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ı Biochemische Zeitschrift
Unter Mitwirkung von
N. Ascoll-Catania, L. Asher-Bern, À. Bach-Moskau, M. Bergmann- Dresden, G. Bertrand-
Paris, A. Bickel- Berlin, F. Blumenthal-Berlin, Fr. Boas- Weihenstephan, A. Bonanni-Rom,
F. Bottazzi- Neapel, G. Bredig - Karlsruhe i. B., WI. Butkewitsch - Moskau, M. Cremer-
Berlin, R. Doerr-Basel, A. Durig- Wien, F. Ehrlich- Breslau, H.y. Euler-Stockholm, S. Flexner-
New York, J. Forssman-Lund, 8, Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, H. Freundlich- Berlin,
E. Friedberger - Greifswald, E. Friedmann - Berlin, E. Fromm - Wien, 0. Fürth - Wien,
F. Haber - Berlin, M. Hahn- Berlin, P. Häri-Budapest, F. Hayduck - Berlin, E. Hägg-
lund - Abo, V. Henri - Paris, V. Henriques- Kopenhagen, R. 0. Herzog- Berlin, K. Hess-
Berlin, W. Heubner - Göttingen, R. Höber - Kiel, M. Jacoby - Berlin, P. Karrer- Zürich,
N. Kochmann - Halle a. S., R. Krimberg - Riga, F. Landolf - Buenos Aires, L. Langstein-
Berlin, E. Laqueur - Amsterdam, 0. Lemmermann - Berlin, E. J. Lesser- Mannheim,
P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann - Budapest, 8. Loewe - Dorpat, A. Loewy - Davos,
H. Lüers - München, Th. Madsen - Kopenhagen, A. Magnus - Lrey-Berlin, J. A. Mandel-
New York, E. Mangold - Berlin, L. Marchlewski- Krakau, P. Mayer - Karlsbad, J. Meisen-
heimer- Tübingen, 0. Meyerhof-Berlin, L. Michaelis-Nagoya, H. Molisch - Wien, H. Mursch-
hauser - Düsseldorf, W. Nernst - Berlin, C. v. Noorden - Frankfurt a. M., W. Omelianski-
Leningrad, W. Ostwald - Leipzig, A. Palladin - Charkow, J. K. Parnas - Lemberg, Th. Paul-
München, W. Pauli-Wien, R. Pfeiffer - Breslau, E. P. Pick-Wien, L. Pincussen - Berlin,
J. Pohl-Breslau, Ch. Porcher-Lyon, D.N.Prianischnikow-Moskau, H. Pringsheim- Berlin,
P. Rona-Berlin, H. Sachs-Heidelberg, §. Salaskin-Leningrad, T. Sasaki-Tokio, B. Sbarsky-
Moskau, A. Scheunert - Leipzig, A. Schlossmann - Düsseldorf, E. Schmitz - Breslau,
§. P. L. Sörensen - Kopenhagen, K. Spiro - Basel, E. H. Starling - London, J. Stoklasa - Prag,
W. Straub - München, K. Suto- Kanazawa, U. Suzuki- Tokio, H.v. Tappeiner - München,
K. Thomas - Leipzig, H. Thoms - Berlin, C. Tigerstedt - Helsingfors, P.Trendelenburg -
Freiburg i. Br, 0. Warburg - Berlin, G. v. Wendt- Helsingfors, E. Widmark - Lund,
W. Wiechowski-Prag, A. Wohl - Danzig, J. Wohlgemuth - Berlin, N. Zelinsky - Moskau.
herausgegeben von
C. Neuberg-Berlin
Hundertneunundsechzigster Band
` Berlin
Verlag von Julius Springer
1926
Druck von Friedr. Vieweg & Sohn Akt.«Ges., Braunschweig.
-S
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I ai e ET TS
Inhalt.
Bodnar, J. und Iréne Villányi. Über die Thermostabilität des pflanz-
lichen Amylasezymogens . . . s.s.s 2 2 2 0 2 200 een.
Ehrlich, Felix und Friedrich Schubert. Über die Chemie der Inkrusten
dés RlachRas = u u... =. wire Baer we
Zaykowsky, J. Über den Einfluß des Calciums und der
säure auf die Milch. . . 2. 2 2 2 En 0 2 2 0 nen
Slobodska-Zaykowska, N. Zur Frage nach der konservierenden Wirkung
von Milchhefe auf Milchsäurebakterien . . . . . s. as 2.2...
Förster, Julius. Die Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der
roten Blutkörperchen . . . . 2 2 2 2 2 2 sosoo oe e
Utkin-Ljubowzow, L. und Xenia. Eine neue Methode zur Bestimmung
der Serumtryptasen . . . . 2 2 ssb soos osseo oo
Bach, A. und K. Nikolajew. Sind sauerstoffübertragende Enzyme
mit wasserstoffübertragenden identisch? . . . . 2 2.2... .
Sbarsky, B. Zur Kenntnis des Mechanismus der Immunitätserschei-
nungen. I. Mitteilung: Die Adsorption des Diphtherietoxins durch
Meerschweinchen- und Rattenerythrocyten . . .. . 2.2...
Fürth, Otto. Bemerkungen zu der Abhandlung von J. Tillmans und
A. Alt „Über den Gehalt der wichtigsten Proteinarten der Lebens-
mittel an Tryptophan und ein neues Verfahren der Tryptophan-
bestimmung“ e . s. s sos an a en Bi ee end
Mosonyi, Johann. Zur Magensalzsäurebildung aus den Chloriden
dəs Blutes. s ër s u 2 2 u. ur a a eh ie ae
Adlersberg, D. Die antagonistische Wirkung des Insulins und des
Hypophysenhormons auf den Wasserhaushalt. . . . 2.2...
Klein, @. Aldehydabspaltung aus Zuckerarten . . o e
Lustig, B. Versuche über den Eiweißabbau mit Trypsin unter gleich
zeitiger Dialyse . . . 2. 2 2. 2 2 22220. er
Rondoni, P. Über die Beteiligung des Pyrrols am Aufbau des Melanins
Enriques, Eugen und Rudolf Sivö. Neues Verfahren zur Bestimmung
des Bilirubingehaltes von Seren und Duodenalsäften . . .. .
Foit, Richard. Eine einfache Methode zur raschen und verläßlichen
Bestimmung des Stickstoffs im Harne und Blute. . .....
Virtanen, Artturi I. und Brita Bärlund. Die Oxydation des Glycerins
zu Dioxyaceton durch Bakterien . . . . s.s soas seses
Jendrassik, L. Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Ad-
SOFDENLIEN. s -s i 6. a 4 De AE re m te en A
149033
100
105
113
117
IV Inhalt.
Mangold, Ernst und Constanze Schmitt-Krahmer. Über die Milch-
säurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II.
Sen, Kshitish Chandra. Über die chemische Natur der Adsorption .
Hägglund, Erik, Arne Söderblom und Bölge Troberg. Über die Ab-
hängigkeit der alkoholischen ie von der Wasserstoffionen-
konzentration. III. ;
Heller, Józef. Chemische en über die Metamorphose
der Insekten. III. u Über die er und
„latente“: Entwicklung .
Dingemanse, Elisabeth und Ernst Di Über die Adsskption von
Giften an Kohle. III. Mitteilung: Über die Verteilung von Giften
zwischen Magen- bzw. Darmwand und Kohle.
Kaplansky, S. Über die ie tierischer un bei Zee
temperatur gn Zi e ee, a A
Serejski, Mark. Über das Wein de heier
Parnas, J. K. und A. Klisiecki. Über Ammoniakgehalt und mare
bildung im Blute. IV. m Ist im kreisenden Blute Ammo-
niak vorhanden ? NI f g
Rona, P. und H. A, Krebs. Physikalisch- dE E E
über die Isohämagglutination. I. Mitteilung: Die ee der
Elektrolyte bei der Isohämagglutination .
Kuroda, T. Über den Einfluß der Wesserstöftionenkonventration
auf die en Wirkung einiger Phenole und aromatischer
Säuren . en Tas Sinn Se ae re Dër a a
Lasch, Fritz. e ersuche am isolierten, übsriebenden Dam:
I. Mitteilung: Methodik SC a h
— — Resorptionsversuche am isolierten, überlebonden Derm mn Mit-
teilung: Der Einfluß von Saponin auf die Resorption von Calcium
Harpuder, Karl. Kee chemische en am normalen
Knorpel .
Rona, P. und H. stane, Nepkelonisteläche Untersuchungen über
fermentative Eiweißspaltung. V. e EEN
Christomanos, Anastasios A. Zur Pharmakologie einiger Benzyl-
alkohole, DECHE EE G S
Mozotowski, W. und J. K. Panai: Über eine neue Form der Chin-
hydronelektrode ;
Kalwaryjski, Bernard E. Über Samenfädenagglutination. unter Ein-
wirkung chemischer Agenzien . A
Sorochowitsch, S. Über den Formentzehalt is Blutes bei experi-
menteller Sympathicotonie . . . ale É
Irger, Jacques. Zur Frage des Eisenstöffwechbels.; im tiörischen Orga:
nismus nach der Milzexstirpation l
Gutbier, A. und Berta Ottenstein. Über einen t Behnelldialysator für
klinische Zwecke und für die ärztliche Praxis
Hamano, Sadayuki. Photoaktivierung von Cholesterin, Fetten Ge
anderen Substanzen durch X-Strahlen. (Mitgeteilt von Prof.
U. Suzuki) .
Gertz, Otto. Über die Desdasn dar E EE nee De
Seite
186
192
200
208
235
. 245
249
, 265
266
Inhalt.
Starlinger, Wilhelm. Über das Verteilungsverhältnis der Eiweiß-
körpergruppen in Kr ee Seren bei positiver Kom-
plementbindungsreaktion . . . 2» 2: 2 2 2 2 nn nr ne.
Tsakalotos, A. E. Die trypanozide Wirkung der Chinsalkaloide i in vitro
Elion, L. Zur Kenntnis der nn bei der dee von
Zucker durch Hefe .
Behrens, Martin und Nikolai Sikolajewitsc Iwanofl: ES Versuche
über die Carboligase . . . j
Pirschle, Karl. Acetaldehyd als Zwischenprodukt bei der Keimung
fetthaltiger Samen .
Kolthofl, I. M. Der Ausdruck für die Reaktion von wässerigen ae
Martos, Georg von und Bodo Schneider. Beeinflussung der Leberzell-
atmung durch Traubenzuckerzufuhr zum Gesamtorganismus . .
Ernst, Zoltän und Julius Förster. Einige Beiträge zur Chemie des auf
dem Höhepunkt der Insulinwirkung beobachteten Blutzuckers .
Lebedew, A. Notiz über die der PTA auf Methyl-
BIVOXAl. 4 aus u en wë E ir En e Dë de A
Berichtigung: -< a 2.2. er e a mie e er
Autorenverzeichnis . . sa s e s e e s a o 2 2 o e o
Über die Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens.
Von
J. Bodnár und Iréne Villányi.
(Aus dem kgl. ung. pflanzenbiochemischen Institut in Budapest, aus dem
medizinisch-chemischen Institut der Universität in Debrecen und aus dem
chemischen Institut der Universität in Szeged !).)
(Eingegangen am 4. Dezember 1925.)
Wir haben uns mit der Untersuchung des Amylasegehaltes ver-
schiedener Getreidesamen beschäftigt, um zu erfahren, ob zwischen
dem Amylasegehalt und der Keimfähigkeit der Samen ein solcher
Zusammenhang vorhanden ist?), daß man aus dem Amylasegehalt
auf die Keimfähigkeit der Samen schließen könne. Eine Wahrnehmung
bei der Inangriffnahme unserer Untersuchungen lenkte uns vorläufig
von unserem Ziele ab und führte uns zur Erkennung der Thermo-
stabilität des pflanzlichen Amylasezymogens.
Wir begannen unsere Untersuchungen mit Weizen, und zur Be-
stimmung der Amylase wurde der gemahlene Weizen mit Stärkelösung
vermischt, nach Zufügung von Toluol in den Thermostaten gestellt, und
der entstandene reduzierende Zucker in gewissen Zeitintervallen be-
stimmt. Es ist bei den enzymatischen Untersuchungen die Einstellung
einer sogenannten Kontrollprobe stets notwendig; dies geschieht der-
artig, daß die enzymenthaltende Lösung oder das Material zur Ver-
nichtung des Enzyms durch Hitze inaktiviert wird. Zur Inaktivierung
wurde das Weizenmehl mit Wasser vermischt, in einer Porzellanschale
auf kochendem Wasserbad eine Stunde lang erhitzt, der nach der
Verdampfung des Wassers erhaltene noch feuchte Brei auf eine Glas-
platte aufgeschmiert, im Wasserdampfschrank gänzlich getrocknet
und nachher pulverisiert. Das auf diese Weise inaktivierte Mehl hatte
1) Die in dieser Mitteilung publizierten Untersuchungen wurden vom
Oktober 1922 bis August 1923 durchgeführt.
2) A. Nemec et F. Duchon, Annal. de la Science Agronomique francaise
et etrangere 88, 320, 1921; 121, 1923; C.R. 174, 632, 1922.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 1
2 J. Bodnár u. I. Villányi:
eine deutliche amylolytische Wirkung, zersetzte die Stärke unter
Bildung einer erheblichen Menge reduzierenden Zuckers.
Indem wir daran dachten, daß bei der Temperatur der Inakti-
vierung und der Austrocknung (unter 100°) die Amylase des Weizen-
mehls nicht gänzlich inaktiviert wurde, führten wir die Inaktivierung
so durch, daß das mit Wasser vermischte Mehl in einem Porzellan-
becherglas eine Stunde lang bei 100° im CaCl,-Wasserbad gekocht
wurde, und vollführten den Versuch im übrigen auf die schon beschrie-
bene Weise. Das gewonnene inaktivierte Mehl wirkte ebenfalls zer-
setzend auf die Stärke ein. Mit diesem bei 100° in Gegenwart von
Wasser inaktivierten Mehle wurden die folgenden Versuche durch-
geführt.
I. Versuchsreihe.
Es wurden je 2 g natives und inaktives Mehl mit je 100 ccm 1proz.
Kahlbaumscher löslicher Stärkelösung vermischt, die erste Probe sofort,
abfiltriert (Ostündiger Versuch) und die übrigen mit je 3ccm Toluol
im Thermostaten bei 37° aufbewahrt. Nach Ablauf der Versuchszeit
wurde filtriert und in 20ccm des Filtrats der reduzierende Zucker
nach Bertrand bestimmt und als Glucose berechnet. Die angegebenen
Glucosemengen beziehen sich auf 100 eem Lösung und sind Mittel-
werte von untereinander gut übereinstimmenden parallelen Be-
stimmungen.
Tabelle I.
` ! ` KMn 04°) 8 Glucose
Versuchszeit
re Mehl | Inaktiviertes Mehl Se cs Mehl | Inakti: ee viertes Mebl
Stunden ae
O
CH 5 l 4 195,0
21,5 | 322,5 102° `
48 278 | 430,0 120,0
*) 1ccm KMnO, entspricht 5,6 mg Cu.
Diese I. Versuchsreihe wurde mehrmals mit verschiedenen in-
aktivierten Weizenmehlen mit ähnlichen Ergebnissen wiederholt.
Das native Mehl (2 g) enthielt ursprünglich keinen bestimmbaren Zucker,
der in dem Ostündigen Versuch angegebene Zucker entstand, während
das native Mehl mit der Stärkelösung vermischt und abfiltriert wurde.
Der in dem Ostündigen Versuch bei dem inaktivierten Weizenmehl
gewonnene Zucker ist — im Gegensatz zum nativen Mehle — nicht
auf Amylasewirkung zurückzuführen, denn das inaktivierte Mehl
enthält auch ursprünglich Zucker, welcher während der Inaktivierung
entsteht. Wenn das in der I. Versuchsreihe gebrauchte inaktivierte
Weizenmehl mit Wasser extrahiert wurde, fanden wir in dem wässerigen
Extrakt ebenfalls 55 mg Zucker, es entstand also auf Wirkung des
Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 3
inaktivierten Mehles nach 48 Stunden nicht 120 mg, sondern 120 — 55
= 65 mg Zucker. Daraus konnten wir daher folgern, daß das inaktivierte
Weizenmehl ursprünglich keine aktive Amylase, sondern eine solche
Substanz — Amylasezymogen — enthält, aus welcher die aktive Amylase
während des Stehens mit Stärkelösung frei gemacht wird.
Falls wir das native Weizenmehl der Autolyse unterwarfen, zer-
setzte die Amylase des Mehles — wie aus den Daten der II. Versuchs-
reihe ersichtlich ist — die Stärke des Mehles und auch das inaktivierte
Mehl wirkte ähnlich.
II. Versuchsreihe.
Diese Versuchsreihe unterscheidet sich dadurch von der I. Versuchs-
reihe, daß statt 100 ccm Stärkelösung 100 ccm Wasser genommen
wurden.
Tabelle II.
| KMnO,*’) E | Glucose
Versuchszeit ee I en
he Mehl | Inaktiviertes Mehl ` | Natives Mehl Insktiviertes Mehl
> m '| mg mg
2,7 0 37,5
5,1 25,0 70.0
k 5,6 57,5 ~ 775
SN Leem K MnO; We 5,6 mg Cu.
Nach diesen Daten entstanden bei 2 g autolysiertem nativen Mehl
57,5 mg Zucker, bei 2g inaktiviertem Mehl 77,5 — 37,5 = 40 mg
Zucker.
Der wässerige Extrakt des nativen Weizenmehls gab mit Jod-
læung keine Färbung, der wässerige Extrakt des inaktivierten Mehles
färbte sich dagegen blau; demnach enthielt das inaktivierte Mehl
wasserlösliche Stärke. Es sollte aus dem inaktivierten Mehle während
des Extrahierens die aktive Amylase in Lösung übergehen, denn der
im Thermostaten erhaltene Extrakt ergab nach Ablauf einer gewissen
Zeit mit Jodlösung rote, sodann gelbe Färbung, und es erhöhte sich
auch seine reduzierende Fähigkeit, wie dies die Daten der III. Versuchs-
reihe beweisen. Als wir den Extrakt vorerst aufkochten, bemerkten
wir kein Verschwinden der Stärkereaktion und keine Erhöhung der
reduzierenden Fähigkeit; es wurde demnach beim Kochen die aus
dem Amylasezymogen entstehende aktive Amylase vernichtet.
III. Versuchsreihe.
Es wurden 4g inaktiviertes Weizenmehl mit 200 ccm toluol-
haltigen Wassers vermischt und nach 24stündigem Stehen abfiltriert.
Das Filtrat wurde in zwei gleiche Teile geteilt, der eine aufgekocht
und der ursprüngliche reduzierende Zucker bestimmt; dann nach Zu-
fügung von je 3 ccm Toluol in den Thermostaten (37°) gestellt, und mit
1*
4 J. Bodnär u. I. Villänyi:
in gewissen Zeitintervallen entnommenen Proben die Stärkereaktion
und die Zuckerbestimmung durchgeführt.
Tabelle III.
I = ungekochter Extrakt, II = gekochter Extrakt.
| Stärkereaktion K Mon Glucose
Versuchszeit '
, Iı | n I Il
Stunden | | vr) Ä
ne a nn pe nie ei er arena a an
0 blau | blau || ai | 92 27,5 28,0
24 5 na =n = —
48 violett S — — der Se
96 | rotviolett, i = = == =a
120 rot i 11,8 9,0 36,5 27,5
144 , i SECH N Er dee,
168 gelb S b — ! — | — —
*) Leem K MnO, entspricht 6 mg Cu.
Nach den Daten der IV. Versuchsreihe verliert der vorerst auf
80° erwärmte Extrakt des nativen Weizenmehls die stärkezersetzende
Eigenschaft, ähnlich verhält sich der Extrakt des inaktivierten Weizen-
mehls.
IV. Versuchsreihe.
Es wurden 24 Stunden hindurch 6g natives Weizenmehl mit
240 ccm toluolhaltigen Wassers extrahiert, das Filtrat in zwei gleiche
Teile geteilt und der eine aufgekocht. Zu 80 ccm (= 2g Mehl) jeden
Teiles wurden 100 ccm tł proz. Stärkelösung und 3ccm Toluol gegeben,
in den Thermostaten gestellt und in nach gewisser Zeit entnommenen
Proben von 20 ccm der Zucker bestimmt. Eine ähnliche Reihe wurde
auch mit inaktiviertem Mehle eingestellt. Die angegebenen Zucker-
mengen sind auf 80 ccm ursprünglichen Extrakts berechnet.
Tabelle IV.
I = ungekochter Extrakt, II = gekochter Extrakt.
Glucose
ll KM) | E
Versuchszeit See
I II I II
Stunden ccm ccm i mg mg
Nativer Weizenmehlextrakt.
0 | 29 | 1,0 67,5 22,5
24 10,7 0,9 274,5 22,5
48 | 19,3 1,0 513,0 22,5
120 | 20,0 1,0 535,5 22,5
Inaktiver Weizenmehlextrakt.
0 | 3,0 | 31 | 68,0 68,0
24 | 3,9 3,1 94,5 68,0
48 N 5,0 3,0 120,0 68,0
mm i 6.4 3.0 162,0 68,0
”*) 1 ccm K MnO, entspricht 5,6 mg Cu.
Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 5
In der V. Versuchsreihe wurde die Wirkung der nativen und in-
aktivierten Weizenmehle derartig untersucht, daß neben der Stärke-
reaktion mit der Fehlingschen Lösung auf reduzierenden Zucker, und
mit dem Barfoed-Reagens auf Glucose geprüft wurde. Sowohl bei
der Einwirkung des nativen wie des inaktivierten Weizenmehls auf
Stärke gelang es, die Glucose nachzuweisen; so ist im bei 100° in-
aktivierten Mehle auch Maltose (in Form von Zymogen) vorhanden.
V. Versuchsreihe.
Es wurden 2g natives und 2g inaktiviertes Weizenmehl mit je
100 ccm 0,5proz. Stärkelösung vermischt, nach Zufügung von je 3 ccm
Toluol in den Thermostaten von 37° gestellt, und die Reaktionen mit
in gewissen Zeitintervallen entnommenen Proben von 3 bis 4ccm
durchgeführt.
Tabelle V.
+ schwach positiv, ++ positiv, +++ stark positiv.
ee 8 i Reakti 7 7 E Reaktion nn
Versuchs» | Stärkereaktion Fehling sche: Lösung l mit Barfocd-Reagene
au Natives Inaktiviertes Natives | Inaktiviertes | Natives Inaktiviertes
Stunden Mehl Mehl Mehl | Mehl i Meh! Mehl
0 | blau KE: blau ı +++ | + negativ negativ
24 | violett n | +++! + + i
48 rotviolett a. +++ sbb ++ cb
72 rot bläulich-' +++ ++ | +++ +
| violett ' | |
120 || gelb violett ` +++ : ++ +++ ++
168 | „ ee) E
Die Daten der VI. Versuchsreihe beweisen, daß auch das mit Wasser
ausgelaugte, also zuckerfreie inaktivierte Weizenmehl die Stärke
zersetzte.
VI. Versuchsreihe.
Es wurde diese Versuchsreihe mit dem extrahierten inaktivierten
Mehle, der ersten Versuchsreihe ähnlich, eingestellt.
Tabelle VI.
Versuchszeit ` K Mn O: ei 8 Glucose =
Stunden ccm mg Sr
n ` 0 0
24 22 30
48 7 65
*) I ccm K MnO, entspricht 5,6 mg Cu.
Als wir in einer Flasche mehrere Monate hindurch aufbewahrtes
Weizenmehl inaktivierten, wirkte das gewonnene inaktivierte Mehl
6 ` J. Bodnár u. I. Villányi:
nicht zersetzend auf die Stärke ein. Dieses Mehl stammte aus der
Oberfläche des in der Flasche aufbewahrten Mehles; das aus den unteren
Schichten genommene Mehl gab ein solches inaktiviertes Mehl, welches
schwach, aber bestimmt auf die Stärke wirkte. Auf Grund dieser
Erfahrungen schien der Gedanke naheliegend, daß in erster Reihe das
frisch gemahlene Mehl die Eigenschaft besitzt, bei 100° in Gegenwart
von Wasser inaktiviert, nicht seine stärkeverzuckernde Eigenschaft
zu verlieren. Zum Beweis dieser Vermutung wurde aus dem Weizen-
muster, von dem das aufbewahrte Mehl stammte, frisch gemahlenes
Mehl bereitet, und davon ein solches inaktiviertes Mehl erhalten, welches
die Stärke energisch zersetzte. Aus alledem kann man folgern, daß
das Weizenmehl in Berührung mit der Luft jene Eigenschaft verlor,
in inaktivierendem Zustande auf die Stärke einzuwirken. Die dies-
bezüglichen Versuchsdaten enthält die VII. Versuchsreihe (a = aus
der Oberfläche des abgestandenen Weizenmehles, b = aus der Mitte
desselben Mehles, ce = aus demselben Weizen gewonnenes, aber aus
frisch gemahlenem Mehle stammendes inaktiviertes Weizenmehl).
VII. Versuchsreihe.
Die Einstellung der Versuchsreihe geschah ähnlich der I. Versuchsreihe.
Die Daten sind Mittelwerte von untereinander gut übereinstimmenden
parallelen Bestimmungen.
Tabelle VII.
EE Mi KMn O, et Ä Glucose
zeit a b c i a b c
Stunden |! ccm cem cem | mg mg mg
Zee BP — EE L ent e a
0 | 38 4,5 | 7,0 | 60,0 72,5 115
24 3,6 5,6 190 | 575 ` 900 330
48 3,7 6 3 21 A | 600 ' 102,5 370
|
|
|
a 1 ccm K Mn O, entspricht 6,5 mg Cu.
Nach den Daten der VIII. Versuchsreihe verhalten sich die aus
frisch gemahlenem Roggen und Gerste bereiteten inaktivierten Mehle
ähnlich dem inaktivierten Weizenmehl.
VIII. Versuchsreihe.
Die Bereitung und die Untersuchung der Wirkung des inaktivierten
Roggen- und Gerstenmehls geschah nach den beim Weizenmehl
beschriebenen Methoden.
Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 7
Tabelle VIII.
Wes WEE SEA KMn ` JI Glueese o
EE Natives Mehl | Inaktiviertes Mehl
u ne; RE E EE SE
0 270 57,5
24 432 122,5
48 — 152,5
0 15,7 | 2,9 Ä 70 45,0
24 tz 7,0 | 385 115,0
48 i 24,5 |
9,0 442 147,5
*) 1 ccm entspricht 6,5 mg Cu.
Der wässerige Extrakt des inaktivierten Roggenmehls färbte
sich mit Jodlösung rot, der des inaktivierten Gerstenmehls blau. Der
wässerige Extrakt des Gerstenmehls mit Toluol im Thermostaten
aufbewahrt, gab, wie es aus der IX. Versuchsreihe ersichtlich ist, nach
Ablauf einer gewissen Zeit mit Jodlösung eine rote Färbung.
IX. Versuchsreihe.
Die Einstellung dieser Versuchsreihe geschah auf die in der III. Ver-
suchsreihe beschriebene Weise.
Tabelle IX.
I = ungekochter Gerstenextrakt, II = gekochter Gerstenextrakt.
| Stärkereaktion
I | II
!
Versuchszeit | Stärkereaktion Versuchszeit
Stunden || I | lI Stunden
ee KE Par | wer a breet er San Vene ee TEL SS a ee ee
0 l blau blau 96 | | rot blau
4 | S - mu o e
A8 | violett 18 0 —
HI H
Nach den Daten der Versuchsreihen I bis IX verlieren die Weizen-,
Roggen- und Gerstenmehle, in Gegenwart von Wasser längere Zeit
auf 100° erwärmt, ihre stärkeverzuckernde Eigenschaft nicht. Dem
entgegen verlieren die aus Mehlen bereiteten wässerigen Extrakte,
schon auf 80° erwärmt, gänzlich ihre amylolytische Wirkung. Die
Amylase ist demnach in den Samen in zweierlei Formen vorhanden,
und zwar als wasserlösliche thermolabile Amylase und als wasser-
unlösliches thermostabiles Amylasezymogen; aus diesem Zymogen
entsteht die wasserlösliche und hitzeunbeständige Amylase. Trotzdem
8 J. Bodnár u. I. Villányi:
die pflanzliche Amylase zu den besser bekannten und sehr viel studierten
Enzymen gehört, ist in der Literatur über die Thermostabilität des
pflanzlichen Amylasezymogens keine Mitteilung zu finden. Das ist
auch leicht begreiflich, nachdem zum Studium der Eigenschaften der
pflanzlichen Amylase der aus den pflanzlichen Objekten, so in erster
Reihe aus Gerste (Malz) bereitete wässerige Extrakt gebraucht
wurde; dieser Extrakt enthält aber nur die thermolabile Amylase,
da das thermostabile Amylasezymogen wasserunlöslich und dadurch
nicht extrahierbar ist, und daher in der mit Wasser extrahierten Sub-
stanz zurückbleibt.
Zuletzt führten Palladin und Popoff!) mit verschiedenen Blättern
(Roggen, Ricinus, Akazie, Rüben) solche Untersuchungen durch, aus
denen man folgern kann, daß in den Blättern nur ein geringer Teil
der Amylase in freier wasserlöslicher Form vorhanden ist, der andere
größere Teil zum Protoplasma gebunden ist und aus dieser gebundenen
Amylase die wasserlösliche aktive Amylase frei gemacht wird. Genannte
haben die zerriebenen Blätter mit chloroformhaltigem Wasser einige
Tage autolysiert, filtriert, die zurückgebliebene Substanz ausgepreßt,
mit Wasser gut ausgewaschen und wieder ausgepreßt. Trotzdem,
daß die wasserlösliche Amylase aus den Blättern gänzlich entfernt
wurde, zeigte die ausgewaschene Blättersubstanz eine große amylo-
lytische Wirkung. Nachdem die gekochten Blätter die Stärke nicht
zersetzten, wurde die an das Protoplasma gebundene Amylase durch
Hitze vernichtet. Demgegenüber beweisen unsere später bekannt-
zumachenden Versuche, daß nicht nur die Samen, sondern auch die
grünen Blätter thermostabiles Amylasezymogen enthalten.
Wenn das Weizenmehl sämtliche Amylase in wasserlöslicher Form
enthalten würde, könnte das mit Wasser extrahierte Mehl auf die
Stärke nicht einwirken. Als wir die Wirkung des mit Wasser mehrmals
extrahierten Mehles auf die Stärke untersuchten, erfuhren wir, daß
es anfangs kaum eine Wirkung auf die Stärke ausübt, später zersetzte
es jedoch die Stärke ebenso energisch wie das mit Wasser nicht extra-
hierte Weizenmehl. So ist aus dem Weizenmehl nur die aktive Amylase
auslösbar ; der größte Teil der Amylase ist in Form von wasserunlöslichem
Zymogen vorhanden, und es ist eine gewisse Zeit zur Freimachung der
wasserlöslichen aktiven Amylase aus dem Zymogen erforderlich. Es
ist nun fraglich, ob das Wasser nicht derartige Bestandteile (Salze)
auslöst, welche zur Tätigkeit der Amylase notwendig sind. Nach den
Untersuchungen von Bierry, Preti, Kendall und Shermann?) hat die
gewöhnliche Dialyse (Auswaschen) auf die Malzdiastase keine Wirkung.
1) W. Palladin und H. Popoff, diese Zeitschr. 128, 487, 1922.
2) F. Czapek, Biochemie der Pflanzen, II. Aufl., 1913, S. 437.
Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 9
Lisbonne und Vulquin!) fanden, daß nur mit elektrischer Dialyse
die anorganischen Salze in solchem Maße extrahiert werden können,
daß man inaktive Amylase gewinnt, welche sodann bei Zugabe von
Salzen sich reaktiviert.
Über die stärkehydrolysierende Eigenschaft des nativen und
extrahierten Weizenmehls geben die Daten der X. Versuchsreihe
zahlenmäßige Aufklärung.
X. Versuchsreihe.
Es wurden 2g natives Weizenmehl mit 50 ccm toluolhaltigen
Wassers in ein Zentrifugenrohr gebracht, nach öfterem Schütteln
eine halbe Stunde lang stehen gelassen und sodann zentrifugiert. Dieser
Prozeß wurde mit 50 ccm Wasser sechsmal wiederholt, und so wurden
2g Weizenmehl siebenmal mit Wasser extrahiert. Die Einstellung
der Versuchsreihe geschah in der bei der I. Versuchsreihe beschriebenen
Weise, und die gewonnenen Daten sind Mittelwerte von untereinander
gut übereinstimmenden parallelen Bestimmungen.
Tabelle X.
a = natives Weizenmehl, b = mit Wasser extrahiertes Weizenmehl.
(` KMnO,* | Glucose
Versuchszeit ii
| a b a b
Stunden 2 ccm cm ` A o mg | mg
0 ee 7 | 0 | 220 0
24,0 | 23,4 | 380 367,5
*) Leem KMnO, entspricht 5,8 mg Cu.
XI. Versuchsreihe.
Diese Versuchsreihe wurde ähnlich der. V. Versuchsreihe ein-
gestellt, mit dem Unterschied, daß statt inaktivierten Weizenmehls
mit Wasser extrahiertes natives Weizenmehl verwendet wurde.
Tabelle XI.
a = natives Weizenmehl, b = mit Wasser extrahiertes natives Weizenmehl.
E | Reakti i Reakti
TAR | Stärkereaktion Fehling che Lösung l mit Harfocd-Resgens
Stunden b ao j b | a Ir
a a a E SE ee
o | blau | biau i +++ | negativ || negativ | negativ
24 | violett violett +++ |; ++ + +(?)
48 | rotviolett | rotviolett | +++ Ä +++ | ++ ++
12 rot rot +++ +++ FET +++
1) l.e.
10 J. Bodnär u. 1. Villänyi:
Es ist bekannt, daß die keimenden Samen viel mehr Amylase
als die ruhenden Samen enthalten; die Amylase entsteht aus dem
Amylasezymogen während der Keimung. Auf Grund der Unter-
suchungen von Bach und Oparin!) verhält sich der Amylasegehalt
der ruhenden Weizensamen zu den keimenden Samen wie 1:23.
Während der Keimung wird das Zymogen zersetzt, und so ist es höchst-
wahrscheinlich, daß die keimenden Samen im Gegensatz zu den ruhenden
Samen kein Amylasezymogen enthalten. Nachdem auf Grund unserer
Untersuchungen nur das Zymogen der Amylase thermostabil ist, schien
es interessant, Untersuchungen in der Richtung zu vollführen, ob das
aus keimendem Weizen bereitete inaktivierte Mehl die Stärke zersetzte.
Nach den Daten der XII. Versuchsreihe gab das aus keimendem Weizen
bereitete, ursprünglich sehr stark aktive Mehl ein solches inaktiviertes
Mehl, welches überhaupt auf die Stärke nicht wirkte; so enthält der
keimende Weizen kein Amylasezymogen, es bildete sich während der
Keimung die wasserlösliche thermolabile Amylase aus dem Zymogen.
XI. Versuchsreihe.
Es wurde der Versuch mit aus keimendem Weizen bereitetem,
inaktiviertem Mehle der I. Versuchsreihe ähnlich eingestellt, und
wir geben nur die Menge der verbrauchten KMnO,-Lösung an, aus
welcher im Ostündigen Versuch ebensoviel verbraucht wurde als nach
Verlauf von 48 Stunden.
Tabelle XII.
Versuchszeit KMn O, 8
Stunden cm
0 28,8, 28,3
48 28.0, 28.5
Das inaktivierte Mehl des keimenden Weizens mit verdünnter
Stärkelösung vermengt, ergab auch nach Tagen mit Jodlösung eine
reine blaue Färbung.
Kurz erwähnten wir schon, daß es uns gelungen ist, nicht bloß
in Samen, sondern auch in grünen Blättern die Gegenwart des thermo-
stabilen Ampylasezymogens nachzuweisen. Diese Untersuchungen
wurden auf folgende Weise durchgeführt: Es wurden 5 g frische Blätter
in einem Porzellanmörser mit 1 bis 2g Merckscher Quarzsplitter gut
zerrieben, der Inhalt des Mörsers mit 80 bis 100 ccm Wasser in einem
Erlenmeyerkolben gespült, auf einer Asbestplatte 10 Minuten lang
gekocht, sodann in eine Porzellanschale gebracht und auf dem Wasser-
bade zur Trockne eingedampft. Die auf diese Weise gewonnene Sub-
1) A. Bach und A.Oparin, diese Zeitschr. 134, 183, 1922.
Thermostabilität des pflanzlichen Amylasezymogens. 11
stanz wurde fein pulverisiert, mit 100 ccm Wasser und 2 bis 3 ccm
Toluol vermischt, im Thermostaten bei 37° aufbewahrt, nach 24 Stunden
abfiltriert, das Filtrat in zwei Teile geteilt und der eine Teil aufgekocht.
Dann wurden zu beiden Teilen § ccm lproz. Stärkelösung und 2 bis
3ccm Toluol hinzugefügt; aus den im Thermostaten aufbewahrten
Lösungen wurden zeitweise Proben von 3 bis 4ccm entnommen und
auf Stärke geprüft.
XII. Versuchsreihe.
Nach den Daten der XIII. Versuchsreihe enthalten die unter-
suchten Blätter mit Ausnahme der Gurken -und Traubenblätter thermo-
stabiles Amylasezymogen. Nachdem die Stärkereaktion der auf-
gekochten Lösungen selbst nach 120 Stunden keine Änderung zeigte,
kann die Stärkezersetzung nicht auf die Wirkung der in den Blättern
vorhandenen Säuren zurückgeführt werden.
Tabelle XIII.
& = mit ungekochter Lösung, b = mit gekochter Lösung.
Versuchszeit, Stdn. T 0 | 24 | 48 Im `
S
SE, Ä er
Versuchsblätter von a | bi a | b ` a | b l a | b
Gurken. . . . | blau | blau || blau | blau | blau | blau blau | blau
Mais . .. .. e | » | >» : rot no
Kraut . e, A Se gelb TE e Be: De H
Bohnen . ; ER | rot = rot S — 8
Sojabohnen. . | - „ violett | „ ‚violett | „ violett | „
Rettig ....ı , „ | blau | „ || blau | „ rot S
Ricinus. ... | S í | violett | „ "violett | „ violett) „
Zuckerrübe . . | „ j blau S rot e — x
Kartoffel... | „ .» | rot -l gabi , — S
Trauben `, . | A „ = blau „ =: blau » ` blau i
Bekanntlich sind die Enzyme in Gegenwart ihrer Substrate auf
äußere schädliche Einflüsse weniger empfindlich; nun ist es fraglich,
wie die Abwesenheit der Stärke die Thermostabilität des Amylase-
zymogens beeinflußt. Zur Untersuchung dieser Frage sind die Amylase-
zymogen enthaltenden Blätter besonders geeignet, nachdem die Blätter
leicht stärkefrei zu machen sind. Die mit den vorher im Dunkeln
aufbewahrten Blättern durchgeführten Untersuchungen beweisen, daß
die Thermostabilität des in Blättern vorhandenen Amylasezymogens
nicht an die Gegenwart der Stärke gebunden ist.
In letzterer Zeit machte Biedermann!) die interessante Entdeckung,
daß gekochte Stärkelösung während des Stehens unter Bildung von
Dextrin und Zucker gespalten wird. Dieser Vorgang, welchen Bieder-
1) W. Biedermann, Fermentforsch. 1, 385, 474, 1916; 2, 488, 1919;
4, 1, 359, 1921.
12 J. Bodnär u. I. Villänyi: Thermostabilität usw.
mann die Autolyse der Stärke benannte, wurde von Speichelasche,
NaCl, CaCl}, KCI stark stimuliert. Diese Erscheinung erklärte Bieder-
mann vorerst so, daß während der Autolyse aus der Stärke sich Amylase
bildet; später änderte er diese Meinung derartig, daß die Stärke bei
der Autolyse durch die Wirkung jener Amylase zersetzt wird, die aus
den an den Stärkekörnern anhaftenden thermostabilen Amylase-
zymogenspuren entsteht. Zur Entstehung der Amylase aus dem Zy-
mogen sowie zur Reaktivierung einer gekochten Speichellösung ist
Sauerstoff (Berührung mit Luft) unerläßlich!). Die auf den Stärke-
körnern haftenden Amylasezymogenspuren stammen aus dem pflanz-
lichen Objekt, aus welchem die Stärke hergestellt wurde; so müssen
auch die pflanzlichen Objekte (Mehle der Stärkesamen) Amylase-
zymogen enthalten, und zwar in größerer Menge als die aus ihnen
gewonnene Stärke. Dies wurde durch unsere Versuche bestätigt.
Die Hydrolyse der Stärke wird neuerdings nach Biedermann?)
sowie nach Haehn?) und Iljin®) bloß durch einfache Salze und Salz-
mischungen (Alkalichloride und -phosphate) durchgeführt, und bei
diesem Prozeß hat der Luftsauerstoff auch eine entscheidende Bedeutung.
Nach unseren im Gange befindlichen Untersuchungen scheint der
Sauerstoff bei der Entstehung der Getreideamylase aus ihrem thermo-
stabilen Zymogen keine Rolle zu spielen.
1) W. Biedermann, diese Zeitschr. 129, 582, 1922.
2) Derselbe, ebendaselbst 185, 282, 1923; 187, 35, 1923.
3) H. Haehn, ebendaselbst 185, 587, 1923.
t) W. S. Iljin, ebendaselbst 145, 14, 1924.
Über die Chemie der Inkrusten des Flachses.
Von
Felix Ehrlich und Friedrich Schubert.
(Aus dem Institut für Biochemie und landwirtschaftliche Technologie
der Universität Breslau.)
(Eingegangen am 3. Oktober 1925.)
Mit 1 Abbildung im Text.
Die Chemie der Inkrusten, d.h. der die Bastfasern umhüllenden
Substanzen in den Stengeln von Faserpflanzen, wie Flachs und Hanf,
ist bisher nur wenig erforscht worden. Man nimmt ziemlich allgemein
an, daß die /nkrusten des Flachses (Linum usitatissimum), der in dieser
Hinsicht noch am meisten untersucht ist, neben Lignin und wachs-
ähnlichen Körpern zum größten Teil aus Pektinstoffen bestehen von
ähnlicher Art und Beschaffenheit, wie sie sonst weit verbreitet in der
Pflanzenwelt beobachtet sind. Diese die Bastfasern des Flachses ver-
kittenden Pektinstoffe, die ebenso wie das Lignin in kaltem Wasser
unlöslich sind, lassen sich durch heißes Wasser, durch Säuren und
Alkalien aus den Stengeln der Pflanze extrahieren, werden aber auch
durch biochemische Einwirkung gewisser Mikroorganismen, der Röst-
pilze und -bakterien, abgebaut und in Lösung gebracht, ein Vorgang,
der bei der technischen Aufbereitung der Flachsfaser, der Flachs-
röste, eine wichtige Rolle spielt. Im Hinblick auf diese praktische Frage
haben sich auch schon frühzeitig viele Untersucher mit der Chemie
des Röstprozesses und der dabei aus den Pektinstoffen sich ergebenden
’Zersetzungsprodukte beschäftigt, unter denen neben Gasen, wie Kohlen-
dioxyd und Wasserstoff, Alkohol, flüchtige organische Säuren, wie
Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure und andere Zerfallstoffe der
Gärung und Fäulnis beobachtet wurden!). Über die Chemie des Flachs-
pektins selbst war aber bis vor kurzem nur so viel bekannt, daß es,
1) Fribes und Winogradski, C.r. 121, 742, 1895; Beijerink und v. Delden,
Chem. Centralbl. 1905, II, 843; Haumann, Annal. Institut Pasteur 16,
379, 1902; J. Behrens, Die Pektingärung in Lafars Handb. d. techn. Myko-
logie, 2. Aufl. 8, 269 bis 286.
LA F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
ähnlich wie die Pektinstoffe anderer Pflanzen, Säurecharakter besitzt
und daß als seine Bausteine Pentose- und Hexosegruppen zu betrachten
sind 1).
Ausgehend von technischen Fragen der Flachsaufbereitung hat
dann neuerdings E.Correns?) einige Versuche über die Chemie des
Flachspektins angestellt, wobei er sich auf die Kenntnis der früher
erschienenen Arbeiten von v. Fellenberg?) und F. Ehrlich‘) über die
Pektinstoffe anderer Pflanzen stützte. Correns fand im Flachspektin
verschiedener Darstellungsverfahren Mengen von 3,7 bis 6,9 Proz.
Methylalkohol und vermutete in diesem Pektin die Anwesenheit von
Kohlenhydratverbindungen, wie Araban, Methylpentosen, Galaktose
und Galakturonsäure. Er hat indes diese Verbindungen aus dem Flachs-
pektin nicht isoliert, sondern glaubt sie nur durch die Schleimsäure-
reaktion und durch verschiedene Farbreaktionen nachgewiesen zu
haben, die aber, wie früher oft genug betont wurde, keineswegs ein-
deutig sind.
Nachdem jetzt durch Untersuchungen an der Zuckerrübe®) zum
ersten Male ein tieferer Einblick in die qualitative und quantitative
Zusammensetzung der Pektinstoffe einer Pflanze gewonnen worden
ist, erschien es von besonderem Interesse, die hierbei gemachten Er-
fahrungen auf die Durchforschung der Pektinstoffe anderer Pflanzen,
vor allem des Flachses, zu übertragen. Es galt dabei namentlich auch
die Frage zu klären, ob überhaupt Unterschiede im chemischen Aufbau
des Moleküls der Pektine verschiedener Pflanzen bestehen und in
welchem Maße, und schließlich inwieweit eine Differenzierung der
Struktur der Pektine verschiedener Pflanzenteile, wie der Wurzeln,
der Früchte, der Stengel usw., tatsächlich zu beobachten ist.
Die folgenden Untersuchungen bemühen sich, die hier noch
bestehenden Lücken unserer Kenntnisse über die Chemie der Pflanzen-
inkrusten zu einem großen Teile auszufüllen, indem sie zum ersten
Male einen annähernd vollständigen Überblick über die chemische Struktur
des Flachspektins und über die Art und die Mengenverhältnisse der darin
enthaltenen Bausteine liefern. Es gelang, die beiden Haupibestandteile des
Flachspektins, ein Hexopentosan und die Pektinsäure, in ihre Grund-
körper zu zerlegen und diese fast sämtlich in Substanz zu isolieren und
1) J. Behrens, Zentralbl. f. Bakt. II, 4, 514, 1898; II, 8, 114, 1902;
K. Störmer, ebendaselbst II, 18, 35, 1904.
2) Faserforschung 1, 229, 1921.
3) Diese Zeitschr. 85, 118, 1918.
t) Chem.-Ztg. 1917, 197.
D Vgl. die vorhergehende Arbeit von F. Ehrlich und R. v. Sommerfeld,
diese Zeitschr. 168, 263, 1926, wo sich auch weitere Angaben über die
Literatur der Pektinstoffe finden.
Inkrusten des Flachses. 15
quansiiativ zu bestimmen, so daß es auch möglich war, eine chemische
Formel für die Pektinsäure aufzustellen, die mit den tatsächlichen
Befunden gut übereinstimmt.
Es steht zu erwarten, daß die Resultate der vorliegenden Arbeit
auf pflanzenphysiologischem Gebiete zu manchen Schlußfolgerungen
über die Rolle der Inkrusten und der Pektinstoffe in den Pflanzen,
über ihre Entstehung und über ihr Schicksal darin führen werden.
Sie können auch die Grundlagen bilden für biochemische Unter-
suchungen mannigfacher Art, die sich mit der Einwirkung von Enzymen
und Mikroorganismen auf die Pektine von Flachs und Hanf und mit
den dabei auftretenden Umsetzungsprodukten im Hinblick auf die
Vorgänge bei der Röste beschäftigen. Hierüber wird später zu be-
richten sein. i
Als Ausgangsmaterial für die folgenden Untersuchungen diente
einige Zeit gelagerter Strohflachs, d. h. in nicht völlig ausgereiftem
Zustande geraufte und an der Luft getrocknete Flachsstengel, die
nicht der Röste unterworfen waren, also noch alle ursprünglich vor-
handenen Pektinstoffe enthielten.
Um aus solchem Material Pektin zu gewinnen, hat sich Correns!)
des für Pektinstoffe anderer Pflanzen ausgearbeiteten Verfahrens von
Bourquelot und Herissey?) bedient. Dieses besteht darin, daß man
mit Alkohol zunächst alle alkohollöslichen Bestandteile aus dem Aus-
gangsmaterial extrahiert, dann mit Wasser unter Druck erhitzt und
die filtrierte Lösung mit der doppelten Menge Alkohol unter Zusatz
von Salzsäure fällt. Da Correns durch einstündiges Erhitzen mit Wasser
auf 2 Atm. Druck aus dem Strohflachs nur 0,04 Proz. Pektin erhalten
hatte und der Alkoholverbrauch bei dieser Gewinnungsmethode ein
sehr beträchtlicher war, schien es vor allem wichtig, zur Darstellung
größerer Mengen Ausgangsmaterials ein geeigneteres Verfahren aus-
zuarbeiten, das auch gestattete, die in Alkohol löslichen Spaltprodukte
des ursprünglichen Pektins zu erfassen, die Correns bei seiner Arbeits-
weise vernachlässigt hatte.
Da der Begriff der Pektinstoffe sich im wesentlichen mit dem
Teil der Inkrusten des Flachses deckt, die in kaltem Wasser unlöslich,
mit heißem Wasser aber extrahierbar sind, schien es für die Zwecke
eines brauchbaren Darstellungsverfahrens zunächst wichtig, ähnlich
wie bei der Rübe, planmäßige Auslaugeversuche am Strohflachs mit
Wasser verschiedener Temperaturgrade in verschieden langen Zeit-
Träumen anzustellen.
1) a. a. O.
2) Chem. Centralbl. 1898, II, 20; 1899, I 875; II 32.
16 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Zuvor war eine Entfernung der wasserlöslichen Substanzen des
Saftes der Flachsstengel erforderlich. Diese gelingt leicht, wenn man
den Strohflachs, in reichlichen Wassermengen suspendiert, vier- bis
fünfmal unter jedesmaliger Erneuerung des Wassers bei 50 bis 60°
einige Stunden auslaugt. Hierdurch wird er vollständig von löslichen
Kohlenhydraten usw. befreit, ohne daß dabei die Pektinsubstanzen an
gegriffen werden. Ä
Bringt man den so vorbereiteten Strohflachs in kochendes Wasser,
so gibt er bald Pektinstoffe an dieses ab. Es zeigt sich aber, daß die
Löslichmachung des Flachspektins außer von der Temperatur sehr wesent-
lich von der Zeitdauer der Einwirkung des heißen Wassers abhängig ist.
Diese Tatsache hat Correns bei seinen Versuchen nicht genügend
beachtet, woraus sich ohne weiteres die von ihm erhaltene sehr geringe
Ausbeute an Pektin erklärt. Da andererseits das in Lösung gegangene
Pektin durch längere Behandlung mit kochendem Wasser bereits eine
merkbare Zersetzung erfährt, wurde zur Gewinnung eines möglichst
wenig abgebauten Flachspektins zweckmäßig so verfahren, daß der
mit lauwarmem Wasser vorbehandelte Strohflachs zehn- bis zwölfmal
mit der 10- bis 20fachen Menge destillierten Wassers je 1 bis 2 Stunden
ausgekocht wurde. Die jedesmal abgegossenen und filtrierten wässerigen
Extrakte ergaben gesammelt, zur Trockne verdampft durchschnittlich
6 bis 7 Proz. wasserlösliches Pektin, Hydropektin genannt, auf luft-
trockenen Strohflachs gerechnet, in Form von hellbraunen, gelatine-
artigen Blättchen, die äußerlich dem Hydropektin der Zuckerrübe sehr
ähnlich waren.
Bei dieser Art der Auslaugung verbleiben in den rückständigen
Flachsstengeln noch recht beträchtliche Mengen von Pektinstoffen.
Man kann diese gewinnen und kann überhaupt den ganzen Prozeß
der Überführung des Flachspektins in die lösliche Modifikation wesent-
lich beschleunigen und scheinbar eine größere Ausbeute daran erzielen,
wenn man mit heißem Wasser unter einem Überdruck von 1 bis 2 Atm.,
entsprechend einer Temperatur von 120 bis 135°, extrahiert. So wurden
z. B.in einem Falle aus 100 g lufttrockenem Strohflachs, der unter normalem
Druck an kochendes Wasser nach siebenmaliger Auslaugung 3,17g
Hydropektin abgegeben hatte, bei fortgesezter zwölfmaliger Auskochung
mit Wasser unter 1 Atm. Überdruck noch 11,21g und bei weiterem fünf-
maligen Erhitzen auf 2 Atm. schließlich 1,76 g lösliches Pektin extrahiert,
so daß die @esamiausbeute aus lufttrockenem Strohflachs auf 16,14 Proz.
Hydropektin anstieg oder 18,45 Proz. auf wasserfreien Strohflachs be-
rechnet. Die durch Kochen mit Wasser unter erhöhtem Druck aus Stroh-
flachs erzielten Extrakte zeigten aber alle Merkmale einer bereits ziemlich
weitgehenden Zersetzung des ursprünglich gelösten Pektins. Sie waren
je nach Steigerung des Druckes mehr oder minder dunkel gefärbt und
Inkrusten des Flachses. 17
getrübt, rochen stark karamelartig, zeigten höhere Acidität und er-
geben bei der Verdampfung tief dunkel- bis schwarzbraun gefärbte,
offenbar stark verunreinigte Pektinpräparate.. Aus diesem Grunde
wurde für die folgenden Untersuchungen, bei denen es darauf ankam,
ein dem ursprünglichen Flachspektin in seinem Aufbau möglichst
angenähert konstituiertes Substrat zu erhalten, zumeist nur durch
kochendes Wasser bei normalem Druck nach dem oben erwähnten
Verfahren gewonnenes Hydropektin aus Strohflachs verwendet, wenn
diese Methode sich auch langwieriger gestaltet.
Das so erhaltene Hydropektin, das im Gegensatz zu dem ursprüng-
lichen Flachspektin sich schon in kaltem Wasser nach anfänglichem
Aufquellen glatt löst, ist nun keine einheitliche Substanz, sondern erweist
sich, von geringen beigemengten Verunreinigungen abgesehen, im
wesentlichen stets als ein Gemisch zweier voneinander total verschiedener
Substanzen, eines vorläufig als Hexopentosan bezeichneten Kohlen-
hydratanhydrids und eines Calcium-Magnesiumsalzes der Pektinsäure.
Analog wie beim Rübenpektin ist nämlich das Löslichwerden des ur-
sprünglich wasserunlöslichen Flachspektins beim Behandeln mit heißem
Wasser nicht als ein einfacher physikalischer, sondern als ein chemischer
Vorgang zu deuten, bei dem das Wasser selbst hydrolytisch auf das
Urpektin des Flachses wirkt und dieses in zwei wasserlösliche Ver-
bindungen aufspaltet, die dann beim Verdampfen der Extrakte in
Form des auch hier der Vereinfachung halber als ‚„Hydropektin“,
d.h. durch Wasserhydrolyse gewonnenes Pektin, benannten Substanz-
gemisches hinterbleiben. Die Trennung des Gemisches gelingt leicht
mittels 70proz. Alkohols, in dem sich das Hexopentosan schon in der
Kälte löst, während das Salz der Pektinsäure darin unlöslich ist. In
rohem Zustande sind die Mengen beider Körper in dem zunächst er-
haltenen Gemisch ungefähr gleich. Bei verschiedensten Auslaugungen
von Strohflachs wurden annähernd konstant auf 55 Teile Hexopentosan
etwa 45 Teile Ca-Mg-Salz der Pektinsäure beobachtet. Die Tatsache,
daf beide Substanzen im Hydropektin sich stets in gleichbleibenden
Mengenverhältnissen vorfinden, macht es sehr wahrscheinlich, daß sie
im ursprünglichen Pektinmolekül in einer chemischen Bindung vor-
kommen, die allerdings sehr locker zu denken ist und schon durch
heißes Wasser gesprengt werden kann. Als ein weiterer wichtiger
Beweis hierfür dürfte auch gelten, daß aus Strohflachs, der von löslichen
Kohlenhydraten usw. durch Auslaugen mit lauwarmem Wasser befreit,
aber noch nicht mit heißem Wasser behandelt worden ist, durch noch so
lange Zeit währendes Auskochen mit 70proz. Alkohol keine Spur von
Hexopentosan zu extrahieren ist. Es kann sich also bei diesem Saccharid
kaum um zufällige Beimengungen oder um eine neben dem Pektin im
Flachs vorhandene Verbindung handeln, sondern man muß offenbar
Biochemische Zeitschrift Band 169. 9
18 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
annehmen, daß die Verhältnisse hier ähnlich liegen wie beim Rüben-
pektin!), und daß das Hexopentosan ebenso wie das Salz der Pektinsäure
einen integrierenden Bestandteil des ursprünglichen Flachspektins aus-
macht. Da das Hexopentosan weder durch mäßig konzentrierten
Alkohol noch durch Bleiessig aus wässerigen Lösungen fällbar ist, so
erklärt es sich, daß diese Verbindung der Aufmerksamkeit früherer
Beobachter?) entgangen ist, die immer nur die mit Alkohol fällbare
Substanz als ‚„Pektin‘‘ betrachtet haben.
Aus den alkoholischen Lösungen des Hydropektins kann das
Hexopentosan durch Verdampfen, Wiederaufnahme mit kaltem Wasser
und Verdunsten der Extrakte in Form eines dunkelbraunen Körpers
gewonnen werden. Eine weitere Reinigung desselben war nicht möglich,
so daß auch die Frage nicht mit Sicherheit entschieden werden konnte,
ob es sich hier um eine einheitliche Verbindung oder um ein Gemisch
von Zuckeranhydriden handelt. Das trockene Hexopentosan zeigt
direkt eine Linksdrehung von lol, = — 23,1’, gibt stark die Orcinreaktion
auf Pentosen und reduziert schwach Fehlingsche Lösung, bedeutend
kräftiger aber nach Erhitzen mit Säuren. Bei wiederholtem Auskochen
des zunächst erhaltenen Hexopentosans mit Alkohol fallender Kon-
zentration von 96 bis 65 Proz. erhält man Präparate mit allmählich
steigender Linksdrehung bis zu einem Maximalwert von [a], = — 144,1°.
Das Hexopentosan des Flachspektins verhält sich also ähnlich dem
Araban des Rübenpektins, nur daß in letzterem Falle meist höhere
Linksdrehungen beobachtet wurden (— 77° bis — 174°). Da die niedriger
drehenden Fraktionen des Hexopentosans gewöhnlich mehr reduzierten
und einen Mehrgehalt von Säure aufwiesen gegenüber den hoch-
drehenden Fraktionen, so erscheint es wohl möglich, daß in dem
Hexopentosan ursprünglich eine einheitliche Verbindung vorlag, die
aber unter der Einwirkung des heißen Wassers und von Essigsäure, die
beim Verdampfen der Extrakte aus Pektinsäure abgespalten wurde,
eine partielle Hydrolyse zu Zuckeranhydriden und Zuckergemischen
verschiedener Drehung erlitten hat.
Eine weitere Aufklärung über die Zusammensetzung des Hexo-
pentosans erbrachte seine totale Hydrolyse, die sich schon durch mehr-
stündiges Erhitzen mittels sehr verdünnter Schwefelsäure leicht durch-
führen ließ. Hierbei war ein Umschlagen der ursprünglichen Links-
drehung zu einer Rechtsdrehung von ungefähr gleicher Höhe zu beob-
achten. Während nun das Araban des Rübenpektins bei seiner Hydro-
lyse nur l-Arabinose liefert, erwies sich der Aufbau des Hexopentosans
1) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a. a. O.
2) Correns, a. a. O.
Inkrusten des Flachses. 19
aus Flachspektin, wie schon sein Name andeutet, als wesentlich kom-
plizierter. Aus 8,5g Hexopentosan wurde durch Aufspaltung und
weitere Reinigung ein stark reduzierender Zuckersirup im Gewicht von
12g mit einem Gehalt von 7,5g Gesamtzucker gewonnen, der selbst
eine Drehung von [a]5 = + 32,6° aufwies. Der Sirup ergab alle
Pentosenreaktionen, war aber zum Teil vergärbar, was auf die
Anwesenheit von Hexosen hindeutete, während das ungespaltene
Hexopentosan durch Hefe nicht angegriffen wurde. Mit Hilfe
von Furfurolbestimmungen und kombinierten Gärverfahren mittels
Brennereihefe und Lactosehefe ließen sich annähernd quantitativ
folgende Mengen Kohlenhydrate im Gesamtzucker aus Hexopentosan
feststellen :
Pentosen . . . . 2 2 2 2 2 2. 55 Proz.
d-Galaktose . . . . . E ee N 17 ,„
d-Fructose . . . 2 2 2 2 20.0. 20 ,,
Von den Pentosen war die l-Arabinose durch die Darstellung ihres
Benzylphenylhydrazons und Diphenylhydrazons scharf zu charakte-
risieren. Von den durch verschiedenartige Hefen vergärbaren Zuckern
ließ sich die d-Galaktose durch ihr Benzylphenylhydrazon sowie durch
ihre Oxydation zu Schleimsäure deutlich nachweisen, die d-Fructose
außer durch ihre Vergärbarkeit mittels der obergärigen Heferasse XII
durch den stark positiven Ausfall der Seliwanoff-Weehutzenschen
Reaktion mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen. Beweise für die
Anwesenheit anderer Hexosen waren nicht zu erbringen. Methyl-
pentosen waren ebenfalls nicht vorhanden.
Nimmt man unter Berücksichtigung der unvermeidlichen Versuchs-
fehler das oben ermittelte Mengenverhältnis der einzelnen bei der
Hydrolyse erhaltenen Kohlenhydrate als Grundlage, eo müßte dem-
zufolge das Hexopentosan des Flachspektins aus 3 mol Pentosen, 1 mol
Galaktose und Toma Fructose aufgebaut sein. Wenn man weiterhin
annimmt, daß diese 5 Moleküle Zucker unter Austritt von 4 Molekülen
Wasser das Molekül des Polysaccharids gebildet haben, so ließe sich die
Bruttoformel und die Hydrolyse des Hexopentosans durch folgende
Gleichung darstellen:
Ca HasO23 + 4 H30 = 3C,H,,0, + CH 20, + Ce H1206
Hexopentosan Pentose d-Galaktose d-Fructose
In der Voraussetzung, daß die 3 Moleküle Pentose ausschließlich
aus l-Arabinose bestehen, würde sich die Gesamtdrehung der aus
Hexopentosan abgespaltenen 5 Moleküle Zucker zu [a]p = + 55,50
2%
20 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
berechnen!). Diesem Werte gegenüber erscheint die oben gefundene
Mischdrehung + 32,60 der bei der Hydrolyse des Hexopentosans er-
haltene Zucker um ein beträchtliches zu niedrig, so daß man hieraus
folgern muß, daß neben Arabinose noch eine niedriger drehende Pentose
in dem Zuckergemisch vorhanden war. Als solche kann nur die
l-X ylose in Betracht kommen, deren spezifische Drehung [a], = + 1%
gegenüber + 105° der l-Arabinose beträgt. Direkte Beweise für die
Existenz dieses Kohlenhydrats ließen sich in diesem Falle allerdings
nicht erbringen, was bei dem Mangel geeigneter Methoden zur Ab-
scheidung kleiner Mengen von Xylose aus derartig heterogen zusammen-
gesetzten Zuckergemischen nicht verwundern kann. Weder war eine
Isolierung als Hydrazon, noch in Form des typischen Doppelsalzes
der Xylonsäure mit Bromcadmium trotz vielfacher Versuche möglich.
Dagegen gelang »päter glatt der Nachweis der 1-Xylose in der Pektin-
säure des Flachspektins. Diese Tatsache und die folgende Kalkulation
machen es äußerst wahrscheinlich, daß auch im Hexopentosan 1-X ylose
neben 1-Arabinose vorhanden ist. Macht man nämlich die durchaus
plausible Annahme, daß von den 3 Molekülen Pentose 2 Moleküle aus
l-Arabinose und 1 Molekül aus l-Xylose bestehen, so würde sich die
Gesamtdrehung der Zucker aus Hexopentosan zu [a]p = + 39,6°
berechnen, während + 32,6% gefunden wurde. Die beobachtete geringe
Differenz zwischen diesen Werten liegt aber innerhalb der Fehler-
grenzen, wenn man die Schwierigkeiten der analytischen Methodik
bei derartigen Bestimmungen berücksichtigt und bedenkt, daß bei
der langdauernden Hydrolyse des Polysaccharids mit Schwefelsäure
die Bildung von Reversions- und Zersetzungsprodukten, die auf die
Gesamtdrehung einen entsprechenden Einfluß ausübten, unvermeidlich
war. Unter diesen Voraussetzungen würde man also das alkohol-
lösliche Hexopentosan des Flachspektins, wenn es sich hier wirklich um
einen einheitlichen Körper und nicht um ein Gemisch von Pentosanen
und Hexosanen handelt, als ein G@alaktan-Fruktosan-X ylan-Di- Araban
zu betrachten haben.
Dem rohen Hexopentosan, wie es sich zunächst beim Verdampfen
der alkoholischen Lösungen des Hydropektins ergibt, ist regelmäßig
in Mengen bis zu 25 Proz. ein eigentümlicher harzartiger Körper, eine
Harzsäure, beigemengt, die sich in vieler Hinsicht dem Lignin sehr
ähnlich verhält. Nach Auswaschen mit kaltem Wasser, wiederholtem
Lösen in Natronlauge und Fällen mit Salzsäure gewinnt man die Harz-
säure als ein dunkelbraunes Pulver, das, in Säuren und Wasser fast
unlöslich, von Kohlenhydraten frei ist und sich in verdünntem Alkohol
1) Hierbei ist die spezifische Drehung [a]p der l-Arabinose zu + 105°,
der d-Galaktose zu + 80,5°, der d-Fructose zu — 93° angesetzt.
Inkrusten des Flachses. 21
und Alkalien mit tiefbrauner Farbe löst. Die gereinigte Verbindung,
die auch darin dem Lignin ähnelt, daß sie die von Marcusson!) für
Furankörper als charakteristisch beschriebenen Schwelreaktionen in
typischer Weise gibt, wurde vorläufig nicht weiter untersucht. Ob es
sich hier um einen Begleiter des Pektins aus anderen Inkrusten des
Flachses her handelt oder um einen Bestandteil des Flachspektins
selbst, läßt sich daher zunächst nicht entscheiden. Immerhin ist es
bemerkenswert, daß diese Ligninharzsäure aus den zuckerfreien Flachs-
stengeln direkt mit verdünntem Alkohol nicht zu extrahieren war, dagegen
stets aus dem mit heißem Wasser erhaltenen Hydropektin und außer
als Beimengung des Hydropektins auch bei der Hydrolyse des Hexo-
pentosans und der Pektinsäure in kleineren Mengen beobachtet wurde.
Es ist wohl möglich, daß es sich hier um eine Umwandlungssubstanz
des ursprünglichen Flachspektins zu anderen ligninartigen Körpern
handelt, die sich noch mit der Mutiersubstanz in lockerer Bindung be-
finden. Hierüber sollen weitere Untersuchungen Aufklärung ver-
schaffen.
Vom Standpunkt der Pektinchemie mußte sich das besondere
Interesse der in ungefähr gleichen Mengen neben dem Hexopentosan
vorhandenen zweiten Komponente des Hydropektins zuwenden, dem
Calcium- Magnesiumsalz der Pektinsäure.
Dieses Salz hinterbleibt als graubraune, körnige Masse bei voll-
ständiger Extraktion des Hydropektins mit 70proz. Alkohol. Durch
wiederholtes Lösen in Wasser, Klären und Fällen der filtrierten Lösung
mit Alkohol gewinnt man daraus zu etwa 50 Proz. das annähernd reine
Salz als fast farbloses Pulver, das schon in kaltem Wasser mit schwach
hellgelber Farbe löslich ist und neutral reagiert. Sein Aschengehalt
wurde konstant zu etwa 6,3 Proz. gefunden und bestand regelmäßig
im wesentlichen aus Calcium und Magnesium neben Spuren von Eisen
und Kieselsäure. Die einheitliche Beschaffenheit des bei verschiedenen
Darstellungen gewonnenen Salzes bewies auch seine spezifische Drehung,
die in ziemlicher Konstanz annähernd zu [a]» = + 93° beobachtet
wurde. Das vollkommen getrocknete Salz enthielt 40,28 Proz. C und
5,69 Proz. H. Sein Gehalt an Methoxyl wurde durchschnittlich zu
3,6 Proz. CH,O gefunden. Bei der Destillation mit Salzsäure ergab
das Salz Furfurol in einer Menge, die scheinbar 38,80 Proz. Pentose
entsprach.
Aus der wässerigen Lösung des Calcium-Magnesiumsalzes läßt
sich nach Zusatz von Salzsäure durch überschüssigen Alkohol die
1) Ber. 58, 869, 1925.
22 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
freie Pektinsäure!) in Form von gallertartigen Flocken fällen, die beim
Behandeln und Waschen mit Alkohol und Äther zu einem feinen, farb-
losen Pulver zusammenschrumpfen. In einfacherer Weise, ohne vor-
herige Isolierung des Ca-Mg-Salzes, kann man die Pektinsäure direkt
aus den wässerigen Lösungen des Hydropektins durch Fällen mit
Alkohol und Salzsäure gewinnen und durch Umlösen und Wieder-
fällen weiter reinigen. Auch die mehrfach gereinigte Säure enthält
immer noch etwas Asche, deren Gehalt auch durch wiederholte Um-
fällung nicht unter 0,8 Proz. sinkt.
Die Pektinsäure aus Flachspektin zeigt in ihren physikalischen
und chemischen Eigenschaften große Ähnlichkeit mit der Pektinsäure
des Rübenpektins. Wie diese stellt sie ein reversibles Kolloid dar, das
beim Benetzen mit Wasser aufquillt und schon in kaltem Wasser mit
schwach gelblicher Farbe löslich ist. Die lufttrockene Substanz enthält
stets noch Wasser gebunden, dessen Menge je nach dem Feuchtigkeits-
grad der Luft zwischen 12 bis 15 Proz. schwanken kann und das bei
105 bis 110° oder noch gründlicher im Vakuum bei 100° über P,O;
wegzutrocknen ist. Die vollständig getrocknete Verbindung zieht an
der Luft, ohne sich äußerlich zu verändern, wieder Wasser in den an-
gegebenen Mengenverhältnissen an. Daß es sich um eine hochmolekulare
Substanz handelt, zeigt die Molekulargewichtsbestimmung in wässeriger
Lösung nach der Gefrierpunktsmethode, die ein Molekulargewicht der
trockenen Säure von 1421 ergab. Doch ist die eigentliche Molekular-
größe der getrockneten Verbindung offenbar um etwa 15 Proz. niedriger
zu veranschlagen, d.h. um den Betrag, bis zu dem die Säure Kon,
stitutionswasser‘ aus der Lösung angezogen hat. Die vollkommen
1) Hier und im folgenden ist für das Pektin und seine Abbauprodukte
die Nomenklatur beibehalten, die früher zuerst beim Rübenpektin von
mir angegeben wurde (F. Ehrlich, Chem.-Ztg. 1917, S.197; Deutsch. Zucker-
ind. 1924, Nr. 36; F. Ehrlich und o Sommerfeld, diese Zeitschr., 168,
263, 1926.) Danach wird der in den Pflanzen ursprünglich vor-
handene, in kaltem Wasser unlösliche Körper als eigentliches Pektin an-
gesehen, das durch heißes Wasser zu Hydropektin hydrolysiert wird. Die
hieraus durch Alkohol und Salzsäure zu gewinnende Verbindung, eine
Estersäure, wird als Pektinsäure bezeichnet, da sie wohl dem Pektin in
ihrem Grundaufbau noch sehr nahe steht, aber durch die Wasserhydrolyse
und den Aschenentzug doch weitgehende Denaturierung erfahren hat.
Frühere Forscher haben diese denaturierte Verbindung nicht sehr glücklich
„Pektin‘ genannt und als ‚„Pektinsäure‘‘ schwerlösliche Substanzen be-
trachtet, die durch Säure- oder Alkalispaltung aus wässerigen Pektinlösungen
sich ergaben und von denen wir heute wissen, daß sie im wesentlichen
aus Anhydriden der Galakturonsäure bestehen. Es erscheint mirzweckmäßiger,
für diese Verbindungen besser die rein chemischen Namen wie Di-, Tetra-,
Polygalakturonsäure einzuführen. Vgl. auch das am Ende dieses Abschnitts
befindliche Schema des Abbaus des Pektins. F. Ehrlich.
Inkrusten des Flachses. 23
gereinigte Pektinsäure reagiert gegen Lackmus und Phenolphthalein
deutlich sauer und zeigt die Eigenschaften einer mittelstarken Pflanzen-
säure entsprechend ihrer H-Ionenkonzentration von pe = 4,2. Die
‘Lösungen der Säure und ihres Ca-Mg-Salzes geben mit Lösungen von
Metallsalzen sowie mit Kalk- und Barytwasser flockige, zum Teil
gelatinöse Niederschläge. Wie ihr Salz, so dreht auch die freie Säure
deutlich nach rechts. Verschiedene Präparate der Pektinsäure zeigten
ein spezifisches Drehungsvermögen, dessen Werte zwischen [a], = +930
bis + 120 schwankten.
Ebenso wie die Rüben-Pektinsäure erweist sich auch die Flachs-
Pektinsäure als eine Estersäure, deren Carboxylgruppen teils frei,
teils an Meihylalkohol gebunden sind. Die Methylestergruppen sind
durch Alkalien schon in der Kälte leicht verseifbar!) und der durch
kalte Natronlauge oder Barytwasser abgespaltene Methylalkohol kann
direkt bereits auf diesem Wege durch Rücktitration quantitativ be-
stimmt werden. Die hierbei ermittelten Werte für den Gehalt der
Pektinsäure an Methylalkohol stimmten gut überein mit den nach
der Methode von Zeisel-Fanto-Stritar gefundenen Zahlen. Durch-
schnittlich betrug der Gehalt an Methoxyl 3,8 bis 4,1 Proz. C H,0,
während in der Rüben-Pektinsäure Mengen von 6 bis zu 9 Proz. beob-
achtet wurden?).
Die bis dahin als Baustein der Pektinstoffe nicht bekannte und
zuerst im Rübenpektin?) nachgewiesene Essigsäure wurde auch in der
Pektinsäure des Flachses als wesentlicher Bestandteil ermittelt. Sie
ist in Form von Acetylgruppen an die Pektinsäure gebunden und
daraus am einfachsten durch Erhitzen mit Barytwasser abzuspalten,
ein Verfahren, das kombiniert mit nachfolgender Wasserdampf-
destillation der sauren, von Ameisensäure befreiten Lösung zur Be-
stimmung der Essigsäure benutzt wurde. Die Ausbeute an Essigsäure,
die man durch Titration feststellte und als Bariumacetat noch näher
:charakterisierte, belief sich auf 8,6 Proz., bezogen auf trockene Pektin-
säure. Die gleiche Verbindung des Rübenpektins enthielt dagegen
ll bis 12 Proz. Essigsäure.
Es ist wohl möglich, daß sich der niedrigere Gehalt des Flachs-
pektins an Essigsäure und Methylalkohol dadurch erklären kann, daß
durch hydrolytische Wirkung des heißen Wassers oder von Säuren bei
der Darstellung oder schon vorher durch Fermente in dem ursprüng-
lichen Flachs eine partielle Abspaltung von Acetyl- und Methoxyl-
gruppen erfolgt ist.
1) v. Fellenberg, a a O.
2) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a.a. O.
24 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Von größtem Interesse für die Chemie des Flachspektins ist nun,
daß der Hauptkomplex der daraus hergestellten Pektinsäure ebenso
wie beim Rübenpektin!) aus Molekülen der d-Galakturonsäure auf-
gebaut ist. Schon der positive Ausfall verschiedener Farbreaktionen, °
wie der Orcin- und Naphthoresorcinreaktion, der Furfurolbildung bei
der Salzsäuredestillation, der Schleimsäurebildung bei der Oxydation
mit Salpetersäure, konnten in Verbindung mit den früheren Beob-
achtungen die Vermutung nahe legen, daß innerhalb des Pektinsäure-
moleküls eine Kohlenhydratsäure mit Aldehyd- oder Ketogruppen vor-
handen sein müßte. Der Nachweis mittels dieser Reaktionen, die auch
Correns?) mit seinen Pektinpräparaten aus Flachs angestellt hat, war
aber keineswegs eindeutig, da weiterhin in der Pektinsäure auch
Galaktose und Pentosen gefunden wurden, die bekanntlich ebenfalls
mehrere der erwähnten Reaktionen geben.
Der entscheidende Nachweis dafür, daß die zuerst von F. Ehrlich?)
im Rübenpektin aufgefundene d-Galakturonsäure einen normalen inte-
grierenden Bestandteil des Pektins und der Pektinsäure auch des Flachses
bildet, gelang uns erst durch die Isolierung eines dimolekularen An-
hydrids der d-Galakturonsäure von der Formel OC Haha und der
kristallisierten monomolekularen d-Galakturonsäure C,H,,O, zu erbringen.
Die Behandlung der Pektinsäure aus Flachs mit 2proz. Salz-
säure bei Wasserbadwärme lieferte in einer Ausbeute von etwa
10 Proz. eine wasserlösliche, durch Alkohol fällbare, stark rechisdrehende
Säure, die mit gleichen Eigenschaften auch durch Einwirkung
von Barytwasser in der Kälte und nachfolgende Abtrennung mit
Schwefelsäure und Alkohol gewonnen werden konnte. Ihre Titrierbarkeit
mit Alkali gegen Phenolphthalein und ihre Wasserstoffionen-
konzentration von py = 3,4 zeigt, daß es sich um eine wirkliche Säure
handelt. Im Gegensatz zur Pektinsäure enthielt sie keine weiteren
Monosaccharide, trotzdem war aber deutliche Orcin- und Naphtho-
resorcinreaktion zu beobachten, sie lieferte ferner bei Oxydation .
Schleimsäure, bei Destillation mit Salzsäure Furfurol und Kohlensäure
und gab mit Schwermetallsalzen und Erdalkalien flockige, zum Teil
gelatinöse Niederschläge. In wässeriger Lösung zeigte sie die hohe
spezifische Drehung [a]p = + 236°. Durch dieses Verhalten und durch
die Befunde der Elementaranalyse und der Molekulargewichts-
bestimmung wurde erwiesen, daß hier eine Verbindung von der Formel
2C,H,00, — 2H,0 = C2 Hiethe oder genauer C,,H,},0,(C0,H), vorlag,
1) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a. a. O.
2) a.a. O.
3) F. Ehrlich, Chem.-Ztg. 1917, S. 197; Deutsche Zuckerind. 1924,
Nr. 36; Chem. Centralbl. 1924, II, 2797; F. Ehrlich und v. Sommerfeld, a a. O.
Inkrusten des Flachses. 25
die in allen ihren Eigenschaften und in ihrer Zusammensetzung völlig
übereinstimmte und identisch war mit der zuerst aus Rübenpektin
isolierten zweibasischen Digalakturonsäureb. Trotz vielfacher Ab-
änderung der Versuche war es nicht möglich, die aus Rüben-Pektinsäure
hauptsächlich erhaltene isomere Digalakturonsäure a, die in Wasser
schwer und in Salzsäure unlöslich ist, auch aus Flachspektin zu ge-
winnen. Dieser negative Befund könnte darauf hindeuten, daß, so
nahe chemische Verwandtschaft auch die beiden Pektinsäuren auf-
weisen, doch gewisse Unterschiede in der Bindung der Galakturon-
säuregruppen in ihren Molekülen vorhanden sein müssen. Auf diese
Fragen werden indes erst weitere eingehende Untersuchungen sichere
Antwort geben können.
In bedeutend größerer Ausbeute, bis zu 40 Proz. und mehr, ließ
sich nun regelmäßig neben der Digalakturonsäure b bei der Salzsäure-
hydrolyse der Pektinsäure stets auch in Form ihres Ca-Salzes die
monomolekulare d-Galakturonsäure isolieren. Dieselbe Säure entsteht
ausschließlich, wenn Pektinsäure lange Zeit bis zur Aufspaltung aller
Zwischenprodukte mit verdünnter Schwefelsäure gekocht wird, wobei
es gelang, über das Bariumsalz einen spontan kristallisierenden Säure-
sirup zu gewinnen. Die in geringen Mengen erhaltene, aus Wasser
umkristallisierte Substanz reagierte stark sauer, reduzierte in der Hitze
kräftig Fehlingsche Lösung, gab deutlich die Orcin- und Naphtho-
resorcinreaktion und wurde bereits in der Kälte durch Brom zu Schleim-
säure oxydiert. Außer durch diese Eigenschaften erwies sich die isolierte
Verbindung durch ihre Kristallform und durch ihre Drehung als
identisch mit der aus Rübenpektin zuerst dargestellten d-Galakturon-
säure. Die kristallisierte Säure zeigte allerdings, da sie aus wässeriger
Lösung abgeschieden war, keine Mutarotation, sondern sofort eine
konstante Drehung von [a]» = + 52,7, die aber recht gut mit dem
Werte der Enddrehung (+ 53,4%) der aus Rübenpektin früher er-
haltenen Galakturonsäure übereinstimmt. Die geringe Ausbeute an
kristallisierter Galakturonsäure, die sich bei den Versuchen ergab,
ist leicht dadurch erklärbar, daß die ursprünglich aus der Pektinsäure
abgespaltene Galakturonsäure durch die langdauernde Einwirkung
der Mineralsäure weitergehende Zersetzungen zu nicht kristallisierenden
sirupösen Abbauprodukten erfahren hat. Unter diesen findet sich eine
in den Mutterlaugen angereicherte, schon in der Kälte Fehlingsche
Lösung stark reduzierende Substanz, die noch die Pentosenreaktionen
gibt, wahrscheinlich also ein Furanderivat ist.
Bei der Hydrolyse der Pektinsäure ergaben sich in Form der Disäure
und des Ca-Salzes der Monosäure im ganzen etwa 56 Proz. Galakturon-
säure. Um ihren Gehalt in der Pektinsäure noch genauer zu bestimmen,
26 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
wurde reine trockene Pektinsäure nach Tollens-Lefevre!) mit 12proz.
Salzsäure erhitzt und das dabei abgespaltene Kohlendioryd quantitativ
bestimmt. Danach berechnet enthält die Pektinsäure aus Flache
61 Proz. Galakturonsäure, weist also diesen Hauptbaustein in ähnlichen
Mengenverhältnissen auf, wie er früher in der Rüben-Pektinsäure ge-
funden wurde (65 Proz.). Hierbei muß allerdings die Frage vorläufig
noch ungeklärt bleiben, ob abweichend vom Rübenpektin die Flachs-
Pektinsäure neben Galakturonsäure nicht etwa noch Glykuronsäure
enthält, da doch beide Uronsäuren bei der Säuredestillation CO, ab-
spalten. Auch bei den obigen Isolierungsversuchen der Galakturon-
körper könnte unter Umständen die Glykuronsäure übersehen worden
sein, da einmal die Abscheidung nicht quantitativ durchzuführen war
und da es auch zurzeit an sicheren Methoden zur Trennung und Be-
stimmung von kleinen Mengen der beiden in vieler Hinsicht sehr
ähnlichen Verbindungen nebeneinander fehlt?). Für die Anwesenheit
von Glykuronsäure neben Galakturonsäure im Flachspektin könnte
folgende theoretische Überlegung sprechen. Genetisch läßt sich die
Bildung von l-Arabinose im Araban und in der Pektinsäure des Rüben-
pektins im Pflanzenorganismus mit großer Wahrscheinlichkeit so er-
klären, daß aus primär entstandener d-Galakturonsäure Kohlendioxyd
nach folgender Gleichung abgespalten,
C,H,0,.C0,H = CO, + C,H,00;,
und daß dabei sekundär /!-Arabinose gebildet wird. Nach derselben
Bruttogleichung wäre aber auch die Möglichkeit des Zerfalls der
d-Glykuronsäure in Kohlendioxyd und l-Xylose gegeben, eine Reaktion,
die unter natürlichen Bedingungen zuerst Salkowski und Neuberg?)
beim bakteriellen Abbau der Glykuronsäure aufgezeigt haben. Daß
von den beiden Pentosen im Rübenpektin nur l-Arabinose, im Flachs-
pektin aber, wie später näher gezeigt wird, neben l-Arabinose auch
l-Xylose gefunden wurde, wäre unter diesen Gesichtspunkten vielleicht
so zu deuten, daß im Pektin der Rübe nur d-Galakturonsäure, im Pektin
des Flachses aber neben dieser Uronsäure auch d-Glykuronsäure vor-
kommt. Hierüber werden mit Sicherheit erst weitere eingehende
Untersuchungen unter Anwendung verbesserter Analysenmethoden
Aufschluß geben können.
1) Ber. 40, 4513, 1907.
2) Die Überführung der Uronsäuren in Schleimsäure und Zuckersäure
ist im vorliegenden Falle wenig brauchbar, da die Oxydationen an sich
nicht quantitativ verlaufen und hier noch durch die Gegenwart von Galaktose
und Pentosen gestört werden.
3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 86, 261, 1902; 87, 464, 1903.
Inkrusten des Flachses. i 21
Die genaue Erforschung der Zusammensetzung der Flachs- Pektin-
säure führte nun weiterhin zu dem Ergebnis, daß außer den bisher
aufgefundenen Bestandteilen, dem Methylalkohol, der Essigsäure und
der alle anderen der Menge nach überwiegenden d-Galakturonsäure
noch in ihrem Molekül drei Monosaccharide vorhanden sind, nämlich
die l- Arabinose, die l-X ylose und die d-Galaktose. Ihre Isolierung gelang
aus den alkoholischen Filtraten, die man erhält, wenn man Pektinsäure
durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure total hydrolysiert, die
Schwefelsäure mit Bariumcarbonat ausfällt und das noch in Lösung
befindliche Bariumgalakturonat mit Alkohol niederschlägt.
Es könnte hier zunächst der Einwand gemacht werden, daß diese
Zuckerarten nicht dem Molekül der Pektinsäure angehören, sondern
ursprünglich in einer alkoholunlöslichen Anhydridform, nach Art von
Pentosanen oder Hemicellulosen, der Pektinsäure oder dem Pektin
beigemengt waren und mit diesen Stoffen zusammen der Hydrolyse
unterlagen. Gegen diese Vermutung spricht aber das ganze chemische
Verhalten der Pektinsäure, die sich, wie viele Reihen von Beobachtungen
erkennen lassen, analog der Rüben-Pektinsäure als ein einheitlicher
Körper erwiesen hat. Zufolge der weiteren Untersuchungen wird man
vielmehr als sichergestellt annehmen müssen, daß der aus Arabinose,
Xylose und Galaktose aufgebaute Trisaccharidkomplex in glykosidartiger
Bindung im Pektinsäuremolekül (ähnlich wie die Galakturonsäure-
moleküle, unter sich) relativ fest verankert ist und daß sich erst bei
der Säurehydrolyse regelmäßig in konstanten Mengenverhältnissen
die einzelnen Zuckerarten neben der Galakturonsäure daraus
abspalten.
Die aus der Pektinsäure abgespaltenen Kohlenhydrate wurden
teils kristallisiert gewonnen, wie die Xylose und Galaktose, teils durch
Derivate und durch Bestimmung der Drehung näher charakterisiert.
Von der Arabinose und Galaktose wurden die Benzylphenylhydrazone
dargestellt, durch Oxydation die Galaktose in Schleimsäure, die X ylose
in das typische xylonsaure Bromcadmiumsalz übergeführt. Durch
Titration des erst erhaltenen Zuckergemisches, aus der Furfurol-
bestimmung nach Destillation mit Salzsäure und aus der Vergärung
mit Lactosehefe ergaben sich annähernd folgende Mengen der einzelnen
Zuckerarten, bezogen auf reine, trockene Pektinsäure:
l1-Arabinose . . . . 2. 2 2 202. 10,9 Proz.
l-Xylose . . 2... 22 2200. 10,9 ,„
d-Galaktose . . . . 2 22.02. 13,6 ,,
Ebenso wie im Rübenpektin waren auch im Flachspektin Methyl-
pentosen nicht nachweisbar. Sowohl die sehr charakteristische Reaktion
28 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
von Rosenthaler!) wie die von Tollens- Widtsoe?) für diese Verbindungen
fielen im Hydropektin und in der Pektinsäure des Flachses und in den
entsprechenden Salzsäuredestillaten in allen Fällen negativ aus. Die
von Correns?) angegebenen Nachweise von Methylpentosen oder daraus
destilliertem Methylfurfurol im Flachspektin mittels Resorcin oder
a-Naphthol erscheinen nicht stichhaltig, da auch Zersetzungsprodukte
anderer Kohlenhydrate dieselben Färbungen geben. Ebensowenig für
die vorliegenden Zwecke brauchbar ist die von v. Fellenberg‘) benutzte
Alkohollöslichkeit eines angeblich aus Methylpentosen des Pektins
gewonnenen Methylfurfurolphloroglucids, worauf zuerst Votocek5) und
später Tollens®) eine Methode zur Bestimmung dieser Zucker begründet
haben. Diese alkohollöslichen Stoffe des Phloroglucidniederschlags
stammen in diesen Fällen offenbar aus einer ganz anderen Quelle her,
nämlich aus der Galakturonsäure, die, wie sich gezeigt hat, bei der
Destillation mit Salzsäure regelmäßig mit Phloroglucin 7 bis 8 Proz.
alkohollösliche Substanzen liefert, ohne daß auch nur eine Spur un
furfurol in den Destillaten nachweisbar wäre.
Zieht man abschließend nunmehr die Summe der Mengen aller
dieser im einzelnen nachgewiesenen und bestimmten Bausteine des
Moleküls der Pektinsäure des Flachspektins, so ergibt sich nachstehende
Übersicht, die gleichzeitig beweist, daß andere Bestandteile neben den
von uns gefundenen kaum noch in Frage kommen können.
Die vollkommen getrocknete Flachs-Pektinsäure liefert demnach
bei totaler Aufspaltung folgende Substanzmengen:
d-Galakturonsäure (+ d-Glykuronsäure ?) . 61,15 Proz.
Methylalkohol . . . . 2 2 2 2 2220. 4,13 „
Essigsäure . .. 2 2 2 2 nn a 8,62 „
l-Arabinose . . . 2 2 2 2 2 2 2 2 2 a 10,9 „
EXylose < 5% Su u a wei 10,9 „,
d-Galaktose . . . 2. 2 2 2 2 2 2 2 2 0. 13,6 ,,
Asche (als Carbonat). . . . 2. 2.2... 1,0 „
Im ganzen. . . 110,3 Proz.
Da bei der Hydrolyse der Pektinsäure entsprechende Mengen
Wasser aufgenommen werden, über die sich zunächst nichts aussagen
1) Zeitschr. f. analyt. Chem. 48, 167, 1909.
2) Ber. 88, 143, 1900.
3) a. a. O.
1) a. a. O.
5) Ber. 80, 1195, 1897.
€) Ellett und Tollens, Ber. 88, 492, 1905; IV. Mayer und Tollens, Ber. 40,
2441, 1907.
Inkrusten des Flachses. 29
läßt, so muß naturgemäß die Gesamtmenge der Bausteine nicht un-
beträchtlich mehr als 100 Proz. betragen.
Wenn auch durch Vervollkommnung der Darstellungs- und
Analysenmethoden einzelne der erhaltenen Zahlenwerte vermutlich
später noch geringe Korrekturen erfahren werden, so ist es doch jetzt
bereits möglich, sich ein annähernd ri:htiges Bild von der Zusammen-
setzung der Flachs-Pektinsäure zu machen, und es erscheint durchaus
gangbar, auf Grund dieser Analysenergebnisse und auf Grund der
ermittelten Molekulargröße eine Bruttoformel dieser Verbindung ab-
zuleiten. Geht man nämlich von der Annahme aus, daß 4 Moleküle
Galakturonsäuret!), 2 Moleküle Methylalkohol, 2 Moleküle Essigsäure
und je 1 Molekül Arabinose, Xylose und Galaktose sich unter Austritt
von 10 Molekülen Wasser zusammengeschlossen haben, so wäre die
Brutioformel der Flachs-Pektinsäure C Deele, und die Hydrolyse dieser
Verbindung wäre durch folgende Gleichung zu veranschaulichen:
Cas Hee ae + 10 H20 = 4C,H,,0, + 2CH,0OH
Flachs-Pektinsäure Galakturonsäure Methylalkohol
+ 2CH,C0O,H + C,H,,0; + Cs H100; + Geist
Essigsäure Arabinose Xylose Galaktose
Die Flachs-Pektinsäure wäre also als eine Diaceyl-Arabino-X ylo-
Galakto-dimethoxy-T etragalakturonsäure aufzufassen.
Die nachfolgende Zusammenstellung der aus der Theorie er-
rechneten und der experimentell gefundenen Prozentzahlen für die
einzelnen Bausteine und für das gesamte Molekül der Pektinsäure gibt
einen recht guten Beweis für die Richtigkeit der aufgestellten Formel
und Gleichung:
l, | Prozente des Moleküls der
Molekular» Flaehs»Pektinsäure
i gewicht |
berechnet | gefunden °)
ge ehren eg = Ee
Mol. Galakturonsäure . . .. .
4 | 61,15
2 „ Methylalkohol ..... . | 4,13
2 „ Essigsäure. ....... 8,62
l „ Arabinose........ | 10,90
EH, et DEE EEGENEN 10,90
l > Galaktose. ....... 13,60
109,30
— 10 Mol H,O = — 14,25
Cae Hes Os 95,05
Asche: 1,00
”) In der vollkommen getrockneten Pektinsäure. 96,05
l 1) Es bleibe hierbei zunächst noch unentschieden, ob und inwieweit
diese etwa durch Moleküle der Glykuronsäure ersetzt sind.
30 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Durch die Methode der Gefrierpunktserniedrigung wurde ein
Molekelgewicht der trockenen Pektinsäure von 1421 gefunden, das
leidlich mit dem theoretisch errechneten Werte von 1260 stimmt,
wenn man berücksichtigt, daß es sich um eine kolloidale, nicht ganz
vollkommen von Aschebeimengungen befreite Substanz handelt. Die
Übereinstimmung ist aber eine merkwürdig gute, wenn man die nicht
unwahrscheinliche Annahme macht, daß die völlig getrocknete Pektin-
säure aus wässeriger Lösung in ähnlicher Weise Wasser anzieht und
ihr Molekül dadurch vermehrt, wie dies an der Luft geschieht, wobei
eine durchschnittliche Wasseraufnahme’ von 12 bis 15 Proz. erfolgen
kann. Nehmen wir an, daß auf diese Weise eine Vergrößerung des
Moleküls um 10 Mol. Konstitutionswasser = 14,25 Proz. eintritt, so
wäre der errechnete Wert von 1440 fast identisch mit dem wirklich
gefundenen.
Die Werte der bei der Elementaranalyse der Pektinsäure beob-
achteten Zahlen decken sich ebenfalls innerhalb der hier möglichen
Fehlergrenzen annähernd mit der Theorie:
In Prozenten der trockenen Pektinsäure
Für C,Hg0, berechnet: C 43,81 H 5,39 O 50,80
Nach Abzug der Asche gef.:C 43,21 H 5,67 O 51,12
C 42,91 H 5,89 O 51,20
C 42,89 H 5,68 O 51,43
In der Erwägung, daß die Flachs-Pektinsäure ähnlich wie die
Pektinsäure aus Rüben eine Estersäure darstellt und daß von den
vier Carboxylgruppen der in ihr enthaltenen 4 Moleküle Galakturon-
säure zwei esterartig an Methylalkohol gebunden, zwei aber, die vorher
durch Calcium und Magnesium abgesättigt waren, unbesetzt sind,
würde sich für die freie Flachs-Pektinsäure die erweiterte Formel
Cao HeoO32 - (COOCH,),. (COOH),
ergeben. Bei Annahme von zwei freien Carboxylgruppen müßte sich
demnach theoretisch für lg Pektinsäure eine Acidität entsprechend
15,9 cem n/10 NaOH berechnen, während tatsächlich Werte wie 15,2,
15,2, 15,7, 16,4, 15,7, 15,8, 15,6 usw. bei der Titration gegen Phenol-
phthalein gefunden wurden.
Um die Übersicht vollständig zu machen und einen besseren Ver-
gleich mit der Zusammensetzung des Rübenpektins!) zu ermöglichen,
sei im folgenden ein Schema des Abbaus des Flachspektins und der daber
erhaltenen Spaltprodukte gegeben.
1) F. Ehrlich und v. Sommerfeld, diese Zeitschr. 168, 263, 1926.
Inkrusten des Flachses. 31
Flachs-Pektin,
in kaltem Wasser unlöslich, durch heißes Wasser gespalten und gelöst zu
Hydropektin
in 70proz. Alkohol
yosh “nlöstich
Heropentosan (linksdrehend) Ca-Mg-Salz der Pektinsäure
Gas Halen (und Ligninsäure?), (rechtsdrehend)
durch Säurehydrolyse mit Salzsäure und Alkohol
l.Xy- l-Arabi- d-Fruc- d-Galak-
lose nose tose tose
Pektinsäure,
Cas Hes Le + 10 H30,
durch Säurehydrolyse
a
Pr SC ! |
BEA |
Digalakturon- | |
säure b, | | | | Ä
CH 4O0s(CO;H), Ä | |
| d | | |
Geck A Sek t LA AA A
ethylalkoho ST, - D N Y Q
sig feg g g į
SI, 228 3 X 3
GEO S3 % B 23 58
Zë Se y S
O ge! =
Sieht man zunächst von besonderen Einzelheiten ab, so ist die
Analogie in der Zusammensetzung des Flachs- und Rübenpektins eine
sehr weitgehende, da beide Arten von Pektinstoffen unter der Ein-
wirkung von heißem Wasser leicht in alkohollösliche Polysaccharide
und in den Komplex der Pektinsäure zerfallen, die in Alkohol un-
löslich ist.
Beide Pektinarten und besonders die aus ihnen gewonnenen Pektin-
säuren, die nur wenig voneinander verschiedene Molekulargröße und
Elementarzusammensetzung entsprechend den Formeln ` Ce He las
(Rübe) und Ce Heel (Flachs) besitzen, weisen bei weitergehender
Spaltung im wesentlichen die gleichen Bausteine offenbar in analoger
Anordnung auf. Merkbare Unterschiede zeigen aber im Verhältnis zu
den Pektinsäuren in den Hydropektinen beider Pflanzen die Anteile
der alkohollöslichen Polysaccharide, die bei der Rübe nur !/, bis Lis
32 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
beim Flachs mehr als die Hälfte betragen. Sie differieren auch stark
in der Zuasmmensetzung, da die betreffende Fraktion des Rüben-
hydropektins, das Araban, nur Arabinose enthält, das Hexopentosan des
Flachspektins aber viel komplizierter außer aus Arabinose noch aus
Xylose, Fructose, Galaktose und einer noch näher zu erforschenden
Ligninsäure aufgebaut ist.
Es ist aus vielerlei Anzeichen herzuleiten, daß während des Wachs-
tums der Pflanze gewisse Veränderungen und Umwandlungen im
Molekül der Pektinstoffe vor sich gehen, wobei sich anscheinend aus
dem Pektinsäurekomplex sekundär diejenigen leicht abspaltbaren
Polysaccharide bilden, die sich dann in alkohollöslicher Form im
Hydropektin vorfinden. So erscheint z. B. die Entstehung des Arabans
im Rübenpektin durch CO,-Abspaltung aus der Galakturongruppe
der Pektinsäure durchaus denkbar und ebenso die eines Xylans aus
Glykuronkomplexen. Im Sinne dieser genetischen Anschauung wäre
das Flachspektin gegenüber dem Rübenpektin als eine intramolekular
viel weitergehend umgewandelte Substanz aufzufassen, die vermutlich
auch noch anderen, tiefer greifenden hiochemischen Reaktionen unter-
legen war, wie sich aus manchen pflanzenphysiologischen Betrachtungen
folgern läßt.
Mit dieser Auffassung steht durchaus im Einklang, daß im Rüben-
hydropektin die Pektinsäure noch zu ?/, bis %, vorhanden ist, im Flachs-
hydropektin aber weniger als die Hälfte ausmacht. Was den inneren
Bau dieser Verbindungen anbetrifft, so erscheint es von größter Be-
deutung, daß das Hauptgerüst beider Komplexe übereinstimmend
4 Moleküle Galakturonsäure bilden, die untereinander verkittet sind,
indem zwischen den Aldehyd- und Hydroxylgruppen Wasseraustritt
erfolgt ist, während von den vier freien Carboxylgruppen nach Art
einer Estersäure zwei mit Methoxylresten behaftet sind. An dem Galak-
turonkomplex hängt mit einer besonderen Bindung in der Rüben-
Pektinsäure ein Disaccharid, bestehend aus Arabinose und Galaktose,
in der Flachs-Pektinsäure ein Trisaccharid, bestehend aus Arabinose,
Xylose und Galaktose. Diese Monosaccharide sind unter sich in jedem
Falle glykosidartig gebunden und durch Laugen in der Kälte von dem
Galakturonkomplex loszulösen, wobei sie miteinander nach Art von
Polysacchariden verknüpft bleiben, die erst durch Säurehydrolyse sich
in reduzierende Zucker verwandeln. Jede Pektinsäure enthält außerdem
noch Acetylgruppen, die aus Rüben drei, die aus Flachs zwei, die ver-
mutlich nicht am Galakturonkomplex, sondern an den Kohlenhydrat-
gruppen befestigt sind. Dafür spricht auch, daß schon durch kalte
Barytlauge wohl die Digalakturonsäuren von den Zuckermolekülen
loszulösen sind und als. unlösliches Bariumsalz ausfallen, die Ab-
sprengung der Essigsäure aber erst beim Behandeln des Filtrats, in
Inkrusten des Flachses. 33
dem sich die Polysaccharide befinden, mit heißem Barytwasser erfolgt.
Entsprechend dem Mehrgehalt an Xylose, durch die sich die Flachs-
Pektinsäure wesentlich von der aus Rüben unterscheidet, enthält sie
weniger Methylalkohol und Essigsäure im Molekül als letztere.
Als wichtiger Unterschied im Verhalten beider Verbindungen ist
schließlich noch die Tatsache hervorzuheben, daß mit Säuren und
Laugen aus der Rüben-Pektinsäure die Digalakturonsäuren a und b
abzuspalten sind, aus der Flachs-Pektinsäure aber nur die Digalakturon-
säure b. Es deutet dies auf eine Verschiedenheit im Aufbau des Galak-
turonkomplexes oder der Bindungen innerhalb desselben hin. Wie schon
bemerkt, könnte aber diese Erscheinung auch vielleicht dadurch zu
erklären sein, daß 1 oder 2 Moleküle Galakturonsäure in der Flachs-
pektinsäure durch Glykuronsäure ersetzt sind, wodurch die Entstehung
der schwerlöslichen Digalakturonsäure a verhindert wäre.
Es ist wohl möglich, daß mit dieser Differenz in ihrer Struktur
auch die Unterschiede hinsichtlich der @elbildung beider Pektinsäuren
im Zusammenhang stehen. Die Rüben-Pektinsäure selbst und ihre
Salze neigen viel mehr dazu, aus Lösungen gefällt, gallertartige Nieder-
schläge von kolloidalem Charakter zu bilden, wie die Flachs-Pektinsäure,
die häufig nur in flockigen, grießigen Ausscheidungen auftritt und
der Gelbildung viel weniger leicht unterliegt.
Es wird in dieser Hinsicht von besonderem Interesse sein, die
vorliegenden Untersuchungen über die chemische Struktur der Pektine
und Pektinsäuren auf diejenigen Pektinstoffe auszudehnen, die sich
wie die der Obstfrüchte hervorragend durch ihre intensive Gelbildung
auszeichnen. Hierüber wird später berichtet werden.
Experimenteller Teil.
1. Die Umwandlung des Flachspektins in Hydropektin und seine zweckmäßige
Darstellung.
Das zu der vorliegenden Untersuchung benutzte Rohmaterial, das uns
von der Zuckerfabrik Gebrüder Schoeller & Co., Rosenthal bei Breslau,
zur Verfügung gestellt wurde, bestand aus einem im Jahre 1923 auf den
Feldern in der Nähe von Breslau gewachsenen und getrockneten normalen
Strohflachs von durchschnittlich 12,54 Proz. Wassergehalt (bei 110°
getrocknet).
Von diesem wurden 100g unter Knickung der ganzen Stengel, die
entsprechend zusammengepreßt wurden, in einem Liter fassenden
Emailletopf eingelegt und zunächst vier- bis fünfmal hintereinander mit
je 2 Litern destillierten Wassers bei 55 bis 60° je 1 Stunde ausgelaugt, wobei
der Flachs sich stets völlig unter Wasser befand. Nach jedesmaliger Be-
endigung der Auslaugung wurde vom Extraktionswasser abgegossen und
der Flachs scharf unter einer Hebelpresse abgepreßt. Nach viermaliger
Auslaugung zeigte der zuletzt erhaltene wässerige Extrakt auf Prüfung
mittels der a-Naphtholreaktion Abwesenheit von Zucker. Um die bis dahin
Biochemische Zeitschrift Band 169. 3
34 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Beobachtungen über periodische Auslaugungen von 100g
An Er = | | EH
Da des enge Reduktion ' bei
we D [Tepe gie ën Termo | or, ern
| Auslsugung | q kamal | U = 2) scher Lösung | Phenolpkti
Std. | | alt 8 (eem nito N
1 l 50° — 2 Liter + 0,60 er = 0,55
2 l 50 2, +0,15 ° ++ = 0,10
3 1 50 2 ` + 0,10 Ss = 0,05
4 l %9 2 , +0,15 schw. + | esche + ` 0,05
5 l 100 2 „ + 0,05 4 | + 0,05
6 l 100 i + 0,10 dë 4: 0.05
7 l 100 D + 0,15 ir ge A 0,08
8&8 > |] 100 2 „ +0,10 _ schw. + de, 0,08
9 l 100 2 „ +0,10 | schw. + + | 0,08
10 1 100 2 _” +0,05 | schw.+ | schw. + OO
ll 1 121 1, LO00 + | a 0,3
12 l ENEE d +0,60 + Lt © og
13 1 121 L , +050. + | SÉ 0,8%
l4 0 1 121 1, | +040: + A 0,3:
5 ı 1 21 1, +0,30 | + + 0,4
16 1 21 1, +0,20; + dë 0,4
D 1 21, AE + 0,3
l l „ + 0,10 + + 0,8%
19 l 121 l „ +0,10 | schw. + + 0,3
20 1 121. 1. — +0,10 | schw. + na 0,8
a O 21 1, +0,10 | schw. + = 0,2
2, 1 121 l „ +005 ` schw.+ + 0%
23 | l 135 350 cem : — 0,10, ++ l ++ 1,1
24 | 1 135 | 350 „ | —010 | ++ |! ++ Ä 10
25 1 0,0135 30 „ 0 gie. "8 "le 0,6
2 1 Ä 15 350, ` 0 + ++ | 0,7
27 ı 15:35 ++ | 0,6
Aus 100g lufttrockenem Strohflachs Gesamtiausbeute an Pektinsi
Erklärungen der Zeichen für den Ausfall der Reaktionen: + p
noch ungelösten Pektinstoffe in Lösung zu bringen, wurde nunmehr die
Auslaugung der Flachsstengel mit kochendem Wasser bei 100° C systematisch
fortgesetzt. Die dabei erhaltenen hellgelben Extraktflüssigkeiten wurden
durch Leinwand koliert und in großen Porzellanschalen auf dem Wasserbade
zur Trockne eingedampft. Vorher waren die einzelnen Lösungen auf ihr
Polarisationsvermögen, auf ihr Verhalten gegen Fehlingsche Lösung, gegen
Orcinsalzsäure auf Pentosen untersucht und ihre Acidität durch Titration
durch n/10 Natronlauge gemessen worden. Durch das schonende. Ein-
dunsten auf dem Wasserbade konnte das Hydropektin in Form von hell-
braunen Blättehen gewonnen werden, welche mit Hilfe eines Spatels aus
den Schalen herausgekratzt und nun bei 105°C getrocknet und gewogen
wurden. Die obige Tabelle gibt eine Übersicht über den Verlauf der
ausgeführten Prüfungen wie über die Ausbeuten, welche bei den einzelnen
Auskochungen gewonnen werden konnten. Zur Ermittlung der Mengen der
alkohollöslichen und -unlöslichen Bestandteile des Hydropektins wurden die
Inkrusten des Flachses. 35
em Strohflachs mit Wasser verschiedener Temperaturen.
t der | Von der Trocken» / Drehung der ER - Se e so A | Aus 100 g luft»
| substanz sind in | alkoholischen 5 d E ia E SS E e ck ES trocken. Stroh»
ke | Wproz. Alkohol Lösung der aus, ZS a= o ze5gc |gs528§3 ` Dachs wurden
d | gelaugten Ss S E E SE: erhalten
Se Trockensubst. Pia: g ae SE SS | Trocken»
unlöslich 6—10, 1=1 |? SE a | 3.288 | 82558 | substanz
8, pin 0Sacch. 0843 (Eë ZE SE e
=
| ;
! 12,918 in Wasser von 50° lösliche Extraktstoffe der Flachsstengel
| 045 , 0,15 0 + ` 1 sche, + dk 43 ga
041 ; 0,14 0 ri #1 zk "Ra E
OAE. Lt = 00 + ++ + [SE3°%
029 | 0,11 — 0,05 + | ++ es, n LE
0,25 | 0,10 — 0,1 gë ++ + ess"
023 | 0,12 0 + | +4 + R Sa
0,18 0,14 | 0 L bës: ge Vs BY.
0,71 0,84 l — 0,4 Tr | ++ + ver
047 | 1,03 , —02 ++ ıı ++ + Lë?
0,60 0,55 — 0,1 ++ ++ kt I >
0,54 | 048 A ++ | ++ + [88
0,61 0,39 — 0,1 +r | +7 | F | g p
0,51 | 029 | cc ++ r+ ep K E &
057 106 Aë kk | ++ | + 182383
0,55 | 0,12 —0,1 TT Ä Ei 4 SÉ IER et
0,7 0,17 — 0,4 pr mi A T > g
FOR A s ++ | ++ + N<
0,42 0,14 | — 0,5 ++ ++ | + a e
| i e geg
OA0 | 0,02 —0,5 ++ ++ + a Bä S
030 | 002 | —05 ++ kae Ver © Sr
0,23 | 0,07 — 0,5 ++ ++ | H |s gan P
0,17 ó 0,05 Jk — 0,5 + + + + i + T En 3
10,43 5/71 | |
einzelnen Trockenrückstände jeder Auslaugung in der zehnfachen Menge
70proz. Alkohols 24 Stunden unter wiederholtem Umschütteln suspendiert,
der alkoholische Extrakt durch Filtration von den unlöslichen Rückständen
getrennt, welche nach Trocknen bei 105° gewogen wurden. So konnten
bereits bei diesen Vorversuchen die beiden Hauptkomponenten des Hydro-
pektins, das in Alkohol lösliche Hexopentosan und das unlösliche Calcium-
Magnesiumsalz der Pektinsäure bezüglich ihres ungefähren gegenseitigen
Gewichtsverhältnisses wie ihrer Reaktionen gegen Orcin auf Pentosen und
Naphthoresorein auf Aldehyd- bzw. Ketozuckersäuren untersucht werden.
Die Ergebnisse dieser Versuche wie das Mengenverhältnis der alkohol-
löslichen zu den unlöslichen Anteilen des Hydropektins sind ebenfalls in
der umstehenden Übersicht zusammengestellt.
Nach sieben Auslaugungen erschien es infolge des Rückganges der
Ausbeute ratsam, die Temperatur durch Erhöhung des Druckes auf 1 Atmo-
sphäre Überdruck zu steigern. Dazu wurden dieselben vorher ausgelaugten
KE
36 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
100 g Strohflachs in einem Porzellanbecher im Autoklaven wiederholt mit
Wasser weiter ausgekocht. Schließlich wurde durch weitere fünf Aus-
laugungen bei 2 Atmosphären Überdruck die Extraktion bis zur Erschöpfung
durchgeführt und so insgesamt eine Ausbeute von 16 Proz. an rohem Hydro-
pektin aus lufttrockenem Strohflachs erzielt.
Aus dem Ansteigen der Linksdrehung bei der Behandlung im Auto-
klaven und aus der stärkeren Dunkelfärbung der erhaltenen Produkte
ließ sich folgern, daß das rechtsdrehende Calcium-Magnesiumsalz der
Pektinsäure unter diesen Bedingungen bereits Zersetzungen erfährt, die
sich bei Erhöhung des Druckes noch steigern. Daher wurde im folgenden,
um möglichst schonend zu arbeiten und ein möglichst wenig zersetztes
Rohprodukt zu gewinnen, nur mit kochendem destillierten Wasser bei
gewöhnlichem Druck erhitzt. Am zweckmäßigsten gestaltete sich die
Extraktion, wenn 1l kg Strohflachs mit je 10 Litern destillierten Wassers
etwa zehn- bis zwölfmal ausgekocht wurde. Unter Beibehaltung der oben
beschriebenen Behandlung wurden dann die Extrakte auf dem Wasserbad
zur Trockne verdampft. Auf diese Weise konnten aus 1kg Strohflachs
60 bis 70 g Hydropektin gewonnen werden, wenn vorher Zucker und andere
direkt lösliche Stoffe des Pflanzensaftes durch vier bis fünf aufeinander
folgende Extraktionen bei 50 bis 60°C aus dem Rohmaterial entfernt waren.
2. Die Trennung des Hydropektins in ein Hexopentosan und ein Calcium-
Magnesiumsa!z der Pektinsäure. Lignin-Harzsäure als Nebenprodukt.
Zur weiteren Trennung der Hydrolysenprodukte wurden jedesmal
60 bis 70 g Hydropektin nach feinem Pulverisieren in einer ungefähr 20fachen
Menge 70proz. Alkohols unter häufigem Umschütteln suspendiert. Nach
24 Stunden wird abfiltriert, mit 70proz. Alkohol nachgewaschen und nun
am Rückflußkühler mit je 1 Liter 70proz. Alkohol je l Stunde so oft. aus-
gekocht, bis die Drehung der alkoholischen Filtrate möglichst auf 0° ge-
sunken ist. Der Filterrückstand stellt das Calcium-Magnesiumsalz der
Pektinsäure dar. Folgende Tabelle gibt ein Beispiel für die Erschöpfung der
Extraktionen, beobachtet durch den Abfall der einzelnen Drehungen der
Auszüge:
Dreh des alkoho-
lischen Filtrats (l = 0,5)
in Graden Sacch. nach ::
L Suspension des Hydropektins. . ...... — 0,79
2. Auskochung „ $ E E E — DA
3. = 5 $ Br dr San an — 0,25
4, g v , METER DONE — 01
5. S a a E E E 0
Die alkoholischen Filtrate enthalten das Hexopentosan gelöst. Zu
dessen Gewinnung werden die vereinigten alkoholischen Extrakte im
Vakuum bei etwa 35° stark eingeengt. Dabei zeigt sich, daß sich ein grau-
brauner, fein verteilter, reichlicher Niederschlag ausgeschieden hat, dessen
Trennung von der eingedampften Lösung sich als sehr schwierig erweist.
Seine Filtration gestaltet sich höchst zeitraubend, da der harzartige
Körper sehr bald die Poren des Filters verstopft. Zu seiner vorläufigen
Untersuchung wurde daher zunächst nur dekantiert und der Rückstand auf
einem Tonteller getrocknet. Auf Grund seines äußeren Verhaltens und
Inkrusten des Flachses. 37
seiner Reaktionen scheint zu folgern, daß es sich bier um eine dem Lignin
ähnliche Harzsäure handelt, die sich wie folgt verhält:
In kaltem Wasser . . . . . fast unlöslich
„ kochendem Wasser . . . zum Teil löslich, fällt in der
Kälte wieder aus
„ Natronlauge . .....
„ Natriumcarbonat ... . .Yleicht löslich mit tiefbrauner Farbe
„ Ammoniak. . . ....
Salzsäure . . .... . . . fällt den Körper aus seiner
alkalischen Lösung wieder
aus
Diese letzte Beobachtung zeigte einen Weg zu seiner weiteren Reinigung.
Die Lignin-Harzsäure, wie dieser Körper vorläufig benannt sei, wurde in
Natronlauge gelöst und mit Salzsäure wieder zur Abscheidung gebracht.
Auf diese Weise viermal umgefällt, wird sie mit Wasser gewaschen und bei
105° getrocknet. Nunmehr zeigt sie die folgenden Reaktionen:
In kaltem Wasser... .... unlöslich
In kochendem Wasser . . . . . wenig löslich
Fehlingsche Lösung . . . . . . nursehr schwach reduziert
Oreinreaktion . . . .. . . . . negativ
In 96proz. Alkohol . . . . . fast unlöslich
In 50- bis 60proz. Alkohol . . . löslich
In Äther . . . . . . unlöslich
a-N aphtholreaktion. nn. . negativ
Die in dieser Weise gereinigte Substanz zeigte deutlich die als typisch
für Ligminsäuren von Marcusson!) beschriebenen Schwelreaktionen.
Zu diesem Zwecke wurde 1 g Substanz in einem Glasrohr der Schwelung
unterworfen und die dabei entweichenden Gase und Dämpfe durch Ab-
kühlung und in alkoholischer Salzsäure aufgefangen. Das übergehende
Schwelwasser färbte fuchsinschweflige Säure rot, reduzierte ammoniakali-
sche Silberlösung sofort in der Kälte und gab mit Anilinacetat eine intensive
Rotfärbung. Beim Verdampfen hinterließ das erhaltene Schwelwasser
ein gelbbraunes ÖJ, welches beim Erhitzen mit Salzsäure Huminsäuren
lieferte, die bis auf geringe Reste in Natronlauge löslich waren. Die alko-
holische Salzsäure hatte sich während des Versuchs dunkelbraun gefärbt.
Sie wurde unter Zusatz von etwas konzentrierter Salzsäure zur Trockne
verdampft. Dabei blieben schwarzbraune, in Natronlauge nur sehr wenig
lösliche Kondensationsprodukte zurück.
Der Ausfall dieser Reaktionen spricht für die Anwesenheit von Furan-
kernen, wie solche in Ligninsäuren beobachtet sind.
Zum Beweis dafür, daß das Hexapentosan und die Ligninsäure in
freier Form sich in den Flachsstengeln nicht vorfinden, sondern erst durch
die Einwirkung von heißem Wasser daraus abgespalten werden, wurden
folgende Versuche angestellt:
1 kg gehäckselter Strohflachs wurde fünfmal mit je 15 Liter destillierten
Wassers bei 55° C ausgelaugt. Bei der fünften Extraktion zeigte das Ablauf.
1) a. a. O.
38 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
wasser keine Reaktion mit a-Naphthol auf Zucker. Der ausgelaugte Flachs
wurde dann gut abgepreßt und an der Luft getrocknet.
Nunmehr wurden 250g dieses getrockneten Strohflachses in einem
großen Glaskolben mit 3 Liter 70proz. Alkohol 3 Stunden am Rückfluß-
kühler gekocht und die Lösung heiß filtriert. Beim Abkühlen scheidet sich
aus dem Filtrat ein grünlicher Niederschlag (0,5g)ab. Die von neuem filtrierte
dunkelgrün gefärbte alkoholische Lösung hinterläßt beim Verdampfen
im Vakuum einen bräunlichen wachsartigen Rückstand, der bei Wasserbad-
wärme schmilzt und in der Kälte wieder erstarrt. Eine auf diese Weise
dreimal durchgeführte erschöpfende Extraktion lieferte im ganzen 4,0g
Extraktstoffe, die in Wasser unlöslich waren und im wesentlichen aus
Chlorophyll, Xanthophyli, Fetten und wachsartiger Masse bestanden.
Hexopentosan oder irgendwelche anderen Kohlenhydrate waren darin nicht
vorhanden, ebensowenig war die Ligninsäure darin nachweisbar.
Der mit Alkohol ausgekochte, gut nachgewaschene und an der Luft
getrocknete Strohflachs wurde dann mit 6 Liter destillierten Wassers
2 Stunden lang bei 100°C ausgekocht. Aus den kolierten Extraktflüssig-
keiten erhielt man beim Verdampfen 3,3 g Hydropektlin. Dies bestand zu
etwa ],8 g aus alkohollöslichem Hezxopentosan, in dem auch die Ligninsdure
nachweisbar war.
Zum Vergleich wurden noch 250g des oben erhaltenen, nicht mit
Alkohol vorbehandelten Strohflachses genau so mit heißem Wasser extra-
hiert und dabei im ganzen 3,0 g Hydropektin gewonnen.
8. Das Hexopentosan und seine Spaltprodukte.
Zur Trennung des Hexopentosans von der beigemengten Harzsäure und
zu seiner weiteren Reinigung wurden die wie oben beschrieben mit 70proz.
Alkohol aus Hydropektin erhaltenen Extraktlösungen im Vakuum bei 35°
eingedampft und aus dem trockenen Rückstande nunmehr das Hexopentosan
mit kaltem Wasser herausgelöst. Die wässerigen Filtrate lieferten dann
beim Verdunsten im Vakuum das Hexopentosan in der Form, wie es für die
folgende Untersuchung Verwendung fand. Es stellt eine dunkelbraun
gefärbte körnige Masse dar, die, zu Pulver zerrieben, sich mit bräunlicher
Farbe in Wasser löst. Die Lösung reduziert heiß Fehlingsche Lösung
direkt nur wenig, aber kräftig nach Erhitzen mit Salzsäure, und gibt starke
Orcinreaktion auf Pentosen.
Zu der folgenden Untersuchung wurde das Hexopentosan über Death
im Vakuum bei 100° 7 Stunden getrocknet.
Spezifische Drehung. 0,3 g trockene Substanz, in 10 ccm H,O gelöst,
ergaben im 1-dm-Rohr eine Drehung von — 0,69%. Daraus berechnet sich
[a]p = — 28,1°.
lg trockenes Hexopentosan neutralisiert gegen Phenolphthalein
4,7 ccm n/10 NaOH. Es war also noch durch geringe Säuremengen ver-
unreinigt, vermutlich Essigsäure und Spuren mit in Lösung gegangener
Pektinsäure. Die Substanz liefert, nach Tollens- Krüger mit 12proz. Salzsäure
destilliert, deutlich Furfurol, das im Destillat mit Phloroglucin gefällt
und bestimmt wurde:
1. Angewandt: 0,6354 g trockenes Hexopentosan.
Gefunden: 0,1600 e Furfurolphloroglucid.
Inkrusten des Flachses. 39
Danach berechnet sich auf Grund der Kröberschen Tabellen!):
Pentosan . . . 2 2 2.2.2.2... 23,06 Proz.
bzw.Pentose. .. 2... 2.2.0.2... 26,2 RR
2. Angewandt: 0,6160 g trockenes Hexopentosan.
Gefunden: 0,1510g Furfurolphloroglucid.
Danach berechnet sich:
Pentosan . . . . 2 2 , 22,50 Proz.
bzw. Pentose. . . -. .» 2 2 2 2 2.20.2557 „
Es wurde nunmehr versucht, das Hexopentosan weiter zu reinigen,
indem man es aufeinander folgenden Auskochungen mit Alkohol fallender
Konzentration unterwarf. In den Extrakt des Alkohols, dessen Konzen-
tration anfangs 96 Proz., schließlich 65 Proz. betrug, gingen wechselnde
Mengen linksdrehender Substanz über, deren spezifische Drehung von
— 23° bis — 144° stieg. Einheitliche Körper ließen sich dabei nicht isolieren,
es scheint sich hier um ein Gemisch verschiedener Zuckeranhydride zu
handeln.
Zum Zwecke der Extraktion wurden 10 g Hexopentosan fraktioniert
ausgekocht mit je 200 ccm Alkohol, dessen Konzentration allmählich von
96 auf 65 Proz. herabgesetzt wurde. Die sich dabei ergebenden alkoholischen
Extrakte wurden polarisiert, im Vakuum bei 40° zur Trockne verdampft
und gewogen. Die Trockenrückstände wurden in wässriger Lösung auf
ihre spezifische Drehung und auf ihren Säuregehalt untersucht.
N Polarisation Gewicht des lg Extrakt neus pa Drehung
Nr. f Gewichts» der trockenen tralisiert n/10 trockenen
des Alkohol ` prosente des en Extraktes ein sauer Toaung
| 0 Sacch. O = 1) g ccm le] p
1 oe 05 | 165 47 | — 2929
2 | 96 —03 ı: 075 44 © — 71
3 96 —03 | 087 41 702398
4 | o ; —04 0,60 38 ` — 262
5 96 — 0,7 0,85 3,4 — 32,9
6 | oe 08 0,90 3,2 — 31,1
7 | 96 086 0,30 3,2 — 37,6
8&8 i 90 | — 0,4 0,16 3,1 — 54,0
9 90 —04 |€ 017 3,0 — 53,1
10 Së — 0,6 0,23 29 —— 668
11 85 | 06 — 02 2.9 — 62,9
12 | 80 —08 , 031 3,0 — 78,1
13 " 75 | — 1,0 0,65 24 — 102,3
4 o 70 — 14 0,60 2,6 —107,0
16 6 | —09 07W | 22 — 4l
Zurück blieb eine tief dunkelbraun gefärbte Masse (etwa l g), deren
Lösungen nicht mehr polarisierbar waren.
Das im Extrakt Nr. 6 erhaltene Hexopentosan wurde nach vierstündiger
Trocknung bei 78° im Vakuum gesondert untersucht :
1) van der Haar, Anleitung zum Nachweis von Monosacchariden usw.
1920, S. 77.
40 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Spezifische Drehung. Angewandt: 0,1419 g trockene Substanz gelöst
in 10 cem H,O.
ap = — 0,44°
= 1 [a]p = — 31,1°.
c= 1,419
lg trockene Substanz neutralisiert 3,11] cem n/10 NaOH.
Furfurolbestimmung nach Destillation mit 12proz. Salzsäure: An-
gewandt: 0,6613 g Hexopentosan Nr. 6, wie oben getrocknet. Gefunden:
0,1241 g Furfurolphloroglucid.
Daraus berechnet sich:
Pentosan . . . . 2... . . . 17,35 Proz.
Pentose. . . . aas. . . . 19,70
Zur Isolierung der einzelnen darin als Bausteine enthaltenen Kohlen-
hydrate wurde das Hexopentosan der Hydrolyse unterworfen.
Hydrolyse des Hexopentosans.
8,5g Hexopentosan werden im Rundkolben mit 425ccm lproz.
Schwefelsäure auf dem Baboblech am Rückflußkühler gekocht.
d Drehung der Lösung
j ap U — 05) | [@]p
Vor dem Kochen ... , _—0,65° — 22,5
Gekocht ia Std.. |.. | —0,20
m e. A E lr be
5 d e Dee + 0,25
» 21; mn è | T 0,40
n d n À T 0,55 ,
nm 61/3 n >. œ Fr 0,60 ý
n Tila n e | + 0,60 | + 22,1°
Nach etwa sechsstündigem Kochen ist also die Drehung konstant ge-
worden. Es haben sich aus der Lösung geringe Mengen Ligninsäure und
harzige Produkte abgeschieden, von denen abfiltriert wird. Zur Neutrali-
sation wird die bräunliche Lösung mit überschüssigem Bariumcarbonat
kochend neutralisiert, von dem überschüssigen Bariumcarbonat und dem
niedergeschlagenen Bariumsulfat abfiltriert und das Filtrat nach Klärung
mit Blutkohlle im Vakuum zum Sirup eingeengt. Dieser wird
wiederholt mit 90proz. Alkohol ausgekocht und die vereinigten Extrakte
erneut im Vakuum zum Sirup eingeengt, der zur weiteren Reinigung mehr-
mals mit 90proz. Alkohol in der Kälte ausgezogen wird. Die mit Koble
aufgekochten und filtrierten alkoholischen Lösungen ergaben beim Ver-
dunsten einen hellgelben klaren Sirup in einer Menge von 12 g, der für die
folgenden Untersuchungen benutzt wurde.
Reaktionen des Zuckersirups. Reduktion von
Fehlingscher Lösung in der Hitze . . . stark positiv
Orcinreaktion auf Peniosen . . .
Naphthoresorcinreaktion auf Aldehydzucker
BUTEN `, e a a . . . negativ
Seliwanoj f- Weehuizensche eet ich . . stark positiv
LI 23
Inkrusten des Flachses. 41
Mit Fehlingscher Lösung titriert, zeigte der Sirup einen Gesamt-
zuckergehalt entsprechend 7,5g als Dextrose gerechnet.
Spezifische Drehung des Zuckersirups auf Gesamtzucker gerechnet.
Angewandt 0,48 g Sirup, entsprechend 0,30 g Gesamtzucker, in 10 cem
H,O gelöst.
ai —= + 0,499
l= 05 [a]D = + 32,6°.
C zs 3,0
Furfurolbestimmung nach Destillation mit Salzsäure:
1. Angewandt: 0,3000 g Zucker, entsprechend 0,480 g Sirup,
gelöst in 10 ccm H,O.
Gefunden: 0,1478 g Furfurolphloroglucid entsprechend,
55,9 Proz. Arabinose.
2. Angewandt: 0,3000 g Zucker, entsprechend 0,48g Sirup,
gelöst in 10 ccm H,O.
Gefunden: 0,1464 g Furfurolphloroglucid. Diese entsprechen
55,5 Proz. Arabinose.
Diese Prozentzahlen für Arabinose sowie der positive Ausfall der
Ketosenreaktion deuteten darauf hin, daß auch Hexosen am Aufbau an
dem Hexopentosanmolekül beteiligt sein mußten. Die Entscheidung
brachten die folgenden Gärversuche:
Gärversuche mit ungespaltenem Hexopentosan.
Zunächst wurde festgestellt, daß das ungespaltene Hexopentosan durch
Brennerei- und Milchzuckerhefe nicht vergärbar ist.
Zur Vergärung wurden angesetzt je 2ccm einer etwa 3- bis 4proz.
ungespaltenen Hexopentosanlösung im Kluyverschen Apparat unter Be-
nutzung eines Thermostaten von 30°C. Als Hefe wurde sowohl Brennerei-
hefe Rasse XII als auch Lactosehefe, beide frisch von einer Reinkultur
gezüchtet, in Anwendung gebracht. Als Nährlösung für diese Hefen diente
Peptonlösung von der Zusammensetzung:
Pepton Witte . . . . . . . 0,5 Proz.
KH,PO, esaa ...05 „
MESO; 2 a #8 A-2202. 5
Es wurden jedoch auch Versuche ohne diesen Zusatz angestellt:
|
Dauer der
Heferasse Nährlösung Beobachtun Ergebnis
SE EE EE E GE SE ee EE Ga 2 K D dE SE m Tarzan
Rasse XII. ...... Peptonlösung |
e AlL a net Destilliertes Wasser j `
Lactosehefe ...... Peptonlösung l 2 Tage Keine Gärung
n E E Destilliertes Wasser `
Damit ist der Beweis geliefert, daß Hexopentosan nicht vergärbar ist
und daß es auch nicht etwa andere vergärbare Kohlenhydrate als Verun-
reinigung enthält. Fällt also die Gärung bei gespaltenem Hexopentosan
positiv aus, so kann sie nur verursacht sein durch Hexosen, welche einen
integrierenden Bestandteil des Hexopentosans bilden.
42 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Vergärung von gespallenem Hexopentosan. |
Die zur Untersuchung gebrachten Lösungen wurden völlig von
Bariumionen befreit, um eine etwaige schädliche Einwirkung derselben
auf die Gärung zu vermeiden.
Zur Gärung gelangt eine Siruplösung des gespaltenen Hexopentosans,
welche der Titration zufolge 3 Proz. Gesamtzucker (als Dextrose berechnet)
enthält. Aus dieser waren mit einigen Tropfen n/10 Schwefelsäure die
letzten Spuren von Bariumionen herausgefällt worden, so daß die Lösung
ganz schwach sauer gegen Lackmus reagierte. Ihr wird noch dieselbe Menge
Hefeextrakt als Nährlösung zugefügt, so daß nun die Konzentration der
zur Gärung angesetzten Flüssigkeit 1,5 Proz. Gesamtzucker beträgt. Wie
bei den vorigen Versuchen wurden auch hier frisch gezüchtete Hefezellen der
Rasse XII und von Lactosehefe benutzt. Die Gärung wurde im Kluyverschen
Apparat quantitativ vorgenommen bei Gebrauch eines Thermostaten von
30°C, wobei zu gleicher Zeit stets blinde Versuche eine Kontrolle für die
Genauigkeit und Eindeutigkeit der Gärversuche bildeten.
1. Gärversuch. Dauer 24 Stunden. Rasse XII entwickelt aus 3 ccm
der wie oben beschrieben vorbereiteten Zuckerlösung, enthaltend 0,045 g
Gesamtzucker, 2,1l cem Kohlensäure!). Diese Menge. CO, entspricht
0,0086 g Fructose. Daraus berechnet sich ein Gehalt von
19 Proz. Fructose im Gesamtzucker.
2.Gärversuch. Abgelesen nach 24 Stunden. Rasse XII in völlig analoger
Weise zur Anwendung gebracht. Gefunden aus 3ccm derselben Zucker-
lösung 2,2 cem CO,. Daraus berechnet sich ein Gehalt von
20 Proz. Fructose im Gesamtzucker.
Die vergorene Flüssigkeit wurde erneut mit Lactosehefe geimpft.
Wieder trat eine Gärung auf, aus welcher der Gehalt an Galaktose zu
ermitteln war.
Lactosehefe entwickelt aus 3ccm Siruplösung, enthaltend 0,045g
Gesamtzucker, 1,7 ccm CO,, entsprechend 0,0076 g Galaktose. Die Gärung
wurde nach 48 Stunden als beendet betrachtet. Daraus berechnet sich
17 Proz. Galaktose im Gesamtzucker.
Ein Kontrollversuch mit der Nährlösung ohne Siruplösungzusatz
ergab keine Kohlensäureentwicklung.
Parallelversuche wurden im Lohnsteinschen Apparat in analoger
Weise angesetzt. Nach 6 Stunden war die Fructose mit Rasse XII bei 30°
vollständig vergoren. Auf Neuimpfung mit Lactosehefe setzt nach 4 Stunden
eine weitere Kohlensäureentwicklung ein, welche nach 48 Stunden beendet
war; es wurden die folgenden Werte gefunden:
Mit Rasse XII vergoren, ergibt sich: 1. 0,60 g Hexose.
2. 0,628 „,
Daraus berechnet sich: 1. Fructose 20 Proz.) im Gesamt-
2: js 20,6 ,, | zucker
Nach Impfung mit Lactosehefe ergibt sich:
1. 0,5 g Galaktose entsprechend 16,5 Proz.) Galaktose im
2. 0,52 g d = 11,3: ;; Gesamtzucker
Im Mittel: 20 Proz. Fructose,
17 , Galaktose.
1) Bei all diesen Angaben ist das Volumen der Kohlensäure reduziert
auf 0° und 760 mm.
Inkrusten des Flachses. 43
Durch mikroskopische Untersuchung der vergorenen Flüssigkeit wird
jedesmal ein gutes Wachstum der Hefe und völlige Freiheit von störenden
Bakterien festgestellt. Weitere Kontrollversuche zeigten, daß Galaktose
auch bei Anwesenheit von Glucose selbst nach Zugabe desselben Hefe-
extraktes als Nährlösung nicht von Rasse XII angegriffen wird, sondern
erst durch Nachimpfung mit Lactosehefe vergärt.
Damit ergibt sich, daß der durch Rasse XII vergorene Zucker nur
Glucose, Mannose oder Fructose sein kann, da Galaktose von dieser Hefe
auch im Verlauf von 6 Stunden nicht angegriffen wird!). Die Prüfung des
Zuckersirups mittels der Reaktion von Seliwanoff-Weehuizen auf Ketosen
gibt einen so stark positiven Ausfall, so daß im vorliegenden Falle mit
großer Wahrscheinlichkeit nur Fructose für die Gärung durch Rasse XII
in Betracht kommt. Auf Grund dieser Untersuchungen folgt für die Zu-
sammensetzung der Kohlenhydrate des Hexopentosans:
Pentosen (l-Arabinose und 1-Xylose?). 55,5 Proz.
d-Fructose . . .» 2 2 2 2 2.2 .2.0.2,0 ,„
d-Galaktose . . . . : 2: 2 2 2 ...170 „
Insgesamt . . . 92,5 Proz.
Die genaue Identifizierung der l-Arabinose und d-Galaktose gelang
durch die Darstellung einiger Hydrazone:
l- Arabinosediphenylhydrazon?).
4,6 g des oben untersuchten Sirups werden in einem kleinen Becherglas
in 10 com H,O gelöst und nach Zugabe von 50 ccm 96proz. Alkohols mit
5g Diphenylhydrazin versetzt. Auf dem Wasserbade wird Y, Stunde zum
Sieden erhitzt, wobei die Ausscheidung des Hydrazons in gelben Flocken
beginnt. Nach 24 Stunden ist die gesamte Flüssigkeit zu einem hellgelben
Kristallbrei erstarrt, der abgesaugt, mit 75proz., dann mit 96proz. Alkohol,
schließlich mit Äther nachgewaschen wird. l-Arabinosediphenylhydrazon
1,7g in Form einer rein weißen Kristallmasse. Zur Umkristallisation
wird diese in 60 ccm einer 50 proz. wässerigen Pyridinlösung unter Erhitzen
auf dem Wasserbad gelöst, die Lösung mit Tierkohle entfärbt und
filtriert... Beim Abkühlen scheiden sich lange, schneeweiße, seidenglänzende
Kristalle ab, welche nach 24stündigem Stehen abgesaugt, mit Pyridin-
wasser, Alkohol und Äther nachgewaschen und im Vakuum über Schwefel-
säure 24 Stunden getrocknet. lg.
Spezifische Drehung. Angewandt 0,1000 g, !-Arabinosediphenylhydrazon
in 10 ccm reinem Pyridin gelöst.
ap = + 0,29°
l = 2 [a]p = L IA bn,
c = 1
Müther und Tollens?) finden die Drehung:
[a]p = + 14,9%.
1) Vgl. van der Haar, Anleitung 1920, S. 108.
2) Neuberg, Ber. 88, 2243, 1900.
3) Müther und Tollens, Ber. 87, 312, 1904.
44 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Der Schmelzpunkt des reinen völlig getrockneten Hydrazons wurde
bei 200° beobachtet, während Müther und Tollens 204 bis 205° gefunden
haben. Zur Kontrolle wurde noch aus reiner Arabinose!) das Diphenyl-
hydrazon hergestellt. Das Gemisch aus diesem und dem aus dem Sirup
gewonnenen Präparat schmolz ebenfalls bei 200°.
Nachweis der Galaktose durch Oxydation zu Schleimsäure.
l g des beschriebenen Sirups wird in einem kleinen Becherglas
in 12 ccm Salpetersäure (vom spezifischen Gewicht 1,15) zu einer hellgelben
Lösung gelöst und im Wasserbade auf ein Drittel des ursprünglichen
Volumens eingedampft. Die über Nacht gebildeten Schleimsäurekristalle
wurden im Goochtiegel abgesaugt, mit wenig Wasser gewaschen und in
wenig verdünnter Natronlauge gelöst. Durch Ansäuern mit Salzsäure und
Einengen der Lösung wurden sie wieder abgeschieden, die Kristalle mit
wenig kaltem Wasser gewaschen und bei 110° getrocknet.
Der Schmelzpunkt der Schleimsäure lag bei 213°, übereinstimmend mit
Kent und Tollens?).
u) der l-Arabinose und d-Galaktose durch die Darstellung ihrer
Benzylphenylhydrazone.
l-ArabinosebenzylIphenylhydrazon. 2g des auf S. 40 erhaltenen Zucker-
sirups wurden in 15 cem 75proz. Alkohols gelöst und mit der Suspension
von 2g Benzylphenylhydrazin in 5ccm 75proz. Alkohols versetzt, das
nach gutem Umrühren in Lösung geht. Nach kurzem Erwärmen auf dem
Wasserbad wird 24 Stunden zur Kristallisation stehengelassen. Nach
dieser Zeit ist die Lösung in einen hellgelben Kristallbrei von !-Arabinose-
benzylphenylhydrazon erstarrt, der abgesaugt wird und nach Waschen und
Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure 0,9 g wiegt. Nach Umkristallisieren
aus 75proz. Alkohol und Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure werden
0,42 g reinweißes Hydrazon gewonnen vom Schmelzpunkt 173°, der mit
dem von Ruff und Ollendorf?) zu 174° gefundenen befriedigend über-
einstimmt.
Angewandt: 0,3084 g l-Arabinosebenzylphenylhydrazon.
Gefunden: 23,6ccm N (20°, 753 mm).
Cis Hz: OL No- Ber. : N 8,48 Proz.
Gef.: N 8,64
d-Galaktosebenzylphenylhydrazon. Das Filtrat der zuerst erhaltenen
Kristalle vom Arabinosebenzylphenylhydrazon wird mit demselben
Volumen Wasser versetzt. Die Lösung trübt sich stark und läßt im Laufe
von 24 Stunden einen kristallinischen Niederschlag im Gewicht von 0,5g
fallen, welcher das noch unreine, gelbliche Galaktosebenzylphenylhydrazon
darstellt. Dasselbe zeigt noch eine schwach positive Orcinreaktion.
Es wird aus wenig 30proz. Alkohol umkristallisiert. Die Kristalle
des reinen Hydrazons (0,19), welche nun nicht mehr die Orcinreaktion
geben, schmelzen scharf bei 158°.
!) Die Arabinose war von Kahlbaum bezogen.
2) Ann. Chem. 227, 221, 1885.
3) Ber. 82, 3235, 1899.
Inkrusten des Flachsee. ` 45
Behrend und Hofmann!) geben dafür den Schmelzpunkt 157 bis 158° an.
Zur Prüfung des aus Hexopentosan erhaltenen Zuckersirups auf einen
Gebalt an Xylose wurde noch die Bertrandsche Reaktion angestellt, die
aber negativ ausfiel.
3g Sirup in 9 ccm Wasser gelöst wurden mit 4 g CACO, und 2 g Brom
versetzt und das Gemisch 20 Stunden unter häufigem Schütteln stehen-
gelassen. Nach Wegkochen des Broms wurde die filtrierte Lösung auf dem
Wasserbad eingeengt und mit Alkohol versetzt, wobei sich viel Zersetzungs-
produkte ausschieden. Von neuem filtriert ergab die Lösung beim Ver-
dunsten einen Sirup, der, mit 96proz. Alkohol verrührt, keine Ausscheidung
der typischen Kristalle des Brom-cadmiumsalzes der Xylonsäure erkennen
ließ. Vgl. aber die auf S. 20 aus der Drehung des Zuckersirups gezogenen
Schlußfolgerungen hinsichtlich seines Gehalts an l-Xylose.
4. Caleium-Magnesiumsalz der Pektinsäure und die freie Pektinsäure.
Bei der vorher beschriebenen Extraktion des Hexopentosans aus dem
Hydropektin hinterbleibt eine in 70proz. Alkohol unlösliche graubraune,
körnige Masse, die nach vierstündigem Trocknen bei 105° sich gut pulveri-
sieren läßt. Sie besteht im wesentlichen aus einem Calcium-Magnesiumsalz
der Pektinsäure. Die folgende Aufstellung gibt ein Bild von den Mengen-
verbältnissen der beiden Substanzen im Hydropektin, aus ganz verschiedenen
Auslaugungen des Flachses herstammend:
in Proz. des Hydropektins
o Ca-Mg.Salz d |
a |i Hydropektin | Pektinsiure | Hexopentosan 'CasMg-Salz der
K S e F Pektinsäure Hexopentosan
ı || 650 | 26,7 33 | an 58,9
2 | 65,5 301 | 35,4 | 46,0 54,0
a 5 56,0 | 2,0 -> 300 | 46,4 53,6
Im Durchschnitt sämtlicher Untersuchungen bleibt das Verhältnis
von Calcium-Magnesiumsalz zu Hexopentosan innerhalb von Schwankungen
von 5 Proz. nach oben und unten konstant und beträgt etwa Ap: 55.
Zur weiteren Reinigung werden 26 g des rohen Ca-Mg-Salzes der Pektin-
säure auf dem Wasserbad unter mäßiger Erwärmung in 0,8 bis 1 Liter
destilliorten Wassers gelöst. Die mit Kieselgur versetzte, sehr langsam
klar filtrierende Lösung wird im Vakuum bei 40° auf etwa 100 ccm ein-
geengt und mit der drei- bis vierfachen Menge 85proz. Alkohols versetzt.
Es fällt ein hellgrauer, flockiger Niederschlag, das Calcium- Magnesiumsalz
der Pektinsäure, das sich gut am Boden des Gefäßes absetzt, so daß
e nun leicht durch Filtration von der hellbraun gefärbten darüber
stehenden Flüssigkeit getrennt werden kann. Nach gutem Nachwaschen
mit 70proz. Alkohol und möglichst vollständigem Abtropfen wird der
Filterrückstand erneut in Wasser gelöst und nun über Kieselgur in
85proz. Alkohol einfiltriert. Diese Filtration braucht bedeutend weniger
Zeit als die erste. Auf diese Weise noch zweimal umgefällt, wird endlich
!) Ann. Chem. 866, 277, 1909.
46 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
der mit 70proz. Alkohol gut gewaschene Niederschlag vorsichtig vom Filter
abgehoben und 24 Stunden unter 96proz. Alkohol und nach erneuter
Filtration 48 Stunden unter Äther suspendiert, wobei er allmählich zu einer
körnigen Masse zusammenschrumpft. Das auf einer Nutsche abfiltrierte,
mit Äther nachgewaschene und scharf abgesaugte Produkt wird dann durch
Zerreiben im Achatmörser schnell von den letzten Resten Äthers befreit.
Die Gewinnung eines farblosen trockenen Präparates hängt von der Schnellig-
keit des Arbeitens bei diesem Trocknungsprozesse ab. Auf diese Weise
werden 12,5 g reines Ca-Mg-Salz der Pektinsäure in Form eines lockeren,
weißen Pulvers gewonnen, das im Vakuum über H,SO, vollkommen ge-
trocknet wird.
Mit einem noch 7 Stunden bei 100° in der Trockenpistole im Vakuum
über P,O, getrockneten Salze werden die folgenden Untersuchungen an-
gestellt.
Das Ca-Mg-Salz der Pektinsäure reduziert in wässeriger Lösung beim
Kochen Fehlingsche Lösung nur schwach, lg etwa 3,5 ccm Fehlingsche
Lösung.
Das Salz reagiert gegen Lackmus und Phenolphthalein neutral.
Naphthoresorceinreaktion . . . . . stark positiv
Oreinreaktion . . .. . HEH en
Aschegehalt. 1. Bestimmung . . . 6,31 SCH
2. Se . . . 6,20 „ ee Asche
3. = ...684 „
Die Asche enthält hauptsächlich Calcium und Magnesium, nur in Spuren
Eisen, Aluminium, Kieselsäure.
Spezifische Drehung. 0,2020 g trockenes Ca-Mg-Salz der Pektinsäure
gelöst in 10 ccm Wasser.
ap = 0,94
l = 0,5 [a9 = + 98,1.
c = 2,02
Methoxylbestimmung nach Zeisel-Fanto-Stritar :
1. Angewandt: 0,1702 g trockenes Ca-Mg-Salz.
Gefunden: 0,0477 g AgJ. entsprechend
3,7 Proz. Methoxyl (CH,O).
2. Angewandt: 0,1995 g trockenes Ca-Mg-Salz.
Gefunden: 0,0529g AgJ, entsprechend
3,5 Proz. Methoxyl (CH,O).
Elementaranalyse des Ca-Mg-Salzes der Pektinsäure. Angewandt:
0,1959 g Ca-Mg-Salz, bei 100° im P,O,-Vakuum 4 Stunden getrocknet.
Gefunden: 0,2880g CO, 0,0891g H,O, 0,0134 g Asche.
Daraus berechnet sich: 6,84 Proz. Asche.
C 40,28 H 5,69 auf aschenhaltige Substanz bezogen.
C 43,04 H 6,07 ,, aschefreie
Inkrusten des Flachses. 47
Furfurolbestimmung nach Destillation mmt Salzsäure. Angewandt:
0,4033 g trockenes Ca-Mg-Salz. Gefunden: 0,1500 g Furfurolphloroglucid,
scheinbar entsprechend
Pentosan . . . . 2.2 2.2. 34,33 Proz.
Pentose . -. -. . . 2 . . . . 38,80 ,,
Darstellung der freien Pektinsäure aus dem reinen Calcium-Magnesiumsalz.
5,9 g des eben beschriebenen Ca-Mg-Salzes werden in 100 cem destillierten
Wassers gelöst und mit 4,7 ccm 10proz. Salzsäure versetzt, so daß Kongo-
papier gerade gebläut wird. Diese Lösung wird durch ein Filter über Kieselgur
in so viel 96proz. Alkohol eingetropft, daß nach Beendigung der Filtration
der Alkohol eine Konzentration von etwa 70 bis 75 Proz. aufweist. Dabei
hat sich die Pektinsäure in fast farblosen Flocken am Boden des Filtrier-
stutzens abgesetzt. Sie wird abfiltriert und zur völligen Befreiung von
Cl-Ionen noch einmal aus wässeriger Lösung mit Alkohol umgefällt. Das
gereinigte Produkt wird gut mit 70proz., dann 96proz. Alkohol gewaschen,
nach 24stündiger Suspension unter 96proz. Alkohol und längerer Auf-
bewahrung unter Äther rasch abgesaugt, lufttrocken verrieben und dann bei
100° C nachgetrocknet. So konnten 4,7 g, d. h. 80 Proz. des Ca-Mg-Salzes,
als freie Pektinsäure in Form eines fast weißen lockeren Pulvers gewonnen
werden. Nach einigem Umschütteln löst sie sich in kaltem Wasser mit
schwach gelber Farbe.
Die Pektinsäure reduziert heiß Fehlingsche Lösung nur schwach, sie
gibt eine stark positive Orcinreaktion und eine ebenfalls stark positive
Naphthoresoreinreaktion. Zur Untersuchung wurde sie noch im Vakuum
über P,O, 5 Stunden getrocknet bei 78°C.
Die so erhaltene Pektinsäure war noch aschehaltig. In zwei Präparaten
betrug der Aschegehalt 0,84 und 1,14 Proz. Eine weitere Herabminderung
des Aschegehaltes nach den angegebenen Fällungsverfahren war nicht
möglich. Die Substanz zeigte gegen Lackmus und Phenolphthalein deutlich
saure Reaktion:
l g Pektinsäure neutralisierte 15,7 ccm n/l0O NaOH gegen Phenol-
phthalein.
Spezifische Drehung. 0,3016 g trockene Pektinsäure in 10 ccm H,O
gelöst.
aD = + 1,870
l= 05 off = + 119,7".
c = 3,016
Methoxylbestimmung nach Zeisel-Fanto-Siritar : .
l. Angewandt: 0,2900 g trockene Pektinsäure.
Gefunden: 0,0834g AgJ, entsprechend
3,80 Proz. CH,O.
2. Angewandt: 0,2731 g trockene Pektinsäure.
Gefunden: 0,0778g AgJ, entsprechend
3,76 Proz. CH,O.
Furfurolbestimmung nach Destillation mit Salzsäure:
l. Angewandt: 0,4582 g trockene Pektinsäure.
Gefunden: 0,1678 g Furfurolphloroglucid.
48 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Daraus ergibt sich scheinbar:
Pentosan . . . . .2 2 2 2.0. 33,54 Proz.
Pentose . . . . a 2 2 2 2 0. 38,12 „,
Das Furfurolphloroglucid wurde zur Untersuchung auf Methyl-
pentosen!) mit 96proz. Alkohol bei 60°C extrahiert. Gewiehtsverlust des
Furfurolphloroglueids durch Alkoholextraktion:
0,0189 g Methylfurfurolphloroglueid (?). Daraus würde sich berechnen
auf Grund der Eletschen Tabelle?): 8,89 Proz. Rhamnosehydrat (?), be-
zogen auf 0,4582 g trockene Substanz.
2. Angewandt: 0,4998 g trockene Pektinsäure.
Gefunden: 0,1794 e Furfurolphloroglucid.
Daraus ergibt sich scheinbar:
Pentosan . . . . . 2 . . . . 32,69 Proz.
Pentose `, . . ... e Ré m LE
Gefunden durch Extraktion des Furfurolphloroglucids mit 96proz.
Alkohol bei 60°C:
0,0216 g Methyl£urfurolphloroglucid ( ?). Dies würde ergeben: 9,08 Proz.
Rhamnosehydrat (?), bezogen auf 0,4998 g Pektinsäure.
Daß es sich hier nicht um Methylpentosen handeln kann, zeigen die
weiter unten (s. S. 62 bis 64) mit anderen Reaktionen vorgenommenen
Untersuchungen.
HI
Molekulargewichtsbestimmung nach der kryoskopischen Methode:
Angewandt: 0,1912g trockene Pektinsäure.
Lösungsmittel: 10,00g H,O.
Gefunden: Gefrierpunktserniedrigung: Ae, 1. 0,025°.
2. 0,023°.
3. 0,025°.
Daraus ergibt sich das
85,8 . 0,1912
Molekulargewicht der Pektinsäure = E = 1421.
0,025
Bestimmung der H-Ionenkonzentration. Mit Hilfe des Walpole-
Michaelisschen Komparators ergab eine ungefähr 0,lproz. Lösung die
H-Ionenkonzentration: op = 4,2.
Vereinfachtes Verfahren zur Darstellung der freien Pektinsäure.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wurde die freie Pektinsäure, ausgehend
vom Hydropektin, direkt aus dem bei der Auslaugung des Hexopentosans
verbleibenden rohen Ca-Mg-Salz hergestellt. Zu diesem Zwecke wurde die
unfiltrierte, wässerige Lösung des Salzes mit Salzsäure gegen Kongo
angesäuert. Statt verdünnter Salzsäure kann auch ein Überschuß kon-
zentrierter angewandt werden, vorausgesetzt, daß die Filtration der salz-
sauren Pektinsäurelösung in den Alkohol nicht zu lange dauert, da sonst
weitergehender Abbau einsetzt. Auf diese Weise ergaben sioh Präparate der
Pektinsäure, deren Hauptkonstanten festgelegt wurden. Sie waren zur Ver-
treibung des noch anhaftenden Alkohols stets erst bei 100° vorgetrocknet
1) Votocek, Tollens, a.a. O.
2) van der Haar, Anleitung, 1920, S. 82.
Inkrusten des Flachses. 49
und dann vor der eigentlichen Untersuchung in der Trockenpistole
über Phosphorpentoxyd im Vakuum bei 78°C nachgetrocknet bis zur
Gewichtskonstanz, welche gewöhnlich nach 4 bis 5 Stunden eintrat.
Die folgende Übersicht ergibt eine Zusammenstellung der spezifischen
Drehung, der Acidität und des Methoxylgehalts verschiedener nach diesem
Verfahren gewonnener Pektinsäurepräparate aus Hydropektin des Flachses :
| Ig Pektinsäure | `
EEN | neutralisiert | Die Pektinsäure
Pektinsäure- ; Spezifische ` ` n/10 NaOH enthält
Se eci j Drehung Leift ge Gre Ä Methoxyl
DEE éen EE, en EEN
l | + 925 15,2 | 4,01
2, +17 15,2 3,80
au | 41197 15,7 3,76
4 | + %0 | 164 4,10
5 | +34 15,7 4.03
6 41110 17,2 3,81
7 +1196 : 158 3,98
8 + 114,4 16,2 3,99
9 + 116,1 15,6 4,05
*) Pektinsäure Nr.3 ist identisch mit der auf S.47 bis 48 beschriebenen Pektinsäure, welche
aus dem Calcium-Magnesiumsalz hergestellt wurde.
Zur Bestimmung des Methoxylgehalts wurden zwei Wege beschritten,
welche stets zu einer guten Übereinstimmung der Ergebnisse führten:
1. Die schon erwähnte Methode von Zeisel-Fanto-Stritar.
2. Die Bestimmung des Methoxylgehalts durch Verseifung mit Natron-
lauge bekannten Gehalts und Rücktitration mit Schwefelsäure.
Hierbei wurde eine genau gewogene Menge Pektinsäure in Wasser
gelöst, die Lösung mit n/10 NaOH gegen Phenolphthalein genau neutrali-
siert, dann mit einer bestimmten Mengen/10 NaOH im Überschuß 12Stunden
Im gut verschlossenen Gefäß stehengelassen. Darauf wurde die unver-
brauchte Natronlauge mit n/10 Schwefelsäure zurücktitriert, z. B.:
Angewandt: 0,1289 g Pektinsäure mit 3,81 Proz. Methoxyl CH,O
nach Zeisel-Fanto.
Zur direkten Neutralisation verbraucht diese Menge Pektinsäure 2,2 cem
n/l0 NaOH gegen Phenolphthalein. Die neutralisierte Lösung wird mit
5,0ccm n/lO NaOH versetzt. Nach 12 Stunden sind zur Rücktitration
erforderlich 3,3 ccm n/10 H,SO,. Die Differenz entspricht 0,0053 g CH,O.
Daraus berechnet sich 4,1 Proz. CH,O.
Verbrennungsanalysen verschiedener Pektinsäurepräparate. Die Pektin-
säure war, wie beschrieben, erst vorgetrocknet und darauf im Vakuum
über P,O; bis zur Gewichtskonstanz bei 78°C nachgetrocknet worden.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 4
50 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
l. Angewandt: 0,1902 g trockene Pektinsäure Nr. 1.
0,2967 gCO,, 0,0994 g H,O, 0,0016g Asche (= 0,84 Proz.).
Gefunden: C42,91 H 5,89
bezogen auf aschefreie Substanz.
2. Angewandt: 0,2082 g trockene Pektinsäure Nr. 1.
0,3246 g CO, 0,1073g H,O, 0,0018g Asche (= 0,86 Proz.).
Gefunden: C 42,89 H 5,68
bezogen auf aschefreie Substanz.
3. Angewandt: 0,2085 g trockene Pektinsäure Nr. 3.
0,3267 g CO., 0,1072g H,O, 0,0023 g Asche ( = 1,14 Proz.).
Gefunden: C 43,21 H 5,67
bezogen auf aschefreie Substanz.
Hydrolysen der Pektinsäure.
Spaltung der Pektinsäure mit 2 proz. Salzsäure.
l. 3g Pektinsäure Nr. 4 werden in 100 ccm 2proz. Salzsäure gelöst
und 8 Stunden auf dem Weasserbade im bedeckten Becherglas erhitzt.
Nach 1 Stunde beginnt die Bildung eines sehr feinen, geringen braunen
Niederschlages, der sich im Laufe der Spaltung nicht mehr vermehrt. Um
festzustellen, ob bei einer längeren Erwärmung dieser Niederschlag erneut
auftritt, wird nach Filtration die Flüssigkeit weitere 6 Stunden erwärmt:
die Lösung bleibt klar.
Der abgeschiedene harzige Niederschlag I bedeckt nach Filtration das
Filter in so dünner Schicht, daß auf eine Untersuchung verzichtet werden
muß. Das im Vakuum bei 37° C eingeengte Filtrat wird mit 96proz. Alkohol
gefällt. Es scheidet sich ein hellbräunlicher Niederschlag ab, der nach
gründlichem Waschen mit Alkohol und Äther und Trocknen im Vakuum
über H,SO, ein gelbliches Pulver darstellt:
0,26 g Digalakturonsäure b.
Das Filtrat der Digalakturonsäure b wird zur Verteilung des Alkohols
im Vakuum bei 30° eingeengt, die zurückbleibende wässerige saure Flüssigkeit
mit CaCO, neutralisiert und nach Entfärben mit Blutkohle in 96proz.
Alkohol einfiltriert. Es fällt als hellbrauner Niederschlag das Ca-Salz der
Galakturonsäure. Somit ist die Pektinsäure in zwei aus Galakturonsäure
bestehende Bausteine gespalten worden:
0,26 g Digalakturonsäure b,
1,52 g Ca-Salz der Galakturonsäure.
Die Pektinsäure besteht also, daraus berechnet, aus etwa 56 Proz.
Galakturonsäure.
2. In völlig gleicher Weise werden 6g Pektinsäure Nr. 6 mit 100 ccm
2proz. Salzsäure 8 Stunden auf dem Wasserbad erhitzt. Durch dieselbe
Weiterverarbeitung werden gewonnen:
0,17 g Niederschlag I,
0,63g Digalakturonsäure b,
2,30 g Ca-Salz der Galakturonsäure,
d. h. umgerechnet etwa 49 Proz. in Form von Galakturonsäure.
Inkrusten des Flachses. 51
Nähere Untersuchung der Spaltprodukte der Pektinsäure.
Niederschlag I. Ligninsäure?
In Form eines braunen harzartigen Pulvers gewonnen, gibt die Sub-
stanz folgende Reaktionen:
In kaltem Wasser . . . . 2.2 2220. unlöslich
Drehung in 50proz. alkoholischer re . ap = + 0° (l = 0,26)
Naphthoresoreinreaktion . . . . negativ
Orcinreaktion . . . . 2 2 2 2200. . negativ
Fehlingsche Lösung . . . . . ........ . schwach positiv
In Natronlauge . . . . . 2.2.2.2... . leicht löslich
Mit Salzsäure `, . . . . 2 2 2 2 2... aus der alkalischen
dunkelbraunen Lösung
wieder ausfällbar
Der Niederschlag verhält sich also wie die auf S. 36 bis 37 beschriebene
aus der Hexopentosanfraktion erhaltene Lignin-Harzsäure und ist scheinbar
mit dieser identisch.
Digalakturonsäure b aus der Pektinsäure Nr. 4.
l. Das Rohprodukt der Digalakturonsäure b liefert nach zweimaligem
Umfällen der wässerigen Lösung mit 96proz. Alkohol eine Substanz in
Form eines lockeren, weißen Pulvers, welches, ohne sich äußerlich zu ver-
ändern, aus der Luft leicht Wasser anzieht und darum einer besonderen
Sorgfalt beim Trocknen bedarf.
Sobald aus dem in der Achatschale zerriebenen Pulver der Äther
verdunstet ist, wird dasselbe im Vakuum über CaCl, 2 Tage lang unter
häufigem Evakuieren getrocknet, um es von den erheblichen Alkohol-
mengen, welche es stets einschließt, zu befreien. Erst jetzt kann es unmittel-
bar vor der Untersuchung in der Trockenpistole über P,O, bei 100°
getrocknet werden, ohne daß ein Zusammenballen oder Verkrusten der
Substanz zu befürchten ist.
Reaktionen der nr b.
In kaltem Wasser . . . . . . . löslich mit schwach
hellgelber Farbe
Orcinreaktion . . . >02... stark positiv
Naphthoresoreinreaktion Be n g e Go
Fehlingsche Lösung wird kochend nur schwach reduziert.
Spezifische Drehung. Angewandt: 0,053g Digalakturonsäure b,
7 Stunden im en über P,O, getrocknet, in 5ccm Wasser gelöst.
= + 2,5°
Se = 1 [a]} = + 235,9.
c = 1,06
Aus der Titration gegen Phenolphthalein folgt, daß 1 g Digalakturonsäure
b 44,45 cem n/10 NaOH neutralisiert. Aus ihrer Formel Cio Hu Oẹ(CO,H),
berechnet sich die zur Neutralisation nötige Menge n/10 Natronlauge zu
56,8 cem. Die Differenz zwischen diesem theoretischen und beobachteten
Werte dürfte aus der Tatsache zu erklären sein, daß die Substanz trotz
häufigen Umfällens stets noch Asche hartnäckig festhält, wie aus der
Elementaranalyse hervorgeht:
4*
52 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Elementaranalyse der Digalakturonsäure b. 0,2072g trockene Substanz:
0,3089 g CO, 0,0895 g H,O, 0,0019g Asche (= 0,93 Proz.).
Gefunden: C 41,04 H 4,88
bezogen auf aschefreie trockene Substanz.
Nach der Formel C,,H,s01,; berechnet sich:
C 40,9 H 4,55
H-Ionenkonzentration. Mit Hilfe des Walpole-Michaelisschen Kom-
parators wurde in einer 0,lproz. Lösung die H-Ionenkonzentration zu
pu = 3,4 gefunden.
Molekelgewichtsbestimmung nach der kryoskopischen Methode;
Angewandt: 0,053 g trockene Digalakturonsäure b.
Lösungsmittel: 5,00 g Wasser.
Gefrierpunktserniedrigung: 4; = 0,060°.
EE, EE
0,060
Für Ciz: His O12 ber. 352
gef. 328
Digalakturonsäure b aus der Pektinsãure Nr. 6.
2. Nach zweimaligem Umfällen mit Alkohol aus der wässerigen Lösung
unter Entfärben mit Tierkohle werden 0,39 g trockene Digalakturonsäure b
in Form eines schneeweißen Pulvers gewonnen.
0,0969 g derselben wurden in 10 ccm Wasser gelöst und polarisiert:
ap = + 2,290
Ee 1 [a] = + 286,8°.
Ges 0,969
Zu ihrer Neutralisation verbraucht sie für 1 g auf Grund ihrer Titration
gegen Phenolphthalein 42,1 cem n/l10 NaOH, während sich, wie oben
gezeigt, theoretisch 56,8 cem n/10 NaOH berechnen. Sie läßt sich ebenfalls
nicht vollkommen von Asche befreien.
Calciumsalz der d-Galakturonsäure.
Das, wie beschrieben, bei der Hydrolyse der Pektinsäuren Nr. 4 und 6
erhaltene Calciumsalz der Galakturonsäure wird vereinigt in Wasser gelöst.
Die Lösung wird mit Tierkohle entfärbt, filtriert, im Vakuum eingeengt
und das Calciumsalz nochmals mittels Alkohol daraus gefällt. Es wird nach
dem Trocknen über P,O; im Vakuum bei 100° als weißes Pulver (1,72 g)
gewonnen und zeigt, in 40 ccm Wasser gelöst, die Drehung:
ap = + 0,90°
fe 0,25 demnach [a]p = + 83,7°,
E 4,3
Diese Lösung wird mit 75 ccm n/1l0 Oxalsäurelösung versetzt, so daß
nach Abfiltrieren von dem gebildeten Calciumoxalatniederschlag im Filtrat
gerade noch ein ganz schwacher Überschuß von Caleiumionen nachgewiesen
werden kann. Das Filtrat wird im Vakuum zum Sirup eingeengt und dieser
mit 90proz. Alkohol verrieben. Die Extrakte wurden verdampft und die
Rückstände von neuem mit Alkohol ausgezogen, bis schließlich klare Lösung
Inkrusten dee Flachses. 53
des jedesmal erhaltenen Sirups eintritt. Der eingedunstete Endsirup kri-
stallisiert nicht, was ebenso wie die hohe Drehung des Calciumsalzes darauf
hinzudeuten scheint, daß hier noch andere amorphe, höher drehende Zwischen-
produkte nebenher vorliegen, welche die Galakturonsäure am Kristallisieren
hindern.
Spaltung der Pektinsäure mit Barytwasser.
Digalakturonsäure b.
6,5g der Pektinsäure Nr. 7 wurden in 100 ccm destillierten Wassers
gelöst. Die klare, schwach hellbraune Lösung versetzte man mit 250 ccm
n/l0 Barytwasser. Nach einigen Minuten scheidet sich ein flockiger,
gelatinöser Niederschlag ab, der sich nach 12 Stunden gut absetzt, so daß
er von der darüber stehenden klaren Flüssigkeit!) durch Dekantieren und
darauf folgendes Filtrieren gut getrennt werden kann. In dem Niederschlag
war hauptsächlich Digalakturonsäure b enthalten, die beim Ausziehen
mit kalter Salzsäure bis auf einige Verunreinigungen glatt in Lösung ging.
Aus der filtrierten Lösung wurde das gelöste Barium mit Schwefelsäure
in geringem Überschuß gefällt, dann die klar filtrierte Flüssigkeit im
Vakuum bei 35° vorsichtig eingeengt und in 96proz. Alkohol einfiltriert.
Es fällt ein reichlicher, hellgrauer Niederschlag der Polygalakturonsäure b,
der sich noch als stark aschebaltig erweist. Erst nach dreimaligem Um-
fällen aus Wasser und Alkohol wird diese Säure als schneeweißes, trockenes
Pulver (0,35 g) gewonnen. Nach dreitägigem Trocknen im Vakuum über
CaCl, ergibt die Digalakturonsäure b aus Pektinsäure die folgende spezifische
Drehung:
Angewandt: 0,2713g Substanz, welche noch 7 Stunden im Vakuum
über P,O, bei 78° nachgetrocknet war, in 10 ccm Wasser gelöst.
ad’ = + 6,250
Ia [a]p = + 280,4..
= 2,713
lg dieser Säure neutralisiert 39 cem n/l0 Natronlauge; dieser Wert
erreicht ebenfalls nicht den theoretisch errechneten von 56,8, da die Substanz
nicht völlig von Asche zu befreien war.
Gehalt der Pektinsäure an Essigsäure.
3 g trockene Pektinsäure Nr. 8 wurden in 100 ccm destillierten Wassers
gelöst und mit n/10 Barytwasser titriert.
3g Pektinsäure neutralisieren 48,5 ccm n/10 Barytwasser,
lg demnach 16,2 ,, n/10 Barytwasser.
Diese titrierte Lösung wurde in einem graßen Rundkolben mit 94,4 ccm
n/10 Barytwasser versetzt und gut verschlossen mehrere Tage aufbewahrt.
Hierbei fand ein erheblicher Verbrauch von Barytwasser infolge Verseifung
der Methylestergruppen der Pektinsäure statt, die man durch Rücktitration
mit n/10 Schwefelsäure feststellte.
Vorgelegt . -. - . . 2.2.2.2... Dë eem n/10 Barytwasser
Zurücktitriett . , . . . . . . . 50,2 „ n/10 H,SO,
Demnach zur Verseifung ver-
braucht. . . . . ... . 44,2 „ n/10 Barytwasser
1000 ccm n/10 Barytwasser entsprechen 3,1g CH,O.
1) Das Filtrat zeigt ap = - 0,1 (l = 0,5).
54 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Daraus berechnet sich der Methylalkoholgehalt der Pektinsäure zu
4,10 Proz. CH,O, ein Wert, der mit dem nach Zeisel-Fanto ermittelten
3,99 Proz. CH,O gut übereinstimmt.
Nach dieser Titration wurde der Lösung erneut 100 ccm n/10 Baryt-
wasser hinzugefügt, worauf man sie im Rundkolben auf dem Wasserbad
6 Stunden lang erhitzte bei Anwendung eines Rückflußkühlers, der vor dem
Eindringen von Kohlensäure aus der Luft oben durch einen mit Natronkalk
gefüllten Aufsatz geschützt war. Bei dieser Erwärmung findet nunmehr
die Verseifung der Acetylgruppen im Pektinsäuremolekül statt, wobei
essigsaures Barium entsteht. Um die abgespaltene Essigsäure zu bestimmen,
wurde die alkalische Lösung mit 125 ccm 10proz. Schwefelsäure angesäuert
und einer Wasserdampfdestillation unterworfen. Da beim Destillieren
aber nicht allein die Essigsäure, sondern auch durch Spaltung aus Kohlen-
hydraten gebildete Ameisensäure mit den Wasserdämpfen flüchtig ist,
muß aus dem Destillat erst die Ameisensäure entfernt werden. Zu diesem
Zwecke wurden die 8 Liter Destillat, die zu ihrer Neutralisation 58,95 ccm
n/10 Barytwasser verbrauchten, mit einem geringen Überschuß von Baryt-
wasser auf dem Wasserbad so weit eingeengt, daß ihr Volumen ungefähr
200 ccm umfaßte. Dieser Flüssigkeitsmenge wird zur Zerstörung der
Ameisensäuret) eine Lösung von 9g Kaliumbichromat und 40 g konzentrierter
Schwefelsäure in 100 ccm Wasser zugefügt, und nun erneut eine Wasser-
dampfdestillation vorgenommen. Hierbei geht dann nur die Essigsäure
über, deren Menge durch direkte Titration bestimmt werden kann:
Das 1. Liter Destillat neutralisierte. . . . 27,7 ccm n/l0 Barytwasser
e Së e = DEE >) ag ER
DCH: up a e e Ar, e EE g i
POE: e e Br ee EE. e e
23 5. LE 29 33 KW F s ?, 0,2 9 Sa
Die in 3 g Pektinsäure enthaltene Essigsäure
neutralisierte demnach. . . . . . . . . 43,1ccm n/10 Barytwasser
entsprechend `, . . . 0,2586 g Essigsäure.
Die Pektinsäure enthält lee , l . . . . 8,62 Proz.
Die mit Baryt neutralisierten Destillate wurden auf dem Wasserbad
in einer Porzellanschale und schließlich in einer Platinschale zur Trockne
verdampft; dadurch wurde das Bariumsalz der Essigsäure gewonnen, das
durch wiederholtes Auskochen mit Alkohol gereinigt und bei 110° getrocknet
wurde. 0,14 g reines Salz ergab beim Erhitzen mit Schwefelsäure Dämpfe,
die den typischen Geruch der Essigsäure erkennen ließen. Beim Abrauchen
mit Schwefelsäure hinterblieben aus 0,1232g des trockenen Ba-Salzes
0,1133 g BaSO,.
Ba(C,H,O,), Ber.: Ba 53,80
Gef.: Ba 54,10
Spaltung der Pektinsäure mit 2proz. Schwefelsäure.
10 g Pektinsäure werden in 400 ccm 2proz. Schwefelsäure gelöst und
die Lösung im Kolben auf einem Baboblech über freier Flamme am Rück-
flußkühler gekocht. Nach den im folgenden angegebenen Zeiten wird die
jedesmal abgekühlte Lösung auf ihre Drehung untersucht, um den Verlauf
des Abbaus der Pektinsäure zu studieren.
1) Abderhalden, Handb. d. biochem. Arbeitsmethod. 2, 23, 1910.
Inkrusten des Flachses. 55
1 Pektinsäure
Kochdauer ——— | Kochdauer
in Stunden Nr. 5 Nr. 3 in Stunden
Grade Sacch. (! = 1
0 + 2,5
d + 2,1
l +18
2 +15
3
5
Drehung in Graden Saccharose
O1 23456 Zë I 20 9 42 A WISS SI WB
Erhitzungscdaver in Stunden
Abb. 1. Spaltung der Pektinsäure mit 2 proz. Schwefelsäure.
Die auf Grund dieser Zahlen bei der Hydrolyse von Pektinsäure Nr. 5
und Nr.3 sich ergebenden sehr ähnlich verlaufenden Kurven zeigen, daß
schon nach sehr kurzer Dauer der Hydrolyse ein starkes Ansteigen der
Drehung zu beobachten ist infolge des Auftretens der zuerst aus der Pektin-
säure abgespaltenen Digalakturonsäure b, die, wie oben nachgewiesen,
ein sehr hohes spezifisches Drehungsvermögen besitzt. Wie der nun
einsetzende stetige Abfall der Drehungskurve erweist, wird die zuerst
abgespaltene Digalakturonsäure beim weiteren Kochen zu niedriger
drehenden Bausteinen aufgespalten. Der schließlich immer flachere Verlauf
der Kurve zeigt an, daß diese Bausteine beim Kochen immer weitergehende
Zersetzungen erfahren, worauf auch die Verfärbung und der karamelartige
Geruch der am Ende des Versuchs erhaltenen Lösungen hindeutet.
Nach Beendigung der Spaltung wird die Lösung durch Kochen mit
Bariumcarbonat neutralisiert und das mit Blutkohle behandelte und ge-
klärte Filtrat im Vakuum stark eingeengt. Wird es nun mit dem vier-
bis fünffachen Volumen 85proz. Alkohols versetzt, so erhält man einen
noch bräunlich gefärbten Niederschlag des Bariumsalzes der Galakturon-
säure, während die nebenher entstandenen Monosaccharide in das Filtrat
übergehen. Aus den 10 g Pektinsäure Nr. 5 ergaben sich nach diesem Ver-
fahren 4,2g rohes Bariumgalakturonat.
Das Bariumsalz der d-Galakturonsäure.
Zur weiteren Reinigung wird das Bariumsalz in Wasser gelöst, mit
Tierkohle aufgekocht und über Kieselgur in die vier- bis fünffache Menge
Alkohol einfiltriert, aus welchem es in weißen dichten Flocken ausfällt
56 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
und sich gut am Boden des Gefäßes absetzt. Nach Filtration wird der
Niederschlag längere Zeit in 96proz. Alkohol und dann in Äther suspendiert,
abgesaugt und nach möglichst schnellem Zerreiben im Achatmörser 2 Tage
im Vakuum über CaCl, getrocknet. Nach zwei- bis dreimaliger Umfällung
gewinnt man das Bariumsalz der d-Galakturonsäure als ein feines, weißes
Pulver, das sich leicht mit hellgelber Farbe in Wasser löst und stark die
Orein- und Naphthoresorceinreaktion gibt. Zur Analyse wurde es 5 Stunden
im Vakuum bei 100° über P,O, getrocknet.
Spezifische Drehung des Bariumgalakturonals.
1. Angewandt: 0,5966 g trockenes Ba-Salz, gelöst in 50 ccm Wasser.
ai = + 0,420
= 1 [ap = + 85,8°.
c= 119
2. Angewandt: 0,2867 g trockenes Ba-Salz, gelöst in 10 cem Wasser.
oi = + 1,040
I = l Lol = + 36,20 e
c = 2,87
Zur Bestimmung des Bariumgehalts des Bariumgalakturonats werden
0,5369 g wie oben getrocknetes Bariumsalz in 50 ccm Wasser gelöst und in
der Wärme mit so viel n/10 Schwefelsäure versetzt, daß ein ganz geringer
Überschuß derselben vorhanden ist. Nach gutem Absitzen wird das gefällte
Bariumsulfat filtriert und nach dem Auswaschen verascht. Es verblieben
0,2432 g BaSO,.
Für (C,H,0,),. Ba. Ber.: Ba 26,19
Gef.: Ba 26,65
d-Galakturonsäure aus Pektinsäure.
Aus ihrem Bariumsalz wird die Galakturonsäure in verdünnter
wässeriger Lösung mit Schwefelsäure frei gemacht und die noch Ba in
geringem Überschuß enthaltende Flürsigkeit im Vakuum bei etwa 40°C zur
Trockene verdampft. Der zurückbleibende gelbbraune Sirup wird wiederholt
mit 96proz. Alkohol ausgekocht. Dabei geht die Galakturonsäure in Lösung.
Die von ungelösten Flocken abfiltrierten alkoholischen Extrakte werden
erneut im Vakuum auf ein kleines Volumen eingeengt und dann vorsichtig
auf dem Wasserbade zum Sirup eingedunstet.
Der so gewonnene Galakturonsäuresirup kristallisiert nach kräftigem
Reiben spontan im Verlauf von 24 Stunden, wobei sich die Kristalle in
Form von kleinen, feinen Nadeln in reichlicher Menge ausschieden. Diese
werden erneut in wenigen Tropfen Wasser gelöst und die geklärte Lösung
der Kristallisation überlassen. Über Nacht war der daraus erhaltene Sirup
zu einer festen kristallinischen Masse erstarrt. Diese wurde, mit 93proz.
Alkohol gut verrieben, abgesaugt, mit Alkohol und Äther nachgewaschen
und im Vakuum über H, SO, 2 Tage lang getrocknet. 0,35 g des zuerst.
gewonnenen Sirups lieferten nach dieser Behandlung 0,18 g d-Galakturon-
säure in Form von reinweißen Kriställchen.
Inkrusten des Flachses. 57
Spezifische Drehung der d-Galakturonsäure. Angewandt: 0,1808 g
trockene Substanz, gelöst in 5 cem Wasser.
ap = + 1,735°
l= 1 [ap = + 47,98%.
c= 3,616
Die Galakturonsäure zeigt keine Mutarotation. Zur Wiederabscheidung
der Galakturonsäure wird die polarisierte Lösung im Vakuum über CaCl,
zur Trockne verdunstet und der hinterbleibende Sirup auf dem Wasserbad
in 20ccm 96proz. Alkohol gelöst. Nach Klärung mit Kieselgur und
Filtration von wenigen unlöslichen Rückständen wird die Lösung wieder
vorsichtig eingedunstet. Der so gewonnene Sirup scheidet, mit wenig
Wasser verrührt, nach kurzem Stehen gut ausgebildete, oft zu ganzen
Büscheln vereinigte Kristalle aus, die zum Teil in länglichen, sargdeckel-
ähnlichen Prismen anschießen. Schon Spuren dieser Galakturonsäure
geben deutlich die Tollenssche Orcin- und Naphthoresorcinreaktion.
Gewonnen 0,0968 g reine Galakturonsäure in schneeweißen Kriställchen.
Zur Bestimmung der spezifischen Drehung wurden diese 0,0968 g Substanz
in § ecm Wasser gelöst.
aD = + 1,02?
l= 1 Lol = + 59,7%, keine Mutarotation.
c= 1,936
Diese spezifische Drehung stimmt fast genau mit dem Endwert der-
jenigen überein, die F. Ehrlich!) an der zuerst kristallisiert erhaltenen
Galakturonsäure aus dem Pektin der Rübe beobachtet hat; er fand
[a]p = + 53,48.
Oxydation der Galakturonsäure zu Schleimsäure mittels Brom. Die
polarisierte Galakturonsäurelösung wird auf 20 ccm verdünnt und in
einer Stöpselflasche mit 3 cem Brom versetzt und unter häufigem Um-
schütteln 14 Tage lang aufbewahrt. Nach 3 Tagen schied sich über dem
Brom bereits eine feine Kristallschicht von Schleimsäure ab, welche sich
im Verlauf der weiteren Einwirkung noch wesentlich vermehrte. Die Kri-
stalle zeigen mikroskopisch betrachtet schön ausgebildete, typische Schleim-
säurekristallform. Der Flascheninhalt wird dann in eine Waschflasche
übergeführt und durch Hindurchsaugen von Luft mittels einer Wasser-
strahlpumpe von dem unverbrauchten Brom befreit. Nunmehr wird der
gesamte Rückstand in einer Kristallisationsschale vorsichtig auf dem
Wasserbade eingeengt; die abgeschiedene Schleimsäure wird auf einem
Goochtiegel abgesaugt, mit wenig Wasser gewaschen und im Trockenschrank
bei 105° getrocknet: 0,0641 g Schleimsäure. Aus 0,0968 g Galakturonsäure
waren theoretisch zu erwarten 0,1048g Schleimsäure. Die gefundene
Ausbeute beträgt somit etwa 60 Proz. der Theorie. Die Schleimsäure
zeigte den richtigen, in der Literatur angegebenen Schmelzpunkt 213°.
Das Filtrat der Schleimsäure drehte noch immer das polarisierte Licht
nach rechts, und gab noch die Orcin- und Naphthoresorcinreaktion, ein
Zeichen, daß die Oxydation der Galakturonsäure zur Schleimsäure mittels
Brom nicht quantitativ verlaufen ist.
1) a. a. O.
58 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Die Monosaccharide der Pektinsäure.
Bei der Ausfällung des Bariumsalzes der Galakturonsäure aus wässeriger
Lösung ergab sich ein alkoholisches Filtrat, das noch die bei der Schwefel-
säurespaltung der Pektinsäure nebenber entstandenen reduzierenden
Kohlenhydrate enthielt. Dieses Filtrat: (s. S. 55) wurde zur Vertreibung des
Alkohols im Vakuum zur Trockne verdampft. Der stark positive Ausfall
der Naphthoresorcinreaktion wie der Ba-Gehalt dieses Rückstandes zeigen,
daß eine vollkommene Trennung der Zucker von dem Ba-Salz der Galakturon-
säure noch nicht stattgefunden hat. Um diese durchzuführen, wurde der
Rückstand erschöpfend mit 96proz. Alkohol extrahiert und diese Extrakte
im Vakuum zum Sirup eingeengt. Nach mehrmaligem Auflösen in Wasser,
Eindampfen und Umlösen mit 96proz. Alkohol wurde schließlich ein Ba-
freier, sich klar lösender Sirup erhalten. Der Sirup wurde dann noch
einmal in Wasser gelöst, die Lösung mit Tierkohle entfärbt und vorsichtig
auf dem Wasserbad eingedunstet. Auf diese Weise wurden 6,7 g Sirup
gewonnen.
Reaktionen des Zuckersirups:
Mit Schwefelsäure . . . . 2 2.2.2.2... kein BaSO;,-
Niederschlag
urn DEE . . . . negativ
Orcinreaktion . . . nenne... stark positiv
Gärung mit Rasse XII. e, . negativ
Gärung mit Lactosehefe . . . . positiv
Rosenthalersche Reaktion auf Methylpentosen . negativ
Seliwanoff-Weehuizensche Reaktion auf Ketosen ge
Der Zuckergehalt des Sirups. 1,7g Sirup werden in 100 ccm Wasser
gelöst. 1,0 ccm dieser Siruplösung reduziert beim Kochen 1,65 ccm
Fehlingsche Lösung vollständig.
Demnach enthalten
6,7 g Sirup 3,3g Gesamtzucker, als Det berechnet.
Spezifische Drehung des Zuckersirups. Angewandt: 1,7g Sirup ent-
haltend 0,825 g Gesamtzucker in 100 ccm Wasser gelöst.
ap = + 1,075°
= 2 [a]p = + 29,6°.
G= 1,7
bezogen auf das Gewicht des Sirups.
c= 0,825 [a]p = + 64,850,
bezogen auf das Gewicht des gelösten Gesamtzuckers!).
1) Aus den folgenden Untersuchungen ergibt sich, daß in dem Sirup
Galaktose, Arabinose und Xylose in äquimolekularen Mengen enthalten
sind. Nimmt man als Grundlage für die angegebenen Zucker die spezifischen
Drehungen:
Galaktose . . . . . . . . . [a]p = + 80,6°
Xylose ........ . . [al = + 19
Arabinose . . . 2.2.2... [a]p = + 105°
an, so würde sich für ein Gemisch aus je 1 Molekül dieser drei Kohlehydrate
die Mischdrehung [a]p = + 68,9% berechnen, die mit der oben angegebenen
innerhalb der Fehlergrenzen der benutzten Bestimmungsverfahren leidlich
übereinstimmt. Vgl. S.65 bis 66, sowie auch S. 20.
Inkrusten des Flachses. 59
Bestimmung der Pentosen im Zuckersirup. Angewandt: 1,14g Sirup
enthaltend 0,5533 g Zucker.
Gefunden: 0,3289 g Furfurolphloroglucid. Daraus berechnen sich
29,9 Proz. Pentosen, bezogen auf den Sirup. Auf Grund der Ermittlung des
Gesamtzuckers durch die oben ausgeführte Titration mit Fehlingscher
Lösung ergibt sich:
61,6 Proz. Pentosen bezogen auf den im Sirup enthaltenen
38,4 , Gealaktose Gesamtzucker.
Alkoholexiraktion des Furfurolphloroglucids (Methylpentosen ?). An-
gewandt: 0,3289 g Furfurolphloroglucid. Mit 96proz. Alkohol extrahiert:
0,0067 g.
Angenommen, diese 0,0067 g stellten Methylfurfurolphloroglucid dar,
so würde diese Menge 0,014g Rhamnosehydrat entsprechen, oder umge-
rechnet: der Sirup müßte 1,2 Proz., der Gesamtzucker 2,5 Proz. Methyl-
pentosen enthalten.
Das bisherige Ergebnis der Untersuchung des Zuckersirups ließ auf
Anwesenheit von Pentosen, vielleicht auf Methylpentosen (?) und ver-
gärbare Hexosen schließen. Es wurde im folgenden versucht, durch Her-
stellung von Derivaten der Monosaccharide diese näher zu charakterisieren
und die Zucker selbst in kristallisierter Form abzuscheiden.
l-Arabinosebenzylphenylhydrazon aus Pektinsäure.
ög Zuckersirup aus Pektinsäure werden in 10 ccm 75proz. Alkohol
gelöst und nach Zugabe von 1,8g Benzylphenylhydrazin auf dem
Wasserbade schwach erwärmt. Beim Umrühren geht das Benzyl-
phenylhydrazin in der Wärme bald in Lösung, und bereits nach 1 Stunde
beginnt eine reichliche Kristallisation von Arabinosebenzylphenylhydrazon,
welche vollständig wird, wenn man das Reaktionsgemisch abgekühlt
24 Stunden stehen läßt.
Der schwach gelb gefärbte Kristallbrei wird abgesaugt, zunächst
mit 75proz. Alkohol, später mit 96proz. Alkohol, dann mit Äther nachge-
waschen und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. So werden
0,65g noch gelblich aussehendes, rohes Arabinosebenzylphenylhydrazon
erhalten. Dieses wird aus wenig 75proz. Alkohol umkristallisiert und dabei
in Gestalt von feinen, schneeweißen Nadeln gewonnen. Nach Absaugen
und vollständigem Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure wurden
0,49 g reines l-Arabinosebenzylphenylhydrazon erhalten.
Das Präparat beginnt bei 170° zu sintern und schmilzt unter Schäumen
und Zersetzung bei 173° in guter Übereinstimmung mit Ruff und Ollendorf!),
die für dasselbe Hydrazon einen Schmelzpunkt von 174° angeben.
Das isolierte 1-Arabinosebenzylphenylhydrazon dreht in einer methyl-
alkoholischen Lösung links und zeigt die folgende spezifische Drehung:
0,0590 g trockener Substanz wurden in 10 ccm Methylalkohol gelöst.
ap = — 0,15°
c= 0,59 [a]p = — 12,7°
De. .,.2
Browne und Tollens?) fanden: [a]p = — 12,1°.
1) Ber. 82, 3235, 1899.
2) Ber. 85, 1461, 1902.
60 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Zur Analyse wurde die Substanz im Vakuum über Schwefelsäure bis
zur Gewichtskonatanz getrocknet.
Angewandt: 0,1978 g trockenes Hydrazon.
Gefunden: 15,3 cem N (20°, 752 mm).
Für C,H,0,N;,.- Ber.: N 8,48
Gef.: N 8,71
d-Galaktosebenzylphenylhydrazon aus Pektinsäure.
Das erste alkoholische Filtrat des Arabinosebenzylphenylhydrazons
wird mit 100 ccm Wasser versetzt, nachdem es auf dem Wasserbad auf
30 ccm eingeengt worden war. Aus einer sofort einsetzenden Trübung hat
sich über Nacht ein gelber, kristallinischer Niederschlag von d-Galaktose-
benzyIphenylhydrazon abgeschieden. Er wird abgesaugt, mit 30proz. Alkohol
nachgewaschen und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet: 0,4g
rohes Galaktosebenzylphenylhydrazon. Nach Umkristallisieren aus 30 proz.
Alkohol werden 0,21 g trocknes farbloses Hydrazon gewonnen, welches die
Orcinreaktion nicht mehr gibt. Seine Kristalle schmelzen bei 157 bis 158°,
entsprechend den Angaben von Behrend und Hofmann!).
0,0566 g d-Galaktosebenzylphenylhydrazon in 6,9ccm reinem Methyl-
alkohol gelöst zeigen die Drehung ap = — 0,13° im 1-dm-Rohr bei der
Konzentration c = 0,82. Daraus berechnet sich die spezifische Drehung
[a]p = — 18,8°,
während van Ekenstein und Lobry de Bruyn?) [a]p = — 17,2 beobachteten.
Schleimsäure aus d-Galaktose der Pektinsäure.
l g des Zuckersirups wird in 12 cem Salpetersäure vom spezifischen
Gewicht 1,15 in einem kleinen Becherglase gelöst und die Lösung im
Wasserbade auf ein Drittel des Volumens eingeengt. Die über Nacht ab-
geschiedenen Schleimsäurekristalle werden nach dem Waschen in ver-
dünnter Natronlauge gelöst, daraus wieder mit Salzsäure gefällt, abgesaugt,
gewaschen und 4 Stunden bei 105° getrocknet. 0,0843 g Schleimsäure vom
Schmelzpunkt 212 bis 213°.
Kristallisierte d-Galaktose aus der Pektinsäure.
Durch Schwefelsäurespaltung war aus der Pektinsäure Nr. 3 bei völlig
gleicher Arbeitsweise nach wiederholter Behandlung mit Tierkohle ein
reiner Zuckersirup gewonnen worden im Gewicht von 2,27g, der nach
kurzem Stehen beim Reiben kristallisierte. Nach viertägigem Stehen
wurde die zähe Kristallmasse mit 93proz. Alkohol verrieben, abgesaugt,
mit wenig Alkohol gewaschen und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet.
Diese schwach gelblich gefärbten Kristalle (0,382 g) wurden in 10 cem
Wasser gelöst und sofort polarisiert im 2-dm-Rohr. Es zeigt sich eine
Anfangsdrehung von [a]p = + 131,4, welche ihren Einndwert bei
1) Ann. d. Chem. 866, 277, 1909.
2) v. Ekenstein und Lobry de Bruyn, Rec. Trav. P. B. 15, 225, 1896.
Inkrusten des Flachses. 61
[a]p = + 79,4° erreicht. Da Tollens!) für Galaktose ebenfalls nach Muta-
rotation [a]p = + 80,5° fand, deutete diese spezifische Drehung auf
Galaktose hin. Trotzdem gibt der Zucker noch schwach die Orcinreaktion.
Nach erneutem Umkristallisieren aus Alkohol werden schneeweiße, trockene
Kristalle von d-Galaktose gewonnen, die nun keine Spur einer Oreinreaktion
mehr geben, also frei von Pentosen sind.
0,2072 g d-Galaktose, gelöst in 10 ccm Wasser, zeigten im 2-dm-Rohr
bei 20° sofort beobachtet ap = + 5,14° und nach 24 Stunden ap = + 3,33,
demnach
Anfangsdrehung . . . . . . [a]p = + 124° und
Enddrehung . . . . . . . . [a®]= + 80,4%,
während Tollens!) Mutarotation von [a]n = + 117° bis [a]n = + 80,5°
beobachtet hat.
Es lag somit reine kristallisierte d-Galaktose vor.
Die zur Polarisation verwandte Lösung wurde eingedampft und der
Rückstand mit Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,15 zu Schleim-
säure oxydiert. Es bildeten sich die typischen Schleimsäurekristalle,
welche den von Tollens?) angegebenen Schmelzpunkt 213° zeigten.
I-Xylose aus Peklinsäure.
1. Xylonsäure- Bromcadmiumsalz nach Bertrand.
Nach Abscheidung der Arabinose und Galaktose als Benzylphenyl-
hydrazone aus dem bei der Hydrolyse der Pektinsäure gewonnenen
Zuckersirup (S. 58 bis 60) ergab sich ein Filtrat, das immer noch stark
die Orcinreaktion zeigte. Es wurde nach den Angaben von Ruff und
Ollendorf?) von dem überschüssigen Benzylphenylhydrazin und etwa in
Lösung gehaltenen Hydrazonen der Arabinose und Galaktose durch
Formaldehyd befreit und so in Form eines Sirups gewonnen, der mit
Tierkohle aufgehellt wurde. Lufttrocken wog dieser 1,2g. Er wurde
mit 3,5g Wasser verrührt und mit 1,4g CdCO, und 0,9g Brom versetzt.
Nach kurzem Erwärmen auf dem Wasserbad wurde das Ganze unter
häufigem Umrühren stehengelassen, nach 20 Stunden kurz aufgekocht,
siedend filtriert und mit wenig Wasser nachgewaschen. Nach vorsichtigem
Einengen auf dem Wasserbad wird der erhaltene Sirup mit dem gleichen
Volumen absoluten Alkohols verrieben. Bereits nach 4 Stunden haben
sich die gut ausgebildeten bootförmigen Kristalle des Bertrandschent)
Xylonsäure-Bromcadmiumsalzes abgeschieden, deren typisches Aussehen
für die Anwesenheit der Xylose charakteristisch ist. Nach 48stündigem
Stehen wird das Salz abgesaugt, in wenig Wasser wieder gelöst und die
Lösung mit absolutem Alkohol verrührt, wobei sich das Salz in Form
feiner farbloser Kristalle absetzt.
1) Tollens, Handb. d. Kohlenhydrate 1914, S. 286.
2) Ann. d. Chem. 227, 221, 1885.
3) Ber. 82, 3234, 1899.
1) Widtsoe und Tollens, Ber. 88, 136, 1900, Anmerkung.
62 F. Ehrlich u. Fr. Schubert:
Spezifische Drehung des X ylonsäure-Bromcadmiumsalzes. Angewandt:
0,0744g, im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet, wurden in 5ccm
Wasser gelöst.
ap = + 0,12°
l = 1 [a]p = + Bel,
CG zs 1,488
Browne und Tollens!) fanden [a]n = + 7,4°.
2. Kristallisierte 1-X ylose.
Das Filtrat der aus dem Zuckersirup kristallisiert abgeschiedenen
Galaktose, welches weder die Rosenthalersche Methylpentosenreaktion
noch die Seliwanoff- Weehuizensche Ketosenreaktion gibt, wird nochmals
mit Tierkohle behandelt. Nach allmählichem Eindunsten auf dem Wasser-
bade und Abkühlen beginnt es schon nach einem Tage von neuem, reichliche,
schöne, wasserhelle Prismen abzuscheiden. Diese werden nach sechstägigem
Stehen abgesaugt und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. 0,62g.
Polarisiert zeigt die Lösung von 0,62 g Xylose in 1Occm Wasser im 1,-dm-
Rohr Mutarotation mit einer Anfangsdrehung von [a]» = + 64,8° und einer
Enddrehung von [a]p = + 21,3 (ap = + 0,66°). Der Zucker gibt schon
in Spuren eine stark positive Orcinreaktion.
Die mit wenig Wasser verdünnte Zuckerlösung wird nochmals mit
Tierkohle entfärbt, filtriert und auf dem Woasserbade allmählich zum
Sirup eingedunstet. Nach einigen Stunden setzt wieder die Kristallisation
ein. Nach 6 Tagen wird die feste, weiße Kristallmasse mit 96proz. Alkohol
verrieben, abgesaugt, mit Alkohol und Äther gewaschen und im Vakuum
über Schwefelsäure bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. 0,3078 g schnee-
weiße, kristallisierte !-Xylose. Diese Menge wird in 10 ccm Wasser gelöst
und im 2-dm-Rohr polarisiert. Sofort beobachtet a = + 3,21° und
nach 24 Stunden a} = + 1,21%. Demnach
Anfangsdrehung . . . . . . [a]? = + 52,1°
Enddrehung. . . . . . Io = + 197°
Tollens?) beobachtete die Anfangedrchung .. . . [a] = + 78,6°
und die Enddrehung . . . . . gr A ER ik la] = + 19,2°
Die Lösung ergab eine SE Rosenthalersche Methylpentosen-
reaktion. Auch das Filtrat der zuerst aus dem Sirup abgeschiedenen X ylose
zeigte nach Klärung mit Tierkohle keine Seliwanoff-Weehutizensche und
Rosenthalersche Reaktion. Es sind also unter den Monosacchariden der
Pektinsäure Ketosen und Methylpentosen nicht nachweisbar.
Untersuchungen über den vermeintlichen Gehalt der Pektinsäure an
Methylpentosen.
Bei den im Laufe der Untersuchungen (s. S. 48 und 59) angestellten
Pentosenbestimmungen durch Furfuroldestillation ergab die teilweise Alkohol-
löslichkeit des Phloroglucids scheinbar Anwesenheit von Methylpentosen. Zur
Aufklärung der Frage, ob es sich hier wirklich um Methylpentosen oder nur
um gewisse Zersetzungsprodukte anderer Beikörper handelt, wurden außer
den bereits angestellten noch die folgenden Untersuchungen ausgeführt.
1) Ber. 85, 1461, 1902.
2) Handbuch der Kohlenhydrate 1914, S. 28.
Inkrusten des Flachses. 63
Pektinsäure und der aus ihr gewonnene Zuckersirup wurden mit Hilfe
der Rosenthalerschen Reaktion auf Methylpentosen geprüft. Nach Rosen-
thaler!) ist der Beweis fürihre Anwesenheit erbracht, wenn nach Erwärmung
der zu untersuchenden Substanz mit konzentrierter Salzsäure und Aceton
im Wasserbad innerhalb Y, Stunde eine deutliche, himbeerrote Färbung
auftritt, welche im Spektrum typische Absorptionslinien zeigt. Weder
bei der Pektinsäure, noch bei dem Zuckersirup trat die himbeerrote Farbe
mit ihren charakteristischen Spektrallinien auf. Wurde diesen Untersuchungs-
objekten aber eine Spur Rhamnosehydrat zugesetzt, so fiel die Rosenthaler-
sche Reaktion deutlich positiv aus, ein Zeichen, daß andere Beikörper die
Färbung nicht verdeckt haben konnten. Methylpentosen können also in
diesen Präparaten nicht vorhanden gewesen sein.
Zur eindeutigen Lösung dieser Frage wurden nun noch Untersuchungen
mit Digalakturonsäure aus Rübenpektin angestellt. Von dieser Verbindung
mußte man nach den früher angestellten Untersuchungen annehmen,
daß sie nur aus Anhydriden der Galakturonsäure besteht und keine weiteren
Kohlenhydrate enthält. Es wurde nun zunächst geprüft, ob nach Salzsäure-
destillation von reiner Digalakturonsäure a aus Rüben das aus den Destillaten
gewonnene Furfurolphloroglucid partiell in Alkohol löslich ist und in
welchem Grade.
Angewandt: 0,4386 g trockene Digalakturonsäure a.
Gefunden: 0,1759 g Furfurolphloroglucid (im Wasserbadtrockenschrank
bei 98° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet). Von dieser Menge lösen sich
in 96proz. Alkohol 0,0117 g. Daraus berechnet sich nach der Elletschen
Tabelle?®):
0,0288 g Methylfurfurolphloroglucid (?) entsprechend 6,6 Proz.
Rhamnosehydrat ( ?), bezogen auf Digalakturonsäure. Die mit dieser Substanz
versuchte Rosenthalersche Reaktion verlief negativ.
Zur weiteren Untersuchung wurde nun eine andere Portion Digalakturon-
säure dem Verfahren der Tollensschen Salzsäuredestillation unterworfen.
Mit den ersten sechs gesondert aufgefangenen Destillaten wurde die Rosen-
thalersche und T'ollens-Widisoesche?) Reaktion angestellt. Nach letzterer
Methode erwärmt man 5 bis 10 ccm des Destillats der Furfuroldestillation
mit demselben Volumen 38proz. Salzsäure während einiger Minuten auf
dem Wasserbade. Bei Gegenwart von Methylpentosen tritt dann eine schwach
gelborange Färbung auf, während spektroskopisch ein Band zwischen
grün und blau wahrzunehmen ist. In der folgenden Tabelle ist das Ergebnis
einer solchen Destillation von 0,2g Digalakturonsäure a angegeben:
Tollens- Widtsoesche Reaktion | Absorptions»
. linien im
Farbe eis Spektrum
a S f
Rosenthaler sche Reaktion li Absorptions»
linien im
Fraktion Farbe | Spektrum
1 s. schw. hellgelb —_— | 1 | Farblos 22
2 is 2 ei
3 i Se 3 | |
4 schw. rötlich- | — 4 |\schw. hellgelb
5 Ss 5 | |
6 = o `
| Pe
braun | | —
|
1) Zeitschr. f. analyt. Chem. 48, 167, 1909.
2) van der Haar, Anleitung 1920, S. 82.
3) Ber. 38, 143, 1900.
64 F. Ehrlich u Fr. Schubert:
Nachdem diese Prüfung wieder negativ verlaufen war, wurden erneut
0,2g Digalakturonsäure a in völlig gleicher Weise destilliert, nachdem ihr
0,05 g Rhamnosehydrat zugesetzt worden war: Wie die folgende Zusammen-
stellung zeigt, tritt sowohl die Rosenthalersche wie die Widisoesche Reaktion
deutlich positiv auf:
Absorptions: | W’idtsoesche Reaktion , Absorptions
linien im | inien im
(Fraka Fade |
Spektrum i Fraktion | Farbe ‚ Spektrum
Rosenthalersche Reaktion
Fraktion ~ Farbe
1 schw. hellgelb — l | s. schw. hellgelb —
2 :' rötlich hellgelb ; schw. + 2 ' schw. hellgelb | schw. +
3 himbeerrot | + 3 | +
4 2 + S | gelborange T
5 » Paa EE
6 schw. himbeerrot || schw. +, 6 schw. +
Damit ist gezeigt, daß der Befund von alkohollöslichem Furfurol-
phloroglucid bei der Zersetzung von Pektinstoffen mit Salzsäure
nicht allgemein zu einem Schluß auf Methylpentosen berechtigt, denn
schon bei Salzsäuredestillation der von Methylpentosen freien Galakturon-
säure und daher auch bei der Destillation der Pektinsäure für sich treten
Zersetzungsprodukte auf, welche in 96proz. Alkohol löslich und nicht mit
Methylfurfurolphloroglucid identisch sind. Es glückte tatsächlich nie, in
irgend einem Präparat des Hexopentosans und der Pektinsäure aus Flachs
Methylpentosen durch die angegebenen Farbreaktionen nachzuweisen.
Die quantitative Ermittlung der Galakturonsäure und der Kohlenhydrate im
Molekül der Pektinsäure.
Nachdem durch diese Untersuchungen der Beweis erbracht ist, daß
Methylpentosen am Aufbau des Pektinsäuremoleküls nicht beteiligt sind,
sei zum Schluß die Methode angegeben, nach der versucht worden ist, über
die quantitativen Mengenverhältnisse der einzelnen Bausteine des Pektin-
säuremoleküls Aufschluß zu erhalten. Schon aus der Spaltung der Pektin-
säure mit Salzsäure (s. S. 50) konnte geschlossen werden, daß die Pektin-
säure zu ungefähr 56 Proz. aus Galakturonsäure bestehen müsse. Um genau
festzustellen, in welcher Menge die Galakturonsäure in der Pektinsäure
enthalten ist, wurde die von Tollens und Lefèvre!) für die Bestimmung von
Glucuronsäure ausgearbeitete Methode auf die vorliegenden Untersuchungen
übertragen. Nach Tollens und Lefèvre!) spaltet Glucuronsäure bei der
Destillation mit Salzsäure vom spezifischen Gewicht 1,06 Kohlensäure ab;
aus der quantitativ bestimmten Menge derselben läßt sich nach der
Gleichung
C,H,0; =.C;:H,0, + 2H,0 + CO,
der Gehalt an Glucuron berechnen.
Zur Berechnung des Gehalts an Galakturonsäure bedarf die Gleichung
der folgenden Abänderung:
CsH10O: = C5H,0, + 3 H,O + CO..
1) Tollens und Lefèvre, Ber. 40, 4513, 1907.
Inkrusten des Flachses. 65
Aus ihr geht hervor, daß 1 Mol. Kohlensäure 1 Mol. Galakturonsäure
entspricht.
Bei der Erhitzung mit 12proz. Salzsäure ergaben 0,8196g trockene
Pektinsäure Nr. 3 0,1139g CO,. Durch Multiplikation von 0,1139 mit 4,4
ergibt sich 0,5012 g Galakturonsäure, entsprechend 61,15 Proz. Galakturon-
säurc in der Pektinsäure.
Damit ist zugleich ein Weg vorgezeichnet, um festzustellen, welche
Mengen Furfurol bei der Salzsäuredestillation der Pektinsäure einerseits
aus der Galakturonsäure, andererseits aus den nebenher vorhandenen
Pentosen entstanden sind.
Zu diesem Zwecke wurde zunächst Digalakturonsäure quantitativ
einmal auf die Furfurolabspaltung und parallel dazu auf die CO,-Abspaltung
beim Erhitzen mit Salzsäure untersucht. Die aus der letzteren gefundene
Galakturonsäuremenge wurde mit der bei der Furfuroldestillation erhaltenen
Furfurolphloroglucidmenge verglichen. Dabei ergab sich, daß unter den
Bedingungen der Bestimmungsmethoden von Tollens und Lefèvre ein Teil
Furfurolphloroglucid 2,94 Teilen Galakturonsäure CH0, bzw. 2,67 Teilen
Digalakturonsäure Cia H1601: entsprechen. Diese Beobachtung gibt eine
Möglichkeit, durch Kombination der Werte der Furfuroldestillation mit
denen der Kohlendioxydabspaltung den Gehalt der Pentosen und der
Galakturonsäure in der Pektinsäure zu bestimmen.
Aus der Gesamtbestimmung der SEBES durch Salzsäuredestillation
der Pektinsäure ergab sich:
Angewandt: 0,4582 g reine, trockene Pektinsäure.
Gefunden: 0,1772 g Furfurolphloroglucid.
Daraus berechnet sich für lg Pektinsäure 0,3868 g Furfurolphloro-
glucid im ganzen. Die CO,-Abspaltung nach Tollens-Lejerre liefert für
dieselbe Pektinsäure folgende Werte:
Angewandt: 1,2364 g reine, trockene Pektinsäure.
Gefunden: 0,1605g CO.
Durch Multiplikation mit 4,4 ergeben sich 0,7062 g Galakturonsäure,
entsprechend 57,1 Proz. Galakturonsäure in der Pektinsäure, d. h. 1g
Pektinsäure enthält 0,5710g Galakturonsäure. Durch Division dieser
Menge durch den oben gefundenen Faktor 2,94 ergibt sich, daß die in 1g
Pektinsäure enthaltene Galakturonsäuremenge 0,1943 g Furfurolphloroglucid
entspricht.
Zieht man diese Menge Furfurolphloroglucid von der oben insgesamt
aus l g Pektinsäure erhaltenen ab, so ergibt sich 0,3868g — 0,1943 g
= 0,1925 g, d. h. die Menge Furfurolphloroglucid für 1 g Pektinsäure, die
allein aus den Pentosen entstanden ist.
Dieser Zahl entspricht nach der Kröberschen Tabelle eine Menge von
21,8 Proz. Pentosen, berechnet als Arabinose in der Pektinsäure.
Nun konnte schon aus der spezifischen Drehung des Zuckersirups der
Pektinsäure (s. S. 58, Anm.) mit großer Wahrscheinlichkeit gefolgert werden,
daß die einzelnen darin enthaltenen Kohlehydrate in äquimolekularen
Mengen vorhanden sind. Demnach müßte die isolierte Xylose in derselben
prozentualen Menge am Aufbau der Pektinsäure beteiligt sein, wie die
Biochemische Zeitschrift Band 169. 5
66 F. Ehrlich u. Fr. Schubert: Inkrusten des Flachses.
Arabinose; es ergibt sich daher für die beiden Zucker aus dem analytisch
gefundenen Gesamtwert der Pentosen:
10,9 Proz. Arabinose und
10,9 , _Xylose in der Pektinsäure.
Da in diesem Zuckersirup das Verhältnis der Pentosen zur Galaktose
wie 61,6: 38,4 gefunden worden war (s. S. 59), verbleibt für die pro-
zentuale Menge der Galaktose:
13,6 Proz. Galaktose in der Pektinsäure.
Wenn essich hier infolge der Unzulänglichkeit der Bestimmungsmethoden
und sonstiger Fehlerquellen auch nur um Annäherungswerte handeln kann,
so läßt sich jedenfalls aus dem Vergleich der nach verschiedenen Verfahren
gefundenen Mengenverhältnisse und ihrer Größenordnung so viel mit
Sicherheit folgern, daß von den verschiedenen Kohlehydraten je ein Molekül
im Pektinsäuremolekül vorkommt.
Über den Einfluß des Caleiums und der Phosphorsäure
auf die Milch.
Von
J. Zaykowsky.
(Aus dem agronomischen Institut in Leningrad, Rußland.)
(Eingegangen am 5. Dezember 1925.)
Die Frage, auf welche Weise der tierische Organismus die im
Futter enthaltenen organischen Nährstoffe ausnutzt, ist bereits aus-
führlich behandelt worden, wenigstens beschäftigt man sich mit diesem
Problem seit mehreren Jahrzehnten; dagegen ist die Rolle, welche die
Mineralsalze im Organismus der Tiere spielen, bis jetzt wenig beachtet
worden. Diese Frage gewinnt aber eine sehr große Bedeutung, wenn man
einerseits das Bedürfnis des Organismus bedenkt, ein gewisses Minimum
an mineralischen Nährstoffen zu erhalten, und andererseits die Mannig-
faltigkeit in bezug auf die Zusammensetzung und den Gehalt an an-
organischen Salzen beachtet, durch welche sich die verschiedenen
‚Futtermittel auszeichnen. Zieht man außerdem noch in Betracht, daß
diese Mineralsalze für den lebenden Organismus nicht nur im Verlauf
des Wachstums (was besonders wichtig ist), sondern auch während des
gesamten Lebens unumgänglich notwendig sind, um seine mineralische
Bilanz aufrechtzuerhalten, so tritt die Wichtigkeit dieser Frage ganz
klar zutage. Eine spezielle Bedeutung haben die anorganischen Nähr-
stoffe für das Milchvieh überhaupt und besonders für die Kühe während
ihrer Laktationsperiode. Bisher wurde die Futterration für eine
milchende Kuh ausschließlich nach dem Stärkeäquivalent und dem
Eiweißminimum im Verhältnis zum Gewicht des Tieres und zu seiner
Milchproduktion zusammengestellt. Weder die Qualität noch die
Quantität der anorganischen Salze wurde in irgend einer Weise be-
rücksichtigt, indem man von vornherein annahm, daß die Futterration
genügend Mineralbestandteile enthält, nicht nur um den Organismus
zu erhalten, sondern auch um das zugleich mit der Milch ausgeschiedene
Defizit zu decken. Eine Erschwerung tritt hier freilich noch durch den
5*
68 J. Zaykowsky:
Umstand ein, daß bisher keine ausreichende Klarheit darüber bestand,
in welchem Grade der Organismus des Tieres die Salze verwerten kann,
die er mit dem Futter erhält.
Fingerlingks (1) Untersuchungen haben gezeigt, daß die Ausnutzung
oder Assimilation des Calciums und der Phosphorsäure durch den tierischen
Organismus unmittelbar von der Quantität der im Futter befindlichen
Rohfaser abhängt. Je mehr Rohfaserstoffe das Futter enthält, desto
weniger nutzt der Organismus die Mineralstoffe aus. Auf Grund derselben
Beobachtungen werden bei Darreichung groben Futters nur 50 Proz., bei
konzentriertem durchschnittlich 90 Proz. der gesamten im Futter befind-
lichen Menge von Calcium- und phosphorsauren Salzen vom Organismus
assimiliertt. DBerücksichtigt man die wechselnde Zusammensetzung der
Futterstoffe, die individuellen Eigenschaften des Tieres, die Milchproduktion
und die eben angeführten Daten über den Koeffizienten der ausgenutzten
anorganischen Salze, so könnte möglicherweise der Fall eintreten, daß
dem Tiere zwar eine hinreichende Menge organischer Nährstoffe, aber eine
ungenügende Quantität mineralischer Salze in seiner Futterration dar-
geboten wird. Wir wissen, daß die Milch einen bestimmten Gehalt an
anorganischen Substanzen aufweist, der in verhältnismäßig engen Grenzen
von 0,7 bis 0,8 Proz. schwankt. Erhält nun die Kuh während der Laktations-
periode eine Salzmenge, die dem natürlichen Bedürfnis ihres Organismus
mit Rücksicht auf das Verschwinden von Salzen infolge Ausscheidung mit
der Milch nicht genügt, so ist es klar ersichtlich, daß das Tier nicht die
maximale Milchmenge liefern kann, die bei ausreichender mineralischer
Ernährung produziert werden könnte.
Seit dem Jahre 1916 sind in Deutschland eine Reihe von Unter-
suchungen ausgeführt worden, die sich einerseits auf die Verdaulichkeit
bzw. Unverdaulichkeit der anorganischen Nährstoffe und andererseits auf
die Erscheinungen, die durch verstärkte oder ungenügende Ernährung mit
Mineralsalzen im Organismus hervorgerufen werden, erstreckten. Alle
diese Forschungen berücksichtigen ausschließlich den Einfluß der wichtigsten
mineralischen Nährbestandteile, nämlich des Calciums und der Phosphor-
säure. Ohne auf die einzelnen Versuche auf diesem Gebiete näher ein-
zugehen [am Ende der Arbeit ist die diesbezügliche Literatur angeführt (2)],
sei hier erwähnt, daß die meisten Autoren den günstigen Einfluß der inten-
siven mineralischen Ernährung auf den animalischen Organismus anerkannt
haben. Obgleich die meisten Versuche mit kleinen Tieren (einschließlich
Mäusen) vorgenommen wurden, waren die dabei erhaltenen Resultate
doch derart überzeugend, daß jetzt in den landwirtschaftlichen Betrieben
Deutschlands der Zusatz von Calciumsalzen zum Viehfutter bereits ein-
geführt worden ist (vorzugsweise werden Chlorcalcium und kohlensaures
Calcium ihrer Wohlfeilheit wegen angewandt). Der günstige Einfluß der
als Zusatz zur Nahrung in den animalischen Organismus eingeführten
Calciumsalze kann gegenwärtig als eine feststehende Tatsache angesehen
werden; nicht nur das Wachstum der Tiere, sondern auch die Milchproduk.-
tion werden dadurch gesteigert.
Somit bestehen hinsichtlich der fördernden Wirkung der Calcium -
und teilweise der phosphorsauren Salze keinerlei Zweifel mehr; der
Einfluß der übrigen Salze ist aber bisher noch gar nicht erforscht
worden. Jeder Organismus, sowohl der vegetabilische als auch der
Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 69
animalische, enthält auch eine ganze Reihe anderer anorganischer
Verbindungen, und wenn auch einige derselben in nur unbedeutenden
Quantitäten vorhanden sind, so ist ihre Anwesenheit dennoch für die
normale Entwicklung und die physiologischen Funktionen des lebenden
Organismus unbedingt erforderlich. Das gilt natürlich in gleicher Weise
ebenso für die Anionen wie für die Kationen. Ja, es ist sogar möglich,
daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den anorganischen
Salzen und dem Körperbau des Tieres besteht, unter anderem z.B.
zwischen den Eisenverbindungen und der Färbung (Pigment), oder
zwischen den phosphorsauren Calciumsalzen und dem Knochengerüst.
Die Bedeutung dieser Beziehungen wurde bisher überhaupt noch nicht
erforscht.
Von besonderer Wichtigkeit ist es, den Einfluß der anorganischen .
Salze auf den animalischen Organismus an russischen Tieren zu unter-
suchen. Die ungeheure Ausdehnung Rußlands mit seinem sehr ver-
schiedenartigen Boden hat die Notwendigkeit zur Folge, die groben
sowie die konzentrierten Futtermittel von einer Gegend in die andere
zu transportieren. Dieses Futter hat natürlich, je nach dem Boden,
eine sehr wechselnde organische und anorganische Zusammensetzung.
Leider blieb die Untersuchung des Futters bis jetzt in den meisten
Fällen auf eine Bestimmung der organischen Nährstoffe beschränkt,
die mineralischen Bestandteile wurden nur als Asche gekennzeichnet,
ohne daß ihre Zusammensetzung sowie das quantitative Verhältnis
der einzelnen Aschenbestandteile untereinander und des gesamten
anorganischen Anteils zu den übrigen Nährstoffen untersucht wurde.
Eine nicht geringere Bedeutung hat die mineralische Ernährung des
Milchviehs für die Milchwirtschaft und speziell für die Käsebereitung.
Es ist eine allbekannte Tatsache, daß bei der Zubereitung von harten
Käsesorten (Emmentaler Typus) lange Zeit ein untaugliches Produkt
hergestellt wurde, und daß vielleicht auch jetzt noch der sogenannte
russische Schweizerkäse mit dem in seiner Heimat, der Schweiz, bereiteten
Produkt nichts gemeinsam hat. Diese Tatsache kann man wohl kaum nur
durch ungeeignetes Personal oder durch klimatische Verhältnisse erklären,
denn die ersten Käser hatten ihr Gewerbe in der Schweiz erlernt, und
überdies war es nicht schwierig, die Temperatur in den Käsekellern den
in der Schweiz geltenden Bedingungen anzugleichen.
Was die bakterielle Flora anbetrifft, so wies unser Produkt, trotz
einer Impfung mit Bakterien aus dem Schweizer Käse, doch gegenüber
dem aus der Schweiz stammenden eine große Verschiedenheit auf.
Die Ursache hierfür liegt wohl tiefer begründet, nämlich in der chemischen
Konstitution der Milch und in ihrer Qualität. Allein die chemische
Zusammensetzung der Milch ist ziemlich konstant und variiert nur
innerhalb der quantitativen Verhältnisse der Milchbestandteile. Wir
wollen nunmehr untersuchen, welchen Einfluß diese oder jene Zu-
70 J. Zaykowsky:
sammensetzung der Milch auf das Reifen des Käses haben kann. Be-
kanntlich enthält die Milch, außer Wasser, Kohlenhydrate (Milchzucker),
Eiweißkörper (hauptsächlich Casein), Fett und anorganische Salze. Die
Menge des Fettes, soweit es frisch ist, wirkt nur auf die Feinheit, nicht
aber auf den Charakter des Käsegeschmacks. Die Menge der Eiweiß-
stoffe kann nur die Quantität des Käses beeinflussen, denn der Molken-
gehalt im Käse muß bei richtiger Behandlung des Gerinnsels und bei
vorschriftsmäßigem Pressen mehr oder weniger konstant sein; folglich
sollte die Quantität der stickstoffhaltigen Bestandteile derselben
Sorte theoretisch immer gleich bleiben. So kann auch dieser Bestandteil
der Milch keinen Einfluß auf das Reifen des Käses haben. Anders
verhält es sich mit dem Milchzucker und den anorganischen Salzen.
Bekanntlich erleidet der Milchzucker unter dem Einfluß von
Bakterien eine Spaltung, wobei sich verschiedene Zerfallsprodukte
bilden, unter denen die Milchsäure die erste Stelle einnimmt. Ihre
Menge hängt ausschließlich von vorhandenem Milchzucker ab, denn
der Zersetzungsprozeß des Zuckers verläuft quantitativ bis zu Ende,
und der gesamte Zucker verschwindet schon in den ersten Tagen nach
der Zubereitung des Käses. Infolgedessen hängt der Milchsäuregehalt
im Käse jedesmal von der Menge des in der Milch enthaltenen Milch-
zuckers ab. Die Milchsäure spielt somit im Reifungsprozeß des Käses
eine große Rolle. Sie beschleunigt einerseits die Wirkung der im Käse
befindlichen Enzyme, also auch des Labferments, und ist andererseits
eine Art Regulator des ganzen Reifungsvorganges, da die Vermehrung
und die Entwicklung der verschiedenen Mikroorganismen vom Säure-
gehalt abhängt. Je mehr Milchsäure der Käse enthält, desto weniger
eignet er sich zur Entwicklung von Bakterien und desto schneller
sterben dieselben ab. van Dam (4) hat dargetan, daß in richtig reifenden
harten Käsesorten die Acidität, welche nicht durch Titration, sondern
durch Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration gemessen wird,
konstant bleibt; folglich muß die sich bildende Milchsäure entweder
verschwinden oder in irgend eine chemische Verbindung übergehen.
Ein Teil der Milchsäure wird nun von den Mikroorganismen weiter
zerlegt, ein Teil geht in eine wenig stabile Verbindung mit den basischen
Gruppen des Paracaseins über, der Rest wird durch die in der Molke
und in dem Gerinnsel befindlichen Calciumsalze neutralisiert. Wenn
nun die für den Käse verwendete Milch viel Milchzucker und wenig
anorganische Salze enthält, welche die entstehende große Menge Milch-
säure zu neutralisieren vermögen, so wird der aus einer derartigen Milch
zubereitete Käse nicht ordnungsgemäß reifen, oder die Reifung verläuft
in irgend einer anderen Richtung. Der Käse erhält dann nicht den für
ihn charakteristischen Geschmack und Geruch und die richtige Struktur
der Masse. In dem einander nicht entsprechenden Verhältnis des
Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 71
Milchzuckers zu den anorganischen Salzen, besonders dem Calcium
in der Milch, ist also die Ursache für einige Fehler des russischen
Schweizerkäses zu suchen. Besonders dadurch erhält er einen vom
echten Schweizerkäse verschiedenen Charakter. Dieser Umstand wird
noch durch die von A. A. Kalantar mitgeteilte Feststellung bestätigt,
daß der bei der Käsebereitung angewendete Zusatz von Calciumsalzen
zur Milch günstige Resultate ergab.
Außerdem wirkt der Gehalt an Calciumsalzen in der Milch un-
mittelbar auf die Säuerung der Milch durch das Labferment; je mehr
Caleiumsalze in der Milch enthalten sind, desto schneller gerinnt sie,
unter sonst gleichen Bedingungen.
Obgleich, wie schon oben erwähnt, die ergänzende Fütterung der
Tiere mit Calciumsalzen (in Deutschland) bereits hinlänglich erforscht
ist und günstige Resultate hinsichtlich des Wachstums der jungen
Tiere sowie betreffs des Milchertrags bei Ziegen erzielt worden sind,
so war es doch von Interesse, diese Ergebnisse mit unter unseren Be-
dingungen angestellten Versuchen zu vergleichen. Ich habe mich in
den von mir ausgeführten Untersuchungen bemüht, den Einfluß der
Salze nicht nur unmittelbar auf den Milchertrag, sondern auch auf
die Zusammensetzung der Milch zu ermitteln. Von den oben erwähnten
Erwägungen ausgehend, mußte man nicht nur den gesamten Asche-
gehalt der Milch, sondern auch deren Hauptbestandteile, Calcium und
Phosphor, bestimmen. Die experimentelle Viehfütterung mit an-
organischen Salzen kann teilweise als Entscheidung dafür dienen, ob
die Tiere genügend mineralische Nahrung erhalten oder nicht. Wenn
ein bestimmtes Tier bei richtig zusammengesetzter Nahrung die maxi-
male Quantität Milch produziert und sich dieser Milchertrag nach der
ergänzenden Fütterung mit anorganischen Salzen nicht vergrößert,
so ist dies ein Beweis dafür, daß die Futterration genügend Mineral,
bestandteile enthält. Wird dagegen bei ordnungsgemäß zusammen-
gesetzter Nahrung die Milchproduktion eines bestimmten Tieres nach
dem Zusatz anorganischer Salze zum Futter gesteigert, so kana man
mit Gewißheit behaupten, daß das Tier die mineralischen Bestandteile
entweder in ungenügender Menge oder, was das gleiche besagt, in
unverdaulicher Form erhält. Zu derselben Schlußfolgerung gelangt
man, wenn sich der Fettgehalt vergrößert, ohne daß der Milchertrag
zunimmt.
Um die angeschnittenen Fragen zu entscheiden, habe ich noch im
Jahre 1924 im Landwirtschaftlichen Institut zu Wologda Versuche an
milchenden Kühen angestellt.
Obgleich die Daten dieser Versuche aus äußeren Gründen hier nicht
angeführt werden können, muß ich doch erwähnen, daß bereite bei diesen
vorläufigen Versuchen ein erhöhter Milchertrag bei den Versuchskühen
72 J. Zaykowsky:
bemerkt wurde. Diese Beobachtungen über die Wirkung der ergänzenden
mineralischen Ernährung auf das Milchvieh wurden im laufenden Jahre
in der Zootechnischen Versuchsstation des agronomischen Instituts in
Leningrad fortgesetzt. Obgleich aie Resultate dieser Versuche weder
umfangreich noch vollständig genug sind, sind sie doch von so großer
Beweiskraft, daß es nicht ohne Interesse ist, sie zu veröffentlichen. Für
die Versuche wurden folgende Kühe ausgewählt, welche sich weder durch
großen Milchertrag noch durch besonderen Fettgehalt der Milch auszeich-
neten: Guria, Geran, Saria und Swanka. Die beiden ersten befanden sich
im siebten bis achten Monat, die zwei letzten im sechsten bis siebten Monat
ihrer Laktationsperiode, d. h. gerade zu einem Zeitpunkt, in welchem
weder die Menge noch der Fettgehalt der Milch starken Veränderungen
unterliegt. Die Kühe erhielten während der Versuchsperiode sowie 10 Tage
vor und 10 Tage nach derselben eine gleichmäßige Futterration. Zum
Experiment wurde zweibasisches phosphorsaures und kohlensaures Cal-
cium verwandt. Obgleich Loew (5) Calciumchlorid ausdrücklich als er-
gänzendes Futtermittel empfiehlt, wurde doch kohlensaures Calcium
gewählt, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens ist durch A. Morgens (6)
Versuche erwiesen, daß beide Salze auf den animalischen Organismus ein
und dieselbe Wirkung ausüben, nur daß die Anwendung des Calcium-
chlorids auf kleine Mengen beschränkt werden muß, weil größere Mengen
desselben auf den Organismus schädlich wirken können. Zweitens kann
das kohlensaure Calcium von praktischer Bedeutung sein, weil es viel
wohlfeiler als das Calciumchlorid ist. Auch das kohlensaure Salz kann
für das Tier schädlich werden, da es die Salzsäure des Magensaftes neutra-
lisiert und dadurch die Verdauung erschwert; außerdem kann es, in großen
Dosen angewandt, durch die sich bildende Kohlensäure Blähungen hervor-
rufen. Diese Frage muß noch weiter bearbeitet werden. Während unserer
Versuche konnten, bei einer täglichen Dosis von nicht über 100g pro Tier,
keinerlei schädliche Symptome wahrgenommen werden. Nachdem die
Tiere ihre bestimmte Ration 10 Tage lang erhalten hatten, wurde die Milch
untersucht; darauf wurde begonnen, den Kühen Salz zu geben, das dem
Futter trocken beigemischt wurde. Zwei Kühe bekamen zuerst kohlensaures
Calcium, beginnend mit je 30 g pro Kopf; die Gabe wurde täglich so ver-
größert, daß die Kühe nach 8 Tagen 100g erhielten. Zur gleichen Zeit
bekamen die zwei anderen Kühe phosphorsaures Calcium von 20 g pro Tier
täglich angefangen und bis zu 80 g aufsteigend. Die ergänzende Fütterung
mit anorganischen Salzen dauerte 10 Tage. 2 Tage bevor der Salzzusatz
aufhörte und 24 Stunden darauf wurden Milchproben zur Untersuchung
entnommen. Nach Beendigung des ersten Versuchs erhielten die Kühe
noch 10 Tage dieselbe Ration, die Milch wurde wiederum untersucht.
Darauf wurde den Kühen wieder Salz gegeben, aber in umgekehrter Ordnung,
derart, daß die Kühe, welche kohlensaures Salz erhalten hatten, jetzt phos-
phorsaures Calcium bekamen, und umgekehrt. Am Schluß des Versuchs
wurde die Milch, ebenso wie beim ersten Experiment zweimal untersucht.
An demselben Tage, an dem die Proben entnommen wurden, wurde die
Asche, das Calcium als CaO und der Phosphor als P,O, bestimmt. Außer-
dem wurde täglich das spezifische Gewicht, der Fettgehalt und die Acidität
der Milch untersucht. Die Ergebnisse der Versuche sind in die Tabellen
nach Perioden eingetragen. Die erste Periode umfaßt die 10 Tage vor dem
Zusatz der anorganischen Salze, die zweite 10 Tage der ergänzenden mine-
ralischen Ernährung, die dritte die Zwischenzeit von 10 Tagen und die
vierte wiederum 10 Tage der anorganischen Zusätze. |
Einfluß des Caleciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 73
22 |
3 3- ki £ & P,O,
= Š | 3 SE
SO Ze
N | L Proz.
Name der Kuh: Guria.
l © — — 1134'j| 3,55 | 4,02 || 32,3 ! 16,51 | 0,711 | 0,148 |0,189 `
2 242,7 | 307,7 , 121,8 | 3,97 4,83 || 33,2 | 18,18 | 0,784 | 0,168 | 0,239°
3 | — ; — ||107,6 || 3,61 | 4,38 || 32,9 | 18,02 | 0,751 | 0,149 | 0,208
4 2884| — 1193" 382 454 | 33.9 | 17.62 | 0,787 |0177 |0222
Name der Kuh: Geran.
l1 — | — 1006|] 3,63 : 3,65 31,9 | 18,18 ! 0,797 |0,155 |0,166
2 2884| — 106,0 || 3,78 | 4,00 | 32,5 | 19,19 | 0,805 |0,177 |0,184°)
3 | — | —_ | 99,8 3,59 | 3,58 | 32,1 | 19,19 | 0,800 |0,161 | 0,179
4 242,7 | 307,7 | 103,5 | 3,92 | 4,05 | 33,0 ' 20,12 0,822 | 0,173 |0,215*)
Name der Kuh: Saria.
l — | — 11076 3,46 | 3,72 || 32,4 || 19,16 ' 0,747 | 0,1451 0,1652
2 || 288,4 — 1129, 3,78 | 4,26 | 33,4 || 19,56 0,806 |0,1709|0,1750°
3 — — 1105 3,33 | 3,68 j| 33,0 || 19,16 | 0,768 | 0,1650! 0,1698
4 ' 242,7 | 307,7 | 127,5 ` 3,70 | 4,72 || 33,8 20'10 | 0'837 0,1716| 0,1788*)
Name der Kuh: Swanka.
l : — i — ‚1117 3,43 | 3,83 |] 32,6 | 18,20 | 0,797 | 0,1716, 0,1788
2 ` 242,7 | 307,7 | 120,3 ı 3,82 | 4,59 || 33,2 | 20,10 | 0,876 0,1901| 0,1900)
3 j — j — ‚ 110,9 3,30 | 3,66 | 33,0 | 19,16 | 0,806 |0,1745/ 0,1761
4 |; 288,4 1118,3 || 3,65 | 4,32 | 339 | 19,16 | 0,920 | 0,1799| 0,1881°)
*) Daten für die Salze im Durchschnitt aus zwei Bestimmungen.
Die Quantität an anorganischen Salzen, welche die Kühe im
Futter bekamen, muß auch berücksichtigt werden; die Ration blieb,
wie erwähnt, im Verlauf des ganzen Versuchs unverändert. Der Gehalt
an CaO und P,O, ist aus der beigefügten Tabelle ersichtlich.
l Grobes Futter | Konzentriertes Futter | Mineralische Salze in g für 10 Tage
1 1
| | £ im
Name der Kuh Kohls, Leins |Weizen-| Malz» ||im groben Futter, konzentrierten
j | Heu rechain a a , Futter
| Pfd. | Pfd. | Pid. | Pid. | Pfd. | Pé. | CaO | PRO; CaO | Paie
GE EE se A e SE Ee Tee T ——- ge
Guria... |24| — 4, 7 | — | 3 1060 | 466 | 142 | 685
Geran . |24 |— 40| 5 — 2 || 1050 | 456 | 102 | 484
Saria . 24 | 4 j —. 9 l 5 1034 | 351 || 193 | 984
Swanka "24| 4;—i 8 2 5 : 1034 | 351 | 182 | 964
Wir wollen jetzt die mineralische Bilanz der Tiere vor und nach
der ergänzenden Fütterung mit anorganischen Salzen betrachten.
Die Menge der Calciumsalze und der Phosphorsäure, die während der
Versuchsperiode mit der Milch ausgeschieden wurden, ist in beifolgender
Tabelle angeführt.
74 J. Zaykowsky:
Namen der Kühe: men der Kühe: | Guria | Ge we I Aa Swanka
Periode CaO Te Sak CaO OE | CaO | POs | CaO CaO | PO, PaO,
168 | 214 EES 156 | 167 156 | 178 | 192 200
204 | 291 | 181 195 | 193 | 197 || 229 . 239
| 160 | 224 | 161 179 182 | 188 | 193 195
| 211 | 265 179 222 | 219 ` 228 || 213 222
A DD ki
Diese Salzmenge muß unbedingt in den Organismus des Tieres ein-
geführt werden. Aber außerdem bedarf die Kuh einer gewissen Menge
von Salzen zum Leben. Bogdanoff stützt sich auf Hennebergs Daten und
führt aus, daß zum Erhalten des Gewichts einer 400 kg schweren Kuh
täglich 41 g CaO und 21g P,O; eingeführt werden müssen. So müssen
insgesamt im Laufe von 10 Tagen etwa 575g CaO und 450g P,O, dem
Tiere zugeführt werden. Diese Quantitäten mineralischer Salze entsprechen
ungefähr der Hälfte der anorganischen Salzmenge, welche jede Versuchskuh
in einer Ration im Futter erhielt. So wäre anscheinend alles geregelt,
denn die Ausscheidung von Salzen wurde durch die in doppelter Menge
im Futter enthaltenen gedeckt. Aber in Wirklichkeit kann der animalische
Organismus nur ein Drittel bis die Hälfte aller Salze ausnutzen, die das
Futter enthält (nach Angaben von Bogdanoff). Je gröber das, Futter,
je mehr Rohfaser es enthält, desto kleiner ist die Salzmenge, die assimiliert
wird. Nimmt man an, daß die Hälfte der mit dem Futter eingeführten
Salze von den Versuchstieren assimiliert wurde, so stimmte die Ausgabe
mit der Einnahme überein. Da aber der größte Teil des Calciums gerade
im groben Futter enthalten war, also schlechter assimiliert wurde (ein
Drittel), so übersteigt die Ausgabe die Einnahme bedeutend, und die Menge
an Calciumsalzen, welche die Kühe im Futter erhielten, war für ihren Bedarf
bei weitem nicht ausreichend. Mit den phosphorsauren Salzen verhielt
ee sich bedeutend besser; die Hauptmenge des Phosphors in der den Ver-
suchskühen gegebenen Ration war in dem konzentrierten Futter enthalten
und wurde infolgedessen besser vom Organismus utilisiert. Das bestätigen
auch die Ergebnisse des Versuchs: das Füttern mit Calciumsalzen, welche
Phosphor enthielten, und mit solchen ohne Phosphor hatte ein und dieselbe
Wirkung. Das Resultat wäre wahrscheinlich anders ausgefallen, wenn die
Kühe nicht genügend konzentriertes Futter bekommen hätten, wie das
in Bauernwirtschaften vorkommt. Wie aus den Daten der Tabelle ersichtlich
ist, hatte die ergänzende Fütterung mit anorganischen Salzen sowohl auf
die Menge, als auch auf die Beschaffenheit der Milch Einfluß. Die Menge
der gemolkenen Milch hat sich bedeutend vergrößert, um 7 bis 8 Proz.
Es muß hier bemerkt werden, daß gerade während der Versuchszeit ein
Wechsel des Personals, welches das Vieh pflegt, stattgefunden hatte, und
zwar der Melkerinnen. Dieser Wechsel bewirkte in der ersten Zeit eine
Änderung der Menge sowie des Fettgehaltes der Milch. Die monatliche
Summierung des Milchertrags der ganzen Herde (72 Stück) ergab, daß
bei allen Kühen, mit Ausnahme der Versuchstiere, während dieser Zeit
weniger Fett in der Milch enthalten war. Dieser Umstand ist sehr charak-
teristisch und bestätigt die Richtigkeit des angestellten Versuchs.
Nicht nur der Fettgehalt, sondern auch das spezifische Gewicht wird
erhöht, was auf eine Zunahme der festen Bestandteile der Milch hinweist
und bei der Käsefabrikation von Bedeutung ist. Ebenso wichtig ist der
erhöhte Gehalt an Calcium- und phosphorsauren Salzen. Obgleich diese
Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure auf die Milch. 75
Zunahme als sehr unbedeutend erscheint, so wirkt sie doch sehr auf die
Qualität der Milch bei der Käsebereitung. Die Bestimmung der Gerinnungs-
geschwindigkeit der Milch durch Labferment vor und nach dem Versuch
bot einige Schwierigkeiten, da es nicht möglich war, mehrere zur Gerinnung
erforderliche Bedingungen gleichmäßig innezuhalten. Daher erfolgte die
Beobachtung dieser Veränderung auf indirektem Wege, nämlich durch
Zusatz gewisser Mengen gelöster Calciumsalze zur Milch. Zur Untersuchung
gelangte chlor- und phosphorsaures Calcium. Die Resultate dieser Versuche
sind in der nachfolgenden Tabelle angeführt.
Zu 50 ccm Milch Ca O | Gerinnungszeit von | Zu 50 vom Milch Ca O ‚Gerinnungszeit von
als CaCl, zugesetzt | Leem Iproz. Lab i als Ca(H2 PO4)2 zugesetzt ` 1 ccm 1Iproz. Lab
SR 6’ 5” s SE | 7’ Or:
0,0162 | g w 0,0306 U 33”
0,0081 A Zi 0,0153 Ä 2 18"
0,0040 4' 34" 0,0076 | 3’ 17"
Man ersieht aus diesen Daten, daß ein geringer Zusatz von Calcium-
salzen zur Milch eine starke Wirkung auf die Gerinnungsgeschwindigkeit
der Milch durch Labferment ausübt. Dabei wirkt das phosphorsaure
Calcium stärker, wahrscheinlich infolge der gleichzeitig erhöhten Wasser-
stoffionenkonzentration. Diese Erscheinung ist bei der Zubereitung der
süßen Käsesorten von großer Bedeutung, besonders der harten (Emmentaler
Typus). Die Vergrößerung der Menge der Calciumsalze spielt auch im
Reifungsprozeß der Käse eine große Rolle bei der Neutralisation der sich
bildenden Milchsäure.
Wenn man die aus dem Versuch erhaltenen Daten summiert, so ergibt
sich, daß die ergänzende Ernährung der Kühe mit anorganischen Salzen
sowohl auf die Quantität als auch auf die Qualität der Milch einen günstigen
Einfluß ausgeübt hat. Nach dem spezifischen Gewicht zu urteilen, nimmt
nicht nur das Fett, sondern auch alle anderen Bestandteile der Milch zu,
auch die mineralischen. Diese Auffassung widerspricht der Ansicht von
Jensen, der die Möglichkeit leugnet, den Aschegehalt der Milch durch
Salzfütterung zu vergrößern (nach Bogdanoff zitiert).
Obgleich der angestellte Versuch weder auf Vollständigkeit noch
auf besondere Genauigkeit Anspruch erheben kann, so kann man doch
schon einen Plan für die weitere Behandlung dieser (in Rußland zum
ersten Male) angeschnittenen Frage entwerfen.
1. Die Lösung der Frage, ein wie großer Teil der im Futter ent-
haltenen anorganischen Salze vom Tier assimiliert wird.
2. Eine gründliche Untersuchung der russischen Futtermittel nicht
nur in bezug auf den Gehalt an roher Asche, sondern auch der einzelnen
Salze. Diese Frage ist besonders wichtig, weil wir sehr verschiedene
Futterstoffe besitzen, deren Asche fast gar nicht untersucht worden
ist, und weil wir uns in den meisten Fällen mit den Angaben deutscher
Forscher begnügen müssen.
3. Die Erforschung des Zusammenhangs zwischen dem Vor-
handensein dieser oder jener anorganischen Salze im Futter und dem
76 J. Zaykowsky : Einfluß des Calciums und der Phosphorsäure usw.
Körperbau des Tieres. Hier können nicht nur phosphorsaure Calcium-
salze, sondern auch andere Salze eine Rolle spielen.
4. Die Wirkung der Salze auf die Zucht junger Tiere und besonders
auf die künstliche Erhöhung der Milchproduktion einzelner Kühe.
5. Der Einfluß der Salze auf den Milchertrag und die Zusammen-
setzung der Milch.
6. Der Zusammenhang zwischen den Salzen in der Milch und
ihrer Qualität, auch des aus derselben zubereiteten Käses.
7. Die Lösung der Frage, inwiefern eine Erhöhung des Fettgehalts
oder der Qualität der Milch bei der ergänzenden mineralischen Ernährung
als ein Beweis dafür dienen kann, daß die Futtermittel zu wenig an-
organische Bestandteile enthalten. Das wird dort von Bedeutung sein,
wo es unmöglich ist, eine vollständige chemische Analyse der Futter-
mittel auszuführen.
Bei der "Durchführung dieser Versuche wurde ich zuerst von
W. K. Iwankin und von O. A. Fedorowa unterstützt, denen ich auch
an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte.
Literatur.
1) v. Fingerlingk, Landw. Versuchsstat. 75, 1. — 2) Loew und Emmerich,
Landw. Jahrb. 48, 313; Kraemer, Mitt. d. Deutsch. Landw. Ges. 1916;
Württemb. Wochenbl. f. d. Landw. 1917; Jahrb. d. Deutsch. Landw.
Ges. 1917; F. Mach, Württemb. Wochenbl. f. d. Landw. 1917; Mitt. d.
Deutsch. Landw. Ges. 1917 u. 1918; O. v. d. Heide, Heim u. Scholle 1918;
Richardson, Landw. Presse 1918; D. Meyer, ebendaselbst 1918; Stutzer,
ebendaselbet 1918; v. Fingerlingk, diese Zeitschr. 87, 266. — 3) J. Zaykowsky
und N. Slobodska -Zaykowska, ebendaselbst 159, Heft 4/5, 1925. —
4) v. Dam, Centralbl. f. Bakteriol., Abt. II, 26, 1910. — 5) Loew, Mitt.
d. Deutsch. Landw. Ges. 1917 u. 1918. — 6) A. Morgen, H. Wagner,
G. Schöler und Elsa Ohlmer, Landw. Versuchsstat. 1919. — 7) E. A. Bogda-
noff, Fütterung der Milchkühe. 1916.
Zur Frage nach der konservierenden Wirkung von Milchhefe
auf Milchsäurehbakterien.
Von
N. Slobodska-Zaykowska.
(Aus dem Milchwirtschaftsinstitut zu Wologda.)
(Eingegangen am 5. Dezember 1925.)
Im Milchwirtschaftsinstitut zu Wologoda wurde von S. A. Koroleff
die Art der Konservierung wertvoller Kulturen von Milchsäuremikroben
durch gemeinsames Wachstum mit Milchhefe in die Praxis eingeführt.
Damit sich die Milchsäurebakterien in vollkommen einwandfreiem Zu-
stande erhalten, genügt es, derartige Kulturen drei bis viermal im Jahre
umzuimpfen. Die Gewinnung einer reinen Zucht bei einer derartigen
Mischung bereitet keinerlei Schwierigkeiten ; sie muß nur vor der Aussaat
in Petrischalen erfrischt, d. h. zweimal nacheinander auf Milch gegossen
werden. Bei der Aussaat in Petrischalen bedient man sich irgend eines
beliebigen festen, durchsichtigen Nährbodens, der zum Gedeihen von
Hefe geeignet ist. Milchsäurestreptokokken gedeihen auf einem der-
artigen Nährmilieu in der Regel gut, und ihre Trennung aus den ent-
wickelten Kolonien erfolgt ohne Mühewaltung. Für die Milchsäure-
stäbchen bedarf es keines speziellen Nährsubstrats, obwohl dieselben
auf einem gewöhnlichen Nährboden in Laboratorien nicht gedeihen.
Es dürfte ein sogenannter ‚negativer Boden‘ genügen, auf dem
eine Aussaat in Probierröhrchen mit Milch vorgenommen wird, und
zwar aus jeder Schale diejenigen Teile des Nährbodens, in denen keine
Hefekolonien vorhanden sind. Die bei der Infizierung der Schale dorthin
gelangten Zellen von Milchsäurestäbchen bleiben lebensfähig und
entwickeln sich nur dann nicht zu Kolonien, wenn sich der Nährboden
als untauglich erweist. Die Aussaat auf Milch dagegen gedeiht gut bei
entsprechenden Temperaturbedingungen. Die aus einer derartigen
Mischung hervorgegangenen Kulturen unterscheiden sich hinsichtlich
ihrer Eigenschaften kaum von den ursprünglichen, selbst dann nicht,
wenn sie mehrere Jahre hindurch mit Hefe aufbewahrt werden. Diese
Konservierungsmethode von Kulturen in lebendem Zustande basiert
18 N. Slobodska-Zaykowska.:
auf den natürlichen Assoziationsverbindungen, denen die bakteriologische
Wissenschaft so häufig in der Praxis begegnet. Die Zubereitung einer
ganzen Reihe von gesäuerten Milchprodukten: Kefir, Kumis, Yoghurt
Mazzoni, schwedische konservierte Milch, beruht auf einer Verbindung
von Mikroorganismen. Diese Produkte konnten sich im Laufe vieler
Jahrhunderte unverdorben erhalten, obwohl die Umgebung der
primitiven Nomadenstämme und selbst der ansässigen Völker des
Südens, die sich mit der Bereitung derartiger Präparate befaßten,
sanitären und bakteriologischen Ansprüchen wohl kaum genügt hätte.
In bakteriologischer Beziehung stellen alle diese Sauermilchpräparate
hauptsächlich eine Verbindung von Milchsäuremikroben — Stäbchen
und Streptokokken — mit verschiedenartigen Hefen dar. Eine analoge
Kombination finden wir bei denjenigen Sauerteigen, die bei der Wein-
gewinnung und Bierbrauerei angewandt werden: auch hier sind Hefen-
und Milchsäuremikroben vorhanden. Die Analyse beliebiger gepreßter
Hefen ergibt das Überwiegen von zwei dieser Mikroorganismen. Alle
derartige Sauerteige zeichnen sich durch eine außerordentliche Lebens-
fähigkeit aus. Unter solchen Bedingungen erhalten sich die Milchsäure-
bakterien überaus lange. So beschaffene Sauerteige sind seit Urzeiten
bekannt und überall in denjenigen Gegenden verbreitet, wo für die
Viehzucht geeignete Bedingungen vorherrschen. Die Abgeschlossenheit
der betreffenden Ländereien von den benachbarten Gebieten erwies
sich als ein fördernder Faktor für die Entstehung verschiedener Sauer-
milcharten. Als Beispiel sei einerseits die schwedische konservierte
Milch und andererseits die bulgarische saure Milch angeführt. Vergleicht
man jedoch die mikrobiologische Zusammensetzung von: Mazzoni,
Leben, Yoghurt — so ergibt sich, daß der Hauptbestandteil dieser
Produkte, der lange Lactobacillus (Bacill. bulgaricus, lebenis, mazun.),
sich so unwesentlich von allen drei Mikroben unterscheidet, daß sie
nur mit großer Mühe für verschiedene Arten milchsaurer Mikroben
angesehen werden können. Die Mehrzahl der Forscher ist daher auch
geneigt, im gegebenen Falle ihre Identität anzunehmen und allenfalls
eine Rassenabweichung gelten zu lassen.
Beachtenswert ist, daß diese höchst nahrhaften Produkte sowohl
bakteriologisch als auch biochemisch, hinsichtlich jedes einzelnen
Komponenten, bereits untersucht worden sind.
Leider wird in diesen Arbeiten die Frage nach der Ursache der
merkwürdigen Beständigkeit der Mikrobenverbindungen nicht berührt.
Dieses Problem, wurde erst später behandelt, als es sich herausstellte,
daß die trockenen Heilpräparate „Yoghurt‘“, die eine Zeitlang äußerst
verbreitet waren, keinen völligen Ersatz boten, da denselben die zur
Bereitung von saurer Milch erforderlichen Bestandteile fehlten.
Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 79
Im Jahre 1905 erschien folgende Mitteilung von Grizoni: „Nuovo
latte fermentato facile a prepararsi nei Servizi ospidalieri‘‘ [H. Giodda!)].
In dieser Arbeit werden Analysenwerte von saurer Milch angeführt, die
seit alter Zeit in Sartenfamilien derart bereitet wird, daß täglich mit einem
Löffel gesäuerter Milch mit altem „djaddu‘‘ neue Portionen frisch gekochter
Milch gesäuert werden. Die gesäuerte Milch bleibt bei einer Temperatur
von 25° bis zur Gerinnung stehen, darauf wird sie in einen kalten Raum
gebracht oder in kaltes Wasser gestellt. Ein besonderes Interesse bietet
diese Art saurer Milch insofern, als der Autor der zitierten Arbeit bei der
Untersuchung nur zwei mikrobiologische Bestandteile fand: Bacillus
Sardons und Saccharomyces Sardons, wozu bemerkt wird, daß Saprophyten
für gewöhnlich in dieser Milch nicht gedeihen.
Man sollte meinen, daß diese Abhandlung von vornherein als Richt-
schnur für weitere Beobachtungen hinsichtlich der Frage mikrobiologischer
Verbindungen hätte dienen können. Dessenungeachtet erschien im Jahre
1913 die Veröffentlichung eines deutschen Forschers: Hohenadel, Unter-
suchungen über Yoghurt-Trockenpräparate?). Der Verfasser wirft hier
die Frage nach der Symbiose des bulgarischen Mikroorganismus mit den
Milchsäurestreptokokken aus dem Grunde auf, weil er bei Untersuchungen
von Yoghurt-Trockenpräparaten durchaus nicht immer Hefe vorfand.
Er zog daraus den Schluß, daß die Hefe keinen notwendigen Bestandteil
bildet, sondern nur einen zufälligen Befund darstellt. In der Arbeit von
S. A. Koroleff (Wiestnik Bakt. Agr. Versuchsstation Moskau), „Über die
Wechselwirkung einiger Milchsäuremikroben‘“, werden jedoch die gegen-
seitigen Beziehungen dieser beiden Mikroben (Bac. bulgaricus und Str.
lactis) eindeutig in dem Sinne aufgeklärt, daß eine Symbiose zwischen diesen
nicht besteht.
Die letztere Arbeit, deren Ergebnisse von überzeugender Beweis-
kraft sind, gibt uns Veranlassung, die Ursache der langen Lebensdauer
dieser Assoziationsverbindungen zu erforschen und die Beziehungen
eines etwaigen Zusammenlebens von Milchsäuremikroben klarzustellen.
Gleichzeitig wird unsere Aufmerksamkeit auf einen dritten Faktor
gelenkt, der stets beim Sauerteig von Bedeutung ist: das ist die
Frage nach der Rolle, welche die Hefe bei der Aufbewahrung mit Milch-
säuremikroben spielt. Ein Hinweis auf dieses Problem ergibt sich
logischerweise auf Grund der oben zitierten Arbeit.
Über diese Frage findet man in der Literatur Bemerkungen in dieser
Richtung nur in zwei Arbeiten. Die Autoren teilen bloß ganz kurz Beob-
schtungen mit, welche die Wechselwirkung zwischen Milchsäurebakterien
und Hefe zum Gegenstand haben. Über den günstigen Einfluß von Hefe
auf Milchsäuremikroben berichtet Beyerinck in: ‚Die Erscheinung der
Fleckenbildung oder Agglutination bei Alkoholhefen‘‘?). Indem der Autor
von der Hefeagglutination in Gegenwart von Lactokokken spricht, teilt
er die von ihm beobachtete Tatsache mit, daß Lactokokken in Reinkulturen
rasch die Eigenschaft der Schleimbildung verlieren; bei Aufbewahrung
mit Hefe büßen sie dagegen diese Eigenschaft bis zu einem Jahre und
1} Centralbl. f. Bakteriol. 15.
2) Ebendaselbst 88, 115.
3) Ebendaselbst 20, 641.
80 N. Slobodska-Zaykowska :
darüber nicht ein. Ja sogar diejenigen Mikroben, welche die Fāhigkeit
der Schleimbildung verloren haben, gewinnen diese Eigenschaft bei der
Aussaat mit Hefe wieder zurück. Beyerinck bestātigt auch, daß bei Kulturen
in Petrischalen eine herabsetzende Wirkung der Lactokokken auf Hefe
festzustellen ist: die Hefekolonien entwickeln sich schlechter an den
Stellen, wo die Lactokokken vorhanden sind. Hier sei erwähnt, daß Beyerinck
mit Hefen und Milchsäuremikroben arbeitete, die aus gepreßter Hefe
entstanden waren. In der Literatur finden sich auch Angaben hinsichtlich
der .konservierenden Wirkung der Hefe auf typische Milchsäuremikroben:
Sandelin, Über die Einwirkung einiger aus Butter isolierten Hefearten auf
Bestandteile der Milch!). Hier berichtet Sandelin, daß Milchsäurebakterien,
die mit einer beliebigen Hefenart ausgesät waren, sich nach zwei Monaten
als aktiv erwiesen, dagegen wurde derselbe Mikroorganismus in einer reinen
Kultur abgetötet. Der Autor sucht eine Erklärung für eine derartige Ver-
längerung der Lebensdauer einerseits darin zu finden, daß die Hefenzelle,
während sie den proteolytischen Eiweißzerfall der Milch hervorruft, eine
hinreichende Anzahl stickstoffhaltiger Produkte hervorbringt, die von den
Milchsäurebakterien leicht verarbeitet werden. Andererseits darin, daß
dieselben Hefen die Fähigkeit besitzen, die Milchsäure zu zerlegen, wenn
ihre Menge ausreicht und das Wachstum beider Mikroben gemeinsam
erfolgt.
Mit diesen beiden Hinweisen sind die in der Literatur vorhandenen
Daten über diese Frage erschöpft, jedenfalls im Bereiche der zu dieser
Arbeit verwandten Quellen. Jedoch verdient die Art der Aufbewahrung
von Milchsäurebakterien durch gemeinsames Wachstum mit Milchhefe
die allergrößte Aufmerksamkeit, sowohl wegen ihrer großen Einfachheit,
als auch wegen der Resultate, die bei ihrer Anwendung erreicht werden.
Im allgemeinen schwankt die Dauer der Aufbewahrung von Milch-
kulturen verschiedener Milchsäuremikroben zwischen 1 und 2 Wochen
in Abhängigkeit von der Temperatur des Raumes. Wenn man die
Mikroben mit Hefe aussät, kann man die Dauer bis zu einem Jahre und
darüber verlängern. Die Eigenschaften der Kulturen bleiben hierbei
fast ganz erhalten. Dieser Umstand ist sehr wichtig im Hinblick auf
die Leichtigkeit, mit der die Milchsäurebakterien ihre säureproduzierende
Fähigkeit einbüßen. Dank dieser Methode ist man daher in der Lage,
wertvolle Kulturen von Milchsäuremikroben lange Zeit in Laboratorien
aufzubewahren, ohne öftere Umsaaten vornehmen zu müssen, und was
besonders hervorzuheben ist, in fast ursprünglicher Frische. Gerade
das gelingt in Laboratorien selten, selbst nicht mit weniger empfindlichen
Kulturen als Milchsäurebakterien. Im vorliegenden Falle interessiert
uns hauptsächlich die Erhaltung der biologischen Eigenschaften der
Bakterien. Die vorgeschlagene Methode erfüllt auch darin ihren Zweck,
daß sie bei der Trennung dieser Mikroben keine Schwierigkeiten bereitet.
Auf welchen Faktoren die günstige Einwirkung von Hefezellen auf
1) Centralbl. f. Bakteriol. 58, 132.
Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 81
die Dauer der Aufbewahrungszeit von Milchsäuremikroben bei gemein-
samem Wachstum in lebensfähigem Zustande beruht, das war die Frage,
der die vorliegende Abhandlung gewidmet war. Zu diesem Zwecke
wurde eine ganze Reihe von Versuchen zur Aufklärung des Problems
vorgenommen; Vermehrung von Hefe in Reinkultur sowie gemeinsam
mit Milchsäurebakterien, die Dauer der Aufbewahrung in beiden Fällen,
der Eiweißzerfall der Milch, der Säuregehalt der Kulturen usw.
Die Frage nach den biochemischen Eigenschaften der Hefe ist
in der Literatur bereits ausführlich behandelt worden. Die Unter-
suchungen über Kefir (Freudenreich), Kumis (Rubinsky), Yoghurt und
Mazzoni (Kunize), eine große Anzahl spezieller Arbeiten über Wein-
und Bierhefe, schließlich die Arbeit von Dombrowsky über die Rolle
der Hefe in Milchprodukten behandeln eingehend die biochemische
Eigenart dieser Mikroorganismen.
Wird die Kuhmilch (eigene Versuche) mit Hefepilzen infiziert,
so tritt nach 18 Stunden kräftige Gärung ein, die nach 3 bis 4 Tagen
aufhört, obgleich sich die Milch äußerlich nicht sichtbar verändert;
nur auf dem Boden der Probierröhrchen zeigt sich in dieser Zeit ein
geringer Bodensatz. Die Anzahl der Zellen in einem Kubikzentimeter
ergibt in verschiedenen Perioden des Wachstums folgende Werte. Die
zu untersuchende Milch hat in einem Falle 21° nach Thörner, im
anderen 23°.
Versuch 1. Versuch 2.
Zeit © Acidität | Zahl der Mikroben H Acidität | Zahl der Mikroben
0 Stdn. 21,0 50000 | o Stdn. |
5, an | 350 000 e
H, Du 90000 Im ” |
16 `" 220 3100000 |2 -
22 „ ! 250 | 15000000 |48 „
0, | 290 16 000 000 9 Tage
3, 360 | 22000000 | 36 ,
o ` 42.0 38 000 000
4 Tage | 48,0 66 000 000
„490 63 000 000
Die in dieser Tabelle angeführte Acidität stellt sich nach der
Entfernung der Kohlensäure ein. Allerdings wurde diese Beseitigung
in sehr primitiver Weise vorgenommen durch andauerndes und sorg-
fältiges Durchschütteln unter gleichzeitigem Erwärmen. Der Säure-
gehalt ist, wie ersichtlich, sehr gering und kann daher keine Gerinnung
der Milch hervorrufen. Ein längeres Aufbewahren von Hefe in Milch
bewirkt nur eine unbedeutende Erhöhung der Acidität. Eineinhalb-
und zweijährige Kulturen gaben 50° nach Thörner. Mit diesen Befunden
stimmen die in der Literatur vorliegenden Angaben vollkommen überein,
Biochemische Zeitschrift Band 169. 6
82 N. Slobodska-Zaykowska:
' daß Hefe bis zu 36 Proz., d.h. in sehr geringem Maße, Milchsäure
entwickelt!). Die Hauptmenge des Zuckers wird in Alkohol und Kohlen-
säure umgewandelt. Nach 5 Tagen lassen sich nur noch Spuren von
Zucker nachweisen. Das geht deutlich aus der Tabelle über die
Acidität in Hefen-Milchkulturen vor und nach der Entfernung von
CO, hervor. Ä
Acidität
Zeit nn
Vor Entfernung von C O3 | Nach Entfernung von CO;
43,0 29,0
103,0 33.0
85,0 | 36,0
68.0 | 38,0
i 66,0 i 40,0
Io, 56,0 | 42,0
Kontrolle 26,0 26,0
Ein Vergleich dieser Zahlen zeigt, daß die starke Acidität (103° nach
dreimal 24 Stunden) ausschließlich durch den hohen Gehalt an Kohlensäure
bedingt wird, die bei der gewöhnlichen Titration mit Phenolphthalein
gleichfalls berücksichtigt wird. Es muß vermerkt werden, daß die Milch,
obgleich sie nach dreimal 24 Stunden 103° Acidität aufwies, dennoch beim
Erwärmen bis auf 60° zwecks Entfernung der Kohlensäure nicht gerann
und die Acidität nach dem Erwärmen nur 33° betrug. Am sechsten Tage
der Beobachtung hingegen, als die allgemeine Acidität der Milch 66° betrug
(infolge der freien Ausscheidung von Kohlensäuregas aus der gärenden
Flüssigkeit), bewerkstelligte schon ein geringes Erwärmen das Gerinnen
der Milch. Die Acidität derselben betrug nach der Entfernung der CO,
40°. Obgleich die Acidität der Milch bei Kultivierung von Hefen in Milch
so gering bleibt, daß dadurch keine Gerinnung der Milch erfolgt, so gerinnt
die Milch dennoch, wenn die Hefe lange in ihr aufbewahrt wird. Das Ge-
rinnsel ist sehr schwach ausgeprägt. Gewöhnlich ist die obere Schicht
der Milch zu dieser Zeit schon peptonisiert. Diese Gerinnung ist dem er-
höhten Säuregehalt und gleichzeitig der Wirkung des koagulierenden
Ferments zuzuschreiben — analog dem Labmagen des Tieres. Die Be-
stimmung der Koagulase in Hefenzellen ist für diese Arbeit nicht unter-
nommen worden. Auf ihr Vorhandensein weisen aber die Veränderungen
der Milch hin, die beim Begießen alter, vertrockneter Milchkulturen der
Hefe mit frischen Portionen steriler Milch eintreten. Im vorliegenden
Falle kann man die Geschwindigkeit der Peptonisation — nach 24 Stunden —
auf Kosten der Protease setzen, die wahrscheinlich in ungebundener Form
in den vertrockneten Milchkulturen zugegen ist, da die Peptonisation
bereits eintritt, bevor eine Vermehrung der Zellen beobachtet wird. Die
nach der Methode von Moores ausgeführte Bestimmung der Frische der
Milch in Hefe-Milchkulturen verschiedenen Alters deutet gleichfalls auf
die Anwesenheit der Protease hin. Die Methode besteht darin, daß man
in der einen Probe den Grad der Acidität durch Titration mit dezinormaler
Alkalilösung feststellt und in der anderen den Grad der Frische durch
1) Rubinsky, Centralbl. f. Bakteriol. 28, 374.
Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 83
Titration mit dezinormaler Schwefelsäure: Die Summe dieser beiden
Größen bildet den Maßstab für die tatsächliche Frische der Milch, indem
man als unumstößliche Tatsache ansehen kann, daß die Summe dieser
Werte des Milchfrischegrades fast beständig innerhalb der Grenzen von
60 bis 70 ccm Alkali und Säure auf 100 com Milch schwankt.
Die Daten der Bestimmungen sind in folgender Tabelle angeführt:
Alter der Kulturen | Grad der Acidität | Grad « der Frische | Summe
A p a e r E = Eee mt Io ee T Ge
1 Tag | 24 50 l T4
2 Tage | 26 | 44 | 70
45 „ 32 | 21 | 53
Dieses Absinken des Frischegrades der Milch bei unbedeutender
Erhöhung der Acidität erinnert sehr an die Veränderungen, welche
die Milch beim Hinzufügen von Labmagenferment erleidet. Die Milch,
welche während 4 Stunden der Wirkung von Labmagenferment in
einer 0,0l proz. Lösung unterworfen war, ergab bei der Untersuchung
nach der Mooreschen Methode folgende Werte.
© Mib o | Grad der Acidität | Grad der Frische | Summe
=
40,0 | 62,0
21,0 43,0
l
f
Kontrolle
mit einer 0,01 proz. Lösung
von Labmagenferment
|
Auf Rechnung dieses Ferments ist auch der proteolytische Zerfall
zu setzen, der jedesmal bei langdauerndem Aufbewahren von Hefe-
kulturen in Milch vor sich geht. Daß in Hefen-Milchkulturen tatsächlich
eine Proteolyse stattfindet, geht daraus hervor, daß der aus Casein
bestehende Bodensatz allmählich in Lösung geht. Die Bestimmung
des gelösten Stickstoffs in 8 bis 9 Monate alten Kulturen ergibt 3 bis
5 Proz. des gelösten Eiweißes, d. h. zu dieser Zeit ist bereits das gesamte
Eiweiß der Milch peptonisiert. Eine so langdauernde Wirkung ließe
sich auf das Ferment zurückführen, das noch in den abgestorbenen
Zellen aktiv bleibt. Aber gerade im Hinblick auf das Absterben der
Zellen stellt die Hefe ein interessantes Objekt dar.
Die runden Milch-Hefepilze gehören zur Gruppe der Torulen und
besitzen daher nicht die Funktion der Sporenbildung. Dessen un-
geachtet sind sie sehr beständig. Die Milchkulturen dieser Hefen,
die während 4 bis 5 Jahren nicht umgeimpft wurden, waren voll-
ständig peptonisiert und infolge eines so langen Zeitraums gänzlich
vertrocknet, beim Begießen mit frischer steriler Milch belebten sie sich
aber wieder. Nur diejenigen der aufbewahrten Kulturen, welche durch
6*
84 N. Slobodska-Zaykowska :
Schimmelpilze verunreinigt waren, konnten nicht aufgefrischt werden.
Von 44 Kulturen waren dies 6.
Das Aufbewahren von Hefe in Kolben mit viel Milch (100 ccm)
im Laufe zweier Jahre zeigte, daß in diesem Alter die flüssig gebliebene
Kultur einige Millionen lebensfähiger Zellen in einem Kubikzentimeter
enthält.
In der Literatur findet sich die Angabe von Hansen, daß Bierhefen,
auf Filtrierpapier getrocknet und mit Kohlepulver vermischt, sich bis zu
einem Jahre erhalten, Sporenzellen hingegen bis zu zwei Jahren. Besonders
zahlreiche Untersuchungen über die Lebensfähigkeit der Hefen sind von
Will ausgeführt worden!). Dieser Autor untersuchte mit Kohlepulver,
Asbest, Sägespänen usw. konservierte Hefen. Seine Beobachtungen er-
gaben, daß Asbest als geeignetes Konservierungsmittel anzusehen ist.
Dabei ist als notwendige Bedingung für gutes Aufbewahren ein hermetischer
Verschluß der Büchsen, in denen sich die Hefe befindet, erforderlich. Bei
der während einer Reihe von Jahren systematisch ausgeführten Unter-
suchung der Entwicklungsmöglichkeit von Hefe in einer 10proz. Zucker-
lösung ergab sich, daß noch nach 17 Jahren eine Vermehrung von Hefen-
zellen im Nährboden stattgefunden hatte. Das Wachstum der Hefenzellen
war allerdings schon entartet, d. h. die Kulturarten hatten sich in wilde
verwandelt. Nach den Beobachtungen dieses Forschers ging die Ver-
unreinigung des Büchseninhalts durch Schimmelpilze mit dem Aussterben
der Hefekulturen einher. Alle diese Befunde sprechen für die ungeheure
Lebensfähigkeit der Hefenzellen, obwohl es einige Bedingungen gibt, unter
denen sie weniger beständig sind als andere Elemente der Mikroflore.
Wie schon erwähnt, berichtet Beyerinck über die günstige Wirkung von
Hefe auf Milchsäuremikroben, und führt die herabsetzende Wirkung der
letzteren auf die Hefenkolonien an. Bedeutend eher stellte Henneberg
[Lebensdauer einiger Kulturheferassen, Frohberg, Saaz, Rasse II und
Rasse XII in feuchtem Zustande bei niedriger Temperatur und der Einfluß
verschiedener Organismen auf diese Hefen?)] fest, daß sich in Präparaten
von gepreßter Hefe Arten von Milchsäuremikroben vorfinden, welche der
Hefe direkt schädlich sind. Hierhin gehören die Arten von Milchsäure-
bakterien, welche viele flüchtige Fettsäuren bilden, wie z. B. Essig- und
Valeriansäure. Ferner: Bacillus brassicae fermentatae, panis fermentati,
Buchneri u.a. In bereits abgestorbener Hefe gelang es Henneberg, im
Laufe einiger Monate lebensfähige Milchsäuremikroben aufzufinden. In
einem Falle wurden drei dieser Mikrobenarten gefunden. In diesem Zu-
sammenhang dürfte die Erwähnung einer Erscheinung nicht ohne Interesse
sein, die bei der Wiederbelebung von trockenem Kefir beobachtet wurde.
Die Hefe stirbt dabei häufig ab, und die Kefirkörner gaben bei der Wieder-
belebung Streptokokken und Stäbchen, nachdem sie etwa 6 Jahre lang
ohne Benutzung aufbewahrt worden waren. Die Hefe hingegen fehlte
gänzlich. Wenn man in Erwägung zieht, daß selbst solche typische Milch-
säurebakterien, wie Bacterium casei, nach den Untersuchungen von
Orla-Jensen unter ihren Stoffwechselprodukten flüchtige Fettsäuren auf-
weisen, 80 ist es durchaus verständlich, daß die Aufbewahrungsbedingungen
von Hefe mit Milchsäuremikroben sich nicht als sehr nützlich für die Hefe
1) Will, Centralbl. f. Bakteriol., II. Abt., 24, 405.
3) Wochenschr. f. Brauerei 1904, Nr. 19—23.
Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 85
erweisen, selbst wenn sie für die Milchsäuremikroben günstige Folgen
zeitigen.
Indem wir nunmehr zu der Frage nach der gemeinsamen Ent-
wicklung und Aufbewahrung von Milchsäuremikroben mit Hefe über-
gehen, wollen wir noch einige Angaben über die Entwicklung und Auf-
bewahrung von Milchsäuremikroben allein anführen. Die Frage der
Aufbewahrungsmöglichkeit reiner Kulturen, sowohl in flüssiger als
auch in trockener Form, ist genügend geklärt.
Die Praxis lehrt, daß flüssige Kulturen 1 bis 2 Wochen aufbewahrt
werden können, abhängig von der Temperatur des Raumes und der Rasse
der jeweiligen Mikroben. Bisweilen gelingt es, eine beinahe dreiwöchige
Kultur wieder zu beleben. Trockene Sauerteige lassen sich bedeutend
länger aufbewahren. Aus den hierüber existierenden Vorschriften geht
hervor, daß 4 Monate den gesetzmäßigen Termin für die Erhaltung der
Kulturen bilden. Jedoch ergab die Analyse von Sauerteigen, welche 6 bis
9 Monate aufbewahrt wurden, noch lebensfähige Mikroben. In dieser
Hinsicht ist eine Feststellung von Wehmer!) von Bedeutung. Nach seinen
Beobachtungen können technische Milchsäuremikroben, die sich durch
ständige Neutralisierung von Milchsäure bei der Gärung entwickeln, in
trockenern Zustande bis zu 6 Jahren aufbewahrt werden, wobei ihre physio-
logischen Eigenschaften keine Einbuße erleiden. Zehnjährige Kulturen
enthielten nach den Angaben von Wehmer keine lebenden Zellen mehr.
Eine so lange Aufbewahrung trockener Kulturen ist durchaus ver-
ständlich, da fast die gesamte Molke bei der Zubereitung trockener Sauer-
teige entfernt wird, durch Verdünnung mit großen Mengen von Reisstärke
oder irgend einer anderen Substanz. So gelingt es, den Konzentrationsgrad
der Milchsäure in den Kulturen gänzlich herabzusetzen. Die Milchsäure
bildet bekanntlich das größte Hindernis beim Aufbewahren von in inaktivem
Zustande befindlichen Kulturen in Flüssigkeiten (Milch). Sie verhindert
such die Spaltung des Milchzuckers.. Das Hinzufügen von Kreidekalk
kann als Beweis hierfür dienen. Der Zusatz von kohlensaurem Kalk zur
Milch (bei häufigem Durchschütteln) bietet den Milchsäurebakterien eine
Entwicklungsmöglichkeit auf einem auserlesenen Nährboden unter den
Bedingungen einer beständigen Milchsäureneutralisation. Hierdurch bleibt
eine maximale Menge lebensfähiger Zellen dauernd am Leben, die an das
numerische Maximum nahe heranreicht, welches für die angewandte Rasse
charakteristisch ist. So weist eine Rasse im Alter von einer Woche, deren
Maximum 4 Milliarden Zellen beträgt, nach 12 Stunden unter gegebenen
Umständen 3500000000 auf. Eine 1 Monat alte Kultur gibt 2430000000
und gerinnt in 12 bis 15 Stunden. Die Aussaat von Milchsäuremikroben
auf einem Nährboden, der wenig oder gar keinen Zucker enthält (Fleisch-
bouillon-Pepton), ruft eine weniger üppige Entwicklung dieser Mikroben
hervor, begünstigt aber eine längere Aufbewahrungsdauer. Eine Bouillon-
aussaat von 16 Tagen enthält in Leem bis zu 250000000 Mikroben, eine
von 35 Tagen 73000000, Gerinnung nach 12 bis 15 Stunden. Man kann
Milchsäurebakterien auch in gewöhnlichem Wasser aufbewahren, auf
Grund der Versuche Petersons?), die eine Wasser-Bakterienemulsion in
1) Wehmer, Centralbl. f. Bakteriol. 84.
23) Peterson, ebendaselbst 18.
86 . N. Slobodska-Zaykowska:
einem Röhrchen einschmolz. Nach dieser Methode konnten die Bakterien
ein Jahr und darüber aufbewahrt werden.
Stellt man nun den Angaben über die Aufbewahrungsmöglichkeit
von Milchsäurebakterien mit Hefe diejenigen über ihr gemeinsames
Wachstum gegenüber, so gewinnt man den Eindruck, daß die Hefe
auf irgend eine Weise eine längere Aufbewahrungsdauer der Milch-
säuremikroben in aktiver Form begünstigt. Um die Ursache einer
derartigen Wirkung aufzuklären, wurden Versuche über die Art der
Vermehrung und die Energie der Säurebildung dieser Mikroben an-
gestellt, sowohl in reinen als auch in gemischten Kulturen. Die Unter-
suchungen bestanden darin, daß in bestimmten Zeitabschnitten Aus-
saaten in Petrischalen vorgenommen wurden und die Acidität be-
stimmt wurde. Es sollten auch noch periodische Bestimmungen des
Alkohols und der Kohlensäure ausgeführt werden, doch mußte aus
technischen Gründen hiervon Abstand genommen werden. Die Ent-
wicklung von Milchsäurebakterien (Str. lactis) und Hefe in reinen und
gemischten Kulturen:
Versuch 1.
Milchsäurebakterien
Zahl
Acidität der Mikroben
Milcbsäurebakterien + Hefe
Zabl
Zabl der
Ba dér Mikroben Hefezahl
Mikroben
— | 210 A 210° 50000] 21,0,
5 Stdn. | 24.0 12.000.000 21.0 | 350000) 220, 9000000
10 26.0| 276 000.000 | Set 900000) 26.0: 321.000 000
16 52,0 E 21.0 | 3100000 | 59.0 | 1 302 000 000
22 78.0 3 00.000.000 | 25.0 15000000 || 80.0 | 3 600 000 000
90,0 | 3 800 000 000
100,0 | 3 700 000 000
106,0 | 1 400 000 000 |15 900 000
108.0 \ 640 000 000 29 900 000
450| — 1100| 149000000] —
104,0 |1 300 000 000
106,0 | 870.000 000
16 Tage || 120,0, steril
30 ” || 90,0 15400000 000! 29.0
"| 96,0 |4 100 000 000 E
, |
kd
Aus der Tabelle ersieht man, daß die Milchsäurebakterien in der
reinen Kultur nach 2 Wochen absterben, während sie mit Hefe zur
Zeit der letzten Analyse nach 8 Monaten einige zehn Millionen er-
reichen. Hier fällt auch noch die verlangsamte Entwicklung von Hefe
in den gemischten Kulturen auf. Im übrigen verläuft der Prozeß mehr
oder weniger gleich.
Die gleichen Resultate ergibt ein zweiter analog angestellter Versuch.
Auch hier wird eine verlangsamte Entwicklung von Hefe bei gemein-
samem Wachstum beobachtet. Die Acidität der gemischten Kulturen
ist etwas höher als diejenige bei Milchsäurebakterien allein.
Die Entwicklung von Milchsäurebakterien (Str. lactis) und Milchhefe
in reinen und gemischten Kulturen.
Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 87
Versuch 2.
| Milchsäurebakterien + Hefe
Zahl der
Mikroben | Acidität
91700) 25,0 | 2500000! 160000
131000! 29,0 | 350000000" 200.000
1015 000 | 55.0 |990 000 000 | 2000 000
S 95,0 |8 000 000 00011 43,0 |21 000 000 105,0 | 670 000 000 | 3 200 000
48 88,0 | 760000000. 48,0 |36 000 000 | 110,0 | 500 000 000 | 4 650 000
9 Tage | 101,0 steril 57,0 138 500 000 || 117,0 | 50 000 000 27 000.000
ss, l 1120 | eck | 48,0 |35 000 0001 133,0 | 44 000 000 |41 000 000
Bei langem Aufbewahren solcher gemischter Kulturen in Gegen-
wart einer genügenden Menge Flüssigkeit und Schutzvorrichtung
gegen das Vertrocknen ergaben sich bei der Analyse folgende Werte:
— - |
iniz d Alter von 1 a 1 Jahr | 5
Einjährige Kulturen uad O Mounton Zweijährige Kulturen
| Acidität l Zahl der | Acidität Bakterien | Acidität | fabl der
Reine Hefenkultur. . . 55,0 |51 500000; 52,0 !8500 000° 48,0 | 4 300 000
Miscbun ng von Milchs 875 500 000 ' — 20 000 | 78,0 12 000
säurebakterien + Hefe | 78 000 000, — |2500 000 — 1 800 000
NurMilchsäurebakterien | 130,0 | steril © — | steril ' 140 | steril
Konttolle sa eco.» 220 Ge ek Es =
H
Die Bestimmung der Menge der löslichen Eiweißstoffe in einer
8 Monate alten Kultur ergab folgende Werte:
Kontrole. . 2% 5:2. 2 = # 2 3. 8 258 . 0,534 Proz.
Reine Milchsäurebakterien . . . . 2 2 s e s’ . 0,834 ,,
Reine Hefe... . . . 2 2 2 2 2 2 0. ei Od `
Mischung von Hefe und Milchsäurebakterien. . . . 3,624 ,,
Diese Tabelle bietet schon ein Interesse hinsichtlich des Aciditäts-
grades: Während die Kulturen von allerdings längst abgestorbenen Milch-
säuremikroben hohe Zahlen ergeben, höhere als für gewöhnlich Strepto-
kokken, was sich wahrscheinlich teilweise durch das Austrocknen des
Nährbodens erklären läßt, so sinkt die Acidität gemischter Kulturen recht
stark von 120 bis auf 80° trotz des Austrocknens. Allerdings wurde in diesen
Versuchen das Zahlenverhältnis der Säuren, die während des Gärungs-
prozesses entstanden, nicht festgestellt. Dieser Wert wäre besonders
wichtig bei gemischten Kulturen. Der Alkohol wurde nicht bestimmt.
Zieht man aber in Betracht, daß die CO,-Menge in einer reinen Hefekultur
nur 18 bis 20° in den ersten 24 Stunden beträgt, während die Milchsäure-
bakterien bei gemeinsamem Wachstum ihre maximale Entwicklung schon
vor Ablauf der ersten 12 Stunden erreichen, so liegt gar kein Grund vor
anzunehmen, die Acidität gemischter Kulturen werde durch irgendwelche
andere Faktoren hervorgerufen, als bei einem ausschließlichen Milchsäure-
88 N. Slobodska-Zaykowska:
prozeß allein, d. h. der vorwiegenden Entstehung von Milchsäure. Das
Sinken der Acidität bei langem Aufbewahren ist auf den Zusatz der Hefe
zurückzuführen. Über diesen Gegenstand existiert eine Arbeit von Mazé
und Rout, die in Comptes Rendus Société Biologique 80, 336 im Jahre 1917
erschien. In dieser Abhandlung kommen die Autoren zu dem Schluß,
daß die Hefe die Fähigkeit besitzt, milchsaures Calcium, das zum Nähragar
zugefügt wird, zu zersetzen. Doch läßt sich das Sinken der Acidität in
gemischten Kulturen auch auf andere Weise erklären. Es liegen Beob-
achtungen vor, nach denen die Hefe nicht die Fähigkeit der Milchsäure-
zerlegung besitzt. Buchner und Meisenheimer!) gelangten beim Studium
der Frage nach der Existenz eines Milchsäurezwischenstadiums bei der
alkoholischen Gärung mit Hefe zu negativen Resultaten. Obgleich die
Arbeit der genannten Autoren nicht als erschöpfend betrachtet werden
kann, so hat doch die Erfahrung gelehrt, daß beim Aufbewahren von Hefe
während eines Monats, unter den Bedingungen eines künstlichen Zusatzes
von Milchsäure, keine Verminderung der Acidität bei den Kulturen eintritt.
Es ist möglich, daß die Funktion der Hefe sich ändert, wenn andere Elemente,
z. B. Milchsäurebakterien, zugegen sind. Denkbar wäre auch, daß die
Acidität der gemischten Kulturen sich nur zum Teil aus Milchsäure und
zum größten Teil aus Kohlensäure zusammensetzt. Letztere verflüchtigt
sich im Verlauf des Peptonisierungsprozesses, und die zurückbleibende
Milchsäure weist dann einen geringeren Aciditätsgrad auf. Eine schnelle
Gerinnung der Milch in den gemischten Kulturen kann nicht ohne Einfluß
auf die weitere Säureproduktion sein. Die Diffusion von Milchsäure sowie
auch von Zucker in gallertartigen Nährböden, wie z. B. in geronnener Milch,
kann nicht so schnell wie in Flüssigkeiten vonstatten gehen. Infolgedessen
muß die Produktion von Milchsäure weiter fortschreiten, und die Acidität
ist wohl zum größten Teil auf die Kohlensäure zurückzuführen, die bei
der Hefegärung entsteht und sich zu diesem Zeitpunkt bemerkbar macht.
Entspricht dies den Tatsachen, so kann man das Sinken der
Acidität alter Kulturen durch die Ausscheidung von Kohlensäure
aus dem Nährboden erklären, der allmählich in gemischten Kulturen
peptonisiert wird. Jedenfalls bedarf divse Frage noch der weiteren
Bearbeitung.
Was nun die Kultur reiner Hefen anbelangt, so haben sie von allen
den geringsten Säuregehalt, obgleich der Prozeß des Eiweißzerfalls bei
ihnen in demselben Maße wie in den gemischten Kulturen vonstatten geht,
jedenfalls nach der Menge des gelösten Eiweißes zu urteilen. Der Einwand,
den man hinsichtlich des Vertrocknens der Kulturen erheben kann wegen
ihrer langen Aufbewahrung, bezieht sich in gleicher Weise auf alle drei
Arten der Versuchsgefäße. Infolgedessen kann dieser Umstand ignoriert
werden, um so mehr als Schutzmittel --- wie das Umwickeln der Büchsen
mit Pergamentpapier und das Anlegen von Gummideckeln — angewandt
wurden. Man muß übrigens bemerken, daß die Bestimmung des Säure-
gehaltes in alten Kulturen infolge der starken Färbung der Flüssigkeiten,
die vollständig peptonisiert sind, sehr erschwert ist. Diese Färbung macht
die Bestimmung des Umschlagspunktes des Indikators undeutlich. Wenn
die Enzymproduktion und diejenige des Stoffwechsels mit den äußeren
1) Centralbl. f. Bakteriol. 25, 299.
Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 89
Lebensbedingungen eines Organismus eng verknüpft ist, wofür die an
Aspergillus niger angestellten Beobachtungen sprechen, so dürfte zu er-
warten sein, daß sich auch die Funktion der Hefezelle verändern kann,
insbesondere in Gegenwart eines anderen Mikroorganismus. Bei der Be-
trachtung dieser Tabelle verdient noch Interesse die Verringerung der Zahl
der Hefezellen in den gemischten Kulturen, die bedeutend stärker aus-
geprägt ist als in der reinen Hefekultur. Anscheinend haben wir es bei
der gemeinsamen Existenz von Milchsäuremikroben und Hefe mit Faktoren
zu tun, die auf eine lange Lebensdauer der Hefezellen von ungünstigem
Einfluß sind. Sieht man von der unmittelbaren Einwirkung der Zellelemente
als solcher bei den Mikroben ab und berücksichtigt man hier mit der An-
häufung von Milchsäure vielleicht auch andere Säuren, so dürfte man
voraussetzen, daß ein dauerndes Verbleiben der Hefe auf einem Nährboden
von großer Acidität ihr Wachstum ungünstig beeinflußt. Es wäre auch
in der Tat schwierig, eine andere Ursache aufzufinden. Erscheinungen
wie Autolyse oder Selbstverdauung, die bei Hefezellen an und für sich
vorkommen, dürften hier nicht zutage treten, da im gegebenen Falle die
Grundbedingungen fehlen, die ein Hervortreten dieser Eigenschaft be-
wirken, nämlich eine vorhergehende üppige Entwicklung der Hefe unter
günstigen Bedingungen und eine Entfernung der Hefe aus dem Nährboden.
Ferner spricht der Zeitraum des Absterbens von der Dauer eines Jahres
schon an sich dafür, daß wir es hier nicht mit einer Autolyse, sondern gerade
mit einem wirklichen Absterbevorgang zu tun haben. Die Art des
Absterbens findet auch in einer reinen Hefekultur statt, jedoch bei weitem
langsamer. Die Ursache hierfür kann man auch in der erhöhten Acidität,
die einstweilen das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen reiner und
gemischter Hefekultur bildet, suchen.
Zur Aufklärung der Frage, welche Rolle die Säure spielt, ist
folgender Versuch unternommen worden:
Vier Kolben steriler Milch, in denen eine Aussaat von runder Milchhefe
vorgenommen wurde, wurden bei Zimmertemperatur bis zur Beendigung
der Gärung gehalten und alsdann die restliche Acidität und die Zahl der
Hefezellen in 1 cem Milch für je einen Kolben bestimmt. Sodann wurde
in zwei dieser Kolben je 1 ccm konzentrierter Milchsäure zugesetzt, worauf
wiederum die Acidität bestimmt wurde und die Kolben einen Monat lang
aufbewahrt wurden. Nach Ablauf dieser Zeit erfolgte Aussast in Petri-
schalen mit Bierwürzeagar.
Die Resultate dieses Versuchs gehen aus nachstehender Tabelle
hervor:
mm mn nn e —- -MM
Nach 1, Jahr
Zahl der
Mi kroben
Nach I Monat
1
TES Zahl der
Aciditat Mikroben ege
BEN il,
l. Kontrolle . . . . 48,0 30.000 000 | 39,0 |28 000 000 ; 56,0 ;52000000
2O, . . e. | 48,0 |24000000 41,0 26 600.00 53.0 48000000
3. Mit Milchsäurebakt. | 70,0 25.000.000." 80 o |24900000] 92,0 ,23000000
4. „ E 68,0 23 000 000 ' 68.0 E 79,0 22000000
Zu Anfang
Zahi der
Mikroben
90 N. Slobodska-Zaykowska:
Nach einem halben Jahre ergaben die Analysen derselben Kulturen
in den beiden ersten Kolben (Kontrolle) 52000000 und 48000000 Keime
bei einer Acidität von 56 und 53; in den beiden anderen (dritter und
vierter Kolben) erhöhte sich die Acidität ebenfalls, und zwar auf 79
und 92 bei gleichzeitiger unveränderter, oder höchstens etwas ver-
minderter Zahl der Hefezellen. Dieser Umstand gibt keine Veranlassung
zu der Annahme, daß einerseits Milchhefe die Milchsäure als solche
zersetzt, selbst wenn die Hefe unter obigen Verhältnissen ein halbes
Jahr aufbewahrt wird, und daß andererseits die Milchsäure immerhin
den Hefezellen gegenüber nicht indifferent ist. In ihrer Gegenwart
entwickeln sie sich schlechter und erreichen kein so großes numerisches
Maximum wie unter normalen Bedingungen.
Diesem Befunde widerspricht nicht der von Mazé ausgeführte Versuch.
Er bediente sich bei seinen Experimenten des milchsauren Calciums und
kam zu dem Schluß, daß die Hefe in Gegenwart von Sauerstoff milchsaures
Ca zersetzt, und zwar unter für das Wachstum höchst ungünstigen Be-
dingungen. Nach 8 Monaten (29. Dezember 1924) betrug die Acidität:
Nr. 1 = 45; Nr. 2 = 75; Nr. 3 = 100; Nr. 4 = 125.
Auf Grund dieses Versuchs kann man sagen, daß einmonatiges Auf-
bewahren von Milch-Hefekulturen unter Zusatz von Milchsäure keine
Verminderung der Zahl lebensfähiger Zellen hervorruft. Es ist möglich,
daß ein noch längeres Aufbewahren und größere Säurekonzentrationen als
die Milchsäure und flüchtigen Fettsäuren andere Folgen zeitigen wird. Die
zu diesem Zwecke von uns angestellten Versuche sollten diese Frage auf-
klären. Die Bestimmung der Hefezellen in halbjährigen Kulturen zeigte
eine Verminderung in den Gefäßen, denen Milchsäure zugesetzt war, und
die Acidität erreichte 80 bis 90°, d. h. sie überstieg die Kontrollziffer 11⁄4-
bis 2mal. Als überzeugender Beweis könnte der Vergleich bei gemeinsamem
Wachstum von Hefe mit Streptococcus lactis dienen, da er geringe Zahlen
für die Acidität ergibt, mit Milchsäurestäbchen, die Milchsäure bis zu
3 Proz. produzieren (Bacterium bulgaricus, Bacterium casei). Im Laufe der
Arbeit entstand natürlich die Frage, ob nicht vielleicht die Hefezellen an
sich notwendig sind zur Erhaltung von Milchsäurebakterien, und ob nicht
nur diejenigen chemischen Prozesse, die sie in der Milch hervorrufen, von
Bedeutung sind. Die Absicht, einen Versuch mit Buchners Zymase anzu-
stellen, scheiterte an der Unmöglichkeit, dieses Präparat zu erlangen.
Man mußte sich mit dem Wachstum von Milchsäurebakterien in solcher
Milch begnügen, in der sich die Hefen entwickelten, und dann zum größten
Teil, aber doch nicht vollständig entfernt wurden. Der Versuch, solche
Milch durch ein Chamberleinfilter durchzulassen, gelang nicht, da die
Poren desselben für die Dispersionsphase der Milch zu klein waren. Eine
starke Erhöhung der Temperatur hätte dagegen eine Gerinnung der Milch
hervorrufen können, was durchaus unerwünscht wäre. Allein schon die
Beobachtungen an der durch Hefe entzuckerten Milch geben einige Hin-
weise. Ungeachtet der Anwesenheit großer Mengen von nahrhaften Eiweiß-
substanzen, geht die Entwicklung der Milchsäuremikroben in quantitativer
Hinsicht bedeutend schlechter vor sich, sie erreicht nicht die Grenzen
wie in der normalen Laboratoriumsmilch und beträgt nur 3 bis 5 Proz.
der Zahl, die für die betreffende Rasse charakteristisch ist. Die Acidität
Konservierende Wirkung von Milchhefe auf Milchsäurebakterien. 91
erhöht sich in einer solchen Milch ganz minimal, um 2 bis 3° (von 51,0
zu 55,0), trotzdem gerimnt die Milch, wahrscheinlich infolge der kombinierten
Wirkung von Labsäureferment (Hefenkoagulase) und Milchsäure, in welche
die Milchsäuremikroben schnell und gierig den Milchzucker überführen,
der in geringer Menge nach der Hefengärung übriggeblieben ist. Die Be-
stimmung der Mikrobenzahl in solcher Milch ergab nach 1% Monaten
fast die ursprüngliche Ziffer — gegen 70000000, wobei die Mikroben auf
Fleisch-Pepton-Agar gut gedeihen und die Milch schnell zum Gerinnen
bringen. Eine Aussaat nach 21, Monaten ergab beinahe gleiche Resultate.
| Versuch 1
l " Milchsäures |
| Fere | Mikroben |
Versuch 2
Milchsäure»
Mikroben
66 000 000
37 000 000
TE 61 000 000
Pe IE a | 19881 000 | 60 000 000
Der Zusatz von Zucker zur Milch über die gewöhnliche Norm
(4 bis 5 Proz.) hinaus ist anscheinend nicht günstig.
Es muß bemerkt werden, daß eine Menge von 10 Proz. Saccharose
hinzugefügt wurde unter der Voraussetzung, daß die Milchhefe diese
utilisieren würde, indem sie den Zucker durch Invertase in Glucose
und Fructose zerlegt. Die Vergrößerung der Zuckermenge bis zu 14 Proz.
erweist sich als ungünstig, so schwankte schon nach einem halben Jahre
die Zahl der Hefezellen in gemischten Kulturen um 900000, also gerade
in den Grenzen, welche die gemischten Kulturen für Hefe nach 11, Jahren
erreichen. Die Milchsäurebakterien erreichen auch nicht die Normal-
ziffer und sterben bald ab. Wodurch dieser Umstand zu erklären jist,
werden die nächsten Analysen und Beobachtungen ergeben. Zurzeit
läßt sich nur die Tatsache konstatieren, daß bei Vergrößerung des
Zuckergehalts die Proteolyse ungleichmäßig bei gemischten und reinen
Kulturen verläuft, wie es bei der Normalmilch beobachtet wurde.
Nach 6 bis 7 Monaten der Aufbewahrung reiner Hefekulturen in Milch
unter Zusatz von 14 Proz. Zucker erweisen sie sich als vollständig
peptonisierte Flüssigkeiten, nur ein geringer Bodensatz von Casein
ist vorhanden. Hingegen ergeben gemischte Hefekulturen mit Milch-
säuremikroben ein kompaktes Gerinnsel, von dem sich nur eine geringe
Schicht peptonisierter Flüssigkeit abhebt. Die chemische Unter-
suchung der gelösten Eiweißkörper bestätigt diesen Befund. Die
Proteolyse gemischter Kulturen erreicht 1,06 Proz. der gelösten Eiweiß-
körper; bei reiner Hefe 2,75 Proz. Es gibt Hinweise dafür, daß die
Proteolyse im Gärungsprozeß hauptsächlich durch die herabsetzende
Wirkung der sich bildenden Aldehyde und Äther gehemmt wird. Es
92 N. Slobodska-Zaykowska : Konservierende Wirkung von Milchhefe usw.
ist möglich, daß beim gemeinsamen Wachstum — unter der Bedingung
erhöhten Zuckergehalts — Faktoren zutage treten, welche entweder
die Produktion oder die Funktion des Enzyms hemmen. Jedenfalls
übersteigt die Acidität die Norm der gemischten Kulturen und steigt
bis zu 160,00. Es ist zu hoffen, daß weitere Versuche, die in unserem
Laboratorium vorgenommen werden, die Frage nach der Ursache der
Aufbewahrungsmöglichkeit von Milchsäuremikroben, bei deren gemein-
samen Wachstum mit Milchhefe mehr oder weniger aufklären werden.
Die vorliegende Arbeit ist nur eine vorläufige Mitteilung; Versuche
in dieser Richtung sind im Gange.
Die Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten
Blutkörperchen.
Von
Julius Förster.
(Mitteilung aus der k. ung. Päzmäny-Peter-Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 8. Dezember 1925.)
Mit 1 Abbildung im Text.
Das Blut gehört zu jenen Geweben des Körpers, die — im Gegen-
satz zu anderen Geweben — aus mobilen Zellen bestehen, welche im
Plasma suspendiert sind.
Die überwiegende Mehrzahl der Zellen sind rote Blutkörperchen, also
kernlose Zellen, und bloß ein verschwindender Anteil besteht aus kern-
haltigen weißen Blutzellen. Die roten Blutkörperchen haben sozusagen
kaum ein eigenes Zellenleben; ihre Hauptaufgabe ist die Vermittlung des
Gas- und Stoffwechsels zwischen den Geweben, einen eigenen Stoffwechsel
und, wie wir früher angenommen haben, einen Gaswechsel haben sie nicht;
nach /tami!) haben nur die weißen Blutzellen einen Gaswechsel. Morawitz?)
und Warburg?) haben zuerst festgestellt, daß die kernlosen roten Blut-
körperchen der Säugetiere einen verhältnismäßig bedeutenden Gaswechsel
haben, daß sie also O, verbrauchen und CO, produzieren; das O,-Bedürfnis
des menschlichen Blutes ist aber so minimal, daß es mit den empfindlichsten
Methoden gerade noch nachweisbar ist. Je jünger das Tier, um so größer
ist das O,-Bedürfnis der roten Blutkörperchen, und noch mehr Sauerstoff
verbraucht das Blut von durch Aderlaß oder Phenylhydrazinvergiftung
anämisch gemachten Tieren. Masing konnte einen gewissen Parallelismus
zwischen dem O,-Verbrauch der roten Blutkörperchen und der Zahl der
jungen Zellformen nachweisen. Seiner Ansicht nach ist nämlich in solchem
Blute, welches viel junge Blutkörperchen enthält, mehr aus den Kernresten
herstammende Nucleinsäure vorhanden, und nach diesem Autor wächst der
O,-Verbrauch entsprechend mit dem Nucleinsäuregehalt. Neuerdings hat
Denecke *) darauf hingewiesen, daß bei Anämien parallel mit der Zahl der
polychromatischen roten Blutkörperchen die O,-Zehrung des Blutes höher
1) Itami, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 60, 76.
2) Morawitz, ebendaselbst 60, 298.
3) Warburg, Zeitschr. f. phys. Chem. 59, 112.
4) Denecke, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 86, 216.
94 J. Förster:
wird. Nach alledem können wir erwarten, daß bei unter vermindertem
Luftdruck lebenden Tieren, unter der Wirkung des Höhenklimas, der
O,-Verbrauch des Blutes erhöht ist, weil unter diesen Umständen junge
rote Blutzellen im Blute erscheinen. In diesem Sinne haben bisher nur
Masing und Morawitz!) Versuche angestellt. Sie haben das O,-Bedürfnis
ihres eigenen Blutes festgestellt einerseits in Heidelberg, andererseits in
Col d’Olen, in der Höhe von etwa 3000 m im Verlaufe eines achttägigen
Aufenthalts. Sie fanden, daß das Blut in 5 Stunden bei 37°C 0,5 bis
1,0 Vol.-Proz. O, verbraucht, sowohl an einem Orte von normalem Luft-
druck wie in der Höhe. Die Autoren selbst halten ihre Ergebnisse für
auffallend und denken daran, daß die Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs
unterhalb der Versuchsfehler ihrer Methodik liegt. (Sie arbeiteten mit der
Ferricyanmethode von Haldane-Barcroft, deren Fehlergrenze 0,6 Proz.
beträgt.)
Mit dieser Frage zusammenhängende Versuche haben wir in Davos
mit A. Loewy?) ausgeführt; zu unseren Versuchen haben wir Kaninchen
verwendet, weil das Blut dieser Tiere mehr Sauerstoff verbraucht wie
das menschliche Blut. Unsere Versuchsergebnisse haben gezeigt, daß
das Blut eines unter 430 mm Hg lebenden Tieres 93Proz. mehr O,
verbraucht als dasjenige eines Tieres, welches unter 630 mm Hg lebt.
Im Zusammenhang mit diesen Versuchen haben wir gefunden, daß
im Blute rote Blutkörperchen mit übernormalem Durchmesser er-
scheinen, welche sich dabei polychromatisch färben, daß also die
Steigerung des O,-Verbrauchs diesen jungen roten Blutkörperchen
zuzuschreiben ist. Unsere Versuche haben wir, wie erwähnt, mit dem
Blute von bei 630 und 410 mm Hg lebenden Tieren angestellt, welcher
Luftdruck etwa einer Höhendifferenz von 1500 und 4000 m entsprechen
würde. Es schien also von Interesse zu sein, die Versuche zu wieder-
holen und zu ergänzen mit solchen Tieren, die wir imstande sind, vom
755- bis 750-mm-Hg-Luftdruck unter 460 bis 430 mm Hg zu setzen.
Wenn die Druckunterschiede größer sind, so ist auch eine größere
Differenz im O,-Verbrauch zu erwarten.
Unsere vorliegenden Versuche — wie auch die vorherigen — wurden
mit dem Wintersteinschen?) Mikrorespirometer ausgeführt, mit welchem
auch die kleineren Ausschläge auf das exakteste zu konstatieren sind.
Indem wir die Beschreibung des Apparats übergehen, wollen wir nur so viel
bemerken, daß wir seine neueste Modifikation benutzten, auf dessen Hg-
Manometer die Menge des verbrauchten O, unmittelbar in Kubikmilli-
metern ablesbar ist. In die eine Kugel des Apparats geben wir Tyrode-
lösung, in die andere kam das sterile, mit einer Pipette abgemessene Blut.
Das Blut sättigten wir nachher mit Sauerstoff und trieben die Luft aus der
Kugel mit Sauerstoff aus. In das Gefäß, welches in die das Blut enthaltende
Kugel hineinreicht, legten wir ein mit 3proz. KOH-Lösung durchtränktes
Filterpapier zur Absorption der entstehenden Kohlensäure. Dann legten
1) Masing und Morawitz, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 98, 301.
2?) Loewy und Förster, diese Zeitschr. 145, 318, 1924.
3) Winterstein, diese Zeitschr. 46, 440; Zeitschr. f. biol. Techn. 8, 246.
Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten Blutkörperchen. 95
wir den ganzen Apparat in ein Wasserbad von 38°C, in welchem er mittels
eines Exzenterapparats in stetiger Bewegung gehalten wurde. Die Ab. `
lesung begannen wir nur, als die Temperaturunterschiede zwischen den
zwei Gefäßen ausgeglichen waren. Selbstverständlich haben wir im Laufe
der Versuche unter den Kautelen der strengsten Sterilität gearbeitet.
Um unsere Versuchstiere eine längere Zeit hindurch unter vermindertem
Luftdruck zu halten, ohne sie aus ihren gewohnten Lebensverhältnissen
zu reißen, mußten wir einen solchen Apparat konstruieren, der dem Tiere
tunlichst Bewegung erlaubt. Darum haben wir den in Abb. 1 sichtbaren
Apparat zusammengestellt. Das Versuchstier wurde in einer Glasglocke
von etwa 60cm Höhe und 30 cm Durchmesser untergebracht (A), die
oben eine Öffnung für einen doppelt durchbohrten Gummistopfen besitzt.
Abb. 1.
Aus der Glasglocke saugten wir die Luft mit einer Wasserstrahlpumpe
aus (G) und besorgten die Ventilation und Druckregulierung mittels des
mit Quecksilber gefüllten Gefäßes B. Das Gefäß ist etwa 50 cm hoch
und wird oben durch einen dreifach durchbohrten Gummistopfen zu-
gemacht; durch die eine Bohrung regulierten wir den Luftdruck mit einem
langen Glasrohr E, je tiefer wir das Glasrohr in das Quecksilber einsenkten,
eine um so höhere Quecksilbersäule mußte durch die Luftpumpe über-
wunden werden, damit die Außenluft durch die Leitung C in den Zylinder
gelangte. Den im ganzen System bestehenden Druck maßen wir an einem
Quecksilbermanometer D, das durch die zweite Bohrung des Gummi-
stopfens auf B mittels der Leitung d verbunden war. Das Manometer
besteht aus einem U-förmigen, mit Quecksilber gefüllten Glasrohr, zwischen
seinen Schenkeln ist eine Zentimeterskala angebracht, eventuell können
wir aus der Differenz zwischen den Quecksilberniveaus in den beiden
Schenkeln gleich den im System herrschenden Druck notieren. Damit
die Quecksilbertröpfchen aus den bei dem Saugen entstehenden Blasen nicht in
die Glocke A gelangen, haben wir zwischen die Glocke A und den Zylinder B
das Gefäß C geschaltet. Bei der zur Unterbringung des Tieres dienenden
Glocke A war die Abdichtung der unteren Öffnung notwendig. Zu diesem
Zwecke diente uns anfangs eine geschliffene Glasplatte, die wir mit Hahnfett
an die Glocke fügten und auf diese Weise luftdicht schließen wollten.
Dies gelingt aber bei einem so großen Zylinder nur mit Mühe und Not,
96 J. Förster:
deshalb gingen wir bald zur folgenden Methode über: 10g Zinkoxyd und
je 30 g Glycerin, Gelatine und destilliertes Wasser wurden auf dem Wasser-
' bad so lange erwärmt, bis eine flüssige Masse entstand. Mit dieser Masse,
die beim Erkalten fest wird, haben wir den Rand der Glasglocke umgossen.
Die Masse schließt ausgezeichnet, man mußte nur Sorge tragen, daß der
in der Glasglocke kondensierende Wasserdampf und der Harn des Versuchs-
tieres nicht zur Masse gelangt und dieselbe aufweicht, weil dann das luft-
dichte Schließen aufhört. Nach Beendigung des Versuchs kann die Masse
an einer Stelle aufgeschnitten und in einem Stücke abgezogen werden.
Wir setzten unsere Versuchstiere für 15 bis 66 Stunden unter die
Glocke und gaben Karotten als Nahrung, wodurch auch das Wasser-
bedürfnis der Tiere befriedigt war. Den Luftdruck verminderten wir
in jedem Falle stufenweise im Laufe von 8 bis 10 Minuten auf die be-
absichtigten 410 bis 460 mm Hg, und von dem verminderten Luftdruck
kehrten wir nach Beendigung des Versuchs wieder allmählich (4 bis
8 Minuten) zum normalen atmosphärischen Drucke zurück. Die Tiere
befanden sich während der ganzen Versuchsdauer gut, und es war an
ihnen nur eine mehr- oder mindergradige Dyspnoe zu beachten.
Von unseren Versuchskaninchen entnahmen wir das Blut aus dem
Ohre und defibrinierten es durch Schütteln mit Glasperlen. Beim
Defibrinieren wird das Blut ärmer an weißen Blutkörperchen, weil
ein Teil derselben in die ausfallenden Fibrinfäden gelangt. Das
defibrinierte Blut filtrierten wir auf einem Asbestfilter, wobei es wieder
ärmer an Leucocyten wird. Darauf haben auch Denecke und Roessingh?)
hingewiesen. In zwei Fällen haben wir im Kapillarblut, im defibrinierten
Blut und im filtrierten Blut die Leucocytenzahl bestimmt.
Im Kapillarblut . ... 2.2: 222200. 7400 4400
Nach dem Defibrinieren durch Schütteln . ` 4200 2600
Nach dem Filtrieren auf Asbest .. ... 2900 | 1900
Die Verminderung der Leucocytenzahl ist aber nur vorteilhaft für
unsere Untersuchungen, weil ja der größte Teil des durch die Leuco-
cyten verbrauchten Sauerstoffs bei der Bestimmung wegfällt. Wir
bestimmten den O,-Verbrauch von 1 ccm des auf diese Art steril ent-
nommenen und vorbereiteten Blutes an den bei 750 bis 760 mm Hg
lebenden Kaninchen. Die Tiere setzten wir dann für 15 bis 66 Stunden
einem auf 430 bis 450 mm Hg verminderten Luftdruck aus, und un-
mittelbar nachdem wir sie aus dem Apparat herausgenommen haben,
bestimmten wir den O,-Verbrauch des Blutes. Alle Versuche führten
wir bei 38°C aus. Unsere Ergebnisse fassen wir in folgender Tabelle
zusammen:
1) Roessingh, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 188, 367.
Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten Blutkörperchen. 97
0,-Verbrauch von 1l cem Blut während 10 Minuten bei unter 755 mm Hg
lebenden Tieren.
cmm Sauerstoff
10 |! 40 5,0 4,0 2,0 5,0 3,0 6,0
90 3,0 7,0 3,0 3,0 4,0 3,0 5,0
3,0 1,0 40 5,0 5,0 6,0 5,0 4,0
4,0 5.0 4,0 3,0 3,0 5,0 6,0 3,0
2,0 5,0 3,0 6,0 3,0 4,0
4,0 3,0 3,0 5,0 3,0
4,0 4,0
4,0
3,0
Mittelwerte
425 | 316 | 457 | 333 | 400 | 433 | 425 | 444
Im Durchschnittswert ausgedrückt, verbraucht das Blut von
unter 750 bis 760 mm Hg lebenden Kaninchen bei 38°C pro Kubik-
Zentimeter alle 10 Minuten 4,04cmm O, auf 0°C und 760mm Hg
umgerechnet 3,52 cmm, 100 ccm Blut verbrauchen also 2,11 ccm stündlich.
0,-Verbrauch von Leem Blut während 10 Minuten bei unter 460 mm Hg
lebenden Tieren.
1. | 2. | 3. | 4. | 5, 6. | 7.
Stunden unter 460 mm Hg
cmm Sauerstoffverbrauch
11,0 10,0 70 | 110 10,0 13,0 11,0
9,0 10,0 | 10,0 7,0 7,0 8,0 12,0
10,0 7,0 11,0 | 8,0 9,0 15,0 13,0
12,0 11,0 90: 70 8,0 90 11,0
9,0 120 | 90 10,0 11,0 ' 90
10,0 | 100 On ` 180
Mittelwerte
05 | 94 I 983 | 86 | 884 12 | 118
Im Durchschnittswert ausgedrückt, verbraucht das Blut eines
Kaninchens, das 15 bis 66 Stunden lang unter einem Luftdruck von
460 mm Hg gelebt hat, pro Kubikzentimeter und 10 Minuten bei 38° C
10,03 cmm O,, auf 0°C und 760 mm Hg umgerechnet 8,83 cmm, 100 cem
Blut verbrauchten also 5,29 ccm pro Stunde.
Zwischen dem O,-Verbrauch der beiden Tiere besteht also eine
Differenz von etwa 150 Proz.
Es ist mit Bestimmtheit zu konstatieren, daß der Sauerstoff-
verbrauch der roten Blutkörperchen der Versuchstiere größer ist,
wenn wir die Tiere unter vermindertem Luftdruck halten, weil dann
Biochemische Zeitschrift Band 169, 7
98 J. Förster:
junge rote Blutkörperchen im Blute erscheinen, die in erhöhtem Maße
Sauerstoff verbrauchen. Der erhöhte O,-Verbrauch kann nicht den
Leucocyten zugeschrieben werden, weil ja dieselben, wie wir uns in
unseren Versuchen überzeugt haben, sich nicht vermehren. Im Blute
müssen dabei keine kernhaltigen roten Blutkörperchen vorhanden sein.
Die kernlosen Blutkörperchen verbrauchen, wie wir. erwähnt haben,
auch nach den Untersuchungen von Masing und Morawitz!), in erhöhten
Maße Sauerstoff; so ist der Sauerstoffverbrauch des Blutes ganz junger
Tiere und noch mehr bei anämischen Tieren im Regenerationszustand
erhöht. Im gefärbten Präparat sehen wir Polychromasie und bei sehr
schwerer Anämie ist auch der Durchmesser der Blutkörperchen größer.
Den vergrößerten Durchmesser der roten Blutkörperchen finden
wir auch bei unter vermindertem Luftdruck lebenden Tieren.
Durchmesser der roten Blutkörperchen.
| Normal
| bei 755 mm Hg bei 630 mm Hg |bei 440 mm Hg, lebendes Tier
| Proz. Proz. Proz.
5,2 bis 6,0 u 3 | 4
6,0 bis 6,9 u 36 34 34
6,9 bis 7,8 u 60 5l 26
78 bis 8,1 ø 1 11 29
7,8 bis 8,7 u )
8,7 bis 9,0 u 5
Durchschnittlich . | 6,1 u | 6,5 u | 6,9 u
Während der durchschnittliche Durchmesser der roten Blut-
körperchen von bei 750 bis 760 mm Hg lebenden Tieren 6,1 u ist, beträgt
er bei den unter 630 mm Hg lebenden 6,5 u, und bei dem Kaninchen,
das 49 Stunden bei 440 mm Hg gelebt hat, 6,9 u, also um 0,8 u mehr.
Bei den letzteren zwei Tieren sind außerdem Blutkörperchen von
solchen Durchmessern zu finden (8,1 bis 9,0 u), wie sie bei den bei
760 mm Hg Luftdruck lebenden Tieren überhaupt nicht zu beob-
achten sind.
Zuntz, Loewy, Müller und Caspari?) haben an mikroskopischen
Schnitten bewiesen, daß bei solchen Tieren, die eine längere Zeit dem
Höhenklima ausgesetzt waren, die äußere Schicht des roten Knochen-
marks dicker ist und mehr rote Blutkörperchen enthält wie dasjenige
von Tieren, die auf der Ebene leben. Aus dieser Tatsache müssen
1) Masing und Morawitz, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 98, 301.
2) Zuntz, Loewy, Müller und Caspari, Höhenklima und Bergwanderungen,
Berlin 1906, 198ff. — Loewy und Müller, Deutsch. med. Wochenschr.
1904, 121.
Wirkung des Luftdrucks auf den Gaswechsel der roten Blutkörperchen. 99
wir auf eine erhöhte Blutkörperchenbildung schließen. Trotzdem hat
bei solchen Tieren außer Schaumann und Rosenquist!) kein Autor kern -
haltige rote Blutkörperchen gefunden. Auch wir fanden in unseren,
aus den Versuchstieren verfertigten Präparaten keine kernhaltigen
roten Blutkörperchen, nur Anisocytose, Polychromasie und, wıe erwähnt,
abnorm große Blutkörperchen. Diese Untersuchungen sprechen also
auch dafür, daß der erhöhte Sauerstoffverbrauch des Blutes von bei
vermindertem Luftdruck lebenden Tieren durch die erhöhte Sauerstoff-
zehrung der kernlosen jungen roten Blutkörperchen zustande kommt.
In diesen roten Blutkörperchen können die Nucleinsäuren, also Kern-
reste, eine Rolle bei dem erhöhten Sauerstoffverbrauch spielen.
1) Schaumann und Rosenquist, Zeitschr. f. klin. Med. 85, 1898.
Eine neue Methode zur Bestimmung der Serumtryptasen.
Von
L. und Xenia Utkin-Ljubowzow.
(Aus der Abteilung für experimentelle Pathologie und Pharmakologie des
Staatlichen Chemo - Pharmazeutischen Forschungsinstituts zu Moskau.)
(Eingegangen am 11. Dezember 1925.)
Wenn wir an dieser Stelle von Serumproteasen sprechen, so meinen
wir damit diejenigen proteolytischen Fermente, die so oder anders im
Serum anzutreffen sind. Wir halten es für einen entschiedenen Mißgriff,
die Serumproteasen immer als sekundär, durch Zerfall von Zell-
elementen erst bei der Gewinnung des Serums auftretende Fermente
zu betrachten und stimmen der Anschauung Oppenheimers!) bei, daß
in vivo Proteasen im strömenden Blute vorhanden sein müssen. Ohne
die entsprechende Diskussion aufzunehmen, ist die von uns hier vor-
geschlagene Methode auf diejenigen Proteasen im Serum zugespitzt,
die man tatsächlich vorfindet, und da ist eine ‚neue Methode“ ent-
schieden gerechtfertigt. Denn trotz einer großen Zahl von Arbeiten,
die den Serumproteasen und speziell auch den Bestimmungsmethoden
gewidmet sind, ist keiner der Vorschläge als vorwurfsfrei zu betrachten.
Die Serumautolyse führt nicht zum Ziele; die proteolytische Wirkung
ist durch das sogenannte Antitrypsin gedeckt, und in Wasser neutraler
oder schwach alkalischer Pufferung bekommt man meist keine oder
manchmal ganz geringe Werte, wie wir das auch öfters zu beobachten
Gelegenheit haben. Auf der ‚„Beseitigung‘“ des Antitrypsins in Ver-
bindung mit Autolyse beruhen als Beispiel die Methoden von
Jobling?); es liegt jedoch in diesen und anderen Fällen absolut keine
Sicherheit vor, daß das Antitrypsin tatsächlich komplett beseitigt und
daß das Ferment nicht geschädigt wird. Dieses betrifft besonders
die Methoden der Beseitigung des Antitrypsins durch Kaolin, Ton-
erde usw., da nach den Untersuchungen von Jamakawa?) anorganische
1) Die Fermente und ihre Wirkungen, 1925, XIV. Hauptteil, Kap. 4.
2) Jobling, Petersen und Eggstein, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 24,
460, 1916.
3) Journ. of exper. Med. 27, 1918.
L. u. X. Utkin-Ljubowzow: Neue Methode zur Bestimmung usw. 101
Adsorbentien gerade das Ferment adsorbieren und das Antiferment
intakt lassen. Unsere Versuche, durch Kaolin eine meßbare Serum-
autolyse hervorzubringen, verliefen auch resultatlos. Die Dehydrations-
methode von Schierge!) führt, abgesehen von ihrer Kompliziertheit,
entschieden zu einer partiellen Inaktivierung der Proteasen durch
Bearbeitung mit Alkohol.
Einen Vorzug der Methode bedeutet die Anwendung statt der
Eigenproteine des Serums eines wohlcharakterisierten Substrats,
des Caseins, denn die Eigenproteine können von Fall zu Fall quantitativ
und qualitativ wechseln und das besonders bei pathologischen Zuständen,
so daß in einen jeden solchen Autolyseversuch neue unbekannte Faktoren
eingeführt werden. Wo das Studium der Autolyse nicht Selbstzweck
ist, ist sie zur Proteasebestimmung entschieden zu verwerfen.
Wie sich eine Methode auch gestalten mag, bietet die Arbeit
in gepufferten Medien ganz allgemeine und wohlbekannte Vorzüge, und
da muß man sich für diese oder jene Pufferung entscheiden. Wenn
wir mit Oppenheimer (l.c.) der Meinung Ausdruck geben, daß native
Proteasen im Plasma vorhanden sein müssen, so denken wir vor allen
Dingen an dreierlei Quellen: ausgeschwemmte Organproteasen, leuco-
cytäre Protease und vielleicht aus dem Darmtraktus rückresorbierte
Tryptasen. In allen drei Fällen haben wir es auch mit Fermenten zu
tun, die nahe dem neutralen Punkt ihr Optimum besitzen, wenngleich
nebenher auch Pepsinasen (eventuell auch Peptasen) vorliegen können
und unter den Zellfermenten auch tatsächlich vorliegen. Okubo?) findet
den optimalen pe - Wert für Serum mit 7. Alles dieses veranlaßte uns,
sich vor allen Dingen für die Pufferung pg = etwa 7 zu entscheiden.
Wir sind eben dabei, die Serumproteasen in bezug auf ihre Wirkungs-
optima zu charakterisieren. Die Ergebnisse werden uns über die genaue
Pufferung näher belehren, unsere Methode selbst wird dadurch nicht
berührt und gestattet uns, die Messung bei beliebiger H*-Konzentration
durchzuführen.
Unsere Methode gründet sich auf der Beobachtung des einen von
uns®), daß eine Leberaufschwemmung bei pe = 4,5 bis 5,0 einen Teil
ihrer Proteine ausflockt; dabei verteilen sich die Pepsinasen zwischen
Niederschlag und Filtrat. Was die alkalischen Tryptasen betrifft, so
werden sie vom Niederschlag komplett adsorbiert, das Filtrat zeigt in
diesem Falle überhaupt keine Caseinverdauung. Nach Denaturierung
des Niederschlags mittels Acetons kann die Tätigkeit der niedergerissenen
Tryptasen zum Vorschein gebracht werden.
1) Zeitschr. f. exper. Med. 82, 1923; 84, 1923.
2) Ber. Phys. 27, 195; 28, 467.
3) L. Utkin-Ljubouzow, diese Zeitschr. 158, 50, 1925.
102 L. u. X. Utkin-Ljubowzow:
In Analogie dazu versuchten wir, die Adsorption der Serum-
tryptasen durch ein in der isoelektrischen Zone ausflockendes fremdes
Protein durchzuführen und die tryptische Verdauung am Adsorptions-
komplex zu studieren, dabei hofften wir, uns von dem ‚Antitrypsin“
zu befreien und somit den ganzen Versuch einfach und übersichtlich
zu gestalten. Als Substrat wählten wir wiederum das Casein mit dem
JP bei pg = 4,6; wie bekannt, zeigen bei dieser Säuerung die hydro-
philen Serumproteine keine Koagulationserscheinungen, das Casein
dagegen flockt komplett aus. Außerdem besitzt es die wertvolle Eigen-
schaft, verhältnismäßig leicht durch proteolytische Fermente gespalten
zu werden; die Einheitlichkeit des Substrats ist durch ein ganz be-
stimmtes Handelspräparat garantiert. Da wir an die klinische Ein-
führung dachten, so bemühten wir uns, die Serummenge auf das
minimalste zu verringern.
Im einzelnen gestaltet sich das Verfahren folgendermaßen: 1 ccm
Serum wird im Zentrifugierröhrchen mit 3 ccm 1proz. neutraler Casein-
lösung!) gemischt; nun werden unter Umrühren 0,5 ccm Acetatgemisch,
hergestellt durch Mischen gleicher Volumina n/l Essigsäure und
Natriumacetat, hinzugegeben. Das Casein flockt momentan aus. Das
Röhrchen wird 3 bis 5 Minuten scharf zentrifugiert. Der Niederschlag
bleibt so fest am Boden des Röhrchens haften, daß die Flüssigkeit
ruhig abgegossen werden kann. Der Niederschlag wird sodann zweimal
mit dem erwähnten, hundertfach verdünnten Acetatgemisch mittels
eines Glasfadens durchgewirbelt und auf der Zentrifuge gewaschen,
was zur Entfernung der Serumreste, also auch des Antitrypsins, führt.
Nun wird der Niederschlag in 5ccm 0,2proz. Soda gelöst, weitere
6,5ccm Wasser werden hinzugefügt, 1 ccm dieser Flüssigkeit dient zur
gesamten N-Bestimmung (Mikro-Kjeldahl). In zwei trockene kleine
Erlenmeyerkölbchen werden zu Beem der Flüssigkeit und 5 ccm eines
Phosphatpuffers pe = 7,1?) (m/3) eingetragen.
Dem Inhalt des einen Kölbchens werden einige Tropfen Toluol zu-
gegeben, wonach es gut verkorkt für 24 Stunden in den Thermostaten
bei 370 gestellt wird. Das andere Kölbchen wird auf Neutralrot
neutralisiert, auf dem kochenden Wasserbade erwärmt und mit Hilfe
von 5 ccm l proz. kolloidalen Eisenhydroxyds unter Zusatz einiger
Tropfen gesättigter K,SO, enteiweißt. Ebenso verfährt man nach
24 Stunden mit dem anderen Kölbchen. Nach Erkalten wird der
Inhalt der Kölbehen auf 50 ccm aufgefüllt und durch ein trockenes
Filterchen filtriert; im beliebigen Teile des Filtrats wird der
Rest-N bestimmt.
1) Die Bereitung siehe bei L. Utkin-Ljubowzow, 1. c.
2) Die für Serumprotease optimale Reaktion (nach Okubo, l. ce. S.]),
Neue Methode zur Bestimmung der Serumtryptasen. 103
Der Gesamt-N-Wert mit den beiden Rest-N-Werten gibt die
Möglichkeit, den Grad der Caseinspaltung in Prozenten vom Gesamt-
protein auszudrücken. Die angeführte Tabelle I demopstriert die
Resultate einer Anzahl von Versuchen, die in Doppelbestimmungen
ausgeführt sind. Wir arbeiteten mit Seren von Kaninchen, Meer-
schweinchen und Hund.
Tabelle I.
| Ant Rest:N Casein»
Nr. Tier Gesamt-N Rest: N Rest,N Zuwäche zerfall Differenz
u 1 i i mg | mg | mg mgo Proz. Proz.
I ,- 1. Kaninchen 2,18 0,11 0,71 0,60 29,0 01
| ; 2,18 0,12 0,72 0,60 29,1 ?
2 | 2. Kaninchen 2,10 0,13 0,62 0,49 249
3 ' 1.Meerschweinchen | 2,42 0,18 1,45 1,27 66,7
l
4 ' 2. Meerschweinchen 2,78 0,12 1,95 1,83 68,8
5, 1. Hund 1,82 | 0,10 | 051 | 041 | 238 | o7
| 199 | 0,09 | 053 | 04 | 23,1
6 2. Hund 2,12 | 0,10 | 050 | 040 | 198 | o7
| 2,05 | 0,10 | 0,50 | 040 | 20,5
7, Mensch 217 | 014 | 0,80 | 0,86 | 325
217 | 015 | 082 | 067 | 331 | 96
Wie ersichtlich, hatten wir in Parallelversuchen gute Überein-
stimmungen. Die Maximaldifferenz übersteigt nicht 2,6 Proz.
Dieses weist darauf hin, daß unter gleichen Bedingungen das
Casein gleiche Proteasemengen aus dem Serum niederreißt. Allerdings
belehrte uns ein spezieller Versuch, daß nicht die ganze Tryptase
quantitativ an das Casein geht, ein geringer Teil bleibt in Lösung. Wie
es scheint, kann die Methode dadurch nicht beanstandet werden, da
die Fermentschwankungen durch sie vollkommen wiedergegeben
werden.
Der entsprechende Versuch zur Klärung des Adsorptionsgrades
der Tryptase durch Casein entsprechend unserer Anordnung verlief
wie folgt: Die vom Caseinniederschlag im Zentrifugierröhrchen ab-
gegossene Flüssigkeit gelangte in ein zweites Röhrchen, es wurden
zu ihr nochmals 3 cem lproz. Casein zugefügt. Der sich von neuem
bildende Niederschlag wurde genau wie bei der Grundbestimmung
behandelt. Die Ergebnisse ersieht man aus Tabelle II.
Wir versuchten, auch durch Erhöhung der Caseinmenge eine reich-
lichere Adsorption zu erreichen, wir überzeugten uns, daß dieses nicht
möglich ist. Wir führen hier immer solchen Versuch an, in welchem die
Abhängigkeit der Proteaseadsorption von der Caseinmenge durch
104 L. u. X. Utkin-Ljubowzow : Neue Methode zur Bestimmung usw.
Tabelle II.
N Erste Fällung | Zweite Fallung
Untersuchung der in der Flüssigkeit hinterbleibenden freien Protease
studiert wurde.
In vier Röhrchen gelangten zu l ccm Serum verschiedene Casein-
mengen, die Volumen wurden mit Wasser ausgeglichen und in allen
Röhrchen wurde das Casein mittels des Acetatpuffers ausgeflockt.
Nach Zentrifugieren kamen die einzelnen Lösungen in vier weitere
Röhrchen, wo nunmehr gleiche Mengen Casein hinzugegeben wurden
(3ccm). Nach zweiter Ausflockung wurde der Versuch in gewöhnlicher
Art beendet.
Tabelle III.
N | Caseinlösung | Caseinzerfall
r.
EE u
1 l 36,4
2 2 18,1
3 3 11,5
4 4 9,8
Wenn wir diese Resultate graphisch ausdrücken, so erhalten wir
einen typischen Adsorptionsverlauf; die Anreicherung des Adsorbenten
führt nicht zu einer Adsorptionsvergrößerung. Diese vorgeschlagene
Methode hat vor den anderen den Vorzug, daß die Verdauung in einem
bestimmten gepufferten Milieu verläuft, welches frei von Antitrypsin
ist und frei von anderen Begleitstoffen des Serums. Die zur Bestimmung
gelangenden Rest-N-Werte sind bedeutend höher als in anderen
Methoden, was durch Verkleinerung des Versuchsfehlers auch einen
entschiedenen Vorteil bietet.
Sind sauerstoffübertragende Enzyme mit wasserstoff-
übertragenden identisch ?
Von
A.Bach und K. Nikolajew.
(Aus dem biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit
in Moskau.)
(Eingegangen am 11. Dezember 1925.)
In dem Bestreben, seine Dehydrierungstheorie zu einer um-
fassenden Lehre von den vitalen Oxydationen auszubauen, gelangte
H. Wieland (1) zu der Ansicht, daß die vielfach erforschte Sauerstoff-
aktivierung bei diesen Prozessen keine Rolle spiele. Indem er (2) für
die Autoxydation ungesättigter Systeme, soweit sie bei Wasserausschluß
verläuft, sich der Enngler-Bachschen Peroxydtheorie anschließt, glaubt
er betonen zu können, daß in wässerigen Lösungen, also auch in der
lebenden Zelle, die Oxydationen ihren Weg nicht über die Aktivierung
des molekularen Sauerstoffs durch primäre Peroxydbildung, sondern
ausschließlich über die Aktivierung des Wasserstoffs der Substrate
nehmen. Erst beim Zusammentreffen des aktivierten Wasserstoffs
mit inertem Sauerstoff entstehe sekundär Hydroperoxyd, eine Reaktion,
die Wieland als indirekte Autoxydation bezeichnet.
Bekanntlich ist zwischen den Erscheinungen der direkten Autoxy-
dation, das ist, der Sauerstoffaktivierung durch primäre Anlagerung
von ganzen Sauerstoffmolekülen unter Peroxydbildung, und der
Wirkung der Oxydasen ein weitgehender Parallelismus festgestellt
worden. Ein chemischer Körper, der an und für sich durch den mole-
kularen Sauerstoff nicht mit meßbarer Geschwindigkeit angegriffen
wird, läßt sich durch denselben in Anwesenheit eines leicht oxydablen
Körpers rasch oxydieren. Beispiel: Indigolösung und Terpentinöl.
Da Terpene nachgewiesenermaßen der direkten Autoxydation unter
Peroxydbildung anheimfallen, so wird angenommen, daß der gegenüber
dem molekularen Sauerstoff beständige Farbstoff hier durch den
aktiven Sauerstoff des Peroxyds oxydiert wird. Die oxydierende
Wirkung des Systems autoxydabler Körper + Sauerstoff — Peroxyd
kann weiter durch Schwermetallsalze, in ähnlicher Weise wie die des
106 A. Bach u. K. Nikolajew:
Hydroperoxyds durch Eisen-II-Sulfat, beträchtlich beschleunigt werden.
Schwermetallsalze bewirken hier eine Beschleunigung der Reaktion,
indem sie mit den entsprechenden Peroxyden Additionsprodukte von
höherem Oxydationspotential bilden. Nun hat sich die gewöhnliche
Oxydase (Phenoloxydase) als ein Gemisch von zwei voneinander
trennbaren Agenzien erwiesen. Für sich allein übt das eine in An-
wesenheit von molekularem Sauerstoff gar keine, das andere nur eine
schwache oxydierende Wirkung aus. Ersteres, als Peroxydase be-
zeichnetes, beschleunigt die oxydierende Wirkung des Hydroperoxyds
und anderer, bei der Autoxydation von ungesättigten Verbindungen
entstehender Peroxyde, in ähnlicher Weise wie es Schwermetallsalze
tun; letzteres, als Oxygenase bezeichnetes, nimmt in ähnlicher Weise
wie das Terpentinöl molekularen Sauerstoff unter Peroxydbildung
auf. Die Richtigkeit dieser Auffassung scheint darin ihre Bestätigung
zu finden, daß man aus den oxydierenden Systemen:
Peroxydase + Oxygenase + O,
und
Schwermetallsalz + autoxydabler Körper + O,
die gemischten Systeme:
Schwermetallsalz + Oxygenase + O,
und
Peroxydase + autoxydabler Körper + O,
darstellen kann.
Die Annahme, daß die Sauerstoffaktivierung bei den vitalen
Oxydationsprozessen keine Rolle spiele, zwingt zu der Schlußfolgerung,
daß die Wirkung der Oxygenase und der Peroxydase in keinem Zu-
sammenhange mit den Erscheinungen der Autoxydation und deren
katalytischen Beeinflussung stehe. Wieland geht diesen weiteren Schritt
und faßt die Oxygenase und die Peroxydase als wasserstoffaktivierende
Agenzien auf. Die Oxygenase soll nicht dem molekularen Sauerstoff
unter Peroxydbildung, sondern den Wasserstoff der Substrate aktivieren
und ihn zur direkten Vereinigung mit dem molekularen Sauerstoff
als Wasserstoffakzeptor befähigen. Die gleiche Wasserstoffaktivierung
soll auch durch die Peroxydase, die auf den Wasserstoffakzeptor H,O,
eingestellt sei, bewirkt werden. Durch diese Annahme wird die Funktion
dieser bisher als Oxydationsenzyme angesehenen Agenzien in die
Dehydrierungstheorie hineingefügt.
Seine Auffassung stützt Wieland auf an und für sich sehr
interessante und bedeutungsvolle Versuche. Es ist ihm nämlich ge-
lungen, die Oxydation des Äthylalkohols zu Essigsäure durch lebende
Sind O,-übertragende Enzyme mit H,-übertragenden identisch? 107
Essigbakterien sowie durch daraus dargestellte Dauerpräparate,
unter Ersatz des Sauerstoffs durch Methylenblau als Wasserstoffakzeptor
zu bewirken. Da hierbei der Farbstoff zur Leucobase reduziert wird,
so glaubt Wieland, die Alkoholoxydase zum Fungieren als Redukase
gezwungen zu haben (3). Andererseits stellte er fest, daß das Schar-
dinger--Enzym der Milch, welches die Reduktion des Methylenblaus
durch Aldehyde beschleunigt, wobei letztere zu den entsprechenden
Säuren oxydiert werden, die gleiche Oxydationsreaktion auch durch den
molekularen Sauerstoff vermittelt. Es hat hier den Anschein, als ob
eine Rodukase unter geeigneten Bedingungen auch als ‚„Aeroxydase“
fungieren könne.
Gegen diese Auffassung ist von Bach (4) der Einwand erhoben
worden, daß die Versuche nicht mit isolierten Enzymen, sondern mit
der ganzen Körpersubstanz der Essigbakterien oder mit der Milch aus-
geführt worden sind. Mit derartigen Materialien, welche Gemische von
verschiedenen Enzymen und anderweitigen Substanzen darstellen,
lassen sich nicht eindeutige Resultate erzielen. Beweisend werden
diese Versuche erst dann sein, wenn es gelingen wird, mit der tsolierten
Alkoholoxydase Alkohol zu Essigsäure, mit dem stsolierten Schardinger-
Enzym Aldehyde zu den entsprechenden Säuren sowohl durch die
Vermittlung des Mehylenblaus wie durch die Vermittlung des molekularen
Sauerstoffs zu oxydieren. Leider schlugen bisher alle Versuche, die
Alkoholoxydase aus den Essigbakterien in aktivem Zustande zu isolieren,
fehl. Dagegen konnten Sbarsky und Michlin (5) in hiesigem Institut
das Schardinger-Enzym (Perhydridase) der Milch durch Konzentrieren
im Rahm, Entbuttern und Fällen der Buttermilch mit Aceton weit-
gehend reinigen. Hier lag also die Möglichkeit vor, nachzuprüfen, ob
tatsächlich das isolierte Enzym imstande ist, molekularen Sauerstoff
für Oxydationszwecke zu verwerten, wie es die Phenoloxydase tut.
Wir wiederholten daher die Wielandschen Versuche mit Salicylaldehyd
unter Anwendung des nach Sbarsky und Michlin isolierten Enzyms
der Milch.
l Liter frischer Buttermilch wurde mit 3 Liter frisch über-
destilliertem Aceton gefällt, der entstandene Niederschlag wurde unter
vermindertem Druck abfiltriert, nochmals mit Aceton verrieben und
das erhaltene Pulver zum Verdunsten des Fällungsmittels auf ein
Papier ausgebreitet und dann durch Ausziehen mit Petroläther ent-
fettet. Die Ausbeute betrug 42g. Das Präparat war wenig löslich in
Wasser.
Zunächst wurden Versuche mit einer wässerigen Emulsion des
Enzympräparates angestellt, 12g des Trockenpulvers wurden mit
50 ccm Wasser zu einer feinen und haltbaren Emulsion verrieben. Die
108 A.Bach u. K. Nikolajew:
Wirksamkeit letzterer wurde in der Weise bestimmt, daß 1 ccm davon
mit 2 cem Wasser, 1 ccm lproz. Acetaldehydlösung und 1 cem 1 proz.
Natriumnitratlösung vermischt und bei 65° während einer halben Stunde
im Thermostaten stehengelassen wurde. Dann wurde das Reaktions-
gemisch mit 1 ccm gesättigter Lösung von basischem Bleiacetat versetzt,
filtriert, und von dem klaren Filtrat wurden 3ccm zur Bestimmung
des gebildeten Nitrits nach Jlosvay-Lunge angewandt. Leem Enzym-
emulsion lieferte 0,0567 mg N,O,; etwa 27 mal soviel wie die frische Milch.
Zur Ausführung der Versuche dienten zylindrische Gefäße von 200 ccm
Inhalt mit angeschmolzenen Zu- und Ableitungsröhren, welche mit Glas-
hähnen versehen waren. Die angewandte Methodik war folgende:
Zwei Gefäße wurden mit reinem, ausgekochtem Wasser gefüllt, und
aus dem einen wurde das Wasser mit reinem Wasserstoff, aus dem anderen
mit reiner Luft verdrängt. Beide Gefäße wurden mit je 0,35g Salicyl-
aldehyd, 3,3 ccm Phosphatpuffer (pe = 7,6), 10 ccm Enzymemulsion und
Wasser bis auf 20 ccm beschickt und im Thermostaten während 6 bis 8 Stun-
den bei 60° unter Hindurchleitung von Wasserstoff bzw. Luft gehalten.
Zur Isolierung der gebildeten Salicylsäure wurden die Reaktionsgemische
mit Wasser auf das Doppelte verdünnt, mit je 1 cem n H, SO, zur Fällung
der Eiweißstoffe angesäuert, filtriert und das Filtrat viermal mit Äther
extrahiert. Die vereinigten Extrakte, welche neben unverändertem Salicyl-
aldehyd Saligenin und Salicylsäure enthielten, wurden mit Natriumsulfat
entwässert und wiederholt mit Natriumcarbonat und wenig Wasser aus-
geschüttelt. Die vereinigten wässerigen Auszüge, welche die Salicylsäure
als Natriumsalicylat enthielten, wurden zur Entfernung des Salicylaldehyds
und des Saligenins wiederholt mit Äther ausgeschüttelt, bis die ätherischen
Auszüge keine Violettfärbung mit Eisenalaun gaben. In der restierenden
Natriumsalicylatlösung wurde die Salicylsäure kolorimetrisch bestimmt.
Wieland isolierte aus der Natriumsalicylatlösung die freie Säure in Substanz
und bestimmte sie entweder durch Wägen oder durch Titration. Wir
fanden aber, daß das einfachere direkte Kolorimetrieren gut überein-
stimmende Resultate liefert.
In der angegebenen Weise wurden auch Kontrollversuche mit durch
Hitze inaktivierter Enzymemulsion im Wasserstoff- und Luftstrom aus-
geführt.
Dabei wurden folgende Resultate erhalten:
Gebildete Salicylsäure in Grammen
Wasserstoff Luft
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym Inaktives Enzym
0,01018 0 0,01845 0
Wie aus diesen Zahlen zu ersehen ist, ergab die aus dem gefällten
Enzym "dargestellte Emulsion, in Übereinstimmung mit den Wieland-
schen Befunden, beträchtlich mehr Salicylsäure im Luftstrom als im
Wasserstoffstrom. Zu ganz anderen Resultaten gelangten wir aber,
als wir anstatt der ersten Fällung, welche noch die Mehrzahl der Bestand-
teile der Buttermilch enthielt, Extrakte aus derselben verwandten.
Sbarsky und Michlin teilen mit, daß ihr durch Fällen der Buttermilch
Sind O,-übertragende Enzyme mit H,-übertragenden identisch? 109
mit Aceton erhaltenes Präparat keine merkliche Enzymmengen an
reines Wasser abgibt. Dagegen ist es ihnen gelungen, durch Ausziehen
des Trockenpulvers mit n/200 Salzsäure und Neutralisieren mit Natrium-
carbonat sehr wirksame Enzymlösungen zu gewinnen. Mit verschiedenen
in dieser Weise dargestellten Enzymlösungen führten wir folgende
Versuche aus.
1. 10 cem Enzymlösung, deren Wirksamkeit der von 400 ccm Milch
entsprach, wurden mit 0,25 g Salicylaldehyd versetzt, mit 5 ccm Phosphat-
gemisch auf pe = 7,55 gepuffert und im Thermostaten bei 60° während
12 Stunden mit einem reinen Luftstrom behandelt. Gleichzeitig wurde ein
Versuch im Wasserstoff unter denselben Bedingungen und Kontrollversuche
mit inaktivierter Enzymlösung angestellt. Resultate:
Gebildete Salicylsäure in Grammen
Wasserstoff Luft ,
EE EES, JEEE 0 E EE E EE,
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym lInaktives Enzym
0,01832 0 0,00984 0
2. 13 cem Enzymlösung entsprechend 130 ccm Milch, 0,25g Salicyl-
aldehyd, 6 ccm Phosphatgemisch (pe = 6,8) wurden 8 Stunden bei 60°
mit Wasserstoff bzw. Luft behandelt. Erhalten:
Gebildete Salicylsäure in Grammen
Wasserstoff Luft
EN EE NT a N
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym Inaktives Enzym
0,00556 0 0,00884 0
3. 10 ccm Enzymlösung entsprechend 300 cem Milch, 0,25g Salicyl-
aldehyd, Beem Wasser und 5ccm Phosphatgemisch (pg = 6,8) wurden
9 Stunden wie oben behandelt
Gebildete Salicylsäure in Grammen
Wasserstoff Luft
Aktives Enzym Inaktives Enzym Aktives Enzym Inaktives Enzym
0,01664 0 0,007 26 0
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß das durch Fällen mit Aceton,
Entfetten und Ausziehen mit schwacher Säure von gewissen Begleit-
stoffen befreite Enzym weniger Salicylsäure in Sauerstoffatmosphäre
als in Wasserstoffatmosphäre liefert. Das gereinigte Enzym behält
daher wohl seine Fähigkeit, die gleichzeitige Oxydation und Reduktion
zweier Aldehydmoleküle auf Kosten des Wassers zu bewirken, nicht
aber die Fähigkeit, den molekularen Sauerstoff auf den Salicylaldehyd
zu übertragen. Mit anderen Worten, es kann wohl als reduzierendes bzw.
oxydoreduzierendes Enzym, nicht aber als Oxydase fungieren.
Wie erklärt sich nun dieser Unterschied zwischen der Wirkung des
gereinigten und des ungereinigten Enzyms ? Am nächsten lag die schon
von Bach geäußerte Vermutung, daß die in frischer Milch enthaltene
110 A. Bach u. K. Nikolajew:
Peroxydase bei der Oxydation des Salicylaldehyds durch den moleku-
laren Sauerstoff mit ins Spiel komme, indem sie die Übertragung des
aktiven Sauerstoffs des primär entstehenden Aldehydperoxyds be-
schleunige. Wir führten daher Versuche über das Verhalten des Salicyl-
aldehyds gegen Peroxydase in verschiedenen Richtungen aus.
Für die Versuche benutzten wir eine Lösung von gereinigter pflanz-
licher Peroxydase (aus Meerrettich), deren Wirksamkeit nach der
Guajakolmethode bestimmt wurde. 1 ccm Peroxydaselösung = 11,5 mg
oxydierten Guajakols. Die Versuche wurden unter denselben Be-
dingungen wie die oben beschriebenen ausgeführt. Da sämtliche Er-
gebnisse negativ ausfielen, wollen wir auf die Einzelheiten hier nicht
eingehen. Bemerkt sei nur, daß auch bei Anwendung von Hydro-
peroxyd anstatt Sauerstoff als Wasserstoffakzeptor keine Bildung `
von Salicylsäure nachgewiesen werden konnte. Die oben erwähnte
Vermutung Bachs trifft also nicht zu; die in der Milch vorhandene
Peroxydase ist nicht für die gesteigerte Oxydation des Salicylaldehyds
in Anwesenheit von Sauerstoff verantwortlich. Zugleich wird aber auch
dadurch die Annahme Wielands, die Peroxydase sei eine auf Hydro-
peroxyd als Wasserstoffakzeptor eingestellte Dehydrase, hinfällig gemacht.
Die Peroxydase ist ebensowenig imstande,’den Wasserstoff des Salicyl-
aldehyds zu aktivieren und ihn zur direkten Vereinigung mit dem
molekularen Sauerstoff bzw. mit dem Sauerstoff des Hydroperoxyds
zu befähigen, wie den aktiven Sauerstoff des Hydroperoxyds auf den
Salicylaldehyd zu übertragen.
Wir gelangen also zu der Überzeugung, daß an der von Wieland
festgestellten Zunahme der Oxydation des Salicylaldehyds in An-
wesenheit von Sauerstoff weder das Schardinger-Enzym (Perhydridase),
noch die Peroxydase der Milch beteiligt sind. Da andererseits zu der
Annahme, daß in der Milch eine noch unbekannte, molekularen Sauer-
stoff übertragende Oxydase vorkomme, keinerlei Veranlassung vorliegt,
so drängt sich der Schluß auf, daß die hier in Betracht kommende
Reaktion nicht enzymatischer Natur ist. Es scheint uns, daß die Sach-
lage sich an folgendem, recht eindeutigem Beispiel erläutern läßt.
Bringt man frische Milch mit wenig Methylenblau, Acetaldehyd
oder noch besser mit Hypoxanthin (6) im Vakuum zusammen und
erhitzt auf 60°, so beobachtet man, daß der Farbstoff sich rasch ent-
färbt; er wird zur Leucobase hydriert und büßt daher seine Fähigkeit,
als Wasserstoffakzeptor zu fungieren, ein, wodurch die Reaktion zum
Stillstand gebracht wird. Läßt man Sauerstoff zutreten, so färbt sich
das Reaktionsgemisch sehr rasch blau, um dann nach kurzer Zeit sich
wiederum zu entfärben. Mit überschüssigem Hypoxanthin unter
Toluolzusatz läßt sich diese Operation beliebig wiederholen. Die Rück-
Sind O,-übertragende Enzyme mit H,-übertragenden identisch? 111
kehr der Blaufärbung des Reaktionsgemisches bedeutet die Dehydrierung
der Leucobase durch den molekularen Sauerstoff, wodurch die Reaktion
wieder in Gang gesetzt wird. Da überall, wo die Leucobase mit moleku-
larem Sauerstoff zusammentrifft, die Dehydrierung mit fast unmeßbar
großer Geschwindigkeit erfolgt, so ist es einleuchtend, daß das Enzym
_ der Milch nichts mit der Rückkehr der Blaufärbung unter dem Einfluß
des Sauerstoffs zu tun hat. Der Sauerstoff fungiert hier nur als sekun-
därer Wasserstoffakzeptor und nur deshalb, weil der primäre Wasserstoff-
akzeptor, das Methylenblau, nach dem Hydrieren sehr leicht oxydierbar
ist. Wegen des sichtbaren Farbenumschlags läßt sich hier die Reaktion
leicht verfolgen. Mit einem ungefärbten primären Wasserstoffakzeptor
würde dessen Intervention unbeachtet bleiben und eine direkte
dehydrierende Wirkung des molekularen Sauerstoffs dem Aldehyd gegen-
über im Sinne Wielands vortäuschen. Wir halten es für sehr wahr-
scheinlich, daß die frische Milch derartige primäre Wasserstoff-
akzeptoren (vielleicht lipoider Natur) enthält, deren Wirkung der des
Methylenblaus in unserem Beispiel analog ist. Durch genügende
Reinigung des Enzyms werden diese Begleitstoffe entfernt und die
sekundäre Wirkung des Sauerstoffs ausgeschaltet.
Zusammenfassung.
Die Annahme Wielands, daß das Schardinger-Enzym (Perhydridase)
der Milch sowohl Methylenblau wie molekularen Sauerstoff als Wasser-
stoffakzeptoren verwerten, also zugleich als Redukase und Oxydase
fungieren könne, wurde an der Oxydation des Salicylaldehyds mit
dem nach Sbarsky und Michlin isolierten Milchenzym einer experimen-
tellen Prüfung unterzogen. Eine wässerige Suspension des durch Fällen
von Buttermilch mit Aceton erhaltenen Niederschlags ergab, in Über-
einstimmung mit dem von Wieland mit der Milch gemachten Befund,
mehr Salicylsäure im Luftstrom als im Wasserstoffstrom (0,01845 g
gegen 0,01018g). Durch Extraktion des Niederschlags mit 0,02n
Salzsäure und nachträgliche Neutralisation erhaltene Enzymlösungen
lieferten dagegen in Anwesenheit von Sauerstoff weniger Salicylsäure
als bei Sauerstoffausschluß (als Durchschnittswert aus drei Versuchen
0,00681 g gegen 0,0135g). Durch Kontrollversuche mit pflanzlicher
Peroxydase wurde festgestellt, daß der von Wieland beobachtete
Mehrbetrag an Salicylsäure in Gegenwart von Sauerstoff nicht der
Wirkung der in der Milch enthaltenen Peroxydase zugeschrieben werden
kann. Der Unterschied zwischen dem Verhalten des isolierten Enzyms
und der Milch in Gegenwart von Sauerstoff wird durch die Annahme
erklärt, daß die Milch Begleitstoffe (vielleicht lipoider Natur) enthält,
welche als Wasserstoffakzeptoren fungieren und, ähnlich dem reduzierten
112 A. Bach u. K. Nikolajew: Sind O,-übertragende Enzyme usw.
Methylenblau, durch den molekularen Sauerstoff leicht dehydriert
werden. Dadurch wird eine direkte Verwertung des Sauerstoffs durch
das Schardinger-Enzym (,„Oxydasewirkung‘‘) da vorgetäuscht, wo eine
einfache akatalytische Reaktion vor sich geht.
Literatur.
1) H. Wieland, Über den Mechanismus der Oxydationsvorgänge.
Ergebn. d. Physiol. 20, 477, 1922; Mechanismus d. Oxydation und Reduktion
in der lebenden Zelle. Handb. d. Biochem. (2. Aufl.) 2, 252, 1923. —
2) Derselbe, B. 47, 2109, 1914. — 3) Derselbe, B. 46, 3327, 1913. — 4) A. Bach,
B. 46, 3864, 1913. — 5) Sbarsky und Michlin, diese Zeitschr. 155, 485,
1925. — 6) Morgan, Stewart and Hopkins, Proc. Royal. Soc. 94, 1922.
Zur Kenntnis des Mechanismus der Immunitätserscheinungen.
I. Mitteilung:
Die Adsorption des Diphtherietoxins durch Meerschweinchen- und
Rattenerythrocyten.
Von
B. Sharsky.
(Aus dem biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit
in Moskau.)
(Eingegangen am 11. Dezember 1925.)
Auf Grund meiner Untersuchungen über die Adsorption von
Eiweißabbauprodukten durch die roten Blutkörperchen gelangte ich (1)
zu einer Hypothese, welche auf folgenden Tatsachen beruht. Die roten
Blutkörperchen besitzen die Fähigkeit, nicht nur Eiweißabbauprodukte
im allgemeinen, sondern auch Toxine zu adsorbieren. Einer der
wichtigsten Faktoren, die die Erkrankung eines Tieres durch ein be-
stimmtes Toxin bedingen, ist in der Toxinmenge gegeben, welche durch
die Erythrocyten dieses Tieres gebunden wird.
Besitzen die Erythrocyten eines Tieres (z. B. des Kaninchens, des
Meerschweinchens oder des Menschen) eine hohe Adsorptionsfähigkeit
für ein bestimmtes Toxin (z. B. Diphtherietoxin), so erkrankt das Tier
bereits durch kleine Dosen und wird es als empfänglich bezeichnet.
Ist dagegen die Adsorptionsfähigkeit gering (z. B. bei Ratten), so
erkrankt das Tier auch nach großen Toxingaben (Diphtherietoxin)
nicht, es ist immun. Jede Substanz, die die Adsorption des Toxins
durch die Erythrocyten verringert, wirkt dadurch als Antitoxin. Diese
Ansicht ist bereits im wesentlichen durch einige experimentelle Unter-
suchungen bestätigt worden.
So konnten wir in Gemeinschaft mit Michlin (2) feststellen, daß die
hrocyten verschiedener Tierarten (Ratte, Kaninchen, Meerschweinchen, .
Pferd und Taube) die im Diphtherietoxin enthaltenen Eiweißabbauprodukte
nicht in gleichem Maße adsorbieren. Es ergab sich, daß das Blut der gegen
Diphtherietoxin empfindlichsten Tiere die größten Mengen von Eiweiß-
abbauprodukten aus dem Toxin adsorbiert, und umgekehrt. Ordnet man
die genannten Tierarten in eine Reihe nach dem Grad ihrer Empfindlich-
keit gegen Diphtherietoxin, so bilden Ratte und Taube das erste und das
letzte Glied der Reihe. Geordnet nach ihrer Fähigkeit, Eiweißabbauprodukte
zu adsorbieren, ergaben die genannten Tiere genau die gleiche Reihe.
In Gemeinschaft mit L. Subkowa (3) gelang es mir, zu beweisen, daß
Chinin, welches die Adsorption der Eiweißabbauprodukte des Diphtherie-
Biochemische Zeitschrift Band 169. 8
114 B. Sbarsky:
toxins in vitro verhindert, zugleich antitoxische Eigenschaften aufweist.
Ein Gemisch von Diphtherietoxin und Chinin rief an Kaninchen bei sub-
kutaner Einführung keinerlei Vergiftungserscheinungen hervor, und die
Tiere blieben am Leben.
Eine Bestätigung der von mir geäußerten Hypothese könnte durch
folgenden Versuch erbracht werden. Falls die Erythrocyten empfäng-
licher Tiere ihre Adsorptionsfähigkeit in vitro beibehalten, so muß
das Toxin nach Umschütteln mit Erythrocyten solcher Tiere größten-
teils durch die Blutkörperchen gebunden werden. Nach Abtrennen
der Blutkörperchen soll das Toxin nunmehr als weniger toxisch oder
vollständig atoxisch erscheinen. Derartige Versuche sind von
N.Griasnow (4) vorgenommen worden.
Griasnow versuchte zu ermitteln, ob bei meinen Versuchen lediglich
die Eiweißabbauprodukte des Toxins oder daneben auch die toxischen
Stoffe zur Adsorption gelangten. Zu 1 cem Oxalatblut fügte er eine solche
Menge Diphtherietoxin hinzu, die eben noch imstande war, bei Tauben
Nekrose hervorzurufen. Das Gesamtvolumen des Gemisches betrug 7 ccm.
Das Gemisch wurde im Brutschrank stehengelassen und alsdann die Blut-
körperchen abzentrifugiert. Sowohl das Zentrifugat, wie die Blutkörperchen
wurden, jedes für sich allein, Tauben injiziert. Es ergab sich, daß die Blut-
körperchen kein Ödem verursachten, während das Zentrifugat toxisch
blieb. Auf Grund dieser Versuche folgerte Griasnow, daß die von mir ent-
deckte Eigenschaft der Erythrocyten sich nur auf die Eiweißabbauprodukte,
nicht aber auf das Toxin bezieht.
Vor kurzem sind von Litwarew (5) ähnliche Versuche angestellt
worden, die aber zu ganz anderen Ergebnissen führten.
Litwarew fand, daß die Erythrocyten von Tauben beim Schütteln
mit einer Lösung von Diphtherietoxin eine Bindung des Toxins be-
wirken. Nach Abtrennung der Blutkörperchen durch Zentrifugieren
stellte es sich heraus, daß das Zentrifugat seine Toxizität eingebüßt hat.
Was die Blutkörperchen anbelangt, so brachte die Injektion derselben
bei gegen Diphtherietoxin sehr empfindlichen Vögeln Immunität hervor:
nach vorangehender Hämolyse wirkten dieselben Erythrocyten tödlich.
Mit Rücksicht auf die widersprechenden Ergebnisse der Versuche
von Griasnow und Litwarew schien es mir von Interesse, die fragliche
Erscheinung näher zu untersuchen.
Bei seinen Versuchen scheint Griasnow das Verhältnis zwischen
der Erythrocytenmenge und dem Volumen der Toxinlösung schlecht
gewählt zu haben. Leem ÖOxalatblut (die Menge reinen Blutes ist
folglich noch kleiner) enthält eine sehr geringe Anzahl von Erythro-
cyten. In einer früheren Mitteilung (6) habe ich darauf hingewiesen,
daß die Menge der adsorbierten Eiweißabbauprodukte der Zahl der
Erythrocyten direkt proportional ist. In den Versuchen Griasnows
konnte die kleine Quantität von Erythrocyten (dazu noch in 7 ccm
Gesamtlösung zerstreut) vielleicht ganz unbedeutende Mengen Toxin
Mechanismus der Immunitätserscheinungen. I. 115
adsorbieren, so daß eine Veränderung des Verhaltens der Versuchs-
tiere kaum zu erwarten war.
Die von mir angestellten Versuche wurden nicht mit Vollblut,
sondern mit isolierten Erythrocyten, von denen überdies größere
Mengen verwendet wurden, vorgenommen.
Um das Verhalten der Erythrocyten empfänglicher und immuner
Tiere ein- und demselben Toxin gegenüber zu erforschen, wurden unter
vollständig gleichen "Bedingungen folgende Versuche mit den Erythro-
cyten von Meerschweinchen und Ratten angestellt.
Das Blut wurde dem Herzen der Meerschweinchen und Ratten
entnommen. Um individuelle Abweichungen zu vermeiden, wurde das
Blut mehrerer Meerschweinchen oder Ratten (10 bis 15 ccm) verwendet
und in 1000 bis 1200 ccm Kochsalzlösung übertragen. Ich wählte dieses
Verfahren zur Isolierung der Erythrocyten, da beim Defibrinieren weniger
befriedigende Resultate erzielt wurden. Das Gemisch wurde zentrifugiert.
Die auf diese Weise gewonnenen Erythrocyten wurden an der
Zentrifuge vier- bis fünfmal bei 3500 bis 4000 Umdrehungen mit
physijologischer Kochsalzlösung gewaschen.
Nach dem Zentrifugieren wurden zwei Zentrifugierröhrchen mit
gleichen Mengen Erythrocytenemulsion von Meerschweinchen und
Ratten beschickt. In einer Reihe von Versuchen betrug die verwendete
Erythrocytenmenge 4 bis 8ccm. Den Erythrocyten wurden alsdann
je zwei tödliche Einheiten Diphtherietoxin in 2ccm physiologischer
Kochsalzlösung hinzugefügt. Das Gemisch wurde umgeschüttelt und
1 Stunde im Brutschrank bei 370 stehengelassen. Alsdann wurden
beide Röhrchen bei 3500 bis 4000 Umdrehungen 15 Minuten lang
zentrifugiert. Das vollständig klare Zentrifugat wurde abpipettiert.
In jedem Versuch erhielten fünf Meerschweinchen von gleichem
Gewicht subkutane Injektionen: Zwei Meerschweinchen erhielten je
l ccm Zentrifugat von Meerschweinchen- bzw. Rattenerythrocyten,
zwei Meerschweinchen je 3ccm Erythrocyten (aus der Kappe der
Röhrchen) von Meerschweinchen und Ratten und ein Kontrolltier
l ccm (eine Todeseinheit) des ursprünglichen Diphtherietoxins.
16 Versuche an je fünf Meerschweinchen (im ganzen 80 Versuchs-
tiere) ergaben folgende Resultate.
Tabelle I. Meerschweinchen.
Behandelt mit Zahl der Überlebten die
Erythrocyten von Versuchstiere Kontrolltiere in Tagen
ug 0
Meer-
schweinchen s — em
Ratten 16 blieben am Leben
Die Kontrolltiere gingen nach 3 bis 4 Tagen zugrunde.
8%
116 B. Sbarsky: Mechanismus der Immunitätserscheinungen. I.
Tabelle II.
Meerschweinchen mit Zentrifugat behandelt.
Zum Marrs | Zahl der Überlebten die
EE von Í Versuchstiere Kontrolltiere in Tagen
5 | 6
Meer- 2 8,5
schweinchen 4 ‘10
5 blieben am Leben
Ratten 16 d
Die Tiere, welche Meerschweinchenerythrocyten erhalten hatten,
starben zur gleichen Zeit wie die Kontrolltiere, zum Teil sogar um
l bis 11, Tage früher.
Die Meerschweinchen, denen Rattenerythrocyten injiziert wurden,
blieben am Leben.
Die Meerschweinchen, die Zentrifugat von Meerschweinchen-
erythrocyten erhalten hatten, überlebten die Kontrolltiere durch-
schnittlich um 6 bis 10 Tage. Fünf Meerschweinchen unter 16 blieben
überhaupt am Leben.
Die Meerschweinchen, denen Zentrifugat von Rattenerythrocyten
injiziert wurde, starben zur gleichen Zeit wie die Kontrolltiere ; manchmal
überlebten sie die letzteren um einige Stunden.
Aus diesen Ergebnissen geht mit voller Klarheit hervor, daß die
Erythrocyten von Meerschweinchen Diphtherietoxin adsorbieren, während
den Rattenerythrocyten diese Eigenschaft fehlt.
Die Adsorption von Toxin durch Erythrocyten des Meerschweinchens,
die mit der Empfindlichkeit dieser Tiere gegen Diphtherie übereinstimmt,
und das entgegengesetzte Verhalten der Ratten bestätigen also die von
mir geäußerte Hypothese.
Literatur.
1) B. Sbarsky, diese Zeitschr 185, 30, 1923. — 2) B.Sbarsky und
D. Michlin, ebendaselbst 141, 37, 1923. — 3) B. Sbarsky und L. Subkowa,
ebendaselbst 161, 406, 1925. — 4) N. Griasnow, ebendaselbst 145, 63, 1924. —
5) Litwarew, Vortrag im 2. Kongreß der russ. Pathologen 1925. —
6) B. Sbarsky, diese Zeitschr. 141, 33, 1923.
Bemerkungen zu der Abhandlung von J. Tillmans und A. Alt
„Über den Gehalt der wichtigsten Proteinarten der Lebens-
mittel an Tryptophan und ein neues Verfahren der Tryptophan-
bestimmung“!).
Von
Otto Fürth.
(Eingegangen am 12. Dezember 1925.)
Die unter obigem Titel im November in dieser Zeitschrift erschienene
Abhandlung veranlaßt mich zu nachfolgenden Bemerkungen:
1. Die genannten Autoren teilen mit, daß, wenn man „reine Trypto-
phanlösung‘‘ oder eine solche von tryptophanhaltigem Eiweiß mit einer
Spur Formaldehyd und einem großen Überschuß Schwefelsäure von 66 Proz.
versetzt, allmählich eine deutliche weingelbe Färbung eintritt. — Sie
bezeichnen dies als Entdeckung einer ganz neuen, für Tryptophan spezifischen
Eiweißreaktion (S. 139).
Demgegenüber stelle ich fest, daß diese Reaktion, die sich ganz ähnlich
auch abspielt, wenn man statt der konzentrierten Schwefelsäure konzen-
trierte Salzsäure anwendet, bereits im Jahre 1920 von mir und E. Nobel?)
beschrieben worden ist: „Wir gingen anfangs derart vor, daß wir den Nitrit-
zusatz sogleich auf den Salzsäurezusatz folgen ließen und nun etwa eine
halbe Stunde lang den Eintritt des Maximums der Färbung abwarteten.
Spätere Versuche haben uns darüber belehrt, daß es zweckmäßig ist, die
mit Formaldehyd und Salzsäure versetzte Reaktionsflüssigkeit nach gutem
Durchmischen 5 bis 10 Minuten sich selbst zu überlassen. Dabei kündigt
sich der Ablauf der ersten Phase der Reaktion dem Auge durch Eintritt einer
gelblichen Färbung an. Setzt man nunmehr Nitritlösung zu, so sieht man
alsbald unter den zufließenden Nitrittropfen einen intensiv violettroten
Farbenring auftreten‘... Ferner heißt es in einer weiteren Abhandlung
[mit F.Lieben®)], daß, wenn man eine mit Formaldehyd und konzen-
trierter Salzsäure angesetzte Probe einige Zeit (mindestens 5 Minuten)
sich selbst überläßt, sich die erste Phase der Reaktion durch eine Gelbfärbung
bemerkbar macht.
Die kolorimetrische Methode von Tilmans und Alt basiert demnach
auf einer nicht von ihnen, sondern von mir und meinen Mitarbeitern zuerst
beschriebenen Reaktion; sie kolorimetrieren die erste gelbe, wir die zweite
violettrote Phase der Reaktion von Voisenet.
1) Diese Zeitschr. 164, 135, 1925.
2) O. Fürth und E. Nobel, ebendaselbst 109, 110, 1920.
3) O. Fürth und F. Lieben, diese Zeitschr. 109, 126, 1920.
118 O. Fürth:
2. Der von den genannten Autoren gerügte Nachteil, daß es oft nicht
leicht ist, bei der Voisenetreaktion mit verschiedenen Eiweißkörpern ganz
identische Farbentöne zu erzielen, ist von mir mit meinen Mitarbeitern
seit Jahren immer wieder betont worden. Es wäre daher nur zu begrüßen,
wenn die erste gelbe Phase der Voisenetreaktion bessere Chancen für die
Kolorimetrie böte, als die zweite, violettrote (wobei ich jedoch bemerke,
daß die Kolorimetrie auch ohne Blauglas bei einiger Übung ganz gut möglich
ist). Ob dies tatsächlich der Fall ist, werden nur Zusatzversuche mit reinem
Tryptophan, welche bisher nicht vorliegen, entscheiden können.
3. In meiner Abhandlung mit Z. Dische!) ist auf Grund zahlreicher,
sorgfältiger Versuche von uns der Nachweis erbracht worden, daß die in
unseren frühesten Abhandlungen gefundenen Tryptophanwerte insgesamt
infolge des von uns neu aufgedeckten ‚„Woasserfehlers‘‘ etwa um ein Viertel
zu hoch gewesen sind, unsere älteren Angaben demnach korrigiert werden
müssen. Es ist nun ein höchst befremdlicher Vorgang, wenn Tillmans
und Alt in ihrer Tabelle S. 160, trotzdem ihnen die letzgenannte Arbeit
bekannt gewesen ist, ihre Werte nicht mit den neuen Werten von Fürth
und Dische (bzw. mit dementsprechend korrigierten Werten), sondern mit
den längst von uns als überholt bezeichneten alten Werten von Fürth,
Nobel und Lieben vergleichen.
Tatsächlich ergibt eine richtige Nebeneinanderstellung (vgl. S. 284
und 295!):
|| Tstimans und AN | Fürth und Dische
Eieralbumin . .... | 1,24 1,8
Wittepepton . . ... 4,27 4,0
Casein...... ie 1,60 1,7
Molkeneiweiß .... 1,73 2,3
Die Übereinstimmung ist ganz leidlich, um so mehr, als das käufliche
sogenannte Eiereiweiß und das Molkeneiweiß ja sehr wechselnde Mengen
der etwa 3 Proz. Tryptophan enthaltenden Globuline enthalten. Es wird
nötig sein, eine größere Zahl ganz reiner, womöglich wasserlöslicher Proteine
nach beiden Methoden zu vergleichen.
Stellt man ferner den Werten der Tabelle von Tillmans und Alt (S. 160)
die (nach Fürth-Dische) um ein Viertel ihres Betrages verminderten Beträge
von Fürth, Nobel und Lieben gegenüber, so zeigt sich auch hier meistens
leidliche Übereinstimmung:
Ba ne | Fürth, Lieben
| Tillmans und Al korrigiert
Eidotter . 2.22... 1,3 | 1.7
Holländer Käse ... | 1,54 1,5
Limburger Käse... 1,45 1,5
Handkäse . ..... \ 1,58 1,5
Weizenglobulin ... 2,5 2,4
Hordein .......» | 1,0 | 1,3—1,4
Gliadin (Roggen). . . 0,64 0,5
Erbsen ....... | 1,1 1,3—1,4
Bohnen ....... | 1,93 1,5
Linsen. . :. 2... | 1,35 | 1,8
<
1) O. Fürth und Z. Dische, diese Zeitschr. 146, 275, 1924.
Bemerkungen zur Abhandlung von Tillmans und Alt. 119
Unsere alte Zahl für Molkeneiweiß der Frauenmilch ist zu streichen,
da es sich später herausgestellt hat, daß es sich um einen groben Kolori-
metriefehler, verursacht durch Fetttrübung, gehandelt hat.
Es bleiben daher nur wesentlichere Diskrepanzen bei Weizen-, Roggen-
und Reismehl, beim Weizengliadin und mehreren Getreideglobulinen, bei
welch letzteren die sehr niedrigen Zahlen der Autoren Zweifel erregen müssen.
Auch mache ich noch darauf aufmerksam, daß einige weitere Werte
von Fürth und Dische gut mit denen von May und Rose übereinstimmen,
deren Methode die Autoren als ganz zuverlässig anerkennen:
| May und Rose | Fürth und Dische
Lactalbumin . .... 2,4 2,3
Edestin ....... 1,5 1,7
3
Nun halten sich aber Tilmans und Alt für berechtigt, unsere
Methode in folgender Weise abzuurteilen, wobei sie sonderbarerweise immer
wieder von der alten, überholten Methode Fürth-Nobel reden (S. 138):
„Dieselbe ermöglicht zwar eine gewisse Orientierung und in einzelnen Fällen
auch eindeutige Werte. Für die Mehrzahl der Proteine jedoch stehen die
gefundenen Resultate in gar keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen
Gehalt an Tryptophan‘, ferner S. 161: ‚Die Methode Fürth und Nobel
ist als quantitative Methode auszuschalten.“
Ich halte dieses Urteil für vollständig unberechtigt und lege dagegen
ernste und energische Verwahrung ein.
Daß die Tryptophanbestimmungsmethode auch in der verbesserten
Form, die ihr meine und meiner Mitarbeiter langjährigen Bemühungen
gegeben haben, noch lange nicht frei von Mängeln ist, habe ich bei jeder
Gelegenheit in unzweideutiger Weise betont, und ich werde es sicherlich
mit großer Freude begrüßen, wenn sich aus dem von uns als quantitative
Methode begründeten Voisenetverfahren durch irgend eine zweckentsprechende
Modifikation, sei es der angewandten Säure oder des Oxydationsmittels,
oder des angewandten Aldehyds — oder vielleicht auch durch Kolori-
metrierung der gelben ‚‚Vorfarbe‘‘ nach Tilmans und Alt, ein tatsächlicher
Fortschritt entwickeln sollte. — Zu der Feststellung eines solchen werden
aber natürlich nicht Analysen von Nahrungsmitteln geeignet sein, sondern
in mannigfacher Weise variierte Bestimmungen (etwa so, wie wir den
Tryptophangehalt des Fibrins und Caseins seinerzeit in ausgedehnten
Versuchsreihen ermittelt haben), vor allem aber auch Zusatzversuche mit
reinem Tryptophan.
Zur Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes.
Von
Johann Mosonyi.
(Aus dem physiologischen Institut der Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 14. Dezember 1925.)
In den Deckzellen der Magenschleimhaut wird während der Ver-
dauung aus dem fast neutral reagierenden Blute eine starke anorganische
Säure, Salzsäure, gebildet. Zur Bildung dieser Säure werden vom
Organismus die Chloridverbindungen des Blutes und in erster Reihe
das Kochsalz verwendet. Zur genaueren Untersuchung dieser Frage
und um über die Art und Weise der chemischen Vorgänge irgendwelche
Aufschlüsse zu gewinnen, wurde im Blutserum mehrerer Kaninchen
vor und nach der Fütterung der Chloridgehalt bestimmt.
Die Versuchstiere wurden 12 Stunden lang im Stoffwechselkäfig
ohne Wasser- und Nahrungsaufnahme gehalten, wonach aus einer, nach
Einreibung mit einem xylolhaltigen Wattebausche erweiterten Haut-
vene Beem Blut genommen wurden. Danach fütterte ich die Tiere und
nahm 2 Stunden nach der Fütterung mit demselben Verfahren noch-
mals 5 ccm Blut, worauf ebenfalls nach 2 Stunden eine dritte
Blutentnahme folgte. In letzterem Falle wurde das Blut nur immer
von einem Tiere untersucht.
Der Chloridgehalt wurde in allen Blutproben mit dem von
Rusznyak (1) beschriebenen Mikroverfahren bestimmt. Ich hielt mich
wohl nicht eng an die Vorschriften des Autors, konnte aber doch genaue,
übereinstimmende Resultate erhalten. Statt der Ernstschen Pipetten
gebrauchte ich einfach eine mit Quecksilber kalibrierte, 0,1 ccm fassende
Pipette. DBrachte die abgemessene 0,lccm Serummenge, nachdem
das durch das Aufsaugen an der Pipette außen anhaftende Serum mit
Löschpapier abgesaugt wurde, in einen kleinen Erlenmeyerbecher. Die
Pipette wurde mit etwa 10 bis 15 ccm Wasser durchgewaschen. Dann
fügte ich 2 ccm n/100 AgNO,-Lösung und 5 bis 6 Tropfen konzentrierte
HNO, hinzu und erhitzte vorsichtig am Drahtnetz. Während der
Erhitzung geschah durch Zusatz einiger Tropfen KMnO,-Lösung
die Oxydation des Eiweißes. Sobald sich das Hypermangan nicht mehr
entfärbte, verwendete ich eine stärkere Flamme und erhitzte die Lösung
bis zum Sieden 5 Minuten lang. Das Nichteinhalten besonders der
5 Minuten dauernden Erhitzung wirkt beim Titrieren störend. Zuletzt
J. Mosonyi: Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes. 121
wurde die gelbbraune Flüssigkeit durch Zusatz einiger Tropfen einer
Glucoselösung entfärbtt. Nach Abkühlung titrierte ich mit n/100
Ammoniumrhodanid und Ferriammoniumsulfat (konzentrierte wässerige
Lösung) als Indikator.
Schon kurz nach der Nahrungsaufnahme tritt die Salzsäure-
sekretion ein, und erreicht nach 2 Stunden den höchsten Grad, weshalb
die zweite Blutentnahme 2 Stunden nach der Fütterung geschah. Da
sich die Salzsäure aus den Chloridverbindungen des Blutes bildet, muß
sich der Chloridgehalt des Blutes nach Salzsäuresekretion verringern.
Wie aus der Tabelle ersichtlich, sind die im Hungerzustande erhaltenen
Chloridwerte bedeutend größer als jene nach Nahrungsaufnahme. Die
Differenz schwankt zwischen 6 bis 10 Proz.
Die im Hungerzustand gefundenen Chloridwerte sind etwas höher
als die von verschiedenen Autoren in der Literatur beschriebenen
Werte, welche Erscheinung aber höchstwahrscheinlich nur die Folge
einer geringeren Bluteindickung ist, die von der l12stündigen Nahrungs-
und Flüssigkeitsentziehung herrührt. In der 4 Stunden nach der
Fütterung entnommenen Blutprobe fand ich denselben Chloridgehalt,
wie in 2 Stunden nach der Nahrungsaufnahme.
| Nas Cl-Gehalt | Na Cl-Gehalt Na Cl-Gehalt Prozentuale
S ` Differenz
5 in 100 ccm in 100 ccm in 100 ccm ehen deù
S Serum Serum gebildeten
S 2 Stunden nach | 4 Stunden nach COz.Werten
Sé vor und nach
Verdauung | der Verdauung | der Verdauung der Verdauung
1. Gruppe
1 || 0,7020 0,6142 = 0,0878 125 | 9,7
2 | 0,7371 0,6610 0,6435 0,0761 10,3 | 9,4
3 | 0,7020 0,6493 = 0,0627 75 | 12,9
4 || 0,7195 0,7020 sš 0,0175 24 | 10,6
2. Gruppe:
1 | 0,7137 0,6493 — ! 0,0834 8,8 Se
Su 0,7137 0,6084 — 101083 147 9,2
3 0,7055 0,5967 — ' 0,1088 15,4 22,2
4 0,7078 0,6435 | 0,8493 | 0,0643 | Se
5, 0,7312 | 0612 | — 3010| 8 ; 18
3. Gruppe:
1 " 0,6510 0,6084 = 0,0426 ' 65 | 8,6
2 0,6903 0,6610 | — 0,0293 42 4,3
3 0,6727 0,6025 = 0,0702 10,4 12,2
A ` 07137 0,6552 0,6510 0,0585 8,2 7,7
5 | 0,7020 0,637 = 0,0644 91 | 7,0
4. Gruppe:
1 "` 08727 0,6318 | ds 0,0409 | 61 1,2
2 : 0,8844 0,6376 — 0,0468 6,7 7,0
3 0,6727 0,6493 | — 0,0234 3,5 4,8
4 06903 ` 0,6435 0,6493 0,0468 6,6 9,9
5 0,6669 | 0,6318 = 0,0351 5,2 10,2
122 J. Mosonyi:
Daß die Verminderung des Chlorgehalts des Blutes während der
Verdauung nicht etwa durch Hydrämie zustande kommt, beweist
auch die Erhöhung des gebundenen Kohlensäurewertes (siehe später),
welcher sich im Falle einer Hydrämie ebenfalls: erniedrigen müßte.
Bei demselben Versuchstier und in denselben Blutproben be-
stimmte H. Tangl (2) mit dem Barcroftschen Apparat den gebundenen
Kohlensäuregehalt des Blutes. Von diesen Resultaten nahm ich in
meiner Tabelle nur die perzentuellen Differenzwerte, die sich zwischen
den vor und nach der Nahrungsaufnahme durchgeführten Kohlen-
säurebestimmungen ergaben, auf. Nach diesen Versuchen vermehrt
sich bedeutend während der Verdauung der gebundene Kohlensäure-
gehalt des Blutes. Diese Versuchsergebnisse möchte ich in späteren
Ausführungen anwenden.
Über die Art und Weise der Salzsäurebildung sind die Anschauungen
noch sehr abweichend und größtenteils unbewiesen.
Nach Brücke (3) dürfte das NaCl in Anwesenheit von Na HCO, durch
die Sekretionsnerven elektrolytisch gespalten werden, wodurch Na,CO,
und HCl entsteht. NaHCO, + NaCl = Na,CO, + HCl. Die Brücksche
Anschauung wird von Ralfe (3) mit folgendem Versuch unterstützt. Eine
U-förmige Röhre wird in der Mitte mit einer tierischen Membran auf zwei
Teile geteilt. Gibt man auf die eine Seite Na Cl-, auf die andere eine NaHCO,-
Lösung und leitet schwachen elektrischen Strom hindurch, so entsteht
an der Seite der Kathode alkalische und an der Seite der Anode durch
Bildung von Salzsäure saure Reaktion. Gamgee hielt diese Theorie lediglich
für eine Hypothese, da die genannten Autoren zur Durchführung dieser
Spaltung solche Kräfte annehmen, welche eigentlich nicht nachweisbar
sind. Maly (3) nimmt an, daß die alkalische Reaktion des Blutes von den
sauren Salzen, und zwar vom NaHCO, und Na,HPO, herrührt. Durch
die Einwirkung der im Blute immer im Überschuß anwesenden Kohlensäure
auf das Na,HPO, entsteht Non, PO, Na,HPO, + CO, + H,O
= NaHCO, + NaH,PO,. Das NaH,PO, reagiert dann mit NaCl, wo-
durch sich neuerlich Na, H PO, und HCl bildet. Nach Maly verläuft diese
Reaktion im Blute, und da die Salzsäure eine größere Diffusionsfähigkeit
besitzt wie andere Säuren, dürfte sie von den Magendrüsen leicht sezerniert
werden.
Gamgee (3) änderte die von Maly vertretene Anschauung insofern
ab, daß er den Deckzellen der Magenschleimhaut hinsichtlich einiger
Salze, wie Na, KCl und Phosphaten eine elektive Absonderungsfähigkeit
zuschreibt, und die obgenannte chemische Reaktion geht nach ihm
selbst in den Zellen vor sich. Diese abgeänderte Theorie ist auch mut:
den unsrigen experimentellen Ergebnissen in voller Übereinstimmung.
Es dürfte nur noch jener Umstand betont werden, daß zum Ablauf
dieser chemischen Reaktion sich die CO,-Konzentration bedeutend
erhöhen muß. CO, enthält das Blut stets im Überschuß, damit aber
die Reaktion zur Salzsäurebildung führe, ist eine höhere Kohlensäure-
konzentration nötig, welche von dem nach Nahrungsaufnahme ge-
Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes. 123
steigerten OxydationsprozeB der Magendrüsenzellen (auf nervösem
Wege) herrührt.
Nach der chemischen Gleichung wird ebensoviel Salzsäure wie
Na HCO, gebildet, mit anderen Worten, in dem Maße sich der Chlorid-
gehalt des Blutes verringert, muß die NaHCO,-Konzentration steigen.
Rechnet man aber die gefundenen Kubikmillimeter CO,-Werte auf
NaHCO, um, so kann dieser Parallelismus nicht genau nachgewiesen
werden, da die während der Verdauung gebildete NaHCO,-Menge
viel kleiner ist, als nach der fehlenden Chloridmenge zu erwarten
wäre. Da aber 2 Stunden nach der Nahrungsaufnahme die sekretorische
Tätigkeit des Pankreas auch schon begonnen hat, ist es leicht ver-
ständlich, daß der fehlende Teil des NaHCO, schon gewiß im Darm
abgesondert wurde. Dies dürften auch die Befunde von Bennet und
Dodds (4) beweisen. Die Autoren untersuchten den Einfluß der Ver-
dauung auf die alveolare CO,-Tension und haben sie während der Ver-
dauung erhöht gefunden. Nach der Gleichung, da bei HCl-Bildung
die NaHCO,-Konzentration des Blutes steigt, verringert sich vorüber-
gehend die Hydrogenionenkonzentration. Die verringerte Cou wirkt
aber reizvermindernd auf das Atemzentrum, worauf der Organismus,
um die schwache Alkalose zu kompensieren und um Kohlensäure zu
retinieren, die Atemzüge verringert. Nach Bennet und Dodds ist die
alveolare CO,-Tensionserhöhung proportional der im mittels Magen-
sonde ausgeheberten Mageninhalt bestimmten Magensäure und muß
deshalb der gebildeten NaHCO,-Menge ebenfalls proportional sein,
Folgenderweise mußte auch die während der Verdauung entstandene
NaCl-Differenz dem gleichfalls gebildeten NaHCO,-Plus entsprechen, was
aber nur darum nicht nachgewiesen werden konnte, da die begonnene
Pankreassekretion einen Teil des NaHCO, schon abgesondert hat. Kestner
und Plaut (5), die während der Verdauung die Verringerung der Hydrogen-
ionkonzentration nachweisen konnten, haben beim Beginn der Pankreas-
sekretion eine Verschiebung der Blutreaktion nach der sauren Seite ge-
funden. Gamgee hält wohl die Malysche Theorie für wahrscheinlich, gibt
aber doch einer anderen Anschauung den Vorzug. Er nimmt an, daß die
Deckzellen der Magenschleimhaut eine Elektivität für gewisse Salze be-
sitzen, und, auf die Untersuchungen von Carl Schmidt sich stützend, der
im Mageninhalt neben HCl, K, Na und Ca-Chloride, weiterhin Ca- und
Mg-Phosphate nachweisen konnte, dürfte nach ihm die Salzsäurebildung
nach folgender Gleichung ablaufen: 2Na,HPO, + 3CaCl, = Ca,(PO,)s
.+ 4NaCl + 2HCl. Nach dieser Anschauung könnte aber die Erhöhung
der locker gebundenen Kohlensäurekonzentration nicht erklärt werden,
und ferner nicht jene neueren Untersuchungen, die von Bennet und Dodds,
Kestner-Plaut und von vielen anderen angestellt wurden, und welche die
Erhöhung der alveolaren Kohlensäuretension und Hydrogenionkonzen-
trationsverminderung des Blutes nachweisen konnte.
Vorübergehend könnte der locker gebundene Kohlensäuregehalt des
Blutes auch derart zustande kommen, daß die durch die intensive Magen-
drüsenfunktion entstandene Kohlensäure das zur NaHCO,-Bildung nötige
124 J. Mosonyi: Magensalzsäurebildung aus den Chloriden des Blutes.
Alkali von der Eiweiß-Alkaliverbindung nimmt. Da aber dieser Vorgang
zu einer Erhöhung der Hydrogenionkonzentration führt, dürften sich die
Atembewegungen nicht vermindern, es käme sogar eine Beschleunigung
der Atemtätigkeit zustande, wodurch dann die Kohlensäure durch die
Lungen rasch entfernt und die NaHCO,-Verbindung sich wieder auflösen
würde. Daß im Blute auf diese Weise eine nachweisbare größere, locker
gebundene Kohlensäurekonzentrationserhöhung wirklich nicht zustande
kommt, bestätigen die Befunde der klinischen Untersuchungen von Bennet
und Dodds, die bei hyp- und anaciden Kranken, obwohl Magensaftsekretion,
also Drüsentätigkeit und dadurch CO,-Bildung nicht fehlen, die alveolare
CO,-Tension kaum oder überhaupt nicht erhöht fanden. Wäre aber das
Blut alkalisch, so müßte auch die alveolare Kohlensäurespannung unbedingt
erhöht sein.
Der NaHCO,-Gehalt des Blutes kann sich also nur auf die Weise
vermehren, daß durch die Spaltung des Kochsalzes ins Blut ein Alkali-
überschuß gerät, welcher, im Falle die Salzsäurebildung nach der Gamgee-
schen Theorie abliefe, im Blute nicht vorhanden wäre, und infolgedessen
wäre weder gebundene Kohlensäurevermehrung noch alveolare Kohlen-
säuretensionserhöhung und Hydrogenionkonzentrationsverminderung nach-
weisbar.
Von Hollo und Weisz (6) wurde eine in 2 Minuten durchführbare
kolorimetrische Methode zur Bestimmung der alveolaren CO,-Tension
beschrieben. Dieses Verfahren dürfte zur Diagnose der Magensekretions-
anomalien dienen. Die Autoren erwähnen weiterhin, daß diese Untersuchung
nicht bei allen Kranken durchführbar ist, da sich der Kranke während
der Untersuchung in vollständiger Ruhe befinden muß, was aber bei
neurasthenischen Kranken nicht zu erreichen ist. Dieser Umstand ver-
anlaßte mich, die Befunde dieser Experimente in den Dienst der praktischen
Medizin zu stellen. Wie von vornherein zu erwarten ist, wird sich der
NaCl-Gehalt des Blutes den verschiedenen Sekretionsanomalien gemäß
in verschiedenem Maße verändern. Die klinischen Untersuchungen sind
im Gange.
Zusammenfassung.
Da die Magensalzsäure aus den Chloriden des Blutes entsteht,
muß sich die Menge dieser Salze nach Magenverdauung verringern.
Mit Hilfe der Versuchsergebnisse von Tangl kann von den Theorien,
die sich mit dem chemischen Verlauf der Magensalzsäurebildung be-
fassen, nur jene als höchstwahrscheinlich angesehen werden, welche
mit der Erhöhung des Bicarbonatgehalts des Blutes vereinbar ist
(Malysche Theorie).
Literatur.
1) Rusznyak, diese Zeitschr. 142, 23, 1920. — 2) H. Tangl, Magyar
Orv. Arch. 5, 1925. — 3) Gamgee, Chemie d. Verd., S. 121. Leipzig 1897. —
4) Bennet und Dodds, Journ. of Phys. 54 u. 55; Brit. Journ. of exper.
pathol. 2; Intern. Journ. of gastroent. 1921 u. 1922. — 5) Kestner und
Plaut, Pflügers Arch. 205, 43, 1924. — 6) Hollo und Weisz, Klin. Wochenschr.
1, 343, 1924.
Versuche zur Theorie der aceton-äthylalkoholischen Gärung.
Von
Stefan Bakonyi, Budapest.
(Eingegangen am 14. Dezember 1925.)
Die aceton-äthylalkoholische Gärung besteht darin, daß Stärke
oder Zucker durch den Bacillus macerans!) und Bacillus acetoaethylicus?)
zu Aceton und Äthylalkohol vergoren werden. Nach meinen mehr-
jährigen Laboratoriums- und Betriebsexperimenten sei der typische
Verlauf der Gärung im folgenden geschildert:
Die Rohstoffe werden unter Zugabe von etwas Schlemmkreide
(etwa 10 Proz. der vorhandenen Stärke oder Zucker) mit Wasser soweit
verdünnt, daß die Konzentration der Stärke 4 bis 5 Proz. ausmacht.
Die Maische wird unter 1,5 bis 2 Atmosphären Druck 1 bis 2 Stunden
lang sterilisiert und mit einer absoluten Reinkultur des B. macerans
oder B. acetoaethylicus infiziert. Die Temperatur wird zwischen 40 bis
420C gehalten. Nach 12 bis 14 Stunden setzt die Gärung ein, wobei
CO, und H, (58: 42 Vol.-Proz.) entweichen. Nach 150 bis 170 Stunden
ist die Stärke oder der Zucker vergoren. Die durch Destillation ge-
wonnenen Gärprodukte bestehen aus !/ Aceton und ?/, Äthylalkohol,
nebst kleinen Mengen von Fuselölen. In der Schlempe bleiben kleine
Mengen von essigsaurem und ameisensaurem Kalk zurück. Die Aus-
beute beträgt etwa 40 Gewichtsprozente der angewandten Stärke.
Wird die Konzentration der Stärke erhöht, so fällt die Gesamtausbeute
und das Aceton-Alkoholverhältnis wird zugunsten des Acetons bis
zu 1:1,8 bis 1:1,6 verschoben. Wird dagegen die Konzentration
erniedrigt, so erhöht sich die Gesamtausbeute und das Aceton-Alkohol-
verhältnis wird zugunsten des Alkohols verschoben.
Da das Hauptprodukt der Gärung Äthylalkohol ist, kann von
vornherein eine weitgehende Analogie zwischen aceton-äthylalkoholischer
und rein äthylalkoholischer Gärung vermutet werden. Vergegen-
1) Schardinger, Zentralbl. f. Bakteriol., II. Abt., 14, 772; 19, 161.
2) Northrop, Asche and Morgan, Journ. of Industr. and Engin. Chemistry
11, 723—727; Peterson, Fred and Verhulst, ebendaselbst 18, 757—759;
Arzberger, Peterson and Fred, Journ. of biol. Chem. 44, 465—479.
126 St. Bakonyi:
wärtigen wir uns die zentrale Rolle des Acetaldehyds in der Neuberg-
schen Gärungstheorie!), so müssen wir zuerst fragen, ob Acetaldehyd
als Zwischenprodukt der aceton-äthylalkoholischen Gärung erwiesen
werden kann. Nach folgenden Versuchen muß diese Frage bejaht werden.
1. Vergärung des Acetaldehyds.
Da die genannten Bazillenarten gegen Chemikalien äußerst emp-
findlich sind, wird Acetaldehyd über 0,3 Proz. nicht gut vertragen.
Zu einer sterilen Maische aus 200 g Maismehl (etwa 118g Stärke ent-
sprechend), 20g Schlemmkreide und 2800 g Leitungswasser wurden
10 g frisch destillierten Acetaldehyds gegeben und wie üblich vergoren.
Untenstehende Tabelle zeigt die Ergebnisse dieser Versuche und der
gleichzeitig angesetzten Kontrollversuche (ohne Acetaldehyd).
3 | Kontrollversuche | Hauptversuche l Mehrertrag
u 3 | Aceton Alkohol | Aceton | Alkohol | Aceton | Alkobol _
1 | 165,88 31,67 | 19,1 37,83 3,23 6,16
2 | 165,81 31,82 19,24 37,76 3,43 5,94
3 15,90 31,59 19,27 37,79 3,37 6,20
4 15,78 31,63 19,02 38,11 3,24 6,48
5 | 15,8 31,65 19,95 37,84 310 | 6,19
Acetaldehyd ist also vollständig vergärbar.
2. Abfangen des Acetaldehyds mittels Sulfit.
Zur unter l. angegebenen Maische wurden 0,6 bis 1 Proz. NaH SO,
gegeben.
Kontrollversuche | Hauptversuche '
Nr. Acetaldehyd
Aceton Alkohol | Aceton Alkohol
1 15,70 31,70 13,60 27,63 6,25
2 15,68 31,77 13,62 27,69 6,30
3 15,75 31,86 13,45 27,76 6,31
4 15,66 31,72 13,67 27,50 6,20
5 | 1560 ; 31,99 13,50 27,77 | 6,34
Der Ertrag an Acetaldehyd entspricht dem Minderertrag an Aceton
und Äthylalkohol.
1) Neuberg, Monographie, Jena 1918; und in Oppenheimers Handb.
d. Biochem. 2, 1924 (2. Aufl.). Nach der modernsten Auffassung: Ce H00;
+ H,0-C,H,0, > 2CH,0OH.CHOH.CHO (Glycerinaldehyd; daraus
durch Methylglyoxal oder Glycerinsäure) > 2CH,.CO.COOH + 2H,
(Brenztraubensäure und ‚„‚disponibler‘‘ Wasserstoff) > (Decarboxylierung)
2CH,.CHO + 2CO,.
Aceton-äthylalkoholische Gärung. 127
Diese Versuche beweisen eine vollständige Analogie mit der
äthylalkoholischen Gärung bis zum Acetaldehyd. Im weiteren Verlauf
der Gärung kann das 3 C-atomige Aceton aus dem 2 C-atomigen Acet-
aldehyd durch einen Kondensationsprozeß, und zwar durch Aldol-
kondensation
2CH,.CHO CH,.CHOH.CH,.CHO
entstehen. Diese Möglichkeit wird dadurch bestätigt, daß Acetaldol
vollständig vergärbar ist. In den folgenden Versuchen wurde der üblichen
Maische 10 g Acetaldol zugegeben.
Kontrollversuche |
Ñ Hauptversuche | Mehrertrag
É | Aceton | Alkohol Aceton Alkohol | Aceton | Alkohol
i e ee aaa aaae. rer penna T Emer PE A e EE e
1 | 15,65 3145 | 1852 | 3761 | 287 | am
2 ji 15,60 31,38 | 18,79 | 37,714 | 2,79 6,36
3 | 15,60 ‚3143 | 18,76 | 3759 | 3,16 6,16
4 ` 15,61 31,27 || 1870 | 37,80 | 3,09 | 653
5 | 16,72 31,43 | 18,59 |; 3771 | 387 | 628
Über den weiteren Verlauf der Gärung können verschiedene Hypo-
thesen aufgestellt werden. Nach der Neubergschen allgemeinen Gärungs-
tabelle!) wird die Entstehung des Acetons aus Acetaldol folgender-
maßen vorgestellt:
CH, .CHOH CH, . CHO —> CH, . CHOH CH, . COOH
Acetaldol #-Oxybuttersäure
—(CH,.CO.CH,.COOH— CH,.CO.CH, + CO,.
Acetessigsäure Aceton
Indessen ist die Vergärung der ß-Oxybuttersäure nicht gelungen.
Außerdem ist die stufenweise Oxydation des Acetaldols in Gegenwart
von naszierendem Wasserstoff, wenn auch nicht geradezu unmöglich,
doch wenig wahrscheinlich. Auch bleibt die Frage: warum Aceton
und Äthylalkohol im nahezu fixen Verhältnis 1:2 entstehen, un-
beantwortet. Man dürfte von einer Hypothese über Aldolvergärung
auch eine Erklärung dieses nahezu fixen Verhältnisses erwarten.
In der Enträtselung der erwähnten Frage gibt folgende Erfahrungs-
tatsache einen wertvollen Fingerzeig: Essigsaurer Kalk ist vollständig
vergärbar. Dabei entsteht ausschließlich Aceton. Folgende Versuche
wurden unter Zugabe von 20 g reinstem essigsauren Kalk vorgenommen.
1) Zitiert nach Euler-Lindner, Chemie der Hefe und der alkoholischen
Gärung, S. 178.
128 St. Bakonyi: Aceton-äthylalkoholische Gärung.
, |
EN Kontrollversuche Hauptversuche Ä Mehrertrag
| Aceton Alkohol || Aceton Alkohol |, Aceton
1 15,83 31,85 23,12 31,68 | 7,29
2 15,89 32,01 23,07 31,73 7,18
3 15,75 31,58 23,09 31,80 1,24
4 15,70 31,58 23,11 31,69 7,41
5 | 15,79 31,78 23,05 31,72 7,26
Da 1 Mol essigsaurer Kalk 1 Mol Aceton entspricht, wäre ein
Mehrertrag von 7,34g Aceton zu erwarten, in vorzüglicher Überein-
stimmung mit obiger Tabelle.
Diese Versuche, in Vereinigung mit der Tatsache, daß essigsaurer
Kalk bei jeder Acetongärung nachweisbar ist, legen die Vermutung
nahe, daß Essigsäure eine Zwischenstufe der Acetonbildung darstellt.
Es scheint nicht unwahrscheinlich, daß Acetaldol unter Aufnahme
von einem Molekül Wasser in Äthylalkohol und Essigsäure gespalten
wird (Cannizarosche Reaktion)
H
CH,.CHOH.CH,.CHO + H,0—>CH,.CHOH.CH,.C.OH
— CH,.CH,OH+CH,.COOH.
Diese Reaktion ist vollständig analog der Dismutation des
Acetaldehyds nach der zweten Vergärungsform Neubergs. Die Essig-
säure wird durch die vorhandene Kreide gebunden und der essigsaure
Kalk, wie oben festgestellt, zu Aceton vergoren.
Nach dieser hypothetischen Dismutation des Acetaldols entstehen
2 Mol Äthylalkohol auf 1 Mol Aceton. Dies bedeutet ein Aceton-
Alkoholverhältnis von 1: 1,57, was bei erhöhten Maischkonzentrationen
sehr nahe erreicht wird. Bei üblichen Konzentrationen, wie oben, darf
angenommen werden, daß ein Teil des Acetaldehyds durch den vor-
handenen naszierenden Wasserstoff zu Äthylalkohol reduziert wird.
Das vollständige Bild der Gärung ist also folgendes: Kin kleiner
Teil des Acetaldehyds wird durch den disponiblen Wasserstoff zu Äthyl-
alkohol reduziert. Zum überwiegenden Teile wird er aber zu Acelaldol
kondensiert und dieses zu Äthylalkohol und Essigsäure dismutiert.
Essigsäure vergärt weiter zu Aceton. Infolge der Aldolkondensation
wird ein großer Teil des disponiblen Wasserstoffs frei und gelangt in
die Gärgase. Die Quelle der Kohlensäure ist teilweise die Decarboxy-
lierung der Brenztraubensäure. teilweise die Reaktion zwischen Essig-
säure und Kreide nebst Vergärung des entstandenen essigsauren Kalkes.
Die Gärungsgleichung gestaltet sich folgendermaßen:
2 Ce Bett, +4H,0 > 2C,H,0H + CH,.CO.CH, +5C0, + 4H, + H,O.
Die antagonistische Wirkung des Insulins
und des Hypophysenhormons auf den Wasserhaushalt.
Von
D. Adlersberg.
(Aus der I. medizinischen Universitätsklinik in Wien.)
(Eingegangen am 17. Dezember 1925.)
In einer diesen Titel tragenden Arbeit geben Serebrijsks und Vollmer!)
unter anderem auch an, daß Insulin die diuretische Wirkung reichlicher
peroraler Wasserzufuhr hemmt. Die Autoren berufen sich dabei auf
frühere eigene Untersuchungen?) und beschäftigen sich in dieser
Mitteilung besonders mit der kombinierten Wirkung von Pitu-
glandol und Insulin auf die Diurese. Im folgenden soll nur zur Frage
der Beeinflussung der Diurese beim normalen Menschen und beim
Blasenfistelhund durch Insulin Stellung genommen werden, und zwar
auf Grund von Untersuchungen, die nach ähnlichen Überlegungen
vor 2 Jahren ausgeführt wurden. Von einer Fortsetzung und Publikation
der Versuche wurde damals mangels einheitlicher Ergebnisse abgesehen.
Die Versuchsanordnung gestaltete sich bei drei normalen Versuchs-
personen derart, daß in einem Intervall von 2 Tagen zweimal der Volhardsche
Wasserversuch ausgeführt wurde. Der erste Versuch diente als Kontrolle,
im anderen wurde Insulin injiziert, und zwar 10 bis 20 Einheiten des auch
sonst verwendeten Insulins Wellcome. In zwei von diesen Fällen wurde
dem Insulinversuch ein zweiter Kontrollversuch angeschlossen. Bei zwes
anderen normalen Versuchspersonen modifizierten wir die Versuchs-
anordnungen, indem wir stündlich in der Zeit von 6 bis 12 Uhr vormittags
auf nüchternen Magen je 200 ccm Wasser trinken ließen. Auch hier folgte
einem Kontrollversuch nach 2 Tagen ein Insulinversuch. In diesen fünf
Versuchsreihen bewirkte das Insulin dreimal eine deutliche Diuresehemmung,
in zwei Versuchsreihen war aber eine diesbezügliche Wirkung nicht vor-
handen. Zur Illustration mögen zwei Versuchsreihen dienen (Tabellen I
und II).
1) Diese Zeitschr. 164, 1, 1925.
2) Ebendaselbst 158, 366, 1925.
Biochemische Zeitschrift Band 169, 9
130 D. Adlersberg :
Tabelle I.
A. W., 35 Jahre alt. Normaler interner Befund.
Zeit | Hammenge | Spezifisches |
G en
5. XII. 1923. Kontrollversuch.
6 bis 12h stündlich 200 ccm Wasser per os (nüchtern).
6—7h 170 1010
1—8 | 625 1006
8—9 | 200 1010
9—10 | 290 1006 |
10—11 | 230 `. 1008 | In 4 Stunden: 1015 cem, spezifisches
11—12 340 1006 Gewicht im Durchschnitt 1006,25
12—1 | 155 1005
7. XII. 1923. Insulinversuch.
Weasserzufuhr wie oben. 9h vorm. 20 Einheiten Insulin Wellcome subkutan.
6-75 | 350 1002 |
1—8 | 510 1001
8—9 185 1010
98-10 J 185 1010
10—11 | 32 1020 In 4 Stunden: 508 cem, spezifisches
1—12 | al 1010 Gewicht im Durchschnitt 1010,5
12-1 | 2350 1002
Tabelle II.
Ap. L., 28 Jahre alt. Normaler interner Befund.
ewicht
Zeit | Harnmenge "Gewicht
28. XI. 1923. Kontrollversuch. 739 bis 8h (nüchtern) 1500 ccm per os.
8—9h | 470 1003
9—10 770 1002
10—11 380 1001
11—12 | 160 1007
| 1780
30. XI. 1923. 1. Insulinversuch.
Wasserzufuhr wie oben. 7h 20 Einheiten Insulin.
8—9h 150 1008
9—10 485 1003
10—11 = 1001
11—12 1002
| 1740
3. XII. 1923. 2. Insulinversuch.
Wasserzufuhr siehe Kontrollversuch. 8h 20 Einheiten Insulin.
Ka | 360 1003
9—10 710 1002
10-11 . 540 1002
1—12 ! EG 1010
|
|
|
1750
Insulin und Hypophysenhormon. 131
Tabelle I demonstriert deutlich Hemmung der Diurese durch Insulin,
ähnlich, wie es Serebrijski und Vollmer beobachten konnten. Im Kontroll-
versuch ohne Insulin werden in 4 Stunden 1015 cem Wasser ausgeschieden,
das spezifische Gewicht beträgt im Durchschnitt 1006, im Insulinversuch
werden in der gleichen Zeit und bei gleicher Flüssigkeitszufuhr 508 ccm
ausgeschieden. das spezifische Gewicht beträgt im Durchschnitt 1010.
Die relativ größere Menge in der letzten Stunde des Insulinversuchs be-
deutet offenbar eine kompensatorische Mehrausscheidung des früher ein-
gesparten Wassers. Ein ähnliches Verhalten zeigten die zwei anderen
positiv reagierenden Fälle.
Die negativen Versuche illustriert Tabelle II, die eine über die auch
sonst bei Verdünnungsversuchen vorkommenden Schwankungen hinaus-
gehende Beeinflussung der Diurese vermissen läßt. Während man im
ersten Insulinversuch der Tabelle II noch den Eindruck gewinnen könnte,
daß vielleicht in der ersten, möglicherweise noch in der zweiten Harn-
portion eine gewisse Wirkung vorhanden ist, trotz der unbeeinflußten
Gesamtmenge, so eind im zweiten Insulinversuch bei der, gleichen
Versuchsperson die Einzelportionen und die Gesamtmenge gegenüber dem
Kontrollversuch unverändert.
Es wurde weiter der Eindruck gewonnen, daß in Versuchen, in
welchen nach der Insulininjektion der hyperinsulinämische Symptomen-
komplex stark zum Vorschein kam (starkes Herzklopfen, Schwitzen,
Vermehrung der Atmung), auch Hemmung der Diurese zu sehen war.
Dagegen waren in den negativen Versuchen die Erscheinungen der
Hyperinsulinämie nicht in diesem Ausmaß vorhanden. Dies legt den
Gedanken nahe, daß in diesen Versuchen das Insulin, vielleicht infolge
schlechterer Durchblutung der Niere, gesteigerter extrarenaler Wasser-
abgabe usw.. also gewissermaßen erst sekundär antidiuretisch wirkt.
In ähnlicher Weise fielen Versuche am Blasenfistelhund verschieden
aus, indem das eine Mal Hemmung, ein anderes Mal aber keine Beein-
flussung der Diurese bei gleichen Insulin- und Wassermengen und auch
sonst identischen Versuchsbedingungen zu sehen war.
Die antidiuretische Wirkung des Insulins bei reichlicher Flüssigkeits-
zufuhr ist — was den normalen Menschen und den Blasenfistelhund
anlangt — keineswegs konstant!).
1) In jüngster Zeit scheinen Koref und Mautner ähnliche Resultate
wie wir am Blasenfistelhund erhalten zu haben, doch läßt sich aus dem
ganz kurzen Bericht (Klin. Wochenschr. 1925, Nr. 48 S.2323) kein ab-
schließendes Urteil gewinnen.
dE
Aldehydabspaltung aus Zuckerarten.
Von
G. Klein.
(Aus dem pflanzenphysiologischen Institut der Universität: Wien.)
(Eingegangen am 19. Dezember 1925.)
Schoh früher wurde wiederholt festgestellt, daß Zuckerarten und
auch andere organische Substanzen unter gewissen, ganz verschiedenen
Versuchsbedingungen Aldehyde abspalten.
So erhielt Neuberg!) aus organischen Säuren und Oxysäuren
(Propion-, Glycerin-, Bernstein-, Malein-, Fumar-, Wein- und Croton-
säure), aber auch aus Serin und Isoserin in Sonnenlicht bei gleich-
zeitiger Zugabe eines anorganischen Katalysators (Ferrosulfat) Acet-
aldehyd. Dieselben Resultate erzielte Neuberg?) bei Behandlung der
benannten Stoffe mit Wasserstoffsuperoxyd und Ferrosulfat als
Katalysator. Er stellte fest, daß die nicht lichtempfindlichen organischen
Säuren auch durch Mangan- und Uransalze, ebenso wie durch Anthracen-
derivate lichtempfindlich werden und unter diesen Verhältnissen auch
aus Milch-, Bernstein-, Äpfel-, Wein- und Citronensäure®), Äthylenglykol,
Äthylendiamin und Colamin Acetaldehyd bilden. Dieser Aldehyd
entsteht aus allen genannten Substanzen durch H,0,-Wirkung mit
Katalysatoren. Aus Äpfelsäure erhielt Neuberg bei Fe- und UO,-
Katalyse Oxybrenztraubensäure, also ein Keton. Spoehr*) fand bei
Behandlung von Essig-, Äpfel-, Wein-, Glyoxal- und Glykolsäure,
Acetaldehyd und Äthylalkohol mit ultraviolettem Licht bei 30° und
starker Lüftung langsame Zersetzung. Bei dieser konnte er als Zwischen-
stufen der Decarboxylierung Acet- und Formaldehyd, bzw. Formaldehyd
allein neben anderen Substanzen allerdings nur „qualitativ“ fest-
stellen. Auch aus dem Preßsaft der als säurereich bekannten sub-
kulenten Pflanzen fand er nach Belichtung im Destillat Formaldehyd
und Ameisensäure. Woraus diese Substanzen im Preßsaft entstanden,
1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 67, 58, 1914.
2) C. Neuberg, ebendaselbst 18, 305, 1908; 29, 279, 1910; 61, 325, 1914.
3) C. Neuberg und B. Rewald, ebendaselbst 67, 127, 1914.
t) H.A.Spoehr, ebendaselbst 57, 95, 1913.
G. Klein: Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 133
ist allerdings nicht zu erweisen. Auf die Folgerungen, die aus diesen
„Modellversuchen‘‘ auf biochemische Vorgänge in Pflanzen gezogen
wurden, braucht hier nicht eingegangen zu werden!).
Schließlich befaßte sich Rosenthaler?) eingehend mit der Abspaltung
von Aldehyden aus Stoffen, die in der Pflanze vorkommen und aus
deren Struktur die Möglichkeit hierfür abgeleitet werden kann. Er
behandelte die Stoffe (je 0,2g) mit 20 ccm verdünnter Schwefelsäure
und 0,4g Kaliumpermanganat in der Kälte, zerstörte hierauf den
Permanganatüberschuß und destillierte. Im Destillat prüfte er auf
die Aldehyde qualitativ mit fünf angegebenen Farbenreaktionen und
quantitativ auf Grund der dargestellten Nitrophenylhydrazone. Er
erhielt von den vielen geprüften Stoffen Formaldehyd aus mehr-
wertigen Alkoholen (Glycerin, Erythrit, Mannit, Duleit), Aldehyden
(Vanillin), höheren Säuren (Veratrum- und ÖOpiansäure), aus Zuckern
(Arabinose, Glucose, Fructose, Saccharose und Galaktose), Phenol-
äthern (Eugenol, Quajakol), einem Gilycosid (Salicin) und vielen
Alkaloiden, also bei Vorhandensein von Methoxy-, Methylendioxy-
und Methylimidgruppen.
Kropat?) hatte aus „Extractum ferri pomati‘ bei Oxydation mit
KMnO, und H,SO, beträchtliche Mengen von Formaldehyd erhalten,
was er auf die Oxydation der Äpfelsäure zurückführt, was aber von
Rosenthaler nicht bestätigt werden konnte. Organische Säuren und
Oxysäuren lieferten Rosenthaler keinen Formaldehyd.
Acetaldehyd und nur diesen erhielt Rosenthaler nur bei Milchsäure-
und Rhamnosebehandlung, also bei Gegenwart einer Äthoxygruppe
und einigen Äthylenimidkörpern. [Die Bildung von Acetaldehyd aus
Milchsäure wird schon methodisch zur quantitativen Milchsäure-
bestimmung verwendet#).]
Die quantitativen Ausbeuten Rosenthalers betrugen bei
Glucose . . 2. 2.2.2 .. 0,24 bis 2,5 Proz.
Galaktose. . . . .... 0,02 ,„ 0,04 ,,
Fructose . . . aaa’ 0,006 — 0,02 ,
Saccharose . . . .... 0,006 ,„, 0,05 ,
Mamnit. . . . 2.2 202. 0,04 ,„ 0,08 ,,
Glycerin . . . . 2... 9 „18 an
Entgegen Trillats®) Angaben, daß Rohrzucker bei Überhitzung
mit Wasserdampf Formaldehyd abspalte, erhielt Rosenthaler bei mehr-
1) G. Klein und O. Werner, diese Zeitschr. 168, 361, 1926.
2) L. Rosenthaler, Arch. f. Pharm. 251, 587, 1913.
3) K. Kropat, ebendaselbst 251, 90, 1913.
t) Abderhaldens Handb. d. biochem. Arbeitsmeth. 5 (2), 1256, 1912;
o. Meyerhof, Pflügers Arch. 188, 114, 1921.
H Trillat, zitiert nach Rosenthaler, Arch. f. Pharm. 251, 587, 1913.
134 G. Klein:
stündiger Wasserdampfdestillation lproz. Lösungen von Glucose,
Fructose und Saccharose mit und ohne Weinsäure keinen Formaldehyd.
Eigene Untersuchungen.
Ich war auf merkwürdige Art auf diese Aldehydabspaltung auf-
merksam geworden. Bei der Abfangung der Zwischenprodukte bei
der Nitratassimilation der höheren Pflanze!) destillierte ich einmal
zur qualitativen Prüfung auf Ammoniak eine Probe einer zucker-
haltigen (5 Proz.) Nährlösung mit Magnesia usta. Bei der Neßlerschen
Probe im Destillat trat statt der erwarteten schwachgelben Färbung
eine dicke, orangegelbe Fällung auf, die bei den verwendeten 30 ccm
Lösung unmöglich von den eventuell vorhandenen Ammoniakspuren
herrühren konnte. Da nur reduzierende Stoffe stören konnten, die
aus der Nährlösung destillierten, wurde probeweise eine Destillation
in Dimedonlösung durchgeführt, um eventuell störende Aldehyde zu
finden. Noch während der Destillation trat in der Vorlage Trübung
und dichte Ausfällung von einem feinen, weißen Nadelgeflecht ein,
das sich bei der Schmelzpunktbestimmung als Formaldomedon ent-
puppte.
Systematisch durchgeführte Untersuchungen ergaben nun folgendes:
l- bis 5proz. Lösungen reinster Glucose (Merck) in destilliertem Wasser
ergaben bei saurer ebenso wie bei neutraler und alkalischer Reaktion
im Destillat beträchtliche Mengen Formaldehyd, bei alkalischer Reaktion
am meisten. Höhere Zuckerkonzentrationen sind nicht gut verwendbar,
da sie schnell karamelisieren, Konzentrationen unter 1 Proz. spalten
erst Formaldehyd ab, bis sie durch Abdestillieren entsprechead
konzentriert geworden sind. Die Abspaltung beginnt erst, bis die
Lösung durch beginnendes Karamelisieren gelbbraun wird. Am ge-
eignetsten erwies sich für Destillation größerer Mengen ein auf den
Kolben aufgesetztes, kurzes Stutzersches Aufsatzrohr, das mit einem
Rapidkühler verbunden in eine Dimedonvorlage (Peligotsche Röhre)
mündet und oben mit graduiertem Rohre (mit Glashahn) zum Nachfüllen
von Wasser abgeschlossen ist?).
Die Abspaltung des Formaldehyds beginnt erst, wenn genügend
Wasser abgedampft, die Lösung genügend konzentriert (5- bis 10 proz.
Lösungen spalten bald nach Beginn des Siedens) und gelbbraun ge-
worden ist. Wenn die Verkohlung des gesamten Zuckers einmal so
weit gegangen ist, daß die Lösung dunkelbraun schäumt, geht kein
Formaldehyd mehr über.
1) G. Klein und J. Kisser, Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien,
math.-naturw. K1., Abt. I, 1925.
2) Q. Klein und K. Pirschle, diese Zeitschr. 168, 340, 1926.
Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 135
Die maximale Ausbeute erhält man, wenn man bis zur Gelbbraun-
färbung der Lösung abdestilliert und dann durch wiederholten Zusatz
von wenig H,O (etwa 10 bis 20 ccm) den Zucker nicht zu stark ein-
dampfen und damit verkohlen läßt. Bei Destillation von 200 ccm
einer 2proz. Lösung von reinster Glucose (Kahlbaum) konnten auf
diesem Wege 55 mg Formaldomedon = 6,1 mg Formaldehyd erhalten
werden (also etwa 0,3 Proz.), und zwar 15 mg bis zur Braunfärbung,
35 mg während des Karamelisierens und 5 mg aus der verkohlten Masse.
Es muß betont werden, daß die Formaldehydabspaltung bei saurer
(n, n/10, n/100, n/1000 H,SO,), neutraler und alkalischer Reaktion
(n, n/10, n/100, n/1000 NaOH) gelang, im allgemeinen bei alkalischer
Reaktion mit bester Ausbeute.
Verunreinigungen können nach all dem Gesagten nicht in Betracht
kommen; überdies gibt reinste Glucose (auch nach mehrmaliger Um-
scheidung) bei gleichen Versuchsbedingungen annähernd dieselben
Mengen Formaldehyd wie Rohglucose.
Für schnelles Arbeiten und zum Demonstrieren eignen sich am
besten die bei meinen Assimilationsuntersuchungen verwendete
Mikromethode (Destillation im Mikrokölbcehen mit einigen Kubik-
zentimetern Lösung in eine gekühlte Mikrovorlage mit Dimedonlösung).
In 5 bis 10 Minuten kann man das bereits während des Destillierens
sich abscheidende Formaldomedon demonstrieren.
So wie Glucose spalten auch alle anderen untersuchten Mono-
(Pentosen und Hexosen) und Disaccharide Aldehyd ab. Und zwar
Fructose, Galaktose, Maltose, Lactose, Saccharose und Arabinose
Formaldehyd, das Trisaccharid Raffinose nur Spuren Formaldehyd.
Dagegen gaben Polysaccharide wie Cellulose (aufgeschwemmte Filter-
papierfasern) relativ reichlich Formaldehyd. Ebenso geben Glykogen,
Dextrin, Amylum solubile, Kartoffelstärke, Lichenin und besonders
Inulin reichlich Aldehyd, nicht Gummi arabicum.
Die Menthylpentose Rhamnose gibt Acetaldehyd in reichlicher
Ausbeute.
Auch aus den Glykosiden läßt sich, soweit sie in der Hitze und
in neutraler Lösung schon Zucker abspalten, Aldehyd darstellen.
So gaben Salicin, Quereitrin, Coniferin, Arbutin und Phlorhidzin
Aldehyd, Äsculin in neutraler Lösung Spuren, auf Zusatz von Phosphor-
säure reichlich Formaldehyd, Hesperidin nur in saurer Lösung Form-
aldehyd; Acetaldehyd von der Rhamnose war im Mikroverfahren nur
in Spuren greifbar.
Alle Polysaccharide und Glykoside geben natürlich bei vorher-
gehender Hydrolyse oder saurer Destillation weit größere Ausbeuten
136 G. Klein:
als bei neutraler Destillation. Glycerin spaltet große Mengen eines
Aldehyds (aus 100 ccm einer lproz. Lösung 54 mg), der gleichfalls als
Formaldehyd bestimmt wurde.
Chitin und Glucosamin-HCl, also die N-haltigen Saccharide,
spalten keine Aldehyde ab.
Die fünf- und sechswertigen Alkohole spalten nichts ab, ebenso-
wenig die Oxydationsstufen der Zucker, Zucker- und Schleimsäure.
Aliphatische Säuren und ÖOxysäuren spalten nicht, nicht Amino-
säuren und zyklische Phenole. Dagegen gab @lykolsäure große Mengen
Formaldehyd.
Flüchtige oder destillierbare Aldehyde und Ketone wurden natürlich
nicht untersucht.
Eine Tabelle möge die Verhältnisse übersichtlich illustrieren. Je
0,lg wurden der Mikrodestillation unterworfen und das erhaltene
Produkt mit dem Mikroschmelzpunktsapparat bestimmt!).
Organischer Körper EM: Formaldehyd Acetsldchyd | Sonstiger Aldebyd
Glucose . . 2 2 2 2 220 0% | er — a
Fructose. e 0.0 f wei ee an
Mannose. . 2.2.22 20°... | Zë _ | —
Galaktose . . e s | xe Gs | =
Saccharose ( Glucose—Fructose) wb | Sun | nen
Laktose (Glucose—Galaktose) ' ***** eg a
Maltose (Glucose) ...... rr — —
Raffinose (Glucose-Fructose— | |
Galaktose) Es a a lee, Eé | * t = Se
Arabinose . ,, see l ERR — —
BEA ER deeg — | geg Se
E e a e E | Bech = e
Lichenin. .... aeee’ i t** = | Sg
Stärke (löslich) . . ETE ** = en
Stärke (Kartoffel)... . . - I = Sc
Agar o a Wanne | * Se , =
Gummi arabicum . ..... Ä — —_ =
Cellulose (Filterpapier) . dëi nr _ | =
Chitin e . > 18 > ọ ọ ò ò ọ o i rS — —
Glucosamin—HCl . .. ...» — za | ze
Glucosamin + KOH ....|! | = = | gr
Kirythrit i s- ee eu 8 8 2% — = SN
Mamnit . ..: 2 2 222.020. | — — —
Zuckersãure . » : 2 22 202. Se = Së
Schleimsäure. . . . . :» Get — s 2
ülni A ie e ée e NI E e | S | — u
Äsculin + H, PO, SR w ie ! EE | = | mn
1) G. Klein’ uad O. Werner, diese Zeitschr. 168, 361, 1926.
Aldehydabspaltung aus Zuckerarten. 137
Organischer Körper | Formaldehyd Acetaldehyd | Sonstiger Aldehyd
sl [išl]
BESSERE
PETEERE]
WER
|
l : Giyoxalmedon
| (Umlagerung
160-170,
| Schmelzp. etwa 220°)
|
|
RER
| | Acrolein
| (Um g
, bei 95°,
| | ı Schmelzp. etwa 120°)
*) Bemerkung: Die Acroleinverbindung mit Dimedon bildet sicb recht Greg, oxydiert sich
anscheinend in der Luft.
Die Ergebnisse zeigen klar, daß alle Zucker im ersten Stadium
der Zersetzung die freie Aldehydgruppe in Form von Formaldehyd
wieder abspalten, nur die Methylpentose spaltet ihrer Konfiguration
entsprechend Acetaldehyd. Dasselbe gilt für die aus Monosen zu-
sammengesetzten Polyosen und Polysaccharide, ebenso für die Glyko-
side. Die letzteren geben die Aldehyde, die ihren Zuckern entsprechen,
alle aber nach Maß der Abspaltung beim Kochen.
Alle anderen untersuchten Substanzen der verschiedenen Körper-
klassen, mit Ausnahme von Glykolsäure und Glycerin, spalten diese
beiden Aldehyde nicht ab. Daneben können noch aus manchen Stoffen
verschiedene andere Aldehyde bei vollständiger Zersetzung entstehen,
wie das längst bekannte Acrolein aus Glycerin.
Ob bei den Körpern mit irgenwie gebundenen Monosacchariden
der Aldehyd schon aus dem Molekül in Bindung oder erst beim Frei-
werden der Zucker durch Kochen auftritt, läßt sich so nicht entscheiden.
Die leichte Abspaltbarkeit von Formaldehyd aus Zuckern, deren
Genese aller Wahrscheinlichkeit nach vom Formaldehyd ausgeht, ist
von theoretischem und für das Destillationsverfahren aus organischen
Lösungen und Organextrakten auch von methodischem Interesse.
138 G. Klein: Aldehydabspaltung aus Zuckerarten.
Zusammenfassung.
Es wurde gefunden, daß Zucker (Aldosen und Ketosen) bei
Destillation in reinem destillierten Wasser Aldehyd abspalten, der bei
allen untersuchten Pentosen und Hexosen als Formaldehyd, bei der
Methylpentose Rhamnose als Acetaldehyd bestimmt wurde.
Auch die Polysaccharide und Glykoside spalten die Aldehyde,
die ihren Zuckern entsprechen, viel mehr nach Hydrolyse als beim
Kochen in destilliertem Wasser. Die Spaltung geht bei saurer, neutraler
und alkalischer Reaktion gleichsinnig vor sich.
Die erhaltenen Mengen entsprechen keinem stöchiometrischen
Verhältnis.
Alle anderen untersuchten Stoffe spalten diese Aldehyde nicht ab.
Nur Glykolsäure und Glycerin spalten reichlich Formaldehyd ab.
Von Acrolein und Glyoxal wurde das Dimedonprodukt bestimmt.
Versuche
über den Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse.
Von
B. Lustig.
(Aus dem chemischen Laboratorium „Rudolfsspital‘“ in Wien.)
(Eingegangen am 19. Dezember 1925.)
Mit 1 Abbildung im Text.
Bei dem usuellen Studium der Fermenteinwirkung auf Eiweiß-
körper wird keine Rücksicht darauf genommen, ob die gefundenen
Veränderungen nicht sekundärer Natur sind. Insbesondere bestehen
über die ersten Abbauprodukte!) Unklarheiten, die sich teilweise durch
nichtaseptisches Arbeiten, Hemmung der weiteren Spaltung durch
die Abbauprodukte erklären lassen. Es schien uns von Interesse zu
sein, einmal den Eiweißabbau in Nachahmung der Vorgänge im
Organismus so vorzunehmen, daß das Material nach dem Versetzen
mit dem entsprechenden Ferment in einem Dialysierbeutel der Dialyse
bei 37 bis 38° C (in einem Trockenschrank) unterworfen, das als Dialysat-
wasser dienende, auf 38°C vorgewärmte, destillierte Wasser öfters
gewechselt wird und hierbei die Reihenfolge und die Stärke des Abbaues
der einzelnen Stoffe sowie die Umstände, die die Abbaustärke beein-
flussen können, festgestellt werden. Mit Rücksicht auf die geringen
Mengenverhältnisse, die der Versuch erlaubte, mußte sich unser Vor-
gehen darauf beschränken, im Dialysat in möglichst rascher Auf-
einanderfolge möglichst quantitativ wenigstens eine Reihe bekannter
Stoffe nachzuweisen. Untersucht wurde auf folgende Stoffe und
Reaktionen (die Zahlen beziehen sich auf die Gesamtmenge des
Dialysats):
1. Stickstoffgehalt quantitativ nach Kjeldahl.
2. Ammoniak kolorimetrisch durch Versetzen der Lösung mit
Kalilauge und Nessler und Vergleichen mit Lösungen von bekanntem
Ammoniakgehalt.
1) Fischer-Abderhalden, Zeitschr. f phys. Chem. 89, 81; 40, 215, 1903;
wo en Beitr. 1, 501, 1902; Levene, Zeitschr. f. phys. Chem.
140 B. Lustig:
3. Aminogruppen quantitativ nach Sörensen.
4. Tryptophan quantitativ nach Komm- Börinyer!); 5ccm der zu
untersuchenden Lösung werden mit 5ccm einer l5proz. Salzsäure
(welche auf 500 eem 6ccm einer 0,1l proz. Formaldehydlösung enthält)
versetzt, dann 10 ccm konzentrierter Schwefelsäure langsam zugegeben.
Nach dem Abkühlen der Mischung entsteht, bei Anwesenheit von
Tryptophan, ein 24 Stunden konstanter, violettroter Farbton. Der
Tryptophangehalt wird kolorimetrisch gegenüber einer Lösung von
bekanntem Tryptophangehalt bestimmt. Zur Kontrolle wurden eine
Reihe Bestimmungen auch nach Fürth-Lieben mit Hilfe der Voisene-
schen Reaktion ausgeführt. Diese ergab fast gleiche Werte (bis 4 Proz.
Differenz).
5. Tyrosin wurde quantitativ nach M. Weiss?) mittels der Millon-
schen Reaktion bestimmt. Die Ausführung ist folgende: 3 ccm der zu
untersuchenden Lösung werden mit 2ccm einer 10proz. Quecksilber-
oxydsulfatlösung in proz. Schwefelsäure und drei Tropten einer
Y,proz. Natriumnitritlösung versetzt und bei ganz schwacher Flamme
(Spiritusflamme) bis zum Sieden aufgekocht. Nach 5 Minuten ist die
größte Farbtonintensität vorhanden. Als Vergleichslösung wird eine
Tyrosinlösung in der Verdünnung 1:50000 verwendet. Im Falle der
Farbton der untersuchten Substanz viel stärker ist als der der Ver-
gleichslösung, so muß die Lösung entsprechend verdünnt und der
Versuch wiederholt werden, da der Farbton nur in dieser Konzen-
tration quaatıtativ sein soll. Nach unseren Untersuchungen ist die
Fehlergrenze dieser Bestimmungsmethode auch bei genauer Einhaltung
der Versuchsbedingungen relativ groß.
6. Xanthoproteinreaktion. Wir haben diese Bestimmung in der
Weise ausgeführt, daß gleiche Mengen (l ccm) der zu untersuchenden
Lösung immer mit der gleichen Menge (2 ccm) konzentrierter Salpeter-
säure und nach dem Erhitzen (10 Minuten am Wasserbad) mit 5 cem
Ammoniak versetzt wurden. Der entstandene Farbton wurde mit
der Xanthoproteinreaktion einer Albuminlösung von bekanntem Stick-
stoffgehalt verglichen. Die Xanthoproteinreaktion der Albuminlösung
wurde in der gleichen Weise ausgeführt. Die angegebenen Zahlen be-
ziehen sich auf Kubikzentimeter der Albuminlösung (Stickstoffgehalt
pro 1l cem 0,0019 g N), welche der Stärke der Reaktion entsprechen.
7. Molischs Reaktion auf Kohlehydrate (mit a-Naphthol und
konzentrierter Schwefelsäure).
8. Histidin quantitativ nach H. Brunswick’). Die zu unter-
suchende Substanz wird mit konzentrierter Salpetersäure erhitzt,
1) Zeitschr. f. phys. Chem. 124, 382, 1923.
2) Diese Zeitschr. 97, 170, 1919.
7 Zeitschr. f. phys. Chem. 127, 268, 1923.
Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 141
dann mit festem Natriumcarbonat neutralisiert und im Überschuß
versetzt und mit frisch hergestelltem Diazoreagens nach Pauli!) auf
Rotfärbung untersucht. Sonstige Reaktion gebende Stoffe (wie
Tyrosin, Tryptophan) sind durch Nitrierung mit Salpetersäure
(Xanthoproteinreaktion) und nachheriges Behandeln mit Ammoniak
unwirksam gemacht.
9. Chinonreaktion auf Aminosäuren.
10. Schwefelbleireaktion.
11. Biuretreaktion.
12. Gerbsäurefällung in essigsaurer Lösung.
13. Phosphorwolframsäurefällung in salzsaurer Lösung.
Um gleichzeitig zu sehen, ob verschiedene Eiweißstoffe bei gleicher
Versuchsanordnung gleiche Erscheinungen zeigen oder etwaige Unter-
schiede gegeneinander, schritten wir an die gleichzeitige Untersuchung
von Serumalbumin, Serumglobulin und Casein. Das Albumin und
Globulin wurden mit Ammonsulfat zweimal gefällt und 14 bis 20 Tage
gegen fließendes Wasser dialysiert. Das Casein wurde vor der Ver-
wendung in Sodalösung gelöst und 24 Stunden dialysiert. Die ver-
wendete Trypsinlösung wurde zwecks Reinigung mit der sechsfachen
Alkoholmenge gefällt, schnell filtriert und mit Alkoholäther nach-
gewaschen. Der Stickstoffgehalt für einen Versuch betrug:
bei Casein . . . 2... 0,3607 g Stickstoff
„ Albumin . ..... 0,1328 g ee
» Globulin . ..... 0,1374 g 5
vn Trypin....... 0,0325 g ge
Albumin und Globulin wurden vor der Verwendung der Hitze-
koagulation unterworfen. Die Dialysate wurden siebenmal je 1 Stunde
gewechselt. (Stickstoffgehalt, Ammoniak, Tryptophangehalt, Tyrosin-
gehalt, Aminogruppen siehe Tabelle Ia und Xanthoproteinreaktion,
Biuretreaktion, Gerbsäurefällung, Phosphorwolframsäurefällung, Chinon-
reaktion siehe Tabelle Ib.)
Tabelle Ia*).
Verdauungsversuche mit Trypsin.
Daya 1 2 | o| a| s| 6| comme
1. Stickstoffgehalt mg. `
l. Albumin . . . . 4,11 | 4,50 | 9,20 | 6,20 | 5,40| 7,1 | 5,2 | 0,0407 g N
2. Globulin 45 | 7,6 i 84 |45 |43 |60 | 37 | 0,0390 gN
3. Casein ..... 4,2 |224 125,0 26,1 123,5 jl14,2 |12,5 | 0,1279gN
+4. Trypsin (allein) . |08 | 1,2 |10 |1,1 | 0,9 | 1,0 | 0,6 | 0,0066 gN
°) Die Resultate der Versuche I—VI sind in Tafel I graphisch dargestellt.
1) Zeitschr. f. phys. Chem. 142, 508, 1904.
142 B. Lustig:
Tabelle Ia. (Fortsetzung).
Dielysat ` 1 | 2 | 3 | 4 | 5 E 7 Gesamtmenge
2. Ammoniakgehalt in mg N.
L Albumin .. .. [0,12 ) 0,15 | 0,32) 0,2 | 0,18] 0,23] 0,2 | 14 mg N
2. Globulin 0,08 | 0,25| 0,2 | 0,25| 0,2 | 0,28; 0,18] 134 „ N
3. Casein ..... 0,24 | 0,78: 0,86 | 0,97 | 0,22) 0,25 02 | 332 „N
4. Trypsin (allein) . || 0,06 | 0,08 | 0,06| 0,06 | 0,03 , 0,10, 0,06| 045 „ N
3. Trypthophangehalt in mg.
1. Albumin .. df da CR 22 18112 08 |13 | 7,3 mg Trypt
2. Globulin .... g 18 '23 |12 |16 |12 | 87, ,
3. Casein ..... 40 ' 1,2 | 1,8 | 29 |32 |l61l, „
4. Trypsin (allein) . ES negativ
4. Aminogruppen nach Sörensen ccm n/lO KOH.
1. Albumin .... ||14 !33 |44 | 23 | 33 | 3,1 | 23 |20,1ccemn/lO
2. Globulin . . . . |24 !39 |56 | 23 | 38 | 29 | 4,3 |302 „r/loO
3. Casein ..... 51 157 |75 | 5,2 | 6,5 | 42 | 2,8 |370 „ n/l0
4. Trypsin (allein) . |06 | 1,1 | 0,7 |1, |; 12 |1,2 |07 | 64 „n/lO
5. Tyrosingehalt in mg.
l, Albumin .. .. |0, |08 |15 |15 | 2,5 ! 22 | 1,5 | 10,3 mgTyrosin
2. Globulin 01 |08 |12 20 |18 115 !30 |104, ,
3. Casein ..... 0,8 | 1,8 | 2,8 | 36 | 25 |42 | 28 |185, „
4. Trypsin (allein) . | negativ
*) g.s. = ganz schwach.
Tabelle Ih.
Verdauungsversuche mit Trypsin.
Dialysat | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | a
6. Xanthoproteinreaktion in ccm Albuminlösung.
1, Albumin . . . [15 2,4 1,3 1,5 2,8 24 1,5 |13,4ccm
2. Globulin . . . | 0,9 1,8 3,2 2,4 2,5 1,5 24 |147 ,
3. Casein . . . . | 32 7,5 60 48 45 75 45 375 A
4. Trypsin (allein) |, schwache, quantitativ nicht meßbare Reaktion
7. Biuretreaktion.
1. Albumin . . . | — — — + + + +
2. Globulin . . . | — — — — + + A
3. Casein . . — + +++ ++i + 4 >
4. Trypsin (allein) — — — — — — —
8. Gerbsäurefällung.
1. Albumin . . . | — — | — — |gs] + gs9) + gs.
2. Globulin . . . |; — = — — |+gs |+gs. | -+ g.s.
3. Casein .. SC T Sean F + T zg
4. Trypsin (allein) |— — — — — — —
9. Chinonreaktion.
l. Albumin . . . || +] + Pree EEE
2. Globulin . . . || + + Tr SE +
3. Casein . . . . ++ E Fre a ir IFT tt Ba Ges
4. Trypsin (allein) | — | +g |. |+ g.s. + g. s.|+ g.s. + g.8.|+ g.s
°) g. s. = ganz schwach.
Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 143
Tabelle Ib. (Fortsetzung).
mer ee zm = mS
i Gesamt»
Kr | il: E o 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | menge
10. Phosphorwolframsäure.
l. Albumin f | — — | — — |+ g.s.|+ g. 8.
2. Globulin ii — — |+gs+gs + +
3. Casein ... — +g.s.| ++' + ++! +
4. Trypsin (allein) : — , — — | — er Se 4
ll. Die Schwefelbleireaktion war in allen Dialysaten negativ, in
den Verdauungsrückständen schwach positiv.
12. Histidin war besonders bei Casein stark positiv, bei Albumin
von der ersten, bei Globulin von der zweiten Fraktion ganz schwach
positiv, bei Trypsin negativ.
13. Molischs Reaktion war bei Globulin von der zweiten Fraktion
an, bei Albumin von der ersten Fraktion an positiv. Bei Casein negativ.
Die Versuche, bei denen am stärksten Casein (33,2 Proz.), gegen-
über Albumin (23,2 Proz.) und Globulin (23,2 Proz.) abgebaut wurden,
ergaben eine Reihe Unterschiede gegenüber den gewöhnlichen Ver-
dauungsversuchen ohne Dialyse. Es zeigte sich ein späteres Hervor-
treten der die Biuretreaktion und Gerbsäurefällung gebenden Stoffe, am
wenigsten noch bei Casein. Auch die mit Phosphorwolframsäure fäll-
baren Stoffe erschienen später, sie waren bei Casein von der zweiten
Stunde an, bei Globulin von der vierten Stunde an sehr schwach positiv,
bei Albumin nur in den letzten zwei Stunden kaum nachweisbar. Im
Gegensatz dazu steht das sofortige Erscheinen der freien Aminogruppen
und der die Chinonreaktion gebenden Stoffe. Auffallend ist das Fehlen
der Schwefelbleireaktion in den Dislysaten. Histidin war entsprechend
dem hohen Histidingehalt des Caseins bei diesem besonders stark, bei
Globulin von der zweiten Stunde an und bei Albumin von Anfang an,
aber sehr schwach nachweisbar. Gering war im Verhältnis zu der Menge
des verwendeten Materials und der Stärke der Chinonreaktion die
Menge der freien Aminogruppen bei Casein gegenüber dem Albumin
und Globulin.
Um das Vorhandensein von Peptonen in der ersten Abbaustunde
zu kontrollieren, führten wir folgende Versuche aus:
50 ccm Globulinlösung (N 0,1374) wurden der Hitzekoagulation
unterworfen, mit Trypsinlösung versetzt und durch 15 Minuten bei 38°C
dialysiert, dann zwecks Verhinderung einer weiteren Trypsinwirkung
auf 100°C erhitzt. Das Filtrat des Verdauungsrückstandes wurde mit
Essigsäure angesäuert mit Kochsalz in der Hitze gesättigt und heiß
filtriert. Das Filtrat zeigte nach dem Abkühlen keinerlei Trübung, was
(q1 pun sò oppaqeL nz) | 'qqy
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uung y
Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 145
auf das Fehlen von Albumosen schließen läßt, gab die Biuretreaktion
und beim Versetzen mit Gerbsäure eine deutliche Trübung. Das Dialysat
gab mit Biuret und Gerbsäure keine Reaktion. Es zeigte sich bei diesem
Versuch, daß zwar Peptone beim Abbau erzeugt werden, doch sind diese,
da die Dialysate des Globulins die Biuretreaktion erst von der vierten
Stunde an geben, wohl schwer dialysabel.
Es schien uns weiter von Interesse zu sein, die in ihren Arbeiten
durch Bizzaro!), Roseo?) und Abderhalden?) über die stärkere Verdauung
des koagulierten gegenüber dem nichtkoagulierten Eiweiß gemachten
Wahrnehmungen zu untersuchen, da die Angaben ganz allgemeiner
Natur sind und nicht näher auf das Wesen des Vorganges eingehen.
Auch kann das etwaige Vorhandensein von Antitrypsin den Unterschied
allein nicht erklären. Es wurde Pseudoglobulin in folgender Weise
untersucht.
Gleiche Mengen der Eiweißlösung, von der ein Teil möglichst fein-
flockig auskoaguliert wurde, wurden mit der gleichen Menge einer
wirksamen, aber verdünnten Trypsinlösung versetzt und bei 38°C
dialysiert. Die Trypsinlösung wurde vor der Verwendung 24 Stunden
gegen fließendes Wasser dialysiert, um es nach Möglichkeit von den
Abbauprodukten zu befreien. Der Stickstoffgehalt für einen Eiweiß-
versuch betrug: 0,5124g N. Der Stickstoffgehalt der ersten Trypsin-
lösung betrug: 0,0734 g N. Der Stickstoffgehalt für den zweiten Trypsin-
zusatz betrug: 0,1282 g N.
Die Dialysate wurden zuerst achtmal nach je 1 Stunde gewechselt,
dann siebenmal nach je 3 Stunden. Nach der 15. Fraktion wurde die
Lösung mit einer frischen Trypsinlösung versetzt und dreimal je 1 Stunde
dialysiert (Fraktion 16 bis 18).
Die Versuche ergaben folgende Resultate (Tabelle II):
7. Molischa Reaktion war in den Dialysaten der koagulierten
Fraktion von der zweiten Stunde an positiv. Bei den nichtkoagulierten
ebenfalls, nur etwas schwächer. In den Dialysaten des Trypsins nur
in den Fraktionen 16 bis 18 ganz schwach positiv.
8. Histidin war in allen Dialysaten des koagulierten und nicht-
koagulierten Pseudoglobulins ganz schwach positiv. Bei den Trypsin-
dialysaten nur in den Fraktionen 16 bis 18.
9. Chinonreaktion war in allen Dialysaten positiv.
10. Die Schwefelbleireaktion war in allen Dialysaten negativ, nur
in den Verdauungsrückständen schwach positiv.
1) Journ. of phys. 46, 267, 1917.
2) Arch. di Fisiol. Journ. 10, 559, 1912.
3) Zeitschr. f. phys. Chem. 181, 1912.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 10
146 B. Lustig:
Tabelle .
Dialysat [i | 2 | 3 | 4 | Se | 7 | 8 |
L Stick:
Kosguliert . . . . . 160 |15,0 |20,0 '10,5 |130 |125 |145 |11,5 3
Nichtkoaguliert . . . „100 |114 |162 ! 95 | 85 | 65 85 | 86 |2
Trypsinlösung ' $ 30 | 25 | 21 | 20 | r6 | 15 | 25 | r5
II. Ammo
Koaguliert . . . . . | 0,51] 025| 0,25] 0,20] 0,20] 0,21] 0,16] 0,07)
Nichtkoaguliert. . . || 0,35 | 0,30 | 0,28 | 0,15| 0,16 | 0,16, 0,12] 0,17)
inlösung ... | 010| 010| 012| 012| 010; 008| 00| 013|
Ill. Trypto
Koaguliert - . . . . | 44 | 28 | 27 | 32 | 25 | 29 | 27 | 28
Nichtkoaguliert.. . . 16 | 30 | 25 | 26 | 17 | 20 | 21 | 11
Trypsinlösung . ..
TV. Ty
Koaguliert . . ... | 10 | 28 | 30 | 30 | 20 | 42 | 39 ; 32
Nichtkoaguliert . . . | o7 | 30 | 25 | 26 | 17 | 25 | 32 ai
Trypsinlösung negativ
V. Freie Aminogruppen
Koaguliert . . . . 60 | 8,0 |24,9 ;14,6 |20,6 |182 |121 |10,2 1
Nichtkoaguliert 50 | 48 |127 |152 |128 |132 |106 | 8,4 1
Trypsinlösung op ` 05 15 | 22 | 18 | 15 | 21; rl)
VI. Xanthoproteinreal
Koaguliert . . . .. 35 | 15 | 35 | 60 |120 |140 |150 |100 |;
Nichtkoaguliert. . . | 21 | 20 | 35 | 25 | 50 |118 | 60 2
Trypsinlösung ..... | 10 | op . o8 | 06 | 10 : 12 06 | 05
11. Die Biuretreaktion war beim auskoagulierten Eiweiß von der
dritten Stunde an ganz schwach positiv, beim nichtauskoagulierten von
der fünften Stunde an. In den Trypsindialysaten 1 bis 15 war sie negativ,
in den Dialysaten 16 bis 18 ganz schwach positiv.
12. Gerbsäure gab bei den auskoagulierten Dialysaten von der
dritten Stunde an, bei den nichtauskoagulierten von der vierten Fraktion
an ganz schwache Trübungen. Im Falle wir eine größere Menge des die
Reaktion gebenden Dialysats mit Essigsäure und Gerbsäure versetzten,
nach einer halben Stunde filtrierten und den Rückstand in ein paar
Tropfen Kalilauge lösten, so gab das Filtrat nach dem Versetzen
mit CaCl, (zwecks Ausfällung der Gerbsäure) eine schwache Biuret-
reaktion. Bei den Dialysaten der Trypsinlösung negativ.
13. Phosphorwolframsäure war in den Dialysaten 1 bis 3 sowohl
des koagulierten wie nichtkoagulierten Pseudoglobulins negativ. In
den Dialysaten 4 bis 15 schwach positiv, in den Dialysaten 16 bis 18
gab sie schwache stickstoffhaltige Fällungen. In den Dialysaten des
Trypsins mit Ausnahme der Fraktion 16bis18 (ganz schwache Trübungen))
negativ. Die Versuche mit Pseudoglobulin ergaben, daß beim koagulierten
Eiweißabbau mit Trypsin unter gleichzeitiger Dialyse. 147
njena || si sim || Gesamtmenge 1—18
in mg.
115 |175 |14,0 |13,5 '14,2 |45,0 |66,0 |323 | 0,3750gN (57 Proz.)
150 |150 |12,5 | 9,5 |12,7 |36,5 |55,0 |28,0 | 0,2815gN (39,1 Proz.)
e 25| 22 |18 | 20 | 18 |170 |ı65 |170 | 0,08108N
mmg N.
017. 0,07 0,12| 0,16] 0,15| 1,16| 0,92' 0,75] 5,65mgN
012. 0,12! 0,15] 0,16] 0,14| 117| 0,86| 0,69) 65390 „N
o8| 007| 0.06| 0005| 003| 023! 046| 039| 117? N
B in mg.
| 4l | 52 | 43 3,8 | 3,1 | 10,4 | 102 10,6 | 88,4 mg Tryptophan
A 38 | 1,8 | 29 | 23 , 98 | 10,1 | 89 | 088 „ k
negativ | 1,2 1,9 1,0 41 „ 8
in mg.
30 | 25 | 30 | 21 | 28 | 56 | 38 | 3,9 ` 65,6 mg Tyrosin
35 ' 14 | 31 | 23 | 22 | 49 | 25 | 43 | 51, `,
negativ 1,2 0,8 1,0 30 , e
in ccm n/l0O KOH.
60 160 , 80 |112 | 85 !41,0 |370 !285 |287,0 cem n/lO
A 62 60 | 70 | 65 | 387 |252 | 258 |2230 „ n/l0
05:07:08 | 08 | 06 | 45 | 32 | 35 | 270 „ n/lo
Albuminlösung.
20 '100 |12,0 |122 | 60 36,0 |270 |24,0 |257,4 ccm
142185 | 82 | 50 | 52 !280 |21,0 170 |1781 „
35 2,4 2,8 2,1 1,5 | 4,7 4,5 | 2,6 ) n
Eiweiß eine viel stärkere Verdauung dem Stickstoffgehalte nach eintritt
(57 Proz.) als beim nichtkoagulierten (39,1 Proz.), nach Abzug der in
den Trypsindialysaten vorhandenen Stickstoffmenge.. Am geringsten
waren die Unterschiede beim Ammoniak, am stärksten bei den die Xantho-
proteinreaktion gebenden Stoffen. Was die Unterschiede gegenüber
den Verdauungsversuchen ohne Dialyse anbetrifft, so zeigte sich auch
hier, daß die die Biuretreaktion und Gerbsäurefällung gebenden Stoffe
erst später und in geringen, kaum nachweisbaren Mengen eıscheinen,
früher jedoch bei der koagulierten Fraktion. Die schwefelhaltigen
Bausteine konnten nur in den Verdauungsrückständen nachgewiesen
werden. Histidin war, wenn auch sehr schwach, in allen Dialysaten früh
nschweisbar. Die Diaminosäuren und die anderen mit Phosphorwolfram-
sure fällbaren Stoffe waren erst von der vierten Stunde an nachweisbar.
Zusammenfassend können wir sagen, daß der Tryps'nabbau unter
gleichzeitiger fraktionierter Dialyse uns folgendes gezeigt hat:
l. Der Trypsinabbau bringt sofort (primär) einen Abbau von
Aminosäuren in größerer Menge hervor.
10 *
148 B. Lustig: Eiweißabbau mit Trypein unter gleichzeitiger Dialyse.
2. Frühzeitiger Nachweis geringer Histidinmengen bei Serum-
Albumin und Serum-Globulin.
3. Verbleiben' der schwefelhaltigen Bausteine in den Verdauungs-
rückständen.
4. Unterschiede im Gehalt freier Aminogruppen zwischen Casein
und Albumin in den Dialysaten.
5. Späteres Hervortreten der Molischreaktion bei Globulinen.
6. Relativ spätes Auftauchen von Peptonen, Albumosen, Diamino-
3äuren und anderen durch Phosphorwolframsäure fällbaren Stoffen in
den Dialysaten (besonders bei Albumin).
Zum Schluß sei mir gestattet, Herrn Prof. Dr. E. Freund, der
mich bei der Ausführung dieser Arbeit auf das wärmste unterstützt
hat, meinen Dank auszusprechen.
Über die Beteiligung des Pyrrols am Aufbau des Melanins.
Erwiderung auf den Aufsatz „„Pigmentstudien“ von Br. Bloch und F. Schaaf
in dieser Zeitschrift Bd. 162, Heft 8/6, 1925.
Von
P. Rondoni.
(Institut für allgemeine Pathologie der Universität zu Mailand.)
(Eingegangen am 19. Dezember 1925.)
In einer vor kurzem erschienenen Arbeit suchen Br. Bloch und Schaaf
neue Beweise für die Auffassung zu bringen, daß Brenzcatechinderivate
am Aufbau der natürlichen Melanine beteiligt sind, eine Annahme, die
Bloch selbst eigentlich als eine Arbeitshypothese betrachten will, und die
besonders auf dem Parallelismus zwischen Dopareaktion und Befähigung
der Zellen zur Pigmentbildung beruht. Ich kann mich nicht auf eine aus-
führliche Kritik der Blochschen, wohl interessanten Ergebnisse und Über-
legungen einlassen; ich möchte aber einige Bunkte hervorheben, die sich
besonders auf die durch Block und Schaaf ausgeübte Kritik der Befunde
von Angeli, Saccardi, Gallerani, Quattrini und von mir beziehen.
Bloch und Schaaf sagen (S. 184), daß die Fichtenspanreaktion die
Teilnahme des Pyrrolkerns am Aufbau des Melanins nicht beweisen soll,
und daß bei Positivität dieser Pyrrolreaktion der Pyrrolring gar nicht im
Melanogen, auch nicht im fertigen Melanin selbst vorhanden zu sein braucht,
denn er kann erst während der Probe infolge der Erhitzung entstehen.
Nun wissen wir sehr gut, daß eine RingschließBung während einer starken
Erhitzung unter reduzierenden Reaktionsbedingungen (z. B. Erhitzung mit
Zinkstaub), d. h. unter Bedingungen, die einer Synthese günstig sind, statt-
finden kann; in diesem Falle dürfte wohl dem Erscheinen einer Fichten-
spanreaktion keine Bedeutung für den wirklichen Inhalt des erhitzten
Stoffes an Pyrrolringen beigemessen werden. So hat Neuberg (Beitr. z.
wissensch. Med. u. Chem., Festschrift für E. Salkowski. Berlin 1904) nach-
gewiesen, daß die meisten Aminosäuren, allein oder besser mit Zinkstaub
erhitzt, diese Pyrrolreaktion geben, eben weil der Pyrrolring aus offenen
N- und C-Ketten durch Ringschließung entsteht. Es wurde aber durch
Angeli und Pieroni (Atti R. Accad. d. Lincei 80, 241, 1921, 1. Sem.) wohl
auseinandergesetzt, daß, wenn man die Erhitzung der zu prüfenden Sub-
stanz unter oxydierenden Bedingungen, z. B. in Gegenwart von Kali,
ausführt, eine positive Pyrrolreaktion nicht mit beliebigen N-haltigen
organischen Stoffen zustande kommt, sondern nur mit Pyrrol- oder Indol-
ring enthaltenden Stoffen: es wäre ja unverständlich, daß unter solchen
150 P. Rondoni:
Bedingungen (wie die Schmelze mit Kali), die einem Abbau günstig
sind, eine synthetische Reaktion wie die Pyrrolbildung stattfinden könnte,
In einer Arbeit, die Bloch und. Schaaf wahrscheinlich nicht kennen
(denn sie zitieren nur eine vorangehende Arbeit aus Sperimentale 74, 1920),
und die im Sperimentale 75, 1921, erschien, habe ich wohl meine Auf-
merksamkeit darauf gelenkt und deutlich gesagt, daß nicht alle pyrogenen
Reaktionen gleichzusetzen sind, daß man diejenigen, die mit einer Re-
duktion einhergehen und der Synthese günstig sind, von denjenigen streng
zu unterscheiden sind, die mit einer Oxydation einhergehen und eine Zer-
setzung einleiten. Nur der positive Pyrrolbefund bei oxydierender Heiß-
behandlung eines gegebenen Stoffes darf als gültig für die Annahme prä.
formierter Pyrrolringe betrachtet werden. Die von uns untersuchten
Melanine (z. B. das von mir in der zitierten Arbeit studierte Tintenfisch-
melanin) und auch ein von Salkowski (Virehows Arch. 227, II, S. 121, 1920)
studiertes, aus einer melanotischen Geschwulst stammendes Melanin gaben
die Fichtenspanreaktion bei der Schmelze mit Kali: sie dürfen also als
Pyrrol- oder Indolring enthaltende Stoffe betrachtet werden. Ich stimme
mit Bloch und Schaaf überein, daß die Kenntnis der Bildung von dunklen
Pigmenten aus farblosen Vorstufen ein sehr interessantes physikalisch-
chemisches Problem darstellt; ich möchte aber der von den Verfassern
gemachten Aufzählung (S. 187) der diesbezüglichen Untersuchungen die
langjährigen und gründlichen Arbeiten von A. Angeli über Pyrrolschwarz
zusetzen (die meisten wurden in den „Atti d. R. Accad. d. Lincei‘‘ ver-
öffentlicht und sind den reinen Chemikern wohlbekannt). Die vorsichtige
Oxydation des Pyrrols führt nämlich zur Bildung eines schwarzen Stoffes,
der den Namen von künstlichem Melanin nicht weniger als andere Produkte
aus Tyrosin oder aus Dopa verdient. Wenn man die Oxydation des Pyrrols
mit Chromsäure unternimmt, hat der Vorgang eine große Ähnlichkeit
mit dem Oxydationsvorgang des Anilins: Wie aus Anilin Anilinschwarz
und dann Chinon entstehen,®o bekommt man aus Pyrrol erstens Pyrrol-
schwarz und dann Maleinimid, d. h. einen Körper, der ebenfalls zwei CO-
Gruppen im Ringe enthält. Nun sind diese schwarzen Kondensations-
und Oxydationsprodukte des Pyrrols in ihrer elementaren Konstitution
den natürlichen Melaninen sehr ähnlich, wie Angeli und seine Mitarbeiter
stets betont haben; ihr Gehalt an N ist sogar viel konstanter als der-
jenige der von Bloch und Schaaf aus Dopa hergestellten Pigmente. Auch
die Eigenschaften des Pyrrolschwarz stehen den Eigenschaften der natür-
lichen Melanine viel näher als diejenigen des aus Dopa hergestellten Körpers;
so ist dieser nach Bloch und Schaaf (S. 190) schwer löslich in kaltem Wasser,
etwas leichter in heißem, wenig löslich in Alkohol, gut löslich in Säuren;
indem die schwarzen Pyrrolderivate von Angeli viel widerstandsfähiger
allen Lösungsmitteln gegenüber sind und nur durch Alkalien gelöst werden
können, stehen sie in großer und nicht zu vernachlässigender Analogie
mit den natürlichen Melaninen.
In meiner oben zitierten Arbeit habe ich auch die Bedeutung kolloidaler
Momente für die Pyrroloxydation berührt: Es scheint, daß dieser Vorgang
ebenso wie die Oxydation des 3, 4-Dioxyphenylalanins mit dem py-Wert
und mit dem kolloidalen Zustande des Mediums in Zusammenhang steht.
Wir sind aber eher zu der Annahme geneigt, daß besondere enzymatische
Kräfte bei der raschen Schwarzbildung im Tierkörper am Werke sind.
Wir haben nämlich gesehen, daß Haut-, Tintendrüse- (des Tintenfisches),
Geschwulstextrakte Pyrrol in vitro zu schwärzen vermögen en,
Beteiligung des Pyrrols am Aufbau des Melanins. 151
Rondoni, Brancati), und daß die Injektion in vivo von Pyrrolverbindungen
pigmentierte Flecken auf der Haut von Kaninchen (nicht aber von albi-
notischen Kaninchen, wo vielleicht gewisse enzymatische Kräfte fehlen)
und, wie D’Agata nachwies, in der Masse einer Geschwulst hervorruft.
Die das beste Resultat gebenden Pyrrolderivate waren bis jetzt das Na-Salz
der a-Pyrrolcarbonsäure (Rondoni, Qualirini), ein a, a-Dimethylpyrrol,
ein Methylpyrrylketon (Califano). Wenn wir also einem Paralleliemus
im Verhalten in vitro und in vivo eine Bedeutung beimessen sollen, dann
dürfen wir als auffallend diese Befähigung des Pyrrols und einiger Pyrrol-
derivate zur Schwarzbildung a) in vitro durch die Einwirkung gelinder,
wohlbekannter Oxydationsmittel, b) in vitro durch gewisse Organextrakte,
ol in vivo in verschiedenen Geweben der Tiere und des Menschen finden.
Wer einmal das Wachstum von dunklen Haarbüscheln auf der Haut eines
grauen Kaninchens nach subkutaner Impfung von Natronsalzen der
a-Pyrrolcarbonsäure gesehen hat, wird niemals das Phänomen als neben-
sächlich beurteilen, obwohl sicherlich mehrere Möglichkeiten diskutiert
werden könnten und jeder Simplizismus der Erklärung vermieden werden
sollte.
Es sei auch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß beide,
Pyrrolschwarz und natürliches Melanin, in der Kälte mit sehr verdünnter
Permanganatlösung oxydiert, farblose Flüssigkeiten geben, die einen
reichen Gehalt an Oxalsäure und Pyrrolcarbonsäuren aufweisen (Angeli);
auch hier haben wir es mit einem typischen Zersetzungsvorgang zu tun,
aus dem Pyrrolderivate hervorgehen, die in der experimentellen Pigmento-
genese am besten Verwendung gefunden haben.
Einen übrigens sehr schwierigen Punkt möchte ich nun am Ende
hervorheben: Die Injektion von Pyrrol und von gewissen Pyrrolverbin-
dungen ruft im Harn das Erscheinen all jener Reaktionen hervor, die
wir bei an melanotischen Geschwülsten leidenden Patienten finden:
Schwärzung durch gelinde Oxydation, Komplexbildung mit Diazoverbin-
dungen (und daraus Niederschlagsbildung oder Farbumschläge), Thor-
mählensche Reaktion. Dasselbe Verhalten des Harns beobachtet man,
wenn man natürliche Melanine oder Pyrrolschwar.. injiziert. Etwas scheint
also auf die Beteiligung von Pyrrolkörpern an der Entstehung der so-
genannten Melanurie hinzudeuten.
Wenn wir bedenken, daß die Farbstoffbildung aus Tyrosin, aus
Adrenalin, aus Dioxyphenylalanin mit Organextrakten gar nicht regel-
mäßig auftritt (so hat neulich Mawas gefunden, daß Extrakte aus einer
melanotischen Geschwulst das Tyrosin nicht zu schwärzen vermoohten ;
C.r.d.1. Soc. d. Biol. 88, 332, 1923), daß die Färbung der Haut und der
Hasre am lebenden Tiere nur mit Pyrrolderivaten mit einer gewissen
Regelmäßigkeit zu erzielen ist, so dürfen wir die Angeksche Pyrroltheorie
der Melanogenese nicht beiseite lassen und ihr sogar die größte forschende
Aufmerksamkeit widmen.
Neues Verfahren zur Bestimmung des Bilirubingehaltes
von Seren und Duodenalsäften.
Von
Eugen Enriques (Florenz) und Rudolf Sivo.
(Aus der III. medizinischen Klinik der k. ungar. Päzmäny-Peter-Universität
in Budapest.)
(Eingegangen am 20. Dezember 1925.)
Seitdem Hijmans van den Bergh die Aufmerksamkeit auf die
große diagnostische Bedeutung der Serumbilirubinbestimmung lenkte,
wurden zahlreiche Methoden zur möglichst genauen quantitativen Be-
stimmung vorgeschlagen. Mit der eingehenden Besprechung der ver-
schiedenen Verfahren wollen wir uns nicht befassen und nur die Grund-
prinzipien hervorheben, auf welchen dieselben basieren.
Die empfohlenen Methoden sind in fünf Gruppen zu fassen.
l. Verfahren, durch welche mittels verschiedenartig erreichter Oxy-
dierung Bilirubin in Biliverdin verwandelt wird. — Diese Methoden folgern
aus der Intensität der charakteristischen Farbenreaktion bzw. des Vor-
kommens in verschiedenen Verdünnungen auf das Quantum von Bili-
rubin (Gilbert, Hammarsten, Herzjeld).
2. Spektrophotometrische Verfahren (Hüfner).
3. Die Methode Hammarstens, welche durch Extraktion und Kristalli-
sierung mittels analytischer Messungen das Bilirubin ausweist.
4. Verfahren, welche durch Vergleich der Originalfarbe des Serums
bzw. des Plasmas mit Kaliumbichromat den Bilirubingehalt ergeben.
5. Verfahren zur kolorimetrischen Bestimmung von Azobilirubin,
entstanden durch Beigabe des Ehrlich-Pröscherschen Reagens (Hijmans
van den Bergh, Haselhorst, Thannhauser und Andersen, de Martini).
Von der Besprechung der ersten vier Gruppen wollen wir absehen,
einerseits weil deren langwierige komplizierte Methodik für klinische Ver-
wendung ungeeignet ist, andererseits weil durch dieselben entsprechende
Genauigkeit und Spezifizität nicht erreichbar sind.
Eine genauere Besprechung müssen wir jedoch dem van den Bergh-
schen Diazoverfahren widmen, weil dasselbe und dessen verschiedene
Modifikationen heute fast allein klinische Verwendung finden. Vor
allem wollen wir auf die verschiedenen Fehlerquellen hinweisen und
jene Modifikationen besprechen, welche zu deren Ausmerzung von
E. Enriques u. R. Siv6: Bestimmung des Bilirubingehaltes usw. 153
einigen Autoren vorgeschlagen wurden, sodann werden wir auf unser
neues Verfahren übergehen, welches sowohl durch seine Einfachheit
als auch durch befriedigende, die bisherige weit übersteigende Genauig-
keit geeignet ist, den Bilirubingehalt der Seren und Duodenalsäfte
zu bestimmen.
Die Fehlerquellen und Schwierigkeiten des van den Berghschen
Verfahrens sind folgende: z
L Es begegnet Schwierigkeiten, eine mit der Vergleichslösung
ganz gleich nuancierte Farbenreaktion zu erhalten.
2. Das mit Alkohol präzipitierte Eiweiß absorbiert stets namhafte
Bilirubinmengen, ganz gleich, ob das Serum direkte oder indirekte
Reaktion ergibt. Das auf diese Weise der Bestimmung entfallende
Bilirubingquantum ist nicht gleichmäßig, sondern in verschiedenen
Seren in größtem Maße unbeständig.
3. Laut Originalvorschrift muß das Serum etwa fünffach ver-
dünnt werden, wodurch bei Seren von geringem Bilirubingehalt bis
zur Unbestimmbarkeit schwache oder zweifelhafte, eventuell negative
Reaktionen in Erscheinung treten.
Diese Schwierigkeiten und Fehlerquellen beeinflussen derart die
quantitative Bilirubinbestimmung, daß die Ergebnisse selbst die für
klinische Zwecke erforderliche Genauigkeit nicht erreichen.
Thannhauser und Andersen verwenden zwecks Ausschaltung der ver-
schiedenen Farbennuancen der zu bestimmenden und zu vergleichenden
Flüssigkeiten ein stark saures Medium. Bei dieser Methode jedoch muß
die Vergleichsflüssigkeit so oft erneuert werden, daß deren klinische Ver-
wendbarkeit zweifelhaft ist.
Die Fehlerquelle, welche dadurch entsteht, daß mit dem durch
Einwirkung des Alkohols präzipitierten Eiweiß auch Bilirubin ausfällt,
soll dadurch behoben werden, daß das Serum — im Falle direkter
Reaktion — vorerst im Übermaß mit Diazomischung vermengt wird,
weil angeblich das vor der Eiweißpräzipitierung bereits entstandene
Azobilirubin, welches im Gegensatz zu Bılirubin in Alkohol gut löslich
ist, mit Eiweiß zusammen nicht mehr präzipitiert. Eine ähnliche
Modifikation empfehlen Greppi und de Micheli auch bei solchen Seren,
welche eine indirekte Diazoreaktion ergeben. Diese Autoren haben
das Medium mit der Diazomischung so stark angesäuert, daß selbst bei
Zugabe von Alkohol kein Präzipitat entstand. In diesen Fällen jedoch
erschwert die Bestimmung einerseits der violette Farbenton und anderer-
seits die leimartige Konsistenz der Flüssigkeit.
Adler und Meyer behaupten, daß in der laut Vorschrift von van den Bergh
und Thannhauser bereiteten Vergleichslösung ein Teil des Bilirubins bei
Chloroformverdunstung verschwindet, deshalb verdünnen sie die konzen-
trierte Chloroformbilirubinlösung mit so großen Alkoholmengen, in welchen
auch das Chloroform löslich ist.
154 E. Enriques u. R. Siv6:
Zur Verringerung der Fehlerquelle, welche dadurch entsteht, daß
mit dem Eiweißpräzipitat auch Bilirubin ausfällt, empfehlen Adler
und Meyer vor der Bestimmung eine möglichst starke Verdünnung
des Serums mit Wasser.
Dieses Verfahren verhindert zwar nicht, verringert jedoch die
durch Ausfall von Bilirubin verursachte Fehlerquelle, kann aber nur
bei stark ikterischen Seren angewendet werden, weil, wie bereits oben
erwähnt, schon die fünffache Verdünnung der Originalmethode die
Bestimmung von geringen Bilirubinmengen unmöglich macht. Anderer-
seits müßte bei stark ikterischen Seren, bei welchen hochgradige Ver-
dünnung möglich, sogar notwendig ist, nebst den erhaltenen Resultaten
auch der Grad der Verdünnung angegeben werden, weil sich ent-
sprechend den verschiedenen Verdünnungen auch verschiedene Resultate
ergeben, wie untenstehende Tabelle I erweist.
Tabelle I.
Be g Alkobolbestimmung nn
Nr. 1:1 | 1:2 1:4 Differenz
| Verdünnung Verdünnung Verdünnung
mg»-Proz. | mg»Proz. | mgeProz. Proz.
a a ee a in
l 043 4,96 Gun 31,2
2 | 6,58 8,7 10,12 | 34,9
Wie ersichtlich, stehen wir nicht unbedeutenden und vom prakti-
schen Gesichtspunkt nicht gleichgültigen Abweichungen gegenüber,
sondern stoßen auf so bedeutende Fehlerquellen, welche die Ermittlung
selbst annähernd entsprechender Resultate unmöglich machen. Wir
haben somit nachgewiesen, daß es weder mit dem Originalverfahren,
noch mit dessen verschiedenen Modifikationen gelingt jene größte
Fehlerquelle auszumerzen, welche dadurch entsteht, daß mit dem
Eiweißpräzipitat eine namhafte Menge von Bilirubin ausfällt. Es
schien daher notwendig, ein solches Mittel zu finden, welches ohne
Eiweißpräzipitierung die Bestimmung der ganzen Bilirubinmenge
ermöglicht, ohne Rücksicht darauf, ob sich eine direkte oder indirekte
Reaktion ergab.
Adler und Strauss haben als erste beobachtet, daß mittels Purinderivaten
indirekte Reaktion ergebendes Bilirubin durch Umwandlung des kolloidalen
Zustandes des Serumeiweißes in solches von direkter Reaktion verwandelt
wird, ebenso wie es durch Alkohol geschieht. Lepehne hat, gestützt auf
diese Tatsache, ein Verfahren zur Ermittlung der qualitativen Reaktion
des Serumbilirubins ausgearbeitet. Enriques hat im Jahre 1923 empfohlen,
daß zur quantitativen Bestimmung des Bilirubins ein Verfahren aus-
gearbeitet werde, bei welchem statt Alkohol Coffein verwendet wird, was
jedoch Lepehne nicht gelungen ist.
Bestimmung des Bilirubingehaltes usw. 155
H.
Bei den mit Hilfe des Authenrsethschen Kolorimeters vor-
genommenen Bestimmungen haben wir immer eine 20proz. wässerige
Lösung von Coffeinum Natrium-Benzoicum verwendet. Vollkommen
gleiche Resultate haben wir jedoch auch mit 20proz. Lösung von
Coffeinum Natrium-Salicylicum erhalten. Das zitronensaure Salz von
Coffein sowie Theobrominum Natrium-Salicylicum haben jedoch keine
verwendbaren Farbennuancen ergeben. Bevor wir die Bestimmung
des Bilirubingehalts der Seren in Angriff genommen haben, mußten
wir mit Hilfe von künstlichen Bilirubinlösungen bekannter Kon-
zentration eine Skala herstellen. Die Lösungen wurden mit dem von
der Firma Hellige bezogenen, für Zwecke der Authenriethschen Kolorı-
meter in Verkehr gebrachten Standardkeil verglichen. Die Bereitung
dieser Lösungen geschah, indem wir 0,01 g Bilirubin in 100 ccm n/100
NaOH auflösten und mit destilliertem Wasser weiter verdünnten.
Die Fertigstellung der Skala muß mit größter Geschwindigkeit ge-
schehen. Es genügt, drei Bestimmungen zu machen, was am besten mit
Lösungen von 0,8, 1,2 und 1,6 mg-Proz. geschieht, es ist aber wichtig, daß
der ganze Vorgang innerhalb 10 Minuten beendet ist. Die Verdünnung
geschieht in einer Dunkelkammer, und nur nach Beigabe des Diazo-
reagens soll das Resultat bei Tageslicht abgelesen werden. Die alkalische
Bilirubinlösung unterliegt nämlich ziemlich rascher Verwandlung und
zeigt eine bedeutend schwächere Farbenreaktion als die, welche der
Bilirubinmenge entsprechen würde. Selbstverständlich wurde die Skala
mit den gleichen Mengen von Bilirubinlösung, Coffein und Diazo-
reagens fertiggestellt, wie zur Bestimmung von Seren und Duodenal-
säften verwendet wurden: 0,50 ccm Bilirubinlösung + 0,50 ccm 20proz.
Coffeinlösung + 0,20 ccm Diazomischung. Vollkommen gleiche Resultate
erzielten wir, wenn die Lösungen in anderen Quantitäten, jedoch im
selben Verhältnis verwendet wurden, z. B. 0,25ccm Bilirubinlösung
+ 0,25 ccm 20 proz. Coffeinlösung + 0,10 ccm Diazomischung. Dasselbe
bezieht sich selbstredend auch auf Seren und Duodenalsäfte.
Die Richtigkeit unserer Skala und dementsprechend die Ver-
trauenswürdigkeit unserer Resultate haben wir mit Hilfe der von der
Firma Hellige gesandten Skala für Alkoholbestimmungen kontrolliert.
Deshalb haben wir nach der van den Bergh-Thannhauserschen Vor-
schrift Bilirubinlösungen in Chloroformalkohol unbekannter Kon-
zentration hergestellt und dieselben gleichzeitig mit Hilfe sowohl von
Alkohol als auch von Coffein bestimmt. Die erzielten Resultate zeigt
Tabelle II.
Wie ersichtlich, übersteigt die Divergenz der Resultate in keinem
einzigen Falle 5Proz. und auch diese erscheint teils zugunsten der
Alkohol-, teils zugunsten der Coffeinbestimmung. Diese Differenzen
156 E. Enriques u. R. Siv6:
Tabelle II
Nr | Alkoholbestimmung Coffeinbestimmung Differenz
a mg-Proz. mg-Proz. Proz.
1 ` 0,87 | 0,89 | 22
2 1,83 1,88 2,7
3 2,75 2,89 4,8
4 ` 2,88 2,76 — 4,2
5 | 3,44 3,52 | 2,3
6 | 5,38 5,18 | — 3,7
7 | 5,92 | 6,00 | 1,3
8 6,36 6,65 4,3
9 11,92 12,20 2,3
10 13,00 13,25 2,0
sind übrigens so geringfügig, daß dieselben bei einer kolorimetrischen
Bestimmung als natürlich zu betrachten sind.
Die Vertrauenswürdigkeit unserer Skala ist somit erwiesen, wir
können nunmehr auf unsere Bestimmungen in Seren und Duodenal-
säften übergehen.
Solche Sera, welche bereits makroskopisch ikterisch erscheinen,
sowie Duodenalsäfte sind vor der Bestimmung mit destillieriem Wasser
zu verdünnen, und zwar so lange, bis die Bilirubinkonzentration in
den Rahmen der Skala fällt. Vom verdünnten Serum oder Duodenal-
saft kommen 0,50 ccm unmittelbar in den Trog des Appaıats, dazu
nehmen wir 0,50 ccm 20 proz. Coffeinum Natrium-Benzoicum und sodann
0,20 ccm Diazoreagens. Die Farbenreaktion erreicht in einigen Sekunden
ihr Maximum und gelangt zur Ablesung; das Medium ist vollkommen
durchsichtig und die Farbennuance ist mit der der Vergleichslösung voll-
kommen identisch. Manche Sera enthalten jedoch größere Mengen
von Lutein, wenn diese gleichzeitig einen sehr niedrigen Bilirubin-
spiegel haben, erscheint ein braunroter Farbenton, welcher die Be-
stimmung erschwert. Diese kleine Schwierigkeit kann jedoch leicht
beseitigt werden, wenn wir hinter den Vergleichskeil ein ebenso ver-
dünntes Serum stellen, oder noch einfacher, wenn wir das weiße Milch-
glas des Authenriethschen Kolorimeters durch ein lichtbraunes, grünlich
nuanciertes Milchglas ersetzen.
Nach Besprechuug unseres Verfahrens gehen wir auf die Mitteilung
der Resultate über, welche wir bei Seren und Duodenalsäften erhalten
haben, indem wir stets die mit Alkohol und die mit Coffein erzielten
Ergebnisse miteinander vergleichen!).
1) Die Alkoholbestimmungen haben wir laut Originalvorschrift der durch
die Firma Hellige in Verkehr gebrachten Skala vorgenommen, und zwar
zu 0,50 ccm Serum Leem Alkohol gegeben; nach Zentrifugierung haben
wir lccm der verbleibenden Flüssigkeit in den Trog gebracht, sodann
wurden l cem Alkohol und 0,30 ccm Diazolösung beigegeben. Das Ab-
lesen erfolgte stets nach 3 Minuten. l
Bestimmung des Bilirubingehaltes usw. 157
1. Sera mit direkter Diazoreaktion.
Tabelle III.
Nr. i Diagnöse ie edea d onen: , Differenz Prompt oder
| mgEroz. ` mgeProz. | Proz. e
| Er er IT. Eure u rue GE z
Tu 1. B.,iet.cat. ..... 60 10,95 | 452 | Prompt
2 | L. K., cholelithiasis . . | 3,46 6,45 |! 463 ` S
3|) P.M., cholangitis
purulenta ...... | 49 8,97 45,3 5
d'r J. B., adhaesiones |
periduod. . ..... 5,0 7,8 35,9 a
5 | F. P., ict.cat. . . . .. 3284 | A 265 i
6 I.G., ict. cat. ..... 7,52 136 | 47 | $
7. M.M., myodeg. cordis . 3,06 5,04 393 | N
8| A. V., myodeg. cordis . . 1.66 288 | 427 : Verzögert
en E? Sec E cat. .... | 110 18,96 '` 425 Prompt
| ‚ cho gitis
n | a a Bun | 7,8 12,87 39,4 P
J. e icter. cat. . . . . 10,12 14,7 31,2 K
d I. Se , cirrhosis hep. | |
a EE L Lë 2,24 43,3 | Verzögert
D H. er ict. cat. .... © 649 10,52 37,3 | Prompt
P.M., cholangitis l | |
purulenta . . .... | 9,54 16,25 .41,3 F
A J.R. ict.cat. ..... Aë | 403 43,7 i
16, F. P., ict.cat. . . .... | 1185 | 21,75 | 4504 8
17 ı L.A., ict. toxica | 9,66 16,64 | 419 | N
18° L. Sz, iet.eat. . . . . . | T% 134° 418 `
19" R.P., cholelithiasis . . 11,73 18,8 37,6 $
om H.Sch., ict. eat... | 82 143 26 | ,
Im Falle direkter Bilirubinämie haben die mit Coffein erzielten Re-
sultate die mit Alkohol erzielten Ergebnisse stets mit 35 bis 45 Proz. über-
stiegen, nur im Falle Nr. 5, wo hochgradige Gelbsucht vorhanden war,
verringerte sich die Differenz auf 26 Proz. Diesen Umstand erklärt jedoch
in befriedigender Weise der außergewöhnlich hohe Bilirubinspiegel, welcher
eine 12fache Verdünnung ermöglichte und so die Fehlerquelle der Alkohol-
bestimmung wesentlich verringerte. Um die bei der Alkoholbestimmung
ausfallende Bilirubinmenge zu ermitteln, haben wir das Alkoholpräzipitat
des Serums zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Hierzu haben
wir l cem Coffeinum Natrium-Benzoicum und 0,20 ccm Diazolösung bei-
gegeben und in jedem Falle eine außerordentlich lebhafte rote Farben-
reaktion erhalten, wodurch die bedeutende Menge des durch Eiweißpräzi-
pitation ausfallenden Bilirubins erwiesen ist.
2. Sera indirekter Reaktion mit erhöhtem Bilirubingehali (s. Tabelle IV).
Wie ersichtlich, sind die mit Coffein erhaltenen Resultate auch in diesen
Fällen um 15 bis 25 Proz. höher als bei Alkoholbestimmung. Die bei letzterem
Verfahren erhaltenen Niederschläge haben wir auch immer auf deren Bili-
rubingehalt hin untersucht und jedesmal das Entstehen ausgeprochen
rosafarbener Reaktion beobachtet, wohl war diese Reaktion nicht so lebhaft
als in Fällen direkter Reaktion. Auf Grund dieser Erfahrung ist es uns
158 E. Enriques u. R. Sivó:
Tabelle IV.
Alkohol» Coftein» i
Nr. Diagnose Keeseren Kasgeeueg | Differenz
i E mg-+Proz. mg-Proz. | Proz. O
1 K.F., myodeg. cordis.. 307 au ae
2 ` KE Oe, malaria. . ... . > 312 ; 40 | 22,2
3 L.H. myodeg. cordis. . © 302 | 4.08 25,9
4 A. R., ce. ventric. ... , 188 | 2,5 248
5 E.L., diabetes mellitus . 65 | 21 214
6 F. D. , cholecystitis ‚37 2,3 |
7 l
8
9
0
ba
unverständlich, wie van den Bergh, Thannhauser und Andersen der Ansicht
sein können, daß Bilirubin indirekter Reaktion in dem durch Alkohol
verursachten Eiweißniederschlag nur in belanglosen Spuren auffindbar
ist. Es ist nicht zu bestreiten, daß der Eiweißniederschlag von Seren
direkter Diazoreaktion eine lebhaftere Farbenreaktion ergibt als Sera
indirekter Reaktion, jedoch ist es uns auch in letzteren Fällen stets ge-
lungen, im Niederschlag das Bilirubin nachzuweisen.
Einen glänzenden Beweis der Richtigkeit vorstehender Behauptung
gibt der Fall Nr. 7 in der Tabelle der direkten und Fall Nr. 1 in der Tabelle
der indirekten Reaktionen. In beiden Fällen ergaben sich bei Coffein-
bestimmung Resultate von etwa 5 mg-Proz. Mittels Alkoholbestimmung
konnten wir im Serum direkter Reaktion 3,06 mg-Proz. (— 39,3 Proz.),
im Serum indirekter Reaktion 3,97 mg-Proz. (— 20,6 Proz.) Bilirubin nach-
weisen. Die Untersuchung der Niederschläge erklärt die verschiedenen
Resultate der Alkoholbestimmung, welche in beiden Seren beiläufig gleichen
Bilirubingehaltes gewonnen wurden. Die Aufarbeitung dieser Seren ergibt
nämlich im Präzipitat des Serums direkter Reaktion lebhaft rote, in jenem
indirekter Reaktion nur rosafarbene Farbennuance.
3. Normalsera.
Wir haben 50 solche Fälle zum Gegenstand der Bestimmung gemacht.
bei welchen die klinische Untersuchung auf vollkommen gesunde Leber
schließen ließ. Von diesen veröffentlichen wir aus technischen Gründen
nur 20 (s. Tabelle V).
Die Werte variieren zwischen 0,8 und 2 mg-Proz. Die Alkohol- und
Coffeinbestimmung zeigt eine Divergenz von 15 bis 25 Proz. Hervor-
zuheben ist, daß bei vielen Seren, deren Bilirubingehalt mittels Alkohol
unbestimmbar, in manchen Fällen sogar negativer Reaktion war, mit
Hilfe des Coffeins immer sichere und gut bestimmbare Resultate erreicht
wurden. Wir haben auch jene Krankheiten zum Gegenstand der Unter-
suchung ‘gewählt, bei welchen einzelne Autoren (Hetényi) Verringerung
des Serumbilirubinspiegels, andere sogar (Conti und Galassi) negative
Reaktion ermittelt haben. Bei Fällen. von schwerer Tubörkulose, Nephritis
‘und kachektischer Zustände haben wir tatsächlich oft geringe Werte er-
halten, die Bilirubinmenge war jedoch selbst in Fällen negativer Alkohol-
bestimmung mit Coffein immer mit Sicherheit bestimmbar.
Bestimmung des Bilirubingehaltes use, 159
Tabelle V
| | Alkohol» | Coffein»
| Nr Name | bestimmung | bestimmung Differenz
| ` mg-Proz | mg-Proz. Proz.
| |
l M.G. 0,92 | 1,15 | 20,0
2 P. V. 1,07 | 1,45 26,2
3 | P.K. 0,93 1,17 20,5
4 | J.L. 1,15 | 1,50 23,3
5 | M.K. | 1,53 | 1,85 17,3
6 | L.P. [i 1,03 1,20 14,2
7| J. Sch. | 1,19 | 1,60 25,0
8 | R.S. |! 1,23 | 1,50 18,0
9 G.M. | 1,56 1,85 15,6
10 | J.8. | 1839 1,74 20,1
1 L.K. 1,57 1,92 18,2
12 © Dë 1,43 1/76 18,3
13 LS , 1,41 1,75 19,5
4 | A.S. | 1,31 1,69 22,5
15 | K.B. | 131 1.68 22,0
16 ` M. COs. | 1,38 1,68 17,9
17 | B.S. : 1,42 1,85 23,2
18 A.K. 1,47 1,88 21,8
19 F. Sz. | 1,43 1,73 17,3
2 ` J.H. | 1,63 1,03 15,6
4. Duodenalsäfte.
Tabelle VI.
Alkohols a [Alkohol | Cotteine | ewen
Nr. Diagnose bestimmung Differenz
mg Pror. ee
TEE, ee Ze EE E EE DE ag et EE E e Sa: Se
1 | Sch. R., ict. cat. . 2 22... 4,92 5,45 "1 an o7
2 | L.H., ict. cat. EN | 22,17 43 | 88
| 3 "AM. cholangitis urulenta . | 47,65 50,84 6,3
4 AE A. ict. toxica B le . | 93,31 95,04 2,2
5 ` L-A., ict. toxica Lebergalle. . | 11,33 12,0 Dr
6 'M.A,iet.oat.. 2.22... .. lo 37,14 37,62 1,3
Bei Untersuchungen von Duodenalsäften hat unser Verfahren und die
Alkoholbestimmung einander nahestehende Resultate ergeben, was auch
natürlich ist, weil in der Mehrzahl der Fälle die Beigabe von Alkohol keinen
Niederschlag erzeugt und demnach vom Standpunkt der Untersuchung
diese ebenso wie künstliche Bilirubinlösungen zu betrachten sind.
Zusammenfassung.
Unser Verfahren bietet mehr als die allgemein gebräuchliche
Alkoholbestimmung von Bilirubin:
L Weil wir durch dasselbe den ganzen und faktischen Bilirubin-
gehalt bestimmen, indem die Eiweißpräzipitation und der bei derselben
160 E. Enriques u. R. Siv6: Bestimmung des Bilirubingehaltes usw.
unvermeidliche Bilirubinverlust vermieden wird. Die Basis des Ver-
fahrens ist die Veränderung des kolloidalen Zustandes des Serum-
eiweißes.
2. Weil zur Bestimmung 0,25ccm Serum genügt, welches durch
einen Stich in den Finger mit der Frankeschen Lanzette gewonnen
wird; das aussickernde Blut wird in einer U-Kapillarröhre aufgefangen,
wodurch Venenpunktion zu vermeiden ist. Dieses Verfahren bietet
demnach auch die Möglichkeit von Serienbestimmungen.
3. Weil dasselbe nebst Genauigkeit, durch Ausschaltung der
Zentrifugierung eine einfachere und raschere Bestimmung ermöglicht.
Literatur.
Adler, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 2 und 39. — Adler und Meyer,
ebendaselbst 1922, Nr. 50. — Adler und Strauss, ebendaselbst 1923, Nr. 20. —
De Martini, Riforma Medica 1922, Nr. 13 und 48. — De Micheli und Greppi,
Arch. di Pat. e Clin. Med. 1923, Nr. 1. — Enriques, Rivista Crit. di Clin.
Med. 1924, Nr. 23 und 24. — Ernst und Förster, Klin. Wochenschr 1922,
Nr. 1. — Herzfeld, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 189. — Haselhorst, Münch.
med. Wochenschr. 1921, Nr.6. — Hetenyi, Zeitschr. f. klin. Med. 9. —
Hijmans van den Bergh, Der Gallenfarbstoff im Blute. Leipzig 1918. —
Lepehne, Deutsch. med. Wochenschr. 1923, Nr. 20. — Meulengracht, Deutsch.
Arch. f. klin. Med. 187. — Thannhauser und Andersen, ebendaselbst 187.
Eine einfache Methode
zur raschen und verläßlichen Bestimmung des Stickstoffs `
im Harne und Blute.
Von
Richard Foit.
(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Karls-Universität in Prag.)
(Eingegangen am 21. Dezember 1925.)
Mit 2 Abbildungen im Text.
Zurzeit werden die Stickstoffbestimmungen zumeist mittels der
Kjeldahlschen Methode durchgeführt, jedoch beansprucht dieselbe bei
genauer Durchführung ziemlich viel Zeit, und viele Kliniker sind darum
genötigt, auf zahlreichere Stickstoffbestimmungen zu verzichten oder
sich mit verschiedenen Modifikationen des Knopp-Hüfnerschen Ver-
fahrens zu begnügen, deren Resultate aber keinen besonderen Anspruch
auf Genauigkeit erheben können.
Darum war ich bestrebt, den Biochemikern und besonders den
Klinikern eine einfache und gar nicht zeitraubende Methode zur Ver-
fügung zu stellen, welche auch bei kleinen Mengen von Stickstoff
(0,2 bis 10,0 mg) gute Resultate liefert und bei verschiedensten bioche-
mischen Stickstoffbestimmungen Anwendung finden kann.
Prinzip der Mothode.
Die Durchführung besteht aus zwei Etappen:
Die erste ist die energische Oxydation der untersuchten Substanz,
und die Überführung des Stickstoffs in die Form eines Ammonsalzes.
Zweite Etappe: Einwirkung von Bromlauge auf das entstandene
Ammoniumsulfat und volumetrische Bestimmung des Stickstoffs.
Biochemische Zeitschrift Band 169. II
162 R. Foit:
Die erste Etappe würde im Prinzip nichts Neues bedeuten, aber
ihre Durchführung geschieht auf einer neuen Grundlage.
Ich verwende:
a) nur eine kleine Menge von Schwefelsäure,
b) keinen Katalysator,
c) hochprozeniiges Wasserstoffsuperoxyd zur Verstärkung der Oxy-
dation und füge dasselbe nur dann zu, wenn die Zerstörung schon weit
fortgeschritten und fast der gesamte Kohlenstoff ausgeschieden ist.
d) Das Verbrennungskölbchen wird über einer kleinen, freien
Flamme erhitzt und wird mittels eires U-förmig mehrmals zusammen-
gelegten Papierstreifens oder mittels eines Eprouvettenhalters in der
Hand gehalten. Das Kölbchen hat einen Inhalt von 50 ccm, ist aus
Jenaer Glas verfertigt und hat eine dem Kjeldahlkolben ähnliche Form.
(Der Unterschied ist nur klein und es kann eventuell auch ein gewöhn-
licher Kjeldahlkolben von 50 ccm Inhalt verwendet werden.)
Bemerkungen:
Zu a. 15 bis 20 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure genügen bei
einem Stickstoffgehalt von höchstens 0,01g vollkommen zum Kjeldahli-
sieren der untersuchten Substanz und zum Binden des entstandenen
Ammoniaks.
Zu b. Die Katalysatoren beschleunigen zwar die Oxydation,
binden aber oft — und zwar genug fest — das Ammoniak, und viele
Autoren verzeichnen gelegentlich verhältnismäßig hohe Stickstoff-
verluste (5 bis 6 Proz.), welche sie der Verwendung von Katalysatoren
zuschreiben (Fleury, Levaltier u.a.). Bei dieser Methode entfallen die
Katalysatoren schon auch darum, weil die Kjeldahlisation auch ohne
dieselben eine vollkommene ist ; sogar auch bei chemischen Verbindungen,
deren Verbrennung durch die Kjeldahlmethode überhaupt nicht oder nur
schwer möglich ist. Z.B. ac. phenyleinchoninicum, Tryptophan
(Neuberg, Popowski).
Zu c. Unter allen Oxydationsmitteln bewährte sich am besten
das 30proz. Wasserstoffsuperoxyd wegen seiner mächtigen Oxydations-
kraft und deshalb auch, weil es keine den Verlauf der Reaktion störende
Wirkungen ausübt. Es hat auch den Vorteil, daß man es bei schwer
verbrennlichen Substanzen auch mehrmals nacheinander hinzufügen
kann.
Zu d. Ein Verbrennungskölbchen von 50 ccm erwies sich als das
vorteilhafteste nach zahlreichen Versuchen. Das Erhitzen über einer
kleinen freien Flamme hatte niemals die von vielen Forschern be-
fürchteten Stickstoffverluste zur Folge.
Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs. 163
Die zweite Etappe (volumometrische Bestimmung des Stick-
stoffs mittels Bromlauge) wird in einem besonderen Apparat!)
(siehe Abb. 1) durchgeführt?2). Kalibriert ist das Rohr folgender-
maßen: Über dem Hahn mit Teilstrichen zu 0,1 eem bis auf
6,0ccm; unter dem Hahn genau so bis auf IO ccm; der verengte
Teil unter dem Hahn ist geteilt zu 0,02 ccm, so daß Unterschiede
von 0,01 ccm (etwa 0,01 mg) deutlich abgelesen werden können.
Der Apparat wird an einem Stativ befestigt; am
besten in einer Federklemme, damit er mit einem Griff
frei gemacht oder befestigt werden kann.
In den unteren Teil des Rohres läßt man von oben
die kjeldahlisierte Flüssigkeit und nachher noch zweimal je
5ccm Bromlauge hinzufließen. Nach einer Weile schüttelt
man das ganze gut durch, um auch die letzten Reste des
gasförmigen Stickstoffs frei zumachen. Dann überschichtet
man von obenher das Gemisch mit destilliertem Wasser
von einer uns bekannten Temperatur. Dann hält man
die untere Öffnung des Apparats zu und öffnet den Hahn.
Über diesem sollen sich dabei 2 bis 3 Tropfen Wasser be-
finden. Dadurch bekommen wir den gasförmigen Stickstoff
unter den äußeren (barometrischen) Druck. Die Temperatur
des Gases entspricht der Temperatur des beigefügten
destillierten Wassers, der Wasserdampfdruck wird gemäß
der Temperatur festgestellt, und den barometrischen
Druck liest man am Quecksilberbarometer ab. Nun sind
sämtliche Daten vorhanden, um nach folgender Formel
v P — Pu >
= 0,0012 ma EE ee SÉ ht d
g 505 1 4 0,0367.t 760 as Gewic es
abgemessenen Gases berechnen zu können. Abb. 1.
Bei dieser volumetrischen Bestimmung ist ein be- (Schematisch.)
sonderes Gewicht auf folgende drei Umstände zu legen:
1. Das Durchschütteln des Apparate nach Zusatz der Bromlauge
ist wichtig, um die Gesamtmenge des Stickstoffs zu erhalten. Darum
wurde bei der Konstruktion des Azotometers die notwendige Mobilität
so sehr berücksichtigt.
2. Der zweite wichtige Umstand ist das Sammeln des Stickstoffs
über Wasser. Dadurch werden zwei Nachteile behoben. Zunächst würde
der Dampfdruck über dem Laugengemisch nicht zu errechnen sein, da
1) Erzeuger Alois Kreidl, Prag.
2) Andere ähnliche Apparate (Knopp-Hüfner, Kowarski) ergeben fehler-
hatte Resultate und werden darum für genaue Arbeiten mit Recht nicht
verwendet.
II
164 R. Foit:
er wegen der wechselnden Konzentration nicht immer proportional
zur Temperatur wäre. Weiter bringen wir die Temperatur des Gases
durch das Wasser sofort auf einen uns bekannten Grad; sonst
müßten wir lange warten, bis der durch die Lauge erwärmte Apparat
seine Wärme mit der der Umgebung ausgleicht.
3. Feigl und Weise) berichten, daß bei Einwirkung von Bromlauge
auf organische Substanzen ein Teil des Stickstoffs mit Kohlenstoff
Cyanverbindungen bildet und uns hierdurch bei der Volumenmessung
entgeht. Dieser bemerkenswerte Fehler ist bei dieser Methode auch
ausgeschaltet, da in den Apparat nur eine vom Kohlenstoff vollständig
befreite Substanz eingeführt wird und somit die Bildung von Cyan-
verbindungen ausgeschlossen ist.
Durchführung der Stickstoffbestimmung.
Benötigte Reagenzien:
1. Reinste konzentrierte Schwefelsäure in Tropfflasche.
2. 30proz. Wasserstoffsuperoxyd (,Perhydrol‘‘ Merck), auch in Tropf-
flasche.
3. Eine gesättigte Lösung von chemisch reinem NaCl?).
4. Bromlauge, d. h. ungefähr 20 Tropfen (l cem) Brom auf 10 ccm
40proz. chemisch reiner Natronlauge (Merck).
Von der zu untersuchenden Substanz nimmt
man womöglich so viel, daß sie 1,0 bis 10,0 mg
Stickstoff enthalte. Die Substanz (z. B. % ccm
x Harn) wird in das Verbrennungskölbchen ein-
geführt und 15 Tropfen Schwefelsäure zugesetzt;
um den Hals des Kolbens legt man einen mehr-
mals zusammengelegten Papierstreifen (Abb. 2),
hält damit den Kolben und erhitzt über einer
kleinen Flamme unter dem Abzug, bis sämtliches
Wasser verjagt ist. Dabei bewegt man den
Kolben so, daß der Inhalt in ständiger Bewegung
sei und die Seitenwände bespült. Dadurch ver-
hütet man ein eventuell zu starkes Schäumen
oder ein „Anbrennpen‘“. Bis der Inhalt schon
genügend eingedickt ist, beginnt er zu dunkeln durch den ausgeschiede-
nen Kohlenstoff. Kurz darauf bleibt im Kolben eine Flüssigkeit,
welche größtenteils nur mehr aus Schwefelsäure besteht, deren Dämpfe
Abb. 2.
1) Abderhaldens Handb. d. biol. Arbeitsmeth. Abt. IV, Teil 4, 5. 740.
2) Eine geeignete Kochsalzlösung können wir uns auch aus gewöhn-
lichem reinen Kochsalz derart bereiten, daß wir zu der mit diesem Kochsalz
im Kochen gesättigten Lösung 50 ccm 40proz. Natronlauge pro Liter bei-
fügen und weitere 10 Minuten kochen. Dann lassen wir die Lösung 3 bis
4 Stunden stehen und gießen die klare Schicht in eine besondere Flasche
ab. Eine Filtration wäre schwer durchführbar.
Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs. 165
sich auf den Kolbenwänden niederschlagen und an diesen als Schwefel-
säure ruhig herunterfließen. Man erwärmt so noch eine halbe Minute
und läßt dann den Kolben eine viertel Minute auskühlen. Nun läßt man
vorsichtig 2 bis 3 Tropfen H,O, in das Kölbchen laufen, worauf der Inhalt
seine Farbe verliert. Falls dies nicht genügen sollte, setzt man noch 2 bis
3 Tropfen zu. Dann erwärmt man das Kölbchen wieder über der Flamme,
verjagt dadurch das Wasser und erhitzt 1 bis 2 Minuten so weit, bis die
Kondensation der Schwefelsäuredämpfe wieder sichtbar wird. (Im Falle,
daß auch jetzt noch der Inhalt braun oder trübe sein sollte, muß man die
Oxydation mit dem H,O, wiederholen. Diese Notwendigkeit tritt jedoch
bei biologischem und klinischem Untersuchungsmaterial selten ein.)
Dann läßt man das Kölbchen 1 bis 2 Minuten auskühlen.
Während dieser Zeit macht man das Azotometer bereit, indem man
in den unteren Teil bis zum Hahn die konzentrierte Kochsalzlösung einsaugt.
Dies geschieht so, daß man das untere Ende des Azotometers in die Koch-
salzlösung eintaucht, den Hahn öffnet, die obere Öffnung des Rohres mit
dem Daumen verschließt, und an dem kleinen abgezweigten Röhrchen
saugt man dann die Kochsalzlösung bis zum Hahn herauf. Dann schließt
man den Hahn und schüttet die über ihn gelangte Flüssigkeit weg und
spült den oberen Teil der Röhre mit Wasser aus. Dann füllt man in den
oberen Teil ungefähr 3 ccm destilliertes Wasser und läßt dasselbe durch
einfaches Öffnen des Hahnes in den unteren Teil vorsichtig hineinlaufen.
Nun setzt man zu dem inzwischen etwas abgekühlten Kölbchen-
inhalt vorsichtig 3 bis 4ccm destilliertes Wasser hinzu und läßt dieses
zum größten Teil verdampfen. Dies ist notwendig, um die letzten Spuren
des Wasserstoffsuperoxyds zu beseitigen.
Der Inhalt des Kölbchens wird nun vorsichtig mit destilliertem Wasser
auf etwa 3ccm verdünnt!), sodann in den oberen Teil des Azotometers
übergossen und in langsamem Strome in den unteren Teil überführt. Dann
gibt man 2 bis 3 ccm destilliertes Wasser in den Kolben, spült ihn damit
gut durch, gießt es wieder in den oberen Teil des Apparates und läßt dieses
Spülwasser auch in den unteren Teil hineinfließen. Dieses Durchspülen
des Kölbchens wiederholt man auf diese Weise noch zweimal (eventuell
dreimal). Auf diese Weise wird die ganze untersuchte Substanz quantitativ
in den Apparat überführt. Dabei können immer 1 bis 2 Tropfen Flüssigkeit
über dem Hahn bleiben, ohne das Resultat zu beeinträchtigen.
Nun bringt man in den oberen Teil des Azotometers 5 bis 6 ccm Brom-
lauge und läßt davon Beem in den unteren Teil fließen, darauf füllt man
den oberen Teil wieder mit Bromlauge auf etwa 5 ccm, welche man dann
in etwas rascherem Strome hineinfließen läßt. Nun läßt man den Apparat
l bis 2 Minuten stehen, bis die Gasbläschen zum größten Teil das Flüssig-
keitsniveau erreicht haben. Dann wird der Apparat aus der Klemme ge-
nommen, und indem er noch vertikal gehalten wird, verstopft man die
untere Öffnung mit dem Daumen; dann neigt man den Apparat fast in
die Horizontale und schüttelt ihn in der Längsrichtung 10 Sekunden
tüchtig durch, um so sämtlichen Stickstoff zu sammeln. Dabei muß aber
die Schlinge nach unten gerichtet sein, damit in dieselbe weder Stickstoff
= e nn Kn e
1) Es ist empfehlenswert — nach erfolgter Verdünnung — das Kölbchen
unter der Wasserleitung kurz abzukühlen.
166 R. Foit:
noch Luft gelangen kann. Dann stellt man den Apparat vertikal auf die
Dauer von etwa Y, Minute und läßt erst jetzt die untere Öffnung frei.
Falls sich im Apparat weniger als 1 ccm Gas befindet, müssen wir ein-
bis zweimal das Schütteln wiederholen. Eventuell an der Röhrenwand
haftende Bläschen entfernt man so, daß man den Apparat bei zugehaltener
unterer Öffnung in die Horizontale neigt und die große Gasblase entlang
der Röhrenwand gleiten läßt; dadurch werden sämtliche kleine Bläschen
mitgenommen. Bei allen diesen Handgriffen muß verhütet werden, daß
Luft in den Apparat eindringe oder Stickstoff entweiche. Dies wird leicht
gelingen, wenn man darauf achtet, die Schlinge in der Horizontallage immer
nach unten gerichtet zu halten.
Nun gibt man den Apparat wieder in die Klemme und füllt in den
oberen Teil 3 bis 4 cem destilliertes Wasser, welches man langsam — bis
auf einen kleinen Rest — in den unteren Teil fließen läßt, um so die Lauge
mit destilliertem Wasser zu überschichten; auf diese Weise bekommt man
den Stickstoff über Wasser. Da er aber unter dem negativen Drucke der
unter ihm befindlichen Flüssigkeitssäule ist, muß diese Druckdifferenz
ausgeglichen werden. Dies geschieht so, daß man die untere Öffnung zuhält
und den Hahn aufmacht. Dadurch verkleinert sich das Volumen des
Stickstoffs, welche Verkleinerung sich dadurch kenntlich macht, daß etwa
0,1 eem Wasser aus dem oberen in den unteren Teil tritt. Nun klopft man
zwei- bis dreimal mit dem Finger auf den Apparat, um den Wassertropfen,
welcher sich manchmal unter dem Hahn festhält, herunterzuschütteln,
und nun liest man den unteren Meniskus ab. Die Zahl der abgelesenen
Kubikzentimeter rechnet man um in Milligramme mit Hilfe der schon
angeführten Formel, oder so, daß man die Anzahl der Kubikzentimeter
mit der in der unten beigefügten Tabelle gefundenen Zahl multipliziert.
So erhält man die Menge des in der untersuchten Substanz enthaltenen
Stickstoffs in Milligrammen.
Vom Urin nimmt man !/,ccm zur Untersuchung. Die ganze Be-
stimmung dauert 15 bis 20 Minuten.
Zur Bestimmung des Reststickstoffs im Blute und Punktaten empfehle
ich eine Enteiweißung mit 5 proz. Trichloressigsäure bei Zusatz von Kaolin?).
Zur gewöhnlichen Reststickstoffbestimmung im Blute ist die dem Apparat
beigelegte graduierte Versuchsröhre gut geeignet. Man bringt in die Ver-
suchsröhre ungefähr 4 ccm Blut oder Serum, füllt mit 5proz. Trichloressig-
säure bis 20 ccm auf, gibt etwa 1l g Kaolin dazu, schüttelt gut durch und
überträgt den Inhalt auf ein Filter. Die ersten 5 bis 6 Tropfen läßt man in
eine separate Eprouvette fallen und schüttet dieselben dann wieder auf
das Filter zurück. Von dem Filtrat — welches ganz klar sein muß — nimmt
man 10 ccm mit einer Pipette und überträgt diese in das Verbrennungs-
kölbcehen, und die Stiokstoffbestimmung wird nun durchgeführt, wie sie
oben beschrieben wurde. Das Resultat multipliziert mit 2, ergibt jene
Menge Stickstoff, welche in dem zur Untersuchung in die graduierte Versuchs-
röhre genommenen Blute (Serum, Punktat) enthalten ist. Die Verbrennung
und Azotometrie solcher Filtrate dauert 5 bis 10 Minuten länger als beim
Harne (also 25 bis 30 Minuten). Für die Genauigkeit der Reststickstoff-
bestimmung ist die Art der Enteiweißung sehr wichtig, da die Reststickstoff-
zahl davon sehr abhängt.
1) Ohne Kaolinzusatz erhalten wir höhere Endresultate.
Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs. 167
Da diese Methode gerade auch bei kleineren Stickstoffmengen genauere
Werte liefert als das Mikrokjeldahlverfahren, wurde dieselbe von einigen
in der Biochemie und der Pharmakochemie arbeitenden Kollegen anstatt
des Mikrokjeldahls bereits eingeführt.
Die in der Klinik erforderliche Genauigkeit wird bei dieser Methode
fünf- bis zehnfach übertroffen.
Sie ist auch für die rasche und verhältnismäßig sehr genaue Bestimmung
des Eiweißes geeignet.
In den Tabellen I und II sind die Ergebnisse bei einigen Präparaten
und bei physiologischem Material angegeben.
Tabelle I.
Stickstoff
Die untersuchte Substanz berechnet ' gefunden
o Le mg | Pe
Harnstoff `... 8,32 8,34 | 0,24
CCS 3,16 316 | 000
REN 1.14 112 ! 1%
ee a ee 0.441 0,435 | 1,36
EN 0,264 0.271 | 2.65
Asparaginsäure . . 2 22.2... 5.26 5.29 | 0,57
Hordeninsulfat `... 4,90 4,88 f 0,40
Cholinchlorhydrat . . |... 0.225 0.227 0,88
Phenyleinchoninsäure . . . . . . |! 6,72 6,53 | 2,82
Tabelle II.
5 e des zur Unte a n | Differenz
| ü an i Ge le 3 8 Feen, der
i ntersucht | ng
Matena auf eigene Methode re So | Benin
ccm ccm "P, Pros.
| j
Urin...... Gesamt- wl 5 . 16) 04
EE Eiweiß ck 39—50 11. 09
Rinderblut . . . | Gesamt-N N 0,5 5 6 0,6
| Rest-N | o 4 40 28 | 12
Rinderplasma . Bu 2—4 40 3; 22
Hundeblut . . . Rest-N 2—4 10 , 8 2,3
Pleuritusexsudat | Eiweiß l 20 l 2. 1,1
i Rest-N | 4 0 , 4] 17
In der letzten Zeit erschien die Arbeit von A. Kultjugin und E. Gu-
bareff!), die ebenfalls die Veraschung unter Zusatz von Perhydrol emp-
feblen, jedoch den Stickstoff nicht volumetrisch, sondern kolorimetrisch
mit Nesslers Reagens bestimmen, wobei der mittlere Fehler bei sehr leicht
verbrennbaren Substanzen (Harnstoff, Alanin, Asparagin) mit + 4,3 Proz.
angegeben wird.
1) A. Kultjugin und E. Gubareff, diese Zeitschr. 164, 437, 1926.
168 R. Foit: Einfache Methode usw. zur Bestimmung des Stickstoffs.
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|
Die Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton durch Bakterien.
Von
Artturi I. Virtanen und Brita Bärlund.
(Aus dem Laboratorium der Butterexportgesellschaft Valio m. b. H.,
Helsinki, Finnland.)
(Eingegangen am 21. Dezember 1925.)
Mit 4 Abbildungen im Text.
Nach @. Bertrand!) kommt einer von ihm aus Vogelbeere (Sorbus
aucuparia) isolierten Bakterie die Fähigkeit zu, Sorbit zu Sorbose zu
oxydieren. Außer Sorbit werden auch andere Alkohole, welche die
HH
Gruppe CH,0OH—C—C- enthalten, zu entsprechenden, zweiWasserstoff-
OHOH H OH
atome ärmeren Zuckerarten oxydiert, die Gruppe CH, OH—C—C—
OHH
bleibt dagegen intakt?). Bertrand hat mit seiner ‚„Sorbosebakterie‘““,
welche nach O. Emmerling?) identisch mit B.xylinum (Brown) ist,
Glycerin, Erythrit, Sorbit und Mannit oxydiert. Aus Glycerinkultur
hat Bertrand kristallinisches Dioxyaceton in einer Menge von 25 Proz.
von Glycerin isoliert.
Die oxydative Fähigkeit des B.xylinum, die zu einheitlichen
Zuckerarten zu führen scheint, ist präparativ sehr wichtig. Wir haben
deshalb diesem Oxydationsreaktionen besondere Aufmerksamkeit ge-
widmet und behandeln diesmal die Bildung von Dioxyaceton. Die
Einwirkung der Wasserstoffionenkonzentration auf die Oxydation des
Glycerins ist dabei besonders berücksichtigt worden.
Das Bakterienmaterial.
Bei unseren Versuchen kamen zwei verschiedene Bakterien in An-
wendung.
1. B. xylinum, das wir Herrn Prof. Dr. F. Ehrlich (Breslau) ver-
danken. Dieser Bakterie ist charakteristisch die Fähigkeit, zähe
1) C. r. 126, 842, 984, 1898; Bull. soc. Chim. (3) 19, 502, 1898.
2) C. r. 126, 762, 1898.
3) Ber. 82, 541, 1899.
170 A. I. Virtanen u. B. Bärlund:
Cellulosehäutchen zu bilden. Sie ist schon früher in der Literatur be-
schrieben worden!).
2. Eine Bakterie, welche in unserem Laboratorium aus Rübensaft
isoliert wurde. Sie wird von uns wegen ihrer Fähigkeit, Glycerin kräftig
zu Dioxyaceton zu oxydieren, als B. dioxyacetonicum bezeichnet. Die
Isolierung von B. dioxyacetonicum geschah in folgender Weise:
Frischer Traubensaft wurde bei Zimmertemperatur während 2 Wochen
unter Weatteverschluß bewahrt, wonach ein wenig Essigsäure zugesetzt
wurde. Nach 5 Tagen wurden aus der Lösung Plattenkulturen in Molke-
gelatine, deren pg durch Zusatz von Essigsäure bis etwa pp = 5,0 eingestellt
war, angelegt. Auf den Platten bildeten sich nach einer Woche sehr kleine,
tröpfchenartige Kolonien, welche in proz. Glycerinbouillon geimpft
wurden.
B. dioxyacetonicum unterscheidet sich von B. xylinum am deutlichsten
dadurch, daß sie keine zähen Cellulosehäutchen bildet. Zwar entsteht in
glyeerinhaltigem Hefeextrakt auch bei B. dioxyacetonicum zuerst ein
sehr dünnes Häutchen auf der Oberfläche, es gibt aber keine Cellulose-
reaktion und sinkt durch leichtes Umschütteln zu Boden. Ein neues
Häutchen wird dann nicht mehr gebildet, die Lösung wird nur getrübt.
Die Form der Zellen ist sehr variierend. Auf Hefegelatineplatten
gewachsen, sind die Zellen nach 10 Tagen lang, stabförmig, meistens einzeln,
nach einem Monat kürzer, oval. In glycerinhaltigem Hefeextrakt sind
kürzere oder längere, aus Kurzstäbchen bestehende Ketten zu finden. In
derselben Nährlösung, welche n/20 an Phosphat ist, sind die Zellen sehr
klein, bisweilen nahezu kugelförmig. Die Kolonien auf Würzeagar sind
nach 4 Tagen tropfenförmig, durchsichtig, 0,5 bis 1,0 mm im Diameter,
später von einem weißen Häutchen umgeben.
B. dioxyacetonicum ist beweglich und unterscheidet sich dadurch von
B.xylinum, das stets unbeweglich ist. Die Beweglichkeit wurde in 6 Tage
alten Würzegelatine-Kulturen untersucht. Das Temperaturoptimum liegt
bei 25 bis 28°. Bei 10° fehlt das Wachstum gänzlich, bei 13° tritt
eine geringe Entwicklung ein. Über 30° ist das Wachstum sehr schwach,
35° wirken schon tötend.
Die optimale Wasserstoffionenkonzentration für das Wachstum und
auch für Dioxyacetonbildung liegt bei pag etwa 5,0. Unter py 2,5 und
über pn 7,0 wächst die Bakterie nicht.
Bei B. xylinum liegt das Wachstumsoptimum such bei op etwa 5,0,
das Optimum der Dioxyacetonbildung dagegen zwischen op 5 und 6.
Die Bildung von Dioxyaceton mit B. dioxyacetonicum.
Als Grundnährlösung kam ein 0,5proz. Wasserextrakt aus Hefe
in Anwendung. Der Extrakt wurde durch Erhitzen der Preßhefe in
Wasser bei 120° während 15 Minuten und darauf folgende Zentrifugierung
hergestellt. Die Woasserstoffionenkonzentration der Versuchslösungen
wurde mit verschiedenen Puffern reguliert. Phosphat-, Citrat-, Glykokoll-
und Acetatpuffer kamen dabei in Anwendung. Die Nährlösung enthielt
stets, wenn nichts anderes angegeben, 4,3 Proz. Glycerin.
Das Volumen der Gärlösung bei jedem Versuch war 50 cem, und
die Höhe der Flüssigkeitsschicht, welche auch von Bedeutung für die
1) Brown: Chem. Soc. 20, I, S. 638.
Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 171
Oxydation des Glycerins ist (siehe unten), 3cm. Die Impfung der
Bakterien in den bei 120° sterilisierten Nährlösungen geschah mit
Platinöse. Die Versuchstemperatur bei den Hauptversuchen war 27°.
Für die Bestimmung des Dioxyacetons wurden von Zeit zu Zeit
Proben von 2ccm, entsprechend 0,086 g Glycerin, aus der Gärlösung
mit steriler Pipette herausgenommen. Die Bestimmung geschah nach
der üblichen Zuckerbestimmungsmethode von Bertrand. Die Reduktions-
kraft des Dioxyacetons wurde zuerst mit möglichst reinem Präparat
von Dioxyaoceton bestimmt. Das angewandte Präparat war aus dem
durch Hochvakuumdestillation gereinigten Dioxyaceton (siehe unten)
durch Umkristallisation zuerst aus Alkohol und dann aus Aceton und
nachfolgende Trocknung im Vakuumexsikkator hergestellt. Die
Reduktionskraft dieses Präparats ist in der folgenden Tabelle!) zu
finden.
Dioxyaceton ' Cu 1 Dioxyaceton | Cu Dioxyaceton Cu
CN g TFT ë g | TE | m
6:19 25 | 38,7 50 64,7
10 79 30 35,6 60 79,8
15 140 40 | 49,5 70 96,8
Diese Tabelle ist bei unseren Dioxyacetonbestimmungen in An-
wendung gekommen. Die Reduktionskraft des Dioxyacetons ist merk-
würdigerweise viel schwächer als die der Hexosen. Sehr verdünnte
Lösungen von Dioxyaceton reduzieren Fehlingsche Lösung verhältnis-
mäßig bedeutend schwächer als die etwas mehr konzentrierten Lösungen.
Dioxyaceton reduziert Fehlingsche Lösung schon in der Kälte
und, wie es scheint, gleich stark wie bei Siedehitze, obwohl die Reduktion
hierbei viel langsamer als in siedender Lösung vor sich geht. Die
Reduktionskraft von 10 mg Dioxyaceton entsprach nach etwa 40stün-
digem Stehen in Fehlingscher Lösung bei Zimmertemperatur 8,0 mg Cu.
Die übliche Zuckerbestimmung, wobei die Lösung 3 Minuten gekocht
wird, gab 7,9 mg Cu (siehe Tabelle).
Die Isolierung des Dioxyacetons aus der Gärlösung geschah
folgenderweise?). 450 ccm Gärlösung, welche, aus der Reduktionskraft
zu schließen, 11,375 g Dioxyaceton enthielt, wurden filtriert und dann
im Vakuum unter 60° zu einem dicken Sirup verdampft. Der Rückstand
wurde mit 80 ccm absoluten Alkohols versetzt. Nach ein paar Stunden
wurde filtriert, wonach das Filtrat mit 30 ccm Äther gefällt und noch-
mals filtriert wurde. Nach Abdampfen des Äther-Alkohols im Vakuum
1) Die Bestimmungen für diese Tabelle sind in unserem Laboratorium
von Herrn Mag. H. Karström und N. Fontell ausgeführt worden.
2?) Vgl. Bertrand, C.r. 126, 842, 1897.
172 A.I. Virtanen u. B. Bärlund:
bei etwa 20° blieb ein schwach gelber Sirup zurück, der aus der Zucker-
bestimmung zu schließen, 9,0 g Dioxyaceton enthielt. Der Sirup wurde im
Hochvakuum destilliert!), wobei die übergegangene Flüssigkeit bei kräf-
tiger Kühlung sofort zu einer Kristallmasse vom Schmelzpunkt 65 bis 71°
erstarrt. Durch Farbenreaktionen und Bisulfitverbindung wurde die
Substanz als Dioxyaceton charakterisiert. Es scheint, daß durch Ein-
wirkung von B. dioxyacetonicum auf Glycerin nur Dioxyaceton entsteht.
Die Resultate aus unseren Gärversuchen, welche alle durch zwei
Parallelversuche kontrolliert wurden, gehen aus folgenden Tabellen
hervor. Die Menge von Dioxyaceton in Prozenten vom Glycerin ist
dabei unter der Annahme, daß die Reduktionskraft der Lösung aus-
schließlich auf das Dioxyaceton zurückzuführen ist, berechnet worden.
Tabelle I.
Puffer: n/20 Phosphat.
| u Per are Vo
Zeit in Tagen 2ccm redu- | Dioxyaceton ` ` 2 cem redus Dioxyaceton
| zierten Cu ' vom Glycerin zierten Cu vom Glycerin
| mg äi Proz. j! mg Proz. u
—- — [u =m
4 0 0 | 1,3 3,7
7 0 0 | 2,5 7,0
ll 0 0 | 6,5 10,9
25 0 0 9,5 13,3
30 0 0 | 11,8 15,8
7 ege Pa = BI
Zeit in Tagen 2 ccm redus l Dioxyaceton | 2 ccm redu" Dioxyaceton
zierten Cu vom Glycerin ` ` zierten Cu | vom Ölycerin
mg | Proz. më mg | Proz.
4 35,6 000354 | 50,9 48,3
GE 42,0 40,9 | 60,4 56,1
11 | 44,5 | 43,0 | 62,9 58,1
25 47,7 45,7 76.3 | 68.3
30 56,3 52,5 | 80,1 | 71,5
Pr = 6,0 | pa = 7,0
Zeit in Tagen | 2eemredur | Bes | Ze redu | Dioxyaceton `
zierten Cu vom Glycerin | zierten Cu vom Glycerin
| mg Proz. hb mg Proz.
4 | 5,7 | 10,2 ENER
d 6,5 10,9 0 0
ll 14,0 | 17,8 0 | 0
25 19,1 21,9 | 0 | 0
30 | 23,2 | 25,5 l 22 | 6,0
1) H.O. L. Fischer und H. Mildbrand, Ber. 57, 707, 1924.
Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 173
Tabelle II.
Puffer: n/30 Citrat.
Dioxyaceton
vom Glycerin
Proz.
Dioxyaceton
vom Glycerin
Proz.
|
5 | — | — | 2,9 7,3
8 = | = 2,9 7,3
13 0 0 3,5 | 8,0
15 0 0 | — | —
22 0 0 l 12,1 16,0
41 0 0 | _ | —
| pa = 5l l Pa = 5,6
Zeit in Tagen || 2 ccm redus Dioxyaceton | 2 ccm redus | Dioxyaceton
| zierten Cu vom Glycerin | zierten Cu vom Glycerin
Ä | mg | Proz.
| S 2
7,0 | = | Ge
9,5 5,4 | 9,5
12,5 | — | —
16,6 = =
20,4 | 8,3 12,2
27,3 i 15,9 19,7
\ Pu =~ 6,1 | Pa = 7,0
Zeit in Tagen 2 ccm redu» Dioxyaceton ` 2 ccm redus Dioxyaceton
| zierten Cu vom Glycerin ` ` zierten Cu vom Glycerin
` 8 i m Proz. WW mg Proz.
5 | = rs e De
8 — — | — —
3 | 0 0 D | =
15 — — = =
22 | 1,3 3,7 0 0
4l 45 | 90 0 0
Tabelle III.
Puffer: Glykokoll.
Pua = 3,7 !
Dioxyaceton 2ccm redu» Dioxyaceton
vom Glycerin zierten Cu
Proz.
vom Glycerin
Proz.
174 A. I. Virtanen u. B. Bärlund:
Tabelle III E
| Pu = 42
Zeit in Tagen | 2ccm redus | Dioxyaceton
, zierten Cu | vom Glycerin
m Proz
5 41,0 | 40,0
9 55,4 | 51,8
7 2 57,2 | 53,2
| 98,6 | 84,6
3 TI 99 | s
Alle diese Versuche zeigen übereinstimmend, daß das Optimum
der Dioxyacetonbildung bei pa etwa 5,0 liegt. Das Optimum ist sehr
eng, wie aus den den Tabellen ent-
sprechenden Kurven in den Abb. 1,
2 und 3 deutlich hervorgeht. Unter
Pu 3 wird das Glycerin nicht mehr
oxydiert, bei 94 7 liegt die oberste
Grenze der Reaktion.
Die Puffer scheinen außer ihrer
wasserstoffionenkonzentrationsregu-
lierenden auch eine spezifische
Wirkung bei der Oxydation des
J0
È
$
À 20
%
Š
870
S
ER
Abb. 1. Dioxyacetonbildung Abb.2. Dioxyacetonbildung
in n/20 Phosphatpuffer. in n/30 Citratpuffer.
Glycerins zu haben. Am günstigsten verlief die Oxydation in
Glykokollpufferlösung. In 30 Tagen wurde hierbei Dioxyaceton in
einer Ausbeute von 84,6 Proz. von Glycerin gebildet, obwohl die Wasser-
stoffionenkonzentration nicht die optimale war. In n/30 Phosphat-
lösung war die Ausbeute an Dioxyaceton in derselben Zeit bei optimalem
Pu 68,3 Proz. und in n/30 Citratlösung 23 Proz.
|
Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 175
Der Einfluß der Phosphatkonzentration auf die Dioxy-
acetonbildung wurde näher untersucht. Die Resultate aus dieser
Versuchsserie sind aus den Kurven in Abb. 4 ersichtlich. n/20
scheint die optimale Phosphatkonzentration für die Reaktion
zu sein. |
Was die Einwirkung der Glycerinkonzentration auf die Dioxy-
acetonbildung betrifft, so geht aus unseren Versuchen hervor,
daß die gebildeten Dioxyacetonmengen bei genügender Glycerin-
konzentration von der Anfangskonzentration des Glycerins ziemlich
unabhängig sind. In 2,15 proz.
Glycerinlösung entsprach die Re-
duktionskraft nach 10 Tagen etwa
110
100 vier Fünftel derjenigen in 4,3 proz.
Ao
ITU: e
a 80
E Be
S ep 22
Fa
J n SE
KR e
Zu GË
a
e La
J0 X ag Gë
SW
` 5 u
A 20 15 20 25 J0
Zeit in Tagen
Abb. 3. Dioxyacetonbildung Abb. 4. Dioxyacetonbildung
in Glykokolipuffer. bei verschiedenen Phosphatkonzen-
trationen. Py = A0.
Weil das B. dioxyacetonicum stark aerob ist, war es anzunehmen,
daß eine möglichst freie Luftzufuhr das Wachstum der Bakterien und
dadurch die Oxydation des Glycerins begünstigt. In der Tat zeigten
die Versuche, daß die Dioxyacetonbildung viel schneller in dünner als
in dicker Flüssigkeitsschicht vor sich geht. Wir führen eine Versuchs-
serie an.
176 A.I. Virtanen u. B. Bärlund:
Tabelle IV.
Puffer: n/20 Phosphat. py = 4,5.
— — m in n UL I
1 `
50 ccm Gärlösung. 50 ccm Gärlösung.
Die Höhe der Flüssigkeitsschicht 1 ccm Die Höhe der Flüssigkeitsschicht 3 ccm
Zeit
2 ccm redu». ioxyaceton ` e | i
in Tagen ae En een | ns en Pu
| mg | Proz. | mg | Proz.
4 | 26,4 | 28,4 | 16,5 20,4
6 35,0 34,9 | 21,9 24,3
8 — | — | 34,3 34,2
12 39,4 38,5 | 34,3 34,2
14 36,6 36,3 | 35,9 Ä 35,6
16 38,8 38,4 36,2 | 36,1
23 36,6 36,3 7,4 | 45,4
34 | 40,4 39,5 68,7 | 62,5
Der günstige Einfluß der größeren Flüssigkeitsoberfläche ist im
Anfang der Reaktion sehr deutlich, die Oxydation kommt jedoch nach
einigen Tagen zum Stillstand, so daß nach einigen Monaten die Aus-
beute an Dioxyaceton viel besser in Kolben mit höherer Flüssigkeits-
schicht ist. Will man möglichst schnell Dioxyaceton herstellen.
ist es vorteilhaft, die Gärlösung in möglichst dünner Schicht zu
halten.
Die Bildung von Dioxyaceton mit B. xylinum.
Die Versuche mit B. xylinum wurden in derselben Weise wie mit
B. dioxyacetonicum ausgeführt. Die Ausbeuten an Dioxyaceton mit
B. xylinum waren bei jedem Versuch viel schlechter als mit unserer
Dioxyacetonbakterie. Es ist möglich, daß Dioxyaceton bei B. xylinum
zur Cellulose aufgebaut wird, und daß die schlechten Ausbeuten an
Dioxyaceton mit dieser Bakterie darauf zurückzuführen sind. Wir
kommen später auf diese Frage zurück. In der Tabelle V sind die
Resultate aus einer Versuchsserie mit B. xylinum angeführt.
Tabelle V.
Puffer: n/20 Phosphat.
= ı Pa = 45 Pu =50 | Pu = 60 Pa = 71,0
in ' 2 ccm redus y i2 ccm redu» Oe 2 cem redus ` or: | 2 ccm redu:
Tagen zierten Cu “Glycerin. derten Cu Oheen zierten Cu | Glycerin“ \ zierten Cu
io mg I Proz > mg Poos | mg | Proz mg
II 5,2 | 9,6 6,7 — 11,8 15,8 O
22 7,0 DS © — — 1.124 16,6 o
29 114 |, 152 114 |, 15,2 15,6 19,6 O
Oxydation des Glycerins zu Dioxyaceton. 177
Das Optimum der Dioxyacetonbildung scheint bei B. xylinum
zwischen pe 5 und 6 zu liegen. Bei pe 7 wird das Glycerin nicht mehr
oxydiert. Die 9a-Kurve der Dioxyacetonbildung ist also bei B. xylinum
und B. dioxyacetonicum ziemlich gleich.
Zusammenfassung.
Es wurde aus Rübensaft eine Bakterie isoliert, welche Glycerin
nahezu quantitativ zu Dioxyaceton oxydiert. Mit dieser Bakterie
(B.dioxyacetonicum) und B.xylinum (Brown) wurde die Bildung von
Dioxyaceton in Gilycerin-Hefeextraktlösungen bei verschiedenem py
verfolgt. Das 94-Optimum ist eng und liegt bei B. dioxyacetonicuni
bei pe etwa 5,0, bei B. xylinum zwischen pe 5 und 6. Die Einwirkung
verschiedener Puffer und Pufferkonzentrationen auf die Oxydation
wurde auch näher untersucht.
Für Bestimmung des Dioxyacetons wurde das Vermögen dieser
Verbindung, Fehlingsche Lösung zu reduzieren, bei verschiedenen
Konzentrationen quantitativ bestimmt.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 12
Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien.
Von
L. Jendrassik.
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.)
(Eingegangen am 22. Dezember 1925.)
Bei der Messung der ÖOberflächenspannung von hochmolekularen,
kapillaraktiven Lösungen mit der Ringmethode, nach dem Verfahren
von R. Brinkman!), erhält man, wie bekannt, mit der Zeit sinkende
Werte. Diese Erscheinung wird sowohl von L.du Nouy?) als von
Brinkman und seinen Mitarbeitern so gedeutet, daß hier die Adsorption
in die oberste Schicht beträchtlich lange Zeit in Anspruch nimmt.
Der sich zuletzt einstellende konstante Wert entspricht der statischen
Oberflächenspannung. Wird aber — nach T. Tominaga?) — nach
Eintritt des Adsorptionsgleichgewichts die Oberfläche der Flüssigkeit
gestört (‚verfrischt‘‘), so erhöht sich weder die Oberflächenspannung
und kann oft auch ganz ihren Anfangswert erreichen. Dies geschieht
einfacherweise durch Abstreifen der Oberfläche durch ein Stückchen
Filtrierpapier. Dieses Verfahren wird auch bei der Messung des reinen
Lösungsmittels (z. B. Wassers) benutzt, um die Oberfläche von kleinen
Mengen kapillaraktiver Unsauberkeiten zu befreien.
Bei einem solchen Vorgehen fand ich aber unerwarteterweise
oft ein starkes Sinken der Oberflächenspannung, und nach meinen Er-
fahrungen muß dies als Regel gelten. Streift man die Oberfläche der
meisten wässerigen Lösungen mit einem Stückchen Filtrierpapier ab,
oder gibt ein Stückchen Filtrierpapier hinein, so ist die Oberflächen-
‘ spannung binnen Bruchteilen einer Minute schon beträchtlich er-
niedrigt. Der größte Betrag, den ich solcherweise erhalten habe, war
über 22 Proz. (in Eiereiweiß).
Die so erhaltbaren Erniedrigungen sind im allgemeinen auffallend
groß und liegen sehr weit oberhalb der Fehlergrenze, mit welcher eine
1) R. Brinkman und van Dam, Münch. med. Wochenschr. 68, 1550, 1921.
2) P. Lecomte du Nouy, B. 25, 217.
3) T. Tominaga (unter Brinkman), diese Zeitschr. 140, 230, 1923;
141, 248, 1923.
L. Jendrassik: Beeinflussung der Oberflächenspannung usw. 179
solche Bestimmung ausführbar ist. Auf die Oberflächenspannung des
reinen Wassers selbst ist das Behandeln mit Filtrierpapier ohne Einfluß.
Ebenso bleibt die Wirkung bei bestimmten wässerigen Lösungen aus,
ist daher keine allgemeingültige Erscheinung.
Im ersten Augenblick würde man denken, daß diese Erscheinung
einfach dadurch zustande kommt, daß vom Papier irgend ein kapillar-
aktives Agens in die Lösung gezogen wird, oder daß es eine Oberflächen-
spannung erhöhende Substanz wegadsorbiert. Keines ist aber der Fall,
und auf Grund der im folgenden beschriebenen Versuche muß die Er-
klärung eine ganz andere sein. Ich glaube sogar, daß diese Erklärung nicht
einfach aus den bisher bekannten Kapillarerscheinungen ableitbar ist.
Es ist daher möglich, daß diese Erscheinungen auf bisher nicht bekannte
oder nicht genügend berücksichtigte Verhältnisse ein Licht werfen werden.
Aus äußeren Gründen konnte ich diese Versuche nicht so weit verfolgen,
daß ich Endgültiges über das Zustandekommen der Erscheinung aussagen
könnte. Die in Betracht kommenden Möglichkeiten sind aber auch durch
das bisherige Versuchsmaterial recht gut eingeschränkt!).
Methodik.
Die Messungen wurden den Brinkmanschen Vorschriften gemäß vor-
genommen. Der Wasserwert des verwendeten Platinringes betrug bei 20°
135,0 mg. Die gemessenen Flüssigkeiten befanden sich in Uhrgläsern,
die vorher in der Flamme gesäubert wurden. — Wurde die Beobachtung
für eine längere Zeit ausgedehnt (über 15 Minuten), so hielt ich die Lösungen
in feuchter Kammer, so daß ich die Uhrgläser, auf eine stark befeuchtete
Papierwatteschicht gesetzt, mit Petrischalen bedeckt hielt. Ich glaube
nämlich, daß ein Verdunsten von der Oberfläche dort zu einem Konzen-
trationszuwachs und dadurch zu einer entsprechenden Veränderung der
Oberflächenspannung führen kann. Vergleichende Versuche zeigen auch,
daß dies tatsächlich der Fall ist. Ein Bedecken der Lösungen muß auch
auf Grund der hier beschriebenen Versuche empfohlen werden, da größere
Staubteilchen, auf die Oberfläche fallend, vielleicht wie Papier die Ober-
flächenspannung erniedrigen.
Zu den Tropfenzahlbestimmungen wurde das Stalagmometer von
Traube verwendet.
Versuchsergebnisse.
Die Erscheinung wurde zum erstenmal an Pferdeserum und einer
Eucupinlösung gefunden (1924). Sobald aber diese wiederholt zur
Beobachtung kam, suchte ich sie an einer größeren Zahl verschiedener
Lösungen nachzuweisen, zumerstenmalan kolloiden Lösungen. Untersucht
wurden: Pferdeserum und -plasma, Eiereiweiß, Gelatine, Hämoglobin,
Pepton, Natriumoleat. Es stellte sich heraus, daß auf Einfluß von
Filtrierpapier an allen den untersuchten Lösungen die Oberflächen-
1) Ein Bericht hierüber wurde schon in der Sitzung vom 10. No-
vember 1925 der Physiologischen Sektion zu Budapest erstattet (vgl.
Orvosi Hetilap 1925, Nr. 49).
12 *
180 L. Jendrassik:
spannung eine Senkung erweist. Die Wirkung zeigt nur in quantitativer
Hinsicht Verschiedenheiten.
Ebenso zeigen die Erscheinungen die untersuchten Alkaloidsalze:
Eucupin-HCl, Cocain-HCl und Novocain-HCl. Auch Lösungen
anorganischer Neutralsalze, wie ROL CaCl, machen von der Regel
keine Ausnahme. Die Oberflächenspannung eines 96proz. Äthyl-
alkohols wird nicht beeinflußt, ebenso nicht eine 20proz. (sie wurde
eher erhöht). Ungefähr 4 Proz. Äthyläther enthaltendes Wasser erwies
aber eine beträchtliche Senkung.
Derartige Einflüsse können wahrscheinlich die verschiedensten,
große Oberfläche darbietenden Körper hervorbringen. Ich habe bisher —
außer Papier — nur Watte und Talkum untersucht. Dieses letztere
kann an bestimmten Lösungen (wie Pepton) eine sehr starke Senkung
zustande bringen. Andere Lösungen aber, deren Oberflächenspannung
durch Papier vermindert wird, bleiben durch Talkum unbeeinflußt.
Es verursacht dieses sogar oft ein Steigen der Oberflächenspannung
(z.B. an Hämoglobin).
Beispiele dieser Messungen werden am Ende dieser Arbeit an-
geführt. Hier seien in Kürze die hauptsächlichsten Regelmäßigkeiten
angeführt, wie diese aus den bisherigen Versuchen hervorzugehen
scheinen:
1. Die Wirkung des Papiers oder Talkums bleibt stundenlang
unverändert bestehen. Wir können das Papier aus der Lösung ent-
fernen, die Oberflächenspannung bleibt trotzdem auf dem gesenkten
Niveau.
2. Die Wirkung ist sehr abhängig von der Schichtdicke der Lösung.
Je dünner die Flüssigkeitslage ist, desto ausgeprägter kommt sie zu-
stande. Oberhalb 14%, bis Zem Höhe kann der Einfluß auch nicht
kleiner Papiermengen völlig vermißt werden.
3. Die Stärke der Wirkung hängt auch von der Konzentration
der untersuchten Lösung bzw. von der Ausgangsoberflächenspannung
ab. Bei Natriumoleat z. B. ist die Wirkung bei 0,001 proz. Lösung sehr
ausgesprochen, bei einer 0,1l proz., welche schon ursprünglich eine sehr
tiefe Oberflächenspannung besitzt, ist diese eben nur angedeutet zu
finden. Sehr verdünnte Lösungen zeigen aber wieder ein scheinbar
entgegengesetztes Verhalten. Ist nämlich so wenig kapillaraktive
Substanz vorhanden, daß die Konzentration durch Adsorption an
das Papier beträchtlich vermindert wird, so steigt die Oberflächen-
spannung. Dies geschieht auch beim Reinigen der Oberfläche durch
Filtrierpapier.
4. Die oberflächenspannungsenkende Wirkung ist reversibel. Stört
man die Oberfläche dadurch, daß man die Lösung in ein anderes Uhrglas
übersenkt, oder, viel stärker, dadurch, daß man es durch eine Pipette
Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien. 181
oder ein Kapillarrohr saugt, so verschwindet die senkende Wirkung des
Papiers in verschiedenem Grade. Ist die Kapillare eng, wie z. B. am
Stalagmometer von Traube, so kann die Oberflächenspannung durch
ein- bis dreimaliges Durchsaugen auch vollständig restituiert werden.
Ein nochmaliges Behandeln mit Papier senkt dann die Oberflächen-
spannung abermals zum ursprünglichen Werte herab. Dieser Umstand
ist sehr wichtig, weil er beweist, daß die Senkung nicht von ausgespülten
Stoffen herrührt, welche die Oberflächenspannung vermindern, oder
vom Wegadsorbieren eines die Öberflächenspannung steigernden
Stoffes. Die letztere Möglichkeit wird durch die Reversibilität völlig
widerlegt. Würde ein kapillaraktiver Stoff, der aus dem Papier in die
Lösung diffundiert, die Senkung bedingen, so sollte diese Wirkung
auch nach Durchgang durch die Glaskapillare bestehen bleiben. Diese
Erklärungsversuche sind aber schon an sich recht unwahrscheinlich, da
die Oberflächenspannung des reinen Wassers durch diese Stoffe nicht
beeinflußt wird. Hiergegen spricht auch, daß (z. B. durch Talkum)
verschiedene Lösungen in verschiedener Richtung beeinflußt werden.
Bangsches gereinigtes Löschpapier wirkt auch senkend.
Die Reversibilität der Erscheinung beweist daher, daß irgend eine
physikalische Veränderung der Lösung die Ursache sein muß.
5. Mit dem Stalagmometer können wir den senkenden Einfluß des
Papiers an Eiweiß-, Pepton- und Na-Oleatlösungen nicht messen. Die
Tropfenzahl bleibt auch dieselbe, nachdem der mit der Ringmethode
gemessene Wert durch Einlegen eines Papierstückchens eine starke
Abnahme zeigte. Die Erklärung hierfür könnte schon darin liegen,
daß die Senkung nur an der statischen Oberflächenspannung zur Geltung
kommt, und dadurch wird es bei der halbdynamischen Stalagmometer-
methode vermißt. Eine Bedingung dieses Umstandes könnte aber auch
die Reversion im Stalagmometer sein. Wird die Senkung beim Durch-
fluß rückgängig gemacht, so ist auch gar nicht zu erwarten, daß diese
auch in der Tropfenzahl zum Ausdruck komme. Es sei noch dahin-
gestellt, in welchem Grade diese letztere Erklärung bei den Eiweiß-
und Peptonlösungen zutrifft. Daß es aber, wenigstens bei bestimmten
Lösungen vom Belang ist, zeigt das Beispiel des Eucupins, deren
Spannungserniedrigung auch durch das Stalagmometer nachzuweisen
ist, und die nachträgliche Messung mit der Ringmethode zeigt, daß
die Oberflächenspannung sich nur zum Teil regeneriert hatte.
Nach alledem könnte man als einen Fehler des Stalagmometers
ansehen, daß es die Oberflächenspannung der gemessenen Lösung
dadurch verfälscht, daß derartig hervorgerufene Zustände bei der
Messung nicht zum Ausdruck gelangen können. Es ist aber noch
fraglich, ob das als ein Nachteil oder vielleicht als ein Vorteil des
Instruments anzusehen ist.
182 L. Jendrassik :
6. Behandelt man eine Lösung (z. B. Na-Oleat) mit Filtrierpapier,
nachdem sie sich auf die statische Oberflächenspannung eingestellt
hatte, erhält man ebenso die senkende Wirkung. Dies beweist, daß
durch den Eingriff nicht nur das Zustandekommen des Adsorptions-
gleichgewichts befördert wird, sondern sich ein anderes Gleichgewicht
entwickelt, wobei vielleicht die Konzentration des Dune
Stoffes in der Oberfläche größer ist.
Zusammenfassung.
Kommen wässerige kolloidale und kristalloide Lösungen mit
Filtrierpapier in Berührung, so wird ihre mittels der Ringmethode
gemessene Oberflächenspannung beträchtlich gesenkt. Diese Wirkung
kann man mit Tropfenzählung bei den meisten Lösungen nicht nach-
weisen. Beim Durchgang am Stalagmometer (oder an anderen
Kapillaren) wird die Wirkung (zum Teil oder ganz) rückgängig gemacht.
Talkum wirkt an einzelnen Lösungen erniedrigend, an anderen steigernd.
Es wird bei diesen Einflüssen der physikalische Zustand der
Lösung verändert, vielleicht auch die Konzentration in der Ober-
flächenschicht.
Einige Beispiele der Oberflächenspannungsmessungen.
l. 5 Proz. Eiereiweiß in 0,9proz. NaCl (2 ccm).
Nach 6 Min.: 66,4 dyn/cm.
» 8 „ Oberfläche mit Filtrierpapier (= Fp.) ab-
gestreift.
„ 14 ,„ 51,0dyn/cm.
2. Dieselbe Lösung wie 1, mit Filtrierpapier abgestreift (2 ccm).
Nach 3 Min.: 53,7 dyn/cm.
ji 8 „53,7 za
» 60 „ 937 e
3. 10 Proz. Eiereiweiß in 0,9 proz. NaCl.
Nach 10 Min.: 62,1 dyn/cm.
» 11 ,„ In 15cem Lösung (Höhe +2cm) 6qcm Fp.
gelegt.
» 15 ,„61,6dyn/cm.
» 16 ,„ Zem der Lösung auf Uhrglas gebracht
+ 2 qem Fp.
» 18 on 49,4dynjcm.
» 20 , Mit einer Pipette davon 1,5 ccm in ein anderes
Uhrglas überlassen.
» 23 „ 583 dyn/cm (fast zurückgegangen).
Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien. 183
4.
10.
Pferdeplasma (proz. Na-Citrat) (2 ccm).
Nach 10 Min.: 64,3 dyn/cm.
» 11 „ + 2qcm Fp.
„ 13 „ 55,1 dyn/cm.
. Pferdeplasma (%proz. Na-Citrat) (2 ccm).
Nach 20 Min.: 62,9 dyn/cm + 2,5 qem Fp.
» 24 „ 55,1 on
» 25 , Einmal am Stalagmometer durchgesaugt.
a 30 ,„ 62,9dyn/cm (völlig zurückgegangen).
» 31 „ + 2,5qem Fp.
» 33 ,„ 55,6 dyn/cm.
. 10 Proz. Gelatine in 0,9proz. NaCl (2 cem).
Nach 6 Min.: 53,2 dyn/cm.
„ 8 TT + 114 qem Fp.
a 10 , 50,2dyn/cm.
sp 44 „ 49,9 sn
» 45 ,, Am Stalagmometer einmal durchgelassen.
» 52 ,„ 52,9 dyn/cm (fast ganz zurückgegangen).
. 0,1proz. Gelatinelösung in 0,9proz. NaCl (2 ccm).
Nach 5 Min.: 70,5 dyn/cm.
i 6 „ + 3qem Fp.
D 8 ,„ 57,8 dyn/cm.
„ 10 , Am Stalagmometer durchgelassen.
„ 12 , 62,1 dyn/cm (zum Teil zurückgegangen).
. 0,1l proz. Gelatinelösung in 0,9proz NaCl (8 cem).
Stalagmometer: 71,5 dyn/cm.
8 cem + 8 qem Fp.: 71,5 Ge (unverändert).
. 0,1 Proz. Pepton (Witte) in Tyrodelösung (2 cem).
Nach 7 Min.: 58,3 dyn/cm.
e 8 „ + 1% Stück Bangpapier.
Ss H on 56,7 dyn/cm.
0,1 Proz. Pepton (Witte) in Tyrodelösung (2ccm) + ung. 0,lg
Talkum.
Nach 5 Min.: 49,7 dyn/cm.
0,01 Proz. Pepton (Witte) in Tyrodelösung (2 ccm).
Nach 4 Min.: 64,8 dyn/cm + % Stück Bangpapier.
LE 7 LI 3 39
1 Proz. Hämoglobin cryst. (Merck) in Tyrodelösung (2 cem).
Nach 10 Min.: 52,6 dyn/cm.
» 1 „ + ung. 0,1g Talkum.
» 13 on 54,5dyn/cm (etwas erhöht).
1 Proz. Hämoglobin cryst. (Merck) in Tyrodelösung (2 cem) + 2 qem
Fp
Nach 3 Min.: 48,6 dyn/cm (gesunken).
184 L. Jendrassik :
11. 0,1 proz. Eucupin-HCl (2 ccm): 63,5 dyn/cm.
+ 1,5 qcm Fp.: 51,4 D
O,1proz. Eucupin-HCl (5 ccm) + 5qcm Fp.
Nach 3 Min.: 57,5 dyn/cm.
LK) 6 29 55,9 LE)
ag 10 ag 56,2 >
HI
LEI 120 LE
10 bis 20 Min.: Dreimaliges Durchlassen am Stalagmo-
meter. Es ergibt sich der Wert hierzu im
Mittel: 63,9 dyn/cm.
25 Min. (an der Torsionswage): 59,9 dyn/cm, zum
Teil zurückgegangen.
(an der Torsionswage): 59,4 dyn/cm, zum
Teil zurückgegangen.
12. 0,l proz. Eucupinlösung (2 ccm).
Nach 5 Min.:
» 200 „
62,9 dyn/cm.
+ ung. 5cg Talkum.
67,2 dyn/cm.
57,8 op
0,l proz. Eucupinlösung (2ccm) + etwas Watte.
Nach
1 Min.:
62,6 dyn/cm.
13. 1proz. Cocain-H Cl (1,5 ccm).
Nach 6 Min.:
68,8 dyn/cm.
l proz. Cocain-H Cl (1,5 cem) + 2 qem Fp.
Nach 10 Min.:
54,3 dyn/cm.
l proz. Cocain-H Cl (1,5 cem) + 5 cg Talkum.
Nach 5 Min.:
99 20 LEI
63,7 dyn/cm.
64,2 ..
14. 5proz. Novocain-H Cl (1,5 ccm).
Nach 2 Min.:
LE 230 39
69,9 dyn/cm.
+ 2 qem Fp.
55,1 dyn/cm.
Papier herausgenommen.
55,3 dyn/cm (unverändert).
proz. Novocain-H Cl (1,5 cem) + 5 cg Talkum.
Nach 2 Min.: 62,1 dyn/cm.
„ 12 „62,6 8
„ 220 „63,4 2 (bleibt gesunken).
15. +5proz. CaCl, (1,5 cem).
Nach 3 Min.: 71,6 dyn/cm.
— proz. CaCl, (1,5 cem) + 2 qem Fp.
Nach 5 Min.: 65,9 dyn/cm.
a H „740 i
„ 22 ,„ 74,2 S
Beeinflussung der Oberflächenspannung durch Adsorbentien. 185
16. 10proz. KCI (1,5 ccm).
Nach 2 Min.: 74,5 dyn/cm.
10proz. KCI (1,5 cem) + 2,5 qcm Fp.
Nach 5 Min.: 64,8 dyn/cm.
l0 proz. KCL (1,5 cem) + 5 cg Talkum.
Nach 8 Min.: 76,4 dyn/cm.
17. 96proz. Äthylalkohol: 31,1 dyn/cm.
+ 2,5 qem Fp.: 31,1 ES
+ 20 proz. Äthylalkohol (4,5ccm): 46,4 e
+8 gem bn: 48,1 2
+0,1g Talkum: 508 „
18. 2ccm H,O + 3 Tropfen Äthyläther (pro narc.): 65,1 dyn Jem.
+ 2qcmFp.: 57,0 up
2 ccm H,O + 5 Tropfen Äthyläther (pro narc.): 55,9 m
+ 5cg Talkum: 56,7 np
19. 0,001 proz. Natriumoleat (1,5 ccm).
20 Sek. nach dem Ausschütten in das Uhrglas: 72,1 dyn/cm.
Nach 3Min. 67,0 dyn/cm
LE) 8 LE 65,1 99
» 18 ,„ 61,8 >
LE) 31 39 59,4 239
0,001 proz. Natriumoleat (5 ccm) + 8 qem Fp.
Nach 34 Min.: 53,5 dyn/cm (zweimal am Stalagmometer
durchgelassen).
a AR „ 55,3 Ge . (zum Teil zurückgegangen).
0,001proz. Natriumoleat (2ccm) + 3 qem Fp.
Nach 34 Min.: 49,1 dyn/cm.
0,001 proz. Natriumoleat (3 ccm) + 4 qem Fp.
Nach 20 Sek.: 65,6 dyn/cm.
ge 4 Min.: 59,4 S
0,l proz. Natriumoleat (5 ccm).
Nach 30 Min.: 37,8 dyn/cm.
In 35 99 37,5 Lé
» 40 , + 7 qem Fp.
LE) 43 33 37,3 33
20. H,O (1,5 ccm): 72,1 dyn/cm.
+ 2qem Fp.: 73,4 ge
H,O (1,5ccm) + Talkum (0,1 g): 73,2 dyn/cm.
Über
die Milchsäurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II.
Von
Ernst Mangold und Constanze Schmitt-Krahmer.
(Ausgeführt mit Unterstützung der Notgemeinschaft der deutschen
Wissenschaft.)
(Aus dem tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen
Hochschule Berlin.)
(Eingegangen am 22. Dezember 1925.)
Mit 1 Abbildung im Text.
In der ersten Mitteilung!) wurde gezeigt, daß glatte Muskulatur
(Taubenmagen) im frischen Zustande Milchsäurewerte aufweist, die
sich den in der Literatur für die quergestreifte bekannten annähern,
und daß sich auch bei der glatten ausnahmslos eine postmortale Zu-
nahme des Milchsäuregehaltes nachweisen läßt. Diese Zunahme zeigte
mit den von Potonié?) beobachteten mechanischen Veränderungen bei
der Totenstarre des gleichen Objektes einen auffallend überein-
stimmenden zeitlichen Verlauf. Es wurde daher angenommen, daB
auch bei der glatten Muskulatur die Milchsäurebildung mit den mecha-
nischen Veränderungen der Totenstarre in ursächlichem Zusammen-
hange steht. Erstere erreichte nämlich beim Taubenmagen im Durch-
schnitt nach 1 Stunde einen relativen und nach 3 Stunden den absoluten
Höhepunkt; die bei der Totenstarre des Haupt- und Zwischenmuskels
vom Taubenmagen registrierte Verkürzung erreichte einen relativen
Höhepunkt durchschnittlich nach 2, den absoluten nach 3 bis 4 Stunden,
und die gleichzeitig sklerometrisch verfolgte Härtezunahme ebenso
nach 2 bzw. 3 Stunden nach dem Tode des Tieres.
Da nun diese beiden mechanischen Veränderungen während der
Totenstarre beim Muskelmagen von Hühnern eine langsamere Entwicklung
erfahren und beide erst nach 5 Stunden post mortem ihren durch-
1) E. Mangold und C. Schmitt-Krahmer, diese Zeitschr. 167, 1, 1926.
2) H. Potonié, Pflügers Arch. 209, 395, 1925.
E. Mangold u. C. Schmitt-Krahmer: Milchsäurebildung usw. II. 187
schnittlichen Höhepunkt erreichen!), so mußte es für die Beurteilung
eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Milchsäurebildung und
Totenstarre glatter Muskulatur von besonderem Interesse sein, auch
am Hühnermagen die postmortale Milchsäurebildung zu verfolgen, um
zu sehen, ob sie auch hier den mechanischen Veränderungen parallel
verläuft.
Daher wurden ganz in derselben Weise, wie es in der ersten Mit-
teilung für den Taubenmagen beschrieben ist, nun auch am Muskel-
magen von 14 Hühnern Bestimmungen der Milchsäure durchgeführt.
Dieses Objekt hatte gegenüber dem kleineren Taubenmagen
methodisch den Vorteil, daß die einzelnen acht Teile, in die es, zwecks
zeitlich um je 1 Stunde auseinander liegender Analysen, zerlegt werden
mußte, größer waren und daher höhere absolute Mengen von Milch-
säure enthielten. |
Auch die prozentischen Milchsäurewerte erwiesen sich im Hühner-
magen höher. Diejenigen für die frische Magenmuskulatur beliefen
sich im Durchschnitt auf 0,089 Proz. mit individuellen Schwankungen
von 0,059 bis 0,135 Proz. (beim Taubenmagen 0,075 Proz. mit 0,049
bis 0,098 Proz.). Die während der auch beim Hühnermagen ausnahmslos
eintretenden postmortalen Zunahme der Milchsäure beobachteten
Maxima betrugen im Durchschnitt 0,145 Proz., mit Schwankungen
von 0,104 bis 0,323 Proz. Milchsäure (bei der Taube betrug der höchste
beobachtete Wert nur 0,140 Proz.).
Diese Milchsäurewerte nähern sich also noch mehr als beim Tauben-
magen den für die quergestreifte Muskulatur bekannten.
Bei den Hühnerversuchen wurden die Magenstücke fast ausnahmslos
so verteilt, daß je eine Milchsäurebestimmung sogleich, dann nach
l, 2, 3 usw. bis 7 Stunden nach der Tötung stattfand, so daß für
jede dieser Stunden eine große Zahl von Einzelbestimmungen vorliegt.
Der Wert für die 20. Stunde wurde nur bei 2 Mägen ermittelt.
Die für jedes einzelne Tier nach den Analysenwerten aufgestellten
Kurven für die Milchsäurebildung zeigten beim Hühnermagen in einer
größeren Zahl der Fälle als bei dem der Taube einen etwas unregel-
mäßigen Verlauf, indem einzelne Magenstücke einen während des
allgemeinen Anstieges des Milchsäuregehaltes vorübergehend abfallenden
Wert ergaben. Es wurden aber wegen zu großer Unregelmäßigkeit, bei
der offenbar unkontrollierbare Bedingungen vorlagen, nur die von
dem einzigen verwendeten Hahne erhaltenen Zahlen aus der Verwertung
für die Aufstellung der Tabelle I sowie der Gesamtdurchschnitiskurve
1) H. Potonié, Pflügers Arch. 209, 395, 1925.
Prozent Milchsäure in der glatten Muskulatur dee Hühnermagens.
Tabelle I.
Zeit nach
dem Tode |
E. Mangold u. C. Schmitt-Krahmer:
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des Verlaufes der Müchsäurebildung
(Abb. 1) ausgeschlossen. Wir geben
hier die, in gleicher Weise wie die-
jenige in der ersten Mitteilung für
den Taubenmagen, wegen einiger
Abweichungen in der nach dem
Tode der Tiere gewählten Zeit
der Milchsäurebestimmungen redu-
zierte, Gesamtdurchschnittskurve des
Verlaufs der Milchsäurebildung im
Hühnermagen wieder, in der alle
Einzelanalysen von 14 Hennen ver-
wertet sind (Abk. 1).
Auch hier zeigt sich wie beim
Taubenmagen (vgl. die Abb. 1 der
ersten Mitteilung) schon in der
ersten Stunde ein steiler Anstieg,
der, hier indessen über die erste
Stunde hinausgehend, erst nach
2 Stunden post mortem einen rela-
tiven Höhepunkt, und den absoluten
Höhepunkt erst nach 5 Stunden er-
reicht, Wie beim Taubenmagen
zwischen der 1. und 3., so erfolgt
hier zwischen der 2. und 5. Stunde
nur noch ein sehr langsamer und
geringer weiterer Anstieg. Wie bei
jenem schon nach der 3., so
setzt beim Hühnermagen nach der
5. Stunde der allmähliche Abfall
ein. Der 20-Stunden-Wert geht
beim Hühnermagen (hier nur zwei
Einzelbestimmungen) nicht so nahe
an den Anfangswert herunter, wie
es bei der Taube der Fall war.
Aus diesen Untersuchungen
ergibt sich, daß die postmortale
Milchsäurebildung beim Hühner-
magen zeitlich anders verläuft als
beim Taubenmagen, indem sie beim
Hühnermagen durchschnittlich zwei
Stunden später als dort ihren Höhe-
punkt erreicht. Es zeigt sich aber
Milchsäurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II. 189
auch, daß bei beiden Objekten die postmortale Zunahme des Milchsäure-
gehaltes mit der Entwicklung der die Totenstarre kennzeichnenden mecha-
nischen Veränderungen parallel verläuft. Besonders die zeitliche
Übereinstimmung in der Erreichung des Höhepunktes der chemischen
und mechanischen Veränderung fällt deutlich in die Augen; denn
die durchschnittliche Zeit für den gemeinsamen Höhepunkt der
beiden Veränderungen liegt beim Taubenmagen 3 und beim Hühner-
magen 5 Stunden nach dem Tode.
2 3 4 5 6 7
Stunden nach dem Tode
Abb. 1. Postmortale Milchsäurebildung im Hühnermagen.
Dieses Verhalten erhebt die in der ersten Mitteilung experimentell
begründete Annahme, daß die postmortale Milchsäurebildung auch bei
der glatten Muskulatur mit den mechanischen Veränderungen bei der Toten-
starre (Verkürzung und Härtezunahme) in ursächlichem Zusammenhange
steht, zur Gewißheit. Im Einklang mit den Erfahrungen an der quer-
gestreiften Muskulatur ist dieser Zusammenhang natürlich so zu ver-
stehen, daß die Milchsäurebildung Bedingung für die Entwicklung der
Totenstarre ist. Hiermit stimmt auch gut überein, daß besonders beim
Hühnermagen die Milchsäurebildung einen etwas früheren und steileren
Anstieg zeigt als die mechanischen Veränderungen, und daß auch die ge-
ringen zeitlichen Abweichungen in der Erreichung der beiden verschieden-
artigen Höhepunkte, wie schon für den Taubenmagen erwähnt wurde,
stetsim Sinne des etwas vorangehenden Milchsäuremaximums ausfallen.
Es braucht nun aber nicht so zu sein, daß die Milchsäurebildung
stets allein als einzige Bedingung die Totenstarre auslöst. Der eine
von uns hat schon seit Jahren den Standpunkt vertreten, daß das
Zusammentreffen mehrerer Bedingungen für die Entwicklung der Toten-
starre maßgebend oder erforderlich sein kann. In diesem Sinne wurde der
Begriff der ‚‚Starrebereitschaft‘‘ aufgestellt!). Diese wurde zunächst für
den häufig beobachteten Fall der plötzlichen oder stufenweisen Aus-
lösung der Starreverkürzung durch elektrische oder automatische
1) E Mangold, Deutsch. med. Wochenschr. 1920, Nr. 16; Deutsch.
physiol. Ges. 1920, s. Ber. über d. ges. Physiol. 2, 1920.
190 E. Mangold u. C. Schmitt-Krahmer:
Reizung hypothetisch so gedeutet!), daß im Anschluß an Embdens
Untersuchungen über die Milchsäurebildung angenommen wurde, daß
die Starrebereitschaft auf der Bildung einer Milchsäurevorstufe beruhe,
die in solchen Fällen erst durch die Reizung des Muskels in Milchsäure
übergeführt werde, die dann als Verkürzungssubstanz die Kontraktur
auslöse.
Wiederholt hat der eine von uns und seine Schüler?) auf die Starre-
bereitschaft hingewiesen in dem Sinne, daß eine solche von einem be-
stimmten Zeitpunkte an infolge vorbereitender innerer Veränderungen
im Muskel bestehe und dann eine Auslösung des Starreeintritts durch
mechanische oder chemische Veranlassung möglich sei®). In der hierin
ausgesprochenen Annahme, daß die Totenstarre durch das Zusammen-
treffen mehrerer Bedingungen und Zustandsänderungen des Muskels
bedingt sein kann, liegt der grundsätzliche Sinn des Begriffs der Starre-
bereitschaft, den Riesser‘) offenbar verkannt hat. Unsere Anschauung
hat sich auch durch die Untersuchung von Deuticke®) neuerdings grund-
sätzlich bestätigt, wonach für die Entwicklung der Totenstarre nicht
die Anhäufung einer bestimmten Säuremenge, sondern auch das Hinzu-
treten anderer Ursachen von Bedeutung ist; als solche stellt er die
Veränderungen an den Muskelkolloiden in den Vordergrund, die er
nachweisen konnte und die er mit Wahrscheinlichkeit auf Schädigung
durch die vorangegangene Säurebildung zurückführt. Dieses neue Er-
gebnis steht insofern mit dem Begriff der Starrebereitschaft im Einklang,
als die in unseren früheren Versuchen zu dieser hinzutretenden, die
Starreverkürzung auslösenden Reizungen des Muskels ja wohl zweifellos
auch Veränderungen der Muskelkolloide herbeiführen, die dann im
Sinne von Deuticke neben der vorangegangenen Säurebildung starre-
erregend wirkten.
Daß die Annahme einer Starrebereitschaft und damit mehrerer
für die Auslösung der Totenstarre wirksamer Bedingungen mancherlei
Erscheinungen zu erklären vermag, die hinsichtlich der Totenstarre
zu beobachten sind und bisher nicht gedeutet wurden, hat der eine
von uns anderenorts erwähnt®) und neuerdings ausführlich dargelegt’).
Zurückkommend auf die oben wiedergegebenen Versuche am
Hühnermagen darf wohl gesagt werden, daß hiernach die Totenstarre
D A. Eckstein, Deutsch. med. Wochenschr. 1920, Nr. 16.
2) Derselbe, Pflügers Arch. 181, 201, 1920; Hecht, ebendaselbst 182,
199, 1920.
3) E. Mangold, ebendaselbst 188, 313, 1921.
t) O. Riesser, Handb. d. norm. u. pathol. Physiol. 8, 257, 1925.
5) H. J. Deuticke, Deutsch. physiol. Ges. 1925, s. Ber. über d. ges.
Physiol. 82, 689, 1925; Zeitschr. f. physiol. Chem. 149, 259, 1925.
D E. Mangold, Die Naturwissenschaften 1922, Heft 41.
?) Derselbe, Ergebn. d. Physiol. 1926.
Milchsäurebildung bei der Totenstarre glatter Muskeln. II. 191
der glatten Muskulatur und ihr Zusammenhang mit Stoffwechsel-
vorgängen einerseits nicht mehr so problematisch erscheinen wird,
wie sie Rtesser!) noch in neuester Zeit beurteilt, und daß sie andererseits
in ihren mechanischen und chemischen Erscheinungen weitgehend mit
der der quergestreiften Muskeln übereinstimmt.
Anschließend sei hier noch vorläufig bemerkt, daß auch die quer-
gestresften Muskeln der Vögel nach unseren bisherigen Untersuchungen
schon im frischen Zustande erhebliche Mengen Milchsäure aufweisen
und mit ihren Maxima bei der Totenstarre an die höchsten von
Säugermuskeln beschriebenen Werte heranreichen.
Zusammenfassung.
In der glatten Muskulatur des Hühnermagens wurden im frischen
Zustande durchschnittlich 0,093 Proz. (0,059 bis 0,135 Proz.) Milch-
säure gefunden, auf der Höhe der Totenstarre 0,145 Proz. (0,104 bis
0,323 Proz.).
Die postmortale Milchsäurebildung verläuft, mit etwas früherem
und steilerem Beginn, zeitlich parallel den mechanischen Veränderungen
(Verkürzung, Härtezunahme) der Totenstarre des Muskelmagens. Sie
erreicht mit diesen zugleich in 5 Stunden nach dem Tode ihren Höhe-
punkt, wonach dann allmählicher Abfall der Milchsäurewerte eintritt.
Da der zeitliche Verlauf dieser Veränderungen für den Hühner-
und Taubenmagen verschieden ist, bei jedem dieser beiden Organe
aber für die mechanischen und chemischen Veränderungen überein-
stimmt, so ist nunmehr mit Sicherheit anzunehmen, daß auch bei
der Totenstarre der glatten Muskulatur die Milchsäurebildung eine
Bedingung für die mechanischen Veränderungen (Verkürzung, Härte-
zunahme) im Sinne einer Kontraktursubstanz darstellt.
1) Riesser, im Handb. d. norm. u. pathol. Physiol. 8, 257, 1925.
Über die chemische Natur der Adsorption.
Von
Kshitish Chandra Sen.
(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Allahabad, Indien.)
(Eingegangen am 22. Dezember 1925.)
In einer früheren Mitteilung!) habe ich dargetan, daß der chemischen
Natur des Adsorbens in bezug auf die Art und den Grad der Adsorption
eines Stoffes aus seiner Lösung eine große Bedeutung zukommt. Es
hat sich erwiesen, daß die Langmuirsche Adsorptionstheorie?) die
Bildung unbestimmter chemischer Verbindungen zwischen dem Ad-
sorbens und der adsorbierbaren Substanz voraussetzt. Verallgemeinert
man die Theorie, so führt sie zu einem besseren Verständnis vieler
Erscheinungen, bei denen sich nur schwer ein Unterschied zwischen
einer wahren Verbindung und einer Adsorption feststellen läßt. In
der vorliegenden Abhandlung soll gezeigt werden, daß der Grad der
Adsorption bei chemisch aktiven Oberflächen in hohem Maße von
der chemischen Natur des adsorbierbaren Stoffes abhängt. Die
experimentellen Ergebnisse umfassen die Adsorption von Säuren und
Basen durch basische Substanzen sowie die von Säuren und Basen
durch saure Stoffe, ferner die Änderung der Ionenadsorption eines
Salzes und seine Abhängigkeit von der Natur der Oberfläche. Zugleich
wird eine kurze Übersicht über einige bei elektroosmotischen Messungen
erhaltene Resultate gegeben.
Tabelle I.
Adsorbens: Chromhydroxyd 0,261 g.
Adsorption von Schwefelsäure und Natriumhydroxyd pro Gramm Adsorbens.
Adsorption von Schwefelsäure Adsorption vòn Natriumbydroxyd
Ursprüngliche Konzentration A | Ursprüngliche Konzentration !
e Milliäquivalente EE | Milliäquivalente EES
2,3826 7,838 | 2,3826 ~ 1682
2,0840 7,280 — —
1,7670 6439 | 1,7670 1,582
1,4500 | 5,405 1,4500 1,524
1,1320 | 4,273 d — | Ss
1) Kolloid-Zeitschr. 86, 193. 1915.
2) Journ Amer. Chem. Soc. 88, 2221, 1916; 89, 354, 541, 1917.
K.C. Sen: Chemische Natur der Adsorption. 193
Tabelle II.
Adsorbens: Aluminiumhydroxyd 0,267 g.
Adsorption von Schwefelsäure und Natriumhydroxyd gleicher Konzentration
pro Gramm Adsorbens.
l Ursprüngliche Konzentrahien Adsorption | Adsorption
Milliäquivalente von Säure von Alkali
1,1320 1,793 1,224
0,9902 1,706 1,161
0.7921 1,630 1,109
0,5940 1,484 1,034
0,39605 1187 | 0,959
Tabelle III.
Adsorbens: Eisenhydroxyd 0,2559 g.
Adsorption von Schwefelsäure und Natriumhydroxyd pro Gramm Adsorbens.
Adsorption von Natriumhydroxyd
Ursprüngliche Konzentration
SC Milläquivalente
en EES ee eren | m bs e E
1,1320 1,696 | 0,9434 0,7949
0,9607 1,651 0,7548 0,6828
0,8235 1,597 | 0,5659 0,6098
0,6861 1,536 0,3773 0,5368
0.5491 1483 || 0.2830 0,5199
Tabelle IV.
Adsorbens: Mangandioxydhydrat.
Adsorption von Säure und Alkali.
i _Adsorbierte
Ursprünglich
Menge
H’ oder OH',Ionen
vorhandene Menge
H’ oder OH’ .Ionen
Angewandte Lösung
Schwefekäure . . . . | 0,0094 0,0003
Essigsäure ......- 0,0162 0,0003
Natriumhydroxyd .. | 0,0170 0,0080
2 e 0,0340 0,0110
Kaliumhydroxyd .. . | 0.0170 0,0080
ege e 0,0340 0,0110
N
Aus diesen Tabellen geht hervor, daß die Natur des Adsorbens
sowohl auf den Adsorptionsgrad der Säure als auch der Base einen ganz
bestimmten Einfluß ausübt. So ergibt sich bei den Hydroxyden des
Eisens, Aluminiums und Chroms, daß die adsorbierte Säuremenge
weitaus größer ist als die von Alkali. Im Falle des Chromhydroxyds
beträgt das Verhältnis ungefähr 4:1. Beim Eisenoxyd wird um die
Hälfte mehr Säure als Alkali adsorbiert. Dagegen findet man beim
sauer wirkenden Mangandioxydhydrat, daß eine viel stärkere Adsorp-
tion von Alkali als von Säure stattfindet. Betrachtet man wiederum
Biochemische Zeitschrift Band 169. 13
194 K. C. Sen:
das Beispiel des Eisen- und Aluminiumhydroxyds und den Grad der
Alkaliadsorption, so tritt eine ähnliche Wirkung der Oberflächen-
natur klar zutage. Aus den Tabellen II und III ist ersichtlich, daß
das Aluminiumoxyd eine viel größere Quantität von Alkali adsorbiert
als Eisenoxyd. Es ist allgemein bekannt, daß das Aluminiumhydroxyd
bedeutend stärker sauer wirkt als Eisenhydroxyd und sich leichter in
konzentrierten Alkalien löst, indem es Salze vom Typus der Aluminate
bildet. Naturgemäß weist daher das Aluminiumoxyd gegenüber
Hydroxylionen eine größere chemische Affinität auf als Eisenhydroxyd.
Umgekehrt sollte letzteres gegenüber Säuren ein stärkeres Adsorptions-
vermögen als Aluminiumhydroxyd zeigen. Diese Vermutung konnte
experimentell bestätigt werden in Versuchen mit Citronen-, Wein-,
Oxal- und Maleinsäure. |
Nur bei Anwendung von Schwefelsäure ergab ein vereinzeltes
Experiment, daß Aluminiumoxyd stärker als Eisenoxyd adsorbierte.
Dieser Versuch bedarf daher einer Wiederholung. Im Falle des Chrom-
hydroxyds wurde jedoch sowohl Säure als auch Alkali stärker adsorbiert
als durch Eisenoxyd. Wahrscheinlich spielt hier außer der chemischen
Affinität noch ein anderer Faktor eine Rolle.
In der vorhergehenden Arbeit habe ich bereits festgestellt, daß
Eisenhydroxyd in einer Suspension negativ geladener Partikeln durch
Schütteln mit Salzen, wie Natriumarsenit, Natriumphosphat usw.,
stabilisiert werden kann, wenn eine bevorzugte Adsorption negativer
Ionen erfolgt. Es wurde ebenfalls ermittelt, daß die Adsorption eines
Salzes durch basische Adsorbentien viel geringer ist als die einer Säure.
Tabelle V gibt die Ergebnisse der Adsorption von Natriumarsenit
und arseniger Säure durch Chromhydroxyd wieder.
Tabelle V.
Ursprüngliche Konzentration Adsorption Adsorption
ausgedrückt in von von
Natriumarsenit arseniger Säure
Jod»Milliäquivalenten
e E EE
11,3568 3,7518 4,0002
9,4809 3,5997 3,8025
7,5847 3,3513 ` 3,5794
5,6885 3,0014 3,2549
3,7924 2,4235 2,8037
Boswell und Dickson!) erhielten ähnliche Resultate mit Eisen-
hydroxyd, die auch von mir bestätigt werden konnten. Zusatz von
Alkali vermindert somit den Grad der Adsorption von Arsenitionen
aus Arsenigsäurelösungen durch die basischen Eisen- und Chrom-
oxyde. Bei Natriumeitrat, -phosphat usw. kann man die Adsorption
1) Journ. Amer. Chem. Soc. 40, 1793, 1918.
Chemische Natur der Adsorption. 195
negativer Ionen im Vergleich mit der Adsorption der reinen Säuren
vernachlässigen.
Bisher wurde ein vergleichendes Studium der Adsorption von Säure
und Alkali sowie von Säure und Salz unternommen. Nunmehr soll gezeigt
werden, daß die Natur des Adsorbens einen großen Einfluß auf die Adsorption
positiver oder negativer Ionen ausübt. So konnte @kizelli!) dartun, daß
frisch gefällte Kieselsäure den basischen Anteil hauptsächlich von Neutral-
salzlösungen wie NaCl, KCl, CaCl, unter Freisetzung von Säure adsorbiert.
Er führte jedoch keine quantitativen Messungen bezüglich der relativen
Mengen der adsorbierten Säure und Base aus. In einer früheren Mitteilung?)
wurde berichtet, daß nach der Ausfällung von Arsensulfid durch KCl
aus einer kolloidalen Lösung, die Chloridionen in einem Ausmaß von
50 Proz. im Verhältnis zu den Kaliumionen adsorbiert werden.
Die folgenden Ergebnisse?) behandeln die Adsorption von positiven
sowie negativen Ionen aus der gleichen Lösung durch Mangandioxyd-
hydrat.
Tabelle VI. Mangandioxyd = 1,1g. Volumen der Lösung = 40 ccm.
Konzentration Adsorption von _ Adsorption von
d der Lösung | Kationenäquivalenten | Anionenäquivalenten
CuSO, 2.22... | on | 0,00162 0,00022
MnCh,. . . 2... | 05 n | 0,000 68 0,000 148
C,H 2 5 i 0,58 n | 0,000 44 0,000 148
Diese Zahlen beweisen, daß sich das negativ geladene Mangan-
dioxyd gegenüber Basen wie eine Säure verhält und Salze vom Typ
der Manganite bilden kann. Es adsorbiert auch negative Ionen in
einem gewissen Umfang, und obwohl diese Adsorption geringer ist
als die des basischen Anteils, so kann sie doch nicht vollständig ver-
nachlässigt werden. Es wird ferner gezeigt werden, daß in äquivalenten
Konzentrationen das SOy-Ion viel stärker adsorbiert wird als die
C/’-Ionen, in Äquivalenten ausgedrückt. Daher sollte Kupfersulfat
im ganzen stärker adsorbiert werden als Kupferchlorid, was tatsächlich
experimentell bestätigt wurde. Tabelle VII gibt einige dieser Er-
gebnisse wieder.
Tabelle VII. Mangandioxyd = 0,8 g. Volumen der Lösung = 20 cem.
| Adsorpti
Salz | ee | von Kationen
Cdtle a . , — 0605n 0,0488
CdS0O, . 2... 0,8056 n 0,0514
MgCl...’ » 05 n 0,0044
Ve, ...... -0605n 0.0097
1) C. r. 176, 1714, 1923.
2) Journ. of phys. Chem. 29, 522, 1925.
3) Vgl. Chatterjee und Dhar, Kolloid-Zeitschr. 88, 18, 1923.
13 *
a
196 K.C. Sen:
Tabelle VII (Fortsetzung).
Mangandioxyd = Lie Volumen der Lösung = 40 ccm.
BR. Kier een o EE „Adson GG
der Lösung
Aus Tabelle VII geht hervor, daß Sulfate in der Regel stärker
durch Mangandioxyd adsorbiert werden als Chloride, und die Adsorption
des Kations wird deutlich durch die Gegenwart des Anions beeinflußt.
Wird das Anion stark adsorbiert, so wird auch die Kationenadsorption
erhöht und die Gesamtadsorption des Salzes wird dadurch größer.
Diese Tatsache wurde bereite früher von Lachs und Michaelis!) fest-
gestellt; Estrup?) fand, daß ein Kation in Abwesenheit eines leicht ad-
sorbierbaren Anions viel leichter adsorbiert wird und umgekehrt. Über-
haupt wurden viele Beispiele dieser Art bei der Adsorption von sauren
und basischen Substanzen in Gegenwart von Elektrolyten?) gegeben.
Es kann jetzt als feststehend betrachtet werden, daß die bevorzugte
Adsorption eines Ions von grundlegender Bedeutung ist bei der Pepti-
sation oder Ausfällung elektrisch geladener Suspensionen. Natürlich
ist es wichtig, hier die Frage aufzuwerfen, wie die Wirkung einiger
Salze, z. B. mit verschiedenen Anionen und dem gleichen Kation,
auf eine negativ geladene Suspension sein würde, wenn man den
Adsorptionsgrad der Salze und ihr Fällungsvermögen betrachtet. In
vorhergehenden Arbeiten®) habe ich dargetan, daß die Wirkung
der Anionen auf die Fällungswerte der Salze in einem derartigen Falle
stark von der Valenz der Anionen und ihrer Adsorptionsfähigkeit
abhängt. Gewöhnlich üben höherwertige Anionen einen größeren
stabilisierenden Einfluß aus als die niedrigerwertigen Anionen. So konnte
bereits gezeigt werden, daß das Sulfation stärker adsorbiert wird als
das Chloridion, und man kann infolgedessen annehmen, daß Kupfer-
chlorid ein stärkeres Koagulationsvermögen besitzt als Kupfersulfat.
Es ist jedoch schon festgestellt worden, daß Kupfersulfat durch
Mangandioxyd stärker adsorbiert wird als Kupferchlorid, oder, genauer
1) Zeitschr. f. Elektrochem. 17, 1, 1911.
2) Kolloidzeitschr. 11, 8, 1912.
3) Pelet-Tolivet, Die Theorie des Farbeprozesses 1910, S. 94, 95, 149;
Bancroft, Applied Colloid Chemistry 1921, S. 115.
t) Zeitschr. f. anorgan. Chem. 142, 352, 1925.; Journ. of phys. Chem.
29, 523, 1925.
Chemische Natur der Adsorption. 197
ausgedrückt, das Kupfer des Kupfersulfats wird stärker adsorbiert
als das des Kupferchlorids. Dieser Befund könnte im ersten Augenblick
zu der Annahme verleiten, daß Salze, die stärker adsorbiert werden,
eine geringere Koagulationsfähigkeit besitzen. Der Fehlschluß wird
aber sofort deutlich, wenn man daran denkt, daß die stärkere Adsorption
von Kupfersulfat gegenüber dem Kupferchlorid auf der größeren Adsorp-
tion der Sulfationen gegenüber den Chloridionen beruht. Die Fällungs-
werte derartiger Salze für negativ geladene Kolloide sind im allgemeinen
niedrig, und innerhalb dieser Konzentrationen übt das Sulfation eine
stärkere stabilisierende Wirkung aus als das Chloridion. In einigen
Fällen kann es tatsächlich möglich sein daß das Sulfation wirksamer
ist als das Kupferion selbst, ein Beispiel, auf das wir später noch zurück-
kommen werden. Es muß daher betont werden, daß das Fällungs-
vermögen eines Salzes abhängig ist vom Grad der bevorzugten Adsorption
des fällenden Ions und nicht von der Gesamtadsorption. Diese Er-
scheinung, die ganz allgemein bei einwertigen und vielen zweiwertigen
Elektrolyten auftritt, wird für gewöhnlich von vielen Forschern über-
sehen, wenn die Ergebnisse der direkten Adsorption von Salzen in
Beziehung zu ihrem Koagulationsvermögen besprochen werden. Es
muß hier auch folgendes bemerkt werden: Da die Anwesenheit eines
Kations die Adsorption des Anions beeinflußt und umgekehrt, so ist
es möglich, daß bei einer Anzahl von Salzen mit demselben Anion,
die Größe der Anionenadsorption durch eine negativ geladene Ober-
fläche verschieden sein kann bei verschiedenen Salzen. Infolgedessen
ist Freundlichs Auffassung!), daß äquivalente Mengen verschiedener
Ionen notwendig sind zur Neutralisation der Ladung für dieselbe Menge
des Kolloids, nicht länger haltbar. In Tabelle VIII geht aus elektro-
endosmotischen Versuchen mit einer negativ geladenen Oberfläche von
Mangandioxyd?) hervor, daß die Chloridionen bei Anwendung ver-
schiedener Salze verschieden adsorbiert werden.
Tabelle VIII.
Menge des elektroosmotischen Stromes in Kubikzentimetern in 3 Minuten.
ee KCI NaCI Na 1" Licı
0 98 f 9,8 9,8
n/3000 74 |© 16 ke
n/1000 5.4 16,3 16.6
n/500 33 131 143
n/250 3.0 un | 134
1) Zeitechr. f. physikal. Chem. 78, 385, 1910.
2) Mukherjee, Journ. Ind. Chem. Soc. 2, 217, 1925.
198 K.C. Sen:
Aus diesen Messungen scheint hervorzugehen, daß das Chloridion
des. Natrium- und Lithiumchlorids viel stärker wirksam ist als das
Chloridion des Kaliumchlorids, und es ist tatsächlich wirksamer als
das Natrium- oder Lithiumion bei diesen Konzentrationen. Es ist
auch wahrscheinlich, daß das Lithiumchlorid im ganzen stärker adsorbiert
wird bei diesen Konzentrationen als Kaliumchlorid, obwohl das
Kaliumion bevorzugt stärker adsorbiert werden müßte als das Lithium-
ion, weil die Ladung an der Oberfläche sofort vermindert wird. Ein
ähnliches Resultat wird auch bei Anwendung von Kieselsäuredia-
phragmen erhalten. Diese Befunde zeigen die Wichtigkeit einer Er-
klärung für den Grad der bevorzugten Adsorption des fällenden Ions.
In Tabelle IX werden die mit Alundumdiaphragmen und
Lösungen bestimmter Kupfersalze erhaltenen Resultate wiedergegeben ?).
Tabelle IX.
i }
Lösung | | Normalität Ä Menge | Wanderungsrichtung
cm/sec |
| I
Kupferacetat .... .» | 0,1 0,048 Zur Anode
ra Ber | 0,01 0,085 S a
ee S 0,004 | 0,098 3 =
en E E E | 0,002 0,091 ` e
Kupfermitrat . .... | 0,1 | 0,081 e i
we e 7 EE 0,01 0,127 > á
m aae aa | 0,004 0,132 5 5
in un nee 0,002 0,111 - a
Kupfersulfat. ... . . 0,2 | 0,019 „ Kathode
er ee j 0,1 0,020 x e
en S 0,01 | 0,016 » Anode
FE BEE se 0,004 | 0,028 > X
n E 0,002 0,089 » 3
Kupferchlorid . ... 0,002 0,113 | y S
Diese Werte zeigen, daß das Kupferion gegenüber Acetat, Nitrat,
Chlorid und Sulfat in verdünnten Lösungen bevorzugt adsorbiert zu
werden scheint, und weniger leicht als Sulfat, wenn die Lösung kon-
zentrierter wird. Diese Daten geben auch eine Erklärung für das selt-
same, von Reed?) beobachtete Phänomen, daß Kupfersulfatlösungen
durch eine poröse Membran zur Kathode gehen, Kupferitratlösungen
zur Anode.
Es ist augenscheinlich, daß diese Adsorption des gleichgeladenen
Ions auf der chemischen Affinität beruht, die zwischen der geladenen
Oberfläche und dem fraglichen Ion besteht. Eine elektrische Adsorption
ist in diesen Fällen nicht möglich. Infolgedessen gelangen wir zu der
1) Briggs, Bennett und Pierson, Journ. of phys. Chem. 22, 268, 1918.
2) Trans. Amer. Elektrochem. Soc. 2, 238, 1902.
Chemische Natur der Adsorption. 199
Anschauung, daß diese chemische Adsorption eine grundlegende Rolle
spielt bei der Adsorption von Salzen und Ionen durch geladene oder
nicht geladene Oberflächen. In einer früheren Abhandlung!) zeigte
ich, daß diese chemische Adsorption infolge der Betätigung der Rest-
valenzen abhängt von den Öberflächenatomen des Kristallgitters.
Dies scheint auch die Ansicht von Fajans und Beckerath?) zu sein.
Da das Wachstum eines Kristalls in seiner Lösung gleichbedeutend
ist mit der Anziehung, welche die Ionen an der Oberfläche des Kristalls
gegenüber den Ionen in der Lösung besitzen, so ist es klar, daß die
von Marc?) angestellten Betrachtungen über die Adsorption von
Kristallen aus wässerigen Lösungen, von Paneth, sowie Paneth und
Horowstz*) über die Adsorption von Radioelementen durch kristalline
Adsorbentien, und von Beekley und Taylor) über die Adsorption von
Silbersalzen durch Silberjodid, von allgemeiner Bedeutung sein sollten.
Zusammenfassung.
1. Es ist gezeigt worden, daß die chemische Natur des Adsorbens
einen großen Einfluß ausübt auf die Adsorption von Salzen oder Ionen
aus ihrer Lösung.
2. Es wurde gefunden, daß die Gegenwart eines leicht adsorbier-
baren Anions den Grad der Adsorption des Kations erhöht.
3. Negative Ionen werden oft durch negativ geladene Oberflächen
adsorbiert gemäß der chemischen Affinität, die zwischen beiden
existiert.
4. Bei der Betrachtung der Ergebnisse der direkten Adsorption
von Salzen oder Ionen in Beziehung zu ihrem Koagulationsvermögen
sollten zwei Tatsachen berücksichtigt werden. Die Adsorption eines
negativen Ions stabilisiert ein negativ geladenes Sol in Koagulations-
versuchen, während es auch die Gesamtadsorption des Salzes erhöht.
Zweitens braucht das gleichgeladene Ion nicht in der gleichen Weise
in Salzlösungen, die verschiedene Kationen enthalten, adsorbiert zu
werden. Freundlichs Auffassung, die Adsorption gleicher Mengen von
Ionen sei nötig zur Ladungsneutralisation, versagt völlig in einem der-
artigen Falle.
1) Kolloid-Zeitschr. 86, 193, 1925.
2) Zeitschr. f. physik. Chem. 97, 478, 1921.
3) Ebendaselbst. 75, 710, 1911; 81, 641, 1913.
*) Physik. Zeitschr. 15, 924, 1914; Zeitschr. f. physikal. Chem. 89, 513,
1915.
5) Journ. of phys. Chem. 29, 942, 1925.
Uber die Abhängigkeit der alkoholischen Gärung von der
Wasserstoffionenkonzentration. III.
Von
Erik Hägglund, Arne Söderblom und Bölge Troberg.
(Aus dem chemischen |Laboratorium der Akademie zu Äbo, Finnland.)
(Eingegangen am 23. Dezember 1925.)
Bei unserem Studium der Gärungsgeschwindigkeit wurde bis jetzt
ausschließlich die Kohlensäureentwicklung gemessen. In dem Aciditäts-
bereich, pe = 4 bis 6 entsprechend, kann man auch annehmen, daß die
Kohlensäureentwicklung wirklich ein zuverlässiges Maß des Zucker-
zerfallsist. In dem Maße aber, wie wir uns dem neutralen und alkalischen
Gebiet nähern, also bei einer Wasserstoffionenkonzentration der
Lösung, pe > 6 entsprechend, tritt eine gewisse Unsicherheit ein,
und zwar einerseits, weil dabei die Kohlensäure von der gärenden
Lösung stärker zurückgehalten wird, andererseits weil sich hier in
steigendem Maße die dritte Vergärungsform geltend macht. Diese
Erscheinung hat gegebenenfalls eine Herabsetzung der Kohlensäure-
entwicklung zur Folge; es ist aber deswegen gar nicht gesagt, daß die
Geschwindigkeit des Zuckerzerfalls durch die Verringerung der Wasser-
stoffionenkonzentration beeinflußt wird. Die Messung der Gärungs-
geschwindigkeit durch Feststellung der in der Zeiteinheit entwickelten
Menge Kohlensäure wird also in diesem Aciditätsbereich irreführend.
Infolgedessen sind natürlich auch die Kurventeile, welche die relative
Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung in der Nähe des Neutral-
punkts darstellen, für die Geschwindigkeit der Gärung, d. h. den Zucker-
zerfall nicht maßgeblich.
Um die wahre Geschwindigkeit kennenzulernen, muß man also
hier den Zuckerabbau verfolgen. Diese Sache ist so gut wie gar nicht
untersucht worden. Die einzige Untersuchung, die Erwähnung ver-
dient, ist eine von Zuler und Svanberg!). Diese Forscher untersuchten
die Gärkraft von frischer Hefe und Trockenhefe bei pe = 5,8 und
etwa 8,5. Was die Gärungsgeschwindigkeit, gemessen am Zucker-
1) H. 105, 222, 1919.
E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg: Abhängigkeit usw. III. 201
verbrauch, betrifft, so sind die Ergebnisse nicht ganz eindeutig und die
Autoren ziehen in erwähnter Beziehung aus den Versuchsergebnissen
keine Schlüsse. Die Untersuchungen verfolgten offenbar in erster Linie
andere Ziele. Für eine Torulahefe erwies sich die Geschwindigkeit des
Zuckerverbrauchs in dem Bereich pe = 5 bis 7 in den fünf ersten
Gärungsstunden konstant. Neuberg hat mit seinen Mitarbeitern be-
kanntlich sehr wertvolle Untersuchungen über den Gärungsverlauf bei
alkalischer Reaktion des Substrats veröffentlicht. Er befaßte sich
dabei aber nicht mit der Frage der Geschwindigkeit des Zuckerabbaus.
Um diese Frage aufzuklären, haben wir eine große Anzahl Ver-
suche unter verschiedenen Bedingungen ausgeführt, deren Resultate
hier im wesentlichen mitgeteilt werden sollen.
Zunächst wurde das Verhalten von mäßig gepufferten Zucker-
lösungen studiert. Zu bemerken ist dabei, daß dauernd Alkali zugesetzt
werden muß, wenn die Alkalinität des Gärungssubstrats aufrecht-
erhalten werden soll. Das geschah durch Zutropfung von 10n kohlen-
säurefreier Natronlauge, bis eine schwache Rosafärbung von zugesetztem
Phenolphthalein eintrat!.. Zur Kontrolle der Wasserstoffionen-
konzentration wurden jede halbe Stunde Proben entnommen und
elektrometrisch untersucht. Gleichzeitig wurden Zuckerbestimmungen
ausgeführt. Die Gärung wurde nach bestimmten Zeiten in heraus-
genommenen Proben durch Zusatz von einem Überschuß von Schwefel-
säure sofort zum Stillstand gebracht. Für die Volumenzunahme durch
den Alkalizusatz, die allerdings in diesem Falle keine große Beachtung
verdient, wurde bei der Zuckerbestimmung korrigiert.
I. Geschwindigkeit des Zuckerverbrauchs.
Versuch I.
0,15 mol. Na-Phosphat in 1 Liter 5proz. Glucoselösung. 40g frischer
Oberhefe H. Temperatur 30,0°.
ee
Zeit Vorhandene Zuckermenge | Vorhandene Zuckermenge
in 10 ccm PH in 10 ccm
NEG, SEEN 8 g g
Ob 8,04 0,52 | 50 | 0,52
0 30 7,54 0,47 | 0,48
1 o 7,63 0,43 | 0,43
1 30 7,61 0,38 i 0,38
2 0 8,08 0,33 | 0,33
230 | Su 0,29 0.29
3 0 | 849 0,25 | 0,26
3 30 7,91 0,21 0,21
A 0 So 0,17 0,17
1) Ähnlich verfuhren Euler und Svanberg, a. a. O.
202 E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg:
Versuch II.
0,15 mol. Na-Phosphat in 1 Liter 5proz. Glucoselösung. 40g Trockenhefe,
aus Oberhefe H durch Trocknung bei gewöhnlicher Temperatur bereitet
und fein pulverisiertt. Temperatur 30,0°.
A | B
Zeit Vorhandene Zuckermenge Vorhandene Zuckermenge
| PH in 10 ccm | Pu in 10 ccm
lenese g ge & Z Z o
a re, Eee ne ee
Oh I 792 ` 0,51 EN 5,70 0,51
0 30 | aa ` 0,46 | 0,44
1 o | 82 | = | 0,42
1 30 7,65 | 0,35 0,37
2 0 81 . 0,28 | 0,31
2 30 |, 7,66 0,18 | Ä 0,22
30 | 8,28 0,12 | 0,17
3 30 7,60 | 0,04 , | 0,09
Aus diesen Versuchen ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß die
Geschwindigkeit des Zuckerverbrauchs in dem Bereich der Wasserstoff-
tonenkonzentration entsprechend py = 5,7 bis 8 gleich groß ist. Das gilt
sowohl bei der Gärung mit frischer Hefe als auch mit Trockenhefe.
Ein ähnliches Bild ergab sich bei dem Studium der Gärung in
stark gepufferten Lösungen, wie aus den folgenden Versuchen hervorgeht.
Versuch III.
500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 0,40 mol. Phosphat (Na-Salz), 50g
Oberhefe H, 40 g Glucose. Temperatur 30,0°.
A
ECH
a Ta ` EH ` a Ke pa ZS
SG Wë E N GE GENEE SS Im
Oh 6,0 38,0 7,5 | 100 . aan
o 3%] — 28,3 L 0 33,6
1 oi — 19,8 dur ze? 19,7 |- 26,5
1 30 j — | 11,5 20. 12,7 ho 18,7
2 o | = 3,6 I — 6,8 — > 105
3 ol 58 0,2 ' 7,0 0,6 er 0,6
In einem Versuch, bei welchem die Wasserstoffionenkonzentration
Pu = ll entsprach, trat überhaupt keine Gärung ein.
Die Gärungsgeschwindigkeit, gemessen durch den Zuckerverbrauch,
ist auch bei noch saurer Reaktion des Substrats unverändert, wie die
folgende Tabelle zeigt.
Abhängigkeit d. alkoholischen Gärung v. d. H-Ionenkonzentration.III. 203
Versuch IV.
500 cem Gärflüssigkeit, enthaltend 0,40 mol. Phosphat (Na-Salz) und 50g
Oberhefe R. Temperatur 29,4°.
——— — u 0. —— — ma — en ESSENER a ng - - _ > mmm
A | B
Zeit
in Stunden | Zuckergehalt der Lösung | Pu Zuckergebalt der Lösung
E s PEEL AA EEN
=- | See EE
0 38 ` 50,0 | 6,0 50,0
l - 43,1 |o — 42,9
2 3,7 34,5 I 35,0
4 Ge | 14,3 | = ' 12,2
Im Anschluß an diese Versuche wurde auch untersucht, ob die
Gärung durch Anwesenheit von alkalisch reagierendem Sulfit gehemmt
wird. Für den Vergleich wurde gleichzeitig die Geschwindigkeit der
Gärung von Natriumbicarbonat enthaltenden Zuckerlösungen fest-
gestellt:
Versuch V.
| a In
500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 50 gu 500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 50 g
| Glucose, 0,65 mol. NNHCO;, 50 g frische || Glucose, 0,75 mol. Naa SO3, 50 g frische
Zeit GES R, 2 ccm Hefeextrakt (1:10) |Oberhefe R, 2 ccm Hefeextrakt (1:10)
in Stunden | Temperatur 30,20 Temperatur 30,29
| |
| Pa | Vergorene Zuckermenge
D e E e Se j
TE EEN u N aen, le I ige
o "Sé | 0 "au | 0
EN 2,3 Ke | 3,0
2 8,6 Te 8,2
3 | C 18,3 GE | 16,7
6 as | 28.4 | a 20,6
8 — 39,1 | — | 26,7
Es geht aus den Versuchen hervor, daß die Anfangsgeschwindigkeit
praktisch gleich groß ist. Im Laufe der Gärung wird aber die Gärung
durch das Vorhandensein von Sulfit geschwächt. Diese Hemmung ist
allem Anschein nach auf die Anreicherung des Substrats mit der Acet-
aldehyd-Sulfitverbindung zurückzuführen.
Das Ergebnis wird durch die folgenden beiden Versuchsreihen
bestätigt, wobei ein nur relativ schwach gepuffertes Gärungssubstrat
benutzt wurde. Die Alkalinität wurde wie früher durch Zutropfen von
starker Natronlauge aufrechterhalten.
204 E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg:
Versuch VI.
Temperatur 30,0°.
Í 1000 ccm Gärflüssigkeit. enthaltend 50 g Glucose. "` 1000 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 50g
0,2 mol. Na-phosphat, 20 g Trockenhefe (aus Ober» |' Glucose, 40 y Nas S O3, 20 g Trocken»
hefe R hefe (aus Oberhefe R)
Zeit EEN
in £
Stunden Vergorener Vergorener Vergorener Zucker
PH Zucker Zucker Pa z
Jl en A -
S | 17 0 | 46 0 | 7,6 0
2 | 785 aan | 30 | 75 15,5
Versuch VII.
Der Zuckerschwund wurde durch Drehungsabnahme festgestellt!).
Temperatur 30,0°.
1000 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 25 g 1000 ccm Gärflüssigkeit, entbaltend
Fructose, 0,2 mol. Ma phosphat: 15 g 25 g Fructose, 40g Nas SO: 15g
Zeit Trockenhefe (aus Oberhefe R) i Trockenhefe k
in | B ! Be en
Stunden: '
Anwesende Anwesende Anwesende Zuckermenge
Zuckermenge PH Zuckermenge | po
e | en ee Se E EE
Ins a 5.8 50 ap | 50
1 | 80 25,6 24,9 8,0 | 28,2
2 | 76 5,8 3, 79 17,8
Zum Schluß sei noch ein Versuch erwähnt, wobei die Gärung mit
Trockenhefe in stark gepufferten Lösungen geschah.
Versuch VIII.
500 ccm Gärflüssigkeit, enthaltend 0,4 mol. Phosphat (Na-Salz), 20 g
Trockenhefe R, 20g Glucose. Temperatur 30,0°.
A t B | C
Zucke Zuckerge k |
eo EE | re
O g | g
Oh 5,8 200. 71 200: 94 20,0
0 30 18,4 | 18,1 | 18,9
10 167 | 16.7 18,5
1 30 = "Wë | 179
2 0 13,3 21 o! 16,1
3 0 93 08 | 126
4 0 Di 5,6 o 70 ` 4,3 , Ta" 8,7
Auch hier zeigt sich, daß die Zuckerabnahme in den Versuchen A
und B praktisch gleich groß ist. Die starke Alkalinität der Lösung C
1) Vgl. Neuberg, Hirsch und Reinfurth, diese Zeitschr. 105, 307, 1920.
Abhängigkeit d. alkoholischen Gärung v. d. H-Ionenkonzentration. III. 205
hemmt die Gärung im Anfang recht stark. Aber nach etwa 11, bis
2 Stunden, da die Wasserstoffionenkonzentration etwas gestiegen ist,
wird die Gärungsgeschwindigkeit auch in diesen Versuch ebenso groß
wie in dem Versuch A oder B.
IH. Geschwindigkeit des Zuckerverbrauchs mit derjenigen der
Kohlensäureentwicklung verglichen.
Wie bereits hervorgehoben wurde,. war schon von vornherein
anzunehmen, daß in dem Maße wie die Reaktion des Gärungssubstrats
sich dem Neutralpunkt bzw. dem alkalischen Gebiet näherte, die direkt
gemessene Kohlensäureentwicklung als kein zuverlässiges Maß der
Gärung betrachtet werden könnte, einerseits weil sicherlich nicht
unwesentliche Mengen Kohlensäure von der gärenden Lösung zurück-
gehalten wurde und andererseits, weil der Gärungsverlauf nicht mehr
ganz nach der ersten Vergärungsform verläuft. Da die oben angeführten
Versuche zeigen, daß der Zuckerabbau weit in das alkalische Gebiet
hinein mit derselben Geschwindigkeit verläuft wie bei „optimaler“
saurer Reaktion des Substrats, war es von großem Interesse, zu sehen,
mit welcher Geschwindigkeit die Kohlensäure unter solchen Verhält-
nissen entwickelt wurde.
Wir führen folgende Versuche an:
Versuch IX.
Gäransatz: 25 ccm 5proz. Phosphatlösung, enthaltend 1,25 g Glucose.
Die Kohlensäure volumetrisch wie früher gemessen. Alle Kohlensäure‘
beim Abstellen des Versuchs durch Zusatz von 10 ccm 10proz. Schwefel-
säure ausgetrieben.
A. 1g frische Oberhefe R. Gärung 2 Stunden.
i Versuch Nr. | WE, | 1 Së 2 | 3 | 4 er
Pa vor der Gärung . . . .... S 85 175 5,6 4,5
De nach der Gärung ...... ı 69 | 69 5,0 3,6
Zuckerverbrauch in g
| 0,74 | 076 | 0,82 | 0,82
Kohlensäure in cem
i 89,6 | 1416 | 140,7 | 134,7
B. 1g Trockenhefe aus Oberhefe R. Gärung 1 Stunde.
BEE Versuch Nr. I Ki l 2 | 3 IN f 5
Dep vor der Gärung . A8 “| 6,2 | 5,1 4,2 i
Pa nach der Gärung . |
BA in g
I 025 |; 036 | 033 | 037 | 031
Kohlensäure in ccm
38,9 | 25 | 56,6 | 720 | 653
206 E. Hägglund, A. Söderblom u. B. Troberg:
Versuch X.
In diesem Versuch wurde die Alkalinität durch Zutropfung von starker
Natronlauge bei po ~ 10 aufrechterhalten. Der Gäransatz wie im Ver-
such IX. 1g Trockenhefe R. Gärungszeit 1 Stunde. Zum Schluß wurde
die Gärflüssigkeit wie früher mit Schwefelsäure versetzt.
Es trat keine Kohlensäureentwicklung ein. Der Versuch wurde mit
demselben Ergebnis wiederholt. Die Gärung mit Trockenhefe von der
von uns benutzten Rasse wird bei einer Wasserstoffionenkonzentration
von pa = ~ 10 vollständig gehemmt. Ein Zuckerverbrauch konnte
nicht nachgewiesen werden.
Versuch XI.
Zur weiteren Kontrolle wurde ein größerer Versuch angesetzt. Gāransatz
500 cem proz. Glucoselösung mit 0,15 mol. Phosphat. Die Lösung A
wurde durch Alkalizusatz auf pe = 8,5 gehalten. In der Lösung B
betrug pa ~ 5,7. Die Kohlensäure wurde durch Wägung bestimmt. 20g
Oberhefe H. Gärungszeit 3 Stunden. Temperatur 30,0°.
A. PH = 8,0 bis 8,5 B. Pu = ~ 5,7
Kohlensäure `, 4,47 8 6,37 g
Zuckerverbrauch . . .. . 12,4 g 12,7 g
Diskussion der Versuchsergebnisse.
Es ergibt sich aus den Versuchen, daß die Gärung mit den von uns
untersuchten Hefen in frischer und getrockneter Form, wenn sie durch
den Zuckerverbrauch gemessen wird, in einem sehr weiten Bereich der
Wasserstoffionenkonzentration, nämlich von pa = ~ 4 Su pg = ~ 85,
mit derselben Geschwindigkeit verläuft. Dies würde ja bedeuten, daß
das Enzym oder die Enzyme, welche die Gärung einleiten, ein außer-
ordentlich breites pa-Optimum haben.
Nach Ansicht verschiedener Forscher, in erster Linie Harden
und von Euler, besteht die einleitende Phase der Gärung in einer Ver-
esterung des Zuckers mit Phosphorsäure. Die Phosphorylierung ist,
wie Euler und Nordlund!) gezeigt haben, in hohem Grade von der
Wasserstoffionenkonzentration des Gärungssubstrats abhängig. Die
optimale Wasserstoffionenkonzentration der Phosphatese entspricht
Pa = ~ 6,3. Die Wirkung dieses Enzyms wird bei neutraler und
schwach alkalischer Reaktion außerordentlich stark geschwächt.
Dasselbe ist auch bei Erhöhung der Wasserstoffionenkonzentration
der Fall.
Stellt man sich auf den Standpunkt, daß der Zuckerabbau von
einem einzigen Enzymkomplex bewirkt wird, der sowohl in der sauren
als alkalischen Lösung tätig ist, und setzt man voraus, was wohl be-
rechtigt sein dürfte, daß die Wirkung der Phosphatese unter allen
1) H. 116, 234, 1921.
|
|
Abhängigkeit d. alkoholischen Gärung v. d. H-Ionenkonzentration. III. 207
Umständen der pg-Aktivitätskurve von Euler folgt, so wird man zu
dem merkwürdigen Schlußsatz gezwungen, daß die Phosphatese für den
enzymatischen Zuckerzerfall keine Bedeutung hat.
Es ist aber gar nicht undenkbar, daß in der Hefe außer dem ge-
wöhnlichen Gärungsenzymkomplex, der Zymase, auch andere zucker-
abbauende Enzyme unter Umständen, z.B. in alkalischer Lösung,
wirksam sein und unter Umständen sich neben der gewöhnlichen
Gärung geltend machen können. Wenn man annimmt, daß die letzt-
genannte Abbaureaktion nicht mit einer Phosphorylierung des Zuckers
eingeleitet wird, so kann die Theorie, daß die Bildung von Gärungs-
hexosephosphorsäuren für den Zuckerzerfall eine Vorbedingung ist,
noch verteidigt werden, wenn man diesen Zerfall auf die gewöhnliche
Gärung beschränkt. |
Wir werden später auf diese Frage in anderem Zusammenhang
zurückkommen. Die Untersuchungen werden fortgesetzt.
Zusammenfassung.
1. Der Zuckerzerfall, durch das Verschwinden des Zuckers und
nicht durch die Kohlensäureentwicklung gemessen, verläuft mut den
von uns untersuchten Hefen in frischer und getrockneter Form in
einem Gebiet der Wasserstoffionenkonzentration, entsprechend etwa
Dn = 4 bis 8,5, mit derselben Geschwindigkeit.
2. Der Zuckerabbau wird durch die Anwesenheit von Sulfit bei
Pu = 8 im Anfang der Gärung nicht verzögert. Erst später tritt eine
Verlangsamung ein; sie kann wahrscheinlich auf die Anreicherung der
Acetaldehyd-Sulfitverbindung, die vermutlich gärungshemmend wirkt,
zurückgeführt werden.
3. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen früherer Mitteilungen
verläuft die Kohlensäureentwicklung bei schwach saurer Reaktion des
Gärungssubstrats, entsprechend pe =5 bis 6, mit maximaler Ge-
schwindigkeit.
4. Bei einer Wasserstoffionenkonzentration, entsprechend pg = 10,
tritt keine Gärung mehr ein.
6. Die Ergebnisse, insbesondere die Frage betreffend der Anteil-
nahme der Phosphorsäure im Gärungsvorgang, wurden diskutiert.
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose der Insekten.
III. Mitteilung:
Über die „subitane‘“ und „latente“ Entwicklung!).
Von
Josef Heller.
(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität Lwów.)
(Eingegangen am 24. Dezember 1925.)
Mit 5 Abbildungen im Text.
I.
Das Puppenstadium dauert bei verschiedenen Insektenformen
verschieden lange, je nachdem es im Sommer durchgemacht wird,
oder sich über den Winter erstreckt; im ersten Falle einige Wochen.
im anderen mehrere Monate. Es gibt auch Formen, bei denen beide
Arten der Puppenentwicklung abwechseln, wie bei unseren Pieriden,
Vanessen, und es kommt gelegentlich vor, daß eine Form mit lang-
lebender, überwinternder Puppe in wenigen Wochen ausschlüpft.
Besonders interessant liegen diese Verhältnisse bei der Araschnia
levana-prorsa, wo bekanntlich beide Generationen eine so verschiedene
Flügelfärbung aufweisen, daß sie für verschiedene Arten gehalten
wurden.
Nun hat Fr. Süffert?) gezeigt, daß dieser Saison-Dimorphismus
mit der Entwicklungsweise der Puppe verknüpft ist, indem die Subitan-
entwicklung in der Regel die Prorsa, die Latententwicklung dagegen
Levana ergibt. Es ist dabei gleichgültig, ob die Puppen an sich zum
entsprechenden Entwicklungsmodus veranlagt waren, oder dieser
ihnen durch Temperaturreiz (subitan durch Wärme, latent durch
Kälte) aufgezwungen worden ist. Man kann aber auch durch Kälte-
1) I. Mitteilung: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 210, 736, 1925;
II. Mitteilung: diese Zeitschr. 165, 411, 1925.
2) Fr. Süffert, Biol. Zentralbl. 44,. 173—188, 1924.
J. Heller: Chemische Untersuchungen über die Metamorphose usw. III. 209
einwirkung während einer eng umgrenzten ‚sensiblen‘ Periode eine
„Kälte-Levana‘ bei subitaner Entwicklung erreichen. Ein Gegenstück,
eine „Wärme-Prorsa‘‘ bei latenter Entwicklung, ließ sich bisher nicht
erhalten.
Die Bedeutung dieser Arbeit scheint darin zu liegen, daß sie das
wichtige Problem des Entwicklungsmodus, welches, nach bisherigen
Ergebnissen zu schließen, durch Stoffwechselversuche zu lösen ist,
mit einem anderen Forschungsgebiet in Beziehung bringt, mit den
bekannten Experimenten über den Einfluß der Temperatur auf
die Zeichnung der Insekten. Doch ist die Darstellung des Wesens der
beiden Entwicklungsmodi in der Arbeit von Süffert derart, daß sie die
beiden Forschungsrichtungen wieder auseinander führen könnte.
Süffert!) schreibt nämlich: ‚Beginnt die Puppenentwicklung
sofort bei der Verpuppung?).... so entsteht die Prorsaform (,,Subitan-
prorsa‘“). Beginnt die Puppenentwicklung nicht sofort bei der Ver-
puppung, sondern wird erst eine Latenzperiode durchgemacht, während
der die Entwicklung stillsteht, so entsteht die Levanaform (,„Latenz-
levana‘‘) usw. Und weiter unten noch deutlicher: ‚Bei der Latenz
steht die Entwicklung äuf einem sehr frühen (vermutlich vor der
sensiblen Periode liegendem) Punkte vollkommen still und verläuft
dann, einmal in Gang gekommen, mit normaler Geschwindigkeit.“
Nun ist zu beachten, daß nach Süffert die sensible Periode für die
Hinterflügel in die Zeit gegen 12 Stunden, für die Vorderflügel um
24 Stunden nach der Verpuppung fällt.
Diese Darstellung der Sachlage entspricht wohl den ökologischen
Verhältnissen und macht da» gelegentliche Auftreten einer zweiten
Generation im warmen Spätherbst statt im Frühling ohne weiteres
verständlich. Sie steht jedoch mit gewissen Tatsachen im Widerspruch,
die sich aus Stoffwechselversuchen ergeben.
Wir wissen aus den Versuchen von Tangl?), Weinland*) und Krogh’),
daß die Entwicklung im Puppenstadium aus zwei Prozessen besteht.
Der eine, dissimilatorische (‚negative‘‘, Weiland) bewirkt eine Zerstörung
der larvalen Organe, er dominiert am Anfang, nimmt aber immer mehr
an Intensität ab. Der andere, assimilatorische (positive, Weiland),
welcher einer Entwicklung der Imaginalscheiben entspricht, ist am
Anfang unbedeutend, gewinnt aber schnell an Intensität und drängt
1) Biol. Zentralbl. 44, 182.
2) Von uns hervorgehoben.
3) Pflügers Arch. 180.
t) Zeitschr. f. Biol. 47, 1905.
5) Zeitschr. f. allgem. Physiol. 16, 1914.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 14
210 J. Heller:
dann den ersten zurück. So kann man mit Krogh drei Abschnitte im
Puppenstadium annehmen:
L Mit fallendem Stoffwechsel, in welchem der dissimilatorische
Prozeß dominiert.
2. Mit minimalem Stoffwechsel, während dessen der erste Prozeß
sein Minimum erreicht hat und der andere erst anfängt.
3. Mit rasch ansteigendem Stoffwechsel, wo der assimilatorische
Prozeß dominiert.
Alle bisherigen Untersuchungen beziehen sich auf die Subitan-
entwicklung, aber eine Fußnote bei Krogh!) läßt erkennen, daß er die
„Winterruhe“ der Puppen der zweiten Periode zuteilt. Daß Krogh
auch hier das Richtige getroffen hat, beweisen unsere eigenen Unter-
suchungen an Deilephila Euphorbiae.
Nun hatte ich in diesem Sommer die Gelegenheit, die subitane
Entwicklung bei über 80 Deslephtlen zu untersuchen. So ergab sich die
Möglichkeit, die beiden Entwicklungsweisen bei ein und derselben Art, und
zwar solcher mit — in Mitteleuropa — regelmäßiger ‚‚latenter‘“ Ent-
wicklung, zu vergleichen. Wir wollen also an diesem Beispiel entscheiden,
welcher Art die Unterschiede zwischen den beiden Entwicklungsweisen
sind. Gibt es eine Latenzperiode, wie sie Süffert annimmt, die in weniger
als 12 Stunden nach der Verpuppung einsetzt und dann, nach der
Überwinterung, durch eine Entwicklungsperiode gefolgt wird, welche
genau der ganzen Subitanentwicklung entspricht? Oder hat man viel-
mehr beide Entwicklungsmodi als einen verschieden lange ausgedehnten,
sonst aber gleichen Vorgang zu betrachten ?
Vollständigkeitshalber schicken wir noch eine Schilderung der
Subitanentwicklung bei Argynnis paphia (einem Tagfalter wie Araschnia)
voraus, da es möglich wäre, daß die Subitanentwicklung auf phylo-
genetischer Basis anders verläuft, als auf Grund individueller Ab-
weichung.
II. Die Subitanentwicklung bei Argynnis paphia L.
Der bekannte Silberstrich oder Kaisermantel, der größte unserer
Perlmutterfalter, fliegt im Juni und August. Seine Raupe überwintert
und lebt bis im Mai hauptsächlich an Himbeeren. Ist sie reif zur Ver-
puppung, dann klammert sie sich mit den Afterfüßen an irgend einen
dünnen Zweig oder Blattstiel an. Das Körperende wird noch durch
ein kleines aber dichtes Gespinnst an die Unterlage befestigt. In dieser
Position — kopfabwärts — verharrt sie auch während der ganzen
Puppenperiode als seltsam eckige, mit käfergrün metallisch glänzenden
1) Siehe weiter unten Fußnote S. 228.
d
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 211
Flecken geschmückte Puppe. Beim Schmetterling zeichnet sich das
Männchen durch schwarze Bestäubung der Rippen an den Vorder-
flügeln aus.
Die Raupen wurden am 31. Mai — mit dem Hinterleibe an dünne
Zweige angeheftet — gefunden. Die Zweige wurden knapp an den
Anheftungsstellen abgeschnitten, so daß die Raupen an dünnen Holz-
stäbchen hingen. Zwei Exemplare wurden mit diesen Stäbchen mittels
dünnen Drahtes an Glashaken kleiner Respirationsgläser befestigt.
Die Gläser von etwa 30ccm Inhalt kommunizierten mit Barcroft-
manometern, waren mit je 0,3ccm Kalilauge (4 Proz.) beschickt und
dienen in der üblichen Weise zu den Respirationsversuchen!).
Zufälligerweise war, wie sich beim Ausschlüpfen gezeigt hat, das
eine Exemplar Männchen, das andere Weibchen. Die Untersuchung
wurde so geleitet, daß Versuchsdauer und Pause zwischen zwei Ver-
suchen gleich waren.
Die Verpuppung erfolgte während des ersten Versuches, den ich
(auf reduzierte Sauerstoffwerte umgerechnet) weiter unten anführe.
Alle Versuche wurden in einem großen Luftbad von 20° ausgeführt,
während die Zimmertemperatur um diesen Wert schwankte und 18
bis 220 betrug. Da bei dieser Versuchsanordnung die Puppen nicht
gewogen werden konnten, werden die Sauerstoffwerte in Kubikzenti-
metern pro Stunde und Individuum auf 0°, 760 mm Hg und Trocken-
heit reduziert angegeben und nur an einem Orte zur Orientierung auf
Grund des durchschnittlichen Anfangsgewichtes der Puppen von
Argynnis paphia, (0,5 g) auf 1 kg Gewicht und 1 Stunde umgerechnet.
Tabelle I.
Die Verpuppung.
— be lm [en
| Seuerstälfverbraiich
Tag Zeit | S Bemerkung
| | , t = 200
| cmm bé cmm cmm n prasid. cmm pro Std. |
Lt 10 | —- j o — | Ir we, "2
1. VI. „ 1930 | 940,0 1150,0 188,0 230,0 ' 2 verpuppt
1. VI. 20 30 238,0 191,0 238,0 191,0 `
1. VI. | 21 30 | 240,0 178,0 240,0 1780 |
1. VI. 22 30 222,0 158,0 222,0 158,0 |l
2. VI. 4 30 1059,0 919,0 176,5 153,0 o' verpuppt
2. VI. HO ju — — — —
2. VI. 11 30 :| 345,0 317,0 | 138,0 127,0 |
2. VI. 19 30 j 1079 A 1022,5 135,0 128,0 |
2. VI. 20 30 128 A 119,0 | 128,0 119,0
1) Vgl. dazu Parnas, Abderhaldens Handb. d. biol. Arbeitemeth. 5,’
3. Abt., S. 667; sowie II. Mitteilung: diese Zeitschr. 165, 411, 1926.
14 *
x
212
J. Heller:
In der ersten Tabelle und Abb. 1 sind die Werte für den Sauerstoff-
verbrauch während der Verpuppung dargestellt. Die weibliche Raupe
S 740
N
S
Sauerstofverórauch p
a Š
o BEIS S
Abb. 1. Sauerstoffverbrauch während der Verpuppung
bei Argynnis paphia. Die Rechtecke stellen den
Sauerstoffverbrauch in einzelnen Versuchsperioden
dar, die ausgezogene Linie für g,
strichelte für 9.
Z 4 6 8 O 12 M WÉ B 20 22 24 26 28 30
Stunden
die ges
verpuppte sich vor dem ersten
Ablesen der Manometer, und
ihr Sauerstoffverbrauch ver-
mindert sich fortan. Das
Männchen verpuppt sich 8
bis 10 Stunden später. Wir
sehen bei ihm ein aus-
geprägtes Maximum einige
Stunden vor der Verpuppung.
Es entspricht wahrschein-
lich den heftigen Bewegun-
gen, welche das Abstreifen
der Raupenhaut besorgen.
Ein ähnliches Maximum
haben wir bei Desiephila
Euphorbiae mit nachfolgen-
der Überwinterung sowie einer mit Subitanentwicklung während
des ganzen letzten Tages vor der Verpuppung gefunden.
Tabelle II.
1. VI. | 19h30’
1. VI. 22 30
2. VI. 4 30
2. VI. 20 30
3. VI. 10 30
3. VI. 23 00
4. VI. 19 30
5. VI. 10 30
6. VI. 9 30
8. VI. 11 00
9. VI. 19 30
10. VI. ` 8 00
11. VI. | 130
i 12. VI. 15 00
14. VI. | 22 30
16. VI. 6 00
16. VI. 18 00
17. VI. 23 00
18. VI. 21 00
20. VI. 8 00
20. VI. 11 30
20. VI. | 1645
|
Tag | Zeit |
l
Stunden seit
Versuchsbeginn
Sauerstoff verbrauch
in cmm pro Stunde
A g
188,0 230,0
222,0 158,0
176,5 153,0
128,0 119,0
95,0 88,0
92,0 86,0
75,0 56,0
61,0 ' 60,0
60,0 62,0
60,0 63,0
61,0 61,5
61,0 65,0
64,0 67,0
71,0 83,0
92,0 95,0
99,0 | 103,5
111,0 115,0
130 | 1220
125,5 125,0
201,0 193,0
204,0 197,5
Beide ausgeschlüpft.
In dieser zweiten Tabelle haben wir einen Auszug aus 16 Experi-
menten, aus denen der Sauerstoffverbrauch pro Stunde berechnet wurde.
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 213
Abb.2 zeigt diese Werte. Die Kurve für Weibchen ist im ganzen
gegen diejenige für das Männchen nach links verschoben, entsprechend
der früheren Verpuppung des ersten. Sonst weisen beide Kurven jene
typische Gestalt auf, der wir auch bei Deslephila begegnen und welche
im allgemeinen mit der Kurve für Tenebrio nach Krogh!) übereinstimmt.
Abb. 2.
Stoffwechsel während der Metamorphose bei Argynnis paphia. Die 3 und Ge Zeichen
bedeuten den Sauerstoffverbrauch in Kubikmillimetern pro Stunde und Individuum
laut Tab. Il. Die Rechtecke stellen die Kohlensäureabgabe in Kubikmillimetern
pro Stunde und Individuum laut Tab. IV dar.
Tabelle III.
Das Ausschlüpfen.
o SR HR eebe u |
Tag Zeit | Bemerkung
` ` emm cmm ` emm pro Std emm pro Std.
Reeg Lee ZEN
vi 120 | — ı — — |! — |
av 1300 " 180,0 ' 1730 | 1800 | 1730
|
|
2%. VI. 1645 | 1080,0 1100,0 | 291,0 ' 294,0 | Beide ausgeschlüpft
ai 1715 | 164,5 1215 | 3290 | 243,0
2. VI. | 17 30 61,5 552 | 2460 | 225,0
Die rasch ansteigenden Werte des letzten Tages sind in der
dritten Tabelle genauer zusammengestellt worden. Die beiden Falter
schlüpften zwar während desselben Versuches von 33%, Stunden
Dauer aus, aber aus dem rascheren Abklingen der Sauerstoffwerte
für das Weibchen können wir vermuten, daß es früher als das
Männchen ausschlüpfte.
1) Zeitschr. f. allgem. Phys. 16, 1916.
214 J. Heller:
Tabelle IV.
TI l WE Stunden | Kohlensäureabgbe -
Tag Zeit Ka | cmm pro | Bemerkungen
beginn, ` Stunde e
2. VI. | 11h00 458 ER 208,0 Veran um. um 8 Uhr
3. VI. | 20 00 ee 195 6.36 192,5 Norm
9. VI. | 19 00 198 16,5 8,41 Sa |
15. VI. || 12 00 || 330 26,0 | 132 100,0 |
18. VI. || 12 00 402 16,0 8,14 113,0 ;
19. VI. || 11 00 425 7,0 3,56 154,5 |
19. VI. | 18 00 || 432 2,5 1.27 | 1820 || Ausgeschlüpft um 13 Uhr
Gewicht der Raupe . .. . . 676 mg Abgestreifte Raupenhaut = 4,0 mg
® des ausgeschl. Falters 273 mg b Puppenhülle = 6,0 mg
Wasserverlust = 186,0 45.52
CO, Abgabe = 89,5 mg = 45,52 ccm R.-Q. = =>- = 0,705.
Summa: 295,5 mg pe
Gewichtsverlust des
R-Kolbens samt Tier 203,0 mg
Differenz 92,5 mg — ergibt den Sauerstoffverbrauch = 64,7 ccm
An einem dritten Exemplar haben wir eine Versuchsreihe nach
der Methode von Haldane ausgeführt, deren Resultate betreffend die
Kohlensäureabgabe in der Tabelle IV zusammengestellt und in der Abb. 2
veranschaulicht werden.
Die Raupe wurde kopfabwärts hängend in einem Behälter von 250 ccm
Inhalt befestigt. Durch den doppelt durchbohrten Gummistopfen wurde
durch ein Glasrohr die von Wasserdampf und Kohlensäure befreite Luft
in den Kolben geleitet. Durch die andere Bohrung ging ein anderes Glasrohr
bis nahe an den Boden durch, welches die Luft aus dem Kolben durch
gewogene Absorptionsgefäße (l. mit Calciumchlorid, 2. mit Natronkalk
und Calciumchlorid schichtenweise gefüllt) befördert hatte. Die Lüftung
wurde durch Ansaugen in eine 2-Liter-Vakuumflasche mit entsprechend
zugedrehtem Glashahn besorgt. Zwischen die Vakuumflasche und Ab-
sorptionsgefäße war noch eine Waschflasche mit konzentrierter Schwefel-
säure eingeschaltet, um einen Übergang der Feuchtigkeit in die letzten,
was bei der langsamen Ventilation möglich wäre, zu verhüten. Die Wasch-
flasche fungierte dann zugleich als Blasenzähler. In passenden Intervallen,
etwa je 24 Stunden, wurden die Absorptionsgefäße und der Kolben samt
Versuchsobjekt gewogen, wobei sich die Wasserdampf- und Kohlensäure-
produktion unmittelbar ergaben. Der Sauerstoffverbrauch wurde als
Differenz aus der Gewichtszunahme der beiden Absorptionsgefäße und
der Gewichtsabnahme des Kolbens berechnet.
Da diese Methode für die Kohlensäureabgabe viel genauere Werte
gibt, als für den Sauerstoffverbrauch, so wurde nur mit CO,
Werten gerechnet und der Sauerstoffverbrauch lediglich als Gesamt-
summe zur Berechnung des respiratorischen Quotienten herangezogen.
Das Experiment begann am 1. Juni, also gleichzeitig mit den oben
besprochenen. Die Raupe von 676 mg Gewicht verpuppte sich am
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 215
2. Juni frühmorgens. Das Ausschlüpfen erfolgte am 19. Juni, es war
somit die Puppenperiode um etwa 30 Stunden kürzer als bei den beiden
anderen.
Der respiratorische Quotient beträgt in diesem Versuche 0,708.
Die Kohlensäureabgabe wird durch die Rechtecke der zweiten Abbildung
dargestellt. Der Verlauf derselben entspricht vollständig den beiden
Kurven für den Sauerstoffverbrauch.
Es sei noch der Versuch 13 mitgeteilt, in welchem nach derselben
Methode die Kohlensäureabgabe während des Ausschlüpfens und dann
während des ganzen Lebens des Falters bestimmt wurde:
Versuch 13.
Argynnis-Paphia-Puppe kurz vor dem Ausschlüpfen. Gewicht 506 mg.
Temperatur 20°. Versuchsdauer 24,5 Stunden, wobei der männliche
Schmetterling ausschlüpft.
CO,-Abgabe = 7,5 mg = 3,82 ccm = 156,0 cmm pro Stunde.
Das Imago wird im Apparat belassen und stirbt nach 154 Stunden
bei 130 mg Gewicht.
In dieser Zeit beträgt die Kohlensäureproduktion 25,0 mg = 12,7 ccm,
das sind 82,5 cmm CO, pro Stunde.
Es bleibt noch übrig, die gewonnenen Werte für Vergleichszwecke
auf 1 kg Gewicht umzurechnen. Aus Gründen, die in derersten Mitteilung
näher erörtert werden, wird als Bezugseinheit 1 kg des Puppenanfangs-
gewichtes angenommen. Aus sechs Bestimmungen erhalten wir als
durchschnittliches Anfangsgewicht der Puppen 580 mg. So ergibt sich
die Tabelle V.
Tabelle V.
Durchschnittliches Anfangsgewicht der Puppen 580 mg.
o Lui
enfangsgewicht
und I Std.
` SR e JL eem
Sauerstoffverbrauch während der Verpuppung . . . . . . 398,0
24 Stunden nach der Verpuppung . . 270,0
ep im Minimum (etwa 80 Stunden nach der
Verpuppung) .. . s .». 2. 2.2.2.2. 100,0
u während des Ausschlüpfens . . . . . " 508,0
Sauerstoffverbrauch während der ganzen Puppenzeit = 111,5 Liter
pro l kg Gewicht = 260 ccm pro Kilogramm/Stunde.
Durchschnittsgewicht des frisch ausgeschlüpften Falters = 270 mg.
Kohlensäureabgabe des frisch ausgeschlüpften Falters = 270 ccm pro
Stunde und 1 kg Puppenanfangsgewicht = 577 ccm pro Stunde und 1kg
Faltergewicht.
216 I. Heller:
Kohlensäureabgabe während des ganzen Falterlebens: 12,7 ccm
= 82,5 cmm pro Stunde.
Endgewicht des Falters . . . . . . . 130 mg
Anfangsgewicht des Falters. . . . . . 270 ,
Durchschnittsgewicht des Falters. . . 200 mg
Kohlensäureproduktion = 415,0 ccm pro Stunde und 1kg Durch-
schnittsgewicht.
Die Werte dieser Tabelle sind, was die Puppen anbelangt, viel
höher, zum Teil doppelt so groß als diejenigen für Deilephila, auch
bei der subitanen Entwicklung.
Was die Lage der sensiblen Periode von Süffert betrifft, so liegt
sie für beide Flügelpaare (12 bzw. 24 Stunden nach der Verpuppung)
am steil abfallenden Schenkel der Kurve.
II. Die Subitanentwicklung bei Deilephila euphorbiae.
In den Versuchsreihen des Vorjahres wurde der Einfluß der
Temperatur während der Puppenzeit, von der Verpuppung angefangen,
studiert. In diesem Jahre sollte dieser Einfluß schon während des
Raupenlebens untersucht werden.
Es wurden ganz junge Exemplare zur Zucht bevorzugt. Seit Anfang
Juli wurden die Standorte von Euphorbia ciparissias nach den Raupen
abgesucht, und schon am 19. Juli wurden über 50 kleine Räupchen ge-
sammelt. Im Gegensatz zu den großen, bunt gefärbten und an kleinen
Euphorbiakräutchen sitzenden reifen Raupen sind die kleinen, schwärzlich
(dann gelbgrün) gefärbten jungen Exemplare schwer aufzufinden, um so
mehr, als sie kräftige, grüne Triebe bevorzugen, wo sie sich an der Unter-
seite der schmalen Blättchen verstecken. Man geht am sichersten vor,
wenn man hin und her streifend nach abgenagten Gipfeln der grünen Triebe
sucht. Bemerkt man solche, so sind die benachbarten Pflanzen sehr genau,
Zoll für Zoll, zu untersuchen, und man findet dann gewöhnlich 40 bis
70 Stück auf einmal.
Die Raupen wurden in Standgefäße von 5 bis 10 Liter Inhalt gebracht,
wo gepflückte Euphorbien straußartig geordnet hineingestellt wurden. Mit
Wasser berieselt, behielten die Pflanzen bei einer Temperatur von 23
auch nach 48 Stunden ihre Frische. Bei dieser Anordnung behalten die
Raupen beim Fressen dieselbe Körperlage wie in der Natur, wobei die
Exkremente ungehindert zu Boden fallen können. Die Feuchtigkeit hält sich
in entsprechenden Grenzen, und die Sterblichkeit der Raupen ist sehr gering.
Es wurden insgesamt über 300 Raupen bis zur Verpuppung ge-
züchtet, wobei sie gruppenweise verschiedenen Temperaturen aus-
gesetzt wurden. Die Versuche werden noch teilweise an den Puppen
fortgesetzt und sind im großen und ganzen noch nicht abgeschlossen.
Hier wollen wir uns nur mit einer Gruppe von 80 Raupen befassen,
welche die ganze Zeit bei 22 bis 230 gezüchtet wurden, sich bei der-
selben Temperatur verpuppten und die ganze Puppenzeit zugebracht
haben. Von dieser Zahl gelangten 72 zur Entwicklung nach 19 bis
22 Tagen der Puppenperiode, 4 andere nach 8 bis 12 Wochen, die
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 217
letzten 4 blieben bis jetzt unentwickelt und werden wahrscheinlich
überwintern. Zur Verpuppung gingen die Raupen zum großen Teile
nicht in den Boden, sondern verfertigten sich durch Zusammenkleben
der Euphorbiablätter ein Nest.
An den Faltern ließ sich keine abnorme Färbung oder sonst etwas
Ungewöhnliches beobachten. Sie waren geschlechtsreif und es fand
auch Begattung statt. Es scheint, als ob zu diesem Zwecke den Faltern
eine Flugmöglichkeit gegeben werden müsse, wozu sich geräumige
Glasglocken eignen. An den hineingelegten Euphorbien fanden sich
dann Eier, aus denen nach 6 Tagen Räupchen ausschlüpften, die weiter
gezüchtet wurden. Die Begattung und die Bebrütung fanden in dem-
selben Luftbad von 22 bis 23° statt.
Am 19. Juli wurden im Freien auch einige Eier gefunden, aus
denen die Raupen am 22. Juli ausschlüpften. Die Verpuppung der-
selben erfolgte am 16. und 17. August, und somit lebten die Raupen
etwa 25 Tage. Davon entfallen etwa 4 Tage auf die Verpuppung selbst.
Der Falter lebt 10 bis 14 Tage, es beträgt also die ganze Lebensdauer
bei subitaner Entwicklung und 230 etwa 2Monate. Da der Falter
schon im Juni erscheint und die Raupen bis zur Hälfte September
häufig sind, so ist es wahrscheinlich, daß wenigstens in warmen Jahren
bei diesen Schwärmern in Mitteleuropa eine Sommergeneration auf-
tritt, deren Nachkommen dann als Puppen überwintern (siehe weiter
unten, S. 229).
Es verdient auch bemerkt zu werden, daß von diesen 80 Puppen
keine einzige umgekommen ist. Es waren unter ihnen auch Zwerg-
puppen, die bei der Überwinterung so schwer durchkommen; ja sogar
verwundete Exemplare, die viel Hämolymphe verloren hatten, kamen
glatt durch. Wie groß die Unterschiede im Gewicht der Falter waren,
zeigen folgende Zahlen:
Falter Nr. 313 wog 1,838 mg
» » 308 „ 475 „
Ich erblicke darin einen Hinweis darauf, daß die Subitan-
entwicklung auch bei Detlephila primär ist, die „latente“ erst als eine
Anpassung an ungünstige klimatische Verhältnisse aus derselben
hervorgegangen ist. Dabei wurden verschiedene Regulierungsmecha-
nismen nötig, welche die Grenzen der Toleranz stark eingeengt haben.
Trotz der schlechten Chancen einzelner Individuen wird die Sicherheit
der Art vergrößert.
Als charakteristische Merkmale der subitanen Entwicklung wären
zu nennen:
L Die Beweglichkeit der Puppe, die während der ganzen Puppen-
periode so groß ist, wie bei der langsamen Entwicklung nur während
J. Heller:
218
‘ íi í | | í | L
er ban Kat En U ka o et Eat ege éi ee
- |-'2|—| Dë — | gë — | — lët gaz || gg | gL! 99| 99| gn ge se| 93| — | — MH
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i er est u e a K 7 Dh i i aa E a E a zz 9
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09 | 9E | ZIE | 88Z | #9 | gız | z6l | s91 nm | SS H upe |) YZ
uəddnq ap sə3zyəməfsfuejuy SƏp UIJUIZOIJ U! JSNPIASJYNMIN) | 3 S
IA MWL
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 219
der ersten und der letzten Tage. Nimmt man eine Puppe in die Hand,
so schlägt sie mit den Abdominalsegmenten nach allen Richtungen.
Eine ‚„Latenz‘-Puppe braucht erst eines ziemlich starken Druckes, um
einige derartige Bewegungen langsam auszuführen.
2. Gewichtsverlust!) läßt schon 2 bis 3 Tage nach der Verpuppung
keinen Zweifel übrig, welcher Weg zur Entwicklung eingeschlagen
worden ist. Tabelle VI gibt davon ein Bild. Wir finden dort Werte
für die Gewichtsverluste von 20 Individuen mit subitaner Entwicklung.
Die unterste Zeile bringt zum Vergleich entsprechende Werte für die
Puppe Nr. 101, welche die Metamorphose mit Überwinterung durch-
macht.
Es fällt in der Tabelle auf, daß verschiedene Puppen mit ver-
schieden großen Gewichtsverlusten die Metamorphose beenden, etwa
von 11 bis 29 Proz. Demgegenüber schlüpfen die Schmetterlinge mit
ziemlich konstanten Anfangsgewichten aus (siehe weiter unten, S. 220).
Es erschien somit wahrscheinlich, daß die Unterschiede der Gewichts-
verluste der letzten Tage zufälliger Natur sind, und es wurde nach den
Ursachen gesucht. Es gelang auch, einen Zusammenhang dieser Verluste
mit den Respirationsversuchen festzustellen. Die Verhältnisse stellt
uns die Tabelle VII dar.
Tabelle VII*).
Nr. de | Geschlecht REN le d Dauer
R Däe a
Ee EES Proz. eege | in Stunden
wm wl o 6 8,25
102 op ! 22,5 3 4,5
Es S 22,4 1 18.0
139 e) etwa 22,0 5 13.0
104 e 16,2 1 3.25
138 EN 15,9 Gs SC
135 ei 15,7 1 1,0
133 C 14,8 = A
113 E 14,7 en E
108 Q etwa 14,0 SC ER
106 Er 13,7 ER =
114 CO etwa 13,0 — > E
121 Q „ 123 Së =
152 Q 12,0 -= =
119 ? 11,2 = =
nn ? 11,0 1 2.0
125 E 11,0 Zi Se
128 | Q 10,3 Ss =
115 ' e 10,2 a s
122 | g 9,8 | 2 =
Ze Bei den Puppen 139, 108, 114 und 121 ist der Totalverlust durch Extrapolation erhalten
wo .
1) Ältere Beobachtungen über Gewichtsverlust während der Meta-
morphose s. bei Bachmetjew, Zeitschr. f. wiss. Zool. 71, 557 bis 560, 1902.
220 J. Heller:
Der Zusammenhang ist ganz evident. Was seine Deutung betrifft,
so glauben wir den Verlust als die Abgabe des gebildeten Wassers deuten
zu können. Man kann hier aber nicht an eine austrocknende Wirkung
der Kalilauge in den Respirationsgläsern denken, dazu ist die 4proz.
Lösung zu verdünnt. Es handelt sich hier eher um ein mechanisches
Auspressen des Exkrets in den letzten Tagen bei dem häufigen An-
packen der Puppen. wobei unter der dünnen Chitinscheide die Ver-
dunstung stattfindet.
Wir sehen ferner aus der Tabelle, daß der Verlust bei Männchen
viel größer ist als bei den Weibchen. Die Werte für die zu Respirations-
versuchen nicht benutzten Männchen liegen um 14 Proz., bei Weibchen
um 11 Proz. Auch bei den zu den Versuchen angewandten Individuen
liegen die Werte entsprechend höher für Männchen. Dies ist begreiflich
an Hand der Resultate, die wir für Anfangsgewichte der ausschlüpfenden
Schmetterlinge erhalten haben. Dieselben betragen im Durchschnitt:
Für Männchen 44,1 Proz. des Anfangsgewichts der Puppen
D Weibchen 53,3 LE 33 39 LE
Die einzelnen Werte zeigt die Tabelle VIII.
Tabelle VIII.
Männchen | | | Weibchen
Se | Ee? Zeien TIOckengewicht| Nr. , Ausschlüpien aer eg
Leen, Lebendgewichts Ee Lebendgewichis
Proz. Proz. | Proz. Proz.
102 44,3 32,7 . 107 — 586 | 33,8
104 44,1 30,8 18 | 59,6 32,3
106 42,7 30,5 15 | 50,7 33,1
113 45.4 | 29,2 116 ` 52,0 x
114 46,7 313 119 | 61.0 31,9
117 45,6 | 325 122 51,1 34,4
120 48.0 340 123 — +7 32.0
129 36,8 De © 128 56,5 31,0
130 47,3 | 32,1 131 54,0 31,4
133 46,5 33,2 132 | 46,0 Se
134 50,0 ' 295 139 45,6 ==
135 45,8 30,2 141 49,6 ==
144 48,0 31,1 | 142 55,4 29,6
153 40,3 Ge 149 52,9 =
219 39,0 un 151 51,4 Së
306 36,3 SCH 152 | 480 —
307 45,4 — 14 | 52,7 =
311 | 40,1 = "209 59,2 2
370 . 464 — ! 3B 54,2 =
405 45,6 = 335 | STA =
Durchschnitt: 44,1 | 31,4 ' Durchschnitt: 1 53,3 | 32,1
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 221
Hier ist zu bemerken, daß wir in der ersten Mitteilung derartige
Regelmäßigkeit in Abhängigkeit von Geschlecht nicht gefunden haben.
Es handelte sich aber dort um ‚getriebene‘‘ Puppen, d.h. solche, bei
denen die letzte Entwicklungsperiode durch ausgiebige Temperatur-
steigerung stark verkürzt wurde. Die dort angeführten Werte wurden
auch in diesem Jahre durch ähnlich geleitete Experimente im all-
gemeinen bestätigt. Augenscheinlich wird also dieser Unterschied im
Gewichtsverlust der beiden Geschlechter in der letzten Periode deutlich,
wo die ausgebildeten Eier einen beträchtlichen Teil des Gewichts beim
Weibchen ausmachen. Das ‚Treiben‘ vermindert dann den Unterschied.
Einige Aufmerksamkeit ist noch auf den Wendepunkt in der Ent-
wicklung zu richten, also auf jenen Zeitabschnitt, wo der Gewichts-
verlust für Zeiteinheit minimal geworden ist, um dann wieder an-
zusteigen. In der Tabelle IX finden wir diesen Punkt für 12 Puppen
angegeben. Im Durchschnitt liegt er zwischen 2,6 und 2,7 Proz. Gewichts-
verlust, also am fünften bis sechsten Tage nach der Verpuppung.
Tabelle IX.
Wendepunkt bei
Wendepunkt bei
l
Nr. der Puppe | Proz. Gewichtsverlus Nr. der Puppe H Proz. Gewichtsverlust
102 | 2,4 135 | 2,8
103 25 138 ' 3,0
104 2,8 139 | 25
106 1,9 149 i 2,3
107 24 152 3.2
123 2,3 153 | 37
Ein Vergleich mit der Tabelle VI beweist, daß, je größer der Verlust
beim Wendepunkt, also je später dieser eintritt, desto länger im all-
gemeinen die Entwicklung dauert.
Der besprochene Wendepunkt entspricht nicht dem ‚Anfang der
Stoffwechselsteigerung‘‘ unserer ersten Mitteilung. Es war dort ein
Zeitabschnitt gemeint, wo der Sauerstoffverbrauch schon ganz deutlich
höhere Werte aufweist!). Der Wendepunkt für die Gewichts-
abnahme liegt auch in diesem Falle zwischen 2 und 4 Proz. Verlust,
entsprechend etwa dem 50. bis 60. Tage nach der Verpuppung.
3. Der Sauerstoffverbrauch. Derselbe wurde nach derselben Methode
bestimmt, wie bei Argynnis paphia. Sämtliche Versuche wurden bei
220 ausgeführt. Die Resultate wurden auf 1kg Anfangsgewicht der
Puppe und 1 Stunde umgerechnet und in Kubikzentimetern auf 0°,
160 mm Hg und Trockenheit reduzierten Sauerstoff ausgedrückt.
1) Pflügers Archiv 210, 753, 1925.
222 J. Heller:
Beim Vergleichen der Resultate stoßen wir auf eine Schwierigkeit,
und zwar die verschieden lange Dauer des Puppenstadiums. Um doch
vergleichbare Werte zu erhalten, wurden die Stundenzahlen mit einem
entsprechenden Faktor multipliziert. Da die meisten untersuchten
Puppen am 21. Tage ausschlüpften, so wurde als Faktor ein Bruch
angewandt, mit 21 als Zähler und der Anzahl der Tage des Puppen-
stadiums als Nenner. So entstand auf Grund von 34 Experimenten
an 12 Puppen die Tabelle X.
Tabelle X.
SS Puppe Stunden nach | Gewichtsverlust | "uerstoff- Geschlecht
l Nr. der Verpuppung Proz. ccm
1 f 123 2 0 262,0 g
2 | 139 2 o. 209,0 Q
3 123 24 1,0 164,0 ?
4 123 58 | Lë 145,0 Q
E 139 75 1,7 83,0 S
6 |} 19 98 2,0 63,3 ` Ẹ
7 | 18 118 3,7 825 g
8 123 120 2,6 53,6 a
9 149 120 3,0 627 ` 2
10 139 121 2,7 64,0 | 9
ll | 18 138 4,7 80,5 ch
12 | 123 145 | 3,1 65,7 Q
13 139 150 3,7 56,2 ?
14 103 172 | 30 69/0 L
15 | 13 191 4,7 63,0 g
16 | 138 194 3,9 62,8 o
17 153 213 | 7,6 67.0 o
18 123 222 | 6,5 64.8 Q
19 | 153 240 9,6 116.0 o
2 ` 103 245 4,6 95.0 —
21 | 168 264 49 90.0 =
22 | 164 268 5,4 101,0 o
23 å € 123 282 9,7 86.5 Q
24 i 164 288 5,2 115,0 SS
25 | 102 304 5,9 139,0 E
26 | 157 312 5,6 124.8 =
27 139 336 10,3 117,2 Q
28 103 à ' 359 10,0 156.0 =
29 | 155 | 360 72 120.0 =
30 123 402 15,5 158,0 o]
au JI 153 | 408 23.0 226,0 o
32 1 ` 446 28,7 280,0 a
3000183 | 474 22,4 289,0 Q
34 107 | 484 | 9,0 240,0 Q
Die Abb. 3 bringt diese Werte in graphischer Darstellung.
Am Tage der Verpuppung finden wir einen Wert von über 200 cem
pro Kilogrammstunde. Am nächsten Tage sind es noch 164 ccm, dann
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 223
fällt der Verbrauch immer mehr, bis er am fünften Tage ein Minimum
von 50 bis 60 ccm pro Kilogrammstunde erreicht. Um diesen Minimal-
wert schwanken die Werte bis gegen den zehnten Tag, wo der Anstieg
beginnt. Schon am dritten Tage vor dem Ausschlüpfen steigert sich
der Sauerstoffverbrauch auf 200 ccm und erreicht am letzten Tage den
hohen Wert von 290 ccm. Immerhin steht dieser Wert weit hinter
dem für Argynnis paphia ermittelten (etwa 500 ccm für 1 kg Puppen-
anfangsgewicht und 1 Stunde), sowie auch das Minimum von 60 ccm
N
S
Š
-Sauerstoff verdrauch in cm? pro kg und Stunde
ki
Gi
S
120
00
40
0 400 500
0 100 200 EE 30 0
Abb. 3.
Sauerstoff verbrauch während der Subitanentwicklung bei Deilephila Euphorbiae.
Die Punkte stellen den Sauerstoffverbrauch in Kubikzentimetern pro Stunde und
1 kg Anfangsgewicht der Puppen dar.
dasjenige von Paphia (100 cem) nicht erreicht, obwohl die Temperatur
bei Paphia 20°, bei Deilephila dagegen 22° betrug. Sonst aber sehen
wir eine gute Übereinstimmung der Kurven für beide Arten. Man
beachte besonders das raschere Abfallen des Sauerstoffverbrauchs und
das langsamere Ansteigen, wobei in beiden Fällen die Schlußwerte
beträchtlich über die Anfangswerte gestiegen sind.
In einem Falle, bei der Puppe Nr. 139, wurden die Messungen
schon vor der Verpuppung angestellt. Es zeigte sich, daß am Tage
vor der Verpuppung eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs statthat,
ähnlich wie es für Paphia in den letzten Stunden vor der Verpuppung
nachgewiesen wurde. Es sei noch bemerkt, daß die Paphia-Raupen
noch 24 Stunden vor der Verpuppung sich fortbewegen können (soweit
sie noch nicht mit dem Hinterleib angeheftet sind), Deilephila-Raupen
dagegen wenigstens in den letzten 48 Stunden nicht mehr zu kriechen
imstande sind.
224 J. Heller:
IV. Die „latente“ Entwicklung.
Die Vorgänge bei der ‚latenten‘‘ Entwicklung wurden in der ersten
Mitteilung beschrieben. Hier sei das Wesentlichste angeführt.
Die Raupen wurden im August gesammelt. Die Verpuppung geschah
bei Zimmertemperatur (etwa 19%). Dann wurde ein Teil der Puppen
(Gruppe l und 4) einer Temperatur von 25°, ein anderer Teil (Gruppe 2,
3 und 5) einer solchen von 10° ausgesetzt. Nach einigen Wochen wiesen
die ersten einen kleineren Sauerstoffverbrauch als die anderen auf, wobei
alle Versuche bei 18° ausgeführt wurden. Sie hatten also einen niedrigeren
Grundumsatz, d. h. Stoffumsatz bei 18°. Dementsprechend differierten
auch die Gewichtsverluste nicht so sehr, wie aus dem großen Temperatur-
unterschied erwartet werden konnte. Da die Entwicklungsgeschwindigkeit
im allgemeinen der Stoffwechselgröße Schritt hält (s. unten, S. 231), die
letzte aber dem Grundumsatz proportional ist, so bedeutet es auch eine
Beeinflussung der Entwicklungsdauer, die in gewissen Grenzen von der
Temperaturhöhe unabhängig wird.
Diese Deutung der Respirationsversuche wurde durch folgendes Ex-
periment bestätigt: Am 13. Dezember wurde die zweite Gruppe in den
Thermostaten von 25°, die vierte Gruppe in den gekühlten Raum von 10°
gebracht. Entsprechend dem höheren Grundumsatz der zweiten Gruppe
stieg ihr Stoffwechsel und somit die Entwicklungsgeschwindigkeit derart,
daß binnen 6 Wochen die Falter ausgeschlüpft sind. Bei der vierten Gruppe
dagegen fiel der Stoffwechsel tiefer als bei der dritten und fünften Gruppe.
Es zeigte sich ferner, daß, ähnlich wie in der Natur, die Temperatur
während der zweiten Periode niedriger sein muß als während der ersten.
Ist es nicht der Fall, so wird der Stoffverbrauch größer, als die Vorräte
es erlauben, und die Puppe geht an der Erschöpfung ihrer Reserven zu-
grunde.
Wir wollen nun die charakteristischen Größen des Puppenstadiums,
also den Gewichtsverlust und den Sauerstoffverbrauch, für beide
Entwicklungsweisen miteinander vergleichen. Es darf aber dabei der
Umstand nicht aus dem Auge gelassen werden, daß bei den oben ge-
schilderten Untersuchungen die Verhältnisse weit mehr von den natür-
lichen abweichen als bei der Subitanentwicklung. Am nächsten noch
stehen die Bedingungen der dritten und fünften Gruppe, welche der
Temperatur des Leitungswassers ausgesetzt worden waren, denjenigen
im Freiland. Es würde nur die Temperatur der Wintermonate im
Freien niedriger ausfallen, etwa 0 bis 4° statt 10°. Da aber dieser Zeit-
abschnitt noch dem Minimum des Stoffwechsels entspricht, welches
bei diesen niedrigen Temperaturen sehr kleine absolute Werte erreicht,
so dürften die dadurch verursachten Unterschiede nicht wesentlich
gein.
Um nun die Gewichtsverhältnisse bei den beiden Entwicklungs-
weisen zu vergleichen, muß zuerst eine entsprechende Durchschnitts-
kurve für die Subitanentwicklung konstruiert werden. Da alle Puppen
der dritten Gruppe zu mehrmaligen Respirationsversuchen verwendet
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 225
wurden, so müssen aus den oben dargelegten Gründen auch hier die
vier ersten Puppen.der Tabelle VI in Betracht kommen. Außerdem
sind die Stundenzahlen für die Puppe Nr. 102 mit 21/19 (S. 222) zu
multiplizieren. So gelangen wir zu folgenden Mittelwerten:
Tabelle XI.
Stunden | Gewichtsverlust ER DES Gewichtsverlust
Proz. Proz.
24 | — 288 9,2
48 1,6 312 10,4
12 1,9 336 12,2
96 22 360 13.6
120 2,8 3834 15,3
144 3.4 408 16,9
168 3,8 432 19,4
192 48 456 21,0
216 5.46 480 23.9
240 6,5 504 26,6
264 75
Die so erhaltene Gewichtsverlustkurve ist auf der Abb. 4, zu-
sammen mit jener für die dritte Gruppe (siehe erste Mitteilung, S. 746)
dargestellt. Die Ordinaten sind für beide Kurven gleich und sind durch
u
&
d Pu,
gen
<
N
Q
E, g
ubita ichhu
500
des Anfangsgewichtes
0 160 200 Za en 320 440 0 Stunden
0 5 e 2900 3000 3600 4300 > 2% 6800 7200
Latentni Along
Abb. 4.
Gewichtsverlustkurven für beide Entwicklungsweisen. Dreiecke»Subitanentwicklung;
Kreise-Latententwicklung. Die Kurve für die Subitanentwicklung ist aus den
Werten für die Puppen 102, 123, 139 und 153 konstruiert. Als Kurve für die
Latententwicklung ist die Kurve für die dritte Gruppe der ersten Mitteilung
übernommen worden.
prozentualen Gewichtsverlust gegeben. Was die Abszissen anbelangt,
so hat die Subitanentwicklung im Durchschnitt 21 Tage, die der dritten
Gruppe dagegen 300 Tage gedauert. Wenn also im ersten Falle ein
Biochemische Zeitschrift Band 169, 15
226 J. Heller:
Teilstrich 20 Stunden bedeutet, so macht er im zweiten Falle 300 Stunden
aus. Die Abbildung zeigt uns deutlich, wie sehr die Gewichtsverlust-
kurve in beiden Fällen ähnlich verläuft. Noch besser wäre die Über-
einstimmung, wenn wir zum Vergleich die Kurve für die fünfte Gruppe
heranziehen.
Auch in diesem Zusammenhange zeigen sich die besseren Chancen
bei der subitanen Entwicklung. Die Puppen der dritten und fünften
Gruppe sind wegen des zu großen Gewichtsverlustes zum Teil ver-
kümmert oder konnten überhaupt nicht schlüpfen. Die vier Puppen
bei subitaner Entwicklung ergeben beim gleichen Gewichtsverlust
tadellose Schmetterlinge.
Der Sauerstoffverbrauch. Die Durchschnittswerte für den Sauer-
stoffverbrauch lassen sich für die Subitanentwicklung auf Grund der
Tabelle X berechnen und die Abb. 3 stellt eine derartige Durchschnitts-
kurve dar. Etwas schwieriger stellt sich die Sachlage für die latente
Entwicklung dar. In der ersten Mitteilung haben wir nur die Kurven-
stücke für die ersten Tage nach der Verpuppung und die letzten vor
dem Ausschlüpfen angegeben. Den dem Minimum entsprechenden
Abschnitt können wir auf Grund dortiger Tabelle VI (S. 747) kon-
struieren. Die jetzigen Experimente sind bei 220, die der ersten Mit-
teilung dagegen bei 18° ausgeführt worden. Wil man also die Er-
gebnisse miteinander vergleichen, so sind alle Werte auf 22° umzu-
rechnen, was auf Grund der Tabelle VII (erste Mitteilung, S. 748)
ohne Schwierigkeiten mögli:h ist. Man kann annehmen, daß der Stoff-
wechsel im Intervall von 18 bis 25° ungefähr der Temperatur proportional
ansteigt. Wenn also der Sauerstoffverbrauch für die Puppen der zweiten
und dritten Gruppe bei 18° 13,7 Kilogrammstunden beträgt und
bei 25° 28,7 ccm, dann berechnen wir ihn für 220 als 13,7 + SC A
= 13,7 + 8,6 = 22,3 ccm. Somit ist das Verhältnis Sauerstoffverbrauch
bei 220 : Sauerstoffverbrauch bei 18° = 22,3 : 13,7 = 1,62 und mit
diesem Faktor muß man die bei 18° gemessenen Werte multiplizieren.
Die so umgeformten Werte der beiden Endstücke werden nach der
Mitte verlängert. Es bleibt dann aber noch eine Lücke übrig, ent-
sprechend den Monaten Januar bis März. Wir müssen also aus unseren
Versuchsprotokollen entsprechende Ergebnisse anführen. DieTabelle XII
bringt die nötigen Werte schon auf 220 umgerechnet. Als Minimum
wird der oben berechnete Wert 22,3 ccm angenommen, und man erhält
eine Kurve, die den Vergleich ermöglicht. Man darf aber nicht ver-
gessen, daß es lediglich eine rechnerisch konstruierte Kurve ist, welche
den Sauerstoffverbrauch angibt, den die Puppen bei shrem Grund-
umsatz haben würden. Sie ist natürlich nicht realisierbar, da für einen
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 227
Tabelle XII.
|
Puppe ` ` Alter | Supmtot | puppe | Atter Feb
Nr. | Tage | - ccm N r. | Tage PS
e Sa en en SL: _—
26 | 140 23,4
o E 23,8 Si 266 28,7
24 172 27,4 45 271 30.0
45 | 192 | 286 49 | 25 59,0
derart großen Stoffverbrauch die Reservestoffe der Puppe nicht
ausreichen würden. Um den wirklichen Stoffumsatz zu er-
halten, müßte man alle Werte auf den Sauerstoffverbrauch bei 10°
umrechnen.
Die erhaltene Kurve ist in der Abb. 5 dargestellt. Der Maßstab
für die Ordinaten ist hier der nämliche wie für die Subitanentwicklung,
g u.Stunde
Saverstaffverbrauch in cm? pro k
a
IS Ss
0 120 180 20 300 360 #420 0 540 600 6560 720
Stunden
Abb. 5.
Sauerstoffverbrauch während der Latententwicklung bei Deilephila Eupborbiae.
Abszissen: Stunden nach der Verpuppung.
Ordinaten: Kubikzentimeter pro Stunde und 1 kg Anfangsgewicht der Puppen.
für die Abszissen ist er für die latente Entwicklung 15mal kleiner als
für diesubitane. Somit bedeutet ein Teilstrich in der Abb. 3 20 Stunden
und in der Abb. 5 300 Stunden.
Die Kurven zeigen nicht mehr diejenige Übereinstimmung wie
die Gewichtsverlustkurven. Der allgemeine Charakter der Kurven
ist zwar derselbe. Man erkennt hier und dort die charakteristi-
schen drei Perioden, hier und dort ist der absteigende Schenkel
viel steiler als der ansteigende, aber die Kurven weisen zwei markante
Unterschiede auf:
15*
228 J. Heller:
L Der Sauerstoffverbrauch liegt beim Minimum der subitanen
Entwicklung viel höher (etwa 50 ccm) als bei der latenten bei derselben
Temperatur (etwa 22,3 ccm)!).
2. Die relative Länge der drei Perioden ist verschieden. Es dauert
nämlich
Tabelle XIII.
| Bei der subitanen Entwicklung | Bei der latenten Entwicklung
Die erste Periode . . | etwa 100 St. = 20 Proz. | etwa 750 St. — 10,4 Proz.
„ zweite „ :
„ dritte ,
Man sieht also, daß die erste Periode bei den beiden Entwicklungs-
weisen die kürzeste ist. Was die längste anbelangt, so ist es bei der
subitanen Entwicklung die dritte, bei der latenten aber die zweite,
welche etwa dreimal solange dauert als die beiden anderen. Es
ist sehr interessant zu erinnern, daß nach Krogh die zweite Periode
bei Tenebrio mit fallender Temperatur an Dauer zunimmt. Es fragt
sich nun, ob wir mit einer derart immer mehr und mehr in die Länge
gezogenen zweiten Periode einen stetigen Übergang zwischen den
beiden Entwicklungswegen erreichen können? Daran schließt sich
die Frage, ob man mittels Temperaturänderungen die Puppe zwingen
kann, einen bestimmten Entwicklungsmodus anzuschlagen. Bevor
wir zu dieser Frage übergehen, möchten wir feststellen, daß die an-
geführte Darstellung der Latenz von Süffert mit den oben erörterten
Tatsachen völlig unvereinbar ist. Von einer Latenz im Sinne eines
Entwicklungsstillstands könnte nur an der Höhe der zweiten Periode
gesprochen werden. Sonst stellen beide Entwicklungsweisen denselben
Vorgang von verschieden langer zeitlicher Ausdehnung dar. i
Nicht die ,Latenz“ scheint uns für die überwinternden Puppen
charakteristisch zu sein, sondern die Fähigkeit, in der ersten Periode
ihren Grundumsatz der Temperatur entsprechend einstellen zu können.
1) Dieser Punkt hat schon im Jahre 1914 Kroghs Aufmerksamkeit
auf sich gezogen, freilich beim Vergleich von zwei sehr verschiedenen Ob-
jekten (Tenebrio und Sphinx). Er schreibt nämlich (Zeitschr. f. allgem.
Physiol. 16, 187, 1914, Fußnote): ‚The metabolism does not become very
low in the Tenebrio pupa, and the desintegration ist far from complete. In
resting chrysalides of Sphinx ligustri, in which the larval tissues are very
completely desintegrated, and there is a long period of inactivity before the
formation of tissues for the butterfly hegins, the metabolism during the resting
period fall much lower. I found for instance the oxygen take up per kg and
hour by such chrysalides as 51 c? at 28,5°, 18 c? at 1% and 5 c? only at 10,6°.“
Es sind dies ungefähr Werte, wie bei unseren Gruppen 2, 3 und 5
der ersten Mitteilung. Die Werte für die zwei anderen Gruppen waren
nicht ganz die Hälfte.
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 229
V. Der Einfluß der Temperatur auf die Entwicklungsweise.
Es ist eine längst bekannte Tatsache, daß die Entwicklungsweise
durch Temperaturänderungen zu beeinflussen ist. Es wird gewöhnlich
angenommen, daß erhöhte Temperatur stets die Subitanentwicklung,
niedrige dagegen stets die latente erfolgen läßt, auch wenn die Puppen
„an sich“ zum entgegengesetzten Entwicklungsmodus veranlagt waren.
Die Sache ist aber nicht so einfach, und schon Weismann ist hier
auf Schwierigkeiten gestoßen. Wir lesen bei Biedermann!): ‚Der
umgekehrte Versuch Weismanns, durch Erhöhung der Temperatur die
Wintergeneration?) zur Annahme der Sommerform zu zwingen, glückte
niemals. ... Solche Puppen setzte nun Weismann unmittelbar nach
der Verpuppung (zum Teil auch schon als Raupen) ins Gewächshaus,
wo tagsüber die Temperatur oft bis auf 24° R stieg. Immer war das
Resultat dasselbe, alle oder fast alle Puppen überwinterten und
schlüpften als Winterform (levana) erst im nächsten Jahre aus. Öfter
dagegen kam es vor, daß einige der Schmetterlinge noch im Herbst nach
etwa nur l4tägiger Puppenruhe ausschlüpften, und diese waren dann
stets prorsa (Sommerform).‘“
Ähnlichen Schwierigkeiten ist Weismann auch bei der Winter-
generation von Pieris napi und mancher Vanessen begegnet. Be-
kanntlich wurde er dadurch bewogen, die Winterform, wenigstens bei
Araschnia, als genetisch älter, weil beständiger, zu erklären.
Unsere Untersuchungen an Deilephila haben eine ganz andere
Erklärung dieser Tatsachen ergeben.
Es zeigte sich nämlich, daß es bei dieser Art zweierlei äußerlich
nicht zu unterscheidende aber verschieden veranlagte Raupen gibt.
Die einen, welche im Juli so weit überwiegen, daß sie über 90 Proz. der
gesammelten Raupen ergaben, können bei entsprechend hoher Tem-
peratur die Subitanentwicklung durchmachen. Die anderen, welche
im August dominieren und im September fast die einzigen sind, haben
in der Regel eine Latententwicklung. Sogar durch die Anwendung von
einer Temperatur von 30°, vom frühen Raupenalter angefangen, ist es uns
nicht gelungen, diese Raupen zur Subitanentwicklung zu zwingen. Sie
richten sich mittels der oben besprochenen Einstellung ihres Grundumsatzes
auf die Latententwicklung ein.
Die anderen Puppen entbehren aber dieser Fähigkeit der An-
passung ihres Grundumsatzes an die Temperatur und sind gegen. die
Änderungen derselben sehr empfindlich. Bei der Deilephila dürfte
die Grenze, unter welcher die subitane Entwicklung überhaupt nicht
1) Wintersteins Handb. d. vergl. Phys. 8, 1742.
2) Bei Araschnia Levana-Prorsa.
230 J. Heller:
vorkommt, bei 20° liegen. Bei Zimmertemperatur (16 bis 18°) dauert
das Puppenstadium derartiger Individuen gegen 4 Monate, so daß
die Falter in der Zeit um Weihnachten erscheinen. Ich möchte in
diesen Fällen von einer protrahterten Entwicklung sprechen. Bei einer
Erniedrigung der Temperatur bis etwa 10° schlüpft der Schmetterling
etwa im Mai oder Juni aus. In diesem Falle besteht also kein Unter-
schied gegenüber der latenten Entwicklung. |
Auch einer Erhöhung der Temperatur gegenüber sind die ‚Subitan-
puppen“ sehr empfindlich. Bei 22 bis 23° dauerte das Puppenstadium
gegen 21 Tage, bei 25° 17 Tage und bei 30° nur 13 Tage.
Aber auch bei jenen Puppen, welche einer Erhöhung der Temperatur
mit einer niedrigen Einstellung ihres Grundumsatzes begegnen, läßt
sich eine ergiebige Verkürzung der Puppenzeit erreichen. Man kann
nämlich diese Einstellung bei niedriger Temperatur entsprechend hoch
ausfallen lassen und mittels nachfolgender Temperatursteigerung den
Stoffwechsel und die Entwicklung beschleunigen. Eine Einstellung des
Grundumsatzes ist nämlich nur in den ersten Wochen nach der Ver-
puppung möglich. Diesen Vorgang möchten wir als ‚Treiben‘ der
Puppen bezeichnen.
Die Vorgänge bei Deilephila lassen sich durch folgendes Schema
darstellen:
Tabelle XIV.
Bei einer Temperatur von
| über 20° 16—180
Puppen ohne Ein- NM
stellung dee Grund-
umsatzes .. .. . subitan | protrahiert latent protrahiert
Puppen mit Ein-
stellung des Grund- |
umsatzes . .... ‚ latent*) latent latent Treiben
*) Viele Puppen vertrocknen bei einer solchen Entwicklung infolge Erschöpfung der Reserven.
Obiges Schema bezieht sich nur auf Experimente, in denen die
Temperatur konstant gehalten oder erst während der Puppenzeit
verändert wurde. Die Experimente, in denen die Temperaturänderungen
das Raupenstadium oder die Verpuppung selbst betrafen, sind noch
nicht abgeschlossen.
Aus den oben dargestellten Beziehungen zwischen Temperatur
und Entwicklungsdauer erhellt, daß als Bindeglied zwischen den beiden
die Stoffwechselgröße fungiert. Die Temperaturerhöhung wirkt nur
dann und immer dann beschleunigend auf die Entwicklung, wenn sie
zugleich den Stoffwechsel steigert. Es bezieht sich dasselbe auch auf eine
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 231
Verzögerung mittels Temperaturerniedrigung. Die Verhältnisse liegen
hier nunmehr klar, seitdem wir wissen, daß der Stoffwechsel durch zwei
variableGrößen bestimmt wird, deren einedie Temperatur, die andere aber der
Grundumsatz ist. Es ist interessant, unter Berücksichtigung des obigen
Satzes eine zusammenfassende Darstellung der Temperaturexperimente
bei den Schmetterlingen, wie z. B. die von Biedermann zu lesen. Da sieht
man, wie durch die Einführung der anderen Variablen vieles klar wird.
Es erscheint zweckmäßig, den Betrag dieser Stoffwechselgröße —
entsprechend Tangls „Entwicklungsarbeit für Zeiteinheit‘‘!) — bei
verschiedenen Entwicklungsweisen und unter verschiedenen Bedin-
gungen zu bestimmen, weil allem Anschein nach auf diese Weise die
beste Charakteristik des Entwicklungsganges zu erzielen ist. Dem
Begriff der Entwicklung wird der des Stoffumsatzes koordiniert, der
besonders in jenen Phasen zur Charakteristik der Vorgänge dienen
kann, in welchen die morphologischen Änderungen gar nicht oder nicht
ohne die Zerstörung des Objekts zu erfassen sind.
Es ergeben sich unter diesen Bedingungen auch Rückschlüsse
auf die Frage der Beeinflussung der Flügelzeichnung durch die Tem-
peratur. Es war nämlich von verschiedenen Forschern beobachtet
worden, daß die Zeichnung bei vielen Insektenarten von der Dauer
der Puppenzeit abhängig ist. Zuletzt hat es ja Süffert für die Araschnia
genauer nachgewiesen. Da unsere Untersuchungen ergaben, daß die
Entwicklungsgeschwindigkeit der Stoffwechselgröße proportional ist,
so bilden sie eine Stütze für die „Stoffwechseltheorie‘“ der Gräfin
v. Linden. Jedenfalls wird sich diese Theorie mit der von uns an-
gewandten Methodik in einzelnen Fällen genauer und auf einer anderen
Grundlage prüfen lassen als es seinerzeit der Verfasserin möglich war.
VI. Über die Bedeutung der Subitanentwicklung bei Deilephila Euphorbiae.
Es wurde oben festgestellt, daß von den zwei Arten Raupen der
Deilephila Euphorbiae diejenigen, welche einer Subitanentwicklung
fähig sind, zeitlich früher auftreten als die anderen, später dagegen
selten sind. Wir deuten diesen Tatbestand als das fakultative Auftreten
einer zweiten Generation. Es ist nämlich eine Temperatur von etwa 21°
nötig, um aus den Juliraupen einen Schmetterling im August zu ergeben,
1) Tangls Begriff der Entwicklungsarbeit wurde in letzter Zeit einer
Kritik unterzogen (Needham Physiol. Rev. 5, 46—49, 1925). Die Kritik
wendet sich gegen eine: Definition des Begriffs, wie sie von Tangi nicht
gegeben wurde. Nach Tangl ist Entwicklungs- (Umbildungs-) Arbeit
durch jene Menge chemischer Energie gegeben, welche während der embryo-
nalen (bzw. metamorphotischen) Entwicklung in andere Energiearten und
schließlich in Wärme verwandelt wird. Es scheint, daß die Bezeichnung
Arbeit in diesem Falle irreführend ist und durch Stoffumsatz zu ersetzen wäre.
232 J. Heller:
also zu einer Zeit, wo es noch genügend Spielraum zur Ausbildung über-
winternder Puppen gibt. Diese Temperatur dürfte in Mitteleuropa in
manchen Jahren im Juli überschritten werden. Lwow z. B. liegt
zwischen den Durchschnittsisothermen für Juli 20 und 21%. Daß
es eine zweite Generation von Sphingiden in warmen Jahren
geben kann, bestätigt Taschenberg!): ,„...in manchen Jahren
sind hier und da, wie 1887 im südlichen Bayern, wahrscheinlich
infolge des warmen und trockenen Sommers, zwei Bruten beob-
achtet worden.“
Man sicht also, daß das Auftreten einer zweiten Generation
bei den Sphingiden möglich ist). Wie könnte diese fakultative
Sommergeneration zu einer habituellen werden, ohne eine Klima-
änderung ?
Man beachte den Unterschied zwischen der habituellen Subitan-
entwicklung bei Argynnis und der fakultativen bei Deilephila. Man
findet, daß der Stoffwechsel in seinem Minimum bei Argynnis zweimal
höher liegt bei 20° als bei Deslephila bei 220, auf 1 kg Gewicht gerechnet 3).
k
Da TE bei den Puppen ungefähr gleich 4 anzunehmen ist, so würde
Argynnis bei 15° denselben Stoffwechsel zeigen wie Deilephila bei 220,
also noch einer Subitanentwicklung fähig sein. Deslephila hat bei
etwa 17° eine protrahierte Entwicklung (siehe oben, S. 230). Bei
Argynnis entspricht dieser Temperatur (15 — 5)" also 100°. Wir können
annehmen, daß dem so sei, denn bei Araschnia, welche eine verwandte
Form mit habitueller Subitanentwicklung darstellt, konnte Weismann
bei 10° eine protrahierte Entwicklung erhalten, welche die Prorsa-
Varietät ergab. Erst viel niedrigere Temperaturen führten zu einer
Latententwicklung, aus der Levana resultierte.
Es erhellt daraus, daß eine fakultative Subitanentwicklung zur
habituellen wird, sobald sich der Grundumsatz entsprechend erhöht.
1) Taschenberg, Insekten, in Brehms Tierleben, 3. Aufl., S. 391.
2) Dem russischen Entomologen Pallas war es schon im 18. Jahr-
hundert bekannt: „ .. . harvaque saepe intra mensem edit sphingem.“‘“
Lit. nach Garbowski, Sitzungber. der K. Akademied. Wiss. in Wien, Mathem.-
naturwiss. Klasse, 101, 918, 1892.
3) Daß dieser Unterschied nicht durch die Artverschiedenheit oder
die Gewichtsverhältnisse bedingt ist, beweisen Experimente, in denen die
Kohlensäureabgabe während des imaginalen Lebens bei Deilephila be-
stimmt wurde:
Versuch 4: Männlich, mittleres Gewicht (= 1, Anfangs- + % End-
gewicht) = 975 mg, Dauer 250 Stunden. Kohlensäureabgabe = 162,7 ccm
= 0,65ccm pro Stunde = 668 cem pro Kilogramm/Stunde.
Versuch 6: Männlich, mittleres Gewicht = 910mg; Dauer 302 Stunden;
Kohlensäureabgabe = 164,4 = 598 ccm pro Kilogramm/Stunde.
Chemische Untersuchungen über die Metamorphose d. Insekten. III. 233
Diese Ausführungen erlauben uns, das Phänomen des Saison-
Dimorphismus in einem neuen Lichte zu erblicken. Folgende Tatsachen
sind hier von Bedeutung:
1. Bei Araschnia levana-prorsa können wir wenigstens bei der
Sommergeneration das Auftreten beiderlei Raupen — mit und ohne
Anpassung des Grundumsatzes an die Temperatur — feststellen [unsere
Deutung der Experimente von Weismann, Dorfmeister!)], was schwerlich
mit einem „erblichen Rhythmus“ vereinbar ist.
2. Es wurde in einigen Fällen festgestellt, daß die Länge der Puppen-
periode erblich übertragbar ist?2). Es gibt auch Andeutungen, daß die
Eigenschaft der Anpassung des Grundumsatzes (und die Höhe desselben
im anderen Falle) als Mendelfaktoren zu betrachten sind.
Es ist also möglich, daß die Grundbedingung für den Saison-
Dimorphismus im Auftreten dieser Mendelfaktoren gegeben ist, wobei
die klimatischen Verhältnisse die Aufspaltung in zwei Generationen
besorgen. Als ein Hilfsfaktor könnte hier der Umstand wirken, daß
gewisse Kombinationen der Mendelfaktoren lebensunfähige Individuen
ergeben können.
Einige Worte seien noch dem Wesen der Regulierung des Grund-
umsatzes gewidmet. Wir haben in der ersten Mitteilung die Vermutung
geäußert, daß sie durch verschieden ausgedehnte Histolyse zustande
kommt. Es wurde dann auch an einen Unterschied im Grad der
Karyolyse gedacht. Histologische Untersuchungen, auf diesen Punkt
gerichtet, sind seit einigen Monaten im Laufe, doch läßt sich über den
Ausgang noch nichts sagen. Es ist aber auch denkbar, daß die Regu-
lierung hormonaler Natur ist. Hat doch Kope schon im Jahre 19173)
wahrscheinlich gemacht, daß ein Hormon die Metamorphose einleitet,
welches vom Gehirn der Raupe produziert wird. Für den oben ent-
wickelten Tatbestand hat übrigens die Lösung dieser speziellen Frage
keine unmittelbare Bedeutung. |
Zusammenfassung.
L Die Gewichtsverlust- und die Sauerstoffverbrauchskurve
charakterisieren die Entwicklung während der Puppenzeit.
Es wurden diese Kurven ermittelt:
a) Für Subitanentwicklung bei Argynnis Paphia.
b) Für Subitanentwicklung bei Deilephila Euphorbiae.
c) Für Latententwicklung bei Deilephila Euphorbiae.
1) Biedermann, S. 1742 bis 1745.
2) Derselbe, S. 1768.
3) S. Kopeć, Rozprawy Akademji Umiej. w. Krakowie 57, Ser. B. 1917.
234 J. Heller: Chemische Untersuchungen über die Metamorphose usw. III.
Eine Übereinstimmung aller dieser Kurven beweist, daß die beiden
Entwicklungsweisen als ein und derselbe Vorgang von verschiedener
zeitlicher Ausdehnung zu betrachten sind.
2. Es wurden bei Deilephila Euphorbiae zwei Arten Raupen ge-
funden. Die einen lieferten Puppen, deren Entwicklungsgeschwindigkeit
mit der Höhe der Temperatur ab- und zunahm, bis zu einer Subitan-
entwicklung bei 22 bis 23°.
Die anderen ergaben Puppen, die trotz erhöhter (bis 30°) Tem-
peratur überwintern.
3. Da die ersten Raupen anfangs überwiegen (im Juli bis 90 Proz.),
dann aber selten angetroffen werden, und da in warmen Jahren die
zur Subitanentwicklung nötige Temperatur im Juli erreicht wird, so
kann diese Erscheinung als eine fakultative zweite Generation ge-
deutet werden.
Über die Adsorption von Giften an Kohle.
III. Mitteilung:
Über die Verteilung von Giften zwischen Magen- bzw. Darmwand und Kohle.
Von
Elisabeth Dingemanse und Ernst Laqueur.
(Aus dem pharmako-therapeutischen Laboratorium der Universität
Amsterdam.)
(Eingegangen am 28. Dezember 1925.)
Für die therapeutische Verwendung von Kohle zur Bestreitung
eines einmal an den Körper per os eingebrachten Giftes ist natürlich
von großer Bedeutung, wie sich die Adsorption an Kohle nicht nur
gegenüber Giftlösungen in vitro vollzieht, sondern gegenüber solchen,
die sich in den Eingeweiden befinden.
Denn im Gegensatz zu den reinen in vitro-Versuchen steht das
Gift nicht sozusagen frei dem Angriff der Kohle gegenüber, sondern
es ist auch von der Magen- bzw. Darmwand adsorbiert. Die Kohle
hat dann nicht nur die Aufgabe, das in der freien Lösung befindliche
Gift aufzunehmen, sondern auch das etwa an den Wänden adsorbierte
davon abzuziehen. Physikalisch handelt es sich also um Verteilung
eines Giftes zwischen Kohle und Eingeweidewand.
Nachdem wir in den vorhergehenden Mitteilungen verschiedene
Kohlenarten hinsichtlich der Stärke ihres Adsorptionsvermögens
gegenüber Giften verglichen und dabei festgestellt hatten, daß die
Supra-Noritkohle, namentlich in der Form der Medizinal-Supra-Norit,
zurzeit das Maximum leistet, konnten wir uns begnügen, nur mit dieser
einen Kohlenart unsere Versuche anzustellen. Ausnahmsweise wurden
noch zwei Versuche mit einer Merckschen Kohle angestellt. Des
weiteren haben wir auch nur zwei Gifte von den früher benutzten
236 E. Dingemanse u. E. Laqueur:
Stoffen ausgewählt als Vertreter der Hauptgruppen, nämlich Sublimat
und Strychnin.
Um möglichst übersehbare Verhältnisse zu haben, mußten wir
natürlich Weiterführung der Giftlösung von den Orten der Anwendung
verhindern, durften also weder eine mechanische Weiterbeförderung in
einen tieferen Darmabschnitt, noch Resorption zulassen. Das Einfachste
war daher, frische Magen oder Därme zu nehmen, darin die Lösung
einzufüllen und nach einer gewissen Zeit, wobei Magen oder Darm
bewegt wurden, das Adsorbens, die Kohle, bei anhaltender Bewegung
hinzuzusetzen. Durch Vergleich der Giftmengen in der Lösung, ohne
Zusatz von Kohle mit solchen mit Zusatz, erhält man eine Vorstellung
von der Leistung der Kohle.
Die näheren Einzelheiten geben wir bei den Versuchen
selbst.
Wir haben uns bei der Untersuchung der Adsorption vom Sublimat
begnügt mit der Bestimmung des Kations, weil das in diesem Falle das
einzige Wichtige war. Der Quecksilbergehalt wird dann einfach umgerechnet
auf HgCl,.
Zur Quecksilberbestimmung in der Kohle haben wir anfangs die
Methode nach Bauer!) versucht. Obgleich diese Methode für organische
Quecksilberverbindungen, wie der Verfasser angibt, ganz gute Resultate
liefert, zeigte sie sich für die vollständige Zerstörung der Kohle weniger
geeignet.
Meistens war bei dieser Methode zur völligen Zersetzung der Kohle
ein 12- bis l4stündiges Erhitzen notwendig, wobei dann manchmal nach
Zusatz des Perhydrol eine mehr oder weniger heftige Explosion erfolgte
und die noch nicht destruierte Kohle in die Peligeische Röhre geschleudert
wurde.
Zu besseren Resultaten gelangten wir, als wir die Kohle destruierten
nach Carius und im Röhreninhalt den Quecksilbergehalt dann wie von
Bauer angegeben bestimmten.
Dabei ist darauf zu achten, daß die Flüssigkeit nach dem Neutralisieren
mit Ammoniak nur ganz schwach alkalisch reagiert.
I. Sublimatversuche.
A. Versuche im Schweinemagen.
Methodik.
Ein gut gereinigter, frischer Schweinemagen wird mit einer etwa
0,2proz. Sublimatlösung teilweise gefüllt und 10 Minuten lang an der
Schüttelmaschine geschüttelt. Sodann werden 5 gin 250 ccm n/20 Salzsäure
suspendierter Supra-Noritkohle hinzugefügt und weiter 45 Minuten lang
geschüttelt.
1) Ber. 54, 2079, 1921.
Adsorption von Giften an Kohle. III. 237
Darauf wird der Mageninhalt in einen Meßzylinder gegossen und der
Magen noch zweimal mit 250 ccm destillierten Wassers nachgespült. Die
erhaltene Kohlesuspension wird auf 1l Liter gebracht und zentrifugiert.
Das klare Filtrat wird abgegossen. Die Kohle wird mit wenig Wasser aus
dem Gefäß gespült, bei 37° getrocknet und gewogen.
Für die Quecksilberbestimmung in der Kohle wurde immer Le Kohle
abgewogen, in ein kleines Röhrchen gebracht, und das Röhrchen in ein mit
3ccm Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,5 beschicktes Einschmelz-
rohr hineingebracht. Das zugeschmolzene Rohr wird 3 Stunden lang auf
240° erhitzt. Der klare Röhreninhalt wird in ein Becherglas gespült und
Ammoniak bis zur schwach alkalischen Reaktion hinzugefügt. Darauf
wird ein Überschuß von einer 0,04n Cyankaliumlösung zugesetzt, wobei
sich das Hg(CN), bildet. Der Überschuß KCN wird mit 0,04 n Silber-
nitrat zurücktitriertt. Indikator Jodkalium.
Zur Bestimmung von Sublimat im Filtrat der Kohle wurden 250 ccm
der Flüssigkeit zur Trockne eingedampft, und in dem Rückstand nach
Aufschließen mit Salpetersäure im Einschmelzrohr der Sublimatgehalt
bestimmt.
Bei unmittelbarer Bestimmung von HgCl, in 29,13 mg Sublimat
wurden nach Zusatz von Cyankalium und Zurücktitrieren des überschüssigen
Cyankaliums mit Silbernitrat 28,19 mg HgCl, gefunden.
Nach Erhitzen von 29 mg Sublimat mit Salpetersäure im Einschmelz-
rohr, Neutralisieren und Zurücktitrieren des nicht verbrauchten Cyankaliums
wurden 28,11 mg HgÜl, gefunden.
Nach diesen Vorversuchen wurde festgestellt, wieviel Sublimat
aus einer etwa (0,2proz. Lösung unter obengenannten Bedingungen
vom Magen resorbiert wird, ohne Zusatz von Kohle.
Versuch 1. In einen Schweinemagen werden 250 ccm etwa 0,2proz.
Sublimatlösung gebracht und 10 Minuten lang geschüttelt. Hierauf werden
250 ccm n/20 Salzsäure hinzugefügt und weitere 45 Minuten geschüttelt.
Der Mageninhalt wird in einen Meßzylinder gegossen, und der Magen zweimal
mit 250 ccm destillierten Wassers tüchtig geschüttelt. Die Sublimatlösung
samt Spülflüssigkeit bis 1 Liter aufgefüllt; hiervon 250 ccm eingedampft,
nach Destruieren betrug der Sublimatgehalt 53 bzw. 52,56 Proz. des zu-
gefügten Sublimats.
Es sind also 47 bzw. 47,44 Proz., im Mittel 47,22 Proz., Sublimat
vom Magen adsorbiert worden.
Darauf wurden mehrere analoge Versuche mit Zusatz von Kohle
durchgeführt.
Bei den Versuchen 2, 3 und 4 wurden nach 10 Minuten langem Schütteln
mit der 0,2proz. Sublimatlösung 5 g in 250 ccm n/20 Salzsäure suspen-
dierter Kohle hinzugefügt und dann weitere 45 Minuten geschüttelt.
Das Resultat ist in Tabelle I wiedergegeben.
Wie aus Tabelle I ersichtlich ist, geht fast alles Sublimat aus der
Lösung, aber auch der in den ersten 10 Minuten vom Magen adsorbierte
238 E. Dingemanse u. E. Laqueur:
Tabelle I.
i Sublimat gefunden Im ganzen
Sublimat» =
Versuch zusatz | | Arne
mg m | SCH Proz. | Pe |
2 503,0 | 473,67 | oi 19,1 3,8 97,95
3 483,25 459,08 | 95,00 | 26,0 5,38 100,38
4 483,25 | 460,70 | 95,30 | 19,0 3,9 99,2
Anteil an die Kohle. Im Magen blieben höchstens 2,0 Proz. der zu-
gefügten Menge Sublimat zurück. |
Es ist fraglich, ob selbst diese geringen Sublimatreste wirklich
noch am Magen adsorbiert sind oder nur in der Kohle sitzen, die trotz
Nachspülens immer noch an der Magenwand hängen bleibt.
In Ergänzung unserer Versuche in den vorhergehenden Mittei-
lungen haben wir hier nochmals unter sonst dem Magenversuch ent-
sprechenden Bedingungen einen Versuch in vitro angestellt, wieviel
Sublimat in diesem Falle von der Kohle adsorbiert wird.
Versuch 5. 5 g Supra-Norit werden in 250 ccm n/20 Salzsäure suspen-
dert, 250 ccm 0,2proz. Sublimatlösung zugegeben und 45 Minuten lang
in der Schüttelmaschine geschüttelt. Hier wurden im Filtrat zurückgefunden
6,42 mg HgCl, oder 1,2 Proz.; es wurden also von der Kohle adsorbiert
98,8 Proz., d. h. etwas mehr als im Magen.
Zum Vergleich mit der Supra-Noritkohle haben wir noch, die
Carbo Medicin. Merck 15107 herangezogen.
Auch bei diesem Versuch wurde die Sublimatlösung 10 Minuten
lang im Magen geschüttelt und dann nach Zusatz von 5g Merckscher
Kohle in n/20 Salzsäure suspendiert, weitere 45 Minuten geschüttelt.
Von der Kohle wurden 83 Proz. adsorbiert, im Filtrat waren 11 Proz.
der zugefügten Menge Sublimat zu finden; im ganzen 94 Proz.
Die Kohle war weniger leicht vom Magen zu entfernen als die
Supra-Noritkohle, wodurch das größere Defizit an Sublimat (etwa
6 Proz.) zu erklären ist. Ebenso wie in vitro zeigt sich in diesem Versuch
mit überlebendem Organ die Noritkohle der Merckschen Kohle über-
jegen.
Der nächste Versuch 6 wurde angestellt, um zu sehen, ob das
ganze Sublimat, das in 10 Minuten vom Magen adsorbiert ist, durch
die Kohle wieder weggeholt wird, und sich so ein sublimatfreies Filtrat
ergibt.
Versuch 6. In Schweinemagen wurden 250 ccm einer etwa 0,2proz.
Sublimatlösung gebracht und 10 Minuten geschüttelt. Dann wird der
Adsorption von Giften an Kohle. III. 239
Mageninhalt entfernt, und der Magen zweimal mit 250 ccm destillierten
Wassers nachgespült und bis 1l Liter aufgefüllt (Filtrat A). In 250 ccm
wird der Sublimatgehalt bestimmt.
Darauf wird in den Magen eine Suspension von 5g Kohle in 500 ccm
n/20 Salzsäure gebracht und 45 Minuten lang geschüttelt. Die Kohle-
suspension samt zweimal 250 ccm Spülwasser wurde wieder auf 1 Liter
aufgefüllt, und in diesem Filtrat B bzw. in der Kohle der Sublimatgehalt
bestimmt.
Tabelle II.
f Sublimat» | Gefundenes Sublimat
Versuch GES , im Filtrat A in Kohle ` im Filtrat B
o jo mo A mg | Proz | mg Proz. | mg Proz.
a Pau E
6 483,25 | 318,4 65,9 149,2 30,8 23,3 4,8
7 483,25 | 331,7 | 686 || 1482 | 30,7 152 | 31
Aus diesem Versuch zeigt sich, daß es keinen Zweck hat, nach
10 Minuten langem Schütteln den Magen auszuspülen, denn im Filtrat
der Kohle beim Versuch 6 und 7 ist der Sublimatgehalt ebenso
wie im Versuch 1, 2 und 3 zwischen 3 bis 5 Proz., d. i. sogar 10 bis
14 Proz. von dem im Magen gebliebenen Sublimat. Vom Magen
war also nach 10 Minuten Schütteln 31,4 bis 34,1 Proz. adsorbiert
worden. l
Der folgende Versuch unterscheidet sich von den Versuchen 6 und 7
nur dadurch, daß %, Stunden mit 0,2proz. Sublimatlösung im Magen
geschüttelt wurde und nach Entleerung noch einmal 45 Minuten mit
5 g in 500 ccm n/20 Salzsäure suspendierter Kohle. Dabei wurde
gefunden:
In der Magenflüssigkeit nach %,stündigem Schütteln 58,4 Proz.
HgCl,; also vom Magen adsorbiert 41,6 Proz. HgCl,, nach dem
Schütteln von der Kohle adsorbiert 33,8 Proz., und im Filtrat der Kohle
4,2 Proz. von der total zugefügten Menge Sublimat.
Als letzter Versuch dieser Reihe wurden 250 ccm 0,2proz. Sublimat-
lösung 45 Minuten lang im Magen geschüttelt. Nach Entfernen
der Sublimatlösung A und Nachspülen wurde eine Suspension
von 5g Kohle in 500 ccm n/20 Salzsäure in den Magen gebracht
und 10 Minuten lang geschüttelt, die Kohlesuspension aus dem
Magen entfernt und mit zweimal 250 ccm Wasser nachgespült
(Kohle B + Filtrat B), dann wurde noch einmal 5 g in Salzsäure
suspendierter Kohle in den Magen gebracht und %, Stunden ge-
schüttelt (Kohle C + Filtrat C).
240. E Dingemanse u. E. Laqueur:
Hier wurden in den verschiedenen Filtraten und Kohlen gefunden:
In der Lösung A nach 45 Minuten Schütteln . . 57,8 Proz. HgCl,
In der Kohle B nach 10 Minuten Schütteln . . 14,55 „ Hgül,
Im Filtrat der Kohle B ....... e... 36 vw HgO,
In der Kohle C nach 45 Minuten Schütteln . . 18,7 „ HgO,
Im Filtrat der KohleC . ...... 2... . 24 „ Hgo,
der ursprünglich zugefügten Sublimatmenge.
Es wurden in den ersten 10 Minuten von der Kohle nur etwa
34 Proz. des vom Magen adsorbierten Sublimats losgelöst und adsorbiert.
Auch hier war es nach zweimaligem Schütteln mit Kohle nicht möglich,
ein sublimatfreies Filtrat zu erhalten, denn es enthielt das Filtrat B
und Filtrat C 9 bzw. 10 Proz. des vom Magen adsorbierten Sublimats.
Um zu sehen, ob das Schütteln die Adsorption am Magen und die
Adsorption an der Kohle beeinflußt, wurde nachgegangen, wieviel
Sublimat vom Magen resorbiert wird, wenn der Magen mit der Sublimat-
lösung 10 Minuten lang in Ruhe liegen bleibt. Nach Entfernen der
Flüssigkeit und nach Ausspülen wurden in der Flüssigkeitsmenge
87,7 Proz. vom zugefügten Sublimat zurückgefunden. In diesem Falle
waren also nur etwa 13 Proz. vom Magen adsorbiert worden.
Zum Schluß wurde ein Schweinemagen mit 250 ccm einer etwa
0,2proz. Sublimatlösung beschickt und ohne Schütteln 10 Minuten lang
liegengelassen. Dann 5 g in 250 ccm n/20 Salzsäure suspendierter
Kohle zugesetzt und ebenfalls 45 Minuten lang ohne Schütteln stehen-
gelassen.
Es waren an der Kohle adsorbiert worden 96 Proz. HgCl, und im
Filtrat anwesend 3,3 Proz. HgCl,.
Das Endresultat stimmt also mit den Versuchen, wobei die ganze
Zeit geschüttelt wurde, genau überein.
B. Versuche mit Schweinedarm.
Die Versuche mit Schweinedarm wurden aus zweierlei Gründen
angestellt, um festzustellen, erstens ob die Kohle im Darm in alkali-
schem Milieu ebenso leicht Sublimat adsorbiert wie in saurem Milieu
im Magen; zweitens ob das von der Kohle im Magen adsorbierte
Sublimat im Darmmilieu wieder losgelöst wird.
Für die Versuche mit Schweinedarm wurden 125ccm einer 0,8proz.
Bicarbonatlösung und 125ccm einer 0,4 proz. Sublimatlösung in etwa
lm Schweinedarm gebracht und 10 Minuten lang geschüttelt. Im Filtrat
wurden 26,5 Proz. vom zugesetzten Sublimat zurückgefunden.
Im Darm waren also 73,5 Proz. vom Sublimat zurückgeblieben.
Adsorption von Giften an Kohle. III. ` 241
Bei den folgenden Versuchen wurde nach 10 Minuten Schütteln
mit obengenannter Sublimat-Bicarbonatlösung, 5g Kohle, suspendiert
in 250ccm 0,4prom. Bicarbonatlösung, hinzugefügt und weitere
45 Minuten geschüttelt. Nach dieser Zeit waren durch die Kohle 45 Proz.
HgCl, adsorbiert worden, während im Filtrat 0,8 Proz. vom zugefügten
Sublimat zurückgefunden wurde. Offenbar war im Darm in alkalischer
Lösung bedeutend weniger durch die Kohle adsorbiert worden als
in saurem Magenmilieu.
Bei Wiederholung dieses Versuchs in vitro, d.h. beim Schütteln
obengenannter Mengen Sublimats und Bicarbonats, entstand sehr
bald ein roter Niederschlag in der Lösung, und zwar durch Bildung
des Carbonats unter CO,-Entwicklung; bekanntlich gibt Carbonat mit
Sublimat einen roten Niederschlag des basischen Salzes; nach
10 Minuten Schütteln enthielt das Filtrat 45 Proz. des zugefügten
Sublimats.
Zu erwarten ist also, daß sich im Darm nach 10 Minuten
Schütteln gleichfalls der größte Teil des Sublimats als basisches
Salz absetzt und darum nachher von der Kohle nur ein kleiner
Teil (etwa 45 Proz. der total zugefügten Menge Sublimat)
adsorbiertt wird, der Niederschlag aber mit der Kohle aus
dem Darm gespült, sofern er nicht teilweise auch von der Kohle
adsorbiert ist.
Wir haben diese Versuche nicht weiter fortgesetzt, sondern bei
den folgenden Versuchen am Schweinedarm die bei den Magenversuchen
nach Schütteln mit Sublimat erhaltene Kohle benutzt; der Sublimat-
gehalt war also bekannt.
2g Kohle, welche im Magen 117,61 mg Sublimat adsorbiert hatten,
wurden in 200 ccm 4prom. Natriumbicarbonatlösung suspendiert. Diese
Suspension wurde in 1 m langem Darm 34 Stunden lang geschüttelt. Dann
die Flüssigkeit aus dem Darm entfernt und dreimal mit 100 ccm destillierten
Wassers nachgespült. Der Sublimatgehalt wurde in üblicher Weise in der
Kohle und im Filtrat bestimmt.
Im Filtrat wurden 12 mg und in der Kohle 97,8 mg Sublimat
gefunden.
Ein zweiter auf dieselbe Weise ausgeführter Versuch ergab im Filtrat
16 mg und in der Kohle 100,9 mg Sublimat. In beiden Versuchen war
also kein Sublimat vom Darm adsorbiert worden. |
Schließlich wurde noch 2g derselben Kohle mit 200 ccm Natrium-
bicarbonat %, Stunden lang in vitro geschüttelt. Es ergab im Filtrat
2,44 mg und 3 mg Sublimat.
Es wurden also im Darm unter gleichen Umständen einige Prozente
mehr aus der Kohle herausgelöst als in vitro.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 16
242 E. Dingemanse u. E. Laqueur:
Nach Eichholz!) besitzt lebendes und nach Clower und Walters?)
auch totes Gewebe die Fähigkeit, Alkaloide aus ihren Adsorptions-
verbindungen herauszulösen. Wahrscheinlich ist auch in unseren
Versuchen Magen- und Darm-Mukosa imstande, etwas Sublimat
aus der Kohle loszulösen, und so läßt sich erklären, weshalb man beim
Schütteln von Kohle im Magen und Darm mit Sublimat niemals
sublimatfreie Filtrate erhält.
II. Versuche mit Strychninnitrat.
Adsorption von Strychninnitrat an Kohle im Schweinemagen.
Die Anordnung des Versuchs war die gleiche wie bei den Sublimat-
versuchen im Schweinemagen.
Versuch 1. In den Magen wurden 250 ccm einer 0,5 proz. Strychninnitrat-
lösung gebracht und 10 Minuten lang geschüttelt; dann eine Suspension
von 3,75g Supra-Noritkohle in 250 ccm n/20 Salzsäure zugesetzt und
noch 45 Minuten lang geschüttelt; nachher der Magen mit zweimal 250 ccm
destillierten Wassers nachgewaschen. Das Filtrat wurde durch Zentri-
fugieren von der Kohle getrennt.
Da es keine Methode gibt, das von der Kohle adsorbierte Strychnin-
nitrat ohne weiteres zu bestimmen, und eine Strychninbestimmung mit der
Permanganatmethode nach Kolthoff auch im Filtrat des Magenschleims
wegen nicht möglich ist, wurde der Strychningehalt des Filtrats annähernd
an Fröschen bestimmt. Das Zentrifugat gab qualitativ mit Kalium-
quecksilberjodid einen starken Niederschlag und zeigte mit Kalium-
bichromat und Schwefelsäure Violettfärbung. Das Zentrifugat wurde
auf l Liter aufgefüllt; 1 ccm beim Frosch von etwa 50 g eingespritzt,
gab nach 12 Minuten Krämpfe; desgleichen 1 ccm bei einer Verdünnung
bis 4000 ccm, und zwar nach 40 Minuten. Auch bei einer Verdünnung
auf 6000 ccm traten noch Krämpfe auf, dagegen nicht mehr bei einer
Verdünnung auf 8000 ccm. Alle Frösche waren am nächsten Morgen
wieder normal.
Da eine Dosis von 0,025 mg Strychninnitrat beim Frosch von
50g Krämpfe hervorruft, so müssen im Filtrat annähernd noch
0,025 x 6000 = 150 mg Strychninnitrat vorhanden sein. Die Strych-
ninnitratlösung enthielt anfangs 1250 mg Strychninnitrat; nicht von
der Kohle adsorbiert waren also 12 Proz.
Ein zweiter, gleich angelegter Versuch ergab dasselbe Resultat,
d.h. ergab 12 Proz. nicht adsorbiertes Strychninnitrat.
Versuch 3. Dieser Versuch wurde unter übrigens gleichen Be-
1) Diese Zeitschr. 128, 320, 1922.
2) Journ. Amer. med. assoc. 75, 655, 1920.
Adsorption von Giften an Kohle. III. 243
250 ccm 0,5proz. Strychninnitratlösung 125ccm dieser Lösung zu-
gesetzt. Das Zeutrifugat wurde bis 1 Liter aufgefüllt.
l ccm vom Zentrifugat, eingeengt bis 500 ccm, erregte bei einigen
Fröschen von 50 g noch Krämpfe, bei anderen nicht mehr. In der Lösung
waren annähernd noch anwesend 12,5 mg Strychninnitrat, d. h. 2 Proz.
der zugefügten Menge.
Der nächste Versuch 4 mit der gleichen Menge Strychninnitrat
ergab, im Zentrifugat auf dieselbe Weise bestimmt, 6,25 mg Strychnin-
nitrat oder 1 Proz. der zugefügten Menge.
| Versuch 5. Hier wurde der Strychninnitratzusatz noch weiter
herabgesetzt, und statt 125ccm einer 0,5proz. Strychninnitratlösung
nur 100 ccm = 500 mg Strychninnitrat hinzugefügt. Hier waren im
Filtrat noch etwa 5,0 mg Strychninnitrat anwesend, d.h. 1,0 Proz.
der ursprünglichen Menge.
Derselbe Versuch, in viiro wiederholt, ergab ein strychninfreie
Filtrat.
Nun wurden 500 mg Strychninnitrat in 1 Liter n/20 Salzsäure
gelöst. Nach Zusatz von 15g Supra-Noritkohle wurde %, Stunde
geschüttelt. Das Filtrat war strychninfrei. Die Kohle wurde ge-
trocknet, dann 2 g dieser Kohle in 200 ccm 4prom. Bicarbonatlösung
suspendiert und 3⁄4 Stunden im Darm geschüttelt, das Filtrat bis 25 ccm
eingedampft; 0,5 ccm beim Frosch injiziert, gab keine Krämpfe.
Der Darm war also nicht imstande, Strychninnitrat von der Kohle
abzulösen.
Es ist durch die obigen Versuche natürlich noch nichts über das
Verhalten von Kohle-Giftgemischen beim lebenden Tiere zu sagen,
bei dem doch ein Loslösen des Giftes durchaus möglich ist. Solche
Versuche sollen später mitgeteilt werden.
Zusammenfassung.
1. Beim Schütteln einer Sublimatlösung im Schweinemagen wurden
nach 10 Minuten 32,5 Proz., nach 45 Minuten 42 Proz., nach 55 Minuten
47 Proz. vom Magen adsorbiert; ohne Schütteln werden dagegen
nach 10 Minuten nur 12 Proz. vom Magen adsorbiert.
2. Beim Schütteln mit Kohle geht fast das ganze vom Magen
adsorbierte Sublimat an die Kohle.
Nur ein kleiner Anteil bleibt im Magen, und zwar in der Magen-
flüssigkeit zurück.
3. Durch wiederholtes Schütteln mit neuer Kohle gelingt es nicht,
das Filtrat sublimatfrei zu erhalten.
244 E. Dingemanse u. E. Laqueur : Adsorption von Giften an Kohle. III.
4. Auch beim Schütteln mit Sublimat, das an Kohle adsor-
biert ist, wird vom Darm ein kleiner Teil des einmal adsorbierten
Sublimats losgelöst. Dieses wird im Filtrat wiedergefunden.
5. Ebenso wie bei den Versuchen in vitro zeigte sich bei den
Magenversuchen die Supra-Noritkohle der Merckschen Kohle in bezug
auf das Adsorptionsvermögen überlegen.
6. Bei analogen Versuchen mit Strychnin wurden nach genügenden
Kohlenzusatz nur Spuren Strychnin im Filtrat der Magenflüssigkeit
nachgewiesen.
Wurde das von der Kohle adsorbierte Strychnin im Darm ge-
schüttelt, so wurde in der Darmflüssigkeit kein Strychnin gefunden.
Über die Autolyse tierischer Organe bei Zimmertemperatur.
Von
S. Kaplansky.
(Aus dem Institut für allgemeine Pathologie der 1. Staatsuniversität, Moskau.)
(Eingegangen am 28. Dezember 1925.)
Die Untersuchungen über die Autolyse verschiedener Organe
wurden bisher für gewöhnlich im Thermostaten bei Bruttemperatur
vorgenommen, indessen ist es doch oft dringend erforderlich, den
Einfluß der Autolyse auf die Organe nicht nur bei der Temperatur
von 37°, die allerdings sehr begünstigend auf die autolytischen Fermente
einwirkt, sondern auch bei Zimmertemperatur kennenzulernen. Von
ganz besonderer Wichtigkeit ist diese Frage bei Analysen verschiedener
Organextrakte, da eine Reihe von Stoffen, die in den Extrakten nach-
zuweisen sind, in den Organen nicht präformiert vorhanden sind und
somit als typische Produkte der Autolyse angesehen werden können.
Beachtenswert wird dieser Umstand in den Fällen, in denen zwischen
dem Beginn der Untersuchung und der Entnahme des Organs beim
Tiere ein mehr oder weniger langer Zeitraum verstrichen ist, oder auch
dann, wenn die Extraktion bei einer für die autolytischen Fermente
unschädlichen Temperatur erfolgte. Da sich diese Bedingungen nicht
immer umgehen lassen, so ist man natürlich in derartigen Fällen ge-
zwungen, den Einfluß der Autolyse in Betracht zu ziehen. Unter der
großen Anzahl von Arbeiten über diesen Gegenstand fand ich jedoch
in der Literatur keine Angaben über die Frage, mit welcher Geschwindig-
keit die Autolyse bei Zimmertemperatur vonstatten geht. Zur Auf-
klärung dieses Problems habe ich eine Reihe von Untersuchungen über
die Autolyse der Leber, Milz und der Muskeln ausgeführt. Ich bediente
mich dabei folgender Methodik:
Den durch Aderlaß getöteten Hunden wurden augenblicklich die
betreffenden Organe — Milz, Leber oder Muskeln — entnommen und
Biochemische Zeitschrift Band 169. R 17
246 S. Kaplansky:
möglichst rasch zweimal in einer Hackmaschine zerkleinert. Die so erhaltene
homogene Masse wurde in gleiche Portionen geteilt und in weithalsige
Erlenmeyerkolben gebracht. In jeden Kolben wurde zuvor eine bestimmte
Menge Wasser und etwas Toluol gegeben. Die Sterilität des Organbreies
in jedem Kolben wurde durch spezielle Kontrollversuche festgestellt. Der
Inhalt eines der Kolben wurde sofort gekocht, um die autolytischen Fermente
zu vernichten; die übrigen Kolben wurden nach bestimmten Zeiträumen —
einer nach dem anderen — zum Kochen gebracht. 24 Stunden später
wurden alle Kolben nochmals unter vorsichtigem Zusatz von 5proz. Essig-
säure aufgekocht. Die Beendigung der Eiweißfällung wurde jedesmal mit
Kaliumferrocyanid nachgeprüft. Nachdem die Kolben abgekühlt waren,
wurde ihr Inhalt mit Wasser wieder bis auf das Anfangsgewicht zurück-
gebracht. Dieses Vorgehen erwies sich als unumgänglich notwendig, um
die eventuell beim Kochen eingetretene Veränderung der Konzentration
wieder auszugleichen. Darauf wurde vom koagulierten Eiweiß abfiltriert
und aus dem Filtrat zwei Proben zur Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl
entnommen.
I. Die Autolyse der Muskeln.
1200 g Muskelbrei wurden in gleiche Portionen von 200 g geteilt und
darauf in Kolben gebracht, in denen: sich 500g Wasser und 10g Toluol
befanden. Der Inhalt des einen Kolbens wurde alsdann sofort gekocht,
die übrigen Kolben 3, 6, 9, 12 und 24 Stunden später. Die Werte für den
Reststickstoff jeder Portion sind in Tabelle I wiedergegeben.
Tabelle I.
Nr. des : Zeitpunkt ` Verbraucht | N | Zunahme des N
Kolben: | des Kuchens ' ccm n/10 H. SO, Proz. Proz.
1 sofort 21,00 | 0,294 =
2 nach 3 Std. 20.90 0,291 —
3 se, ` : ` 21,25 0,297 —
4 k e 2 21,78 0,305 3,4
5 „n 12 , 22,26 0.311 6,7
6 „24 „ 29,15 0,324 10,0
Aus der Tabelle I ist ersichtlich, daß sich die Menge des Stickstoffs
innerhalb der ersten 6 Stunden fast gar nicht verändert, infolgedessen
findet auch keine Autolyse statt. 9 Stunden nach der Entnahme der
Muskeln betrug die Zunahme des Stickstoffs 3,4 Proz., nach 12 Stunden
5,7 Proz. und schließlich nach 24 Stunden 10 Proz. Die Autolyse der
Muskeln erfolgt demnach bei Zimmertemperatur ziemlich langsam.
Der Versuch wurde noch zweimal wiederholt und ergab dieselben
Resultate.
II. Die Autolyse der Leber.
300 g Leberbrei wurden in sechs gleiche Portionen geteilt und in Kolben
mit 100g Wasser und 5g Toluol gebracht. Eine Portion wurde alsdann
sofort aufgekocht, die übrigen 3, 6, 9, 12, 24 Stunden später.
Autolyse tierischer Organe bei Zimmertemperatur. 247
Tabelle II.
Nr. Pant _ Zeitpunkt ` Verbraucht: | N Zunahme des N
Kolbens | den Koc Kochens FIR eem n/10 H250, Proz. Proz.
Deeg ee EE EE
1 ‚sofort 17,50 0,245 —
2 | nach 3 Std. 17,65 0,247 =
3 | i , 17.98 0.251 24
A !, e „ | 1846 0,258 53
b 31.32, 18,95 0,263 7,3
6 | „A „| 19,75 0,270 12,6
Aus der Tabelle II geht hervor, daß die Autolyse der Leber bei
Zimmertemperatur etwas schneller verläuft als die Autolyse der Muskeln,
aber auch hier läßt sich nur eine unbedeutende Zunahme des Extraktiv-
stickstoffs während der ersten 6 Stunden feststellen.
II. Die Autolyse der Milz.
30g Milz wurden in Portionen von 10g geteilt und in Kolben mit
20g Wasser und 3g Toluol gebracht. Die folgende Behandlung war der-
jenigen der vorhergehenden Versuche gleich.
Die Resultate sind in Tabelle III wiedergegeben.
Tabelle III.
Nr. des f Zeitpunkt Verbraucht | N Zunahme des N
Kolbens | des Kochens | ccm n]10H,SO, | Proz. Pros.
1. sofort 6,16 HN 0,350 | =
2 nach 3 Std. 6.39 0,358 22
3 1,6, 6,62 | 0,370 8,8
Ae D ` 7.15 0,400 143
5 | „112 | a | 048 ; 194
6 "A? a | 0451 | 288
Die Autolyse der Milz erfolgt sehr rasch, fast dreimal so schnell
wie die der Muskeln. Schon nach 6 Stunden erreicht die Zunahme
des Extraktivstickstoffs 8,8 Proz., während man in den Extrakten von
Muskeln und Leber zu dieser Zeit keine bemerkenswerte Erhöhung
der Stickstoffmenge konstatieren kann.
Da bei der Autolyse hauptsächlich der Aminosäurenstickstoff
zunimmt, der verhältnismäßig nur einen geringen Teil des gesamten
Extraktivstickstoffs ausmacht, wurden noch folgende Versuche an-
gestellt, um über den Verlauf der Autolyse größere Klarheit zu ge-
winnen. In diesen Fällen wurde in den Extrakten nur der Aminosäuren-
stickstoff bestimmt, was nach der Folinschen kolorimetrischen Methode
geschah. Die Extrakte wurden genau so wie in den oben beschriebenen
Versuchen bereitet. Aus den Extrakten wurde das Ammoniak von
17 *
248 S. Kaplansky: Autolyse tierischer Organe bei Zimmertemperatur.
vornherein durch einen Luftstrom aus sodaalkalischer Lösung entfernt.
Die Resultate sind in Tabelle IV wiedergegeben.
Tabelle IV.
7 , Menge N in I ccm ' Menge N in 1 ccm | Men e N in 1 ccm
reese | Muskelextrakt Leberextrakt ilzextrakt
es Kochens |
| mg mg mg
sofort N 13 | 10 ll
nach 3 Std. | 14 11 16
|| 15 13 23
Die Zunahme des Aminosäurenstickstoffs erfolgt viel rascher als
diejenige des Gesamtstickstoffs, aber auch hier unterscheidet sich die
Autolyse der Milz durch ihre Geschwindigkeit von der Autolyse der
Leber und der Muskeln. Während die Zunahme des Aminosäurenstick-
stoffs bei Leber 15 Proz. und bei Muskeln 33 Proz. betrug, war bei der
Milz eine Erhöhung um 100 Proz. eingetreten.
Über das Wesen des Antitrypsins.
Von
Mark Serejski.
(Aus dem biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit
in Moskau.)
(Eingegangen am 28. Dezember 1925.)
Die Frage nach der antitryptischen Wirkung hat zu vielen Arbeiten
Veranlassung gegeben, hauptsächlich wegen ihres Zustandekommens
Die ersten, die sich mit dieser Frage beschäftigten, waren Camus
und @ley (1897), Landsteiner (1900), Jacoby (1908), Dantlewsky u. a. Sie
konnten feststellen, daß Serum, mit Trypsin behandelt, entschieden die
fermentative Wirkung des letzteren herabsetzt. Dieser Eigenschaft des
Serums hat man in klinisch-diagnostischer Hinsicht eine große Bedeutung
zugemessen. Eine Reihe von Forschern (Brieger und Bergmann, Wiens,
Meyer u. a.) untersuchten die hemmende Eigenschaft des Serums bei ver-
schiedenen Krankheiten, aber bisher gelang es noch nicht, einen sicheren,
gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen Erkrankungen und Antitrypsin-
gehalt im Serum aufzudecken.
Die Natur der hier in Betracht kommenden hemmenden Substanz ist
ebenfalls von verschiedener Seite näher untersucht worden. Nach Hedin
deckt sich das Antitrypsin mit dem Serumalbumin; Kaemmerer u. a. halten
das Antitrypsin für thermolabil und nicht dialysabel, Rosenthal
H. Pfeiffer, Rusznyak u. a. bringen dagegen die antitryptische Wirkung
mit dem Auftreten von Eiweißabbauprodukten in Zusammenhang, und
dementsprechend halten sie das Antitrypsin für thermostabil (Doeblin)
und dialysabel. Endlich wird die antitryptische Wirkung auf Rechnung
der Lipoide getragen. Es gelang nämlich Pick und Pfibram, Schwarz,
Bauer, die hemmenden Substanzen durch Behandlung des Serums mit
Äther, Aceton und anderen lipoidlösenden Stoffen zu entfernen.
Sämtliche Forscher sind der Meinung, daß das Antitrypsin kolloidaler
Natur sei.
In der letzten Zeit wurde durch die Arbeiten von Jobling und
Petersen (1) großes Aufsehen erregt. Diese Forscher vermochten nicht
bloß die hemmenden Substanzen durch Ausschütteln mit Chloroform zu
entfernen, sondern auch dieselben durch Seifen ungesättigter Fettsäuren
zu ersetzen, wobei die hemmende Wirkung dieser Säuren in direktem
Verhältnis zu der Jodzahl der Fettsäuren stand. Demgemäß fanden Jobling
und Petersen, daß sowohl gesättigte wie auch ungesättigte, aber jodierte
Fettsäuren keine hemmende Wirkung auszuüben imstande sind. An der
Hand verschiedener Versuche stellten diese Autoren eine weitgehende
250 M. Serejski:
Hypothese über die Bedeutung der lipoidhemmenden Substanz für die
Physiologie und Pathologie auf. Sie geben an, daß bei der Tuberkulose die
Tuberkelbazillen und das verkäste Gewebe ungesättigte Fettsäuren ent-
halten. Die günstige therapeutische Wirkung des KJ bei verschiedenen
Erkrankungen sei dadurch bedingt, daß Jod den antitryptischen Titer
vermindert, wodurch die proteolytische Aktivität des Organismus gesteigert
wird. Bei der sogenannten Abderhaldenschen Reaktion soll nicht das dem
Serum zugesetzte Gewebe durch spezifische Abwehrfermente, sondern die
Serumproteine abgebaut werden, nachdem das Antitrypsin durch Adsorption
ausgeschaltet worden ist.
Die Angaben von Jobling und Petersen waren von sSlowtzow (2),
de Crinis (3) u. a. bestätigt. de Crinis geht noch weiter und behauptet,
daß unter den Lipoiden speziell den Cholesterinen die antitryptische
Wirkung zukomme. Jobling und Petersen führten ihre Versuche aus, indem
sie das mit Natriumoleat versetzte Trypsin eine halbe Stunde lang im Brut-
schrank hielten und dann mit Casein zusammenbrachten. Nach ver-
schiedenen Zeitabschnitten wurde der nichtkoagulable Proteinstickstoff
bestimmt. Sie trugen aber dabei dem Einfluß der Seifen auf die Beschaffen-
heit einzelner Komponenten keine Rechnung. Diese Lücke empfanden wir
um so lebhafter, als zur Bestimmung der Trypsinwirkung auf Eiweiß
(Casein) gerade die Methode von Folin-Denis angewandt wurde. Diese
Methode besteht bekanntlich darin, daß Eiweiß durch Hinzufügen von
Essigsäure-Natriumchlorid und Kochen gefällt, der Rückstand abfiltriert
und im Filtrat Stickstoff bestimmt wird. Es sei an dieser Stelle gleich
bemerkt, daß bei Ausfällung der Eiweißstoffe, wie auch anderer Kolloide,
die Anwesenheit fremder Substanzen von größter Bedeutung sein könne.
Zusatz von Elektrolyten, entgegengesetzt geladener Kolloide usw. führen
öfters zur schroffen Veränderung bei der Ausflockung der Eiweißkörper.
Unter dem Einfluß der Seifen könnte die kolloidale Trypsinlösung Dis-
persitätsveränderungen erleiden, wobei wir wissen, daß der Dispersitätsgrad
für die Aktivität der Fermente von ausschlaggebender Bedeutung sei
[Fodor (4)]. Andererseits könnte die Bearbeitung des Caseins durch Säuren
in Anwesenheit von Seifen kaum ohne Einfluß auf die größere oder geringere
Ausflockung des Caseins bleiben. Kurz gesagt, die antitryptische Wirkung
der Seife konnte daraus resultieren, daß die Seifen auf das Trypsin und das
Casein in dem Sinne einwirken, daß sie einen Teil dieser Substanzen aus
der Lösung in den Niederschlag überführen.
Es schien uns notwendig, vor allem die Versuche von Jobling und
Petersen nachzuprüfen.
Gemäß Jobling und Peersen verfuhren wir in folgender Weise.
1,0 Casein (Kahlbaum ‚klar löslich“) wurde mit 1 Proz. Natrium-
carbonat zerrieben und auf 100,0 ccm aufgefüllt. Die Lösung wurde ab-
filtriert und mit einer 0,2 proz., klar filtrierten Trypsinlösung (Kahlbaum)
versetzt. Zur Herstellung der Seifen benutzten wir teils käufliche
reine Oleinsäure (Kahlbaum), teils von uns selber aus Olivenöl isolierte.
Die Oleinsäure aus Olivenöl wurde in der Weise bereitet, daß das Öl
mit alkoholischer Kalilauge verseift, die Seifen mit Petroläther extrahiet,
mit Salzsäure zerlegt wurden, worauf der Äther abdestilliert wurde.
Diese Operation wurde einigemal wiederholt. Die Natronseifen wurden
Wesen des Antitrypsins. 251
ex tempore als lproz. Lösung dargestellt. Das Trypsin wurde mit
der Seife eine halbe Stunde im Brutschrank stehengelassen und dann
mit Caseinlösung vermengt.
Jobling und Petersen geben an, daß das Kahlbaumsche Natriumoleat
keine hemmende Wirkung auf Trypsin ausübe, wohl aber das aus
Olivenöl frisch hergestellte. In unseren Versuchen konnten wir diesen
Unterschied nicht wahrnehmen. Die von uns bestimmte Jodzahl
glich für die Oleinsäure (Kahlbaum) 92,1, für die von uns hergestellte
81,2. Im übrigen aber konnten wir ihre Befunde vollauf bestätigen.
In allen Fällen, wo zur Mischung Casein-Trypsin Oleate beigefügt
werden, bekommt man bedeutend weniger nichtkoagulablen N, als
in den Kontrollen ohne Seife d.h. es machte den Eindruck einer
antitryptischen Wirkung der Natriumoleate.
Weitere Versuche führten uns aber zu der Überzeugung, daß eine
antiiryplische Wirkung von Seifen überhaupt nicht existiert. Es stellte
sich tatsächlich heraus, daß die Seifen sowohl auf Trypsin wie auch
auf Casein eine fällende Wirkung ausüben und infolgedessen die Menge
des unkoagulablen Stickstoffs vermindern.
Es erschien uns von größter Wichtigkeit, in erster Linie den Einfluß
der Seifen auf das Casein selbst zu ermitteln, ein Kontrollversuch,
den Jobling und Petersen weggelassen haben.
Wir stellten eine Reihe von Versuchen von Casein und steigender
Konzentration von Seifen und für verschiedene Zeitabschnitte auf.
Die Proben blieben im Brutschrank. Zur Fällung benutzten wir eine
Mischung von 10 Proz. Essigsäure und 20 Proz. Natriumchlorid. (Auf
10,0 Casein 3,0 dieser Mischung.) Alle Proben wurden auf 10 Minuten
in kochendes Wasser gestellt, die Rückstände auf abgewogenen Filtern
gesammelt und nach Trocknen durch Wägen bestimmt. Schon der
einfache Blick auf die Proben zeigt, daß die Rückstände der Seifen-
proben umfangreicher waren.
Tabelle I.
Einfluß der Oleate auf Caseinfällung.
Caseinlösung Na-Olest | Gewichte der Rückstände
ccm ccm | __ nach 8 Stunden | nach 24 Stunden St
25 | 0 0,159 | 0,148
25 5 | 0,213 | 0,244
25 5 | 0,192 0,186
25 10 0,202 | 0,220
25 10 0,253 0,244
25 12,5 — | 0,299
25 12,5 | — | 0,292
Wie aus der Tabelle I erhellt, gibt das Casein in der Kontrollprobe
stets einen geringeren Rückstand als in der Seifenprobe. Mit anderen
252 M. Serejski:
Worten, in Anwesenheit von Seifen wird aus der Lösung durch die Säuren
bedeutend mehr Casein gefält. Diese Zunahme stieg bei großen Kon-
zentrationen der Seife bis auf 100 Proz. und glich ungefähr der Hemmung,
die Jobling und Petersen für die entsprechende Konzentration angezeigt
haben.
Diese Resultate wiederholten sich regelrecht in den mehrmaligen
Nachprüfungen. In einigen Versuchen begnügten wir uns nicht bloß
mit der Gewichtszunahmebestimmung, sondern stellten noch den
N-Gehalt des Rückstandes fest (nach Kjeldahl). Als Beispiel folgender
Befund:
Im Rückstand ohne Seife . . ..... 3,9 mg N
a ve mit ge E og e p e E ou, es
Das Natriumoleat und das Filter waren stickstofffrei.
Wir gingen dann zum Studium der Wirkung der Seifen auf das
zweite Ingredienz, das Trypsin, über. Zu je IO eem einer 0,2proz.
Trypsinlösung wurden steigende Mengen Natriumoleat zugesetzt und
die Gemische für eine halbe Stunde im Brutschrank bei 37° aufbewahrt.
Gleichzeitig wurden Kontrollproben mit physiologischer Kochsalz-
lösung anstatt Seife in ähnlicher Weise angestellt. Sämtliche Proben
wurden dann mit 15 bis 20 ccm Petroläther zwei- bis dreimal extra-
hiert, zentrifugiert und die wässerigen Fermentlösungen von der Äther-
schicht im Scheidetrichter getrennt. Die durch Seifenzusatz stark
getrübten Lösungen erschienen nach diesem Behandeln klar, die
Ätherschicht blieb dagegen dick und undurchsichtig. Mit diesen
Fermentlösungen wurden Verdauungsversuche mit Casein in üblicher
Weise angestellt. Die erhaltenen Resultate sind in Tabelle II zu-
sammengestellt.
Tabelle II.
Trypsinwirkung nach Behandlung mit Seifen.
Reststickstoff |
` ` mg Proz O
Kontrollversuch `, .. 5,93 | 100
Hauptversuch Nr.l. . 3,82 66
Se e EE, De 2,91 49
ý „3... | 253 44
e „4 0,63 10
Aus der Tabelle II ergibt sich mit voller Bestimmtheit, daß durch
die Vorbehandlung des Trypsins mit Natriumoleat und nachherige
Entfernung des letzteren ein Teil des Ferments mitgerissen wird, und
so entsteht der Eindruck, daß die Fermentwirkung herabgesetzt ist.
Wir wiederholten diese Versuche mehrmals und erhielten stets ganz
Wesen des Antitrypeins. 253
ähnliche Resultate. Jobling und Peersen behaupten, daß das Anti-
trypsin durch Äther, Chloroform sehr langsam extrahiert wird. So
mußten sie, um das Antitrypsin aus dem Serum zu entfernen, das
letztere für 48 Stunden stehenlassen. Wir konnten in unseren Versuchen
den Vorwurf voraussehen, daß trotz des wiederholten Ausschüttelns
mit Äther die Seifen (Antitrypsin) in kurzer Zeit nicht genügend aus-
geschaltet werden. Deshalb versuchten wir, das Trypsin mit Seife und
Äther 50 Stunden zu halten, mehrmals in dieser Zeit das Schütteln
wiederholend. Die Kontrolle ohne Seife unterlag derselben Operation.
In der Tabelle II unter Nr. 4 findet sich ein solches Resultat und dabei
noch viel demonstrativer.
Wir sehen also, daß die Oleinseifen dem Trypsin gegenüber das-
selbe bewirken, wie dem Casein gegenüber, vielleicht in noch größerem
Umfang. Und zwar vermindert die Trypsinlösung nach dem Stehen
mit Seife und nachherigem Extrahieren dieser Seife ganz entschieden
die Aktivität des Trypsins.
Es hat sich erwiesen, daß zur Hemmung der Trypsinwirkung das
Vorhandensein der Seifen während der Reaktion nicht notwendig ist.
Schon eine bloße Berührung während ganz kurzer Zeit des Trypsins
mit den Seifen genügt, um seine fermentative Wirkung herabzusetzen,
unbeachtet dessen, daß die Seifen aus der Lösung entfernt werden.
Ein Teil des Trypsins wird dabei mit der Seife gefällt, wie man es nach
der Stickstoffbestimmung der extrahierten Seifen beurteilen kann, und
bleibt deshalb außer Wirkung auf Casein. Es besteht also kein
Grund, hier von Antitrypsin zu sprechen. Unter Antikörper versteht
man gewöhnlich einen Stoff, der neutralisierend auf die Aktivität
einer anderen Substanz wirkt. In unserem Falle handelt es sich um
die Erscheinung der Ausflockung des einen Kolloids durch ein anderes.
Das ist eine Erscheinung, die, wie wir es schon sagten, bei dem Zu-
sammenwirken verschiedener elektrisch geladener Kolloide verbreitet
ist. Das führte uns zu der Schlußfolgerung, daß Seifen ungesättigter
Fettsäuren nicht nur kein Antitrypsin darstellen, wie es Jobling und
Petersen behaupten, sie können nicht einmal als hemmende Substanzen
bezeichnet werden, genau so, wie es falsch wäre, das (NH,),SO, als
Antieiweißstoff zu bezeichnen nur deswegen, weil es Eiweiß ausfällt.
Die vor kurzem erschienene Arbeit von Schierge (5) steht auch
mit den früheren Anschauungen über das Wesen des Antitrypsins,
speziell den Anschauungen von Jobling und Petersen im Widerspruch.
Dieser Verfasser versucht, die proteolytischen Erscheinungen des
Serums kolloidchemisch zu deuten, wobei der Begriff des Antiferments
fallengelassen werden kann. Er fällte das Serumeiweiß mit Alkohol aus,
wodurch das Ferment mitgerissen wird. Bei nachheriger Peptisation
des getrockneten Eiweißniederschlags ist eine proteolytische Wirkung
254 M. Serejski: Wesen des Antitrypsins.
auf Carmin-Fibrin in allen Seren festzustellen. Eine gewisse Ver-
minderung der Dispersität und Hydratation nach Wiederauflösung
führen zur Aktivierung der Fermente. Dieser Verfasser, der ganz
andere Wege geht, kommt schließlich zu derselben Anschauung über
die zweifelhafte Natur des Antitrypsins, insbesondere über die Theorie
von Jobling und Petersen wie wir.
Literatur.
1) Jobling und Petersen, Journ. of exper. Med. 19, 239 bis 251; eben-
daselbst 19, 251 bis 259; ebendaselbst 19, 459 bis 480. — 2) Sliowtzow,
Russk. Physiol. Journ. im. Sjetschenowa 1919. — 3) De Crinis, Die Be
teiligung humoraler Lebensvorgänge im epileptischen Anfall 1920. —
4) Fodor, Das Fermentproblem 1922. — 5) Schierge, Zeitschr. f. exper. Med.
82, 1923.
Über Ammoniakgehalt und Ammoniakbildung im Blute.
IV. Mitteilung:
Ist im kreisenden Blute Ammoniak vorhanden?
Von
J. K. Parnas und A. Klisiecki.
(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität Lwów.)
(Eingegangen am 28. Dezember 1925.)
Mit 2 Abbildungen im Text.
I.
Die Frage des Blutammoniaks hat in den letzten Jahren wieder
in erhöhtem Maße die Aufmerksamkeit der Physiologen auf sich gezogen.
Man hat mit Recht bemerkt, daß in dem Maße, wie die Methoden zur
Bestimmung des Blutammoniaks vervollkommnet werden, die im
Blute gefundenen Mengen immer geringer ausfallen.
Die Arbeiten von Folin und Denis (1912) und Nash und Benedict (1922)
bilden Marksteine in dieser Entwicklung der Frage. Diese Entwicklung
mußte, als nur noch hundertstel Milllgramm Ammoniak in 100 g Blut
gefunden wurden, zu der Frage führen, ob im kreisenden Blut überhaupt
Ammoniak vorhanden sei? Diese Frage hat im Zusammenhang mit der
Ammoniakausscheidung im Harn sowie den Grundfragen des inter-
mediären Stoffwechsels eine prinzipielle Bedeutung.
Die Frage, ob im kreisenden Blute Ammoniak vorhanden ist, wurde
einerseits von Parnas mit Heller und Taubenhaus!), andererseits von
Henriquez und Gottlieb?) sowie von Fontés und Yovanovitsch®) bearbeitet
und in verschiedener Weise beantwortet. Sie erscheint zu wichtig, als daß
zwei ganz widersprechende Auffassungen nebeneinander bestehen könnten.
Als die erste Publikation von Fontés und Yovanovitsch) erschien, in welcher
die Autoren die Behauptung aufstellten, daß im Blute ganz allgemein kein
Ammoniak und keine Ammoniumsalze vorhanden seien, waren wir überzeugt,
daß weitere Versuche die Autoren überzeugen würden, daß ihre Schlüsse
1) Diese Zeitschr. 152, 1, 1924; 155, 247, 1925; 159, 298, 1925.
Therapia, Budapest, Koranyi-Festschrift S. 78 (1926).
2) Zeitchr. f. physiol. Chem. 188, 254, 1924.
3) C. r. Soc. de Biol. 92, 1406, 1925; Bull. de la Soc. de chim. Biol. 7,
1044 bis 1055 1925.
256 J. K. Parnas u. A. Klisiecki:
unberechtigt waren; waren doch damals die Versuche von Parnas!)
publiziert, welche seitdem von Luck und Seth?) bestätigt und in Überein-
stimmung mit früheren Feststellungen von Nash und Benedict die be-
deutenden Verschiedenheiten aufdeckten, die zwischen verschiedenen
Blutarten bestehen. Nachdem aber jetzt die Arbeit von Fontés und
Yovanovitch in erweiterter Fassung erscheint, ist eine Stellungsnahme zu
dieser Frage nicht zu vermeiden. Ist doch der Betrieb der wissenschaft-
lichen Literatur unserer Zeit derart, daß selbst der Fachgelehrte im
engeren Sinne die Arbeiten nur aus Referaten kennt: dieses macht es
nötig, gewisse Punkte zu betonen, die unter anderen Umständen selbst
für sich sprechen würden?).
Wir haben die vorliegende Arbeit speziell dem Hundeblut ge-
widmet, weil dieses, zwar bei Forschungen über Ammoniakbildung
am häufigsten bearbeitet, nichtsdestoweniger aber am wenigsten
genau bekannt ist. Parnas und Heler hatten aus zufälligen Gründen
das Kaninchen als Versuchsobjekt gewählt, und dieser Zufall hat die
Erforschung der Ammoniakbildung ermöglicht, welche am Hundeblut
kaum möglich gewesen wäre. Unsere Kenntnisse vom Ammoniak im
Hundeblut beschränken sich darauf, daß die Ammoniakbildung ähnlich
wie beim Pferd und beim Rind sehr langsam erfolgt. Wir gingen jetzt
darauf aus, die Anfangswerte des Ammoniakgehalts und die Gesetz-
mäßigkeiten der Ammoniakbildung kennenzulernen. Indem wir die
Ergebnisse vorwegnehmen, möchten wir feststellen, daß auch Hunde-
blut Ammoniak enthält, sein Ammoniakgehalt ist in verschiedenen Gefäß-
bezirken genau und in engen Grenzen bestimmt und in charakteristischer
Weise verschieden.
II.
Die Frage des Blutammoniaks kann immer noch nicht behandelt
werden, ohne daß eine ausführliche Erörterung der Bestimmungs-
methoden vorausgeschickt würde. Die von uns angewandte Methode
ist genau so, wie sie in der Mitteilung I und II beschrieben worden ist;
es hatte sich in keinem Punkte das Bedürfnis einer Änderung ergeben‘).
Wir möchten das Prinzip der Methode nochmals rekapitulieren.
1) Diese Zeitschr. 155, 247, 1925.
2) Biochem. Journ. 19, 360, 1925.
3) Diese Bemerkung knüpfen wir daran, daß der Referent des
Chemischen Zentralblattes bei Besprechung der ersten Arbeit von Fontés und
Yovanovitsch von der minutiösen Methode dieser Autoren spricht, indem
er das Epitheton anwendet, welches diese Autoren in ihrer sehr höflichen
Besprechung der Arbeit von Parnas und Heller geben. Ein scheinbar
geringfügiger Umstand, der jedoch einem mit dem Gegenstand nicht genau
vertrauten Leser notwendigerweise eine Stellungnahme in bezug auf die
widersprechenden Schlüsse beider Arbeiten suggeriert.
4) Bis auf eine geringfügige Änderung der Apparatur, in der jetzt zur
Dampfeinleitung in den Destillierkolben ein Metallhahn verwendet wird,
da Glashähne leicht springen.
NH,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 257
Das Blut wird in das Kölbchen hineingebracht, in welchem sich
Paraffin und eine gesättigte Natriumboratlösung befindet; diese
Reagenzien sind durch vorherige Destillation von Ammoniakspuren be-
freit, was in jedem einzelnen Versuch festgestellt wird. Die Boratlösung
stellt einen Puffer von besonderer Neutralisationskapazität dar, welcher
dem zugesetzten Blute seine H-Ionenkonzentration (pe = 9,3) aufdrängt.
Es wird durch den evakuierten Kolben ein Wasserdampfstrom
eingeleitet, der mit dem Druck einer Atmosphäre eintritt und aus dem
Kolbeninhalt das Ammoniak entführt. Es wird auf diese Weise in 3 bis
5 Minuten bei 25° und einem Druck von 22 bis 26 mm Hg eine der
destillierten Flüssigkeit mindestens gleiche Menge Destillat abgetrieben
und aufgefangen.
Das Wesentlichste an der Methode ist jedoch das System der
Kontrollversuche;; nach jeder Destillation wird durch eine nachfolgende,
der ersten genau entsprechende Kontrolldestillation festgestellt, ob
alles Ammoniak abgetrieben worden ist, und gegebenenfalls — in den
ersten Versuchsreihen immer —, ob eine zugesetzte Ammoniakmenge
vollständig abdestilliert werden kann.
Wir haben keinen einzigen Versuch publiziert, in dem die Kontrolle
über die Ammoniakfreiheit der Reagenzien und des Apparats, sowie
die Kontrolle der vollständigen Vertreibung des Ammoniaks nicht
durchgeführt worden wäre.
Es gibt kaum eine biochemische Methode, in welcher auch dem
Geübten nicht hier und da ein Irrtum unterlaufen könnte. Diese
Irrtümer werden durch Analysen und Versuchsreihen entdeckt und
ausgeschaltet. Wir haben unsere Versuche stets auf diese Kontrolle
eingestellt und können ruhig sagen, daß aus der Reihe fallende Be-
stimmungen wohl hier und da vorkamen, aber stets entdeckt und
durch wiederholte Bestimmungen als Irrtümer festgestellt worden sind.
Die Methode, welche von Fontés und Yovanovitsch verwendet wird,
ist ganz anderer Art. Sie verwenden große Blutmengen von 100 bis
250 ccm, alkalisieren mit gesättigter Lithiumcarbonatlösung und
destillieren mit Wasserdampf in luftverdünntem Raume bei 45 bis 50°
und während 30 Minuten. Das Ammoniak wird in titrierter Salzsäure
aufgefangen und maßanalytisch bestimmt. Die Autoren begnügen
sich mit summarischen Kontrollen der Leistungsfähigkeit ihrer Methode,
ohne Kontrollen der Einzelanalyse. Unter der kleinen Zahl der Ver-
suche, die sie angeben, finden wir keine zwei Bestimmungen an dem
gleichen Blute. Indem wir diese Punkte hervorheben, sind wir weit
davon entfernt, an der Methode, die wir nicht erprobt haben, Kritik
üben zu wollen. Sie wäre wahrscheinlich für Versuche an einem Tiere
bestens geeignet, welches eine ebenso langsame Ammoniakbildung wie
der Hund und dabei größere Blutmengen (z. B. wie das Rind oder das
258 J. K. Parnas u. A. Klisiecki:
Pferd) besäße. Wir möchten uns aber gegen eine Kritik wehren, welche
Fontés und Yovanovitsch an den von uns angewandten, von ihnen jedoch
nicht erprobten Methoden geübt haben. Zur Zeit, als sie ihre Ergebnisse
mitteilten, war es bereits durch die Publikationen von Parnas bekannt,
daß sich das Blut verschiedener Tiere verschieden verhält und daß
Hund und Kaninchen in dieser Beziehung geradezu Grenzfälle dar-
stellen. Eine Kritik der fremden Methode wäre auf Grund der ver-
schiedenen Befunde unstatthaft, welche Fontes und Yovanovitsch am
Hunde, Parnas dagegen am Kaninchen erhoben haben, und es sei
daran erinnert, daß Parnas und Heller sich einer solchen Kritik gegen-
über den am Hunde gewonnenen Ergebnissen von Nash und Benedict auf
Grund ihrer eigenen Kaninchenversuche ausdrücklich enthalten haben.
Aber die Erörterung von Fontés und Yovanovitsch, die sich auf ver-
mutliche Fehlerquellen unserer Methode beziehen, muß hier doch
analysiert werden. Der Einwand, daß wir das Ammoniak in absolut
kleinen Mengen bestimmt haben, klingt befremdend in der Arbeit aus
einem Institut, in dem die minimetrischen Methoden so erfolgreich
gefördert worden sind. Wir erinnern daran, daß die Fehlergrenzen
der Ammoniakbestimmung in den im Blute vorkommenden Mengen
von Parnas und Taubenhaus untersucht worden sind, und daß es in
den hier diskutierten Fragen des NH,-Gehalts im kreisenden Blute
selbst auf einen Fehler von 10 Proz. nicht ankommen würde.
Die Vermutung, daß ein Überschuß von Natronlauge in der Borat-
lösung eine NH,-Bildung durch Hydrolyse von Amidoverbindungen
hervorrufen könnte, erscheint schon gar nicht begründet; es kommt
doch bei hydrolysierenden Wirkungen nur auf die H und OH’-Ionen-
konzentration an und nicht auf die Zusammensetzung des Puffer-
gemisches; und warum sollte denn diese Wirkung nach ener Destillation
aufhören, und die zweite Destillation segar nach Verlauf einer halben
Stunde ganz blanke Destillate liefern? Wir glauben, daß sich dieser
Einwand bei einer aufmerksamen Durchsicht unserer Versuche von
selbst erledigt.
Wenn schließlich Fontés und Yovanovitsch die Überzeugung aus-
sprechen, daß zwischen Kaninchenblut und Hundeblut kein Unter.
schied in dem Sinne bestehen könnte, daß im Kaninchenblut mehr
Ammoniak enthalten wäre als im Hundeblut, und zwar weil das
Kaninchen ein Pflanzenfresser, der Hund aber Fleischfresser ist, so
glauben wir, daß dieses Denkschema sich in diesem Falle nicht
bewährt, und daß die Ammoniakfrage für eine derartige deduktive
Behandlung nicht reif ist!).
1) Die Lage ist heute kaum anders, als sie im Jahre 1855 von
Claude Bernard charakterisiert worden ist. (Legons de Physiologie Ex-
perimentale 1, 14, Zeile 6 von unten bis S. 15, Zeile 14 von oben. Paris 1855.)
NH,-Gehalt und Bildung im Blute. IV. 259
Das Hauptergebnis von Fontés und Yovanoviisch ist die Fest-
stellung, daß im arteriellen Hundeblut Ammoniakmengen von 0,01 mg
NH,-Stickstoff in 100 ccm vorkommen, und daß höhere Werte gefunden
werden, wenn das Blut erst eine Zeitlang nach der Entnahme untersucht
wird. Wir haben gegen dieses Ergebnis nichts einzuwenden, auch wir
haben Blutproben beobachtet, in welchen ähnlich geringe Ammoniak-
mengen enthalten waren. Wenn aber Fontés und. Yovanoviisch auf
Grund dieser Werte für das Hundeblut und der von Parnas und Heller
festgestellten Geschwindigkeit der Ammoniakbildung im Kaninchen-
blut die These aufstellen, daß im Hundeblut überhaupt kein
Ammoniak enthalten ist, so halten wir diesen Schluß für unbegründet.
Die eigenen Versuche von Fontés und Yovanovitsch bieten aber für
einen solchen Rückschluß gar keine Grundlage.
MI.
Die experimentellen Aufgaben dieser Arbeit betreffen nach dem
oben Gesagten den Anfangswert an Ammoniak im Hundeblut!) sowie
den Verlauf der Ammoniakbildung in diesem Blute. Beide Aufgaben
hängen zusammen, denn ein Rückschluß auf den Anfangswert bei
bekanntem Verlauf erhöht die Sicherheit dieser Werte.
Die analytische Prozedur war dieselbe wie in früheren Unter-
suchungen; das Blut wurde immer mit Lithiumoxalat ungerinnbar
gemacht. |
Wir stellen die Ergebnisse in Tabellen zusammen, aus welchen alle
Einzelheiten zu ersehen sind.
Tabelle I enthält eine Zusammenstellung von Daten, die sich auf
Hundeblut sofort oder kurze Zeit nach der Entnahme beziehen. Es
ist aus ihr zu ersehen, daß unsere Werte für Carotisblut in
guter Übereinstimmung zwischen 0,025 und 0,04 liegen, und daß die
Schwankungen innerhalb dieser Werte keinen deutlichen Zusammenhang
mit der Zeit und der Temperatur der Aufbewahrung aufweisen. Ver-
gleichen wir sie mit den Werten der anderen Autoren, so sehen wir
sie im allgemeinen niedriger als die von Nash und Benedict (sofort
nach Entnahme 0,06, 0,07, 0,08, 0,1), dagegen höher als die Werte von
Fontés und Yovanovitsch (gegen 0,01). Es sei indessen auf den Umstand
aufmerksam gemacht, daß wir in Versuchen, in welchen das Blut
gleicher Art demselben Individuum in verschiedener Zeit entnommen
worden ist, genau gleiche Werte finden. Nach dem Wert unserer Ver-
suche, z. B. vom 4. Dezember, zweifeln wir nicht daran, daß so niedrige
1) Das Physiologische Institut unserer Universität hat uns durch Über-
lassen von Tiermaterial unterstützt, wofür wir seinem Leiter, Prof. Dr.
A. Beck, bestens danken.
J. K. Parnas u. A. Klisiecki:
260
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"I NPW
NH,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 261
Werte, wie sie von Fontés und Yovanovitsch gefunden werden, auch
vorkommen können.
Im Jugularisblut finden wir stets höhere Werte als im Carotisblut
beim gleichen Tiere. Die Verschiedenheit dieser Werte haben wir oft
durch unmittelbaren kolorimetrischen Vergleich der Destillate fest-
stellen können. Dem arteriellen Blute ähnlich ist Blut der Vena hepatica.
Diese Feststellung stimmt nicht überein mit der Behauptung von
Fontés und Yovanovitsch, welche angeben, daß venöses Blut weniger
Ammoniak enthält als arterielles. Dieser Widerspruch bedarf noch einer
Aufklärung!); es wäre in Anbetracht der Feststellung von Winterstein?)
einerseits, nach der im Nervensystem Ammoniak gebildet wird, anderer-
seits von Meyerhof, Lohmann und Meier?), der Ammoniakbildung im
überlebenden Warmblütermuskel gefunden hat, merkwürdig, wenn
das arterielle Blut mehr Ammoniak enthielte als das venöse.
Für das Blut der Vena renalis fanden wir in Übereinstimmung
mit Nash und Benedict oft sehr viel höhere Werte als für irgend ein
anderes Blut.
IV.
In einer früheren Mitteilung beschrieb Parnas am Hundeblut, das
beim Erwachen aus leichter Äthernarkose entnommen wurde, eine
sehr schwache Ammoniakbildung. So zeigte dieses Blut, dessen An-
fangsgehalt 0,05 mg-Proz. war, nach 25 Stunden bei 17°C nur
0,18 mg-Proz., und dasselbe Blut enthielt nach 100 Stunden 0,71mg-Proz.
Dieser Endwert war bei 40°C und nach 18 Stunden erreicht, doch
waren in diesem Versuch keine früheren Werte festgestellt worden, so
daß hier nur der Endwert festgestellt wird. Diese sehr langsame
Ammoniakbildung entspricht auch den Beobachtungen von Nash und
Benedict. In ihren Versuchen sehen wir ein Anwachsen des Ammoniak-
gehalts bei Zimmertemperatur um etwa 0,01 mg-Proz. pro Stunde.
In der letzten Zeit haben auch Murray Luck und Trilock Nat Seth‘)
mit ganz anderer Methode die oben zitierten Ergebnisse bestätigt.
Als wir die Untersuchung der Ammoniakbildung im Hundeblut
wieder aufnahmen, fanden wir, daß die Verhältnisse im Hundeblut
komplizierter liegen als etwa im Kaninchenblut. In der Untersuchung
von Parnas und Heller war die Ammoniakbildung im Kaninchenblut
so gleichmäßig, daß Punkte aus verschiedenen Versuchen genau
1) Es sei auf den Umstand hingewiesen, daB Fontés und Yovanovıisch
um so geringere Werte finden, je größere Blutmengen sie der Destillation
unterwerfen. Bei ihren Bestimmungen am venösen Blut haben sie die
größten Blutmengen destilliert (250 cem).
2) Diese Zeitschr. 156, 138, 1925; 167, 401, 1926.
?) Ebendaselbst 157, 459, 1925.
t) Biochem. Journ. 19, 360, 1925.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 18
262 J. K. Parnas u. A. Klisiecki:
zusammenfielen. Beim Hundeblut ist von einer solchen Regelmäßigkeit
keine Rede!). |
Wir fanden also, daß die meisten Blutproben bei 20° eine Ammoniak-
bildung zeigten, welche sehr langsam verlief und der Kurve der von
Parnas bestimmten Ammoniakbildung im Hundeblut entsprach; daß
aber in manchen Fällen dieser langsamen Ammoniakbildung eine
weitere folgte, die zu dem Gehalt über 1,0 mg-Proz. führte.
Da wir uns darüber klar werden wollten, welcher Grad und welcher
Teil der Ammoniakbildung physiologisch in Frage kommen könnte,
stellten wir Versuche an, in welchen das Blut in geschlossenen Gefäßen,
in dünner Schicht und einer Atmosphäre mit 5 bis 6 Proz. CO,-Gehalt
bei 38 bis 40° gehalten wurde. Das Ergebnis dieser Versuche war
ganz klar; die Arnmoniakbildung ging sehr schnell vor sich, erreichte
in 3 Stunden den Wert von 0,45 mg-Proz., auf dem er sich eine
Zeitlang hielt, dann setzte eine weitere Ammoniakbildung ein,
welche in 22 Stunden den Gehalt des Carotisblutes auf 1,2 mg-Proz.
brachte. Es liegt nahe, nur dem ersten Teil der Ammoniakbildung im
Hundeblut eine physiologische Bedeutung zuzuschreiben. Ob der
zweite Teil autolytischen oder bakteriellen Charakter hat, vermögen
wir noch nicht zu sagen. Es schließt sich daran die Frage, ob die
Ammoniakbildung, die wir im Blute beobachten, ein biologischer,
aus dem Organismus stattfindender Vorgang ist, oder etwa, wie Blut-
gerinnung, ein extravaskulärer Prozeß. Auch diese Frage können wir
beantworten: In einem Versuch, in welchem der Hund während des
Versuchs ohne Verletzung des Herzens oder Blutung getötet wurde,
haben wir das Blut der linken Kammer 30 Minuten nach der Tötung
untersucht und einen Wert gefunden, welcher der Ammoniakbildung
sn vitro entspricht, trotzdem vor dem Tode das arterielle Blut nur
0,037 mg-Proz. enthielt.
In der Tabelle II sind Daten aus Versuchen zusammengestellt,
in welchen das Blut bei 20° gehalten wurde. Dieselben Daten sind in
Abb.1 graphisch dargestellt. In den Tabellen bezieht ‚sich jedes
Kästchen auf das Blut eines und desselben Hundes.
1) Ein jeder, der mit Hundeblut arbeitet, muß den Eindruck haben,
daß es ein labileres System darstellt, als etwa Kaninchen-, Pferde-, Rinder-
oder Menschenblut. Es seien hier einige Beobachtungen angeführt. Ein
Hundeblut, das 2 Tage lang unter Paraffin bei 20°C gestanden, hatte
an Stelle des für das Hundeblut so charakteristischen Geruchs einen aus-
gesprochenen Senfölgeruch, der sich nach Ausbreitung des Blutes an der
Luft schnell verflüchtigte. Blut aus einem in Äthernarkose gehaltenen
Hunde war nach 24 Stunden in Alveolarluft und bei 20° weitgehend in
Methämoglobin umgewandelt. Hundeblut, das in Alveolarluft bei 39°
gehalten wurde, war nach 6 Stunden hämolysiert und nach 20 Stunden
war Hämoglobin total auskristallisiert.
NH,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 263
Tabelle II.
——
|
Bemerkungen
Datum Blutart Zeit nach in 100 air
Blutentnahme ng |
Il Hund in ÄAthernarkose.
I Blut unter Paraffin
| bei 20°
| Hund ohne Narkose:
l Blut bei 200° unter
| Paraffin
|
Mee ee 48 0,44 | In Athernarkose ents
| : bei 209
Vena portao | 2 Op a
n 24 0,45 | i
Arteris carotis | dë, 0,05 , | Veronalnarkose: Blut
n | 1 18 0,06 | bei 0° unter Paraffin
el 8 IL Om.
Vena jugularis 0 10 0.02 | } Leichte Athernarkose.
| te
Betrachtet man die Linien, welche das Anwachsen des Ammoniak-
gehalts mit der Zeit darstellen, so sieht man, daß sie beim Extrapolieren
auf den Anfangswert niemals auf Null weisen. In allen diesen Ver-
suchen war die Temperatur des Blutes genau definiert.
Tabelle III.
nn LU nn nn nn nn a a- ep
Datum |
| ` |
14. XII. ee nach Ent- 0,3 | Obne Narkose
nahme auf 0° abge- 0,4
| kühlt, dann in ein 0,45
Luftgemisch mit 6 Proz. 4 0,45
| CO, bei 39 gebracht 6 2 0,56
| (nach 44’) 22 17 1,25
_ Vena jugularis: wie oben 1 0,3
| für Carotisblut ange- 2 9 0,4
geben behandelt (39°) 37 0,45
45 0.45
5 40 0,6
10. XII. | Arteria carotis: Luft- 2 15 0,32
emisch mit 5,15 Proz. 5 0,33
ohlendioxyd (39°) 22 1,4
Vena jugularis: wie oben 2 15 0,30
behandelt 4 0,30
18*
264 J. K. Parnas u. A. Klisiecki:
Die Versuche, in welchen das Blut bei 39° gehalten wurde, sind
in Tabelle III und im Oberteil der Abb. 1 zusammengestellt. Aus den
Kurven ist zu ersehen, daß die Ammoniakbildung bei dem Gehalt
von 0,3 bis 0,45, der bei 20° nur langsam erreicht wird, auch hier
haltmacht, um erst später in einem anderen Prozeß weiter anzusteigen.
Abb.1. Ammoniakbildung im Hundeblut.
Abszissen: Zeit in Stunden. Ordinsten: Ammoniakgehalt in 100 ccm Blut, in mg Ammoniak N.
Untere Kurven: Ammoniakbildung bei 39°. Obere Kurven: Ammoniakbildung bei 20°.
À
Die hier mitgeteilten Tatsachen zeigen
einen Umriß der Ammoniakschicksale im Hunde-
blut. Es wird im Blute durch einen spontan
in den Gefäßen, aber auch in vitro verlaufenden
Ss
[N
N in 100ccm Blut
> A
u e
ei? Prozeß gebildet, kommt aber vielleicht auch aus
> den Geweben; eine besondere Quelle ist jeden-
i e falls, wie schon Nash und Benedict gefunden
ar. haben, die Niere. Ob aus dieser letzten Tat-
z Y jugularis sache der Schluß gezogen werden kann,
nn as daß das im Nierenvenenblut zurückfließende
Ammoniak einen Überschuß derjenigen Menge
darstellt, die für die Ausscheidung der Säuren mit dem Harn gebildet
worden ist, halten wir durchaus nicht für ausgemacht. Es scheint
möglich, daß dieses Ammoniak mit der direkten Ausscheidung
saurer Produkte im Harn zusammenhängt, ähnlich, wie das für die
Magensekretion der Salzsäure angenommen wird. Doch mußte diese
Vermutung besonders geprüft werden. Eine Entfernung des
Ammoniaks aus dem Blute scheint zwischen Vena portae und Vena
hepatica einerseits, dem linken Herzen andererseits stattzufinden, also
in Leber und Lunge, im Blute selber oder in Zusammenwirkung mit
den Geweben.
Ob es unter diesen Umständen für irgend eine Frage des inter-
mediären Stoffwechsels förderlich sein kann, die Ammoniakfreiheit
des Blutes zu stipulieren, diese Frage wollen wir nicht diskutieren.
Es mag ein Idealzustand des tierischen Organismus denkbar sein, in
welchem ein harmonischer Verlauf der ammoniakbildenden und
ammoniakbindenden Prozesse den Ammoniakgehalt des Blutes auf
einem sehr niedrigen Niveau hält. Wir meinen dies im ähnlichem Sinne,
NH;,-Gehalt und -Bildung im Blute. IV. 265
wie man sich einen Zustand vorstellen könnte, in welchem alle Milch-
säure, die im Muskel, Nervensystem, Leber gebildet wird, auch am
Orte ihrer Bildung oxydativ entfernt wird, und auch die durch Blut-
glykolyse entstehende Milchsäure durch diese Prozesse auf einem
sehr niedrigen Niveau gehalten wird. Man wird aber daraufhin nicht
behaupten, daß im Blute keine Milchsäure enthalten sei, denn tat-
sächlich ist sie immer im Blute vorhanden und variiert quantitativ mit
der Funktion und dem Zustand des Organismus.
Das Hundeblut mit seiner sehr langsamen Ammoniakbildung war
für die Bearbeitung der Frage nach dem Ammoniakgehalt des kreisenden
Blutes besonders geeignet. Für das Kaninchenblut ergeben sich auf
Grund der Versuche von Parnas und Heler ähnliche Werte für
den Ammoniakgehalt. Auf die besonders wichtige Frage nach den
Verhältnissen im Menschenblut werden wir in einer späteren Mitteilung
zurückkommen.
Zusammenfassung.
Das strömende Blut enthält wohldefinierte Ammoniakmengen,
die je nach Tierart, Gefäßbezirk variieren und beim Hund besonders
starke individuelle Schwankungen aufweisen.
Im Hundeblut beträgt der Ammoniakstickstoffgehalt des
arteriellen Blutes einige Hundertstel Milligramm in 100 com Blut;
im venösen Blut ist der Gehalt höher als im arteriellen.
Die Ammoniakbildung im Hundeblut erfolgt sehr langsam, und
zwar ist in diesem Vorgang eine Ammoniakbildung zu unterscheiden,
die bei 39° in 3 bis 4 Stunden abläuft und wahrscheinlich den
physiologischen Vorgang darstellt, während später eine weitere
Ammoniakbildung einsetzt, die vielleicht autolytischen Charakter hat.
Physikalisch-chemische
Untersuchungen über die Isohämagglutination.
I. Mitteilung:
Die Bedeutung der Elektrolyte bei der Isohämagglutination.
Von
P.Rona und H. A. Krebs.
(Aus der chemischen Abteilung des Pathologischen Institutes
der Universität Berlin).
(Eingegangen am 29. Dezember 1925.)
Bordets Untersuchungen haben gelehrt, daß bei den Agglutinations-
vorgängen Elektrolyte eine hervorragende Rolle spielen!). Borde
beobachtete, daß die Bakterienagglutination ausbleibt, wenn man
die Bakterien mit dem Agglutinin im elektrolytfreien Medium zu-
sammenbringt. Erst ein Zusatz von Salzen bewirkt die Agglutination.
So kam Bordet zu der Vorstellung, daß das, was agglutiniert, das Salz
sei; die Funktion des Agglutinins bestehe darin, daß es die Bakterien
derart verändere, daß sie durch Salze agglutiniert werden können.
Nach Rona und György?) sind bei der Ricinagglutination der roten
Blutkörperchen die Verhältnisse ganz analog. Auch hier kommt die
Agglutination nur bei Anwesenheit von Salzen zustande.
Wir stellten uns die Aufgabe, die Erscheinung der Isoagglutination
der roten Blutkörperchen von physikochemischen Gesichtspunkten
aus zu studieren. Bisher liegen über die physikalische Chemie der
Isoagglutination nur ganz vereinzelte Angaben in der Literatur vor’).
Im Hinblick auf die oben erwähnten Tatschen lag es nahe, zunächst
die Bedeutung der Elektrolyte bei der Isohämagglutination genauer
zu untersuchen.
Unter ‚„Isohämagglutination‘‘ versteht man die Tatsache, daß
die Sera mancher Menschen die roten Blutkörperchen anderer Menschen
zu agglutinieren vermögen.
Die biologischen Gesetzmäßigkeiten der Isohämagglutination sind
insbesondere durch die Arbeiten von Landsteiner, Jansky, Moss, von Dungern,
Hirszfeld, Bernstein und Lattes aufgedeckt worden). Nach o Dungern
1) Bordet, Ann. d l’Inst. Pasteur 13, 225, 1899.
2) Rona und György, diese Zeitschr. 105, 120, 1920.
3) Siehe besonders F. Schütz und E. Wöhlisch, Klin. Wochenschr. 1924,
S. 1614; L. Lattes, Hämatologica 2, 401, 1921.
4) Siehe L. Lattes, Die Individualität des Blutes. Berlin 1925.
P. Rona u. H. A Krebs: Physikalisch-chemische Untersuchungen usw. I. 267
und Hirszfeld nimmt man an, daß es zwei verschiedene agglutinable Sub-
stanzen der Erythrocyten (,A“ und ‚„B‘) und zwei verschiedene Serum-
agglutinine LO" und D) gibt. Durch die verschiedenen Kombinationen
kommen folgende vier Blutgruppen zustande.
Gruppe (nach lutinable Substan Agglutinin
| ee ee rn
1 O a+ p
2 A ß
3 B a
4 A+B 0
Die Gruppenzugehörigkeit des Individuums ist eine konstitutionelle
Eigenschaft. Sie ist das ganze Leben hindurch konstant, ist unabhängig
von Krankheitszuständen und vererbt sich gesetzmäßig nach den Mendel-
schen Regeln. Die Häufigkeit der einzelnen Gruppen ist bei verschiedenen
Rassen verschieden.
Allgemeines zur Versuchsanordnung.
Die Agglutination wurde in Uhrgläsern beobachtet. Die Erythrocyten
wurden in etwa 5proz. Suspension dem Serum bzw. der Serumverdünnung
zugesetzt. Die Ablesung der Resultate erfolgte makroskopisch und mikro-
skopisch. Es bedeutet in den Protokollen
— mikroskopisch und makroskopisch keine Agglutination,
+ nur mikroskopisch Agglutination zu erkennen, makro-
skopisch negativ,
++ makroskopisch gerade sichtbare Agglutination,
+++ makroskopisch sehr deutlich sichtbare Agglutination,
+++ + makroskopisch sehr starke Agglutination.
Die Versuche wurden bei Zimmertemperatur angestellt.
Wir legten uns bei der experimentellen Inangriffnahme unseres
Problems zunächst die Frage vor, ob eine Isoagglutination auch im
elektrolytfreien oder elektrolytarmen Milieu vor sich gehen kann.
Es war dabei vorerst erforderlich, die Elektrolyte aus dem Serum
möglichst vollständig zu entfernen. Wir benutzten dazu das Verfahren der
Elektrodialyse in der Anordnung von Freundlich und Farmer Loeb!). Mit
dieser Methode gelingt es auf relativ schonende Weise, innerhalb weniger
Stunden ein Serum weitgehend elektrolytfrei zu machen. Über den Grad
der Elektrolytentfernung orientierten wir uns durch die Messung der
spezifischen Leitfähigkeit.
Die Euglobuline flocken bei der Entfernung der Elektrolyte aus.
Es galt daher zunächst festzustellen, ob das gruppenspezifische Iso-
agglutinin in dem ausfallenden Euglobulin oder in dem in elektrolytfreiem
Wasser löslichen Serumrest enthalten ist. Wir elektrodialysierten ein
Serum der Gruppe O bis zur Leitfähigkeit 1,4. 10-4 (22°) (d.h. etwa 98,8 Proz.
der ursprünglich vorhandenen Ionen sind entfernt). Bei Drittelsättigung des
in Lösung gebliebenen Serumrestes mit Ammonsulfat entstand keine Trübung.
Das Euglobulin war demnach vollständig ausgefallen. pp der Lösung 6,1.
—
1) H. Freundlich und L. F. Loeb, diese Zeitschr. 150, 522, 1924.
268 P. Rona u. H. A. Krebs:
9 Teile des Serumrestes wurden mit 1 Teil 8,5proz. Kochsalzlösung ver-
setzt, so daß die Lösung den Blutkörperchen isotonisch war. Ein orientieren-
der Versuch ergab, daß die Lösung Blutkörperchen A noch stark aggluti-
nierte, während Blutkörperchen der Gruppe O nicht agglutiniert wurden.
Danach ist also das gruppenspezifische Isoagglutinin in dem wasserlöslichen
Serumrest vorhanden. Wir prüften dann, ob etwa die gesamte Agglutinin-
menge in dem Serumrest enthalten sei, indem wir den Agglutinintiter des
ursprünglichen Serums und den des durch die Elektrodialyse erhaltenen
Restes vergleichend feststellten. Es wurden von beiden Flüssigkeiten
geometrisch absteigende Verdünnungsreihen hergestellt und jede Ver-
dünnung mit gleichen Teilen einer 5proz. Blutkörperchensuspension ver-
setzt. Die Resultate sind in Tabelle I wiedergegeben.
Tabelle I.
Agglutination von Blutkörperchen A durch ein Serum O (Vergleich des
Agglutiningehalts des nativen Serums und des durch Elektrodialyse vom
Euglobulin befreiten Serums. Das native Serum enthält mehr Agglutinin a
als der up
Serum; (bzw. | Agglutination nach Agglutination nach
Serumrest»)Vers« Minuten 60 Minuten
dünnung ed |
(endgültig) | Nativ»Serum | Serumrest | Nativ-Serum | Serumrest
1:4 +++ +++ ++++ | LtEtt
1:8 FPEF HHF) TETE 5 e
1:16 +++ ++ ++++ "tt
1:32 ++ +(+) +++ ++
1:64 +(+) SS) Sech
1:128 +(+) = ++(+) +
Es ergibt sich, daß der Serumrest weniger Agglutinin enthält als das
native Serum.
In einer zweiten Versuchsreihe mit einem Serum der Gruppe A er-
hielten wir ein analoges Resultat. Dieses Serum wurde so lange elektro"
dialysiert, bis eine Leitfähigkeit. von 1,37 . 10-5 (20,8°) erreicht war (d. h. daß
99,9 Proz. der Serumelektrolyte entfernt waren). Der Agglutinintiter
wurde in gleicher Weise wie oben bestimmt. Resultat siehe Tabelle II.
Tabelle II.
Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A.
Vergleich des Agglutiningehalts des nativen Serums und des durch Elektro-
dialyse vom Euglobulin befreiten Serums. Das native Serum enthält mehr
Agglutinin $ als der Serumrest.
—
e u on na | inatio
E gaer Mir gei = | Ba ge
(endgültig) Nativ:Serum | Serumrest | Nativ.Serum | Serumrest
1:2 ++++ © ++++ | +4 ++ | ++ ++
1:4 PE F E ++++ +++(+)
1:8 +++(+) | FF PFPE 5 FH)
1:16 +++ | ++ o +++ o) ++
1:32 | ++) + Ä ++ Lt)
1:64 e 4 Ł i + |
l : 128 = | Ss i t | —
Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 269
Auch in diesem Versuch enthielt der Serumrest reichlich Agglutinin,
jedoch wiederum etwas weniger als das native Serum. Es wurde daher das
ausgefallene Euglobulin in physiologischer Kochsalzlösung, die n/150
Natronlauge enthielt, aufgelöst und die Lösung mit gleichen Teilen einer
öproz. Erythrocytensuspension der Gruppe B versetzt. Nach 1 Stunde
war e zu einer starken Agglutination gekommen, während Blutkörperchen
der Gruppe A nicht agglutiniert wurden. Es enthielt also auch die Euglobulin-
fraktion noch gruppenspezifisches Isoagglutinin.
In einem dritten Falle war der Hauptanteil des Isoagglutinins in der
Euglobulinfraktion enthalten. Ein Serum der Gruppe A wurde bis zur
Leitfähigkeit 1,7. 10-5 elektrodialysiert und der Agglutinationstiter des
nativen Serums, des mit Kochsalz versetzten in Lösung gebliebenen Serum-
restes und der in schwach alkalischer Kochsalzlösung gelösten Globulin-
fraktion festgestellt (Tabelle III). Ein analoges Resultat erhielten wir in
einem anderen Versuch mit einem Serum der Gruppe O.
Tabelle III.
Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A.
Vergleich des Agglutiningehalts des nativen Serums, des durch Elektro-
dialyse vom Euglobulin befreiten Serums und der Euglobulinfraktion.
Der Hauptanteil des Agglutinins ist in der u A EN enthalten.
Verdünnung S Agglutination nach 3 Minuten u Agglutination nach ei Minuten
(endgültig) ' Nativ-Serum Serumrest Zus Nativ-Serum | Serumrest Euglobulin
2. er u un E i —
1:2 l +++ | 44) r ++++ | ++++| ++ +
1:4 4444| + +++ | +4+4++ | +) SH
Ip +++ — i +++ HH + o ++
1:16 ++ — ++ +++ EE
1:32 "Zi — + l ++ — | ++
1 :64 + l — — ıı ++ — ZC?
1:128 = eg = we = T
e arole ST ana
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß die gruppenspezifischen
Isoagglutinine a und ß nicht regelmäßig in der gleichen Serumfraktion
enthalten sind. Sowohl die in elektrolytfreiem Medium löslichen Anteile
als auch die unlöslichen Euglobuline sind als Träger der Isoagglutinine
anzusehen.
Die Erklärung hierfür ist wohl darin zu suchen, daß zwischen den
verschiedenen Serumfraktionen keine scharfen Grenzen bestehen. Es
ist anzunehmen, daß die bei der Elektrodialyse ausfallenderiı Körper
nicht immer genau gleichartig sind.
Die Agelutination im elektrolytarmen Medium.
In den folgenden Versuchen wurde zumeist der durch die Elektro-
dialyse erhaltene Serumrest verwendet. Wir untersuchten zunächst,
ob eine Verminderung des Elektrolytgehalts des Mediums die Iso-
agglutination beeinflußt. Die Versuchsanordnung war folgende: Wir
370 P. Rona u. H. A. Krebse:
stellten 5proz. Blutkörperchensuspensionen her, wobei der Elektrolyt-
gehalt der Suspensionsflüssigkeit dadurch variiert wurde, daß
wechselnde Mengen Kochsalzlösung zu isotonischer (8 Proz.) Rohr-
zucker- bzw. Traubenzuckerlösung (6 Proz.) hinzugefügt wurden.
Dabei darf man nicht unter einen Kochsalzgehalt von 7 bis 10 Millimol
im Liter heruntergehen, da in ganz elektrolytfreiem Milieu die Blut-
körperchen spontan agglutinieren [Gürber!), Bang?) u. al Von dem
elektrolytarmen Serumrest wurden 9 Teile mit 1 Teil 80proz. Rohr-
zucker- (bzw. 60proz. Traubenzuckerlösung bzw. 8,5proz. Kochsalz-
lösung) versetzt. Es wurden gleiche Teile (je 0,25 ccm) Blutkörperchen-
suspension und Serumrest zusammengebracht. Einen solchen Versuch
gibt Tabelle IV wieder.
Tabelle IV.
Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A bei
variiertem Kochsalzgehalt (Suspensionsflüssigkeit Traubenzucker
+ Kochsalz).
anengen | Agglutination nach en. | Agglutinstion nach
area x 15 Minuten | % Minuten ae: | 30 Minuten
et 22 e e e SE = EE me
E ads see a TI "HH
10 | ++++ | ++++ 70 ++(+) +++
20 ++++ | ++++ 140 | +++ 1 +++
Der Versuch zeigt, daß bei Abnahme des Elektrolytgehalts zunächst
die Agglutination ein wenig abgeschwächt ist (bei Reduktion des
Elektrolytgehalts auf etwa die Hälfte). Bei weiterer Verringerung der
Kochsalzmenge nimmt die Agglutination sehr stark zu.
Wiederholte Versuche dieser Art mit anderen Seren und Blut-
körperchen fielen stets gleichsinnig aus.
Hiernach scheint es, daß die Rolle der Elektrolyte bei Isoagglu-
tination nicht so wesentlich ist wie etwa bei der Ricinagglutination
der Erythrocyten (Rona und György) oder bei der Bakterienagglutination
nach Bordets Untersuchungen. Denn die Blutkörperchenagglutination
durch Isoagglutinine kommt in unseren Versuchen auch bei sehr ge-
ringer Elektrolytmenge zustande.
Wir verfolgten nun weiterhin die Beobachtung der Zunahme der
Agglutination bei geringem Elektrolytgehalt. Wir fragten uns, ob
hier die Agglutination noch gruppenspezifisch ist. Es wurden in gleicher
Anordnung wie in dem oben beschriebenen Versuch Blutkörperchen A
mit dem dazugehörigen Serum der Gruppe A zusammengebracht. Das
Resultat gibt Tabelle V wieder.
1) Gürber, Habilitationsschrift. Würzburg 1904.
2) I. Bang, diese Zeitschr. 16, 255, 1909.
Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 271
Tabelle V.
Agglutination von Blutkörperchen A durch ein Serum der Gruppe A bei
variiertem Elektrolytgehalt.
Tommie | anuano ` Test! Age:
kopzenir: Agglutination nach konsent Agglutination nach
e mol 15 Minuten 30 Minuten E: Is 15 Minuten E EE, Minuten
7 +++ | ++++ CS
10 +++ | +44+
a | IH | FFH | w
Es ergibt sich, daß die PR bei geringem Elektrolyt-
gehalt unspezifisch ist. Das Serum agglutiniert die eigenen Blut-
körperchen, wenn der Kochsalzgehalt unter ein Drittel des Normal-
wertes sinkt.
Diese unspezifische Agglutination läßt sich durch nachträglichen
Zusatz von geringen Mengen physiologischer Kochsalzlösung voll-
ständig rückgängig machen; es tritt in wenigen Sekunden Deglutination
ein. Diese Beobachtung ist vielleicht in Beziehung zu bringen zu der
schon lange bekannten Tatsache, daß die Agglutination roter Blut-
körperchen in Nichtleiterlösungen (Rohrzucker, Traubenzucker) durch
Neutralsalze gehemmt und aufgehoben wird. Auch die Flockung der
Blutkörperchenstromata durch H Jonen und Sublimat wird nach
F. Haffner?) durch Neutralsalz gehemmt?).
Die unspezifische Blutkörperagglutination im elektrolytarmen
Medium wird außer durch Neutralsalz auch durch sehr geringe Mengen
von Natronlauge wieder rückgängig gemacht.
In dem folgenden Versuch (Tabelle VI) haben wir festgestellt,
bis zu welcher Verdünnung der Serumrest die eigenen Blutkörperchen
im elektrolytarmen Milieu (10 Millimol Kochsalz im Liter) zu agglu-
tinieren vermag. Es zeigt sich, daß Verdünnungen bis 1: 1024 noch
Tabelle VI.
Agglutination von Blutkörperchen O durch das eigene Serum bei einem
Kochsalzgehalt von 10 Millimol im Liter in Rohrzuckerlösung.
Verdünnung|| Agglutination nach vertan Agglutination nach
(endgültig) 30 Minuten © Minuten | tendsüttig) 0 Minuten | 60 Minuten
1:4 i +++4+ | ++++ | 1:128 PE E
1:8 $ ++++ +rrYr 1: 256 + +
1:16 ++++ ++++ | 1:512 +o è © +4
1:32 p +++) | ++++ | 1:1024 t | ž
1:64 Lt ++(+) | 1:2048 sa E
1) F. Haffner, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 196, 15, 1922.
2) Bezüglich der Erklärung dieser Erscheinungen siehe Höber, Physikal.
Chem. d. Zelle u. d. Gewebe, 5. Aufl., S. 615f.
272 P. Rona u. H. A. Krebs:
wirksam sind. Bemerkenswert ist ferner, daß (im Gegensatz zur Iso-
agglutination) innerhalb kurzer Zeit das Maximum der Agglutination
erreicht ist. Nach 30 Minuten ist bereits keine wesentliche Zunahme
mehr festzustellen. |
Mit der echten ‚Autoagglutination“ hat die von uns beob-
achtete unspezifische Agglutination nichts zu tun. Charakteristisch
für die Autoagglutination ist erstens die Temperaturabhängigkeit der
Agglutination [sie findet nur bei tiefen Temperaturen (unter Körper-
temperatur) statt] und fernerhin nach Lattes eine Geldrollenbildung, die
bei Verdünnung des Serums besonders zu beobachten ist. Beide
Kriterien treffen in unserem Falle nicht zu. Die Agglutination ist bei
40 und 50° ebenso stark wie bei Zimmertemperatur.
Wir haben weiterhin die Frage untersucht, ob bei der Isoagglu-
tination spezifische Ionenwirkungen eine Rolle spielen. Wir er-
setzten zunächst das Kochsalz einmal durch Calciumchlorid, ferner
durch Natriumsulfat. Die Caleiumchlorid- und Natriumsulfat-
konzentration betrug m/10 (d. i. die dem Erythrocyten isotonische
Konzentration).
Tabelle VII.
Agglutination von Blutkörperchen B durch ein Serum der Gruppe A bei
Anwesenheit verschiedenartiger Elektrolyte (NaCl, CaCl,, Na,SO,).
verdDonunu Agglutination nach 30 Minuten in | Agglutination naeh 60 Minuten in
e
(endgültig) Na Cl ‚Ca Ch n Nas SO, | ' NaCl Ca Cl, ai > S e,
IS: ee
1:4 ++ ++ | EH, HEHH) tht | +++
1:8 Fr PT Ce GT i FF
1:16 ch + + |! HH! +) +(+)
1:32 | Se t Ir | GE | Se +
(ni — = =: 4 + +
1:128 | — —_ = = Z —
Tabelle VIII.
Einfluß des Lanthans auf die Isoagglutination (Serum Gruppe O, Blut-
körperchen A). Die Blutkörperchensuspension, welche m/25600 Lanthan-
nitrat enthält, wird geringer agglutiniert als dielanthanfreien E
an; Agglutination nach 30 Minuten Agglutination nach 60 Minuten
verdünnung
(endgültig) Lantban behandelte _unbehandelte Lanthan behandelte | unbehandelte
Blutkörperchen Blutkörperchen ` Blutkörperchen Blutkörperchen
1:2 +++), ++++ ++++ | ++++
1:4 | EEO HH | HHGO | ++++
1:8 +(+) +++4) | ++ | ++++
1:16 ` + ++ ++ +++
1:32 + ++ +) | +H)
Ia ` + + | PPE p St
l : 128 SC + | Sa | +(+)
1:256 | + F | + | +
Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 273
Wie aus Tabelle VII hervorgeht, ist es für die Isoagglutination
gleichgültig, welcher Art die anwesenden Elektrolyte sind. In Kochsalz,
Glaubersalz, Calciumchlorid geht die Agglutination in genau gleicher
Stärke vor sich.
Als Vertreter eines dreiwertigen Kations haben wir Lanthan
hinsichtlich seiner Beeinflussung der Isoagglutination untersucht.
Bekanntlich vermag Lanthan (wie sämtliche drei- und höherwertigen
Kationen) in relativ sehr geringen Mengen die Blutkörperchen zu
flocken, zu agglutinieren. Für unsere Versuche kam nur eine Lanthan-
konzentration in Betracht, die nicht mehr agglutinierend wirksam
ist. Wir stellten in einem orientierenden Versuch fest, daß eine 5proz.
Blutkörperchensuspension von Lanthannitrat in der Konzentration
m/12800 nach 3 Stunden schwach agglutiniert wird, während m /25600
nicht agglutiniert. Wir benutzten daher für den Lanthanversuch eine
5proz. Erythrocytensuspension (Gruppe A), die m/25600 Lanthan-
nitrat enthielt, und untersuchten vergleichend den Agglutinintiter dieser
und einer lanthanfreien Suspension (Tabelle VIII).
Die Tabelle lehrt, daß Lanthan unter den gewählten Versuchs-
bedingungen die Agglutinierbarkeit der Blutkörperchen vermindert.
Die agglutinable Substanz der roten Blutkörperchen (oder das
Serumagglutinin) scheint durch Lanthan also schon in sehr geringen
Konzentrationen zum Teil zerstört zu werden. Da Lanthan (wie alle
dreiwertigen Kationen) ein starkes Eiweißfällungsmittel ist, so ist diese
Tatsache wohl verständlich.
Eingehender haben wir den Einfluß der H-Ionenkonzentration
auf die Isoagglutination untersucht. Wir verfuhren in der Weise, daß
je 2 ccm eines Serums der Gruppe O mit 0,5 und 1 ccm isotonischer (n/7)
Natronlauge und Salzsäure versetzt und mit physiologischer Kochsalz-
lösung auf 4ccm aufgefüllt wurden. Diese Serumverdünnungen ver-
schiedener H'-Ionenkonzentration wurden mit gleichen Teilen 5proz.
Blutkörperchensuspension (Gruppe A) versetzt. Die Messung des Py
erfolgte elektrometrisch in der U-Elektrode. Die endgültige Serum-
verdünnung betrug hier 1:4. Wir untersuchten außerdem in gleicher
Weise die Agglutination bei der Serumverdünnung 1:16. Im sauren
Gebiet (Pu 4,3 und 5,8) war das Serum trübe, infolge der Fällung der
Euglobuline. Die Resultate siehe Tabelle IX und X. |
Tabelle IX. Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die Isoagglutination.
Serum GruppeO. Blutkörperchen A. Serumverdünnung 1: 16.
Agglutination nach = Agglutination nach
4,3 +(+) | ++ 9,6 ++ | +++
5,8 ++ tr 10,6 +(+) l +(+)
75 TE + + + + a
274 | P. Rona u. H. A. Krebs:
Tabelle X.
Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die Isoagglutination. Serum
m O. Blutkörperchen A. Serumverdünnung 1:4.
Agglutination nach
u Fre 30 Minuten | 60 Minuten | 120 Minuten
Die Isoagglutination ist nach diesen Versuchen sehr weitgehend
unabhängig von der H-Ionenkonzentration des Mediums. Bei py 7,5
und Py 9,6 ist überhaupt kein Unterschied in der Stärke der Agglu-
tination festzustellen. Eine starke Zunahme der [H+] (Py 5,8 und 4,3)
schwächt die Agglutination ein wenig ab. Als Ursache für diese Tat-
sache kommen hauptsächlich zwei Faktoren in Betracht. Erstens
werden in diesem ` pe - Bereich die Serumagglutinine, soweit sie
der Euglobulinfraktion angehören, ausgeflockt oder wenigstens in
ihrer Dispersität vergröbert und dadurch unwirksamer gemacht.
Zweitens werden auch die Blutkörperchen durch Säure stark verändert.
Nach Haffner!) tritt bei einem pe kleiner als 4,5 regelmäßig Hämolyse
ein. Es ist demnach sehr wohl möglich, daß durch die Säure der Vor-
gang der Isoagglutination selbst nicht beeinflußt wird, daß vielmehr die
Abschwächung der Agglutination auf sekundäre Momente zurück-
zuführen ist.
Auch bei stärker alkalischer Reaktion ist die Agglutination etwas
schwächer. Dies kommt am deutlichsten bei starker Serumverdünnung
zum Ausdruck?).
Es ist auch in diesem Falle denkbar, daß die Abschwächung durch
sekundäre Faktoren bewerkstelligt wird. Höhere Alkaligrade können
ebenfalls die Serumeiweißkörper oder auch die Blutkörperchensubstanz
verändern; höhere Alkalikonzentrationen hämolysieren bekanntlich.
Zusammenfassung der Ergebnisse.
l. Die bei der Elektrodialyse erhaltenen Serumfraktionen
(Euglobulinfraktion und der in elektrolytfreien Medium lösliche Rest)
enthalten beide die gruppenspezifischen Isoagglutinine. Der Haupt-
anteil der Agglutinine ist in einigen Fällen im ,Serumrest“, in anderen
jedoch in der Euglobulinfraktion vorhanden.
1) F. Haffner, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 196, 15, 1922.
2) Ähnliche Befunde erhoben Michaelis und Davidsohn bei der Bakterien -
agglutination durch spezifische Agglutinine (diese Zeitschr. 47, 59, 1912.).
Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 275
2. Durch Verminderung des Elektrolytgehaltse des Mediums
(und Ersatz der Elektrolyte durch Rohrzucker oder Traubenzucker
zur Aufrechterhaltung der Isotonie) wird zunächst die Agglutination
unbedeutend abgeschwächt. Beim Absinken der Elektrolytkonzentration
auf etwa unter ein Drittel des Normalwertes nimmt die Agglutination
stark zu. Jedoch ist die Agglutination der Blutkörperchen durch Serum
bei geringem Elektrolytgehalt unspezifisch; sie ist reversibel durch
Elektrolytzusatz.
3. Vollständiger Ersatz des Kochsalzes durch Glaubersalz oder
Calciumchlorid in isotonischen Konzentrationen ist ohne Einfluß auf
die Isoagglutination.
4. Lanthan schwächt in sehr geringen Konzentrationen (in denen
es allein nicht zu agglutinieren vermag) die Isoagglutination etwas ab.
5. Die Isoagglutination ist von der H-Ionenkonzentration des
Mediums weitgehend unabhängig. Im sauren Gebiet wird die Agglu-
tination erst bei den H-Ionenkonzentrationen beeinflußt, wo bereits
grobe, sichtbare Schädigungen der Serumbestandteile (Flockung)
und der Blutkörperchen (Hämolyse) auftreten. Im stärker alkalischen
Gebiet (pe 10,6) ist die Agglutination etwas abgeschwächt.
Anhangsweise seien einige Versuche mitgeteilt, die den Einfluß
von Fremdsubstanzen, von oberflächenaktiven Verbindungen, von
Alkaloiden auf die Isoagglutination zu prüfen zur Aufgabe hatten.
Diese Untersuchungen werden noch fortgesetzt.
Versuche mit Urethanen.
Methyl-, Äthyl- und Isopropylurethan wurden in m/5 Lösung ver-
wendet. Höhere Konzentrationen sind infolge der Hypertonie der Lösung
ungeeignet. Isobutyl- und Isoamylurethan wurden in gesättigter Lösung
in 0,85proz. Kochsalzlösung benützt. Je 0,25ccm der Urethanlösung
kamen zusammen mit je 0,25ccm unverdünnten Serums der Gruppe A
und je 0,25 ccm proz. Erythrocytensuspension der Gruppe B. In Kon-
trollen befand sich an Stelle der Urethanlösung 0,25 ccm physiologischer
Kochsalzlösung.
In allen Versuchen war die Agglutination nach 1 Stunde bei Anwesenheit
von Urethanen genau so stark wie in den urethanfreien Kontrollen.
Ein weiterer Versuch mit einem Serum der Gruppe B und Erythrocyten
verlief im gleichen Sinne.
Ebenso waren auch geringere Urethankonzentrationen ohne Einfluß
auf die Isoagglutination.
Versuche mit Chinin.
In dem folgenden Versuch wurde Chininum hydrochloricum (in
physiologischer Kochsalzlösung gelöst) in absteigenden Konzentrationen
(je 0,25ccm) einem agglutinierendem System (Serum der Gruppe A, zu
276 P. Rona u. H. A. Krebs:
gleichen Teilen verdünnt mit physiologischer Kochsalzlösung je 0,25
+ Erythrocyten der Gruppe B in 5proz. Suspension in physiologischer
Kochsalzlösung je 0,25) hinzugefügt.
Endgültige
Agglutination nach
3 Min. ` 60 Min.
Chininkonzentration
+++ | + + geringe Hämolyse
1: 1200
1: 2400 NNN ++++
1: 4800 FERH ++++
1: 9600 ++ ++ ++++
Lea tt Lt
Es ergibt sich aus dem Versuch, daß Chinin erst in den Konzentrationen
einen Einfluß auf die Isoagglutination ausübt, wo es hämolytisch wirkt,
also grobe Alterationen der roten Blutkörperchen herbeiführt.
Bemerkenswert ist der folgende Versuch, in dem absteigende Serum-
mengen mit gleichen Erythrocyten- und Chininmengen zusammengebracht
wurden. Die Chininkonzentration war 1:1200. Das Serum gehörte der
Gruppe A, die Blutkörperchen der Gruppe B an.
Endgültige Agglutination nach
Serumkonzentration
l: +++ keine Hämolyse +++ keine Hämolyse
l: partielle vollständige 5
1:1 vollständige 5 ý j
l : 24 | n al ” D
48 n H n ”
Der Versuch zeigt, daß Serum die Hämolyse durch Chinin aufhebt.
Es handelt sich offensichtlich um eine Analogie zu der von Ransom?)
entdeckten Tatsache, daß die Saponinhämolyse durch Cholesterin ge-
hemmt wird.
Zusammenfassend läßt sich über die Chininversuche sagen:
Chininum hydrochloricum wirkt in hohen Konzentrationen hämolytisch.
In geringeren Konzentrationen, die nicht hämolysieren, ist es ohne Einfluß
auf die Isoagglutination. Die Chininhämolyse wird durch Blutserum ge-
hemmt.
Versuch mit Eucupin (Isoamylhydrocuprein).
Eucupinum bihydrochloricum wurde in der gleichen Anordnung wie
Chinin untersucht.
Endgültige | i Agglutination nach
Eucup nkonzentration 60 Min.
600 Hämolyse
1
l: 1200 8
1: 2400 +++
1: 4800 +++
1: 9600 d ++++
1:19 200 | Fead
1) Ransom, Deutsch. med. Wochenschr. 1901, S. 194.
Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 277
Das Resultat des Versuchs entspricht etwa dem Chininversuch: in
den hohen Konzentrationen (1:600 und 1: 1200) hämolysiert Eucupin,
in geringeren Konzentrationen (unter 1:9600) ıst es ganz ohne Einfluß
auf die Isoagglutination. In den dazwischen liegenden mittleren Kon-
zentrationen scheint ee die Agglutination leicht zu hemmen.
Versuche mit Vucin (Isooetylhydrocuprein).
Versuchsanordnung ebenso wie in den vorhergehenden Versuchen.
Das Serum gehörte der Gruppe O an und war 1:3 verdünnt; Erythro-
cyten Gruppe B.
Endgültige i Agglutinstion nach
Vucinkonzentratior ' 1 Std. 2 Stdn.
1: 3600 ' fast vollständige Hämolyse vollständige Hämolyse
1: 7200 ` DES? +++ teilweise
1: 14400 | +++ +++
1:57 600 + er tF
Der Versuch ergibt, daß Vuen in hohen Konzentrationen (1: 3600,
1:7200) hämolysiert und in den geringeren die Agglutination überhaupt
nicht beeinflußt.
Versuche mit Optochin (Äthylhydroeuprein).
Anordnung wie in den vorhergehenden Versuchen. Serum A,
Erythrocyten B.
Endgültige ee
Optochinkonzentration. 30 Min. | 60 Min.
|
1: 600 — | SÉ
1:1200 |; +++ ++++
1 : 2400 Lrtt I
1:4800 0°, ++++ | ++++
1 : 9600 0 ++++ |! ++++
Der Versuch zeigt, daß Optochin in einer Konzentration 1: 600 die
Agglutination fast ganz aufhebt, ohne — innerhalb der Beobachtungszeit —
zu hämolysieren. Bei 1: 1200 ist noch eine geringe Hemmung bemerkbar.
Niedrigere Konzentrationen sind unwirksam.
Damit ist zunächst eine Substanz gefunden, die, ohne sichtliche
Schädigungen der Erythrocyten herbeizuführen, die Agglutination über-
haupt beeinflußt. Optochin schien demnach geeignet, die Frage zu verfolgen,
ob etwa die Agglutination der Blutkörperchen A in anderer Weise beein-
flußbar wäre als die Agglutination der Blutkörperchen B.
In dieser Richtung haben wir eine größere Anzahl Versuche angestellt.
Zunächst wurden eine Reihe verschiedener Sera in folgender Anordnung
untersucht: Das Serum wurde mit physiologischer Kochsalzlösung auf das
dreifache Volumen verdünnt. Von der Serumverdünnung wurden 0,25 com
mit gleichen Teilen einer 0,5proz. Lösung von Optochinum hydrochloricum'
in physiologischer Kochsalzlösung versetzt. Dazu kamen 0,25 ccm einer
Biochemische Zeitschrift Band 169. 19
278 P. Rona u. H. A Krebse:
etwa 5proz. Erythrocytensuspension. In den parallel gehenden Kontroll-
versuchen befand sich an Stelle der Optochinlösung die entsprechende
Menge physiologischer Kochsalzlösung. Die Resultate sind tabellarisch
zusammengestellt.
Aus der Tabelle Ia ergibt sich, daß der Einfluß des Optochins unter
den gewählten Versuchsbedingungen auf die verschiedenen Sera nicht
gleichartig ist. In einigen Fällen ist überhaupt kein Einfluß oder nur ein
sehr geringer zu konstatieren (Nr. 21, 10, 13, 14). In der Mehrzahl der Fälle
ist eine Hemmung zu beobachten. Die Beeinflußbarkeit der Agglutination
durch Optochin weist keine gesetzmäßigen Beziehungen zu der Blutgruppen-
zugehörigkeit auf, wenn auch gewisse Unterschiede in dem Verhalten der
einzelnen Gruppen dem Optochin gegenüber angedeutet sind. Weitere,
umfangreichere Untersuchungen müssen die endgültige Klärung bringen.
Tabelle Ia.
nn der Isoagglutination durch Optochin.
TE Serum ! Erythrocyten Agglutination
fi Name Gruppe | Gruppe | obne en mit Eee
l Br. A B | ++ —
2 Fr. A B +++ +
3 Tag. A B | +4 4
4 Be. A B "E ee =
5 Lü. A | B 1 t++++ +
6 Rh. A B +++ ++
7 | Pu. A | B | +++ —
8 Jo. A B | +++ —
9 Kr. A B ++++ —
10 He. B | A +++ ++(+)
11 Re. B Ä A +++ =
12 | Cr. | B | A g o ie =
3 0 Ke 0o | B > 44H ++(+)
14 | Wa. | 0 B ++ +(+)
15 Schä. 0 | B ++ —
16 Ma. 0 | B ++++ +
17 Mi. 0 B I1 +++ +
8 | Ja. o | B uë Fpa +
19 Gr. | 0 B tr SCH
20 Gr. 0 A +++ ++
21 | Ja. 0 | A +++ +++
2 | Ki 0 | A +++ —
Weitere Versuche zielten darauf hin, festzustellen, ob sich etwa
unter anderen Versuchsbedingungen Zusammenhänge zwischen SAUDpen:
zugehörigkeit und Optochinhemmung auffinden ließen.
In den folgenden Versuchen wurde das Serum mit Optochinlösung
versetzt und der Agglutiningehalt des reinen und des optochinhaltigen
Serums bestimmt, indem diejenige Serumverdünnung festgestellt wurde,
die nach einer bestimmten Zeit nicht mehr agglutinierte.
Einige Versuche dieser Art seien hier wiedergegeben.
Tabelle IIa zeigt einen Versuch, in dem die Agglutination der Blut-
körperchen B wesentlich stärker gehemmt wird als die Agglutination der
Blutkörperchen A. Während das Serum ursprünglich die Erythrocyten A
Physik.-chem. Untersuchungen über die Isohämagglutination. I. 279
und B etwa gleich stark agglutiniert, werden nach Optochinzusatz zum
Serum die Blutkörperchen B kaum noch agglutiniert, die Blutkörperchen A
dagegen nur wenig schwächer als vorher.
Tabelle IIa.
Beeinflussung der Agglutination durch Optochin.
Serum der Gruppe O. Das Agglutinin f wird stärker gehemmt als das
Agglutinin a.
| Agglutination von Blutkörperchen 1 Agglutination von Blutkörperchen
Serum- der Gruppe A der Gruppe B
inn oa | Teei i g l aTa
o $ ohne Optochin Optochin 1 Proz. V ohne Optochin | Optochin 1 Proz.
1: 4 ++++ +++ +4++ ` +
1:8 | +4+++ +++, ++ +
l: 16 +++ +++ 0 ++ | +
l: 32 SE | Fr | ++ +
l: 64 | + + FE SE
1:128 + | Ge + es
1: 256 | — Ss = BER
Diese Verhältnisse fanden sich jedoch nicht regelmäßig. Tabelle IIIa
gibt einen Versuch wieder, in dem Hemmung der Agglutination durch
Optochin in beiden Fällen etwa gleichartig ist.
Tabelle III a.
Beeinflussung der Agglutination durch Optochin.
Ein Serum der Gruppe O ist mit verschiedenen Mengen Optochin versetzt
und jeweils der Agglutinintiter festgestellt. Das Agglutinin a wird in etwa
gleicher Weise wie das Agglutinin $ durch Optochin gehemmt.
Agglutination von Blutkörperchen A Agglutination von Blutkörperchen B
ec , 1 Teil Serum | 1 Teil Serum 1 1 Teil Serum
(endgültig) | Serum okas +1 el + a va onne Gë ai +
d en en | 0, Proz. | are: 05 Proz. 0, Proz.
LI 4 4444 | +++ | +++ + | HHHH |
ap, Zu, Selbst, lee
EE +++ | +++ | +++ ++ ++
1: 32 | ++] ++] ++ + + | +
l: 64 | + + | + + +
1:128 | — = | — - | =
l : 256 E — | — _— ; — Pas Pen
Es stellte sich sogar heraus, daß die Agglutination verschiedener
Erythrocyten der gleichen Gruppe durch Optochin in verschiedener Weise
beeinflußt werden kann. Einen solchen Versuch gibt Tabelle IVa wieder.
Es dürfte dies erklärlich sein im Hinblick auf die bekannte Tatsache, daß
überhaupt der Grad der Agglutinierbarkeit der verschiedenen Erythrocyten
der gleichen Blutgruppe erheblich schwankt.
19*
280 P. Rona u. H. A. Krebs: Physikalisch-chemische Untersuchungen usw. I.
Die angeführten Versuche, insbesondere der letzte, machen es sehr
unwahrscheinlich, daß sich durch die Optochinhemmung die Agglutination
der Blutkörperchen A von der Agglutination der Blutkörperchen B diffe-
renzieren läßt.
Tabelle IV a.
Beeinflussung der Agglutination durch Optochin.
Serum der Gruppe O. Die verschiedenen Erythrocyten der Gruppe A
werden ungleicbmäßig durch Optochin beeinflußt. Die schlechter agglutinier-
baren (Pat. Ha.) werden stārker beeinflußt.
lutination von
Agglu Agglutination von
Blutkörperchen A (Pat. St.)
Blutkörperchen A (Pat. Ha.)
Serums
verdünnun 1 Teil Serum | 1 Teil Serum
(endgültig ëch Serum ohne Serum ohne + 1 Teil + 1 Teil
Optochin Optocbin ı Optochin
| 0,5 Proz. Proz.
Zusammenfassend läßt sich über die Optochinversuche sagen:
Optochin hemmt in hohen Konzentrationen die Isoagglutination.
Unterschiede in der Hemmung bei den verschiedenen Blutgruppen
ließen sich nicht sicher feststellen.
Über den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration
auf die antiseptische Wirkung einiger Phenole
und aromatischer Säuren.
Von
T. Kuroda.
(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Berlin.)
(Eingegangen am 29. Dezember 1925.)
Daß Säuren die antiseptische Wirkung der Phenole erhöhen, ist
von verschiedenen Forschern gefunden worden!). Über den Einfluß
von Alkali auf Phenole findet man in der Literatur die Angabe?), daß
Alkali die antiseptische Wirkung der Phenole aufhebt, was mit dem
Befund von Robert Koch?) übereinstimmt, daß Phenolnatrium eine
sehr schwache antiseptische Wirkung zeigt. Bei diesen Versuchen ist
eine genaue Messung der Wasserstoffionenkonzentration nicht vor-
genommen worden. Man hat Laugen im Überschuß zugesetzt, so daß
in der Lösung kein freies Phenol mehr vorhanden war, sondern Phenol-
alkali neben Alkali. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß diese Lösungen
nicht gepuffert waren, so daß durch Verunreinigungen eine Ver-
schiebung der Wasserstoffionenkonzentration möglich war.
Es schien uns von Interesse, die im Titel genannten Beziehungen
etwas näher zu studieren und sowohl das alkalische als auch das saure
Gebiet zu berücksichtigen. Es ist ja bekannt, daß Desinfektions-
versuche des einen Autors mit Versuchen eines anderen niemals zu
vergleichen sind, weil bei derartigen Versuchen die Innehaltung der
Versuchsbedingungen kaum möglich ist, schon wegen der verschiedenen
Widerstandsfähigkeit der verwendeten Mikroorganismen. Es muß
also verlangt werden, daß unter den gleichen Bedingungen mit den
gleichen Mikroorganismen sowohl das saure als auch das alkalische
Gebiet untersucht wird. Auf Veranlassung von Prof. Joachimoglu
habe ich mich dieser Aufgabe unterzogen.
1) Vgl. Hailer, Die Desinfektion. Weyls Handb. d. Hyg. 2. Aufl. 8, 1109.
2) Frei, Zeitschr. f. Hyg. 75, 451, 1913.
3) Zitiert nach Frei.
282 T. Kuroda:
Zu den Versuchen verwendeten wir Bacterium coli und Bacillus
prodigiosus. Es wurden sowohl Abtötungsversuche als auch Versuche
zur Feststellung der Entwicklungshemmung ausgeführt.
Die Prodigiosusbazillen wurden auf Glasperlen in einem Exsikkator
mit Chlorcalcium bei Zimmertemperatur getrocknet. Die Trocknung
bei 37° schädigt die Bakterien. Die mit Bakterien behafteten Glas-
perlen wurden in die zu untersuchende Lösung gebracht, nach ver-
schiedenen Zeiten herausgenommen, in sterilem Wasser zweimal ab-
gespült und dann in flüssigen Agar von 40 bis 420 gebracht. Damit
wurden Platten gegossen. Zur Herstellung einer bestimmten Wasser-
stoffionenkonzentration benutzten wir Pufferlösungen nach Sörensen!).
Wir begnügten uns dabei nicht mit der berechneten Wasserstoffionen-
konzentration, sondern haben dies mit der kolorimetrischen Methode
von L. Michaelis?) kontrolliert.
In der Tabelle I geben wir einen Versuch mit Carbolsäure bei einer
Konzentration von 1:350 wieder. Wir sehen aus dem Versuch, daß
im sauren Gebiet kein Wachstum stattgefunden hat, während im
alkalischen py 7,8 bis 10,1 eine Abnahme der Desinfektionswirkung
zu beobachten ist. Dasselbe ergibt ein Versuch bei einer Konzentration
von Carbolsäure 1: 216.
Tabelle I.
Carbolsäure (1:350). 22°.
m/10 | 10 | m/10 Dest, | Carbols| Einwirkungsdauer in
Nr. Jä: Za) ACI | NaOH | HgO ICT e Minuten
ccm ccm ccm ccm ccm com | 30 | 60 | 120
| |
ı | —|20 |s0: —| — 14 | 2 | ee
gl laangt —. — SH Kaesch eg
3| ja 58 — | — ZE EE ER
d — | 70 ; 30 — — gm oe =
Bl ger OB e WB ie SÉ ER dee
6 — 1551 — ., 45 — — — —
7 9,9 — TI — | 01 — i naan + | wenig
8 9,0 — — | 1,0 — + ‚wenig! —
9 60 | — 40 1 — wenig! 3Kol.| —
0 | —-/|01ı TI Wl — a ea T
E E ek, Se Fe e
Tabelle II gibt einen Versuch mit o-Kresol bei einer Konzentration
von 1: 600 wieder. Im wesentlichen stimmt das Versuchsergebnis mit
den Ergebnissen der Carbolsäureversuche überein. Auch hier sehen
wir, daß in der Nähe des Neutralpunktes und namentlich im schwach
alkalischen eine Abnahme der antiseptischen Wirkung zu beobachten ist.
1) Vgl. diese Zeitschr. 21, 131, 1909.
2) Vgl. Houben, Handb. d. org. Methoden 1, 1013.
Finfluß der H-Ionenkonzentration auf die antiseptische Wirkung usw. 283
Tabelle II.
o-Kresol (1: 600). 22°,
min ` 0 aho | mii wat, PE S Finwirkungsdauer in
Nr. gig d HCI NaOH SCH CR 100) PH Minuten
ccm ccm | ocm ccm ccm ccm i 30 60 | 120
KI = 2.0 80 eu) wend 20 SKI LEM we
EECHER 2727| — | — | —
KB area ER Lien =
SH 70 | 30 = zs JL 0. u `Ä ze | — | _
hl | EA zë T 201 FE Ne
6 | — | 55 — 4,5 — 2,0 6,3 ||wenig| 1 Kol. | wenig
Ti gef leere! et 78 de ae ie
8 | 9,0 — | — 1,0 | — | 20 8,9 + wenig —
Be = | — | 40 | — | 20 |101 ER e i a
r a [Er T E A er EE ER E N ee
DT c ge weit see O Se, KL sët se bes
Die Versuche der Tabellen III, IV und V mit p- und m-Kresol
entsprechen vollkommen dem eben Gesagten.
Weiter haben wir das o-Chlorphenol untersucht, vgl. Tabelle VI.
Wir wollen darauf hinweisen, daß auch ein Überschuß von Hydroxyl-
ionen eine Verstärkung der antiseptischen Wirkung der Phenole bedingt,
was die Tabelle VI besonders deutlich zeigt. Im übrigen haben wir
auch hier das gleiche Resultat wie bei den anderen Phenolen.
Die Tabellen VII und VIII geben Versuche mit m- bzw. p-Chlor-
phenol, Tabellen IX und X die Versuche mit Thymol wieder. Die
Versuche mit Colibazillen haben die gleichen Resultate ergeben. Von
einer Wiedergabe der Tabellen sehen wir ab.
Weiter haben wir unsere Ergebnisse mit Hefe kontrolliert. Wir
benutzten Buchnersche Gärkölbcehen!). Die entwickelte Kohlensäure
wurde durch Wägung ermittelt. Die Gärung ging bei einer Temperatur
von 18° vor sich. Die gewünschte Wasserstoffionenkonzentration haben
wir mit Hilfe der oben erwähnten Pufferlösungen hergestellt. Es ist
klar, daß während der Gärung eine Verschiebung der Wasserstoffionen-
konzentration stattfindet. Wir haben zu Beginn des Versuchs und
nach 22 Stunden eine Messung auf elektrometrischem Wege vor-
genommen. Die Zahlen sind in der Tabelle XI enthalten. Die Tabelle
zeigt uns, daß bei pg 0,85 (Wert zu Beginn des Versuchs) eine starke
Hemmung der CO,-Produktion zu beobachten ist. Bei Py 6,82 (Ver-
such 2) ist die CO,-Entwicklung stärker als in den Kontrollen mit
bzw. ohne Carbolsäure (Versuche 4 und 5). Bei pe 11,6 sehen wir eine
deutliche antiseptische Wirkung, wie in den Bakterienversuchen.
1) Vgl. Joachimoglu, diese Zeitschr. 180, 240, 1922.
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289
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290 T. Kuroda:
Von aromatischen Säuren haben wir Benzoesäure und Salicylsäure
geprüft. Vgl. Tabelle XII und XIII. Bei saurer Reaktion ist die anti-
septische Wirkung der Säuren sehr deutlich, während um die neutrale
Zone eine antiseptische Wirkung kaum festzustellen ist.
Es fragt sich nun, ob bej den geschilderten Versuchen es sich um
eine direkte Wirkung der H-Ionen bzw. OH-Ionen handelt oder ob
diese lonen physikalische Konstanten, wie z. B. den Teilungs-
koeffizienten zwischen Lipoiden und Wasser ändert und indirekt die
antiseptische Wirkung beeinflußt. Zur Prüfung dieser Frage haben
wir den Teilungskoeffizienten des Phenols zwischen Olivenöl und
Wasser bei verschiedener H-Ionenkonzentration bestimmt. Die Be-
stimmung wurde in der Weise ausgeführt, daß wir 50 ccm einer 0,5 proz.
wässerigen Carbolsäurelösung mit 50 ccm reinen Olivenöls 16 Stunden
lang im Schüttelapparat bei 18° schüttelten. Nachdem sich die ölige
Schicht von der wässerigen geschieden hatte, wurde die wässerige vor-
sichtig abpipettiert und zentrifugiert und durch ein gehärtetes Filter
filtriert. In 10 ccm des Filtrats wurden nach der Methode von Beckurts
und Koppeschaar!) und gravimetrisch durch Fällung mit Bromwasser
die Carbolsäure bestimmt und der Prozentgehalt berechnet. Die Zahlen
finden sich in Tabelle XIV. Die Analysenresultate der Phenol-
bestimmung durch Titration nach Beckurts und Koppeschaar bzw. nach
dem gravimetrischen Verfahren stimmen gut überein.
Eine Bestimmung des Teilungskoeffizienten bei alkalischer
Reaktion war nicht möglich, weil durch Verseifung eine Klärung und
Trennung der wässerigen von der öligen Schicht nicht möglich war.
Wir können also nur die Zahlen vergleichen, die bei saurer Reaktion
und neutraler Reaktion gewonnen sind. Bei neutraler Reaktion beträgt
der Teilungskoeffizient 7,2. Dieser Wert stimmt mit einem früher
von H. Fühner?) ermittelten überein.
Bei saurer Reaktion ist der Teilungskoeffizient etwas höher. Er
beträgt 8,09. Auch in anderen Versuchen, die wir hier nicht wieder-
geben, fanden wir immer, daß bei saurer Reaktion unter sonst gleichen
Bedingungen der Teilungskoeffizient in der sauren Lösung höher ist
als in der neutralen. Es scheint demnach, daß die starke Wirksamkeit
des Phenols bei saurer Reaktion durch den höheren Teilungs-
koeffizienten zum Teil wenigstens erklärt werden kann. Daneben
spielen wahrscheinlich noch andere Faktoren, Dissoziation der Carbol-
säure, direkte Wirkung der H- bzw. OH-Ionen eine Rolle.
Änderungen der Oberflächenspannung durch die saure Reaktion
kommen nicht in Betracht. Die Messung der Tropfenzahl im Stalagmo-
meter ergab im Versuch 1 und 3 der Tabelle XIV keinen Unterschied.
1) Zitiert nach W. Autenrieth, Die Auffindung der Gifte S. 46, 1923.
2) H. Fühner, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 75, 66, 1914.
Einfluß der H-Ionenkonzentration auf die antiseptische Wirkung usw. 291
Zusammenfassung.
1. Es wurde die antiseptische Wirkung der Carbolsäure, der
drei isomeren Kresole, der drei isomeren Chlorphenole, des Thymols,
der Benzoesäure und Salicylsäure bei verschiedenen H-Ionenkonzen-
trationen untersucht.
2. Die Versuche wurden mit Prodigiosus-, Colibazillen und Hefe
ausgeführt. Die gewünschte H-Ionenkonzentration wurde mit Hilfe
von Pufferlösungen nach Sörensen hergestellt.
3. Bei saurer Reaktion war die Wirkung der Phenole und auch
der aromatischen Säuren am stärksten, um den neutralen Punkt herum
am schwächsten. Bei stark alkalischer Reaktion war eine antiseptische
Wirkung nachweisbar.
4. Bei saurer Reaktion ist der Teilungskoeffizient der Carbolsäure
zwischen Olivenöl und Wasser größer als bei neutraler Reaktion.
Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm.
I. Mitteilung:
Methodik.
Von
Fritz Lasch.
(Aus der biologischen Abteilung des Pharmakognostischen Instituts der
Wiener Universität.)
(Eingegangen am 30. Dezember 1925.)
Mit 2 Abbildungen im Text.
Die Technik der Resorptionsversuche von Organen in situ ist
heute wohl allgemein bekannt. Sie besteht am Darm prinzipiell in
der Isolierung einer Darmschlinge bei erhaltenem Mesenterium und
Einführen einer verschließbaren Kanüle durch die Bauchwand in die
Darmschlinge. Durch die Kanüle können die zu untersuchenden
Lösungen eingefüllt werden. Eine Versuchsanordnung, bei der die
Resorption von der Schleimhaut des isolierten, überlebenden Darms
aus verfolgt werden kann, habe ich in der mir zugänglichen Literatur
nirgends finden können. Ich habe nun versucht, eine solche Methode
auszuarbeiten, bei der es möglich ist, das Verhalten von chemischen
Substanzen in der Innenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Darms
quantitativ zu verfolgen und eventuell den Einfluß resorptions-
fördernder oder -hemmender Zusätze dabei zu untersuchen. Meine
im nachstehenden genau beschriebene Methode lehnt sich eng an die
Versuchsanordnung für den isolierten, überlebenden Darm an, wie
sie P. Trendelenburg!) angegeben hat. Es wird in seiner Methode die
Tätigkeit des Darms unter Füllung des Lumens registriert und so die
echten peristaltischen Kontraktionen, nicht nur die Pendelbewegungen
1) P. Trendelenburg, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 81, 55, 1917.
F. Lasch : Resorptionsversuche am isolierten, überleb. Darm. IT. 293
wie nach Magnus festgestellt. Die medikamentösen Zusätze erfolgen
nach Trendelenburg in die Außenflüssigkeit des Darms.
Der Gedanke, von dem ich nun ausging, war der, eine genau ge-
messene Menge von Flüssigkeit mit einem bestimmten Gehalt ver-
schiedener Substanzen in das Lumen des Darms einzubringen, nach
einer gewissen Zeit in dieser Lösung jene Stoffe wieder quantitativ
zu bestimmen und aus ihrem eventuellen Verschwinden Schlüsse auf
die Resorption ziehen zu können. Das Darminnere wird dabei unter
jenen Druck gesetzt, der für die Peristaltik des Organs optimal ist,
und dieser während des ganzen Versuchs beibehalten. Am Ende des-
selben wird die Innenflüssigkeit des Darms möglichst quantitativ
entfernt, in ihr die zu untersuchende Substanz quantitativ bestimmt
und es kann dann sofort ein zweiter Versuch mit oder ohne Zugabe
resorptionsfördernder oder -hemmender Mittel zum Vergleich an-
geschlossen werden. |
Es war nun bei der Versuchsanordnung des isolierten Organs von
vornherein klar, daß bei ihm die Resorptionsverhältnisse nicht derartig
physiologisch sein würden, wie an der vom Mesenterium her durch-
bluteten isolierten Darmschlinge in situ, da ja durch die Blut-
zirkulation die resorbierten Substanzen stets abtransportiert werden
und so eine Anreicherung in der Darmwand selbst vermieden wird.
Um nun in diesem Punkte ebenfalls den physiologischen Bedingungen
möglichst nahezukommen, wurde die Menge der Außenflüssigkeit
(Ringer), in die der Darm während des Versuchs eingehängt wird,
sehr groß genommen (1,5 bis 3,0 ccm Innenflüssigkeit des Darms,
dagegen 1400 bis 1600 ccm Außenflüssigkeit). Trotzdem kann wohl
unter den geschilderten Bedingungen das Verschwinden von Substanzen
‚aus der Innenflüssigkeit nicht als reine physiologische Resorption im
engeren Sinne des Wortes aufgefaßt werden, weil eine Reihe von
Faktoren fehlt, die bei der Resorption am lebenden Tiere selbst eine
gewichtige Rolle spielt, so die Strömung der Gefäße, der Austausch
zwischen Zellen und Blut und anderes mehr. Ich möchte hier auch
nur kurz auf die Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration sowohl
in der Innen- wie auch in der Außenflüssigkeit hinweisen. Letztere
(Ringer) soll der des Blutes möglichst gleich sein (pe = 7,3 bis 7,4).
Auf den Einfluß der p„-Konzentration bei der Dialyse des Calciums,
mit dessen Resorptionsverhältnissen ich mich zunächst beschäftigt
habe, wurde neuerdings von Loeb!) und Loeb und Nichols?) hin-
gewiesen.
1) Loeb, Journ. of gen. physiol. 6, 453, 1924.
2) Loeb und Nichols, Proc. of the soc. f. exper. biol. a. med. 22, 275,
1925.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 20
294 F. Lasch:
Jedenfalls erlaubt jedoch die Versuchsanordnung, wie sie hier
mitgeteilt wird, in vergleichenden Versuchen zu beobachten, wieviel
von einer eingebrachten Substanz vom Darmlumen aus mit oder ohne
Zusatz von resorptionsfördernden oder -hemmenden Mitteln ver-
schwindet. Sie dürfte auch gewisse Vorteile insoweit bieten, als man
medikamentöse Zusätze direkt in das Innere des Darms einbringen
und ihre Wirkung auf die Peristaltik beobachten kann. Dieser Vorgang
dürfte wohl physiologischer sein als der Zusatz in die Außenflüssigkeit
nach Trendelenburg. Über solche Versuche soll ein anderes Mal be-
richtet werden.
Über die Versuchsanordnung selbst gibt nachstehende schematische
Skizze Aufschluß:
Sauerstoff-
Bombe
Abb. 1.
Das Stativ mit den Mariottschen Flaschen ist bedeutend kleiner (etwa 5 mal) gezeichnet als
das Wasserbad mit der Kanüle. 1. [Das Stativ für die beiden Mariottschen Flaschen mit den
Versuchslösungen Mı und Ma besitzt oben die Rollen R, über welche die die Flaschen tragenden
Ketten laufen, die an den Haken K; und K3 befestigt werden können. Die beiden Flaschen sind
mit den Führungsringen F am Stativ beweglich befestigt. Das Stativ hat eine vom Boden an ge:
rechnete Skala und besitzt unten einen Dreifuß. 2. Von den beiden Mariott schen Flaschen gehen
die Gummischläuche @ zu einem Zweiwegbahn ZW und dann weiter zur Darmkanüle Dk, die im
Wasserbade W mit Hilfe der Klemmschrauben H (ebenso wie die Sauerstoffkanüle So) befestigt
ist. Gl=Glashahn, Doe = Darmöffnung, A = Abflußöfnung der Darmkanüle. Letztere geht durch
ein Loch des Wasserbadbodens und wird durch den Gummischlauch Schl gedichtet. Das Wasserbad
hat die Dimensionen!: Höhe 10, Breite 12, Länge 17 cm, sein Inhalt faßt etwa 1400 bis 1600 ccm.
Es steht auf einem Dreifuß. T= Thermometer, Qu = Quetschbahn, Glw = Glaswanne unter dem
Abflußrohr der Kanüle (für die Aufnahme der Durchspülungsflüssigkeit). Mi= Mikrobrenner,
H = Hebel mit dem Schreiber Sch. Ky= Kymographiontrommel, Ge= Gewichtsbelastung des
Schreibhebels, meist etwa 2g, Fl = Flüssigkeitsspiegel der Ringerlösung (Außenflüssigkeit).
D = Darm.
Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. I. Sub
Nebenstehend seien die Maße für die Darmkanüle selbet und deren
Bau kurz skzziert:
Die Kanüle kann mit den angegebenen
Maßen und den entsprechend weiten Darm-
öffnungen (für jede Tierart verschieden) von
jedem Glasbläser angefertigt werden!). Die
Maße sind natürlich nicht unbedingt bindend,
nur auf zwei Punkte muß bei der Herstellung
Gewicht gelegt werden, da ihre Beachtung
die Bedingung für das Gelingen der Ver-
suche darstellt!). Der Ansatz der Abfluß-
kanüle A muß unbedingt höher liegen als
der tiefste Punkt der ganzen Kanüle B.
Sonst gelangt beim Ablassen der Innenflüssig-
keit des Darmes auch Flüssigkeit aus dem
toten Raume (straffiert) der Kanüle mit
zur Untersuchung, die gar nicht im Darme
selbst gewesen ist, und die Resultate sind
wertlos. 2. Der Ansatz des Abflußrohres der
Kanüle (4) muß in der direkten, senk-
rechten Fortsetzung des Darmansatzrohres D
liegen, damit beim Absaugen der Innen-
flüssigkeit des Darmes nur diese selbst
abgesaugt wird.
Wenn diese beiden Punkte bei der Her-
stellung der Kanüle beachtet werden, so
gelangt nur die geringe Flüssigkeitsmenge
im toten Raume X—-Z mit der abgesaugten Abb. 2.
Darmflüssigkeit zur Untersuchung. Diese be- À
trug bei Kanülen in den angegebenen Dimensionen, wie ich mich in zahlreichen
Leerversuchen überzeugen konnte, selbst beim kräftigsten Absaugen mit
einer 5ccm Rekordspritze bei L nie mehr wie 0,lccm. Da nun die Darm-
innenflüssigkeit je nach Größe des Darmstückes 1,3 bis 3,0 ccm, eventuell
noch mehr beträgt, so spielen diese 0,1 ccm toter Raum wenig Rolle. Die
Versuchsresultate können dadurch niemals wesentlich verändert werden,
da ja auch die Flüssigkeit im toten Raume X — Z den Anfangsgehalt der
Lösung an zu untersuchender Substanz besitzt. — Wenn man bei L mit
einer 5-ccm-Rekordspritze wiederholt kräftig absaugt, bis keine Flüssigkeit
mehr kommt, so bleibt nun infolge der angegebenen Konstruktion der Kanüle
die Flüssigkeit im toten Raume (straffiert) vollkommen unberührt, und nur
alles, was senkrecht zur Saugrichtung bei L ist, d. h. die Innenflüssigkeit
des Darmes + die Flüssigkeit des toten Raumes (X — Z) von 0,1 ccm gelangt
in die Spritze und damit zur Untersuchung. Dabei ist nur vor dem Ver-
suchsbeginn darauf zu achten, daß weder im Darminnern noch im (straffierten)
toten Raume Luftblasen vorhanden sind. Besonders in letzterem Falle
gelangt sonst durch Nachgeben der Flüssigkeitssäule Lösung aus dem toten
Raume beim Absaugen mit in die Spritze. Enthält der Darm selbst im
Innern aber Luftblasen, so gelangen bei Vergleichsuntersuchungen hinter-
einander verschieden große Flüssigkeitsmengen in das Innere des Darmes.
1) Die ganze Apparatur kann fertig bezogen werden durch die Glas-
bläserei O. Ewald, Wien IX, Währingerstraße 26, Österreich.
20 *
296 F. Lasch:
In beiden Fällen erhält man dann falsche Resultate. — Man vermeidet
die Luftblasen im (straffierten) toten Raume am besten dadurch, daß man
die ganze Kanüle bis zur Darmöffnung schon vor dem Aufbinden des
Darmes mit der Versuchslösung luftblasenfrei füllt und dann den Glashahn
schließt. Das Vorhandensein von Luftblasen im Darme selbst umgeht man
dadurch, daß man denselben erst etwa fünf- bis sechsmal mit der Versuchs-
flüssigkeit füllt und diese immer wieder abläßt, eventuell, wenn eine be-
sonders hartnäckige Blase an der Kuppe des Barmes vorhanden sein sollte,
die auf diese Weise nicht zu entfernen ist, sucht man diese durch sehr sanfte
Massage nach abwärts mit gleichzeitigem Saugen bei L zu beseitigen, was
stets gelingt. Dann erst füllt man den Darm zum endgültigen Versuch.
Die Befestigung der Kanüle im Wasserbad erfolgt einerseits durch
einen Metallbügel mit Klemmschrauben, der am Rande des Gefäßes fest-
geklemmt wird, andererseits geht das Abflußrohr durch ein im Boden des
Wasserbadgefäßes vorhandenes Loch hindurch nach außen und unten.
Um das Abflußrohr der Kanüle, das durch das erwähnte Loch des Wasser-
bades geht, zieht man ein Stück Gummischlauch, so daß Rohr + Schlauch
etwas größer als das Loch sind; man führt erst das Glasrohr der Kanüle
durch die Öffnung des Bodens, bis sich dann der Schlauch im Loche fest-
klemmt, und dichtet auf diese Weise ab.
Das Wasserbad selbst kann aus Metall sein (bei unserer Apparatur
besteht es aus Zinkblech), es kann aber auch ebensogut eine Glaswannse
von otwa 1400 bis 1600 cem Inhalt verwendet werden, in deren Boden man
vom Gilasbläser ein entsprechendes Loch machen läßt. Das gläserne
Wasserbad hat den Voıteil der besseren seitlichen Beobachtung. Empfeblens-
wert ist nur, daß man das Loch für das Abflußrohr der Kanüle.in der Mitte
einer Längsseite des Gefäßes anbringen läßt, damit man beim Aufbinden
des Darmes auf die Kanüle von allen Seiten freie Zugänglichkeit und
Bewegungsfreiheit für die Hände besitzt.
Der Vorgang des Versuchs selbst gestaltet sich dann folgender-
maßen: Der Dünndarm eines durch Entbluten aus der Carotis ge-
töteten Meerschweinchens (man kann aber auch ebensogut den Darm
anderer Tiergattungen verwenden und hält sich dazu eine Anzahl von
Kanülen mit verschieden weiten Darmöffnungen vorrätig) wird gänzlich
vom Mesenterium bei sehr vorsichtiger Präparation befreit. Man sucht
sich ein passendes Stück von etwa 5 bis 6 cm Länge aus, schneidet das
Darmstück heraus und ligiert es gut an einem Ende. In der Ligatur läßt
man dann eine Fadenschlinge für das Häkchen des Fadens für den Schreib-
hebel. (Ich habe stets in allen Versuchen Darmstücke des Jejunums und
obersten Ileums genommen.) Hierauf sucht man durch sehr zartes
Streichen von der Ligatur her gegen das freie Darmende den Inhalt
des Darms zu entleeren, was leichter gelingt, wenn derselbe fest
(knollig) und nicht flüssig ist. Man bindet nun das freie Ende des
Darms, nachdem man es über die Darmöffnung der Kanüle gezogen
hat, an derselben fest, und zwar mit Zwirn an der dazu bestimmten
Eindellung. Dann hakt man den Haken des Fadens, der zum Schreib-
hebel führt, in die erwähnte Schlinge der Ligatur an der Darmkuppe
ein, belastet den Hebel eventuell entsprechend und bereitet alles für
Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. I. 297
die Schreibung am Kymographion vor. Nun füllt man das Wasserbad
mit einer bereits vorher auf 37 bis 380 (nicht über 40°) erwärmten
Warmblüterringerlösung bis über die Darmkuppe (etwa 1400 bis
1600 ccm bei den angegebenen Wasserbaddimensionen).. Vor Beginn
des Aufbindens der Darmschlinge werden (wie dies schon bei Be-
schreibung der Kanüle erwähnt wurde) die zu untersuchenden Lösungen
in die beiden Mariottschen Flaschen des Stativs (jede etwa 250 ccm
fassend) eingefüllt und mit jener Lösung, mit der der Versuch be-
gonnen werden soll, durch Heben der Flasche und Öffnen aller Ver-
bindungshähne, Schläuche und Kanüle bis zur Spitze der Darmöffnung
luftblasenfrei gefüllt. Dann werden alle Hähne geschlossen, die Flasche
wieder unter das Wasserbadniveau gesenkt und der Darm wie ge-
schildert aufgebunden. Nach dem Aufbinden des Darms, Verbinden
mit der Schreibvorrichtung und Füllung des Wasserbads (wie oben
angegeben) beginnt man mit der Sauerstoffdurchleitung und läßt
dann die Untersuchungslösung durch Öffnen und richtige Stellung
aller Hähne zwischen der entsprechenden Marsottschen Flasche und
dem Darmlumen und Heben der Flasche durch Emporziehen am
Stativ ins Innere des Darms eintreten. Die Martsotische Flasche wird
so weit gehoben, bis der Darm seine peristaltischen Bewegungen beginnt,
was am Kymographion verfolgt werden kann. In dieser Stellung wird
dann die Flasche mit der Kette am Haken des Stativfußes fixiert und
die Druckhöhe des Flüssigkeitsniveaus der Flasche an der Skala ab-
gelesen. Die Druckhöhe kann aber auch am Kymographion nach
P. Trendelenburg!) graphisch registriert werden. Man führt zu diesem
Zwecke einfach einen Gummischlauch vom Glasrohr, das durch den
durchbohrten Kork des Halses der Martottschen Flasche geht, zu
einem Pistonrecorder.
Eine unbedingte Notwendigkeit ist nur, daß bei aufeinander-
folgenden Vergleichsversuchen stets derselbe Druck (Druckhöhe)
herrscht, da sonst verschieden große Flüssigkeitsmengen in den Darm
eingepreßt werden und die Versuchsergebnisse wertlos sind. Nachdem
die Flüssigkeit in den Darm eingetreten ist und die Flasche am Stativ
fixiert wurde, wird der Darm durch Ablassen und wieder Füllen (etwa
drei- bis fünfmal) von etwaigen Luftblasen befreit und am Ende neuer-
dings gefüllt. Dann notiert man die Zeit des Versuchsbeginns. Nach
Ablauf der gewählten Versuchszeit wird der Glashahn der Darmkanüle
geschlossen, am Gummischlauch des Ablaufrohres derselben außerhalb
des Wasserbads eine 5-ccm-Rekordspritze angesetzt, der Quetschhahn
des Schlauches geöffnet und die Lösung im Innern des Darms durch
mehrmaliges Absaugen. gänzlich entfernt, bis keine Flüssigkeit mehr
1) P. Trendelenburg, l. e
208 F. Lasch:
abgesaugt wird. Die Spritze entleert man am besten immer in einen
graduierten 5 oder 10 ccm fassenden Meßzylinder mit eingeschliffenem
Glasstopfen. Nach Ablassen der Innenflüssigkeit kann man sofort
einen zweiten Versuch mit derselben oder einer anderen Lösung (in
der zweiten Mariottschen Flasche) anschließen. In letzterem Falle
schließt man den Zweiweghahn erst vollständig, entleert den Rest der
ersten Lösung, der sich noch im Schlauch und in der Kanüle befindet,
durch Öffnen des Glashahns der Kanüle und des Quetschhahns am
Abflußschlauch derselben und wäscht nun durch Umstellen des Zwei-
weghahns sowohl den Schlauch wie die Kanüle mit der neuen Lösung
gründlich durch. Dann füllt und entleert man den Darm selbst wieder
drei- bis fünfmal wie vor Beginn des ersten Versuchs, läßt endlich
wieder dauernd Lösung in sein Inneres eintreten und beginnt den
zweiten Versuch. Auf die dem ersten vollkommen gleich sein sollenden
Druckverhältnisse wurde bereits weiter oben hingewiesen. Bei einiger
Übung ist die Zeit, die das Ablassen der Flüssigkeit des ersten Versuchs
aus dem Darm und das Wechseln der Lösungen in der Kanüle bis zu
Beginn des zweiten Versuchs umfaßt, höchstens 4 bis 5 Minuten. Die
Versuchsdauer ist selbstverständlich in Vergleichsversuchen, namentlich
wenn irgendwelche resorptionsfördernde oder -hemmende Substanzen
geprüft werden sollen, in allen Versuchen vollkommen gleich lang zu
halten. Es möge ferner nur angedeutet werden, daß auch die Versuchs-
dauer von Wichtigkeit ist; sie soll nicht zu kurz genommen werden,
um ein deutliches Ergebnis außerhalb der Fehlergrenzen der chemischen
Methoden der zu untersuchenden Substanzen zu ermöglichen, anderer-
seits sind zu lange Versuchszeiten nicht ratsam, um die mit der Zeit
sicher auftretenden postmortalen Veränderungen der Schleimhäute
selbst bei intakter, gut arbeitender Muskulatur des Darms zu ver-
meiden. In den Versuchen, die ich mit Calciumchlorid vorgenommen
habe, habe ich das Optimum meiner Resultate bei zwei hintereinander
laufenden Versuchen an ein und demselben Darm bei 90 bis 100 Minuten
Versuchsdauer pro Versuch feststellen können. Auch bei Ausdehnung
der Zeiten auf 120 bis 135 Minuten konnte ich keine besseren Resultate
bekommen.
Die Flüssigkeitsmengen des Darms bei solch genau durchgeführten
Versuchen differieren nach dem Ablassen fast nie mehr als um 0,05
bis O,lcem bei einer Gesamtflüssigkeitsmenge von 1,5 bis 3,0 ccm,
je nach Größe des untersuchten Darmstückes. Es ist ratsam, nicht
zu kleine Stücke zu nehmen, da die Resorption ja von der Größe der
Innenfläche beeinflußt werden dürfte.
Die Bestimmung der zu untersuchenden Substanzen in der Innen-
flüssigkeit kann nach den üblichen chemischen Mikromethoden durch-
geführt werden, bei denen ja 0,5ccm meist genügen. Es können so
Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. I. 299
bei einer Flüssigkeitsmenge von mindestens 1,5ccm drei Parallel-
analysen durchgeführt werden, was ausreichende Genauigkeit gewähr-
leistet. Es ist unbedingt: notwendig, wie schon eingangs erwähnt
wurde, die ?g-Konzentration der Versuchslösungen und der Außen-
flüssigkeit (Ringer) jeweils zu bestimmen, wofür die kolorimetrische
Bestimmungsmethode mit Indikatorenreihen nach L. Michaelis genügen
dürfte, da es sich ja um klare Lösungsmittel handelt.
Nachstehend seien einige Versuche wiedergegeben, die einer
größeren Reihe entnommen sind, die zur Bestimmung des Einflusses
des Saponins auf die Resorption von Calcium ausgeführt wurden,
über die in der anschließenden Mitteilung berichtet werden wird. Die
Versuche zeigen sehr deutlich, daß die geschilderte Methodik auch
zur Prüfung anderer Fragestellungen brauchbar ist. In den angeführten
Versuchsbeispielen wird der Einfluß von NaCl auf den Übertritt von
Calciumchlorid im isolierten, überlebenden Darme gezeigt. Es ist aus
den nachstehenden Tabellen zu ersehen, daß in allen Versuchen, bei
denen die Innenflüssigkeit des Darms auf eine Kochsalzkonzentration
von 0,9 Proz. gebracht worden war, um etwa 12 bis 13 Proz. des Anfangs-
gehalts der Lösung an Calcium mehr resorbiert wurde, d. h. ver-
schwunden ist als ohne NaCl-Zusatz.
Der Außenringer hatte in diesen Versuchen eine pg von 7,3. Die
Calciumlösungen wurden jeweils frisch aus kristallisiertem Calcium-
chlorid Kahlbaum pro analysi mit Aqua dest. hergestellt und der
Calciumgehalt nach der Methode von de Waard!) bestimmt. Die
Calciumwerte sind stets Mittelwerte aus mindestens drei gut über-
einstimmenden Analysen. Die pa-Konzentration war mit und ohne
NaCl-Zusatz stets 7,0. Alle Versuche wurden am Dünndarm von
vom Meerschweinchen von 300 bis 600 g Gewicht ausgeführt.
Tabelle I
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2 || 100 | 52 2 : 24 |CaNacı| 2,297 | 1,896 || 0,401 , 18,2 |! 0,253 | 188
3 | 100 | 52 | 2 | 24 | Nur Ca | 2352 | 2234 lo118| 51 | — | —
4 || 100 | 52 | 2 | 24 | Ca NaCl | 2352 | 1,886 || 0,457 | 19,0 |; 0,339 | 270
1) de Waard, diese Zeitschr. 97, 176. 1919.
300 F. Lasch: Resorptionsversuche am isolierten, überleb. Darm. I.
Zusammenfassung.
Es wird eine Methode für Resorptionsversuche am isolierten,
überlebenden Darme von Warmblütern angegeben und genau be-
schrieben. Anschließend werden einige Versuche mitgeteilt, die die
Brauchbarkeit der Methode für die verschiedensten Fragestellungen
darlegen sollen. Diese Versuche zeigen, daß das Verschwinden von
Calcium aus der Innenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Dünn-
darms von Meerschweinchen vom Kochsalzgehalt der Lösung beein-
flußt wird. Besitzt die Flüssigkeit einen hohen Gehalt an NaCl
(0,9 Proz.), so verschwindet unter sonst vollkommen gleichen Ver-
suchsbedingungen um etwa 230 Proz. (Mittelwert) mehr Calcium aus
der Innenflüssigkeit des Darms, als wenn in der Lösung kein NaCl
vorhanden ist.
Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm.
II. Mitteilung:
Der Einfluß von Saponin auf die Resorption von Calcium.
Von
Fritz Lasch.
(Aus der biologischen Abteilung des Pharmakognostischen Instituts der
Wiener Universität.)
(Eingegangen am 30. Dezember 1925.)
Mit 1 Abbildung im Text.
Die Resorption von Saponinen durch die Darmwand beim Menschen
und Tiere war besonders in neuerer Zeit wieder Gegenstand zahlreicher
Untersuchungen.
Kofler, Kollert und Grill!) konnten im Gegensatz zu älteren Autoren
(Kobert, Daebler, Friboes und Fieger) feststellen, daß die Darmschleimhaut
für Saponine normal undurchgängig ist. Zu denselben Schlüssen kamen
Bayer und @aisböck®), die in Tierversuchen eine Resorption von Saponinen
nur bei Schädigung der Schleimhaut des Darmes mit Jalapa usw. nach-
weisen konnten. Die Versuche von Lasch und Perutz?) bestätigten diese
Ergebnisse. Diese Autoren konnten aber auch bei Verabreichung sehr großer
Saponindosen, von denen sie annehmen, daß durch sie die Schleimhaut in
ihrer Funktion gestört ist, eine Resorption von Saponinen feststellen.
Kofler und Kaurek*) zeigten in einer vor kurzem erschienenen Arbeit,
daß durch gleichzeitige Verabreichung von Saponinen die Wirkung von
peroral zugeführtem Strophantin und Digitoxin bei Fröschen und Mäusen
wesentlich gesteigert wird, indem schon Bruchteile der sonstigen tödlichen
Dosis letal wirken. Bei Kaninchen waren die Versuchsergebnisse zweifelhaft.
Es schien nun von Interesse, festzustellen, ob die Saponine einen
resorptionsfördernden Einfluß auch auf andere chemische Substanzen,
nicht nur auf Strophantin und Digitoxin besitzen. Es wäre hier nur
1) Kofler, Kollert und Grill, Wien. klin. Wochenschr. 1925, Nr. 13;
daselbst auch ältere Literatur.
2) Bayer und Gaisböck, W. med. W. 1924, Nr. 39 und 40.
3) Lasch und Perutz, W. klin. Woch. 1925, Nr. 15; The urologie a.
cutan. rewiew 29, 514, 1925.
t) Kofler und Kaurek, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 109, 362, 1925.
302 F. Lasch:
zu erinnern, daß durch Saponine die Oberflächenaktivität in hohem
Grade beeinflußt wird, wie sowohl der alte Schulversuch zeigt, bei
dem durch Kohle adsorbiertes Methylenblau unter Saponinzusatz glatt
durchs Filter geht, als auch neuere Versuche von Brinkmann und
Szt. György!) darlegen. Sie konnten feststellen, daß Hämoglobinlösungen
unter Saponinzusatz Kollodiumfilter passieren. Demnach könnten die
Saponine die Oberfläche der Darmschleimhaut vielleicht für Substanzen
durchgängiger machen als sie es sonst ist, ohne irgendwelche makro-
skopische oder mikroskopische Veränderungen zu setzen, welche auch
von Lasch und Perutz?) bei der Autopsie der Versuchstiere vermißt
wurden.
Von diesen Erwägungen ausgehend, untersuchte ich den Einfluß
der Saponine auf die Resorption des Calciums. Letzteres wählte ich
deshalb, weil über seine Resorptionsfähigkeit beim Tiere und Menschen
bei peroraler Verabreichung noch heute keine volle Klarheit besteht.
Während die Mehrzahl der Untersucher [Denis und Minot’), Han-
dovsky*), Clarc5), Jansen®) u al eine Resorption von Calcium bei
peroraler Verabreichung auf Grund von Untersuchungen des Blut-
calciumspiegels ablehnen, glauben Richter-Quitiner”) und Mason?) diese
nachgewiesen zu haben. Es dürfte jedoch schon in Hinsicht auf die
therapeutische Wichtigkeit des Calciums bei der Tetanie, anderen
spasmophylen Krankheitszuständen, bei Hämophylie zur Gerinnungs-
förderung usw. von Bedeutung sein, klarzustellen, ob und unter welchen
Bedingungen Calcium bei peroraler Verabreichung zur Resorption
gelangt. Wenn es möglich wäre, durch Zusatz anderer Substanzen in
nicht toxische Dosen, z.B. von Saponinen, eine sichere Resorption
des Calciums vom Magendarmtrakt aus zu bewirken, so würde dies
unter anderem auch einen unleugbaren therapeutischen Fortschritt
darstellen.
Ich habe nun Versuche in dieser Richtung am isolierten, über-
lebenden Darme nach der von mir angegebenen Methode?) vorgenommen,
und zwar, weil mir gerade diese Versuchsanordnung vorerst über-
sichtlicher erschien als die am ganzen Tiere, dessen Resorptionsverhält-
nisse doch wohl von den verschiedensten Umständen (Ernährung usw.)
1) Brinkmann und Szt. György, diese Zeitschr. 189, 261, 1923.
2) Lasch und Perutz, Wien. klin. Wochenschr. 1925, Nr. 13; The
urologie a. cutan. rewiew 29, 514, 1925.
3) Denis und Minot, Journ. of biol. Chem. 41, 357, 1920.
t) Handovsky, Jahrb. f. Kinderheilk. 41, 432, 1920.
5) Clarc, Journ. of biol. Chem. 48, 89, 1920.
6) Jansen, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 145, 209, 1924.
?) Richter-Quitiner, diese Zeitschr. 114, 58, 1921.
8) Mason, Journ. of biol. Chem. 47, 3, 1921.
D Losch, Vorausgehende Mitteilung in dieser Zeitschr.
Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. II. 303
abhängig sein dürften. Als Saponin verwendete ich in allen Versuchen
ein Saponinum purum albissimum Merck mit dem hämolytischen
Index 1:20875. Nach den Versuchen Kofler und Kaureks!) wirken
alle Saponine bei der Resorptionsförderung im wesentlichen gleich,
sie haben dabei auch das Mercksche Saponin untersucht. Die Calcium-
lösungen stellte ich aus kristallisiertem Calciumchlorid Kahlbaum pro
analysi mit destilliertem Wasser stets frisch her und bestimmte den
Calciumgehalt nach der Mikromethode von de Waard?).. Diese Methode
hat sich gut bewährt, besonders wenn man nach Blühdorn und @enck?)
und Hecht?) auf die möglichen Fehlerquellen, d.h. Festhaften des
Calciumoxalatniederschlags an den Wänden des Zentrifugenröhrchens
und dadurch Verluste beim Abheben der Waschflüssigkeit achtet.
Die Calciumwerte in den Tabellen sind stets Mittelwerte von mindestens
drei gut miteinander übereinstimmenden Parallelanalysen. Da nach
Loeb®) und Loeb und Nichols®) die Diffusion des Calciums im Serum
weitgehend von der Wasserstoffionenkonzentration abhängt, so habe
ich diese in den Calciumlösungen stets bestimmt. Ich verwandte hierzu
die kolorimetrische Methode mit Indikatorenreihen nach L. Michaelis,
deren Genauigkeit, da es sich ja um klare Lösungsmittel (Aqua dest.)
handelte, genügen dürfte.
Die Versuchsmethodik selbst war vollkommen die in der vorausgehenden
Mitteilung angegebene Anordnung. Alle Versuche wurden am Dünndarm
von Meerschweinchen von 300 bis 600g Gewicht ausgeführt, und zwar
wurde nur Jejunum und oberstes Ileum der Tiere verwendet. Es wurden
stets hintereinanderlaufende Vergleichsversuche in der Weise angestellt,
daß zuerst die Lösung mit Calcium allein und anschließend daran die
Calciumlösung derselben Zusammensetzung unter Zusatz von Saponinen
zur Resorption gelangte. Es wurde der Calciumgehalt in der Versuchs-
flüssigkeit bestimmt, die Lösung ins Lumen des Darms einlaufen und eine
gewisse Zeit bei konstantem Druck in seinem Innern gelassen; dann wurde
die Lösung möglichst quantitativ abgesaugt und der Calciumgehalt wiederum
festgestellt. Aus einer Differenz außerhalb der Fehlerquellen der Calcium-
bestimmungsmethode (+ 5 Proz.) konnte auf das Verschwinden von Calcium
aus der Innenflüssigkeit des Darms während der Versuchszeit geschlossen
werden, und diese wurde dann unter gewissen in der ersten Mitteilung
angegebenen Vorsichtsmaßregeln als Resorption aufgefaßt. Derselbe
Versuch wurde dann bei sonst vollkommen gleichen Bedingungen (Zeit,
Druck, Flüssigkeitsmenge) unter Zusatz von Saponinen mit derselben
Calciumlösung an demselben Darm wiederholt. Ergab nun dieser Versuch
bei gleichem Anfangsgehalt der Lösung an Calcium ein größeres Verschwinden
1) Kofler und Kaurek, 1l. c.
2) de Waard, diese Zeitschr. 97, 176, 1919.
3) Blühdorn und Genck, ebendaselbst 185, 581, 1925.
$) Hecht, ebendaselbst 148, 342, 1923.
5) R. Loeb, Journ. of gen. phys. 6, 453, 1924.
©) Loeb und Nichols, Proc. of the soc. f. exp. biol. a. med. 22, 275, 1925.
304 F. Lasch:
desselben aus der Innenflüssigkeit des Darms, so dürfte dies wohl mit
Sicherheit auf den Einfluß des Saponins zurückzuführen sein. Auf den
jeweils vollkommen gleichen pu-Gehalt wurde, wie schon oben erwähnt,
geachtet. Als Außenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Darms wurde
eine Ringerlösung von einer mp = 7,3 und folgender Zusammensetzung
verwendet: NaHCO, 0,03 Proz., CaCl, 0,024 Proz., KO 0,042 Proz.,
NaCl 0,9 Proz. Die Lebensfähigkeit des Darms wurde, wie angegeben,
fortlaufend während der ganzen Versuche durch Aufzeichnung seiner
peristaltischen Bewegungen am Kymographion registriert. Es sei gleich
an dieser Stelle festgestellt, daß eine wesentliche Beeinflussung der mus-
kulären Darmtätigkeit bei den angewandten Saponindosen nicht festgestellt
werden konnte. Die Temperatur des Wasserbads war während der ganzen
Versuche genau zwischen 37 bis 38°, niemals höher.
Nachstehend seien zunächst einige Versuchsreihen wiedergegeben, die
den Einfluß des Saponins auf die Resorption von Calcium deutlich erkennen
lassen. Es ist gleichzeitig aus ihnen gut zu ersehen, daß die Zeitdauer der
Versuche auf die Resorptionsgröße von Bedeutung ist.
Tabelle 1.
Zet/ | Te Te
dé | 3 ` 5 5 | 5 > ER | eg ra | Differenz | e, Seponin e d
OBERT o D ekzä ' eg pro em ` (resorbiert) ` mehr Calcium
= Ke 3 "el E, 53458 resorbiert
a | 5 =8188|®* $#e38p e Sal g TI Se
rale, "rt ëä io
ıı 3 |8 ZS SI e e sg
= H IS 2 -=£ ges SZ D 5 2 e E e oc
ES jx ëëiël Be | €) 30 Si
EIE | zig 0% ý S S E- E |aeg
BR. JET. | e, N s e gaH e Klatz?
BE: | SE SS IR BE. A e
= | H SE in
la | 15 52/23|70| Ca + Naci KÉ ee
b|| 15| 52 23 70 | dass. +18 0.3008| 13,0 0,165 | 110
2a || 25 | 52 23 701Ca+ NaCl E Wrah ees
b|| 25/52 23 7,0|das.+1S 13,4 0,138 | 80
3a | 30 | 52 2,3 7,0 | Ca + Nacl ' l! — | —
b|| 30| 52 2,4/7,0 dass. + 1 S ' 11,0 | 0,119 | 100
4a | 45 52 24|7,0 Ca + NaCl D E Ne
b|| 45,52 25|70|das. + 5 S 15,6 | 0,182 | 100
5a | 60/52 19/70 Ca + Nacı TE it
b || 60| 52 19.70 das. + 5 S 20,5 | 0,232: 98,5
6a || 90| 52 |24; 70| Ca + Nac. Tl es
b || 90| 52 2470| dass. + 58S 30,7 | 0,460 180
Ta || 100| 52 | 24 |70| Ca + NaCl
b || 100| 52 | 2,4 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,352 | 1,337 |1,015 | 44,1 | 0,614 | 140
8a | 100 | 52 | 2,9 | 70| Ca + Nacı 2352 Lëns |0457 | 190 | — —
b | 100 | 52 | 2,9 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,352 | 1,697 opp | 29,0 | 0,200 | 70,0
9a |110 52 21 |70| Ca + Nacı | 2409 |2086 (0323 | 134 | — | —
b || 110 | 52 | 2,1 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,409 | 1,706 |0,703 | 29,3 | 0,380 120
10a | 135 | 52 | 1,8 | 7,0 | Ca + NaCl | 2,409 | 2,195 0204 s5 | — | —
b |: 135 | 52 | 1,8 | 7,0 | dass. + 5 S | 2,409 | 1,847 |0,562 | 23,4 | 0,358 | 170
Aus Tabelle I ist zu ersehen, daß in allen Versuchen unter dem Einfluß
von Saponinum purum albissium Merck mehr Calcium aus der Innen-
flüssigkeit des Darms verschwunden ist als ohne Saponin. Die Menge
sowohl des ohne wie unter Saponinzusatz resorbierten Calciums unterliegt
Reeorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. II. 305
dabei wohl individuellen Schwankungen der Darmverhältnisse der einzelnen
Versuchstiere, ist jedoch gut in Beziehung zu setzen zur Dauer der Versuche,
und es läßt sich im allgemeinen feststellen, je länger die Dauer, desto größer
die Resorption. Nachstehend möge eine graphische Darstellung dies ver-
anschaulichen. In derselben sind die Mittelwerte des resorbierten Calciums
in Prozenten des Anfangsgehalts aus allen Versuchen von gleicher Dauer
sowohl mit als auch ohne Einwirkung von Saponinen im Zusammenhang
mit der Versuchszeit zusammengestellt.
110 35
Zet m Minuten
ere Calcium mit Saponin.
$
S
Mittelwerte des resorbierten
Ca in Proz. des Antangsyehalts
Zeit in der Lösung
Minuten
15 5,8 | 13,0
25 7.4 13,4
30 58 , 110
Ap 76 | 156
60 | 104 20,5
90 107 30,7
100 18,2 36,5
110 13,4 29,3
135 | 8,5 23.4
Aus dieser Abbildung ist zu ersehen, welchen Einfluß die Zeitdauer
auf die Resorptionsgröße ausübt; beide stehen mit geringen individuellen
Schwankungen bis zu einer Versuchsdauer von ungefāhr 100 Minuten im
direkten proportionalen Verhältnis. Über 100 Minuten nimmt die Resorp-
tionsgröße wiederum stark ab, wohl weil die funktionelle Tätigkeit der
Darmschleimhaut bereits trotz möglichst physiologischer Bedingungen am
isolierten Darm bei so langer Zeitdauer nicht mehr ihre volle Tätigkeit
entfalten kann. Diese Ansicht erfährt eine Stütze dadurch, daß nicht nur
die Resorption von Calcium allein, sondern auch von Calcium unter Saponin-
wirkung deutlich abnimmt. Überhaupt laufen beide Kurven (Resorption
mit und ohne Saponin) im allgemeinen parallel, nur ist bei den optimalen
längeren Versuchszeiten (90 und 100 Minuten) die Resorptionsbeeinflussung
unter Saponinzusatz stärker. Das Parallelgehen beider Kurven ist zugleich
eine Kontrolle gegen etwaige Fehler der Methodik.
306 F. Lasch:
Zusammenfassend läßt sich über obige Versuche sagen, daß bei
vollkommen gleichen Versuchsbedingungen (Zeit, Temperatur, Pgp,
gleicher Anfangskonzentration von Calcium) Calcium allein von der
Innenflüssigkeit des isolierten, überlebenden Darms aus je nach Länge
der Einwirkung in nicht sehr großem Maße (5 bis 18 Proz. des Anfangs-
gehalts) verschwindet, d.h. resorbiert wird, während bei Zugabe von
1,0 bis 5,0 mg Saponinum purum albissimum Merck pro Kubikzentimeter
der gleich zusammengesetzten Calciumlösung um 70 bis 180 Proz.
mehr (11 bis 36,5 Proz. des Ca-Anfangsgehalts) Calcium zur Resorption
gelangt.
Eine Anzahl weiterer Versuche wurde vorgenommen, um zu prüfen,
ob Saponin auch ohne den 0,9proz. Kochsalzgehalt der Innenflüssigkeit
seine. volle Wirkung entfalte, nachdem nach Versuchen, die in der
ersten Mitteilung in dieser Zeitschrift wiedergegeben wurden, in allen
Versuchen, bei denen die Innenflüssigkeit kochsalzfrei war, Calcium
allein fast gar nicht (nur wenige Prozente) aus der Innenflüssigkeit
verschwand. Es war denkbar, daß Saponin vermöge seiner starken
Oberflächenaktivität auch unter diesen Bedingungen seinen Einfluß
auf die Resorptionsfähigkeit des Caleiums unverändert ausübe. Eine
Tabelle möge die Ergebnisse dieser Versuche übersichtlich darstellen.
Tabelle II.
Unter dem Ein»
| G | | | er
z g | E Sp E | Calciumgehalt | 5
= E 5. H Ze der Lösung in |, Differenz fluß von Sapos
ei
5 | 8585| BU | = St -
RK {A eël È KEE | wël 8 | ggs
alle ie | e | a | fe, ffe
= | % g SZ p BBSS 2 | A o | aS | e 38
KAZEN S SI HE = = A Sei A | SEJ
>l E 3 S | 2,5 Le = ct E53 o No
ESTIR | g Il | e P |gs E [383
EE EE A ca EEE |o oe |743 8 x
gelt | I ges eg
la |100 | 52 | 2,4 7,0 Calcium ohne | 2297 | 2149 | 0,148! 63! — | —
/ Na | i
b |100| 52 [24 | 70 Calcium ohne | 2,297 | 1,602 || 0,695 | 31,6 | 0,547 | 500
a ` v
2a 100,52 2,4 70 Calcium ohne | 2,297 | 2,181 || 0,113 | 5,1 | 9 a
| i a
b 100 52 |2,4!7,0| Calcium ohne | 2,297 | 1,856 | 0,438 | 19,9 | 0,325 ` 390
| | NaCl + 58 | | |
Diese beiden Versuche legen vollkommen übereinstimmend dar,
daß ohne einen Kochsalzgehalt von 0,9 Proz. der Calciumlösung im
Innern des Darms bei einer Versuchsdauer von 100 Minuten nicht
mehr Calcium aus der Flüssigkeit verschwindet als bei einer Dauer
von 15 Minuten, wie ein Vergleich mit den Zahlen der Tabelle I lehrt.
Unter Zusatz von Saponin hingegen zur kochsalzfreien Calciumlösung
verschwindet nicht viel weniger Calcium als wenn der Kochsalzgehalt
Resorptionsversuche am isolierten, überlebenden Darm. II. 307
der Innenflüssigkeit 0,9 Proz. beträgt. Eine kurze Tabelle zeigt dies
übersichtlicher.
Tabelle III.
Mittelwerte des deeg Calciums in Proz. des Anfangsgehalts der Lösung an
Dauer cium bei folgenden Zussinmensetzungen
des
Versuchs ae Na CIl
Calcium ohne NaCl
0,9 Proz. + 5 mg
0,9 Proz. Saponin pro 1 cem
15 mi, 5,8 13 =
100 18 2 36,5 25,7
Die hier mitgeteilten Versuche lassen mit großer Wahrscheinlichkeit
den Schluß zu, daß Saponine, wie es von Kofler und Kaurek!) für
Strophantin und Digitoxin bei Frosch und Maus nachgewiesen wurde,
am isolierten, überlebenden Dünndarm des Meerschweinchens einen
deutlichen, stark fördernden Einfluß auf die Resorption von Calcium-
lösungen haben, auch wenn diese keinen Gehalt an Kochsalz (0,9 Proz.)
besitzen. Es werden nun am Tiere in vivo Versuche notwendig sein,
um zu entscheiden, ob unter dem Einfluß von nicht toxischen Saponin-
dosen Calcium bei peroraler Verabreichung zur Resorption gelangt
und in einer Erhöhung des Blutcalciumspiegels nachweisbar ist. Solche
Untersuchungen sind bereits im Gange.
Calcium ohne
Na ClsZusatz
Calcium + NaCl
0,9 Proz. + 5 mg Saponin
Zusammenfassung.
Es wird der Einfluß von Saponinum purum albissimum Merck auf
die Resorption von Calcium am isolierten, überlebenden Dünndarm
des Meerschweinchens nach einer neuen Methode untersucht.
Unter dem Einfluß des Saponins verschwindet bedeutend mehr
(um 70 bis 180 Proz.) Calcium aus der Innenflüssigkeit des Darms,
d. h. wird resorbiert, auch wenn die zur Resorption gelangende Calcium-
lösung keinen Kochsalzgehalt von 0,9 Proz. besitzt.
1) Kofler und Kaurek, l. c.
Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel.
Von
Karl Harpuder.
(Aus der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses Wiesbaden.)
(Eingegangen am 5. Januar 1926.)
Mit 1 Abbildung im Text.
Die Physiologie hat sich bisher mit den Eigenschaften des Knorpel-
gewebes nur wenig befaßt. Wir kennen wohl die chemische Zusammen-
setzung des Knorpels und wissen einiges über die Struktur und die
chemischen Eigenschaften seiner Bausteine, dagegen sind Unter-
suchungen über das biologisch wichtige, physikalisch-chemische Ver-
halten der Knorpelsubstanz im ganzen und der einzelnen Baustoffe
nur von einseitigen Gesichtspunkten aus vorgenommen worden. Anderer-
seits genügen die vorhandenen, gründlichen anatomischen Befunde
allein nicht, um Verständnis für das normale Verhalten des Knorpels
und die Genese krankhafter Knorpelveränderungen zu erhalten. Es
erscheint daher möglich, durch systematische Untersuchung von
normalem und krankem Knorpel weitere Aufschlüsse über seine normale
und pathologische Physiologie zu gewinnen. Die vorliegenden Unter-
suchungen befassen sich aber zunächst bloß mit normalem, mensch-
lichem Knorpel.
I. Versuche am ganzen Knorpelgewebe.
Das Material!) wurde regelmäßig aus dem Kniegelenk erwachsener
Leichen, durchschnittlich nicht später als 10 bis 12 Stunden nach dem
Tode entnommen, in physiologischer Kochsalzlösung frei von Blut gewaschen
und 3 Stunden in NaCl-Lösung aufbewahrt, dann zu den Versuchen ver-
wendet.
Da der gefäßlose Knorpel des Erwachsenen für die Zu- und Abfuhr
von Stoffen lediglich auf Diffusionsvorgänge angewiesen ist, wurden
zunächst seine Permeabilitätsverhältnisse als eine seiner wesentlichsten
Eigenschaften studiert.
1) Das Material verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof.
Herzheimer.
K. Harpuder: Physik.-chem. Untersuchungen am norm. Knorpel. 309
Zu diesem Zwecke wurden Extraktionshülsen von Schleicher &
Schüll (3,3 cm Durchmesser und 8,8 cm Höhe) am Boden mit einem Loch
von etwa 1,0 qcm versehen und dann dreimal in flüssiges Paraffin von 58°
Schmelzpunkt zur halben Höhe versenkt. Der Ausschnitt im Boden wurde
vom Paraffin befreit und über ihn möglichst gleichmäßige Knorpelscheibchen
von etwa 0,5mm Dicke durch Bestreichen des Randes mit flüssigem
Paraffin geklebt. Die so verschlossenen Hülsen wurden in Bechergläser
von 100 ccm Inhalt gesetzt, die 10 bis 15 ccm physiologischer NaCl-Lösung
enthielten. Trat in den nächsten 3 Stunden keine Flüssigkeit in die Hülsen
ein, so wurden sie abgespült und zum Versuch verwendet. Ließen sie
Flüssigkeit durch, so wurden sie nicht benutzt.
Zum Versuch selbst wurden in das Becherglas 20 ccm einer Lösung,
die den permeierenden Stoff in etwa blutisotonischer Konzentration ent-
hielt, gegeben, die Hülse eingesetzt und ebenfalls mit 20 ccm einer blut-
isotonen Gegenflüssigkeit (Dextroselösung, NaCl-Lösung) gefüllt. Die
Ansätze kamen für 48 Stunden in den Eisschrank, danach wurde der per-
meierende Stoff in der Außen- und Innenlösung quantitativ bestimmt.
Auch nach 72 Stunden wurden Proben entnommen. Stets wurden voll-
ständig getrennte Doppelversuche angesetzt.
Prüft man in dieser Weise die Durchtritisgeschwindigkeit der Elektro-
lyte in eine isotonische Traubenzuckerlösung, so zeigt sich, daß sie
allgemein eine recht geringe ist. Nach 48 Stunden bestehen beträchtliche
Konzentrationsdifferenzen zwischen Außen- und Innenflüssigkeit, die
sich nach weiteren 24 Stunden nur wenig — durchschnittlich um 10 bis
15 Proz. — vermindern. Die Anionen ordnen sich dabei in eine Reihe:
HCO, >J’ >H,PO, > Cl’ > Acetat’ > Br’ > Sulfat > Harnsäure,
annähernd wie sie als Hofmeistersche Reihe bei zahlreichen biologischen
Vorgängen beobachtet ist. Für die Kationen ergibt sich
NH, >K’>Na
und Mg" > Ca” > Ba”,
ebenfalls in Übereinstimmung mit den sonst beobachteten Kationen-
anordnungen.
Die Dialysegeschwindigkeit der Anionen wurde an ihren Natrium-
salzen nachgeprüft. In der folgenden Tabelle sind die Einzelwerte nach
48 Stunden wiedergegeben, wie sie sich im Mittel aus zwei Doppelversuchen
ergaben. Die Schwankungen zwischen den Einzelzahlen waren nicht un-
beträchtliche — bis 12 Proz. —, was wohl mit der nicht vollkommen gleich-
mäßigen Dicke und Beschaffenheit der Knorpelschnitte zusammenhängt.
Die Resultate waren unabhängig davon, ob das Perichondrium erhalten
war oder fehlte. Bestimmt wurde das Chlorid nach Volhard, Bromid und
Jodid nach dem gleichen Prinzip, das Sulfat als Bariumsalz nach den
Angaben im Treadwell, das Bicarbonat durch Titration mit HCl gegen
Kongorot, das Acetat durch Überdestillieren der mit Phosphorsäure an-
gesäuerten Lösung und Titration des Destillats mit NaOH gegen Phenol-
phthalein, das Phosphat durch Titration mit Uranacetatlösung und
Cochenille, die Harnsäure kolorimetrisch mit Cyannatrium und Phosphor-
wolframsäure.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 21
310 K. Harpuder:
Tabelle I.
| Konzentration Konzentration
Natrium N außen innen Verhältnis
| Proz. | Proz. außen : innen
Bicarbonat u. 24... 04 | oo | 2,89
Jodidd ....... 1,74 | 0,565 3,08
Phosphat (prim.) . . 1,44 0,39 3,71
Chlorid . . . .... 0,796 0,187 4,26
Acetat . . ....n. 0,574 0,098 5,85
Bromid. ...... 1,10 0,124 8,87
Sulfat . . . 2... 0,570 0,047 12,1
Urat [saures*)] .. . 0,0422 ` 0,003 14,0
*) Die Uratlösung wurde hergestellt, indem 50 mg Harnsäure in 100 ccm physiologischer Na Cl»
Lösung in der Siedehitze mit n/10 NaOH gelöst wurden. Die Reaktion wurde mit Neutralrot
kontrolliert und dann an der Gaskette nachgemessen.
Der Durchtritt der Kationen wurde an ihren Chloriden verfolgt.
Auch hier ergibt die Tabelle II Mittelwerte aus zwei Doppelversuchen.
Die Bestimmung des Ammoniaks wurde titrimetrisch nach Folin, die des
Natriums und Kaliums nach Kramer-Tisdall ausgeführt. Die Erdalkalien
wurden nach den Angaben im Treadwell bestimmt.
Tabelle II.
äs K ti K trati
| Kë on Lë "o on f E rhältnis
RER EE d 9,498 aas ` | 2,27
Kalium. ...... 0.450 0,130 3,46
Natrium . ..... 0,796 0,187 4,26
Magnesium . . .. . 0,26 0,146 2,03
Calcium ...... | 0,506 0,157 3,22
Barium. ...... | 1,523 0,282 6,40
Aus den beiden Tabellen ergibt sich, daß der Knorpel nicht wie
die Plasmahaut der roten Blutkörperchen oder wie nach den jüngsten
Untersuchungen von Michaelis (1) getrocknetes Kollodium und die
Apfelschale generell Anionen oder Kationen zurückhält, sondern daß
er, im ganzen schlecht permeabel, die einzelnen Ionen je nach ihrer
Stellung in der lyophilen Reihe individuell mehr oder minder durch-
läßt. Dieses Verhalten ließ sich noch weiter bestätigen dadurch, daß
die Dialyse nicht gegen Traubenzuckerlösung, sondern gegen Salz-
lösungen vorgenommen wurde. Prüft man die Permeabilität einer
Natriumsulfatlösung durch Knorpel gegen eine Natriumchloridlösung,
so muß der Durchtritt des Sulfats höher sein als gegenüber einer
Dextroselösung, wenn die Behinderung durch eine Passageunfähigkeit
des Kations bedingt wird. Der Versuch ergibt aber, daß das Verhältnis
Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 311
Sulfat außen zu innen 11:1 ist, also etwa das gleiche wie in Tabelle I.
Ebensowenig wurde die Dialyse von Urat oder Phosphat dadurch ver-
ändert, daß als Innenflüssigkeit Na Cl-Lösung gewählt wurde. Auch die
Wanderung der Kationen Ba und Ca konnte nicht beschleunigt werden,
als ihren Chloriden statt Dextrose NaCl-Lösungen gegenübergestellt
wurden. |
Sehr auffallende Ergebnisse hatten Versuche, den Durchtritt von
H und OH’ zu verfolgen. Als Außenflüssigkeit dienten etwa n/1000
HCl und H,SO, NaOH und KOH. Die nach 48 Stunden an der
Gaskette festgestellten Wasserstoffzahlen waren mit HCl
außen: 3,58; innen: 5,10;
mit H,SO,
außen: 3,65; innen: 5,79.
In anderen Versuchen wurden ähnliche Resultate erhalten, in
seltenen Fällen war die Differenz erheblich geringer, betrug einmal
sogar nur 0,25. Mit NaOH waren die Werte
außen: 7,73; innen: 6,27;
mit KOH
außen: 8,33; innen: 6,50.
In weiteren Versuchen wurden stärkere und geringere Differenzen,
herunter bis 0,3 beobachtet. Eine regelmäßige Abhängigkeit von der
Reaktion der Außenlösung konnte nicht festgestellt werden. So stellte
sich in einem Versuch bei einem py 7,32 der Außenlösung ein Innenwert
von 5,50, ein zweites Mal bei po 7,29 außen für die Innenflüssigkeit
die Zahl 7,00 ein. Jedenfalls handelt es sich um verschiedene Be-
schaffenheit der Knorpelscheibchen. Im ganzen ist die Dialyse-
behinderung der sonst beweglichsten H’ und OH’ sehr stark, zum Teil
enorm, was wohl auf Reaktion derselben mit der Knorpelsubstanz
und Veränderung des Gewebes zu beziehen ist.
Auch die Dialyse von Nichlelektrolyten wurde untersucht, und
zwar wurden als Typen der lipoidunlöslichen Stoffe die Dextrose, als
Vertreter wenig fettlöslicher Körper der Harnstoff und endlich als
gut lipoidlösliche Substanzen Urethan und Aceton!) gewählt.
Es kamen wieder isotonische Lösungen des betreffenden Körpers
als Außenflüssigkeit, physiologische NaCl-Lösung als Innenflüssigkeit
zur Verwendung. Nach 48 Stunden erfolgte die quantitative Bestimmung
innen und außen, die bei der Dextrose polarimetrisch mit dem Landolt-
schen Apparat, beim Harnstoff und Urethan durch Kjeldahlisieren, beim
1) Aceton wird in wässeriger Lösung von den Paraffinhülsen selbst in
48 Stunden nur in Spuren durchgelassen.
21 *
312 K. Harpuder:
Aceton nach Messinger-Huppert ausgeführt wurde. Die Ergebnisse waren
folgende (je zwei Doppelversuche):
Tabelle III.
, EE EE y Jerhälta is
. Promo | Pm JI
Dextrose ...... 3,67 0,33 | 11,12
Harnstoff. ..... | 4,01 0,25 16,04
Urethan-N ..... ' 0,464 0,106 ` 4,37
Aceton . ...... | 1,89 1,13 | 1,67
Es besteht also ein offenbarer Zusammenhang zwischen Lipoid-
löslichkeit und Durchtrittsgeschwindigkeit der Nichtelektrolyte durch
den Knorpel, wie dies auch für die Zellmembranen nachgewiesen ist.
Beim Aceton erfolgt in 48 Stunden ein fast vollständiger Ausgleich,
während die Dialyse des Traubenzuckers äußerst langsam vor sich geht.
Es war noch die Frage zu entscheiden, ob die Permeabilität des
Knorpels durch Vorbehandlung mit oberflächenaktiven Substanzen
zu erhöhen ist, wie Brinkman und van Dam dies für schlecht durch-
gängige Membranen, z. B. aus formolgehärteter Gelatine zeigen konnten.
Es wurden daher Knorpelscheibchen für 24 Stunden zunächst in
Urethanlösung, in gesättigte, wässerige Tributyrinlösung eingebracht,
häufig umgeschüttelt und nach dieser Zeit gründlich abgespült und
3 Stunden lang in oft gewechselter physiologischer NaCl-Lösung ge-
wässert. Alsdann. wurden sie in üblicher Weise zu Versuchen ver-
wendet. Doch ergab sich beim Durchtritt von Sulfat, Phosphat und
Dextrose keine verwertbare Abweichung von den in den Tabellen
niedergelegten Resultaten.
Zusammenfassend kann nach diesen Versuchen gesagt werden,
daß der normale Knorpel ein schlecht permeables Gewebe ist. Im einzelnen
hängt die Durchtritisgeschwindigkeit der Elektrolyte von der Stellung
ihrer Ionen in den Ionenreihen ab, während die Dialyse der Nichi-
elektrolyte von ihrer Lipoidlöslichkeit abhängt.
Es interessierte weiter, ob Knorpel imstande ist, Salze an die
umgebende Lösung abzugeben. Man hat den Ausfall von Natriumurat
am Knorpel bei der Gicht so zu erklären versucht, daß ein Austritt
von Natriumsalzen und dadurch eine Löslichkeitsverminderung des
Urats stattfinde..e Doch war eine experimentelle Nachprüfung dieser
Hypothese nicht erfolgt. Um sie auszuführen, wurden die Extraktions-
hülsen mit Bodenöffnungen von etwa 2,5 qcm versehen und nach
dem Paraffinieren mit Knorpelscheiben beklebt. Als Außen- und
Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 313
Innenflüssigkeit wurden je 10 ccm destillierten Wassers oder je 10 ccm
5proz. Dextroselösung verwendet. Es zeigte sich, daß die mit Peri-
chondrium bedeckte Knorpelseite in 48 Stunden Kalium, Natrium,
Calcium, Chlorid, Phosphat und Sulfat in analytisch nachweisbarer
Menge nicht abgibt. Die verletzte Knorpelseite gibt an destilliertes
Wasser wie an Dextroselösung Spuren von NaCl, kein Kalium, kein
Calcium, kein Sulfat und Phosphat ab. Wurden dünn geschnittene
Knorpelscheiben mit einem Trockengewicht von 0,280 g bzw. 0,289 g
mit je 20 ccm Dextroselösung geschüttelt und dann nach 48 "oder
72 Stunden die Lösung analysiert, so fanden sich in ihr 4 bis 5 mg-Proz.
NaCl, kein Kalium, kein Calcium, eine Spur Sulfat, kein Phosphat.
An eine 0,90proz. NaCl-Lösung gibt Knorpel keine Salze in nach-
weisbarer Menge ab.
Endlich wurden Versuche über die Quellbarkeit des Knorpels und
ihre Abhängigkeit von Salzen, von Nichtelektrolyten und namentlich
von der Reaktion angestellt, letzteres in der Hoffnung, ein begrenztes
Quellungsminimum zu finden und dadurch das kolloidale System des
ganzen Gewebes in bestimmter Richtung zu charakterisieren.
In üblicher Weise wurden Knorpelscheibehen mit Fließpapier abge-
trocknet, gewogen, für 24 Stunden in Lösungen eingelegt und nach Ab-
tupfen mit Fließpapier wieder gewogen. Die Versuche mit frischem Knorpel
gaben aber keine verwertbaren Resultate, die Quellungsgröße war in allen
Fällen sehr gering und innerhalb oder zu wenig oberhalb der Fehlergrenzen
der Methodik. Daher wurden die Knorpelstückchen in späteren Versuchen
vorsichtig bei 37° im Brutschrank 24 Stunden lang getrocknet, gewogen
und nun in die Lösungen gebracht, um wie sonst weiter behandelt zu
werden.
Als Lösungen wurden verwendet je 10 ccm destillierten Wassers,
dem durch m/60 Phosphatpuffer oder Säure- und Laugezusatz bestimmte
Reaktionen erteilt wurden, physiologische NaCl-Lösung eventuell mit Zusatz
von 0,02 bis 0,05 Proz. CaCl,, Dextroselösung.
Die Gewichtszunahme der Knorpelstückchen betrug in den ver-
schiedenen Versuchen 350 bis 400 Proz. des Ausgangsgewichts. Im
gleichen Ansatz mit Knorpel gleichen Ursprungs sind Schwankungen
von 30 bis 40 Proz. zu beobachten, ohne daß hierauf Gewicht gelegt
werden könnte. Im Bereich der im Organismus überhaupt denkbaren
Reaktionsschwankungen ist die Quellungsgröße des Knorpels als
konstant zu betrachten. Bei relativ stark alkalischer Reaktion —
n/100 NaOH — steigt sie mäßig an, bei verhältnismäßig stark saurer
Reaktion sinkt sie etwas ab. Ein umschriebenes Quellungsminimum
ist nicht erkennbar.
Tabelle IV gibt einen Versuch in destilliertem Wasser unter Zusatz
von m/60 Natriumphosphat zur Reaktionsregulierung wieder.
314 K. Harpuder:
Tabelle IV.
Do Ä Anfangsgewicht ea | Beten
IRRE N mg ë ë | ` më Anfangsgewichts
7,72 56,6 | 195,7 | 346
199 55,9 | 188,4 335
1,34 62,9 l 225,1 358
6,98 53,3 | 195,6 367
6,60 32,6 | 108,6 333
29 51,2 | 1656 320
5,91 67,3 | 222,5 330
3,81 65,6 | 224,8 343
5,26 103,3 340,2 330
In einem ähnlichen Versuch unter Zusatz verdünnter Natronlauge
und Salzsäure betrug die Gewichtszunahme bei pa 9,47 414 Proz.,
Pa 7,85 400 Proz., hielt sich von da über den Neutralpunkt hinaus bis
zu einem pg 4,70 um 360 Proz. mit den üblichen Schwankungen und
sank dann auf 320 bis 340 Proz. ab. In physiologischer NaCl, auch
mit Zusatz von CaCl,, in Glucoselösungen waren die Resultate die
gleichen. So bewegte sich die Quellungsgröße in Glucose mit m/60
Phosphat von pa 7,73 bis 4,87 zwischen 346 und 369 Proz. und fiel
bei pe 4,55 auf 309 Proz., bei py 4,13 auf 281 Proz. ab (primäres Phosphat
und freie Phophorsäure 64:1).
Im ganzen ist die Quellung des normalen Knorpels!) eine ziemlich
konstante, von äußeren Faktoren, wie sie biologisch eine Rolle spielen
könnten, unabhängige Größe.
Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu Befunden von Freudenberg
und György (2), die in Phosphatgemischen ein Quellungsminimum des
Knorpels bei py 5,3 fanden, auf beiden Seiten davon einen jähen Anstieg
der Quellung, dem weiterhin wieder ein Abfall folgte. Worauf diese
Divergenz der Resultate zurückzuführen ist, können wir nicht erklären,
vielleicht ja auf die wesentlich verschiedene Versuchsdauer.
II. Versuche an isolierten Knorpelbestandteilen.
Von isolierten Knorpelbestandteilen ist bekannt: das Chondromukoid
(Mörner), das Albuminoid, das Glutin, die Chondroitinschwefelsäure und
1) Bei einem Fall von Arthropathia deform. konnten inzwischen fast
entgegengesetzte Befunde erhoben werden. Weiteres Material wird unter-
sucht werden.
Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 315
e
endlich Glykogen und Salze. Die folgenden Untersuchungen beschränken
sich auf diejenigen Substanzen, deren Anwesenheit für den Knorpel charak-
teristisch ist.
Das Chondromukoid wurde (nach den Prinzipien Mörners) hergestellt,
indem etwa 5g fein zerschnittener Knorpel 8 Tage lang bei 40° mit 75 ccm
n/10 HCl ausgezogen wurden. Die Knorpelstückchen wurden dann auf
dem Filter säurefrei gewaschen und 3 Stunden lang in der Kälte, hierauf
durch kurzes Aufkochen mit 50 ccm n/10 NaOH extrahiert. Der Extrakt
wurde mit l n HCI vollständig ausgefällt, die weiße, flockige Fällung auf
dem Filter gründlich mit verdünnter HCl gewaschen, mit 1 n NaOH
gelöst, der Rückstand durch Ausschleudern entfernt, die Lösung wieder
mit 1n HCl gefällt. Umfällung und Auswaschen wurden im ganzen dreimal
vorgenommen. Schließlich wurde der Niederschlag wieder in 1 n NaOH
gelöst und mit In und n/10 HCl gegen Lackmus vorsichtig neutralisiert.
Von dieser Lösung wurden je 2ccm in Reagenzgläser gebracht und mit
n/100 HCl in abgestuften Mengen versetzt, dann mit n/1l0 und 1 n Säure.
Die Reaktionen wurden an der Gaskette gemessen. Weiter wurden mit der
Lösung die bekannten Fällungsreaktionen angestellt.
In Übereinstimmung mit den vorhandenen Literaturangaben
erwies sich das von uns dargestellte Chondromukoid fällbar mit Eisen-
chlorid- und Kupfersulfatlösung, nicht fällbar mit Sublimat. Es erwies
sich weiter, daß durch Sättigung mit NaCl eine Ausflockung eintritt,
ebenso durch Eintragen von Ammonsulfat, und zwar beginnend bei
einer Konzentration von 33 Proz. und vollständig bei 50 Proz. Durch
Kochen oder durch Alkoholzusatz konnte eine Koagulation nicht
herbeigeführt werden. Phosphorwolframsäure + HCI fällt, Ferrocyan-
kalium-Essigsäure nicht. Auf Zusatz von HCl trat Flockung auf bei
Py etwa 3,1, die sich in breiter Zone bis pg etwa 0,6 erstreckt. Das
Maximum der Flockung liegt bei py etwa 1,9. Auf beiden Seiten des
Fällungsbereichs sind Trübungszonen, die im Alkalischen bei pp etwa 4,0
endet, während auf der sauren Seite erst bei einer Salzsäurekonzentration
von 5 Proz. eine völlige Aufhellung eintritt.
Das C’hondromukoid ist also ein Ampholyt, das seinen isoelektrischen
Bereich sehr weit im Sauren hat, verhältnismäßig starke Säurenatur
und sehr schwache basische Eigenschaften besitzt. Ob die Breite der
instabilen Zone eine seiner charakteristischen Eigenschaften ist oder
ob es sich um die Folge von Beimischungen handelt, die trotz der
sorgfältigen Präparation nicht entfernt wurden, läßt sich nicht ent-
scheiden.
Zur Darstellung des Albuminoids wurde nach zwei verschiedenen
Methoden vorgegangen. Entweder wurden die Knorpelstückchen so extra-
hiert wie zur Gewinnung des Chondromukoids, der Rückstand des alkalischen
Auszugs mit Wasser alkalifrei gewaschen und nun mit n/10 HCl in der
Siedehitze erneut extrahiert. Oder es wurden die nativen Knorpelstücke
zunächst 24 Stunden mit n/l0O NaOH digeriert, alkalifrei gewaschen,
durch gründliches Auskochen mit Wasser von Glutin befreit und nun
316 K. Harpuder:
das Albuminoid aus den Resten mit n/10 HCl in der Kälte und durch Auf-
kochen herausgelöst.
Die neutralisierte Lösung des Albuminotds ist durch Säure oder
Alkali nicht fällbar, auch nicht beim Erhitzen. Sie ist ferner nicht
fällbar mit NaCl, Eisenchlorid, Kupfersulfat, Ferrocyankalium-Essig-
säure, Sublimat-Salzsäure.. Koagulation ist möglich mit Ammon-
sulfat, Alkohol, Phosphorwolframsäure + Salzsäure. Die Alkohol-
fällung ergibt ein von der Reaktion abhängiges Stabilitätsminimum,
das bei einem py von etwa 6,4 liegt. Die hier nötige Alkoholkonzentration
beträgt nur 20 Proz. Auch die Fällung mit Ammonsulfat tritt schon
bei niedriger Salzkonzentration auf, bei etwa 25 Proz.
Das @lutin des Knorpels wurde dargestellt, indem fein zerschnittene
Knorpelstückchen zunächst mit n/10 NaOH 48 Stunden lang digeriert
und dadurch von dem Chondromukoid und der Chondroitinschwefel-
säure befreit wurden. Sie wurden dann frei von Alkali gewaschen und
hierauf mit Wasser in der Siedehitze der Leim ausgezogen. Die Eigen-
schaften des Knorpelglutins sind mit denen der anderen Glutine
identisch, es ist durch Schwermetallsalze und durch Ferrocyankalium-
Essigsäure nicht. fällbar, aber auch nicht durch Sublimat-Salzsäure.
Durch Phosphorwolframsäure und Sulfosalicylsäure wird es koaguliert.
Auf Zusatz verdünnter Säuren zu einer neutralen Lösung tritt Fällung
auf, die bei Anwendung von HCl ihr Maximum bei pe 4,6 bis 4,5 aufwies.
Die instabile Zone reichte von py etwa 4,95 bis py etwa 4,1. Daß
sich der isoelektrische Punkt des Knorpelglutins nicht vollständig
mit dem der Gelatine von 4,7 deckt, darf wohl nicht auf eine
Wesensverschiedenheit bezogen werden, sondern ist eher eine Folge
fremder Beimengungen.
Endlich wurde noch die C'hondrotinschwefelsäure nach Schmiede-
bergs (3) Angaben als Natriumsalz isoliert. Zur Befreiung vom Glutin
wurde besonders sorgfältig vorgegangen, siebenmal umgefällt, so daß
das Filtrat keine Spur von Biuretreaktion mehr gab. Es resultierte
ein eben gelbliches Pulver, das in Wasser leicht löslich ist. Auf Säure-
oder Alkalizusatz tritt keine Fällung auf, ebensowenig auf Zusatz von
Phosphorwolframsäure —H Cl und Ammonsulfat. Mit Alkohol sind auch
verdünnte Lösungen fällbar, und zwar ist die Fällbarkeit maximal
bei alkalischer Reaktion, so daß bei einem pg von etwa 10,5 75 Proz.
Alkohol, bei >11 40 Proz. Alkohol benötigt werden, um eine grob-
flockige Koagulation zu erzielen. Diese Fällbarkeit bleibt bestehen
auch bei Zusatz von 33 Proz. NaOH. Bei Reaktionen von pe < 10
sind erst hohe Alkoholkonzentrationen imstande, eine feinflockige Aus-
scheidung herbeizuführen, die langsam sedimentiert. Sie kommt auch
bei stark saurer Reaktion noch hervor.
Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 317
Mit Kupfersulfatlösung tritt Blaufärbung, aber keine Fällung auf.
Es werden beträchtliche Mengen Kupfer in Lösung gehalten. Mit
neutralem Eisenchlorid tritt ein Niederschlag auf. Da die freie Säure
wegen ihrer Zersetzlichkeit nicht darstellbar ist, mußte sich die Unter-
suchung der Chondroitinschwefelsäure auf die Eigenschaften ihres
Natriumsalzes beschränken. Um aber Aufschluß über die Größen-
ordnung ihrer Dissoziationskonstanten zu erhalten, wurde an einer
Lösung des Salzes die Pufferwirkung einer verdünnten HCl gegenüber
gemessen.
Ee wurden je zwei Versuche mit zwei verschiedenen Präparaten vor-
genommen. Die Salzlösung war unter der Annahme eines Molekulargewichts
von 495,3 (Alzona) 0,002 mol. Je 2ccm davon wurden mit abgestuften
Mengen etwa n/l100 HCl versetzt, mit ausgekochtem Wasser auf 7 ccm
gebracht und dann ihre Reaktion an der Gaskette gemessen. In gleicher
Weise wurden Ansätze mit Salzsäure und Wasser und 0,002 mol. NaCl
hergestellt. Die folgende Tabelle V und Kurve ergibt die aus den Ver-
suchswerten errechneten mittleren Resultate:
Tabelle V.
cem n/100 Cl Ra Beete Wien Du in NaCl
0 6,73 =
0,01 6,56 | 5,87
0,05 6,22 | 1,84
0,10 6,87 | 3,98
0,30 4,50 | 3,46
0,50 3,81 | 3,12
0,80 3,29 | 2,96
1,00 2,95 2,77
Trägt man auf der Ordinate eines
Koordinatensystems die gemessenen
Pn-Werte, auf der Abszisse die zu-
gesetzten Säuremengen ab, so er-
hält man daraus nebenstehende zwei
Kurven, von denen die ausgezogene
die Titration des chondroitinschwefel-
sauren Natriums, die gestrichelte die
entsprechenden Werte im NaCl dar-
stellt. Es ergibt sich, daß das Bereich SS
der intensivsten Pufferung, des größten EE". SEE.
Abstandes zwischen NaCl-Werten und ee
. . A5 Titrationskurve des chondroitin»
denen in der Lösung des chondroitin- ee N
318 K. Harpuder:
schwefelsauren Natriums bei einer Reaktion von py 6,2 liegt. Danach
wäre also der Chondroitinschwefelsäure eine Dissoziationskonstante in
dieser Größenordnung zuzuschreiben und sie ihrer Stärke nach zwischen
die stärkere Harnsäure und die schwächere Kohlensäure einzureihen.
Der größte Abstand in der Richtung der Abszisse beträgt zwischen
den beiden Kurven 0,35ccm n/100 HCl = 1,75 ccm n/500 Säure,
eine in Betracht der Methodik und der Unsicherheit des Molekular.
gewichts der Chondroitinschwefelsäure leidliche Übereinstimmung
mit den der Berechnung nach zu jedem Ansatz verwendeten 2 ccm
n/500 Säure.
Von einigem Interesse war es schließlich noch, die Eigenschaften
einer Lösung zu prüfen, die ein Gemisch der verschiedenen Knorpel-
bestandteile darstellt. Eine solche, durch Kochen des Knorpels mit
Wasser bereitete Lösung, die Glutin, Chondromukoid und Chondroitin-
schwefelsäure enthält, wird als Chondrinlösung bezeichnet. Sie erwies
sich fällbar mit Eisenchlorid, Kupfersulfat und Bleiacetat, ebenso mit
Sulfosalicylsäure und mit Phosphorwolframsäure-HCl. Ammonsulfat
erzeugte einen Niederschlag bei etwa 40 Proz. Sättigung, Alkohol bei
einer Konzentration von etwa 70 Proz. Mit NaCl war auch bei Sättigung
keine Fällung zu erzielen. Auf Zusatz von Natronlauge wird die ur-
sprünglich leicht trübe Lösung völlig klar, auf Zusatz von 5 Proz.
Essigsäure tritt Koagulation ein, die durch Eisessig oder noch leichter
mit Salzsäure wieder in Lösung gebracht werden kann. Die Zone der
größten Instabilität (grobe Flockung) besteht zwischen pe 2,5 bis 2,6,
zu deren beiden Seiten breite Bereiche abnehmender Trübung vor-
handen sind, auf der alkalischen bus Py 3,7, auf der sauren bis etwa 1,0.
Die instabile Zone variiert in den einzelnen Versuchen um 0,1 bis 0,3
in den ?,-Werten, offenbar ist die Zsammensetzung der Chondrin-
lösung nicht immer gleich.
Zusammenfassung.
Die Permeabilität des intakten Knorpels ist gering. Die Durch-
trittsgeschwindigkeit der einzelnen Ionen hängt von ihrer Stellung in
der Hofmeisterschen Reihe ab, die der Nichtelektrolyte von ihrer
Lipoidlöslichkeit.
Die Quellung des normalen Knorpels beträgt etwa 350 bis 400 Proz.
des Trockengewichts und ist von äußeren Faktoren, die biologisch eine
Rolle spielen, unabhängig. Bei relativ stark alkalischer Reaktion
findet ein Anstieg, bei stark sauren Werten ein Absinken der Wasser-
aufnahme statt.
Eine Ionenabgabe erfolgt bei intaktem Knorpel nicht.
Physikalisch-chemische Untersuchungen am normalen Knorpel. 319
Die einzelnen Bestandteile des Knorpels, Chondromukoid, Albu-
minoid, Glutin und Chondroitinschwefelsäure werden namentlich nach
ihren Fällbarkeitsbedingungen untersucht. Für die ersten drei werden
charakteristische Stabilitätsminima festgestellt, die sich bei weit aus-
einander liegenden Reaktionen befinden. Die Dissoziationskonstante
der Chondroitinschwefelsäure wird ihrer Größenordnung nach festgelegt
und die Säure nach ihrer Stärke zwischen Harnsäure und Kohlensäure
eingereiht.
Literatur.
1) L. Michaelis und A. Fujita, diese Zeitschr. 158, 28; 161, 47, 1925. —
2) E. Freudenberg und P. György, ebendaselbst 121, 131, 1921. — 3) Schmiede-
berg, Arch. f. exper. Pathol. 28, 355, 1891.
Nephelometrische
Untersuchungen über fermentative Eiweißspaltung. V.
Von
P.Rona und H. Kleinmann.
(Aus der chemischen Abteilung des pathologischen Instituts der Universität
Berlin, Charite).
(Eingegangen am 5. Januar 1926.)
Mit 3 Abbildungen im Text.
I. Nephelometrische Methode zur Bestimmung der tryptischen Verdauung.
L In unserer dritten Mitteilung!) über nephelometrische Unter-
suchung fermentativer Eiweißspaltung haben wir über eine Methode
der Caseinbestimmung mittels der Chinidintrübung berichtet. Wir
haben daselbst auch kurz die Anwendung der Caseinbestimmungs-
methode für die Untersuchung tryptischer Verdauung beschrieben.
Da mit dieser Methode alle unsere weiteren Untersuchungen über
Trypsin vorgenommen wurden und ihr Prinzip sich von dem der all-
gemein zur Untersuchung der Trypsinwirkung benutzten Methoden
(die meist auf der Bestimmung der Spaltprodukte beruhen) unter-
scheidet, soll hier eine eingehendere Darstellung der Methode
gegeben werden.
‘ Die Methode beruht auf der Bestimmung der Menge des noch
ungespalten vorhandenen Substrats (Casein), die man durch Herstellung
einer haltbaren, homogenen Trübung mittels Chinidins ermittelt.
Dabei wird angenommen, daß das, was durch die Chinidinreaktion
erfaßt wird, das unabgebaute Eiweiß darstellt.
1) Diese Zeitschr. 155, 34, 1925.
P. Rona u. H. Kleinmann : Nephelometrische Untersuchungen. V. 321
Die nephelometrische Methode der Trypsinwirkungsbestimmung ge-
stattet in hochverdünnten Lösungen zu arbeiten und schon hierdurch
die Wirkung sekundärer störender Verunreinigungen zu umgehen. So
liegt das Substrat (Casein) bei unseren Versuchen in einer Konzentration
von 0,025 Proz. vor. Die Fermentlösung, die eine genügende Spaltung
dieser Konzentration in etwa LG Stunde bewirkt, ist eine filtrierte Auf-
schlämmung eines Pankreaspräparats im Verhältnis 1 : 3000, die im Versuch
noch zehnfach verdünnt wird, also in einer Konzentration von 1: 30000.
Wäre die das Ferment tragende bzw. verunreinigende Substanz z. B. reines
NaCl, das völlig in Lösung ginge, was beim Aufschlämmen der das Ferment
begleitenden Substanzen nie der Fall ist, so wäre die endgültige Konzentration
an NaCl etwa n/1750, welche Konzentration keinerlei Einfluß auf den
Spaltungsvorgang ausübt. Wenngleich die Eliminierung des Einflusses
bei den unbekannten begleitenden Stoffen in diesen Verdünnungen
nicht bewiesen ist, so ist die relative Reinheit des Systems doch augen-
scheinlich.
Benutzt wurde stets das Nephelometer von Kleinmann (Schmidt und
Haensch).
2. Die Bestimmung der Trypsinwirkung wird so vorgenommen,
. daß in einem Gefäß bestimmte Mengen von Natriumcaseinatlösungen
mit Wasser, Puffer und Fermentlösung vermischt werden und die
Mischung im Thermostaten der Spaltung überlassen wird. In be-
stimmten Zeitabständen werden der Mischung gleiche Volumina ent-
nommen. Die entnommenen Portionen, in denen die Spaltung un-
mittelbar mit der Entnahme unterbrochen wird, werden durch Ein-
fließenlassen in eine bestimmte Pufferlösung auf einen für die Analyse
notwendigen py gebracht und mit einem Trübungsreagens (Chinidin)
versetzt. Die entstehenden Eiweißtrübungen werden dann mit einer
Entnahme vor dem Fermentzusatz — die gleich 100 Proz. gesetzt wird,
da sie noch das ganze ungespaltene Eiweiß enthält — verglichen. Die
Spaltung wird in Prozenten ausgedrückt.
Die für den Versuch notwendigen Lösungen sind:
1. Caseinlösung. Diese wird durch Lösen von 5g Casein Hammarsten
in 12ccm n Natronlauge und Auffüllen der Lösung mit Aqua dest. zu
2000 hergestellt.
Wirlösen jetzt das Casein nicht, wie früher beschrieben, in Natriumacetat-
lösungen, sondern verwenden die angegebene Lösung von Natriumcaseinat.
Die Lösung, deren py nach der Herstellung etwa 8,82 ist, wird unter Toluol-
zusatz im Eisschrank aufbewahrt. Die Lösung zeigt nach einiger Zeit
Trübung. Zum Versuch wird ein Teil durch quantitative Filter mehr-
mals filtriert. Wird er nicht völlig klar, so schadet das nichts, da das Casein
im Versuchssystem durch die Zugabe von Puffern sich völlig klar löst.
2. Versuchspuffier. Als Puffer, den wir dem System zusetzen, ver-
wenden wir je nach der gewünschten Acidität Phosphatpuffer (Py 5 bis 8)
und Glykokollpuffer (py 8 bis 10). Die Konzentration dieser Puffer darf
nicht zu groß sein, denn einmal soll die Salzwirkung auf die Fermente nicht
unnötig stark hervortreten und dann muß die Acidität der Lösung durch
322 P. Rona u. H. Kleinmann:
einen stärker konzentrierten anderen Puffer nach der Spaltung auf die für
die Analyse notwendige Acidität gebracht werden. Wir verwandten
m/15 Puffer, deren Konzentration, da sie im Versuch auf etwa das Dreifache
verdünnt werden, im System etwa m/45 beträgt.
3. Als Vorlagepujfer, der die Entnahme auf den für die Analyse not-
wendigen Pg zu bringen hat, verwenden wir m/l Phosphatpuffer. Die
Acidität der Lösungen, die für die Analyse etwa 7,8 sein soll, wird bei einer
Spaltungsacidität von etwa 7,5 bis 8,0 erhalten durch Anwendung eines
Vorlagepuffers von 35,2 Volumenteilen sekundären und 4,8 primären
Phosphats. po dieses Puffers ist 7,78. Bei anderen Spaltungsaciditäten ist
es notwendig, einen anderen Vorlagepuffer anzuwenden, um bei der Be-
stimmung in den Lösungen eine Acidität von etwa 7,8 zu erzielen.
So verwandten wir bei einer Spaltungsacidität von 5,76 einen Vorlage-
puffer von dem Py 8,02 und erhielten in der Mischung Py 7,78; bei einer
Spaltungsacidität von 7,78 wurde ein Puffer von 7,70 verwandt und ergab
7,78; bei pe 8,02 Spaltung, Vorlage 7,65; bei 9,5 Spaltung, Vorlage 6,7.
Sollen variierende Aciditäten zur Spaltung benutzt werden, so ist der
Vorlagepuffer zu erproben, der bei den später angegebenen Mischungs-
volumina den Gr der endgültig zu analysierenden Lösung auf etwa 7,8
bringt.
4. Chinidinlösung. Als Trübungsreagens dient eine heiß gesättigte
Lösung von Chinidinum hydrochloricum!!).
Die gesättigte Lösung muß, da sie sehr langsam auskristallisiert, nach
ihrer Herstellung mindestens 12 Stunden lang gestanden haben. Zum
Versuch wird ein Teil der Lösung abfiltriert.
A. Als Ferment dienten Aufschlämmungen von Pankreatin Rhenania
oder Pankreas dispert (Krause) in einer Konzentration 1:20 mit Aqua dest.
Die Aufschlämmung bleibt unter gelegentlichem Umrühren etwa 10 Minuten
bei Zimmertemperatur stehen, wird dann filtriert und mit Aqua dest.
verdünnt. Die geeigneten Konzentrationen betrugen bei Spaltungen über
30 Minuten 1: 3000, bei Spaltungen über 2 Stunden etwa 1: 8000. Da diese
Fermentlösung im Versuchssystem noch etwa um das Zehnfache verdünnt
wird, beträgt die endgültige Konzentration etwa 1:30 000 bis 1: 80000.
Die Unterbrechung der Spaltung nach der Abnahme der Probe könnte
in verschiedener Weise erfolgen. Es käme ein Außerkraftsetzen des Ferments
durch Kälte, Hitze, Giftwirkung oder p„-Variation in Frage. Bei der
Methode der peptischen Spaltung hatte sich als einfachstes Mittel die
Neutralisation der sauren Lösung, in der das Pepsin wirkt, erwiesen.
Hinsichtlich der Caseinwirkung hatten wir in unserer dritten Ver-
öffentlichung mitgeteilt, daß bei Versuchen über 30 Minuten Spaltungszeit
die Giftwirkung des als Trübungsreagens sofort hinzuzusetzenden Chinidins
genüge, um die Spaltung zu unterbrechen.
Bei späteren Versuchen hatte sich die Notwendigkeit ergeben,
die Trypsinspaltung anders zu unterbrechen, da bei Versuchen über
1) Das Präparat wurde uns von der Firma Zimmer & Co., Vereinigte
Chininfabriken Frankfurt a. M., freundlichst zur Verfügung gestellt,
wofür wir der Firma hiermit unseren Dank aussprechen.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 323
mehrere Stunden weder die Haltbarkeit der Chinidintrübungen noch ihre
Giftwirkung ausreicht. Auch zeigte es sich als praktisch, die analy-
tischen Messungen beliebige Zeit nach dem Fermentversuch vornehmen
zu können.
Es wurde daher wie beim Pepsin versucht, die Unterbrechung durch
Variation des pe vorzunehmen. Die Proben wurden zu 2,5 ccm n/25 HCl
zugesetzt, wodurch die Spaltung unterbrochen wurde. Bei der Analyse
wurde dann die gleiche Menge n/25 NaOH und dann wie stets Puffer
und Chinidinlösung hinzugefügt. Die Chinidinwirkung genügt im all-
gemeinen, um während der Messungszeit die Wirkung des eventuell
nicht zerstörten, bei der alkalischen Reaktion wieder wirksamen Ferments
zu verhindern. Der durch Säure und Laugenzusatz vorhandene Salz-
gehalt von n/200 — abgesehen von dem Puffer — stört die Chinidin-
bestimmung nicht.
Trotzdem erwies sich die Unterbrechung durch Kochen als handlicher
und zugleich sicherer, die Wiederwirkung des Ferments bei alkalischer
Reaktion verhindernd. Durch Hineinfließenlassen der Probe in kochendes
Wasser wird die Fermentwirkung sofort dauernd unterbrochen.
Die Caseinlösungen flocken beim Kochen nicht aus. Jedoch ändert
sich die Beschaffenheit des Eiweißes mit der Kochzeit derart, daß die
Trübungsreaktion mit Chinidin je nach der Kochzeit verschieden stark
ausfällt. Die Trübungsreaktion von Caseinlösungen mit Chinidin ist bei
gekochten Lösungen stärker als bei ungekochten. Diese Änderung der
Reektionsart erreicht aber bei einer Kochzeit von 6 Minuten ein Maximum,
um dann konstant zu bleiben. Auch ist die Änderung der Reaktion bei
verschieden konzentrierten Eiweißlösungen völlig proportional, so daß die
Proportionalität der Trübung mit der Konzentration durch das Kochen
nicht beeinflußt wird.
Wir haben die Kochunterbrechung als geeignetste Unterbrechungsform
für unsere Untersuchungen gewählt.
3. Zur Beschreibung der Methode sei ein Vergleich von zwei Ferment-
lösungen, z. B. eines geschädigten und eines ungeschädigten Ferments,
unter gleichen Bedingungen geschildert.
Jeder Versuch wird in zwei Parallelen angesetzt. In je einen
75ccm fassenden Meßzylinder werden 12,0 ccm Caseinlösung, 15 ccm
m/15 Phosphatpuffer (beispielsweise bei einer Spaltung bei einem Py
von 8,02 ein Puffer, der aus 9,9 Teilen sekundären und 0,1 Teil
primären Phosphats besteht) und Wasser zu 46 ccm einpipettiert und
vermischt. Der Versuch soll 30 Minuten dauern und sieben Abnahmen
enthalten. Es werden hierzu 28 große, etwa 25 ccm fassende Reagenz-
gläser vorbereitet. Die Reagenzgläser sollen eine Marke bei 20 ccm
Volumen tragen. Sie enthalten je 5ccm Wasser und stehen in einem
Wasserbad, das siedet.
« Nunmehr werden aus jedem Meßzylinder 10 ccm entnommen, je
4,5ccm werden in ein Reagenzglas pipettiert und je 5,5 ccm verworfen.
Bei dieser ersten Abnahme werden deshalb nicht 5ccm wie bei den
324 P. Rona u. H. Kleinmann:
späteren entnommen, weil die Systeme nuhmehr durch Zugabe von
Fermentlösung verdünnt werden. Die entnommenen Lösungen bleiben
genau 6 Minuten in den Reagenzgläsern im siedenden Wasserbad und
werden dann in kaltem Wasser abgekühlt. Ebenso werden stets alle
folgenden Abnahmen behandelt. Sie bleiben 6 Minuten im Wasserbad
und werden dann abgekühlt. Der Zusatz von Trübungsreagens darf
erst nach völligem Temperaturausgleich erfolgen. Die vier Meß-
zylinder, die vor der ersten Entnahme bereits in einem Wasserbad-
thermostaten auf 37° vorgewärmt worden waren, werden nunmehr zu
einer genau markierten Zeit mit je 4ccm der klar filtrierten, eben-
falls vorgewärmten, zu vergleichenden Fermentlösungen versetzt und
mittels Pipette durchmischt. In Abständen von je 5 Minuten werden
— mit je stets der gleichen Pipette — 5ccm aus jedem Meß-
zylinder entnommen und in die kochende Vorlage gegeben. Nach
der siebenten Entnahme (nach 30 Minuten Spaltung) bleiben 10 ccm
. Flüssigkeit als Rest, die zur ?u-Bestimmung dienen.
Die gekochten Entnahmen können, sobald sie abgekühlt sind,
sofort analysiert werden oder können zugestopft beliebig lange auf-
bewahrt werden.
Zur Bestimmung kommen in die Reagenzgläser je 5cem Phos-
phatpuffer m/15, der die Acidität der Lösung auf 7,78 bringen soll.
Zu der Mischung werden je 5ccm der kalten gesättigten Chinidin-
lösung gegeben. Das Volumen der Mischung wird durch Auffüllen mit
Wasser bis zur Reagenzglasmarke auf 20 ccm gebracht.
Der Vergleich erfolgt im Nephelometer von Schmidt und Haensch
innerhalb von etwa 45 Minuten gegen die erste Abnahme, deren Kon-
zentration gleich 100 Proz. gesetzt wird. Die Vergleichslösung wird
zweckmäßig auf die Nephelometeröffnung 20 gesetzt. Die Nephelo-
meterablesungen verhalten sich umgekehrt proportional den Kon-
zentrationen.
Bei Spaltungen über 50 Proz. ist es zur Erhöhung der Genauigkeit
zweckmäßig, nicht gegen die Ausgangslösung, die 100 Proz. beträgt,
sondern gegen eine halb so starke zu messen.
Wir haben die Methode so geprüft, daß wir einen Modellferment-
versuch ohne Ferment durchgearbeitet haben, d.h. die Versuchs-
anordnung glich völlig der beschriebenen, nur wurde statt wirksamen
Ferments abgekochtes verwandt, und die Veränderung der Substrat-
menge erfolgte nicht durch Fermentspaltung, sondern durch Variation
der abgenommenen Menge. Die abgenommenen Mengen wurden se
gewählt, daß sie 90, 80, 70, 60, 50, 40, 30, 20 und 10 Proz. der Ausgangs-
lösung betrugen. Die Modellspaltungen gingen also von 10 bis 90 Proz.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 325
Die Spaltungen von 60 bis 90 Proz. wurden nicht nur gegen die
100 Proz., sondern auch gegen eine 50proz. Ausgangslösung gemessen.
Den Verlauf des Versuchs zeigt Abb. 1.
CTT
IBASEN
30
Die gerade Linie der Abb. 1 stellt die theoretisch richtigen Werte
dar. Die gefundenen Punkte weichen im Durchschnitt nur um
einen Betrag von 1,6 Proz. von den theoretischen Werten ab. Nie-
mals übersteigt der Fehler 3 Proz. Die Werte über 60 Proz. schein-
barer Spaltung werden genauer gegen die 50 Proz. und nicht gegen
die 100 Proz. Eiweiß enthaltende Lösung als Vergleichslösung
gemessen. =
In diesen Fehlern sind die beim Fermentversuch unvermeidlichen
Fehler beim Pipettieren, Mischen usw. mit enthalten.
Die Prüfung zeigt also, daß sich mittels der beschriebenen Methode
der Verlauf einer tryptischen Spaltung in 0,025proz. Caseinlösungen
mit einer solchen Genauigkeit darstellen läßt, daß die Lage des einzelnen
Kurvenpunktes mit einer Genauigkeit von rund 2 Proz. Fehler be-
stimmt wird.
Da ein bestimmter Anteil des Fehlers (der Stellfehler beim Nephelo-
metrieren) konstant ist, so ist, wie uns zahlreiche Versuche lehrten, die
Genauigkeit bei Spaltung um einige Prozente (also z. B. die Lage des
ersten Kurvenpunktes) am geringsten. Auch die Messung der Spal-
tungen über 70 Proz. werden infolge der geringen Trübung der
Lösungen nicht mehr absolut zuverlässig.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 22
326 P. Rona u. H. Kleinmann:
Als Beispiel für die Methode seien Spaltungen angeführt, von
denen die erste mittels Säureunterbrechung, die zweite mittels Koch-
unterbrechung erhalten wurde.
I0
Spaltungszeit
H e 30 a ei 30 720 150
Nephelometrische Untersuchungen. V. 327
Versuch 2. Caseinspaltung. Säureunterbrechung. Drei Parallel-
versuche I bis III; je 12ccm Caseinlösung, 15 ccm Puffergemisch, 46 ccm
destilliertes Wasser; dann je 4ccm Fermentlösung (1: 7000). In den Vor-
lagen: 2,ö5ccm n/25 HCl (zur Unterbrechung), 2,5ccm n/25 NaOH,
Beem Pufferlösung, 5ccm Chinidinlösung.
maj CC Ce Lu Tonnen
0 _Nephelometerablesung, Durchschnitt i 20 | 20,3 | 19,7 | 200
— Spaltung, Proz... - ... 2.2.2... F — — | ZI,
15 ' Nephelometerablesung, Durchschnitt Er 25,1 | ES ES 25,2 SCH? 20
Spaltung, Proz... . . TREF 20,5 | BEN
E Nepbelometergbleeunng, EE IET 29,4 | 29 29, 3 3 | 29, D
‚Spaltung, Drog, e sss Lë 31,7
A8 Nepbhelometergableeong, Du Durchschnitt | 36; 353 d | 35,0 | 34,5 | gu
| 42,7
60 Nephelometerablesung, Durchschnitt | 314 | 30,7 | 315 | 15
‚Spaltung, Proz... ..... Dr ara u 53,1
90 ` Nephelometerablesung, Durchschnitt nitt | 31,0 | 30,0 | 295 © 10
u Spaltung, Proz...» .» 2 2.2.2... | 66,5 o
120 | Nephelometerablesung, 205 | 32,0 Tan 30,0 fe RG 20
Spaltung, Proz. ee \ 77, l
Nephelometerablesung, | Durchschnitt i 34 | 36 0 er
i Spaltung, Drog, .. sasae | Go 2 Ä p
Versuch 3. Caseinspaltung. Unterbrechung durch Kochen. Vier
Parallelversuche I bis IV. Je 12 cem Caseinlösung; 15 ccm Puffer, 46 ccm
destilliertes Wasser; dann je 4ccm Fermentlösung (1: 7000). In den Vor-
lagen: ö5ccm destilliertes Wasser, 5ccm Puffer, 5ccm Chinidinlösung.
Min. || nn jaja dë du IV a mit
d |Nephelometerablosung, Durchschnitt. | 20.0 | 20,0 20
Spaltung, Proz... ... 2.2 .2..» `
15 || Nephelometerablesung, on
Spaltung, Proz.. .........| Ian
20 | Nephelometerablesung, Durchschnitt ||28,5|28,6 |28,4|28,0| 20
1 Spaltung, Proz... . ans Fe 30,07 |
45 | Nephelometerablesung, Durchschnitt "Nephelomsterablesung, Durchschnitt | 41,1 |4 41 0 ol 34,5 | 34 3
Spaltung, Proz... . ». 2. 22.0...) 42,0
"60 Nephelometerablesung, Durch Durchschnitt fa 3 | 32,0 | 32,2 | 32,3
Spaltung, Proz... ... 2:2... 63,2
sl Nephelometerablesung, Durchschnitt w jaa, 6 | 35,1 | 32,8 | 32,5! 10
‚Spaltung, Proz, oonan e | 690 |
22*
328 P Rona u. H. Kleinmann:
Versuch 3 (Fortsetzung).
Min. | 1 Salnimiw | Verglichen mit
120 | Nephelometerablesung, Durchschnitt
Spaltung, Proz `,
150
Die Punkte der Abb. 2 wurden aus dem Durchschnitt von drei
Parallelversuchen, die Punkte der Abb. 3 aus dem Durchschnitt von
vier Versuchen entnommen. Die Tabellen zeigen die Übereinstimmung
der einzelnen Parallelversuche.
Beide Arbeitsformen ergeben Kurven, die dem Verlauf einer
monomolekularen Umsetzung entsprechen. Es wird hierauf in der
Arbeit über Trypsinkinetik genau eingegangen werden.
II. Beziehungen zwischen Trypsinstabilität und Weasserstoffionen-
konzentration.
Bei Versuchen über Kinetik der Trypsinwirkung wurde beob-
achtet, daß bei Kurven, die einen Fermentversuch von 2 bis 21, Stunden
darstellten, eine weit stärkere Abflachung des Kurvenverlaufs zu
finden war als bei gleichartigen Versuchen, bei denen (bei gleichem
Umsatz) die Spaltung nur eine halbe Stunde dauerte. Die Vorstellung
war naheliegend, daß diese Abnahme der fermentativen Wirksamkeit
mit der Zeit neben anderen Faktoren durch eine Schädigung bedingt
ist, die das Trypsin durch die Bedingungen des Milieus (Verdünnung,
Temperatur, Ionenkonzentration usw.) erfährt, die bei Versuchen
über längere Spaltungszeiten stärker hervortreten müssen als bei
kurzdauernden Versuchen. Es wurde daher diejenige Schädigung, die
Trypsin in einer Lösung durch einfaches Stehenlassen bei der gewählten
Versuchstemperatur (40,00) erfährt, unter Variation des Ferment-
präparats, der Zeit und vor allem der Acidität der Lösung zum Gegen-
stand einer Untersuchung gemacht, deren Resultate hier mitgeteilt
werden. Es zeigte sich, um das Ergebnis vorwegzunehmen, daß
Trypsinpräparate verschiedener Herkunft (Pankreatin Rhenania,
Pankreas dispert, Krause) die größte Beständigkeit bei einer stark
sauren Reaktion (py 1,7) zeigten, so daß einstündiges Stehen des
Ferments bei dieser Reaktion so gut wie keine Schädigung bewirkte.
Bei weiterer Steigerung der Acidität nahm die Stabilität des Enzyms
jedoch wieder ab; ebenso bei zunehmenden Reaktionen nach der
alkalischen Seite hin.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 329
Es wurden auch Untersuchungen über den Einfluß verschiedener
Salzlösungen (von Puffern) sowie über den Einfluß von Leitungs-
und destilliertem Wasser angestellt.
Zur Bestimmung der Trypsinwirkung bedienten wir uns der voran-
gehend geschilderten nephelometrischen Methode.
Die Versuche wurden in der Weise angestellt, daß zunächst ein
größerer Vorrat einer Caseinlösung (mit dem entsprechenden Puffer) be-
reitet wurde. Einen Teil davon versetzte man mit der Fermentlösung un-
mittelbar nachdem diese hergestellt war, einen anderen Teil erst nachdem
dieselbe Fermentlösung bei 40° eine Stunde gestanden hatte. So wurde
die Wirkung der betreffenden Fermentlösungen auf das gleiche Substrat-
system beobachtet. Als solches diente im allgemeinen eine Mischung von
120 ccm Caseinlösung — wie oben beschrieben hergestellt — dazu 150 ccm
m/15 Phosphatpuffer von py etwa 7,8 und destilliertes Wasser zu 460 ccm.
Zu diesem Gemisch wurde bei Versuchen, die die Abhängigkeit der Trypsin-
stabilittät von der Woasserstoffionenkonzentration untersuchten, vor der
Auffüllung mit Wasser diejenige Äquivalentmenge an Natronlauge gegeben,
die dem Gehalt an Säure der zum Versuch verwandten Fermentlösung
entsprach. Hierdurch wurde eine Verschiebung der H-Ionenkonzentration
des Spaltungsversuchs durch die bei verschiedenen Versuchen variierende
Acidität der Fermentlösung ausgeschlossen. Im Versuchssystem selbst
entstand dadurch nur eine gewisse Menge NaCl, die aber bei dem Vergleichs-
versuch (mit sofortigem Fermentzusatz) die gleiche war wiein dem Versuch,
wo das Ferment erst nach längerem Stehen zugefügt wurde.
Von dem Substratsystem wurden für jeden Versuch 46 ccm verwandt,
und es wurden, da stets in Parallelversuchen gearbeitet wurde, zweimal
46 ccm angesetzt. Die gleiche Menge wurde für die Versuche mit dem
„geschädigten‘‘ Ferment angewandt. Da bei jedem Versuch stets zwei
verschiedene Trypsinpräparate oder zwei verschiedene Aciditäten mit-
einander verglichen wurden, so brauchte man für jede Versuchsreihe
8 x 46 = 368ccm Substratgemisch. — Die Menge von 46 ccm ermöglichte,
in jedem einzelnen Versuch die fermentative Spaltung durch sechs Be-
stimmungen zu verfolgen, da für jede Bestimmung eine Abnahme von
Becm nötig war. Bestimmt wurde die Spaltung nach 0, 15, 30, 60, 90
und 120 Minuten.
Die bei der Untersuchung benutzten Fermentpräparste waren
Pankreatin Rhenania und Pankreas dispert der Krause medico A.-G.!). —
l g Fermentpulver wurde zunächst mit 20 ccm destillierten Wassers von
Zimmertemperatur angerührt; die Aufschwemmung blieb unter gelegent-
lichem Umrühren bei Zimmertemperatur 15 Minuten stehen und wurde
dann durch ein quantitatives Filter filtriert. 1 ccm des Filtrats wurde mit
destilliertem Wasser auf 100 ccm verdünnt und diese verdünnte Lösung
im Wasserbad auf 40° vorgewärmt, damit sie nach Zugabe der entsprechenden
Verdünnungsflüssigkeit sofort dem Substratgemisch zugegeben werden
konnte. Als Verdünnungsflüssigkeit — die ebenfalls auf 40° vorgewärmt
war — wurde in einer Reihe von Versuchen Salzsäure von einer solchen
Normalität gewählt, daß die endgültig verdünnte Fermentlösung diejenige
1) Beiden Firmen sei für die freundliche Überlassung der Präparate
unser bester Dank ausgesprochen.
330 P. Rona u. H. Kleinmann:
Acidität hatte, bei der ihre Stabilität geprüft werden sollte. Die endgültige
Fermentverüdnnung war etwa 1: 7000. — Die endgültige H-Ionenkonzen-
tration der Fermentlösung wurde stets durch Messung an der Gaskette
ermittelt.
Unmittelbar nach Zufügen der Verdünnungsflüssigkeit (also Salzsäure-
oder eine Pufferlösung, Leitungs- und destilliertes Wasser) wurden je
4,0 ccm der Fermentlösung entnommen und zu je einem Substratsystem
zugefügt, dessen Spaltung dann nephelometrisch verfolgt wurde.
Die übrige Menge des Ferment-Säure- (oder Ferment-Puffer-) Gemischs
blieb im Thermostaten bei 40° genau 60 Minuten stehen; nach dieser Zeit
wurden ebenfalls 4 ccm entnommen und — wie in den Parallelversuchen —
dem Substratsystem zugefügt, und nun die Spaltung nephelometrisch
verfolgt. Verschiedenheiten im Spaltungsverlauf vor und nach dem ein-
stündigen Stehen der Fermentlösung müssen demnach auf die Veränderung,
die das Ferment bei dem einstündigen Stehen erleidet, zurückgeführt werden.
Im folgenden seien die Versuche wiedergegeben, die bei Variation
der H-Ionenkonzentration ausgeführt wurden. Die Versuche erstrecken
sich von einem De von 1,06 bis zu einem fe von 12,5.
Versuch 1. Fermentpräparat I: Pankreatin Rhenania. A: nach so-
fortigem Fermentzusatz. B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei
einem De von 1,07. — Fermentpräparat II: Pankreas dispert (Krause).
A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des
Ferments bei pe 1,09.
Tabelle I.
| IA | IA IB | HB
Min.| Be ' Verglichen mit
| Pa 725| KR "a | 7,30 ||
0 "Nephelometerablesung . BE 200 200 | 20,0 I 20,0 |
| Spaltung, Proz. . . .. WEE EEN Lie =
20 A =19_
18 || Nephelometerablesung . || 35,8 EC 29,0 | vs
| Spaltung, Proz. 432 | 475 : 31,0 | 36,5
. 30,8 41,5 | 33,2 | 39,6 |
| Zee Del
Spaltung, Proz. SCH 51, 3 | 63.8 | 39,7 | 494° |
60 | EE Ee | 35,0 38,5 | 36,0 | 23,5 A
|
i
|
|
30 ` Nephelometerablesung .
I= 15, All=10
W I= 20, B H=10
| Spaltung, Proz. 572 | 66,3 | 44,4 | 57,5.
on Nephelometerablesung. . | 280 | 190 32,6 27,5 F AI ee in
| 64.2 | 73,7 53,9 | 63,3 |
Spaltung, Proz... . -
nr Bed 34,8 BO ATS
120 ` ‚ Nephelometerablesung . 1=15
' Spaltung, Proz. "ez | 808 | 569 | 69,7.
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,07 etwa
17,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 1,07 etwa 13,5 Proz.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 331
Versuch 2. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente bei
Py 1,07 (bei I) bzw. 1,06 (bei II).
Tabelle II.
| IA | DA | IB | IB! TE i
o Ea Pei za | 733 | 732 | ui E
| Nopkalomelsrablesung 8 | 200 | 20,0 |», 19,5 sl 20,2 ul EZ 20 `
SCHERER
Spaltung, Proz.
24,0 | 27,0 | 27,8 | 24,0
32,2 | 312 | 29,6 |
37,9 | 35,8 | 32,4 |
187 | 470 452 AN
Nephelometerablesung . | 36,4 | 36,8 | 31,7 |
"Spaltung, Proz. ... . R 68,8 | 58,1 | 52,6 | 50,4
Nephelometerablesung . | 30,9 | 33,6 | 22,8 | 27,0
Spaltung, Proz. . . . . | 67,6 | 643 | 56,1 | 55,5 |
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,07 etwa
9,5 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei pp 1,06 etwa 11,7 Proz.
Versuch 3. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach so-
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei
Py 1,59 (bei I) bzw. 1,60 (bei II).
u
Tabelle III.
` 7 na EE: E u
Min. — -|—--- 4 Verglichen mit
win 7,65 7,62 |
el elle ne men eh f :
o 'i Nephelometerablesung . _ 20 l 20,0 | 198! am
Leen Fell
15 || Nephelometerablesung . | 25,5 | 28,1 | 26,1 | 280.
| Spaltung, Proz. . . . . | 215 | 28,8 | 234 | 298 28 | 23,4 | 29,8
30 Nephelometerablesung . || | 315 | 34,5 | 3 1,5 | 34,5 , 30,1 | 339 33,9 | 20
| Spaltung, Proz.
EZ 36,5 | 42,0 | 33,5 | 41,0 '
1 32,3 | 39,1 | 41,2 | 38,0 Al
Spaltung, Proz. . . © 53,6 | 61,6 | 51,7 | 614
90 Nöchslomsteraklenng . 39,1 | 43,1 | 40,5 | 42,1
| Spaltung, Proz. . SE 66,8 | 722 | 63,0 | 71,5
120 | Nephelometerablesung . 36,4 Al 41,8 418 | 333 | ge: 10 |
. Spaltung, Proz. . . . .|| 72,5 | 76,0 | 70,0 | an
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,59 etwa 4.8 Proz.,
von Pankreas dispert (Krause) bei pe 1,60 etwa 3,0 Proz.
60 , Nephelometerablesung
332 P. Rona u. H. Kleinmann:
Versuch 4. Fermentpräparat I und II wieim Versuch 1. A : nach sofortigem
Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermentse bei pe 1,64 (bei D
19,6 | 19,8 | 19,9 | 19,4 20 |
29,4 | 30,0 | 29,6 | 31,8
32,0: 334 | 32,4 | 370
36,5 | 40,5 | 31,1 | 39,3
45,2 | 51,6 | 35,7 | 49,1
35,0 | 38,2 | 32,8 | 34,0
62,8 | 68,6 | 54,3 | 64,7
35,0 | 35,3 | 33,1 | 30,4
772 | 80,2 | 69,8 | 77,0
33,3 | 30,2 | 32,9 | 25,2
Spaltung, Proz. . . . .
30 || Nephelometerablesung .
Spaltung, Proz.
Nephelometerablesung .
Spaltung, Proz. ....
60
90 Nephelometerablesung .
Spaltung, Proz. . 5
Nephelometerablesung .
Spaltung, Proz. . | 85,0 | 86,8 | 78,7 | 84,1
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pg 1,64 etwa
12,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei pg 1,66 etwa 6,3 Proz.
Versuch 5. Fermentprāparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente
bei pe 1,73 (I und II). Tabelle V.
120
TI B |
7,58
|
|l Verglichen mit
Nephelometereblesung .
Spaltung, Proz.
15 | Nephelometerablesung . | 26,8 | 28,4 | 27,6 | 26,9 |
Spaltung, Proz. || 25,3 | 29,5 | 27,5 | 25,6 |
30 || Nephelometerablesung .
Spaltung, Proz. .. .
60 || Nephelometerablesung .
Spaltung, Proz. ... .
90 || Nophelometerablesung .
38,0 | 43,0 | 32,7 | 38,2
was azlaulenl
| 36,4 | 37,6 | 29,1 | 38,2 Al=l
725 | 81,4 | 65,6 | 77,0
39,0 | 40,9 | 29,0 | 35,3
| Spaltung, Proz. 82,1 | 87,8 | 75,9 | 85,8
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 1,73 etwa
9,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 1,73 etwa 5,7 Proz.
Spaltung, Proz. ... .
120 || Nephelometerablesung .
Nephelometrische Untersuchungen. V. 333
Versuch 6. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach soforti-
gem Fermentzusatz; B: Zusatz nach einstündigem Stehen des Ferments bei
Pa 1,76 (I oder II). Tabelle VI.
s IA | HA | IB Í IB
Min. -- ——|———| Verglichen mit
| on PH 7,67 7,69 7,70 i 7,05 ne i
d Nephelometerablesung . ! 200 | 20,0 | 20,0 | 19,6 I 20
ZE .'- | -1|1-|- _
EN EE EE 2339| 21,2 | 23,8 | 22,5 | 20
5 Spaltung, Proz. .. | 16,3 | 57| 16,0 | 11,1 |
37,1 | 25,9 | 30,5 | 2531 ` op
46,1 | 22,7 | 34,4 | 21,0:
E Spaltung, Proz. &
41,9 32,7 | 35,1 |
li
Spaltung, Proz... . . | 69,2 | 38,7 | 57,3 | 326
60 Ss elometerablesung
cz Nephelometerablesung . | 41,2 | 40,9 | 393 |
KAN 51,0 74,6 | i
30,7 | 38,2 d 34,3 |
Spaltung, Spaltung, Proz. . . .
T Nephelometerablesung .
| Spaltung, Proz. . . .. | a 60,7 | 82,6 |
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei py 1,76 etwa
10,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei Py 1,76 8,5 Proz.
Versuch 7. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach sofor-
tigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei py 2,05
IA I A
Min. Verglichen mit
_ 7, d 7, a. 7. am
0 EE EE 20, 1|
20,0 | 20 |
a E 200 — o D f
, Spaltung, Proz. | — | — | = 8 =
E 22,6 | 23,6 | 220 | 21,8
15 | Nephelometerablesung . 20
eat Proz. ı 114 | 15,3 | 01 | 82 on
20 || Nephelometerablesung . | 24,8 | 27,7 | 23,9 | | 24,7 20
~ | Spaltung, Proz. 19,3 | 27: 8] 164 ir 190
60 | Nephelometerablesung . | 31,4 | 38,3 | 27,9 | 30,7 20 O
| Spaltung, Proz. E ala 348|
90 || Nephelometerablesung . | 33,1 | 40,5 | AI=20. A H = 15
61,4 | 39,5 | 50,7
| Spaltung, Proz. d
35,0 |: 39,1 | 38,5 | 36,4
120 ' Nophelometerablesung S
| Spaltung, Proz. . . . . || 582 | 69,3 | 48,1 | 58,2
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pg 2,05 etwa
18,2 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei Py 2,05 etwa 22,2 Proz.
334 P. Rona u. H. Kleinmann:
Versuch 8. Fermentpräparat I und II wie im Versuch 1. A: Nach so-
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments bei
De 2,05 (I und II). Tabelle VIII.
nn IA . na | IB | up NR
in. | = er erglichen mi
(nie 7.58 | 7,53 | 7,58 A
0 | Nephelometerablesung . | 20,0 o| 20,3 La 20,0 | 20 am
Spaltung, Proz. u E
15 | Nephelometerablesung . || 24,3 SCH a ı 233 | a O
| Spaltung, Proz. . . . . | 17,7 | 22,8 | 141 | 194)
30 || Nephelometerablesung . || 26,9 | 30,5 | 25,5 | 29,5 20
| 25,7 | 344 | 21,5 | 32,2 |
o 36,9 | 32,6 | 317 | 319 EELER
` Spaltung, Proz. . . ER | 54,0 | 34,9 | sai
ER ' Nephelometerablesung . 36,6 | 36,7 | 28,6 | 34,5 DEG SE
Spaltung, Proz. „| 57,8 673 | 47,6 | 65,2
t AI=1, A Hen
120 |, Nephelometerablesung . | 37,4 | 41,5 | 34,9 | 382 AlSIZAT=U
‚ Spaltung, Proz. .. . . | 67,8 | 759 | 58,0 | 73,8 |
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei Py 2,05 etwa
20,1 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 2,05 etwa 2,71 Proz.
Versuch 9. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach so-
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments, I bei
De 1,67, II bei pe 2,56. Tabelle IX.
| Al
Verglichen mit
AH | BI | Bu
| PH765| 7,83 7,56 | 7,58
20,6 | 200| — Tan 20,0
Min.
0 | Nephelometerablesung .
| Spaltung, Proz.
15. f N ephelometerablesung .
| Spaltung, Proz.
EN
30,9 | 26,4 | 30,6 | 27,6 ' 20,0
m— e e EE ee m a
E 24,2 346 | al
35,9 | ai 359 | 31,7 20,0
Mé 35,7 | 44,3 | 369
30 N ephelometerablesung .
Spaltung, Proz.
60 | Nephelometerablesung . 212 | 33,5 | 26,6! 32 ala EE
" Spaltung, Proz. . . . . | 684 | 55,2 | 62.4 | Er u
| | Al= 5AI=10
sine .121,3 34,6 | 217 | 29,7 BIS 6 BIL=10
o Spaltung, Proz. . . . ie 76,6 | 71,1 | 724 | 668 on
120 | Nephelometerablosung ~ „| — | 369 | 27,7 | 32,5 HS eu
; Spaltung, Proz. .. .. | — |sıol 826] mei
Fermentschädigung von Panien dispert (Krause) bei pg 1,67 etwa
3,4 Proz., bei Ge 2,56 etwa 4,2 Proz.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 335
Versuch 10. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach so-
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments, I bei
Pu 1,54, II bei pe 2,02. Tabelle X.
EE
Min.
BI B II
| PRESSE z
— Verglichen mit
7,72
0 : Nephelometerablesung . 20,0 | 20,4 | 20,5 | 203 a 20,5 j 20,0 `
BEE? Spaltung, Proz. f ek — | — SSES ER
15 | AN. 31,4 | 27,3 ES 28,0 26,0 | 20,0
Spaltung, Proz. . . . . | 36,2 | 26,7 | 28,6 | 23,0 o
E EE 344 | 304 | 303 | 286 | 20,0
441,7; 34,2 | 34,0 | o Si
W Spaltung, Proz. . . . . j| 41,7 , 34,2 | 34,0 | 30,0 | l
A i= 15, ATT= 15
| SE S ECH | 29,0 | 40,4 | ale B L22 B Ilc 20
| Spaltung, Proz. , 546 | 483 | 50,4 | 44,4 '
Pe er Tee
90 ` Nephelometerablesung . 29,4 | 28,0 | 38,3 | SCH?) SE AU=12
Be ER ran en
D Spaltung, Proz. . , S 66,0 | 57,1 | 60,8 | 53,8 |
12% | Al= 8, Als li
120 ` | Nephelometerablesung . | 26,1 | Bes | 31,1 | 25,7 RIZR NA
| Spaltung, Proz. . . . . 693 | 688 | 67,8 | 61,0 D
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei py 1,54 etwa
9,1 Proz., bei Py 2,02 etwa 7,5 Proz.
Versuch 11. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach so-
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments, I bei
De 2,59, II bei py 4,53. Tabelle XI.
IN Bun Ar Ian nu" BII :
Min. | | _— 1 Verglichen mit
| " PH 7,16 7,81 i 771 l o, 7, 7,81
0 | Nephelometerablesung . | 20,0 l 20,3
~ Spaltung, Proz. en — I | — z
15 ` Nephelometerablesung . | 29,7 29,7 | 26,4 | 27,9 ET 25, e
2
Spaltung, Proz. 3237| 242 | 28,3 | ag
30 || Nephelometerablesung . | 31,8 | 28,5 | 30,3 | 26,6
Spaltung, Proz. . . = 37,1 | 29,7 | 340 | 24,7
60 Nop haaa eut ; 38,2 | 36,2 | 31,2 | 30,3 | ale en
Spaltung, Proz. 60,7 | 44,6 | 51,9 | 34,0 SÉ
Al=10, All=13
90 N ohne: . ` 38,4 | 32,5 38,4 | 32,5 | 308 30,8 (E 35,9 | ALR AH
Spaltung, Proz. .. .. en 7140| 600 | 675 67,5 | 443 i
120 || Nephelometerablesung . ` 30,7 | 232 | 19, 28,2 | 19,5 | 33,2 A I= 5 Al= 8
en ea es I= 5, =
| Spaltung, Proz. . . | 83,7 | 71,6 | 74 sg 1548 |
Fermentschädigung (Pankreas dispert) bei pe 2,59 etwa 9,5 Proz.,
bei Py 4,53 etwa 22,7 Proz.
336 P. Rona u. H. Kleinmann:
Versuch 12. Fermentpräparate I: Pankreatin Rhenania; II: Pankreas
' dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach ein-
stündigem Stehen des Ferments I bei pg 2,97, II: bei py 2,90.
Tabelle XII.
déi | > Bn | Ge Ge Verglichen mit
d O i i Pu 7a Ji | Lu 180 | i
0 || Nephelometerablesung . 20,1 | 19,7 | 19,7 | 200 ` au
Spaltung, Proz. OS a Ba l
15 ke SR ng . : 215 | 224 | 20,8 | 21,3 | 20,0
| Spaltung, Proz. .. .. = 7,1 zu 107| 38! 61 |
30 | Ne phelometerablesung . S 24.1 a2] | 22,9 SÉ 200
Spaltung: Proz. ...., 170| — | 5383| 1238 ı E
d Nephelometerablesung . .| 28,2 | 29,5 | 23,9 | 26,3 | 20,0
|| Spaltung, Proz. . ... ' 29,1 | 323 | 16,4 | 24,0 |
90 . Nephelometerablesung . | 33,8 | 36,1 | 26,7 | 30, 30,2 ` 200 o
Spaltung, Proz. . . . . || 40,8 | 45180137,
120 || Nephelometerablesung . || 42,0 | 39,6 i 28,9 k 328 || A dE Au=ı7
Spaltung, Proz. 52,4 | 58,0 ; 30,7 | 48, 2
Fermentschädigung von Pankreatin Rioñanis bei Py 2,97 etwa
38,4 Proz., von Pankreas dispert bei py 2,90 etwa 28,4 Proz.
Versuch 13. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach
sofortigem Fermentzusatz: B: nach einstündigem Stehen I bei pe 3,85,
II bei py 5,55. Tabelle XIII.
I BII
8.03
An ` BI
| AI
Se Verglichen mit
‚Pa 7, 88| 8, o | 7,94
|
Min. |
allen = 2 Inne
fi
d Nephelometerablesung . im 20,0 | 20,3 2»3|: 20, A | 18,9 | 20,0
| Spaltung, Proz. SEH E EWEG B
EE 25,3 2353| 254 | 24,0 | 24,9 | 200 E
Spaltung, Proz. . . . . | 21,0 | 21,3 | 16,6 |196 —ö{
Nephelometerablesung ‚| 30,9 | 30,4 30,4 | 26,9 | 28,5 | mn `
Spaltung, Proz. . . i 35,2 | 34,1 34,1 | 25,6 | 298 Eu
| Nephelometerablesung . || 32,0 | 313 | = | 36,1 | AISI15 AN 15
| =
Spaltung, Proz. „| 63,1 | 521| — Tan" KR
EE EE . | 334 | 31,8 32,8 Alu Ha 18
EEN Bin 1=15 en,
© || Spaltung, Proz. . .. . 70,1 | 51,5 | 544
120 Ä Nephelometerablesung . | 22,3 | 20,8 | 35,2 | 35,9
Spaltung, Proz. . . . . | 77,6 | 760 | 659 | 66,6
Fermentschädigung von Pankreas dispert bei py 3,85 etwa 24,2 Proz.,
bei py 5,55 etwa 17,8 Proz.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 337
Versuch 14. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen I bei pe 12,5,
II bei pe 8,21.
Tabelle XIV.
FR EEN Al | An | BI | BH |
Min. | SE Verglichen mit
| Pn825 820 | 7,85 | 7.94 |
o | Nephelometerablesung . |spaitung| 19,8 Ispeitung| 20,2 i 20
= | Spaltung, Proz. .... „n | — | a, Joe
Nephelometerablesung . „ | 258| „ |245
a Spaltung, Proz. .... „ | 225! „ 1194
30 Nephelometerablesung . „ | 294| „ | 265
= Spaltung, Proz. Ma k | 32,0 | Re | 24,5
| Nephelonieterablisand | „ |348| „ | 30,5
4 Spaltung, Proz. .... „| 42,5 | ? | 34.4
90 | Nephelometerablesung . | „ 3235| „ | 35,5
Spaltung, Proz. .... | „ | 537] „ | 43,8
A Ha 12, BII = 20
120 | Nephelometerablesung . 5 | 18,6 | e | 40,5
az Proz. .... i 5 | 65,6 | „ | 50,6
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pe 12,5 total,
bei pe 8,21 etwa 18,4 Proz.
Versuch 15. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A. Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen. I bei pe 8,95,
II bei Py 9,56.
Tabelle XV.
| | ar | an
Min. | BR
Ir 8,01
get Verglichen mit
71
o | Nephelomoterablesung . 20,1 SCH 20, 5 | 20,1 Jarl 2 20,0
=T= Janea
i F | 34,0 28,0 | 30,2
Spaltung, Proz. ." 34,4 | 411 | 285 | 337°
Nephelometerablesung . ` 32,0 | 28,5 | 34,5 | 39,9
Spaltung, Proz. . . . . || 53,1 | 64,9 | 42,0 | 49,8
Nephelometerablesung . | 34,5 . 30,9 | 31,6 | 38,6
l
Spaltung, Proz. .... | 71,0 | 80,0 | 52,5 | 61,1 S
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei py 8,95 etwa
21,2 Proz., bei pc 9,56 etwa 20,0 Proz.
338 P. Rona u. H. Kleinmann:
Versuch 16. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen bei pe 6,5l.
Tabelle XVI.
Lili ee
gel
0 || Nephelometersblesung .
ji Spaltung, Proz. ....
40 | Nephelometerablesung .
| Spaltung, Proz.
80 | Nephelometerablesung . |
Spaltung, Proz.
120 Nephelometerablesung =
Spaltung, Proz.
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pe 6,51 etwa
21,3 Proz.
Versuch 17. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente I
bei pe 10,94, II bei pg 6,88.
Tabelle XVII.
WE 8 IA AU | " LÉI veiam at
Min er ls an na en Verglichen mit
WS SÉ "Dn 7,78| 7,78 Ä 778 | 7,78
Nephelometerablosung . | | 20,0 | 19,9 a ur. 19,8 | 19,7 | 20,0
Spaltung, Proz. . . a a — — i
Nephelometerablesung . | 2: 25,7 Ä 25,4 Ä 23,9 er 232 | 20,0
Spaltung, Proz. . 222| as 6a | 13,8 ` B
“Nephelometerablesung . | 292 | 27,1 | 25,4 | 25,4 | 20,0
Spaltung, Proz ‚315 | 26,2 | 23] 23 | OOOO
60 || Nephelometerablesung . | 39,5 | 33,4 | 30,5 | 24,5 200
Spaltung, Proz . | 49,4 | 40,1 | 344 | 2981
90 ` Nephelometerablesung . || 29,6 | 31,1 | 35,7 | 33,3 at: 12 ES
Als
` |
ee |
‚ Spaltung, Proz. .... | 59,4 | 51,7 | 44,0 | 40,0 |
120 | Nephelometerablesung . | 41,5 | 39,8 40,7 d 30,1 HE E
Spaltung, Proz. a e l 71,0 | EH 50,8 | | 50,0 E
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pg 10,94 etwa
27,5 Proz., bei py 6,88 etwa 20,6 Proz.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 339
Versuch 18. Fermentpräparat: Pankreas dispert(Krause). A.: Nach so-
fortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Ferments I bei
Pu 12,14, II bei py 6,91. Tabelle XVIII.
An ` BI BI
a | AL St e
Min. | _ [Puosı ES | SES 724 i Verglichen mit
Deu a EE T Keine eine 1 E EE
0 | Nephelometerablesung . SE 20,0 0 er 20,0 20 | 20,0
| Spaltung, Proz. ... .
15 HE N ephelometerablesung .
| Spaltung, Proz. .... E
SEENEN
30 Nephelometerablesung .
___; Spaltung, Proz. | d
60 | Neph Nehmen. | a 1.392 | „_| 33,4
Wr se va EE, ve 200
En
80 ' Nephelometerablesung .;, „ | 36,8 | „ 1380 Alz 10, B II = 20
| Spaltung, Proz. . . . . Te | 728i „ 1473| u
120 | RE | Ce I 33,5 d 3 |395 |A I= 6, Bil=15
| Spaltung, Proz. .... | „ | 821| „ |620 `
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei py 12,14 total,
bei Py 6,91 etwa 26,6 Proz.
Versuch 19. Fermentpräparate: I Pankreatin Rhenania, II Pankreas
dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem
Stehen des Ferments bei Py 7,36 (bei I) bzw. pe 7,50 (bei II). Die betreffen-
den (H`) sind durch Phosphatpuffer hergestellt (Endkonzentration des
Puffers n/100). Tabelle XIX.
Min. ie m re | ven Verglichen mit
N: BES an D 7,84| 7,82 rl. ZAN
0 | Nephelometerablesung . | 20,0 | er 19,9 | 19,8 j- an `
ei „=|=. LI ern
15 20,0
| Spaltung, Proz. .... RE IR TER nn
Nephelnmeterablesung . . 29,2 , 34,4 | 23,2 | 254 | 20,0
| Spaltung, Proz. a5 la
60 | Nechelomebreileung x Í 35,5 | 34,5 | 23,5 | — "Al Al 18
Spaltung, Proz. . . . . | 43,7 | 56,5 | 149 | SE
90 || Nephelometerablesung . | 33,8 | 39,2 | 25,3 | 29,6 ey” i
Spaltung, Proz. . . . . | 56,6 | 61,7 | 20,8 | 324 0000
120° nt | 35,9 | 41,3 | 28 ,2 | 39,1 a ae 11
Spaltung, Proz. .... | 63,8 | 73,4 | 29,1 | 48,8 `
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei py 7,36 (Phosphat-
puffer) etwa 63,3 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei py 7,50 (Phosphat-
puffer) etwa 53,9 Proz.
340 P. Rona u. H. Kleinmann:
Versuch 20. Fermentpräparate: I Pankreatin Rhenania, II Pankreas
dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem
Stehen des Ferments bei Py 6,98 (bei I). Die betreffenden (H`) sind durch
Phosphatpuffer hergestellt (Endkonzentration des Puffers n/100).
Tabelle XX.
Min.
I LA IB
| P 792 | "wi pP 7.92 7.92
0 Nephölometerableaung _ d
Spaltung, Proz.
BEE 8
i
Spaltung, Proz. SH
30 | N ephelometerablesung . |.
Spaltung, Proz.
E EE
60 || Nephelometerablesung .
Spaltung, Proz. ER
Nephelometerablesung . `
Spaltung, Proz.
Nephelometerablesung .
| Spaltung, Proz.
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 6,98 (Phosphat-
puffer) etwa 29,9 Proz.
Versuch 21. Die Fermente wurden in Leitungswasser gelöst. I Pankreatin
Rhenania, II Pankreas dispert (Krause). A: Nach sofortigem Fermentzusatz;
B: nach einstündigem Stehen mit dem sechsfachen Volumen Leitungswasser
bei pyg 7,34 (bei I) bzw. bei pu 6,99 (bei II).
Tabelle XXI.
dÄ | ra | ua | 1B | nB
Min. |, $ x en Verglichen mit
Pu 7.78 7,75 7,80 N O
Ne Sat 20,0 del 19,9 Ke 20,0 MME 20,2 ma) m
|| Spaltung, P Proz. Eo VE
15 EEE TE . |; 21,7 Far, 23,2 ET 2 | 21,0 0.9
` Spaltung, Proz. 7,7 | 13,7 | 5,6 | 4,8
245 | 250 | 23,0 | 23,5
18,4 | 22. 13,0 | 14,8 |
ı 27,0 | 30,9 | 25,6 | 27,9
30 Nephelometerablesung .
| Spaltung, Proz.
60 Nephelometerablesung ;
Nephelometrische Untersuchungen. V. 341
Tabelle XXI (Fortsetzung).
| "A | NA IB | up ,
Min. | ——— — Verglichen mit
| |pa7ıs| 775 | 780 | 784 |
| Spaltung, Proz. .... l 259 | 353| 21,8 | 283 |
90 || Nephelometerablesung . | 33,4 | 39,7 | 27,5 | 33,1
Spaltung, Proz. .. . .|| 40,1 | 51,5 | 27,3 | 39,5
120 || Nephelometerablesung . | 36,3 | 41,9 | 32,6 | 48,1 20,0
| Spaltung, Proz. . . . . || 44,8 | 64,2 | 38,6 | 48,1
Fermentschädigung von Pankreatin Rhenania bei pe 7,34 (Leitungs-
wasser) etwa 19,6 Proz., von Pankreas dispert (Krause) bei pe 6,99 (Leitungs-
wasser) etwa 22,2 Proz.
Versuch 22. Fermentprāparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen I bei py 4,56
(Verdünnung mit destilliertem Wasser ohne Puffer), II bei py 7,08 (Ver-
dünnung mit Leitungswasser, kein Puffer).
Tabelle XXII.
SE E
Min. Ir nen ea Ye , Verglichen mit
l 1 SE 7,72) 7,73 7,80 7 ‚78 d
0 1 Nephelometerablesung . 20,2 | 20,0 | 20,0 201 200
= || Spaltung, Proz. E , — !— TI — | — |
16
| Nephelome an: WW
30,8 | 36,9 | 23,9 | 31,4 AL Blu. I= 20,0
E se AE 5,
. . || 35,0 | 59,4 | 16,4 | 36,3 o
27,4 | 31,1 | 27,3 | — |AI=15, All= 8
30 || Nephelometerablesung . WI én
298 74,0 | 26,7 | 60,4
Spaltung, Proz.
ER Nephelometerablesung .
21,6 | 362 | 27,7 | 19,7 Alz lä Alz 5
BI=15, BII= 5
‚ Spaltung, Proz. 63,7 | 86,2 | 45,9 | 79,6
90 — Nephelometerablesung . | 31,8 | 40,7 | 31,7 | 30,5 | Al= BAUS 4
) BI=15, BII= 5
Al= 5, All= 3
| Spaltung, Proz... .| 749 |1
120
74,9 |100 | 52,7 | 86
Nephelometerablesung ` 37,5 | 32,3 | 27,4 | 38,9 |
86,7 | 100
„Spaltung, Proz. ... .
Fermentschädigung bei Pankreas dispert (Krause) bei pe 4,56
(destilliertes Wasser) etwa 29,8 Proz., bei py 7,08 (Leitungswasser) etwa
14,7 Proz.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 23
342 P. Rona u. H. Kleinmann:
Versuch 23. Fermentpräparat: Pankreas dispert (Krause). A: Nach
sofortigem Fermentzusatz; B: nach einstündigem Stehen des Fermente
bei I Py 8,44 (n/100 Bicarbonat), II pg 7,61 (n/100 Phosphatpuffer).
Tabelle XXIII.
Min.
(Ai TI an uni 00. |
Verglichen mit
Puy 8,06 KR 8,01
0 0 || Nephelometerablesung . | 198 | 19,7 | T 20,2 Fr
Spaltung, Proz. ... - ee
15 1 Nephelometerablesung . | 27,1 | 32,5 | 239, 26,3 | 200 `
| Spaltung, Proz. .. . . | 26,1 | 38,5 | 16,4 | 24,0 (`
30 | Nephelometerablesung - || 32,0 | 37,4 | 26,4 | 28,3 | AT, BI u I=
Spaltung, Proz. . . . . | 375 | 54,5 | 24,2 | 29,3
D | Al=15, All= 9
60 i| Nephelometerablesung . || 32,2 | 38,6 | 30,4 | 38,1 ma
Spaltung, Proz. . . . . || 534 | 76,7 | 34,1 | 47,5
Al=10, All= 5
BI=20, BI=15
90 || Nephelometerahlesung . || 33,5 | 32,9 | 37,1 | 36,7
Spaltung, Proz. . . . . | 702 | 84,8 | 46,1 | 59,1
120 || Nephelometerablesung . | 36,1 | 37,0 | 32,0 | 38,1 | A
I ‚Al 4
Deeg Il ° _ — (BI=15, Bllzl
| Spaltung, Proz. .... 80,6 | 93,7 | 53,1 | 68,5 |
Fermentschädigung von Pankreas dispert (Krause) bei pg 8,44 (Bi-
carbonat) etwa 35,7 Proz., bei py 7,61 (Phosphatpuffer) etwa 32,3 Proz.
Der Grad der Schädigung, die das Ferment bei seinem Verweilen
in dem in den einzelnen Versuchen angegebenen Milieu erlitten hat,
wurde in der Weise bestimmt, daß man zu verschiedenen Zeiten (nach
40, 80, 120 Minuten) die Umsätze bei dem ungeschädigten und dem
geschädigten Ferment miteinander verglich und die prozentische Ab-
nahme des Umsatzes berechnete; der Mittelwert der gefundenen Ab-
nahmen ist als Maß der ‚Schädigung‘ angegeben, und zwar wurde
hierbei der Umsatz des ungeschädigten Fermentes gleich 100 gesetzt.
Ist dieses Verfahren auch nicht ganz einwandfrei, so gibt sie die
Größenordnung der Fermentschädigung zweifellos richtig an. Be-
quemer wäre es gewesen, sich der nach dem monomolekularen Re-
aktionsverlauf berechneten Konstante des Spaltungsverlaufs der ein-
zelnen Versuche zu bedienen. Wenn aber auch in einer ganzen Reihe
der Versuche der monomolekulare Verlauf der fermentativen Spaltung
seine Geltung hat, so sinkt bei den meisten die monomolekulare
Reaktionskonstante so stark ab, daß von ihrer Anwendung ab-
gesehen werden mußte.
Nephelometrische Untersuchungen. V. 343
Die Gesamtheit der Versuche ergibt sowohlfür Pankreatin Rhenania
als für Pankreas dispert (Krause), daß das Maximum der Stabilität bei
einer stark sauren Reaktion, bei pe etwa 1,7 liegt. Hier beträgt die
Schädigung nur 3 bis 4 Proz., liegt also fast noch innerhalb der Fehler
der Bestimmungsmethode. Bei stärker sauren und stärker alkalischen
Reaktionen nimmt die Beständigkeit des Ferments ab. Bei der ge-
wählten Versuchsanordnung, bei einstündigem Stehen der Ferment-
lösung im Gebiet von De etwa 3 bis etwa 11 betrug die Wirkungsabnahme
20 bis 30 Proz.; bei pu 12 war eine sehr schnelle, totale Zerstörung des
Ferments zu beobachten. Daß die H-Ionen jedoch nicht die allein
maßgebenden Faktoren bei dem komplexen Vorgang der Ferment-
schädigung sind, zeigen die Versuche mit Phosphatpuffern, bei welchen
(bei pg 7 bis 8, unter den Bedingungen der übrigen Versuche) Schädi-
gungen bis zu 50 Proz. zu beobachten waren. Leitungswasser schädigt
das Ferment weniger als destilliertes Wasser. Das Gebiet der opti-
malen Wirksamkeit und das der größten Stabilität fallen also nach
diesen Versuchen keineswegs zusammen. Eine tiefere Einsicht in die
Verhältnisse ist jedoch erst bei Weiterführung der Untersuchungen
nach verschiedenen Richtungen, vor allem mit gereinigten Fermenten,
zu erwarten. Praktisch ergibt sich aus den Versuchen, daß Pankreas-
präparate durch die Acidität, wie sie im Magen herrscht, auch ohne
„Schutzmittel‘ in ihrer Wirksamkeit nicht geschädigt werden dürften.
Vorliegende Arbeit wurde mit Mitteln der Notgemeinschaft der
Deutschen Wissenschaft ausgeführt.
Bei der Ausführung der Versuche leistete uns Fräulein Otte wert-
volle Hilfe.
23%
Zur Pharmakologie einiger Benzylalkohole').
Von
Anastasios A. Christomanos.
(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Berlin.)
(Eingegangen am 6. Januar 1926.)
Von den drei Isomeren Oxybenzylalkoholen ist nur die Ortho-
verbindung pharmakologisch studiert worden. Sie wurde neuerdings
von amerikanischen Autoren (Lundholm, Hirschfelder, Noorgard?) als
Lokalanästhetikum empfohlen. Seine lokalanästhetische Wirkung
wurde auch durch Joachimoglu und Zeltner’) im hiesigen Institut
geprüft und in Versuchen an Menschen gefunden, daß genügend starke
Konzentrationen (1,8 Proz.) eine sofortige, über 1, Stunde dauernde
Anästhesie hervorrufen. Über die pharmakologische Wirkung der
beiden anderen isomeren Alkohole war bis heute sehr wenig bekannt.
Es ist mir von Prof. Joachimoglu die Aufgabe gestellt worden, diese
zwei Verbindungen zu studieren. Da sie im Handel nicht erhältlich
sind, so habe ich sie auf synthetischem Wege dargestellt.
Darstellung des m-Oxybenzylalkohols.
Die Darstellung des m-Oxybenzylalkohols beruht auf der Tatsache,
daß m-Oxybenzoesäure durch naszierenden Wasserstoff in saurer Lösung
oH zu dem entsprechenden Alkohol reduziert wird. Diese
Ex Reduktion wurde zuerst im Jahre 1877 von van den Velden‘)
| beschrieben. Wir haben diese Methode angewandt. Man ver-
'CH.OH fährt folgendermaßen: Etwa 50 g m-Oxybenzoesäure werden
EE in einer Pulverflasche mit ein wenig Wasser übergossen
und dann stückweise 4proz. Natriumamalgam hinzugesetzt. Es entwickelt
sich Wasserstoff und die Lösung erhitzt sich von selbst. Geht die Temperatur
über 45 bis 60°, so unterbricht man den Amalgamzusatz. Es ist darauf zu
achten, daß die Reaktion der Lösung schwach saurer bleibt, was man durch
Zufügen von verdünnter Salzsäure erreicht. Innerhalb 10 bis 12 Stunden
1) Auszug aus meiner Dissertation. Berlin 1925.
2) Journ. of pharm. and exper. Pathol. 15, 237, 1920.
3) Zentralbl. f. Chirurgie 1925, Nr. 20.
4) Journ. f. prakt. Chem. (2) 15, 165; Beilstein, 4. Aufl., 6, 896, 1923.
A.A.Christomanos: Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 345
setzt man die 25fache Menge Amalgam zu. Van den Velden gibt in seiner
Abhandlung die 50fache Menge an. Nach unseren Erfahrungen ist eine so
große Menge nicht nötig. Nachdem sich nun alles Amalgam gelöst hat
und die Reaktion sauer ist (Kongopapier), wird filtriert, das Filtrat in einen
Schütteltrichter mit Äther ausgeschüttelt und der Äther verdampft. Es
hinterbleibt ein dicker, gelblicher Sirup, der zwecks Reinigung in wenig
Wasser aufgenommen wird. Die Lösung erwärmt man auf dem Wasserbad
und setzt Calciumcarbonat zu bis zum Überschuß. Es wird nun filtriert,
das Filtrat mit Äther ausgeschüttelt und der Äther verdampft. In der
Porzellanschale hinterbleibt eine dicke, goldgelbe Flüssigkeit, die nach einigen
Stunden im Vakuum über Schwefelsäure in derben Spießen kristallisiert.
Die Kristalle werden mit Filtrierpapier getrocknet und stellen ein völlig
reines Produkt dar. Ausbeute 10 Proz. der Theorie. Den Schmelzpunkt
des auf diese Weise dargestellten m-Oxybenzylalkohols bestimmten wir
zu 67° (unkorr.). Mit Eisenchlorid gibt die wässerige Lösung eine veilchen-
blaue Färbung.
Darstellung des p-Oxybenzylalkohols.
Dieser Körper wird folgendermaßen dargestellt!): 68g Phenol werden
in 94ccm einer 40proz. Kalilauge gelöst und, nachdem alles in Lösung
gegangen ist, vorsichtig 71 ccm Formalin hinzugesetzt und das Ganze auf
dem Wasserbad bei einer Temperatur von 40 bis 60° 24 Stunden gehalten.
Dabei verbindet sich der Formaldehyd mit dem Kaliumphenolat zu o- und
p-Oxybenzylalkohol. Dann wird mit verdünnter Schwefel-
säure sehr vorsichtig und ohne Erhitzung (denn es bilden sich OH
dabei harzige Polymerisationsprodukte, die den ganzen Prozeß / |
ungünstig beeinflussen) neutralisiert. Es scheidet sich ein j
braunes, nach Phenol riechendes Öl aus, welches auf der Ober- N P
fläche der Flüssigkeit schwimmt. Am Boden des Gefäßes ist Č H,OH
eine mehr oder weniger dicke Schicht Kaliumsulfat. Nun wird
die ganze Flüssigkeit mit dem Öl in einem Schütteltrichter zweimal mit der
doppelten Menge Äther ausgeschüttelt, der Äther, welcher das in ihn über-
gegangene ölige Gemisch der beiden Alkohole enthält, wird mit wasserfreiem
Kaliumsulfat zwecks Entwässerung versetzt und nach 24 Stunden filtriert
und abdestilliert. Im Destillationskolben verbleibt eine dicke, stechend
riechende (Ameisensäure) Flüssigkeit, die in einer offenen Schale der Kri-
stallisation überlassen wird. Im Laufe von etwa 2 Wochen scheiden sich
dann mikroskopische Kriställchen ab, deren Menge immer mehr zunimmt,
so daß die Flüssigkeit dick und trübe wird. Nach 1 Woche ist die Kristalli-
sation so weit vorgeschritten, daß man die mit Öl vermischten Kristalle
auf Tonteller ausbreiten kann. Nach Absaugen des Öles hinterbleibt ein
weißgelbes kristallinisches Pulver. Diese Substanz enthält noch geringe
Spuren Öl und besteht aus einem Gemisch von p-Oxybenzylalkohol und
o-Oxybenzylalkohol. Zwecks Reinigung wird die Substanz, nachdem sie
sorgfältig vom Tonteller entfernt wurde, in möglichst wenig kochendem
Wasser gelöst und heiß filtriert. Im Filtrat scheiden sich bei 80° sofort
feine Blättchen des sehr schwer löslichen p-Oxybenzylalkohols ab. Nach
1) Auwers und Daeke, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 82, 3374; Chem.
Zentralbl. 1900, I, 192; Manasse, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27, 2409;
85, 3844; Beilstein, 4. Aufl., 6, 897, 1923; Lederer, Journ. f. prakt. Chem.
(2) 50, 225, 1894; Chem. Zentralbl. 1894, II, 555.
346 A. A. Christomanos:
Abkühlen des Filtrats wird filtriert und die p-Oxybenzylalkoholkristalle
noch einmal in kochendem Wasser gelöst und nach der Abscheidung
zwischen Filtrierpapier getrocknet. Durch diesen Prozeß wurde die Para-
von der Ortho-Verbindung getrennt, indem die Ortho-Verbindung als leicht
löslich jedesmal in der Lösung zurückblieb. Die erhaltenen Kristalle können
als genügend rein angesehen werden und die Bestimmung des Schmelz-
punkts ergab 110° (unkorr.). Diese Zahl stimmt mit der von Lederer ge-
fundenen überein. Auwers und Daeke!) fanden einen Schmelzpunkt von
124,5 bis 125°. Die Löslichkeit in Wasser, die nicht genau bekannt war,
wurde bei 18° zu 0,13 Proz. gefunden. Im siedenden Wasser ist p-Oxy-
benzylalkohol besser löslich, bis zu 1 Proz., fällt aber bei 80 bis 85° sofort
aus. Mit Eisenchlorid versetzt, gibt die wässerige Lösung von p-Oxybenzyl-
alkohol eine schwache, bald erblassende, blauviolette Farbe.
Darstellung des 2, 6-Dimethylol-p-Kresols.
Neben den drei isomeren Oxybenzylalkoholen haben wir zum Vergleich
den 2, 6-Dimethylol-p-Kresolalkohol!) untersucht. Man verfährt folgender-
maßen: 32 g p-Kresol werden in 40 ccm 20proz. KOH gelöst und langsam
60 ccm Formalin hinzugegossen und bei 75° 5 Stunden
oH gehalten. Nach dem Abkühlen wird mit Kohlen-
OHCH,/\CH,OH dioxyd behandelt, bis ein Öl ausfällt. Das Öl wird
j in einem Schütteltrichter aufgenommen und in einer
V Porzellanschale stehengelassen, wo es nach einiger
KR H, Zeit auskristallisiert. Die Kristalle werden getrocknet
8 und aus heißem Essigäther umkristallisiert. Die
Prozedur wird wiederholt, bis die Substanz rein ist. Dieser Körper kri-
stallisiert in prismatischen Nadeln, gibt mit Eisenchlorid amethystblaue
Farbe. Unser Produkt zeigt einen Schmelzpunkt von 127,5°2) (unkorr.).
Wirkung der isomeren Oxybenzylalkohole auf Bacterlum coli.
Zur Prüfung der antiseptischen Wirkung wurde eine 24stündige
Schrägagarkultur von Bact. coli in 4 ccm physiologischer Na Cl-Lösung
aufgeschwemmt. Von dieser Aufschwemmung setzte ich 4 Tropfen
in 4 ccm der O,1proz. Lösung der Alkohole. Die Mischung wurde bei 37°
gehalten. Nach verschiedenen Zeitintervallen wurde mit einer Platinöse
auf Schrägagar übergeimpft. Es ergab sich regelmäßig, daß nach
5 Stunden noch immer keine Wirkung bei der Ortho- und Meta-
verbindung zu beobachten war, während die Paraverbindung nach
5 Stunden eine schwache Wirkung entfaltete, die sich nach 12 Stunden
1) Auwers, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 2525; Chem. Zentralbl.
1907, II, 322; vgl. auch Beilstein, 4. Aufl., 6, 1127. Nach Abschluß meiner
Versuche erschien eine Abhandlung von H. H. Jensen (Journ. of Pharm.
and exper. Therap. 26, 127, 1925). Hier wird ein Schmelzpunkt von 129
bis 131° angegeben.
2) Der Schmelzpunkt dieser Substanz wird in der Literatur verschieden
angegeben. Ullmann, Britiner 130,5° (korr.), Auwers 133 bis 134°.
Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 347
weiter steigerte, so daß nach 24 Stunden der Agar steril blieb. Im
Gegensatz dazu hemmten die Ortho- und Metaverbindung das Wachs-
tum auch nach 24 Stunden nicht. Der Dialkohol verhielt sich ebenso.
Um die Beziehungen zwischen der antiseptischen Wirkung dieser drei
isomeren Alkohole und den ihnen entsprechenden Säuren festzustellen,
wiederholten wir dieselben Versuche mit 0,2proz. wässerigen Lösungen
der o-, m- und p-Oxybenzoesäure. Wir fanden, daß die 0-Oxybenzoe-
säure (Salicylsäure) die wirksamste ist. Dann folgt die m- und zuletzt
die p-Oxybenzoesäure, die kaum eine antiseptische Wirkung zeigt.
Demnach nimmt die antiseptische Wirkung in der Reihenfolge ab:
Bei den Alkobolen | Bei den Säuren
p-Oxybenzylalkohol 0o-Oxybenzoesäure
m- n m- n
o- n p- n
Lokalanästhetische Wirkung des p- und m-Oxybenzylalkohols.
Die lokalanästhetische Wirkung dieser Pharmaka ist viel schwächer
als die des 0o-Öxybenzylalkohols. Wir prüften die lokalanästhetische
Wirkung am Auge der Katze und in Selbstversuchen an der Zunge.
Die Paraverbindung ist gänzlich wirkungslos, während die Meta-
verbindung eine ganz schwache lokalanästhetische Wirkung am Auge
der Katze und auf der Menschenzunge zeigt.
Versuche an normalen Fröschen.
Es wurden Temporarien verwendet. Die wässerigen Lösungen
wurden in den Brustlymphsack injiziert. Die Konzentration der Lösung
betrug bei der Ortho- und Metaverbindung 1 Proz., bei der Para-
verbindung 0,13 Proz. Bei den mit o-Oxybenzylalkohol gespritzten
Fröschen trat nach Dosen von 9 bis 10 mg pro 10g Frosch nach
15 Minuten Atemstillstand ein mit einer leichten Parese, die sich weiter
steigerte, so daß nach etwa 20 Minuten die Frösche Rückenlage ver-
trugen. Es handelt sich um eine allgemeine vollständige Lähmung.
In diesem Stadium war der Ischiadikus faradisch erregbar. Das
Lähmungsstadium tritt nach den genannten Dosen zurück. Es kommt
zu einem Stadium einer gesteigerten Reflexerregbarkeit. Die Frösche
bieten das Bild einer Strychninvergiftung. Nach diesem Stadium
folgt ein neues Lähmungsstadium, welches mit dem Exitus endet.
Die Dosis letalis minima beträgt:
bei p-Oxybenzylalkohol 1,6 mg pro 10g Frosch
„ m-Oxybenzylalkohol 6 , ,„ 10g S
„ o-Oxybenzylalkohol 10 „ ww 10g Se
348 A. A. Christomanos:
Die Wirkung des m-Oxybenzylalkohols weicht in einigen Punkten
von der Wirkung der Orthoverbindung ab. Der Atemstillstand tritt
erst später ein, nach 30 Minuten und mehr mit nachfolgender Lähmung
und Steigerung der Reflexe. Die wirksame Dosis beträgt 5 mg pro
10 g Frosch. Vor dem Exitus wurden Krämpfe der hinteren Extremi-
täten beobachtet. Auch hier war im Lähmungsstadium der Ischiadikus
faradisch erregbar, bei der Paraverbindung war, wie bei der Ortho-
verbindung, eine sehr deutliche Steigerung der Reflexerregbarkeit
nachzuweisen. Die wirksame Dosis beträgt 1,5 mg pro 10g Frosch.
Wirkungen auf weiße Mäuse.
Das Verhalten der Mäuse zu den drei isomeren Oxybenzylalkoholen
entspricht dem der Frösche. Wir spritzten die Lösungen intraperitoneal.
Die Dosis letalis minima beträgt:
bei 0o-Oxybenzylalkohol 4,6 mg pro 10g Maus
vn m-Oxybenzylalkohol 4,2 „ ,„ 10g ,„
» p-Oxybenzylalkohol 2,5 „ „ 10g ,„
Was die Symptome der Vergiftungen und ihre Ursache anbelangt,
so handelt es sich offenbar wie bei den Fröschen um einen zentralen
Angriffspunkt. Eigentümlich ist auch hier die Steigerung der Reflexe,
die sowohl bei der Ortho- wie bei der Paraverbindung sehr deutlich
ist. Zuweilen schreien die Tiere nach Injektion des p-Oxybenzyl-
alkohols im Krampfstadium, was bei den anderen Verbindungen
niemals vorkommt. Dagegen zeigt die Metaverbindung eine geringe
Steigerung der Reflexe. Hier tritt die Lähmung besonders in den
Vordergrund.
Schicksal des o- und p-Oxybenzylalkohols und des Dialkohols
im menschlichen Organismus.
Nencki!) berichtet, daß der Oxybenzylalkohol im Körper zu
Salicylsäure oxydiert wird.
Er verfolgte diesen Vorgang nur qualitativ. Dabei bemerkte er, daß
die Ausscheidung des zu Salicylsäure umgewandelten Oxybenzylalkohols
2 bis 3 Tage dauerte, wenn auch die Hauptmenge in den ersten 24 Stunden
zur Ausscheidung gelangt. Devrient?) untersuchte in unserem Institut
die Ausscheidung der Salicylsäure und gelangte zu dem Ergebnis, daß die
Salicylsäure unvollständig im Harn ausgeschieden wird, und zwar höchstens
bis zu 14,86 Proz. der eingenommenen Menge. Devrient fand, daß die Aus-
scheidung innerhalb der ersten 24 Stunden beendet war. Am zweiten und
dritten Tage fand er nur geringe Mengen im Harne. Unsere Untersuchungen
knüpfen an diesen Punkt an. Wir verabreichten Menschen (Männern 22 bis
1) Nencki, Opera omnia 2, 17, 1906, Braunschweig.
2) Devrient, Arch. f. exper. Pharm. u. Pathol. 90, 242.
Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 349
27 Jahre alt) 0,5 bis 1,5 g o-Oxybenzylalkohol und untersuchten im Harn
der nächsten 24 Stunden die ausgeschiedene Menge des zu Salicyl- bzw.
Salicylursäure oxydierten o-Oxybenzylalkohols zuerst nach der Methode
von Sauerland!). Sehr störend bei diesem Verfahren ist die Bildung von
Emulsionen beim Ausschütteln des angesäuerten Harns mit dem Gemisch
von Petroläther und Chloroform. Wir haben aus diesem Grunde die Methode
von Beck und Piccard?) angewandt. Wir stellten fest, daß die Befunde
von Devrient über die Ausscheidung der Salicylsäure mit den unsrigen
übereinstimmen.
Wir fanden, daß die innerhalb 24 Stunden als Salicylsäure aus-
geschiedene o-Oxybenzylalkoholmenge bis 8 Proz. der eingeführten
Menge entspricht. Dabei ist zu bedenken, daß wir nicht Salicylsäure,
sondern den entsprechenden Alkohol zugeführt haben. Dieses Resultat
führte uns auf den Gedanken, daß der eingenommene o-Oxybenzyl-
alkohol nicht zu Salicylsäure oxydiert wurde, sondern als aromatischer
Alkohol gepaart mit Schwefelsäure, vielleicht auch Glykuronsäure,
ausgeschieden wird. Zur Entscheidung dieser Frage haben wir bei
einer Versuchsperson zunächst die mit dem Harn in 24 Stunden
ausgeschiedene Menge präformierte und gepaarte Schwefelsäure be-
stimmt. Nach Einnahme von o-Öxybenzylalkohol wurde die gleiche
Bestimmung im Urin der nächsten 24 Stunden vorgenommen. Die
Versuchsperson hat während des Versuchs die gleiche Kost bekommen.
eem
Bestimmung der Salicylsäure im Harn.
on nl
Der Harn wird auf dem Wasserbad verdampft, der Rückstand
mit Alkohol extrahiert, filtriert, der Alkohol verdampft, mit Wasser
aufgenommen, welches durch Schwefelsäure schwach angesäuert
wurde, filtriert und in einem Schütteltrichter mit Äther ausgeschüttelt.
Die Salicylsäure geht in den Äther über. Der Äther wird verdampft
und der schwach gelbliche Rückstand mit destilliertem Wasser auf-
genommen. Um die Menge der in Lösung befindlichen Salicyl- bzw.
Salicylursäure festzustellen, wird die wässerige Lösung in einem,
graduierten Zylinder mit einigen Tropfen Eisenchlorid bis zu deutlicher
Färbung versetzt. Die Farbe wechselt je nach der vorhandenen Menge
Saliclysäure zwischen hellrot und tiefviolett. In einen anderen Meß-
zylinder von gleichem Durchmesser wird eine bestimmte Menge
destillierten Wassers (etwa so viel Kubikzentimeter wie beim ersten
Zylinder) gegossen und mit der gleichen Menge Eisenchlorid versetzt.
Nun wird aus einer Bürette tropfenweise eine wässerige Natrium-
salicylatlösung (0,1 g zu 1000 Wasser) hinzugesetzt, bis die Farbe der
1) Sauerland, diese Zeitschr. 40, 66, 1912.
2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 8, 817, 1875; zitiert nach A. Heffter
in Neubergs Handbuch ‚Der Harn‘ 1, 820. Verlag Springer, 1911.
350 A. A. Christomanos:
Lösung des ersten Zylinders möglichst gleicht. Die Menge Salicyl-
säure ergibt sich aus den verbrauchten Kubikzentimetern Natrium-
salicylatlösung (l ccm entspricht 0,0000862 g Salicylsäure) und der
Differenz des Volumens der beiden Lösungen in den zwei Meßzylindern.
Bestimmung der Schwefelsäure und der Ätherschwefelsäure').
Der Harn wird in der Kälte mit verdünnter Salzsäure und einem
Überschuß 5proz. Bariumchloridlösung versetzt. Nach 24 Stunden
wird der Niederschlag abfiltriert, geglüht und gewogen. Er stellt die
präformierte Schwefelsäure dar. Eine andere Harnfraktion wird mit
einigen Kubikzentimetern konzentrierter Salzsäure gekocht und in der
Wärme mit 5proz. Bariumchlorid versetzt. Nach 24 Stunden wird
der Niederschlag abfiltriert, geglüht und gewogen. Er stellt die
Gesamtschwefelsäure dar. Durch Subtraktion des Wertes der prä-
formierten Schwefelsäure von der Gesamtschwefelsäure erhält man den
Wert für die aromatische Schwefelsäure.
Es ergab sich aus unseren Versuchen, daß nach Einnahme von
o-Oxybenzylalkohol sowie p-Oxybenzylalkohol die Menge der ge-
paarten Schwefelsäure im Harn proportional der eingeführten Menge
zunimmt. Es muß dabei bemerkt werden, daß nach Einnahme von
o-Oxybenzylalkohol die entsprechende Säure kolorimetrisch im Hame
nachzuweisen ist, während für die Bestimmung der p-Oxybenzoesäure
eine entsprechende Methode nicht bekannt ist. Im Gegensatz zu diesen
beiden Alkoholen wurde nach Einnahme des 2, 6-Dimethylol-p-Kresols
keine Erhöhung der Werte für die gepaarte Schwefelsäure festgestellt.
Nach Behandlung des Harns, wie oben bei der Isolierung der Salicyl-
säure geschildert, gab der Rückstand der ätherischen Lösung mit
Eisenchlorid eine rotviolette Färbung. Diese ist verschieden von der
Färbung, die der reine Dialkohol gibt. Hier ist die Färbung rein blau.
Welches Umwandlungsprodukt des Dialkohols hier vorliegt, geht aus
den vorliegenden Versuchen nicht hervor.
Zusammenfassung.
l. Zum pharmakologischen Vergleich mit dem o-Oxybenzyl-
alkohol (Saligenin) wurde der m- und p-Oxybenzylalkohol, außerdem
ein Dialkohol, das 2, 6-Dimethylol-p-Kresol, dargestellt.
2. Der p-Oxybenzylalkohol zeigt eine schwache antiseptische
Wirkung, noch schwächer wirkt die m-Verbindung und noch schwächer
die o-Verbindung. Bei den entsprechenden Säuren nimmt die anti-
septische Wirkung in der Reihenfolge o-, m-, p-Oxybenzoesäure ab.
1) Vgl. auch Thierfelder, Handb. d. chem. Analyse, 9. Aufl., 1924, S. 690.
Pharmakologie einiger Benzylalkohole. 351
3. Während der o-Oxybenzylalkohol eine deutliche lokalanästhe-
tische Wirkung hat, wirkt die m-Verbindung sehr schwach, bei der
Paraverbindung ist eine lokalanästhetische Wirkung nicht fest-
zustellen.
4. Bei Fröschen und Mäusen rufen die Oxybenzylalkohole eine
allgemeine Lähmung mit zentralem Angriffspunkt hervor. Zuweilen
folgt dem Lähmungsstadium ein Stadium gesteigerter Reflexerreg-
barkeit.
5. In Versuchen am Menschen wird gefunden, daß der o0-Oxy-
benzylalkohol zum Teil zu Salicylsäure oxydiert wird, gleichzeitig
findet eine Paarung mit Schwefelsäure statt, da nach Einnahme des
Alkohols die Menge der aromatischen Schwefelsäuren im Harne
zunimmt.
6. Bei der p-Verbindung haben wir die gleichen Verhältnisse, nur
ist hier der Nachweis der Oxydation zu der entsprechenden Säure
mangels charakteristischer Reaktion nicht möglich.
7. Eine Paarung mit Schwefelsäure konnte bei 2, 6-Dimethylol-
p-Kresol nicht nachgewiesen werden.
Über eine neue Form der Chinhydronelektrode.
Von
W. Mozolowski und dJ. K. Parnas.
(Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität Lwów.)
(Eingegangen am 6. Januar 1926.)
Mit 3 Abbildungen im Text.
Das große Interesse, welches die Chinhydronelektrode gefunden
hat, und ihre so zahlreichen Anwendungen haben es mit sich gebracht,
daß in den letzten Jahren viele Modelle der Elektrodengefäße
vorgeschlagen und auf den Markt gebracht worden sind. Es war
in der Konstruktion und Anwendung der Chinhydronelektroden
fast eine Übereiltheit zu bemerken, neben wohlüberlegten, zweck-
mäßigen Formen!) wurden komplizierte, unzweckmäßige Vorrichtungen
empfohlen, und es konnte vorkommen, daß die Chinhydronelektrode
für Messungen am Vollblut empfohlen wurde, ohne daß bemerkt worden
ist, daß infolge der vollständigen Umwandlung von Oxyhämoglobin
in Methämoglobin nicht nur das Gleichgewicht der Basen und Säuren
im Blute, sondern auch das Verhältnis des Chinons zu Hydrochinon
völlig verschoben wird.
Der neuen Form, die wir hier beschreiben wollen, liegt die Er-
fahrung zugrunde, daß es für die schnelle und sichere Einstellung des
Elektrodenpotentials — besonders im gefährlichen Gebiet der schwach
alkalischen Reaktion — wichtig ist, die Elektrode von ungelöstem
Chinhy«iron völlig umgeben zu halten?).
1) Vgl. besonders Cullen und Biilmann, Journ. of biol. Chem. 64,
729, 1925; Kolthoff, Zeitschr. für physiol. Chem. 144, 259, 1925; Schaeffer
und Schmidt, diese Zeitschr. 156, 63, 1925.
2) Die immer wiederholte Theorie, welche die Chinhydronelektrode als
eine Wasserstoffelektrode vom Wasserstoffdruck gleich 10-724 Atmosphären
auffaßt, sollte eigentlich nach den Darlegungen von Clark (Determination
of H-Ion-Concentration, 2. Aufl., 1923, S. 245 bis 259) aus den Abhand-
lungen und Büchern verschwinden; sie ist nicht nur physikalisch sinnlos,
sondern auch in bezug auf die Konstruktion der Elektroden irreführend.
W. Mozolowski u. J. K. Parnas: Neue Form der Chinhydronelektrode. 353
Eine Überschichtung des Elektrodenmetalls mit Chinhydron ist
besonders dann wichtig, wenn man in salzhaltigen oder alkalischen
Lösungen mit hydrochinongesättigten Chinhydronelektroden arbeitet.
Dieser Punkt wird, ohne besondere Begründung, in dem neuen Hand-
buch von Ostwald Luther!) betont (,in diesem Falle schüttelt man die
Lösungen einige Stunden mit den Bodenkörpern und läßt diese bei der
Messung die tief eingetauchte Elektrode umgeben‘), er scheint auch
in der wohlüberlegten Elektrode von Ettisch?) zum Teil berücksichtigt
zu sein, wo die Drahtspitze in die Chinhydronschicht am Boden ein-
taucht, wie aus der Zeichnung zu ersehen ist.
Unsere Elektrode besteht aus einem Glasröhrchen, dessen Boden
durch aufgebranntes Gold inwendig vergoldet ist; die Vergoldung
kommuniziert durch einen im Boden eingeschmolzenen Platindraht
mit dem ableitenden Draht. Sie kann leicht in jeder Größe, auch für
sehr kleine Flüssigkeitsmengen angefertigt werden. Über der Ver-
goldung sind die Wände des Röhrchens eingebuchtet, damit die Ver-
goldung nicht verletzt und der ableitende Heber in einiger Entfernung
von der Chinhydronschicht gehalten wird. l
Die Einzelheiten sind aus der Zeichnung zu ersehen (Abb 1). Zur
Anfertigung der Elektrode schmilzt man in den Boden eines passend
weiten Röhrchens aus Thüringer Glas einen
Platindraht ein, der etwa 3mm ins Innere
ragt, und legt ihn im Inneren eng an die Wand.
Man löst etwa 0,lg Goldchlorid in einem
Tropfen absoluten Alkohols. auf und gibt, -
unter Kühlung mit Leitungswasser, einen
Tropfen Lavendelöl dazu; von der braunen
Lösung bringt man vorsichtig einen Tropfen GE EE
auf den Boden des Elektrodenröhrchens. Man Vë Vergoldung
steckt nun in dieses Rohr ein zweites, fast an — Zement
den Boden reichendes Rohr, durch das man — lu Droht
Luft durchsaugt, und beginnt mittels kleiner
Flamme etwa lcm oberhalb des Bodens vor-
sichtig zu erhitzen, indem man das Elektroden-
rohr um das innere Rohr dauernd dreht. Man erhitzt schließlich, nach
vorsichtiger Eintrocknung und Veraschung, in immer größerer, zum
Schluß in der rauschenden Flamme des Bunsenbrenners. Wenn die
Goldschicht nicht gleichmäßig ist, muß man die Aufbrennung wieder-
holen. Man soll eine glatte, in Durchsicht blaue Vergoldung erzielen,
wie man sie auf alten venezianischen Gläsern sieht.
1) Ostwald Luther, Physikochemische Messungen, 4. Auri., 1925, S. 480.
2) Ettisch, Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie 42, 302, 1925.
354 W. Mozolowski u. J. K. Parnas: Neue Form der Chinhydronelektrode.
Zum Schluß macht man in der Gebläseflamme, etwa 8 bis 10 mm
über dem Boden, mittels eines Drahtes Einbuchtungen in die Röhren-
wände und behandelt die Vergoldung einige Stunden lang mit ver-
dünnter Salpetersäure. An den Platindraht wird ein längerer Kupfer-
draht angelötet, und die Drähte werden durch ein darübergeschobenes
Glasrohr mittels Khotinskizements fixiert und an dem Elektrodenrohr
befestigt.
Die Füllung und Reinigung der Elektrode — durch Ausspritzen
mit Wasser — ist überaus einfach und schnell. Die Elektrode stellt
sich augenblicklich ein.
Die Zusammenstellung des Elements geschieht mittels eines Ver-
bindungsstücks, welches zur Hälfte mit Chlorkaliumagar und dessen
enger zweiter Arm mit der untersuchten Flüssigkeit gefüllt wird. Die
Abb. 2. Abb. 3.
Chinhydronelektroden haben einen Salzfehler, und es ist deshalb nicht
zweckmäßig, den KCl-Agarheber direkt in den Elektrodenraum ein-
tauchen zu lassen, besonders dann, wenn man nur wenig untersuchte
Flüssigkeit in der Elektrode hat. Die Halbagarheber (Abb. 2) ent-
fernen die starke KCl-Lösung aus dem Elektrodenraum. Sie werden,
wenn außer Gebrauch, in der gesättigten K Cl-Lösung gehalten und sind
dann, nach Durchspülung des freien Armes mit Wasser gebrauchs-
fertig. Ähnliche Dienste leistet übrigens auch ein gewöhnliches Agar-
U-Rohr, dessen Enden nach oben umgebogen (Abb. 3) und nicht ganz
mit Agar gefüllt sind; man füllt dann über das Agar einen Tropfen der
untersuchten Lösung und taucht dann erst ein. Ein solches Rohr kann
auch dazu dienen, um Chinhydronketten zusammenzustellen, wenn
man diesen vor dem Element Chinhydronelektrode-Kalomelelektrode
den Vorzug gibt und die Rechnung vereinfachen will.
Über Samenfädenagglutination
unter Einwirkung chemischer Agenzien.!
Von
Bernard E. Kalwaryjski.
(Aus dem medizinisch-chemischen Institut und dem histologisch-embryo-
logischen Institut der Universität Lwów.)
(Eingegangen am 6. Januar 1926.)
Mit 24 Abbildungen im Text!).
Einleitung.
Das Entstehen der vorliegenden Arbeit geht von einer Beobachtung
über den Einfluß des Kohlendioxyds auf den Befruchtungsvorgang und
auf die ersten Stadien der Embryonalentwicklung der Rana temporaria
aus.
Die erste in Leitungswasser vorbereitete Aufschwemmung der
Temporariasamenfäden, die einer CO,-Atmosphäre ausgesetzt wurde,
erlag nämlich nach etwa 20 Sekunden einer Ausflockung. Die Flocken
waren annähernd 1 bis 2cmm groß.
Nachdem alle möglichen Fehlerquellen der Versuchsanordnung
und Beobachtung sorgfältig ausgeschlossen waren, konnte man zweifellos
feststellen, daß die in Leitungswasser aufgeschwemmten Spermien
einer Agglutination unter der CO,-Einwirkung unterliegen.
Diese Arbeit wurde unternommen, um sowohl für diese Tatsache
als auch einige verwandte Erscheinungen eine Erklärung zu bringen.
Die Ausflockungsphänomene der Samenfäden verschiedener Tier-
arten waren von vielen Autoren beobachtet und beschrieben. Jedoch
erst in dem letzten Jahrzehnte hat man diesen Erscheinungen, welche
sich als sehr allgemein erwiesen, mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
1) Die Objekte sind mit dem photographischen Okular von Zeiss „Phoku“
aufgenommen, und zwar Abb. 1, 2, 5, 6, 8 bis 10, 12 his 14, 16 bis 18, 20,
21 und 23 mit Zeiss Apochr. 16mm, Abb. 3, 4, 7, 11, 15, 19, 22 und 24 mit
Zeiss homogener Immersion !/,". Alle hier wiedergegebenen Objekte ent-
stammen den Hoden von Rana temporaria und stellen eine etwa zweimalige
Vergrößerung der Originalaufnahmen dar.
356 B. E. Kalwaryjski:
Die älteren und neueren Angaben über dieses Thema sind so zerstreut
und schwer zugänglich, daß es mir trotz aller Mühe nicht gelungen ist, die
ganze Literatur zu sammeln. Die folgende Darstellung soll die Angaben
zunächst chronologisch ordnen. Erst bei der Besprechung eigener Er-
gebnisse werde ich zu einer kritischen Übersicht kommen.
A. Kölliker!) beschreibt unter anderem die Ausflockung der Samen-
fäden unter dem Einfluß verschiedener Chromsäurelösungen: 1: 400,
1:100 und 1:40. In der letztgenannten Lösung dauert die Bewegung
noch 1 bis 2 Minuten und sodann ‚backen‘ „die Fäden mit einem sich
bildenden Gerinnsel zusammen“,
J. Loeb?) berichtet in seiner Arbeit über die Befruchtung der Seeigeleier
mit Seesternsamen, daß Zusatz von mehr als l cem n/10 NaOH-Lösung
zu der Spermaaufschwemmung eine tiefgreifende Veränderung des Aus-
sehensder Suspension zur Folge hat. „Man bemerkt oft“ — schreibt J. Loeb—,
„daß die trübe Suspension des Samens in der Lösung sich ziemlich plötzlich
klärt. Das beruht auf einer Fällung des Samens. Wenn das eintritt, so findet
keine Befruchtung statt. Ich vermag‘ — schreibt J. Loeb —, „den Grund für
diese Beziehung nicht anzugeben“.
In seiner nächsten Arbeit über dasselbe Thema beschreibt J. Loeb?)
eine starke Agglutination der Ochracea-Samenfäden, welche 13 Minuten in
Seewasser verweilten, das auf 100 ccm 2ccm n/10 NaOH enthielt. Samen-
fäden, die so behandelt und nachher in Strongyluseier enthaltendes
Seewasser versetzt wurden, befruchteten nicht mehr. Die Samenfäden
agglutinierten stark unter Klumpenbildung. ‚Beim Beginn dieser Agglu-
tination waren die einzelnen Spermatozoen noch beweglich, und die Be-
weglichkeit der Spermatozoen beschleunigte die Bildung von größeren
Aggregaten einzelner Spermatozoen. Später aber hörte auch die Beweglich-
‚keit der Spermatozoen auf.“ J. Loeb beruft sich auf Taylor, nach dessen
Meinung die Agglutination der Seesternsamenfäden der Vidolschen Probe
sehr ähnlich ist. Außerdem überzeugte er sich, ‚daß die Agglutination in
alkalischem Seewasser nicht nur bei dem Samen von Asterias ochracea zu
beobachten ist, sondern auch bei dem Samen von Asterias capitata, Pygno-
podia spuria und Asterina‘“.
Die Samenfäden der Seeigel agglutinieren unter denselben Bedingungen
nicht. J. Loeb unterscheidet zwei Arten der Agglutination: 1. die Agglu-
tination der Samenfäden auf der Oberfläche der Eier, welche .befruchtet
werden sollen; 2. die Agglutination der Samenfäden untereinander. Die
zweite entspricht ‚der Erscheinung der Klumpen- oder Niederschlagbildung,
obwohl der agglutinierte Samen nicht notwendig zu Boden fällt‘. Im See-
wasser unter Beigabe von n/l0 HCl im Verhältnis von 100: 2 bilden die
Samenfäden oft Klumpen, aber nicht immer. Deswegen will auch J. Loeb
nicht annehmen, ,... daß die Klumpenbildung (Agglutination) der Samen-
fäden miteinander ein vorgerückteres Stadium der Veränderungen bildet,
welche die Befruchtung des Seeigels ermöglichen‘“.
Fr. R. Lillie*) machte in seinen Befruchtungsstudien mehrere Beob-
achtungen über die Agglomeration der Samenfäden der Echinodermen(Arbacia)
und der Polychaeten (Nereis). Er stellte fest, daß frische Aufschwemmung dee
1) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 7, 233, 1856.
2) Pflügers Arch. 99, 351f., 1903.
3) Ebendaselbst 104, 335f., 1904.
t) Journ. of exper. Zoology 14, 515 bis 574, 1913.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 357
Nereissamen schon nach 5 Sekunden nebelartige Anhäufungen bildet. Diese
selbständige Verdichtung sieht Lite als ein Sympton der Aktivität an und
nennt sie Aggregation. In der Annahme, daß CO, als ein Stoffwechselprodukt
der Spermatozoen auf die oben erwähnte Erscheinung Einfluß hat, stellte er
eine Reihe von Versuchen an, bei welchen er Seewasser anwandte, das mit
Kohlensäure gesättigt war. Eine aus dieser Stammlösung angefertigte
Iproz. Lösung wirkte bei Nereis so, daß ‚paralyzed the spermatozoa
immediately‘. Eine 0,5proz. Lösung ruft bei schwacher Aktivität eine
Aggregation hervor. Die Empfindlichkeit gegenüber CO, ist bei Nereis
sehr ausgeprägt; die Loligo-Samenfäden bewegen sich in 50 proz. Lösung
schwach, in 20proz. dagegen lebhaft. Vollständige Lähmung ruft bei
Chaetopterus eine 331/,- bis 40proz. Lösung, bei Arbacia schon eine 3proz.
hervor. Zum Vergleich untersuchte er das Verhalten des Spermas gegenüber
H,SO, HCl, HNO, CH,COOH in n/1000 und n/10000 Lösungen. Es
zeigte sich dabei, daß die Essigsäure die stärkste, die Salzsäure die schwächste
lähmende Wirkung entfaltet. Die Samenfäden in n/5000 Salzsäurelösung
sind stark aktiviert und erliegen der Aggregation, wogegen in n/5000 Essig-
säurelösung die Samenfäden sich kaum bewegen. Die Nereissamenfäden
sind den Laugen gegenüber sehr empfindlich und erliegen unter Klumpen-
bildung der Agglutination, welche bei Anwendung sogar von starken Säuren
niemals vorkommt. Eine n/2500 Kalilaugelösung bewirkt eine fast mo-
mentane Agglutination, trotzdem sie chemotaktisch nicht wirkt. Die
Samenfäden der Arbacia sind gegenüber der Säureeinwirkung mehr wider-
standsfähig als die Nereisspermatozoen; die Empfindlichkeit der beiden
Species den Laugen gegenüber ist ein gleiche. Die Agglutination bei beiden
Arten ist irreversibel. Die Samenfäden behalten ihre Beweglichkeit in
agglutinierten Massen bei. Die größte Aggregation ist in der Mitte des
Tropfens der Spermaaufschwemmung zu beobachten. Nach Zugabe eines
CO,-haltigen Wassertropfens zum Sperma unter einem Deckglas entsteht
ein charakteristischer Ring. Die Samenfäden gelangen gar nicht zum
Zentrum des hineingelassenen Tropfens, da ihre Bewegungen schon auf der
Peripherie des Ringes aufhören. Die unter Einfluß von CO, aggregierten
Samenfäden sind keineswegs agglutiniert, und ihr Verhalten entspricht
der Aktivation in frischer Spermaaufschwemmung. Fr. Lillie vermutet,
daß die Aggregation infolge positiver Chemotaxis der Samenfäden gegen
Kohlendioxyd zustande kommt, welches ein Stoffwechselprodukt der
Spermatozoen darstellt. Die Samenfäden, die direkt dem Deckglase auf-
liegen, erliegen nicht der Aggregation infolge eines Antagonismus der
Chemotaxis und der Thigmotaxis, zugunsten der letzteren. Bei älterer
Aufschwemmung verläuft die ganze Erscheinung langsamer und schließlich
hört sie ganz auf. Die durch hohe Temperatur abgetöteten Samenfäden
verfallen nicht der Aggregation, was beweisen soll, daß sie keine physikalische
Erscheinung ist. Ein mit CO, gesättigter Tropfen des Seewassers verursacht
in Spermaaufschwemmung die Bildung des Ringes, welcher aus lauter
gelähmten Samenfäden besteht. Außerhalb des Ringes besteht eine klare
Zone, durch welche die Samenfäden mit großer Geschwindigkeit gegen den
Ring losstürzen, wo sie fast momentan einer Erlahmung anheimfallen. Diese
Erscheinung verläuft schnell, und im Resultat wächst die zentrale Aggre-
gation mit einer merklichen Geschwindigkeit an, so daß in kurzer Zeit
sämtliche Samenfäden gebunden werden. Bei der Anwendung schwacher
Kohlensäurelösungen entsteht die Aggregation innerhalb des Tropfens,
dagegen bei starken Lösungen auf der Peripherie. Nach der Meinung
Fr. Lillies ist die plötzliche Aktivation der Samenfäden in Seewasser vcr-
Biochemische Zeitschrift Band 169. 24
358 B. E. Kalwaryjski:
ursacht durch die Anwesenheit von Kohlensäure, welche durch die Sperma-
tozoen produziert wird; dieser Vorgang fand durch die chemische Analyse
seine Bestätigung. Etwas ältere Spermaaufschwemmungen weisen das
Aggregationsphänomen nur gemeinsam mit der Thigmotaxis auf. Fr. Lillie
unterscheidet prinzipiell die Aggregation von der Agglutination der
Spermien; bei der Aggregation sind die Samenfäden nur locker verbunden
und eine leichte Bewegung genügt, um sie loszulösen. In agglutinierten
Massen sind die Spermatozoen sehr stark verfilzt, und selbststarkes Schütteln
bringt eine Trennung nicht zustande. Die agglutinierten Nereissamenfäden
lassen sich mit der Nadel oder durch tödlich wirkende Lösungen loslösen.
Die Arbaciaspermatozoen weisen gewöhnlich eine schwächere Agglutination
auf. Die Fragmentation des Ringes ist für die Agglutination charakteristisch.
Die unter Einwirkung von Säuren gebildeten Ringe erliegen — aus-
genommen schwache Säuren — der Fragmentation nicht. Die Agglutination
kann so stark sein, daß die Flüssigkeit zwischen den agglutinierten Massen
durchsichtig wird. Die agglutinierten Massen verschwinden langsam binnen
einiger Minuten, aber die Agglutination läßt sich mikroskopisch noch nach
mehr als einer halben Stunde nachweisen. Den agglutinierenden Faktor
bilden die aus den Eizellen ausgeschiedenen Substanzen. Der Eizellen-
extrakt übt auf die Samenfäden folgende Wirkungen aus: 1. regt auf kurze
Zeit ihre Aktivität an; 2. verursacht chemotaktische Erscheinungen sowie
die Agglutination und 3. schließlich lähmt die Samenfäden vollständig.
Die Agglutination kommt zustande durch Verklebung der Spermatozoen-
köpfe, die Schwänze bleiben anfänglich frei. Nur in späteren Stadien der
Agglutination ist die Beweglichkeit der Samenfäden zerstört. Das Zu-
sammenkleben der Köpfe weist auf Veränderungen der Protoplasma-
häutchen hin. Die Köpfe der Nereisspermatozoen sind während der Agglu-
tination sphärisch aufgequollen und verlieren dabei ihre Eigenschaft der
starken Lichtbrechung. So veränderte agglutinierte Samenfäden liegen
bewegungslos. Einzelne außerhalb der Agglutinate liegende Samenfäden
trifft man nur fixiert am Glase und niemals freihängend in der Flüssigkeit.
In einer weiteren Abhandlung unterscheidet Fr. Lillie!) voneinander
prinzipiell verschiedene Erscheinungen, welche in der Spermaaufschwemmung
der Arbacia stattfinden können: 1. Aktivation, 2. Aggregation, 3. Agglu-
tination und 4. Massenkoagulation, welche letztere seitens Fr. Lillie als
letale Erscheinung angesehen wird. Die Agglutination hat keine toxische
Wirkung, schädigt nicht die Lebensleistungen der Spermien, ist reversibel
und die Dauer der Agglutination ist von der Konzentration des aggluti-
nierenden Mediums abhängig. Die Agglutination ist als eine biologische
Erscheinung von der Aggregation zu trennen. Sie unterscheidet sich von
der Aggregation sowohl durch eine stärkere Intensität der Erscheinung als
auch dadurch, daß sie nicht wiederholt werden kann, sobald sie schon
einmal stattgefunden hat. Weiter hängt die Agglutination von der physi-
kalischen Adhäsion ab und ist spezifisch. Im Gegensatz zur Massen-
koagulation ist nach Fr. Lilie die Aggregation 1. nicht toxisch, 2. reversibel
und 3. von der Beweglichkeit der Samenfäden abhängig. Die Agglutination
soll nur als eine durch Eierzellensekret ein und derselben Spezies verursachte
Reaktion angesehen werden. |
J. Loeb?) knüpft an die Untersuchungen Fr. Lillies an, wobei er die
ganze Frage von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachtet. Er be-
= 1) Biol. Bull. 28, 1 bis 21, 1915.
2) Journ. of exper. Zoölogy 17, 123 bis 138, 1914.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 359
schreibt Gebilde unter dem Namen ‚‚cluster formation‘, die aus Samenfäden
der Seeigel bzw. der Seesterne zusammengesetzt sind. Die Anwesenheit von
Eizellen derselben Species in Seewasser bedingt das Vorkommen der
„cluster formation‘. Diese Klumpenbildung hält J. Loeb als identisch mit
der von Fr. Lillie beschriebenen Agglutination der Samenfäden. J. Loeb
stellt fest, daß die Samenfäden durch Zusatz von NaOH-Lösungen, art-
fremdem Eiweiß, Blutserum oder anderen Substanzen agglutinieren. Auf
diese Weise agglutinierte Samenfäden erinnerten an kurze Fäden, die sich
in unregelmäßige Netze verflechten. ‚Cluster formation‘‘ dagegen ähneln
sehr den Oberflächenspannungsphänomenen. Die sich bildenden Massen
besitzen eine sphärische Form; sobald zwei von solchen ‚‚cluster formation“
sich in allernächster Nähe befinden, fließen sie in eine größere sphärische
Masse zusammen. Alle so zusammengeballte Samenfäden sind beweglich
und schwimmen als ein Ganzes in Seewasser, welches Eierzellensekrete
enthält. Sobald die Samenfäden sich entweder in reinem Seewasser oder
im Seewasser nach Zugabe von artfremden Eiern befinden, dann ist dieses
Phänomen nicht zu beobachten. Die wahre Agglutination weist weder die
Oberflächenspannungsphänomene noch ‚Cluster formation“ auf. Nach
J. Loeb ist die ‚Cluster formation‘ eine einfache Funktion der Samenfäden-
beweglichkeit. Samenfäden, welche ihre Beweglichkeit durch Einwirkung
von NaCN (1 bis 2 Tropfen 0,1 proz. Lösung auf 3 ccm Seewasser), KCl oder
erhöhter Temperatur (35 bis 36°C) eingebüßt haben, bilden keine ‚‚cluster
formation‘ im Seewasser, welches die dazu sonst nötigen Stoffe enthält.
Sobald die Beweglichkeit der Samenfäden wiederkehrt, stellt sich die
Haufenbildung wieder ein, wozu aber die Anwesenheit der Eizellen
derselben Spezies notwendig ist. Die wahre Agglutination kommt
zustande ohne Rücksicht darauf, ob die Samenfäden beweglich sind oder
z. B. durch KCN-Einwirkung sie ihre Beweglichkeit eingebüßt haben.
„Cluster formation‘ kann also nicht als eine Abstufung der Agglutination
angesehen werden. Von J. Loeb beschriebene ‚‚cluster formation“ stellt
sich mikroskopisch als perlartige Anhäufungen der Samenfäden dar. Inner-
halb dieser Anhäufungen können sich frei liegende Samenfäden befinden,
welche wiederum jederzeit sich der, Cluster formation‘ anschließen können.
„Cluster formation‘ dauern nur einige Minuten, ähnlich wie die von Fr. Lillie
beschriebenen Agglutinate. J. Loeb fand dabei, daß sie länger in neutraler
als in alkalischer Lösung dauert, und daß die ‚‚cluster formation‘‘ um so
schneller zerfällt, je mehr die Alkaleszenz des Seewassers durch Zusatz
von NaOH erhöht wird. Auf Grund weiterer Beobachtungen nimmt
J. Loeb an, daß ‚cluster formation‘‘ vom negativen Chemotropismus ab-
hängig ist. Seewasser, welches aktive Substanzen der Eierzellen enthält,
bewirkt diesen Chemotropismus. J. Loeb nämlich stellt sich vor, daß die
von Fr. Lillie beschriebene Ringbildung mit einer hellen Zone um den hinein-
gelassenen Tropfen herum die Folge sein kann eines negativen Chemo-
tropismus der Samenfäden gegen die aus den Eiern ausgeschiedenen Stoffe,
welche in dem Tropfen in hoher Konzentration enthalten sind. Dazu gesellt
sich noch der postive Chemotropismus der Samenfäden gegen dieselben,
aber durch Seewasser schon verdünnten Stoffe. Eier, die durch die
Einwirkung von Salzsäure (3 cem n/10 HCl : 50 ccm Seewasser) von
ihrer Membran befreit sind, gaben nie eine ‚‚luster formation‘, und
Seewasser dagegen, welches Eizellenmembranen enthält, das vorher
zuerst angesäuertt und dann durch Zusatz von NaOH neutralisiert
wurde, gab noch im Verlauf von 3 Tagen ausgesprochene „cluster
formation“.
24 *
360 B. E. Kalwaryjski:
J. Gray!) beschreibt eine Agglutination der Forellensamenfäden unter
dem Einfluß der Elektrolyten. Die Lanthanchloridlösung verklumpt die
Spermatozoen in 0,003 mol. und sogar in 0,0005 mol. Lösung. In einer weiteren
Abhandlung beschäftigt sich J. Gray?) mit den Agglutinationsphänomenen
in Spermaaufschwemmungen von Echinus miliaris. Die drei- und vier,
wertigen Chloride von La, Ce u. a. in oben erwähnter 0,0005 molhaltigen
Konzentration, bringen die Spermatozoen zur völligen Ausflockung.
Die Agglutination ist von der H'-Ionenkonzentration in hohem Grade
abhängig, und in einem Medium, dessen pp etwas mehr als 6,5 beträgt,
kommt sie nicht mehr zustande. Die durch Schwermetalle hervorgerufene
Ausflockung kommt nur bei neutraler Reaktion zustande. Durch Zusatz
von Natriumcitrat kann die Agglutination wieder aufgehoben werden. Die
Samenfäden verlieren durch Zusatz mehrwertiger Kationen ihre negative
Ladung, was mit der H'-Ionenwirkung identisch sein soll. Durch Zusatz des
Natriumeitrats sollen die Samenfäden ihre vorherige Ladung von neuem
gewinnen.
J. Yamane?) beschreibt Haufenbildungen bei Pferdespermatozoen und
betrachtet sie als von H-Ionenkonzentration und Elektrolyten abhängig.
Besonders ausgeprägte Agglutination erhielt er in einer Lösung, zu welcher
auf 10 ccm dünner Spermaaufschwemmung 0,2 bis 0,3 cem 10proz. Eisen-
chloridsolution verwendet wurde.
E.Gellhorn‘) beschreibt eine starke Agglutination der Teemporaria-
Samenfäden, die ebenfalls unter der Einwirkung des Eisenchlorids zustande
kommt. Gellhorn hält diese Agglutination für eine typische Wirkung des
Eisenchlorids auf Samenfäden des Frosches. Eisenchlorid tötet die Sper-
matozoen in sehr geringen Konzentrationen unter grober Ausflockung.
Mikroskopisch erscheinen die Klumpen als ein dichtes Netzwerk, welches
aus den Samenfäden gebildet ist. Die KCl + FeCl,-Lösung übt auf die in
Agglutination geratenen Samenfäden keine Veränderung der äußeren Form
aus; sieläßt jedochinden in Agglutination geratenen Samenfäden eine teilweise
oder vollständige Auflösung in Kernchenreihen erkennen. In verdünnten
Lösungen wirken außer den Fe”-Salzen agglutinierend noch Aluminium-
und Bleisalze. Die Eisenchloridagglutination der Temporaria-Samenfäden
ist nach Gellhorn ganz zu trennen von der Haufenbildung, welche Yamane
bei Pferdesperma, Loew®) bei Ratienspermatozoen, Ballowitz*) bei Dasypus
beschreiben. Nach Loews (l.c.) Angabe beschreibt Dewitz ähnliche Bildungen
bei den Spermatozoen der weißen Maus.
G. Hertwig?) beschreibt das Vorkommen einer sehr starken Agglutination
der Temporariasamenfäden unter dem Einfluß der verdünnten Trypaflavin-
lösungen, welche noch in 0,25 Prom. ihre Wirkung sehr deutlich ausübt.
Eine Erklärung dieser Tatsache gibt @. Hertwig in seiner kurzen Mitteilung
nicht an.
1) Journ. of Physiol. 58, 308f., 1920.
2) Proc. of the Roy. Soc., Ser. B., 91, 147 bis 157, 1920.
3) Journ. of the College of Agricult. Hokkaido Imp. Univer. Sapporo 9,
197 bis 226, 1921.
4) Pflügers Arch. 198, 571 bis 573, 1922.
5) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. 111, Abt. III, 118 bis 132, 1902.
¢) Anat. Anz. 29, 321 bis 324, 1906.
7) Verh. d. Anat. Ges. 58, 223f., 1924.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 361
Die Abhandlung von M. Sampson!) über die Iso- und Heteroagglu-
tination der verschiedenen Echinodermienspermien steht mit meiner
Untersuchung in keinem direkten Zusammenhang, da ich mich in dieser
Arbeit speziell nur mit der Chemoagglutination befasse. Einige Einzelheiten
möchte ich jedoch anführen. Sampson beschreibt den Verlauf der Iso- und
Heteroagglutination, wobei die Konfigurationen der Ausflockung Unter-
schiede aufweisen. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Agglutina-
tionsformen besteht darin, daß die Heteroagglutination als irreversible, die
Isoagglutination dagegen als reversible erscheint.
E. Godlewski jun.?) beschreibt eine Agglutination der Seeigelsperma,
welche durch fremde Sperma inaktiviert wird, und in der Ausflockung eben
den Grund der Inaktivation sieht (,,... l’essence des processus de Pin-
activation du sperme d’oursin par le sperme ötranger‘‘). E. Godlewski jun.
stellte fest, daß ein alkalisches Medium in hohem Grade die Agglutination
begünstigt. In der erwähnten Arbeit spricht sich der genannte Autor über
den Mechanismus des Agglutinationsphänomens nicht aus; in früheren
Arbeiten?) *) 5) über den Antagonismus der verschiedenen Samenmischungen
(Strongylocenirotus + Choetopterus + Dentalium) steht er auf dem Stand-
punkt der Ehrlichschen Seitenkettentheorie, welche er als sehr nützlich und
brauchbar für die von ihm erörterten Probleme erklärte.
Aus den jüngst veröffentlichten Untersuchungen A. Waltons®) über
die Ausflockung von sSeeigelspermaaufschwemmungen, welche mir erst
nach dem völligen Abschluß meiner Versuche bekannt geworden sind, geht
hervor, daß in extrem sauren Lösungen die Samenfäden ihre Wanderungs-
richtung im elektrischen Felde ändern und zur Kathode wandern. Die
Ausflockung ist von bestimmten H'-Ionenkonzentrationen abhängig. Die
maximale Ausflockung liegt nach dem Verfasser für Seeigelspermatozoen
im Gebiet oe = 3,0, welcher sich als isoelektrischer Punkt erwiesen hat.
Material und Methodik.
Das Untersuchungsmaterial stammte aus kräftigen und geschlechts-
reifen Individuen der Rana temporaria, und nur vergleichungshalber wurde
eine Spermaufschwemmung von Bufo vulgaris und Hecht (Esox lucius)
benutzt. Die Experimente wurden nur teilweise während der Brunstperiode
ausgeführt. Der Samen wurde dem kopulierenden Männchen aus den prall
gefüllten Samenbläschen entnommen. Der größte Teil meiner Unter-
suchungen wurde jedoch außerhalb der Brunstperiode ausgeführt, nämlich
von November angefangen bis Ende März, und einige Experimente wurden
schon nach der Kopulationszeit angestellt. Da natürlicherweise zu dieser
Zeit keine Spur von einer Ansammlung des Samens in den Samenbläschen
zu finden war, so blieb nur der eine Weg, eine Samenfädenaufschwemmung
zu erhalten, nämlich die Hoden in einer Flüssigkeit zu zerfetzen. In den
genannten Zeitperioden besaßen die Hoden eine Unmasse reifer Samenfäden,
1) Biol. bull. of the marine hist. laborat. 48, 267 bis 284, 1922.
2) C.r. Biol. 91, 84 bis 86, 1924.
3) Bull. Inter. de l’Acad. de Science de Cracovie 1910.
4) Arch. f. Entwick.-Mechan. 88, 193, 1911.
5) Physiologie der Zeugung; Wintersteins Handb. d. vergl. Physiol. 8,
2. Hälfte, S. 883 bis 884, 1914.
€) Brit. Journ. of exper. Biol. 2, 13f., 1924.
362 B. E. Kalwaryjski:
was mit den Angaben der vortrefflichen Arbeit Witschis!) völlig übereinstimmt.
Dieser stellte fest, daß noch nach 3 Wochen nach der Brunstperiode die
Hoden befruchtungsfähige Samenfäden enthalten. Nach Ablauf der Brunst-
periode spielen sich in den Hoden große Veränderungen ab, welche bei den
„frühen Rassen‘ (zu welchen unsere einheimische Temporaris gehört) um die
Mitte September zum Stillstand kommen. Die Ruheperiode dauert von
der Mitte September bis zum Eintritt der Brunstperiode, und während
dieser Ruheperiode sind die Hoden mit reifen Samenfäden vollgepfropft,
die zu Bündeln angeordnet sind. Diese Bündel zerfallen in der Brunst-
periode von selbst, aber der Zerfall dieser Bündel kommt fast ebensogut
zustande, wenn man aus den Hoden eine Aufschwemmung bereitet. Die
Tiere wurden in der Regel dekapitiert, und es wurde auch die Inhalations-
narkose vermieden. Die Hoden wurden jedesmal ohne Peritoneumüberzug
exstirpiert und jede Spur des Blutes wurde sorgfältig im fließendem Wasser
abgewaschen.
Die Spermaaufschwemmung wurde jedesmal in gleicher Weise immer
gleichartig vorbereitet, indem man den Hoden in 2 ccm Flüssigkeit (meistens
in Kontrollösung) mittels einer Pinzette in einem Uhrglas so lange zerzupfte,
bis die so entstandene dicke Aufschwemmung eine milchige Beschaffenheit
annahm. Die festeren Gewebe und allerlei Detritus wurden entfernt.
Solche Aufschwemmung wird als Standardsuspension bezeichnet. Aus dieser
wurden je nach Bedarf mittels einer Pipette 0,3 bis 0,75ccm der Auf-
schwemmung entnommen und zu 10 ccm mit der nötigen Flüssigkeit vər-
dünnt. Mit der so vorbereiteten Samenfädenaufschwemmung konnte man
Versuche anstellen in Reagenzgläschen, Kolben, im hängenden Tropfen
oder auch in mikroskopischen Gaskammern. Das für die Versuche nötige
Kohlendioxyd entwickelte man im Kippschen Apparate unter allen. üblichen
Kautelen, welche die Reinheit des Gases versichern.
Bei den Untersuchungen über die Einwirkung des Kohlendioxyds auf
die Samenfäden wurde eine unmittelbare Durchleitung des Gases durch die
Aufschwemmung vermieden, da es sich als unzweckmäßig erwies, die
Samensuspension stark durch die Gasblasen zu erschüttern. Die Exposition
in reinem Kohlendioxyd als auch mit Kohlendioxydluftmischungen, wurde
in Erlenmeyerschen Kolben von etwa 1 Liter ausgeführt. In einer Aqua dest.
enthaltenden pneumatischen Wanne, wurden die Kolben mit Gas gefüllt.
Anfangs wurden die Gasmischungen in großen Gasometern vorbereitet,
besser jedoch erwies sich die Vorbereitung der Gasmischungen in den
Kolben selbst, indem man jeden Kolben teilte und mit beliebigem Quantum
Wasser füllte, welches mit CO, verdrängt wurde.
Die vorbereitete Samenfädenaufschwemmung wurde mit einem
schnellen Griff in die Kolben entleert, wieder mit Kork geschlossen, darauf
wurden mit dem Kolben durch einige Minuten schaukelnde Bewegungen
ausgeführt, um alle Flüssigkeitsteilchen mit dem Gasgemisch in Berührung
zu bringen.
Den Experimentbedingungen entsprechend, dauerte die Exposition
von einigen Minuten bis zu 12 Stunden. Veränderungen, welchen die
Samenfädenaufschwemmung unterlag, wurden makroskopisch während
und nach der Exposition beobachtet. Außerdem wurden nach beendeter
Exposition kleine Portionen des Versuchsmaterials mikroskopisch untersucht.
Die Versuche in den mikroskopischen Gaskammern wurden folgender-
maßen angestellt: Reines Kohlendioxyd bzw. die Gasmischung wurde durch
1) Zeitschr. f. Zellen- u. Gewebelehre 1, 530 bis 541, 1924.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 363
ein zuführendes Röhrchen zugeleitet. Das ausführende Röhrchen der
Gaskammer besaß ginen kurzen Gummischlauch, welcher in ein mit
Wasser gefülltes Gefäß eingetaucht war, was einerseits eine stetige Kon-
trolle des Gaszuflusses sicherte und andererseits das Eindringen der
Luftatmosphäre in die Gaskammer während einer Sistierung des Gaszuflusses
ausschloß. Zwischen der Gaskammer und der Gasquelle wurde ein Dreiwege-
hahn angeschlossen, dessen einer Arm mit einer Wasserstrahlluftpumpe
verbunden war, um im beliebigen oder nötigen Momente die Exposition
zu sistieren bzw. eine energische Durchlüftung einzustellen. Vor der
Durchlüftung war es immer nötig, das Kontroll- und Sicherheitsgefäß
wegzunehmen, um eine sehr unangenehme Weasseraspiration in die Kammer
zu vermeiden.
Die Bestimmung der Weasserstoffionenkonzentration wurde nur auf
dem kolorimetrischen Wege ausgeführt; als Indikatoren wurden die von
J. Clark!) angegebenen Farbstoffe benutzt?). Als Standardlösungen
wurden Mc Ilvains Pufferreihen benutzt, die sich als sehr praktisch erwiesen,
da sie eine große Skala der H--Ionenkonzentration entwickeln können. Es
hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen, mehrere Indikatoren für ein und
dieselbe Puffermischung zu verwenden. Da die Samenfädenaufschwem-
mungen trübe sind, so war es notwendig, sich des Walpoleschen Kom-
parators zu bedienen und vorgeschriebene Kontrollen für die getrübten
Lösungen anzuwenden. Die benutzten Reagenzgläser waren genau aus-
gemessen, alle desselben Kalibers. Das Flüssigkeitsquantum betrug immer
10 ccm.
Die Versuche, welche die Aufgabe hatten, den Einfluß der Salze auf die
Agglutination der Spermien zu erforschen, waren sehr einfach angestellt.
Die Spermasaufschwemmungen wurden in denjenigen Lösungen vorbereitet,
welche untersucht werden sollten in bezug auf ihre Einwirkungsweise.
Die Lösungen wurden entweder genau titriert oder aus analytisch gewogenen
Substanzen in verschiedenen Normalverdünnungen vorbereitet.
Das Studium des Einflusses der Salze auf die Kohlensäureagglutination
stieß auf eine Schwierigkeit, da an den Wänden der Kolben ein gewisses
Quantum destillierten Wassers blieb, welches die Normalität der unter-
suchten Lösungen in unberechenbarer Weise verdünnte. Diese Schwierigkeit
konnte nicht ganz umgangen werden. Aber die Fehlerquelle wurde dadurch
verringert, daß die Innenwände der Kolben paraffiniert wurden und das
Gas in einem sehr langsamen Strome eingelassen wurde. Auf diese Weise
blieben auf den Innenwänden der Kolben nur solche minimalen Wasser-
tropfen haften, daß sie angesichts der verwendeten, ziemlich starken
Lösungen in einer Quantität von 10 ccm als unschädlich für das Gesamt-
ergebnis der Versuche betrachtet werden konnten.
Die Untersuchung der Agglutination unter dem Einfluß anderer
Agenzien wurde in Reagenzgläsern ausgeführt, wobei das Gesamtquantum der
Flüssigkeit immer 10ccm betrug. Eine ganze Reihe der untersuchten Lö-
sungen, wie z.B. stärker konzentrierte Säuren und Salze rufen große Ver-
änderungen in der äußeren Form der Samenfäden hervor oder zerstören sie
sogarganz. Diese Umstände waren für dieweitere Beobachtung sehr nachteilig.
Um diesen Nachteil zu umgehen, wurde im neutralen Medium eine äußerst
1) J. Clark, The Determination of Hydrogen Ions. Baltimore 1920.
2) Thymol blue (T.B.), Brom-thymol-blue (B.T. B.), Cresol purple
(C.P.) usw.
364 B. E. Kalwaryjski:
Gebrauchsmaterial entnommen wurden. Als sehr zweckmäßig erwies sich
eine 0,3proz. MgCl,-Lösung [@elihorn!) gebraucht Leitungswasser], welche
einen günstigen Einfluß auf die Lebensfähigkeit und Stabilität der äußeren
Form der Temporariasamenfäden ausübt. So vorbereitete Suspensionen
waren einige Stunden lang gebrauchsfähig. Den MgCl,-Zusatz konnte man
in Deutung der Versuche ohne weiteres vernachlässigen, da es sich um
Quantitäten handelt, die in Agglutinationsphänomenen keine Rolle spielen.
(Berechnung: In n MgCl,-Lösung sind 47,7g des Salzes in einem Liter
gelöst. Eine n/500 Lösung des Magnesiumchlorids in l cem besitzt etwa
0,0000954 g des Salzes. Verdünnt man jetzt 0,3 ccm der in 0,3proz. MgCl,-
Lösung vorbereiteten Samenfädenaufschwemmung bis zu 10 ccm, so kommt
auf Leem so vorbereiteter Spermiensuspension 0,00009g MgCl, was
annähernd einer n/500 Lösung entspricht. So eine starke Verdünnung
kann ohne weiteres in diesen Experimenten vernachlässigt werden, da nur
viel stärkere Lösungen, etwa n/10 eine Wirkung ausüben, was später ein-
gehend erörtert werden soll.)
Auf solche Weise vorbereitetes Material war sehr bequem zu hand-
haben und erwies sich für diese Art von Experimenten als bestens geeignet.
Die Kataphorese der Samenfäden in verschiedenen Medien und in ver-
schiedenen Aggregatzuständen wurde so angestellt, daß eine mikroskopische
Beobachtung der Erscheinungen möglich war. Die von L. Michaelis?)
angegebene Anordnung wurde als bequemste gewählt. Um die Ströme
in der Flüssigkeit möglichst zu sistieren, war es geeignet, einen Wall aus
Glaserkitt, Wachs oder weichem Paraffin am Objektglas anzulegen, und so
entstand ein kleines Bassin, in welchem sich keine Bewegung der Flüssig-
keit andeuten konnte, was auch mikroskopisch auf den unbeweglichen
(vorher abgetöteten) Samenfäden leicht festzustellen war. Bei der Deutung
der Ergebnisse in solcher Weise angestellter Versuche ist jedoch größte
Vorsicht angezeigt, da ja selbst ein Auflehnen der Hand auf den Tisch schon
Niveaudifferenzen hervorruft, welche zu Täuschungen führen können.
Die kataphoretische Wanderung, wurde jedesmal peinlichst kontrolliert
unter stetigem, in gewissen Zeitintervallen wiederholtem Ändern der
Stromrichtung.
Experimenteller Teil.
Den Versuchen mit Spermienaufschwemmungen gingen Versuche
voraus, welche an lebenden Tieren und isolierten Hoden als ergänzende
und zugleich als einführende Versuche angestellt wurden. Es handelt
sich nämlich um Beantwortung der Frage, wie sich die Samenfäden
bei den Tieren bzw. in den isolierten Hoden verhalten, welche durch
den Einfluß einer reinen CO,-Atmosphäre asphyktisch geworden sind.
Gesunde männliche Temporariaexemplare wurden unter eine Glasglocke
gesetzt, durch welche Kohlendioxydstrom durchgeleitet wurde. Die
Exposition dauerte 2 bis 28 Stunden. Erst mit der vollständigen
Sistierung des Blutkreislaufs in den Schwimmhäuten, wurde die eigent-
1) Pflügers Arch. 185, 266 bis 279, 1920.
2) L. Michaelis, Praktikum der physikalischen Chemie, I. Aufl.,
1921, S. 100—102.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 365
liche Betrachtung eingeleitet, meist erst nach drei- bis vierstündiger
Exposition.
Es zeigte sich bald, daß in den ersten Minuten der Präparations-
arbeit an den Tieren, die aus der Glasglocke herausgenommen wurden,
der Kreislauf, wenn auch sehr träge, sich doch einstellte, und daß
heftige reflektorische Zuckungen zum Vorschein kamen. Im Zustande
einer tiefen Asphyxie präparierte Tiere zeichneten sich immer durch
äußerst geblähte Lungen und Diastole des Herzens aus. Die Samen-
'fädenaufschwemmungen aus den asphyktischen Exemplaren besaßen
eine Lebensfähigkeit, welche den Kontrollaufschwemmungen gleich
war. Die Tiere, welche sich 24 Stunden in einer CO,-Atmosphäre be-
fanden und bei denen die vorderen Extremitäten von Totenstarre
schon ergriffen waren, enthielten in den Hoden Samenfäden, die, in
0,3proz. NaCl-Lösung aufgeschwemmt, anfangs bewegungslos waren,
nach wenigen Minuten konnte man bei einer nicht unbeträchtlichen
Zahl der Samenfäden Bewegungen und Oszillationen aufweisen.
8 Stunden nach der Vorbereitung solcher Aufschwemmung konnte
man noch bei vielen Samenfäden Bewegungen wahrnehmen.
In einer zweiten Reihe der Experimente wurden die frisch prä-
parierten Hoden der CO,-Einwirkung ausgesetzt. Proben des Materials
wurden mittels einer Platinöse aus der Schnittoberfläche heraus-
genommen und in verschiedenen Lösungen untersucht. Folgende
Lösungen kamen in Betracht: Destilliertes Wasser (unwirksam als
chemisches, stark wirkend als physiologisches Medium), Leitungs-
wasser (für die ejakulierten Samenfäden als physiologisch zu be-
trachtendes Medium), 0,3proz. MgC],-Lösung (als eine Flüssigkeit, die
die Lebensfähigkeit der Samenfäden in bedeutendem Grade erhöht)
und schließlich NNHCO,-Lösungen. NaHCO,-Lösungen wurden als ein
Puffer gegenüber der säuernden Wirkung des Kohlendioxyds benutzt.
Nach 1!/,stündiger Exposition der Hoden, wiesen die in destil-
liertem Wasser aufgeschwemmten Samenfäden nur eine sehr schwache
Beweglichkeit auf, aber nach 10 bis 15 Sekunden nehmen die
Oszillationen an Energie zu. In Leitungswasser verhält sich eine kleine
Portion der Samenfäden genau so. Eine Portion der Samenfäden
wurde nach 2stündiger Exposition der Hoden in eine l proz. Na HCO,-
Lösung gebracht. Nach wenigen Sekunden weist die Samenfäden-
aufschwemmung regelmäßige Beweglichkeit der Spermien auf, und
nach 2 Minuten stellen sich Deformationen der äußeren Gestalt der
Samenfäden ein in Form von Ösen und Haken. In 0,3proz. MgCl,-
Lösung sind die Spermatozoen aus dem exponierten Material viel
weniger beweglich. Die 24stündige Exposition desselben Materials
gab folgende Resultate: Die in destilliertes Wasser gebrachten Ver-
suchsportionen weisen anfangs keine Bewegung auf, erst nach 11, bis
366 B. E. Kalwaryjski:
2 Minuten kann man einige langsame Bewegungen mancher Samen-
fäden beobachten. In Leitungswasser verhält sich die Sache fast ebenso.
In 0,1l proz. NaHCO,-Lösung läßt sich nach 30 bis 40 Sekunden eine
leichte Bewegung beobachten, welche jedoch nicht zunimmt. Die
Deformation der Samenfäden ist viel weniger häufig als in destilliertem
oder Leitungswasser. In 0,3proz. MgCl,-Lösung führt nur eine kleine
Zahl der Samenfäden Bewegungen aus.
In der dritten Versuchsserie wurden Spermatozoen solcher Exem-
plare untersucht, die 24 Stunden vor der Untersuchung getötet wurden;
ein Teil der Samenfäden war gut beweglich.
Die Lebensfähigkeit der Samenfäden, die unter verschiedenen
Bedingungen entnommen wurden, verhielt sich nun gleichartig, un-
abhängig davon, ob 1. die Samenfäden von Individuen abstammen,
die einer sehr langen Einwirkung des Kohlendioxyds ausgesetzt, aber
sonst nicht beschädigt waren, oder ob 2. an isolierten Hoden, welche
in einer CO,-Atmosphäre verweilten, und endlich 3. an solchen Exem-
plaren, die bereits 24 Stunden tot waren. Die Samenfäden, welche
aus den mit CO, behandelten Tieren bzw. den isolierten Hoden ab-
stammen, zeigen zunächst keine Bewegungen, und erst nach einigen
Minuten lassen sich Bewegungen des Schwanzes beobachten. Auch
Samenfäden, welche in isolierten Hoden der Kohlendioxydwirkung
ausgesetzt wurden, liegen anfangs bewegungslos und erst nachträglich
stellen sich die Bewegungen ein.
Die Reihenfolge der völligen Lähmung und nachherigen Be-
wegungen macht die Annahme einer Narkose der Samenfäden durch
Kohlendioxyd sehr wahrscheinlich.
Es wäre noch zu beantworten, warum die entnommenen Samen-
fädenproben keine Agglutination aufweisen. Vorläufig dürfte man
annehmen, daß entweder die Konzentration des Kohlendioxyds in
den Samenfäden zu klein war, um nach Verdünnung zum Volumen
der Aufschwemmung eine Agglutination zustande zu bringen, oder
daß im Innern der Hoden besondere Bedingungen existieren, welche
die agglutinierende Wirkung des Kohlendioxyds hemmen und welche
die CO,-Einwirkung nur auf eine Hemmung der Bewegungen beschränkt.
Die NaHCO,-Lösungen wurden schon bei diesen Experimenten
gebraucht, um die säuernde Wirkung des Kohlendioxyds zu puffern;
diese Lösung übt eine günstige Einwirkung auf die Beweglichkeit und
das Erhalten der normalen äußeren Form der Samenfäden aus.
Die Einwirkung des Kohlendioxyds auf die Spermatozoen ist im
hohen Grade abhängig von dem Medium, der Aufschwemmung. Man
muß also noch die Einwirkung des Mediums auf die Samenfäden berück-
sichtigen, sowohl in bezug auf das Verhalten der Beweglichkeit als auch
in bezug auf das Verhalten der äußeren Gestalt der Spermatozoen.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 367
Da Veränderungen der äußeren Form der Samenfäden sich oft wieder-
holen werden, so mögen hier die charakteristischen Deformationen be-
sprochen sein. Es handelt sich hauptsächlich um Spermienformveränderungen,
welche schon seit Leuvenhoek (1687) bekannt sind [zitiert nach Broman})],
und welche in einer Knickung und Zusammenrollung des Kopfes bestehen. .
Kölliker?) beschreibt genau analoge Veränderungen. Nach Beschreibung
Bromans (l. c.) rollen sich die Köpfe uhrfederähnlich ein. Die Deformationen
der äußeren Gestalt der Samenfäden sieht Broman als ‚„krampfartige
Veränderungen‘ an und unterscheidet keine anderen Formen mehr. G. Gell-
korn (Le, S. 10) macht noch auf eine weiter fortgeschrittene Deformation
der Temporariasamenfäden aufmerksam. Nämlich in KCl-Lösungen bilden
die Samenfäden schon nach einigen Minuten nicht nur Ösen, sondern auch
vollständige Ringe, welche lange Zeit Rotationsbewegungen ausführen und
manchmal fortechreitende oder pendelartige Bewegungen aufweisen.
Der von Gellhorn beschriebenen Form bin ich sehr oft begegnet. Außer
diesen Formen wurden von mir noch einige andere beobachtet, die, obwohl
sie sehr oft hervortraten, jedoch die Aufmerksamkeit des Beobachters wenig
in Anspruch nahmen; es handelt sich nämlich um Veränderungen der
Gestalt der Samenfäden, die darin bestehen, daß entweder das Ende des
Schwanzes sich einrollt und äußerst lebendige Bewegungen ausführt, oder
daß die Spermatozoen die Gestalt des Buchstabens ‚V‘‘ annehmen und in
der Regel im Raume beweglich sind. Diese Formänderungen sind wahr-
scheinlich als anfängliche Stadien der nächstfolgenden Deformationen zu
betrachten, da in den Aufschwemmungen, welche nur tote Samenfäden
enthalten, den oben beschriebenen Formen nie begegnet wurde und dieselbe
Aufschwemmung einige Zeit vorher dennoch reich an diesen Übergangs-
formen war. Die nach Bromann (l. œ) und @ellhorn (l. c.) angegebenen Zeit-
fristen und Medien, in welchen die Deformationen auftreten, stimmen
mit den meinigen nicht überein. Nach Broman führt erst zwei- bis vier-
stündiges Verweilen der Spermatozoen in gewöhnlichem Wasser zu den
charakteristischen Deformationen. Hunderte — meinerseits — ausgeführte
Versuche und zahllose Beobachtungen zeigen aber, daß in Leitungswasser
schon nach 4 Minuten die Formveränderungen der Samenfäden aufzutreten
beginnen, und nach 45 Minuten kann man nur ausnahmsweise normalen
Spermatozoen begegnen. Die Formveränderungen, welche durch Einrollen
des ganzen Körpers der Samenfäden zustande kamen, werden von Gellhorn
als charakteristisch (spezifisch) für KCl-Einwirkung erklärt. Die von
Gellhorn beschriebenen und mikrophotographisch abgebildeten Deformationen
erhielt ich schon nach einigen Sekunden in destilliertem Wasser; normal
aussehende Samenfäden wurden nach 5 bis 10 Minuten nur ausnahmsweise
beobachtet. Auch in Leitungswasser kamen die Deformationen vollständig
zustande, obwohl in nicht so kurzer Zeit, und die Samenfäden bewegten
sich noch eine Zeitlang. Deshalb bin ich der Meinung, daß die von @ellhorn
beschriebene K Cl-Einwirkung auf die Samenfäden nicht als spezifisch zu
betrachten ist. Nach Gellhorn entstehen in Leitungswasser die ösen-
artigen und federähnlichen Deformationen der Spermatozoen erst nach
einigen Stunden und sind als durch den Tod bedingte Veränderungen
zu betrachten.
1) Arch. f. mikr. Anat. 70, 331 bis 339, 1907.
2) Handb. d. Gewebelehre d. Menschen. Bearb. v. v. Ebner, III. Aufl.,
8, 424, 1902.
368 B. E. Kalwaryjski:
In Salzlösungen, welche die äußere Gestalt und Beweglichkeit der
Samenfäden erhalten, sind die toten Spermatozoen gar nicht oder sehr wenig
deformiert, wie z. B. in 0,3proz. MgCl,-Lösung, wo die Deformationen
äußerst selten zu begegnen sind.
Was die narkotische Wirkung des CO, auf die Samenfäden an-
belangt, so wurde zweifellos eine zweiphasige Reaktion festgestellt ;
eine anfängliche Erregung!) und darauf folgende Lähmung der Beweg-
lichkeit. H. Nagai?) hat bei der Wimperbewegung der Paramäcien
die zweiphasige Reaktion durch die Einwirkung des CO, nachgewiesen.
Nagatis und meine Beobachtungen differieren jedoch in mancher Hin-
sicht, was sich durch die Verschiedenheit der Objekte und ihrer Emp-
findlichkeit erklären läßt. Bei den Erregungs- bzw. Lähmungs-
phänomenen, welche die Samenfäden aufweisen, kommen hohe
Tensionen des Kohlendioxyds in Betracht; auch die Art des Mediums
spielt hier eine hervorragende Rolle. Die Samenfäden, welche in reiner
CO,-Atmosphäre bis 30 Minuten verweilen und völlig erlahmt er-
scheinen, erreichen ihre Beweglichkeit und Lebensfähigkeit wieder,
wenn man die Spermaaufschwemmung energisch durchlüftet. Die
Belebung betrifft nur eine kleine Zahl sämtlicher Samenfäden. Einmal
gelang es mir, die Belebung von Samenfäden in einer Aufschwemmung
zu beobachten, welche über 1 Stunde reinem CO, ausgesetzt war.
Th. Engelmann?) weist auf die Möglichkeit der Belebung von Zellen
hin, welche der CO,-Einwirkung ausgesetzt waren, und zwar durch das
Durchlüften mit einem indifferenten Gase bzw. mit der Luft. Er betont die
Bedeutung der chemischen Neutralisierung des Mediums, für welche bei
Ansäuerung durch das Kohlendioxyd eine Durchlüftung genügend erscheint.
Auch macht Th. Engelmann auf die anfängliche Erregung und nachherige
Lähmung der Wimperbewegungen unter dem Einfluß der Säuren aufmerk-
sam. Diese Erscheinung beschreibt unter anderem auch Weinland*), und
die Angaben Eingelmanns bestätigt E. Gellhorn (l. c., S. 278).
Da die Einwirkungsweise des Kohlendioxyds auf die Samenfäden
unter verschiedenen Bedingungen auch zu verschiedenen Erscheinungen
führt, so beginne ich die Beschreibung dieser mannigfaltigen Bilder mit der
Erörterung einer zehnminutigen Einwirkung des Kohlendioxyds auf die
in Leitungswasser aufgeschwemmte Spermiensuspension. Der Verlauf
der Erscheinung in einem mit CO, gefüllten Erlenmeyerschen Kolben geht
folgendermaßen vor sich: Anfangs behält die Aufschwemmung noch durch
einige Sekunden den vorherigen asbestartigen Schimmer. Alsbald beginnt
sie matt zu erscheinen und ungefähr nach einer Minute erscheinen in der
Aufschwemmung kleine Flocken, welche rasch an Volumen zunehmen, so
1) Eingehende Besprechung und ausführliche Literaturangaben über
das Erregungsstadium bei den Narkoseerscheinungen findet man in Winter-
steins Monographie über die Narkose (Berlin, J. Springer, 1919).
2) Zeitschr. f. allgem. Physiol. A. 34 bis 42, 1905; 6, 201f., 1907.
3) Handb. d. Physiol., Herausgegeb. von L. Hermann, 1, 363f., 1879.
4) Pflügers Arch. 58, 109, 1894.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 369
daß sich die Flüssigkeit ganz aufklärt. Die in dieser Weise veränderte Auf-
schwemmung ist 2 bis 3 Tage haltbar. — In der Gaskammer, durch welche
CO, ständig strömt, hat die Erscheinung denselben Verlauf. Wie schon
früher erwähnt wurde, nimmt anfangs die Beweglichkeit der Samenfäden
unter dem Einfluß des Kohlendioxyds energisch zu, um dann rasch ab-
zuflauen. Schon in den ersten Sekunden läßt sich beobachten, daß die
Samenfädenschwänze, welche kurz vorher noch ernergische Bewegungen aus-
führen, sich aneinander und an die bisher frei schwebenden Cytoplasmaballen
anzukleben beginnen. Die angeklebten Schwänzchen führen heftige Be-
wegungen aus. Die Klebrigkeit des ganzen Spermatozoenkörpers wächst
an, die Samenfäden kleben sich entweder der ganzen Länge nach aneinander
an oder das Schwanzende schmiegt sich an den Kopf eines anderen
Spermatozoen an, oder auch die verklebten Samenfäden überkreuzen sich.
Die verklebten Samenfäden bewegen sich anfänglich in der Flüssigkeit;
in kurzer Zeit aber, trotz der energischen Oszillationen der Schwänze, be-
wegen sich die Samenfäden nicht mehr vorwärts und sind nur von der
Stromrichtung der Flüssigkeit abhängig. Diese Strombewegungen fügen
neue Samenfäden hinzu, und in kurzer Zeit entsteht ein ziemlich großer
Klumpen. Wenn die Aufschwemmung dünnflüssig ist, so sind die ent-
standenen Flocken klein und spärlich. Erst nach einer Erschütterung der
Kammer vergrößern sich die Flocken bedeutend, da eine große Zahl der
Samenfäden in Berührung kommt. Die Bewegungen der Schwänze sind
sichtbar und manchmal sehr energisch, was jedoch auch von dem Material
selbst abhängig ist.
Ein rascher Strom von Kohlendioxyd bewirkt das Entstehen von
Klumpen, deren Umrisse unregelmäßig und zerfetzt: erscheinen. Schon
eineschwache Vergrößerung, A-Zeiss x Okul. N : 4, erlaubt die Beobachtung
zu machen, daß die Flocken aus Samenfäden bestehen, welche äußerlich
nicht verändert erscheinen. Kurz nachher, denn schon nach 2 bis 3 Minuten
kann man genau beobachten, wie anfangs eine kleine Zahl der Samenfäden
sich einzurollen und Ösen zu bilden beginnt, wie die Spermatozoenköpfe die
Form der Haken bzw. Spiralen annehmen, und wie überhaupt die De-
formationen stark an Zahl zunehmen. Als Folgeerscheinung der Spermien-
deformationen läßt sich mikroskopisch unmittelbar beobachten, wie die
Flocken ihre Gestalt verändern indem die Umrisse sich runden. Nach einer
halben Stunde Durchlüftung waren alle Samenfäden, sowohl die
in Flocken angehäuften als auch die frei liegenden deformiert und geschlängelt
und man konnte an ihnen nur schwache ÖOszillationen wahrnehmen. —
In destilliertem Wasser ist der Verlauf der Erscheinung der obigen Beschrei-
bung sehr ähnlich mit dem Unterschiede, daß die Veränderungen viel
schneller vor sich gehen. Sogar eine möglichst rasch vorbereitete Auf-
schwemmung, welche momentan der energischen CO,-Einwirkung aus-
gesetzt wurde, weist eine größere Zahl der deformierten Samenfäden in
noch ganz frischen Flocken auf. Nach einigen Minuten nehmen die Agglu-
tinate eine klumpenähnliche Gestalt an, da alle Samenfäden deformiert sind.
Ganz anders verläuft die Erscheinung in einer 0,3 proz. Mg Cl,-Lösung.
(Die Lösungen verstehen sich immer als in destilliertem Wasser vorbereitete,
wenn anders nicht ausdrücklich angedeutet wird.)
Auch hier entstehen die Agglutinate ebenso schnell wie in destilliertem
Wasser; die Konfiguration der Klumpen aber ist eine ganz andere, weil die
Samenfäden keiner Deformation erliegen, und wenn es ausnahmsweise doch
vorkommt, so geschieht es in schwächstem Grade. Wenn so entstandene
370 B. E. Kalwaryjski:
Agglutinate in der CO,-Atmosphäre gelassen werden, so überdauern sie
2 bis 3 Tage, ohne ihr Aussehen einzubüßen.
Aus der in Leitungswasser vorbereiteten Spermienaufschwemmung be-
kommt man unter dem Einfluß des Kohlendioxyds viel kleinere und nicht
so stark verfilzte als die oben beschriebenen Agglutinate. Die in destilliertem
Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung vorbereiteten Samenfädensuspen-
sionen liefern unter denselben Bedingungen große, kompakte und stark
verfilzte Flocken.
Die Beobachtung im hängenden Tropfen gab Gelegenheit zu weiteren
Folgerungen. Es stellte sich heraus, daß die unter dem Einfluß des Kohlen-
dioxyds entstandenen Agglutinate sich ganz loslösen konnten, wenn nur
die Samenfäden nach der erlittenen temporären aber Ree Lähmung
genug lebensfähig waren.
Die Erscheinungen der Desagglutination lassen eh sehr gut außer-
halb des hängenden Tropfens beobachten, indem man den CO,-Strom
aus einer dünnen Kanüle auf den Tropfen am Objektglase lenkt. Der
Verlauf der Desagglutination geht sowohl in Leitungs- und destilliertem
Wasser als auch in 0,3proz. MgCl,-Lösung ähnlich vor sich, jedoch mit
charakteristischen Merkmalen für jedes Medium. Am besten läßt sich die
Erscheinung in 0,3proz. MgCl.Lösung vorbereiteten Spermiensuspensionen
demonstrieren, und auf ebensolchem Material basiert die nächstfolgende
Beschreibung. ht)
Eine einminutige Exposition führt gewöhnlich zu einer ausgeprägten
Agglutination; die zusammengeklebten Spermatozoen weisen jedoch große
Beweglichkeit auf. Ungefähr 3 Minuten nach der Beendigung der Exposition
nimmt die Beweglichkeit der Samenfäden stetig zu, die Agglutinate lösen
sich schnell los, und schließlich bleibt von den Klumpen nichts übrig.
Wiederholte Exposition hat eine neue Agglutination zur Folge, wonach
eine Durchbrechung des CO,-Zuflusses wiederum nach einigen Minuten
eine Desintegration herbeiführt. Diese Erscheinung läßt sich viele Male
reproduzieren. Die Desagglutination verläuft makroskopisch als ein Los-
reißen kleiner Nubekel, welche rasch in der Flüssigkeit verschwinden.
Man kann während der Beobachtung sowohl in den hängenden Tropfen
als auch auf dem Objektträger feststellen. daß sich am Rande des Tropfens
die Samenfäden in stetig zunehmender Zahl ansammeln. Ein Teil legt sich
ohne jegliche Ordnung, die Mehrzahl der Spermatozoen verhält sich aber so,
als ob ihnen eine starke Tendenz zur Einnahme der senkrechten Stellung
dem Tropfenrande gegenüber inneliege. Da man mit einer Aufschwemmung
lebender Spermien zu tun hat, so kann man annehmen, daß es sich hier
um zweierlei Tropismen handelt: 1. eine möglichst dünne Schicht der
Tropfen zu erreichen, wo der Luftzutritt am besten ist (Aerotaxis bzw. Oxy-
taxis), 2. eine möglichst feste (steife) Grenze zu finden, welche die Rand-
schicht der Tropfen bildet, und zwar wegen der Wirkung von Oberflächen-
spannung, welche an dem Tropfenrande zum vollen Ausdruck kommt
(Thigmotaxis) [Massart!)]. Die erste Annahme fällt jedoch fort, weil die
Erscheinung sowohl in der Luft als auch in der CO,-Atmosphäre ganz
ähnlich verläuft. Wenn die Ansammlung der Samenfäden an der Grenze
des Tropfens einem positiven Tropismus gegen Sauerstoff der Luftatmosphäre
entsprechen würde, so könnte man erwarten, daß während der CO,-Ein-
wirkung die Samenfäden von dem Rande nach der Mitte des Tropfens
streben werden, wo in den ersten Momenten der partielle O,-Druck größer
1) Bull. de Acad. Roy. de Belg., 3 Ser., 18, 1889.
Samenfädenagglutination unter. Einwirkung chemischer Agenzien. 371
ist als in der umgebenden Atmosphäre. Es war aber nicht der Fall. Um
den Sachverhalt zu klären und um rein physikalische Einflüsse auszuschließen,
wurden zwei hängende Tropfen zugleich beobachtet: der eine enthielt
tote und der andere sehr lebensfähige und stark bewegliche Samenfäden.
Sowohl im einen als auch im anderen Tropfen sammelten sich die Sperma-
tozoen am Rande des Tropfens, wobei die toten sich mehr regelmäßig
einstellten, die lebendigen hingegen schwache Bewegungen ausführten,
wenn sie in unmittelbare Berührung mit dem Deckglase kamen (Thigmo-
taxis); wenn durch eine Erschütterung diese Berührung aufgehoben wurde,
bewegten sich die Samenfäden wieder sehr rasch fort.
Angesichts solcher Ergebnisse lag die Vermutung nahe, daß die An-
sammlung der Samenfäden am Rande des Tropfens bedingt ist durch die
Flüssigkeitsströme, welche bei dem Austrocknen des Randsaumes des
Tropfens entstehen. Um diese Annahme zu prüfen, wurde durch die Gas-
kammer, in welcher sich die hängenden Tropfen mit toten und lebenden
Spermien befanden, ein energischer Luftstrom hindurchgeleitet, was ein
rasches Austrocknen der Tropfen herbeiführte. Die ganze Erscheinung der
Radialstellung der Samenfäden verlief in sehr schnellem Tempo. Es ist
selbstverständlich, daß bei solchen Versuchsbedingungen noch eine große
Anzahl der Samenfäden in der Mitte des Tropfens blieb. Auf diese Weise
ist es gelungen, biologische Momente der Radialstellung der Spermatozoen
in den Tropfen auszuschließen.
Die toten Samenfäden aus den alten bzw. bis 53°C erhitzten Sperma-
aufschwemmungen agglutinieren unter dem Einfluß des Kohlendioayds
und die Agglutinate besitzen die oben erwähnten Konfigurationen, welche
für die lebenden Spermatozoen charakteristisch sind. Das Zustandekommen
der Agglutination der toten Spermien beweist, daß sie als keine Lebens-
erscheinung betrachtet werden darf und daß es ohne jede Bedeutung ist,
auf welche Weise die Samenfäden ihr Leben verlieren.
Gellhorn (l. c.) stellte bei den Meerschweinchenspermatozoen fest, daß
eine OI. bis 0,01proz. NaHCO,-Lösung einen günstigen Einfluß auf die
Beweglichkeit der Samenfäden ausübt, und aus seinen Versuchen schließt
er, daß hier das Carbonation und nicht die niedrige Wasserstoffionen-
konzentration (pe = 7,5 bis 11,0) von Bedeutung ist. Nach meinen Beob-
achtungen übten 0,1 bis 0,3proz. NaHCO,-Lösungen ohne Zweifel einen
günstigen Einfluß auf die Beweglichkeit der Froschsamenfäden aus und
verlängerten auf einige Stunden die Lebensfähigkeit der Samenfäden, die
Deformationen konnten jedoch nicht verhindert werden. Ein hängender
Tropfen der in 0,lproz. NaHCO,-Lösung vorbereiteten Aufschwemmung,
wurde der reinen durchströmenden CO,-Atmosphäre ausgesetzt. Binnen
5 Minuten weisen die Samenfäden Lähmung der Bewegungen auf, aber die
Agglutination fand nicht statt, und in dieser Beziehung erwies sich sogar
zweistündige Exposition als völlig erfolglos.
In 0,2- bis 0,3proz. NaHCO,-Lösung ruft eine längere Exposition,
welche über 1 Stunde dauerte, bei nur einem Teil der Samenfäden eine
Lähmung hervor. Eine Spur von irgendwelcher Agglutination war nicht
zu sehen. Analog in Gaskolben angestellte Versuche gaben identische
Resultate. Da Gellhorn die Rolle der Carbonationen als einen stimulierenden
Faktor betrachtete, so wurde der Orientierung halber folgender Versuch
angestellt: Eine Samenfädenaufschwemmung wurde in NaHCO,-Lösung
vorbereitet, welche mit Leitungswasser äquimolekular war. Diese Spermien-
suspension wurde einer CO, durchströmenden Atmosphäre ausgesetzt. Im
372 B. E. Kalwaryjski:
Gegensatz zu der groben Ausflockung, welche unter diesen Bedingungen
bei Spermien in Leitungswasser auftritt, waren die hier entstandenen
Agglutinate spärlich und klein. Es war also notwendig festzustellen, welche
Relation zwischen der CO,-Sättigung eines Mediums und der auftretenden
Agglutination besteht.
Es wurde eine Versuchsreihe vorgenommen, bei welcher zwei
Variable in Betracht kamen: 1. verschiedene Tensionen des Kohlen-
dioxyds, 2. verschiedene Zusammensetzung der Lösungen, in welchen
die Samenfäden aufgeschwemmt werden sollten. Zahlreiche, vielmal
wiederholte und kontrollierte Versuche haben festgestellt, daß die Agglu-
tination der Samenfäden in destilliertem Wasser zustande kommt, wenn die
CO,-Tension 2 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt. Dieselbe
CO,-Tension ruft in 0,3proz. MgCl,-Lösung eine Andeutung der Agglu-
tination hervor, und eine zweimal höhere Tension hat eine ausgesprochene
Ausflockung zur Folge. In Leitungswasser kommt eine kaum bemerkbare
Ausflockung zustande durch die Einwirkung einer Gasmischung, in welcher
die CO,-Tension mehr als 50 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt.
In einer NaHCO,-Lösung, welche äquimolekular mit Leitungswasser
ist, ist eine Agglutination erst bei der Einwirkung eines Gasgemisches
festzustellen, in welchem die Kohlendioxydtension 75 Proz. des atmosphäfri-
schen Druckes beträgt (vgl. Tabelle I).
Die hier angegebenen Beobachtungen lassen also leicht feststellen, daß
die in verschiedenen Medien eintretende Ausflockung von verschiedener
CO,-Tension abhängig ist. Die in verschiedenen Medien auftretenden
Konfigurationsunterschiede der Flocken wurden schon oben (S. 355 bis 361)
hinreichend erörtert, indem eine Abhängigkeit zwischen dem Konfigurations-
bilde der Agglutinate und der äußeren Gestalt der Spermien festgestellt
wurde. Außerdem läßt sich noch eine verschiedene Intensität der Aus-
flockung feststellen, welche durch die Höhe der jedesmal angewandten
Tension des Kohlendioxyds bedingt ist. Die Intensität der Ausflockung
wird durch Einwirkung verschiedener CO,-Tensionen hinreichend ab-
gestuft.. Typische Ausflockungsintensitäten lassen sich ohne besondere
Schwierigkeit genügend abgrenzen, und zwar kommt eine schwach aus-
geprägte Ausflockung in der Form kurzer und zerfranzter Fäden vor, wes-
halb sie auch fädchenartig genannt und mit einem Symbol + bezeichnet
wird!). Sie kommt zustande z. B. durch Einwirkung auf die in destilliertem
Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermien, eines
CO,-Luftgemischs, in welchem die Kohlendioxydtension 2 Proz. des atmo-
sphärischen Druckes beträgt.
Die erste Stufe einer gut ausgebildeten Agglutination läßt den einzelnen
Agglutinaten eine fädchen-netzartige Struktur erkennen, wobei das Netz
ganzlockerist. Dieser Intensitätsgrad der Ausflockung wird demgemäß netz-
artig genannt und mit dem Symbol + gekennzeichnet. So eine Ausflockungs-
art kam zustande, wenn z. B. auf die in destillierttem Wasser bzw. in
0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermien ein Gasgemisch ein-
einwirkt, in welchem die CO,-Tension 10 Proz. des atmosphärischen Druckes
ausmacht. Etwas höhere CO,-Tension hat naturgemäß stärkere Ausflockung
zur Folge, welche mit Symbolen + ! bzw. + + bezeichnet wird.
1) Ein Ausrufungszeichen (!) bezeichnet einen stärkeren Agglutinations-
grad, welcher eine Mittelstellung zwischen zwei benachbarten Agglutinations-
graden annimmt.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien.
Eine starke Ausflockung ist in
mikroskopisch beobachteten Agglu-
tinaten durch eine starke Verfilzung
der Spermien charakterisiert, das ge-
bildete Netz ist dicht, die einzelnen
Brocken sind von großer Aus-
dehnung. Diese Ausflockungsart wird
netz-klumpenartig genannt und mit
Symbol ++ + bezeichnet. Sie ent-
steht durch eine Einwirkung auf
die Spermienaufschwemmungen einer
Gasmischung, in welcher die CO,-
Tension 50 Proz. des atmosphärischen
Druckes beträgt.
Noch stärkerer Agglutinations-
grad hat zur Folge eine ausgeprägte
Klumpenbildung; die Spermien sind
unverwickelbar zusammengeballt, und
einzelne Spermien sind nur an der
Peripherie der Klumpen deutlich zu
erkennen. So starke Ausflockung
wird klumpenartig genannt und mit
einem Symbol +-+-+-+ gekenn-
zeichnet. So eine Art der Agglutination
kommt zustande durch Einwirkung
z.B. reiner CO,-Atmosphäre auf die
in destilliertem bzw. in 0,3 proz. Mg Cl,-
Lösung aufgeschwemmten Spermien.
In weiterer Folge war es not-
wendig festzustellen, in welchem
Grade die Art der Agglutinate
durch das Medium beeinflußt wird :
Drei Kolben von 930ccm wurden
mit einer Gasmischung mit 60 Proz.
CO, gefüllt. Zu gleicher Zeit
wurden drei Arten von Spermien-
aufschwemmungen vorbereitet; die
erste in 0,3 proz. MgCl,-Lösung, die
zweite in destilliertem Wasser und
die dritte in Leitungswasser. In
jeden Kolben kam eine der drei
genannten Aufschwemmungen. Die
oben erwähnte CO,-Tension wurde
gewählt, da sie in Leitungswasser
eine Agglutination nur andeutungs-
weise hervorruft, wogegen sie in
MgCl,-Lösung und in destilliertem
Wasser hochgradige Ausflockung
Biochemiscke Zeitschrift Band 169.
Tabelle I.
Agglutinationsverlauf der in verschiedenen Medien aufgeschwemmten Temporariaspermien unter Einwirkung von
C O,-Luftmischungen.
CO;,Tensionen in Prozenten des atmosphärischen Druckes
Art des Aufschwemmungsmediums
373
+
+
sa
+
4 +
+ H
t F
+
T
+
Sg d
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25
374 B. E. Kalwaryjski:
bewirkt. Der Kolben mit den in 0,3proz. MgCl, -Lösung auf-
geschwemmten Spermien weist makroskopisch eine hochgradige Aus-
Abb. 1. Abb. 2.
Zwei verschiedene, obwohl sehr benachbarte Konfigurationen der Samenfädenagglutinationen,
welche durch die Einwirkung auf die in 0,3proz. Mg Cl¿-Lösung aufgeschwemmten Spermien einer
COa-Luftmischung, in welcher die CO,-Tension 60 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt.
zustande kam. Charakteristisch ist die spinnwebartige Zeichnung und unregelmäßige Umrißlinie
der Agglutinate. i
Abb. 3. Abb. 4.
Dasselbe Objekt: Immersion. Vergrößerung
Dasselbe Objekt bei der Immersions» eines lockeren Agglutinats, in welchem das
Meiers, gegenseitige Verhalten der agglutinierten Samen-
Es ist die äußerst dichte Verfilzung der fäden zum Vorschein kommt, wobei eine parallele
Samenfäden zu bemerken. Anordnung der Samenfäden deutlich zu sehen ist.
flockung auf. Mikroskopisch bei schwacher Vergrößerung erscheinen
die Agglutinate netzartig und zeigen eine Tendenz zur dichten
Klumpenbildung (Abb.1, 2).
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 375
Bei starker Vergrößerung der verdichteten Teile der Agglutinate
ist eine beinahe parallele Anordnung der Samenfäden wahrzunehmen,
obwohl auch eine unregelmäßige Verfilzung nicht zu leugnen ist
(Abb. 3, 4). Die loseren Stellen
der Agglutinate lassen außer
der parallelen Anordnung auch
eine Verknotung, welche durch
Spermienschwänze gebildet sind,
feststellen (vgl. Abb. 4).
Der Inhalt des zweiten Kol-
bens mit den in destilliertem
Wasser aufgeschwemmten Samen-
fäden unterscheidet sich wenig
von dem ersten; nach 10 Mi-
nuten dauernder Exposition sind
die Flocken mehr abgerundet
und von mittlerer Größe. Mikro-
skopisch stellen sich die Agglu- Abb. 5.
tinate als ein mur wenig zer- Marin A nm
franzter Klumpen dar, welcher und der Einwirkung oben bezeichneter COy-
fast ausschließlich aus defor- KENN ee allen Ein:
mierten Samenfäden zusammen- die aus ausnahmslos deformierten Samenfäden
gesetzt ist (Abb. 5). TREE
Abb. 6. Abb. 7.
Agglutination der Samenfäden, welche in
Leitungswasser aufgeschwemmt und der oben Dasselbe Objekt bei der Immersions»
bezeichneten CO3-Luftmischung ausgesetzt . VORTSCEURE S e
wurden. Es ist ein außerordentlich deutlicher Die Deformationen der Samenfäden sind
Unterschied in der Agglutinationsintensität im deutlich zu sehen.
Vergleich mit voriger Abbildung zu konsta» Man kann ösen» und federartige Defor»
tieren. Die Agglutinate sind locker und klein. mationen ohne weiteres gut wahrnehmen.
25*
376 B. E. Kalwaryjski:
Tabell
Einfluß der verschiedenen CO,-Tensionen auf die Beweglichkeit und Agglutination
MgC],-Lösung aufgeschwemmt sind
|
ZS Zeit der Expos |
2 CO,-Tension de
LU
3 2 Proz. | 10 Proz. | 2
g Leitungswasser 0,3 proz. Mg ClgsLösg. | Leitungswasser 0,3proz. MgCla»Lösg.|| Leitungswasser
SE EE e
3 | Beweglich ABgluti| Beweglich, Aggluti| Beweglich- Beweglich- 28 Beweglichs Aggluti
in. keit intensit. kei | intensit. koit er intensit. keit 'intensit
5 Mittelstark, | — Gut, leichte —_ Unmittelbar Anfangs gar ++ Sehr —
bleibt Abschwäch. nach der Ex» keine, nach schwache.
|| bestehen nach 107 | portion gar 3' seltene , worauf gänz:
| keine, nach und kaum ‚licher Stills '
| 5' seltene bemerkbare stand
Oszilla- |
‚, tionen der
Schwänze | |
10 ||Die Oszille — |Ein Teil deri + ' Einzelne — Einzelne +++ Sehr =
tionen der Spermien be: | Spermien Spermien schwach, ist
Spermien» weglich, ' schwach be» beweglich, jedoch nach
schwänze nach 10’ Ab» weglich, später Still», .20’ noch er
schwächen | schwächung ` nach 50’ das» stand halten
sich nach |! | selbe ;
| 10’ ab |
25 Schwache, — Schwache, +! Nicht _ Nicht +++ Anfangs | —
ein Teil der nach 10’ ver- bemerkt bemerkt keine, später
|| Spermien mehrte Os, ‚Oszillations-
weist lang» zillationen bewegungen
dauernde | bei einigen `
Oazilla», | Spermien
i| tionen auf i
60 | Oszillations» — Gar keine, + + ' Anfangs gar — Nicht + + +| Anfangs gar —
| bewegungen auch nach 10’ keine, nach bemerkt | | keine, n
bei kaum 5' Oszilla» | 5 Oszillas
einigen Sper. tionen der | | tionen der
mien, die . Spermien» | Spermien» |
nach 5’ zus schwänze schwänze
nehmen ; _ einiger einiger
l Samenfäden ‚ Samentäden
Anmerkung. Zeiten in der Rubrik „Beweglichkeit“ sind als angegeben nach der Expositionsebbrechung zu verstehen
Der dritte Kolben, mit der in Leitungswasser vorbereiteten Samen-
fädensuspension, weist makroskopisch nach zehnminutiger Exposition
sehr kleine, lockere Agglutinate auf, welche fast ausschließlich aus
stark deformierten Samenfäden bestehen. Im Felde sieht man jedoch
viele Spermatozoen, welche ganz lose liegen und eine entweder ganz
normale oder leicht deformierte Gestalt bewahren (Abb.6). Eine
stärkere Vergrößerung zeigt, daß die Agglutinate aus wenigen verwickel-
ten und größtenteils deformierten Spermatozoen bestanden (Abb. 6, 7).
Um die letale Tension des Kohlendioxyds für jede Art der Samen-
fädensuspension und verschiedene Expositionszeiten durchschnittlich
zu bestimmen, wurde eine Reihe von Experimenten ausgeführt, deren
Ergebnisse in der beigefügten Tabelle II angegeben sind. Es wurde
! Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 377
TI.
intensität der Temporariaspermien, welche in Leitungswasser bezw. in 0,3 proz.
bei verschiedener Expositionsdauer.
-
atmosphärischen Druckes
Proz. 50 Proz. 1 100 Proz.
0.3proz. Mg ClzsLösg.
0.3 proz. Mg Clz-Lösg. Leitungswasser 0,3 proz. Mg ClzsLösg. Leitungswasser
| A a D
h, ' Agglutis | he Age, Aggluti- ` p , | Aggluti-
a | nations | ar nations» | Beweglich- A peet lich er
; | Aggluti»
Beweglich»
keit keit nations,
l intensit. | | intensit. intensit. i intensit. intensit.
Schwache, | + + +!!: Nur ein Teil + Keine et 1i Sehr seltene | + + + Keine ++++!!
worauf gänz- | derSpermien u und kaum
ħicher Still» in Bewegung, ` bemerkbare
stand nach 10’ | Oszilla-
etwas | tionen,
stärkere worauf in
' Kürze Still,
stand
Sehr +++! Sehr + Gar keine '++++!| Anfangs + 4+4 +| Gar keine ++++!!
schwache, schwache, | keine, nach
worauf voll» ‚worauf voll» i ' Ce
ständiger ‚ ständiger ung der
|| Stillstand Stillstand | Ä permien-
| schwänze |
' einiger
‚ Samentläden,
| | ' nach 50’ |
| Stillstand
Anfangs +++! Keine + Gar keine ++++! Gar keine | +++!!| Gar keine ++++ 1!!!
Bewegung |
nureinzelner |
Samentäden,
die in Kürze | |
aufhört i l
infana: gar ++ +! Keine + Gar keine |++++! | Gar keine | +++ !!| Gar keine BE +
eine, n
d
Spermien-
schwänze | |
einiger | | |
Samentäden | i i
angenommen, daß die Bewegung der Spermienschwänze als Indikator
der Lebenserscheinungen anzusehen und ständige Bewegungslosigkeit
als Todeszeichen zu betrachten sind. Zwei Spermiensuspensionsarten
wurden in Betracht gezogen, nämlich die in Leitungswasser und in
der 0,3 proz. MgCl,-Lösung vorbereiteten Aufschwemmungen. Leitungs-
wasser wurde bei diesen Versuchen als im gewissen Sinne physiologisches
Medium betrachtet, das frisch ejakulierte Temporariasperma findet sein
natürliches, physiologisches Medium in süßen Gewässern. Die CO,-
Tension wurde so gewählt, daß jede Suspension bei jeder angewandten
Exposition möglichst charakteristische Merkmale liefere. Die maximale
Expositionsdauer wurde von der durchschnittlichen Lebensresistenz der
aufgeschwemmten Samenfäden in Abhängigkeit gebracht.
zilla.
tionen der
378 B. E. Kalwaryjski:
Die Beobachtungsresultate sind folgende: Die CO,-Tension von
2 Proz. des atmosphärischen Druckes wirkt bei einstündiger Exposition
auf die in 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermien letal.
Die in Leitungswasser aufgeschwemmten Spermien lassen unter
denselben Bedingungen noch manche schwache Lebenserscheinung
wahrnehmen. Die CO,-Tension, welche 10 Proz. des atmosphärischen
Druckes beträgt, wirkt nach 25 Minuten auf beide erwähnte Arten
der Samenfädenaufschwemmungen letal, obwohl Abweichungen
in dem Verhalten einzelner Samenfäden und in verschiedenen
Zeiten verfertigten Spermiensuspensionen zum deutlichen Ausdruck
kommen.
Eine CO,-Tension von 50 Proz. Atmosphäre erwies sich als
unbedingt letal für die sowohl in 0,3proz. MgCl,-Lösung als auch in
Leitungswasser aufgeschwemmten Samenfäden. Es besteht jedoch
eine Zeitdifferenz in bezug auf die tödliche Wirkung des Kohlendioxyds
auf beide Suspensionsarten: Die in 0,3proz. MgCl, aufgeschwemmten
Spermien gehen unter obigen Bedingungen in 5 Minuten zugrunde,
dagegen erliegen die in Leitungswasser aufgeschwemmten erst nach
25 Minuten demselben Schicksal. Die individuellen Unterschiede in der
Resistenz der Samenfäden gegen CO,-Einwirkung erwiesen sich als
auffallend hoch.
Obwohl nun die Intensität der Agglutination in einem geraden
Verhältnis zur Höhe der CO,-Tension steht, so sind jedoch hier nur
relative Werte von einer Bedeutung, da außer dem Partialdrucke
noch die Art des Mediums, in welchem die Spermien sich befinden,
sich von ausschlaggebender Wichtigkeit erwies. Tabelle I erläutert das
hier Gesagte.
Diese Ergebnisse gaben jedoch keinen Aufschluß auf die offen-
stehenden Fragen, nämlich, ob die Samenfädenausflockung durch
die spezifische Einwirkung des Kohlendioxyds in gewissen Medien
bedingt oder ob die Ansäuerung der Suspensionen, also die Wasserstoff-
ionenkonzentration, von ausschlaggebender Bedeutung sei.
Es war notwendig, eine Reihe von Bestimmungen der H'-Ionenkonzen-
trationen an untersuchten Spermienaufschwemmungen und gebrauchten
Lösungen vorzunehmen. Die ersten Bestimmungen wurden an Lösungen
ausgeführt; diese Lösungen wurden einer Einwirkung von verschiedenen
CO,-Luftgemischen ausgesetzt und dann in bezug auf die H’-Ionenkonzen-
tration untersucht. Die Versuchsanordnung bei Bestimmungen an Spermien-
suspensionen waren mit den obigen identisch. Es zeigte sich alsbald, daß
die Größenunterschiede der H'-Ionenkonzentration zwischen den reinen
Lösungen und der Samenfädenaufschwemmungen bei sonst identischer
Versuchsanordnung in sehr kleinen Grenzen schwanken. Diese lassen sich
in 0,1 bis 0,2 p,-Werten ausdrücken, liegen also an der Genauigkeitsgrenze
der Methode (vgl. Tabelle III).
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 379
Destilliertes Wasser und 0,3proz. MgCl,-Lösung als ganz ungepuffert
und Leitungswasser mit sehr kleinem Pufferungsvermögen ändern nach
Zusatz der Spermiensuspension nicht ihre Eigenschaften in dieser Be-
ziehung. Um so mehr war zu erwarten, daß die Pufferlösungen bei dem
Zusatze einer Samenfädensuspension gar keinen Änderungen in ihren
H'-Werten unterliegen werden.
Die 0,3proz. MgCl,-Lösung gleicht beinahe einer n/18 Lösung, welche
zu keinem merklichen Salzfehler bei den Bestimmungen der H’'-Ionen-
konzentrationen führen kann.
Es wurde schon früher hervorgehoben, daß eine CO,-Tension, welche
1 bis 2 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt, in destilliertem Wasser
anfängliche Agglutination hervorruft. Bei zweimal höheren Tensionen resultiert
eine ausgezeichnete fädchenartige Agglutination.
Im ersten Falle beträgt die Wasserstoffzahl p,, = 5,3 bis 5,2, im
zweiten Falle pu = 4,8 bis 4,6. In Leitungswasser wurde eine nur
sehr schwache Samenfädenagglutination hervorgerufen bei einer CO,-
Tension, welche 50 bis 60 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt.
Die Wasserstoffionenzahl betrug Du = 5,4 bis 5,2 bis pa = 5,0. Das
Ansteigen der CO,-Tension hatte eine Steigerung der H'-Ionenkonzen-
tration zur Folge, und die wiederum verstärkt die Intensität der
Ausflockung. Es wurde also ohne Zweifel ein enger Parallelismus zwischen
Wasserstoffzahl und der Agglutinationserscheinung festgestellt. Eine
ursächliche Abhängigkeit zwischen diesen beiden Erscheinungsreihen
wurde damit noch nicht bewiesen.
Nicht ohne Bedeutung ist der Umstand, daß Kohlendioxyd sehr
rasch und tief in das Protoplasma eindringt und parallel mit der Ver-
minderung der Oberflächenspannung die narkotischen Einwirkungen
hervorruft [ Winterstein!)]. Diese Erwägungen müssen Berücksichtigung
finden, da außer der Wasserstoffionenkonzentration selbst die oben
erwähnten Momente, wie rasches Eindringen des CO,, narkotische
Wirkung und Verminderung der Öberflächenspannung bei dem Zu-
standekommen der Agglutinationserscheinung eine Rolle spielen konnten.
Es war also wichtig, die spezifische Einwirkung des Kohlendioxyds
ganz auszuschließen, was durch Puffer ohne Schwierigkeiten erfüllt
werden konnte. Diese Versuchsserie wurde mit einer Samenfäder-
aufschwemmung. in. 0,3proz. MgCl, angestellt.
Es wurden Mc Ilvainesche Puffermischungen angewandt (welche
aus 0,2 molarem basischen Na- Phosphat und 0,1 molarer Citronen-
säure zusammengesetzt sind). Es wurde eine ganze Skala von Py = 7,6
bis 3,0 vorbereitet.
In Reagensgläschen, welche 0,5 ccm der Samenfädenaufschwem-
mung enthielten, wurden je 10 ccm Puffer von je verschiedenem py = 5,4
bis 4,4 zugegeben. Die Agglutination kam nicht zustande. In den Puffer-
1) H. Winterstein, Die Narkose S. 228f, 1919.
380 B. E. Kalwaryjski:
gemischen von geringer Wasserstoffionenkonzentration weisen die
Samenfäden sogar einige Zeit Beweglichkeit auf, bei höheren H’-Ionen-
konzentrationen hört die Bewegung nach kurzer Dauer auf oder es
tritt sogar eine momentane Lähmung ein, ohne jede Spur einer Aus-
flockung. So gelangt man zu anscheinend widersprechenden Ergeb-
nissen: Es tritt einerseits eine energische Ausflockung der Samenfäden
unter dem Einfluß des Kohlendioxyds ein, wobei die H -Ionenkonzen-
tration ausschlaggebend erscheint, andererseits erweisen sich die
Wasserstoffionenkonzentrationen der Puffermischungen, die stark
genug waren, um ausgiebige Agglutination zu erzeugen, ohne jeden
Einfluß auf die Samenfädenaufschwemmung.
Als mögliche Erläuterung dieser Tatsachen habe ich angenommen,
daß die Hemmung der Ausflockung bei den genannten Puffergemischen
durch hohe Konzentrationen von Salzen bedingt sei [L. Michaelis!)].
Orientierungshalber wurden die Mischungen von unagglutinierten
Samenfädenaufschwemmungen und Pufferlösungen mit destilliertem
Wasser stark verdünnt, und in einem Augenblick ging die Ausflockung
vor sich, deren höchste Intensität in stark saurer Lösung erreicht wurde.
In dieser einfachen Weise gelang es, die anscheinend widersprechenden
Resultate genügend zu erklären, wohl aber entstanden neue Spezial-
fragen. In erster Linie mußte man sich darüber klar werden, welche
Salze und ganz besonders, welche im biologischen Sinne wichtigen
Salze eine hemmende Wirkung auf die Agglutinationsphänomene ent-
falten. Weiter mußte beantwortet werden, ob Kationen oder Anionen
und unter welchen Bedingungen sie den Ausfall der Agglutination
bewirken.
Bevor wir an obige Fragen herantreten, sollen noch einige Beobachtungen
angeführt werden, welche den Einfluß der verdünnten Puffermischungen
auf die Samenfädenaufschwemmungen betreffen.
Da Mc Ilvaines Puffer einer großen Verdünnung benötigen, um
die Einwirkungsweise der H’-Ionenkonzentration anstandslos zu demon-
strieren, so wählte ich die Michaelisschen Regulatoren, die aus Mischungen
von n Acid. acet, und n Natr. acetic. bestehen, wobei die Konzentration
des Natriumacetats stets einer n/20 Lösung entspricht. In dieser (und auch
sogar bei zwei- bis dreimal stärkerer) Konzentration, leisteten die Regu-
latoren dasselbe, so daß es nicht nötig war, dieselben irgendwie zu verdünnen.
Die Ausflockungen, welche durch Regulatoreneinwirkung zustande kamen,
ließen sich mit viel größerer Feinheit abstufen als durch Einwirkung der
verschiedenen CO,-Spannungen.
0,5 ccm der Standardsuspension in 0,3 proz. MgCl,-Lösung ergaben
nach Zugabe 9,5 ccm des Michaelisschen Puffergemisches von py = 5,3
1) L. Michaelis, Technik der Säureagglutination. Abderhaldens Handb.
d. biol. Arbeitsmethod., Abt. XIII, Teil 2, S. 288, 1924.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 381
sehr feine, lockere, leicht zerfallende Agglutinate; freiliegende Samen-
fäden befanden sich in sehr großer Zahl (Abb. 8, 9).
Der Regulator von Py = 5,0 gab ein sehr ähnliches Bild, nur
waren die Agglutinate ein wenig stärker, manche sogar stellen sich
noch üppiger vor; unter ihnen befanden sich aber auch ganz lockere
Flocken, außerdem waren freiliegende Spermien noch überall zu sehen.
Abb. 8. Abb. 9.
Dasselbe Objekt unter gleicher Vergrößerung.
Agglutination der Samenfäden,
welche durch Einwirkung des Michaelisschen Eine Anhäufung der oben abgebildeten
Regulators von Py = 5,3 auf die in 0,3 proz.
MgClz-Lösung aufgeschwemmten Spermien
zustande kam. Man sieht kleine und lockere
Agglutinate, welche aus undeformierten
Samenfäden bestehen.
Agglutinate zu einem großen Klumpen, der
eine starke Agglutination nachahmt, jedoch ist
keine Verfilzung der Samenfäden eingetreten,
man sieht sie fast einzeln liegen, obwohl
die Spermien dicht angeordnet sind.
Der Regulator von Py = 4,7 entsprach fast genau der Ansäuerung
des destillierten Wassers bzw. der 0,3proz. MgCl,-Lösung durch CO,-
Tension, welche 2 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt. In
Leitungswasser ist dieselbe H -Ionenkonzentration zu erreichen durch
eine Sättigung mit einem Gasgemisch, deren CO,-Tension 75 Proz. des
atmosphärischen Druckes beträgt. Dieser Regulator bewirkt eine
ziemlich starke Ausflockung, die Agglutinate sind genügend fest. Die
mehr lockeren Flocken, betrachtet unter einer Immersion (1/,’’, Zeiss),
zeigen ein Bild, welches sehr ähnlich ist einer Samenfädenaufschwem-
mung in 0,3proz. MgCl,-Lösung, die durch eine CO,-Tension, welche
60 Proz. des atmosphärischen Druckes beträgt, angesäuert wurde.
Mehr kompakte Stellen zeigen bei derselben Vergrößerung sehr ‚stark
verfilzte aber sehr wenig deformierte Samenfäden. (Abb. 10, 11).
Spermiensuspension, welche in Leitungswasser vorbereitet wurde
und welche unmittelbar mit einem Regulator von pn = 4,7 vermischt
wurde, gab lockere und zahlreiche Agglutinate. Da eine ganz frische
382 B. E. Kalwaryjski:
Aufschwemmung gebraucht wurde, so erlagen die Samenfäden keiner
Deformation, und die allgemeine Konfiguration der Flocken unterschied
Abb. 10. Abb. 11.
Agglutination der in 0,3proz. Mg Cla-Lösung Dasselbe Objekt bei der Immersions-
aufgeschwemmten Spermien, welche der Ein» verörißoruiän
wirkung des Michaelisschen Regulators von
Dp = 4,7 ausgesetzt wurden. Man sicht Es sei auf das gegenseitige Verhalten der
ziemlich starke Verfilzung der Samenfäden, agglutinierten Samenfäden aufmerksam ge»
welche nur ausnahmsweise Deformationss macht und vergleichsweise auf die Abb. 4
erscheinungen verraten. hingewiesen.
Abb. 12.
Agglutination der Samenfäden, welche in
D D Kä E e
E augeschwemmt und e Dën derselben, ec
nach der Anfertigung der Suspension der ` eer Anfertigung der Michaelissche Regulator
Einwirkung des Michaelisschen Regulators von
Pu = 4,7 ausgesetzt wurden. Konfiguration
des Agglutinats ist der in Abb. 10 grunde Die Agglutinate sind ziemlich locker und
sätzlich gleich, was der Anwesenheit une bestehen meistenteils aus deformierten
deformierter Spermien zuzuschreiben ist. Samenfäden.
von py = 4,7 zugesetzt wurde.
sich gar nicht von derjenigen, welche in der Aufschwemmung mit
0,3proz. MgCl,-Gehalt entstanden (Abb. 12, vgl. Abb. 10).
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 383
Dieselbe Samenfädenaufschwemmung läßt nach 30 bis 45 Minuten
langen ruhigem Stehen Veränderungen in deräußeren Gestalt der Sperma-
tozoen erkennen. Nach Zugabe des Puffergemisches von pg = 4,7 ändert
sich das Ausflockungsbild bedeutend. Obwohl die Agglutinate ebenso
kompakt sind wie die obigen, so ist ihre Konfiguration in eine klumpen-
förmige übergegangen, was mit der Deformation der Samenfäden in
unmittelbarer Abhängigkeit steht. Die Agglutinate liegen nebenein-
ander als isolierte Klümpchen ; die Spermien von normaler Gestalt sind
nur vereinzelt zu sehen (Abb. 13).
Dieses Bild erinnert sehr an die Art der Spermienausflockung,
welche entsteht durch CO,-Einwirkung bei einer Tension, die 60 Proz.
des atmosphärischen Druckes beträgt, auf die in dem Leitungswasser
vorbereiteten Samenfädenaufschwemmung (vgl. Abb. 6).
In destilliertem Wasser. vorbereitete Spermiensuspension, welche
erst 30 Minuten nach ihrer Vorbereitung mit Michaelisschem Regulator
Abb. 14.
Agglutination der in destilliertem Wasser vors
bereiteten Samenfädensuspension, welche erst
` nach eingetretener Deformation der Spermien
der Einwirkung des Michaelisschen Regulators
von Py = 4,7 ausgesetzt wurde. Die Aggluti-
nate nd von demselben Charakter und
gleicher Konfiguration wie die, welche in
Abb. 15.
Dasselbe Objekt `
wie in voriger Abbildung unter einer
Immersionsvergrößerung.
Man sicht ziemlich dicht verfilzte und fast
ausnahmslos ösen» und federartig deformierte
Samenfäden.
Abb. 13 abgebildet sind.
behandelt wurde, erliegt einer Ausflockung, wobei die Agglutinate
wenig dicht sind; einen Teil der Spermien findet man freiliegend. Die
Samenfäden sind mit wenigen Ausnahmen deformiert, und das ganze
Bild erinnert stark an die Agglutination der in Leitungswasser auf-
geschwemmten Samenfäden, welche erst nach einiger Zeit der Puffer-
lösungswirkung ausgesetzt wurde (Abb. 14). Unter Immersions-
vergrößerung läßt sich leicht nachweisen, daß die Agglutinate zu-
sammengesetzt sind aus stark deformierten Samenfäden, welche die
Gestalt von Ösen und Ringen annehmen (Abb. 15).
384 B. E. Kalwaryjski:
Läßt man das Kohlendioxyd bei einer Tension, welche 60 Proz.
des atmosphärischen Druckes beträgt, auf eine in Leitungswassser auf-
geschwemmte Spermiensuspension einwirken, so erhielt man ein Bild,
welches dem oben beschriebenen sehr ähnlich ist.
Sättigung mit reiner CO,-Atmosphäre einer Spermienaufschwem-
mung in destilliertem Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung, bewirkt
eine Wasserstoffionenkonzentration
von Py = 3,5.
Die bisher beschriebenen Agglu-
tinationsbilder waren wenig ausge-
sprochen, was den niedrigen Werten
der ` H Jonenkonzentrationen der
angewandten Lösungen zuzuschrei-
ben ist.
Erst jetzt gelangen stark aus-
gebildete Agglutinationsbilder zur
Beschreibung, welche unter dem
Einfluß der hohen Wasserstoffionen-
konzentrationen zustande kommen.
Auch bei dieser Versuchsanordnung
Abb. 16. wurden zu den 0,5ccm Standard-
Ein großes Agglutinat aus den in 0,3pro.. Spermienaufschwemmung 9,5 ccm
Mg Clas Lösung aufgeschwemmten Spermien, ichaeli gul
welche einer Einwirkung des Michaelisschen des Mic isschen Re ators von
Regulators von Py = 3,5 ausgesetzt wurden. Dn = 3,5 zugegeben.
Man sieht höchstgradige Verfilzung der Samen» ER DS
fäden, welche einen unregelmäßigen, zers Die ın 0,3 proz. Mg Cl,-Lösung
franzten Brocken bilden. vorbereitete Samenfädenaufschwem-
mung agglutinierte sehr stark, es
entstanden sehr große Flocken, welche sich nur schwierig mechanisch los-
lösen lassen. Deformierten Spermien begegnet man nur ausnahmsweise.
CO,-Luftgemisch, in welchem die Kohlendioxydtension 60 Proz.
des atmosphärischen Druckes beträgt, verursacht in einer in 0,3 proz.
Tabelle III. Wasserstoffionenkonzentrationen, welche erzeugt werden «durch .
in welchen die Suspension
m er pm _ = pe, a fe dmb pech -m
CO» Tension in Prozen
I
1 Proz. | 2 Proz. 5 Proz. | 10 Proz.
Art der Flüssigkeit Spermien: | 'Spermien« Spermien- Spermi
Rein von auf ‘Rein von aufs Rein von | auf» Rein von | suf
Spermien | schwem- ‚Spermien | schwem* | Spermien | schwem» Spermien | schwe
mung 7 mung mung men
Pp desLeitungswassers, | i ;
in welchem die Gas» |
mischung aufgelöst ist | 7,0-6,8 | 7,2-7,0 i 66 ! — — — 16,0-5,8 —-
Py des destillierten
Wassers, in welchem `
die Gasmischung auf»
get e Ae 5,2-5,0 | 5,3-5,2 ` 4,8-4,6 — 4544 4746: 44 —
385
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien.
MgCl,-Lösung aufgeschwemmten Spermiensuspension ausgeprägte Aus-
floekung, jedoch die Agglutinate sind nicht so stark entwickelt wie im
letzten Falle, was mit niedriger H'-Ionenkonzentration im Zusammen-
hang steht (s. Tabelle III, Abb. 16, vgl. Abb. 1, 2).
Abb. 17.
Agglutination der in Leitungswasser aufge»
schwemmten Spermien, welche sogleich nach
Anfertigung der Suspension einer Einwirkung
des Michaelisschen Regulators von Du = 3.5
ausgesetzt wurde.
Man sieht grobe, dichte Agglutinate, welche
aus vollständig undeformierten Samenfäden
zusammengesetzt sind.
Abb. 18.
Agglutination der Samenfäden aus derselben
Samenfädenaufschwemmung, welche erst
45 Minuten nach ihrer Anfertigung der Eins
wirkung des Michaelisschen Regulators von
Pu = 3,5 ausgesetzt wurde. Man sieht, daß
die Agglutinate sich als klumpenartige Brocken
darstellen, welche aus lauter deformierten
Samenfäden bestehen.
Die Samenfädenaufschwemmung, welche in Leitungswasser vor-
bereitet und sogleich nach der Verfertigung einer Einwirkung des Puffer-
gemisches von De = 3,5 ausgesetzt wurde, stellt ein Bild dar, welches
dem eben beschriebenen
vgl. Abb. 1, 2).
in allen
Details ähnlich ist (Abb. 17,
säuerung mit C O,-Luftmischungen der Spermienaufschwemmungen bzw. der Lösungen,
angefertigt sind.
des atmosphärischen Druckes
25 Proz. 50 Proz. | 60 Proz. ` 75 Proz. | 100 Proz.
| TT Spermien» ` |Spermien- Spermien» Spermien»
'Rein von aufs Rein von aufs Rein von Rein von aufs | Rein von | auf»
aaae dk schwem- Soe schwem» | Spermien | schwem- | Spermien ` schwem-» ` Spermien schwem»
i mung mung | | mung
424,0
56 | 5,7-5,6 | 5,4-5,2 | 5,4-5,2 |
ee
|
3,8-3,6
5,2-5,0 | 5,2-5,0
5,0-4,8| 50 | 4,8-4,6 4847
| 48-4,
| 3,6-3,4 , 3,6-3,5
tiege —
386 u B. E. Kalwaryjski:
Dieselbe Aufschwemmung gab ein ganz anderes Bild, wenn sie erst
nach 45 Minuten mit dem Puffergemisch von py = 3,5 zugesetzt
wurde; die Flocken bestanden stets aus deformierten Samenfäden und
die Art der Agglutinate entspricht dem netz-klumpigen Typus, deren
Silhouette mehr rundlich sich darstellt. (Abb. 18.)
Vergleicht man jetzt diese Agglutinate mit denen, welche durch
eine CO,-Einwirkung (Tension des Kohlendioxyds 60 Proz. des atmo-
sphärischen Druckes beträgt) bewirkt wurden, so merkt man leicht
eine große gegenseitige Ähnlichkeit, obwohl im ersten Falle die Intensität
der Ausflockung viel größer als bei den letzten ist (vgl. Abb. 6).
Abb. 19.
Agglutination der in destilliertem Wasser auf:
geschwemmten Samenfäden, zu welchen un»
Dasselbe Objekt unter Immersions»
vergrößerung. mittelbar nach der Suspensionsanfertigung der
Es sind die stark deformierten Michaelissche Regulator von Py = 3,5 zu
und dicht verfilzten Samenfäden gesetzt wurde. Man sieht ein sehr großes
Agglutinat, das aus undeformierten Samen»
täden besteht und den abgebildeten Aggluti»
naten in Abb. 16 (zum Teil auch in Abb. 17)
sehr ähnlich ist.
zu bemerken.
Eine Immersionsvergrößerung (!/,”) weist in den Agglutinate
eine Verfilzung der stark deformierten Spermatozoen auf, die Agglutinate
sind stark entwickelt, und nur ausnahmsweise trifft man vereinzelte
Samenfäden (Abb. 19, vgl. Abb. 7).
Die in destilliertem Wasser vorbereitete Samenfädenaufschwem-
mung, welche sogleich nach der Verfertigung mit dem Regulator von
Pa = 3,5 vermischt wurde, agglutiniert ganz ähnlich wie die in Leitungs-
wasser bzw. in 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmte Suspension
(Abb. 20, vgl. Abb. 16, 17).
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 387
Dieselbe Spermienaufschwemmung erst 45 Minuten nach der Vor-
bereitung mit der Pufferlösung vermischt, ergab ganz anders geformte
Agglutinate, welche abgerundet und klumpenähnlich sind. Wie man
aus einer Immersionsvergrößerung ersieht, bestehen die Flocken fast
ausschließlich aus deformierten Samenfäden (Abb. 21, 22).
Sehr auffallend ist die tiefgreifende Ähnlichkeit zwischen den
Agglutinationsbildern, welche einerseits unter dem Einfluß der CO,-
Luftmischung, andererseits durch Einwirkung von Pufferlösungen
entstanden sind (vgl. Abb. 5). Diese große, fast bis an die Identitäts-
grenze herangehende Ähnlichkeit der Ausflockungsphänomene, welche
Us Se KK Si e
— Le,
` €; e D
-p
4
r
Lac
Erea
cél
Er
n vc
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~œ e
aS
.
Abb. 21. Ahb. 22.
Agglutination derselben Samenfädenauf; Dasselbe Objekt unter Immersions»
schwemmung, welche 5 Minuten nach ihrer Ä vergrößerung.
Anfertigung der Einwirkung des Michaelisschen Nur ir; kleiner Tell der Samanliden ist
Regulators von Py = 3,5 ausgesetzt wurde.
Die Agglutinate sind fast ausnahmslos aus d undeformiert. 5
deformierten Spermien klumpenartig geformt. Größtenteils sind charakteristische ösen-
Das Agglutinationsbild erinnert stark an die und federartige Deformationen ein»
Abb. 18. getreten.
durch CO,-Einwirkung bzw. durch Puffermischungen zustande kamen,
spricht im höchsten Grade für die einheitliche Natur der Erscheinung.
Die oben hervorgehobenen Unterschiede in der Konfiguration der
Agglutinate (S. 356 bis 361) finden eine befriedigende Interpretation in
dem Verhalten der äußeren Gestalt der Samenfäden. Durch die Ein-
wirkung des Kohlendioxyds auf die in 0,3 proz. MgCl,-Lösung vorbereitete
Samenfädensuspension erhielt man in bezug auf die Konfiguration
immer nur eine Art der Agglutinate. Die in destilliertem bzw. in
Leitungswasser aufgeschwemmten Spermien, welche infolge CO,-Ein-
wirkung einer Ausflockung unterliegen, erlitten durch das längere
Verweilen in physiologisch wirksamen Medien allmähliche Veränderung.
Es war sehr schwierig, die einzelnen Momente zu beobachten, da Aus-
388 B. E. Kalwaryjski:
flockung erst bei längerer Expositionsdauer zustande kommt. Unter-
dessen ist das Verweilen der Samenfäden in destilliertem bzw. in
Leitungswasser von großem Einfluß auf die Gestalt der Spermien und
folglich auch auf die Konfiguration der Agglutinate. Außerdem mußte
man noch die langsam vor sich gehende toxische Wirkung (nicht
Penetration) des Kohlendioxyds in Betracht ziehen.
Das Verwenden der Pufferlösungen hat es ermöglicht, diese Ver-
änderungen Schritt für Schritt zu verfolgen. Die Anfangs- und End-
stadien der Veränderungen, welche die Agglutinate durchmachen, sind
in den beiliegenden Abbildungen wiedergegeben.
Die Spermien gehen unter dem Einfluß der Regulatorenlösungen
fast augenblicklich zugrunde und verharren in einer Gestalt, welche
für den gegebenen Moment charakteristisch ist. So war es möglich,
aus ein und derselben Samenfädensuspension, unter dem Einfluß der
Puffermischungen wohl charakteristische, aber untereinander grund-
verschiedene Bilder zu erhalten (vgl. Abb. 17, 18, 20, 21, 22).
Es wurde bei den Versuchen mit Kohlendioxyd klargelegt, daß
sich merkliche Unterschiede in den Konfigurationen der Agglutinate
und in der Intensität der Ausflockung von Spermienaufschwemmungen
nachweisen lassen, was davon abhängt, ob die Suspensionen in de-
stilliertem bzw. Leitungswasser oder in 0,3proz. MgCl,-Lösung ver-
fertigt wurde.
Im Gegensatz dazu liefern die Samenfädenaufschwemmungen
sowohl in destilliertem als auch in Leitungswasser und 0,3proz.
MgCl,-Lösung unter dem Einfluß des Regulators pe = 4,7 sehr
ähnliche Bilder in bezug auf Ausflockungsintensität. (Vgl. Abb. 10,
12, 13, 14.) Um eine Ausflockung hingegen durch CO,-Einwirkung
in einer in Leitungswasser vorbereiteten Samenfädenaufschwem-
mung zu erzielen, ist eine 30mal höhere Tension notwendig als
für eine in destilliertem Wasser bzw. in 0,3proz. MgCl, - Lösung
verfertigte Spermiensuspension. Dieses verschiedene Verhalten der
Samenfädenaufschwemmungen kann uns als Maßstab dienen, wie
einerseits die Puffermischungen die chemischen und physiologischen
Differenzen zwischen destilliertem und Leitungswasser leicht ausgleichen
und andererseits, wie große Schwankungen in der angewandten CO;-
Tension nötig sind, um die identische Ansäuerung des destillierten
bzw. Leitungswassers herbeizuführen, zwecks Gewinnung von analogen
Ausflockungsphänomenen.
Nach dieser zum Verständnis der Ausflockungsbilder notwendigen
Beschreibung der verschiedenen Agglutinationsbedingungen können
wir uns nun an die ausführlichere Besprechung der Wirkungsweise der
neutralen Salze bei den uns hier angehenden Erscheinungen wenden.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 389
Die Kationenwirkung wurde an den Chloriden folgender Metalle
untersucht: RK. Li, Na, NH‘, Ca” und Mg’; die Anionenwirkung an
Natriumsalzen der CI’, Br’, J’, ONS, CH,COO’ und SO,
Die Beteiligung der Kationen wurde in den Agglutinationserscheinungen
untersucht, welche hauptsächlich unter Einwirkung des CO, zustande
kamen. Wie schon früher erwähnt wurde, konnte der Titer ge-
brauchter Lösungen bei den Versuchen nicht bewahrt werden, und umsomehr
würde die Anwendung stärker verdünnter Lösungen zu unabweichbaren
Ungenauigkeiten führen, was man doch vermeiden wollte.
Die Samenfädensuspensionen wurden größtenteils in einer Lösung
hergestellt, deren Einfluß auf das Ausflockungsvermögen untersucht
werden sollte.
Jede zu untersuchende Salzlösung wurde in einer ganzen Reihe von
verschieden starken Konzentrationen verfertigt, welche untereinander
um 1/,, Normalität differieren.
Indessen zeigte es sich, daß die Samenfäden, welche verschiedenen
Exemplaren entnommen waren, gewisse individuelle Schwankungen
in bezug auf Empfindlichkeit gegen die H'-Ionenkonzentration und
auf die Anwesenheit von Kationen darstellen. Da die angewandte
Versuchsmethodik mit der zufälligen Verdünnung der gebrauchten
Lösungen stets rechnen mußte, so wurde immer nur die stärkste
Konzentration berücksichtigt, bei welcher die Agglutination noch
zustande kam.
Um die hier besprochenen Verhältnisse quantitativ und anschaulich
darzustellen, wurden aus den entsprechenden Konzentrationen der
titrierten Lösungen die Grammäquivalente der Kationen berechnet.
Die Versuche wurden auf zweierlei Art angestellt. Zuerst wurden in
einer Versuchsreihe Lösungen von zunehmender Stärke angewandt, um
die schwächste Konzentration zu bestimmen, welche noch Hemmungs-
wirkungen ausübt. In der anderen Versuchsreihe wurde entgegengesetzt
verfahren. Es wurde eine maximale Konzentration gesucht, bei welcher
die Agglutination noch eben wahrnehmbar war. Obwohl während der
Arbeit viele Hunderte von Bestimmungen in dieser zweifachen Weise
ausgeführt wurden, erwies es sich jedoch bei schriftlicher Darstellung
als zweckmäßig, sich auf die minimalen Konzentrationswerte zu be-
grenzen, bei welchen die Agglutination noch nicht zustande kommen
kann. Die Lösungen, deren Konzentrationsgrad niedriger liegt, er-
möglichen selbstverständlich den Eintritt der Ausflockung. Gesamt-
ergebnisse über diese zahlreichen und mühsamen Experimente sind in
beigefügter Tabelle IV gegeben.
‚Aus ihr geht besonders hervor.
1. Lithiumchlorid in n/8 Lösung wirkt immer noch hemmend auf
die Agglutination, welche sogar mikroskopisch nicht nachzuweisen ist.
Die Abnahme der Konzentration der n/8 Lösung zur n/9 Lösung,
Biochemische Zeitschrift Band 169. 26
390 B. E. Kalwaryjski:
i Tabell
Wirkung der Kationen auf den Agglutinationsverlauf der Temporari
ess ee Angewandt
KOCH
zm = pe vr RRE WENN LE DET
3 + He | 3 - Bi 3 ja Si
V p j gagag) e “ "e C SEI = a = o Fr: Í
8 E z #84 u E E R 25% Stiet: 8 a z5 SE
muer Bet Ze dl ans Get ds Eet Get Ze agimi
“ES | 8% |< 815332 “soj ZS E > 5220| MS aa 773 1332%
BSR Eg Sehens | Sag] 86 BahRarı SSR] E8 Sehe
Seel 28 |E32 | 955g 880| 28 532 5558 SE 5# 15321675;
SE: Gë 6” 3 opa wS |9 EK) CW E Ss? “53
SZ SR Ian ENTE IN Ei E Ier ESZ n El S gr Sng
mp SI zg A SI S.I < K anj E a < F E a
—— — | = mm
n/4 |4,0-3,5 — lag
n/ő 14,0-3,8| — 60 | 0767 | 28—36, + 17,8 | 1307
n/6 |4,0-3,8| — 3,833| ogag "3538 + |6,533| 0'933
n/7 4,0-3,8! — 3,285| 0435 28-308 ++ 15,6 (en
n/8 || 4,0-3,8) — 2,875| 0320 13,8-36| ++! 14,9 0'545
n/9 | 4,0-3,8; + 0255 | 38-36 + ++ 4,355 0435
n/104,0-3,8| ++ eet ECH OCH AE äh
welche in Li’-Grammäquivalenten berechnet 0,098 mg auf lccm
beträgt, bewirkt das anfängliche Auftreten der Agglutination.
2. Natriumchlorid wirkt hemmend bis zu der n/5 Lösung, in welcher
das Na’-Grammäquivalent auf 1 ccm berechnet 4,60 mg beträgt. Zu
einer wenn auch sehr zarten Agglutination kommt es schon in einer
n/6 Lösung. Die Konzentration des Na'-Kations auf 1 ccm berechnet
ist im Vergleich zur vorigen Lösung um 0,767 mg des Natriumgramm-
äquivalents verkleinert.
3. Kaliumchlorid bis zu n/4 Lösung übt eine hemmende Wirkung
auf die Ausflockung aus. In einer n/5 Lösung läßt sich anfänglich
Agglutination leicht erkennen. Konzentration, welche die Agglutination
verursacht, beträgt in Grammäquivalenten, auf Leem berechnet,
2,04 mg.
4. Ammoniumchlorid verhält sich analog dem Kaliumchlorid. Die
maximale Konzentrationsgrenze, bei welcher die Agglutination noch
gehemmt ist, scheint noch ein wenig tiefer zu liegen.
5. Calciumchlorid beeinflußt in hohem Grade die Ausflockung,
indem n/7 Lösung noch hemmend wirkt. Erst in n/8 Lösung kommt
die Agglutination zum Vorschein.
6. Magnesiumchlorid läßt noch in einer n/6 Lösung das Ausbleiben
der Agglutination erkennen. n/7 Lösung ist nicht mehr imstande, die
Ausflockung zu hemmen, obwohl die Agglutinate spärlich und zierlich
sind. Die Ausflockung bewirkende Konzentrationsabnahme, auf 1 ccm
in Grammäquivalenten des Me Kations berechnet, beträgt 0,291 mg.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 391
IV.
spermien unter dem Einfluß reiner Kohlendioxydatmosphäre.
a H ` p 3 H z | e D 3 ER:
ER d Pe iggen g sp. 388°
LI Bä ibirit Lt zb ih
AEO SS uas £ E RSR Ae E Ke Ss
BSG d EE 3 age | 3355 SE EF à $ 35 d
SC EE BEEE E BET
ei RE ir ER IB zu:
| | mg mg
3
1,002 1,06
ve: 0,669 0.407
= 0,477 0.291
3 0.358 0.192
3 138-36) ++ |2227 | 0279 13,9-3,8| ++ | 1355| 0,195
13 138-361 +++] 2,005 | 139-38|44++1122 | °
Es ist also ohne weiteres sichtbar, daß die hier in Betracht kommen-
den Kationen sich in eine Reihe ordnen lassen, und zwar am besten
in der Richtung abnehmender, hemmender Wirkung:
Li >Ca >Mg >Na >K > NH.
Dieselben Ergebnisse wurden auch bei den Versuchen mit Puffer-
mischungen, welche Ausflockungsvorgänge verursachen, erreicht.
Es wurde außerdem eine Versuchsreihe angestellt, um antago-
nistische Wirkung der Kationen auf die Agglutinationsphänomene zu
ermitteln. Die Versuche sind aber nicht abgeschlossen und Endschlüsse
werden später bei anderer Gelegenheit berichtet werden. Es ist nur zu
berichten, daß hier in Betracht kommende Kationen in allen möglichen
Kombinationen gar keine antagonistische Wirkungen auf das Aus-
flockungsphänomen ausüben. Eher konnte man von einer Cumulation
in Abhängigkeit von individuellen Eigenschaften jedes einzelnen
Kations sprechen.
Um die Wirkung der Anionenreihe auf die Säureausflockung der
Samenfädensuspension festzustellen, wurde die Versuchsanordnung ganz
analog wie bei den Versuchen mit der Kationenreihe angestellt. Die
Anionen wurden als Natriumsalze angewandt, wobei folgende Ver-
bindungen in Betracht kamen: Noa Pri, NaCl’, Na J', Na SO,
Na CNS Die Versuchsergebnisse sind in der beigefügten Tabelle V
angegeben. Man sieht, daß die verschiedenen Natriumsalze in der-
selben Konzentration die Ausflockung hemmen bzw. daß in der für
alle Salze gleichen Lösung die Agglutination noch zustande kommt.
28 *
392 B. E. Kalwaryjski:
Tabele V.
Agglutinationsverlauf der Temporariaspermien unter dem Einfluß der
reinen Kohlendioxydatmosphäre bei Anwesenheit der verschiedenen Anionen.
Angewandte Salze
Na’ | Ne CNS | Na; SO‘,
Ee
Ne CH
Tit „.%.H'l . a Hal 9 e wël Hal s| a v Hal s a ao
i 228 kon | HH kons (22S. kon EZ] kom KEE
33 S zentrat. 33 ch zentrat. 33 E | zentrat. KEE 5 | zentrat EZE
“u =) C Ad u. € a
= | pu lëël pu TEEN pu BI pu 75 pp "ES
5 [39-38] — |38-36| — "3,9-3,8: — 39-38| — |3,9-3,8| +
np 138-36; + :3,8-3,6| + 3,8-3,7! + '3,9-3,8| + |3,938| z
ag |38-36| + "38-361 + 3938 + 39-38] + |3938] -
n/8 13,7-36| ++, 3,8-3,6 | ++ ! 3,8-3,7 | ++ | 3,9-38 , ++ |3,9-3,8| ++
Die durch CO,-Einwirkung bedingte Ausflockung in Anwesenheit
aller erwähnten Natrsumsalze weist ein Hemmungsbild auf, wie es sich
für Na -Kationen als charakteristisch erwies.
Die durch die Michaelisschen Regulatoren unter sonst gleichen
Bedingungen bewirkte Agglutination verlief analog der durch CO,
verursachten Ausflockung. Um die Versuchsanordnung und den Gang
des Experiments in dieser Experimentenserie anschaulich zu geben,
wird beispielsweise der Verlauf des Versuchs mit Na’CN S’-Lösung
eingehend besprochen. Der Verlauf des Versuchs war folgender: Die dicke
Spermiensuspension wurde in 0,3 proz. MgCl,-Lösung vorbereitet, was für
den Verlauf des Versuchs — wie oben auseinandergesetzt wurde — ohne
jeden nachteiligen Einfluß blieb. Die Fragestellung wurde in folgender
Weise aufgefaßt: Inwieweit äußert sich der Einfluß des CNS’-Ions
auf den Verlauf der durch den Michaeisschen Regulator von py = 41
bewirkten Spermienausflockung.
Die Standardsuspension wurde stets in einer Menge von 0,4 ccm,
die Pufferlösung stets in einer Menge von 5cem genommen. Die
Na’CNS’-Lösung wurde in verschiedenen, genau abgemessenen
Quantitäten zugeschüttet!). Die ganze Mischung wurde mit de-
1) Während der Ausführung des Versuchs traf ich auf eine gewissermaßen
paradoxe Erscheinung, welche in gewissem Sinne, dem Danysz- Phänomen
analog ist. Wurde nämlich zu den Lösungen, welche die Agglutination sehr
stark hemmen, die Spermiensuspension zugeschüttet, so trat sofort heftigste
Ausflockung hervor, wogegen umgekehrt dieselben Lösungen, schnell
zu der Samenfädensuspension zugegossen, die Agglutinationshemmung klar
erkennen lassen. Vielleicht wird es am einfachsten sein, diese Erscheinung
sich folgendermaßen zu erklären: durch Zusatz der Suspension wird näm-
lich die oberflächliche Schicht der hemmenden Lösung verdünnt, weshalb
die Konzentration der hemmenden Körper plötzlich abnimmt und weswegen
die charakteristische, ausflockende Wirkung des Regulators deutlich zum
Vorschein kommt. Wird demgegenüber zu der Spermasuspension die
Samenfä-enagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 393
stilliertem Wasser auf das Volumen bis zu 10 ccm gebracht. Die bei-
gefügte Tabelle VI macht den Gang des Versuchs anschaulich.
Tabelle VI.
Erläuterung des Versuchsverlaufs unter Einwirkung der NaCN S-Lösung
auf den Agglutinationsprozeß der Temporariaspermien. Protokollauszug,
Versuch Nr. 73 22. III. 1925.
t A
Menge der Aul» GE der Menge der ` ge Mesa Menge des Agglutina.
a Kon vn, 0, dienen Ven
SIE | Flüssigkeit
EE E B ee a
e ck EE zu, a
0,4 5 | 1,50 5,750 3,10 =
0,4 5 | 1,25 5,175 3,35 =
0,4 5 10 ' 4600 3,60 Si
0,4 5 0,75 4,025 As A
0,4 5 | 0,50 3,450 410 € +
0,4 5 | 0,25 2,875 4,35 as
0,4 5 | 0,00 2,300 500° I ++++
Die Grammäquivalentenzahl des Na’-Kations unterscheidet sich
bei den Versuchen mit verschiedenen Anionengruppen von der bei den
Untersuchungen mit der Kationenreihe festgestellten Zahl. Den Grund
für diese Differenz können wir in der nur kleinen Variation der Zu-
ganze Portion der Flüssigkeit von agglutinationshemmenden Eigenschaften
schnell zugegossen, so wächst die Konzentration der hemmenden Ver-
bindungen in der Aufschwemmung so schnell, daß die ausflockende Wirkung
des Regulators nicht zustande kommen kann. Die deutlich ausgebildeten
Agglutinate, welche beim Zusatz der Samensuspension zur „hemmenden
Lösung“ entstehen, erliegen keiner mechanischen Desintegration mehr,
besonders dann, wenn die Tötung der Spermien sehr schnell vor sich ge-
gangen war —, so daß man in diesem Falle in gewissem Sinne von einer
Irreversibilität der Agglutination sprechen kann.
Es ist auch eine andere Deutung dieser Erscheinung anzunehmen;
nach Höbers Darstellung (Physikalische Chemie der Zelle und Gewebe.
V. Aufl.. 1922 bis 1924, S. 239) haben Spring und Freundlich gefunden,
daB „ein und dieselbe Elektrolytenmenge, der gleichen Menge Kolloid-
lösung zugefügt, bei raschem Zusatz eine totale Ausflockung bewirken kann,
während sie bei langsamem Zusatz die Stabilität: nicht oder wenig stört“.
In meinen Versuchen kann also die Ausflockung, «die in einer Lösung zu-
stande kommt, welche sonst ausgesprochen hemmend wirkt, in oben an-
gedeuteter Weise erklärt werden. — Nach Freundlich ist es wahrscheinlich,
daß der rasche Zusatz eine ungleichmäßige Verteilung der entladenden
Ionen auf alle Kolloidpartikelchen bewirkt, wodurch an Stelle der gleichen
Potentiale Potentialunterschiede zur Ausbildung kommen, die den Anlaß
zu gegenseitiger Anziehung und Ausflockung geben.
394 B. E. Kalwaryjski:
sammensetzung der angewandten Lösungen finden. Es soll jedoch
gleich auseinandergesetzt werden, daß diese Differenz nur sehr klein
ist und keinen Grund dafür gibt, die Ergebnisse als zweideutig und
unsicher zu erklären. Durch die Anwesenheit des Natriumrhodanats
bewirkte rudimentäre Ausflockung tritt bei einer Konzentration auf,
welche in Natriumgrammäquivalenten auf l ccm berechnet 4,025 mg
beträgt. Indessen zeigt die Tabelle IV, daß 3,833 mg des Na’ Gramm.
äquivalents auf l cem berechnet eine schwache Agglutination noch
erkennen läßt und 4,60 mg deutliche Agglutinationshemmung zur
Folge hat. Die Ausflockung kommt also in diesen Grenzen zustande.
Die für Natriumrhodanat in meinem Experiment erhaltene Agglu-
tinationszahl beträgt 4,025 mg des Na -Grammäquivalents auf 1 ccm der
Lösung; sie liegt also näher der agglutinatinnsauslösenden als der
agglutinationshemmenden Konzentration.
4,025 (Na Wert der noch agglutinationsauslösend. Konz. in Leem)
— 3,833 (Na -Wert aus Tabelle IV),
0,192
4,60 (Na -Wert d agglutinationshemmend. Konz. in 1 cem, a Tab. IV)
4,60 > 4,025 — 3,833
m mmm mm uf
0,575 > 0,192.
Um den Anteil der Kationen bei Ausflockungserscheinungen
möglichst zu begrenzen, sogar ganz auszuschließen, wurden die Samen-
fäden reinen Säurelösungen ausgesetzt. In schwachen sauren Lösungen
wurden die Spermien unmittelbar aufgeschwemmt. Bei den Versuchen
mit stärkeren Lösungen wurden die Standardaufschwemmungen in
dünnen Lösungen entsprechender Säuren vorbereitet und der Ein-
wirkung stärkerer Solutionen ausgesetzt. Die Versuche wurden mit
Salz-, Schwefel-, Orthophosphor- und Essigsäure angestellt. Da die
Säurelösungen selbstverständlich gar nicht gepuffert sind, so bewirkt
der Zusatz von Spermienaufschwemmung eine kleine Senkung der
bestehenden H'-Ionenkonzentration, welche jedesmal bestimmt und
berücksichtigt wurde. Für die in Betracht kommenden Säuren konnte
man drei charakteristische Konzentrationsstärken feststellen:
l. Eine so schwache, daß die Agglutination noch nicht zustande
kommen kann.
2. Eine Konzentration, die zur maximalen Ausflockung führt.
3. Eine so starke Konzentration, welche die Agglutination voll-
kommen hemmt (Abb. 23, 24).
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 395
Das verschiedene Verhalten der angewandten Säuren in bezug auf
den Agglutinationsverlauf der T’emporariaspermien ist aus der bei-
gefügten Tabelle VII ersichtlich.
Abb. 23.
Agglutinationshemmung der Temporaria» Dasselbe Objekt unter Immersions-
samenfäden in n/i Essigsäurelösung. Da vergrößerung.
oh Free LK Sa Man sieht, daß die Samenfäden deutlich auf»
liche, aber eine Verklebung der Spermien gequollen und manche leicht deformiert
untereinander kommt nicht zustande. Die sind, aber einzeln liegen und keine Agglu-
Samenfäden sehen etwas aufgequollen aus. tinationstendenz verraten.
Tabelle VII.
Einwirkung freier Säuren auf den Agglutinationsverlauf der Temporaria-
spermien.
R Angewandte Säuren
HOH ) H,SO, HPO; CHCOOH
. | Aggluu . je Agglu- s Agglu- K: Agglu-
ën tinations» _ eieiei ie ve | naw. Í raston: Zaan, tinations»
nuogos | intensität ; PUPESETA | intensität | ?UNgSgra intensität PUNESE intensität
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gglus Agglus l Agglus
‚ tinationss | tinations» | tinations»
hemmung | hemmung hemmung
Zum zweiten Male stoßen wir auf eine Agglutinationshemmung,
welche einer Erklärung bedarf,
Da die beschriebene Spermienagglutination mit der Ausflockung
einer Suspension völlig übereinstimmt, so war man berechtigt
anzunehmen, daß die Agglutinationshemmung der Umladungs-
erscheinung entspricht (Höber, 1l. c., S. 235 bis 237). Diese Annahme
396 B. E. Kalwaryjski:
konnten die Kataphoreseerscheinungen bestätigen. Schon R. Lillie!)
stellte fest, daß die Samenfäden im elektrischen Felde zur Anode
wandern. Diese Beobachtung trifft in bezug auf die Samenfäden der
Rana temporaria völlig zu, soweit die Aufschwemmung eine neutrale
oder schwach saure Lösung darstellt.
Die in Essigsäurelösung aufgeschwemmten Samenfäden erliegen
keiner Agglutination und wandern ziemlich schnell zur Kathode. Die
Änderung der Wanderungsrichtung im elektrischen Felde ist hier sehr
deutlich. Da die Samenfäden bei niedriger H'-Ionenkonzentration,
welche noch keine Agglutination bewirken, zur Anode wandern, und
da andererseits bei hoher Wasserstoffionenkonzentration (In Essigsäure-
lösung, welche völlige Agglutinationshemmung verursacht) die Spermien
zur Kathode wandern, so ist man aus diesem Grunde berechtigt, den
Versuchsbedingungen entsprechend, eine isoelektrische Zone anzu-
nehmen, welche gerade solchen H’-Ionenkonzentrationen entspricht,
die starke Ausflockungserscheinungen bewirken.
Die Samenfädenaufschwemmungen konnten in H’-Ionenkonzen-
trationen, welche Ausflockung bedingen, selbstverständlich nicht für
die Kataphorese benutzt werden. Daraus entstand auch eine Schwierig-
keit für die experimentelle Bestimmung der Breite der isoelektrischen
Zone. Um einen Ausweg aus dieser Schwierigkeit zu finden, wurde
folgendes Verfahren gewählt: Zu den Säurelösungen wurde so viel
NaCl-Lösung zugegeben, daß auf je l ccm der Aufschwemmung je
4,6 mg Na-Grammäquivalente fiel, was eine Hemmung der Ausflockung
zur Folge hatte. Unter diesen Bedingungen stellte sich heraus, daß
die isoelektrische Zone für hier in Betracht kommende Säuren zwischen
Pa = 3,6 bis 2,6 schwankt. Der NaCl-Zusatz enthielt jedoch eine Fehler-
quelle, die aber leider nicht anders umgangen werden konnte, und des-
halb ist den erhaltenen Zahlen nur ein relativer und nicht absoluter
Wert zuzuschreiben.
In der vorliegenden Arbeit dienten als Versuchsobjekt vorwiegend
Spermien der Rana temporaria. Gelegentlich führte ich auch einige Ver-
suche mit den Samenfäden der Bufo vulgaris und des Hechtes (Esox lucius)
aus. Die CO,- und Regulatoreneinwirkung rufen bei der entsprechenden
Kationenkonzentration in den Aufschwemmungen eine ausgesprochene
Ausflockung hervor. — Als Versuchsobjekte eignen sich diese Gattungen
nicht. Die Samenfäden des Esox lucius sind zu klein, um an ihnen morpho-
logische Veränderungen, welche mit den Agglutinationsphänomenen ver-
bunden sind, wahrzunehmen, und deshalb weist auch die Konfiguration der
Agglutinate keine merklichen Unterschiede auf. Obwohl die Samenfäden
von Bufo vulgaris leicht der Ausflockung anheimfallen, so sind sie auf die
Differenzen der H'-Ionenkonzentrationen doch nicht so empfindlich wie die
1) The Amer. Journ. of Physiol. 8, 272 bis 283, 1902.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 397
Temporariaspermien. Infolgedessen bewirken die verhältnismäßig von-
cinander entfernten H'-Ionenkonzentrationen eine gleiche Ausflockung.
Außerdem erliegen die Samenfäden der Bufo vulgaris sehr leicht weitgehen-
den Deformationen.
Das Studium der Spermienagglutination in verschiedenen
Medien unter dem Einfluß des Kohlendioxyds, sauren Regulatoren
und freien Säuren erlaubt, die Bedingungen der Erscheinung genau
festzustellen.
Eine Agglutination der Temporariasamenfäden läßt sich noch auf
ganz anderem Wege herbeiführen, welcher mit der Ansäuerung des
Mediums nichts Gemeinsames hat. Hierzu gehören z. B. 70 proz.
Äthylalkohol (und höher), die über 60°C erhöhte Temperatur und
was uns hier am meisten angeht, starke Laugenlösungen. Es ließen
sich noch mehr Beispiele anführen, die jedoch zurzeit ohne Bedeutung
sind. In aller Kürze werden hier die Agglutinationserscheinungen
berücksichtigt, welche durch Laugenlösungen hervorgerufen wurden.
Auf diese Tatsache stieß ich bei der Wiederholung der Versuche
A. Köllikers (l.c.), welcher Samenfäden belebte, die eine Zeitlang in
Säurelösungen verweilt hatten. Dazu benutzte ich verschieden starke
Laugelösungen, z. B. n/10 NaOH-Lösung, die deutliche Ausflockung
hervorruft. Die Agglutinate unterscheiden sich von den Säureagglu-
tinaten durch eine abweichende Konfiguration. Die Flocken sind
klumpenartig, mehr sammetartig und erliegen sehr leicht einer Kolli-
quation. Dieser Erscheinung konnte ich nicht genügend Zeit widmen;
jedenfalls führe ich sie an als Ergänzung zu der in dieser Arbeit be-
sprochenen Agglutinationserscheinungen. Ich glaube annehmen zu
können, daß ähnlich wie die in neutralen Medien aufgeschwemmten
Spermien unter dem Einfluß der Säuren elektrostatischen Verände-
rungen unterliegen und mit Verlust der gleichnamigen Ladung der
Ausflockung anheimfallen, so auch starke Laugelösungen analoge
Erscheinungen bewirken.
Heute unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Spermien-
agglutination zu den weitverbreiteten Erscheinungen gehört. Wie ich
schon oben angab, ist es zurzeit nicht leicht, die Agglutination ver-
schiedener Herkunft von nur einem Agens abhängig zu machen, wie
z. B. von den elektrostatischen Veränderungen, die sich an der Spermien-
oberfläche abspielen. Erscheint jedoch als angängig, Erscheinungen
der Art, wie Spermienagglutination, von einem einheitlichen Standpunkt
aus genügend zu erklären, so ist dies niemals zu vernachlässigen. Man
muß jedoch stets im Auge behalten, daß verschiedene, sogar der Gattung
nach nicht weit voneinander stehende Versuchsobjekte, ganz ver-
schieden auf identische Reize reagieren können. Im Gegensatz dazu
398 B. E. Kalwaryjski:
können die Gattungsunterschiede nicht immer die Abweichungen im
Erscheinungsverlauf begründen.
Auf Grund der in dieser Arbeit angeführten Beobachtungen unter-
liegt es keinem Zweifel mehr, daß die Agglutination der Temporaria-
spermien sowohl unter dem Einfluß des Kohlendioxyds als auch die
Agglutination unter dem Einfluß organischer und anorganischer freier
Säuren und sauer reagierender Pufferlösungen auf der Wirkung der
Wasserstoffionenkonzentration beruht.
Zwar kennt man außer der Agglutination noch andere Aggregations-
zustände der Spermien, die sich jedoch ziemlich deutlich von den hier
beschriebenen Ausflockungserscheinungen unterscheiden, und vielleicht
sogar zum Teil der Lillieschen ‚„Aktivation‘ entsprechen. Die dicke,
auf dem Uhrglas vorbereitete Spermienaufschwemmung, bildet im
Verlauf von einigen bis zu mehreren Minuten graupenartige Haufen,
die dem Uhrglas stark angeheftet sind. Diese Adhäsion der Spermien-
anhäufungen ist gewiß der Thigmotaktis zuzuschreiben. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß die erwähnten Aggregationen zustande kommen
infolge der besonderen Neigung der Samenfäden zum Aufkleben an
kleine Gewebe — und ganz besonders — an Hodenteile, welche regel-
mäßig in einer Spermienaufschwemmung sich befinden.
Unter dem Mikroskop sieht man in fast jeder Spermienaufschwem-
mung Samenfädenbündel, angeordnet um die sSertollischen Zellen
herum; die Schwänze der Spermien befinden sich in einer äußerst regen
Bewegung. Diese Spermienanhäufung beruht nach K. Grobben!) auf
der positiven Chemotaxis der Spermien gegeneinander, sowie gegen
trophische Substanzen, welche von den Sertollischen Zellen ausgeschieden
sind. Ich beobachtete des öfteren, daß bei heftigem Schütteln der
Spermienaufschwemmung im Kolben, die Samenfäden sich zu läng-
lichen, bandförmigen und zerfranzten Gebilden verkleben, welche
Agglutinationserscheinungen vortäuschen können. Diese Gebilde
ordnen sich an Gewebsteilchen und besitzen ein sehr dichtes Gefüge.
Ohne Zweifel haben wir es hier mit einer rein physikalischen und keiner
spezifischen Erscheinung zu tun. Kleine Portionen der Spermien-
aufschwemmungen weisen in Kontrollgläsern keine irgendwelche
Aggregatsänderungen der Suspensionen auf. Spontane Aggregate
werden von Rindersperma, sowie auch von Menschensperma gebildet,
worauf Debenedetti?) hinweist. Er sieht in dieser Erscheinung eine
Analogie zu der geldrollenartigen Anordnung der Erythrocyten. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß diese von mir beobachteten Gebilde unter
dem Einfluß der Oberflächenkräfte entstehen, ähnlich wie dies nach
1) Zoolog. Anz. 22, 106, 1899.
2) Rif. med. (Osp. civ. Ass.) 80, 440f., 1923.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 399
M. Heidenhain!) (Sympeksis) für die Anordnung der Erythrocyten in
Geldrollenform gelten soll. Nach Joh. Brodersen?) reicht die Heidenhain-
sche Erklärung nicht aus für die Bildung von ‚Geldrollen“, die durch
eine Einwirkung der gelatinhaltigen Lösung verursacht sind."
Im Laufe der vorliegenden Arbeit hatte ich zweimal Gelegenheit,
Menschensperma zu beobachten, welches unter dem Einfluß des Kohlen-
dioxyds keine Agglutination ergab. Ich will noch auf die ausführliche
Arbeit Yamane (l. c.) aus diesem Gebiet aufmerksam machen, in welcher
der Autor das Entstehen der ‚Spermienhaufenbildung‘“ in Abhängigkeit
stellt von der Wasserstoffionenkonzentration und von der Kationen-
wirkung, der er eine große Rolle zuschreibt. In bezug auf die Bedeutung
der Wasserstoffionenkonzentration für die Agglutinationserscheinungen
der Spermien sind die Ergebnisse Yamanes und die meinigen überein-
stimmend, trotz der großen Verschiedenheit der Versuchsobjekte.
Yamane betont außerdem die grundliegende Bedeutung der Kationen-
wirkung für die Spermienhaufenbildung und die Eigenbewegung der
Spermien, wobei er die Erscheinung nicht als eine einfache Ausflockung
betrachten will. Wie daraus ersichtlich ist, stimmen die Ergebnisse
Yamanes in dieser Hinsicht mit den meinigen nicht überein, was
möglicherweise durch die Objektsunterschiede bedingt ist.
Einen anderen Standpunkt nimmt @ellhorn an, der bei der Anführung
der Anschauung Yamanes über die Bedeutung der H-Ionenkonzentration
für die Agglutinationserscheinungen der Spermien schreibt: ‚Dies
dürfte für die Spermatozoen des Frosches keine Geltung haben, da
z.B. selbst in n/100 oder n/1000 H OU die Eskulentenspermatozoen
keine Haufenbildung zeigen“). Auf Grund hier niedergelegter Unter-
suchungen ist es klar, daß diese Behauptung @ellhorns für Samenfäden
der Rana temporaria und Bufo vulgaris keine Geltung hat.
Versuche an Eskulenienspermien veranlaßten mich, die Angaben
Gellhorns insofern zu bestätigen, daß tatsächlich die Eskulentensamen-
fäden „in n/100 oder n/1000 H Cl’ keine Haufenbildung zeigen“. Geht
man aber in der Verdünnung der Salzsäure weiter, so zeigte sich,
daß die H Cl’-Lösungen von einer n/3000 bis n/5000 Konzentration eine
typische Ausflockung hervorrufen. Außer der H Cl’-Lösung ruft n/200
Essigsäure eine ausgesprochene Agglutination der Eskulenienspermien
hervor. Die zehnfach verdünnten Pufferlösungen Mc Ilvaines bewirken
eine maximale Ausflockung bei den H‘-Ionenkonzentrationen, die
zwischen pe = 3,4 bis 3,8 liegen; bei pe = 2,2 kommt es schon zu
einer Agglutinationshemmung, welche auch bei niederen ?y-Werten
1) M. Heidenhain, Plasma und Zelle 2, 1068 bis 1070, 1911.
2) Zeitschr. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. 76, 104, 1925.
2) Pflügers Arch. 198, 573, 1922.
400 B. E. Kalwaryjski:
durch Kationenüberschuß zustande kommt. Aus dem Gesagten geht
es klar hervor, daß die Behauptung Gellhorns über die Belanglosigkeit
der H’-Ionenkonzentration für die Agglutinationserscheinungen an
Froschspermatozoen insbesondere der Eskulentensamenfäden, dem
wirklichen Sachverhalt nicht entspricht.
Die Toleranz der Spermien sehr vieler Gattungen und besonders
der Rana temporaria gegen die Säuren ist groß genug, und ihre Samen-
fäden weisen sogar in n/10 Salzsäure noch eine kurze Zeit Bewegungen
auf. Die Angaben E.@Gelhorns!) sprechen für die große Toleranz der
Spermatozoen gegen Säuren. Er gibt an, daß in einer Lösung, deren
H'-Ionenkonzentration k = 10”? ist, noch kurzdauernde Bewegungen
beobachtet werden, und wenn der H'-Ionengehalt sich bis zu k = 10”?
verringert, so dauern die Bewegungen viel länger. Diese Versuche
waren von E.@Gellhorn an Temporariasamenfäden angestellt.
Gellhorn arbeitete mit Sörensenschen Glykokoll- und Phosphat-
puffern, wobei er in seinen Befruchtungsstudien II ausdrücklich angibt,
„daß die Grenzen, innerhalb deren normale Entwicklung noch zustande
kommt, für die Spermatozoen bei pe =3 und pe = 13... liegen,
wenn die Konzentration der Puffer n/40 ist‘“?).
Wie aus meinen hier niedergelegten Untersuchungen hervorgeht,
üben die Kationen der alkalischen Metalle und alkalischen Erden eine
hemmende Wirkung auf den Agglutinationsverlauf der Temporaria-
spermien aus, wenn die in Betracht kommenden Salze erst eine n/4
bis n/8 Konzentration erreichen. Da Gellhorn über irgendwelche Agglu-
tinationserscheinungen der Spermien in sauren Medien keine Angaben
machte, so liegt es nahe, anzunehmen, daß in den von Gellhorn an.
gestellten Versuchen ein stetiger Ausfall der Samenfädenagglutination
stattgefunden hat, obwohl in der Versuchsanordnung die Bedingungen
nicht dazu gegeben waren. Dieser Sachverhalt erfordert eine Erklärung,
und angesichts meiner eigenen Versuchsergebnisse fühlte ich mich
berechtigt, obige Bedenken an dieser Stelle auszusprechen.
Man könnte hier zwar Beispiele anführen, welche zu beweisen
scheinen, daß unter verwandten Gattungen große Reaktionsunter-
schiede bestehen können. Es genügt zu erinnern, daß Samenfäden
des ‚Strongylocentrotus purpuratus in angesäuertem Seewasser einer
Agglutination unterliegen), während die Ochraceaspermien nur in stark
alkalisiertem Seewasser einer Ausflockung anheimfallen. Die Gattungs-
unterschiede in diesem Falle sind jedoch bedeutend größer als die,
welche zwischen Rana temporaria und Rana esculenta bestehen, die
1) Pflügers Arch. 196, 387f., 1922.
2) Pflügers Arch. 196, 392, 1922.
3) J. Loeb, Le, 1904, S 340.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 401
Reaktionsunterschiede also viel verständlicher für diese Echinodermen
erscheinen.
Fr. Lillie führt Beispiele verschiedener Empfindlichkeiten gegen-
über verschieden starken CO,-Lösungen für folgende Gattungen an:
Loligo bewegt sich noch in der von Fr. Lülie genannten 50proz. Lösung,
Chaetopterus erliegt völliger Lähmung erst in 331- bis 40Oproz. Lösung,
Arbacia in 3proz. und Nereis in Iproz. Lösung. Aus diesem ergibt sich,
daß verschiedene Spermagattungen auf verschiedene CO,-Tensionen
und daraus folgende H -Ionenkonzentrationen nicht einheitlich reagieren.
Zwischen den begeißelten Bakterienarten und tierischen Samen-
fäden darf man in mancher Hinsicht eine Parallele ziehen und deswegen
will ich dieser Analogie ein wenig weiter folgen. Bekannterweise sind
für Bakterienstämme die Unterschiede im Ausflockungsvermögen bei
gewissen H -Ionenkonzentrationen diagnostisch verwertet worden
(L. Michaelis !). Obwohl Th. Eisenberg?) in seinen gründlichen Ab-
handlungen Zweifel gegen die Spezifität der Säureagglutination aus-
gesprochen hat, bleibt es dennoch fest, daß sich diese Methode in ge-
wissen Fällen als verwendbar erwiesen hat. Es ist nicht ausgeschlossen,
daß die Säureagglutinationswerte der Samenfäden sich als ein Hilfs-
mittel in der Bestimmung der Verwandtschaftsgrade der verschiedenen
Tierspezies anwendbar erweisen werden. Bis heutzutage gibt es keine
systematisch vergleichende Angaben über die erwähnte Frage. Ver-
öffentlichungen von Gray, Walton, Yamane u. a., sowie meine jetzige,
füllen diese Lücke nicht aus.
In flüssigen Medien aufgeschwemmte Samenfäden sind als eine
disperse Phase aufzufassen, die sich nach den für feine Suspensionen
gültigen Regeln verhält. Es ist zu betonen, daß die Agglutinations-
phänomene der Spermatozoen schon längst von J. Loeb (l. c.)
ähnlich erklärt wurden. In der bereits erwähnten Abhandlung
spricht sich dieser unübertroffene Meister der biologischen Forschung
folgendermaßen aus: ‚Bei der nahen Beziehung, welche zwischen
dem Prozeß der Aggregatbildung (Agglutination) von in Flüssigkeit
suspendierten Teilchen und ihrer elektrischen Ladung besteht, lag es
nahe, zu versuchen, ob vielleicht die elektrischen Ladungen der See-
stern- und Seeigelspermatozoen im Kontakt mit Seeigeleiern Unter-
schiede zeigen, welche dem Vermögen dieser Spermatozoen, das See-
igelei in alkalischen, neutralen oder sauren Lösungen zu befruchten,
parallel laufen.“
Ich möchte noch auf einige Einzelheiten hinweisen, welche das
Verhalten der Temporariaspermien gegenüber dem Kohlendioxyd
1) Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 28, 1914.
2) Zeitschr. f. Bakt. 88, 70f., 472f., 561f., 1919.
402 B. E. Kalwaryjeki:
betreffen. Es hat sich im Laufe der Versuche gezeigt, daß Spermatozoen
in alkalisch reagierenden und sonst unschädlichen Medien (z. B.
NaHCO,-Lösungen) unter der CO,-Einwirkung einer Lähmung unter-
liegen, ohne der Agglutination anheimzufallen. Die Agglutination,
welche durch CO,-Einwirkung zustande kommt, ist gewiß von der
H-Ionenkonzentration abhängig. Sodann konnte man die lähmende
Kohlendioxydwirkung als eine Erscheinung der Säurestarre annehmen ;
diese Erscheinung wurde sehr eingehend auf einzelligen Wesen und
bewimperten Zellen durch Th. v. Engelmann!) und K. Kühne?) studiert,
welche Autoren die Säurestarre als eine allgemeine Reaktion der
lebendigen Masse auf entsprechende Reize ansahen.
Wird durch eine 0,3proz. Natrium- bzw. Magnesiumsäurecarbonat-
lösung ein stetiger CO,-Strom durchgeleitet, so kommt es natürlicher-
weise zu keinem bedeutenden Zuwachs der vorhandenen H’-Ionen-
konzentration und die Lösung weist einen pp-Wert auf, welcher zwischen
7,6 bis 7,4 schwankt. Demnach kann unter diesen Bedingungen von
irgend einer Ansäuerung der Lösung nicht die Rede sein. Wird in
einer 0,3proz. NaHCO,-Lösung eine Spermiensuspension angefertigt
und einer stetigen CO,-Einwirkung ausgesetzt, so kommt es zu den
bekannten Lähmungserscheinungen. Da die H-Ionenkonzentration
unter diesen Bedingungen auf der basischen Seite liegt, so ist kein
Grund gegeben, um die Lähmungserscheinungen der Ansäuerung des
Mediums zuzuschreiben. Die durch Versuchsbedingungen geschaffenen
anoxybiotischen Verhältnisse sind als vollständig belanglos anzusehen.
Schon Kühne und Engelmann haben nachgewiesen, daß in reiner Wasser-
stoffatmosphäre die Flimmer- und Samenzellen noch eine längere Zeit
Bewegungen ausführen können.
Auch meinerseits habe ich die Wirkung der anoxybiotischen
Bedingungen auf die Temporariaspermien einer Prüfung unterzogen,
indem ich die Samenfädenaufschwemmungen einer stundenlangen Ein-
wirkung des Kohlenoxyds (CO) (Leuchtgases) ausgesetzt habe und nur
eine leichte Abnahme der Beweglichkeit beobachten konnte.
Die Lähmungserscheinungen der in NaHCO, aufgeschwemmten
Spermien, welche der Kohlendioxydwirkung ausgesetzt wurden, konnten
weder in dieser Weise erklärt als auch nicht mit der alten Auffassung
Kühnes, der CO,-Lähmungen einer Ansäuerung des Mediums zuschreibt,
in Einklang gebracht werden. So wurde ich vor eine offene Frage
gestellt, die einer experimentellen Lösung und einer Bewältigung ge-
1) Physiologie der Protoplasma- und Flimmerbewegung. Handb. d.
Physiol., herausgegeben von L. Hermann, 1, 401, 1879.
2) Arch. f. mikr. Anat. 2, 372£., 377, 1866.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 403
waltiger Literatur bedarf. Sowohl der ersten als auch der zweiten
Aufgabe konnte ich leider keine Zeit mehr opfern.
Was die Literaturangaben über die CO,-Wirkung auf lebende
Substanz anbelangt, so bin ich hauptsächlich den ausführlichen Kapiteln
Loevys!) über die Kohlensäure in dem Heffterschen Handb. d. exper.
Pharm. (1924) gefolgt. Eine interessante und höchst wichtige Darstellung
der schwierigen Frage über den Mechanismus der CO,-Einwirkung
bringt die Abhandlung von M.H.Jacobs?), dem mich ganz an-
zuschließen ich mir erlaube. Jacobs hat gefunden, daß Kohlensäure auf
die Kaulquappen von Kröten giftiger wirkt als andere Säuren unter
gleichen H -Ionenkonzentrationen. Meinerseits kann ich diese Angaben —
obwohl am anderen Objekt — vollständig bestätigen, um so mehr, daß
die Neutralisierung der Lösung durch Bicarbonat keineswegs die
toxischen Wirkungen der CO, aufhebt.
Die Kohlendioxydwirkung auf die lebendige Substanz geht nach
Jacobs Darstellung folgendermaßen vor sich: Die sich bildende Kohlen-
säure erliegt teilweise einer elektrolytischen Dissoziation auf H. und
HCO,-Ionen, und die ansäuernde Wirkung der H'-Ionen läßt sich
sogleich erkennen, teilweise aber kommt die Einwirkung der CO,- und
H,CO,-Molekeln zum Ausdruck. Die Ionen bleiben als eine adsorbierte
Schicht an der Oberfläche der Zelle, in dem die H -Ionen elektrostatische
Veränderungen bewirken. Die Moleküle des Kohlendioxyds dringen
sehr leicht in das Zellinnere hinein, um dort einer sekundären Dissoziation
zu unterliegen. Es ist anzunehmen, daß das Eindringen von CO, in
den Zelleib zur Bildung von Kohlensäure führt, welche wiederum
sogleich einer Dissoziation in H- und HCO’ -Ionen erliegt. In dem
Zelleib abgespaltene Wasserstoffionen müssen also andere Wirkungen
herbeiführen als es bei schwer penetrierenden Säuren der Fall ist. Nach
Jacobs Meinung erinnert die CO,-Wirkung stark an die Wirkungsweise
des Dichloräthylsulfids auf das Zellprotoplasma. Als ein bedeutender
Unterschied in den durch Kohlensäure sowie andere Säuren und saure
Puffergemische bewirkten Ausflockungen soll hervorgehoben werden,
daß nur die unter dem Einfluß des Kohlendioxyds entstandenen Agglu-
tinate fast vollständig reversibel sind, was mit der Lebensfähigkeit
der Samenfäden in keinem engen Zusammenhang steht, obwohl ein
solcher nicht in Abrede gestellt werden kann. Es ist wahrscheinlich,
daß die Desagglutination der durch CO, bewirkten Ausflockung durch
Verminderung der Kohlendioxydspannung im Zellinnern unter ent-
sprechenden Bedingungen zustande kommt. |
1) Kohlensäure. Handb. d. exper. Pharm. Herausgegeben von
‚A. Heffter, 1, 73 bis 121, 1923.
2) Amer. Journ. of Physiol. 51, 321 bis 331, 1920.
404 B. E. Kalwaryjski:
Die hemmende Wirkung der ein- und zweiwertigen Kationen tritt
nicht nur bei der Säureagglutination der Spermien, sondern auch bei
Agglutinationsphänomenen der Bakterien und Erythrocyten auf. Eine
erschöpfende Erklärung dieser Tatsachen liegt zurzeit nicht vor, obwohl
fast unzählige Arbeiten sich mit dieser Frage beschäftigen. W. Pauli
und H. Handowsky!) haben nachgewiesen, daß die Neutralsalze die
Viskosität des amphoteren Eiweißes vermindern. Es ist mit Bestimmt-
heit anzunehmen, daß adsorbierte Ionen nicht nur elektrostatische Ver-
änderungen an der Oberfläche der Samenfäden hervorrufen. Die
Wirkung der Salzionen als physiologische „Schmiermittel“ und als
stark vermindernde Viskosität, kann sich vielleicht auch im Hemmung»-
effekt der Agglutination ausdrücken. Wird diese Erklärung für zu-
treffend angenommen, so bliebe noch übrig, das Wesen der aufgehobenen
Viskosität der Samenfädenoberfläche noch näher zu erklären.
Nach den Untersuchungen J. Loeb und H. Wasteneys?) verhindern
die Salze die Quellung der oberflächlichsten Schicht der Zellen unter
dem Einfluß der Säuren und darin besteht die entgiftende Beschaffen-
heit der Neutralsalze in Säuremischungen. Von diesem Gesichtspunkt
ausgehend, kann die Säureagglutination der Samenfäden als eine
toxische Wirkung betrachtet werden. Die Verhinderung der Säure-
agglutination der Samenfäden durch den Zusatz von Neutralsalzen,
kann also in Loebs Sinne als eine Entgiftung betrachtet werden. Diese
Entgiftung kann man nach J. Loeb einer verminderten Quellbarkeit
der Oberflächenhäutchen der Samenfäden zuschreiben.
Aus dem Gesagten ist zu ersehen, daß eine erschöpfende Erklärung
der Wirkungsweise von Neutralsalzen unter besonders so komplizierten
Verhältnissen, wie sie bei der Säureagglutination der Spermien vor-
liegen, zurzeit noch fehlt. Man muß sich nur mit möglichst exakter
Beschreibung der Tatsachen begnügen. Gegenüber dieser Frage nimmt
auch Th. Eisenberg in seinen eingehenden Studien über Bakterien-
agglutination eine analoge Stellung ein.
Die Ansicht Gellhorns, daß die starke Spermienausflockung, welche
durch Eisenchloridlösung bewirkt ist, als spezifisch typische bzw.
elektive Wirkung dieses Salzes aufzufassen ist, scheint mir nicht un-
anfechtbar zu sein. Es wäre meiner Ansicht nach höchst merkwürdig,
wenn der Zusatz der FeCl,-Lösung zu einer Spermienaufschwemmung
keine Ausflockung hervorrufen würde.
Da die Temporariasamenfäden durch Neutralsalze weder in
neutralem noch in leicht alkalischem noch in saurem Medium aus-
geflockt werden können, dagegen durch bestimmte H’-Ionenkonzen-
1) Hofmeisters Beitr. z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 415 bis 448, 1908.
2) Diese Zeitschr. 89, 167 bis 170, 1912.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. ` 405
tration stark agglutiniert werden, so hat man vollen Grund anzunehmen,
daß die Temporariaspermatozoen in Lösungen sich als anodische hydro-
phobe disperse Phase verhalten. Bei einer solchen Betrachtung der
Tatsachen besitzt die von Gellhorn beschriebene Agglutination gar
nichts Typisches an sich und darf somit als eine morphologische Be-
sonderheit der FeCl,-Wirkung (Salzwirkung) nicht angesehen werden.
Einer speziellen Besprechung bedarf noch die Beobachtung
G. Hertwigs (l.c.) über die Agglutination der Temporariaspermien
unter der Einwirkung der Trypaflavinlösungen. @. Hertwig sah, daß
die unter Einwirkung des Trypaflavins in heftigste Agglutination
geratenen Spermatozoen mit den Köpfen zusammenkleben und die
Schwänze noch lebhafte Bewegungen ausführen. Obwohl ich mehrere
hunderte Male agglutinierte Spermatozoen sah, kann ich mich Hertwige
Beobachtung nicht anschließen und die von mir vorgelegten Mikro-
photographien sprechen nicht zugunsten seiner Beschreibung. Wenn
die Spermien zur Ausflockung kommen, charakterisieren sie sich durch
eine ausgesprochen klebrige Beschaffenheit des ganzen Körpers und
die Schwänze kleben viel schneller an andere Schwänze, Spermien-
köpfe, Zellen und allerlei Detritus als es zu zufälligen Zusammenkleben
der Samenfädenköpfe kommt, was der Länge der Schwänze und ihrer
regen Bewegung zuzuschreiben ist.
Die Wasserstoffionenkonzentration der Trypaflavinlösungen ist
als hoch zu betrachten. Nach flüchtigen, von mir ausgeführten Be-
stimmungen, besitzt eine 0,5proz. Trypaflavinlösung eine H'-Ionen-
konzentration, deren ?a-Wert annähernd 3,0 ist. Da es mir gelungen ist,
die durch Trypaflavin bewirkte Ausflockung durch den Zusatz der ein-
und zweiwertigen Chloridsalze stufenweise zu hemmen, so bin ich zur
Überzeugung gekommen, daß die durch das Trypaflavin bewirkte
Ausflockung als Säureagglutination aufzufassen ist.
Die Agglutinationshemmung, welche durch starke Säurelösungen
entfaltet wird, beruht aller Wahrscheinlichkeit nach auf Erscheinungen,
welche dem Wesen: nach elektrostatischer Natur sind. Es handelt sich
um eine Umladung, die an der Samenfädenoberfläche stattfindet, was
in kataphoretischen Experimenten eine genügende Begründung ge-
funden hat.
Die Spermatozoen verschiedener Arten sind in ihrem Verhalten
gegenüber Neutralsalzen (Gray), Laugen (Loeb) und Säuren (Loeb,
Lilie, Kalwaryjski) nicht einheitlich. Während die einen unter dem Ein-
fluß von Neutralsalzen agglutinieren, flocken andere bei Anwesenheit
von Laugen und noch andere bei Einwirkung von Säuren aus. Die
Spermatozoen verhalten sich in dieser Beziehung analog den ver-
schiedenen Bakterienarten, wie aus den Untersuchungen Th. Eisenbergs
hervorgeht, welcher eine abweichende Agglutinabilität verschiedener
Biochemische Zeitschrift Band 169. 97
406 B. E. Kalwaryjski:
Bakterienarten gegenüber chemischen Reagenzien feststellte. Diesen
Sachverhalt versucht Eisenberg mit der Annahme zu erklären, daB die
nach Stämmen und Arten variierende Flockbarkeit in der komplizierten
Zusammensetzung des flockbaren Substrats — verstanden als Kolloid-
gemisch — seinen Grund hat. Th. Eisenberg spricht sich über den
Mechanismus der erörterten Erscheinung nicht genauer aus. Was
die Samenfädenausflockung anbelangt, so möchte ich die Vermutung
aussprechen, daß die durch Neutralsalze sich ausflockenden Sperma-
tozoen eine aus hydrophilen Kolloiden zusammengesetzte Oberfläche
besitzen, während diejenigen Spermatozoen, welchesich durch H -Ionen
ausflocken lassen, auf eine Beschaffenheit ihrer Oberfläche hinweisen,
die aus hydrophilen Kolloiden besteht. Die durch Säuren bzw. durch
Laugen bedingten Ausflockungen scheinen auf keine tiefgreifenden
Unterschiede der Spermatozoenarten hinzuweisen. Dafür spricht der
Umstand, daß es mir z. B. gelungen ist, die Temporariaspermatozoen
zur Ausflockung zu bringen, sowohl mit Säuren als auch mit Laugen.
Ich wäre geneigt, anzunehmen, daß das in dieser Beziehung verschiedene
Verhalten der Spermatozoenarten nur auf quantitativen Unterschieden
beruht, die sich durch die Veränderungen der elektrischen Ladungen der
Samenfäden im Verhältnis zum dispergierenden Medium bestimmen
lassen. |
Zusammenfassung.
l. Langdauernde Asphyxie der männlichen Temporartaexemplare
in Kohlendioxydatmosphäre übt keine schädigende Wirkung auf die
Beweglichkeit der Samenfäden aus.
2. Die Samenfäden aus dem auspräparierten Hoden, welche eine
Zeitlang in CO,-Atmosphäre verweilten, sind in ihrer Beweglichkeit
für kurze Zeit beeinträchtigt; die Beweglichkeit nimmt jedoch schnell
zu, aber die gewöhnliche Lebhaftigkeit wird nie erreicht.
3. Die Temporariasamenfäden, welche in destilliertem bzw.
Leitungswasser oder 0,3proz. MgCl,-Lösung aufgeschwemmt sind,
unterliegen unter der Einwirkung einer Kohlendioxydatmosphäre der
Agglutination.
4. Da in destilliertem Wasser und in 0,3proz. MgCl,-Lösung eine
Agglutination bei der Einwirkung eines CO,-Luftgemisches schon
zustande kommt, in welchem Gemisch die CO,-Tension 2 Proz. des
atmosphärischen Druckes beträgt, in Leitungswasser eine Agglutination
erst durch 30mal höhere Tension bewirkt wird, und in NaHCO,-
Lösungen sogar eine reine CO,-Atmosphäre wirkungslos ist, so geht
aus diesen Tatsachen hervor, daß die durch CO, bewirkte Ausflockung
der Temporariasamenfäden von der absoluten Höhe der CO,-Tension un-
abhängig ist.
Samenfädenagglutination unter Einwirkung chemischer Agenzien. 407
5. Das Konfigurationsbild der Agglutinate ist abhängig 1. von
der Beschaffenheit des agglutinierenden Mediums und 2. von den
Veränderungen der äußeren Form der Spermatozoen. Die nicht-
deformierten Samenfäden liefern Agglutinate, die durch zerfranzte, un-
regelmäßige Umrißlinien charakterisiert sind. Die stark deformierten
Spermatozoen agglutinieren in klumpenähnlichen Brocken mit scharfer
und runder Umrandung. In gewissen, oben auseinandergesetzten Be-
dingungen kann die erste Form in die zweite übergehen, niemals um-
gekehrt.
6. Die durch CO,-Einwirkung hervorgerufene Agglutination der
Temporariasamenfäden erwies sich von der Wasserstoffionenkonzen-
tration als direkt abhängig, und ist als eine Säureagglutination auf-
zufassen. Die untere Grenze der wirksamen H -Ionenkonzentration
liegt bei pe = 5,5.
7. Sowohl lebendige als auch abgetötete T’emporariasamenfäden
unterliegen der Säureagglutination, was darauf hinweist, daß diese
Erscheinung mit Lebensäußerungen der Spermien in keinem ursäch-
lichen Zusammenhang steht.
8. Die Anwesenheit von ein- und zweiwertigen Kationen neutraler
Salze im agglutinierenden Medium wirkt hemmend auf den Verlauf
der Agglutination. Die niederen Grenzwerte der wirksamen Konzen-
tration sind für verschiedene Kationen verschieden. Die Hemmungs-
erscheinungen lassen sich mit größter Feinheit durch die Anwendung
verschieden starker Salzlösungen abstufen.
Nach der Intensität der Hemmungswirkung läßt sich folgende
Kationenreihe aufstellen
Li >Ca Me >Na >K>NH.
9. Keinen Einfluß auf den Agglutinationsvorgang der Temporaria-
spermienaufschwemmungen üben folgende Anionen aus: Br’, Cl’, J’,
SO, CNS’, insofern der Säuregrad des agglutinierenden Mediums
De = 2,5 nicht überschreitet.
10. In entsprechenden Konzentrationen rufen freie Säuren (und
entsprechend saure Pufferlösungen) eine ausgeprägte Agglutinations-
hemmung hervor. Diese scheint auf der Umladung der Oberflächen
der Spermien zu beruhen, was sich in einer Änderung der Wanderungs-
richtung von (abgetöteten) Samenfäden im elektrischen Felde kundgibt.
JL Außer den T’emporariaspermien unterliegen der Säureaggluti-
nation auch Spermien anderer Spezies, wie Rana esculenta, Bufo
vulgaris, Esox lucius und andere. Säureaglutination der Spermien
scheint ein weitverbreitetes Phänomen zu sein.
27*
408 B. E. Kalwaryjski: Samenfädenagglutination usw.
12. Da verschiedene Spermienarten entweder in Neutralsalz-
lösungen oder in Säurelösungen einer Agglutination unterliegen, so
ist anzunehmen, daß dieses verschiedene Verhalten der Samenfäden
gegenüber den chemischen Agenzien von der Beschaffenheit der Samen-
fädenoberfläche abhängig ist. Im ersten Falle kann man der Ober-
flächenschicht der Spermien eine Beschaffenheit, welche den hydro-
philen Kolloiden, im zweiten Falle den Suspensionskolloiden eigen ist,
zuschreiben.
13. Wird eine und dieselbe Spermienart sowohl durch starke
Säuren als auch durch starke Laugelösungen zur Agglutination ge-
bracht, so ist anzunehmen, daß es sich hier nur um Veränderungen in
der elektrischen Ladung der Spermienoberfläche handelt, wobei im
ersten Falle die Wasserstoff-, im zweiten die Hydroxylionenkon-
zentration eine entscheidende Wirkung ausübt.
Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. J.K.
Parnas meinen besonderen Dank für die Leitung der hier nieder-
gelegten Arbeit auszusprechen, wie auch meinem hochverehrten Chef
Herrn Prof. Dr. W. Szymonowicz für deren wohlwollende Förderung.
Über den Fermentgehalt
des Blutes bei experimenteller Sympathicotonie.
Von
S. Sorochowitsch (Charkow).
(Aus der chemischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses zu Berlin.)
(Eingegangen am 7. Januar 1926.)
Wohlgemuth hat im Verein mit Mochizuki!) und Seo?) gezeigt, daß
es beim Kaninchen gelingt, durch Unterbindung und Durchschneidung
des Pankreasganges einen Zustand hervorzurufen, den man berechtigt
ist, als chronische Sympathicotonie aufzufassen. Denn man beobachtet
bei dieseri Tieren, wenn der Ausfall der äußeren Sekretion des Pankreas
lange genug bestanden hat, sowohl Erscheinungen erhöhter Reizbarkeit
wie solche erhöhter Erregung des Sympathicus. So konnte bei ihnen
festgestellt werden ein erhöhter Blutzucker, herabgesetzte Zucker-
toleranz, erheblich verstärkte Reaktion auf Adrenalin, Verschiebung
des Elektrolytgehalts des Blutes zugunsten des Kaliums und oft auch
erhöhter Gehalt des Blutes an Adrenalin. Ferner wurde beobachtet,
daß alle parasympathischen Gifte, wie Cholin, Acetylcholin, Pilocarpin
und Physostigmin, die sonst beim normalen Tiere stets Blutzucker-
steigerung bewirken, bei denselben Tieren im sympathicotonischen
Stadium völlig wirkungslos bleiben.
Wir hatten uns nun die Aufgabe gestellt, zu untersuchen, ob
unter dem Einfluß des Sympathicus auch der Fermentgehalt des Blutes
eine Änderung erfährt. Da die Voraussetzung für den Eintritt des
sympathicotonischen Zustandes ein gänzliches Sistieren der äußeren
Sekretion des Pankreas Vorbedingung ist, so war immerhin die Möglich-
keit einer Änderung des Fermentgehalts des Blutes gegeben.
Aus früheren Untersuchungen von Wohlgemuth?) wissen wir, daß
Unterbindung und Durchschneidung des Pankreasganges zunächst zu
einer enormen Vermehrung der Diastase im Blute führt, die aber nach
1) Wohlgemuth und Mochizuki, Klin. Wochenschr. 1924, Nr. 29, S. 1320;
diese Zeitschr. 150, 123, 1924.
2) Wohlgemuth und Seo, Klin. Wochenschr. 1925, Nr. 30; diese Zeitschr.
168, 271, 1925.
3) Wohlgemuth, diese Zeitschr. 21, 381, 1909.
410 S. Sorochowitsch:
spätestens 8 Tagen wieder vollkommen ausgeglichen ist. Ebenso ist
auch zunächst die Lipase des Blutes vermehrt und der Gehalt an
Fibrinogen, aber auch sie nur für die Dauer von höchstens 8 Tagen;
dann zeigt das Blut wieder normale Verhältnisse. Ob nach einem
längeren Zeitintervall von mehreren Wochen oder gar Monaten nicht
doch wieder eine Vermehrung eintritt, war bisher noch nicht geprüft
worden. Wir untersuchten nun das Blut auf Diastase, Lipase, Phenolase,
Fibrinferment und Fibrinogen, Antitrypsin. Die Methodik war für
Diastase, Lipase, Fibrinferment und Fibrinogen die bekannte. Zur
Bestimmung der Phenolasen bediente ich mich der im hiesigen Labo
ratorium ausgearbeiteten Methode von Zizume!), und zur Ermittlung
des Antitrypsins wurde das Einreihenverfahren angewandt. (Siehe
Wohlgemuth, Fermentmethoden, 1913, S. 198.)
Auf diese Weise untersuchte ich im ganzen drei Tiere. Erst wurden
im normalen Blute die Werte ermittelt, dann 3 bzw. 4 Tage nach Unter,
bindung und Durchschneidung des Pankreasganges und schließlich
4 bis 6 Wochen später. Als Kriterium für den Eintritt der Sympathi-
cotonie diente die Höhe des Blutzuckers in nüchternem Zustande.
Ich lasse nunmehr die Protokolle folgen.
Versuch 1.
Kaninchen, männlich, 2430 g, Blutzucker nüchtern 0,0784 Proz.
| Lipase
| | sofort | % Min. 60 Min. open
|
Diastase 3%, = 16 | WM |
Phenolase 3% = 8.. | 126 92 a | 40
Fibrinferment = 125 JI + Chinin | 116 103 %4 o 22
Fibrinogen = 125 . . | + Atoxyl 112 110 86 | 26
Antitrypsin = 333 | | |
3 ec nach der nenn Blutzucker nüchtern 0,110 Proz.
Lipase
| sofort 30 Min. SH opa
Diastase a = 512 |
Phenolase ? Seng = 16 . 134 96 85 | 49
Fibrinferment = 125 + Chinin 114 93 87 27
Fibrinogen = 500 . . || + Atoxyl | 119 114 104 | 15
Antitrypsin = 250
1) Hizume, diese Zeitschr. 147, 216, 1924.
Fermentgehalt des Blutes usw. | COON
32 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern 0,131 Proz.
Tropfen»
` ı differenz
Diastase 35 3) — 16
Phenolase 2 2 = 16 4]
Fibrinferment = 125 27
Fibrinogen = 125. . 9
Antitrypsin = 333
Hiernach sehen wir 32 Tage nach der Unterbindung des Pankreas-
ganges keine wesentlichen Veränderungen im Fermentgehalt des Blutes
gegenüber der Norm, kurz nach der Unterbindung dagegen, wie zu
erwarten war, eine deutliche Zunahme der Diastase, der Lipase und
des Fibrinogens. Was speziell die Lipase des Kaninchenserums an-
betrifft, so unterscheidet sie sich von der des Menschenserums durch
ihre ausgesprochene Chinin- und Atoxylresistenz. Es scheint aber, als
wenn die Atoxylresistenz nach Ausschaltung der äußeren Sekretion
allmählich schwächer geworden ist.
Versuch 2.
Kaninchen, weiblich, 2290 g, Blutzucker nüchtern 0,081 Proz.
| | Lipase
| 30 Min.
|
|! Tropfen.
sofort differenz
Diastase Si = 32
Phenolase 38 = 16 133 113 104 > 29
Fibrinferment = 62,5 | + Chinin | 121 116 108 13
Fibrinogen = 125 . . | + Atoxyl | 118 112 108 10
Ä
lL
3 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern 0,109 Proz.
Lipase
|| sofort | 30 Min. | 60 Min. | Mëtten:
Diastase 38, = 512
Phenolase 3}, = 16 132
Tee = = 125 + Chinin | 122
Fibrinogen = 250 . . | + Atoxyl 110
412 S. Sorochowitsch:
35 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern 0,124 Proz.
Lipase
sofort 30 Min. 6 Min. | Ech
Diastase 3, = 32
Phenolase 3 Sc = 16 .
Fibrinferment = 125
Fibrinogen = 125 .
Antitrypsin = 250
Auch bei diesem Tiere ist 5 Wochen nach Unterbindung des
Pankreasganges keine Änderung in dem Fermentgehalt des Blutes
gegenüber der Norm zu .konstatieren. Auffallend ist, daß hier die
Atoxylresistenz, die bei dem normalen Tiere allerdings nicht sonderlich
groß war, vollkommen verschwunden ist.
Versuch 3.
Kaninchen, männlich, 2150 EE Blutzucker nüchtern 0,074 Proz.
u o TE SE
sofort 60 Min. Lage
Diastase 3 w =16 OR
Phenolase 2 Sc = 16 . 135 Se
Fibrinferment = 625 | + Chinin 112
Fibrinogen = 125 . . || + Atoxyl 116 e Ze e
Antitrypsin = 500
4 Tage nach der Unterbindung Blutzucker nüchtern u Proz.
Lipase
, Tropfen.
Diastase 3y = |
Phenolase 38 Sei =16 .| 135
Fibrinferment = 62 5 + Chinin 117
Fibrinogen = 250 . . | + Atoxyl 112
Antitrypsin = 500
y
| Lipase
Diastase ge Di — 8 "ke
Phenolase 3}, = 16 . 133 95 91 42
Fibrinferment = 125 + Chinin 109 97 95 14
Fibrinogen = 125 . . || + Atoxyl 115 114 112 3
Antitrypsin = 333
Fermentgehalt des Blutes usw. 413
Wie in den beiden anderen Versuchen, sehen wir auch hier keine
Änderung des Fermentbestandes gegenüber dem normalen Tiere, doch
ist auch bei diesem Tiere die Atoxylresistenz der Serumlipase gänzlich
verschwunden. Wie dieser in allen drei Versuchen wiederkehrende
Befund zu deuten ist, läßt sich schwer sagen. Ob er auf dem Auftreten
von irgendwelchen Begleitstoffen beruht, die in dem normalen Serum
des Kaninchens nicht angetroffen werden, entzieht sich unserer Be-
urteilung. Wir möchten diesem Befund keine besondere Bedeutung
beimessen, zumal bei der Untersuchung zweier anderer Tiere, bei denen
die Pankreasgangunterbindung bereits 6 Monate zurücklag, eine atoxyl-
resistente Lipase im Serum sich hat nicht feststellen lassen. Wir ver-
zichten auf die Wiedergabe der betreffenden Protokolle, da sie auch
sonst keine Abweichungen von den Normalwerten zeigten.
Von der Überlegung ausgehend, daß man eine besonders hoch-
gradige Sympathicotonie erzeugen kann, wenn man Tieren das Pankreas
exstirpiert, haben wir unsere Untersuchungen noch auf pankreaslose
Hunde ausgedehnt. Im ganzen kamen vier Tiere zur Untersuchung,
doch will ich nur die Resultate von zwei Versuchen mitteilen, da in
den beiden anderen Versuchen die Tiere die Exstirpation nur kurze
Zeit überlebten.
Versuch 4.
Dogge, männlich, Operation verläuft glatt, Hund lebt 14 Tage, wird am
15. durch Entbluten getötet. Vor der Operation:
Eu Lipase
nn sofort | 9Min, aopen:
Diastase Sch = 256
Phenolase 3% = 32 . 131 118 102 29
Fibrinferment = 62,5 || + Chinin 125 123 121 | 4
Fibrinogen = 125 . . || + Atoxyl | 117 116 114 | 3
Antitrypsin = 333 | | |
Entblutung am 15. Tage.
a: E Lipase
; Tropfen»
EE solom k wi onn | am 60 Min. sul differenz `
2 380 |
|
Phenolase 34, = 32 | 132 125 123 | 9
Fibrinferment = 125 | + Chinin 124 122 120 4
Fibrinogen = 125 . í ' 116 115 | 113 3
| |
+ Atoxyl
Antitrypsin = 250
414 S. Sorochowitsch:
Abgesehen von der Lipase, sehen wir keine wesentlichen Änderungen
im Fermentgehalt des Blutes nach der Pankreasexstirpation. Der
Diastasegehalt und die Phenolase und ebenso Fibrinferment sind
unverändert geblieben, das Antitrypsin scheint eine kleine Abnahme
aufzuweisen ; sie ist aber so minimal, daß ihr wohl kaum eine besondere
Bedeutung beigelegt zu werden braucht. Eine wesentliche Änderung
zeigt sich nur im Lipasegehalt des Blutes, und zwar eine beträchtliche
Abnahme.
Versuch 5.
Schäferhund, männlich. Operation verläuft glatt; das Tier frißt gut und
ist sehr munter. Blutzucker nach 4 Tagen 0,377 Proz. Nach 4 Wochen
Blutzucker 0,201 Proz. Tier ist weiter munter. Nach weiteren 4 Wochen
ist das Tier so schwach, daß es kaum auf den Füßen stehen kann, es wird
nunmehr durch Entbluten getötet. Blutzucker 0,227 Proz. Vor der Operation:
ee Lipase
| sofort d 30 Min. | 60 Min. | 0 Min. | AL
| ! | TI"
Diastase 2, = BI |
Phenolase Di =32. | 138 121 | = | 25
Fibrinferment = 625 | + Chinin į 127 125 , 4
| 117 115 ; Sp 3
Fibrinogen = 125... | + Atoxyl
Antitrypsin = 500 |
Lipase
sofort | 30 Min. | 60 Min. E
Diastase 38, = 256 | '
Phenolase 3% = 32 .| | 139 130 125 |! M
Fibrinferment = 62,5 | + Chinin 127 126 124 | 3
Fibrinogen = 125. . + Atoxyl 117 116 115 2
Antitrypsin = 333 Ä
8 Wochen nach der Operation,
a Lipmse
| sofort 3% Min. | 60 Min. | umpien:
= - me ee nn E , SE SE
Diastase w — 256 |
Phenolase 33 SN = 32 . 142 137 134 | 8
Fibrinferment = 62,5 | + Chinin 126 124 123 3
116 |; 115 3
Fibrinogen = 125 . . | + Atoxyl 113
Antitrypsin = 333 |
Fermentgehalt des Blutes usw. 415
Auch hier ist die Verschiebung im Fermentgehalt des Blutes trotz
des langen Bestehens des Pankreasdiabetes und der enormen Ab-
magerung des Tieres keine auffällige, abgesehen von der Lipase, die
auch hier ganz beträchtlich reduziert ist.
Dieser Befund steht in guter Übereinstimmung mit den Unter-
suchungen von Hiruma!) über die Verteilung der Lipase in den einzelnen
Körperregionen. Hiruma hat auf Veranlassung von Wohlgemuth das
Blut aus verschiedenen Gefäßen auf seinen Lipasegehalt geprüft und
festgestellt, daß von allen Portionen das Blut der Vena pankreatico-
duodenalis am meisten Lipase enthält. Er schloß daraus, daß von
dem Pankreas ständig Lipase an das Blut abgegeben wird, und daß
das Pankreas vielleicht als Quelle der Blutlipase zu gelten habe. Wenn
das der Fall war, mußte die Entfernung des Pankreas schließlich zu
einer Verarmung des Blutes an Lipase führen. Und in der Tat hat sich
dies in unseren Versuchen feststellen lassen.
Auffallend ist ferner, daß trotz Entfernung des Pankreas der
Gehalt des Blutes an Diastase sich nicht ändert, sondern daß selbst
bei wochenlangem Bestehen des pankreaslosen Zustandes Diastase in
normaler Menge im Blute angetroffen wird. Es stimmen damit meine
Resultate überein mit den Beobachtungen von Wohlgemuth, wonach
Fehlen des Pankreas keinesfalls ein Verschwinden der Diastase im
Blute, wie man vordem vielfach glaubte, zur Folge zu haben braucht.
Der Diastasegehalt des Blutes ist somit ganz unabhängig von der
Funktionstüchtigkeit des Pankreas, und die Quelle für die Diastase
im Blute ist nicht oder nicht allein im Pankreas zu suchen, sondern in
allen Organen, in denen Diastase angetroffen wird.
Was endlich das Antitrypsin anbetrifft, so hat sich kaum ein
Unterschied beim Fehlen des Pankreas gegenüber dem Gehalt des
normalen Blutes ergeben. Dieser Befund steht im Widerspruch mit
der Beobachtung von Cobliner?) und Stawraky?), die gleichfalls an
Hunden den Antitrypsingehalt des Blutes untersuchten. Cobliner hat
jedoch mit einem Hunde gearbeitet, dem das Pankreas nur partiell
entfernt war; er stellte fest, daß 14 Tage nach der Operation der Anti-
trypsingehalt vermindert und kurz vor dem Tode fast vollständig ver-
schwunden war. Stawraky, der an fünf pankreaslosen Hunden diese
Frage studierte, kam zu dem Schluß, daß der Hauptreiz für die Anti-
trypsinbildung im Blute vom Pankreas ausgeht, daß aber noch daneben
das Leucocytenferment und die Gewebsproteasen eine Rolle spielen.
Nach meinen Untersuchungen besteht diese dominierende Stellung des
1) K. Hiruma, diese Zeitschr. 189, 336, 1923.
2) Cobliner, diese Zeitschr. 25, 494, 1910.
3) Stawraky, Zeitschr. f. physiol. Chem. 89, 381, 1914.
416 S. Sorochowitsch: Fermentgehalt des Blutes usw.
Pankreas nicht, denn sonst hätten wir so lange nach der Entfernung
des Pankreas nicht noch fast normale Antitrypsinwerte im Blute ge-
funden. Wir wollen durchaus nicht die Abhängigkeit der Antitrypsin-
bildung vom Pankreas gänzlich negieren, glauben aber, daß seine Gegen-
wart keinesfalls ausschlaggebend für den Gehalt des Blutes an Anti-
trypsin ist, ein Standpunkt, den vor längerer Zeit bereits Kurt Meyer!),
dem wir in dieser Frage so eingehende Untersuchungen verdanken,
vertreten hat.
Zusammenfassung.
L Im Zustande chronischer Sympathicotonie beim Kaninchen
ändert sich der Fermentgehalt des Blutes nicht wesentlich.
2. Bei pankreaslosen Hunden bleibt der Diastase-, Phenolase- und
Fibrinfermentgehalt des Blutes ebenfalls fast unverändert, desgleichen
die Menge des Antitrypsins. Dagegen nimmt die Lipase ganz beträchtlich
ab. Das weist darauf hin, daß zum mindesten ein großer Teil der Blut-
lipase aus dem Pankreas stammt.
1) K. Meyer, Fol. Serolog. 7, 471, 1911.
Zur Frage des Eisenstoffwechsels im tierischen Organismus
nach der Milzexstirpation.
Von
Jacques Irger.
(Aus dem Laboratorium der II. medizinischen Klinik der Charité, Berlin.)
(Eingegangen am 9. Januar 1926.)
Einleitung.
1. Die Physiologie des Eisenstoffwechsels im tierischen bzw. mensch-
lichen Organismus ist bis auf den heutigen Tag ungeklärt. Die älteren
Arbeiten der Kobertschen!) Schule, die sich eingehend mit der Frage des
Eisentransports beschäftigte, bringen uns nichts Positives. Der Grund
ist klar: Die Methode war nicht genügend ausgearbeitet, so daß viele
Tatsachen, die vor 20 Jahren aufgestellt wurden, heute für uns ihren
Wert verlieren. Auch die jüngeren Arbeiten der letzteren Jahre treffen
nicht das Ziel. Die Bestrebung, den Eisenstoffwechsel bzw. den Eisen-
transport im Organismus dem Einfluß bestimmter Organe zuzuschreiben,
stößt auf viele Widersprüche, die die Lösung des Problems hindern.
2. Die Milz spielt eine sehr große Rolle im tierischen bzw. mensch-
lichen Organismus. Sie nimmt an vielen komplizierten Prozessen,
besonders an blutbildenden und verschiedenen Formen von Anämie
und Hämatolyse teil. Es besteht in dieser Hinsicht keine große Differenz
in der Auffassung verschiedener Autoren. Wegen der großen Rolle, die
man seit vielen Jahren der Milz zugeschrieben hat, führte man ver-
schiedene physiologische sowie pathologische Erscheinungen im
Organismus, deren Erklärungen uns fern blieben, auf den Einfluß der
Milz zurück. Die Tätigkeit der Milz bei blutbildenden und hämato-
lytischen Prozessen wollte man, da die Eigenschaften des Blutes und die
Änderungen, die es erfährt, eng mit dem dabei abspaltenden Eisen ver-
bunden sind, in einen Zusammenhang mit dem Eisenstoffwechsel
bringen. So erklärt sich die Bestrebung, den Eisenstoffwechsel
quantitativ in Beziehung zu der Milz zu bringen.
1) Kobert und Mitarbeiter, Arbeiten d. pharm. Inst. zu Dorpat 7, 1891.
418 J. Irger:
3. Die Arbeiten von L. Asher!) und seinen Schülern (Grossenbach,
Zimmermann, Vogel, Nakayama u. a.) über die Beziehungen der Milz
zum Eisenstoffwechsel, haben zur Aufstellung der Lehre geführt, daß
der Milz eine dominierende Rolle im Eisenstoffwechsel zukomme,
indem sie dem Körper im Stoffwechsel frei werdendes Eisen zur weiteren
Verarbeitung aufbewahre. Diese Lehre stellte Asher hauptsächlich
auf Grund der Eisenanalysen im Kote bei normalen und milzlosen
Hunden auf. So schreibt z.B. Grossenbacher (unter Asher) in einer
Arbeit: ‚Dem täglichen Mittel von 9,32 mg Fe beim normalen Tiere
stehen die täglichen Mittel 24,58 und 20,93 mg Fe beim entmilzten
Tiere gegenüber; es bestand demnach bei dem milzlosen Hunde eine
mehr als doppelt so hohe Eisenausscheidung wie beim Normaltiere.“
Auf der anderen Seite haben aber Pearce, Krumbhaar und Frazier?)
in umfassenden Studien über die Milz die Angabe gemacht, daß in
dem Falle, wo eine vermehrte Eisenausscheidung stattfindet, diese
nicht von dem Fehlen der Milz abhängt, sondern nur von einer ver-
mehrten Blutkörperchenzerstörung, die im Zusammenhang mit einer
sekundären Anämie steht. -
Es lag mir deshalb der Gedanke nahe, die Angaben von L. Asher
nachzuprüfen um zu sehen, ob überhaupt ein Anhaltspunkt besteht,
die Milz als ein Organ, dem eine dominierende Rolle im Eisenstoff-
wechsel zukommt, zu bezeichnen.
Methode.
Die Methode der Eisenbestimmung zerfällt in zwei Teile. 1. In die
Veraschung nach Neumann?) und 2. in die Eisenbestimmung nach
Butterfield‘).
1. Die Veraschung.
Die zur Analyse gelangte Substanz wird zuerst nach Neumann verascht.
Die Veraschung wird in einem mittelgroßen Rundkolben aus Jenaer Glas
vorgenommen. Über dem Kolben befindet sich ein kleiner Tropftrichter,
der die Tropfenzahl des Säuregemischs, die zu der zu untersuchenden
Flüssigkeit bzw. Substanz im Kolben hinzutropft, reguliert. Bei guter
Übung dauert die Veraschung nicht länger als 25 bis 30 Minuten. Es ist
hier die Art der Substanz in Betracht zu ziehen. Bei Blut und Galle gebt die
Veraschung ziemlich schnell vor sich, während sie bei Kot und Urin länger
dauert. Nach der Veraschung wird der Kolben ungefähr eine halbe Stunde
lang erwärmt. Nach Abkühlung der veraschten Substanz wird dreimal
soviel Wasser, als von dem Säuregemisch verbraucht wurde, zur Verdünnung
der Lösung hinzugefügt, (5 bis 10 Minuten) gekocht und weiter verarbeitet.
1) L. Asher (und Schüler), diese Zeitschr. 17, 78 und 297, 1909; 48,
386, 1912; 151, 119, 1924.
2) Pearce, Krumbhaar und Frazier, „The spleen and Anaemia“.
Philadelphia und London 1917.
3) A. Neumann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 87, 1902.
4) E. E. Butterfield, ebendaselbst 62, 173, 1909.
Eisenstoffwechsel. 419
2. Die Eisenbestimmung nach Butterfield.
Die nach Neumann vereschte Substanz wird der nach Butterfield
eingeführten Modifikation der ursprünglichen Neumannschen Eisen-
bestimmung unterworfen. Die mit Wasser verdünnte und etwa 10 Minuten
lang gekochte Lösung wird nach dem Abkühlen mit 20 ccm Zinkreagenz
versetzt und so lange unter Abkühlung Ammoniak hinzugefügt, bis der
entstandene weiße Zinkniederschlag bestehen bleibt. Nun gibt man ein
wenig Überschuß an Ammoniak hinzu, bis sich der Niederschlag gerade
gelöst hat. Die Lösung wird dann auf einem Baboblech bis zum Sieden
erhitzt und eine halbe Stunde eventuell länger im flotten Sieden gehalten.
Man muß sehr vorsichtig erhitzen, um das Schleudern der Flüssigkeit zu
verhüten. Nachdem sich der kristallinische Niederschlag von Zink-
ammoniumphosphat abgeschieden hat, erhitzt man die Flüssigkeit noch
etwa 5 bis 10 Minuten. Die überstehende Flüssigkeit wird, während sie noch
heiß ist, durch ein aschefreies Filter von dem Niederschlag abfiltriert,
der Niederschlag dreimal mit heißem Wasser gewaschen. Das Filtrat darf
nach dem Ansäuern mit HC] keine Rhodanreaktion geben. Der Niederschlag
wird dann in verdünnter Schwefelsäure gelöst und mit Zink reduziert, die
reduzierte Lösung durch Glaswolle, die mit Schwefelsäure gewaschen ist,
in ein Becherglas filtriert und mit einer n/100 Permanganatlösung titriert.
Das Permanganat wird gegen Thiosulfat von bekanntem Titer eingestellt,
der Titer von Thiosulfat mit n/100 Kaliumbichromat kontrolliert.
Anordnung der Versuche.
Die Versuche wurden an zwei Hündinnen angestellt. Das Versuchstier
wurde in einem Stoffwechselkäfig, der genug geräumig war, in einem be-
sonderen Raume untergebracht. Die Wände des Käfigs bestanden aus
Glasplatten. Auf die Sauberkeit dieses Käfigs wurde die größte Aufmerksam-
keit verwendet, so daß der Urin, der in einem Glasgefäß gesammelt wurde,
ohne irgendwelche Verunreinigung in das Harngefäß herunterfloß. Das
Auffangen des Kotes bereitete keine Schwierigkeit. Das Futter wurde
konstant gehalten und bestand beim ersten Tier aus 200g gekochtem Fleisch
und 150g gekochtem Reis, beim zweiten aus 300 g rohem Fleisch, 100 g
Brot und 20 g Fett. Der erste Hund hatte ein Körpergewicht von 14,5 kg,
der zweite von 12,4kg. Die Hunde fraßen während der ganzen Zeit des
Versuchs sehr gut. Der Versuch dauerte 2 bzw. 6 Monate, so daß man den
Einfluß der Nahrung auf den Eisenstoffwechsel während dieser Zeit als
einen nicht geänderten beobachten konnte.
Verarbeitung des Materials.
Der von einigen Tagen gesammelte Kot wird zusammengetan und auf
dem Wasserbad eingetrocknet, der trockene Kot fein pulverisiert und dann
im Trockenschrank bis zum konstanten Gewicht weiter getrocknet. Zur
Analyse gelangten stets aliquote Teile des pulverisierten Kotes (2 g).
Der Urin wurde vorher eingedampft und verascht. Da der Urin sehr kleine
Mengen an Eisen enthält, wurden immer möglichst große Mengen von
Urin analysiert. Von der Galle sowie vom Blute verarbeitete ich meistens
10 ccm. Wenn die Menge der zu untersuchenden Flüssigkeit zu klein war,
z. B. beim Blute, so begnügte ich mich mit kleineren Mengen, 5cem. Bei
jeder Analyse wurden Doppelbestimmungen angestellt, die sich sehr bewährt
420 J. Irger:
hatten und die nicht zu umgehen sind, wenn man in der Richtigkeit der
Methode sicher sein will. Die Galle wurde im Laufe von 6 bis 10 Stunden
täglich gesammelt und die Menge auf 24 Stunden berechnet. An anderen
Tagen wurde das Tier für 24 Stunden in das Gestell eingestellt. Bei der
von 24 Stunden gesammelten Gallenmenge war kein quantitativer Unter-
schied von der in 6- bis 10stündigen (berechnet auf 24 Stunden) zu ver-
zeichnen.
Das Blut wurde mit der Spritze durch Hinzufügung von einem Körnchen
Natriumoxalat ungeronnen aufgefangen. Es wurden Erythrocyten und
Leucocyten ausgezählt, das Hämoglobin nach Sahli, das Blutkörperchen-
volumen, das aus einigen Gründen nur beim zweiten Hunde vorgenommen
werden konnte, nach Bönniger, bestimmt.
Versuche. Experimenteller Teil.
Ich habe, wie schon erwähnt wurde, Versuche an zwei Hündinnen
angestellt. Zuerst wurde in einer Vorperiode die Eisenausscheidung durch
Analysen des Eisens im Urin, Kote, Blute und Galle studiert und mit denen,
die nach der Exstirpation der Milz festgestellt worden sind, verglichen.
Zur Gewinnung der Galle wurde eine Gallenfistel dem Hunde nach Pawlow
angelegt. Die Bestimmung des Blutkörperchenvolumens, der Hämoglobin-
gehalt im Blute, die Zahl der Erythrocyten und Leucocyten ergänzten die
Eisenanalysen. Tch führe die verschiedenen Analysen hier der Reihe nach an.
1. Urin.
Obwohl Urin nur kleine Mengen von Eisen enthält, können wir dieselben
leicht messen. Durch die Funktion der Niere werden verschiedene Schlacken
aus dem Körper ausgeschieden, die wir fast immer im Urin nachweisen
können. So muß eine vermehrte Eisenausscheidung, wenn sie nach Ex-
stirpation der Milz eintritt, im Urin zum Vorschein kommen. Wie aber
die Tabellen I und II zeigen, ist keine Vermehrung der Eisenausscheidung
im Urin nach der Milzexstirpation zu verzeichnen. Es ist eher eine kleine
Verminderung des Eisengehalts im Urin beim zweiten Hunde zu kon-
statieren. Der Durchschnittsgehalt des Eisens im Urin in 24 Stunden
betrug vor der Milzexstirpation beim ersten Hunde 1,091 mg, beim zweiten
0,536 mg. Nach der Milzexstirpation beim ersten 1,282, beim zweiten
0,471 mg.
2. Kot.
Eine große Aufmerksamkeit wurde dem Eisen im Kote gewidmet, da
Asher hauptsächlich auf Grund der Eisenanalysen des Kotes seine Lehre
über die dominierende Rolle der Milz im Eisenstoffwechsel aufgestellt hat.
Wie aus den Tabellen III und IV ersichtlich ist, besteht nach der Milz-
exstirpation eine Verminderung des Eisens im Kote. Ich möchte vorläufig
keinen besonderen Schluß daraus ziehen, jedoch nachdrücklich betonen,
daß die von Asher nach der Milzexstirpation festgestellte Eisenvermehrung
im Kote nicht gefunden worden ist. Dies ist eine der wichtigsten Fest-
stellungen, zu der die vorliegende Untersuchung geführt hat. Der Durch-
schnittegehalt an Eisen im Kote beim ersten Hunde vor der Milzexstirpation
betrug 23,653, beim zweiten 31,054 mg, nach der Milzexstirpation beim
ersten 17,951 mg, beim zweiten 18,401 mg.
Eisenstoffwechsel. 431
Tabelle I (Hündin ]). .
EE
Fe in unters Durchschnitis:
Datum | Gesammelte: | Untersuchte Fe im Urin
Urinmenge Urinmenge war an in 24 Std. an risen
1925 ccm ccm | mg mg mg
25., 26. III. 728 364 0,725 N,725
27., 28. III. 1440: 720 1,367 1367 |
29., 30. III. 1830 | 800 0,948 1.084 |
31. IN. 900 ' 900 1,283 1,224*) 1,091
l. IV. >. 800 | 820 | 1227 | 1365 |
2, IV. 860 860 1116 . 1,116 |
3., 4. IV. | 1380 690 om . 0781
Milzexstirpation am 8. IV. 1925 vorgenommen.
19., 20. IV. 2470 1235 1,255 | 1255 |
21., 22. IV. 1060 530 1,562 |! 171,562
23. 1V. 1250 >` 1250 1,339 18339 |
24., 25. IV. | 2094 1047 | 1478 1478 | 1,282
26., 27. IV. | 1890 ! 945 1229 1229
28., 29. IV. 2470 ' 1235 | 1,450 1,450
30. IV. L oan, 750 , 0,669 0,669
Tabelle II (Hündin 2).
8., 9. VT. 360 345 | 090 | 0,45 |
10., 11. VI. Us, 576 0,725 0,725
15., 16. VI. 1174 587 0,558 0,558
18., 19. VI. : 1650 825 0,614 0,614
21., 22. VI. 972 | 486 0,446 . 0,446 0,586
23. VI. 590 590 0,614 0,614
26., 27. VI. 1236 618 0,446 ` 0,446
30. VI. und
1. VII. 900 450 0,390 0,390
Milzexstirpation am 9. VIT. 1925 vorgenommen.
1., 2. IX. 1150 : 575 | 0,02 0502
d. 5. IX 608 ! 304 ı 0,335 0,335 |
6., 7. IX. 1320 ' 660 0,446 | 0,446
8., 9. IX. | 1460 730 0,502 0,502
11., 12, IX. 520 | 260 0,558 | 0,558 0471
13., 14. IX. 330 165 | 0,502 0,502
15., 16. IX. ` 688 344 0,446 | 0446
22., 23. IX. 600 300 0,474 | 044 |
au 25. IX. © 370 185 | 0446 0,446
29., 30. IX. 450 225 0,502 0.502
|
e) An Ge eis wurde der Urin von 25 Stunden gesammelt, der Eisengehalt dementian
auf 24 Stunden berec.
Tabelle III (Hündin 1).
Unter» : = ie Durchschn. e
Datum " Gesammel» Trockener suchter suchten | Fe im Kot ` Gebalt an
' ter Kot 1 Kot trockener Kot in 24 Std. | Eisen in
| Kot | 24 Std.
O0 085 edoa | e sm | a Iw
25. bis 29. IIT., 2520 | 52,0 a" 5,024 | 28,724
30. III. 75,0 21,0 2 ‚76 9,001 | op 658
31. III. und | =
1,2.Iv. | 186,0 44.0 2 | 3,236 | 27,730 -
3. bis 6. IV. 1175 38,5 2 | 2734 | 13,167
Biochemische Zeitschrift Band 169. 28
422 J. Irger:
i Unters E E ? Durchschn..
Datum nl Toogkener | Aë, suchten Ke Mao | Tan
' Kot or 24 Std.
1925 g g | £ mgo | mg è ; mg
Milzexstirpation am 8. IV. 1925 vorgenommen.
7. bis 19, IV. | 190,0 ' 565 2 6,026 | 21,279
20. „ 26. IV. ` 304,0 84,5 | 2 3465 20,913 |
27., 28. IV 126,0 52,0 2 3,069 , 11399 17,91
29., 30. IV. 45,0 20,5 2 3,627 | 18,588
l. bis 3. V. 37,0 27,0 2 5,273 | 17,597
Tabelle IV (Hündin 2).
8. bis 10. VI. 57,0 280 2 5,695 26,580 |
ll. „ 16. VI. ` 105,0 345 ` 2 11,586 | 33,312
17. „ 23. VI. 895 32,5 2 — 17589 | 40,834 31,064
24. „ 30. VI.
und 1. VIL! 72,0 280 | 2 13423 23,491
Milzexstirpation am 9. VII. 1925 vorgenommen.
8. bis 12. IX. | 89,5 37,5 2 8,264 28,511
13. „ 20.IX. 159,5 280 | 2 | 5,807 | 20,507
21. "aal 925 | 385 2 443 30.615
27. „ 30. IX.. 18,401
und 1. X. 795 325 ' 2 ! 4523 14,699
2, bis 6. X. | 865 | 365 2 | 4355 15,897 |
7. „13.X. 1000 | 365 — 2 ' 6589 | 17,178 |
Tabelle V (Hündin 1): Gallenfistel am 4. Mai 1925 angelegt.
/ Cesammelte GE Fe in de t
Datum Gm 24Std. Untersuchte fein der Fein der | Durchschn ‚Gebe
| berechnet E Gallenmenge | pro 24 Std. | Galle in 24 Std.
1925 | cem ccm mg mg mg
- = = m= et M eg l
11. V. 184 10 0,251 4,618 |
12, V. 109,23 10 0,251 2,741
13. V. 4,10 0,306 4,406
14, V. 160 10 0,251 4,016
15. V. ı 180 | 10 0,234 4,212
18, V. | 1497 10 0,223 3,278 3.882
19. V. | 17 | 10 0,234 2,737
20. V. 120,05 10 0,267 3,204
22 V. | 12348 | 10 0.251 3.097
23. V. | 96 10 0,251 2,409
25. V. ` oi 10 0,502 : 3,012
26. V. | 45 | 10 0,502 | 2259 |
Tabelle VI (Hündin 2). Gallenfistel am 12. November 1925 angelegt.
20. XI. 120 10 0,335 | 4,020
24. XI. | 138 10 0,335 4,623
25. XI. 160 10 0,251 4,019
26. XI. | 184 10 0.234 4,314
30. XI. 184 10 | 0,234 4,314 4458
1. XII. 228 10 0,234 5,346
2. XII. | 171,42 10 0.234 4.019
3. XII. | 212,56 0 | 0212 4,507
9. XII. | 199,50 10 | 0,234 | 4678 |
10. XIT. 200 10 0234, 4,690
Eisenstoffwechsel. 423
3. Galle.
Auch die Wirkung der Milzexstirpation auf das Galleneisen wurde
studiert. Die Galle, wie wir schon aus früheren Arbeiten!) wissen, scheidet
erhebliche Mengen von Eisen in den Darm ab. Die Mengen schwanken zwar,
aber erlauben uns, einen Blick in den Eisenstoffwechsel zu werfen. Wie
schon erwähnt wurde, ließ ich den Hunden zu diesem Zwecke eine Gallen-
fistel anlegen und verglich die Mengen mit denen, die mir auf Grund der
erwähnten Arbeiten vorlagen. In den Tabellen V und VI sind die Eisen-
bestinmmungen der Galle zusammengestellt. Sie lehren uns, daß nach der
Milzexstirpation die Eisenausscheidung, wie z. B. beim zweiten Hunde,
erhöht ist, was beim ersten Hunde nicht der Fall ist, so daß wir daraus
vorläufig keinen positiven Schluß ziehen können.
4. Bilirubin.
Das Bilirubin, wie die Tabellen VII und VIII zeigen, verhält sich ähnlich
wie bei den normalen Hunden, bei denen keine Milzexstirpation vorgenommen
wurde.
Tabelle VII.
Bilirubin, bestimmt nach H. van den Bergh (Hündin 1).
| Gesammelte Galle Bilirubin Bilirubin in der Durchschnittsgehalt
Datum | sehe in Teem Galle | Galle pro 24 Std, | 8 Bilirubin
1925 |! cem o mg mg Im `
| | |
uv, | s ue Im `
12. V. 109,23 0,30 32,769
13. V. o M4 0,25 | 36
14, V. | 160 0,25 40 |
15. V. 180 0,25 | 45
18. V` 147 0,25 36750, 0,277
19. V. ` 117 0,20 | 2340.
22, V. ` 123,48 030 — 3704
23, V. ` 96 0,35 ` 33600
25. V. 60 | 030 | 18 |
26. V. ` 45 | 0,35 | 15,750
Tabelle VIII.
Bilirubin, bestimmt nach H. van den Bergh (Hündin 2).
20. XI, | 120 0,14 , 16,80 l
24. XI. 138 0.28 38.64 |
25. XI. 160 0.28 44.80 Ä
26. XI | 18 0.20 3680 |
30. XI. | 18 0,20 | 36,80 Sai?
1. XII. | 228 0.20 4560 | 9
2. XIL | 17142 0.20 | 34.28
3. SI. 212,56 0,20 42,51
9. XII. | 199,50 0,175 | 34,91
10. XII. | 200 0,20 40
1) Brugsch und Irger, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 88, H. 4/6, 1923;
48, H. 5/6, 1924.
28 *+
424 J. Irger:
5. Blut.
Den inneren Zusammenhang, der zwischen blutbildenden bzw. anämi-
sierenden Prozessen und der Milz besteht, müßte man eigentlich bei der
quantitativen Untersuchung des Eisengehalts im Blute, vor und nach der
Milzexstirpation, nachweisen können. Ich bin deswegen an die Bestimmung
des Bluteisens herangegangen. Die Tabellen IX und X geben die Resultate
wieder. Wie aus den Tabellen zu ersehen ist, besteht kein Unterschied
in dem Eisengehalt des Blutes vor und nach der Milzexstirpation.
Tabelle IX (Hündin 1).
, . ER Durchschnittsgehal
Datum | Blut, EE Fe in 1 cem Blut u an Eisen i
1925 © J eem 8 mg mg mg
1.Iv. ` 10 3,472 0347 |
3. IV. | 10 3,264 036. 0882
8. IV. | 10 3,236 0,323 ' |
Nach der Milzexstirpation.
20.IV. | 10 3,403 030 |
29. IV. | 10 3,013 ` 0801
4. V. 10 3,292 0,329 0,331
27. V 10 3,459 0,345
8v | W | 3,571 | 0357
Tabelle X (Hündin 2).
30. VI. | 10 4,523 0.452
3. VII. 10 4,802 0.480 0,467
7. VIL | 10 4,718 0,471
Nach der Milzexstirpation.
17. IX. | 10 | 4,523 0,452
l. X. | 10 4,411 0.441
6 X. | 10 4,523 0,452 |
15.X. 5 2,289 0.457 0,452
20. X. 5 2,233 0,446 |
27.X. | 5 2,233 | 046 |
1. XI. 5 2,373 aan |
6. Zahl der Erythrocyten und Leucocyten.
Hämoglobingehalt und Blutkörperchenvolumen.
Ich führe hier die Zahl der roten und weißen Blutkörperchen, den
Hämoglobingehalt des Blutes, die bei beiden Hunden vor und nach der
Milzexstirpation bestimmt worden sind, an. Das Blutkörperchenvolumen
konnte aus einigen Gründen nur beim zweiten Hunde bestimmt werden.
Wie aus den Tabellen XI und XII ersichtlich ist, nimmt die Zahl der
Erothrocyten und der Hämaglobingehalt nach der Milzexstirpation ab.
Dies gilt auch von den Leucocyten. Die Anämie tritt trotz der eisenreichen
Ernährung auf, entgegen der Annahme von Nakayama!), daß die Ernährung
1) Nakayama, diese Zeitschr. 151, 119, 1924.
Eisenstoffwechsel.
425
mit eisenhaltigem Fleisch, dem Anämie fördernden Einfluß der Milzexstir-
pstion entgegenwirke!).
Tabelle XI (Hündin ]).
eu | Hämoglobin» '
Datum | gehalt Erythrocyten | Leucocyten
i 1925 WE Proz. E
1. IV. | 8 6 600 000
2. IV. 87 6 200 000
3. IV. 84 6 510 000
Nach der Milzexstirpation.
20. IV. 71 "6 300 000
27. IV. 77 | 5 900 000
A 7l , 5 500 000
27. V. 63 ' 5175 000 |
29. V. 62 A 950 000
Tabelle XII (Hündin 2).
30. VI. ` 112 8 975 000
1. VII. 109 8 250 000
3. VII. 110 8 300 000
Nach der Milzexstirpation.
17. IX. | 108 ! 7900000 |
1.X. | 95 ı 6 250 000 |
6. X. | 92 6 250 000
13. X. "om | 6300000 |
20. X. | 75 6 400 000 |
29, X. 84 | 5.400 000 |
30. X. | 88 6450000 |
Tabelle XIII.
Blutkörperchenvolumen, bestimmt nach Bönniger (Hündin 2).
u Datum Blutkörperchen
1925 Vol.Proz.
30. VI. | 37
3. VIIL. | 40
7. VIL | 39
Nach der Milzexstirpation.
17. IX. ! 33
1. X. 39
6. X. | 34
15. X. 30,3
2. X. | 33
27. X. l 33
1. XI. 30,2
40 400
40 200
42 500
48 400
47 700
31 000
16 500
14 800
15 130
14 500
14 500
7 200
H 360
9 000
11 000
15 000
9 400
8 800
1) Von großem Interesse ist der Befund, den Pearce, Krumbhaar und
Frazier (l.c.) auf Grund ihrer umfassenden Studien über die Milz und die
Anämie erhoben haben. Er deckt sich im großen ganzen mit meinem.
Pearce, Krumbhaar and Frazier: ‚...The results of studies of the
influence of food containing a large amount of iron in presumably easily
utilizable form, as in raw beef spleen, does not support the view that anaemia
is due to lack of iron in the food“.
426 J. Irger: Eisenstoffwechsel.
Schlußfolgerung.
Nach den Untersuchungen, die an zwei Hunden angestellt wurden,
um den Einfluß der Milzexstirpation auf den Eisenstoffwechsel zu
studieren, ergab sich kein Anhaltspunkt für Änderungen derselben
durch die Milzexstirpation. Die Analysen des Eisengehalts im Urin,
Kote, Galle und Blute — vor und nach der Milzexstirpation — führten
zu einem negativen Resultat. So konnte die alte Hypothese von Asher,
die Müz sei ein Organ des Eisenstoffwechsels, der eine dominierende
Rolle in der Eisenausscheidung zugesprochen wurde, nicht bestätigt
werden.
Über einen Schnelldialysator
für klinische Zwecke und für die ärztliche Praxis.
Von
A. Gutbier und Berta Ottenstein.
(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Jena.)
(Eingegangen am 11. Januar 1926.)
Mit 6 Abbildungen im Text.
Man sieht sich oft vor die Aufgabe gestellt, kleinere Quantitäten
von physiologischen Flüssigkeiten möglichst schnell durch Dialyse von
Elektrolyten befreien zu müssen. Deshalb erschien es uns wünschens-
wert, nachdem der ‚‚Schnelldialysator‘“!) sich ja bei Untersuchungen
aller Art recht gut bewährt?), in seiner bisher vorliegenden Ausführung?)
aber nur für größere Flüssigkeitsmengen 4) in Betracht kommt, noch
einen besonderen, auf dem gleichen Prinzip aufgebauten Schnelldial ysator
für klinische Zwecke und für die ärztliche Praxis zu konstruieren. Nach
mancherlei Versuchen glauben wir, nunmehr eine für den genannten
1) A.Qutbier, J. Huber und W. Schieber, Ber. 55, 1518, 1922; Chem.-Ztg.
47, 109, 1923.
2) Vgl. besonders Hans Pringsheim und Walter Fuchs, Ber. 56, 1764,
1923; Wilhelm Eller, Liebigs Ann. 442, 175, 1925; B. Bleyer und St. Diez,
Milchwirtschaftl. Forsch. 2, 231, 1925; Arthur Simon und Theodor Schmidt,
Kolloid-Zeitschr., Ergänzungsband 86, 66, 1925; Ernst Wilke-Dörfurt und
Marta Deker, ebendaselbst Ergänzungsband 86, 305, 1925; H. Rheinboldt,
ebendaselbst 87, 391, 1925; Houben-Weyl, Methoden der organischen
Chemie, 3. Aufl., 1, 483.
3) Ein neues Modell dieses Apparats wird jetzt von der Mineralchemie
A.-G. in Oeslau bei Coburg in den Handel gebracht.
4) Dieser Dialysator wird zurzeit in zwei Größen, mit einem Fassungs-
vermögen des Pergamentpapiersacks von 1000 und von 100 ccm angefertigt.
428 A. Gutbier u. B. Ottenstein:
Sonderfall brauchbare und auch handliche Apparatur (Abb. 1) be-
schreiben zu können.
Wir erreichen gegenüber anderen Vorrichtungen bei größter
Betriebssicherheit gesteigerte Dialysiergeschwindigkeit und verhindern
Abb. 1.
gleichzeitig Volumenänderungen, vor allem Verdünnung der Innen-
flüssigkeit dadurch, daß wir den Dialysator im Außenwasser rotieren
lassen.
Um eine derartige Bewegung auch sehr geringer Flüssigkeitsmengen
zu ermöglichen, ist eine Scheibe von 17cm Durchmesser mit fünf kreis-
runden, erhöhten und mit Rillen versehenen Öffnungen konstruiert worden,
so, daß sich auswechselbare Körbehen durchaus betriebssicher in die Rillen
eindrehen lassen. Die Körbehen sind in zweierlei Hinsicht eingerichtet
und abgemessen: einmal können sie zur Aufnahme «der gangbaren drei
Größen der Diffusionshülsen Nr. 579 und 579A von Carl Schleicher & Schüll-
Düren dienen, zum anderen können sie aber auch mit in natürlichen Falten
angelegtem Pergamentpapier überzogen werden.
Die Scheibe ist mit einer Schraube an einer Welle sicher befestigt,
kann demgemäß auch, wenn nötig, leicht wieder abgenommen werden
und wird mittels metallischer, Welle und Antriebsrad tragender Farigarme
in ein etwa 3 Liter fassendes, 20 cm weites und ebenso hohes, die Außen-
flüssigkeit aufnehmendes Gefäß eingehängt. Das Gefäß ist durch Rohr-
schellen mit einer in Abb. 1 nicht mit abgebildeten Zu- und Abflußvor-
richtung für das destillierte Wasser versehen, das man zweckmäßig einem
Schnelldialysator. 429
hochgestellten Vorratsgefäß entnimmt und in der schon beschriebenen
Weise!) ununterbrochen langsam zu- und ablaufen läßt. Die heberartige,
verstellbare Abflußröhre regelt den Stand «es Außenwassers im Gefäß
und gestattet gleichzeitig in jedem gewünschten Augenblick die Entnahme
von Proben der ablaufenden Flüssigkeit zur Analyse.
Der Antrieb der Scheibe und damit der Körbchen samt Inhalt kann
mit jedem beliebigen kleinen Motor bewirkt werden. Im Jenaer Laboratorium
wird mit einem kleinen Elektromotor mit Vorgelege gearbeitet, das in
seinen Abmessungen so berechnet ist, daß dem System verschiedene Um-
drehungsgeschwindigkeiten, z. B. von 50, 100 und 150 Umdrehungen in
der Minute, erteilt werden können.
Für medizinische Untersuchungen besteht der Vorzug unseres
Dialysators hauptsächlich darin, daß bei erhöhter Dialysiergeschwindig-
keit zu gleicher Zeit fünf verschiedene Proben in Mengen von 2 bis 50 ccm
der Reinigung unterworfen werden können. Mit Ausnahme des Halters
ist die ganze Apparatur aus glasiertem, weißem Hartsteingut gefertigt
und daher leicht sauber zu halten; die Körbchen können sogar aus-
gekocht und auch während der Dialyse geschlossen werden, z. B. mit
passendem Stopfen aus Glas oder aus Hartsteingut.
Nachdem dieser Dialysator sich im Prinzip schon bei der Unter-
suchung: über Harnkolloide?) zu unserer Zufriedenheit bewährt hatte,
haben wir nunmehr nach der Fertigstellung des endgültigen Modells,
um seine Leistungsfähigkeit, d. h. die mit ihm erzielbaren Dialysier-
geschwindigkeiten kennenzulernen, verschiedene Flüssigkeiten —
Elektrolytlösungen, kolloid-disperse Systeme, Mischungen von kolloid-
und ion-dispersen Lösungen und physiologische Flüssigkeiten — der
Dialyse in der neuen Apparatur bei 100 Umdrehungen in der Minute
unter Verwendung der in die Körbchen gestellten Diffusionshülsen
einerseits und eines über die Körbchen angelegten Säckchens aus
Pergamentpapier andererseits und zum Vergleich auch der Dialyse in
nicht bewegten gleichen Diffusionshülsen bei derselben Temperatur (18°)
und bei durchaus gleichartigem Wasserdurchfluß von 0,5 Litern in der
Stunde unterworfen. Wir haben den Vorgang der Elektrolytentfernung
mes;end verfolgt dadurch, daß wir in gewissen Zeitabschnitten mit
geeichten Mikropipetten bestimmte geringe Mengen des Dialysator-
inhalts herausnahmen und unter Zuhilfenahme von n/100 Lösungen
maßanalytisch untersuchten?).
Wir stellen die Ergebnisse einiger dieser Versuche der Einfachheit
halber in Kurvenbildern (Abb. 2 bis 6) zusammen und bemerken noch,
daß die hier mitgeteilten Chlorbestimmungen nach dem Verfahren von
1) A. Gutbier, J. Huber und W. Schieber, Ber. 55, 1518, 1922.
2) B.Olttenstein, diese Zeitschr. 128, 382, 1922.
3) Die Analysenresultate stellen selbstverständlich keine absoluten,
sondern nur Vergleichswerte dar. Siehe hierzu A. @uibier, J. Huber und
H. Schieber, Ber. ab, 1518, 1922.
430 A. Gutbier u. B. Ottenstein:
J. Volhard in der von V. Rothmund und A. Burgstaller!) vorgeschlagenen
Modifikation, im Blute nach der Ausfällung des Eiweißes mit Uranyl-
acetat, ausgeführt worden sind. Die Kurven geben die prozentuale
Steigerung der Abnahme des Chlorions in der Innenflüssigkeit während
—
44H
III
dern
Abb. 2. Abb. 3. Je 50ccm gleicher Teile
Je 25 ccm 0,1 n HCI. 0,5 proz. Gummiextrakt + 0,1 n HCL
der Dialyse an, und zwar beziehen sich die Kurven a auf die Dialysier-
geschwindigkeit in nicht bewegten Diffusionshülsen, die Kurven b auf den
Verlauf der Elektrolytentfernung in den gleichen, aber im Schnelldialy-
sator rotierenden Diffusionshülsen, die Kurven c auf die Geschwindigkeit
700
%
0 0
2 4Y © 8 N
Stunden
Abb. A NaCl in je 50 ccm Abb.5. NaCI in je 50 ccm
Normal»Urin. Gesamtblut (Rinderblut).
1) Zeitschr. f. anorg. Chem. 68, 330,1909; 4. Gutbier und L. Birckenbach,
Praktische Anleitung zur Maßanalyse, IV. Aufl., S. 207. Stuttgart, 1924.
Schnelldialysator. 431
der Verminderung des Chlorions in den mit einem Überzug von Pergament-
papier!) in noch zu beschreibender Art versehenen Körbchen.
Aus dem Vergleich der Kurven a und b ist eine gute Wirkung des
Prinzips der Schnelldialyse schon bei der Verwendung der Schleicher
& Schüllschen Diffusionshülsen zu erkennen. Die Kurven c aber
lehren, daß eine noch größere und sehr vor-
teilhafte Steigerung der Dialysiergeschwindig-
keit erzielt wird, wenn die Diffusionshülsen
durch in natürlichen Falten über die Körbchen
angelegte Säckchen von Pergamentpapier er-
setzt werden.
Der Überzug der Körbchen mit der
Membran hat so zu erfolgen, daß das ganze
Gebilde von unten her sackartig umschlossen
ist, und daß das Pergamentpapier sich in natür-
lichen Falten anlegt. Hierdurch wird?) nicht
allein die Membranfläche nach Möglichkeit groß
gestaltet, sondern auch eine innige Berührung
der Innenflüssigkeit mit dem Außenwasser er-
zielt, das sich mit der Drehung des Dialysators Abb.6. NaCl in je 15ccm
in den Falten stoßen muß. Blutserum (Menschenblut).
Der Überzug läßt sich leicht bewerkstelligen®): Man durchweicht
ein entsprechend großes Stück Pergamentpapier gut in destilliertem Wasser
und legt es über ein dem Durchmesser und der Höhe des betreffenden
Körbcehens entsprechendes Glasgefäß sorgfältig, Falte neben Falte, an.
So entsteht ein Säckchen, aus dem man nach kurzer Zeit das Glas heraus-
zieht, um nun das Körbchen einzuführen. Man umschließt weiter die
Membrane und das Körbchen an der obersten Stelle fest mittels einer
Schnur und schneidet das überstehende Pergamentpapier ab. Jetzt wird
die Flüssigkeit eingefüllt, das Körbchen in die dazugehörende Öffnung der
Scheibe eingedreht, und die Dialyse kann beginnen.
Der ‚Schnelldialysator für klinische Zwecke und für die ärztliche
Praxis“ ist der Mineralchemie A.-G. in Oeslau bei Coburg geschützt
und von ihr zu beziehen. Die Firma liefert auch die für den Dialysator
in Betracht kommenden Schleicher & Schüllschen Diffusionshülsen
und vorschriftsmäßig vorbereitete Pergamentpapiersäckchen zum
Überzug der einzelnen Körbchen.
1) Benutzt wird grundsätzlich das ‚„Pergamentpapier zur Dialyse
C 155: 100° von Carl Schleicher & Schüll-Düren.
2) Vgl. A. @utbier, J. Huber und W. Schieber, Ber. 50, 1518, 1922.
3) Vgl. A. Gutbier und A. Mayer, Zeitschr. f. anorg. u. allgem. Chem.
121, 215, 1922.
Photoaktivierung von Cholesterin,
Fetten und anderen Substanzen durch X-Strahlen.
Von
Sadayuki Hamano.
(Aus dem biochemischen Laboratorium des Instituts für physikalische
und chemische Forschungen zu Tokio.)
(Mitgeteilt von Prof. U. Suzuki.)
(Eingegangen am 13. Januar 1926.)
Mit 3 Abbildungen im Text.
Der Verfasser hat jüngst beobachtet, daß Cholesterin, Ölsäure,
Lebertran, Balsam, Campher, Abietinsäure usw. nach der Behandlung
mit Ultraviolettstrahlen im Dunkeln auf photographische Platten
einwirken!). -
Diese Wirkung tritt am stärksten in Gegenwart von Sauerstoff
auf. Gesättigte Fettsäuren, Traubenzucker, Rohrzucker, Stärke,
Aminosäuren und Eiweißstoffe usw. zeigten keinen Photoeffekt nach
der Bestrahlung.
Der Verfasser hat nun dieselben Versuche mit X-Strahlen angestellt
und ähnliche Resultate erhalten.
Zu diesem Zwecke wurden die X-Strahlen von einem Coolidgeschen
Rohre, welches mit einer Wolframantikathode versehen ist, entwickelt.
Während des Betriebes war die Potentialdifferenz 30000 Volt und
die Stromstärke betrug 5 bis 6 Milliamperes.
lg der sorgfältig gereinigten und getrockneten Substanz, wie
Cholesterin oder Borneol, wurde in ein gewähnliches Reagenzglas
gefüllt, das offene Ende wurde zugeschmolzen, mit dünnem Stanniol-
papier von 0,015 mm Dicke doppelt umwickelt und in der Entfernung
von 17cm von der Strahlenquelle 5 Stunden lang andauernd den
1) Diese Zeitschr. 168, 438, 1925; Journ. Agr. Chem. Soc. Japan 1,
Nr. 10, 1925.
S. Hamano: Photoaktivierung von Cholesterin usw. durch X-Strahlen. 433
X-Strahlen ausgesetzt. Hierauf wurde die Substanz herausgenommen,
in eine kleine Kristallisierschale gegeben (k = 1,6 cm, D = 2,7 cm),
mit einer photographischen Platte (Lionexpreß, Ortho) bedeckt und
Abb. 1. Lebertran. Links: 5 Stunden bestrahlt. Rechts: nicht bestrahlt.
Abb.2. Cholesterin. Rechts: nicht bestrahlt. Links: 18 Stunden bestrahlt.
Abb.3. Oleinsäure. Rechts: 5 Stunden bestrahlt. Links: nicht bestrahlt.
in einem vollkommen dunklen Raume 24 Stunden stehengelassen.
Nach dieser Zeit wurde das Negativ in gewöhnlicher Weise
entwickelt. Auf diese Weise wurde gefunden, daß Cholesterin,
434 S.Hamano: Photoaktivierung von Cholesterin usw. durch X-Strahlen.
Borneol und Elaidinsäure stark auf Photoplatten reagierten, während
die unbestrahlten Substanzen keine Wirkung hervorbrachten. Auch
Ölsäure und Lebertran, die ursprünglich nur schwache Wirkung
hatten, reagierten nach der Bestrahlung bedeutend stärker. Wird
das Reagenzrohr mit Kohlensäure gefüllt, anstatt mit Luft oder
Sauerstoff, so beobachtet man nach der Bestrahlung keine Photo-
wirkung.
Ob die mit X-Strahlen aktivierten Substanzen antirachitische
Wirkung auf Tiere entfalten, wie nach der Ultraviolettbestrahlung,
muß später untersucht werden.
Weitere Versuche sind im Gange.
Über die Oxydasen der Algen.
Von
Otto Gertz.
(Aus dem botanischen Institut der Universität Lund.)
(Eingegangen am 13. Januar 1926.)
Mit 1 Abbildung im Text.
Über die Verbreitung und die Wirkungsweise oxydierender Enzyme
liegen hinsichtlich der Algen Untersuchungen von mehreren Forschern,
von Seger, Laureys, Atkins, Reed, Duggar, Davis und Hampton und
Baas-Becking, vor. Im vorigen Jahre hat ferner der Verfasser die
sogenannten Jodidoxydasen einer eingehenden Prüfung unterzogen.
Ich konnte in dieser Arbeit nachweisen, daß Oxydasen dieser Art —
die aus Alkalijodiden freies Jod abspalten — bei den Rhodophyceen
vorhanden sind und in erheblicher Menge bei einzelnen Gattungen,
wie z.B. bei Rhodomela, Polysiphonia, Delesseria sanguinea, Odon-
thalia, Brongniartella und Furcellaria, auftreten. Bei anderen Gattungen
dagegen, wie z. B. bei Ceramium, Cystoclonium, Rhodymenia und
Nemalion, fehlen diese Stoffe vollständig. Inwieweit die betreffenden
Oxydasen — die Jodidoxydasen — spezifische, von anderen oxydatisch
wirkenden Enzymen verschiedene Stoffe darstellen, sei beiläufig un-
entschieden.
Weil meine bei diesen Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse in
wichtigen Punkten von den Erfahrenheiten anderer Forscher erheblich
abweichen, schien es mir notwendig, die Algenoxydasen nach ver-
schiedenen Methoden zu prüfen und dieselben überhaupt einer ein-
gehenden Revision zu unterziehen. Die Untersuchungen wurden daher
im Sommer 1925 weiter vorfolgt. Sie sind auf der zoologischen Station
Kristineberg — an der schwedischen Westküste — ausgeführt und
durch die Gewährung eines Beitrags von der Physiographischen Gesell-
schaft zu Lund unterstützt.
Bei meinen schon veröffentlichten Untersuchungen benutzte ich
folgende Methode.
436 O. Gertz:
Zum Sieden erhitzter Stärkekleister (eine Federmesserspitze Kartoffel-
stärke, 100 cem Wasser) wurde mit Jodkalium (3g) und Gelatine (10g!)
versetzt und das Gemisch dann in eine Petrischale ergossen. Nach Ab-
kühlung des Inhalts wurde das zum Prüfen benutzte Material —
frisch abgeschnittene Thallusstückchen, ausgepreßter Saft zerquetschter
Algen — auf das erstarrte Substrat der Petrischale gebracht und das Ganze
auf einen dunklen, kühlen Ort — in den Eisschrank — gestellt. Schon nach
einigen Stunden war bei energisch wirkender Oxydase eine durch Jod-
stärke bedingte Blaufärbung an der Berührungsstelle des Substrats zu sehen.
Im allgemeinen erforderte doch die Reaktion eine längere Einwirkung, bis
auf 12 Stunden oder mehr.
Unter 35 in dieser Weise geprüften Rhodophyceen führten 25
Oxydasen, und unter diesen waren 13 verhältnismäßig oxydasenreich.
Bei meinen im Jahre 1925 weiter verfolgten Untersuchungen
benutzte ich zum Prüfen der Oxydasen in erster Linie die Benzidinprobe.
Für diesen Zweck wurden die Thallusstückchen in einer Reibschale
mit feinem, chemisch reinem Quarzsand?) verrieben und mit destil-
liertem Wasser in geringer Menge versetzt. Der Gewebebrei wurde
durch ein feines Seihtuch koliert und gepreßt und dabei eine prächtig
rot gefärbte, am meisten in Orange lebhaft fluoreszierende Flüssigkeit?)
gewonnen. Ein Tropfen dieser Lösung wurde auf ein mit alkoholischer
1) Von den käuflichen Gelatinen ist nur diejenige zu verwenden, die
in verflüssigtem Zustande eine saure Reaktion besitzt. Neutral oder alkalisch
reagierende Gelatine ist für den Versuch unbrauchbar, weil dann keine
Bläuung der Stärke eintritt. In einzelnen Fällen kam zum Prüfen der
Jodidoxydasen noch eine andere Methode zur Verwendung. Diese besteht
darin, in Probierröhrchen einige Tropfen ausgepreßten Saft einem Gemisch
von flüssigem Stärkekleister und Jodkaliumlösung zuzufügen; wird dann
mit verdünnter Essigsäure angesäuert, so tritt nach einigen Stunden eine
allmählich tiefer werdende, durch Jodstärkebildung bedingte bläuliche
Färbung der Flüssigkeit ein. So z.B. bei Delesseria sanguinea, Polysiphonia
nigrescens und Furcellaria fastigiata. In einer nicht angesäuerten Lösung
tritt aber keine Bildung von Jodstärke ein; andererseits bleibt selbstver-
ständlich auch die Jodstärkebildung aus, wenn kein Algenpreßsaft dem
essigsauren Gemisch von Stärkekleister und Jodkaliumlösung zugefügt
wird.
2) Glaspulver ist für diese Untersuchung ungeeignet, weil das Wasser
wegen Lösung verschiedener Bestandteile des Glases eine alkalische Reaktion
bekommt. Man überzeugt sich davon leicht, wenn man Glaspulver mit
dlestilliertem Wasser versetzt und einen Tropfen alkoholischer Phenol-
phthaleinlösung oder Rosolsäure hinzufügt. Dann tritt nämlich eine kräftige,
durch die Alkaleszenz der Flüssigkeit bedingte Rotfärbung ein.
3} Anstatt einer hellen Flüssigkeit entstand bei einigen Algen eine
fadenziehende, schleimartige Masse, wie z. B. bei Nemalion multifidum,
Chondrus crispus, Scinaia J[urcellata und Cruoria pellita. Bei diesen fielen
ferner auch die Benzidin- und Guajakproben negativ aus, was vielleicht
darauf zurückzuführen ist, daß die überaus reichlich vorkommenden
Schleime hier durch Adsorption den Zellen die Oxydasen entziehen und
dadurch die Reaktionstätigkeit derselben beeinträchtigen. |
Oxydasen der Algen. 437
Benzidinlösung durchtränktes und dann getrocknetes Filtrierpapier
angebracht. In Fällen nicht im Saft vorliegender Oxydasen trat keine
Umfärbung des Papiers ein. Waren dagegen oxydatische Stoffe vor-
handen, so nahm die genäßte Papierfläche fast momentan oder wenigstens
beim Trocknen eine mehr oder weniger kräftige, oft dunkelblaue
Färbung der den Tropfen umgebenden Zone an.
Andererseits benutzte ich ferner, um Oxydasen nachzuweisen, die
Guajakprobe. Diese wurde in der Weise ausgeführt, daß der aus zer-
quetschten Algenteilen gewonnene Saft in einem Probierröhrchen mit
dem in absolutem Alkohol gelösten Guajakharz!) vorsichtig über-
schichtet wurde. Beim Vorkommen von Oxydasen entstand eine ring-
förmige, blaue Färbung in der Grenzschicht zwischen den Flüssigkeiten.
Diese trat bei kräftig wirkender Oxydase fast momentan auf; in anderen
Fällen erforderte sie längere Zeit, bis auf eine Viertelstunde.
Das nähere Verhalten der mit den oben beschriebenen Reagenzien
untersuchten verschiedenen Algen ergibt sich aus der Tabelle I.
Aus der Tabelle I geht ohne weiteres hervor, daß, wie schon oben
erwähnt, die oxydatische Tätigkeit unter den Algen genau auf die
Rhodophyceen beschränkt ist. Es ist ferner auch ersichtlich, daß
für einzelne systematische Gruppen der Oxydasengehalt gewissermaßen
charakteristisch ist. Dies trifft z. B. für die Familie Rhodomelaceae zu,
bei welcher sich alle von mir untersuchten Arten als verhältnismäßig
oxydasenreich herausstellten. In anderen Gruppen dagegen zeigt die
Verteilung oxydasenführender und oxydasenfreier Arten ein sehr
buntes Bild, und das Vorhandensein bzw. das Fehlen von Oxydasen
kann demnach keineswegs als ein allgemeines systematisches Merkmal
angesehen werden.
Die oxydatische Tätigkeit macht sich übrigens mit sehr ver-
schiedener Intensität geltend. Besonders kräftig fielen die Oxydasen-
reaktionen mit Benzidin und Guajakharz bei folgenden Arten aus:
Delesseria sanguinea, Odonthalia dentata, Furcellaria fastigiata, Rhodo-
mela subfusca, Rh. virgata, Polysiphonia elongata, P. fibrillosa, P.
nigrescens, Brongniartella byssoides, Pterosiphonia parasiiica und
Trailliella intricata. Andererseits waren bei anderen Algen die oxy-
datischen Wirkungen weniger hervortretend, und die betreffenden
Reaktionen fielen nicht selten so schwach aus, daß sich das Vorhanden-
sein oder das Fehlen von Oxydasen nur mit Schwierigkeit feststellen
1) Ich benutzte auch eine Lösung von Guajakharz in konzentrierter
Chloralhydratlösung (5 : 2 Wasser). Weil dieses Reagenz ein höheres spezifi-
sches Gewicht besitzt, wird der zu prüfende Algenextrakt über diese Lösung
überschichtet. Auch in diesem Falle tritt in der Grenzzone eine kräftige
Blaufärbung ein, wie z. B. in Versuchen mit Delesseria sanguinea, Furcellaria
und anderen.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 99
438 O. Gertz:
Rhodophyceae. |
Erythrotrichis ceramicola (Lyngb.) Aresch... . . ı
Porphyropsis coccinea J. GQ. Ag. . . ......
Porphyra laciniata (Lighif.) Ag. ©... .....
Nemalion multifidum (Web. et Mohr) J. G. Ag.
Scinaia furcellata (Turn.) Ben, .. 2.2... |
Chondrus crispus (L.) Lyngb. . .. . 2.2...
Pays membranifolia (Good. et Woodw.)
A )
+ 111 4#
II+ +1 I 1
Lomentaria clavellosa (Turn.) Gail. ......
Plocamium coccineum (Huds.) Lyngb. ..... l
Delesseria alata (Huds.) Lamour. ....... |
Delesseria ruscifolia (Turn.) Lamour. .....
Delesseria sinuosa (Good. et Woodw.) Lamour. . . |
Delesseria sanguinea (L.) Lamour. ...... .
Bonnemaisonia asparagoides (Woodw.) Ae... |
Polysiphonia urceolata (Lightf.) Grev. . . . .. |
Polysiphonia fibrillosa (Dillw.) Gren ..... .
Polysiphonia elongata ( Huds.) Harv.. ..... |
Polysiphonia nigrescens (Dillw.) Grev. .. .. . |
Pterosiphonia parasitica ( Huds.) Falkenb. ...
Brongniartella byssoides (Good. et Woodw.) |
e E a en et en ee |
Rhodomela subfusca (Woodw.) Ag. ...... |
Rhodomela virgata Kiellm. . . : 2 2 2 20.
Odonthalia dentata (L.) Lyngb. `, |
Heterosiphonia coccinea ( Huds.) Falkenb.. . . . |
Chantransia virgatula ( aw.) Thur, ...... |
Spermothamnion roseolum (Ag.) Pringeh .. . . |
Trailliella intricate Batters. . . . 2:22 2 203. |
Griffithsia corallina (Lightf.) Ag. . ...... |
Callithamnion corymbosum (Smith) Lyngb... . . |
Plumaria elegans (Bonnem.) Schmitz.. .. , |
Ptilota plumosa (L.) Ag. ©. . 2: 2 2 2 2 2. |
Antithamnion plumula (Ellis) Thur.. .....
Ceramium rubrum (Huds.) Ag. . . 22 2 2... |
+++++ +++++4+H+ I I I I I DJ
ben
Polyides rotundus € a. Grev ns waren
Cruoria pellita (Lyngb.) Fries. . . . > 2 22... |
Hildenbrandtia rosea Katz . . 2 2 2 2 2.
Corallina officinalis `... 0117 |
1) Diese aus dem adriatischen Meere und aus der Nordsee bekannte Alge wurde von mir
im August 1925 an der schwedischen Westküste entdeckt. Sie kommt bei Strömmarna unweit
von der zoologischen Station Kristineberg in einer Tiefe von etwa 6 m spärlich auf Steinen und
Muschelschalen vor.
+it+r+t++l1+|++ +++ ELE +44 4444 A + |
II I++I II I++l++++++++++ +++++t++l +11 I I+ 1 I I
(II
Oxydasen der Algen: 439
Tabelle I (Fortsetzung).
Phaeophyceae. u
Ralfsia verrucosa (Aresch.) J. A. Ag. ..... |
Asperococcus bullosus Lamour.. . . ... |
Desmarestia aculeata (L.) Lamour.. .. ... . |
Mesogloia vermiculata (Engl.) Le Jol. .....
Laminaria saccharina (L.) Lamour .......
Laminaria Oloustoni ( Edm.) Le Jol. ......
Fucus vesiculosus L. . . . . 22 2200.
Ascophyllum nodosum (L.) Le Job... ..... |
Halidrys siliquosa (L.) Lyngb. . .... 2... Ä
Chlorophyceae.
Enteromorpha intestinalis (L.) Link ......
Ulva Lactuca (L.) Le Jol. ... 2. 2220200
Characeae.
Chara fragilis Desv. e 22 en — — —
Cyanophyceae. |
Rivularia atra Roth `... A ı- 1-1 -
ließ. Nur schwache Reaktionen auf Oxydase erzielte ich bei Chondrus
crispus, Delesseria alata, Polysiphonia urceolata, Heterosiphonia coccinea,
Griffühsia corallina, Callithamnion corymbosum, Plumaria elegans, Ptilota
plumosa und Polyides rotundus.
Vergleicht man die mit den drei benutzten Reagenzien gewonnenen
Resultate, so ergibt sich im großen ganzen eine genaue Übereinstimmung.
Einzelne Unterschiede liegen aber jedenfalls vor. In einigen Fällen
sind sie doch aller Wahrscheinlichkeit nach durch Verunreinigung des
untersuchten Materials mit Algen anderer Art bedingt, welche sich
ja der Aufmerksamkeit leicht entziehen können, wenn sie in winzigen
Mengen auftreten. Hauptsächlich zwei epiphytische Algen kommen
hier in Betracht, Trailliella intricata und Erythrotrichia ceramicola,
die an herumtreibenden Algenindividuen fast konstant auftreten.
Diese Epiphyten sind besonders oxydasenreich und können dem-
nach, auch wenn sie in geringer Menge auf nicht oxydasenführenden
Algenarten eingemischt vorkommen, diesen oxydatische Wirkungen
mitteilen.
Hinsichtlich der angeführten Ergebnisse ist ferner noch zu er-
wähnen, daß einzelne als oxydasenführend gefundene Algenarten in
einer oder anderer Versuchsreihe negative Reaktion gaben, wie z.B.
Delesseria sinuosa, Chondrus crispus, Phyllophora membranifolia,
Lomeniaria clavellosa, Cruoria pellita und Corallina officinalis, ferner
auch im Gegenteil, daß sich oxydasenfreie Arten in irgend einem Versuch
schwach positiv verhielten. Die abweichenden Ergebnisse finden
29%
440 O. Gertz:
wahrscheinlich ihre Erklärung darin, daß der Gehalt an Oxydase und
die Tätigkeit derselben nach dem Alter der Pflanze verschieden ist.
Vielleicht stehen sie auch in Zusammenhang damit, daß die Grenzen
zwischen oxydasenfreien und oxydasenarmen Algenarten in der Tat
unscharf sind.
Als Erklärung der in einigen Fällen fehlenden Übereinstimmung
sei weiterhin auch darauf hingewiesen, daß die benutzten, voneinander,
wie es scheint, ganz unabhängigen Reaktionen eine verschiedene Emp-
findlichkeit besitzen und demnach in verschiedener Weise ausfallen,
wenn die Oxydasen in sehr geringer Menge vorkommen, oder wenn sie
nur wenig wirksam sind. Im allgemeinen scheint die Reaktion mit
Jodkaliumstärke am empfindlichsten zu sein. Diese war bei Phyllophora
membranifolia, Lomentaria clavellosa, Delesseria sinuosa, Rhodochorton
membranaceum, Cruoria pellita und Corallina officinalis sehr schwach
und oft nur spurweise vorhanden ` in einigen Versuchen, mit z. B. Phyllo-
phora membranifolia, Delesseria sinuosa, Cruoria und Corallina, fiel die
Reaktion ganz negativ aus.
Eigentlich zeigten nur Chondrus crispus, Ptilota plumosa und Dilsea
edulis einen mehr auffallenden Unterschied und wiesen demnach auf
ein verschiedenes Verhalten in bezug auf die benutzten Reagenzien
hin. Die kräftige Reaktion bei z. B. Dilsea edulis mit Jodkaliumstärke
und die völlig negativen Reaktionsergebnisse bei dieser Alge mit Benzidin
und Guajakharz lassen sich in anderer Weise kaum erklären, geschweige
denn die Verschiedenheiten, die Chondrus und Ptilota aufweisen.
Hinsichtlich der Benzidinprobe sei noch erwähnt, daß bei einzelnen
Algenarten anstatt der normalen Blaufärbung eine dunkel violette,
beinahe schwarzbraune Färbung eintritt. Dies habe ich z.B. bei
Furcellaria fastigiata und Brongniartella byssoides beobachtet.
Bekanntlich treten einzelne Rhodophyceen unter Umständen mit
mehr oder weniger ausgeprägter, grünlicher Farbe auf. Um den Oxy-
dasengehalt auch solcher Formen zu prüfen, untersuchte ich sowohl
dunkelviolette bis beinahe tiefschwarze als auch hellgrün gefärbte, in
seichtem Wasser vorkommende Formen von Furcellaria fastigiata,
andererseits auch rosenrote und grüne Formen von Delesseria alata
und die überhaupt grünlich gefärbte Rhodomela virgata. Hinsichtlich
der oxydatischen Aktivität wurde aber kein Unterschied zwischen
den verschieden gefärbten Formen gefunden.
Die Benzidinprobe gründet sich bekanntlich auf die Eigenschaft
des Benzidins, sich unter Oxydation in eine blau gefärbte Verbindung
umzuwandeln. Für meine weiteren Untersuchungen bediente ich mich
einer Modifikation dieser Probe, die sich in einigen Fällen geeigneter
erwies, Oxydasen nachzuweisen. Diese Probe wurde in der Weise aus-
Oxydasen der Algen. 441
geführt, daß ich die alkoholische Benzidinlösung auf den Objektträger
goß und, nach dem Abdampfen des Lösungsmittels, eine dünne
Schicht der in der Reibschale zerquetschten Algenmasse auf die mit
Benzidinkristallen bedeckte Fläche des Objektträgers anbrachte. Nach
dem Eintrocknen wurde diese Masse mit einem Tropfen destillierten
Wassers betupft, mit Deckgläschen bedeckt und mit dem Mikroskop
untersucht. Wenn oxydasenführende Zellen vorhanden waren, traten
teils im Medium blau gefärbte Niederschläge, teils eine blaue Färbung
der Benzidinkristalle, teils ferner in vielen Fällen eine Blaufärbung
des Inhalts einzelner Zellen ein. Auf diese Weise konnte ich auch Algen
untersuchen, die nur in sehr geringer Menge zu beziehen waren und
demnach einer makroskopischen Prüfung nicht unterliegen konnten.
Ferner konnten auch von Epiphyten überwachsene Algen, die sich
von der epiphytischen Vegetation nicht ohne weiteres isolieren ließen,
mit der Benzidinprobe untersucht werden. Die Resultate dieser meiner
Untersuchungen stimmten im großen ganzen mit den oben erwähnten
überein. Folgende Algenarten wurden nach der modifizierten Benzidin-
methode näher geprüft.
Tabelle II.
Erythrotrichia ceramicola (Lyngb.) Aresch.. ... 2.2... |
Porphyropsis coccinea J. @. Ag. . 2 22er. |
Nemalion multifidum (Web. et Mohr) J. G. Ag... ..... 1
Scinaia furcellata (Turn.) Biv. .... 2.2 2 2200. |
Chondrus crispus (L.) Lyngb. .. :. .: 2:2 220.000. |
Euthora cristata (L.) J. G. Ag. ©. no soaa |
Lomentaria clavellosa (Turn.) Gall... .. 22. 22200. |
Delesseria alata ( Huds.) Lamour. .. .. . 2222000. |
Delesseria ruscifolia (Turn.) Lamour. . .. 2... 22.0. |
Delesseria sinuosa (Good. et Woodw.) Lamour . . ...... |
Delesseria sanguinea (L.) Lamour. .. .. 2... 22000.
Bonnemaisonia asparagoides (Woodw.) Ag... » 2»... .. |
Polysiphonia urceolata (Lightf.) Grev. ..... 2.222 .. l
Pterosiphonia parasitica ( Huds.) Falkenb. .........
Brongniartella byssoides (Good. et Woodw.) Schmitz. ....
Rhodomela subfusca (Woodw.) Ag. e, |
Odonthalia dentata (L.) Lyngb. -.... 2.2 22200.
Heterosiphonia coccinea ( Huds.) Falkenb. ... ...... |
Chantransia virgatula ( arv.) Thur. . ... 2.2 2 2220. i
Spermothamnion roseolum (Ag.) Pringsh. ......... |
Trailliella intricata Batters. . : >: 2: 2 2 N m nn. |
Griffithsia corallina (Lightf.) Ag. . : >: 2 222200. |
Callithamnion corymbosum (Smith) Lyngb.. . .. . 2... |
Plumaria elegans (Bonnem.) Schmtz. . .. 2»: 22.2... |
Antithamnion plumula (Ellis) Thur.. ... 2... 222.0.
Rhodochorton Rothii (Turt.) Nāg.. . . :.. 2.2... |
Rhodochorton membranaceum Magnus. . , ..
- Dilsea edulis Stackh.. . . aoaaa nnn |
Cruoria pellita (Lyngb.) Fries... .2. 2.222020. |
Corallina officinalis L. . . 2: 2: 2 NE m rn er ren e |
EEE EFF beckck keck EE dek
442 O. Gertz:
Eine Blaufärbung des Zellinhalts war bei dieser Untersuchung an
folgenden Algen zu sehen: Delesseria sanguinea, D. alata, Heterosiphonia,
Euthora, Odonthalia (Blaufärbung besonders im Inhalt verwundeter
Zellen und vor allem, wie es scheint, an den Chromatophoren),
Trailliella (verwundete Zellen; besonders beim Trocknen wurden die
Querwände der Zellen gefärbt), Polysiphonia fibrillosa (Zellinhalt und
Zellwände), Callithamnion corymbosum (es färben sich hier auch intakte
Zellen), Erythrotrichha (an verwundeten Zellen tritt ein blau gefärbter
Pfropfen auf) und Bonnemaisonia (besonders die Endzellen der Thallus-
fäden erschienen kompakt blau). Hinsichtlich der Traslliella sei hinzu-
gefügt, daß sich die kleinen kugeligen Zellen der Fäden intensiv blau
färben, die übrigen dagegen ungefärbt werden, mit Ausnahme der
jüngsten Zellen in der Spitze der Fäden, die eine dunkelblaue Farbe
annehmen. Es scheint demnach, wenigstens in einzelnen Fällen, eine
bestimmte Lokalisierung der Oxydasen vorhanden zu sein.
Kommt Oxydase in größerer Menge vor, so tritt im Inhalt der
Zellen eine Auskristallisierung der blau gefärbten Verbindung ein.
Dies wurde z.B. bei Callithamnion corymbosum und Polysiphonia
urceolata beobachtet. Insbesondere bei Polysiphonia urceolata waren
die Kristalle gut entwickelt und traten in Form von Trichitenbüscheln
wechselnder Gestalt auf.
Unter den in der Tabelle angeführten Algen wurden einzelne als
verhältnismäßig kräftig oxydasenführend gefunden, obgleich sie sich
beim Prüfen ausgepreßten Saftes als nur
-K K wenig oxydatisch aktiv erwiesen hatten.
E J r Offenbar ist dies darauf zurückzuführen,
daß die geprüfte Flüssigkeit bei der
K makroskopischen Untersuchung zu ver-
= dünnt war oder daß die Oxydase beim
Abb. 1. Zerquetschen der Gewebe durch andere
Polysiphonia urceolata. Tricbitens Stoffe inaktiviert wurde.
büschel der bei der Benzidinprobe
erhaltenen blau gefärbten Verbindung. Bei besonders oxydasenreichen Algen
EES gelingt die Benzidinprobe auch in der
Weise, daß man intakte Algen auf dem Benzidinpapier preßt und
eintrocknen läßt. Mit Brongniartella erhält man dann auf dem
Papier einen zierlichen Abdruck des fein verzweigten Thallus in
bläulicher Farbe; die Brongniartella selbst färbt sich kräftig dunkelblau,
beinahe schwarz. In einem Versuch mit Delesseria sanguinea wurden
die Blätter des Thallus nur teilweise blau gefärbt, das Papier aber nur
schwach gebläut.
Es wurden ferner Versuche gemacht, die Oxydasen aus dem Preß-
saft durch Verdünnung mit 97 proz. Alkohol auszufällen. Eine geeignete
Methode, diese Stoffe zu separieren, war auch das Aussalzen mit.
Oxydasen der Algen. | 443
Ammonsulfat. Die durch Alkohol oder Ammonsulfat ausgefëllten
Präzipitate — ÖOxydasen nebst begleitenden Stoffen verschiedener
Art, wie z.B. Eiweißstoffe, Farbstoffe usw. — wurden abfiltriert;
auf eine weitere Isolierung der Oxydasen wurde verzichtet, weil vor-
läufig keine geeignete Methode zur Verfügung steht, die eingemischten
Fremdkörper zu entfernen.
Die mit Ammonsulfat oder Alkohol gewonnenen Präzipitate
waren amorphe Massen von hell- oder dunkelroter Farbe. Selbst-
verständlich üben sie in wasserfreiem Zustande keine oder nur geringe
oxydatische Wirkungen beim Prüfen mit Benzidin und Guajakharz
aus. Mit Jodkaliumstärke wurde aber eine sehr kräftige Reaktion
erhalten. Folgende Arten habe ich in dieser Richtung näher untersucht:
Dilsea edulis, Delesseria sanguinea, Odonthalia dentata, Brongniartella
byssoides und Corallina officinalis. Die Präzipitate von z. B. Ceramium
rubrum und Porphyra laciniata waren, wie zu erwarten war, ohne
oxydatische Wirkungen.
In Wasser aufgeschwemmt und zum Teil gelöst, zeigten die be-
treffenden Niederschläge sehr energische Oxydasenwirkung. Dies
wurde bei Furcellaria und Delesseria sanguinea näher untersucht.
Sowohl mit Benzidin als auch mit Guajakharz erzeugten die Präzipitate
auf diese Weise prächtige Blaufärbungen. Betreffs der Jodkalium-
stärkeprobe habe ich schon oben hervorgehoben, daß sich oxydasen-
führende Präzipitate in entsprechender Weise auch hinsichtlich dieser
Reaktion verhalten.
Das beim Filtrieren gewonnene Filtrat entbehrte in sämtlichen
untersuchten Fällen oxydatischer Eigenschaften. Die Oxydasen waren
demnach aus dem Preßsaft quantitativ herausgefällt.
Wie die Enzyme überhaupt, zeichnen sich die Oxydasen be-
kanntlich durch eine ausgeprägte Hitzeempfindlichkeit aus. Auch
die Oxydasen der Algen waren sehr thermolabil. Sowohl der Preßsaft
als auch die mit Alkohol oder Ammonsulfat gewonnenen Präzipitate
wurden beim Sieden oxydatisch wirkungslos.
Um den Temperaturgrad zu bestimmen, bei welchem die Tätigkeit
der Oxydasen verloren geht, wurde Preßsaft von Delesseria sanguinea
in Probierröhrchen auf Wasserbad 5 Minuten lang auf verschiedene
Temperaturgrade erwärmt und die oxydatische Fähigkeit der Flüssigkeit
auf Benzidinpapier geprüft. Es zeigte sich, daß die Zerstörung der
Oxydasen genau bei 70° C erfolgt. Nach einer Erwärmung bis auf 69° C
war noch eine Bläuung des Benzidins zu sehen, aber bei 70° C und noch
höheren Temperaturgraden war diese Fähigkeit nicht mehr vorhanden.
Genau bei diesem Grade (70°C) fängt übrigens der rote Farbstoff der
Algen, das Phykoerythrin — in chemischer Hinsicht bekanntlich ein
444 O. Gertz:
Eiweißkörper —, an zu erstarren. Die Fluoreszenz desselben geht ver-
loren und die Farbe wird grauviolett bis gelblich graubraun.
Die Algenoxydasen behalten unter Umständen verhältnismäßig
lange Zeit ihre Aktivität. Um weiterhin diese Eigenschaft zu prüfen,
wurde frisch hergestellter Preßsaft von Delesseria sanguinea mit einigen
Tropfen Toluol versetzt und am dunklen und kühlen Orte aufbewahrt.
Nach 3 Monaten untersuchte ich mit dem Benzidinpapier die Tätigkeit
desselben und konnte dabei keine Abschwächung finden. In anderen
Versuchen wurden Thallusstückchen von Delesseria sanguinea!), Fur-
cellarsa und Brongniartella in Glycerin zerquetscht und in derselben
Weise der Preßsaft, der besonders bei Furcellaria und Brongniartella
eine tief dunkelbraune, beinahe schwarze Farbe besaß, von Zeit zu Zeit
geprüft. Auch in diesem Falle war die oxydatische Fähigkeit nach
3 Monaten kräftig und unverändert. Betreffs meiner im Jahre 1924
hergestellten, mit Alkohol oder Ammonsulfat gewonnenen oxydasen-
führenden Niederschläge habe ich schon früher erwähnt, daß sie noch
nach 8 Monaten oxydatisch wirkungsfähig waren. Sowohl bei Delesserta
sanguinea als auch bei Odonthalia dentata beobachtete ich in diesen
Versuchen Bläuung der Jodkaliumstärkegelatine. Daneben war
Reaktion, wenigstens spurweise, bei Brongniartella byssoides, Fur-
cellaria fastigiata und Corallina officinalis zu sehen.
Betreffs der Widerstandsfähigkeit der betreffenden Oxydasen
seien noch folgende Beobachtungen angeführt. Thallusstückchen ven
Delesseria sanguinea wurden 2 Tage lang mit destilliertem Wasser
behandelt; beim Prüfen der Flüssigkeit sowie auch des zerquetschten
Gewebebreis waren keine Spuren oxydatischer Wirkung mehr zu sehen.
Offenbar hatten sich die Oxydasen durch Verfaulen der Masse ver-
ändert. Fügt man aber dem frisch hergestellten Gewebebrei oder dem
Preßsaft desinfizierende Stoffe, wie z. B. Toluol zu, so behalten sie die
oxydatischen Eigenschaften lange Zeit bei. Auch bei vorsichtiger
Pressung und geeigneter Trocknung der Algen bleiben sie erhalten.
In einem anderen Versuch wurde durch Vertreibung hergestellter Gewebe-
brei von Furcellaria nach 12 Stunden mit destilliertem Wasser an-
geschüttelt. Der Preßsaft zeigte sich dann sowohl mit Benzidin als
auch mit Guajakharz wirkungslos. Mit Furcellaria wurde auch ein
Versuch gemacht, aus dem frischen Preßsaft die Oxydasen mit Ammon-
sulfat auszufällen. Wurde der Niederschlag dann mit destilliertem
Wasser versetzt und 18 Stunden lang stehengelassen, so erwies sich
dieser oxydatisch wirkungslos, offenbar infolge Fäulnis.
1) Beim Behandeln von Delesseria mit Glycerin fängt diese sofort an,
mit gelblicher Farbe zu fluoreszieren. Dies erklärt sich dadurch, daß beim
Tode der Zellen das Phykoerythrin aus den Chromatophoren austritt und
in Lösung geht.
Oxydasen der Algen. 445
Um die Diffusionsfähigkeit der Oxydasen zu prüfen, wurden
Thallusstückchen von Delesseria sanguinea und Brongniartella byssoides
mit einigen Tropfen Toluol versetzt und mit destilliertem Wasser über-
gossen. Nach 14 Tagen wurde die Flüssigkeit — von Brongniartella
ungefärbt, von Delesseria ziegelbraun — geprüft und dabei oxydasenfrei
gefunden. Die Algenstückchen wurden dann zerquetscht, und der
Preßsaft zeigte sich beim Prüfen mit Benzidin oxydatisch wirkungs-
fähig.
Andererseits liegen auch Beobachtungen vor, die auf eine leichte
Löslichkeit der Oxydase und auf eine bedeutende Diffusionsfähigkeit
derselben hindeutet. Nimmt man auf das Benzidinpapier einen Tropfen
Preßsaft von Delesseria sanguinea auf, so saugt sich dieser im Papier
ein und das Enzym dringt ganz so weit nach dem Rande aus wie die
Flüssigkeit überhaupt. Man findet in diesem Falle keine von nur
dem Lösungsmittel genäßte äußere, farblose Zone — wie bei vielen
Versuchen über Kapillaranalyse —, sondern das Benzidinpapier färbt
sich ganz so weit blau, wie das Wasser überhaupt dringt. Ein anderer
diesbezüglicher Versuch wurde auch angestellt. Läßt man Preßsaft
von Delesseria sich in einem Benzidinpapierstreifen hinaufsaugen, so
dringen die gelösten Oxydasen ganz so weit nach oben wie die Flüssigkeit,
und man bekommt eine nach oben zu immer gesteigerte Blaufärbung
des Papiers. Ein solcher Versuch wurde auch mit der Jodkaliumstärke-
probe gemacht. In einem Fließpapierstreifen ließ ich den Preßsaft von
Delesseria sich hinaufsaugen, und der Streifen wurde dann in eine Petri-
schale auf Jodkaliumstärkegelatine gelegt. Es zeigte sich, daß über
der ganzen Fläche dieser Masse, die mit der durch den aufgesaugten
Preßsaft genäßten Zone des Papiers in Berührung war, Blaufärbung
eintrat. Hinsichtlich dieses Versuchs sei nebenbei auch erwähnt, daß
die betreffende Petrischale dann auf einem dunklen, kühlen Orte
14 Tage lang stehen blieb. Das Gelatinesubstrat wurde dabei von
Schimmelpilzen verschiedener Art überwachsen, aber der Abschnitt,
der durch die Wirkung der Oxydase Jod abgespalten hatte, war völlig
steril und zeigte eine sehr scharfe Grenzlinie gegen die im übrigen ganz
verpilzte Gelatinemasse. Offenbar hat die, wenn auch sehr geringe
Menge des abgespaltenen Jods die Keimung und die Entwicklung der
Schimmelpilze verhindert. Es liegt hier ein interessanter biologischer
Nachweis des durch Jodidoxydasen abgespaltenen Jods vor.
Was noch die Permeabilität der Zellen gegen Oxydase anbetrifft,
so ist diese offenbar bei den Algen ganz verschieden. Hierdurch erklärt
sich, daß, wie schon oben erwähnt, beim Prüfen mit Benzidin eine
Färbung des Mediums in einigen Fällen eintrat, in anderen aber eine
Färbung des Zelleninhalts zustande kam.
446 O. Gertz:
Durch eine Reihe verschiedener Stoffe werden die Wirkungen
der Oxydasen aufgehoben. Als solche Oxydasengifte sind folgende
zu erwähnen: Formaldehyd, Pyridin, Sublimat, Cyankalium, Urethan,
Kupfersulfat, Uranylnitrat und Chloralhydrat. Dagegen waren z. B.
Toluol und Chloroform ohne Wirkungen. Diese Untersuchungen wurden
mit Preßsaft von Delesseria sanguinea angestellt. Bei Benutzung von
Metallsalzen treten in der Flüssigkeit flockige Niederschläge auf, und
vielleicht ist das Aufheben der Oxydasenwirkung auf eine Ausfällung
der Oxydasen zurückzuführen. In einigen Fällen werden die Eiweiß-
stoffe — unter diesen auch die Enzyme — wahrscheinlich denaturiert,
was sich auch durch eine Mißfärbung der Flüssigkeit und ein Ver-
schwinden der Fluoreszenz des Phykoerythrins kundgibt.
Während die Untersuchungen von Atkins und Davis ergeben hatten,
daß direkt nachweisbare Oxydasen unter den Rhodophyceen nur bei
zwei Arten, Furcellaria fastigiata (Atkins) und Agardhiella tenera [Davis)],
vorkommen, haben meine oben besprochenen Untersuchungen zu dem
Ergebnis geführt, daß Stoffe dieser Art bei den Rhodophyceen ver-
hältnismäßig weit verbreitet sind. Was ferner die anderen Algengruppen
betrifft, so haben meine Untersuchungen die Beobachtungen von
Atkins bestätigt, daß weder bei Phaeophyceae noch bei Chlorophyceae
Oxydasenwirkungen nachweisbar sind. In derselben Weise verhalten
sich, wie ich gefunden habe, die Characeae, wahrscheinlich auch die
Cyanophyceae?). Inwieweit dieses darauf beruht, daß bei diesen
Algen Oxydasen nicht vorhanden sind, oder daß die Wirkungen der-
selben durch andere Substanzen aufgehoben werden, das ist eine Frage,
die wenigstens hinsichtlich einiger Phaeophyceen allem Anschein nach
in der Weise zu beantworten ist, daß hindernde Substanzen tatsächlich
im Spiele sind. Einige von mir gemachte Versuche haben nämlich
ergeben, daß die Oxydasen der Rhodophyceen wirkungslos bzw. weniger
aktiv werden, wenn sie mit dem Preßsaft aus Phaeophyceen versetzt
werden. In diesen Versuchen wurde kräftig oxydasenführender Preß-
saft aus Delesseria sanguinea mit dem oxydatisch wirkungslosen Saft
aus Halidrys siliquosa versetzt. Die dadurch erhaltene Flüssigkeit —
dieselben Volumina wurden von beiden Säften benutzt — zeigte beim
Prüfen sowohl mit Benzidinpapier als auch mit Guajakharzlösung gar
keine oxydatische Wirkung. Bei einem Gemisch von Delesseria-PreBsaft
1) Davis fand direkt nachweisbare Oxydase bei Ulva, und nach Hampton
und Baas-Becking soll Ulva taeniata besonders reich an Oxydase sein.
In meinen Untersuchungen erwies sich Ulva Lactuca stets frei von Oxydase.
2) Das untersuchte Material bestand aus eineran Felsenufern wachsenden
Association mehrerer Arten, unter diesen Rivularia atra Roth. Sie waren
sämtlich — auch bei der modifizierten Benzidinprobe — oxydasenfrei.
Oxydasen der Algen. 447
mit Preßsaft aus Fucus serratus oder Laminaria saccharina, ferner auch
bei einem Gemisch von Furcellaria-Preßsaft mit Saft aus Laminaria
Coustoni war eine oxydatische, aber jedoch sehr abgeschwächte Fähig-
keit noch vorhanden. Die betreffende Fähigkeit machte sich hier
weniger geltend als in einem Kontrollversuch, wo Delesseria- bzw.
Furcellaria-Saft mit einer entsprechenden Menge destillierten Wassers
versetzt worden war. Die Stoffe, die in diesem Falle das Aufheben
bzw. die Abschwächung der Oxydasenwirkungen hervorrufen, sind
allem Anschein nach gerbstoffartiger Natur. Solche Stoffe sind ja
bei den Phaeophyceen weit verbreitet und bei der in dieser Hinsicht
am kräftigsten wirksamen Halidrys siliquosa in ganz erheblicher Menge
vorhanden.
In diesem Zusammenhang sei auch das Verhalten von Bonne-
maisonia asparagoides und Trailliella intricata näher besprochen. Betreffs
dieser Algen haben Untersuchungen von Robertson, Golenkin und Kylin
ergeben, daß sie aus Jodverbindungen der Zellen des Algenkörpers
sehr leicht freies Jod abspalten und, in Stärkelösung gelegt, diese
blau färben. Bei Bonnemaisonia kommt die Jodabspaltung spontan
beim Eintrocknen oder Absterben der Algen zustande; bei Traxlliella
tritt sie beim Zusatz verdünnter Säure ein. Es ist sehr wahrscheinlich,
daß die bei der Benzidinprobe durch diese Algen bewirkte Blaufärbung
auf eine derartige Ursache zurückzuführen sei. Man könnte sich nämlich
die Sache so vorstellen, daß das Jod mit dem Wasser zur Bildung von
Jodwasserstoff und Sauerstoff reagiert. Die Blaufärbung des Benzidins
wäre dann schlechthin nur die Folge der oxydierenden Tätigkeit dieses
Sauerstoffs in statu nascendi. Inwieweit der hier skizzierte Erklärungs-
versuch den vorliegenden Verhältnissen tatsächlich entspricht, sei aber
vorläufig eine offene Frage.
In dieser Mitteilung habe ich die untersuchten Stoffe als Oxydasen
bzw. oxydatische Enzyme bezeichnet. Dagegen habe ich absichtlich
die Bezeichnung Atmungsenzyme vermieden. Offenbar finden sich
unter den Oxydasen eine ganze Reihe von Stoffen vor, die im Chemismus
der lebenden Zelle eine verschiedene Rolle spielen und ihre Wirkungen
in ganz verschiedenen Richtungen ausüben. Ob die von mir be-
schriebenen Stoffe in der Tat Atmungsenzyme darstellen, sei noch
unentschieden. Jedenfalls sei doch erwähnt, daß ein von mir seit
2 Monaten hergestellter, oxydatisch wirksamer Preßsaft aus Delesseria
sanguinea sich in ganz analoger Weise verhält wie die von Thunberg
und den Forschern seiner Schule näher untersuchten pflanzlichen
Atmungsenzyme, Stoffe, die bekanntlich durch die Bildung von aktivem
Wasserstoff eine Entfärbung von Methylenblaulösung im Vakuum er-
zeugen. Bei einigen im hiesigen physiologischen Institut ausgeführten
448 O. Gertz: Oxydasen der Algen.
Untersuchungen zeigte es sich nämlich, daß der betreffende Preßsaft
eine verdünnte Lösung von Methylenblau in verhältnismäßig kurzer
Zeit entfärbte. Die Ergebnisse des betreffenden Versuchs gehen aus
folgender Tabelle hervor!).
Rohr Nr. Rohr Nr. | ` | 2 LS | 4
Methylenblaulösung, cem . . . . Ol IO ; Ol 01
Dikaliumphosphatlösung, cem . . — 0,1 02 , 04
Oxydasenlösung, cem . . . . . . 0,3 03 03 : 03
Aqua destillata, cem . ..... 0,6 0,5 0,4 0,2
Entfärbungszeit, Min... ... . I —- 18% 71 65?)
Der Versuch wurde in einem geeigneten Thermostaten bei 35°C
ausgeführt. Methylenblaulösung: 1: 5000; Dikaliumphosphatlösung:
0,1748 K,HPO,: 10cem H,O.
Es scheint mir aus der erwähnten Untersuchung hervorzugehen,
daß sich eine auffallende Übereinstimmung hinsichtlich der spezifischen
Wirkungen der Algenoxydasen und der Atmungsenzyme höherer
Pflanzen geltend macht, was ferner darauf hindeutet, daß die be-
treffenden Algenoxydasen in der Tat derartige, für die vitalen Oxy-
dationserscheinungen des Organismus hochwichtige Stoffe darstellen.
Literatur.
G. Ahlgren, Dissert., Lund 1925. — W. R.G. Atkins, Scien. Proc. of the
Royal Dublin Soc. 14 (N. S.), 199, 1914. — E D. Clark, Dissert., Columbia
University, New York 1910; enthält die Bibliographie der gesamten
Oxydasenfrage bis zum Jahre 1910. — A. R. Davis, Ann. of the Missouri
Botanical Garden 2, 771, 1915. — B. M. Duggar und A. R. Davis, eben-
daselbst 1, 419, 1914. — Dieselben, Science, New York 89, N. S., 260, 1914. —
O. Gertz, Botaniska Notiser, Lund 1925, S. 185. — M. Golenkin, Bull. de la
Soc. imp. des naturalistes de Moscou, Nouv. Sér., 8, 257, 1894. — H. C.
Hampton und L. G. M. Baas-Becking, Journ. of gen. physiol. 2, 635, 1920. —
H. Kylin, Arkiv f. Botanik 14, 1915. — G. B. Reed, The Botanical Gazette
59, 407, 1915. — D. Robertson, Transactions of the nat. hist. Soc. of Glasgow
4, 172, 1894. — A.Segers-Laureys, Recueil de l’Institut botan. Léo Errera,
Bruxelles 9, 81, 1913. — T. Thunberg, Arch. Intern. de Physiol. 18, 601, 1912.
1) Hinsichtlich der benutzten Methodik verweise ich auf die eingehenden
Untersuchungen von Gunnar Ahlgren.
2) Dieses Protokoll verdanke ich dem liebenswürdigen e
von Herrn Prof. Torsten Thunberg, Lund.
Über das Verteilungsverhältnis der Eiweißkörpergruppen
in tertiärsyphilitischen Seren bei positiver Komplement-
bindungsreaktion.
Von
Wilhelm Starlinger.
(Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Wien.)
(Eingegangen am 14. Januar 1926.)
I. Fragestellung.
l. Über das Verhalten der menschlichen Serumeiweißkörper-
gruppen!) bei Syphilis liegen in der Literatur nur spärliche und wenig
umfangreiche Angaben vor, die bei kritischer Betrachtung der ver-
wendeten Methodik eine weitere Verringerung erfahren; es wurde
gefunden von:
Kreibich?) bei (anscheinend wenigen Fällen von) Lues I bis II (Am, SO,-
Fraktionierung und Gewichtsanalyse) keine sichere Vermehrung der
Am,SO,-Halbsättigungsfraktion (AHF) (= ‚Globuline‘“); von Noguchi?)
regelmäßige „Globulin”-Vermehrung ; von Spiegler?) meist Verminderung,
selten Vermehrung des ‚„Globulins‘‘; von Winternütz‘) in sieben Fällen
von Lues I bis II (Methodik wie bei Kreibich) eine Vermehrung der AHF;
von R. Müller und Hough?) bei Lues II mit komplett positiver Wassermann-
reaktion (Am, SO,-Fraktionierung und eigene Zentrifugiermethode) Ver-
mehrung der AHF; von Kaemerer®) bei Verwendung gleicher Methodik ein
gleiches Resultat; schließlich von Bircher und McFarland?) in 174 Fällen
von Lues I bis III (Methode von Naegeli-Rohrer) in 90 Proz. der Fälle eine
Steigerung des „Globulins‘“‘ um über 50 Proz. des Gesamtserumeiweißes.
1) Auf das Verhalten des Plasmaeiweißes kann hier nicht eingegangen
werden.
2) Verh. deutsch. derm. Ges. 1908, S. 169.
3) Zitiert bei Klausner, diese Zeitschr. 47, 1912; nähere Angaben
über verwendete Methodik, Art und Zahl der untersuchten Fälle konnten
bisher nicht gefunden werden.
4) Arch. f. Derm. u. Syph. 98, 1908; 101, 1910.
5) Wien. klin. Wochenschr. 1911, Nr. 5.
¢) Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 8.
?) Arch. of Derm. and Syph. 5, 1922.
450 W. Starlinger:
Die letzten drei Angaben dürfen außer Betracht bleiben, da keine
zureichenden absoluten Maßmethoden in Anwendung gebracht wurden,
denn die Müller-Haugsche Methodik erlaubt nur eine Schälzung
der AHF, entsprechend der Höhe der abzentrifugierten Eiweißsäule,
die Naegeli-Rohrersche Methodik aber darf zwar als refrakto-viskosi-
metrischer Index eine gewisse Bedeutung für die Beurteilung des
physiko-chemischen Verhaltens der Serumeiweißkörper beanspruchen,
kann jedoch keine Angaben über die absoluten Verhältniswerte der
„Globuline und Albumine“ (diese als AHF und AGF = Am, BO
Ganzsättigungsfraktion definiert) vermitteln!). Die restlichen wenigen
Angaben aber stammen ausälterer Zeit, stützen sich auf wenige Befunde,
beschränken sich anscheinend auf die Frühsyphilis des ersten und
zweiten Stadiums und stehen überdies miteinander nicht im Einklang.
2. Hinsichtlich des Verhaltens der Eiweißgruppen und ihres
Einflusses im Rahmen der Komplementbindungsreaktion wird seit den
Arbeiten ven Sachs-Altmann?), Elias- Neubauer- Porges-Salomon?),
Landsteiner-Müller‘) cine Änderung (Vermehrung) der labilen Serum-
eiweißkörper (,Globuline‘‘ im weitesten Sinne) angenommen, welche
Auffassung Friedemann?) im allgemein gefaßten Begriff der ,Anti-
komplementären Globulinwirkung‘“ formulierte. Neben älteren, ein-
ander teilweise widersprechenden Angaben von G@roß-Volk®), Bauer-
Hirsch”), Schmidt?) finden sich in jüngster Zeit Beobachtungen, die,
allerdings bei verschiedener Begriffsbildung (= Trennungsgrundlage
der Serumeiweißkörper) das komplementbindende Prinzip einerseits
nur in den ‚Globulinen‘“ [Kapsenberg®?), Maoki!?)], andererseits in
„Globulinen“ und „Albuminen‘“ [Skrop!!), Olley-Schirrge!?), Felke'°)]
nachweisen konnten.
1) Auf eine Kritik der quantitativen Bestimmung der Eiweißkörper-
gruppen, sowie der Abgrenzung des ‚„Globulin- und Albumin‘-Begriffes
kann hier nicht eingegangen werden; es sei zur Kennzeichnung der eigenen
Stellungnahme auf deren Darstellung in dieser Zeitschr. 160, 1925, ver-
wiesen.
2) Berl. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 10.
3) Wien. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 11.
4) Ebendaselbst 1908, Nr. 29.
5) Zeitschr. f. Hyg. 67, 110.
6) Wien. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 18.
7) Ebendaselbst 1910, Nr. 1.
8) Zeitschr. f. Hyg. 69, 1911.
9) Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 81, 1921; 89, 1924.
10) Ref.: Ber. f. ges. Physiol. 26, 1924.
11) Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 82, 1922.
12) Ebendaselbst 85, 1923.
13) Ebendaselbst 86, 1923.
Verteilungsverhältnis von Eiweißkörpergruppen usw. 451
Quantitative Vergleichsuntersuchungen über das Verhältnis der
Eiweißkörpergruppen in Seren mit positiver Komplementbindungs-
reaktion scheinen überhaupt nicht vorzuliegen.
3. Es steht also die Entscheidung aus, ob in syphilitischen Seren
sichere Abweichungen des Verhältnisses der Eiweißkörpergruppen
bestehen bzw. ob ein Zusammenhang solcher Abweichungen mit dem
Verhalten der Komplementbindungsreaktion zur Beobachtung gelangt.
Da nun im Rahmen anderer Untersuchungen in einer Reihe von Seren,
an denen gleichzeitig die Komplementbindungsreaktion angestellt
wurde, auch die quantitative Analyse der Eiweißkörpergruppen zur
Durchführung kam, scheint die kurze Zusammenstellung der solcher-
weise erhobenen Nebenbefunde berechtigt.
Es soll jedoch besonders bemerkt sein, daß damit keine erschöpfende
Darstellung des Verhaltens der Bluteiweißkörper bei Lues versucht werden
soll, da einerseits unter bewußter Vernachlässigung der wichtigsten Eiweiß-
körpergruppe (des gerinnungsfähigen Eiweißes, des sogenannten ‚‚Fibrino-
gens‘“‘) lediglich Serum verarbeitet wurde, andererseits Serienbeobachtungen
im klinisch grnau verfolgten Krankheitsverlaufe, welche besonders erforder-
lich wären, fehlen.
IL Experimentelles Ergebnis.
1. Methodik.
Die Komplementbindungsreaktion wurde im Rahmen der Anordnung
von Kaup bei Einhaltung von Fünfteldosen und Komplementauswertung
bis zur dreifachen (1-, 1,5-, 2-, 3-) Einheit durchgeführt. Die Ablesung
wurde in der Weise vorgenommen, daß nach Bewertung jedes der vier
Extraktröhrchen (völlige Hemmung = 4 +; fast völlige Hemmung
= 3 + ;starke Hemmung = 2 + ;schwache Hemmung = +) die Resultate
in allen Röhrchen addiert wurden, so daß also bei völliger Hemmung bis
zur dreifachen Komplementeinheit das Gesamtergebnis mit 16 + ver-
zeichnet wurde. Die Hemmungen in den Kontrollröhrchen wurden in
gleicher Weise bewertet.
Die quantitative Bestimmung der Eiweißkörpergruppen kam im Rahmen
der Gewichtsanalyse nach vorausgegangener Am, SO,-Fraktionierung zur
Durchführung. (Die genaue Darstellung der Methodik findet sich 1. c.,
diese Zeitschr. 160.) Alle Bestimmungen wurden als Doppelbestimmungen
durchgeführt.
Alle verwendeten Seren waren klar, nicht hämolytisch, bei Anstellung
der Komplementbindungsreaktion etwa 24 Stunden, bei Durchführung
der Gewichtsanalyse etwa 36 Stunden alt und stammen aus einer lücken-
losen Serie (Prot. Nr. 3451 bis 4109), innerhalb welcher alle positiv reagieren-
den Seren, die den vorstehenden Anforderungen entsprachen, der Gewichts-
analyse zugeführt wurden. Ihre verhältnismäßig geringe Zahl, 22 unter
658, erklärt sich daraus, daß einerseits an der Klinik alle Patienten sero-
logisch untersucht werden, andererseits mehrere positive Seren für die
Gewichtsanalyse nicht verwendbar waren.
Fast alle Seren stammen von Lues III, nur Serum 2 und 21 von Lues II;
die untersuchten Fälle gruppierten sich klinisch folgendermaßen:
452 W. Starlinger:
Latente Lues III mit meist unbekanntem Infektionstermin: Fall 1,
3, 5, 6, 9, 13, 16, 22.
Luetische Aorteninsuffizienz mit Aortitis: Fall7, 11, 12, 14, 17, 18.
Lungenlues: Fall 10.
Luetische Hepatitis mit Ikterus: Fall 19.
Lues II mit frischem Recidivexanthem: Fall 2, 21.
Alle Fälle waren nicht oder nur ungenügend vorbehandelt; auf nähere
Angaben braucht in Anbetracht der vorliegenden Fragestellung nicht ein-
gegangen zu werden.
2. Es wurden folgende Befunde erhoben:
1 e 1,30 0,82 648 11—89 16+ 2+
2 | 3459 7,50 Uu 636 , 15—85 16+
3 | 3468 8,17 2 588 28—72 Gi
4 \ 3513 8,50 2,62 588 | 31-69 15+
5 ' 3516 6'83 1,67 5.16 16 + 4
6 3519 | 783 1.95 588 . 25—75 16+
7 ` 3548 ` 750 1.86 564 ' 25—75 16+
8 355l 9.33 2'97 636 32—68 12+ +
9 3664 5'17 2,53 264 49—51 164
10 3569 | 700 1 148 552 | 21—79 9+
Il | 3579 6.83 2.15 468 | 32—68 2+
12 ' 3601 787 |! 343 444 | 44—56 16+
13 © 3637 666 | 131 535 | 20—80 16+
14 © 3725 800 | 332 4,68 j 42—58 oi
15 3726 6'17 3.05 312 | 8-51 I16+
16 3736 867 | 339 528 ` 39—61 Gi
17 3882 920 | 290 630 | 32—68 16+
18 3886 520 ` 064 ` 456 ' 12—88 , 16+
19 3911 oa | 392 | 385 ' 50—50 | 16+ |
20 5933 850 > 346 | 504 4159 | 16+ |
21 4007 777 | 249 | 528 ' 32—68 | ar |
22 | 4104 730 | 1.06 | 7+ |
Die Betrachtung der Tabelle erlaubt folgende Feststellungen:
Der Gesamteiweißgehalt der Seren schwankte zwischen 5,17 und
9,33 g-Proz., um einen Mittelwert von 7,55 g-Proz.
Das Eiweiß der AHF schwankte zwischen 0,64 und 3,92 g-Proz.,
um einen Mittelwert von 2,29 g-Proz., bei Beziehung auf den Gesamt-
eiweißgehalt zwischen 11 und 49 Proz. um einen Mittelwert von 30 Proz.
Das Eiweiß der AGF schwankte zwischen 2,64 und 6,48 g-Proz.,
um einen Mittelwert von 5,21 g-Proz., bei Beziehung auf den Gesamt-
eiweißgehalt zwischen 51 und 89 Proz. um einen Mittelwert von 69 Proz.
Maximale Komplementbindung wurde bei hohem und niedrigem
Gesamteiweißgehalt und allen beobachteten Verteilungsverhältnissen
zwischen AHF und AGF verzeichnet.
Verteilungsverhältnis von Eiweißkörpergruppen usw. 453
3. Die kritische Bewertung dieser Befunde wird dadurch erschwert,
daß genügend umfangreiche und mit exakter Methodik!) gewonnene
Bestimmungen des Gesamteiweißes und der Am,SO,-Reaktionen des
Blutserums von Normalen bis heute in der Literatur nicht vorliegen.
Es müssen daher einstweilen der Beurteilung jene Zahlen zugrunde
gelegt werden, die im Rahmen ausgedehnter eigener Serienunter-
suchungen an kranken Menschen ‚‚beiderlei Geschlechts, die mit ver-
schiedensten (und zwar allen häufiger vorkommenenden) pathologischen
Zuständen behaftet waren‘ und bei ausschließlich gewichtsanalytischer
Bestimmung gefunden wurden.
Das Serumgesamteiweiß schwankte in 147 Fällen einer Serie zwischen
den Grenzwerten 4,0 bis 9,1 g-Proz. um einen Mittelwert von 6,50 g-Proz.;
das Eiweiß der AHF schwankte in 70 Fällen einer Serie zwischen den Grenz-
werten 1,3 bis 6,6 g-Proz. um einen Mittelwert von 2,84 g-Proz., bei Be-
ziehung auf den Gesamteiweißgehalt zwischen 17 bis 89 Proz. um einen
Mittelwert von rund 40 Proz.; das Eiweiß der AGF schwankte in den gleichen
Fällen zwischen den Grenzwerten 0,3 bis 5,9 g-Proz. um einen Mittelwert
von 3,64 g-Proz., bei Beziehung auf den Gesamteiweißgehalt zwischen
11 und 83 Proz. um einen Mittelwert von rund 60 Proz.
Die Gegenüberstellung dieser beiden Zahlenreihen läßt bei den
syphilitischen Seren eine deutliche Allgemeintendenz der AHF zur
absoluten und relativen Verringerung, der AGF zur absoluten und
relativen Vermehrung erkennen, wenn auch in Einzelfällen durchaus
mittlere Werte zur Beobachtung kommen. Über das Verhältnis zu
Normalstandardwerten kann einstweilen keine sichere Angabe gemacht
werden.
Als sichergestellt aber darf jedenfalls angenommen werden, daß
in tertiärsyphilitischen Seren häufig abnorm hohe absolute und relative
Werte der AGF beobachtet werden, während eine absolute und (oder)
‚relative Vermehrung der AHF, die von vornherein eher wahrscheinlich
war, anscheinend ausgeschlossen werden kann; im Hinblick auf das
Wesen der Komplementbindungsreaktion aber scheinen diese Befunde
dagegen zu sprechen, daß das wirksame Prinzip der Komplement-
bindung allein von dem Eiweiß der AHF dargestellt wird bzw. an
dasselbe gebunden ist.
1) Zur Gewinnung genügend gesicherter Standardwerte von Normalen
muß die Untersuchung einer größeren Reihe gesunder Männer und Frauen
unter verschiedensten physiologischen Bedingungen gefordert werden,
als methodische Grundlage darf bis auf weiteres nur die Gewichts- oder
Stickstoffanalyse (eventuell die Nephelometrie bei geeigneter Durchführung)
Verwendung finden; hinsichtlich der Begründung der letzteren Forderungen
.muß auf die früher angegebenen eigenen methodischen Arbeiten verwiesen
werden.
Biochemische Zeitschrift Band 169. 30
ar
Die trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro `).
(Zugleich ein Beitrag zur Methodik der Abgrenzung spezifisch-chemo-
therapeutischer Wirksamkeit von allgemeiner Giftwirkung.)
Von
A.E. Tsakalotos (Athen).
(Eingegangen am 14. Januar 1926.)
Morgenroth und Halberstaedter?) hatten in ihren Studien zur
Wirkung von Chinin auf Trypanosomen auch den Reagenzglasversuch
nach der von Werbitzki?) in Ehrlichs Laboratorium ausgearbeiteten
Methode herangezogen. Kombiniert mit dem Tierversuch, d.h. mit
der Verimpfung des Systems Chininlösung + trypanosomenhaltiges
Mäuseblut auf Mäuse nach verschieden langer Einwirkung, bietet
diese Versuchsanordnung die Möglichkeit, eine Reihe von Veränderungen
der Parasiten zu erkennen, die auf die Wirksamkeit des zugefügten
Agens zurückzuführen sind.
Morgenroth und Halberstaedter fanden, teilweise in Bestätigung früherer
Versuche von Anschütz*): 1. die Aufhebung der Lokomotion durch be-
stimmte Konzentrationen des Chinins, 2. morphologische Veränderungen
der Trypanosomen, 3. (diese Erscheinungen sind nur durch den nachfolgen-
den Tierversuch darzustellen) die Abtötung und 4. die Hemmung der Ver-
mehrungsfähigkeit.
Daß die Aufhebung der Beweglichkeit der Trypanosomen als Kriterium
chemotherapeutischer Wirksamkeit im Sinne direkter Abtötung nicht
beweiskräftig ist, führen bereits Morgenroth und Halbersiaedter (l. c.) aus.
Noch nicht erörtert wird an dieser Stelle die Frage, inwieweit der Versuch
an Trypanosomen in vitro überhaupt spezifische chemotherapeutische Wır-
kungen zur Anschauung zu bringen vermag. Bei der oft sehr erheblichen
Giftwirkung, die Chinaalkaloide auf freilebende Protozoen ausüben (Binz,
1) Die experimentellen Arbeiten wurden 1915 in der bakteriologischen
Abteilung des pathologischen Instituts der Charite (Abtlgs.-Vorsteher: Morgen-
roth t) ausgeführt.
2) Morgenroth und Halberstaedter, Sitzungsber. d. preuß. Akad. d.
Wissenschaften 87, 732, 1910.
3) Werbitzki, Zentralbl. f. Bakt. Orig. 58, 303, 1910.
¢) Anschütz, ebendaselbst 54, 277, 1910.
A. E. Tsakalotos: Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 455
Santesson), erschien die Untersuchung dieser Frage von erheblicher methodi-
scher Bedeutung. Ihre Bearbeitung war aber erst möglich, als die trypanozide
Wirksamkeit der Chinaalkaloide in vivo an der mit Trypanosomen infizierten
Maus Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer chemotherapeutischen
Fähigkeit geliefert hatte und es vor allem gelungen war, durch die chemische
Variation des Chinins zu — in vivo — besseren Verbindungen zu gelangen.
Solche Verbindungen stellen das Hydrochinin (Methylhydrocuprein) und
dessen höheres Homologon, das Optochin (Äthylhydrocuprein) dar [Morgen-
roth und Halberstaedter!)?)].
Vergleichende Versuche mit den eben genannten Körpern, die
noch erweitert wurden durch Heranziehung der höheren Homologen
des Hydrocupreins, der Propyl-, Butyl- und Amylverbindung, die in
der Chemotherapie bakterieller Infektionen später Bedeutung ge-
wannen, lehrten die trypanozide Wirkung dieser Agenzien kennen,
erlaubten aber auch die Lösung der Frage, inwieweit der Versuch
in vitro mit dem — entscheidenden — Versuch am experimentell
infizierten Tiere übereinstimmt und ob die Ergebnisse beider Versuchs-
anordnungen vergleichbar sind?). Schon die in solchen Versuchen
ermittelten quantitativen Beziehungen konnten einen gewissen Einblick
in das komplizierte Gefüge des Wirkungsmechanismus gewähren. Zur
Abgrenzung der spezifisch-chemotherapeutischen Wirkung von all-
gemeiner Giftwirkung reichten diese Versuche nicht aus. Wir wählten,
um diese letztere zu studieren, als Versuchsobjekt Kaulquappen, ein
Modell, das geeignet ist, Gifte in vitro auf einen größeren Organismus
einwirken zu lassen. In diesem Falle war der Einwirkungsmodus der
geprüften Agenzien den Bedingungen des trypanoziden Reagenzglas-
versuchs zumindest angenähert.
Versuchstechnik.
A. Reagenzglasversuch mit Trypanosomen.
Je 0,5 ccm abgestufter Verdünnungen des Chinins bzw. Hydrochinins
oder seiner Derivate in 0,85proz. NaCl-Lösung werden im Blockschälchen
mit 0,5 ccm sterilen Pferdeserums gemischt. Eine stark mit Trypanosomen
(Stamm: Nagana Prowazek) infizierte Maus wird entblutet, das Blut in
steriler Kochsalzlösung aufgefangen und 0,5 ccm dieser Aufschwemmung,
die reichlich Trypanosomen enthält, dem Alkaloidserumgemisch zugesetzt.
Die Kontrolle enthält nur das Kochsalzlösung-Serumgemisch.
1) Morgenroth und Halberstaedier, Sitzungsber. d: preuß. Akad. d.
Wissenschaften 2, 30, 1911.
2) Dieselben, Berl. klin. Wochenschr. 1911, Nr. 34.
3) Über diese Frage in chemotherapeutischen Versuchen an Bakterien
(Streptokokken, Staphylokokken) vgl. Morgenroth, Schnitzer und Rosen-
berg, Deutsch. med. Wochenschr. 1921, Nr. 44; Schnitzer und Rosenberg,
Deutsch.. Zeitschr. f. Chirurg. 177, 325, 1923; Deutsch. med. Wochenschr.
1924, Nr. 5; Amster und Rother, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 102,
372, 1924.
30%
456 A.E. Tsakalotos:
Zu verschiedenen Zeitpunkten, sofort (< 5 Minuten), 30 Minuten,
1, 2, 4 Stunden werden die bei 20° gehaltenen Proben mikroskopisch im
frischen Präparat untersucht und gleichzeitig 0,3 com der Gemische intra-
peritoneal auf weiße Mäuse verimpft. Diese werden in den nächsten Tagen
in üblicher Weise (Untersuchung des Schwanzblutes) kontrolliert; Mäuse,
die keine Trypanosomen zeigten, wurden meist bis zum 30. bis 60. Tage
beobachtet.
B. Versuche mit Kaulquappen.
Die Kaulquappen (von Rana temporaria, 20 bis 26 mm lang) wurden
in großen Gläsern in ungefähr 5 Liter Leitungswasser gehalten, in dem die
Alkaloide in abgestuften Konzentrationen gelöst waren. Jeder unter-
suchten Alkaloidverdünnung wurden 20 bis 25 Kaulquappen ausgesetzt.
Die gleiche Zahl Kontrolltiere wurde in reinem Leitungswasser gehalten.
Die Tiere wurden, soweit sie überlebten, mehrere Tage beobachtet (Be-
weglichkeit, Reaktion auf Berührungsreize usw.). Gelähmte Tiere wurden
aus dem alkaloidhaltigen Wasser in reines Wasser gebracht, zur Fest-
stellung der Reversibilität der Alkaloidwirkung.
1.Reagenzglasversuche mit Chinin, Hydrochinin und Optochin
an Trypanosomen.
Das von Morgenroth und Halberstaedter (l. c.) in extenso angeführte
Beispiel der Reagenzglaswirkung des Chinins auf Trypanosomen zeigte,
daß selbst schwache Konzentrationen des salzsauren Chinins (0,19: 100)
die Beweglichkeit der Trypanosomen nach sehr kurzer Zeit (< 5’) lähmen.
Nach 1 Stunde war noch die Verdünnung 0,094 : 100 wirksam. Eine Ab-
tötung der Trypanosomen wurde nur durch längere Einwirkung (1 Stunde)
und stärkere Konzentrationen (0,38 : 100) erzielt.
Dieses Ergebnis ergänzen unsere neuen Untersuchungen, von
denen hier das Beispiel eines vergleichenden Versuches mit salzsauren
Salzen von Chinin, Hydrochinin und Optochin mitgeteilt sei. (Tabelle D.
Die Übersicht zeigt zunächst, daß bei der hier gewählten Versuchs-
anordnung noch relativ sehr schwache Konzentrationen des Chinins
bei zweistündiger Einwirkung die Trypanosomen abtöten. So wurde
durch Chinin 1:2000 das Angehen der Trypanosomen im Mäuse-
organismus aufgehoben, während 1:4000 zwar die Beweglichkeit der
Parasiten aufhob, ihre Infektionstüchtigkeit aber nur unwesentlich
beeinträchtigte. Dies äußert sich in einer Mate der Inkubation
um 2 Tage gegenüber der Kontrolle.
Der Versuch mit Hydrochinin bietet eine auffallende Erscheinung
insofern, als die Wirkung des Alkaloids, sowohl was die Aufhebung der
Beweglichkeit, die morphologische Veränderung als auch die Infektions-
fähigkeit anlangt, geringer ist als diejenige des Chhinins. Die Ver-
dünnung 1:1000 tötet zwar noch in vitro binnen 2 Stunden die Try-
panosomen ab, 1:2000 hebt nur die Beweglichkeit auf, 1: 4000 läßt
gar keine Wirkung mehr erkennen.
Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 457
Tabelle I.
Vergleichender Reagenzglasversuch mit Chinin hydrochloric., Hydrochinin
hydrochloric., sie hydrochloric. an Trypanosomen (Nagana Prowazek).
Ilin der infiz. Maus
E EE " Mababtesfe-eiteg `
Konzen»
Substanz akoner
Ben Pe bzw. AË Bemerkungen
Detormierung
|
|
La Ein»
Ba
unbeweglich |
deformiert |
` o o 12. Tag trypanosomenfrei
ea re — —
deformiert — —
0 0 12. Tag + ohne Trypanosom.
1:4000 || < 5’ |lebhaft EE | — —
l Std.| unbeweglich — —
2 „ 3 6
1: 10000 || < 5’ |lebhaft "bewegl. — | —
1Std. beweglich ' — —
2 „ | 1 5
Kontrolle|| < 5’ | lebhaft "bewegl. | — —
1 Std. men — =
2 y | 5
Prao 1:1000 || < 5’ DE — —
chinin- l Std.| deformiert — —
HO 2 „ | 0 0 13. Tag trypanosorhenfrei
1:2000 || < 5’ !träge beweglich — ==
1 Std.) unbeweglich | — p
2n, "ei
1:4000 || <5’ beweglich = ==
1 Std. a | — =
2 „ = 2 6 |
1: 10000 | < 5’ 3 i — = |
l Std. S d e au) |
Se S | 2 6 d
Kontrolle, < 5’ |lebhaft er — — \
| 1 Std. 8 ne
2 m » 1 5
Opto- 1 : 1000 SE unbeweglich = Ge
chin- .; deformiert — weng
HO `, 2 „ x 0 0 | 13. Tag trypanosomenfrei
| 1:2000 || <5’ | unbeweglich | — —
l Std deformiert — —
2 „ 0 O 13. Tag trypanosomenfrei
| 1: 4000 r 5’ träge beweglich — —
l Std.! unbeweglich = — |
| 2 S | 0 © 13. Tag trypanosomenfrei
l : 10000 e. BI beweglich Ä _ =
1 Std. e , | — —
|2 „ |träge beweglich ı 2 5
Kontrolle! < 5’ beweglich — =
| l Std. d Ke N
2 ? | n | 1 5 i
458 A. E. Tsakalotos:
Dagegen zeigt das Optochin eine verstärkte Wirkung, die diejenige
des Chinins um das Zweifache, die des Hydrochinins um das Vierfache
übertrifft. Hemmung der Beweglichkeit und Aufhebung der Infektiosität
verlaufen in diesem Falle parallel.
Das Optimum der trypanoziden Wirkung, das nach Morgenroths
und Halberstaediers Tierversuchen beim Optochin liegt, kommt auch
im Reagenzglas zum Ausdruck. Der Umstand aber, daß das Hydro-
chinin, dessen höhere chemotherapeutische Wirkung im Trypanosomen-
versuch feststeht und auch bei der Therapie der menschlichen Malaria
praktisch sich auswirkte, in vitro deutlich eine minder starke Try-
panozidie entfaltet, ließ es notwendig erscheinen, schon aus methodischen
Gründen durch vielfache Wiederholung der Versuche die Ergebnisse
des eben mitgeteilten Experiments sicherzustellen.
Im folgenden sind alle Versuche mit Chinin, Hydrochinin und
Optochin in tabellarischen Übersichten zusammengefaßt.
Tabelle II.
Wirkung von Chinin-HCl auf Trypanosomen in vitro.
Ze El a a ao
Versuch , Einwirkun
P f Se E | aaa
28 < 5 Min. l]: 200
2b 1 Std. 1: 1000 | SC
1 2 „ >l: 1000 || Angehen der Infektion 4 Tage verzögert
ou 2” S1: 1000 ne, o
8 | 2 ” Sı: 1000 ii 2 O Do loal ı
6 | 2 „ 1: 1000 | =
3 Ä 2 „ 1: 2000 ze
5 2 „ 1: 4000
ı | a, 1: 1000 SS
8 | £, 1: 2000 =
Bi 4 1: 10000 SS
Es ist ohne weiteres zu ersehen, daß die trypanozide Reagenzglas-
wirkung des Chinins — was auch der nicht sehr erheblichen Schutzwirkung
an der mit Trypanosomen infizierten Maus entspricht — nicht sehr hoch
und auch nicht ganz regelmäßig ist. Nach sehr kurzer Einwirkung wirkt
nur die Verdünnung 1 : 200, nach 2 Stunden ist 1: 1000 nicht in allen Fällen
wirksam. Obgleich (Versuch 2) schon nach einer Stunde einmal mit dieser
Konzentration eine Abtötung erzielt wird, so ist doch in drei Versuchen
(1, 7, 8) nach 2 Stunden nur die Verlängerung der Inkubation, d. h. eine
gewisse Proliferationshemmung zu verzeichnen. In den anderen Versuchen
mit gleicher Einwirkungsdauer reichen Konzentrationen von 1: 1000,
l : 2000, 1: 4000 zur Abtötung aus. Bei Verlängerung der Einwirkungszeit
auf 4 Stunden erhält man die gleichen Werte; nur in einem Falle werden
durch die Konzentration 1: 10000 die Trypanosomen abgetötet.
Die Versuche mit Hydrochinin, die in Tabelle III aufgezeichnet
sind, zeigen ein ähnliches Bild.
Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 459
Tabelle III.
Wirkung von Hydrochinin-HCl auf Trypanosomen in vitro.
l e Abtötende
Versuch Einwirkungs» Konzentration Bemerkungen
Nr. | | dauer (Mäuseversuch) | :
9a i < 5 Min. 1 : 200
1 Std. 1: 400 |
l
10
| Angehen der Infektion um 4 Tage verzögert
jg
— COR Q0 Ot OO m Œ I sl rei
23 "2 2 a 2 3 3 3
|
A Wb a OD
bel pd bel ` bei bei bel pd pd p pa
=
333
: 1000
Einer geringen Wirksamkeit bei kurzfristiger Einwirkung (Versuch 9)
entspricht ein allgemein gegenüber dem Chinin erniedrigtes Niveau auch bei
länger dauernder Behandlung der Trypanosomen mit Hydrochinin. In
vier Versuchen ist die Konzentration 1: 1000 nicht mehr wirksam (Ver-
such 10, 1, 7, 3) und führt nur zu der Verlängerung der Inkubation um
4 Tage. In den übrigen Fällen zweistündiger Einwirkung ist 1: 1000 die
gerade noch trypanozide Grenzverdünnung, bei längerer Einwirkung
(4 Stunden) tritt, aber auch nicht in allen Fällen, eine Verbesserung der
Wirkung ein, die sich in einem Anstieg auf die abtötende Konzentration
1: 2000 darstellt.
Das Verhalten des Chinins und Hydrochinins gegenüber Try-
panosomen in vitro läßt sich nach den bisherigen Versuchen dahin
charakterisieren, daß es sich um relativ schwach trypanozide Ver-
bindungen handelt, deren .nur unvollkommene Wirksamkeit sich auch in
Schwankungen der wirksamen Konzentrationen äußert. Demgegenüber
ist das Optochin in seiner Wirkung recht konstant.
l
Tabelle IV.
Wirkung von Optochin-HCl auf Trypanosomen in vitro.
SN Abtötende ER Abtötende
Versuch || E k f Einwirk e h
N Je een) | P "Ae | ES,
12a < 5 Min. 1: 4000
12b | 1 Std. 1: 10000
14 | 2. o 1: 10000
3 | 2
Wie die Übersicht (Tabelle IV) zeigt, tötet Optochin in vitro bereite
nach < 5 Minuten die Trypanosomen in der Konzentration 1: 1000 ab,
ein Wert, der fünfmal besser ist als der des Chinins und Hydrochinins. Bei
460 A. E. Tsakalotos:
zweistündiger Einwirkung sind die Verdünnungen 1:2000 (Versuch 14),
1:4000 (Versuch 3 und 6) und 1:10000 trypanozid; ob nach 4 Stunden
noch schwächere Konzentrationen als 1:10000 wirksam sein können,
wurde nicht ermittelt.
Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß Optochin nicht nur
regelmäßiger, sondern auch in stärkerer Verdünnung Trypanosomen
in vitro abtötet, ein Ergebnis, das mit dem Tierversuch in vollem
Einklang steht. Daraus kann aber nicht ohne weiteres auf eine regel-
mäßige Parallelität beider Versuchsanordnungen oder gar auf einen
gleichen Wirkungsmechanismus der Agenzien in vitro und in vivo
geschlossen werden. Vor allem steht einem solchen Schluß das Ver-
halten des Hydrochinins entgegen, dessen Wirksamkeitsniveau in vitro
deutlich niedriger als das des C'hinins ist, während es in vivo höher liegt.
Wahrscheinlich bestehen hier ähnliche Verhältnisse, wie sie später
Schnitzer und Rosenberg (l. c.) bei der spezifischen Wirkung der Akridin-
derivate auf hämolytische Streptokokken gezeigt haben. Stärkere
Divergenzen zwischen der Wirkung in vitro und in vivo kommen vor
allem bei nicht optimalen Verbindungen zum Ausdruck, während die
hochwertigen Agenzien eine weitgehende Übereinstimmung der Wirkung
im Reagenzglas- und Tierversuch aufweisen. Speziell beim Hydro-
chinin und seinen Beziehungen zur Wirkung des Chinins ist die Divergenz
vielleicht darin begründet, daß bei beiden Alkaloiden die spezifisch-
chemotherapeutische Wirkung in vitro von einer unspezifischen all-
gemeinen Giftwirkung überlagert wird, die beim Chinin in vitro als
Verbesserung der Wirkung hervortritt, in vivo dagegen in einer Wirkungs-
beeinträchtigung zum Ausdruck kommt. Beim Optochin überwiegt
die starke spezifische trypanozide Fähigkeit auch in vitro die Proto-
plasmagiftigkeit. Auf diese Fragen wird später noch in Vergleich mit
den Toxizitätsversuchen an Kaulquappen näher einzugehen sein. Ihre
vorläufige Erörterung erscheint zum Verständnis der im folgenden zu
schildernden Versuche mit weiteren Chininalkaloiden notwendig.
2. Reagenzglasversuche mit Isopropyl-, Isobutyl- und
Isoamylhydrocuprein an Trypanosomen.
Morgenroth!) hat in den tierexperimentellen Studien an der trypano-
someninfizierten Maus die optimale Stellung des Optochins innerhalb der
homologen Reihe des Hydrocupreins aufgefunden. Der Äthylrest deg
Chinolinkerns ist eines der wichtigsten konstitutiven Merkmale dieser
Wirkung. Der Tierversuch lehrt, daß schon bei der Propylverbindung des
Hydrocupreins diese Wirkung nur angedeutet ist, die der Butyl- und Amyl-
verbindung bereits vollkommen fehlt.
Der Reagenzglasversuch bietet entsprechende Ergebnisse, die in
der Tabelle V zusammengefaßt sind.
1) Morgenroth, Berl. klin. Wochenschr. 1917, Nr. 3.
Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 461
Tabelle V.
Wirkung der salzsauren Salze des i-Propylhydrocupreins, i-Butylhydro-
cupreins und i-Amylhydrocupreins auf Trypanosomen in vitro.
l
Abtötende
Sale Konzentration Bemerkungen
° ES (Mäuseversuch)
i : 1000
i | 1:2000 verzögert die Ins
SS fektion um 23 Tr
1 Std. 1: 2000
2, 1 : 2000
2. 1: 1000
2 „ 1:1000 |;
17 | i-Butylhydro- 2 Std. | 1:1000 |
13 cuprein 2 „ 1:2000 |
15 ı-Amylhydro- 2 Std. 1: 1000
17 |l cuprein | 2 „ 1: 1000
Die Übersicht läßt erkennen, daß das i-Propylhydrocuprein eine recht
regelmäßige Wirkung auf Trypanosomen in vitro entfaltet. Die Abtötung
geht relativ schnell vor sich, 1: 1000 wirkt bereits in < 5 Minuten, aber
auch nach ein- und zweistündiger Einwirkung werden nicht wesentlich
höhere Werte erreicht. In zwei Versuchen erwies sich 1: 2000 als wirksam.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen führten die Versuche mit dem i-Butyl-
hydrocuprein, während beim i-Amylhydrocuprein bei zweistündiger Ein-
wirkung nur die Konzentration 1: 1000 wirksam war.
Von einem Ansteigen der chemotherapeutischen Wirksamkeit
innerhalb der homologen Reihe mit scharf ausgeprägten Optima, wie
wir sie aus den Versuchen mit Bakterien kennen, ist hier nicht die
Rede. Die einzige Elevation der Wirkung ist beim Optochin vorhanden.
Überblicken wir kurz die Ergebnisse der bisherigen Versuche, indem
wir vor allem die Mittelwerte betrachten, die bei zweistündiger Ein-
wirkung der Agenzien als abtötende Konzentrationen ermittelt wurden,
so erhält man folgende Reihe: Chinin 1:1500, Hydrochinin 1: 800,
Optochin 1: 5000, i-Propylhydrocuprein 1: 1400, i-Butylhydrocuprein
1: 1500, i-Amylhydrocuprein 1: 1000.
Ganz besondere Verhältnisse zeigte die Untersuchung der durch
intramolekulare Umlagerung gebildeten Toxine der Chinaalkaloide,
von denen das Chinotoxin und das Hydrochinotoxin näher untersucht
wurden.
3. Reagenzglasversuche mit Chinotoxin und Hydrochinotoxin
an Trypanosomen.
Daß im Gegensatz zu dem Verhalten bei bakteriellen Krankheits-
erregen, z.B. Pneumokokken, die trypanozide Wirkung der China-
toxine erhalten bleiben kann, darf als bekannt vorausgesetzt werden.
462 A.E. Tsakalotos:
Es genügt der Hinweis auf die unter Morgenroths Leitung angestellten
Versuche von J.Cohn!), die nachgewiesen hat, daß dem Hydrochinicin,
d. h. dem Toxin des Hydrochinins, eine gegenüber dem Stammalkaloid
verstärkte Trypanozidie in vivo zukommt. Dies zeigte sich nicht nur in
Versuchen, in denen Hydrochinin und Hydrochinotoxin in unwirksamer
Dosis kombiniert wurden, sondern auch darin, daß man mit der Hälfte der
Dosis, die beim Hydrochinin bereits unsicher wirkt, noch die Trypanosomen
zum Verschwinden bringen kann.
Die Reagenzglasversuche mit dem Toxin, die in Tabelle VI dar-
gestellt sind, scheinen auf den ersten Blick dieses tierexperimentelle
Ergebnis zu bestätigen.
Tabelle VI.
Wirkung der salzsauren Salze des Chinotoxins und Hydrochinotoxins
auf Trypanosomen in vitro.
| DE i Abtötende =
Yeah Sübstunz le a Konzentration Bemerkungen
r. | ner (Mäuseversuch)
en he Te ner Tr re ra
18 | Chinotoxin HO | 2 Std. ee
(1: Aal Tage
8 | 2 - >l: 1000 Inkubation um 10 Tage ver
(1: 2000) Bee am um 6 Tage ver
7 | 2 | längert
n 1: 4000 |
8 4 „ 1: 2000
10 " Hydrochinotoxin 2 „ 1: 10000 |
l HCl De = 1: 10000 |
1 4 1: 10000 |
p
Man sieht, daß das Chinotoxin eine recht unregelmäßige, gelegent-
lich schlechte (Versuche 18 und 8), ein andermal wieder eine gute
Wirkung haben kann (Versuch 7). In denjenigen Fällen, in denen die
Konzentration 1: 1000 versagte, wurde zum mindesten durch diese
Verdünnung sowie die schwächere (1:2000, 1:4000) die Inkubation
auf 6 bis 10 Tage verlängert. Das Bild der Wirksamkeit entspricht
annähernd dem des Chinins. Beim Hydrochinotoxin werden ganz erirem
hohe Werte erreicht, die selbst beim Optochin nur selten verzeichnet
wurden. Die abtötende Konzentration des Hydrochinotoxins bei
zweistündiger Einwirkung ist regelmäßig = 1: 10000. Dies bedeutet
einen, im Vergleich zu dem Ergebnis des Tierversuchs, überraschenden
Effekt. Es erscheint nicht angängig, hier auf eine Parallelität der
Vorgänge in vivo und in vitro zu schließen, da die quantitativen
Unterschiede zwischen der Wirkung des Hydrochinins und seines Toxins
in vivo ganz andere und viel geringfügigere sind als der gewaltige
1) J.Cohn, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 18, 570, 1913.
Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 463
Sprung, der in der Reagenzglaswirkung beim Übergang vom Hydro-
chinin zum Hydrochinicin zu verzeichnen ist. Denn in vivo ist, soweit
sich die Versuchsergebnisse bei diesen relativ schwach wirksamen
Mitteln überhaupt quantitativ vergleichen lassen, das Hydrochinotoxin
zweimal besser als das Stammalkaloid. Der Reagenzglasversuch läßt
aber eine Wirkungsverbesserung um mehr als das Zehnfache erkennen.
Zur Analyse solcher Erscheinungen, auf die schon bei dem vorher-
gehenden Versuch hingewiesen wurde, dienen die im folgenden zu
schildernden Toxizitätsversuche, die wir an Kaulquappen angestellt
haben.
Toxizitätsversuche an Kaulquappen.
Verbringt man, wie es oben näher geschildert ist, Kaulquappen von
Rana temporaria inWasser mit entsprechenden Zusätzen vonChinaalkaloiden,
so zeigen sich sehr schnell schon, abhängig von der vorhandenen Konzen-
tration des Giftes, Veränderungen vor allem in der Verteilung der Tiere
in den Trögen und der Beweglichkeit. Starke Konzentrationen des Chinins
sowohl wie der übrigen geprüften Alkaloide führen binnen weniger Minuten
eine Lähmung der Tiere herbei, die bewegungslos zu Boden sinken. Dort
können sie eine Zeitlang noch auf Berührungsreize mit reaktiven Bewe-
gungen ansprechen, nach kurzer Zeit aber antworten sie nicht mehr und
sind beim Verbringen in alkaloidfreies Wasser nicht wieder zum Leben zu
erwecken. Bei schwächeren Konzentrationen der Alkaloide, die nicht in
den ersten Minuten tödlich wirken, ist der ganze Prozeß des Absterbens
über einen längeren Zeitraum hinausgeschoben. Ein Teil der Tiere, die
augenscheinlich keine ganz einheitliche Empfindlichkeit gegenüber den
Giften besitzen, sinken gleichfalls zu Boden, reagieren aber eine Zeitlang
noch auf Berührungsreize. Andere Individuen wieder halten sich vornehm-
lich an der Oberfläche auf und zeigen spontan wie auf Berührungsreize sehr
lebhafte, oft krampfhafte Bewegungen. Nach Ablauf verschieden langer,
von der angewandten Konzentration abhängiger Zeit, erliegen schließlich
alle Versuchstiere der Einwirkung der Alkaloide, jedoch so, daß immer
ein mehr oder minder hoher Prozentsatz von Tieren sehr spät stirbt. Gelangt
man zu den schwachen Grenzkonzentrationen, so überleben die meisten
der Versuchstiere, und es lassen sich auch Konzentrationen finden, in denen
man, wie in den Kontrollen beliebig lange die Kaulquappen am Leben
halten kann.
Die Tabelle VII zeigt die Wirkung von Chinin, Hydrochinin und Optochin
hydrochloric. in mittlerer bis schwacher Konzentration auf die Kaulquappen
in einem gleichzeitigen Versuch.
Tabelle VII zeigt, daß innerhalb der ersten 7 Stunden die Giftigkeit
von Chinin, Hydrochinin und Optochin für Kaulquappen ungefähr die
gleiche ist. Eine gewisse Erhöhung der Giftigkeit scheint beim Optochin
vorzuliegen, da hier die Konzentration 1:10000 binnen 48 Stunden
alle Tiere getötet hat und 1: 20000 beim Hydrochinin sowohl wie beim
Optochin schließlich auch binnen 16 bis 10 Tagen tötete. Wie dieser
Spättod der Tiere toxikologisch zu beurteilen ist, ist nicht klar zu
entscheiden.
A.E. Tsakalotos:
‘sevju uw |
s10u Bet oi punuou punou ppunou jpousou punou pusou [punou jsunou =- uajjonuoy
Bu] o Lag || pDuauat ag Iëm4on [punou punou jeunou [sunou jeunou punou 00002 : I
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TIA PWL
Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 465
Nicht immer fallen die Versuche durchaus gleichmäßig aus.
Individuelle Unterschiede der Tiere sind wohl in starkem Maße vor-
handen, insbesondere kann, wenn man den Tod aller Versuchstiere als
Toxizitätsgrenze wählt, das Ergebnis bei Wiederholung der Versuche
oft in weiteren Grenzen schwanken. In den folgenden Tabellen VIII,
IX und X sind die Ergebnisse aller Toxizitätsversuche mit den China-
alkaloiden zusammengefaßt, und zwar ist hier der Tod aller Tiere
der Beurteilung zugrunde gelegt. Dies erforderte, daß man die
in den ersten Kolumnen aufgeführten Zeitabschnitte etwas groß
wählen mußte.
Tabelle VIII.
Wirkung der salzsauren Salze des Chinins, Hydrochinins und Optochins
auf Kaulquappen.
Toxische Konzentration von
Hydrochinin-H C1
Einwirkungszeit
Chinin-H CI Optochin-H CI
-_ — — —
10—30 Min. | =
30 Min. —3 Stdn. | l: 1000
3— 7 Stdn. | | 1: 2000
1—24 , 4000 | 1: 4000 1 : 4000—10 000
bis zum 5. Tag : 10000 | —_ 1: 20000
Se. ër Za : 10000 | — 1: 20000
ae goda y — l : 10000 1 : 20000
ee, ` oe lB: 3 | —_ 1: 10000 —
Dosis tolerata | 1 : 20000 1 : 20000 1 : 20000
Tabelle IX.
Wirkung der salzsauren Salze des i-Propyl-, i-Butyl-, und i-Amylhydro-
cupreins auf Kaulquappen.
Toxische Konzentrationen von
1: 1000
1 : 200010000
1: 20000
1: 40000
1: 100000
die meisten Tiere überlebten
1 : 200000
alle Tiere überlebten
Die Übersicht zeigt, daß innerhalb der ersten 7 Stunden kein
deutlicher Unterschied in der Giftigkeit des Chinins, Hydrochirins und
Optochins zu bemerken ist. Nach 24 Stunden wirkt, wie der oben
466 A. E. Tsakalotos:
mitgeteilte Versuch auch zeigt (Tabelle VII), noch die Konzentration
1 : 10000 vom Optochin und 1 : 20000 führt noch zum Spättod binnen
12 Tagen. Die Dosis tolerata ist für das Chinin 1 : 20000, Hydrochinin
1 : 20000, beim Optochin < 1 : 20000.
Die Untersuchung der i-Propyl, i-Butyl- und i-Amylverbindung
des Hydrocupreins (Tabelle IX) zeigt ein deutliches Ansteigen der
toxischen Wirkung in der homologen Reihe. Während die Propylver-
bindung in 3 Stunden bereits in der Konzentration 1:4000 und in
24 Stunden in der Konzentration 1 : 20000 toxisch wirkt, ist die Butyl.
verbindung in der Verdünnung 1 : 20000 bereits nach 3 Stunden toxisch.
i-Amylhydrocuprein tötet innerhalb 2 Stunden schon in der Kon-
zentration 1: 10000, in 24 Stunden wirkt 1:20000; 1:40000 tötet
innerhalb 5 Tagen. Die Dosis tolerata für diese letzte Verbindung —
bei der Propyl- und Butylverbindung konnte diese aus äußeren Gründen
nicht mehr ermittelt werden — beträgt 1: 100000 bis 1: 200000. Eine
noch höhere Toxizität besitzen die Toxine der Chinaalkaloide, die in
diesem Falle ihren Namen wirklich verdienen, während ihre Giftigkeit
für Warmblüter diejenige der Stammalkaloide nicht wesentlich über-
trifft (Morgenroth, l. ei,
Tabelle X.
Wirkung der salzsauren Salze des Chinotoxins, Hydrochinotoxins und
i-Amylhydrocupreinotoxins auf Kaulquappen.
—
Toxische Konzentration von
Einwirkungszeit
Hydrochinotoxia HCI ` SE
10—30 Min. 1 : 1000—2000 1 : 1000 | 1 : 1000—20 000
—60 , = 1 : 2000-4000 (meist D —
—24 Std. || 1:10000—20000 |1: 10000-200000 | 1: 100. 000-200 000
1: 100 000 (meist t)
—3. Tag 1:100000 |1:200.000 (meist H =
Dosis tolerata | < 1 : 100 000 < 1: 200 000 1 : 400 000—1 : 1000000
(Grenze nicht erreicht) | (Grenze nicht erreicht) |
Chinotoxin H CI
Aus Tabelle X ergibt sich, daß das Chinotoxin ebenso wie das
Hydrochinotoxin und in ganz besonderem Maße das i-Amylhydro-
cupreinotoxin von außerordentlich hoher Giftigkeit für Kaulquappen
sind. Mit 1: 100000 und 1: 200000 wurde beim Chinotoxin und Hydro-
chinotoxin die Dosis tolerata noch nicht erreicht. Das Toxin des i-Amyl-
hydrocupreins tötet in dieser Konzentration sogar binnen 24 Stunden,
und erst Verdünnungen von 1:400000 bis 1: 1000000 werden ver-
tragen.
Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 467
Es wurde eingangs erörtert, daß die spezifisch-chemotherapeutische
Wirkung der Chinaalkaloide gegenüber Trypanosomen in vitro deshalb
schwierig zu beurteilen sei, weil eine Überlagerung dieser Wirksamkeit
durch die allgemeine Giftigkeit die Beurteilung erschweren oder un-
möglich machen kann. Diese Verhältnisse werden deutlich bei einer
Gegenüberstellung der abtötenden Konzentrationen der geprüften
Alkaloide für Trypanosomen einerseits, Kaulquappen andererseits.
In Tabelle XIa sind die in unseren Versuchen ermittelten Werte ein-
ander gegenübergestellt, und zwar haben wir für Trypanosomen die Ein-
wirkungszeit von 2 und 4 Stunden, für Kaulquappen diejenige von 24 Stun-
den gewählt, weil für diese Zeitabschnitte das meiste Beobachtungsmaterial
vorlag.
Tabelle XIa.
Vergleichende Übersicht der abtötenden Konzentrationen der Chinaalkaloide
auf Trypanosomen in vitro und der toxischen Konzentration für Kaulquappen
(Mittelwerte).
Abtötende Kon,
zenıration für
Abtötende Konzentration für
Substanz Kaulquappen Quotient
E 24 Stunden
Chinin HCI. .... 1 : 4000
Hydrochinin HCl. . 1 : 4000 ls
Optochin HCI ... 1: 4000— 10000 "a
i-Propylhydrocuprein
HCl e Ser E (e 1 k 20 000 < Ya
i-Butylhydrocuprein
EEE: <1: 2000 | <s
i-Amylhydrocuprein
GG EE, S 1: 20000 1/30
Chinotoxin .. ... < Ta
Hydrochinotoxin HCl < tio
Die Übersicht zeigt ganz deutlich innerhalb der homologen Reihe
des Hydrochinins die singuläre Elevation des Optochins zu starker try-
panozider Wirkung. Das Anwachsen der Giftigkeit ist bei den ersten
drei Verbindungen noch geringfügig und erst bei der Propylverbindung
werden deutlich höhere Werte (1:20000) erreicht, während die try-
panozide Wirksamkeit wie beim Chinin innerhalb der Konzentration
1 : 1000 bis 1 : 2000 liegt. Von den beiden geprüften Toxinen zeigt das
Chinotoxin gegenüber Trypanosomen ein ungefähr dem Chinin ent-
sprechendes Verhalten, während seine Giftigkeit für Kaulquappen
wesentlich größer ist. Das Hydrochinotoxin, dessen auffallend hohe
Trypanozidie im ersten Abschnitt bereits erwähnt war, besitzt auch
eine wesentlich höhere allgemeine Giftigkeit. Dasselbe Bild gibt die
Gegenüberstellung der Dosis tolerata der einzelnen Verbindungen für
468 A. E. Teakalotos:
Trypanosomen und Kaulquappen, d.h. diejenigen Konzentrationen,
in denen sich Trypanosomen bzw. Kaulquappen wie die Kontrollen
verhalten. (Tabelle XIb).
Tabelle XIb.
Dosis tolersta
für Kaulquappen
nach 5—10 Tagen
| Dosis tolerata für Trypanosomen
nach 4 Stunden
Substanz Quotient
| nach 2 Stunden
Chinin HCL. .. .. | 1: 3000| 1:8000 : 20 000 Y,
Hydrochinin HCI. . 1: 1800| 1:3000 |1: 10000-20000 etwa He
tochin HQ ...| 1:10000| — 1 : 20 000 1,
i Propylhydrocuprein |
HC ...... UL: 3000 Zu ` < 1:20000 <th
-Butylhydrocupreir |
KE | 1: 3000 = l < 1:20000 ve H
EE |
eek 1: 2000 = '1:100000-200000 bi
Chinotoxin HCl 1: 4000 — < 1: 100 000 | 14
Hydrochinotoxin HCI || <1:1000 | — 1:200000 ` etwa Tu
Betrachten wir die Ergebnisse, die in dieser Zusammenfassung
vorliegen, so zeigt sich für die Mehrzahl der Verbindungen eine deutliche
Unabhängigkeit von trypanozider Wirkung und allgemeiner Gift-
wirkung. Diese äußert sich sowohl darin, daß Verbindungen von
größerer Giftigkeit wie die höheren Homologen des Hydrochinins von
der Propylverbindung aufwärts eine nur schwache Trypanozidie
besitzen, andererseits darin, daß die allgemeine Giftigkeit einer Ver-
bindung wie des gut trypanoziden Optochins nicht wesentlich stärker
ist als die des minder wirksamen Chinins und Hydrochinins. Es erhebt
sich nun die Frage, ob der großen Zahl der in vitro schwach wirksamen
Alkaloide in diesem Falle überhaupt eine spezifische Wirkung eigen
ist. Diese Frage ist unbedingt für alle diejenigen Substanzen zu be-
jahen, bei denen die trypanozide Wirkung im Verhältnis zur allgemeinen
Giftwirkung relativ hoch ist. Dies äußert sich in dem Quotienten:
toxische Konzentration für Kaulquappen
toxische Konzentration für Trypanosomen
auch in vivo wirksamen Alkaloide Chinin, Hydrochinin und Optochin
die Quotienten !/, (bezogen auf Dosis tolerata 1/3), 1/5; Gel, % (éi
während die schlecht trypanoziden, aber giftigeren Verbindungen wie
die höheren Homologen des Hydrochinins sowie die Toxine Werte
haben, die zwischen < Zu bis 1/2 Deel liegen. Der Vergleich mit den
Erfahrungen im Trypanosomenversuch an der Maus lehrt, daß die Ve-
bindungen mit dem kleinen Quotienten, der unter !/ „liegt, keine merklich
Trypanozidie in: vivo besitzen. Man muß bei diesen Verbindungen,
denen man natürlich ein geringes Maß spezifischer Wirkung nicht
Hier erhält man für die
Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro. 469
unbedingt absprechen kann, daran denken, daß, wie es schon oben
für das Chinin angeführt wurde, eine Überlagerung dieser Wirkung
durch die relativ viel höhere unspezifische Giftwirkung stattfindet.
Besonders deutlich wird dies bei dem Hydrochinotoxin, dem, wie
schon erwähnt, eine gewisse Trypanozidie in vivo zukommt, dessen
Reagenzglaswirkung auf Trypanosomen aber zum weitaus größten
Teile der allgemeinen Giftigkeit zugeschrieben werden muß.
Die Ergebnisse der Versuche lassen sich dahin zusammenfassen,
daß die Wirkung der Chinaalkaloide auf Trypanosomen im Reagenzglas
ein Optimum beim Optochin erreicht. Hier überwiegt die chemothera-
peutische parasitozide Wirkung erheblich die allgemeine unspezifische
Giftwirkung, welche beim Chinin, beim Hydrochinin, den höheren
Homologen des Optochins und ganz besonders den Toxinen der Stamm-
alkaloide die chemotherapeutische Wirkung in vitro mehr oder weniger
stark überlagert.
In methodischer Hinsicht zeigen die Versuche, daß es in einem
gewissen Grade möglich ist, ein Bild von den therapeutischen Eigen-
schaften neuer Verbindungen auch durch Versuche in vitro zu gewinnen.
Die Deutung der mit dieser einfacheren Technik gewonnenen Ergebnisse
ist aber nicht minder schwierig, oft sogar komplizierter als die Be-
urteilung der Versuche in vivo.
Zusammenfassung.
1. Reagenzglasversuche an Trypanosomen mit den salzsauren
Salzen des Chinins, Hydrochinins, Optochins und dessen höheren
Homologen (Propyl-, Butyl-, Amylverbindungen) zeigen ein Optimum
der Wirkung beim Optochin. Von den gleichfalls geprüften Toxinen
des Chinins und Hydrochinins zeigt das letztere eine überraschend
hohe, das Optochin noch übertreffende Wirksamkeit auf Trypanosomen,
2. Der Vergleich der in vitro gewonnenen Werte mit der Wirksam-
keit derselben Substanzen an der trypanosomenkranken Maus ergibt,
daß zwar bei einigen Verbindungen (Chinin, Optochin) ein Parallelismus
zwischen Wirkung in vitro und Wirkung in vivo vorhanden ist; andere
Verbindungen sind in vivo besser als in vitro (Hydrochinin) oder in
vitro ganz erheblich stärker wirksam als in vivo (Hydrochinotoxin).
3. Toxizitätsversuche an Kaulquappen lehren, daß keine absolute
Parallelität zwischen chemotherapeutischer Wirkung in vitro und
allgemeiner Giftwirkung besteht. So ist das auf Trypanosomen in vitro
gut wirksame Optochin nicht wesentlich giftiger als das schwach wirk-
same Chinin und Hydrochinin, während z.B. das auf Trypanosomen
ganz schwach wirkende i-Amylhydrocuprein von hoher Giftigkeit ist.
Die auffallende Reagenzglaswirkung des Hydrochinotoxins auf Try-
Biochemische Zeitschrift Band 169. 31
470 A. E. Tsakalotos: Trypanozide Wirkung der Chinaalkaloide in vitro.
panosomen findet ihre Erklärung in der hohen allgemeinen Giftigkeit
dieser Verbindung auf Kaulquappen. Die toxische Komponente über-
lagert hier fast vollkommen die nur schwache spezifische Wirksamkeit.
4. Die Methode des Reagenzglasversuchs an Trypanosomen bietet
der Beurteilung chemotherapeutischer Wirkung gewisse Schwierig-
keiten und erlaubt keineswegs ohne weiteres Rückschlüsse auf die
Wirksamkeit der Verbindungen in vivo. Nur der Vergleich mit dem
Tierversuch und, wie die hier mitgeteilten Untersuchungen zeigen,
quantitative Untersuchungen der allgemeinen Toxizität vermitteln
Vorstellungen über Vorhandensein und Ausmaß spezifischer, chemo-
therapeutischer Potenzen.
Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung
von Zucker durch Hefe.
Von
L. Elion (Utrecht).
(Aus dem Kaiser Wilhelm -Institut für Biochemie in Berlin-Dahlem.)
(Eingegangen am 17. Januar 1926.)
Im Jahre 1923 haben C. Neuberg und E. Reinfurth!) gefunden, daß
man die Produktion von Aceoin (Acetyl-methyl-carbinol) im Verlauf
der gewöhnlichen alkoholischen Zuckerspaltung erzwingen kann. Der
genannte Keton-alkohol der 4-Kohlenstoffreihe war als ein Stoff-
wechselprodukt von Bakterien bekannt, jedoch bis dahin nie als ein
Erzeugnis der Hefegärung beobachtet. Die erwähnten beiden Autoren
haben nun gezeigt, daß man auf dem zur carboligatischen Synthese
von Phenyl-acetyl-carbinol beschrittenen Wege?) die Produktion des
Methyl-acetyl-carbinols herbeiführen kann. Im ersten Falle zieht
zugefügter Benzaldehyd den im Gärungsverlauf intermediär ent-
stehenden Acetaldehyd an sich; im zweiten Falle wirkt hinzugegebener
Acetaldehyd genau ebenso. Wenn es bei der normalen alkoholischen
Gärung nicht zu einer Bildung von Acetoin kommt, so liegt dies daran,
daß die Korrelation der Oxydo-reduktionen beim desmolytischen
Zuckerabbau eine vollkommene ist, d.h. das Dehydrierungsprodukt
Acetaldehyd findet für gewöhnlich die äquivalente Menge labilen
Wasserstoffes vor, um komplette Reduktion zum Äthylalkohol zu
erfahren. |
Diese Wechselbeziehung der synchronen Umsetzungen wird aber
gestört, wenn aus irgend einem Grunde Acetaldehyd im Übermaß
zugegen ist, sei es, daß dieser im fertigen Zustande zugefügt, oder,
wie bei der Lufthefefabrikation, im natürlichen Geschehen hervor-
gebracht wird. Im letzten Falle wirkt der im Überschuß an-
wesende Acetaldehyd nicht anders als eigens zugesetzter Aldehyd
und geht demnach mit solchem Acetaldehyd, der auf dem regulären
1) C. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschr. 148, 553, 1923.
2) C. Neuberg und J. Hirsch, ebendaselbst 115, 282, 1921; C. Neuberg
und H.Ohle, ebendaselbst 128, 610, 1922.
31*
472 L. Elion;
Gärungswege aus dem Zucker gebildet wird, die carboligatische Synthese
ein!). Jenes zweite Acetaldehydmolekül, das — mit dem präformierten
Acetaldehyd in Reaktion tretend — desmolytischem Zuckerzerfall
entstammt, kann auch eine andere Herkunft haben; so hat I. Hirsch?)
beobachtet, daß bei der Vergärung von Brenztraubensäure neben
Acetaldehyd auch Acetoin entsteht, indem sich carboxylatisch ab-
gespalten gewesener Acetaldehyd mit dem aus dem Pyruvinat nach-
gebildeten Acetaldehyd vereinigt. Dementsprechend läßt sich die
Acetoinausbeute bei der Brenztraubensäurevergärung steigern, wenn
man fertigen Acetaldehyd zur gärenden Pyruvinatlösung fügt?).
In bezug auf die Bilanz bietet die Entstehung von Acetoin bei der
Vergärung von Brenztraubensäure und der analogen Vergärung von
Oxalessigsäure®) keine Schwierigkeiten, denn formelgemäß tritt hier
der Acetaldehyd mit einem Körper der gleichen Oxydationsstufe
(wiederum Acetaldehyd) zusammen, der potentiell in den Ausgangs-
materialien, den Ketosäuren, als Verbindungen der gleichen Oxydations-
stufe enthalten ist.
Anders liegen die Verhältnisse bei der Bildung von Acetoin, sobald
dasselbe im Verlauf einer alkoholischen Zuckerspaltung erzeugt wird,
denn ersichtlicherweise fixiert hier fertig zugefügter oder sekundär
entstandener Acetaldehyd das intermediäre Oxydationsprodukt Acet-
aldehyd und beraubt letzteren dadurch seiner Funktion als normalen
Wasserstoffakzeptor. Es erhob sich nun die Frage, wie sich diese Zu-
sammenhänge auswirken. Was wird aus dem ‚„Gärungswasserstoff‘, der
für gewöhnlich zur Reduktion des Gärungs-acetaldehyds dient ? Er ent.
weicht nicht im freien Zustande, er muß sich in irgend einer Hydrierung
geltend machen. Daß diese keineswegs in einer Reduktion des Acetoins
selber besteht, geht daraus hervor, daß sich ja ganz bedeutende Mengen
des Ketonalkohols Acetoin anhäufen. Nach den formalen Gleichungen:
Gah = 2 CO, + 2 CH, . CHO + 2H,
CH, COH + COH CH, = CH, . CO .CHOH CH.
CH, CO. CHOH CH, + H, = CH, . CHOH .CHOH CH.
müßte aber der disponibel werdende Gärungswasserstoff für eine voll-
kommene Reduktion des Acetoins zum ß,y-Butylenglykol mehr als
ausreichend sein. Da, wie gesagt, sich Acetoin in großen Massen an-
sammelt, kann dieser Mechanismus jedenfalls nicht der einzige in
Betracht kommende sein.
1) A. J. Kluyver, H. J. L. Donker und F. Visser ’t Hooft, diese Zeitschr.
161, 361, 1925.
2) I. Hirsch, ebendaselbst 181, 178, 1922.
3) C. Neuberg und O. Rosenthal, Ber. 57, 1436, 1924.
1t) C. Neüberg und A. v. May, diese Zeitschr. 140, 299, 1923; C. Neuberg
und G. Gorr, Ergebn. d. Physiolog. 24, 191, 1925.
Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung von Zucker usw. 473
Nun haben Neuberg und Hirsch (l. c.).bereits bemerkt, daß in den
Acyloinbildungen ein Verfahren der Abfangung von Gärungsacet-
aldehyd durch zugefügte Aldehyde vorliegt; somit war an eine ver-
mehrte Bildung von Gärungsglycerin zu denken in Analogie zur ge-
steigerten Entstehung dieses dreiwertigen Alkohols unter den Be-
dingungen der übrigen Abfangverfahren. Diese Voraussetzung trifft,
wie meine Ergebnisse lehren, in der Tat zu; denn ich konnte Zunahme
des Glyceringehalts bei Verminderung des Alkoholertrags nachweisen.
Auszüge aus den Protokollen.
1. Versuch mit Rohrzucker und 15 Proz. Acetaldehyd').
100 g Rohrzucker wurden in 1000 ccm Leitungswasser von 35°
gelöst und mit 50 g untergäriger Bierhefe (Schultheiss) versetzt. Nach-
dem kräftige Gärung eingetreten war, wurden 150 ccm einer 10proz.
Acetaldehydlösung so langsam aus einem Tropftrichter hinzugefügt,
daß die CO,-Entwicklung nicht unterbrochen wurde. Unter öfterem
Umschütteln bewahrte ich das Gemenge bei Zimmertemperatur (20
bis 25°) auf.
Die Aufarbeitung erfolgte nach 5 Tagen. Es ergab sich, daß das
filtrierte Gärgut in der Kälte Fehlingsche Lösung reduzierte infolge
der Anwesenheit des reichlich gebildeten Acetyl-methyl-carbinols; im
Kontrollversuch (2) war keine reduzierende Substanz vorhanden.
Das Gesamtvolumen des Gärguts betrug 1285 ccm; hiervon wurden
nach Filtration 500 ccm zur Alkohol- und gleichviel zur Glycerin-
bestimmung benutzt.
a) Alkoholbestimmung.
Die Lösung wurde zuerst mit Wasserdampf destilliert, bis ein
doppeltes Volumen Flüssigkeit übergetrieben war, und das Destillat
hierauf während 2 Stunden auf dem Wasserbade am sicher wirkenden
Rückflußkühler mit einem Überschuß von essigsaurem p-Nitrophenyl-
hydrazin gekocht, wobei sich das Osazon des mitverflüchtigten Acetoins
in schönen roten Nadeln abschied. Nach Abkühlung wurde filtriert
und quantitativ ausgewaschen; dann wurden von der Flüssigkeit zwei
Drittel abdestilliert. Diese Fraktionierung wiederholte ich mehrere
Male, zunächst nachdem das Gemenge alkalisch gemacht worden war,
um die Essigsäure zurückzuhalten, später nach Hinzufügung eines
Überschusses von Schwefelsäure zwecks Bindung übergegangenen
p-Nitrophenylhydrazins. Bei der letzten Destillation wurde außerdem
eine kleine Menge Zinkstaub hinzugegeben, der Nitrokörper entfernt.
1) Die Prozentzahlen für Acetaldehyd bedeuten das Verhältnis zur
Menge des angewendeten Zuckers.
474 L. Elion:
Der Alkohol wurde im Enddestillat pyknometrisch ermittelt.
Es wurden auf diese Weise 17,48 g Alkohol gefunden, also im Gesamt-
volumen DD: 17,48 g = 44,92 g.
500
b) Glycerinbestimmung.
Diese Bestimmung wurde nach der von Neuberg und Reinfurth!)
angegebenen Methode ausgeführt. Die im Faust-Heimschen Apparat
bei 350 zum Sirup eingeengte Flüssigkeit wurde mit 96 proz. Alkohol
extrahiert und der Alkohol im Vakuum abdestilliertt. Der Rückstand
wurde jetzt in absolutem Alkohol aufgenommen und nach Filtrierung
wiederum im Vakuum zu dickem Sirup eingeengt, welcher jetzt klar
in wasserfreiem Alkohol löslich war. Nach allmählichem Zusatz des
gleichen Volumens absoluten Äthers schieden sich abermals Ver-
unreinigungen aus, die aufs neue abfiltriert wurden. Schließlich wurde
das Alkohol-Äther-Gemisch im Vakuum vertrieben und die hinter-
bliebene Substanz in Wasser gelöst. Durch wiederholtes Abdampfen
auf dem Wasserbad, wobei man jedesmal eine kleine Menge Wasser
hinzugab, wurden auch die letzten Spuren Alkohols verjagt.
Im schließlich wieder mit Wasser aufgenommenen Rückstand wurde
der Glyceringehalt nach dem Jodidverfahren in dem von Zeisel-Siriar
beschriebenen Apparat festgestellt.
Die so gefundene Menge Glycerin betrug 1,87 g; das gesamte
Gärgut enthielt infolgedessen = -1,87g = 4,80 g Glycerin.
Außerdem wurde die Glycerin enthaltende Lösung nach der
Lemoigneschen?) Methode, welche von Kluyver, Donker und Visser
’tHooft (l. c.) für Gärungsflüssigkeiten modifiziert worden ist, auf die
Anwesenheit von 2, 3-Butylenglykol geprüft. Das eventuell vorhandene
2, 3-Butylenglykol wird dabei oxydiert und als Nickel-dimethylglyoxim
charakterisiert. Der Versuch ergab, daß diese Verbindung tatsächlich
vorhanden war, jedoch nur in einer so minimalen Menge, daß sie das
Resultat der Glycerinbestimmung nicht beeinflussen könnte. (Da
auch in allen übrigen Versuchen nicht mehr als Spuren von Butylen-
glykol nachweisbar waren, so brauchte bei den Glycerinbestimmungen
hierauf keine Rücksicht genommen zu werden.)
2. Versuch. Konirolle zu 1.
Mit 50g Schultheiss-Hefe wurde eine Lösung von 100g Rohr-
zucker in 1150 ccm Leitungswasser von 35° in Gärung gebracht und
bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Nach 5 Tagen wurde das Gärgut
1) O. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschr. 92, 253, 261, 1918.
2) M. Lemoigne, Ann. de l’Inst. Pasteur 27, 856, 1913; C. r. 170, 13),
1920.
Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung von Zucker usw. 475
aufgearbeitet, nachdem mittels Fehling scher Lösung festgestellt war,
daß die Flüssigkeit keinen Zucker mehr enthielt. Wie bei Versuch 1
wurde in aliquoten Teilen der Alkohol- und Glyceringehalt bestimmt.
a) Alkoholbestimmung.
Die Untersuchung geschah durch Wasserdampfdestillation, Frak-
tionierung des Destillats und pyknometrische Bestimmung. Selbst-
verständlich fie) hier die Behandlung mit p-Nitrophenylhydrazin weg.
Die totale Menge Alkohol auf 100g Zucker betrug 54,79 g.
b) Glycerinbestimmung.
Ausführung wie bei Versuch 1. Die totale Menge Glycerin auf
100 g Zucker betrug 1,74 g.
3. Versuch mit Rohrzucker und 15 Proz. Acetaldehyd.
Zu einer Lösung von 100 g Rohrzucker in 1000 ccm Leitungswasser
wurden 100g Bierhefe (Schultheiss) eingetragen und, nachdem die
Angärung eingetreten war, 150 ccm 10proz. Acetaldehydlösung langsam
hinzugegeben. Das Gemenge wurde bei Zimmertemperatur belassen.
Aufarbeitung nach 4 Tagen wie bei Versuch 1. Es wurde festgestellt,
daß mit alkalischer Kupferlösung in der Kälte Reduktion eintrat,
während der Kontrollversuch 4 auswies, daß der gesamte Zucker
vergoren war.
a) Alkoholbestimmung.
Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 51,17 g.
b) Glycerinbestimmung.
Totale Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 6,55g. Die Reaktion
auf 2, 3-Butylenglykol war, wie bei Versuch 1, äußerst schwach.
4. Versuch. Kontrolle zu 3.
100g Bierhefe (Schultheiss) wurden aufgeschwemmt in einer
Lösung von 100g Rohrzucker in 1150 ccm Leitungswasser und bei
Zimmertemperatur gleichzeitig mit Ansatz 3 aufbewahrt. Verarbeitung
nach 4 Tagen wie bei Versuch 2, nachdem mittels Fehlingscher Lösung
festgestellt war, daß kein Zucker mehr vorhanden war.
a) Alkoholbestimmung.
Gesamtmenge Alkohol auf 100 g Zucker: 57,10 g.
b) Glycerinbestimmung.
Totale Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 2,34 g.
476 L. Elion:
A. Versuch. Wiederholung von 1.
Lösung von 100g Rohrzucker in 1000 ccm Leitungswasser, 50 g
Bierhefe (Schultheiss); nach erfolgter Angärung 150 ccm 10proz.
Acetaldehydlösung. Die Flüssigkeit bleibt bei Zimmertemperatur
stehen und wurde am folgenden Tage in den Brutschrank bei 28° gebracht.
Nach 2 Tagen wurde konstatiert, daß mit Fehlingscher Lösung in der
Kälte Reduktion erfolgte, während aus Kontrollversuch 6 hervorging,
daß der gesamte Zucker verschwunden war. Aufarbeitung wie bei
Versuch 1.
a) Alkoholbestimmung.
Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 49,92 g.
b) Glycerinbestimmung.
Totale Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 6,00 g. Die Reaktion auf
2, 3-Butylenglykol fiel negativ aus.
6. Versuch. Kontrolle zu 5.
100g Bierhefe (Schultheiss) wurden aufgeschwemmt in einer
Lösung von 100g Rohrzucker in 1150ccm Leitungswasser und bei
Zimmertemperatur gehalten. Am nächsten Tage wurde das Gärgut
in einen Brutschrank von 28° gestellt. Aufarbeitung nach 2 Tagen,
wie bei Versuch 2; mittels alkalischer Kupferlösung war die Ab-
wesenheit von Zucker nachgewiesen.
a) Alkoholbestimmung.
Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 58,00 g.
b) Glycerinbestimmung.
Totale Menge Glycerin auf 100g Zucker: 2,71 g.
7. Versuch. Wiederholung von 3.
In eine Lösung von 100 g Rohrzucker in 1000 cem Leitungswasser
wurden 100g Bierhefe (Schultheiss) eingetragen und nach erfolgter
Angärung 150 ccm 10proz. Acetaldehydlösung hinzugegeben. Das
zuerst bei Zimmertemperatur belassene Gemenge wurde am nächsten
Tage bei 28° untergebracht. Nach 2 Tagen wurde festgestellt, daß
mit Fehling scher Lösung in der Kälte Reduktion eintrat, während aus
Kontrollversuch 8 hervorging, daß die Gärung zu Ende war. Auf-
arbeitung wie bei Versuch 1.
a) Alkoholbestimmung.
Totale Menge Alkohol auf 100 g Zucker: 48,4 g.
Zur Kenntnis der Acetoinbildung bei der Vergärung von Zucker usw. 477
b) Glycerinbestimmung.
Totale Menge Glycerin auf 100g Zücker: 5,35g. Die Reaktion
auf 2, 3-Butylenglykol war positiv, stärker als bei den Versuchen 1
und 3, aber verhältnismäßig sehr schwach.
8. Versuch. Kontrolle zu 7.
100g Bierhefe (Schultheiss) wurden aufgeschwemmt in einer
Lösung von 100 g Rohrzucker in 1150 cem Leitungswasser und zuerst
bei Zimmertemperatur, am nächsten Tage bei 28° aufbewahrt. Auf-
arbeitung nach 2 Tagen, wie bei Versuch 2, nachdem die Probe mit
Fehlingscher Lösung die Abwesenheit von Zucker angezeigt hatte.
a) Alkoholbestimmung.
Totale Menge Alkohol auf 100g Zucker: 58,40 g.
b) Glycerinbestimmung.
Gesamte Menge Glycerin auf 100 g Zucker: 2,63 g.
Anhangsweise teile ich mit, daß bei der Acetoinbildung Paraldehyd
den monomolekularen Acetaldehyd nicht vertreten kann. Fügt man
Paraldehyd zu einer durch Unter- oder Oberhefe in Gärung versetzten
Zuckerlösung, so tritt kein Acetyl-methyl-carbinol auf, das mit ge-
wöhnlichem Acetaldehyd so leicht entsteht. In diesem Verhalten
finde ich eine Analogie zu der früheren Beobachtung von C. Neuberg
und F.F.Nord!), daß der trimolekulare Thioacetaldehyd, im Gegensatz
zum monomolekularen, von gärender Hefe nicht angegriffen, d.h.nicht
zum Mercaptan phytochemisch reduziert wird.
1) C. Neuberg und F. F. Nord, diese Zeitschr. 67, 50, 1914.
Neue Versuche über die Carboligase.
Von
Martin Behrens und Nikolai Nikolajewitsch Iwanoft.
(Aus dem Kaiser Wilhelm -Institut für Biochemie in Berlin - Dahlem.)
(Eingegangen am 17. Januar 1926.)
Die auffallende Fähigkeit bestimmter Aldehyde, nach Zufügung
zu gärenden Zuckerlösungen mit dem bei der alkoholischen Zucker-
spaltung als Zwischenprodukt gebildeten Acetaldehyd zusammen-
zutreten, ist bisher festgestellt am Benzaldehyd!), o-Chlorbenzaldehyd?),
Anisaldehyd?2) sowie am Acetaldehyd?) selbst. In allen Fällen ent-
stehen durch Kernsynthese Acyloine. Formelgemäß sind diese
Ketonalkohole zusammengefügt aus Acetaldehyd und. dem fertig
zugesetzten Aldehyd (Benzaldehyd bzw. seinen Substitutionspro-
dukten oder Acetaldehyd):
CH,.COH + HOC.R=CH,.CO.CHOH.R.
Wie ersichtlich ist, kann auch vorhandener Acetaldehyd
selber zur . Abfangung von Gärungsacetaldehyd dienen, wobei
als niedrigstes Acyloin das Acetoin (= Acetyl-methyl-carbinol) ge-
bildet wird.
Mehrfach ist darauf hingewiesen worden, daß in dieser carbo-
ligatischen Synthese eine durchsichtige und einfache Verwendung des
Zuckerspaltungsproduktes Acetaldehyd für Zwecke des Wiederaufbaus
zutage tritt.
1) C. Neuberg und I. Hirsch, diese Zeitschr. 115, 282, 1921.
2) C. Neuberg und L. Liebermann, ebendaselbst 121, 311, 1921.
3) C. Neuberg und E. Reinfurth, ebendaselbst 148, 553, 1923.
M. Behrens u. N. N. Iwanoff : Neue Versuche über die Carboligase. 479
Nach den bisher vorliegenden Untersuchungen geben die ein-
fachsten Vertreter der Aldehyde aus der aliphatischen und aromati-
schen Reihe, eben der Acetaldehyd und der Benzaldehyd, die
besten Ergebnisse bei dieser enzymatischen Kohlenstoffketten-
verknüpfung.
Um über die Eignung anderer Aldehyde Erfahrungen zu
sammeln, haben wir Versuche mit zwei Toluylaldehyden, mit
p- und o-Toluylaldehyd, angestellt. Dabei hat sich gezeigt, daß
diese beiden aromatischen Aldehyde zur carboligatischen Verwendung
befähigt sind. Jedoch ist die Ausbeute an carboligatischem Er-
zeugnis nur mäßig, genau wie bei den erwähnten anderen Abkömm-
lingen des Benzaldehyds.
Wenn man die genannten beiden Toluylaldehyde zu einer mit
Hefe in Gärung versetzten Zuckerlösung fügt, so macht sich weitgehend
die phytochemische Reduktion geltend, welche die zugehörigen Toluyl-
alkohole liefert. Daneben erfolgt die Acyloinsynthese, und allem An-
schein nach wird durch weitere phytochemische Reduktion des Keton- `
alkohols auch das zugehörige Glykol gebildet.
Im einzelnen gestalteten sich die Verhältnisse folgendermaßen :
100 g Rohrzucker wurden in 2500 ccm Leitungswasser gelöst und
mit 100g untergäriger Hefe (von Schultheiss) versetzt. Nach
erfolgter Angärung wurden bei Zimmertemperatur im Verlauf einer
Stunde Beem p-Toluylaldehyd, gelöst in 25ccm Alkohol, sehr all-
mählich hinzugefügt. Da nach Ablauf von 24 Stunden der Geruch
nach p-Toluylaldehyd schwach geworden war, so wurden von neuem
50g Zucker sowie 100g Hefe nebst weiteren 5ccm Toluylaldehyd
(letzterer in alkoholischer Lösung) hinzugegeben. Zur Vervollständigung
der Umsetzung wurden am nächsten Tage weitere 300 g Unterhefe
nachgefüllt. Das Gemisch, das dann in einen Brutschrank übergeführt
wurde, befand sich in langsamer Gärung und wurde nach insgesamt
5 Tagen aufgearbeitet, da nunmehr aller Aldehyd verschwunden war.
Aus zwei gleichzeitig und übereinstimmend vorgenommenen Ansätzen
wurden zusammen 6560 ccm Filtrat erhalten, von denen 4850 ccm
zur Weiterverarbeitung dienten. Die Flüssigkeit wurde dreimal mit
der gleichen Menge Äther ausgeschüttelt. Das Lösungsmittel wurde
alsdann bis auf 200 ccm verdampft und diese wurden 24 Stunden lang
über geglühtem Glaubersalz getrocknet. Nach Filtration und Aus-
waschung des Natriumsulfats mit absolutem Äther betrug das Gesamt-
volumen 300 ccm. Diese ätherische Lösung wurde zwecks Entfernung
saurer Bestandteile mit 100 ccm gesättigter Sodalösung durchgeschüttelt,
die restierende Ätherlösung wurde darauf mit 100 ccm Wasser aus-
geschüttelt und dann über geglühtem Na,SO, getrocknet. Nach Ver-
480 . M. Behrens u. N.N. Iwanoff:
dampfen des Äthers wurde das Residuum in vacuo destilliert. Erhalten
wurden unter 15 mm Druck folgende Fraktionen:
I. Bei 111 bis 123° 6,0 g (kristallisiert im Ansatzrohr),
II. „ 124 , 138° 1,3 g (kristallisiert im Rohr),
III. „ 139 , 157° 1,65g (gelbgrün gefärbte Flüssigkeit),
IV. „ 158 , 164° 1,1 g (dickflüssiges Liquidum).
Das Material aus Fraktion I und II wurde auf Ton ab-
gepreßt; es bestand im wesentlichen aus p-Toluylalkohol vom
Schmelzpunkt 58°.
Die in den Ton eingezogene Masse wurde dreimal mit Alkohol aus-
gekocht, das Lösungsmittel am Birektifikator verjagt und der Rück-
stand mit einer alkoholisch-essigsauren Lösung von 3 g p-Nitro-phenyl-
hydrazin 21, Stunden im Wasserbad gekocht. Das entstandene Osazon
wurde abgenutscht und mit siedendem Alkohol ausgekocht. Die Aus-
beute an Substanz, die bei 282° schmolz, betrug 0,15 g.
Von Fraktion III wurden 0,5 ccm in 1,0 ccm absolutem Alkohol
gelöst. Im engkalibrigen 1-dem-Rohr war die Drehung = — 6,80. Das
starke Rotationsvermögen, verbunden mit großer Reduktionskraft
gegenüber Fehlingscher Mischung, zeigten an, daß in dieser Fraktion
die Hauptmenge des Acyloins enthalten war. Das gesamte Quantum
wurde daher mit 5g p-Nitro-phenylhydrazin in üblicher Weise be-
handelt. Erhalten wurden 0,23g des p-Nitro-phenylosazons vom
Schmelzpunkt 285 bis 286°.
Die beiden Osazonfraktionen wurden vereinigt und auf folgende
Art umkristallisiert. Nach Auflösung in möglichst wenig heißem Nitro-
benzol wurde durch ein kleines Filter gegossen und noch in der Wärme
Eisessig hinzugegeben. Es schieden sich rote Kristalle (Nädelchen)
ab, die bei 2820 schmolzen.
Nach der Analyse liegt das p-Nitro-phenylosazon des p-Toluyl-
acetyl-carbinols vor.
2,558 mg Substanz: 0,445 ccm N (14° und 725 mm).
C22 H aaflall, Ber.: N = 19,45 Proz.; gef.: N = 19,52 Proz.
Das Material der Fraktion IV reduzierte kaum; es schloß höchstens
Spuren des Ketonalkohols ein, enthielt aber wohl das Glykol.
In einer Reihe von anderen Ansätzen, die ähnlich, aber mit ver-
schiedenen kleinen Variationen vorgenommen worden sind, wurden
im wesentlichen die gleichen Resultate erhalten. Überall verriet sich
die Anwesenheit des gesuchten carboligatischen Produktes in den ent-
sprechenden Fraktionen durch typisches Reduktionsvermögen gegen-
Neue Versuche über die Carboligase. 481
über alkalischer Kupferlösung, durch starke Linksdrehung und durch
die Fähigkeit zur Osazonbildung.
In einem Versuch mit 9,5 ccm p-Toluylaldehyd wurden im ganzen
0,9 g der Osazonverbindung erhalten.
Ebenso deutlich positiv verlief die Reaktion mit o-Toluylaldehyd;
auch hier konnte durch wiederholtes Zusammenbringen mit Hefe und
Zucker sowohl das vergärbare Kohlenhydrat als der zugefügte o-Toluyl-
aldehyd vollkommen umgesetzt werden. Bei Inangriffnahme von
10g o-Toluylaldehyd und im übrigen gleicher Aufarbeitung wurden
0,8g p-Nitrophenyl-osazon vom Schmelzpunkt 299° gewonnen. Das-
selbe war in siedendem Alkohol unlöslich, konnte aber aus heißem
Nitrobenzol + Eisessig umkristallisiert werden. Im Verein mit den
übrigen Eigenschaften der ätherlöslichen Reaktionsprodukte bezeugt
auch hier die Isolierung des p-Nitro-phenylosazons den Eintritt der
carboligatischen Synthese.
Acetaldehyd als Zwischenprodukt bei der Keimung
fetthaltiger Samen.
Von
Karl Pirschle.
(Aus dem pflanzenphysiologischen Institut der Universität Wien.)
(Eingegangen am 18. Januar 1926.)
In einer früheren Mitteilung (1) konnte gezeigt werden, daß bei
der Pflanzenatmung ganz allgemein, sowohl unter anaeroben wie auch
aeroben Bedingungen, Acetaldehyd als Zwischenprodukt auftritt. Die
besten Resultate, d.h. die größten Mengen an Aldehyd, waren mit
Keimlingsmazeraten gewonnen worden. Keimlinge oder keimende
Samen wurden wegen ihrer großen Atmungsintensität seit jeher zu
Atmungsversuchen gern verwendet, sie eignen sich in diesem Falle
auch deshalb ganz besonders, weil beim Arbeiten mit Mazeraten das
Abfangmittel nicht im natürlichen Saftstrom mühsam aufgesaugt zu
werden braucht, sondern allseitig an greßer Oberfläche angreifen und
sich dadurch fast quantitativ auswirken kann.
Nach der Art ihrer Reservestoffe kann man drei Gruppen von
Samen unterscheiden: Stärke-, Eiweiß- und Fettsamen. Aus technischen
Gründen waren damals nur einige Gramineen als Vertreter stärkereicher
und einige Leguminosen als Vertreter eiweißhaltiger Samen untersucht
worden. Daß sich die dritte Gruppe, die auch sonst physiologisch
hochinteressanten Fettsamen, die also im wesentlichen fette Öle (haupt-
sächlich Glycerinester von ungesättigten Fettsäuren, vor allem Ölsäure)
als Reservestoffe führen, prinzipiell gleich verhalten, möge im folgenden
gezeigt werden.
Methodisches.
Es wurde ausschließlich mit Mazeraten von gut angekeimten Samen, also
unter (praktisch) anaeroben Bedingungen gearbeitet. Es schien zwecklos, die
natürlichen Verhältnisse zu imitieren und die Keimlinge als ganze aufssugen
zu lassen, die in der früheren Arbeit gemachten Erfahrungen hatten gezeigt,
daß sich dabei prinzipiell nichts ändert, nur sind die Ausbeuten an Aldehyd
infolge der erschwerten Aufsaugung wesentlich geringer. Und gerade bei
Fettsamen wäre es nicht nur überflüssig, sondern geradezu widersinnig
K. Pirschle: Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. 483
gewesen, wollte man mit abgeschnittenen Keimpflänzchen experimentieren,
da das Reservefett gewiß nicht als solches dem Keimling zugute kommt,
sondern schon im Samen (nach enzymatischer Spaltung; Lipase) in leicht
diffusionsfähige Form überführt wird, jedenfalls in Zucker, der dann seinen
gewöhnlichen, von anderen Samen nicht abweichenden Gang nimmt.
Ob die Fettresorption immer über Zucker geht, entbehrt vorderhand,
solange man nicht über Mittel verfügt, intermediär gebildeten Zucker
„abzufangen‘“‘, noch der experimentellen Stütze. Doch gewinnt diese,
zuerst von Fleury (2) ausgesprochene Hypothese immer mehr an Boden,
besonders wenn man bedenkt, welche zentrale Rolle die Hexose bei allen
dissimilatorischen Stoffwechselprozessen einnimmt; wozu noch kommt,
daß der Übergang von Fett in Zucker, der zwar künstlich noch nicht aus-
geführt worden ist, nach den Untersuchungen von Lecere du Sablon (3)
und Maquenne (4) in der lebenden Pflanzenzelle glatt vonstatten geht; so
daß Kostytschew (5) resümierend mit Recht behaupten kann: ‚die Fett-
veratmung ... vollzieht sich zweifellos über die Zwischenstufe von Zucker‘.
Für das Auftreten von Kohlehydraten spricht der niedrige Atmungs-
quotient (CO,/O, kleiner als 1) bei der Keimung von Ölsamen (6), der,
was besonders charakteristisch ist, an sukzessiven Tagen steigt und schließ-
lich eine Größe erreicht, wie man sie auch sonst an Pflanzen, die aus dem
Keimstadium heraus sind, beobachten kann (7), während umgekehrt bei
der Reifung von Ölsamen der Atmungsquotient wesentlich größer ist als 1,
da Kohlehydrate sich in Fette, in sauerstoffärmere Verbindungen, ver-
wandeln. Dafür sprechen die Untersuchungen von Sachs (8), der auch auf
Grund von mikroskopischen Befunden das Vorhandensein von Zucker
außer Frage stellte, dafür sprechen die Analysen von Liaskowski (11),
Iwanow (9) (10) und von Leclere du Sablon (3), der in keimenden Hanfsamen
eine Abnahme des Öls von 30 auf 14 Proz. und eine damit parallel gehende
Zunahme der Glucose von 2,7 auf 14,1 Proz. feststellen konnte. Dafür
sprechen aber auch die Beobachtungen von Sachs (8) über das Auftreten
von Stärke bei der Keimung ölbaltiger Samen. Daß die Stärke, wie Sachs
meinte (S. 178: „„... das Fett der ölhaltigen Samen wird überall, wo ich
es bisher verfolgt habe, entweder ganz oder zum Teil zuerst in Stärke
übergeführt ... ‘‘), das gesuchte Kohlehydrat ist, das zunächst aus dem Fett
entsteht (S. 178: „„... man könnte annehmen, daß die Stärke eine not-
wendige Übergangsmetamorphose des Öls in den Zucker sei; dem ist aber
nicht so, denn bei manchen Keimungen geht der größte Teil des Öls unmittel-
bar in Zucker über, während nur in einer beschränkten Zellschicht Stärke
auftritt. Auch die entgegengesetzte Annahme, daß das Öl erst in Zucker
übergehe, um dann sich in Stärke zu verwandeln, ist nicht zulässig, denn
die Stärke erscheint häufig an Stellen, wo kein Zucker vorher oder gleich-
zeitig nachzuweisen ist“.), ist chemisch nur denkbar, wenn man Zucker
als Zwischenglied annimmt. Und daß auch physiologisch nicht die Stärke
maßgebend ist, geht daraus hervor, daß Stärke immer nur in hydrolysiertem
Zustande (als Glucose) verwendet werden kann, daß Stärke immer (wenn
auch vorübergehend) Endkondensationsprodukt ist, physiologisch ge-
sprochen : osmotisch unwirksamer Zucker. Jedenfalls ist die Stärkebildung
in Fetteamen nicht das Primäre, sondern eine sekundäre Erscheinung,
ähnlich wie die von Grafe und Vouk (12) beobachtete Inulinbildung in
Zichorienfrüchten. Hier wird, entsprechend der Natur der Kompositen,
die, soweit Untersuchungen darüber vorliegen, keine Stärke als Reservestoff
bilden, der aus dem Reservefett gebildete Zucker zu Inulin statt Stärke
kondensiert (,,... beim Auskeimen der Samen vollzieht sich dann der
484 K. Pirschle:
umgekehrte Prozeß der Umwandlung von Fett in Lävulose und dieser in
Inulin ...‘“), ein Vorgang, der dem normalen ganz analog ist und die inter-
mediäre Bildung von Zucker auch in solchen Fällen beweist, wo scheinbar
sofort höhere Kohlehydrate auftreten, denn für den Chemismus ist es
belanglos, ob Stärke oder Inulin entsteht und ob der Zucker Dextrose oder
Lävulose ist. Und der im Zitat erwähnte „umgekehrte Prozeß‘, nämlich
die von Fischer (13) beobachtete Umwandlung von Inulin in Fett im Stiel
halbreifer Früchte von Selliera radicans, vervollständigt noch die Analogie,
da normalerweise an der Bildung des Reservefetts aus Stärke über Zucker
nicht gezweifelt werden kann. Ganz abzulehnen ist die von Muntz (14)
postulierte Anschauung, wonach Harz sich bildet.
Es rechtfertigt sich also wohl, wenn von Versuchen mit Keimlingen,
die, wie Sachs (8) nachweisen konnte, niemals mehr Fett enthalten, ab-
gesehen und nur die Reservestoffbehälter als solche, also angekeimte Samen,
verwendet wurden.
Abgewogene Mengen von lufttrockenen Samen wurden gut gewaschen,
18 bis 24 Stunden in Leitungswasser eingequollen, dann auf der Nutsche
in einem kräftigen Strom fließenden Wassers (Leitungswasser) nochmals
längere Zeit gut durchspült und hierauf in Tonschalen auf feuchtem Filtrier-
papier zum Keimen ausgelegt. Die Keimschalen standen im Warmhaus des
Instituts bei einer Temperatur von 15 bis 17° unter Dunkelsturz. Nach
3 bis 5 Tagen waren die Samen so weit gekeimt, daß sie verwendet werden
konnten. Pro Versuch wurden 20 bis 35g Keimlinge, entsprechend 10g
Samen verwendet. Diese abgewogenen Portionen wurden nochmals in
fließendem Wasser gut gewaschen, in einer Reibschale grob zerquetscht
und in passenden Glasgefäßen (Chiningläser) in je 200 ccm 2proz. Na, BO,
(in Leitungswasser) aufgeschwemmt. Zum Abfangen wurde ausschließlich
Dinatriumsulfit verwendet, es eignet sich für Mazerate ganz ausgezeichnet.
Dimedon, auch wenn man es sich selbst herstellt, ist ein ziemlich kost-
spieliges Präparat, und die Darstellung von Calciumsulfit, obwohl nach
den Angaben Neubergs (15) leicht und bequem ausführbar, etwas zeitraubend,
um so mehr, als man große Quantitäten (pro Versuch 10 bis 20 g) braucht,
also eine einmal hergestellte Menge nicht lange vorhält. Was die chemisch-
physiologische Verwendbarkeit betrifft, so mögen nachstehende, mit Weizen
ausgeführte Versuche zeigen, daß Natriumsulfit keine Nachteile hat.
Dimedon . ...... 18,11 (mg Acetaldehyd, berechnet aus
15,09 der Joddifferenz beim Titrieren
für 100g Frischgewicht)
Natriumsulfit . . ... 19,23
16,65
Calciumsulfit. . . . .. 16,81
13,51
Die etwas niedrigeren Werte für Dimedon besagen nicht, daß Dimedon
schlechter abfängt, sondern sind damit zu erklären, daß — vgl. das folgende
— die zerriebenen Samen nicht mehr mit Soda, sondern mit Wasser extra-
hiert wurden, worin sich Acetaldomedon schlechter löst als in alkalischer
Flüssigkeit, also die Verluste auf die Aufarbeitung zurückzuführen sind.
Am schlechtesten wirkt unter den angebenen Bedingungen Calciumsulfit,
womit aber generell über die Verwendbarkeit der verschiedenen Abfang-
mittel nichts ausgesagt werden soll.
Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. | 485
Die Gefäße kamen auf 15 bis 20 Stunden in einen Thermostaten bei
30 bis 33°. Kürzere Versuche (5 bis 7 Stunden) hätten genügt, sie ergaben
zwar kleinere, aber greifbare Werte an Aldehyd. Nur aus technischen
Gründen, da die Aufarbeitung (Destillation) viel Zeit braucht, mußten die
Versuche über Nacht aufgestellt werden. Trotz dieser längeren Versuchs-
dauer trat niemals eine nennenswerte bakterielle Infektion ein, wovon
man sich durch mikroskopische Kontrolle am Schluß leicht überzeugen
kann. Absolut steril waren die Gefäße nicht und konnten es auch nicht sein,
trotz öfteren Waschens des Versuchsmaterials und saubersten Arbeitens.
Bedenkt man aber die Schwierigkeiten, die sich einer absolut sterilen Anzucht
von Keimlingen entgegenstellen, und überblickt man die komplizierten
Apparaturen, die gleichwohl einer scharfen Kritik nicht standhielten
(vgl. 16), so erscheint es unmöglich, derartige Versuche infektionsfrei auf-
zustellen, wollte man sich nicht die Methode unnütz komplizieren. Auch
Waschen der Samen mit Sublimat, Verwendung sterilisierten Wassers
usw. gewährleisten, wie Neuberg und Gottschalk (17) beschreiben, keine
vollkommene Keimfreiheit der Versuche.
Nach Beendigung des Versuchs wurde die Flüssigkeit grob abfiltriert,
die zurückbleibenden Pflanzenreste in 200 bis 300 ccm Wasser auf-
geschwemmt, kurze Zeit stehengelassen, durch Glaswolle oder feinporige
Nutsche (ohne Filtrierpapier) filtriert und das Filtrat mit der Versuchs-
flüssigkeit vereinigt. Diese vereinigten Flüssigkeitsanteile wurden, wie
früher angegeben, nach Zusatz von 5g festem, gepulvertem Calcium-
carbonat destilliert. Entsprechend den größeren Aldehydmengen wurde
nicht eine n/100, sondern eine n/10 Bisulfitlösung (NaH SO,) vorgelegt,
die mit n/10 Jod zurücktitriert wurde.
Am Wesentlichen der früher (1) beschriebenen Aufarbeitung hat sich
also, wie man sieht, nichts geändert, da sie sich nach wie vor gut bewährte.
Besondere Beachtung mußte nur wieder dem Umstand geschenkt werden,
daß die Pflanzenextrakte beim Destillieren stark schäumen. Das wäre an
und für sich belanglos, doch dürfen keine Anteile mit übergehen, da sonst
das Bisulfit verdorben wird. Besonders stärker alkalische Lösungen sind
recht unangenehm zu behandeln; das fällt damit weg, daß Sulfitversuche
ein Extrahieren mit Soda überflüssig machen, kurzes Digerieren (14 Stunde)
der fein zerriebenen Keimlinge mit kaltem Wasser genügt, da die Aldehyd-
Sulfitverbindung im Gegensatz zur Aldehyd-Dimedonverbindung in Wasser
leicht löslich iss. Damit ist aber das Schäumen noch nicht behoben. Radikale
Eiweiß-(Lipoid-)fällungen mit BaCl,, Tannin, HgCl,, CuSO, usw. sind, wie
früher auseinandergesetzt wurde, nicht anwendbar. da sie adsorptiv Aldehyd-
kondensationsprodukte mitreißen. Sehr klare Lösungen bekommt man mit
dem von Neuberg (18) empfohlenen Eisenhydroxyd (Ferrum hydrooxydatum
dialysatum) in alkalischer Lösung. Calciumcarbonat ist zu schwach, setzt
sich übrigens zu basischem Eisencarbonat um, das brockig ausfällt; man
muß stärker, mit Lauge, alkalisieren, was aber nötig macht, vor der Destil-
lation, die nur in schwach alkalischem Medium (CaCO,) gute Werte gibt,
zu neutralisieren ; und dieses Neutralisieren ist ohne enorme Schaumbildung
unmöglich. Recht brauchbare Fällungen wurden durch Zusatz von ge-
sättigtem Kalkwasser und vorsichtiges Zutropfen von Schwefelsäure erzielt:
der feinkristallinisch ausfallende Gips wirkt klärend, ohne daß man eine
kolloidale Adsorption zu befürchten braucht. Die Schwefelsäure zerlegt
aber auch das Sulfit, und das gelöste, beim Destillieren übergehende SO,
ist für die Titration nicht gleichgültig. Von diesen Versuchen wurde die
Biochemische Zeitschrift Band 169. 32
486 K. Pirschle:
Gewohnheit beibehalten, vor dem Destillieren mit Gipspulver (feinst ge-
mahlener Alabastergips) zu schütteln, womit also derselbe klärende
Niederschlag erreicht wird, den Neuberg und Reinfurth (19) durch Fällung
überschüssigen Sulfits mit Ca Cl, erzielen. Das ersetzt zwar nicht den in
der Flüssigkeit erzeugten Niederschlag, ist auch nicht durchaus nötig (Fett-
samen schäumen relativ wenig), befördert aber das Absetzen der kleinen
Partikelchen (Zellfragmente usw.), von denen die halbwegs klare über-
stehende Flüssigkeit in den Destillationskolben abgegossen, mit Kalk ver-
setzt und destilliert wird.
Versuchsergebnisse.
Um überflüssige Zahlen zu vermeiden, sind im folgenden nur
angegeben: Erste Kolonne: Joddifferenz bei der Rücktitration der
Vorlage in Kubikzentimetern n/10 Jod (korr.); zweite Kolonne: Ausfall
der Piperidin-Nitroprussidnatriumreaktion (durchwegs tief violette
Färbung); dritte Kolonne: Milligramm Acetaldehyd, berechnet für
100g Keimlingsfrischgewicht ; vierte Kolonne: Milligramm Acetaldehyd,
berechnet für 100g Samen.
Sonnenblume, Helianthus annuus. 14 Stunden, 32°.
Kontrolle... .. . . 0,99 0 — —
Sulfit . . . . 2 2... 8,89 NN N 43,5 85,8
Kontrolle . . . ... 0,89 0 — —
Sulfit. . . 2.» 2.2. 8,70 xxx 42,9 85,9
Lein, Linum usitatissimum. 16%, Stunden, 33°.
Kontrolle . ..... 3,25 0 — —
Sulfit. a‘ 6,94 xxx 33,53 81,2
Kontrolle . .... 3,20 0 — —
Sulfit. . . 2. 2 2.02. 6,94 NN NM 32,9 82,2
Hanf, Cannabis sativa. 151%, Stunden, 31°.
Kontrolle . . . ... 2,12 0 — —
Sulfit . . +... er % , 3,62 x xX 16,5 33,0
Kontrolle . .... 1,74 0 — —
Sulfit. . . 2. 22 .. 3,25 xx 22,2 33,2
Raps (Rübsen), Brassica Rapa f. oleifera. 18%, Stunden, 33°.
Kontrolle . . .... 0,71 0 — —
Sulfit. . . . 2 2... 5,12 xxx 38,8 97,0
Kontrolle . . . .. . 0,51 0 — —
Sulfit. . ». 2 22 .. 5,02 xX XxX 39,7 99,2
Rettig, Rhaphanus sativus. 19 Stunden, 30°.
Kontrolle . . . ... 1,64 0 — —
Sulfit éi . De A 4,16 XXX 27,7 55,4
Kontrolle . . .... 0,98 0 —
Sulfit. `, 22... 3,72 xxx 30,1 50,3
Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. 487
Kürbis, Cucurbita pepo. 20%, Stunden, 30°.
Kontrolle . . . ... 1,44 0 — —
Sulfit. e 4,83 xxx 22,4 74,6
Kontrolle . . .... 1,44 0 — —
Sulfit. . . 2 2 2.2. 4,62 xxx 20,9 69,9
Damit erscheint die Bildung von Acetaldehyd, und zwar in recht
beträchtlichen Mengen auch für die Fettsamen sichergestellt, und es
bleibt nur noch zu erörtern, woraus der Aldehyd sich bildet. Am nächst-
liegendsten ist die — berechtigte — Annahme, daß er bei der Veratmung
des Zuckers entsteht, in den, wie früher auseinandergesetzt, das zunächst
in Glycerin und Fettsäure gespaltene Fett übergeht. Dieser Zucker
wird teils als Baustoff zum Wachstum des Keimlings verwendet, zum
weitaus größeren Teile aber veratmet. Und daß eine Veratmung (oder
Vergärung) von Zucker nach dem Neubergschen Schema über Acet-
aldehyd geht, ist keine Hypothese mehr, sondern experimentell fest
begründete Tatsache.
Bleibt nur die Frage übrig, wie die Hexosebildung aus Fett erfolgt,
genauer gesagt, wie die Zuckerbildung aus dem Gemisch von Glycerin
und Fettsäure vor sich geht, zu dem das ursprüngliche fette Öl (Reserve-
fett) enzymatisch, durch Lipasewirkung, hydrolysiert wird. Diese
Spaltung des Neutralfetts geht bei der Keimung sehr rasch vor sich;
in 3 bis 4 Tage lang gekeimten Fettsamen konnte Muntz (14) bereits
95 bis 98 Proz. (des Ätherextrakts = Gesamtfett) an freien Fettsäuren
nachweisen. Das Glycerin verschwindet rasch, so rasch, daß es sich
niemals in nachweisbaren Mengen anhäuft. Langsamer folgen die
Fettsäuren, die aber auch nicht als solche, sondern als Zucker ver-
arbeitet werden. Und nicht nur bei der Veratmung dieses Zuckers, sondern
auch beim Übergang der Fettsäuren in den Zucker dürfte der Acetaldehyd
eine Rolle spielen, soweit man auch hier aus dem umgekehrten Vorgang,
nämlich der physiologischen Synthese von Fetten, Schlüsse ziehen
kann. Nach Neuberg und Arinstein (20) bilden Buttersäurebakterien
Buttersäure, Kapron-, Kapryl- und Kaprinsäure aus Zucker über Acet-
aldehyd, eine sehr wichtige Feststellung, da hier zum erstenmal gezeigt
wurde, wie leicht wenigstens gewisse Mikroorganismen — und es ist
nicht einzusehen, warum sich die höhere Pflanze anders verhalten
sollte — über die Stufe des Acetaldehyds den Sprung von der Dreier-
reihe (in der Kohlenstoffgruppierung) der Zucker zur Vierer- oder
Zweierreihe der natürlichen Fettsäuren vollziehen. Haehn und Kint-
tof (21) beobachteten ‚„Verfettung‘‘, also Fettbildung, bei Endomyces
vernalis, wenn mit Alkohol oder Acetaldehyd gefüttert wurde; Acet-
aldehyd wurde mit Sulfit abgefangen, die Verarbeitung des Alkohols
über Acetaldehyd wird ausdrücklich betont. In beiden Fällen scheuen
32*
488 K. Pirschle:
sich die Autoren nicht, dem Aldehyd die zentrale Rolle zuzuschreiben,
da durch Aldolkondensation die Bildung der Fettsäuren auch chemisch
leicht verständlich wird. Ähnliche Erwägungen veranlassen auch
Franzen (22), die höheren Aldehyde, wie man sie nicht selten in Blättern
und dergleichen findet, ganz entschieden als Zwischenglieder bei der
Fettsynthese anzusprechen. Der Gedanke der Fettsäurebildung aus
Glucose über Acetaldehyd und Aldolkonsation ist von Buchner und
Meisenheimer (23) schon klar präzisiert worden; im Gegensatz zu
Fischer (24), der direkt von der Glucose bzw. Glycerose ableitet, aber
in Übereinstimmung mit Nencki (25), der auf tierphysiologischem
Gebiet die ganz durchsichtig und klar erscheinende Reihe: Glucose —
Milchsäure — Acetaldehyd — Aldo] — Fettsäure aufstellt. Womit die
Frage berührt wird, ob nicht auch hier die Untersuchungen der Tier-
physiologen eine fruchtbare Basis schaffen könnten, die speziell in
puncto Fettabbau — um von der Fettsynihese wieder auf den vor-
liegenden Fall zurückzukommen — schon weit vorgeschritten sind,
wenn sie sich auch noch auf dem Gebiet von Hypothesen bewegen.
Allerdings von Hypothesen, die auch für den Pflanzenphysiologen
nichts Befremdendes haben, da es nicht schwer sein dürfte, zwischen
Körpern wie Essigsäure oder Acetessigsäure und Acetaldehyd Be-
ziehungen zu finden, da auch für die Pflanze eine Kondensation des
der Essigsäure isomeren Glykolaldehyds zu Zucker nicht unmöglich
erscheint und da schließlich eine Zuckerbildung aus Formaldehyd —
der hier durch Reduktion von Ameisensäure entstünde — der normale
Vorgang bei der Kohlensäureassimilation ist (27). Es sei diesbezüglich
auf die zusammenfassende Darstellung von Porges (26) verwiesen,
denn es wäre müßig, derartigen Spekulationen nachzugehen, bevor
eine experimentelle Grundlage geschaffen ist. Daß Acetaldehyd ein
Zwischenglied zwischen Fett und Zucker darstellt, ist ja mit vor-
stehender Arbeit nicht erwiesen, sondern nur als wahrscheinlich dis-
kutiert worden.
Zusammenfassung.
Auch aus keimenden Fettsamen konnte mit Hilfe geeigneter
Abfangmittel (wegen der leichteren Aufarbeitung wurde nur Natrium-
sultit verwendet) Acetaldehyd, und zwar in relativ beträchtlichen
Quantitäten, isoliert werden.
Zweifellos ist dieser Acetaldehyd das normale Atmungszwischen-
produkt bei der Veratmung des zunächst aus dem Reservefett ge-
bildeten Zuckers. Doch wird als wahrscheinlich auch die Frage diskutiert,
ob nicht die Umwandlung des Fettes in den Zucker über Acetaldehyd
geht.
Acetaldehyd als Zwischenprodukt usw. 489
Literatur.
1) Klein und Pirschle, diese Zeitschr. 168, 340, 1926. — 2) Fleury,
Ann. de Chim. et Phys. 4, 38, 1865. — 3) Leclere du Sablon, C. r. acad. Paris
117, 524, 1893.; 119, 610, 1894. — 4) Maquenre, ebendaselbst 127, 625, 1898.
— 5) Kostytschew, Pflanzenatmung. Berlin, Springer, 1924. — 6) Godlewski,
Jahrb. f. wiss. Bot. 13, 491, 1882. — 7) Bonnier und Mangin, in Benecke-
Jost, Pflanzenphysiologie 1, 337. Jena, Fischer 1924. — 8) Sachs, Bot.-Ztg.
17, 177, 1859. — 9) Iwanow, Jahrb. f. wiss. Bot. 50, 375, 1912. — 10) Der-
selbe, Beih. Bot. Zentralbl. 28, 159, 1912. — 11) Liaskowski, nach Kostyt-
sche, l. c. — 12) Grafe und Vouk, diese Zeitschr. 48, 426, 1912; 47, 320,
1912. — 13) Fischer, Cohns Beitr. z. Biol. d. Pflanzen 8, 53, 1902. —
14) Muntz, Arch. de Chim. et de Physique 22, 472, 1871. — 15) Neuberg,
Zeitschr. f. Bot. 11, 180, 1918. — 16) Klein und Kisser, Die sterile Kultur
der höheren Pflanzen. Bot. Abh. (herausgegeben von Goebel). Jena,
Fischer, 1924. — 17) Neuberg und Gottschalk, diese Zeitschr. 160, 256, 1925. —
18) Neuberg, diese Zeitschr. 24, 424, 1910. — 19) Neuberg und Reinfurth,
ebendaselbst 89, 390, 1918. — 20) Neuberg und Arinstein, ebendaselbst
117, 269, 1921. — 21) Haehn, Zeitschr. f. techn. Biol. 9, 217, 1921; Haehn
und Kinttaf, Ber. d. chem. Ges. 56, 439, 1923. — 22) Franzen, Zeitschr.
f. physiol. Chem. 112, 301, 1921. — 23) Buchner und Meisenheimer,
Ber. d. chem. Ges. 41, 1910. — 24) Fischer, ebendaselbst 28, 2138, 1909. —
25) Nencki, nach Ivanow (10), S. 162. — 26) Porges, Ergebn. d. Physiol.
10, 45 bis 46, 1910. — 27) Klein und Werner, diese Zeitschr. 168, 361, 1926.
Der Ausdruck für die Reaktion von wässerigen Lösungen.
Von
I. M. Kolthoff.
(Aus dem pharmazeutischen Institut der Reichsuniversität zu Utrecht.)
(Eingegangen am 19. Januar 1926.)
Ganz allgemein wird die Reaktion einer Flüssigkeit nach dem
Vorschlag von Sörensen im py ausgedrückt. Verschiedene Autoren
haben jedoch Einwände erhoben gegen diese Ausdrucksweise und
haben versucht, einen mehr rationellen Ausdruck zu geben.
Die wichtigsten Einwände, welche man gegen den Sörensenwert
erhoben hat, sind:
1. Bei abnehmendem py nimmt die reelle Acidität zu, was besonders
für nicht Eingeführte in der Nomenklatur verwirrend wirkt. Man
könnte dieser Ungeschicklichkeit natürlich vorbeugen, indem man die
Reaktion nicht in — log [H*], sondern in + log [H*] ausdrücken
würde. In dieser Weise erhält man immer negative Werte, was für
eine bequeme Schreibweise nicht angenehm ist. Ich möchte so eine
Änderung daher nicht empfehlen, auch darum nicht, weil man sich
an den Sörensenschen Ausdruck sehr schnell gewöhnt.
2. Das pe gibt uns gar keinen Anhalt für die „wahre Reaktion“
einer Lösung. Letztere wird nämlich nicht nur von der Wasserstoff-
ionenkonzentration bestimmt, sondern auch von der Konzentration
der Hydroxylionen. Die Änderung der Reaktion von der sauren nach
der alkalischen Seite wird vom Ge nicht zum Ausdruck gebracht. Ich
komme hierauf unten näher zurück.
Die Autoren, welcheeine Änderung der Ausdrucksweise vorgeschlagen
haben, wünschen nun die Reaktion in der Weise festzulegen, daß sie
positive Werte hat bei saurer Reaktion, negative Werte bei alkalischer
Reaktion und Nullist beim neutralen Punkte, wo [H*] gleich [OH] ist.
So hat schon Wherry!) eine Reaktionsskala hergestellt, deren
Werte von der Ionisationskonstante des Wassers abhängig sind. Ist
letztere 10714, so ist bei pe = Don = 7 die Reaktion gleich 0. Ist
Pa = 6, so ist die Reaktion + 1, bei pa =5 ist die Reaktion + 2,
bei pe = 8 — 1 usw. Hier hat man also auch eine logarith-
1) E. T. Wherry, Journ. Wash. acad. Science 9, 305, 1919.
I. M. Kolthoff:: Ausdruck für die Reaktion von wässerigen Lösungen. 491
mische Ausdrucksweise. W.M.Clark!) hat diese Festlegungsweise
der Reaktion nicht annehmen wollen, und ich weise auf die Polemik
zwischen den genannten Autoren hin, wobei ich mich ganz den Aus-
führungen von Clark anschließe. E.Derrien und G. Fontès?) haben
ohne Kenntnis der Veröffentlichung von Wherry eine völlig analoge
Ausdrucksweise der Reaktion vorgeschlagen.
Rationeller ist der Vorschlag, der neuerdings von D.Giribaldo®)
in dieser Zeitschrift gemacht worden ist. Er drückt die wirkliche,
aktuelle Reaktion durch das Verhältnis von [H*] und [OH] aus.
Diese Relation nennt er r.
Weil es nun nützlich ist, sich der Logarithmen der numerischen
Werte zu bedienen, wird die Reaktion durch log r ausgedrückt, und
zwar ist:
log r = log [H+] — log [OH];
durch Einführung der Ionisationskonstante K,, des Wassers findet
man dann:
log r = 2 log [H*] — log KA
In dieser Weise findet man, wenn K „ = 10714 ist, bei pe = ô,
daß logr = + 2 ist (oder das Verhältnis [H*]: [OH] = 100); bei
Pa = 8 log r = — 2 usw.
Einen großen Nachteil dieser Ausärucksweise finde ich darin,
daß die Reaktionsskala für jede Temperatur verschieden ist, weil
Ky,o sich ändert. Nun findet man im Schrifttum für Eu o bei den-
selben Temperaturen verschiedene Werte angegeben, so daß es vor-
kommen kann, daß der eine Autor bei derselben Temperatur eine
andere Skala verwendet als der andere. Als anderer Nachteil gilt, daß
man mit den Zahlen der neuen Ausdrucksweise nie mathematische
Ableitungen machen kann. Bei physiko-chemischen Rechnungen
muß man sie immer auf eine Ionenkonzentration zurückführen.
1) W. M. Clark, Journ. Wash. acad. Science 11, 199, 1921; Wherry
and E.Q. Adams, ebendaselbst 11, 197, 1921.
2) Derrien und Fontès, C. r. soc. biol. 92, 503, 1925.
3) D. Giribaldo, diese Zeitschr. 168, 8, 1925.
t) Bei der Ableitung der Gleichungen sind in der Mitteilung von
Giribaldo einige Fehler eingeschlichen. Oben S. 10 steht:
[H*]
log Kw = log 0H] = log [H+] — log IO H7];
soll sein
log Ky = log [H+] + log [0 H7];
und
log r = log [H+] — log K,
soll sein
log r = 2log [H+] — log Ky (oder logr = pp,o— 2 Del,
492 I. M. Kolthoff:
Als großer Vorteil wird von Giribaldo (und auch von Wherry)
angegeben, daß die Reaktion beim wahren Neutralpunkt wirklich 0
ist, positiv wird bei saurer Reaktion, negativ bei alkalischer Reaktion.
Giribaldo schreibt z. B.: „Das ist wichtig für die Biologie und die anderen
angewandten Wissenschaften‘ und (oben, S. 11): „Bei der Methode
von Sörensen zeigt nichts an, daß eine so wichtige Änderung (von sauer
zu alkalisch) vor sich gegangen ist: Die Variation von De ist nicht größer
als in anderen Gebieten der Acidität und Alkaleszenz“.
Dagegen möchte ich jedoch die Bemerkung machen, daß der Punkt
„neutrale Reaktion“ gar keine exakte Bedeutung hat für die Biologie und
angewandte Wissenschaften. Sehr oft schreibt man dem py = 7 = Don
eine besondere Bedeutung zu, was nur für ganz reines Wasser richtig
ist, weil hier die Reaktion wirklich von der Dissoziation des Wassers
beherrscht wird. In Mischungen, welche in der Biologie usw. verwendet
wurden, spielt diese Dissoziation des Wassers jedoch keine aktuelle
Rolle bei der Festlegung der Reaktion.
Will man nun, wie Giribaldo (und auch Wherry) das gemacht
haben, zum Ausdruck bringen, daß die wahre ‚Neutralität‘ eine ganz
besondere Bedeutung hat, so kann dies nur verwirrend wirken.
Dies kommt z.B. schon zum Ausdruck in der Mitteilung von
Giribaldo, der daurauf hinweist, daß normales Blut ein py von 7,35;
bei Coma diabet. ein py von 6,85 hat, was einer Änderung von log r
von — 0,56 zu + 0,50 entspricht. Aber diese Änderung der Reaktion
von der alkalischen nach der sauren Seite hat doch gar keine exakte
Bedeutung. Es ist nur zufällig, daß dabei der ‚neutrale Punkt“
passiert wird.
Im Blute und in vielen anderen biologisch wichtigen Flüssig-
keiten üben weder die Wasserstoffionen, noch die Hydroxylionen eine
direkte Wirkung aus. Die Wasserstoffionen regeln doch nur das Gleich-
gewicht in der Flüssigkeit, und die Änderung der Gleichgewichtslage,
welche sich mit dem pe ändert, hat nur für die Biologie eine wichtige
Bedeutung. Ob bei dieser Änderung von py die Reaktion sich von
der alkalischen nach der sauren Seite hin verschiebt oder umgekehrt,
hat für die biologischen Prozesse gar keine Bedeutung.
Dabei habe ich noch einen anderen Einwand gegen die Ausdrucks-
weise von @tribaldo; nach ihm ändert sich nämlich die aktuelle Reaktion
einer Lösung proportional dem Quadrat der Änderung der Konzentration
von H* oder OH”. Wenn nun irgend eine Reaktion in der Weise
von [H*] beeinflußt wird, daß das Gleichgewicht sich proportional
mit dieser Konzentration verschiebt, so wird dies von dem Sörensenwert
in normaler Weise zum Ausdruck gebracht und nicht von der „aktuellen
Reaktion‘ nach Giribaldo.
Ausdruck für die Reaktion von wässerigen Lösungen. 493
Ich möchte daher ausdrücklich empfehlen, den Sörensenwert zu
behalten und keine neue Ausdrucksweise der Reaktion einzuführen.
Der Sörensenwert hat doch folgende Vorteile:
1. Das pa hat eine reelle und aktuelle Bedeutung. Es gibt sofort
einen Ausdruck von der RE OEN weil
Da = — log [HÞ] ist.
Bei allen Problemen, bei denen man den Einfluß der Wasserstoff-
ionenkonzentration untersucht, kann man den Wert von Pa
mathematisch sofort verwenden.
2. Der Ausdruck von Py ist unabhängig von der Temperatur.
3. Bei der Ausführung von potentiometrischen Bestimmungen
berechnet man sofort aus der gemessenen elektrometrischen Kraft
das Dn.
4. Die Ausdrucksweise gilt universell für alle anderen Ionen. Ño
spielt z. B. in der Silbertherapie die Silberionenkonzentration eine
große Rolle. Man kann letztere nun — ebenso wie man das bei Wasser-
stoffionen macht — in pag ausdrücken.
Zum Schluß möchte ich nochmals nachdrücklich darauf hinweisen,
daß dem Begriff ‚neutrale Reaktion“ bei biologischen und anderen
angewandten Fragen gar kein besonderer Wert beizulegen ist.
Beeinflussung der Leberzellatmung durch Traubenzuckerzufuhr
zum Gesamtorganismus.
Von
Georg von Martos und Bodo Schneider.
(Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Berlin.)
(Eingegangen am 19. Januar 1926.)
Die vorliegenden Untersuchungen beschäftigten sich mit dem
Verhalten der Atmung, und zwar der Atmung überlebenden Leber-
gewebes. Unsere Versuchsanordnung geht dabei von klinischen und
experimentellen Feststellungen aus, daß gemäß der zentralen Stellung
des Kohlehydratumsatzes diejenigen Faktoren am ehesten den Stoff-
haushalt im allgemeinen und die Tätigkeit der Leberzellen im besonderen
abändern werden, die in mehr oder weniger direkter Beziehung zum
Zuckerhaushalt stehen, und daß bei solchen Einwirkungen (z. B. Zufuhr
von 20 bis 50 g Traubenzucker per os) lange dauernde Nachwirkungen
auf den Blutzuckerspiegel, den Gaswechsel, den Bilirubinspiegel des
Blutserums usw. zu beobachten seien (Arnoldi). Die Leber wirkt bei
der Ablagerung und Mobilisierung des Zuckers, überhaupt bei der
Regulierung des Kohlehydrathaushbalts, in hervorragender Weise mit.
Deshalb haben wir auch das Verhalten gerade dieses Organs nach
Zuckerzufuhr untersucht. Änderungen der Lebertätigkeit werden mit
Wahrscheinlichkeit auch von Änderungen der Leberzellenatmung
begleitet sein, zumal ja die Zellatmung als die Voraussetzung jeglicher
Zelltätigkeit anzusehen ist. Es war daher denkbar, daß nach Zufuhr
kleiner Mengen von Traubenzucker in den unversehrten G’esamtorganismus
viele Stunden später noch Änderungen der Atmung der überlebenden
Leberzellen nachweisbar wären. Dies trifft (vgl. unten) in der Tat zu.
Einem Einwand wollen wir hier gleich begegnen, um nicht miß-
verstanden zu werden. Es ist bekannt, daß die Leberzellen sehr bald
nach der Herausnahme aus dem Organismus ihre Tätigkeit verändern.
Sie überleben, wie man annimmt, nicht lange. Wir wollen daher nicht
von Versuchen an überlebenden Leberzellen sprechen, sondern von
solchen am isolierten Organgewebe bzw. am Leberbrei.
G. v. Martos u. B. Schneider: Beeinflussung der Leberzellatmung usw. 495
Zur Feststellung der Atmung isolierten Organgewebes stehen uns
verschiedene Methoden zur Verfügung. Wir benutzen die von Lipschitz
angegebene.
Als Versuchstiere dienen Meerschweinchen von 400 bis 600 g, und
zwar werden zu jedem Versuch und der dazu gehörigen Kontrolle je
zwei gleichschwere Tiere (Differenz nicht über 20 g) benutzt.
Um festzustellen, ob Traubenzucker die Zellatmung beeinflußt,
haben wir zwei verschiedene Wege eingeschlagen:
l. Den Meerschweinchen wird l ccm einer 4proz. Traubenzucker-
lösung intracardial eingespritzt.
2. Zum Leberbrei eines unvorbehandelten Tieres wird 4proz.
Traubenzuckerlösung zugesetzt.
Die Methodik der Untersuchung ist folgende:
Im ersten Versuch, den wir durchführten, erhält ein Meerschweinchen
l ccm einer nicht genau titrierten Traubenzuckerlösung intracardial injiziert.
Im zweiten Versuch erhält das Meerschweinchen 1 ccm einer 20proz., bei
allen späteren Versuchen jedoch Leem einer 4proz. (blutisotonischen)
Lösung von Traubenzucker. Das Tier wird dann nach verschieden langen
Zeiten nach der Einspritzung getötet. Die Leber möglichst steril heraus-
genommen und im ebenfalls sterilen Latapie zu Leberbrei zerkleinert.
1 g des Breies wird abgewogen und im Reagenzglas der Versuch mit dieser
Menge angestellt. Gleichzeitig wird ein Kontrolltier (unvorbehandelt)
getötet und der von ihm gewonnene Leberbrei (gleiche Menge) angesetzt.
Vorher aber wird einem weiteren Gramm Leberbrei (nicht titrierter, etwa
10 bis 20 proz.) Traubenzuckerlösung zugesetzt und im übrigen genau so
behandelt wie die anderen Proben.
Die Messung der Sauerstoffatmung wird gegen Niüro-Anthrachinon in
der Sörensenschen Pufferreihe vorgenommen. Wir stellten uns vorher eine
Pufferreihe in der Breite von 6 bis Spe in Abständen von je 0,2 pp auf.
Dann gaben wir in jedes Röhrchen je 5 ccm dieser Pufferreihe zu 1g Leber-
brei und 1 cem Nitro-Anthrachinonlösung. Es mußte zunächst festgestellt
werden, bei welchem pe das Optimum der Sauerstoffatmung liegt. Dieses
Optimum wurde bei pe 7,8 festgestellt und die Versuche bei diesem Atmungs-
optimum ausgeführt. Die Nitro-Anthrachinonlösung wird folgendermaßen
zubereitet:
l g Nitro-Anthrachinon wird mit 10 ccm Wasser versetzt und auf-
gekocht, filtriert (um die Trübung zu beseitigen) und dann, um es steril
zu bekommen, nochmals gekocht. Die Lösung hat zunächst eine gelbe
Farbe, die sich in Rot umwandelt, wenn das Nitro-Anthrachinon sich zu
Amido-Anthrachmon infolge von O,-Abgabe reduziert.
Nachdem sämtliche Gefäße, Latapie und Instrumente sterilisiert
waren, werden beide Tiere gleichzeitig getötet. Die Leber wird zu Gewebe-
brei in Latapie vermahlen und dann je l ccm in Röhrchen gebracht, die
öcem Puffer enthalten. Wenn alle Röhrchen gefüllt sind, wird lccm
von der Anthrachinonlösung zugesetzt und auf 1 Stunde in den Thermo-
staten gebracht, nachdem die Röhrchen gründlich durchgeschüttelt sind.
Zur Ablesung haben wir den Walpoleschen Komparator unter Benutzung
496 G. v. Martos u. B. Schneider:
einer Farbenskala benutzt. Die Farbenskala haben wir folgendermaßen
gewonnen :
Vollständig reduziertes Anthrachinon, also Amido-Anthrachinon, wird
mit Wasser verdünnt. Je nach dem py der Verdünnungsflüssigkeit ist die
Farbe dieser Lösung eine verschiedene. Deshalb wurde eine breite Reihe
von zugeschmolzenen Vergleichsröhrchen für den Gebrauch im Komparator
(zum Vorschalten) hergestellt, und zwar eine Reihe mit pe = 5,0 bis
De = 09,1 mit im ganzen 20 Zwischenstufen.
Dadurch erhielten wir eine Farbenskala zwischen Gelb und intensiv
Rot mit sehr zahlreichen Zwischenstufen (Differenz pe = 0,1).
Mit dieser Methodik werden die Versuche mit Ausnahme des
ersten durchgeführt. Beim ersten Versuch wird nicht eine bestimmte
Breimenge in die Reagenzgläser gebracht, sondern 5g des Breies in
15ccm Wasser aufgeschwemmt. Doch hatte sich dieses Vorgehen
nicht bewährt, denn es stellte sich heraus, daß nicht immer gleiche
Mengen von Leberbrei in die verschiedenen Röhrchen durch die
Pipettierung gelangen. Wir konnten das um so leichter feststellen,
nachdem wir vorsichtshalber Röhrchen ausgesucht hatten — durch
vorheriges Einpipettieren von 10 ccm Wasser —, die bei Einfüllung
gleicher Volumina einen Meniskus in gleicher Höhe aufweisen.
Im übrigen sind die Versuche aus der hier folgenden Tabelle er-
sichtlich.
Oxydation von Leberbrei.
6 |a) vorbehandelt | 1ccm 4proz. | 24h
bei der Kontrolle.
b) Kontrolle — =
1 : e S
u D : | Gg EE:
Z || Mit Traubenzucker | Intrecardial |3. = S S EE seS
a i rt ge ob, „Fe Oxydati öße
KE vofoenandeltes Traubenzucker Ce Re keet | D tege er bei
2 leicht Ee „3% d S SS? S 53 klaren Auf-
$ Tier (Kontrolle) aiia | GEZ? Š Bas Nast schwenmmungen)
u el “a GE) SEN
l m Wer WEE SS l ccm untitriert| 1535’ | 40' EN | reg stärkere Roming
er Kon
b) Kontrolle | — | — 35 —
| i
2 lla) vorbehandelt ` 1 ccm 2proz.| 1540" 40 ` (hän 3,00
b) Kontrolle — | — 40 1 30 1,50
desgleichen nachträglicher | — 565 1 30 1,75
Zuckerzusatz ?
zum Leberbrei
d a) vorbehandelt | 1 ccm 4proz. 1lh15'! 90 1 | 2,90
b) Kontrolle — — 50 l | 1,40
4 ; h 55 h 20’ Deutlich stärkere Rö
ai vorbehandelt | 1 ccm 4proz 3h55 40 |1h20' | ve e e Olai
"bi Kontrolle — Ze 40 1 2% | —
5 al vorbehandelt | 1cem 4proz. | 24h 50 |1 10 3,50
b) Kontrolle | — :! 50 |1 10: 1,70
desgleichen | nachträgliche | — | 50 |1 10 | 1.90
| Zusatz von j
| 0,008 g Zucker f
| zu lg Leberbrei | i
45 |1 15 u stärkere Rötung
45 |1 15 |
Beeinflussung der Leberzellatmung durch Traubenzuckerzufuhr. 497
Es ergibt sich also, daß das Lebergewebe von Tieren, die mit Trauben-
zucker vorbehandelt waren, ein erhöhtes Oxydationsvermögen besitzt, und
zwar atmet es etwa doppelt soviel als der Leberbrei des unvorbehandeiten
Tieres.
Nach 24 Stunden nochmals abgelesen, hat die Gesamtflüssigkeit
eine noch tiefere rote Farbe, d.h. der Titer hat sich natürlich ver-
schoben, aber das Röhrchen mit dem Leberbrei des mit Zucker vor-
handelten Tieres hat doppelt soviel O, verbraucht als der Leberbrei
des nicht vorbehandelten Tieres.
Literatur.
Lipschitz, Med. Klin. 49, 1920. — Lipschitz und Herzberg, Pflügers
Arch. 188, 275, 1920. — Bieling, Zeitschr. f. Hygiene 100, 270. — Neuberg,
Gottschalk und Strauss, Deutsch. med. Wochenschr. 46, 1923. — Abderhalden,
Klin. Wochenschr. 1922. — Berczeller, diese Zeitschr. 90. — Abderhalden,
Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 21, 22, 1920. — Ryffels, Zeitschr. f. physiol.
Chem. 129. — Rona und Grasheim, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 170. —
Ellinger und Landsberger, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 128.
Einige Beiträge
zur Chemie des auf dem Höhepunkt der Insulinwirkung
beobachteten Blutzuckers.
Von
Zoltän Ernst und Julius Förster.
(Aus der I. medizinischen Klinik der k. ungar. PAzmäny-Pöter-Universität
in Budapest.)
(Eingegangen am 22. Januar 1926.)
Es ist bekannt, daß bei den auf der Reduktion der Kupfersalze
beruhenden Bestimmungsmethoden des Blutzuckers nicht nur die
Menge der Glucose, sondern gleichzeitig auch die Gesamtmenge der
übrigen reduzierenden Substanzen bestimmt wird. Hierauf hat Paul
Mayer (1) die Aufmerksamkeit gelenkt, der im Blute das Vorkommen
der Glucuronsäure entdeckt hat. Sodann befaßte sich Feigl (2) ein-
gehend mit diesen reduzierenden Substanzen und wies auf die Rolle
der Harnsäure, des Kreatinins und der Aminosäuren hin. Später
zeigte Stepp (3), daß auch im menschlichen Blute Glykuronsäuren stets
vorhanden sind; es gelang sogar, im Blute — besonders in dem der
Diabetiker — aldehydartige Substanzen nachzuweisen. Die ver-
schiedenen zur Ausfällung der Eiweißkörper dienenden Methoden
entfernen einen Teil dieser Substanzen, doch kann die vollständige
Isolierung des Zuckers auf diese Art nicht erfolgen. Auf das Vorhanden-
sein dieser reduzierenden Substanzen weist der Umstand hin, daß Blut-
zuckerwerte, die durch Polarisation oder Gärung bestimmt wurden,
niedriger sind als die durch Reduktion gewonnenen Werte.
Solche Untersuchungen wurden von vielen angestellt; doch während
einzelne Verfasser, wie Takahashi und Oppler (6) (7) der Meinung sind, daß
die durch Polarisation und Reduktion gewonnenen Werte miteinander
übereinstimmen, lenkt Stepp (4) in seinen neueren Untersuchungen die
Aufmerksamkeit nachdrücklich auf die nicht glucoseartigen reduzierenden
Substanzen. Stepp (5) untersuchte das im Vakuum eingedampfte Filtrat
des mittels Phosphorwolframsäureeiweißfreigemachten Blutesdurch Gärung,
Polarisation und Reduktion und beobachtete dabei, daß, während die
Resultate der Polarisation und der Gärung ganz übereinstimmend sind,
die Reduktion zuweilen übereinstimmende. doch oft viel höhere Werte
Z. Ernst u. J. Förster: Blutzucker. 499
ergibt. So beträgt z. B. in den drei normalen Fällen der von ihm mitgeteilten
Tabelle II der Unterschied zwischen den einesteils durch Reduktion,
anderenteils durch Polarisation und Gärung gewonnenen Blutzucker-
werten 0,031, 0,073 und 0,044 Proz.; auch bei Diabetes gibt es ähnliche
Unterschiede. Seines Erachtens liegen die wirklichen Blutzuckerwerte um
20 bis 30 Proz., manchmal sogar um 50 Proz. niedriger als die durch die
Reduktionsmethode bestimmten Werte.
Bei pathologischen Prozessen ist — besonders bei niedrigen Blut-
zuckerwerten — im Verhältnis der Glucose zu den nicht zuckerartigen
reduzierenden Substanzen eine vielleicht noch größere Verschiebung
zu gewärtigen. Aus diesem Grunde untersuchten wir in unserer vor-
liegenden Arbeit das Verhältnis zwischen der Glucose und den nicht
zuckerartigen reduzierenden Substanzen im Blute des durch Insulin
hypoglykämisch gemachten Organismus. Nach Verabreichung von
Insulin kann der Blutzucker des Kaninchens auf 0,04 Proz. und auch
niedriger sinken. Da laut Stepps (5) Untersuchungen die Menge der
nicht zuckerartigen reduzierenden Substanzen auch 0,03 bis 0,07 Proz.
betragen kann, konnten wir annehmen, daß der in hypoglykämischem
Stadium durch Reduktion nachgewiesene ‚‚Blutzucker‘‘ eventuell keine
Glucose enthält, sondern daß er bloß aus nicht zuckerartigen redu-
zierenden Substanzen besteht. In diesem Falle könnte man durch
Polarisation keinen Zucker nachweisen. |
Wir führten unsere Versuche an Kaninchen aus, denen nach 18stün-
digem Hungern pro 2 kg Körpergewicht 6 bzw. 8 Einheiten Insulin —
also eine sehr große Dosis — subkutan injiziert wurde. Nach dem ersten
Krampfanfall ließen wir das Kaninchen durch die Karotis verbluten. Auf
diese Art erhielten wir 50 bis 70 ccm Blut, das wir in einem 5 ccm 2proz.
Ammoniumoxalatlösung enthaltenden Meßkolben auffingen und sogleich
nach erfolgter Quantitätsbestimmung nach Opplers (7) Methode eiweißfrei
machten. Wir verdünnten das Blut etwa löfach und vermengten es sodann
unter ständigem starken Schütteln nach und nach mit einer Lösung der
frisch zubereiteten 10proz. Kahlbaumschen Phosphorwolframsäure, wovon
wir beiläufig so viel zusetzten, wie die ursprüngliche Menge des Blutes
betragen hatte. Die vollständige Eiweißbefreiung wird daraus ersichtlich,
daß an der Oberfläche der Flüssigkeit — trotz des starken Schüttelns — nur
einige sehr kleine Blasen herumschwimmen. Wenn die angewandte Lösung
der Phosphorwolframsäure nicht genügt, so kann man davon nachträglich
tropfenweise zusetzen. Nachdem die Flüssigkeit einige Minuten gestanden
hatte, füllten wir sieauf ein bekanntes Volumen auf und filtrierten sie danach.
Die ganze Prozedur nahmen wir im Halbdunkeln vor, um dadurch die
Reduktion der Phosphorwolframsäure verhüten zu können. Sodann mengten
wir dem kristallhellen Filtrat 20 ccm neutraler Bleiscetatlösung bei,
filtrierten das entstandene Bleisalz der Phosphorwolframsäure, ließen darauf
durch das Filtrat H,S durchströmen und entfernten nach dem Filtrieren
des Bleisulfids den H,S-Überschuß mittels Luftdurchströmung. Die
solcherart gewonnene wasserhelle Flüssigkeit von etwa 500 ccm wurde bei
niedrigem Druck unterhalb einer Temperatur von 38°C auf ein Volumen
von 3 bis ccm eingedampft. Während der Eindampfung wurde die Flüssigkeit
500 2. Emst u. J. Förster: Blutzucker.
ein wenig trübe, weswegen wir sie — nachdem sie auf 8 bis 10 ccm auf-
gefüllt worden war — durch ein kleines Filter filtrierten. Wir unter-
suchten die solcherart gewonnene Flüssigkeit in einer 19,8 cm langen Röhre
von 5mm Durchmesser mit Hilfe eines Präzisionspolarimeters — dessen
Empfindlichkeit + 0,01°. betrug — und bestimmten danach die Reduktion
nach der Bertrandschen Methode in zwei gleich großen Teilen.
Die bisherigen, auf die beschriebene Art vorgenommenen Unter-
suchungen ergeben folgende Resultate.
Glucose |
berechnet durch | berechnet durch | Differenz
| Polarisation Reduktion
Proz. Proz. | Proz.
1 0,0113 0,0187 0.0074
2 0,0330 0,0650 0,0320
3 0,0190 0,0276 0,0800
Aus diesen Resultaten geht hervor, daß das Blut in dem durch das
Insulin hervorgerufenen 'hypoglykämischen Zustande — auch bei ganz
niedrigen Blutzuckerwerten — eine durch Polarisation gut nachweisbare
Zuckermenge enthält. Der Zucker beträgt 51 bis 76 Proz. sämtlicher
reduzierenden Substanzen; demnach entsteht zufolge der Verminderung
der Zuckerkonzentration im Verhältnis des Zuckers zu den nicht zucker-
artigen reduzierenden Substanzen keine wesentliche Verschiebung.
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Notiz über die Wirkung
der Oxydoredukase auf Methylglyoxal.
Von
A. Lebedew.
(Aus dem agrikulturchemischen Laboratorium der I. Moskauer Univergität.)
(Eingegangen am 25. Januar 1926.)
In meinem letzten Aufsatz, den ich an dieser Stelle!) veröffentlicht
habe, ist gesagt, daß ich „vorläufig mit Hilfe der Oxydoredukase kein
positives Ergebnis mit Methylglyoxal erzielt habe“. Neuerlich habe ich
doch wahrgenommen, daß Methylglyoxal, wenn auch etwa 30 mal schwächer
ale Glycerinaldehyd, durch Oxydoredukasein Anwesenheit von Methylenblat
oxydiert werden kann.
1) Diese Zeitschr. 166, 407, 1925.
Berichtigung
In der Mitteilung von G. E. Wladimiroff, diese Zeitschr. 167, 163,
1926, muß es heißen: Zeile 7 von unten 38,08 (statt 58,80), Zeile 1
von unten 13,84 und 13,84 (statt 13,94 und 13,94).
Biochemische Zeitschrift Band 169. 33
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