, daß, wie schon oben erwähnt, beim Prüfen mit Benzidin eine 
Färbung des Mediums in einigen Fällen eintrat, in anderen aber eine 
Färbung des Zelleninhalts zustande kam. 


446 O. Gertz: 


Durch eine Reihe verschiedener Stoffe werden die Wirkungen 
der Oxydasen aufgehoben. Als solche Oxydasengifte sind folgende 
zu erwähnen: Formaldehyd, Pyridin, Sublimat, Cyankalium, Urethan, 
Kupfersulfat, Uranylnitrat und Chloralhydrat. Dagegen waren z. B. 
Toluol und Chloroform ohne Wirkungen. Diese Untersuchungen wurden 
mit Preßsaft von Delesseria sanguinea angestellt. Bei Benutzung von 
Metallsalzen treten in der Flüssigkeit flockige Niederschläge auf, und 
vielleicht ist das Aufheben der Oxydasenwirkung auf eine Ausfällung 
der Oxydasen zurückzuführen. In einigen Fällen werden die Eiweiß- 
stoffe — unter diesen auch die Enzyme — wahrscheinlich denaturiert, 
was sich auch durch eine Mißfärbung der Flüssigkeit und ein Ver- 
schwinden der Fluoreszenz des Phykoerythrins kundgibt. 


Während die Untersuchungen von Atkins und Davis ergeben hatten, 
daß direkt nachweisbare Oxydasen unter den Rhodophyceen nur bei 
zwei Arten, Furcellaria fastigiata (Atkins) und Agardhiella tenera [Davis)], 
vorkommen, haben meine oben besprochenen Untersuchungen zu dem 
Ergebnis geführt, daß Stoffe dieser Art bei den Rhodophyceen ver- 
hältnismäßig weit verbreitet sind. Was ferner die anderen Algengruppen 
betrifft, so haben meine Untersuchungen die Beobachtungen von 
Atkins bestätigt, daß weder bei Phaeophyceae noch bei Chlorophyceae 
Oxydasenwirkungen nachweisbar sind. In derselben Weise verhalten 
sich, wie ich gefunden habe, die Characeae, wahrscheinlich auch die 
Cyanophyceae?). Inwieweit dieses darauf beruht, daß bei diesen 
Algen Oxydasen nicht vorhanden sind, oder daß die Wirkungen der- 
selben durch andere Substanzen aufgehoben werden, das ist eine Frage, 
die wenigstens hinsichtlich einiger Phaeophyceen allem Anschein nach 
in der Weise zu beantworten ist, daß hindernde Substanzen tatsächlich 
im Spiele sind. Einige von mir gemachte Versuche haben nämlich 
ergeben, daß die Oxydasen der Rhodophyceen wirkungslos bzw. weniger 
aktiv werden, wenn sie mit dem Preßsaft aus Phaeophyceen versetzt 
werden. In diesen Versuchen wurde kräftig oxydasenführender Preß- 
saft aus Delesseria sanguinea mit dem oxydatisch wirkungslosen Saft 
aus Halidrys siliquosa versetzt. Die dadurch erhaltene Flüssigkeit — 
dieselben Volumina wurden von beiden Säften benutzt — zeigte beim 
Prüfen sowohl mit Benzidinpapier als auch mit Guajakharzlösung gar 
keine oxydatische Wirkung. Bei einem Gemisch von Delesseria-PreBsaft 





1) Davis fand direkt nachweisbare Oxydase bei Ulva, und nach Hampton 
und Baas-Becking soll Ulva taeniata besonders reich an Oxydase sein. 
In meinen Untersuchungen erwies sich Ulva Lactuca stets frei von Oxydase. 

2) Das untersuchte Material bestand aus eineran Felsenufern wachsenden 
Association mehrerer Arten, unter diesen Rivularia atra Roth. Sie waren 
sämtlich — auch bei der modifizierten Benzidinprobe — oxydasenfrei. 


Oxydasen der Algen. 447 


mit Preßsaft aus Fucus serratus oder Laminaria saccharina, ferner auch 
bei einem Gemisch von Furcellaria-Preßsaft mit Saft aus Laminaria 
Coustoni war eine oxydatische, aber jedoch sehr abgeschwächte Fähig- 
keit noch vorhanden. Die betreffende Fähigkeit machte sich hier 
weniger geltend als in einem Kontrollversuch, wo Delesseria- bzw. 
Furcellaria-Saft mit einer entsprechenden Menge destillierten Wassers 
versetzt worden war. Die Stoffe, die in diesem Falle das Aufheben 
bzw. die Abschwächung der Oxydasenwirkungen hervorrufen, sind 
allem Anschein nach gerbstoffartiger Natur. Solche Stoffe sind ja 
bei den Phaeophyceen weit verbreitet und bei der in dieser Hinsicht 
am kräftigsten wirksamen Halidrys siliquosa in ganz erheblicher Menge 
vorhanden. 

In diesem Zusammenhang sei auch das Verhalten von Bonne- 
maisonia asparagoides und Trailliella intricata näher besprochen. Betreffs 
dieser Algen haben Untersuchungen von Robertson, Golenkin und Kylin 
ergeben, daß sie aus Jodverbindungen der Zellen des Algenkörpers 
sehr leicht freies Jod abspalten und, in Stärkelösung gelegt, diese 
blau färben. Bei Bonnemaisonia kommt die Jodabspaltung spontan 
beim Eintrocknen oder Absterben der Algen zustande; bei Traxlliella 
tritt sie beim Zusatz verdünnter Säure ein. Es ist sehr wahrscheinlich, 
daß die bei der Benzidinprobe durch diese Algen bewirkte Blaufärbung 
auf eine derartige Ursache zurückzuführen sei. Man könnte sich nämlich 
die Sache so vorstellen, daß das Jod mit dem Wasser zur Bildung von 
Jodwasserstoff und Sauerstoff reagiert. Die Blaufärbung des Benzidins 
wäre dann schlechthin nur die Folge der oxydierenden Tätigkeit dieses 
Sauerstoffs in statu nascendi. Inwieweit der hier skizzierte Erklärungs- 
versuch den vorliegenden Verhältnissen tatsächlich entspricht, sei aber 
vorläufig eine offene Frage. 


In dieser Mitteilung habe ich die untersuchten Stoffe als Oxydasen 
bzw. oxydatische Enzyme bezeichnet. Dagegen habe ich absichtlich 
die Bezeichnung Atmungsenzyme vermieden. Offenbar finden sich 
unter den Oxydasen eine ganze Reihe von Stoffen vor, die im Chemismus 
der lebenden Zelle eine verschiedene Rolle spielen und ihre Wirkungen 
in ganz verschiedenen Richtungen ausüben. Ob die von mir be- 
schriebenen Stoffe in der Tat Atmungsenzyme darstellen, sei noch 
unentschieden. Jedenfalls sei doch erwähnt, daß ein von mir seit 
2 Monaten hergestellter, oxydatisch wirksamer Preßsaft aus Delesseria 
sanguinea sich in ganz analoger Weise verhält wie die von Thunberg 
und den Forschern seiner Schule näher untersuchten pflanzlichen 
Atmungsenzyme, Stoffe, die bekanntlich durch die Bildung von aktivem 
Wasserstoff eine Entfärbung von Methylenblaulösung im Vakuum er- 
zeugen. Bei einigen im hiesigen physiologischen Institut ausgeführten 


448 O. Gertz: Oxydasen der Algen. 


Untersuchungen zeigte es sich nämlich, daß der betreffende Preßsaft 
eine verdünnte Lösung von Methylenblau in verhältnismäßig kurzer 
Zeit entfärbte. Die Ergebnisse des betreffenden Versuchs gehen aus 
folgender Tabelle hervor!). 


Rohr Nr. Rohr Nr. | ` | 2 LS | 4 
Methylenblaulösung, cem . . . . Ol IO ; Ol 01 
Dikaliumphosphatlösung, cem . . — 0,1 02 , 04 
Oxydasenlösung, cem . . . . . . 0,3 03 03 : 03 
Aqua destillata, cem . ..... 0,6 0,5 0,4 0,2 
Entfärbungszeit, Min... ... . I —- 18% 71 65?) 


Der Versuch wurde in einem geeigneten Thermostaten bei 35°C 
ausgeführt. Methylenblaulösung: 1: 5000; Dikaliumphosphatlösung: 
0,1748 K,HPO,: 10cem H,O. 

Es scheint mir aus der erwähnten Untersuchung hervorzugehen, 
daß sich eine auffallende Übereinstimmung hinsichtlich der spezifischen 
Wirkungen der Algenoxydasen und der Atmungsenzyme höherer 
Pflanzen geltend macht, was ferner darauf hindeutet, daß die be- 
treffenden Algenoxydasen in der Tat derartige, für die vitalen Oxy- 
dationserscheinungen des Organismus hochwichtige Stoffe darstellen. 


Literatur. 


G. Ahlgren, Dissert., Lund 1925. — W. R.G. Atkins, Scien. Proc. of the 
Royal Dublin Soc. 14 (N. S.), 199, 1914. — E D. Clark, Dissert., Columbia 
University, New York 1910; enthält die Bibliographie der gesamten 
Oxydasenfrage bis zum Jahre 1910. — A. R. Davis, Ann. of the Missouri 
Botanical Garden 2, 771, 1915. — B. M. Duggar und A. R. Davis, eben- 
daselbst 1, 419, 1914. — Dieselben, Science, New York 89, N. S., 260, 1914. — 
O. Gertz, Botaniska Notiser, Lund 1925, S. 185. — M. Golenkin, Bull. de la 
Soc. imp. des naturalistes de Moscou, Nouv. Sér., 8, 257, 1894. — H. C. 
Hampton und L. G. M. Baas-Becking, Journ. of gen. physiol. 2, 635, 1920. — 
H. Kylin, Arkiv f. Botanik 14, 1915. — G. B. Reed, The Botanical Gazette 
59, 407, 1915. — D. Robertson, Transactions of the nat. hist. Soc. of Glasgow 
4, 172, 1894. — A.Segers-Laureys, Recueil de l’Institut botan. Léo Errera, 
Bruxelles 9, 81, 1913. — T. Thunberg, Arch. Intern. de Physiol. 18, 601, 1912. 


1) Hinsichtlich der benutzten Methodik verweise ich auf die eingehenden 
Untersuchungen von Gunnar Ahlgren. 

2) Dieses Protokoll verdanke ich dem liebenswürdigen e 
von Herrn Prof. Torsten Thunberg, Lund. 





Über das Verteilungsverhältnis der Eiweißkörpergruppen 
in tertiärsyphilitischen Seren bei positiver Komplement- 
bindungsreaktion. 


Von 
Wilhelm Starlinger. 


(Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Wien.) 


(Eingegangen am 14. Januar 1926.) 


I. Fragestellung. 

l. Über das Verhalten der menschlichen Serumeiweißkörper- 
gruppen!) bei Syphilis liegen in der Literatur nur spärliche und wenig 
umfangreiche Angaben vor, die bei kritischer Betrachtung der ver- 
wendeten Methodik eine weitere Verringerung erfahren; es wurde 
gefunden von: 


Kreibich?) bei (anscheinend wenigen Fällen von) Lues I bis II (Am, SO,- 
Fraktionierung und Gewichtsanalyse) keine sichere Vermehrung der 
Am,SO,-Halbsättigungsfraktion (AHF) (= ‚Globuline‘“); von Noguchi?) 
regelmäßige „Globulin”-Vermehrung ; von Spiegler?) meist Verminderung, 
selten Vermehrung des ‚„Globulins‘‘; von Winternütz‘) in sieben Fällen 
von Lues I bis II (Methodik wie bei Kreibich) eine Vermehrung der AHF; 
von R. Müller und Hough?) bei Lues II mit komplett positiver Wassermann- 
reaktion (Am, SO,-Fraktionierung und eigene Zentrifugiermethode) Ver- 
mehrung der AHF; von Kaemerer®) bei Verwendung gleicher Methodik ein 
gleiches Resultat; schließlich von Bircher und McFarland?) in 174 Fällen 
von Lues I bis III (Methode von Naegeli-Rohrer) in 90 Proz. der Fälle eine 
Steigerung des „Globulins‘“‘ um über 50 Proz. des Gesamtserumeiweißes. 


1) Auf das Verhalten des Plasmaeiweißes kann hier nicht eingegangen 
werden. 

2) Verh. deutsch. derm. Ges. 1908, S. 169. 

3) Zitiert bei Klausner, diese Zeitschr. 47, 1912; nähere Angaben 
über verwendete Methodik, Art und Zahl der untersuchten Fälle konnten 
bisher nicht gefunden werden. 

4) Arch. f. Derm. u. Syph. 98, 1908; 101, 1910. 

5) Wien. klin. Wochenschr. 1911, Nr. 5. 

¢) Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 8. 

?) Arch. of Derm. and Syph. 5, 1922. 


450 W. Starlinger: 


Die letzten drei Angaben dürfen außer Betracht bleiben, da keine 
zureichenden absoluten Maßmethoden in Anwendung gebracht wurden, 
denn die Müller-Haugsche Methodik erlaubt nur eine Schälzung 
der AHF, entsprechend der Höhe der abzentrifugierten Eiweißsäule, 
die Naegeli-Rohrersche Methodik aber darf zwar als refrakto-viskosi- 
metrischer Index eine gewisse Bedeutung für die Beurteilung des 
physiko-chemischen Verhaltens der Serumeiweißkörper beanspruchen, 
kann jedoch keine Angaben über die absoluten Verhältniswerte der 
„Globuline und Albumine“ (diese als AHF und AGF = Am, BO 
Ganzsättigungsfraktion definiert) vermitteln!). Die restlichen wenigen 
Angaben aber stammen ausälterer Zeit, stützen sich auf wenige Befunde, 
beschränken sich anscheinend auf die Frühsyphilis des ersten und 
zweiten Stadiums und stehen überdies miteinander nicht im Einklang. 


2. Hinsichtlich des Verhaltens der Eiweißgruppen und ihres 
Einflusses im Rahmen der Komplementbindungsreaktion wird seit den 
Arbeiten ven Sachs-Altmann?), Elias- Neubauer- Porges-Salomon?), 
Landsteiner-Müller‘) cine Änderung (Vermehrung) der labilen Serum- 
eiweißkörper (,Globuline‘‘ im weitesten Sinne) angenommen, welche 
Auffassung Friedemann?) im allgemein gefaßten Begriff der ,Anti- 
komplementären Globulinwirkung‘“ formulierte. Neben älteren, ein- 
ander teilweise widersprechenden Angaben von G@roß-Volk®), Bauer- 
Hirsch”), Schmidt?) finden sich in jüngster Zeit Beobachtungen, die, 
allerdings bei verschiedener Begriffsbildung (= Trennungsgrundlage 
der Serumeiweißkörper) das komplementbindende Prinzip einerseits 
nur in den ‚Globulinen‘“ [Kapsenberg®?), Maoki!?)], andererseits in 
„Globulinen“ und „Albuminen‘“ [Skrop!!), Olley-Schirrge!?), Felke'°)] 
nachweisen konnten. 


1) Auf eine Kritik der quantitativen Bestimmung der Eiweißkörper- 
gruppen, sowie der Abgrenzung des ‚„Globulin- und Albumin‘-Begriffes 
kann hier nicht eingegangen werden; es sei zur Kennzeichnung der eigenen 
Stellungnahme auf deren Darstellung in dieser Zeitschr. 160, 1925, ver- 
wiesen. 

2) Berl. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 10. 

3) Wien. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 11. 

4) Ebendaselbst 1908, Nr. 29. 

5) Zeitschr. f. Hyg. 67, 110. 

6) Wien. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 18. 

7) Ebendaselbst 1910, Nr. 1. 

8) Zeitschr. f. Hyg. 69, 1911. 

9) Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 81, 1921; 89, 1924. 

10) Ref.: Ber. f. ges. Physiol. 26, 1924. 

11) Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 82, 1922. 

12) Ebendaselbst 85, 1923. 

13) Ebendaselbst 86, 1923. 


Verteilungsverhältnis von Eiweißkörpergruppen usw. 451 


Quantitative Vergleichsuntersuchungen über das Verhältnis der 
Eiweißkörpergruppen in Seren mit positiver Komplementbindungs- 
reaktion scheinen überhaupt nicht vorzuliegen. 


3. Es steht also die Entscheidung aus, ob in syphilitischen Seren 
sichere Abweichungen des Verhältnisses der Eiweißkörpergruppen 
bestehen bzw. ob ein Zusammenhang solcher Abweichungen mit dem 
Verhalten der Komplementbindungsreaktion zur Beobachtung gelangt. 
Da nun im Rahmen anderer Untersuchungen in einer Reihe von Seren, 
an denen gleichzeitig die Komplementbindungsreaktion angestellt 
wurde, auch die quantitative Analyse der Eiweißkörpergruppen zur 
Durchführung kam, scheint die kurze Zusammenstellung der solcher- 
weise erhobenen Nebenbefunde berechtigt. 


Es soll jedoch besonders bemerkt sein, daß damit keine erschöpfende 
Darstellung des Verhaltens der Bluteiweißkörper bei Lues versucht werden 
soll, da einerseits unter bewußter Vernachlässigung der wichtigsten Eiweiß- 
körpergruppe (des gerinnungsfähigen Eiweißes, des sogenannten ‚‚Fibrino- 
gens‘“‘) lediglich Serum verarbeitet wurde, andererseits Serienbeobachtungen 
im klinisch grnau verfolgten Krankheitsverlaufe, welche besonders erforder- 
lich wären, fehlen. 


IL Experimentelles Ergebnis. 


1. Methodik. 


Die Komplementbindungsreaktion wurde im Rahmen der Anordnung 
von Kaup bei Einhaltung von Fünfteldosen und Komplementauswertung 
bis zur dreifachen (1-, 1,5-, 2-, 3-) Einheit durchgeführt. Die Ablesung 
wurde in der Weise vorgenommen, daß nach Bewertung jedes der vier 
Extraktröhrchen (völlige Hemmung = 4 +; fast völlige Hemmung 
= 3 + ;starke Hemmung = 2 + ;schwache Hemmung = +) die Resultate 
in allen Röhrchen addiert wurden, so daß also bei völliger Hemmung bis 
zur dreifachen Komplementeinheit das Gesamtergebnis mit 16 + ver- 
zeichnet wurde. Die Hemmungen in den Kontrollröhrchen wurden in 
gleicher Weise bewertet. 

Die quantitative Bestimmung der Eiweißkörpergruppen kam im Rahmen 
der Gewichtsanalyse nach vorausgegangener Am, SO,-Fraktionierung zur 
Durchführung. (Die genaue Darstellung der Methodik findet sich 1. c., 
diese Zeitschr. 160.) Alle Bestimmungen wurden als Doppelbestimmungen 
durchgeführt. 

Alle verwendeten Seren waren klar, nicht hämolytisch, bei Anstellung 
der Komplementbindungsreaktion etwa 24 Stunden, bei Durchführung 
der Gewichtsanalyse etwa 36 Stunden alt und stammen aus einer lücken- 
losen Serie (Prot. Nr. 3451 bis 4109), innerhalb welcher alle positiv reagieren- 
den Seren, die den vorstehenden Anforderungen entsprachen, der Gewichts- 
analyse zugeführt wurden. Ihre verhältnismäßig geringe Zahl, 22 unter 
658, erklärt sich daraus, daß einerseits an der Klinik alle Patienten sero- 
logisch untersucht werden, andererseits mehrere positive Seren für die 
Gewichtsanalyse nicht verwendbar waren. 


Fast alle Seren stammen von Lues III, nur Serum 2 und 21 von Lues II; 
die untersuchten Fälle gruppierten sich klinisch folgendermaßen: 


452 W. Starlinger: 
Latente Lues III mit meist unbekanntem Infektionstermin: Fall 1, 
3, 5, 6, 9, 13, 16, 22. 
Luetische Aorteninsuffizienz mit Aortitis: Fall7, 11, 12, 14, 17, 18. 
Lungenlues: Fall 10. 
Luetische Hepatitis mit Ikterus: Fall 19. 
Lues II mit frischem Recidivexanthem: Fall 2, 21. 


Alle Fälle waren nicht oder nur ungenügend vorbehandelt; auf nähere 
Angaben braucht in Anbetracht der vorliegenden Fragestellung nicht ein- 
gegangen zu werden. 


2. Es wurden folgende Befunde erhoben: 














1 e 1,30 0,82 648 11—89 16+ 2+ 
2 | 3459 7,50 Uu 636 , 15—85 16+ 

3 | 3468 8,17 2 588 28—72 Gi 

4 \ 3513 8,50 2,62 588 | 31-69 15+ 

5 ' 3516 6'83 1,67 5.16 16 + 4 
6 3519 | 783 1.95 588 . 25—75 16+ 

7 ` 3548 ` 750 1.86 564 ' 25—75 16+ 

8 355l 9.33 2'97 636 32—68 12+ + 
9 3664 5'17 2,53 264 49—51 164 

10 3569 | 700 1 148 552 | 21—79 9+ 

Il | 3579 6.83 2.15 468 | 32—68 2+ 

12 ' 3601 787 |! 343 444 | 44—56 16+ 

13 © 3637 666 | 131 535 | 20—80 16+ 

14 © 3725 800 | 332 4,68 j 42—58 oi 

15 3726 6'17 3.05 312 | 8-51 I16+ 

16 3736 867 | 339 528 ` 39—61 Gi 

17 3882 920 | 290 630 | 32—68 16+ 

18 3886 520 ` 064 ` 456 ' 12—88 , 16+ 

19 3911 oa | 392 | 385 ' 50—50 | 16+ | 

20 5933 850 > 346 | 504 4159 | 16+ | 

21 4007 777 | 249 | 528 ' 32—68 | ar | 

22 | 4104 730 | 1.06 | 7+ | 


Die Betrachtung der Tabelle erlaubt folgende Feststellungen: 


Der Gesamteiweißgehalt der Seren schwankte zwischen 5,17 und 
9,33 g-Proz., um einen Mittelwert von 7,55 g-Proz. 


Das Eiweiß der AHF schwankte zwischen 0,64 und 3,92 g-Proz., 
um einen Mittelwert von 2,29 g-Proz., bei Beziehung auf den Gesamt- 
eiweißgehalt zwischen 11 und 49 Proz. um einen Mittelwert von 30 Proz. 


Das Eiweiß der AGF schwankte zwischen 2,64 und 6,48 g-Proz., 
um einen Mittelwert von 5,21 g-Proz., bei Beziehung auf den Gesamt- 
eiweißgehalt zwischen 51 und 89 Proz. um einen Mittelwert von 69 Proz. 


Maximale Komplementbindung wurde bei hohem und niedrigem 
Gesamteiweißgehalt und allen beobachteten Verteilungsverhältnissen 
zwischen AHF und AGF verzeichnet. 


Verteilungsverhältnis von Eiweißkörpergruppen usw. 453 


3. Die kritische Bewertung dieser Befunde wird dadurch erschwert, 
daß genügend umfangreiche und mit exakter Methodik!) gewonnene 
Bestimmungen des Gesamteiweißes und der Am,SO,-Reaktionen des 
Blutserums von Normalen bis heute in der Literatur nicht vorliegen. 

Es müssen daher einstweilen der Beurteilung jene Zahlen zugrunde 
gelegt werden, die im Rahmen ausgedehnter eigener Serienunter- 
suchungen an kranken Menschen ‚‚beiderlei Geschlechts, die mit ver- 
schiedensten (und zwar allen häufiger vorkommenenden) pathologischen 
Zuständen behaftet waren‘ und bei ausschließlich gewichtsanalytischer 
Bestimmung gefunden wurden. 

Das Serumgesamteiweiß schwankte in 147 Fällen einer Serie zwischen 
den Grenzwerten 4,0 bis 9,1 g-Proz. um einen Mittelwert von 6,50 g-Proz.; 
das Eiweiß der AHF schwankte in 70 Fällen einer Serie zwischen den Grenz- 
werten 1,3 bis 6,6 g-Proz. um einen Mittelwert von 2,84 g-Proz., bei Be- 
ziehung auf den Gesamteiweißgehalt zwischen 17 bis 89 Proz. um einen 
Mittelwert von rund 40 Proz.; das Eiweiß der AGF schwankte in den gleichen 
Fällen zwischen den Grenzwerten 0,3 bis 5,9 g-Proz. um einen Mittelwert 
von 3,64 g-Proz., bei Beziehung auf den Gesamteiweißgehalt zwischen 
11 und 83 Proz. um einen Mittelwert von rund 60 Proz. 

Die Gegenüberstellung dieser beiden Zahlenreihen läßt bei den 
syphilitischen Seren eine deutliche Allgemeintendenz der AHF zur 
absoluten und relativen Verringerung, der AGF zur absoluten und 
relativen Vermehrung erkennen, wenn auch in Einzelfällen durchaus 
mittlere Werte zur Beobachtung kommen. Über das Verhältnis zu 
Normalstandardwerten kann einstweilen keine sichere Angabe gemacht 
werden. 

Als sichergestellt aber darf jedenfalls angenommen werden, daß 
in tertiärsyphilitischen Seren häufig abnorm hohe absolute und relative 
Werte der AGF beobachtet werden, während eine absolute und (oder) 
‚relative Vermehrung der AHF, die von vornherein eher wahrscheinlich 
war, anscheinend ausgeschlossen werden kann; im Hinblick auf das 
Wesen der Komplementbindungsreaktion aber scheinen diese Befunde 
dagegen zu sprechen, daß das wirksame Prinzip der Komplement- 
bindung allein von dem Eiweiß der AHF dargestellt wird bzw. an 
dasselbe gebunden ist. 


1) Zur Gewinnung genügend gesicherter Standardwerte von Normalen 
muß die Untersuchung einer größeren Reihe gesunder Männer und Frauen 
unter verschiedensten physiologischen Bedingungen gefordert werden, 
als methodische Grundlage darf bis auf weiteres nur die Gewichts- oder 
 Stickstoffanalyse (eventuell die Nephelometrie bei geeigneter Durchführung) 
Verwendung finden; hinsichtlich der Begründung der letzteren Forderungen 
.muß auf die früher angegebenen eigenen methodischen Arbeiten verwiesen 
werden. 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 30 


ar 


Die trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro `). 


(Zugleich ein Beitrag zur Methodik der Abgrenzung spezifisch-chemo- 
therapeutischer Wirksamkeit von allgemeiner Giftwirkung.) 


Von 
A.E. Tsakalotos (Athen). 


(Eingegangen am 14. Januar 1926.) 


Morgenroth und Halberstaedter?) hatten in ihren Studien zur 
Wirkung von Chinin auf Trypanosomen auch den Reagenzglasversuch 
nach der von Werbitzki?) in Ehrlichs Laboratorium ausgearbeiteten 
Methode herangezogen. Kombiniert mit dem Tierversuch, d.h. mit 
der Verimpfung des Systems Chininlösung + trypanosomenhaltiges 
Mäuseblut auf Mäuse nach verschieden langer Einwirkung, bietet 
diese Versuchsanordnung die Möglichkeit, eine Reihe von Veränderungen 
der Parasiten zu erkennen, die auf die Wirksamkeit des zugefügten 
Agens zurückzuführen sind. 


Morgenroth und Halberstaedter fanden, teilweise in Bestätigung früherer 
Versuche von Anschütz*): 1. die Aufhebung der Lokomotion durch be- 
stimmte Konzentrationen des Chinins, 2. morphologische Veränderungen 
der Trypanosomen, 3. (diese Erscheinungen sind nur durch den nachfolgen- 
den Tierversuch darzustellen) die Abtötung und 4. die Hemmung der Ver- 
mehrungsfähigkeit. 

Daß die Aufhebung der Beweglichkeit der Trypanosomen als Kriterium 
chemotherapeutischer Wirksamkeit im Sinne direkter Abtötung nicht 
beweiskräftig ist, führen bereits Morgenroth und Halbersiaedter (l. c.) aus. 
Noch nicht erörtert wird an dieser Stelle die Frage, inwieweit der Versuch 
an Trypanosomen in vitro überhaupt spezifische chemotherapeutische Wır- 
kungen zur Anschauung zu bringen vermag. Bei der oft sehr erheblichen 
Giftwirkung, die Chinaalkaloide auf freilebende Protozoen ausüben (Binz, 


1) Die experimentellen Arbeiten wurden 1915 in der bakteriologischen 
Abteilung des pathologischen Instituts der Charite (Abtlgs.-Vorsteher: Morgen- 
roth t) ausgeführt. 

2) Morgenroth und Halberstaedter, Sitzungsber. d. preuß. Akad. d. 
Wissenschaften 87, 732, 1910. 

3) Werbitzki, Zentralbl. f. Bakt. Orig. 58, 303, 1910. 

¢) Anschütz, ebendaselbst 54, 277, 1910. 


A. E. Tsakalotos: Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 455 


Santesson), erschien die Untersuchung dieser Frage von erheblicher methodi- 
scher Bedeutung. Ihre Bearbeitung war aber erst möglich, als die trypanozide 
Wirksamkeit der Chinaalkaloide in vivo an der mit Trypanosomen infizierten 
Maus Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer chemotherapeutischen 
Fähigkeit geliefert hatte und es vor allem gelungen war, durch die chemische 
Variation des Chinins zu — in vivo — besseren Verbindungen zu gelangen. 
Solche Verbindungen stellen das Hydrochinin (Methylhydrocuprein) und 
dessen höheres Homologon, das Optochin (Äthylhydrocuprein) dar [Morgen- 
roth und Halberstaedter!)?)]. 

Vergleichende Versuche mit den eben genannten Körpern, die 
noch erweitert wurden durch Heranziehung der höheren Homologen 
des Hydrocupreins, der Propyl-, Butyl- und Amylverbindung, die in 
der Chemotherapie bakterieller Infektionen später Bedeutung ge- 
wannen, lehrten die trypanozide Wirkung dieser Agenzien kennen, 
erlaubten aber auch die Lösung der Frage, inwieweit der Versuch 
in vitro mit dem — entscheidenden — Versuch am experimentell 
infizierten Tiere übereinstimmt und ob die Ergebnisse beider Versuchs- 
anordnungen vergleichbar sind?). Schon die in solchen Versuchen 
ermittelten quantitativen Beziehungen konnten einen gewissen Einblick 
in das komplizierte Gefüge des Wirkungsmechanismus gewähren. Zur 
Abgrenzung der spezifisch-chemotherapeutischen Wirkung von all- 
gemeiner Giftwirkung reichten diese Versuche nicht aus. Wir wählten, 
um diese letztere zu studieren, als Versuchsobjekt Kaulquappen, ein 
Modell, das geeignet ist, Gifte in vitro auf einen größeren Organismus 
einwirken zu lassen. In diesem Falle war der Einwirkungsmodus der 
geprüften Agenzien den Bedingungen des trypanoziden Reagenzglas- 
versuchs zumindest angenähert. 


Versuchstechnik. 


A. Reagenzglasversuch mit Trypanosomen. 

Je 0,5 ccm abgestufter Verdünnungen des Chinins bzw. Hydrochinins 
oder seiner Derivate in 0,85proz. NaCl-Lösung werden im Blockschälchen 
mit 0,5 ccm sterilen Pferdeserums gemischt. Eine stark mit Trypanosomen 
(Stamm: Nagana Prowazek) infizierte Maus wird entblutet, das Blut in 
steriler Kochsalzlösung aufgefangen und 0,5 ccm dieser Aufschwemmung, 
die reichlich Trypanosomen enthält, dem Alkaloidserumgemisch zugesetzt. 
Die Kontrolle enthält nur das Kochsalzlösung-Serumgemisch. 


1) Morgenroth und Halberstaedier, Sitzungsber. d: preuß. Akad. d. 
Wissenschaften 2, 30, 1911. 

2) Dieselben, Berl. klin. Wochenschr. 1911, Nr. 34. 

3) Über diese Frage in chemotherapeutischen Versuchen an Bakterien 
(Streptokokken, Staphylokokken) vgl. Morgenroth, Schnitzer und Rosen- 
berg, Deutsch. med. Wochenschr. 1921, Nr. 44; Schnitzer und Rosenberg, 
Deutsch.. Zeitschr. f. Chirurg. 177, 325, 1923; Deutsch. med. Wochenschr. 
1924, Nr. 5; Amster und Rother, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 102, 
372, 1924. 


30% 


456 A.E. Tsakalotos: 


Zu verschiedenen Zeitpunkten, sofort (< 5 Minuten), 30 Minuten, 
1, 2, 4 Stunden werden die bei 20° gehaltenen Proben mikroskopisch im 
frischen Präparat untersucht und gleichzeitig 0,3 com der Gemische intra- 
peritoneal auf weiße Mäuse verimpft. Diese werden in den nächsten Tagen 
in üblicher Weise (Untersuchung des Schwanzblutes) kontrolliert; Mäuse, 
die keine Trypanosomen zeigten, wurden meist bis zum 30. bis 60. Tage 
beobachtet. 

B. Versuche mit Kaulquappen. 

Die Kaulquappen (von Rana temporaria, 20 bis 26 mm lang) wurden 
in großen Gläsern in ungefähr 5 Liter Leitungswasser gehalten, in dem die 
Alkaloide in abgestuften Konzentrationen gelöst waren. Jeder unter- 
suchten Alkaloidverdünnung wurden 20 bis 25 Kaulquappen ausgesetzt. 
Die gleiche Zahl Kontrolltiere wurde in reinem Leitungswasser gehalten. 
Die Tiere wurden, soweit sie überlebten, mehrere Tage beobachtet (Be- 
weglichkeit, Reaktion auf Berührungsreize usw.). Gelähmte Tiere wurden 
aus dem alkaloidhaltigen Wasser in reines Wasser gebracht, zur Fest- 
stellung der Reversibilität der Alkaloidwirkung. 


1.Reagenzglasversuche mit Chinin, Hydrochinin und Optochin 
an Trypanosomen. 

Das von Morgenroth und Halberstaedter (l. c.) in extenso angeführte 
Beispiel der Reagenzglaswirkung des Chinins auf Trypanosomen zeigte, 
daß selbst schwache Konzentrationen des salzsauren Chinins (0,19: 100) 
die Beweglichkeit der Trypanosomen nach sehr kurzer Zeit (< 5’) lähmen. 
Nach 1 Stunde war noch die Verdünnung 0,094 : 100 wirksam. Eine Ab- 
tötung der Trypanosomen wurde nur durch längere Einwirkung (1 Stunde) 
und stärkere Konzentrationen (0,38 : 100) erzielt. 


Dieses Ergebnis ergänzen unsere neuen Untersuchungen, von 
denen hier das Beispiel eines vergleichenden Versuches mit salzsauren 
Salzen von Chinin, Hydrochinin und Optochin mitgeteilt sei. (Tabelle D. 


Die Übersicht zeigt zunächst, daß bei der hier gewählten Versuchs- 
anordnung noch relativ sehr schwache Konzentrationen des Chinins 
bei zweistündiger Einwirkung die Trypanosomen abtöten. So wurde 
durch Chinin 1:2000 das Angehen der Trypanosomen im Mäuse- 
organismus aufgehoben, während 1:4000 zwar die Beweglichkeit der 
Parasiten aufhob, ihre Infektionstüchtigkeit aber nur unwesentlich 
beeinträchtigte. Dies äußert sich in einer Mate der Inkubation 
um 2 Tage gegenüber der Kontrolle. 


Der Versuch mit Hydrochinin bietet eine auffallende Erscheinung 
insofern, als die Wirkung des Alkaloids, sowohl was die Aufhebung der 
Beweglichkeit, die morphologische Veränderung als auch die Infektions- 
fähigkeit anlangt, geringer ist als diejenige des Chhinins. Die Ver- 
dünnung 1:1000 tötet zwar noch in vitro binnen 2 Stunden die Try- 
panosomen ab, 1:2000 hebt nur die Beweglichkeit auf, 1: 4000 läßt 
gar keine Wirkung mehr erkennen. 


Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 457 


Tabelle I. 


Vergleichender Reagenzglasversuch mit Chinin hydrochloric., Hydrochinin 
hydrochloric., sie hydrochloric. an Trypanosomen (Nagana Prowazek). 





Ilin der infiz. Maus 





E EE " Mababtesfe-eiteg ` 






Konzen» 


Substanz akoner 


Ben Pe bzw. AË Bemerkungen 
Detormierung 

| 

| 





La Ein» 


Ba 










unbeweglich | 
deformiert | 




















` o o 12. Tag trypanosomenfrei 
ea re — — 
deformiert — — 
0 0 12. Tag + ohne Trypanosom. 
1:4000 || < 5’ |lebhaft EE | — — 
l Std.| unbeweglich — — 
2 „ 3 6 
1: 10000 || < 5’ |lebhaft "bewegl. — | — 
1Std. beweglich ' — — 
2 „ | 1 5 
Kontrolle|| < 5’ | lebhaft "bewegl. | — — 
1 Std. men — = 
2 y | 5 
Prao 1:1000 || < 5’ DE — — 
chinin- l Std.| deformiert — — 
HO 2 „ | 0 0 13. Tag trypanosorhenfrei 
1:2000 || < 5’ !träge beweglich — == 
1 Std.) unbeweglich | — p 
2n, "ei 
1:4000 || <5’ beweglich = == 
1 Std. a | — = 
2 „ = 2 6 | 
1: 10000 | < 5’ 3 i — = | 
l Std. S d e au) | 
Se S | 2 6 d 
Kontrolle, < 5’ |lebhaft er — — \ 
| 1 Std. 8 ne 
2 m » 1 5 
Opto- 1 : 1000 SE unbeweglich = Ge 
chin- .;  deformiert — weng 
HO `, 2 „ x 0 0 | 13. Tag trypanosomenfrei 
| 1:2000 || <5’ | unbeweglich | — — 
l Std deformiert — — 
2 „ 0 O 13. Tag trypanosomenfrei 
| 1: 4000 r 5’ träge beweglich — — 
l Std.! unbeweglich = — | 
| 2 S | 0 © 13. Tag trypanosomenfrei 
l : 10000 e. BI beweglich Ä _ = 
1 Std. e , | — — 
|2 „ |träge beweglich ı 2 5 
Kontrolle! < 5’ beweglich — = 
| l Std. d Ke N 
2 ? | n | 1 5 i 





458 A. E. Tsakalotos: 


Dagegen zeigt das Optochin eine verstärkte Wirkung, die diejenige 
des Chinins um das Zweifache, die des Hydrochinins um das Vierfache 
übertrifft. Hemmung der Beweglichkeit und Aufhebung der Infektiosität 
verlaufen in diesem Falle parallel. 

Das Optimum der trypanoziden Wirkung, das nach Morgenroths 
und Halberstaediers Tierversuchen beim Optochin liegt, kommt auch 
im Reagenzglas zum Ausdruck. Der Umstand aber, daß das Hydro- 
chinin, dessen höhere chemotherapeutische Wirkung im Trypanosomen- 
versuch feststeht und auch bei der Therapie der menschlichen Malaria 
praktisch sich auswirkte, in vitro deutlich eine minder starke Try- 
panozidie entfaltet, ließ es notwendig erscheinen, schon aus methodischen 
Gründen durch vielfache Wiederholung der Versuche die Ergebnisse 
des eben mitgeteilten Experiments sicherzustellen. 

Im folgenden sind alle Versuche mit Chinin, Hydrochinin und 
Optochin in tabellarischen Übersichten zusammengefaßt. 














Tabelle II. 
Wirkung von Chinin-HCl auf Trypanosomen in vitro. 

Ze El a a ao 
Versuch , Einwirkun 

P f Se E | aaa 

28 < 5 Min. l]: 200 

2b 1 Std. 1: 1000 | SC 

1 2 „ >l: 1000 || Angehen der Infektion 4 Tage verzögert 

ou 2” S1: 1000 ne, o 

8 | 2 ” Sı: 1000 ii 2 O Do loal ı 

6 | 2 „ 1: 1000 | = 

3 Ä 2 „ 1: 2000 ze 

5 2 „ 1: 4000 

ı | a, 1: 1000 SS 

8 | £, 1: 2000 = 

Bi 4 1: 10000 SS 


Es ist ohne weiteres zu ersehen, daß die trypanozide Reagenzglas- 
wirkung des Chinins — was auch der nicht sehr erheblichen Schutzwirkung 
an der mit Trypanosomen infizierten Maus entspricht — nicht sehr hoch 
und auch nicht ganz regelmäßig ist. Nach sehr kurzer Einwirkung wirkt 
nur die Verdünnung 1 : 200, nach 2 Stunden ist 1: 1000 nicht in allen Fällen 
wirksam. Obgleich (Versuch 2) schon nach einer Stunde einmal mit dieser 
Konzentration eine Abtötung erzielt wird, so ist doch in drei Versuchen 
(1, 7, 8) nach 2 Stunden nur die Verlängerung der Inkubation, d. h. eine 
gewisse Proliferationshemmung zu verzeichnen. In den anderen Versuchen 
mit gleicher Einwirkungsdauer reichen Konzentrationen von 1: 1000, 
l : 2000, 1: 4000 zur Abtötung aus. Bei Verlängerung der Einwirkungszeit 
auf 4 Stunden erhält man die gleichen Werte; nur in einem Falle werden 
durch die Konzentration 1: 10000 die Trypanosomen abgetötet. 


Die Versuche mit Hydrochinin, die in Tabelle III aufgezeichnet 
sind, zeigen ein ähnliches Bild. 


Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 459 


Tabelle III. 
Wirkung von Hydrochinin-HCl auf Trypanosomen in vitro. 





l e Abtötende 
Versuch Einwirkungs» Konzentration Bemerkungen 
Nr. | | dauer (Mäuseversuch) | : 


9a i < 5 Min. 1 : 200 
1 Std. 1: 400 | 


l 
10 


| Angehen der Infektion um 4 Tage verzögert 


jg 
— COR Q0 Ot OO m Œ I sl rei 


23 "2 2 a 2 3 3 3 


| 





A Wb a OD 
bel pd bel ` bei bei bel pd pd p pa 
= 


333 


: 1000 


Einer geringen Wirksamkeit bei kurzfristiger Einwirkung (Versuch 9) 
entspricht ein allgemein gegenüber dem Chinin erniedrigtes Niveau auch bei 
länger dauernder Behandlung der Trypanosomen mit Hydrochinin. In 
vier Versuchen ist die Konzentration 1: 1000 nicht mehr wirksam (Ver- 
such 10, 1, 7, 3) und führt nur zu der Verlängerung der Inkubation um 
4 Tage. In den übrigen Fällen zweistündiger Einwirkung ist 1: 1000 die 
gerade noch trypanozide Grenzverdünnung, bei längerer Einwirkung 
(4 Stunden) tritt, aber auch nicht in allen Fällen, eine Verbesserung der 
Wirkung ein, die sich in einem Anstieg auf die abtötende Konzentration 
1: 2000 darstellt. 


Das Verhalten des Chinins und Hydrochinins gegenüber Try- 
panosomen in vitro läßt sich nach den bisherigen Versuchen dahin 
charakterisieren, daß es sich um relativ schwach trypanozide Ver- 
bindungen handelt, deren .nur unvollkommene Wirksamkeit sich auch in 
Schwankungen der wirksamen Konzentrationen äußert. Demgegenüber 
ist das Optochin in seiner Wirkung recht konstant. 


l 























Tabelle IV. 
Wirkung von Optochin-HCl auf Trypanosomen in vitro. 
SN Abtötende ER Abtötende 
Versuch || E k f Einwirk e h 
N Je een) | P "Ae | ES, 
12a < 5 Min. 1: 4000 
12b | 1 Std. 1: 10000 
14 | 2. o 1: 10000 
3 | 2 





Wie die Übersicht (Tabelle IV) zeigt, tötet Optochin in vitro bereite 
nach < 5 Minuten die Trypanosomen in der Konzentration 1: 1000 ab, 
ein Wert, der fünfmal besser ist als der des Chinins und Hydrochinins. Bei 


460 A. E. Tsakalotos: 


zweistündiger Einwirkung sind die Verdünnungen 1:2000 (Versuch 14), 
1:4000 (Versuch 3 und 6) und 1:10000 trypanozid; ob nach 4 Stunden 
noch schwächere Konzentrationen als 1:10000 wirksam sein können, 
wurde nicht ermittelt. 

Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß Optochin nicht nur 
regelmäßiger, sondern auch in stärkerer Verdünnung Trypanosomen 
in vitro abtötet, ein Ergebnis, das mit dem Tierversuch in vollem 
Einklang steht. Daraus kann aber nicht ohne weiteres auf eine regel- 
mäßige Parallelität beider Versuchsanordnungen oder gar auf einen 
gleichen Wirkungsmechanismus der Agenzien in vitro und in vivo 
geschlossen werden. Vor allem steht einem solchen Schluß das Ver- 
halten des Hydrochinins entgegen, dessen Wirksamkeitsniveau in vitro 
deutlich niedriger als das des C'hinins ist, während es in vivo höher liegt. 
Wahrscheinlich bestehen hier ähnliche Verhältnisse, wie sie später 
Schnitzer und Rosenberg (l. c.) bei der spezifischen Wirkung der Akridin- 
derivate auf hämolytische Streptokokken gezeigt haben. Stärkere 
Divergenzen zwischen der Wirkung in vitro und in vivo kommen vor 
allem bei nicht optimalen Verbindungen zum Ausdruck, während die 
hochwertigen Agenzien eine weitgehende Übereinstimmung der Wirkung 
im Reagenzglas- und Tierversuch aufweisen. Speziell beim Hydro- 
chinin und seinen Beziehungen zur Wirkung des Chinins ist die Divergenz 
vielleicht darin begründet, daß bei beiden Alkaloiden die spezifisch- 
chemotherapeutische Wirkung in vitro von einer unspezifischen all- 
gemeinen Giftwirkung überlagert wird, die beim Chinin in vitro als 
Verbesserung der Wirkung hervortritt, in vivo dagegen in einer Wirkungs- 
beeinträchtigung zum Ausdruck kommt. Beim Optochin überwiegt 
die starke spezifische trypanozide Fähigkeit auch in vitro die Proto- 
plasmagiftigkeit. Auf diese Fragen wird später noch in Vergleich mit 
den Toxizitätsversuchen an Kaulquappen näher einzugehen sein. Ihre 
vorläufige Erörterung erscheint zum Verständnis der im folgenden zu 
schildernden Versuche mit weiteren Chininalkaloiden notwendig. 


2. Reagenzglasversuche mit Isopropyl-, Isobutyl- und 
Isoamylhydrocuprein an Trypanosomen. 


Morgenroth!) hat in den tierexperimentellen Studien an der trypano- 
someninfizierten Maus die optimale Stellung des Optochins innerhalb der 
homologen Reihe des Hydrocupreins aufgefunden. Der Äthylrest deg 
Chinolinkerns ist eines der wichtigsten konstitutiven Merkmale dieser 
Wirkung. Der Tierversuch lehrt, daß schon bei der Propylverbindung des 
Hydrocupreins diese Wirkung nur angedeutet ist, die der Butyl- und Amyl- 
verbindung bereits vollkommen fehlt. 


Der Reagenzglasversuch bietet entsprechende Ergebnisse, die in 
der Tabelle V zusammengefaßt sind. 


1) Morgenroth, Berl. klin. Wochenschr. 1917, Nr. 3. 


Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 461 


Tabelle V. 


Wirkung der salzsauren Salze des i-Propylhydrocupreins, i-Butylhydro- 
cupreins und i-Amylhydrocupreins auf Trypanosomen in vitro. 


l 
Abtötende 
Sale Konzentration Bemerkungen 
° ES (Mäuseversuch) 
i : 1000 











i | 1:2000 verzögert die Ins 
SS fektion um 23 Tr 
1 Std. 1: 2000 
2, 1 : 2000 
2. 1: 1000 
2 „ 1:1000 |; 
17 | i-Butylhydro- 2 Std. | 1:1000 | 
13 cuprein 2 „ 1:2000 | 
15 ı-Amylhydro- 2 Std. 1: 1000 
17 |l cuprein | 2 „ 1: 1000 


Die Übersicht läßt erkennen, daß das i-Propylhydrocuprein eine recht 
regelmäßige Wirkung auf Trypanosomen in vitro entfaltet. Die Abtötung 
geht relativ schnell vor sich, 1: 1000 wirkt bereits in < 5 Minuten, aber 
auch nach ein- und zweistündiger Einwirkung werden nicht wesentlich 
höhere Werte erreicht. In zwei Versuchen erwies sich 1: 2000 als wirksam. 
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen führten die Versuche mit dem i-Butyl- 
hydrocuprein, während beim i-Amylhydrocuprein bei zweistündiger Ein- 
wirkung nur die Konzentration 1: 1000 wirksam war. 

Von einem Ansteigen der chemotherapeutischen Wirksamkeit 
innerhalb der homologen Reihe mit scharf ausgeprägten Optima, wie 
wir sie aus den Versuchen mit Bakterien kennen, ist hier nicht die 
Rede. Die einzige Elevation der Wirkung ist beim Optochin vorhanden. 
Überblicken wir kurz die Ergebnisse der bisherigen Versuche, indem 
wir vor allem die Mittelwerte betrachten, die bei zweistündiger Ein- 
wirkung der Agenzien als abtötende Konzentrationen ermittelt wurden, 
so erhält man folgende Reihe: Chinin 1:1500, Hydrochinin 1: 800, 
Optochin 1: 5000, i-Propylhydrocuprein 1: 1400, i-Butylhydrocuprein 
1: 1500, i-Amylhydrocuprein 1: 1000. 

Ganz besondere Verhältnisse zeigte die Untersuchung der durch 
intramolekulare Umlagerung gebildeten Toxine der Chinaalkaloide, 
von denen das Chinotoxin und das Hydrochinotoxin näher untersucht 
wurden. 


3. Reagenzglasversuche mit Chinotoxin und Hydrochinotoxin 
an Trypanosomen. 


Daß im Gegensatz zu dem Verhalten bei bakteriellen Krankheits- 
erregen, z.B. Pneumokokken, die trypanozide Wirkung der China- 
toxine erhalten bleiben kann, darf als bekannt vorausgesetzt werden. 


462 A.E. Tsakalotos: 


Es genügt der Hinweis auf die unter Morgenroths Leitung angestellten 
Versuche von J.Cohn!), die nachgewiesen hat, daß dem Hydrochinicin, 
d. h. dem Toxin des Hydrochinins, eine gegenüber dem Stammalkaloid 
verstärkte Trypanozidie in vivo zukommt. Dies zeigte sich nicht nur in 
Versuchen, in denen Hydrochinin und Hydrochinotoxin in unwirksamer 
Dosis kombiniert wurden, sondern auch darin, daß man mit der Hälfte der 
Dosis, die beim Hydrochinin bereits unsicher wirkt, noch die Trypanosomen 
zum Verschwinden bringen kann. 


Die Reagenzglasversuche mit dem Toxin, die in Tabelle VI dar- 
gestellt sind, scheinen auf den ersten Blick dieses tierexperimentelle 
Ergebnis zu bestätigen. 


Tabelle VI. 


Wirkung der salzsauren Salze des Chinotoxins und Hydrochinotoxins 
auf Trypanosomen in vitro. 











| DE i Abtötende = 
Yeah Sübstunz le a Konzentration Bemerkungen 
r. | ner (Mäuseversuch) 
en he Te ner Tr re ra 








18 | Chinotoxin HO | 2 Std. ee 


(1: Aal Tage 





8 | 2 - >l: 1000 Inkubation um 10 Tage ver 
(1: 2000) Bee am um 6 Tage ver 
7 | 2 | längert 
n 1: 4000 | 
8 4 „ 1: 2000 
10 " Hydrochinotoxin 2 „ 1: 10000 | 
l HCl De = 1: 10000 | 
1 4 1: 10000 | 


p 


Man sieht, daß das Chinotoxin eine recht unregelmäßige, gelegent- 
lich schlechte (Versuche 18 und 8), ein andermal wieder eine gute 
Wirkung haben kann (Versuch 7). In denjenigen Fällen, in denen die 
Konzentration 1: 1000 versagte, wurde zum mindesten durch diese 
Verdünnung sowie die schwächere (1:2000, 1:4000) die Inkubation 
auf 6 bis 10 Tage verlängert. Das Bild der Wirksamkeit entspricht 
annähernd dem des Chinins. Beim Hydrochinotoxin werden ganz erirem 
hohe Werte erreicht, die selbst beim Optochin nur selten verzeichnet 
wurden. Die abtötende Konzentration des Hydrochinotoxins bei 
zweistündiger Einwirkung ist regelmäßig = 1: 10000. Dies bedeutet 
einen, im Vergleich zu dem Ergebnis des Tierversuchs, überraschenden 
Effekt. Es erscheint nicht angängig, hier auf eine Parallelität der 
Vorgänge in vivo und in vitro zu schließen, da die quantitativen 
Unterschiede zwischen der Wirkung des Hydrochinins und seines Toxins 
in vivo ganz andere und viel geringfügigere sind als der gewaltige 


1) J.Cohn, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 18, 570, 1913. 


Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 463 


Sprung, der in der Reagenzglaswirkung beim Übergang vom Hydro- 
chinin zum Hydrochinicin zu verzeichnen ist. Denn in vivo ist, soweit 
sich die Versuchsergebnisse bei diesen relativ schwach wirksamen 
Mitteln überhaupt quantitativ vergleichen lassen, das Hydrochinotoxin 
zweimal besser als das Stammalkaloid. Der Reagenzglasversuch läßt 
aber eine Wirkungsverbesserung um mehr als das Zehnfache erkennen. 
Zur Analyse solcher Erscheinungen, auf die schon bei dem vorher- 
gehenden Versuch hingewiesen wurde, dienen die im folgenden zu 
schildernden Toxizitätsversuche, die wir an Kaulquappen angestellt 
haben. 


Toxizitätsversuche an Kaulquappen. 


Verbringt man, wie es oben näher geschildert ist, Kaulquappen von 
Rana temporaria inWasser mit entsprechenden Zusätzen vonChinaalkaloiden, 
so zeigen sich sehr schnell schon, abhängig von der vorhandenen Konzen- 
tration des Giftes, Veränderungen vor allem in der Verteilung der Tiere 
in den Trögen und der Beweglichkeit. Starke Konzentrationen des Chinins 
sowohl wie der übrigen geprüften Alkaloide führen binnen weniger Minuten 
eine Lähmung der Tiere herbei, die bewegungslos zu Boden sinken. Dort 
können sie eine Zeitlang noch auf Berührungsreize mit reaktiven Bewe- 
gungen ansprechen, nach kurzer Zeit aber antworten sie nicht mehr und 
sind beim Verbringen in alkaloidfreies Wasser nicht wieder zum Leben zu 
erwecken. Bei schwächeren Konzentrationen der Alkaloide, die nicht in 
den ersten Minuten tödlich wirken, ist der ganze Prozeß des Absterbens 
über einen längeren Zeitraum hinausgeschoben. Ein Teil der Tiere, die 
augenscheinlich keine ganz einheitliche Empfindlichkeit gegenüber den 
Giften besitzen, sinken gleichfalls zu Boden, reagieren aber eine Zeitlang 
noch auf Berührungsreize. Andere Individuen wieder halten sich vornehm- 
lich an der Oberfläche auf und zeigen spontan wie auf Berührungsreize sehr 
lebhafte, oft krampfhafte Bewegungen. Nach Ablauf verschieden langer, 
von der angewandten Konzentration abhängiger Zeit, erliegen schließlich 
alle Versuchstiere der Einwirkung der Alkaloide, jedoch so, daß immer 
ein mehr oder minder hoher Prozentsatz von Tieren sehr spät stirbt. Gelangt 
man zu den schwachen Grenzkonzentrationen, so überleben die meisten 
der Versuchstiere, und es lassen sich auch Konzentrationen finden, in denen 
man, wie in den Kontrollen beliebig lange die Kaulquappen am Leben 
halten kann. 


Die Tabelle VII zeigt die Wirkung von Chinin, Hydrochinin und Optochin 
hydrochloric. in mittlerer bis schwacher Konzentration auf die Kaulquappen 
in einem gleichzeitigen Versuch. 


Tabelle VII zeigt, daß innerhalb der ersten 7 Stunden die Giftigkeit 
von Chinin, Hydrochinin und Optochin für Kaulquappen ungefähr die 
gleiche ist. Eine gewisse Erhöhung der Giftigkeit scheint beim Optochin 
vorzuliegen, da hier die Konzentration 1:10000 binnen 48 Stunden 
alle Tiere getötet hat und 1: 20000 beim Hydrochinin sowohl wie beim 
Optochin schließlich auch binnen 16 bis 10 Tagen tötete. Wie dieser 
Spättod der Tiere toxikologisch zu beurteilen ist, ist nicht klar zu 
entscheiden. 


A.E. Tsakalotos: 

































































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s10u Bet oi punuou punou ppunou jpousou punou pusou [punou jsunou =- uajjonuoy 
Bu] o Lag || pDuauat ag Iëm4on [punou punou jeunou [sunou jeunou punou 00002 : I 
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TIA PWL 


Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 465 


Nicht immer fallen die Versuche durchaus gleichmäßig aus. 
Individuelle Unterschiede der Tiere sind wohl in starkem Maße vor- 
handen, insbesondere kann, wenn man den Tod aller Versuchstiere als 
Toxizitätsgrenze wählt, das Ergebnis bei Wiederholung der Versuche 
oft in weiteren Grenzen schwanken. In den folgenden Tabellen VIII, 
IX und X sind die Ergebnisse aller Toxizitätsversuche mit den China- 
alkaloiden zusammengefaßt, und zwar ist hier der Tod aller Tiere 
der Beurteilung zugrunde gelegt. Dies erforderte, daß man die 
in den ersten Kolumnen aufgeführten Zeitabschnitte etwas groß 
wählen mußte. 


Tabelle VIII. 


Wirkung der salzsauren Salze des Chinins, Hydrochinins und Optochins 
auf Kaulquappen. 





Toxische Konzentration von 
Hydrochinin-H C1 













Einwirkungszeit 


Chinin-H CI Optochin-H CI 








-_ — — — 





10—30 Min. | = 

30 Min. —3 Stdn. | l: 1000 
3— 7 Stdn. | | 1: 2000 
1—24 , 4000 | 1: 4000 1 : 4000—10 000 

bis zum 5. Tag : 10000 | —_ 1: 20000 

Se. ër Za : 10000 | — 1: 20000 

ae goda y — l : 10000 1 : 20000 

ee, ` oe lB: 3 | —_ 1: 10000 — 

Dosis tolerata | 1 : 20000 1 : 20000 1 : 20000 

Tabelle IX. 


Wirkung der salzsauren Salze des i-Propyl-, i-Butyl-, und i-Amylhydro- 
cupreins auf Kaulquappen. 





Toxische Konzentrationen von 







1: 1000 
1 : 200010000 
1: 20000 
1: 40000 
1: 100000 
die meisten Tiere überlebten 
1 : 200000 


alle Tiere überlebten 


Die Übersicht zeigt, daß innerhalb der ersten 7 Stunden kein 
deutlicher Unterschied in der Giftigkeit des Chinins, Hydrochirins und 
Optochins zu bemerken ist. Nach 24 Stunden wirkt, wie der oben 


466 A. E. Tsakalotos: 


mitgeteilte Versuch auch zeigt (Tabelle VII), noch die Konzentration 
1 : 10000 vom Optochin und 1 : 20000 führt noch zum Spättod binnen 
12 Tagen. Die Dosis tolerata ist für das Chinin 1 : 20000, Hydrochinin 
1 : 20000, beim Optochin < 1 : 20000. 

Die Untersuchung der i-Propyl, i-Butyl- und i-Amylverbindung 
des Hydrocupreins (Tabelle IX) zeigt ein deutliches Ansteigen der 
toxischen Wirkung in der homologen Reihe. Während die Propylver- 
bindung in 3 Stunden bereits in der Konzentration 1:4000 und in 
24 Stunden in der Konzentration 1 : 20000 toxisch wirkt, ist die Butyl. 
verbindung in der Verdünnung 1 : 20000 bereits nach 3 Stunden toxisch. 
i-Amylhydrocuprein tötet innerhalb 2 Stunden schon in der Kon- 
zentration 1: 10000, in 24 Stunden wirkt 1:20000; 1:40000 tötet 
innerhalb 5 Tagen. Die Dosis tolerata für diese letzte Verbindung — 
bei der Propyl- und Butylverbindung konnte diese aus äußeren Gründen 
nicht mehr ermittelt werden — beträgt 1: 100000 bis 1: 200000. Eine 
noch höhere Toxizität besitzen die Toxine der Chinaalkaloide, die in 
diesem Falle ihren Namen wirklich verdienen, während ihre Giftigkeit 
für Warmblüter diejenige der Stammalkaloide nicht wesentlich über- 
trifft (Morgenroth, l. ei, 


Tabelle X. 


Wirkung der salzsauren Salze des Chinotoxins, Hydrochinotoxins und 
i-Amylhydrocupreinotoxins auf Kaulquappen. 





— 















Toxische Konzentration von 





Einwirkungszeit 





Hydrochinotoxia HCI ` SE 


10—30 Min. 1 : 1000—2000 1 : 1000 | 1 : 1000—20 000 


—60 , = 1 : 2000-4000 (meist D — 

—24 Std. || 1:10000—20000 |1: 10000-200000 | 1: 100. 000-200 000 
1: 100 000 (meist t) 

—3. Tag 1:100000  |1:200.000 (meist H = 


Dosis tolerata | < 1 : 100 000 < 1: 200 000 1 : 400 000—1 : 1000000 


(Grenze nicht erreicht) | (Grenze nicht erreicht) | 






Chinotoxin H CI 








Aus Tabelle X ergibt sich, daß das Chinotoxin ebenso wie das 
Hydrochinotoxin und in ganz besonderem Maße das i-Amylhydro- 
cupreinotoxin von außerordentlich hoher Giftigkeit für Kaulquappen 
sind. Mit 1: 100000 und 1: 200000 wurde beim Chinotoxin und Hydro- 
chinotoxin die Dosis tolerata noch nicht erreicht. Das Toxin des i-Amyl- 
hydrocupreins tötet in dieser Konzentration sogar binnen 24 Stunden, 
und erst Verdünnungen von 1:400000 bis 1: 1000000 werden ver- 
tragen. 


Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 467 


Es wurde eingangs erörtert, daß die spezifisch-chemotherapeutische 
Wirkung der Chinaalkaloide gegenüber Trypanosomen in vitro deshalb 
schwierig zu beurteilen sei, weil eine Überlagerung dieser Wirksamkeit 
durch die allgemeine Giftigkeit die Beurteilung erschweren oder un- 
möglich machen kann. Diese Verhältnisse werden deutlich bei einer 
Gegenüberstellung der abtötenden Konzentrationen der geprüften 
Alkaloide für Trypanosomen einerseits, Kaulquappen andererseits. 


In Tabelle XIa sind die in unseren Versuchen ermittelten Werte ein- 
ander gegenübergestellt, und zwar haben wir für Trypanosomen die Ein- 
wirkungszeit von 2 und 4 Stunden, für Kaulquappen diejenige von 24 Stun- 
den gewählt, weil für diese Zeitabschnitte das meiste Beobachtungsmaterial 


vorlag. 
Tabelle XIa. 


Vergleichende Übersicht der abtötenden Konzentrationen der Chinaalkaloide 
auf Trypanosomen in vitro und der toxischen Konzentration für Kaulquappen 
(Mittelwerte). 


Abtötende Kon, 
zenıration für 















Abtötende Konzentration für 


Substanz Kaulquappen Quotient 
E 24 Stunden 
Chinin HCI. .... 1 : 4000 
Hydrochinin HCl. . 1 : 4000 ls 
Optochin HCI ... 1: 4000— 10000 "a 
i-Propylhydrocuprein 
HCl e Ser E (e 1 k 20 000 < Ya 
i-Butylhydrocuprein 
EEE: <1: 2000 | <s 
i-Amylhydrocuprein 
GG EE, S 1: 20000 1/30 
Chinotoxin .. ... < Ta 
Hydrochinotoxin HCl < tio 


Die Übersicht zeigt ganz deutlich innerhalb der homologen Reihe 
des Hydrochinins die singuläre Elevation des Optochins zu starker try- 
panozider Wirkung. Das Anwachsen der Giftigkeit ist bei den ersten 
drei Verbindungen noch geringfügig und erst bei der Propylverbindung 
werden deutlich höhere Werte (1:20000) erreicht, während die try- 
panozide Wirksamkeit wie beim Chinin innerhalb der Konzentration 
1 : 1000 bis 1 : 2000 liegt. Von den beiden geprüften Toxinen zeigt das 
Chinotoxin gegenüber Trypanosomen ein ungefähr dem Chinin ent- 
sprechendes Verhalten, während seine Giftigkeit für Kaulquappen 
wesentlich größer ist. Das Hydrochinotoxin, dessen auffallend hohe 
Trypanozidie im ersten Abschnitt bereits erwähnt war, besitzt auch 
eine wesentlich höhere allgemeine Giftigkeit. Dasselbe Bild gibt die 
Gegenüberstellung der Dosis tolerata der einzelnen Verbindungen für 


468 A. E. Teakalotos: 


Trypanosomen und Kaulquappen, d.h. diejenigen Konzentrationen, 
in denen sich Trypanosomen bzw. Kaulquappen wie die Kontrollen 
verhalten. (Tabelle XIb). 


Tabelle XIb. 








Dosis tolersta 
für Kaulquappen 
nach 5—10 Tagen 


| Dosis tolerata für Trypanosomen 


nach 4 Stunden 


Substanz Quotient 












| nach 2 Stunden 









Chinin HCL. .. .. | 1: 3000| 1:8000 : 20 000 Y, 
Hydrochinin HCI. . 1: 1800| 1:3000 |1: 10000-20000 etwa He 
tochin HQ ...| 1:10000| — 1 : 20 000 1, 

i Propylhydrocuprein | 

HC ...... UL: 3000 Zu ` < 1:20000 <th 

-Butylhydrocupreir | 
KE | 1: 3000 = l < 1:20000 ve H 

EE | 
eek 1: 2000 = '1:100000-200000 bi 
Chinotoxin HCl 1: 4000 — < 1: 100 000 | 14 
Hydrochinotoxin HCI || <1:1000 | — 1:200000 ` etwa Tu 





Betrachten wir die Ergebnisse, die in dieser Zusammenfassung 
vorliegen, so zeigt sich für die Mehrzahl der Verbindungen eine deutliche 
Unabhängigkeit von trypanozider Wirkung und allgemeiner Gift- 
wirkung. Diese äußert sich sowohl darin, daß Verbindungen von 
größerer Giftigkeit wie die höheren Homologen des Hydrochinins von 
der Propylverbindung aufwärts eine nur schwache Trypanozidie 
besitzen, andererseits darin, daß die allgemeine Giftigkeit einer Ver- 
bindung wie des gut trypanoziden Optochins nicht wesentlich stärker 
ist als die des minder wirksamen Chinins und Hydrochinins. Es erhebt 
sich nun die Frage, ob der großen Zahl der in vitro schwach wirksamen 
Alkaloide in diesem Falle überhaupt eine spezifische Wirkung eigen 
ist. Diese Frage ist unbedingt für alle diejenigen Substanzen zu be- 
jahen, bei denen die trypanozide Wirkung im Verhältnis zur allgemeinen 
Giftwirkung relativ hoch ist. Dies äußert sich in dem Quotienten: 
toxische Konzentration für Kaulquappen 
toxische Konzentration für Trypanosomen 
auch in vivo wirksamen Alkaloide Chinin, Hydrochinin und Optochin 
die Quotienten !/, (bezogen auf Dosis tolerata 1/3), 1/5; Gel, % (éi 
während die schlecht trypanoziden, aber giftigeren Verbindungen wie 
die höheren Homologen des Hydrochinins sowie die Toxine Werte 
haben, die zwischen < Zu bis 1/2 Deel liegen. Der Vergleich mit den 
Erfahrungen im Trypanosomenversuch an der Maus lehrt, daß die Ve- 
bindungen mit dem kleinen Quotienten, der unter !/ „liegt, keine merklich 
Trypanozidie in: vivo besitzen. Man muß bei diesen Verbindungen, 
denen man natürlich ein geringes Maß spezifischer Wirkung nicht 


Hier erhält man für die 





Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 469 


unbedingt absprechen kann, daran denken, daß, wie es schon oben 
für das Chinin angeführt wurde, eine Überlagerung dieser Wirkung 
durch die relativ viel höhere unspezifische Giftwirkung stattfindet. 
Besonders deutlich wird dies bei dem Hydrochinotoxin, dem, wie 
schon erwähnt, eine gewisse Trypanozidie in vivo zukommt, dessen 
Reagenzglaswirkung auf Trypanosomen aber zum weitaus größten 
Teile der allgemeinen Giftigkeit zugeschrieben werden muß. 

Die Ergebnisse der Versuche lassen sich dahin zusammenfassen, 
daß die Wirkung der Chinaalkaloide auf Trypanosomen im Reagenzglas 
ein Optimum beim Optochin erreicht. Hier überwiegt die chemothera- 
peutische parasitozide Wirkung erheblich die allgemeine unspezifische 
Giftwirkung, welche beim Chinin, beim Hydrochinin, den höheren 
Homologen des Optochins und ganz besonders den Toxinen der Stamm- 
alkaloide die chemotherapeutische Wirkung in vitro mehr oder weniger 
stark überlagert. 

In methodischer Hinsicht zeigen die Versuche, daß es in einem 
gewissen Grade möglich ist, ein Bild von den therapeutischen Eigen- 
schaften neuer Verbindungen auch durch Versuche in vitro zu gewinnen. 
Die Deutung der mit dieser einfacheren Technik gewonnenen Ergebnisse 
ist aber nicht minder schwierig, oft sogar komplizierter als die Be- 
urteilung der Versuche in vivo. 


Zusammenfassung. 


1. Reagenzglasversuche an Trypanosomen mit den salzsauren 
Salzen des Chinins, Hydrochinins, Optochins und dessen höheren 
Homologen (Propyl-, Butyl-, Amylverbindungen) zeigen ein Optimum 
der Wirkung beim Optochin. Von den gleichfalls geprüften Toxinen 
des Chinins und Hydrochinins zeigt das letztere eine überraschend 
hohe, das Optochin noch übertreffende Wirksamkeit auf Trypanosomen, 

2. Der Vergleich der in vitro gewonnenen Werte mit der Wirksam- 
keit derselben Substanzen an der trypanosomenkranken Maus ergibt, 
daß zwar bei einigen Verbindungen (Chinin, Optochin) ein Parallelismus 
zwischen Wirkung in vitro und Wirkung in vivo vorhanden ist; andere 
Verbindungen sind in vivo besser als in vitro (Hydrochinin) oder in 
vitro ganz erheblich stärker wirksam als in vivo (Hydrochinotoxin). 


3. Toxizitätsversuche an Kaulquappen lehren, daß keine absolute 
Parallelität zwischen chemotherapeutischer Wirkung in vitro und 
allgemeiner Giftwirkung besteht. So ist das auf Trypanosomen in vitro 
gut wirksame Optochin nicht wesentlich giftiger als das schwach wirk- 
same Chinin und Hydrochinin, während z.B. das auf Trypanosomen 
ganz schwach wirkende i-Amylhydrocuprein von hoher Giftigkeit ist. 
Die auffallende Reagenzglaswirkung des Hydrochinotoxins auf Try- 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 31 


470 A. E. Tsakalotos: Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 


panosomen findet ihre Erklärung in der hohen allgemeinen Giftigkeit 
dieser Verbindung auf Kaulquappen. Die toxische Komponente über- 
lagert hier fast vollkommen die nur schwache spezifische Wirksamkeit. 


4. Die Methode des Reagenzglasversuchs an Trypanosomen bietet 
der Beurteilung chemotherapeutischer Wirkung gewisse Schwierig- 
keiten und erlaubt keineswegs ohne weiteres Rückschlüsse auf die 
Wirksamkeit der Verbindungen in vivo. Nur der Vergleich mit dem 
Tierversuch und, wie die hier mitgeteilten Untersuchungen zeigen, 
quantitative Untersuchungen der allgemeinen Toxizität vermitteln 
Vorstellungen über Vorhandensein und Ausmaß spezifischer, chemo- 
therapeutischer Potenzen. 


Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung 
von Zucker durch Hefe. 


Von 


L. Elion (Utrecht). 
(Aus dem Kaiser Wilhelm -Institut für Biochemie in Berlin-Dahlem.) 
(Eingegangen am 17. Januar 1926.) 


Im Jahre 1923 haben C. Neuberg und E. Reinfurth!) gefunden, daß 
man die Produktion von Aceoin (Acetyl-methyl-carbinol) im Verlauf 
der gewöhnlichen alkoholischen Zuckerspaltung erzwingen kann. Der 
genannte Keton-alkohol der 4-Kohlenstoffreihe war als ein Stoff- 
wechselprodukt von Bakterien bekannt, jedoch bis dahin nie als ein 
Erzeugnis der Hefegärung beobachtet. Die erwähnten beiden Autoren 
haben nun gezeigt, daß man auf dem zur carboligatischen Synthese 
von Phenyl-acetyl-carbinol beschrittenen Wege?) die Produktion des 
Methyl-acetyl-carbinols herbeiführen kann. Im ersten Falle zieht 
zugefügter Benzaldehyd den im Gärungsverlauf intermediär ent- 
stehenden Acetaldehyd an sich; im zweiten Falle wirkt hinzugegebener 
Acetaldehyd genau ebenso. Wenn es bei der normalen alkoholischen 
Gärung nicht zu einer Bildung von Acetoin kommt, so liegt dies daran, 
daß die Korrelation der Oxydo-reduktionen beim desmolytischen 
Zuckerabbau eine vollkommene ist, d.h. das Dehydrierungsprodukt 
Acetaldehyd findet für gewöhnlich die äquivalente Menge labilen 
Wasserstoffes vor, um komplette Reduktion zum Äthylalkohol zu 
erfahren. | 

Diese Wechselbeziehung der synchronen Umsetzungen wird aber 
gestört, wenn aus irgend einem Grunde Acetaldehyd im Übermaß 
zugegen ist, sei es, daß dieser im fertigen Zustande zugefügt, oder, 
wie bei der Lufthefefabrikation, im natürlichen Geschehen hervor- 
gebracht wird. Im letzten Falle wirkt der im Überschuß an- 
wesende Acetaldehyd nicht anders als eigens zugesetzter Aldehyd 
und geht demnach mit solchem Acetaldehyd, der auf dem regulären 


1) C. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschr. 148, 553, 1923. 
2) C. Neuberg und J. Hirsch, ebendaselbst 115, 282, 1921; C. Neuberg 
und H.Ohle, ebendaselbst 128, 610, 1922. 


31* 


472 L. Elion; 


Gärungswege aus dem Zucker gebildet wird, die carboligatische Synthese 
ein!). Jenes zweite Acetaldehydmolekül, das — mit dem präformierten 
Acetaldehyd in Reaktion tretend — desmolytischem Zuckerzerfall 
entstammt, kann auch eine andere Herkunft haben; so hat I. Hirsch?) 
beobachtet, daß bei der Vergärung von Brenztraubensäure neben 
Acetaldehyd auch Acetoin entsteht, indem sich carboxylatisch ab- 
gespalten gewesener Acetaldehyd mit dem aus dem Pyruvinat nach- 
gebildeten Acetaldehyd vereinigt. Dementsprechend läßt sich die 
Acetoinausbeute bei der Brenztraubensäurevergärung steigern, wenn 
man fertigen Acetaldehyd zur gärenden Pyruvinatlösung fügt?). 

In bezug auf die Bilanz bietet die Entstehung von Acetoin bei der 
Vergärung von Brenztraubensäure und der analogen Vergärung von 
Oxalessigsäure®) keine Schwierigkeiten, denn formelgemäß tritt hier 
der Acetaldehyd mit einem Körper der gleichen Oxydationsstufe 
(wiederum Acetaldehyd) zusammen, der potentiell in den Ausgangs- 
materialien, den Ketosäuren, als Verbindungen der gleichen Oxydations- 
stufe enthalten ist. 

Anders liegen die Verhältnisse bei der Bildung von Acetoin, sobald 
dasselbe im Verlauf einer alkoholischen Zuckerspaltung erzeugt wird, 
denn ersichtlicherweise fixiert hier fertig zugefügter oder sekundär 
entstandener Acetaldehyd das intermediäre Oxydationsprodukt Acet- 
aldehyd und beraubt letzteren dadurch seiner Funktion als normalen 
Wasserstoffakzeptor. Es erhob sich nun die Frage, wie sich diese Zu- 
sammenhänge auswirken. Was wird aus dem ‚„Gärungswasserstoff‘, der 
für gewöhnlich zur Reduktion des Gärungs-acetaldehyds dient ? Er ent. 
weicht nicht im freien Zustande, er muß sich in irgend einer Hydrierung 
geltend machen. Daß diese keineswegs in einer Reduktion des Acetoins 
selber besteht, geht daraus hervor, daß sich ja ganz bedeutende Mengen 
des Ketonalkohols Acetoin anhäufen. Nach den formalen Gleichungen: 


Gah = 2 CO, + 2 CH, . CHO + 2H, 
CH, COH + COH CH, = CH, . CO .CHOH CH. 
CH, CO. CHOH CH, + H, = CH, . CHOH .CHOH CH. 


müßte aber der disponibel werdende Gärungswasserstoff für eine voll- 
kommene Reduktion des Acetoins zum ß,y-Butylenglykol mehr als 
ausreichend sein. Da, wie gesagt, sich Acetoin in großen Massen an- 
sammelt, kann dieser Mechanismus jedenfalls nicht der einzige in 
Betracht kommende sein. 


1) A. J. Kluyver, H. J. L. Donker und F. Visser ’t Hooft, diese Zeitschr. 
161, 361, 1925. 

2) I. Hirsch, ebendaselbst 181, 178, 1922. 

3) C. Neuberg und O. Rosenthal, Ber. 57, 1436, 1924. 

1t) C. Neüberg und A. v. May, diese Zeitschr. 140, 299, 1923; C. Neuberg 
und G. Gorr, Ergebn. d. Physiolog. 24, 191, 1925. 





Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung von Zucker usw. 473 


Nun haben Neuberg und Hirsch (l. c.).bereits bemerkt, daß in den 
Acyloinbildungen ein Verfahren der Abfangung von Gärungsacet- 
aldehyd durch zugefügte Aldehyde vorliegt; somit war an eine ver- 
mehrte Bildung von Gärungsglycerin zu denken in Analogie zur ge- 
steigerten Entstehung dieses dreiwertigen Alkohols unter den Be- 
dingungen der übrigen Abfangverfahren. Diese Voraussetzung trifft, 
wie meine Ergebnisse lehren, in der Tat zu; denn ich konnte Zunahme 
des Glyceringehalts bei Verminderung des Alkoholertrags nachweisen. 


Auszüge aus den Protokollen. 
1. Versuch mit Rohrzucker und 15 Proz. Acetaldehyd'). 


100 g Rohrzucker wurden in 1000 ccm Leitungswasser von 35° 
gelöst und mit 50 g untergäriger Bierhefe (Schultheiss) versetzt. Nach- 
dem kräftige Gärung eingetreten war, wurden 150 ccm einer 10proz. 
Acetaldehydlösung so langsam aus einem Tropftrichter hinzugefügt, 
daß die CO,-Entwicklung nicht unterbrochen wurde. Unter öfterem 
Umschütteln bewahrte ich das Gemenge bei Zimmertemperatur (20 
bis 25°) auf. 

Die Aufarbeitung erfolgte nach 5 Tagen. Es ergab sich, daß das 
filtrierte Gärgut in der Kälte Fehlingsche Lösung reduzierte infolge 
der Anwesenheit des reichlich gebildeten Acetyl-methyl-carbinols; im 
Kontrollversuch (2) war keine reduzierende Substanz vorhanden. 

Das Gesamtvolumen des Gärguts betrug 1285 ccm; hiervon wurden 
nach Filtration 500 ccm zur Alkohol- und gleichviel zur Glycerin- 
bestimmung benutzt. 


a) Alkoholbestimmung. 


Die Lösung wurde zuerst mit Wasserdampf destilliert, bis ein 
doppeltes Volumen Flüssigkeit übergetrieben war, und das Destillat 
hierauf während 2 Stunden auf dem Wasserbade am sicher wirkenden 
Rückflußkühler mit einem Überschuß von essigsaurem p-Nitrophenyl- 
hydrazin gekocht, wobei sich das Osazon des mitverflüchtigten Acetoins 
in schönen roten Nadeln abschied. Nach Abkühlung wurde filtriert 
und quantitativ ausgewaschen; dann wurden von der Flüssigkeit zwei 
Drittel abdestilliert. Diese Fraktionierung wiederholte ich mehrere 
Male, zunächst nachdem das Gemenge alkalisch gemacht worden war, 
um die Essigsäure zurückzuhalten, später nach Hinzufügung eines 
Überschusses von Schwefelsäure zwecks Bindung übergegangenen 
p-Nitrophenylhydrazins. Bei der letzten Destillation wurde außerdem 
eine kleine Menge Zinkstaub hinzugegeben, der Nitrokörper entfernt. 


1) Die Prozentzahlen für Acetaldehyd bedeuten das Verhältnis zur 
Menge des angewendeten Zuckers. 


474 L. Elion: 


Der Alkohol wurde im Enddestillat pyknometrisch ermittelt. 
Es wurden auf diese Weise 17,48 g Alkohol gefunden, also im Gesamt- 
volumen DD: 17,48 g = 44,92 g. 

500 
b) Glycerinbestimmung. 

Diese Bestimmung wurde nach der von Neuberg und Reinfurth!) 
angegebenen Methode ausgeführt. Die im Faust-Heimschen Apparat 
bei 350 zum Sirup eingeengte Flüssigkeit wurde mit 96 proz. Alkohol 
extrahiert und der Alkohol im Vakuum abdestilliertt. Der Rückstand 
wurde jetzt in absolutem Alkohol aufgenommen und nach Filtrierung 
wiederum im Vakuum zu dickem Sirup eingeengt, welcher jetzt klar 
in wasserfreiem Alkohol löslich war. Nach allmählichem Zusatz des 
gleichen Volumens absoluten Äthers schieden sich abermals Ver- 
unreinigungen aus, die aufs neue abfiltriert wurden. Schließlich wurde 
das Alkohol-Äther-Gemisch im Vakuum vertrieben und die hinter- 
bliebene Substanz in Wasser gelöst. Durch wiederholtes Abdampfen 
auf dem Wasserbad, wobei man jedesmal eine kleine Menge Wasser 
hinzugab, wurden auch die letzten Spuren Alkohols verjagt. 

Im schließlich wieder mit Wasser aufgenommenen Rückstand wurde 
der Glyceringehalt nach dem Jodidverfahren in dem von Zeisel-Siriar 
beschriebenen Apparat festgestellt. 

Die so gefundene Menge Glycerin betrug 1,87 g; das gesamte 


Gärgut enthielt infolgedessen = -1,87g = 4,80 g Glycerin. 


Außerdem wurde die Glycerin enthaltende Lösung nach der 
Lemoigneschen?) Methode, welche von Kluyver, Donker und Visser 
’tHooft (l. c.) für Gärungsflüssigkeiten modifiziert worden ist, auf die 
Anwesenheit von 2, 3-Butylenglykol geprüft. Das eventuell vorhandene 
2, 3-Butylenglykol wird dabei oxydiert und als Nickel-dimethylglyoxim 
charakterisiert. Der Versuch ergab, daß diese Verbindung tatsächlich 
vorhanden war, jedoch nur in einer so minimalen Menge, daß sie das 
Resultat der Glycerinbestimmung nicht beeinflussen könnte. (Da 
auch in allen übrigen Versuchen nicht mehr als Spuren von Butylen- 
glykol nachweisbar waren, so brauchte bei den Glycerinbestimmungen 
hierauf keine Rücksicht genommen zu werden.) 


2. Versuch. Konirolle zu 1. 
Mit 50g Schultheiss-Hefe wurde eine Lösung von 100g Rohr- 
zucker in 1150 ccm Leitungswasser von 35° in Gärung gebracht und 
bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Nach 5 Tagen wurde das Gärgut 


1) O. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschr. 92, 253, 261, 1918. 


2) M. Lemoigne, Ann. de l’Inst. Pasteur 27, 856, 1913; C. r. 170, 13), 
1920. 





Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung von Zucker usw. 475 


aufgearbeitet, nachdem mittels Fehling scher Lösung festgestellt war, 
daß die Flüssigkeit keinen Zucker mehr enthielt. Wie bei Versuch 1 
wurde in aliquoten Teilen der Alkohol- und Glyceringehalt bestimmt. 


a) Alkoholbestimmung. 


Die Untersuchung geschah durch Wasserdampfdestillation, Frak- 
tionierung des Destillats und pyknometrische Bestimmung. Selbst- 
verständlich fie) hier die Behandlung mit p-Nitrophenylhydrazin weg. 
Die totale Menge Alkohol auf 100g Zucker betrug 54,79 g. 


b) Glycerinbestimmung. 


Ausführung wie bei Versuch 1. Die totale Menge Glycerin auf 
100 g Zucker betrug 1,74 g. 


3. Versuch mit Rohrzucker und 15 Proz. Acetaldehyd. 


Zu einer Lösung von 100 g Rohrzucker in 1000 ccm Leitungswasser 
wurden 100g Bierhefe (Schultheiss) eingetragen und, nachdem die 
Angärung eingetreten war, 150 ccm 10proz. Acetaldehydlösung langsam 
hinzugegeben. Das Gemenge wurde bei Zimmertemperatur belassen. 
Aufarbeitung nach 4 Tagen wie bei Versuch 1. Es wurde festgestellt, 
daß mit alkalischer Kupferlösung in der Kälte Reduktion eintrat, 
während der Kontrollversuch 4 auswies, daß der gesamte Zucker 
vergoren war. 

a) Alkoholbestimmung. 


Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 51,17 g. 


b) Glycerinbestimmung. 


Totale Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 6,55g. Die Reaktion 
auf 2, 3-Butylenglykol war, wie bei Versuch 1, äußerst schwach. 


4. Versuch. Kontrolle zu 3. 


100g Bierhefe (Schultheiss) wurden aufgeschwemmt in einer 
Lösung von 100g Rohrzucker in 1150 ccm Leitungswasser und bei 
Zimmertemperatur gleichzeitig mit Ansatz 3 aufbewahrt. Verarbeitung 
nach 4 Tagen wie bei Versuch 2, nachdem mittels Fehlingscher Lösung 
festgestellt war, daß kein Zucker mehr vorhanden war. 


a) Alkoholbestimmung. 
Gesamtmenge Alkohol auf 100 g Zucker: 57,10 g. 


b) Glycerinbestimmung. 


Totale Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 2,34 g. 


476 L. Elion: 


A. Versuch. Wiederholung von 1. 


Lösung von 100g Rohrzucker in 1000 ccm Leitungswasser, 50 g 
Bierhefe (Schultheiss); nach erfolgter Angärung 150 ccm 10proz. 
Acetaldehydlösung. Die Flüssigkeit bleibt bei Zimmertemperatur 
stehen und wurde am folgenden Tage in den Brutschrank bei 28° gebracht. 
Nach 2 Tagen wurde konstatiert, daß mit Fehlingscher Lösung in der 
Kälte Reduktion erfolgte, während aus Kontrollversuch 6 hervorging, 
daß der gesamte Zucker verschwunden war. Aufarbeitung wie bei 
Versuch 1. 

a) Alkoholbestimmung. 


Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 49,92 g. 


b) Glycerinbestimmung. 


Totale Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 6,00 g. Die Reaktion auf 
2, 3-Butylenglykol fiel negativ aus. 


6. Versuch. Kontrolle zu 5. 


100g Bierhefe (Schultheiss) wurden aufgeschwemmt in einer 
Lösung von 100g Rohrzucker in 1150ccm Leitungswasser und bei 
Zimmertemperatur gehalten. Am nächsten Tage wurde das Gärgut 
in einen Brutschrank von 28° gestellt. Aufarbeitung nach 2 Tagen, 
wie bei Versuch 2; mittels alkalischer Kupferlösung war die Ab- 
wesenheit von Zucker nachgewiesen. 


a) Alkoholbestimmung. 
Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 58,00 g. 


b) Glycerinbestimmung. 
Totale Menge Glycerin auf 100g Zucker: 2,71 g. 


7. Versuch. Wiederholung von 3. 


In eine Lösung von 100 g Rohrzucker in 1000 cem Leitungswasser 
wurden 100g Bierhefe (Schultheiss) eingetragen und nach erfolgter 
Angärung 150 ccm 10proz. Acetaldehydlösung hinzugegeben. Das 
zuerst bei Zimmertemperatur belassene Gemenge wurde am nächsten 
Tage bei 28° untergebracht. Nach 2 Tagen wurde festgestellt, daß 
mit Fehling scher Lösung in der Kälte Reduktion eintrat, während aus 
Kontrollversuch 8 hervorging, daß die Gärung zu Ende war. Auf- 
arbeitung wie bei Versuch 1. 


a) Alkoholbestimmung. 
Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 48,4 g. 


Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung von Zucker usw. 477 


b) Glycerinbestimmung. 


Totale Menge Glycerin auf 100g Zücker: 5,35g. Die Reaktion 
auf 2, 3-Butylenglykol war positiv, stärker als bei den Versuchen 1 
und 3, aber verhältnismäßig sehr schwach. 


8. Versuch. Kontrolle zu 7. 


100g Bierhefe (Schultheiss) wurden aufgeschwemmt in einer 
Lösung von 100 g Rohrzucker in 1150 cem Leitungswasser und zuerst 
bei Zimmertemperatur, am nächsten Tage bei 28° aufbewahrt. Auf- 
arbeitung nach 2 Tagen, wie bei Versuch 2, nachdem die Probe mit 
Fehlingscher Lösung die Abwesenheit von Zucker angezeigt hatte. 


a) Alkoholbestimmung. 
Totale Menge Alkohol auf 100g Zucker: 58,40 g. 


b) Glycerinbestimmung. 


Gesamte Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 2,63 g. 


Anhangsweise teile ich mit, daß bei der Acetoinbildung Paraldehyd 
den monomolekularen Acetaldehyd nicht vertreten kann. Fügt man 
Paraldehyd zu einer durch Unter- oder Oberhefe in Gärung versetzten 
Zuckerlösung, so tritt kein Acetyl-methyl-carbinol auf, das mit ge- 
wöhnlichem Acetaldehyd so leicht entsteht. In diesem Verhalten 
finde ich eine Analogie zu der früheren Beobachtung von C. Neuberg 
und F.F.Nord!), daß der trimolekulare Thioacetaldehyd, im Gegensatz 
zum monomolekularen, von gärender Hefe nicht angegriffen, d.h.nicht 
zum Mercaptan phytochemisch reduziert wird. 


1) C. Neuberg und F. F. Nord, diese Zeitschr. 67, 50, 1914. 


Neue Versuche über die Carboligase. 


Von 
Martin Behrens und Nikolai Nikolajewitsch Iwanoft. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm -Institut für Biochemie in Berlin - Dahlem.) 
(Eingegangen am 17. Januar 1926.) 


Die auffallende Fähigkeit bestimmter Aldehyde, nach Zufügung 
zu gärenden Zuckerlösungen mit dem bei der alkoholischen Zucker- 
spaltung als Zwischenprodukt gebildeten Acetaldehyd zusammen- 
zutreten, ist bisher festgestellt am Benzaldehyd!), o-Chlorbenzaldehyd?), 
Anisaldehyd?2) sowie am Acetaldehyd?) selbst. In allen Fällen ent- 
stehen durch Kernsynthese Acyloine. Formelgemäß sind diese 
Ketonalkohole zusammengefügt aus Acetaldehyd und. dem fertig 
zugesetzten Aldehyd (Benzaldehyd bzw. seinen Substitutionspro- 
dukten oder Acetaldehyd): 


CH,.COH + HOC.R=CH,.CO.CHOH.R. 


Wie ersichtlich ist, kann auch vorhandener Acetaldehyd 
selber zur . Abfangung von Gärungsacetaldehyd dienen, wobei 
als niedrigstes Acyloin das Acetoin (= Acetyl-methyl-carbinol) ge- 
bildet wird. 


Mehrfach ist darauf hingewiesen worden, daß in dieser carbo- 
ligatischen Synthese eine durchsichtige und einfache Verwendung des 
Zuckerspaltungsproduktes Acetaldehyd für Zwecke des Wiederaufbaus 
zutage tritt. 


1) C. Neuberg und I. Hirsch, diese Zeitschr. 115, 282, 1921. 
2) C. Neuberg und L. Liebermann, ebendaselbst 121, 311, 1921. 
3) C. Neuberg und E. Reinfurth, ebendaselbst 148, 553, 1923. 


M. Behrens u. N. N. Iwanoff : Neue Versuche über die Carboligase. 479 


Nach den bisher vorliegenden Untersuchungen geben die ein- 
fachsten Vertreter der Aldehyde aus der aliphatischen und aromati- 
schen Reihe, eben der Acetaldehyd und der Benzaldehyd, die 
besten Ergebnisse bei dieser enzymatischen Kohlenstoffketten- 
verknüpfung. 


Um über die Eignung anderer Aldehyde Erfahrungen zu 
sammeln, haben wir Versuche mit zwei Toluylaldehyden, mit 
p- und o-Toluylaldehyd, angestellt. Dabei hat sich gezeigt, daß 
diese beiden aromatischen Aldehyde zur carboligatischen Verwendung 
befähigt sind. Jedoch ist die Ausbeute an carboligatischem Er- 
zeugnis nur mäßig, genau wie bei den erwähnten anderen Abkömm- 
lingen des Benzaldehyds. 


Wenn man die genannten beiden Toluylaldehyde zu einer mit 
Hefe in Gärung versetzten Zuckerlösung fügt, so macht sich weitgehend 
die phytochemische Reduktion geltend, welche die zugehörigen Toluyl- 
alkohole liefert. Daneben erfolgt die Acyloinsynthese, und allem An- 
schein nach wird durch weitere phytochemische Reduktion des Keton- ` 
alkohols auch das zugehörige Glykol gebildet. 


Im einzelnen gestalteten sich die Verhältnisse folgendermaßen : 


100 g Rohrzucker wurden in 2500 ccm Leitungswasser gelöst und 
mit 100g untergäriger Hefe (von Schultheiss) versetzt. Nach 
erfolgter Angärung wurden bei Zimmertemperatur im Verlauf einer 
Stunde Beem p-Toluylaldehyd, gelöst in 25ccm Alkohol, sehr all- 
mählich hinzugefügt. Da nach Ablauf von 24 Stunden der Geruch 
nach p-Toluylaldehyd schwach geworden war, so wurden von neuem 
50g Zucker sowie 100g Hefe nebst weiteren 5ccm Toluylaldehyd 
(letzterer in alkoholischer Lösung) hinzugegeben. Zur Vervollständigung 
der Umsetzung wurden am nächsten Tage weitere 300 g Unterhefe 
nachgefüllt. Das Gemisch, das dann in einen Brutschrank übergeführt 
wurde, befand sich in langsamer Gärung und wurde nach insgesamt 
5 Tagen aufgearbeitet, da nunmehr aller Aldehyd verschwunden war. 
Aus zwei gleichzeitig und übereinstimmend vorgenommenen Ansätzen 
wurden zusammen 6560 ccm Filtrat erhalten, von denen 4850 ccm 
zur Weiterverarbeitung dienten. Die Flüssigkeit wurde dreimal mit 
der gleichen Menge Äther ausgeschüttelt. Das Lösungsmittel wurde 
alsdann bis auf 200 ccm verdampft und diese wurden 24 Stunden lang 
über geglühtem Glaubersalz getrocknet. Nach Filtration und Aus- 
waschung des Natriumsulfats mit absolutem Äther betrug das Gesamt- 
volumen 300 ccm. Diese ätherische Lösung wurde zwecks Entfernung 
saurer Bestandteile mit 100 ccm gesättigter Sodalösung durchgeschüttelt, 
die restierende Ätherlösung wurde darauf mit 100 ccm Wasser aus- 
geschüttelt und dann über geglühtem Na,SO, getrocknet. Nach Ver- 


480 . M. Behrens u. N.N. Iwanoff: 


dampfen des Äthers wurde das Residuum in vacuo destilliert. Erhalten 
wurden unter 15 mm Druck folgende Fraktionen: 


I. Bei 111 bis 123° 6,0 g (kristallisiert im Ansatzrohr), 
II. „ 124 , 138° 1,3 g (kristallisiert im Rohr), 
III. „ 139 , 157° 1,65g (gelbgrün gefärbte Flüssigkeit), 
IV. „ 158 , 164° 1,1 g (dickflüssiges Liquidum). 


Das Material aus Fraktion I und II wurde auf Ton ab- 
gepreßt; es bestand im wesentlichen aus p-Toluylalkohol vom 
Schmelzpunkt 58°. 

Die in den Ton eingezogene Masse wurde dreimal mit Alkohol aus- 
gekocht, das Lösungsmittel am Birektifikator verjagt und der Rück- 
stand mit einer alkoholisch-essigsauren Lösung von 3 g p-Nitro-phenyl- 
hydrazin 21, Stunden im Wasserbad gekocht. Das entstandene Osazon 
wurde abgenutscht und mit siedendem Alkohol ausgekocht. Die Aus- 
beute an Substanz, die bei 282° schmolz, betrug 0,15 g. 

Von Fraktion III wurden 0,5 ccm in 1,0 ccm absolutem Alkohol 
gelöst. Im engkalibrigen 1-dem-Rohr war die Drehung = — 6,80. Das 
starke Rotationsvermögen, verbunden mit großer Reduktionskraft 
gegenüber Fehlingscher Mischung, zeigten an, daß in dieser Fraktion 
die Hauptmenge des Acyloins enthalten war. Das gesamte Quantum 
wurde daher mit 5g p-Nitro-phenylhydrazin in üblicher Weise be- 
handelt. Erhalten wurden 0,23g des p-Nitro-phenylosazons vom 
Schmelzpunkt 285 bis 286°. 

Die beiden Osazonfraktionen wurden vereinigt und auf folgende 
Art umkristallisiert. Nach Auflösung in möglichst wenig heißem Nitro- 
benzol wurde durch ein kleines Filter gegossen und noch in der Wärme 
Eisessig hinzugegeben. Es schieden sich rote Kristalle (Nädelchen) 
ab, die bei 2820 schmolzen. 

Nach der Analyse liegt das p-Nitro-phenylosazon des p-Toluyl- 
acetyl-carbinols vor. 

2,558 mg Substanz: 0,445 ccm N (14° und 725 mm). 


C22 H aaflall, Ber.: N = 19,45 Proz.; gef.: N = 19,52 Proz. 


Das Material der Fraktion IV reduzierte kaum; es schloß höchstens 
Spuren des Ketonalkohols ein, enthielt aber wohl das Glykol. 

In einer Reihe von anderen Ansätzen, die ähnlich, aber mit ver- 
schiedenen kleinen Variationen vorgenommen worden sind, wurden 
im wesentlichen die gleichen Resultate erhalten. Überall verriet sich 
die Anwesenheit des gesuchten carboligatischen Produktes in den ent- 
sprechenden Fraktionen durch typisches Reduktionsvermögen gegen- 


Neue Versuche über die Carboligase. 481 


über alkalischer Kupferlösung, durch starke Linksdrehung und durch 
die Fähigkeit zur Osazonbildung. 

In einem Versuch mit 9,5 ccm p-Toluylaldehyd wurden im ganzen 
0,9 g der Osazonverbindung erhalten. 

Ebenso deutlich positiv verlief die Reaktion mit o-Toluylaldehyd; 
auch hier konnte durch wiederholtes Zusammenbringen mit Hefe und 
Zucker sowohl das vergärbare Kohlenhydrat als der zugefügte o-Toluyl- 
aldehyd vollkommen umgesetzt werden. Bei Inangriffnahme von 
10g o-Toluylaldehyd und im übrigen gleicher Aufarbeitung wurden 
0,8g p-Nitrophenyl-osazon vom Schmelzpunkt 299° gewonnen. Das- 
selbe war in siedendem Alkohol unlöslich, konnte aber aus heißem 
Nitrobenzol + Eisessig umkristallisiert werden. Im Verein mit den 
übrigen Eigenschaften der ätherlöslichen Reaktionsprodukte bezeugt 
auch hier die Isolierung des p-Nitro-phenylosazons den Eintritt der 
carboligatischen Synthese. 


Acetaldehyd als Zwischenprodukt bei der Keimung 
fetthaltiger Samen. 


Von 
Karl Pirschle. 


(Aus dem pflanzenphysiologischen Institut der Universität Wien.) 
(Eingegangen am 18. Januar 1926.) 


In einer früheren Mitteilung (1) konnte gezeigt werden, daß bei 
der Pflanzenatmung ganz allgemein, sowohl unter anaeroben wie auch 
aeroben Bedingungen, Acetaldehyd als Zwischenprodukt auftritt. Die 
besten Resultate, d.h. die größten Mengen an Aldehyd, waren mit 
Keimlingsmazeraten gewonnen worden. Keimlinge oder keimende 
Samen wurden wegen ihrer großen Atmungsintensität seit jeher zu 
Atmungsversuchen gern verwendet, sie eignen sich in diesem Falle 
auch deshalb ganz besonders, weil beim Arbeiten mit Mazeraten das 
Abfangmittel nicht im natürlichen Saftstrom mühsam aufgesaugt zu 
werden braucht, sondern allseitig an greßer Oberfläche angreifen und 
sich dadurch fast quantitativ auswirken kann. 

Nach der Art ihrer Reservestoffe kann man drei Gruppen von 
Samen unterscheiden: Stärke-, Eiweiß- und Fettsamen. Aus technischen 
Gründen waren damals nur einige Gramineen als Vertreter stärkereicher 
und einige Leguminosen als Vertreter eiweißhaltiger Samen untersucht 
worden. Daß sich die dritte Gruppe, die auch sonst physiologisch 
hochinteressanten Fettsamen, die also im wesentlichen fette Öle (haupt- 
sächlich Glycerinester von ungesättigten Fettsäuren, vor allem Ölsäure) 
als Reservestoffe führen, prinzipiell gleich verhalten, möge im folgenden 
gezeigt werden. 

Methodisches. 

Es wurde ausschließlich mit Mazeraten von gut angekeimten Samen, also 
unter (praktisch) anaeroben Bedingungen gearbeitet. Es schien zwecklos, die 
natürlichen Verhältnisse zu imitieren und die Keimlinge als ganze aufssugen 
zu lassen, die in der früheren Arbeit gemachten Erfahrungen hatten gezeigt, 
daß sich dabei prinzipiell nichts ändert, nur sind die Ausbeuten an Aldehyd 


infolge der erschwerten Aufsaugung wesentlich geringer. Und gerade bei 
Fettsamen wäre es nicht nur überflüssig, sondern geradezu widersinnig 





K. Pirschle: Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. 483 


gewesen, wollte man mit abgeschnittenen Keimpflänzchen experimentieren, 
da das Reservefett gewiß nicht als solches dem Keimling zugute kommt, 
sondern schon im Samen (nach enzymatischer Spaltung; Lipase) in leicht 
diffusionsfähige Form überführt wird, jedenfalls in Zucker, der dann seinen 
gewöhnlichen, von anderen Samen nicht abweichenden Gang nimmt. 

Ob die Fettresorption immer über Zucker geht, entbehrt vorderhand, 
solange man nicht über Mittel verfügt, intermediär gebildeten Zucker 
„abzufangen‘“‘, noch der experimentellen Stütze. Doch gewinnt diese, 
zuerst von Fleury (2) ausgesprochene Hypothese immer mehr an Boden, 
besonders wenn man bedenkt, welche zentrale Rolle die Hexose bei allen 
dissimilatorischen Stoffwechselprozessen einnimmt; wozu noch kommt, 
daß der Übergang von Fett in Zucker, der zwar künstlich noch nicht aus- 
geführt worden ist, nach den Untersuchungen von Lecere du Sablon (3) 
und Maquenne (4) in der lebenden Pflanzenzelle glatt vonstatten geht; so 
daß Kostytschew (5) resümierend mit Recht behaupten kann: ‚die Fett- 
veratmung ... vollzieht sich zweifellos über die Zwischenstufe von Zucker‘. 
Für das Auftreten von Kohlehydraten spricht der niedrige Atmungs- 
quotient (CO,/O, kleiner als 1) bei der Keimung von Ölsamen (6), der, 
was besonders charakteristisch ist, an sukzessiven Tagen steigt und schließ- 
lich eine Größe erreicht, wie man sie auch sonst an Pflanzen, die aus dem 
Keimstadium heraus sind, beobachten kann (7), während umgekehrt bei 
der Reifung von Ölsamen der Atmungsquotient wesentlich größer ist als 1, 
da Kohlehydrate sich in Fette, in sauerstoffärmere Verbindungen, ver- 
wandeln. Dafür sprechen die Untersuchungen von Sachs (8), der auch auf 
Grund von mikroskopischen Befunden das Vorhandensein von Zucker 
außer Frage stellte, dafür sprechen die Analysen von Liaskowski (11), 
Iwanow (9) (10) und von Leclere du Sablon (3), der in keimenden Hanfsamen 
eine Abnahme des Öls von 30 auf 14 Proz. und eine damit parallel gehende 
Zunahme der Glucose von 2,7 auf 14,1 Proz. feststellen konnte. Dafür 
sprechen aber auch die Beobachtungen von Sachs (8) über das Auftreten 
von Stärke bei der Keimung ölbaltiger Samen. Daß die Stärke, wie Sachs 
meinte (S. 178: „„... das Fett der ölhaltigen Samen wird überall, wo ich 
es bisher verfolgt habe, entweder ganz oder zum Teil zuerst in Stärke 
übergeführt ... ‘‘), das gesuchte Kohlehydrat ist, das zunächst aus dem Fett 
entsteht (S. 178: „„... man könnte annehmen, daß die Stärke eine not- 
wendige Übergangsmetamorphose des Öls in den Zucker sei; dem ist aber 
nicht so, denn bei manchen Keimungen geht der größte Teil des Öls unmittel- 
bar in Zucker über, während nur in einer beschränkten Zellschicht Stärke 
auftritt. Auch die entgegengesetzte Annahme, daß das Öl erst in Zucker 
übergehe, um dann sich in Stärke zu verwandeln, ist nicht zulässig, denn 
die Stärke erscheint häufig an Stellen, wo kein Zucker vorher oder gleich- 
zeitig nachzuweisen ist“.), ist chemisch nur denkbar, wenn man Zucker 
als Zwischenglied annimmt. Und daß auch physiologisch nicht die Stärke 
maßgebend ist, geht daraus hervor, daß Stärke immer nur in hydrolysiertem 
Zustande (als Glucose) verwendet werden kann, daß Stärke immer (wenn 
auch vorübergehend) Endkondensationsprodukt ist, physiologisch ge- 
sprochen : osmotisch unwirksamer Zucker. Jedenfalls ist die Stärkebildung 
in Fetteamen nicht das Primäre, sondern eine sekundäre Erscheinung, 
ähnlich wie die von Grafe und Vouk (12) beobachtete Inulinbildung in 
Zichorienfrüchten. Hier wird, entsprechend der Natur der Kompositen, 
die, soweit Untersuchungen darüber vorliegen, keine Stärke als Reservestoff 
bilden, der aus dem Reservefett gebildete Zucker zu Inulin statt Stärke 
kondensiert (,,... beim Auskeimen der Samen vollzieht sich dann der 


484 K. Pirschle: 


umgekehrte Prozeß der Umwandlung von Fett in Lävulose und dieser in 
Inulin ...‘“), ein Vorgang, der dem normalen ganz analog ist und die inter- 
mediäre Bildung von Zucker auch in solchen Fällen beweist, wo scheinbar 
sofort höhere Kohlehydrate auftreten, denn für den Chemismus ist es 
belanglos, ob Stärke oder Inulin entsteht und ob der Zucker Dextrose oder 
Lävulose ist. Und der im Zitat erwähnte „umgekehrte Prozeß‘, nämlich 
die von Fischer (13) beobachtete Umwandlung von Inulin in Fett im Stiel 
halbreifer Früchte von Selliera radicans, vervollständigt noch die Analogie, 
da normalerweise an der Bildung des Reservefetts aus Stärke über Zucker 
nicht gezweifelt werden kann. Ganz abzulehnen ist die von Muntz (14) 
postulierte Anschauung, wonach Harz sich bildet. 


Es rechtfertigt sich also wohl, wenn von Versuchen mit Keimlingen, 
die, wie Sachs (8) nachweisen konnte, niemals mehr Fett enthalten, ab- 
gesehen und nur die Reservestoffbehälter als solche, also angekeimte Samen, 
verwendet wurden. 


Abgewogene Mengen von lufttrockenen Samen wurden gut gewaschen, 
18 bis 24 Stunden in Leitungswasser eingequollen, dann auf der Nutsche 
in einem kräftigen Strom fließenden Wassers (Leitungswasser) nochmals 
längere Zeit gut durchspült und hierauf in Tonschalen auf feuchtem Filtrier- 
papier zum Keimen ausgelegt. Die Keimschalen standen im Warmhaus des 
Instituts bei einer Temperatur von 15 bis 17° unter Dunkelsturz. Nach 
3 bis 5 Tagen waren die Samen so weit gekeimt, daß sie verwendet werden 
konnten. Pro Versuch wurden 20 bis 35g Keimlinge, entsprechend 10g 
Samen verwendet. Diese abgewogenen Portionen wurden nochmals in 
fließendem Wasser gut gewaschen, in einer Reibschale grob zerquetscht 
und in passenden Glasgefäßen (Chiningläser) in je 200 ccm 2proz. Na, BO, 
(in Leitungswasser) aufgeschwemmt. Zum Abfangen wurde ausschließlich 
Dinatriumsulfit verwendet, es eignet sich für Mazerate ganz ausgezeichnet. 
Dimedon, auch wenn man es sich selbst herstellt, ist ein ziemlich kost- 
spieliges Präparat, und die Darstellung von Calciumsulfit, obwohl nach 
den Angaben Neubergs (15) leicht und bequem ausführbar, etwas zeitraubend, 
um so mehr, als man große Quantitäten (pro Versuch 10 bis 20 g) braucht, 
also eine einmal hergestellte Menge nicht lange vorhält. Was die chemisch- 
physiologische Verwendbarkeit betrifft, so mögen nachstehende, mit Weizen 
ausgeführte Versuche zeigen, daß Natriumsulfit keine Nachteile hat. 


Dimedon . ...... 18,11 (mg Acetaldehyd, berechnet aus 
15,09 der Joddifferenz beim Titrieren 
für 100g Frischgewicht) 


Natriumsulfit . . ... 19,23 
16,65 
Calciumsulfit. . . . .. 16,81 
13,51 


Die etwas niedrigeren Werte für Dimedon besagen nicht, daß Dimedon 
schlechter abfängt, sondern sind damit zu erklären, daß — vgl. das folgende 
— die zerriebenen Samen nicht mehr mit Soda, sondern mit Wasser extra- 
hiert wurden, worin sich Acetaldomedon schlechter löst als in alkalischer 
Flüssigkeit, also die Verluste auf die Aufarbeitung zurückzuführen sind. 
Am schlechtesten wirkt unter den angebenen Bedingungen Calciumsulfit, 
womit aber generell über die Verwendbarkeit der verschiedenen Abfang- 
mittel nichts ausgesagt werden soll. 


Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. | 485 


Die Gefäße kamen auf 15 bis 20 Stunden in einen Thermostaten bei 
30 bis 33°. Kürzere Versuche (5 bis 7 Stunden) hätten genügt, sie ergaben 
zwar kleinere, aber greifbare Werte an Aldehyd. Nur aus technischen 
Gründen, da die Aufarbeitung (Destillation) viel Zeit braucht, mußten die 
Versuche über Nacht aufgestellt werden. Trotz dieser längeren Versuchs- 
dauer trat niemals eine nennenswerte bakterielle Infektion ein, wovon 
man sich durch mikroskopische Kontrolle am Schluß leicht überzeugen 
kann. Absolut steril waren die Gefäße nicht und konnten es auch nicht sein, 
trotz öfteren Waschens des Versuchsmaterials und saubersten Arbeitens. 
Bedenkt man aber die Schwierigkeiten, die sich einer absolut sterilen Anzucht 
von Keimlingen entgegenstellen, und überblickt man die komplizierten 
Apparaturen, die gleichwohl einer scharfen Kritik nicht standhielten 
(vgl. 16), so erscheint es unmöglich, derartige Versuche infektionsfrei auf- 
zustellen, wollte man sich nicht die Methode unnütz komplizieren. Auch 
Waschen der Samen mit Sublimat, Verwendung sterilisierten Wassers 
usw. gewährleisten, wie Neuberg und Gottschalk (17) beschreiben, keine 
vollkommene Keimfreiheit der Versuche. 


Nach Beendigung des Versuchs wurde die Flüssigkeit grob abfiltriert, 
die zurückbleibenden Pflanzenreste in 200 bis 300 ccm Wasser auf- 
geschwemmt, kurze Zeit stehengelassen, durch Glaswolle oder feinporige 
Nutsche (ohne Filtrierpapier) filtriert und das Filtrat mit der Versuchs- 
flüssigkeit vereinigt. Diese vereinigten Flüssigkeitsanteile wurden, wie 
früher angegeben, nach Zusatz von 5g festem, gepulvertem Calcium- 
carbonat destilliert. Entsprechend den größeren Aldehydmengen wurde 
nicht eine n/100, sondern eine n/10 Bisulfitlösung (NaH SO,) vorgelegt, 
die mit n/10 Jod zurücktitriert wurde. 


Am Wesentlichen der früher (1) beschriebenen Aufarbeitung hat sich 
also, wie man sieht, nichts geändert, da sie sich nach wie vor gut bewährte. 
Besondere Beachtung mußte nur wieder dem Umstand geschenkt werden, 
daß die Pflanzenextrakte beim Destillieren stark schäumen. Das wäre an 
und für sich belanglos, doch dürfen keine Anteile mit übergehen, da sonst 
das Bisulfit verdorben wird. Besonders stärker alkalische Lösungen sind 
recht unangenehm zu behandeln; das fällt damit weg, daß Sulfitversuche 
ein Extrahieren mit Soda überflüssig machen, kurzes Digerieren (14 Stunde) 
der fein zerriebenen Keimlinge mit kaltem Wasser genügt, da die Aldehyd- 
Sulfitverbindung im Gegensatz zur Aldehyd-Dimedonverbindung in Wasser 
leicht löslich iss. Damit ist aber das Schäumen noch nicht behoben. Radikale 
Eiweiß-(Lipoid-)fällungen mit BaCl,, Tannin, HgCl,, CuSO, usw. sind, wie 
früher auseinandergesetzt wurde, nicht anwendbar. da sie adsorptiv Aldehyd- 
kondensationsprodukte mitreißen. Sehr klare Lösungen bekommt man mit 
dem von Neuberg (18) empfohlenen Eisenhydroxyd (Ferrum hydrooxydatum 
dialysatum) in alkalischer Lösung. Calciumcarbonat ist zu schwach, setzt 
sich übrigens zu basischem Eisencarbonat um, das brockig ausfällt; man 
muß stärker, mit Lauge, alkalisieren, was aber nötig macht, vor der Destil- 
lation, die nur in schwach alkalischem Medium (CaCO,) gute Werte gibt, 
zu neutralisieren ; und dieses Neutralisieren ist ohne enorme Schaumbildung 
unmöglich. Recht brauchbare Fällungen wurden durch Zusatz von ge- 
sättigtem Kalkwasser und vorsichtiges Zutropfen von Schwefelsäure erzielt: 
der feinkristallinisch ausfallende Gips wirkt klärend, ohne daß man eine 
kolloidale Adsorption zu befürchten braucht. Die Schwefelsäure zerlegt 
aber auch das Sulfit, und das gelöste, beim Destillieren übergehende SO, 
ist für die Titration nicht gleichgültig. Von diesen Versuchen wurde die 

Biochemische Zeitschrift Band 169. 32 


486 K. Pirschle: 


Gewohnheit beibehalten, vor dem Destillieren mit Gipspulver (feinst ge- 
mahlener Alabastergips) zu schütteln, womit also derselbe klärende 
Niederschlag erreicht wird, den Neuberg und Reinfurth (19) durch Fällung 
überschüssigen Sulfits mit Ca Cl, erzielen. Das ersetzt zwar nicht den in 
der Flüssigkeit erzeugten Niederschlag, ist auch nicht durchaus nötig (Fett- 
samen schäumen relativ wenig), befördert aber das Absetzen der kleinen 
Partikelchen (Zellfragmente usw.), von denen die halbwegs klare über- 
stehende Flüssigkeit in den Destillationskolben abgegossen, mit Kalk ver- 
setzt und destilliert wird. 


Versuchsergebnisse. 


Um überflüssige Zahlen zu vermeiden, sind im folgenden nur 
angegeben: Erste Kolonne: Joddifferenz bei der Rücktitration der 
Vorlage in Kubikzentimetern n/10 Jod (korr.); zweite Kolonne: Ausfall 
der Piperidin-Nitroprussidnatriumreaktion (durchwegs tief violette 
Färbung); dritte Kolonne: Milligramm Acetaldehyd, berechnet für 
100g Keimlingsfrischgewicht ; vierte Kolonne: Milligramm Acetaldehyd, 
berechnet für 100g Samen. 


Sonnenblume, Helianthus annuus. 14 Stunden, 32°. 


Kontrolle... .. . . 0,99 0 — — 
Sulfit . . . . 2 2... 8,89 NN N 43,5 85,8 
Kontrolle . . . ... 0,89 0 — — 
Sulfit. . . 2.» 2.2. 8,70 xxx 42,9 85,9 
Lein, Linum usitatissimum. 16%, Stunden, 33°. 
Kontrolle . ..... 3,25 0 — — 
Sulfit. a‘ 6,94 xxx 33,53 81,2 
Kontrolle . .... 3,20 0 — — 
Sulfit. . . 2. 2 2.02. 6,94 NN NM 32,9 82,2 
Hanf, Cannabis sativa. 151%, Stunden, 31°. 
Kontrolle . . . ... 2,12 0 — — 
Sulfit . . +... er % , 3,62 x xX 16,5 33,0 
Kontrolle . .... 1,74 0 — — 
Sulfit. . . 2. 22 .. 3,25 xx 22,2 33,2 
Raps (Rübsen), Brassica Rapa f. oleifera. 18%, Stunden, 33°. 
Kontrolle . . .... 0,71 0 — — 
Sulfit. . . . 2 2... 5,12 xxx 38,8 97,0 
Kontrolle . . . .. . 0,51 0 — — 
Sulfit. . ». 2 22 .. 5,02 xX XxX 39,7 99,2 
Rettig, Rhaphanus sativus. 19 Stunden, 30°. 
Kontrolle . . . ... 1,64 0 — — 
Sulfit éi . De A 4,16 XXX 27,7 55,4 
Kontrolle . . .... 0,98 0 — 


Sulfit. `, 22... 3,72 xxx 30,1 50,3 








Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. 487 


Kürbis, Cucurbita pepo. 20%, Stunden, 30°. 


Kontrolle . . . ... 1,44 0 — — 
Sulfit. e 4,83 xxx 22,4 74,6 
Kontrolle . . .... 1,44 0 — — 
Sulfit. . . 2 2 2.2. 4,62 xxx 20,9 69,9 


Damit erscheint die Bildung von Acetaldehyd, und zwar in recht 
beträchtlichen Mengen auch für die Fettsamen sichergestellt, und es 
bleibt nur noch zu erörtern, woraus der Aldehyd sich bildet. Am nächst- 
liegendsten ist die — berechtigte — Annahme, daß er bei der Veratmung 
des Zuckers entsteht, in den, wie früher auseinandergesetzt, das zunächst 
in Glycerin und Fettsäure gespaltene Fett übergeht. Dieser Zucker 
wird teils als Baustoff zum Wachstum des Keimlings verwendet, zum 
weitaus größeren Teile aber veratmet. Und daß eine Veratmung (oder 
Vergärung) von Zucker nach dem Neubergschen Schema über Acet- 
aldehyd geht, ist keine Hypothese mehr, sondern experimentell fest 
begründete Tatsache. 


Bleibt nur die Frage übrig, wie die Hexosebildung aus Fett erfolgt, 
genauer gesagt, wie die Zuckerbildung aus dem Gemisch von Glycerin 
und Fettsäure vor sich geht, zu dem das ursprüngliche fette Öl (Reserve- 
fett) enzymatisch, durch Lipasewirkung, hydrolysiert wird. Diese 
Spaltung des Neutralfetts geht bei der Keimung sehr rasch vor sich; 
in 3 bis 4 Tage lang gekeimten Fettsamen konnte Muntz (14) bereits 
95 bis 98 Proz. (des Ätherextrakts = Gesamtfett) an freien Fettsäuren 
nachweisen. Das Glycerin verschwindet rasch, so rasch, daß es sich 
niemals in nachweisbaren Mengen anhäuft. Langsamer folgen die 
Fettsäuren, die aber auch nicht als solche, sondern als Zucker ver- 
arbeitet werden. Und nicht nur bei der Veratmung dieses Zuckers, sondern 
auch beim Übergang der Fettsäuren in den Zucker dürfte der Acetaldehyd 
eine Rolle spielen, soweit man auch hier aus dem umgekehrten Vorgang, 
nämlich der physiologischen Synthese von Fetten, Schlüsse ziehen 
kann. Nach Neuberg und Arinstein (20) bilden Buttersäurebakterien 
Buttersäure, Kapron-, Kapryl- und Kaprinsäure aus Zucker über Acet- 
aldehyd, eine sehr wichtige Feststellung, da hier zum erstenmal gezeigt 
wurde, wie leicht wenigstens gewisse Mikroorganismen — und es ist 
nicht einzusehen, warum sich die höhere Pflanze anders verhalten 
sollte — über die Stufe des Acetaldehyds den Sprung von der Dreier- 
reihe (in der Kohlenstoffgruppierung) der Zucker zur Vierer- oder 
Zweierreihe der natürlichen Fettsäuren vollziehen. Haehn und Kint- 
tof (21) beobachteten ‚„Verfettung‘‘, also Fettbildung, bei Endomyces 
vernalis, wenn mit Alkohol oder Acetaldehyd gefüttert wurde; Acet- 
aldehyd wurde mit Sulfit abgefangen, die Verarbeitung des Alkohols 
über Acetaldehyd wird ausdrücklich betont. In beiden Fällen scheuen 

32* 


488 K. Pirschle: 


sich die Autoren nicht, dem Aldehyd die zentrale Rolle zuzuschreiben, 
da durch Aldolkondensation die Bildung der Fettsäuren auch chemisch 
leicht verständlich wird. Ähnliche Erwägungen veranlassen auch 
Franzen (22), die höheren Aldehyde, wie man sie nicht selten in Blättern 
und dergleichen findet, ganz entschieden als Zwischenglieder bei der 
Fettsynthese anzusprechen. Der Gedanke der Fettsäurebildung aus 
Glucose über Acetaldehyd und Aldolkonsation ist von Buchner und 
Meisenheimer (23) schon klar präzisiert worden; im Gegensatz zu 
Fischer (24), der direkt von der Glucose bzw. Glycerose ableitet, aber 
in Übereinstimmung mit Nencki (25), der auf tierphysiologischem 
Gebiet die ganz durchsichtig und klar erscheinende Reihe: Glucose — 
Milchsäure — Acetaldehyd — Aldo] — Fettsäure aufstellt. Womit die 
Frage berührt wird, ob nicht auch hier die Untersuchungen der Tier- 
physiologen eine fruchtbare Basis schaffen könnten, die speziell in 
puncto Fettabbau — um von der Fettsynihese wieder auf den vor- 
liegenden Fall zurückzukommen — schon weit vorgeschritten sind, 
wenn sie sich auch noch auf dem Gebiet von Hypothesen bewegen. 
Allerdings von Hypothesen, die auch für den Pflanzenphysiologen 
nichts Befremdendes haben, da es nicht schwer sein dürfte, zwischen 
Körpern wie Essigsäure oder Acetessigsäure und Acetaldehyd Be- 
ziehungen zu finden, da auch für die Pflanze eine Kondensation des 
der Essigsäure isomeren Glykolaldehyds zu Zucker nicht unmöglich 
erscheint und da schließlich eine Zuckerbildung aus Formaldehyd — 
der hier durch Reduktion von Ameisensäure entstünde — der normale 
Vorgang bei der Kohlensäureassimilation ist (27). Es sei diesbezüglich 
auf die zusammenfassende Darstellung von Porges (26) verwiesen, 
denn es wäre müßig, derartigen Spekulationen nachzugehen, bevor 
eine experimentelle Grundlage geschaffen ist. Daß Acetaldehyd ein 
Zwischenglied zwischen Fett und Zucker darstellt, ist ja mit vor- 
stehender Arbeit nicht erwiesen, sondern nur als wahrscheinlich dis- 
kutiert worden. 


Zusammenfassung. 


Auch aus keimenden Fettsamen konnte mit Hilfe geeigneter 
Abfangmittel (wegen der leichteren Aufarbeitung wurde nur Natrium- 
sultit verwendet) Acetaldehyd, und zwar in relativ beträchtlichen 
Quantitäten, isoliert werden. 


Zweifellos ist dieser Acetaldehyd das normale Atmungszwischen- 
produkt bei der Veratmung des zunächst aus dem Reservefett ge- 
bildeten Zuckers. Doch wird als wahrscheinlich auch die Frage diskutiert, 
ob nicht die Umwandlung des Fettes in den Zucker über Acetaldehyd 
geht. 





Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. 489 


Literatur. 


1) Klein und Pirschle, diese Zeitschr. 168, 340, 1926. — 2) Fleury, 
Ann. de Chim. et Phys. 4, 38, 1865. — 3) Leclere du Sablon, C. r. acad. Paris 
117, 524, 1893.; 119, 610, 1894. — 4) Maquenre, ebendaselbst 127, 625, 1898. 
— 5) Kostytschew, Pflanzenatmung. Berlin, Springer, 1924. — 6) Godlewski, 
Jahrb. f. wiss. Bot. 13, 491, 1882. — 7) Bonnier und Mangin, in Benecke- 
Jost, Pflanzenphysiologie 1, 337. Jena, Fischer 1924. — 8) Sachs, Bot.-Ztg. 
17, 177, 1859. — 9) Iwanow, Jahrb. f. wiss. Bot. 50, 375, 1912. — 10) Der- 
selbe, Beih. Bot. Zentralbl. 28, 159, 1912. — 11) Liaskowski, nach Kostyt- 
sche, l. c. — 12) Grafe und Vouk, diese Zeitschr. 48, 426, 1912; 47, 320, 
1912. — 13) Fischer, Cohns Beitr. z. Biol. d. Pflanzen 8, 53, 1902. — 
14) Muntz, Arch. de Chim. et de Physique 22, 472, 1871. — 15) Neuberg, 
Zeitschr. f. Bot. 11, 180, 1918. — 16) Klein und Kisser, Die sterile Kultur 
der höheren Pflanzen. Bot. Abh. (herausgegeben von Goebel). Jena, 
Fischer, 1924. — 17) Neuberg und Gottschalk, diese Zeitschr. 160, 256, 1925. — 
18) Neuberg, diese Zeitschr. 24, 424, 1910. — 19) Neuberg und Reinfurth, 
ebendaselbst 89, 390, 1918. — 20) Neuberg und Arinstein, ebendaselbst 
117, 269, 1921. — 21) Haehn, Zeitschr. f. techn. Biol. 9, 217, 1921; Haehn 
und Kinttaf, Ber. d. chem. Ges. 56, 439, 1923. — 22) Franzen, Zeitschr. 
f. physiol. Chem. 112, 301, 1921. — 23) Buchner und Meisenheimer, 
Ber. d. chem. Ges. 41, 1910. — 24) Fischer, ebendaselbst 28, 2138, 1909. — 
25) Nencki, nach Ivanow (10), S. 162. — 26) Porges, Ergebn. d. Physiol. 
10, 45 bis 46, 1910. — 27) Klein und Werner, diese Zeitschr. 168, 361, 1926. 


Der Ausdruck für die Reaktion von wässerigen Lösungen. 


Von 
I. M. Kolthoff. 


(Aus dem pharmazeutischen Institut der Reichsuniversität zu Utrecht.) 
(Eingegangen am 19. Januar 1926.) 


Ganz allgemein wird die Reaktion einer Flüssigkeit nach dem 
Vorschlag von Sörensen im py ausgedrückt. Verschiedene Autoren 
haben jedoch Einwände erhoben gegen diese Ausdrucksweise und 
haben versucht, einen mehr rationellen Ausdruck zu geben. 

Die wichtigsten Einwände, welche man gegen den Sörensenwert 
erhoben hat, sind: 

1. Bei abnehmendem py nimmt die reelle Acidität zu, was besonders 
für nicht Eingeführte in der Nomenklatur verwirrend wirkt. Man 
könnte dieser Ungeschicklichkeit natürlich vorbeugen, indem man die 
Reaktion nicht in — log [H*], sondern in + log [H*] ausdrücken 
würde. In dieser Weise erhält man immer negative Werte, was für 
eine bequeme Schreibweise nicht angenehm ist. Ich möchte so eine 
Änderung daher nicht empfehlen, auch darum nicht, weil man sich 
an den Sörensenschen Ausdruck sehr schnell gewöhnt. 

2. Das pe gibt uns gar keinen Anhalt für die „wahre Reaktion“ 
einer Lösung. Letztere wird nämlich nicht nur von der Wasserstoff- 
ionenkonzentration bestimmt, sondern auch von der Konzentration 
der Hydroxylionen. Die Änderung der Reaktion von der sauren nach 
der alkalischen Seite wird vom Ge nicht zum Ausdruck gebracht. Ich 
komme hierauf unten näher zurück. 

Die Autoren, welcheeine Änderung der Ausdrucksweise vorgeschlagen 
haben, wünschen nun die Reaktion in der Weise festzulegen, daß sie 
positive Werte hat bei saurer Reaktion, negative Werte bei alkalischer 
Reaktion und Nullist beim neutralen Punkte, wo [H*] gleich [OH] ist. 

So hat schon Wherry!) eine Reaktionsskala hergestellt, deren 
Werte von der Ionisationskonstante des Wassers abhängig sind. Ist 
letztere 10714, so ist bei pe = Don = 7 die Reaktion gleich 0. Ist 
Pa = 6, so ist die Reaktion + 1, bei pa =5 ist die Reaktion + 2, 
bei pe = 8 — 1 usw. Hier hat man also auch eine logarith- 


1) E. T. Wherry, Journ. Wash. acad. Science 9, 305, 1919. 


I. M. Kolthoff:: Ausdruck für die Reaktion von wässerigen Lösungen. 491 


mische Ausdrucksweise. W.M.Clark!) hat diese Festlegungsweise 
der Reaktion nicht annehmen wollen, und ich weise auf die Polemik 
zwischen den genannten Autoren hin, wobei ich mich ganz den Aus- 
führungen von Clark anschließe. E.Derrien und G. Fontès?) haben 
ohne Kenntnis der Veröffentlichung von Wherry eine völlig analoge 
Ausdrucksweise der Reaktion vorgeschlagen. 

Rationeller ist der Vorschlag, der neuerdings von D.Giribaldo®) 
in dieser Zeitschrift gemacht worden ist. Er drückt die wirkliche, 
aktuelle Reaktion durch das Verhältnis von [H*] und [OH] aus. 
Diese Relation nennt er r. 

Weil es nun nützlich ist, sich der Logarithmen der numerischen 
Werte zu bedienen, wird die Reaktion durch log r ausgedrückt, und 
zwar ist: 


log r = log [H+] — log [OH]; 


durch Einführung der Ionisationskonstante K,, des Wassers findet 
man dann: 


log r = 2 log [H*] — log KA 


In dieser Weise findet man, wenn K „ = 10714 ist, bei pe = ô, 
daß logr = + 2 ist (oder das Verhältnis [H*]: [OH] = 100); bei 
Pa = 8 log r = — 2 usw. 

Einen großen Nachteil dieser Ausärucksweise finde ich darin, 
daß die Reaktionsskala für jede Temperatur verschieden ist, weil 
Ky,o sich ändert. Nun findet man im Schrifttum für Eu o bei den- 
selben Temperaturen verschiedene Werte angegeben, so daß es vor- 
kommen kann, daß der eine Autor bei derselben Temperatur eine 
andere Skala verwendet als der andere. Als anderer Nachteil gilt, daß 
man mit den Zahlen der neuen Ausdrucksweise nie mathematische 
Ableitungen machen kann. Bei physiko-chemischen Rechnungen 
muß man sie immer auf eine Ionenkonzentration zurückführen. 


1) W. M. Clark, Journ. Wash. acad. Science 11, 199, 1921; Wherry 
and E.Q. Adams, ebendaselbst 11, 197, 1921. 

2) Derrien und Fontès, C. r. soc. biol. 92, 503, 1925. 

3) D. Giribaldo, diese Zeitschr. 168, 8, 1925. 

t) Bei der Ableitung der Gleichungen sind in der Mitteilung von 
Giribaldo einige Fehler eingeschlichen. Oben S. 10 steht: 


[H*] 


log Kw = log 0H] = log [H+] — log IO H7]; 
soll sein 
log Ky = log [H+] + log [0 H7]; 
und 
log r = log [H+] — log K, 
soll sein 


log r = 2log [H+] — log Ky (oder logr = pp,o— 2 Del, 


492 I. M. Kolthoff: 


Als großer Vorteil wird von Giribaldo (und auch von Wherry) 
angegeben, daß die Reaktion beim wahren Neutralpunkt wirklich 0 
ist, positiv wird bei saurer Reaktion, negativ bei alkalischer Reaktion. 
Giribaldo schreibt z. B.: „Das ist wichtig für die Biologie und die anderen 
angewandten Wissenschaften‘ und (oben, S. 11): „Bei der Methode 
von Sörensen zeigt nichts an, daß eine so wichtige Änderung (von sauer 
zu alkalisch) vor sich gegangen ist: Die Variation von De ist nicht größer 
als in anderen Gebieten der Acidität und Alkaleszenz“. 


Dagegen möchte ich jedoch die Bemerkung machen, daß der Punkt 
„neutrale Reaktion“ gar keine exakte Bedeutung hat für die Biologie und 
angewandte Wissenschaften. Sehr oft schreibt man dem py = 7 = Don 
eine besondere Bedeutung zu, was nur für ganz reines Wasser richtig 
ist, weil hier die Reaktion wirklich von der Dissoziation des Wassers 
beherrscht wird. In Mischungen, welche in der Biologie usw. verwendet 
wurden, spielt diese Dissoziation des Wassers jedoch keine aktuelle 
Rolle bei der Festlegung der Reaktion. 


Will man nun, wie Giribaldo (und auch Wherry) das gemacht 
haben, zum Ausdruck bringen, daß die wahre ‚Neutralität‘ eine ganz 
besondere Bedeutung hat, so kann dies nur verwirrend wirken. 


Dies kommt z.B. schon zum Ausdruck in der Mitteilung von 
Giribaldo, der daurauf hinweist, daß normales Blut ein py von 7,35; 
bei Coma diabet. ein py von 6,85 hat, was einer Änderung von log r 
von — 0,56 zu + 0,50 entspricht. Aber diese Änderung der Reaktion 
von der alkalischen nach der sauren Seite hat doch gar keine exakte 
Bedeutung. Es ist nur zufällig, daß dabei der ‚neutrale Punkt“ 
passiert wird. 


Im Blute und in vielen anderen biologisch wichtigen Flüssig- 
keiten üben weder die Wasserstoffionen, noch die Hydroxylionen eine 
direkte Wirkung aus. Die Wasserstoffionen regeln doch nur das Gleich- 
gewicht in der Flüssigkeit, und die Änderung der Gleichgewichtslage, 
welche sich mit dem pe ändert, hat nur für die Biologie eine wichtige 
Bedeutung. Ob bei dieser Änderung von py die Reaktion sich von 
der alkalischen nach der sauren Seite hin verschiebt oder umgekehrt, 
hat für die biologischen Prozesse gar keine Bedeutung. 


Dabei habe ich noch einen anderen Einwand gegen die Ausdrucks- 
weise von @tribaldo; nach ihm ändert sich nämlich die aktuelle Reaktion 
einer Lösung proportional dem Quadrat der Änderung der Konzentration 
von H* oder OH”. Wenn nun irgend eine Reaktion in der Weise 
von [H*] beeinflußt wird, daß das Gleichgewicht sich proportional 
mit dieser Konzentration verschiebt, so wird dies von dem Sörensenwert 
in normaler Weise zum Ausdruck gebracht und nicht von der „aktuellen 
Reaktion‘ nach Giribaldo. 


Ausdruck für die Reaktion von wässerigen Lösungen. 493 


Ich möchte daher ausdrücklich empfehlen, den Sörensenwert zu 
behalten und keine neue Ausdrucksweise der Reaktion einzuführen. 


Der Sörensenwert hat doch folgende Vorteile: 


1. Das pa hat eine reelle und aktuelle Bedeutung. Es gibt sofort 
einen Ausdruck von der RE OEN weil 
Da = — log [HÞ] ist. 

Bei allen Problemen, bei denen man den Einfluß der Wasserstoff- 
ionenkonzentration untersucht, kann man den Wert von Pa 
mathematisch sofort verwenden. 


2. Der Ausdruck von Py ist unabhängig von der Temperatur. 


3. Bei der Ausführung von potentiometrischen Bestimmungen 
berechnet man sofort aus der gemessenen elektrometrischen Kraft 
das Dn. 


4. Die Ausdrucksweise gilt universell für alle anderen Ionen. Ño 
spielt z. B. in der Silbertherapie die Silberionenkonzentration eine 
große Rolle. Man kann letztere nun — ebenso wie man das bei Wasser- 
stoffionen macht — in pag ausdrücken. 

Zum Schluß möchte ich nochmals nachdrücklich darauf hinweisen, 
daß dem Begriff ‚neutrale Reaktion“ bei biologischen und anderen 
angewandten Fragen gar kein besonderer Wert beizulegen ist. 


Beeinflussung der Leberzellatmung durch Traubenzuckerzufuhr 
zum Gesamtorganismus. 


Von 
Georg von Martos und Bodo Schneider. 


(Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Berlin.) 
(Eingegangen am 19. Januar 1926.) 


Die vorliegenden Untersuchungen beschäftigten sich mit dem 
Verhalten der Atmung, und zwar der Atmung überlebenden Leber- 
gewebes. Unsere Versuchsanordnung geht dabei von klinischen und 
experimentellen Feststellungen aus, daß gemäß der zentralen Stellung 
des Kohlehydratumsatzes diejenigen Faktoren am ehesten den Stoff- 
haushalt im allgemeinen und die Tätigkeit der Leberzellen im besonderen 
abändern werden, die in mehr oder weniger direkter Beziehung zum 
Zuckerhaushalt stehen, und daß bei solchen Einwirkungen (z. B. Zufuhr 
von 20 bis 50 g Traubenzucker per os) lange dauernde Nachwirkungen 
auf den Blutzuckerspiegel, den Gaswechsel, den Bilirubinspiegel des 
Blutserums usw. zu beobachten seien (Arnoldi). Die Leber wirkt bei 
der Ablagerung und Mobilisierung des Zuckers, überhaupt bei der 
Regulierung des Kohlehydrathaushbalts, in hervorragender Weise mit. 

Deshalb haben wir auch das Verhalten gerade dieses Organs nach 
Zuckerzufuhr untersucht. Änderungen der Lebertätigkeit werden mit 
Wahrscheinlichkeit auch von Änderungen der Leberzellenatmung 
begleitet sein, zumal ja die Zellatmung als die Voraussetzung jeglicher 
Zelltätigkeit anzusehen ist. Es war daher denkbar, daß nach Zufuhr 
kleiner Mengen von Traubenzucker in den unversehrten G’esamtorganismus 
viele Stunden später noch Änderungen der Atmung der überlebenden 
Leberzellen nachweisbar wären. Dies trifft (vgl. unten) in der Tat zu. 

Einem Einwand wollen wir hier gleich begegnen, um nicht miß- 
verstanden zu werden. Es ist bekannt, daß die Leberzellen sehr bald 
nach der Herausnahme aus dem Organismus ihre Tätigkeit verändern. 
Sie überleben, wie man annimmt, nicht lange. Wir wollen daher nicht 
von Versuchen an überlebenden Leberzellen sprechen, sondern von 
solchen am isolierten Organgewebe bzw. am Leberbrei. 





G. v. Martos u. B. Schneider: Beeinflussung der Leberzellatmung usw. 495 


Zur Feststellung der Atmung isolierten Organgewebes stehen uns 
verschiedene Methoden zur Verfügung. Wir benutzen die von Lipschitz 
angegebene. 


Als Versuchstiere dienen Meerschweinchen von 400 bis 600 g, und 
zwar werden zu jedem Versuch und der dazu gehörigen Kontrolle je 
zwei gleichschwere Tiere (Differenz nicht über 20 g) benutzt. 


Um festzustellen, ob Traubenzucker die Zellatmung beeinflußt, 
haben wir zwei verschiedene Wege eingeschlagen: 


l. Den Meerschweinchen wird l ccm einer 4proz. Traubenzucker- 
lösung intracardial eingespritzt. 


2. Zum Leberbrei eines unvorbehandelten Tieres wird 4proz. 
Traubenzuckerlösung zugesetzt. 


Die Methodik der Untersuchung ist folgende: 


Im ersten Versuch, den wir durchführten, erhält ein Meerschweinchen 
l ccm einer nicht genau titrierten Traubenzuckerlösung intracardial injiziert. 
Im zweiten Versuch erhält das Meerschweinchen 1 ccm einer 20proz., bei 
allen späteren Versuchen jedoch Leem einer 4proz. (blutisotonischen) 
Lösung von Traubenzucker. Das Tier wird dann nach verschieden langen 
Zeiten nach der Einspritzung getötet. Die Leber möglichst steril heraus- 
genommen und im ebenfalls sterilen Latapie zu Leberbrei zerkleinert. 
1 g des Breies wird abgewogen und im Reagenzglas der Versuch mit dieser 
Menge angestellt. Gleichzeitig wird ein Kontrolltier (unvorbehandelt) 
getötet und der von ihm gewonnene Leberbrei (gleiche Menge) angesetzt. 
Vorher aber wird einem weiteren Gramm Leberbrei (nicht titrierter, etwa 
10 bis 20 proz.) Traubenzuckerlösung zugesetzt und im übrigen genau so 
behandelt wie die anderen Proben. 


Die Messung der Sauerstoffatmung wird gegen Niüro-Anthrachinon in 
der Sörensenschen Pufferreihe vorgenommen. Wir stellten uns vorher eine 
Pufferreihe in der Breite von 6 bis Spe in Abständen von je 0,2 pp auf. 
Dann gaben wir in jedes Röhrchen je 5 ccm dieser Pufferreihe zu 1g Leber- 
brei und 1 cem Nitro-Anthrachinonlösung. Es mußte zunächst festgestellt 
werden, bei welchem pe das Optimum der Sauerstoffatmung liegt. Dieses 
Optimum wurde bei pe 7,8 festgestellt und die Versuche bei diesem Atmungs- 
optimum ausgeführt. Die Nitro-Anthrachinonlösung wird folgendermaßen 
zubereitet: 


l g Nitro-Anthrachinon wird mit 10 ccm Wasser versetzt und auf- 
gekocht, filtriert (um die Trübung zu beseitigen) und dann, um es steril 
zu bekommen, nochmals gekocht. Die Lösung hat zunächst eine gelbe 
Farbe, die sich in Rot umwandelt, wenn das Nitro-Anthrachinon sich zu 
Amido-Anthrachmon infolge von O,-Abgabe reduziert. 


Nachdem sämtliche Gefäße, Latapie und Instrumente sterilisiert 
waren, werden beide Tiere gleichzeitig getötet. Die Leber wird zu Gewebe- 
brei in Latapie vermahlen und dann je l ccm in Röhrchen gebracht, die 
öcem Puffer enthalten. Wenn alle Röhrchen gefüllt sind, wird lccm 
von der Anthrachinonlösung zugesetzt und auf 1 Stunde in den Thermo- 
staten gebracht, nachdem die Röhrchen gründlich durchgeschüttelt sind. 
Zur Ablesung haben wir den Walpoleschen Komparator unter Benutzung 


496 G. v. Martos u. B. Schneider: 


einer Farbenskala benutzt. Die Farbenskala haben wir folgendermaßen 
gewonnen : 


Vollständig reduziertes Anthrachinon, also Amido-Anthrachinon, wird 
mit Wasser verdünnt. Je nach dem py der Verdünnungsflüssigkeit ist die 
Farbe dieser Lösung eine verschiedene. Deshalb wurde eine breite Reihe 
von zugeschmolzenen Vergleichsröhrchen für den Gebrauch im Komparator 
(zum Vorschalten) hergestellt, und zwar eine Reihe mit pe = 5,0 bis 
De = 09,1 mit im ganzen 20 Zwischenstufen. 

Dadurch erhielten wir eine Farbenskala zwischen Gelb und intensiv 
Rot mit sehr zahlreichen Zwischenstufen (Differenz pe = 0,1). 


Mit dieser Methodik werden die Versuche mit Ausnahme des 
ersten durchgeführt. Beim ersten Versuch wird nicht eine bestimmte 
Breimenge in die Reagenzgläser gebracht, sondern 5g des Breies in 
15ccm Wasser aufgeschwemmt. Doch hatte sich dieses Vorgehen 
nicht bewährt, denn es stellte sich heraus, daß nicht immer gleiche 
Mengen von Leberbrei in die verschiedenen Röhrchen durch die 
Pipettierung gelangen. Wir konnten das um so leichter feststellen, 
nachdem wir vorsichtshalber Röhrchen ausgesucht hatten — durch 
vorheriges Einpipettieren von 10 ccm Wasser —, die bei Einfüllung 
gleicher Volumina einen Meniskus in gleicher Höhe aufweisen. 


Im übrigen sind die Versuche aus der hier folgenden Tabelle er- 
sichtlich. 


Oxydation von Leberbrei. 






































6 |a) vorbehandelt | 1ccm 4proz. | 24h 


bei der Kontrolle. 
b) Kontrolle — = 


1 : e S 
u D : | Gg EE: 
Z || Mit Traubenzucker | Intrecardial |3. = S S EE seS 
a i rt ge ob, „Fe Oxydati öße 
KE vofoenandeltes Traubenzucker Ce Re keet | D tege er bei 
2 leicht Ee „3% d S SS? S 53 klaren Auf- 
$ Tier (Kontrolle) aiia | GEZ? Š Bas Nast schwenmmungen) 
u el “a GE) SEN 
l m Wer WEE SS l ccm untitriert| 1535’ | 40' EN | reg stärkere Roming 
er Kon 
b) Kontrolle | — | — 35 — 
| i 
2 lla) vorbehandelt ` 1 ccm 2proz.| 1540" 40 ` (hän 3,00 
b) Kontrolle — | — 40 1 30 1,50 
desgleichen nachträglicher | — 565 1 30 1,75 
Zuckerzusatz ? 
zum Leberbrei 
d a) vorbehandelt | 1 ccm 4proz. 1lh15'! 90 1 | 2,90 
b) Kontrolle — — 50 l | 1,40 
4 ; h 55 h 20’ Deutlich stärkere Rö 
ai vorbehandelt | 1 ccm 4proz 3h55 40 |1h20' | ve e e Olai 
"bi Kontrolle — Ze 40 1 2% | — 
5 al vorbehandelt | 1cem 4proz. | 24h 50 |1 10 3,50 
b) Kontrolle | — :! 50 |1 10: 1,70 
desgleichen | nachträgliche | — | 50 |1 10 | 1.90 
| Zusatz von j 
| 0,008 g Zucker f 
| zu lg Leberbrei | i 


45 |1 15 u stärkere Rötung 
45 |1 15 | 





Beeinflussung der Leberzellatmung durch Traubenzuckerzufuhr. 497 


Es ergibt sich also, daß das Lebergewebe von Tieren, die mit Trauben- 
zucker vorbehandelt waren, ein erhöhtes Oxydationsvermögen besitzt, und 
zwar atmet es etwa doppelt soviel als der Leberbrei des unvorbehandeiten 
Tieres. 

Nach 24 Stunden nochmals abgelesen, hat die Gesamtflüssigkeit 
eine noch tiefere rote Farbe, d.h. der Titer hat sich natürlich ver- 
schoben, aber das Röhrchen mit dem Leberbrei des mit Zucker vor- 
handelten Tieres hat doppelt soviel O, verbraucht als der Leberbrei 
des nicht vorbehandelten Tieres. 


Literatur. 


Lipschitz, Med. Klin. 49, 1920. — Lipschitz und Herzberg, Pflügers 
Arch. 188, 275, 1920. — Bieling, Zeitschr. f. Hygiene 100, 270. — Neuberg, 
Gottschalk und Strauss, Deutsch. med. Wochenschr. 46, 1923. — Abderhalden, 
Klin. Wochenschr. 1922. — Berczeller, diese Zeitschr. 90. — Abderhalden, 
Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 21, 22, 1920. — Ryffels, Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 129. — Rona und Grasheim, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 170. — 
Ellinger und Landsberger, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 128. 


Einige Beiträge 
zur Chemie des auf dem Höhepunkt der Insulinwirkung 
beobachteten Blutzuckers. 


Von 
Zoltän Ernst und Julius Förster. 


(Aus der I. medizinischen Klinik der k. ungar. PAzmäny-Pöter-Universität 
in Budapest.) 


(Eingegangen am 22. Januar 1926.) 


Es ist bekannt, daß bei den auf der Reduktion der Kupfersalze 
beruhenden Bestimmungsmethoden des Blutzuckers nicht nur die 
Menge der Glucose, sondern gleichzeitig auch die Gesamtmenge der 
übrigen reduzierenden Substanzen bestimmt wird. Hierauf hat Paul 
Mayer (1) die Aufmerksamkeit gelenkt, der im Blute das Vorkommen 
der Glucuronsäure entdeckt hat. Sodann befaßte sich Feigl (2) ein- 
gehend mit diesen reduzierenden Substanzen und wies auf die Rolle 
der Harnsäure, des Kreatinins und der Aminosäuren hin. Später 
zeigte Stepp (3), daß auch im menschlichen Blute Glykuronsäuren stets 
vorhanden sind; es gelang sogar, im Blute — besonders in dem der 
Diabetiker — aldehydartige Substanzen nachzuweisen. Die ver- 
schiedenen zur Ausfällung der Eiweißkörper dienenden Methoden 
entfernen einen Teil dieser Substanzen, doch kann die vollständige 
Isolierung des Zuckers auf diese Art nicht erfolgen. Auf das Vorhanden- 
sein dieser reduzierenden Substanzen weist der Umstand hin, daß Blut- 
zuckerwerte, die durch Polarisation oder Gärung bestimmt wurden, 
niedriger sind als die durch Reduktion gewonnenen Werte. 

Solche Untersuchungen wurden von vielen angestellt; doch während 
einzelne Verfasser, wie Takahashi und Oppler (6) (7) der Meinung sind, daß 
die durch Polarisation und Reduktion gewonnenen Werte miteinander 
übereinstimmen, lenkt Stepp (4) in seinen neueren Untersuchungen die 
Aufmerksamkeit nachdrücklich auf die nicht glucoseartigen reduzierenden 
Substanzen. Stepp (5) untersuchte das im Vakuum eingedampfte Filtrat 
des mittels Phosphorwolframsäureeiweißfreigemachten Blutesdurch Gärung, 
Polarisation und Reduktion und beobachtete dabei, daß, während die 


Resultate der Polarisation und der Gärung ganz übereinstimmend sind, 
die Reduktion zuweilen übereinstimmende. doch oft viel höhere Werte 


Z. Ernst u. J. Förster: Blutzucker. 499 


ergibt. So beträgt z. B. in den drei normalen Fällen der von ihm mitgeteilten 
Tabelle II der Unterschied zwischen den einesteils durch Reduktion, 
anderenteils durch Polarisation und Gärung gewonnenen Blutzucker- 
werten 0,031, 0,073 und 0,044 Proz.; auch bei Diabetes gibt es ähnliche 
Unterschiede. Seines Erachtens liegen die wirklichen Blutzuckerwerte um 
20 bis 30 Proz., manchmal sogar um 50 Proz. niedriger als die durch die 
Reduktionsmethode bestimmten Werte. 


Bei pathologischen Prozessen ist — besonders bei niedrigen Blut- 
zuckerwerten — im Verhältnis der Glucose zu den nicht zuckerartigen 
reduzierenden Substanzen eine vielleicht noch größere Verschiebung 
zu gewärtigen. Aus diesem Grunde untersuchten wir in unserer vor- 
liegenden Arbeit das Verhältnis zwischen der Glucose und den nicht 
zuckerartigen reduzierenden Substanzen im Blute des durch Insulin 
hypoglykämisch gemachten Organismus. Nach Verabreichung von 
Insulin kann der Blutzucker des Kaninchens auf 0,04 Proz. und auch 
niedriger sinken. Da laut Stepps (5) Untersuchungen die Menge der 
nicht zuckerartigen reduzierenden Substanzen auch 0,03 bis 0,07 Proz. 
betragen kann, konnten wir annehmen, daß der in hypoglykämischem 
Stadium durch Reduktion nachgewiesene ‚‚Blutzucker‘‘ eventuell keine 
Glucose enthält, sondern daß er bloß aus nicht zuckerartigen redu- 
zierenden Substanzen besteht. In diesem Falle könnte man durch 
Polarisation keinen Zucker nachweisen. | 


Wir führten unsere Versuche an Kaninchen aus, denen nach 18stün- 
digem Hungern pro 2 kg Körpergewicht 6 bzw. 8 Einheiten Insulin — 
also eine sehr große Dosis — subkutan injiziert wurde. Nach dem ersten 
Krampfanfall ließen wir das Kaninchen durch die Karotis verbluten. Auf 
diese Art erhielten wir 50 bis 70 ccm Blut, das wir in einem 5 ccm 2proz. 
Ammoniumoxalatlösung enthaltenden Meßkolben auffingen und sogleich 
nach erfolgter Quantitätsbestimmung nach Opplers (7) Methode eiweißfrei 
machten. Wir verdünnten das Blut etwa löfach und vermengten es sodann 
unter ständigem starken Schütteln nach und nach mit einer Lösung der 
frisch zubereiteten 10proz. Kahlbaumschen Phosphorwolframsäure, wovon 
wir beiläufig so viel zusetzten, wie die ursprüngliche Menge des Blutes 
betragen hatte. Die vollständige Eiweißbefreiung wird daraus ersichtlich, 
daß an der Oberfläche der Flüssigkeit — trotz des starken Schüttelns — nur 
einige sehr kleine Blasen herumschwimmen. Wenn die angewandte Lösung 
der Phosphorwolframsäure nicht genügt, so kann man davon nachträglich 
tropfenweise zusetzen. Nachdem die Flüssigkeit einige Minuten gestanden 
hatte, füllten wir sieauf ein bekanntes Volumen auf und filtrierten sie danach. 
Die ganze Prozedur nahmen wir im Halbdunkeln vor, um dadurch die 
Reduktion der Phosphorwolframsäure verhüten zu können. Sodann mengten 
wir dem kristallhellen Filtrat 20 ccm neutraler Bleiscetatlösung bei, 
filtrierten das entstandene Bleisalz der Phosphorwolframsäure, ließen darauf 
durch das Filtrat H,S durchströmen und entfernten nach dem Filtrieren 
des Bleisulfids den H,S-Überschuß mittels Luftdurchströmung. Die 
solcherart gewonnene wasserhelle Flüssigkeit von etwa 500 ccm wurde bei 
niedrigem Druck unterhalb einer Temperatur von 38°C auf ein Volumen 
von 3 bis ccm eingedampft. Während der Eindampfung wurde die Flüssigkeit 


500 2. Emst u. J. Förster: Blutzucker. 


ein wenig trübe, weswegen wir sie — nachdem sie auf 8 bis 10 ccm auf- 
gefüllt worden war — durch ein kleines Filter filtrierten. Wir unter- 
suchten die solcherart gewonnene Flüssigkeit in einer 19,8 cm langen Röhre 
von 5mm Durchmesser mit Hilfe eines Präzisionspolarimeters — dessen 
Empfindlichkeit + 0,01°. betrug — und bestimmten danach die Reduktion 
nach der Bertrandschen Methode in zwei gleich großen Teilen. 


Die bisherigen, auf die beschriebene Art vorgenommenen Unter- 
suchungen ergeben folgende Resultate. 





Glucose | 


berechnet durch | berechnet durch | Differenz 

| Polarisation Reduktion 

Proz. Proz. | Proz. 
1 0,0113 0,0187 0.0074 
2 0,0330 0,0650 0,0320 
3 0,0190 0,0276 0,0800 








Aus diesen Resultaten geht hervor, daß das Blut in dem durch das 
Insulin hervorgerufenen 'hypoglykämischen Zustande — auch bei ganz 
niedrigen Blutzuckerwerten — eine durch Polarisation gut nachweisbare 
Zuckermenge enthält. Der Zucker beträgt 51 bis 76 Proz. sämtlicher 
reduzierenden Substanzen; demnach entsteht zufolge der Verminderung 
der Zuckerkonzentration im Verhältnis des Zuckers zu den nicht zucker- 
artigen reduzierenden Substanzen keine wesentliche Verschiebung. 


Literatur. 


1) P. Mayer, H. 32, S. 518, 1901.— 2) Feigl, diese Zeitschr. 77,189, 1916. 
— 7) Stepp, Zeitschr. f. physiol. Chem. 107, 65, 1919. — 4) Derselbe, diese 
Zeitschr. 107, 60, 1920. — 5) Derselbe, Ergebn. d. Physiol. 20, 108, 1922. — 
6) Takahashi, diese Zeitschr. 87, 101, 1911. — 7) Oppler, Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 64, 263, 1910.- 


Notiz über die Wirkung 
der Oxydoredukase auf Methylglyoxal. 
Von 
A. Lebedew. 
(Aus dem agrikulturchemischen Laboratorium der I. Moskauer Univergität.) 
(Eingegangen am 25. Januar 1926.) 

In meinem letzten Aufsatz, den ich an dieser Stelle!) veröffentlicht 
habe, ist gesagt, daß ich „vorläufig mit Hilfe der Oxydoredukase kein 
positives Ergebnis mit Methylglyoxal erzielt habe“. Neuerlich habe ich 
doch wahrgenommen, daß Methylglyoxal, wenn auch etwa 30 mal schwächer 


ale Glycerinaldehyd, durch Oxydoredukasein Anwesenheit von Methylenblat 
oxydiert werden kann. 


1) Diese Zeitschr. 166, 407, 1925. 


Berichtigung 


In der Mitteilung von G. E. Wladimiroff, diese Zeitschr. 167, 163, 
1926, muß es heißen: Zeile 7 von unten 38,08 (statt 58,80), Zeile 1 
von unten 13,84 und 13,84 (statt 13,94 und 13,94). 


Biochemische Zeitschrift Band 169. 33 


Autorenverzeichnis. 


Adiersberg, D. Die antagonistische 
Wirkung des Insulins und des 


Hypophysenhormons auf den 
Wasserhaushalt. S. 129. 

Bach, A. und K.Nikolajew. Sind 
sauerstoffübertragende Enzyme 


mit wasserstoffübertragenden iden- 
tisch? S. 105. 


Bärlund, Brita s. Artturi I. Virtanen. 
Bakonyi, Stefan. Versuche zur Theorie 


der aceton - äthylalkoholischen 
Gärung. S. 125. 


Behrens, Martin und Nikolai Niko- 
lajewitsch Iwanoff. Neue Versuche 
über die Carboligase. S. 478. 


Bodnár, J. und Irene Villányi. Über 
die Thermostabilität des pflanz- 


lichen Amylasezymogens. ` SL. 
Christomanos, Anastasios A. Zur 
Pharmakologie einiger Benzyl- 
alkohole. S. 344. 
Dingemanse, Elisabeth und Ernst 


Laqueur. Über die Adsorption 
von Giften an Kohle. III. Mit- 
teilung: Über die Verteilung von 
Giften zwischen Magen- bzw. 
Darmwand und Kohle. S. 235. 


Ehrlich, Felix und Friedrich Schubert. 
Über die Chemie der Inkrusten des 
Flachses. 8.13. 

Elion, L. Zur Kenntnis der Acetoin- 
bildung bei der Vergärung von 
Zucker durch Hefe. S. 471. 

Enriques, Eugen und Rudolf Sivo. 
Neues Verfahren zur Bestimmung 
des Bilirubingehaltes von Seren 
und Duodenalsäften. S. 152. 


Ernst, Zotán und Julius Förster. 
Einige Beitrāge zur Chemie des 
auf dem Höhepunkt der Insulin- 
wirkung beobachteten Blutzuckers. 
S. 498. 

Foit, Richard. Eine einfache Methode 
zur raschen und verläßlichen Be- 
stimmung des Stickstoffs im 
Harne und Blute. S. 161. 

Förster, Julius. Die Wirkung des 
Luftdrucks auf den Gaswechsel 
der roten Blutkörperchen. S. 93. 

Förster, Julius s. Zoltán Ernst. 

Fürth, Ott, Bemerkungen zu der Ab- 
handlung von J. Tillmanns und 
A. Alt „Über den Gehalt der 
wichtigsten Proteinarten der 
Lebensmittel an Tryptophan und 
ein neues Verfahren der Trypto- 


phanbestimmung‘“. 8.117. 
Gertz, Otto. Über die Oxydasen der 
Algen. S.435. 


Gutbier, A. und Berta Ottenstein. Über 
einen Schnelldialysator für klini- 
sche Zwecke und für die ärztliche 
Praxis. S. 427. 

Hägglund, Erik, Arne Söderblom und 
Bölge Troberg. Über die Ab- 
hängigkeit der alkoholischen 
Gärung von der Wasserstoffionen- 
konzentration. III. S. 200. 

Hamano, Sadayuki. Photoaktivierung 
von Cholesterin, Fetten und 
anderen Substanzen durch X- 
Strahlen. (Mitgeteilt von Prof. 
U. Suzuki.) S. 432. Í 

Harpuder, Karl. Physikalisch- 
chemische Untersuchungen am 
normalen Knorpel. S. 308. 





Autorenverzeichnis. 


Heller, Józef. Chemische Unter- 
suchungen über die Metamorphose 
der Insekten. III. Mitteilung: 
Über die ‚„subitane‘ und ‚‚latente“ 
Entwicklung. S. 208. 


Irger, Jacques. Zur Frage des Eisen- 


stoffwechsels im tierischen Orga- 
nismus nach der Milzexstirpation. 
S. 417. 


Iwanoff, Nikolai Nikolajewisch s. 
Martin Behrens. 
Jendrassik, L. Beeinflussung der 


Oberflächenspannung durch Ad- 
sorbentien. S. 178. 

Kalwaryjski, Bernard E. Über Samen- 
fädenagglutination unter Einwir- 
kung chemischer Agenzien. S. 355. 

Kaplansky, S. Über die Autolyse 

tierischer Organe bei Zimmer- 
temperatur. S. 245. 

Klein. G.  Aldehydabspaltung aus 
Zuckerarten. S. 132. 

Kleinmann, H. s. P. Rona. 

Khisiecki, A. s. J. K. Parnas. 


Kolthoff, I. M. Der Ausdruck für die 
Reaktion von wässerigen Lösungen 
S. 490. e 

Krebs, H. A. s. P. Rona. 

Kuroda, T. Über den Einfluß der 
Wasserstoffionenkonzentration auf 
die antiseptische Wirkung einiger 
Phenole und aromatischer Säuren. 
S. 281. 


Laqueur, Ernst s. Elisabeth Dinge- 


manse. 
Lasch, Fritz. Resorptionsversuche am 
isolierten, überlebenden Darm. 
I. Mitteilung: Methodik. S. 292. 


--- Resorptionsversuche am isolierten, 
überlebenden Darm. II. Mit- 
teilung: Der Einfluß von Saponin 
auf die Resorption von Calcium. 
S. 301. 

Jebedew, A. Notiz über die Wirkung 
der Oxydoredukase auf Methyl- 
glyoxal. S. 501. 

lustig, B. Versuche über den Eiweiß- 
abbau mit Trypsin unter gleich- 
zeitiger Dialyse. S. 139. 


Rona, P. und H. A. Krebs. 


503 


Mangold, Ernst und Constanze Schmitt- 
Krahmer. Über die Milchsäure- 
bildung bei der Totenstarre glatter 


Muskeln. I. 8.186. ` 
Martos, Georg von und Bodo Schneider. 
Beeinflussung der Leberzell- 


atmung durch Traubenzucker- 
zufuhr zum (Gesamtorganismus. 


S. 494. 


Mosonyi, Johann. Zur Magensalz- 
säurebildung aus den Chloriden 
des Blutes. S.120. 


Mozolowski, W. und J.K. Parnas. 
r eine neue Form der Chin- 
hydronelektrode. S. 352. 


Nikolajew, K. s. A. Bach. 
Ottenstein, Berta s. A. Gutbier. 


Parnas, J. K. und A. Klisiecki. Über 
Ammoniakgehalt und Ammoniak- 
bildung im Blute. IV. Mitteilung: 
Ist im kreisenden Blute Ammoniak 
vorhanden ? S. 255. 


Parnas, J. K. s. W. Mozorowski. 


Pirschle, Karl. Acetaldehyd als 
Zwischenprodukt bei der Keimung 
fetthaltiger Samen. S. 482. 


Rona, P. und H.Kleinmann. Nephelo- 
metrische Untersuchungen über 
fermentative Eiweißspaltung. V. 
S. 320. 

Physi- 
kalisch-chemische Untersuchungen 
über die Isohämagglutiņnation. 
I. Mitteilung: Die Bedeutung der 
Elektrolyte bei der Isohämaggluti- 
nation. 8. 266: 

Rondoni, P. Über die Beteiligung des 
Pyrrols am Aufbau des Melanins. 
Erwiderung auf den Aufsatz ,Pig- 
mentstudien‘“ von Br. Bloch und 
F. Schaaf in dieser Zeitschrift 
Bd. 162, Heft 3/6, 1925. S.149. 


Sbarsky, B. Zur Kenntnis des Mecha- 
nismus der Immunitätserschei- 
nungen. I. Mitteilung: Die Ad- 
sorption des Diphtherietoxins 
durch Meerschweinchen- und 
Rattenerythrocyten. 8.113. 


Schmitt-Krahmer, Constanze s. Ernst 
Mangold. 


504 


Schneider, Bodo s. Georg von Martos. 

Schubert, Friedrich s. Felix Ehrlich. 

Sen, Kshitish Chandra. Über die 
chemische Natur der Adsorption. 
8. 192. 

Serejski, Mark. Über das Wesen des 
Antitrypsins. 8. 249. 

Zeg, Rudolf s. Eugen Enriques. 

Slobodska-Zaykowska, N. Zur Frage 
nach der konservierenden Wirkung 
von Milchhefe auf Milchsäure- 
bakterien. S. 77. 

Söderblom, Arne s. Erik Hägglund, 

Sorochowitsch, S. Über den Ferment- 
gehalt des Blutes bei experimen- 
teller Sympathicotonie. S. 409. 

Starlinger, Wilheim. Über das Ver- 
teilungsverhältnis der Eiweiß- 
körpergruppen in tertiärsyphiliti- 
schen Seren bei positiver Kom- 
plementbindungsreaktion. S. 449. 


Autorenverzeichnis. 


Suzuki, U. a Sadayukı Hamano. 


Troberg, Bölge s. Erik Hägglund. 

Tsakalotos, A. E. Die trypanozide 
Wirkung der Chinaalkaloide in 
vitro. (Zugleich ein Beitrag zur 
Methodik der Abgrenzung spezi- 
fisch-chemotherapeutischer Wirk- 
samkeit von allgemeiner Gift- 
wirkung.) S. 454. 

Utkin-Ljubowzow, L. und Xenia. Eine 
neue Methode zur Bestimmung der 
Serumtryptasen. 8. 100. 

Villänyt, Irene s. F. Bodnár. 

Virtanen, Artturi I. und Brita Bärlund. 
Die Oxydation des Glycerins zu 
Dioxyaceton durch Bakterien. 
S. 169. 

Zaykowsky, J. Über den Einfluß des 
Calciums und der Phosphorsäure 
auf die Milch. S. 67. 





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