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Full text of "Biochemische Zeitschrift 182-183.1927"

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Biochemische Zeitschrift 


Unter Mitwirkung von 


M.Ascoli-Catania, L. Asher-Bern, A. Bach-Moskau, M. Bergmann- Dresden, G. Bertrand- 
Paris, A. Bickel- Berlin, F. Bilamentbhal-Berlin, Fr. Boas- Weihenstephan, A. Bonanni-Rom, 
F. Bottazzi- Neapel, G. Bredig- Karlsruhe i. B, W1. Butkewitsch - Moskau, M. Cremer- 
Berlin, R. Doerr- Basel, A. Darig- Wien, F. Ebrlich- Breslau, H.r. Euler-Stockholm, S. Flexner- 
New York, J. Forssman-Lund, 8. Fränkel-Wien, E. Freund- Wien, H. Freundlich- Bern, 
E. Friedberger - Greifswald, E. Friedmana - Berlin, E. Fromm - Wien, O. Färth - Wien, 
F. Haber - Berlin, M. Hahn- Berlin, P. Hári- Budapest, F. Hayduck - Berlin, E. Hägg- 
laad - Abo, V. Henri- Paris, V. Henriques- Kopenhagen, R. 0. Herzog- Berlin, K. Hess- 
Berlin, W. Heubner -Göttingen, R. Höber- Kiel, M. Jacoby - Berlin, P. Karrer- Zürich, 
A. J. Kiuyrer- Delft, M. Kochmann - Halle a. S., R. Krimberg - Kiga, F. Landolf- Buenos 
Aires, L. Langstein- Berlin, E. Laqueur - Amsterdam, 0. Lemmermaun - Berlin, E. J. 
Lesser-Mannheim, P. A. Lerene-New York, S. Loewe- Dorpat, A. Loewy- Davos, H., Liors- 
München, Th. Madsen-Kopenhagen, A. Magnus - Lery - Berlin, J. A. Mandel- New York, 
E. Mangold - Berlin, L. Marchlewski- Krakau, P. Mayer- Karlsbad, J. Meisenheimer- 
Tubingen, 0. Meyerhof- Berlin, L. Michaelis-Nagoya, H. Molisch-Wien, H. Murschhauser- 
Düsseldorf, W. Nernst- Berlin, C. v. Noorden- Frankfurt a. M., W. Omellanskl-Leningrad, 
W. Ostwald - Leipzig, A. Palladin -Charkow, J. K. Parnas - Lemberg, Th. Panl- München, 
W. Pauli-Wien, R. Pfeiffer - Breslau, E. P. Piek-Wien, L. Pincussen - Berlin, J. Pobl. 
Breslau, Ch. Porcher- Lyon, D. N. Prianischnikow - Moskau. H. Pringsheim - Berlin, 
P. Rona- Berlin, H. Sachs-Heidelberg, 8. Salaskin-Leningrad, T. Sasaki-'l'okio, B. Sbarsky- 
Moskau, A. Scheunert - Leipzig, A. Schlossmann - Düsseldorf, E. Scehmitz- Breslau, 
J. Snapper - Amsterdam, 8. P. L. Sörensen - Kopenhagen, kK. Spiro - Basel, E. H. Stariing- 
London, J. Stoklasa - Prag, W. Straub- München, K. Sato - Kanazawa, U. Suzuki- Tokio, 
H. e, Tappeiner- München, K. Thomas - Leipzig, H. Thonis - Berlin, C. Tigerstedt - Helsing- 
fore, P. Trendelenburg - Freiburg i. Br, F. Verzär- Debreczen, 0. Warburg - Berlin, 
H. J. Waterman - Delft, G. v. Wendt- Helsingfors, E. Widmark - Lund, W. Wiechowski- 
Prag, A. Wohi - Danzig, J. Wobigemutb - Berlin, N. Zelinsky - Moskau. 


herausgegeben von 


C. Neuberg-Berlin 


Hundertzweiundachtzigster Band 


Berlin 
Verlag von Julius Springer 


1927 


Inhalt. 


Krontowski, A. A. Zur Charakteristik des Stoffwechsels in einzelnen 
Teilen des Gehirns. (Versuche mit Explantaten aus dem Gehirn 
ausgewachsener Tiere) BEE EECH 

Zelinsky, N. D. und N.I. Gawrilow. Zur Frage des anhydridartigen 
Charakters der Eiweißstoffe ; 

— — Autoklavenhydrolyse von Dipeptiden ind. Anhy driden der 
Aminosäuren . ; 

Gawrilow, N. J., E. Stachejewa, A. Titowa und N. eege Bee 
zur Dynamik der Autoklavenhydrolyse der Eiweißstoffe ée Methode von 
Zelinsky-Ssadikow) mittels verdünnter Säuren . 

Tscherkes, Leon A. Proteinogene Toxikosen . 

Rubinstein, D.L. Über die Wirkung hysiolegisch Aauilibrierter 
Salzlösungen 

Andrejew, N. N. Über de Ben bilisteruhe dor Kolloide 
durch Eiweißstoffe 

Samysslow, A. Die Rolle der Begleitstoffe bei de; EE mit 
Peroxydasepräparaten . 

Kostytschew, S., K. Bazyrina und D Wassilieff. her die Kohlenstoff- 
ausbeute bei der Photosynthese unter natürlichen Verhältnissen 

Iwanoff, Nicolai N. Über die Stabilität der chemischen Zusammen- 
setzung der Pflanzen 

Butkewitsch, WI. S. Über die "Säurebildung bei EE Pilzen 

Rabinowitsch, Adolph J. und R. Burstein. Über die Elektrolytkoau 
lation der Kolloide. IV. Mitteilung: Elektrometrische und kon- 
duktometrische Titration von Mastixsolen . ; À 

Engelhardt, W. A. Zur Kenntnis des intermediären Parinstoike: ec hsels. 
I. Mitteilung: Fermentative Bildung von Hamsäurevorstufen im 
Blute .. . 

Lasarelf, P. Über die Absorption des Lichtes Are die Blätter der 
Pflanzen und die Absorption von Chlorophyllösungen. er 
Steppuhn, ©. und Y. Duret-Delage. Über das Wesen der Autoly: se. 
VII. Mitteilung: Beiträge zur Kenntnis der Organautolyse . 
Stern, L. Die Beziehung des Katalasesystems zu den Oxydations- 

vorgängen in den Tiergeweben . 

Oparin, A. Zur Kenntnis der Oxydnlionsvonnkei in der Jé be den 
Zele .. 

Sbarsky, B. und Z. Jermoljewa. Zur Kenntnis den Eens det 
Immunitätserscheinungen. III. Mitteilung: Über den Einfluß 
einiger Aminosäuren auf die Wirkung des Tetanustoxins . 

Serejski, M. Über die Einwirkung der Narkose auf die chemische 
Zusammensetzung des Gehirns. (Vorläufige Mitteilung) . . 

Palladin, Alexander und D. Ferdmann. Über den Einfluß des Charikters 
der Nahrung auf die Prozesse der Synthese und Oxydation. 

Prianischnikow, D. Über Se Acidität von Ammonium- 
nitrat . . 

Magaram, Marie und W. Engelhardt. Einfluß von "Stärkeinjektionen 
auf die Blutamylase. (Zur Frage nach der Existenz sogenannter 
„Abwehrfermente‘“ gegen Kohlelhydrate) 


Seite 


121 


131 


134 


139 


155 


180 


188 


193 


204 


. 215 


IN Inhalt. 


Frumkin, A. und A. Obrutschewa. Über einige Adsorptionserschei- 
nungen an Silberjodid. . . DEE a ee ya ee 
Balachowsky, S. und W. Turbaba. “ Über die Wirkung von äußeren 
Reizen auf den Brechungsindex des Blutserums . ur 

T. Ikebata. Über die Zusammensetzung des Kaminerwas e l 

Ehrlich, Felix. Über symmetrische und asymmetrische Spaltung 
von racemischem Tyrosin durch Hefegärung und über ihre Be- 
einflußbarkeit durch vitaminartig wirkende Nährsubstrate. Sa 

Kołodziejska, Sophie und Casimir Funk. Beitrag zur Chemie des 
Trypsins (Tryptase) . EECHER 

Neuberg, €. und M. Kobel. Verhalten der Hexosen sowie Hexosen- 
mono-phosphorsäureester zu Serum und Aminosäuren. A 

Neuberg, Carl und Wassili Komarewsky. Über die Umwandlung as 
Methyl-benzovl-carbinols durch gärende Hefe : 

Maurer, E. und St. Diez. Zur Kenntnis des Jods als Dosen Element: 
IX. Mitteilung: Über Wachstumsbeschleunigung an jungen Ratten 
bei Verfütterung jodangereicherter Kost an das laktierende 
Muttertier Dr En ee Re ar We ee ee ee Aë 

Bortels, Hermann. Über die Bedeutung von Eisen, Zink und Kupfer 
fiir Mikroorganismen. (Unter besonderer Berücksichtigung von 
Aspergillus niger.) . . 

Pincussen, Ludwig. Über Veränderungen des Kalons ingehalts We 
Organe unter Belichtung und im Höhenklima 

— Über Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen 

Waterman, N. und L. de Kromme. Untersuchungen über Cy tolvse 
beim Krebs. I. . ee 8 

Farkas, G. und H. Tangl. Die Wir Kari is Aılzextiäktes Auf die Farb. 
stoffausscheidung aus dem Blute . É 

— — Die Wirkung des Cholins und Histamins auf die Farbstoff- 
ausscheidung aus dem Blute . 

Tangl, Harald. Über den Einfluß einiger Stee SES KS, die Far SCH 
ausscheidung aus dem Blute . ; 

— Einfluß von Milz-, Thymus- und Thyr lack takt auf das W ae 
tum von jungen Ratten S 

Fränkel, Sigmund und Klara Nussbaum. Über neue basische Cholin- 
derivate Zap Bd ebe AE a 

Fränkel, Sigmund und Max Friedmann. Über eine Dodecandiamino- 
diearbonsäure aus Casein 

Bajandurow, B. J. Über eege bei Tanbe n, “weiche der Groß: 
hirnhemisphären beraubt sind E 

Sjollema, B. Zur Blutzuckerfrage. Praktionierine ES E 
Substanzen in Blutfiltraten ; 

Menzel, Heinrich. Ein neues Gefrierpunktsthermometer fürs wässerige 
Lösungen 

Holmberg, Carl G. Bestinimung von Öxalsaure in Ham Aut der 
Schaukelextraktionsmethode von Widmark. Dr 

Neuberg, Carl und Maria Kobel. Über die Bildung von reiner d (—) -Mileh- 
säure durch frische Hefen und Trockenhefe sowie von d, 1-Milchsäure 
durch Hefenmazerationssatft 


Berichtigung 


Autorenverzeichnis . 


A. BACH 
MOSKAU 


GEWIDMET 


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Zur Charakteristik 
des Stoffwechsels in einzelnen Teilen des Gehirns'). 


(Versuche mit Explantaten aus dem Gehirn ausgewachsener Tiere.) 


Von 
A. A. Krontowski. 


(Aus der Abteilung für Biologie und experimentelle Medizin des Röntgen- 
instituts zu Kiew.) 


(Eingegangen am 7. Dezember 1926.) 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


I. Einleitung. 


Schon die ersten Versuche von Harrison selbst (1907 bis 1909) 
haben gezeigt, daß die Explantation von Stückchen aus embryonalem 
Nervengewebe mit Erfolg zum Studium einiger wichtiger Fragen 
betreffend die Entwicklung des Nervensystems angewandt werden 
kann. Dieser Forscher (2) sowie manche andere Autoren [Burrows (1), 
Ingebrigtsen (5), Levi (L1) u.a.] haben das Auswachsen von Nerven- 
fasem in Gewebskulturen beobachtet und studiert. Da aber die 
Wachstumserscheinungen (sei es die Teilung von Neuroblasten oder das 
Auswachsen der Nervenfasern) nur in den Gewebskulturen aus dem 
embryonalen Nervengewebe oder demjenigen ganz junger Tiere zu 
beobachten waren, sah man gewöhnlich davon ab, Explantate aus 
dem zentralen Nervensystem ausgewachsener Tiere zum Studium 
der oder jener Fragen bezüglich des Nervengewebes anzulegen. 

Indessen wäre es, meines Erachtens, vom Gesichtspunkt der 
normalen und pathologischen Physiologie von besonderem Interesse, 
Mittels der Explantationsmethode die Lebenstätigkeit einzelner Teile 
des Gehirns, namentlich bei ausgewachsenen Tieren, unter verschiedenen 
Bedingungen zu untersuchen. Im Laufe der letzten Jahre wurden von 


1) Vorgetragen in der Sitzung der Kiewer Pathologen-Gesellschaft 
am 16. Mai 1926 und (mit Berücksichtigung weiterer Versuche über Insulin- 
e auf der Allrussischen Physiologentagung zu Leningrad am 27. Mai 

26. 


Biochemische Zeitschrift Band 182. l 


2 A. A. Krontowskıi: 


mir und meinen Mitarbeitern [Krontowsk:i (7), Krontowski und Bron- 
stein (8), Krontowski, Jazimirska-Krontowska und Magath (9), Kron- 
towski, Bereschanski und Majewski (10)] einige physikalisch-chemische 
und mikrochemische Methoden zum Studium der Lebenstätigkeit 
explantierter Gewebe angewandt; es hat sich ergeben, daß es auf solche 
Weise gelingt, bestimmte Kriterien zur Abschätzung der Lebens- 
erscheinungen in Gewebskulturen — vor allem des Stoffwechsels — 
zu gewinnen, und zwar sogar in den Fällen, wo das explantierte Gewebs- 
stückchen (z.B. ein Stückchen Nierenrindensubstanz eines aus- 
gewachsenen Tieres) keine Wachstumserscheinungen aufweist. Diese 
Feststellungen regten mich an, den Versuch zu unternehmen, ent- 
sprechende Explantate aus bestimmten Teilen des Gehirns ausgewachsener 
Tiere anzulegen und den Stoffwechsel dieser Explantate, soweit es möglich, 
physikalisch-chemisch und mikrochemisch zu verfolgen. i 


Auf diese Weise hoffte ich zu einigen Resultaten zu gelangen, indem 
ich vermutete, daß die Nervengewebestückchen bei der Explantation in 
einem passenden Medium sich doch unter etwas besseren Bedingungen 
(schwerlich unter schlechteren) befinden werden, als das Nervengewebe 
in den Versuchen von Hirschberg und Winterstein (3), die das einem Frosche 
entnommene Rückenmark einfach in Kochsalzlösung (unter Sauerstoff- 
versorgung) mit Zuckerzusatz versenkten und den Zuckerverbrauch ab- 
schätzten, oder in den Versuchen von Warburg, Posener und Negelein (14), 
die, unter anderen Versuchen nach der eleganten Warburgschen Methode, 
auch Schnitte aus der grauen Gehirnsubstanz der Ratte in Ringerlösung 
mit Glucose unterbrachten und die Glykolyse gasometrisch bestimmten. 
Indessen haben die Versuche von Hirschberg und Winterstein eine Reihe 
äußerst interessanter Feststellungen zur Charakteristik des Stoffwechsels 
im zentralen Nervensystem erbracht [vgl. auch Hirschberg und Winter- 
stein (4)], während die Versuche von Warburg und seinen Mitarbeitern das 
Vorhandensein einer energischen anaeroben Glykolyse in der Gehirnrinde 
der Ratte zeigten, wobei die Glykolyse derjenigen durch embryonale Ge- 
webe annähernd gleichstand. Die interessanten Ergebnisse der genannten 
Forscher ließen es hoffen, daß auch meine Versuche, ausgeführt mittels 
einer anderen Methodik [unter Ausnutzung aller Vorzüge der Explan- 
tation!)] und in einer anderen Richtung, auch nicht erfolglos bleiben 
werden. Es steht ja fest, daß die Stückchen des Nervengewebes bei der 
Explantation in solche Bedingungen geraten, unter welchen die Nerven- 
zellen eine Zeitlang am Leben bleiben, wobei auch das Auswachsen von 
Nervenfasern stattfinden kann, und zwar nicht nur in Fällen, wo die 
Stückchen dem embryonalen Gewebe angehörten, sondern auch in Ex- 
plantaten aus demjenigen jüngerer Tiere: so wurden z. B. Stückchen aus 
Spinalganglien [Marinesco und Minea (12), Ingebrigtsen (5)] oder Kleinhirn 
[Ingebrigtsen (6)] junger Katzen und Meerschweinchen explantiert. Zu- 
gunsten der Annahme, daß auch in Explantaten aus der Großhirnrinde 
ausgewachsener Tiere das Leben der Nervenzellen gewissermaßen erhalten 
bleibe, sprach auch der Umstand, daß in einigen meiner früheren Versuche, 


1) Leider sind die gegenwärtigen Explantationsmethoden noch sehr 
unvollkommen und leiden an manchen Gebrechen. 


Stoffwechsel in einzelnen Teilen des Gehirns. 3 


als ich Stückchen aus der Rinde und anderen Teilen des Gehirns aus- 
gewachsener Tiere unter gleichen Bedingungen explantierte, nicht selten 
in Kulturen aus einzelnen Gehirnteilen (namentlich aus den phylogenetisch 
älteren), aus dem zentralen Höhlengrau, Nervenfasern wuchsen, obwohl bei 
der Besichtigung der lebenden Explantate aus der Rinde sich keine 
Wachstumserscheinungen seitens der Nervenelemente konstatieren ließen; 
wenigstens einige von den in der Peripherie des Stückchens gelegenen 
Nervenzellen blieben also ziemlich lange am Leben. 


II. Versuchsmaterial und Methodik. 


Um sich zunächst zu überzeugen, ob es tatsächlich gelingt, den Stoff- 
wechsel in Gehirnexplantaten aus ausgewachsenen Tieren wahrzunehmen, 
wurden einige Versuchsserien an Gewebskulturen aus einzelnen Teilen des 
Gehirns ausgewachsener Kaninchen unternommen: mittels feiner Instru- 
mente (derjenigen für Augenchirurgie) wurden kleine Stückchen (0,5 bis 
0,8 mm Durchmesser) aus der Großhirnrinde (auf der Höhe der großen 
Pyramuidenzellen, was dann an mikroskopischen Präparaten nachgeprüft 
wurde), aus verschiedenen Teilen der weißen Gehirnsubstanz und aus 
verschiedenen Punkten des zentralen Höhlengrau ausgeschnitten. Stück- 
chen von möglichst gleichen Dimensionen wurden dann auf übliche 
Weise in kleineren (gleich großen) Mediumtropfen explantiert. (Zurzeit 
werden von uns die Dimensionen der Gewebestückchen als auch 
der Mediumtropfen mittels eines speziellen Instrumentariums genauer 
dosiert.) Um genauere Resultate zu erzielen, legte ich an einer jeden 
Gabritschewskischale mehrere zum Grundversuch gehörende und Kontroll- 
kulturen an [als Kontrolle dienten Mecdiumtropfen mit ebensolchen durch 
Kochen abgetöteten oder autolysierten (mittels einer vorhergehenden 
2 Tage langen aseptischen Aufbewahrung bei 37,5°C) Gehirnstückchen oder 
ebensolche Mediurntropfen ohne Stückchen]. Die Schalen wurden in Thermo- 
staten bei 37,5° untergebracht. In einigen Fällen wurden die Kulturen 
in Carrelschen Schalen (Modell D) angefertigt; in solchen Kulturen wurde 
nur der flüssige Teil des Mediums zur Analyse genommen. Als Maß des 
Stoffwechselverlaufs untersuchte ich in diesen ersten Versuchsserien vor 
allem den Zuckerverbrauch, da, außer sonstigen Überlegungen [siche 
Krontowski und Bronstein (8)] „der Zucker nicht bloß eine Quelle der 
Muskelkraft, sondern auch eine solche der Tätigkeit der nervösen Zentral- 
organe darstellt‘‘, wie es Hirschberg und Winterstein auf Grund ihrer zahl- 
reichen Versuche geschlossen haben (3). Für die Zuckerbestimmung wurden 
Kulturen im Medium aus gleichen Volumen Plasma und Tyrodelösung 
angelegt; die Bestimmungen in Explantaten wurden nach der Methode 
von Hagedorn-Jensen ausgeführt, wie es in einer unserer vorhergehenden 
Arbeiten beschrieben wurde [Krontowski und Bronstein (8). Außerdem 
wurde die von mir [ÄKrontowski (7)] ausgearbeitete Methode angewandt, 
die im wesentlichen darin besteht, daß man zu dem Medium, in welchem 
die Gewebe explantiert werden (verdünntes Plasma, Lewis-Lockesches 
Medium und dergleichen) bestimmte Stoffe zugibt (verschiedene Kohle- 
hydrate, Butyrin usw.), welche durch die Lebenstätigkeit der Explantate 
unter Bildung saurer Produkte abgebaut werden, und daß man im Laufe 
der Explantation nach bestimmten Zeitintervallen die Weasserstoffzahl 
(Wasserstoffionenkonzentration) — entweder elektrometrisch mittels Mikro- 
elektrode oder mittels Indikatoren von Clark und Lubs — bestimmt. Für 
derartige Untersuchungen wurden die Gehirnstückchen in einer Mischung 


Is 


4 A. A. Krontowski: 


von Plasma, Tyrodelösung und Glucose explantiert (um eine raschere An- 
häufung der sauren Abbauprodukte und eine deutlichere pu-Verschiebung 
zu erzielen, wurde ein Teil Plasma mit 3 Teilen Tyrodelösung verdünnt 
mit Zusatz von so viel Glucose, daß der Gesamtgehalt des zugesetzten 
Zuckers 1 Proz. betrug; seltener wurde Plasma + Tyrodelösung aa 
+ Glucose gebraucht), dann wurden die pa-Werte (im Mediumtropfen 
und dem explantierten Stückchen) in bestimmten Zeitintervallen mittels 
der Indikatoren von Clark und Lubs bestimmt [nach der von Krontowski (7) 
und KÄrontowski, Jazimirska-Krontowska und Magath (9) beschriebenen 
Methodik]. 


III. Versuche mit Explantaten aus verschiedenen Teilen des Gehirns aus- 
wachsener Tiere. 


Schon die allerersten Versuche, die ich vor 2 Jahren unternommen 
habe, ergaben, daß die Explantate aus der grauen Substanz der Gehirn- 
rinde in Anwesenheit von 1 Proz. Glucose sehr rasch!) (im Laufe der 
ersten Versuchsstunden) das Medium beträchtlich ansäuern (dessen 
Pa-Wert vermindern), so daß gegen das Ende der ersten 24 Stunden 
die Reaktion deutlich sauer wird (diese Reaktionsverschiebung läßt 
sich sogar mittels Lackmus als Indikator demon- 
strieren).. Andererseite erzeugen die Explantate 
aus der weißen Gehirnsubstanz unter analogen 
Bedingungen keine oder nur eine äußerst geringe 
Reaktionsänderung im Kulturmedium. Explantate 
aus dem zentralen Höhlengrau ergaben wechselnde 
Resultate, abhängig vor allem von der Stelle, 
der die Stückchen entnommen waren (vom Ge- 
d halt der Explantate an Zellen und dergleichen); 
72 
24 vi diese Versuche zeigten aber, daß der Stoffwechsel 
EI, in den Explantaten aus dem zentralen Höhlen- 

= Abb.. "` grau bedeutend intensiver war als in denjenigen 
See, véi GIE aus der weißen Gehirnsubstanz, jedoch in der 
+ Ringerlösung + 1 Proz. Mehrzahl der Fälle geringer als in Kulturen 
Glucose) aus: ; 
aus der grauen Substanz der Rinde (manchmal 
a) der grauen Substanz à 
der Großhirnrinde, waren auch umgekehrte Verhältnisse zu beob- 
b) n zentralen Höhlen» achten). In den Kontrollen — ebensolche Medium- 
o 2 weißen Substanz tropfen mit durch Kochen abgetöteten oder 
des Gehirnseinesaus- autolysierten Stückchen oder Mediumtropfen 
gewachsenen kann, ké e k R = ; 
hens, ohne Stückchen — ließ sich keine derartige 
Reaktionsverschiebung feststellen. 

Als Beispiel sei eine Kurve der Wasserstoffionenkonzentrations- 

verschiebung in Explantaten aus verschiedenen Teilen des Gehirns 


1) Falls das Medium auf oben geschilderte Weise zusammengesetzt 
wird [Krontowski (7)]. 


rw Ee u Leg 


Ly 


Stoffwechsel in einzelnen Teilen des Gehirns. 5 


eines ausgewachsenen Kaninchens (unter der oben angegebenen Zu- 
sammensetzung des Mediums, 1 Teil Plasma + 3 Teile Ringerlösung 
mit Glucose) angeführt. 

Die direkte Abschätzung des Zuckerverbrauchs seitens der Ex- 
plantate aus verschiedenen Gehirnteilen ausgewachsener Kaninchen 


führte zu analogen Ergebnissen. Es möge ein kurzer Auszug aus dem 
Protokoll eines Versuchs angeführt werden (s. Tabelle I). 


Tabelle I. 


Zuckergehalt und Zuckerverbrauch in 48stündigen Explantaten aus ver- 
schiedenen Teilen des Gehirns ausgewachsener Kaninchen. 
| 


TED ` j 
| Graue Substanz. Weiße © Zentrales Meinl onlen 


der Gehimrinde || Substanz | Höblengrau mit getöteten 
u Gewebe: 
1 I | lI | stückcben 
Zahl der Explantate.. . 4 5 4 4 4 5 
Gesamtgewicht in m | 
(Medium+ Stückchen) 695 81 50,5 580 465 48,5 
Zuckergehalt in mg . . , 0,042 0,043 0056 0,049 0,035 0,065 
Zuckergehalt in Proz. . ı 0,06 0,063 OU 0,08 : 0,075 0,13 
Zuckerverbrauch in Proz. | Ä 
im Vergleich zur Kon- 
trollo (deren Zucker- | 
gehalt gleich 100 Proz. i | 
gesetzt) -. .. 2... 58.8 59.2 15,4 88.5 42.8 0 


Aus der angeführten Tabelle ist zu ersehen, daß der Zuckerverbrauch 
aus dem umgebenden Medium in Explantaten der grauen Substanz 
der Gehirnrinde am intensivsten ist; im Laufe von 48 Stunden werden 
50 bis 60 Proz. des Zuckergehalts im Medium verbraucht (es wurden 
0.06 bis 0,053 Proz. Zucker anstatt 0,13 Proz. in der Kontrolle ge- 
funden). Explantate aus dem zentralen Höhlengrau wiesen in diesem 
Versuch gleichzeitig einen ungefähr 40 Proz. des Gesamtgehalts 
betragenden Zuckerverbrauch auf. In den Explantaten aus der weißen 
Gehirnsubstanz erwies sich der Zuckerverbrauch als unbedeutend 
(etwa 15 Proz. des Gesamtgehalts). 


In diesem Versuch wie auch in dem oben angeführten Versuch 
mit Yu-Messung wird man auf den erheblichen Zuckerverbrauch seitens 
der grauen Substanz der Rinde und auf den geringen Verbrauch in der 
weißen Substanz aufmerksam. In einzelnen Versuchen variierten die 
Ergebnisse der Analysen selbstverständlich, abhängig von verschiedenen 
Bedingungen (z.B. von dem Verhältnis zwischen der Größe des 
Stückchens und der Menge des Mediums und dergleichen); eine be- 
stimmte Gesetzmäßigkeit der Resultate ließ sich aber immer kon- 
statieren. 


6 A.A. Krontowski: 


Um die Ergebnisse zu illustrieren, möchte ich noch die Resultate 
von zwei Versuchen anführen, deren einer mit ?a-Bestimmungen, der 
andere mit Abschätzung des Zuckerverbrauchs ausgeführt wurde. Die 
Resultate sind in den Abb. 2 und 3 graphisch dargestellt; die Versuche 
wurden nicht zu gleicher Zeit ausgeführt und das Material entstammte 
verschiedenen Tieren (ausgewachsenen Kaninchen), dennoch sind die 
Ergebnisse im ganzen völlig analog, obwohl im ersteren Falle eine 
physikalisch-chemische Methode angewandt und die pa-Werte in 
einzelnen Kulturen bestimmt wurden, während im anderen Versuch 
(Abb. 3) die mikrochemische Methode zur Anwendung kam, wobei für 
eine jede Analyse vier bis fünf Explantate notwendig waren. 


% 
62 60 
H 50 
66 40 
68 30 
70 
32 70 
74 
7 a b C d a 5 C 
Abb. 2. Abb. 3. 

l Die Wasserstoffionenkonzentration Zuckerverbrauch durch Explantate aus der: 
in 24stündigen Explantaten (im Plasma a) grauen Substanz der Gehirnrinde, 
+ Glucose) aus der: b) weißen Gehirnsubstanz, 

a) grauen Substanz der Gebirnrinde, c) aus dem zentralen Höhlengrau. 


b) weißen Gehirnsubstanz, 
c) aus dem zentralen Höhlengrau. 


Um den Vergleich der Stoffwechselintensität in Explantaten aus 
der Gehirnrinde mit derjenigen in Kulturen aus anderen Organen zu 
ermöglichen, seien die Resultate eines Versuchs angeführt, in dem 
analoge Explantate aus der grauen Substanz der Gehirnrinde und 
aus der Nierenrindensubstanz desselben ausgewachsenen Tieres an- 
gelegt worden sind (als Vergleichsmaterial sind selbstverständlich 
solche Explantate zu verwerten, die, ähnlich wie die Gehirnrinde, keine 
Wachstumserscheinungen aufweisen, da in den Kulturen aus embryo- 
nalen oder jungen Geweben, die in vitro energisch wachsen, auch der 
Stoffwechsel sehr intensiv verläuft). In 24stündigen Explantaten aus 
der grauen Substanz der Gehirnrinde wurden 0,062 Proz. Zucker ge- 
funden, in denjenigen aus der Nierenrindensubstanz — 0,10 Proz., 
während die Kontrolle 0,14 Proz. Zucker enthielt. Obwohl der Nieren- 
rindensubstanz, wie bekannt, ein intensiver Stoffwechsel eigen ist 
und auch in dem angeführten Versuch die Explantate aus der Nieren- 
rinde im Laufe von 24 Stunden 29 Proz. des Gesamtgehalts an Zucker 


Stoffwechsel in einzelnen Teilen des Gehirns. 1 


im Medium verbraucht haben, ist der Zuckerabbau in den Gehirn- 
rindenexplantaten doch noch viel erheblicher; er betrug 56 Proz. des 
zur Verfügung stehenden Zuckergehalts. Auf ähnliche Weise war auch 
die pa-Verschiebung (in einem Medium mit Zusatz von 1 Proz. Glucose) 
in Explantaten aus der Gehirnrinde erheblich größer als in solchen 
aus Nierenrindensubstanz. 


IV. Besprechung der Versuchsergebnisse. 


Aus der Zusammenstellung der angeführten Resultate, sowie aus 
meinen zahlreichen anderen Versuchen (die hier nicht angeführt werden, 
um Platz zu sparen) ersieht man, daß es gelingt, in Explantaten aus ver- 
schiedenen Gehirnteilen ausgewachsener Tiere den Stoffwechsel wahr- 
zunehmen und zu verfolgen. Die angeführten Ergebnisse zeigen unmittelbar, 
daß der Stoffwechsel (der Zuckerverbrauch, die Anhäufung der sauren 
Abbauprodukte) in Erplantaten aus der grauen Substanz der Gehirnrinde 
sehr intensiv verläuft und denjenigen der weißen Gehirnsubstanz erheblich 
übertrifft. Hirschberg und Winterstein (4) haben auf Grund indirekter 
Überlegungen (indem sie angenommen haben, daß das Rückenmark des 
Frosches aus annähernd gleichen Teilen der grauen und der weißen Sub- 
stanz bestehe, und daß sich die chemischen Prozesse in den beiden Mark- 
teilen nur quantitativ unterscheiden) vermutet, nachdem sie den Stoff- 
wechsel im Rückenmark (s. oben, Einleitung) mit demjenigen der peripheri- 
schen Nerven verglichen haben, daß der Stoffwechsel in der grauen Substanz 
zwei- bis dreimal so groß ist, als in der weißen. 


Meine Versuche mit der Explantation von Stückchen, welche aus dem 
Gehirn lebender oder soeben getöteter ausgewachsener Kaninchen aseptisch 
ausgeschnitten wurden, haben bei der physikalisch-chemischen Unter- 
suchung im Laufe der ersten Versuchsstunden und bei der etwas später 
ausgeführten mikrochemischen Untersuchung den direkten Beweis erbracht, 
daß der grauen Substanz der Gehirnrinde ein energischer Stoffwechsel eigen 
ist, weit überlegen demjenigen der weißen Gehirnsubstanz!); der Stoffwechsel 
in dem zentralen Höhlengrau ist auch ziemlich erheblich, doch variierte 
er bedeutend in einzelnen Stückchen, die aus verschiedenen Teilen des 
Gehirns ausgeschnitten wurden (durch weitere Versuche soll diese 
Frage eingehender erörtert werden). Eine gewisse Vorstellung darüber, 
in welchem Maße der Stoffwechsel der grauen Gehirnsubstanz denjenigen 
mancher anderer Gewebe übertrifft, wird durch die oben angeführten 


1) (Ergänzung bei der Vorbereitung des Vortrags zum Druck.) Vor 
kurzem haben Wohlgemuth und Nakamura (15) gezeigt, daß die graue 
Gehirnsubstanz imstande ist, Zucker auf oxydativem Wege abzubauen, 
und daß sie in ihrer Wirkung der weißen Substanz weit überlegen ist. Die 
Versuche waren auf die Weise ausgeführt, daß Menschengehirn, aus Leichen 
etwa 30 Stunden nach dem Tode entnommen, in Brei zerrieben (einzeln die 
graue und die weiße Substanz), mit physiologischer Salzlösung (+ Puffer- 
lösung) mit Zusatz von Desinfiziens (Optochinum bas.) und Zucker ver- 
dünnt, im Laufe von 8 Stunden im Thermostat belassen (bei längerem 
Verweilen im Thermostat trat Fäulnis ein), dann 15 Stunden im Eisschrank 
aufbewahrt wurde: dann wurde der bei dern oxydativen Abbau des Zuckers 
entstehende Acetaldehyd nach Neubergs Methodik (16) bestimmt. 


8 A. A. Krontowski: 


Resultate meıner vergleichenden Versuche gegeben, die gezeigt haben, 
daß der Stoffwechsel (Zuckerverbrauch, ?pu-Verschiebung) in Explantaten 
aus der Gehirnrinde viel deutlicher zutage tritt, als in solchen aus der 
Nierenrindensubstanz ausgewachsener Kaninchen; letztere besitzt aber 
bekanntlich (vgl. auch die Versuche von Krontowski und Bronstein (8)] 
einen recht energischen Stoffwechsel im Vergleich zu vielen anderen Ge- 
weben!). 

Ferner verdient ein weiterer interessanter Umstand erwähnt zu werden. 
Obwohl sich die intensivsten Stoffwechselvorgänge in den Gehirnexplantaten 
im Laufe der ersten Explantationsstunden abspielen und später, indem 
das Leben erlischt, immer schwächer werden, existiert der Stoffwechsel 
dennoch ganz bestimmt, beispielsweise 24 Stunden nach der Anfertigung 
der Explantate (die mikro-chemische Analyse der 24stündigen Explantate 
ergibt allerdings nur die endgültigen Resultate, die auch im Laufe der 
ersten Minuten und Stunden bei Fehlen weiterer Veränderungen gegen das 
Ende der Versuchszeit entstehen konnten). Indessen haben die Nerven- 
zellen an mikroskopischen Präparaten (Färbung z. B. nach Nissl oder 
einfach mit Hämatoxilineosin) aus meinen 24stündigen Explantaten, die 
ja einen gewissen, obschon abgeschwächten Stoffwechsel aufweisen und 
also noch am Leben sind, nicht mehr das normale Aussehen: an gefärbten 
Präparaten erscheinen die Kern- und Cytoplasmastrukturen stark alteriert ?) 
(vgl. auch Veratti (13). Da alle angeführten Ergebnisse betreffend den 
energischen Stoffwechsel in Explantaten im Vergleich zu verschiedenen 
Kontrollen, sowie der festgestellte scharfe Unterschied im Stoffwechsel 
der grauen und der weißen Gehirnsubstanz darauf hinweisen, daß die 
wahrgenommenen Stoffwechselerscheinungen eben an die Anwesenheit 
von lebendem, wenn auch morphologisch verändertem Nervengewebe bzw. 
Nervenzellen der grauen Gehirnsubstanz geknüpft sind, so muß gedacht 
werden, daß die üblichen morphologischen Kriterien nicht ausreichen, um 
über solch einen fundamentalen Lebensvorgang wie den Stoffwechsel 
ein Urteil zu gewinnen: in einem morphologisch stark veränderten Gewebe 
kann ein energischer Stoffwechsel stattfinden. Dafür sprechen auch die 
schon erwähnten Versuche von Hirschberg und Winterstein (3): Beim 
Zeıreiben des Rückenmarks in einem Glasmörser und bei Ausführung der 
Versuche mit diesem Gewebebrei anstatt des ganzen überlebenden Rücken- 
marks stellen diese Untersucher keine Verminderung des Glucoseverbrauchs 
fest. Da weder der Brei aus abgetötetem Gewebe noch das von lebenden 
Gewebepartikelchen freie Filtrat den beschriebenen Zuckerverbrauch 
beobachten ließen, kamen die Autoren zu dem Schluß, daß der festgestellte 
Glucoseverbrauch (sowie sonstige Stoffwechselerscheinungen) nicht etwa 
von einem löslichen Ferment abhängen, sondern durch die Anwesenheit 
lebender Gewebepartikelchen bedingt seien. In diesem Sinne sind auch 
meine Kontrollversuche zu deuten, in welchen ich nicht nur durch Er- 
wärmung abgetötete, sondern auch aseptisch autolysierte Gehirnstückchen 
explantierte; in letzteren blieben die Fermente erhalten, jedoch lebten die 
Zellen nicht mehr. Die Ergebnisse der genannten Autoren als auch die 


!) Vgl. die in den Tabulae biologicae 8, 1926, zusammengestellten 
Daten. 

2) Allerdings ändert sich das Verhalten der Nervenzellen gegen Färbung 
auch in dem Falle, wenn das ausgeschnittene Gehirnstückchen nicht sofort 
fixiert, sondern eine Zeitlang beispielsweise in Tyrodelösung belassen wird. 


Stoffwechsel in einzelnen Teilen des Gehirns. 9 


Zusammenstellung meiner physikalisch-chemischen und mikro-chemischen 
Feststellungen mit den morphologischen Bildern in meinen Versuchen 
lassen es glauben, daß es für die Erhaltung des Stoffwechsels, ja eines solchen 
von bedeutender Intensität, die morphologische Intaktheit (bezüglich der 
Färbbarkeit und dergleichen) und Ganzheit der Gewebe und Zellen nicht 
unbedingt notwendig ist; eher dürfte man vermuten, daß die Erhaltung 
von lebendem Protoplasma (mit dessen inneren Katalysatoren) im Gewebe 
und in den Zellen oder sogar in Zellfetzen dazu genüge. 

Jedenfalls findet in Explantaten aus verschiedenen Teilen des Gehirns 
ausgewachsener Tiere ein mehr oder minder intensiver Stoffwechsel statt; 
das Vorhandensein und die Größe dieses Stoffwechsels lassen sich, wie es 
meine Versuche gezeigt haben, mittels physikalisch-chemischer und mikro- 
chemischer Methoden abschätzen. Ich möchte noch in methodologischer 
Hinsicht darauf aufmerksam machen, daß für die Explantation ganz kleine 
Gewebestückchen genügen (0,5 mm Durchmesser und darunter); es ist 
also möglich, mittels eines Präpariermikroskops und entsprechender In- 
strumente genau bestimmte kleinere Bezirke, bestimmte Zellgruppen aus 
der Gehirnrinde, aus den Kernen oder tiefer gelegenen Gehirnabschnitten 
für die Explantation herauszuschneiden und für verschiedene Versuche 
zu gebrauchen, wenn nötig nach der oder jener experimentellen Einwirkung 
in vivo. Da die explantierten Stückchen des weiteren für mannigfache 
Einwirkungen in vitro leicht zugänglich sind, so scheint auch dieser Um- 
stand die beschriebene Methodik zum Studium mancher Fragen geeignet 
zu machen. 


Zusammenfassung. 


l. Die Anwendung physikalisch-chemischer und mikro-chemischer 
Methoden zum Studium des Lebens der Explantate gestattet es, den 
Stoffwechsel in Explantaten aus verschiedenen Teilen des Gehirns 
(und anderen Teilen des Nervensystems) ausgewachsener Tiere zu 
untersuchen. 

2. In Explantaten aus der grauen Substanz der Großhirnrinde 
ausgewachsener Kaninchen gelang es, intensive Stoffwechselvorgänge 
wahrzunehmen (schon nach einigen Stunden trat unter den angegebenen 
Bedingungen eine Verschiebung der Woasserstoffionenkonzentration 
nach der sauren Seite, ferner ein energischer Glucoseverbrauch ein), 
welche z.B. denjenigen in Explantaten aus Nierenrindensubstanz 
ausgewachsener Tiere (wo ebenfalls ein ziemlich energischer Stoff- 
wechsel stattfindet) weit überlegen sind. 

3. Die graue Substanz der Gehirnrinde weist unter diesen Be- 
dingungen einen weit intensiveren Stoffwechsel auf als die weiße Gehirn- 
substanz; der Stoffwechsel im zentralen Höhlengrau hat sich im 
allgemeinen ebenfalls als ziemlich energisch erwiesen, doch variiert 
er, abhängig von verschiedenen Bedingungen: von der Stelle, aus 
der das Stückchen ausgeschnitten worden ist, von dessen Gehalt an 
Nervenzellen und dergleichen. 

4. Da man für die Explantation mit sehr kleinen Gewebestückchen 
(0,5 mm Durchmesser und darunter) auskommen kann, so ermöglicht 


10 A. A. Krontowski: Stoffwechsel in einzelnen Teilen des Gehirns. 


die beschriebene Methodik das Studium des Stoffwechsels in ganz 
kleinen einzelnen Punkten des Gehirns (Rinde, Kerne), wenn sie auch 
nur kleinere Gruppen einzelner Nervenzellen darstellen, unter Be- 
dingungen, die verschiedenen zu untersuchenden Einwirkungen in vivo 
und in vitro leicht zugänglich sind. 


Literatur. 


l1) Burrows, The Journ. of exper. Zoology 10, 63, 1911. — 2) Harrison, 
The Anatomical Record Nr. 5, 1907; The Journ. of exper. Zoology 9, 787, 
1911. — 3) Hirschberg und Winterstein, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 100, 185, 1917; 101, 212, 248, 1918. — 4) Dieselben, ebendaselbst 108, 
27, 1919. — 5) Ingebrigtsen, The Journ. of exper. Med. 17, 182, 1913. — 
6) Derselbe, ebendaselbst 18, 412, 1913. — 7) Krontowski, Wratschebnoje Djelo 
Nr. 21, 1925 (russ.); Münch. med. Wochenschr. 1926, Nr. 34. — 8) Krontowski 
und Bronstein, Arch. f. exper. Zellforschung 8, 32, 1926. — 9) Krontowski, 
Jazimirska-Krontowska und Magath, Wratschebnoje Djelo Nr. 14, 1926 
(russisch). — 10) Krontowski, Bereschanski und Majewski, Arch. f. exper. 
Zellforschung 8 (im Druck). — 11) Levi, Rendiconte della R. Accad. dei 
Lincei, Ser. V, 12, 1917. — 12) Marinesco und Minea, Anatomischer Anzeiger 
42, 161, 1912; C. r. de Biol. 78, 346 und 668, 1912. — 13) Veratti, Bolletino 
Nr. 1—2 del 1919 della Societ& Med.-Chirurg. di Pavia. — 14) Warburg, 
Posener und Negelein, diese Zeitschr. 152, 309, 1924. — 15) Wohlgemuth 
und Nakamura, ebendaselbst 175, 233, 1926. — 16) Neuberg und Reinfurth, 
ebendaselbst 89, 365; 92, 234, 1918. 


Zur Frage des anhydridartigen Charakters der Eiweißstoffe. 
Von 
N. D. Zelinsky und N. I. Gawrilow. 
(Aus dem organisch-chemischen Laboratorium der 1. Universität Moskau.) 


(Eingegangen am 4. Januar 1927.) 


Vor einigen Jahren veröffentlichten Zelinsky (1) und Ssadikow und 
Zelinsky (2) die Resultate einer von ihnen bereits 1913/14 ausgeführten 
Untersuchung. welche infolge des Krieges und seiner Nachwirkungen 
erst 1923 in Deutschland veröffentlicht werden konnten. 

Es handelte sich in dieser Arbeit um die Hydrolyse von Eiweiß. 
stoffen mittels verdünnter Säuren in einem auf 180° erhitzten Auto- 
klaven. Die Verfasser haben dabei bewiesen, daß das Hydrolysat 
neben den Aminosäuren bedeutende Mengen von Anhydriden der Amino- 
säuren enthält. Im Hydrolysat der Gänsefedern betrug diese Anhydrid- 
fraktion bis zu 50 Proz. von der Gesamtmenge der Produkte der Hydro- 
lyse. Die Konsequenzen dieser Arbeit, d.h. die Möglichkeit der Prä- 
existenz von Anhydridgruppierungen in der Eiweißmolekel, sowie die 
Methode der Hydrolyse mittels verdünnter Säuren wurden von Brigl (3) 
erörtert, der aus Glvcyl-glycin beim Erwärmen einer 20proz. Lösung 
desselben in 0,5proz. Salzsäure das Glvcinanhydrid erhielt, während 
Abderhalden (4) unsere Arbeit einer Kritik unterzog, indem er die 
Neigung einer Reihe von Dipeptiden zur Anhydrisierung nicht nur 
im Autoklaven bei 180° nachwies, sondern auch beim Erwärmen mit 
Wasser auf 100°. Abgesehen von dem seiner Form nach unzulässigen 
und seinem Wesen nach unrichtigen und parteiischen Verhalten Abder- 
haldens gegen die von uns erzielten Resultate, scheint es uns merkwürdig, 
daß unsere schlechte Arbeit, die nach seiner Ansicht zur Entwicklung 
der Proteinchemie nichts beigetragen hat und dieselbe sogar eher 
hemmt, ihn dazu bewog, unsere Hydrolysenmethode anzuwenden und 
die Anwesenheit von Anhydridgruppierungen in den Proteinen durch 
eine Reihe von Versuchen zu beweisen. Indem wir zugeben, daß die 
große Autorität Abderhaldens wohl keinem Zweifel unterliegt, begrüßen 
wir unsererseits seinen Entschluß, unsere weiteren Mitteilungen zu 
ignorieren, da uns das die volle Garantie gibt, von ungerechten An- 
griffen verschont zu bleiben. Zufälligerweise übersah Abderhalden die 


12 N. D. Zelinsky u. N. I. Gawrilow: 


4 


Tatsache, daß Zelinsky und Ssadikow als erste auf die Bedeutung der 
Anhydride als Bausteine der Eiweißstoffe hinwiesen. Auf ein ähnliches 
Verhalten Abderhaldens gegen fremde Arbeiten und Ignorierung der 
in denselben mitgeteilten Daten wiesen neulich auch Herzog (5) und 
Loew (6) hin. Abderhalden belehrt uns, daß jede Hydrolyse als kata- 
lytischer Prozeß zu betrachten sei, und hält deshalb unsere Bezeichnung 
„Katalytische Spaltung von Eiweißstoffen‘“ für die Hydrolyse mit 
Hilfe von 1l- bis 2proz. Mineralsäuren für nicht richtig. 

Bekanntlich wurde die Hydrolyse von Eiweißstoffen bis zur letzten 
Zeit mit Hilfe von rauchender Salzsäure im großen Überschuß oder 
mit Hilfe von 25- bis 30proz. Schwefelsäure ausgeführt, während wir 
stark verdünnte Säure anwenden, die katalytisch wirkt, indem sie 
die Hydrolyse beschleunigt. Deshalb gelang es uns auch, die Anhydride 
in bedeutender Menge zu isolieren, was bei Anwendung eines großen 
Überschusses von starker Säure unmöglich wäre, da in diesem Falle 
die Anhydride bis zu den Aminosäuren hydrolysiert würden. 

Freilich gelingt die partielle Hydrolyse von Eiweißkörpern auch 
mit Hilfe von Wasser bei 180°, aber nicht so vollständig, wie in Gegen. 
wart einer geringen Menge von Salz- oder Schwefelsäure. Die Wasser- 
stoffionenkonzentration ist in diesem Falle bedeutend größer und die 
hydratisierten Kerne der Wasserstoffionen (H, OT) bewirken eine raschere 
Hydrolyse. Wir haben somit unseren Prozeß ganz richtig als einen 
katalytischen bezeichnet. 

Die Frage nach dem anhydridartigen Bau der Eiweißmolekel 
gewinnt in letzter Zeit immer mehr an Wahrscheinlichkeit, wie das 
auch aus den Arbeiten von Herzog (7) und Bergmann (8) hervorgeht. 

Jetzt ist es klar, daß Zelinsky und Ssadikow eine so große Menge von 
Aminosäureanhydriden aus dem Eiweißhydrolysat ausgeschieden haben, 
wie sie bei der Annahme einer ausschließlich polypeptidischen Struktur 
der Proteine nicht zu erwarten wäre. Sie hatten in ihren Händen un- 
zweifelhaft Anhydride, die in der Eiweißmolekel zum größten Teile 
bereits präexistierten. Was die Anhydrisierung der Dipeptide nach 
Versuchen von Brigl, Jaitschnikow (9), Abderhalden (10) und Lüdke (11) 
anbetrifft, so geht dieser Prozeß nach unseren Beobachtungen haupt- 
sächlich in neutralem Milieu und bei hoher Konzentration des Dipeptids 
vonstatten. 

Dieser Vorgang wird durch Säuren stark verzögert, und bei Gegen- 
wart von 1 Mol. Säure oder etwas mehr auf je eine NH,-Gruppe hört 
die Anhydrisierung ganz auf. Letztere ist offenbar von derselben 
Ordnung wie die ‚„Maskierung‘‘ des Aminostickstoffs durch Mineral- 
säuren. Bei der Anhydrisierung in neutralem Milieu geht eine 
Acylierung der Aminogruppe durch die eigene Carboxylgruppe des 
Polypeptids unter Bildung eines inneren Imids vor sich. 


Anhydridartiger Charakter der Eiweißstoffe. 13 


Dieser Prozeß ist umkehrbar, und die Anwesenheit einer fremden 
Säure bestimmt, je nach der Natur derselben, ihrer Menge, der Tem- 
peratur und Individualität des Polypeptids selbst, das Gleichgewicht 
desselben. 


Die Annahme Lüdkes von der Existenz des Gleichgewichts: Amino- 
säure—Dipeptid—Anhydrid, ist wenig wahrscheinlich. Viel richtiger 
erscheint die Annahme, daß im sauren Medium sich das Gleichgewicht 
zwischen Aminosäure—Dipeptid einstellt, während in neutralen 
Lösungen das Gleichgewicht zwischen Dipeptid und Anhydrid vor- 
herrscht. 


In neutraler Lösung entsteht aus dem Dipeptid gar keine Amino- 
saure, während bei Gegenwart von Säuren das Dipeptid kein Anhydrid 
bildet. Solch eine Deutung des Gleichgewichts wird durch unsere 
Bestimmungen des NH,- und Gesamtstickstoffs nach der Hydrolyse 
des Leueyl-glycins bestätigt (Tabelle I der folgenden Mitteilung; 
Versuche 10, 11, 12, 13). Aus dem Verhältnis zwischen dem NH,- und 
Gesamtstickstoff (Spalte 8) in neutraler Lösung nach der Abscheidung 
der entstandenen Anhydride ist zu ersehen, daß dieses Verhältnis nicht 
höher als 50 ist, d.h. es ist nur das Dipeptid vorhanden und nichts 
spricht für einen parallel verlaufenden Spaltungsprozeß desselben. 
Das Anhydrid ist in saurer Lösung leichter löslich als in neutraler, 
weshalb in den Versuchen 13 und 14 kein Zuwachs der NH,-Gruppen 
zu beobachten ist, sondern im Gegenteil das Verhältnis des NH,- 
zum Gesamtstickstoff kleiner wurde wegen des gelösten Anhydrids, 
welches frei von titrierbarem Stickstoff ist. In den Versuchen von 
Abderhalden!) und Komm sehen wir, daß die Anhydrisierung des 
Glyeyl-glyeins in Salzsäure, im Vergleich zu der in neutralem Medium, 
selbst bei 0,6 mol. Lösung, von 84,4 Proz. bis auf 8,8 Proz. sinkt, während 
in l mol. Lösung die Anhydrisierung ganz aufhört. Leucyl-glyein 
läßt sich in 1- und 2mol. Salzsäurekonzentrationen nicht anhydrisieren; 
das gleiche gilt auch für Glycyl-phenylalanin. 


Wir haben bemerkt, daß die Neigung zur Anhydrisierung mit 
dem Molargewicht der das Dipeptid bildenden Aminosäuren zunimmt. 
Bei der Hydrolyse der Dipeptide in zugeschmolzenen Röhren in neutraler 
wässeriger Lösung gab das Hydrolysat von Abderhalden immer die 
\inhydrinreaktion, die auf die Anwesenheit von Aminosäuren unter 
den Produkten der Hydrolyse hinweist. Es kann keinem Zweifel unter- 
liegen, daß bei einer Temperatur von 180°, wie wir es beobachtet haben, 
bi manchen Sorten der Röhren eine Auslaugung des Glases stattfindet, 
weshalb die Lösung merklich alkalisch wird. Diese Alkalität kann 


1) l. e. 


14 N. D. Zelinsky u. N. I. Gawrilow: 


einen sekundären hydrolytischen Nebenprozeß unter Spaltung des 
Dipeptids in Aminosäuren zur Folge haben. 

Wir können somit sagen, daß bei der Hydrolyse einer lOproz. 
Lösung eines Proteins mit Hilfe von l- bis 3proz. Salzsäure im Auto- 
klaven bei 180° die unter den Spaltungsprodukten des Proteins aus- 
geschiedenen Anhydride nicht als Anhydrisierungsprodukte der ent- 
standenen Dipeptide zu betrachten sein werden, sondern als native 
Bausteine, die in der einen oder anderen Form am Bau der Eiweiß- 
molekel teilnehmen. | 

Es ist bei den Versuchen zu beachten, daß die Menge der ver- 
dünnten Mineralsäuren annähernd gleich derjenigen des im Hydrolysat 
zu erwartenden Aminostickstoffs sei. Es sind hierzu z. B. 10 g Eiweiß- 
stoff in 100 ccm 314 proz. Salzsäure zu hydrolysieren. 

Da aber bei der Hydrolyse der Eiweißmolekel Carboxylgruppen 
frei werden, so muß man, der Vorsicht halber, die Säurekonzen- 
tration verringern und die Hydrolyse mit 1l- bis 2proz. Salzsäure oder 
2- bis 3proz. H,SO, führen, welche Konzentration in den ersten Ver- 
suchen von Zelinsky und Ssadikow auch eingehalten wurde. 

Würde unter den von uns gewählten Bedingungen die Anhydri- 
sierung der Dipeptide doch erfolgen, so müßte man infolge der Neu- 
bildung von CONH-Bindungen eine Abnahme des NH,-Stickstoffs 
beobachten. Dies sollte sich besonders bei der Untersuchung des 
fermentativen Eiweißhydrolysats bemerkbar machen. Die bei der nach- 
folgenden Autoklavenhydrolyse abgespaltenen Peptide müßten sich 
anhydrisieren und würden zweifellog eine Verringerung des relativen 
Gehalts an NH,-Stickstoff gezeigt haben. 

In Wirklichkeit ist, wie aus unten zu besprechendem Material 
erhellt, bei Autoklavenhydrolyse sowohl der Proteine selbst, als deren 
fermentativer und Säurehydrolysate keine Verringerung der Menge 
des NH,-Stickstoffs zu merken. Im Gegenteil werden die fermentativen 
Hydrolysate (Trypsinhydrolysate in alkalischer Lösung) weiter leichter 
hydrolysiert als unverändertes Eiweiß, und zwar nicht nur in saurem, 
sondern auch in neutralem Medium. Das in alkalischer Lösung teilweise 
bis zum Peptid zerfallene Anhydrid läßt sich in saurer Lösung weiter 
leichter hydrolysieren als die unveränderten Anhydride, wie aus den 
Daten der beistehenden Tabelle I zu ersehen ist. 

Indem die Fermente das Eiweiß partiell hydrolysieren, bereiten 
sie dasselbe zur weiteren Hydrolyse durch verdünnte Säuren vor. 

Nicht nur die fermentativen Eiweißhydrolysate werden im Auto- 
klaven durch verdünnte HCl nicht anhydrisiert, sondern auch die 
neutralen, stark konzentrierten Lösungen solcher Hydrolysate (24 Proz. 
Eiweiß enthaltend, nach dem N-Gehalt) weisen keine Verringerung 
des NH,-Stickstoffs auf (Tabelle II). 


Anhydridartiger Charakter der Eiweißstoffe. 15 


Tabelle T. 


Versuche mit Gelatine. 
EE EE 
' Verhältnis zwischen 


. | i i ` NHæ 
un ) Vorherige Bearbeitung eye im | EECH 
| | Proz. 
Sie — — Se me = EE | =. = 
15 — | 3 Stdn. in 1 proz. HCI 34,2 
82 Trypsinhydrolyse 60 Stdn. — 19,6 
Hä | Dieselbe 3 Stdn. in 1 proz. HCl 50,8 
88 Trypsinbydrolyse 120 Stdn. — 21,6 
97 Dieselbe ı 3 Stdn. in i proz. HC! 52,0 
*) Versuche siehe dritte Mitteilung. 
Tabelle II. 
Versuche mit Gelatine. 
V h l ge Eiweiß | EEGEN k Verhältnis Zwischen 
N Vorherige Bearbeitung in der Lösung ` hydrolyse NH;» u. Gesaınt-N 
i Proz. 1800 Proz. 
eegen 7 Se ae Ee EE er a len un e Seet EEE N rd See a a 
82 | Trypsinhydrolyse 60 Stdn. | 13 — 19,6 
93 Dieselbe | 13 Neutr. Lösung 40,0 
94  |Trypsinhydrolyse 120 Stdn. 24 — | 35,2 
95 | Dieselbe 24 ‚Neutr. Lösung 42,3 


Auch hier war eine Anhydrisierung nicht zu konstatieren; die 
Spaltung des Hydrolysats im Autoklaven ging weiter vor sich, und 
zwar um so tiefer, in je geringerem Stadium der fermentativen Hydro- 
lyse sie unterbrochen wurde. So z. B. vergrößerte sich der Gehalt an 
NH,-Gruppen in einem Trypsinhydrolysat bei nachfolgender Hydrolyse 
um das Doppelte. 


Wir sehen somit, daß man nach dem Verhalten der Dipeptide!) gegen 
die Autoklavenhydrolyse, sowie nach den Untersuchungen von Abder- 
halden mit Mitarbeitern, sowie Lidke, als auch auf Grund der Unter- 
suchung der Eiweißhydrolyse unter verschiedenen Bedingungen zugeben 
muß, daß die Autoklavenhydrolyse von Zelinsky und Ssadikow zur 
Ausscheidung derjenigen Anhydridkomplexe aus den Proteinen, die in 
deren Molekel bereits vorhanden waren, geeignet ist. 


Des weiteren glauben wir, daß die Anhydride in der Eiweißmolekel 
eine recht wichtige Rolle spielen, indem sie an der Bildung von unter- 
einander in noch unbekannter Weise gebundenen Komplexen teil- 
nehmen. Auch ist hier die Teilnahme von Kräften der Nebenvalenzen 
nach Herzog, Äthergruppierungen und vielleicht auch irgendwelchen 
anderen Verbindungsformen nicht ausgeschlossen. 


1) Siehe folgende Mitteilung. 


16 N. D. Zelinsky u. N. I. Gawrilow: 


Die Proteine verschiedener Klassen enthalten allem Anschein 
nach verschiedene Anhydridgruppierungen in der Molekel. 


In den Proteinen mit geringem Anhydridgehalt muß die offene 
Dipeptidbindung merklich ansteigen. Vom Standpunkt der Genesis 
des Eiweißes muß das plastische Eiweiß vom Typus des Albumins 
weniger Anhydride enthalten als das Reserveglobulin oder Gewebe- 
eiweiß, wie Keratin oder Gelatine. 


Die Protamine, die nach Kossel jenen Kern repräsentieren, von 
dem aus die Bildung der komplizierten Eiweißmolekel beginnt, enthalten 
offenbar nur eine minimale Anhydridmenge. 


Vergleicht man die Tiefe der Autoklavenhydrolyse bei verschiedenen 
Eiweißstoffen und berechnet diejenige N-Menge, die dem Gehalt an 
NH, und Diaminosäuren entspricht (deren mit Formol untitrierbaren 
Stickstoff), so läßt es sich schon jetzt annehmen, daß die Ansicht von 
der schwachen Teilnahme der Anhydride am Bau des plastischen 
Eiweißes ihre Begründung in den Tatsachen findet (vgl. Tabelle III). 


Tabelle III. 


| men 
Verhältnis des 


Menge in Proz. | 


Z Hydros | HH z. Ges. N | zum Gesamt-N, Proz. zum Gesamt-N 

£ | Eiweißstoffe lysiert : nach der Autos M- Formol titriert, 

CH iklavenhydrolyse im völlig hydro» | Ammo: EE , 

E | | lysierten Eiweiß A Anhydrid-N; Peptid-N 
>! f Stdn. | Proz. berechnet `. Miak-N 7 | 

ae e EE E e a = en 
15 | Gelatine 8 34,2 | 

ee. 5 88 2 | 30—50 | 30—50 
19 | S 24 55,4 
44 ' Albumin 3 45,2 | | 
45 | „ 6 45,7 88,5 | 7,1 35 40 
46 o An | 
49 Casein 3 45,9 } | 
50 N d 50,4 90 13 40 35—40 
ES 9 sun | 
54 | Gliadin 3 | 49,2 | 

SR 6 49,5 | 95 og 45 22 
6. d ui ` | 

58 ‚Sturinsulfat, 3 37,1 i | 

R ) 

Sech F i = | a = 0 — | 5-10 . 40—50 
1, 12 IK l | 


Da gleichzeitig mit Hydrolyse der Peptidbindung auch die Hydrolyse 
einiger verhältnismäßig leichter hydrolysierbarer Anhydride (z. B. Glyceyl- 
anhydrid, welches weder von uns noch von anderen Forschern je unter 
den Zerfallsprodukten des Eiweißes aufgefunden wurde) stattfindet, 
so muß man zugeben, daß die den Daten der Tabelle III entsprechenden 


Anhydridartiger Charakter der Eiweißstoffe. 17 


Anhydridmengen viel zu niedrig erscheinen, was besonders von den 
Anhydridformen der Gelatine gilt. 

Die Daten der Kolumne 5 berechneten wir unter Berücksichtigung 
des in den entsprechenden Eiweißstoffhydrolysaten mit Formol nicht 
titrierbaren Stickstoffs!). 

Wie aus Tabelle III zu ersehen ist, ist der Anhydridgehalt in der 
Sturinmolekel am geringsten und in der Gelatinemolekel am größten. 
Die Gliadinmolekel enthält ebenfalls eine recht bedeutende und 
menge, die der in der Gelatine nahe kommt. 

Freilich ist der Anhydridgehalt laut dieser Tabelle nur ein an- 
nähernder, und eher geringer als in Wirklichkeit. 

Beachtenswert ist auch, wie langsam bei der Autoklavenhydrolyse 
der Gelatine die Menge der NH,-Gruppen ihren Grenzwert erreicht. 

Während bei den anderen Eiweißstoffen die Menge der NH,- 
Gruppen im Hydrolysat nach 3 und nach 9 Stunden Erwärmung fast 
gleich ist, braucht Gelatine zur vollständigen Spaltung 24 Stunden. 

Wir erklären das durch die Anwesenheit einer größeren Menge von 
Glycinanhydrid in der Molekel der Gelatine, welches sich nur lang- 
sam spaltet. 

Da die Anhydridstruktur der Proteine neue Gesichtspunkte in der 
Chemie der Eiweißstoffe eröffnet, setzen wir die Untersuchungen auf 
diesem Gebiete fort. 


Literatur. 


1) Zelinsky, Catalyse naturelle et artificielle des corps proteiques: 
Annales de la Société d’encouragement des Seiences expérimentales du 
nom Christophe Ledentzoff 2, 48, 1914. — 2) Diese Zeitschr. 186, 241, 1923; 
137, 401, 1923; 138, 156, 1923; 147, 30, 1924. — 3) Berl. Ber. 56, 1887, 
1923. — 4) Zeitschr. f. physiol. Chem. 139, 186, 1924. — 5) Ebenda 141, 
158, 1924. — 6) Berl. Ber. 58, 2807, 1925. — 7) Die Naturwissenschaften 12, 
172, 1923. — 8) Ebenda 12, 1155, 1925. — 9) Journ. d. russ. phys.-chem. 
Gesellsch. 52, 145, 1920. — 10) Zeitschr. f. physiol. Chem. 189, 164, 181; 
140, 92; 148, 128; 145, 306. — 11) Ebenda 141, 100, 1924. 


1) O. Kestner, Chemie der Eiweißkörper, 1925. 


Biochemische Zeitschrift Band 182. 2 


Autoklavenhydrolyse von Dipeptiden und Anhydriden 
der Aminosäuren. 


Von 
N. D. Zelinsky und N. I. Gawrilow. 


(Aus dem organisch-chemischen Laboratorium der I. Universität Moskau.) 


(Eingegangen am 4. Januar 1927.) 


Nachdem Zelinsky und Ssadikow (l1) bewiesen haben, daß das 
Produkt der Autoklavenhydrolyse von Keratin aus Gänsefedern mittels 
verdünnter Säuren fast bis zu 50 Proz. aus verschiedenen Aminosäure- 
anhydriden besteht, war es einleuchtend, daß die Eiweißmolekel nicht 
nur aus polypeptidartig verbundenen Aminosäuren besteht, sondern 
daß auch die Anhydride im Bau der Keratine eine große, ja sogar 
dominierende Rolle spielen müssen. 

Ungeachtet dessen, daß, gleichzeitig mit uns und von anderen 
Gesichtspunkten ausgehend, mehrere Forscher (Herzog, Bergmann, 
sowie Karrer und Abderhalden) die Existenz von Anhydridformen in 
der Eiweißmolekel bewiesen haben, gab die Arbeit von Brigl (2) über 
die Anhydrisierung des Glycyl-glycins unter Bedingungen, die denen 
von Zelinsky und Ssadikow ähnlich sind, Veranlassung, die Möglichkeit 
der Präexistenz von Anhydriden in der Eiweißmolekel vor der Hydrolyse 
zu bezweifeln. 

Zur Klärung dieser Frage wollen wir nun das Verhalten der Di- 
peptide und Anhydride gegen Erhitzen mit verdünnten Säuren bei 
180° näher ins Auge fassen. Die neueren Arbeiten von Abderhalden (3) s80- 
wie von Lüdke (4) überzeugten uns von der Notwendigkeit, die be- 
gonnene Arbeit fortzusetzen, da wir über die für die Anhydrisierung von 
Polypeptiden besonders günstigen Bedingungen noch immer im un- 
klaren blieben. Unsere Versuchsergebnisse stimmten ganz mit den Daten 
und Schlußfolgerungen von Lüdke überein, bestätigen ferner die Beob- 
achtungen der Abderhaldenschen Schule und gehen doch mit den 
endgültigen Ansichten der letzteren über diese wichtige und interessante 
Frage weit auseinander. 


N. D. Zelinsky u. N. I. Gawrilow: Autoklavenhydrolyse usw. 19 


Wir untersuchten die Anhydride und die ihnen entsprechenden 
Dipeptide: Glycyl-glycin, Alanyl-alanin, Leucyl-glycin, Phenyl-alanyl- 
alanin. Die letzteren, mit Ausnahme des Alanyl-alanins, wurden 
in lproz. Salzsäurelösung bei lOproz. Konzentration der Substanz im 
Autoklaven bei 180° im Laufe von 3 Stunden hydrolysiert, wobei die 
Hydrolyse um so weiter ging, je höher in der homologen Reihe die 
entsprechende Aminosäure stand. 


Experimenteller Teil. 


Die erwähnten Dipeptide sowie die zwei ersten Anhydride wurden 
von uns nach den üblichen Methoden bereitet; das Leucyl-glycin- 
sowie das Phenyl-alanyl-alanin-anhydrid werden durch Erwärmen 
der entsprechenden Dipeptide mit Wasser im Autoklaven bei 180° 
dargestellt. Unter diesen Bedingungen werden beide analysenrein 
erhalten. Bei einer Konzentration der wässerigen Lösung des Leucyl- 
glycins von 50 Proz. war die Anhydridausbeute etwa 80 Proz. 

Bei Phenyl-alanyl-alanin in 26proz. wässeriger Lösung war die 
Ausbeute eine theoretische. 

Beim Umkristallisieren aus Wasser enthielt die Mutterlauge gar 
keinen Aminostickstoff. 

In allen Versuchen wurde der Aminostickstoff nach der Sörensen- 
schen, von einem von uns (Gawrilow) derart modifizierten Methode 
bestimmt, daß die anfängliche Neutralisation der Lösung auf unmittelbar 
vor der Titration zugesetztes Neutralrot (pa = 7,1) eingestellt wurde. 

Die zu untersuchenden Dipeptide und Anhydride wurden in 
Röhrchen abgewogen, wonach Wasser oder Säure in der einen oder 
anderen Konzentration zugesetzt, das Röhrchen zugeschmolzen und 
bei 180° erhitzt wurde. 

Fast alle Hydrolysate wiesen einen sprit-aldehydartigen Geruch 
auf. Es wurde der Gesamt- und Aminostickstoff bestimmt. In den 
Fällen, wo während der Hydrolyse ein Niederschlag ausfiel, wurde 
derselbe abfiltriert, gewaschen und Filtrat sowie Niederschlag mit 
Formol titriert. 

Der prozentuale Zerfall des Dipeptids wurde durch Subtraktion von 
den Prozenten des Aminostickstoffs im Verhältnis zum Gesamtstickstoff 
(nach der Hydrolyse des positiven beim Ansteigen des Aminostickstoffs), 
Prozente im unhydrolysierten Dipeptid und Multiplikation mit 2 berechnet 
(es konnten nur 50 Proz. des Gesamtstickstoffs hydrolysiert werden). 
Die Prozente des Aminostickstoffs nach der Hydrolyse von Anhydriden 
gaben unmittelbar den Grad des stattgehabten Zerfalls an. 

Versuch 20 wurde derart ausgeführt, daß der Hydrolyse im zu- 
geschmolzenen Rohre das Dipeptid in l0proz. Lösung unterworfen 

9% 


20 N. D. Zelinsky u. N. I. Gawrilow: 


wurde, die übrigen 10 Proz. bestanden aus Aminosäuren in gleichen 
Mengen: etwa 0,2 g Glykokoll, 0,2 g Alanin, 0,2 g Phenyl-alanin und 
0,2 g Leucin. Die Menge des Aminostickstoffs vor der Hydrolyse wurde 
berechnet. 

Glycyl-glycin. Bei der Hydrolyse seiner lOproz. Lösung in 1 proz. 
Salzsäure im Laufe von 3 Stunden geht der Zerfall bis zu 74,4 Proz., 
und enthält das Hydrolysat keine unlöslichen Produkte. Die von 
Brigl und Abderhalden beobachtete Anhydrisierung war die Folge 
einer erhöhten Konzentration des Dipeptids (wie aus unseren Versuchen 
mit anderen Peptiden in der Tabelle I erhellt) und einer schwachen 
Säurekonzentration, die zur Bindung der Aminogruppe des Dipeptids 
und der Aminosäure aus ihm nicht ausreicht. 


Glycinanhydrid. Dasselbe zerfällt binnen 3 Stunden bei 10proz. 
Konzentration fast vollständig, bis zu 94,8 Proz., was mit den Ver- 
suchen von Lüdke übereinstimmt. j 


Alanyl-alanin. Nach dreistündiger Hydrolyse seiner 5proz. 
Lösung in lproz. Salzsäure (die geringe Menge von Kristallen geht 
bei der Erwärmung leicht in Lösung) zeigt das Sinken des Stickstoff- 
gehalts eine Anhydrisierung von etwa 2 Proz. des Peptids an. 


Alaninanhydrid. Nach dreistündiger Hydrolyse zerfielen etwa 
50 Proz. des Anhydrids. | 


Leucyl-glycin. In neutraler, wässeriger, 10- und 50proz. Lösung 
geht die Anhydrisierung, die im letzten Falle bis 84 Proz. vom ge- 
nommenen Peptid erreicht. Selbst 0,5 proz. Salzsäure drückt die 
Anhydrisierung bis auf 70 Proz. herab, während 1proz. Säure zur Hydro- 
lyse des Peptids führt. In den Versuchen 10, 11, 13, 14 und 15 blieben 
in den Röhrchen Niederschläge. Versuch 12 verlief ohne Bildung 
eines Niederschlags. 

Der Versuch stimmt mit dem von Abderhalden und Komm überein. 


Leucyl-glycinanhydrid. Dasselbe zerfällt bei der Hydrolyse mit 
l proz. Salzsäure in einer Menge von etwa 40 Proz. und bei Anwendung 
5Sproz. Säure fast vollständig. 


Phenyl-alanyl-alanin. In neutraler, wässeriger Lösung geht 
nach Versuchen von @. Kapelkin die Anhydrisierung des Peptids bis 
zu Ende. In schwach saurer Lösung findet nur geringe Anhydrisierung 
statt, da ein geringer Niederschlag gebildet wird, wobei aber doch 
etwa 10 Proz. des Peptids zerfallen. 5proz. Salzsäure ruft Hydrolyse 
bis zu 63 Proz. des Peptids hervor. Im Widerspruch mit diesem Versuch 
steht der Versuch von Abderhalden und Komm mit Glycyl-phenyl- 
alanin, bei dem sie eine geringe Neigung zur Anhydrisierung kon- 
statierten. Die außerordentlich starke Neigung des Phenyl-alanyl- 


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N. D. Zelinsky u. N. I. Gawrilow 


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“N 


Tabelle III. 


Im Niederschlag 


In der Lösung 


nach dem 
| Niederschlag 


Kl 
T 
Kl 
> 
G 
< 


Z 
E 
S 


| Proz. NHyN || 


Gesamt-N | 


Gesamt-N 
vom 


Gesamt:N 


Amino»N 


Gesamt-N 


Proz. 


| 
u 


Autoklavenhydrolyse von Dipeptiden usw. 23 


| 


alanins zur Anhydrisierung kann, wie es 
scheint, die Anhydrisierung in einem 
Gemisch von Aminosäuren katalysieren. 

Dieses Peptid wurde in wässeriger 
Lösung mit Aminosäuren, und zwar mit 
Glykokoll, Alanin, Phenyl-alanin und Leucin 
hydrolysiert. Es waren vor der Hydrolyse: 
Gesamtstickstoffgehalt 0,1256 g, an Amino-N 
0,0956 g, wovon auf den Amino-N des 
Peptids 0,0168g kommen. Nach der Hy- 
drolyse blieben 0,0627 g Amino-N, d.h. 
die Anhydrisierung nahm nicht nur den 
Amino-N des Peptids in Anspruch, sondern 
auch 0,0161 g Amino-N der Aminosäuren. 
etwa 20 Proz. derselben. Diese Erscheinung 
muß eingehend studiert werden, da solch 
eine katalytische Anhydrisierung, falls sie 
Bestätigung finden wird, mit der kata- 
lytischen Synthese von Anhydriden oder 
Dipeptiden aus Aminosäuren zu vergleichen 
wäre. 

Phenyl-alanyl-alaninanhydridwirddurch 
lproz. HCl im Laufe von 3 Stunden bis 
zu 40 Proz. hydrolysiert. 

Lediglich auf Grund des Verhaltens 
des Amino-N zum Gesamt-N vor und nach 
der Hydrolyse können wir freilich nicht 
mit Sicherheit behaupten, daß das Steigen 
oder Sinken dieses Verhaltens nur auf den 
Grad des Zerfalls oder die Anhydrisierung 
hinweist. Es ist möglich, daß zwei Prozesse 
vor sich gehen, die, aufeinander folgend, 
keine Möglichkeit geben, jeden dieser Pro- 
zesse nach der Änderung dieses Verhaltens 
zu beurteilen. 

Beim Leucyl-glycin versuchten wir, 
der Frage näherzutreten, indem wir sowohl 
den bei der Hydrolyse entstehenden Nieder- 
schlag (Anhydrid) als auch die Lösung 
untersuchten. Zu diesem Behuf wurde der 
Niederschlag quantitativ abfiltriert, ge- 
waschen und in heißem Wasser gelöst. 
Der Amino- und Gesamt-N wurden sowohl 


24 N. D. Zelinsky u. N. I. Gawrilow: 


im Niederschlag als im Filtrat bestimmt. Diese Versuche (Tabelle III) 
erbrachten den Beweis, daß wir mit genügender Annäherung auf 
Grund der Änderung des Aminoverhaltens den Charakter des Prozesses 
beurteilen können, ohne das gebildete Anhydrid als solches aus- 
zuscheiden. 

In der Lösung bleibt eine geringe Anhydridmenge. In saurer 
Lösung bleibt mehr als in neutraler; aus der Tabelle III ist aber zu 
ersehen, daß die parallel vor sich gehende Hydrolyse des Dipeptids 
so gering ist, daß sie den Hauptprozeß der Anhydrisierung in keiner 
Weise verdunkelt. 

1,8g reinen Leucyl-glycins wurden im zugeschmolzenen Rohre 
im Laufe von 3 Stunden im Autoklaven auf 180° erhitzt. Das schwach 
gelbe Reaktionsprodukt wurde unter Erwärmen in Wasser gelöst, die 
Lösung abgekühlt und das ausgeschiedene Anhydrid abfiltriert, ge- 
waschen und getrocknet: Amino-N wurde nicht aufgefunden. Die 
Mutterlauge enthielt Gesamt-N 0,0831 g, Amino-N 0,0286 g; Ver- 
halten des Amino- zum Gesamt-N = 34,4 Proz. Von den 0,1341 g 
Amino-N gingen in die Anhydridbildung 21,3 Proz. nicht ein. Das 
Anhydrid schmolz bei 245°. Stickstoff wurde gefunden 16,41 Proz. 
(Theorie 16,47 Proz.). 


Schlußfolgerungen. 


Bei der Autoklavenhydrolyse der Anhydride mittels verdünnter 
Säuren findet ein größerer oder geringerer Zerfall derselben statt. Je 
höher in der homologen Reihe die das Anhydrid bildende Aminosäure, 
desto schwerer geht die Hydrolyse des Anhydrids. 

Erhöhung der Säurekonzentration beschleunigt die Hydrolyse 
der Anhydride. 

Bei der Hydrolyse der wässerigen Lösungen von Dipeptiden findet 
Anhydrisierung derselben statt. 

Je größer die Molekel der Dipeptide, desto leichter geht deren 
Anhydrisierung. 

Die Konzentrationserhöhung der wässerigen Lösung des Dipeptids 
steigert die Anhydrisierung. 

Schwach saures Milieu verhindert die Anhydrisierung und hebt 
sie bei molaren Konzentrationen ganz auf. 

Bei der Autoklavenhydrolyse von Proteinen ist eine Anhydrisierung 
auf Kosten der gebildeten Peptide nicht zu erwarten, falls die Säure- 
menge so berechnet wird, daß Mol pro Mol Eiweißstickstoff auskommt. 
Bei solch einer Hydrolyse zerfällt schon ein Teil der in den Proteinen 
vorhandenen Anhydride. 

Dieser Zerfall muß besonders leicht bei Anhydriden gehen, die 
aus Aminosäuren mit geringem Molargewicht entstanden sind. Unter 


Autoklavenhydrolyse von Dipeptiden usw. "25 


den Zerfallsprodukten des Eiweißes ist Glycinanhydrid (Diketopiperazin), 
so viel wir wissen, nicht gefunden. 

In saurer Lösung geht der Zerfall der Anhydride, wie es scheint, 
nicht über die Dipeptide; das System besteht nur aus zwei Kom- 
ponenten: Anhydrid und Aminosäure. 

In neutralen Lösungen dagegen bilden die Peptide das System: 
Dipeptid-Anhydrid und in sauren Lösungen: Dipeptid-Aminosäure. 

Das Studium der gemeinschaftlichen Existenz und des Gleich- 
gewichts dieser Systeme ist nicht nur im Interesse der Klärung der 
einen oder anderen Methode der Eiweißhydrolyse erforderlich, sondern 
ist auch von hoher biologischer Bedeutung. 


Literatur. 


1) Diese Zeitschr. 186, 241, 1923; 147, 30, 1924. — 2) Berl. Ber. 56, 
1887, 1923. — 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 184, 121, 147; 186, 219, 1924. — 
4) Ebenda 141, 100, 1924. 


Beiträge zur Dynamik der Autoklavenhydrolyse der Eiweißstoffe 
(Methode von Zelinsky-Ssadikow) mittels verdünnter Säuren. 


Von 
N. J. Gawrilow, E. Stachejewa, A. Titowa und N. Ewergetowa. 


(Aus dem organisch-chemischen Laboratorium der I. Universität Moskau.) 


(Eingegangen am 4. Januar 1927.) 


Beim Studium der allmählichen Änderung der Menge des Aminostick- 
stoffs in den Eiweißhydrolysaten kann man Hinweise auf den Haupt- 
prozeß der sich abspielenden Reaktion erwarten, d.h. darauf, ob die 
Hydrolyse bis zu dem einen oder anderen Zerfallsstadium des Eiweißes 
vor sich geht, oder ob in einem bestimmten Moment, namentlich dann, 
wenn die Eiweißstoffe größtenteils in einfache Peptide verwandelt und 
abiuret wurden, die Bildung von Anhydriden eintritt, wie das mit 
Rücksicht auf das Verhalten von reinen Dipeptiden (1) bei ihrer Hydro- 
lyse im Autoklaven unter gewissen Bedingungen zu erwarten wäre. 

In bezug auf Gelatine, Pepton und Sturinsulfat läßt sich die Frage 
mit Bestimmtheit derart beantworten, daß im Autoklaven beim Er- 
wärmen nicht nur mit verdünnten Säuren, sondern auch mit Wasser 
in Abwesenheit von letzteren Hydrolysate entstehen, in denen sich 
(in verschiedenen Zerfallsstadien) kein Sinken des Aminostickstoffs, also 
auch keine merkliche Anhydridbildung, beobachten läßt. Nur die 
abiurete Lösung von Produkten der Albuminspaltung in neutralem 
oder schwach saurem Milieu gab bis zu 10 Proz. Verminderung des 
Aminostickstoffs. 

Die Hydrolysate des Albumins, Caseins und Gliadins gaben nach 
sechsstündiger Hydrolyse mit schwacher Säure, also nach erreichter 
Zerfallsgrenze, beim weiteren Erwärmen keine Verminderung ihres 
Aminostickstoffs. 

Das Sturinsulfat wurde nach Kossel durch Extraktion mittels ver- 
dünnter Schwefelsäure, der mit Alkohol getrockneten und mittels 
Petroläther entfetteten Testikel des Störs und darauf folgende Fällung 
des Extrakts mit Alkohol gewonnen. Die Reinigung geschah durch 
wiederholte Auflösung in Wasser und Fällung mit Alkohol. 

Das Eieralbumin war das des Handels. 


Gawrilow, Stachejewa, Titowa u. Ewergetowa: Dynamik usw. 27 


Das Handelscasein war das nach Hammarsten bereitete. 

Das Gliadin wurde, wie üblich, aus Weizenmehl durch Extraktion 
mit wässerigem Alkohol gewonnen. 

Das Albuminhydrolysat wurde durch Hydrolyse des Eieralbumins 
mittels 25proz. Schwefelsäure bis zur Abiuretreaktion gewonnen. 
Nach Entfernung der Schwefelsäure, Filtrieren, Entfärbung mittels 
Kohle wurde das Hydrolysat im Vakuum eingeengt. Während dieser 
Operation fiel eine bedeutende Menge von Tyrosin aus. 

Das Handelspepton, siccum, wurde mit Trypsin hydrolysiert, und 
zwar im Thermostaten in soda-alkalischer Lögung. Die Biuretreaktion 
war positiv. 

Das fermentative Gelatinehydrolysat wurde für die Versuche 76 
bis 81 durch Einwirkung von Pepsin (Pepsinum Ph. Rossicum) in 0,1 proz. 
Salzsäure auf eine 20proz. Lösung von Gelatine gewonnen. 

Für die Versuche 82 bis 87 wurde das aus Gelatine durch 60stündige 
Einwirkung von Trypsin (Kahlbaum) gewonnene Hydrolysat genommen. 
Diese Lösung wurde für die Versuche 88 bis 93 noch 60 Stunden der 
Einwirkung des Trypsins überlassen. Das gewonnene Hydrolysat 
wurde für die Versuche 94 bis 98 abfiltriert und im Vakuum bis zur 
Hälfte des Volumens eingeengt. 

Die Bestimmung des Aminostickstoffs E nach der Methode 
von Sörensen ausgeführt. Eine Abänderung bestand darin, daß die 
anfängliche Neutralisation nicht auf Lackmus eingestellt wurde, sondern 
auf Neutralrot, das direkt zu der zu untersuchenden Lösung zugegeben 
wird. In Fällen, wo die Färbung der Lösung die Anwendung von 
Neutralrot unmöglich machte, wurde die Titration mittels eines 
empfindlichen Lackmuspapierchens geführt. 


Gelatine. 


Für die Versuche (Tabelle I, Serie 1 und 2) wurde eine Lösung 
von 10 Proz. Gelatine in l,l proz. Schwefelsäure genommen. Für die 
dritte Serie wurde eine 20 pro. Gelatinelösung mit der entsprechenden 
Lösung von Säure und Wasser mit solcher Berechnung verdünnt, 
daß eine 1Oproz. Lösung in Säuren verschiedener Konzentration ent- 
stehe. 

Nach stattgehabter Hydrolyse wurde die Lösung im Meßkolben 
auf bestimmtes Volumen gebracht und dann der Gesamt- und Amino- 
stickstoff bestimmt. Nach vollständiger Hydrolyse soll die Gelatine 
etwa 88 Proz. Aminostickstoff enthalten (2). Die Hydrolyse geschah 
im Autoklaven bei verschiedenen Temperaturen (erste Serie der Versuche) 
und bei 180° (zweite Versuchsserie.) 

Der Versuch Nr. 8 der zweiten Serie wurde derart ausgeführt, daß 
der Aminostickstoff nach dem Erkalten der Lösung bestimmt wurde, 


28 Gawrilow, Stachejewa, Titowa u. Ewergetowe: 


.gleich nachdem die Temperatur im Autoklaven auf 180° stieg. Somit 
dauerte die Hydrolyse bei 180° 1 bis 2 Minuten, und ist die ganze 
Steigerung des Gehalts an Aminostickstoff der kurzzeitigen Hydrolyse 
zuzuschreiben, die bei niedrigeren Temperaturen vonstatten geht, 
sobald die Temperatur die erwähnte Grenze erreichte. 

Die Erwärmung des Autoklaven mit den darin befindlichen zu- 
geschmolzenen Röhrchen samt den zu hydrolysierenden Flüssigkeiten 
geschah in allen Versuchen derart, daß die Temperatur erst nach 
45 Minuten auf 180° stieg; die Erkaltung des Autoklaven bis auf 100°, 
wonach der Autoklav geöffnet wurde, dauerte 25 Minuten. 

Zur Bestimmung des Gesamt- und Aminostickstoffs wurden je 
20 ccm der Hydrolysate genommen. In jedem Röhrchen wurden 
20 ccm Gelatinelösung hydrolysiert. 

Aus der Tabelle I lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1. Bei 
der Autoklavenhydrolyse der Gelatine läßt sich sowohl in Abhängigkeit 
von der Zeit als in Abhängigkeit von der Temperatur und der Säure- 


Tabelle I. 


Serie 1. 10proz. Lösung von Gelatine in 1,1proz. Schwefelsäure. Einfluß 
der Temperatur bei zweistündiger Erwärmung. 


Yeueb Temperatur Gesamt-N Amino»N un Biuretreaktion 
b DC g g | Proz. 

0,0370 0,0021 | 5,7 ge 
0,0392 0,0045 11,5 + 
0,0386 0,0058 15,0 + 
0,0391 0,0116 29,7 schwach 

| 0,0390 ' 0,0132 32,8 S 

| 200 0,0364 0,0131 | 36,0 — 


Serie 2, 10 proz. Lösung von Gelatine in l,l proz. Schwefelsäure bei 180°. 
Einfluß der Zeit. 


, AminosN zum 
Mn ` Versuchsdauer Gesamt-N | Amino-N Gesamt.N Biuretreaktion 
` g l g Proz.’ 
E l s 0,0449 omg | us I + 
8 |  0b20 0,0449 0,0105 23,4 + 
9 0 40 0,0449 0,0105 23,4 + 
10 1 0,0421 0,0119 28,2 > 
11 1 20 0,0421 0,0126 29,8 i 
12 1 40 0.0421 0.0126 298 | + 
13 2 20 0,0421 0,0128 30,3 ! sehr schwach 
14 2 40 | 0,0421 0,0128 30,3 js „ 
15 3 0,0421 0,0144 34,2 Ges 
16 6 0.0397 0.0205 42,1 | = 
71,9 0,0350 0,0197 51,7 = 
18 12 0,0340 0,0189 56,0 = 
19 | 24 0,0397 0,0205 55,6 = 


Dynamik der Autoklavenhydrolyse. 29 


Serie 3. _ 10proz. Lösung in Schwefelsäure verschiedener Konzentration 
2 Stunden bei 180°. Einfluß der Säurekonzentration. 


Säures Amino»N zum 
were | konzentration Gesamt-N Biuretreaktion 
r. 
| Proz. Proz. 

20 | om 13,4 + 

21 0,02 13,4 + 

22 | 0,1 13,6 + 

23 0,2 Lä ! + 

24 0,4 17,8 + 

25 . 0,8 24,5 + 

26 1,0 26,9 + 

27 | 1,2 32,9 | + 

28 | 15 32,3 + 

29 | 1,8 33,7 schwach 
30 l 2,0 35,8 sehr schwach 
31 ii 10,0 12,3 | — 

32 | 20,0 7038 — 


ki 


konzentration ein Moment beobachten, in dem wiederum über 30 Proz. 
des Gesamtstickstöffs aus dem gebundenen Peptidzustand in solchen 
übergehen, der sich nach Sörensen titrieren läßt. In diesem Moment 
verschwindet die Biuretreaktion und die Hydrolyse geht bei weiterem 
Erwärmen oder Temperaturerhöhung schon mit großer Mühe. Es 
ist anzunehmen, daß in der Gelatine etwa 30 Proz. Stickstoff derart 
gebunden sind, daß er bei der Hydrolyse in die Aminogruppe leicht 
übergeht (in Polypeptidbindung oder in Form eines leicht hydrolysier- 
baren Ringes des Glycinanhydrids). 


2. Der Zeitverlauf der Hydrolyse gestaltet sich derart, daß schon 
während der anfänglichen Hydrolyse bis 30 Proz. Aminostickstoff in 
1 Stunde frei gemacht werden. Die weitere Erwärmung im Laufe von 
2 Stunden steigert die Menge des Aminostickstoffs nur um 5 Proz. 
Nach zehnstündiger Hydrolyse bleibt die Menge des Aminostickstoffs 
konstant. 


3. Der Gang der Hydrolyse wird durch die Säurekonzentration 
stark beeinflußt, indem die Hydrolyse mit steigender Konzentration 
scharfe Unterschiede gegenüber der Hydrolyse mit schwacher Säure 
aufweist. Die Hydrolyse geht allmählich und erreicht bis 70 Proz. N 
in Form von Aminogruppen (zweistündige Erwärmung bei 180° mit 
10- und 20proz. Schwefelsäure). 


4. Die Intensität der Hydrolyse wird durch die Temperatur sehr 
beeinflußt, indem die Menge der freien Aminogruppen bei 180° sechs- 
mal größer wird, als bei 100°. 


5. Es ist anzunehmen, daß die Polypeptidbindung in der Gelatine 
bei der Erwärmung mit lproz. Schwefelsäure bei 180° im Laufe von 


30 Gawrilow, Stachejewa, Titowa u. Ewergetowa: 


3 Stunden vollständig hydrolysiert wird. Wie aus den Versuchen der 
zweiten Serie zu ersehen ist, enthält die Gelatinemolekel mindestens 
50 Proz. anhydridartig gebundenen Aminostickstoffs. 


Sturinsulfat. 


Hier wurde die Hydrolyse bei verschiedener Konzentration sowohl 
des Proteins als der Säure geführt, und zwar in zugeschmolzenen 
Röhrchen bei 180° im Laufe von 3 Stunden. Nach der Hydrolyse 
wurde das Hydrolysat (Nr. 39) titriert, während Nr. 40 und 41 behufs 
Entfernung der Schwefelsäure mit einem sehr geringen Überschuß 
von Bariumcarbonat neutralisiert wurden. Die Reaktion war schwach 
alkalisch. Die Röhrchen wurden zugeschmolzen und nochmals 3 Stunden 
auf 180° erwärmt. Nach dem Öffnen der Röhrchen wurden deutlicher 
Ammoniakgeruch und stark alkalische Reaktionen wahrgenommen. 


Tabelle II. 
Serie 4. Hydrolyse des Sturinsulfats. Einfluß der Eiweiß- und 
Säurekonzentration. 
o Co 1 Eiweif, 1 Siue 
Versuch | Bedingungen der konzen, | konzen- | Gesamt-N N HN [NHN zum 
E f Hydrolyse tration tration | 
een m _ Proz. | Proz. g g Proz. 


83 Vor der Hydrolyse | — = 0,0360 | 0,00358 | 10,0 
34 `| Hydrolyse 8 Stdn. | 10 | neutral | 0,0860 | 0,0144 40,0 
85 ` Ebenfalls 10 21, | 0,0794 | 0,0297 37,4 
36 ` ` 10 5 ` 0,0992 | 0,0366 40,6 
37 ` i 10 10; 0,0910 | 0,0438 48,1 
38 á 10 20 | 0,1764 | 0,0920 ` 52,1 
39 20 | Dis 0,1605 , 0,0291 18,2 


Nach 3 stünd. Hydro- 
lyse zugesetzt etwas 


über theoret. Menge 

40 | Ba COs, a. alle HAS, 20 alkalisch | 0,1843 | 0,1473 80,0 
berechn. u. 3 Stdn. im 
Autoklaven erwärmt 

4 | Dasselbe 20 S i 0,1613 0,1379 85,4 


Aus diesen Versuchen kann man den Schluß ziehen, daß das Sturin 
keine Anhydridbindungen enthält, oder daß die Anhydride leicht hydrolysiert 
werden. Naclı Kossel beträgt die Menge des im Sturin enthaltenen und 
mit Formol titrierbaren Stickstoffs im Verhältnis zum Gesamtstickst.off 
55 Proz. Bei sechsstündigem Erwärmen des Sturinsulfats im Autoklaven 
mit 2⁄, proz. H,SO, bei 180° (Versuch 59, Tabelle III) wird fast aller 
titrierbarer Stickstoff frei. 


Das weitere Erwärmen im Autoklaven des schon hydrolysierten, 
von H,S0, befreiten Sturins, in schwach alkalischem Medium (BaCO,) 
führt zum tiefen Zerfall der dasselbe zusammensetzenden Aminosäuren 
und zur Ausscheidung von NH, (offenbar Arginin-NH;3). 


Dynamik der Autoklavenhydrolyse. 3l 


Albumin, Casein, Gliadin, Sturin- Sulfat. 


Die Hydrolyse dieser Serie wurde im Autoklaven in zugeschmolzenen 
Röhrchen geführt, und zwar in den Versuchen 42 bis 56 mit 2proz. 
Salzsäure, und in den Versuchen 57 bis 61 mit 21,,proz. H,SO,. 

Zur abgewogenen Menge des Proteins wurde die Säure. Ster 

In den Versuchen 57 bis 61 wurde das Hydrolysat filtriert; der 
Niederschlag auf dem Filter wurde zur vollständigen Beseitigung der 
H,SO, mit Wasser gewaschen und das Filtrat in einem Meßkolben 
auf ein bestimmtes Volumen gebracht. Durch das Verbrennen des 
Filters mit Schwefelsäure und Abtreiben des Ammoniaks überzeugten 
wir uns, daß der Niederschlag nur Spuren von Stickstoff enthält. 

Das Filtrat wurde mit Formol titriert. In den Versuchen 57 bis 61 
wurde ohne Filtration direkt titriert. 

Die chemische Beschaffenheit des entstehenden Niederschlags 
blieb uns unbekannt; aber die Menge des letzteren sank in allen Versuchs- 
serien proportional der Zeit und der Temperatur. 

Die Versuchsergebnisse der Serie 5 beweisen, daß bei den unter- 
suchten Proteinen, wie auch zu erwarten war, der Gehalt an der leicht 
beweglichen Polypeptidbindung bedeutend größer ist als an der An- 


Tabelle III. 
Serie 5. Hydrolyse verschiedener Proteine bei 180°. 


Verhältnis des Amino-N 
zum Gesamt-N 


VE der Ge | Gesamt-N Amino-N 
i l Stunden | g g 


Proz. 
© Opo Lösung von Albumin in 2proz. Salzsäure. 
42 |! 1 0,1451 0,0618 41,9 
43 2 0,1451 0,0619 42,7 
44 3 0,1451 0,0655 45,2 
45 6 0,1451 0,0662 45,7 
46 9 0,1451 , 0,0665 | 45,9 
10 proz. Lösung von Casein in 2proz. Salzsäure. 
47 0,1429 0,0584 | 41,1 
48 | 2 0,1420 0,0648 45,6 
49 3 0,1420 0,0651 | 45,9 
50 | 6 0,1420 00716 | 504 
51 9 | 0,1420 0,0732 | 51,5 
10proz. Lösung von Gliadin in 2proz. Salzsäure. 
52 | 1 0,1482 0,0709 47,9 
53 | 2 0,1482 0,0725 49,0 
54 j 3 0,1482 0,0728 49.2 
55 | 6 0.1482 0.0733 | 49,5 
56 9 0,1482 0,0759 51,2 
10proz. Lösung von Sturinsulfat in 2!/, proz. 806 
57 Ä 2 0,0830 0,0275 33,1 
58 3 0,0794 0, 0297 37,4 
59 6 0,0793 0.0393 | 49,6 
e d | 0/0836 0,0423 | 50,6 
61 | 12 0,0794 0,0412 | 51,9 


32 Gawrilow, Stachejewa, Titowa u. Ewergetowa: 


hydridbindung. Letztere ist besonders wenig im Sturin enthalten, in 
dem nach zwölfstündigem Erwärmen die Menge des Aminostickstoffs 
der aus den Zerfallsprodukten theoretisch berechneten nahe kommt. 
Ein großer Teil des im Gliadin mit Formol titrierbaren Stickstoffs ist 
dem Ammoniak zuzuschreiben, das durch die Hydrolyse der Amido- 
gruppe des Glutamins und Asparagins, welch letztere nach Osborne u. a. 
im Gliadin enthalten sind, entsteht. 


Die Autoklavenhydrolyse der gewöhnlichen Proteinhydrolysate. 
Albuminhydrolysat. 

Das Eieralbumin wurde mit 25proz. Schwefelsäure bis zur abiureten 
Reaktion hydrolysiert. Nach Entfernung der Schwefelsäure mittels 
BaCO, wurde die Lösung mit Kohle bearbeitet, gekocht und das Filtrat 
im Vakuum eingeengt. Die Konzentration des hydrolysierten Proteins 
wurde nach dem Gehalt an Gesamtstickstoff multipliziert mit 6,25 
bestimmt. In den Versuchen 65 bis 68 wurden 5 ccm des Hydrolysats 
mit der entsprechenden Menge Wasser und Säure bis auf 10 ccm ver- 
dünnt. Die Hydrolyse wurde in zugeschmolzenen Röhrchen im Auto- 
klaven 3 Stunden bei 180° ausgeführt. 

Das während der Hydrolyse ausgeschiedene Tyrosin und eine 
kleine Menge von uns näher nicht untersuchte Aminosäure wurden 
abfiltriert. 

Tabelle IV. 


Serie 6._Autoklavenhydrolyse des vorher mittels Schwefelsäure hydro- 
lysierten Albumins. 


| | Konzentration | | das osN 

nr Versuchsbedingungen des Proteins: der Säure en Sn Gesamt-N 
ı Proz. | Proz. g | g | Proz. 

| 
62 Vor der Autoklaven-! | 

hydrolyse 20 neutral | 0,1645 : 0,1196 72,1 
63 Hydrolyse 3 Stdn. 20 Ce 6, 1645 ; 0,1129 68,7 
64 Ebenfalls 10 S 0. 1645 | 0,1196 72,1 
65 S 10 2 0,0859 | 0 0657 11,3 
66 S 10 1 0,0846 | 0,0534 63,1 
67 E 10 5 0.0846 0,0781 92,3 
68 | S | 10 1 0,1846 | 0,0483 57,0 


Bei der Hydrolvse des Albuminhydrolysats in schwach saurer oder 
neutraler Lösung ist eine Neigung zur Verringerung des Gehalts an 
Aminostickstoff zu merken, und zwar wahrscheinlich infolge einer 
Peptisation. Konzentriertere Säuren haben weiteren Zerfall zur Folge. 


Trypsinhydrolysat des Peptons. 


Das Pepton wurde in soda-alkalischer Lösung mittels Trypsin 
(Kahlbaum) hydrolysiertt. Die Biuretreaktion war positiv. Das 


Dynamik der Autoklavenhydrolyse. 33 


filtrierte, fermentative Hydrolysat wurde in Röhrchen mit Wasser 
und Schwefelsäure bis auf ein bestimmtes Volumen verdünnt. Sämtliche 
Lösungen sind dunkel gefärbt, was die Titration erschwerte. 


Tabelle V. Serie 7. 


| | Konzentration | ame: N 
Versuch : 5 Gesamt-N | Amino-N 
Nr. , Versuchsbedingungen | des a der Säure Gesamt-N 
| Proz. Proz. | BER... 

69 Pepton vor der | 
` Trypsinhydrolyse 16 neutral ' 0,1263 0,0141 11,21 
Al | Nach der Trypsin- | | 

© hydrolyse » | 0,1196 | 0,0590 | 49,34 
11 ` Autoklavenhydrolyse 15 „ 0,1196 | 0,0745 ı 62,31 
12 Ebenfalls 1,5 „I 0,0598 | 0,0398 66,50 
o i 75 1 | 00598 | 0/0397 66.34 
74 © 75 | 5 | 00598 | 0,0541 | 90.50 


n l 


Pepsin- und Trypsinhydrolysat der Gelatine. 


Für die Versuche 75 bis 81 wurde eine 10- bis 20proz. Gelatine- 
lösung mit Pepsin hydrolysiert. Das Pepsinhydrolysat wurde mit 
Soda alkalisch gemacht und für die Versuche 82 bis 87 im Thermostaten 
60 Stunden, für die Versuche 85 bis 95 bis 120 Stunden mit Trypsin 
weiter hydrolysiert. Dasselbe wurde für die Versuche 91 bis 95 nach 
der Hydrolyse neutralisiert und im Vakuum bis zur Hälfte des ursprüng- 
lichen Volumens eingeengt. Die Menge des Proteins in der Lösung 
wurde nach dem Gesamtstickstoff multipliziert mit 6,25 bestimmt. 
Alle Hydrolysate wiesen die Biuretreaktion auf. Die Autoklaven- 
hydrolyse wurde mittels Schwefelsäure bei 180° geführt. 

Aus den Tabellen V und VI kann man folgende Schlüsse ziehen: 

l. Bei der Autoklavenhydrolyse des fermentativen Hydrolysats 
ist nirgends eine Verminderung des Aminostickstoffs (Anhydrisierung) 
zu merken. 

2. Die fermentativen Hydrolysate lassen sich viel leichter und 
weiter hydrolysieren als die Säurehydrolysate und die genuinen 
Proteine. Je tiefer die fermentative Hydrolyse vor sich ging, desto 
leichter geht alsdann auch die Hydrolyse mittels schwacher Säuren. 
Es ist möglich, daß bei der fermentativen Hydrolyse besonders in 
alkalischem Milieu nicht nur ein Zerfall der Polypeptidbindung statt- 
findet, sondern auch der Anhydridbindung (3). Dann werden die 
aufgeschlossenen Anhydride leichter und bis zu Ende durch Säuren 
hydrolysiert. 

Während Gelatine nach der Hydrolyse mit 20proz. Schwefelsäure 
im Autoklaven bei Versuch 32 nur 70 Proz. Aminostickstoff in 
der Lösung des Hydrolysats enthält, läßt sich dieselbe Gelatine, mit 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 3 


34 Gawrilow, Stachejewa, Titowa u. Ewergetowa: Dynamik usw. 


Tabelle VI. 
Serie 8. Hydrolyse der mittels Pepsin- bzw. Trypsin verdauten Gelatine. 
Konzentration E Amino»N 
ig Versuchsbedingungen des Proteins der Säure Sa ai Gesamt-N 
Proz. Proz g g Proz. 
75 Gelatine vor der 

Pepsinhydrolyse 13 neutral 0.1049 0.0045 43 
76 N.d. Pepsinhydrolyse 13 0.1 0.1049 0.0052 5.0 

TT Nach d. Autoklayen- 
hydrolyse 3 Stdn. 13 neutral 0.1049 0.0209 19.9 
78 Ebenfalls 6.6 n 0.0525 0.0103 19.7 
79 w 6,6 | 0,0525 0,0151 28,8 
80 = 6,6 5 0,0525 0.0324 « 61.8 

81 N. d. Trypsinhydro- 
lyse v. Nr. 76 60 Std. 13 neutral 0.1050 0.0206 19.6 

82 Autoklavenhydrolyse 
von Nr. 81 E 13 e 0.1050 0.0420 40.0 
83 Ebenfalls 6.6 z 0,0525 0,0223 42,4 
84 e 6,6 Í 0,0525 0,0273 50,8 

85 N. d. Trypsinhydro- 
lyse v. Nr. 81 60 Std. 14 | neutral 0.1108 0.0306 27.6 

86 Autoklavenhydrolyse 
von Nr. 85 14 0.1108 0.0324 27.9 
87 Ebenfalls d S 0.0554 0.0174 31.4 
88 1 | 0,0554 0,0231 41,7 
89 T 5 0,0554 0,0414 14,7 
90 z 7 10 0.0554 0.0444 80.1 

UI Hydrolysat Nr.85 im 

Vakuum bis !/, Vol. 
konzentriert 24 neutral 0,0487 0,0171 35.2 

92 Hydrolysat Nr. 91 

im Autoklaven 24 0,0973 0,0412 42,3 
93 Ebenfalls 12 R 0,0487 0,0226 46.5 
94 12 Í 0.0487 0.0253 52,0 
95 19 10 0.0487 0.0451 92.7 


einem Gehalt von 27,6 Proz. Amino-N nach vorheriger Bearbeitung 
mit Trypsin, mit 10proz. H,SO, im Autoklaven, Versuch 90, bis auf 
einen Gehalt von 80,1 Proz. mit Formol titrierbaren Stickstoffs hydro- 
lysieren. 

Da Gelatine theoretisch nur etwa 88 Proz. Amino-N als titrierbare 
Aminosäuren enthält, so kann solch eine bedeutende Steigerung dieser 
Form des Stickstoffs einer vorherigen tiefen Veränderung der Eiweiß- 
molekel unter dem Einfluß der fermentativen Hydrolyse im alkalischen 
Medium zugeschrieben werden. 


Literatur. 


1) Brigl, B. 56, 1887, 1923; Abderhalden und Komm, Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 188, 121; 189, 147, 1924. — 2) Kossel, Die Naturwissenschaften 10, 
1000, 1922. — 3) Abderhalden und Goto, Fermentforschung 7, 169, 1923; 
Waldschmidt-Leitz und A. Schäffner, Berl. Ber. 58, 1356, 1925. 


Proteinogene Toxikosen. 


Von 
Leon A. Tscherkes. 


(Aus der Morphologischen und Physiologischen Abteilung des Forschungs- 
instituts und’ aus dem Laboratorium für Allgemeine Pathologie am Staat- 
lichen Chemisch-Pharmazeutischen Institut zu Odessa.) 


(Eingegangen am 7. Januar 1927.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Beim Studium der Rolle, welche verschiedenen organischen Nähr- 
stoffen bei der Ausbildung avitaminöser Zustände zukommt, konnten 
wir in einer unserer früheren Mitteilungen (1) feststellen, daß mit der 
Vergrößerung des Proteinanteils der Diät der Verlauf der B-Avita- 
minose bei Tauben beschleunigt wird. 


Funk, Dubin und Paton (2) (3) sind währenddessen zu einer entgegen- 
gesetzten Schlußfolgerung gelangt und schreiben dem Eiweiß Vitamin-B- 
sparende Eigenschaften zu. Im gleichen Sinne hat sich auch Abderhalden (4) 
ausgesprochen, dem es gelang, mittels Zusatz von Casein zu poliertem Reis 
einem scharfen Fallen des Gewichts bei Tauben vorzubeugen. Es ist aber 
schon aus den Versuchen Schaumanns (5) bekannt, daß Zusatz von Hühner- 
eiweiß zu poliertem Reis das Leben der Tiere kürzte, und Eijkman und 
Hoogenhuyze (6) haben darauf hingewiesen, daß Zusatz von Casein zur 
Reisdiät der Tauben (ohne gleichzeitige Steigerung der Vitamin-B-Ver- 
abreichung) weder die latente Periode, noch die Gewichtskurve beeinflußt. 
Osborne und Mendel (7) endlich fanden in ihren Versuchen ebenfalls keine 
Veranlassung, um den Eiweißen Vitamin-B-sparende Eigenschaften zu- 
zuschreiben. Asada (8) und Ederer (9), die bei B-avitaminösen Ratten eine 
besondere Empfindlichkeit einseitiger Eiweißernährung gegenüber fest- 
gestellt haben, sind dadurch zu Resultaten gelangt, die mit den Ergebnissen 
unserer früheren Untersuchungen im Einklang stehen. Im gleichen Sinne 
wird die Frage auch durch die ganze interessante Serie der Arbeiten Hart- 
wells (10) gelöst, in deren Versuchen eine Steigerung des Eiweißanteils in 
der Diät einer säugenden Ratte schädigend auf ihre Säuglinge wirkte; 


3% 


36 L. A. Tscherkes: 


dieser Schädigung konnte jedoch vorgebeugt werden, wenn man in die 
Diät der Mutter Produkte einführte, die an Vitamin B hinlänglich reich 
waren; dabei mußte die Quantität des zugegebenen Vitamins proportional 
der Steigerung der Eiweißmenge vergrößert werden. Die Ergebnisse der 
Versuche Bonds (11) entsprachen denjenigen der Beobachtungen Hartwells. 
Zur gleichen Faktenkategorie glauben Drummond, Cowden und Hill (12) 
die Resultate ihrer Experimente rechnen zu dürfen: sie beobachteten eine 
Wachstumsverzögerung bei Tieren, die eine eiweißreiche Diät erhielten, 
und nahmen an, daß diese Verzögerung von einer Störung des quantitativen 
Verhältnisses zwischen dem Proteingehalt der Nahrung und dem Vitamin B 
bedingt wurde. | 


Die weiteren Untersuchungen von Tscherkes (13) (14), deren Aufgabe 
es war, die Ursache der erwähnten Widersprüche aufzudecken, führten 
zu Schlüssen, die sich von denjenigen seiner obengenannten früheren Mit- 
teilung nicht unterscheiden. Funk, Collazo und Kaczmarek (15) (16) unter- 
nahmen ebenfalls eine Prüfung derselben Widersprüche, unterwarfen die 
Frage einer neuen Revision, erklärten jedoch die früheren Schlußfolgerungen 
Funks über die vitamin-B-sparenden Eigenschaften des Eiweißes für un- 
erschüttert. Gleichsinnig waren auch die Ergebnisse der Experimente von 
Laviall (17). 


Während somit die einen Forscher glauben, daß das Eiweiß die 
Ausbildung der B-Avitaminose erschwert, sehen die anderen in ihm 
einen die B-Vitaminbedürfnisse ökonomisierenden Faktor, und die 
dritten endlich bewerten das Eiweiß als einen in dieser Hinsicht in- 
differenten Agenten. Alle diese wiederholt widersprechenden Beob- 
achtungen zwangen uns, anzunehmen, daß die differenten Lösungen 
des Problems, welchem theoretische und praktische Bedeutung zu- 
kommt, mit irgend einem bisher nicht berücksichtigten Umstande im 
Zusammenhang stehen müssen. Um weiter im Studium des Problems 
vordringen zu können, erschien es uns als notwendig, in erster Linie 
die Frage zu beantworten, ob die bestehenden Widersprüche nicht 
durch die Bedeutung des Eiweißes als solchen bewirkt sein können, 
um so mehr, als die Frage von den toxischen Eigenschaften einer Diät 
mit prävalierendem Eiweißgehalt schon mehrmals aufgeworfen worden 
ist. Bei näherer Betrachtung dieser Frage stoßen wir auch hier wieder 
auf ein ganzes Gamma von gegensätzlichen Ergebnissen, ähnlich wie 
das bei der eben erfolgten Besprechung der Rolle des Eiweißes bei der 
B-Avitaminose der Fall war. 


Während Pflüger (18) über Beobachtungen an einem Hunde berichtet, 
der einer ausschließlichen Fleischdiät unterworfen wurde und dabei gar 
keine sichtbaren Abweichungen von der Norm zeigte, konstatierte eine ganze 
Reihe von Forschern eine toxische Wirkung der Eiweiße, falls ihr Gehalt 
in der Diät stark prävalierte [Watson (19), Maignon (20) (21) u. a.]. Die 
Schlußfolgerungen dieser Autoren trafen auf Entgegnungen seitens späterer 
Untersucher, da in den von ihnen angewandten Nalırungsrationen die den 
Vitaminen zukommende Rolle nicht berücksichtigt worden ist. Und tat- 
sächlich hatten Osborne und Mendel (22) (23), sowie auch Polrogt, McCollum 


Proteinogene Toxikosen. 37 


und Simmonds (24) eine normale Entwicklung junger Tiere bei eiweißreicher 
Diät beobachtet; sie hielten es sogar für zulässig, die Frage aufzustellen, 
ob eine Diät mit Vorwiegen von Eiweißen für wachsende Tiere nicht zu- 
träglicher sei, als das von anderen Autoren angenommen wird [Osborne und 
Mendel (22, S. 162)]. Drummond, Crowden und Hill (12) und Reader und 
Drummond (25) beobachteten dagegen eine auffällige Wachstumsstörung 
bei Tieren, in deren Diät Proteine vorwogen, und bei Asada (8) gingen 
Ratten bei einseitiger Eiweißfütterung schon in der dritten bis vierten 
Woche zugrunde. Wir haben schon den toxischen Effekt erwähnt, mit 
welchem sich bei der Rattennachkommenschaft die Fütterung der säugenden 
Mutter mit einer an Eiweiß übermäßig reichen Ration äußert [Hartwell (10)]. 
Speziell hinsichtlich des Hühnereiweißes ist von Harris (26) und Boas (27) 
gezeigt worden, daß in Fällen, in welchen das Hühnerei-Eiweiß als einzige 
Quelle der Proteine der Diät erscheint, bei den Tieren eine Wachstums- 
hemmung auftritt, die von Störungen im Haarwuchs begleitet wird. Boas (28) 
hat im weiteren endlich darauf hingewiesen, daß solche Störungen aus- 
schließlich bei Fütterung mit dem käuflichen, getrockneten Eiweiß eintreten; 
bedient man sich dagegen nur frisch koagulierten Hühnerei-Eiweißes, so 
stellt sich die genannte Erscheinung nicht ein. Zur gleichen Faktenkategorie 
muß auch die experimentelle Amyloidose gerechnet werden, die mittels 
Fütterung der Tiere mit einer an Proteinen reichen Nahrung erzielt wird 
[Kuezymski (29)]. 

Daher verdient es einer besonderen Beachtung, daß bei 
den Japanern die Amyloidose, die sich im Prozeß chronischer 
Infektionen entwickelt, in so schwach ausgeprägter Form auftritt. 
daß sie gewöhnlich makroskopisch nicht festgestellt werden kann; 
sie kann nur mikroskopisch erkannt werden [Motoki, Tanaka (30)]. 
Diesen schwachen Äußerungsgrad der Amyloidose bringt Tanaka 
mit dem Vorwiegen einer an N-haltigen Substanzen armen pflanz- 
lichen Kost (Reis) der Japaner in Verbindung. Meyer und Wolf (31) 
endlich haben Fälle von Amyloidose beschrieben, die ohne Grund- 
krankheit — allein bei Ernährung mit einer eiweißreichen Nahrung — 
auftrat. 


Unsere Versuche führten wir an Tauben, weißen Ratten und 
weißen Mäusen aus. 


In unseren früheren an Tauben angestellten Versuchen (13) (14) 
konnten wir feststellen, daß in Abwesenheit von Vitamin B die An- 
wendungsmöglichkeit des Prinzips des isokalorischen Ersatzes in 
bedeutendem Maße eingeschränkt ist; dieser Befund entsprach voll- 
kommen jenen Ergebnissen, zu denen auch Bickel mit seinen Mit- 
arbeitern gelangt ist (32). In unseren Versuchen gingen die B-avita- 
minösen Tauben in jenen Fällen früher zugrunde, in denen in der Diät 
Kohlehydrate oder Eiweiße prävalierten; am indifferentesten erwies 
sich das Fett. Bei einer in unserem Laboratorium von Dr. Bergermann 
und Dr. Litwack durchgeführten Reihe von Versuchen, bei welchen 
Tauben ebensolche isokalorische Gemische erhielten, konnten in An- 


38 L. A. Tscherkes: 


wesenheit von Vitamin B bei keinem einzigen der Tiere irgendwelche 
pathologischen Erscheinungen festgestellt werden. In jenen Versuchs- 
serien, die (gegenwärtig abgeschlossen sind, und über die an anderer 
Stelle mitgeteilt werden soll, war die Quantität der Proteine bis zu 
61 Proz. des ganzen Bestandes der Diät erhoben worden (was 50 Proz. 
der ganzen Kalorienmenge ausmacht). Das Überwiegen der Eiweiße 
hat sich an den Versuchstieren in gar nichts geäußert und sie unter- 
schieden sich sichtlich in nichts von solchen Tieren, deren Diät mehr 
Kohlehydrate oder Fette enthielt. In den genannten Bedingungen 
erwies sich also der isokalorische Ersatz in Anwesenheit von Vitamin B 
als vollkommen durchführbar. Versuche mit einer weiteren Steigerung 
des Eiweißgehalts der Diät, sowie mit ausschließlicher Eiweißernährung 
sind noch nicht abgeschlossen. 

Eine andere Serie von Versuchen ist von Dr. Kupermann an 
weißen Ratten mittleren Alters (Gewicht 95 bis 169g) ausgeführt 
worden. In Fällen, bei denen die Eiweißmenge (Casein) bis zu 
50 Proz. gesteigert worden ist, konnten im Laufe einer 3 Monate 
anhaltenden Beobachtung gar keine pathologischen Veränderungen 
konstatiert werden. Die Fütterung der Ratten ausschließlich mit 
Casein führte nicht immer zu den gleichen Resultaten; doch konnten 
jedenfalls niemals Erscheinungen einer akuten Intoxikation beob- 
achtet werden. Eine ausführliche Beschreibung dieser Versuche 
wird an anderer Stelle erscheinen. 

Gänzlich anders waren die Ergebnisse, welche wir in unseren mit 
Dr. Litwack gemeinsamen Versuchen an weißen Mäusen erhielten. Alle 
Mäuse, die als Nahrung ausschließlich Eiweiß bekamen, gingen ge- 
wöhnlich am zweiten bis vierten Versuchstage unter Erscheinungen 
einer akuten Intoxikation zugrunde. In vielen Fällen überlebten die 
Mäuse die Dauer von 24 Stunden nicht, doch wurde auch eine fünf- bis 
siebentägige Lebensdauer beobachtet. Solche Tiere wurden träge und 
unsauber, ihr Fell wurde schmutzig und ballte sich zu Knäueln; darauf 
traten bei ihnen Lähmungen ein; die Tiere vermochten sich nur schwer 
von der Stelle zu bewegen, und oft konnte man sie auf der Seite liegen 
sehen. Nicht bei allen, jedoch in vielen Fällen wurden krampfhafte 
Zuckungen der Extremitäten wahrgenommen; seltener beobachteten 
wir auch allgemeine Krämpfe. Bei vielen Tieren konnte Verengung 
der Augenspalte und bei manchen Lidschluß konstatiert werden. 
Wiederholt wurde reichliches und oftes Harnlassen bemerkt. Die 
Exkremente waren von schwarzer Farbe. Dem Tode gingen gewöhnlich 
Atmungsstörungen voraus. Das Gewicht des Tieres sank. Es wurden 
verschiedene Eiweißarten und in verschiedener Zubereitungsform 
erprobt, die Resultate waren aber immer gleichartig. Sie sind in der 
Tabelle I zusammengestellt. 


Proteinogene Toxikosen. 39 


Tabelle I. 
i ee | | Anzahl der nach. G BR 
Ti | oo Salze Beginn des Ver, GEWic tsverlust 
Nr. eier | gemisch | suche, yerlebten | Si Ge 
In ` Hühuerei-Eiweiß (flüssig) | H | S = 
8 Š (trocken) — 1 6 
j 
12 | — 3 27,5 
a= ba 
3 | Durch Kochen koaguliertes | | ge 5 = 
122 | frisches Hühnerei-Eiweiß | sieff: 1 — 
123 " — 2 — 
| 
er 
ar Pferdeblutserum (koaguliert) | pi i 2 
7 ae | 1 24 
92 | Casein (nach Hammarsten) | ee 4 27 
100 I + 2 28 
HO] Frischer Markt-Quark | Z ? 41 
116 f d 4 20 
- \ Autoklavisierter Quark (trocken) | + S > 
112 Autoklavisierter, vorher in Wasser 
aufgeweichter Quark | + 4 25 
N Gelati = > = 
124 | zriatine =r 1 Led 
111 | ER I + 2 29 
125 | Edestin V SE 2 EES 
113 | Pepton (Fairchild Broasd | + | 1 15 
114 | Forsterd) + 2 37 


*) Erhielt alle Vitamine. 


Wenn man dem Tier zu einer Zeit, wenn es noch zu fressen fähig ist, 
das Eiweiß durch eine gemischte Nahrung ersetzt, so erholt es sich rasch. 
Das ist von uns in einer Reihe von Versuchen beobachtet worden. Wir 
lassen einen Auszug aus dem Protokoll über den Versuch mit der Maus 


Nr.3 


-l 


folgen. 


. Mai 1925. 


. Mai 1925. 


. Mai 1925. 


. Mai 1925. 
. Mai 1925. 


Maus Nr. 8. Gewicht 16,6 g. 
Die Maus beginnt ausschließlich autoklavisierten 
(3 Stunden bei 130°) Quark zu erhalten. 
Keine besonderen Veränderungen; war abends etwas 
träger. 
Verweigert die Nahrungsaufnahme. Schwach. Fell zu 
Knäueln zusammengeballt.e. Es wurden Gerste und 
Runkelrübe verabreicht. 
Vollkommenes Wohlbefinden. 


Dasselbe. 


40 L. A. Tscherkes: 


Bei ausschließlicher Eiweißernährung gesellten sich unzweifelhaft sehr 
oft auch Erscheinungen des Hungers hinzu, da die Kalorienmenge der in 
diesen Bedingungen genossenen Nahrung oft bedeutend niedriger war, als 
dem normalen Bedürfnis entspricht. Nichtsdestoweniger sind wir, ganz 
wie Friedberger (33), der Meinung, daß nicht das Hungern die Todes- 
ursache der Mäuse vorstellt. Bei ständigem Hungern trat der Tod der 
Mäuse am vierten Tage ein (Tabelle II); bei unvollständigem Hungern 
jedoch gingen die Mäuse, die gewöhnlich vor Beginn des Versuchs täglich 
5 bis 6 g Gerste verzehrten und bei Versuchen mit unvollständigem Hungern 
2 bis 3g Gerste täglich erhielten, nach 3 bis 4 bis 6 Tagen zugrunde 
(Tabelle III). 


Bei ausschließlicher Eiweißfütterung kamen Fälle vor, in denen der 
Tod sogar schon vor Ablauf von 24 Stunden eintrat. 


Tabelle II. 


Vollständiges Hungern (mit Wasser). 


Zahl der nach Beginn des Gewichtsverlust in Proz. 


Tier 


Nr. | Versuchs verlebten Tage des Ausgangsgewichts 

Ap ` 3 26 

ug 3 | 33 

94 3 | 30 
Tabelle III. 


Unvollständiges Hungern von Mäusen, die vor dem Versuch täglich 5 bis 6 g 
Gerste erhielten. 


Tier Tägliche Gersteration | Zahl der nach Beginn des Gewichtsverlust in Proz. 
r. ) g | Verssuchs verlebten Tage des Ausgangsgewichts 

106 2 3 | 21 

107 2 3 25 

117 3 6 2R 

118 | 3 4 26 


Außerdem nahm eine Anzahl von Mäusen bis zum Ende des Versuchs 
ziemlich gut Nahrung auf, und ein Hungertod ist somit in diesen Fällen 
vollkommen ausgeschlossen. Wir führen hier Protokollauszüge einiger 
dieser Versuche an. 


Maus Nr.7. Gewicht 20,08. 


9. Mai 1925. Beginn der Fütterung mit Casein (nach Hammarsten). 
Das Casein wird vorher in Wasser aufgeweicht und in 
Form einer Pasta verabreicht. Die Maus frißt diese 
Pasta gerne. 

10. Mai 1925. Gewicht 17,5g. Hat während 24 Stunden 4g Casein 
(trocken gewogen) verzehrt. Liegt auf der Seite. Zeit- 
weise Krämpfe. Abends tot. 


Proteinogene Toxikosen. 41 


[Maus Nr. 110. Gewicht 14,5 g. 


23. September 1926. Beginn der Fütterung mit Marktquark. Frißt pıt. 

24. En 1926. Gewicht 12,8 g. Hat 6,0g verzehrt. 

25. ge 1926. S 12,58. „ 7,0g ve 

26. ke 1926. ge 11,28 „ 9,0g » Keine sicht- 
bare Veränderungen. 

27. e 1926. Gewicht 10,8 g. Hat 5,5g verzehrt. 

28. Së 1926. Sehr träge. 

29. 2 Gewicht 8,5g. Hat während 48 Stunden 12 g verzehrt. 


Ist am Morgen tot vorgefunden. 


Maus Nr. 102. Gewicht 14,0 g. 


15. September 1926. Beginn der Fütterung mit koaguliertem Pferde- 
serum. 

16. = 1926. Gewicht 12,3g. Hat in 24 Stunden 5g verzehrt. 
Fell gesträubt. Krämpfe. Abends tot. 


Maus Nr.91. Gewicht 18,7 g. 


4. September 1926. Beginn der Fütterung mit durch Kochen ko- 
aguliertem Hühnerei-Eiweiß. 

5. Ge 1926. Gewicht 16,5g. Hat 10,5g verzehrt. 

6. e 1926. = 14,7 g. = 8 g Pr 

7. ge 1926. Ge 14,3 g. » 10 g Se 

8. an 1926. = 14,0 g. ge 6 g D Ist am 


Morgen tot vorgefunden. 


Schließlich spricht zugunsten der toxischen Ursache der beschriebenen 
Erscheinungen auch jener Umstand, daß parallel der Verringerung des 
Eiweißteiles der Diät die Gültigkeit der Diät schwächer wird. Von «diesem 
Umstand ist noch weiter unten die Rede. 

Auch die Annahme muß ausgeschaltet werden, daß es sich hier um 
einen Avıtarninosezustand handle, denn die Lebensdauer der Mäuse, die 
eine avitaıninöse Nahrung (autoklavisierte Gerste) erhielten, schwankte 
zwischen einer und zwei Wochen (Tabelle IV); andererseits hat die Zugabe 
von Vitaminen (Hefe, Zitronensaft, Lebertran) zur reinen Eiweißdiät der 
Mäuse (autoklavisierter Quark) die Resultate des Versuchs nicht verändert. 
Solche Beobachtungen sind von uns mit dem gleichen Ergebnis [das auch 
den Schlußfolgerungen von Friedberger (33) (34) entspricht] mehrmals 
wiederholt worden (siehe z. B. die Resultate der Versuche an den Mäusen 
Nr. 1 und 27). 

Tabelle IV. 


Diät: 3 Stunden bei 130° autoklavisierte Gerste. 


Tier Zahl der narh Beginn des ' Gewichtsverlust in Proz. 
r. ı Versuchs verlebten Tage | des Ausgangsgewichts 
A 12 27 
5 | 12 30 

14 | 6 17 

17 | 7 38 


42 L. A. Tscherkes: 


Durch Zugabe von Vitaminen zur autoklavisierten Gerste gelingt es, die 
Mäuse unbestimmt lange am Leben zu erhalten. 


Die Intoxikationserscheinungen konnten ebenfalls nicht durch ein 
Fehlen von Salzen herbeigeführt werden, denn die Mäuse Nr. 101, 105, 
32, 102, 108, 100, 27, 112, 111, 125, 113 und 114 erhielten ein nach McCollum 
und Davis (35) zusammengesetztes Salzgemisch. 


Endlich sprechen zugunsten der Ansicht, daß es sich hier gerade um 
eine Eiweißintoxikation handelt, unsere Beobachtungen an Mäusen, die 
als Nahrung ausschließlich Fett oder Kohlehydrate erhielten: ihre Lebensdauer 
war bedeutend (zwei- bis dreimal) größer, als die Lebensdauer von Mäusen, 
welche ausschließlich mit Eiweiß ernährt wurden. Die Ergebnisse einiger 
dieser Versuche sind auf Tabelle V wiedergegeben. 


Tabelle V. 


Vorhandensein 
d. Salzgemisches 


Gewichtsverlust in Proz. 
des Ausgangsgewichts 


Tier | Diät Zahl der nach Beginn des 
i Versuchs verlebten Tage 


6. Stärke 


13 + 37 

13 = 13 + 28 
9 Rinderfett 8 + 22 
33 | S 7 + 26 
34 e | 8 + 32 
104 S | 5 | + 32 


Ob wir es in den eben erwähnten Versuchen mit Avitaminose zu tun 
haben, oder ob es sich um ein Eiweißhungern handelt, müssen weitere, 
gegenwärtig im Gange befindliche Versuche entscheiden. Um sich endgültig 
von der Gesetzmäßigkeit der beschriebenen Erscheinung zu überzeugen, 
haben wir für unsere Versuche Mäuse verschiedener Stämme benutzt. Die 
Ergebnisse der Versuche haben sich deswegen nicht verändert. 


Als unsere Untersuchung sich schon ihrem Ende nahte, sind alle unsere 
Zweifel bezüglich der Möglichkeit so akuter Intoxikationen bei Einführung 
von Eiweißen per os durch die kürzlich veröffentlichten Studien Fried- 
bergers (33) (34) beseitigt worden, da er ebenfalls eine akut verlaufende 
Intoxikation bei Ratten konstatiert hatte, die ausschließlich mit Hühnerei- 
Fiweiß ernährt wurden; dabei schwankte die Lebensdauer solcher Tiere 
zwischen 1 und 1,7 Tagen. In Fällen, in welchen die Nahrung der Ratten 
aus einem erwärmten Vollei bestand, entwickelten sich die Intoxikations- 
erscheinungen chronisch; dabei hat der Verfasser den charakteristischen 
Haarausfall und den Wachstumsstillstand beobachtet, die auch von 
Harris (26) und Boas (27) beschrieben worden sind. Während aber Boas (28) 
glaubte, daß für Ratten nur das getrocknete käufliche Hühncrei-Eiweiß 
unvollwertig sei, hat Friedberger nachzuweisen vermocht, daß dieses Eiweiß 
in seinen verschiedenen Formen (sogar frisch) vielleicht nicht so unvoll- 
wertig, sondern direkt giftig ist. Unsere Versuche an Mäusen haben gezeigt, 
daß diese Giftigkeit keine Besonderheit des Hühnerei-Eiweißes vorstellt, sondern, 
daß sie auch anderen von uns geprüpften Proteinen, sowie dem Pepton, 
eigen ist. 

Unsere Versuche entsprechen daher vollkommen den Beobachtungen 
von Hartwell (36). die festgestellt haben, daß auch der Haarwuchs der 
Ratten durch verschiedene Eiweiße beeinflußt werden kann. 


Proteinogene Toxikosen. 43 


Unsere weiteren Versuche, über die eingehend an anderer Stelle 
berichtet werden soll, haben gezeigt, daß ein Zusatz von Fett oder Stärke 
zum Eiweiß die Entwicklung der toxischen Erscheinungen offensichtlich 
schwächt, dabei wird die Lebensdauer der Tiere um so länger, je größer 
prozentual in der Diät die beiden erstgenannten Nährstoffe enthalten 
sind, und dem Fett kommt, wie es scheint, in dieser Hinsicht eine 
höhere Bedeutung zu als den Kohlehydraten. Ob es bei diesen Zusätzen 
mehr auf die Verringerung der Eiweißrationen oder auf die eigene 
Bedeutung der Kohlehydrate und Fette für den normalen Verlauf des 
intermediären Eiweißumsatzes ankommt — diese Frage können nur 
weitere Versuche entscheiden. 


Von Interesse ist jedoch der Umstand, daß, wenn es dem Tire 
selbst überlassen wird, sich seine Ration aus Eiweiß und Feit zusammen- 
zustellen, es das in den für sich vorteilhaftesten Verhältnissen ver- 
wirklicht. 


Den Mäusen Nr. 99 und 109, die sich in Einzelkäfigen mit je drei Futter- 
trögen in jedem befanden, wurde die Nahrung folgendermaßen verabreicht: 
in einem Futtertrog befand sich Hühnerei-Eiweiß, im zweiten Rinderfett 
— Salzgemisch + alle Vitamine und im dritten Wasser. Diese Mäuse be- 
finden sich. Fett und Eiweiß verzehrend, schon 52 und 38 Tage vollkommen 
wohl. Die Tiere werden weiter beobachtet 1). Äußerst wertvoll erscheint für 
uns daher eine Bemerkung, die wir bei Osborne und Mendel, bei Autoren 
antreffen, die sogar für wachsende Ratten die Möglichkeit zulassen, daß 
ihnen eine Diät mit Überwiegen von Eiweiß zuträglicher ist. Diese Forscher, 
die auch in einer späteren Arbeit (23) die Möglichkeit eines Wachsens der 
Tiere bei einer Diät mit Vorwiegen von Eiweißen betonen, bemerken dabei 
aber: „good growth was secured in many trials, although, as a rule, the 
male rats stopped gaining in weight at a maximum around 250 g. Further 
gains were often secured by change to a ‚mixed‘ diet, or by addition of some fat‘‘?) 
(S. 31; s. auch S. 16 und 17). Somit konnte auch von diesen Autoren fest- 
gestellt werden, daß mittels Überführung der Tiere auf eine gemischte 
Diät, oder durch Zugabe von Fett die bei eiweißreicher Ernährung auf- 
tretenden Insuffizienzerscheinungen beseitigt werden können. 

Die Eigenschaft. des Fettes — die Giftigkeit einer eiweißreichen Diät zu 
schwächen — ist auch von Maignon (20) (21) und Visco (38) bemerkt worden, 
Unsere Versuche haben aber gezeigt, daB dem Fett in dieser Hinsicht 
kein solcher Vorrang eingeräumt werden darf, wie das von Visco getan wird. 

Es sind nämlich in unserem Laboratorium von Dr. Kupermann an 
zwei Rattenpaaren (diesbezügliche Fütterungsversuche durchgeführt worden; 
das erste Rattenpaar erhielt ein Nährgemisch aus gleichen Mengen von 
Eiweiß (Casein) und Kohlehydrat (Stärke), das zweite Paar — ein Nährgemisch 
aus gleichen Mengen Eiweiß und Schweinefett. In beiden Fällen bekamen 
die Tiere außerdem das Salzgemisch (nach McCollum und Davis), doch 
entbehrte ihre Diät, wie auch bei Visco, der Vitamine. Es war dabei kein 


1) Bemerkung während der Korrektur. Am 93. und 79. Tage des Versuchs 
befinden sich die Mäuse vollkommen gesund. 
2) Von uns unterstrichen. L.T. 


44 L. A. Tscherkes: 


Unterschied im Allgemeinzustand und Gewicht der Tiere beider Gruppen 
zu konstatieren. 

Die Gewichtskurven dieser Tiere sind in der Abb. 1 (Tabelle VI) an- 
geführt. 

Bei diesen vier Tieren war die Erscheinung des Haaraustalls, welche 
bei Fütterung mit Hühnerei-Eiweiß in den Versuchen von Harris, Boas 
und Friedberger statthatten, nicht zu konstatieren; unsere Ergebnisse 
stimmen in dieser Hinsicht mit den Befunden von Boas überein: Boas (27) 
ist es gelungen, durch Einführung von 20 Proz. Caseinogen in die Diät 
eine Restaurierung der Behaarung bei solchen Ratten zu erzielen, die ihre 
Behaarung infolge einer Fütterung mit Nährgemischen, deren einzige 
Proteinquelle das Hühnerei-Eiweiß war, verloren haben. In den Haar- 


Abb. 1 (Tabelle VI). 
Die Ordinatenachse zeigt das Körpergewicht in Prozenten des Anfangsgewichts. 
Die Abszissenachse zeigt die Dauer der Beobachtung in Tagen. 


Ratte 21; Anfangsgewicht 118g Casein, Schweinefett 


eu =. W398 A 115g und Salzgemisch 
ETAS „4; ME 126 8 Casein, Starke und 
ee „2, 5 125g Salzgemisch. 


wachstumsstörungen kommt daher, scheint es, dem Fehlen des zum Aufbau 
des Haarkeratins notwendigen Cystins keine unmittelbare Rolle zu (im 
Hühnerei-Eiweiß sind nach Harris 86 Proz. der ganzen Schwefelmenge nicht 
in Form von Cystin enthalten; im Casein ist ebenfalls wenig Cystin vor- 
handen). Von Bedeutung sind eben durch Intoxikation bewirkte trophische 
Störungen, wie das von Friedberger angenommen wird. Eine unmittelbare 
Rolle des Cystinmangels wird auch durch die Versuche von Abderhalden (39) 
ausgeschlossen. 

Die Differenz zwischen den Ergebnissen unserer Versuche und der- 
jenigen von Visco wird aller Wahrscheinlichkeit nach durch die kurze 
Zeitperiode, auf welche seine Beobachtungen sich erstrecken, bedingt; und 
wir glauben annehmen zu dürfen, daß sie nicht bestehen würde, wenn die 
Dauer seiner Experimente nicht auf 7 bis 8 bis 12 Tage beschränkt wäre. 


Ohne jetzt schon ein entscheidendes Urteil über das tatsächliche 
Wesen jenes Zustandes fällen zu wollen, welcher nach Einführung per os 
großer Proteinmengen eintritt, möchten wir dennoch vorschlagen, ihn 
als proteinogene Toxikose zu bezeichnen. Diese Bezeichnung sollte, 
nach uns, auch die durch Fütterung mit eiweißreicher Nahrung herbei- 
führbare alimentäre Amylotidose, sowie vielleicht auch die Erscheinungen 
der hämoklastischen Krisen einbegreifen. Hierher könnte man vielleicht 
auch diejenigen Fälle von bronchislem Asthma hinzurechnen, die 


Proteinogene Toxikosen. 45 


Klewitz (39a) in seinem Vortrag zur Gruppe der Nahrungsmittel- 
asthmafälle rechnet. - 


Gegenwärtig sind wir nicht imstande, uns mit Bestimmtheit über die 
Herkunft der beschriebenen Intoxikation auszusprechen. Mikroskopische 
und histochemische Untersuchungen, die gegenwärtig im Gange sind, 
werden wohl bestimmend auf die Richtung des Studiums des Mechanismus 
dieser Intoxikationen einwirken. Manche Forscher [Osborne, Mendel und 
Park (40) (41)] haben in Fällen einer an Eiweiß überreichen Diät Nierenhyper- 
trophie bei Ratten festgestellt, andere [ Polvogt, Mc Collum und Simmonds (24)] 
sogar degenerative Nierenveränderungen gefunden; und Newburgh (42) hat 
bei Kaninchen, die eine eiweißreiche Diät erhielten, Nephritiserscheinungen 
konstatiert. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei Tieren verschiedener Arten ver- 
schiedenen Proteinen gegenüber eine verschiedene Sensibilität besteht. So 
konnten wir bei unseren früheren Untersuchungen bei Tauben, denen aus- 
schließlich Casein verabreicht wurde, keine akuten Intoxikationserschei- 
nungen beobachten (43) (44); auch haben wir eine solche Intoxikation bei 
Ratten nicht beobachten können, die in der Dauer von 40 bis 56 Tagen 
ausschließlich Casein erhielten (Versuche von Dr. Kupermann, die infolge 
zufälliger Umstände eingestellt werden mußten). Währenddessen gingen in 
den obenerwähnten Versuchen von Maignon und Friedberger ausschließlich 
mit Eiweiß gefütterte Ratten unter Erscheinungen akut eintretender 
Intoxikation ein, und unsere Mäuse starben von einer Diät, die aus ver- 
schiedenen Eiweißen (einschließlich des Caseins) bestand. Auch in unseren 
Versuchen gingen weiße Ratten, die Hühnerei-Eiweiß erhielten, ebenfalls 
unter Erscheinungen einer rasch zunehmenden Toxikose zugrunde; dabei 
näherte sich ihre mittlere Lebensdauer (6 Tage) mehr der von Maignon 
beobachteten (8 Tage) als der von F'riedberger konstatierten (1 bis 1,7 Tage). 
Die Ursache dieser Erscheinungen ist wahrscheinlich im jugendlichen Alter 
der Tiere Friedbergers zu suchen. Es muß bemerkt werden, daß Maignon 
bei Tieren verschiedener Arten eine verschiedene Sensibilität verschiedenen 
Eiweißen gegenüber beobachtet hat. Wir lassen hier einen Protokollauszug 
eines unserer Versuche an Ratten folgen, denen ausschließlich Hühnerei- 
Eiweiß verabreicht wurde: 


Ratte Nr. 47 erhält ausschließlich koaguliertes Hühnerei-Eiweiß. Zur 
Koagulation wurde das ganze Fi 15 Minuten lang gekocht. 

l. Tag. Gewicht 150g. 

Dir Ap 5 138g. Hat in 24 Stunden 25g Eiweiß verzehrt. 

E ep 140 g. ep, 22 BR 40 g D be 

Schläft die meiste Zeit. Stöhnt im Schlafe. 
A. „ Gewicht 132g. Stöhnt. Trägheit. 
J: e a 132 g. 5 BS 


D. 55 zg 110g. Hat in 48 Stunden 40g Eiweiß verzehrt. 
Gehbeschwerden. Frißt gerne an einer neuen Portion Eiweiß. 
Am Abend tot vorgefunden. 


Es liegen viele Gründe vor anzunehmen, daß es sich bei allen be- 
schriebenen Tatsachen im bedeutenden Maße um eine verschiedene Per- 
meabilität der Darmwand gegenüber verschiedenen Eiweißen bei Tieren 
verschiedener Arten handelt. Fine altbekannte Tatsache ist es, daß ver- 


46 L. A. Tscherkes: 


schiedene Eiweiße die Fähigkeit besitzen, unverändert oder sehr wenig 
verändert durch die Darmwand zu passieren und in dieser Form in den 
Blutstrom zu gelangen. Das sagen ja die alten Beobachtungen von 
Brücke (45) aus, der nach Aufnahme von Milch in den Chylusgefäßen durch 
Säure fällbares Casein vorfand; sich der Präzipitationsreaktion bedienend 
haben auch Ascoli und Vigano (46) die Möglichkeit eines Übertritts genuiner 
oder wenig veränderter Eiweiße in das Blut und in die Lymphe nach- 
gewiesen. 


Eieralbumin ist gerade jenes Eiweiß, das mit verhältnismäßig größter 
Leichtigkeit die Darmwand in unveränderten Zustande zu passieren 
vermag und, wird es in Übermaß in den Magen eingeführt, im Harn auf- 
treten kann. In diesem Umstande kann man gewissermaßen die Ursache 
seiner größeren Giftigkeit erblicken, was auch einige Autoren (Harris, Boas) 
bewogen hat, die Frage von seiner Unvollwertigkeit, besonders in denatu- 
rierter Form (Friedberger), aufzuwerfen. Hierin ist wahrscheinlich auch 
eine der Ursachen zu suchen, weshalb Boas die Unvollwertigkeit des 
getrockneten Handelseiweißes bestimmen konnte (27) und gleich Osborne 
und Mendel (47) das bezüglich des frischen Eiweißes (28) nicht zu bestätigen 
vermocht hatte. Wenn in normalen Bedingungen ein solches Passieren des 
unveränderten Eiweißes auch statthat, so ist anzunehmen, daß das nur in 
ganz minimalem Maße geschieht. In gewissen Umständen kann aber die 
Permeabilität der Darmwand gegenüber Eiweiß eine Steigerung erfahren. 
Hammarsten (48) rechnet zu diesen Umständen die Überbürdung des Darms 
. mit Eiweiß, die hohe Permeabilität der Darmwand bei jungen, noch ge- 
säugten Tieren, sowie die ungenügende Denaturierung der Eiweiße durch den 
Magensaft. Studiert man die Bedingungen jener Versuche, bei welchen Er- 
scheinungen der proteinogenen Toxikose aufgetreten waren, so stellt es 
sich heraus, daß sie in einer großen Anzahl von Fällen jenen Anforderungen 
entsprechen, von denen Hammarsten spricht. Gewöhnlich handelt es sich 
dabei gerade um junge, noch im Wachsen begriffene Tiere (Wachstums- 
hemmungserscheinungen, Drummond, Boas, Friedberger u. a.), um gesäugte 
Tiere (Hartwell), sowie um Tiere, die eine ungewöhnlich eiweißreiche Diät 
erhalten (Maignon, Frriedberger, unsere Experimente). Und wenn das Casein 
die Erscheinungen einer akuten Intoxikation bei Mäusen bewirkte und bei 
Ratten sie nicht zu bewirken vermochte, so ist die Ursache dafür aller 
Wahrscheinlichkeit nach in den verschiedenen Permeabilitätsbedingungen 
der Darmwand dieser Tiere zu suchen. Gegenwärtig versuchen wir es im 
Blute der Mäuse, mittels des Präzipitationsverfahrens die Anwesenheit jener 
Eiweiße aufzudecken, die bei der Einführung per os Intoxikations- 
erscheinungen bedingen. Da in unseren Versuchen auch Pepton deutlich 
ausgeprägte toxische Eigenschaften gezeigt hat, so dürfen alle bisher an- 
geführten Erwägungen nicht nur auf die nativen Eiweiße bezogen werden. 
Jene widersprechenden Ergebnisse, zu denen verschiedene Autoren bei 
Eiweißüberschuß in der Diät B-avitaminöser Tiere gelangt sind, hängt 
vielleicht im gewissen Maße von einer bei verschiedenen Umständen differenten 
Resorptionsfähigkeit der Darmwand gegenüber dem Eiweiß ab. Die Unter- 
suchungen von McCarrison (49) haben gezeigt, welchen Veränderungen der 
Magen-Darmtrakt bei B-Avitaminose unterliegen kann, und Gross (50), 
Winokuroff (51) und Tscherkes (52) wiesen auf die bei dieser Avitaminose 
auftretenden motorischen Störungen des Verdauungstrakts hin. Der 
Charakter und der Grad der vom Verdauungsapparat erlittenen Verände- 
rungen können in verschiedenen Fällen verschiedene Bedingungen für die 


Proteinogene Toxikosen. 47 


Permeabilität der Darmwand Eiweiß gegenüber zustandebringen; und hierin 
liegt, wenn auch zum Teil vielleicht, die Ursache der obenerwähnten Wider- 
sprüche. Es ist aber zweifelhaft, daß das Problem der proteinogenen 
Toxikosen ausschließlich auf dem Wege des Studiums der Resorptions- 
bedingungen, d. h. auf einem Gebiet seine Lösung finden wird, wo es mit 
dem Problem der parenteralen Einführung des Eiweißes so eng verflochten 
ist. Die Tatsache, daß eine Reihe von Forschern die Frage nach der Giftig- 
keit der Eiweiße auf verschiedene Weise beantwortet hat, daß nach Maignon 
jüngst wieder von Friedberger die Erscheinungen einer akuten Intoxikation 
bei Ratten beschrieben wird, die ausschließlich mit Hühnerei-Eiweiß ge- 
füttert worden sind, und daß bis heute akute Intoxikationserscheinungen 
bei mit verschiedenen Eiweißen ernährten Mäusen nicht beschrieben worden 
sind — diese Tatsache ist von unserem Standpunkt aus beachtenswert. Es 
unterliegt keinem Zweifel, daß ähnliche Versuche wie die unseren auch in 
anderen Laboratorien (besonders im Zusammenhang mit dem Studium des 
Avitaminoseproblems) stattgefunden haben, und wenn die Forscher diese 
Erscheinungen nicht beobachtet haben oder zueinander widersprechenden 
Schlußfolgerungen gelangten, so sind, wie es scheint, in diesen Versuchen 
gewisse Bedingungen unbeachtet geblieben — Bedingungen, dank welchen die 
Eiweiße in gewissen Fällen giftiger sind als ın anderen. 

Es ist von Interesse, daß ebensolche Widersprüche auch bezüglich der 
alımentären Amyloidose bestehen: während in den Versuchen von 
Kuczinsky (29) eine an Eiweißen reiche Ernährung (Käse, Hühnerei-Eiweiß) 
bei Mäusen sehr oft zu einer Amyloidoseentwicklung führt, erhielt Strasser (53) 
bei ähnlicher Diät immer ein negatives Resultat. Friedberger weist auf 
einen Umstand — auf den Denaturationsgrad durch Wärme — als auf 
einen Faktor hin, der den Nährwert des Eiweißes herabsetzen und das 
Eiweiß toxisch machen kann. Doch waren in den Versuchen Friedbergers 
und den unserigen auch nichtdenaturierte Eiweiße giftig (frisches Hühnerei- 
Eiweiß in flüssigem Zustande). Es ist möglich, daß beim Prozeß der De- 
naturierung Bedingungen geschaffen werden, «die das Eiweiß besonders 
giftig machen können. Diese Bedingungen sind uns noch unbekannt. 
Andere Tatsachen sprechen jedoch dafür, daß die unbedeutendsten, zu- 
weilen fast unmerklichen Veränderungen in der Zusammensetzung der 
Diät letztere zur Ursache schwerer pathologischer Prozesse machen können. 
In dieser Hinsicht verdienen besondere Beachtung die Versuche von Scher- 
man und Pappenheimer (54), sowie McCollum und seinen Mitarbeitern (55) (56), 
durch welche festgestellt worden ist, daß nichtige Schwankungen im Ver- 
hältnis von Ca und P in der Diät der Ratten fähig sind, auf ihre rachitis- 
bewirkende Eigenschaft bestimmend einzuwirken; noch auffallender sind 
in dieser Hinsicht vielleicht jene unbedeutenden Schwankungen im Ca- 
Gehalt der Diät, deren es in den Steppschen (57) Versuchen genügte, um 
einer vordem nur Xerophtalmie zu bewirkenden fähiger Diät noch gleich- 
zeitig rachitogene Eigenschaften zu verleihen. Indem Hartwell Säfte ver- 
schiedener pflanzlicher Stoffe, Milch und Hefe zum eiweißreichen Futter 
eines säugenden Rattenweibehens zugab, gelang es ihr, jene schädlichen 
Einwirkungen zu beseitigen, die auf junge Ratten die Ernährung mit der 
Milch einer Mutter ausübt, welche eine eiweißreiche Diät erhält. Hartwell 
nimmt an, daß es sich hier um eine Zugabe von Vitamin B handle, doch 
hält sie selbst diese Annahme für nicht endgültig bewiesen. 


Alle diese Tatsachen haben wir nur der Analogie wegen angeführt, 
und es liegen gar keine Gründe vor, unsere Beobachtungen durch 


48 L. A. Tscherkes: 


Erscheinungen der gleichen Kategorie zu erklären; sie betonen aber, 
wie delikat und schwer erkennbar jene Umstände sein können, die die 
Nahrung in einen pathogenen Faktor zu verwandeln vermögen. Vom 
Standpunkt dieser Betrachtungen aus verdient Beachtung eine von 
C. Voit und Bauer (58) noch im Jahre 1869 gemachte Beobachtung: 
in den Mastdarm eingeführtes reines Hühnerei-Eiweiß wird aus dem 
Mastdarm nicht resorbiert; führt man es aber in einer NaCl-Lösung ein, 
so geht die Resorption mit Leichtigkeit vor sich. Interessant ist in 
dieser Hinsicht auch der Hinweis von Friedberger, daß eine Erwärmung 
des Hühnerei-Eiweißes mit Eisenzucker seine Giftigkeit scharf herabsetzt. 

Dem Problem der proteinogenen Toxikosen sollte deshalb eine 
größere Aufmerksamkeit zugewandt werden, weil in ihrer chronischen 
Form solche Toxikosen die Ursache jener sich allmählich und unauf- 
fällig entwickelnden pathologischen Prozesse sein können, deren Auf- 
treten gegenwärtig noch unerklärlich ist. 


l. Die Fütterung weißer Mäuse ausschließlich mit Proteinen 
(Casein, Hühnerei-Eiweiß, Gelatine, Blutserum, Edestin) bewirkt Er- 
scheinungen einer akuten Intoxikation, die tödlich ist. 

2. Eine Zugabe von Fetten oder Kohlehydraten zur Diät von 
Mäusen schwächt die Intoxikationserscheinungen; der Grad der 
Schwächung dieser Erscheinungen erhöht sich parallel der Steigerung 
der Mengen der zugegebenen Fette oder Kohlehydrate. 

3. Die Intoxikationserscheinungen sind von der oft hinzutretenden 
Unterernährung unabhängig und gehören nicht in die Kategorie der 
Avitaminosezustände. 

4. Solche akuten Intoxikationserscheinungen sind bei einer Er- 
nährung ausschließlich mit Casein bei weißen Ratten und Tauben 
nicht beobachtet worden. Jedoch bei einer Ernährung mit Hühnerei- 
Eiweiß stellen sich bei Ratten Intoxikationserscheinungen ein. 

5. Die bei Mäusen beschriebene Intoxikation stellt, wie es scheint, 
eine jener Schädigungsformen vor, welche von verschiedenen Forschern 
bei anderen Tieren durch eine Ernährung mit proteinreichem Futter 
bewirkt worden sind. 

6. Für solche Zustände schlagen wir die Bezeichnung ‚‚proteinogene 
Toxikosen‘‘ vor. 


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Proteinogene Toxikosen. 49 


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Biochemische Zeitschrift Band 182. 4 


Über die Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 


Von 
D.L. Rubinstein (Odessa). 


(Aus der Sewastopolschen Biologischen Station der Akademie der Wissen- 
schaften und dem Biologischen Laboratorium des Medizinischen Instituts 
zu Odessa.) 


(Eingegangen am 7. Januar 1927.) 


Das Problem der äquilibrierten Salzlösungen. 


Die Notwendigkeit bestimmter Salzkombinationen für das Über- 
leben von isolierten Organen der Wirbeltiere wurde seit langem durch 
die Untersuchungen von Merunoviez, Ringer, Locke u. a. festgestellt. 
Die einzelnen Bestandteile solcher Salzgemische üben verschiedene, 
manchmal sogar entgegengesetzte (wie bereits Ringer sagte, ‚‚antago- 
nistische‘‘) Einflüsse aus; durch ihr Zusammenwirken wird die normale 
Leistung aller Lebensfunktionen ermöglicht. 


Die grundlegenden Untersuchungen von Loeb haben die Unentbehrlich- 
keit ähnlicher Salzkombinationen für verschiedene, auch niedere Woasser-, 
besonders Seewassertiere bewiesen. Es wurde dabei festgestellt, daß reine 
isotonische Lösungen der einzelnen Salze nicht wegen Mangel irgend- 
welcher unersetzlichen Stoffe schädigen, sondern daß ihre Kationen eine 
direkte Giftwirkung ausüben. In Gemischen läßt sich diese Giftwirkung 
einzelner Ionen durch andere, welche den ersten gegenüber als Antagonisten 
fungieren, völlig beseitigen. Durch eine passende Wahl der antagonistisch 
wirkenden Salze können vollkommen unschädliche Lösungen hergestellt 
werden. Loeb hat für sie die Benennung ‚„phystologisch-äquilibrierte Salz- 
lösungen“ eingeführt. Mit diesem Namen bezeichnete er „Lösungen, deren 
Bestandteile so gewählt sind, daß die Giftwirkungen verschwinden, die jeder 
Bestandteil haben würde, wenn er allein in Lösung wäre‘“‘!). Die einfachste 
äquilibrierte Lösung, welche das Leben der meisten Organismen am besten 
erhält, enthält Salze der drei Kationen Natrium, Kalium und Calcium 
ungefähr in derselben Proportion, in welcher sie im Seewasser, sowie im 
Blutserum enthalten sind, also pro 100 NaCl etwa 2KCl und 2 CaCl,- 


1) Loeb, Pflügers Arch. 107, 252, 1905. 


D. L. Rubinstein: Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. Al 


Ein solches Gemisch werden wir im folgenden abgekürzt als die Na-K- 
Ca-Lösung, bezeichnen. 

Damit wurde die Grundlage der modernen Lehre von dem physiologi- 
schen Ionenantagonismus und der Ionenäquilihrierung gelegt. Wo. Ostwald, 
Österhout und eine Reihe weiterer Forscher haben Loebs Ergebnisse an 
einer Anzahl verschiedener tierischer sowie pflanzlicher Organismen 
bestätigt. Die Erscheinungen des Ionenantaronismus wurden seitdem 
vielfach an Lebewesen, in letzter Zeit auch an kolloidalen Modellen unter- 
sucht; es ist ihnen eine reichliche, stets wachsende Literatur gewidmet. 
Es fehlt. auch nicht an Versuchen — bis jetzt zwar erfolglos gebliebenen —, 
den Mechanismus der antagonistischen Ionenwirkungen aufzuklären. 


Eine Frage, wir dürfen wohl sagen die Grundfrage der Lehre von 
den äquilibrierten Lösungen, hat aber bis jetzt wenig Beachtung ge- 
funden. Es ist nämlich die Frage nach der Ursache der dreifachen 
Salzkombination in dem gewöhnlichen äquilibrierten Gemisch. Der 
einfache Antagonismus von zwei Salzen, um welche es sich bei den 
theoretischen Betrachtungen (sowie den meisten Versuchen an kolloidalen 
Modellen) handelt, ist in physiologischen Versuchen äußerst selten in 
reiner Form verwirklicht. Als Lebensmilieu ist stets eine ziemlich 
konstante Kombination von mindestens drei Kationen, nämlich die 
Na- K- Ca-Lösung erforderlich. Die Erklärung, welche dieser allgemeinen, 
universellen Erscheinung beiläufig gegeben wird, ist aber recht wenig 
begründet. 


J. Loeb, der die direkte Giftigkeit der reinen Chlornatriumlösung und 
ihre Entgiftung durch Calcium- und Kaliumsalze zuerst festgestellt hat, 
äußerte zugleich die Vermutung, daß die Calciumionen allein ausreichend 
sind, um die Natriumlösung zu äquilibrieren. Das Calcium soll aber dabei 
wahrscheinlich eine eigene Giftwirkung ausüben, dergegenüber das Kalium 
als Antagonist auftritt. Es wären also „die Kaliumionen nur nötig, 
um gewissen Nebenwirkungen der Caleciumionen entgegenzuwirken‘“ [ohne 
direkt die Natriumionen zu äquilibrieren!)]. Zu dieser Auffassung der 
äqutlibrierten Salzlösung wurde Loeb wahrscheinlich durch die Experimente 
von Ringer u. a. am Herzmuskel geleitet, in welchen der Kalium-Caleium- 
antagonismus deutlich zutage tritt. Auch die nach unserer Meinung — 
wir wollen es gleich hier bemerken — bei der Auffassung des Ionen- 
Antagonismus viel überschätzte Bedeutung der Valenz hat wohl dazu 
beigetragen. Man ist allzu leicht geneigt, allgemein in allen Fällen die 
zweiwertigen Kationen als Antagonisten den einwertigen gegenüber- 
zustellen. Wie dem auch sei, kommt Loeb auf seine oben zitierte Deutung 
der Kaliumwirkung wiederholt zurück. In einer späteren Abhandlung 
über die Theorie der antagonistischen Salzwirkungen?®) spricht er dieselbe 
Meinung nochmals aus, indem er den Mechanismus der Entgiftung der 
NaCl-Lösung analysiert: „Vielleicht reicht in Wirklichkeit für diese Zwecke 
das CaCl, aus, während das KCl nur nötig ist, um gewisse sekundäre 
schädliche Wirkungen des CaCl, zu beseitigen" (S. 258). 


1) Loeb, Pflügers Arch. 80, 229, 1900. 
2) Derselbe, ebendaselbst 107, 252, 1905. 


4* 


52 D. L. Rubinstein: 


Andere Forscher, welche sich mit dieser Frage befaßten, haben eine 
nur insofern abweichende Ansicht ausgesprochen, als sie das Hauptgewicht 
auf den Antagonismus zwischen den Kalium- und Calciumionen legten. 
Die Bedeutung der einzelnen Bestandteile eines ternären Salzgemisches 
(insbesondere für die Herztätigkeit) faßt Höber!) im folgenden Satze zu- 
sammen. „In der Hauptsache zeigt sich immer wieder ein Gegensatz 
zwischen Na und K einerseits und Ca andererseits. Dabei ist K der viel 
stärkere Antagonist des Ca als Na; dem Na-Ion dürfen wir wohl überhaupt 
zusammen mit dem Cl mehr die Funktion zuschreiben, bestimmte Grund- 
bedingungen für den Lösungszustand der organischen Kolloide und zugleich 
einen bestimmten osmotischen Druck der Säfte zu gewährleisten‘‘ (S. 688). 
Viele Autoren sind auf eine nähere Analyse der zwischen den Ionen be- 
stehenden Wechselbeziehungen überhaupt nicht eingegangen und haben 
sich mit dem allgemeinen Hinweis darauf beschränkt, daß in der äquili- 
brierten Salzlösung die einzelnen Ionenantagonisten ihre respektiven Gift- 
wirkungen gegenseitig aufheben. 


Die bisher über die Natur des einfachen äquilibrierten Dreisalz- 
gemisches ausgesprochenen Ansichten können wir also in folgender 
Weise kurz zusamınenfassen. Das in reiner Lösung giftige Chlornatrium 
wird durch Calciumionen entgiftet; letztere müssen ihrerseits durch 
Kaliumionen äquilibriert werden, wobei dem Kalium-Calcium-Antago- 
nismus nach einigen Autoren eine untergeordnete, nach anderen aber 
die Hauptrolle zukommt. 


In einer früheren Untersuchung, die sonst andere Ziele verfolgte, 
sind wir unter anderem zu folgendem Ergebnis gelangt, das wir hier 
wörtlich anführen wollen. ‚Auf den untersuchten Organismus (Fabricia 
sabella Ehr.) übt das Natriumion zwei verschiedene toxische Wirkungen 
aus, von denen die eine antagonistisch durch das Kalium, die andere 
ganz unabhängig davon durch das Calcium unterdrückt wird. Zwischen 
dem Kalium und den zweiwertigen Kationen eines gewöhnlichen 
äquilibrierten Gemisches braucht — der herrschenden Meinung zu- 
wider — überhaupt kein Antagonismus zu bestehen‘?). In diesem 
Falle müssen wir also nicht dem Calcium, sondern dem Natrium eine 
zweiartige Giftigkeit, eine „sekundäre schädliche Wirkung‘ zuschreiben, 
welche die Kaliumionen beseitigen sollen. Dieses Resultat steht offenbar 
in schroffem Widerspruch zu der weitgehend verbreiteten Auffassung 
der physiologischen Wechselwirkungen von Ionen in Gemischen. 
Haben wir es hier mit einer sonderbaren Ausnahme zu tun, oder muß 
eben diese Auffassung einer tiefgreifenden Revision unterliegen ? 
Darüber können nur planmäßig angestellte Versuche entscheiden. 
Es soll die Frage entschieden werden: Besitzt das Natrium- oder das 
Calciumsalz eine sekundäre Giftigkeit, welche die Beteiligung eines 


1) Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe IT, 1924. 
2) Rubinstein, Pilügers Arch. 214. 1, 1926. 


Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 53 


dritten Kations, des Kaliums notwendig macht? Mit anderen Worten: 
Worin besteht die physiologische Rolle des Kaliums in den äquilibrierten 
Salzlösungen ? 

Methode. 


Es ist von uns am anderen Orte!) gezeigt worden, daß in komplizierten 
äquwilibrierten Gemischen (von drei oder mehr Salzen) die antagonistischen 
Abhängigkeiten zwischen je zwei Salzen ebenso genau festgestellt werden 
können, als wenn die betreffenden Salze allein in der Lösung vorhanden 
wären. Die dort geschilderte Methode wurde auch in der vorliegenden 
Untersuchung zu einer genauen Analyse der physiologischen Ionenwechsel- 
wirkungen angewendet. Sie soll hier nur kurz angedeutet werden. 

Diese Methode besteht eigentlich darin, daß bei möglichst verschiedenen 
Konzentrationen des einen Salzes die Konzentrationsschwelle eines anderen 
festgestellt wird, welche — unter Konstanterhaltung aller übrigen Kom- 
ponenten — zur Äquilibrierung der Lösung eben ausreicht. Dieses Ver- 
fahren wird nacheinander für jedes Salzpaar wiederholt. Als Antagonismus 
wird eine symbathe Abhängigkeit zwischen den beiden Salzen be- 
zeichnet; die entgegengesetzte (antibathe) Abhängigkeit zeugt von einen 
Sımergismus ihrer Wirkungen. Bleibt endlich die Konzentrationsschwelle 
des einen Salzes von Veränderungen des anderen unbeeinflußt, so fehlt 
zwischen ihnen die eine wie die andere Beziehungsart. Von besonderem 
Interesse ist nun der Fall, wo solche in ihrer physiologischen Wirkung von- 
einander vollkommen unabhängige Salze ein drittes äquilibrieren. Es ist 
dies nur unter der für die Theorie der ternären physiologischen Salzlösungen 
überaus wichtigen Bedingung möglich, daß das letzte Salz eine zweiartige 
Giftigkeit besitzt, welche von den beiden Antagonisten zusammen unter- 
drückt wird. 

Auf diese Weise lassen sich die physiologischen Wechselwirkungen 
der Ionen in Salzlösungen verfolgen und analysieren. Jede beliebige Lebens- 
erscheinung kann dabei als biologischer Indikator und Zeiger einer Äquili- 
brierung der auf dieselbe einwirkenden Ionen dienen. Hier interessieren 
uns allerdings nicht die Ionenwirkungen auf irgend eine besondere Spezial- 
funktion, sondern jene fundamentalen Ionenbeziehungen, welche in dem 
gewöhnlichen äquilibrierten Gemisch die Erhaltung der Lebensfähigkeit 
selbst ermöglichen. Als Kriterium einer vollständigen Äquilibrierung 
wurde daher das Überleben der Tiere gewählt. Ebenso wie in unseren 
früheren Untersuchungen wurden diejenigen Lösungen als unschädlich 
anerkannt, in welchen die Versuchstiere wenigstens 16 bis 20 Stunden 
überlebten. 

Um aus den in Betracht kommenden Tieren die am meisten geeigneten 
Versuchsobjekte auszuwählen, haben wir sie einer vorherigen Prüfung 
unterworfen. Die erste Bedingung, der sie genügen sollten, war ein schnelles 
(höchstens nach wenigen Stunden eintretendes) Absterben in der isotonischen 
Chlornatriumlösung, sowie in beliebigen binären Genuschen (NaCl + KCI 
bzw. NaCl + CaCl,). Tiere, bei welchen der Absterbevorgang in reinen 
Salzlösungen oder selbst in einem der binären Gemische zu langsam vor 
sich geht, sind zum Studium der dritten Salzkomponente wenig geeignet. 
In der ternären Na-K-Ca-Lösung, welche die Chloride von Natrium, Kalium 
und Calcium in der gewöhnlichen Proportion enthält, sollen sie dagegen 


(Le 


54 D. L. Rubinstein: 


dauernd am Leben bleiben. Im Falle ihnen noch ein viertes Kation, das 
Magnesium, oder eine bestimmte, ins Alkalische verschobene Reaktion 
erforderlich wäre, so würde dadurch eine unerwünschte Komplikation in 
die Veranstaltung und Deutung der Versuche eingeführt. Es entsteht 
sodann eine weitere Aufgabe: die Konzentrationsgrenzen festzustellen, 
innerhalb deren jede einzelne Komponente der Salzlösung ohne die Tiere 
zu schädigen variiert werden kann. Diese Grenzen bestimmen zugleich 
das Gebiet, auf dem die eigentliche Untersuchung vorzunehmen ist. 


Nach diesem Plane wurden unsere Versuche im Sommer 1926 in 
Sewastopol an der Biologischen Station der Akademie der Wissenschaften 
ausgeführt. Dem Vorstand und dem Personal der Station möchte ich auch 
an dieser Stelle für ihr freundliches Entgegenkommen herzlich danken. 
Als Versuchsobjekte wurden nach mehreren Vorversuchen zwei Krebstiere 
— Diogenes varians und Porcellanides longimana — sowie eine Triclade — 
Procerodes lobata — gewählt. Sämtliche zu einer Serie gehörigen Versuche 
wurden zu gleicher Zeit angestellt, wodurch die Möglichkeit von Temperatur- 
unterschieden oder sonst irgendwie ungleichartiger Versuchsbedingungen 
vollkommen ausgeschaltet wurde. Zur Herstellung der Salzlösungen wurden 
reinste Präparate der Firmen Kahlbaum und Merck verwendet. 


Versuche an Diogenes. 


Als erstes Versuchsobjekt diente uns der Einsiedlerkrebs Diogenes 
varians Hell., welcher in der Schale der Gastropode Nassa reticulata L. 
lebt. Die Tiere warden vorsichtig aus der Schale herausgeholt, was nach 
einiger Übung ziemlich leicht gelang, und zu je zwei in kleine Kristallisier- 
schalen mit der zu prüfenden Lösung gesetzt; mit derselben Lösung wurden 
sie vorher sorgfältig abgespült. Aus ihrer Schale entnommene Krebse 
sind sehr kriegerisch. In einem Gefäß sich zusammen befindende Tiere 
reißen einander mit der Schere die Beine aus; bald sieht man sie 
alle stark verstümmelt. Um solchen Schädigungen vorzubeugen, wurde 
sämtlichen Versuchstieren die bewegliche Klaue der großen Scheere vor- 
sichtig abgeschnitten. Die Weibchen scheinen etwas weniger resistent als 
die Männchen zu sein ; nachdem dies bemerkt wurde, haben wir ausschließlich 
die Männchen für unsere Versuche verwendet. Wir haben es ebenfalls 
meistens vermieden, vom Peltogaster paguri angegriffene Tiere zu benutzen, 
obwohl keine Verschiedenheiten den Salzwirkungen gegenüber zwischen 
solchen und normalen Tieren konstatiert wurden. 


In einer reinen halbinolaren NaCl-Lösung sowie in binären Lösungen 
von 100 eem m/2 NaCl + 2 ccm m/2 KCl bzw. 100 cem m/2 NaCl + 2ccm 
m/2 CaCl, sterben die Krebse im Laufe von wenigen Stunden ab; kein 
einziger ist am nächsten Tage lebendig. In dem ternären Gemisch von 
100 eem m/2 NaCl + 2cem m/2 KCl + 2ccm m/2 CaCl, welches wir 
abgekürzt als m/2 Na-K-Ca-Lösung bezeichnen wollen, bleiben dagegen 
die Tiere dauernd am Leben. In einem Versuch lebten sie z.B. in einer 
solchen Lösung über 8 Tage (vom 3. bis 11. Juli). Wie Tabelle I zeigt, 
können die Einsiedlerkrebse bedeutende Schwankungen des Calcium- 
gehalts der ternären Salzlösung gut aushalten. Der Zustand der Tiere ist 
in dieser und in den folgenden Tabellen — falls nicht andere Zeitintervalle 
angegeben werden — am nächsten Tage (16 bis 20 Stunden nach Beginn 
des Versuchs) protokolliert. Die Zeichenerklärung ist überall die gleiche: 
+ = abgestorben, © = lebendig. 


Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 55 


Tabelle I (Versuch vom 6. Juli). 


Calciumgehalt (ccm m/2 Cal 


Ausgangslösung | 
05 | 20 | 100 | 150 | 200 


Een 


Der Calciumgehalt konnte also in sehr weiten Grenzen variiert werden: 
von 0,5 bis 10,0 Ca pro 100 Na. Bei der geringsten Calciumkonzentration 
(0,5 Ca) befanden sich jedoch die Tiere in einem schlechten Zustande und 
kamen bei anderen schädlichen Einwirkungen leicht um. In den folgenden 
Versuchen haben wir uns daher auf eine zehnfache Veränderung des relativen 
Calciumgehalts (also von 1,0 bis 10,0 Ca pro 100 Na) beschränkt. 

Die zur Erhaltung des Lebens notwendigen Kaliumkonzentrationen 
liegen in einem viel engeren Intervall. Die Kaliumwirkung ist aus Tabelle II 
ersichtlich. Der in dieser Tabelle vorgelegte Versuch wurde am nächsten 
Tage (bis zum 8. Juli) mit demselben Resultate fortgesetzt; sämtliche 
Tiere blieben in den Lösungen, welche 1,0 bis 4,0ccm KCI enthielten, 
auch nach 48 Stunden am Leben. 


Tabelle II (Versuch vom 6. Juli). 


` | Kaliumgehalt (ccm m/2 KOCH 
Ausgangslösung | | 
4,0 


100 cem m/2 NaCl + 2 cem m/2 KCI 


5,0 


0,5 1,0 | 2,0 
100 cem m/2 NaCl+2cem mi2 Cal. . -ı + | O | o | © | + 
Vielfach wiederholte Versuche haben für die untere Kaliumschwelle 
außerordentlich konstante Ergebnisse geliefert. Eine Lösung, welche das 
Chlornatrium in der oben angegebenen Konzentration (m/2) enthält, 
zeigte sich bei einem relativen Kaliumgehalt von 1,0 K (pro 100 Na) voll- 
kommen unschädlich, während schon ein zweimal kleinerer Kaliumgehalt 
(0,5 K pro 100 Na) das Absterben sämtlicher Tiere verursachte. In der 
letzten Lösung wurden im ganzen 14 Versuche angestellt; ausnahınslos 
gingen alle Versuchstiere im Laufe von höchstens 16 bis 20 Stunden zu- 
grunde. Eine so scharfe Einstellung der Kaliumschwelle stellt äußerst 
günstige Bedingungen vor, um seine Abhängigkeit vom Calcium zu unter- 
suchen. Das geschah in der Weise, daß man zu gleicher Zeit und unter 
sonst konstanten Bedingungen die Kaliumgrenze bei verschiedenen Kon- 
zentrationen des Calciums ermittelte. Es wurden zu diesem Zwecke sechs 
Versuchsserien ausgeführt (am 8., 9., 10., 13., 15. und 16. Juli). Da sie 
absolut identische Resultate geliefert haben, mögen die hier in abgekürzter 
Form angeführten zwei Beispiele (Tabelle III und IV) genügen. Sie haben 
einen strengen Beweis dafür erbracht, daß die minimale, zur Äquilibrierung 
der Lösung eben ausreichende Kaliummenge vom Calciumgehalt völlig 
unabhängig ist, möge der letzte selbst eine zehnfache Verstärkung erfahren. 


Tabelle III (Versuch vom 9. Juli). 


| Kaliumgehalt (ccm m/2 KCI) 


1 0,5 1,0 | 2,0 


100cem m/2 NaCl+ Leem mä Cal... + O | — 
100 cem m/2 NaCl+10cem m/2 CaCl. ... + | 


Ausgangslösung 


56 | DL Rubinstein: 


Tabelle IV (Versuch vom 16. Juli). 


| Kaliumgebalt (ccm m/2 KCl) 
| 0,6 | 1,2 


Ausgangslösung 


100 eem m/2 NaCl+ Leom mi2 CaCl oci a | e" E "e 
100 eem m/2 NaCl+10cem m/2 Col...) + | O 


Somit kann das Kalium nicht als Antagonist des Calciums fungieren, 
sonst würde seine zur Äquilibrierung erforderliche Konzentration mit 
derjenigen des Calciums symbath anwachsen. Es bleibt also nur die 
Möglichkeit einer unmittelbaren antagonistischen Wirkung des Kaliums 
auf das Natrium übrig. Sie läßt sich auch direkt nachweisen. Die Diogenes- 
krebse sind relativ wenig euryhalin, doch können sie eine Verminderung 
der NaCl-Konzentration um die Hälfte (von m/2 bis m/4) gut aushalten. 
Eine solche ist für unsere Zwecke vollkommen hinreichend. Sie bedingt 
schon eine bedeutende Herabsetzung der Kaliumschwelle, während dieselbe 
durch eine sogar zehnfache Erniedrigung der Calciumkonzentration nicht 
verschoben werden konnte. Aus einer Reihe ganz gleichartig ausfallender 
Versuche (vom 9., 10., 13., 15. und 16. Juli) sei hier nur ein Beispiel aus- 
gewählt (s. Tabelle V). 


Tabelle V (Versuch vom 13. Juli). 


Ausgangslösung 


025 | 05 | 10 
100 cem m/2 NaCl + 10 cem m/2 Calle... . - T O 
100 cem m/2 NaCl+ Leem m/2 CaCl. ... — + O 
100 cem m/4 NaCl+ Leem nä CaCl. ... E O > 


Kalium und Calciumionen sind also keine Antagonisten. Sie können 
aber auch nicht als Synergisten wirken und ihre natriumentgiftenden 
Wirkungen summieren, denn in diesem Falle wäre bei einem größeren 
Calciumgehalt entsprechend weniger Kalium zur Äquilibrierung des Natriums 
und Ausgleichung seiner Giftigkeit erforderlich; der Mangel an einem Ion 
würde durch den Überschuß des anderen kompensiert. Somit wirken 
Kalium und Calcium als Antagonisten des Natriums vollkommen un- 
abhängig voneinander, indem sie zwei verschiedene Komponenten der 
Natriumgiftigkeit unterdrücken. 


In diesen Versuchen tritt die physiologische Bedeutung des Kaliums, 
als eines Antagonisten der „sekundären schädlichen Wirkung‘‘ des Natriums, 
deutlich zutage. Wir wollen aber die Ionenbeziehungen weiter verfolgen, 
um auch die andere Seite der Abhängigkeit aufzuklären. Welche Ionen 
sind nämlich Antagonisten des Kaliums selbst? Diese Frage läßt sich 
durch die Untersuchung der oberen Kaliumgrenze entscheiden, also der- 
jenigen maximalen Konzentration der Kaliumionen, nach deren Über- 
schreitung schon ihre eigene Giftigkeit hervortritt. Es wurde schon darauf 
hingewiesen, daß die Kaliumkonzentrationen, welche das Leben unseres 
Einsiedlerkrebses nicht vernichten, in einem ziemlich engen Intervall 
liegen, nämlich zwischen 1 und 4 KCI pro 100 NaCl + 2 CaCl, (s. Tabelle II). 
Die obere Kaliumgrenze ist dabei nicht weniger scharf als die untere 


Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 57 


definiert. Schon bei 5K (pro 100 Na) sterben sämtliche Tiere ab; kein 
einziges lebte in einer solchen Lösung bis zum nächsten Tage, obwohl der 
Versuch zehnmal wiederholt wurde. In den folgenden Versuchen haben 
wir jedoch die Konzentrationen etwas weniger fein abgestuft, und zwar 
als höchste subletale Kaliumkonzentration 3,0 bzw. 3,5 K (pro 100 Na) 
verwendet, da bei 4,0 K die Lösung gelegentlich schon schädlich wirkte 
und das Absterben eines Teiles der Versuchstiere verursachen konnte. 

Wiederholte Versuche haben gezeigt, daß auch die obere Kalium- 
grenze in keiner Abhängigkeit vom Calciumgehalt steht. Die Kaliumionen 
können ebensowenig durch Calciumionen entgiftet werden, wie sie auch 
selbst unfähig sind, den letzteren entgegenzuwirken. Die Natrium- 
konzentration übt dagegen auf die obere Kaliumgrenze einen starken 
Einfluß aus, indem ihre Veränderungen eine symbathe Verschiebung 
derselben hervorrufen; der Antagonismus von Natrium und Kalium ist 
also ein gegenseitiger. Unsere Versuche, von denen hier zwei Beispiele 
angeführt werden (s. Tabelle VI und VII), zeigen diese Verhältnisse mit 
derselben geradezu schematischen Klarheit. 


Tabelle VI (Versuch vom 13. Juli). 


N Kaliumgehalt (ccm m/2 KCI) 
Ausgangslösung SE ae een rede ten. 


f u 3,5 Si 
100 cem m/2 NaCl+10cem m/2 Cal . .... | © | + 
100 cem m2 NaCl+ Leem m/2 Cal ..... | O | + 


Tabelle VII (Versuch vom 15. Juli). 


o Kaliumgehalt (ccm m/2 K CI) 
Ausgangslösung 


u 2,0 30,50 
100 cem mj2 NaCl+10cem m/2 CaCl... . 4 OC + 
100 cem m/2 NaCl + Icem m/2 CaCl. ... z O + 
100 cem m/4 NaCl+ Leem m/2 CaCl. ... | O E E 


Zwecks einer definitiven Prüfung aller festgestellten Beziehungen 
wurden zwei Kontrollserien ausgeführt. Sie geben ein vollständiges Bild 
der Kaliumgrenzen einer für Diogenes äquilibrierten Salzlösung in ihrer 
Abhängigkeit von der Natrium- und Calciumkonzentration (a Tabelle VIII). 


Tabelle VIII (Versuch vom 16. Juli). 


Kaliumgehalt (ccm m/2 KCI) 


Ausgangslösung | 


"nä 0,5 | o6 1,2 | 20, 30 an 


Í 
100 cem m/2 NaCl +10 cem m/2 CaCl — ı — + | O | - Oo '+ 
100 cem m/2 NaCl+ leemm?2 Cal, oi +.,.0'- O + 
100 cem m/4 NaCl+ 1cem m/2CaCla + | O ; — —! o | +. — 


58 D. L. Rubinstein: 


Versuche an Porcellanides. 


Nach einem ähnlichen Plane wie an Diogenes haben wir auch die 
experimentelle Untersuchung eines anderen dekapoden Krebses — des 
Porcellanides longimana Üzern. — durchgeführt. In unseren Versuchen an 
Diogenes wurde die Konzentration der Lösungen zwischen m/4 und m/2 
variiert; die Porcellaniden halten aber schon eine m/2 Lösung nicht aus. 
Für diese sehr stenohalinen Tiere wurden ausschließlich m/4 Lösungen 
verwendet, deren Salzgehalt demjenigen ihres gewöhnlichen Milieus an- 
nähernd gleich ist. Im Schwarzen Meere, in der Nähe von Sewastopol, 
beträgt ja die Salinität in der oberflächlichen Wasserschicht etwa 18g 
pro Liter, was ungefähr einer 0,3 mol. NaCl-Lösung entspricht; doch wurde 
eine ganz genaue Isotonie nicht angestrebt. 


In der äquilibrierten 0,25 mol. Na-K-Ca-Lösung bleiben die Porcellaniden 
dauernd am Leben, gehen aber in allen binären Gemischen (NaCl + KCl 
sowie NaCl + CaCl,) äußerst schnell (in wenigen Stunden oder selbst 
Minuten) zugrunde. Nicht nur die Konzentration des Natriumchlorids, 
von welchem die Gesamtkonzentration der Lösung abhängt, sondern auch 
der Kalium- und Calciumgehalt können nur ziemlich wenig verändert 
werden. Die Lebensgrenzen der Porcellaniden wurden für jede Komponente 
der ternären Salzlösung in derselben Weise festgestellt, wie dies bei Diogenes 
geschah. Wir werden daher auf diese Vorversuche nicht näher eingehen; 
nur die Resultate sollen hier kurz mitgeteilt werden. 


Die Calciumschwelle war merkbar höher als bei Diogenes; bei einem 
relativen Gehalt von 1 Ca pro 100 NaCl + 2 KCI blieb die Äquilibrierung 
aus und die Lösung erwies sich als stark giftig. Nur mit 1,5 Ca ließ sich in 
den meisten Fällen und mit 2Ca ausnahmslos eine vollständige Äquili- 
brierung erzielen. Zugleich war die obere Calciumgrenze stark herabgesetzt; 
bei 5 oder 6 Ca blieb die Lösung noch vollkommen normal, aber schon bei 
8 bis 10 Ca (pro 100 Na + 2 K) zeigte sich die schädliche Wirkung des 
Calciumüberschusses. Die Tiere lebten allerdings in einer solchen Lösung 
meistens während 24 Stunden oder etwas darüber, wurden aber deutlich 
gelähmt und kamen zuletzt um. Der relative Calciumgehalt konnte also 
bei unseren Versuchen nur von 1,5 bzw. 2,0 bis 6 Ca, also höchstens um 
das Vierfache vergrößert werden. Da aber die untere Kaliumschwelle sich 
mit großer Genauigkeit feststellen ließ, konnten wir uns bei ihrer Unter- 
suchung mit dieser eingeschränkten Amplitude der Konzentrationsänderung 
des Calciums begnügen. Es wurde auch in diesem Falle der Beweis erbracht, 
daß die zur Äquilibrierung der Salzlösung notwendige Kaliumkonzentration 
vom jeweiligen Calciumgehalt völlig unbeeinflußt bleibt. Die Ergebnisse 
von drei Versuchen, welche in Tabelle IX zusammengestellt sind, lassen 


Tabelle IX. 

j E u | Venen — - 

Lösung ae Be a Fe 
8 i nn nn IO 27.VI. © 28.v. | 31. vn. 
100 eem NaCl + 2 cem Ca Cla + 0,5 cem KCI. . + 1 + + 
100 com NaCl +2ccm CaCh Lies KCI. .| Oo | o | © 
100 cem NaCl + 6 cem CaCl, + 0,5 cem KCl. . + | ++ + 
100 cem NaCl + 6 cem CaCl + 1,0 ccm KCI.. || © O | O 


Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 59 


diese Unabhängigkeit der Kaliumschwelle deutlich hervortreten. Die 
abgekürzten schematischen Bezeichnungen (+ und O) behalten in dieser 
und den folgenden Tabellen ihre frühere Bedeutung. Da sämtliche Salze 
hier ausschließlich in einer m/4 Lösung verwendet wurden, sind die Angaben 
der Konzentration weggelassen und nur die Mischungsverhältnisse an- 
gegeben. 


Eine so gute Reproduzierbarkeit der Resultate, wie sie aus dieser 
Tabelle ersichtlich ist, hat uns dazu veranlaßt, eine noch genauere Be- 
stimmung der Kaliumgrenze zu versuchen. Das ist uns tatsächlich in zwei 
Versuchen (einer von ihnen ist in Tabelle X angeführt) gelungen. Sie 
zeigen, daß eine dreifache Erhöhung der Calciumkonzentration nicht 
imstande ist, die Kaliumschwelle in der äquilibrierten Lösung sogar um 
50 Proz. zu verschieben. 


Tabelle X (Versuch vom 1. August). 


' Kaliumgehalt (ccm m/4 K C!) 
Ausgangslösung | 


nn 0,5 I. 0,75 
10) eem Na Cl + 2 cem Cal . . 2. 2 2 22 .. T O 
100 ccm NaCl + 6 cem Cal, ... 2 2.22.02. + C 


Das Gegenstück zu diesen Versuchen bildet der — allerdings nicht 
mit derselben Präzision — erbrachte experimentelle Beweis dafür, daß 
auch die Calciumschwelle ihrerseits in keiner Abhängigkeit von der Kalium- 
konzentration steht. Von den dreimal mit demselben Ergebnis wieder- 
holten Versuchen (vom 26., 27. und 28. Juli) ist der eine in Tabelle XI 
angeführt. Somit sind die zur Herstellung einer physiologisch äquilibrierten 
Lösung erforderlichen Kalium- und Caleiummengen völlig unabhängig 
voneinander. Die Kaliumionen sind ebensowenig dazu bestimmt, eine 
toxische Wirkung der Calciumionen zu beseitigen, wie auch die letzten 
ihrerseits nicht zur Ausgleichung der Kaliumwirkung dienen. Es besteht 
zwischen den beiden Ionenarten weder Antagonismus noch Synergismus. 
Ihre Bedeutung in der äquilibrierten Salzlösung soll in der Wechselwirkung 
eines jeden von ihnen mit den Natriumionen seine Erklärung finden. 


Tabelle XI (Versuch vom 28. Juli). 


4 Calciumgehalt (ccm m/4 Ca Cl2) 
Ausgangslösung 


= 1,0 | 2,0 
100 ecm Nacl+1lemKÜ.......... + | © 
16 eem NaCl + 3 cem KÜl . . 2 2 2 2 2 2.2. | + i © 


Zum Schluß wurde noch die obere Kaliumgrenze untersucht. Tabelle XII 
gibt einen Versuch wieder, ein anderer (vom 30. Juli) hat ähnliche Resultate 
ergeben. Sie scheinen auf eine symbathe Beziehung zwischen der 
oberen Kaliumgrenze und dem Calciumgehalt hinzuweisen. Dn Gegensatz 
zu dem, was für Diogenes festgestellt wurde, wäre es also hier möglich, 
wenigstens den Kaliumüberschuß durch Calciumionen teilweise zu entgiften. 
Die Versuche waren jedoch nicht zahlreich und eindeutig genug, um diese 
Ergebnisse als endgültig betrachten zu können. 


60 D. L. Rubinstein: 


Tabelle XII (Versuch vom 29. Juli). 


Kaliumgehalt (ccm m!4 KCl) 


Ausgangslösung 


100 cem NaCl + 2 cem CaCl... 
100 cem Na Cl + 6 cem Call]; . 


Versuche an Procerodes. 


Bei unserem dritten Versuchsobjekt — der Turbellarie Procerodes 
(Gunda) lobata D. Schm. (Triclade) — tritt die Entgiftungsschwelle nicht 
so scharf, wie bei den untersuchten Krebstieren, hervor. Dementsprechend 
können die Versuchsdaten nicht immer durch einfache schematische Zeichen 
(lebendig, tot) ausgedrückt werden, wie das bisher geschah. Es kommt 
nämlich oft vor, daß nur ein gewisser Prozentsatz der Tiere überlebt, oder 
daß zugleich ihre Beweglichkeit mehr oder minder stark beeinträchtigt 
wird. Die sehr breite Amplitude der Konzentrationsänderungen, die von 
den Tieren ertragen werden kann, verleiht jedoch den Versuchsergebnissen 
eine genügende Zuverlässigkeit. 


Procerodes ist sehr euryhalin und hält bedeutende Schwankungen des 
gesamten Salzgehalts aus. Hat die ursprüngliche äquilibrierte Lösung eine 
m/4 Konzentration, so wird noch eine acht- bis zehnmal schwächere Lösung 
(1/33 mol. bis Lie mol.) von den Tieren gut vertragen. Es interessieren uns 
hier an erster Stelle die Beziehungen, welche zwischen den Kalium- und 
Calciumionen bestehen, wobei die Natrmunkonzentration zuerst unverändert 
bleiben soll. Die Unentbehrlichkeit beider Antagonisten zur Entgiftung 
einer m/4 NaCl-Lösung wird durch folgende Tabelle (Tabelle XIII) veran- 
schaulicht. Für jeden Einzelversuch werden je zehn Exemplare von 
Procerodes verwendet. 


Tabelle XIII (Versuch vom 24. Juli). 


Lösung | Zustend der Tiere (nuch 15 Stunden) 
m/4 NaCl... .  Abgestorben (schon nach wenigen Min.) 
100 cem m/4 Na o +2 2 cem m, 14 Ca Ch = 
100 ecm m/4 NaCl + 2 cem m/4 KCI i = 
m/4 Na-K-Ca-Lösung . . . . . . . "Alle lebendige. Kriechen am Boden des 


| Gefäßes (jedoch nicht so lebhaft wie 
' im Seewasser) 


Nachdem die Konzentrationsgrenzen von Kalium und Caleiunı in der 
äquilibrierten Lösung bestimmt wurden, konnten wir die Frage nach den 
physiologischen Abhängigkeiten zwischen diesen beiden Kationen in Angriff 
nehmen. In drei Versuchsserien (vom 26., 27. und 28. Juli) haben wir den 
Einfluß einer zehnfachen Verstärkung der KCl-Konzentration auf die 
Caleiumschwelle untersucht. Eine solche Veränderung des Kaliumgehalts 
konnte keine irgendwie merkliche Verschiebung des zur AÄquilibrierung 
erforderlichen Caleitumminimums verursachen. Als Beispiel sei ein Versuch 
angeführt (s. Tabelle XIV); die beiden anderen haben ähnliche Resultate 
‘ergeben. Es soll jedoch bemerkt werden. daß bei Procerodes die Kon- 
zentrationsgrenzen nicht absolut konstant bleiben und «daher nur in einer 


Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 61 


Tabelle XIV (Versuch vom 27. Juli). 


Calciumgehalt Ausgangslösung 


(VER) ‘100 ccm m/4 NaCl + ) ccm m’4 KCI 100 com NaCl + 10 ccm 


| 
| 


KCI 


0.5 , Alle abgestorben 


1,0 © Bei etwa drei Tieren werden 
am nächsten Tage schwache 

' Kontraktionen bemerkbar; 

andere (7) sind unbeweglich 


Alle abgestorben 


Etwa bei der Hälfte sind Kon- 


| 
| traktionen bemerkbar 


2,0 ı Mehrzahl lebendig. Schwache | Allelebendig. Kriechen spontan 
Bewegungen werden auf oder auf Reizung hin am 
äußere Reizung hin oder Boden des Gefäbes 


auch spontan gemacht 


und derselben Versuchsserie gewonnene Daten völlig miteinander ver- 
gleichbar sind. 

Gleicherweise wurde auch die untere Kaliumgrenze untersucht. Wie 
aus Tabelle XV zu ersehen ist, üben auf dieselbe Veränderungen des Calcium- 
gehalts gar keinen Einfluß aus, während dagegen eine Erniedrigung 
der Natriumkonzentration eine symbathe Verschiebung der Kalium- 
schwelle hervorruft. Es besteht also auch in diesem Falle kein Antagonismus 
zwischen den Kalium- und Calciumionen einer äquilibrierten Salzlösung. 
Die Kaliumionen wirken als selbständige, vom Calcium völlig unabhängige 
Antagonisten einer Komponente der Natriumgiftigkeit. 


Tabelle XV (Versuch vom 31. Juli). 


| 


= En | Ausgangslösung 
SEKR 
= cc i j 
Ze 100 ccm m;4 NaCl | 100 ccm m/4 NaCl 100 ccm m/8 Na Cl 
55 +10 ccm m/4 Ca Cl | +2 ccm mid CaCl, + 2 cem mid Ca Cly 
KI 
J = | = Abgestorben 
0,25 Abyestorben | Abgestorben Alle lebendig. Kriechen, 


die einen spontan, die 
anderen auf äußere 
Reizung hin 
(LA | Abgestorben |! Abgestorben Alle kriechen umher — 
spontan oder auf 
Ä äußere Reizung hin 

1,0 : Unbeweglich. Beieinigen ' Unbeweglich. Beieinigen ' — 

ı Tieren treten auf Tieren schwache Reak- 

| mechanische Reizung tion auf mechanische | 


schwache Reaktionen Reizung 
| ein 


D 


Ergebnisse. 


Alle Organismen, die von uns einer vergleichend physiologischen 
Untersuchung unterworfen wurden, haben in ihren Grundzügen äußerst 
gleichartige Resultate ergeben. Bei zwei Krebstieren (Diogenes varians 
Hell. und Porcellanides longimana Üzern.), einer Turbellarie (Procerodes 


62 D. L. Rubinstein: 


lobata D. Schm.), sowie der von uns früher untersuchten Polychäte 
(Fabricia sabella Ehr.), wurden vollkommen identische Beziehungen 
zwischen den Ionen der ternären Sälzlösung festgestellt; keineeinzige Aus- 
nahme ist uns in unseren Versuchen begegnet. Wir glauben uns daher 
schon jetzt berechtigt, diesen Beziehungen eine ganz allgemeine Be- 
deutung zuzuschreiben und die im Anfang dieser Arbeit gestellte Frage 
in folgender Weise zu beantworten. 


Das Natriumchlorid bzw. das Natriumion übt auf die lebendigen 
Organismen zweierlei toxische Wirkungen aus. Die eine von ihnen wird 
durch Calcium-, die andere — ganz unabhängig davon — durch Kalium- 
sonen unterdrückt. Dem Kalium kommt also die Aufgabe zu, die „sekundäre 
schädliche Wirkung“ nicht des Calciums — wie Loeb es meinte —, sondern 
des Natriums zu beseitigen. Darauf ist seine Bedeutung in den zur Er- 
haltung des Lebens notwendigen äquilibrierten Salzlösungen zurück- 
zuführen. Das Natriumchlorid ist indem äußeren sowie inneren Lebens- 
milieu der meisten Organismen in einer Konzentration enthalten, 
welche zu seiner Entgiftung die Anwesenheit seiner beiden Antagonisten 
durchaus unentbehrlich macht. Die universelle biologische Bedeutung 
des ternären Salzgemisches, der physiologisch äquilibrierten Na- K-Ca- 
Lösung, ist also durch die zweiartige Giftigkeit des C'hlornatriums bedingt. 

Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben, daß diese zweiartige 
Wirkungsweise des Natriums ausschließlich seine Giftwirkung anbetrifft. 
Auch die physiologische Rolle des Kaliums soll keineswegs in allen 
Fällen auf eine partielle Beseitigung der Natriumgiftigkeit beschränkt 
werden. Bei der Einwirkung der Ionen auf andere biologische Prozesse, 
insbesondere die Erregbarkeit, können Kaliumionen als Antagonisten 
auch dem Calcium entgegenwirken. Eine gegenseitige Äquilibrierung 
von Kalium und Calcium tritt z. B. bei ihrer Wirkung auf die Herz. 
tätigkeit deutlich hervor. Auch auf unsere eigenen Versuche über die 
antagonistischen Ionenbeziehungen bei der Kaliumstarre (bei Fabricia) 
können wir verweisen. 

Wie ist es nun zu erklären, daß Beziehungen von einer so all- 
gemeinen Gültigkeit nicht anerkannt wurden und bisher unbeachtet 
blieben? Es fehlte allerdings nicht ganz an Beobachtungen, die als 
Wegweiser dienen konnten. In seinen berühmten Versuchen an Fundulus 
hat nämlich Loeb die Möglichkeit festgestellt, die Giftigkeit einer letalen 
Chlorkaliumlösung durch Natrium-!), sowie durch Calciumsalze?) zu 
beseitigen, wobei ‚die höchste Konzentration von KCl, die durch 
CaCl, entgiftet werden kann, identisch ist mit der höchsten Kon- 
zentration von KC], die noch durch NaCl entgiftet werden kann, 


1) Loeb, diese Zeitschr. 81, 450, 1911. 
2) Derselbe, ebendaselbst 82, 308, 1911. 


Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 63 


nämlich 6,6 ccm m/2 RO in 100 ccm der Lösung. Diese Zahl bleibt 
auch das Maximum, wenn man beide Stoffe, CaCl, und NaCl, gleich- 
zeitig zur Entgiftung zufügt‘‘ (S. 322). Indem er diese Versuche zitiert, 
betont auch Bayliss als eine höchst bemerkenswerte Erscheinung, daß 
bei der Kaliumentgiftung durch Calcium wie durch Natrium the 
antagonism is limited and the interesting point about the fact is that the 
limit is the same‘‘!). Ganz anders verhalten sich aber die Antagonisten 
bei der Entgiftung des Natriums. „Wir stießen dabei zunächst‘, sagt 
Loeb?), „auf die merkwürdige Tatsache, daß KClnur dann imstande ist 
eine entgiftende Wirkung auf NaCl auszuüben, solange die Konzentration 
von NaCl 5/ mol. nicht übersteigt; KCl unterscheidet sich in dieser 
Hinsicht von CaCl,, das®) auch NaCl-Lösungen von höherer Kone 
zentration als Pl, mol., nämlich selbst "le mol., zu entgiften imstande 
ist“ (S. 482). 

Im Lichte der hier erreichten Ergebnisse bietet die Deutung dieser 
scheinbar so rätselhaften Resultate keine Schwierigkeiten. Das Kalium 
besitzt eine einfache Giftwirkung. Läßt sie sich durch zwei verschiedene 
Salze unterdrücken, so ist zwischen ihnen ein vollständiger Synergismus 
zu erwarten, wie es auch bei unseren Versuchen über die Kaliumstarre 
der Fall wart). Der eine Antagonist kann dann selbstverständlich nicht 
mehr als der andere leisten. Anders verhält es sich mit dem Natrium. 
Seine zweiartige Giftigkeit zeigt sich in den Experimenten von Loeb 
mit einer besonderen Deutlichkeit, da die beiden Komponenten seiner 
toxischen Wirkung hier nicht gleichzeitig hervortreten. Unterhalb 
"mal, ist eine NaCl-Lösung für Fundulus überhaupt unschädlich. 
Oberhalb dieser Konzentrationsschwelle macht sich zuerst (zwischen 
%/,und !/, oder 5/, mol.) die eine Giftigkeit geltend, die durch Kalium zu 
beseitigen ist. Erst bei einer weiteren Konzentrationssteigerung kommt 
noch ein zweiter Giftigkeitsfaktor hinzu, und wir gelangen dınn zum 
gewöhnlichen ternären Salzgemisch: ‚Zur vollständigen Entgiftung 
einer NaCl-Lösung von der Konzentration m/2 oder darüber ist außer 
KCI auch der Zusatz von Ca erforderlich“. Es eröffnet sich also hier 
die Möglichkeit, beide Komponenten der toxischen Natriumwirkung 
voneinander zu trennen und die eine von ihnen in einem bestimmten 
Konzentrationsintervall von der anderen zu isolieren. Für eine nähere 
Analyse der Natriumgiftigkeit und der Entgiftungsprozesse dürfte 
daher diese von Loeb entdeckte Erscheinung von besonderem Interesse 
sein. Unsere noch unveröffentlichten Beobachtungen lassen uns glauben, 
daß diese Erscheinung nicht vereinzelt dasteht. 


1) Bayliss, Principles of general physiology, S. 213. London, 1915. 
2?) Loeb, diese Zeitschr. 33, 480. 1911. 

3) Bei Anwesenheit von KCL 

t) Rubinstein, 1. c., S. 17. 


64 D.L. Rubinstein: Wirkung physiologisch äquilibrierter Salzlösungen. 


Zusammenfassung. 


l. Auf die verschiedenen von uns untersuchten Tiere (eine Tur- 
bellarie, eine Polychäte, zwei Krebstiere) übt das Natriumchlorid bzw. 
das Na-Ion zweierlei toxische Wirkungen aus. 


2. In der gewöhnlichen physiologisch-äquilibrierten ternären Salz- 
lösung (der, Na K-Ca-Lösung‘‘) beseitigen die Kaliumionen eine toxische 
Wirkung des Natriums, während die andere von Calciumionen unter- 
drückt wird. Kalium sowie Calcium sind also beide Antagonisten des 
Natriums; ihre entgiftenden Wirkungen sind dabei vollkommen un- 
abhängig voneinander und können sich im Gemisch nicht summieren. 


3. Infolge der zweiartigen Giftigkeit des Natriums bedürfen alle 
Organismen, deren Gewebe von einer kochsalzhaltigen Flüssigkeit 
umspült sind (wie Seewasser und Blutplasma oder Gewebelymphe), 
zugleich der Kalium- und Calciumsalze. Dadurch ist die allgemeine 
Bedeutung der ternären physiologischen Salzlösung zu erklären. 


Über die Sensibilisierung hydrophober Kolloide 
durch Eiweißstoffe. 


Von 
N. N. Andrejew. 


(Aus der biochemischen Abteilung des Bakteriologischen Instituts „Pasteur‘ 
zu Leningrad.) 


LU 


(Eingegangen am 8. Januar 1927.) 


Vor dem Erscheinen der Mitteilung von Brossa und Freundlcht), 
in der die Sensibilisierung hydrophober Kolloide durch hydrophile 
Eiweißstoffe behandelt wurde, lagen über diesen Gegenstand nur 
vereinzelte unsystematische Beobachtungen vor?). 


Die Verfasser gelangten zu der Überzeugung, daß dieser Erscheinung 
eine Abnahme der Teilchenladung des hydrophoben Kolloids zugrunde liegt, 
die durch die Einwirkung entgegengesetzt geladener Kolloidionen des 
hvdrophilen Kolloids, welche bei gewissen Versuchsbedingungen entstehen 
können, beeinflußt wird. So wird z. B. eine saure Lösung des kolloiden 
Goldes durch Gelatine und Eiweißstoffe koaguliert und sensibilisiert; in 
schwach alkalischer Lösung wird derselbe Effekt durch Clupeinsulfat 
hervorgerufen, dagegen nicht durch Gelatine. Die Fähigkeit der Eiweiß- 
stoffe, positive und negative Sole zu sensibilisieren, wird durch ihre Eigen- 
schaft beeinflußt, in neutralen Lösungen sowohl Kationen als auch Anionen 
zu enthalten, mit anderen Worten, durch ihren amphoteren Charakter. 
Die bei Sensibilisierung im Gebiet der starken Elektrolytkonzentrationen 
auftretende Peptisationszone ist bei Abwesenheit von Eiweißstoffen nicht 
beobachtet worden, was sich durch die rasche Umwandlung der koagulierten 
Teilchen in gröbere Aggregate erklären läßt; dieser Vorgang wird durch 
Einwirkung der Eiweißstoffe gehemmt. Eben erwähnte Regelmäßigkeiten 
sind an dem System Fe,O,-Sol— Albumin studiert worden. 


1) Brossa und H. Freundlich, Zeitschr. f. physik. Chem. 89, 306, 1915; 
H. Freundlich und Löning, Kaiser Wilhelm-Gesellschaft-Festschrift 1921, 
5. 82. 

2) Henri, Lalon, A. Mayer, Stodel, C. r. de la Soc. de Biol. 55, 1671, 
1903; Friedemann, Münch. med. Wochenschr. 51, Nr. 11, 1903; Gatin- 
Gruzewska, C. r. de la Soc. de Biol. 58, 698, 1906; Wo. Pauli und Flecker, 
diese Zeitschr. 41, 470, 1912; L. Michaelis und P. Rona, ebendaselbst 2, 
219, 1907; 5, 365, 1907. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 5 


66 N.N. Andrejew: 


Weitere Arbeiten behandeln andereKolloidpaare: Kongorot — Lecithin ?), 
Kongorot — Globulin ?), immune und normale Eiweißstoffe— Fe,O,-Sol?) usw. 
In einigen Fällen ist es schwierig, die Versuchsergebnisse mit dem oben 
skizzierten allgemeinen Schema in Einklang zu bringen. So haben Ettisch 
und Runge*) u. a. festgestellt, daß die von Brossa untersuchten Sensibili- 
sierungserscheinungen bei Kongorot— Globulin von der Wasserstoffionen- 
konzentration abhängen. Krebs’) hat beim Studium der Wechselwirkung 
zwischen einer sauren kolloiden Goldlösung einerseits und Eiweißstoff 
andererseits nicht eine Flockungszone, wie man hätte erwarten können, 
sondern deren zwei aufgefunden. Eine Erklärungsmöglichkeit für das 
Auftreten der einen findet er durch die Koagulation von Eiweißstoff, welcher 
Goldteilchen in den Niederschlag mit sich reißt. 


Mein Mitarbeiter A. Rabinerson hat bei der Wechselwirkung 
zwischen Fe,O,-Sol einerseits und Albumin bzw. Globulin andererseits 
gleichfalls zweiZonen beobachtet. Alle bei Sensibilisierungserscheinungen 
beobachteten Wechselbeziehungen, sowie auch die Bedeutung der 
Wasserstoffionenkonzentration erscheinen vollkommen klar und ver- 
ständlich, sobald man sie vom Standpunkt der Loebschen Theorie über 
den Bau der Verbindungen von Eiweißstoffen mit Elektrolyten be- 
trachtet. | 


Nach den Anschauungen von J. Loeb läßt sich das Verhalten der 
Eiweißstoffe in Abhängigkeit von der Wasserstoffionenkonzentration 
durch folgende Formeln ausdrücken: 


- NR. . 
R< 00H R< 00H R< 00H 


Nativer Eiweißstoff.  Isoelektrischer Eiweißstoff. Saurer Eiweißst off. 


NH, + NH,C] 


Nativer, von Elektrolyten befreiter Eiweißstoff erweist sich als 
eine schwach dissoziierte Säure mit kolloiden Anionen. Zusatz von 
stark dissoziierten Säuren ruft die Entstehung von nicht dissoziierten 
Eiweißstoffmolekülen hervor. Weitere Säurezugabe führt zur Bildung 
von Eiweißstoffsalzen, wobei der Eiweißstoff im Kation enthalten ist. 
Rein theoretisch kann man sich vorstellen, daß gerade diese Ionen bei 
der Einwirkung der Eiweißstoffe auf Kolloide eine überragende Rolle 
spielen werden. Die ausgeführten Versuche brachten in der Tat eine 
vollkommene Bestätigung dieser Annahme, wie aus den wiedergegebenen 
Resultaten ersichtlich ist. 


1) W. Beck, diese Zeitschr. 159, 471, 1925. 

2) Brossa, Kolloid-Zeitschr. 32, 107; Reitstotter, Zeitschr. f. Immun. 
30, 507, 1920. 

3) Reitstotter, Zeitschr. f. Immun. 80, 468, 1920; H. Freundlich und 
W. Beck, diese Zeitschr. 166, 190, 1925. 

4) G. Ettisch und Runge, Kolloid-Zeitschr. 87, 26, 1925. 

5) Krebs, diese Zeitschr. 159, 311, 1925. 


Sensibilisierung hydrophober Kolloide. 67 


Versuch 1. 


Es wurden je 2ccm Berlinerblausol (Gehalt: 1 cem 0,0005 g) mit 
HCl enthaltender protalbinsaurer Na-Lösung vermischt. Das Gesamt- 
volumen betrug stets 3 cem (l cem Lösung enthält protalbinsaures Na 
0,0048 g, HO 0,0078 g). 


Protalbinsaures Na mit HCl 0,050 ccm. Keine Koagulation. Gesamtgehalt 
Eiweißstoff 0,00024 g, HCl 3,6 Millimol. 


Protalbinsaures Na mit HCl 0,070 ccm. Teilweise koaguliert. Gesamtgehalt 
Eiweißstoff 0,00033 g, HCI 4,8 Millimol. 


Protalbinsaures Na mit HCl 0,10 ccm. Vollständige Koagulation. Gesamt- 
gehalt Eiweißssoff 0,00048 g, HCl 7,3 Millimol. 


Protalbinsaures Na mit HCl 0,50 ccm. Vollständige Koagulation. Gesamt- 
gehalt Eiweißstoff 0,00240 g, HCl 36,0 Millimol. 


Protalbinsaures Na mit HCl 1,00 ccm. Teilweise koaguliert. Gesamtgehalt 
Eiweißstoff 0,00480 g, HCl 73,0 Millimol. 


Protalbinsaures Na mit HCl 2,00 ccm. Keine Koagulation. Gesamtgehalt 
Eiweißstoff 0,00960 g, HCl 146,0 Millimol. 


Die kolloidalen Berlinerblauteilchen sind negativ geladen. Der Eiweiß- 
+ 5 
stoff bildet mit Säure Ionen von dem Typus aerer 0,05 ccm der 
oben erwähnten Eiweißstofflösung enthalten eine zur Koagulation nicht 
ausreichende Menge von Ionen; die vollständige Flockung beginnt bei 
0,leem Lösung, 2,0 ccm enthalten so viel positiv geladene Eiweißstoffionen, 
daß sie eine Umladung der Berlinerblauteilchen bewirken. Betrachten wir 
in diesem Versuch die HC1-Konzentration, die zur Berlinerblaukoagulation 
in Gegenwart von Eiweißstoff erforderlich ist, so ist ersichtlich, daß die 
HCl-Einwirkung auf Berlinerblausole durch die Anwesenheit von Eiweiß- 
stoff sensibilisiert wird. So koaguliert das Berlinerblausol ohne Eiweißstoff 
von 370 Millimol HCl an, in Gegenwart aber von 0,00024 g Eiweißstoff 
(19 Proz. des Gesamtgehalts an Kolloiden in der Lösung) schon von 3,6 Milli- 
mol HCl an. Größere Mengen von Eiweißstoff rufen „Schutzwirkungen“ 
hervor und steigern somit die zur Koagulation notwendige HCl-Kon- 
zentration. 
Versuch 2. 

Es wurden je 2 ccm Berlinerblausol (Gehalt: 1 cem 0,0005 g) mit einer 
HC enthaltenden Albuminlösung vermischt. (Die Konzentration entspricht 
der oben erwähnten Lösung.) Das Gesamtvolumen der Lösung betrug 
stets 3 ccm. 


Albumin mit HCl 0,0125 cm. Keine Koagulation. 


> „ HCl 0,0250 „ Trübung. 

ss vn HCI 0,0500 „, Vollständige Koagulation. 
ss „ HCl 0,1000 ,, 2 > 

va „ HCI 0,5000 „, Teilweise koaguliert. 

Ge » HCI 1,000 „ Ge se 

ge „ HCl 2,000 ,, Keine Koarulatıon. 


5* 


68 N.N. Andrejew: 


Versuch 3. 


Es wurde je l cem Fe,O,-Sol mit verschiedenen Mengen 0,1proz. 
protalbuminsaurer Na-Lösung vermischt. Das Gesamtvolumen der 
Mischungen betrug 2,5 ccm. 


0,1 proz. protalbinsaures Na 0,25 ccm. Keine Koagulation. 


0,1 ,„ H Na 0,50 ,, Vollständige Koagulation. 

0,1 ,„ er Na 1.00 ,, Teilweise koaguliert. 

0,1 ,„ = Na 1,50 „ Keine Koagnlation. 
Versuch 4. 


Fe,O,-Sol und Albumin in denselben Konzentrationen. 


0,1 proz. Albumin 0,25 ccm. Keine Koagulation. 


(US 3; m 0,50 ,, be 5 

0,1 ,„ eg 1,00 ,, ge eg 

0,1 ,„ Ge 1,50 ,, Schwache Trübung. 

1 = © 0,2 , Starke = 

1 SS j 0,4 ,„ Vollständige Koagulation. 
l 5 S 0,5 ,„ Teilweise koaguliert. 

l ʻi "A 1,0 , Keine Koagulation. 


Die kolloidalen Fe,O,-Teilchen and positiv geladen. Der Eiweißstotf 


bildet Ionen von der Art EE öNa oder Bob H, je nachdem 


er in protalbinsaurer Na-Lösung oder in Albuminlösung gelöst ist. Wie 
im Versuch mit Berlinerblausol, weist die Koagulation auch hier ein Maximum 
auf, überdies erfolgt eine durch einen Überschuß an Eiweißstoffionen 
hervorgerufene Umladung der Fe,O,-Teilchen. 

Anscheinend ist die von Krebs und Rabinerson beobachtete Koagulation 
von zwei Zonen, die bei der Wechselwirkung zwischen Gold- bzw. Fe,O,-Sol 
in Gegenwart von Eiweißstoff einerseits und NaCl andererseits auftritt, 
ebenfalls auf die Gegenwart von Eiweißstoffionen zurückzuführen. Eine 
Bestätigung dieser Vorstellung liefern die folgenden Versuche. 


Versuch 5. 


Es wurde je Leem Fest, Bol mit verschiedenen Mengen Albumin- 
lösung vermischt. Das Gesamtvolumen betrug stets 2,5 cem. 1 Stunde 
später wurden in die Mischung 0,16 ccm NaCl-Lösung hineinpipettiert. 
Die Konzentration derselben betrug nach der Vermischung 95 Millimol. 


0,1 proz. Albumin 0,25 ccm. Keine Koagulation. 0,16ccm NaCl. Teil- 
weise koaguliert. 


0,1 proz. Albumin 0,50 eem, Keine Koagulation. 0,16ccm NaCl. Voll- 
ständige Koagulation. 


0,1 proz. Albumin 1,0 cem. Keine Koagulation. 0,16 ccm NaCl. Unvoll- 
ständige Koagulation. 


Sensibilisierung hydrophober Kolloide. 69 


0,1 proz. Albumin 1,5 ccm. Schwache Trübung. 0,16 ccm NaCl. Teilweise 
koaguliert. 

l proz. Albumin 0,2ccm. Teilweise koaguliert. 0,16ccın NaCl. Keine 
Koagulation. 

l proz. Albumin 0,4ccm. Vollständige Koagulation. 0,16ccm NaCl. 
Vollständige Koagulation. 

l] proz. Albumin 0,5 cem. Teilweise koaguliert. 0,16 ccm NaCl. Teilweise 
koaguliert. 


l proz. Albumin 1,0ccm. Keine Koagulation. 0,16ccm NaCl. Keine 
Koagulation. 


Versuch 6. 
Der Versuch unterscheidet sich von dem vorhergehenden nur durch die 
Reihenfolge des Zusatzes. Die Albuminlösung wurde in verschiedenen 


Mengen mit NaCl-Lösung vermischt, das Gesamtvolumen ausgeglichen und 
alsdann Fe,O,-Lösung hinzugefügt. 


0,1l proz. Albumin 0,25 cem. Teilweise koaguliert. 


0,1 ,, ML 0,5  „ Vollständige Koagulation. 
0,1l 5; = 1,0 ,„ en 2 

0,1 ,„ ey 1,5 , Teilweise koaguliert. 

1 5 e 0,2 ,„ Trübung. 

1 j Se 0,4 ,„ Keine Koagulation. 

1 = m 05 „ e >» 

l SS ge 1,0 „ d j 


Im Versuch 5 enthält der native Eiweißstoff als schwach dissoziierte 
l i , - NH, + 
Säure anscheinend eine geringe Menge von kl o O H-Ionen, welche 


durch die Einwirkung der im Fe,O,-Sol befindlichen HCl noch verkleinert 
wird, und die Koagulation beginnt erst bei 0,4ccm 1l proz. Albumin; weitere 
Zugabe von Albuminlösung unterbricht die Koagulation, weil bei Leem 
Albuminlösung die Eiweißstoffanionenmenge zur Umladung (und infolge- 
dessen zur Peptisation) ausreicht. Zugefügtes NaCl ergibt, nach Loeb, 


’ i en = HA 3 F : Le , 
mit dem nativen Eiweißstoff Gah d Na, ein stark dissoziiertes Salz, 


daher kann das Koagulationsmaximum schon bei 0,5 cem 0,1proz. Albumin 
beobachtet werden. Der durch 0,4 com lproz. Albumin entstandene Nieder- 
schlag kann aber durch 93 Millimol NaCl nicht aufgelöst werden!). Wenn. 
aber NaCl (wie im Versuch 6) schon früher hinzugesetzt war, so bildet sich 
sogleich ein Niederschlag, wenn die Menge der zugefügten Albuminlösung 


t) Die Unlöslichkeit der ausgefallenen Niederschläge hängt mit der 
Zeit und Art ihrer Bildung zusammen. Die durch einmalige Zufügung des 
notwendigen Koagulationsquantums gebildeten Niederschläge lassen sich 
unter gewissen Bedingungen auflösen, während die «durch anteilweise 
Zufügung erhaltene Niederschläge ihre Löslichkeit verlieren. Unlöslichkeit 
ist auch dann zu beobachten, wenn die Niederschläge längere Zeit nach 
ihrer Bildung der Wirkung des Lösungsmittels unterworfen werden. Diese 
Erscheinung wird gegenwärtig in meinem Laboratorium eingehend unter- 
sucht. 


70 N. N. Andrejew: 


0,5 cem beträgt, der zweite Niederschlag bei 0,4 ccm lproz. Albuminlösung 
bleibt völlig aus, der in der Lösung vorhandenen Ionenkonzentration ent- 
sprechend. 


Vom hier besprochenen Standpunkte aus kann die Sensibilisierung 
bei der Behandlung negativer Sole mit den nativen Eiweißstoffen nicht 
stattfinden. Der Eiweißstoff kann ohne Säurezusatz keine Eiweißstoff- 
kationen bilden und keine Umladung negativer Kolloidteilchen hervorrufen. 
Das Verschwinden der Sensibilisierungserscheinung bei Globulin und 
Kongorot im pu-Gebiet = 6,9 bis 7,1 bestätigt, wie aus den Versuchen von 
Ettisch und Runge), sowie aus der Untersuchung von A. Rabinerson?) mit 
Ag-Sol und Eiweißstoffen, in der nur Schutzwirkungen beobachtet wurden, 
leicht ersichtlich ist, die oben erwähnte Vorstellung; eine Stütze bieten auch 
die Ergebnisse des Versuchs 7 mit Berlinerblausol und Albumin. 


Versuch 7. 


Es wurden je l cem Berlinerblausol (0,001 g in 1l cem) mit Albumin- 
lösung verschiedener Konzentrationen vermischt und der Mischung KU!I- 
Lösung derart beigefügt, das seine Konzentration in den Gemischen 
75 Millimol betrug. Das Gesamtvolumen der Mischungen belief sich stets 
auf 2 ccm. 


Prozentgehalt des Albumins auf ' 
den Gesamtgehalt der Kolloide | Koagulation 
in Mischung bezogen 


20 | Keine Koagulation 

9 | Sehr schwache Koagulation 

4,7 Schwache Koagulation 

2,4 Nicht vollständige Koagulation 

1 | Nicht vollständige Koagulation (stärker als die 
vorhergehende) 

0,5 Fast vollständige Koagulation 

0,25 Vollständige Koagulation 


ka ka 


Wie aus den Versuchen zu ersehen ist, beeinflussen 75 Millimol KCl 
eine vollständige Koagulation von Berlinerblau ohne Albuminzusnatz; 
0,25 Proz. Albumin, auf den Gesamtgehalt der in Lösung befindlichen 
Kolloide bezogen, bewirken eine Veränderung des Koagulationsgrades, 
welche unter gewöhnlichen Bedingungen nicht beobachtet werden 
kann. Stärkere Albuminkonzentrationen erniedrigen den Koagulations- 
grad, d.h. sie erhöhen die Beständigkeit des Berlinerblausols oder 
„schützen“ es. 


Somit führen die Angaben in der Literatur und die beschriebenen 
Versuche zu folgenden Schlüssen: 


1. Der native Eiweißstoff enthält nur Eiweißstoffanionen, die in 
gewissen Konzentrationen eine Koagulation positiv geladener Sole 


1) G. Ettisch und Runge, Kolloid-Zeitschr. 87, 26, 1925. 
2) A. Rabinerson, ebendaselbst 39, 112. 


Sensibilisierung hydrophober Kolloide. 71 


hervorrufen. In kleineren Konzentrationen sensibilisieren die Eiweiß- 
stoffanionen das Kolloid zu Neutralsalzen, weil letztere eine Bildung 
größerer Mengen dieser Anionen hervorrufen, da die Eiweißstoffsalze 
stärker dissoziiert sind als Eiweißstoffe in Form von Säuren. In stärkeren 
Konzentrationen laden sie das Kolloid um und verleihen ihm eine 
größere Beständigkeit (Schutzwirkung). 

2. Der native Eiweißstoff ruft keine Flockung und keine Sensi- 
bilisierung der negativ geladenen Kolloide hervor, weil er nur Eiweiß- 
stoffanionen enthält. Falls er im nötigen Überschuß hinzugefügt ist, 
so kann er, dank seiner stark adsorbierbaren Anionen, die Beständigkeit 
der gleichnamig geladenen Sole erhöhen (Schutzwirkung). 

3. Angesäuerter Eiweißstoff enthält Eiweißstoffkationen, weil er in 
gewissen Konzentrationen koagulierend und in stärkstem Grade um- 
ladend auf die negativen Sole wirkt. 


Die Rolle der Begleitstoffe bei der Immunisierung 
mit Peroxydasepräparaten. 


Von 
A. Samysslow. 


(Aus dem Biochemischen Institut und der Biochemischen Abteilung des 
Staatlichen Instituts für experimentelle Veterinärie in Moskau.) 


(Eingegangen am 8. Januar 1927.) 


Die Frage danach, ob die Fermente als solche antigene Eigen- 
schaften besitzen, ist noch immer ungeklärt. 

Die meisten Forscher sind der Meinung, daß es keine Antifermente 
im eigentlichen Sinne des Wortes gibt. 

So ist z. B. Bayliss (1) geneigt, die hemmende Wirkung des Serums 
nach der Behandlung von Tieren mit Fermentflüssigkeit entweder Versuchs- 
fehlern oder unzureichender Reinigung des Ferments von Eiweißstoffen 
zuzuschreiben. Zu derselben Ansicht gelangten später Abderhalden und 
Wertheimer (2), Lüers und Albrecht (3), Knaffl-Lenz (4), wie auch A. Bach 
und seine Mitarbeiter (5) (6). In vorliegender Arbeit wird über die Fort- 
setzung einer Reihe von Untersuchungen berichtet, die in dieser Richtung 
im Biochemischen Institut ausgeführt wurden. 

Bach und Mitarbeiter erklären die von ihnen beobachtete Tatsache, 
daß enzymologisch unspezifische Fermente je nach der Herkunft 
streng spezifische Sera liefern können, durch die Anahme, daß als 
Antigen nicht das aktive Fermentmolekül, sondern die mit ihm ver- 
gesellschafteten Begleitstoffe fungieren. Im Maße der Befreiung von 
diesen Begleitstoffen müßte das Ferment seine antigenen Eigenschaften 
allmählich einbüßen. Diese Voraussetzung wurde in gewissem Maße an 
der Hand von IJmmunisierungsversuchen mit Invertasepräparaten 
nachgewiesen (5). Durch geeignete Reinigung von Hefenautolysesaft 
gelang es, die antigene Fähigkeit des Präparats bedeutend herab- 
zusetzen, ohne die Fermentaktivität zu beeinträchtigen. Aus Nach- 
stehendem geht hervor, daß ein anderes Ferment, die Peroxydase aus 
Meerrettich, durch ähnliche Reinigung seiner antigenen Eigenschaften 
vollständig beraubt werden konnte. Weiterhin wurde sowohl im ersteren 
wie auch im letzteren Falle festgestellt, daß die Inaktivierung des 


A. Samysslow: Immunisierung mit Peroxydasepräparaten. 73 


Ferments durch Erhitzen keine Verringerung der antigenen Wirkung 
der Fermentflüssigkeit zur Folge hat. Dieser Umstand bestätigt eben- 
falls, daß die antigenen Eigenschaften der Fermentflüssigkeit nicht 
dem aktiven Enzym, sondern eiweißartigen, oder, allgemeiner, kolloiden 
Begleitstoffen (Willstätters „Kolloidträger‘‘) zukommen. Die Versuche 
ergaben weiter, daß Immunsera, die durch Immunisierung mit nicht 
gereinigter und gekochter Fermentflüssigkeit erhalten wurden, weder 
auf das nichtgereinigte, noch auf das gereinigte Ferment einwirken. 


In vorliegender Arbeit wurde die antifermentative Wirkung der 
Immunsera mittels zweier Verfahren untersucht. Nach dem ersten 
wurde die hemmende Wirkung der Immunsera in Lösung bestimmt; 
das zweite diente zur Ermittlung der Bindungsfähigkeit der Immunsera 
gegenüber dem Ferment. Die negativen Resultate der Immunisierung 
mit gereinigten Fermentpräparaten bestätigen nochmals die in früheren 
Arbeiten (5, 6) ausgesprochene Annahme, daß die hemmende Wirkung 
der Immunsera sekundärer Natur sei und darin bestehe, daß das Ferment 
in den beim Zusammentreffen von Antigen und Antikörper sich 
bildenden Komplex mitgerissen und dadurch teilweise inaktiviert werde. 


In keinem Falle läßt sich die hemmende Wirkung durch Verschieden- 
heiten in der Wasserstoffionenkonzentration erklären, denn alle Versuche 
wurden in Pufferlösungen ausgeführt. Letzterer Umstand ist offenbar 
dem Referenten der Kolloid-Zeitschrift (1) entgangen. 


Allgemeine Methodik. 


Als Versuchstiere wurden im ganzen 12 Kaninchen verwendet. Das 
Antigen wurde in Intervallen von 5 bis 6 Tagen in einer Menge von l cem 
pro Kilogramm Körpergewicht in die Ohrvene der Tiere eingeführt. Jedes 
Kaninchen erhielt fünf bis sechs Injektionen. Zur Untersuchung der anti- 
fermentativen Eigenschaften der Sera dienten folgende zwei Verfahren. 

Erstes Verfahren: Leem auf das Zehnfache verdünnten Serums + 1 cem 
verdünnter Fermentflüssigkeit + 2 cem Acetatpuffer (n/10, 1:8) wurden 
eine halbe Stunde lang im Thermostaten bei 37° stehengelassen. Sodann 
kamen zu dem Gemisch 1] cem Guajakollösung (0,1proz.), 5 ccm destilliertes 
Wasser und im letzten Augenblick Leem 0,05proz. H,O,-Lösung. Das 
Gesamtvolumen betrug also stets 10 cem. Nach 15 Minuten langem Stehen- 
lassen im Dunkeln bei Zimmertemperatur wurde die Flüssigkeit im Auten- 
riethschen Kolorimeter direkt auf ihren Gehalt an oxydiertem Guajakol 
untersucht. Die Vergleichslösung wurde nach Angabe von W. Engelhardt 
hergestellt (2,4 Teile 5proz. Kaliumbichromatlösung auf 100 Teile 10 proz. 
Kobaltnitratlösung, entsprechend verdünnt). 

Das zweite Verfahren ist dasjenige des fixierten (adsorbierten) Anti- 
körpers (9). Es beruht auf der Fähigkeit des Kaolins, die Eiweißstoffe 
des Serums zu adsorbieren, darunter auch diejenigen, von denen die Anti- 
körpereigenschaften des Serums abhängen (vgl. A. Bach, W. Engelhardt 
und A. Samysslow). Dieses Verfahren wurde folgenderweise angewendet. 
l ccm auf das Zehnfache verdünnten Serums + 1 cem Acetatpuffer wurden 
10 Minuten lang mit 1 cem 5proz. Kaolinsuspension stehengelassen. Sodann 


74 A. Samysslow: 


wurde das Gemisch zentrifugiert, die Flüssigkeit abgegossen und der Nieder- 
schlag in Leem verdünnter Fermentflüssigkeit + 2ccm Acetatpuffer ab- 
geschwemmt und eine halbe Stunde bei Zimmertemperatur stehengelassen. 
Besaß das Serum antigene Eigenschaften, so erfolgte Bindung des Ferments 
an den Niederschlag; im entgegengesetzten Falle blieb das Ferment in 
Lösung. Das Gemisch wurde nun von neuem zentrifugiert und die über- 
stehende Flüssigkeit in üblicher Weise auf ihren Fermentgehalt untersucht 
(Guajakol- und H,O,-Mengen, sowie Gesamtvolumen wie beim ersten 
Verfahren). Als Kontrolle dienten in beiden Verfahren Versuche mit 
normalem Serum, die gleichzeitig unter genau den gleichen Bedingungen 
angestellt wurden. Zum zweiten Verfahren ist zu bemerken, daß auf ver- 
schiedene Weise hergestelltes Kaolin ungleiche Adsorptionsfähigkeit auf- 
weist. Es muß deswegen für jede Sorte Kaolin durch Vorversuche die 
Menge festgestellt werden, die zur vollständigen Adsorption der Eiweiß- 
stoffe (z. B. aus 0,1l ccm Serum) erforderlich sind. Reines Kaolin ohne 
Serum adsorbiert in der von uns angewandten Menge ungereinigte Per- 
oxydase nur in ganz geringem Maße. Deswegen sind, obwohl die ent- 
sprechende Kontrolle jedesmal ausgeführt wurde, die zugehörigen Zahlen 
nicht in die nachstehenden Tabellen aufgenommen worden. 


Immunisierung mit ungereinigtem Perorydasepräparat. 


Als Antigen diente ein wässeriger Auszug aus den Wurzelstöcken 
des Meerrettichs, der auf folgende Weise hergestellt wurde. 


3kg Meerrettich wurden 24 Stunden in Leitungswasser mazeriert. 
Nach Abschaben der Haut wurden die Wurzelstöcke in dünne Scheibchen 
zerschnitten und 6 Tage lang gegen fließendes Wasser dialysiert [vgl. Will- 
stätter und Stoll (Gil: sodann wurden sie in einer gewöhnlichen Fleisch- 
hackmaschine zerkleinert. Der erhaltene Brei wurde mit destilliertem ` 
Wasser angerührt und eine Woche lang unter Toluol stehengelassen. Darauf 
wurde die fermenthaltige Flüssigkeit mittels einer Handpresse ausgepreßt. 
Die anfänglich trübe Flüssigkeit klärte sich nach zweitägigem Stehen 
durch Absetzen der unlöslichen Zellelemente. Die klare Flüssigkeit wurde 
zur Immunisierung und zur Herstellung des gereinigten Ferments ver- 
wendet. 

Die Kaninchen erhielten l cem dieser Flüssigkeit pro 1 kg Körper- 
gewicht. Zu den Versuchen mit dem Serum wurde die Stammlösung auf 
das 300 fache mit destilliertem Wasser verdünnt. Leem dieser Verdünnung 
gab unter den beschriebenen Versuchsbedingungen in 15 Minuten bei 
Zimmertemperatur etwa 0,190 mg oxvdiertes Guajakol. Die Resultate 
der Immunisierung sind in folgenden Tabellen zusammengestellt. In sämt- 
lichen Tabellen bedeuten die Zahlen die Menge oxydierten Guajakols in 
Milligrammen. 

Erstes Verfahren. 


Wirkung des Immunserums in Lösung. 


Immunserum 


Kaninchen Nr. Normalserum — nach 5 Injektionen 
1 E SÉ 
2 0.180 0,115 
3 0,210 0,135 
4 0210, 01 


Immunisierung mit Peroxydaseprüparaten. 75 


Zweites Verfahren. 


Wirkung des Immunserums in adsorbiertem Zustande. 


Kaninchen 


Nr. Normalserum | nach 3iniektionen Normalserum | pach $ Injektionen 
1 0,180 | 0,164 0,189 0,138 

2 0,173 | 0,098 Im > 0,037 

3 0,188 | 0,059 | 0,188 | 0 

4 0,190 | 0,090 | 0,188 | 0,037 


Aus den Tabellen ist ersichtlich, daß das Serum mit ungereinigter 
Peroxydaseflüssigkeit behandelter Kaninchen die Fähigkeit erwirbt, 
die Wirkung der Peroxydase zu hemmen. Die hemmende Wirkung 
nimmt mit der Anzahl der Injektionen zu. 


Immunisierung mit gekochter Fermentflüssigkeit. 


Der oben beschriebene Meerrettichextrakt wurde auf dem Wasserbade 
gekocht. Nachdem die Flüssigkeit eine halbe Stunde lang in siedendem 
Wasser erhitzt wurde, bildete sich ein Niederschlag. Die abfiltrierte Flüssig- 
keit wies noch eine schwache Peroxydasewirkung auf. Die Flüssigkeit 
wurde abermals eine Stunde lang auf dieselbe Weise erhitzt; dabei ver- 
schwanden ihre fermentativen Eigenschaften vollständig. In diesem Zu- 
stande wurde die Flüssigkeit zur Immunisierung verwendet; dabei wurde 
vor jeder Injektion durch einen Kontrollversuch die Abwesenheit von 
Peroxydase gesichert. Es erwies sich, daß die Sera von zwei mit gekochter 
Fermentflüssigkeit immunisierten Kaninchen gegen aktives Ferment 
wirksam waren. 


Erstes Verfahren. Serum in Lösung. 


| Immunserum 


Kanincben Nr. | Normalserum | nach 5 Injektionen 
5 0.210 0,146 
6 0,210 0,159 


Zweites Verfahren. Serum adsorbiert. 


P CH i 
"HOT || Normalserum nich Een Ä Normalserum | SEET 
eg oe See ee i] E SE E AEN Ke, SE mee mn 
5 0,190 | 0,039 | ug | Spuren 
6 0,190 | oun `, 0,178 0,044 


Aus den Tabellen ist ersichtlich, daß durch Zerstörung des Ferments 
durch Erhitzen die antigenen Eigenschaften der Flüssigkeit nicht 
veıringert werden. Das Auftreten antifermentativer Eigenschaften 
im Serum wird augenscheinlich nicht durch den aktiven Anteil des 
Ferments bewirkt, sondern durch andere, mit dem Ferment assoziierte 
Stoffe. Allem Anschein nach ist die antigene Wirksamkeit der Ferment- 


76 A. Samysslow: 


flüssigkeit gewissen, schwer vom Ferment zu trennenden Begleitstoffen 
zuzuschreiben. 

Diese Vermutung wird durch die weiteren Versuche der Immuni- 
sierung mit gereinigtem Ferment bestätigt. 

Bevor wir zu diesen Versuchen übergehen, möchten wir noch 
darauf hinweisen, daß in dem beim Versuch nach dem zweiten Ver- 
fahren erhaltenen Niederschlag aus Kaolin, Serumeiweiß und ge- 
bundenem Ferment letzteres seine Wirksamkeit, wenn auch in ab- 
geschwächtem Maße, beibehält. Wie aus nachstehender Tabelle er- 
sichtlich, tritt unter diesen Bedingungen mit Normalserum praktisch 
keine Adsorption des Ferments auf. 


| Nach 5 Injektionen 


Sanipeen. NIE. Niederschlag Niederschlag 
| mit Normalserum mit Immunserum 


1 0 | 0,114 
2 Spuren 0,070 
3 0 | 0,094 
4 Spuren 0,088 


Immunisierung mit gereinigtem Fermentpräparat. 


Der wässerige Auszug aus Meerrettich wurde folgender Be- 
arbeitung unterworfen. 


1500 cem des Extrakts wurden mit 200 ccm kalt gesättigter Sublimat- 
lösung versetzt. Der ausfallende, ziemlich voluminöse Niederschlag wurde 
abfiltriert und durch die Flüssigkeit 20 Minuten lang Schwefelwasserstoff 
durchgeleitet. Die abermals filtrierte Flüssigkeit wurde mit dem sechs- 
fachen Volumen 96proz. Alkohols gefällt (vgl. Willstätter und Stoll, l. c.). 
Nach der Sedimentierung der ausfallenden Flocken wird die alkoholisch- 
wässerige Lösung dekantiert und der Niederschlag in 200 cem destillierten 
Wassers gelöst. Die so erhaltene gelbliche Fermentlösung wurde zur Immu- 
nisierung verwendet. Die Lösung gab weder die Biuretreaktion noch eine 
Fällung mit dem Spieglerschen Reagens. Die Kaninchen erhielten l ccm 
dieser Lösung pro 1l kg Körpergewicht. 

Zu den Versuchen mit dem Serum wurden Verdünnungen von 1: 1000 
angewandt. 

In den folgenden Tabellen sind die Resultate der Immunisierung 
wiedergegeben. 


Zweites Verfahren. Serum adsorbiert. 


Ä 


Kaninchen Nr. l Normalserum ñ ee 
7 | 0,123 0.118 
8 0,125 0,125 
9 | 0,188 0.188 
10 | 0,188 0,188 
11 | 0,188 0,186 
12 | 0,190 0,188 


Immunisierung mit Peroxydasepräparaten. 77 


Die Aktivität der zur Immunisierung verwendeten gereinigten 
Fermentlösung war dreimal so stark wie die des ungereinigten Aus- 
gangsprodukts. Dessenungeachtet gelang es nicht, im Serum der 
Versuchstiere eine Spur von Immuneigenschaften nachzuweisen. Aus 
diesen Versuchen geht hervor, daß das Ferment an und für sich kein 
Antigen ist, es kann jedoch auch nach Verlust seiner antigenen Wirksam- 
keit die Immunitätsreaktion mit Seren geben, die bei der Immunisierung 
von Kaninchen mit ungereinigter und sogar mit gekochter Ferment- 
lösung erhalten wurden. Nachstehende Tabelle läßt dieses deutlich 
ersehen. 

Zweites Verfahren. 
Immunisierung mit ungereinigter, Prüfung der Sera mit gereinigter 
Peroxydase. 


| Normalserum Immunserum 


Kaninchen Nr. | | nach 5 Injektionen 


2 Immunisierang mit 0,180 0,042 
3 | aktivem ungereinigten | 0,180 0 

4 Präparat 0,180 0,068 
5 i Immunisiert mit ) 0,180 Spuren 
6 gekochtem Präparat 0,180 0,042 


Es ist möglich, daß die antigenen Eigenschaften von einem Komplex 
aus Eiweißstoffen und dem ‚‚Kolloidträger‘‘ Willstätters, des Ferment- 
moleküls, abhängen. Es wäre interessant, Komplexe aus gereinigtem 
Ferment und wohldefinierten Eiweißstoffen darzustellen und Tiere 
mit solchen Gemischen zu immunisieren. Möglicherweise könnten 
dabei im Serum antifermentative Eigenschaften auftreten, die den im 
vorangehenden beschriebenen ähnlich sind. In der Literatur über 
Immunität wird über ähnliche Erscheinungen berichtet, die als heterogene 
oder Partialantigene oder Haptene Landsteiners bezeichnet werden. 


Zusammenfassung. 


l. Die parenterale Einführung von wässerigem Extrakt aus den 
Wurzelstöcken des Meerrettichs bewirkt bei Kaninchen das Auftreten 
antiperoxydatischer Eigenschaften im Serum. 

2. Die antifermentativen Eigenschaften der Sera äußern sich in 
Bindung der Peroxydase und Hemmung ihrer Wirkung. 

3. Durch Immunserum gebundene Peroxydase behält im ge- 
bundenen Zustande teilweise ihre Wirksamkeit. 

4. Durch Kochen werden die Antigeneigenschaften der ungereinigten 
Fermentflüssigkeit nicht abgeschwächt; es werden dabei Sera erhalten, 
die nicht minder wirksam sind als die bei der Immunisierung mit aktiver 
ungereinigter Fermentflüssigkeit erhaltenen. 


78 A. Samysslow: Immunisierung mit Peroxydasepräparaten. 


5. Weitgehende Reinigung der Fermentflüssigkeit führt zum 
Verlust der antigenen Eigenschaften bei intakter Fermentaktivität. 


6. Die unter 4. und 5. angeführten Ergebnisse berechtigen zu der 
Annahme, daß der aktive Anteil des Ferments nicht als Antigen an- 
gesprochen werden kann. 


Literatur. 


1) W. M. Bayliss, The nature of enzyme action. 1919. — 2) E. Abder- 
halden und E. Wertheimer, Fermentforschung 6, 286, 1923. — 3) H. Lüers 
und F. Albrecht, ebendaselbst 8, 52, 1923. — 4) E. Knaffl-Lenz, Zeitschr. 
f. physiol. Chem. 120, 110, 1922. — 5) A. Bach und W. Engelhardt, diese 
Zeitschr. 148, 456, 1924. — 6) A. Bach, W. Engelhardt und A. Sam ysslow, 
ebendaselbst 160, 261, 1925. — 7) Kolloid-Zeitschr. 88, 352, 1926. — 
8) Willstätter und Stoll, Liebigs Ann. d. Chem. 416, 21, 1918. — 9) W. Engel- 
hardt, diese Zeitschr. 148, 463, 1924. 


Über die Kohlenstoffausbeute bei der Photosynthese 
unter natürlichen Verhältnissen. 


Von 


S. Kostytschew, K. Bazyrina und G. Wassilieff. 


(Aus dem Laboratorium für Biochemie der Pflanzen der russischen Akademie 
der Wissenschaften und dem Peterhofschen Forschungsinstitut.) 


(Eingegangen am 8. Januar 1927.) 


Sachs!) war wohl der erste, der die überaus wichtige Frage der 
quantitativen Ausbeute an organischen Stoffen bei der Photosynthese 
der chlorophyllführenden Pflanzen einer eingehenden Betrachtung 
unterzog und auch experimentell zu lösen versuchte. Unter Anwendung 
seiner bekannten ,Blatthälftenmethode““ hat der genannte Forscher 
die ersten Untersuchungen über den täglichen Stoffgewinn der Laub- 
blätter verschiedener Pflanzen ausgeführt und gelangte zu folgenden 
Ergebnissen: Unter Berücksichtigung der Stoffauswanderung aus dem 
Blatte ergibt sich als maximaler Assimilationswert pro Quadrat- 
meter der Blattfläche in einer Stunde 1,8g für Helianthus annuus und 
l,ög für Cucurbita pepo. 

Diese enorm hohen Zahlen wurden von Brown und Escombe?) 
durch ihre direkte Methode der CO,-Bestimmung im Luftstrom nicht 
bestätigt. Nach den Angaben der britischen Forscher wird der Assimi- 
lationswert verschiedener Pflanzen durch folgende Zahlen ausgedrückt: 


‚, Ausbeute (als Zucker ber.) 


Pflanze 
g 
Helianthus annuus. . . . 0,359 —0,551 
Tropaeolum majus. . . . 0.166— 0,305 
Pulygonum Weyriehi `, . 0,347 —0,593 
Catalpa bignoivides . . . 0,468 
Petasites albus . . ... 0,359 


1) J. Sachs, Arb. d. bot. Inst. in Würzburg 8, 1, 1884. 
23) H. T. Brown and F. Escombe, Proc. of the Roy. Soc. of London (B) 
16, 29, 1905. 


80 S. Kostytschew, K. Bazyrina, G. Wassilieff: 


Zahlen, welche sich auf die verschiedenen Pflanzen beziehen, 
können miteinander nicht verglichen werden, da die Versuche unter 
sehr ungleichen äußeren Verhältnissen ausgeführt worden waren; 
trotzdem ergibt sich aus sämtlichen Zahlen das folgende eindeutige 
Resultat: Die Ausbeuten waren in den Versuchen von Brown und 
Escombe im Durchschnitt drei- bis fünfmal niedriger als in Versuchen 
von Sachs. Die Untersuchungen von Giltay!) ergaben Zahlen von der- 
selben Ordnung. Dieser Forscher arbeitete ebenfalls im Luftstrom. 
Nachstehend sind einige Angaben Giltays über die CO,-Verarbeitung 
auf einfache Zucker umgerechnet: 


Pflanze l Ausbeute 
BR see d 
Helianthus annuus . . . 2.2... et 0,381 
a en a ECKE 0,491 
Nicotiana rustica . . 2 2 2 2 2 2 2. 0,314 
= a le e in Biel ee nei Far de ae 0,423 
Cedrella serrulata. . . . 2.222... I 0,573 
Acalypha tricolor. . . . 2 2.2.2.0. I 0,477 


Zahlen von derselben Größenordnung finden sich auch in der 
Arbeit von Boysen-Jensen?), der ebenfalls im Strome der atmosphäri- 
schen Luft experimentierte. 


Auf den ersten Blick scheint die oben dargelegte Kontroverse 
einfach durch die der indirekten Blatthälftenmethode anhaftenden 
Fehler erklärbar zu sein. Unter diesen Versuchsfehlern ist wohl der 
folgende am schwersten zu bekämpfen: Die Auswanderung der Assi- 
milate findet auch am Lichte ununterbrochen statt; dieselbe kann aber 
nur an anderen Blättern quantitativ geschätzt werden, die gleichzeitig 
mit den am Lichte exponierten total verdunkelt sind. Dieses Ver- 
fahren ist gewiß nicht sehr zuverlässig, um so mehr, als es unbekannt 
bleibt, ob die Belichtung für die Entleerung der Chloroplasten nicht 
von Belang ist. Die möglicherweise ungleiche physiologische Leistungs- 
fähigkeit der beiden Blatthälften bildet ebenfalls eine schwer kon- 
trollierbare Fehlerquelle.e Außerdem könnte die Blattfläche während 
der Exposition nicht konstant bleiben. 


Thoday?) hat die Blatthälftenmethode einer experimentellen 
kritischen Untersuchung unterzogen und verschiedene Verbesserungen 
eingeführt. Dieser Forscher kommt auf Grund seiner eingebenden 
Versuche zu dem Schluß, daß, ungeachtet der oben erwähnten Mängel, 
die Größe der Sachsschen Ausbeuten nicht übertrieben ist. Die nach 


1) E. Giltay, Ann du jardin bot. de Buitenzorg 15, 43, 1898. 
2) Boysen-Jensen, Bot. Tiddskr. (Kopenhagen) 36, 219, 1918. 
3) O. Thoday, Proc. of the Roy. Soc. (B) 82, 1, 421, 1909. 


Kohlenstoffausbeute bei der Photosynthese. sl 


der Methode von Thoday ausgeführten Versuche von Kostytschew und 
seinen Mitarbeitern!) lieferten Resultate, die mit denjenigen Thodays 
übereinstimmen. 


Die Sachsschen Resultate wurden übrigens auch durch die älteren 
nach der Blatthälftenmethode ausgeführten Untersuchungen von 
A. Müller?) bestätigt. In Anbetracht der so eindeutigen Ergebnisse, 
die von verschiedenen Forschern mit verschiedenen Pflanzen erhalten 
worden sind, taucht die Frage auf, ob die Methode der Luftdurchleitung, 
die an und für sich frei von unkontrollierbaren Fehlerquellen ist, immer 
unter Einhaltung aller notwendigen Vorsichtsmaßregeln verwendet 
wurde. Dies war in der Tat nicht der Fall. 


Die ersten Versuche im Lufstrom hat der große Agrikulturchemiker 
Boussingault’) im Sommer 1840 ausgeführt. Er hat eine Weinrebe 
mit 20 Blättern in einen Glasballon von 15 Liter Inhalt eingeschlossen 
und durch den Ballon einen Luftstrom geleitet. Die Geschwindigkeit 
des Luftstromes betrug 15 Liter in einer Stunde. Das Kohlendioxyd 
wurde in einer Reihe von Absorptionsgefäßen aufgefangen, und zwar 
gleichzeitig auch in einem anderen Luftstrom von derselben Geschwindig- 
keit, der den Ballon nicht passierte. Dieser Versuch, der als Vorbild 
für alle nachfolgenden diente, war eigentlich ein qualitativer: es handelte 
sich darum, die Frage zu beantworten, ob die Pflanze imstande ist, 
den spärlichen CO,-Vorrat der atmosphärischen Luft auszunutzen. 
Es ergab sich tatsächlich, daß die Luft nach Durchstreichen des Pflanzen- 
behälters bedeutend CO,-ärmer wird. 


Diese Methode wurde alsdann von Kreusler?) übernommen, der 
sie aber zu quantitativen Bestimmungen verwendete. Zu diesem Zwecke 
hielt es Kreusler für notwendig, die Geschwindigkeit des Luftstromes 
auf 60 Liter zu steigern, ‚,... denn es läßt sich mit gutem Grund ein- 
wenden, daß eine Luftzufuhr von nur 15 Liter mit rund 6ccm oder 
12? mg Kohlendioxyd pro Stunde weder dem normalen Bedarf jener 
Pflanze, noch der normalen Versorgung, wie sie in freier Luft vor sich 
geht, einigermaßen entspricht.“ Leider hat Kreusler keine Kontroll- 
prüfungen darüber angestellt, ob auch eine Luftstromgeschwindigkeit 
von 60 Litern in einer Stunde für seine Versuchsverhältnisse ausreichend 
war. Brown und Escombe (a.&.0.) haben bei ihren in analytischer 
Hinsicht mustergültigen Untersuchungen die Geschwindigkeit des 
Luftstromes bis auf 150 Liter pro Stunde gesteigert, verwendeten aber 


1) S. Kostytschew, M. Kudriavzewa, W. Moissejewa und M. Smirnowa, 
Planta 1, 679, 1926. 
2) A. Müller, Jahrb. f. wiss. Bot. 40, 443, 1904. 
3) J. B. Boussingault, Économie rurale 1, 1841. 
t) U. Kreusler, Landw. Jahrb. 14, 913, 1885; 16, 711, 1887. 
Biochemische Zeitschrift Band 182. 6 


82 S. Kostytschew, K. Bazyrina, G. Wassilieff: 


hierbei auch sehr große Blattflächen. Es ist einleuchtend, daß bei so 
bedeutenden Luftstromgeschwindigkeiten die allgemein gebräuchlichen 
Absorptionsmethoden versagen und besondereC O,-absorbierende Appara- 
turen ersonnen werden mußten. In den Versuchen Giliays (a. a O.) 
erreichte die Geschwindigkeit des Luftstromes 25 bis 40 Liter in einer 
Stunde. 

Es ist freilich verwunderlich, daß alle Forscher ihre Versuchs- 
pflanzen bloß durch Herstellung einer sehr großen Geschwindigkeit des 
Luftstromes vor CO,-Mangel zu sichern suchten, ohne die assimilierende 
Blattfläche in Betracht zu ziehen. Es bedarf aber keiner besonderen 
Erläuterung, daß die jeweilige CO,-Konzentration im Blattbehälter 
nicht nur von der Geschwindigkeit des Luftstromes, sondern auch von 
der Größe der assimilierenden Blattfläche und vom relativen Volumen 
des Behälters abhängt. Die Bedeutung der Blattfläche hat erst Boysen- 
Jensen (a a. O.) hervorgehoben; er wies darauf hin, daß die erheblichen 
Schwierigkeiten der CO,-Absorption im Luftstrom von einer ungemein 
großen Geschwindigkeit dadurch zu umgehen sind, daß man die großen 
Blattflächen von Brown und Escombe durch mehrmals geringere ersetzt. 
In diesem Falle erhält man unter Verwendung entsprechend geringerer 
Luftstromgeschwindigkeiten dasselbe Verhältnis der Luftmenge zur 
Blattfläche, das in Versuchen von Brown und Escombe bestand. Die 
absoluten CO,-Mengen sind zwar bei Anwendung kleiner Blattflächen 
unbedeutend, man kann jedoch der hiermit verbundenen Fehlerquelle 
durch Verfeinerung der analytischen Bestimmung vorbeugen. Dies 
ist ganz richtig, allein es kommt gerade darauf an, die Frage zu lösen, 
ob das Verhältnis der Luftmenge zur Blattfläche auch in den Versuchen 
von Brown und Escombe ein derartiges war, daB die Versuchspflanze 
nicht an CO,-Mangel litt. 

Bei unseren eigenen Untersuchungen verwendeten wir ein Ab- 
sorptionsgefäß, das eine von uns (Bazyrina) nach dem Prinzip des- 
jenigen von Brown und Escombe konstruiert hat. Das Bazyrinasche 
Gefäß besteht aber lediglich aus Glas und wird nicht mit Natronlauge, 
sondern mit Barytlösung gefüllt, wodurch die CO,-Bestimmungen 
bedeutend vereinfacht werden. Die ausführliche Beschreibung des 
Gefäßes wird an anderer Stelle erfolgen; hier beschränken wir uns auf 
folgende Hinweise: Bei einer Luftstromgeschwindigkeit von 20 bis 
25 Liter pro Stunde wird die Gesamtmenge von Kohlendioxyd durch 
eine n/40 bis n/50 Barytlösung restlos absorbiert und es genügen also 
zur Titration die auf 0,0l cem kalibrierten Büretten. Bei größeren 
Geschwindigkeiten des Luftstromes ist es ratsam, entweder konzen- 
triertere Barytlösungen zu verwenden oder zwei Gefäße nacheinander 
einzuschalten. Die Versuche mit sehr geringen CO,-Mengen erfordern 
selbstverständlich die Einhaltung spezieller Vorsichtsmaßregeln bei 


Kohlenstoffausbeute bei der Photosynthese. 83 


der Entleerung des Absorptionsgefäßes und der Titration; auf diese 
Einzelheiten wollen wir aber nicht eingehen, da dieselben von 
verschiedenen Forschern besprochen worden sind. Es sei auch 
nur beiläufig bemerkt, daß unsere zahlreichen, mit Hilfe des 
obigen Absorptionsgefäßes ausgeführten Analysen der atmosphärischen 
Luft die folgende Behauptung Lundegardhs!) bestätigen: Der CO,- 
Gehalt der Luft ist so bedeutenden Schwankungen unterworfen, daß 
von einem „CO,-Vorrat‘‘ der Atmosphäre kaum die Rede sein kann; 
es existiert vielmehr bloß ein dynamisches Gleichgewicht zwischen 
CO,-Produktion und CO,-Absorption. 

Was nun speziell die Frage der photosynthetischen Ausbeute 
anbelangt, so haben wir zum ersten Male die methodische Seite der 
Luftdurchleitung allseitig geprüft, d. i. die Geschwindigkeit des Luft- 
stromes ermittelt, bei welcher eine bestimmte Blattfläche unter be- 
stimmten Verhältnissen mit voller Intensität arbeitet. Dies kann 
man auf folgende Weise feststellen: Bleibt die Assimilationsintensität 
bei den beiden ungleichen Luftstromgeschwindigkeiten v, und v, konstant, 
so ist die geringere Geschwindigkeit v, unter den gegebenen Bedingungen 
eine ausreichende; ist dagegen die Ausbeute bei v, größer als bei v,, 
so muß eine noch größere Geschwindigkeit v, geprüft werden usw., bis 
man eine konstante Ausbeute erhält. 


Wir glauben auf die Wiedergabe dieser peinlichen Kontrollprüfungen 
verzichten zu dürfen und teilen nur das folgende endgültige Resultat 
mit: Die normale Assimilationsintensität der meisten von der Pflanze 
nicht abgetrennten Blätter wird nur durch einen Luftstrom gesichert, 
dessen Geschwindigkeit mindestens 1 Liter in einer Stunde auf je l qem 
der Blattfläche beträgt. In einigen Fällen erwies sich eine noch größere 
Luftstromgeschwindigkeit als notwendig; infolgedessen benutzen wir 
meistens einen Luftstrom von mindestens 1,5 Liter pro Stunde und 
1 qem Blattfläche. Hierbei ist noch zu beachten, daß obiges Verhältnis 
nur bei Verwendung möglichst kleiner Blattbehälter besteht. Wir 
verwenden als Versuchsgefäße kleine Glaskammern und Glasröhren, 
die der Form der Blätter angepaßt sind und deren Volumen 
in Kubikzentimetern die Zahl der Quadratzentimeter der Blattfläche 
nicht übersteigt. Wir arbeiten immer im Freien mit einzelnen, von 
der Mutterpflanze nicht abgetrennten Blättern, die in der Mündung 
der Kammer locker befestigt sind. Die Kammer kommuniziert un- 
mittelbar mit dem Absorptionsgefäß, nach welchem noch eine kleine 
Kontrollflasche mit Barytwasser eingeschaltet wird. In kurzdauernden 
Versuchen ist es nach unseren Erfahrungen ratsam, auf Luftpumpen 
und Gasuhren zu verzichten und einen Luftstrom von erwünschter 


1) H. Lundegardh, Der Kreislauf der Kohlensäure in der Natur. 1924. 
6* 


84 S. Kostytschew, K. Bazyrina, G. Wassilieff: 


Geschwindigkeit durch Herausfließen des Wassers aus großen, kali- 
brierten, pipetteähnlichen Gefäßen herzustellen. Diese Gefäße können 
leidlich durch geräumige kalibrierte Glasflaschen mit Ausflußrohr 
ersetzt werden. Gleichzeitig wird ein Luftstrom von genau derselben 
Geschwindigkeit durch ein anderes Absorptionsgefäß geleitet, ohne 
mit dem Blatte in Berührung zu kommen. Die Differenz der beiden 
C O,-Bestimmungen ergibt die photosynthetische Ausbeute des Blattes. 


Untersucht man die einschlägige Literatur, so vergewissert man 
sich leicht davon, daß obiges Verhältnis zwischen Blattfläche und 
Geschwindigkeit des Gasstromes nie eingehalten wurde. Außerdem hat 
man immer übermäßig große Pflanzenbehälter verwendet. Man glaubte 
schließen zu dürfen, daß ein Laubblatt nicht an CO,-Mangel leidet, 
wenn es nicht die Gesamtmenge von Kohlendioxyd aus der durch- 
streichenden Luft absorbiert. Diese Annahme ist aber durchaus irrig; 
macht der CO,-Gehalt der aus dem Blattrezipient heraustretenden 
Luft etwa die Hälfte des normalen CO,-Gehalts aus, so sinkt bereits 
die Intensität der Photosynthese auffallend stark. In ihrer ersten 
Arbeit haben Brown und Escombe!) dargetan, daß bei Steigerung des 
CO,-Gehalts die Ausbeute innerhalb eines bestimmten Intervalls im 
linearen Verhältnis zum jeweiligen CO,-Gehalt bleibt. Diese Regel 
gilt jedoch nur für CO,-Konzentrationen, welche die normale C0,- 
Konzentration in der atmosphärischen Luft übersteigen. Unterhalb 
des normalen C O,-Gehalts sinkt die Photosynthese in einem schnelleren 
Tempo. Überblickt man die Versuchstabellen sämtlicher Forscher, 
welche die photosynthetische Ausbeute im Strome der atmosphärischen 
Luft ermittelten, so ersieht man sofort, daß in den meisten Fällen eine 
größere Ausbeute in denjenigen Versuchen zu verzeichnen ist. in welchen 
das Verhältnis der durchgelassenen Luftmenge zur Blattfläche ebenfalls 
größer ist als in anderen durchschnittlichen Versuchen. Eine normale 
Ausbeute wurde aber in Versuchen im Luftstrom noch nie erreicht. 

In den nachstehenden Tabellen haben wir die maximalen Ausbeuten 
einiger unserer Versuche im Luftstrom von einer ausreichenden Ge- 
schwindigkeit zusammengestellt. Alle diese Versuche lieferten voll- 
kommen eindeutige Resultate: Im Luftstrom, also durch direkte C 0,- 
Bestimmungen erhält man dieselben enorm großen Ausbeuten, welche 
die Blatthälftenmethode ergibt. Die Geschwindigkeit des Luftstromes 
war in allen nachstehenden Versuchen gleich entweder 20 oder 12 Liter 
pro Stunde, und ein jeder Versuch dauerte 30 Minuten. Als Ab- 
sorptionsflüssigkeit diente n/40 Barytlösung. lcem dieser Lösung 
entspricht etwa 0,75 mg CO,. Es konnten daher Hunderstel eines 
Milligramms sicher ermittelt werden. 


1) H. T. Brown and F. Escombe, Proc. of the Roy. Soc. 70, 397, 1902. 


Kohlenstoffausbeute bei der Photosynthese. 85 


Alchemilla sp. Blattfläche 5,2 qcm. 
In 30 Minuten 10 Liter Luft durchgelassen. 


| Ausbeute auf 1 om Blattfläche 
C O3-Ausbeute 
Ä CO; Zucker 

oom a | __e__ 
Lon | 3,85 2,62 
17,5— 18 5,76 | 5,02 0,74 2,85 1,94 
19—20 584 Bum 0,82 3,15 2,15 
22—19 6,03 5,22 0,81 31 | 2312 
15—14 6,09 5,62 0,47 1,80 | 1,23 
14 5,96 529 067 | 258 ' 17% 


Alchemilla sp. Blattfläche 4,95 qem. 
In 30 Minuten 10 Liter Luft durchgelassen. 


} Kohlendioxyd 1 1 Ausbeute auf 1 qm Blattfläche 
Temperatur °C OrAusbeute 

| Kontrolle Versuch d , CO; Zucker 

SE E EE EN Ree GE 
11 6,09 5,43 vu um 2,67 | 1,82 
14—15 Gm 5,02 11 408 2,78 
16—17 5,69 5,09 1 0,60 | 2,42 1,65 
18—19 , 5,89 5.09 | 0,80 323 TI 220 


Plantago major. Blattiläche 5,3 qem. 
In 30 Minuten 10 Liter Luft durchgelassen. 


i Kohlendioxyd 2 Ausbeute auf 1 qm Blattfläche 
Temperatur e COpAusbeute —— ~ 
d kontrolle `, Versuch | CO, Zucker 
A mg I mg "mg d | g 
Eesen = = H = = = ri pa à E 
11—12 6,29 | 5,62 | 0,67 2,57 1,75 
15—16 5,68 am 060 o 228 1,54 
16—17 5,76 än j O47 LI 1.21 


Betula pubescens. DBlattfläche 5,8 qem. 


In 30 Minuten 10 Liter Luft durchgelassen. 
en 


Kohlendioxyd | Ausbeute auf 1 qm Blattflache l 
Temperatur —— — — — °C Os, Ausbeute —— ————————— ~ — 
| Kontrolle Versuch | CO3 Zucker 
ze | o ng mg , mg | mg | g 
=ar = SE i -_ a 
14—15 5,81 | 537 0M 1852 1.04 
20—21 ı 5,56 A0 08 > 200 1.36 
22—23 581 5,22 0,59 2.03 1.38 


19—17 | 614 = 549 065 224 18 


86 S. Kostytschew, K. Bazyrina, G. Wassilieff : 


Phleum pratense. Blattfläche 6 qem (ausgeschnitten). 
In 30 Minuten 6 Liter Luft durchgelassen. 


| Kohlendioxyd | ı Ausbeute auf 1 qm Blattfläche 
Temperatur ` CC O2»Ausbeute ———— 
| Kontrolle Versuch \ CO, Zucker 
oC 8 mg mg mg g R 
20—22 | 3,02 au O68 "Aa 1,55 
17 Ian 28 051% ER 
19—20 | 3,09 268 ` 0,41 E 1,37 0,93 
20 | 3,09 227 082 | 278 1,86 
20—22 2,81 | 2,13 | 0,68 | 2,27 1,55 


Trifolium pratense. Blattfläche 6 qem (ausgeschnitten). 
In 30 Minuten 6 Liter Luft durchgelassen. 


` Kohlendioxyd ' Ausbeute auf I qm Blattfläche 
Temperatur COasAusbeute | — 

| Kontrolle ' Versuch CO, Zucker 

oC mg | mg mg | g E g 
| | i 

22 3,30 don | mu | 2,33 1,59 

24 3.36 2,68 0,68 | Zä 1,55 

22 3.85 | 2,81 1,04 3,37 2,37 

20 333 | 2,58 0.75 250 1.70 

23 3,17 | 2,47 0,70 2,33 1,59 


Wir sehen also, daß die bei Luftdurchleitung erhaltenen Ausbeuten 
denjenigen durchaus entsprechen, welche von Sachs, Thoday, Müller 
und Kostytschew mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe der Blatthälften- 
methode dargetan worden sind. Der Widerspruch zwischen den Re- 
sultaten der direkten Methode und der Blatthälftenmethode ist also 
aufgehellt und beseitigt. Es liegt uns ferne, zu behaupten, daß alle 
Resultate der früheren Untersuchungen im Luftstrome wegen CO. 
Mangels nicht zuverlässig seien; wir betonen nur den Umstand, daß die 
Intensität der Photosynthese unter natürlichen Verhältnissen auf Grund 
dieser Resultate nicht beurteilt werden kann. 


Es ist ohne weiteres begreiflich, daß ein regelmäßiger Verlauf 
der Synthese organischer Stoffe mit der in unseren Versuchen er- 
mittelten Geschwindigkeit solche Ernten zur Folge hätte, die tatsächlich 
nicht vorkommen und in Anbetracht der regulierenden Wirkung der 
Gestaltungskorrelationen auch kaum denkbar sind. Nun scheint es, 
daß der zeitliche Verlauf einer photochemischen Reaktion in der lebenden 
Zelle nicht reguliert werden kann; die physiologische Regulierung 
erfolgt also nur dadurch. daß die Photosynthese, je nach Bedarf, ent- 
weder gänzlich eingestellt oder mit voller Intensität in Gang gesetzt 
wird. Der Aufbau organischer Stoffe geht auf diese Weise nicht kon- 
tinuierlich vor sich; es werden vielmehr Ruhepausen eingeschaltet. 


Kohlenstoffausbeute bei der Photosynthese. 87 


Diese Eigentümlichkeit des Tagesverlaufs der Photosynthese wurde 
bereits von Kosiytschew und seinen Mitarbeitern (a.a.O.) hervor- 
gehoben. Auch die von verschiedenen Forschern wahrgenommene 
„Inaktivierung“ der Chloroplasten ist vielleicht, wenigstens zum Teil, 
auf dieselbe Ursache zurückzuführen. Auch andere Vorgänge könnten 
mit der übermäßig großen Ausbeute zusammenhängen. Diese Frage 
beabsichtigen wir experimentell weiter zu bearbeiten. 


Zusammenfassung der wichtigsten Resultate, 


l. Die Methodik der Untersuchungen über die Photosynthese im 
Strome der mit CO, nicht angereicherten atmosphärischen Luft litt 
immer an dem Übelstande, daß die Geschwindigkeit des Luftstromes im 
Verhältnis zur verwendeten Blattfläche und zum Volumen des Blatt- 
behälters zu gering war. Hierdurch sind die Diskrepanzen zwischen 
den Ausbeuten im Luftstrom und den nach der Blatthälftenmethode 
erhaltenen Ausbeuten erklärlich. 

2. Bei ausreichender Luftstromgeschwindigkeit erhält man durch 
direkte CO,-Bestimmungen dieselben enorm großen Ausbeuten, welche 
die Blatthälftenmethode liefert. 


Über die Stabilität 
der chemischen Zusammensetzung der Pflanzen. 


Von 
Nicolai N. Iwanoff. 


(Aus dem biochemischen Laboratorium des Instituts für angewandte Botanik, 
Leningrad.) 


(Eingegangen am 12. Januar 1927.) 


Die Verwandtschaft der Pflanzen wird nicht nur nach morphologi- 
schen und systematischen, sondern auch nach physiologischen und 
chemischen Merkmalen festgestellt. 


Im Jahre 1906 hatten Magnus und Friedenthal!) die serodiagnostische 
Methode zur Bestimmung der Verwandtschaft zwischen einzelnen Gruppen 
von Pilzen angewandt; sie konnten zeigen, daß Ascomyceten — Hefe und 
Trüffeln — einander nahestehende Arten sind, während sich der Basidio- 
mycetenpilz — Champignon — sowohl von Hefe als auch von Trüffeln 
unterscheidet. Diese Reaktion beruht auf der Identität oder großen Über- 
einstimmung der Eiweißstoffe der untersuchten Pflanzen. Die biologische 
Methode wird gegenwärtig von einigen Systematikern zur Bestimmung 
verwandtschaftlicher Beziehungen in denjenigen Fällen angewandt, in 
denen morphologische Merkmale undeutlich sind. Metz?) arbeitete diese 
Methode weiter aus und wandte sie zur Aufstellung eines neuen Schemas 
der Pflanzensystematik an. Es ist sehr bezeichnend, daß dort, wo bei der 
Feststellung der Verwandtschaft von Pflanzen die morphologischen Merk- 
male keine entscheidende Rolle spielen konnten, chemische Kennzeichen in 
den Vordergrund traten. Letztere zeigten sich konstanter als die morpho- 
logischen Merkmale. Im Verlauf der Evolution änderte sich die Form der 
Organismen, und zugleich fand auch ein Wechsel in ihrer chemischen Zu- 
sammensetzung statt. Aber nah verwandte Arten von Pflanzen und Or- 
ganismen hängen nicht nur durch die Ähnlichkeit äußerer Merkmale zu- 
sammen, sondern in noch stärkerem Maße durch die der inneren, d. h. durch 


1) Magnus und Friedenthal, Ber. Bot. Ges. 24, 601, 1906. Zeitschr. 
Immun.-Forsch. I, 4, 505, 1910. 
2) Metz, Botan. Arch. 1, 11, 1922. 


N. N. Iwanoff: Stabilität d. chem. Zusammensetzung der Pflanzen. 89 


chemische und physiologische Kennzeichen. Auf diesen Umstand hat schon 
Rochleder!) hingewiesen, der annahm, daß die gleiche chemische Natur von 
Pflanzenstoffen mit der Verwandtschaft der Pflanzen in Verbindung ge- 
bracht werden muß. Auf die Zuverlässigkeit chemischer Merkmale für 
gewisse Pflanzenarten weist auch S. L. Iwanoff?) hin, der Ölpflanzen unter- 
suchte. Dieser Autor spricht von einer Konstanz der chemischen Zusammen- 
setzung der Pflanzen und von Änderungen chemischer Prozesse, wodurch 
zwar die Beziehungen zwischen einzelnen Pflanzenstoffen gestört werden, 
qualitativ aber kein Wechsel eintritt. 


Die Untersuchung der aus verschiedenen Ländern stammenden 
Kulturpflanzen ergibt ein reichhaltiges Material, aus dem hervorgeht, 
daß die Verbreitung von Pflanzen mit ein und denselben Nährstoffen 
immer an ein bestimmtes Klima gebunden ist. 


Es ist bekannt, daß sich der Zuckergehalt in den Wurzeln der 
Zuckerrübe je nach den äußeren Wachstumsbedingungen, sehr stark 
ändert; die Zuckermenge nimmt beim Vorrücken von Süden nach 
Norden ab. Die chemische Zusammensetzung der Getreidepflanzen 
ändert sich gleichfalls je nach den klimatischen Einflüssen. Der Weizen 
wächst in nördlichen Gegenden sowie in Oasen der Sahara, aber die 
Schwankungen seines Eiweißstoffgehalts sind sehr groß; während für 
Schottland die Menge an Eiweißstoff im Korn 7,07 Proz. beträgt, 
ergaben die Analysen des Weizens im Kaukasus 24,4 Proz.. Alle diese 
Veränderungen besitzen jedoch keinen qualitativen, sondern einen 
quantitativen Charakter. Diesen Tatsachen ließe sich noch ein Hinweis 
auf den Wechsel bezüglich der Anhäufung von Alkaloiden, ätherischen 
Ölen und Pigmenten, je nach den äußeren klimatischen Bedingungen, 
zufügen. Derartige Untersuchungen sind von großer Bedeutung für 
praktische Zwecke, aber die hier erzielten Ergebnisse bieten auch vom 
allgemeinen biochemischen Standpunkt aus Interesse. Ein und dieselbe 
Pflanzenart (z. B. Weizen) weist in verschiedenen Gegenden eine 
differente chemische Zusammensetzung auf; früher wurde ein solcher 
Befund stets in dem Sinne erklärt, daß die Abweichung von der Rasse- 
verschiedenheit der untersuchten Pflanzengattung herstamme. 


Gegenwärtig werden zu vergleichenden Versuchen reine Linien 
von bestimmten Rassen (Sorten) von Pflanzen gesät und in Gegenden 
kultiviert, die sich durch ihr Klima voneinander stark unterscheiden. 
Solche ‚geographische Versuche“ mit reinen Linien von zahlreichen 
Kulturpflanzen wurden im Verlauf von 4 Jahren im Institut für an- 
gewandte Botanik durch Prof. N. I. Vavilov ausgeführt. Wir hatten 
die Möglichkeit, dieses Material in biochemischer Hinsicht zu unter- 


1) Rochleder, Phytochemie 1854. 
2) S. Iwanoff, Bericht des Bureaus für Pflanzenbau, S.3. Petrograd 
1915 (russisch). 


90 N. N. Iwanoff: 


suchen. In dem ausgedehnten Gebiet der U. S. S. R. besitzt das Institut 
über 50 Punkte, die sich von 67° 44' (Murmansk) bis 37° 35’ (Merw) 
nördlicher Breite und von 23051° (Dotnawa, Litauen) bis 131° 87' 
(Wladiwostok) östlicher Länge erstrecken. Das Klima dieser Punkte 
ist äußerst verschieden; bald See-, bald kontinentales, bald polares. 
bald subtropisches Klima. Infolge des unterschiedlichen Klimas und 
der gleichartigen Züchtungsbedingungen, sowie auch der Reinheit des 
Materials, erhielten wir in unserer Arbeit viele Daten über den Einfluß 
äußerer Faktoren auf die klimatische Pflanzenzusammensetzung. 


Bei diesen Untersuchungen ergaben sich zwei Gruppen von 
Pflanzen: die eine änderte sprunghaft ihre chemische Zusammensetzung, 
die andere behielt sie unter jeglichen äußeren Verhältnissen unverändert 
bei. Die Hauptvorratsstoffe, denen wir unsere Aufmerksamkeit zu- 
wandten, waren Eiweißstoffe und Kohlehydrate. In den Analysen der 
Samen ist der Prozentgehalt dieser Substanzen angegeben. Fanden 
wir z.B. in den Getreidesamen ein Ansteigen des Prozentgehalts von 
Eiweißstoffen, so ließ sich daraus der Schluß ziehen, daß die Körner 
nicht imstande waren, die nötige Menge Kohlehydrate anzuhäufen, 
wodurch das Gleichgewicht zwischen Kohlehydraten und Eiweißstoffen 
zugunsten der letzteren verschoben wurde. Wir führen den Eiweiß- 
stoffgehalt einer reinen Linie von Weizen an, der aus verschiedenen 
Punkten unseres Reiches im Jahre 1924 erhalten wurde. 


Tabelle I. 
Versuche mit Weizen (Triticum vulgare var. albidum.). 
| Prozentgehalt von 
Punkte der Aussaat | Nördl. Breite Östl. Länge Eiweißstoff im 

| Weizenkom (N X 5.7) 
Semero-Dwinsk. . . . . dee | 60° 46’ | 46718’ ; 11,92 
DetskoJe Selo . . 2.2.2... ' 59 44 | 30 22 11,51 
Gorki. .... a er, Y „54 13 30 38 11,11 
Moskau . . 2. 2 2 2 2 2 2 0. l 55 48 37 20 14,39 
ged EN bo 27 30 28 | 19,32 
Jekaterinoslaw . . . 2.2.2.2. ı 48 20 Ä 35 32 | 19,60 
Saratow `... aa‘ ‚ 51 37 | 45 45 21,01 
Disk: 5 een 55 01 ! 70 32 18,69 
Krasnojarsk . . 2. 2. 22.2... 56 01 92 52 19,03 
Wladiwostok . . . . 22... 43 05 131 57 11,86 


Eine und dieselbe Weizensorte vermehrt schroff den Gehalt an Ei- 
weißstoff beim Vordringen nach dem Süden und Osten, d. h. nach solchen 
Gegenden, welche sich in den meisten Fällen sowohl durch großen 
Stickstoffgehalt im Boden (Schwarzerde) als auch durch geringe Nieder- 
schlagsmengen (kontinentales Klima) auszeichnen, mit Ausnahme von 
Wladiwostok, das ein Seepunkt ist. Infolgedessen führt die erhöhte 


Stabilität der chemischen Zusammensetzung der Pflanzen. 91 


Ernährung des Weizens mit Stickstoff zu einer gesteigerten Eiweißstoff- 
anhäufung; die ungenügenden Niederschläge und das leicht ein- 
trocknende Klima vermindern die Fähigkeit der Photosynthese in der 
Pflanze, so daß die Speicherung von Kohlehydraten im Korn geringer 
und somit die prozentuale Menge von Eiweißstoff größer wird!). 
Dieses Ergebnis erhält man stets, wenn die Pflanze vom Bodenstickstoff 
abhängig ist, dessen Menge überhaupt stark variiert, sowohl in ver- 
verschiedenen Böden als auch in einem und demselben in verschiedenen 
Perioden des Wachstums. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man von 
den Getreiden zu den Leguminosen übergeht, die bekanntlich unter 
normalen Wachstumsbedingungen vom Bodenstickstoff nicht abhängig 
sind, sondern sich auf Kosten desjenigen Stickstoffs ernähren, den sie 
von den in ihren Wurzeln lebenden Knöllchenbakterien erhalten. Hier 
war zu erwarten, daß das Verhältnis zwischen Stickstoff und Kohlen- 
stoff nicht in gleicher Weise gestört wird wie bei den Getreidearten. 
Indessen steht fest, daß wir unter künstlichen Bedingungen, z. B. bei 
einer Kultur der Pflanze im Dunkeln, diese Beziehungen stören können. 
Da keine Photosynthese stattfindet, kann der Reserveeiweißstoff der 
Samen bei Mangel an Kohlehydraten nicht als Baumaterial dienen und 
wird daher in Asparagin umgewandelt. Umgekehrt, durch Züchten der 
Leguminosen am Lichte kann man aber nicht überschüssigen Stickstoff 
erhalten, denn die Menge des durch die Knöllchenbakterien fixierten 
Stickstoffs steht in direkter Beziehung zu denjenigen Kohlehydraten, 
dieim Blatte synthetisiert und den Wurzeln zugeführt werden. Unlängst 
hat Lewis T. Leonard?) interessante Tatsachen über die Bildung von 
Knollen bei der Sojabohne mitgeteilt. Es ergab sich, daß jeglicher, eine 
Verminderung der Kohlehydrate bei Soja verursachende Einfluß, wie 
Verringerung der Lichtintensität, der Kohlensäuremenge und be- 
sonders das Abschneiden der Blätter, zur Abnahme, ja zum völligen 
Verschwinden der Knollen und somit auch der Fixierung des Stickstoffs 
führt. Die Abhängigkeit der Stickstoffnahrung von der Photosynthese 
ist schon früher festgestellt worden. S. Kostytschew?) hat seine Auf- 
merksamkeit darauf gerichtet, daß die Leguminosen, die fertigen 
Stickstoff erhalten, viel stärker die Kohlensäure zu assimilieren ver- 
mögen als alle anderen Pflanzen. 


Die eigenartige Fähigkeit der Leguminosen, gebundenen Stickstoff 
auf Kosten der von ihnen verarbeiteten Kohlehydrate zu erhalten, 
zeigte sich auch in den weiter unten beschriebenen Versuchen. Wir 


1) Feststellungen über die Veränderung des Weizens je nach den äußeren 
Einflüssen finden sich bereits in der agronomischen Literatur vor. 

"EL T. Leonard, Journ. of the Amer. Soc. of Agron. 18, 1012, 1926. 

3) S. Kostytschew, Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 40, 112, 1922. 


92 N.N. Iwanoff: 


fanden gleiche Beziehungen zwischen den Eiweißstoffen und den Kohle- 
hydraten in den Samen der Leguminosen, da sich eine ganz bestimmte 
Stabilität in der chemischen Zusammensetzung der Samen aufweisen 
ließ, die sich unter allen möglichen äußeren Entwicklungsbedingungen 
dieser Pflanzen erhielt. 


Wir führen einige Beispiele an. 


Versuche mit der Erbse. 


Eine Erbsensorte, Pisum sativum v. vulg., war 1924 in verschiedenen 
Punkten ausgesät worden; das gesammelte Material wurde auf Stickstoff- 
und Fiweißstoffgehalt analysiert. Wie aus der folgenden Tabelle zu 
ersehen ist, hat sich der Gehalt an Stickstoff und Eiweißstoff fast gar 
nicht verändert, trotz der starken Unterschiede im Klima dieser Punkte. 


Tabelle II. 
Erbse (Pisum sativum v. vulgare). Ernte 1924. 


e EE EE EE EE 


| Proz. auf Trockengewicht 


Nördliche Östliche 


Punkte der Aussaat | Bezirk Breite Länge Menge Menge 
| Stickstoff | Eiweißstoff 

Priladoga. . . . . ' Nordwestlich , 59052’ 31030° | 4.24 26.50 
Nowgorod ... e | 59 00 31 52 4,45 27,81 
Dotnawa `... . | Westl. Litauen ` 54 54 23 53 4,43 27,68 
Minsk `, | Westen ı 5354 : 2733 ı 459 28,37 
Moskau . .... Zentrum 55 48 ı 37 20 4.50 28.12 
Poltawa . .... Ukraine 49 35 , 3434 4,57 28,19 
Boa cn | $ ‚507 | 30 28 4.62 28.87 
Askania Nova. . . ' Krim p 46 25 33 50 4,51 28,19 
Karajasi . . 2... Kaukasus 41 27 45 06 4.75 29,68 
Saratow . 2... | Südosten ' 51 87 40 45 , 446 27,88 
Omsk e, Sibirien 55 OI 70 32 | 4,50 28.12 


Wladiwostok . . . Ferner Osten 4305 131 97 I 
Im Mittel: ; 449 | 28.02 


Eine fast vollständige Übereinstimmung im Stickstoff- und Eiweiß- 
stoffgehalt besteht in den Punkten, die sich um 16° Breite und um 100° 
Länge unterscheiden, nämlich in Priladoga und Wladiwostok. Der 
mittlere Gehalt an Eiweißstoff in den ausgewählten Punkten variiert 
so wenig, daß man von einer Stabilität der chemischen Zusammen- 
setzung der Erbse ohne weiteres sprechen kann. Auch ergibt sich die 
Einstellung eines Gleichgewichts der Stickstoff- und Kohlenstoff- 
anhäufung in diesen Samen. 

Die allgemeine summarische Analyse der Erbsensamen — Aschen- 
gehalt, mit Äther extrahierbare Substanzen und rohe Cellulose — ergibt 
die gleichen Zahlen für Samen, die in denselben durch Klima und 
Boden gänzlich verschiedenen Versuchspunkten aufgezogen sind. 


Stabilität der chemischen Zusammensetzung der Pflanzen. 93 


Nachfolgend führen wir Analysen von fünf Punkten für eine 
andere Erbsensorte, Pisum sativum coronatum, an. 


Tabelle III. 
Erbse (Pisum sativum coronatum). Ernte 1924. 


| | 


Punkte ? ; 
| Bezirk , Substanzen Rohe 
der Aussaat | Asche | mit Äther | Cellulose Stickstoff | Eiweißstof 
Ä | | extrahiert |nach König 


Prozentgehalt auf Trockengewicht 


Priladoga . . Nordwesten | 2,95 | 1,35 4,50 28,12 
Kiem `... Ukraine | 335 | 1,33 4,70 29,37 
Askania Nova ` Krim ' 3,09 1,29 4,50 28,12 
Saratow. . . | Südosten 3,07 1,41 4,90 30,62 
Wladiwostok . IE erner Westen: 3,12 1,24 4,40 27,66 

Im Mittel: | 312 | 1,2 | 29 | 460 | 28,75 


Wir berühren hier keine Fragen agronomischen Charakters, ins- 
besondere nicht den Ernteertrag der Erbsensamen in den genannten 
Punkten, der natürlich sehr verschieden ist, aber wir lenken die Auf- 
merksamkeit darauf, daß man in allen Fällen Samen gleicher Zusammen- 
setzung erhält. Was die Ernten der Erbse anbetrifft, so steigen dieselben 
bedeutend, wenn die Erbsensamen künstlich mit Knöllchenbakterien 
vor der Aussaat versehen werden!). Dieses bestätigt nochmals die 
Fxistenz einer direkten Beziehung zwischen der Kohlenstoff- und 
Stickstoffnahrung bei Leguminosen. 

Diese Resultate wurden unter den Bedingungen des Feldversuchs 
erzielt, wobei die Stickstoffdiät des Bodens nicht in Betracht gezogen 
wurde. Überdies war bekannt, daß der Gehalt an Stickstoff und an 
Aschebestandteilen im Boden sehr verschieden war. In den Aussaats- 
punkten hatten wir es mit Schwarzerdeboden und solchem ohne Schwarz- 
erde zutun. Wenn wir nun bei solchen ganz ungleichen Verhältnissen 
eine identische chemische Zusammensetzung erzielt haben, so können 
wir annehmen, daß bei Leguminosen eine Stabilität der chemischen 
Zusammensetzung besteht. 


Versuch mit der Linse. 


Wir finden denselben Gehalt an Stickstoff und Eiweißstoff in 
Punkten, die um 1080 Länge differieren, wie Dotnawa und Wladiwostok. 
Hieraus geht hervor, daß die Linse, ebenso wie die Erbse, eine konstante 
chemische Zusammensetzung aufweist. Wir haben Analysen der Linse 
bezüglich des Gehalts an Asche, roher Cellulose nach König und in 
Äther löslichen Substanzen ausgeführt und haben gefunden, daß sowohl 


E 


1) 4. L. Whiting, E. B. Fred and J. W. Steens, Agr. Exp. St. of Wis- 
consin 1925. Bull. 872. 


94 N.N. Iwanoff: 


Tabelle IV. 
Linse (Ervum Lens v. nigra). Ernte 1925. 


l Proz. auf Trockengewicht 


an . | . 
Punkte der Aussaat Bezirk age. Mess 
Bern Stickstoff | Eiweißstoff 

Priladoga. . . . . Nordwesten 59052 31039 5,00 500 | 3125 
Nowgorod us 5 59 00 | 3152 | 5,09 31,81 
Dotnawa . . .. . West-Litauen | 54 54 | 2353 | 4,79 29.93 
Gorki .. oo. Westen ` | 5413 | 3038 | 514 | 3212 
Moskau ..... Zentrum 55 48 37 20 4,97 31,09 
Poltawa . .... Ukraine 49 35 34 34 ı 523 32,67 
Charkow . . .. . > 50 00 36 14 | 5,12 32,03 
Kiew `... S 50 27 | 30 28 | 4,64 29.00 
Bakuriani . | Kaukasus 41 45 43 31 | 5,10 31,58 
Taschkent . . . . | Turkestan 40 16 65 45 5,20 32,50 
Saratow 2.2... Südosten 51 37 | 4545 5,17 32,31 
Omsk .. Sibirien 501 | 7032 | 478 29,87 
Wladiwostok . . | | Ferner Westen | 43 05 | 13157 494 | 3090 
Im Mittel: , 501 | 31,31 


der Stickstoff als auch diese Substanzen konstant erscheinen und vom 
Aussaatspunkt unabhängig sind. Beachtenswert ist ferner, daß sich 
die Linsenkörner, die von verschiedenen Punkten erhalten wurden, 
hinsichtlich ihrer Größe voneinander unterscheiden; dennoch ändert 
sich ihre Zusammensetzung nicht, wie aus den unten angeführten 
Daten zu ersehen ist. 


Dieselbe Linse, wie in der Tabelle IV. 


P _ Eiweif ißst stoff 
Punkte der Aussaat Samenzahi „Broz, Eiweitstott 
PO der Samen 
Krasnojarsk . . . . 72 | 29,56 
Dotnawa ..... 47 29.93 
Omsk... o. 35 29,87 


Das Gewicht der Körner vermindert sich um die Hälfte, aber die 
, chemische Zusammensetzung bleibt dieselbe, während für Getreidearten 
(Weizen, Gerste, Hafer und andere) schon längst bekannt ist, daß 
kleine Körner, besonders unreife, stets mehr Stickstoff enthalten als 
reife. Dies beruht darauf, daß in den Samen die stärkste Speicherung 
von Kohlehydraten (Stärke) während der zweiten Periode des Reifens 
stattfindet; bei den Leguminosen dagegen erfolgt die Ablagerung 
von Eiweißstoffen und Kohlehydraten parallel. In einigen Fällen, 
wie z. B. bei der Wicke, wurde die gleiche chemische Zusammensetzung 
sowohl in denjenigen Punkten, wo die Samen ausreiften, als auch gort, 
wo sie unreif abgenommen wurden, beobachtet. 


Stabilität der chemischen Zusammensetzung der Pflanzen. 95 


Wicke (Vicia sativa v. Typica Beck). Ernte 1925. 


Proz. Eiweißstoff 
auf Trockengewicht 


! 


Punkte der Aussaat Reifestufe 


Kostroma . .... 

Nowgorod . . .. . 35,81 
Moskau . . 2... | 37,37 
Poltawa . . ... d 37,50 


Wir haben zahlreiche Samenanalysen anderer Leguminosen [Wicke, 
Pferdebohne (Vicia faba) und Türkische Bohne (Phaseolus vulgaris)] 
ausgeführt und fanden überall in den Samen eine konstante, chemische 
Zusammensetzung, mit Ausnahme der türkischen Bohne, die in einigen 
Punkten eine ganz unerwartete Abnahme des Eiweißstoffgehalts ergab. 
Dieser Befund findet seine Erklärung darin, daß die türkische Bohne 
eine Kulturpflanze der heißen Zonen ist; im Norden können nur wenige 
frühe Sorten derselben gedeihen. 


Die mangelnde Anpassungsfähigkeit dieser Kultur an die Be- 
dingungen vieler von uns ausgewählter Punkte ruft unseres Erachtens 
eine Störung der Beziehungen zwischen den Eiweißstoffen und Kohle- 
hydraten hervor, die zuweilen bei der türkischen Bohne auftritt. 


Die festgestellte Stabilität der chemischen Zusammensetzung bei 
den Leguminosen erklärt sich, wie bereits zuvor erwähnt, dadurch, daß 
diese Pflanzen des gebundenen Bodenstickstoffs nicht bedürfen. 


In der Literatur liegen jedoch Hinweise vor, daß sich eine Getreideart, 
nämlich Mais, in hohem Grade von anderen Getreiden (z. B. Weizen, 
Gerste und Hafer) hinsichtlich des Bodenstickstoffs unterscheidet. Während 
sich die letztgenannten Arten bei Stickstofflüngung des Bodens (besonders 
mit Nitraten) so verhalten, daß der Eiweißstoffgehalt in den Körnern zu- 
nımmt, ändert sich die Menge des Eiweißstoffs beim Mais in keiner Weise, 
worauf schon Woods!) hingewiesen hat. Einen derartigen Vergleich der 
chemischen Zusammensetzung des Maises hat Miller?) unternommen, indem 
er Treibhaus- und Feldversuche bei verschiedener Stickstoffdiät des Bodens 
ausführte. Der Autor erhielt in allen Fällen Maiskörner mit demselben 
Gehalt an Eiweißstoffen. Das Fehlen klimatischer Einflüsse auf die chemische 
Zusammensetzung des Maises hatte schon früher Richardson?) ermittelt, 
indem er Körner aus verschiedenen Gegenden der Nordamerikanischen 
Union untersuchte. In einer letzthin erschienenen Arbeit teilt Toottinghamt) 
mit, daß es ihm bei ähnlichen Züchtungsbedingungen an zwei Stellen Nord- 
amerikas — Ashland und Madison —, die um 250 Meilen Breite voneinander 
differerieren, gelungen ist, Maiskörner mit gleichem Eiweißstoffgehalt zu 
erzielen. Beim Vergleich der Maisblätter mit den Blättern der Zuckerrübe, 


en man 


1) Woods, Conn. (Storrs) Agr. Exp. Sta. Report 1889, S. 127. 

2) Miller, Mo. Agr. Exp. Sta. Res. Bull. 42, 1921. 

3) Richardson, U. S. Dept. Agric. Chem. Div. Bull. 4, 64, 1884; Hunt, 
The cereals in America, New York 1910. Burt, Davy. Maize, London 1914. 

$) Tottingham, Science 89, 1516, 1924. 


96 N.N. Iwanoff: 


deren Zusammensetzung von äußeren Einflüssen sehr abhängig ist, fand 
Tottingham große Differenzen: 


Stickstoff Proz. löslichen Stickstoffs 


i Trockengewicht | Proz. zum Gesamtstickstoff 
Maisblätter . . 2... SS 27,8 2,0 19 
Zuckerrübenblätter. . . . . 11,3 | 5,1 77 


Der Autor lenkt die Aufmerksamkeit auf die große Verschiedenheit 
der Blätter dieser Pflanzen. Er ist geneigt, in dem abweichenden chemischen 
Mechanismus dieser Pflanzen die Ursache für die chemische Stabilität beim 
Mais zu erblicken. 


Versuche mit Mais. 
Wir haben Analysen von fünf Maissorten ausgeführt, die in 
3l Punkten unseres Reiches gezüchtet worden waren. Es ergab sich, 
daß die Maiskörner trotz der starken Unterschiede des Bodens und 
auch des Klimas unserer Punkte fast den gleichen Eiweißstoffgehalt 


aufwiesen. | 
Tabelle V. 


Mais (Zea Mays, italienische Sorte; Vilmoren). 


Punkte der Aussaat Bezirk echt GER ee 
Dotnawa . . . . . Westl. Litauen 54054’ 23059 11.97 
Jekaterinoslaw . . Ukraine 48 20 35 32 13,68 
Askania Nova . . Krim 46 25 33 50 12,25 
dee Za 8 "ec, A e 44 30 34 11 14,02 
Taschkent . . . . Turkestan 40 16 65 45 11.99 
Saratow `... n‘’ť Südosten 51 37 45 45 11:91 
Omsk . 2.2... Sibirien 54 01 70 32 11,51 
Wladiwostok . . . Ferner Westen 43 05 131 57 11,45 

Im Mittel: 12.33 


Die Abweichung der Punkte um 15° Breite (Omsk und Taschkent) 
und 108° Länge (Dotnawa und Wladiwostok) beeinflußte in keiner 
Weise die Menge der Eiweißstoffe im Maiskorn. Diese Feststellung des 
fast gleichen Prozentgehalts an Eiweißstoff spricht dafür, daß auch 
das Verhältnis der Kohlehydrate und Eiweißstoffe im Maiskorn konstant 
bleibt. Eine derartige Erscheinung ist begreiflich, wenn wir es mit 
den Samen von Leguminosen zu tun haben. die eine ständige Quelle 
von assimilierbarem Stickstoff mit sich führen, die sie je nach den 
vorhandenen Bedürfnissen ausnutzen. Ganz anders dagegen verhält 
es sich mit dem Mais. der keine Knöllchenbakterien besitzt. 


Stabilität der chemischen Zusammensetzung der Pflanzen. 97 


Die jüngst erschienenen Arbeiten von N. A. Bezssonoff!) zeigen, daß 
man Mais ohne jegliche Zugabe von gebundenem Stickstoff kultivieren und 
zum Reifestadium bringen kann. Im Verlauf von 3 Jahren (1924 bis 1926) 
kultivierte der erwähnte Autor Mais unter sterilen Bedingungen auf Sand, 
dem alle erforderlichen Salze (Gemisch Mazé), aber keine Stickstoff- 
verbindungen zugesetzt waren. Überdies wurde dem Sande noch eine 
gemischte Kultur in Wasser suspendierter Bakterien — Stickstoffixatoren 
— hinzugefügt. Es ergab sich, daß sich Mais nur auf Kosten desjenigen 
Stickstoffs entwickeln konnte, der von den Bodenbakterien gebunden 
worden war. Andererseits erhielten die Bakterien Kohlehydrate und or- 
ganische Säuren nur aus den Wurzeln der Pflanze selbst, denn im Sande 
waren keine organischen Substanzen enthalten; in einem Gefäße wurden 
585,0 mg gebundenen Stickstoffs erzielt. 


Diese Beziehungen zwischen den grünen Pflanzen und den im 
Boden frei lebenden Bakterien, die Stickstoff binden, erinnern voll- 
kommen an die Tatsachen, die uns über die Stickstoffdiät der Legu- 
minosen bekannt sind. Diese wichtige Entdeckung auf dem Gebiet der 
Stickstoffernährung grüner Pflanzen gibt uns die Möglichkeit, viele 
Feststellungen aus der agronomischen Praxis zu erklären, wie z. B. die 
Kultur ein und derselben Pflanze während mehrerer Jahre ohne Stick- 
stofflüngung. Ferner existieren Hinweise dafür, daß man, wenn auf 
ein und demselben Felde die frühere Kultur aus Mais bestand, nachher 
Weizen mit viel höherem Eiweißstoffgehalt erhält. Diese Befunde 
muß man mit den neuen Erfolgen der Bezssonoffschen Versuche zu- 
sammenstellen. 


Kahren wir nun zur Stabilität der chemischen Zusammensetzung 
der Maiskörner zurück, so müssen wir annehmen, daß die vorhandenen 
beständigen Beziehungen zwischen Kohlehydraten und Eiweißstoffen 
dieselbe Ursache haben wie bei den Leguminosen: Selbständigkeit, 
Unabhängigkeit oder unbedeutende Abhängigkeit der Pflanzen von 
der Ernährung des Bodens mit Stickstoff. 


Selbstverständlich haben wir, wenn von der Ähnlichkeit der 
chemischen Zusammensetzung ein und derselben Pflanze die Rede 
war, die unter verschiedenen klimatischen und Bodenbedingungen auf- 
gewachsen war, die Gesamtmenge von Eiweißstoffen und Kohle- 
hydraten gemeint; natürlich können auch gewisse Abweichungen in 
der qualitativen Zusammensetzung dieser Pflanzen vorkommen. Wir 
wissen, daß sich bei vielen Pflanzen unter dem Einfluß äußerer Faktoren 
sowohl die Menge der Kohlehydrate und Eiweißstoffe (der größte Teil 
der Getreidearten, Zuckerrübe), Alkaloide (Mohn) als auch die der 


1) N. A. Bezssonoff, Ernährung grüner Pflanzen mit aus der Luft durch 
Bakterien absorbiertem Stickstoff. Neue Ideen in der Biologie 11, 1925 
(russisch). G. Truffaut et N. Bezssonoff, C. r. de la Soc. Biol. 91, 1024, 1925; 
La science du sol. Mars. 1925. 


Biocbemische Zeitschrift Band 182. 7 


98 N.N. Iwanoff: Stabilität d. chem. Zusammensetzung der Pflanzen. 


Pigmente ändert. Die Stabilität in der chemischen Zusammensetzung 
der Leguminosen und des Mais muß daher besonders hervorgehoben 
werden. 

Zusammenfassung. 


Bei Leguminosen (Erbse, Linse, Wicke), die unter den ver- 
schiedensten Bedingungen (Boden, Feuchtigkeit und Klima) gezüchtet 
sind, wird der Gehalt an Eiweißstoffen in den Körnchen nicht geändert. 


Es besteht eine bestimmte Beziehung zwischen Kohlehydraten 
und Eiweißstoffen, die darauf beruht, daß die Leguminosen unabhängig 
vom Boden hinsichtlich der Stickstoffaufnahme erscheinen. Eine 
gleiche Stabilität der chemischen Zusammensetzung beobachtet man, 
im Gegensatz zu anderen Getreidearten, auch in den Maiskörnern. 
die nach den Angaben von Bezssonoff und Truffaut auf Kosten des- 
jenigen Stickstoffs gedeihen können, der von den Bodenbakterien aus 
der Luft fixiert wird. 


= mm m mp Fe e e genge 9 


Über die Säurebildung bei den Pilzen. 
Von 
Wi. S. Butkewitsch. 


(Aus dem Timirjazeff-Forschungsinstitut Moskau.) 
(Eingegangen am 14. Januar 1927.) 


Nachdem ich bei näherer Untersuchung der von mir in den 
Zuckerkulturen von Aspergillus niger nachgewiesenen ‚‚dritten‘‘ Säure 
festgestellt hatte, daß diese mit Gluconsäure identisch ist!), deren 
Bildung bei demselben Pilze vor einiger Zeit von M. Molliard?) entdeckt 
worden war), ging ich zu Versuchen mit anderen Pilzen über, für 
welche ich schon früher die Beobachtung gemacht hatte, daß sie in 
den Kulturen auf Zucker auch die Säuren bilden, die leicht lösliche 
Calciumsalze liefern. 

Zur Abscheidung der betreffenden Salze bediente ich mich des- 
selben Verfahrens, das bei meinen Versuchen mit Aspergillus niger 
angewandt worden war. Dabei wurde die Fällung der Calciumsalze 
mit Alkohol in der von Pilzdecken und unlöslichem Rückstand ab- 
getrennten Kulturflüssigkeit entweder unmittelbar oder nach gewisser 
vorläufiger Einengung durch Abdampfen im Vakuum vollzogen. Bei 
allen Versuchen wurden die Nährlösungen mit höherem Zuckergehalt 
und verhältnismäßigem Stickstoffmangel gebraucht. Nachdem sich 
hinreichend starke Pilzdecken gebildet hatten, setzte man den Kulturen 
gewisse Mengen durch Erhitzen sterilisierten Calciumcarbonats zu. 

Bei den weiter unten beschriebenen Versuchen prüfte man Citro- 
myces glaber, Penicillium glaucum, eine Cstromyces-Art, die sich zufällig 
im Laboratorium auf lOproz. Citronensäurelösung entwickelt hatte, 
und Mucor stolonifer (Rhizopus nigricans). 

Alle Pilze, mit Ausnahme von Mucor stolonifer, wurden bei Zimmer- 
temperatur von etwa 20° gezüchtet. 


1) WI. Butkewitsch, diese Zeitschr. 186, 224; 142, 195, 1923; 154, 
177. 1924. 

2) M. Molliard, C. r. 174, 881, 1923; 178, 41, 1924. 

3) Die Bildung der Gluconsäure in dan zus Teata von Asperg:llus . 
niger wurde auch von K. Bernhauer (diese 'Zäitserr. 128, 517, 1924) und“ 
von R. Falck und S. N. Kapur (Ber. 4 „Deutsch chem. Ges. 57, 920, 1924), 
bestätigt. ; E T 


I e 7 Vë MM A Sa 


+, EN . t 
7* 


100 Wi. S. Butkewitsch: 


Versuchsreihe 1. Citromyces glaber. 


Nährlösung: Rohrzucker . . . . . . 20,00 Proz. 
NC EN, ....... 015 5; 
Salze (mit ZnSO,) . . . 0,10 „ 


Man stellte sechs Kulturen auf, die insgesamt 1000 cem Nährlösung 
enthielten. Am dritten Tage nach der Impfung wurden den Kulturen 
je 12g Calciumcarbonat zugesetzt. Bald darauf ließ sich eine Ablagerung 
von Calciumeitrat in den Kulturen beobachten. Am 14. Tage wurden 
die Kulturen im Kochschen Sterilisator erhitzt und die Flüssigkeit von 
den Niederschlägen und Pilzdecken abifiltriert. Die abfiltrierte Flüssigkeit, 
die mit dem Waschwasser zusammen etwa 1000 cem betrug, wurde durch 
Abdampfen im Vacuum bis zum etwa halben Volumen eingeengt und 
ihr stufenweise beim Vermischen 3 bis 4 Volumen 95proz. Alkohols zu- 
gesetzt. Der sich dabei bildende voluminöse flockige Niederschlag fiel 
am Boden als halbfeste klebrige Masse aus, die sich nach einigem Stehen 
verhärtete und auf der Oberfläche mit weißen nadelförmigen Kristallen 
bedeckte. Nach 2 Tagen wurde die klare Flüssigkeit vom Niederschlag 
abgegossen und dieser in etwa 200 ccm heißen Wassers aufgelöst. Die 
vom ungelöst gebliebenen unbeträchtlichen Rückstand des Calciumcitrats 
(0,7 g) abfiltrierte Lösung wurde auf dem Wasserbad stark eingeengt, 
mit einer Spur gluconsauren Kalks geimpft und stehengelassen. Bald trat 
Kristallisation ein, wobei sich die dem Calciumgluconat eigentümlichen 
knolligen Aggregate bildeten, die aus kleinen Nadeln zusammengesetzt 
waren. Von Mutterlauge abgesaugt, mit Wasser und Alkohol gewaschen 
und im Exsikkator getrocknet, betrug die auf diesem Wege erhaltene 
Substanz 17,5 g. 

Aus der Mutterlauge erhielt man durch Fällung mit Alkohol noch 
einen bräunlich gefärbten Niederschlag. Aus diesem wurden durch Auflösen 
in Wasser, Kochen mit Tierkohle und Versetzen des Filtrats mit Alkohol 
noch 5g kristallinischer Substanz ausgeschieden, die mit erster Fraktion 
vereinigt wurden. 

Die beiden Fraktionen machten also zusammen 22,5g aus. Nach 
mehrmaligem Umkristallisieren aus Woasserlösung unter Alkoholzusatz 
erhielt man etwa 15g Substanz, die sich nach Calciumgehalt und anderen 
Eigenschaften als Calciumsalz der d-Gluconsäure identifizieren ließ. 

In Wasser gelöst, erwies die Substanz keine Reduktion mit Fehling scher 
Lösung, reduzierte aber stark ammoniakalische Silberlösung unter Spiegel- 
bildung und gab die Bergsche Reaktion mit Eisenchlorid!). 


Co Gehalt, 


0,2110 g bei 100° getrockneter Substanz gaben 0,0268 g, d. h. 12,70 Proz. 
CaO. 


Berechnet für: 
Cat, . HO . . . . . 12,51 Proz. 
Ca (C H1107) e e D e D e e e 13,02 In 2) 


` H) Berg, Dad de l’assoc. des chimistes (3) 11, 882, 1894. 
.:..27 Der Gebot" dee. Ca-Gluconats an Kristallisationswasser läßt sich 


„nicht als sicker festgestellt annehmen. Es ist möglich, daß das Salz nicht 


` ein gänzes,: sondern ein halbes Mclekül Wasser enthält. 


e - 
Pe e D D 


Säurebildung bei den Pilzen. 101 


Phenylhydrazid der Gluconsäure wurde nach E. Fischer und Passmore!) 
dargestellt. Nach Umkristallisieren aus Wasser erhielt man eine in farblosen 
Prismen kristallisierte Substanz, die bei 199° schmolz und sich bei 200° 
unter Gasentwicklung zersetzte, was für Gluconsäurephenylhydrazid 
charakteristisch ist. 


Cinchoninsalz.. 2g untersuchten Ca-Salzes wurden in etwa 100'ccm 
Wasser gelöst. Nachdem Calcium durch Fällung mit Oxalsäure entfernt 
worden war, setzte man dem Filtrat 2,7 g Cinchonin zu und erhitzte es 
mehrere Stunden auf dem Wasserbade, wobei das Cinchonin fast ganz 
aufgelöst wurde. Von geringem, ungelöst gebliebenem Rückstand ab- 
filtriert, wurde die Lösung durch Abdampfen auf dem Wasserbad eingeengt 
und abgekühlt. Der bei einigem Stehen ausgeschiedene kristallinische 
Niederschlag wurde aus 95proz. Alkohol umkristallisiertt. Die erhaltene 
Substanz (2,8 g) kristallisierte in sechseckigen Tafeln und schmolz bei 
187°, d. h. verhielt sich wie das Cinchoninsalz der Gluconsäure?). 


Das spezifische Drehungsvermögen. Eine 4g Ca-Salz in 100 ccm ent- 
haltende wässerige Lösung gab im 2,2-dm-Rohr bei 22° eine Winkelablenkung 
von + 0,69%. Daraus berechnet sich das spezifische Drehungsvermögen 
Job = + 7,802). 


Die oben angeführten Ergebnisse stellen fest, daß die betreffende 
Substanz das Calciumsalz der d-Gluconsäure darstellte. 


Aus dem von der Kulturflüssigkeit abgetrennten unlöslichen Rückstand 
wurde das Calciumsalz der Citronensäure nach dem üblichen Verfahren — 
durch Extrahieren dieses Rückstandes zusammen mit den Pilzdecken 
mit verdünnter Salzsäure, Einengen der Lösung durch Abdampfen und 


1) E Fischer und Passmore, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 22, 2728, 
1889. 

2) Der Schmelzpunkt dieses Salzes liegt nach Æ. Fischer (Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. 28, 803, 1890) gegen 187°, nach J. U. Nef (Ann. d. Chem. u. 
Pharm. 408, 204, 1914) gegen 189°. 

3) Für das Ca-Salz der d-Gluconsäure fand Bertrand (C. r. 127, 728, 
1898) [a]} = + 6° 13’ und Nef (Ann. d. Chem. u. Pharm. 857, 214, 1907) 
+ 10,5%. — Nach den in unserem Laboratorium von W. W. Perwozwansky 
ausgeführten Bestimmungen erwies sich [a] für das Ca-Salz der durch 
OÖxydierung von Glucose mit Brom erhaltenen Gluconsäure gleich + 7,5°. 
Zur Drehungsbestimmung wurde die Lösung angewandt, die 5,07 g Ca- 
Gluconat in 100 ccm enthielt. Im 2,2-dm-Rohr gab diese Lösung bei 22° 
eine Winkelablenkung von + 0,84°. Für das von mir aus den Kulturen 
von Aspergillus niger abgeschiedene Ca-Gluconat wurde [a]? auch gleich 
+ 7,50 gefunden. Die Versuchslösung enthielt in diesem Falle 4,97 g Ca- 
Gluconat in 100 cem und gab bei denselben Bedingungen eine Winkel- 
ablenkung von + 0,82%. Der in meiner vorigen Mitteilung (diese Zeitschr. 
154, 177, 1924) für dasselbe Salz angegebene Wert wurde unter den Be- 
dingungen erhalten, die nicht gestatteten, die Bestimmung hinreichend 
genau auszuführen, und dieser Wert muß durch den hier oben angeführten 
ersetzt werden. Falck und Kapur (l.c.) und Bernhauer (l.c.) geben für 
das spezifische Drehungsvermögen des Ca-Gluconats von den Aspergillus- 
kulturen + 9,7 und 10,4° an, also die Werte, die sich dem bei Nef vor- 
handenen Werte nähern. Dieser scheint aber nicht genau zu sein. 


102 WI S. Butkewitsch: 


Neutralisieren derselben mit Ammoniak — abgeschieden!) Auf diese 
Weise wurden 15,8 g einer bräunlich gefärbten Substanz erhalten. Von der 
Farbe wurde die Substanz durch wiederholte Fällung aus der Lösung 
in schwacher Salzsäure unter unvollständiger Neutralisation mit Ammoniak 
frei gemacht ?). Das erhaltene Salz gab die der Citronensäure eigentüm- 
lichen Reaktionen, und sein Gehalt an Calcium entsprach dem des Ca- 
Citrats. 

0,2430 g Substanz (bei 135 bis 140° getrocknet) gaben 0,0815 g, d. h. 
33,54 Proz. CaO. 

Berechnet für Ca,(C,H,0O,), 33,74 Proz. CaO. 

Die Oxalsäure wurde in diesem Falle in den Kulturen von Cifromyces 
glaber nicht nachgewiesen. 

Außerdem wurde der Gehalt der Kulturflüssigkeit an Zucker nach 
Bertrand. bestimmt. Die gefundene Menge betrug etwa 80 g. Daraus ergibt 
sich, daß etwa 120 g Zucker während der Pilzentwicklung verbraucht wurden. 
Die getrockneten Pilzdecken der Kulturen wogen insgesamt 14 g. 

Zusammengefaßt lassen sich die Ergebnisse dieser Versuchsreihe auf 
folgende Weise zum Ausdruck bringen. 


Zweiwöchige Kulturen von Citromyces glaber auf 1000 ccm Nährlösung, 
die 20 Proz., d. h. 200 g Rohrzucker enthielt. 


Püzdeckengewicht . . . . . . 140g 
Ca-Gluconat . . . . . . . . 22,7g 
Ca-Citrat. . . . . . . . . . 165g 
Verbrauchter Zucker . . . . 120,0 g 


Versuchsreihe 2. Penicillium glaucum. 


Nährlösung: Rohrzucker . . . . . . 15,00 Proz. 
NHNO, ....... 015 5 
Salze (mit Zn). .. . . 0,10 „ 


In diesem Versuch wurde eine Kultur mit 150 ccm Nährlösung auf- 
gestellt. Am vierten Tage nach der Impfung setzte man der Kultur 8 g 
Calciumcarbonat zu. Nach 3 Wochen wurde die Kultur im Kochschen 
Sterilisator erhitzt und die Flüssigkeit abfiltriertt. Die Kulturflüssigkeit 
war etwas gelblich gefärbt und gab eine beträchtliche Reduktion mit 
Fehlingscher Lösung. 

Zur abfiltrierten Kulturflüssigkeit fügte man unmittelbar, ohne vor- 
läufige Einengung, 2 bis 3 Volumen 95proz. Alkohols hinzu. Der flockige 
Niederschlag sammelte sich beim Stehen zu kompakter Masse am Boden. 
Nach einigen Tagen wurde die klare Flüssigkeit vom Niederschlag ab- 
gegossen, durch Destillation im Vakuum stark eingeengt und nach Zusatz 
von 3 Volumen Alkohols stehengelassen. 

Der durch die erste Fällung mit Alkohol abgeschiedene Niederschlag 
wurde in heißem Wasser gelöst und die Lösung vom ungelöst gebliebenen 


1) Vgl. W. Butkewitsch, diese Zeitschr. 181, 327, 338, 1922: 186, 224, 
142, 195, 1923; 154, 177, 1924. 

2) Die braungefärbten Substanzen werden aus der Lösung nur nach 
vollständiger Neutralisation derselben niedergeschlagen. Ist diese un- 
vollständig, so bleiben sie in Lösung. 


Säurebildung bei den Pilzen. 103 


Rückstand abfiltriert. Dieser Rückstand bestand aus mikroskopisch 
kleinen, oft in Sternen vereinigten prismatischen Nadeln, löste sich nicht 
in Wasser, aber leicht in Säuren, und seine Lösung in Schwefelsäure gab 
eine deutliche Reaktion von Deniges. Daraus ließ sich die Substanz als 
Caleiumeitrat identifizieren. 

Die vom Citrat abfiltrierte Lösung wurde durch Abdampfen etwas 
eingeengt und nach Alkoholzusatz stehengelassen. Der dabei abgeschiedene 
kristallinische Niederschlag wurde nach einigen Tagen auf der Nutsche 
abgesaugt, gewaschen und im Exsikkator getrocknet. Die auf diesem 
Wege erhaltene Substanz betrug 2,2 g und verhielt sich wie Calciumgluconat. 
Ihre wässerige Lösung zeigte aber noch eine deutliche Reaktion von Deniges. 
Von Citratbeimengungen ließ sich das Calciumgluconat durch fraktionierte 
Kristallisation aus wässeriger Lösung unter Stufenzusatz von Alkohol 
frei machen. In den letzten Fraktionen dieser Kristallisation fiel die Reaktion 
von Deniges negativ aus, und der Gehalt der abgeschiedenen Substanz 
an Calciumoxyd entsprach dem des Calciumgluconats. 


0,1309 g Substanz gaben 0,0167 g bzw. 12,76 Proz. CaO. 
Berechnet für Ca(C,H,,ı0,) - H,O 12,51 Proz. CaO. 


In der wiederholt mit Alkohol bearbeiteten Kulturflüssigkeit bildete 
sich allmählich beim Stehen ein weißer kristallinischer Niederschlag, der 
aus feinen Nadeln bestand. Von der Flüssigkeit abgetrennt, gewaschen 
und getrocknet, wog dieser Niederschlag etwa 0,2g. Er gab die für Calcium- 
gluconat charakteristischen Reaktionen und entsprach demselben auch 
nach dem Ca-Gehalt. 


0,1212 g Substanz gaben 0,0152 g bzw. 12,54 Proz. CaO. 


Außer Gluconsäure enthielt die untersuchte Kultur auch Citronen- 
säure, die sich, wie man oben erwähnte, schon in der Kulturflüssigkeit 
neben Calciumgluconat nachweisen ließ. Eine gewisse Menge dieser Säure 
wurde auch aus dem von der Kulturflüssigkeit abgetrennten unlöslichen 
Rückstand nach dem üblichen Verfahren abgeschieden. Man extrahierte 
diesen Rückstand zusammen mit der Pilzdecke mit verdünnter Salzsäure 
und fällte die Citronensäure aus der durch Abdampfen eingeengten und 
mit Ammoniak neutralisierten Lösung als Calciumeitrat aus. Die auf 
diesem Wege erhaltene Substanz betrug etwa 0,35 g. Sie gab eine deutliche 
Reaktion von Deniges und enthielt neben Calciumeitrat bedeutende Mengen 
von Caleiumphosphat. Der nach dem Verbrennen und Glühen verbliebene 
Rückstand machte etwa 39 Proz. aus!), und seine Lösung gab in Salpeter- 
säure mit Molybdat eine starke Reaktion auf Phosphorsäure. 

Oxalsäure wurde in dieser Kultur von Penicillium glaucum nicht 
nachgewiesen. 

Die getrocknete Pilzdecke betrug 1,75 g. 

Weiter unten folgt eine Zusammenstellung der oben angeführten 
Ergebnisse. 


Dreiwöchige Kultur von Penicillium glaucum auf 150 ccm Nährlösung, die 
15 Proz. bzw. 22,5 g Rohrzucker enthielt. 


Pilzdeckengewicht . . . . . 175g 
Ca-Gluconat . .. ..... 24g 
Ca-Citrat. . .... .. . 05g 


Unverbrauchter Zucker war vorhanden. 


1) Das Ca-Citrat, Ca,(C,H,O;), enthält 33,74 Proz. CaO. 


104 W1. S. Butkewitsch: 


Daraus ergibt sich, daß der Gehalt der Kultur an den Säuren im ge- 
gebenen Falle unbeträchtlich war. Das läßt sich mit der bei Penicillium 
glaucum stark ausgesprochenen Fähigkeit, die organischen Säuren zu 
Kohlendioxyd zu verbrennen!), in Zusammenhang bringen. 


Versuchsreihe 3. 


Eine unbestimmte Citromycesart mit graugrünen Konidien. 


Nährlösung: Rohrzucker . . . . . 15,00 Proz. 
NH,NO, ...... 015 „ 
Salze (mit Zn). . . . 010 „ 


Für die Kultur wurden 150 ccm Nährlösung angewendet. Calcium- 
carbonat (8g) wurde der Kultur am dritten Tage nach der Impfung zu- 
gesetzt. 

Am 14. Tage wurde die Kulturflüssigkeit nach Abtötung der Kultur 
im Kochschen Sterilisator abfiltriert. Sie war bräunlich gefärbt und redu- 
zierte die Fehlingseche Lösung. 

Zur abfiltrierten Flüssigkeit fügte man unmittelbar 2 bis 3 Volumen 
95proz. Alkohols hinzu. Der dabei ausgefällte Niederschlag bildete beim 
Stehen einen festen, bräunlich gefärbten Kuchen, der auf der Oberfläche 
mit nadelförmigen, in Büscheln gesammelten Kristallen bedeckt wurde 
(Niederschlag I). Die Flüssigkeit wurde abgegossen und der Niederschlag in 
Wasser unter Erhitzen gelöst. Man filtrierte die Lösung vom ungelöst 
gebliebenen Rückstand ab, der aus Calciumcitrat bestand, und fällte die 
aufgelöste Substanz durch Alkoholzusatz wieder aus. Nach einigem Stehen 
bildete sich eine für Calciumgluconat charakteristische kristallinische Aus- 
scheidung, die aus feinen, zu lockeren Sphäriten vereinigten Nadeln bestand. 
Von der Mutterlauge abgetrennt, gewaschen und getrocknet, betrug die 
abgeschiedene Substanz etwa 2,5g. 

Der vom ersten Niederschlag (I) abgegossenen Flüssigkeit setzte man 
noch etwas Alkohol zu. Nach einigem Stehen schied sich ein weißer 
kristallinischer Niederschlag ab, der sich ganz ähnlich der aus dem ersten 
Niederschlag durch Umkristallisieren erhaltenen Substanz verhielt. Der 
zweite Niederschlag, der etwa 0,3g wog, wurde zur Bestimmung des Ca- 
Gehalts verwendet. 


0,0865 g Substanz gaben 0,0104 g bzw. 12,64 Proz. CaO. 
Berechnet für Ca(C,H,,O-) - H,O 12,51 Proz. CaO. 


Aus dem unlöslichen Rückstand der Kultur wurde das Calciumcitrat 
nach dem üblichen Verfahren abgeschieden. Im erhaltenen Niederschlag 
ließen sich die für Calciumoxalat charakteristischen Würfel und Oktaeder 
neben den sternartig vereinigten prismatischen Nadeln von Calciumeitrat 
unter dem Mikroskop nachweisen. Von der Flüssigkeit getrennt und im 
Exsikkator getrocknet, wog «der Niederschlag etwa 2g. Mit schwacher 
Salzsäure bearbeitet, ging die abgeschiedene Substanz zum großen Teil 
leicht in Lösung über. Der ungelöst gebliebene Rückstand ließ sich nach 
dem mikroskopischen Aussehen und nach dem Verhalten gegen die Säuren 
als Calciumoxalat identifizieren. 


1) WI. Butkewitsch, diese Zeitschr. 129, 464, 1922; 186, 224, 1923; 
vgl. auch C. Wehmer, Bot.-Ztg. 49, 233, 1891. 


Säurebildung bei den Pilzen. 105 


Das aus der Salzsäurelösung durch Neutralisieren ausgeschiedene 
Calciumeitrat wurde nach den üblichen Reaktionen und nach dem Calciun- 
gehalt identifiziert. 

0,1080 g Substanz gaben 0,0363 g bzw. 33,61 Proz. CaO. 

Berechnet für Ca,(C,H,O,), 33,74 Proz. CaO. 


Weiter unten folgt eine Zusammenstellung der Ergebnisse dieses 
Versuchs. 


Zweiwöchige Kultur auf 150 ccm Nährlösung, die 15 Proz., d. h. 22,5g 
Rohrzucker enthielt. 


Pilzdeckengewicht. . . . .. Lig 
Ca-Gluconat . . 2.2.2... 2,8g 
Ca-Citrat. . 222202020. 2,0g 
Ca-Oxalat . . . 2.2.2... . ein wenig 


Ein Teil des Zuckers blieb noch unverbraucht. 


Versuchsreihe 4. Maucor stolonifer (Rhizopus nigricans). 


Nährlösung: Invertzucker . . . . . 12,0 Proz.!) 
(NH) SO.. .... 02 an 3) 
Salze (mit Zn). ... Ol „ 


Bei diesem Versuch stellte man zwei Kulturen auf, die je 150 ccm 
Nährlösung enthielten. Nach der Impfung wurden die Kulturen im Thermo- 
staten bei einer Temperatur von 30° untergebracht. Am vierten Tage 
setzte man den Kulturen je 8 g Calciumcarbonat zu. Nach einer Woche, 
nachdem sich starke Pilzdecken entwickelt hatten, ließ sich eine Gas- 
ausscheidung in der Kulturflüssigkeit auf der Oberfläche des Calcium- 
carbonats beobachten. In der dritten Woche zogen sich die Pilzdecken 
etwas zusammen und lösten sich von den Wänden des Kulturgefäßes ab. 

Nach drei Wochen wurden die Kulturen im Kochschen Sterilisator 
erhitzt und die Kulturflüssigkeiten heiß abfiltriert. Die Pilzdecken und 
die Niederschläge wurden noch zweimal mit Wasser (je etwa 100 ccm) 
erhitzt, das abfiltrierte Waschwasser wurde durch Abdampfen eingeengt 
und zur Kulturflüssigkeit hinzugefügt. 

Nachdem dieser Flüssigkeit etwa 3 Volumen 95proz. Alkohols zu- 
gesetzt worden waren, bildete sich ein fein zerteilter Niederschlag, der 
sich leicht zu Boden senkte. Unter dem Mikroskop erwies sich der Nieder- 
schlag aus sternartigen Nadelaggregaten und aus Sphäriten mit radialer 
Struktur zusammengesetzt. Der Niederschlag wurde auf der Nutsche 
abgesaugt, gewaschen, im Vakuumexsikkator getrocknet und gewogen. 
Er betrug 6,3 g. 

Man löste die erhaltene Substanz wieder unter Erhitzen in 
Wasser auf, filtrierte die Lösung vom geringen, ungelöst gebliebenen 

1) In diesem Versuche wurde Invertzucker statt Rohrzucker an- 
gewendet, da Mucor stolonifer keine Invertase bildet und den Rohrzucker 
gar nicht verbrauchen kann. Vgl. WI. Butkewitsch, Jahrb. f. wiss. Bot. 
38, 147, 1902. 

D Man ersetzte hier Ammoniumnitrat durch Sulfat, da Mucor stolonifer, 
nach den Ritterschen Beobachtungen, die Salpetersäure als Stickstoffquelle 
nicht verwerten kann. G. Ritter, Die Materialien zur Physiologie der 
Schimmelpilze. 1916 (russisch). 


106 WI S. Butkewitsch: 


bräunlichen Rückstand ab, der aus Gips bestand, und engte das Filtrat 
durch Abdampfen auf dem Wasserbad ein. Schon beim Abdampfen ent- 
stand eine kristallinische Ausscheidung auf der Oberfläche der Flüssigkeit. 
Der nach Abkühlen und Stehen abgeschiedene kristallinische Niederschlag 
wurde auf der Nutsche abgesaugt und mit Wasser und Alkohol gewaschen. 
Nach einem kurzdauernden Trocknen im Exsikkator wog die erhaltene 
Substanz 4,5g. Sie erwies sich nach dem Gehalt an Kristallisationswasser 
und an Calciumoxyd wie auch nach allen übrigen Eigenschaften mit dem 
Calciumsalz der Fumarsäure identisch. 


Kristallisationswasser. 


3,0505 g Substanz verlieren nach dem Trocknen bei 125° 0,7825 g 
bzw. 25,65 Proz. H,O. 


Berechnet für (CH),(COO)Ca.3 H,O 25,96 Proz. H,O. 


CaO-Gehalt des wasserfreien Salzes. 


0,1290 g Substanz gaben 0,0470 g bzw. 36,43 Proz. CaO. 
Berechnet für (CH),(COO)Ca 36,36 Proz. CaO. 


Aus dem Calciumsalz wurde leicht die freie Säure durch Entfernen 
des Calciums mit Oxalsäure und Einengen des Filtrats in Gestalt von 
blätterigen Kristallen erhalten. Die Säure löste sich schwer in Wasser und 
leicht in Alkohol und Äther. 


Titrieren der Säure mit Phenolphthaleın. 


0,0582 g Substanz brauchten 10,2ccm n/10 Ba(OH),. 


Berechnet für dieselbe Menge von (CH)(COOH) 10,3 ccm n’10 
Ba(OH),- 

Die Säure gab mit Ammoniak und Zink eine positive Reaktion auf 
Pyrrol, bildete mit Eisenchlorid einen bräunlich gefärbten Niederschlag 
und reduzierte leicht Kaliumpermanganat in der mit Schwefelsäure an- 
gesäuerten Wasserlösung schon in der Kälte. Die ammoniakalische Silber- 
lösung wurde direkt durch die Säure selbst nicht reduziert, ihre Lösung 
erhielt: aber diese Fähigkeit nach der Bearbeitung mit Permanganat in 
Gegenwart von Schwefelsäure!). Die untersuchte Substanz verhielt sich 
also wie Fumarsäure. 

Aus der Mutterlauge der ersten Kristallisation des Calciumsalzes der 
Furnarsäure wurde durch Fällung mit Alkohol noch 1 g Substanz erhalten, 
die hauptsächlich aus demselben Salz bestand. Bei 100° 4 Stunden ge- 
trocknet, verliert die Substanz 13,97 Proz. Wasser, und nach solchem 
Trocknen enthielt sie 29,61 Proz. Calciumoxyd. Diese Werte entsprechen 
ziemlich nahe dem Calciumsalz der Fumarsäure, (CH). (COO),Ca . 3 H,O, 
wenn man annimmt, daß dieses Salz nur eine Hälfte seines Kristallisations- 
wassers verlor?). In diesem Falle müßte man nach der Berechnung für 


1) Unter Einwirkung von Permanganat auf Fumarsäure in saurer 
Lösung muß nach Perdrix Ameisensäure entstehen. Perdrix, Bull. de la 
soc. chim. (3) 28, 645, 1900. 

2) Das Ca-Salz der Fumarsäure verliert verhältnismäßig leicht eine 
Hälfte seines Kristallisationswassers. Biochem. Handlex. 1, 2. Hälfte, 
S. 1144. 


Säurebildung bei den Pilzen. 107 


das Wasser und das Calciumoxyd entsprechend 13,33 und 30,77 Proz. 
bekommen. Aus diesem Salz ließ sich die freie Fumarsäure leicht nach 
demselben Verfahren wie früher ausscheiden. 

Der von der Kulturflüssigkeit abgetrennte unlösliche Rückstand 
wurde der fraktionierten Auflösung in Salzsäure ausgesetzt. In den ersteren 
Fraktionen löste sich das Calciumcarbonat. Aus der letzteren sauren 
Fraktion wurde ein bräunlich gefärbter Niederschlag nach Abstumpfen 
der Säure mit Ammoniak abgeschieden. Unter dem Mikroskop ließ sich 
neben den braunen Flocken eine beträchtliche Menge von oktaedrischen 
Kristallen im Niederschlag nachweisen, die sich gegen die Säuren wie 
Calciumoxalat verhielten. Nach einer wiederholten Auflösung in Salzsäure 
und Fällung mit Ammoniak wurden etwa 0,15g Calciumoxalat erhalten. 

In der Kulturflüssigkeit fand man nach Bertrand 17,6 g unverbraucht 
gebliebenen Zuckers. 

Die getrockneten Pilzdecken wogen 1,6 g. 

Die Ergebnisse dieses Versuchs lassen sich auf folgende Weise zum 
Ausdruck bringen. 


Dreiwöchige Kulturen von Mucor stolonifer auf 300 ccm Nährlösung, die 
12 Proz., d.h. 36 g Invertzucker enthielt. 


Pilzdeckengewicht . . . . 16 g 
Ca-Fumarat . ..... 6,3 g (bzw. etwa 3g Fumarsäure) 
Ca-Oxalat . . . 2... 0,15g 


Verbrauchter Zucker . . 18,4 g 


Die Ergebnisse der vorliegenden Versuche beweisen, daB die 
Gluconsäure ein weit verbreitetes Produkt der oxydativen Umwandlung 
des Zuckers durch die Pilze darstellt und daß ihre Bildung in diesem 
Vorgang ebenso üblich wie die der Citronen- und Oxalsäure ist. Die 
meisten untersuchten Aspergillaceen wiesen die Fähigkeit nach, diese 
drei Säuren zu bilden. Obwohl die Oxalsäure bei Citromyces glaber und 
Pensllsum glaucum in den vorliegenden Versuchen nicht nachgewiesen 
wurde, zeigen doch die Ergebnisse der anderen Versuche mit denselben 
Pilzen!), daß auch diese imstande sind, die Oxalsäure zu bilden und 
unter gewissen Bedingungen in beträchtlicher Menge anzuhäufen. 

Wie von Wehmer, Molliard und anderen Forschern und neuerdings 
besonders von Bernhauer?) festgestellt worden ist, kann die Anhäufung 
von Produkten der oxydativen Zuckerumwandlung bei einem und 
demselben Pilze, je nach der Kulturbedingung, sehr verschiedenartig 
zum Vorschein kommen. Wenn sich gewisse Substanzen in den Kulturen 
nicht nach weisen lassen, so ergibt sich daraus noch nicht, daß sie während 
des Stoffwechsels nicht gebildet werden, da die Anhäufung in der 
Kultur nicht nur von der Bildung, sondern auch von dem Verbrauch 


1) WI. Butkewitsch, diese Zeitschr. 129, 455 und 464; 131, 327 und 338, 
1922; 186, 224, 1923; O. Wehmer, Bot.-Ztg. 49, 233, 1891; Chem.-Ztg. 
1909, S. 1281. 

2) K. Bernhauer, diese Zeitschr. 172, 296, 313, 324, 1926. 


108 WI. S. Butkewitsch: 


abhängig ist. Eine Anhäufung des sich bildenden Produkts kann nur 
dann zustande kommen, wenn der Verbrauch der Bildung nachsteht. 
Wenn das nicht der Fall ist, so erfolgt keine Anhäufung. Daraus folgt, 
daß eine Erweiterung unserer Kenntnisse über die Natur der beim 
Stoffwechsel intermediär entstehenden Verbindungen, also auch über 
die Art der diesen Wechsel zusammensetzenden Vorgänge, durch die 
Versuche unter möglichst verschiedenartigen Kulturbedingungen er- 
reicht werden kann. Dazu lassen sich auch die Versuche mit ver- 
schiedenen Organismen mit Erfolg benutzen. 


In bezug auf ein und dasselbe Stoffwechselprodukt macht sich nicht 
selten eine sehr ungleiche Neigung zur Anhäufung bei verschiedenen Orga- 
nismen geltend. So bildet z. B. die von mir als eine Zwischenstufe der 
Zuckerumwandlung bei Aspergillus oryzae nachgewiesene Ketoenolsäure?}) 
eine Verbindung, die sich intermediär nach den zurzeit zu meiner Ver- 
fügung stehenden Ergebnissen auch bei anderen Pilzen bildet; die Neigung 
zur Anhäufung dieser Verbindung ist aber bei den letzteren viel schwächer 
als bei Aspergillus oryzae ausgeprägt", Was die anderen Stoffwechsel- 
produkte, wie z. B. Glucon-, Citronen-, Oxalsäure, anbelangt, so kann 
auch ihre Anhäufung bei verschiedenen Pilzen sehr verschieden zustande 
kommen. 

Unter den Bedingungen unserer Versuche gelang es uns, bei Mucor 
stolonifer nur Fumar- und Oxalsäure nachzuweisen, d. h. die Säuren, deren 
Bildung bei diesem Pilze schon früher festgestellt war. Die Anhäufung 
der Oxalsäure unter gewissen Kulturbedingungen wies schon Wehmer?) 
bei Mucor stolonifer nach. Die Fumarsäure wurde bei demselben Pilz 
von Ehrlich‘) aufgefunden®). Die Frage nach der Beziehung dieser Säure 
zum Zucker erfordert weitere Untersuchungen ê). 


1) WI. Butkewitsch, Arch. f. wiss. Bot. 1, 657, 1926. 

2) Diesem Gegenstand soll bald eine besondere Mitteilung gewidmet 
werden. 

3) C. Wehmer, Bot.-Ztg. 49, 233, 1891. 

4) F. Ehrlich, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 44. 3737, 1911. Später 
hat Ehrlich (ebendaselbst 52, 63, 1919) bei Mucor stolonifer neben Fumar- 
säure auch flüchtige Säuren, Bernsteinsäure, 1-Äpfelsäure und d-Milchsäure 
nachgewiesen. 

6) Später hat Wehmer eine Aspergillusart, A. fumaricus, beschrieben, 
die in den Zuckerkulturen neben unbeträchtlichen Mengen von Citronen- 
säure reichlich Fumarsäure bildete, deren Ausbeute etwa 60 bis 70 Proz. 
des angewandten Zuckers betrug. C. Wehmer, Ber. d. Deutsch. chem. 
Ges. 51, 1663, 1918. 

6) Mucor stolonifer bildet nach Gottschalk Fumarsäure auch auf Kosten 
von Brenztraubensäure (Zeitschr. f. physiol. Chem. 152, 136, 1926). Auf 
Glycerin, Äthylalkohol und Pepton als einzige Kohlenstoffquelle entsteht 
jedoch nach Ehrlich (l. c.) die Fumarsäure in den Kulturen von Mucor 
stolonifer gar nicht oder nur in Spuren. Die spurenweise Bildung von 
Fumarsäure auf Glycerin in einzelnen Versuchen erklärt Ehrlich dadurch, 
daß auch in solehen Lösungen stets glykogenhaltiges Pilzmycel entsteht, 
das Glucose in die Flüssigkeit entsendet. 


Säurebildung bei den Pilzen. 109 


Zusammenfassung. 


Die Gluconsäure bildet bei den Aspergillaceen ein ebenso übliches 
Produkt der oxydativen Zuckerumwandlung wie Citronen- und Oxal- 
säure. 

Unter relativem Stickstoffmangel und in Gegenwart von Calcium- 
carbonat läßt sich die Gluconsäure in den Pilzkulturen auf Zucker 
meistens in beträchtlicheren Mengen als die übrigen Säuren nachweisen. 

Bei denselben Bedingungen ist es gelungen, in den Kulturen von 
Mucor stolonifer nur Fumar- und Oxalsäure nachzuweisen, d.h. die 
Säuren, die bei diesem Pilze auch von anderen Forschern gefunden 
worden waren. 


Über die Elektrolytkoagulation der Kolloide. 


IV. Mitteilung: 
Elektrometrische und konduktometrische Titration von Mastixsolen. 


Von 
Adolph J. Rabinowitsch und Frl. R. Burstein. 
(Aus dem Karpow-Institut für Chemie zu Moskau.) 
(Eingegangen am 15. Januar 1927.) 
Mit 5 Abbildungen im Text. 


In anderen Abhandlungen!) dieser Reihe wurde der Koagulations- 
prozeß an Arsentrisulfidsolen mittels konduktomerischer Titration, an 
Ferrioxydsolen mittels elektrometrischer Titration verfolgt. Leder 
konnten auf keines dieser Objekte beide Methoden gleichzeitig an- 
gewendet werden, da das Arsentrisulfidsol die Platinelektrode ver- 
giftet, was die elektrometrische Methode unanwendbar macht; Ferri- 
oxydsole gehören nicht zu den ‚‚acidoiden‘ Solen, entwickeln während 
der Koagulation keine neuen Wasserstoffionen (oder nur in unter- 
geordnetem Maße), was sie für die konduktometrische Titration un- 
geeignet macht. 

Daher suchten wir ein Objekt acidoider Natur, welches die An- 
wendung der Platinelektrode gestattet. Ein solches schien uns in 
Mastixsolen vorzuliegen. 


I. 


Die Mastixsole wurden auf zweierlei Weise bereitet. Kahlbaums 
„Mastix gepulvert‘“ wurde in 95- bis 96gräd. Äthylalkohol gelöst. Die 
erhaltene, etwa 5proz. Lösung wurde entweder in (bidestilliertes) 
Wasser eingrgossen (5: 100), oder, un:gekehrt, es wurde Wasser dieser 
Lösung ug. gehen. In beiden Fällen erhielten wir Mastixsole, die sich 
je nach der Bereitungsweise stark voneinander unterschieden. Be- 
zeichnen wir Mastixsole, welche durch Eingießen von Wasser in Alkohol- 
lösungen von Mastix erhalten worden sind, als a-Mastixsole und die- 


1) Erscheinen demnächst a a. O. 


A. J. Rabinowitsch u. R. Burstein: Elektrolytkoagulation d. Kolloide. 111 


jenigen, die umgekehrt durch Eingießen von Mastixlösung in Wasser 
hergestellt worden sind, als b-Mastixsole, so beobachten wir zwischen 
den beiden Arten Mastixsolen (nach der Filtration durch gewöhnliche 
analytische Papierfilter nicht zu kleinen Porendurchmessers) folgende 
Unterschiede: 


l. Bei der Titration mit Kalilauge ergeben die a-Sole eine für 
scidoide Sole typische Leitfähigkeitstitrationskurve mit einem klar 
ausgeprägten Minimum (s. Abb. 1, Tabelle I). Die b-Mastixsole geben 


—2— 7 7000 
DE 7000-2 u 


70 20 ccm 70 20 ccm 30 


? 


Abb. 1. . Abb. 2. 


eine kontinuierlich aufsteigende Kurve, ohne jegliches Minimum oder. 
Wendepunkt, was der Leitfähigkeitstitration einer noch schwächeren 
Säure entspricht (s. Abb. 2). 


Tabelle I. 
Leitfähigkeitstitration von 40 ccm Mastixsol II (a) mit 0,005 n Kalilauge. 
R = 3000 Ohm. 

Temperatur | Laiosa GE a: 1000 — ak | Lauge E 
aG Eu "ren aen | ams | ae ei auf Verdünnung. _ ccm 

24 | 376,5 0,6039 0,6039 0,00 

24 ! 370,5 0,5885 0,5886 0,10 

22,4 360,6 0,5639 0,5687 0,30 

24 | 354,8 0,5500 0,5564 0,50 

2,4 349,6 0,5375 0,5468 0,70 

Nd | 345,3 0,5274 0,5397 0,90 

22,4 i 341,6 0.5188 0,5344 1,20 

2,4 342,0 0,5198 0,5397 1,50 

2A | 346, 0.5300 0,5540 1,80 

24 | 357,8 0,5472 0,5765 2,10 

GË | 363,4 0,5710 0,6039 2,40 


112 A. J. Rabinowitsch u. R. Burstein: 


Unser Sol I, welches ein Gemisch von a- und 5b-Mastixsol darstellte, 
ergab eine Leitfähigkeitstitrationskurve, die einen Übergang zwischen 
dem ersten und dem zweiten Typus darstellt (s. Abb. 3). Auf der Kurve 
sehen wir kein Minimum, sondern einen Wendepunkt. 


20 


a 
000-4 


70 20 30 ccm 4o 
Abb. 3. 


2. Führen wir die elektrometrische Titration der Mastixsole mit 
einer Pt-Wasserstoffelektrode oder einer Chinhydronelektrode durch, 
so erhalten wir die typische Titrationskurve einer mittelstarken Säure?) 
(s. Tabelle II, Abb. 4). 

Tabelle II. 


Elektrometrische Titration von 20 ccm Mastixsol II (a) mit 0,005 n Kalilauge 
mit Pt-Wasserstoffelektrode gegen gesättigte Kalomelelektrode. £ = 16,5°. 


mV PH mV 


464,4 3,79 0.00 529,1 4,92 | 1,33 
467 6 3'84 0,10 546.6 5.22 1'53 
469.6 3.88 0.20 566.2 5,56 | 173 
472.0 3.92 0.30 593.3 6.04 1'93 
481.0 4.08 0.52 669.1 735 | 234 
491.7 4.26 0.73 731.2 843 SCH 
503.0 4.46 0.93 153.9 8.83 | 3,10 
5154 4.68 1.13 | 


~< 


1) Wie bekannt (Tschirch und Reutter, Arch. f. Pharm. 242, 104, 1888), 
enthält Mastix eine Reihe mittelstarker einbasischer organischer Säuren: 
a- und ß-Masticinsäuren, C,,H,,0,; Mastikolsäure CG Hall: a- und ß-Me- 


stikonsäuren, C„H,O, u. a. 


Elektrolytkoagulation der Kolloide. 113 


Der Endpunkt der Titration unserer Mastixsole mit Lauge in 
Gegenwart von Phenolphthalein als Indikator stimmt ziemlich gut 
mit dem der elektrometrischen Titration überein. 


70 ph 


20 20 ccm 30 
Abb. A 


3. Der Wendepunkt der elektrometrischen Titrationskurve liegt 
für a-Mastixsole bei viel größeren Laugenmengen, als dem Minimum 
der Leitfähigkeitstitration entspricht. Dies ist leicht verständlich, 
wenn wir in Betracht ziehen, daß Mastix sich wie eine mittelstarke 
Säure benimmt, in welchem Falle, wie bekannt, das Leitfähigkeits- 
minimum keinesfalls mit dem Äquivalenzpunkt zusammenfällt; ersteres 
tritt bei kleineren Laugenmengen auf und kann zur Feststellung der 
Äquivalenz der Säure nicht dienen. 

Für 5-Mastixsole kann man einen solchen Vergleich nicht durch- 
führen, da bei ihnen das Leitfähigkeitsminimum überhaupt fehlt. 


4. Vergleichen wir die Weasserstoffionenkonzentrationen h der 
Mastixsole, die sich aus Leitfähigkeitsmessungen nach der bekannten 
Formel!) A = a 

U WÉI 
Pu-Messung im Sol berechnen lassen, so finden wir auch in dieser Be- 
ziehung einen großen Unterschied zwischen den a- und den b-Mastix- 
solen. In den ersteren stimmen die beiden Werte sehr genau überein, 


wie aus Tabelle III zu ersehen ist, in den letzteren bemerken wir dagegen 


ergeben, mit denjenigen, die sich aus der 


1) Pauli und Semler, Kolloid-Zeitschr. 84, 145, 1924. 
Biochemische Zeitschrift Band 182. 8 


114 A. J. Rabinowitsch u. R. Burstein: 


Tabelle III. 


| Konduktometr. | i u o | 
i ONE 2.0 Wendepunkt. ee 
Ole reitungss oder ende» gerne x 
Nr. weise | punkt WW). ccm ee | h, aus Leitfähigkeit us elektrom. des Sols 


| Lauge (0.005 n) . ANM 
| Pro Liter Sol | Liter Sol Ze ii 


e Oe 


! | | 
I| a+b H 23,7 -= = ' 6,29.1075 4,20 

| (Mischung) | | 
II a-sol ` AM 30,0 110 1,45.10-4 1,45.10-4 | 3,84 
| 30,0 | 1,62. 10-4: 1,62.10-* | 3,79 
| | '1,74.10-4 | 3,76 
II! a-Sol | M 18,7 80 (29. VIIL.) 9,55 . 10-5) 9,54.10-5 | 4,02 
\ 21,2 (11. VIH.) 1,67 . 10-4 1,69 . 1074 | 3,77 
IV | kënt ze 65 (4. VIO.) 1,66.10-4' 1,45.10=° ı 4,84 
` (11.VII.)  —  ;251.1075 | 4,60 


eine große Diskrepanz, die vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß 
die Voraussetzungen, die der Paulischen Formel zugrunde liegen, für 
die 5-Sole nicht gelten. 

Wie aus dieser Tabelle III ersichtlich, ändert sich das h der Mastix- 
sole, nach beiden Methoden gemessen, allmählich mit der Zeit. Das 
ist wahrscheinlich mit einem langsamen Übergang von Mastixsäuren 
aus den Kolloidteilchen in wahre Lösung verbunden. 

5. Die 5-Mastixsole filtrieren durch gewöhnliche Papierfilter viel 
langsamer als die a-Sole. Härtere Papierfilter lassen ein fast durch- 
sichtiges Ultrafiltrat passieren oder sind für die b-Mastixsole ganz 
undurchdringlich. 

Stellen wir alle angeführten Eigenschaften der Mastixsole zu- 
sammen, so können wir daraus schließen, daß 

a) die b-Sole schwächere Säuren sind als die a-Sole. Außer dem 
Unterschied in den konduktometrischen Titrationskurven folgt dies 
z.B. aus dem Vergleich der elektrometrischen Titrationskurven mit 
0,005 n Kalilauge (s. Abb. 4, Tabelle II und IV) für das a-Mastixsol II 
(20 ccm, s. Tabelle II) und das b-Sol IV (40 ccm). Der Wert der Ordinate, 
die der halben Menge der zur Neutralisation benutzten Lauge ent- 
spricht, ist gleich dem negativen Logarithmus der Dissoziations- 
konstante der betreffenden Säure. Wir haben es mit einer Mischung 
nicht sehr verschiedener Säuren zu tun, die nicht elektrometrisch 
getrennt werden können. Deshalb können wir uns mit einer mittleren 
Dissoziationskonstante der Mischung begnügen. Bei dem a-Sol ist 
K œ~ 2.1075, bei dem b-Sol K ~ 2.1079. 

Um diesen Unterschied in den Säurestärken zu erklären, machen 
wir die Annahme, daß in der Wasser-Alkoholphase (Dispersionsmittel) 
der Mastixsole die schwächeren Säuren löslicher sind als die stärkeren, 
welche in den großen Micellen (s. weiter unten) der b-Sole bleiben und 


Elektrolytkoagulation der Kolloide. 115 


auf dem Papierfilter zurückgehalten werden. Außerdem wird die 
aktuelle Acidität (A) der a-Sole dadurch erhöht, daß sie eine größere 
Menge Mastixsäuren in echter wasser-alkoholischer Lösung enthalten 
als die 5-Sole. Dies ist leicht zu verstehen, wenn wir den zweiten Unter- 
schied zwischen den beiden Arten Solen in Betracht ziehen, nämlich daß 


b) die a-Sole viel kleinere Teilchen besitzen als die b-Sole. Dies 
folgt aus der viel leichteren Filtrierbarkeit der ersteren und wurde 
außerdem durch Vergleich der ultramikroskopischen Bilder beider 
Sole bestätigt. Sol X (a) und Sol XI (b), aus gleichen Mengen Mastix 
bereitet (die Mengen Wasser und Alkohol waren auch für die beiden 
Sole gleich), wurden im Zeissschen Kardioidultramikroskop vor der 
Filtration miteinander verglichen. Sie zeigten einen auffallenden Unter- 
schied, besonders wenn sie vorher stark verdünnt worden waren. Das 
zweite Sol enthält eine viel kleinere Anzahl Teilchen; ihre Größe (Hellig- 
keit) ist nicht so regelmäßig wie im a-Sol; man findet unter ihnen einen 
großen Teil hellerer (gröberer) Teilchen. Ein quantitativer Vergleich 
wurde nicht ausgeführt, da der diffus beleuchtete Hintergrund auf die 
Anwesenheit unsichtbarer Amikronen hinweist. 


Bestehen die a-Sole aus kleineren Teilchen als die b-Sole, so wird 
leicht verständlich, daß durch ihre größere Gesamtoberfläche die 
Überführung der Mastixsäuren in echte Lösung mit größerer Ge- 
schwindigkeit stattfinden kann. Daß ein solcher Prozeß sehr langsam 
vor sich geht, wird durch folgende Beobachtung wahrscheinlich gemacht. 
Sol IX, ein typisches bh Bol, erhielt nach dreimonatigem Stehen alle 
Eigenschaften der a-Sole: es gab ein scharf ausgeprägtes Minimum 
auf der Leitfähigkeitstitrationskurve, vollkommene Übereinstimmung 
von h, mit h, usw. 


Bei der Filtration der b-Sole werden alle gröberen Mastixteilchen 
von dem Papierfilter zurückgehalten; die Analyse (durch Trocknen 
bei 105°) zweier Sole, die nach den beiden Methoden aus gleichen Stoff- 
mengen hergestellt wurden, ergab für Sol X (a) bis 2,80 g pro Liter, für 
Sol XI (b) bis 1.95 g pro Liter. Mit den Teilchen wird auch ein Teil 
Wasserstoffionen, die die äußere Schicht der elektrischen Doppelschicht 
ausbilden, zurückgehalten (Donnan-Effekt).. Es gelangt also in das 
fltrierte b-Sol eine kleinere Menge H'-Ionen. was ihre niedrige A, und 
die Abwesenheit des Minimums auf der Leitfähigkeitskurve erklärt. 


Il. 

Führen wir die Elektrolytkoagulation der im vorigen Abschnitt 
mittels Laugentitration definierten Mastixsole durch, so finden wir, daß 
während der Koagulation keine Ansäuerung stattfindet. 

Dies konnte an Mastixsolen nach zwei Methoden festgestellt werden. 

GC 


116 A. J. Rabinowitsch u. R. Burstein: 


Die konduktometrische (Leitfähigkeits-) Titration geschah in 
üblicher Weise, wie es in unserer zitierten Abhandlung an Arsentrisulfid- 
solen beschrieben ist. Als Beispiel möchten wir eine solche Titration 
des Mastixsols III mit BaCl, anführen (s. Tabelle IV und Abb. 5). 


Tabelle IV. 


Leitfähigkeitstitration des Koagulationsprozesses von Mastixsol III mit 
0,01 Deu N R = 5000 Ohm. 
Salzlösung 


Temperatur KS © | aj1000— âk ö 
elle ee. @korr. ==." DE i auf Verdünnung 


20,8 Be a 425,5 0,7406 0,741 | 0 

21.0 458.0 0.8450 0.850 0,2 
212 4844 09396 0.948 0,4 
212 509.2 10375 | 1.052 0,6 
21,2 531,3 1,1336 | 1,158 0,8 
212 550.8 1.2267 1.258 1.0 
21.2 568.4 1.3170 1.355 12 
212 584.8 1.4084 1.457 14 
212 599,5 1,4971 1,555 16 
21,2 612,6 1,5810 1,650 1,8 
212 | 6262 1.6760 1.760 2.0 
212 | 654.0 1,8900 | mé 25 
21.2 677.9 2100 ` 2.262 3.0 
21.2 701.9 23530 | 2,560 35 
212 715.2 25110  : 2.760 4.0 


70 20 30 ccm Se 
Abb. 5. 


Wie aus Abb. 5 zu ersehen ist, stellt die entsprechende Kurve 
nahezu eine Gerade dar!). Dies zeigt, daß während des Koagulations- 


1) Die an einigen dieser Kurven zu ersehenden kleinen Abweichungen 
von dem linearen Gange lassen sich auf die während der Koagulation statt- 
findende Änderung des Dispersitätsgrades, Temperaturschwankungen usw. 
zurückzuführen. 


Elektrolytkoagulation der Kolloide. 117 


prozesses keine Wasserstoffionen frei werden. Dasselbe Resultat wurde 
auch bei der Leitfähigkeitstitration von verschiedenen Mastixsolen mit 
KOL NaSO, AIOL, La(NO,), Th(NO,), erhalten. 

Dies konnte auch mittels einer anderen Methode, nämlich der 
elektrometrischen Titration, bestätigt werden, was durch Tabelle V 
illustriert wird. 

Tabelle H. 


Elektrometrische Titration von 20 ccm Mastixsol JI mit 0,01 n BaCl,-Lösung 
mit Pt-H,-Elektrode gegen gesättigte Kalomelelektrode. # = 16,7°. 


SS 


Salzlösung Salzlösung 
7 
mn) Pu | ccm mV | Pu ccm 


| | i 
0,00 464,3 | 378 | 100 


462.8 3,76 3.78 

463,2 3,77 0,20 465,0 3,80 1,20 
464,3 3,78 0,40 459 ` 881 , 170 
4647 | 38,79 0,60 466,6 | 388 | 2,20 
#50  ' 38,80 0,80 467,0 3.84 | 270 


Daraus sehen wir, daB während des Koagulationsprozesses das pa 
praktisch konstant bleibt, wenn wir die durch Verdünnung des ursprüng- 
lichen Mastixsols mit Salzlösung verursachte pu-Erhöhung berück- 
sichtigen'). 


Dasselbe Resultat wurde auch schon von Tartar und Draves?) 
bei der Koagulation von Mastixsolen mit KCl gefunden. Dieses Salz 
gbt aber auch mit Arsentrisulfidsolen eine so schwache Ansäuerung, 
daß sie an Mastixsolen leicht übersehen werden kann. Es schien 
uns daher interessant, andere Salze in dieser Beziehung zu prüfen, die 
an As,S,-Solen eine starke Ansäuerung hervorrufen. Das Resultat 
aber fiel, wie gesagt, durchaus negativ aus. 


Dies zeigt. daß Mastixsole viel schwächere Säuren darstellen als 
Arsentrisulfidsole.. Bei den letzteren haben wir?) gezeigt, daß der 
Koagulationsprozeß immer unter Abgabe von freien Wasserstoffionen 
stattfindet. Dies haben wir so gedeutet, daß die eingeführten Kationen 
die anfangs in den Micellen eingebetteten (gebundenen oder nicht- 
dissoziierten) Wasserstoffionen freisetzen. Bei den Mastixsolen ist dies 


1) Führen wir die elektrometrische Titration mit Lösungen stark hydro- 
Iytisch gespalteter Salze aus; AI(NO,),, La(NO,), usw., so erhalten wir 
selbstverständlich eine schwache Ansäuerung, die durch Einführen der 
H*-Ionen mit der Salzlösung erklärt wird. 

2) Journ. Phys. Chem. 80, 763, 1926. Ihre Mastixsole waren nach 
einer unserer Methode b entsprechenden Weise bereitet. 

3) A. J. Rabinowitsch, Zeitschr. f. physik. Chem. 116, 97, 1925; A. J. 
Rabinowitsch und W. A. Dorfmann, l. c. 


118 A. J. Rabinowitsch u. R. Burstein: 


nicht der Fall. Diese Sole stellen so schwache Säuren dar, daß sie zur 
Salzbildung mit den betreffenden koagulierenden Kationen nicht 
fähig sind. Diese Kationen ersetzen nur diejenigen ‚‚freien‘‘ Wasserstoff- 
ionen, die an den Micellen adsorbiert sind und den äußeren Belag der 
Doppelschicht bilden. Weiter geht der Prozeß nicht. 

Dies konnte auch durch einige analytische Adsorptionsmessungen 
während der Koagulation bestätigt werden. Als Beleg führen wir den 
folgenden Versuch an. 100 ccm Mastixsol II wurden mit 10 ccm 0,01 n 
La(NO,),-Lösung, die 0,0094 g La(NO), enthielt, koagulieri. Die 
Gewichtsanalyse des Filtrats nach der Koagulation ergab 0,0074 g 
La(NO,),. Es wurden 1,85 . 10-4 g-Äquivalent La [den aus der Lösung 
verschwundenen 0,0094 — 0,0074 = 0,0020 g La(NO,), entsprechend] 
von dem Koagulat mitgerissen. Sol II enthielt (e Tabelle Ill) 
1,7 . 10-4 g-Äquivalent freier Wasserstoffionen (aus dem pa berechnet) und 
6.10% Gesamtwasserstoffionen (aus der elektrometrischen Titrations- 
kurve bestimmt). Die bei der Koagulation adsorbierte Menge La-Ionen 
entspricht also mit genügender Genauigkeit der Menge freier Wasser- 
stoffionen im Sol. 

II. 

Die Koagulationswerte verschiedener Kationen, d h. die minimalen 
Konzentrationen, die zur vollständigen raschen Koagulation des 
Mastixsols genügen, ändern sich von Kation zu Kation in bekannter 
Weise: sie folgen angenähert der Regel von Hardy-Schulze. Wie dies 
an Arsentrisulfidsolen gezeigt wurde!), fällt der Koagulationswert mit 
der Wasserstoffionenkonzentration h nicht zusammen; bei allen Kationen 
ist der Koagulationswert (Kw) höher als h, und zwar um so mehr, je 
niedriger die Valenz des betreffenden Kations. Am kleinsten ist diese 
Diskrepanz bei dreiwertigen Kationen, Al, La usw., am größten bei 
einwertigen, K, Na usf. 

Dieses Verhalten kann durch folgende Tabelle VI illustriert werden: 


Tabelle VI. 


Koagulationswerte verschiedener Kationen. 
Milligrammäquivalente pro Liter. 


h frei h ! Kw 


Sols Nr. | Mtrei 
e kond. | elektr. | gesamt x | Ba | Al | La Th 
more Tre p ` 
Mastix $... | 011 012 äm 6.6 0.56106 0.98 
Mastix XI... 0.09 0,037: 0,39 | 75 Gu |053" — |098 


In der ersten Horizontalreihe dieser Tabelle werden Koagulations- 
werte mit den -Konzentrationen eines a-Mastixsols (2,80 g Mastix 


1) 4. Rabinowitsch und W. Dorfmann, l. c. 


Elektrolytkoagulation der Kolloide. 119 


pro Liter enthaltend) verglichen; in der zweiten Horizontalreihe wird 
ein solcher Vergleich für ein bh Gol (1,95 g pro Liter) durchgeführt. 


Die Koagulationswerte sind für alle Kationen höher als die 
aktuelle Acidität (k) des entsprechenden Sols. Für dreiwertige Ionen 


ist die Differenz nicht groß ( etwa e = 5), mit Verminderung der 
Valenz des Kations wird sie immer größer und erreicht bei K den Wert 


e = 850. Noch größer sind diese Quotienten bei dem b- Sol XI. 
frei 


Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, daß die Adsorption der 
Kationen während der Koagulation in einer dem Gehalt des Sols an 
freien H*-lonen äquivalenten Menge erfolgt. Andererseits hat sich 
ergeben, daß die eingeführten Kationen freie Wasserstoffionen in 
äquivalenter Menge ersetzen, ohne dabei (von hydrolytisch gespalteten 
Salzen abgesehen) die Reaktion des Sols zu ändern. 


Betrachten wir diesen Ersatz der Wasserstoffionen als erstes 
Stadium und unentbehrliche Bedingung für die Koagulation, so müssen 
wir schließen, daß diese Stufe in keiner Beziehung zur Regel von Hardy- 
Schulze steht. Hier spielt die Valenz des Kations keine Rolle, sondern 
tritt die Äquivalenz hervor. Nachdem alle freien H*-Ionen durch 
fremde Kationen ersetzt sind und sich salzartige Verbindungen!) 
gebildet haben, kann die eigentliche Koagulation (Niederschlags- 
bildung) einsetzen. Hier ist die Valenz der Kationen (und zum Teil 
ihre individuelle Natur) maßgebend. was eben in der Regel von Hardy- 
Schulze Ausdruck findet. 


In dieser Beziehung folgen die Mastixsole den von uns?) an Arsen- 
trisulfidsolen festgestellten Regelmäßigkeiten vollkommen. 


Zusammenfassung. 


l. Es wurden an Mastixsolen gleichzeitig beide Methoden an- 
gewendet, die von uns früher zur Verfolgung des Koagulationsprozesses 
ausgearbeitet worden sind: die konduktometrische und die elektro- 
metrische Titration mit Lauge und mit Salzlösungen. 


2. Mastixsole, hergestellt durch Eingießen von Wasser in alkoholische 
Mastixlösung (a-Sole), unterscheiden sich von denjenigen, die durch 
Eingießen von alkoholischer Mastixlösung in Wasser (b-Sole) bereitet 
werden. 


1) Wir wollen an dieser Stelle nicht die alte Frage berühren, ob es sich 
hier um rein chemische oder Adsorptionsverbindungen handelt, da zurzeit 
die Mittel zur Entscheidung dieser Frage fehlen. 

"Le 


12) A. J. Rabinow itsch u. R. Burstein: Elektrolytkoagulation d. Kolloide. 


3. a-Mastixsole ergeben bei Laugentitration eine Leitfähigkeits- 
kurve mit scharf ausgeprägtem Minimum, dessen Lage jedoch von 
derjenigen des Wendepunkts auf der elektrometrischen Titrationskurve 
stark abweicht. 


4. b-Sole ergeben kein Minimum und keinen Wendepunkt auf den 
Leitfähigkeitstitrationskurven. 


5. Die Wasserstoffionenkonzentrationen, die nach der kondukto- 
metrischen und der elektrometrischen Methode bestimmt werden, 
stimmen für die a-Sole ganz genau überein. 


6. Bei den b-Solen ist dies nicht der Fall. 
7. b-Sole lassen sich nur sehr langsam filtrieren. 


8. a-Mastixsole sind stärkere Säuren als die b-Sole und bestehen 
aus kleineren Teilchen. 


9. Bei der Koagulation von Mastixsolen mit Salzlösungen findet 
keine Ansäuerung statt. 


10. Die freien Wasserstoffionen des Sols werden einfach gegen 
eingeführte Kationen ausgetauscht. Die Mastixsole sind also viel 
schwächere Säuren als Arsentrisulfidsole, aus welchen verschiedene 
Kationen sämtliche Wasserstoffionen freizusetzen imstande sind. 


11. Verschiedene Kationen ersetzen Wasserstoffionen in äqui- 
valenter Menge. Die Regel von Hardy-Schulze gilt für diesen Teil- 
prozeß nicht; sie charakterisiert den darauf folgenden Teilprozeß der 
Ausfällung der gebildeten salzartigen (oder Adsorptions-) Verbindungen. 


Zur Kenntnis des intermediären Purinstoffwechsels. 


I. Mitteilung: 
Fermentative Bildung von Harnsäurevorstufen im Blute. 


Von 
W. A. Engelhardt. 


(Aus dem Biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 15. Januar 1927.) 


Daß als unmittelbare Vorstufe der Harnsäure im Organismus die 
Oxypurine Xanthin und Hypoxanthin anzusehen sind, wurde schon 
seit langem, zuerst theoretisch, als wahrscheinlich angenommen, dann 
auch in zahlreichen und mannigfachen Stoffwechsel- und in vitro- 
Versuchen tatsächlich festgestellt. Es wurde angenommen, daß die 
Umwandlung unter dem Einfluß eines speziellen Ferments, der Xanthin- 
oxydase, sich vollzieht. In jüngster Zeit zeigten Morgan, Stewart und 
Hopkins!), daß die Oxypurine unter dem Einfluß des oxydoreduzierenden 
Ferments der Milch (Schardingerenzym, Perhydridase) unter gleich- 
zeitiger Reduktion gewisser Weasserstoffakzeptoren (Methylenblanı, 
Nitrate, molekularer Sauerstoff) zu Harnsäure oxydiert werden. Diese 
Befunde wurden von Bach und Michlin?) bestätigt und haben dahin 
eine bedeutende Erweiterung gefunden, daß es nachzuweisen gelang, 
die Oxypurine seien nicht bloß Sauerstoffakzeptoren, die nur unter 
gleichzeitiger Reduktion anderer Substanzen (etwa Methylenblau. 
Nitrate, O,) oxydiert werden, sondern daß sie unter dem Einfluß der 
Oxydoredukase, unter streng anaeroben Bedingungen, in Abwesenheit 
jes licher anderer O-Akzeptoren einer hydrolytischen Oxydoreduktion — 


1) Morgan, Stewart and Hopkins, Proc. Roy. Soc. 94, 109. 
2) Bach und Michlin, Ber. 60, 82, 1927. 


122 W. A. Engelhardt: 


einer Art Dismutation — anheimfallen. Dabei entsteht Harnsäure, und 
es muß sich in äquivalenter Menge ein Reduktionsprodukt der Xanthin- 
base bilden, dessen chemische Natur vorläufig unaufgeklärt bleibt. 


Bei der Unvollkommenheit unserer Kenntnisse über den Mecha- 
nismus und die Stätte des intermediären Purinstoffwechsels schien es 
mir von Interesse, nachzuprüfen, ob im Blute Verbindungen vorhanden 
sind, welche unter dem Einfluß oxydoreduzierender Fermente (z. B. in 
den Geweben) in Harnsäure übergehen können, und wie sich der Gehalt 
an solchen Substanzen beim Aufbewahren des Blutes verändert. 


Damit waren aber für mich auch andere Fragen verknüpft, nämlich 
die Frage nach der Muttersubstanz des Blutammoniaks und der an- 
organischen Phosphorsäure. 


Es hat bekanntlich in letzter Zeit in einer Reihe bemerkenswerter 
Untersuchungen Parnas mit Mitarbeitern!) nachgewiesen, daß im extra- 
vasierten Blute eine rasche Zunahme des Ammoniakgehalts stattfindet. 
Die Bildung des Ammoniaks geht nach Parnas’ Versuchen auf Kosten der 
nichtkolloidalen Bestandteile des Blutes, ist aber nicht auf Desaminierung 
der Hauptbestandteile des ‚Reststickstoffes‘, des Harnstoffs und der 
Aminosäuren ?), zurückzuführen. Vielmehr deutet schon Parnas?) darauf, 
daß man hier „an die Purinstoffe denken muß‘, jedoch hält er deren Menge 
für zu gering, damit ihre Desaminierung die ganze Menge des sich bildenden 
Ammoniaks liefern könnte. Aus den Versuchen Parnas’ geht weiter hervor, 
daß die Ammoniakbildung beinahe ausschließlich an die Blutkörperchen 
gebunden ist und aus den nichtkolloidalen Bestandteilen unter dem Einfluß 
kolloidaler Stoffe sich vollzieht. Hämolyse und Fluoridzusatz üben keinen 
merklichen Einfluß auf den Vorgang aus. Ich hebe diese Befunde hier 
hervor, da ich später zu ihnen zurückkehren werde. 


Andererseits haben in einer vor kurzem erschienenen Arbeit Rona und 
Jwusaki*) dargetan, daB im extravasierten Blute eine Anreicherung an 
anorganischer Phosphorsäure stattfindet, die auf Kosten nichtkolloidaler 
P-Verbindungen verläuft und ebenfalls durch Fluoridzusatz unbeeinflußt 
bleibt. Die Phosphorsäure soll aus esterartigen Verbindungen stammen, 
Näheres aber über ihre Muttersubstanz wird von den Autoren nicht berichtet. 
Ob sich die P-Abspaltung vorwiegend im Plasma oder in den Formelementen 
vollzieht, darüber finden wir in der Arbeit keine Angaben?). 


In vorliegender Arbeit möchte ich über einen Prozeß berichten, der 
im Blute in vitro (und, aller Wahrscheinlichkeit nach, auch in vivo) 


1) Parnas mit Heller, Taubenhaus, Klisiecki, diese Zeitschr. 152, 1. 
1924; 155, 247, 1925; 159, 298, 1925; 169, 255, 1926; 172, 442, 1926; 173. 
224, 1926. 

2) Parnas und Tuaubenhaus, l. c.. 159. 

3) Parnas, Le 152. 

4) Rona und Iwasaki, diese Zeitschr 174, 293, 1926. 

5) Nach den Arbeiten von Lawaczek (diese Zeitschr. 145, 351, 1924) 
und Martland. Hansman und Robison (Biochem. Journ. 18, 1152. 1924) 
findet auch dieser Prozeß hauptsächlich in den Blutkörperchen statt. 


Intermediärer Purinstoffwechsel. I. 123 


verläuft, und der, wie ich glaube, mit der Bildung von Ammoniak und 
snorganischer Phosphorsäure verknüpft sein muß. Hauptsächlich muß 
aber dieser Prozeß eine große Rolle beim Entstehen der Harnsäure und 
vielleicht auch im gesamten Purinstoffwechsel spielen. Es ist dies die 
Bildung von Harnsäurevorstufen, wahrscheinlich der Oxypurine Xanthin 
und Hypoxanthin. 


Als erster hat Scherer!) berichtet, daß im Blute (bei Leukämikern) 
Hypoxanthin nachgewiesen werden kann. Diese Behauptung wurde zwar 
später von (7. Salomon?) nicht bestätigt, jedoch machte der letztgenannte 
Forscher den höchst interessanten Befund, Jdaß, während im frischen 
Aderlaßblut Hypoxanthin nie aufgefunden werden kann, dieses Oxypurin 
stets im Leichenblut vorhanden ist. Es ist besonders bemerkenswert, daß 
Hypoxanthin auch im Aderlaßblut, nach Aufbewahren desselben bei 
höherer Temperatur (24 bis 37°), sich nachweisen ließ, also im Blute neu- 
gebildet wurde. 

Im Jahre 1920 haben Bach und Sbarsky?°) gezeigt, daß im Blute Sub- 
stanzen vorhanden sind, welche durch das oxydoreduzierende Ferment, 
unter gleichzeitiger Reduktion von Wasserstoffakzeptoren (Nitraten) 
oxydiert werden können. Nachdem Hopkins und Mitarbeiter*®) dargetan 
haben, daß außer Aldehyden als Sauerstoffakzeptoren bei der Oxydo- 
redukasewirkung Xanthin und Hypoxanthin funktionieren können, und 
Dixons®) eingehende Untersuchung gezeigt hat, daß, abgesehen von Alde- 
hyden, diese beiden Oxypurine (vielleicht noch in sehr geringem Maße 
Adenin) die einzigen in Betracht kommenden Substrate der oxydierenden 
Wirkung der Oxydoredukase sind, lag es nahe, zu vermuten, daß eben diese 
Substanzen in den Blutkörperchen oxydiert werden. 


Dies waren die Grundlagen, auf denen ich meine Versuche aufbaute. 
Als erste Frage stellte ich mir die, ob im Blute tatsächlich Harnsäure- 
vorstufen vorhanden sind, die sich unter dem Einfluß oxydoreduzierender 
Fermente in Harnsäure überführen ließen. Weiter sollte nachgeprüft 
werden, ob und unter welchen Bedingungen die Menge dieser Substanzen 
sich im Blute verändert. Sollte ein Anstieg der Xanthinbasen statt- 
finden, so mußte das auf einer Desaminierung der Aminopurine und 
vielleicht einer vorhergehenden Spaltung von Nucleotiden beruhen. 
Dadurch wäre aber eine Quelle des Blutammoniaks®) und (vielleicht) 
der Phosphorsäure gefunden. 


1) Scherer, Verh. d. phys. med. Ges. zu Würzburg 1851. 

2) G. Salomon, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2, 65, 1878 — 1879. 

3) A. Bach und Sbarsky. C. r. de la Acad. Soc. 171, 1175, 1920. 

1) Morgan, Stewart and Hopkins, Proc. Roy. Soc. 94, 109, 

D Dixon, Biochem. Joum. 20, 703. 1926. 

®) Anmerkung bei der Korrektur. Inzwischen erschien eine Mitteilung 
von P. György und Röthler (Klin. Wochenschr. 6, 24, 1927), die ebenfalls 
die Bildung des Ammoniaks bei der Autolyse auf Desaminierung von 
Nucleinsubstanzen zurückführen. 


124 W. A. Engelhardt: 


Methodisches. 


Es wäre gewiß am besten und sichersten, die etwa im Blute sich 
bildenden Xanthinbasen direkt zu bestimmen. Jedoch stehen keine Methoden 
zur Verfügung, die eine derartige Bestimmung bei den in Betracht kommen- 
den äußerst geringen Mengen gestatten würden. Deswegen griff ich zu einer 
indirekten Methode, indem ich dem Blute Oxydoredukase zusetzte und 
die Menge der dabei gebildeten Harnsäure bestimmte. Man kann die auf 
diesem Wege erhaltenen Resultate gewiß kaum als absolute Werte betrachten, 
wohl geben sie aber eine gute Vorstellung vom Gang der Prozesse. Bei der 
absoluten Verwertung der Resultate muß man besonders in Betracht ziehen, 
daß keine H-Akzeptoren zugesetzt werden, und, falls solche im Blute selbst 
nicht vorhanden sind), so gewinnen wir im besten Falle nur die Hälfte der 
Xanthinbasen als Harnsäure wieder, da die andere Hälfte reduziert werden 
muß. 

Als Oxydoredukase wurde beinahe in allen Fällen eine Lösung des 
Trockenpräparats des Milchferments [vgl. Sbarsky und Michlin?))] an- 
gewandt, welches mir liebenswürdig von Dr. Michlin, dem ich auch hier 
meinen aufrichtigen Dank aussprechen möchte, zur Verfügung gestellt 
wurde. In einigen Fällen wurde einfach frischer Rahm angewandt. Die 
Versuche wurden mit frisch gewonnenem defibrinierten Kaninchenblut, 
ohne Antiseptica- oder Pufferzusatz angestellt. Das Schema der Versuche 
war folgendes: Defibriniertes Blut (durch Herzstich oder aus der Ohrvene 
gewonnen) wird auf das Zehnfache mit destilliertem Wasser verdünnt und 
zu jeder Bestimmung Proben zu ccm (entsprechend 0,5 ccm Blut) ge- 
nommen. Zwei Proben (Kontrollen) kommen sofort ins kochende Wasser- 
bad auf etwa 3 Minuten, die übrigen in den Brutschrank bei 37°. Eine der 
Kontrollproben dient zur Bestimmung des anfänglichen Harnsäuregehalts, 
die andere zur Bestimmung des ursprünglichen Gehalts an Harnsäurevor- 
stufen. In späteren Versuchen, als es sich herausstellte?), daß der U"-Gehalt 
durch den Brutschrankaufenthalt niemals merklich verändert wird, wurde 
die entsprechende Kontrolle meist weggelassen. Nach einem gewissen Zeit- 
intervall werden die Proben aus dem Thermostaten herausgenommen und, 
um den Prozeß abzubrechen, kurz aufgekocht (3 Minuten im Wasserbad), 
abgekühlt und nun zur Bestimmung der Oxypurine fortgeschritten. Es wird 
überall (außer den zur U-Bestimmung dienenden Kontrollen) 0,25 ccm 
Oxydoredukaselösung bzw. Rahm zugesetzt, und die Probierröhrchen auf 
30 Minuten in ein Wasserbad von 56 bis 60° gestellt. Während dieser Zeit 
vollzieht sich die Umwandlung der Xanthinbasen in Harnsäure, welch letztere 
nunmehr nach Folin und Wu unter Anwendung des Benedictschen Arsen- 
phosphorwolframsäurereagens bestimmt wird. Es wird je l ccm 10proz. 
Natriumwolframat und ?/, n HSO, zugesetzt, durch Schleicher-Schüllsche 
Filter filtriert, vom Filtrate eine aliquote Menge, entsprechend 0,25 ccm Blut, 
mit Leem 5proz. Silberlactatlösung versetzt, der Niederschlag nach 10 Mi- 
nuten langem Stehen abzentrifugiert, durch Zusatz von 0,5 ccm 1l0proz. 
NaCl-Lösung in n/l10 HCl zerlegt, nach Zugabe von 2 cem Wasser wieder 
ausgeschleudert. Ein aliquoter Teil des Zentrifugats wird mit Wasser auf 
2,5 ccm aufgefüllt, 2 ccm proz. NaCN-Lösung, 0,5ccm des Harnsäure- 


1) Diese Frage wird einer speziellen Untersuchung unterworfen. 

2) Sbarsky und Michlin, diese Zeitschr. 155, 486, 1925; 174, 116, 1926. 

3) In Gegensatz zu den von Bornstein und Griesbach (diese Zeitschr. 
101, 184, 1920) am menschlichen Blute erhaltenen Ergebnissen. 


Intermediärer Purinstoffwechsel. I. 125 


reagens zugegeben, nach 3 Minuten Verweilen im kochenden Bade rasch 
abgekühlt und sofort im Authenriethschen Kolorimeter gegen einen ge- 
eichten Keil kolorimetriert. Als Vergleichsflüssigkeit zum Auffüllen des 
Keils gebrauchte ich eine wässerig-alkoholische Lösung von Kobalt- 
Ammonium-Rhodanid. Dieses Salz besitzt in rein wässeriger Lösung eine 
blaßrosa, in Alkohol eine tiefblaue Farbe. Versetzt man eine wässerige 
Lösung mit steigenden Mengen Alkohol, so erhält man alle Übergangs- 
farben, und es gelingt leicht, durch Vorversuche eine Nuance zu erzielen, 
die sehr gut der bei der Benedictschen U”"-Bestimmung auftretenden ent- 
spricht. Dies findet bei etwa 50 Proz. Alkohol statt. Ist durch vorsichtigen 
Wasser- bzw. Alkoholzusatz die gewünschte Nuance erzielt, so wird der 
Keil sorgfältig verkorkt und mit frisch bereiteter Harnsäurelösung kalibriert. 
Er ist, soviel ich urteilen kann, unbegrenzt haltbar. 

In den weiter unten angeführten Tabellen ist der gefundene U--Wert 
auf 100 ccm Blut umgerechnet, also in Milligrammprozenten ausgedrückt. 
Es sei bemerkt, daß bei mir das Benedictsche Reagens allein stets eine, 
wenn auch schwache Färbung ergab. Der dieser Eigenfärbung entsprechende 
Blindwert wurde stets von dem im Versuch erhaltenen Werte abgezogen. 

Vorversuche haben gezeigt, daß bereits 0,0lccm der angewandten 
Oxydoredukaselösung bzw. des Rahms die gleiche Menge Harnsäure lieferten 
wie z. B. 0,25 ccm. Um jedoch sicher zu sein, daß die Umwandlung möglichst 
quantitativ geschieht, wurde in allen Versuchen eben ein großer Überschuß 
an Ferment genommen (0,2 bis 0,25 ccm). 


Versuchsergebnisse. 


Gehalt an Harnsäure und deren Vorstufen vor und nach dem Brutschrank- 
aufenthalt. 

Beim Aufbewahren des Blutes während 6 Stunden im Thermostaten 
läßt sich keine wesentliche Veränderung des ursprünglichen U"-Gehalts 
vermerken. Der ursprüngliche Gehalt an Substanzen, die unter dem 
Einfluß von Oxydoredukase in Harnsäure übergehen können, ist äußerst 

'gering. Nach 6 Stunden langem Verweilen bei 37° kann diese Menge 
auf das 100fache anwachsen. 


Tabelle I. 


Harnsäure in Milligrammprozenten. 


E m E m m m u 


a 
| Nach Zusatz von Also aus Vorstufen 
p 


l Vorgebildet Oxydoredukase gebildet. 

i i i i erhalten Ge ae 
Ursprünglich . . . ... | 0,32 | 0.44 | 0,12 
Nach 6 Stdn. bei 370 0,32 12,2 | 11,88 


Zeitlicher Verlauf der Bildung von Harnsäurevorstufen. 


Defibriniertes Blut, zehnfach mit Wasser verdünnt, kommt in den 
Thermostaten, es werden nach bestimmten Zeitintervallen Proben ent- 
nommen, im Wasserbad aufgekocht und weiter in Eis aufbewahrt, dann 
alle (außer der Probe Nr. 8, die am nächsten Tage verarbeitet wurde) der 
weiteren Untersuchung unterworfen. 


126 W. A. Engelhardt: 


Tabelle II. 


Nach Einwirkung von Oxydoredukase gefundene U--Mengen 
in Milligrammprozenten. 


Dauer des Vers Dauer | pipe | Dever des vr | O ver 

Probe | weilens _ ne weile 8 

den Blutes bei a REIN des Blutes bei 370| mg-Proz. U 
E Stdn. nn E GE Stdn. 

1 0 Ai 5 | 4 wn 

2 | 1 0,6 6 l 6 12,2 

3 2 4,6 7 | 8 15,6 

4 3 8,0 8 24 | 9,0 


9> 


Da der Versuch nicht aseptisch durchgeführt wurde, kann dem 
Werte für 24 Stunden keine besondere Bedeutung zugeschrieben werden, 
es ist mit der Möglichkeit bakterieller Zersetzung zu rechnen. In den 
anfänglichen Stadien weist der Prozeß einen ständigen Verlauf auf. 


Einfluß der Temperatur. 


Proben zu je 0,5 ccm defibrinierten Blutes, mit Wasser auf das Zehn- 
fache verdünnt, werden 3 Stunden bei verschiedener Temperatur belassen, 
dann gleichzeitig aufgekocht und nach Einwirkung von Oxydoredukase auf 
den U”-Gehalt untersucht. 


Tabelle III. 
Das Blut 3 Stdn. aufbewahrt bei: ` 09 E 170 370 | 560 | Kontrolle 
mg-Proz. U. .....| um 122 | os 


Bei 0° läßt sich keine Neubildung der U”-Vorstufen beobachten — 
der Wert ist demjenigen des Kontrollversuchs gleich; bei 56° ist die 
Ausbeute geringer als bei 370 — offenbar findet bei dieser Temperatur’ 
eine teilweise Zerstörung der am Prozeß beteiligten Fermente statt. 


Lokalisierung des Prozesses in den einzelnen Blutbestandteilen. 


Defibriniertes Blut wird scharf zentrifugiert, das Serum abgehoben, 
die Blutkörperchen einmal mit etwa der löfachen Menge physiologischer 
NaCl-Lösung nachgewaschen, abermals zentrifugiertt. Es kommen in die 
Proben je 0,5 ccm Serum, Blutkörperchen bzw. Vollblut, alles mit 4,5 cem 
physiologischer Kochsalzlösung verdünnt. 3 Stunden im Thermostaten 
aufbewahrt. Kontrollversuch mit Vollblut angestellt. Entsprechend dem 
hohen Chloridgehalt der Versuchslösungen, bei der Harnsäurebestimmung 
2,5 ccm Silberlactatlösung genommen. 


Tabelle IV. 


Zum Versuch genommen 05 5 ccm u _ Serum n | Blutkörperchen | ` | Vollblut | Kontrolle 


mg-Proz. U- ...... am | ap | 36 | oa 


Intermediärer Purinstoffwechsel. I. 127 


Die Bildung der Harnsäurevorstufen ist praktisch ausschließlich 
an die Blutkörperchen gebunden. Beim Aufsaugen der Blutkörperchen 
führte ich die Pipette bis auf den Boden des Zentrifugenröhrchens, um 
hauptsächlich die Erythrocyten zu gewinnen. Es scheint mir wenig 
wahrscheinlich, daß an der Bildung der Xanthinbasen die Leucocyten 
in bedeutendem Maße beteiligt seien. Vielmehr denke ich, daß der 
Prozeß sich in den roten Blutkörperchen vollzieht. 


Einfluß von Fluorid, Oxalat und Cyanid. 


Zu jedem Versuch werden zwei Proben zu 5 ccm zehnfach mit Wasser 
verdünnten, defibrinierten Blutes (= 0,5cem Blut) genommen. Beide 
Proben verweilen im Thermostaten, es wird aber zur Probe a" die zu 
prüfende Substanz von Anfang an zugesetzt, zur Probe bh" dagegen erst 
nach dem Herausnehmen aus dem Brutschrank. Die zweite Probe wird 
angestellt, um den Einfluß der untersuchten Substanzen auf den weiteren 
Verlauf der Bestimmung klarzulegen, was durch den Vergleich mit einer 
weiteren, gleichzeitig ohne jeglichen Zusatz angestellten Probe möglich wird. 


Tabelle V. 


NaF, 2Proz. || Na-Oxalat, 2 Proz. NaCN, m/100 l 
Zusatz: © H,O 0,5 ccm 0,5 ccm 0,5 ccm 


Kontrolle 


Geen E | b le o b a | b |. 
10.9 . 


mg-Proz. U- | 10,0 1 89 | an | 99: 42 | A4 06 

Fluorid und Oxalat beeinflussen den Prozeß ganz unwesentlich, 
Cyanid hemmt augenscheinlich nicht die Bildung der Harnsäure- 
vorstufen (die Werte in ‚a‘ und ‚b‘ sind praktisch gleich), stört aber 


entweder die Wirkung der Oxydoredukase oder der endgültigen Harn- 
säurebestimmung (etwa bei der Silberfällung). 


Einfluß der Hämolyse. 


Zwei Blutproben zu 0,5 ccm werden versetzt, die eine mit 2,25 ccm 
Lipro NaCl-Lösung, die andere mit der gleichen Menge destillierten 
Wassers. Nachdem in der zweiten Probe die Hämolyse sich vollzogen 
hat, wird zur ersten 2,25 ccm Wasser, zur zweiten 2,25 ccm der NaCl- 
Lösung hinzugefügt. Die endgültige Zusammensetzung der beiden 
Proben ist die gleiche. Beide kommen in den Thermostaten auf 
21, Stunden und werden dann in üblicher Weise verarbeitet. Bei 
der Harnsäurefällung wird die doppelte Menge (2ccm) Silberlactat- 
lösung genommen, entsprechend dem hohen Chloridgehalt. 


Tabelle VI. 


Probe: `, Hamolysiert | Nicht hamolysiert 


mg-Proz. U7. ` 2,6 | 25 


128 W. A. Engelhardt: 


Es läßt sich kein Einfluß der Hämolyse feststellen. Die verhältnis- 
mäßig geringe Ausbeute an Harnsäure ist vermutlich auf die störende 
Wirkung der Chloride bei der Isolierung der Harnsäure zurückzuführen. 


Diskussion. 

Der indirekte Weg, auf dem ich bei meinen Versuchen die An- 
wesenheit der Harnsäurevorstufen bestimmte, scheint mir zugleich 
auch gewisse Vorteile zu besitzen, da er gerade diejenigen Substanzen 
zu fassen erlaubt, aus denen physiologisch, unter dem Einfluß der 
oxydoreduzierenden Fermente der Gewebe, die Harnsäure entstehen 
muß. Es ist vorläufig nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob wir 
dabei mit freien Oxypurinen oder deren Nucleosiden zu tun haben. 
Jedenfalls müssen sie letzten Endes aus den Aminopurinnucleosiden 
bzw. -nucleotiden herstammen. 


In der Literatur ließen sich keine Hinweise auf das Vorhandensein 
von Nucleosiden im kreisenden Blute finden. Thannhauser!) meint, es werden 
nicht freie Purine, sondern Purin-Kohlehydrat-Phosphorsäurekomplexe, 
also Nucleotide, aus dem Darm resorbiert, und eben sie gelangen auch in 
den intermediären Stoffwechsel. Jackson?) hat auch direkt die Anwesenheit 
von Adeninnucleotid im Blute nachgewiesen. Wenn tatsächlich die 
Nucleotide als Quelle der Harnsäure im Blute dienen, so muß ihre Um- 
wandlung in die unmittelbaren Vorläufer der Harnsäure, das ist in die 
Xanthinbasen oder deren Nucleoside, wenigstens einen Teil der sich im 
Blute in vitro bildenden Phosphorsäure liefern. Was die zweite Stufe des 
Prozesses betrifft, nämlich die Desaminierung, so kann diese sowohl an 
freien, etwa durch Zerfall der Nucleoside entstandenen Aminopurinen 
stattfinden, oder aber noch vor einer solchen Spaltung, also an den 
Aminopurinnucleosiden selbst. Nach Versuchen von Amberg und Jones?) 
scheint die zweite Möglichkeit wahrscheinlicher zu sein, da es sich fest- 
stellen ließ, daß z. B. Schweineleber aus Nucleinsäure primär Xanthosin 
bildet, welches durch weitere Hydrolyse Xanthin liefert; ebenfalls vermag 
Hundeleber nicht aus freiem Adenin Hypoxanthin zu bilden, wohl aber 
aus dessen Nucleotid, offenbar auf dem Wege über Adenosin und Inosin. 
Auch aus ihren Stoffwechselversuchen mit Adenosin und Guanosin schließen 
Thannhauser und Bommes*), daß „als intermediäre Vorstufen der Harn- 
säure im Stoffwechsel die Purinzuckerverbindungen anzusprechen sind‘. 
An diesen vollzieht sich die Desaminierung und vielleicht auch die Oxy- 
dation, so daß die Zuckerabspaltung erst naeh der Bildung der Harnsäure 
zustande kommt. Mit dieser Annahme wäre der Befund von Davis und 
Benedict®) in Einklang zu bringen, welche eine mit Silber nicht fällbare 
Harnsäure-Pentoseverbindung aufgefunden haben. Allerdings kommt 
Thannhauser in einer späteren Arbeit®) zu dem Schluß, daß gleichzeitig 


1) Thannhauser und Czoniczer. Zeitschr. f. physiol. Chem. 110, 307. 1920. 
2) Jackson jr., Journ. of biol. Chem. 9, 529, 1924. 

3) Amberg und Jones, Zeitschr. f. physiol. Chem. 78, 407, 1911. 

%) Thannhauser und Bommes, ebendaselbst 91, 336, 1914. 

5) Davis und Benedict, Journ. of biol. Chem. 45, 1921. 

€) Thannhauser und Ottenstein, Zeitschr. f. physiol. Chem. 114, 17, 1921. 


Intermediärer Purinstoffwechsel. I. 129 


mit der Desaminierung (vielleicht infolge letzterer) die Purin-Zuckerbindung 
zerfällt. Es entstehen deswegen bei der Umwandlung der Nucleoside weder 
freie Aminopurine, noch Oxypurin-Nucleoside, sondern nur freie Xanthin- 
basen, und als weitere Oxydationsstufe Harnsäure. 


Ich neige eher auch der Meinung zu, daß nicht die freien Amino- 
purine, sondern ihre Nucleoside desaminiert werden. Ich konnte 
nämlich bei Zusatz von Guanin zum Blute keine Steigerung der Bildung 
von Harnsäurevorstufen beobachten, es wurde demnach das Guanin 
offenbar nicht desaminiert. Jedoch sind die diesbezüglichen Versuche 
nicht zahlreich genug, um aus ihnen sichere Schlüsse zu ziehen, und die 
Frage muß Gegenstand weiterer Untersuchungen bleiben. 


Wenn wir uns jetzt meinen Versuchsergebnissen zukehren, so möchte 
ich vor allem darauf aufmerksam machen, daß die hier beschriebene Bildung 
von Harnsäurevorstufen viel gemeinsames mit der von Parnas unter- 
suchten Ammoniakbildung hat. Als besonders bedeutungsvoll betrachte 
ich den Umstand, daß beide Prozesse sich vorwiegend oder sogar aus- 
schließlich in den Formelementen des Blutes vollziehen. Weiter sei bemerkt, 
daß Hämolyse in beiden Fällen gar keinen, Fluoridzusatz höchstens nur 
einen ganz unbedeutenden hemmenden Einfluß auf die Prozesse ausübt. 
Es hängen somit beide nicht von der Intaktheit der Zellenstruktur ab, 
stehen auch nicht in Zusammenhang mit den glykolytischen Prozessen. 
Es sei hier erinnert, daß nach Ronas Versuchen der Fluoridzusatz auch die 
Abspaltung von freier Phosphorsäure unbeeinflußt läßt. Eine Hemmung 
des Prozesses durch Cyanid (bei einer Endkonzentration desselben m/1000) 
ließ sich nicht beobachten. Die Anwesenheit von Ca-Ionen ist, nach den 
Versuchen mit Oxalatzusatz zu urteilen, auch für den Prozeß belanglos. 

Mit allem Vorbehalt und wohl bewußt dessen, wie wenig die an- 
gewandte Methode für quantitative Ziele geeignet ist, möchte ich mir 
jedoch erlauben, folgende Berechnungen anzuführen: sollte ein halbes 
Milligrammol Adeninnucleotid, in 100 ccm Blut enthalten, einer Spaltung, 
Desaminierung und Oxydation bis zur Harnsäure anheimfallen so müßten 
dabei 8,4 mg-Proz. Harnsäure, 0,85 mg-Proz. NH, und 7,1!’mg-Proz. P,O, 
im Blute auftreten. In meinen Versuchen konnte nach 3 Stunden langem 
Aufbewahren bei 37° zwischen 4,8 und 8,4 mg-Proz. Harnsäure erhalten 
werden, was vielleicht der Bildung einer doppelten Menge Xanthinbasen 
entspricht. Bei Parnas finden wir nun nach etwa derselben Zeit (allerdings 
bei 20°) Zahlen von 0,644, 0,65; nach 4 Stunden bei 20° 0,78 mg-Proz. NH,. 
Und endlich in der Arbeit von Rona und Iwasaki wird nach 3 Stunden bei 
37° eine Neubildung von 3 bis 4 mg-Proz. P,O, beobachtet. Wir sehen, daß 
wenigstens der Größenordnung nach die angeführten Zahlen die oben aus- 
gedrückte Annahme zu berechtigen scheinen, daß der Ursprung der sich im 
Blute bildenden NH, und anorganischer Phosphorsäure in einer Spaltung 
und Desaminierung von Nucleotiden liegen kann. 

Als diese Arbeit schon druckfertig vorlag, erschien die höchst inter- 
essante Mitteilung von Euler und Nilsson!), denen es gelang, im Blute, und 
namlich in den Erythrocyten, beträchtliche Mengen Cozymase nachzuweisen. 
Soweit nach den Arbeiten Eulers die Cozymase gleichzeitig als Coferment 
der Oxydoredukase dient, letztere Eigenschaft aber auch den Harnsäure- 


1) H. v. Euler und Nilsson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 162, 63, 1926. 
Biocbemische Zeitschrift Band 182. 9 


130 W. A. Engelhardt: Intermediärer Purinstoffwechsel. I. 


vorstufen zukommt, drängt sich von selbst die Vermutung auf, ob nicht 
eben in diesen Substanzen die Cozymase zu suchen ist. Dafür würde auch 
der außerordentlich hohe Cozymasegehalt der nucleinreichen Vögel- 
erythrocyten sprechen. In gelegentlich angestellten orientierenden Versuchen 
konnte ich beobachten, daß im Vogelblut neben großen Mengen freier 
Harnsäure, auch bedeutend mehr an vorgebildeten Harnsäurevorstufen 
vorhanden ist als im Kaninchenblut. 


Zusammenfassung. 

l. Wird defibriniertes Kaninchenblut aufbewahrt, so bilden sich 
in ihm Substanzen, welche unter dem Einfluß von oxydoreduzierenden 
Fermenten in Harnsäure übergehen. 

2. Die Bildung der Harnsäurevorstufen ist an die Formelemente, 
wahrscheinlich an die Erytbrocyten, gebunden. 

3. Bei 0° läßt sich die Bildung der U”-Vorstufen nicht beobachten. 
Sie erreicht bei 37° ihr Maximum, bei 56° nimmt sie wieder ab. 

4. Der Prozeß wird durch Fluorid-, Oxalat- bzw. Cyanidzusatz, 
auch durch Hämolyse nicht wesentlich beeinflußt. 

5. Es wird auf die Wahrscheinlichkeit hingewiesen, daß der beob- 
achtete Prozeß zugleich als Ursache der Ammoniakbildung und der 
Bildung von anorganischer Phosphorsäure im Blute in vitro dienen kann. 


— -= — mer- mm 


Über die Absorption des Lichtes durch die Blätter 
der Pflanzen und die Absorption von Chlorophyllösungen. 


Von 
P. Lasareff. 


(Aus dem Institut der Physik und Biophysik zu Moskau.) 
(Eingegangen am 15. Januar 1927.) 


Mit 2 Abbildungen im Text. 


Für die Erforschung der Probleme der photocbemischen Re- 
aktionen in grünen Blättern der Pflanzen ist es interessant, einen Ver- 
gleich der Absorption der Blätter mit derjenigen der Chlorophyll- 
lösung anzustellen. Bis jetzt war es bekannt, daß qualitativ das Absorp- 
tionsspektrum des Chlorophylis und das Spektrum des Blattes identisch 
sind und in denselben Gegenden des Spektrums die Absorptionsmaxima 
zeigen. Es wäre interessant, eine quantitative vergleichende Unter- 
suchung dieser Spektra vorzunehmen. 


Die Methode. 


Die Methode der Erforschung der Absorption der Blätter bestand 
darin, daß ein frisches Blatt einer Pappel B in einen engen Trog T 
gesetzt wurde, welcher mit Wasser gefüllt ist (Abb. 1). z 


Dieser Trog ist vor eine Spalte Sp des Lummer- = 

Brodkunschen Spektrophotometers gestellt!). > VS. 
Eine zweite Spalte wurde mit der Lichtquelle be- 2 

leuchtet. Die von dieser Quelle ausgehende Licht- a 


intensität kann mit Brodhuns?) Sektorenmeßvorrichtung gemessen 
und abgeschwächt werden. Die ganze Anordnung ist mit der- 
jenigen identisch, welche ich bei der Absorption von Farbstoffen 
gebraucht habe?). 


1) O. Lummer und E. Brodhun, Zeitschr. f. Instrkde. 12, 132, 1892. 
2) E. Brodhun, Zeitschr. f. Instrkde, 14, 310, 1894. 
3) P. Lasareff, Ann. d. Phys. (4) 87, 813, 1912. 


dh 


132 P. Lasareff: 


Bei der Untersuchung der Chlorophyllösungen wurde ein alkoholi- 
scher Extrakt von trockenen Blättern einer Brennessel bereitet, die 
zuerst mit Benzol begossen und dann mit Alkohol extrahiert wurden; 
nach der Filtration wurde der alkoholische Extrakt bei einer passenden 
Verdünnung in denselben Trog eingegossen, in welchem das frische 
Blatt sich befand. 


Die Versuche, direkt die relative Intensität des durchgehenden 
Lichtes zu messen, gestatten uns, wenn wir J, die Intensität des 
auffallenden Lichtes, J, die Intensität des Lichtes, die durch unsere 
Präparate durchgegangen ist, nennen, die Größe J,/J, experimentell 
zu messen und daraus die relative absorbierte Energie A = 1 — J,/Jo 
zu bekommen. (Maximale absorbierte Energie ist gleich 1). 


Tabelle I. 
à | 502 514 | 528 | 543 | 559 | 576 | 585 | 595 | 606 | 617 630 |644 66 680 | 780 
A 10,42 | 0,30 | 0,36 |0,38|0,4410,52|0,60|0,64|0,720,741.0,77.0.89 0,97|0,30 0,37 
| Tabelle II. 
A | 445 | 472 | 502 | 535 | 576 | 595 | 617 | 630 | 644 | 660 | em 
a La | 1,000! 0,998 | 0,998 | 0,992 | 0,994 | 0,994 | 0,995 | 0,995 


0,996 | 0,997 Ä 0,998 


A " | — | 535 | 576 | 595 | 617 | 630 | 644 | 660 | 680 | 780 
Ai — 0,993 | 0,993 | 0,993 | 0,993 | 0,994 | 0,995 | 0,997 | 0,996 | 0,993; — 


g y 445 | 472 | 502 | 535 | 576 | 595 | 630 | 680 | 730 | en — 
A 1 1,000 | 1,000 | 0,998 | 0,995 | 0,994 | 0,997 | 0,998 | 1,000 | 1,000 | 0,996 | — 


Diese Größe wurde in Tabelle I und II wiedergegeben, wobei die 
Tabelle I die Absorptionsverhältnisse bei Chlorophyllösung, die Tabelle II 
die Absorptionserscheinungen bei frischen Blättern (a, b, c) darstellt. 

4.000 
0,995 


gelt 70 500 


Absorption des Lichtes usw. und von Chlorophyllösungen. 133 


Die in den Tabellen I und II angeführten Daten sind graphisch 
in Abb. 2 dargestellt, wobei die Abszissen die Wellenlängen, die Ordi- 
naten A sind. 

Die Absorption von Blättern wurde in 20fachem Maßstab gegeben, 
im Vergleich zu der Absorption der Chlorophyllösungen. 

Aus der Abb. 2 können wir ersehen, daß die Lagen der Absorptions- 
maxima der Lösungen und der Blätter eine approximative Überein- 
stimmung aufweisen, wobei auch die sekundären Maxima in einigen 
Kurven existieren, welche im Chlorophylispektrum vorhanden sind. 

Die Absorption im grünen Blatte ist sehr groß, und nur 1 bis 2 Proz. 
der auffallenden Energie können durch das Blatt gehen. Wir können 
infolgedessen das Blatt als einen absolut schwarzen Körper betrachten. 


Über das Wesen der Autolyse. 


VII. Mitteilung: 
Beiträge zur Kenntnis der Organautolyse. 


Von 
0. Steppuhn und Y. Duret-Delage. 


(Aus dem staatl. Chemo-Pharmazeutischen Forschungsinstitut in Moskau.) 


(Eingegangen am 15. Januar 1927.) 


In einer früheren Mitteilung!) haben wir berichtet, daß unter 
gewissen Bedingungen, namentlich Schilddrüsenfütterung, die Autolyse 
ganzer Tiere (Mäuse) einen enormen Anstieg erleidet, und zwar wie 
im Tryptase-, so auch im Pepsinasebereich ; andererseits war die Autolyse 
in saurer Pufferung in allen von uns beobachteten Fällen stärker als 
in alkalischer Pufferung. Nun ist bei einem solchen in-toto-Versuch 
der Verdauungswert immer ein Mittelwert aus den Einzelwerten der 
autolysierenden Organe. Es könnte ja sein, daß die überwältigende 
Leberproteinspaltung geringere Werte im sauren Milieu, gegenüber der 
tryptischen Verdauung, bei irgendwelchen Organen verdeckt. Es war 
somit interessant festzustellen, ob die Autolyse im sauren Milieu bei 
anderen Organen auch stärker als im alkalischen Bereich oder bei 
praktisch neutraler Reaktion ist. Insbesondere interessierte uns die 
Bauchspeicheldrüse; es war zu erwarten, daß deren Trypsin seine 
Tätigkeit in solchen Dimensionen offenbaren würde, daß die saure 
Autoproteolyse zurückbleiben müßte. Daß dieses nicht der Fall war, 
wird man aus dem Weiteren ersehen. 

Methodisch wurde wie sonst [siehe frühere Mitteilungen, diese 
Zeitschr.!)] verfahren: 10 bis 20 Proz. Gewebsemulsionen wurden unter 
Pufferung der Autolyse bei 37° für 2 bis 3 Tage überlassen. Die Enteiweißung 
geschah mittels Kupfersulfat-Natronlauge, die Berechnung — wie in den 
vorhergehenden Mitteilungen — zeigt den Proteinzerfall in Prozenten an. 


Die Tabelle I gibt eine Vorstellung über das Verhältnis zwischen den 
Verdauungszahlen im sauren und schwach alkalischen Milieu von 


1) Diese Zeitschr. 175, 471, 1926. 


m m vn en En — BEE Ga 


O. Steppuhn u. Y. Duret-Delage: Autolyse. VII. 135 


Kaninchenorganen, Tabelle II von Hundepankreas!) und Niere. Einige 
Organe gelangten mehrere Male zum Versuch, in diesen Fällen gibt die 
Tabelle I Mittelwerte an. | 


Tabelle I. 


Kaninchen. Dauer der Autolyse zweimal 24 Stunden. 


a ae an 
Leber . .. 22... 73,5 5,5 
Niere .. unse e e 75,9 3,3 
Herz . . 2.2 2.0. 12,8 10,9 
Muskel . 2.2. .... 6,4 1,4 
Lunge . . 2. 2. 2.2.2. 40,5 3,3 


Wie die Tabelle I zeigt, ist die Intensität des Proteinzerfalls für 
die einzelnen Organe recht verschieden, die absoluten Werte für Niere 
und Leber im sauren Milieu stehen an der Spitze und sind enorm; die 
Verdauung im tryptischen Bereich ist dagegen verschwindend klein, 
Muskelgewebe autolysiert überhaupt sehr schwach, aber auch hier ist 
die Proteinspaltung im sauren Milieu etwa fünffach gegenüber dem 
schwach alkalischen. Das Herzmuskelgewebe gibt ganz andere und 
einzig dastehende Zahlen; das Verhältnis von Pepsinase zu Tryptase- 
verdauung ist nahezu = 1. Bemerkenswert ist es aber, daß wohl alle 
Organe, wie es scheint, Pepsinasen besitzen, deren Aktivität immer 
größer ist als die der Tryptasen, was wohl nochmals die physiologische 
Bedeutung dieser Fermentgruppe und damit die Möglichkeit und Not- 
wendigkeit von Wasserstoffionenansammlung in einzelnen Teilen der 
Zelle bei Eiweißumsetzungen hervorhebt. 

Es seien nun unsere besonderen, der vergleichenden Pankreas- 
autolyse gewidmeten Versuche angeführt. 


Tabelle II. 
Dauer der Autolyse zweimal 24 Stunden. 


Pankreas p Niere 


1) Es wurde Hundepankreas autolysiert, weil der Autolyseversuch 
immer mit einem andersartigen, dessen Selbstzweck Pankreasexstirpation 
war, kombiniert wurde. 


136 Ä O. Steppuhn u. Y. Duret-Delage: 


Schon aus dieser Tabelle ersieht man, daß die Bauchspeicheldrüse 
im Vergleich mit anderen Organen enorme Tryptasenaktivität besitzt: 
diejenigen Tryptasen, die bei entsprechender Verarbeitung des Organs 
das Pankreatin und schließlich Trypsin liefern. Es ist nicht verwunder- 
lich, wenn bei schwerer Pankreasschädigung eine Ausfuhr von Amino- 
säuren in den Harn stattfindet, welche die Kliniker sonst besonders 
auch bei Leberschädigungen beobachten. Nun erhält aber die Leber 
im Verhältnis zum Pankreas nur ganz geringe Mengen Tryptasen, und 
wenn dort katastrophale Eiweißeinschmelzungen stattfinden, so ist 
immer damit zu rechnen, daß es die Leberpepsinasen besorgen; es ist 
auch ganz charakteristisch, daß Leberschädigungen — sei es durch 
Gifte wie Phosphor, Chloroform usw., oder durch innere, bekannte oder 
manchmal unbekannte Ursachen — stets von einer Acidosis begleitet 
sind. Diese Acidosis ist vielleicht gerade diejenige Optimalbedingung, 
welche den Pepsinasen freien Lauf gibt, denn sonst wäre es nicht ver- 
ständlich, weshalb Zellschädigungen anderer Organe nicht von einer 
gleichen NH,-Ausfuhr begleitet sind, wo doch die Verdauung im 
Pepsinasebereich der Niere z. B. mindestens so stark ist, wie die der 
Leber. In allen Organen haben wohl die Pepsinasen Arbeitsgelegenheit, 
was eventuell durch temporäre oder momentane Ansammlungen von 
H-Ionen an bestimmten Punkten des Protoplasmas geschieht. Dauernde 
und so oft unphysiologische Acidosis ıst natürlich ein davon gänzlich 
verschiedener Prozeß. Man kann eben nicht umhin, zu behaupten, 
daß alle Leberschädigungen mit Glykogenverarmung, sicher mit Fett- 
einwanderungen und dann mit Ketonkörperacidosis einhergehen. Wir 
wissen nicht, ob andere Organe Ketonkörperspender sind; für die 
Leber ist es sicher. Es muß auch noch in Betracht gezogen werden, 
daß wir das saure Milieu willkürlich überall mit pu = 3,8 gewählt 
haben. Für die Leber ist es ungefähr die optimale Wasserstoffionen- 
konzentration der Pepsinasen, für andere Organe braucht es ja nicht 
der Fall zu sein, somit wäre bei gefundenem Optimum eine noch stärkere 
Verdauung zu erwarten. 


Wir wollen noch einige Versuche über Pankreasautolyse bei 
Du = 3,8, 7,1,7,6 und Wasser anführen (Tabelle III). Es ist bezeichnend 
und nur für dieses Organ gültig, soweit uns bekannt, daß die 
Autolyse im Wasser noch stärker ist als im sauren Milieu. Dieses 
ist dadurch zu erklären, daß beim Beginn der Autolyse die Tryptase 
eine ausgiebige Spaltung vorbereitet, was auch schon daraus er- 
sichtlich ist, daß die Verdauung bei pu = 7,1 geringer ist als bei 
pa = 1,6; wenn später die Eigenpufferung durchbrochen ist, dann 
trıtt die Pepsinase in ihre Rechte und löst weitere Proteinbruch- 
stücke ab. Bei anderen Organen ist ein solches Tryptasenstadium 
verschwindend klein. 


Autolyse. VII. . 137 


Tabelle III. 


Dauer der Autolyse Py = 3,8 = l Py = dë | Wasser 
SE = T WW = eeh ME RT Ze GE SE = z 5, = 

3 Tage | 62,4 45,9 | 49,0 | 74,6 

2.05 53,2 36,7 45,2 i 66,7 

T "en 0 4817 55,7 9 


Wir mußten weiterhin die Gewißheit gewinnen, daß die große 
Tryptasenaktivität des Pankreas tatsächlich vom Trypsingehalt des 
Organs herstammt. Es könnte gut möglich sein, daß gerade der Trypsin- 
gehalt Vorrichtungen verlangt, um gegen jede mögliche Läsion der 
Zellen, welche mit einem Durchbruch der tryptischen Verdauung 
intracellulär einhergehen würde, zu arbeiten. Wir mußten mit anderen 
Worten entscheiden, ob Pankreatin, z. B. zu einem Pankreasautolysat 
zugegeben, die Verdauung der Drüse erhöht. Es ist tatsächlich der 
Fall; wenn wir die Tabelle IV betrachten, so sehen wir, daß zugesetztes 
Pankreatin die Verdauung bei pa = 7,6 ganz enorm erhöht hat; es ist 
somit kein Zweifel, daß die Pankreasdrüse keine Verrichtungen gegen 
Eigentrypsinwirkung besitzt und daß das Trypsin den starken Protein- 
zerfall im alkalischen Milieu bedingt. 


Tabelle IV. 
0,2 Proz. Pankreatin, davon 1 Proz. Drüsengewicht ee A 


— — — — —— 


Pa == 3,8 Pu = 7, 6 
Da ee nn een Inn... Bun 
ohne Pankreatin | mit Pankreatin ` ohne Pankreatin | mit Pankreatin f 
60,71 75,25 47,29 63,95 
57,37 78,38 33,14 50,25 
51,96 80,57 30,50 69,25 


Merkwürdigerweise wird bei der sauren Pufferung mit Zusatz von 
Pankreatin mehr verdaut, als ohne Pankreatin. Dieses läßt daran denken, 
daß das Pankreatin auch eine Pepsinase enthält, was von der Zubereitungs- 
art abhängen muß. Bei der anfänglichen Fällung des Drüsenextrakts mit 
Alkohol gerät die Pepsinase natürlich mit in den Niederschlag. 

Fassen wir die dargebrachten Versuche nochmals kurz zusammen, 
so sehen wir, daß in allen von uns untersuchten Organen die Verdauung 
im Pepsinasebereich dominiert, besonders bei Leber und Niere. Ea muß 
den Organpepsinasen eine besondere und wichtige physiologische Rolle 
zugeschrieben werden, besonders wenn man in Betracht zieht, daß bei 
erhöhtem N-Umsatz auch die Aktivität der Pepsinasen enorm steigt 
(Lei Diese physiologische Rolle kann natürlich nur bei lokaler 


138 O. Steppuhn u. Y. Duret-Delage: Autolyse. VII. 


Säuerung an gewissen Stellen des Zellprotoplasmas ausgespielt werden; 
diese Säuerung ist recht bedeutend (pe = 3 bis 4). 

Die Bauchspeicheldrüse ergibt auch im Tryptasenberesch sehr große 
Verdauungszahlen, was durch Eigentrypsin der äußeren Sekretion 
‚bedingt wird. Es ist verständlich, daß bei Zelläsionen des Pankreas 
die Drüse einer Verdauung durch diese Fermentmassen anheimfallen 
kann, desto mehr, daß die Organzellen keine Abwehrkräfte dagegen 
besitzen (Tabelle IV). 

Die Leber, arm an Tryptasen, ist ein reiches Pepsinasendepot, die 
Ausfuhr von Rest-N bei Leberschädigungen ist ein Resultat der 
Pepsinasearbeit, vielleicht hervorgerufen und reguliert durch einher- 
gehende Ketonkörperacidosis. 


Die Beziehung des Katalasesystems 
zu den Oxydationsvorgängen in den Tiergeweben. 


Von 


L. Stern. 
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Moskau.) 
(Eingegangen am 17. Januar 1927.) 


Im Jahre 1901 ist von Loew (42) der Beweis erbracht worden, daß 
die Zersetzung des H,O, durch Tier- und Pflanzengewebe von einem 
spezifischen Ferment bewirkt wird, dem er den Namen Katalase gab. 
Seit dieser Veröffentlichung haben sich zahlreiche Forscher mit dem 
Studium dieses Ferments beschäftigt, und die Zahl der Arbeiten wächst 
mit jedem Tage. Nicht nur die Physiologie und die Biochemie, sondern 
auch die Pharmakologie, die Pathologie und nicht als letzte die Klinik, 
haben dieser Frage ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Die Kinetik 
sowie die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Katalase 
sind genau erforscht, aber über die Rolle dieses quasi ubiquitären 
Ferments weiß man heute noch ebensowenig wie im Anfang, trotz der 
zahllosen Untersuchungen, die sich gerade mit dieser Seite des Problems 
befaßt haben. Zahllose Hypothesen sind von den verschiedenen 
Forschern aufgestellt worden, aber keine einzige hat sich bisher als 
völlig befriedigend erwiesen. 

Eines steht fest, nämlich, daß die Katalase in allen daraufhin 
untersuchten Geweben der aerob lebenden Tier- und Pflanzenorganismen 
vorhanden ist, während sie bei den Anaerobiern vermißt wird. Quan- 
titative Untersuchungen haben ergeben, daß die Verteilung dieses 
Ferments eine sehr ungleichmäßige ist, und daß bedeutende Unter- 
schiede nicht nur von einer Tierart zur anderen, sondern auch bei der- 
selben Tierart von einem Individuum zum anderen vorhanden sind, 
und selbst bei ein und demselben Individuum konstatiert man be- 
deutende Schwankungen des Katalasegehalts je nach den Bedingungen 
Physiologischer oder pathologischer Natur. 

Bei der Übiquität dieses Ferments war es logisch, anzunehmen, daß 
die Katalase eine wichtige Rolle in den überall sich abspielenden 


140 L. Stern: 


Prozessen spielen müsse, und, da man andererseits einen Zusammenhang 
zwischen der Oxybiose und dem Vorhandensein dieses Ferments kon- 
statiert hatte, drängte sich selbstverständlich der Gedanke auf, daß 
es sich vorwiegend, vielleicht auch ausschließlich, um Oxydations- 
prozesse handeln müßte. Dieser Gedanke ist nun allgemein geworden, 
und fast alle Forscher stimmen darin überein, daß die Katalase ein 
notwendiges Glied in der Kette der sich bei der Oxydation abspielenden 
Prozesse darstellt, aber in welcher Weise die Katalase eingreift, ist 
ebenso unbekannt wie vorher. 


Bis jetzt kennen wir keine einzige Reaktion der Katalase außer 
der H,O,-Zersetzung. Die Wirkung der Katalase ist streng spezifisch. 
Kein anderes Peroxyd, weder organisches noch anorganisches, wird von 
der Katalase angegriffen. Die Versuche, die wir mit sehr aktiven 
Katalasepräparaten angestellt haben (9, 15), ergaben negative Resultate; 
weder Oxydation noch Reduktion ist erzielt worden, keine Beein- 
flussung der Oxydations- oder der Reduktionswirkung in vitro ist 
verzeichnet worden. 


In bezug auf die Wirkung in vivo (9, 10) haben wir zeigen können, daß 
Einführen sehr großer Katalasemengen in die Blutbahn von den Tieren 
sehr gut vertragen wird und zu keiner merkbaren Änderung des Stoff- und 
Energiewechsels führt. Die Katalase scheint als solche absolut wirkungslos 
ebensogut in vivo wie in vitro zu sein. 

Andererseits haben wir (11) konstatiert, daß die direkt in die Blutbahn 
eingeführte Katalase ziemlich schnell aus dem Blute verschwindet, ohne 
in den Ausscheidungen (Harn usw.) zu erscheinen. Durch Abkühlung der 
Tiere kann das Verschwinden der Katalase aus der Blutbahn verzögert 
werden. Eine merkliche Anhäufung der Katalase in den verschiedenen 
Geweben haben wir nicht konstatieren können. 

Nach Einführung von einer Katalasemenge, die um das Mehrfache 
den gesaten Katalasegehalt des Tieres übersteigt, fanden wir nach 30 Mi- 
nuten einen nur geringen Teil im Blute bzw. Plasma wieder (ia his Lie 
und nach 2 Stunden ist sämtliche eingeführte Katalase aus der Blutbahn 
verschwunden (9). 

Die Untersuchung der verschiedenen Gewebe auf ihren Katalasegehalt 
zeigt keine merkliche Steigerung desselben. Eine Ausscheidung durch 
die Nieren läßt sich nicht nachweisen. Im Harn findet man keine Spur von 
Katalase. Übrigens ändert sich das Bild durch Nephrektomie nicht im 
geringsten. Es scheint sich somit um eine Zerstörung oder Inaktivierung 
der eingeführten Katalase durch das Blut und die anderen Gewebe zu handeln. 

Die Möglichkeit einer solchen Inaktivierung der Katalase durch die 
Gewebe ist von uns in vitro (12) nachgewiesen worden. In den wässerigen 
Gewebeauszügen konnten wir bereits bei Zimmertemperatur eine deutliche 
Abnahme des Katalasegehalts wahrnehmen. Bei Körpertemperatur ist diese 
Abnahme recht bedeutend und verläuft ziemlich schnell. In derselben 
Weise verschwindet auch die den Gewebeauszügen zugesetzte Katalase. 
Diese von uns gemachten Beobachtungen sind in neuester Zeit von unseren 
Moskauer Mitarbeitern, die diese Frage einem eingehenden Studium unter- 
zogen haben, vollauf bestätigt worden. In ihren demnächst erscheinenden 


N U TUT I 
# X 1 2 on $ Pr DS 


Katalasesystem und Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 141 


Untersuchungen konnten Belkina, Kremlew und Falk zeigen, daß bereits 
nach 10 Minuten ein beträchtlicher Teil der eingeführten Katalase aus dem 
Blute verschwindet, und daß die nach dem Verbluten und nachfolgenden 
Durchspülen des Tieres untersuchten Gewebe nur einen kleinen Teil der 
Katalase adsorbiert zu haben scheinen. Unter allen daraufhin untersuchten 
Geweben zeigt die Niere die bedeutendste Steigerung ihres Katalasegehalts, 
die Leber und die Milz weisen eine weniger große Steigerung auf, und in 
den übrigen Geweben ist der Katalasegehalt normal. Werden die Gewebe 
erst längere Zeit nach der Katalaseeinspritzung untersucht, so findet man 
keine Steigerung ihres Katalasegehalts. Die in ihnen anfangs angehäufte 
Katalase scheint somit von ihnen völlig vernichtet zu sein. Ob es sich bei 
der im Anfang konstatierten Katalasevermehrung in einigen Geweben um 
eine einfache Adsorption der Katalase aus der Blutbahn handelt oder ob 
die Katalase in das Zellinnere eingedrungen, haben wir nicht näher unter- 
sucht. Das gleiche läßt sich von den Blutkörperchen sagen, die anfangs 
eine gewisse Steigerung ihres Katalasegehalts aufweisen und nach völligem 
Verschwinden der Katalase aus dem Plasma ihren norınalen Katalasegehalt 
wiedergewinnen. 


Die Abnahme der Katalase in den Gewebeauszügen ebenso wie das 
Verschwinden der Katalase in vivo ist von uns der Wirkung eines besonderen 
Körpers zugeschrieben worden. Diese Substanz, die wir in mehr oder weniger 
großer Menge im Blute und in den verschiedenen Geweben konstatieren 
konnten, haben wir als Antikatalase (12) bezeichnet. Über die Natur dieses 
Körpers läßt sich einstweilen nichts Bestimmtes aussagen. Die Ferment- 
natur ist nicht sichergestellt. Die Hitzeempfindlichkeit dieses Körpers ist 
sehr unbeständig und hängt wahrscheinlich von den die Antikatalase be- 
gleitenden Stoffen ab. Einige Präparate verlieren ihre Aktivität bereits 
nach Erwärmen auf 60°, während andere Präparate selbst bei Siedetempe- 
ratur keine Abschwächung erleiden. Die Bezeichnung Antikatalase be- 
deutet keineswegs, daß wir es hier mit einem Antiferment im Sinne der 
Immunitätslehre zu tun haben. Es soll nur bedeuten, daß es sich um einen 
Stoff handelt, der auf die Katalase eine hemmende Wirkung ausübt. 


Die Wirkung der Antikatalase wird von der Temperatur und dem pu 
der Lösung stark beeinflußt. Bei 0° wird die Katalase von der Antikatalase 
nicht angegriffen. Eine merkliche Wirkung tritt erst bei 10° auf und nimmt 
mit steigender Temperatur schnell zu. Das Optimum scheint bei 38 bis 40° 
zu liegen. Bei einem py unter 6 oder über 7 kommt die Wirkung der Anti- 
katalase nicht zur Geltung. Das Optimum liegt bei po = 6,25 bis 6,50. 
Unter diesen optimalen Bedingungen ist der Reaktionsverlauf ein sehr 
schneller. Bereits nach einem Kontakt von 2 Minuten ist ein bedeutender 
Teil der Katalase inaktiviert, und zwar beträgt die Inaktivierung 20 bis 
25 Proz., nach 5 Minuten 39 bis 35 Proz., nach 10 Minuten 45 bis 48 Proz., 
nach 15 Minuten 56 bis 60 Proz. und nach 30 Minuten ist das Maximum 
erreicht, d. h. die Inaktivierung beträgt 70 bis 75 Proz. Völlige Inaktivierung 
der Katalase durch die Antikatalase wird nie erzielt, wie groß auch die 
Antikatalasemenge und wie lang auch die Kontaktdauer sei. Daß es sich 
nicht um eine Vernichtung der Antikatalase selbst handelt, folgt aus dem 
Umstande, daß Zusatz neuer Katalasemengen die Reaktion wieder in 
Gang bringt, um wieder stillzustehen, sobald 70 bis 75 Proz. der zugesetzten 
Katalase inaktiviert worden sind. Es handelt sich also um ein Gleichgewicht 
zwischen aktiver und inaktivierter Katalase, das sich bei einem Verhältnis 
aktive Katalase : inaktivierte Katalase = 25:75 einstellt. 


142 L. Stern: 


Gegenwart von Sauerstoff ist für die Reaktion unumgänglich, und zwar 
genügen bereits Spuren O,; der Sauerstoff kann durch einen Wasserstoff- 
akzeptor, wie Thionin oder Methylenblau, ersetzt werden. Bei der Ein- 
wirkung der Antikatalase auf die Katalase scheint es sich somit um einen 
Oxydationsprozeß, und zwar um einen reversiblen OxydationsprozeßB zu 
handeln. 


In den Gewebeauszügen wird die inaktivierende Wirkung der Anti- 
katalase durch einen besonderen Körper, die thermolabile Philokatalase (13) 
gehemmt, die auf diese Weise die Katalase gegen die Antikatalase schützt. 
Diese Schutzwirkung der Philokatalase wird durch wasserlösliche thermo- 
stabile, ebenfalls in den Geweben vorhandene Körper, die von uns als 
Aktivator der Philokatalase (13) bezeichnet worden, verstärkt. Beachtenswert 
ist die Tatsache, daß’ Zusatz von Philokatalase nicht nur die Wirkung der 
Antikatalase hemmt, sondern auch die bereits inaktivierte Katalase in 
aktive umwandelt, also regeneriert. Nach einer Kontaktdauer von 3 Minuten 
ist bereits eine Reaktivierung von mehr als 50 Proz. zu verzeichnen. Nach 
5 Minuten beträgt die Reaktivierung 75 Proz. und nach 15 Minuten ist die 
Reaktivierung vollständig. Eine ähnliche Schutzwirkung wird durch Zusatz 
von Alkohol, Aldehyd und einigen anderen Körpern zum Reaktionsgemisch 
Katalase— Antikatalase erzielt. Im Gegensatz zur Philokatalase ist jedoch 
die Reaktivierung der inaktivierten Katalase nur gering und häufig über- 
haupt nicht zu verzeichnen. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß es sich 
vorwiegend um Stoffe handelt, die im Tierorganismus durch besondere 
Fermente oxy«diert werden können. Ebenso wie die Antikatalase ist die 
Philokatalase sowie deren Aktivator in den verschiedenen Geweben, aller- 
dings in verschiedenen Mengenverhältnissen vorhanden. Diese Mengen- 
verhältnisse, die den jeweiligen Katalasegehalt des Gewebes beeinflussen, 
werden von unseren Moskauer Mitarbeitern Gagarina und Jankowsk y 
untersucht und werden demnächst veröffentlicht werden. 


Die verschiedenen Gewebe enthalten also außer der Katalase, Anti- 
katalase und Philokatalase sowie den Aktivator der letzteren. Diese Stoffe 
gehen leicht in die wässerigen Auszüge über, die somit stets ein Gemenge 
von Katalase, Antikatalase und Philokatalase in verschiedenen Proportionen 
darstellen. Um die einzelnen Komponenten dieses Komplexes getrennt zu 
erhalten, müssen gewisse Kunstgriffe angewandt werden. So kann man die 
Katalase durch wiederholte Alkoholfällung der wässerigen Gewebeauszüge 
von der sie begleitenden Antikatalase und Philokatalase befreien. Die 
Antikatalase wird durch Fällen der wässerigen Gewebeauszüge mit Essig- 
säure und Behandeln des Filtrats mit 0,2proz. Salzsäure bei niedriger Tem- 
peratur unter Sauerstoffdurchlüftung von der Katalase und der Philo- 
katalase befreit. Hingegen ist es schwer, die sehr labile Philokatalase rein 
darzustellen, oder, vielmehr, sie von der sie begleitenden Katalase, Anti- 
katalase und Aktivatoren zu befreien, ohne sie gleichzeitig zu vernichten. 
Man muß sich damit begnügen, auf indirekte Weise die in einem gegebenen 
Gewebe enthaltene Philokatalasemenge zu bestimmen, und zwar aus dem 
Vergleich der Wirkung des gegebenen Extrakts vor und nach der Zerstörung 
der darin enthaltenen Philokatalase. Der Aktivator der Philokatalase läßt. 
sich leicht von der Katalase, Philokatalase und Antikatalase durch Erhitzen 
auf Siedetemperatur bei neutraler oder leicht alkalischer Reakton befreien. 


Diese unsere Untersuchungen über die Antikatalase und die Philo- 
katalase, die zum größten Teil bereits im Jahre 1905 veröffentlicht 


Katalasesystem und Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 143 


worden sind, haben von seiten der verschiedenen Forscher, die sich 
mit dem Katalaseproblem beschäftigen, keine oder nur geringe Be- 
achtung gefunden, und bei den Untersuchungen betreffend die Ver- 
teilung der Katalase in den verschiedenen Tierorganismen, sowie die 
Änderung des Katalasegehalts der Gewebe unter verschiedenen physiolo- 
gischen und pathologischen Bedingungen, ist der Einfluß der Anti- 
katalase nicht in Betracht gezogen worden. Es liegt auf der Hand, 
daß die unter diesen Bedingungen von den verschiedenen Forschern 
verzeichneten Katalasewerte einer Revision bedürfen. Eine solche 
Revision ist von unseren Moskauer Mitarbeitern [Gagarina und Jan- 
kowski (38a)] unternommen worden, die die Änderung des Katalase- 
gehalts, sowie die Antikatalase und Philokatalasemenge in den Geweben 
unter verschiedenen physiologischen und pathologischen Bedingungen 
eingehend untersuchten. Bei der Diskussion über die Rolle der Katalase 
ist ebensowenig auf die Tatsache geachtet worden, daß die Katalase 
in allen daraufhin untersuchten Geweben von der Antikatalase und der 
Philokatalase begleitet ist, und daß folglich in den Tiergeweben die 
Katalase als ein Glied eines bestimmten Systems oder Komplexes 
erscheint. 

Zur Illustrierung des eben Gesagten seien folgende, den noch un- 
veröffentlichten Arbeiten von Belkına, Kremlew und Falk entnommene 
Versuche angeführt. 

Das zu untersuchende Tier (Kaninchen) wird entblutet und mit physio- 
logischer Kochsalzlösung durchspült. Die frisch herausgeschnittenen 
Gewebe werden mit Quarzsand bei niedriger Temperatur zerrieben, mit 
dem nötigen Volumen eisgekühlten Wassers versetzt und 30 Minuten lang 
verrührt, hierauf filtriert und auf die gewünschte Verdünnung gebracht. 
Jeder Gewebeauszug wird zuerst sofort und hierauf nach 20 Minuten 
langem Aufbewahren bei Körpertemperatur auf seinen Katalasegehalt ge- 
prüft. 

Die folgende Tabelle enthält die Katalasewerte der verschiedenen 
Gewebe, ausgedrückt durch die Zahl von Kubikzentimetern des durch 
die Zersetzung des H,O, entwickelten Sauerstoffs unter der Einwirkung 
von l g Gewebe im Laufe von 5 Minuten. 


|| Blut | Leber | Milz | Niere | Lunge | Hirn | Muskel | Herz | 


a ET er ee 


BEI 
1. a) Frischer Auszug . | 2550 2090 | 468 | 2228 | 304 | 32 29,6 | 121,2 
b) Im Thermostaten 
bewahrter Auszug Kies 1450 | 400 | 1340 | 224 | 27,6 | 25,6 | 82,7 


2. a) Frischer Auszug . ' 3180 | 1430 | 1000 | 2040 | 234 | 17 13,3 | 131,2 
b) Im Thermostaten | Ä 
bewahrter Auszug | 1305 | 1200 | 760 : 1400 | 164 | 15 11,2 : 116,8 


1 


Wir sehen aus diesen Versuchen, daß bei Nichtbeobachtung des 
Antikatalasefaktors, je nach den Versuchsbedingungen mehr oder 


144 L. Stern: 


weniger bedeutende Schwankungen in den verzeichneten Katalase- 
werten möglich sind. Für das Blut kann der Unterschied mehr als 
50 Proz. betragen, je nachdem man die Bestimmung des Katalase- 
gehalts sofort nach der Entnahme ausführt oder die Lösung längere 
Zeit stehen läßt. Daß in all diesen Versuchen die Verminderung des 
Katalasegehalts auf Antikatalasewirkung zurückzuführen ist, folgt 
aus der Tatsache, daß Zusatz von geringen Mengen Alkohol (1 : 10000) 
diese Abschwächung völlig verhindert. Die von uns gemachte Beob- 
achtung, daß die Katalase unter den in den Geweben existierenden 
Bedingungen beständig einer Inaktivierung durch Oxydation unter 
dem Einfluß der Antikatalase und einer Regeneration durch Reduktion 
unter dem Einfluß der Philokatalase unterliegt, legt die Annahme 
nahe, daß der Komplex Katalase— Antikatalase—Philokatalase ein 
besonderes Oxydationssystem darstellt, bei dem die Antikatalase als 
oxydierendes Agens, die Katalase als sauerstoffübertragendes und die 
Philokatalase als reduzierendes und vielleicht, auch als ein die zu 
oxydierenden Substanzen lieferndes Agens funktionieren. Bis zu 
einem gewissen Grade könnte die Rolle der Katalase in diesem Oxy- 
dationssystem mit der Rolle des Hämoglobins verglichen werden. 
Eine gewisse Analogie könnte auch zwischen diesem Katalasesystem 
und dem Oxygenase-Peroxydasesystem von Bach und C'hodat (2) an- 
genommen werden, und zwar könnte man das unter dem Einfluß der 
Antikatalase entstehende reversible Oxydationsprodukt der Katalase, 
die Oxykatalase, mit der Oxygenase vergleichen, während die Philo- 
katalase wie die Peroxydase fungieren würde. Allerdings haben wir 
unter der Einwirkung dieses Systems sich vollziehende Oxydationen 
bisher mit Sicherheit nicht feststellen können, und wir müssen also bis 
auf weiteres annchmen, daß das Katalasesystem einen wahrscheinlich 
sehr wichtigen Teil des Oxydationssystems der Gewebe darstellt, worin 
es die Rolle der Übertragung des Sauerstoffs und vielleicht auch die 
Aktivierung desselben übernimmt. 

In diesem Zusammenhange verdient die von uns gemachte 
Beobachtung erwähnt zu werden, daß die Oxydation des Alkohols 
durch Pferdelebergewebe (Alkoholoxydase) durch Zusatz von Milz 
(Antikatalasegewebe) gesteigert wird. 

Es bleibt nun die Frage offen, ob im lebenden Organismus die 
Funktion der Katalase in der Zersetzung von H,O, besteht. Wie bereits 
erwähnt wurde, ist diese Funktion die einzige, die wir in vitro bei der 
Katalase mit Sicherheit nachweisen können. Eine negative Antwort 
muß zu dem Schluß führen, daß die einzige in vitro konstatierte Reaktion 
des Ferments nichts mit der Funktion desselben in vivo zu tun habe, 
eine Erscheinung, die in der Fermentlehre vereinzelt dastehen würde, 
denn bisher ist uns kein Ferment bekannt, dessen Reaktion in vitro 


Katalasesystem und Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 145 


nicht einem in vivo verlaufenden Prozeß entsprechen würde. Eine 
positive Antwort zwingt andererseits zu der Annahme, daß das Substrat 
der  Katalase, H,O,, im Organismus existieren muß bzw. gebildet 
werden muß. 

Allerdings haben alle bisher gemachten Versuche, H,O, in den 
lebenden Tiergeweben nachzuweisen, ein negatives Resultat ergaben. 
Doch schließt dies durchaus nicht die Möglichkeit einer H,0,-Bildung 
aus; es fragt sich nur, unter welchen Umständen H,O, gebildet wird. 
Es ist wohl kaum nötig zu betonen, daß eine eventuelle Bildung von 
H,0, nur im Laufe der Oxydationsprozesse stattfinden kann. Die 
Möglichkeit einer solchen H,O,-Entstehung begegnet keinen theoreti- 
schen Schwierigkeiten. Wir brauchen nur an die Arbeiten von 
Traube (49) und an die neueren Arbeiten von Wieland (53) zu erinnern. 
Ob dabei H,O, als Endprodukt oder als Zwischenprodukt entsteht, 
ist für die uns hier interessierende Frage nicht von Belang. 

Nimmt man nun die H,O,-Bildung bei den Oxydationsprozessen 
an und zieht nun in Betracht, daß das entstehende H,O, unverzüglich 
zersetzt wird, so muß man a priori erwarten, daß die jeweilige Katalase- 
menge durch die Energie der vor sich gehenden Oxydationsprozesse 
bedingt werde. Demnach müßte man den größten Katalasegehalt bei 
denjenigen Tieren und in denjenigen Geweben finden, die die größte 
Atmungsenergie bzw. die größte Oxydationsintensität besitzen. Dem- 
nach müßten die Gewebe der Vögel z. B., die einen sehr hohen respira- 
torischen Gaswechsel aufweisen, besonders reich an Katalase sein. In 
Wirklichkeit liegt die Sache aber anders, wie man sich leicht aus unseren 
Untersuchungen (9, 15) überzeugen kann. So konstatiert man z. B. für 
die Gewebe des Sperlings folgendes: Das Blut enthält zehnmal weniger 
Katalase, die Leber fünfmal weniger und das Gehirn zehnmal weniger 
Katalase als die entsprechenden Gewebe des Frosches, und im Vergleich 
zum Meerschweinchen ist der Katalasegehalt des Blutes 80 mal geringer, 
der der Leber achtmal, der der Milz siebenmal, der der Lunge zehn- 
mal und der des Gehirns zweimal niedriger. 

Wenn also einerseits das Vorhandensein der Katalase an oxy- 
biotische Prozesse eng gebunden zu sein scheint, ist andererseits eine 
Proportionalität zwischen der Intensität der energieliefernden Oxy- 
dationsvorgänge und der Menge der bei den verschiedenen Tierarten 
vorhandenen Katalase keineswegs nachzuweisen. 

Betrachten wir nun die quantitative Verteilung der Katalase in 
den verschiedenen Geweben eines gegebenen Individuums und ver- 
gleichen wir sie mit der Intensität der verschiedenen Oxydations- 
vorgänge in denselben Geweben. 

In der folgenden Tabelle stellen wir den Katalasegehalt und die 
Atmungsintensität mehrerer Gewebe des Hundes zusammen (16, 17, 26). 

Biochemiscbe Zeitschrift Band 182. 10 


146 L. Stern: 


Die hier angeführten Zahlen bezeichnen die relative Katalasewirkung und 
die relative Atmungsenergie der einzelnen Gewebe, wobei wir mit 100 die 
maximale Katalasewirkung und die maximale Oxydationswirkung des 
aktivsten Gewebes bezeichnen. 


Gewebe Katalasegehalt | Atmungsintensität 
Leber ..... 100 84 
Niere ..... 93 95 
Muskel. .... 1.4 100 
Hirn. . 2.2... 1,1 78 
Mi dä ër A e | 5 12 
Lunge . .... | 8,3 13 


Wie wir aus dieser Tabelle ersehen, ist der Katalasegehalt in den 
Muskeln und dem Hirn des Hundes sehr gering, trotzdem diese Gewebe 
einen sehr intensiven respiratorischen Gaswechsel, d.h. eine große 
ÖOxydationsenergie besitzen. So beträgt z.B. der Katalasegehalt der 
Leber ungefähr das 70fache des Katalasegehalts der Muskeln, während 
die Oxydationsenergie dieser beiden Gewebe die gleiche ist. 

Ähnliches konstatieren wir, wenn wir die Oxydonenwirkung der 
Gewebe des Hundes (24, 25, 28) mit dem Katalasegehalt derselben 
Gewebe vergleichen, wie die folgende Tabelle zeigt. 


Gewebe o | So une! |  Succinox ydon 


nen len Een enden yena 


Leber... . . | 100 E 100 75.5 
Niere . .... y3 | e 5 55,5 
Muskeln 3 1,4 | 80 
Hin ..... | 1,1 | 50 100 
Miz ..... ` 5 21,6 | 20 
Lunge. ... . | HA | 17,7 20 


Wir konstatieren hier, daß der Katalasegehalt des Hirns ungefähr 
90 mal kleiner ist als der Katalasegehalt der Leber, während die Oxy- 
dationsenergie dieses Gewebes (Phenylendiaminoxydon) diejenige der 
Leber übertrifft. 

Vergleichen wir hingegen den Katalasegehalt mit der Oxydase- 
wirkungsfähigkeit, so konstatieren wir einen gewissen Parallelismus, wie 
wir aus der folgenden Tabelle ersehen, wo der relative Katalasegehalt, 
die akzessorische Atmungsintensität (20) sowie die Alkoholoxydase (21) 
und die Urikoxydase (19) zusammengestellt sind. 


Gewebe | eg |Akzessor. r. Atmung Alkoboloxydase r Urikoxydase 
in, gg mo — = — z But a 
Leber. .... | 100 i 100 100 | 100 


Niere . .... 93 10 60 | 18 
Muskeln . . . . 1.4 — E | 


Katalasesystem und Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 147 


Für die Gewebe des Pferdes erhalten wir folgende Werte: 


Gewebe t Katalasegehalt | Akzessor. Atmung | Alkoholoxydase | Urikoxydase 


+e EE M 


TEE 100 | 100 wm | 100 
Ne. SE 16,6 69 16 56 
Muskeln. . . . |l 1,6 | — — | 12 


Allerdings ist der Parallelismus zwischen der Intensität der hier 
angeführten Oxydasevorgänge und dem Katalasegehalt nur relativ, 
aber man darf nicht vergessen, daß weder die akzessorische Atmung, 
noch die hier angeführte Alkoholoxydase und Urikoxydase die Gesamt- 
heit der auf Oxydasewirkung beruhenden Vorgänge in den Tiergeweben 
darstellen, ebensowenig, wie die Hauptatmung und das weiter oben an- 
geführte Succinoxydon und das Phenylendiaminoxydon die Gesamtheit 
der Atmungsenergie erschöpfen. Aber im großen und ganzen ersieht 
man aus diesen Zusammenstellungen, daB bei einem gegebenen Tiere 
der größte Katalasegehalt in denjenigen Geweben zu finden ist, in 
denen die auf Oxydasewirkung beruhende akzessorische Atmung, 
sowie die Oxydation von Alkohol und Harnsäure am intensivsten sind. 
Bei fast allen daraufhin untersuchten Tieren sind die Leber und die 
Niere die an Katalase weitaus reichsten Gewebe. Bei nur wenigen 
Tieren weist das Blut einen höheren Katalasegehalt auf als diese Gewebe, 
z. B. die Natter, deren Blut dreimal soviel Katalase enthält als die 
Leber und siebenmal soviel als die Niere, das Kaninchen und der 
Mensch (9, 15). 

Einen noch engeren Parallelismus konstatiert man zwischen dem 
Peroxydasegehalt der Gewebe (18) und ihrem Katalasegehalt, wie aus 
folgenden Tabellen, die die relativen Peroxydase- und Katalasewerte 
einiger Gewebe des Hundes enthält, ersichtlich ist. 


Gewebe | Katalasegehalt Peroxydasegchalt 
Leber ..... 100 100 
Niere . .... 93 54 
Muskeln . . . 1,4 22 
Gehirn. ... . ' 1,1 20 
Lunge . . ... i 8,3 33 
BE = e %% | 8,2 ON 


Für die Gewebe des Pferdes konstatieren wir folgende Werte: 


Gewebe | Katalasegehalt | 2 Peroxydaségéhalt 
Leber . 2... Ä 100 100 
Niere ..... | 16,6 57 
Milzo. 2% %% | 3 39 
Blut. .... | 7 | 44,5 


10 * 


148 L. Stern: 


Bei der Beurteilung dieser Werte dürfen wir nicht außer acht 
lassen, daß Peroxydasewirkung teilweise auch durch das Hämoglobin 
vorgetäuscht werden kann und, da es sich in diesen Versuchen um 
nichtausgewaschene Gewebe handelt, muß ein Teil der Peroxydase- 
wirkung natürlich auf das an den Geweben haftende Blut zurück- 
geführt werden. 

Eine direkte Proportionalität zwischen Peroxydasewirkung und 
Katalasegehalt ist nicht festzustellen, ebensowenig wie zwischen 
Katalasegehalt und Oxydasewirkungsfähigkeit, aber hier wie dort 
konstatiert man die Tatsache, daß bei einem gegebenen Tiere die 
intensivste Peroxydasewirkung in den Geweben verzeichnet wird, die 
den größten Katalasegehalt aufweisen, während die Katalase nur in 
geringfügiger Menge in den Geweben vorhanden ist, in denen keine 
oder nur geringe Peroxydasewirkung nachgewiesen werden kann. 

Der gleiche Zusammenhang wie zwischen Peroxydase und Oxydase- 
wirkung einerseits und Katalasegehalt andererseits läßt sich auch 
für den Antikatalasegehalt der Gewebe verzeichnen. Die Antikatalase 
existiert ebenfalls hauptsächlich in den Geweben, in denen Orydase- 
bzw. Peroxydaseprozesse vor sich gehen, während die Gewebe, in denen 
die Oxydationsvorgänge hauptsächlich auf Orydonwirkung beruhen, 
keine oder nur unbedeutende Mengen Antikatalase aufweisen. 

Ob das Katalasesystem als ein besonderes Oxydationssystem 
fungiert oder einen notwendigen Teil des Oxydasesystems darstellt, 
kann auf Grund der hier angeführten Daten natürlich nicht entschieden 
werden. Das eine scheint aber mit zwingender Notwendigkeit hervor- 
zugehen, nämlich, daß in den Tiergeweben die Katalasewirkung (bzw. 
das Katalasesystem) mit der Oxrydasewirkung in Zusammenhang steht, 
während die Orydonwirkung völlig unabhängig von dem Katalase- 
system ist. Es scheint somit ein Zusammenhang zu bestehen zwischen 
dem Katalasesystem und der Art der Oxydationsprozesse, gleichgültig, 
in welcher Weise die Funktion der Katalase, richtiger des Katalase- 
systems, gedeutet wird. Die bisher von den verschiedenen Forschern 
postulierte Rolle der Katalase im OxydationsprozeB muß also in der 
Weise modifiziert werden, daß an Stelle der Oxydalionsprozesse im 
allgemeinen die Orxydaseprozesse gestellt werden. 

Diese Beschränkung de» Begriffe der Katalasefunktion ist nicht 
nur für die Deutung der Rolle des Katalasesystems wichtig, sondern 
auch für die Theorie der biologischen Oxydationsvorgänge, indem 
dadurch der Unterschied zwischen Orydon- und Oxydasewirkung in 
ein neues Licht gerückt wird. 

Bekanntlich waren wir im Laufe unserer Untersuchungen über 
den Mechanismus der Verbrennungen in den Tiergeweben zu der An- 
nahme gelangt, daß es zwei Atmungsprozesse gibt: Die Hauptatmung, 


Katalasesystem und Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 149 


die durch Oxydone bewirkt wird, und die akzessorische Atmung, die 
sich in der gleichen Weise verhält wie die bekannten Oxydasen (Alkohol- 
oxydase, Urikoxydase und andere). In bezug auf die Rolle der Oxydone 
und der Oxydasen bei der Energieentwicklung in den höheren Tier- 
organismen, hatten wir die Behauptung aufgestellt, daß die Hauptrolle 
die Oxydone spielen, während die Oxydasen in dieser Beziehung nur 
eine untergeordnete Bedeutung besitzen und hauptsächlich eine Schutz- 
wirkung ausüben. Bei den niederen Organismen hingegen stellt die 
Oxydasewirkung eine wichtige und in manchen Fällen die wichtigste 
Energiequelle vor (30, 31, 43). 

Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen den Oxydasen 
und den Oxydonen beruhen zum größten Teil auf der komplexen 
Eiweißnatur der letzteren. Hierher gehört die Zerstörung der Oxydone 
durch Trypsin, durchdie indifferenten Anaesthetica (Alkohol, Aceton usw.) 
und durch höhere Temperaturen, während die Oxydasen unter den- 
selben Bedingungen nicht beeinflußt werden (27, 29, 32). Zu diesen 
Unterscheidungsmerkmalen, die sich nur auf die physikalisch-chemi- 
schen Eigenschaften beziehen, gesellt sich nun ein sehr wichtiger 
Unterschied und zwar im Wirkungsmechanismus dieser Katalysatoren. 

Wir wollen hier nicht auf die verschiedenen Theorien und Hypothesen 
eingehen, die zur Erklärung der biologischen Oxydationsprozesse aufgestellt 
sind, und die im Grunde sich alle auf die von Traube (49) und von Hoppe- 
Seyler (40, 41) vertretenen Ansichten zurückführen lassen. Erwähnt seien 
hier nur die gleichzeitig von Bach (1) und von Engler (36) aufgestellte 
Peroxydtheorie und das auf ihr aufgebaute Oxygenase — Peroxydasesystem 
von Bach und Chodat (2), sowie die sich scheinbar schroff gegenüber- 
stehenden Theorien der Sauerstoffaktivierung, wie sie hauptsächlich von 
Warburg (50, 51, 52) ausgebaut ist, und der Wasserstoffaktivierung, (die 
in den letzten Jahren von Wieland (53) entwickelt worden und in 
den Untersuchungen von Thunberg (46, 47, 48), Hopkins und ihren Mit- 
arbeitern eine wichtige Stütze gefunden hat. 

Unsererseits (33, 35, 44) haben wir eine Oxydationstheorie auf- 
gestellt, die im wesentlichen sich auf die von Traube gemachte Annahme 
stützt, daß die langsame Verbrennung nicht durch direkte Spaltung des 
molekularen Sauerstoffs, sondern durch Spaltung des Wassers erfolge, 
wobei als Zwischenprodukt H,O, auftritt. Nach dem klassischen 
Schema der Autoxydation des Zinks würde der Prozeß so verlaufen: 


HOH O „PH HO 
Zn + + || = Zn + | (1) 
HOH 0 NOH HO 
OH OU 
Zzı+| = A . (2) 
H OH 


Auch bei der Fermentwirkung im allgemeinen und bei den oxydo- 
reduzierenden Fermenten im besonderen handelt es sich nach Traube 


150 L. Stern: 


um Spaltung des Wassers in H und OH und um Übertragung des OH 
auf die zu oxydierende Substanz und gleichzeitige Übertragung des H 
auf die zu reduzierende Substanz. 


Nach der von Bach (6, 7) aufgestellten Theorie entstebt unter dem 
Einfluß der oxydoreduzierenden Fermente aus dem Wasser einerseits 


das oxydierende Hydroperoxydhydrat = O Ge und andererseits 


das reduzierende Oxyperhydrid = O0 

Nach unserer Auffassung handelt es sich bei allen Ferment- 
prozessen um die Übertragung der von ihrer elektrischen Ladung 
befreiten Spaltungsprodukte des Wassers auf das Substrat, wobei 
natürlich durch die aktiven OH-Gruppen eine Oxydation und gleich- 
zeitig durch die aktiven H-Gruppen eine Reduktion bewirkt wird. 
Nach dieser Auffassung würde ein prinzipieller Unterschied zwischen 
den hydrolytischen, hydrierenden und oxydoreduzierenden Fermenten 
nicht bestehen. Der Wirkungsmechanismus ist grundsätzlich der gleiche. 


Die Rolle der Fermente besteht somit in der Entladung der H*- 
und OH--Ionen des Wassers und in der Übertragung der aktiven H- 
und OH. Gruppen auf das Substrat, wobei es gleichgültig ist, ob die 
beiden Spaltprodukte des Wassers auf ein und dasselbe Molekül über- 
tragen werden, oder auf zwei gleiche Moleküle oder auf zwei ver- 
schiedene Moleküle. 


Im ersten Falle kann die gleichzeitige Fixierung der beiden Spalt- 
produkte des Wassers zu einer Spaltung des Substrats führen, wie es bei 
den gewöhnlichen Hydrolysen der Fall ist, oder aber die Spaltung bleibt 
aus und man spricht dann von Hydratation, wie z. B. die Umwandlung der 
Fumarsäure in Äpfelsäure durch die Fumarase (34) 


COOH—-CH=CH—COOH 
+ H-OH — C00H—CH,—CHOH—COONH. 


Als Beispiel des zweiten Falles können wir die Aldehydasewirkung 
anführen. Z. B. die Umsetzung des Acetaldehyds zu Essigsäure und Äthyl- 
alkohol unter dem Einfluß der Aldehydase: 


H 
R—c<ġ + HSC-R = R-COH + R—CZ9 + HOH 
S 8 oH NH 
H— OH 


Im dritten Falle spricht man von Reduktion, wenn man das Haupt- 
gewicht auf das durch die H-Wirkung entstandene Reduktionsprodukt 
legt, oder von Oxydation, wenn man das durch die OH-Wirkung ent- 
standenen Oxydationsprodukt im Auge hat, oder auch von Oxydoreduktion. 
So kann man z. B. bei der Umwandlung von Alkohol zu Essigsäure unter 
dem Einfluß der Alkoholoxydase in Gegenwart von Methylenblau oder 
von Nitraten von der Oxydation des Alkohols, oder auch von der Reduktion 
des Methylenblaus und der Nitrate sprechen. 


Katalasesystem und Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 151 


Die Spezifität der Fermente wird entweder durch die O H-übertragende 
Gruppe oder durch die H-übertragende Gruppe oder durch die beiden 
Gruppen des Ferments bedingt. 


Kehren wir nun zu den Oxydationsprozessen zurück. Hier können 
folgende Fälle in Betracht kommen: 


1. Das Oxydationsferment, oder, allgemeiner gesprochen, der 
Oxydationskatalysator, ist nur in seinem OH-übertragenden Teile 
spezifisch, während die H-übertragende Gruppe auf jeden beliebigen 
Wasserstoffakzeptor wirken kann, wie z. B. Methylenblau und andere 
leucobasenliefernde Farbstoffe, Nitrate usw., sowie molekularer Sauer- 
stoff, der sich mit dem aktiven Wasserstoff zu H,O, verbindet. 
In dieser Weise funktionieren die typischen Oxydationsfermente, wie 
die Alkoholoxydase, die Urikoxydase und die Polyphenoloxydasen, die 
in Gegenwart von Methylenblau das entsprechende Substrat oxydieren 
und gleichzeitig das Methylenblau reduzieren, während in Gegenwart 
von Sauerstoff eine der Oxydation entsprechende Menge Sauerstoff 
verbraucht wird. 


2. Der Oxydationskatalysator ist nicht nur in seinem OH-über- 
tragenden, sondern auch in seinem H-übertragenden Teile spezifisch, 
und zwar in der Weise, daß die H-übertragende Gruppe nur mit Sauer- 
stoff, und zwar mit aktiviertem, in bestimmter Weise gebundenem 
Sauerstoff reagieren kann. 


In dieser Weise funktionieren die Oxydone. Bei der Oxydation 
des entsprechenden Substrats, z. B. Bernsteinsäure, Citronensäure usw., 
durch die Oxydone, entsteht kein H,O,, da hier aktiver Wasserstoff 
mit aktivem Sauerstoff reagiert und direkt Wasser gebildet wird. Die 
Aktivierung des Sauerstoffs kann in diesen Fällen durch Stoffe, wie 
z.B. das Eisen, bewirkt sein. 


Die Oxydationsprozesse des ersten Typus, die wir kurzweg als 
Orydaseprozesse bezeichnen wollen, sind also dadurch charakterisiert, 
daß aktivierter Wasserstoff mit molekularem, als Wasserstoffakzeptor 
fungierendem Sauerstoff reagiert, wobei H,O, entsteht. 


Eine Anhäufung des für das Protoplasma sehr giftigen H,O, 
kommt nicht zustande, da es durch die in den Zellen anwesende Katalase 
sofort zersetzt wird, eventuell auch von gleichzeitig anwesenden Per- 
oxydasen zu weiteren Oxydationszwecken benutzt wird. 

Daß der Sauerstoff durch andere Wasserstoffakzeptoren ersetzt 
werden kann, ist bereits erwähnt worden. 

Die Oxydationsprozesse des zweiten Typus, die wir der Kürze 
halber als Oxrydonenprozesse bezeichnen wollen, sind dadurch gekenn- 
zeichnet, daß aktivierter Wasserstoff mit aktiviertem Sauerstoff reagiert. 
Zu einer Bildung von H,O, kommt es hierbei nicht. 


152 L. Stern: 


Wir haben es somit in den aerob lebenden Tierorganismen mit 
zwei verschiedenen Oxydationssystemen zu tun: 1. das Orydasesystem, 
das zu seiner normalen Auswirkung in den Tiergeweben die Mithilfe 
des Katalasesystems verlangt, und 2. das Oxydonensystem, das vom 
Katalasesystem unabhängig ist. 

Es ist beachtenswert, daß diese beiden Oxydationssysteme nicht 
nur in der Tierreihe ungleichmäßig verteilt sind, sondern daß auch in 
den verschiedenen Geweben ein verschiedenes Verhältnis der beiden 
Oxydationssysteme zueinander konstatiert werden kann. 

Bei den niederen Tierarten wiegt das Oxydasesystem vor, wie wir 
es z. B. bei den Insekten zeigen konnten (30, 31), wo, bei den Larven 
namentlich, der respiratorische Gaswechsel zum größten Teil auf 
Oxydasewirkung beruht und der Gehalt an Oxydasen, wie z.B. die 
Tyrosinoxydasen und die Polyphenoloxydasen unvergleichlich höher 
ist, als bei den höheren Tieren. Bei diesen niedrigeren Tieren bilden 
die Oxydaseprozesse die weitaus wichtigste Energiequelle. 

Bei den höheren Tieren hingegen (Wirbeltiere) wiegt das Oxydon- 
system vor, und der weitaus größte Teil des respiratorischen Gaswechsels 
ist hier auf Oxydonenwirkung zu beziehen. Bei diesen Tieren sind es 
also die Oxydonenprozesse, die die Hauptquelle der Energie darstellen. 

Betrachten wir nun die einzelnen Gewebe, so finden wir, daß einige 
Gewebe, wie z.B. die Leber und die Niere, neben dem Oxydonen- 
system ein gut ausgesprochenes Oxydasesystem besitzen, daß hingegen 
in einigen anderen Geweben, wie z.B. den Muskeln, das Oxydase- 
system kaum nachgewiesen werden kann, während die Oxydonen- 
prozesse dort sehr intensiv sind. Der Energieumsatz vollzieht sich 
also in diesen Geweben ausschließlich auf Kosten der Oxydone. Das 
Katalasesystem scheint denselben Gesetzen zu gehorchen und herrscht 
da vor, wo die Oxydaseprozesse am intensivsten sind. 

Phylogenetisch wäre der Oxydonenprozeß als ein später erworbener 
Oxydationsmechanismus zu betrachten, der allmählich das Oxydase- 
system in den energieliefernden Prozessen ersetzt und in manchen 
Geweben die ganze Energielieferung übernommen hat. Als phylogenetisch 
älteren und deshalb allgemeineren Mechanismus sind die auch in Sauer- 
stoffabwesenheit vor sich gehenden hydrolytischen und glykolytischen 
Prozesse zu betrachten, die für den geringen Energieaufwand der 
niedrigsten aerob lebenden Organismen völlig ausreichen. Hier fehlt 
auch das Katalasesystem. Mit dem Auftreten aerob lebender Organismen 
entwickelt sich das Oxydasesystem und gleichzeitig entwickelt sich 
auch als notwendiger Teil desselben das Katalasesystem. Schließlich 
mit der steigenden Komplikation der Lebensbedingungen, die einen 
immer größeren Aufwand von Energie erfordern, entwickelt sich das 
ÖOxydonensystem, das in den Organen, die man gemeinhin unter dem 


Katalasesystem und Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 153 


Namen animalisches System zusammenfaßt, wie die quergestreiften 
Muskeln und das cerebrosp'nale Nervensystem, fast die ganze Energie- 
lieferung übernimmt, während das Oxydasesystem nur eine unter- 
geordnete Rolle in dieser Beziehung spielt und hauptsächlich als Schutz- 
wirkung in Betracht kommt. Daß das Katalasesystem in den Oxydonen- 
prozessen keine Rolle spielt, geht aus dem sehr niedrigen Katalase- 
gehalt dieser Organe deutlich hervor. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß in den Oxydaseprozessen das 
Katalasesystem eine entscheidende Rolle spielt, aber es muß vorderhand 
unentschieden bleiben, ob die Funktion der Katalase darin besteht, 
die Zusetzung des bei diesen Oxydationsprozessen entstehenden H,O, 
zu bewirken und eventuell durch Übertragung des entwickelten Sauer- 
stoffs die weitere Oxydation zu fördern, oder ob es sich um ein be- 
sonderes, auf bestimmte bei diesen Oxydationsvorgängen entstehende 
Stoffe eingestelltes Oxydationssystem handelt. 

Die Rolle der Antikatalase und der Philokatalase würde demnach 
darin bestehen, die Wirkung der Katalase auf das entstehende H,O, 
zu regeln, sie den jeweilig zu zersetzenden H,O,-Menge nanpassend, und 
andererseits die Übertragung des Sauerstoffs durch die Katalase zu 
ermöglichen und auf diese Weise die Oxydationsprozesse zu fördern. 
Interessant ist in diesem Zusammenhange auch die Tatsache, daß in 
seinen aktivsten Katalasepräparaten Hennichs (39) einen Eisengehalt 
von 3,3 bis 4,1 Proz. konstatiert hat. 


Zusammenfassung. 


l. Die Katalase bildet zusammen mit der Antikatalase, der Philo- 
katalase und dem Aktivator der Philokatalase ein System, das wir der 
Kürze halber als Katalasesystem bezeichnen. 

2. Das Katalasesystem ist nur bei den aerob lebenden Örbaniämen 
entwickelt, steht aber mit der Intensität der Oxydationsvorgänge im 
allgemeinen in keinem direkten Verhältnis. 

3. Es besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Katalase- 
system und der Art der ÖOxydationsprozesse: das Katalasesystem 
existiert überall da, wo Oxydaseprozesse vor sich gehen, und fehlt da, 
wo nur Oxydonenwirkung verzeichnet wird. 

4. Die Oxydone unterscheiden sich von den ÖOxydasen unter 
anderem dadurch, daß bei der Oxydasewirkung H,O, durch die Reaktion 
zwischen aktivem Wasserstoff und molekularem Sauerstoff entsteht, 
während beider Oxydonenwirkung infolge der Reaktion zwischen aktivem 
Wasserstoff und aktiviertem Sauerstoff direkt Wasser entsteht. 

5. Die Rolle des Katalasesystems besteht in der Zersetzung des 
entstehenden H,O, und eventuell in der Förderung der Oxydations- 
prozesse durch Übertragung des Sauerstoffs. 


154 L. Stern: Katalasesystem u. Oxydationsvorgänge in Tiergeweben. 


Literatur. 


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Abhandlungen, Berlin 1899; 1858, S. 59; 1878, S. 386; 1882, S. 396; 1883, 
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Ges. 45, 2606, 1912; 46, 3327, 1913; 47, 2085, 1914; 54, 2353, 1921; Liebigs 
Ann. d. Chem. 431, 301; 436, 185 und 229; 439, 126; 445, 198. — (Zu- 
sarmmmenfassung) Ergebn. d. Physiol. 20, 474, 1922. 


Zur Kenntnis der Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 


Von 
A. Oparin. 
(Aus dem botanischen Institut der Universität Moskau.) 


(Eingegangen am 17. Januar 1927.) 
Mit 5 Abbildungen im Text. 


I. Einleitung. 


Es ist schon seit langem bekannt, daß der AtmungsprozeßB bei 
der Zerstörung der Zellstruktur erhebliche Störungen erleidet und 
sogar vollends zum Stillstand kommt. 


Claude Bernard hat in seinen „Vorlesungen über die Lebenserschei- 
nungen“ (1870) mit großer Bestimmtheit auf das Aufhören der Atmung 
nach mechanischer Zerstörung der Zelle hingewiesen. Spätere Unter- 
suchungen an pflanzlichen sowohl als an tierischen Objekten bestätigten 
diese Erscheinung in vollem Maße. Dabei wurde festgestellt, daß durch 
die Vernichtung der Zellstruktur aın stärksten der Vorgang der Sauerstoff- 
aufnahme, der aerobe Oxvdationsprozeß, beeinträchtigt wird. S. Ko- 
stytschew (1) hat in seinen Untersuchungen über die Atmung der Pflanzen 
die Beobachtung gemacht, daß durch Erfrierenlassen getötete Keimlinge 
und Samen zwar Kohlensäure ausscheiden, aber für jedes Äquivalent 
Kohlensäure ein Äquivalent Alkohol bilden. Dieses Verhältnis bleibt 
konstant, gleichviel, ob die Objekte von Luft oder von Wasserstoff um- 
geben sind. Lebende Samen und Keimlinge nehmen hingegen Sauerstoff 
aus der Luft auf und bilden nur äußerst geringe Mengen Alkohol. Zalesky 
und Reinhard (2) gelangten auf Grund ihrer Untersuchungen an Erbsen- 
samen ebenfalls zu der Überzeugung, daß die Kohlensäure, die zu Mehl 
zerriebene Samen ausscheiden, ausschließlich anaeroben Ursprungs ist, 
während die aeroben Vorgänge unter diesen Bedingungen stark herab- 
gesetzt sind oder sogar vollständig aufhören. Zu ähnlichen Folgerungen 
kamen auch L. Iwanoff (3) und späterhin I. Bodnar und P. Hoffner (4). 


Aus obigen Arbeiten geht mit Bestimmtheit hervor, daß die 
Prozesse anaerober, oxydoreduktiver Art bei der Vernichtung der 
Zellstruktur fast unbeeinträchtigt bleiben, ja unter Umständen sogar 
an Intensität zunehmen (5). Die mit Aufnahme von Sauerstoff aus der 
Luft vor sich gehenden Prozesse gelangen hingegen dabei zum völligen 
Stillstand. Diese Beobachtungen rechtfertigten die Folgerung, daß 
die Oxydation der Bestandteile der Zelle durch den molekularen Sauer- 


156 A. Oparin: 


stoff auf irgend eine Weise von der Existenz einer bestimmten, dem 
lebenden Zellprotoplasma eigenen Struktur abhängen. Diese Folgerung 
wurde derzeit von mehreren Autoren gezogen und verschiedenen 
Theorien der Atmung zugrunde gelegt; dies gilt auch für die von 
O. Warburg in neuerer Zeit aufgestellte Theorie, die großes Aufsehen 
erregt hat. 

Auf Grund seiner Untersuchung an den Erythrocyten von Vögeln 
kam O. Warburg (6) zu der Überzeugung, daß bei den vitalen Oxydations- 
erscheinungen eine sehr wichtige. Rolle der Adsorption der oxydations- 
fähigen Substanzen an den Oberflächen intrazellularer Strukturen zu- 
kommt. Bekanntlich wird Knallgas an der Oberfläche poröser Körper zu 
Wasser umgewandelt. Ganz ähnlich können nach Warburg in der lebenden 
Zelle verschiedene organische Stoffe durch gasförmigen Sauerstoff an 
aktiven Zelloberflächen oxydiert werden. Bei der Einwirkung von Nar- 
koticis auf die lebende Zelle wird bekanntlich die Atmung aufgehoben. 
Dies hänge davon ab, daß die Narkotica als stark oberflächenaktive Stoife 
die der Oxydation unterliegenden Verbindungen aus der Oberfläche der 
Zellstruktur verdrängen und selbst an ihre Stelle treten (7). 

Späterhin hat Warburg (8) diese Auffassung etwas komplizierter 
gestaltet und den Begriff der chemischen Aktivierung des Sauerstoffs 
durch Eisen in den Vordergrund gerückt. Laut der gegenwärtigen An- 
schauung Warburgs ‚sind also alle an dem Vorgang der Atmung beteiligten 
Moleküle aktiviert, der Sauerstoff durch chemische Kräfte, die übrigen 
Moleküle durch unspezifische Oberflächenkräfte“ (9). 

Zur Bestätigung seiner Theorie konstruierte Warburg sein bekanntes 
Kohlemodell, mit Hilfe dessen er eine Reihe von Aminosäuren durch 
den Sauerstoff der Luft oxydierte. Der Zusatz verschiedener Narkotica 
zu dem Reaktionsgemisch brachte den Oxydationsprozeß zum Stillstand. 
Dabei konnte eine verhältnismäßig einfache Abhängigkeit der Wirkungs- 
stärke des Narkoticums von seiner Adsorptionskonstante festgestellt 
werden. Das Narkoticum wirkte um so stärker, je größere Oberflächen- 
aktivität es besaß. 

Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß die Oberflächenkräfte im 
Kohlemodell eine sehr bedeutende Rolle spielen. Fraglich ist aber, 
ob die sich in diesem Modell vollziehenden Prozesse mit den in der 
lebenden Zelle verlaufenden analog sind. 

Der wesentliche Nachteil des Warburgschen Modells besteht darin, 
daß es aus Materialien aufgebaut ist, die der lebenden Zelle fremd sind. 
Warburg gibt dies selbst zu. Bei der Beschreibung des Fructose- 
Phosphatsystems bemerkt er: ‚Die große Bedeutung des Systems 
Fructose-Phosphat-Eisen liegt darin, daß es ausschließlich aus Sub- 
stanzen aufgebaut ist, die in der Zelle vorkommen... In dieser Be- 
ziehung ist das System ein besseres Modell als das Kohlemodell, in 
dem die Bindung des Eisens unphysiologisch ist (10). 

Zur Herstellung des Kohlemodells aus Hämoglobin, muß diese 
natürliche Verbindung, die an und für sich allen Anforderungen der 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 157 


Warburgschen Theorie (Eisen- und Stickstoffgehalt usw.) entspricht, 
zu Kohle verbrannt, d.h. zu einem der lebenden Zelle vollständig 
fremden Stoff verwandelt werden. 


Schon dieser Umstand läßt die Frage entstehen, ob das Kohle- 
modell wirklich eine echte ‚innere Homologie‘“ (11) oder nur eine mehr 
oder weniger entfernte Analogie mit den vitalen Oxydationen darstellt. 
Bedenken erweckt weiter die Warburgsche Interpretation der Wirkung 
der Narkotica auf den Atmungsprozeß. Seiner Ansicht nach verdrängen 
die Narkotica die zur Oxydation bestimmten Substanzen aus der 
Oberfläche der Zellstrukturen. Dementsprechend sollten die Narkotica 
auf den Atmungsprozeß nur in einer Richtung, und zwar hemmend 
einwirken. Dem ist aber nicht so. ‘Durch eine Reihe von Autoren (12) 
ist nachgewiesen worden, daß die Atmung bei geringer Narkose nicht 
herabgesetzt, sondern sogar beträchtlich gesteigert wird und eine 
längere Zeit in erhöhtem Zustande verbleiben kann. Stärkere Dosen 
des Narkoticums bewirken eine Abnahme der Atmung, aber dieser 
Abnahme geht fast stets eine Steigerung des Atmungsprozesses 
voraus (13). Diese Erscheinung ist mit den Anschauungen Warburgs 
nicht gut vereinbar. 


Desgleichen läßt sich auch das Phänomen der ‚Stimulierung‘ 
der Atmung durch mechanische Schädigung nicht in den Rahmen dieser 
Theorie zwängen. Bei der Zerstörung der Zellstruktur tritt zuerst eine 
beträchtliche Erhöhung der Intensität der Oxydationsvorgänge auf, 
und dann erst beginnt die mehr oder weniger rasche Abnahme der 
Atmungsintensität (14). Schließlich gibt die Warburgsche Theorie 
auch keinen Anhaltspunkt für die Deutung der bekannten Abnahme 
der Atmung der Pflanzen bei Erhöhung des Partialdrucks des Sauerstoffs. 
In reinem Sauerstoff und insbesondere bei Überdruck fangen die 
Pflanzen erst an, sehr intensiv zu atmen, dann sinkt aber die Atmung 
und die Pflanzen gehen zugrunde. Das Gesamtbild der Erscheinung 
ist das gleiche wie bei der Vergiftung mit narkotischen Substanzen 
oder bei der mechanischen Schädigung (15). 


Alle erwähnten Erscheinungen der sogenannten ‚Stimulierung‘ 
der Atmung bleiben vom Standpunkt der Adsorptionstheorie Warburgs 
unverständlich. Die Warburgsche Atmungstheorie scheint also keinen 
Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben zu können. 

Wie im nachstehenden erörtert wird, läßt sich auf Grund experi- 
mentell festgestellter Tatsachen aus isolierten Bestandteilen der Zelle ein 
Atmungsmodell aufbauen, welches die vitalen Oxydationen, wie mir 
es scheint, besser als das Warburgsche reproduziert. 

Nach der von A. Bach (16) und später von W. Palladin (17) aus- 
gearbeiteten Vorstellung vollzieht sich die aerobe Zellatmung nach 


158 A. Oparin: 


folgendem Schema: Der atmosphärische Sauerstoff oxydiert unter 
Mitwirkung der Oxydasen die ‚Atmungschromogene‘“, Substanzen 
vom Typus der mehrwertigen Phenole. Dabei entstehen chinonartige 
Verbindungen, die sogenannten ‚Atmungspigmente“. Letztere be- 
sitzen die Fähigkeit, bei gekoppelten, auf Kosten des Wassermoleküls 
verlaufenden Oxydoreduktionen den Wasserstoff zu binden, wodurch 
sie wieder zu den Chromogenen reduziert werden, während durch das 
Hydroxyl des Wassers verschiedene organische Substanzen (Kohle- 
hydrate, Aminosäuren usw.) oxydiert werden. Die Reduktion der 
Pigmente zu Chromogenen (und folglich auch die damit verkoppelte 
Oxydation der organischen Substanzen) geht nur bei Vorhandensein 
reduzierender Fermente (Öxydoredukasen) mit hinreichender Ge- 
schwindigkeit vonstatten. An den vitalen Oxydationsprozessen beteiligen 
sich also ein Atmungschromogen, eine Oxydase, welche das Chromogen 
durch die Vermittlung des Luftsauerstoffs zum Pigment oxydiert. 
und eine Oxydoredukase, die die Reduktion des letzteren zum ursprüng- 
lichen Chromogen unter gleichzeitiger Oxydation der Substrate auf 
Kosten des Wassermoleküls bewirkt. 


In vorliegender Arbeit wird über Oxydationsversuche mit den 
genannten Agenzien berichtet. 


II. Oxydation von Glykokoll durch molekularen Sauerstoff in Gegenwart 
von Chlorogensäure. 


Bereits im Jahre 1921 ist von mir (18) bewiesen worden, daß 
eine im Pflanzenreich weit verbreitete Verbindung, das Didepsid der 
Kaffeesäure und der Chinasäure, oder die sogenannte Chlorogensäure, 
ein typisches Atmungschromogen vorstellt. Diese Säure kann ver- 
hältnismäßig leicht in chemisch reinem, kristallisierttem Zustande aus 
einer Reihe von Objekten pflanzlicher Herkunft gewonnen werden. 


In der soeben zitierten Arbeit stellte ich fest, daß die Chlorogen- 
säure in alkalischer Lösung Sauerstoff absorbiert. Fügt man der Lösung 
Aminosäuren hinzu, so werden sie abgebaut, was an dem Verschwinden 
des Aminostickstoffs und dem Auftreten von freiem Ammoniak er- 
kenntlich ist. Um der Kenntnis des hier in Betracht kommenden 
Prozesses näherzutreten, führte ich folgende Versuche aus. 


In einer geräumigen Flasche wurden 10 ccm Chlorogensäurelösung 
(0,1g in 50 cem Wasser), Beem Glykokoll (0,5 g in 25 ccm) und 6,5 ccm 
Phosphatlösung (5,0 g K,PO, in 100 cem H,O) vermischt. Die H-Ionen- 
konzentration der Lösung, mittels der Gaskette bestimmt, betrug py = 9,45. 
In einer Reihe von Versuchen wurde Toluol als Antisepticum hinzugefügt. 
Es zeigte sich aber, daß schon die starke Alkaleszenz der Lösung genügt, 
um das Wachstum von Mikroorganismen in der Flüssigkeit zu verhindern. 
Die Flasche wurde mechanisch an der Luft geschüttelt. Die Temperatur 
betrug 18°C. Nach Verlauf von 24 Stunder wurde das entstandene Ammo- 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 159 


niak bestimmt. Bemerkenswert ist, daß das Ammoniak sich nicht direkt 
aus der alkalischen Flüssigkeit abdestillieren ließ. Es ist offensichtlich 
nicht in freiem Zustande in der Lösung, sondern in der Form irgend einer 
Amidverbindung zugegen gewesen. (Es liegen Gründe vor, zu vermuten, 
daß es als Carbaminsäure gebunden war.) Deswegen wurde die Versuchs- 
flüssigkeit erst mit Salzsäure angesäuert (0,5 ccm konzentrierter Säure) 
und 15 Minuten lang im siedenden Wasserbad erhitzt. Sodann wurde die 
Lösung neutralisiert, Magnesiumoxyd zugesetzt und das Ammoniak im 
Vakuum in titrierte Schwefelsäure überdestilliert. Der Säureverbrauch 
zur Neutralisierung des Ammoniaks betrug 2,6ccm n/10 Schwefelsäure, 
entsprechend 3,6 mg Ammoniakstickstoff. 

Der Destillationsrückstand wurde angesäuert und in einen 20-ccm- 
Meßkelben übergeführt. Hiervon wurden Beem zur Aminostickstoff- 
bestimmung nach van Slyke entnommen. Beem lieferten 7,2 ccm Gas, 
entsprechend 4,05 mg Aminostickstoff oder, auf das Totalvolumen um- 
gerechnet, 16,20 mg Amino-N. Die Kontrollbestimmung in der Versuchs- 
flüssigkeit vor der Oxydation ergab 19,81 mg. 


Es wurden daher unter obigen Bedingungen in 24 Stunden 3,64 mg 
Ammoniakstickstoff gebildet und ebensoviel (3,61 mg) Aminostickstoff 
war verschwunden. 

Wurde die Lösung ohne Chlorogensäure hergestellt, so fand fast 
gar keine Abspaltung von Ammoniak auf Kosten des Aminostickstoffs 
statt. 

Außer diesen Bestimmungen wurden auch Bestimmungen der bei 
der Oxydation gebildeten Kohlensäure ausgeführt. Es wurden gleich- 
zeitig zwei Flaschen, die eine mit der oben beschriebenen Lösung, die 
andere zur Kontrolle mit Wasser statt Chlorogensäurelösung mit Luft 
geschüttelt. Nach 24 Stunden wurden aus den Flaschen je 15 ccm 
entnommen und der Kohlensäuregehalt nach der Methode von Kniep(19) 
bestimmt. 


Versuchsflasche . . . . — 17,95 mg CO, 
Kontrollflasche . . . . — 9,80 mg CO, 


8,15 mg CO, in 15 ccm Lösung, 
oder, auf das Totalvolumen (21,5 cem) bezogen, 11,68 mg CO,. Sollte 
bei der Reaktion für jedes Molekül Ammoniak ein Molekül Kohlensäure 
ausgeschieden werden, so hätten sich theoretisch für 3,64 mg Ammoniak- 
stickstoff 11,44 mg CO, bilden müssen. 

In einer dritten Versuchsreihe wurde schließlich die Ameisensäure 
bestimmt. Die Versuchsflüssigkeit wurde nach 24stündiger Oxydation 
mit Wasserdampf destilliert und im Destillat die Ameisensäure nach 
dem Verfahren von A. Lieben (20) bestimmt. Es wurden 30,4 mg 
ameisensaures Barium erhalten. Theoretisch hätten sich für 3,64 mg 
Stickstoff 29,6 mg Ba(HCOO), bilden müssen. Das erhaltene Barium- 
salz gab alle Reaktionen der Ameisensäure. Außerdem wurde in einem 
Parallelversuch der Bariumgehalt des Salzes durch Überführung in 
Bariumsulfat ermittelt. 


160 A. Oparin: 


Berechnet 60,39 Proz. Ba; gefunden 60,29 Proz. Ba. 

Im Gegensatz zu Wieland (21), der die Oxydation von Aminosäuren 
mittels des Kohlemodells ausführte, fand ich bei meinen Versuchen keinen 
Formaldehyd, sondern nur Ameisensäure.. Wahrscheinlich entsteht auch 
hier zunächst Formaldehyd, der weiter zu Ameisensäure oxydiert wird. 


Auf Grund der Resultate obiger Bestimmungen läßt sich die 
Reaktion durch folgende Bruttogleichung ausdrücken: 


CH,NH,.COOH + O, = HCOOH + NH, + CO,. 


Es mußte folglich zur Oxydation eines jeden Moleküls Glykokoll 
ein Molekül Sauerstoff verbraucht werden. Um nun festzustellen, 
wieviel Sauerstoff unter unseren Versuchsbedingungen tatsächlich 
absorbiert wurde, stellten wir folgende Versuche an. 


Das Gemisch von Chlorogensäure- und Glykokollösungen wurde in 
einen geräumigen Erlenmeyerkolben gegeben und die erforderliche Phos- 
phatlösung in einem kleinen Becher ebenfalls in den Kolben hineingestellt. 
Der Kolben wurde mittels eines mit Ableitungsröhre versehenen Gummi- 
pfropfens verschlossen. Das Ende der zweifach gebogenen Ableitungsröhre 
wurde in eine Schale mit Quecksilber eingetaucht. Das Aufsteigen des 
Quecksilbers in der Ableitungsröhre ermöglichte die Messung der Druck- 
änderung im Innern des Kolbens. Da das im Kolben enthaltene Gas- 
volumen bekannt war, konnte danach die absorbierte Sauerstoffmenge 
mit großer Genauigkeit ermittelt werden. Der auf obige Weise beschickte 
Kolben wurde eine halbe Stunde zur Ausgleichung der Temperatur stehen- 
gelassen. Alsdann wurde der Stand des Quecksilbers in der Ableitungsröhre 
genau abgelesen, der Becher mit der Phosphatlösung durch einen scharfen 
Stoß umgestürzt und die Lösungen im Innern des Kolbens vermischt. 
Dann wurde der Kolben wieder eine halbe Stunde stehengelassen, damit 
sich die Temperatur im Innern von neuem mit der Außentemperatur aus- 
glich. Nach Ablauf dieser Zeit wurde die erste Ablesung der absorbierten 
Gasmenge vorgenommen. Die Beobachtung wurde 2 Tage lang fortgesetzt. 
Die Mengen des verbrauchten Sauerstoffs in Kubikzentimetern auf 0° und 
760 mm umgerechnet sind aus folgender Tabelle ersichtlich: 


Zeit in Stdn.: Ilan pata Kera EIEIEIEZ SEI 48 | 49 


éi ne 
V "erbrauchter | | | wun 


l 
O, in cem |0,2.0,3:0,5 PRERA 1,9 4,5 | | 


| 
A8 5,2,54|6,1.6,6,8,4 85|86 


Gleichzeitig wurden in einem zweiten ebensolchen Kolben das ent- 
standene Ammoniak und die Abnahme der Aminosäuremenge bestimmt. 
Unter diesen Bedingungen betrug die Menge abgespaltenen Aminostickstoffs 
in 24 Stunden nur 3,05 mg, in 48 Stunden 5,19 mg. Wie zu erwarten ist, 
verläuft die Oxydation im ruhig stehenden Kolben etwas langsamer als 
in der geschüttelten Flasche. 

Vergleicht man die absorbierte Sauerstoffmenge mit der Menge 
des zur gleichen Zeit gespaltenen Glykokolls, so ergibt sich, daß auf 
ein Molekül Glykokoll tatsächlich ein Molekül Sauerstoff entfällt. Es 


wird daher sämtlicher von der Lösung absorbierte Sauerstoff zur 


D, 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 161 


Oxydation des Glykokolls verbraucht. Die leicht oxydierbare Chlorogen- 
säure scheint sich hier mit dem Sauerstoff nicht zu verbinden. Dies 
ist aber nur dann möglich, wenn die oxydierte Chlorogensäure fort- 
während wieder zum Ausgangsstoff reduziert wird. Die Konzentration 
der Chlorogensäure während der ganzen Dauer des Versuchs muß also 
konstant bleiben. Die Sauerstoffkonzentration in der Flüssigkeit bei 
den Schüttelversuchen ist ebenfalls konstant. Nur der Gehalt an 
Glykokoll nimmt ab. Folglich muß der Reaktionsverlauf bei gleich- 
bleibender Temperatur einer Gleichung erster Ordnung entsprechen. 


Auf den ersten Blick bestätigt der eben beschriebene Versuch mit 
in Kolben gegossenen Lösungen diese Annahme nicht. Die Reaktions- 
geschwindigkeit nimmt hier rascher ab als die Gleichung es fordert. 
Es ist aber nicht zu vergessen, daß im Laufe der Reaktion Ameisensäure 
gebildet wird, die trotz der Anwesenheit von Puffern (Glykokoll und 
Phosphat), das pu der Lösung beträchtlich erniedrigt. 


Diese Veränderung der Wasserstoffionenkonzentration kann be- 
seitigt werden, indem in bestimmten regelmäßigen Intervallen soviel 
Phosphat oder titrierte Lauge zugesetzt wird, als nötig ist, um den 
ursprünglichen pe Wert aufrecht zu erhalten (selbstverständlich muß 
dabei das pa der Lösung fortwährend mittels der Gaskette geprüft 
werden). Bei dieser Versuchsanordnung wurden folgende Resultate 
erhalten. 


Temperatur 18°C. Anfängliche Stickstoffmenge 19,6 mg. 
Abgespaltener Aminostickstoff in Milligrammen. 


| Py = 9.51 l Py = 942 
Zeit in Tagen =m a 

gefunden | berechnet | gefunden berechnet 
1 | 3.85 3.85 3.47 3.47 
2 | 7,02 6,94 6,32 6,37 
3 — — i 8,61 8,68 
4 11.37 11,43 — — 
5 i — — 12.08 12.20 
6 — — | 13.22 13,51 
7 14.90 15.36 | — — 
8 = — 0.1528 15.66 
10 — — 16.39 16.81 
11 — — 16.85 17.30 
12 , — | — 17.23 17,71 


Aus den angeführten Resultaten ist ersichtlich, daß die Reaktion 
unter diesen Bedingungen genau der Gleichung für Reaktionen erster 
Ordnung folgt. Ohne Chlorogensäure erfolgt die Reaktion überhaupt 
nicht. Im Verlauf der Reaktion bleibt aber die Menge der Chlorogen- 
säure unverändert. Folglich entspricht der Verlauf der Erscheinung 
dem oben dargelegten Schema. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. ll 


162 A. Oparin: 


Das Chromogen (die Chlorogensäure) wird durch den Sauerstoff 
der Luft oxydiert und in da: Pigment übergeführt. Das Pigment 
wird auf Kosten des Wasserstoffs des Wassers wieder zum Chromogen 
reduziert, während das Glykokoll durch das Hydroxyl des Wassers 
oxydiert wird. 


HJ. Die Oxydation der Chlorogensäure durch den molekularen Sauerstoft. 


Es schien mir von Interesse, die Oxydation und die Reduktion 
der Chlorogensäure voneinander zu trennen und beide Vorgänge ge- 
sondert zu erforschen. 

Zum Studium des Prozesses der Oxydation der Chlorogensäure 
durch Sauerstoff wurden folgende Versuche vorgenommen. 


Eine Reihe der oben beschriebenen Erlenmeyerkolben wurde mit 
10 cem Chlorogensäurelösung (0,2g Chlorogensäure in 50 ccm Wasser) 
beschickt. In jeden Kolben kamen 10 ccm der Lösung. Auf den Boden 
des Kolbens wurde ein Becher mit Phosphatlösung oder einem Gemisch 
von Phosphat und Ätzlauge gestellt. Die Menge des Phosphats und der 
Lauge wurde derart gewählt, daß das py der Flüssigkeit im Kolben nach 
der Vermischung der Chlorogensäurelösung mit dem Puffer einen be- 
stimmten, im voraus festgestellten Wert erreichte. Außerdem wurde zur 
Chlorogensäurelösung so viel Wasser zugesetzt, daß das Gesamtvolumen 
der Flüssigkeit (Phosphat und Lauge mitgerechnet) in allen Kolben gleich 
blieb, und zwar 20 ccm betrug. Dann wurden die Kolben verschlossen 
und die Absorption des Sauerstoffs auf oben angegebene Weise bestimmt. 

Die Ergebnisse der Bestimmungen sind in nachstehender Tabelle und 
dem Diagramm (Abb. 1) zusammengestellt. 


Zeit in Stunden: | a! ı |2 212| 3 "Ais Sih] 9 | 191/3 | 201/3 | 24 | 29 o E 
| 

Pa — 12,9 1138| — 29132 3.4 _ | 148) 49 soior | se 

pn — 109 1061109 15|— | — 12,6 2.9, — Es 44 |45 46/47: — 

pa 96 nä up Jugi 112.161238 | — |311— |— ! 33 

Du = 89 101102 0,4:— |— 1071081,0; 16 | — I18:2.0121, — 

go wë 28 10 0 — el .01 [0205| 106 112 153 


Die angeführten 
Daten beweisen, daß 
bei erhöhter Alkaleszenz 
die Geschwindigkeit der 
Sauerstoffabsorption zu- 
nimmt. 

Es war von Inter- 
esse, die Abhängigkeit 
der Reaktionsgeschwin- 
digkeit von der OH- 
Ionenkonzentration zu 
S Zeit BER 7 - 39 ermitteln. Das Rich- 

Abo. tigste wäre selbstver- 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 163 


ständlich, die Geschwindigkeitskonstante der Reaktion bei ver- 
schiedenen ?n-Werten zu bestimmen. Diese Bestimmung gelingt 
aber nicht. Die Oxydation der Chlorogensäure ist eine Summarreaktion. 
Wird die Lösung nicht mit Phosphat, sondern mit Ammoniak alkalisch 
gemacht, so läßt der Farbenumschlag der Lösung den Übergang von 
der einen Reaktion zur anderen erkennen. Die anfänglich gelbe- 
alkalische Chlorogensäurelösung wird bei der Oxydation zuerst intensiv 
grün, dann geht die Färbung in olivgrün über, um schließlich dunkel- 
braun zu werden. Es wäre also erforderlich, für jede der Reaktionen 
im einzelnen die Geschwindigkeitskonstante zu ermitteln. Über die 
dazu erforderlichen Anhaltspunkte verfüge ich aber vorerst noch nicht. 
Deswegen war ich genötigt, mich auf die Feststellung der Abhängigkeit 
für die Summarreaktion als Ganzes zu beschränken. 


Es ist leicht, aus unseren Versuchsergebnissen zu berechnen, 
wieviel Stunden zur Absorption eines Grammoleküls Sauerstoff durch 
ein Grammolekül Chlorogensäure erforderlich sind. Je höher der 
?n-Wert, um so kürzer ist diese Zeit. 


Betrachten wir die so erhaltenen Zahlen als Nenner eines Bruches, 
dessen Zähler gleich 100 ist, so erhalten wir eine Reihe von Zahlen, die 
eine gewisse Vorstellung von der Abhängigkeit zwischen der Hydroxyl- 
ionenkonzentration und der Reaktionsgeschwindigkeit der Oxydation der 
Chlorogensäure durch molekularen Sauerstoff gibt. 


Du der Lösung: , 7,8 | 89 | oe wo. 124 


ee = Ge 


Die Reaktionsgeschwindigkeit E | | 
nende Zahla .. 2 2 2 2 2 2 0 nen 46,0 ` 13,0 5,8 1.5 0,47 


a ne dann tat a ua ee ı 2317| 7,61: 17,1. | 66,6 |2127 
log 1a ee ee ee ea 034. 0.88. 123| 1,82| 2,383 


Wird diese Zahlenreihe logarith- 
miert und in ein Diagramm einge- 
zeichnet, wo die Abszissenachse den 
Pn-Werten entspricht, so ergibt sich 
ene geradlinige Kurve. Nur die 
letzten zwei Zahlen sind etwas unter- 
halb dieser Geraden gelegen. 

Der Grund liegt darin, daß die 
Oxydation bei hoher Alkaleszenz 
so rasch verläuft, daß die Diffusion 
des Sauerstoffs in das Innere der 
Flüssigkeit nicht mit genügender 
Geschwindigkeit erfolgen kann, um 
die Sauerstoffkonzentrationen der 
Lösung konstant zu erhalten. 


164 A. Oparin: 


Zwischen der Hydroxylionenkonzentration und der Geschwindigkeit 
der Oxydation der Chlorogensäure durch molekularen Sauerstoff 
besteht also eine sehr einfache Abhängigkeit. Im Verlauf der Oxydation 
der Chlorogensäure bleibt die OH-Ionenkonzentration unverändert. 
Dies kann durch nachträgliche Messung des pa der Lösung ohne Mühe 
bewiesen werden. Wird die Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft 
durch besondere Maßnahmen verhindert, so bleibt das pa der Flüssigkeit 
konstant. Das Hydroxylion spielt folglich in diesem Prozeß die Rolle 
eines Katalysators. 


IV. Die Reduktion des bei der Oxydation der Chlorogensäure ` 
entstehenden Pigments. 


Von der Konzentration der Hydroxylionen hängt nicht nur die 
Geschwindigkeit der Oxydation der Chlorogensäure durch den Luft- 
sauerstoff ab, sondern auch die Geschwindigkeit der Reduktion des 
dabei entstehenden Pigments. Qualitativ läßt sich diese Abhängigkeit 
leicht wahrnehmen, wenn man ein Gemisch von Glykokollösung und 
in Gegenwart von Ammoniak oxydierter Chlorogensäure in evakuierten 
Ampullen zuschmilzt. Die anfangs intensiv grüne Lösung schlägt 
allmählich ins Gelbe um. Die Änderung der Farbe geht um so schneller 
vor sich, je höher die Hydroxylionenkonzentration der eingeschmolzenen 
Flüssigkeit war. Es ist kaum wahrscheinlich, daß die OH-Ionen- 
konzentration auf den Vorgang der Reduktion der Chlorogensäure eine 
direkte Wirkung ausübt. Am ehesten beschleunigt die Erhöhung der 
Alkaleszenz den Prozeß der Glykokolloxydation durch das Hydroxyl 
des Wassers. Dieser Prozeß geht aber nur dann mit nennenswerter 
Geschwindigkeit vor sich, wenn der gleichzeitig ununterbrochen frei- 
werdende Wasserstoff des Wassers durch einen geeigneten Akzeptor 
beseitigt wird, in unserem Falle durch die oxydierte Chlorogensäure. 
Je rascher der Prozeß der Glykokolloxydation verläuft, desto rascher 
spielt sich auch der damit verkoppelte Vorgang der Reduktion des 
Pigments zum Chromogen ab. 

Zum quantitativen Studium dieses Prozesses wurde folgendes Ver- 
fahren angewendet. 25 ccm Chlorogensäurelösung (0,2 g in 50 ccm) wurden 
mit Beem Phosphatlösung und 20 ccm Wasser vermischt. mp = 9,6. Die 
Lösung wurde in Erlenmeyerkolben gebracht und 16 Stunden stehen- 
gelassen. Während dieser Zeit wurden 6,2 ccm Sauerstoff absorbiert, 
was 8,82 mg O, entspricht. Von der oxydierten Chromogenlösung wurden 
40 ccm mit 20 cem Glykokollösung (0,5 g in 25 ccm) und 20 cem Phosphat- 
Laugegemisch versetzt, so daß pp der Lösung gleich 9,6 blieb. Dann wurde 
das Gemisch in eine sorgfältig evakuierte Ampulle eingeschmolzen. Nach 
35 Stunden wurde die Ampulle geöffnet und in der Lösung quantitativ 
das gebildete Ammoniak und die Abnahme des Aminostickstoffs bestimmt. 
Die Menge des abgespaltenen Aminostickstoffs betrug 3,04 mg. Wäre 
die ganze Menge des von den 40 cem Chlorogensäurelösung absorbierten 


r DEEN 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 165 


Sauerstoffs, also 7,05 mg, zur Oxydation des Glykokolls nach der oben 
angegebenen Gleichung verbraucht worden, so hätten 3,08 mg Ammoniak- 
stickstoff entstehen müssen. Diese Zahl gibt also die maximale Menge 
des unter solchen Bedingungen abspaltbaren Stickstoffs an. Auf die be- 
schriebene Weise wurde eine ganze Reihe Ampullen beschickt. Dabei 
wurde in den einzelnen Ampullen mittels Phosphat und Lauge pyu auf 
verschiedene Werte eingestellt. Zur Analyse des Inhalts wurden Ampullen 
1,5 und 10 Stunden nach Beginn des Versuchs geöffnet. 

Die Resultate der Analysen in Milligrammen Stickstoff sind in folgender 
Tabelle enthalten. 


Pu der Lösung i 75 au" oun 96 E | un 

1 Stunde, 8 ai e u 0,82 | 0,48 | 0.99 
3 Stunden; nach dem Zuschmelzen  — | 0.49 | 0,86 | 1,23 — — 
10 S L077 | 089 |154| —  — | — 


Bei dieser Versuchsanordnung schwankte die Hydroxylionen- 
konzentration und die Glykokollkonzentration im Laufe des Versuchs 
unbedeutend. Wesentlich änderte sich nur die Konzentration der 
oxydierten Chlorogensäure. Deswegen mußte der Reaktionsverlauf 
der Gleichung erster Ordnung entsprechen. 


Aus den oben angegebenen Resultaten läßt sich berechnen, wie 


sich die Konstante der Reaktionsgeschwindigkeit mit dem pn-Wert 
ändert. 


Py der Lösung: on wn | 09010096 | wa | 120 
Komite K. = 0012 0,015 0.029 0.045 `, 0.074 ou 167 
log (KI . 0.092 0,18 | 0,47 0,65 6,37 1.22 


Trägt man die Logarithmen von K als ? 
Ordinaten und die pn-Werte als Abszissen 
auf, so erhält man eine gerade Linie. 

Folglich haben wir es auch hier, 
wie bei der Oxydation der Chlorogen- 
säure, mit einer einfachen Abhängigkeit 
zwischen Reaktionsgeschwindigkeit und 
Hydroxylionenkonzentration zu tun. 

Die geraden Linien, die unsere Ver- Abb. 3. 
suchsergebnisse graphisch darstellen, 
können nicht ohne weiteres aufeinandergelegt werden, da sie unter 
verschiedenen Versuchsbedingungen erhalten und die Resultate 
in verschiedenen Einheiten ausgedrückt wurden. Das eingehende 
Studium unserer Daten zeigt aber, daß bei Erhöhung der pu die Ge- 
schwindigkeit des Reduktionsprozesses viel langsamer als die des Oxy- 
dationsprozesses wächst. 


166 A. Oparin: 


Wenn die Reaktion des Milieus sich der neutralen nähert, kommt 
die Oxydation der Chlorogensäure durch den Luftsauerstoff fast gänzlich 
zum Stillstand, während die Reduktion noch mit merklicher Ge- 
schwindigkeit stattfindet. Umgekehrt bei höheren pu-Werten, die 
Oxydation geht schneller als die Reduktion. 


In dem von mir beschriebenen Gemisch von Chlorogensäure-, 
Glykokoll- und Phosphatlösungen gehen also gleichzeitig zwei 
Reaktionen vor sich: Die Oxydation der Chlorogensäure durch mole- 
kularen Sauerstoff und die Reduktion des dabei entstehenden Pigments 
durch den Wasserstoff des Wassers. Letztere Reduktion ist mit der 
Oxydation des Glykokolls verkoppelt. Die Geschwindigkeit der einen 
wie der anderen Reaktion ist um so größer, je höher die Hydroxylionen- 
konzentration ist. Bei pu < 9,5 ist aber die Reaktionsgeschwindigkeit 
der Pigmentreduktion größer als die Reaktionsgeschwindigkeit der 
Oxydation der Chlorogensäure durch den freien Sauerstoff. Unter 
diesen Bedingungen muß alles sich bildende Pigment sofort zur Oxy- 
dation des Glykokolls verbraucht werden. Umgekehrt findet bei 
pe < 9,5 die Oxydation der Chlorogensäure rascher statt als die Pigment- 
reduktion. Folglich muß sich bei genügend hoher Alkaleszenz Pigment 
in der Lösung anhäufen. 


V. Die Geschwindigkeit der Summarreaktion der Oxydation 
von Glykokoll durch freien Sauerstoff in Gegenwart von Chlorogensäure 
bei verschiedenen pu-Werten. 


Es wurden Versuche über die Oxydation von Glykokoll durch 
freien Sauerstoff in Gegenwart von Chlorogensäure bei verschiedenen 
Dn-Werten von mir ausgeführt. Chlorogensäure- und Glykokollösungen 
wurden in dem anfangs angegebenen Verhältnis vermischt. Durch 
Zusatz der geeigneten Phosphat- und Laugelösungen wurde das Gemisch 
auf bestimmte Hydroxylionenkonzentrationen eingestellt. Die Lösungen 
wurden in Flaschen geschüttelt und nach 24 Stunden wurden Be- 
stimmungen des Ammoniaks und des Aminostickstoffs (nach van Slyke) 
ausgeführt. Die Ergebnisse der Bestimmungen, in Milligrammen Stick- 
stoff ausgedrückt, sind in nachstehender Tabelle angegeben. 


Py der osun: | 8,1 | an | a 1 a | 10,1 | TEEN 
Gebildeter Ammoniakstick- ` "E | | | | u 
stoff in mg, A. ooo. | 0,28 | 0,76 1,35 | 36 57 aa |33 
log A. 4145 | 1,ss | 0,13 | 0.56 | 0.76 : 0.80 ' 0,52 


Aus nachstehendem Diagramm ist ersichtlich, daß die Kurve in 
ihrem Anfangsteil als logarithmische Kurve verläuft, dann aber be- 
deutend von ihrer ursprünglichen Richtung abweicht und schließlich 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 167 


bei sehr hohen pu-Werten einen absteigenden Verlauf annimmt. pe = 9,5 
scheint die ganze Kurve in zwei Hälften zu teilen. Links ist die Ab- 
hängigkeit zwischen OH-Ionenkonzentration und Reaktionsgeschwindig- 
keit verhältnismäßig einfach, rechts ist diese Abhängigkeit erheblich 
komplizierterer Art. 

Betrachten wir zunächst den linken Teil des Diagramms. Bei 
niedriger ÖH-Ionenkonzentration verläuft die Oxydation der Chlorogen- 
säure durch den Sauerstoff langsamer als ihre Reduktion durch das 
Glvkokoll: die Geschwindigkeit des ganzen Prozesses wird folg- 
lich durch die Geschwindigkeit der Sauerstoffabsorption durch die 
Lösung bestimmt. Wie oben erwähnt, besteht zwischen der in einer 
Zeiteinheit absorbierten Sauerstoffmenge und der OH-Ionenkonzen- 
tration eine einfache Abhängigkeit, die durch eine geradlinige Kurve 
ausgedrückt werden kann. Es ist daher begreiflich, daß auch hier 
dieselbe Abhängigkeit zutage kommt. 


| 
D | 
7 EG mM T 72 
Abb. 4. 


Jede Beschleunigung der Sauerstoffabsorption durch die Lösung 
muß bei den betreffenden pu-Werten die Geschwindigkeit des Gesamt- 
prozesses erhöhen. Dies trifft in der Tat zu. 


Chlorogensäurelösung wurde zuerst durch molekularen Sauerstoff 
24 Stunden lang bei pa = 9,6 oxydiert; sodann wurde der Lösung so viel 
Glykokoll und Phosphat zugesetzt, daß die Konzentration von Chlorogen- 
säure und Glykokoll die gleiche war wie in den vorangehenden Versuchen, 
und pg = 9,1. 

Nach Ablauf weiterer 24 Stunden enthielt die Lösung 2,24 mg Ammo- 
niakstickstoff, anstatt der üblichen 1,35 mg. Desgleichen erhöht sich die 
unprüngliche Geschwindigkeit des Gesamtprozesses bis zu gewissen Grenzen 
auch bei der Anwendung erhöhter Chlorogensäurekonzentrationen. Zu 


168 A. Oparin: 


diesem Zwecke wurden Versuchslösungen verwendet, die statt der üblichen 
20 mg Chlorogensäure 40, 80 und 160 mg enthielten. Die Abhängigkeit 
zwischen der Menge von Chlorogensäure in der Versuchsflüssigkeit und 
der abgespaltenen Ammoniakstickstoffmenge ist aus folgender Tabelle 
ersichtlich. 

pu in allen Proben gleich 9,0. 


Chlorogensäuregenhalt in my: 2 10 20 | 4 ' 80 160 


Ammoniakstickstoff in mg . . . . ° 0,11 059 119 160 210 240 


Um den Prozeß der Oxydation der Chlorogensäure wesentlich zu 
beschleunigen, verfuhr ich auf folgende Weise. 


Das Gemisch von Chlorogensäure-, Glykokoll- und Phosphatlösung 
wurde statt der gewöhnlichen Flasche in eine Saugflasche gebracht. Der 
Hals der Saugflasche wurde durch einen Gummistopfen verschlossen, 
durch dessen Bohrung das untere Ende einer Bürette in die Flasche hinein- 
ragte. Die Saugflasche wurde sorgfältig evakuiert und aus der Bürette 
sehr langsam (l cem in 6 Stunden) lproz. H,0,-Lösung hinzufließen ge- 
lassen. Da das Wasserstoffsuperoxyd an und für sich bei niedrigen pp-Werten 
die Chlorogensäure sehr schwach oxydiert, wurde dem Gemisch in der 
Saugflasche von vornherein Peroxydase aus Meerrettich zugesetzt. In 
Gegenwart von Peroxydase wird die Chlorogensäure durch Wasserstoff- 
superoxyd mit großer Geschwindigkeit oxydiert!). 


Bei dieser Versuchsanordnung wurde folglich in der Lösung fort- 
während eine hohe Pigmentkonzentration aufrecht erhalten. Die 
Bestimmung des in 24 Stunden bei verschiedenen pa-Werten in der 
Lösung freigewordenen Ammoniakstickstoffs ergab folgende Zahlen- 
reihe?). 


Dn der Lösung: 7,5 79 01.900 |! 95 

Abgespaltener Ammomiakstickstoff | | 
Wome D aa 2a ee Wi 1.0 1.3 26 ' 38 
JOB Boe Su we ER ea (ul 011 | 042 | 056 


In Abwesenheit von Chlorogensäure bleibt die Oxydation des 
Glykokolls durch H,O, bei niedrigen pu-Werten fast gänzlich aus?). 


Py der Lösung: | on Ié | 9,0 


Abgespaltener Ammoniakstickstoff in mg .. | 00 Spuren | 0,2 


In den voranstehenden Diagrammen ist diese Reihe durch eine 
durchbrochene Linie wiedergegeben. Wie leicht zu ersehen ist, entspricht 


1) Qualitativ leicht am Auftreten der Grünfärbung bei Oxydation in 
ammoniakalischer Lösung zu erkennen. 

23) Die Gesamtmenge des hinzugefügten Wasserstoffsuperoxyds war 
überall die gleiche und betrug je 4cem lproz. H,O;. 

3) Vgl. E. Negelein, diese Zeitschr. 142, 493, 1923. 


Oxy«lationsvorgänge in der lebenden Zelle. 169 


ihr Verlauf dem einer logarithmischen Kurve. Unter den beschriebenen 
Bedingungen ist das Pigment fortwährend im Überschuß zugegen; 
deswegen wird die Geschwindigkeit des Gesamtprozesses durch die 
Geschwindigkeit der Reduktion der Chlorogensäure bestimmt; letztere 
ist aber um so höher, je höher die Hydroxylionenkonzentration ist. 


VI. Die Rolle des Eisens bei der Oxydation von Glykokoll durch 
molekularen Sauerstoff. 


Nach Warburgs!) Ansicht kann die Oxydation organischer Sub- 
stanzen durch molekularen Sauerstoff nur unter Vermittlung von 
Eisen erfolgen. Es war deswegen von Interesse, festzustellen, ob in 
dem von mir beschriebenen Falle Eisen an der Oxydation des Glykokolls 
teilnimmt. Zur Klärung dieser Frage stellte ich eine Reihe von Versuchen 
mit allem Anschein nach völlig eisenfreien Lösungen an. Zur Herstellung 
dieser Lösungen wurde vielfach umkristallisierte Chlorogensäure an- 
gewendet. Weder unmittelbar in der Lösung der Säure, noch nach 
deren Veraschung konnten die geringsten Spuren Eisen nachgewiesen 
werden. Das Glykokoll war ebenfalls eisenfrei. In dem von mir an- 
gewendeten Phosphat war gleichfalls kein Eisen nachweisbar; trotzdem 
ersetzte ich es in einigen Versuchen durch Natronlauge, die ich unter 
peinlichsten Kautelen aus metallischem Natrium herstellte. Zur Her- 
stellung der Lösungen gebrauchte ich doppelt aus Jenaer Glasretorten 
destilliertes und auf Abwesenheit von Eisen und anderen Metallen 
geprüftes Wasser. Die eigentliche Reaktion wurde ebenfalls in Gefäßen 
aus Jenaer Glas ausgeführt. Trotzalledem blieb die Geschwindigkeit 
der Glykokolloxydation dieselbe wie in den früheren Versuchen. Durch 
Zusatz von KCN in verschiedenen Konzentrationen zu der Lösung 
wurde der Oxydationsprozeß nicht merklich beeinflußt. Bei niedrigen 
Konzentrationen wurde dieselbe Ammoniakmenge wie im Kontroll- 
versuch abgespalten, bei höheren Konzentrationen konnte sogar eine 
gewisse Erhöhung der Ammoniakmenge beobachtet werden. 


Die Oxydation des Glykokolls durch molekularen Sauerstoff fand 
also hier auch in Abwesenheit von Eisen mit merklicher Geschwindigkeit 
statt. Zusatz von Eisen in Ferri- oder Ferroform zur Chlorogensäure- 
lösung hatte keine Beschleunigung der Oxydation des Chromogens durch 
freien Sauerstoff zur Folge. Dennoch wurde der Verlauf der Glykokoll- 
oxydation in Gegenwart von Chlorogensäure durch Zusatz von Ferro- 
salzen in auffallender Weise beeinflußt. Nachstehende Tabelle enthält 
die Resultate der Oxydation von Glykokoll durch Sauerstoff in Gegen- 


1) Außer den oben zitierten Arbeiten a O. Warburg und S. Sakuma, 
Arch. f. d. ges. Physiol. 200, 203, 1923; S. Sakuma, diese Zeitschr. 142, 
68, 1923. 


170 A. Oparin: 


wart von Chlorogensäure, die erhalten wurden, wenn zu dem üblichen 
Versuchsgemisch noch eine sehr kleine Menge (etwa 0,1 mg) Eisen als 
Ferrosalz zugesetzt wurde. 


Dider Lösung: l 82 88 o 9,6 
Abgespalteuer Stickstoff in mg, C . | 0,67 Ä 1,52 | 2,15 | 3.8 
OS E sr ne er lee re. wer A 183 | 0,18 033 | 058 


Die Zahlen sind in den Diagrammen Abb. 4 und 5 graphisch durch 
punktierte Kurven wiedergegeben. Es ist augenfällig, daß das Glykokoll 
bei pu < 9,6 in Gegenwart von Eisen bedeutend rascher oxydiert wird 
als in eisenfreiem Milieu. 


Die Erklärung dieser Erscheinung ergibt sich, wenn wir die Total- 
bilanz der Reaktion aufstellen. Wird die Oxydation des Glykokolls 
in Abwesenheit von Eisen bei pg = 9,0 in Erlenmeyerkolben aus- 
geführt und dabei nicht nur der abgespaltene Ammoniakstickstoff, 
sondern auch die absorbierte Sauerstoffmenge bestimmt, so stellt sich 
heraus, daß mehr Sauerstoff verbraucht worden ist, als der Gleichung 


CH,NH,COOH +0, = HCOOH + NH, + CO, 
entspricht. 


Es wurden z. B. bei dieser Versuchsanordnung in 24 Stunden 2,7 ccm 
O, absorbiert, dagegen in dieser Zeit nur 1,12 mg Aminostickstoff ab- 
gespalten, was 1,8 cem O, entspricht. Ganz ähnlich wurden in 48 Stunden 
4,8 ccm O, verbraucht und 2,05 mg Ammoniakstickstoff gebildet, wozu 
theoretisch 3,3 ccm Sauerstoff erforderlich waren. 

Es zeigt sich mit Bestimmtheit, daß bei pe = 9,0 nicht die ganze 
Menge des absorbierten Sauerstoffs zur Oxydation des Glykokolls 
verbraucht wird. Ein Teil des Sauerstoffs bleibt in gebundener Form 
in der Lösung. Gemäß der Theorie von A. Bach (22) muß bei der 
Oxydation mehrwertiger Phenole durch gasförmigen Sauerstoff in 
wässerigem Milieu Wasserstoffsuperoxyd entstehen (23). Werden die 
beschriebenen Lösungen mit Äther extrahiert, so geht tatsächlich, wie 
es vor kurzem Wieland und Fischer (24) zeigten, H,O, in den Äther 
über. Die H,O,-Menge kann leicht mit Hilfe von Titansäure quantitativ 
besiimmt werden. 

In 24 Stunden bilden sich 2,7 mg H,O,, in 48 Stunden 5,2 mg H,O, 
Dies stimmt gut mit dem Überschuß an absorbiertem Sauerstoff überein 
(theoretisch hätten 2,8 und 5,1 mg H,O, entstehen müssen). 

In Gegenwart von Ferrosalz wird das Wasserstoffsuperoxyd rasch 
zur Oxydation des Glykokolls verbraucht (25). Wahrscheinlich wird 
auch hier nicht das Glykokoll, sondern die Chlorogensäure primär 
oxydiert. In dieser additionellen Oxydation liegt die Erklärung der 
Erhöhung der ursprünglichen Reaktionsgeschwindigkeit bei Eisen- 


Oxydationsvorgänge in (ler lebenden Zelle. 171 


zusatz. Aus den oben angeführten Zahlen ist ersichtlich, daß bei pa = 9,0 
ein Drittel der Gesamtmenge des absorbierten Sauerstoffs als H,O, 
nicht ausgenützt bleibt Dementsprechend steigt bei Eisenzusatz die 
abgespaltene Stickstoffmenge um etwa 50 Proz. an. 


Bei pu > 9,6 wird sämtliches sich bildende Wasserstoffsuperoxyd 
im Laufe des Oxydationsprozesses aufgebraucht; deswegen beeinflußt 
die Zugabe von Eisensalzen bei dieser OH-Ionenkonzentration die 
Reaktionsgeschwindigkeit nicht mehr. Daraus ergibt sich, daß die 
Rolle des Eisens bei unseren Versuchsbedingungen sich auf die Er- 
höhung des Oxydationsvermögens des Woasserstoffsuperoxyds (Per- 
oxydasefunktion) beschränkt. 


VD. Die Bildung des braunen inaktiven Pigments. 


In Lösungen mit ?a-Werten über 9,6 verläuft die Oxydation der 
Chlorogensäure rascher als ihre Reduktion. Man kann sich leicht über- 
zeugen, daß der Verlauf der Kurve des Gesamtprozesses der Glykokoll- 
oxydation in diesem Teile des Diagramms starke Unregelmäßigkeiten 
aufweist. Dies gibt Veranlassung zu der Annahme, daß unter diesen 
Bedingungen möglicherweise noch ein dritter Prozeß sich zu den Vor- 
gängen der Oxydation und Reduktion der Chlorogensäure hinzugesellt. 

Stellen wir die Totalbilanz der Reaktion der Glykokolloxydation 
bei 2u-Werten > 9,6 auf, so ergibt sich, daß auch hier, wie bei pyu = 9,0, 
mehr Sauerstoff absorbiert wird, als der Gleichung entspricht. So hat 
2 B. bei pa = 10,0 und bei pa = 12,1 ein Gemisch von Glykokoll- 
und Chlorogensäurelösungen folgende Mengen Sauerstoffs (in Kubik- 
zentimeter Gas, auf normale Temperatur und Druck umgerechnet) 
absorbiert: 


Zeit in Stdn. : | Lis | 1 | 2 | 3 | 4 | 9 l B 2 | 2 wer 
pw Inn 02 Í 05 08 10 |14| 26 | 54 | 60 66 
pa = 121 1 06 10 16 20| 26 | 38 | 55 | 57.59 


In 24 Stunden wurden bei pu = 10,0 6,6 ccm O, absorbiert; zur 
gleichen Zeit wurden 3,90 mg Ammoniakstickstoff gebildet, entsprechend 
6.3 cem O,. Bei pu = 12,1 wurden 5,9 cem O, absorbiert und 2,34 mg 
Ammoniakstickstoff gebildet, wozu bloß 4,0 ccm O, erforderlich sind. 
Bei den angegebenen Hydroxylionenkonzentrationen erfolgt keine 
nennenswerte Anhäufung von Wasserstoffsuperoxyd in der Lösung. 
Folglich wurde der ganze Überschuß an absorbiertem Sauerstoff an 
die Chlorogensäure gebunden und zur tieferen Oxydation des bereits 
entstandenen Pigments verbraucht. 


Wie eingangs erwähnt, verläuft die Oxydation der Chlorogensäure ` 
in mehreren Stufen. Ein Grammolekül der Säure absorbiert in Lösung 


172 A. Oparin: 


bei genügend hoher OH-Ionenkonzentration nacheinander 4 g-Moleküle 
O, (s. Tabelle S. 162). Dabei verändert sich (in Gegenwart von 
Ammoniak) die Farbe der Lösung, indem sie aus dem Gelben ins Grüne, 
Olivengrüne und Dunkelbraune umschlägt. Nur das grüne und zum 
Teil das olivengrüne Pigment kann durch Glykokoll wieder zum Aus- 
gangsstoff reduziert werden. Das braune Pigment wird nicht mehr 
reduziert, ebensowohl als das Glykokoll in Gegenwart dieses Pigments 
nicht oxydiert wird. 


Auf den ersten Blick wäre man geneigt anzunehmen, daß bei der 
Entstehung des braunen Pigments die Hauptrolle der zerstörenden 
Wirkung des Alkalis zugehöre. Das trifft aber nicht zu. Eine alkalische 
Lösung von Chlorogensäure (pu = 11,0) kann in evakuierten und 
zugeschmolzenen Ampullen mehrere Wochen aufbewahrt werden, 
ohne ihre ursprünglichen Eigenschaften einzubüßen, während sie an 
der Luft bereits nach 2 bis 3 Tagen tiefbraun wird und in beträcht- 
lichem Maße die Fähigkeit verliert, Glykokoll zu oxydieren. Und 
umgekehrt kann man auch bei geringer Alkaleszenz die Bildung des 
braunen Pigments erzielen, wenn man die Lösung sehr lange mit Luft 
durchschüttelt oder die Oxydation der Lösung energisch mittels Waaser. 
stoffsuperoxyd in Gegenwart von Peroxydase ausführt. Bei der Bildung 
des braunen Pigments spielen Oxydationsvorgänge die Hauptrolle. 


Um von dem Einfluß der Bildung dieses Pigments auf den allgemeinen 
Verlauf der Glykokolloxydation eine Vorstellung zu geben, wurden Ver- 
suche mit vorangehender Oxydation der Chlorogensäure durch Sauerstoff 
bei pu > 9,6 ausgeführt. Drei Flaschen wurden mit je 5ccm Chlorogen- 
säurelösung (0,2 g in 50 cem) beschickt. Die Lösung wurde mit so viel 
Phosphatlaugegemisch und Wasser versetzt, daß das Gesamtvolumen in 
jeder Flasche 10 cem und py in Nr. 1 9,6, in Nr. 2 10,9 und in Nr. 3 12,0 
betrug. Die Lösungen wurden 2 Tage lang mit Luft geschüttelt. Alsdann 
wurden in jede Flasche 5 cem Glykokollösung (0,5 g in 25 ccm) und Phos- 
phatlösung gegeben. Gesamtvolumen der Flüssigkeit in jeder Probe 20 ccm 
bei pe = 9,6. Dann wurde das Schütteln noch weitere 24 Stunden fort- 
gesetzt und die Lösungen der Analyse unterworfen. Statt der gewöhnlich 
bei diesem pp-Wert frei werdenden 4,2 mg Ammoniakstickstoff erhielt ich 
bei dieser Versuchsanordnung in Nr. 1 2,52 mg, in Nr.2 1,21 mg und 
schließlich in Nr. 3 0,42 mg. 


Bei pu > 9,6 also setzt die vorangehende Oxydation der Chlorogen- 
säure die Geschwindigkeit der Glykokolloxydation bedeutend herab. 
Bei pu < 9,6 beschleunigt dieses Verfahren im Gegenteil, wie oben 
erwähnt, die Oxydation. 


Das bei der Oxydation der Chlorogensäure durch den Sauerstoff 
der Luft entstehende Atmungspigment kann sich in zweierlei Richtungen 
weiter verändern. Entweder wird es wieder zu Chlorogensäure reduziert 
und kann dann von neuem am Oxydationsprozeß teilnehmen, oder e 


ie ed a mei Ss 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 173 


wird weiter oxydiert und geht in das braune Pigment über. In letzterem 
Falle ist seine Rolle bei dem Oxydationsprozeß zu Ende. 

Die Oxydation des Glykokolls durch molekularen Sauerstoff in 
Gegenwart von Chlorogensäure kann nur dann mit gleichmäßiger 
Geschwindigkeit erfolgen, wenn der Reduktionsprozeß vollkommen mit 
dem Oxydationsprozeß Schritt hält. Ist dies nicht der Fall, verläuft 
also die Oxydation der Chlorogensäure mit größerer Geschwindigkeit 
als ihre Reduktion, so geht stets ein Teil der Säure in das inaktive 
braune Pigment über und wird auf diese Weise dem Gesamtprozeß 
entzogen. Unter diesen Bedingungen muß die Oxydation des Glykokolls 
allmählich abnehmen, und zwar ist die Abnahme um so steiler, je 
stärker die Geschwindigkeit der Reduktion des Atmungspigments 
hinter der Geschwindigkeit der Oxydation des Chromogens zurückbleibt. 


VIII. Die Oxydation des Glykokolls in Gegenwart von Chlorogensäure unter 
der Mitwirkung der Phenoloxydase und der Oxydoredukase. 


In den bisher beschriebenen Versuchen wurde festgestellt, daß 
sowohl die Oxydation wie die Reduktion der Chlorogensäure durch 
Hydroxylionen beschleunigt wird. Deswegen erfolgte auch die Gly- 
kokolloxydation mit erheblicher Geschwindigkeit nur bei relativ hoher 
Alkaleszenz der Versuchslösung. In der lebenden Zelle kommt eine 
so hohe Alkaleszenz niemals vor. Hier treten aber an Stelle der OH- 
Ionen ebenso wirksame katalytische Agenzien auf, die Oxydsse und die 
Oxydoredukase. 

Bekanntlich lassen sich mehrwertige Phenole in Gegenwart von 
pflanzlicher Phenoloxydase durch den Luftsauerstoff leicht in neutralem 
und sogar schwachsaurem Milieu oxydieren. Auf ähnliche Weise wird 
die Reduktion einer Reihe von Substanzen (z.B. Methylenblau und 
andere) durch die Wirkung der Oxydoredukase in hohem Maße be- 
schleunigt. Es schien möglich, auch in unserem Falle das Hydroxylion 
durch Lösungen der genannten Fermente zu ersetzen. 


7 Tage alte Sonnenblumenkeimlinge wurden von den Hülsen befreit, 
bei 45° C getrocknet, mit Benzin entfettet und sorgfältig zerkleinert. lg 
des so erhaltenen Mehles wurde mit 20 cem Wasser angerührt und 12 Stunden 
in der Kälte (bei 2°C) stehengelassen. Nach der Filtration erhielten wir 
einen vollständig klaren, braunen Extrakt, der an und für sich weder in 
saurem. noch in schwach alkalischem Milieu nennenswerte Mengen Sauer- 
stoff absorbierte. Hingegen erhöhte er die Geschwindigkeit der Sauerstoff- 
absorption durch Chlorogensäurelösungen in sehr bedeutendem Maße. 
Wurden im Erlenmeyerkolben mit Ableitungsröhre 10 ccm Chlorogen- 
säurelösung (0,2 g pro 20 ccm), 3 cem Extrakt und 7 cem Wasser vermischt, 
so konnte beobachtet werden, daß die Chlorogensäure unter diesen Be- 
dingungen sogar bei niedrigen pn-Werten enerrisch Sauerstoff absorbiert. 

In folgender Tabelle sind die bei zwei Versuchen absorbierten Sauerstoff- 
mengen in Kubikzentimetern (korrigiert) angegeben. 


174 A. Oparin: 


Zeit in Stunden: || 1ja (Isi 2 | 2a | a | ar 9 


01 | 02 | 0,3 | 04 | 05,07 11:12 


1,0 als l 20| 21 an an 27 


Saure Lösung ... 
Schwach alkalische 
Lösung, Py = 7,6 | 


Aus diesen Zahlen geht hervor, daß die Chlorogensäure in Gegen- 
wart des Extrakts sogar in saurem Milieu mit merklicher Geschwindig- 
keit Sauerstoff aus der Luft absorbiert. (Die Geschwindigkeit ist 
annähernd dieselbe, die bei Abwesenheit des Ferments bei pa = 9.0 
erreicht wird.) In schwach alkalischem Milieu verläuft der Prozeß 
mit derselben Geschwindigkeit, mit der er in fermentfreier Lösung 
bei pn = 11 bis 12 vor sich geht. Diese Beschleunigung der Oxydation 
der Chlorogensäure wird zweifellos durch die Phenoloxydase bewirkt (26). 
Die Anwesenheit eines Reduktionsferments (Oxydoredukase) im Extrakt 
kann ebenfalls nachgewiesen werden!),. Trotzdem wird Glykokoll 
durch den Extrakt nicht in nennenswertem Maße oxydiert. Dies hängt 
davon ab, daß der Extrakt keine Chlorogensäure enthält. Die ganze 
Chlorogensäure, die aus den lebenden Keimlingen leicht mit kochendem, 
70proz. Alkohol extrahiert werden kann, wird bei der Extraktion mit 
Wasser und dem darauffolgenden Filtrieren durch den Sauerstoff der 
Luft oxydiert und in das stabile, braune Pigment verwandelt, das dem 
Extrakt seine charakteristische Färbung verleiht. Ein Versuch, aus 
diesem Extrakt Chlorogensäure zu isolieren, miBlang vollständig. 

Wird jedoch der Extrakt mit Chlorogensäurelösung vermengt, 
so gewinnt das Gemisch die Fähigkeit, Glykokoll auf Kosten des 
atmosphärischen Sauerstoffs zu oxydieren. Die Versuche wurden 
unter folgenden Bedingungen ausgeführt. 

Vermischt wurden 10cem Chlorogensäurelösung (0,1g in 50 ccm), 
5 ccm Glykokollösung (0,5 g in 25 ccm), 2 cem Extrakt und 3 ccm Wasser"), 
das so viel Bicarbonat oder Phosphat enthielt, als nötig war, um dem 
ganzen Gemisch ein pa von 7,6 bis 7,8 zu erteilen. Das Gemisch wurde 
in ein breites, dicekwandiges Reagenzglas gegossen. Bereits nach 2 bis 
3 Minuten nahm die Lösung die charakteristische grüne Farbe an. Dann 
wurde das Reagenzglas mittels eines Gummistopfens, in dessen Bohrung 
ein Glasrohr mit Hahn hineingefügt war, verschlossen. Die Luft wurde 
möglichst vollständig aus dem Reagenzglas ausgepumpt und die Lösung 
in einer Stickstoff- oder Wasserstoffatmosphäre stehengelassen. Bei dieser 
Versuchsanordnung erfolgte die Reduktion des Pigments zum ursprüng- 
lichen Chromogen. Die Geschwindigkeit des Prozesses war aber relativ 


gering. Erst nach 3 Stunden schlug die grüne Farbe der Lösung wieder 
ins Gelbe um. Alsdann wurde wieder Sauerstoff oder Luft in das Reagenz- 


1) Methoden zur quantitativen Bestimmung dieses Ferments in Ex- 
trakten aus gekeimten Samen werden gegenwärtig von mir ausgearbeitet. 

2) Zur Herstellung der Lösungen wurde stets frisch gekochtes Wasser 
verwendet. 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 175 


glas eingelassen. Die Lösung färbte sich wiederum grün. Sie wurde l Minute 
an der Luft stehengelassen und dann wieder im sauerstofffreien Raume 
abgeschlossen. Dabei beginnt wieder die Reduktion des Pigments, die 
ebenso wie das erste Mal erst nach 3 Stunden vollständig ist. 

Obwohl die Reduktion des Pigments in Gegenwart von Extrakt 
bedeutend rascher erfolgt als ohne denselben, ist jedoch die Geschwindig- 
keit der Oxydation der Chlorogensäure um ein Vielfaches (100- bis 
200fach) größer als die Geschwindigkeit des Reduktionsprozesses. Die 
Gegenwart des Extrakts schafft also ähnliche Bedingungen wie die 
starke Alkaleszenz. 

Obiges Verhältnis zwischen dem Oxydations- und dem Reduktions- 
prozeß konnte ich etwas abändern, indem ich dem Gemisch aus Milch 
isolierte Oxydoredukase (Perhydridase) zusetzte, die mir in liebens- 
würdiger Weise von Herrn D. M. Michlin zur Verfügung gestellt wurde. 
Unter diesen Bedingungen wird das während einer Minute gebildete 
Pigment binnen einer Stunde wieder zum Chromogen reduziert. Es 
ist mir aber bisher nicht gelungen, auf diese Weise den Unterschied in 
der Geschwindigkeit der Reduktion und Oxydation des Chromogens 
völlig auszugleichen. 

Gleichzeitig mit der Reduktion des Pigments findet die Oxydation 
von Glykokoll statt. Mit welcher Geschwindigkeit dieser Prozeß vor 
sich geht, ist aus der Menge des in den Lösungen entstehenden 
Ammoniaks und der unverändert gebliebenen Aminosäure ersichtlich. 
Bei jeder minutenlangen Oxydation und nachfolgender Reduktion 
spalten 20 ccm der Lösung 0,2 mg. Stickstoff ab. Bei der beschriebenen 
Versuchsanordnung bleibt diese Geschwindigkeit ziemlich konstant. 
Als Beispiel seien folgende Versuche angeführt. 


Versuch 1. 

Das Gemisch enthielt auf je Beem Glykokollösung 10 ccm Chlorogen- 
säurelösung (0,1l g pro 50 cem), Leem Extrakt, Leem Perhydridase und 
3 cem Phosphatlösung. pa = 7,8. Als Antisepticum wurde Toluol zugesetzt. 
Temperatur = 18°C. 

Am ersten Tage wurde die Lösung fünfmal geschüttelt. 1,1 mg!) Stick- 
stoff abgespalten. 
Am zweiten Tage wurde die Lösung viermal geschüttelt. Weitere 0,9 mg 

Stickstoff abgespalten. 

Am dritten Tage wurde die Lösung viermal geschüttelt. Weitere 0,8 mg 

Stickstoff abgespalten. 

Am vierten Tage wurde die Lösung zweimal geschüttelt. Weitere 0,4 mg 

Stickstoff abgespalten. 

Am fünften Tage wurde die Lösung einmal geschüttelt. Weitere 0,2 mg 

Stickstoff abgespalten. 


Im ganzen wurde l6mal geschüttelt. 3,4 mg Stickstoff abgespalten. 


1) Überall auf 20 ccm Lösung berechnet. 


176 A. Oparin: 


Versuch 2. 
sf Das gleiche Versuchsgemisch wie in Versuch 1, aber Perhydridase 
durch Wasser ersetzt. 
Am ersten Tage wurde die Lösung dreimal geschüttelt. 0,8 mg Stickstoff 
abgespalten. 
Am zweiten Tage wurde die Lösung zweimal geschüttelt. Weitere 0,3 mg 
Stickstoff abgespalten. 


Am dritten Tage wurde die Lösung zweimal geschüttelt. Weitere 0,4 mg 
Stickstoff abgespalten. 

Am vierten Tage wurde die Lösung einmal geschüttelt. Weitere 0,2 mg 
Stickstoff abgespalten. 


Am fünften Tage wurde die Lösung einmal geschüttelt. Weitere 0,9 mg 


» sechsten ` o a s» „ d Stickstoff 
‚ siebenten „, » T „ d W | abgespalten 
an achten IP „ ss „ „ W S S l 


Im ganzen wurde l2mal geschüttelt. 2,6 mg Stickstoff abgespalten. 


Versuch 3. 


Dieselbe Lösung wie in Versuch 2. Am ersten Tage wurde die Lösung 
zweimal geschüttelt und dann 10 Tage ohne Luftzutritt stehengelassen. 
Die abgespaltene Stickstoffmenge betrug 0,3 mg. 

Berücksichtigt man, daß im Versuch 1 die Lösung im ganzen 
16 Minuten und im Versuch 2 12 Minuten lang mit Luft in Berührung 
kam, so ergibt sich, daß die Oxydation des Glykokolls unter diesen 
Bedingungen mit außerordentlich großer Geschwindigkeit erfolgt. 
(In 16 Minuten hatten 20 cem der Lösung 5,4 cem O, absorbiert.) 

Das beschriebene System aus Oxydase, Chlorogensäure und Oxydo- 
redukase ist als ein natürliches Atmungsmodell anzusehen. Freilich 
ist es noch sehr unvollkommen und arbeitet noch nicht mit hinreichender 
Gleichmäßigkeit, es bietet aber den Vorzug, aus isolierten Bestandteilen 
der Zelle zu bestehen. 


IX. Die Ursache des Aufhörens der aeroben Atmung bei der Zerstörung 
der Zellstruktur. 


Wie aus dem Vorangehenden ersichtlich, gestaltet sich das Ver- 
hältnis zwischen der Oxydationsgeschwindigkeit und der Reduktions- 
geschwindigkeit in den von mir angewendeten Lösungen zugunsten des 
Oxydationsprozesses. 

Wird die in Versuch 2 verwendete Lösung in einem flachen 
Gefäß an der Luft stehengelassen, oder mit Luft geschüttelt, so kann 
man beobachten, daß sie sehr bald ihre grüne Farbe verliert und braun 
wird. Aufeinanderfolgende Analysen der Lösung zeigen, daß die Oxy- 
dation des Glykokolls anfangs sehr stürmisch verläuft, nach Verlauf 
von 2 bis 3 Stunden aber bereits zu völligem Stillstand kommt. 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 177 


Zeit in Stunden: dP | 1 | 2 3 6 


ee en 


eu Iw T e äu A4 


Bei dem Aufhören der Oxydation des Glykokolls spielt das Ver- 
schwinden des Atmungspigments die Hauptrolle. 


Stickstoff in mg 


Wird z. B. eine Mischung von Chlorogensäurelösung und Extrakt 
zunächst 6 bis 12 Stunden an der Luft stehengelassen und dann mit Gly- 
kokoll vermischt, so erfolgt keine Abnahme des Aminostickstoffs und 
keine Ammoniakbildung. Wird zur Herstellung der Lösungen mit Sauer- 
stoff gesättigtes Wasser verwendet und der ganze Versuch unter energischem 
Schütteln der Flüssigkeit ausgeführt, so kommt die Oxydation des Gly- 
kokolls nach kurzem Aufschwung rasch (in 2 bis 3 Minuten) zum Stillstand. 
In evakuierten und zugeschmolzenen Ampullen aufbewahrt, behält dagegen 
das Gemisch alle seine Eigenschaften während einer Woche und mehr. 
Nach Öffnen der Ampulle verläuft die Oxydation fast genau so wie in frisch 
dlarvestellten Lösungen. 

Das Verhältnis zwischen Oxydase und Redukase in dem von mir 
verwendeten Extrakt gestaltete sich derartig, daB die Oxydation bei 
freiem Luftzutritt infolge des Übergangs des Atmungspigments in 
eine stabile Verbindung (das braune Pigment) nicht längere Zeit fort- 
dauern konnte. Es liegt kein Grund zur Annahme vor, daß in der 
unversehrten, lebenden Pflanzenzelle ein anderes quantitatives Ver- 
hältnis zwischen den erwähnten Fermenten bestehe. In der lebenden 
Zelle verlaufen aber die Oxydationsprozesse überaus gleichmäßig, und 
es entsteht dort normalerweise kein braunes Pigment. Die Oxydations- 
und Reduktionsvorgänge in der lebenden Zelle befinden sich daher im 
Gleichgewichtszustand. Auf welche Weise dieser Gleichgewichts- 
zustand erzielt wird, ist vorerst noch nicht klar. Am nächsten liegt 
die Vermutung, daß die Erscheinungen der Protoplasmapermeabilität 
hier mitspielen. Wird die Integrität der Zelle, z. B. durch mechanische 
Verletzung, gestört, so nehmen die Oxydationsprozesse über die 
Reduktionsprozesse überhand. Es erfolgt dieselbe Erscheinung, die 
bei der energischen Oxydation meiner Gemische beobachtet wurde. 
Hier wie dort findet zunächst eine explosionsähnliche Erhöhung der 
Oxydationsintensität statt, worauf die Oxydation rasch abnimmt und 
zum Stillstand kommt. Gleichzeitig erscheint sowohl in dem Gemisch 
als in der geschädigten Pflanzenzelle das dunkelbraune Pigment. Diese 
Pigmentbildung ist mit dem Stillstand der aeroben Atmung aufs engste 
verknüpft. 

W. Palladin hat im Zusammenhang mit seinen Versuchen über 
das Erfrieren von Pflanzenkeimen und Blättern darauf hingewiesen, 
daß das Auftreten der braunen Färbung das sicherste Zeichen des 
Absterbens der Pflanze ist. Man kann im voraus sicher sein, daß solche 
dunkel gewordenen Pflanzen nicht mehr auf normale Weise atmen können. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 12 


178 A. Oparin: 


Der gleiche Effekt wird bei der Erhöhung des Partialdrucks des 
Sauerstoffs in der die Pflanze umgebenden Atmosphäre beobachtet. 
Nach kurzdauernder Zunahme der Atmungsintensität hört die Pflanze 
auf zu atmen. Als ich zu solchen Versuchen ätiolierte Sonnenblumen- 
keimlinge benutzte, konnte ich die Bildung des charakteristischen 
braunen Pigments beobachten. 

Unter dem Einfluß der Narkotica erfährt die Permeabilität des 
Protoplasmas bekanntlich tiefgreifende Veränderungen. In dieser 
Hinsicht wirken die Narkotica fast ebenso wie das Erfrieren oder sogar 
die mechanische Zerstörung der Zelle. Deswegen hat auch die Wirkung 
der Narkotica dieselben Folgen wie die erwähnten Eingriffe Die 
Pflanzenzelle beginnt erst intensiver zu atmen, dann treten braune 
Pigmente auf und die Atmung steht still. 

Alle eingangs beschriebenen Erscheinungen der Atmungsstimu- 
lierung sind einander eben deshalb ähnlich weil ihnen ein und dieselbe 
Ursache, nämlich der Zutritt überschüssigen Sauerstcffs ins Innere 
der Zelle, zugrunde liegt. Infolgedessen wird das Gleichgewicht zwischen 
den Oxydations- und Reduktionsvorgängen gestört. Zunächst hat 
dies eine Erhöhung der Atmungsintensität zur Folge, dann aber hört 
die Atmung wegen der Zerstörung des Chromogens auf. 

Vorliegende Untersuchungen können natürlich noch nicht als 
abgeschlossen angesehen werden. Auf Grund der hier mitgeteilten 
Ergebnisse glaube ich aber zu folgenden Schlüssen berechtigt zu sein. 

1. Die in der lebenden Zelle stattfindende aerobe Atmung besteht 
aus zwei Hauptmomenten, erstens der Oxydation eines Atmungs- 
chromogens durch den Luftsauerstoff zum Pigment, unter dem Einfluß 
der Phenoloxydase, und zweitens der Reduktion des Pigments zum 
ursprünglichen Chromogen, unter dem Einfluß der Oxydoredukase. 
Letzterer Vorgang vollzieht sich auf Kosten des Weasserstoffs des 
Wassers, während das Hydroxyl des Wassers von den Atmungs- 
materialien der Zelle aufgenommen wird. 

2. Für den gleichmäßigen Verlauf der Oxydation ist von wesent- 
licher Bedeutung, daß zwischen beiden genannten Vorgängen ein 
gewisses Gleichgewicht bestehe. 

3. Bei erhöhter Sauerstoffabsorption, infolge mechanischer oder 
chemischer Beeinträchtigung der Integrität an Zellen, kommt der 
Prozeß der aeroben Atmung wegen der Umwandlung des Atmungs- 
chromogens durch tiefgehende Oxydation in inaktives Pigment zum 
Stillstand. 


Es ist mir eine angenehme Pflicht, zum Schluß Herrn Prof. A. Bach 
für den stetigen Beistand, den er mir bei der Ausführung dieser Arbeit 
gewährte, meinen tiefsten Dank auszusprechen. 


Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle. 179 


Literatur. 


1) S. Kostytschew, Untersuchung über die anaerobe Atmung der 
Pflanze. 1907 (russisch). — 2) Zalesky und Reinhard, diese Zeitschr. 27, 
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Fermente, II, S. 1254. — 12) Elfring, Ofversigt of Finska Vet. Soc. 28, 
1886; Johanssen, Bot. Centralbl. 68, 337, 1896; N. Morkovin, Rev. gener. 
de bot. 11, 289, 1899; 18, 109, 1901; Die Wirkung anästhesierender Sub- 
stanzen auf Pflanzen. Warschau 1901 (russisch); A. Irving, Ann. of Bot. 
Za, 1077, 1911; G. Thody, ebendaselbst 27, 697, 1912; Haas, Bot. gas. 67, 
347, 1919. — 13) B. Jacobi, Flora 86, 289, 1899; W.Zaleski, Zur Frage 
der Wirkung von Reizen auf die Pflanzenatmung. 1902 (russisch). — 
14) Boehm, Bot. Ztg. 45, 671, 1887; Stich, Flora 74 1, 1891; Smirnoff, 
Rev. gener. de bot. 15, 26, 1903; Richards, Ann. of Bot. 10, 531, 1896; 
11, 29, 1897; W. Zaleski, Ber. d. Deutsch. bot. Ges. 19, 331, 1901; Krasno- 
selska, ebendaselbst 24, 134, 1906. — 15) Cl. Bernard, „Vorlesungen 
über die Lebenserscheinungen‘“‘ 1870; I. Borodin, Bot. Ztg. 89, 127, 1881; 
Deroin et Landrin, C. r. 78, 1488, 1874; Johanssen, Unters. a. d. bot. Inst. 
Tübingen 1, 686, 1885. — 16) A. Bach, Chemismus der Atmungsprozesse. 
Journ. d. russ. physiko-chem. Ges. 44, 2. Lief., 1912 (russisch). Oxy- 
dationsprozesse in der lebenden Substanz. Oppenheimers Handb. d. 
Biochem., Ergänzungsband 1913, S. 133. — 17) W. Palladin, Ber. d. 
Deutsch. bot. Ges. 80, 104, 1912; Zeitschr. f. Gärungsphysiol. 1, 91, 1912. 
— 18) A. Oparin, diese Zeitschr. 124, 90, 1921. — 19) H. Kniep, Intern. 
Revue d. ges. Hydrobiol. u. Hydrograph. 7, 5, 1914. — 20) A. Lieben, 
Monatsh. f. Chem. 16, 218, 1895. — 21) H. Wieland und F. Bergel, Liebigs 
Ann. d. Chem. 489, 196, 1924. — 22) A. Bach, Moniteur scientifique (4) 
11, 479. — 23) W. Manchot, Liebigs Ann. d. Chem. 814, 177, 1901. — 
24) H. Wieland und F. Fischer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. Nr. 6, S. 1180, 
1926. — 25) H. D. Dakin, Journ. of biol. Chem. 1, 171, 1906; 4, 63, 
1909. — 26) A. Bach und A. Oparin, diese Zeitschr. 184, 183, 1922. 


12% 


Zur Kenntnis des Mechanismus der Immunitätserscheinungen. 


III. Mitteilung: 
Über den Einfluß einiger Aminosäuren auf die Wirkung des Tetanustoxins. 


Von 
B. Sbarsky und Z. Jermoljewa. 


(Aus dem Biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 17. Januar 1927.) 


In ihren Arbeiten über die Adsorption der Aminosäuren und des 
Diphtherietoxins durch die roten Blutkörperchen haben Sbarsky (1) und 
Subkowa (2) unter anderem auch den Einfluß einiger Aminosäuren auf 
die Wirkung des Diphtherietoxins untersucht. 


Die genannten Autoren haben festgestellt, daß ein Gemisch von 
Diphtherietoxin mit kleinen Mengen Tyrosins für Meerschweinchen 
bei subkutaner Injektion vollständig atoxisch ist. Ähnliche Versuche 
mit Glykokoll ergaben ein Überleben der Meerschweinchen im Durch- 
schnitt um 5 Tage im Vergleich zu den Kontrolltieren; wurde dem 
Toxin Alanin zugesetzt, so überlebten die Tiere die Kontrolle um 2 Tage. 
Leucin blieb dagegen wirkungslos. 


Es war von Interesse, den Einfluß derselben Aminosäuren auf die 
Wirkung des Tetanustoxins zu prüfen. Wir hatten trockenes Tetanus- 
toxin zur Verfügung, das uns von Herrn Prof. S. W. Korschun in 
liebenswürdiger Weise überlassen wurde. 

Die tödliche Dosis dieses Toxins für eine 20g wiegende Maus 
betrug 0,00001. Zu unseren Versuchen wurden reine Aminosäuren- 
präparate (Tyrosin, Alanin, Asparagin, Glykokoll, Leucin) der Firma 
Kahlbaum verwendet. 

Es wurde vor allem die Wirkung der reinen Aminosäuren auf die 
Mäuse geprüft. Es stellte sich heraus, daß Alanin, Tyrosin, Asparagin 
und Leucin in Dosen von 0,01 bis 0,05 durch etwa 20 g wiegende Tiere 


wm ` e mm u WM - 


B. Sbarsky u. Z. Jermoljewa: Mechanismus d. Immunitätserscheinungen. 181 


ohne Folgen vertragen wurden, abgesehen von einer unbedeutenden 
Lokalreaktion nach der Injektion von Tyrosin. 


Die Versuche wurden auf folgende Weise ausgeführt: 


Es wurden Lösungen der Aminosäuren und des Tetanustoxins von 
solcher Konzentration hergestellt, daß nach der Mischung der Lösungen 
2ccm des Gemisches eine tödliche Dosis des Toxins und eine bestimmte 
Menge der Aminosäure enthielten. Bei den Versuchen mit Tyrosin mußten 
infolge der geringen Löslichkeit dieser Aminosäure durch sorgfältiges Ver- 
reiben in der Reibeschale hergestellte wässerige Suspensionen verwendet 
werden. 

Die Mischung aus Aminosäure und Tetanustoxin wurde 1 Stunde, in 
einigen Versuchen aber 5 Tage lang im Thermostaten stehengelassen und als- 
dann den Mäusen zu je 2, 4 usw. ccm, d.h. je 1, 2 usw. tödliche Dosen sub- 
kutan injiziert. Die Kontrolltiere erhielten nur eine tödliche Dosis Toxin. 
Die Versuche wurden in Serien zu 20 bis 30 Mäusen ausgeführt, von denen 
zwei als Kontrolle dienten. Im ganzen wurden 132 Versuche ausgeführt. 


Tabelle I. 
Menge e ? éi zur N Menge a Zahl Auf 
RR m.des ` fuhrung stan er er über ut 
Aminosäure des | Tetanus» das Gemisch im Versuchs» | lebenden Proz. | wieviel 


Tyrosins ` toxins Thermostaten tiere Tiere Tage 


Ä Ä | | 


| 1 ` | 20 20 |100 | œ 
l | 2 ; L Stunde : 10 10 100 | 9 o 

Tyrosin.. . 1 0,01 5 | | 4 0 oJ 0 
\ 2 5 5 Im | æ 
| 5 5 Tage | 5 A 100 20 
, 10 3 0 ol u 
l il 

| | 0,05 | 5 | 1 Stunde | S | i ` o o 

Glykokoll . . Ä i | 5 0 o o 
| 0,01 t 2 5 Tage | 5 o 0 0 

Leucin j | 0,05 | 1 | 1 Stunde 7 0 0 0 

| 2 
Aamin oo... oh Au, TI: S TE 
i = i 
Asparagin .. 005; 1 koa 5 0 0| 0 


®© 0 = überstanden nicht. 
DI e = überstanden. 


Die Versuchsergebnisse sind in Tabelle I zusammengestellt. Wie 
aus dieser Tabelle ersichtlich, wurden mit Leucin, Glykokoll und 
Asparagin durchweg negative Resultate erhalten. 

Die Wirkung des Alanins war ebenfalls unbedeutend, obwohl (die 
Versuchstiere in einigen Fällen die Kontrolle um 5 Tage überlebten. 
Außerordentlich günstige Resultate wurden mit Tyrosin erzielt. 

Durch Zusatz von Tyrosin in Dosen von 0,01 wurde eine Letaldosis 
des Toxins vollständig entgiftet. Subkutane Injektion des Gemisches 


182 B. Sbarsky u. Z. Jermoljewa: 


rief nur ein unbedeutendes entzündliches Ödem hervor. Das aus Plasma 
und Leucocyten bestehende Ödem bildete sich langsam zurück, und 
nach 6 bis 8 Tagen verblieb nichts als ein kleines, subkutanes Knötchen, 
das bald verschwand oder in vereinzelten Fällen in einen aseptischen 
Abszeß überging. 


Die Wirkung dieser Dosis (0,01) Tyrosins hört bei 5 Dim Tetanus- 
toxin auf. Bei 5 Dim bleibt sogar der Zusatz von fünffachen Mengen 
Tyrosins (0,05 g) wirkungslos, während zur Entgiftung von vier letalen 
Toxindosen schon 0,01g Tyrosin genügt. Diese eigentümliche Er- 
scheinung wurde bereits bei den Versuchen mit Diphtherietoxin beob- 
achtet (unveröffentlichte Untersuchungen unseres Instituts); das 
Studium des Phänomens wird fortgeführt. Recht interessant ist auch 
folgende Beobachtung. Wird das Gemisch von Tetanustoxin und 
Tyrosin filtriert, Filtrat und Niederschlag den Versuchstieren getrennt 
injiziert, so erweisen sich beide Anteile als vollständig inaktiv. 

Bei fünftägigem Aufenthalt des Gemisches im Thermostaten wird 
es auch bei kleinen Tyrosindosen atoxisch. 


Die Kontrolle (reines Toxin) behält bei fünftägigem Stehen im 
Thermostaten ihre Eigenschaften. Die Annahme, daß der inaktivierende 
Einfluß des Tyrosins auf das Tetanustoxin durch Veränderung des 
pa bewirkt sein könnte (demgegenüber das Toxin bekanntlich sehr 
empfindlich ist), bestätigt sich nicht. Bestimmungen des pa ergaben, 
daß die pu-Werte während der ganzen Dauer des Aufenthalts im Thermo- 
staten sowohl im Tyrosin-Toxingemisch (zur Bestimmung mußte 
filtriert werden) als im reinen Tetanustoxin nur zwischen 6,7 und 6,9 
schwankten. : Folglich kann in diesem Falle von einer Wirkung der 
Veränderung des pa nicht die Rede sein. 


Es schien von Interesse, den Einfluß des Tyrosins auf das Tetanus- 
toxin bei getrennter Einführung in den Organismus zu erforschen. 
Es wurden Versuche an 20 Mäusen ausgeführt, bei denen Toxin und 
Tyrosin zur gleichen Zeit, aber getrennt, in verschiedenen Körperhälften 
der Versuchstiere injiziert wurden. Das Resultat der Versuche war 
negativ: die Tiere gingen fast gleichzeitig mit der Kontrolle zugrunde. 


Aus den Resultaten ist ersichtlich, daß das Tyrosin bei unseren 
Versuchen dem Tetanustoxin gegenüber dieselbe Rolle spielte, wie 
das Formol in den Versuchen von Löwenstein, Eisler, Sordelli und 
Descombey (3), das Chinin bei Marie (4), das Ozon und das Natrium- 
oleinat bei Nelis (5), die Milch bei Joannides (6), der Agar bei Minkewscz 
und Zuckermann (7), das Tapioka bei Ramon und Descombey (8). 

Von großer Bedeutung ist der Umstand, daß das Tyrosin auf 
Tetanustoxin dieselbe neutralisierende Wirkung ausübt wie auf Di- 
phtherietoxin. Diese Erscheinung beruht nach Sbarsky darauf, daß 


Mechanismus der Immunitätserscheinungen. 183 


die von den Erythrocyten adsorbierten Aminosäuren die Adsorption 
des Toxins verhindern. Unbegreiflich bleibt aber, weshalb das Toxin 
mit Tyrosin, zur gleichen Zeit, aber davon getrennt, in verschiedene 
Körperteile injiziert, seine Toxidität behält. Die Ursache könnte 
allerdings in der langsamen Resorption des Tyrosins liegen, infolge- 
deren das Tyrosin die Erythrocyten erst später erreichen kann. 


Die erzielten Resultate veranlaßten uns, auch die prophylaktische 
Wirkung des Tyrosins zu untersuchen. 


Eine Reihe von 25 Mäusen erhielt eine einmalige Injektion von je 
0.05g Tyrosin subkutan, eine andere Reihe (30 Mäuse) vier Tyrosininjek- 
tionen in «(lreitägigen Intervallen, in zunehmenden Dosen von 0,01 bis 0,05 g. 


Tabelle II. 


Wieviel. An welchem Tape nach der 


E letzten Am.nosaāurcinjektion 
Dos's Re Zahl wurde Tetanustoxin eingefuhrt ? 
N geführt | Dim ia 3/slrzo » 
Be 1:0 0 20 | vo , oo | œo 0 
0,058 Tyrosin . . 2.2... | 1 | 2'109 | o 0 | Ge 9 np 
g l | 
ı 1 0 0 oo: oe | oo e N 
0.16g a en ae are ve 4 | 2 | 00 ce | oc oo 00 0 
É | 1 10 oe ce | oe len 0, 
005g Leucin ... a... 1 2 Q: œ | | | 
l 
Ale Glykokoll. .. . ER E E SH | 
Lo 2 SMS 
lÓ cem physiol. Kochsalzlösung 0, 1 0 
1) „ destill. Wasser. . . . In pn | 


0 = überstanden nicht. 
x = überstanden. 


Aus den Resultaten dieser Versuche (Tabelle II) geht hervor, daß 
die prophylaktische Wirkung des Tyrosins gleich Null war, wenn 
zwischen der Tyrosininjektion und der Injektion von Tetanustoxin 
nicht mehr als 2 Tage verstrichen. Mit Zunahme des Zeitraums zwischen 
Tyrosin- und Toxininjektionen ändert sich das Bild. 


Vom dritten bis zum zehnten Tage nach der letzten Tyrosin- 
injektion, bei den Versuchen mit einmaliger Injektion, und vom dritten 
bis zum fünfzehnten Tage, bei denen mit wiederholten Tyrosin- 
einspritzungen, sind die Tiere imstande, der Wirkung einer und in 
einigen Fällen sogar zweier Tetanusdosen des Toxins zu wiederstehen. 

Wird das Intervall zwischen den Injektionen von Tyrosin und 


Toxin bis auf 20 Tage ausgedehnt, so ist das Tier unfähig, sogar die 
einfache tödliche Dosis zu ertragen. 


184 B. Sbarsky u. Z. Jermoljewa: 


Ähnliche Versuche wurden mit Leucin, Asparagin und Glykokoll 
angestellt. Desgleichen wurde zur Kontrolle die Resistenz der Tiere 
nach Injektion von 10 ccm destillierten Wassers oder physiologischer 
Kochsalzlösung geprüft. Es stellte sich heraus, daß von allen 
erwähnten Substanzen nur Leucin gewisse prophylaktische Eigen- 
schaften aufweist. Betrug z.B. das Intervall zwischen der Leucin- 
injektion und der Toxineinspritzung 3 bis 5 Tage, so war das Tier 
imstande, die Wirkung der einfachen Letaldosis zu überstehen. Die 
Versuche mit Asparagin und Glykokoll, destilliertem Wasser und 
physiologischer Lösung ergaben negative Resultate. Auch in diesen 
Versuchen erwies sich also das Tyrosin als die wirksamste aller an- 
gewendeten Aminosäuren. 

Es wurde auch die prophylaktische Wirkung peroraler Verab- 
reichung von Tyrosin untersucht. 

Da es mit Schwierigkeiten verbunden war, Mäusen Tyrosin per os 
einzuführen, wurden zu diesen Versuchen Meerschweinchen verwendet. 
Es wurden während 10 Tagen je 0,1 g Tyrosin in wässeriger Suspension 
täglich an 15 Meerschweinchen verfüttert. Alle Tiere wiesen sogar 
der einfachen Letaldosis des Tetanustoxins gegenüber kleine Resistenz 
auf, abgesehen von der Dauer der Zeitspanne zwischen der letzten 
Tyrosingabe und der Toxininjektion. 

Auf diese Weise haben wir es beım Tyrosin sicher, in gewissem 
Maße aber auch beim Leucin mit Substanzen zu tun, die eine pro- 
phylaktische Wirkung gegenüber dem Tetanustoxin aufweisen. Diese 
Erscheinung kann befriedigend vom Standpunkt der Hypothese Sbarsk ys 
erklärt werden; denn das prophylaktisch injizierte Tyrosin konnte in 
den Versuchen Depots bilden, aus denen es nach und nach in das Blut 
überging und dabei die Erythrocyten vor der Adsorption des später 
injizierten Tetanustoxins schützte. Man könnte aber die prophylaktische 
Rolle des Tyrosins auch vom Standpunkt der ‚Proteintherapie‘‘ be- 
trachten. In den neuen Versuchen von M&alnıkoff (9) konnte durch 
indifferente Substanzen, z.B. durch Albumin, Zucker oder Stärke, 
eine mehr oder minder intensive Reaktion von seiten verschiedener 
Körperzellen hervorgerufen werden. Die Reaktion ist fast immer 
entzündlicher Art. Sie besteht in einer Anhäufung von Polynucleären, 
Monocyten, Makrophagen und Lymphocyten und hält gewöhnlich 
10 bis 15 Tage nach der Injektion an. Mit solchen Abwehrmitteln 
bewaffnet, ist der Organismus imstande, der schädlichen Wirkung des 
Toxins Widerstand zu leisten. 

Es blieb die Frage offen, ob die antigenen Eigenschaften des Ge- 
misches aus Tetanustoxin und Tyrosin nach der Entgiftung erhalten 
blieben, wie es in den Versuchen von Ramon, Nelis, Descombey, Marie 
der Fall war. 


Mechanismus der Immunitätserscheinungen. 185 


Versuche, die zu diesem Zwecke von uns ausgeführt wurden, 
ergaben positive Resultate. 


40 Mäuse wurden mit „Tyrosin-Toxin‘“ immunisiert. 2 Wochen nach 
der letzten Injektion erhielten fünf Mäuse je fünf Dim. und fünf Mäuse je zehn 
tödliche Toxindosen. Die Tiere, die fünf Dosen erhalten hatten, blieben 
am Leben, während diejenigen, denen zehn Letaldosen injiziert wurden, 
zugrunde gingen. Einen Monat nach der letzten Injektion erhielten wieder 
zwei Serien von Mäusen je 5 und 10 Dim. Tetanustoxin; auch in 
diesem Falle wurden 5 Dim. von den Mäusen ohne Schaden ertragen, 
die Mäuse, die zehn Toxindosen erhielten, blieben am Leben und zwei 
gingen zugrunde. 11, Monat nach der letzten Injektion waren die Resultate 
dieselben. 2 Monate nach der letzten Injektion erhielten wieder zwei Serien 
von Mäusen je 5 und 10 Dlm., alle Tiere blieben am Leben (Tabelle III). 


Tabelle III. 
Wahrend wie vieler Tage 
Zahl hd Iniekti Zahl der 
der Mause Zahl Dim. Reg SE : Überlebenden 
Hk i eingeführt ? | 

5 5 | 14 | 00 

5 10 14 0 

5 5 30 | oc 
40 

5 10 30 E 

5 5 45 00 

5 10 45 0 
A o 

5 5 60 I 

5 10 | 60 oc 

0 = überstanden nicht. 

oo = überstanden. 


Aus den Ergebnissen ist ersichtlich, daß die antigenen Eigen- 
schaften des ‚„Tyrosintoxins‘ zwar erhalten geblieben sind, aber eine 
gewisse Abschwächung erfahren haben, denn die völlige Unempfindlich- 
keit tritt erst 2 Monate nach der Immunisierung ein, wie bei der 
Immunisierung durch mit Natriumoleinat oder Ozon vorbehandeltes 
Toxin (in den Versuchen von Nelis nach 76 Tagen) kann das ‚‚Tyrosin- 
toxin“ zu den Anatoxinen gerechnet werden. Nach Ramon müssen 
letztere folgenden Anforderungen genügen: 1. atoxisch sein, 2. antigene 
Eigenschaften besitzen, 3. in der Gegenwart von Antitoxin ausflocken. 
Wie aus unseren Ergebnissen ersichtlich, erfüllt das Tyrosintoxin die 
beiden ersten Bedingungen. Es blieb zu ermitteln, ob es die Flockungs- 
reaktion gibt. 

Von sieben aus dem Blute immuner Mäuse hergestellten Proben 
ergaben sechs mit zuvor filtriertem Tyrosintoxin eine Trübung, aber 
keine Flockung. Für drei Sera wurde beginnende Trübung nach drei- 


186 B. Sbarsky u. Z. Jermoljewe: 


stündigem Aufenthalt im Thermostaten bei Dosen von 0,6 festgestellt. 
Zwei Sera trübten sich bei der Dosis 0,7 und zwei bei 0,5. 

Mit Tetanustoxin, das nicht mit Tyrosin behandelt wurde, trübten 
sich die Sera erst nach sechsstündigem Aufenthalt im Thermostaten, 
und die Trübungszone war viel enger begrenzt. 

Die Trübungsproben wurden Meerschweinchen in Dosen von 
l ccm injiziert. Die Injektion wurde von den Tieren ohne schädliche 
Folgen ertragen, was auf die vollständige Entgiftung der Proben hinweist. 
Ist die Zeit und die Stärke der Flockung wirklich als Kennzeichen der 
Antigenstärke anzusehen, so muß die Stärke des ‚„Tyrosinantigens“ 
als ungenügend beurteilt werden. Welcher Art der Mechanismus der 
Tyrosinwirkung in diesem Falle ist, bleibt ungeklärt. Die Frage ist 
um so schwieriger zu entscheiden, als es keine einfache Aufgabe ist, 
das Tyrosintoxin vollständig von Tyrosin zu befreien und wieder reines 
Toxin zu erhalten, wie dies in den Versuchen mit Chinin oder Tapioka 
ohne Mühe gelingt. 

Es wäre möglich, daß der Zusatz von Tyrosin zum Toxin in ähnlicher 
Weise wie der Zusatz von Agar in den Versuchen von Minkewicz und 
Zuckermann mit dem Tetanustoxin wirkt, unter Bildung von Depots, 
aus denen es langsam und allmählich resorbiert wird. Oder es wirkt 
wie das entzündliche Reaktion hervorrufende Tapioka, das nach der 
Anschauung von Nelis den Organismus zwingt, alle seine Abwehrkräfte 
minimalen Toxinmengen gegenüber zu konzentrieren. Oder die Wirkung 
ist chemischer Art, wie die des Formols im Anatoxin von Ramon. Oder 
das Tyrosin wird, nach der Hypothese von Sbarsky, von Erythrocyten 
adsorbiert und verhindert bei Adsorption des Toxins, wie dies in den 
Versuchen von Sbarsky und Subkowa mit Diphtherietoxin der Fall war. 

Die Analogie mit den Versuchen von Sbarsky und Subkowa über 
das Diphtherietoxin ließ die letzte Erklärung besonders plausibel er- 
scheinen. Aus unseren Versuchen, die demnächst veröffentlicht werden 
sollen, erhellt aber, daß weder die Erythrocyten von empfänglichen 
Tieren (Meerschweinchen, Mäusen), noch die von immunen Spezien 
(Hühner), das Tetanustoxin zu adsorbieren imstande sind. In diesem 
Falle ist es das Nervengewebe, dem die dominierende Rolle gehört. 

Die Ergebnisse unserer Versuche können in nachstehenden Schluß- 
sätzen zusammengefaßt werden. 

l. Ein Gemisch aus Tetanustoxin und kleinen Mengen Tyrosin 
ist für Mäuse und Meerschweinchen bei subkutaner Injektion atoxisch. 

2. Ähnliche Versuche mit anderen Aminosäuren (Leucin, Asparagin, 
Glykokoll) führen zu negativen Ergebnissen. 

3. Es läßt sich eine prophylaktische Wirkung von Tyrosin (und 
zum Teil auch von Leucin) nachweisen. 


E e ` wv" e een 


Mechanismus der Immunitätserscheinungen. 187 


4. „Iyrosintetanustoxin“ besitzt allem Anschein nach die Eigen- 
schaften eines Anatoxins, es ist l. atoxisch, besitzt 2. antigene Eigen- 
schaften und gibt 3. mit Antiserum eine schwache Flockungsreaktion. 

5. Die Immunität nach Einführung von ‚Tyrosintetanustoxin“ 
tritt 2 Monate nach der letzten Injektion ein. 


Literatur. 
l) B. Sbarsky, diese Zeitschr. 185, 21, 1923. — 2) B. Sbarsky und 
L. Subkowa, ebendaselbst 172, 40, 1925. — 3) Descombey, Ann. de !’Inst. 


Pasteur 6, 1925. — 4) Marie, C. r. 1913. — 5) Nelis, C. r. Soc. de biol. 14, 
1925. — 6) Joannides, ebendaselbst 88, 1925. — 7) Minkewüsch und Zucker- 
mann, Prophilakt. Medic. 1925. — 8) Ramon und Descombey, C. r. Soc. 
de biol. 29, 1925; 26, 1925. — 9) Metalnikoff und V. Sekreteva, C. r. 4, 1926. 


Über die Einwirkung der Narkose 
auf die chemische Zusammensetzung des Gehirns. 


(Vorläufige Mitteilung.) 


Von 
M. Serejski (Moskau). 


(Aus dem Forschungsinstitut für höhere Nerventätigkeit.) 


(Eingegangen am 17. Januar 1927.) 


Das Problem der Erregung und Hemmung gilt als Grundproblem 
der modernen Physiologie. Hierher gehört auch die Frage der Ein- 
wirkung der Narkotica auf das Zentralnervensystem, die zwar mehrmals 
in der Literatur behandelt wurde, aber dessenungeachtet keinesfalls 
als eindeutig gelöst erscheint. In unseren Versuchen hielten wir es für 
unumgänglich, die der Narkose vorangehende Erregungsphase möglichst 
zu verkürzen, da man sonst mit Interferenz beider Phasen rechnen 
muß. Nach vielen Vorversuchen wählten wir folgendes Verfahren: die 
Versuchstiere erhielten subkutan Morphium hydr. (1 Proz.) (1,5 cem 
auf 1 kg Körpergewicht), daraufhin — nach 20 Minuten — etwa 10,0 ccm 
Chloroform. Es schien uns ferner von Belang, das Benehmen der Tiere 
während des Versuchs, was zweifellos die chemische Zusammensetzung 
des Hirns beeinflussen könnte, im Auge zu halten. Als Indikatoren 
dieses Verhaltens benutzten wir die Bestimmung der Blutkatalase und 
des Blutzuckers zu verschiedenen Zeiten des Versuchs. Die Bestimmung 
der Katalase, wie wir übrigens erwarteten, stellte sich als zwecklos 
heraus. Die anspruchsvolle Theorie von Burge!), der die Katalase als 
Gradmesser der Intensität der Lebensprozesse bezeichnet, hat sich als 
völlig unhaltbar erwiesen. Wir können die durch Burge beobachtete 
Beziehung zwischen Katalaseindex und Gemütsbewegungen nicht 


1) Amer. Journ. of Phys. 1917. 


M. Serejski: Einwirkg. d. Narkose auf d. chem. Zusammensetzung usw. 189 


bestätigen. Die recht geringen Katalaseschwankungen findet man 
regelmäßig bei jedem Individuum (Bach). 


Der experimentelle Teil unserer Arbeit wurde in Gemeinschaft 
mit A. Revo und R. Topstein ausgeführt und erscheint demnächst 
ausführlich. Als Versuchstiere galten Hunde. Die Narkose dauerte 
LG bis 11, Stunden an. Die Tiere wurden in der Narkose durch 
Entbluten aus der Art. carotis getötet und das Hirn sofort bearbeitet. 
Die große Bedeutung, die in den letzten Jahren dem subkortikalen 
Gebiet zugeschrieben wird, zwang uns, die Untersuchung sowohl der 
Hirnrinde wie auch der weißen Substanz zu unternehmen. Wir berück- 
sichtigten dabei gleichzeitig die Eiweißstoffe und die Lipoide, da uns 
die Beweisgründe derjenigen Autoren, die nur die Eiweißkörper oder 
nur die Lipoide als Träger des Lebens betrachten, als gleich unberechtigt 
schienen. Solch eine vielseitige Untersuchung des Gehirns, das beim 
Hunde im ganzen 70 bis 80 g ausmacht, war lediglich mit der Mikro- 
methode auszuführen. . Wir verdanken Gorodissky!), die Fränkel- 
Bangsche Methode der Lipoidbestimmungen als Mikromethode zur 
Hirnuntersuchung ausgearbeitet zu haben. Diese Methode benutzten 
auch wir unter ganz geringen Veränderungen. Den Gesamtstickstoff 
bestimmten wir nach Kjeldahl, den Aminostickstoff nach Folin, den 
Reststickstoff — nach Fällung durch Natriumwolframat — nach 
Kjeldahl. Für die Bestimmung der Lipoide gebrauchten wir 40 bis 
60 mg des Gehirns, für den Stickstoff 80 bis 100 mg. Als großes Hindernis 
erwiesen sich die bedeutenden Schwankungen der Gehirnzusammen- 
setzung bei verschiedenen Hunden. Wir sahen uns deswegen genötigt, 
um zuverlässigere ‚„Standardzahlen‘ zu erhalten, eine größere Zahl 
Normalgehirne zu untersuchen. Die Resultate dieser Versuche (an 
22 Hunden) sowie der Versuche an 12 narkotisierten Hunden werden 
als Mittelwerte in zwei Tabellen angeführt. 


Tabelle I. 
re 
| 5 SE E "e SE Z SE Z 
g Z£ nm © zen © | = Geff nn» 
ae E ae t 4855 
i A UI 
K er È e Ego P se EI 
in Prozenten der frischen Substanz | 
een = oo ee ES ee A SES = 1 = j Br SE os 
Normale Hunde . . . 1,67 ; — 0,055 — 021i | — \ Graue 
Narkotisierte Hunde 1,73 ! 3,6 0,063 145 0,31 | 47,6 j Substanz 
Normale Hunde. . . 1,73 — 0,044 — Ä (LIN © — l Weiße 
Narkotisierte Hunde 1,78 3.5 0,052! 1.8 ; 0,86 |, 100,0 j Substanz 


I) Diese Zeitschr. 159, 379, 1925. 


190 M. Serejski: 


Tabelle II. 


i 
\ 
l 
| 


| 


| Sp | e = ZS ps © g 2 5, RB | = = 
ECKER 
E euro c% Ca SG Sc e vg% ceca 
| e Ne v RE- Eur 2055 9=3 2.03 
Oo g Ol e 5,8735 NESO aea NILS. 
© Wei < u. oc „a 3 = 3 
oO jasal SIE sn52 "an ng“ 
gar gal Sieps ne Der 
in Prozenten der frischen Substanz | 
Norm. Hunde. 0,2541] — !105 — 0866| — 2839| — | Gren 
Narkot. „ . 0,2883 13,5 1,18 12,3 0,1013| 16,9 2,71 | 13,4 [Substanz 
| 
Norm. „p . 04326 — 467 — 02527 — 1443 — | Weiße 
Narkot. „048251113 5.30 134 0,3340%| 321 4,70 | 6,1 (Substanz 


Aus der ersten Tabelle ist zu entnehmen, daß bei Chloroform- 
einwirkung eine Erhöhung der Menge des Gesamtstickstoffs sowohl in 
der grauen als in der weißen Substanz des Gehirns zu vermerken ist. 
Diese Erhöhung ist allerdings sehr unbedeutend, überschreitet kaum 
die Fehlergrenze (für die graue Substanz 0,06’ Proz., relative Zunahme 
3,6 Proz., für die weiße Substanz 0,05 Proz., relative Zunahme 3,5 Proz. 
Es ist beachtenswert, daß diese Zahlen mit denjenigen anderer Autoren, 
die mit anderen Versuchstieren und mit anderen Narkotica zu tun 
hatten und dabei die Totalität des Hirns untersuchten, gut überein- 
stimmen. 


Sn fand Soula!) bei Kaninchen eine Erhöhung von 1,540 bis 1,582, 
d. h. auf 0,042 Proz. Entschiedener ist die Zunahme bei Waser?) für Veronal- 
hunde. von 1,91 auf 2,61 Proz. Besonders interessant und überzeugend 
sind die Versuche von H. Winterstein und seinen Mitarbeitern. Winterstcin 
und Hirschberg?) zeigten am isolierten überlebenden Hirn des Frosches, daß 
unter der Äthylalkoholwirkung der Verbrauch stiekstoffhaltiger Substanzen 
während 24 Stunden bis auf 0,06 Proz. der frischen Substanz unterdrückt 
wird (in der Norm 0,25 Proz.). Analoge Veränderungen sind auch bei 
Urethannarkose im Kohlenhydratstoffwechsel zu finden*). Hecker) fand 
am isolierten Zentralnervensystem des Frosches, bei Urethannarkose, einen 
Anstieg des Gesamtstickstoffs von 0,1612 auf 0,1848, d. h. auf 0,0236 Proz. 
Im Widerspruch zu unseren Versuchen stehen die Angaben von T'scherkes 
und Gorodissky®). In den Versuchen mit Chloroformnarkose bei Kaninchen 
fanden sie eine starke Abnahme des Gesamtstickstoffs in der Hirnrinde, 
von 2,21 bis 1,92 Proz. Diese enorm hohen Zahlen für Normalkaninchen 
(2.21 Proz.) kamen uns sonderbar vor. Die betreffende Zahl für dasselbe 
Tier beträgt bei Palladin und Bjelajewa?) (aus demselben Laboratorium)- 


1) C. r. Soc. biol. 78. 

2) Zeitschr. f. phys. Chem. 94. 

3) Ebendaselbst 100. 

4) Diese Zeitschr. 159, 379, 1925. 
5) Zeitschr. f. phys. Chem. 129. 

6) Diese Zeitschr. 168, 48, 1926. 
?) Zeitschr. f. phys. Chem. 141. 


Ehe dho mmm pa ` ms E EE 
= = ` Es D e BE = 


Einwirkung d. Narkose auf d. chem. Zusammensetzung des Gehirns. 191 


1,56 Proz., bei Soula 1,54 Proz. Unsere Zahl für die Rinde des Hundes 
(1,67 Proz.) stimmt gut mit den Zahlen anderer Autoren (Abderhalden und 
Weil 1,70 Proz., Waser 1,86 Proz., Palladin und Zuwerkalow, auf Trocken- 
substanz berechnet, 8,15 Proz. (bei uns 8,39 Proz.) überein. Die Vermutung 
von Tscherkes und (rorodissky, daß durch entgegengesetzte Veränderungen in 
der chemischen Zusainmensetzung der grauen und weißen Substanz bei 
Untersuchung des Gesamthirns eine Erhöhung des Gesamtstickstoffs hervor- 
trete, ist als hinfällig zu verwerfen. 


Unsere Versuche beweisen zur Genüge, daß die Veränderungen 
des Gehalts des Gesamtstickstoffs in der grauen und weißen Substanz 
einsinnig und parallel vorgehen. Ebenso widersprechend sind die 
Angaben über den Gesamtphosphor (Tabelle II). Wir fanden eine 
Erhöhung in der grauen Substanz auf 0,0342 Proz. (relative Zunahme 
13.5 Proz.), in der weißen Substanz auf 0,0489 (relative Zunahme 
11,3 Proz.), die erwähnten Autoren — eine Erniedrigung auf 0,0304 Proz. 
Unsere Angaben stimmen gut mit den Beobachtungen von Hecker, die 
am isolierten Zentralnervensystem des Frosches bei Urethannarkose 
eine Unterdrückung des Phosphorstoffwechsels von 0,03 auf 0,01 Proz. 
gefunden hatte, überein. 

Zur Tabelle I zurückkehrend sehen wir, daß gleichzeitig mit 
Erhöhung des Gesamtstickstoffs eine Erhöhung des Reststickstoffs 
(für graue Substanz 0,1 Proz., relative Zunahme 47,6 Proz.; für weiße 
Substanz 0,18 Proz., relative Zunahme 100 Proz.) wie auch eine ganz 
geringe. hart an der Fehlergrenze der Methode liegende Erhöhung des 
Aminostickstoffs (für graue Substanz 0,008 Proz., relative Zunahme 
1,43 Proz. ; für weiße Substanz 0,008 Proz., relative Zunahme 1,8 Proz.) 
bestehe. Diese Befunde lassen die Vermutung aufkommen, daß unter 
Einwirkung des Chloroforms nicht der Prozeß des Eiweißabbaues ver- 
hindert ist, sondern daß die Abbauprodukte, infolge eventuell schlechter 
Blutzirkulation im Hirn, nicht entfernt werden. Wir betonen den 
provisorischen Charakter dieser Vermutung. die weiterer Versuche 
(die im Gange sind) bedarf. 

Was die verschiedenen Lipoidgruppen anbelangt (Tabelle II), so 
ist eine Vermehrung aller Gruppen, sowohl in der grauen wie in der 
weißen Substanz, zu vermerken. Besonders scharf tritt dies in dem 
Auszug der ungesättigten Phosphatide (für graue Substanz 0,014 Proz., 
relative Zunahme 16,9 Proz.; für weiße Substanz 0,081 Proz., relative 
Zunahme 32,1 Proz.) zutage, was gut mit unseren Vorstellungen über 
die Stabilität der ungesättigten Verbindungen in Einklang steht. 
Geringe, aber deutliche Zunahme bekamen wir für Cholesterin (für 
graue Substanz 0,013 Proz., relative Zunahme 12.3 Proz., für weiße 
Substanz 0,63 Proz., relative Zunahme 13,4 Proz... Als wenig ge- 
sichert betrachten wir die Zunahme für Lipoide des Alkolholauszugs 
(graue Substanz 0,32 Proz., relative Zunahme 13,4 Proz. ; weiße Substanz. 


192 M. Serejski: Einwirkg. d. Narkose auf d. chem. Zusammensetzung usw. 


0,27 Proz., relative Zunahme 6,1 Proz.), da die Methode ihrer Be- 
stimmung nicht als einwandfrei betrachtet werden kann. Die Zunahme 
der Cholesterine und ungesättigter Phosphatide ist in der weißen 
Substanz stärker als in der grauen. Dieser scheinbar paradoxale 
Befund — es hieß früher, daß Narkotica nur auf die Rinde einwirken — 
findet eine indirekte Bestätigung in den Versuchen von Nicloux und 
Frison!), daB nach langdauernder Narkose die weiße Substanz be- 
deutend mehr Chloroform enthält als die graue. 


Schlußtlolgerungen. 


l. Unter Einwirkung der C'hloroformnarkose ist bei Hunden eine 
Zunahme des Gehalts der Lipoidgruppen zu verzeichnen. 


2. Diese Zunahme betrifft sowohl die graue wie die weiße Substanz; 
für die Chholesterine und ungesättigten Phosphatide ist diese Zunahme in 
der weißen Substanz stärker als in der grauen. 


3. Die Zunahme des Gesamtstickstoffs ist in der grauen und weißen 
Substanz ganz unbedeutend, so daß man mit voller Sicherheit nur eine 


Abnahme auszuschließen berechtigt ist; man könne höchstens von einer 
Tendenz zur Zunahme sprechen. 


1) C. r. Soc. biol. 62. 


Über den Einfluß des Charakters der Nahrung 
auf die Prozesse der Synthese und Oxydation. 


Von 
Alexander Palladin und D. Ferdmann. 


(Aus dem Ukrainischen Biochemischen Institut zu Charkow.) 


(Eingegangen am 18. Januar 1927.) 
Mit 4 Abbildungen im Text. 


Der in Hinsicht auf das Vorherrschen von Kationen oder Änionen 
verschiedene Charakter der Nahrung setzt für den Ablauf dieser oder 
jener chemischen Prozesse im Tierorganismus verschiedene Bedingungen 
fest. 

Die in dieser Richtung von Abderhalden und Wertheimer (1) angestellten 
Untersuchungen zeigten, daß die Wirkung von Adrenalin und Insulin vom 
Charakter der Fütterung des Tieres abhängt. Futter mit Überwiegen von 
Anionen — saures Futter — ergibt günstige Bedingungen für die Wirkungen 
von Adrenalin, und ungünstige für die Insulinwirkungen, Futter mit Über- 
wiegen von Kationen (basisches Futter) hingegen wirkt in entgegengesetzter 
Weise. Bei saurem Futter nehmen, wie ihre Untersuchungen zeigen, die 
Alkalireserven des Blutes ab, während sie bei alkalischem Futter zunehmen. 
Bei der Untersuchung über den Einfluß des Charakters des Futters auf die 
synthetischen Prozesse im tierischen Organismus fanden Abderhalden und 
Wertheimer (2), daß Kaninchen zur Synthese von Mercaptursäure nur bei 
saurer Nahrung fähig sind, während bei basischem Futter diese Synthese 
überhaupt nicht stattfindet. 

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, den EinfluB von saurem 
und basischem Futter auf die Prozesse der Synthese und Oxydation 
zu untersuchen, die im tierischen Organismus ablaufen. Ausgehend 
von den vorläufigen Untersuchungen von A. Palladın und O. Fein- 
schmidt (3), welche fanden, daß der Charakter des Futters auf die 
Fähigkeit des tierischen Organismus, Phenol zu oxydieren, einwirkt, 
beschlossen wir, zur Entscheidung dieser Frage das Phenol als Unter- 
suchungsobjekt zu wählen. Aus den Berichten zahlreicher Autoren 
[Baumann und Preusse (4), Jonge (5), Tauber (6), Harry Dubin (7) u. a.] 
Wissen wir, daß nach Einführung von Phenol in den tierischen Organismus 
ein Teil von ihm oxydiert und ein anderer auf die Bildung paariger 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 13 


194 A. Palladin u. D Ferdmann: 


Verbindungen mit Schwefel- und Glycuronsäure verwendet wird, und 
ein dritter im Harn unverändert ausgeschieden wird, darum hielten 
wir auch das Phenol für unsere Untersuchungszwecke besonders ge- 
eignet; denn nach Injektion einer bestimmten Menge von Phenol bei 
dieser oder jener Nahrung und Bestimmung der hernach in gebundener 
und freier Form aus dem Organismus ausgeschiedenen Phenolmenge 
war es möglich, eine Vorstellung über die Fähigkeit des Organismus 
zur Oxydation und Synthese hinsichtlich des Phenols bei Futter von 
verschiedenem Charakter zu gewinnen. 

Gegenwärtig gibt es zwei Methoden zur kolorimetrischen Bestimmung 
des Phenolgehalts im Harn. Die erste Methode wurde im Jahre 1915 von 
Folin und Denis (8) (9) vorgeschlagen und wird zur Bestimmung sowohl 
des freien, wie des gebundenen Phenols im Harn angewendet. Sie beruht 
darauf, daß das sogenannte Phenolreagens mit Phenol und seinen 
Derivaten eine Blaufärbung gibt, die für kolorimetrische Bestimmungen 
geeignet ist. Vor der Bestimmung des Phenols ist die Harnsäure aus dem 
Harn zu entfernen, da auch sie mit dem Phenolreagens Blaufärbung gibt. 
Die zweite Methode zur kolorimetrischen Phenolbestimmung im Harn 
wurde 1920 von Weiss (10) vorgeschlagen; sie bestimmt bloß den allgemeinen 
Phenolgehalt. 


Da wir aber sowohl die Menge des freien wie des gebundenen 
Phenols getrennt zu bestimmen hatten und nicht bloß den Gesamt- 
gehalt an Phenol, wendeten wir die Methode von Folin und Denis an. 
und zwar um so lieber, als sie bei ihrer. Überprüfung ihre Genauigkeit 
und vollkommene Brauchbarkeit für die Beantwortung der von uns 
gestellten Fragen erwies. 

Die Untersuchung wurde an Kaninchen vorgenommen. Als saures 
Futter diente Hafer, als basisches Rüben, Kartoffeln und Möhren. 
Das Phenol wurde als 2proz. Lösung injiziert, und zwar 100 mg pro 
l kg. Vor Beginn der Injektionen wurden die Tiere 10 bis 12 Tage 
bei saurem oder basischem Futter gehalten. Innerhalb dieser Zeit 
wurde die normale Phenolausscheidung und der Anteil des freien und 
gebundenen Phenols im Verhältnis zum Gesamtgehalt des Harns an 
Phenol bestimmt. Die Injektionen erfolgten in Zwischenräumen von 
4 bis 8 Tagen, im Verlauf welcher sich die normale Phenolausscheidung 
wieder herstellte. Der Harn wurde alle 2 Tage gesammelt, und die 
Bestimmung des Phenols in diesen zweitägigen Portionen erfolgte 
nach der von Goiffon und Nepveuzx (11) modifizierten Methode von 
Folin und Denis. 

Hierzu wurden 20 ccm verdünnten Harns mit 2ccm 10proz. wolfram- 
saurem Natron und 2 cem ?/;,nH,SO, ausgefällt, das ausfallende Eiweiß 
wurde abfiltriertt. Zu 12 ccm des Filtrats wurden 10 ccm 2,5proz. ZnCl,- 
Lösung und 8ccm 20proz. Na,CO,-Lösung hinzugefügt. Auf diese Weise 


wurde die Harnsäure entfernt. Zur Bestimmung des freien Phenols wurden 
3cem des Filtrats (= Leem Harn) genommen, in ein Meßkölbchen von 


Einfluß des Nahrungscharakters auf Synthese- u. Oxydationsprozesse. 195 


50 ccm Inhalt gegossen und 1 ccm Phenolreagens, 20 ccm 20proz. Na,CO,- 
Lösung und Wasser zu 50 ccm hinzugefügt. Zur Bestimmung des freien 
und gebundenen Phenols wurden 3 cem des Filtrats zuerst mit l cem kon- 
zentrierter HCl unter 10 Minuten langem Erwärmen am Wasserbad hydro- 
Iysiert, worauf die Flüssigkeit in einen Meßkolben von 50 cem gebracht und 
auf die gewöhnliche Weise gefärbt wurde. Zum Vergleich wurden 2 ccm 
0,00911 Proz. Resorcinlösung genommen. Eine derartige Resorcinlösung 
färbt sich so intensiv wie eine 0,0lproz. Lösung von reinem Phenol. Die 
Standardlösung wird gleichfalls in einem Meßkolben von 50 ccm Inhalt 
durch Hinzufügen von 1 cem Phenolreagens, 20 ccm Sodalösung und Wasser- 
auffüllung bis zur Marke aufgefüllt. 


Gehen wir nun zur Besprechung unserer Versuchsprotokolle über. 
Bei Kaninchen Nr. 1 wurde dreimal die Nahrung gewechselt. Zuerst bekam 
es saures Futter (Hafer), dann basisches (Rüben, Kartoffel, Möhren 
und etwas Heu) und hierauf wiederum saures (Hafer). Beim Übergang 
von einer Futterform auf die andere wurde eine Unterbrechung von 
i bis 10 Tagen gemacht, innerhalb welcher das Kaninchen gemischte 
Nahrung (Rüben und Hafer) erhielt. 


Tabelle I. 
Kaninchen Nr. 1. Saures Futter. 
ES "Er NC HEEN || Gebundener 
| Gewicht Ham, | Menge | Menge " Vom ‘ Anteil des 
D | des | menge des ms | des ger 'Gesamt.| Ge» | injızierten nach der In» 
atum || Kanin- | von !jizierten bundenen phenol |bundenes Phenol | jektion aus» 
chens 2 Tagen Phenols, Phenols im Ham ` Phenol ‚im Ham ause | geschiedenen 
| im Harn ‚| gesch eden 1 Phenols 
| g ccm g | g | g Proz. | g Proz. g Proz. 
ES ) l 2 | | 
25. XII.) 3500 | 190 | — | 0,041 | 0.185 328 0 — =c — 
27. X1. 3400 | 230 | — i 0085 10313 | 21 : — — — '— 
299. XIL, 3420 | 120 ı — | 0,045 10167 | 27,0 ` — — — — 
31. XII. ' 3450 | 200 : — | 0,078 | 0,263 29,7 | | he 
2. L: 3470| up, — | 0,045 Im een 
4. L 3420 | 200 | — | 0,079 | 0,255 | 309 ao ae gs 
6. I. 3380| 190 | 0320 0050 0175| 285 © — — —  — 
8. E 3350 | 210 | — | 0,149 0.315 | — ,0,140 45,3 99,635 
10. 1.! 3330 | 115 , 0,320 | 0,039 GE 29,8 1 | — = 
12. 1.' 3350 | 160 0,129 | 0,258 | — 0,127 40,0 90 70.8 
1. | 3400 | 180 | — | 0,042 | 0.131 | 8320 | — | -— 0-1 
16. L 3500 | 130 0,320 | 0,039 | 0.125 | 312 o .- — 
18. L| 3450 | 318 | 0,165 | 0,357 | — ,0232 72,5 126 581 
20. 1350| 160 | — | 00 347 © — —:— — 
2, L 3520 | 200 | 0,320 | 0,066 | 0167 | BB T sa e e - 
4. 1. 3 — | 0112 | 0,208 | | 
E Eet E ME Irun 4,9 701523 
2%. L| 3550 | 250, — | 0,089 | 0,227. | 
2 I. 3550 | 220 — 10065 019. 845 nn 
IL LI — = == et Ber z See 2 E 
I. IL! 3700 | 275 | 0,320 | 0,0755 (na | 318 lie 
3. IL. 3650 | 150 |; — | 0123 | 0227| — , 0,107.334 85'804 
5 I| 3570 810 | — | 0o98 10280 | 350 i — — — 
Gu 8700 160 ı — | 0,052 0140] 370 — — — — 


196 A. Palladin u. D. Ferdmann: 


Aus dem Versuchsprotokoll (Tabelle I) ist zu ersehen, daß bei 
saurem Futter von dem normal im Körper sich bildenden Phenol 
27 bis 37 Proz., d. h. im Mittel ungefähr 30 Proz., auf gebundenes Phenol 
entfallen. 


Vom injizierten Phenol gelang es, im Harn 33,4 bis 72,5 Proz., 
d.h. im Mittel 46,6 Proz., wiederzufinden, wovon 52,3 bis 80,4 Proz. 
(im Mittel 66,1 Proz.) auf gebundenes Phenol entfallen. 


Vom 7. bis 16. Februar erhielt das Kaninchen gemischtes Futter 
(Rüben und Hafer). Am 16. Februar wurde es auf basisches Futter 
übergeführt (Rüben, Kartoffel, Möhren und etwas Heu). 


Aus der Tabelle II sehen wir, daß bei basischem Futter von der 
gesamten mit dem Harn unter normalen Verhältnissen (wenn Phenol 


Tabelle II. 


Kaninchen Nr. 1. Basisches Futter. 


| Gebundener 


Gewicht Harn» | Menge Menge . Vom Anteil des 
des menge | des in» es ge» | Gesamt« Ge» injizierten nach der In» 
Datum || Kanin, | von jizierten  bundenen | phenol |bundenes || Phenol jektion aus» 
chens 2 Tagen ` Phenols Phenols im Harn| Phenol |im Harn aus, geschiedenen 
im Harn | geschieden ||” Phenols 
g ccm g g g I Proz. | 8 Proz. g | Proz. 
18. II. | 3500 | 8301 — | 0.071 | 0238 | 298 te et 
20. II. || 3570 | 1050 — 0,052 | 0,223 23,3 — | — — | — 
22. II. || 3400 | 1030 - 0,059 | 0,208 | 28,4 — | — — | — 
24. IL | 3450 | 890 — | 0.067 | 0230 | 291 Dä CN CT 
26. II. || 3530 950 — 0,052 | 0,231 22,0 em e | =— 
28. II. || 3500 970 -— 0,068 | 0,240 28,3 — | — — | — 
2. II. | 3500 | 980 | 0,820 0,050 | 0,250 | 20,0 E E re 
4. III. | 3460 | 950 | — | 0,210 | 0,530 —  0,280| 87,5 | 0,160 | 57,1 
6. Ill. | 3500 870 — 0,065 | 0,265 24,5 — | — — | — 
8. III. | 3500 | 950 | 0,320 | 0,062 | 0,300 | 20,7 — | — - | — 
10. IIL. | 3500 | 900 — 0,220 | 0,508 — 0,208. 68.1 158 | 76,0 
12. I. | 3500 | 890 — 0,067 | 0,867 | 18,3 — | — — |- 


14. III. | 3470 | 970 | — | 0,069 | 0284 | 24,3 =|=] =|. 
16. ITI. | 3480 | 980 | 0,320 0,061 | 0,250 | 24,4 —|— | — | — 


18. III. | 3480 | 720  — | 0,116 | 0,417 TEE a li 
l 0.231) 72.0 109 | 47.1 
20. II. | 3500 | 830 > 0115 | 0315 
22. LI. | 3500 870 = 0,052 | 0,283 18,4 — | — — |- 
24. III. 3500 | 1100 0.320 0.050 | 0.259 19.3 ZE) ef? Sall e 
26. III. | 3450 | 1050 e 0,195 | 0,480 — 0,221) 69,0 | 0,145 | 65,6 
28. III. 3420 950 ege 0.060 | 0.260 23.4 un WE ct TE 
30.11. 3400 900 | 0.320 | 0.046 | 0.225 24,0 Ge 5 — | — 
I. KV, 3400 | 1030 gi 0,188 | 0,402 0.177! 55.3) 0.142 | 80,2 


SAV. 3400 870 a 0,080 | 0,290 
5. IV. 3400 570 | 0,320 | 0,058 | 0,235 24,7 — | — — | — 


7.IV. || 3370 | 670 Zei 0.116 | 0.444 _ 0.209: 65,3 | 0,058 | 27,7 
HIN. 3400 870 = 0,106 | 0,390 27,1 — | — — |— 
11. IV. | 3370 | 500 — 0,053 | 0,277 | 19.1 le — |1] 


Einfluß des Nahrungscharakters auf Synthese- u. Oxydationsprozesse.. 197 


nicht injiziert wurde) ausgeschiedenen Phenolmenge 19,1 bis 29,8 Proz., 
d.h. im Mittel 23,7 Proz., als gebunden ausgeschieden wurden. Von 
injizierttem Phenol kamen mit dem Harn 55,3 bis 87,5 Proz., d.h. im 
Mittel 69,5 Proz., zur Ausscheidung, wovon 27,7 bis 80 Proz. (im Mittel 
58,3 Proz.) auf gebundenes Phenol entfallen. 

Vom 11. bis 17. April befand sich das Kaninchen auf gemischter 
Nahrung, am 17. April wurde es wiederum auf saures Futter über- 
geführt. 

Aus der Tabelle III sehen wir, daß bei saurem Futter die Menge 
des gebundenen Phenols von der gesamten in der Norm ausgeschiedenen 


Phenolmenge sich wiederum auf 25,5 bis 40,3 Proz. erhebt und im Mittel 
29,3 Proz. erreicht. 


Tabelle III. 


Kaninchen Nr. 1. Saures Futter. 


Gebundener 


Gewicht Harn- Menge Menge , f Vom Anteil des 
es menge | des in, des ge» | Gesamt» Ge- injizierten nach der In» 

Datum Kanin» von | jizierten bundenen | phenol |bundenes | Phenol jektion aus» 

chens Z’Tagen | Phenols | Pbenols |im Harn | Phenol ||im Harn aus» geschiedenen 

im Harn geschieden Phenols 
g ccm g g g Proz. g Proz. g Proz. 

19. IV. | 3200 | 150 — 0,0385 0,139 25,9 u | = 
21. IV. 3200 | 300 0.041 0.161 25.5 Es e Een 
23.IV. | 3150 | 170 — | 0,047 | 0,156 | 30,1 = 
20. IV. | 3120 | 180 — 0.049 | 0,156 31,4 wem e 
27.1V. 3100 220 0.320 0.040 0.150 26.6 — 
29, IV. 3050 `. 300 0,100 | 0,240 — 0,090 | 28,1 || 0,060 | 66,6 
say; 3020 | 260 0,045 | 0,145 31,0 - 
3. V. || 3020 | 180 | 0,320 | 0,037 | 0,135 21,5 - — 
Di 3000 250 Se 0,126 0,257 0,122 | 38,1 | 0,089 | 67,4 
NN: 3000 | 220 emm 0,080 | 0,132 21,3 
d V. 3000 | 200 | 0,320 | 0,048 | 0,152 31,9 - 
11. V. © 3000 | 240 — 0,119 0,238 0,086 26,9 | 0,071 | 82,6 
15. V. 3000 | 210 | 0,820 | 0,063 — 0,156 40,3 
15. V. 3000 240 ege 0.110 0.217 — 0.061 | 19.0 0.047 77,0 
17. V. | 3000 | 220 — 0,048 0,152 | 315 - — 


Vom injizierten Phenol gelingt es, im Harn nur einen geringen Teil 
zu finden, und zwar von 19 bis 38,1 Proz. (im Mittel bloß 28 Proz.), 
wovon 66 bis 82,6 Proz. (im Mittel 73,4 Proz.) auf gebundenes entfallen. 


Aus diesem Versuch mit dem Kaninchen Nr. l sehen wir, daß bei 
saurem Futter ein größerer Teil des Phenols in gebundener Form aus- 
geschieden wird (29 bis 30 Proz.) als bei basischem Futter, bei welchem 
23,7 Proz. vom Gesamtphenolgehalt in gebundener Form ausgeschieden 
werden. Bei Phenolinjektion wird bei saurem Futter prozentual viel 
weniger injiziertes Phenol ausgeschieden (28 bis 46,6 Proz.) als bei 


198 A.Palladin u. D. Ferdmann: 


basischem (69,5 Proz.) (vgl. Abb. 1); mit anderen Worten, es ist an- 
zunehmen, daß bei saurem Futter der Organismus die Möglichkeit 
besitzt, mehr Phenol zu oxydieren als bei basischem. Andererseits 
erweist sich bei saurer Fütterung vom nach der Injektion ausgeschiedenen 
Phenol prozentual eine größere Menge als gebundenes Phenol, als bei 


Freies Phenol 
Saures Futter. Basisches Futter. Saures Futter. 
Abb. 1. Kanincben Nr. 1. 


basischer Fütterung. Mit anderen Worten, saures Futter begünstigt 
sowohl synthetische Prozesse (die Synthese paariger Phenolverbindungen) 
als auch Oxydationsprozesse (Oxydation des injizierten Phenols). 
Beim Kaninchen Nr. 2 wurde ebenfalls dreimal das Futter gewechselt. 
Es bekam zuerst basisches, dann saures und dann wiederum basisches 
Futter. | 
Tabelle IV. Kaninchen Nr. 2. Basisches Futter. 


Gebundener 

| Gewicht! Harns | Menge | Menge | ,_ Vom teil des 

D des menge | des ins des ge» |Gesamt-| Ges | injizierten | nach der Ins 
atum | Kanin- | von |jizierten | bundenen | phenol |bundenes Phenol jektion auss 
chens |2 Tagen | Phenols Phenols (um Harn | Phenol "`. im Ham aus» geschiedenen 

| | im Harn ' geschieden | Phenols 
Ea 1 H ` cem g g g | Proz. | g „Proz. 8 | Proz. 
31. XIT." 2650! 720 — | 0,052 | 0,192 27,0 | SEN 
2. I| 2620 | 770 — | 008 |0147! 20 | — |- — — 
4. 1. 2620 ; 700 , — , 0,948 |0192: 25,0 In 
6. I., 2650 | 785 i 0,260 | 0,033 017° 24 — — —|— 
8. I.' 2700 , 575 — . 0,110 08312 — 0,165 63,5' 0,077 40,6 
10. L! 2700 | 785 | 0.260 | 0,033 017 2A, la — — 
12. 1. 2700 on  — | 0,050 ; 0295 — ‚0,148 | 56,9 10,017 6.5 
14. L| 2660 | 775 : — ` 0,025 TI 0,120 200 ine — 
16. 1.) 2750 | 685 0,260 | 0,033 | 0147| 24 —;— — | — 
18. L 2730 | 750 — 0112 | 0,263! — 0,116 44,6 0,079 68.1 
20. 1., 2680 | 750 ` — | 0,042 | 0,156 26,9 — |=! = —_ 
22. Iy 2670 ; 750 0,260 | 0,050 | 0,178 | 280 — | — = — 
24. L 2700 | 850 — i 0,056 | 0,278! — '0,100j38,41/0,006 6,0 
26. I. 2700, 800 — ' 0042 |0156; 269 —|— — — 
28. Li 2700, 830 0.260 | 0,036 | 0,147 24,5 — |=; o — 
a L 2750| — | 0050 |0,270| — 012814730014 114 
1. H 2700 , 825 _ 0,039 | 0,146 ` 26,7 Se EE a E 
3. I. 270 570  — ,0035 | 0151 | 231 ale ee Gees 


Einfluß des Nahrungscharakters auf Synthese- u. Oxydationsprozesse. 199 
Aus der Tabelle IV sehen wir, daß bei saurem Futter von dem im 
Körper gebildeten und mit dem Harn zur Ausscheidung kommenden 
Phenol 20 bis 27 Proz., d. h. im Mittel 24 Proz., gebunden sind. 
Vom injizierten Phenol wurden aus dem Organismus 38,4 bis 63,5 Proz., 
d. h. im Mittel 50,0 Proz., ausgeschieden, und von diesem waren im Mittel 


26,5 Proz. gebunden. 


Vom 11. bis 16. Februar erhielt das Kaninchen gemischtes Futter 
(Rüben und Hafer), worauf es auf saures übergeführt wurde (Hafer). 


Tabelle V. 
Kaninchen Nr. 2. Saures Futter. 

RG | | © | = | Gebundener 

!Gewicht! Ham» ek Menge Menge ` | , Vom Anteil des 
Ss des menge | des ins des ge» | Gesamt» ı Ge ‚ injizierten nach der Ins 
tum | Kanin- | von | jizierten bundenen. phenol !bundenes eno jektion aus» 
| chens |2Tagen Phenols Phenols 'im Ham ` Phenol ‘im Ham auss  geschiedenen 

| im Harn | | | geschieden Phenols 
A g | ccm g ` e d 8 | Proz. | D g |Proz. e | Proz. 
` SG GE Br | 

18. I. 2750; 70' — 0055 0141 390 — —-"— | —- 
2. IL. 2700) 50 Mä 0,113, 395 — — — e 
2.1. 2700: 45| — 0087 0107 346 — — —i— 
2. IL 2730; 65 | — 0,050 0138 362 —  — — — 
26. I. 2750| 45 — | 0,042 0,114 368 — — — — 
an 2730|) 50; — 0042 in 3882 — ——|— 
2 10. 2750| 65 : 0,260, 0,047 | 0,147 320 — —| — | — 
U 2750| 75, — 0125 0250 — 0,108 40,0 0,078 | 75,7 
Im 2800 35  — 0020 ng, 322 — — =| — 
8. UI. 2800 | 110 | 0260 0,072 020° 36,0 — — —- |1- 
10. I1. 2800| 70 | — 0155 ı 0295, — 0,095 86,5 0 ‚088 | 87,4 
12.10. 2800 | 55 006 0,156! 39m 
4.10. 2800 | 100 | — 008 0100| 317  — — | — 
16.11. 2800 | 40 | 0,260 0,042 0,138 | 30,4  — re 
18.11. 2800 | 5 | — 0067 0,143; — = = = 
2. II. | 2800 | 110 ; — 002 0191| — an g EA 
2.11. 2750 | 55 Ä 0,047 0147| 320 — — —  — 
24. 2750 | 70 ` 0,260 0,047 0,147 | 32,0 = =; 
26, II. 2750 65. — 0122 0250 | = 0,108 40,0 0,075 | 72,8 
wm 2750 60 j — ; 0041 0119| 34 —|— | 
30.1. 2770 90 | 0,260 0,042 0,119: 353 —ı—, — | — 
Li 2760| 115 | — 015 0,217 — (ug 37,7 0,073] 74,5 
3.IV. 2780| 65 ı — 0,064 0,164 390 | — — — — 
AV 2770| 95 | 6,260 (unt 0,149, 34,2 a 
(hr 2800 | 70| — wä än — wm A4 10,068 | 62.4 
nr 2770| 65 | — 0,058 On 3,6 — — —j|— 
1. IV. 28001 55 | MÉ '0,132| 373 — ln 


Die Tabelle V zeigt, daß hier von dem im Organismus des Kaninchens 
gebildeten Phenol auf das gebundene 30,4 bis 39,5 Proz. (im Mittel 35,5 Proz.) 


entfallen. 


Vom injizierten Phenol kamen mit dem Harn bloß 36,5 bis 41,1 Proz. 
(im Mittel 39 Proz.) zur Ausscheidung, wovon 62,4 bis 87,4 Proz. (im Mittel 


14,5 Proz.) gebunden waren. 


200 A.Palladin u. D. Ferdmann: 


Vom 11. bis 17. April bekam das Kaninchen gemiscohtes Futter, worauf 
es wiederum auf basisches übergeführt wurde. 

Aus der Tabelle VI ist zu ersehen, daß bei basischem Futter die Fähig- 
keit, das im Organismus gebildete Phenol zu binden, herabgesetzt ist und 
die Menge des gebundenen Phenols bloß 15,3 bis 28,1 Proz. (im Mittel 
24,9 Proz.) beträgt. 


Tabelle VI. 
Kaninchen Nr. 2. Basisches Futter. 


i | i Gebundener 


Gewicht! Harns | Menge | Menge teil des 
des | menge | d E des ge» ann; in ge Fer der in» 


Datum | Kanin- | von | jizierten | bundenen pbsnol 


|| chens |2 Tagen | Phenols gi im Han PPh benol =: Harn au aus- schiedenen 
am Phenols 
a a Cre 
19. IV. | 2800 am — i 6023 | 01150: 15,3 — Ke ege Zeg 
21. IV. | 2800 | 500 — 0050 [018 280 in — 
23. IV. | 2800 | 650 , — j 0,061 | 0,222 MU — = Ve 
25. IV. | 2800 | 500° — | 0,045 |0160! 2381 II -— 
27. IV. || 2850 | 520 | 0260 0,043 0160 27,0 — is = 
29. IV. || 2800 | 600 | — ' 0,081 0886 — 0,226 86,9 0,038 16,7 
1. v. | 2850 | 660 | — | 0,043 0,185 | 232 :— ` — | Bei 
3. v || 2800 | 670 | 0,260 ' 0,085 | 0,166 | 24 | 

5. v. || 2850 | 480 | — | 0,067 : 0,36 | — H 91,2':0,032' 139 
7. V. | 2870 | 520 | — | 0,048 0185| oni Ces 
voan | 730 | 0,260 0,040 | 0,200 200 e — 
11. V. | 2850 | 650 |! — ' 0,076 téit — .0,210'81,8 0,036 17.1 
13. d 2850 | 690 020 | 0,034 | 020 17,0 "e  —'— — 
15. V. | 2850 | 600 | — 0,055 , 0,852 —  0,152|58,5 0,021 13,8 


Im Harn gelingt es, vom injizierten Phenol 52 bis 91,2 Proz., im Mittel 
79,6 Proz., zu finden, wovon bloß 13,8 bis 17,1 Proz., im Mittel 15,3 Proz. auf 
gebundenes entfallen (Abb. 2). 


freies Phenol Gebund Phenol 


Basisches Futter. Saures Futter. Basisches Futter. 
Abb. 2. Kaninchen Nr. 2. 


Analoge Resultate wurden an anderen Kaninchen erhalten, denen 
saures oder basisches Futter verabreicht wurde. Beiliegend werden die 
Protokolle zweier solcher Versuche gebracht. 


Einfluß des Nahrungscharakters auf Synthese- u. Oxydationsprozesse. 201 


Tabelle VII. 
Kaninchen Nr. A Basisches Futter. 


|| Gebundener 


bundenen! Phenol | bundenes henol 


Gewicht| Harn- | Menge Anteil des 
des | menge | des I des ge: ‚Gesamt:| Ge injizierten | nach der Ins 


Datum  Kanin- | von |jizierten jektion aus» 


Phenols Ire Harn! Phenol 


chens |2 Tagen | Phenols | im Harn hie geschledenen 
EEE e g g Proz. ı g Proz. 
21.1V.| 2850 750 | — | 0,032 | 0,217 ae f 
iv 2850 700 | — | 0041 | 0.97 lt 
ob, 2830 ı 870 | — | 0,038 | 0210 = I 
27.IV.! 2850 ` 760 | 0,280 | 0,034 | 0,227 — | — 
29.1V. | 2850 | 800 | — 0,070 | 0,500 086 | 13,2 
1. V. | 2870 820 | — | 0,038 | 0,208 ie 
3. V.| 2870 . 820 | 0,280 | 0,022 | 0,200 | 110 | — | — | — | — 
5. V. 2850 720 | — | 0,085 | 0,400 | 0,200 | 68,5 || 0,063 | 31,5 
ve — | 0,043 |0195! 20 | — ll 
9. V` 2850 700 | 0,280 | 6,050 0220 | 227 
11. V." 2870 | 600 | — | 0,092 | 0,430] = 0,210 | 75,0! 0,042 | 20,0 
13. V. 2870 650 | 0,280 | 0,040 | 0,200 | 20,6 
15. v. 2870 | 550 | — mn |040] — 0,200 Se 15,0 
17. V. 2860. 700 | — "omg joa | 27 | - |- — |- 


Aus der Tabelle VII ist zu ersehen, daß beim Kaninchen Nr. 4 von dem 
bei basischem Futter im Organismus gebildeten Phenol auf gebundenes 11 
bis 27,7 Proz. (im Mittel nur 18 Proz.) entfallen. Vom injizierten Phenol 
wurde ein großer Teil, 68,5 bis 97,5 Proz. (im Mittel 77,3 Proz.), mit dem 
Harn ausgeschieden. Gebundenes Phenol findet sich in ihm aber nur wenig, 
13,2 bis 31,5 Proz., im Mittel 19,9 Proz. 


Tabelle VIII. 
Kaninchen Nr. 5. Saures Futter. 


M | ! Gebundener 

Ge Harn» | Menge d enge Vom | Anteil des 

menge ! des in» es ges | Gesamt» Ges injizierten i| nach der In- 

Datum ' bundenen | Phenol | bundenes . Pheno jektion aus» 
im Harn | Phenol |im Harn sec 


Phenols 
chens |2 Tagen! Phenols | A Harn ‚geschiedenen 


geschieden Phenols 
g Proz. g Proz. g 1 Proz. 


| Kanin- von jizierten 
I 
| 


I 


een zen ' g | e e 
mn. 2500 | 160 | — | 0,044 0,109 | 40,4 | EEN 
Lv 2500 | 120 Fon omg 30,0 | oo TI 
3. V. 2500 | 140 | 0,260! 0,028 wm Ouni | — 
ð. V.” 2500 | 130 | — | 0,86 0,166 — 110,066 25,40,058 187,8 
7. V. 2470 Í 170 — vum nım: 320 | I" — z = 
9. v. 2450 | 130 | 0,260 | 0,028 oun j 29,5 Les? 

nr 2450 150: — | 0,08 wg — dk 27,4 Kies 
13. V.’ 2400 | 135 | 0,260 | 0,030 | 0,085, 352 n 

15. V. 2400 | 150  — | on 0,106. — "om 31,1" Kol 74, 
17. V., 2400 | 140 | — ; 0,028 0,085 329 | — — 


202 A. Palladin u. D. Ferdmann: 


Die Tabelle VIII zeigt, daß beim Kaninchen Nr. 5 bei saurer Nahrung 
vom im Körper gebildeten Phenol auf gebundenes 28 bis 40 Proz. (im Mittel 
31,6 Proz.) entfallen. Vom injizierten Phenol gelang es, im Harn 25,4 bis 
31 Proz. (im Mittel 27,6 Proz.) zu finden, wovon 86,6 Proz. gebunden waren 
(Abb. 3). 


E 

Freies Phenol Gebund. Phenol 

Basisches Futter. Saures Futter. 

Kaninchen Nr. 4. Kaninchen Nr. 5. 
Abb. 3. 


Alle diese Resultate zeigen, daß bei saurem Futter die Bedingungen 
zur Oxydation des Phenols im Organismus des Kaninchens günstiger 
sind als bei basischem Futter. Bei saurem gelingt es, vom injizierten 
Phenol im Harn 46,6 bis 28 Proz. zu finden. Bei basischem Futter 
ändern sich diese Bedingungen. Hier sind die Bedingungen für die 
Oxydation des Phenols weniger günstig, und vom injizierten Phenol 
gelingt es, im Harn 50 bis 79,6 Proz. aufzufinden. Was den Einfluß 
des Futters auf die Prozesse von Synthese gepaarter Phenolverbindungen 
anbelangt, so sprechen auch hier die Resultate dafür, daß bei saurem 
Futter die Bedingungen zum Zustandekommen von synthetischen Prozessen 
günstiger sind als bei basischem. Bei ersterem schwankt die Menge 
des ausgeschiedenen injizierten Phenols im Mittel zwischen 66,1 bis 
86,6 Proz., während bei letzterem seine Menge herabgesetzt ist und im 
Mittel 15,4 bis 58,3 Proz. beträgt. 

Diese bei basischem Futter verringerte Fähigkeit des Organismus. 
paarige Phenolverbindungen zu synthetisieren, ist deutlich an den 
Tagen zu erkennen, an welchen Phenol nicht injiziert wird und wir die 


freies Phenol Gebund. Phenol 


Basisches Futter. Saures Futter. Basisches Futter. 
Abb. A Kaninchen Nr. 2. Spontane Phenolausscheidung. 


Einfluß des Nahrungscharakters auf Synthese- u. Oxydationsprozesse. 203 


Menge des im Organismus gebildeten und mit dem Harn ausgeschiedenen 
Phenols bei dieser oder jener Nahrung bestimmen. Wir sehen, daß in 
diesem ‚spontan‘ ausgeschiedenen Phenol bei basischem Futter auf 
das gebundene Phenol ein geringerer Prozentsatz entfällt (18 bis 24 Proz.) 
als bei saurem Futter (29,3 bis 35 Proz.) (vgl. Abb. 4). 

Auf diese Weise zeigt es sich, daß saures Futter im Organismus 
bessere Bedingungen schafft, sowohl für die Prozesse der Bindungen von 
Phenol, d. h. der Synthese gepaarter Verbindungen (und möglicherweise 
auch für andere synthetische Verbindungen im Organismus), wie auch 
für die Oxydationsprozesse des in den Körper eingeführten Phenols. 


Zusammenfassung. 


l. Bei der Bestimmung des im Harn von Kaninchen bei saurem 
und basischem Futter enthaltenen Phenols zeigte es sich, daß bei 
saurem Futter eine prozentual bedeutend größere Menge gebundenen 
Phenols ausgeschieden wird als hei basischem Futter. 

2. Bei der Injektion von Phenol bei ‚sauren‘ und ‚basischen‘ 
Kaninchen in gleicher Dosis gelingt es, im Harn Phenol in nicht gleicher 
Dosis wiederzufinden; bei saurem Futter kommt stets ein geringerer 
Prozentsatz des injizierten Phenols zur Ausscheidung als bei basischem ; 
mit anderen Worten, bei saurer Nahrung oxydiert ein größerer Teil 
von Phenol als bei basischer. 

3. Bei ‚sauren‘ und , basischen“ Kaninchen bestehen in dem 
nach der Injektion ausgeschiedenen Phenol zwischen dem freien und 
gebundenen Phenol nicht die gleichen Verhältnisse. Bei sauren 
Kaninchen findet sich gebundenes Phenol stets in größerer Menge als 
bei basischen. 

4. Die Untersuchungen zeigen demnach, daß saures Futter im 
Organismus günstigere Bedingungen sowohl für die Prozesse der 
Synthese (Synthese paariger Phenolverbindungen), wie auch für die 
Prozesse der Oxydation des injizierten Phenols schafft. 


D 


Literatur. 


l) Abderhalden und Wertheimer, Pflügers Arch. 203, 439, 1924. — 
2) Dieselben, ebendaselbst 207, 213, 1925. — 3) A. Palladin und O. Fein- 
schmidt, Journ. f. exper. Biol. u. Med. 1925, Nr. 1 (russisch). — 4) Baumann 
und Preusse, Zeitschr. f. physiol. Chem. 8, 156, 1879. — 5) Jonge, ebendaselbst 
8, 177, 1879. — 6) Tauber. ebendaselbst 2, 366, 1878. — 7) Harry Dubin, 
Journ. of biol. Chem. 26, 69, 1916. — 8) Folin and Denis, ebendaselbst 22, 
305, 1915. — 9) Dieselben, ebendaselbst 11, 323, 1912. — 10) Weiss, diese 
Zeitschr. 110, 258, 1920. — 11) Goiffon et Nepveux, Ber. über d. ges. Physiol. 
u. exper. Pharm. 24, 1925. 


Über physiologische Acidität von Ammoniumnitrat. 


Von 
D. Prianischnikow. 


(Aus der landwirtschaftlichen Akademie Petrowsko-Rasumowskoje, Moskau.) 


(Eingegangen am 18. Januar 1927.) 


Bei unseren früheren Versuchen haben wir mehrfach beobachtet, 
daß das Ammoniak von den Pflanzen viel schneller aufgenommen wird 
als Salpetersäure; auch die Bildung von organischen Stickstoff- 
substanzen auf Kosten von Ammoniak geht viel energischer vor sich. 
wenn man nur die negativen Nebeneinflüsse ausschließt, wie z. B. die 
schädliche Wirkung von starken Säuren, welche das Ammoniak in 
solchen Salzen, wie NH,Cl oder (NH,),SO,, begleiten. 

Eine sehr bequeme Form, um die Aufnahme von NH, und HNO, 
zu vergleichen, ist Ammoniumnitrat. Die erste Bekanntschaft mit 
den physiologischen Eigenschaften dieses Salzes haben wir noch bei 
unseren Phosphatstudien in den Jahren 1900 bis 1901 gemacht, indem 
wir konstatiert haben, daß unter dem Einfluß von NH, NO die schwer- 
löslichsten Phosphate für alle Pflanzen zugänglich werden; diese Tat- 
sachen wurden im nächstfolgenden Jahre durch die Kultur in sterilem 
Medium und durch die Methode der isolierten Ernährung bestätigt!). 

Es erwies sich also, daß NH,NO, als physiologisch saures Salz zu 
betrachten ist. 

Im Anfang haben wir die Frage gestellt, ob es nicht richtiger wäre, 
in diesem Falle von einer physiologischen Amphoterität zu sprechen. 
da in unseren Versuchen, wie auch in denen von Mazé und Kossourtsch, 
die Anwesenheit von basischen Substanzen im Nährmedium?) eine 
beschleunigende Wirkung auf die Aufnahme von Ammoniak ausüben 
konnte; aber es erwies sich später, in den Versuchen von Schulo, 
welche in unserem Laboratorium ausgeführt wurden, daß die Mais- 
pflanzen auch in Anwesenheit von KH,PO, aus NH,NO, mehr NH, 


1) Vgl. die Mitteilungen des Verfassers in den Landw. Versuchsst. Aë. 
132; 65, 45. 

2) Wie Ca,(PO,). CaCO, und Fe(OH). Vgl. Ann. de l’Inst. Pasteur 14; 
Journ. f. exper. Landw. o, 1904. 


D. Prianischnikow: Physiologische Acidität von Ammoniumnitrat. 205 


als HNO, aufnehmen!). Bald darauf haben wir bei etiolierten Keim- 
lingen einen viel schnelleren Gang von Asparaginsynthese beobachtet, 
wenn den Pflanzen (Zea Mays und Vicia sativa) NH,Cl und CaCO, 
dargeboten wurde, als wenn Ca(NO,), als Stickstoffquelle diente?). 


Später (1923) sind wir wieder zum Studium der physiologischen 
Eigenschaften von NH,NO, zurückgekehrt, da die Fortschritte in der 
Methodik jetzt besser als früher gestatteten, die Veränderungen der 
Reaktion und der Zusammensetzung der Lösungen in kleineren Zeit- 
intervallen zu verfolgen. 


Dabei konnten wir uns überzeugen, daß die physiologische Acidität 
von NH,NO, noch stärker ausgeprägt ist, als wir früher dachten. 
Die etiolierten Keimlinge, auf 0,001 n Lösung von NH,NO, gezogen, 
nehmen NH, so begierig auf, daß man nach wenigen Tagen statt der 
Anfangsgröße pa = 7,0 die Größen 3,7 bis 3,9 bekommt; bei kurz- 
fristigen Versuchen unterscheidet sich in dieser Hinsicht NH,NO, 
kaum von NHCl. Die bei vollem Licht gezogenen stärkeren Pflanzen 
(20 bis 30 Tage alt), in eine Lösung von NH,NO, gebracht, können 
schon nach 2 bis 3 Stunden das pu der Lösung merklich herabdrücken. 
In diesem Falle verhalten sich die Leguminosen ebenso wie die Gramineen, 
wie z.B. aus folgenden, von Domontowitsch und Dratschew erhaltenen 
Resultaten zu ersehen ist?). 


Alter Dauer des Aufgenommen 
der Pflanzen Versuchs (in Proz. von gegebener Menge) 


I vor nach 
Tage ` Stunden dem Versuch dem Versuch NH; | HN O, 


Versuche mit Erbsen. 


20 2 | 5,4 4,8 7,7 0*) 

20 4 l 5,4 4,8 33,7 0 

30 3 | 6,4 ON 61,5 19,3 
Versuche mit Hafer. 

22 Ä 2 5,8 4,8 27,9 5,0 

14 2 6,4 6,2 | 18,3 0 usw. 


*) Die Konzentration von NH, N OzsLösung war verschieden (0,0002 bis 0,001 n). 

!) Wenigstens in jüngeren Entwicklungsstadien; in späteren Stadien 
bleibt selbstverständlich den Pflanzen nichts anderes übrig, als mehr 
Salpetersäure aufzunehmen, wenn die Menge von eingeführtem NH,NO, 
nicht übermäßig groß ist. Vgl. Schulow, Sterile Kulturen der höheren Pflanzen 
und Methode der isolierten Ernährung, 1912 (russisch); vorläufige Mit- 
teilung in den Berichten der Deutsch. Bot. Gesellschaft Bd. 13. 

?) Ergebnisse der Vegetationsversuche 9, 1914 (russisch); Landw. 
Versuchsst. 99, 267 ; Ergebn. d. Biol. 1, 411. 

?) Vgl. Prianischnikow and Domontowitsch, Problem of a proper nutrient 
medium (Soil Science 21, 341). 


206 D. Prianischnikow: 


In Summa können wir aus allen bei uns ausgeführten Versuchen 
schließen, daß in der Regel das Ammoniak viel schneller aufgenommen 
und zur Synthese ausgenutzt wird als Salpetersäure. 


Nun gibt es aber Fälle, in welchen eine Abweichung von dieser 
Regel vorzuliegen scheint. 


Solche Fälle waren auch bei uns vorhanden; in der Literatur ! - 
können wir auf die Arbeit von Pantanelli!) hinweisen, welcher bei den j 
älteren Keimlingen von Vicia faba und Cicer arietinum eine größere 
Aufnahme von HNO, gegen NH, beobachtete. 


Auf Grund unserer früheren Versuche mit NH, OC und (NH,),S0, 
dachten wir schließen zu können, daß auch im Falle von NH,NO, 
das Endresultat von solchen Umständen abhängen muß, wie Ernährungs- 
zustand der Pflanzen und Reaktion des Mediums, eventuell auch die 
Konzentration der Ammoniaksalzlösung. 


Zuerst haben wir die Versuche über den Einfluß von NH,NO, 
in verschiedenen Konzentrationen auf die Pflanzen mit verschiedenem 
Kohlehydratvorrat angestellt; dazu wurden zum Teil grüne Pflanzen 
genommen, zum Teil etiolierte Keimlinge von verschiedenem Alter, 
also mit abnehmendem Kohlehydratvorrat. 


Solche Versuche mit Erbsen und Hafer wurden auf unsere Ver- 
anlassung von Fr. Skossyrewa im Jahre 1926 ausgeführt. Die Pflanzen 
wurden zuerst in Leitungswasser kultiviert, dann einen Tag vor dem 
Versuch in destilliertes Wasser übertragen. Unmittelbar vor dem 
Versuch wurden die Wurzeln mit destillierttem Wasser abgespült und 
dann jede Gruppe der Pflanzen in etwa 200 ccm NH,NO,-Lösung 
von bestimmter Konzentration eingesetzt. 


In Serie I der Versuche mit grünen Erbsenpflanzen von drei- 
wöchigem Alter wurden folgende Resultate gewonnen. 


1. Versuch. 
(Dauer 2 Stunden; Zahl der Pflanzen 30.) 


Konzentration der NH, N O;,»Lösung: 0,1 0,01 0,001 n 
ect f als NH; . || 51,0 8,2 1,1 mg 
Stickstoff aufgenommen | 

lalsHNO,. 22,0 6,0 0,74 „ 
Dasselbe in Proz. von | NH; 18,7 | 30,1 40,0 Proz. 
gegebenen Mengen | HNO. .. 8,0 22,0 272: ; 


1) Über Ionenaufnahme. Jahrb. f. wissensch. Bot. 1915. 


Physiologische Acidität von Ammoniumnitrat. 207 


2. Versuch. 
(Mit denselben Pflanzen; Dauer 4 Stunden.) 


Konzentration der NHANO,-Lösung: d 0,1 0,01 KS 0,001 | 0,0001 n 
= 2 i | T] a SE aS, 
IR | als NH, i 46,6 6,9 1,7 0,25 mg 
Stickstoff aufgenommen | als HNO,. | gn | 22 0,8 025 . 
Dasselbe in Proz. von | N H; e o | 18,6 | 27,8 67,6 100 Proz 

gegebenen Mengen HNO...) 32 HR 32,0 100 „ 

8. Versuch. 
(Mit denselben Pflanzen; Dauer 6 Stunden.) 

u _ Konzentration der NHANO;rLösung: | m | 0,01 | 0,001 = 0,0001 n 
TT fals NH È mä | 25 14 | 0226 me 
Stickstoff E ala HNO, f | 4, D 2,0 1,24 0,226 R 
Mahe a Piz aen | Nis... 410 | 332 op 10N Proz. 

gegebenen Mengen (HNO3... 1,7 8,8 54,8 100 , 


Es haben also die assimilierenden Erbsen bei den Konzentrationen 
0.00ln bis 0,ln regelmäßig mehr NH, als HNO, aufgenommen; bei 
schwächerer Konzentration (0,0001n) wurde während des Versuchs 
die gesamte Menge des gegebenen Stickstoffs verbraucht, darum konnte 
keine Differenz zwischen den Mengen des aufgenommenen NH, und 
HNO, beobachtet werden. 

Serie II. Junge etiolierte Erbsenkeimlinge. Diesmal wurden die 
Versuche mit etiolierten Erbsenkeimlingen ausgeführt, aber mit solchen, 
welche noch nicht viel Stärke verbraucht haben; darum wurden die 
Pflanzen nur 5 Tage auf Leitungswasser in der Dunkelheit gezogen. 
dann ebenso, wie oben beschrieben, zum Versuch gebraucht. 


1. Versuch. 
(Dauer 2 Stunden; 50 Pflanzen.) 


| Konzentration: 02 | o | on | on 
-— e ve eme Esseg gees SE ee Ce aa Së: Ss 
Stick NH... 16,0 55,2 d 1, 18mg 
Stickstoff nennen | HN O; ER 8,0 21,9 | 3,9 o ‚57 8 
T EE 30 | 207 , 368 |44,3Pruz. 
LHNO. oo 22.0... 15 nä | 149 |213 , 
2. Versuch. 


(Dauer 6 Stunden; dieselben Pflanzen.) 


_ e — am 


| Konzentration | 0,2 0.1 | 0,01 i 0, oora n 


= = 
t 


NH, ... 24,0 18,7 1. Sr 
Stickstoff aufgenommen | HNO; | 160 | 43.0 | 24 | Ou EE 
fg EN, ea ea A | 4,5 29,6 53,0 | 56,0 E 
VHN E CEET | 30°, 161 187 334 „ 


208 D. Prianischnikow: 


3. Versuch. 


(Dauer 4 Stunden; frische Pflanzen.) 


Konzentration: I ou | om | ` om e 
Geen 606 | 140 137mg 
Stickstoff aufgenommen | HND, E | 24.0 43 0.82 „ 
ae Bi Se EE 22.4 52,1 51,6 Proz. 
AHN Ore Ae ee ae | 9.0 16,0 308 , 
4. Versuch. 


(Dauer 8 Stunden; dieselben Pflanzen wie im dritten Versuch.) 


Konzentration: 02 | o 0.01 | 0001 0,0001 


| l NH... An 818! 154 | iR 0,266 me 
Stickstoff aufgenommen | HN, .. | 144 Bd: 55 | 0,98 | 0,266 „ 
sa INH, EE 84 ' 30,7 379 ' 63,8 |100 Proz. 
a Proz Jas, o 204: 205 368 1100, 


Die Resultate für etiolierte Keimlinge, wenn sie noch jung sind., 
stimmen vollständig mit denen, welche wir für assimilierende Pflanzen 
bekommen haben, überein; die Aufnahme von Ammoniak bei Kon- 
zentrationen (0,2 bis 0,001 n) nimmt immer überhand, bei großer 
Verdünnung (0,0001 n) können beide Komponenten von NH,NO, ohne 
Rest verbraucht werden. 


Serie III. Ältere etiolierte Erbsenkeimlinge. Diesmal wurden die 
Erbsen im Dunkeln 15 Tage auf Leitungswasser gezogen und nur dann 
zum Versuch gebraucht. 


1. Versuch. 
(Dauer 2 Stunden; 50 Keimlinge.) 


Konzentration: 02 | o | oa 0,001 n 
See , NHs... op mp — 598 | 06img 
Stickstoff aufgenommen | Hyi; ` ` q81 569 1419 | 123, 
UNE: eu 12 | 105 . 20 '225 Proz. 
In Proz. (HN Sekt 33.209 523 |454 , 
2. Versuch. 


(Dauer 6 Stunden; dieselben Pflanzen.) 


Könzenttiön: o2 Iw" on amis ` 
GEELEN 
NH... 28,8 32,0 45 0,51m 
Stickstoff aufgenommen HNO, gp 362 | 36.2 121 1.65 S 
In Proz EN: 2.3.20 2 5.3 11.7 16,5 129,9 Proz. 

“LHNO e e ëng Bir 6,7 133 — 444 ;607 „ 


Physiologische Acidität von Ammoniumnitrat. 209 


3. Versuch. 
(Dauer 4 Stunden; 50 frische Keimlinge.) 
i Konzentration: | 0,2 Ru u 0,01 | 0,001 n 
8 = (NH... 104 | 482 | 37 | 08 
Stickstoff aufgenommen | HNO, WW 04 | 25 15.9 E a 
Nie 2 2 ea 1,9 17,7 13,7 | 22,8 Proz. 
In Proz. NN... = | 303 | 585 [439 „ 
4. Versuch. 


(Dauer 8 Stunden; dieselben Pflanzen wie im dritten Versuch.) 


Konzentration: | 0,2 | 01 | 0,01 | 0,001 n 
a en ei ee 


ER vn, LI 144 | 340 54 | 094mg 

Stickstoff aufgenommen | HNO, d | 452 872 188 181 , 

In Proz. N H; e >» è> o òo o ọọ ò% ọọ \ 3,4 12,5 19,8 34,6 Proz. 
Bet: Ap a nu a | 8,3 32,1 69,4 66,6 , 


Hier sehen wir ein ganz anderes Bild: in allen Versuchen der Serie III, 
welche mit älteren Keimlingen ausgeführt wurden, haben die Pflanzen 
mehr Salpetersäure aufgenommen als Ammoniak, oder wenigstens 
sieht so das Endresultat der komplizierteren Vorgänge aus, in deren 
Betrachtung wir unten näher eingehen werden. 


Die Serie IV der Versuche mit Erbsen, welche mit noch älteren 
(21 Tage) etiolierten Keimlingen durchgeführt wurde, hat in allen 
Fällen dieselben Resultate gegeben wie die Versuche der Serie III, 
darum wollen wir die Ziffernangaben für die Serie IV hier nicht an- 
führen!). 


Ebenso werden wir hier nicht die Resultate von drei Serien der 
Versuche angeben, welche wir mit Hafer durchgeführt haben; es sei 
nur notiert, daB der Hafer, wie für eine kohlehydratreiche Frucht zu 
erwarten war, in der Dunkelheit das normale Verhalten gegen NH, 
und HNO, länger bewahrt als Erbsen, und der Umkehrungspunkt 
fällt beim Hafer auf eine spätere Periode. Wir müssen also schließen, 
daß es der Ernährungszustand der Pflanze ist, welcher hier die haupt- 
sächlichste Rolle spielt; den Konzentrationsdifferenzen gehört nur 
eine sekundäre Rolle. 


Im ganzen sehen wir ein uns sehr gut bekanntes Bild: Das Ver- 
halten der kohlehydratarmen Pflanzen gegen NH,NO, ist dasselbe 


1) Es sei nur erwähnt, daß bei sehr schwachen Konzentrationen 
(0,0001 n) auch die älteren Keimlinge sich nicht anders verhielten als die 
jüngeren; die Erklärung wird unten gegeben. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 14 


210 D. Prianischnikow: 


Wir haben nämlich bei unseren Versuchen [1908 bis 1915')] über 
das Verhalten der etiolierten Keimlinge gegen Ammoniaksalze drei 
verschiedene Typen von Pflanzen unterscheiden können. 


1. Die Keimlinge von solchen Samen, welche nicht viel Eiweiß 
und sehr viel Stärke enthalten, wie z.B. Cerealien, verarbeiten das 
Ammoniak ganz leicht, wenn es in Form von physiologisch sauren Salzen 
(wie NH OCI usw.) dargeboten wird, unter Bildung der entsprechenden 
Mengen von Asparagin. 


2. Die Keimlinge von solchen Leguminosen, welche stärkehaltige 
Samen haben, aber doch weniger Stärke und mehr Eiweiß als die 
Gramineen enthalten, können die Asparaginsynthese auf Kosten von 
physiologisch sauren Ammoniumsalzen nur in dem Falle durchführen, 
wenn die physiologische Acidität der Lösung durch Zusatz von CaCO, 
beseitigt wird; hierher gehören Pisum- und Vicia-Arten. 


3. Zu dem dritten Typus gehören die Lupinen, welche sehr eiweiß- 
reich sind (35 Proz. Eiweiß und mehr), keine Stärke führen und sonst 
nicht viel Kohlehydrate (Hemicellulosen) enthalten. Die Ernährung 
der Lupinenkeimlinge (wenigstens von L.luteus) mit NH,CI führt 
überhaupt nicht zur Asparaginsynthese, und noch mehr — es leidet 
dabei überhaupt die synthetische Funktion —, auch ‚eigenes Ammoniak“ 
wird als solches angehäuft, ohne Asparagin zu bilden; man beobachtet 
sogenannte „Ammoniakvergiftung‘‘ der Pflanzen, der Zellsaft wird 
alkalisch und die Keimlinge enthalten endlich viel mehr Ammoniak. 
als sie von außen aufgenommen haben. Die Grundursache dieser 
Unterschiede zwischen einzelnen Pflanzen liegt in den ver- 
schiedenen Mengen von Kohlehydraten, welche einem Gewichtsteil 
der Eiweißstoffe entsprechen, es kommen nämlich bei Weizen 
5 bis 6 Teile, bei Erbsen 2 bis 2,5 Teile und bei gelben Lupinen nur 
0,6 Teile Kohlehydrate (dabei wenig lösliche) auf 1 Teil Eiweißstoffe. 
Wenn man aber bei Weizen und Gerste den Kohlehydratvorrat durch 
Aushungern der Keimlinge stark verringert, dann bekommt man 
einen Übergang zum Lupinentypus und umgekehrt: durch künstliche 
Kohlehydratzufuhr lassen sich die Lupinenkeimlinge in die erste 
Gruppe überführen. 


Wenn wir jetzt zu den oben beschriebenen Versuchen mit Ammo- 
niumnitrat zurückkehren und daran erinnern, daß nach unseren Ver- 


1) Vgl. Prianischnikow, Ammoniak als Alpha und Omega des Stickstoff- 


umsatzes in der Pflanze, 1916 (russisch mit französischem Resume). Zu- 
sammenfassende Artikel in deutscher Sprache: Landw. Versuchsst. 1922. 
Siehe auch die Abhandlung des Verfassers „Asparagin und Harnstoff“, 
diese Zeitschr. 150, 407, 1924. 


a nn | 


Physiologische Acidität von Ammoniumnitrat. 211 


suchen aus dem Jahre 1923 dieses Salz nach seiner physiologischen 
Acidität bei kurzdauernden Versuchen sich von Ammoniumchlorid 
kaum unterscheidet, dann müssen wir sagen, daß die gewonnenen 
Resultate ganz denen entsprechen, welche a priori zu erwarten sind. 


Die Erbsenkeimlinge, die längere Zeit im Dunkeln wuchsen, den 
Kohlehydratvorrat stark erschöpft haben und in physiologischem 
Sinne .„lupinenähnlich‘“ geworden sind, mußten ‘unter dem Einfluß 
des Ammoniumnitrats durch die Störung in den synthetischen Funk- 
tionen leiden und das Ammoniak in ihren Geweben anhäufen, sie 
konnten das Ammoniak in das äußere Medium ausscheiden und in 
dieser Weise eine kleinere Aufnahmefähigkeit von NH, gegen HNO, 


vortäuschen. 


Man könnte noch die Frage stellen, ob nicht in unseren Versuchen 
mit älteren Keimlingen eine Ammoniakausscheidung wegen Hunger- 
zustandes als solche stattgefunden hat; es hat nämlich Butkewitsch!) 
gezeigt, daß die lLupinen- und Erbsenkeimlinge nach Erschöpfung 
des Kohlehydratvorrats an Ammoniakverfiftung leiden (dieselbe 
Erscheinung kann bei sonst normalen Keimlingen durch anästhesierende 
Mittel hervorgerufen werden). Wenn das der Fall wäre, dann müßte 
diese Erscheinung bei allen Konzentrationen von NH,NO, auftreten, 
und auch bei größter Verdünnung (0,0001n) müßten wir eine 
stärkere Aufnahme von HNO, gegen NH, beobachten; gerade aber 
in diesem Falle liegt diese Abnormität nicht vor. 


Man muß also den Einfluß von physiologisch saurem Salz voraus- 
setzen, welcher nur bei nicht zu kleinen Konzentrationen zum Vor- 
schein kommt. 


Und an noch einen Umstand müssen wir erinnern: Wenn den 
Pflanzen kein physiologisch saures Salz geboten ist, kann der Fall 
vorliegen, daß die Pflanzen Ammoniak ausscheiden, ohne sich direkt im 
Hungerzustande zu befinden; dies kann durch zu reichlichen Zufluß 
von Stickstoffnahrung hervorgerufen werden, wenn das in Nitratform 
geschieht. 


So hat Warburg?) gezeigt, daß Chlorellazellen im Dunkeln Ammoniak 
auf Kosten von NaNO, + HNO, bilden; im Anfang des Versuchs sind 
die Ammoniakmengen nicht groß, aber sie nehmen mit der Dauer des 
Versuchs zu. Stickstoffhungrige Algen zeigen keine Ammoniakbildung, 
aber mit Stickstoff im Überschuß gesättigte Zellen scheiden reichlich 
Ammoniak in das äußere Medium aus. Warburg unterscheidet die 


I) Diese Zeitschr. 12, 314, 1908 (außerdem frühere Mitteilungen in 
russischer Sprache seit 1904). 
2) Diese Zeitschr. 110, 66, 1920. 


14* 


212 D Prianischnikow: 


Perioden der Assimilation und der reinen Reduktion; im zweiten Falle 
(bei relativem Kohlehydratmangel) wird HNO, zu NH, reduziert, aber 
es geht keine Neubildung von organischer, stickstoffhaltiger Substanz 
vor sich. Außer Beobachtungen von Warburg über Chlorella und von 
Kostytschew!) über Schimmelpilze gibt es eine große Reihe von eben- 
solchen Beobachtungen über höhere Pflanzen in der Arbeit von Klein 
und Kisser über Nitratassimilation?). Uns sind solche Fälle aus eigenen 
Beobachtungen auch bekannt; so wurde in unserem Laboratorium die 
Ammoniakausscheidung durch die Wurzeln von Wicke und Senf beob- 
achtet, wenn den etiolierten Keimlingen von diesen Pflanzen größere 
Mengen von Nitrit gegeben wurden, als sie assimilieren konnten?). 
Darum können wir annehmen, daß in unserem Versuch mit älteren 
Erbsenkeimlingen zwei Ursachen die Ammoniakanhäufung und -aus- 
scheidung begünstigen mußten: 1. Die Störung der Asparaginsynthese 
durch physiologisch saures Salz, 2. die Reduktion von HNO,, welche 
mit NH,NO, ausgeführt wurde, zum Ammoniak, ohne darauf folgende 
Synthese von Asparagin (reine Reduktion“ nach Warburg). 


Außer dem Einfluß von physiologisch sauren Salzen kann die 
Ammoniakausscheidung auch durch direkte Wirkung von Säuren 
hervorgerufen werden. Zum ersten Male haben wir diese Erscheinung 
im Jahre 1913 beobachtet, in einem Versuch mit den Keimlingen von 
gelben Lupinen, welche in eine Lösung von Schwefelsäure (0,0005 bis 
0,0012 n) gesetzt wurden; bald trat die Erkrankung der Lupinen an 
Ammoniakvergiftung ein, und wenn eine größere Zahl von Pflanzen 
sich in einer Kristallisationsschale befand, wurde die Schwefelsäure 
durch ausgeschiedenes Ammoniak neutralisiert. Damals waren wir 
geneigt, von diesen Erscheinungen zuviel den individuellen Eigen- 
schaften der Lupinen zuzuschreiben. 

In den Jahren 1917 bis 1919 wurden in unserem Laboratorium 
einige Versuche angestellt, um den Einfluß der Reaktion des äußeren 
Mediums auf die Aufnahme von NH, und HNO, aus NH,NO, zu 
beobachten. In den Versuchen mit Gerste wurde, wie es schien, die 
Verschiebung des Verhältnisses zwischen aufgenommenem NH, und 
HNO, erreicht), aber die Versuche mit Erbsen haben gezeigt, daß 
hier die Erscheinungen der Ammoniakausscheidung teilnehmen; es 
sprechen dafür folgende Versuchsergebnisse: 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 111, 171, 1020. 

2) Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1925. 

3) Vgl. die Arbeit von Dikussar, Journ. f. landw. Wissensch. 1925 
(russisch). 

4) Z. B. unter dem Einfluß von Ansäuerung bis 0,0015 n wurden 50 mg 
Ammoniakstickstoff statt 64 und 33 mg Salpetersäurestickstoff statt 26 mg 
aufgenommen. 


Physiologische Acidität von Ammoniumnitrat. 213 


Erbsenkeimlinge, in NH,N on (0,05proz.) gezogen: 


g DENG GE er |. m ` mW 
Konzentration von HCI: mt vn 0,0015. | E 0.0010 0,0025 n 


2 als NH 17,0 | 9 | —ı65 |—296mg 
Stickstoff aufgenommen SN Beck MET Im es 


| SC 44,3 | Si 31,6 | SG 2,9 | 26,2 ng 


Die bei höheren Aciditätsgraden evident gewordene Ammoniak- 
ausscheidung läßt für andere Fälle (I und II) eine Depression der 
Ammoniakassimilation annehmen; im Falle III stehen die Pflanzen 
sehr nahe beim Stadium von ‚reiner Reduktion‘ (nach Warburg), die 
aufgenommene Salpetersäure wird zum größten Teile nur bis Ammoniak 
reduziert, Assimilation ist sehr gering. Im Falle IV wird auch die 
Reduktion durch Überschuß von Säure unterdrückt, und ausgeschiedenes 
Ammoniak ist meistens von anderem Ursprung, es bildet sich wegen 
der Depression von Asparaginbildung auf Kosten der en 
Substanz der Keimlinge selbst. 

Wir sehen also, daß bei gleichem Kohlehydratvorrat und gleicher 
Stickstoffernährung der Säurezusatz allein die großen Veränderungen 
im Stickstoffumsatz der Pflanze hervorrufen kann. 

Um den Einfluß der Säure besser kennenzulernen, haben wir 
solche Versuche angestellt, in welchen die Säure nicht zu der Lösung 
von Ammoniumnitrat, sondern zum Wasser zugesetzt wird. Diese 
Versuche sind jetzt im Gange; vorläufig können wir folgendes mitteilen. 


Konzentration von HOH: ) 0,0005 Iae . om: l 8 ` gäe 
EE EE EE un ei g nr e ee; Si Ya 
Erste Reaktion, auf N H; | bei Hafer j — *) mach 19 19 Tagen nach 12 12 Tagen 

erschienen bei Erbsen !nach4 Tagen „ 4 „ = e 

bei Hafer — a Är EI y 

Absterben der Pflanzen b ei Erbsen  , 9—10 , > ee e 
Änderung von pp der (bei Hafer ' 8,8—5,0 31-51 ` 2,9—5,1 
Lösung bei Erbsen | 33—48 | 31-54 | 29—56 


D Während 20 Tagen der Versuchsdauer kein Ammoniak. 


Wie schon auf Grund unserer Versuche mit physiologisch sauren 
Salzen zu erwarten war, sind die etiolierten Keimlinge von kohlehydrat- 
reichem Hafer viel mehr gegen Säurewirkung resistent, als die Keimlinge 
der Erbsen, und das Ammoniak in der Außenflüssigkeit erscheint im 
Falle von Hafer später. 

Weiter muß die Ammoniakausscheidung quantitativ verfolgt 
werden. 

Die Erscheinungen, welche bei pa 2,9 bis 3,1 beobachtet werden, 
liegen gewiß schon in dem Gebiet der Pathologie; sie müssen aber von 
Pflanzenphysiologen berücksichtigt werden, weil die Veränderungen, 


214 D. Prianischnikow: Physiologische Acidität von Ammoniumnitrat. 


welche die Pflanzen selbst in der Reaktion des Nährsubstrats hervor- 
rufen, oft zu pathologischen Verhältnissen führen; wir wollen nur ein 
Beispiel geben: 


Zea Mays in Wasserkulturen (assimilierende Pflanzen). 


Stickstoffquelle: | NaNO, NH, N O} | NH, CI 
u un EE EE Fer se va ti m m EE Si E 
Reaktion der | zu Anfang. .... ks 5,5 5,5 5.5 
Lösung (py) \ nach 16 Tagen. .. | 6,9 3,3 2,9*) 


*) Vgl. die oben erwähnte Mitteilung von Prianischnikow und Domontowitsch in Seil 
Science. 


Zusammenfassung. 


Aus allen, was uns bis jetzt über das Verhalten der Pflanzen gegen 
Ammoniumnitrat bekannt geworden ist, können wir folgende Schlüsse 
ziehen: 

Aus den Lösungen von Ammoniumnitrat nehmen die normalen 
Pflanzen bedeutend schneller das Ammoniak als die Salpetersäure auf: 
die Nährlösung wird dabei desto saurer, je größer die Wurzelmasse ist. 
welche mit gewissen Volumen der Lösung in Berührung kommt. 

Man bekommt aber andere Resultate, wenn man mit solchen 
Pflanzen arbeitet, welche nicht imstande sind, mit genügender Energie 
die organischen, stickstoffhaltigen Substanzen (Asparagin, Glutamin) 
auf Kosten von Ammoniak zu synthetisieren und welche geneigt sind. 
das Ammoniak in äußere Lösung auszuscheiden, sei es „eigenes 
Ammoniak‘, welches infolge der Oxydationsprozesse im Organismus sich 
bildet, sei es Ammoniak. welches infolge der Reduktion der dargereichten 
Salpetersäure entsteht. 

Eine solche Störung von synthetischen Funktionen wird in folgenden 
Fällen beobachtet: 

l. Wenn die Pflanzen den Kohlehydratvorrat ganz verbraucht 
haben (in diesem Falle ohne jeden äußeren Einfluß). 

2. Auch bei nicht so stark ausgeprägtem Kohlehydratmangel. 
wenn die Stickstoffnahrung zu reichlich dargeboten wird. 

3. Wenn bei relativrem Kohlehydratmangel die synthetischen 
Funktionen durch physiologische Acidität beeinträchtigt werden. 

4. Wenn die Pflanzen durch die Wirkung der freien Säuren leiden. 

5. Wenn die Pflanzen der Wirkung der anästhesierenden Mittel 
unterworfen sind. 

In allen solchen Fällen sind die Pflanzen nicht imstande, auf die 
Frage über den relativen Wert von Ammoniak und Salpetersäure dem 
Versuchsansteller eine richtige Anwort zu geben. 


mb m m mu BEE ` ER Abu ër 
H a 


Einfluß von Stärkeinjektionen auf die Blutamylase. 


(Zur Frage nach der Existenz sogenannter „Abwehrfermente‘ 
gezen Kohlehydrate.) 


Von 
Marie Magaram und W. Engelhardt. 


(Aus dem Biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 15. Januar 1927.) 


Mit 2 Abbildungen im Text. 


Die Lehre von den ‚Abwehrfermenten‘ wurde von ihrem Be- 
gründer. Æ. Abderhalden, nicht nur auf eiweißabbauende Fermente 
beschränkt, sondern auch auf die kohlehydratspaltenden Fermente 
erstreckt. 


In seinen Arbeiten mit Brahm!), mit Kapfberger?) und mit Wilder- 
muth?) kommt Abderhalden, in Bestätigung früherer Versuche von 
Weinland*), zu dem Schluß. daß nach parenteraler Zufuhr von Rohrzucker 
das Serum der Versuchstiere die Eigenschaft gewinnt, dieses Disaccharid 
(und daneben auch Milchzucker) zu spalten. Es sollte eine Disaccharase 
neugehillet oder von den Zellen ins Blut abgegeben sein. Auf diese 
Arbeit folgte eine Reihe anderer, deren Autoren gleichfalls sich bemühten, 
das Auftreten von kohlehydratspaltenden Fermenten nach parenteraler 
Zufuhr von Polysacchariden nachzuweisen. 


Die von verschiedenen Forschern erhaltenen Ergebnisse waren 
äußerst widerspruchsvoll. Kumagai’) glaubte die Befunde Abderhaldens 
zu bestätigen und hielt die Existenz kohlehydratspaltender Abwehr- 
fermente für bewiesen. Diese Ansicht wurde weiter von Röhmann®) 
vertreten. Dagegen gelangten Folkmar?) und Knaffl-Lentz®) zu gerade 
entgegengesetzten Resultaten. 


I) E. Abderhalden und C. Brahm, H.-S. 64. 429, 1910. 
2) E. Abderhalden und G. Kapfberger, H.-S. 69, 23, 1910. 
3) E. Abderhalden und Wildermuth, H.-S. 90, 383, 1914. 
3) E. Weinland, Zeitschr. f. Biol. 47, 279, 1906. 

3) Kumagai, diese Zeitschr. 57, 380, 1913; 72, 26, 1915. 
6), Röhmann, ebendaselbst 84, 382, 389, 1917. 

‘) Folkmar, ebendaselbst 76, 1, 1916. 

8) Knaffl-Lentz, H.-S. 90, 110, 1922. 


216 M. Magaram u. W. Engelhardt: 


Es wurde in den zitierten Arbeiten zu den Injektionen meistens Rohr- 
zucker angewandt, nur beigehend wurden von Kumagai Injektionen von 
Stärke vorgenommen. Es berichten sowohl Kumagai wie auch Röhmann 
über außerordentlich starkes Ansteigen der Blutamylase nach parenteraler 
Kohlehydratzufuhr. Jedoch lassen ihre Zahlen an eine Beteiligung von 
Bakterien denken. Es ıst nämlich aus dem Text nicht ersichtlich, daß 
etwaige Antiseptica angewandt wurden (nur die Stärkelösung wurde vorher 
mit Toluol durchgeschüttelt), und die erhaltenen Zahlen sind ganz unwahr- 
scheinlich hoch: eine Verdünnung des Blutes, 1: 10-13, vermochte binnen 
24 Stunden 50 mg Stärke zu spalten. Das läßt sich wohl kaum anders als 
durch Versuchsfehler erklären. 


Die Ergebnisse Röhmanns und Kumagais, betreffend des Auf- 
tretens von Invertase im Blute wurden von Knaffl-Lentz nicht be- 
stätigt, und Folkmar konnte auch keine Verstärkung der amylolytischen 
Fähigkeit des Blutes beobachten. 

In vorliegender Arbeit suchten wir eine Nachprüfung der Frage 
zu unternehmen unter Anwendung einer genaueren quantitativen 
Methode der Amylasebestimmung. 


Methodisches. 


Zur Amylasebestimmung bedienten wir uns der Methode von Engelhardt 
und Gertschuk!). Jeder Versuch wurde stets in zwei Parallelbestimmungen 
ausgeführt, nämlich so, daß die beiden PIUEDTODEN (0,02 ccm) zwei einzelnen 
Bluttropfen entnommen wurden. 

Alle Versuche wurden unter Puffer- und Toluolzusatz mit Merckscher 
löslicher Stärke angestellt. Dieselbe Stärke diente auch zu den Injektionen. 
Die für die Bestimmung nötigen Blutmengen sind so gering, daß es uns 
ohne jegliche Schwierigkeit möglich gewesen ist, tägliche Untersuchungen 
durchzuführen und inzwischen noch bis sechsmal täglich Blutproben zu 
entnehmen. 

Die Zahlen sämtlicher Tabellen geben die Differenz, in Milligrammen 
Glucose ausgedrückt, zwischen dem Reduktionswert des Versuchs (2 Stunden 
bei 37°) und desjenigen der Kontrolle an. 


Bei täglicher Untersuchung stellte es sich bald heraus, daß auch 
bei normalen Kaninchen die Blutamylase bedeutende Schwankungen 
aufweist. Die Größe dieser Schwankungen kann man aus den weiter 
unten angeführten Kurven (Abb. 1) ersehen. Als Ursache dieser 
Schwankungen dachten wir in erster Linie an einen Zusammenhang 
mit der Verdauung [vgl. Abderhalden und Rathsmann?)] und prüften 
nach, ob die Schwankungen im nüchternen Zustande nicht geringer 
werden bzw. ob sie nicht mit reichlicher Einnahme von kohlehydrat- 
haltiger Nahrung verbunden sind. Solch ein Zusammenhang konnte 
aber nicht festgestellt werden. Als Beispiel seien einige diesbezügliche 
Versuche angeführt. 


1) Engelhardt und Gertschuk, diese Zeitschr. 167, 43, 1926. 
2) Abderhalden und Rathsmann, H.-S. 71, 367, 1911. 


KA 


Einfluß von Stärkeinjektionen auf die Blutamylase. 217 


Tabelle I 

Kaninchen Nr. E | 235 | 2 | 25 | 124 | 4 
Nüchtern s s cs sossarnas 0,272 | 0,221 | 0, 140 | 0,107 > 0, 328 | 0,252 
Während des Essens . . 2 2 2... — 0,211 | 0 1149. — — — 
Erste halbe Stunde nach dem Essen — — 0, 196 | 0. 161 | SEI 142° — — 
Erste Stunde nach dem Essen . . 0,238 — 0,326 | 0,247 
Zweite „ = 2 Si — 0.202 0 121. 0 138 | 0,261 | 0,252 
Dritte „ p E ao >- NUT — — 0, 149" — — 
Vierte „ EGRET | 0,123: — |! 0,247 | 0,202 
Wen a De 


Wir sehen, daß die Tagesschwankungen ganz unregelmäßig, ohne 
Zusammenhang mit der Nahrung, vor sich gehen. Meistens betragen 
sie etwa 10 Proz. zu beiden Seiten vom Mittelwert, es kommt aber 
auch vor, daß Unterschiede von über 60 Proz. zwischen Maximum 
und Minimum auftreten (0,107 und 0,173). 

Diese große Unbeständigkeit der Amylasezahlen bei ein und 
demselben Tiere an verschiedenen Tagen und sogar während eines 
Tages macht es sehr schwer, über den Einfluß äußerer Faktoren, in 
unserem Falle der Stärkeinjektionen, zu urteilen. 

Zu den Injektionen wurde, wie oben bemerkt, Mercksche lösliche 
Stärke in Mengen von etwa 10 ccm 4proz. wässeriger Lösung angewandt. 
Das Einführen geschah stets intravenös. 

Die Tiere vertragen die Injektionen ohne jegliche äußere Zeichen. 
Die Einspritzungen wurden in Abständen von etwa 5 bis 6 Tagen 
wiederholt, im ganzen erhielten die Tiere bis fünf Injektionen. Amylase- 
bestimmungen wurden 5 Tage vor Anfang, während der Injektionen 
und etwa 2 Wochen nach der letzten Injektion täglich durchgeführt. 
Außerdem wurden in einer anderen Versuchsserie wiederholt Be- 
stimmungen kurz bevor, sofort nach den Injektionen und weiter in 
kurzen Intervallen während des ganzen Injektionstages ausgeführt. 
Stets liefen Parallelbestimmungen an normalen Kaninchen mit. 

Erst werden wir die Resultate der Amylasebestimmung unmittelbar 
nach den Injektionen zusammenstellen (s. Tabelle II). 


Tabelle II. 


Kaninchen Nr. 7 "e 76 | 76 | 76 103 | 103 | 103 103 | 71 


2 D v Tr 2 a e? S 
Injektion: | $ $o ZS 5 Ze SS SS 
Zeit der Biätentadhine: E | | | | | | 

Vor der Injektion . . IN 144 0,227 0 ‚198 0.230 0.2 50 0,272 0,234 0,185 
Sofort nach d. Injektion NM 198 0 234 0,142 0,223 0,174 0,227 02 275 0.230 0.254 0,175 
Nach 30 Minuten . . 0,207 0, 137 10,153 0,229 0,166 0,203 0,241 0,2: d 0,248 0,137 
» 1 Stunde 310, 1490.198 0. ‚162 0,250 0,230 0,207:0.230 0, 164 
a 65 Stunden. .. 0, 169 0, 147 0. 173.0,209 0,165 0,242. 0, 191 0,203 0,236, 0, ‚154 


mp e, m ee CES 


218 M. Magaram u. W. Engelhardt: 


Die Zahlen weisen Schwankungen auf, die in demselben Größen- 
bereich liegen und ebenso unregelmäßig sind, wie bei normalen 
Kaninchen. 


N 
= Br Ge A S 
= el E 
ES e 5 
5 „a e 
e | > 
S de A 
2 | 
N — E 
| Gei 
Rz BT Ee 
N SAR VER Se Gei 
+ 
N AC h d 
e g = =] a g 
E NK 
E "e 
NDE ge NS: 
S NEE en S GE S$ 
rS 7 ee GE 2 3 > 
x Pr RÈ 
e Ä D 
$ s | 
L r- EB ` EE ES ER ge. 2 
< wouyalufE 5 KS | TT - 
I "ZS 
x —— N > RS 
U Geet A 
N | < 
+ — — — RE A r Fe 
| 
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uoyyalu e ët N 
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Lé j + 4 = EN En PS 
vonyaluf i | j 
ei eg 
E EE D 
| | N 
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S S S ee BEER 
S a CS 3 | ei SE 
WOMU3Y3NZ | 
| > 
Q O QD Q 5 O Q 
Kë Ke S un Ss Ba S 
S e $S S S e S 
IMASYINZ 


Während also Abderhalden bei intravenöser Injektion von Rohr- 
zucker bereits nach 15 Minuten das Auftreten der Spaltungsfähigkeit 


in A a en u a mn nn en ne en en en en ne Eu a 
e D ` V s is 4 e E e P 
. vg e # bav Ze e e vE Ta? .. P pre. be £ “ 


m ME DEE LEET EE EE mmm: va 


Einfluß von Stärkeinjektionen auf die Blutamylase. 219 


des Serums beobachtete, konnten wir keinen solchen Einfluß der Stärke- 
injektionen wahrnehmen. 

Wenden wir uns jetzt den Veränderungen zu, welche die Blut- 
amylase bei wiederholten Injektionen von Tag zu Tag aufweist, so 
sehen wir uns auch hier gezwungen, einzugestehen, daß diese Schwan- 
kungen weder in irgend einem Maße in Zusammenhang mit den 
Injektionen stehen, noch daß sie ein regelmäßiges Ansteigen des 
Amylasewertes erkennen lassen. Der Übersichtlichkeit wegen geben 
wir die Resultate einer solchen Versuchsserie direkt in Kurvenform 
wieder. Auf Abb. 2 sind die Resultate der Amvlasebestimmungen an 
drei Versuchskaninchen angeführt, auf Abb. 1 haben wir die zur gleichen 
Zeit ausgeführten Bestimmungen an zwei Normaltieren wiedergegeben. 
Alle drei Versuchstiere erhielten die Injektionen an ein und demselben 
Tage. 

Die Kurven der Kaninchen Nr. 45 und 44 weisen prinzipiell genau 
den gleichen Charakter auf wie diejenigen der Kontrolltiere. Der weit 
aus der Reihe fallende Wert beim Kaninchen Nr. 44 am 21. Versuchs- 
tage kommt uns wenig wahrscheinlich vor und wäre vielleicht durch 
irgend einen Versuchsfehler (etwa hineingelangte Speichelspuren) zu 
erklären. Abgeschen von diesem einen Sprunge weisen die Kurven 44 
und 45 weder regelmäßige Schwankungen auf, die in Zusammenhang 
mit den Injektionen gebracht werden konnten, noch irgend einen 
systematischen Gang. 

An der Kurve 25 sehen wir während der ersten Zeit drei sehr 
schroffe Schwankungen, später werden aber die Schwankungen kleiner 
und die Kurve zeigt sogar eine Tendenz, etwas zu sinken. Dies kurz- 
dauernde Aufsteigen des Amylasewertes in Zusammenhang mit den 
Stärkeinjektionen zu bringen, und als eine „Abwehrmaßnahme‘ des 
Organismus zu betrachten, halten wir schon deswegen für unmöglich, 
weil dieser Aufstieg einmal am dritten Tage, ein andermal am vierten. 
dann aber schon am nächsten Tage nach der Injektion auftrat. 

Fassen wir die Ergebnisse unserer Versuche zusammen, so kommen 
wir zu folgenden Schlüssen: 

l. Der Amylasewert des Kaninchenblutes schwankt bei normalen 
Tieren während ein und desselben Tages sowohl wie von Tag zu Tag 
nicht unbeträchtlich. Die Schwankungen können nicht in Zusammen- 
hang mit der Nahrungseinnahme gebracht werden. 

2. Nach Stärkeinjektionen, sowohl einzelnen wie auch wieder- 
holten, weist die Blutamylase keine regelmäßigen Veränderungen auf, 
weder während des Tages der Injektion, noch in den darauffolgenden 
Tagen. 


Über einige Adsorptionserscheinungen an Silberjodid. 


Von 


A. Frumkin und A. Obrutschewa. 
(Aus dem Karpow-Institut für Chemie, Moskau.) 
(Eingegangen am 21. Januar 1927.) 


Mit 5 Abbildungen im Text. 


Einleitung. 


Vor kurzer Zeit hat der eine von uns!) eine Theorie entwickelt, 
die die Deutung der Beeinflussung der Adsorbierbarkeit von Neutral- 
molekülen durch das elektrische Feld an der adsorbierenden Ober- 
fläche erlaubt. Diese Beeinflussung tritt besonders deutlich zutage 
bei der Adsorption von organischen Stoffen an einer Hg-Oberfläche, 
wie dies durch Abb. 1 illustriert wird?). 4 ist hier die durch die Ad- 


40 
d 
J0 
20 
ef = — ma an uf 
-85 d > p 
Abb. 1. 


sorption von Capronsäure bewirkte Erniedrigung der Grenzflächen- 
spannung an der Trennungsfläche Hg;0,3n KNO, in absoluten Fin- 
heiten, @ die Potentialdifferenz Lösung He in Volt, wobei der Nullwert 
von @ dem Maximum der Elektrokapillarkurve von 0,3n KNO, ent- 
spricht; in diesem Punkte ist also in Abwesenheit von organischen 
Molekülen die Ladungsdichte der Hg-Oberfläche gleich Null. Die 
obere Kurve bezieht sich auf 0,07 n Capronsäure, die nächsten auf 
0,035 n, 0,0175 n usw. Wie ersichtlich, hat jede von den Kurven bei 
einem @-Wert, welcher unweit von Null liegt, aber in der Richtung 


1) Frumkin, Zeitschr. f. Phys. 85, 792, 1926. 
2) Nach Messungen von Frl. Kulwarskaja. 


A. A, 1 * Se E. za N 


m E E E E bamm 


A. Frumkin u. A. Obrutschewa: Adsorptionserscheinungen usw. 221 


negativer Ladungen der Hg-Oberfläche, also positiver @-Werte, um 
etwa 0,045 verschoben ist, ein Maximum; die Adsorbierbarkeit ist 
also dann am größten, wenn die ursprüngliche Ladung der He Ober. 
fläche nahezu Null ist, oder richtiger. einen kleinen negativen Wert 
hat. Entfernt man sich von diesem Werte, so fällt die Adsorbierbarkeit 
erst langsam und dann rasch ab. Nach der anfangs erwähnten Theorie 
sind diese Verhältnisse durch die Verschiedenheit der Dielektrizitäts- 
konstanten der Moleküle des Wassers und der gelösten organischen 
Substanz zu erklären: Die organischen Moleküle mit der kleineren D.K. 
werden vom Felde aus der Oberflächenschicht ausgestoßen, die Wasser- 
moleküle mit der größeren D.K. aber hineingezogen. 


Dieser Effekt ist dem Quadrat der P.-D. Lösung/Quecksilber 
proportional; dazu kommt noch ein Fffekt, der linear mit der P.-D. 
variiert und der durch die Dipolwirkung der adsorbierten Moleküle 
bedingt ist: Laden diese die Hg-Oberfläche bei der Adsorption positiv 
auf, so wird eine schon vorhandene negative Ladung die Adsorption 
begünstigen und umgekehrt. Bei großen Feldstärken überwiegt aber 
der dem Quadrat der P.-D. proportionale Effekt und es tritt immer 
Adsorptionshemmung ein. Mathematisch läßt sich die Theorie unter 
gewissen vereinfachenden Voraussetzungen im folgenden Satze zu- 
sammenfassen. Geht man von dem Potential Ann &us, welches der 
maximalen Adsorbierbarkeit entspricht, so ist nach Einführung einer 
P.-D. gleich @ die Konzentration der Lösung im Verhältnis 


(C Kg OC (p =: fmax.) S 


k =e  2RT (1) 
zu vergrößern, damit die adsorbierte Menge konstant bleibt, wobei den 
Buchstaben C, OT und S folgende Bedeutung zukommt: C ist die Kapa- 
zität der Doppelschicht pro Flächeneinheit in Abwesenheit von organi- 
schen Molekülen, C’ dieselbe Größe nach der Sättigung der Ober- 
fläche mit dem adsorbierten Stoff, und S ist die Fläche, welche von 
einem Mol der adsorbierten Substanz bedeckt wird, vollständige 
Sättigung der Oberflächenschicht vorausgesetzt!). Die Größe @ max. 


ist gleich — Po WO mit @, die P.-D. bezeichnet werden soll, 


C 
welche sich zwischen Lösung und Hg einstellt, wenn die Hg-Oberfläche 
ungeladen, die Oberflächenschicht aber mit den adsorbierten Molekülen 
bedeckt ist. Ist diese durch die Differenz zwischen den Dipolwirkungen 
der adsorbierten Moleküle und denen des Wassers bedingte P.-D. gleich 


Null, so ist auch Ọmax. = 0, und maximale Adsorption tritt an einer 


+) Gleichung (1) kann durch eine einfache Umformung aus der 
Gleichung (5) der zitierten Abhandlung gewonnen werden. 


222 A. Frumkin u. A. Obrutschewa: 


ursprünglich ungeladenen Oberfläche ein; anderenfalls wird Gan von 
Null verschieden sein, bleibt aber immer klein, da C’ klein gegen C ist. 

In der zitierten Abhandlung wurde gezeigt, daß diese Theorie 
die beobachteten Elektrokapillarkurvren mit genügender Genauigkeit 
wiedergibt, die Übereinstimmung kann durch Einführung einiger 
weiterer Voraussetzungen in die Theorie noch verbessert werden. 
Gleichung (1) muß aber dann durch eine wesentlich kompliziertere 
ersetzt werden. In dieser Abhandlung werden wir nur von der verein- 
fachten Theorie Gebrauch machen. ` 

Es lag nun nahe, zu untersuchen, ob eine ähnliche Abhängigkeit 
der adsorbierten Menge von der P.-D. Lösung /adsorbierende Oberfläche 
auch an anderen Systemen beobachtet werden kann. 


Als geeignetes Untersuchungsobjekt erwies sich Jodsilber!), da 
die P.-D. Lösung/Jodsilber wegen dessen geringer Löslichkeit durch 
Variation der Silberionenkonzentration in sehr weiten Grenzen variiert 
werden kann. Allerdings läßt sich die P.-D. zwischen Lösung und 
einem AgJ-Niederschlag nicht direkt bestimmen; seit der grund- 
legenden Arbeit von F. Haber?) wissen wir aber, daß eine P.-D. dieser 
Art von der Ag-Ionenkonzentration genau so abhängt, wie die P.-D. 
Lösung/‘Silbermetall. Weiterhin wissen wir aus den Arbeiten von 
Lottermoser und Fajans?), daß in Gegenwart von überschüssigem 
AgNO, gefälltes AgJ durch Ag-Ionen positiv, in Gegenwart von 
überschüssigem K J gefälltes aber durch J’-Ionen negativ aufgeladen 
wird). Der Punkt, der einem Nullwert der Ladungsdichte ent- 
spricht, muß also mit dem Äquivalenzpunkt zusammenfallen oder 
wenigstens unweit von diesem liegen, in der Nähe des Äquivalenz- 
punktes muß dementsprechend auch das Adsorptionsvermögen eines 
AgJ-Niederschlags für organische Nichtelektrolyte einen Maximum- 
wert erreichen. 


1) Vorläufige Mitteilung siehe Nature 117, 790, 1926. 

2) Ann. d. Phys. (4) 26, 927, 1908. 

3) Lottermoser und Rothe, Zeitschr. f. phys. Chem. 62, 359, 1908; Lotter- 
moser, Seifert und Forstmann, Kolloid-Zeitschr. 86, 230, 1925; Fajans und 
Beckerath, Zeitschr. f. phys. Chem. 97, 478, 1921; Fajans und Frankenburger, 
105, 255, 1923; Fajans und Hassel, Zeitschr. f. Elektrochem. 29, 495, 1923; 
Fajans und Wolff, Zeitschr. f. anorg. Chem. 137, 221, 1924; Hassel, Kolloid- 
Zeitschr. 84, 305, 1924; siehe auch Beekley und Taylor, Journ. phys. Chem. 
29, 941, 1925. 

4) Soviel uns bekannt ist, hat keiner von den Forschern, die sich mit 
diesen Problemen befaßt haben, auf den Zusammenhang zwischen der Adsorp- 
tion von Ag’ und J’ durch AgJ und der Ausbildung der thermodynamisch 
definierten P.-D. Lösung/AgJ hingewiesen; dieser Zusammenhang, der un- 
mittelbar auf die Analogie mit den kapillarelektrischen Erscheinungen an der 
Hg-Oberfläche hinweist, war der Ausgangspunkt aller unserer Betrachtungen. 
Niche auch Frumkin und Obrutschewa, Zeitschr. f. anorg. Chem. 158, 84, 1926. 


a ga weg SE E Ee 


Ké 


Adsorptionserscheinungen an Silberjodid. 223 


Titrationskurven. 


Um diesen Schluß nachzuprüfen, wählten wir zuerst folgende Versuchs- 
anordnung. Wir titrierten 20 ccm einer 0,5 n AgNO,-Lösung, die außerdem 
0,05 n in bezug auf HNO, war und eine kapiıllaraktive organische Substanz 
enthielt mit einer — dieselben Zusätze ın denselben Konzentrationen ent- 
haltenden — etwa 0,5n KJ-Lösung und bestimmten die Konzentration 
der organischen Substanz, die in den verschiedenen Stadien des Titrations- 
vorgangs ın Lösung blieb. vom Niederschlag also nicht adsorbiert wurde. 
Als kapillaraktive Substanzen kamen zur Verwendung: sekundärer Octyl- 
alkohol, Nonyl-, Capryl- und Heptylsäure. Qualitativ beobachtete ınan 
in allen Fällen dieselben Erscheinungen; für genauere Messungen erwies sich 
aber der Alkohol wegen seiner großen Flüchtigkeit als ungeeignet. Auch mit. 
Säuren beobachtet man bei längerem Arbeiten Verluste infolge ihrer Ver- 
flüchtigung, diese waren aber nicht so groß, als daß sie einen wesentlichen 
Einfluß auf die Resultate der Versuche haben könnten. Setzt man die 
organischen Säuren zu einer neutralen AgNO,-Lösung hinzu, so fällt das 
entsprechende Silbersalz aus; die AgNO,-Lösung mußte deshalb in der 
angegebenen Weise mit HNO, angesäuert werden; um die H'-Ionen- 
konzentration während des ganzen Versuchs konstant zu halten, wurden 
entsprechende HNO,-Mengen auch zu den anderen Lösungen, die zur Ver- 
wendung kamen, hinzugefügt. Die Konzentration der kapillaraktiven 
Substanz in der Lösung bestimmten wir durch Oberflächenspannungs- 
inessungen; nach einigen orientierenden Versuchen nach den Methoden von 
Wilhelmy und der des maximalen Blasendrucks gingen wir zu einem Stalag- 
mometer mit einem 65,5-Tropfen gleichen Wasserwert über. In der Nähe 
des Äquivalenzpunktes wurde die KJ-Lösung in Portionen zu 0,01 ccm 
aus einer Mikrobürette zugesetzt; nach jeder Zugabe wurde 3 Minuten 
geschüttelt und wenn KJ im Überschuß vorhanden war, so daß der Nieder- 
schlag sich schlecht absetzte, zentrifugiert. 


Einige typische Kurven, die wir bei diesen Versuchen erhalten 
haben, sind in Abb. 2 wiedergegeben. Wie ersichtlich, zeigt die Tropfen- 


30 


Coprylsaure 0,0034 norm 
Bee, 


70 


Wäi 


OZ iogoeen 
ne 


X 


0,00 norm 
% — 


9 20 cem KJ 21 
Abb. 2. 


zahl in der Nähe des mit einem Sternchen auf jeder Kurve bezeichneten 
Äquivalenzpunktes ein scharf ausgeprägtes Minimum, welches einem 
Minimum der Konzentration der organischen Säure, d. h. einem 


224 A. Frumkin u. A. Obrutschewa: 


Maximum der adsorbierten Menge entspricht!). Bei steigender Ver- 
dünnung (dritte Kurve) verschwindet der Effekt, was mit dem eigen- 
tümlichen Gange der Adsorptionskurven zusammenhängt; weiter 
unten werden wir auf diesen Umstand noch zurückkommen. Die 
Titrationskurven kann man auch in umgekehrter Richtung durch- 
laufen; wenn man von der Silberseite ausgeht und dann auf diese 
zurückkehrt, so beobachtet man auf dem Rückwege die gleiche oder 
eine etwas höhere Tropfenzahl wie auf dem Hinwege, in einiger Ent- 
fernung vom Minimum aber stets eine um 1 bis 2 Tropfen niedrigere: 
die Kurve wird also etwas flacher und verschiebt sich nach unten. 
Einerseits geht also ein Teil der organischen Säure durch Verflüchtigung 
verloren, andererseits aber vermindert sich, wohl infolge einer Teilchen- 
vergrößerung, die Adsorptionskraft des Niederschlags. Zu verschiedenen 
Zeiten mit gleichartig zusammengesetzten Lösungen aufgenommene 
Kurven zeigen keine quantitative Übereinstimmung; das Adsorptions- 
vermögen der Niederschläge variiert in ziemlich weiten Grenzen, ohne 
daß man die dafür verantwortlichen Faktoren feststellen könnte. Auf 
den Heptylsäurekurven ist das Minimum wegen der größeren Löslich- 
keit der Heptylsäure viel weniger ausgeprägt als auf den Caprylsäure- 
kurven. Die Lage des Äquivalenzpunktes bestimmten wir nach Gay- 
Lussac; wir kamen zunächst zu dem Schluß, daß das Minimum der 
Tropfenzahl um etwa 0,01 bis 0,02 ccm gegen den Äquivalenzpunkt 
nach der Jodseite verschoben ist (siehe z.B. die zweite Kurve der 
Abb. 2); genauere potentiometrische Versuche, zu denen wir später 
übergingen, zeigten aber, daß dieser Schluß falsch war und daß der 
Minimumpunkt in Wirklichkeit nach der Silberseite verschoben ist. 
Die Diskrepanz rührt wohl daher, daß in den beschriebenen Versuchen 
die Titration zu schnell ausgeführt wurde und sich das Gleichgewicht 
zwischen Niederschlag und Lösung nicht vollständig einstellte. 


Potentiometrische Titration. 


Die potentiometrischen Versuche, die wir anstellten, um diese Frage 
zu entscheiden, führten wir mit ähnlich zusammengesetzten Lösungen, wie 
oben angegeben, aus; nur wurde in der Nähe des Äquivalenzpunktes nicht 
eine 0,5n, sondern eine 0,05n AgNO, bzw. KJ-Lösung in Portionen zu 
0,01 ccm zugesetzt. In dem Gläschen, in dem die Titration ausgeführt 
wurde, befand sich ein mittels eines Elektromotors angetriebener Rührer: 


1) Nach einer Beobachtung von Fajans und Frankenburger, l.c., S. 265, 
haben AgBr-Niederschläge die Eigenschaft, in der Nähe des Äquivalenz- 
punktes beim Durchschütteln der wässerigen Lösung mit Äther die Äther- 
tröpfchen zu umhüllen, während in genügender Entfernung vom Äqui- 
valenzpunkte der Niederschlag nach dem Durchschütteln rasch zu Boden 
sinkt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich in diesem Falle um eine der 
von uns beschriebenen wesensverwandte Erscheinung handelt. 


ms app e EL ie 


Adsorptionserscheinungen an Silberjodid. 225 


nach jedem Zusatze wurde 20 Minuten gerührt und unter stetiger Rührung 
das Potential abgelesen; letzterer Umstand ist wesentlich, da anderenfalls 
in der Nähe des Äquivalenzpunktes wegen der viel zu geringen Konzentration 
der potentialbestimmenden Ionen die Silberelektrode sich nicht einstellt; 
bei ständigem Rühren spielt der Niederschlag, der verhältnismäßig große 
Mengen Ag’- oder J’-Ionen adsorbiert, die Rolle eines Puffers, wie das noch 
weiter unten auseinandergesetzt wird, und die Potentialbestimmung wird 
möglich. Die Silberelektrode war ein mit HNO, angeätzter Silberdraht; 
die Flüssigkeit im Titriergefäß war mittels eines Hebers, der mit 0,25n 
KNO, + 0,05nHNO, (d. h. mit einer Lösung, die im wesentlichen dieselbe 
Zusammensetzung wie die Lösung im Titriergefäß in der Nähe des Äqui- 
valenzpunktes hatte), mit einem Zwischengefäß mit gesättigter NH,NO,- 
Lösung und einer Normalkalomelelektrode verbunden. Die Potential- 
ahlesung erfolgte mittels eines Binantenelektrometers mit Spiegel und Skala. 


Eine typische Kurve, die nach dieser Methode mit Lösungen, die 
Caprylsäure in 0,004 n Konzentration enthielten, erhalten wurde, ist 
in Abb. 3 angeführt. Die Abszissen der Abh. 3 und 4 geben die P.-D. 


Abb. 4. 


Lösung/Niederschlag an, wobei der Nullpunkt dem Äquivalenzpunkt 
entspricht (0,062 Volt, gemessen gegen eine Normalkalomelelektrode; 
das dem Äquivalenzpunkt entsprechende Potential der Ag-Klektrode 
bestimmten wir in der üblichen Weise aus der Kurve der potentio- 
metrischen Titration einer 0,25 n KNO,-Lösung, die A N O, in 0,001 n 
Konzentration enthielt). Die Ordinaten der Abb. 3 geben die Tropfen- 
zahlen, die der Abb.4 die aus den beobachteten Tropfenzahlen be- 
rechneten adsorbierten Mengen in Molen Caprylsäure pro Mol AgJ an. 
Bei dieser Berechnung wurde an den Beobachtungsresultaten noch 
eine Korrektur angebracht, die der Verflüchtigung der Caprylsäure 
während der sehr beträchtlichen Versuchsdauer Rechnung tragen 
Biochemische Zeitschrift Band 182. 15 


226 A. Frumkin u. A. Obrutschewa: 


sollte; dieselbe wurde aus den am Anfang und am Ende des Versuchs 
bei dem größten AgNO,-Überschuß, der zur Verwendung kam, beob- 
achteten Tropfenzahlen (1251, und 1221, Tropfen) ermittelt; allerdings 
macht diese Korrektur die Berechnung der adsorbierten Menge etwas 
unsicher. Beim Vergleich der Kurve der Abb. 4 mit denen der Abb. 1, 
stößt man auf bemerkenswerte Unterschiede: Die Kurve der Abb. 4 
ist nämlich in bezug auf den Punkt, der der maximalen Adsorption 
entspricht, ausgesprochen asymmetrisch und, was besonders bemerkens- 
wert ist, dieser Punkt ist gegen den Äquivalenzpunkt nach der Silber- 
seite, d.h. in der Richtung positiver Ladungen der Oberfläche, ver- 
schoben, o. = — 0.10 (man bedenke, daß ọ die P.-D. Lösung ’Nieder- 
schlag angibt; in drei anderen Versuchen fanden wir unabhängig von 
der Titrationsrichtung: ons = — 0,09, — 0,11, — 0,09, im Durch- 
schnitt — 0,10, oder 0,16 für das Potential der in die Lösung tauchenden 
Silberelektrode gegen eine Normalkalomelelektrode gemessen). Diese 
Verschiebung ist also der im Falle einer adsorbierenden Quecksilber- 
oberfläche beobachteten gerade entgegengerichtet. Man könnte diese 
Tatsache auf zweierlei Weise deuten: entweder fällt der Nullpunkt der 
Ladungsdichte mit dem Äquivalenzpunkt in Wirklichkeit nicht zu- 
sammen, sondern ist merklich nach der Silberseite verschoben, oder es 
ladet die organische Säure den AgJ-Niederschlag nicht positiv, wie Hg, 
sondern negativ auf, was auf eine verschiedene Orientierung des polaren 
Anteils des Moleküls in beiden Fällen hinweisen würde. Wir hoffen, 
daß weitere Versuche diese Frage aufklären werden. 


Die Adsorptionskurven. 


Um das Studium des Systems AgJ/organische Säure zu ver- 
vollständigen, nahmen wir noch eine Reihe von Adsorptionskurven bei 
verschiedenen Bedingungen auf. Die folgende Methode erwies sich 
nach zahlreichen Vorversuchen als die brauchbarste, da sie ein schnelles 
Arbeiten ermöglicht, so daß die Gefahr der Veränderung der Größe 
der Niederschlagsoberfläche und der Verflüchtigung der Säure auf ein 
Minimum reduziert wird. 


1. Bestimmung der Kurve der maximalen Adsorption. 


Ein aus 20 ccm einer angesäuerten 0,5n AgNO,-Lösung und 20 eem 
einer ebenfalls angesäuerten 0,5 n KJ-Lösung hergestellter AgJ-Nieder- 
schlag wurde so lange mit einer mit Caprylsäure nahezu gesättigten 0,25 n 
KNO, + 0,05 n HNO,-Lösung ausgewaschen, bis die Tropfenzahl der 
Lösung nach Einstellung des Adsorptionsgleichgewichts sich dem Werte 145, 
welcher der Sättigung mit Caprylsäure entspricht, genügend näherte. 
Während der Sättigung setzten wir zu unserem System von Zeit zu Zeit 
kleine Mengen AgNO,- oder KJ-Lösung so lange hinzu, bis ein Minimum 
der Tropfenzahl erreicht wurde, und nach vollendeter Sättigung ver- 


Adsorptionserscheinungen an Silberjodid. 227 


gewisserten wir uns noch einmal, daß die Ag’-Ionenkonzentration in der 
Lösung den dem Maximum der adsorbierenden Wirkung entsprechenden 
Wert hatte. Jetzt brachten wir das Volumen der Lösung auf 30 ccm, fügten 
zum System 10 ccm einer 0,25n KNO, + 0,05 n HNO,-Lösung hinzu, 
titrierten wieder bis zum Minimum der Tropfenzahl (meistens ist übrigens 
die gleich nach dem Verdünnen beobachtete Tropfenzahl von der dem 
Minimum entsprechenden nicht merklich verschieden) und berechneten 
aus der Tropfenzahl die Menge Caprylsäure, die vom Niederschlag bei der 
Verdünnung frei gemacht wurde. Die für diese Berechnung notwendige 
Kurve, die die Tropfenzahl der wechselnde Mengen Caprylsäure enthaltenden 
0,25n KNO,- + 0,05n HNO,-Lösungen in Abhängigkeit von ihrem 
Caprylsäuregehalt angibt, bestimmten wir einmal für alle mit größter 
Sorgfalt. Die beschriebene Operation wurde so lange fortgesetzt, bis der 
Niederschlag keine meßbaren Mengen Caprylsäure mehr abgab; zu diesem 
Zwecke mußte man bis zu einer etwa 75 betragenden Tropfenzahl herunter- 
gehen; aus verdünnteren Lösungen adsorbiert AgJ praktisch keine Capryl- 
säure. Aus den Mengen Caprylsäure, die der Niederschlag bei jeder Ver- 
dünnung abgab, konnte man leicht die von ihm im Gleichgewicht mit ver- 
schieden konzentrierten Lösungen zurückgehaltenen Mengen berechnen. 


Die mit sechs verschiedenen Niederschlägen erhaltenen Kurven 
sind auf der linken Seite der Abb. 5 angeführt, wobei die Abszissen die 
Konzentrationen der Caprylsäure, die Ordinaten die adsorbierten 
Mengen in Molen Caprylsäure pro Mol AgJ angeben. Wie man sieht, 
haben die verschiedenen Niederschläge ein recht verschiedenes Ad- 
sorptionsvermögen; die adsorbierende Oberfläche ist also verschieden 
groß, die Form der Adsorptionskurve bleibt aber in allen Fällen im 
wesentlichen dieselbe. Dieses kann man noch deutlicher machen, wenn 
man den Maßstab der Ordinaten so verändert, daß die einer bestimmten 
Konzentration, etwa 0,0045 n, entsprechenden Punkte der Kurven 
zusammenfallen, dann legen sich alle anderen Punkte mit wenigen Aus- 
nahmen auf eine Kurve; es verbleiben nur verhältnismäßig geringe 
individuelle Abweichungen!). In verdünnteren Lösungen ist die Ad- 
sorption unmerklich klein, beginnt aber von einer bestimmten Kon- 
zentration an zuerst schnell und dann langsamer zu wachsen; wie der 
eine von uns gezeigt hat?), ist ein solcher Gang der Adsorptionskurve 
im Falle starker, zwischen den adsorbierten Molekülen wirkender 
Attraktionskräfte zu erwarten und wird auch bei der Adsorption der 
höheren Fettsäuren an der Trennungsfläche Luft/Lösung beobachtet. 
Der weitere Verlauf der Adsorptionskurven der Abb. 5 ist aber schwerer 
zu deuten, denn bei höheren Konzentrationen zeigen die Kurven einen 
zweiten Inflexionspunkt. Man könnte zuerst denken, daß es sich um 


1) Das zur Berechnung der Kurven der Abb. 5 benutzte Zahlen- 
material wird in der demnächst erscheinenden russischen Abhandlung 
(Mitteilungen des Karpow -Instituts für Chemie Nr. 6), zusammen mit 
der graphischen Darstellung einer solehen Umrechnung, angeführt werden. 

3) Frumkin, Zeitschr. f. phys. Chem. 116, 479, 1925. 


15 * 


228 A. Frumkin u. A. Obrutschewa: 


eine kapillare Kondensation der Caprylsäure in den Poren des Nieder- 
schlags handelt, die bei der Näherung au den Sättigungspunkt einsetzt, 


Abb. A 


wie dieses z. B. bei der Adsorption von Wasserdampf in manchen 
Fällen beobachtet wurde!). In diesem Falle sollte aber die Er- 


1) Bray und Draper, Proc. Nat. Acad. of Sc. 12, 195, 1926. 


Adsorptionserscheinungen an Silberjodid. 229 


scheinung bei den Niederschlägen mit der größeren Oberfläche, die 
also feinporiger sind, stärker ausgesprochen sein; in Wirklichkeit 
besteht ein solcher Zusammenhang nicht. Vielleicht könnte man die 
beobachteten Kurven als das Resultat der Superposition zweier Ad- 
sorptionskurven deuten, dem Umstand entsprechend, daß die AgJ-Ober- 
fläche Adsorptionszentren zweierlei Art besitzt; jedoch möchten wir 
auf der Richtigkeit dieser Erklärung nicht bestehen. Außer den Capryl- 
säurekurven haben wir noch einige Adsorptionskurven für Heptylsäure 
durchgemessen, die Bestimmung der adsorbierten Mengen nach der 
Tropfenzahl wird aber in diesem Falle schon recht ungenau. Die 
Adsorptionskurven sind auch in diesem Falle vom Typus der Kurven 
der Abb.5. Im Mittel aus fünf Versuchen fanden wir die Heptylsäure- 
menge, die aus einer halbgesättigten Lösung adsorbiert wurde, zu 
0,0047 Molen pro Mol AgJ, während sich für die Menge, die aus einer 
halbgesättigten Caprylsäurelösung adsorbiert wurde, aus sieben Ver- 
suchen ein Durchschnittswert gleich 0,0054 Molen pro Mol AgJ ergab. 


2. Bestimmung der Adsorption in Gegenwart eines Ag NO,- oder KJ-Über- 
schusses. 


Diese erfolgte genau wie oben angegeben, nur enthielten die 
Lösungen, mit denen der Niederschlag gesättigt und ausgewaschen 
wurde, noch AgNO, bzw. KJ, und zwar in einer n/100 Konzentration; 
das Aufsuchen des Minimums fiel dabei selbstverständlich weg. Diese 
Bestimmungen schlossen sich denen der maximalen adsorbierten 
Menge an; die Resultate fünf solcher Versuche sind auf der rechten 
Seite der Abb. 5 aufgezeichnet. In den Versuchen 2, 3 und 4 enthielt 
die Lösung einen AgNO,-Überschuß, in den Versuchen 5 und 6 einen 
KJ-Überschuß. 


Berechnung der Kapazität der Doppelschicht. 


Wir haben weiterhin versucht, die Kurven der Abb.5 zu einer 
quantitativen Auswertung der Kapazität der Doppelschicht der AgJ- 
Oberfläche nach Gleichung (l) auszunutzen. Die Rechnung wurde 
wie folgt ausgeführt. Aus unseren Kurven kann man berechnen, in 
welchem Verhältnis man die Konzentration der aktiven Substanz 
vergrößern muß um beim Übergang von den optimalen Bedingungen 
zu einem AgNO,- oder KJ-Überschuß die adsorbierte Menge konstant 
zu erhalten. Nehmen wir beispielsweise Versuch 5. Eine 0,002 Mol 
betragende adsorbiertte Menge wird bei optimalen Adsorptions- 
bedingungen aus einer 0,00180 pn Caprylsäurelösung adsorbiert, in 
Gegenwart von n/100 KJ aber aus einer 0,00316 n. Das Verhältnis 
0.00316 : 0,00180, das wir mit k bezeichnen wollen, ist gleich 1,76. 
Würden wir die Berechnung für 0,0004, 0,001 und 0,004 Mol betragende 


230 A. Frumkin u. A. Obrutschewa: 


adsorbierte Mengen durchführen, so würden sich für k folgende Werte 
ergeben: 1,85, 1,71, 2,05 und im Durchschnitt für Versuch 5 k = 1,85. 
Eine ähnliche Rechnung ergibt für die Versuche 2, 3 und 4 k = 2,34, 
2,20, 2,31 und für die Versuche 6 und 7 [letzterer ist in Abb. 5 nicht 
angeführt !)] k = 2,30 und 2,38, im Durchschnitt für alle AgNO,-Ver- 
suche k = 2,28, und für alle KJ-Versuche k = 2,18. Aus Gleichung (l) 
folgt nun 


2 RT 
(=: ,- 2 
0,434 8 (P1 — Pmax.)? sh A 
und 
, 2 RT 
C—C = gs (Pa — Pmax.)? Ea S 


wenn man mit 9, und @, die zu E und k, zugehörigen k-Werte be- 
zeichnet. Die -Werte in den Gleichungen (2) und (3) beziehen sich 
auf die P.-D. Lösung/AgJ, ihre Differenzen können aber nach dem, 
was wir oben gesagt haben, durch die Differenzen der Potentiale, die 
eine Silberelektrode in den entsprechenden Lösungen annimmt, ersetzt 
werden. Diese Potentiale haben, gegen eine Normalkalomelelektrode 
gemessen, folgende Werte: für n/100 AgNO, 0,40, für n/100 KJ 
— 0,275 und für die den optimalen Adsorptionsbedingungen ent- 
sprechende Ag -Ionenkonzentration 0,16 Volt; also 9, — Pax. 


= — 0,24 Volt und 9, — Pmax. = 0,435 Volt, Die Größe SE kann 


man unter der Annahme berechnen, daß die Moleküle der Fettsäure 
in der Trennungsfläche Lösung/AgJ ebensoviel Platz einnehmen, wie in 
der Trennungsfläche Luft/Lösung. Für diesen Fall folgt aus Oberflächen- 


spannungsmessungen — = 30,0 erg/gem bei 1802). Setzt man 


RT 
0,434 S 
diese Werte in Gleichung (2) und (3), so bekommt man aus Gleichung (2) 

C — C’ = 37 mF/qem 
und aus Gleichung (3) 
C — C’=11mF/gem. 


Wir wissen aus dem Gange der Elektrokapillarkurven.der höheren 
Alkohole und Fettsäuren, daß die Größe O klein gegen C ist; so be- 
rechnet sich für den Fall der Adsorption von tertiärem Amylalkohol 
an der Trennungsfläche Hg/Lösung C’ = 4,4 mF/qem®). Führt man 


1) In den Versuchen 2, 3, 4 und 7 konnte die Rechnung nur für 0,0004, 
0,001 und 0,002 Mole betragende adsorbierte Mengen durchgeführt werden. 

2) Siehe z. B. Frumkin, Le, auch für die Adsorption von Capronsäure- 
molekülen an einer Hg-Oberfläche, wie aus den anfangs erwähnten Messungen 
von Frl. Kulwarskaja folgt, gilt der hier angegebene RT /S-Wert. 

3) Frumkin, Zeitschr. f. Phys. 85, 798, 1926. 


LA 


= pg We, bir -u 
ai 


Adsorptionserscheinungen an Silberjodid. 231 


die Berechnung der Größe C — C” für den Fall der Adsorption von 
Capronsäure an einer Hg-Oberfläche nach der hier beschriebenen 
Methode durch, so bekommt man C — C’ = 26 mF/gcm, während 
nach Krüger!) der Mittelwert von C für Hg in einer normalen KNO,- 
Lösung gleich 27 mF/gqem ist. Wir können also in erster Annäherung, 
da es sich doch um eine ganz rohe Schätzung handelt, C” gegen C ver- 
nachlässigen und die angegebenen Werte als ein Maß der Kapazität 
der Doppelschicht an der AgJ-Oberfläche in 0,25 n KNO, betrachten. 
Die berechneten C-Werte können allerdings keine hohen Ansprüche 
auf Genauigkeit erheben insbesondere da die Ableitung der Gleichung (1) 
die Unabhängigkeit der Größe C von Q voraussetzt, während in unserem 
Falle sich C mit e stark ändert, wie dieses schon aus der Verschiedenheit 
der Resultate der Berechnung nach Gleichung (2) und (3) ersichtlich 
ist. Immerhin muß die Größenordnung der C-Werte doch richtig sein, 
und es ist bemerkenswert, wie nahe di» von uns gefundenen Zahlen dem 
für die Kapazität der Hg-Oberfläche in einer normalen KNO,-Lösung 
aus der Elektrokapillarkurve mit großer Genauigkeit berechneten 
Werte 27 mF/qem kommen. 


Andere Methoden zur Berechnung der Kapazität der Doppelschicht. 


Führt man die potentiometrische Titration einer verdünnten 
AgNO,-Lösung mit KJ einmal in Gegenwart einer größeren Menge 
(etwa 0,01 Mol pro 4u cem Lösung) AgJ aus, ein anderes Mal aber, ohne 
überschüssiges AgJ in die Lösung einzuführen, so beobachtet man 
einen sehr verschiedenen Gang der Kurven der potentiometrischen 
Titration?). 


Der Niederschlag übt in der Nähe des Äquivalenzpunktes eine 
Pufferwirkung aus, da zu dessen Umladung merkliche Mengen AgNO, 
bzw. KJ verbraucht werden. Diese sind wegen der Schwerlöslichkeit 
des Jodsilbers, solange wir uns von dem Äquivalenzpunkt um nicht 
mehr als 0,2 Volt entfernen, viel größer als die Mengen, die zur Fällung 
der J’- bzw. Ag-Ionen der Lösung verbraucht werden. Die Puffer- 
wirkung wird abgeschwächt, wenn der Niederschlag eine kapillar- 
aktive Substanz adsorbiert; sorgt man durch Zugabe von überschüssiger 
organischer Säure dafür, daß der Niederschlag von ihr umhüllt wird, 
80 verschwindet die Pufferwirkung, wie wir feststellen konnten, voll- 
kommen. Aus der Größe der Pufferwirkung läßt sich die Gesamtladung 


1) Zeitschr. f. Elektrochem. 19, 620, 1913. 

?) Dieses Verfahren ist eine Modifikation des von Fajans und Franken- 
burger, l. c., verwendeten. Auf den Einfluß des Niederschlags auf den Gang 
der potentiometrischen Titration hat auch Kolthoff (Maßanalyse 1, 158, 1927) 
hingewiesen. 


232 A.Frumkin u. A. Obrutschewa: Adsorptionserscheinungen usw. 


des festen AgJ leicht berechnen; wäre die Größe der adsorbierenden 
Oberfläche bekannt, so könnte man mit Leichtigkeit daraus auch die 
Ladungrdichte und die Kapazität der Doppelschicht finden. Die Ab- 
schätzung der Größe der Oberfläche der festen Phase kann nach drei 
Methoden ausgeführt werden. 

L Durch Abzählung der Teilchen unter dem Ultramikroskop, 
wenn sie sich noch in kolloider Lösung befinden; das ist der Weg, den 
Fajans und Frankenburger eingeschlagen haben. 

2. Durch Bestimmung der maximal adsorbierten Menge eines 
kapillaraktiven Stoffes, welches einen gut ausgeprägten Grenzwert 
der Adsorption zeigt!). 

3. Durch Bestimmung des bei der Adsorption einer gewissen 
Menge einer organischen Substanz bedeckten Bruchteils der Oberfläche 
aus der Verminderung der Größe der Pufferwirkung. 

Wir hoffen. bald über die Resultate von Versuchen, die nach 3. 
angestellt sind, berichten zu können, und werden dann auf den Vergleich 
der nach den verschiedenen Methoden berechneten Ladungsdichten 
näher eingehen. 

Zusammenfassung. 


Es wurde die Abhängigkeit der von einem AgJ-Niederschlag 
adsorbierten Menge Caprylsäure von der durch den Ag-Ionengehalt 
der Lösung bestimmten Potentialdifferenz Lösung/Jodsilber untersucht 
und gezeigt, daß das Adsorptionsvermögen des Jodsilbers für Capryl- 
säure bei einer bestimmten Ag’-Ionenkonzentration einen Maximumwert 
erreicht. Das dieser Ag’-Ionenkonzentration entsprechende Potential 
einer Silberelektrode, gegen eine Normalkalomelelektrode gemessen, 
ist gleich 0,16 Volt. Eine theoretische Deutung dieser Erscheinungen 
wurde gegeben und aus den bei verschiedenen Bedingungen auf- 
genommenen Adsorptionskurven die Kapazität der Doppelschicht an 
der AgJ-Oberfläche bestimmt. 


1) Paneth und Radu, Ber. 57, 1221, 1924. 


— čá a e re 


Über die Wirkung von äußeren Reizen 
auf den Brechungsindex,des Blutserums. 


Von 
S. Balachowsky und W. Turbaba. 


(Aus dem Biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 21. Januar 1927.) 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


Im Jahre 1925 hat der eine von uns!) nachgewiesen, daß sich die 
Senkungsgeschwindigkeit der Erythrocyten nach der Nahrungs- 
aufnahme überaus rasch verändert und daß diese Veränderungen 
reflektorischer Art sind. 

Vorliegende Arbeit wurde mit der Absicht vorgenommen, zu er-. 
mitteln, ob schmerzhafte Reize auf das Blutserum einen Einfluß aus- 
üben. Zum Studium der Wirkung schmerzhafter Reize wählten wir 
als kennzeichnendes Merkmal den Brechungsindex des Serums, der 
mittels des Eintauchrefraktometers von Pulfrich-Zeiss gemessen wurde. 

Wurde aus ein und derselben Wunde eine Reihe von Blutproben 
entnommen (etwa alle 2 bis 4 Minuten), so ergab sich sowohl am 
Menschen wie am Kaninchen, daß schmerzhafte Traumen (ziemlich 
tiefer Einschnitt in die Fingerbeere, Einschnitt in die Ohrarterie des 
Kaninchens) gewöhnlich von sprunghaften Schwankungen des Brechungs- 
index des Serums begleitet werden. Gewöhnlich sind diese Sprünge 
erheblicher als die unter Ausschluß von schmerzhafter Reizung zur 
Beobachtung gelangenden Schwankungen. 

Aus den Kurven 1 und 2 ist ersichtlich, daß beim Menschen die 
Reaktion auf Schnittwunde in einer Abnahme des Brechungsindex 
bestand, die sehr rasch erfolgte, aber keine besonders hohen Grade 
erreichte (in 2 Minuten Abnahme um 0,00045, nach weiteren 2 Minuten 
keine Schwankungen ähnlicher Größe). 


I) „Presse Médicale“, 13. Mai 1925. 


234 S. Balachowsky u. W. Turbaba: 


Es sei darauf hingewiesen, daß beide Versuchspersonen sich während 
der ganzen Dauer des Versuchs in völliger Ruhe und Unbeweglichkeit 
befanden. Kurve 3 entspricht einem Versuch, in dem statt der Schnitt- 
wunde zweimal tiefe und dabei schmerzhafte (besonders das zweitemal) 
Einstiche in die Fingerbeere ausgeführt wurden. Hier wurde durch 
den schmerzhaften Reiz jedesmal ein Anstieg der Kurve hervorgerufen. 


Die Kaninchenversuche ergaben, daß der Einschnitt in die Ohr- 
arterie bedeutende Schwankungen des Brechungsindex zur Folge 
haben kann. Als Beispiel eines solchen Versuchs möge die Kurve 4 
dienen. Zwischen der dritten und vierten Messung (um die vierte 
Minute) erfolgte eine Abnahme des Brechungsindex um 0,00098, 
zwischen der vierten und fünften Messung (um die fünfte Minute) 
Anstieg auf 0,00105. Ein weiterer Schmerzreiz um die 60. Minute 
nach Anfang des Versuchs bewirkte eine relativ anhaltende Senkung 
der Kurve. Die zweite Schnittwunde um die 41. Minute blieb ohne 
sichtbare Wirkung. Unser Versuchsmaterial umfaßt noch einige ähnliche 
Experimente, in denen die Wirkung des ersten Einschnitts und der 
schmerzhaften Reizung ebenso deutlich hervortreten. 


Es wurden weiter mehrere Versuche mit abgeänderter Methodik 
an Hunden ausgeführt. Bei diesen Tieren wurde das Rückenmark 
durchschnitten, wodurch die Sensibilität der hinteren Körperhälfte 
aufgehoben wurde. In der anästhetischen Körperhälfte wurde eine 
der Beinarterien bloßgelegt. Aus dieser Arterie wurden serienweise 
Blutproben entnommen und alsdann die schmerzhafte Reizung aus- 
geführt an verschiedenen Stellen der sensibeln Körperhälfte. Kurven 5 
und 6 beweisen, daß schmerzhafte Reize (Kneifen mit der Zange) 


Mehl. ie emm. ni 


Bb- a ne 


= CE a O R e E a E ea i 


Brechungsindex des Blutserums. 235 


den Verlauf der Kurven auf merkliche Weise beeinflussen, indem sie 
Ausschläge des Brechungsindex hervorrufen, die bis zu 0,00081 in 
2 Minuten betragen. Kurve 7 gibt das Beispiel eines Versuchs mit 
negativrem Resultat, der aber in jener Hinsicht von Interesse ist, 
daß der Schmerzreiz heftige Bewegungen des Tieres zur Folge hatte, 
was jedoch ohne jeglichen Einfluß auf den Verlauf der Kurve blieb. 


Dieser Versuch ist auch deshalb interessant, weil hier der Schmerz- 
reiz mit einer spontanen Schwankung des Brechungsindex zusammen- 
traf. Es drängt sich die Frage auf, ob es sich in diesem Falle nicht um 
die bekannte Erscheinung der Reflexhemmung durch äußere oder 
innere Nervenimpulse handelt. 

Auf welche Weise ist der Einfluß der örtlichen schmerzhaften 
Reizung und des Traumas auf die Gesamtmasse des Blutes zu deuten ? 
Ohne auf das Studium des Mechanismus dieser Erscheinung näher 
einzugehen, möchten wir darauf hinweisen, daß der heutige Stand 
unserer Kenntnisse die Beeinflussung der Gesamtmasse des Blutes 
durch örtliche schmerzhafte Reizung wohl kaum auf andere Weise 
erklären läßt, als durch die Beteiligung neutraler Reflexbogen. 


Über die Zusammensetzung des Kammerwassers. 


Von 
T. Ikebata. 


(Aus der chemischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses in 
Berlin.) 


(Eingegangen am 23. Januar 1927.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Die früher von Leber und seiner Schule vertretene Anschauung, 
nach der das Kammerwasser auf dem Wege der Filtration aus dem 
Blute in die Vorderkammer gelangt und durch den Schlemmschen 
Kanal abfließt, darf heute wohl als nicht mehr zu Recht bestehend 
angesehen werden. 


Vielmehr ist man auf Grund der Untersuchungen von Hamburger. 
Weiss, Magitot und Mestrezat, Lehmann und AMleesmann!) berechtigt an- 
zunehmen, daß es molekulare Kräfte sind, die für einen ständigen Stoff- 
austausch zwischen Blut und Kammerwasser sorgen. Wäre das Kammer- 
wasser ein einfaches Filtrat, so müßte man in ihm Kristalloide in demselben 
Mengenverhältnis finden wie im Blute. Für das Kochsalz aber ist von 
verschiedenen Autoren übereinstimmend erwiesen, daß es sich im Kammer- 
wasser stets in größerer Menge findet als im Blute. Diese merkwürdige 
Tatsache wird von Lehmann und Meesmann damit erklärt, daß zwischen 
Blut und Kammerwasser ein Donnangleichgewicht besteht. Dieser Gleich- 
gewichtszustand ist nach Freundlich?) dadurch charakterisiert, daß die 
Konzentration jedes einzelnen positiven Ions auf der Kolloidseite (Plasma) 
sich zu der des gleichen Ions auf der kolloidfreien Seite (Kammerwasser) 
gerade so verhält, wie die Konzentration jedes einzelnen negativen Ions 
auf der kolloidfreien Seite (Kammerwasser) zur Konzentration des be- 
treffenden Ions auf der Kolloidseite (Plasma). — Diese Gesetzmäßigkeit 
ist bisher jedoch nur für das Kochsalz erwiesen, nicht dagegen auch für 
ein anderes Kristalloid, die Milchsäure, von der neuerdings Wittgenstein 
und Gaedertz?) festgestellt haben, daß auch sie im Kammerwasser sich 
in größerer Menge findet als im Plasma. Welche Erklärung aber auch 
später hierfür gegeben werden mag, fest steht jedenfalls, daß die Mengen 
von 'Kristalloiden im Kammerwasser abhängig sind von denen im Blute, 


1) G. Lehmann und A. Meesmann, Pflügers Arch. 205, 210, 1924; 
daselbst auch einschlägige Literatur. 

2) H. Freundlich, Kapillarchemie, S. 759. Leipzig 1922. 

3) A. Wittgenstein und A. Gaedertz, diese Zeitschr. 176, 1, 1926. 


T. Ikebata: Zusammensetzung des Kammerwassers. 237 


und daß Verschiebungen im Blute auch im Kammerwasser in entsprechender 
Weise zum Ausdruck kommen. Besonders ist das von Ask!), de Haen 
und van Creveld?) gezeigt worden an dem Verhalten zwischen Blutzucker 
und Zucker im Humoraquaeus. Auch für die Milchsäure haben sich solche 
Beziehungen ergeben (Wittgenstein und Gaedertz). 


Auf Veranlassung von Herrn Prof. Wohlgemuth habe ich nun 
versucht festzustellen, ob auch Verschiebungen von kolloiden Sub- 
stanzen im Blute zu entsprechenden Änderungen im Kammerwasser 
führen. Dabei war ich mir klar, daß bei dem trägen Stoffaustausch 
im Kammerwasser eine kurze, schnell vorübergehende Konzentrations- 
änderung im Bilute keineswegs eine entsprechende Änderung im 
Kammerwasser zu bedingen brauchte, daß also die Versuchsbedingungen 
so gewählt ‘werden mußten, daß eine möglichst mehrere Tage an- 
haltende Änderung der Blutzusammensetzung gewährleistet war. 

Von kolloiden Substanzen im Blute kamen in Betracht das Blut- 
eiweiß und die Fermente. 

Für die Anreicherung dieser Kolloide im Blute eines Tieres haben 
wir ein bequemes Mittel in der Unterbindung des Pankreasganges. Wenn 
man einem Kaninchen 
den Ductus Wirsun- 
gianus unterbindet und 0,77 1000 
so dafür sorgt, daß das 0,16 300 
ganze Pankreassekret 
statt in den Darm sich 
in das Blut ergießt, so 
hat das, wie Wohlge- 
muth?) festgestellt hat, 
zur Folge, daß das Blut 
überschwemmt wird mit 
großen Mengen von Fi- 


S SS SS 
ECK 
Wm a Se 
S 
S AQA S 


Yo Blutzucker =-=-— 
S AN) 
e A 
g 
S Š 


brinogen und diastati- BEER e 
schem Ferment, und daß 2022108 Wi 
der Blutzucker beträcht- 0,07 Tg m 23 #56 79° 
lich ansteigt. Dabei vor nach d. Garıgunferbirigung 


ergeben sich für alle Abb. 1. 
drei Bestandteile fast 

parallel verlaufende Kurven. Als erstes beobachtet man einen An- 
stieg des diastatischen Ferments im Blute, der bereite 5 bis 6 Stunden 
nach der Unterbindung einsetzt, nach 24 Stunden ist der Blutzucker 
erhöht und bisweilen auch schon das Fibrinogen. 


1) F. Ask, diese Zeitschr. 59, 1, 1914. 
"AJ. de Haen und S. van Creveld, ebendaselbst 123, 190. 1921. 
`) J. Wohlgemuth, Berlin. klin. Wochenschr. 1917, Nr. 4. 


238 T. Ikebate: 


Dieser Zustand dauert so lange an, als noch Pankreassekret ins Blut 
übertritt; sobald aber die Sekretion in der Drüse versiegt, sinkt auch 
wieder der Diastase-, der Blutzucker- und der Fibrinogenspiegel. 
(Siehe Abb. 1.) 

Es war nun von Interesse zu verfolgen, ob im Kammerwasser 
die Konzentrationsverhältnisse der Kolloide sich nach der Unter- 
bindung des Pankreasganges in dem gleichen Sinne verschieben wie 
im Blut. 

I. 


Zunächst prüfte ich das Verhalten des diastatischen Ferments. 

Daß im Kammerwasser sich Diastase findet, ist bereits von Leber 
festgestellt worden. Doch war bisher über die quantitativen Verhält- 
nisse nichts bekannt. Ich ermittelte an meinen Tieren den Diastase- 
gehalt des Kammerwassers mit der von Wohlgemuth angegebenen 
Methode und stellte fest, daß er, entsprechend dem geringen Gehalt 
des Kammerwassers an Kolloiden, im Verhältnis zu den Quantitäten 
im Blute außerordentlich gering ist. 

Ich ging in meinen Versuchen so vor, daß ich bei drei Kaninchen 
zunächst mehrere Tage vor der Unterbindung zu verschiedenen Zeiten 
die Diastase im Kammerwasser und im Blute der Tiere bestimmte 
und dann nach Unterbindung fast täglich den Verlauf der Diastase- 
schwankungen verfolgte. Alles weitere ist aus den Protokollen er- 
sichtlich. 


| Versuch I | Versuch II | Versuch Ill 
Diastase im | Diastase im Diastase im 


Blut | Kammerwasser | Blut | Kammerwasser ; Blut | Kammerwasser 
g0 o ' 0 g0 
| dën | KR ` da dan | du du 
GE - Ee : 

e . | 512 66 512 54 , 512 6,6 
sorperinde, A joa]. 43 1024 7 | 512 11 
Nach der Unters | | 

bindung | | 
1. Tag 4096 — | 8190 54 į 1024 27 
2 = 25 — 27 | 2048 62 
25 SEN 2048 125 i| 2048 13 
4. , 1024| 52 1024 54 1024 8 
a 512 ı 26 1024 13 512 11 
6. , 512 | 6.6 512 äu "Su? 11 
1. 512 6,6 512! i3: poi — 


Zunächst geht aus der Tabelle hervor, daß die Diastase im Kammer- 
wasser bei ein und demselben Tiere in der Norm keine großen Schwan- 
kungen zeigt; dagegen differieren die Werte einzelner Tiere unter- 
einander sehr stark. So enthält das Kammerwasser von Tier 2 etwa 
vier- bis fünfmal so viel Diastase wie das von Tier l und 3. Verglichen 
mit dem Blute, ist das Kammerwasser sehr arm an Diastase. 


Zusammensetzung des Kammerwassers. 239 


Während die Unterbindung des Pankreasganges in Versuch 1 und 2 
innerhalb 24 Stunden zu maximaler Steigerung der Blutdiastase führt, 
im Falle 3 erst innerhalb 48 Stunden, folgt der Anstieg im Kammer- 
wasser nur sehr langsam. Im Versuch 1 macht sich zwar schon am 
zweiten Tage eine Steigerung bemerkbar, sie erreicht aber ihren Höhe- 
punkt erst am vierten Tage, als schon die Blutdiastase wieder fast zur 
Norm zurückgekehrt ist, und zeigt am sechsten Tage wieder ihren 
Ausgangswert. Im Versuch 2 sehen wir erst am dritten Tage nach der 
Unterbindung ein Ansteigen der Diastase im Kammerwasser, also 
auch zu einer Zeit, wo die Diastase des Blutes sich dem Normalwert 
wieder genähert hat. Nur im Versuch 3 steigt die Diastase im Kammer- 
wasser bereits nach 24 Stunden an, erreicht zusammen mit der Blut- 
diastase am zweiten Tage ihren Höhepunkt und sinkt am dritten Tage 
wieder ab. 

Die Versuche haben somit übereinstimmend ergeben, daß für den 
Fermentgehalt im Kammerwasser maßgebend ist der Fermentgehalt 
im Blute. Steigt er im Blute an, so beobachtet man auch im Kammer- 
wasser eine Zunahme, geht er im Blute zurück, so folgt auch das 
Kammerwasser mit einer Abnahme. Es liegen also die Verhältnisse 
für Kolloide im Kammerwasser ganz ähnlich wie für Kristalloide, nur 
mit dem Unterschied, daß der Austausch von Kristalloiden sich aus- 
giebiger und schneller vollzieht als der des Kolloids. 

Ein ganz ähnliches Verhalten wie das Kammerwasser zeigt die 
Cerebrospinalflüssigkeit.. Für sie haben Wohlgemuth und Szésci!) 
gezeigt, daß sie normaliter nur ganz geringe Mengen an Diastase enthält, 
daß nach Unterbindung des Pankreasganges die Diastase im Liquor 
beträchtlich ansteigt und nach Absinken der Diastase im Blute auch 
aus der Cerebrospinalflüssigkeit bis auf geringe Spuren verschwindet. 


II. 


Sodann bemühte ich mich, etwaige Verschiebungen in der Eiweiß- 
zusammenseizung des Kammerwassers unter dem EinfluB der Gang- 
unterbindung festzustellen. Bei den sehr geringen Eiweißmengen im 
Kammerwasser war es natürlich unmöglich, Albumin und Globulin 
voneinander zu trennen und jedes für sich gesondert zu bestimmen. 
Hier konnte die Entscheidung nur mit einer Methodik getroffen werden, 
die gestattete, in so kleinen Flüssigkeitsmengen, wie sie aus der vorderen 
Augenkammer des Kaninchens erhältlich sind, ohne besondere Vor- 

bumin 


behandlung eine Verschiebung des Quotienten cn zu erkennen. 


1) J. Wohlgemuth und St. Szécsi., Zeitschr. f. d. ges. Neurologie u. 
Psychiatrie 13, 455, 1912. 


240 T. Ikebata: 


Eine solche besitzen wir neuerdings in der von Rosenfeld!) in unserem 
Laboratorium ausgearbeiteten Nachtblaureaktion. Sie ist von ihm 
gedacht für die Untersuchung der Cerebrospinalflüssigkeit auf das 
Vorkommen pathologischer Albuminmengen und beruht im Prinzip 
darauf, daß das Nachtblau, ein elektropositiv geladener kolloidaler 
Farbstoff bei einer bestimmten Wasserstoffionenkonzentration mit 
dem negativ geladenen Albumin ausflockt. Rosenfeld ging von der 
Überlegung aus, daß, da der isoelektrische Punkt des Albumins bei 
pu = 4,7, der des Globulins bei pu = 5,4 liegt, bei einer in der Mitte 
zwischen diesen beiden Werten gelegenen Wasserstoffionenkonzentration, 
also bei pe = 5,0, die Albumine negativ, die Globuline elektropositiv 
geladen sein müssen. Da sich nun bekanntlich entgegengesetzt geladene 
Kolloide gegenseitig ausflocken, so war die Möglichkeit gegeben, bei 
dieser H-Konzentration das negative Albumin durch ein eiweiß- 
empfindliches, positiv geladenes Sol auszuflocken und so in einem 
geeigneten Medium gelöstes Albumin und Globulin zu diffenrenzieren. 
Das gelang in der Tat sehr gut, und Rosenfeld hat am Liquor einwandfrei 
gezeigt, daß es mit Hilfe des Nachtblaus möglicht ist, Verschiebungen 
im Albumingehalt mit Sicherheit festzustellen. 


Das Sol, das man hierzu benötigt, setzt sich zusammen aus einer 
0,l proz. wässerigen Lösung von Nachtblau (Grübler) — das Mercksche 
Nachtblau löst sich nicht in Wasser — und einem Puffergemisch, bestehend 
aus 110Occm n/l0 Essigsäure + 90 ccm n/10 Natriumacetat + 200 cem 
Aqua dest. (doppelt destilliert). Die H'-Konzentration dieses Puffers 
beträgt 4,7. Man verdünnt nun die Nachtblaulösung auf das Zehnfache 
mit bestem destillierten Wasser und versetzt gleiche Teile dieser Farbstoff- 
verdünnung mit gleichen Teilen Putieriosung. Dieses Reagens hat dann 
eine H'-Konzentration von pg = 5,0. 


Analog der Vorschrift für Liquor wurde so vorgegangen, daß 
zunächst einmal ermittelt wurde, welche kleinste Menge Kammer- 
wasser noch ausreicht, um mit der Farbstofflösung eine Trübung zu 
geben. Wir sahen eine solche noch auftreten bei Anwendung von 
0,2 ccm normalen Kammerwassers; 0,1 ccm ließ keine Trübung mehr 
erkennen. Der Versuch wurde stets so ausgeführt, daß 0,2 ccm Kammer- 
wasser in einem Reagenzglas mit doppelt destilliertem Wasser auf 
1,0 ccm aufgefüllt und mit 2,0 cem des frisch hergestellten Farbstoff- 
reagens versetzt wurde. Zur Kontrolle wurde ein anderes Reagenzglas 
von derselben Weite mit 1,0 cem Wasser + 2,0 ccm Reagens beschickt 
und nach 5 Minuten langem Stehen beide Gläser miteinander ver- 
glichen. Wenn eine Trübung im ersten Gläschen eintrat, so hatte sie 
ihr Maximum spätestens nach 5 Minuten, meistens noch früher erreicht. 


1) H. Rosenfeld, Klin. Wochenschr. 1927, Nr. 3; diese Zeitschr. 167, 
343, 1926. 


mm | = nu _ m 
a 
Zi , i 


Zusammensetzung des Kammerwassers. 241 


Nach der Unterbindung prüfte ich fast täglich in derselben Weise 
das Kammerwasser und stellte fest, daß in den beiden ersten Tagen, 
bisweilen auch am dritten Tage, noch 0,2 ccm Kammerwasser mit dem 
Reagens eine Trübung gaben, am vierten Tage waren schon 0,3 ccm 
erforderlich und am fünften und sechsten Tage 0,4 ccm; am siebenten 
und achten Tage genügten dann wieder 0,2 ccm für den positiven Ausfall 
der Reaktion. 

Dieser Befund besagt, daß infolge der Unterbindung entweder das 
Albumin im Kammerwasser abgenommen oder das Globulin zugenommen 


Albumin ` ` 
Globulin sich zugunsten des 
Globulins verschoben hat. Nun haben wir eingangs gesehen, daß die 
Unterbindung des Pankreasganges beim Kaninchen eine Überschwem- 
mung des Blutes mit Fibrinogen zur Folge hat, die etwa 4 bis 5 Tage 
anhält (s. Kurve Abb.1). Das Fibrinogen ist aber ein Globulin. Die 
Unterbindung des Ductus Wirsungianus führt somit zu einer Globulin- 
vermehrung im Plasma. Die Folge davon ist, daß auch im Kammer- 
wasser der Globulingehalt vorübergehend zunimmt. Beim Absinken des 
Fibrinogens treten dann schließlich wieder dieselben Verhältnisse ein 
wie vor der Unterbindung. 

Es hat sich also gezeigt, daß auch die qualitative Zusammensetzung 
des Eiweißes im Kammerwasser abhängig ist von der qualitativen 
Zusammensetzung des Eiweißes im Blute. 


hat oder, was dasselbe ist, der Quotient 


HI. 


Als weitere Folge der Unterbindung des Pankreasganges beim 
Kaninchen kennen wir den Anstieg des Blutzuckers, der mehrere Tage 
anhält und meistens nach 4 bis 5 Tagen wieder fast zur Norm zurück- 
kehrt (s. Kurve S. 237). Wenn man so vorbehandelte Tiere noch weiter 
beobachtet, so findet man, daß nach 1 oder 2 Wochen der Blutzucker 
wieder zu steigen beginnt und schließlich eine Höhe zeigt, wie wenn 
das Tier einen Diabetes hätte, ohne daß dabei Zucker im Harn auf- 
zutreten braucht. Dieser Zustand ist, wie Wohlgemuth?) gezeigt hat, 
so zu erklären, daß bei den Tieren sich im Laufe der Zeit eine aus- 
gesprochene Sympathicotonie entwickelt hat. 

An solchen Tieren habe ich nun auch das Verhalten des Zuckers 
im Kammerwasser studiert. Wie schon eingangs erwähnt, bestehen 
über die Beziehungen zwischen Glucose im Blute und im Kammer- 
wasser bereits eingehende Untersuchungen von Ask und von 


1) Wohlgemuth und Mochizuki, Klin. Wochenschr. 1924, Nr. 29, S. 1320; 
diese Zeitschr. 150, 123, 1924; Wohlgemuth und Seo, Klin. Wochenschr. 
1925, Nr. 30; diese Zeitschr. 163, 271, 1925. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 16 


242 T. Ikebata: 


de Haen und van Creveld. Ich beschränkte mich deshalb darauf, 
die Schwankungen der experimentell hervorgerufenen Blutzucker- 
verschiebungen im Kammerwasser bei drei Tieren zu verfolgen, und 
teile das Resultat in folgender Tabelle mit; die Zuckerbestimmungen 
wurden nach Hagedorn und Jensen ausgeführt; die mitgeteilten Zahlen 
sind Mittelwerte aus gut übereinstimmenden Doppelanalysen. 


q 


Versuch I | Versuch II Versuch II 
Proz. Glucose im Proz. Glucose im | Proz. Glucose im 
Blut 


Blut | Kammerwasser Blut | Kammerwasser | Kammerwasser 


ze | 

u 0,101 | 0,127 | 0,117 | 0,120 | 0,113 | 0,119 

Nach der Unters || | l \ 
binduny 
1. Tag 0,145 | 0,166 0,91 | 0,119 | 0,093 | 0,115 
2o I — 10,162 I 0,118 0,197 | 0,113 
Ce 0,164 | 0,163 0,109 | 0,124 0,1099 | 0,122 
4. , 0,202 | 0,175 0,087 0,12 "0114 | 0,123 
D. „ 0,169 | 0,169 l 0,088 0,128 0,105 | 0,131 
6. 7 | 0182 10205 10149 | 0,198 | 0113 | 0.149 
7. 5 l 0,126 | 0.154 0,170 | 0.225 0,117 | 0.139 
8. „ 0,113 | 0,187 0,151 '0,224 "0,106 | 0,133 
9. > 30,117 |0127 | 0,161 | 0,191 10.100 0,126 
10. „ | 108 | 0,135 | 0,180 | 0,225 ‚0,105 | 0,147 
19. „ ‚ 0,134 | 0,139 [0,095] 0,266 | 0,318 [0,200] |, 0,213 | 0.289 [0,158] 


In Versuch 1 tritt unmittelbar nach der Unterbindung eine Blut- 
zuckersteigerung ein, die erst am achten Tage wieder verschwindet. 
Am 19. Tage sehen wir wieder ein Ansteigen des Blutzuckers; offenbar 
befindet sich das Tier in diesem Zeitpunkt im Beginn der Sympathi- 
cotonie. Beim zweiten Tiere beginnt die Blutzuckersteigerung erst am 
sechsten Tage, hält mehrere Tage an, und am 19. Tage ist das Tier 
bereits stark sympathicotonisch. Beim dritten Tiere machte die Unter- 
bindung des Ductus Wirsungianus wegen seiner abnormen Lage 
Schwierigkeiten; beim Absuchen des Darms war er gerissen und konnte 
nicht mehr mit Sicherheit identifiziert werden. Deshalb bleibt auch 
die anfängliche Blutzuckersteigerung aus, aber nach 19 Tagen hat 
sich dennoch eine ausgesprochene Sympathicotonie entwickelt. 


Wir sehen nun in allen Fällen zunächst einmal, daß die Zucker- 
menge im Kammerwasser immer höher ist als im Blute. Das beruht 
darauf, daß die korpuskulären Elemente des Blutes, die bei der Be- 
stimmung mit gemessen werden, wenig oder fast gar keine Glucose 
enthalten. Sodann sehen wir stets ein Ansteigen des Zuckers im Kammer- 
wasser, wenn der Blutzucker ansteigt. Doch verlaufen die Zahlen 
keineswegs parallel; denn manchmal beträgt die Differenz 20 Proz., 
bisweilen sogar 40 Proz. und noch mehr. Das ist einmal begründet 
durch die Schwankungen in den Blutkörperchenmengen, dann aber 


WEN D 


Zusammensetzung des Kammerwassers. 243 


auch vielleicht durch Schwankungen in dem Gehalt des Blutes an 
gebundenem Zucker. Darauf möchten wir auch das Zurückbleiben 
der Zuckerwerte im Kammerwasser hinter dem Blutzucker am dritten, 
vierten und fünften Tage im Versuch 1 zurückführen. 


Zu unserer Orientierung bestimmten wir noch bei unseren drei 
Tieren den Zuckergehalt der Glaskörperflüssigkeit, die wir uns durch 
Punktieren mit einer dicken Kanüle verschafften. Die Werte finden 
sich in obiger Tabelle am Tage der Entnahme in Klammern [ ] angegeben. 
Es zeigte sich in allen Fällen, daß die Zuckermengen im Glaskörper 
hinter denen im Kammerwasser wesentlich zurückbleiben, ja weit 
unter den Werten im Gesamtblut liegen. 


IV. 


Schließlich interessierte noch das Vorkommen von anderen 
Fermenten neben der Diastase im Kammerwasser. 


Zunächst gelang mir ganz leicht der Nachweis eines fettspaltenden 
Ferments mit Hilfe der Tributyrinmethode. Doch war seine Wirkung 
meist sehr schwach. Allerdings müssen wir zugeben, daß uns für diese 
Versuche nur sehr geringe Mengen Kammerwasser zur Verfügung 
standen. Die Versuche mußten in der Mehrzahl der Fälle mit nur 
0,3cem, bisweilen noch darunter, ausgeführt werden; ganz selten 
standen uns 0,4 ccm zur Verfügung. Das Resultat war meist eine 
Spaltung von nur 25 bis 30 Proz. Tributyrin bei einer Versuchsdauer 
von 2 Stunden. Wir beobachteten aber, daß, wenn wir bei demselben 
Tiere sehr bald ein zweites Mal Kammerwasser entnahmen, dann mehr 
Lipase anzutreffen war als in der ersten Portion. Offenbar hängt das 
mit dem stärkeren Übertritt von Kolloiden aus dem Blute in das 
Kammerwasser zusammen. 


Ich untersuchte dann auch auf peptolytisches Ferment, und zwar 
auf Glycyltryptophan spaltendes. Ein solches findet sich im Blute 
in großer Menge, auch im Pankreassaft ist es reichlich vorhanden und 
ebenso in verschiedenen Organen. Die Versuche wurden so ausgeführt, 
daß das zu untersuchende Kammerwasser versetzt wurde mit etwa 
0.02g Glyeyl-tryptophan, gelöst in 1,0 cem physiologischer Na Cl-Lösung, 
und unter Toluol in den Brutschrank gestellt wurde. Nach 24 Stunden 
wurde mit Hilfe der Bromreaktion auf Freiwerden des Tryptophans 
geprüft. Im Kammerwasser des normalen Tieres gelang mir der Nach- 
weis dieses Ferments nicht; dagegen konnte ich in zwei Fällen nach 
Gangunterbindung eine deutlich positive Tryptophanreaktion fest- 
stellen. Offenbar waren mit dem Pankreassaft große Mengen des 
Ferments ins Blut gelangt und ebenso wie die Diastase ins Kammer- 
wasser übergetreten. 


16 * 


244 T. Ikebata: Zusammensetzung des Kammerwassers. 


Endlich bemühte ich mich, noch ein glykolytisches Ferment im 
Kammerwasser nachzuweisen. Wittgenstein und @aedertz hatten beob- 
achtet, daß, wenn sie frisch entnommenes Kammerwasser bei Zimmer- 
temperatur stehen ließen, die Menge der in ihm enthaltenen Milchsäure 
zunahm, und führten dies auf die Gegenwart von Glykolyse zurück. 
Ich wollte nun am Zucker des Kammerwassers die Stärke der Glykolyse 
messen, kam aber stets zu negativen Resultaten, selbst wenn ich die 
Versuche über 3 Stunden ausdehnte, natürlich unter Beobachtung 
streng aseptischer Kautelen. Als Beleg mögen zwei Versuche mit- 
geteilt werden. 


| Versuch I Be II 


' Proz. Glucose | Proz. Glucose 
Anfangswert. ..... ; 0,137 0,298 
Nach 1 Std. bei 38? . d 0,137 | 0,297 
on, Zë Ae E un | 01388 | 0,297 
e véier e E 0,139 | 0,297 


Im ersten Versuch kam ein Kammerwassergemisch von drei 
normalen Tieren, im zweiten Versuch ein solches von drei sympathi- 
cotonischen zur Verwendung. Ich habe somit im Kammerwasser 
des Kaninchens kein glykolytisches Ferment nachweisen können. 


Zusammenfassung. 


1. Der Gehalt des Kammerwassers an diastatischem Ferment ist 
sehr gering. Schwankungen des Diastasegehalts des Blutes spiegeln 
sich auch im Kammerwasser wieder. 


2. Verschiebungen im Verhältnis von Albumin zu Globulin im 
Blute machen sich auch im Kammerwasser bemerkbar. 

3. Der Zuckerspiegel im Kammerwasser folgt den Schwankungen 
des Blutzuckerspiegels. 

4. Außer der Diastase findet sich im Kammerwasser des Kaninchens 
eine Lipase und unter besonderen Bedingungen ein peptolytisches 
Ferment. 


Über symmetrische und asymmetrische 
Spaltung von racemischem Tyrosin durch Hefegärung und 
über ihre Beeinflußbarkeit durch vitaminartig wirkende 
Nährsubstrate. 


Von 
Felix Ehrlich. 


(Aus dem Institut für Biochemie und landwirtschaftliche Technologie der 
Universität Breslau.) 


(Eingegangen am 1. Februar 1927.) 


In einer Reihe früherer Arbeiten!) habe ich zeigen können, daß 
gärende Hefe die Racemverbindungen natürlich vorkommender und 
auch anderer a-Aminosäuren derartig vollständig asymmetrisch zu 
spalten vermag, daß man sich eines auf diesem Prinzip aufgebauten 
Verfahrens mit Vorteil zur präparativen Reindarstellung der einen 
optisch-aktiven Komponente vieler Aminosäuren bedienen kann. Diese 
einfache und bequem zu handhabende biologische Spaltungsmethode?), 
die heute bereits vielfach in der biochemischen Praxis eingeführt ist, 
beruht im wesentlichen auf einer sehr schnell verlaufenden partiellen 
Vergärung der racemischen Aminosäuren mit einem Überschuß von 
lebender Hefe bei Gegenwart von viel Zucker ohne die Notwendigkeit 
der Anwendung sonstiger Nährsalze. Es gelang auf diese Weise ver- 
hältnismäßig leicht, aus den Racemverbindungen die optischen Anti- 
poden der im Eiweiß vorkommenden Aminosäuren rein zu gewinnen, 
und zwar wurden diese bisher erhalten von Alanin, Serin, Valin, Leucin, 
Isoleuein, Glutaminsäure, Phenylalanin und Histidin. Auch andere 
Tacemische Aminosäuren, wie das Isovalin und das Phenylglykokoll, und 
ein racemisches Dipeptid, das Alanyl-Glyein, konnten durch Hefe- 
gärung optisch aktiviert werden. Bei allen diesen Versuchen zeigte 
es sich, daß zunächst immer das natürlich auftretende Stereoisomere 
der racemischen Aminosäuren vorwiegend von der Hefe vergoren 


1) F. Ehrlich, diese Zeitschr. 1, 8, 1906; 8, 438, 1908; 63, 379. 1914. 
7) Derselbe, Abderhaldens Handb. d. biol. Arbeitsmethoden. 


246 F. Ehrlich: 


wurde, daß sich aber der Angriff der Hefe stets auch auf den optischen 
Antipoden der betreffenden Aminosäure erstreckte. Doch war bei der 
Vergärung der beiden stereomeren Komponenten der genannten racemi- 
schen Aminosäuren der Unterschied in der Angriffsgeschwindigkeit der 
Hefe in allen Fällen so groß, daß die in der Natur nicht vorkommende 
Komponente zumeist zu 60 bis 70 Proz. der theoretisch möglichen 
Ausbeute in optischer Reinheit aus den vergorenen Lösungen gewonnen 
wurde. 

Es war nun sehr bemerkenswert, daB im Gegensatz zu den er- 
wähnten Aminosäuren die Racemverbindungen von Asparaginsäure, 
T yrosin und Prolin durch Hefegärung stets nur symmetrisch angegriffen 
wurden. Selbst bei schonendster Verarbeitung der vergorenen Lösungen, 
die jede Wiederracemisierung ausschloß, ließen sich bei Vergärung 
dieser drei racemischen Aminosäuren immer nur inaktive Produkte 
zurückgewinnen oder bei Anwendung eines Überschusses von Hefe 
und Zucker verschwanden beide optisch-aktivren Komponenten von 
racemischem Tyrosin und Asparaginsäure sogar vollkommen aus dem 
Gärgut, was bis dahin noch bei keiner Aminosäure beobachtet war. 
Diese Unterschiede im Verhalten der einzelnen Racemverbindungen 
gegen Hefe mußten um so auffälliger erscheinen, gls doch gerade die 
der Asparaginsäure und dem Tyrosin chemisch nahe verwandten Amino- 
säuren Glutaminsäure und Phenylalanin durch Hefegärung sehr leicht 
und in guter Ausbeute asymmetrisch gespalten werden. 


Bis dahin waren nur sehr wenige Fälle von symmetrisch ver- 
laufenden biochemischen Prozessen beim Abbau derselben drei racemi- 
schen Aminosäuren bekannt. So greift die Tyrosinase!) die beiden 
Stereoisomeren.des Tyrosins gleichmäßig schnell an, und das bei der 
Fleischfäulnis wirkende Bakteriengemisch vermag racemische Asparagın- 
säure, doch ebensogut auch racemische Glutaminsäure nur in sym- 
metrischem Sinne zu zersetzen?). Aber eine derartig weitgehende 
Differenzierung vereinzelter Racemverbindungen natürlich vorkommen- 
der Aminosäuren bei der Assimilation durch ein und denselben Organis- 
mus wie im vorliegenden Falle war bisher nicht beobachtet worden. 


Eine Erklärung für diese eigentümlich abgestufte Wirkungsweise 
der Hefe schien zunächst in der Richtung zu liegen, daß die Hefe aus 
dem Grunde keinen Unterschied bei der Verarbeitung der beiden 
Stereoisomeren der Asparaginsäure, des Tyrosins und des Prolins 
macht, weil es sich sowohl bei der d- wie bei der 1-Komponente dieser 
Aminosäuren um ein dem Organismus natürlich angepaßtes Substrat 
handelt. Wenigstens ließen manche Literaturangaben darauf schließen, 


1) G. Bertrand und Rosenblatt, C. r. 146, 304, 1908. 
2) C. Neuberg, diese Zeitschr. 18, 431. 1909. 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 247 


daß gerade die genannten drei Aminosäuren im Gegensatz zu vielen 
anderen in pflanzlichen und tierischen Stoffen sich in beiden optischen 
Modifikationen vorfinden, wodurch auch die Fähigkeit des Hefe- 
organismus beide Raumformen vollwertig als natürliche Stickstoff- 
nahrung auszunutzen erklärlich erschien. Hiermit im Widerspruch 
stand allerdings schon die frühere Beobachtung von J. Wohlgemuth!), 
der bei Verfütterung von di-Tyrosin und dl-Asparaginsäure an 
Kaninchen aus dem Harn d-Tyrosin und d-Asparaginsäure isolieren 
konnte. Noch schwieriger aber wird eine Erklärung der differenten 
Wirkungsweise der Hefe, nachdem später M. Tsudji?) gezeigt hat, 
daB im Gegensatz zur symmetrischen Spaltung bei der Hefegärung 
die Spaltung von dl-Tyrosin durch die Bakterien Proteus vulgaris 
und Subtilis asymmetrisch erfolgt und daß man hierbei optisch reines 
d-Tyrosin gewinnen kann. 


In den letzten Jahren habe ich dann mit mehreren Mitarbeitern 
meine Untersuchungen von neuem aufgenommen und in verschiedenster 
Richtung fortgesetzt. Dabei ergab sich das sehr merkwürdige Resultat, 
daß auch Hefe zu einer asymmetrischen Spaltung von racemisschem Tyrosin 
befähigt ist und d-Tyrosiın in optischer Reinheit und guter Ausbeute 
liefert, wenn den gärenden Lösungen nur geringe Mengen pflanzlicher 
Nährsubstrate zugesetzt werden. 


Diese Beobachtungen wurden gelegentlich einiger Kulturversuche 
gemacht, bei denen verschiedene Heferassen auf Lösungen von 
dl-Tyrosin gezüchtet wurden. Wie ich schon vor längerer Zeit gezeigt 
habe?), wachsen auf Lösungen von Zucker und natürlichem l-T yrosin, 
die nebenbei nur anorganische Nährsalze (Dikaliumphosphat, Magnesium- 
sulfat, Spuren von Chlornatrium und Eisensalzen) enthalten, ein- 
geimpfte Hefezellen recht günstig, wobei mehr oder minder lebhafte 
Gärung und starke Zellvermehrung auftritt und aus den vergorenen 
Lösungen nach beendetem Wachstum der Hefe stets als normales 
Eiweißstoffwechselprodukt, aus dem Tyrosin herstammend, Tyrosol 
(p-Oxyphenyläthylalkohol) zu isolieren ist. Ersetzt man in diesen 
Versuchen unter sonst gleichen Bedingungen und Konzentrations- 
verhältnissen das 1l-Tyrosin durch das dl-Tyrosin, so kommt man 
auch hier zu analogen Resultaten, indem eine geringe Zellaussaat meist 
zur Bildung nicht unbeträchtlicher Hefetrockensubstanz und zur 
Entstehung von Tyrosol führt in Mengen, die denen des aus dem Gärgut 
verschwundenen Tyrosins ungefähr entsprechen. Untersucht man nun 
aber das aus den vergorenen Lösungen zurückgewonnene, von der 


1) Ber. 88, 2064, 1905. 
2) M. Tsudji, Act. Schol. Med. 1, 439, 1917. 
3) F. Ehrlich, Ber. 44, 139, 1911. 


248 F. Ehrlich: 


Hefe unverbrauchte Tyrosin, so erweist es sich stets als optisch-inaktiv, 
gleichgültig, welche Heferasse in Anwendung gekommen ist, ob 
Brennerei-, Bier- oder Weinhefe. Also auch bei diesen von wenigen 
Hefezellen ausgehenden Kulturversuchen findet stets eine symmetrische 
Spaltung des dl-Tyrosins statt, genau so wie bei der Vergärung mit 
einem großen Überschuß von Zucker und fertiggebildeter Hefe. Zu 
denselben Resultaten gelangt man, wenn die Wasserstoffionenkonzen- 
tration der Nährlösungen durch verschiedene Phosphatzusätze geändert 
wird. Innerhalb des Bereichs von py = 7,6 bis 5,0, wobei noch ein 
günstiges Wachstum der Hefe zu erzielen ist, traten wohl geringe 
Schwankungen in der Ausbeute an Hefetrockensubstanz und Tyrosol 
ein, das unverbrauchte Tyrosin war indes in allen Fällen stets optisch- 
inaktiv. 

Ein völlig anderes Bild ergaben nun aber die Versuche, wenn 
den Hefezellen, die in dl-Tyrosinlösungen häufig nur langsam und 
scheinbar unterernährt heranwuchsen, zur Förderung des Wachstums 
noch andere natürliche Nährsubstrate aus Pflanzenextrakten dargeboten 
wurden. Schon sehr geringe Zusätze von Auszügen aus Malz oder aus 
Malzkeimen oder von Hefeautolysat zu den Lösungen, die sonst nur 
dl-Tyrosin, Zucker und anorganische Nährsalze enthielten, bewirkten 
eine viel schneller einsetzende und bedeutend intensiver verlaufende 
Vermehrung und Gärung der eingeimpften Hefezellen. Die Nähr- 
lösungen trübten sich gewöhnlich sehr bald und gaben auch in viel 
kürzerer Zeit nach lebhafter Gasentwicklung, schon äußerlich erkennbar, 
einen wesentlich stärkeren Bodensatz von Hefe als in den Versuchen 
ohne die genannten Zusätze. Die gewöhnlich nach etwa 3 bis 4 Wochen 
abgebrochenen Versuche ließen mikroskopisch meist reichliche Ver- 
bände reiner, gut genährter Hefezellen erkennen, während in den 
Parallelversuchen ohne Zusatz vielfach stark granulierte und kümmerlich 
gewachsene Zellen zu beobachten waren, die auf eine Art Hunger- 
zustand der Hefe schließen ließen. Diesen äußeren Befunden ent- 
sprechend zeigte sich auch bei Aufarbeitung der vergorenen Lösungen. 
daB in den Versuchen, bei denen die genannten Nährwürzen hinzu- 
gefügt waren, sehr viel mehr Zucker und Tyrosin von der Hefe umgesetzt 
und in annähernd gleichem Grade beträchtlich mehr Tyrosol und ganz 
bedeutend mehr Hefelrockensubstanz selbst entstanden war, deren Menge 
auf das Vielfache, häufig sogar auf mehr als das Fünf- bis Zehnfache 
anstieg gegenüber den Versuchen ohne solche Zusätze. Von größtem 
Interesse war es nun aber, daß das unverbrauchte, aus den Lösungen 
nach der Hefezüchtung in viel geringeren Mengen zu isolierende Tyrosin 
bei diesen Ernährungsversuchen fast stets optisch aktiv war und deutlich 
rechts drehte, und daß in vielen Fällen auf diese Weise d-Tyrosin in 
optischer Reinheit gewonnen werden konnte. Es ist besonders be- 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 249 


achtenswert, daß, um diesen eigenartigen Effekt hervorzurufen, schon 
äußerst geringe Zusätze der betreffenden Nährextrakte genügen im 
Vergleich zu den Mengenverhältnissen der übrigen Komponenten der 
angewandten Nährlösungen. Am günstigsten erwies sich bisher die 
Wirkung von Hefeautolysat und Malzkeimauszug, von denen bereits 
Trockensubstanzmengen von nur 2 bis 5 Proz. des Gewichts des vorgelegten 
dl-Tyrosins ausreichend sind, um die Hefe zur asymmetrischen Spaltung 
dieser Aminosäure zu veranlassen. Für die Aufzucht kamen bei diesen 
Versuchen hauptsächlich zur Anwendung die obergärige Preßhefe 
Rasse XII, daneben eine Hefe aus einer Melassebrennerei, sowie eine 
obergärige Brauereihefe. Doch scheinen auch andere Heferassen unter 
den gleichen Bedingungen eine ähnliche optisch-aktivierende Wirkung 
auf dl-Tyrosin zu besitzen. Dagegen versagten manche Heferassen, 
wie Rasse II, vollkommen, indem sie nur inaktives Tyrosin zurück- 
lieferten, und auch die frisch bezogene, meist am besten wirkende 
Rasse XII, schien in einigen Fällen bei wiederholter Umzüchtung im 
Laboratorium aus noch nicht aufgeklärten Gründen ihre Fähigkeit, 
racemisches Tyrosin asymmetrisch zu spalten, allmählich zu verlieren. 
Es erhob sich nun die Frage, ob man nicht, ähnlich wie in den hier 
erwähnten Versuchen, das früher von mir beschriebene Verfahren zur 
asymmetrischen Spaltung von racemischen Aminosäuren durch Ver- 
gärung mit einem Überschuß von Zucker und Hefe auch für dl-Tyrosin 
anwendbar machen kann, indem man gleichartige Zusätze von Nähr- 
würzen dem Gärgut zufügt. Tatsächlich ist dies der Fall, wie Unter- 
suchungen mit zwei Preßhefen des Handels von verschiedener Herkunft 
zeigten. Die Vergärung von di-Tyrosin mit viel Zucker und Hefe unter 
Zugabe von geringen Mengen Hefeautolysat vollzog sich glatt in 2 Tagen 
und lieferte bei der Verarbeitung der vergorenen Lösungen auch hier 
annähernd optisch reines d-Tyrosin in Ausbeuten bis zu 60 Proz. der 
Theorie, während aus einer ebenso zusammengesetzten Lösung ohne 
Hefeautolysat, die mit derselben Hefe vergoren war, sich nur optisch- 
inaktives Tyrosin zurückgewinnen ließ. Als biologische Darstellungs- 
methode wird also künftig auch für das d-Tyrosin das schnell ver- 
laufende Hefegärverfahren zu bevorzugen sein, da sich die mit dem 
Bacillus proteus erst in 40 Tagen zu erzielende Spaltung des racemischen 
Tyrosins wesentlich schwieriger und umständlicher gestaltet!). 


Eine nähere Erklärung für die hier beobachtete eigentümlich 
differenzierte Wirkungsweise der Hefe zu geben, ist zunächst schwierig. 
Offenbar handelt es sich dabei um Vorgänge, die im engsten Zusammen- 
hang mit dem Wachstum, dem Aufbau der Leibessubstanz und mit 
dem Eiweißstoffwechsel der Hefe stehen. Scheinbar sind in den Malz- 


!) M. Tsudji, a. a. O. 8 


250 F. Ehrlich: 


und Hefeextrakten gewisse lebenswichtige, den Vitaminen ähnliche Stoffe 
vorhanden, die für den normalen Stoffwechsel der Hefe unentbehrlich 
sind und bei deren Gegenwart, selbst wenn sie nur in geringsten Mengen 
vorhanden, die Assimilation des Tyrosins durch die Hefe und sein 
Umsatz sich wesentlich günstiger vollziehen, so daß unter diesen, den 
natürlichen besser angepaßten Bedingungen die Auswahl der beiden 
Komponenten des racemischen Tyrosins durch die Hefe vorwiegend 
spezifisch erfolgt und das hauptsächlich in der Natur vorkommende 
l-Tyrosin in erster Linie angegriffen wird. Daß schon minimale Dosen 
von Hefe- und. Malzauszug, deren geringer Nährstoffgehalt an sich die 
Mehrproduktion an Hefe in den Versuchen unmöglich hervorgerufen 
haben kann, die asymmetrische Spaltung von verhältnismäßig 8o großen 
Mengen dl-Tyrosin in so typischer Weise beeinflussen, macht es sehr 
wahrscheinlich, daß hier vitamınartige Substanzen oder Ergänzungs- 
nährstoffe im Spiele sind. Dafür scheint auch zu sprechen, daß die 
alkohollöslichen Anteile der wirksamen Malzauszüge und Hefeautolysate 
in kleinsten Quantitäten den Nährlösungen zugesetzt, die Hefe ebenso 
zur Bildung von d-Tyrosin veranlassen, während die mit Alkohol aus 
den Malz- und Hefeextrakten ausgefällten Stoffe nur wenig optisch 
aktivierend wirken. 


Wie ich früher!) zeigen konnte, spaltet gärende und wachsende 
Hefe die Aminosäuren des Nährbodens in einen stickstofffreien Komplex 
(Fuselöl, Bernsteinsäure, Tyrosol usw.) und in Kohlendioxyd und 
Ammoniak zufolge der allgemeinen Gleichung: 


R.CH(NH,).CO,H + H,O = R.CH,OH + CO, + NH, 


Von dem großen Molekül der Aminosäuren wird für den eigent- 
lichen Eiweißaufbau ihrer Leibessubstanz von der Hefe nur das 
Ammoniak verwertet, alle übrigen abfallenden Spaltkörper werden 
als unbrauchbar für den Stoffwechsel von den Zellen nach außen in 
die Nährlösung wieder ausgeschieden. Aus dem abgespaltenen Ammoniak, 
dem Zucker und den Salzen der Nährlösung bildet sich die Hefe ihr 
Plasmaeiweiß. Demnach vollzieht sich also auch in einem Nährmedium, 
das nur dl-Tyrosin, Zucker und die üblichen anorganischen Nährsalze 
enthält, die Eiweißassimilation der Hefe nicht anders als wenn den 
Hefezellen nur Zucker und Ammoniak neben Mineralsalzen dargeboten 
werden. Nun wissen wir aus den Untersuchungen von Pasteur und 
Duclaux, daB anorganischer Stickstoff in Form von Ammoniak zur 
Ernährung und Bildung der Hefe ausreichend ist. Aber bei Aussaat 
von nur wenigen Zellen auf solchen anorganischen Nährsalzlösungen 
wachsen die Kulturhefen doch nur recht schwierig heran und ent- 


1) F. Ehrlich, Ber. 40, 1027, 1907; diese Zeitschr. 86, 477, 1911. 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 251 


wickeln sich wenig günstig, da ihnen offenbar noch gewisse lebens- 
wichtige Stoffe für die Ernährung fehlen, die in den natürlichen 
Substraten, besonders in den Nährwürzen der Brennereien und Braue- 
reien, reichlich vorhanden sind. Die von mir an verschiedenen Hefe- 
rassen gemachten Beobachtungen über ihre Ernährung mit dl-Tyrosin, 
Zucker und Mineralsalzen ohne und mit Zusatz von pflanzlichen Nähr- 
extrakten erinnern in ihrer Auswirkung und in ihren Resultaten in 
vieler Hinsicht an die bekannten Biosversuche von Wildiers!). Er 
zeigte, daß, wenn eine zuckerhaltige Nährlösung den Stickstoff aus- 
schließlich in Form von Ammoniak enthielt, weder Gärungserscheinungen 
noch Wachstum der Kulturhefen eintraten, falls nur eine geringe 
Anzahl von Hefezellen eingeimpft wurde. Erst nach Zusatz von Hefe- 
extrakt, Pepton oder Würze wurde eine Vermehrung der Hefe erzielt, 
woraus Wildiers schloß, daB zum Wachstum der Hefe anorganischer 
Stickstoff nicht ausreicht, sondern daß noch eine organische, alkohol- 
lösliche Substanz unbekannter Art, von ihm Bios genannt, notwendig 
sei. Diese Substanz sei zwar in der Hefe enthalten, könne aber von 
der Hefe nicht in solcher Menge neugebildet werden, daß sie zur Ver- 
mehrung genügt. Wenn auch die Untersuchungen und die Resultate 
von Wildiers vielfach angezweifelt worden sind, so enthalten sie doch, 
auf den heutigen Stand der Ernährungslehre bezogen, in ihrem Kern 
insofern etwas Richtiges, als auch die Hefe, ebenso wie die höheren 
Organismen, für eine normale Ernährung und Fortpflanzung gewisse 
vitaminartige Stoffe, wie sie sich eben nur in natürlichen Substraten 
finden, in ihrer Nahrung nicht entbehren kann. Hierfür sind die 
folgenden Wachstumsversuche mit Kulturhefen ein neuer Beleg. 
Offenbar befinden sich Hefezellen, die nu: auf Lösungen von Tyrosin, 
Zucker und Mineralsalzen gesetzt sina, wenn sie auch darauf langsam 
wachsen, in einer Art Hungerzustand vergleichbar dem, wie er eintritt, 
wenn höhere Organismen eine vitaminfreie oder -arme Nahrung, nur 
bestehend aus Eiweiß, Fetten, Kohlehydraten und Salzen, erhalten. 
Es erscheint wohl möglich, daß solche hungernden Hefezellen auf 
dl-Tyrosin wahllos beide optischen Stereoisomeren der racemischen 
Aminosäure assimilieren und verarbeiten, so daß nur optisch-inaktives 
Tyrosin aus der vergorenen Lösung zurückgewonnen werden kann 
oder dieses ganz verschwindet. Dagegen wird durch Zugabe der Nähr- 
würzen zu den dl-Tyrosin-, Zucker-, Salzlösungen durch die zu- 
geführten Vitamine ein den natürlichen Bedingungen angepaßtes 
Milieu geschaffen, das zu einem normalen, üppigen Wachstum der 


1) Wildiers, La Cellule 18, 313, 1901; A. Kossowicz, Zeitschr. f. landw. 
Vers. Wes. Öst. 6, 106, 731, 1903; H. Pringsheim, Centralbl. f. Bakteriol. 
II, 16, 111, 1906; vgl. auch H. Euler und P. Lindner, Chemie der Hefe, 
N. 228 bis 230. Leipzig 1915. 


252 F. Ehrlich: 


Hefe führt und diese befähigt, in spezifischer Weise selektiv das natürlich 
vorkommende l-Tyrosin bei der Assimilation zu bevorzugen und den 
optischen Antipoden zum größten Teil unangegriffen zu lassen. Ein 
der Aussaat von wenigen Hefezellen ähnlicher, anormaler Zustand 
tritt scheinbar ein, wenn man Lösungen von dl-Tyrosin und Zucker 
mit einem Überschuß von Preßhefe vergärt. In diesem Falle handelt 
es sich um stickstoffarme, nach dem Lüftungsverfahren herangezüchtete 
Hefezellen, die sich auch in einem gewissen Hungerstadium befinden. 
Durch die Versuchsanordnung sind diese Hefezellen gezwungen, aus 
dem Stickstoff des Tyrosins und dem Zucker Eiweiß zu bilden, wobei 
ihnen aber die zu einer normalen Entwicklung nötigen Salze und Vitamine 
fehlen, die sie sich in der kurzen Zeit der Gärung nicht aus ihrer eigenen 
Leibessubstanz beschaffen können. Daher auch hier gewissermaßen 
ein anormaler Hungerstoffwechsel, der zum gleichmäßigen, wahllosen 
Abbau beider Raumformen des racemischen Tyrosins führt. Wird 
dagegen von vornherein zu den Lösungen von dl-Tyrosin und Zucker 
ein Extrakt von autolysierten Hefezellen zugesetzt, der, aus viel Hefe 
bereitet, alle lebenswichtigen Ergänzungsnährstoffe reichlich enthält, 
so vollzieht sich wieder eine der natürlichen adäquate Plasmabildung, 
was zur Folge hat, daß die Hefezellen vorzugsweise die natürlich vor- 
kommende Komponente des dl-Tyrosins assimilieren und viel d-Tyrosin 
bei Beendigung der Gärung zurücklassen. 


Was die Natur der hier vermuteten vitaminartigen Stoffe anlangt, 
welche die N-Assimilation der Hefe richtend beeinflussen, so läßt sich 
hierüber nur wenig aussagen. Sie scheinen alkohollöslich zu sein und 
relativ hitzebeständig, da die benutzten Malz- und Hefeextrakte zur 
Sterilisierung gewöhnlich mehrmals zuvor im Dampftopf erhitzt waren. 


Naturgemäß umfaßt der Erklärungsversuch der hier beobachteten 
Erscheinungen nicht alle Seiten des Problems und ist noch in mehr- 
facher Hinsicht unvollkommen!). Es bleibt zunächst ganz unverständlich, 
warum die Hefe die Racemverbindungen der übrigen Aminosäuren, 
die oben aufgezählt sind, direkt ohne Zusatz von Nährwürzen asym- 
metrisch spaltet und warum nur Tyrosin, Asparaginsäure und Prolin 
davon eine Ausnahme bilden. Über das Verhalten der Racemformen 
der letzteren beiden Aminosäuren und über die Spaltung durch ver- 
schiedene andere Heferassen wird später berichtet werden. 


Kultur- und Gärversuche in der hier gegebenen Anordnung 
werden jedenfalls noch über manche andere wichtige, Wachstum, 


1) Hier wären unter anderem besonders auch die bedeutsamen Arbeiten 
über die Biochemie des Asymmetrieproblems von C. Neuberg, diese Zeitschr. 51, 
506, 1913, von P. Mayer, diese Zeitschr. 174, 420, 1926, sowie C. Neuberg 
und E. Simon, diese Zeitschrift 179, 443, 1926, zu berücksichtigen. 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 253 


Eiweißstoffwechsel und Vitamingehalt der Hefe und anderer Orga- 
nismen betreffende Fragen Aufschluß gewähren können. 


Nachfolgend seien die Resultate einiger charakteristischer Versuche 
der Vergärung von dl-Tyrosin mittels Hefe ohne und mit Zusatz von 
Nährwürzen mitgeteilt. 


Experimenteller Teil. 


Nach Versuchen von Adolf Hackbarth‘!) und Ida Bender. 


Versuchsreihe I. 


Aufzucht der obergärigen Heferasse XII in Lösungen von 
dl-Tyrosin bei verschiedener H-Ionenkonzentration. 


In drei Glaskolben von je 2 Liter Inhalt wurde einzeln eine Nährlösung 
eingefüllt, in jedem Falle bestehend aus Jg al-Tyrosin, 25 g Rohrzucker 
(Raftinade), 0,1 g MgSO, + 7H,O, Spuren NaCl und FeCl, in 1 Liter 
destillierten Wassers. Es wurden ferner wechselnde Mengen Phosphate 
aufgelöst, und zwar bei 


Versuch 1 ...1 g K,HPO, 
ge 2 ...605g K,HPO, + 0,5g KH,PO, 
ge 3...1 g KH,PO, 


Nach Verschluß der Kolben mit Wattebäuschen wurden die ein- 
zelnen Flüssigkeiten je eine Viertelstunde auf dem Baboblech aufgekocht. 
Nach dem Abkühlen untersuchte man die Lösungen auf py und erhitzte 
sie dann nochmals zur Sterilisierung. Nunmehr erfolgte die Beimpfung 
der Nährlösungen mit je einer Platinöse einer frischen, auf Bierwürzagar 
üppig gewachsenen Kultur von Heferasse XII. Es wurde darauf besonders 
geachtet, daß der Abstrich jedesmal möglichst gleichmäßig von einer dicken 
‚Schicht Hefezellen geschah, ohne daß Teile des Nährmerdliums mitgerissen 
wurden. Die beimpften Nährlösungen wurden bei 25°C aufbewahrt und 
nach einigen Tagen täglıch einmal gleichmäßig geschüttelt. Nach vier- 
wöchigem Wachstum wurde die in jedem Versuch entstandene Hefe, die 
sich mikroskopisch als rein erwies, auf ein gewogenes dichtes Filter ab- 
filtriert, mit Wasser gut gewaschen und nach dem Trocknen bei 110° zur 
Wägung gebracht. Das ursprüngliche Filtrat der Hefe wurde auf seine 
Acidität durch Titration mit n/lO NaOH gegen Phenolphthalein, ferner 
auf seine Reduktion gegen Fehlingsche Lösung und auf seine Polarisation 
im 2-dm-Rohr untersucht. Aus dem Filtrat und den gesammelten Wasch- 
wässern erhielt man dureh Eindampfen zu einem kleinen Volumen in jedem 
Falle das gesamte unverbrauchte Tyrosin zunächst. in roher. noch gefärbter 
Form zurück. Es wurde scharf abgesaugt, mit kaltem Wasser, Alkohol 
und Äther wiederholt gewaschen und bei 110° getrocknet. Nach dem Um- 
lösen aus heißen Wasser unter Zusatz von Tierkohle und Kieselgur gewann 
man daraus reine Präparate, die in 4proz. Lösung in 2lproz. Salzsäure 
auf ihre optische Drehung untersucht wurden. Die wässerigen und alko- 
holischen Filtrate wurden zusammen auf ein kleines Volumen verdampft, 


1) Inaugural-Dissertation Breslau 1923. 


254 F. Ehrlich: 


mit Natriumbicarbonat schwach alkalisch gemacht und im Extraktions- 
apparat erschöpfend mit Äther ausgezogen. Der ätherische Extrakt wurde 
verdampft und die Menge des nach dem Reiben bald auskristallisierten 
Tyrosols bestimmt. Die angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Roh- 
ausbeute. 

Die erhaltenen Resultate der Untersuchungen sind nachstehend 
tabellarisch geordnet. 


ii ! Vergorene Lösung || 


| 
i| Unverbrauchtes 
| Decken | 10ccmFil | Tyrosin 
Ver: PH trocken» || lOccmFiltrat Polaris Tyrosol | 
such | urspr. | Substanz | verbr. ccm | Reduktion sation 


Ausbeute ` n/10 NaOH | (Fehling) 0Sacch. 
l= 


i Nr. | SC g au ae et e | g i la]; 
| 


0,119 : 


1.76 1,0 + —23 | 0,23 | 0,70 | 0 
2 68 | 0105 , 12 D —24 ` 014 | 066| 0 
3 50| 0078 | 12 + —36 ` 015: 074| 0 


Die einzelnen Versuche zeigen in ihren Ergebnissen untereinander 
keine großen Unterschiede. Hinsichtlich des Zuckerverbrauchs, der Hefe- 
und Tyrosolausbeute stellt sich der Versuch 1 mit Dikaliumphosphat 
am günstigsten, während in Versuch 3 mit Monokaliumphosphat deutlich 
weniger Zucker verbraucht und weniger Hefe entstanden ist. In allen 
drei Versuchen erweist sich das wiedergewonnene Tyrosin als optisch inaktiv. 


Versuchsreihe II. 


Kulturversuche mit Rasse XII indl-Tyrosinlösung bei Gegenwart. 
von Malzauszug. 


Es wurden drei Nährlösungen folgender Zusammensetzung bereitet: 

Lösung Nr. 1 enthielt auf l Liter Wasser 1g dl-Tyrosin, 25 g Rohr- 
zucker, 1g K,HPO, 0,1g MgSO, + 7H,O, Spuren NaCl und FeCl, 
sowie ccm eines Malzauszugs. 

Lösung Nr. 2 enthielt dieselben Substanzen wie Nr. 1, aber A ccm 
desselben Malzauszugs. 

Lösung Nr. 3 war ebenso zusammengesetzt wie Nr. 2, aber unter Weg- 
lassung des T’'yrosins. 

Der benutzte Malzauszug war aus Pilsener Malz der Breslauer Aktien- 
Malzfabrik wie folgt hergestellt: 

200 g feingemahlenes Malzschrot wurden in 1000 eem Wasser sus- 
pendiert im Wasserbad 2 Stunden auf 50 bis 55° gehalten. Hierauf wurde 
die Mischung 1 Stunde im Dampftopf erhitzt und dann durch Tücher 
und Faltenfilter klar filtriert. Der Malzauszug für die Gärversuche wurde 
in kleinen Mengen in Kölbehen durch je halbstündiges Erhitzen an drei 
aufeinanderfolgenden Tagen sterilisiert. Nach jedesmaligem Öffnen eines 
Kolbens zur Entnahme von Extrakt wurde der Rest eine halbe Stunde 
im Dampftopf erhitzt. 

Der auch im folgenden benutzte Malzauszug spindelte 12° Ballıng 
bei 20° und zeigte pg = 5,4. 5 cam der Malzwürze enthielten 0,385 g Maltose. 
Der Trockensubstanzgehalt von 5cem Malzauszug betrug 0,6175g. der 
Aschengehalt 0,0115 g. 


Spaltung von racen:ischem Tyrosin usw. 255 


Die ebenso wie früher sterilisierten und mit Rasse XII beimpften 
drei Nährlösungen wurden nach vierwöchiger Aufbewahrung bei 25° genau 
so wie in Versuchsreihe I aufgearbeitet. 


fi | 


| 
s | Vergorene Lösung \ Unverbrauchtes 
z Zusatz p Hefe» oe o o yeaaın 
u zur Ba ernte | 10ccm Filter sol 
> | Näbrlösung E" trocken | verbr. 
| | ` em 
r. g ni0 NaOH 


ig dl-Tyrosin usw. | 


+ l ccm Malzaus» 7,7 | 0,32 1,25 | 


/ lg dl-Tyrosin usw. 
+5 cem Malzaus 7,7 | 0,58 
zug 
ohne dl»Tyrosin ) 
| + 5ccm Malzaus- lj 7,7 0,12 


zug 


2 1,2 SZ o || 051 


0,15 


| 
0,6 EZE | | 


= 
—— um ze amr 


Die Versuche 1 und 2 zeigten gegenüber den früheren ohne Zusätze 
ein sehr schnelles Angären, eine lebhafte CO,-Entwicklung und ein üppiges 
Wachstum der Hefe, die sich als rein und gut ernährt erwies. Der Zucker 
war vollkommen aufgebraucht und die Hefeausbeuten auf das Drei- bis 
Fünffache gegenüber dem entsprechenden Versuch in Versuchsreihe I 
gesteigert. Dem stärkeren Abbau des Tyrosins entsprechend war auch 
der Ertrag an Tyrosol, besonders in Versuch 2, ein höherer. Daß dieses 
nicht aus den Substanzen des Malzauszugs stammen kann, beweist Versuch 3 
ohne Tyrosin, wobei überhaupt kein Tyrosol auftrat, nur wenig Zucker 
verbraucht und wenig Hefe entstanden ist. 

Das zurückgewonnene Tyrosin erweist sich im Gegensatz zu den 
Versuchen ohne Zusätze als deutlich optisch-aktiv und rechtsdrehend. Das 
in beiden Versuchen zusammen erhaltene rohe Tyrosin (0,45 g) wurde 
aus Wasser umkristallisiert und auf diese Weise im ganzen 0,24 g optisch 
reines d-T yrosin erzielt. 

0,24 g trockene Substanz in 6 ccm 2lproz. Salzsäure gelöst!), zeigten 
im 0,5-dm-Rohr bei einer Konzentration von c = 4 eine Drehung von 
a} = + 0,17%. Dem entspricht eine spezifische Drehung von [a] = + 8,5°. 

E. Fischer?) fand die spezifische Drehung des aus einer Alkaloid- 
spaltung der Benzoylverbindung gewonnenen d-Tyrosins in einer 4,6 proze 
Lösung in 21proz. Salzsäure zu + 8,64°. 


Versuchsreihe III. 


Kulturversuche mit Rasse XII in dl-Tyrosinlösung bei Zusatz 
der alkohollöslichen und alkoholunlöslichen Teile von Malz- 
Auszug. 

Drei Nährlösungen, von denen wieder jede im Liter Wasser enthielt: 
1g dl-Tyrosin, 25g Rohrzucker, 1g K,HPO,„ 0,1g MgSO, + 7H,0, 


1) Die leichte Löslichkeit der Substanz in 21proz. HC], in der dl-Tyrosin 
sehr schwer löslich ist, war in diesen und den später folgenden Versuchen 
stets bereits ein Anzeichen dafür, daß reines d-Tyrosin vorlag. 

?) E. Fischer, Ber. 82, 3645, 1899. 


256 F. Ehrlich: 


Spuren NaCl und FeCl, wurden in Versuch mut Beem Malzauszug, 
in Versuch 2 mit dem alkohollöslichen Teil von A ccm Malzauszug und in 
Versuch 3 mit dem alkoholunlöslichen Teil von 5 ccm Malzauszug versetzt, 
gleichmäßig sterilisiert, mit Rasse XII beimpft und 4 Wochen bei 25° 
zur Gärung angesetzt. Außerdem wurde noch ein Versuch mit 1 g dl-Tyrosin 
ohne Malz vorbereitet (Versuch 4). 


Die Anteile des Malzauszugs waren in der Weise erhalten worden, 
daß Beem davon mit 100ccm 96proz. Alkohols gut durchgeschüttelt 
wurden, worauf man den Niederschlag filtrierte, den Rückstand wiederholt 
mit Alkohol auswusch, im Vakuum trocknete und ihn in Wasser gelöst 
der Lösung Nr. 3 zusetzte. Die alkoholischen Filtrate und Waschwasser 
wurden verdampft und nach Vertreiben des Alkohols der sirupöse Rück- 
stand in Wasser gelöst der Lösung Nr. 2 zugefügt. In einem Parallel- 
versuch wurde ermittelt, daß der alkohollösliche Teil von 5 ccm Malzauszug 
0,3950 g trocken wog, also mehr als die Hälfte der Gesamttrockensubstanz 
ausmachte. Er enthielt 0,0037 g Asche, demnach ein Drittel der Gesamt- 
asche. 


| Vergorene Lösung l l Unverbrauchtes 
$ Zusätze Hefe» | yrosin 
Ni Sé ernte 10 ccm | Polaris | Tyrosol 
Nährlösung trocken verbr. Reduk, sation ` ' roh géie 
| ccm n/10 tion 0Sacch. an 
Nr. 1 NaOH (e? | ge | a |a} 


1 aa l g d l-Tyrosin usw. 
I| + 5 ccm Malzauszug || 
1 g dl-Tyrosin usw. \ 

+ alkohollösl. Teil 
v. 5ccm Malzauszug 
1g dI-Tyrosin usw. 
e alkoholunlöslich. 
Teil von 5ccm Malz» 


10,549 


| 
d 
| 
s 
| 


4 


| i 
0 0,24 || 0,30 
0 


0,25 || 0,27 


0203 11 + | —3,4 0,12 || 0,57 


auszug | 


l g d l.Tyrosin usw. dTM 0,6 ze 


ohne Malzauszug 


se 0,10 || oso) o 


In diesem Falle war die Hefe auf Tyrosin-Zucker-Salzlösung ohne 
weitere Zusätze besonders schlecht gewachsen (Versuch 4). Zucker und 
Tyrosin waren nur wenig angegriffen, das Tyrosin wieder symmetrisch. 
Dagegen zeigten die Versuche 1 und 2 mit Malzauszug fast ganz gleich- 
mäßig ein sehr intensives Wachstum und lebhafte Gärung der Hefe sowie 
einen vollständigen Verbrauch des Zuckers und weitgehenden Abbau 
des Tyrosins. Die Tyrosol- und Tyrosinausbeuten sind ebenfalls dieselben. 
In den Alkohol, mit dem der Malzauszug extrahiert wurde, sind also schein- 
bar alle wachstumsfördernden Stoffe übergegangen, so daß der Alkohol- 
extrakt genau die gleichen Wirkungen ausgeübt hat wie der Malzauszug, 
aus dem er hergestellt wurde. In beiden Versuchen ist optisch reines 
d-Tyrosin zurückgeblieben. Infolge der geringen Ausbeute im einzelnen 
Falle mußten die Präparate der beiden Versuche zusammen umkristallisiert 
und auf Drehung untersucht werden, die dadurch keine Depression erfuhr. 
Im Gegensatz hierzu war bei Versuch 3, in dem die alkoholwnlöslichen 
Teile des Malzauszugs zugesetzt waren, ein erheblich schlechteres Wachstum 
der Hefe erfolgt, der Zucker und das Tyrosin waren nur schlecht verwertet, 
die zurückbleibende Aminosäure zeigte eine viel niedrigere Drehung, was 
auf eine nur unvollkommene asymmetrische Spaltung schließen ließ. 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 257 


Versuchsreihe IV. 


Kulturversuche mit Rasse XII in dl-Tyrosinlösung unter Zusatz 
von Hefeautolysat. 


Die in den vorigen Versuchen verwandte Standardlösung von 1g 
di-Tyrosin, Zucker und Mineralsalzen wurde in gleicher Konzentration 
pro Liter mit Zusätzen von steigenden Mengen Hefeautolysat versetzt 
(Versuche 1 bis AL Außerdem wurden Gäransätze zum Vergleich mit 
denselben Mengen Hefeautolysat, Zucker und Salzen, aber ohne Tyrosin, 
(Versuche 5 bis 7) und ein Leerversuch (Versuch 8) nur mit Zucker und 
Mineralsalzen parallel zusammengestellt. Die Angärung erfolgte wieder, 
ausgehend von der gleichen Kultur der Rasse XII, bei 25°. Dauer der 
Versuche 4 Wochen. 


Der Hefeauszug wurde durch Autolyse wie folgt bereitet: 500 g Preß- 
hefe (frisch bezogen von der Breslauer Vertriebsstelle des Verbandes deutscher 
Preßhefefabrikanten) wurden direkt in einem Kolben im Wasserbad bei 
50 bis 55° C zur Autolyse gebracht. Die nach etwa 12 Stunden völlig ver- 
flüssigte Hefe ergab, mit 500 ccm H,O versetzt und eine halbe Stunde 
gekocht, einen Auszug, der klar filtriert und in üblicher Weise im Dampftopf 
sterilisiertt wurde. Der Hefeauszug enthielt in 100 ccm 5,29 g Trocken, 
substanz und 0,26 g Asche. 


| Vergorene Lösung Unverbrauchtes 
Ver. Zusätze uar ; Tyrosin 
such‘ zur Srnie 10 ccm | Polari» 
Nährlösung trocken verbr. | Reduks | sation 
| ccm n/1l0 | tion | 0Sacch. 3 
Nr. g : NaOH l=2 [a] 


Ne er am 10 | + 
lais, ) 0,495 ı 08 | — 


en Heieausaug |] 9717 | 085 | — 
GE | 07 | — 
| 


Al lg dl-Tyrosin usw. 
LL + 10 ccm Hefesuszug 
lccm Hefeauszug 
usw. 


j ohne Tyrosin 

| 5 ccm Hefeauszug 
I 

| 


10116 | 05 | + 
+ 


USW, 


(oam , 11 
! 10 ccm Hefeauszug i | 


7 H usw. | 0,590 1,2 — d | 0,02 
| 
| 


ohne Tyrosin 


| ohne Tyrosin | 
Leerversuch mit 


| | 
Zucker und Salzen | | 
l ohne Hefeauszug | 


| } E b | 


°) Der Bodensatz bestand aus mineralischen Niederschlaägen heben vereinzelten ab» 
gestorbenen Hetezellen. 


Der Ausfall der Versuche läßt die eigentümliche Fähigkeit des Hefe- 
auszugs, das Wachstum der lebenden Hefezellen stark zu steigern und 
dabei ihre Assimilation des Tyrosins, und zwar gerade des 1-Tyrosins, 
günstig zu beeinflussen, deutlich erkennen. Mit steigendem Zusatz von 
Hefeextrakt steigt auch die Hefeernte und die Tyrosolausbeute, wobei 
natürlich zu beachten ist, daß das Hefeautolysat auch ohne Tyrosin be- 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 17 


258 F. Ehrlich: 


trächtliche Mengen von Hefe liefert. Aber bei ihrem Abzug verbleibt 
gegenüber dem Versuch ohne Hefeautolysat immer noch eine drei- bis 
vierfache Steigerung der Hefeausbeute, die nur auf Kosten des stärker 
angegriffenen Tyrosins zu setzen ist. Daß das Mehr an Tyrosol bei steigen- 
dem Zusatz von Hefeextrakt nicht etwa aus diesem selbst entstanden sein 
kann, sondern nur aus dem zugefügten Tyrosin, zeigt der Vergleichs- 
versuch 7 deutlich. Bemerkenswert ist auch, daß schon Leem des Hefe- 
auszugs, enthaltend 0,05g Trockensubstanz, d. h. nur 5 Proz. vom an- 
gewandten dl-Tyrosin, genügt, um die Hefe zur totalen Vergärung des 
Zuckers und zur maximalen Assimilation und asymmetrischen Spaltung 
des racemischen Tyrosins zu veranlassen. 


Zur Bestimmung der spezifischen Drehung des unverbrauchten T yrosins 
wurden die in den Versuchen 2 bis 4 zurückerhaltenen Präparate zusammen 
verarbeitet. 0,89 g rohes Tyrosin gaben beim Umkristallisieren nach dem 
Trocknen bei 110° im ganzen 0,6965 g reines d-Tyrosin. Sie wurden in 
17,0cem 21proz. HCl gelöst. c= 4,1, l = 2, a = + 0,70%, folglich 
[a]? = + 8,54°. 


Versuchsreihe V. 


Kulturversuche mit Rasse XII in dl-Tyrosinlösung unter Zusatz 
der alkohollöslichen und alkoholunlöslichen Teile von 
Hefeautolysat. 


Die Versuche wurden mit der Standardlösung von 1 g dl-Tyrosin usw. 
ähnlich wie «lie in Versuchsreihe III ausgeführt. Die Aufteilung des Hefe- 
auszugs geschah wie beim Malzauszug in der Weise, daß 5 ccm des obigen 
Hefeextrakts mit 100 ccm 96proz. Alkohols geschüttelt, der alkohol- 
unlösliche Teil abfiltriert und aus dem alkohollöslichen Teil der Alkohol 
verdampft wurde. Die beiden Rückstände löste man getrennt für sich 
mit Wasser auf und setzte sie zwei parallel angestellten Nährlösungen zu, 
die wieder mit Rasse XII beimpft und nach 4 Wochen untersucht wurden. 
Der alkohollösliche Teil von Beem Hefeauszug sauna 0,152 g Trocken- 
substanz. 


(1 g dl.sTyrosin usw. : , 
CA) f Alkoholunlöslich. Las Ä 1,1 == 0 0,33 0,40 | +1,50 


e v. 5ccm Hefeauszug . 


i l | 
| | Vergorene Lösung | ` Ten egene 
i Zusätze , Hefe: ` yrosin 
Mie , zur | emte l0cem | | Polaris Tyrosol en a 
Nährlösung trocken|| verbr Reduk» sation | röh 
| ccm n10 , tion 0Sacch. ! L Dr 
Nr. | £ " NaOH ` ie l= =2 u H l 
g dl, ere usw. | z Ä A 
Ti $ Alkohollösliches ch 0,74 | 0,9 — 0,35 || 0,27 |, +8,88 
von 5ccm Hefecauszug | | 


Wenn auch der Zucker in beiden Fällen gleichmäßig vergoren war, 
so ist auch hier der besonders günstige Einfluß der alkohollöslichen Stoffe 
des Hefeextrakts auf das Wachstum der Hefe und die Verwertung des 
Tyrosins bei der Assimilation gegenüber den in Alkohol nicht löslichen 
Teilen unverkennbar. In Versuch 1 ist fast genau so viel Hefe und Tyrosol 
gebildet und Tyrosin verbraucht worden, wie bei Verwendung der ursprüng- 
lichen 5 ccm des Hefeextrakts (Versuch 3 in Versuchsreihe IV) und ebenso 


H 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 259 


d-Tyrosin von optischer Reinheit zurückgeblieben, während im Parallel- 
versuch vorwiegend dl-Tyrosin neben wenig d-Tyrosin erhalten wurde, 
wie aus der Drehung zu entnehmen ist. 


Versuchsreihe VI. 


Vergleichende Kulturversuche mit Rasse XII 
in dl-Tyrosinlösung bei Zusatz verschiedener Nährextrakte. 


Zum Vergleich wurden noch Hefezüchtungen in etwas anders zu- 
sammengesetzten zuckerreicheren Nährlösungen vorgenommen, die Zu- 
sätze von Malz-, Malzkeim- und Hefesuszügen erfahren hatten. 

Der Malzkeimextrakt wurde aus getrockneten Malzkeimen bereitet, 
die von Pilsener Malz der Breslauer Aktien-Malzfabrik herrührten. 100g 
Malzkeime wurden in 1 Liter H,O 1 Stunde im Kolben auf dem Baboblech 
gekocht. Der Auszug wurde dann durch ein Koliertuch filtriert, wobei 
sich etwa 400 ccm Flüssigkeit mit 4,28g Trockensubstanz und 0,44 g 
Asche in 100 ccm gewinnen ließen. 

Als Standardlösung diente in diesen Versuchen eine Auflösung von 
2g di-Tyrosin, 100 g Zucker, 1 g K,HPO,„ 0,2 g MgSO, + 7 H,O, Spuren 
von NaCl und FeCl, in 1500 ccm destillierten Wassers. 


Vergorene Lösung Unverbrauchtes 
Si i e Tyrosin 
F- G Dauer H fe RK e ` 
3 Zusätze des ! E be £ sA 2 S S ; 
e uf Wachs» aen He Z Ecen > umkri» 
k- Nährlösung tums KOCKER || ? ee ke ER Ee h stalli» , 
ei SC e 3 TS. ro siert [«]?, 
Cf Y un» D 
322 © eck rein 
en OË £ e 
Nr. Wochen g = a g g g 
| 2g dl-Tyrosin usw. | oi bh ki: Di ZE | 80147 79 | (| AR * ` (Ri 
l \|| ohne Nährextrakt. | Y 12 DK d | ar Ai | 1,12 wo) 
| 2g dlTyrosin usw. | 
iz Icem Malzaus || o 0,386 | 2 4 0.3 10,32 || 1.25 | 0,89 +58 
"lag ven, 0,1238 g | ia | 0,986 | 2,1 | 10,3 || 0,52 || 1,25 | 0,8: 9, 
Trockensubstanz 
| 2g dl«Tyrosin usw. | 
9)\+ l1ccm Hefeauss N , m T ep 
i , ë (); ) 281075104 ds 
d zug enth. 0,0529 g ||| > 1,105 | 4,1 e a ll ek 5,4 
Trockensubstanz 
2g dl-Tyrosin usw. 
| +1cem Malzkeim» = Se Sec ka. A 
4 auszug enth. 3 1,421 1.9 + 3.310.607 | 0.85 | 0.25 + N.Y 
| 0,0428 g Trocken» | 
substanz 
*) Verluste. 


Aus diesen Versuchen ist die ungemein starke stimulierende Wirkung 
der Substanzen des Hefe- und Malzkeimauszugs auf das Wachstum der 
Hefezellen und auf die Assimilation des Tyrosins besonders deutlich zu 
ersehen. Schon äußerlich war ein viel schnelleres Angehen der beiden 
Kulturen (Versuch 3 und 4), eine sehr lebhafte CO,-Entwicklung und 
sehr starke Gärung zu beobachten, die früher beendet war wie in den 
Versuchen 1 und 2 und zu einem bedeutend intensiveren Umsatz von 
Zucker und Tyrosin sowie zu weit höheren Hefeausbeuten führte. Auch 
die Ausbeute an Tyrosol war gesteigert. Die in diesen Fällen zurück- 
gewonnenen Aminosäurepräparate stellten ein optisch sehr reines d-Tyrosin 
dar. Seine Ausbeute war in dem Versuch 3 mit Hefeauszug besonders gut 


17 * 


260 F. Ehrlich: 


und belief sich, wenn man von den beim Umkristallisieren stets un- 
vermeidlichen Verlusten absieht, rund gerechnet auf etwa 60 Proz. der 
Theorie. Es ist noch besonders zu beachten, daß diese günstigen Effekte 
durch so minimale Zusätze von Hefe- und Malzkeimauszug erreicht wor- 
den sind, deren Trockensubstanzmengen nur 2 bis 2,5 Proz. vom an- 
gewandten Tyrosin ausmachten. 

Der Malzauszug in Versuch 2 hat diesmal weniger befruchtend gewirkt. 
Die Hefeausbeute ist ebenso wie der Zucker- und Tyrosinverbrauch geringer 
als bei Zugabe der anderen Extrakte. Es ist zwar auch hier d-Tyrosin 
gewonnen worden, aber von geringerer optischer Reinheit, noch vermischt 
mit dl-Tyrosin. Vielleicht erklärt sich die geschwächte Wirksamkeit dieses 
Malzauszugs daher, daß er schon zu oft durch Erhitzen sterilisiert war. 


Versuchsreihe VII. 


Prüfung verschiedener Heferassen auf ihre Eignung zur 
asymmetrischen Spaltung von dl-Tyrosin bei Gegenwart von 
Nährwürzen. 


Zur Untersuchung gelangten die obergärige Brennereihefe Rasse II, 
eine obergärige Bierhefe der Brauerei Engelhardt, Berlin!), und eine Hefe 
der Melassebrennerei von Skene in Klettendorf bei Breslau. Als Standard- 


Vergorene Lösung Unverbrauchtes 


Sg a — 3 Tyrosin 
E Zusätze Hefe: | e, z S CG re 
S | Heferasse zur emte | gel 3 | Zdu q umkris 
nd Nährlösung trocken ` " Se Al SS, en stalli- 
e e zm : roh ; 20 
> EG CG e Am TA ii siert [elp 
3 9 Z| 6 | So” rein 
Nr. g |3 3 g g g 
| 2g d l'Tyrosin usw. || 4: > gll N 4: i 7 
Rasse Ae >w. 1/1 0,430 6 | + |— 10,2|| 0,42 0| 0,68 dé 
d Sassel + 1 cem Hefeauszug ||| 43 1,6 10,2 0,42 | 1,1 ig 
| Melasses | 
9 brennereis | 2g d l-Tyrosin usw. || gr 5) d D' opginn AZS ILAR 
= hefe von + Iccm Heteauszug | „ol 2,1 d „Do A „38 4,51 
Skene 
|| Bierhefe 2g dl»-Tyrosin usw. 
3 Er per P ohne Nährwürze ||!0.211 O8 L 85:0.29|1.01 0.74 () 
| pu = (4 
| 2g dl,Tyrosin usw. | 
Bierhefe + 1 ccm ng 9 P a7 | AN9 = A 
4 Engelhardt Malzkeimauszug 0,744 call t AA 0.65 | 0,97 | 0,62 +5,42 
PH 1,2 
| B ZA 2 VH dl«-Ty rosin USW. | 
5 Eee + Iccm Hefeauszug |\1.058 1.8 L |{— 2,31 0.61 0.71 | 0.44 |+ 7.52 
| PH "Ex 


1) Die Kultur dieser Hefe wurde mir vor Jahren von dem Institut 
für Biochemie des Kaiser Wilhelm-Instituts in Dahlem (Direktor Prof. 
Dr. C. Neuberg) freundlichst zur Verfügung gestellt und ist seitdem in der 
Saınmlung des hiesigen Instituts dauernd fortgezüchtet worden. 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 261 


lösung diente wieder die in Versuchsreihe VI benutzte mit 2 g dl-Tyrosin, 
Zucker und Mineralsalzen, denen Hefe- und Malzkeimauszüge in den ein- 
zelnen Gäransätzen zugefügt wurden. 


In allen Versuchen dauerte das Wachstum 3 Wochen. 


Auch hier zeigt sich bei der Melasse- und der Bierhefe deutlich die 
wachstumssteigernde Wirkung geringer Zusätze von Nährwürzen auf die 
Hefezellen. In diesen Versuchen ist ebenfalls eine in die Augen springende 
Begünstigung der Assimilation von 1-Tyrosin und eine entsprechende 
asymmetrische Spaltung des racemischen Tyrosins erzielt worden, die bei 
der Engelhardthefe in Versuch 5 mit Hefeauszug zu einem überwiegend 
d-Tyrosin enthaltenden Produkt geführt hat. Dagegen ist die Heferasse II 
trotz ähnlich günstiger Kulturbedingungen in Versuch 1 in ihrem Wachstum 
stark zurückgeblieben und hat nur optisch-inaktives Tyrosin hinterlassen. 
Ob diese Erscheinung auf eine Eigenart der betreffenden Heferasse zurück- 
zuführen ist oder ob hier Zufälligkeiten eine Rolle gespielt haben, die sich 
bei allen derartigen Kulturversuchen, wenn man von wenig Hefezellen 
ausgeht, nie ganz vermeiden lassen, bedarf weiterer Untersuchungen. 


Versuchsreihe VIII. 


Asymmetrische Vergärung vondl-Tyrosindurcheinen Überschuß 
von Zucker und Preßhefe mit Zusatz von Hefeautolysat zur 
präparativen Darstellung von d-Tyrosin. 


Die bisherigen günstigen Erfahrungen mit Zusätzen von Nährwürzen 
bei den Züchtungsversuchen an Hefen gaben nun Veranlassung, nach- 
zuforschen, ob nicht auf diese Weise das früher von mir beschriebene 
biologische Spaltungsverfahren für racemische Aminosäuren, das bis dahin 
beim dl-Tyrosin immer versagt und zu optisch-inaktiven Produkten geführt 
hatte!), auch für eine einfache präparative Gewinnung von optisch reinem 
d-Tyrosin nutzbar zu machen war. 


Die folgenden Versuche, die mit zwei verschiedenen Preßhefen des 
Handels angestellt waren, zeigen, daß man durch schnelle Vergärung von 
dl-Tyrosin mit viel Zucker und Heje unter Zusatz von Hefeautolysat gute 
Ausbeuten von optisch reinem d-Tyrosin erzielen kann. 


Vergärung ohne Hefeautolysat. 


ög dl-Tyrosin wurden zusammen mit 200 g Zucker in 4 Liter Leitungs- 
wasser kochend gelöst. Die abgekühlte Lösung wurde sofort mit 100g 
frischer Preßhefe verrührt und in einer großen, mit Gärverschluß versehenen 
Flasche bei Zimmertemperatur zur Gärung angesetzt. Die Preßhefe war 
frisch bezogen und stammte aus der Preßhefefabrik in Giesmannsdorf in 
Schlesien. Die Gärung verlief sehr lebhaft und war nach 3 Tagen voll- 
ständig beendet. Eine Probe des Filtrats der Hefe reduzierte Fehlingsche 


1) F. Ehrlich, diese Zeitschr. 68, 398, 1914. 


262 F. Ehrlich: 


Lösung nicht mehr. Die Hefe wurde sodann mittels Tonfilter abgesaugt 
und gründlich mit Wasser nachgewaschen. Das zuckerfreie Filtrat ergab 
auf dem Woasserbade, zu dünnem Sirup eingeengt, eine Kristallisation 
des unverbrauchten Tyrosins. Die Aminosäure wurde abgenutscht, gut 
mit Wasser und Alkohol gewaschen und bei 110° getrocknet. Man erhielt 
auf diese Weise 2,05 g noch gefärbtes Tyrosin als Rohprodukt, das beim 
Umkristallisieren aus Wasser unter Klärung mit Kohle und Kieselgur 
trocken 1,40 g reines Tyrosin lieferte, das optisch-inaktiv war. 


0,8081 g Substanz, in 20 com 21lproz. Salzsäure gelöst, d. h. c = 4,04, 
= 2, ap = + 0,0. 


Aus dem eingedampften Filtrat des Tyrosins waren durch Äther- 
extraktion aus bicarbonstalkalischer Lösung 1,70 g kristallisiertes Tyrosol 
zu gewinnen. 


Vergärung mit Hefeautolysat. 


1. 2,5 g di-Tyrosin wurden mit 100g Zucker und 10 ccm des oben 
beschriebenen Hefeauszugs in 2 Liter Leitungswasser gelöst, durch 50g 
derselben im vorigen Versuch angewandten frischen Preßhefe aus Gies- 
mannsdorf bis zum Verschwinden der Zuckerreaktion vergoren, was bereits 
n 2 Tagen der Fall war. Die Hefe wurde in gleicher Weise abfiltriert und 
gut mit Wasser nachgewaschen. Aus dem gesammelten Filtrat kristallisierte 
beim Eindampfen ein noch dunkelgefürbtes Tyrosin, das beim Umilösen 
aus Wasser unter Zusatz von Kohle und Kieselgur 0,36 g reines d T yrosın 
mit dem richtigen Drehungsvermögen lieferte. 


0,3571 g Substanz (bei 110° getrocknet) in 9 ccm 21proz. HCl gelöst. 
c = 3,97, l= 1, a} = + 0.350. 


(off = + 8,81". 


Aus der ursprünglichen Mutterlauge des Tyrosins ließ sich durch 
Ätherextraktion 0,54 g T'yrosol herauslösen. 


2. óg dl-Tyrosin mit 200 g Zucker und 10 ccm Hefeauszug (enthaltend 
0.529 g Trockensubstanz) in 4 Litern Wasser durch 100g Preßhefe bei 
Zimmertemperatur in 2 Tagen vergoren. Die Preßhefe war ganz frısch 
von der Hefebrennerei Union in Leipzig-Mockau bezogen. Die Aufarbeitung 
der vergorenen Lösung geschah genau so wie im vorigen Versuch. Zurück- 
gewonnen 1,98 g Tyrosin als Rohprodukt. Durch zweimaliges Umkristalli- 
sieren aus Wasser wurde daraus etwa Ig reines d-Tyrosin in trockener 
Form gewonnen. 


0,2567 g Substanz in 6.4 ccm 2lproz. HCl gelöst. c = 4,01, (st 
a) = + 0,33°, 
[a]? = + 8,230. 
Das eingedampite Filtrat der Gärlösung ergab nach Neutralisation 


mit überschüssigem NaHCO, durch erschöpfende Ätherextraktion 2,22 g 
kristallisiertes Tyrosol. 


Spaltung von racemischem Tyrosin usw. 263 


Versuchsreihe IX. 


Elementaranalysen einiger bei der partiellen Vergärung 
erhaltenen Präparate von Jd-Tyrosin. 


Die Substanzen wurden nach «dem Umkristallisieren aus Wasser 
jalesmal bei 110° getrocknet. 


0,1125g Substanz: 0,2439 g CO, 0,0657 g H,O. 


0,1370 g > 0,2979 g CO, 0,0790 g H,O. 

0,1319 g Se 8,70 cem N (18°, 746 mm). 

C‚„H,NO;,. Ber.: C = 59,65 Proz., H = 6,12 Proz., N = 7,73 Proz. 
Gef.: C = 5913 „ H=6593 „ N=759 „ 


C = 59,30 ., H = 6,45 ,„ 


Beitrag zur Chemie des Trypsins (Tryptase). 


Von 
Sophie Kołodziejska und Casimir Funk. 


(Aus der biochemischen Abteilung der Staatlichen Hygieneschule,. Warschau, 
Polen ) 


(Eingegangen am 14. Januar 1927.) 


Den größten Fortschritt in der Richtung der Reinigung und Iso- 
lierung der Fermente verdanken wir den Schulen von Willstätter und 
v. Euler. Was das Trypsin anbelangt, so stehen uns von den modernen 


Arbeiten nur die von Willstätters Schüler, Waldschmidt-Leitz (1), zur 
Verfügung. 

Zur Darstellung des Rohferments benutzten Willstätter und Wald- 
schmidt-Leitz (2) die folgende Methode. Frische Pankreasdrüsen, von Fett 
und Bindegewebe befreit, werden zu feinem Brei zerhackt und mit kleinen 
Acetonmengen versetzt, bis die Acetonmenge ungefähr die doppelte Menge 
des Breies ausmacht Nach kurzem Stehenlassen wird die Masse filtriert 
und der Rückstand mit der gleichen Menge Aceton behandelt Schließlich 
wird das Pulver mit 1, Volumen Aceton und 4, Volumen Äther und dann 
mit Äther allein gewaschen. In dieser Weise wird ein feines Pulver und ein 
grobfaseriger Anteil gewonnen, die sich beide als aktiv erweisen, und zwar 
außer dem Trypsin, Lipase, Amylase, Peptidase und Kinase enthalten. 
Zur Trennung von diesen Fermenten wird aus dem Trockenpräparat ein 
Glycerinauszug gemacht und die stärker sauer reagierende Lipase nach dem 
Vorgang von Willstätter und Waldschmidt-Leitz (3) mit Tonerde entfernt. 
Die Pankreasamylase wird nach dem Vorgang von Willstätter, Waldschmidt- 
Leitz und Hesse (4) aus dem Filtrat durch Sorption mit Kaolin entfernt. 
Das Erepsin (Peptidase) wird durch dreimalige Tonerdesorption bei pa 5 
entfernt. Die Enterokinase wird nach Waldschmidt-Leitz (4) durch Tonerde- 
sorption bei saurer Lösung entfernt. 


Die bedeutsamsten Resultate der Willstätter- Waldschmidt- Leitz- 
Methoden für das Trypsin sind die Trennung von den begleitenden 
Fermenten der Pankreasdrüse, sowie die Trennung in das inaktive 
Trypsin und die Enterokinase. Von dem Reinheitsgrad des so ge- 
wonnenen Enzyms läßt sich ein klarer Eindruck bis jetzt nicht ge- 
winnen. 


S. Kołodziejska u. C. Funk: Beitrag z. Chemie d. Trypsins (Tryptase). 265 


Vor einiger Zeit haben wir angegeben (5), daß es uns gelungen ist, 
durch Fällung mit Naphtholgelb S (Flaviansäure) in Kombination 
mit Pikrinsäure das Enzym quantitativ niederzuschlagen und mit 
größerer Wirksamkeit als das Ausgangsmaterial zu gewinnen. Am 
Schluß dieser Arbeit gaben wir an, daß die Fällung mit Pikrinsäure 
allein sich bequemer gestaltet und vielleicht aussichtsvoller ist. Diese 
Methode soll in dieser Arbeit geschildert werden. Wir sind uns bewußt, 
daß die vorliegende Arbeit erst die ersten Schritte in der Richtung der 
chemischen Reinigung mancher Fermente bedeutet, glauben aber, daß 
dieselbe vielversprechend ist. Analoge Methoden wurden auch auf 
andere Fermente ausgedehnt, so z. B. hat der eine von uns (Casimir 
Funk) mit Fräulein Elblinger die Reinigung des Pepsins vorgenommen. 
Hier wurde statt Pikrinsäure eine fraktionierte Fällung mit Salzen 
der Pikrinsäure vorgenommen, die zu einer bedeutenden Reinigung 
des Enzyms geführt hat. In Gemeinschaft mit Lazarewitch und Fräulein 
Fejgin haben wir auch eine chemische Studie des Bakteriophags be- 
gonnen. die noch nicht abgeschlossen ist. Wir suchten zu entscheiden, 
ob der Bakteriophag eine fermentartige Substanz darstellt oder an 
lebende Bakterien gebunden ist. Dies ließ sich leider noch nicht ent- 
scheiden. Wir haben nämlich verschiedene Bakteriophagen mit Pikrin- 
säure gefällt. Durch angestellte Kontrollen hat sich leider gezeigt, daß 
die Pikrinsäure nur manche Bakterien abtötet, andere dagegen am 
Leben läßt. Das läßt sich sehr schön an der vitalen Reduktion der 
Pikrinsäure zur Pikraminsäure, die im Reagenzglas stattfindet, kon- 
statieren. Jedenfalls ist es uns gelungen, zu zeigen, daß, wenn man 
Bakteriophagen mit Pikrinsäure fällt und den erhaltenen Niederschlag 
vorsichtig in verdünnter Sodalösung, ohne Überschuß, löst, die er- 
haltene Lösung stark lytisch auf Bakterien wirkt. Um den Pikrin- 
säureniederschlag so klein wie möglich zu gestalten, wurden die 
Bakteriophagen liefernden Bakterien auf anorganischem Nährboden, mit 
einer Spur von Pepton versetzt, gezüchtet. Den erhaltenen Pikrinsäure- 
niederschlag werden wir zu weiteren chemischen Studien verwenden. 


Experimentelles. 


Einer der Autoren (Casimir Funk) verfügt über eine ziemlich große 
Erfahrung über den Wert der Absorptionsmethoden auf dem Gebiete 
der Vitamine. Diese Methoden in seinen Händen (6) haben ergeben. 
daß der Absorptionsgrad so stark von den begleitenden Verunreinigungen 
abhängig ist, daß die Methoden kaum konstante und leicht zu wieder- 
holende Resultate zu ergeben vermögen. Er hat sich demnach an 
Fällungsreaktionen gewandt, die auf dem Fermentgebiet noch viel 
zu wenig versucht worden sind. Es muß natürlich nicht übersehen 
werden, daß auch die Fällungsreaktionen zum Teil Sorptionsreaktionen 


266 S. Kołodziejska u. C. Funk: 


darstellen. Als Ausgangsprodukt für die vorliegende wie auch für die 
vorangehende Arbeit wurde Trypsin Merck verwandt. Die Aktivität 
der erhaltenen Fraktionen wurde durch Inkubation mit einer alkalisch 
gemachten Gelatinelösung und Bestimmung der freien Aminosäuren- 
gruppen in dem van Slykeschen Apparat bestimmt. Für die Versuche 
wurde eine lproz. Gelatinelösung in 0,2proz. Na,C0O, hergestellt und 
unter Thymolzusatz aufbewahrt. Von Trypsin oder der erhaltenen 
Fraktion werden Mengen entsprechend 0,2 g Trypsin abgewogen und 
mit der obigen Gelatinelösung bis 50 ccm aufgefüllt und 20 Stunden 
im Brutschrank unter Thymolzusatz gehalten. Die Fermentwirkung 
wurde durch die Bestimmung des Aminostickstoffgehalts am Ende der 
Inkubation, nach Abzug des Anfangswertes, bestimmt. Das abgelesene 
Gasvolumen wurde stets auf den Barometerstand und die Temperatur 
korrigiert. Für jede Bestimmung wurden stets 2 ccm angewandt. 


Versuche über die Fällung des Trypsins mit Pikrinsäure und Regenerierung 
des Trypsins aus dem Pikrat. 


10 g Trypsin Merck wurden in 100 ccm Wasser gelöst und mit 
einer gesättigten Pikrinsäurelösung so lange versetzt, bis kein neuer 
Niederschlag mehr entsteht. Der letzte wurde nach längerem Stehen- 
lassen abzentrifugiert und im Exsikkator zur Gewichtskonstanz ge- 
trocknet. Es wurde gefunden, daß das Trocknen die Aktivität ver- 
mindert. Die Pikrinsäurefällung wurde an verschiedenen Trypsin- 
proben mehrere Male ausgeführt und stets gefunden, daß die Pikrat- 
ausbeute etwa 5,81 Proz. des Trypsins ausmacht. Was die Aktivität 
des Niederschlags und des Filtrats anbelangt, so wurden folgende 
Zahlen erhalten: 


o] N HoN N in mg | Netto 
Gestul e allein Et | 0,65 | 
Trypsin Merck ....: 10,0 9.35 
Pikrinsäurefällung . . . 4,73 | 4,08 
Pikrinsäuretiltrat. . . . 1,0 0,35 


Wie gesagt, hat es sich gezeigt, daß das Trocknen des Nieder- 
schlags die Aktivität beeinträchtigt und daß im Filtrat der Überschuß 
an Pikrinsäure ebenfalls störend wirkt. Das Filtrat enthält wahr- 
scheinlich ebenfalls noch aktives Trypsin. Werden aber diese beiden 
Tatsachen nicht berücksichtigt, so erhalten wir durch die Ban 
eine 7,öfache Reinigung des Trypsins. 

Für die eventuelle Regenerierung des Trypsins aus dem Nieder- 
schlag war es wichtig, die Resistenz des Trypsins in unserer Kombination 
kennenzulernen. Es hat sich gezeigt, daß salzsäurehaltiger Alkohol 
(25 ccm HCl und 75 ccm Alkohol) die Aktivität vollständig vernichtet, 


Beitrag zur Chemie des Trypsins (Tryptase). 267 


während der Kontakt mit 80 Proz. Essigsäure während 15 Minuten die 
Aktivität bedeutend vermindert. Temperatur von 90° vernichtet die 
Aktivität vollständig. Demnach zeigt sich das Trypsin in Kombination 
mit Pikrinsäure nicht resistenter, als das gewöhnliche Trypsin. 

Dialyse. 0,1g des Pikratniederschlags wurde in 1l2ccm von 
0,2proz. Sodalösung gelöst und unter Thymolzusatz in einem Kollodium- 
sack gegen 12 ccm destillierten Wassers 48 Stunden dialysiertt. Nach 
dieser Zeit wurden 5ccm der Innen- und Außenflüssigkeit zu 50 ccm 
mit Gelatinelösung aufgefüllt. 


| sN vor | NHach nach 
der N nk 


ubation | der Inkubation 
in mg in mg ' 
a RR x, | "E 
Außenflüssigkeit `... . 14,138 15,529 
Innenflüssigkeit 18.662 ' 35.945 


Trypsin dialysiert demnach kaum. 


Versuch Trypsinpikrinsäureniederschlag mit Nüron zu zersetzen. 


Nachdem ermittelt wurde, wieviel Pikrinsäure in dem Trypsin- 
pikrinsäureniederschlag vorhanden war, wurden 100 mg von dem 
Niederschlag in 0,2proz. Sodalösung gelöst und mit 3 cem 10 proz. Nitron- 
lösung in 5proz. Essigsäurelösung gefällt. Der erhaltene Niederschlag 
von Nitronpikrat wurde auf einem gewogenen Jenaer Glasfilter filtriert 
und das Filtrat und Waschwasser auf 20 ccm aufgefüllt. Der Nitron- 
pikratniederschlag wog 64,46 mg, wovon 27,92 mg auf die Pikrinsäure 
entfiel. Für die Prüfung der Wirksamkeit des Filtrats wurden 100 mg 
von Trypsin Merck mit dem Äquivalent an Trypsinpikrinsäurenieder- 
schlag und des daraus in Freiheit gesetzten Trypsins verglichen. 


j N HN in mg 
Trypsin Merek . . 2. 2.22 .. | 15,885 
Trypsinpikrinsänreniederschlag 14,418 
Nitronpikrat-Filtrat . . .. 16.434 


Nach diesem Versuch läßt sich das Trypsin aus dem Niederschlag 
mit Nitron regenerieren, es blieb noch zu erfahren, ob die Gegenwart 
von geringem Nitronüberschuß die Trypsinaktivität nicht zu ver- 
mindern vermag. Wie wir gleich sehen werden, ist das tatsächlich zum 
geringen Teil der Fall. 


ı NHN vor N HoN nach 
ke Inkubation | der Inkubation 


in më 


50 mg Trypsin Merek ... 2... 1 10,75 20,83 


Dasselbe mit 1 ccm Nitronlösung . 11 .03 17,46 


268 S. Kolodziejska u. C. Funk: 


Die Gegenwart von Nitron erniedrigte die Aktivität des Trypsins 
um 36 Proz. 

Qualitative Proben des Trypsinpikrinsäureniederschlags ergaben 
einen deutlichen Gehalt an Schwefel, Phosphor und Kohlehydraten. 
die Anwesenheit von Pwurinsubstanzen darin ließ sich nicht mit 
Sicherheit konstatieren. 


Versuche, den Trypsinpikrinsäureniederschlag zu fraktionieren. 


Fraktionierung mit Äther. Eine nicht gewogene Menge des Pikrats 
wurde im Soxhlet extrahiert, was einige Tage dauerte. Es wurde der 
Eindruck gewonnen, daß der Niederschlag selbst durch die Hülse 
hindurchgeht, was auch tatsächlich der Fall war, und deswegen wurde 
der Versuch unterbrochen. Es hat sich herausgestellt, daß nur die 
Pikrinsäure extrahiert wurde. 


I NHaN vor | NHy«N nach 
der Inkubation | der Inkubation 
D ENEE Bees in mg i in mg 
50m mg ó Niederschlag vom Boden des EEN | | 
kölbehenus gewonnen . . .... er 18,13 | 31,54 
50 mg Niederschlag aus der Hülse 22200 .. | 18,14 | 31,55 
50 mg des ätherlöslichen Rückstand `... 19,21 19,56 


Fraktionierung mit Aceton. 826 mg des Trypsinpikrinsäurenieder- 
schlags wurden zuerst mit 100 Proz. Aceton, was übrig blieb mit % Proz. 
und schließlich mit 80proz. Aceton extrahiert. Der letzte Rückstand 
wurde leider nicht untersucht. 


I. Fraktion (100 Proz. Aceton) hellgelb .. . . . . 17,9 mg 
II. Ge ( 90 „ „  ) hellbraun. . . . . . 90,9 „n 
III. = ( 80 . sg: Rebe woe a a BEE 5 


! NH-N vor N HN nach 
| der Inkubation | der Inkubation 


in mg in mg 

I. Fraktion 15 mg genommen `... 17,47 19,775 
ll. a 50 mg S EC 16,345 21,423 
II. 2 50 mg e CHE 20,98 20,875 


Die ersten zwei Fraktionen erwiesen sich als aktiv, die dritte in- 
aktiv, es ist demnach möglich, daß die Fraktionierung mit Aceton sich 
als zweckmäßig erweisen wird. 


Fraktionierung des Niederschlags als Natriumsalz. 786 mg wurden 
in 4ccm lproz. Sodalösung gelöst. Von dem nicht gelösten wurde ab- 
filtriert und zu dem Filtrat wurde die 20fache Menge Alkohol zugesetzt. 


Beitrag zur Chemie des Trypsins (Tryptase). 269 


Die Lösung wurde langsam abgedunstet, es bilden sich zuerst ölige 
Tropfen, später fällt ein Niederschlag aus, der 61,3 mg wog und unter 
dem Mikroskop kristallinisch aussah. Es wurde versucht, den Nieder- 
schlag in 5 ccm Wasser zu lösen, was nur teilweise gelang. Daher wurde 
von dem ungelösten abzentrifugiert, der Niederschlag und die Mutter. 
lauge II auf Aktivität geprüft. 


——n E IMs Rn e e E nn m m LE m 


Alkohol, Filtrat, nach dem Abdunsten des Alkohols | 


24,916 25,504 


Niederschlag in Sodalösung gelöst `, . . . 2... | 17,72 31,54 
El ee | 2491 | 405 


H 


Der kristallinische Niederschlag und der lösliche Teil davon er- 
wiesen sich beide als aktiv, doch hat sich die Gesamtaktivität sehr stark 
verringert. Der Versuch wurde wiederholt, indem 440,4 mg des Trypsin- 
pikrinsäureniederschlags in Arbeit genommen wurden. Diese Menge 
wurde in n/10 Sodalösung gelöst, von dem unlöslichen Anteil wurde 
abfiltriert und das Filtrat mit dem 20fachen Volumen Alkohol versetzt. 
Durch Alkoholzusatz fällt ein Niedersehlag aus, der nach dem Trocknen 
2l mg betrug. Der alkoholische Extrakt erwies sich als schwach aktiv, 
der Niederschlag dagegen alsinaktiv. Das Trypsin wird durch alkoholische 
Fällung des Natriumsalzes hauptsächlich inaktiviert, doch ist es fraglich, 
ob hier eine wirkliche Inaktivierung oder aber eine Trennung in in- 
aktives Trypsin und Kinase stattfindet. 


Versuch, 
den Trypsinpikrinsäureniederschlag als Natriumsalz zu kristallisieren. 


50 mg des Niederschlags wurden in 5 ccm von einer 0,2proz. Soda- 
lösung gelöst und in einem Exsikkator langsam verdunstet. Es bildeten 
sich schöne Nadeln. Die Kristalle wurden abgetrennt, mit wenig 
Sodalösung gewaschen und nebst der Mutterlauge auf Wirksamkeit 
geprüft. 


| NHAN vor | NHN nach 

| der Inkubation der Inkubation 

| in mg | in mg 
Kristalle . . 2.2... | 16,05 20,9 
Mutterlauge . . . ... | 18,27 26,75 


Die Summe der Wirkungen: der beiden Fraktionen glich ungefähr 
der Aktivität des Ausgangsmaterials. Auch diese Methode scheint 
aussichtsvoll zu sein. 


270 S. Kołodziejska u. C. Funk: 


Versuch der Fraktionierung in Form des Bariumsalzes. 


5g von Trypsin Merck wurden in Wasser gelöst und mit einer 
gesättigten Pikrinsäurelösung gefällt. Nach 24stündigem Stehenlassen 
wurde der Niederschlag abzentrifugiert und in 50 ccm einer 0,3proz. 
Sodalösung gelöst. Beim Lösen des Niederschlags in Sodalösung wird 
beobachtet, daß die ersten Portionen sich gelb färben, während der 
schwerlösliche Rückstand immer mehr farblos wird, indem er in eine 
Gallerte umgewandelt wird. Der alkalische Extrakt wurde mit Pikrin- 
säure ausgefällt, der Niederschlag abgeschleudert und im feuchten 
Zustande in minimal ausreichender Menge einer 0,3proz. Barytlösung 
gelöst. Die leichte, bleibende Trübung wurde abgeschleudert und das 
Filtrat langsam in einem Vakuumexsikkator abgedunstet. Die Kristalle, 
die gebildet wurden, wurden abfiltriert und wogen 6,8 mg. 


N HN vor | N HoN nach 
der Inkubation | der Inkubation 


| 


RER on | l in mg i in mg 
Kristalle e, 16,302 19,146 
Filtrat . . 222202. 28,8 23,52 


Die Kristalle erwiesen sich als aktiv, während im Filtrat die 
Aktivität offenbar gehemmt wurde. | 


Versuche, den Trypsinpikrinsäureniederschlag umzufällen. 


5 g Trypsin Merck wurden in 15 ccm Wasser gelöst und mit Pikrin- 
säure gefällt. Der erhaltene Niederschlag nach dem Auswaschen und 
Trocknen betrug 290,9 mg oder 5,81 Proz. des angewandten Trypsins. 
Wird dieser Niederschlag in 20 ccm 0,2proz. Sodalösung gelöst, von 
dem unlöslichen Anteil abgeschleudert und das Filtrat wieder mit 
Pikrinsäure gefällt, so fällt eine viel geringere Menge des Pikrats aus. 
Sie betrug nämlich nur 28,4 mg oder 0,58 Proz. des angewandten 
Trypsins. Dieser zweite Niederschlag sieht zuerst wachsartig aus, 
scheint aber nach dem Trocknen kristallinisch zu werden. Diese 
Methode wurde mehrmals wiederholt, und es wurden Ausbeuten bis zu 
1 Proz. des Ausgangsmaterials erhalten. Was die Aktivität dieser 
Fraktion sowie der Mutterlauge anbetrifft, so ist dieselbe nicht leicht 
zu prüfen, und unsere Versuche darüber sind nicht als endgültig zu 
betrachten. Im ersten Versuch war der zweite Niederschlag wie auch 
das Filtrat vollständig inaktiv, dagegen schien die Kombination von 
beiden Anteilen aktiv zu sein. Es schien in diesem Falle, als ob die 
Umfällung mit Pikrinsäure das Trypsin in das inaktive Trypsin und 
die Kinase zu trennen vermochte. 


Beitrag zur Chemie des Trypsins (Tryptase). 271 


NHN vor 


| NH;-N nach 
der Inkubation | der Inkubation 
8 N REENE S REERER in mg i in mg SÉ 
ae ee EC | 9,045 9,425 
Ee NEE EE | 1366 13.24 
Hälfte des Niederschlags und Hälfte des Filtrats . , 25,68 33,09 


Später aber stellte es sich heraus, daß, wenn der zweite Niederschlag 
nicht getrocknet wird, sondern feucht geprüft wird, doch eine Aktivität 
zum Vorschein kommt. Dasselbe gilt vielleicht auch für das Filtrat, 
wenn der störende Überschuß an Pikrinsäure mit Nitron entfernt wird. 
Dafür mögen die folgenden Zahlen als Beleg dienen: 


A vor | N H-N uach | 

der een der Inkubation | Netto 
| in mg in mg 
| 

Gelatinelösung allein . 2 2 2 2 2 200. 0,65 | 
Trypsin Merck . ..: 2:2 2 2 22 2 00 | 10,0 | 9,35 
Erster Pikrinsäureniederschlag . . . . . .' 9,31 Ä 14,04 | 4,08 
Filtrat der I. Fällung . . . 2 22220200 ! 10,57 11,57 © 0,835 
Filtrat d. I. Fällung nach Fällen mit Nitron 8,85 | 9,57 0,07 

Erster Pikrinsäureniederschlag zusamınen 

mit Filtrat I (nach Nitronfällung) . . . ` 9,99 13,15 2,51 
Zweite Pikriusäurefällug . . . 2 2... 9,27 12,7 2,78 
Filtrat II der Pikrinsäurefällung . . . . . | 8,70 9,03 — 0,32 
Filtrat II nach Nitronfållung . ..... 1 9,28 7,72 '— 2.21 
ll. Fällung und Filtrat II nach Nitronfällung ` 8.56 13,58 i 4,37 


Wenn wir diese Versuche zusammenfassen, so ergibt sich, daß der 
erste Pikrinsäureniederschlag zwar weniger wirksam ist als das Aus- 
gangsmaterial, aber doch 7,5mal gereinigt wurde. Der zweite Pikrin- 
säureniederschlag war 3,3 mal weniger aktiv, erfuhr jedoch eine Reinigung 
von ö2mal. Die Aktivität des zweiten Niederschlags, zusammen mit 
dem zweiten Filtrat, ergab eine Verringerung von 2,lmal, doch kann 
das Trypsin als 82 mal gereinigt betrachtet werden. Wir sind uns wohl 
bewußt, daß unsere Versuche nur die ersten Schritte in der chemischen 
Bearbeitung der Fermente bedeuten. Im Laufe dieser Versuche waren 
wir aber oft erstaunt, welchen drastischen Manipulationen die Fermente 
ausgesetzt werden können, ohne viel an Wirksamkeit zu verlieren. 
Es scheint uns, daß neben den epochemachenden Adsorptionsmethoden 
von Willstätter und v. Euler auch die Fällungsmethoden bei der Rein- 
darstellung der Fermente gute Dienste leisten können. 


Zusammenfassung. 


Durch Fällen des Trypsins mit Pikrinsäure gelingt es, einen aktiven 
Niederschlag zu bekommen, aus welchem durch Nitron das Trypsin 
regeneriert werden kann. Durch Fraktionieren des Pikrinsäurenieder- 


272 S. Kolodziejska u. C. Funk: Beitrag z. Chemie d. Trypsins (Tryptase). 


schlags mit Aceton, besonders aber durch Umwandlung in das Natrium- 
oder Bariumsalz, lassen sich kristallinische Fraktionen abscheiden, 
die noch über eine bedeutende Aktivität verfügen. Durch Umfällen 
der Pikrinsäureverbindung läßt sich das Trypsin 52mal reinigen, wobei 
aber eine teilweise Trennung in das Ferment und die Kinase aufzu- 
treten scheint. 


Literatur. 


1) Waldschmidt-Leitz, Die Fermente 1926; H. v. Euler, Chemie der 
Enzyme, II. Teil, II. Abschnitt, 1927. — 2) Willstätter und Waldschmidt- 
Leitz, H. 125, 132, 1923. — 3) Willstätter, Waldschmidt-Leitz und Hesse, 
H. 126, 143, 1923. — 4) Waldschmidt-Leitz, H. 182, 181, 1923/24. — 5) Sophie 
Kolodziejska und Casimir Funk, Chemie der Zelle und Gewebe 18, 
46, 1926. — Funk, Die Vitamine, III. Aufl. München, J. F. Bergmann. 


TS ee Tr 
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D 
3 . ` A , e 
bai D REM GE 


Verhalten der Hexosen sowie Hexosen-mono-phosphorsäure- 
ester zu Serum und Aminosäuren. 


Von 
C. Neuberg und M. Robel, 


(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin-Dahlem.) 


Am Stoffpaar d,1-Alanin und d-Fructose haben wir zuerst für 
Zucker und Aminosäure die Fähigkeit festgestellt!), in eine bei Raum- 
temperatur sofort sich offenbarende und polarımetrisch meßbare Be- 
ziehung zu treten. Die Weiterverfolgung?) dieser Beobachtung hat 
sodann ergeben, daß einerseits das d, l-Alanin bei diesem Vorgang durch 
andere Aminosäuren wie l(+)-Alanin, I(+)-Asparaginsäure und d(+J)- 
Glutaminsäure (letztere beiden als neutral reagierende Mononatrium- 
salze) ersetzt und daß andererseits statt des Fruchtzuckers das 
physiologisch wichtige Hexose-di-phosphat benutzt werden kann. 
Welcher Art die sich abspielenden Vorgänge sind, bleibe unerörtert. 
Eine tiefgreifende Veränderung der beiden Komponenten kommt bei 
der Entstehung der ‚Addukte‘‘ jedenfalls nicht in Betracht; denn wir 
haben (l. c.) gezeigt, daß die Kohlenhydrate in den Drehungsänderung 
aufweisenden Aminosäure-Zucker-Gemischen von Hefen in normaler 
Weise, zum Teil sogar beschleunigt, vergoren werden. Weiterhin hat 
sich ergeben, daß statt der genannten Mono-aminosäuren auch andere 
stickstoffhaltige Substanzen einen ähnlichen Einfluß auf die Rotation 
ausüben, z. B. Harnstoff, Thioharnstoff, Argininnitrat. Ausgesprochen 
waren diese momentan eintretenden Drehungsänderungen bei der 
Fructose und dem Kohlenhydrat-di-phosphorsäure-ester, während 
Glucose nur geringe Ausschläge lieferte. Der Hergang ist ganz ver- 
schieden von den sonst bekannten Umsetzungen der Kohlenhydrate 
mit Aminosäuren oder Harnstoff, die zu weitgehenden Zerstörungen 
der beiden Komponenten führen, wie Kohlensäureentwicklung, 


1) C. Neuberg und M. Kobel, diese Zeitschr. 162, 496, 1925. 
2) Dieselben, ebendaselbst 174, 464, 1926. 


Biochemische Zeitschrift Band 182. 18 


274 C. Neuberg u. M. Kobel: 


Ammoniakabspaltung und Huminbildung. Im Gegensatz zu diesen 
tiefgreifenden Veränderungen, die während längerer Einwirkungsdauer 
und bei hohen Wärmegraden, oft auch bei alkalischer Reaktion erzielt 
sind, stellen sich die von uns beschriebenen Erscheinungen augen- 
blicklich und bei gewöhnlicher Temperatur ein. Daß sie von den 
langsam verlaufenden Reaktionen abzutrennen sind, haben jüngst 
H. v. Euler und E. Brunius!) bestätigt, die sich von anderen Gesichts- 
punkten her sowie mit einer abweichenden Methodik (kryoskopischer 
Messung) mit dem Problem der Umsetzung von Zucker und Aminen 
neuerdings beschäftigt haben. 

Im Hinblick auf die sich aufdrängenden Fragen der Blutzucker- 
und Gärungsphysiologie, für welche die beschriebenen Erscheinungen 
von Interesse sind, haben wir des weiteren?) die Studien über Drehungs- 
änderungen beim Zusammentreffen von Zucker mit stickstoffhaltigen 
Gebilden auf das System Zucker bzw. Zucker-phosphorsäure-ester und 
Hefen-mazerationssaft ausgedehnt. Um Störungen durch desmolyti- 
schen Zuckerabbau auszuschließen, mußte ein Hefensaft verwendet 
werden, dem durch Aufbewahren seine zymatische Kraft genommen 
war. Schon von der Darstellung her enthält Hefensaft außer koagulabelem 
Protein abgebautes Eiweiß und andere lösliche, stickstoffhaltige 
Materialien, insbesondere Nucleinsäuren und deren Spaltungsprodukte. 
Daß sich deren Menge in gestandenem Mazerationssaft vergrößert, ist 
nicht zu vermeiden, da proteolytische Prozesse durch die vorhandenen 
eiweißspaltenden Fermente ausgelöst werden. Die mit Hefensaft ein- 


- a 


1) H.v. Euler und E. Brunius, H. 161, 266, 1926. Die dort gestellte 
Frage der Autoren, was wir unter „natürlichen Verhältnissen‘ verstehen, 
erfährt, wie wir glauben, unzweideutig aus dem Zusammenhang ihre Be- 
eantwortung. v. Euler und Josephson schreiben (H. 153, 8, 1926), „daß 
ein in alkalischer Lösung aus Glucose entstehendes Umwandlungsprodukt 
mit der Aminogruppe reagiert“. Dagegen hatten wir im betonten Gegensatz 
zu jeder Methodik, die eine Zugabe irgendwelcher Katalysatoren beansprucht, 
es gerade vermieden, die von Natur aus gegebene Wasserstoffionenkonzen- 
tration der Komponenten zu ändern und eine Entfernung vom Neutral- 
punkt herbeizuführen. Die Herstellung der Neutralitätszone (pa = 7) 
erwies sich als notwendig bei der Asparaginsäure und GHlutaminsäure, 
die an sich starke Säuren sind, aber nach C. Neuberg und M. Kobel (diese 
Zeitschr. 174, 465, 1926) sowie M. Bergmann, F. Stern und Ch. Witte (A. 
449, 282, 1926) neutral reagierende Mono-natriumsalze bilden. Natürlich 
mußte auch der Hexose-di-phosphorsäure-ester, der erhebliche Acidität 
aufweist, in Form eines neutralen Salzes verwendet werden. Nachdem 
nun v. Euler und Brunius den von uns hervorgehobenen Unterschied im 
Verhalten von Fruchtzucker und Glucose bei der momentan sich ab- 
spielenden Erscheinung anerkennen, bestehen unseres Erachtens keine 
tatsächlichen Divergenzen gegenüber den interessanten Befunden dieser 
Autoren. . 

2) C. Neuberg und M. Kobel, diese Zeitschr. 179, 451, 1926. 


Verhalten der Hexosen u. Hexosen-mono-phosphorsäureester usw. 275 


tretenden Drehungsänderungen können somit nur auf die Gesamtheit 
der Zellinhaltsstoffe, nicht aber allein auf genuines Hefeneiweiß bezogen 
werden. Der Hefensaft selbst erlangt nach einiger Zeit eine konstante 
Rotationskraft. In diesem Zustande reagiert er dann auf das deutlichste 
mit Fruchtzucker, mit Hexose-di-phosphorsäure, mit dem aus letzterer 
durch künstliche Dephosphorylierung bereiteten Neubergschen Hexose- 
mono-phosphorsäure-ester sowie mit dem auf dem Gärungswege 
gewinnbaren isomeren Zymo-mono-phosphat von Robison. Die Drehungs- 
änderungen sind teils nach rechts, teils nach links gerichtet. 

. Zur Vervollständigung haben wir nunmehr Versuche mit normalem, 
ganz frischem Pferdeserum ausgeführt, das, wenn überhaupt, nur einer 
geringfügigen Autolyse unterliegt. 

Dabei hat sich ergeben, daß Glucose und Fructose im Gemisch mit 
Serum eine Drehungsänderung gegenüber dem Betrag erleiden, der 
sich aus der Ablenkung der ungemischten Komponenten ergibt. Die 
Drehungsänderung, die Fructose verursacht, ist nach links gerichtet, 
die von Glucose bewirkte ist schwächer und weist nach rechts. Die 
Ausschläge sind aber von geringerer Größenordnung als bei den 
Systemen Fruchtzucker und einfachen Aminosäuren. 

Die mit Albumosen und Peptonen erzielten Daten wollen wir 
vorläufig nicht anführen; denn die käuflichen Präparate dieser 
Eiweißabbaustufen sind Gemische von Körpern sehr verschiedener 
Molekulargröße und enthalten, wie wir fanden, auch Ammonium- 
salze sowie Spaltungsprodukte von Nucleinsäuren. Daß diese Stoffe 
mit den Zuckern reagieren können, haben wir schon in unserer letzten 
Mitteilung erwähnt. Wir wollen aber gereinigte Proteosen zum Gegen- 
stand einer ausführlicheren Prüfung machen; Caseinpepton besonderer 
Fertigung ergab im Zucker-Misch-Versuch keinen Effekt. 

Deutlich zeigte sich weiterhin, daß die bisher in ihrem Verhalten 
zu Aminosäuren nicht untersuchten drei Hexose-mono-phosphor säure- 
ester erhebliche polarimetrische Ausschläge liefern. Wiederum waren 
es Asparaginat und Glutaminat, die beim Robtsonschen Ester, beim 
Neubergschen Ester und beim @Glucose-mono-phosphat (aus Rohrzucker- 
mono-phosphorsäure) die stärksten Drehungsänderungen veranlaßten. 
Auffallenderweise sind Alanın und Harnstoff den genannten Zucker- 
phosphaten gegenüber ohne wesentlichen Einfluß (Tabellen III, IIa, 
IV, IVa, VIII, VIIIa, IX, IXa, XIII, Xllla, XIV, XIVa), während 
sich Asparaginat und Glutaminat, wie erwähnt, auch gegenüber ein- 
facher Fructose in dieser Beziehung als die wirksamsten Aminosäuren 
erweisen. Es ist unentschieden, ob man in dieser, wie auch immer 
gearteten, durch den polarimctrischen Effekt gekennzeichneten Be- 
ziehung zwischen Zucker und Aminosäure den Auftakt zu den 
komplexen und destruktiven Umsetzungen erblicken darf, die im 


18 * 


276 C. Neuberg u. M. Kobel: 


Verlauf der Entstehung von Humin sich abspielen. Daß im Neu- 
tralisstionsbereich die Glucose nicht deutlich auf die erwähnten 
Eiweißspaltungsprodukte anspricht, zum Unterschiede von der augen- 
blicklich reagierenden Fructose, würde an sich zu einer solchen An- 
nahme keinen Gegensatz bedeuten, weil ja die Huminbildung unter 
Verhältnissen erzwungen wird, unter denen auch der Traubenzucker 
labil wird. 

Unsere Feststellungen haben keine Beziehungen zu der von H. Prings- 
heim und M. Winter!) postulierten Kondensation, die zwischen Eiweiß- 
körpern und reduzierenden Zuckern augenblicklich erfolgen soll. Mit 
vier voneinander unabhängigen Methoden (Dialyse, Ausflockung der Proteine 
bei neutraler Reaktion, Trennung mittels Alkohol und Bestimmung 
nach einem nicht auf Abscheidung von Kupferoxydul?) beruhenden 
Titrationsverfahren) läßt sich, wie Neuberg und Simon an anderer Stelle 
mitteilen werden, dartun, daß innerhalb der analytischen Fehlergrenzen 
die gesamte angeblich gebundene Kohlenhydratmenge als freier Zucker 
nachzuweisen ist. 

Tabelle I. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 2m 
Natrium-asparaginat. pu = 7,0. 


| 3ccm m/2 
Zeit en N Fe En en a E deii 
+ 3ccm Wasser | + 3ccm Wasser Asparaginat = aem 

Zu Beginn + 0,920 — 0,660 |!  +1,07° | 0,810 
Nach 1Std... + 0,92 — 0,66 + 1,06 0,80 

2, +09 — 0,66 +16 | oa 

E +0,92 — 0,65 + 1.06 0.79 

=: 20 5 | + 0,92 — 0,65 + 1,06 | 0,79 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle Ia. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 2m 
Natrium-asparaginat. pa = 7,0. 


= = - — 
3 ccm m/2 
3 2 3 2 
zu aiaa Aie, | ergeet] 4 
+ 3ccm Wasser | + 3ccm Wasser Aaparasinat ( = 1 dem) 

Zu Beginn .. + 0,929 | — 0,66° | + 1,06° 0,80° 
Nach 1 Std + 0,9 — 0,66 + 1,08 0,82 

nm N + 0,92 | 2 0,66 | + 1,07 0,81 


Drehungsänderung nach rechts. 


1) H. Pringsheim und M. Winter, B. 60, 278, 1927. 

2) Besonders halten Albumosen und Peptone beträchtlich Kupfer- 
oxydul in Lösung, wie schon früher hervorgehoben ist (C. Neuberg und 
M. Ishida, diese Zeitschr. 87, 142, 1911 und 48, 503, 1912). 


Verhalten der Hexosen u. Hexosen-mono-phorphorsäureester usw. 277 


Tabelle II. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 2m 
Natrium-glutaminat. pa = 7,0. 


3 ccm mi2 ` 


| 3ccm m/2 3ccm 2m 
Zeit | Hexosephosphat | Glutaminat ar I 
+ 3ccm Wasser + 3ccm Wasser (I = 1 dem) 


Glutaminat 


T _049 + 0,760 | 0,280 


Zu i + 0,90 
Nach 1 Std. + 0,90 — 0,42 + 0,75 0,27 
2 + 0,91 — 0,42 + 0,76 0,27 
å + 0,90 | — 0,43 + 0,76 0,29 
D 


rehungsänderung nach rechts. 


Tabelle Ila. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 2 m 
Natrium-glutaminat. pa = 7,0. 


| = 3ccm m/2 
3 2 3 2 
Zeit Teen Ser E Glutaminat E pera ea I 
+ 3ccm Wasser + 3ccm Wasser ee eg (1 = 1 dcm) 
Zu Beginn .. E a 0,919 — 0,420 + 0,800 0,310 
Nach 1 Std. . . | + 0,91 — 0,42 Ä + 0,79 0,30 
SE we +0,91 | —-042 | +0,80 0,31 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle III. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 2 m 
d,l-Alanin. py = 7,0. 


3ccm m/2 Tiia 3 ccm nn Hexose. E 
Zeit phosphat phos 
+ 3cem Wasser |+ Seen 2m rd ZE (l = 1 dem) 
Zu Beginn ..... | + 0,900 + 0,96° 0,06° 
Nach EB, era el + 0,90 + 0,96 0,06 
ke E Tee er | + 0,90 + 0,97 0,07 
ët T OE + 0,90 + 0,96 0,06 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle IIIa. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 2 m 
d, l-Alanin. pa = 7,0. 


prepr m/2 Hexose: 3ccm m re Ae 
i t 
SS gd RN slem Wasser K RER ge wä EH (l = 1 dcm) 
Zu Beginn ..... | + 0,910 + 0,970 | 0,060 
Nach 2 Stdn + 0,91 + 0,96 | 0,05 
WEE gen ee Ge | +0,91 + 0,97 0,06 


Drehungsänderung nach rechts. 


278 C. Neuberg u. M. Kobel: 


Tabelle IV. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 6m 
Harnstoff. pe = 7,0. 


| 3cem m/2 Hexose- Ä 3ccm m/2 Hexose- 
Zeit Roat osp 
| "ärem Wasser ` 3 bem W asser + 3ccm 6m Harnstoff (1 = 1 dcm) 
Zu Beginn ek +0, 10 + 1,020 | 0,100 
Nach 1Std. . 2... +0,92 + 1,02 0,10 
acer. +0,92 | + 1.02 | 0,10 
S + 0.92 + 101 0.09 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle IVa. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + 6m 
Harnstoff. pa = 7,0. 


| l | 3 ccm mi2 TRDEM 3 com m/2 ge 4 
SP | + ee Weser + 3 cem ge Harnstoff (l = 1 dem) 
Ze Beini e enga +0,92 +10 | 010 
Nach 2 Stdn Sel + 0,92 + 1,01 | 0,09 
EE +0,92 | +1,02 00 


Drehungsänderung nach rechts. 
Tabelle V. 
m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + Pferdeserum. 


, [Pem p Horose | Am ccm m/2 Hexoses wa ee. O m/2 


e 3ccm Serum 
í E | tm Watie TREE | e ma 
Zu Beginn .. + 0,920 — 1,80° — 0,849 0,04° 
Nach 1Std... +02 —1,80 — 0,84 0,04 
>» 2, ..! +091 — 1,80 — 0,85 0,04 
E iv | + 0,92 — 1,80 — 0,84 0,04 
20, +0,92 — 1,80 — 0,84 0,04 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle Va. 
m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Neuberg) + Pferdeserun:. 


|3 ccm m/2 Hexose» 3 S 3 ccm ml? l 
Zeit | z SECH a See + sen Wasser en a a dan 
Zu Beginn . . || + 0,930 — 1,800 — 0,830 0,04° 
Nach 1Std. . . | + 0,93 — 1,80 — 0,82 0,05 
„Ay ..| +0,93 — 1,80 — 0,83 0,04 


Drehungsänderung nach rechts. 


Verhalten der Hexosen u. Hexosen-mono-phosphorsäureester usw. 279 


Tabelle VI. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 2m 
Natrium-asparaginat. pp = 7,0. 


| e S 3 ccm m/2 Zymo« ' 
Zeit ehe 2m Wees EE | d d 
| +3 ccm Wasser | + 3ccm Wasser , Äsparaginat | (l = 1 dcm) 
P A e EE Ss 
Zu Beginn .. | +1,90 — 0,680 | +1,99 0,670 
Nach 2 Stdn. . + 1,33 — 0,67 + 1,32 0,66 
nép a’ + 1,33 — 0,68 + 1,32 0,67 
sË a | + 1,33 i — 0,66 + 1,33 0,66 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle VIa. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 2m 
Natrium-asparaginat. pp = 7,0. 


3 ccm m/2 Zymos 3 ccm ml? Zymos 


3 ccm 
aok 2m As monospbosphat I 
a When Ba Wine | EL (q = 1 dem) 
+ 1,330 + 0,680 ' +1,310 | 0,66° 
+1,33 + 0,68 + 1.30 0,65 
+13 | +06 +131 | oe 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle VII. 
m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 2m 
Natrium-glutaminat. pe = 7,0. 


| 3ccm m/2 Zymos 3ccm 2m Glut» | 3ecm m/2 Zymos 


Zei bosch Er mono-phosphat A 

" O Peen Waaser | + 3cm Waer | zum biena | U = em) 
Zu Beginn .. ! +1,90 — 0,470 | + 1,160 0,300 
Nach 1 Std. . . + 133 — 0,47 +1,16 0.30 
a + 134 —046 | +117 0.29 
I + 1,33 —046 | +17 0,30 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle VIIa. 
m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 2m 
Natrium-glutaminat. pe = 7,0. 


3ccm m/2 Zymo« 
3 KK e 3 2m Glut 
Zeit er ge Sch S SES px aei (a = den) 
+ 3ccm Wasser | + 3 ccm Koener Ciutaminat 
Zu Beginn .. | +1330 100459 | +1,14, 0,260 
Nach 1 Std.. . ` +13 ©  —045 | +1145 | 027 
hl 0 | +115 028 


Drehungsänderung nach rechts. 


280 C. Neuberg u. M. Kobel: 


Tabelle VIII. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 2m 
d,l-Alanin. pa = 7,0. 


Zeit 3 ccm m/2 Zymo-mono» 3ccm mj2 u: | J 


| pbos Ge 
il phosphat + 3ccm Wasser | + aan 2m COM (= L dcm) 


Zu Beginn TOMEN 


| + 1,330 + 1,350 0,020 

Nach 2 Stdn.. . ` + 1,34 + 1,35 001 
n 2A nn... + 1,33 -H 1,34 | 0,01 
„8. ..J4 + 1,33 + 1,34 0,01 


Tabelle VIIIa. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 2m 
d,1l-Alanin. pg = 7,0. 


e a Se a 
3ccm mi? Zymo»monos J 
g 3 2 Zymo-monos 
u | ante ie RE | O= am 
Zu Beginn + 1,32 + 1,330 | 0.01° 
Nach 2 Stdn. + 1,32 + 1.32 0,00 
Ba ee + 1,32 + 1,33 | 0,01 
Tabelle IX. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 6m 
Harnstoff. py = 7,0. 


3ccm m/2 Zymo»monos | I 
f 3 RZ e e 
a ‚me phosphat T 3 com Wasser Bo ech om Harnstoff (I = 1 dcm) 
Zu Beginn . WS +1; 41830 | + 1,360 0,039 
Nach N Stdn. + 1,34 + 1,36 0,02 
n n Sei + 1,33 + 1,36 0,03 
” n + 1,33 | + 1,36 0.03 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle IXa. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + 6 m 
Harnstoff. pr = 7,0. 


l ; | 3ccm m/2 Zymo»-mono» 
Zei ra N phosphat een 
SE S + 3ccm 6m Hamstoff = cm 
Zu Beginn... | 0,049 
Nach 2 Stdn.. . ` 0.04 
n Ey 0,04 


Drehungsänderung nach rechts. 


Verhalten der Hexosen u. Hexosen-mono-phosphorsäureester usw. 281 


Tabelle X. 


m/2 hexose-mono-phosphorsaures Natrium (nach Robison) + Pferdeserum. 


S 3ccm m/2 Zymos 
Zeit mono«phosphat 
| + 3ccm Wasser 


 3cem m/2 Zymos 
mono»phosphat 
+ 3ccm Serum 


3ccm Serum 


I 
+ 3ccm Wasser (l = 1 dem) 


1 
Nach 1 Std +1,32 | 
ee +131 
„29, | + 1,32 | 


Tabelle Xa. 


Bi 


Tabelle XI. 


m/2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 2m 
Natrium-asparaginat. pa = 7,0. 


3 ccm ml? Glucose» 
Zeit phosphat 
' +3ccm Wasser 


3 ccm 2 m Asparas  3ccm m/2 Glucose» | I 


ginat hosphat + 3ccm => 
+ 3ccm Wasser re (l = 1 dcm) 


2m Asparaginat 


Zu Beginn . . +0,50 -~ — 0,68° + 0,440 0,570 
Nach 1 Std 0,53 — 0,66 + 0,46 0,59 
n 2 p.. +05 — 0,67 +0,46 ` (ën 
D "er + 0,54 — 0,67 +0,45 | 0,58 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle XIa. 


m/2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 2m 
Natrium-asparaginat. pa = 7,0. 


EN E ege wt Glucose: 3ccm 2m EN | 3 sem Br uropa: EI 
t inat t 
ER ass + 8 cdn Wasser P Ce KEE (I = 1 dcm) 
Zu Beginn .. + 0,550 — 0670 + 0,420 | 0,540 
Nach 1 Std... . +04 0. —066 + 0,44 0,56 
e + 0,54 — 0,66 104 | 056 


Drehungsänderung nach rechts. 


282 C. Neuberg u. M. Kobel: 


Tabelle XII. 


m/2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 2m 
Natrium-glutaminat. pg = 7,0. 


> 3ccm Di SE 3ccm 2m Glut- eem m/2 Glucose I 
t t S t c 
' + aken Wasser l 4 3ocm Wasser C "2m Glutaminat (L = 1 dcm) 
Ser Wann EE E E en el De Fe Seren er EHE Bi 
Zu Beginn .. + 0,53° —- 0,440 + 0,230 | 0,14° 
Nach 1 Std.. . + 0,54 — 0,44 + 0,24 0,14 
Sek Re + 0,55 — 0,43 + 0,24 0.12 
"10 7 | +054 | —044 + 024 0.14 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle XIIa. 


m/2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 2m 
Natrium-glutaminat. pp = 7,0. 


3cem 2m Glut» |3ccm m/2 Glucose 4 
aminat phosphat + 3ccm (1 = 1 dem) 
+ 3 ccm Wasser 2m  Glutaminat SS 


0,120 


'3ccm m/2 Glucose: | 
i phosphat 
EE + 3ccm Wasser 


Zu Bern A + 0, 050 — 0,43 + 0,210 
Nach S Stdn. + 0, 52 — 0,43 + 0,22 0,13 
w + 0, 53 — 0,43 + 0,22 0,12 


Drehungsänderung nach rechts. 


Tabelle XIII. 


m/’2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 2m 
d, l-Alanin. py = 7,0. 


| 
| 3 ccm ml? Glucosesmonos 
; 3 2 Gl ses e Ei 
Z BEE | ome emim” | a 
Zu Beginn. . si + 0,520 + 0,520 0,000 
Nach 2 Std. .. + 0,52 + 0,51 0,01 
Er E | + 0,5; + 0,51 0,01 
Tabelle XIIIa. 


m;2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 2m 
d,1-Alanin. pn = 7,0. 


. 3ccm m/2 Glucose-monos Í 
. 3 2 Glucose» Ae 
ge | a + 3ccım Wasser ne m (1 = 1dım) 
Zu Beginn... . | + 0,530 | + 0,520 0,010 
Nach 1 Std. +0,54 | +05 0,01 

a 20 „ | + 0,54 | + 0,5 0,01 


Verhalten der Hexosen u. Hexosen-mono-phosphorsäureester usw. 283 


Tabelle XIV. 


m/’2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 6m 
Harnstoff. pa = 7,0. 


lucosesmono» 
8 | 3ccm m/2 Glucose-smono» 3cem m/2 G 
Zeit phosphat + 3ccm Wasser phosp toi 6m (l = a dcm) 
eher EE i SE EE ZE 
H 


| 
i 
I 


Zu Beginn . | + 0,550 +08 0080 

Nach 1 Std. + 0,53 + éi 0,02 
a N + 0,54 i + 0,52 0,02 
SC e Ge Sc + 0,54 + 0,52 0,02 


Drehungsänderung nach links. 


Tabelle XIVa. 


m/2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) + 6m 
Harnstoff. pa = 7,0. 


ai? Ee 
e Aeem ml? Glucose-mono» sem. m, 
Zeit | phospbat + 3ccm Wasser KR eene NN a 3 A 6m D (= r dem) 


Zu Beginn... . + 0,530 | + 4049 0,049 

Nach 1 Std. . . | + 0,54 + 0,50 0,04 

SC A SE + 0,54 + 0,50 0,04 
Drehungsänderung nach links. 


Tabelle XV. 


m/2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) 
+ Pferdeserum. 


3ccm m/2 Glucose» 3 Se 3 ccm m/2 Glucose» 
Zet | palm Wasser | vm Wasser. Poon Serum a = 1dem) 
Zu +0,50 | — 1,790 — 1,29 0,010 
Nach 1 Std. | ` +0» |  —179 l — 125 | 0.02 
„4, +0,53 10 ld 0,02 
„10, +0,53 | -ı0 10 —-1% 0.01 
Tabelle XVa. 


m/2 glucose-mono-phosphorsaures Natrium (aus Saccharophosphat) 
+ Pferdeserum. 


3ccm m/2 Glucose. 
hosphat 
+ 3ccm Serum 


3ccm Serum 


3ccm ml? Glucose, 
hat + 3ccm Wasser 


Bi 
(1 = 1 dcm) 


osp. 
-+ 3 com Wasser 


284 C. Neuberg u. M. Kobel: Verhalten der Hexosen usw. 


Tabelle XVI. 
3m Glucose + Pferdeserum. 
Zeit bg | ppa Glaser 3ccm Serum 3 ccm 3m Gina] J 
j | + 3 ccm beet deng Wasser + 3ccm Serum (= 1 dem) 
Ze DD a + 13,670 — 1,880 +11,900 | 0,110 
Nach 2 Std... . + 13, 53 — 1 EI + 11,78 0,13 
PO "SEENEN, —- 13.50 — 1.88 + 11,74 0,12 
SE, ` er a + 13,51 — 1,88 + 11,74 0,11 
Drehungsänderung nach rechts. 
Tabelle XVIa. 
3m Glucose + Pferdeserum. 
Se | 3ccm 3m Glen 3ccm Serum 3ccm 3m Glucose | P3 | 
+ 3ccm Wasser + 3ccm Wasser + 3ccm Serum = 1 dcm) 
Zu Beginn .. | +1370 | —1,880 | 11,900 | 0,080 
Nach 2 Std.. . | + 13,51 | — 1,89 u 11,73 0,11 
E D. + 13,51 | — 1,88 | + 11,73 0,10 
„ 4 | + 18350 — 1,88 +11 71 0.09 
Drehungsänderung nach ERTA 
Tabelle X VII. 
3m Fructose + Pferdeserum. 
i Zeit 5 I names | gr TEN Bun Aius | ES 
Ss | + 3 com Wasser 4 3 cem Wasser = 3 ccm Serum | (= 1 dem) 
Ta Borim — 26,340 — 1,880 | — 28,400 0,18? 
Nach 1 Std... . — 26,24 — 1,89 — 28, E 0,17 
a 8 3 — 26,16 | — 1,88 | — 28.23 . 20 
a ` Se =% | — Lë JL Ru | oa 
Drehungsänderung nach links. 
Tabelle XVIIa. 
3m Fructose + Pferdeserum. 
Zeit | 3 ccm 3 mFructose 3ccm Serum 3 ccm3mFructose | I i 
? Ä T 3 ccm Wasser | + 3cem Wasser + 3ccm Serum | (l = 1 dcm) 
Zu Be — 26,200 | — 1,880 — 28,320 04° 
Nach GN — 26,10 — 1,88 — 28,20 0,22 
-%9 | -ı8 | —- 382 0,23 


Drehungsänderung nach links. 


Über die Umwandlung 
des Methyl-benzoyl-carbinols durch gärende Hefe. 


Von 
Carl Neuberg und Wassili Komarewsky. 
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin-Dahlem.) 


Die Acyloine haben eine unerwartete Bedeutung dadurch erlangt, 
daB sie als Naturerzeugnisse aufgefunden sind und an ihnen die 
biosynthetische Kohlenstoff-ketten-verknüpfung zum ersten Male auf fer- 
mentativem Wege verwirklicht worden ist. Wenn beispielsweise 
Benzaldehyd mit Zymase und Zucker oder Brenztraubensäure zusammen- 
trifft, so entsteht durch carboligatischen Aufbau bekanntermaßen eine 
stark lävogyre Substanz, die formelgemäß aus einem Molekül Bitter- 
mandelöl und einem Molekül Acetaldehyd zusammengefügt ist!). 
Wie man sieht, sind zwei Isomere möglich, die als Phenyl-acetyl- 
carbinol, C,H,.CHOH.CO.CH,, und als Methyl-benzoyl-carbinol, 
CH,.CHOH.CO.C,H,, zu bezeichnen sind. Nach den Untersuchungen 
von C. Neuberg und H. Ohle?) kann man durch Grignardierung des carboli- 
gatischen Produktes mittels Phenyl-magnesium-bromid zum a-Methyl- 
a.ß-bi-phenyl-äthylen-glykol. C,H,. CHOH.C(OH)(C,H,) (CH,), ge- 
langen, und dieses Glykol wird durch Behandlung mit Schwefelsäure 
unter Abgabe eines Mol Wasser in Methyl-phenyl-acetophenon über- 
geführt. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß das Ausgangsmaterial 
die Konstitution des 1-Phenyl-acetyl-carbinols besitzt. Mit absoluter 
Gewißheit lassen sich jedoch bei dem Vorgange der Grignardierung 
und der Wasserabspaltung aus dem Glykol Umlagerungen nicht aus- 
schließen, die eine Wanderung der Radikale bedingen. Nun hat A.Fa- 
vorsky?) angegeben, daß Hefe überhaupt das Methyl-benzoyl-carbinol 
zum Phenyl-acetyl-carbinol isomerisiere. Obgleich nach v. Auwers eine 
solche Umgruppierung den Übergang eines Systems mit konjugierten 
Doppelbindungen in eines mit nichtkonjugierten bedeutet und als 


1) C. Neuberg und J. Hirsch, diese Zeitschr. 115, 282, 1921. 
2) C. Neuberg und H.Ohle, ebendaselbst 127, 327, 1922. 
3) A. Favorsky, Bull. Soc. chim. France [4] 89, 219, 1926. 


286 C. Neuberg u. W. Komarewsky: 


unwahrscheinlich angesehen wird, und wenn auch bei der Ähnlichkeit, 
welche die beiden Isomeren naturgemäß aufweisen müssen. die von 
Favorsky bisher mitgeteilten Daten keine völlige Entscheidung zu- 
lassen, so haben wir doch im Hinblick auf das Problem der phyto- 
chemischen Reduktion sowie das der carboligatischen Synthese das 
Verhalten des synthetisch leicht zugänglichen optisch-inakliven M ethyl- 
benzoyl-carbinols (Oxy-propio-phenons) zu gärender Hefe untersucht. 


Früher hatten nämlich C. Neuberg und H.Ohle!) bereits Anhalts- 
punkte dafür gefunden, daß bei der Umwandlung von Benzaldehyd 
durch gärende Hefe außer dem Phenyl-acetyl-carbinol sekundär auch 
dessen Reduktionsprodukt, das a-Methyl-B-phenyl-äthylen-glykol, auf- 
tritt; eine sichere Identifizierung war damals aber nicht möglich ge- 
wesen. 


Wenn man vom Bittermandelöl ausgeht und von dessen einfacher 
phytochemischer Reduktion zum Benzylalkohol?) absieht, so liegt das 
Gleichgewicht des biosynthetischen Prozesses sehr zugunsten des 
Acyloins Phenyl-acetyl-carbinol; nur ein Teil desselben wird zum zu- 
gehörigen Glykol reduziert. Das entspricht auch anderen Erfahrungen; 
so haben vor Jahren C. Neuberg und F. F. Nord?) gezeigt, daß Benzoin 
phytochemisch kaum angegriffen wird, und neuerdings hat G. Nagel- 
schmidt festgestellt, daB die phytochemische Reduktion des Diacetyls 
zwar schließlich zum 2, 3-Butylen-glykol führt, daß aber die Stufe des 
Acetoins während dieses biochemischen Prozesses lange persistiert. 
Ersichtlichermaßen steht nun das Methyl-benzoyl-carbinol (CH,.CHOH 
. CO .C,H,) seiner chemischen Konstitution nach in der Mitte zwischen 
dem acyklischen Acetoin (CH,.CHOH.CO.CH,) und dem aroma- 
tischen Benzoin (C,H,.CHOH.CO.C,H,), und sein Verhalten bei 
der phytochemischen Reduktion ist ungefähr so, wie man es für einen 
Ketonalkohol mit gemischten aliphatischen und ringförmigen Radi- 
kalen erwarten darf. 


Das Methyl-benzoyl-carbinol wird von gärender Hefe in mittlerer 
Leichtigkeit zum a-Methyl-ß-phenyl-äthylen-glykol reduziert, und zwar 
erwies sich obergärige Hefe (von Sinner) in diesem Falle brauchbarer 
als Unterhefe (der Schultheiß-Patzenhofer Brauerei). Mit letzterer 
entstand das Glykol; es gelang uns aber hier nicht, den durch sein 
Reduktionsvermögen gegenüber Fehlingscher Mischung sich leicht ver- 
ratenden Ketonalkohol gänzlich zu hydrieren. Die obergärige Hefe 
bewirkte hingegen diese Umwandlung recht glatt; das Ausgangs- 
material verschwand praktisch vollkommen. 


1) C. Neuberg und H.Ohle, diese Zeitschr. 128, 610, 1922. 
2) C. Neuberg und E. Welde, ebendaselbst 62, 477, 1914. 
3) C. Neuberg und F.F. Nord, B. 52, 2251, 1919. 


al wahr a DE ae Ee ie at 


Umwandlung des Methyl-benzoyl-carbinols durch Hefe. 287 


Das gemischte Glykol, CH,.CHOH.CHOH.C,H, enthält 
zwei asymmetrische Zentren. Entsprechend allen bei der phytochemi- 
schen Reduktion gemachten Erfahrungen trat auch das a-Methyl- 
B-phenyl-äthylen-glykol in stark aktiver, und zwar in lävogyrer Form 
auf, indem das Methyl-benzoyl-carbinol asymmetrisch hydriert wird!). 

Diese Ergebnisse lehren, daß jedenfalls das Glykol, das zu beiden 
isomeren Acyloinen gehört, auf phytochemischem Wege gebildet 
werden kann und bei der Bilanz der biochemischen Umwandlung von 
Benzaldehyd berücksichtigt werden muß. | 


Experimentelles. 


Daa benutzte Methyl-benzoyl-carbinol (Oxy-propio-phenon) wurde 
nach den Angaben von K.v. Auwers?) bereitet. Das Ausgangsmaterial 
bildete das a-Brom-propionyl-bromid, das nach N. Zelinsky?) gewonnen 
worden war. Dieses Bromid wurde nach der Friedel-Craftsschen Synthese 
mit reinem Benzol durch Aluminiumchlorid kondensiert. Das ent- 
standene a-Brom-propio-phenon wurde darauf mit essigsaurem Kalium 
in das Acetat des Methyl-benzoyl-carbinols verwandelt und dieses 
schließlich zum freien Ketonalkohol verseift. 


Versuch 1. 


200 g Traubenzucker wurden in 2 Liter Leitungswasser gelöst und 
mit 200 g Unterhefe versetzt. Nach dem Eintritt lebhafter Gärung 
wurde tropfenweise eine Lösung von 10 g des Acyloins in 10 ccm Äthyl- 
alkohol hinzugefügt. Bei langsamer Zugabe fand keine Unterbrechung 
der Gärung statt, jedoch erfolgte eine vorübergehende Schwächung 
der Kohlensäureproduktion. Nach einem Tage war der Zucker ver- 
schwunden; denn eine mit Hefe nochmals versetzte kleine Probe des 
Gärgemisches entwickelte kein Kohlendioxyd mehr, wohl aber auf 
erneuten Zusatz von Zucker. Das im ursprünglichen Gärgut fest- 
stellbare Reduktionsvermögen war also auf noch unverändertes Ketol 
zu beziehen. Deshalb wurden abermals 100 g Traubenzucker in 200 ccm 
Wasser und 100g frische Unterhefe hinzugetan. Diese Behandlung 
wurde zweimal wiederholt. Trotz völliger Endvergärung des Zuckers 
hinterblieb noch immer eine siedende Fehlingsche Lösung schwach 
reduzierende Flüssigkeit. Dessenungeachtet schritten wir zur Auf- 
arbeitung, die folgendermaßen geschah. 

Das filtrierte Gärgut wurde fünfmal mit sehr reichlichen Mengen 
Äther ausgeschüttelt. Die gesammelten Ätherextrakte wurden vereinigt, 


1) Vgl. hierzu C. Neuberg und E. Simon, diese Zeitschr. 179, 443, 1926. 
2) K.v. Auwers, B. 50, 1177, 1917. 
3) N. Zelinsky, B. 20, 2026, 1887. 


288 C. Neuberg u. W. Komarewsky: 


etwa auf 500 cem konzentriert, über geglühtem Glaubersalz getrocknet 
und alsdann vollkommen eingeengt. Der Rückstand, ein gelbliches Öl, 
wurde nunmehr im Vakuum destilliert. Aufgefangen wurden zwei 
Fraktionen, nämlich eine solche, die zwischen 110 bis 140° und eine 
solche, die von 141 bis 152° überging. Der erste Anteil wog 2,2 g und 
der zweite Anteil 5,8 g (Druck 15mm). Die erste Portion enthielt 
deutliche Mengen unveränderten Acyloins, die zweite reduzierte Fehling- 
sche Mischung in wässeriger Suspension nur mäßig. Wir versuchten aus 
ihr nach Aufnahme in Äther die Reste anhaftenden Ausgangsmaterials 
durch Ausschüttelung mit Natriumbisulfit zu entfernen. Dazu ver- 
wendeten wir aber die Fraktion zusammen mit einer analogen, die im 
Versuch 2 abgeschieden worden war. 


Versuch 2. 


Ein mit 300 g Zucker, 800 g Unterhefe und 10 g Ketonalkohol vor- 
genommener Ansatz lieferte wiederum zwei Fraktionen. Die Siede- 
punkte lagen hier günstiger, indem bei 80 bis 120° zuerst 1l g und bei 
121 bis 124° dann 5,1lg vollkommen farbloser Substanz gesammelt 
werden konnten (Druck 0,5 mm). Die höher übergegangene Portion von 
Versuch 1 wurde mit der von Ansatz 2 vereinigt. Beide reagierten 
schwach sauer infolge eines Gehalts an Benzoesäure; letztere konnte 
dem in Äther gelösten Material durch Ausschütteln mit fast gesättigter 
Sodalösung entzogen werden. Wir versuchten darauf, die in dem Gemisch 
noch vorhandene Menge Ketonalkohol durch wiederholtes Ausschütteln 
mit einer 25proz. Lösung von Natriumbisulfit zu entfernen; dies 
gelang jedoch nur unvollkommen. Nach Waschen der Ätherlösung mit 
Wasser und abermaliger Behandlung mit verdünnter Sodalösung 
hinterblieb beim Verdampfen des Äthers ein Öl (3g), das zwar zur 
Hauptmenge aus dem Glykol bestand, aber immer noch Fehlingsche 
Mischung, wenn auch schwach und nur in der Hitze, reduzierte, während 
reiner Ketonalkohol schon in der Kälte kräftig auf die alkalische Kupfer- 
mischung anspricht. 


Versuch 3. 


Ein weit besseres Resultat lieferte die Vornahme der phyto- 
chemischen Reduktion mit obergäriger Brennereihefe der Firma Sinner. 


200 g Rohrzucker in 2 Liter Wasser wurden mit 200 g der ober- 
gärigen Hefensorte zur Gärung gebracht und langsam mit einer Lösung 
von 10 g des gemischten Acyloins in 10 ccm Weingeist versetzt. Nach 
24 Stunden war mit der sehr gärtüchtigen Hefe aller Zucker vergoren 
und auch das Reduktionsvermögen des Ketonalkohols vollkommen 
verschwunden. Da möglicherweise in der Verdünnung die Reduktions- 
kraft des Methyl-benzoyl-carbinols sich nicht geltend machen würde, 


Umwandlung des Methyl-benzoyl-carbinols durch Hefe. 289 


so haben wir zur Sicherheit noch einmal 100 g Saccharose in 500 ccm 
Wasser und 100 g derselben Oberhefe hinzugefügt. 


Am nächsten Tage wurde das zuckerfrei gewordene und filtrierte 
Gärgut in der zuvor beschriebenen Weise mit Äther ausgeschüttelt. Die 
analoge Aufarbeitung lieferte nach Vertreibung des Äthers ein dickes 
Liquidum, das nur ganz spurenhaft auf kochende Fehlingsche Lösung 
einwirkte. Die Entfernung von anhaftender Säure wie von Ausgangs- 
material (durch Bisulfit) glückte vollkommen. Wir erhielten 3,3 g des 
Glykols vom Siedepunkt 118° (l mm Druck). 


Die Analyse zeigte die Reinheit der Substanz an, auch gelang 
die Oxydation zum intensiv reduzierenden Ketol und dessen Ab- 
scheidung als charakteristisches p-Nitro-phenyl-osazon. 


Das (Glykol war lävogyr: 
[a], Ze: 15,15° 
(a = — 15,15%, ¿Z = 1, c = 100). 


Zum Vergleich haben wir optisch-inaktives a-Methyl-ß-phenyl- 
äthylen-glvkol nach der Vorschrift von Th. Zinke und K.Zahn!) be- 
reitet. Das künstlich bereitete Material kristallisiert in zwei Modi- 
fikationen. Unsere optisch-aktive Form haben wir zunächst?) nicht zur 
Kristallisation bringen können. Der Siedepunkt beider war jedoch 
identisch, indem das synthetische Erzeugnis unter gleichen Bedingungen 
bei 117° sott. Schon öfter ist beobachtet, daß inaktive Form und optisch- 
aktive Komponenten ungleiche Aggregatzustände besitzen oder ver- 
schieden leicht kristallisieren, jedoch praktisch übereinstimmende Siede- 
punkte aufweisen. Dasselbe Verhalten ist auch hier festzustellen. 


0,1417 g Substanz; 0,3666 g CO, und 0,1060 g H,O. 


CH0, Ber.: C = 71,05 Proz.; H = 7,90 Proz.; 
gef.: C = 70,56 , H = 831 ọ„. 


Zur Rückverwandlung in Acyloin wurde 1,0 g des bio-synthetisierten 
Methyl-phenyl-äthylen-glykols in bekannter Weise mit 3,0 cem Salpeter- 
säure von 58 Gewichtsprozent erwärmt, bis heftige Gasentwicklung 
eintrat; die Reaktion wurde nunmehr bei Zimmertemperatur zu Ende 
geführt. Das mit Wasser verdünnte Öl reduzierte — im Gegensatz 


1) Th. Zinke und K.Zahn, Ber. 48, 849, 1910. 

2) Nach viermonatiger Aufbewahrung erfolgte partielle Kristallisation 
des Sirups. Der auf Ton abgezogene und aus Äther plus Ligroin um- 
kristallisierte Teil schmolz unscharf bei 70 bis 73° (Isomeren-gemisch ?). 
Identifizierung durch Reoxydation zum Acyloin und durch dessen Über- 
führung in das p-Nitrophenylosazon (s. S. 290). 

Biochemische Zeitschrift Band 182. | 19 


290 C. Neuberg u. W. Komarewsky: Methyl-benzoyl-carbinol. 


zum Ausgangsmaterial — jetzt Fehlingsche Mischung stark schon in 
der Kälte. 

Nach Zugabe von 6,0g Natrium-acetat wurde sodann 3 Stunden 
lang mit einer alkoholisch-essigsauren Lösung von 4,5 g p-Nitro-phenvl- 
hydrazin erhitzt. Die abgeschiedenen rotbraunen Flocken wurden mit 
verdünnter Essigsäure, Alkohol und Äther gewaschen. Nach dem 
Umkristallisieren aus einem Gemisch von Nitrobenzol plus Eisessig 
erhielten wir purpurrote Nadeln vom Schmelzpunkt 263 bis 264°; 
sie stellen das p-Nitro-phenylosazon des Methvl-phenyl-acyloins dar. 
das auch Neuberg und Hirsch (1. c.) zur Abscheidung des Ketols benutzt 
hatten. 


Zur Kenntnis des Jods als biogenes Element. 


IX. Mitteilung: 
Über Wachstumsbeschleunigung an jungen Ratten bei Verfütterung 
jodangereicherter Kost an das laktierende Muttertier. 


Von 
E. Maurer und St. Diez. 


(Aus der Universitäts-Kinderpoliklinik in München.) 
(Eingegangen am 22. Dezember 1926.) 


Die im Experiment mehrfach festgestellte Tatsache, daß das Schild- 
drüsensekret und im besonderen sein als Jodothyrin bezeichneter Bestand- 
teil einen Einfluß auf Wachstum und Stoffwechsel auszuüben vermag 
(Bircher, Magnus-Levy u. a.), legt den Gedanken nahe, zu prüfen, ob auch 
dem Jod, dessen Bedeutung für die Wirksamkeit des Schilddriüsenhormons 
seit Oswald bekannt ist, auch allein und für sich imstande sei, einen der 
Wirksamkeit der Schilddrüse und ihres Sekrets ähnlichen Einfluß zu nehmen. 

Versuche nach dieser Richtung sind in den letztvergangenen Jahr- 
zehnten mehrfach unternommen worden. So berichtet Hildebrand über 
(asstoffwechselversuche an Ratten nach Einverleibung geringer Mengen 
von Jodkali, welche überraschenderweise eine Herabsetzung des O,-Ver- 
brauchs der Versuchstiere ergaben. Grabfield, Alpers und Prentiss sahen 
nach Jodkaligaben von 6 mg pro Kilogramm Körpergewicht eine Erhöhung 
der Stickstoffausscheidlung im Harn und eine Erhöhung des Reststickstoffs 
im Blute. Slauk und Hanebuth bestätigen diesen Befund und berichten 
von einer 20- bzw. 40 proz. Steigerung des Reststickstoffs im Blute nach 
einmaliger hochdosierter Gabe von Jodnatrium bzw. Jodkalium. Auch 
Chistoni sah auf Jodkali eine Steigerung der Stickstoffausfuhr mit erheb- 
licher Vermehrung der Harnsäure- und Purinbasenausscheidung. Kelly 
dagegen berichtet, daß er bei Zugabe kleinster Jodmengen zur Kost junger, 
wachsender Schweine (25ccm einer 1⁄4- bis lproz. Kaliumjodidlösung) 
eine erhebliche Zunahme der Stickstoff- und Phosphorretention bei an- 
nähernd gleichbleibender Calciumretention beobachten konnte. Er nimmt 
an, daß die Wirksamkeit der Jodzugabe mit der Art der Versuchstiere 
wechselt und wahrscheinlich von der Beschaffenheit der im Experiment 
verfütterten Grundkost abhängt. Die Chloridausscheidung durch den 
Harn nach Jorlalkalidarreichung endlich wurde durch Herzjfeld-Gormidor, 
sowie durch Slauk: und Breier geprüft und eine Verminderung derselben 
festgestellt. 

Auch der Einfluß von Jodgaben auf das Gewichtswachstum junger 
Tiere ist mehrfach Gegenstand von Untersuchungen gewesen. An Frosch- 
larven glaubte Swingle bei Zufuhr geringer Mengen von Jod eine Be- 


Biochemische Zeitschrift Band 182. 20 


292 E. Maurer u. St. Diez: 


schleunigung der Metamorphosen beobachtet zu haben, was allerdings von 
Abelin, Romeis u. a. Nachuntersuchern nicht bestätigt werden konnte. 
Caneron-Carmichael sah, daß qualitativ zwar Tyroxin und Schilddrüsen- 
substanz denselben Effekt bei Verfütterung an wachsende Ratten bezüglich 
der Größenzunahme innerer Organe hervorruft, daß aber quantitativ, 
d.h. auf die Basis des Jodgehalts bezogen, die Wirksamkeit des Thyroxins 
weniger ausgesprochen ist. Ausgehend von der Kendallschen Hypothese, 
daß nur ein Viertel des Schilddrüsenjods in Verbindung mit dem Thyroxin 
steht, spricht er den Gedanken aus, daß in der Thyreoides vielleicht noch 
andere jodhaltige Verbindungen mit ähnlicher Wirksamkeit vorkommen. 
Beobachtungen an größeren Tieren berichten Zvvard und Culbertson, die 


in drei Versuchen eine normale (jodarme) und eine mit geringen Mengen 
von Jodkali versetzte Kost für die Dauer von mehreren Monaten an 
wachsende Schweine verfütterten. Sie sahen bei jodangereicherter Kost 
eine 8- bis 13proz. Verbesserung der täglichen Gewichtszunahme und eine 
im Mittel lOproz. Erhöhurg der bei der Schlachtung gewonnenen Fett- 
mengen. Auch der bereits erwähnte Stoffwechselversuch von Kelly ergab, 
daß die mit jodreicher Kost gefütterten Schweine eine mittlere Zunahme 
des Lebendgewichts um immerhin 3 Proz. aufwiesen. In gleichem Sinne 
lautet ein Bericht aus dem Staffordsire-Farm-Institut, Ontario, in welchem 
von einer 7proz. Steigerung der Gewichtszunahme junger Schweine bei 
Zufütterung geringer Jodkalimengen die Rede ist. 

Eigene Versuche, von denen im folgenden berichtet werden soll. 
sind gedacht als erster Teil einer größeren Reihe von Arbeiten, welche 
Klarheit darüber geben sollen. ob durch Jodanreicherung der Kost des 
Muttertieres sich ein Einfluß auf die Entwicklung des Nachwuchses 
erzielen läßt. Im vorliegenden Falle ging die Absicht dahin, zu prüfen, 
ob und in welchem Sinne das Gedeihen und der Stoffwechsel des 
säugenden Muttertieres und der Jungen auf solche Art zu beeinflussen 
sind. Zur Durchführung der Versuche wurde an weiße Mutterratten 
von gleicher Herkunft und annähernd gleichem Gewicht, welche sämtlich 
während der Tragezeit gleichmäßig mit Küchenabfällen gefüttert ` 
worden waren. eine Kost aus Milch und Mais verabreicht, die sich für 
die Versuchs- und Normaltiere nur insofern voneinander unterschied, 
als die Kost der Jodtiere auf dem Wege einer Pflanzen- bzw. Tier- 
passage mit Jod angereichert war. Der Mais war auf einem Boden 
gezogen, dessen Düngung mit einem Zusatz von 0,2 bis 0,3 Gewichts- 
prozent Jodkalium erfolgte. Die an die Versuchstiere verfütterte 
Milch stammte von Kühen, welche für längere Zeitdauer ein tägliche 
Zulage von 4mg Jod als Kaliumjodid erhielten. Der Jodgehalt des 
Maises stieg unter dieser Methode von 3,5 y-Proz. der Norm auf rund 
10 y-Proz., mithin etwa auf das Dreifache. Der Jodgehalt der Milch 
veränderte sich von 3,5 y in 100 cem auf 7 y und stieg damit annähernd 
auf das Doppelte der Norm, während die Beschaffenheit annähernd 
unverändert blieb!). 


1) Vergleiche andere Arbeiten dieser Veröffentlichungsreihe. 


Jod als biogenes Element. IX. 293 


Bei Zugrundelegung eines mittleren Kostsatzes von 20 cem Milch 
und 20 g Mais für Tag und Tier berechnet sich die Menge des mit Normal- 
kost zugeführten Jods im Tage auf rund 2y, bei Versuchskost auf 
rund 4 y. Die Haltung der Tiere erfolgte stets gleichmäßig in geräumigen 
Holzkäfigen, deren Boden mit einer öfters gewechselten Torfmull- 
schicht bedeckt war. 

Im ersten Teile des Versuchs wurde durch tägliche Feststellung 
des Gewichts der Jungtiere die Wachstumskurve für die Dauer der 
Stillperiode (21 Tage) bestimmt und auch auf Gewichtsveränderungen 
des Muttertieres geachtet. Es ergab sich dabei, daß bei fast völlig 
gleichbleibendem Gewicht der Muttertiere zu Anfang und zu Ende 
der Lactation diejenigen Jungtiere. deren Mütter eine jodreiche Nahrung 
erhielten (J 1 bis J 4), wesentlich besseres Wachstum zeigten als die 
Kontrollen (N1 bis N 4). 

Tabelle I. 
Gewichte der Jungratten (in Yo g)- 


Tag der Geburt. 13.XII. 9.11. 26.1. 6 MHL 4.11. SI, — 27.1. 8.111. 26.1. 8.11. — 
Zahl der Jungen . 5 12 ` 10 8 8 8 6 7 9 8 8 
Gew. derjam Anf. 120 150 150 170 150 150 150 150 150 | 170 |; 120 150 
Mutter | „Ende 120 160 140 170 150 150 150 150 150 | 170 | 130 ° 150 


Nr. des Tieres . ` NI N2 NA N4 N5% N6 Mitte» Ji J2' J3 J4 Mittel. 
| Ä f wert | : wert 
Lactationstag | \ | | | | | 

1. 50, 40| a 45 45| dëi 45 50| 50 Ap 40) 45 
2. 55 5315 A8 5 50 50 55| 60 50 55, 55 
3. 60 45, 70; 45 50 50 55 | 60| 65 60 55 60 
4. 75 55) 65, D 5560 60 gl 70 60 65 
5. 80 mm wm 55. o 65 65 "` 75| 85! gu "0 80 
6. 95 70! on 55 op. 65 75 moin on 80 90 
T. 105 SÉ 95, 60. 701 70 2 ‚1291110: 95. 90. 105 
8. 110 90:105] 60) 75| 85 1351120 105 100| 115 
9. 120 100, 1101 65| 80) o e "us | 1351 115, 105, 125 
10. 120 105,120! 65! 95'100 100 ji 145 (än Län 135 
IL 130 115 130: "0 100| 110, 1101165/150: 130 125" 140 
12. 135 | 135; 130 80 105 130 | 120 1751160: 135.130 150 
13, 140 be 135° 90 110140 125 . 175 150. 160 
14. Ian 155 | 140, 105, 140 1830| 175 150/155 170 
15. 165 155150110125 165. 145 | 190 | 185 Ion 160° 175 
16. 170 160155 115) 145 170° 150 2001190 170 170 180 
T. 175 160 160 125160 170 160 2101210 180 I85 195 
18. "175 165 160 140[170 185° 165 220 220,190;:195 205 


| 
19. : 180 185: 165.160 180 190 175 230 2301 190:200 210 
il 
| 
| 


20. 1851901165170 190 195 185 235 245: 190 210 220 
21. 185 210 165: 185.195 210 190 240 265,200 220 230 


°) Tägliche Zulage von 20 5 Kaliumjodid. 


Im Mittelwerte überragt somit das Gewicht der Jungtiere aus den 
Versuchsstämmen zu Ende der ersten Lebenswoche um 10 Proz., zu Ende 
der zweiten Lebenswoche und von da ab bis zum Ende der Lactation um 
20 Proz. die entsprechende Norm. Ein zweiter Kontrollversuch, auf den 
an dieser Stelle nur kurz hingewiesen werden soll, wurde mit Zugabe von 


20 * 


294 E. Maurer u. St. Diez: 


täglich 20 y Jod als Kaliumjodid zur Normalkost durchgeführt (N 5, N 6). 
Da sich dabei keine den Wirkungen der Versuchskost entsprechende Ver- 
änderung des Gewichtswachstums der Jungtiere ergab, wurde er nach ein- 
maliger Wiederholung zurückgestellt und vorläufig nicht zu der später zu 
besprechenden chemisch-analytischen Prüfung herangezogen. 


Die Menge der uns vorläufig zum Versuch verfügbaren Futtermittel 
war gering, so daß wir uns mit der Prüfung der Wachstumskurven an 
sechs Normalstämmen und vier Versuchsstämmmen begnügen mußten. 
Um so mehr schien es angebracht, die Grundlagen dieses unterschiedlichen 
Verhaltens durch möglichst eingehende Auswertung der Ergebnisse zu 
überprüfen. Zu diesem Zwecke wurde ein Teil der Jungtiere nach Abschluß 
der Saugperiode bezüglich der Gewichtszunahme weiterhin beobachtet. 


Tabelle II. 
Gewichte der Jungratten in vierter bis sechster Lebenswoche (in ?/,, g) 


Normalkost Jodkost 


Lebenstag _________ 
N2 | N3 J1 | J3 14 
21. 210 165 240 200 220 
28. 285 285 330 320 265 
35. 440 445 480 460 360 
42. 540 550 570 550 520 


Es zeigt sich, daß alsbald nach der Abstillung, d. h. rund eine Woche 
nach Beginn der Fütterung mit gemischter Normalkost (Küchenabfälle), 
die Jodtiere nur mehr ein Übergewicht. von 10 Proz., nach weiteren 8 Tagen 
aber bereits wieder ein den gleichalterigen Normaltieren entsprechendes 
Gewicht hatten und nun diesen gleichartig weiter zunahmen. 


Von den Versuchs- und Kontrolltieren wurden je zwei weitere Sätze, 
bestehend aus der Mutterratte und drei gleichgewichtigen Jungratten, am 
21. Tage post partum getötet und auf dem Wege der chemischen Analyse 
geprüft. 

Die Technik der Untersuchungen gestaltete sich wie folgt: 


Die Ratten wurden unmittelbar nach dem Tode nochmals gewogen, 
von anhaftenden Unreinlichkeiten befreit und bis zur Untersuchung in 
jodfreiem Alk. abs. aufbewahrt. Zur Vorbereitung der Analyse wurde 
jedes Tier zuerst manuell zerkleinert, dann durch einen Fleischwolf 
getrieben und dieser mit jodfreiem, heißem Aqua dest. quantitativ nach- 
gespült. Der erhaltene Brei wurde auf dem Wasserbad zur Trockne ein- 
gedampft, die getrocknete Masse mehrmals im Mörser zerrieben. Als Übel- 
stand ergab sich dabei, daß die Haare beim Reiben verfilzten und so die 
Homogenität der Trockensubstanz beeinflußten. Auch gelang es nicht 
immer, die Knochenteile so vollkommen zu zerkleinern, daß sie gleich- 
mäßig durch die ganze Substanz verteilt waren. Bestimmungen von Aschen-, 
Phosphor- und Caleiumgehalt, die aus den aliquoten Teilen der Trocken- 
substanz ausgeführt wurden, zeigten aus diesem Grunde bei der Wieder- 
holung nicht unwesentliche Abweichungen. In die Tabellen mußte daher 
ein Mittelwert eingesetzt werden, der sich aus den Ergebnissen mehrfach 
wiederholter Untersuchungen errechnete. Zur Herstellung der Trocken- 
substanz wird die gesamte Menge der durch Zermahlen gewonnenen Organe 


un} Im eg, ve nn be 


Jod als biogenes Element. IX. 295 


hei 103 bis 105° C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Die Trockenmasse 
war stark hygroskopisch, so daß die Entnahmen für die verschiedenen 
Bestimmungen mit Differenzwägung des Wägegläschens vorgenommen 
werden mußte. Die Veraschung erfolgt im gewichtskonstanten Porzellan- 
tiegel unter Anwendung geringer Hitze und unter mehrfachem Durch- 
feuchten mit destilliertem Wasser. Ca-Bestimmung: Die von Silikaten 
befreite Asche wird mit Salzsäure gelöst, zur Abscheidung der Phosphor- 
säure mit Ammoniak neutralisiert, Ferrichlorid und Natriumacetat bis zur 
Rotfärbung zugegeben, aufgekocht und heiß rasch filtriert. Der Nieder- 
schlag von Ferriphosphat und basischem Acetat wird mit heißem, ammon- 
acetathaltigem Wasser ausgewaschen (Filtrat I). Der Niederschlag wird 
nochmals gelöst, neutralisiert und mit Essigsäure angesäuert, dann mit 
gesättigter Ammoniumacetatlösung versetzt, aufgekocht, filtriert und wie 
oben mit ausgewaschen (Filtrat II). Filtrat I + Filtrat II + Ammonium: 
chlorid mit überschüssigem Natriumacetat versetzt, wird zum Sieden 
erhitzt, zur siedenden Lösung heiße gesättigte Ammoniumoxalatlösung 
zugegeben. Es scheidet sich Calciumoxalat aus, das man absitzen läßt. 
Der Niederschlag von Calciumoxalat wird mit ammoniakalischen Wasser 
ausgewaschen, mit heißer verdünnter Schwefelsäure versetzt und die 
schwefelsaure Lösung auf 80 bis 90° erhitzt. Titration in der Hitze mit 
einer n/lO KMnO,-Lösung, bis der letzte Tropfen nicht mehr entfärbt 
wird. Phosphorbestimmung (nach Neumann-Gregersen): Zur Veraschung 
gibt man in einen Rundkolben mit der abgewogenen Substanz zunächst 
5 bis 10 ccm Säuregemisch (gleiche Teile konzentrierter H,SO, und kon- 
zentrierter HNO, von spezifischen Gewicht 1,4) und erhitzt sehr langsam. 
Wenn keine roten Dämpfe mehr aufsteigen, läßt man aus einem Tropf- 
trichter noch weiterhin Säuregemisch langsam zutreten (20 Tropfen in 
der Minute). Die Zerstörung der organischen Stoffe ist: beendet, wenn 
nach Vertreiben der rotbraunen Dämpfe durch stärkeres Erhitzen die 
Flüssigkeit nicht mehr nachdunkelt, sondern klar und farblos (hellgelb) 
bleibt. Es sollen nicht mehr als 20 ccm Säuregemisch verbraucht werden. 
Nun gibt man 140 ccm Wasser zu, erhitzt und hält die Flüssigkeit etwa 
10 Minuten im Sieden. Dabei werden die durch Zersetzung der Nitrosyl- 
schwefelsäure sich bildenden braunen Stickoxyde ausgetrieben. Zur 
Phosphorbestimmung wird der Niederschlag abfiltriert, mit 1l proz. Kalium- 
nitratlösung bis zum Verschwinden der sauren Reaktion ausgewaschen 
und samt dem Filter in den Kolben zurückgebracht, in dem die Fällung 
vorgenommen wurde. Hierauf versetzt man unter Umrühren mit n/10 
Natronlauge, bis der Niederschlag in Lösung gegangen ist, gibt Phenol- 
phthalein zu und titriert den Überschuß mit n/10 Salzsäure bis zum Um- 
schlagspunkt zurück. Die Jodbestimmungen wurden nach der Mikromethode 
von Fellenberg vorgenommen. Die Untersuchungen ergaben die Werte 
in Tabelle III. 


Der bei den Normaljungtieren nur innerhalb enger Grenzen (21 bis 
25 Proz.) schwankende Anteil der Trockensubstanz am Gesamtgewicht 
findet sich bei den Jungtieren der Versuchsreihen mit 27 bis 30 Proz. bzw. 
31l bis 33 Proz. sehr wesentlich, im Mittelwert um ein Drittel der Norn, 
vermehrt. Noch klarer tritt diese Tatsache in Erscheinung, wenn man in 
Betracht zieht, daß nach dem früher Gesagten ja auch schon das Lebend- 
gewicht der Versuchsjungtiere am Tage der Tötung um rund 25 Proz. 
höher war als das der Normaljungtiere. Der Rest der Trockensubstanz- 
erhöhung erweist sich als bedingt durch die Verminderung des Wasser- 


296 E. Maurer u. St. Diez: 


Tabelle III. 
| Trockensubstanz Aschengebalt 
Lebende: n n aa 
= gewicht Gewicht | Trap des Gewicht | Prom, des | Proz, der 
g k= g 5 gewichts B g | gewicht SE 
p 
Normalsatz 1 | | 
Muttertier . . 120.0 ` 23,6058 19.7 3,093 26 13.1 
Jungtier 1... 18.5 | 4,3241 23.3 0,757 41 17.5 
a DR N 18.5 : 4,1680 22.5 0.753 41 18.1 
4 I. 18.5 € 4,5827 248 ` — — | — 
Normalsatz 2 | ' . | 
Muttertier . . | 160,0 | 24.790 155 4.480 om | 180 
Jungtier 1. . 21.0 | 4,7352 22.5 0.952 45 20.0 
a Doni 210 |! 43385 20.7 ' 0856 4l l 19.7 
S ENEE 21.0 ' 4 3836 20,9 — — — 
Versuchssatz 1 
Muttertier . . . 150.0 | 36.3702 24.2 4.583 31 12.6 
Jungtier 1. . 240 6.4200 26.8 0.924 39 i 144 
A 2.. 240 ' 7.0438 29.3 1.051 44 | 14.9 
= Ba 240 | 64586 26.9 Se Ss = 
Versuchssatz ? 7 
Muttertier . . Lann || 38.1108 235.4 " 3,056 20 8.1 
Jungtier 1.. 26.5 | 87701 33.1 | 1.657 62 18.9 
„ 2..." 25 8,2180 31,0 : 1609 64 — 196 
= SEN 20.5 " 8.3677 316 | — — 


gehalts und einen Ersatz desselben durch feste Substanz innerhalb der an 
sich bereits erhöhten Gesamtmasse des Körpers. Überraschenderweise 
dehnt sich der Vorgang einer Trockensubstanzvermehrung auch auf die 
im Gewicht und Aussehen unverändert gebliebenen Muttertiere der Versuchs- 
reihe aus. Diese stammten, wie bereits hervorgehoben wurde, aus dem 
gleichen Zuchtkreis und waren in der Vorperiode und bis auf die Jod- 
anreicherung der Kost auch in der Versuchsperiode mit einer ebenso zu- 
sammengesetzten Nahrung gefüttert wie die Muttertiere der Kontroll- 
reihen. Trotzdem zeigte es sich, daß nach der Tötung am 21. Lactations- 
tage die Normalmuttertiere 20 bzw. 16 Proz. ihres Gewichts an Trocken- 
substanz enthielten. die Versuchsmuttertiere aber 24 bzw. 25 Proz. Die 
mittlere Zunahme der Trockensubstanz am Muttertier mit 40 Proz. ent- 
spricht weitgehend derjenigen am Jungtier mit 35 Proz. des Normalwertes. 

Auch in der Menge des Aschengehalts sind bei den Jungtieren Unter- 
schiede für die beiden Kostarten klar erkennbar. Dies geht schon aus dem 
Vergleich der entsprechenden Gewichtsmengen hervor: Der Körper der 
Normaljungtiere enthält 0,75 bis 0,95 g, derjenige der Versuchsjungtiere 
aber 0,92 bis 1.66g Aschenbestandteile. Immerhin bleibt der Aachen. 
gehalt in seiner Zunahme gegenüber den Trockensubstanzgehalt wesentlich 
zurück, da sich unter der Versuchskost ersterer nur um 25 Proz., letzterer 
aber um 35 Proz. vom Mittelwert der Norm entfernt. Es ist auffallend, 
daß die beiden zur chemischen Analvse verwendeten Sätze von Versuchstieren 
hier durchaus nicht in völlig gleicher Weise von den sehr gut überein- 
stimmenden Werten der beiden Normaltiersätze abweichen: Es zeigt sich 
bei den Jungtieren der Versuchsreihe 2 eine wesentlich stärkere Zunahme 
des Trockensubstanzanteils. welcher auch eine ebenso große Vermehrung 


Jod als biogenes Element. IX. 297 


des Aschenanteils am Lebendgewicht entspricht. Bei den Jungtieren der 
Versuchsreihe 1 dagegen ist die Zunahme des Trockensubstanzanteils 
verhältnismäßig gering. Eine absolute Vermehrung des Aschenanteils 
tritt überhaupt nicht in Erscheinung, so daß der Aschenanteil an der 
Trockensubstanz sogar um 25 Proz. geringer ist als der Norm entspricht. 
Eigenartig ergänzt wird diese Beobachtung dadurch, daß die erwähnte 
Anreicherung des Mineralgehalts in den Jungtieren der Versuchsreihe 2 
begleitet ist von einer Verarmung des zugehörigen Muttertieres an den 
gleichen Substanzen. Die Zunahme bei den Jungtieren kann allerdings 
nicht allein erklärt werden als Folge einer stärkeren Ausschwemmung 
der Minerale aus dem mütterlichen Körper mit der Milch, da der absolute 
Verlust beim Muttertiere rund 1,5g, die Zunahme bei den sieben Jung- 
tieren dieses Wurfes aber insgesamt 4g beträgt. Das Muttertier der 
Versuchsreihe 1, in der auch die Jungtiere einen der Norm entsprechenden 
Aschenanteill am Gewicht aufweisen, zeigt im Gegensatz zu dem vor- 
genannten keine Änderung der Verhältnisse gegenüber den entsprechenden 
Kontrolluntersuchungen. 


Von den Einzelbestandteilen der Körperasche wurde im Laufe der 
hier beschriebenen Untersuchungsreihe der Gehalt an Calcium, Phosphor 
und Jod einer quantitativen Prüfung unterzogen. Bezüglich des Calcium- 
gehalts in den Jungtieren der Versuchsreihen ergibt sich ein Gleichbleiben 
des Anteils an dem an sich ja gesteigerten Körpergewicht, dagegen ein 
Zurückbleiben im Verhältnis zur Trockensubstanz. Es kommt dieser 
Unterschied deutlich zum Ausdruck bei der Betrachtung des Ca-Anteils 
an der Gesamtasche in Versuchsreihe 2, wo durch eine im absoluten Wert 
zwar erhebliche, im Vergleich mit der Steigerung des Lebendgewichts und 
der Gesamtasche aber geringergradige Zunahme des Ca-Gehalts eine Ab- 
minderung des Prozentwerts sich ergibt. Bei den Muittertieren der Versuchs- 
reihen findet sich in beiden Fällen ein umfangreiches Defizit, welches 
insbesondere im Falle der Versuchsreihe 2 die starke Abnahme des ge- 
samten Aschengehalts noch um etwa weitere 40 Proz. übertrifft. 

Der Phosphoranteil am Organismus der Jungtiere aus den Versuchs- 
reihen liegt, bezogen auf das Lebendgewicht der Tiere, nur wenig über 
den Werten der Norm. Insbescndere zeigt sich, daß auch der P-Gehalt 
im großen und ganzen nur entsprechend dem Lebendgewicht zunimmt, 
im Vergleich zur Gesamtasche in Versuchsreihe 2 aber, ebenso wie Ca, 
sogar um Erhebliches gegenüber der Norm abnimmt. Für Versuchsreihe 1 
ergibt sich hier ein gleiches wie früher bezüglich der Gesamtasche für 
Versuchsreihe 2 hervorg>hoben: eine relative Steigerung des Wertes in 
den Jungtieren ist begleitet, von einer relativen Senkung des Wertes beim 
Muttertier. 

Im Jodgehalt der Versuchstiere zeigt sich keine Erhöhung der Werte, 
obwohl die Kost jodreicher und nach mehrfach vorgenommenen Fütterungs- 
versuchen an Kühen und Ziegen damit auch eine Jodanreicherung der 
Milch zu erwarten war. Es ergab sich im Gegenteil ein Joddefizit, indem 
der Jodgehalt im Gesamtorganismus für die Jungtiere etwa um die Hälfte, 
für die Muttertiere sogar noch stärker gegenüber der Norm gesenkt erscheint. 


Die im vorstehenden mitgeteilten Beobachtungen sind an Zahl 
und Ausdehnung noch zu gering, um eine Klärung der Frage nach 
der Bedeutung des Jods im Körperhaushalt zu bringen. Ihr Wert 
liegt in dem Hinweis darauf. daß offenbar das Jod trotz oder vielleicht 


Diez: 


St. 


Maurer u. 


E. 


298 


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21189 


Jod als biorenes Element. IX. 299 


gerade nach Passage durch einen pflanzlichen bzw. tierischen Organismus 
in der Lage ist, wesentlichen Einfluß auf Wachstum und Stoffwechsel 
zu nehmen. 


Die Schlüsse, welche aus der Zusammenfassung der Ergebnisse des 
berichteten Experiments gezogen werden dürfen, bestehen vorerst in 
Folgendem: 


l. Bei Verfütterung einer auf dem Wege der Joddüngung des 
Ackerbodens und Jodzufütterung zu Milchkühen jodangereicherten 
Kost aus Mais und Milch an säugende Ratten für die Dauer der Lactation 
bleibt das Lebendgewicht und das allgemeine Verhalten der Muttertiere 
unbeeinflußt, das Gewicht der ‚Jungtiere dagegen ist am Ende der 
dreiwöchigen Lactationsdauer um im Mittel 20 Proz. gegenüber der 
Norm erhöht. Ein rasches Schwinden des (Gsewichtsüberschusses nach 
Verfütterung einer normalen Nahrung an die abgestillten Jungtiere 
der Versuchsreihen weist mit Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß 
die Zeitdauer der Wirksamkeit der „Jodkost‘“ mit der Zeitdauer ihrer 
Verfütterung übereinstimmt. 


2. Der Trockensubstanzgehalt der jodreich ernährten Muttertiere 
und ihrer Jungen hat unter der Versuchskost eine Anreicherung er- 
fahren, welche das Maß der durchschnittlichen Erhöhung des Lebend- 
gewichts wesentlich überschreitet. 


3. Der Aschengehalt beteiligt sich bei den Muttertieren im Versuch 
nicht an der starken Zunahme des Trockensubstanzgehalts, ja es ergibt 
sich in einem der beiden Fälle sogar ein absoluter Verlust an Salzen, 
bei den Jungtieren dagegen findet sich in der gleichen Versuchsreihe 
eine auffallend starke Erhöhung des Aschenanteils am Lebendgewicht. 


4. Der Calciumgehalt im Körper der Muttertiere ist unter der 
Versuchskost sehr erheblich, und zwar in stärkerem Grade als der 
(resamtaschengehalt gesenkt, bei den Jungtieren beteiligt sich das 
Calcium nicht an der Zunahme des (resamtaschengehalts in der unter 
Punkt 3 besonders erwähnten Versuchsreihe. 


5. Auch beim Phosphor macht sich eine den Verhältnissen beim 
Ca entsprechende. Bilanzstörung unter der Versuchskost in Gestalt 
einer Senkung der entsprechenden Werte beim Muttertier geltend. 
Für die Jungtiere gilt das gleiche wie oben für Ca beschrieben. 


6. Der Unterschied zwischen dem Verhalten der Gesamtasche 
und ihrer beiden Komponenten Ca und P läßt darauf schließen. daß 
offenbar andere Aschenbestanrlteile dafür eine um so größere Mengen- 
vermehrung unter der Versuchskost erfahren. Weitere Untersuchungen 
gerade in dieser Richtung scheinen von Wichtigkeit. 


300 E. Maurer u. St. Diez: Jod als biogenes Element. IX. 


7. Der Jodgehalt der jodreich gefütterten Versuchstiere erscheint 
bei Mutter- und Jungtieren um die Hälfte und mehr gegenüber der 
Norm gesenkt, was darauf schließen läßt, daß erhöhte Jodzufuhr 
auch den Stoffwechsel des Jods im Sinne einer Steigerung beeinflußt. 


Literatur. 


Abelin, diese Zeitschr. 116, 138, 1921. — Bircher, Würzburger Abhandl. 
XXII. — Cameron-Carmichael, Journ. of biol. chem. 45 und 46. — Chistoni, 
Arch. ital. de biol. — Evvard und Culbertson, Research Bull. 86, Ames-Jowa 
1925. — Grabfield-Alpers- Prentis, Journ. of pharm. a. exper. therap. 22. — 
Herzfeld-Gormidor, Dissertation Zürich 1912. — Hildebrand, Arch. f. exper. 
Pathol. u. Pharm. 96. — Kelly, Biochem. Journ. 19, 4. — Maurer, Arch. f. 
Gyn. 1927; Zeitschr. f. Kinderheilkunde 1927. — Maurer und Diez, diese 
Zeitschr. 178, 161, 1926. — Magnus-Levy, Zeitschr. f. klin. Med. 83, 52, 60. — 
Orr, Adress to Sekt. M. Brit. assoc., Southampton 1925. — Oswald, Zeitschr. 
f. phys. Chem. 23. — Swingle, Biol. bull. of Marine biol. labor. 45, zitiert 
nach Slauk. 


— 


Über die Bedeutung 
von Eisen, Zink und Kupfer für Mikroorganismen. 


(Unter besonderer Berücksichtigung von Aspergillus niger.) 
Von 
Hermann Bortels. 


(Aus dem Institut für landwirtschaftliche Bakteriologie der Universität 
Göttingen.) 


(Eingegangen am 6. Dezember 1926.) 


Mit 2 Abbildungen ım Text. 


Inhalt. Seite 

I. Einleitung . ... $ S e Jä ae e SEET 
II. Die Wirkung von Eisen, Zink ES Kupfer ag die Höhe der 

Trockensubstanzbildung bei Aspergillus niger . . . 303 


Ill. Die Wirkung von Eisen, Zink und Kupfer auf sonstige Stoff- 
wechselvorgänge bei Aspergillus niger . . . ; TE gë . 332 


IV. Die Wirkung von Eisen und Zink auf Hefe und Bacillus pr en 345 
V. Schlußbetrachtung und Zusammenfassung > e e e e e e. . . 353 


I. Einleitung. 


Eusèbe Gris war es, der 1845 die Entdeckung machte, daß chlorotische 
Pflanzen mit Eisen geheilt werden können. Einige Jahre später behauptete 
dann Raulin, daß Eisen für das Wachstim des Aspergillus niger unbedingt 
notwendig sei. Den exakten Beweis für seine Behauptung blieb er schuldig. 
Hieraus ergibt sich das Für und Wider späterer Untersuchungen über die 
Lebensnotwendigkeit des Eisens. Cugini, Schulz und Mayer bestritten die 
Ansicht Raulins. Molisch aber nahm auf Grund eingehender Untersuchungen 
abermals an, daß Eisen für Aspergillus unentbehrlich sei. konnte es aber 
auch nicht völlig beweisen. Mit dieser Arbeit war denn auch der Streit 
noch nicht entschieden. Wehmer (2) wandte sich sogar energisch gegen die 
Anschauung Molischs. Er hielt Eisen für völlig entbehrlich, während 
Benecke eine teilweise Vertretbarkeit dieses Metalls dureh Zink vermutete. 
Die Beziehungen des Eisens zu Sporenbildung und Sporenfarbstoff unter- 
suchten Linossier, Javillier-Sauton und Sauton (1) (2). Sauton (l) hat 
auch schon auf die Möglichkeit einer atmungskatalytischen Rolle des Eisens 
hingewiesen. Lappalainen und Ruhland haben die große Bedeutung des 
Eisens für Aspergillus bzw. Knallgasbakterien wieder betont, und die 
biochemischen Versuche Warburgs (1) (2) (3) über die Atmung und von 
Yabusoe lassen kaum noch einen Zweifel an der physiologischen Notwendig- 


302 H. Bortels: 


keit des Eisens aufkommen. Sehr bemerkenswert in dieser Beziehung ist 
die Veröffentlichung von Baudisch über eine anorganische labile Eisen- 
verbindung, das sogenannte „Aqyuosalz‘“, das in künstlichen Nährböden 
gewisser pathogener Bakterien sogar das Blut ersetzen soll. Eine neueste 
Arbeit von Fresenius und Harpuder ergab allerdings die Entbehrlichkeit 
dieser Annahme eines besonderen Salzes, da einfache Mischungen von 
Eisensalz und Bicarbonat dieselbe Wirkung haben wie das angenommene 
„Acquosalz‘‘ der natürlichen Mineralquellen. Weitere Arbeiten über das 
Eisen brachten nichts Neues von Bedeutung. Niemand konnte den 
vollen Beweis für die Notwendigkeit erbringen. 


Meine Versuche beweisen, daß Eisen mindestens für das Wachstum 
des Aspergillus niger unbedingt notwendig ist. 


Die wichtige Rolle des Zinks bei der Vegetation haben vor allem 
Raulin und Javillier (1) (2) erkannt, die es ebenfalls für lebensnotwendig 
erklärten, ohne auch hierfür den vollen Beweis erbringen zu können. Nach 
Kosinski steigert Zinksulfat die Atmung, nach Richards auch das Wachstum. 
Später hat dann auch Lappalainen wieder auf die stark fördernde Wirkung 
des Zinks auf das Wachstum des Aspergillus hingewiesen. Im übrigen 
ist in der Literatur das Zink immer wieder als ‚„Reizstoff“ (Richter, 
Buromsky) oder gar als Gift (Richter, Iwanoff, Arcichowskij) angeführt. 
Lepierre behauptete, Zink könne durch Cadmium ersetzt werden, was ich 
jedoch nicht bestätigen konnte. Auffallend ist die Bildung einer Zink- 
verbindung aus (Chlorophyll nach Willstätter- Pfannenstiel. Wenn die Mikro- 
biologen heute das Zink allgemein als „Reizstoff‘‘ betrachten — eine Be- 
zeichnung für Stoffe, deren physiologische Wirkungen noch völlig ungeklärt 
sind —, so liegt das wahrscheinlich daran, daß sie die außerordentlich 
geringen Konzentrationen, in denen das Zink als katalytisches Element 
wirkt, nicht genügend berücksichtigt haben. Es ist klar, daß alle Stoffe 
in Konzentrationen, die weit über dem Maximum ihrer Wirkung liegen, 
mehr oder wenig giftig sein müssen. Wichtiges Material zur Erkennung 
der physiologischen Rolle des Zinks haben Tierphysiologen und Mediziner 
beigebracht. Ich nenne hier Bodansky, Weitzel, Birckner, Cristol und Rost. 
die das Vorkommen des Zinks in den einzelnen Organen und seine vielleicht 
bestehenden Beziehungen zum Eiweißstoffwechsel und zum Wachstum 
ermittelten. Ganz besonders bemerkenswert sind auch die Arbeiten 
Bertrunds (1) (2), nach denen Zink vornehmlich in den Sexualorganen 
gefunden wurde, DES es möglich sein soll, daß es bei Mäusen Vitamin er- 
setzen kann. 


Meine Versuche ergaben, daß auch Zink mindestens für Aspergillus 
niger lebensnotwendig ist. 

Während das Kupfer im tierischen Organismus ganz allgemein erst 
in relativ schr hohen Konzentrationen giftig wird, hat man es als eins der 
heftigsten Gifte für Bakterien, Algen und Pilze bezeichnet (,„oligodynami- 
sche Wirkung‘ Nägelis). Schon Raulin nahm an, daß neben Eisen und 
Zink wahrscheinlich noch mehr Elemente für Aspergillus notwendig seien. 
Kupfer aber bezeichnete er als Gift. Das taten auch andere Forscher, die 
sich später damit befaßten (Richter und Iwanoff). Ono wandte sich jedoch 
gegen die Ansicht Richters, daß Kupfer nur Gift sei. Er erzielte mit selır 
niedrigen Konzentrationen bei Aspergillus eine „Reizwirkung‘‘, d. h.eine 
ganz ansehnliche Steigerung des Ernterewichts. Dasselbe, was ich über die 
„Reizstoffnatur‘ des Zinks gesagt habe, gilt auch für Kupfer. White und 
Bodansky schrieben dem Kupfer eine besondere physiologische Rolle 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 303 


zu!). Über den Mechanismus der Oxydation durch Kupferkatalyse hat Wie- 
land ausführlich berichtet. Neuerdings, nachdem ich meine Versuche bereits 
beendet hatte, wurden Wertheimers lehrreiche Modellversuche mit Kupfer 
veröffentlicht. Er fand, daß die Autoxydation von Phenylendiamin 
— a-Naphthol zum Farbstoff Indolphenolblau durch Kupferkatalyse ver- 
ursacht wird. Eisen war in diesem Falle völlig unwirksam. Verfasser ver- 
mutet, daß die katalytisch oxydative Wirkung des Kupfers möglicherweise 
eine physiologische Bedeutung hat. Es ist ja bekannt, daß einige Tiere — 
Vogel Turacus, Krebse, Mollusken — auch größere Konzentrationen Kupfer 
enthalten (Oppenheimer). Warburg (1) läßt es unentschieden, ob neben 
Eisen noch andere Elemente als biologische Oxydationskatalysatoren in Frage 
kommen, hält aber offenbar eine solche Rolle des Kupfers nicht für möglich. 

In den Modellversuchen Wertheimers fand ich eine Bestätigung dessen, ` 
was ich an Aspergillus niger beobachtet habe, daß nämlich Kupfer die Bildung 
des schwarzen Sporenfarbstoffs veranlaßt und dasWachstum des Pilzes fördert. 

Aus meinen Kulturlösungen entfernte ich die natürlichen Eisen-, 
Zink- und Kupferverunreinigungen auf eine sehr einfache Weise durch 
Adsorption dieser Metalle an ein kräftiges Adsorbens. Als solches 
benutzte ich ‚Carbo medicinalis Merck“. Diese Methode ist zugleich 
auch gründlicher als die umständliche und unzulängliche früherer 
Forscher, die das gleiche Ziel durch Umkristallisieren und Destillieren 
zu erreichen suchten. 


II. Die Wirkung von Eisen, Zink und Kupfer 
auf die Höhe der Trockensubstanzbildung bei Aspergillus niger. 
Aspergillus niger und Eisen. 
Orientierende Versuche. 

Was mit der Methode der Adsorption des Eisens zu erreichen war, 
stellte ich mit Hilfe der von Willstätter angegebenen Rhodanidprobe 
fest, und zwar verwendete ich eine 40 proz. Ammoniumrhodanidlösung, 
die wegen ihres eigenen, relativ hohen Eisengehalts vor jedem Gebrauch 
erst mit Kohle filtriert wurde, da sich die mit Kohle gereinigte 
lösung nach einiger Zeit doch immer wieder rot färbte durch das Eisen, 
das aus der Glaswandung in Lösung ging. Ein Aufkochen dieser Lösung, 
wie Willstätter es angibt, kann hier nichts nützen. Denn obwohl die 
rote Färbung dabei verschwindet, bleibt doch das Eisen selbst und 
tritt nach Zusatz von Salzsäure und Wasserstoffperoxyd wieder in 
Erscheinung. Weasserstoffperoxyd mußte ich zusetzen, um auch die 
geringste Reduktion des Eisens auszuschließen. Mit einer so gereinigten 
Rhodanidlösung konnte ich durch mehr oder weniger kräftige Rot- 
färbung Eisen nachweisen in Leitungswasser, Regenwasser, in den 
Lösungen der einzelnen Nährsalze und des Zuckers, in gebrauchs- 
fertiger Nährlösung und auch in Aqua dest. 


1) Neuerdings berichteten Fischer, Buch Andersen und Demuth (Natur- 
wissensch. 14, 1181, 1926) über Heilung von Tumoren mit Kupfer und 
Sanerstoffüberdruck. 


304 H. Bortels: 


In allen diesen Flüssigkeiten trat jedoch nicht die geringste Färbung 
auf, wenn sie vorher mit Kohle filtriert waren, es sei denn, daß eine 
stark saure Lösung vorlag. Deshalb bezeichne ich eine solche sich 
nicht mehr mit Ammoniumrhodanid färbende Lösung als chemisch 
eisenfrei. Ist sie aber auch biologisch eisenfrei ? 

Wenn das Wachstum des Aspergillus niger von der Eisenkonzentra- 
tion abhängig ist, dann muß das Erntegewicht des Pilzes in dem Maße, 
wie das Eisen in der Nährlösung schwindet, ebenfalls dem Nullpunkt 
zustreben. Wie ich später zeigen werde und wie aus den Kurven 1 und 2 
hervorgeht, ist das in der Tat der Fall. Dann darf man aber auch den 
Schluß ziehen, daß solche Lösungen, auf denen Aspergillus noch wächst, 
auch noch Eisen enthalten, während solche, auf denen er bei im übrigen 
optimalen Kulturbedingungen nicht mehr wächst, kein Eisen enthalten. 
Solche Nährlösungen nenne ich biologisch eisenfrei. Chemisch eisen- 
freie, biologisch aber noch nicht eisenfreie Lösungen müssen demnach 
Pilzdecken hervorbringen, die das Eisen der Lösung gespeichert haben. 
Analysen solcher Mycelien sollten das bestätigen. 

Völlig gleiche 25-cem-Kjeldahlkolben, aus einem Rohr schwer schmmelz- 
baren Jenaer Glases gefertigt, wurden mit je höchstens 0,1 g getrockneten 
und zerriebenen Mycels beschickt. Dieses wurde mit dem in Abderhaldens 
Arbeitsmethoden angegebenen Säuregernisch verascht. Ein Kolben ohne 
Mycel wurde als Blindversuch genau so behandelt. Die Aufschlüsse verglich 
ich nach Willstätters Methode kolorimetrisch mit einer frisch bereiteten 
Eisen-Standardlösung von genau abgewogenem Mohrschen Salz, die mit 
ganz wenig Salzsäuregas angesäuert wurde. (Die flüssige Salzsäure selbst 
enthält zu viel Eisen.) Das Resultat solcher Analysen ist aus der Tabelle 
von Versuch 1 zu entnehmen. 


1. Versuch. 28. Mai bis 2. Juni 1924. Nährlösung: H,O 100, Saccharose 
5. NH,NO, 0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 0.125 mit ungefähr 1 Proz. 
Kohle gereinigt und dann mit Pipette zu je 50 cem auf 300-ccem-Erlen- 
meyer aus gewöhnlichem Glase verteilt. Zwei Kolben ohne Eisen- 
zusatz waren vorher mit Paraffin ausgegossen (0 P). Vor jedem Ver- 
such habe ich Kulturkolben und Pipetten erst gründlich mit verdünnter 
Salzsäure, dann mit Regenwasser und zuletzt mit Aqua dest. ge- 
säubert. Den Kolben wurden zugesetzt 1, 10, 100 und 1000 mg Fe 
pro 100 cem, und zwar in Form von Mohrschem Salz. 1 Fe wurde immer 
7 Mohrschem Salz gleichgesetzt. 


Mittlerer Wert des im Mycel 
gefundenen Eisens in Proz. 


mg Fe Trockengewichte Zeen 
pro 100 ccm : teine Vea hung und drei 
| g Bestimmungen) 
oP 0.12 0.15 0.07 
0 0.35 0.15 keine Bestimmung 
l 0.60 0.56 | 0.03 
10 0.55 0.63 0,35 


100 kein Wachstum — 
1000 Ä x s: — 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 305 


Eine Förderung in der Entwicklung des Pilzes durch Eisenzusatz 
ist nicht zu verkennen. Jedoch ist er auch ohne Eisenzusatz noch 
gewachsen, wenn er auch nur ein recht dünnes, weißes Mycel gebildet 
hat. Das Paraffinieren des Kolbeninneren hat nicht wesentlich zur 
Verminderung der Trockensubstanzbildung beigetragen. Deshalb 
habe ich diese Maßnahme in Zukunft fortgelassen. Es ist nicht weiter 
verwunderlich, daß bei der hohen Eisenkonzentration kein Wachstum 
stattfindet, weil ja in diesem Falle fast die ganze Phosphorsäure als 
FePO, ausgefällt wird. Daß dies wirklich die Ursache ist, zeigen folgende 
Versuche: 


3. Versuch. 12. bis 16. März 1925. Nährlösungz: H,O 100, Dextrose 5, 
NH,NO, 05, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125, ZnSO, 0,0001. Aus 
Gründen, die später dargelegt werden sollen, habe ich den Nähr- 
lösungen in Zukunft meistens etwas Zink zugefügt. Außerdem be- 
kamen die eisenhaltigen Lösungen den Eisenmengen jeweils äqui- 
valente Gaben KH,PO.. 

Jeweils 25 ccm in 10V-cem-Kolben aus Jenaer 20-Glas. 30°C. 


Frischgewicht °) 


mg Fe pro 10 cum Frischgewicht °) mg Fe pro 100 cem 
g g 
0 1,5 50 2.9 
1 En 100 2,7 
10 | 2.9 


*) Das Frischgewicht wurde immer nach Auswaschen und Ahbpressen der Mycelien zwischen 
Fließpapier ermittelt, welche Bestimmung für Vergleichsversuche, die nicht weiter ausgewertet 
werden sollen, völlig genügt. 


d. Versuch. 25. bis 30. März 1925. Dieselbe Nährlösung ohne Zink. Im 
Gegensatz zum vorigen Versuch wurde sie aber erst mit Kohle gereinigt 
und ihr dann erst die verschiedenen Eisenmengen und diesen äqu- 
valente Mengen KH,.PO, zugesetzt. 

Je 25cem in 250-cem-Kolben aus gewöhnlichem Glas. 


Trockensubstanz 


mg Fe pro 100 ccm j mg Fe pro 100 ccm men 
0 0.29 10 0.50 
0.5 0.49 50 0,56 
3 | 0.54 100 0.55 


Hier wurde also bei 100 Fe (= 100 mg Fe pro 100 ccm), welche 
Menge bei Versuch 1 schon schädlich wirkte, noch dasselbe Trocken- 
gewicht erreicht wie bei 3 Fe. 

Im Versuch 1 waren die Analysenwerte für 10 Fe unnatürlich 
hoch und schwankten stark. Das liegt wahrscheinlich daran, daß die 
Mycelien nicht genügend ausgewaschen waren und zwischen den Hyphen 
etwas der stark eisenhaltigen Lösung zurückgeblieben war. Den 


306 H. Bortels: 


mittleen Wert habe ich in die Tabelle eingesetzt. Der Unterschied 
zwischen den Werten von 0 Fe und 1 Fe liegt wohl noch innerhalb der 
Bestimmungsfehlergrenzen. Genauere Eisenanalysen gedenke ich 
später durchzuführen. 

Die Zahlen zeigen aber doch, worauf es ankommt, nämlich, daB 
Aspergillus nicht nur ‚Spuren‘ von Eisen enthält, sondern daß sogar 
die vom Pilz aus der chemisch eisenfreien Lösung gespeicherten Eisen- 
mengen noch durchaus analytisch faßbar sind. 

Das spricht für die Annahme, daß die chemisch eisenfreien Lösungen 
noch nicht völlig biologisch eisenfrei waren. Es mußte folglich alles 
versucht werden, die Methode der Adsorption noch zu verfeinern. 
Ich nahm zunächst an, daß durch das Aufsetzen der Weattestopfen 
wieder Verunreinigungen in die Nährlösung hineingeraten waren, und 
ersetzte deshalb in der nächsten Versuchsreihe die Watte durch Glas- 
kappen. Durch diesen Versuch sollte weiterhın geprüft werden, ob 
die Kohle außer der Adsorption des Eisens sonst noch einen Einfluß 
auf den Nährwert der Lösung ausübt. und ob die Förderung des Pilz- 
wachstums durch Eisenzusatz nicht auf dem mit dem AMohrschen 
Salz in die Lösung gelangenden Ammonsulfat beruht. 


4. Versuch. 21. bis 28. Juli 1925. Kultiviert wurde bei 30°. Die Zusammen- 
setzung der Nährlösung war dieselbe wie bei Versuch 3. Aber nach 
der Kohlebehandlung tropfte sie unmittelbar vom Filter in den 
Kulturkolben. bis in diesem die Flüssigkeitsschicht dieselbe Höhe 
erreicht hatte wie in einem auf horizontaler Platte dicht daneben 
stehenden Kolben von gleichem Inhalt und gleicher Form mit ab- 
gemessener Wassermenge. So wurde auch in Zukunft verfahren. Die 
Berührung der gereinigten Lösung mit der Pipette wurde so vermieden 
und damit eine Quclle erneuter Verunreinigung ausgeschaltet. 

Je 25cem in 250-cem-Kolben aus Jenaer 20-Glas. 
Je zweimal: 
a) ohne Kohlebehandlung mit (NH,),SO, (äquiv. 1 Fe); 
b) ohne Kohlebehandlung + 1 Fe; 
c) mit Kohle behandelt, mit (NH,),SO, (äquiv. 1Fe); 
d) mit Kohle behandelt, mit 1 Fe. 


Die Pilzdecken ließen sich. nach ihrer Dicke geordnet, mit deutlichen 
Unterschieden in folgender Reihe anordnen: e<a<b<.d. 

Beim Trocknen der Mycelien sind diese leider durch einen unglücklichen 
Zufall verbrannt. Dessenungeachtet konnte ich aus den Versuchsergebnissen 
schließen, daß die minimalen Mengen Ammonsulfat nicht den wirksamen 
Faktor im Alohrschen Salz darstellen. Außerdem konnte ich deutlich 
erkennen, daß die Lösung nach der Behandlung mit Kohle an Nährwert 
nichts einbüßt, sondern eher noch gewinnt. Nur ist es dem Pilz infolge 
dieser Behandlung des Nährmediums nieht mehr möglich, Sporen zu bilden 
(s. Kapitel über Zink, S. 315). 


Die eisenfreien Lösungen haben auch diesmal wieder ein schwaches 
Wachstum des Pilzes ermöglicht. Daran haben also auch die Glas- 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen, 307 


kappen nichts zu ändern vermocht. Sie wurden deshalb nicht wieder 
verwendet. 

Ich suchte weiter, die Methode der Reinigung zu verfeinern. Als 
Kohlenstoffquelle benutzte ich in Zukunft nur noch Dextrose. Die 
Kulturkolben, von nun an immer aus dem zinkfreien Jenaer 20-Glas, 
wurden nach der beschriebenen Reinigung auch noch einmal mit 
filtrierter Nährlösung ausgespült, denn das Aqua dest. konnte ja 
Spuren Eisen zurückgelassen haben. Folgender Versuch schien diese 
Vorsichtsmaßnahme zu rechtfertigen. 

A. Versuch. 16. bis 22. Mai 1925. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 

NH,NO, 0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125. Mit Kohle gereinigt. 

Im Kolben, der nicht mit Nährlösung gespült war, erntete ich 7,2g 

Frischgewicht, im mit Nährlösung gespülten 5g. 

Bei einer Wiederholung des Versuchs hatte die Spülung mit ge- 
reinigter Nährlösung kein Sinken des Erntegewichts zur Folge. Trotzdem 
habe ich diese Maßnahme zur Sicherheit beibehalten. 

Mehrfaches Filtrieren mit Kohle verminderte das Erntegewicht 
nicht. Dagegen erwies es sich als vorteilhaft, statt durch gewöhnliches 
Filtrierpapier durch quantitative Filter zu filtrieren. Im Gegensatz zur 
salzsauren Abkochung quantitativer Filter enthielt denn auch die der 
gewöhnlichen Filter bedeutende Eisenmengen. Kulturen in Quarz- 
schalen statt in Glaskolben lieferten im wesentlichen dieselben Ernte- 
gewichte. Günstigstenfalls wurde immer nur ein Trockengewichts- 
verhältnis — Fe: + Fe = 1:5 erreicht, dasselbe, was auch Molisch 
bei seinen Versuchen erzielte!). 

Daß die Nährlösungen tatsächlich immer noch genügende Mengen 
Eisen enthielten, konnte ich zeigen, wenn ich — wie das auch Molisch 
getan hat — dieses Eisen durch den Pilz selbst herausnehmen ließ. 

6. Versuch. 17. Juni 1925. Nährlösung wie im vorigen Versuch. Je 100 cem 
in 13-Liter-Kolben. 30°C. 
Erste Ernte am 20. Juni: a) 0,6g und b) lg Frischgewicht. 
Nun bekam die Lösung b) ein Körnchen Mohrsches Salz. Beimpft 
wurde aus begreiflichen Gründen nicht wieder. 
Zweite Ernte am 25. Juni: nach dreistündigem Trocknen bei 

100° wogen die geernteten Mycelien: a) (— Fe) 0,04 g, b) (+ Fe) 0,37 g. 

Dasselbe kann man aber auch schneller und — was das wichtigste 
ist — noch gründlicher durch Adsorption erreichen, wenn man nur 
statt der schwach sauren eine schwach alkalische Nährlösung ver- 
wendet. Die Erklärung hierfür liegt auf der Hand. Fine verhältnis- 
mäßig stark saure Nährlösung, die freie Säure enthält, läßt sich 
durch Adsorption weder biologisch eisenfrei noch chemisch eisenfrei 


1) Die Angabe Czupcks (Bd. II, S. 345), Raulin habe ein Trocken- 
gewichtsverhältnis 1:27 erreicht, ist ein Druckfehler. Nicht 1:27, 
sondern 1: 2,7. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 2] 


308 H. Bortels: 


machen. Das beweist das üppige Wachstum des Aspergillus und die 
Rhodanidprobe. Eine schwach saure Nährlösung mit 0,25 proz. KH,PO, 
dagegen läßt sich wohl chemisch eisenfrei, nicht aber völlig biologisch 
eisenfrei mit Kohle reinigen. Das geht aus obigen Versuchen hervor. 
In diesen schwach sauren phosphathaltigen Lösungen liegt aber das 
Eisen zum Teil in Kolloid- oder Suspensoidform vor, und nur diese 
gröberen Teilchen werden restlos adsorbiert, während die Adsorption 
der lonen kaum in Frage kommt. Es liegt also nahe, noch einen Schritt 
weiter zu gehen und eine schwach alkalische Nährlösung zu verwenden. 
Dann muß aller Voraussicht nach praktisch sämtliches Eisen als Kolloid 
oder Suspensoid von der Kohle herausgenommen werden. 

In der Tat ist das der Fall, wie folgende orientierende Versuche 
zeigen. 


7. Versuch. 1. bis 6. Juli 1925. Nährlösung: 


A (alkalisch) S (sauer) 
H,O 200 H,O 
Dextrose 10 Dextrose 
KNO, 1 _ NH,NO, 
K,HPO, 0,5 KH. PO, 
MgSO, ` 0,25 MgSO, 
Zn SO, 0,0002 Zn SO, 

+ Fe 0,01 + Fe 


Mit Kohle gereinigt. 

Je 100 eem in !,-Liter-Kolben. 25 bis 30°C. 

Zink wurde immer als Zinksulfat gegeben (l Zink = 4,4 2nSO, 
7 aqua). Es mußte fortan natürlich wie das Eisen nach der Filtration 
zugesetzt werden. Deshalb war es nötig, eine Zinksulfatlösung bestimmten 
Gehalts ebenfalls mit Kohle zu reinigen und hiervon der Nährlösung 
mit in bekannter Weise gereinigter Pipette eine entsprechende Menge 
zuzusetzen. 


Frischgewichte: 


S + Fe 4,1g A + Fe 3,8 g 
S — Fe 0,6g A — Fe 0.15g 


A + Fe: — Fe = 25,3: 1 
S + Fe: — Fe= 69:) 


8. Versuch. 13. bis 17. Juni 1925. Nährlösung: H,O 4000, Dextrose 120, 
KNO, 20, Asparagin 17. K, ,H PO, (A = alkalisch) bzw. KH. PO, 
(S = sauer) 10. Mea, 5; ferner ZnSO, 0,2mg pro 100 cem, 
+ Fe 10 mg pro 100 cem. 

In Schalen kultiviert zu je l Liter. Nicht sterilisiert! 30°C. 
Die Frischgewichte waren: 
A + Fe 724g; S + Fe 73,7 g; 
A — Fe annähernd 0; S — Fe 60,8 g. 
A + Fe und A — Fe waren stark mit Bakterien infiziert. A — Fe 
hatte nur einige äußerst zarte Myvcelfetzen gebildet. Deren Frisch- 
gewicht kam pıiaktisch nicht in Frage, war jedenfalls weniger als 1g. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw für Mikroorganismen. 309 


Obwohl bei diesen Versuchen die Parallelkulturen fehlen. konnte 
ich doch aus ihnen schließen, daß durch Adsorption in alkalischer 
Lösung der Beweis für die Notwendigkeit des Eisens leicht zu er- 
bringen war. 

Die Reaktion der Nährlösung!). 

Es fragt rich aber zunächst noch, ob nicht die schwache Alkalität 
der Nährlösung auf das Wachstum des Aspergillus niger an sich un- 
günstig wirkt. Wenn die noch jetzt allgemein gültige Anschauung 
früherer Autoren (Brenner) richtig ist, daß Aspergillus auf alkalischen 
Medien nur schlecht gedeiht, dann durfte ich solche eben nicht ver- 
wenden. Nun ist diese Ansicht allerdings insofern richtig, als man 
tatsächlich in schwach alkalischer Nährlösung oft ein geringeres Ernte- 
gewicht erzielt als in schwach saurer. Dies scheint mir jedoch nicht 
an der Konzentration der H Lonen unmittelbar zu liegen, ganz ab- 
gesehen davon, daß der Pilz eine Nährlösung mit K,HPO, und Nitrat 
sehr bald sauer und erst dann wieder alkalisch macht. Die Wachstums- 
hemmung, die wahrscheinlich unmittelbar nach der Keimung am größten 
ist, solange der Pilz noch nicht genügend organische Säuren gebildet 
hat, ist vielmehr auf eine Fällung des Eisens und auch — wie ich weiter 
unten zeigen werde — des Zinks zurückzuführen. Denn wenn dem 
Pilz viel Eisen zur Verfügung steht. ist die Anfangsreaktion in der 
Nährlösung. ob schwach sauer oder schwach alkalisch, völlig belanglos. 
(Natürlich hat das seine Grenzen. Der Pilz wird auf stark alkalischer 
lösung ebenso wenig wachsen wie auf stark saurer.) Folgende Versuche 
zeigen das: 


9. Versuch. 8. bis 13. Januar 1926. Nährlösung A von Versuch 7. Ein 
Teil davon mit einer Spur Essigsäure angesäuert. Je 50cem in 
250-ccm-Kolben. 30°C. Beide mit 10 mg Fe und mit 0,9 mg Zn pro 
100 ccm. 

Die vom 15. bis 18. Januar bei 30° getrockneten Mycelien wogen: 


A (alkalisch) 0,43g und 0,45 g 
S (sauer) 0,448 „ 0,48g. 


10. Versuch. 16. bis 23. Janauar 1926. Nährlösung: H,O 300, Dextrose 15, 
KNO, 15, K,H PO, (A) bzw. KH,PO, (S) 0,75, MgSO, 0,4, Fe 0.03, 
ZnSO, 0,003. 

Je 25 ccm in 100-cem-Kolben. 25 bis 30°C. Die Mycelien, vom 
23. bis 26. Januar bei 30° getrocknet, wogen: 
A 0,48g und 0,47 g. 
S 0,23g „ 0,24. 


1) Da Aspergillus auch in ursprünglich alkalischen Lösungen schnell 
Säure bildet, so war eine Eisenpufferung durch Citrate, wie sie von manchen 
Autoren bei anderen Organismen angewendet wird, nicht notwendig. 


21 * 


310 H. Bortels: 


11. Versuch. 2. bis 8. Februar 1926. Dieselbe Nährlösung wie beim 11. Ver- 
such; aber diesmal nur halb soviel KH,PO, bzw. K,H PO,- 
Je 25ccm in 100-ccm-Kolben. 25 bis 30°C. Trockengewichte: 
A 0,35g und 0,33 g, 
S 0,23g „ 0,24g. 


Von einer schädlichen Wirkung der Alkalität ist hier also nichts 
zu merken. Eher ist das Gegenteil der Fall: Die H-Ionen des KH,PO, 
scheinen zu hemmen. (Der geringe Unterschied in der Kalium- und 
Phosphorkonzentration ist sicher nicht die Ursache.) Dieses eigen- 
artige Verhalten des sauren Phosphats gilt bei meinen Versuchen jedoch 
nur für Nitrat als N-Quelle, nicht für Ammoniakstickstoff, der aber 
wegen seiner besseren Assimilierbarkeit nicht ohne weiteres mit Nitrat- 
stickstoff verglichen werden kann. Diese ganzen Verhältnisse sind 
aber noch nicht genügend geklärt. 


12. Versuch. 10. bis 15. Februar 1926. Nährlösung: 


A (alkalisch) S (sauer) 
H,O 400 H,O 400 
Saccharose 20 Saccharose 20 
MgSO, 0,5 MgSO, 0,5 
NaNO, 5,8 NH,NO, 2 
K,HPO, 1,75 KH,PO, 1 
K,SO, 0,6 


Beide mit 10 mg Fe und 5mg ZnSO, pro 100 ccm. Je 25ccm in 
100-cem-Kolben. 25 bis 30°C. Mycelien vom 15. bis 17. Februar bei 
30°C getrocknet. 

A 0,46g und 0,46 g, 


S 0,50 g „ 0,51 g. 


Aus den Untersuchungen von Nikitinsky, Brenner, Ritter, Butke- 
witsch (1) und besonders Wehmer (3) ist ferner bekannt, daß Wachstum 
und Sporenbildung des Aspergillus in physiologisch sauren Nährmedien 
oft auffallend gehemmt werden. Ich konnte diese ‚‚Selbstvergiftung“ 
des Pilzes bestätigen, die besonders dann sehr auffällig war, wenn die 
Nährlösungen reichliche Mengen Zink enthielten. 


Ergänzend sei auch schon hier kurz angeführt, daß der Pilz nur 
auf physiologisch neutralen und schwach alkalischen Nährlösungen 
entsprechend einem höheren Mycelgewicht auch mehr Sporen und 
besonders mehr Farbstoff und Humine bildet (siehe die entsprechenden 
Kapitel S. 332, 333, 336). 


Auf jeden Fall geht aus obigen Versuchen hervor, daß ich eine 
ungünstige Wirkung der alkalischen Reaktion an sich nicht zu be- 
fürchten brauchte, daß vielmehr solche alkalischen Nährlösungen für 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. All 


Aspergillus zum mindesten unschädlich waren, in einigen Fällen sogar 
schwerere Pilzdecken hervorbrachten als die sauren. Es sei hier noch 
besonders hervorgehoben, daß, wie eine Durchsicht der Literatur zeigt. 
viele Autoren auch die Ausfällung von Ammoniummagnesiumphosphat 
bei Verwendung alkalischer Lösungen oder Zusatz von Calciumcarbonat 
nicht berücksichtigt haben. Deshalb wurde bei obigen und späteren 
Versuchen der Stickstoff in alkalischen Reihen stets in Form von 
Alkalinitrat gegeben. 


Das Verfahren zur Reinigung der Kulturlösung vom Eisen. 


Nunmehr ist der Weg, den ich zu gehen hatte, um die Nährlösung 
möglichst vollkommen vom Fisen zu befreien, gegeben. Er sei hier 
ausführlich beschrieben. 


Zunächst mögen die beiden folgenden Versuche Aufschluß geben 
über die zur Adsorption notwendige Kohlemenge. 


13. Versuch. 6. bis 16. November 1925. Adsorption in schwach saurer 
Lösung. H,O 100, Dextrose 5, NH,NO, 0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 
0,125. 

Je 50ccm in 250-ccm-Kolben aus Jenaer 20-Glas. Lé Minute 
mit Kohle geschüttelt. 30°C. 


Kohle 


Bios Gewicht der lufttrockenen Mycelien in g 
| | 

0 0.7 | 0.75 

om ` 0,67 0,73 

0,01 Ä 0.60 0.65 

0.1 "oe 0.83 


14. Versuch. 11. bis 14. Januar 1926. Adsorption in schwuch alkalischer 
Lösung. Dieselbe Dextroselösung mit KNO, statt NH,NO, und 
K, H PO, statt KH,PO.. 

Je 50 ccm in 250-cern-Kolben aus Jenaer 20-Glas. N, Minute 
mit Kohle geschüttelt. 27 bis 30°C. 


Koble 


Proz. | Gewichte der lufttrockenen Mycelien in g 
0 0.10 0.24 
0,001 ' 0.02 0.02 
0,01 0.01 0,02 
0,1 l 0.01 0.02 
1 i 0.02 0,02 


5 | 0.007 0.009 


312 H. Bortels: 


Infolge der Alkalität wird auch das Zink zum großen Teil adsurbiert. 
Daher rühren die viel niederen Erntegewichte bei 0) Proz. Kohle. 


Aus beiden Versuchen geht unzweideutig hervor, daß die Adsorption 
in saurer Lösung nur einen ganz minimalen Erfolg hat. Dagegen wirken 
in der alkalischen Lösung 0,001 Proz. Kohle schon fast maximal. 
Welche Kohlemenge ich in Zukunft verwendete, habe ich jeweils 
angegeben. 

Die Nährlösung der unten wiedergegebenen entscheidenden Ver- 
suche hatte folgende Zusammensetzung: Aqua dest., Saccharose (die 
reinere Dextrose zu verwenden, war nun nicht mehr nötig), KNO, 
oder Na NO}, K,HPO, und MgSO,. Diese schwach alkalische Lösung, 
die Eisen fast nur noch in grob disperser Form enthält, wurde mit 
Aerckscher Blutkohle ungefähr 1. Minute gut durchgeschüttelt und 
dann durch sauber gefaltete quantitative Filter und durch mit ver- 
dünnter Salzsäure, Regenwasser und Aqua dest. weitgehend gereinigte 
Trichter in ebenso gereinigte Jenaer Erlenmeyer aus 20-Glas filtriert. 
Die ersten etwa 30 ccm Filtrat wurden zur Kohle zurückgegossen, 
dann wurde jeder Kolben einmal mit 10 bis 20 ccm Filtrat gut aus- 
geschwenkt und auch wieder in die kohlehaltige Lösung entleert. 
Diese wurde dann noch einmal gut durchgeschüttelt und endgültig in 
die völlig gleichen Kulturkolben filtriert. Es wurde so lange filtriert, 
bis die Schichthöhe dieselbe eines genau gleichen Kolbens mit ab- 
gemessener Menge Wasser, der auf horizontaler Platte dicht neben dem 
Kulturkolben stand, erreicht hatte. So wurde eine bis auf wenige 
Tropfen genaue Verteilung der Nährlösung gewährleistet, ohne daß 
die Gefahr einer erneuten Verunreinigung mit Eisen bestand. Sterilisa- 
tion — wenn ausnahmsweise nicht sterilisiert wurde, habe ich jedesmal 
angegeben. — und Impfung mit dem Platindraht. der auch, wie oben 
beschrieben, gereinigt war, mußten selbstverständlich ebenfalls unter 
Berücksichtigung der großen Verunreinigungsgefahr vorgenommen 
werden. Vor der Sterilisation wurde jedem Kolben eine bestimmte 
Menge einer mit Kohle filtrierten Zinksulfatlösung (chemisch rein) 
und später auch von einer so behandelten Kupfersulfatlösung zugefügt. 
Die Kolben wurden mit chemisch reiner Watte vorsichtig verschlossen. 
Die geringen Spuren Eisen, die beim Säuren der Lösung gegebenenfalls 
aus dem Glase in Lösung gehen, mußten mit in Kauf genommen werden, 
denn es gibt wohl kein Material, das nicht geringste Spuren enthielte. 
Auch bin ich mir darüber klar, daß auf diese Weise noch längst nicht 
das letzte Atom Eisen aus der Lösung herausgenommen wurde, und 
daß auch Filter und Impfmaterial wieder Spuren davon in die Lösung 
hineinbrachten. 

Jedoch genügt dieses Verfahren vollkommen, um damit die Not- 
wendigkeit des Eisens für Aspergillus zu beweisen. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganisınen. 313 


Die Lebensnotwendigkeit des Eisens für Aspergillus niger. 


Die schwach alkalischen Nährlösungen wurden bei diesen Eisen- 
versuchen analog denen über Zink und Kupfer auch noch mit einer 
Spur Ammoniumsulfid versetzt, obgleich die schwache Alkalität zur 
Adsorption des Eisens allein genügt. Der Zusatz konnte jedoch nicht 
schaden, sondern höchstens die völlige Eisenfällung sichern. 


Bei einem Versuch, den ich ohne besondere Kupfergabe durchführte, 
erhielt ich folgende Resultate: 


15. Versuch. 8. bis 13. März 1926. Nährlösung: H,O 2200, Saccharose 
220, NaNO, 22, K,HPO, 10, MgSO, 5 mit einer Spur Ammonium- 
sulfid und 5 Proz. Kohle gereinigt!) + 0,4 mg Zink pro 100 eem, 
Ungefähr die Hälfte von Mg und P war vor der Filtration ausgefallen. 


Je 50 ccm in 250-ccm-Kolben. 25°C. 


Die Mycelien hatten alle mit Ausnalıme derjenigen ohne Eisen, 
mit 0,001 Fe und der mit * bezeichneten Kultur wenig gelbe Sporen 
gebildet. Bei den anderen waren die Sporen schwarz gefärbt (s. Kapitel 
über Kupfer S. 324). Eigentümlich und besonders bemerkenswert 
ist es, daß bei diesem Versuch sowohl wie auch sonst der Pilz ohne 
Eisen fast nur untergetaucht wuchs. 


mg Fe pro 100 ccm k Trockensubstanz in g mg Fe pro 100 ccm  Trockensubstanz in g 


H 
— e EE e Á e e E E EE E e e e ne 


0 0.049 0,053 0,5 1165 . 1,458*) 


0.001 0,140 0.104 T 1.151 1.135 
0.01 0,436 0,438 0,85 1.160 1.168 
0.1 1,175 1,167 1 1.088 1.168 
0.2 1,180 1.140 10 1.258 1.189 
0,25 1,149 1,129 30 1,102 1.027 


°) Indiesen Kolben war beim Sterilisieren ein wenig Kondenswasser des kupfernen Sterilisators 
hiaeingeflossen. (Siehe Kapitel über Kupfer, S. 324.) 


Die Pilzernte steigt, wie aus der Tabelle und Kurve 1 ersichtlich 
st, von 0,05 bis 1,2 g, entsprechend O bis 0,1 Fe; und zwar steigt die 
Kurve anfangs äußerst steil an (in der Abbildung mit Absicht sehr 
auseinandergezogen), um dann allmählich zur Horizontalen umzubiegen. 
Diese Eisenkurve ist eine typische Nährwertkurve, und das Eisen ist 
also ebensogut ein unbedingt lebensnotwendiges Element wie die 
anderen der Lösung auch. 

Daß der Anstieg der Kurve im Abschnitt der niedrigen Eisengaben 
sehr steil ist, macht es erklärlich, weshalb man so äußerst vorsichtig 
arbeiten muß, um den Nullpunkt der Kurve dem absoluten Nullpunkt 
möglichst nahe zu bringen. Die geringste Unsauberkeit läßt den Schnitt- 


1) Obwohl nach Versuch 14 schon etwa 0,001 Proz. Kohle maximal 
wirken, habe ich doch stets eine sehr viel höhere Menge genommen, da die 
Kohlewirkung nicht immer sehr gleichmäßig war: auf diese Weise konnte 
immer mit einer Maximalwirkung gerechnet werden. 


314 H. Bortels: 


punkt der Kurve mit der Ordinate sofort beträchtlich vom absoluten 
Nullpunkt abrücken!). 
Ein noch idealeres Bild gibt die Kurve des nächsten Versuchs. 


16. Versuch. 28. März bis 5. April 1926. Dieselben Kulturkolben. Nähr- 
lösung: H,O 1500, Saccharose 150, NaNO, 15, K.HPO, 3,75, 
MgSO, 2. Mit einer Spur Ammoniumsulfid und 5 Proz. Kohle gereinigt. 
Zn 0,4 mg, Cu 0,1l mg pro 100 cem. 20 bis 25°C. 


mg Fe pro 1 ccom | eerste in nn mg Fe pro 100 ccm | Trockensubstanz in g 
0 0,05 0.03 e 07 E 1,36 1.47 
0,001 0.13 0.10 ul E 1.41 1.12 
0.01 0,94 0,98 = ZS ES = 
0.02 1.28 1.33 ı jez SE = sis 
0.04 1.47 1.44 i0 iz SS een 


Diesmal steigt die Kurve (2) noch höher an?). Das ist die Wirkung 
des Kupfers (siehe das betreffende Kapitel S. 324). Sie verläuft in 
ihrem unteren Teile fast geradlinig. Diese Tatsache gestattet die Be- 
rechnung des in der Nährlösung noch vorhandenen Eisens, denn aus 
dem steilen Aufstieg dürfte wohl ohne weiteres zu schließen sein. daß 
bei völliger Eisenfreiheit der Nährlösung die Kurve tatsächlich den 
Nullpunkt erreicht hätte. Daß sie ihn nicht erreicht hat, läßt noch 
vorhandene Eisenspuren vermuten. Diese Eisenmenge kann man aus 
der Kurve direkt ablesen. Führt man sie zum Schnitt mit der Abszisse, 
dann ist die gesuchte Eisenmenge gegeben durch den Abszissenabschnitt 
von diesem Schnittpunkt bis zum Nullpunkt. In diesem Falle beträgt 
der Wert 4.10” mg pro Kubikzentimeter Lösung. Soviel Eisen ist 
aber höchstens noch in der Lösung vorhanden gewesen, denn diese 
Zahl umfaßt unter anderem auch noch den gewiß relativ nicht geringen 
Eisengehalt der Impfsporen. 

Diese Berechnung gilt jedoch nur für den Fall, daß die Annahme, 
das Wachstum höre bei O Fe auf, zutrifft. Es ist aber auch möglich, 
wenn auch durchaus nicht wahrscheinlich, daß dies schon eintritt, 
wenn noch minimalste Spuren Eisen vorhanden sind. 

Leider habe ich bei Aufstellung dieser Kurve die Kulturen mit 
höheren Eisengaben nicht verwerten können. Jn ihnen hatte sich 
nämlich in den letzten Tagen eine üppige Bakterienflora entwickelt, 
teils mehr, teils weniger. Die Gewichte der betreffenden Mycelien 
waren natürlich viel zu gering und stark schwankend. Wohl hatte ich 
dreimal sterilisiert; aber um sauberer zu verfahren, hatte ich die Watte- 
stopfen beim Impfen nicht abgebrannt. 


1) Siehe auch Anhang und Kurve 3 und A (S. 355.) 
2) Diese Eisenkurve konnte ich nicht mit einzeichnen, weil sie sich 
fast vollkommen mit der Zinkkurve (2) deckt. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 315 


Die Lösungen mit wenig Eisen und ohne Eisen zeigten kein Bakterien- 
wachstum und waren im Gegensatz zu den anderen sauer. Wie ich 
mich bei anderen Versuchen überzeugen konnte, werden die alkali- 
nitrathaltigen Kulturen mit Eisen immer auch erst sauer und dann sehr 
bald alkalisch. Die Pilze mit wenig Eisen und ohne Eisen bleiben also 
in ihrer Entwicklung auf der Stufe der Säuerung stehen. Anders ist 
es, wenn in einer eisenarmen Nährlösung Bakterien wachsen, ehe 
Aspergillus zur Entwicklung kommt. Als ich einmal eine Nährlösung 
mit Dextrose, Ammonnitrat und primärem Phosphat, die mit Bakterien 
infiziert war, mit Aspergillus geimpft hatte, waren die Sporen nach 
5 Tagen makroskopisch noch nicht gekeimi. Dann fügte ich zur einen 
Parallelen ein Körnchen Mohrsches Salz. Zwei Tage darauf hatte diese 
eine starke Decke gebildet (0,3 g Trockengewicht auf 25 ccm Lösung), 
während die Sporen der anderen Parallelen erst zu einem zarten Keim- 
mycel ausgewachsen waren. Ich kann mir diesen Fall nicht anders 
erklären, als daß die Bakterien die nicht adsorbierten Reste Eisen 
resorbiert hatten und dem Aspergillus das Wachstum dadurch fast 
unmöglich gemacht war. 


Aspergillus niger und Zink. 
Orientierende Versuche. 


Nach einer Reihe von orientierenden Versuchen über das Eisen 
mußte ich feststellen, daß Aspergillus nicht mehr so gut wachsen wollte 
wie zu Beginn der Untersuchungen. Es schien zunächst rätselhaft, 
wodurch die stets in gleicher Weise hergestellte Nährlösung an Wert 
eingebüßt haben sollte. Lappalainen hat aber schon beobachtet, daß 
die Wachstumsgröße des Aspergillus weitgehend abhängig ist vom 
Zinkgehalt der Kulturgefäße.. Da ich meine Kulturen stets in den- 
selben Kolben angesetzt hatte, mußte ich annehmen, daß aus ihnen 
das Zink allmählich von den aufeinanderfolgenden Pilzgenerationen 
verbraucht war. Diesen Mangel konnte ich dadurch wieder gutmachen, 
daß ich in ganz neuen Erlenmeyern kultivierte, oder auch dadurch, 
daß ich den schwach sauren Nährlösungen etwas Blutkohle zusetzte. 
Wie ich bereits S. 306 erwähnt habe, genügt auch schon die Filtration 
mit Kohle, um das Wachstum zu fördern. 

War wirklich das Zink die Ursache, dann mußte ein Zusatz von 
einer Spur Zinksulfat die gleiche Wirkung ausüben und der Pilz in 
den ausgenutzten Kolben wieder gut gedeihen. Das war auch der Fall. 
Das Erntegewicht war mit Zink größer als ohne Zink. Aber trotzdem 
sah der Pilz auf der Zinkkultur nicht normal aus. Die krankhaft weiße, 
fast sporenlose Decke war stark gefaltet und immer noch verhältnis- 
mäßig dünn. Wenn, wie ich vermutete, diese ‚Spur‘ Zinksulfat tat- 
sächlich schon zuviel gewesen sein sollte, dann schien damit die An- 


316 H. Bortels: 


schauung Richters bestätigt zu sein, daß nur Zinkion das Wachstum 
des Aspergillus fördert, das nicht ionisierte Zn S0, dagegen stark giftig 
wirkt. Um die günstigste Konzentration herauszufinden, kultivierte 
ich mit verschiedenen Zinkmengen und fand, daß in einer Lösung mit 
Ammonnitrat und primärem Phosphat etwa O,lmg Zinksulfat pro 
100 ccm eine optimale Wirkung ausübte. Aber auch hier verriet der 
Pilz durch sein weißes, sporenloses Mycel eine Schädigung. Auch 
schien mir das Erntegewicht früherer Versuche noch nicht ganz er- 
reicht zu sein. Höhere Gaben Zink hatten eine geringe Hemmung 
hervorgerufen. 


Die Reaktion der Nährlösung. 


Ich habe schon im Kapitel über Eisen erwähnt, daß eine zu hohe 
H -Konzentration den Aspergillus stark schädigt, und habe auch schon 
darauf hingewiesen, daß diese Schädigung besonders dann leicht eintritt, 
wenn reichliche Mengen Zink zugegen sind. Die oben erwähnten 
Mycelien, auf zinkhaltiger saurer Lösung gewachsen, machten mir 
nun den Eindruck. als litten sie unter einer solchen Säurevergiftung. 
Diese Vermutung wurde durch folgende Versuche bestätigt: 


17. Versuch. 31. Oktober bis 4. November 1925. Nährlösung: H,O 100, 
Dextrose 10, N-Quelle 1, KH,PO, bzw. K,HPO, 0,5, MgSO, 0,25, 
Fe 0,01, 4+ ZnSO, 0,0002. Als N-Quelle N H,NO,. (NH,),SO, KNO, 
(letzteres mit K,HPO, statt KH,PO,). 30°C. 
Die erste Kultur auf diesen Lösungen (je zwei Parallelen) vom 
27. bis 31. Oktober. Dann erntete ich und beimpfte wieder kräftig, 
nachdem ich mich überzeugt hatte, daß von Zucker und von sämtlichen 
Salzen noch genügend vorhanden war. Am 4. November zeigten die 
einzelnen Kulturen folgendes Bild: 


NH,NO,. — Zn: Mehrere sehr schwache, glatte, weiße. krankhaft 
aussehende Mycelinseln. Gar keine Sporen. + Zn: Nichts! 

(NH,),SO,. — Zn: Ebenso wie NH,NO, — Zn. + Zn: Sieben 
sehr kleine, schneeweiße Mycelinseln. 


KNO,. — Zn sowohl wie + Zn hatten geschlossene starke Decken 
und ziemlich viel Sporen gebildet. 


Nach Neutralisation der beiden sauren Lösungen mit NaOH 
brachten diese in kurzer Zeit genau so starke, sporenreiche Decken 
hervor wie die mit KNO.. 


Auch die ersten Kulturen auf den beiden sauren Lösungen waren 
im Gegensatz zu denen auf der alkalischen Lösung fast ganz ohne 
Sporen geblieben (+ Zn viel weniger Sporen als — Zn). Der Pik 
kommt also gar nicht zur Erzeugung von Konidien, sondern wird schon 
vorher durch die in Freiheit gesetzte Säure getötet, und zwar wird 
diese gewaltsame Sistierung der Mycelentwicklung um so schneller 
und gründlicher erreicht, je mehr Zink die Lösung enthält. Die in 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 317 


Wahrheit fördernde Wirkung des Zinks wurde also durch diese Säure- 
vergiftung verdeckt. Folglich konnte ich nur physiologisch neutrale 
oder alkalische N-Quellen benutzen. 

Aber selbst dann kann Zink hemmend wirken, nämlich bei Gegen- 
wart von Nitrat und saurem Phosphat statt des alkalischen. 


18. Versuch. 16. bis 23. Januar 1926. Nährlösung: H,O 300, Dextrose 15, 
KNO, 15, KH,PO, (S) bzw. K,HPO, (A) 0,75, MgSO, 0,4, Fe 0,03; 
+ 0,001 Proz. ZnSO,. 2öccm in 100-ccem-Kolben. 24 bis 27°C. 
Am 17. Januar waren alle gekeimt. Am 18. Januar war die Mycel- 
entwicklung bei A — Zn < A 4+ Zn < S— Zn< 8 +4 Zn. Am 
23. Januar aber ergaben die Gewichte der lufttrockenen Mycelien 
ein ganz anderes Bild. Denn inzwischen hatte sich auf den sauren 
Lösungen die Hemmung mehr und mehr geltend gemacht die durch 
Zink noch mehr verstärkt wurde. 


E i Sparen 1 DW Gewichte in g 

Be E rer? Wës RE ee Ee eege = = E Seege A 
A—Zn ` viel Sporen | 0,44 0,44 
A+Zn | i „ | 0.48 0.48 
S— Zn weniger ` | 0.29 0.32 
S+Zn : wenig schwach ent- . 0,23 0,24 


wickelte Sporen 


19. Versuch. 2. bis 8. Februar 1926. Nährlösung: H,O 500, Dextrose 25, 

KNO, 5, KH,PO, (S) bzw. K,HPO, (A) 0,7, MgSO, 0,5, Fe 0,05; 
+ 0,001 Proz. ZnSO,. 25ccm in 100-cem-Kolben. 25 bis 30°C. 
Mycelien und Lösungen — das ist auch charakteristisch — sahen 
wie folgt aus: 

S — Zn: wenig Sporen, Lösung gelbbraun. 

S + Zn: fast keine Sporen, Lösung farblos. 

A — Zn: viel Sporen, Lösung gelb. 

A + Zn: viel Sporen, Lösung rotbraun. 


Innerhalb vergleichbarer Umstände gilt allgemein, daß junge Kulturen 
ein um so geringeres Erntegewicht aufweisen, je weniger ihre Nährlösung 
gefärbt ist (s. auch Versuch 45). 


Trockengewicht in g Trockengewicht in g 


S— Zn 0,30 0.35 A— Zn 0.24 0.22 
giän. 02 0,24 A+ Zn 035 _ 0,33 


Betrachtet man die obigen Versuche, so muß man sagen. daß 
auch die von früheren Autoren zitierte Giftwirkung des Zinks erst 
auf dem Umwege über eine zu schnelle und zu starke Erhöhung der 
H -Konzentration zur Geltung kommt. Das Zink macht aus physiologisch 
sauren N-Quellen vielleicht durch katalytische Beeinflussung des 
Eiweißstoffwechsels (Bodansky, Birckner, Cristol, Rost) schnell und 
reichlich den Säurerest frei. Dann tritt Säuretod ein [Wehmer (3)]. 
Außerdem wirkt es in Lösungen mit KNO, und KH, PO, hemmend. 
Aus Versuchen 18 und 22 geht jedoch hervor, daß auch in solchen Fällen 


318 H. Bortels: 


das Zink anfangs fördernd wirkt und die Hemmung erst später einsetzt. 
Auf die eigenartig ungünstige Konstellation von KNO, mit Kn. PO, 
habe ich schon im Kapitel über Eisen hingewiesen. 

Ganz allgemein muß gesagt werden, daß man erst im übrigen 
optimale Ernährungsbedingungen schaffen muß, ehe man darüber 
entscheidet, ob Zink giftig oder fördernd wirkt. Bei optimaler Magne- 
siumsulfat-Konzentration z.B. wurde mit 20 mg ZnSO, pro 100 cem 
noch das Maximum an Erntegewicht erreicht. Bei Magnesiumsulfat- 
Mangel aber verhinderte diese ZnSO,-Konzentration das Wachstum 
schon vollkommen. i 


20. Versuch. 16. bis 22. Oktober 1925. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 


NH,NO, 0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125, Fe 0,01. 
25 cem in 100-cem-Kolben. 20 bis 25°C. 


MgSO a ann: Proz. 0 0,02 0,2 | 2 
mg ZnSO, pro 100 cum d Frischgewicht in g 
0 0 0 03 04 LI 12 15 19 
0.002 0 0 04 04 15 171716 14 
0.2 0 0 04 04 25 21 20 22 
20 0 0 0 0 S4 23 23 22 


Zugleich ist dieser Versuch auch ein Beweis dafür, daß Zink in 
sauren Lösungen mit NH,NO, und KH,PO, ebenfalls ein Ansteigen 
des Erntegewichts hervorruft (vgl. Versuch 23). Daß dem Zink in 
KH,PO,-haltigen Lösungen an und für sich keine schädigende, sondern 
eine fördernde Wirkung zukomnit, konnte ich außerdem mit einer 
Nährlösung zeigen, die als N-Quelle Harnstoff enthielt. 


21. Versuch. 15. bis 19. Juni 1925. Nährlösung von Versuch 20. Statt 
NH,NO, Harnstoft. 
25 ccm in 100-cem-Kolben. 25 bis 30°C. 


mg Zn pro 100 ccm | Frischgewichte in g 
0 LL 1.7 
0.2 | 24 2,9 


Nach obigen Versuchen kommt eine unmittelbar schädliche Wirkung 
des Zinks überhaupt nicht in Frage (von extrem hohen Konzentrationen 
abgesehen). Was schädigend wirkt, ist meistens eine zu starke Er- 
höhung der H -Konzentration. 

Aber auch eine zu niedrige H -Konzentration (Alkalität) kann das 
Wachstum des Pilzes hemmen. Nämlich dann, wenn die durch die 
Alkalität hervorgerufene Fällung des Zinks nicht durch Zusatz eines 
Zinksalzes wieder ausgeglichen wird, wie Versuch 22 zeigt, wobei durch 
den Kalkzusatz eine geringe aber ständige Alkalität während der 
ganzen Versuchsdauer aufrecht erhalten wurde. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen, 319 


22. Versuch. 28. Januar bis 3. Februar 1926. Nährlösung: H,O 600, 
Dextrose 30, KNO, 6, K HPO, 1,5, MgSO, 0,7, Fe 0,06; + 2 Proz. 
CaCO, 

50 ccm in 250-cem-Kolben. 25 bis 30°C. 


Frischgewichte in g 


—(CaC0,;,—ZnS0O, ...:...2 200. | 3,4 3,2 
— CaCO, + 0.001 Proz. ZnSO,. .... \ 3.6 3.7 
+CaC0,—ZnS0O, .. 2... 2020. | 2,6 2,5 
+ CaCO, + 0.001 Proz. ZnSO... . i 3,1 3.2 
+ CaCO, + 0003 „ ZnSO,..... |! 3,5 3,7 
+ CaCO, + 0.005 „ ZnS0,..... | 4,0 4.1 


Im Zusammenhang mit Zinkgehalt und Reaktion der Nährlösung 
steht auch die Bildung der Oxalsäure. 

Butkewitsch-Orlow und Buromsky haben gezeigt, daß Aspergillus bei 
Gegenwart von Zink wenig oder keine Oxalsäure bildet. Das konnte ich 
bestätigen. Sobald ich meinen alkalischen Kulturlösungen optimale Mengen 
Zink zusetzte, konnte ich in ihnen nur noch wenig oder gar keine Oxalsäure 
nachweisen, während ich früher oft große Mengen davon fällen konnte. Die 
Bildung der Oxalsäure wird aber von anderen Autoren [Wehmer (1), 
Brenner, Nikitinski, Butkewitsch (1), Sakamura] mit der H -Konzentration 
unmittelbar in Beziehung gesetzt. Nach den genannten Autoren soll in 
alkalischen (K,HPO,) und besonders auch in gepufferten (CaCO,)-Lösungen 
deshalb viel Oxalsäure gebildet werden, weil dadurch das schädliche Alkali 
neutralisiert wird. Unter der Giftwirkung der Oxalsäure oder auch unter 
der unökonomischen Produktion derselben soll dann das Wachstum des 
Aspergillus leiden. 

Ich erhielt auch in Nährlösungen mit NaNO, und K,HPO, niemals 
beachtenswerte Mengen Oxalsäure, wenn die Lösungen gleichzeitig 
optimale Zinkmengen enthielten. Daraus muß geschlossen werden, 
daß die Oxalsäurebildung nicht unmittelbar, sondern mittelbar eine 
Funktion der zu niedrigen H -Konzentration ist. Nicht die Alkalität 
ist die Ursache, sondern die dadurch hervorgerufene Verminderung der 
Zinkkonzentration. Zinkmangel bewirkt eine Lähmung des Stoff- 
wechsels bei Aspergillus, was eine Anhäufung von Oxalsäure und 
ein Sinken des Erntegewichts zur Folge hat. Bei optimaler Zink- 
konzentration kann darum auch der geringere Nährwert des Nitrats 
im Gegensatz zum Ammoniak nur durch eine schlechtere Verwertbarkeit 
(notwendige Reduktion) des N O,-Stickstoffe begründet werden, nicht 
auch gleichzeitig durch eine ‚‚nnotgedrungene Erzeugung von Oxal- 
säure‘‘ (Brenner). Die Abhängigkeit der Oxalsäurebildung von der 
Zinkkonzentration legt die Vermutung nahe, daß diese von vielen 
Pflanzen gebildete Säure vielleicht in engerer Beziehung zum Eiweiß- 
stoffwechsel steht (Palladin. Hansen. Schimper. Kostytschew). 

Aus den obigen Versuchen über Zink und H -Konzentration geht 
ferner hervor, daß ich zur eingehenden biologischen Untersuchung des 


320 H. Bortels: 


Zinks eine schwach alkalische Nährlösung (K, H POL) mit physiologisch- 
alkalischer oder neutraler N-Quelle verwenden durfte und mußte. Nur 
so waren die Kulturbedingungen optimal, und nur so konnte ich die 
Zinkverunreinigungen aus der Nährlösung an die Kohle adsorbieren. 


Die Lebensnotwendigkeit des Zinks für Aspergillus niger. 


Nach den Ergebnissen der folgenden beiden Versuche, die mit 
solchen alkalischen Nährlösungen durchgeführt wurden, mußte ich 
vermuten, daß Zink nicht nur förderte, sondern sogar lebensnotwendig 
für Aspergillus sei. 


23. Versuch. 10. bis 15. Februar 1926. Nährlösungen: 


A (alkalisch) S (sauer) 
H,O 400 H,O 400 
Saccharose 20 Saccharose 20 
MgSO, 0,5 MgSO, 0,5 
NaNO, 5,8 NH,NO, 2 
K,HPO, 1,75 KH,PO, 1 
Fe 0,01 Fe 0,01 
K,SO, 0,6 


Nicht mit Kohle gereinigt! 
25 ccm in 100-cem-Kolben. 25 bis 30°C. 


Am 11. Februar: Von A alle gekeimt. Ansteigende Reihe der 
Mycelentwicklung entsprechend den steigenden Zinkgaben schon 
sichtbar. S kleine Mycelinselchen. Ansteigende Reihe sehr deutlich. 


Am 12. Februar: Ansteigende Reihe nur noch bei A sichtbar. 
Hier aber allgemein schwächere Mycelien als bei S. Diese alle völlig 
gleich (weiß, steril), während die von A bräunlich gefärbt waren und 
Sporen in abfallender Reihe entsprechend steigenden Zinkgaben 
gebildet hatten. 


Am 15. Februar: A. Mycelien bei den höheren Zinkgaben stark 
gefaltet mit wenig Sporen. Die unteren Glieder der Reihe glatt mit 
ınehr Sporen. Bei 20 ZnSO, waren die Konidienträger verkürnmert 
und die Konidien gelb. Die Lösungen waren schwach sauer und gelb 
bis schwach alkalisch und rot, entsprechend O0 bis 20 ZnSO, - 
S. Mycelien alle gleich. Nur am Rande einzelne Sporenköpfchen. Alle 
Lösungen schwach sauer. 


| Gewichte der lufttrockenen Mycelien in g 
mg ZnSO, pro 100 ccm ' 


A S 
0 0,16 0.14 0,52 0,50 
0.005 0,22 0.19 0,52 0,51 
0,1 0,28 0,21 0,51 0,50 
0.5 0.41 0,40 0.51 0,52 
1 0.44 0.4 0.50 0.53 
5 0,46 0,46 0,51 0,50 
10 0,46 0,44 0,52 0,51 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 321 


Diesen Versuch habe ich schon im Eisenkapitel erwähnt und 
auch auf den Unterschied zwischen der sauren und der alkalischen 
Reihe hingewiesen (12. Versuch). In der sauren Reihe wurde vielleicht 
deshalb ein höheres Erntegewicht erzielt, weil der Stickstoff des Ammon- 
salzes leichter verwertbar ist als der vom Nitrat. Daß hier das Ernte- 
gewicht nicht auch mit steigender Zinkmenge anstieg, liegt offenbar 
daran, daß die als Verunreinigungen vorhandenen Zinkmengen schon 
hinreichten, um dies Höchstgewicht zu produzieren, und daß dann 
entsprechend 0,5 g Erntegewicht so viel Salpetersäure frei gemacht 
war, daß ein Weiterwachsen unmöglich wurde (vgl. Versuche 20 und 21). 
Diese bestimmte Hemmungsschwelle, einer bestimmten Konzentration 
Salpetersäure entsprechend, wurde eben während der Kulturdauer 
überall erreicht. In den ersten beiden Tagen war auch in dieser sauren 
Reihe eine deutliche Förderung durch das Zink unverkennbar (wie in 
Versuche 18, 20 und 21). Eine Schädigung durch das Zink entsprechend 
seiner Konzentration hat auch hier nicht stattgefunden. 


Die alkalische Reihe läßt aber sogar auf absolute Notwendigkeit 
des Zinks schließen. Es bestand daher Aussicht, daß, wenn es mir 
gelang, die natürlichen Zinkverunreinigungen aus der Lösung zu ent- 
fernen, der Schnittpunkt einer Zinkkurve auf der Ordinatenachse dem 
Nullpunkt sehr nahe kommen würde. Durch Adsorption aus alkalischer 
Lösung an Kohle konnte ich dieses Ziel schon fast erreichen. 


24. Versuch. 26. November bis 1. Dezember 1925. Nährlösung: H,O 700, 
Dextrose 35, KNO, 3,5, K,HPO, 1,75, MgSO, 0,9. Mit 0,4 Proz. 
Kohle filtriert. + 0,01 Proz. Fe, + 0,001 Proz. ZnSO,. 25ccm in 
250-cem-Kolben. 30°C. 


A — Fe — Zn: nur eben gekeimt. Auf dem Keimmycel viele schwarze 
Sporen. Lösung farblos. 


A + Fe — Zn: dasselbe, aber etwas mehr Mycel. Lösung farblos. 


A — Fe + Zn: wie A — Fe — Zn, aber weniger Sporen. Lösung 
farblos. 


A + Fe + Zn:sehr starkes Mycel mit gelbbraunen Sporen. Lösung 


rotbraun. 
Trocken» Trocken» 
' gewichte in g gewichte in g 
RE: ei | 0,016 r er el 0.053 
SE | 0018 A + Fe— Zu | 0.013 
| 0.062 | | 0.671 
A — Fe + Zn | 0.041 A + Fe + Zn 0.654 


Weit besser noch glückte mir der Beweis für die Notwendigkeit 
des Zinks, als ich der alkalischen Lösung vor der Adsorption eine Spur 


322 H. Bortels: 


Ammoniumsulfid zusetzte, wodurch die Fällung und dementsprechend 
auch die Adsorption des Zinks vollkommener ist. 


25. Versuch. 21. bis 26. Januar 1926. Nälrrlösung: H,O 600, Dextrose 30, 
KNO, 5, K,HPO, 2,5, MgSO, 1,2, Fe 0,06. Zum Teil mit einer 
Spur Ammoniumsulfid und 5 Proz. Kohle gereinigt. + 0,0005 Proz. 
Zn SO,- 


25 ccm in 100-cem-Kolben. 30°C. 


Alle Lösungen ohne Zink farblos, mit Zink braun. Die Mycelien 
auf mit Kohle behandelter Lösung mit Zink hatten gelbe Sporen 
und waren zum Teil sehr inselig gewachsen. Die mit Sulfid und Kohle 
filtrierten Lösungen ohne Zink waren nur getrübt durch unter- 
getauchten Mycalschleier. Hier kein Wachstum an der Oberfläche! 


| Trockengewichte in g 


T Z= I 


— Sulfid — Kohle —Zn ..... 0.151 0.173 


el a 0.370 0.365 

ge 2 äi a eet 0.063 0.014 

u CAE ee 0.236 0.245 

ee ER 0,062 0.077 
ee An ee 0.354 0.379 

kalt filtriert + 4 2 ha .n 0.008 0.006 
8 GE MECH EE 0.274 0.223 
heiß filtriert + . + 2 0. 2.0. 0.006 0.007 
i Pe a e a GEN 0,302 0.297 


Damit wäre also die Methode zur Reinigung der Nährlösung vom 
Zink gegeben und der Beweis für die Lebensnotwendigkeit des Zinks 
erbracht. Denn das, was ich vom Eisen sagte, gilt auch für das Zink: 
Die Adsorption ist nicht bis aufs letzte Atom quantitativ vollkommen, 
und Filter, Glas und Impfsporen geben wieder Zink an die Lösung ab. 
Diese Spuren ermöglichen dem Pilze Keimung und ein kaum noch 
wahrnehmbares Wachstum!). (Jenaer 20-Glas enthält praktisch kein 
Zink und war deshalb für diese Versuche besonders geeignet.] 


Die Notwendigkeit von Eisen und Zink in saurer Lösung. 


Ich habe bis jetzt gezeigt, daß Eisen und Zink in den verwendeten 
alkalischen Nährlösungen für Aspergillus niger notwendig sind. Das 
gilt aber auch, wie vorauszusehen war, für saure Lösungen. 


26. Versuch. 8. bis 13. Januar 1926. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 
KNO, 0,5, K,HPO, 0,25, MgSO, 0,125. Mit 3 Proz. Kohle gereinigt. 
+ 10 mg Fe, + 0,9 mg Zn pro 100 eem, 
50 ccm in 250-ccm-Kolben. 30°C. 
Die sauren Lösungen (S) wurden durch gemeinsames Ansäuern 
der alkalischen Lösung (A) hergestellt. Dann erst wurden sie in die 


1) Betreffs Zinkkurve siehe Anhang und Kurve 2. (S. 355.) 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 323 


Kolben verteilt. Die Ansäuerung geschah mit Essigsäuredämpfen, die 
dicht über der Nährlösung aus gereinigtem Glasrohr austraten. Das 
Rohr tauchte nicht in die Nährlösung ein. Da ich kein Ammonium- 
sulfid angewendet hatte, war das Zink natürlich nicht vollkommen 
aus der Lösung entfernt, 


R | Fe Zn Gewichte der lufttrockenen Mycelien in g 
| 
A | de, 2 g | 0,427 0,452 
S f F + h 0,438 0,478 
A | + — 0,247 0,252 
S | + — 0,164 0,247 
A — + 0,019 0,019 
S — + , 0,010 0,008 
A — | — | 0,036 0,018 
Ss E Er 0,009 | 0,008 


Der ökonomische Koeffizient in Abhängigkeit von 
Eisen und Zink. 


Bei Mangel an Eisen und Zink sinkt der ökonomische Koeffizient. 
Betreffs Zink hat Buromsky das Gegenteil behauptet, während 
Ono und andere Forscher eine Erhöhung dieses Koeffizienten bei Zusatz 
von Zink feststellten. 


27. Versuch. 17. bis 24. Dezember 1925. Nährlösung wie im vorigen Versuch, 
mit 1 Proz. Kohle gereinigt. 
+ 10 mg Fe, + 0,5 mg ZnSO, pro 100 ccm. 
50 ccm in 250-ccm-Kolben. 28°C. 


l Verbrauchter | Der ökonomische Koeffizient: 
Fe Zn Trockengewichte in g Zucker in Proz: a | Ver Trockengewicht 


| man Wei Verbrauchter Zucker 


+ + | 090 0945 3.72 1372, 0.255 = 0.254 
+1 — » 0,159 | 0,154 085 | 10 | 0,187 0,154 
— + 1004 | 0,042 1,0 10 | 004 0,042 
— | — || 0011 — 0,009 1,0: 085 "0,010 | 0,012 


D Zu Beginn des Versuchs waren vorhanden 4,3 Proz. Dextrose. 
®) Auch hier muß berücksichtigt werden, daß das Zink nicht völlig adsorbiert wurde. 


Die Schwankungen im Erntegewicht in Abhängigkeit 
von Eisen und Zink. 


Wenn man dem Pilze nicht die optimale Eisen- und Zinkkonzentra- 
tion gibt, hängt die Höhe der Trockensubstanzbildung sehr vom 
Zufallab. Das Glas des einen Kulturkolbens wird mehr Eisen und Zink 
an die Lösung abgeben als das des anderen. Auch ist es möglich, daß 
die Lösung, wenn sie alkalisch ist, im einen Falle mehr von den Metallen 
mitbekommt als im anderen. Bei unteroptimaler Konzentration haben 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 29 


324 H. Bortels: 


aber auch schon ganz geringe Unterschiede recht beträchtliche Schwan- 
kungen im Erntegewicht zur Folge. 


28. Versuch. 17. bis 23 Januar 1926. Nährlösung wie bei Versuch 26. 
+ 0,001 Fe, + 0,001 Proz. ZnSO,. 


50 ccm in 250-cem-Kolben. 24 bis 27°C. 
Es wurde überall mit der Nadel reichlich geimpft. 


Trockengewicht in g 


—— Sa 


0.855 0 348 0925 0.292 

fos 0,633 fo 538 | 0.172 

+ Fe + Zn 10899 + Fe— Zn 0.675 |— Fe + Zn !0,542 i— Fe— Zn '0.140 
|0 897 0.189 as e 0.150 

0.903. 0,296 0,553 0,193 


Aspergillus niger und Kupfer. 


Orientierende Versuche. 


Die Adsorptionsmethode mit voraufgehender Sulfidfällung in 
alkalischer Lösung brachte noch eine weitere Aufklärung, nämlich 
die, daß neben Eisen und Zink auch noch die überall vorhandenen 
Kupferspuren aus der Nährlösung adsorbiert wurden, was eine auf- 
fällige Schädigung des Pilzes zur Folge hatte. Auf gereinigter Lösung 
und mit nachträglichem Zinkzusatz produzierte Aspergillus zwar 
durchweg ein ansehnliches Erntegewicht, aber in seinen Artmerkmalen 
war er offenbar schwer geschädigt. Er bildete dann nämlich keine 
schwarzen Sporen mehr, sondern gelbe. Der Aspergillus, den ich nun 
immer erntete, war nicht mehr Aspergillus niger. Diese Schädigung 
trat nicht ein, wenn es in der Lösung an Zink fehlte. Dafür war dann 
aber das Erntegewicht viel niedriger. Arcichovskij hat diese zerstörende 
Wirkung des Zinks auf die ‚„Artorganisation‘‘ auch beschrieben, und 
dies schwerwiegende Argument hat offenbar sehr zur Verbreitung der 
Anschauung von der Giftigkeit des Zinks beigetragen. 


Ich habe die eigenartige Erscheinung der gelben Sporen schon 
wiederholt erwähnt und machte diese Beobachtung zum ersten Male 
bei folgendem Versuch: 


29. Versuch. 5. bis 15. März 1925. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 
NH,NO, 0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125, Fe 0,01, ZnSO, 0,0001. 
200 ccm in 1-Liter-Kolben. 20°C. 


Der Pilz bildete dicke Decken von gelber Farbe. Frischgewichte 
18,3 und 15,5g. Die Lösungen waren ebenfalls gelb. Die Sporen 
waren anfangs hellgelb gefärbt und wurden dann allmählich dunkler 
bis schwarzbraun. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 325 


Die Schädigung tritt also zuweilen auch in nicht gereinigten 
Kulturen auf, wenn diese größere Mengen Zink enthalten. 


Die weitgehende Beseitigung des Kupfers aus der Nährlösung 
durch Adsorption sollte sich aber noch gefährlicher auswirken. Bei 
einem Versuch mit fünf Parallelen, deren schwach alkalische, ammon- 
sulfidhaltige Lösung mit Kohle gründlich gereinigt war, und die dann 
alle wieder Eisen und Zink (als chemisch reine Salze) in optimaler 
Konzentration bekommen hatten, waren diese fünf Kulturen so schlecht 
gewachsen, daß ich sie — in der Annahme, irgend ein Versehen sei die 
Ursache — sämtlich verwerfen mußte. Meiner Schätzung nach hatten 
sie alle nur ungefähr halb soviel Trockensubstanz gebildet wie sonst 
üblich. Die Frischgewichte betrugen 1,3 bis 1,8 g statt 3,5 bis 4,5 g. 
Die wenigen Sporen waren außerdem ganz hell weißgelb gefärbt. Erst ` 
später wurde mir diese Erscheinung verständlich. 


Zuerst dachte ich daran, ob nicht etwa auch bedeutende Mengen 
Magnesium und Phosphor bei der alkalischen Reaktion adsorbiert 
würden, überzeugte mich aber davon, daß es nicht der Fall war: 


30. Versuch. 17. bis 23. Januar 1926. Nährlösung von Versuch 26. Mit 
1 Proz. Kohle gereinigt. + 0,01 Proz. Fe, + 0,001 Proz. ZnSO,, 
+ 0,05 Proz. MgSO, (Mg), + 0,1 Proz. K,HPO, (P). 


25 ccm in 100-cem-Kolben. 24 bis 27°C. 


Die mit Kohle gereinigten Kulturen ohne Zink hatten gleichviel 
gelbe und schwarze Sporen, die entsprechenden mit Zink hatten hell- 
braune bis gelbe Sporen. Die nicht gereinigten ohne Zn hatten schwarze 
und die entsprechenden mit Zink braune Sporen. Bei diesem Versuch 
muß berücksichtigt werden, daß ich die Nährlösung nicht mit Sulfid 
gereinigt habe. 


| Gewichte der lufttrockenen Mycelien in g 

Nicht gereinigt — Zn. . . ..... | 0.355 | 0,284 
e ý + Zn. 2 a ai EE Er 0 455 0.482 
Gereinigt — Zn . .... 2.2.2020. 0.268 0 188 
S ZN: a a ee a e | 0.392 0,374 

e +Mg+Zn ....... | 0.413 0,3 3 

` e e A SE EE 0.390 0.361 

S +Mge+P+Zn..... 0.376 0,423 


An der Höhe des Erntegewichts und an der Färbung der Sporen 
hatte der Zusatz von Magnesium und Phosphor nichts zu ändern ver- 
mocht. Es war also sicher, daß die Kohle tatsächlich aus der alkalischen. 
besonders aber aus der sulfidhaltigen Lösung irgend ein wichtiges 
Element herausnahm (Versuche 25 und 33), das ich bislang übersehen 
hatte. Um es zu bestimmen, untersuchte ich zunächst die Wirkung 


22* 


326 H. Bortels: 


des Mangans, weil dieses von Bertrand (3) (4) und Bertrand-Javillier (1) (2) 
des öfteren als für Aspergillus ernährungsphysiologisch besonders 
wichtig bezeichnet wurde. Zugleich prüfte ich noch einmal auf Magne- 
sium nd Phosphor. 


31. Versuch. 6. bis 11. Februar 1926. Nährlösung: H,O 1000, Saccharose 50, 
KNO, 5, K. HPO, 2,5, MgSO, 1. Mit 1 Proz. Kohle gereinigt. 
+ 0,01 Proz. Fe, + 0,0018 Proz. ZnSO, (ich verwendete immer 
chemisch reines Mohrschess Salz und ebensolches Zinksulfat). 
+ MnSO,: von einer fast gesättigten Lösung 3 Tropfen pro Kolben 
= Mn. 

0,04 Proz. MgSO, = 
+ 10.08 h K HPO, | FMa 


Außerdem untersuchte ich auch noch die Asche des verwendeten 
Rohrzuckers, von der Überlegung ausgehend, daß dies Naturprodukt 
das gesuchte Element enthalten müsse. 10g Saccharose wurden in 
Quarzschalen verascht, die Asche in wenig Schwefelsäure gelöst, die 
überschüssige Schwefelsäure abgeraucht und der Rückstand in wenig 
Aqua dest. aufgenommen. Diese Lösung wurde nach Neutralisation 
mit Natronlauge auf die beiden Kolben verteilt = Asche. 


| Trockengewichte der Mycelien in g 


Nicht gereinigt + Fe + Zn.. ... l 0,649 0.705 


Gereinigt — Fe — Zn...’ 0.012 | 0,006 
a +Fe—Zn........ 0,016 0,060 
= —Fe+Zn........ | 0,036 0,022 
p e EE | 0.652 | 0,660 
R +Fe+Zn+ Mn 0,670 ' 0.669 
5 + Fe + Zn + Ásche ... 0,878 0,837 
5 +Fe+Zn+MgP... 0,615 0.633 


Der sonst ganz beträchtliche Unterschied zwischen den gereinigten 
und nicht gereinigten Nährlösungen mit Eisen und Zink ist hier kaum 
zu erkennen, offenbar weil ich kein Sulfid angewandt hatte. Auch 
ist es möglich, daß die Lösung schon vor der Kohlefiltration nicht 
viel von dem gesuchten Element enthielt. 


Eine deutliche Förderung durch Mangan war nicht zu erkennen; 
auch die Sporenfarbe war nach wie vor gelb. Dagegen war beim Aschen- 
zusatz das Trockengewicht sehr merkbar gestiegen, und die Sporen 
dieser Kulturen waren typisch schwarz gefärbt. Der Rohrzucker 
(vgl. Versuch 36) enthält also das gesuchte Element, wenn auch nicht. 
in den Mengen, daß die Nährlösung mit 5 oder 10 Proz. Zucker gleich 
genügend davon mitbekommt. Wenn man demnach die Zuckergabe 
steigert, dann nähert sich damit nicht nur die Konzentration des 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 327 


Kohlenstoffs dem Optimum, sondern auch noch die mindestens eines 
anderen Faktors (siehe später). Die Erhöhung der Trockensubstanz- 
produktion hat somit nicht eine, sondern wenigstens zwei Ursachen. 


Um nun endlich hinter das Geheimnis zu kommen, was eigentlich 
in der Zuckerasche diese Wirkung auf Aspergillus ausübte, mußte ich 
mehrere verschiedene Salze getrennt auf ihre Wirkung untersuchen. 


Die Notwendigkeit des Kupfers zum natürlichen Gedeihen 
des Aspergillus niger. 


In Anbetracht der Tatsache, daß gerade Sulfid die Adsorption 
des fraglichen Elements so sehr begünstigte (Versuche 15, 16 und 34), 
vermutete ich nunmehr, daß wohl in erster Linie ein Schwermetall in 
Frage käme und davon vor allem das Kupfer, denn das Mangan hatte 
ich ja bereits ausgeschieden. Dafür spricht auch die Beobachtung, 
daß oft schon nach Zusatz von Ammonsulfid ohne Kohlefiltration das 
Erntegewicht etwas sank (Versuch 34), und stets heller gefärbte Sporen 
gebildet wurden, was in rein alkalischer Lösung niemals in dem Maße 
der Fall war. Die Wirkung des gesuchten Elements war also zum Teil 
schon allein durch den Sulfidzusatz aufgehoben. Bedenkt man, daß 
Kupfersulfid in verdünnten Säuren praktisch unlöslich ist — der Pilz 
bildet ja Säuren, die wohl Zinksulfid, nicht aber Kupfersulfid lösen 
können —, so ist das ganz erklärlich. 


32. Versuch. 15. bis 20. Februar 1926. Nährlösung wie in Versuch 31. 
Mit einer Spur (N H,) S und 5 Proz. Kohle gereinigt. -+ 0,01 Proz. Fe, 
+ 0,001 Proz. ZnSO,. 


Ferner: + Si als je 1 Tropfen Weasserglas, 
+ 0,0001 Proz. Cu als CuSO,, 


+ 0,01 vn Mn, MnSO, 
+ 0,001 „ Al „ Al(SO,), 
+ 0,00005 „ Cd „ Cd(NO,)» 
+ 0,0001 „ Co „ CoCl, 

+ 0,0005 „ Hg, HgCl, 

+ 0,00005 „ As „ Age 


Diese Salze waren nicht chemisch rein und wurden in Aqua dest. 
gelöst zugesetzt. Dadurch wurde die Nährlösung natürlich wieder 
mehr oder weniger mit Zink verunreinigt, besonders beim Mangansulfat. 


50 ccm in 250-cem-Kolben. 25 bis 30°C. 


Ohne Kohlefiltration: + Zn: gelbe Sporen mit wenig schwarzen ge- 
mischt. 

Mit 7 + Zn: gelbe Sporen. 

A 3 + Zn + Cu: schwarze Sporen. 


Alle übrigen: gelbe bis hellbraune Sporen. 


328 H. Bortels: 


Trockengewichte in g 


Ohne Kohlefiltration + Fe + Zn .......n 0,717 


0.613 
Mit $ +Fe+Zn ....x...% 0.613 ` 0.590 
S E + Fe + Zn + Cu...... 0.765 | 0.7 
2 x +Fe+Zn+Si...... „ 0549 | 033 
i x +Fe+Zn+Mn ..... 05383 050 
e á +Fe+Zn+Al...... 0.563 0.564 
A ` +- Fe + Zn 4+ Cd. ..... 0.447 0.464 
e Bi zFe+Zn+(o. iaoa 0538 : 058% 
S Z + Fe + Zn+ Hg ..... 0547 0.515 
= S +Fe+Zn+As...... 0.540 0.534 
% A +Fe—Zn+Cu...... 0.030 0.079 
= S +Fe—Zn+Si...... 0.023 0.027 
z R +Fe—-Zn+Mn ..... 0.070 0,123 
Br a +Fe—Zn+Al...... 0.028 7 0.060 
z S +Fe—Zn+Cd.....» 0.000 0.000 
© S +Fe—Zn+Co ..... 0.041 0.055 
s 2 +Fe—Zn+ Hg ..... 0.043 0,041 
n 5 + Fe— Zn + As...... 0,069 | 0,071 


Diese Zahlen lehren, daß Eisen und Zink allein nicht genügen, um 
die höchsten Ernten zu erzeugen. Ein Höhepunkt des Wachstums 
wird erst bei Gegenwart von Kupfer erreicht. Die augenscheinlich 
größte Bedeutung des Kupfers aber liegt darin, daß es allein imstande 
ist, die typische Schwarzfärbung der Konidien hervorzurufen. 

Aus der Tabelle ist noch mehr zu ersehen: Das Kupfer kann durch 
keines der anderen angeführten Elemente ersetzt werden. Auch die 
Funktion des Zinks ist spezifisch ; es kann ebenfalls nicht ersetzt werden, 
auch nicht durch Kupfer oder Cadmium (Lepierre). Eine fördernde 
Wirkung des Arsens, wie sie Orlowski beobachtet hat, konnte ich nicht 
feststellen. Ich muß dabei aber erwähnen, daß auch von einer Wirkung 
des Quecksilbers (Butkewitsch-Orlow) in der Tabelle nichts zu sehen ist, 
obwohl ich früher selber einmal eine deutliche Förderung durch Queck- 
silber beobachten konnte (Versuch 32a). 


Versuch 32a. 6. bis 10. Oktober 1925. Nährlösung: H,O 100, Saccharose 5, 
NH,N0,0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125. 
25 ccm in 100-cem-Kolben. 25°C. 


se, Hall Frischgewichte in g Ge N Frischgewichte in g 

SE == en ee warn Pre F DS ee 
0 0,6 | 0,4 0 005 0.6 | 0% 
0 00005 0,6 | 0.6 0.025 0,9 0,9 
0.000 1 0.6 0.5 0.125 1,0 i 1,1 
0.001 0.6 0,6 0,625 1,3 1,6 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 329 


Die letzte Konzentration entspricht ungefähr derjenigen von 
Versuch 32. Der Unterschied zu diesem Versuch liegt darin, daß hier 
bei Versuch 32a die Nährlösung nicht mit Kohle behandelt, ihr kein 
Eisen und Zink zugesetzt wurde und die Stickstoffquelle eine andere 
war. Außerdem war bei diesem Versuch die H -Konzentration viel 
größer. Weshalb das Quecksilber in Versuch 32a stimuliert hat und 
in Versuch 32 nicht, ist mir vorläufig unverständlich). 


Über die außerordentlich geringe Optimalkonzentration des 
Kupfers gibt der folgende Versuch Auskunft, der zugleich auch zeigen 
soll, wie das Kupfer in allen natürlichen Medien enthalten ist und 
hier wirkt. 


33. Versuch. 20. bis 26. Februar 1926. Nährlösung wie in Versuch 31. 
Mit einer Spur (N H,) S und 1 Proz. Kohle gereinigt. 

+ 0.01 Proz. Fe, -+ 0,002 Proz. Zn, + 0,00005 Proz. CuSO,, 

+ 0,0005 Proz. CuSO, + Saccharose-Asche, + Erdextrakt-Asche. 


Zuckerasche (vgl. Versuch 34): 10 g Saccharose verascht. + H,SO,. 
H,SO, abgeraucht. + H,O, + KOH bis eben alkalisch. Diese 
Lösung in zwei gleiche Teile: | 

a) so auf die beiden Parallelen verteilt, 

b) zuvor mit (NH,)S und Kohle gereinigt. 

Erdasche: Extrakt: eingedampft und genau so behandelt. 

25 ccm in 100-cem-Kolben. 25 bis 30°C. 

Nicht gereinigt: gelbe Sporen mit wenig schwarzen ge- 
mischt. 
Gereinigt: . . 2 © 2... . gelbe Sporen. 


ep + Cu . schwarze Sporen. 
39 + Zuckerasche a)schwarze Sporen. 
i + 2 b)gelbe Sporen, 
j5 + Erdasche. . a) schwarze Sporen. 
ge + Se b) gelbe Sporen. 

i i Trocköngewichtein Fi o 
EE 
Nicht gereinigt. . . » : 2: 222... t 0.448 | 0.462 
Geremipt: o s a des Een Pe | 0,291 | 0.303 

3 + 0.00005 Proz. CuSO. .... 0.427 | 0.447 
s + 0.0005 Proz. CuSO, ,, 0.405 0 456 
R + Zuckerasche a, . . ..... 0461 0 461 
S + aa De o 0,313 i 0.341 
i + Erdasche a ......... 0.479 | 0.494 
å + e Dora g we es 0,351 | 0,347 


1) Es stellte sich nachträglich heraus, daß in dem Brutzimmer, in dem 
die Kulturen standen, Quecksilber auf dem Fußboden verschüttet war, 
so daß sogar eine Vergiftung einiger Institutsangehöriger eingetreten war. 
Es wäre durchaus möglich, daß die Unwirksamkeit des Quecksilbers beim 
zweiten Versuch auf den Gehalt der Luft daran zurückzuführen wäre. 


330 H. Bortels: 


Die Optimalkonzentration des Kupfers liegt also nicht über 
0,00005 Proz. CuSO,!). Es ist klar, daß unter diesen Umständen es 
sehr schwer sein dürfte, das Kupfer so weitgehend aus der Lösung zu 
entfernen, daß, wenn es auch lebensnotwendig sein sollte, der Pilz nicht 
mehr imstande wäre, zu wachsen. Die Frage, ob das Kupfer auch zu 
den lebensnotwendigen Elementen zu zählen ist, muß also vorerst 
noch unentschieden bleiben. 


Über die Möglichkeit, daß noch andere Aschenelemente 
für die Wachtumsgröße des Aspergillus niger wichtig sind. 


Bei genauerer Betrachtung der obigen Zahlen fällt die bemerkens- 
werte Tatsache auf, daß mit dem qualitativ unbekannten Aschen- 
rückstand von Erde ein noch höheres Erntegewicht erzielt wird als 
mit Kupfer allein. Außerdem sinkt die Zahl nach Zusatz der durch 
Adsorption gereinigten Lösungen der betreffenden Aschensalzgemische 
nicht wieder auf den ursprünglichen Wert 0,3, sondern auf 0,35. Das 
ist sehr wichtig und soll in dem nächsten Versuch noch deutlicher 
gezeigt werden. 


34. Versuch. 25. Februar bis 1. März 1926. Nährlösung:. H,O 1000, 
Saccharose 100, NaNO, 10, K,HPO, 2,5, MgSO, 1,25. Zum Teil 
mit einer Spur Ammoniumsulfid und 1 Proz. Kohle gereinigt. 


+ 0,01 Proz. Fe, + 0,0008 Proz. Zn, + 0,0003 Proz. Cu, 
+ 0,0025 Proz. Cu. 


Als Zusätze ferner; 


l. Je Kolben Asche von 5g Saccharose als Sulfat (hergestellt, wie 
im vorigen Versuch beschrieben) = Zucker. 


2. Je Kolben Asche von 50 ccm Würze als Sulfat (ebenso hergestellt) 
= Würze. 


3. Je Kolben Asche von 2,5 g Merckscher Blutkohle als Sulfat 
(ebenso hergestellt) = Blut. 


4. Eine leere, schon oft benutzte Quarzschale wie die anderen Ver- 
aschungsschalen (ebenfalls Quarz), und die resultierende Lösung 
wie die anderen Lösungen behandelt = Quarz. 


Diese nachträglich zugesetzten Lösungen wurden vorher mit 
KOH schwach alkalisch gemacht. 


Nur die mit Sulfid gereinigten Lösungen erhielten die obigen 
Kupfer- und Aschenzusätze. 25 ccm Nährlösung ohne obige Zusatz- 
lösung in 100-ccem-Kolben. 25 bis 30°C. 


1) Siehe Anhang. (S. 355.) 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 331 


Versuchsergebnis. Unerklärlich ist es, daß eine Parallele von — Sulfid 
+ Kohle — Fe — Zn überhaupt nicht gekeimt war. 


— Sulfid — Kohle + Fe + Zn: schwarze Sporen mit ganz wenig 
braunen gemischt. 


+ » — » + Fe + Zn: hellbraune Sporen. 

== IA Sp zg + Fe F Zn: DU „ 

+ » + » + Fe + Zn: hellgelbe Sporen. 

+ „+ + Fe + Zn + Quarz: hellbraune Sporen. 
+ » Low + Fe + Zn + Cu: schwarze Pr 

+ » + » + Fe + Zn + Zucker: „ k 

+ » + » ..+Fe+Zn+ Würze: „ 3 

+ » + „ + Fe + Zn + Blut: A Er 


Je größer das Gewicht, um so brüchiger war das Mycel. 


u Trockengewichte in g 


— Sulfid — Kohle + Fe + Zn .....x.:... 0.534 0.522 
+ „ — ew ken, 0,494 0.504 
ët, a bett e ent Ae 001 ` 0,000 
EEE RS EES I 001 | 0028 
sa g aio. a SFe Zn era aa | 0.040 0.033 
— a + e +#+Fe+2n 22.2: l’a’. 0511 0,464 
+ „ + „ -Fe—Zn ......... A 0,006 0,018 
+ „ + +Fe-—Zn .......2.. | 0,029 | 0.030 
+ „ + „ . -Fe+Zn ......20.. | 0,044 : 0,059 
+ a + , . +Fe+Zn .......2.. | 0.458 0,469 
+ , + „+ Fe + Zn + 0.0003 Proz. Cu . i 0.595 0.601 
+ „ + „ + Fe + Zn + 0,0025 Proz.Cu . ı 0,600 0,490 
+ „ + +Fe+Zn+ Quarz ..... 0,582 0.578 
+ „ + „ .+Fe+Zn+ Zucker. .... | 0,648 0,656 
+ ,., + „ +Fe+Zn+ Würe ..... | 0,771 0,738 
+ „+ „.+Fe+Zn+Blut...... | 0,793 0,761 


Es sei besonders erwähnt, daß die Kohle nur eine kaum bemerkbare 
Menge braunroter (Fe,O,) Asche ergab, so daß also diese außerordentlich 
fördernde Wirkung nicht durch schon bekannte Aschensalze (Mg, K, P) 
hervorgerufen sein kann. (Nach Angabe der Firma E. Merck beträgt 
der Aschengehalt ihrer Carbo medicinalis nur 1 bis 3 Proz.). 

Während ich mit Hilfe von Kupfer das Trockengewicht nur von 
0,5 auf 0,6 g erhöhen konnte, gelang es mir, dieses mit Würze und Blut 
bis auf nahezu 0,8 g zu bringen. Welches in diesen natürlichen Salz- 
gemischen die wirksamen Faktoren sind, will ich später versuchen, mit 
Hilfe einer abgeänderten Fällungs- und Adsorptionsmethode zu er- 
mitteln. Die Wirkung des Kupfers durch größere Gaben zu steigern, ist 
jedenfalls nicht möglich, denn das eine der betreffenden Mycelien war 
durch 0,0025 Proz. Cu schon stark geschädigt. 


332 H. Bortels: 


Die Tatsache, daß Aspergillus auf Würze meist sehr viel besser 
wächst als auf reiner Zuckerlösung, ist auch sicher nicht nur durch 
die quantitative und qualitative Beschaffenheit der Kohlenstoffquelle 
bedingt, sondern auch dadurch, daß der Pilz auf Würze im Gegensatz 
zur Zuckerlösung ein natürlicheres, optimaleres Gemisch der für ihn 
wichtigen Aschensalze vorfindet. l 


II. Die Wirkung von Eisen, Zink und Kupfer auf sonstige Stoffwechsel- 
vorgänge bei Aspergillus niger. 


Die Sporenbildung. 


Ich habe schon eingangs bei den orientierenden Versuchen über 
Eisen erwähnt, daß ich auf den anfangs verwendeten sauren Lösungen 
höhere Erntegewichte erzielte, wenn ich diese mit Kohle filtrierte und 
ihnen nachträglich wieder Eisen zusetzte. Aber diese Mycelien blieben 
gewöhnlich ganz steril. Es ist das in erster Linie eine Wirkung des 
Zinks (aus der Kohle) und mittelbar dann auch eine solche der H Ron. 
zentration. Deutlich trat das bei folgendem Versuch in Erscheinung: 


35. Versuch. 20. bis 28. September 1925. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 
(NH,),SO, 0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125. 25ccm in 100-cem- 
Kolben. 25 bis 30°C. 


Gewicht der lufte 


E Serben | nn Myvelien Sporen 
— Fe— 2Zn.:% 2a. e 0.25 ı ziemlich viel 
— Fe + 0.02 Zn ..... | 0.54 weniger 
—Fe+02Zn...... d 0.78 | nur am Rande 
01Fe—Zn ....... ` 0.24 | viel 
01 Fe + 0.02 Zn. .... ' 0.62 weniger 
01Fe+02Zn ..... | 0.81 nur am Rande 
10 Fe—-Zn ....... | 0.77 dicker Rasen 
10 Fe + 0.02 Zn ..... | 093 weniger 
10 Fe + 0,2 Zn. ...... | 0.74 | fast keine 


Daß das Zink die Hauptursache dieser Sterilität ist, geht aus einem 
Versuch mit alkalischer Lösung hervor. 


36. Versuch. 14. bis 22. Februar 1926. Nährlösung: H,O 1600, Saccha- 
rose 80, Harnstoff 8, K,HPO, 3, MgSO, 2, Mit 1 Proz. Kohle gereinigt. 
+ 0,000001 Proz. Fe, 


0,01 
+ | l | mg Zn SO, pro 100 cem 
5 


200 cem in 1-Liter-Kolben. Nicht sterilisiert. 25 bis 30°C. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 333 


Diesen Versuch hatte ich zu einem anderen Zweck angesetzt 
und werde ihn später noch erwähnen. Er war aber auch betrefis 
Sporenbildung lehrreich: 


— Fe — Zn: zartes, schleierförmiges Mycel mit wenig Sporen. 
— Fe + Zn: dünnes Mycel mit sehr wenig Sporen. 
+ Fe — Zn: schwarz von Sporen. Hautdünnes Mycel. 


+ Fe + 0,01 Zn: Mycel dicker. Sporen etwas weniger. 
+Fe+ 1Zn: Mycel dick. Wenig Sporen. 
+ Fe + Zn: Mycel dick. Fast gar keine Sporen. 


Also bei hoher Zink- und niedriger Eisenkonzentration starkes 
vegetatives Wachstum und geringe oder gar keine Fruktifikation. 
Diese Erscheinung ist vjelleicht auch ein Argument dafür, daß Zink 
in Beziehung zum Eiweißstoffwechsel steht. Das Zink drängt den 
N-Stoffwechsel in den Vordergrund, wodurch immer — auch bei höheren 
Pflanzen — die Fruktifikation zurückgedrängt wird (Gesetz von Klebs). 
Viel Zink wirkt also in dieser Beziehung genau so wie viel Stickstoff, 
und die Zinkwirkung kommt besonders dann stark zur Geltung, wenn 
eine besonders gute N-Quelle reichlich vorhanden ist. Umgekehrt ist 
die Wirkung bei hoher Eisen- und geringer Zinkkonzentration. Dann 
ist das vegetative Wachstum weniger stark, und das dünne Mycel ist 
über und über mit Sporen bedeckt. Das Eisen steigert die Atmung 
und muß damit auch den C-Stoffwechsel steigern und so de Bedingung 
für eine reichliche Fruktifikation schaffen. 


Die Sporenbildung ist also abhängig von Eisen und Zink und nicht 
von Eisen oder Zink allein. 


Diese Beziehung zwischen der Sporenbildung und dem Eisen und 
Zink haben schon die französischen Forscher Linossier (1) (2), Javillier- 
Sauton und Sauton (l) geahnt. Auch Richards hat Unterdrückung der 
Sporenbildung durch Zinkzusatz festgestellt. Während Linossier 
behauptet hatte, das Eisen bewirke die Bildung des schwarzen Sporen- 
farbstoffs und somit auch der Sporen selbst, behaupteten Javiller- 
Sauton, daß nicht das Fehlen des Eisens, sondern die Gegenwart des 
Zinks die Ursache für das Ausbleiben der Sporen sei. Das Zink wirke 
besonders bei schlechter Ernährung des Pilzes, was ja beim Eisen- 
mangel der Fall sei. Dem Zink maßen die Forscher eine größere Be- 
deutung bei als dem Eisen, weil sie in ‚eisenfrei‘‘ aufgewachsenen 
Mvcelien mit Rhodan kein Eisen mehr nachweisen konnten. 


Die Sporenfarbe. 


. Wie der Name des Pilzes besagt, sind seine Sporen für gewöhnlich 
schwarz gefärbt. Diesen Farbstoff hat Linossier (1) „Aspergillin‘‘ genannt 
und ihn mit dem Hämatin der Tiere verglichen, weil er ziemlich viel Eisen 
enthalten und Sauerstoff binden soll. Vor allem bei seiner Bildung ab- 
sorbiere das Aspergillin sehr viel Sauerstoff. Worauf das beruht, werde 


334 H. Bortels: 


ich zeigen. Früher hatte man das Aspergillin sowie auch noch andere 
schwarze Pilzfarbstoffe (Sporen der Brandpilze) als Humine angesehen 
(Lucas). Neuerdings aber neigt man mehr zu der Annahme, solche dunklen 
Farbstoffe seien Anthrachinonderivate (Czapek). Für das Aspergillin 
trifft jedenfalls, wie ich zeigen konnte, die frühere Annahme zu. 


37. Versuch. Von mehreren sporenreichen Mycelien schwemmte und tupfte 
ich die Sporen mit H,O ab, setzte eine Spur Kalilauge zu, verrieb mit 
Quarzsand und filtrierte. Das Filtrat war braunrot gefärbt. Mit 
Salzsäure flockte dieser Farbstoff in braunschwarzen, voluminösen 
Massen aus, die sich mit ganz wenig Alkali oder Ammoniak wieder 
braunrot lösten. Die nach der Fällung restierende Flüssigkeit war 
schwach gelb. Eine größere Menge dieses ausgefällten und gut ge- 
waschenen Niederschlags löste sich schon auf Zusatz einer außer- 
ordentlich geringen Menge Natronlauge, so daß ich den Vorgang als 
Peptisation ansprechen mußte. In dem braunen Niederschlag lag also 
offenbar ein Kolloidgel vor, das durch Natronlauge peptisiert wurde. 


38. Versuch. Eine sporenreiche, schwarze Decke rieb ich zunächst mit 
96proz. Alkohol ab und filtrierte. Filtrat rotbraun 1. 
1. Rückstand + H,O. Filtrat rotbraun 2. 
2. Rückstand + NH,-Wasser. Filtrat rotbraun 3. 
Es blieb ein schwarzer dritter Rückstand, der sich auch nicht in 
Alkalı löste. 


1. + HCl: Allmählich (nach Zusatz von etwas H,O schneller) 
Trübung und Absetzen eines braunen, typisch huminen Niederschlags. 
Die überstehende Flüssigkeit war stark gelb gefärbt. Ein anderer Teil 
wurde verdunstet und dann in H,O aufgenommen. Hierin löste sich 
nicht alles. Das übrige ging zum Teil wieder nur in Alkohol über. 
Der Rest blieb ungelöst. Die H,O-Lösung verhielt sich gegen HCl 
wie die alkoholische Lösung. 

2. Mit HCl sofort braune, humine Flocken. Filtrat völlig farblos. 


3. + HCl: Wie 2. Filtrat völlig farblos. 


Die Farbe und die Art der Fällung dieser Extrakte sind genau 
dieselben wie beim Erdhumus. Deshalb scheint für diese Fraktionen 
des schwarzen Konidienfarbstoffe auch nur die Bezeichnung ‚Humine“ 
angebracht, ein Ausdruck, der über die Chemie dieser Stoffe allerdings 
auch nichts aussagt. Die unterschiedlichen Eigenschaften betreffs 
Löslichkeit und Fällung lassen sich vielleicht zum Teil durch Annahme 
verschiedener Teilchengrößen erklären. Wären diese Körper noch 
Anthrachinone, dann würden sie sich betreffs Löslichkeit etwas anders 
verhalten: 


39. Versuch. Eine Peptisation des schwarzen Materials mit NaOH wurde 
mit HCl gefällt und viermal mit H,O gewaschen. Der Rückstand löste 
sich nicht in H,O, Alkohol, Aceton oder H,SO, wohl aber in H,O, 
dem eine minimale Spur NaOH zugesetzt war. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 335 


Dieser schwarzbraune, voluminöse Niederschlag ist gewiß nichts 
anderes als jene noch nicht näher bekannten Stoffe, die man „Humussäuren‘ 
nennt. 

Das Filtrat der Fällung war gelb gefärbt. Der Niederschlag wurde 
wieder in NaOH gelöst und abermals gefällt. Nach dieser Elimination 
des gelben, nicht fällbaren Anteils war das Filtrat völlig farblos. Auch 
bei der Fällung eines Erdhumusextraktes bleibt das Filtrat immer 
schwach gelb gefärbt. Diese Fraktion scheint das zu sein, was sich in 
Alkohol löst. Natürlich gibt es zwischen diesen Stufen verschiedener 
Teilchengröße Übergänge. 

Die Lösungs- und Fällungsverhältnisse der verschiedenen Humin- 
anteile sind sehr kompliziert. 


40. Versuch. Eine rotbraune alkoholische Lösung von „Aspergillin‘“ gab 
mit HCl eine geringe braune Fällung. Das rotbraune Filtrat zeigte 
nach NaOH-Zusatz tiefgrüne Fluoreszenz. Zugleich entstand ein 
Niederschlag, der sich in H,O löste und darin nunmehr mit HCl 
quantitativ gefällt werden konnte. Das alkoholische Filtrat wurde auf 
dem Wasserbad nach Zusatz von wenig H,O so lange eingedampft, bis 
sich der ganze Alkohol verflüchtigt hatte. Hierbei trübte sich die stark 
eingedickte Lösung. Auf Zusatz von HCl entstand ein dicker Nieder- 
schlag in dem Maße, wie CO, entwich, die von der NaOH absorbiert 
war (die Lösung hatte einen Tag gestanden). Dann ließ ich das Ganze 
wieder einen Tag stehen und pipettierte dann die überstehende gelbe 
Lösung ab. Dabei entwich der Rest CO, die Farbe ging von Gelb 
ın Braun über, und feine schwebende braune Flöckchen fielen aus. 
Es scheint also, als ob diese Huminfraktion durch adsorptiv gebundene 
CO, in der sauren Lösung vor dem Ausflocken geschützt wird. 


Linossier hatte das ‚‚Aspergillin‘ analysiert und viel Eisen gefunden 
und glaubte deshalb, den Stoff als eine einheitliche Eisenverbindung 
ansprechen zu müssen. Da aber der schwarze Sporenfarbstoff gemäß 
obiger Versuchsresultate ein kolloides Gemenge verschiedener Humin- 
substanzen ist, so wird wahrscheinlich die Gesamtmenge des Eisens 
nicht chemisch, sondern adsorptiv gebunden sein, wie auch Erdhumus 
viel solches Eisen enthält. 


41. Versuch. Durch ein Filter mit gut gewaschonem Aspergillinhumus 
saugte ich eine Eisenchloridlösung, die sich vorher mit HCl, H,O, 
und NH,SCN kräftig rot färbte. Nach der Filtration gab diese Lösung 
mit Rhodan gar keine Färbung mehr. Also war alles Eisen adsorbiert. 
Ich sehe folglich im Aspergillin von Linossier nichts anderes als 

ein Gemenge von verschieden stark humifizierten Substanzen. 

Was ist aber bei Aspergillus niger der Vorgang der Humifizierung 
und was kommt als Au:gangsstoff in Frage? Ich habe bewiesen, daß 
der schwarze Sporenhumus nur bei Gegenwart von Kupfer gebildet 
wird. Ohne Kupfer bleiben die Sporen gelb, während sie bei unter- 
optimaler Kupferkonzentration allmählich von gelb bis schwarzbraun 
nachdunkeln (Versuch 29), oder auch Mischungen von gelben und 


336 H. Bortels: 


schwarzen Sporen entstehen. Das Kupfer katalysiert also die Humi- 
fizierung, die zur Bildung fällbarer, schwarzbrauner Humussäuren 
führt. Ganz analoge Vorgänge spielen sich in der Nährlösung ab (siehe 
nächstes Kapitel). Schon Milburn hat vermutet, daß zwischen der 
gelben Farbe in der Lösung und dem Sporenfarbstoff Beziehungen 
bestehen. Solche Zusammenhänge konnte ich tatsächlich nachweisen. 
Bei unteroptimaler Eisen- und Kupferkonzentration wird nämlich in 
stickstoff- und zinkreichen Nährlösungen ein schöner Farbstoff gebildet 
der offenbar durch Kupfer in mit Salzsäure fällbare schwarzbraune 
Humussäuren und durch Eisen in nicht fällbare, gelbe Humine ver- 
wandelt wird. 

Dieser Farbstoff steht also in enger Beziehung zur Humifizierung 
und kommt vielleicht auch als Ausgangsstoff hierfür in Frage. (Nach 
Adler-Wiechowski bilden sich Humine in alkalischer Lösung nur aus 
zyklischen Körpern.) Den Vorgang der Humifizierung selbst könnte 
man sich so vorstellen, daß diese beim Eiweißabbau entstehenden 
zyklischen Körper sich bei gleichzeitiger Oxydation vermittelst Kupfer- 
katalyse kondensieren [Wertheimer IL So entstehen wahrscheinlich die 
mit Salzsäure fällbaren Humussäuren des Aspergillins, während die 
Bildung der gelben, nicht fällbaren Humine offenbar vom Eisen kata- 
lysiert wird. Auf diese Weise dürfte vielleicht auch die Entstehung 
eines Teiles von Erdhumus zu erklären sein. 

Aın Schluß dieses Kapitels möchte ich noch auf folgendes hinweisen: 
Wehmer hat schon die Forderung erhoben, die hell gefärbten Aspergillus- 
arten dem Aspergillus niger als Spezies anzugliedern. Zu derselben Ansicht 
kommt Schiemann. Sie faßt die braunen oder gelben Arten als Farb- 
mutanten auf. Den schon bestehenden ochraceus und ostianus fügt sie 
die neuen Spezies fuscus und cinamomeus hinzu. Die Häufigkeit der Ent- 
stehung solcher Mutation wurde durch „starke Reize‘‘ gesteigert. Zuweilen 
traten auch Rückschläge auf (Modifikationen). Ich vermute, daß bei dieser 
Mutations- und Modifikationsbildung auch Zink und Kupfer eine Rolle 
gespielt haben. Alle derartigen Beschreibungen hellfarbiger Aspergillus- 


rassen müßten auf diesen neuen Gesichtspunkt hin kritisch geprüft werden: 
ein gleiches gilt auch von der Arbeit von Jaenicke. 


Die Farbe der Nührlösung. 


Ähnliche Verhältnisse wie die eben beschriebenen kehren bei der 
verschiedenartigen Färbung der Nährlösung wieder. 


1) Erst bei Drucklegung der Arbeit konnte ich die Literatur über 
Humusstoffe näher einsehen und mußte feststellen, daß auch Fuchs (Mar- 
gosches und Fuchs, „Über Naturprodukte“, Dresden und Leipzig 1923), 
Eller und Koch (Ber. d. deutsch. chem. Ges. 58, 1490, 1919), Schrader 
(Brennstoffehemie 8, 161, 1922) und Höfer von Heimhalt (Naturwissensch. 
10, 113, 1922) auf ganz anderen Wegen zur Überzeugung gelangt sind, daß die 
Humusstoffe durch oxydative Kondensation von zyklischen Körpern 
entstehen. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 337 


Der Pilz färbt saure Zuckerlösungen gewöhnlich gelb. Von diesem Farb- 
stoff löste sich manchmal ein geringer Teil in Äther, meistens aber nicht. 
Mit Salzsäure wurde die gelbe Farbe zuweilen etwas dunkler, momentan 
entstand aber kein Niederschlag. Erst nach längerem Stehen setzte sich oft 
ein geringer brauner Niederschlag ab. Dieser nicht ätherlösliche Teil war 
in Alkohol löslich. Das war also offensichtlich das schon beschriebene, nicht 
fällbare Humin mit einer geringen Beimischung von fällbaren Humussäuren. 

Setzte ich nun aber das erwachsene Mycel von der inzwischen stark 
sauer gewordenen Nährlösung auf eine reine Aschensalzlösung mit Kalium- 
nitrat ohne Zucker, dann sezernierte das Mycel in diese Lösung einen 
schmutzig rotvioletten Farbstoff in geringer Menge, der mit Salzsäure in 
leuchtend gelb umschlug. Zucker stand dem Pilz bei Bildung des Körpers 
nicht zur Verfügung. Er mußte also wohl ein Eiweißspaltprodukt sein. 
Dieser ätherlösliche Farbstoff wurde vom Pilz in sehr großen Mengen 
gebildet, wenn die Nährlösung reichlich Zink, wenig Eisen, keinen Kupfer- 
zusatz und außerdem sekundäres Phosphat, wenig Zucker und viel Stickstoff 
enthielt. Die Nährlösung war dann nach mehreren Tagen schmutzig violett 
gefärbt. Mit Salzsäure schlug die Farbe in goldgelb um und ließ sich dann 
mit Äther ausschütteln, wodurch der Farbstoff von den Huminen gereinigt 
wurde. Unterschichtete ich die gelbe Ätherlösung mit schwach alkalischem 
Wasser und schüttelte durch, dann trat der Farbstoff mit braunvioletter 
Farbe in das Wasser über. In diesem Ätherextrakt sind außer dem Farbstoff 
noch „huminartige‘“ Stoffe. Nach Eindunsten des Äthers und Aufnahme 
in wenig Wasser mit NaOH fallen diese Stoffe bei Zusatz von Alkohol aus. 
Der Farbstoff bleibt dann rein leuchtend violett in der Lösung. 


Daß dieser schön gefärbte Stoff tatsächlich im Verlauf der Eiweiß- 
spaltreaktionen entsteht, geht auch noch aus folgendem hervor: Zunächst 
ist die N-Quelle in ihrer Quantität sowohl wie in ihrer Qualität aus- 
schlaggebend. So erhielt ich schon in nicht gereinigter saurer Lösung 
und ohne Zinkzusatz den hier gelb erscheinenden Farbstoff, wenn die 
Stickstoffquelle ausgiebig war (Asparagin). Gab ich außerdem auch 
noch Zink, ro war die Bildung dieses Farb;toffes viel stärker, die 
Nährlösung wurde alkalisch und färbte sich tief rotbraun (Gemisch von 
dem nunmehr violett erscheinenden Farbstoff mit Huminen). Da die 
Eiweißatmung erst gegen Ende des Wachstums, wenn der Zucker 
bereits verbraucht ist, stark in Erscheinung tritt, so entstehen auch 
Farbstoff und Humine erst nach einiger Zeit. 


42. Versuch. 30. April bis 11. Mai 1925. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 
NH,NO, 0,5, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125, Asparagin 2, Mohrsches 
Salz Spur. 

50 ccm in 250-cem-Kolben. 25 bis 30°C. 

Die sauren Lösungen wurden auf dem Wasserbad eingedampft, 
mit verdünnter Salzsäure wieder aufgenommen und filtriert. Zucker 
war nicht mehr vorhanden. Das Asparagin veränderte sich dabei nicht. 


Menge des H Chs; Farbe des Filtrats 


Tag Menge des H Cis: 
Niederschlags 


l N Tag 
der Ernte Niederschlays Farbe des Filtrats der Ernte 


2. V. wenig | schwach gelb 


1. V. | viel | gelb 
4. V. mehr | gelb ILV. | 


stark gelb 


ga 


338 H. Bortels: 


Etwas Eisen ist zur Bildung des Farbstoffs natürlich ebenfalls 
notwendig, wenngleich dieser dann auch leicht von überschüssigem 
Eisen zu Humin oxydiert wird. Ein N-Produkt der Eiweißatmung ist 
das Ammoniak. Das Auftreten des Farbstoffs muß also mit dem des 
Ammoniaks zeitlich ungefähr zusammenfallen. Einige Versuche, die 
dieses sowie die Abhängigkeit der Farbstoffbildung von der Zeit und 
vom Eisengehalt demonstrieren, seien hier angeführt: 


43. Versuch. 26. Mai bis 2. Juni 1925. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 
KNO, 0,5, Asparagin 1, KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125, Fe als Spur 
Mohrsches Salz, ZnSO, 0,0002. 


200 ccm in 2-Liter-Kolben. 25 bis 30°C. 


Datum | Farbe der Nährlösung | Reaktion d Nährlösung | Nessler Fehling 

28. V. j farblos | 

29. V. | schwach gelblich | schwach sauer | ganz schwach | positiv 
positiv 

30. V. asss braunrot | schwach alkalisch positiv negativ 

31. V. | braunrot $ S | S s 

1. VI. | rot S $ stark positiv S 


2. VI. i stark rubinrot 


44. Versuch. 29. Mai bis 2. Juni 1925. Nährlösung: H,O 100, Dextrose 5, 
Asparagin 3, KH,PO, (S) bzw. K, HPO, (A) 0,25, MgSO, 0,125, 
+ Fe 0,001, ZnSO, 0,0002. 


100 ccm in 1,-Liter-Kolben. 30°C. 


Am 1. Juni war die Farbe der Nährlösung bei 
A + Fe gelb, 
A — Fe schwach grüngelb, 
S + Fe etwas weniger gelb als bei A + Fe und bei 
S — Fe grüngelb. 


Am 2. Juni: 


A — Fe | S — Fe Ä A + Fe S + Fe 


Farbe der Nährlösung . grüngelb , gelbgrün braun E braun 


Reaktion der Nährlösung ` sauer | schw.alkal. | schw. alkal. | schw. alkal. 
Fehling . » 2.2 .2.. | positiv ` Spur negativ negativ 
Nessler siasii a e ‚schwach, positiv stark stark 


Nach einigen weiteren Tagen waren A — Fe und S — Fe beide 
alkalisch und rot gefärbt, nach Ansäuern mit HC] gelb. Diese gelbe Farbe 
ging fast vollkommen in Äther über. Die schwach alkalischen Lösungen 
wurden auf dem Wasserbad eingedampft und in alkalischen Wasser 
wieder aufgenommen: braunrote Lösung. + HCl: gelbbraun. Hiervon 
löste sich nur noch ganz wenig in Äther. In Alkohol löste sich alles. 
Durch das Erhitzen war also offenbar der ätherlösliche Farbstoff ın 
alkohollösliches Hurnin verwandelt worden. 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 339 


Bei der üblichen N-Konzentration wird in alkalisch gewordenen 
Nährlösungen immer ein Gemenge des Farbstoffs mit Huminen gebildet, 
das dann je nach dem Humingehalt rubinrot oder braunrot aussieht. 
Die Intensität der gesamten Farbstoffbildung ist abhängig von der 
H'-Konzentration. In sauren Lösungen ist die Färbung nur schwach 
und wird fast nur durch braungelbes Humin hervorgerufen, während 
alkalische Lösungen stark gefärbt sind (dunkelrot bis violett) und 
meist noch unzersetzten Farbstoff enthalten. Es genügt schon der 
Kalkgehalt des Göttinger Brunnenwassers, um die Bildung des Farb- 
stoffs und der Humine zu fördern: 


45. Versuch. 30. Januar bis 3. Februar 1925. Nährlösungen: S Aqua dest. 
100, A Brunnenwasser 100, Dextrose 5, NH,NO, 0,5, KH,PO, 0,25, 
MgSO, 0,125, Mohrsches Salz Spur, ZnSO, 0,0001. 


20 ccm in 100-cem-Kolben. 30°C. 


| Frischgewicht | Farbe der Nähte 


| g lösung 
EE 4.4 schwach gelb 


A... 5,4 rotbraun 


A war neutral, S sauer. l 
A + HCl: gelb, zum größten Teil ätherlöslich. 
S + HCl: gelb, nicht ätherlöslich. 


46. Versuch. 23. April bis 1. Mai 1925. Nährlösungen: 


1. Stark sauer: H,O 100. Dextrose 5, NH,NO, 0,5, Asparagin 1, 
KH,PO, 0,25, MgSO, 0,125, Mohrsches Salz Spur, ZnSO, 0,0001, 
H,SO, so viel, daß Nährlösung ungefähr n/15 H, SO,- 


2. Schwach sauer: dasselbe ohne H, SO, 


3. Alkalisch: statt NH,NO, KNO, statt KH,PO, K,HPO,„ 
sonst wie 2. 


Am 25. April war die Nährlösung von 1 farblos, 2 farblos, 3 gelb. 

Am 27. April war die Nälrrlösung von 1 hellgelb, 2 dunkelgelb, 
3 rotbraun. 

Am 29. April war die Nährlösung von 1 gelb, 2 braun, 3 rot. 

l und 2: Humine. 3: Größtenteils Farbstoff. 


Farbstoff und Humine stehen in enger Beziehung zueinander, 
denn die Humine entstehen offenbar aus dem Farbstoff (wenigstens 
zum Teil). Dieser bleibt vor Humifizierung nur dann verwahrt, wenn er 
in der Nährlösung nicht mit großen Eisenmengen (0,001 bis 0,01 Proz. Fe) 
zusammentrifft, oder gar mit Kupfer. Wird nur wenig Farbstoff gebildet 
(bei wenig Zink und Stickstoff oder in saurer Lösung) und erfolgt seine 
Bildung in stark eisenhaltiger Lösung, so findet man am Ende der 
Kultur keinen ätherlöslichen Farbstoff mehr vor, sondern nur mehr 
gelbes, alkohollösliches, nicht fällbares Humin. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 23 


340 H. Bortels: 


47. Versuch. 20. bis 26. Februar 1926. Aus einer größeren Versuchsreihe 
mit der Nährlösung: H,O 100, Saccharose 5, KNO,0,5, K,HPO, 0,25, 
MgSO, 0,125 (mit einer Spur Ammoniumsulfid und 1 Proz. Kohle 
gereinigt) wurden nach der Ernte die Kölbchen 

mit 0,1, 1, 10 mg Fe pro 100 eem, 

und 2, 2, 2 „ Zn „ 100 „ 
zur Untersuchung der Lösung ausgewählt. 10 eem Lösung wurden 
mit 1 Tropfen konzentrierter HCl versetzt und mit 20 ccm Äther 
extrahiert. Der Farbstoff wurde aus der Ätherlösung wieder in 5 cem 
H,O + 4 Tropfen KOH-Lösung überführt: rotviolett. Die nach der 
Ätherextraktion restierende Lösung: gelb (Humin). 


Mg Fe pro 100ccm ... 0,1l 1 10 
mg Zn „ 100 „ ... 2 2 2 
Farbstoff . . . 2.2.2... ++ + = 
Humin e 2.2.0.0 #4 +++ +++ 


+++ = sehr stark, ++ = stark, + = schwach. 


Kommt aber der Farbstoff in der Lösung mit Kupfer zusammen, 
dann geht die Humifizierung weiter bis zu dunkelbraunen Humus- 
stoffen. Ob diese sich ohne weiteres in der Nährlösung fällen lassen, 
habe ich noch nicht versucht. 

Daß der Farbstoff durch Kupfer und Eisen tatsächlich katalytisch 
oxydiert wird, geht daraus hervor, daß es mir gelang, den Farbstoff 
in alkalischer Lösung mit Spuren von Kupfer sowohl wie von Eisen 
in der Kälte zu zerstören. Dabei entstehen braune Humine. Mit Kupfer 
geht der Vorgang schneller als mit Eisen. Auch ohne besonderen Zusatz 
von Kupfer oder Eisen wird der Farbstoff in alkalischer Lösung langsam 
humifiziertt. Das kann man verhindern, indem man der Lösung eine 
Spur Cyankali zufügt. i 

Jedenfalls sind die Bedingungen für die verschiedenartigen 
Färbungen der Nährlösung ganz ähnlich denen bei der Sporenfärbung, 
und es besteht die Beziehung: 

10 mg Fe pro 100 eem Lösung gelb, 

— Cu „ 100 , Sporen gelb. 


10 mg Fe „ 100 ,, Eeer braun, 
0,1 „ Cu „100 ,, Sporen schwarz. 


0,4 mg Zu pro 100 eem 


Über den von Raulin entdeckten, in eisenarmen Lösungen 
entstehenden Stoff. 


Raulin stellte fest, daß Aspergillus in „eisenfreien Lösungen“ einen 
Stoff gebildet hatte, der sich mit Ferrisalz rot färbte. Später zeigten dann 
Javillier-Sauton, daß dieser Körper nur bei Gegenwart von Zink entsteht, 
nicht bei gleichzeitigem Fehlen von Eisen und Zink. Durch Kulturen auf 
mit Kohle gereinigter schwach alkalischer Lösung gelang es mir, die Ansicht 
von Jarillier-Sauton zu bestätigen. Ferner stellte ich fest, daß auch dann, 
wenn das Eisen wirklich fehlt, der fragliche Stoff offenbar nicht gebildet 
wird (Lebensnotwendigkeit des Eisens!). Für diese Bildung besteht eine 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 341 


sehr niedrige optimale Eisenkonzentration. Zink ist zur Bildung unbedingt 
notwendig, fördert diese aber in jeder Konzentration. Je mehr Zink, um so 
mehr entsteht auch von der fraglichen Substanz. 


48. Versuch. Genaue Beschreibung bei Versuch 36. Der fragliche Stoff 
war in beiden Eisenreihen ohne Zink nicht und am meisten in den Kolben 
mit höchster Zinkgabe gebildet. Die Kulturen mit 0,000001 Proz. Fe 
hatten mehr als doppelt so viel gebildet wie die ohne Fe (an der Intensität 
der Färbung gemessen). 


Da das Zink anscheinend katalytische Funktionen im Eiweißstoff- 
wechsel versieht, muß angenommen werden, daß auch dieser mit Eisen sich 
rot färbende Stoff ein Eiweißspaltprodukt ist. Das geht auch daraus Kee, 
daß seine Bildung erst ziemlich spät einsetzt. 


Ließ ich auf die erste eisenfreie Kultur eine zweite mit Eisen folgen: 
dann wuchs der Pilz hierauf sehr gut, sofern er noch genügend Zucker hatte. 
Der Stoff ist also kein Gift und kein Rhodanid, wie Raulin vermutet hatte. 
Rhodanid auch deshalb nicht, weil die Färbung nicht rot, sondern mehr 
braunrot ist, und weil chemische Eigenschaften des Rhodans für diesen 
Stoff nicht zutreffen. Der Körper ist aber auch kein Zwischenprodukt des 
normalen Stoffwechsels. Denn sonst würde er doch wohl vom Pilz der 
zweiten Kultur verzehrt werden. Auch Hefe vermag ihn nicht zu zerstören. 
Nur eine unbekannte Art von Stäbehenbakterien, die mir einmal in eine 
solche Lösung zufällig hineingeraten waren, zerstörten den Stoff sehr schnell 
bei gleichzeitiger Reduktion des Nitrats (von NH,NO,) zum Nitrit. 


So widerstandsfähig dieser Körper sich gegen biologische Angriffe 
erweist, um so labiler verhält er sich gegen chemische Agenzien. Seine 
Löslichkeit ın H,O ist sehr groß, weniger löslich ist er in Eisessig und noch 
etwas weniger in 96proz. Alkohol. Seine Kristallisation oder anderweitige 
Isolierung ist mir nicht gelungen. 

Als ich eine mit wenig Eisen rotbraun gefärbte Lösung mit etwas 
Alkali versetzte, schwach erwärmte und dann wieder mit Salzsäure an- 
säuerte, war die Lösung nicht mehr rotbraun, sondern schön violett gefärbt. 
Aus verschiedenen Gründen nehme ich an, daß dieser neue Stoff durch die 
Alkaliwirkung aus dem rotbraun gefärbten entstanden ist (z. B. entsprach 
die Menge des einen stets der des anderen). Beweisen konnte ich das jedoch 
nicht, weil ich beide nicht isoliert habe. 


Wenn die Umwandlung bei zu starker Alkalität vorgenommen wird, 
geht die Reaktion weiter, und die Lösung färbt sich dann mit Eisen 
nicht mehr. In den Nährlösungen, die Ammonnitrat oder Harnstoff ent- 
hielten, konnte ich Natronlauge verwenden, weil dann durch die Lauge 
Ammoniak frei gemacht wird und nur dies zur Einwirkung kommt. Enthielt 
die Lösung aber Natriumnitrat, dann ging die Wirkung der Lauge gleich 
bis zur völligen Zerstörung. In solchem Falle mußte ich die Reaktion mit 
Ammoniak vornehmen. 

Setzte ich zur rotbraunen Lösung etwas Mineralsäure, so wurde die 
Farbe nur ganz wenig violettstichig. Dagegen wurde die Farbe nach Be- 
handlung mit schwacher Lauge rein und tief violett, wenn dabei richtige 
Eisenmenge, richtige Temperatur und Zeit der Laugeneinwirkung und 
genügende Salzsäuremenge zur Anwendung kamen. 

Bei jedem Versuch wurde eine besondere Kulturlösung und eine dieser 
angepaßte, besondere Eisenchloridlösung verwendet. 


23* 


342 H. Bortels: 


49. Versuch. l. 2cem Lösung + 0,01l ccm FeCl, + 0,2 ccm n NaOH. 
Nach 2 Minuten + 0,4 cem n HCl: braunviolett. 


2. Dasselbe, aber 1 Minute bei 50°: rein violett, aber etwas schwächer 
als 1. 


3. Dasselbe 2 Minuten bei 30°: rein violett ebenso stark wie 1. 


Kochte ich 3, so trat allmählich völlige Entfärbung ein. Das blieb 
auch nach Abkühlen so. Nach erneutem Zusatz von FeCl, ließ ich die 
Lösung dann nur ganz schwach zu bräunlichrot wieder auffärben. 
Auch in der Kälte nahm die violette Farbe an Intensität ab. Nach 
einigen Stunden + FeCl,: wieder volle Intensität. 


50. Versuch. (Deem Lösung + 0,5ccm n NaOH.) 2 Minuten bei 40°. 
Davon je 1l cem 
a) — 
b) + 0,1 cem FeCl, 
c) + 0,3 „ nHA, 
d) + 0,1 „ FeCl, + 0,3 cem n HOI. 


Nach 24 Stunden wurde bei a), b) und c) das ergänzt, was ihnen 
im Gegensatz zu d) noch fehlte. Dann waren gefärbt: 


a) violett, 
b) violett, 
c) ganz schwacher rötlichbrauner Schimmer, 
d) sehr schwach violett. 
d) färbte sich mit FeCl, wieder etwas auf. Also war nur c) fast voll- 


kommen zerstört. Dasselbe Resultat erhielt ich noch einmal bei den- 
selben Bedingungen mit 0,4 ccm n HCl. 


Also ist der Stoff in alkalischen Lösungen haltbar, in sauren nicht. 
Eisenchlorid hemmt den zerstörenden Einfluß der Salzsäure. 


51. Versuch. 1. (0,5ccm Lösung + Leem FeCl, + 0,2ccm nNaOH) 
2 Minuten bei 50°. Nach Abkühlen + 2 cem n HCl: braunrot. 
Bei 20°: Dasselbe. 


2. (0,5 ccm Lösung + Leem FeCl, + 0,5 cem n NaOH) einen Augen- 
blick in leuchtender Flamme. Dann abgekühlt. + l cem n HCl: 
erst rein rotbraun. Dann ganz schwach violetter Stich. 


3. (0,5cem Lösung + O,lccm FeCl, + 0,5ccem nNaOH) in der 
hohlen Hand erwärmt. Nach Abkühlung + Leem n HCl: rein 


tief violett. 
Dasselbe 2 Minuten bei 51°: tief violett. 
SR 3 og an 51%: etwas brauner. 
e 1% Stunde , 100°:nur noch schwach rötlich braun. 


së Ve ek „ 100%: + lccem nNaOH + 2 cem n HCl: 
nur noch schwach bräunlich. 


Ein Überschuß von Eisenchlorid verhindert also das Auftreten der 
violetten Farbe. Ebenso zu hohe Temperatur. 


Lu E et A 
e |—— 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 343 


52. Versuch. 1. (eem Lösung + 0,5ccm n NaOH) 1Minute bei 40°. 
+ 0,3 ccm FeCl, + 0,5 cem n HCI: rotbraun. + 0,5ccm n HCO 
außerdem: rotviolett. 

2. Dasselbe 5 Minuten bei 40°. + 0,5 ccm n HCl: rotbraun. + außer- 
dem noch 1 ccm n HCl: tief violett. Auch bei 1 mit mehr HCl violett. 


Also nur bei starkem Ansäuern tritt die violette Farbe auf. 

Beide Stoffe, der mit Eisen rotbraun und der mit Eisen violett ge- 
färbte, verhalten sich betreffs Löslichkeit gleich. Beide reduzieren Fehling- 
sche Lösung nicht. Beide werden jedoch von Kaliumpermanganat schon 
in der Kälte momentan oxydiert. 


53. Versuch. Zwei Kulturen + und — Fe wurden mit KMnO, auf ihre 
Reduktionskraft geprüft: beem — Fe reduzierten bei Zimmertempe- 
ratur 28,2 ccm n/25 KMnO,-Lösung, 5 ccm + Fe dagegen nur 3,0 ccm 
n/25 KMnO,-Lösung. Die Lösung — Fe enthielt ziemlich viel von 
dem mit Ferrisalz sich rotbraun färbenden Stoff. Nach der Oxydation 
färbte Eisen nicht mehr. 


54. Versuch. 5 ccm Lösung + zwei Kriställchen K MnO, bis zur bleibenden 
Braunsteinbildung. Aufgekocht und filtriert. Filtrat färbte sich mit 
Fe nicht mehr rotbraun. + 0,2ccm konzentriertes NH,. 1 Minute 
bei 30°. + HCl: keine violette Färbung. 
Beide Stoffe wurden also durch Kaliumpermanganat zerstört. 
Beide Stoffe reduzieren in der Kälte auch langsam Eisenchlorid. In 
der Hitze verläuft diese Reaktion sehr schnell. Mit Ferricyankali kann 
man die Reduktion des dreiwertigen Eisens zum zweiwertigen verfolgen. 


55. Versuch. Eine Lösung mit dem fraglichen Stoff wurde auf vier Röhrchen 
verteilt. Zwei davon bekamen einen Überschuß von FeCl,. Diese 
waren nun dunkelrot. Jetzt wurden alle vier dreimal 20 Minuten 
lang auf 100° erhitzt. Danach waren die Lösungen + Fe nur mehr 
bräunlichrot gefärbt. Beim Abkühlen dunkelten sie nur wenig nach. 
Auf erneuten Zusatz von FeCl, waren wieder alle kräftig gefärbt, 
etwas dunkler jedoch die ursprünglich ohne Eisen erhitzten. 

Also hatte das Eisenchlorid etwas von dem Stoff oxydiert. 


Nach Zusatz von etwas Eisen werden beide Stoffe auch beim gelinden 
Erwärmen mit Woasserstoffperoxyd momentan zerstört. 


Die Ursache der Umfärbung ist die Lauge, nicht auch das Eisen. 
Wahrscheinlich ist dieser Vorgang eine Verseifung. 


56. Versuch. a) (eem Lösung + 0,5cem nNaOH + O0,lcem FeCl,) 
2 Minuten bei 40°. 


b) (eem Lösung + 0,5cem n HCI + 0,l cem FeCl,) 2 Minuten 
bei 40°. 
Darauf a) und b) mit 1,5 cem n HCl: 
a) violett, 
b) rotbraun. 
Dasselbe Resultat, wenn b) ohne NaOH und ohne HCl erwärmt wurde. 
Dasselbe Ergebnis und noch einiges mehr brachte der nächste Versuch. 


344 H. Bortels: 


57. Versuch. l. (2ccm Lösung + 0,3 ccm FeCl + 0,75ccm n NaOH) 

2 Minuten bei 30°. Gekühlt. + 1,5 ccm n HCl: violett. 

2. (2ccm Lösung + 0,75 ccm n NaOH) 2 Minuten bei 30%. Gekühlt. 
+ 1,5 cem n HCl + 0,3ccm FeÜl,: ebenso violett. 

Also ist die Umfärbung allein der Lauge zu verdanken, nicht dan Eisen. 

3. Dasselbe wie 1 mit ganz wenig FeCl,: die violette Farbe trat erst 
schwach auf, verstärkte sich allmählich und wurde schließlich fast 
so stark wie mit der optimalen Eisenmenge. 

Also bildet sich die violette Farbe mit einer Geschwindigkeit, die der 
Eisenkonzentration entspricht. Mit wenig Eisen verläuft diese Reaktion 
meßbar langsam. 

4. Wie 1. behandelt: In zwei Teilen: a) gleich angesäuert: violett; 

b) erst 12 Stunden später angesäuert: Jetzt war b) stärker gefärbt 
als a) (siehe Versuch 50). 

5. Nach Vorschrift 1. behandelt; aber statt n NaOH reichlich N H}: 

ebenfalls violett. 

Der Stoff aus der Aspergillusnährlösung wurde mit einigen bekannten 
Phenolen und Enolen verglichen. 


58. Versuch. Brenzcatechin und Acetessigester gaben mit Eisenchlorid fast 
die gleiche Färbung. Acetessigester verträgt Erwärmen mit n NaOH 
nicht. Wohl aber, wenn man vorher Ammonacetat hinzugesetzt hat. 
In meinen Lösungen kam ja auch Ammoniak und nicht Natronlauge 

zur Wirkung. In Lösungen, die kein Ammoniumsalz enthielten, konnte ich 

die Umwandlung auch nur mit Ammoniak und nicht mit Natronlauge 
vornehmen. 


59. Versuch. Aspirinlösung nach Zusatz von Ammoniumacetat nach Vor- 
schrift 1 von Versuch 59 behandelt: 


l. ohne NaOH: farblos, 
2. mit NaOH: violett. 


Die aufgeführten Versuche machen es wahrscheinlich, daß es sich 
bei dem mit Eisen violett gefärbten Stoff um ein Phenol oder Enol 
handelt, das vielleicht durch Verseifung aus dem vom Pilze gebildeten, 
mit Ferrisalz sich rotbraun färbenden Stoff entsteht. Daß dieser gegen 
Sauerstoff so labile Körper gerade in eisenarmen Lösungen gebildet 
wird, steht mit der Rolle des Eisens als Oxydationskatalysator in 
vollem Einklang. 


Niemals sah ich in den Nährlösungen Kristalle auftreten. Deshalb 
können beide Körper nicht mit dem von Wijkman beschriebenen Pilz- 
produkt Cath identisch sein. 

Auch das kürzlich von Butkewitsch beschriebene Enol in Kultur- 
lösungen von Aspergillus oryzae, das sich mit Eisenchlorid violett färbt 
und Fehlingsche Lösung reduziert, dürfte nicht dasselbe sein wie der hier 
beschriebene violette Stoff. Dieser reduziert Fehlingsche Lösung nicht 
und kann auch nicht mit dem Zuckerabbau in Beziehung gesetzt werden. 

Am Schluß dieses Kapitels möchte ich noch kurz eine Beobachtung 
erwähnen, die ich stets an „eisenfreien‘‘ ammonnitrathaltigen Nährlösungen 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 345 


machte, auf denen Aspergillus längere Zeit gewachsen war: solche Lösungen 
verbreiteten beim Kochen mit Calciumcarbonat oder Natronlauge einen 
intensiven Geruch nach Mäusen oder Acetamid. Mit gewöhnlichen, eisen- 
haltigen Lösungen habe ich diese Beobachtung nicht gemacht. Ob tat- 
sächlich Acetamid oder etwas anderes (Aldehydammoniak) vom Pilz ge- 
bildet war, konnte ich nicht einwandfrei nachweisen. 


IV. Die Wirkung von Eisen und Zink auf Hefe und Bacillus prodigiosus. 


Die beschriebenen Versuche über Eisen und Zink gewinnen noch 
mehr an Bedeutung, wenn ich im folgenden zeige, daB diese Metalle 
nicht nur für Aspergillus lebensnotwendig sind, sondern auch im Stoff- 
wechsel anderer Mikroorganismen eine hervorragende Rolle spielen. 
Hefe sowohl wie vor allem Bacillus prodigiosus reagieren sehr deutlich 
auf eine Verminderung der natürlichen Eisen- und Zinkkonzentrationen 
in den Nährlösungen. Dagegen konnte ich eine Kupferbedürftigkeit 
weder bei Bac. prodigiosus noch bei Hefe feststellen. Die physiologische 
Bedeutung dieses Metalls scheint also im Bereich der Mikroorganismen 
weniger allgemein zu sein. Dies liegt vielleicht in der Art der spezifischen 
Eigenschaft des Kupfers begründet, einige ganz bestimmte Oxydations- 
reaktionen zu katalysieren — bei Aspergillus die Bildung von Huminen —, 
oder die Methodik zur Entfernung des Kupfers aus der Nährlösung ist 
noch zu unvollkommen. 

Das Arbeiten mit Hefe und Bac. prodigiosus gestaltete sich natürlich 
sehr viel schwieriger als mit Aspergillus, denn Hefe und Bakterien mit 
ihrer geringen Leibessubstanz brauchen sehr viel weniger Eisen und Zink, 
durchsetzen aber die ganze Nährlösung und kommen mit einer großen 
Oberfläche des Kulturgefäßes in Berührung. Deshalb werden sie auch in 
noch so sorgfältig gereinigten Lösungen immer noch eine genügende Menge 
Eisen und Zink vorfinden, um eine anscheinend beträchtliche Anzahl von 
neuen Zellen zu bilden. Ein Vergleich der Kulturen mit und ohne Eisen 
und Zink zeigte mir aber trotzdem einen großen Unterschied. 

Meine Versuche mit Hefe und Bac. prodigiosus sind noch nicht in jeder 
Beziehung vollkommen. Es fehlen vor allem noch solche mit genauen 
Zählungen oder sonstigen Messungen der Zellvermehrung. Deshalb sind 
die hier aufgeführten Versuche nur als Ergänzungen zu den Hauptversuchen 
mit Aspergillus zu betrachten. | 


Hefe und Eisen. 


Hefe nimmt im Hinblick auf den Stoffwechsel eine Sonderstellung 
ein. Während Aspergillus niger und Bac. prodigiosus ihren Energie- 
bedarf vornehmlich durch typische Oxydationsreaktionen decken, 
gärt die Hefe und gewinnt somit ihre Lebensenergie hauptsächlich 
durch Spaltungsreaktionen. Trotzdem wird sie auch Eisen nötig haben, 
nämlich für den Teil ihrer Atmungsreaktionen, der nach Meyerhof 
typisch oxydativ verläuft, und der die Resynthese eines Teiles des 
vergorenen Materials zur Folge hat. ka ist deshalb aber verständlich, 


346 H. Bortels: 


daß sich Hefe mit sehr viel weniger Eisen begnügen kann als etwa 
Aspergillus. Ja, es scheint sogar, als ob eine Konzentration von 0,01 Proz. 
Fe bereits hemmend wirkte (siehe Versuch 61). 


60. Versuch. 17. bis 24. Dezember 1925. Nährlösung: H,O 300, Dextrose 
30, Asparagin 1,5, K,HPO, 0,8, MgSO, 0,3, NaCl Spur. 


Diese schwach alkalische Nährlösung wurde mit 1 Proz. Kohle 
gereinigt, in einen 300-ccm-Erlenmeyer filtriert und mit Aspergillus 
niger beimpft, der die zur Gärung notwendigen organischen N-haltigen 
Substanzen bilden sollte. Mit derselben gereinigten Lösung wurde 
auch eine 10-ccm-Pipette ausgespült.e. Nach 3Tagen hatte sich 
Aspergillus schwach entwickelt. Nun wurde die Flüssigkeit aufgekocht 
und zu je 10 ccm in gleiche, gereinigte Röhrchen filtriert. Nach Sterili- 
sation wurde beimpft mit je 3 Tropfen einer eisenfreien Aufschwemmung 
von Hefe Wunningen" (obergärig). 


Von den 20 Röhrchen: 
a) fünfmal je + 0,005 Proz. Fe + 0,0001 Proz. ZnSO,, 


b) 29 sn + 0,005 29 Fe ER 
c) gë oe — + 0,0001 Proz. Zn SO, 
d) 29 „ = z 


25°C. 17. Dezember 1925. 
Am 21. Dezember bei allen schwache Gärung. 
Am 23. Dezember Zunahme der CO,-Entwicklung bei a) und b). 


Am 24. Dezember hatte sich bei a) und b) am Meniskusrand ein 
dicker Hefering gebildet. c) und d) zeigten hier nur einen dünnen 
Hefeansatz. 


Nur das Wachstum der Hefe ist von der Eisenkonzentration ab- 
hängig, die Gärung dagegen nicht (Euler und Meyerhof). 


Neuberg und Perlmann haben gezeigt, daß die Gärung der Hefe 
durch Blausäure usw. zwar verzögert, aber nicht wie die Atmung 
sistiert werden kann, woraus sich die Entbehrlichkeit von Eisen und 
Kupfer für die Gärungsreaktion ergibt. 


Hefe und Zink. 
Wenn Zink tatsächlich eine allgemein wichtige Aufgabe im Stoff- 


wechsel hat, dann muß es auch für Hefe lebensnotwendig sein. Aus ` 


dem Versuch 61 geht hervor, daß Zink das Wachstum der Hefe stark 
fördert und wahrscheinlich für diesen Vorgang auch bei Hefe unent- 
behrlich ist. 


61. Versuch. 16. bis 23. März 1926. Dieselbe Nährlösung wie bei Versuch 60 
mit einer Spur Ammoniumsulfid und 5 Proz. Kohle gereinigt. Je 
25 ccm in 100-ccm-Kolben. Einmal sterilisiert. Beimpft mit Aspergillus 
niger. 12. bis 15. März bei 25 bis 30°C. Dann wurden die Mycelschleier 
mit Platinnadel herausgenommen und die Lösungen zweimal sterilisiert. 


BA 


Lan ` a e 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 347 


Nun fügte ich zu je vier Kölbchen: 


a) — — 
b) 0,01 Proz. Fe — 
c) — 0,0004 Proz. Zn, 


d) 0,01 Proz. Fe 0,0004 ‚„ Zn, 
e) wie d) + 0,0001 Proz. Cu. 


Beimpft wurde am 16. März 1926 mit je einem Tropfen einer 
dünnen Aufschwemmung von Hefe „Winningen“ in gereinigter, zweimal 
sterilisierter Nährlösung. Jeder Kolben bekam so nicht mehr als 
100 Zellen. 25 bis 30°C. 


Am 21. März gärten nur drei von c). 
Am 22. März gärten alle, 


| Anzahl Zellen in 1 cmm (Mittel | Verbrauchter 


Lösung von vier Kulturen und je zwei ucker 
Zahlungen) Proz. 
& 14 500 | 4,2 
b 60 500 5.2 
c 81 500 7,3 
d 64 000 EH 
e 56 000 5,2 


Daß die Anzahl Zellen bei d) geringer ist als bei c), wäre unerklärlich, 
wenn man nicht annimmt, daß eine Eisenkonzentration von 0,01 Proz. 
für Hefe schon zu groß ist. Eine kräftige Förderung des Wachstums 
durch Zink ist unverkennbar [Javillier (2)]. Dagegen könnte man bei 
Kupfer eher auf eine Hemmung schließen. 


Bacillus prodigiosus und Eisen. 


Eine starke Hemmung des Wachstums durch Adsorption des Eisens 
aus den alkalischen Nährlösungen konnte ich ferner beobachten bei Oidium 
lactis, bei einem gelb gefärbten Kokkus und bei Bac. prodigiosus. Das Ver- 
hältnis der Trockengewichte von den geernteten Kulturen mit und ohne 
Eisen war bei Oidium lactis 


+ Fe: — Fe = 15:8. 


Bei diesem Versuch habe ich noch saure Nährlösungen mit KH,PO, 
verwendet. Die gelb gefärbten Kolonien des nicht näher bekannten Kokkus 
wurden in von Eisen gereinigten Lösungen erst schr viel später wahr- 
genommen, als in solchen, denen nachträglich wieder eine optimale Eisen- 
menge zugesetzt war. 


62. Versuch. 21. bis 25. Mai 1925. Nährlösung: H,O 100, Asparagin 1l, 
Glucose 0,5, KH,PO, 0,2, Na,CO, 0,25, MgSO, 0,04. Mit Kohle 
gereinigt. 

Je zweimal 50 ccm in 250-cem-Kolben. — Fe und + Fe. 


348 H. Bortels: 


Nach Sterilisation beimpft am 21. Mai 1925. Zimmertemperatur. 
Am 25. Mai: Auf den Oberflächen der Nährlösungen mit Eisen 
schwammen dicht an dicht gelbe Kolonien, während bei denen ohne 
Eisen makroskopisch weder Färbung noch Wachstum wahrzunehmen 
waren. Dasselbe wurde bei einem zweiten Versuch beobachtet. 


Eingehender habe ich mich jedoch nur mit Bac. prodigiosus befaßt, 
weil bei ihm die Wirkung des Eisens sehr augenscheinlich war. Das, 
was gleich bei dem ersten Versuch auffiel, war nämlich die Tatsache, 
daß prodigiosus ohne Eisen keinen roten Farbstoff bildet. 


63. Versuch. 14. bis 20. Mai 1925. Nährlösung: H,O 100, Asparagiın 1, 
Glucose 0,5, KH,PO, 0,2, Na,CO, 0,25, MgSO, 0,04. 
I. + Fe, II. — Fe. à 
Auf diese Lösung wurde, nachdem sie mit Kohle gereinigt war 
und die eine Hälfte davon wieder etwas Eisen bekommen hatte (Spur 


Mohrsches Salz), Bac. prodigiosus von einer roten Kartoffelkultur 
geimpft. 14. Mai 1925. 


Bei Zimmertemperatur kultiviert, färbte sich I schon am 16. Mai 
schwach rot. Am nächsten Tage war I rot, II völlig farblos. So war es 
auch noch am 20. Mai. II blieb farblos. Aber die Kulturen mit und 
ohne Eisen unterschieden sich außer in der Färbung auch noch in 
manch anderer Hinsicht: Die Bakteriensuspension von I war viel 
dichter als von II. I war stark alkalisch, II nur ganz schwach. Auf 
dem Boden von I lagen viel MENH,PO,-Kristalle, die bei II fehlten. 
I verbreitete einen starken Geruch nach Acetamid und Ptomainen, 
während II angenehm süßlich nach Milch roch. Also alles Unterschiede, 
die die Hemmung durch Eisenmangel deutlich zeigen. 


Dieselben und weitere Beobachtungen machte ich beim 64. und 


65. Versuch, die einen Vergleich zwischen der Wirkung des Eisens und 
der des Magnesiums darstellten. 


64. Versuch. 25. Juni bis 2. Juli 1925. Temperatur und Nährlösung wie 
beim vorigen Versuch ohne MgSO,. In 250-ccm-Kolben je einmal 
50 ccm + Fe + MgSO, 
50 „ + Fe — 
50 „ — + MgSO, 
50 „p — — 
Am 28. Juni: 
+ Fe + Me: rot, 
+ Fe — Mg: am Meniskusrand noch eben wahrnehmbarer 
rötlicher Schimmer, 
— Fe + Mg: völlig farblos, 
— Fe- Mg: ,„ P 
Am 2. Juli: nur + Fo + Mg hatte reichliche Mengen Me N H, P O,- 


Kristalle abgeschieden. Die Bakterien flockten aus und die Lösung 
verfärbte sich hellbraun. Im übrigen dasselbe. 


— a Le e 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 349 


65. Versuch. 20. August bis 3. September 1925. Dieselben Kultur- 
bedingungen wie im 66. Versuch. Die Lösungen ohne MgSO, erhielten 
0,04 Proz. K,SO,. 


Je zweimal 100 ccm in 13-Liter-Kolben. 
L + Fe + Mg, 
2. + Fe — Mg, 
3. — Fe + Mg, 
4. — Fe — Mg. 


Am 23. August: 1. Rot. Lösung gleichmäßig getrübt und gefärbt. 

l. Ein Kolben gleichmäßig ganz schwach rosa, der andere nur am 

Meniskusrand mit schwach rötlichem Schimmer. Lösung 
gleichmäßig getrübt. 

3. und 4. völlig farblos. Flüssigkeiten über dem Bodensatz klar. 


Am 24. August: 1. Beide sehr stark rot gefärbt und gleichmäßig 
getrübt. 

2. Die Farbe ist von schwach Rosa in ein helles Braun über- 
gegangen. Sonst dasselbe. 


Am 3. September reagierten alle auf Lackmus alkalisch. 

l und 2 rochen nach Ptomainen, 1 jedoch reiner und stärker als 2. 

3 und 4 rochen süßlich nach Milch, 3 jedoch stärker und reiner als 4. 

Die mikroskopische Untersuchung (mit Carbolfuchsin gefärbte 
Präparate) ergab, daß die Bakterien von 1 bereits stark autolysiert 
und ihre Umrisse nicht mehr zu erkennen waren. 2 enthielt ein Gemisch 
von Kurzstäbchen und langen Fäden. In 3 und 4 fand ich nur Kurz- 
stäbchen. 


Diese eigenartige Fadenform habe ich später noch einmal beob- 
achtet. Und zwar enthielt eine Nährlösung mit MgSO, und mit 0 Fe 
Kurzstäbehen, 0,0001 Proz. Fe Kurzstäbchen, 0,001 Proz. Fe Lang- 
stäbchen, 0,01 Proz. Fe Langstäbchen mit vielen langen Fäden. 


Fischer gibt an, daß wiederholte Zuchten auf schwach sauren 
Nährböden den Bac. prodigiosus zur Bildung von Langstäbchen und 
langen Fäden mit lebhafter Eigenbewegung veranlassen. Die typischen 
Kurzstäbchen sollen wieder auftreten, sobald der Nährboden alkalisch 
ist. Diese Beobachtung stimmt mit meiner insofern überein, als die 
Ursache dieses Formwechsels wahrscheinlich das Eisen ist. Denn in 
sauren Medien steht dem Bacillus mehr Eisen zur Verfügung als in 
alkalischen. 

Aus Versuch 64 und noch mehr aus Versuch 65 schließe ich, daß 
Eisen auch für Bac. prodigiosus wahrscheinlich lebensnotwendig ist, 
denn es ist mindestens ebenso wichtig wie Magnesium. Die Versuche , 
Samkows lehren, daß Magnesium zur Bildung des Procligiosins un- 
entbehrlich, jedoch in der Asche dieses Stoffes nicht enthalten ist. 
Das Magnesium hat eben eine vitale Hauptfunktion, deren Schwächung 


350 H. Bortels: 


bei Bac. prodigiosus die Bildung des Farbstoffs verhindert. Ich bin 
überzeugt, daß Bac. prodigiosus auf den Lösungen ohne Magnesium 
auch keine Spur Farbstoff gebildet hätte, wenn ich diese Nährlösungen 
ebenso gründlich von Magnesiumverunreinigungen befreit hätte wie 
von Eisenverunreinigungen. 


Bacillus prodigiosus und Zink. 


Im Gegensatz zum Eisen schien das Zink für Bac. prodigiosus 
belanglos zu sein. Denn bislang hatte ich den Nährlösungen niemals 
Zink zugesetzt. Ein Zusatz von Zinksulfat brachte auch keine wesentlich 
neuen Resultate. 


66. Versuch. 1. bis 8. Juni 1925. Die übliche Nährlösung mit MgSO, und 
0,0002 Proz. ZnSO, und mit Kohle gereinigt. Je einmal 50 ccm ohne 
Eisen und mit Eisen (Spur Mohrsches Salz) in 300-ccm-Kolben. 
Beimpft mit prodigiosus von Kartoffelkultur. Kultiviert bei etwa 20°C. 


Am 4. Juni: + Fe: kräftig rot. 


— Fe: farblos. 

Am 5. Juni: + Fe: sehr stark rot. 
— Fe: farblos. 

Am 7. Juni: + Fe: Beginn der Ausflockung. 
— Fe: farblos. 


Am 8. Juni: + Fe: Beginn der Verfärbung. 
— Fe: noch immer farblos. 
Allerdings fiel mir das leuchtende Rot der + Fe-Kultur auf, das 


diesmal besonders stark hervortrat. Die Erklärung hierfür ergab sich 
aus den folgenden Versuchen. 


Bei Zusammenstellung der Nährlösung hatte ich immer die gewöhn- 
liche, unrejne, wasserhaltige Soda verwendet. Später nahm ich dieselbe 
Gewichtsmenge von reiner kalzinierter Soda, ohne dabei zu bedenken, 
daß dadurch die Nährlösung nun ungefähr doppelt so viel Na,CO, 
enthielt wie früher. Die Folge davon war, daß Bac. prodigiosus auf 
diesen Lösungen auch mit Eisen keinen Farbstoff bildete. 


Die Ursache dieser Schädigung war weniger eine durch die Alkalität 
bedingte Fällung des Eisens, als vielmehr eine vollkommene Fällung 
und Adsorption der natürlichen Zinkverunreinigungen. Während die 
gewöhnliche Menge Soda gerade ausreichte, um das saure Phosphat 
zu neutralisieren, also die Lösung nicht alkalisch machte und darum 
auch das Zink nicht fällen konnte, blieb jetzt bei der doppelten Menge 
ein Überschuß von Soda in der Lösung, diese wurde alkalisch, und 
Zink wurde als Zinkcarbonat gefällt und adsorbiert. 


Wenn Zink für Bac. prodigiosus überhaupt Bedeutung hatte, dann 
mußte sich jetzt, wo es durch die Adsorption beseitigt und nicht wieder 


nu u, 


= — ud e 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen 351 


ersetzt war, eine Schädigung bemerkbar machen. Die schon erwähnten 
und noch folgenden Experimente bestätigten meine Vermutungen. 
War die Konzentration der Soda nicht gar zu groß, dann konnte ihr 
schädigender Einfluß durch nachträglichen Zinkzusatz aufgehoben 


werden. 


67. Versuch. 19. bis 23. Dezember 1925. Die übliche Nährlösung mit den 


Sodamengen: 
1 = 0,24 Proz. wasserhaltige Na,CO,, 
2 = 0,48 „ e Na,CO,, 
3 = 0,12 , trockene NaCO, 
4 = 0,24 „ Ge Na, CO,- 


Diese Lösungen wurden mit 1 Proz. Kohle gereinigt. Je zweimal 
25 ccm in 100-ccm-Kolben. + 0,004 Proz. Fe, =+ 0,001 Proz. ZnSO,. 
Zimmertemperatur. 

Am 21. Dezember hatten deutlich rote Oberfläche: 1, 1 + Zn, 
3 + Zn. Schwächer gefärbt waren: 2 + Zn und 3. Noch schwächer: 
4 + Zn. Noch gar nicht gefärbt waren: 2 und 4!). 


Am 23. Dezember ließen sich die Kulturen nach ihrer Farbstärke 
in folgender Reihe anordnen: 


1 + Zn > 3 + Zn > 2 + Zn > 1 > 3 > 4 + Zn > 2 > 4 (farblos). 


68. Versuch. 15. bis 19. März 1926. Die übliche Nährlösung. Ein Teil mit 


0,12 Proz. Na,CO, (Lösung 1l), der andere mit 0,24 Proz. Na,CO, 
(Lösung 2). Es wurde wasserfreie Soda verwendet. Beide Lösungen 
wurden mit einer Spur Ammoniumsulfid und 5 Proz. Kohle gereinigt. 
Von Lösung 1 je zweimal 25 ccm in 100-cem-Kolben. 


+ 0,01 Proz. Fe — Zn, 

Gereinigt + 0,01 an Fe + 0,0004 Proz. Zn, 
+ 0,01 vw Fe + 0,004 „ Zn, 
+ 0,00001 ,„ Fe + 0,004 „ Zn. 


Außerdem von ungereinigter Lösung 1 zweimal + 0,01 Proz. Fe 
+ 0,0004 Proz. Zn. 

Von Lösung 2 ebenfalls je zweimal 25ccm in 100-ccm-Kolben 
mit folgenden Eisen-, Zink- und Kupfermengen. 


mg Fe pro 100 ccm | mg Zn Dis 100 cem | mg Cu pro 10) ccm 
0 "o ou A ` = 
0.01 0 04 4 — 
10 0 04 4 — 
10 | 0,4 | 0,1 


Außerdem auch hier zweimal von der nicht gereinigten Lösung 
+ 0,01 Proz. Fe + 0,0004 Proz. Zn. Sämtliche Kolben wurden mit 


1) Zahlen allein bedeuten: Ohne Zn! 


352 H. Bortels: 


einer sehr dünnen Bakterienaufschwemmung in gereinigter Lösung 
steril mit Pipette beimpft und bei 15 bis 20° aufgestellt. 

Am 19. März: Gereinigte Lösung 2: sämtlich farblos. Nicht 
gereinigte Lösung 2 — Zn: bräunlich. Nicht gereinigte Lösung 2 + Zn: 
schwach rötlichbraun. Die gereinigten Lösungen 1 bildeten eine nach 
Zinkkonzentration und Farbintensität schön ansteigende Reihe. 


— Zn: fast farblos, 
0,01 Proz. Fe | + 0,0004 Proz. Zn: schwach rot, 
+ 0,004 Proz. Zn: stark rot. 


Das Rot war jedoch auch hier nicht ganz rein. Es hatte einen 
schwach bräunlichen Stich. Dagegen war das Rot der Lösung mit 


0,00001 Proz. Fe + 0,004 Proz. Zn 


sehr kräftig und leuchtend mit schwach violettem Stich. Es ist sehr 
bezeichnend, daß das reinste Prodigiosin am stärksten gebildet wird 
bei relativ niedriger Eisenkonzentration und hoher Zinkkonzentration. 
Die beiden Kolben mit Kupfer waren nicht gefärbt und zeigten auch 
sonst nichts Besonderes. 


Der nachträgliche Zusatz von Zink zur gereinigten Lösung 2 hat 
nichts genutzt, weil diese Lösung viel Soda enthielt, die das zugefügte 
Zink restlos wieder ausfällte. 


Aus den beiden letzten Versuchen ist zu entnehmen, daß zur 
Bildung des Prodigiosins auch Zink unentbehrlich und darum für 
Bac. prodigiosus wahrscheinlich auch lebensnotwendig ist. 


An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß 
manche Rätsel, denen andere Forscher (Ruhland, Grohmann) bei der 
Kultur von Mikroorganismen begegnet sind, sich vielleicht auf dieselbe 
oder ähnliche Weise erklären lassen. Sicher werden oft Eisen, Zink 
oder Kupfer oder noch andere Elemente eine Rolle dabei gespielt 
haben. Wenn z. B. Ruhland festgestellt hat, daß seine Knallgasbakterien 
in hitzesterilisierten Lösungen auch bei nachträglichem Zusatz von 
Eisen nicht immer wuchsen, so liegt die Möglichkeit vor, daß das von 
ihm nicht berücksichtigte Zink oder auch noch andere Elemente eben- 
falls ausgefällt waren. (Auch die Ausfällung des Magnesiumammonium- 
phosphats wäre dabei in Betracht zu ziehen.) Ebenso müssen künftig 
bei Züchtungen von Farbvarianten diese großen Wirkungen kleinster 
Mengen katalytisch wirkender Elemente gebührend berücksichtigt 
werden, was bei früheren Untersuchungen sicher nicht geschehen ist. 


Prodigiosin. 


Ich habe gezeigt, daß zur Bildung des Prodigiosins nicht nur 
Magnesium, sondern auch Eisen und Zink notwendig sind. Ohne Eisen 
blieben die Kulturen völlig farblos. Fügte ich nun aber zu solchen 
Lösungen eine Spur Ferrosalz, so wurde momentan eine geringe Färbung 


Eee m mme BEE ne ee ee er —— 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 353 


von der typischen Farbe des Prodigiosins sichtbar. Diese nachträgliche 
Färbung gelang am stärksten nicht in völlig eisenfreien Kulturen, 
sondern in solchen, die 0,00001 Proz. Fe enthielten. Dann war das 
Wachstum stärker, und von der Leucoverbindung konnte infolgedessen 
mehr gebildet werden. Natürlich war aus demselben Grunde die Färbung 
auch hier nur ganz minimal. 


Ich spreche hier von einer Leucoverbindung, weil ich annehme, 
daß der rote Farbstoff Prodigiosin durch Oxydation eines ungefärbten 
Körpers, der Leucoverbindung, entsteht, was ja auch die allgemeine 
Annahme ist. Diese Oxydation vermittelt das Eisen in der Lösung, 
denn die Auffärbung gelingt nur mit Ferro-, nicht mit Ferrisalz, und 
außerdem geht die Reaktion in alkalischer Lösung vor sich. 


Das Eisen hat also neben der lebensnotwendigen Hauptfunktion 
auch noch diese Funktion zweiten Grades, eine Leucoverbindung zum 
Prodigiosin zu oxydieren. Eine chemische Bindung des Eisens im 
Prodigiosinmolekül erscheint mir unwahrscheinlich. Samkow fand 
allerdings in der Asche des Farbstoffs Eisen. Es ist aber möglich, daß 
dies Verunreinigungen waren. 


Die Nachfärbung mit Ferrosalz ist auch um so stärker, je mehr 
Zink dem Bacillus zur Verfügung stand. Ohne Zink wurde, wie auch 
ohne Magnesium, die Leucoverbindung nicht gebildet. Dementsprechend 
tritt das Prodigiosin auch am reinsten und stärksten auf in solchen 
Lösungen, die viel Zink und wenig Eisen enthalten. Hier ist es von 
leuchtend roter Farbe mit violettem Stich, während es in Kulturen 
mit mehr Eisen schmutzig braun aussieht. In Kulturen mit natürlicher 
Eisenkonzentration geht ja bekanntlich die Farbe allmählich von rot 
ebenfalls in braun über (Zisler-Portheim). Auch beim Nachfärben 
farbloser Kulturen mit Ferrosalz tritt die rote Prodigiosinfarbe nur 
mit ganz wenig Eisen auf. Mit mehr Eisen geht die Farbe sofort in 
schmutzigbraun über. Auch diese E’senkonzentration ist noch so 
gering, daß die Braunfärbung nicht von Eisenhydroxyd herrühren 
kann. Vielleicht beruht diese Verfärbung und Denaturierung auf 
einer Überoxydation. Möglicherweise ist es eine Huminbildung analog 
derjenigen in Aspergillus-Nährlösungen. 


V. Schlußbetrachtung. 


Wenn man die Ergebnisse der vorliegenden Versuche zusammenfaßt 
und weiterhin in Rechnung zieht das, was über Eisen, Zink und Kupfer 
in der Tierphysiologie und Medizin (Warburg-Minami, Cristol und White) 
und in der Enzym- und Vitaminforschung bekannt ist, dann kommt man 
zu der Überzeugung, daß die Ergebnisse dieser Arbeit in der Organismenwelt 
weitgehend verallgemeinert werden können. Eisen und Zink sind lebens- 
notwendig. Kupfer ist zum mindesten für einige Organismen sehr wichtig. 


354 H. Bortels: 


Die Rolle des Eisens als Oxydationskatalysator wird heute allgemein an- 
erkannt. Neben das Eisen tritt nun als zweiter Oxydationskatalysator von 
untergeordneter Bedeutung das Kupfer. Über die katalytische Tätigkeit 
des Zinks wissen wir jedoch noch nichts Genaues. 

Die Enzymchemie muß aus der vorliegenden Arbeit die Lehre ziehen, 
daß bei Herstellung aschefreisr Präparate von Oxydasen größte Vorsicht 
am Platze ist. Ob die in der Literatur erwähnten Präparate wirklich von 
den letzten wirksamen Spuren Eisen oder allgemein von Metallen frei 
waren, erscheint nunmehr sehr zweifelhaft (Oppenheimer). Die sogenannten 
Co-Enzyme sind vielleicht zum Teil solche Spuren bestimmter Aschen- 
elemente. | 

Wenn sich die Befunde Bertrands (1) (2) bei seinen Zinkversuchen mit 
Mäusen bestätigen sollten, wäre auch die Vitaminforschung um ein gut Teil 
vorwärts gekommen. 

Mit diesen drei Metallen ist die Reihe der anorganischen Biokataly- 
satoren sicher noch nicht abgeschlossen. Meine Untersuchungen auf diesem 
Gebiete hoffe ich in kürzester Zeit fortsetzen zu können, 


Zusammenfassung. 


Es wurde eine Methode beschrieben (Adsorption an Blutkohle), 
die eine schnelle und gründliche Beseitigung der natürlichen Eisen-, 
Zink- und Kupferverunreinigungen aus Kulturlösungen für Mikro- 
organismen ermöglicht. Mit Hilfe dieser Methode konnte ich folgendes 
feststellen: 


l. Eisen und Zink sind für Aspergillus niger lebensnotwendig. 


2. Kupfer ist zur Bildung des schwarzen Konidienfarbstoffs von 
Aspergillus niger unentbehrlich und erhöht zugleich auch die Trocken- 
substanzproduktion. 


3. Außer Eisen, Zink und Kupfer haben noch andere, bislang noch 
nicht bestimmte Aschenelemente für Aspergillus niger Bedeutung. 


4. Zink fördert das vegetative Wachstum und hemmt die Frukti- 
fikation bei Aspergillus niger. 

5. Der schwarze Sporenfarbstoff von Aspergillus niger ist ein 
Gemisch von verschiedenen Huminen. 


6. Aspergillus niger bildet bei Gegenwart von viel Zink und viel 
Stickstoff auf schwach alkalischen Lösungen einen schönen Farbstoff 
(alkalisch violett und wasserlöslich, sauer gelb und ätherlöslich), der 
wahrscheinlich in Beziehung zur Huminbildung steht. 


7. An der Huminbildung bei Aspergillus niger ist außer Kupfer 
auch Eisen beteiligt. 


8. In eisenarmen Lösungen bildet Aspergillus niger den schon 
von Raulin entdeckten Stoff, der gegen Sauerstoff sehr labil ist. Beim 
Erwärmen mit Alkali entsteht ein mit Eisen sich schön violett färbender 


— 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 355 


Körper, der sich wie ein Phenol oder Enol verhält und wahrscheinlich 
aus dem Raulinschen Stoff hervorgeht. 


9. Eisen und Zink sind wahrscheinlich auch für Bacillus prodigiosus 
lebensnotwendig. Zink ist wahrscheinlich auch für Hefe lebensnotwendig. 


10. Kupfer hatte für Hefe und Bacillus prodigiosus bei meinen 
Versuchen keine Bedeutung. 


11. Bacillus prodigiosus bildet ohne Eisen sowohl wie ohne Zink 
kein Prodigiosin. 

12. Eisen ist auch an der Bildung des Prodigiosins unmittelbar 
beteiligt. Ohne Eisen bildet der Bacillus eine Leucoverbindung, aus 
der mit Ferrosalz der Farbstoff entsteht. 


Zum Schluß möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß man bei 
Mißerfolgen mit der Kultur von Mikroorganismen stets auf etwaige 
Fällungen von Eisen, Zink und Kupfer und vielleicht auch noch anderer 
Elemente bedacht sein muß einschließlich der Ausfällung von Ammonium- 
magnesiumphosphat in alkalischen Lösungen. Dies gilt nicht nur in 
Hinsicht auf den Trockensubstanzertrag, sondern auch, wie bei der 
Wirkung des Kupfers auf Aspergillus, in Hinsicht auf Veränderungen 
typischer innerer Merkmale. 


Anhang. 


Nach längerer Zeit wurde die Reproduzierbarkeit der Haupt- 
versuche mit Aspergillus geprüft und bestätigt: 
Versuch. 24. bis 30. Oktober 1926. Nährlösung: H,O 100, Saccharose 10, 
NaNO, 1, K,HPO, 0,25. 


a) Je 50 cem in 250-cem-Kolben mit 0,1 Proz. Na,SO,, 0,001 Proz. Fe, 
0,0004 Proz. Zn, 0,000 04 Proz. Cu und mit verschiedenen Magnesium- 
mengen. 


Nährlösung + 0,15 Proz. Mg SO, mit einer Spur Ammoniumsulfid, 
und 5 Proz. Kohle gereinigt und dann mit verschiedenen Eisen-, 
Zink- und Kupfermengen, wobei die Eisenreihe 0,0004 Proz. Zn 
und 0,00004 Proz. Cu zugefügt bekam, die Zinkreihe 0,001 Proz. Fe 
und 0,00004 Proz. Cu und die Kupferreihe 0,001 Proz. Fe und 
0,0004 Proz. Zn. (Alle Metalle wurden als Sulfate gegeben.) 


Die Kolben wurden alle vorsichtig mit Aspergillus beimpft 
und bei 25 bis 30°C aufgestellt. 

Aus den Tabellen und Kurven (3, 4) ist zu entnehmen, daß die 
Ergebnisse der Arbeit durchaus reproduzierbar sind. Ferner geht 
daraus hervor, daß der Wirkungsfaktor von Eisen sowohl wie auch 
von Zink und Kupfer sehr viel größer ist als der des Magnesiums. Die 
Kulturen haben an den beiden letzten Tagen reichlich warm gestanden. 
Deshalb ist der Schnittpunkt der Eisenkurve (nicht gezeichnet) mit 
der Ordinate etwas höher gerückt als sonst. Auch das Fallen der Kurven 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 24 


b 


u 


356 H. Bortels: 


SE Trocken, | me Zn Trocken | BS Trocken» | mg Mg Trocken» 
pro 100ccm | auf 00 ccm nn. pro 100 I 100 cem En 
EEE g | ze DS = = EN | SE EE ES 

| 
oz 0.06 0,90 0,01 

0 08 | | 007 0 04 , H 0.015 

oooi S3 l ooo ou wi OST OI ` Sr 

0005 was 0005 DÉI woe Ai "nu" Vë 

0,01 x on | 0001 ae 10 1.2 

1,34 \ 130 1.05 1.83 

0,02 128 | 002 1m 0,002 09 a | 175 

1.39 141 1.26 
0,04 vn | 004 a E 7 
132 | um 0.40 | 1.10 
om 0,07 0,04 GC 
EICH 
H ae" D 1237 905 1.13 | 
118 18 1.09 | 
o pda ST E 1.22 
l 118 1% 1.28 
1,0 1.26 1.0 128 Ol | 132 


-Substanz 


g rocken 


0 002 QOS 006 Q08 Gi Q72 
mg fe oder Zn pro 100 cem. mg Je oder Zn oder Mg pro 100. ccm. 


Abb. 1. Abb. 2. 


bei höheren Konzentrationen wird sicher dadurch beeinflußt. Die 
Abhängigkeit der Kurven von Temperatur und Zeit muß natürlich 


Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 357 


noch untersucht werden. Der gesetzmäßige Verlauf der Eisen- und 
Zinkkurve steht im Gegensatz zu dem der Kupferkurve (diese nicht 
gezeichnet!). Aus dieser ist nur ein Ansteigen des Erntegewichts zu 
entnehmen. Die optimale Wirkung, auch betreffs Schwarzfärbung 
der Sporen, lag hier ungefähr bei 0,00001 Proz. Cu. 


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Ann. d. sc. nat. 11, 93, 1869. — Richards, Jahrb. f. wiss. Bot. 80, 665, 1897. — 
Richter, Zentralbl. f. Bakt. II, 7, 417, 1901. — Ritter, Ber. d. d. bot. Ges. 
27, 582, 1909. — Rost, Ber. d. pharm. Ges. 29, 549, 1919. — Ruhland, 
Jahrb. f. wiss. Bot. 68, 321, 1924. — Sakamura, Journ. of College of Agri- 
culture Hokkaido Imperial University 14, 65, 1924. — Samkow, Zentralbl. 


D4 * 


358 H. Bortels: Bedeutung von Eisen, Zink usw. für Mikroorganismen. 


f. Bakt. II 11, 305, 1903. — Sauton (1), C. r. 151, 241, 1910. — Derselbe (2), 
Ann. d. l’Inst. Pasteur 25, 922, 1911. — Schiemann, Zeitschr. f. indukt. 
Abstammungs- u. Vererbungslehre 8, 1, 1912. — Schimper, Bot.-Ztg. 49, 
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diese Zeitschr. 119, 134, 1921. — Derselbe (2), ebendaselbst 186, 266, 1923. — 
Derselbe (3), Ber. d. d. chem. Ges. 58, 1001, 1925. — Warburg und Minami, 
diese Zeitschr. 142, 317, 1923. — Wehmer, (1) Bot.-Ztg. 49, 249, 1891. — 
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d. d. chem. Ges. 58, 1152, 1920. — Willstätter und Pfannenstiel, Ann. d. 
Chem. 858, 249, 1908. 


Über Veränderungen des Kationengehalts der Organe 
unter Belichtung und im Höhenklima. 


Von 
Ludwig Pincussen. 


(Aus dem Institut für Hochgebirgsphysiologie in Davos.) 
(Eingegangen am 15. Dezember 1926.) 


In einer Reihe von Arbeiten ist festgestellt worden, daß der Ionen- 
gehalt des Blutes und des Harnes unter Belichtung zum Teil nicht 
unerhebliche Veränderungen erleidet (1). Insbesondere ist von ver- 
schiedenen Seiten gezeigt worden, daß der C'alciumgehalt des Blutes 
unter Bestrahlung vermehrt ist, während die in meinem Berliner Institut 
gemachte Feststellung, daß beim Menschen der Kaliumgehalt zum 
Teil sehr erheblich abnimmt (2), ebenfalls als charakteristisch gelten 
darf. Im Davoser Institut habe ich sodann die Ausscheidungsverhältnisse 
des Kaliums und Calciums im Harn geprüft und gefunden, daß eine 
erhöhte Ausschwemmung von Kalium mit einer Retention von Calcium 
Hand in Hand geht (3). Nun können uns zwar Befunde im Blut und 
Harn gewisse Anhaltspunkte für die Veränderungen geben, die sich im 
Mineralstoffwechsel unter Belichtung abspielen. Sie geben natur- 
gemäß keine Auskunft darüber, ob und in welcher Weise Verschiebungen 
in den Organen vorkommen. Gerade diese sind es, welche uns am 
meisten interessieren. seitdem wir wissen, daß Veränderungen des Salz- 
gehalts ebenso wie die der Wasserstoffionenkonzentration in höchstem 
Maße, um bei der augenblicklich üblichen Nomenklatur zu bleiben, 
sowohl vegetative wie animale Funktionen beeinflussen. Nicht nur 
die fermentativen Vorgänge sind abhängig von dem lonengehalt des 
Milieus, sondern ebenfalls bisher nicht in ähnlicher Weise charak- 
terisierte Funktionen, wie z. B. die Tätigkeit des Herzens. 

Aus diesem Grunde erschien es wesentlich, die Frage der Ionen- 
verteilung in verschiedenen Organen zu untersuchen und festzustellen, 
wie sie sich einerseits unter Lichtwirkung, andererseits unter dem 
Einfluß des Höhenklimas an sich offenbart. Der Versuchsplan war 
dementsprechend einfach, indem gleiche Tiere einerseits unter Be- 
lichtung, andererseits bei Haltung im Dunkeln untersucht wurden. 
Da die Erfahrungen gelehrt haben, daß bei diesen Versuchen die Nahrung 


360 . L. Pincussen: 


eine ausschlagegbende Rolle spielt, wurde in allen Fällen Hafer, der aus 
einer einzigen größeren Menge entnommen wurde, verfüttert, und zwar 
50 g täglich pro Kaninchen. Hiermit kamen die 2000 bis 2500 g schweren 
Tiere gut aus, wobei ihnen lediglich noch Wasser gegeben wurde. Zum 
Versuch wurden acht gleiche Tiere derselben Rasse und desselben 
Alters ausgewählt. Von diesen blieben zwei in Berlin, während sechs 
auf schnellsttem Wege nach Davos gesandt wurden. Dort wurden 
drei Tiere im dunklen Raume gehalten, während drei andere dem 
Tages- bzw. Sonnenlicht während 7 Stunden täglich ausgesetzt wurden. 
5 Tage nach Ankunft der Tiere wurde das erste Paar, ein im Hellen 
gehaltenes und ein Dunkeltier, getötet (18. Februar), 10 Tage später das 
zweite Paar (1. März), während durch ein Versehen das dritte Helltier, 
welches in der Nacht im Freien gelassen worden war, spontan starb 
und am 4. März morgens tot aufgefunden wurde. Das dazugehörige 
Dunkeltier wurde nun, entgegen dem ursprünglichen Plan, welcher 
eine Frist von 10 Tagen vorgesehen hatte, am nächsten Tage, dem 
5. März, getötet. Von den in Berlin zurückgebliebenen Tieren wurde 
während 2 Wochen das Helltier täglich 20 Minuten mit der Queck- 
silberquarzlampe in einer Entfernung von 60 cm bestrahlt; diese Be- 
strahlung ist selbstverständlich nicht einfach mit dem natürlichen 
Sonnenlicht in Parallele zu stellen, es schien aber die einfachste Art. 
dem Tiere größte Intensitäten kurzwelligen Lichtes zuzuführen. Das 
Kontrolltier blieb in einem dunklen Stalle. 


An den betreffenden Stichtagen wurden die Tiere durch Entbluten 
mittels einfachen Durchschneidens des Halses getötet. Eine bestimmte 
Menge Blut wurde enteiweißt und nun in der gewöhnlichen Weise auf die 
verschiedenen Kationen verarbeitet. Auf diese Weise war es möglich, die 
Enteiweißung in Davos, die Analysen in meinem Berliner Institut durch- 
zuführen. Von den getöteten und möglichst vollständig entbluteten Tieren 
wurden nun die verschiedenen Organe herausgenommen, oberflächlich vom 
Blute gereinigt und gewogen. Sie kamen dann im ganzen in Glasstöpsel- 
flaschen, in welchen sie nach Berlin geschickt wurden, wo die weitere Ver- 
arbeitung erfolgte. Eine Ausnahme wurde nur bei der Leber gemacht, 
von der ein ungefähr 10 g großes Stück herausgeschnitten wurde, das dann 
in gleicher Weise behandelt wurde. Das Herz wurde aufgeschnitten, um 
das Blut nach Möglichkeit zu entfernen. 

Die weitere Verarbeitung gestaltete sich nun so, daß die in den Gläsern 
aufbewahrten Organteile mit einer reichlichen Menge konzentrierter 
Salpetersäure übergossen wurden, wodurch in Stunden bzw. wenigen 
Tagen das ganze Gewebe zerstört wurde. Darauf wurden die Massen unter 
wiederholtem Nachspülen quantitativ in einen Mikrokjeldahlkolben über- 
führt und nunmehr unter Zugabe von Wasserstoffsuperoxyd nach den 
Angaben von Pincussen und Cronheim (4) die Veraschung ausgeführt'!). 
Die von Salpetersäure freien, schwach salzsauren Lösungen wurden dann 


1) Bei den Analysen hat mich Herr stud. phil. Herbert Stein in 
eifrigster Weise unterstützt. 


Veränderungen des Kationengehalts der Organe. 361 


auf ein bestimmtes Volumen aufgefüllt und passende Mengen für die 
einzelnen Analysen verwendet. In den nachfolgenden Tabellen ist nur 
der Prozentgehalt der betreffenden Organe an den verschiedenen Kationen 
angegeben, da ja der Gehalt des ganzen Organs kaum interessiert. Es war 
zunächst beabsichtigt, außer den Analysen für Blut, Lunge, Leber, Gehirn 
und Herz auch die der Milz, der Nebenniere und der Niere auszuführen. 
Bei den beiden ersteren schienen mir die Wägungen nicht exakt genug, um 
daraufhin irgendwelche Schlüsse zu begründen. Bei der Niere ist es denkbar, 
daß die Resultate durch Harn und Blutgehalt doch nicht unerheblich 
gefälscht sein können; sie mögen daher nur auszugsweise mitgeteilt sein. 
Auch betreffs der Haut scheinen mir die Versuche, die aus äußeren Gründen 
nur an den Berliner Kontrolltieren und den letzten Davoser Tieren an- 
gestellt worden sind, nicht ganz beweiskräftig. Die Frage ist wichtig genug, 
um nochmals ganz besonders aufgerollt zu werden. Ich möchte es auch 
als nicht korrekt bezeichnen, wie ich es in diesem Falle getan habe, nur ein 
Stückchen Haut zu entnehmen; es müßte vielmehr eine größere Partie 
oder auch mehrere Stücke aus verschiedenen, korrespondierenden Gegenden 
der Analyse zugrunde gelegt werden. 


Was die erhaltenen Resultate anbetrifft, so ist aus den Tabellen 
das Wichtigste zu ersehen. Diese geben die absoluten Mengen des 
Kalium», Calciums und Magnesiums in Milligrammen auf 100 g lebens- 
frische Substanz und ferner, was besonders interessant sein dürfte, das 
Verhältnis der verschiedenen Kationen zueinander, das Verhältnis 
Kalium : Calcium und dasjenige von Calcium: Magnesium. Diese 
Zahlen betrachte ich als besonders wichtig. da ja gerade die Mischung 
der Kationen das Wesentliche für die schon oben erwähnten Lebens- 
vorgänge darstellt. 

Tabelle I ergibt zunächst die Verhältnisse im Blute. 


Tabelle I (Blut). 


H Berlin Dn, dm Hu Dis H, D, 
I e ër a 17.3 17.3 15.8 15.4 16.1 19.7 
Kg "pe A 24,6 23.0 19.2 18.4 21,8 22,2 
ME A eer 7.4 9.8 5.20 6.65 447 62 
K Ca .... 0.705 0.75 0.825 0.84 | 0.745 ` 0.87 
Ca Mg. ... 3,72 2.37 3.7 2.77 — 462 3.57 


Bei dieser Tabelle fehlen die Daten für die letzten Davoser Tiere, 
weil bei dem einen infolge spontanen Todes kein Blut erhalten werden 
konnte und deshalb auch die Kontrollen fortfielen. Im übrigen zeigt 
sich, daß die Dunkel-Kaliumwerte im Hochgebirgsklima zunächst ab- 
nehmen, um später wieder erheblich anzusteigen. Die Unterschiede 
Hell und Dunkel sind beim Kaninchen nicht deutlich; nur bei den Tieren 
H, und D, ist die Abnahme im Lichte eklatant. Der Calciumwert ist 
beim Berliner Tier recht hoch, er nimmt nach kurzem Aufenthalt im 
Höhenklima zunächst ab, um später wieder zu steigen. Beim Berliner 


362 L. Pincussen: 


Tiere sowohl wie bei den ersten Davoser Tieren nimmt das Calcium 
bei Belichtung zu. Das Magnesium endlich zeigt im Hochgebirgsklima 
ständige Verminderung gegenüber dem Berliner Tiere: Belichtung 
setzt in jedem Falle die Magnesiummenge herab. Was die Quotienten 
betrifft, so ist das Verhältnis Kalium : Calcium in jedem Falle im 
Lichte gegenüber den Dunkelproben vermindert, das Verhältnis Cal- 
cium : Magnesium im Lichte stets höher. Diese Relation nimmt sowohl 
bei den Dunkeltieren wie bei den Lichttieren ständig zu, so daß es 
in Berlin in jedem Falle am niedrigsten ist. Als Resultat ist also 
hier zu buchen, daß bei diesen Veränderungen sowohl der Ortewechsel 
wie auch die Belichtung mitspricht. Bemerkt sei noch, daß dieser im 
Hochgebirgsklima erhöhte Quotient Calecium-Magnesium gewisses Inter- 
esse dadurch gewinnt, daß er gegensätzlich gerichtet ist wie der gleiche 
Quotient im Blute bei Narkose, der, wie von Pincussen und Dimitri- 
jevic (5) gezeigt worden ist, höher ist als bei unbehandelten Tieren. 
Von Loewy ist neuerdings darauf aufmerksam gemacht worden, daß die 
Resistenz gegen Narkotica im Höhenklima deutlich gesteigert ist (6). 
Da nun, wie obige Zahlen lehren, im Blute der Hochgebirgstiere das 
Calcium sehr stark überwiegt, ist wohl die Hypothese möglich, daß die 
erhöhte Resistenz gegenüber den Narkoticis damit im Zusammenhang 
steht, daß es unter diesen Umständen schwerer ist, den für die Narkose 
charakteristischen Ca: Mg-Quotienten mit relativem Überwiegen des 
Magnesiums zu erreichen. | 

Tabelle II zeigt die Verhältnisse bei der Lunge (Werte stets 


mg-Proz.) 
Tabelle II (Lunge). 


i 


| SEENEN EK ee Ge 
| Hpertin | DBertin Hs | Da | H, D | H, | D, 


| | | | Be 
K .... 328 | 325 : 15 16 20 234 206 | 226 


Ca.... 184 183 143 | 131 174 | 20.2 4 235 
M.... 128 113 115 114 905, Ill 96 105 
Kies... | 178 | 178 136 | 130 126 11,6 9.6 
Ca/Mg .. i 144! Lët 14 115 183| 183 2.23 


Die Kaliumwerte sind gegenüber den Berliner Kontrollen deutlich 
vermindert, um dann langsam wieder anzusteigen. Ähnlich ist es mit 
den Calciumwerten, während die Magnesiumwerte annähernd konstant 
bleiben. Die Differenzen Hell und Dunkel sind für das Kalium gering, 
auch für das Calcium nur zum Teil beträchtlich, so daß eine Licht- 
wirkung in den meisten Fällen gar nicht in die Erscheinung tritt. Sehr 
deutlich sind aber die Veränderungen des Quotienten Kalium : Calcium, 
welche sich sowohl aus den Dunkel- wie aus den Lichtproben — beide 
zeigen kaum eine Differenz — ablesen lassen. Gegenüber Berlin zeigen 
die Davoser Tiere mit zunehmendem Aufenthalt in der Höhe eine 


Veränderungen des Kationengehalts der Organe. 363 


deutliche Verminderung dieses Quotienten, der schließlich nur noch 
54 Proz. des in Berlin festgestellten beträgt. Diese Erhöhung der 
Calciumwerte in der Lunge ist immerhin von Interesse, wenn man die 
Bedeutung kennt, welche das Hochgebirge für die Heilung der Tuberku- 
lose besitzt. Ein solcher Austausch dieser antagonistischen Ionen 
untereinander dürfte als Beweis dafür gewertet werden, daß das Hoch- 
gebirge eine Tendenz zu erhöhtem Kalkansatz hervorruft; in welcher 
Weise der Kalk in der Lunge gebunden ist. läßt sich nicht sagen, da 
die Methode ja die ganze Kalkmenge erfaßt. Die sehr hohe Kalkmenge 
beim spontan gestorbenen Tiere H, läßt ebenso wie die hier gleichfalls 
sehr hohe Relation Ca:Mg, bei unveränderter Magnesiummenge ohne 
Nachprüfung einen Schluß nicht zu. 


Tabelle III (Gehirn). 


em ~ | | - 
OR Dperlin | Hs i Dis ` H, | D, H, D, 
ne ge ee ren ee E EE Z> I lm 
a j | 
EE 75 360 77 297 326 303 367 — 333 
Ca E T9 | 109 189 58 87 52 78 | 615 
Mg.... 12 | 156 139 120 130 139 : 138 | 133 
KCa... 9.3 33 200 5.1 3.75! 5.8 4.7 5.4 
Ca’Mg .. 267 | 70.136 485 670| 373. 552! 482 


Die Befunde beim Gehirn werden in Tabelle III geschildert. Sie 
ergeben eine anfängliche Abnahme, dann wieder Zunahme der Dunkel- 
werte und eine regelmäßig vorhandene, wenn auch in ihrem Ausmaß 
wechselnde Erhöhung des Kaliums bei den Helltieren. Die Werte des 
Calciums sind derartig wechselnd. daß eine Analyse nicht möglich 
erscheint. Bei den Berliner Tieren sowie bei den ersten Davoser Tieren 
(His und Del sind die Werte bei den Dunkelkontrollen sehr erheblich 
höher. ganz anders wie bei den anderen Davoser Tieren. Bei den Dunkel- 
tieren der höchste Wert in Berlin, sehr starke Abnahme in Davos, die 
zunächst noch höher wird, um dann einer geringen Zunahme Platz zu 
machen. Ob diese Dinge ebenso wie die entsprechenden Veränderungen 
des Quotienten Kalium : Calcium als eine Art Bergkrankheit zu deuten 
sind, bleibe dahingestellt. Es muß jedenfalls als auffällig die Zunahnie 
des Calciums im Lichte nach anfänglich umgekehrtem Verhalten gebucht 
werden. Die Magnesiumwerte sind sehr wenig charakteristisch, sie 
sind bei den Hochgebirgstieren nur wenig niedriger als bei den Berliner 
Tieren, auch die Ausschläge zwischen Hell und Dunkel sind nur un- 
bedeutend. 

Die Befunde an der Leber sind verhältnismäßig sehr bedeutend. 

Das Kalium der Dunkeltiere ist im Hochgebirge vermindert, der 
Einfluß der Belichtung, was die absoluten Werte anbetrifft, nicht 
gleichmäßig. indem in Berlin eine Abnahme, im Höhenklima eine 


364 L. Pincussen: 


Tabelle IV (Leber). 


! KÉ ` R E i 


E 
H Bertin | Dperlin H s Dis H, | D, H, | D; 


K .... 281 ` 350 346 292 293 2 302 212 
Ca.... 76 123 78 SI 88 101 109 137 
Mg.... 167 188 190 188 169 17,1 ' 18,2 191 
KCa... 37 Sp 445 36 32 272 27,7 165 
Ca Mg 0.46 065 04 043 052 059 060 0,2 


Zunahme beobachtet wird. Der Calciumwert nimmt in der Höhe ab, 
um dann sehr langsam wieder anzusteigen. Bei den Helltieren ist der 
Calciumgehalt in jedem Falle niedriger als bei den Kontrollen, wenn 
auch in verschiedenen Ausmaßen. Wichtig ist der Gang der Relation 
Kalium-Caleium. Ihr Wert nimmt beim Dunkeltier erst zu, dann 
wieder ab, um schließlich weit unter das ursprüngliche Niveau zu 
fallen. Vergleicht man das Verhältnis Kalium:Calcium bei Hell- und 
Dunkeltieren, so ist es in jedem Falle beim Helltier höher, und zwar 
beim Berliner Tiere um 30 Proz., bei den letzten Davoser Tieren sogar 
um fast 80 Proz. Daß solche gewaltigen Umstellungen im Lichte von 
weittragenden Folgen für den Fermentstoffwechssl begleitet sein 
müssen, besonders wenn sie in einem so wichtigen Organ wie der Leber 
vor sich gehen, liegt auf der Hand. Das Verhältnis Calcium : Magnesium 
ist dagegen in jedem Falle im Lichte gegenüber den im Dunkeln ge- 
haltenen Tieren verringert. 
Endlich das Verhalten der Kationen im Herzen. 


Tabelle V (Herz). 


| Hperiin Deeriin H s | Dis | H, | D, | H, | D, 


239 35 365 ` 238 295 


KL, aa 325 188 

Ca.. .. | 94 161 — 72 | 1425 1335 150 | 1415 140 
Mg.. | 50 595, 17| An — | 303| 213 545 
Ca Mg 38.208 26.1 | 19.9 ' 236 | 242 | 169 2LI 


Hier spielen augenscheinlich auch Höhenklima und Strahlung 
eine Rolle. Die Abnahme des Kaliums bei den Dunkeltieren ist nicht 
sehr erheblich, wogegen die Differenz zwischen Hell- und Dunkeltieren 
in Berlin zugunsten des Helltieres, in Davos in jedem Falle zugunsten 
des Dunkeltieres ausfällt. Das Calcium der Dunkeltiere nimmt ein 
wenig ab; bei den Helltieren sieht man den stärksten Effekt der Be- 
strahlung bei dem Berliner Tiere und den ersten Davoser Tieren, wo 
das Calcium ungefähr nur die Hälfte wie bei den Dunkeltieren beträgt: 
dagegen ist bei den H,-Tieren eine sehr geringe Abnahme, bei dem 
spontan zugrunde gegangenen H,-Tier keine Veränderung zu bemerken. 
In ganz ähnlicher Weise schwanken auch die Magnesiumwerte, so daB 


Veränderungen des Kationengehalts der Organe. 365 


darauf weiter nicht eingegangen wird. Das Verhältnis Kalium zu 
Calcium ist am höchsten gesteigert bei dem Berliner Helltier; es folgt 
in weitem Abstand das erste Davoser Tierpaar, während späterhin 
zwischen Hell und Dunkel ein Unterschied nicht zu konstatieren ist, 
bei den letzten Tieren sogar ein Überwiegen beim Dunkeltier. Diese 
Verhältnisse sind vorläufig recht wenig durchsichtig. Ich habe früher bei 
klinischen Versuchen gelegentlich festgestellt, daß von Herzkranken 
(Überleitungsstörungen) Bestrahlung sehr schlecht vertragen wurde 
und sehr unangenehme vagotonische Beschwerden auftraten. Es ist 
wohl denkbar, daß zwischen der Kaliumsteigerung bei Bestrahlung 
und diesen Symptomen ein Zusammenhang besteht. Warum freilich ° 
im Hochland diese Dinge weniger ausgeprägt sein sollen, läßt sich 
auch mutmaßungsweise nicht sagen. 

Bezüglich der Haut sei erwähnt, daß die Kaliumwerte beim 
Berliner Helltier niedriger waren als beim Dunkeltier und daß bei den 
Davoser Tieren das Verhalten entgegengesetzt war. Das gleiche gilt 
für das Calcium, wo ebenfalls das Berliner Dunkeltier, das Davoser 
Helltier die höheren Werte zeigte. Immerhin lagen in beiden Vergleichs- 
proben die Relationen Kalium ` Calcium so, daß beim Dunkeltier, 
wenn auch in verschiedenem Maße, das Kalium überwog. Aus den 
bereits oben genannten Gründen soll auf diese Verhältnisse kein be- 
sonderer Wert gelegt werden. 

Diese Versuche, die an verhältnismäßig wenigen Tieren ausgeführt 
worden sind, machen nicht den Anspruch darauf, die Frage der Ver- 
teilung der einzelnen lonen in den Organen definitiv und absolut zu 
klären. Es ist wobl denkbar, daß gewisse Verhältnisse, die man nicht 
beherrscht, die Resultate in einzelnen Fällen modifiziert haben. Mit 
Deutlichkeit zeigen sie aber, daß unter Einwirkung des Höhenklimas 
und des Lichtes ganz erhebliche Verschiebungen im Mineralg>halt des 
Organismus vor sich geben und daß auch die Frage der Gewöhnung 
an das Höhenklima (Akklimatisation) vielleicht hierdurch einer 
Deutung näher gebracht wird. 


Literatur. 


1) L. Pincussen, Handb. d. Biochem.. 2. Aurl., 7, 1926. — 2) J. Makri- 
neos, diese Zeitschr. 161, 61, 1925. — 3) L. Pincussen, ebendaselbst 161, 67, 
1925. — 4) L. Pincussen und G. Cronheim, ebendaselbst 171, 7, 1926. — 
5) L. Pincussen und H. N. Dimitrievic, Klin. Wochenschr. 1926, S. 849. — 
6) A. Loewy, Der heutige Stand der Physiologie des Höhenklimas. Berlin, 
Julius Springer, 1926. 


Über Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen. 


Von 
Ludwig Pincussen. 


(Aus der biologisch-chemischen Abteilung des städtischen Krankenhauses 
am Urban, Berlin.) 


(Eingegangen am 15. Dezember 1926.) 


Die Wirkung, welche das kurzwellige Licht besonders auf tiefer- 
stehende Organismen ausübt, erfolgt hauptsächlich im Sinne einer 
Schädigung. Bei der Anwendung genügend starker Intensitäten solcher 
Strahlung gehen bei längerer Belichtung die Organismen zugrunde. 
Ganz ähnlich wie ganze Tiere verhalten sich auch gewisse Organe, bei 
welchen ebenfalls eine mehr oder weniger große Schädigung durch 
das Licht erzeugt wird. Nach den Versuchen von Tappeiner und 
Jodlbauer, die in der Folge auch von anderer Seite erweitert worden 
sind, läßt sich die Lichtwirkung sehr erheblich steigern, wenn der 
Flüssigkeit, in welcher sich die niederen Organismen befinden, gewisse 
Farbstoffe, besonders fluoreszierende, zugesetzt werden. Während 
unter solchen Verhältnissen im Dunkeln gehaltene Tierchen ebenso- 
wenig beeinflußt werden wie in einfachem Wasser, wirkt bei Licht- 
zutritt diese ‚Sensibilisierung‘‘ so. daß in erheblich kürzerer Zeit als 
sonst eine Aufhebung der Lebensfunktionen, bei kleinen Tieren sogar 
der Tod eintritt. In einer Reihe von Arbeiten der letzten 14 Jahre 
habe ich versucht, diese Sensibilisierung experimentell für die Beein- 
flussung des Stoffwechsels höherer Tiere zu verwerten, während von 
anderer Seite, vor allem von Pfeiffer und Hausmann, dargetan worden 
ist, daß unter solchen Umständen auch andere tiefgreifende Ver- 
änderungen auftreten [Literatur über alle diese Dinge bei (1)]. Eine 
Erklärung der Erscheinungen bei photodynamischer Sensibilisierung 
steht bisher noch aus; nach meinen Erfahrungen handelt es sich bei 
der Beeinflussung des Stoffwechsels im wesentlichen um eine Steige- 
rung der Oxydationsvorgänge, der natürlich andere Phänomene teils 
koordiniert, teils subordiniert sein dürften. 

Eine Modifikation der Empfindlichkeit von Organismen gegenüber 
der Lichtwirkung kann nun auch auf eine andere Weise erfolgen, welche 
viel genauer präzisiert werden kann. An Fermenten konnte ich nach- 


L. Pincussen: Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen. 367 


weisen, daß die Wirksamkeit der Strahlung auf diese bedingt ist durch 
ihre Dispersität, daß feindisperse Systeme in höherem Maße durch 
das Licht geschädigt werden als solche, die in gröberem Zustande vor- 
handen sind, und daß die Fermentwirkung am stärksten dann ge- 
schädigt wird, wenn sich die Enzyme im optimalen Punkte befinden. 
Gewisse Zusätze, welche die Dispersität vergröbern, dadurch freilich 
auch die Wirkung an sich verkleinern, lassen die Schädigung durch 
die Strahlung auch relativ in sehr verringertem Maße in die Erscheinung 
treten. So ist z. B. Salzzusatz zu Fermentlösungen infolge seiner ver- 
gröbernden Wirkung geeignet, die Strahlenempfindlichkeit herab- 
zusetzen. Neben dieser allgemeinen Salzwirkung wurden auch spezifische 
Ionenwirkungen festgestellt, deren charakteristischste die des Jodions 
war. Aus Jodidlösungen wird im Lichte Jod abgespalten, und dieses wirkt 
augenscheinlich sehr schädigend auf die fermentative Wirkung ein, 
wenn auch in verschiedenem Ausmaß, wie ich an Diastasen zeigen 
konnte (2). 

Diese Erfahrungen ließen es erwünscht erscheinen, auch an 
Organismen die Wirkung gerade des Jods näher zu untersuchen. Im 
Frühjahr 1925 ausgeführte Untersuchungen an Kaulquappen, vor 
allem aber an Daphnien, haben nun gezeigt, daß auch hier dem Jod 
eine äußerst schädigende Wirkung zukommt. Die Versuche, welche 
in den Tabellen I und II dargelegt werden, zeigen diese Tatsache. 
Die Versuche wurden einfach so angestellt, daß die Tiere in zwei Partien 
in Jodalkalilösungen — im wesentlichen Jodkalilösungen — eingesetzt 
wurden, daß eine Partie im Dunkeln blieb, während der andere Teil 
in offener Schale dem Lichte ausgesetzt wurde, und zwar zeigt Tabelle I 
die Resultate bei Anwendung von Sonnenlicht, Tabelle II die bei 
Bestrahlung mit Quarzlampe. 


Tabelle I. 


Daphnien in Jodkaliumlörung (100ccm) in hellem, diffusem Lichte (23. J un 
1925). Anfang 12 Uhr. 


Konzentration 


Proz Nach 1 Stunde CHE 1 Stunde 50 Min. | Nach 2 Stunden 30 Min. 
0.1 viele tł fast alle + alle t 
> nano | viele f einige leben ' einzelne leben 
meiste t fast alle t 
005 (Kontrolle) etwa IL, etwa 1/, leben 
0.02 etwa !, f etwa °, ł 
0.02 (Kontrolle) . meiste leben ı meiste leben 
0.01 etwa Y, t etwa !, t 
0.01 (Kontrolle) | fast alle leben ° meiste leben 
0.005 Ä | etwa 1, f etwa t, 1 
0.005 (Kontrolle) fast alle leben fast alle leben 
Wasser etwa It etwa IT 


Wasser (Kontrolle) | wenige t wenige f 


368 L. Pincussen: 


Tabelle II. 
Daphnien im Quarzkolben in 0,05proz. JK-Lösung. 


I! Nach 48 Min. Nach 60 Min. 


a) Belichtet durch Quarzlampe, 50 V., 2 Amp. | | 
an den Klemmen, 15cm Abstand . . . . | alle leben ungefähr 1, t 
b) Dunkelkontrolle . . . 2.2 2 2 22 202. | ' fast alle leben 


Es ist über diese Tabellen nicht viel zu sagen; während bei sehr 
hohen Konzentrationen eine gewisse Schädigung auch bei den Dunkel- 
tieren beobachtet wird, ist bei niederen Konzentrationen kein Unter- 
schied der in Jodalkalilösung eingesetzten Tiere gegenüber den 
Kontrollen in Wasser festzustellen, während die im Hellen gehaltenen 
Tiere in weit höherem Maße als die Dunkeltiere absterben. Dieselben 
Erscheinungen zeigt Versuch 2, wo die Tiere in einem Quarzkolben 
mit der Qecksilberquarzlampe bei Verwendung einer 0,05proz. Jod- 
kaliumlösung bestrahlt wurden; schon nach 1 Stunde waren die meisten 
Lichttiere abgetötet. 

Diese Abtötung unter Lichteinfluß schien sehr wahrscheinlich 
durch die Abspaltung von Jod bedingt, welches, von den Tieren auf- 
genommen — in der Flüssigkeit wurde freies Jod nicht nachgewiesen —, 
nun weitere Prozesse zur Folge hatte, die schließlich zum Tode führten. 
Die Abspaltung von Jod aus Jodidlösungen im Lichte, deren Ausmaß 
von verschiedenen Faktoren abhängig ist, wird auch gesteigert durch 
Zugabe gewisser fluoreszierender Farbstoffe, und zwar gelingt dann. 
wie ich gezeigt habe, eine Abspaltung schon durch langwelligere 
Strahlen, welche ohne die Sensibilisatoren zur Freisetzung von Jod 
nicht befähigt sind. Es war also anzunehmen, daß bei Zusatz sensibili- 
sierender Substanzen infolge der Steigerung der Jodabspaltung noch 
eine stärkere Reaktion erfolgen müßte. Solche Versuche sind in den 
Tabellen III bis V geschildert, und zwar im Sonnenlicht sowie bei 
Beleuchtung mit der Quarzlampe unter Anwendung der sehr wirk- 
samen Sensibilisatoren Eosin und dichloranthracendisulfosaures 
Natrium. Es ist charakteristisch, daß bei dem in Frage kommenden 
Testobjekt die fluoreszierenden Farbstoffe an sich so gut wie keine 
Wirkung hatten, daß also die Abtötung der Tiere lediglich auf die 
JK-Spaltung zurückzuführen war. Bemerkt sei noch, daß die Tem- 
peratur der Licht- und Dunkelproben gleich hoch gehalten wurde. 

Es lag nahe, aus den genannten Versuchen den Schluß zu ziehen, 
daß das als starker Schädling bekannte Jod allein für diese starke 
Wirkung anzuschuldigen war; es war nur erforderlich, eine verstärkte 
Oxydation durch das freigesetzte Jod anzunehmen, aus welcher sich 
die ganzen Erscheinungen erklärten. Daß Jod außerordentlich stark 
wirksam ist, hatte sich aus hier nicht näher auszuführenden Versuchen 


Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen. 369 


Tabelle III. 


Daphnien im Quarzkolben in 100 ccm 0,05proz. JK-Lösung + l ccm 
lproz. Eosin, bläulich. 


| | _ [Nach 2 Stdn. (oh 
o 8 ) | Naeh 12 Min. | Nach 40 Min. A Bestrahlung) 
a) Belichtet durch Quarzlampe. | | | 
15cm Abstand ...... alle leben ‚ einzelne t alle t 
b) Dunkelkontrolle .. .... iog „ | alle leben | fast alle leben 
Tabelle IV. 


Daphnien in offenen Schalen in 100 ccm n/1000 JK-Lösung im Sonnenlicht 
(26. Juni 1925). 


| Nach 2 Stunden Nach 2 weiteren Stdn. 


Sonnenlicht diffusen: Licht 
n’1000 JK-Lösung . . . . 2... meiste t alle t 
Desgl., Kontrolle... ..... etwa !, tł etwa II? 
+ 0,5cem lproz. Eosinlösung.. . . alle t | alle t 
Desgl., Kontrolle... ..... N etwa 4, f etwa \, t 
+ 1,0ccm lproz. Eosinlösung. . . ! alle t alle t 
Desgl., Kontrolle... ..... | etwa 4, t etwa 1, f 
+ 2,0cem Eosinlösung . . . . . . | alle f alle t 
Desgl., Kontrolle. ....... | meiste leben meiste leben 
Wasser + 10ccm Eosinlösung . . . | 2, leben %, leben 
Desgl.. Kontrolle. ....... meiste leben meiste leben 
+ 20cem Eosinlösung . . .. . . etwa ?/, leben etwa 2. leben 
Desgl., Kontrolle. ....... | meiste leben meiste leben 
| Tabelle V. 


Daphnien in 100 ccm n/1000 JK-Lösung in offenen Schalen im Sonnenlicht 
(27. Juni 1925). 


| Nach oi Minuten 


n/1000 JK-Lösung, hell . .. .. 2.2.2222 0. großer Teil f 
Desgl., dunkel `, .2.. 2.22 2 2 22200. fast alle leben 
+ 0.5cem 0,1l proz. dichloranthracendisulfos. Na . alle tł 
Desgl., dunkel. .. 2%. = 2: » a ws 2% fast alle leben 
+ 1,0ccm dichloranthracendisulfos. Na. .... alle tł 
Desgl., dunkel. 2... 22 2 2 nenn. fast alle leben 
+ 20ccm dichloranthracendisulfos. Na. .... | alle t 
Desgl., dunkel... . 2.222220 20. , || fast alle leben 
+ Beem dichloranthracendisulfos. Na. . .. . . | alle t 
Desgl., dunkel. ..... 2. 22 2 02 nn. | fast alle leben 
Wasser + 1,0 ccm dichloranthracendisulfos. Na . . | ie a 
Desgl., dunkel... 2... 22 2 2 2 neo. ei a S 
+ 5.0 cem dichloranthracendisulfos. Na. .... | fer o a a 
Desgl., dunkel. u %. = e. = 2 0 0 % Se e 


ergeben, bei welchen andere Jodide angewandt worden waren, auch hat 
für die Schädigung der Katalase Seligsohn in meinem Institut den sehr 
starken Einfluß des aus einem organischen Jodpräparat abgespaltenen 
Jods nachweisen können. Es wurde trotzdem in diesem Jahre unter 


370 L. Pincussen: 


Benutzung von Kaulquappen als Testobjekt geprüft, ob die schädigende 
Wirkung lediglich der Jodkomponente zuzuschreiben ist, und aus 
diesem Grunde systematisch die verschiedenen Anionen und Kationen 
auf ihren Einfluß bei der Lichtwirkung untersucht. Es war schon 
früher, wie bereits angegeben, festgestellt worden, daß sämtliche Jod- 
salze schädigend wirken, es fehlte aber der Nachweis, ob die mit dem 
Kalium verbundenen Anionen in ähnlicher Weise wie das Jodion wirkten, 
ob also auch dem Kalium eine in der gedachten Beziehung wichtige 
Rolle zuzuschreiben ist. Den ersten Versuch über diese Frage schildert 
Tabelle VI. 
Tabelle VI. 
Kaulqyuappen (Frosch) in 100 ccm n/20 Lösung, 10 Minuten belichtet durch 
Quarzlampe, 2 Amp. (offene Schalen). 


"Ne Nach 40 Min. | Nach 40 Min. 


K Cl-Lösung . | D t. 2 leben | K,SO,-Lösung . | alle f 
Desgl., dunkel alle leben Desgl., dunkel . . ` alle leben 
KBr-Lösung . .. | tU lebt, | K,HPO,-Lösung 3 t.5 leben 
Desgl., dunkel . -> | alle leben Desgl., dunkel . . alle leben 
KJ-Lösung. .. . | alle ł Wasser, hell... . 5 e 
Desgl., dunkel ' alle leben S dunkel .. | S S 


Aus ihr ergibt sich die in vielen anderen Versuchen bestätigte 
Tatsache, daß Kaulquappen, dem Quarzlicht ausgesetzt, in allen 
Kaliumsalzen — die angewandte Konzentration war n/20 — verhältnis- 
mäßig schnell absterben, daß, während die Wasserkontrollen im Hellen 
am Leben blieben, die Dunkelkontrollen in den gleichen Salzlösungen 
ebenfalls überleben, die Helltiere nach längerer oder kürzerer Zeit 
zugrunde gehen, wobei freilich gewisse Abhängigkeiten vom Anion 
vorhanden sind. So ist das Kaliumjodid in der Tat am wirksamsten, 
während das Bromid und das Chlorid sich ein wenig, das saure Phosphat 
sich erheblich günstiger verhält. Sehr groß sind die Unterschiede bei 
der angewandten Intensität nicht, und es ist nur das Phosphat, welches 
einen gewissen Schutz zu gewähren scheint, trotz der verhältnismäßig 
alkalischen Reaktion, welche, wie später gezeigt werden wird, einen 
ungünstigen Einfluß hat. 

Nachdem auf diese Weise der sehr erhebliche Einfluß des Kalium- 
ions festgestellt worden war, wurde zur weiteren Klärung der Rolle 
der Anionen ein entsprechender Versuch mit N atriumsalzen angestellt. 
Hier sind die Ausschläge für die Anionen erheblich kleiner, wie 
Tabelle VII zeigt. 

Aus ihr ergibt sich sehr klar die Rolle des Jodions; während das 
Chlorion absolut unschädlich, das Bromion außerordentlich wenig 
schädigend einwirkt, ist die Wirkung des Jods eine sehr starke, und 
im Gegensatz zu den sonst meist gefundenen Reihen steht das Fluor 


Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen. 371 


Tabelle VII. 


Kaulquappen in n/10 Lösungen in offenen Schalen. Belichtung durch 
220-Volt-Quarzlampe, 10 Minuten. 


| Nach 60 Min. | Nach 60 Min. 
NaCl-Lösung . . . | alle leben NaFl-Lösung . . | alle } 
Desgl., dunkel. . . 5 A Desgl., dunkel . . ae T 
Na Br-Lösung . . . 1f,andereleben!| Wasser . .... alle leben 
Desgl., dunkel... | alle leben R dunkel. . ` 8 . 
NaJ-Lösun ... ! alle ł | 
Desgl., dunkel. .. "St 6 leben 


nicht beim Chlor, sondern beim Jod; hier besteht aber die Abnormität, 
daß auch die Dunkeltiere in verhältnismäßig großer Menge zugrunde 
gehen, während bei den anderen Anionen die Dunkeltiere überleben. 

Es fragt sich nun, wie unter den Kationen das Kalium in der Reihe 
steht, insbesondere wie die verschiedenen Kationen an das als gewisser- 
maßen indifferente Anion, das Chlor, gebunden sich verhalten. Solche 
Versuche sind in den Tabellen VIII und IX geschildert. 


Tabelle VIII. 
Temporariaqyuappen in 100 ccm Lösung. 10 Miunten belichtet in offenen 


Schalen. 

` Nach 20 Stunden Nach 44 Stunden 
Wasser . e 2 2 4. 2. 88% | 1 ł, 9 leben ' unverändert 
Desgl., dunkel . ........ | alle leben | alle leben 
n/50 NaCl. u. AC e ae | S S 2 +, 8 leben 
Desgl.. dunkel. . ........ Ä = 5 alle leben 
nt RO eise Neie NIR 8 Tt 2 leben alle t 
Desgl., dunkel . ........ | alle leben | alle leben 
n50 CaCl eege ag AC 2 1 ł, 9 leben unverändert 
Desgl., dunkel. ......... I Lt, 9 leben | m 


Dieser Versuch, der lediglich mit einigen Salzen ausgeführt worden 
ist, zeigt sehr deutlich, daß, wenn man Lösungen ohne Salzzusatz als 
Paradigma nimmt, das Natriumsalz keinen irgendwelchen nennens- 
werten Unterschied zeigt, das Kalium in gleicher Konzentration 
außerordentlich schädlich wirkt, das Calcium im Gegenteil eher 
günstiger. Die hier gewählten Konzentrationen ergaben bei den 
Dunkeltieren in keinem Falle eine Schädigung. 

Dieser Versuch ist noch erweitert in der Anordnung der Tabelle IX. 

Hier zeigt sich die schädigende Beeinflussung, wenn man die 
Kationen nach zunehmender Schädigung ordnet, in folgender Reihe: 


Ca, Na, < Al<Sr<Mg< Li< K. 
Es steht also das Calcium an einem, das Kalium am anderen Ende der 


Reihe, das Lithium auffälligerweise — das ist in vielen Versuchen 
Biochemische Zeitschrift Band 182. 25 


372 L. Pincussen: 


Tahelle IX. 


Kaulquappen von Bufo in n/10 Lösungen, belichtet in offenen Schalen 
an zwei aufeinanderfolgenden Tagen je 8 Minuten mit Quarzlampe. 


i 1 Stunde | 20 Stunden 
nach zweiter Belichtung 


alle leben 


NaCl-Lösung . . . . 222 2.0. alle leben 

Desgl., dunkel. .. . 2.2.2.2... A 5 e a 
KCl-Lösung. . . .. 2 .22.2.. alle } alle t 
Desgl., dunkel. ... 2.2.2... Dt 4 leben VT, 3 leben 
LiCil-Lösung . . ........ | alle ł | alle t 
Desgl., dunkel. . ........ alle leben 

MgÜl,-Lösunk. . . 2.2.2220... alle t alle + 
Desgl., dunke!. . .. 2.2.2... | alle leben Lt andere leben 
CaCl,-Lösung . . .. 2.2... S S 8 leben. 2 t 
Desgl., dunkel. ......2..2.. z k alle leben 
SrCl, -Lösung . . .. : 2.2... d leben. 6 + 9 +, 1 lebt 
Desgl., dunkel. ..... 2... alle leben | 1 t, 9 leben 
AlL,CI,-Lösung. . . . . 2.2... 3 leben. 6 f alle + 
Desgl., dunkel... . 2.2.2... alle leben alle tł 
Wasser „4.8 2 a a H Lt, 9 leben 
Desgl.. dunkel. . ........ a S alle leben 


bestätigt worden — ganz in der Nähe des Kaliums. Wir haben also 
für Anionen und Kationen ganz charakteristische Reihen vor uns, 
wie sie auch für andere biologische Prozesse gefunden worden sind. 
Die Reihe der Anionen: Cl < Br < SO, < Fl, J entspricht im wesent- 
lichen der von Höber (4) für die Hämolyse von Rinderblut durch Natrium- 
salz am ersten Tage angegebenen Reihe, während die Kationenreihen 
durchaus dem üblichen Schema entsprechen, was besonders klar wird, 
wenn man die einwertigen und zweiwertigen Ionen untereinander 
betrachtet. Mit Barium konnten bei der im allgemeinen angenommenen 
Versuchsanordnung keine Resultate gewonnen werden, da die Tiere 
auch im Dunkeln eingingen, das gleiche gilt für das Anion NO,. 

Bei meinen Untersuchungen über die Wirkung der Strahlung auf 
Fermente habe ich auch gezeigt — es wurde schon oben erwähnt —, 
daß Salzzusatz zu den Lösungen einen gewissen unspezifischen Schutz 
ausübt, augenscheinlich infolge der auftretenden Dispersitätsvergröbe- 
rungen. Etwas Ähnliches ist in gewissem Maße auch in diesen Ver- 
suchen an Kaulquappen der Fall. Bringt man die Tiere in eine ver- 
hältnismäßig günstige Phosphatpufferlösung, so beobachten wir auch 
hier, wie Tabelle X zeigt, unter Umständen eine Schutzwirkung. 


Zu hohe Salzkonzentrationen erweisen sich in jedem Falle für 
das Leben der Tiere als schädlich. In einer m/3 Phosphatlösung sterben 
sowohl die Hell- wie auch die Dunkeltiere ab, und zwar im Lichte 
etwas schneller als in der Dunkelheit. Ähnliches findet in m/6 Lösungen 
statt, während in verdünnteren Phosphatlösungen ein sehr erheblicher 


Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen. 373 


Tabelle X. 
Kaulquappen in Phosphatmischungen, py 5,91. Bestrahlung 20 Minuten. 


in Nach 10 Minuten | Nach © Minuten | Nach 120 120 Minuten 


m;3 Phosphat, Be rn alle t 

Desgl., dunkel .. ... 6 t. 3 leben alle t 

.m/6 Phosphat Bu re g alle tł 

Desgl., dunkel ... .. alle leben alle leben 

m/l2 Phosphat... . . alle leben = k 2 1, 8 leben 

Desgl., dunkel .. .. . S s | R x alle leben 

m’24 Phosphat. .... S 2 ie R a 

Desgl., dunkel . .... A = x S n 5 

m/48 Phosphat. . . . . 2 A 8 x 5 

Desgl., dunkel .. ... S S š 5 S 
EE ei e õ t, 3 leben 2 leben 

Desgl., dunkel ` .. . . d S alle leben alle leben 


Schutz gegenüber der Bestrahlung im Vergleich mit Wasser festzustellen 
ist. Es dürfte kaum ein Zweifel sein, daß hier ähnliche Prozesse ob- 
walten wie bei der vorher geschilderten Wirkung der verschiedenen 
Ionen, daß es sich also auch hier um Dispersitätsvergröberungen 
handelt, unter deren Wirkung ein Schutz gegen die Strahlung erzielt 
wird. Sowohl die unspezifische Wirkung des Salzes an sich wie die 
spezifische des Ions vermag also eine Verminderung bzw. Zunahme 
der Strahlenempfindlichkeit auszulösen. 


In ganz ähnlicher Weise dürfte der Einfluß zu deuten sein, 
den die Wasserstoffionenkonzentration der Lösung auf die Tiere 
ausübt. Bringt man, wie Tabelle XI zeigt, die Kaulquappen in eine 
Phosphatpufferlösung gleicher Konzentration, jedoch von wechselndem 
Pu, 80 ergeben sich charakteristische, zunächst unerwartete Verhältnisse. 


Tabelle XI. 


Quappen in m/50 Phosphatlösungen, 10 Minuten (15cm Entfernung) 
in offenen Schalen belichtet. 


Pu der Lösung Jä nach Belicht. Pu der Lösung ` 3 Stdn. nach Belicht. 
ae. ÜBER E éi alle lieben. EI TEE 3t, 4 leben 
591, dunkel. . . . S 7.15, dunkel . .. alle leben 
E Ae a a 8 RRE e ` 4 1. 3 leben 
6,47, dunkel £ S 7.65, dunkel .. . alle leben 

a EN e E a 5 e Wasser . . . .. AT 3 leben 
681. dunkel. . . . K S -~ dunkel . . alle leben 


Es ergibt sich, daß die bei kleinerem pa als 6,8 belichteten Tiere 
bei der Bestrahlung verhältnismäßig wenig oder gar nicht geschädigt 
werden, daß bei diesem pe alle Kaulquappen am Leben bleiben, während 
bei alkalischer Reaktion pu 7,15 und pa 7,65 der größte Teil der Tiere, 


25 * 


374 L. Pincussen: 


und zwar steigend mit höherem pa zugrunde geht. Nach einem 
anderen Versuch liegt die Grenze bereits bei ungefähr 6. Da es sich 
ja hier wohl um eine kombinierte Wirkung handelt, erscheint die 
Reaktion nicht absolut scharf, sie zeigt aber deutlich, daß eine er- 
hebliche Abhängigkeit besteht, und zwar macht es den Eindruck, daß 
bei einer gewissen Entfernung vom isoelektrischen Punkt, den man 
vielleicht zu ungefähr 5 bis 6 annehmen darf, infolge der Dispersitäts- 
verkleinerung die Tiere der Strahlenwirkung zugänglicher geworden 
sind. Die höhere Empfindlichkeit bei zunehmendem pa zeigt sich auch 
beim Einbringen in reine Säurelösungen, worauf an dieser Stelle nicht 
eingegangen werden soll, weil hier noch andere Dinge eine Rolle spielen. 
Es möge aber schon erwähnt werden, daß auch bei Essigsäure und 
Propionsäure die Dinge grundsätzlich ebenso liegen, desgleichen auch 
bei Einbringen in Salzsäurelösungen; überall schützt eine höhere 
Acidität in gewissem Grade gegen die Lichtwirkung. 

Als Resultat sämtlicher geschilderten Versuche scheint sich zu 
ergeben, daß auch bei der Wirkung des Lichtes auf tierische Organismen 
die Dispersität, zunächst wohl der aufnehmenden Haut, maßgebend 
ist für den tödlichen Erfolg der Strahlung, daß Dispersitätsvergröberung 
schützt, daß Dispersitätsverminderung, die sich hier im wesentlichen 
als Quellung dokumentiert, die Empfänglichkeit steigert. So bilden 
die Versuche am lebenden Organismus eine Parallele zu meinen Ergeb- 
nissen über die Einwirkung der Strahlung auf die Fermente. Daß 
auch beim lebenden Organismus eine Beeinflussung der Fermente 
eine wesentliche Rolle spielt, ist wahrscheinlich; diese Frage wird 
weiter verfolgt werden. 

Anhangsweise sollen einige Versuche mitgeteilt werden, welche 
über das Wachstum der Kaulquappen unter verschiedenfarbigem 
Lichte ausgeführt worden sind. Sie wurden so angelegt, daß gleiche 
Portionen Laich in weiße Schalen eingebracht wurden, welche mit 
farbigen Gläsern überdeckt waren, so, daß aber genügend Luft hinzu- 
treten konnte. Die Schalen standen nebeneinander am hellen Fenster. 
Die angewandten Farben waren gelb, rot, grün, blau; eine Schale war 
mit einem weißen Rippenglas bedeckt, eine sechste durch untergelegtes 
schwarzes Papier möglichst gegen Licht geschützt, eine siebente blieb 
offen. Das Wasser wurde in gewissen Intervallen gewechselt; zwecks 
Fütterung der jungen Kaulquappen wurde genügend Piscidin in feinstem 
Pulver in genügender Menge zugefügt. In dem Versuch, der am 24. März 
begonnen, am 21. April abgeschlossen wurde, ergab sich am Ende kein 
deutlicher Unterschied in der Entwicklung der Temporariaquappen; 
nur zeigte sich eine Differenz in der Pigmentierung, die, wie zu er- 
warten, am geringsten bei den im Dunkeln gehaltenen Tieren war, am 
stärksten aber bei den unter blauem Glas aufgezogenen. In der ganzen 


Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen. 375 


Zeit standen die Gefäße am Tageslicht, in gleicher Weise vom Lichte 
getroffen. 

Gewisse Unterschiede jedoch zeigten sich während der Ent- 
wicklungsdauer. So erwiesen sich am 29. März die unter grünem 
und blauem Glas gehaltenen Eier schlechter entwickelt als die anderen, 
und am 3. April war besonders in der blauen Probe noch verhältnis- 
mäßig viel unentwickelter Laich, eine schlechte Entwicklung auch 
bei der unbedeckten Probe, die auch noch am 6. April sehr deutlich zu 
erkennen war. Am selben Tage waren die größten Exemplare unter 
dem roten Glas festzustellen. Als Ergebnis dieser Versuche. die keinen 
Anspruch auf absolute Genauigkeit machen, möchte ich also fest- 
stellen, daß im Anfang kurzwelligeres Licht, grün und blau, die Ent- 
wicklung zu hemmen, rotes sie dagegen zu steigern scheint. Diese 
Differenzen gleichen sich aber in der Folge vollständig aus. Daß 
die geringere die Tiere treffende Strahlenenergie die anfänglichen 
Differenzen bedingt, scheint mir aus dem Grunde wenig wahrscheinlich, 
weil ja auch bei in offenstehendem Gefäß, welches also die gesamte 
Strahlung empfängt. zu gewisser Zeit eine Verzögerung der Entwicklung 
festzustellen ist. 

Eine zweite Frage, die ich nur kurz streifen möchte, ist die, ob 
durch Jod die Entwicklung des Laichs gefördert wird. Bezüglich des 
Stoffwechsels des Kaninchens habe ich aus meinen Versuchen ge- 
schlossen, daß durch Jod, welches aus Jodalkali durch Bestrahlung 
in Freiheit gesetzt wird, ähnliche Wirkungen erzielt werden wie bei 
einer Hyperfunktion der Schilddrüse. Auf die Entwicklung der Kaul- 
quappen wirkt nach meinen Versuchen durch Strahlung freigesetztes 
Jod nicht in gleicher Weise wie Schilddrüsenstoffe ein. Wurde 
Temporarialaich in Jodkalilösungen gesetzt und teils im Dunkeln, 
teils im Hellen gehalten. so zeigte sich nach den Angaben der 


Tabelle XII. 


Teruporarialaich in offener Schale in 100 ccm Wasser am hellen Tageslicht 
(Anfang 25. März 1926). 


"+ 5ccm Sproz. JK.l.ösung | + 2cem 5Sproz. JK-Lösung Ohne Zusatz 
Im Licht Im Licht | Im Licht 
29, III. deutlich schlechter | schlechter wenig schlechter als 
2. IV. bedeutend schlechter i y r 3 
15. IV. Quappen kleiner `. Quappen kleiner kaum Untersch. gegen 
Dunkelkontrolle 
22. IV. schlechtere Entwick- schlechtere Entwick- Kein Unterschied 
lung, kleiner lung 


als Dunkelkontrolle als Dunkelkontrolle 


Tabelle XII, freilich ohne Berücksichtigung des pu — es wurden 
rein wässerige Lösungen verwendet —, daß nicht nur keine Be- 


376 L. Pincussen: Beeinflussung biologischer Lichtwirkungen. 


schleunigung der Entwicklung gegenüber den in einfachem Wasser 
gehaltenen Tieren eintrat, sondern daß besonders bei stärkeren 
JK-Konzentrationen die Entwicklung sogar gehemmt wurde und 
daß diese Hemmung sich auch am Ende des Versuchs nicht ausglich. 
wie es bei den Kontrollproben ohne Zusatz beobachtet wurde. Die 
Hemmung betrifft also nicht nur die Entwicklung der Quappen aus 
dem Laich, sondern auch die Weiterentwicklung der jungen Larven. 
Es ist demnach also nicht das Jod, welches für die der Schilddrüsen- 
substanz zugeschriebene Entwicklungsbeschleunigung der Temporarien 
verantwortlich ist. 


Literatur. 


1) L. Pincussen, Biologische Lichtwirkungen. Ergebn.d. Physiol. 19. — 
2) Derselbe, Fermente und Licht, VII. Diese Zeitschr. 152, 406, 1924. — 
3) F. Seligsohn, Katalase, I. Ebendaselbst 168, 457, 1926. — 4) R. Höber, 
Chemie der Zelle und Gewebe, 5. Aufl., 1922, S. 589, 624, 674. 


Untersuchungen über Cytolyse beim Krebs. I. 


Von 
N. Waterman und L. de Kromme. 


(Aus dem Laboratorium des ‘Anthoni van Leeuwenhoekhuis, Amsterdam.) 


(Eingegangen am 27. Dezember 1926.) 


Einleitung. 


Im scharfen Gegensatz zu der modernen, vorwiegend ätiologischen 
Krebsforschung steht das Studium und vor allem auch die Erkenntnis 
der allgemeinen Vorrichtungen im Körper, die die Entwicklung eines 
malignen Tumors entweder fördern oder derselben vorbeugen. 

Durch die ätiologische Forschung sind wenigstens einige präzise 
Daten ans Tageslicht gefördert worden, wenn wir auch deren Bedeutung 
und Auswirkung noch nicht zu übersehen vermögen. Die Carcinom- 
genese durch Teerpinselung ist eine Tatsache, wenn auch der Mechanis- 
mus unverstanden geblieben ist; dasselbe gilt für das Strahlencarcinom. 
So ist die Bedeutung des Sauerstoffmangels von Warburg dem Ver- 
ständnis wesentlich nähergerückt worden. 

Ganz anders ist es mit den Körperreaktionen bestellt. Es besteht 
doch sogar Streit, ob überhaupt beim Krebs Abwehrvorrichtungen 
existieren; deren Existenz wird von verschiedenen Forschern aufs 
heftigste bestritten; der Begriff der Disposition wird wohl allgemein 
anerkannt, aber es fehlen genaue Daten, woraus diese zu beurteilen sei. 

Und doch würden aus der Erkenntnis dieser Disposition — eventuell 
Abwehr — Begriffe zu gewinnen sein, die auch das Krebsproblem in 
ätiologischer Hinsicht fördern könnten. Wenn nıan ergründen könnte, 
auf welchem Terrain diese Disposition bzw. Abwehr zu suchen sei, 
welche Mechanismen bei diesem Schutz in Tätigkeit gestellt würden, 
so könnten daraus auch für die Ätiologie und Pathogenese neue Erkennt- 
nisse gewonnen werden. 

Wenn wir z. B., auf unsere Untersuchungen vorausgreifend, der 
Meinung sind, daß die Prozesse von Zellzerfall (lysis) und Zellregenera- 
tion im normalen Körper zentral regulierte Vorgänge sind, zu denen 
unzweifelhaft mehrere lokale Faktoren hinzukommen, so konnte das 


378 g N. Waterman u. L. de Kromme: 


Wesen dieser Regulierung beim Krebs eine neue Beleuchtung erfahren 
und die Ätiologie mit Prozessen von Autolysis und Regeneration in 
Verbindung gebracht werden. 

Wir müssen aber zu dem Gesagten sogleich eine Ausnahme machen 
und schon hier auf die von Freund und Kaminer einerseits und von 
Neuberg andererseits gefundenen fundamentalen Tatsachen aufmerksam 
machen. 

Die hierher gehörigen Faktoren stehen schon seit 1912 da: Krebs- 
zellen werden von normalem Serum aufgelöst, von Serumtumorkranken 
dagegen nicht lysiert, sogar gegen Lysis von normalem Serum und 
Extrakten geschützt. 


Diese Reaktion ist aber, außer von Freund und Kaminer selbst, so 
wenig gründlich durchforscht, es manifestieren sich dabei überdies so viele 
und wichtige Nebenfaktoren, daß eine Bearbeitung von Grund auf und in 
Verbindung mit den neuen Ergebnissen der experimentellen Krebsforschung 
ihre Berechtigung haben dürfte. Dazu kommt noch folgendes: Während 
Neuberg die Erscheinungen als atypische Fermentprozesse gewertet und 
sie mit den Fragen der allgemeinen Enzymchemie in Beziehung gesetzt 
hat, ist die cytolytische Reaktion von Freund und Kaminer hauptsächlich 
als diagnostische Reaktion gewürdigt worden, wozu sie unseres Erachtens 
nicht geeignet ist und auf welchem Gebiet ihre Bedeutung auch gar nicht 
liegt. Die Resultate in dieser Beziehung waren denn auch gar nicht er- 
munternd. Das ist auch nicht wunderzunehmen, denn die verschiedenen 
Tumorkranken sind untereinander so sehr verschieden, es kommen außer- 
dem, vor allem bei weiter fortgeschrittenen Fällen, so viele Tumorprodukte 
in die Blutbahn — von Effekten von Fieber und Bestrahlung noch nicht zu 
reden —, daß eine positive Lysis unter diesen Umständen nicht verwundern 
kann. Hat es sich doch z.B. bei unseren Untersuchungen gezeigt, daß 
Punktionsflüssigkeiten von Tumorkranken, Tumorextrakte, immer lytische 
Faktoren enthalten. Auf der anderen Seite bestehen bei anderen Krank- 
heiten ebenfalls Zellzerfall, vielleicht auch Iysishemmende Faktoren. 

Der Schluß muß leider lauten, daß die grundlegende Arbeit Freund 
und Kaminers durch die Betonung der diagnostischen Möglichkeit Schaden 
gelitten hat. Außerdem haben Freund und Kaminer selbst ihre Unter- 
suchungen unter sehr speziellen Bedingungen und Fragestellungen fort- 
geführt und sind zu Auffassungen gelangt, die, wenn auch möglicherweise 
richtig, sich doch sehr von unseren pathogenetischen Krebsauffassungen 
entfernen. 


Um die allgemeine Gültigkeit der cvtolytischen Vorgänge beim 
Krebs besser in Verbindung mit der experimentellen Krebsforschung 
bringen zu können, haben wir uns teilweise von der Klinik mit ihrer 
verwirrenden Mannigfaltigkeit emanzipiert. 

Die evtolytischen Vorgänge können sehr gut auch und mehr gleich- 
mäßig bei den verschiedenen Tiertumoren studiert werden. Zugleich 
sind die experimentellen Möglichkeiten viel größer. Wir verfügen über 
die zahlreichen transplantablen Tumoren, außerdem über das Teer- 
carcinom bei der Maus. 


Cytolyse bei Krebs. I. 379 


Wir haben nun die Absicht, die cytolytische Reaktion einer genauen 
Analyse zu unterwerfen. Dazu werden wir programmäßig verfahren 
und den Stoff in mehrere Teile gliedern müssen. 

Wir fangen mit Material und Technik an. 


I. Material und Technik. 


Die krebszellenlösende Kraft einer Flüssigkeit (Blutserum, Exsudat, 
Organextrakt) wird nach der von Freund und Kaminer schon angegebenen 
Zählmethode bestimmt, d.h. in der Zählkammer wird die Anzahl von 
Zellen in einer Suspension vor und nach der Einwirkung der betreffenden 
Flüssigkeit bestimmt. 

Die ganze Methode steht und fällt aber mit der Bereitung einer geeig- 
neten Suspension. Nicht nur daß die Tumorzellen in möglichst vitalem 
Zustand verkehren sollen, keine Degenerationen (Verfettungen) auf- 
weisen usw., auch ihre Fähigkeit zur Suspensierung ist von ausschlag- 
gebender Bedeutung. Die Genauigkeit der Zählung ist, wie in dem nächsten 
Abschnitt auseinandergesetzt wird, hochgradig von der guten Verteilbarkeit 
abhängig. l 

Es ist kein Wunder, daß auf diese Weise das gewöhnlich angebotene 
menschliche Material (Operation, Sektion) vielfach diesen Anforderungen 
nicht genügt. Die besten Erfahrungen haben wir mit Mammacarcinomen, 
bisweilen auch mit Magen- und Rektumcarcinomen gehabt. Lymphdrüsen- 
material zeigte sich nur in ganz wenigen Fällen geeignet. 

Wenn das Material gut ist, ist übrigens die Bereitung der Suspension 
nicht schwer. In der von Freund und Kaminer angegebenen Weise wird 
der Tumor zerkleinert, durch Gaze filtriert und wiederholt in der Zentrifuge 
mit Freundscher Lösung (0,6proz. NaCl + lproz. saures, phosphorsaures 
Natron, py = 5,4) gewaschen. 

Die Zahl der Zellen und ihre Isolierung werden mikroskopisch fest- 
gestellt und gegebenenfalls geeignete Verdünnungen gemacht. 

Wenn das Material gut ist, kann es mehrere Tage in steriler Lösung 
aufbewahrt werden. Das Verhältnis zwischen Suspension und lytischer 
Flüssigkeit ist gewöhnlich 1: 10. 

Die absolute Zahl der Zellen ist innerhalb gewisser Grenzen für den 
Versuch ohne Bedeutung. 

Weil auch das experimentelle Teercarcinom in unsere Untersuchungen 
einbezogen wurde, war es erwünscht, zu jeder Zeit über einen frischen Tumor 
ohne Nekrosen und mit genügender Suspendierfähigkeit verfügen zu können. 
Das geeignete Zellmaterial fanden wir dazu in einem transplantablen 
Carcinom, das sogenannte Twort Ca. vom Imp. C. I., ein langsam wachsender 
Tumor. Auch hier kann man öfters Enttäuschungen erleben, insofern, als 
auch selbst junge Tumoren nekrotisch sind und wenig isolierbare Zellen 
enthalten. Beim Carcinom Nr. 63 und sogar beim Rattencarcinom machten 
wir keine guten Erfahrungen. Auch das eigentliche Teercarcinom ist 
meistens ungeeignet. 

Noch einiges über die Zellen. Sie sind meistens von beigemischten 
Lymphocyten leicht, schon durch ihre Größe, zu unterscheiden. Blutzellen 
werden schon bei der Zentrifugierung leicht von den Tumorzellen getrennt. 

Die Suspension bleibt in der angegebenen Pufferflüssigkeit mehrere 
Tage haltbar. Die Zellen bleiben gut erkennbar; die Kernstrukturen bleiben 
sichtbar. Bisweilen konnten sehöne mitotische Bilder beobachtet werden. 


380 l N. Waterman u. L. de Kromme: 


Aus den betreffenden Tabellen kann man denn auch mehrfach eine nicht 
unbedeutende prozentische Vermehrung herauslesen; bei gewissen jungen 
Tumoren in bisweilen fast unglaublichem Grade. 

In den meisten, vornehmlich ersten Versuchen wurde in Überein- 
stimmung mit den Freund und Kaminerschen Versuchen Fluornatrium 
als Antisepticum hinzugefügt. Bei sterilem Arbeiten aber, wie es das 
experimentelle Material gestattet, ist die Zufügung von Fluornatrium 
nicht unbedingt nötig. Außerdem führt die Substanz, weil sie hemmend 
auf alle Fermentationen wirkt, Komplikationen herbei. An einem Beispiel 
wird später die Bedeutung dieser fermenthemmenden Wirkung erläutert 
werden. | 
Die Mischung: Flüssigkeit — Suspension wird in dickwandigen kleinen, 
mit sterilen Gummistöpseln verschlossenen Eprouvetten mehrere Minuten 
mit Hilfe einer kleinen Glasperle geschüttelt. 

Die Mischung wird mit einer Glaspipette zur Zählung in eine Bürker- 
sche Kammer gebracht. 


Rechtfertigung der angewandten Technik. 


Es erhebt sich unmittelbar die Frage, ob die angewandte Technik 
zuverlässig und vor allem empfindlich genug sei, um das lytische Phänomen, 
auch wenn es nur in geringerem Umfang auftritt, genau zahlenmäßig zu 
verfolgen. Es wird sich nämlich als unseres Erachtens sehr bedeutendes 
Ergebnis zeigen, daß die Lysis niemals 100proz. ist. Ob nun z.B. eine 
lOproz. Lysis Bedeutung hat, wird ganz von der Empfindlichkeit der 
Methode abhängen. 

Die Methode ist darum auf Grund der Weahrscheinlichkeitsrechnung 
einer mathematischen Analyse unterworfen worden. 


II. Mathematische Analyse. 


Weil unsere Schlußfolgerungen sich auf Zählungen in der Zählkammer 
basieren, ist es notwendig, zuerst die Methodik dieser Zählungen einer 
kritischen Prüfung zu unterwerfen, zwecks Feststellung, ob diese nicht 
allzu großen Ungenauigkeiten ausgesetzt ist, und innerhalb welcher Grenzen 
sie zuverlässig ist. 

Die erstel Bedingung, welche man stellen muß, ist die einer gleich- 
mäßigen Verteilung, die von sehr vielen Umständen: spezifischem und 
absolutem Gewicht der Zellen, Viskosität des Suspensionsmittels|usw., 
beherrscht wird. 

Die zweite Bedingung ist, daß bei den verschiedenen Manipulationen 
(Aussaugen der Flüssigkeit, Ausfließen aus der Pipette und kapillare 
Füllung der Zählkammer) eine regelmäßige Verteilung erhalten bleibt. 


Die dritte Bedingung ist, daß bei diesen Manipulationen die Kon- 
zentration der Zellen in der Zählkammer derjenigen in der Eprouvette, 
welcher der untersuchte Tropfen entnommen ist, gleich ist. 


An erster Stelle ist es notwendig, der verwandten Kapillarpipette 
Rechnung zu tragen. Perrin beschrieb den Einfluß, welcher von der Wand 
einer derartigen Pipette auf die gegenseitige Anziehung fester Teilchen und 
infolgedessen auf «deren Verklebung ausgeübt wird; außerdem soll man 
bedenken, daß für das Aufsaugen eines Tropfens jedesmal eine neue Pipette 
zur Verwendung gelangt, so daß fortwährend mit Ausströmungsöffnungen 


Cytolyse bei Krebs. I. 38l 


verschiedenen Kalibers gearbeitet wird. Auch diese Komplikation sollte 
in Rechnung gebracht werden müssen. 


Es ist einleuchtend, daß für alle die beschriebenen mitwirkenden 
Faktoren keine allgemein gültigen, einfachen mathematischen Formeln 
zu geben sind. 


Es ist darum auf Grund von empirisch erhaltenen Resultaten der 
Fehler berechnet worden und, unter Zuhilfenahme der Gesetze der Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung, die Weahrscheinlichkeit, daß der Fehler einer 
willkürlichen Zählung innerhalb einer bestimmten Fehlergrenze liegt, 
bestimmt worden. 


Aus einem Diagramm der Zellverteilung in der Zählkammer würden 
theoretisch ohne allzuviel Schwierigkeiten Fehler und Wahrscheinlichkeit 
berechnet werden können. In diesem Falle umgeht man jedoch eben den 
Einfluß der Ungleichartigksit der verschiedenen Pipetten, während man 
weiter bedenken soll, daß man nicht unterrichtet wird über die Verteilung 
der Zellen innerhalb jedes einzelnen Quadrants. Auf diese Weise würde 
eine viel kleinere Wahrscheinlichkeit gefunden werden. 


Die Lehre der Weahrscheinlichkeitsrechnung lehrt, daß zur Fehler- 
bestimmung werigstens zehn Wahrnehmungen nötig sind; diese Zahl 
genügt, vorausgesetzt, daß keine Auswahl stattfindet und die Wahr- 
nehmungen einander in willkürlicher Reihe folgen. 


Es muß deshalb in der Weise vorgegangen werden, daß eine Zell- 
suspension bereitet wird, worin die Zellen so gut wie möglich verteilt werden. 
Hieraus wird mit einer willkürlichen Pipette ein Tropfen in die Zählkammer 
gebracht und diese Zellen gezählt; diese Handlung (Suspendierung und 
Zählung) wird zehnmal wiederholt. Das Kriterium, das an eine reine richtige 
Verteilung gestellt werden muß, ist: dieses, daß in der Kammer kein einziges 
Klümpchen wahrgenommen wird; ist diese Bedingung erfüllt, dann wird 
die Verteilung vom Zufall beherrscht, richtiger von demjenigen Komplex 
von Faktoren, die wir nicht zu beeinflussen vermögen. 


Das Resultat unserer Analyse vorwegnehmend, kann mitgeteilt 
werden, daß für eine Wahrnehmung der Fehler beträgt: 


bei einer Wahrscheinlichkeit . . . . . 0,5 = 4 Proz. 
fr) 99 99 e D D e D 0,9 = II „ 
99 29 ag e e e e . 0,99 = 17 DE 

Zahl l Abweichung ee 

487 un | 2285 

436 — 16 256 

45l ==] l 

463 — 11 12] 

456 — 4 16 

452 0 0 

453 — l l 

456 +4 lë 

438 — l4 196 

448 — 4 lt 

4520 d 848 


Mittelwert: 452.0 


382 N. Waterman u. L. de Kromme: 


Der Gaußsche mittlere Fehler ist: bs] = u 
n 


H — GH = 9,2, 
r — 0,67449 u — 62. 


Berecknen wir jetzt die anderen Wahrscheinlichkeiten: 


Das Präzisionsmaß = h = - ı 


i i DI 
h = — — -. — 0,0769. 
V169,6 13 i 
Wenn man annimmt, daß die Abweichungen dem normalen Fehler- 
gesetz folgen, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine Abweichung höchstens 
+ d beträgt, bei einem Präzisionsmaß E 
ER: kd 
h —h2 (x — a) 2 —e 
P e GE e "dt = (hô), 


i 


A Kë 
a— d 0 
Re 
wenn ®(xz) die Funktion ie ® dt darstellt, welche numerisch ge- 
i T 
0 


geben ist !). 
Also ist für eine Wahrscheinlichkeit 0,5 
p(x) = 2 (0,0769.8) = 0,5, 


also z — 0,0769. — 0,477, 
0.477 
= Agen T Dé 


und für eine Wahrscheinlichkeit 0,9 bzw.'0,99 15,1 bzw. 23,8. Ist o der 
mittlere Fehler einer Wahrnehmung, dann ist diese für das Mittel von 
n Wahrnehmungen fn. 


u = (31. hier n -- 10, also W = 05 .... F= 196, 


n Br 
W=09 ....F= 4171, 


W”=09....Ff = 752, 
d.h. bzw. 4, 11, 17 Proz. 


III. Ergebnisse. 


Aus den Tabellen I bis IV geht in einer Anzahl von Fällen die 
Richtigkeit des Grundprinzips hervor. Die Sera inkomplizierter Tumor- 
fälle (d.h. wenn keine größeren Metastasierungen, Abszedierungen. 
ausgiebigen Strahlungseffekte vorhanden sind) lösen, im Gegensatz 
zu Gesunden, Krebszellen nicht auf. Das gilt, was unseres Erachtens 
noch nie zuvor untersucht worden ist, ebenfalls für das Serum von 
Mäusen mit Spontantumoren. Auch Tiere mit autochthonem, doch 


1) Czuber, Wahrscheinlichkeitsrechnung J. 


Cytolyse bei Krebs. I. 383 


experimentell entstandenem Carcinom haben ihre lytische Fähigkeit 
eingebüßt. 


An der geteerten Mäusehaut können wir den Verlust der Lysier- 
barkeit sehr genau verfolgen; wir reservieren aber diese Untersuchungen 
für ein besonderes Kapitel. 


Bei Tumorkranken, die bestrahlt werden oder die Abszedierungen 
zeigen, kann ein beträchtliches lysierendes Vermögen anwesend sein. 
Wir haben mehrmals Sera dieser Patienten, auch Punktionsflüssigkeiten 
untersucht; ohne Ausnahme lysieren sie. Das stimmt mit dem Ver- 
halten von Tumorautolysaten überein. Man sollte eigentlich erwarten, 
daß diese, den Angaben Freund und Kaminers über zellschützende 
Fähigkeit gemäß, den lytischen Faktor neutralisieren sollten. Das ist 
aber keineswegs der Fall. Einige Andeutungen von einer antilytischen 
Kraft besitzen wir nur in einigen wenigen Experimenten, wo gut ge- 
waschene Tumorzellensuspensionen während 24 Stunden der Autolysis 
überlassen werden. Die abzentrifugierte Flüssigkeit zeigte hier in der 
Tat antilytisches Vermögen. Wahrscheinlich ist dieser Körper nur 
in einem sehr beschränkten Stadium demonstrierbar. Er ist möglicher- 
weise identisch mit dem tumorimplantationsfördernden Stoff, der von 
Chambers und Scott beschrieben wurde. Indessen sind wir bis jetzt noch 
nicht über die Bedingungen seines Entstehens und seiner Stabilität 
vollkommen orientiert. 


Auch bei Gesunden ist das lytische Vermögen offenbar ein sehr 
wechselndes.. Aus der Tabelle I geht hervor, daß gesunde Leute im 
kräftigen Lebensalter mehr oder weniger lysieren. Die von Freund 
und Kaminer festgestellte Tatsache des Sinkens dieses lytischen Ver- 
mögens im Alter erscheint uns recht plausibel, konnte aber nicht 
konsequent von uns untersucht werden. 


Es ist ebenfalls wahrscheinlich, daß es auch bei Gesunden Schwan- 
kungen in dem Lysistiter gibt; wir haben z. B. vorzugsweise das Serum 
in nüchternem Zustand entnommen. 


Beim Tiermaterial sind die Resultate viel einheitlichere. Indessen 
gibt es doch auch bei Mäusen und Ratten individuelle Differenzen. 


Wie schon erwähnt, ist der lytische Prozeß niemals ganz vollständig. 
Wir betrachten diese Tatsache als eine sehr wichtige. Wäre die Lysis 
einfach die Folge einer chemischen Einwirkung, so könnte man, bei 
genügender Zeitdauer und genügender Konzentration, eine 100 proz. 
Lysis erwarten, sogar wenn man ab origine eine verschiedene Wider- 
standsfähigkeit der Tumorzellen anwendet. Läßt man z. B. ein 
tryptisches Ferment auf eine solche Suspension einwirken, so sind 
innerhalb 24 Stunden alle Zellen aufgelöst. 


384 N. Waterman u. L. de Kromme: 


Diese unvollständige Lysis ist dabei noch um so imponierender, weil 
oft schon sofort nach dem Einsetzen des Versuchs eine mikroskopisch 
wahrnehmbare Lysis einsetzt. Die Zellen verlieren ihre scharfe Kontur. 
bilden bisweilen eigentümliche protoplasmatische Ausstülpungen, und 
die Zellbestandteile werden weniger deutlich sichtbar. Es ist nicht 
einzusehen, daß dieser Prozeß wegen Verbrauchs des lysierenden 
Faktors bald sein Ende finden würde. 


Erstens werden während der Lysis Produkte gebildet, welche 
das lytische Prinzip neutralisieren. Diese Möglichkeit zerfällt sogar 
noch in zwei begrifflich zu trennende Auffassungen; es könnten 
antagonistische Substanzen entstehen, die dem lytischen Prozeß die 
Wage hielten, oder aber die entstandenen Substanzen könnten den 
lytischen Faktor wirklich chemisch neutralisieren. Wir haben ziemlich 
viele Versuche angestellt, um die Existenz derartig schützender oder 
neutralisierender Faktoren nachzuweisen. Wir verfügen aber nur über 
sehr wenige Versuche, wo diese Wirkung einigermaßen in die Augen 
springend ist. Die Versuche in dieser Beziehung werden fortgesetzt. 


Zweitens gibt es noch eine andere mögliche Erklärung, die eben- 
falls vieles für sich hat; es bestehen schon von Anfang an individuelle 
Unterschiede zwischen den Zellen, welche von ihrem Alter, Stadium 
des mitotischen Prozesses, Stoffwechsel, abhängig sind. 


Diese Auffassung kann in Einklang gebracht werden mit allen 
bisherigen therapeutischen Erfahrungen beim Carcinom (Strahlen- 
behandlung, Chemotherapie), welche gezeigt haben, daß es bei den 
Tumorzellen bedeutende Empfindlichkeitsunterschiede in den Zellen 
gibt. Die Schule Regauds vertritt sogar die Meinung, daß nur im 
Stadium der Zellindifferenz die Tumorzellen strahlenempfindlich sind. 


Unsere Versuche würden dann so aufzufassen sein, daß die Zellen 
nur in bestimmten Lebensabschnitten für den lysierenden Faktor 
sensibilisiert sind. 


Wir haben Versuche angestellt, um zwischen beiden Möglichkeiten 
zu entscheiden. 


Tumorsuspensionen wurden der Lysis unterworfen; die Lysis 
quantitativ bestimmt, die übriggebliebenen Zellen durch Zentrifugieren 
von der Flüssigkeit getrennt und aufs neue der Lysis ausgesetzt. 


Es wird gefunden, daß in der zweiten Lysisprobe auch wiederum 
nur ein Teil der Zellen lysiert wird. Man kann den Versuch zum dritten 
Male wiederholen: wieder ein Prozentsatz wird lysiert. 


Es ergibt sich deshalb (weil hier der Einfluß autolytischer Produkte 
fortfällt), daß bei dieser fraktionierten Lysis Resistenzunterschiede 


Cytolyse bei Krebs. 1. 385 


zwischen den Tumorzellen zutage treten (sei es, daß diese schon ab 
origine vorhanden, oder jetzt erworben sind) die, in Analogie auch mit 
dem, was von den roten Blutzellen bekannt ist, auf ihrem verschiedenen 
Alter bzw. Entwicklungsstadium beruhen dürften. 


Unsere Versuche gestatten noch keine sichere Entscheidung. 


Interessant in dieser Beziehung und ausschlaggebend ist der 
Einfluß von Stoffen, die als Antiseptica von Freund und Kaminer 
dem Versuch hinzugesetzt werden. Von uns wurde nämlich im größten 
Teile unserer Untersuchungen das Fluornatrium (1 Proz.) verwendet. 
Es zeigte sich nun, daß in den blinden Kontrollversuchen, wo keine 
oder nur unbedeutende Vermehrung der Tumorzellen stattfand, das 
Fluornatrium ziemlich indifferent war. Zeigte sich aber (z. B. wenn 
die Suspension aus Zellen ganz junger Tumoren bestand) eine lebhafte 
Vermehrung, so war auch das Fluornatrium stark wirksam. Man 
könnte schon aus diesen Versuchen einen eigentümlichen Konnex 
zwischen Fermentationen, die von Fluornatrium gehemmt werden, und 
Zellteilung ableiten. 


IV. Quantitative Verhältnisse. 


Der Grundversuch Freund und Kaminers besagt, daß die lysierende 
Flüssigkeit, einmal mit indifferenter Flüssigkeit verdünnt, auch noch 
wirksam ist, daß jedoch lytisches Serum, wenn mit nichtlösendem 
(schützendem) Ca-Serum vermischt, in seiner Wirksamkeit neutralisiert 
wird (Schutzreaktion). 


Wir haben dieser Frage besonderes Interesse gewidmet, sowohl beim 
menschlichen als auch beim experimentellen Material. Es sei sogleich 
gesagt, daß sich beim menschlichen Tumorserum keine sichere Neu- 
tralisation hat nachweisen lassen. Die Frage erinnert mannigfach an 
die im vorigen Kapitel behandelte Schwierigkeit bei der unvoll- 
kommenen Lysierung. 


Es wurden mit sicher nicht lysierendem, menschlichem Tumor- 
serum Verdünnungsversuche angesetzt, wenn eine große Menge ly- 
sierendes Material (vorzugsweise Ätherextrakte aus Serum, Embryonen, 
Tumorautolysat nach Bestrahlung) vorhanden war. Die beiden Kom- 
ponenten wurden in verschiedenen Verhältnissen miteinander vermischt 
und die resultierende Lysis bestimmt. Die Tabelle V gibt das Resultat 
solcher Versuche. Es zeigte sich. daß, wenn auch eine zweifelhafte 
Neutralisation besteht, der Schutz sich doch vom lytischen Faktor 
überneutralisieren läßt. Jedenfalls lassen diese Versuche den Schluß 
zu, daß bei therapeutischen Bestrebungen der Widerstand des tumorösen 
Materials sich beheben lassen könnte. Der Wichtigkeit der Frage wegen 
haben wir sie nochmals am experimentellen Material studiert. 


386 N. Waterman u. L. de Kromme: 


v. 

Die ätiologische Forschung hat uns im Teercarcinom der weißen 
Maus ein ziemlich leicht zu beschaffendes experimentelles Material 
gegeben, wo man das Entstehen eines unzweifelhaften Carcinoms von 
Etappe zu Etappe leicht verfolgen kann. Es erhebt sich dann gleich 
die Frage, wie es mit den lytischen und antilytischen Faktoren in den 
geteerten Häuten und schließlich in den carcinomatösen Häuten 
bestellt ist. Schon früher haben Freund und Kaminer bei diesem 
experimentellen Material ihre Reaktion studiert; leider haben sie die 
Haut von Ratten benutzt, bei denen, wie die Forschung ergeben hat, 
die Erzeugung eines Carcinoms durch Teerpinselung nur ausnahms- 
weise gelingt, im Gegensatz zu der Maus. Wohl ist die Rattenhaut im 
allgemeinen stärker lytisch wirksam als die Mäusehaut (was vielleicht 
eben mit dieser Disposition im Zusammenhang steht) und deshalb, 
auch wegen ihrer Größe, besser zum cytolytischen Versuch geeignet. 
Wir haben uns deshalb entschlossen, die Veränderungen der lytischen 
Faktoren an der Mäusehaut zu studieren und haben nur komplettierungs- 
weise auch Rattenextrakte benutzt. 


Herstellung der Extrakte. 


Die kahle bzw. rasierte Haut wird untər Verwerfung carcinomatöser 
und papillomatöser Stellen im Mörser zerrieben, mit physiologischer NaCl- 
Lösung verdünnt, danach scharf zentrifugiert und schließlich durch Kreuz- 
nach-Keimfilter filtriert. Man bekommt dabei eine klare, gelbliche, sterile 
Flüssigkeit. 

Es gelingt auch ziemlich leicht, Ätherextrakte einer derartigen Haut 
darzustellen: Die zerriebene Menge wird mehrfach mit Äther erschöpft; 
der Äther abgedünstet und das Residum in Kochsalzlösung aufgeschwemmt; 
die Fette durch kräftiges Zentrifugieren abgetrennt. 

Untersucht man nun derartige Hautoxtrakte in verschiedenen Stadien 
der Teerpinselung, dann zeigt sich folgendes: Normale Mäusehäute haben 
ein recht wechselndes lytischee Vermögen, wie Tabelle II angibt. Es kommt 
sogar ab und zu ein Fall vor, wo das lytische Vermögen fehlt, ohne daß 
dafür eine bekannte Ursache arzugeben wäre. Jedenfalls spricht dieser 
Befund für die Annahme einer biochemischen Disposition, wie es Freund 
und Kaminer gewollt haben, und wie sie nur eigentlich vor dein Erscheinen 
eines Tumors studiert werden kann und soll. 


Bei Rattenhautextrakten ist der Befund viel gleichmäßiger. 
Auch mit diesem Extrakt werden die deutlichsten lytischen Figuren 
beobachtet. Auch ist der lytische Prozentsatz bei Rattenhautextrakten 
und Rattenserum im Mittel höher als bei der Maus. Wir betrachten 
den lytischen Titer als den biochemischen Komponenten der Krebs- 
immunität. 

Sehen wir jetzt, wie dieser Faktor sich unter Einfluß der Teer- 
pinselungen ändert! Wie bekannt, treten bei regelmäßiger Pinselung 


Cytolyse bei Krebs. I. 387 


nach wenigstens 20maliger Behandlung die ersten Erscheinungen der 
Hautänderung ein (hypertrophisches-papillomatöses Stadium). 


Erst nach langdauernder Fortsetzung der Teerpinselung offenbart 
sich in kürzerer oder längerer Zeit das Carcinom. Im folgenden geben 
wir nun getrennt die Resultate der Lysis im präcarcinösen und im 
carcinösen Stadium. Bei der Extrahierung sind die eigentlichen 
pathologischen Stellen, um Komplikationen zu vermeiden, sorgfältig 
abgetrennt worden. 


Wie man sieht, ist im carcinösen Stadium die Lysis regelmäßig 
aufgehoben, im präcarcinösen Stadium sind die Resultate sehr variabel. 
Während sich wohl im allgemeinen eine Herabsetzung der lytischen 
Fähigkeit im Vergleich zu den normalen Werten zeigt (Tabelle VI), 
ist die Zahl der Versuche noch nicht groß genug, um eine direkte Be- 
ziehung zwischen Zahl der Pinselungen und Abnahme der Iytischen 
Fähigkeit festzustellen. Obwohl also wohl sicher Teerpinselung diesen 
Faktor vernichtet, verstehen wir nicht recht die Resultate Freund und 
Kaminers, die bei Ratten schon nach wenigen Pinselungen Abnahme 
der Iytischen Fähigkeit konstatieren, obwohl die Tiere nicht zur 
Carcinomentwicklung neigen. 


Wir haben nun weiter untersucht, wie die Lysis verläuft, wenn 
durch Teerpinselung inaktivierte Hautextrakte mit lytischer Flüssig- 
keit in bestimmten Verhältnissen vermischt werden. 


Die Tabelle V zeigt, daß auch beim experimentellen Carcinom 
nur in den wenigsten Fällen von einer eigentlichen Schutzreaktion die 
Rede ist; nur in drei Fällen: 92, 93 und 94, kann von einer Über- 
neutralisierung gesprochen werden; in allen anderen ist die Cytolysis 
so verringert, als ob die lysierende Flüssigkeit mit indifferenter Flüssig- 
keit vermischt wäre. Jedenfalls besteht keine Regelmäßigkeit. Es 
geben also auch die experimentellen Untersuchungen keine sichere 
Entscheidung für die Annahme einer besonderen schützenden Substanz. 
Durch die nachfolgenden Bestrahlungsversuche wird vielleicht eine 


Erklärung des eigentlichen Wesens der Lysierungsmöglichkeit an- 
gebahnt. 


Wir stellen also fest, daß, in Bestätigung der Freund und Kaminer- 
schen Angaben, nach Teerpinselung die normale lytische Fähigkeit 
der Haut aufgehoben wird, wobei aber keine einfache Beziehung 
zwischen Anzahl der Pinselungen und Verlust dieser Fähigkeit besteht. 
Immer aber ist, wenn einmal das canceröse Stadium erreicht ist, die 
Lysis vollständig aufgehoben. Schützende Eigenschaften wurden 
aber nicht mit Sicherheit demonstriert. Das Bestehen solcher wird 


aber nicht geleugnet; in unseren Versuchen ist aber der Beweis nicht 
erbracht worden. | 


Biochemische Zeitschrift Band 182. 26 


388 N. Waterman u. L. de Kromme: 


Wir gehen jetzt zu einem anderen Teile unserer Untersuchungen über, 
die an unserem Material die Frage beantworten sollen, wie Iytische und 
antilytische Fähigkeiten sich unter Einfluß von Strahlungen verhalten. 
Man sieht zugleich die Wichtigkeit für die Therapie ein, weil gerade 
für das Hautcarcinom die heilende Wirkung der Strahlen außer Frage 
steht. Wir werden aber hier die Frage nur vom biochemischen Gesichts- 
punkt behandeln und klinische und therapeutische Gesichtspunkte 
außer acht lassen, weil diese mehr in einer klinischen Zeitschrift zu 
Hause sind. 


Technisches. 


Wir haben uns, weil leichter energetisch meßbar, hauptsächlich dem 
Studium der Röntgenstrahlen zugewandt. 

Die Strahlen wurden nicht filtriert, um einen möglichst breiten Angriffs- 
punkt zu haben; die bei der Strahlung entstehende Wärme, die nicht un- 
beträchtlich sein kann, wurde ebenfalls nicht. eliminiert, weil dieser Faktor 
bei der klinischen Bestrahlung auch mit einbezogen wird. 

Die Röntgenstrahlen wurden bei einer Energie von 180kV, 2 Milliamp., 
erzeugt. 

Man könnte nun wählen zwischen Bestrahlung des ganzen Versuchs- 
tieres und der Haut allein oder sogar des Hautextrakts, wie er schon früher 
bei den Teerpinselungen bereitet worden war. 

Aber bei der Totalbestrahlung wird ein sehr kompliziertes System, 
wo man die Effekte nicht genau analysieren kann, der Strahlenwirkung 
ausgesetzt (vitale Reaktionen), bei der Bestrahlung der ganzen Haut ent- 
stehen technische Schwierigkeiten für die spätere Extraktion. Darum 
haben wir, vornehmlich der übersichtlichen Verhältnisse wegen, Be- 
strahlung in vitro angewandt. 

Ein Extrakt verschiedener normaler präcarcinomatöser und carcino- 
matöser Häute wird in mehreren dickwandigen kleinen Eprouvetten gleich- 
mäßig verteilt und kontinuierlich der Wirkung der Röntgenstrahlen aus- 
gesetzt. Nach bestimmten Intervallen wird jeweils eine Eprouvette heraus- 
genommen und in den Eisschrank gestellt. Wenn der Versuch, der bis 
zu 8 Stunden Bestrahlung durchgeführt wurde, beendet war, wurde eine 
Twortzellensuspension hergestellt und die lytische Kraft bestimmt. 

Die Tabellen VII bis IX geben eine Übersicht dieser relativ sehr zahl- 
reichen Versuche. 


Es zeigt sich nun das interessante Ergebnis, daß: 


l. Bei normalen Extrakten die Wirkung der Röntgenstrahlen 
nicht kontinuierlich in eine Richtung geht, sondern daß im Gegenteil 
das Resultat sehr diskontinuierlich ist. Nach relativ kürzerer Be- 
strahlung (z. B. 1 Stunde der angegebenen Energiemenge) zeigt sich 
eine Schwächung der Lysis, die nach weiterer Bestrahlung aber in 
eine Verstärkung (Aktivierung) umschlägt, um später wiederum einer 
Schwächung Platz zu machen. Öfter wird das Maximum der lytischen 
Fähigkeit in der fünften bis sechsten Stunde erreicht. 


Cytolyse bei Krebs. I. 389 


2. Umgekehrt steht es mit den Extrakten der präcancerösen und 
carcinomatösen Häuten, wo die Iytische Fähigkeit verschwunden ist. 
Hier zeigt sich nämlich eine bedeutende Reaktivierung, die aber eben- 
sowenig kontinuierlich ist wie bei den normalen Extrakten. 


Wir betrachten dieses Resultat als eines unserer bedeutendsten. 
Es hat den Anschein, als ob durch Einführung bestimmter Energie- 
quanten ein aktiver Körper in einen inaktiven Körper übergeheu 
könnte und umgekehrt. Der Ausdruck ,Quanten“ ist hier vielleicht 
irreführend, denn wir haben bis jetzt keinerlei Anhaltspunkte in unseren 
Versuchen für die Annahme eines mathematischen faßbaren Konnex 
zwischen bestimmenden Fnergiequanten oder deren Multipla und 
lytischem Faktor. 


Wir beabsichtigen im vorliegenden Teile unserer Untersuchungen 
keine nähere chemische Definierung der bei der Lysis wirksamen Kräfte, 
aber so viel kann doch gesagt werden, daß im Lichte der modernen 
Forschung es gar nicht unmöglich wäre, daß inaktive Stoffe durch 
Bestrahlung in aktive Form übergehen und umgekehrt. Nimmt man 
z. B. den von Freund und Kaminer als chemische Basis ihrer Ergebnisse 
dargestellten Strukturunterschied zwischen Bernsteinsäure und Fumar- 
säure einerseits, Fumarsäure und Maleinsäure andererseits, so wäre 
ein reversibler Übergang von Körpern derartiger Zusammensetzung 
ineinander unter Lichteinfluß gar nichts Undenkbares; die Bernstein- 
säure ist doch eines der bekanntesten Stoffwechselprodukte und fungiert 
sehr leicht als Wasserstoffspender im Sinne Wielands. 


Über die therapeutischen Konsequenzen dieser Versuche werden 
wir uns hier nicht äußern; sie liegen übrigens ziemlich offen zu- 
tage. 


Das gilt um so mehr, weil die beschriebene Röntgenempfindlichkeit 
nicht nur eine Eigenschaft der erwähnten Hautextrakte, sondern 
allgemein gültig ist, auch für das Serum. Dadurch wird mehr als bisher 
die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der indirekten und nicht 
direkten zellulären Einwirkung der Strahlen gelenkt. 


Es hat den Anschein, als ob wir in dem cytolytischen Versuch ein 
empfindliches Reagens hätten, das diese Änderungen augenfälliger 
zeigt, als dieses mit chemischen oder physikalisch-chemischen Methoden 
gelingt. Es entspricht übrigens wohl den modernen Auffassungen, die 
im Studium der photochemischen Reaktionen ein weites Arbeitsfeld 
erblicken. 

VL 


Es ist wohlbekannt, daß man nicht lange nach der Entdeckung 
der Röntgenstrahlen ihren Finfluß auf Fermentationen untersucht 


26 * 


390 N. Waterman u. L. de Kromme: 


hat. Ebenso bekannt ist, daß diese fragliche Wirkung eigentlich nie 
über eine Kontroverse hinausgekommen ist. 


Unsere Erfahrungen aber in bezug auf die Diskontinuität der 
Strahlenwirkung gaben uns eine Veranlassung, aufs neue unsere Auf- 
merksamkeit diesem Problem zuzuwenden. 


Wir haben darum eine Reihe von Versuchen an einem relativ 
einfachen Fermentsystem gemacht, nämlich an der lipatischen Tri- 
butyrinspaltung in der stalagmometrischen Versuchsanordnung nach 
Michaelis und Rona. Als Lipase wurde das Pankreaspräparat nach 
Rosenheim benutzt. Es war ursprünglich die Absicht, vollkommen 
reine Pankreaslipase nach Willstätter zu benutzen, weil eigentlich nur 
unter diesen Umständen von einer Fermentbeeinflussung gesprochen 
werden könnte. 


In allen anderen Fällen bleibt es vollkommen unklar, ob die ge- 
fundene Einwirkung das eigentliche Ferment oder den beigemischten 
Körper betrifft. Es ist das unseres Erachtens auch der Fall mit den von 
Rona beschriebenen Einwirkungen von Atoxyl, Chinin und Fluor- 
natrium (die wir nicht vollständig haben bestätigen können). 


Bis jetzt ist uns aber eine Reindarstellung nach Willstätter nicht 
gelungen, und darum beziehen sich unsere ee Versuche auf 
das Rosenheimsche Präparat. 


Aus den beigefügten Tabellen (XII) einiger solcher Versuche mit 
Hautextrakten sieht man nun in der Tat eigentümliche Aktivitäts- 
schwankungen im Zeitverlauf des esterifizierenden Vorgangs. Nach 
einer Periode erniedrigter Geschwindigkeit sieht man nach einer Röntgen- 
bestrahlung von 4 bis 6 Stunden wiederum eine Beschleunigung, die 
nach ungefähr achtstündiger Bestrahlung wiederum einer Erniedrigung 
Platz macht. 


Merkwürdigerweise koinzidieren diese eigentümlichen Schwan- 
kungen dieses Verlaufs im großen und ganzen mit den Ergebnissen 
des cytolytischen Versuchs. Es hat eben den Anschein, daB dieser 
eytolytische Versuch eine empfindliche Reaktion auf fermentative 
Aktivitätsschwankungen wäre, empfindlicher als jede chemische 
Reaktion. Es sind aber nicht genügende Gründe da, um auf eine Identität 
zwischen cytolytischer Reaktion und Fermentprozeß zu schließen, und 
wenn noch daran gedacht werden könnte, steht die Art des Ferments 
nicht fest; die Tributyrinspaltung ist nur als leicht verfolgbare Ferment- 
wirkung gewählt worden. 


In der nächsten Mitteilung hoffen wir auf die chemische Natur 
des untersuchten Iytischen Faktors und auf das Wesen der eytolytischen 
Prozesse näher eingehen zu können. 


Cytolyse bei Krebs. I. 391 


Zusammenfassung. 


Nach einer allgemeinen Einleitung werden Untersuchungen über 
die cytolytische Krebszellenreaktion mitgeteilt. 

Der lytische Grundversuch von Freund und Kaminer sowie Neuberg 
wird bestätigt; die Ursache davon wird vor allem im Entstehen 
schützender Substanzen, wie auch in der individuell wechselnden 
Empfindlichkeit und dem Gebundensein dieser Empfindlichkeit an 
gewisse Stadien der Tumorzellentwicklung gesucht. Eine sichere Ent- 
scheidung ist noch nicht möglich. Im Zusammenhang hiermit bleibt die 
Beurteilung der Freund und Kaminerschen Angaben betreffs einer 
spezifischen Schutzsubstanz in unseren Versuchen noch offen, vor allem 
auch, weil die Strahlenexperimente auf eine mögliche Umwandlung von 
Ivtischem Stoff in unwirksame Substanz hinweisen. 

Die Frage ist nämlich auch beim experimentellen Carcinom geprüft 
worden. Teerpinselung unterworfene Tierhäute zeigen in der Tat 
Verringerung ihres lytischen Vermögens; Häute im carcinomatösen 
Stadium lassen die lytische Fähigkeit vollkommen vermissen. 

Auch im Tierversuch ist eine vollkommene Analyse des Versuchs 
und Feststellen einer bestimmten schützenden Substanz nicht ge- 
lungen. Ergebnisse. die in diese Richtung hinweisen könnten, sind 
auch einer anderen Deutung zugänglich. 

Der Einfluß von Strahlen auf den lytischen Faktor ist evident 
auch in Versuchen in vitro. Im allgemeinen zeigt sich, daß die Wirkung 
der Strahlen diskontinuierlich ist, insoweit, als die Lysis im zeitlichen 
Verlauf der Strahlung zuerst abschwächt, dann bedeutend verstärkt, 
schließlich wieder herabgesetzt wird. In Gegensatz dazu wird durch 
Teerpinselung inaktivierter Hautextrakt unter EinfluB von Be- 
strahlung wieder lytisch wirksam. Die Bedeutung dieses Phänomens 
für die Therapie liegt auf der Hand. 

Es bestehen Analogien zwischen diesem Prozeß der Aktivierung 
und Inaktivierung und der Beeinflussung einer Fermentwirkung. 
Vielleicht können diese Versuche die Kontroverse über Möglichkeit 
von Beeinflussung von Fermenten durch Bestrahlung beheben, indem 
auf das wechselnde Resultat bei verschiedener Zufuhr von Eneıgie- 
quanten die Aufmerksamkeit gelenkt wird. 

Es werden neue Versuche in Aussicht gestellt. 


Literatur. 


E. Freund und Kaminer, Biochemische Grundlagen der Carcinom- 
disposition, Springer 1925. — P. Rona und Pavlović, diese Zeitschr. 130, 
225, 1922, H. 1/4; P. Rona und Takata, ebendaselbst 134, 108, 1922, 
H. 1/4. — H.Chambers und Scott, Brit. Journ. of exper. Pathology 4/5, 
1923/24. -- C. Neuberg, diese Zeitschr. 26, 344, 1910. 


392 


' 
i 
| 
l 
| 
| 
H 


| 
| 
| 


Nr. | Material 


Normales Mäuseserum 


Normales Rattenserum 


N. Waterman u. L. de Kromme: 


im Versuch in der Kontrolle |: 


1 Serum von Maus mit 
Spontancarcinom 


| Normales 
| | Menschenserum 
Tabelle IT. 


| 


Tabelle I. Der Iytische Grundversuch. 


Prozent. Abnahme der Ca.Zellen | 


— 6 
12 
30 

— RB 


Lytisches 
Vermögen 
Proz. 


Lytisches Vermögen normaler Mäusehäute. 


im Versuch der Kontrolle | im Versuch in der Kontrolle | 

5 "mi P 207— 85 | 213—203 
0 A8 | 8 224—124 161—149 
mi O| 0 204—179 188—187 
16 16 | 0 193—162 188—187 
33 34 2 152—101 133—130 
37 4 1 76— 73 ; 89—88 
39 ` 12 2 300—264 — 280—274 
54 12 1 el 256—225 | 279—312 
56 =a] — 9 154—156 151—165 
67 12 36 264—232 321—206 
76 50 21 266—134 136—107 
119 36 =p 321—204 239—243 
136 7 z3 215—199 128—145 


| Prozent. Abnahme der Ca.-Zellen | Abnahme in relativen Zahlen | 
Nr. rn 
in 


Cytolyse bei Krebs. 1. 393 


Tabelle III.: 
Lytisches Vermögen carcinomatöser Mäusehäute. 
"Prozent. Abnahme der Ca.,Zellen | Abnahme in relativen Zahlen | Lytisches ` 
Nr. Fee ee eva nr ermögen 
im Versuch |in der Kontrolle | im Versuch Jin der Kontrolle| Proz. 
< EL EEE 7 Su eo EE ec m DR A. 
6 E: 5 ` 193—204 213—203 il 
7 | —2 5 219—223 213—203 rn 
12 d "9 8 186—182 161—149 — 6 
Ir —3 1 186—191 | 188—187. — 4 
| Mittel: — 7 


Der Extrakt ist aus der ganzen Haut, mit Ausnahme der EEN 
Stellen, hergestellt. 


Tabelle IV. 
Menschliches Material. 


= mm 


Nr | l | | Prozent. Abnahme der Ca Zellen | Lytisches 
mu g Material Vermögen 
ES nr | im Versuch 'in der Kontrolle | Proz. 
Unkömplisisrte Fälle. 
e Serum Ca.-Mammae © — 4 | 42 — 46 
b Serum Ca.-Faciei | 2 BER. 10 
R ` Serum Lupus-Ca. | 0 — 12 — 12 
SÉ Serum Ca.-Oesoph. | 6 — 4 10 
Š Serum Ca.-Laryngis | 7 — 11 18 
i 5 e — 10 22 BE 32 
Mittel: — 8,5 


Sera und Punktionsflüssigkeiten bei Patienten mit starker Metastasierung, 
Röntgeneinwirkung, Fieber, Abszessen. 


= eerggeege 
Nr | | Prozent. Abnahme der Ca.»Zellen || Lytisches 
Material m || Vermögen 
a u | im Versuch |inder Kontrolle Proz. 
"ee, = S S Sen = = Š 
w Nonn Serum; Metastasierung 
(Pb-Einspritzung) 37 — 11 48 
È Dasselbe 69 — ll 80 
` | Starke Tumoreinschmelzung | 
L | nach Bestrahlung 51 | 2 73 
| 
SÉ Serum von Ca.-Mammae; ein- l | 
B | getretene Pneumonie 29 | 2 27 


| Ca.-Oris; unter Radiumeinwir- 
g kung entstandene Punktions- | 
flüssigkeit 38 12 71 


394 


N. Waterman u. L. de Kromme: 


- Tabelle 


H. 


Neutralisations- und Schutzversuch!). 


Nr. Mischungszahl 
8 | | 
13 l Normale Haut + Ca.-Haut 1:1 | 
18 ` 
4 | Normales Serum + Teerhaut 1 OH 
61 ;Normale Hut + „ Li 
72 | Normales Serum + a 3:1 
92 | e a + = 1:1 
93 | Normale Haut + 5 BE 
“il „ DE = Kl 
32 Normales Serum + S 1:2 
A. 1 | Normales Serum (Mensch) 
2 Serum Ca.-Mammae 
3 Norm. Serum + Ca.-Serum 3:1 
4 Dasselbe 1:3) 
B. 1 | Ätherextrakt von Kalbserum 
2 | + Freunds Flüssigkeit 3:1 
3 Dasselbe 2:2 
4 8 1:3 
C. 1 "Ätherextrakt von Embryonen 
2 | Dasselbe, verdünnt mit Freunds 
| Flüssigkeit 1:1 | 
D.1, Carcinomserum | 
2 | Ätherextrakt von Kalbserum | 
3 | Extrakt + Serum 3:1 
4 ' Dasselbe 1:3 
E.1 Unter Radiumeinflußerweichter 
Tumor (Flüssigkeit) 
CR Carcinomatöses Serum 
3 | Lytische Flüssigkeit | 
| + Ca.-Serum 3:1 | 
4 ii Dasselbe 1:3 


zahlen bereits verarbeitet worden. 


8 | Prozent. Abnabme der Ca.-Zellen |! 


Lytisches 


keit, normale Haut | versuch 
oder Serum | Proz. 
a: 
54 — il 
47 — 6 
16 — 32 
48 — 
— 16 | —48 
2 | —l3 
44 22 
—9 19 
—9 |} 3l 
32 AR 

| 
34 SS 
== | 17 
eu | 16 
61 | zu 
PER i 54 
— 37 
= | 52 
am | = 

| 
24 | 21 
BEN = 
_ | 32 
— | ll 

i 
50 u 
= \ 18 
— 48 


Vermögen 
Lysierende Flüssig- | im Schutz» 


Magen 


Flüssigkeit 


1) In diesen Zahlen sind der Raumersparnis wegen die Kontroll- 


Cytolyse bei Krebs. I. 395 


Tabelle VI. 


Beziehung zwischen Zahl der Pinselungen und Iytischem Vermögen der 
geteerten Mäusehäute. 


l Prozent. Abnahme der Ca, Zellen Abnahme in relativen Zahlen | Zahl de Lytisches 
Nr. EE — s r 


, Pinselungen vermsgen 


| im Versuch ‚in der Kontrolle ; im Versuch | i.d. Kontrolle j Proz. 

, ] p | 
35 | 6 > 2 95— 80 133—130 30 14 
A 3 2 180175 280—274: 16 l 
62! —12 36 305—342 321—206 20 — 48 
Di —2 11 119—121 | 148—132 . 10 — 13 
79 A 21 180—103 — 136—107; A0 22 
Sch 39 20 174—106 122—977! 15 ` 19 
ge | 23 4 161124 10-15 15 ` 19 
97 | 35 4 165—108 10-135 | 5 A 
2 —2 |! —2 208—232 239—243 20 — 10 
128 300-7 303—198 106-113 20 42 
3 00 —p | 0 102—114 ` 90— 90 o — 12 
137 8 — 13 282—259 128—145 | 25 21 
Mittel: 7 

Tabelle VII. 


Einfluß der Röntgenbestrahlung verschiedener Zeitdauer auf das cytolytische 
Vermögen von normalen Häuten (Maus). 


| Prozentische Abnahme | Abnahme in relativen 
Nr Bestrablungs- der Ca.-Zellen Zahlen Lytisches 
dauer | im in der im in der Vermögen 
Stunden \ Versuch ' Kontrolle || Versuch Kontrolle Proz. 
36—38 | 0 l 4 ] | 76— 73 89— 88 3 
og, 35 1 9-59, 98-8 4 
| 
53—55 | 0 E —12 256—225 279—312! 2% 
| AL, | 9 —12 244—125 | 279—312 6l 
56—60 0 — l 9 154—156 151—165 — 10 
2 | 8&8 9 — 139—128 151—165 ==] 
16—738 | 0 50 21 266—134 136—107 29 
4 56 21 194— 86 136—107 35 
5 62 21 239— 9] 136—107 4l 
95—105 ` | 
—108 | d — DN 4 101—106 140—135 |; — 9 
A. 39 25 102— 62 102— 20. 14 
51, 38 25 95—59 102— 76| 13 
6, W 25 46— 37 mw! —5 


396 N. Waterman u. L. de Kromme: 


Tabelle VIII. 
Einfluß der Röntgenstrahlen auf die Ivtische Wirksamkeit von Rattenhaut. 


S Prozentische Abnahme Abnahme in relativen 
= | Bestrahlun gs. der Ca.-Zellen j Zahlen Lytis ches 
im |! inder im in der || £ 
Stunden Versuch , Kontrolle Versuch | Kontrolle | Proz. 
' Ä ee Wer BE 1 
4-2 0 gr — Ge 156—144 ' 147—183 , 32 
4, 17 —24 ' 14-119 147—183 4l 
Su 24 — 4 116— 88 | 147—183 
S | 
46- 47) o 9 —20 į 113—103 , 125—150 | 29 
OoOo g 19 —20 146—118 ' 125—150 ' 39 
| N 
| 
110-112 0 31 3 . 162-111 140—136 28 
| a. 42 3  153— 88 | 140—136 39 
4 6 3 ! 97—91 | 140-136 , 3 
| | | | | 
21 o 0 —12 — 2 ` 208—232 | 239—243 —10 
Ai 32 — 2 264—179 | 239—243 34 
6 30 — 2 308—217 | 239—243 29 
74, 42 — 2 338—196 | 239—243 44 
9 33 — 2 246—166 | 239—243 | 35 
10%, 5l — 2 : 333—164 | 239—243 | 53 
| ! | 
37.0 8 —13 282—259 | 128—145 21 
l y d eat —13 ` 253—262 | 128—145 ' 9 
5Y, | 9 — 13 307—279 | 128—145 22 
Bis j 3l —13 280—194 , 128—145 44 
zu 59 —13 ` 193— 80 . 128—145 72 
| 
128 ` 0 © 35 o ne 16-113 42 
l 
4L, 45 — 7 į 301—167 106—113 52 
6 15 — 7 242—206 106-113 22 


Tabelle IX. 


Einfluß von Röntgenstrahlen auf Hautextrakte von normalen Ratten. 
Bereitung: 1 g Haut auf l cem physiologischer NaCl-Lösung. 


“| Prozentische Abnahme i Abnahme in relativen 

Bestrahlungs. der Ca.-Zellen | Zahlen _ Lytisches 
dauer im in der im | in der | Vermögen 
Stunden Ve rsuch Kon trolle L- Versuch Kontrolle a Proz. 

En. 

143-151 2 0 ! 39 3 | 227—139 : 165—160 36 
| 3 20 3 193—154 165—160 17 

4 Al A | 182—126 165—160 28 

S 5 — 4 3 | 104—108 165—160 — 7 

6 39 3 115— 70 165—160 36 


Cytolyse bei Krebs. I. 397 


` Tabelle X. 
Einfluß von Röntgenstrahlen auf die cytolytische Wirksamkeit von 
Rattenserum. 
5 Prozentische Abnahme Abnahme in relativen kk ` ` 
der Ca.,Zellen Zahlen Lytisches 
Vermögen 
Kontrolle Proz. 
© mo er 
27-30 0 SE 4 | 154—134 147-183 u am ms | 37 
4, 18 ' — 24 180—147 | | 147—183 ` 42 
ERR ll —24 184—164 | 147—183: 35 
113-116, 0 31 | 3 169—117 | 140—136 28 
E 27 '3 146-106 | 140—136 , 24 
4 11 3 189—169 ' 140—136 8 
149-151 0 14 3 167—144 ` 165—160 ` 11 
6 ” 80 . ı 3 ` 148-102 | 165—160 ` 28 


Tabele XI. 
Einfluß von Röntgenstrahlen auf die cytolytische Fähigkeit 
von präcarcinomatösen Teerhäuten (Maus). 


| Prozentische Abnahme | Abaslme i in relativen 
Nr. Bestrahlungs» ` der Ca..Zellen Lytisches 
dauer | im i in der im in der a Vermögen 
Stunden | Versuch | Kontrolle | Versuch Kontrolle Pro 
| | Sn 
62 0 mm — 36 | 305—342 | 321—206 | — 48 
Su. | 11 mm | 237—212 321—206 | — 25 
31, 20 ap  ı 202-161 321—206 | —16 
4, 2 Sp 215—167 . 321—206 | — 14 
5Ha | 39 ıı 36 | 236-144 | 321—206 » 3 
73 d k we 11 | 191—121 , 148-132, —13 
5 2, 11 | 170-115 148—132 3 
79 d 43 i 21 180-103 136—107 ` 22 
4 53 21 | 213—100 ' 136—107 ° 32 
5 | 56 > 21 i 170— 74 136—107 35 
6 | 29 | 21 , 156—110 136—107 8 
7 56 21 ` 197— 87 ` 136—107 35 
85 0 39 20 | 174-106 122— 97 19 
4 Ä 6&4 20 157— 56 122— 97 A4 
6 50 > 2% 202—102 ' 122— 97 | 30 
7 | 19 | 20 108— 88 122— 97 | — 1 
8 | 34 | 20 |) 228—150 | 122— 97 | 14 
96 d 29 4 | 161—124 | 140—135 19 
5 | 7 | 4 | 152—142 140—135 | 3 
6 — 1l 4 129-130 140—135 | — 5 
7 ' 29 4 126— 89 140—135 ' 35 
8 | 42 4 197—114 140—135 38 
gd 0 35 4 165—108 140—135 31 
5 29 4 143—145 140—135 25 
6a y =] 4 134— 94 140—135 — 5 
8 16 4 152—127 140—135 12 


398 N. Waterman u. L. de Kromme: Cytolyse bei Krebs. I. 


Tabelle XII. 


Verlauf der Tributyrinspaltung (10 cem) unter Einfluß von 0,2 ccm Extrakt 
der normalen Rattenhaut. 


1 


Tropfenzahl nach 
Extrakt 
0 Stdn. | 1 Std. | 2 Stdn. | 3 Stdn. | 6 Stdn. 


8 | 135 | 12% | | 


Bestrahlt 2!/, Stunden . . . . . | 159 130 122 = ee 
ale m ae | 158 | 129 | 122 gc E 
WE e éen | 158 | 128 122 -| — 

S MR a | 158 128 121 = eg 

e Bs ee o be eh 159 129 | 122 — SC 

< EE 158 | 129 122 = a 

Ur: Ta er FR | 158 | 130 123 me p 
Unbestrahlt . ... 2.2.2... `. 156 | 148 137 134 127 
Bestrahlt 1!/, Stunden... . . | 166 150 141 136 128 
3 en ı 1566 | 145 | 136 133 | 124 

E "EE | 156 | 142 14 — 130 122 

„n 6 GEES 156 | 143 _ 136 131 123 

= Dir m sus | 156 | 149 139 132 123 


Die Wirkung des Milzextraktes auf die Farbstoffausscheidung 
aus dem Blute. 


Von 
G. Farkas und H. Tangl. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.) 
(Eingegangen am 27. Dezember 1926.) 


Mit 5 Abbildungen im Text. 


In einer vor kurzem in dieser Zeitschrift erschienenen Arbeit 
(Farkas und Tangl) wurde gezeigt. daß in die Blutbahn injizierter 
Farbstoff darin länger verweilt, wenn den Versuchstieren vorher die 
Milz entfernt wird. Dies findet seine Erklärung darin, daß die Ober- 
fläche des Reticuloendothelialsystems mit der Entfernung der Milz 
verringert wird. 

In der letzten Zeit erschienen mehrere Arbeiten, deren Zweck 
die Erforschung der Funktion der Milz war. So wird namentlich ganz 
besonders hervorgehoben, daß die Milz eine Vorratskammer der roten 
Blutkörperchen darstellt, in der die Blutkörperchen ruhend liegen, 
um im Bedarfsfall in die Blutbahn geworfen zu werden. Dies ergibt 
sich insbesondere aus den Arbeiten von J. Barcroft und H. Barcroft 
(1923), wonach es nach Einatmenlassen von CO-Gas ungefähr eine 
halbe Stunde dauert, bis sämtliche roten Blutkörperchen der Milz in die 
Blutbahn gelangen und mit dem Gas vermischt werden. Dagegen wird 
nach den Versuchen das in der Milz aufgespeicherte Blut bei lebhaften 
Körperbewegungen, sowie nach der Reizung des Nervus splanchnicus, 
die zu einer Kontraktur des Muskelapparats der Milz führt, sofort in 
die Blutbahn geworfen, so daß die Blutkörperchen allsogleich mit dem 
Gas in Berührung kommen. 

Andere Arbeiten lehren hinwieder. daß die Milznicht nureine Vorrats- 
kammer der roten Blutkörperchen ist, sondern auch ein Hormon erzeugt. 
So hatte Downs Ardrey W. und Nathan B. Eddy (1920 und 1923) Tieren 
Milzextrakt subkutan verabreicht, worauf die Erythrocytenzahl abnahm. 
Insbesondere machte sich diese Wirkung geltend nach der Verabreichung 
einer Extraktmenge von 30 mg pro Kilogramm, wo die Abnahme der 
Erythrocytenzahl 31 Proz. betrug. Einige Tage nach der Injektion 
stellte sich eine Vermehrung der roten Blutkörperchen ein. Dies ist 


400 G. Farkas u. H. Tangl: 


als eine kompensatorische Wirkung aufzufassen, da der Milzextrakt 
auf das Knochenmark anregend wirkt, wodurch die Produktion der 
roten Blutkörperchen eine Steigerung erfährt. Da der Milzextrakt 
eiweißfrei war, darf die geschilderte Wirkung als spezifisch aufgefaßt 
werden. Die genannten Forscher sind der Auffassung, daß die Hormone 
der Milz die älteren und daher bereits weniger wiederstandsfähigen 
Erythrocyten zur Auflösung bringen und dadurch die Senkung der 
Erythrocytenzahl bedingen. Diese Auffassung wird bekräftigt durch 
den Umstand, daß sich dieselbe Wirkung der Milzextrakte auf rote 
Blutkörperchen auch in vitro nachweisen läßt, falls man dafür sorgt, 
daß beim Waschen der Blutkörperchen die älteren Exemplare nicht 
anheimfallen. Interessant ist es, daB neben dieser Verminderung der 
Zahl der roten Blutkörperchen jene der weißen bis um 41 Proz. anstieg. 

A. Belák und E. Sághi (1924) zeigten. daß nach der intravenösen 
Einspritzung von Elektroferrol die Erythrocytenzahl zunahm, die 
verschiedenen roten Blutkörperchen an Hämoglobin dagegen arm 
waren. Bei entmilzten Tieren trat diese Wirkung nicht ein. Sie nahmen 
an, daß das Eisen die Milz angreift und diese den Reiz vielleicht durch 
ein Hormon dem Knochenmark übermittelt. Elex Brinchmann (1920) 
fütterte endlich Kaninchen und Meerschweinchen mit frischer Ochsen- 
milz und beobachtete hierauf eine Abnahme der Erythrocytenzahl. 
Bei täglicher Fütterung mit frischer Milz zeigten die Tiere der experi- 
mentell erzeugten Anämie weniger ausgesprochene Destruktion der 
roten Blutkörperchen und bekundeten auch einen besseren Allgemein. 
zustand als die Kontrolltiere. 

Diese Ergebnisse, die gut mit den anderen bereits zitierten Be- 
funden übereinstimmen, zeigen eigentlich, daß die Milzhormone durch 
die Verdauungssäfte nicht zerstört werden, sondern zur Resorption 
gelangen und ihre Wirkung auf dem Blutwege auszuüben vermögen. 
Diese Angaben veranlaßten uns, Versuche anzustellen zur Klärung der 
Frage, was für eine Wirkung die Milzextrakte auf die Ausscheidung 
von Farbstoffen aus der Blutbahn entfalten. 


Methodik. 


Zu den Versuchen verwendeten wir Hunde, denen wir intrakardial in 
einer 2proz. Lösung pro Kilogramm Körpergewicht lcg Trypanblau 
injizierten, einen Farbstoff, der nach den Mitteilungen von Krebs und 
Wittgenstein (1926) besonders lange ım Blute verweilt. Nach der Injektion 
entnahmen wir direkt aus dem Herzen nach 5 und nach 30 Minuten, sowie 
nach 1, 4 und 7 Stunden Blut. Zur Verhinderung der Gerinnung versetzten 
wir das Blut mit emer Lösung von Natriumoxalat und zentrifugierten die 
Blutkörperchen ab. Die Konzentration des Farbstoffs im Serum wurde 
dann in dem Kolorimeter von Autenrieth bestimmt, wobei wir als Standard- 
lösung eine 1: 5000 Trypanblaulösung in Wasser benutzten, die außerdem 
noch 1; Proz. Gelatine enthielt. Aus den erhaltenen Werten wurde die 


d 


Milzextraktwirkung auf die Farbstoffausscheidung aus dem Blute. 401 


Konzentration (des Farbstoffs unter Zuhilfenahme einer. Eichungskurve 
berechnet. 

In jeder Untersuchungsreihe wurden die Hunde zuerst unter normalen 
Verhältnissen untersucht, dann wurde ihnen die Milz entfernt und der 
Farbstoffausscheidungsversuch wiederholt. Dem folgte dann der dritte 
Versuch, wo die entmilzten Hunde Milzextrakt erhielten. Zwischen jedem 
Versuch wurde wenigstens 2 Wochen gewartet, währenddessen der in den 
Tieren verbliebene Farbstoff ganz ausgeschieden wurde. In einer Versuchs- 
reihe wurde milzhaltigen Hunden Milzextrakt gegeben. 

Zu den Versuchen hatten wir das Milzextrakt Lienis sec. Richter, 
Budapest, verwendet, das pro Kubikzentimeter 1l g frischer Milz entsprach. 


Versuchsreihen. 


Erster Versuch. 


Hund. Männchen, 12kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 13. September 1926 ausgeführt. Die Operation war am 16. Sep- 
tember. Den weiteren Farbenausscheidungsversuch hatten wir am 2. Oktober 
ausgeführt. Am 30. Oktober gaben wir eine Lienisinjektion und eine Farb- 
stoffinjektion und untersuchten die Farbstoffausscheilung. Im Versuch 
vor der Operation fanden wir 


nach 5 Minuten nach der Injektion 70 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


99 30 99 IT eg ag 85 sg sg OT (X) 
99 1 Stunde sg 99? sg 47 Sg 2 LA LEI 
$9 4 Stunden ag ag 39 26 ag KA ag 99 


A 7 A 2 9 LA 16 ”, HÄ 9 9 


Bei demselben Versuchstier nach der Operation 
nach 5 Minuten nach der Injektion 96 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


» AU PR „ en sn 8l sn sn sn „ 
vw 1Stunde „ A de 59 n ef o j 
ap 4 Stunden on en oe 52 D IT IT IT 
Hi 7 eg D 29 gp 37 s3 ” ” Wd 


Der dritte Versuch, wo wir auch Lienisextrakt gegeben hatten, brachte 
uns die folgenden Daten: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 73 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


» 30 ee T Y 69 ,, K SN e 
» I Stunde e o DI „ ve vm ee 
„ 4 Stunden ` S We 28 ., m „ T 
ger SÉ e vi D 18 , ge v = 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


402 G. Farkas u. H. Tangl: 


Zweiter Versuch. 


Hund, Männchen, 8,5kg. Erster Farbenausscheidungsversuch wurde 
am 15. September ausgeführt. Die Operation war am 21. Oktober 1926. 
Der zweite Farbenausscheidungsversuch wurde am 5. Oktober vollbracht. 
Der Dritte, bei welchem der Lienisextrakt auch verabreicht wurde, ist 
am 5. November ausgeführt worden. Im ersten Versuch gaben wir 4,5 ccm 
von der 2proz. Trypanblaulösung, im zweiten und dritten Versuch 4 ccm, 
da das Versuchstier durch die Operation 0,5 kg von seinem Gewicht ver- 
loren hat. 


Im Versuch vor der Operation fanden wir 
nach 5 Minuten nach der Injektion 58 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


29 30 LA) LE 99 39 50 KE ” LA A 
LE l Stunde LH) LI LE 45 39 LA LA LE) 
LA 4 Stunden LA) LA LE 26 23 LK LE LA 


LEI 7 LEI LA 9 LE 18 LE LE LA A) 


LE 24 LE 39 LEI LK 8 KE 99 A 99 


Bei demselben Versuchstier nach der Operation: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 98 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
„30 | 


LEI LE) LEI 79 LI 29? LE) 9 


OR 1 Stunde E) 99 KA 58 ag 99 99 KA 
» 4Stundn „ » 3 53 o a» bi Se 


39 7 LEI LE LA) 99 34 LE LA LE LE 
Der dritte Versuch, wo auch Lienisextrakt gegeben wurde, brachte 
uns die folgenden Daten: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 61 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


„ 30 = FE wë 54 „, eg Ge PR 
2 1 Stunde o en 49 ,„, e e ge 
„ .4Stunden „ » A 25: ie Ge ge Gi 
vm Ta » a m 18 s o e ji 
LE 24 LE 99 29 LE) 13 A LE A) E) 


Die erhaltenen Daten, durch ein Graphikon anschaulicher gemacht, 
zeigen das Folgende: 


Dritter Versuch. 


Hund, Männchen, 12 kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 26. September 1926 ausgeführt. Die Operation war am 30. Sep- 
tember. Der zweite Farbenausscheidungsversuch war am 20. Oktober. 
Der dritte Versuch, bei welchem Lienisextrakt auch verabreicht wurde, 


Milzextraktwirkung auf die Farbstoffausscheidung aus dem Blute. 403 


war am 8. November. Im ersten Versuch gaben wir 6ccm von der 2proz. 
Trypanblaulösung. 


Im Versuch vor der Operation fanden wir 


nach 5 Minuten nach der Injektion 53 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


X) 30 TT en „ „ 48 39 en an sp 
e 1 Stunde ze TT an 44 29 „ IT sn 
e A Stunden en „ 9 29 OT sn TT „ 


m 
DW 4 LE 99 LE) 9 18 LA) LA 39 


Bei demselben Versuchstier nach der Injektion: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 99 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


99 30 KE 338 29 E) 77 29 ag 38 929 
39 l Stunde ze (DT „ 56 an (E TU IT 
„ 4 Stunden ,, e zy 51 , Se e j 


” 7 LK 29 99 LEI 3l LEI LE r 29 LU) 


Der dritte Versuch, wo auch Lienextrakt verabreicht wurde, brachte 
uns die folgenden Daten: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 59 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


a A0 IT: „ IT: „ 49 „ en „ sn 
an 1 Stunde PR) en (E 39 sn DI 29 rn 
DI 4 Stunden „ sn „ 30 sn (E „ 99 


35. 7 HE 


HL H 39 25 2? HI LA 


Die erhaltenen Daten, anschaulich gemacht durch ein Graphikon, 
zeigen das Folgende: 


Vierter Versuch. 


Hund, Männchen, 12kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 1. November ausgeführt. Der zweite Ausscheidungsversuch war 
am 20. November. In diesem Versuch wurde dem Hunde lccm Lienin 
gegeben. In beiden Versuchen wurden 6ccm von der 2proz. Trypanblau- 
lösung verabreicht. 


Im ersten Versuch fanden wir: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 68 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


„30 9 en „ „ OR „ „ „ sn 
» I Stunde o aM = di y Se „ D 
~ A Btunden „ » s 30 „ bs 5 ae 
nn 7 j TE va ZU „ „ ve » 


Biochemische Zeitschrift Band 182. 97 


AM G. Farkas u. H. Tangl: 


Im zweiten Versuch, wo lccm Lienextrakt verabreicht wurde, 
fanden wir: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 77 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
2 


LE) 1 Stunde LH 9 LE 46 LE LE DA LN 
LEI 4 Stunden LL 33 39 34 28 A ” LE! 
LA 7 39 LE 99 99 22 LA) Sg IN 9. 


Fünfter Versuch. 


Hund, Weibchen, 14kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 5. September ausgeführt. Der zweite Ausscheidungsversuch war 
am 20. September, wo wir den Lienextrakt gaben. In jedem Versuch gab 
ich 7 ccm 2proz. Trypanblaulösung. 


Im ersten Versuch fanden wir 
nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


?9 30 99 LE 99 29 60 99 99 99 LE 
E 1 Stunde 39 99 38 49 99 99 KE ag 
vn 4Stunden „ , te 28. e ap i S 
E) 7 29 ?9 ?9 Ke 18 MA Sa E a ag 


Im zweiten Versuch, wo wir lccm Lienextrakt verabreicht hatten, 
fanden wir 


nach 5 Minuten nach der Injektion 77 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


nn 30 39 „ an „ 60 „ sn IT a 
„ 1 Stunde IT sn „ 51 „ %9 „ „ 
„ 4 Stunden an IP TE 30 (TT ze en D 


Wie aus den Tabellen ersichtlich ist, sind die gehegten Erwartungen 
in Erfüllung gegangen. Bei den Hunden, denen die Milz entfernt wurde, 
schied der Farbstoff viel langsamer aus dem Blute als bei den nicht ent- 
milzten. Gab ich aber entmilzten Hunden Milzextrakt, so schied der Farb- 


Milzextraktwirkung auf die Farbstoffausscheidung aus dem Blute. 405 


stoff fast gerade so schnell aus dem Blute, als ob die Hunde eine Milz 
hätten. Das weist darauf hin, daß die Milz im retikuloendothelialen System 
nicht nur zufolge ihrer farbstoffspeichernden Zellen eine Rolle spielt, sondern 
nebenbei auch ein Hormon entsendet, deren Wirkung darin besteht, daß 
der Farbstoff in viel kürzerer Zeit das Blut verläßt. Diese Wirkung kann 
eine direkte sein, kann aber vielleicht auch dadurch bedingt sein, daß es 
andere Organe reizt und diese zur Produktion von Stoffen anreizt, wodurch 
die Gefäßwände mehr durchgängig gemacht wurden und die Farbstoff- 
speicherung größer wird. Bei den nicht entmilzten Hunden übte der Milz- 
extrakt überhaupt keine größere Wirkung aus. 


Zusammenfassung. 
Auf die Ausscheidung von in die Blutbahn gebrachtem Trypanblau 


hat die Milz nicht nur durch die in ihr enthaltenen Reticuloendothel- 
zellen, sondern wahrscheinlich auch durch ein Hormon Einfluß. 


Literatur. 

J. Barcroft und H. Barcroft, Journ. of Physiol. 58, 1923. — Ardrey und 
Eddy, Amer. journ. of phys. 51, 1920; 58, 1921. — Belák und Säghy, Arb. 
d. II. Abt. d. wiss. St. T. Gesells. in Debrecen 1, 1923. — Brinchmann, 
Acta Med. scandinavica 52, 1920. 


97 + 


Die Wirkung des Cholins und Histamins 
auf die Farbstoffausscheidung aus dem Blute. 


Von 
Géza Farkas und Harald Tangl. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.) 
(Eingegangen am 27. Dezember 1926.) 


Mit 3 Abbildungen im Text. 


Die zahlreichen bisher erschienenen Arbeiten über Farbstoff- 
ausscheidung stimmen darin überein, daß die Ausscheidung von Farb- 
stoffen von sehr vielen Komponenten abhängig ist. 

Die Ausscheidung von Farbstoffen hängt erstens von deren 
kristalloider oder kolloidaler Natur ab, wie dies in den Arbeiten 
von Frey (1919), Starling (1894), Asher (1908) und Magnus (1900) 
ersichtlich ist. Zweitens spielt die chemische Struktur des Stoffes 
insofern eine Rolle, als die basischen Farbstoffe viel langsamer aus 
dem Blute ausscheiden als die sauren, weil nach Krebs und Wittgenstein 
(1926) die letzteren nicht gut absorbiert werden. Auch die Wärme ist 
von Einfluß auf die Farbstoffauswanderung (Okuneff, 1924), da an den 
erwärmten Stellen die Auswanderung viel schneller eintritt. Auch 
muß man die Dispersität der Stoffe in Erwägung ziehen. 

Bei dem Ausscheiden der Farbstoffe dürfen aber nicht nur deren 
Konstitution und chemische Eigenschaften erwogen werden, sondern 
man muß auch den verschiedenen Einflüssen Rechnung tragen, die 
durch den Organismus bedingt sind. So gelang es Bennhold festzustellen, 
daß in Fällen von Amyloidose die Ausscheidung von Kongorot sehr 
rasch vor sich geht, was nach seiner Ansicht mit der Ablagerung der 
Farbe in den amyloidentarteten Organen zu erklären ist. Auch Okuneff 
schreibt (1924), daß im Prozeß der Abwanderung der kolloidalen 
Substanzen aus dem Blute, der Durchlässigkeit der Gefäßwand eine 
wichtige Rolle zukommt. Besonders das Gefäßsystem der Bauch- 
eingeweide hat eine große Bedeutung für die Ausscheidung der Farb- 
stoffe. Die Anämie der Baucheingeweide hat nämlich eine gewisse 
Verlangsamung der Farbstoffausscheidung zur Folge, während lokale 


G. Farkas u. H. Tangl: Wirkung des Cholins und Histamins usw. 407 


Hyperämie, insbesondere in den Gefäßen der Baucheingeweide, eine 
Beschleunigung der Abwanderung der kolloidalen Stoffe veranlaßt. 

Diese Daten der Autoren führten uns auf den Gedanken, zu er- 
forschen, wie sich die Farbstoffausscheidung gegenüber den vaso- 
konstriktoriechen und vasodilatatorischen Stoffen verhält. Da die 
Farbstoffausscheidung längere Zeit in Anspruch nimmt, kann man 
natürlich nur mit Stoffen ein Resultat erreichen, deren Wirkung längere 
Zeit andauert. Wir suchten erst einen solchen Stoff, der das para- 
sympathische Nervensystem in Erregung bringt, wodurch vaso- 
dilatatorische Erscheinungen zustande kommen. Wir glaubten einen 
solchen Stoff im Cholin gefunden zu haben, dessen parasympathicus- 
erregende Wirkung von zahlreichen Autoren (Bakker, 1924, Kuroda, 
1924, Arai, 1922, Le Heux, 1921, Dressel und Lemen, 1923) festgestellt 
worden ist. Als sympathicuserregendes Mittel, wodurch eine Vaso- 
konstriktion hervorgerufen werden kann, wählten wir das Histamin, 
dessen Wirkung viel länger andauert als die des ebenfalls sympathicus- 
erregenden Adrenalins (Dale und Reichard, 1924). 


Methodik. 


Zu den Versuchen verwendeten wir Hunde, denen wir intrakardial 
pro Kilogramm Körpergewicht in 2proz. Lösung 1 cg Trypanblau injizierten. 
Wir wählten das Trypanblau, weil nach den Mitteilungen von Krebs 
und Witigenstein (1926) dieser Farbstoff besonders lange im Blute verweilt. 
Nach der Injektion entnahmen wir direkt aus dem Herzen nach 5 und 
30 Minuten, sowie nach 1, 4 und 7 Stunden Blut. Zur Verhinderung der 
Gerinnung versetzten wir das Blut mit einer Lösung von Natriumoxalat 
und zentrifugierten die Blutkörperchen ab. Die Konzentration des Farb- 
stoffs im Serum wurde dann in dem Kolorimeter von Autenrieth bestimmt, 
wobei wir als Standardlösung eine 1: 5000 Trypanblaulösung in Wasser 
` benutzten, die außerdem noch LG Proz. Gelatine enthielt. Aus den er- 
haltenen Daten wurde die Konzentration des Farbstoffs unter Zuhilfe- 
nahme einer Eichungskurve berechnet. In jeder Untersuchungsreihe 
wurden die Hunde zuerst unter normalen Verhältnissen untersucht. Bei 
dem zweiten bzw. dritten Versuch wurde demselben Versuchstier Cholin 
bzw. Histamin verabreicht und die Wirkung dieser Stoffe untersucht. 
Zwischen zwei Versuchen wurde wenigstens 2 Wochen gewartet, während- 
dessen der in den Tieren verbliebene Farbstoff ganz ausgeschieden wurde. 

Das zu unseren Versuchen verwendete Cholin und Histamin hat uns 
die Chemikalienfabrik Richter in Budapest überlassen, wofür wir auch 
hier unseren Dank aussprechen. 


Erste Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 10kg. Der erste Farbstoffausscheidungsversuch 
wurde am 7. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungs- 
versuch war am 22. September, wo wir gleichzeitig dem Versuchstier 
subkutan 0,30 g Cholin gaben. Der dritte Farbenausscheidungsversuch 
war am 6. Oktober, wo gleichzeitig mit dem Trypanblau subkutan 1 mg 
Histamin gegeben wurde. 


408 


Im ersten Versuch fanden wir: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 70 Proz 


» 30 H e. ie We 65 „ 
» l Stunde ,„, ,„ Mr 47 „ 
» 4Stunden „ ,„ Pr 26 „ 
ie 77 = gë 5 ER 16 „ 


Im zweiten Versuch fanden wir: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 68 Proz. 
an 30 , o u 48 , 
„ 1Stund „ , op 36 „ 
vw 4Stundn „ ,„ de 19- z 
w T a m a we 16 „ 


Im dritten Versuch fanden wir: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 96 Proz. 


» 30 5 R Wi 8 „ 
wn l Stunde „ ww > 77. 
an 3 Stunden „ — , = 5l „ 
ir DD Se SE = 45 „ 
s- T D GE si 23 e 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben 
das Folgende: 


G. Farkas u. H. Tangl: 


. der eingeführten Farbenmenge 


99 LEI LE 


Sa LE LA) 


Zweite Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 10 kg. 


Der erste Farbstoffausscheidungsversuch 


wurde am 9. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenamsscheidungs- 
versuch war am 24. September, wo wir gleichzeitig dem Versuchstier 
subkutan 0,30 g Cholin gaben. Der dritte Farbenausscheidungsversuch war 
am 8. Oktober, wo gleichzeitig mit dem Trypanblau subkutan 1 mg Histamin 


gegeben wurde. 


Im ersten Versuch fanden wir: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


99 30 A) 99 KE) 99 63 LA) 
„ l Stunde „ ,„ vg 50 „ 
an 4 Stunden „ » o 28 „ 


LI 7 99 NI 17 99 


LK LE LEI 


39 


H 


das Folgende: 


Wirkung des Cholins und Histamins usw. 


Im zweiten Versuch fanden wir: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 68 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


30 


1 Stunde 
4 Stunden 


LA 


LEI 


M 


LE 


99 


LE 


LA 


52 
36 
25 
13 


Im dritten Versuch fanden wir: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 96 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


30 


1 Stunde 
3 Stunden 


a] Qr 


LA) 


LE 


LEI 


Lé 


87 
67 
45 
33 
23 


LE 


3? 


H 


409 


LE 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 


Hund, Männchen, 10 kg. 


Dritte Versuchsreihe. 


Der erste Farbstoffausscheidungsversuch 


wurde am 11. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungs- 
versuch war am 25. September, wo wir gleichzeitig dem Versuchstier 
subkutan 0,30 g Cholin gaben. Der dritte Farbenausscheidungsversuch war 
am 9. Oktober, wo gleichzeitig mit dem Trypanblau subkutan Img Histamin 


gegeben wurde. 


Im ersten Versuch fanden wir: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


30 


1 Stunde 
4 Stunden 


m 


í 


LEI 


59 


Im zweiten Versuch fanden wir: 


LA 


nach 5 Minuten nach der Injektion 73 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


30 


l Stunde 
4 Stunden 


7 


LA 


LEI 


39 


52 
40 
28 
16 


410 G. Farkas u. H. Tangl: Wirkung des Cholins und Histamins usw. 


Im dritten Versuch fanden wir: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 94 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


„ 30 e ker wg ee 85 „ Se 3 i 
„ I Stunde ,„ ,, m 64 , e e A 
„ 3 Stunden „ ,„ e 50 „ e Mi e 
sé 5 e ZEN = 33 ,„ e RR e 
238 7 LE) TE 99 LE 24 LE) 9 WM sg 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


JL | | | Stunden 
7 2 H y D D 7 
| Abb. 3. 


Wie aus den Daten ersichtlich, haben die vasomotorisch wirkenden 
Stoffe großen Einfluß auf die Farbstoffausscheidung ausgeübt. Der vaso- 
dilatatorisch wirkende Stoff Cholin wirkt auf die Farbstoffausscheidung 
beschleunigend. Das Histamin hatte dagegen einen verzögernden Einfluß 
auf die Trypanblauausscheidung, da der Farbstoff sehr lange im Blute 
verweilte und nur langsam ausgeschieden wurde. Die Wirkung des Cholins 
zeigt sich aber nicht gleich in den ersten Minuten, sondern erst nach einiger 
Zeit, während die Wirkung des Histamins schon in den ersten Minuten 
ersichtlich wird. 


Zusammenfassung. 


Vasomotorische Stoffe haben großen Einfluß auf die Farbstoff- 
ausscheidung aus dem Blute. Der vasodilatatorisch wirksame Stoff 
Cholin beschleunigt die Farbstoffausscheidung. demgegenüber der 
vasokonstriktorisch tätige Stoff Histamin die Ausscheidung ver- 


langsamt. | 
Literatur. 


Frey, Pflügers Arch. f. d. ges. Phys. 177, 1919. — Starling, Journ. of 
Physiol. 1894, Nr. 16. — Magnus, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 43, 
44, 1900. — Krebs und Wittgenstein, Pflügers Arch. f. d. ges. Phys. 212, 1926. — 
Okuneff, ebendaselbst 201, 204, 1924. — Bakker, Dissertation, Utrecht 
1924. — Kuroda, Zeitschr. f. d. ges. Med. 89, 1924. — Arai, Pflügers Arch. 
f. d. ges. Physiol. 198, 1922. — Le Heux, ebendaselbst 190, 1920. — Dale 
und Richard, Journ. of Phys. 52, 1924. 


Über den Einfluß einiger Inkretstoffe 
auf die Farbenausscheidung aus dem Blute. 


Von | 
Harald Tangl. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.) 
| (Eingegangen am 27. Dezember 1926.) 


Mit 8 Abbildungen im Text. 


Die Ergebnisse, die sich aus meinen Versuchen, in denen ich die 
Wirkung von Milzextrakt auf die Farbstoffausscheidung untersuchte, 
ergaben, veranlaßten mich zur Untersuchung der Frage, ob auch andere 
Hormone eine Wirkung auf die Farbstoffausscheidung ausüben. In Ver- 
suchen über die in der vorangehenden Arbeit (S. 406) berichtet wurde, 
untersuchte ich mit Farkas schon ein Hormon, das Cholin, und außerdem 
noch das Histamin in dieser Richtung und fand, daß diese Stoffe durch 
ihre vasodilatatorische bzw. vasokonstriktorische Wirkung einen 
Einfluß auf die Farbstoffausscheidung ausüben. In der Literatur fand 
ich gar keine Angaben darüber, von welcher Wirkung die Inkretstoffe 
auf die Farbstoffausscheidung sind. Auch Angaben über den Einfluß 
der Inkretstoffe auf die Vasomotoren sind nur in sehr spärlicher Zahl 
vorhanden. So schrieben Siccardi und Loredan (1913), daß die Extrakte 
der Hypophyse, der Thyreoidea, der Leber, der Milz, des Pankreas, 
der Nebenniere, des Eierstocks und der Hoden in verschiedenem Maße 
Kontraktionen der Gefäßmuskulatur hervorrufen, Thymus und Galle 
entfalten in höheren Konzentrationen dilatatorische Wirkung, in 
schwächeren rufen sie dagegen Dilatationen hervor. Abderhalden und 
Gellkorn (1923) behaupten, daß Coris Entdeckung, wonach die Schild- 
drüsenstoffe auf die Endapparate des N. sympathicus sensibilisierend 
wirken, nicht auf einer spezifischen Wirkung des Schilddrüseninkrets 
beruht, da sich die gleichen Ergebnisse auch bei Verwendung anderer 
Organe, wie Hypophysis, Thymus, Placenta, Testis, Corpus luteum, 
Ovar, ergeben. Die durch sie entfaltete Wirkung ließ sich im übrigen . 
auch durch Histamin und Thyramin erhalten. 


412 H. Tangl: i 


Meiner Ansicht nach besteht die Hormonwirkung auf die Farbstoff- 
ausscheidung wahrscheinlich in der vasomotorischen Wirkung dieser 
Stoffe. Ich unternahm daher Versuche, um die Wirkung von Inkret- 
stoffen auf die Farbstoffausscheidung zu untersuchen. Sollte es sich 
dann in diesen Versuchen zeigen, daß Inkretstoffe eine Verlangsamung 
der Farbstoffauswanderung aus dem Blute veranlassen, dann dürfte 
hieraus auch die Folgerung gezogen werden, daß Inkretstoffe vaso- 
konstriktorisch wirksam sind. Diese Versuche würden dann gewisser- 
maßen als Kontrolle für meine mit Farkas in der vorangehenden Arbeit 
geschilderten Versuche dienen. 

Die Versuche wurden auf die Weise ausgeführt, daß ich Hunden 
Trypanblau intrakardial einspritzte und ihnen dann alsogleich Extrakte 
verschiedener Inkretdrüsen unter die Haut verabfolgte. Sonst ver- 
weise ich in Hinsicht der Methodik auf die vorangegangene Arbeit. 

Die Extrakte der Inkretdrüsen hat mir die Leitung der Chemi- 
schen Fabrik Richter, Budapest zur Verfügung gestellt, wofür ich 
meinen Dank ihr auch hier ausspreche. 


Erste Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 10kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 7. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungs- 
versuch war am 16. Oktober, wo ich gleichzeitig 1 ccm Thymusextrakt gab. 


Im ersten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 70 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


LA) 30 38 339 A 99 65 LA) 33 38 KE 
99 1 Stunde 99 KE 39 47 LA LK LE 29 
» 4Stunden „ ,„ se "EE, om 0 j e 
39 7 A HE 33 33 16 LEI 29 LE LA 


Im zweiten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 95 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


„ 30 „ 29 „ 29 70 (Li an „ OI 
” 1 Stunde 39 II 99 48 sn 9 II ( 
,9 3 Stunden $ 39 H 40 LE: „ 99 29 
” 5 „ 29 Sp ” 29 29 an ” Sp 
sp 7 ` sn „ 29 20 „ sn sn „ 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Einfluß einiger Inkretstoffe usw. 413 


Zweite Versuchsreihe. 

Hund, Männchen, 10kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 9. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungs- 
versuch war am 18. Oktober, wo ich gleichzeitig 1 com Thymusextrakt gab. 

Im ersten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


Hi 30 LE LE ?9 29 63 TE TE 29 LE 
„ 1 Stunde en D IT 50 „ „ an sn 
W 4 Stunden „ 9 an 28 39 ” an 99 


UU 7 LEI LEI LE IA 17 H 29 LE LA 


Im zweiten Versuch fand ich: 
nxh 5 Minuten nach der Injektion 92 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
30 


Mé TT „ II 64 ,9 II „ II 


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VW 1 Stunde sn an „ 56 ap UI zm ` ” 
” 3 Stunden ” ” „ 33 (E: Wi 29 IL 
2 5 „ sn sn DI 26 D „ zg ” 
” q „ za ” 16 sn zg „ sn 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Dritte Versuchsreihe. 


. Hund, Männchen, 10kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 11. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungs- 
versuch war am 20. Oktober, wo ich gleichzeitig 1 cem Thyreoideaextrakt gab. 

Im ersten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
59 


Wé 30 LE LE 79 H LE LA LE) LE 


„ l Stunde IT „ sn 48 an sp IT 29 
` 4 Stunden 39 an , 3l (E: 99 39 ” 
éd 7 ” 9 (E D 20 II II 29 UL 


Im zweiten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 99 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


` 30 LU LE LA LE 92 39 LA LA) LE 
>, ] Stunde LEI LE LE 77 LA) LE LE LE 
3 Stunden 28 29 LE 53 LI LÉI LE) LE 


5 39 99 (E „ 40 99 29 zg 99 


D 
1 H 29 IT 99 26 99 ap sg LA 


414 H. Tangl: 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein (Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Vierte Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 10 kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 11. Oktober 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungs- 
versuch war am 20. Oktober, wo ich gleichzeitig 1 ccm Thyreoideaextrakt gab. 

Im ersten Versuch fand ich: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


„ 30 ss Ga ebe e 64 „, SS ve ou 
ge l Stunde , = 48 „ Se we e 
„ A Btunden `, „p = 28 „ m Se 

ir. d = a, p 2 18 „ = S SE 


Im zweiten Versuch fand ich: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 99 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
99 30 LE LA) LA) S LE) 93 33 LA LA WM 


Ge l Stunde Kë E e 79 „ Se Pr er 
» 3 Stunden „ A bs 56 , ek o e 
Pe D 5 WC St ” 4 ,„ ve Se > 
wë. A éi Vi sp 29. — P is „ 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Fünfte Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 9 kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch wurde 
am 7. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungsversuch 
war am 30. Oktober, wo ich gleichzeitig 1 cem Glandiutrinextrakt gab. 


Einfluß einiger Inkretstoffe usw. 415 


Im ersten Versuch fand ich: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 70 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
DA 30 39 LE LA 39 65 LE LEI 
„ ` 1 Stunde e 


99 39 47 LE) „ 
99 4 Stunden ae 99 +9 26 99 99 


HM 4 LEI 99 LE) 99 16 99 9 


Sg „ 


LA 99 


Im zweiten Versuch fand ich: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 99 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
„ 30 , o AA H 45. as 
„ 1Stunde e a m TO. a 
vw A Stunden „ » 


H 4 39 LA LA LA) 23 9 99 


LE LI 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Sechste Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 9 kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch wurde 
am 9. September 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungsversuch 
war am 2. November, wo ich gleichzeitig 1l ccm Glandiutrinextrakt gab. 


Im ersten Versuch fand ich: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 89 Proz. der eingeführten Farbenmenge 
” 30 „ D „ (E 63 II 


UL LE) LA 


” l Stunde 99 LEI an 50 99 DI sg LA 
19 4 Stunden 99 99 Sg 28 99 99 IA LI 
7 LA LE LI 9 17 9 LA 


Im zweiten Versuch fand ich: 


nach 5 Minuten nach der Injektion 99 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


» 30 3 A 3 Se 90 ,„ Sé ge „ 
» 1 Stunde a Se 716 , d e „ 
» 3Stunden „ » A 52 „ e de „ 
„5 eg d. ai ge Ai y Ai ji » 


„ 7 sa „ 29 (E: 25 sn en 


416 H. Tangl: 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Siebente Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 8%, kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch 
wurde am 1. Oktober 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungs- 
versuch war am 19.Oktober, wo ich gleichzeitig 1 ccm Testiculiextrakt gab. 

Im ersten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


LE 30 LEI LK LE 99 64 LE) LE ?9 LE 
LI 1 Stunde H 39 LE 48 LEI LA) 99 HA) 
LK 4 Stunden 99 LA) LEI 28 LK) 29 ?9 LE 
LA) 7 LE: LEI H ?9 18 LL „ 39 LA 


Im zweiten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 93 Proz. der eingefühten Farbenmenge 


sn 30 „ „ „ D 90 „ D „ sn 
„ 1 Stunde „ IT „ 77 sn nn ` „ Wi 
„ 4 Stunden sn „ 9 44 sn „ IT nn 
„ 7 „ sn „ d 40 „ „ za „ 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


D We E E EEN 
| | rm 
ee | 


Achte Versuchsreihe. 


Hund, Männchen, 8kg. Der erste Farbenausscheidungsversuch wurde 
am 1. Oktober 1926 ausgeführt. Der zweite Farbenausscheidungsversuch 
war am 15. November, wo ich gleichzeitig 1 ccm Testiculiextrakt gab. 


Im ersten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 69 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


HI 30 LE LE LE LE 64 LEI LE 29 LA 
LEI 1 Stunde LA LÄ LEI 48 39 99 ?? H 
29 4 Stunden 79 LA LE 28 LW LE 39 WM. 


LE 7 LA LAN 29? LH 18 LEI 39 LE LH 


Einfluß einiger Inkretstoffe usw. 417 


Im zweiten Versuch fand ich: 
nach 5 Minuten nach der Injektion 94 Proz. der eingeführten Farbenmenge 


39 A0 KA 99 99 A 78 39 LA LEI LEI 
„ l Stunde LE LK LA) 72 H 39 LA LE 
„ A Stunden ,, e a 44 , Sp Se j 
32 7 LA 99 2] LE 32 kW LE KE) II 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Sa per 


7 2 EE I 
Abb. 8. 


Wie aus den Versuchsreihen ersichtlich ist, hatten sich meine Er- 
wartungen bestätigt. Die untersuchten Inkretstoffe halten tatsächlich 
den Farbstoff viel länger in dem Blut zurück, da die Hunde, nach der Ein- 
spritzung von Inkretstoffen, den Farbstoff länger im Blute beherbergten, 
als wenn sie mit solchen Stoffen nicht behandelt wurden. Unter den unter- 
suchten Inkreten wirkte Thyreoidea und Hypophyse viel stärker als Thymus 
und Testieuli, obwohl die Wirkung der zwei letzteren auch schön zutage 
trat. Da die Ergebnisse mit den Angaben. der zitierten Autoren so gut 
übereinstimmen, glaube ich die Ansicht aussprechen zu dürfen, daß die 
Wirkung der Inkretstoffe auf die Farbstoffausscheidung in der Hauptsache 
durch ihre vasomotorischen Einflüsse bedingt ist. 


Die Arbeit wurde unter der Leitung des Herm Prof. Dr. G. Farkas 
ausgeführt. Für seine Ratschläge bin ich ihm zu großem Danke verpflichtet. 


H 


Zusammenfassung. 


Extraktstoffe aus Thyreoidea, Thymus, Hypophysis und Testis 
haben einen Einfluß auf die Farbstoffausscheidung aus dem Blute. Die 
Wirkung besteht darin, daß bei Verabreichung dieser Extraktstoffe 
der Farbstoff viel langsamer aus dem Blute ausgeschieden wird als bei 
normalen Tieren. 

Literatur. 


Siccardi und Loredan, Zeitschr. f. allg. Physiol. 15, 1913. — Abderhalden 
und Gellhorn, Pflügers Arch. 199, $ 230, 1923. 


Einfluß von Milz-, Thymus- und Thyreoideaextrakt 
auf das Wachstum von jungen Ratten. 


Von 
Harald Tangl. 
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Budapest.) 
(Eingegangen am 27. Dezember 1926.) 


Mit 3 Abbildungen im Text. 


Die in der neueren Zeit erschienenen Arbeiten weisen immer mehr 
auf die Korrelation hin, die zwischen Milz, Thyreoidea und Thymus 
herrscht. Auch Krankheiten, Gleichgewichtsstörungen im Organismus 
deuten in vieler Hinsicht hierauf. So geht in an Beriberi erkrankten 
Tieren eine Atrophie gewisser Organe einher in der Reihenfolge, daß 
am stärksten die Thymusdrüse, dann Milz und Schilddrüse zusammen- 
schrumpfen, wogegen die Hypophyse und die Nebennieren Hyper- 
trophie erleiden (Garisson, 1923). Bei Thyreoparathyreodektomie an 
weißen Ratten ist nicht nur eine Wachstumshemmung zu verzeichnen, 
sondern die Thymus verschwindet nach der Operation fast vollständig, 
Hoden, Nebenhoden, Eierstöcke und Uterus atrophieren (Hammet, 1926). 
Die Thymus spielt auch bei der Basedowschen Krankheit eine Rolle, 
da die Chirurgen viel bessere Erfolge erzielen, wenn vor der Kropf- 
operation partielle Thymusexstirpation vorgenommen wird (Schwarzen- 
berg und Lobeck, 1925). Auch stellte man nach der Verfütterung von 
Thymus an Ratten nach einiger Zeit eine Vergrößerung der Milz und 
der Schilddrüse fest. Auch beim Status thymico-liphaticus hat man 
auffallend große Milzen beobachtet (Schridde, 1924). 


Die drei Drüsen spielen auch im Stoffwechsel eine ähnliche Rolle. 
So besteht bei der Hyperfunktion der Schilddrüse erhöhter Stoffwechsel 
mit Polyphagie und Polydipsie. Der Wegfall der Thymusfunktion 
(Tarulli, Lo Monacco, Tandler, Lucian, 1913) führt zu einem wesent- 
lichen Zurückbleiben im allgemeinen Ernährungszustand, während bei 
Hyperthvmisation die Tiere kräftig werden und Fett in ansehnlichen 


H. Tangl: Einfluß von Milz-, Thymus- und Thyreoideaextrakt usw. 419 


Mengen ansetzen (Demel, 1922). Auch die Milz hat nach Danoff (1919) 
insofern einen Einfluß auf den Stoffwechsel, als bei Ratten nach der 
Wegnahme der Milz der respiratorische Gaswechsel erhöht wird, und 
hiermit in Übereinstimmung fanden auch Asher und Bernet, daß bei 
entmilzten Tieren der Eiweißumsatz größer ist. 


Von den genannten drei Drüsen üben zwei, namentlich Thyreoidea 
und Thymus, größeren Einfluß auf das Wachstum aus. So wirkt die 
Schilddrüse fördernd auf die Differenzierung der Kaulquappen (Romeis, 
1924) und Hofmeister, v. Eiselsberg, Nosser und Biedl (1925) stellten bei 
partieller Schilddrüsenexstirpation eine Verzögerung der Ossifikation 
der Epiphysenknorpel und ein Zurückbleiben im Wachstum fest. L. H. 
Korvatz (1925) weist außerdem auf ein gesteigertes Längenwachstum 
beim Auftreten des Morbus Basedowi im jugendlichen Alter hin. Auch 
die Thymus hat bekanntlich großen Einfluß auf das Wachstum. So 
fand man nach Verfütterung von Thymussubstanz frühes Längen- 
wachstum und späte Differenzierung bei Kaulquappen (Romeis, 1924, 
(rudernatsch, 1912). Demel (1922) fand nach Einpflanzung von Thymus- 
gewebe in 3 Wochen alte Ratten, daß diese sich besonders kräftig ent- 
wickelten und insbesondere das Wachstum der Knochen angeregt 
wurde. Die Thymusdrüsen möglichst junger Tiere wirkten in dieser 
Hinsicht besonders gut. Dows und Eddy (1920) gaben ausgewachsenen 
Ratten Thymusinjektionen 3 Monate hindurch, fanden aber keine 
nennenswerte Unterschiede gegenüber nicht behandelten Tieren, nur 
das Gewicht der Thyreoidea hat etwa um 8 Proz. zugenommen. Werden 
die Thymusdrüsen jungen Hunden exstirpiert, so gehen sie in 1 bis 
2 Monaten an Kachexie zugrunde. 


Über etwaige Beziehungen der Milz zum Wachstum fand ich keine 
Angaben vor, so daß ich mich entschlossen habe, diese Frage an jungen 
Ratten zu untersuchen. Angesichts der engen Beziehungen zwischen 
Milz, Thyreoidea und Thymus entschloß ich mich aber, außer der Milz 
auch die zwei anderen Drüsen in den Kreis der Untersuchungen mit 
einzubeziehen. 


Ausführung der Versuche. 


Die Versuche führte ich an 24 jungen Ratten aus, die fast in gleicher 
Zeit geworfen wurden. Ich teilte sie in acht Gruppen ein, so daß in jede 
Gruppe drei Tiere kamen. Die Ratten erhielten alle die gleiche Nahrung 
(Küchenabfälle) und wurden einmal wöchentlich gewogen. Jede Woche 
wurden den Tieren zwei Injektionen verschiedener Inkretstoffe verabreicht. 
Den Inkretstoff hatte ich vor der Injektion mit physiologischer Kochsalz- 
lösung verdünnt, da mir vorher Ratten einer ganzen Versuchsreihe, die die 
Lösungen zu konzentriert bekommen hatten, zugrunde gegangen waren. 
In der jetzt zu besprechenden Versuchsreihe hatte ich keinen einzigen 
Todesfall zu verzeichnen. Von den verdünnten Lösungen hatten die Ratten 
in den ersten 4 Wochen 0.2, in den zweiten 4 Wochen 0,3 ccm erhalten. 


Biochemische Zeitschrift Band 182. 98 


420 H. Tangl: 


Die Kontrollgruppe erhielt, um die Versuchsbedingungen gleich zu ge- 
stalten, ebenfalls Injektionen, doch von physiologischer NaCl-Lösung. In 
der ersten Abteilung bespreche ich die Ergebnisse der Versuche an solchen 
Tieren, die mit Milz, in der zweiten an solchen, die mit Thyreoidesa, in der 
dritten an solchen, die mit Thymus behandelt worden sind. Die Tiere wurden 
in Gruppen zu je drei Ratten in gemeinsamem Käfig zusammengehalten. 
In den folgenden Tabellen sind stets nur die Mittelwerte des Gewichts der 
drei Tiere eingetragen. 

Die Extrakte der Inkretdrüsen hat mir die Leitung der Chemischen 
Fabrik Richter, Budapest, zur Verfügung gestellt, wofür ich ihr auch hier 
meinen Dank ausspreche. 


Erste Abteilung. 


Die Abteilung bestand aus fünf Gruppen zu je drei Tieren. Die Tiere 
wurden folgendermaßen behandelt. Gruppe 1 erhielt physiologische Koch- 
salzlösung (Kontrollgruppe), Gruppe 2 Thyreoidesextrakt allein, Gruppe 3 
Thyreoidea- und Milzextrakt, Gruppe 4 Thyreoides- und Thymusextrakt, 
endlich Gruppe 5 sowohl Thyreoidea-, als Milz- und Thymusextrakt. Wie 
ersichtlich, haben außer den Kontrolltieren die Tiere sämtlicher Gruppen 
Thyreoidesextrakt erhalten. 


Tabelle I. 
Gewicht in Gramm. 

Woke ı | 2 3 e kee |7 |8 
Kontrolle... ... . | 66.6 | 85,3 | 102,4 | 108,6 : 113,6 | 118,3 | 123,5 130.3 
Thyreoidea . . . . | 67,7 | 79,3 , 997 106,6 | 107,7 | 1124 | 121,6. 1281 
Thyreoidea i | | 

+ Thymus ... 646 | 746 915 1113 113.6 | 119,8 | 125,6 | 142,1 


Thyreoides + Milz . , 67,2 | 85,9, 94,5 102,8 | 110,0 | 116,3 | 121,4 | 127,6 
Thyreoidea + Milz | | 
+ Thymus `... 669 | 77,3 | 98,7: 116,9 | 127,4 | 132,0 | 138,6 | 151,9 


I 
[] 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Einfluß von Milz-, Thymus- und Thyreoideaextrakt usw. 421 


Zweite Abteilung. 


Die Abteilung bestand aus fünf Gruppen zu je drei Tieren. Die Tiere 
wurden folgendermaßen behandelt. Gruppe 1 erhielt physiologische Koch- 
salzlösung (Kontrollgruppe), Gruppe 2 Thymusextrakt allein, Gruppe 3 
Thymus- und Milzextrakt, Gruppe 4 Thymus- und Thyreoideaextrakt, 
endlich Gruppe 5 sowohl Thymus-, wie Milz- und Thyreoideaextrakt. 
Wie ersichtlich, haben außer den Kontrolltieren die Tiere sämtlicher 
Gruppen Thymusextrakt erhalten. 


Tabelle II. 


Gewicht in Gramm. 


Woche: 12 er A u Ze 8 
Kontrolle... . . 66,6 85,3 | 102,4 108,6 113,6 | 118,3 | 123,5 | 130,3 
Thymus ..... | 65,9 89,2 102,6 109,8 119,6 125,2 133,0 141,6 
Thymus + Milz . . | 649 | 754 88,2 107,8 | 120,2 122,6 | 127,7 142,9 
Thymus | 

+ Thyreoidea . . | 64,6 74,6 | 91,5 1113 | 113,6 | 119,8 | 125,6 | 142,1 
Thymus + Milz | | 
+ Thyreoidea . . 66,9 77,3 98,7 | 116,9 | 127,4 | 132,0 | 138,6 | 151,9 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Dritte Abteilung. 


Die Abteilung bestand aus fünf Gruppen zu je drei Tieren. Die Tiere 
wurden folgendermaßen behandelt. Gruppe 1 erhielt physiologische Koch- 
salzlösung (Kontrollgruppe), Gruppe 2 Milzextrakt allein, Gruppe 3 Milz- 
und Thyreoideaextrakt, Gruppe 4 Milz- und Thymusextrakt, endlich 
Gruppe 5 sowohl Milz- als Thyreoidea- und Thymusextrakt. Wie ersichtlich, 
haben außer den Kontrolltieren die Tiere sämtlicher Gruppen Milzextrakt 
erhalten. 


Koch 


422 H. Tangl: 


Tabelle III. Gewicht in Gramm. 


Woche: | ı | 2 nu 6 7 K 8 
Kontrolle en 66,6 | 85,3 1024| 1086 113,6! 118,3 , 123,5 1303 
Mis... 649 | 794 98,8 106,5 | 115,6! 118.6 120,9 127,7 
Milz + Thyreoidea . 67.2 859 945 1028 110,0 116,3 121,4 127,6 
Milz + Thymus .. 649 754 882 1078 120.2 1226 127.7 | 142.9 
Milz + Thymus | Ä | | 
+ Thyreoidea . . 66,9 | 77,3 98,7 116,9 : 127,4 132,0 , 138,6 | 151,9 


Die erhaltenen Daten, wiedergegeben durch ein Graphikon, zeigen 
das Folgende: 


Aus den Versuchen ergibt sich, daß die Milz allein keine besondere 
Wirkung auf das Wachstum von jungen Ratten entfaltet. Auch die 
Thyreoidea allein hat keine größere Verschiebung des Gewichts verursacht. 
Die Wirkung der Thymus zeigte sich indessen sehr schön, inden: sie das 
Wachstum beschleunigte. Vergleicht man die Ergebnisse der Versuche, 
wo zwei Extrakte verabreicht wurden, mit solchen, wo ein einziger Auszug 
zur Verwendung kam, dann ergibt sich, daß ein Inkretstoff den anderen 
nicht beeinflußt hat. Die besondere wachstumsfördernde Wirkung der 
Thymus kommt auch hier zum Ausdruck. Die größte Wirkung zeigte sich 
nach der gleichzeitigen Injektion der drei Extrakte, so daß man den Schluß 
ziehen kann, daß den günstigsten Einfluß auf das Wachstum das Zu- 
sammenwirken der drei Drüsen ausübt. 


Die Arbeit wurde unter der Leitung des Herrn Prof. Dr. G. Farkas 
ausgeführt. Für seine Ratschläge bin ich ihm zu großem Danke verpflichtet. 


Zusammenfassung. 


. In Versuchen an jungen Ratten zeigte sich, daß Injektion von 
Milzextrakt keinen Einfluß auf das Wachstum ausübt und auch die 
wachstumsfördernde Wirkung von Thymusauszug nicht beeinflußt. 


Einfluß von Milz-, Thymus- und Thyreoideaextrakt usw. 423 


ähnlich wie Milzauszüge verhielt sich Thyreoideaextrakt. Thymus- 
extrakt entfaltet den größten Einfluß auf das Wachstum, falls den 
Tieren gleichzeitig auch Thymus- und Milzextrakt verabreicht wurde. 


Literatur. 


Carisson, Jahrb. f. Kinderklinik 101, § 168, 1923. — Hammet, Wistär 
inst. of anat. and biol., Phyladelphio 1925. — Schwarzenberg und Lobeck, 
Arch. latini americ. 1925. — Schridde, Wiener med. Wochenschr. 71, 1924. — 
Tarulli, Lo Monacco, Tandler, Lucian, Ergebn. d. inn. Med. und Kinder- 
heilk. 1913. — Demel, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 84, 1922. — 
Danoff, diese Zeitschr. 98, § 44, 1919. -- Romeis, Arch. f. Entwicklungs- 
mech, 87, 1913. — Hoffmeister, V. Eiselsberg, Nosser und Biedl, Ergebn. 
d inn. Med. u. Kinderheilk. 27, § 305, 1925. — Korvatz, ebendaselbst 
27, 8307, 1925. — Dows und Eddy, Endocrymologzy 1920, IV, 3. S. 240. 


Über neue basische Cholinderivate. 


Von 
Sigmund Fränkel und Klara Nussbaum. 


(Aus dem Laboratorium der Ludwig Spiegler-Stiftung in Wien.) 
(Eingegangen am 29. Dezember 1926.) 


Das Cholin, Trimethyläthylammoniumhydroxyd 
CH,-CH, FOH, 
(CH) N< H 


welches vor vielen Jahrzehnten von Strecker!) gefunden wurde, steht 
neuerdings im Vordergrund des physiologischen und medizinischen 
Interesses, seit es sich herausgestellt hat, daß einzelne seiner Ester, 
z.B. Acetylcholin, tausendmal so wirksam sind wie die Base selbst 
und der Äthyläther des Cholins wie Muskarin wirkt. Man hat daher 
versucht, eine Reihe von Derivaten des Cholins darzustellen und 
physiologisch zu prüfen, wobei insbesondere die zwei C-Atome ent- 
haltende Kette und der Ersatz der Trimethylamingruppe durch andere 
Alkylamine den Gegenstand der Studien bildete. Wir wollen nur die 
Giftigkeit der Vinylverbindung Neurin [Vinyltrimethylammonium- 


hydroxyd CHA N SOCHA und die noch viel giftigere Verbindung 


Muskarin (C tadi nr erwähnen, ferner das Cholin- 
derivat, welches statt der Vinylgruppe die Acetenylgruppe trägt, 
(C HAN TEO ‚ Acetenyltrimethylammoniumhydroxyd. Aber 
schon die V is der Seitenkette um ein C-Atom bedingt einer- 
scits Herabsinken der Giftigkeit, da das Homologe des Neurins, das 


Allyltrimethylammoniumhydroxyd (CHA NA ee Se trotz des 


ungesättigten Charakters ein relativ ungiftiger is ist, andererseits 


bei Homocholin, (CH,),N cc CH, e WE eine Verstärkung der 


1) Strecker, A. 123, 353; 148, 76. 


S. Fränkel u. K. Nussbaum: Neue basische Cholinderivate. 425 


Wirkung gegenüber Cholin zu beobachten ist. Reid Hunt und Taveau!) 
haben sehr viele Verbindungen hergestellt, welche statt der drei Methyl- 
gruppen, Äthyl-, Propyl-, oder Amylgruppen enthalten. Sie erwiesen sich 
giftiger als Cholin. Ferner wurden Verbindungen dargestellt, die zwei 
OH-Gruppen in der Kette enthalten, und diese auch acyliert. Ebenso 
wurden auch gechlorte Verbindungen hergestellt. Die physiologische 
Wirkung aller dieser Verbindungen wurde sorgfältig studiert, ohne 
daß man bisher zu einem praktisch verwertbaren Resultate gelangt wäre. 

Unsere Untersuchung hatte ein wesentlich anderes Ziel. Wir 
wollten die Basizität des Cholins verstärken, indem wir in der Äthanol- 
gruppe im Gegensatz zu den früheren Forschern, welche saure Seiten- 
ketten eingeführt hatten, basische einführen. 

wW ; Br CH,.CH,Cl 

enn es gelingt, das Cholindichlorid (C H), N< oi 2 2 

darzustellen, so kann man das Chlor in der Äthylgruppe gegen ver- 
schiedene Basen leicht austauschen. Bis jetzt hatte nur E. Schmidt?) 
das Cholindichlorid zufällig gefunden, als er Cholin mit Phosphor- 
oxychlorid und Schwefelsäure in Neurin überführen wollte. Ohne den 
Umweg über das Cholin wurde die erstgenannte Verbindung noch 
nicht dargestellt. 


leicht 


Darstellung von Cholindichlorid, (CH,), N<CHz-CHsCl, 

Wir haben Cholindichlorid auf einfache Weise gewonnen, indem 
wirreinstes symmetrisches Dichloräthan, CICH,.CH,Cl, monomolekular 
mit Trimethylamin in alkoholischer Lösung zusammenbrachten und 
lange stehen ließen. 


100 g absolut alkoholische Lösung, welche 33g Trimethylamin 
enthielt, wurde mit rein destilliertem, symmetrischem Dichloräthan 
CICH,.CH,Cl, versetzt und 10 Tage stehengelassen. Es schieden sich 
12 g Kristalle ab. Die Lösung wurde nach 12 Stunden in zugeschmolzenen 
Röhren im Wasserbad erhitzt, hierauf der Alkohol im Vakuum ab- 
destilliert und die zurückgebliebene Kristallmasse in Alkohol auf- 
genommen. Es schieden sich sehr kleine, schöne, stark hygroskopische 
Kristalle ab. Die Ausbeute betrug weitere 8g, zusammen also 20 g. 
Ausbeute 22,5 Proz. der Theorie. 


Da die hygroskopischen Kristalle nicht gut analysierbar waren, 
analog den Erfahrungen bei Cholin selbst, haben wir die Platinverbindung 
dargestellt, um die Substanz zu identifizieren. 


1) Journ. of Pharmakol. and exper. Therap., Vol. 1, Nr. 3, Oktober 1909; 
Bulletin Hygienic Laboratory of Treasury Departement, Nr. 73, März 
1911. 

2) A. 837, 56. 


426 S. Fränkel u. K. Nussbaum. 


Schmidt!) beschrieb das aus Cholin gewonnene Cholindichloridplatinat 
als kleine, glänzende Oktaeder, welche bei 250° noch nicht schmolzen und, 
aus heißem, salzsäurehaltigem Wasser umkristallisiert, 29,87 Proz. Platin 
enthielten (berechnet 29,81 Proz.). 
Wir erhielten bei der Fällung der absolut alkoholischen Lösung 
mit absoluter alkoholischer Platinchloridlösung feine, orangegefärbte 
Kristalle, welche abgesaugt und mit absolutem Alkohol gewaschen, 
aus heißem, salzsäurehaltigem Wasser umkristallisiert wurden. Nach 
Abkühlung der Lösung erhielt man feine, glänzende, orangefarbige, 
oktaederförmige Kristalle, welche bei 250 bis 260° unter Zersetzung 
schmolzen, also sich analog verhielten wie Schmidts Verbindung. Auch 
nach mehrfachem Umkristallisieren wurde der Schmelzpunkt nicht 
schärfer und war von der Schnelligkeit des Erhitzens abhängig. Die 
Analyse der imVakuumgetrockneten Substanz lieferte folgende Resultate. 
5,815 mg Sbst.: 3.884 mg CO, und 2,193 mg H,O, 
6,007 „ „4021 „ CO, „ 2303 „ H,O. 
Stickstoff nach Dumas- Pregl: 
5,995 mg Sbst.: 0,223 ccm N, (17%, 745 mm). 
6,014 „p „n 0,224 „ N,(17, 74 „). 
Mikrobestimmung des Halogens nach Carius: 
7,308 mg Sbst.: 12,755 mg Ae), 
6,955 „ a 12,176 „ AgCl. 

Mikrobestimmung des Platins nach Pregl: ` 
4,473 mg Sbst.: 1,335 mg Pt, 


6,327 „ Lë, Pt. 

CH CH..CH,Cl 

| HN‘ i | Pe CL 

CH,/ cl 8 
Ber. für CoH N,ClaPt: C 18,38 H 4,01 N 4,29 C143,43 Pt 29,81 
Gef. C 18,22 H 4,22 N 4,30 C143,18 Pt 29,84 


C 18,26 H 4,29 N 4,31 Cl 43,41 Pt 29,82 


Dieses Platinsalz wurde dann in Wasser aufgeschlemmt und erhitzt 
und dann in die heiße Lösung Schwefelwasserstoff eingeleitet. Nachdem 
das Platinat vollständig zerlegt war, wurde es von Platinsulfid abfiltriert 
und das Filtrat am Wasserbad zweimal bis zur Trockne eingedampft. 
Wir erhielten zerfließliche Blätter, aus denen wir eine absolute alkoholi- 
sche Lösung mit bestimmtem Gehalt bereiteten. 


‘Darstellung von Trimethylaminäthylaminchlorid, 


(cH,,n<CH:-CH..NH,. 


Wir ließen 5g Cholindichlorid in absolut alkoholischer Lösung 
mit absolut alkoholischem Ammoniak im Überschuß in zugeschmolzenen 


1) A. 337, 56. 


Neue basische Cholinderivate. 427 


Glasröhren 14 Tage stehen. Hierauf wurden die Röhren 12 Stunden 
im siedenden Wasserbad gehalten. Die bisher farblose Lösung 
färbte sich dabei dunkelgelb. Nachher wurde die Lösung im Vakuum 
stark konzentriert und im Vakuumexsikkator sich selbst überlassen. 
Es kristallisierte mehrmals Salmiak aus, welcher in bekannter Weise 
identifiziert wurde. Schließlich kristallisierte eine Fraktion in schönen 
weißen Tafeln, welche stark hygroskopisch waren und sich in absolutem 
Alkohol leicht auflösten. 


Wegen der großen Zerfließlichkeit der Substanz wurde das Platin- 
salz zur Analyse gebracht. 


Die absolut alkoholische Lösung wurde mit absolut alkoholischer 
Platinchloridlösung versetzt, wobei eine orangegelbe Fällung entstand. 
Diese wurde abfiltriert, gewaschen und aus wenig salzsäurehaltigem, 
siedendem Wasser umkristallisiert. 

Die Analyse der vakuumgetrockneten Substanz ergab folgende 
Werte: 

5,333 mg Sbst.: 2,250 mg CO, und 1,597 mg H,O, 
4,99 „ io, CO, „ 1501 „ H,O. 

Stickstoffbestimmung nach Dumas-Pregl: 

5,210 mg Sbst.: 0,263ccm N, (17°, 72] mm), 
5,003 „» „n 0,253 „ N, (21°, 726 ,„ ). 

Mikrobestinnmung des Halogens nach Carius: 

5,371 mg Sbst.: 8,969 mg AgCl, 
6,162 „ „10281 „ AgCl. 

Platinbestimmung nach Pregl: 

5,333 mg Sbst.: 2,033 mg Pt, 


4,999 „ eg 1,902 „ Pt. 
CH, - N. . PtC1.. 
CH,/ ‘a 
Ber. für C,HjeN,ClePt: C 11,72 H 3,14 N 5,47 Cl 41,54 Pt 38,12 
Gef.: C 11,51 H 3,35 N 5,60 C141,31 Pt 38,04 


C 11,49 H 3,35 N 5,60 Cl 41,27 Pt 38,06 


Cholindichlorid und Ammoniak setzen sich also in der Weise um, 
daß das Cl-Atom in der Alkylgruppe sich gegen NH, austauschen läßt. 


Darstellung von Trimethyläthylmethylamin, 
(CH,), N- CH: CH, NH. CH, 
5g Cholindichlorid in absolut alkoholischer Lösung wurden mit 
einer 33proz. absolut alkoholischen Lösung von Methylamin im 
Überschuß versetzt und 14 Tage stehengelassen. Die früher farblose 
Lösung färbte sich dabei gelblich. Nachher wurde die Lösung 10 Stunden 


428 S. Fränkel u. K. Nussbaum: 


lang in zugeschmolzenen Röhren im Wasserbad gekocht, wobei die 
Lösung dunkler wurde. Nach Öffnen der Röhren wurde der Inhalt im 
Vakuum eingeengt. Es blieb eine stark gefärbte Kristallmasse zurück 
mit einem durchdringenden, unangenehmen Geruch (kein Amingeruch). 
Der Rückstand wurde in Alkohol aufgenommen und langsam fraktioniert 
kristallisieren gelassen. Die ersten Fraktionen erwiesen sich als Methyl- 
aminchlorhydrat. (Schmelzpunkt bei 225 bis 227° unter Sublimieren.) 
Die Menge des Methylaminchlorhydrats war 1,74 g, also fast die theore- 
tische Menge bei der erwarteten Reaktion. Nach längerer Zeit 
schieden sich aus der Mutterlauge im Exsikkator im Vakuum feine, 
glänzende, weiße Kristalle aus. Durch Behandeln mit Tierkohle und 
mehrmaliges Umkristallisieren wurden sie gereinigt und in Alkohol 
aufgenommen. 

Die Hälfte der alkoholischen Lösung wurde mit einer alkoholischen 
Sublimatlösung versetzt. Es entstand sofort eine weiße Fällung. Sie 
wurde über Nacht zum Absitzen des Niederschlags stehengelassen. Die 
Fällung löste sich auf und verharzte zu einer quecksilberhaltigen, 
dunklen Masse, die weiter nicht untersucht wurde. Da nun die 
Darstellung einer Sublimatverbindung nicht zu dem gewünschten Ziele 
führte, wurde die andere Hälfte der alkoholischen Lösung mit einer 
kaltgesättigten alkoholischen Cadmiumchloridlösung gefällt. Die 
sofort entstandene Fällung war gelb, löste sich nicht mehr auf, aber 
eine harzige Substanz mit dem schon erwähnten unangenehmen Geruch 
setzte sich ab. Es wurde davon abdekantiert, der Niederschlag filtriert. 
Es wurde versucht, die Substanz aus einigen Tropfen cadmiumchlorid- 
haltigen Wassers umzukristallisieren, was aber wegen der Zerfließlich- 
keit der Substanz nicht gelang. Um die Substanz zurückzugewinnen, 
wurde die wässerige Lösung mit Alkohol gefällt und nach mehrmaligem 
Auflösen in Wasser und Fällen mit Alkohol vollständig gereinigt. Die 
Fällung war ein kristallinisches, hellgelbes Pulver, welches bei 80° 
schmolz, später erstarrte und sich langsam von 200° an zersetzte. 


Trimethyläthylmethylamincadmiumchlorid. 


Mit der lufttrockenen Substanz wurde eine Feuchtigkeitsbestimmung 
vorgenommen. Sie wurde erst im Vakuum, dann im elektrischen Trocken- 
schrank bei 120° zur Konstanz getrocknet. 

8,530 mg Sbst.: 8,007 mg Rückstand. 

Die Mikroanalyse der Substanz nach Pregl ergab folgende Werte: 

4,443 mg Sbst.: 2,060 mg CO, und 1.072 mg H,O, 
4,197 u» 190 , CO, „ 1,050 „ H,O. 
Stickstoff nach Dumas- Pregl: 


5,719 mg Sbst.: 0,207 eem N, (23°, 731 mm), 
5,992 „  » 0219 „ N, (21%, 740 ,„). 


Neue basische Cholinderivate. 429 


Für die Cadmiumbestimmung wurde die eingewogene Substanz in der 
Mikromuffel mit konzentrierter Schwefelsäure abgeraucht und das zurück- 
gebliebene weiße Cadmiumsulfat gewogen. 

4,595 mg Sbst.: 3,720 mg CdSO, 
4,971 „ vn 4,082 „ CASO,. 
Mikrohalogenbestimmung nach Cariue-Pregl: 
4,758 mg Sbst.: 6,358 mg AgCl, 
5,620 „ » 7561 „ AgCl. 
Ber. für Ca H}, NCl, Cd}O: C 12,82 H 3,09 N 3,74 Cd 45,04 C133,15C,H,OH 6,15 
Gef. C 12,60 H 2,70 N 4,02 Cd 43,65 C133,06C,H,OH 6,13 
C 12,62 H 2,80 N 4,13 Cd 44,27 Cl 33,28 
Diese Bruttoformel C,H,,N,C1,Cd,O läßt sich auflösen in 
CH. ‚CcH,.CH,.NH.CH, 
N: -3(CdCl,) + C,H,.OH. 


Zur Kontrolle wurde die bei 120° im Vakuum zur Konstanz getrocknete 
Substanz verbrannt 


4,712 mg Sbst.: 1,765 mg CO, und 1,232 mg H,O. 
Stickstoff nach Dumas- Pregl: 

5,559 mg Sbst.: 0,198 cem N, (17°, 728 mm). 
Mikrobestimmung des Halogens nach Carius: 

5,525 mg Sbst.: 7,834 mg AgCl. 
Mikro-Cadmiumbestimmung: 

5,227 mg Sbst.: 4,605 mg Cd SO, 

Sa 


CH. .3 (CdCI). 

CH,/ “cl i 
Ber. für CHA NA C 10,25 H 2,44 N 3,98 Cl 35,32 Cd 47,99 
Gef. C 10,23 H 2,92 N 4,02 C1 35,25 Cd 47,51 


Trimethylaminäthylmethylaminplatinchlorid. 


Das Cadmiumsalz des Körpers wurde in Wasser aufgelöst, bis 
zum Sieden erhitzt und mit Schwefelwasserstoff zerlegt, nach voll- 
ständiger Zerlegung vom Cadmiumsulfid abfiltriert, zweimal bis zur 
Trockne eingedampft, in Alkohol aufgenommen und mit einer alko- 
holischen Platinchloridlösung gefällt. 

Die entstandene Fällung war orangegelb und fein kristallinisch. 
Sie wurde abfiltriert und nach dem Trocknen aus sehr wenig heißem, 
salzsäurehaltigem Alkohol umkristallisiert. Es schießen schöne, große, 
orangegefärbte Kristalle an, welche abfiltriert und gewaschen wurden. 

Die lufttrockene Substanz schmolz bei 80°, erstarrte später und 
verkohlte bei 225°. 

Um eine Feuchtigkeitsbestimmung durchzuführen, wurde die 
lufttrockene Substanz erst im Vakuum, dann im Trockenschrank bei 
120° zur Konstanz getrocknet. 

2,762 mg Substanz gaben 1,460 mg Trockenrückstand. 


430 S. Fränkel u. K. Nussbaum: 


Die Mikro-Platinbestimmung der lufttrockenen Substanz ergab folgende 
Werte: 


3,537 mg Substanz: 1,345 mg Pt, 
4,443 „ j 1,683 „ Pt. 


‚CH..CH,.NH.CH, 


CH. 
Berechnet für: CH, N: -PtCl,+!7,C,H,:OH, 
CH/ Wei a+ 2 72705 


3 
38,07 Pt, 449 C,H,.OH 
Gef.: 3802 „ 4,71 C,H,.OH. 


37,88 „ 
Zur Kontrolle wurde eine Platinbestimmung der von Kristallalkoholat 
befreiten, bei 120° getrockneten Substanz durchgeführt. 
6,711 mg Substanz: 2,675 mg Pt. 
Berechnet für CH: NCl; Dt: 39,86 Proz. Pt. 
Gef.: 39,83 ,„ Pt. 


CH, ___CH,.CH, ` CP 
CH, IN < ‚N -C H, 
CH, cl cl’ NCH, 


Es kristallisiert also sowohl die Cadmium — als die Platinverbindung mit 
je 1 bzw. 1% Mol. Alkohol. 


Darstellung von Trimethylaminäthyltrimethylamindichlorid 
(Ditrimethylaminäthyliumdichlorid). 


Eine absolut alkoholische Lösung von 5g Cholindichlorid wurde 
mit einer absolut alkoholischen Lösung von Trimethylamin (33 proz.) 
im Überschuß versetzt und 14 Tage stehengelassen, dann in Glas- 
röhren gegossen, zugeschmolzen und 12 Stunden lang im \Vasserbad 
gekocht. Nach Öffnen der Röhren wurde der Inhalt im Vakuum bis zum 
Kristallisieren eingeengt, wobei sich die Lösung gelb färbte. Die aus- 
geschiedene Kristallmasse wurde in absolutem Alkohol aufgenommen. In 
der Kälte kristallisierten weiße Blätteraus, welchestark zerfließlich waren. 
Die Mutterlauge wurde im Exsikkator im Vakuum langsam fraktioniert 
kristallisieren gelassen. Die ersten drei Fraktionen erwiesen sich nach 
ihren Platinsalzen als Cholindichlorid. Die Menge war sehr gering, 
ungefähr l g. also 20 Proz. des Ausgangsmaterials ist nicht in Reaktion 
getreten. 


Trimethylaminäthyltrimethylamindichlorid-cadmiumchlorid. 


Die Mutterlauge wurde im Vakuum weiter bis zur Sirupkonsistenz 
eingeengt. Nach längerer Zeit schieden sich sehr kleine und stark 
zerfließliche Kristalle aus, die sich nicht absaugen ließen. Sie wurden 
daher in Alkohol aufgenommen und mit einer kalt gesättigten alkoholi- 
schen Cadmiumchloridlösung versetzt. Es entstand eine schwach gelbe 
Fällung, die abfiltriert und nach Kochen mit Tierkohle aus heißen 


Neue basische Cholinderivate. 431 


cadmiumchloridhaltigen Wasser umkristallisiertt wurde. Nach mehr- 
maligem Umkristallisieren wurde sie bis zur Konstanz getrocknet. Die 
Substanz schmolz bis 320° nicht, sondern blieb vollkommen un- 
verändert. 
Die Mikroanalyse nach Pregl ergab folgende Werte: 
4,692 mg Sbst.: 2,845 mg CO, und 1,664mg H,O, 
4,277 „ 593593 „ CO, „ 1556 „ H,O. 
Stickstoff nach Dumas-Pregl: 
6,235 mg Sbst.: 0,275 ccm N, (24°, 729 mm), 
8,975 „ » 0,389 „ N, (25°, 763 „). 
Mikro-Cadmiumbestimmung: 
5,893 mg Sbst.: 4,226 mg CASO, 
5,342 ,, » 3871 „ CdSO.. 
Mikrobestimmung des Halogens nach Carius: 
7,435 mg Sbstz.: 11,180 mg Anel, 


Berechnet für: 


CH, ` C R,—CH,, ‚CH; 
CH, !N{ "KR CH. 2CdCla 
CH,/ \cl cı “CH, 


Ber. für CH Neal, C 16,45, H 3,80, N 4,80, Cd 38,52, Cl 36,54. 
Gef.: C 16,54, H 3,97, N 5,00, Cd 38,67, C1 37,20, 
C 16,63. H 4,07, N 4,95, Cd 39,07. 


Das Cadmiumsalz wurde in Wasser gelöst und mit Schwefel- 
wasserstoff zerlegt. Nach vollständiger Zerlegung wurde es zweimal 
bis zur Trockene eingedampft. Esblieb eine weiße Kristallmasse zurück, 
welche in Alkohol gelöst wurde. 


Trimethylaminäthyltrimethylamindichlorid-platinchlorid. 


Die alkoholische Lösung der Substanz wurde mit einer alkoholischen 
Platinchloridlösung versetzt. Es entstand eine feinkristallinische, gelbe 
Fällung, die abfiltriert, mit Alkohol gewaschen und getrocknet wurde. 
Nachher wurde aus sehr wenig heißem, salzsäurehaltigem Wasser um- 
kristallisiert. Es schießen glänzende, dunkelorangefarbige Kristalle 
an. Nach scharfem Absaugen wurden sie getrocknet. Der Schmelzpunkt 
wurde am Bloc Maquenne ausgeführt. Bei 80° schmolz die Substanz, 
bei 100° erstarrte sie wieder und verkohlte rasch bei 220°. 


Da die Vermutung nahe lag, daß die Verbindung Kristallwasser 
oder -Alkohol enthält, wurde eine Feuchtigkeitsbestimmung vor- 


432 S. Fränkel u. K. Nussbaum: 


genommen. Die lufttrockene Substanz wurde erst im Vakuum, dann 
im Trockenschrank bei 120° zur Konstanz getrocknet. 


8,384 mg Sbst.: 8,111 mg Rückstand. 


Die Platinbestimmung ergab folgende Werte: 
7,128 mg Sbst.: 2,438 mg Pt, 
8,314 „ » 2,851 „ Pt. 
Berechnet für C,H,„N,C1,PtO: Pt 34,12, H,O 3,15. 
Gef.: Pt 34,20, H,O 3,25, 
Pt 34,29. 
N JCH Ba CH, 


IN NZ CH, . Pt CL + H,O. 
H "oO a Nep SE 


Zur Kontrolle wurde noch eine Be E von der vom Kristall- 
wasser befreiten Substanz gemacht. 
6,139 mg Sbst.: 2,168 mg Pt, 
5,811 „ » 2,050 „ Pt. 
Berechnet für CHa NCl Pt: 35,22 Pt. 
Gef.: 35,31 Pt, 
35,28 Pt. 


Trimethylaminäth ylitrimethylamindichloridgoldchlorid. 


Eine kleine Probe der Substanz wurde in absolutem Alkohol gelöst 
und mit einer alkoholischen Goldchloridlösung versetzt. Es entstand 
eine goldgelbe, glänzende Kristallfällung. Nach dem Filtrieren wurde 
aus einigen Tropfen Wasser umkristallisiert (Schmelzpunkt 165°), im 
dunklen Vakuum getrocknet und analysiert. 

6,843 mg Sbst.: 2,608 mg Au, 
7,225 „ » 2,751 „ Au. 


Berechnet für C,H,N,Cl,Au: Ber.: 37,87. 


Gef.: 38,11, 
38,08. 

CH CH,—CH, H, 

CH, >N NL i N NCR’. AuCl. 

CH, œC CL NCH, 


Umsetzung von Cholindichlorid mit zyklischen Basen, 


Wir legten den Hauptwert darauf, Verbindungen zu bekommen, 
in denen statt des OH in der Äthanolgruppe des Cholins zyklische 
Basen stehen. Besonders pharmakologische Gesichtspunkte haben uns 
veranlaßt, sehr viel Mühe und Zeit zu verwenden, Verbindungen dieser 
Art darzustellen. Leider wurde das gewünschte Ziel nach dieser Richtung 
hin nicht erreicht, weil die Reaktion nicht im gleichen Sinne lief wie 
bei den einfachen Basen der aliphatischen Reihe. 


Neue basische Cholinderivate. 433 


Wär haben vorerst versucht, die gechlorte Base mit Chinolin und 
Oxyelhinolin umzusetzen. Wir gingen in der Weise vor, daß wir eine 
sehr konzentrierte alkoholische Lösung von Cholindichlorid mit 
frisch. destilliertem Chinolin bzw. Oxychinolin im Überschuß versetzten 
und am Rückflußkühler 8 Stunden erhitzten. Dann wurde im Vakuum 
das Chinolin abdestilliert, es resultierte ein Rückstand, der eine rot- 
braune Flüssigkeit darstellte mit einem durchdringenden scharfen 
Geruch. Die Flüssigkeit wurde mit Äther ausgeschüttelt und dann 
weiter eingeengt, wobei sich ein wenig Chinolinchlorhydrat abschied. 
Aber selbst nach sehr langem Stehen konnte aus dem harzigen Rück- 
stand keine neue Kristallfraktion gewonnen werden. Die Versuche, 
das in Wasser unlösliche, in siedendem Alkohol lösliche Harz mittels 
Sublimat, Pikrinsäure und mit Platinchlorid aufzuarbeiten, gaben 
kein verwertbares Resultat. Wir erhielten zwar kristallisierte Pikrate, 
deren Analysenwerte aber keine rechenbaren Resultate gaben. 

Wir zerlegten diese Pikrate in bekannter Weise mit Schwefelsäure, 
entfernten die Schwefelsäure mit Bariumcarbonat und fällten mit 
Platinchlorid. Aber auch das Platinat erwies sich als durchaus nicht 
einheitliche Substanz. 

Die Hauptmasse des Reaktionsprodukts war ein rotgefärbtes Harz, 
jedenfalls konnten: wir sehen, daß die von uns gesuchte Chinolin- 
verbindung nicht entstanden war. 


Über eine Dodecandiaminodicarbonsäure aus Casein. 


Von 
Sigmund Fränkel und Max Friedmann. 


(Aus dem Laboratorium der L. Spiegler-Stiftung in Wien.) 
(Eingegangen am 29. Dezember 1926.) 


Im hiesigen Laboratorium wurden zahlreiche Arbeiten über die 
Einwirkung des Trypsins auf Eiweißkörper ausgeführt, wobei Versuchs- 
bedingungen eingehalten wurden, unter denen diese Reaktionen bis 
dahin noch nicht studiert wurden. Es hat sich bei diesen Versuchen, 
bei denen Eiweiß mehrere Monate mit Trypsin verdaut wurde, gezeigt, 
daß nach der Spaltung der Eiweißkörper durch Trypsin in Aminosäuren 
manche dieser Aminosäuren im Laufe der Zeit unter gärungsver- 
hindernden Kautelen der langen Wirkung des Ferments ausgesetzt, 
noch weitere Veränderungen erfahren. * Bei diesen Arbeiten gelang es, 
ohne Anwendung der üblichen Reagenzien und der bisher üblichen 
komplizierten Methoden, wie z. B. der Estermethode von Æ. Fischer, 
auf eine sehr einfache Weise das entstehende Gemisch von Aminosäuren 
in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen und größtenteils durch 
fraktionierte Kristallisation und Wahl passender Lösungsmittel zu 
entmischen. 

Dieses Verhalten des Verdauungsprodukts erleichtert das Auf- 
finden der Spaltungsprodukte des Eiweißes bei der prolongierten 
Trypsinverdauung. 

Bis jetzt wurde gefunden: 

Daß das 1-Tryptophan in das d-Tryptophananhydrid übergeht!). 
Ebenso geht das l-Tyrosin in d-Tyrosinanhydrid über. Beide Amino- 
säuren gehen vorerst durch eine Art Waldenscher Umlagerung von 
der l- in die d Form über und nachher in die Anhydride. Die Anhydrid- 
bildung wurde ferner beobachtet?) bei Prolin, Leucin und vielleicht 
auch bei Histidin. 


1) S. Fränkel und Feldsberg, diese Zeitschr. 120, 218, 1921. 
2) S. Fränkel und Gallia, Liebster, Rosen, ebendaselbst 145, 295, 1924. 


S. Fränkel u. M. Friedmann: Dodecandiaminodicarbonsäure a. Casein. 435 


Einzelne Aminosäuren ändern sich gar nicht, wie das 1-Prolin, 
d-iso-Leucin und d-Valin, welche auf höchst einfache Weise isoliert 
wurden, während bekanntlich d-iso-Leuein z.B. nur nach einem 
äußerst komplizierten Verfahren von F. Ehrlich aus dem Gemenge 
beider Leucine abgetrennt wurde. 

Einzelne, wie d-Alanin, d-Glutaminsäure, l-Oxyprolin, 1-Serin und 
d-Valin werden racemisiert. Auch Decarboxylierung von Glykokoll 
wurde beobachtet, wobei Methylamin entstand). 

Wir haben nun Casein nach der gleichen Methode enzymatisch 
hydrolysiert und die Produkte aufgearbeitet, und es ist uns gelungen, 
neben einigen bekannten und in früheren Arbeiten beschriebenen 
Verbindungen mehrere andere darzustellen, die nicht bekannt oder 
wenig studiert sind. Vor allem anderen ist es uns gelungen, auf eine 
höchst einfache Weise eine Substanz darzustellen, die vielleicht in 
Beziehung steht oder identisch ist mit einer Substanz, die Z. Skraup 
und Emil Fischer und Abderhalden beschrieben haben. Diese Forscher 
haben nach verschiedenen Verfahren Substanzen aus Casein dargestellt, 
deren Eigenschaften aber nicht in allen Punkten untereinander korre- 
spondieren und auch nicht mit der von uns dargestellten Verbindung. 


So hat Z.Skraup unter den Namen Caseinsäure eine Verbindung 
erhalten und beschrieben, die er durch Hydrolyse des Caseins erhielt, und 
zwar auf eine recht komplizierte Weise. Er veresterte die durch Säure- 
hydrolyse gewonnenen Anunosäuren nach dem Verfahren von Emil Fischer 
und holte mit alkoholhaltigem Äther den darin löslichen Anteil der 
Chlorhydrate der Aminosäureester heraus. Den in Äther unlöslichen Anteil 
fällt er mit 50proz. Phosphorwolframsäure. Das Filtrat von der Fällung 
wird in bekannter Weise mit Ätzbaryt von der überschüssigen Phosphor- 
wolframsäure befreit. Das von Baryt befreite Filtrat wird hierauf eingeengt, 
es kristallisiert Leucin und Tyrosin aus. Aus der Mutterlauge dieser Amino- 
säuren wird in bekannter Weise das Glutaminsäurechlorhydrat entfernt 
und das Filtrat hierauf mit Kupfercarbonat gekocht. Man bekommt dann 
«die Kupferchloriddoppelsalze der Kupfersalze der Aminosäuren. Setzt man 
nun zu dem Filtrat die gleiche Menge Alkohol zu, so fällt eine Verbindung 
heraus, die Skraup „caseansaures Kupfer‘ nennt. Das Filtrat engt er ein 
und fällt schließlich mit absolutem Alkohol. Die Fällung benennt er 
„caseinsaures Kupfer‘. Sie besteht aus zwei Aminosäuren gleicher Zu- 
sammensetzung, aber differenter Schmelzpunkte. Denn, wenn man die 
Kupfersalze zerlegt, erhält man eine optisch aktive Säure vom Schmp. 228° 
und eine inaktive Aminosäure vom Schmp. 243 bis 244%. Beide geben 
bei der Analyse die gleichen Werte, welche sich auf die Formel C,H,„O,N;, 
rechnen lassen. 

In der ersten Mitteilung?) beschrieb Skraup erst die Caseinsäure als 
eine Verbindung mit der Bruttoformel C,„H,s0, N, und zwar als eine 
zweibasische Säure, die ın zwei Modifikationen auftreten kann, von denen 
eine bei 226° schmilzt, schwach rechsdrehend ist und in leidlich ausgebildeten 


1) S. Fränkel und P. Jellinek, diese Zeitschr. 130, 592, 1922. 
2) Ber. 87, 1596, 1904. 
Biochemische Zeitschrift Band 182. 29 


436 S. Fränkel u. M. Friedmann: 


Prismen kristallisiert. Die andere schmilzt bei 246°, ist inaktıv und bildet 
prismatische Kristalle, welche aber undeutlich ausgebildet sind. In der 
darauffolgenden Arbeit!) beschrieb er die aktive Säure mit der Brutto- 
formel Ca Hat Na Schmp. 228°, [a]p = + 0,13°, während er den Schmp. 
der inaktiven Säure zu 243 bis 244° bei gleicher Bruttoformel angibt. 


Man sieht, daß die Angaben von Z. Skraup über den Wasserstoff- 
gehalt dieser beiden Säuren nach kurzer Zeit schon sehr differierten. 
Es ist auffällig, bei den Untersuchungen von Skraup, daß entgegen 
allen Erfahrungen der Schmp. der inaktiven Säure um 16° höher an- 
gegeben ist als der der aktiven. 


Auf eine andere Weise kamen Emil Fischer und Emil Abderhalden?) zu 
einer Verbindung, die sie aber nicht für identisch halten mit der Caseinsäure 
von Skraup. Die genannten Forscher hydrolysierten Casein mit Schwefelsäure 
und entfernten die Schwefelsäure in bekannter Weise mit Baryt, engten ein 
und ließen das Tyrosin auskristallisieren. Dieses enthält schon einen Teil 
der neuen Verbindung. In der Mutterlauge liegt noch ein weiterer Teil 
der neuen Verbindung vor. Man kristallisiert die Mutterlaugen weiter und 
wäscht aus den neu erhaltenen Kristallfraktionen Leucin und Glutamin- 
säure mit Wasser heraus. Aus der Mutterlauge fällt man mit Phosphor- 
wolframsäure eine neuerliche Menge der neuen Substanz aus. 


Man sieht schon, daß hier eine Differenz in den Angaben über die 
Eigenschaften dieser Aminosäuren besteht, da Skraups Caseinsäure 
mit Phosphorwolframsäure nicht fällbar ist, während Æ. Fischer gerade 
die Fällung mit Phosphorwolframsäure zur Darstellung benützte. 


E. Fischer zerlegte das ausgefällte Phosphorwolframiat in üblicher 
Weise mit Baryt und engte die barytfreie Lösung bis zur Kristallisation 
der neuen Säure ein. Sie wurde aus heißem Wasser umgelöst. Die aus- 
geschiedenen Kristalle wurden in starker Salzsäure aufgelöst, die hierauf aus- 
geschiedenen Kristalle des Chlorhvdrats in warmem Wasser aufgenommen 
und die freie Säure durch Neutralisation mit Ammoniak gefällt. E. Fischer 
erhielt eine optisch-aktive Säure [a]n = — 9°, welcher Wert ebenfalls von 
dem von Skraup angegebenen differiert. 

Die Bruttoformel C,H,s0,N, (differiert ebenfalls von den beiden 
Angaben über Caseinsäure, da der Wasserstoffwert höher angegeben ist. 
Der Schmp. der optisch-aktiven Säure von E. Fischer ist weitaus höher als 
der der Caseinsäure, nämlich 255°. Die von ihnen gefundene Säure fassen 
E. Fischer und Abderhalden als eine Triorydiaminododekansäure auf, ohne 
einen Konstitutionsbeweis anzutreten. Sie lassen es unbestimmt, ob hier 
eine gerade oder verzweigte Kohlenstoffkette vorliegt. 


Wir sind bei unseren Untersuchungen auf eine Substanz gestoßen, 
die vielleicht in Beziehung steht zu den von Skraup und Fischer be- 
schriebenen Verbindungen, wobei vielleicht anzunehmen ist, daß 
Skraup seine Substanz, nämlich die Caseinsäure, nicht in genügender 
Reinheit zur Analyse gebracht hat. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 274, 1904. 
2) Ebendaselbst 42, 540, 1904. 


Dodecandiaminodicarbonsäure aus Casein. 437 


Wir wollen vorerst den Gang der Auffindung schildern: 


Wir haben 500 g Casein in 5 Liter 0,5proz. Sodalösung und 2g 
Pankreatin 60 Tage lang in Thermostaten bei 37° stehen lassen. Zum 
Schutze wurde reichlich Toluol und Chloroform in die Lösung ein- 
gerührt. Beim Abbrechen des Versuches wurde von einer reichlichen 
Ausscheidung von Kristallen abfiltriertt. In den ausgeschiedenen 
Kristallen war, wie die späteren Untersuchungen gezeigt haben, die 
neue Verbindung nicht zu finden. Das Filtrat von der spontan aus- 
geschiedenen Kristallmasse, welches alkalisch reagierte, wurde nun auf 
1 1⁄ Liter im Wasserstoffstrom und Vakuum eingeengt. Es schied sich eine 
neue Kristallfraktion ab. Diese Kristalle zeigten sowohl die Millonsche 
als auch die Tryptophanreaktion!) schwach. Beim Umkristallisieren 
sieht man im Mikroskop verschiedene Kristallformen. Diese Kristalle 
wurden mit 117, Liter Alkohol kurz aufgekocht. Der Alkohol nimmt 
die braunrote Farbe auf, läßt aber die Hauptmasse der Kristalle un- 
gelöst, welche man auf einem Dampftrichter abfiltrieren kann. Hierauf 
löst man sie in 700 ccm siedenden Wassers auf. Beim Einengen kristalli- 
siert die Substanz wieder, ist aber noch immer rosa gefärbt. Sie wird 
daher wiederum in heißem Wasser gelöst und mit einer ganz kleinen 
Menge Tierkohle gekocht, filtriert und bis zur Ausscheidung von 
Kristallen eingeengt. Beim Abkühlen scheidet sich die Hauptmenge 
aus, die wiederholt umkristallisiert wurde. Nach mehrfachem Um- 
kristallisieren verschwand die früher spurenweise auftretende Tyrosin- 
und Tryptophanreaktion vollständig und die so gewonnenen Fraktionen, 
welche den gleichen Schmp. zeigten, wurden vereinigt, und nach noch- 
maligem Umkristallisieren über Schwefelsäure im Vakuum getrocknet. 
Die Kristalle waren weiß, unlöslich in Alkohol, unter dem Mikroskop 
zeigten sie Doppelbrechung und bei gekreuzten Nikols Rosetten und 
kugelförmige Kristallaggregate. Der Geschmack ist ein wenig bitter. 
Im Landolt-Lippichschen Apparat mit der Emil Fischerschen Mikro-An- 
ordnung erwies sich die Substanz als inaktiv, in einer zugeschmolzenen 
Kapillare schmilzt sie bei 255,4°. Bei 120° verliert sie nichts an Gewicht. 


Diese vakuumtrockene Substanz wurde verbrannt und gab folgende 
Werte: 
6,500 mg Sbst. 12,400 mg CO, 5,490 mg H,O, 
4,905 „ o 9,400 „ CO, 4250 „ H,O, 
2,106 „ S 0,190 cem N, (17°, 738 mm), 
3,449 „ » 0314 „ N, (17%, 738 „). 
Für die Formel C,,„H360; Na: Ber. C 51,75, H 9,42, N 10,07, 
Gef. C 52,04, H 9,45, N 10,31, 
C 52,28, H 9,70, N 10,41. 


1) Hopkins, Proc. of the roy. soe. London 68, 21. 
29 * 


438 S. Fränkel u. M. Friedmann: 


Diese Elementaranalyse stimmt nun überein mit den von Emil 
Fischer und E. Abderhalden für ihre Trioxydodecansäure gewonnenen 
und zeigt Wasserstoffwerte, wie diese und nicht wie die Skraupschen 
Analysen für Caseinsäure. 

Um nun zu ermitteln, in welcher Form die zwei Stickstoffatome 
vorhanden sind, wurde die Aminogruppenbestimmung nach van Slyke!) 
vorgenommen und die Formoltitration nach Sörensen?). 

Die Bestimmung nach van Slyke ergab: 


In Wasser gelöste: 

33,920 mg Sbst. geben 7,6ccm N, (23°, 745 mm), 
43250» »  » 9,2 Na (23, 745 „). 
Ber. für C,„H„0,(NH,), 10,07 N, gef. 12,31 N, gef. 11,61 N. 

Man sieht also, daß durch die Einwirkung von salpetriger Säure 
die Anwesenheit zweier NH,-Gruppen festgestellt werden kann, daß 
also der gesamte Stickstoff dieser Verbindung in Form von zwei Amino- 
gruppen in ihm enthalten ist. 

Das gleiche Resultat zeigt die Formoltitration. 

Die nach Sörensen bereitete frische Formaldehydlösung wurde 
mit 19,820 mg Substanz, in Wasser gelöst, vermischt. Bei der Titration 
wurden verbraucht 1,6ccm n/10 Lauge, während der für zwei Carb- 
oxylgruppen berechnete Verbrauch 1,43 ccm betragen sollte. 

Hiermit ist der Beweis erbracht, daß nach Aufheben des basischen 
Charakters der Aminogruppen die zugesetzte Lauge zwei Carboxyl- 
gruppen neutralisierte. Es läßt sich also die Formel nach diesen 
Bestimmungen vorläufig auflösen in Cal za (N Hə) (COOH),. 

Molekulargewichtsbestimmung nach Rast: 0,970 mg Substanz wurden 
mit 20,380 mg Campher geschmolzen. Depression 8°. Molekulargewicht 
ber. für C,H3,0;,N, 278, für Ciz Hat Na 260 gef. 238. 

Es lag die Vermutung nun nahe, daß die Substanz, trotzdem sie 
bei 120° getrocknet war, doch den noch nicht aufgeklärten letzten 
Sauerstoff in Form von Kristallwasser enthält. Daher wurde die Kristall- 
wasserbestimmung bei einer noch höheren Temperatur vorgenommen. 

Kristallwasserbestimmung: 294,240 mg Substanz bei 125 bis 130° 
4 Stunden bis zur Konstanz getrocknet, verloren 17,780 mg. Für 1Mol. H,O 
ber. 6,47, gef. 6,01. 

Der Schmelzpunkt der nun vom Kristallwasser befreiten Diamino- 
dicarbonsäure beträgt 261,5°. 

Da sich durch die Kristallwasserbestimmung herausgestellt hat, 
daß die Substanz mit einem Molekül Wasser kristallisiert, also nicht 
fünf Sauerstoffe, sondern nur vier Sauerstoffe enthält, so war es klar, 
wie es auch aus der Formoltitration hervorgeht, daß sie nur vier 


1) Journ. of biol. Chem. 9, 185, 1911. 
2) Diese Zeitschr. 7, 45, 1908. 


Dodecandiaminodicarbonsäure aus Casein. 439 


Sauerstoffe in Form von zwei Carboxylgruppen und keinen anderen 
Sauerstoff enthält, und daß die früheren Forscher den Kristallwasser- 
sauerstoff für einen integrierenden Bestandteil der ‚„Diaminotrioxy- 
dodecansäure‘‘ bzw. Caseinsäure hielten. Der Beweis, daß es sich 
um eine Diaminodicarbonsäure handelt, konnte, wie im Späteren gezeigt 
wird, erbracht werden. 


Vorerst ist gezeigt worden, daß auf je eine Carboxylgruppe eine 
Aminogruppe im Molekül enthalten ist. 


Die von Kristallwasser befreite Substanz vom Schmp. 261,5° zeigte 
folgende Analysenwerte: 
3,480 mg Sbst. 7,035 mg CO, 2,915 mg H,O, 
2,50 „ Bän, CO, 2,190 „ H,O, 
3,425 „ » 0,320 ccm N, (17°, 745 mm), 
2,940 „  » 0275 „ N, (17%, 745 „). 


Für die Formel Ce Hal Ne, ber.: C 55,39, H 9,30, N 10,77, 
gef.: C 55,15, H 9,37, N 10,78, 
C 55,58, H 9,46, N 10,886. 

Die Substanz ist sublimierbar, das Sublimat hat denselben Schmp., 
wie die vom Kristallwasser befreite Ausgangssubstanz. Bei der Ele- 
mentaranalyse der sublimierten Substanz erhalten wir folgende Werte: 

4,175 mg Sbst. 8,480 mg CO, 3,705 mg H,O, 
2,266 „ „ 4613 „ CO, 1,989 „ H,O, 
1,610 „, » 0,147 ccm N, (15°, 745 mm), 
2,060 „, » 0,185 „ N, (15%, 745 ,„). 
Für die Formel C,,H„O,N, ber.: C 55,39, H 9,30, N 10,77, 
gef.: C 55,28, H 9,90, N 10,61, 
C 55,53, H 9,82, N 10,44. 

Das Chlorhydrat des Esters der Diaminodicarbonsäure: 0,6 g der 
Substanz wurden in 5ccm absolutem Alkohol suspendiert und 
reines Salzsäuregas unter Kühlung eingeleitet. Die Säure geht in 
Alkohol in Lösung, nach 3 Stunden wird die Einleitung abgebrochen, 
die Lösung bei Zimmertemperatur stehen gelassen, dann im Vakuum- 
exsikkator über Kalk und Ätznatron und Schwefelsäure eingeengt. Es 
bildet sich ein Kristallbrei, welcher auf einer Tonplatte im Vakuum 
abgesaugt wird. Man nimmt die Kristalle von der Platte ab, löst sie 
in heißem, absolutem Alkohol und läßt sie wieder auskristallisieren. 
Die Kristalle zeigen nach wiederholtem Umkristallisieren den 
Schmp. 120,50. Die Analyse ergab folgende Werte: 

3,987 mg Sbst. 6,900 mg CO, 2,950 mg H,O, 
2,350 „ „ 4,065 „ CO, 1,819 „ H,O, 
2,960 „ „  0,187cem N, (15°, 741 mm), 
1,970 „ » 0,123 „ N, (15%, 743 „), 
1,970 „ » 0,97 ccm n/l00 AgNO,, 
2,115 „ „ 1035 „ n/l00 AgNO,. 


440 S. Fränkel u. M. Friedmann: 


Berechnet für Ce Hat N-O: 
ber.: C 47,18, H 8,84, N 6,88, Cl 17,44, 
gef.: C 47,21, H 8,26, N 7,23, CI 17,46, 
C 47,19, H 8,66, N 7,23, Cl 17,32. 

Kristallwasserbestimmung bei 125° (über den Schmelzpunkt erhitzt): 

en 8 Sbst. verloren 0,0042g. Ber. für CsHy„0,N,C1l+ H,O 4,42, 
OT. 2,40. 

S Äthoxylbestimmung: 2,547 mg Sbst. geben 2,930 mg AgJ. Ber. für 
Cia Ba Oa Ne Ch (OC HA + H,O 22,12, gef. 22,03 Proz. OC,H,. 

Aus dem Chlorhydrat des Esters wurde der freie Ester dargestellt: 
0,1g Substanz wurden mit einem kleinen Überschuß von Silbercarbonat 
geschüttelt und nach mehrstündigem Stehen vom Silber abfiltriert und 
das Filtrat eingeengt. Der Ester wurde aus Wasser umkristallisiert. 
Schmp. 210°. 

2,690 mg Sbst. 0,214 cem N, (16°, 743 mm). C,sH»0,N, ber. N, 8,86, 
ef. 9,18. 
S Molekulargewichtsbestimmung nach Rast: 0,660 mg Sbst. 14,220 mg 
Campher. Depression 6°. Ber. für Ce Has ON. 316, gef. 309. 

Die Bruttoformel OC H N-O, der gefundenen Aminosäure, welche 
vielleicht identisch ist mit der sogenannten Trioxydiaminododekansäure 
von E. Fischer und E. Abderhalden, läßt sich daher nach unseren bis- 
herigen Untersuchungen auflösen in: Cio Hı. (NH3,),.(COOH),-+ H,O. 

Unsere Substanz ist nicht mit EL aan fällbar. 
Wir haben also eine Aminosäure gefunden, welche ohne Anwendung 
komplizierter Methoden, wie sie von Skraup und Emsl Fischer an- 
gewandt wurden, erhalten werden konnte, von welcher aber nicht 
sicher ist, ob sie mit der Caseinsäure oder mit der Trioxydiamino- 
dodecansäure identisch ist. 

Am wahrscheinlichsten ist es, daß sie mit der letzteren identisch 
ist, wenngleich mehrfache Differenzen bestehen, so der verschiedene 
Schmp., die optische Aktivität und die verschiedene Fällbarkeit mit 
Phosphorwolframsäure. 

Die als Caseinsäure bezeichnete Substanz zeigt nach den ver- 
schiedenen Forschern folgendes physikalisches Verhalten: 


| Schmp. u Drehung e| Sriatelliörm 
Z. Skraup . . 2.2... | 2289 | +0 ‚130 i Eronen in kolbei eiken 
3 ZWEE ee ee 243—2440 | inaktiv || Aggregaten. Undeutlich. 
E. Fischer .. 2... .. ' 255° | 90 ‚ Rosetten, kugelf. Aggregate. 
Eigene Beobachtung. . . | 255,4 as | Wir finden die gleichen Kri- 
| | |stallfor men wie E Fischer 


| und E Abderhalden. 


Wie dem auch immer sein mag, haben wir eine neue Aminosäure 
aus dem Verdauungsgemisch auf eine höchst einfache Weise isoliert, 
die sich als Dodecandiaminodicarbonsäure erwies, da sowohl zwei 


Dodecandiaminodicarbonsäure aus Casein. 441 


Aminogruppen als auch zwei Carboxylgruppen in ihr enthalten sind. 
Der fünfte Sauerstoff, dessen Funktion E. Fischer und E. Abderhalden 
als einer Hydroxylgruppe angehörig aufgefaßt haben, erwies sich bei 
unserer Verbindung als einem Kristallwasser angehörig, welches erst 
bei höheren Temperaturen abgespalten wird. 


Ozxyprolin. 

Außer dieser Verbindung haben wir noch bei dieser Untersuchung 
in einer anderen als bisher beschriebenen Art das Oxyprolin darzu- 
stellen vermocht. 

Während S. Fränkel und Jellinek!) aus der Mutterlauge des Tyrosin- 
anhydrids, nach vorheriger Entfernung des Tryptophananhydrids mit 
Quecksilbersulfat, Oxyprolin mit Alkohol fällten, haben wir in ein- 
facherer Weise, ohne Quecksilbervorbehandlung, die Mutterlauge der 
neuen Dodecandiaminodicarbonsäure mit viel Alkohol gefällt und 
den Niederschlag wiederholt auf der Zentrifuge mit Alkohol ge- 
waschen und dann mit 50proz. Alkohol ausgekocht. Beim Abkühlen 
der Lösung erhielten wir Oxyprolin Schmp. 270°. Die Analyse 
ergab folgende Werte: l 

4,775 mg Sbst. 8,010 mg CO, 3,143 mg H,O, 


4,630 ,, vn 0,440 ccm N, (26°, 741 mm). 
Ber. C,H,0,N: C 45,92, H 6,97, N 10,76. 
Gef. C 45,79, H 7,36, N 10,66. 


Wir haben auch noch eine weitere Substanz darstellen können, wenn 
auch die Ausbeute eine so geringe war, daß die weitere Konstitutions- 
ermittlung einer neuen Arbeit vorbehalten bleiben muß. Der Alkohol, 
mit welchem die rohe Dodecandiaminodicarbonsäure ausgekocht wurde 
(s. S. 437), wurde sehr stark konzentriert, wobei sich beim Abkühlen ein 
Niederschlag ausschied. Dieser wurde in wenig Wasser gelöst und mit 
Alkohol gefällt. Der Schmp. lag bei 266°, die Substanz reagierte 
schwach sauer, die Elementaranalyse ergab folgende Werte: 


2,765 mg Sbst. 4,955 mg CO, 2,200 mg H,O, 


4,635 „ » 8,385 „ CO, 3,680 „ H,O, 
1,780 „ » 0,202 ccm N, (24°, 745 mm), 
2,055 „ » 0,233 Ra (24°, 745 „). 
Ber. C,H2.0,N;: C 49,11, H 9,16, N 12,72, 
Gef. C 48,89, H 8,9, N 12,78, 


C 49,35, H 9,89, N 12,76. 


Formoltitration: 7,720 mg verbrauchten 3,275 ccm n/100 Lauge. 
Ber. 20,45, gef. 19,34 für eine Carboxylgruppe. 


1) S. Fränkel und Jellinek, diese Zeitschr. 180, 592, 1922. 


Über Avitaminose bei Tauben, 
welche der Großhirnhemisphären beraubt sind. 


Von 
B. J. Bajandurow. 


(Aus dem physiologischen Institut der Staatlichen Universität Tomsk.) 
(Eingegangen am 3. Januar 1927.) 


Mit 15 Abbildungen im Text. 


Die sogenannte Vitaminfrage ist noch bis heute eine der Kern- 
fragen in der Physiologie. Ungeachtet der kollossalen Menge von 
Forschüngen, welche in der letzten Zeit veröffentlicht sind, bleibt noch 
sehr vieles ungeklärt. 


Für meine Versuche benutzte ich erkrankte Tauben, welche mit ge- 
schältem, sterilisiertem Reis gefüttert wurden. Zum ersten Male wurde 
diese Erkrankung von Eykmann (1) experimentell an Vögeln hervorgerufen 
und von ihm als Polyneuritis gallinarum benannt. Späterhin wurden seine 
Arbeiten an einem reichlichen Material, hauptsächlich durch Funk (2) u. a., 
geprüft und bestätigt. Die sogenannte „Beriberi‘‘ der Vögel wurde von 
Funk an einer großen Anzahl von Tauben erhalten. Die Ursache der Er- 
krankung ist das Fehlen der Vitamine in der Nahrung. Die Symptome 
der ‚Beriberi‘ bei Tauben offenbaren sich: 1. in progressierendem Sinken 
des Körpergewichts und 2. in der Entwicklungpolyneuritischer Erscheinungen. 
Die Erkrankung an sich verläuft nicht mit einem Male. Funk unter- 
scheidet folgende Symptomformen, welche dem Tode der Taube vorher- 
gehen und im Laufe von 12 bis 24 Stunden anhalten: die spastische, die 
atrophische, die paralytische und die spastisch-paralytische. Auf diese 
Formen begründete auch ich nıeine Versuche, außerdem wandte ich das 
von Funk vorgeschlagene Provokationsverfahren zur Frühdiagnose der 
Erkrankung an (d.h. das „Aufwerfen‘‘ der Taube). 


In meinen Versuchen nahm ich sowohl diese als auch jene Sym- 
ptome in Betracht. Allein besonders interessant schien mir das Sinken 
des Körpergewichts zu sein. In unserem Laboratorium wird unter 
Leitung von Prof. Popow schon im Laufe einiger Jahre die Frage 
über einige vegetative Funktionen des Nervensystems bei Tauben 
studiert. Es erwies sich, daß bei Verletzung des Großhirns bei Tauben 
die Regulation des Körpergewichts scharf gestört wird, wobei als 
besonders wichtiges Symptom dieser Störung das enorme Steigen des 
Körpergewichts nach der Operation ins Auge fällt. Ich setzte mir als 


B. J. Bajandurow: Avitaminose bei Tauben usw. 443 


Aufgabe, die Frage zu lösen, ob bei Tauben, welche der Großhirn- 
hemisphären verlustig geworden sind, das Körpergewicht ebenso sinke, 
wie bei normalen Tauben, oder ob irgend ein Unterschied vorhanden 
sei. Die Versuchsanordnung war folgende: es wurden zwei Tauben 
von annähernd gleichem Gewicht genommen, dieselben wurden einer 
bestimmten Diät unterworfen (25 g Weizen und 15 g Wasser pro Tag). 
Wenn nun das Körpergewicht der Taube auf einer bestimmten Höhe 
mit relativ kleinen Schwankungen eingestellt war, wurde bei der einen 
das Großhirn entfernt. Nachdem diese Taube wieder ihr Anfangs- 
gewicht erreicht hatte, wurde sie zugleich mit der anderen auf Reis- 
fütterung übergeführt!). Der Zustand des Kropfes wurde pünktlich 
kontrolliert. 
Versuchsbeschreibung. 


1. Taube Bu" wurde am 24. April 1925 in den Käfig gesetzt und bei 
Zwangsfütterung gehalten®). Sie erhält täglich 25g Weizen und 15g 
Wasser. Das Anfangsgewicht 290 g blieb in einer Höhe (Kurve 1), indem 
es um 285 g schwankt. Am 10. Mai wurden beide Großhirnhemisphären 
entfernt. Das Gewicht fällt während 24 Stunden scharf bis auf 270g. 
Vom 11. Mai an wird sterilisierter Reis (25 g) verabreicht. Das Gewicht 
steigt stoBweise schnell und erreicht am siebenten Tage sein Maximum (327 g), 
danach sinkt es allmählich bis auf 300 g. Die Taube kam bei Erscheinungen 
spastisch-paralytischer Form der Polynevritis um. 


2. Kontrolltaube zum „Bib‘, ‚„Sneshok‘“, wurde am 24. April in den 
Käfig gesetzt und ebenso wie die erste bei derselben Diät gehalten. Sie 
wurde auch an demselben Tage, wie die erste, auf Reisfütterung über- 
geführt. Anfangsgewicht 265g (Kurve 2). Nach Reisfütterung etliches 
Steigen, danach treppenförmiges Sinken des Gewichts, welches im Moment" 
der Erkrankung bis auf 225 g fällt. In diesem Falle haben wir das klassische 


1) 25g geschälten Reises, im Autoklav bei 2 Atm. Druck im Laufe von 
3 Stunden sterilisiert, und 15 g destillicrten Wassers pro Tag. 

2) Um die Identität der Versuchsanordnung nicht zu stören, wurden 
die Tauben sowohl vor dem Reisregime als auch nach demselber der Zwangs- 
fütterung unterworfen. 


444 B. J. Bajandurow: 


Senkungshild des Körpergewichts. Meine Kurve ist jener, welche Punk (2) 
in seiner Arbeit dargestellt hat, ähnlich. Zum Vergleich führe ich sie als 

Kurve 3 an. Kurve 1 der „Bib“ mit Kurve 2 
400 der „Sneshok‘““ vergleichend, finden wir einen 
wesentlichen Unterschied. Während ‚Bibs“ 


= Körpergewicht bis zum Tode höher war als vor 

300 der Operation, sank das Gewicht der Kontroll- 
taube beträchtlich. 

250 3. Taube „Husar“ wurde am 21. Februar 
in den Käfig gebracht und bei Zwangsfütterung 

200 (25g Weizen und 15g Wasser) gehalten. Ihr An- 


fangsgewicht (290g) war jenem vor der Operation 

Kal: WC 7 16 D gleich. Am 7. März wurden beide Großhirn- 
Abb. 3. hemisphären entfernt. Das Gewicht fällt bis 

auf 250g, danach steigt es, und 7 Tage nach 

der Operation erreicht er seine Anfangshöhe (Kurve 4). Am 15. März wird 
die Taube auf Reisdiät übergeführt. Das Gewicht fängt an, schnell zu 
steigen und erreicht sein Maximum (300 g), danach sinkt es etwas und 


Abb. 4. 


hält sich lange in der Höhe, welche es vor der Operation hatte. Im 
Moment der Erkrankung ist es gleich 280g, ınden im Vergleich zum 
Anfangrgewicht ein Unterschied von 10 g bemerkt wird. 

4. Kontrolltaube zum 
„Husaren‘‘, „Sophi“, wurde 
wie die vorhergehende ge- 
halten. Das Gewicht hielt 
sich bis zum Moment der 
Überführung auf Reis in 
gleicher Höhe (290g). N 
Anfang der Reisfütterung 
charakteristisches Fallen des 
Gewichts. Im Moment der 
Erkrankung sinkt es bis auf 
220g. In diesem Falle er- 
hielt ich ebenso wie auch 
beim ‚„Sneshok“ die typische 


EENEEEBERWL enna 
Cal „Sophi“ und „Husar‘ kamen 


Abb. 5. gleichzeitig um. 


Avitaminose bei Tauben usw. 445 


5. Taube „Keth“, am 31. Mai in den Käfig gesetzt, erhält Zwangs- 
nahrung (25 g Weizen und 15g Wasser). Anfangsgewicht 295 g (Kurve 6). 
Das Gewicht hält sich fast in gerader Linie mit unbedeutenden Schwan- 
kungen. Im Juni wurden beide Großhirnhemisphären entfernt. Das Gewicht 
fällt bis auf 265 g. Sofort nach der Operation Reisfütterung. Am siebten 
Tage der Reisfütterung erreicht das Gewicht sein Maximum, welches 
jenem vor der Operation gleicht, alsdann wird wieder ein Sinken und nach- 
dem ein Steigen des Gewichts beobachtet. Im Moment des Todes war das 
Gewicht nur um 10g niedriger als jenes vor der Operation. Die Taube 
verendete am 14. Tage mit Polyneuritiserscheinungen. 


J1. 23. EI 
290 í 


wA AS 
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ERREEN 


270 

260 at 

SRRSSSAI 

SRRSRSS 
Abb. 6. Abb. 7. 


6. Taube ‚Don‘, Kontrolle zur „Keth“, wurde ebenso wie die vorher- 
gehende gehalten. Das Anfangsgewicht war 280 g (Kurve 7). Vor der 
Reisdiät hielt sich das Gewicht in einer Höhe, indem es geringe Schwan- 
kungen auf- und abwärts zeigte. Vom Moment der Überführung auf Reis 
angefangen, fällt das Gewicht schnell und weist im Moment der Erkrankung 
die Ziffer 245 g auf. Die Taube verendete am 16. Tage mit Erscheinungen 
Spastisch-paralytischer Form der Polyneuritis, wobei sie 35 g an Gewicht 
verloren hatte. 


7. Taube ‚„Lastotschka‘‘ wurde am 23. Februar 1926 bei demselben 
Regime in den Käfig gesperrt. Antangsgewicht war 290 g. Das Gewicht 


22. EI. 


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Abb. 8. 


330 Ë 


320 


vor der Operation schwankte zwischen 280 und 275 g (Kurve 8). Im Moment 
der Operation war das Gewicht gleich 285 g. Am 9. März wurden beide 


446 B. J. Bajandurow: 


Großhirnhemisphären entfernt. Das Gewicht fällt bis auf 265g. Am 
neunten Tage erreicht es seine Anfangshöhe, wonach die Taube auf Reisdiät 
übergeführt wird. Nachdem steigt das Gewicht und erreicht sein Maximum 
(305 g). Danach schwankt das Gewicht etwa in Normalgrenzen, mit einem 
Male fällt es schnell, zugleich treten die ersten Erkrankungssymptome auf: 
leichte Krämpfe, ataktischer Gang, beim Aufwerfen fliegt die Taube mit 
wachsender Schnelligkeit kräftig vorwärts und stößt sich an unterwegs 
vorkommende Gegenstände. Erbrechen. Im Moment der Erkrankung war 
das Gewicht gleich 265 g. Bei dieser Taube wurde die Behandlung der 
Krankheit angewandt, welche in der Überführung zur früheren Diät 
(Weizen) bestand. Am fünften Tage der Behandlung erreichte die Taube 
ihr Anfangsgewicht, und am 23. Tage wog sie 315 g. Vom Anfang der Reis- 
fütterung bis zum Moment der Erkrankung vergingen 11 Tage. 5 Tage 
nach Anwendung der Behandlung wurde die Taube wieder auf Reisfütterung 
übergeführt, das Körpergewicht war zu dieser Zeit gleich 310g. Die Er- 
krankung trat am 14. Tage ein. Im Moment der Erkrankung fiel das Gewicht 
bis auf 300 g. Der Verlust an Körpergewicht machte 10 g aus im Vergleich 
zum Gewicht vor der zweiten Reisgabe. Bezüglich des Gewichts vor der 
Operation hat die Taube nicht nur nicht abgenommen, sondern sogar 20 g 
zugenommen. 5 Tage nach der Erkrankung wurde die Taube wieder auf 
Reis übergeführt. Zu dieser Zeit wog sie 310 g. Die Erkrankung trat am 
12. Tage ein. Das Gewicht fiel bis auf 295 g. Die Taube verlor an Gewicht 
im Moment der dritten Erkrankung 15g im Vergleich zum Gewicht vor 
der dritten Reisgabe, dennoch war dieses Gewicht um 15g höher als vor 
der Operation. Nach Anwendung der Behandlung erholte sich die Taube 
und erreichte ihr Anfangsgewicht am 12. Tage. Danach fängt das Gewicht 
der Taube an, treppenförmig zu sinken, und bei 290 g wird sie wiederum 
auf Reis gesetzt. Die Erkrankung trat am 16. Tage ein. Zu dieser Zeit 
Del das Gewicht bis auf 270g. Die Taube verlor diesmal an Gewicht 
20 g, im Vergleich aber zum Gewicht vor der Operation nur 10g. Nach 
Anwendung des Heilverfahrens hielt sich das Gewicht lange Zeit auf 
niedrigen Ziffern. Die Taube wurde am 135. Tage nach der Operation 
. getötet, 


8. Taube „Laska‘, Kontrolle zur „Lastotschka‘“, wurde zu gleicher 
Zeit mit der vorhergehenden bei gleicher Kost in den Käfig gesperrt. 
Anfangsgewicht 285g. Vor dem Anfang der Reisfütterung schwankte 
das Gewicht zwischen 290 und 275g. Im Moment der Überführung auf 
Reisfutter machte das Gewicht 285 g aus. Nachdem schnelles Fallen des 
Gewichts, Aufstieg bis zum Anfangsgewicht und wiederum Fallen bis auf 
240g. Während bei der vorhergehenden Taube sich ein volles Bild der 
Polyneuritis entwickelte, bemerkte man bei der ‚Laska‘: durchaus keine 
Anzeichen, sogar bei Provokation, welche im Aufwerfen bestand. Diese 
Taube wurde zu gleicher Zeit mit „Lastotschka‘ auf Weizen übergeführt. 
Das Gewicht der Taube fing an, langsam treppenförmig zu steigen, und 
erreichte ihr Antangzsgewicht erst am 28. Tage, wonach sie zum zweiten Male 
auf Reiskost übergeführt wurde (Kurve 9), wiederum gleichzeitig mit der 
vorhergehenden Taube. Zu dieser Zeit wog sie 280g. Während bei der 
dezerebrierten Taube schon am 14. Tage des Reisregimes ein volles Bild 
der Erkrankung erhalten wurde, konnte bei der Kontrolltaube „Laska‘ 
an diesem Tage nichts bemerkt werden, was auf Erkrankung hindeutete, 
obgleich das Gewicht der Taube bis auf 245g gesunken war. Folglich 
verlor die Taube in dieser Zeitspanne 35 g an Gewicht. Nach Überführung 


Avitaminose bei Tauben usw, 447 


auf Weizen erreichte die Taube ihr Anfangsgewicht (280 g) am vierten Tage. 
Nachdem wurde sie zum dritten Male auf Reis übergeführt, gleichfalls 
zusammen mit „Lastotschka“. Diesmal wurde die Beobachtung bis 
zum Auftreten der Erkrankung geführt, welche am 15. Tage eintrat, 
während ‚„Lastotschka‘‘ am zehnten Tage erkrankte. Zu diesem Moment 
fiel das Gewicht bis auf 225 g. Im ganzen verlor die Taube 55 gan Gewicht. 
Ungeachtet der angewandten Heilmethode gelang es nicht, das Gewicht 
bis auf die frühere Höhe zu bringen. Am 33. Tage der Weizenkost wurde 
die Taube zum vierten Male auf Reiskost übergeführt. In diesem Moment 
wog die Taube 265g. Die Erkrankung trat am 19. Tage ein. Das Gewicht 
fiel bis auf 220g. Die Taube verlor an Gewicht 45g. 


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230 — 
220 


Abb. 9. 


9. Taube „‚Alpha‘‘ wurde am 17. Juli 1926 bei gleicher Kost in den 
Käfig gesetzt. Das Gewicht vor der Operation schwankte zwischen 248 
und 251 g. Die Operation wurde in üblicher Weise ausgeführt. Am achten 
Tage nach der Operation erreichte das MX GE 
Gewicht seine Anfangshöhe. Die Taube 2399 — 
wurde auf Reiskost übergeführt. Die 
Erkrankung an Polyneuritis erfolgte 27 
am 19. Tage. Das Gewicht fiel im 260 
Moment der Erkrankung bis auf 245 g. 
Die Taube hatte nur 6g verloren. , "RT 
Nach Anwendung des Heilverfahrens 
erreichte die Taube ihr Anfangsgewicht nol X 
am zweiten Tage der Behandlung 
(Kurve 10). 11 Tage nach der ersten 
Erkrankung wurde die Taube zum 
zweiten Male auf Reis übergeführt. 
Hierbei wog sie 265g. Die zweite Er- 
krankung trat am zehnten Tage ein. Das Gewicht fiel bis auf 250 g. 
Gewichtsunterschied = 15g. Die Behandlung hob das Gewicht nicht. 
Die Taube wurde getötet. 


10. Taube ‚Beta‘ wurde ebenso gehalten wie die vorige. Die Operation 
warde an ihr auf übliche Weise gleichzeitig mit der „Alpha“ vollzogen. 
Sie wog vor der Operation 285 g. Am achten Tage, als sie wieder das Anfangs- 
gewicht erreicht hatte, wurde sie auf Reis übergeführt. Erscheinungen 


Abb. 10. 


448 e B. J. Bajandurow: 


von Polyneuritis traten am 14. Tage ein und endeten letal. Im Moment 
der Erkrankung war das Gewicht bis auf 270 g gefallen (Kurve 11). Die 
Taube hat 15g an Gewicht verloren. 


11. Taube „Gamma“, Regime dasselbe. Das Gewicht vor der Operation 
war 280 g. Am siebenten Tage nach der Operation erreichte das Gewicht 
die Anfangshöhe. Einschaltung der Reisfütterung. Die Erkrankung trat 
am 17. Tage ein. Das Gewicht im Moment der Erkrankung war gleich 
307 g (Kurve 12). Die Taube hat sogar an Gewicht 27 g zugenommen. 
Am 13. Tage nach der Erkrankung wurde sie zum zweiten Male auf Reis 
übergeführt. Zu dieser Zeit wog sie 340 g. Die Erkrankung trat am 13. Tage 
ein. Im Moment der zweiten Erkrankung war das Gewicht 315 g. Im Ver- 
gleich zum Anfang der zweiten Reisfütterung hat die Taube 25 g an Gewicht 
verloren, dagegen im Vergleich zum Gewicht vor der Operation hat sie 
35 g zugenommen. Während der 
Behandlung hielt sich das Ge- gyo 23. ES. 
wicht auf niedrigen Zahlen. Die 
Taube wurde getötet. 


12. Taube „Delta“. Übliches Regime und Operation. Vor der Operation 
wog sie 270g. 7 Tage nach der Operation, als das Anfangsgewicht erreicht 
war, wurde sie auf Reis übergeführt. Die Erkrankung trat am 17. Tage 

ein. Hierbei wog die Taube 268g. Sie 
SÉ, Zë Se 2e hatte nur 2 g an Gewicht verloren. Am 
14. Tage nach Anwendung des Heil- 
verfahrens hob sich das Gowicht bis 
auf 290 g. Alsdann wurde sie auf Reis 
übergeführt. Am elften Tage trat die 
Erkrankung ein. Das Gewicht war 
dabei bis auf 270 g gefallen. Die Taube 
hat also 20 g an Gewicht im Vergleich 
zu jenem verloren, welches im Moment 
des Anfangs der zweiten Reisfütternng 
vorhanden war. Im Vergleich aber 
zum Gewicht vor der Operation hat sie nichts verloren. Während der 
Heilung schwankte das Gewicht an niederen Zahlen (Kurve 13). Die Taube 
wurde getötet. 


300 


Avitaminose bei Tauben usw. 449 


13. Taube ‚Omega‘ wurde in üblicher Weise vorbereitet. Das Gewicht 
vor der Operation war 283g. Am siebten Tage, als das Anfangsgewicht 
erreicht war, wurde sie auf Reis gebracht. Erscheinungen der Polyneuritis 
traten am zwölften Tage ein. Hierbei wog die Taube 305g (Kurve 14). 
Die Taube hatte an Gewicht 22 g zugenommen. Am 18. Tage der Heilung 
wurde sie wiederum bei einem Gewicht von 320 g auf Reis übergeführt. 
Als wieder Erkrankung eintrat, wog die Taube 270g. Im Vergleich zum 
Gewicht am Anfang der zweiten Reisfütterung wog die Taube um 50g 
weniger, im Vergleich aber zum Anfangsgewicht nur um 13g. Während 
der Heilung blieb das Gewicht niedrig. Die Taube wurde getötet. 


N 


SS 
JK 
JL 


Abb. 14. 


14. Taube ‚Tedy‘, Kontrolltaube zu den dezerebrierten Tauben 
„Alpha“, „Beta“, „Gamma“, „Delta“ und „Omega“. Sie wurde ebenso 
wie die dezerebrierten auf Diät gesetzt. Das Gewicht während der Ein- 
schaltung der Reisfütterung war 275g. Das Reisregime fing zu gleicher 
Zeit mit den dezerebrierten an. Die Erkrankung verlief typisch, Er- 
scheinungen der Polyneuritis traten am 24. Tage ein. Das Gewicht am 
Anfang der Erkrankung war 210g (Kurve 15). Die Taube verlor 65g an 
Gewicht. Nach Anwendung der Kurkost erholte sich die Taube und erreichte 
ihr Anfangsgewicht am 14. Tage. 


Wenn wir uns zur Betrachtung der beiliegenden Tabelle wenden, 
so werden wir auf den scharfen Unterschied zwischen dem Verhalten 
und der Beziehung zur Erkrankung dezerebrierter und normaler Tauben 
aufmerksam. Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß das Gewicht der 
dezerebrierten Tauben im Moment der Erkrankung und demjenigen 
des Todes sehr unbedeutend fällt. In einigen Fällen ist das Gewicht 
im Moment der Erkrankung sogar höher als vor der Operation. Bei 
normalen Tauben, welche in diesem Falle als Kontrolle für die de- 
zerebrierten dienten, war das Fallen des Gewichts immer scharf aus- 
gedrückt. Was nun den Verlauf des Experiments betrifft, so waren in 


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Avitaminose bei Tauben usw. 451 


der ersten Woche überhaupt keine sichtbaren Störungen zu bemerken, 
am Ende der zweiten Woche aber bemerkte man dyspeptische Er- 
scheinungen. Sowohl die normalen als auch die dezerebrierten Tauben 
fingen an, den Reis 1 oder 2 Stunden nach der Fütterung zu erbrechen. 
Da ich nun für diesen Fall im Käfig einen besonders eingerichteten 
Boden hatte, so gelang es mir, den erbrochenen Reis genau zu ver- 
zeichnen. Das Erbrechen fing gewöhnlich von 5g an und wuchs bis 
zu 15g. Es ist interessant zu bemerken, daß die Menge des erbrochenen 
Reises bei dezerebrierten Tauben stets größer war als bei normalen. 


Somit unterscheiden sich die Symptome der Avitaminose bei 
dezerebrierten Tauben wesentlich von solchen bei normalen. Die bei 
den letzteren so charakteristische Gewichtssenkung ist bei dezerebrierten 
zweifellos schwächer, in einigen Fällen ist sie sogar gar nicht ausgedrückt. 
Freilich sind auch Ausnahmen möglich. In einem Falle beobachtete 
ich ein scharfes Fallen des Gewichts bei einer dezerebrierten Taube, 
welche auf avitaminöser Kost gehalten wurde. Aus Gründen, die 
nicht von mir abhängen, habe ich ihn hier nicht besprochen. Allein 
dieser Fall widerspricht durchaus nicht meiner Anschauung. In den 
schon erwähnten Arbeiten von Popow (3) und Popow und Bajandurow (4) 
ist das Phänomen der wellenförmigen Schwankungen des Gewichts 
der Taube nach Entfernung des Großhirns festgestellt worden. Daselbst 
ist die Voraussetzung gemacht worden, daß die genannten Schwan- 
kungen infolge der Funktionsstörungen jener Mechanismen, welche 
das Körpergewicht regulieren, entstehen. Besonders charakteristische 
Phasen der Gewichtsschwankung sind dessen Größerwerden in der 
ersten Zeit nach der Operation. Allein hier wird auch manchmal aus- 
nahmsweise ein Sinken beobachtet. Die Verfasser äußerten die Meinung, 
daß die Gewichtsregulation mit Teilnahme des Großhirns vor sich 
gehe. Vom genannten Standpunkt aus können die in dieser Arbeit 
vorgeführten Tatsachen erklärt werden. In der Tat, wenn wir die 
Großhirnhemisphären entfernen, stören wir dadurch die Gewichts- 
regulation. Da nun die Gewichtsregulation gestört ist, fällt das Gewicht 
bei Avitaminose nicht typisch. Hieraus kann man schließen, daß der 
Gewichtsverlust an sich bei Avitaminose nicht ausschließlich von 
Prozessen abhängig ist, welche in peripherischen Zellen vor sich gehen, 
sondern auch von Eingriffen zentraler Nervenmechanismen. Eine 
andere Tatsache, welche hier betont werden muß, ist die, daß Poly- 
neuritis bei dezerebrierten Tauben früher eintritt als bei normalen. 
Dieser Umstand fiel besonders bei Heilungsversuchen normaler und 
dezerebrierter Tauben ins Auge. Letztere erkranken an Polyneuritis 
dann, wenn die normalen Tauben äußerlich noch ganz gesund sind, 
nur aber ihr Gewicht stark gesunken ist. Durch das Heilverfahren 
wird nicht nur die Erkrankung der dezerebrierten Taube beseitigt, 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 30 


452 B. J. Bajandurow: Avitaminose' bei Tauben usw. 


sondern auch schnell das Gewicht gehoben. Die normale Taube aber, 
deren Krankheit nur im Sinken des Gewichts ausgedrückt war, kann 
dasselbe nur sehr langsam zurückerhalten. Wenn die normale Taube 
zur Polyneuritis gebracht wurde, so verläuft die Heilung noch länger. 
Wiederholte Anwendung der avitaminösen Kost, welche mit Kurkost 
abgewechselt. wird, erzielt: dasselbe Bild. Übrigens fängt nach einer 
gewissen Zeit solcher Abwechslungen das Gewicht der dezerebrierten 
Taube an abzunehmen. Wenn über die Teilnahme der Zentral- 
mechanismen geredet werden soll, so richtet sich diese Teilnahme im 
Endschluß nicht zuungunsten des Organismus. Natürlich sind auf 
diesem so verwirrten Gebiet nur Voraussetzungen möglich. Neue 
Versuche in dieser Hinsicht sind überaus notwendig. Die weitere Aus- 
arbeitung dieser Frage soll meine nächste Aufgabe sein. 

Auf Grund der oben beschriebenen Tatsachen erlaube ich mir, 
einige Schlußfolgerungen zu äußern: 

l. Dezerebrierte Tauben, welche auf Reisdiät gebracht sind, ver- 
lieren an Gewicht viel weniger als normale, welche demselben Regime 
unterworfen wurden, oder sie verlieren garnichts. 

2. Die Periode vor der Erkrankung an Polyneuritis ist bei Tauben, 
welche des Großhirns verlustig geworden sind, gewöhnlich kürzer als 
bei normalen. 

3. Gewöhnlich erholen sich dezerebrierte Tauben nach Anwendung 
des Heilverfahrens schneller als normale. 

4. Der Verlust an Körpergewicht bei Avitaminose verläuft augen- 
scheinlich nicht ohne Teilnahme des Zentralnervensystems. 


Zum Schluß halte ich es für meine Pflicht, meinem hochverehrten 
Lehrer, Herrn Prof. Nikolai Popow, für das von ihm vorgeschlagene 
Thema und die beständige warme Teilnahme in Rat und Tat bei der 
Ausführung dieser Arbeit meine innigste Dankbarkeit auszudrücken, 


Literatur. 


1) Eykmann, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 148, 1897. — 
2) CO. Funk, „Die Vitamine“, 1922. — 3) N. A. Popow, Shurnal teoretit- 
schesky i praktitschesky Mediziny, T.I, Nr. 3/4, 1923. — 4) Popow und 
Bajandurow, ebendaselbst, T. T, Nr. 3/4, 1925. 


Zur Blutzuckerfrage. ` 
Fraktionierung der reduzierenden Substanzen in Blutfiltraten. 


Von 
B. Sjollema. 


(Aus dem Laboratorium für medizinische Veterinärchemie der Reichs- 
universität Utrecht.) 


(Eingegungen am 3. Januar 1927.) 


Die Frage, inwiefern die Reduktion von Cuprisalzen und vom 
Rotblutlaugensalz in Blutfiltraten von Glucose verursacht wird, läßt 
sich jetzt noch nicht beantworten. Wir wissen nicht, ob neben Nicht- 
zucker — wie Harnsäure, Kreatinin usw. — auch andere Zuckerarten 
als Glucose im Blute vorkommen. 

Es war bis jetzt nicht möglich, in Flüssigkeiten, die nur etwa 
0,1 Prom. von verschiedenen Zuckerarten enthalten, eine Trennung 
hervorzurufen bzw. die Zuckerarten nebeneinander zu bestimmen. 
Dadurch konnte die Frage, ob verschiedene physiologische und patho- 
logische Verhältnisse, wie Nahrungsaufnahme, Fasten, Diabetes, 
Injektion von Insulin usw., den Gehalt an jeder der reduzierenden 
Kohlenhydrate für sich ändern, noch nicht studiert werden. 

In dieser Mitteilung wird eine Methode angegeben, welche es 
ermöglicht, Glucose von Disacchariden (Lactose und Maltose) zu 
trennen und für sich zu bestimmen. Sie beruht darauf, daß die von 
der Kohle adsorbierten Zuckerarten ungleich leicht durch oberflächen- 
aktive Stoffe freigegeben werden. Die reduzierenden Stoffe der Blut- 
filtrate kann man dadurch in drei Fraktionen trennen. Durch Schütteln 
von Zuckerlösungen bzw. von Blutfiltraten mit Kohle (Carbo animale 
pro uso int. Merck oder Carbo medicinalis Merck), nachdem ein wenig 
Essigsäure zugesetzt ist, bleibt Glucose in Lösung, die Disaccharide 
bleiben aber, wenn es sich, wie in Blutfiltraten, um sehr verdünnte 
Lösungen handelt, beinahe vollständig adsorbiert. 

Setzt man statt Essigsäure Äther zur Lösung und schüttelt dann 
mit Kohle, so bleiben die Disaccharide in Lösung. 

Bei der Untersuchung von Blutfiltraten findet man deutliche 
Differenzen, wenn sie entweder mit Kohle plus Essigsäure oder mit 


30 * 


454 B. Sjollema: 


Kohle und Äther behandelt werden. Auch bleiben nach der Behandlung 
mit Kohle plus Äther noch immer reduzierende Stoffe an Kohle 
gebunden, d.h. die ursprüngliche Reduktion des Blutfiltrats ist größer 
als die des Kohle-Ätherfiltrats. 

Es ist wohl ausgeschlossen, daß die zweite und dritte Fraktion 
nur aus dem bekannten reduzierenden Nichtzucker des Blutfiltrats 
bestehen, dazu sind sie zu groß. 

Bei der Trennung mit Kohle und oberflächenaktiven Stoffen muB 
daran gedacht werden, daß letztere sich in Kohle anhäufen. Die 
Konzentration dieser Stoffe in der Kohle hängt nach dem Schütteln 
also nicht nur von ihrem Gehalt in der Lösung ab, sondern auch vom 
Verhältnis zwischen Volumen der Lösung und Gewicht der Kohle. 
Man darf darum auch die Menge der Kohle nicht willkürlich ändern. 
Nachdem verschiedene Verhältnisse geprüft waren, wurden endlich 
für unsere Zwecke folgende Quantitäten als zweckmäßig gefunden. 
Zu 50 ccm der Zuckerlösung [bzw. des Blutfiltrats!)] werden 0,25 ccm 
Eisessig (also 0,5 Proz.), 2,5g Kohle gesetzt, dann und wann ge- 
schüttelt und nach einer halben Stunde abgesaugt (z. B. im Gooch- 
tiegel; der hierzu benutzte Asbest muß gut gewaschen werden) und 
die Kohle langsam mit 1,proz. Essigsäure nachgewaschen bis Filtrat 
und Waschflüssigkeit zusammen 100 ccm betragen. 

Zur Lösung der Disaccharide werden gleichfalls 50 cem der Lösung 
und 2,5g Kohle verwendet. | 

Es werden hier 15 ccm Äther hinzugesetzt und sofort kräftig ge- 
schüttelt; dann und wann wird das Schütteln wiederholt und nach 
einer halben Stunde abgesaugt und jetzt mit Wasser, das mit 
Äther gesättigt ist, langsam nachgewaschen, bis das ganze 100 ccm 
beträgt. Die 15 cem Äther werden vollständig (oder nahezu vollständig) 
von der Kohle adsorbiert. Der Äther wird vor der Benutzung drei- 
oder viermal mit Wasser geschüttelt. 

Es muß zur Berechnung des Reduktionsvermögens des Kohle- 
Ätherfiltrats immer ein Blindversuch mit Wasser, Äther und Kohle 
gemacht werden; das Resultat dieses Versuchs fällt immer ein wenig 
niedriger aus als das vom Blindversuch mit Wasser. 

Man kann die Größe der zweiten Fraktion auch in der Weise be- 
stimmen, daß die mit verdünnter Essigsäure behandelte Kohle mit einem 
Gemisch von 50 ccm Wasser und 15 cem Äther geschüttelt und nach 
einer halben Stunde abgesaugt wird. 

Die untenstehenden Resultate sind alle dadurch erhalten, daß 
für beide Fraktionen je 50 ccm der Zuckerlösung (bzw. des Blutfiltrats) 


1) Wo Mangel an Material besteht, können die Analysen mit 25 cem 
gemacht werden. Es muß dann von Kohle, Essigsäure und Äther die 
Hälfte genommen und mit Waschflüssigkeit auf 50 ccm gebracht werden. 


Blutzuckerfrage. 455 


verwendet wurden. Das Reduktionsvermögen der Flüssigkeiten wurde 
stets mit Rotblutlaugensalz in der von Hagedorn und Jensen angegebenen 
Weise bestimmt!). 


Die Blutfiltrate wurden mit wolframsaurem Natrium und verdünnter 
Schwefelsäure nach Folin und Wu also 1:10 gewonnen?). Viele dieser 
Filtrate sind mit der Biuretreaktion und mit Sulfosalioylsäure untersucht. 
Das Resultat war immer negativ. Die Blutfiltrate enthielten also keinen 
an Eiweiß gebundenen Zucker?). 

Für die Bestimmung nach Hagedorn und Jensen wurden, je nachdem die 
Lösung mehr oder weniger arm an Zucker war, meistens 2 oder 5 ccm, oder 
auch wohl ein anderes Volumen benutzt. Immer wurde das Volumen, be- 
vor es mit der Blutlaugensalzlösung versetzt wurde, auf 10 ccm gebracht, 
Wo Essigsäure verwendet war, mußte natürlich neutralisiert werden. Die 
Neutralisation wurde in einer besonderen Portion vorgenommen, damit 
die Flüssigkeit, welche weiter untersucht wurde, keinen Indikator enthielt. 

Nach Zusatz von l ccm der Sodalösung und 2 ccm der Rotblutlaugen- 
salzlösung, wurde 15 Minuten im kochenden Wasserbad erhitzt und nach 
Abkühlung mit Wasser in der üblichen Weise titriert, wobei Natrium- 
thiosulfat von n/200 und eine Mikrobürette verwendet wurden. Diese 
Thiolösung wurde täglich frisch aus einer n/10 Lösung dargestellt. Nach 
der Titration wurde immer dadurch geprüft, ob eventuell zu viel Thio ver- 
wendet war, daß die titrierte Flüssigkeit mit einer kleinen Spur der Ferri- 
cyankaliumlösung versetzt wurde. Es muß dabei wieder eine blaue Farbe 
auftreten. 


Die Menge der Zuckerlösungen oder der Blutfiltrate, welche zur 
Untersuchung gelangte, enthielt oft etwa 0,5 mg Glucose (bzw. Lactose 
oder Maltose); es wurden dabei etwa 2,8ccm der n/200 Thiolösung 
verbraucht. 


Für den Blindversuch (mit 2 ccm der Rotblutlaugensalzlösung) 
war der Verbrauch an Thiolösung zwischen 3,9 und A ccm. Dieser 
Blindversuch wurde täglich gemacht. 


Die Fehlergrenze darf in den meisten Analysen wohl auf mindestens 
4 Proz. angenommen werden und kann da, wo die Lösung sehr wenig 
Zucker enthielt, wohl etwas größer sein. 


Resultate. 


Einige Male wurden 50 ccm von einer 0,l prom. Glucoselösung in 
der oben angegebenen Weise mit Essigsäure und Kohle behandelt und 
zu gleicher Zeit in der ursprünglichen Lösung eine Bestimmung nach 
Hagedorn und Jensen gemacht. 


1) Diese Zeitschr. 185, 46, 1923. 

23) Journ. biol. Chem. 41, 372, 1920; geändert nach Haden, ebendaselbst 
56, 469, 1923. 

3) Mit physiol. Na Cl-Lösung dialysiertem Blutplasma (Pferd, verdünnt) 
l : 3500 gibt Sulfosalicylsãure noch eine deutliche Trübung. 


456 B. Sjollema: 


Die Glucose wurde dabei immer vollständig zurückgefunden. Dies 
war auch der Fall, wo eine stärkere Lösung, und zwar von 0,25 Prom. 
zur Verwendung kam. Es gingen keine reduzierenden Substanzen aus 
der Kohle in Lösung. 

Bevor die richtigen Mengenverhältnisse gefunden waren, wurde 
die Glucose nicht immer vollständig wiedergefunden. Wo z.B. 5g 
Kohle, 1 Proz. Essigsäure genommen wurde und bis auf 80 ccm aus- 
gewaschen wurde, enthielt die Lösung nur 62 mg von den 100 mg 
..Glucose. Durch weiteres Auswaschen mit Essigsäure von 1 Proz. ging 
die Glucose vollständig in Lösung. 

Es mußte natürlich untersucht werden, ob Glucose, die zu Blut 
zugesetzt war, in der soeben beschriebenen Weise zurückgefunden 
wird. Pro 100 ccm Pferdeblut wurden einige Male 100 mg Glucose hinzu- 
gesetzt und ein Filtrat nach Folin und Wu gemacht. Der Vergleich 
der Bestimmung in den Kohle-Essigsäurefiltraten mit und ohne Glucose- 
zusatz zeigte, daß alle Glucose in Lösung geblieben war. Wurden 
Lactoselösungen von 0,1 Prom. genau derselben Behandlung unter- 
worfen, so blieben wenigstens 90 Proz. der Lactose in der Kohle zurück. 

Bei der Feststellung des Reduktionsvermögens von Lactose, Rot- 
blutlaugensalz gegenüber, zeigtesich, daß, wenn dasselbe von Glucose auf 
100 ccm gestellt wird, die Zahl für Lactose etwa 72 ist. Weil die zweite 
Fraktion der Blutfiltrate (d.h. die Fraktion, in welcher sich die Di- 
saccharide befinden) immer weniger als 0,1 Prom. Lactose enthält, 
wurden auch Lactoselösungen von 0,075 Prom., 0,050 Prom. und 
0,025 Prom. untersucht. 

Es stellte sich hierbei heraus, daß nur unbedeutende Mengen 
der Lactose in Lösung blieben, und zwar zwischen 5 und 2 Proz. der 
ursprünglich anwesenden Lactose. Weil die Blutfiltrate gewöhnlich 
nicht mehr als 0,030 Prom. von anderen Kohlenhydrate wie Glucose 
‚enthält, macht man nach dieser Methode einen unbedeutenden 
‘Fehler. Bei der Analyse von Mischungen von Glucose und Lactose 
läßt sich aus der Differenz zwischen dem Reduktionsvermögen der 
beiden Filtrate berechnen, wieviel Lactose im Kohle-Essigsäurefiltrat 
gelöst sein muß. 

Es liegt auf der Hand, daß auch eine Mischung von Glucose und 
Lactose untersucht wurde, und zwar wurde eine 0,lprom. Glucose- 
lösung mit dem gleichen Volumen einer 0,1l prom. Lactoselösung versetzt. 
Das Kohle-Essigsäurefiltrat enthielt 52,7 mg Glucose, also ein wenig 
mehr als theoretisch; unsere Zahlen für Glucose waren aber oft etwas 
höher als 100. Von Lactose, die iù Blut gelöst worden war — 100 mg 
auf 100 cem —, wurde im Blutfiltrat nach Behandlung mit Kohle und 
Essigsäure nur wenig zurückgefunden, und zwar 4,7 mg (berechnet als 
Lactose). 


Bhitzuckerfrage. 457 


Bezüglich der Untersuchungen, welche dartun, daB Lactose in 
Lösung bleibt, wenn die Lösung in der oben angegebenen Weise mit 
Kohle und Äther geschüttelt wird, kann folgendes mitgeteilt werden. 

Wo 50cem Lösung mit l5ccm Äther versetzt wurden, enthielt das 
Filtrat 71,5; wo 25ccm Äther verwendet wurden, 71,9 mg, berechnet als 
Glucose; also alles wurde zurückgefunden, denn das Reduktionsvermögen 
der Lactose verhält sich zu dem der Glucose wie etwa 72: 100. 


Wo nur 10cem Äther benutzt wurden, blieb ein Teil der Lactose 
an Kohle gebunden. 


Es wurden dann noch Lactoselösung und Glucoselösung SE 
und die Mischung mit Kohle und Äther behandelt; weiter wurde Blut 
mit Lactose versetzt (100 mg auf 100 ccm) und in derselben Weise 
verfahren. In beiden Fällen wurde die Lactose annähernd zurück- 
gefunden. 

Auch mit Maltose haben wir diese Versuche gemacht. Die Er- 
gebnisse waren dieselben wie mit Lactose. Beim Schütteln mit Kohle 
und Essigsäure gingen etwa 6 Proz. der Maltose in Lösung. Mit Kohle 
und Äther blieb die Maltose gelöst. 
| Das Reduktionsvermögen der Maltose verhielt sich zu dem der 
Glucose wie etwa 76 zu 100. 

Es wurde weiter untersucht, wie Glykogenlösungen sich Kohle 
und den beiden oberflächenaktiven Stoffen gegenüber verhalten. 

Von einer 0,lprom. Lösung blieb mit Kohle und Äther ungefähr 
die Hälfte gelöst; von einer 0,05prom. Lösung ungefähr 80 Proz. Mit 
Kohle und Essigsäure bleibt nur ein kleiner Teil des Glykogens frei. Die 
Resultate sind hier also anders als zu erwarten war. Falls Glykogen 
im Blute vorkommt, wird man es wohl hauptsächlich in der zweiten 
Fraktion (mit Kohle und Äther-Filtrat) finden, denn der Gehalt wird 
im Blutfiltrat (1: 10) gewiß nicht größer sein als 0,05 Prom. 

Auch untersuchten wir, wie sich Harnsäure, Kreatinin und Kreatin 
bei der hier beschriebenen Methode verhalten. j 

Beim Behandeln mit Kohle und Essigsäure bleibt Harnsäure 
(zur Verwendung kamen Lösungen von 0,05 und 0,025 Prom.) voll- 
ständig an Kohle gebunden. Aus einer 0,05- und 0,025prom. Lösung 
geht etwa ein Drittel mit Kohle und Äther in Lösung. 

Das Reduktionsvermögen verhielt sich zu dem von Glucose wie 
etwa 60: 100. 

Vom Kreatinin löste sich aus einer 0, 05prom. Lösung beim 
Schütteln mit Kohle und Essigsäure nur wenig — etwa 12 Proz. —. 
‚während mit Kohle und Äther das Kreatinin vollständig gelöst blieb. 

Das Reduktionsvermögen war etwas kleiner als die Hälfte von 
dem von Glucose (45 bis 47 Proz.). 

Kreatin reduzierte Rotblutlaugensalz nur wenig. Das Reduktions- 
vermögen ist nur 13 (Glucose 100). Das Kreatin wird also bei 


458 . B. Sjollema: 


der Reduktion von Blutfiltraten keine große Rolle spielen. In 
der ersten Fraktion blieb aus einer 0,05prom. Lösung ein Drittel in 
Lösung; in der zweiten hingegen löste sich das Kreatin vollständig. 

Die Kohle-Essigsäurefiltrate enthalten also keine Harnsäure und 
so gut wie kein Kreatinin und Kreatin. In dem Kohle-Ätherfiltrat 
befinden sich die Hauptmengen des Kreatinins und Kreatins und etwa 
die Hälfte der Harnsäure. 

Wir untersuchten in diesem Jahre eine große Anzahl von Blut- 
proben von verschiedenen Tieren und Menschen mit Rücksicht auf 
die Frage, inwiefern neben Glucose andere Zuckerarten darin vor- 
kommen, und arbeiteten ursprünglich zwar mit Kohle und Essigsäure, 
aber nicht immer mit derselben Konzentration der Essigsäure, und 
auch wohl mit anderen Verhältnissen zwischen Kohle und Flüssigkeit. 
Nur einmal haben wir dabei gefunden, daß die Reduktion des Kohle- 
Essigsäurefiltrats dieselbe war, wie die des Blutfiltrats selbst. Das 
war in dem Blute eines Diabetikers, dessen Blutzuckergehalt 309 mg 
in 100 ccm Blut betrug. 

Vom Blute von Diabetikern mit etwa 230 und 260 mg Blutzucker 
aber blieb nach Behandlung mit Kohle und Essigsäure noch ein be- 
deutender Teil der reduzierenden Stoffe an Kohle gebunden. 

Von der Untersuchung von Blutfiltraten, genau nach dem oben 
beschriebenen Verfahren gemacht, teile ich hier folgendes mit!). 

Die Zahlen geben immer Milligramm Glucose auf 100 ccm Blut an. 


Zweite 
Fraktion 


Erste 


Zweite + dritte 
Fraktion 


Fraktion 


Pferdeblut. . .... | 


KI 


102,3 = 24,4 
S | 104,8 9,3 315 
Ech ` 1030 0,0 20,5 

Rinderblut. . . . . . | 729 | 538 2 2 191 

Kaninchenblut*) | . 1498 | 111.8 25,5 12,5 38.0 

i m... 1501 | 1260 27.6 0.0 241 

Menschenblut 120 94,7 16,7 8.6 25.3 

j >... | 105,8 | 75 20.2 81 283 


*) Das Tier hatte 16 Stunden gefastet. 
*°) Das Tier hatte 64 Stunden gefastet, also 2 Tage später. 


Wenn man im Blute des Menschen pro 100 ccm 1 bis 2 mg Kreatinin, 
4 bis 5 mg Kreatin und 2 bis 3 mg Harnsäure annimmt, so ist nach 
dem oben angegebenen Reduktionsvermögen dieser drei Stoffe ihr 
Glucoseäquivalent im ganzen höchstens 3,5 mg pro 100 ccm Blut, 
also nur etwa ein Achtel von der Summe der zweiten und dritten 
Fraktion. 


1) Wir untersuchten immer Oxalathlut. Es wurden auf etwa 60 ccm 
Blut 100 mg Kaliumoxalat verwendet. 


Blutzuckerfrage. 459 


Diese drei Stoffe können unmöglich den Wert der ersten Fraktion, 
also des Glucosegehalts, nennenswert beeinflussen, denn nach dem, 
was wir gefunden haben, enthält die erste Fraktion so wenig, daß sie 
pro 100 ccm Blut ebensoviel Rotblutlaugensalz reduzierte wie Il mg 
Glucose. 

Für die zweite und dritte Fraktion berechnen sich diese Glucose- 
äquivalente höchstens auf 1,9 und 1,2 mg. 

Diese Werte liegen innerhalb des Gebiets der Fehlergrenzen. 

Aus dieser Arbeit geht hervor, daß außer Glucose noch bedeutende 
Mengen von anderen reduzierenden Stoffen in den nach Folin und Wu!) 
dargestellten Blutfiltraten vorkommen, die nur zu einem kleinen Teile 
aus dem bekannten reduzierenden Nichtzucker, wie Harnsäure, be- 
stehen können. 

Nach der hier mitgeteilten Methode läßt sich der Glucosegehalt 
ziemlich genau in Blutfiltraten bestimmen und in sehr verdünnten 
Lösungen eine Bestimmung von Glucose neben Disacchariden (Lactose 
und Maltose) ausführen. 

Die Untersuchungen, die mit Hilfe der Herren A. Emmerie, 
Assistent, und H. Hooghoudt, Analytiker, ausgeführt wurden, werden in 
verschiedenen Richtungen fortgesetzt. Beiden Herren spreche ich 
meinen Dank aus. 


1) Auch gilt dies, wie wir mit einigen Proben feststellten, für Blut- 
filtrate nach Hagedorn und Jensen [also mit Zn(OH), bereitet]. 


Ein neues Gefrierpunktsthermometer für wässerige Lösungen. 


Von 
Heinrich Menzel. 


(Mitteilung aus dem Anorganisch-chemischen Laboratorium der Technischen 
Hochschule Dresden.) 


(Eingegangen am 4. Januar 1927.) 


Bei zahlreichen biochemischen Untersuchungen spielen die Gefrier- 
punktsmessungen irgendwelcher Flüssigkeiten zur Ermittlung ihrer 
osmotischen Konzentrationen eine große Rolle. Da es sich dabei vor- 
wiegend um wässerige Lösungen handelt, werden bereits statt der 
sonst gebräuchlichen Beckmannthermometer mit veränderlichem Meß- 
bereich vielfach solche mit festem Eispunkt benutzt. Um von den in 
Celsiusgraden gemessenen Gefrierpunktsdepressionen auf die osmotischen 
Konzentrationen zu gelangen, d.h. auf die Konzentrationen der 
osmotisch wirksamen Teilchen: Moleküle, Molekülkomplexe und 
elektrolytischen Ionen, hat man die Celsiusgradablesungen durch die 
Größe E = 1,860°C, die molekulare Gefrierpunktsdepression in 1000 g 
Wasser, zu dividieren, denn bekanntlich bewirkt ein Grammolekül 
eines undissoziiert und nicht assoziiert in 1000 g Wasser (~ 1 Liter) 
gelösten Stoffes eine Gefrierpunktserniedrigung von 1,860°C, streng 
genommen bei unendlicher Verdünnung, in großer Annäherung aber in 
allen verdünnten Lösungen. 

Um bei umfangreicheren Meßreihen und bei häufigerer Vornahme 
von Gefrierpunktsbestimmungen diese jedesmalige Umrechnung über 
den Wert 1,860 zu ersparen, ist ein Gefrierpunktsthermometer mit 
festem Nullpunkt konstruiert worden, dessen Skala nicht nach Celsius- 
graden, sondern nach einer neuen Gradeinheit eingeteilt ist, die 1,8600 C 
gleichkommt und als Molgrad bezeichnet werden soll. 1 Molgrad (Mol?) 
= 1,860°C. 

Eine Gefrierpunktsmessung mit dem neuen Molgradthermometer 
gibt also unmittelbar die angenäherte osmotische Konzentration der 
untersuchten Flüssigkeit an. 


H. Menzel: Gefrierpunktsthermometer. 461 


Das Molgradthermometer (geschützt als D. R.-G.-M. 42! 948927) 
wird von der Firma Robert Goetze, Leipzig, angefertigt und in zwei 
Ausführungen in den Handel gebracht. 


Die große Form schließt sich in Format und Meßbereich etwa den 
normalen Beckmannthermometern an. Die Skala geht von + 0,1 Mol? 
bis — 2,5 oder — 2,7 Mol’, entsprechend den sonst üblichen 5 bis 6° C. 
Die Skalenbezeichnung ist sinngemäß vom FEispunkt absteigend, 
d.h. in negativen Molgraden nach unten, die Teilung von 0,005 zu 
0,005 Mol’ (also in zweihundertstel Mol durchgeführt, so daß mit 
der Lupe bequem noch die tausendstel Mol’, bei einiger Übung sogar 
noch die zweitausendstel abgeschätzt werden können. Die Eichung 
der Instrumente wird bis zum Skalenbeginn eintauchend bei 18° mittlerer 
Raumtemperatur vorgenommen. Diese Form ist hauptsächlich zu 
Messungen mit der gewöhnlichen Beckmannschen Gefrierpunkts- 
apparatur oder ähnlichen anderen gedacht. Auf Wunsch wird sie mit 
Prüfungsdaten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt geliefert. 


Aus besonderen Gründen (mögliche Berücksichtigung des Faden- 
fehlers auch für Fälle, wo das Thermometer nicht bis zum Skalenanfang 
in das Gefriergefäß taucht, sondern noch ein Stück unterhalb desselben 
herausragt) wird die enge Kapillare, die längs der Skala läuft, noch 
eine Strecke unter der Skala in gleichem Kaliber fortgeführt, um dann 
erst in ein kurzes Stück einer weiteren überzugehen, die an die Queck- 
silberkugel angeblasen ist. Eingehenderes über die bei exakteren Be- 
stimmungen anzubringende Fadenkorrektur, sowie einige belegende 
Meßreihen mit der größeren Form des neuen Molgradthermometers 
werden demnächst in der Zeitschrift für Elektrochemie mitgeteilt werden. 


Die kleine Form des Molgradthermometers ist in seinen Ausmaßen 
der Gefrierpunktsapparatur für kleine Flüssigkeitsmengen nach Drucker 
und Burian mit freundlichem Einverständnis des Herrn Prof. Drucker, 
Leipzig, angepaßt worden. Sie umfaßt etwa 2,5 Mol® in Hundertstel- 
teilung; die ursprünglichen zur gleichen Apparatur gelieferten Celsius- 
gradthermometer haben ein Skalenbereich von etwa 5°C in Fünfzigstel- 
teilung. Von der Beibehaltung der engen Kapillare noch unterhalb der 
Skala wird bei diesen kleinen Instrumenten abgesehen. 


Der Gebrauch des Molgradthermometers ist in keiner Weise 
schwieriger als der der bisher üblichen Gefrierpunktsthermometer. 
Da der praktische Eispunkt aus technischen Gründen nie absolut mit 
dem Nullpunkt der Skala zusammenfällt, und da er infolge thermischer 
Nachwirkungen in der Wandung der Quecksilberkugel im Laufe der 
Zeit kleine Verschiebungen erfahren kann, empfiehlt es sich, vor In- 


462 H. Menzel: Gefrierpunktsthermometer. 


gebrauchnahme des Instruments und während des Gebrauchs zwischen- 
durch in bestimmten Zeiträumen den Eispunkt nachzukontrollieren 
und die entsprechende Korrektur an den Messungen in Rechnung zu 
ziehen. 


Sämtliche Auswertungen, die an Gefrierpunktsmessungen mit dem 
Celsiusgradthermometer vorgenommen werden (etwa nach dem Mole- 
kulargewicht, dem van ’t Hoffschen Faktor $, der osmotischen Kon- 
zentration, dem Dissoziationsgrad, dem osmotischen Koeffizienten /,), 
gestattet noch einfacher das Molgradthermometer, indem überall statt 
des immer wiederkehrenden Quotienten 1: E (4 = Depression in 
Celsiusgraden, E = 1,860) die direkte Molgradablesung t in die be- 
treffenden Formelausdrücke einzusetzen ist. | 

Daher dürfte diese kleine Neuerung auch für biochemische Arbeiten 
bequem und vielleicht willkommen sein. 


Bestimmung von Oxalsäure im Harn 
mit der Schaukelextraktionsmethode von Widmark. 


Von 
Carl G. Holmberg. 


(Aus dem medizinisch-chemischen Institut Lund.) 


(Eingegangen am 5. Januar 1927.) 


Den am meisten benutzten Bestimmungsmethoden für Oxalsäure 
im Harn liegt die von Salkowski (1) im Jahre 1900 angegebene zugrunde. 
Die ursprüngliche Methode ist wiederholt modifiziert worden und man 
ist der Ansicht, daß die von Mac Lean (2) erhaltene Form zuverlässige 
Resultate gibt. Diese Methode leidet indessen an gewissen praktischen 
Nachteilen, deren Beseitigung von Bedeutung wäre. Von diesen seien 
folgende hervorgehoben. Die Methode ist wegen der wiederholten 
Eindampfungen, Ausfällungen und Filtrationen sehr umständlich und 
zeitraubend. Sie ist teuer, da unter anderem zu jeder Bestimmung 
ziemlich beträchtliche Mengen von Äther und Alkohol erforderlich sind, 
die nur zum Teil zurückgewonnen werden können. Bei den wiederholten 
Extraktionen mit dem Alkohol-Äthergemisch verursacht die Emulsions- 
bildung oft Komplikationen, und hierzu kommt, daß eine Extraktion 
mit alkoholhaltigem Äther stets unreine Extrakte geben muß. Nur 
mit ganz alkoholfreiem Äther kann man einen Extrakt erhalten, der 
keine unorganischen Bestandteile enthält. Das Ausschütteln im Scheide- 
trichter bietet schließlich keine Garantie für eine vollständige Extraktion. 

Bei der Verwendung der Schaukelextraktionsmethode von 
Widmark (3) können die meisten dieser Übelstände vermieden werden 
und die Bestimmung von Oxalsäure in Lösungen wird hierdurch in 
hohem Grade vereinfacht, verbilligt und in wesentlichen Punkten 
automatisiert. 

Das Prinzip für die neue Oxalsäurebestimmungsmethode ist 
folgendes. In das Dimittensgefäß des Doppelscheidetrichters!) wird der 


1) In bezug auf das Prinzip der Schaukelextraktionsmethode wird 
auf oben angeführte Arbeit von Widmark, sowie auf eine Arbeit vom 
gleichen Verfasser in dieser Zeitschrift (Bd. 179, S. 263—271, 1926) über 
die Bestimmung von freier und gebundener Benzoesäure im Harn verwiesen. 


464 C. G. Holmberg: 


angesäuerte Harn gebracht, in das Rezipiensgefäß eine Chlorcalcium- 
lösung. Beide Lösungen werden mit Äther überschichtet. Beim 
Schaukeln des Apparats wird der Äther von dem einen in den anderen 
Scheidetrichter dekantiert und die Oxalsäure in die Rezipienslösung 
übergeführt, wo sie als Calciumoxalat quantitativ zurückgehalten 
wird. Auf diese Weise wird ein sehr reiner Extrakt erhalten, da keine 
unorganischen Verbindungen den alkoholfreien Äther passieren und 
nur durch Chlorcalcium fällbare organische Verbindungen im Rezipiens- 
gefäß angesammelt werden können. Die Fällung kann dann durch 
Filtration abgeschieden werden und braucht vor der Titration mit 
Permanganat nur wenig gewaschen zu werden. 


Die Vorteile der Methode können in folgenden Punkten zusammen- 
gefaßt werden: 
L Die Extraktion verläuft vollständig automatisch und gibt hierbei 
eine sehr reine Calciumoxalatfällung. 
2. Kein vorbereitendes Eindampfen des Harns, nur eine Filtration. 
3. Geringer Ätherverbrauch und keine Destillation des Äthers. 


4. Genaue Bestimmungen können schon mit nur 50ccm Harn 
ausgeführt werden, wodurch man in den Stand gesetzt wird, die 
Oxalsäureausscheidung auch bei kleinen Versuchstieren täglich 
festzustellen. 


1. Beschreibung der Ansführung der Bestimmung. 
Die erforderliche Ausrüstung besteht aus folgenden Apparaten. 


l1. Schaukelextraktionsapparat nach Widmark. Die Glasteile sind 
erhältlich bei Rudolph Grave, Stockholm, und ihre Dimension soll für 
eine Extraktion einer Flüssigkeitsmenge bis zu 50 ccm bemessen sein. 
Die Schaukel für die automatische Bewegung der Glasteile kann in 
jedem Institut nach der von Widmark gegebenen Beschreibung an- 
gefertigt werden oder sie kann auf Bestellung vom medizinisch-chemi- 
schen Institut zu Lund erhalten werden. 


2. Anordnung zum Absaugen, versehen mit einem Schottschen 
Glasfilter 3< 7, ungefähr 50 ccm fassend. Absaugkolben. 


3. Eine Serie Pipetten von 3 bis 50 cem. 

4. Eine Mikrobürette nach Pregl, mit kleinster Teilung 0,02 ccm. 

5. Kolben: Zur Aufbewahrung des Harns 2-Liter-Kolben. Eine 
Anzahl Erlenmeverkolben aus Jenaglas, 250 ccm. 

Lösungen: 

l. Sproz. Chlorcaleiumlösung. ` 


2. 40proz. Schwefelsäure. 


Bestimmung von Oxalsäure im Harn. 465 


3. n/100 Kaliumpermanganatlösung, bereitet mit verläßlichem 
Titer nach einer der anerkannten Methoden. Der Titer der Lösung 
muß oft mit bekannter Oxalsäurelösung kontrolliert werden. 


4. Waschwasser. Um Verluste beim Waschen der Oxalatfällung 
zu vermeiden, wird destilliertes Wasser benutzt, das durch Schütteln 
mit Calciumoxalat mit diesem Stoff gesättigt worden ist. Es ist von 
Bedeutung, daß das hierzu benutzte Oxalat durch Feinpulverisierung 
und reichliches Waschen von jeder Spur von freier Säure befreit wird. 


5. Säure- und alkoholfreier Äthyläther. 


2. Die Extraktion. 


Die Tagesmenge Harn wird abgemessen und in einen 2-Liter- 
Kolben gebracht, der mit 20 cem oder soviel 40proz. Schwefelsäure 
versetzt worden ist, daß die Lösung gegen Kongopapier sauer reagiert. 
Das Volumen wird vermerkt. Durch dieses Ansäuern wird vermieden, 
daB sich Oxalatkristalle an den Wänden des Gefäßes festsetzen und 
so der Bestimmung entgehen. 


50 ccm dieses angesäuerten Harns werden in das Dimittensgefäß 
gebracht. In das Rezipiensgefäß werden etwa 20 ccm Chlorcalcium- 
lösung eingeführt. Die beiden Lösungen werden mit 350 cem Äther 
überschichtet, worauf der Apparat in Gang gesetzt wird. In der von 
Widmark angegebenen Schaukel können gleichzeitig zehn Extraktionen 
ausgeführt werden. 


Das Schaukeln soll mit 18° Neigung jederseits der Horizontalebene 
und mit einer Geschwindigkeit von etwa 27 Sekunden für eine ganze 
Schaukelperiode (für eine ganze Umdrehung der treibenden Exzenter- 
scheibe) erfolgen. 

Die Extraktionszeit ist wegen der geringen Löslichkeit der Oxal- 
säure in Äther, verglichen mit der in Wasser, sehr lang, was aber nicht 
besonders störend wirkt, da dieselbe fast ohne Überwachung und 
gleichzeitig mit bis zu zehn Proben erfolgen kann. 


Die Extraktionszeit wurde bestimmt, indem bekannte, reine 
Oxalsäurelösungen während verschiedenen Zeiten gegen Lauge extrahiert 
und diese danach, wie für die Bestimmung der Extraktionszeiten der 
Benzoe- und Hippursäure in obiger Fußnote angeführter Arbeit be- 
schrieben, titriert wurde. Da der Übergang der Säure proportional der 
im Dimittensgefäß verbliebenen Menge erfolgt, ist die Extraktionszeit 
bei konstantem Flüssigkeitsvolumen von der Konzentration der Oxal- 
säure in der Probe unabhängig und demnach die Zeit für praktisch 
genommen vollständige Extraktion für große wie für kleine Mengen 
gleich. Die Extraktionszeit variiert aber etwas bei verschiedenen 
Apparaten, was auf der verschiedenen Weite dea Kommunikationsrohres 


466 C. G. Holmberg: 


zwischen den beiden. Behältern beruht. Die kürzeste von mir bestimmte 
Extraktionszeit betrug 46 Stunden bei einem Apparat mit sehr enger 
Öffnung, die längste Extraktionszeit 75 Stunden bei einem Apparat 
mit sehr weiter Öffnung. Praktisch genommen dürfte eine Extraktions- 
zeit von 75 Stunden ein zufriedenstellendes Resultat garantieren. Will 
man die Konstante der Extraktionsgeschwindigkeit für jeden Apparat 
kennen, was für ein exaktes Arbeiten wünschenswert ist, so kann 
diese nach der von Widmark in oben erwähnter Benzoesäurearbeit 
angegebenen Anweisung bestimmt werden. Hierbei ist die Konstante 
der Extraktionsgeschwindigkeit zweckmäßig aus jenen Werten zu er- 
mitteln, die man nach einer achtstündigen Extraktion einer im Di- 
mittensgefäß angesäuerten 0,03 n Lösung von Kaliumoxalat erhält. 


Im Verlauf der Extraktion wird dann die Oxalsäure vom Harn 
in das Rezipiensgefäß übergeführt und als Calciumoxalat ausgefällt, 
eine Fällung, die wegen ihrer Leichtigkeit und Geringfügigkeit wenigstens 
zum größten Teile sich an der Begrenzungsschicht zwischen Äther und 
Chlorcaleciumlösung ansammelt. Bei größeren Mengen Säure kann es 
zuweilen vorkommen, daß sich eine zusammenhängende Haut bildet, 
die die Extraktion recht beträchtlich verlängern kann. Die Haut muß 
dann zerstört werden, indem man den Extraktionsapparat einmal im 
Laufe der Extraktion vorsichtig schüttelt, so daB die Fällung zu 
Boden sinkt. 


8. Die Titration. 


Wenn die Extraktion beendet ist, wird das Extraktionsgefäß aus 
der Schaukel genommen und der Bodenhahn des Rezipiensgefäßes 
über dem in einen Absaugkolben eingesetzten Filtrierglas geöffnet. 
Durch dieses wird die ganze Chlorcalciumlösung abfließen gelassen, 
wobei eine eventuell mitfolgende Fällung abfiltriert wird. Wenn der 
Äther den Hahn erreicht hat, wird dieser geschlossen und erst jetzt 
wird der Harn abgelassen und dann der Äther durch den Hahn des 
Dimittensgefäßes. Um den geringen Ätherrest zu entfernen, der beim 
Dekantieren im Rezipiensgefäß zurückgeblieben ist, saugt man einige 
Minuten einen starken Luftstrom durch den Apparat. Hierbei wird 
zweckmäßig so vorgegangen, daß der Schlauch einer Wasserstrahl- 
pumpe einige Zentimeter in das Pfropfenloch des RezipiensgefäBes 
eingeführt wird, wobei gleichzeitig der Bodenhahn und das Pfropfen- 
loch des Dimittensgefäßes offengelassen werden. 


Die im Rezipiensgefäß zurückgebliebene Fällung, sowie jener Teil, 
der in das Filtrierglas gespült worden ist, werden nun auf folgende 
Weise gewaschen. Man setzt in das Pfropfenloch des Rezipiensgefäßes 
einen Trichter, dessen langes Rohr ungefähr 2cm über dem Boden des 
Gefäßes endigt, damit das Waschwasser nicht entlang den Wänden 


Bestimmung von Oxalsäure im Harn. 467 


herabrinnt, wodurch die leichte Fällung hinaufkriechen und leicht 
verloren gehen würde. Man führt zweimal nacheinander 30 cem Wasch- 
wasser ein, das jedesmal nach beendigtem Auffüllen durch den Boden- 
hahn über die am Filter befindliche Fällung ausfließen gelassen wird. 
Hierdurch wird sowohl die im Rezipiensgefäß wie am Filter befindliche 
Fällung hinreichend gewaschen. 

Nach dem Waschen wird die ganze Fällung in Schwefelsäure gelöst. 
Nach dem Einsetzen des Filtrierglases in einen neuen, sorgfältig ge- 
reinigten Absaugkolben werden durch den Trichter in das Rezipiens- 
gefäßB dreimal nacheinander IO ccm warme, 40proz. Schwefelsäure 
eingegossen, die in ihrer Gänze am Filter gesammelt wird, bevor man 
absaugt. Die Schwefelsäure muß im unteren Teile des Rezipiensgefäßes 
gut herumgeführt werden, so daß sie Gelegenheit hat, dort alle vor- 
handene Fällung aufzulösen. Schließlich wird das Rezipiensgefäß und 
das Filter auf die gleiche Weise mit destilliertem Wasser (dasnicht 
mit Calciumoxalat gesättigt worden ist) nachgespült, bis die Schwefel- 
säure quantitativ in den Absaugkolben übergeführt ist. Von hier aus 
wird die Lösung quantitativ in einen Erlenmeyerkolben aus Jena- 
glas überführt und man titriert auf die gewöhnliche Weise mit n/100 
Kaliumpermanganatlösung. 1l ccm dieser Lösung entsprechen 0,45 mg 

Oxalsäure. 
4. Prüfung der Methode. 

Die Methode ist teils an bekannten reinen Oxalsäurelösungen, teils 
durch Bestimmungen an Harn sowie schließlich durch Bestimmungen 
des Oxalsäuregehalts von Harn, dem bekannte Mengen Oxalsäure 
zugesetzt waren, geprüft worden. 


Tabelle T. 
Bestimmung bekannter Oxalsäuremengen in reiner Lösung. 


Berechnete efundene Berechnete Gefundene 
BR G Men ge | Fehler Fehler a Menge Fehler Fehler 
mg mg Ä mg Proz. mg 
118 118 0 +0 2,23 
12,3 12,2 01 — 0,8 1.58 
17 | 17 j0 +0 1.24 
105: 106 0,1 F09 1,02 | 
276 | 272 ' 0,04 | —15 


Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Methode für so 
schwankende Mengen wie von 118 bis 1,02 mg Oxalsäure verwendbar 
ist. Für Mengen über 3 mg müssen stärkere Permanganatlösungen als 
n/100 benutzt werden. Im Harn kommen aber so geringe Mengen vor, 
daB immer die schwächere Lösung verwendet werden muß. Der absolute 
Fehler übersteigt nicht 0,1 mg. 

Biochemische Zeitschrift Band 182. 9] 


468 C. G. Holmberg: 


Tabelle II. 
Bestimmungen des Oxalsäuregehalts vom Harn. Versuchsperson 24 Jahre 


alt, 57 kg. Gemischte Diät. 
| z 
Datum | Tao eocen Mene Orlie | man‘ 
1926 ccm mg | mg | mg mg 
Bler "Ke | 550 2,03 2,21 — 23,3 
Lt 1 645 2,03 2,03 — 26,2 
Ae Mks 1510 1,06 1,06 E 32,0 
3. VI. 65 2,82 2,84 2,88 36,9 
8. VI. 740 1,46 1,35 SS 20,8 
11. VI. 925 1,31 1,22 128 | 28,5 
15. VI. 990 1,49 1,53 1,44 29,4 
16. VI. 1290 1,70 1,68 1,68 43,5 


Die Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Bestimmungen 
mit dem gleichen Harn ist ungefähr gleich gut, wie bei den Versuchen 
mit reinen Lösungen. Ob die absoluten Werte richtig sind, läßt sich 
wohl kaum beweisen. Sie stimmen indessen ihrer Größenordnung nach 
gut mit den Werten überein, die mit der Methode von Salkowski er- 
halten worden sind. Als Beispiel hierfür kann angeführt werden, daß 
Mislowitzer (4) mit dieser Methode in vier Versuchen Werte erhielt, 
die, auf 1000 ccm Harn berechnet, zwischen 18,8 und 29,7 mg variierten. 
Werden diese Grenzen für die Tagesmenge 1500 ccm umgerechnet, 
erhält man 27,2 und 44,6 mg. Die Tagesmengen in den obenstehenden 
von uns ausgeführten Versuchen liegen zwischen 23,3 und 43,5 mg, 
wobei aber zu beachten ist, daß der Harn bei diesen Versuchen wegen 
des warmen Wetters oft sehr konzentriert gewesen ist. 

Von calciumfällenden Säuren könnten möglicherweise Citronen- 
säure und Harnsäure die Ursache zu hoher Werte für Oxalsäure bilden. 
Die erste Säure dürfte unter normalen Verhältnissen nicht im Harn 
vorkommen und da sie außerdem in Äther praktisch genommen un- 
löslich ist, braucht auf sie nicht Rücksicht genommen zu werden. 

Daß die Harnsäure nicht stört, wurde durch die Bestimmung von 
Oxalsäure in folgenden Lösungen von 50 ccm Volumen kontrolliert. 


Lö | Kaliumoxalat Natriumurst 
Ösung 
E, i 

I 0 | 35 

HI 1,21 0 

IHI 1,21 35 


Die Lösungen wurden mit 3 cem n/5 Schwefelsäure versetzt und 
mit Calciumchloridlösung extrahiert. Die Lösung I ergab keine nach- 
weisbare Fällung, Lösung II gab 1,19 mg und Lösung III 1,18 mg 
Oxalsäure. 


Bestimmung von Oxalsäure im Harn. 469 


In Tabelle III habe ich schließlich einige Versuche zusammen- 
gestellt, die zeigen, daß man, wenn man Harn mit einer bekannten 
Menge Oxalsäure versetzt, Werte erhält, die sehr genau der durch den 
Zusatz verursachten Erhöhung entsprechen. 


Tabelle III. 
| Präformierte Praformierte | Ep 
Versuch | i SE z ne + Aue ee | Men Ge Differenz 
Eu | mg e mg 
a | 1,46 | Su 6,59 | 648 — 0,11 
b 1,31 1,08 2,39 | 2,30 | — 0,09 
e | 1,28 1,05 2,33 028 5 —0,15 
d | 2,97 1,04 4,01 3,96 — 0,05 
e 149 | 10:29 ıı 253 | + 0,04 
f ¿o 168 | 1,9 270 | 23,70 + 0,00 


Literatur. 


1) E. Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 29, 437 bis 460, 1900; 
Prakt. d. physiol. u. pathol. Chem. 1912, 4. Aufl. — 2) H. Mac Lean, eben- 
daselbst 60, 20 bis 24, 1909. — 3) E M. P. Widmark, Skand. Arch. f. 


Physiol. 84, 61 bis 71, 1926. — 4) E. Mislowitzer, diese Zeitschr. 126, 77 
bis 81, 1921. 


dl? 


Über die Bildung 
von reiner d(—)-Milchsäure durch frische Hefen und Trocken- 
hefe sowie von d,l-Milchsäure durch Hefenmazerationssaft. 


Von 
Carl Neuberg und Maria Kobel. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin-Dahlem.) 


Gleich nach Auffindung der Ketonaldehydmutase hat der eine von 
uns!) mitgeteilt, daß dieses Ferment wie in Tierorganen ebenso in 
Mikroben, z. B. in der Hefe vorkommt und daß diese aus Methyl- 
glyoxal Milchsäure erzeugt. Die Fortführung dieser Untersuchungen 
hat ergeben, daß die Ketonaldehydmutase ein überaus verbreitetes 
Enzym ist und selten in einer Zellenart vermißt wird, die wesentliche 
Funktionen des Kohlenhydratumsatzes erfüllt. So hat sich gezeigt, 
dal auch die häufige Bildung von Milchsäure bei Bakterien?) un- 
. gezwungen durch die Dismutation intermediär gebildeten Methyl- 
. glyoxals erklärt werden kann. Ein gleiches gilt für die Gewebe höher 
entwickelter Vegetabilien, sie enthalten?) ebenfalls Ketonaldehyd- 
mutase und sind zu der Überführung des Methylglyoxals in Lactat 
befähigt, auf dessen Auftreten während der anaeroben Atmung der 
Samenpflanzen J. Stoklasa, OG. Muenk sowie J. Bodnár hingewiesen 
haben. Schon in unserer Abhandlung aus dem Jahre 1913 war die 
wichtige Rolle des neuen Enzyms hervorgehoben mit anschließenden 
Betrachtungen über die eigenartigen stereochemischen Effekte, die von 
den bis dahin vorliegenden Erfahrungen in bedeutungsvoller Weise ab- 
wichen. Durch Isolierung des Lactats in Substanz hatten wir nämlich 
den Nachweis geführt, daß aus dem strukturell inaktiven Methyl- 
glyoxal rund 70 Proz. der möglichen Menge Milchsäure hervorgingen. 
und daß ihr Zinksalz in dieser Ausbeute aus reinem rechtsdrehenden, 
also zur d(—)-Milchsäure gehörigen milchsauren Zink bestand (diese 
Zeitschr. 51, 508, 1913). 

War es also damals gelungen, das Methylglyoxal-hydrat asymmetrisch 
und jedenfalls zu mehr als 50 Proz. in eine aktive Raumform der Milch- 
säure umzulagern, so ist es später P. Mayer 4) geglückt, beim homologen 
Phenylglyoxal-hydrat die praktisch quantitative Umformung des gleich- 
falls ein asymmetrisches Kohlenstoffatom entbehrenden Ausgangs- 


1) C. Neuberg, diese Zeitschr. ol, 484, 1913. 

2) C. Neuberg und G. Gorr, ebendaselbst 162, 490, 1925; 166, 482, 1925; 
G.Gorr und @. Perlmann, ebendaselbst 174. 433, 1926. 

3) C. Neuberg und G. Gorr, ebendaselbst 171, 475, 1926; 178, 358, 1926; 
G. Binder-Kotrba, ebendaselbst 174, 443, 1926. 

4) P. Mayer, ebendaselbst 174, 420, 1926. 


C. Neuberg u. M. Kobel: Bildung von reiner d (— )-Milchsäure usw. 471 


materials — je nach Wahl der Zellart — in d- oder l- Mandelsäure zu 
bewirken. Nehmen wir hinzu, daß von uns im Jahre 1913, in das auch 
die Veröffentlichungen von Dakın und Dudley sowie Levene und Mayer 
fallen, bereits!) die Anschauung entwickelt worden ist, nach der die 
Milchsäure, die beim Zuckerabbau auftritt, als Stabilisierungsprodukt des 
Methylglyoxals aufzufassen und das Methylglyoxal selbst entsprechend 
einzuordnen ist, so hat in den vergangenen 14 Jahren die Forschung 
über die enzymatische Dismutation des Methylglyoxals an beachtens- 
werten Ergebnissen nur noch den Nachweis von O. Meyerhof?) sowie 
von R. Kuhn und R. Heckscher?) zutage gefördert, daß von Gesichts- 
punkten der Kinetik aus sich ebenfalls keinerlei Einwendungen gegen 
die Methylglyoxal-hypothese der desmolvtischen Milchsäurebildung 
ergeben. Außerdem haben E Toenniessen und W. Fischer‘) den 
grundlegenden Befund mitgeteilt, daß Methylglyoxal als Abbanprodukt 
der Hexose im tierischen Stoffwechsel nachgewiesen werden kann, und 
ein gleiches behauptet E. Aubel®) für Kleinlebewesen. 

Bei der als recht universell anerkannten Fähigkeit der Zellen zur 
Milchsäureproduktion schien es uns nun möglich, den früher allein mit 
obergäriger Hefe bewirkten mäßigen Umfang der Dismutation von 
Methylglyoxal zur Milchsäure zu vergrößern und damit neue Gesichts- 
punkte für die Stellung des Methylglyoxals im Stoffhaushalt der Hefen 
zu gewinnen. Diese Erwartung hat sich durchaus erfüllt. Durch 
Wechsel des Materials und durch Änderung der Mengenverhältnisse 
sind wir nicht allein dazu gelangt, Methylglyoxal-hydrat mit auffallender 
Schnelligkeit und quantitativ durch Hefen und Hefenpräparate unı- 
zusetzen, sondern auch die Ausbeute an Milchsäure weit höher als früher 
zu treiben. Für Fragen von solcher Wichtigkeit scheint es uns nicht 
angängig, lediglich das Verschwinden des Methylglyoxals oder eine 
Säurebildung festzustellen, auf eine Farbreaktion hin auf Milchsäure 
zu schließen, oder auch durch die konventionelle Bestimmungsmethode 
nach Clausen den Gehalt an Milchsäure zu errechnen, sondern wir 
halten es für eine unerläßliche Notwendigkeit, die Milchsäure außerdem 
in Substanz zu isolieren, durch Analysen ihr Vorliegen zu beweisen 
sowie mittels optischer Konstanten ihre Konfiguration zu bestimmen. 
Schon früher hat der eine von uns. wie erwähnt, bei Versuchen mit der 
Ketonaldehydmutase tierischer Herkunft vermocht, kristallisiertes 
Zinklactat zu 70 Proz. der theoretischen Menge rein abzuscheiden, 
und wir sind, abweichend von Kuhn und Heckscher (l. ei, der Meinung, 


1) C. Neuberg, Der Zuckerumsatz der Zelle. Jena 1918. 
* O. Meyerhof, diese Zeitschr. 159, 432, 1925. 

3) R. Kuhn und R. Heckscher. H. 160, 116, 1926. 

1) E. Toenniessen und W. Fischer, H. 161, 254, 1926. 
5) E Aubel, C. r. 188, 572, 1926. 


472 C. Neuberg u. M. Kobel: 


daß dieses Ergebnis ein vorzügliches gewesen ist. Zu unseren neuen 
Hefenversuchen benutzten wir sowohl obergärige Hefe von Sinner 
als untergärige Hefe der Schultheiß- Patzenhofer Brauerei. Letztere 
kam auch in Form von Trockenhefe zur Anwendung, und aus ihr wurde 
ferner der benötigte zellenfreie Hefenmazerationssaft bereitet. Mu 
sämtlichen der erwähnten Hefenmaterialien war es möglich, Methyl- 
glyoxal quantitativ umzusetzen. Je nach Menge der frischen Hefe 
brauchten wir zur Umwandlung einer etwa m/l0 bis m/15 Methyl- 
glyoxallösung 1 bis 6 Tage, ohne daß wir damit das Maximum der 
Geschwindigkeit erreicht zu haben glauben: mit Trockenhefe wenigstens 
ist die totale Verarbeitung einer rund m/15 Methylglyoxal-lösung bereits 
in drei Stunden vollzogen, und Hefenmazerationssaft bringt sie ebenso 
schon in 214, bis 3 Stunden zuwege! 

Die Versuche sind mit und ohne Zusatz von Zucker ausgeführt 
worden. Eine gewisse Differenz in der Geschwindigkeit der Methyl- 
glyoxal-umwandlung war zwischen den zuckerhaltigen Proben und 
den zuckerfreien Kontrollen zu konstatieren, wobei es auffiel, daß 
mit wenig Hefe in Anwesenheit von Kohlenhydrat das Methyl- 
glyvoxal schneller verschwand. “ine bemerkenswerte Abweichung 
macht sich nach unseren bisherigen Ergebnissen zwischen diesen 
beiden Arten der Versuchsanstellung dadurch geltend, daß bei 
simultaner Vergärung von Rohrzucker infolge phytochemischer Re- 
duktion des Meihylylyoxals eine, wenn auch mäßige Menge, 5 Proz. der 


Theorie, an Propylenglykol, CH, OH OH CH. OH. gebildet wird. 
Dieses ist optisch aktiv, und zwar lävogvT, genau so wie das früher von 
E. Färber, F. F. Nord und C. Neuberg!) durch phytochemische Re- 
duktion des Acetols gewonnene Propylenglykol (a. ß-Di-oxy-propan). 

Zum Unterschiede von den im Jahre 1913 von Neuberg ausgeführten 
Versuchen haben wir zunächst ohne Zugabe eines die Reaktion regu- 
lierenden Bodenkörpers (Caleiumearbonat) gearbeitet und vielmehr 
die Wasserstoffionen-konzentration fortbestehen lassen, die sich in 
dem Gemisch von Hefenmaterial und Methylglvoxallösung von selber 
einstellt. Dieses ist deshalb geschehen, um zu sehen, ob auch bei der 
naturgemäß wachsenden Acidität des Gemenges die Umwandlung zu 
Ende geht. Dies ist der Fall, indem wir zum Schluß ein py von durch- 
schnittlich 3,7 konstatierten, während nach den von Kuhn und Heckscher 
für tierisches Ferment gemachten Angaben bei pa = 4 jede Wirkung 
der Ketonaldehydmutase erlöschen soll. 

Schon rein äußerlich vermag man die fortschreitende Entstehung 
von Säure in den Versuchen mit Hefensaft zu erkennen; denn in diesen 


1) E. Färber, F. F. Nord und C. Neuberg, diese Zeitschr. 112, 313, 1920; 
vgl. P. A. Levene und A. Walti, Journ. biol. chem. 68, 418, 1926. 


Bildung von reiner d (—)-Milchsäure durch frische Hefe usw. 473 


tritt mit zunehmender Umwandlung des Methylglyoxals eine bis zur 
Flockung sich verstärkende Trübung auf, die man auf Säureflockung der 
im Mazerat vorhandenen Hefenproteine beziehen muß; natives Pferde- 
serum oder auch eine klare Eieralbuminlösung, die keine Ketonaldehyd- 
mutase enthalten, werden nämlich von säurefreiem Methylglyoxal der 
angewendeten Konzentration während der angegebenen Versuchszeit 
nicht getrübt, geschweige geflockt. 

Überhaupt ist das Methylglyoxal von außerordentlich bendhtena: 
werter Ungiftigkeit für lebende Ober- und Unter-hefen. Fügt man die 
hochkonzentrierte l0proz. Methylglyoxallösung auf einmal zu einer 
gärenden Zuckerlösung, so daß diese dann in bezug auf den Keton- 
aldehyd cine Molarität von !/,, bis !/,, besitzt, so findet keine Unter- 
brechung der Gärung statt. Zu Beginn erfolgt sogar eine Gärungs- 
beschleunigung, im Einklange mit der schon früher von einem von uns 
beschriebenen!) stimulierenden Kraft dieses Ketonaldehyds. 

Das Propylenglykol, das, wie erwähnt, bei der gemeinsamen 
Digestion von Methylglyoxal mit Zucker durch Hefe gebildet wird, 
sofern letzterer Zeit zur völligen Vergärung findet, wurde nach folgendem 
Prinzip isoliert. Das Gärgut wurde filtriert, mit alkalifreiem Zink- 
carbonat zur Absättigung der entstandenen Säure gekocht, erneut 
filtriert und im Faust-Heimschen Verdunstungskasten zu Sirup kon- 

zentriert. Aus diesem zog bei vielfachem Auskneten kalter absoluter 
Alkohol das 1,2-Propandiol aus, das dann nach Verjagen des Weingeistes 
und Wiederaufnahme des Rückstandes in absolutem Alkohol, im Grunde 
genommen nach der früher zur Darstellung des Gärungs-Glycerins 
ausgearbeiteten Methodik ?), in destillationsfähigen Zustand übergeführt 
wurde. Die Rektifikation im Vakuum ergab dann das Propylenglykol, 
das außer durch Siedepunkt und Drehungsvermögen durch Oxydation 
mit Natriumhypobromit in eine Fehlingsche Lösung äußerst stark 
reduzierende Substanz (wahrscheinlich eine Mischung von Acetol und 
Milchsäurealdehyd) übergeführt wurde; diese lieferte mit p-Nitro- 
phenylhydrazin in essigsaurer Lösung das beweisende Methylglyoxal- 
p-nitro-phenylosazon. 

Dieselbe Verbindung, die von C. Neuberg und E. Kansky?) 1908 
beschrieben worden ist, haben wir übrigens als sicherstes Mittel zur 
Erkennung und Bestimmung noch vorhandenen Methylglyoxals, wie in 
allen unseren einschlägigen älteren?) Arbeiten, auch hier verwendet. 
Fällt die p-Nitro-phenylosazon-Probe negativ aus, so ist mit Bestimmt- 
heit das Methviglyoxal verschwunden. Selbst in Gegenwart von Zucker 


1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 88, 145, 1918. 

2) C. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschr. 92, 234, 1918. 
3) O. Neuberg und E. Kansky, Ber. 41, 956, 1908. 

t) Zuerst bei C. Neuberg, diese Zeitschr. 49, 504, 1913. 


474 C. Neuberg u. M. Kobel: 


ist die Reaktion ausführbar; denn bei Zusammengießen der Lösungen 
in der Kälte und zehnminütigem Zuwarten reagiert der Zucker noch 
nicht unter Osazonbildung, während aus dem Ketonaldehyd Methyl- 
glyoxal in dieser Zeit das Di-hydrazon (= Osazon) ohne weiteres 
entsteht. Wie früher schon wiederholt hervorgehoben wurde, ist die 
Wägung des p-Nitro-phenylosazons eine quantitative Methode, und 
mit ihr ließ sich dartun, daß während der Versuchszeit die unspezifische 
Umwandlung unseres vollkommen reinen Methylglyoxals hier, d. h. in 
Abwesenheit von Calciumcarbonat, nicht mehr als 3 Proz. betrug. 

Das gleiche Verfahren kam zur Anwendung für die Feststellung des 
Dismutationsvorganges bei jenen Versuchen, in denen infolge geringer 
Hefenzugabe nur eine etwa 50proz. Umwandlung des Substrats be- 
wirkt war. Mit Ausnahme dieser Ansätze, in denen durch beabsichtigte 
Beschränkung des Fermentmaterials ein nur teilweiser Verbrauch des 
Methylglyoxals herbeigeführt war, ist in allen übrigen Ansätzen die 
Ausgangssubstanz vollständig verschwunden gewesen. Wir beziehen 
dieses Ergebnis noch nicht auf eine 100 proz. Überführung in Milchsäure. 
Die üblichen Milchsäureanalysen nach Clausen und den an diesem Ver- 
fahren angebrachten Modifikationen ergaben, je nach der Versuchs- 
anordnung, bei frischen Hefen eine Ausbeute an Milchsäure von 47 bis 
82 Proz., bei Trockenhefe 62 bis 77 Proz. und bei Hefensaft 73 bis 88 Proz. 

Wir möchten an dieser Stelle abermals hervorheben, daß diese 
bedeutende Menge Milchsäure schon in der kurzen Zeit von 21; bis 
3 Stunden in einer Flüssigkeit erzielt wurde, die in bezug auf Methyl- 
glyoxal einen Gehalt gleich m/10 bis m/15 aufwies. Wir wollen es zum 
Gegenstande einer besonderen Untersuchung machen, ob die an sich vor- 
treffliche Milchsäure-bestimmungs-Methode in der bisher geübten Forn 
auch für solche Fälle zuverlässig ist, in denen niedere Spaltungsprodukte 
des Eiweißes vorhanden sind; denn weder durch die Enteiweißung nach 
Schenk noch die nach Folin-Wu werden Proteosen und Aminosäuren 
fortgeschafft. Hierzu müßte das Verfahren nach Neuberg und Kerb 
herangezogen oder auf das Prinzip der Ohlssonschen Methode zurück- 
gegriffen werden. Immerhin haben wir durch Anstellung von Blind- 
versuchen an Proben, in denen frische Hefen, Trockenhefen und Hefen- 
mazerationssäfte ohne Methylglyoxalzusatz unter identischen Be- 
dingungen digeriert waren, den dann wirklich oder scheinbar vor- 
handenen Milchsäuregehalt ermittelt und ihn von dem im jeweils zu- 
gehörigen Hauptversuch erhaltenen Ertrag in Abzug gebracht. Die 
erwähnten Ausbeutezahlen, die bei den wechselnden Versuchsbedin- 
gungen von 47 bis 88 Proz. reichen, sind die auf enzymatische 
Methylglyoxal-umwandlung sich beziehenden Werte. 

Daß mit einem Fehler der bisherigen Methode der Milchsäure- 
bestimmung (Oxydation zu Aldehyd) vielleicht gerechnet werden 


Bildung von reiner d (—)-Milchsäure durch frische Hefe usw. 475 


muß, ergibt sich nun daraus, daß die von uns in den Versuchen mit 
frischer Hefe isolierte Milchsäure den reinen optischen Antipoden der 
sonst in der Natur vorkommenden Raumform der Milchsäure darstellt. 
Die im Blindversuch scheinbar ermittelte Milchsäure müßte doch wohl 
gewöhnliche l(+)- oder d,1-Milchsäure sein. Unser Vorgehen bei der 
Isolierung und der Kristallisation (s. experimenteller Teil) bürgt aber 
dafür, daß nicht etwa die durch Kombination mit der anderen Kompo- 
nente sich bildende oder präformierte Razemform entfernt wird. (Viel 
geringere Löslichkeit des d, 1-Zinklactats!) Zugleich beweist die Iso- 
lierung des Zinksalzes der reinen d(—)-Milchsäure, daß tatsächlich die 
spezifische Dismutation des Methylglyoxals die vorherrschende Reaktion 
ist. Im Gegensatz zu dem Effekt der lebenden Hefe ging aus der Be- 
handlung des Methylglyoxals mit zellfreiem Mazerationssaft — in 
Übereinstimmung mit den älteren Beobachtungen des einen von uns — 
die d, 1-Milchsäure hervor. Nicht unerwähnt bleibe, daß wir Anzeichen 
dafür gefunden zu haben glauben, daß ein Teil des Methylglyoxals 
von Hefe vergoren wird. Auf diese Frage behalten wir uns vor, zurück- 
zukommen, wie auch auf verschiedene Konsequenzen, die sich aus 
früheren Erfahrungen auf diesem Gebiete sowie aus den vorstehenden 
Ausführungen nebst nachfolgenden analytischen Daten ergeben. 


Das als Substrat verwendete Methylelvoxal war nach der vorzüglichen 
Vorschrift von H.O. L. Fischer und C. Taube!) aus Dioxyaceton gewonnen 
und lag nach zweimaliger Rektifikation in völlig reinem Zustande vor. 
Sofort nach der letzten Destillation wurde eine rund 10proz. wässerige 
Lösung bereitet und in dieser der genaue Gehalt an Ketonaldehyd durch 
Darstellung und Wägung des p-Nitro-phenylosazons ermittelt. 


I. Versuche mit frischen Hefen als Fermentmaterial. 
A. Oberhefe Sinner. 


1. Versuchsreihe. 

l. 100 ccm 25proz. Rohrzuckerlösung, 37,5 g frische Oberhefe, 
mit Wasser auf 275 ccm aufgefüllt; nach Angärung?) Zugabe 
von 25ccm Methylglyoxallösung, enthaltend 2,3726 g reinen 
Ketonaldehyd. 

2. 100 eem 25proz. Saccharoselösung, 37,5 g der Oberhefe, mit 
Wasser auf das Volumen von 300 cem gebracht. 

3. 18,75g Hefe, mit Wasser auf 137,5 ccm aufgefüllt; 12,5 cem 
Methylglyoxallösung, enthaltend 1,1863 g Methylglyoxal. 

4. 137,5cem Wasser; 12,5 ccm Methylglyoxallösung, enthaltend 
1,1863 g reines Methylglyoxal. 


1) H.O. L. Fischer und C. Taube, B. 57, 1502, 1924; 59, 857, 1926. 
2) Die Einleitung einer vorangehenden Angärung ist nicht wesentlich. 


476 C. Neuberg u. M. Kobel: 


Täglich entnahmen wir den Ansätzen, die hier wie in allen übrigen 
Fällen bei einer 23° nicht übersteigenden Zimmertemperatur stehen 
blieben, einige Kubikzentimeter und ermittelten den Methylglyoxal- 
gehalt durch die Osazonprobe sowie den Zuckergehalt durch Prüfung 
mit Fehlingscher Mischung, falls das Methylglyoxal verbraucht war. Nach 
6 Tagen war in einer filtrierten Probe von Ansatz 1 kein Methylglyoxal 
mehr nachzuweisen und der Zucker war hier wie in Ansatz 2 vergoren. 
In Ansatz 3 schritt der Methylglyoxal-schwund zwar von Tag zu Tag 
weiter fort, ging aber nicht bis zu Ende. In diesem Ansatz wurde deshalb 
bei Abbruch der Versuchsserie eine Restbestimmung des Methyl- 
glyoxals durch Darstellung und Wägung des p-Nitro-phenylosazons 
ausgeführt. Es ergab sich, daß noch 48,1 Proz. des ursprünglichen 
Methylglyoxals zugegen waren. In Ansatz 4 erfolgte zur gleichen Zeit 
eine Ermittlung des Methylglyoxals ; 97,5 Proz. der anfänglichen Menge 
waren noch unverändert. 


Über den Endgehalt der Ansätze 1 und 2 an Säure unterrichteten 
wir uns approximativ auf alkalimetrischer Basis, während die eigent- 
liche Analyse nach dem Oxydations-Titrations-Verfahren geschah. 


Titration. l5ccem von Ansatz l verbrauchten nach Kochen 
mit überschüssiger Natronlauge und Zurücktitrieren mit Salzsäure 
15,7 cem n/lO NaOH; 1l15ccm von Ansatz 2 benötigten 3,7 ccm 
n/10 Lauge. Die Differenz, 12ccm n/l0 Natriumhydroxyd, würde der 
gebildeten Milchsäure, nämlich 0,108g in l5ccm entsprechen. Im 
ganzen Ansatz (300 ccm) wären demnach 2,160 g Milchsäure; ber. 
2,966 g. Eine Ausbeuteberechnung führt also zu 73 Proz. der Theorie. 


Zur Milchsäurebestimmung nach Clausen bzw. Hirsch-Kaufmann 
erübrigte sich die Eiweißfällung nach Schenk, da nach dem Abfiltrieren 
der festen Hefenbestandteile der Zusatz von Salzsäure und Quecksilber- 
chlorid keinen Niederschlag mehr hervorrief. Dagegen erwies es sich als 
nötig, den durch alkoholische Gärung gebildeten Weingeist zu entfernen. 
Man erreicht das ohne Verlust an Milchsäure, indem man das klare 
Zentrifugat mit Natronlauge neutralisiert, mit Phosphorsäure ganz 
schwach ansäuert und langsam dreimal auf dem Wasserbade abdampft. 
Nach Aufnehmen in Wasser erfolgte die Entfernung der Kohlenhydrate 
in üblicher Weise durch Kupfer-Kalk und anschließend die Oxydation 
mit Permanganat. 


Für Ansatz 1 ergab sich so in 1 ccm 6,792 mg Milchsäure, für An- 
satz 2 nur 0,282 mg scheinbare Milchsäure. Nach Abzug dieser Menge 
von dem Wert des Ansatzes 1 erhält man den eigentlichen Gehalt an 
Milchsäure, nämlich 6,510 mg auf 1 cem Urlösung. Im ganzen Ansatz 
(300 ccm) wären tatsächlich 1,953 g Milchsäure, gegen 2,966 g berechneter, 
d. h. 66 Proz. der Theorie, vorhanden. 


ën ` em Fa wn 


Bildung von reiner d (— )-Milchsäure durch frische Hefe usw. 477 


Isolierung des milchsauren Zinks. 


150 ccm des klaren Zentrifugats von Ansatz 1 wurden mit Natron- 
lauge neutralisiert, mit Phosphorsäure schwach angesäuert, im Va- 
kuum eingeengt, stärker phosphorsauer gemacht, mit schwefelsaurem 
Ammonium gesättigt, filtriert, mit konzentrierter Ammonsulfatlösung 
nachgewaschen und im Perkolator erschöpfend extrahiert. Darauf 
wurde der Ätherauszug verdampft, der Rückstand in Wasser gelöst, 
etwa 1, Stunde gekocht, mit 20g ausgewaschenem Bleicarbonat bis 
zur völligen Neutralisation im Wasserbade erhitzt, in Eis abgekühlt, 
filtriert und mit Eiswasser nachgewaschen. Das klare Filtrat wurde 
mit Schwefelwasserstoff entbleit, filtriert und von gelöstem Schwefel- 
wasserstoff durch einen Luftstrom befreit. Die klare milchsäurehaltige 
Flüssigkeit wurde mit 10 g alkalifreiem Zinkearbonat bis zur neutralen 
Reaktion im siedenden Wasserbade digeriert, abgesaugt und gut nach- 
gewaschen; das klare Filtrat, aus dem sich manchmal, aber keineswegs 
immer, noch ein Flöckehen irgend einer Verunreinigung abschied, 
wurde auf dem Wasserbade verdampft und der Rückstand an der Luft 
getrocknet. Ausbeute 1,868 g milchsaures Zink. Nach Unmkristalli- 
sation aus heißem Wasser und Trocknen an der Luft diente das Salz 
zur Analyse und Polarisation. 


a) Wasserbestimmung. 


0,1850 g lufttrockenes Salz verloren bei 105° 0,0241 g H,O. 


B) Zinkoxndbestimmung. 
0,1416 g lufttrockenes Salz gaben 0,0416 g ZnO; 
0,1222 g > e » 0,0359 g ZnO. 
Ant Pak + 2H,0. Ber.: H,O = 12,89 Proz.; ZnO = 29,11 Proz. 
Gef.: H,O = 13,03 „ ; ZnO = 209.40 ,„; 
ZnO = 29,36 „. 
y) Drehungsbestimmung. 
Eine 2,457 proz. wässerige Lösung, die 0,2821 g lufttrockenes Zink- 
salz in 10,0 ccm enthielt, zeigte im 2-dem-Rohr eine Ablenkung von 
a = + 0,41%. [a] = + 83°. 


Es liegt also das Zinksalz der reinen d(—)-Milchsäure vor, da dieses 
in 2,5proz. Lösung die spezifische Drehung von + SO besitzt. 


2. Versuchsreihe. 
5. 50cem 40proz. Zuckerlösung, 
140 , Wasser, 
20 g Oberhefe Sinner, 
10 ccm Methylglyoxallösung (= 1,0904 g Methylglyoxal). 
Gesamtvolumen 214 cem. 


478 C. Neuberg u. M. Kobel: 


D 50 ccm 40proz. Zuckerlösung, 
150 ‚ Wasser, 
20 g Oberhefe Sinner. 


Gesamtvolumen 214 ccm. 
7. 170 cem Wasser, 


20g Hefe Sinner, 
10 ccm der selben Methylglyoxallösung. 


Gesamtvolumen 196 ccm. 


8. 190 ccm Wasser, 
10 ,, der gleichen Methylglyoxallösung. 


Nach 4 Tagen waren in Ansatz 5 und 6 der Zucker, und in Versuch 5 
auch das Methylglyoxal vollkommen verschwunden, während es in 
Versuch 7 wiederum noch teilweise unangegriffen war. Mit Hilfe der 
p-Nitro-phenylosazon-Methode wurden in Ansatz 8, der die unspezifische 
Umwandlung anzeigt, noch 97 Proz., und in Versuch 7 bloß 37,8 Proz. 
des angewendeten Methylglyoxals gefunden. 


Milchsäurebestimmungen. 


In Ansatz 5 für 100 eem `, gef.: 0,516 g Milchsäure 

Se ee, Br. ODE ui a Be ét, d „ 0,0458 eg 

Als Differenz zwischen 5 und 6 für 100ccm. . gef.: 0,471 g Milchsäure 

oder im ganzen Ansatz (= 2l4cem) . . . . ,„ 1,008g i 
ber.: 1,363 g z 


Ausbeute 74 Proz. der Theorie. 


d. Versuchsreihe. 
H DO eem 40proz. Rohrzuckerlösung, 
110 , Wasser, 
30 g Oberhefe Sinner, 
10 ccm Methylglyoxallösung (= 0,9126 g Methylglyoxal). 
Gesamtvolumen 195 cem. 
10. 50ccm 40proz. Rohrzuckerlösung, 
120 , Wasser, 
30 g Oberhefe Sinner. 


Gesamtvolumen 195 cem. 


Bildung von reiner d (— )-Milchsäure durch frische Hefe usw. 479 


11. 130 ccm Wasser, 
60 g Oberhefe!), 
10 ccm Methylglyoxallösung wie oben. 
Gesamtvolumen 190 cem. 


12. 140 ccm Wasser, 
60 g Hefe. 
Gesamtvolumen 190 ccm. 


13. 190 ccm Wasser, 
10 ,, der selben Methylglyoxallösung. 
Gesamtvolumen 200 ccm. 


Der Zucker in Versuch 9 und 10 und das Methylglyoxal in 9 und 11 
waren mit der größeren Hefenmenge nach 2 Tagen vollständig ver- 
schwunden. Zu dieser Zeit wurden in Ansatz 13 noch 99 Proz. des 
angewandten Ketonaldehyds wiedergefunden. Nach Zentrifugieren 
der Hefenansätze wurden in der klaren und vom Alkohol völlig be- 
freiten Flüssigkeit die Kupfer-Kalk-Fällungen vorgenommen und die 
Milchsäuremengen ermittelt. 


In Ansatz 9 für 100 cem. ........ gef.: 0,505g Milchsäure 
Ge er AO um, OO a ee er „  0,026g 5 
Als Differenz zwischen 9 und 10 für 100ccm gef.: 0,479 gMilchsäure. 


Im ganzen Ansatz (195 cem). . ...... » 0,934g We 

ber.: 1,14l g 2 
Ausbeute: 82 Proz. der Theorie. 

In Ansatz 11 für 100 cem. . ... 2... gef.: 0,351g Milchsäure 

$ = 12- a 100" a. E er e, „  0,016g F 

Als Differenz 11 — 12 für 100cem ..... gef.: 0,335 g Milchsäure. 

Im ganzen Ansatz (190 cem). . .....x» vn  0,637g i 
ber.: 1,141g D 


Ausbeute: 56 Proz. der Theorie. 


B. Unterhefe Patzenhofer. 


4. Versuchsreihe. 
IA 50 ccm 40proz. Zuckerlösung. 
140 , Wasser, 
20 g Unterhefe Patzenhofer, 
10 ccm Methylglvoxallösung (= 1,0904 g Methylglyoxal). 
Gesamtvolumen 214 ccm. 


!) In den zuckerfreien Ansätzen wandten wir das doppelte Hefen- 
quantum an. 


480 C. Neuberg u. M. Kobel: 


15. 50ccm 40proz. Zuckerlösung, 
150 ,, Wasser, 
20 g Unterhefe Patzenhofer. 
Gesamtvolumen 214 ccm. 


16. 170 ccm Wasser, 
20 g Hefe Patzenhofer, 
10 ccm Methylglyoxallösung. 
Gesamtvolumen 196 ccm. 


17. 190 ccm Wasser, 
10 , Methylglyoxallösung. 


Nach 5 Tagen war in Ansatz 14 Methylglyoxal nebst Zucker, in 
15 der Zucker verbraucht, während in 16 noch ein Teil des Methyl- 
glyoxals unverändert geblieben war. Die Wägung des p-Nitro-pheny]- 
osazons ergab in diesem Ansatz einen Rest von 36,2 Proz. des ursprünglich 
zugefügten Ketonaldehyds und im Vergleichsversuch 17 noch 97 Proz., so 
daß also lediglich 3 Proz. Methylglyoxal unspezifisch verändert worden 
waren. 


Milchsäuregehalt. 
In Ansatz 14 für 100cem. . . 2.2 .2.. gef.: 0,492g Milchsäure 
d e, Mes vn AOO Ze, e Ar ën i e „  0,048g e 
Als Differenz 14 15 für 100 eem . .... gef.: 0,444g Milchsäure. 
Im ganzen Ansatz (214 ccm). ....... „ 0,950g e 


ber.: 1,363 g e 
Ausbeute: 70 Proz. der Theorie. 


ô. Versuchsreihe. 


18. 3 Liter Wasser, 
350 g Zucker, 
300 g Patzenhofer Hefe, 
140 g Methylglyoxallösung (= 14,0938 g Methylglyoxal). 
Gesamtvolumen 3,475 Liter. 


19. 3,14 Liter Wasser, 
350 g Zucker, 
300 g Unterhefe. 
Gesamtvolumen 3,475 Liter. 


20. 95 ccm Wasser, 
5 ,„ Methylglyoxallösung (= 0,50335g Ketonaldehyd). 


Nach 3 Tagen war der Zucker in 18 und 19 vergoren und in 18 
auch das Methylglyoxal verschwunden. Im fermentfreien Versuch 20 
war zum Schluß noch das gesamte Methylglyoxal vorhanden. 


Bildung von reiner d (—)-Milchsäure durch frische Hefe usw. 481 


Milchsäuregehalt. 
In Ansatz 18 für 100 ccm. . ........ gef.: 0,400g Milchsäure 
ie 00 ee ©.. „ 0,031g e 


Als Differenz 18 — 19 für 100cem . . . . . gef.: 0,369g Milchsäure. 
Im ganzen Ansatz (3,475 Liter) . . . 2... „ 12,822g eh 


ber.: 17,617 g e 
Ausbeute: 73 Proz. der Theorie. 


Isolierung von Zinklactat und Propylenglykol aus Ansatz 18. 


3 Liter des Zentrifugats vom Ansatz 18 wurden mit 100g Zink- 
carbonat (alkalifrei) 2 Stunden im siedenden Wasserbade gekocht, 
abgesaugt, der Niederschlag gut nachgewaschen und das klare Filtrat 
mit etwas Zinkcarbonat im Faust-Heimschen Apparat zum Sirup 
eingeengt. Durch sorgfältiges wiederholtes Verreiben mit kaltem, 
absolutem Alkohol wurde das Propylenglykol ausgezogen, während 
der größte Teil des Zinklactats mit Verunreinigungen aus der Hefe als 
pulvriger Rückstand zurückblieb. Dieser unlösliche Anteil, durch Zentri- 
fugieren abgetrennt, wurde in Wasser gelöst, mit H} PO, gegen Kongo 
angesäuert und mit schwefelsaurem Ammoniak gesättigt; dann wurde 
wie zuvor (s. S. 477) die Milchsäure mit Äther extrahiert. | 

Der kalte alkoholische Auszug wurde im Vakuum verdampft. 
Der Rückstand war in absolutem Alkohol löslich. Es wurde das gleiche 
Volumen wasserfreien Äthers hinzugefügt, von dem entstandenen Nieder- 
schlag abfiltriert und gut nachgewaschen. Nach Eindampfen wurde 
die Auflösung in Alkohol und Fällung mit Äther wiederholt und so fort, 
bis das Residuum im Gemisch gleicher Teile absoluten Alkohols und 
Äthers klar löslich war. 

Die vereinigten Niederschläge der Alkohol-Äther-Fällungen gaben 
noch ziemlich stark die Milchsäure-reaktion nach Hopkiıns-Fletcher 
und wurden deshalb nach der vorher angegebenen Vorbereitung mit 
Äther extrahiert. Aus den ätherischen Milchsäurelösungen wurden 
durch die S. 477 beschriebene Behandlung 18.5g reines Zinksalz der 
d(—)-Milchsäure erhalten. Die Drehung einer 2,5proz. Lösung des Roh- 
produkts im 2-dem-Rohr betrug a = + 0.399, [a] = + 7,8°. Somit 
war schon das Produkt des allerersten Kristallausfalls praktisch rein. 

Nach Umkristallisation war [a], = + 80° (a = + 0,400, l= 2, 
= 2,5). 

0,1936 g lufttrockene Substanz gaben 0,0252 g H,O ab. 

0,1773 g lufttrockene Substanz lieferten 0.0517 g ZnO. 

Zn (CH; 03) + 2H,0. Ber.: H,O = 12,89 Proz.; ZnO = 29,14 Proz. 
Gef.: H,O = 13,01 „ ; ZnO = 29,16 


UN 


482 ` C. Neuberg u. M. Kobel: 


Die in Alkohol und Äther klar lösliche Portion wurde zu Sirup 
verdampft, in absolutem Alkohol aufgenommen, über wasserfreiem 
Natriumsulfat getrocknet, vom Alkohol befreit und bei 12mm frak- 
tioniert. | 

Fraktion a) 90 bis 92°: 0,6737 g Propylenglykol und 
D b) 160°: 0,450 g unbekannte Substanz. 


Im ganzen Ansatz von 3,475 Liter sind demnach 0,780g Propylenglykol. 
Die Ausbeute am richtig siedenden a, ß-Dioxypropan belief sich auf 
5,24 Proz. der Theorie, die 14,88 g fordern würde, wenn alles Methyl- 
glyoxal phytochemisch zum Propylenglykol reduziert worden wäre. 

Die 0,6737 g der Fraktion a) wurden in Wasser gelöst, auf 10,0 cem 
aufgefüllt und polarisiert. Im 2-dem-Rohr war a = — 0,70°, also 
[a], = — 5,2. | 


Oxydation des Propylenglykols mit Brom-Soda, 


In der Propylenglykol-lösung von der Polarisation, die auf 5cem 
konzentriert war, wurden 2,5g kristallisierte Soda heiß gelöst; nach 
Abkühlung auf 5° setzten wir 0,35 cem Brom auf einmal hinzu. Beim 
Umschütteln trat sofort fast gänzliche Entfärbung und Kohlensäure- 
entwicklung ein, die nach etwa 40 Minuten beendet war. Nun wurde 
mit Salzsäure angesäuert, zur Entfärbung des frei gemachten Broms 
einige Blasen schwefliger Säure eingeleitet und schließlich mit Natron- 
lauge neutralisiert. 

Diese Flüssigkeit reduzierte Fehlingsche Mischung sofort in der 
Kälte außerordentlich stark und gab beim Erhitzen mit p-Nitro- 
phenylhydrazin-acetat das Methylglyoxal-p-nitro-phenylosazon, das 
nach Unikristallisation aus Pyridin-Essigsäure den richtigen Schmelz- 
punkt von 284° besaß. 

6. Versuchsreihe. 

21. 50ccm 40proz. Zuckerlösung, 

110 ,. Wasser, 

30 g Unterhefe, 

10 ccm Methylglyoxallösung (= 0,9126 g Methylglyoxal). 

Gesamtvolumen 195 ccm. 

22. 50ccm 40proz. Zuckerlösung, 

120 , Wasser. 

30 g Unterhefe. 

Gesamtvolumen 195 cem. 
23. 130 cem Wasser, 
60 g Hefe, 
10 cem Methylglyoxallösung. 
Gesamtvolumen 190 cem. 


Bildung von reiner d (— )-Milchsäure durch frische Hefe usw. 483 


24. 140 ccm Wasser, 
60 g Hefe. 
Gesamtvolumen 190 ccm. 
25. 190 ccm Wasser, 
10 ,, Methylglyoxallösung. 
Gesamtvolumen 200 cem. 


In Versuch 23 war das Methylglyoxal bereits nach 24 Stunden 
verschwunden, in 21. Zucker nebst Methylglyoxal nach 46 Stunden. 


Milchsäuregehalt. 
In Ansatz 21 für 100cem . ....... gef.: 0,490 g Milchsäure 
= e 22 220. Lu VE E » 0,077g D 
Als Differenz 21 — 22 für JOOccm . . gef: 0,413 g Milchsäure. 
Im ganzen Ansatz (195 eem) . . ..... » 0,8058 e 
ber.: 1,141 g e 
Ausbeute 71 Proz. der Theorie. ` 
In Ansatz 23 für 100 ccm `, gef.: 0,350 g Milchsäure 
Su ër E, ie, ER äm ee a „ 0,070g o 
Als Differenz 23 — 24 für 100 cem . . . . gef.: 0,280 g Milchsäure 
Im ganzen Ansatz (190 cem) . . ..... „0,532 g 3 
ber.: 1.141 g ji 


Ausbeute 47 Proz. der Theorie. 


Il. Versuche mit Trockenhefe aus Patzenhofer Unterhefe. 


7. Versuchsreihe. 


26. 50 ccm 20proz. Zuckerlösung, 
140 ,, Wasser, 
25 g Trocken-Unterhefe, 
10 cem Methylglyoxallösung (= 1,1252 g Ketonaltdehyd). 
2 ,, Toluol. 
Gesamtvolumen 210 eem. 


27. DO eem 20proz. Zuckerlösung, 
150 ‚ Wasser, 
25 g Trockenhefe, 
2 ccm Toluol. 
Gesamtvolumen 210 cem. 
38. 190 cem Wasser, 
25 g Trockenhefe, 
10 cem obiger Methylglyox»llösung, 
2 „ Toluol. 
Gesamtvolumen 210 cem. 
Biochemische Zeitschrift Band 182. 392 


484 C. Neuberg u. M. Kobel: 


29. 200 cem Wasser, 
25 g Trockenhefe, 
2 cem Toluol. 
Gesamtvolumen 210 ccm. 


30. 100 cem Wasser, 
5 ,„ der gleichen an 
l , Toluol. 
Gesamtvolumen 105 cem. 


Die Osazonproben auf Methylglyoxal und die Reduktionsversu 
mit Fehlingscher Lösung mußten in den Ansätzen mit Trockent 
und ebenso bei Saft (s. S. 485) selbstverständlich in koagulierten ı 
klar zentrifugierten Anteilen vorgenommen werden. Bereits n: 
3 Stunden war in Ansatz 26 und 27 kein Methylglyoxal mehr v 
handen; unbeschadet des noch unvergorenen Zuckers wurde der Mil 
säuregehalt ermittelt. Zur Entfernung der Kohlenhydrate mußte 
diesen Versuchen natürlich eine erheblich größere Menge Kupfer-K: 
angewendet werden als für gewöhnlich. 


Zur Eiweißfällung wurde nach Schenk zu dem nicht koagnliert: 
Ansatz die gleiche Menge einer 4proz., mit Kochsalz gesättigten Nal 
säure und die doppelte Menge 5proz. Sublimats zugegeben. Nach d 
Entquecksilberung wurde der Alkohol durch dreimaliges Eindanmyk 
entfernt und dann die Kupfer-Kalk-Fällung vorgenommen. | 


Milchsäuregehalt. 

In Ansatz 26 für 100 eem . .. 2.2... gef.: 0,630 g Milchsa: 
a a, ae y | |, | g a a ce d AN 05g 2 
Als Differenz 26 — 27 für IO eem . ... gef.: 0,5l5g Milchsä: 
Im ganzen Ansatz (210 cem) . ...... „1082 g 

ber.: 1,406 g m 

Ausbeute 77 Proz. der Theorie. 

In Ansatz 28 für JOO cem . . . 2.2... gef.: 0,477 g Milchsä' 
e aw 20 ae TOO ap Eder » 0.064 8 


Als Differenz 28 — 29 für 10 cem .... gef.: 0,413 g Milchsä:: 
Im ganzen Ansatz (2l0Ocem) . . ..... „0.867 g M 
ber.: 1,406 g 


Ausbeute 62 Proz. der Theorie. 


Bei Wiederholung der Versuche dieser Serie in genau glei 
Anordnung, jedoch mit einer anderen Trocken-Unterhefe, fanden 


Bildung von reiner d (—)-Milchsäure durch frische Hefe usw. 485 


zuckerhaltigen Ansatz eine Ausbeute an Milchsäure von 71 Proz. 
| im zuckerfreien Versuch eine Ausbeute von 66 Proz. 

Das Zinksalz selbst war mindestens zu 95 Proz. reine d(—)- 
tat, enthielt also wohl eine Spur Racemat. 


lil. Versuche mit Hefenmazerationssaft aus Patzenhofer Unterhefe. 
8. Versuchsreihe. 


31. 200 ccm Mazerationssaft nach von Lebedew, 
10 g Zucker, 
10 cem Methylglyoxallösung (= 1,1252 g Ketonaldehyd), 
„ Wasser, 
„ Toluol. 
Gesamtvolumen 220 eem. 
32. 200 cem Saft, 
10 g Zucker. 
15 ccm Wasser, 
2 ,, Toluol. 
Gesamtvolumen 220 cem. 


33. 200 cem Saft, 
10 ,, der gleichen Methyiglyoxallösung, 
10 , Wasser, 
2 ,„ Toluol. 
Gesamtvolumen 220 cem. 
34. 200 cem Saft, 
20 ,, Wasser, 
2 ,, Toluol. 
Gesamtvolumen 220 ecm. 


5 
2 


33. 105 cem Wasser, 
5 . von eben derselben Methvlglyoxallösung, 
1 , Toluol. 
Gesamtvolumen 110 cem. 


In dieser Versuchsreihe war nach 21/, Stunden sämtliches Methyl- 
voxal bereits verschwunden. Die Vorbereitungen zu den Milchsäure- 
=timmungen waren die gleichen wie bei den Trockenhefen -Versuchen 
. Ñ. 484). 


ı Ansatz 31 für 1l0OOcem `... . gef: 0.656 g Milchsäure 

En B32 ap OO een ee Weeer e 

ls Differenz 31 — 32 für Leem . . . . gef.: 0,481 g Milchsäure. 

n ganzen Ansatz (220 ccm) `, . ». . 2.2.0. 108588 n 
ber.: 1,406 g ` 


Ausbeute 75 Proz. der Theorie. 


486 C. Neuberg u. M. Kobel: 


In Ansatz 33 für 100 eem . ....... gef.: 0,631 g Milchsäure 
2 s 84 a ODE ie aena „ 0,162 g = 
Als Differenz 33 — 34 für 100 ccm . . . . gef.: 0,469 g Milchsäure. 
Im ganzen Ansatz (220 cem) . . ..... „ . 1031g 5 

ber.: 1,406 g p 


Ausbeute 73 Proz. der Theorie. 


9. Versuchsreihe. 
36. 3 Liter Mazerationssaft, 
300 g Zucker, 
150 cem Methylglyoxallösung (= 15,594 g Ketonaldehyd). 
30 ,, Toluol. 
Gesamtvolumen 3300 cem. 
37. 1 Liter Saft, 
100 g Zucker, 
50 cem Wasser, 
10 ‚,, Toluol. 
Gesamtvolumen 1100 cem. 
38.  1Liter Saft, 
50 ccm Methylglyoxallösung (5.198 g Methylglyoxal), 
10 ,, Toluol. 
Gesamtvolumen 1050 ccm. 
39. l Liter Saft, 
25 ccm Wasser, 


25 , der selben Methylglyoxallösung (= 2,599g Keton- 


aldehyd), 
10 ,, Toluol. 
Gesamtvolumen 1050 ccm. 
40. 500 cem Saft, 
25 ,„ Wasser, 
5 , Toluol. 
Gesamtvolumen 525 ccm. 
41. 95 ccm Wasser, 
5 ,,  Methylglyoxallösung, 
l ,„ Toluol. 
Gesamtvolumen 100 cem. 


Bereits nach 11, Stunden war in 39 kein Methylglyoxal mehr 
nachzuweisen und nach 3 Stunden war es auch in den anderen Saft- 
ansätzen nicht mehr zu entdecken. Nach dieser Zeit war in der 


Kontrollprobe 41 der Methylglyoxalgehalt ganz unverändert. 


Bildung von reiner d (—)-Milchsäure durch frische Hefe usw. 487 


Milchsäuregehalt. 
In Ansatz 36 für 100 ccm . ....... gef.: 0,821 g Milchsäure 
wie ae Si a AOO ee a er ër Rare „0,300 g H 
Als Differenz 36 — 37 für 100 ccm . . . . gef.: 0,521 g Milchsäure. 
Im ganzen Ansatz (3300 ccm). . . .... „ 17,193 g S 


ber.: 19,493 g 8 
Ausbeute 88 Proz. der Theorie. 


In Ansatz 38 für 100 ccm . . . 2.2.2... gef.: 0,713 g  Milchsäure 

H » 40 „ 100 A6. äi e A éi ee on 0,306g e 

Als Differenz 38 — 40 für IO ccm . . . . gef.: 0,407 g Milchsäure. 

Im ganzen Ansatz (1050 cem). . ..... „ 42748 5 
ber.: 6,498 g e 

Ausbeute 66 Proz. der Theorie. 

In Ansatz 39 für 100 cem . . . 2.2... gef.: 0,559g Milchsäure 

m e: AN. TOO Er „ 0,306 g ge 

Als Differenz 39 — 40 für 100 cem . . . . gef.: 0,253 g Milchsäure. 

Im ganzen Ansatz (1050 cem). . ..... „2,657 g A 


ber.: 3,249 g T 
Ausbeute 82 Proz. der Theorie. 


Der Ertrag war also in der dünneren, schnell enzymatisch um- 
gesetzten Methylglyoxallösung etwas höher. 

Das aus Ansatz 36 isolierte Zinksalz war optisch inaktiv!). Daß 
tatsächlich das Racemat vorlag. zeigte auch die Bestimmung des Kristall- 
wassers und der Asche. 

0,1808 e lufttrockenes Salz gaben 0,0333 g H,O ab. 

0,1826 g lufttrockenes Salz lieferten 0,0505 g ZnO. 

Zn(C,H,0,), + 3H,0. Ber.: H,O = 18.18 Proz.; ZnO = 27,35 Proz. 
Gef.: H,O = 1842 , ; ZnO = 27,65 ,, 


1) Die Mutterlauge war ganz minimal dextrogyr. 


Berichtigung 


zu der Arbeit: Über individuelle Verschiedenheiten des isoelektrischen 
Punktes beim Frauenmilchcasein, von F. Trendtel, diese Zeitschr. 180, 
371 bis 376, 1927. 
In Versuchsreihe Il (S. 373 bis 374) ist zu lesen: 
(Nicht umgefälltes Casein) statt (Nicht umgefülltes Casein). 


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GRE NEE Sch Kr 


Biochemische Zeitschrift 


Unter Mitwirkung von 


M.Ascoli-Catania, L. Asher-Bern, A. Bach-Moskau, M. Bergmann-!’rasden, G. Bertrand- 
Paris, A. Bickel- Berlin, F. Binmentbal-Berlin, Fr. Boas- Weihenstephan, A. Bonanni-Rom, 
F. Bottazzi- Neapel, G. Bredig - Karlsruhe i. BE, Wi. Butkewitsch- Moskau, M. Cremer- 
Berlin, R. Doerr- Basel, A. Durig- Wien, F. Ebrlich- Breslau, H.v. Euler-Stockholm, S. Flexner- 
New York, J. Forssman-Lund, 8. Fränkel- Wien, E. Freund-Wien, H. Freundlich-Berlin, 
E. Friedberger - Greifswald, E. Friedmann - berlin, E. Fromm - Wien, O. Firth - Wien, 
F. Haber - Berlin, M. Hahn- Berlin, P. Häri- Budapest, F. Hayduck - Berlin, E. Higg- 
lund - Abo, V. Henri. Paris, V. Henriques- Kopenbagen, R. 0. Herzog- Berlin, K. Hess- 
Berlin, W. Heubner -Göttingen, R. Höber- Kiel, M. Jacoby - Berlin, P. Karrer- Zürich, 
A. J. Kluyver - Delft, M. Kochmann - Halle a. 8., R. Krimberg- Riga, F. Landoif- Buenos 
Aires, L. Langstein - Berlin, E. Laqueur - Amsterdam, 0. Lemmermann - Berlin, E. J. 
Lesser-Mannheim, P. A.Levene-New York, 8. Loewe- Dorpat, A. Loewy- Davos, H. Liers- 
München, Th. Madsen-Kopenhagen, A. Magnus - Lery- Berlin, J. A. Mandel- New York, 
E. Mangold - Berlin, L. Marchlewski- Krakau, P. Mayer- Karlsbad, J. Meisenheimer- 
Tübingen, 0. Meyerbof-Berlin, L.Michaelis-Baltimore, H. Molisch-Wien, H. Murschhauser- 
Düsseldorf, W. Nernst-Berlin, C. v. Noorden- Frankfurt a M., W. Omelianski- Leningrad. 
W. Ostwald - Leipzig, A. Palladin -Charkow, J. K. Parnas - Lemberg, Th. Paul- München, 
W. Pauli-Wien, R. Pfeiffer- Breslau, E. P. Pick-Wien, L. Pincussen - Berlin, J. Pohl- 
Breslau, Ch. Porcher - Leon, D. N. Prianischnikow - Moskau, H. Pringsheim » Berlıu, 
P. Rona-Berlin, H. Sachs- Heidelberg, S. Salaskin- Leningrad, T. Sasaki-Tokio, B. Sbarsky- 
Moskau, A. Scheunert - Leipzig, A. Schlossmann - Düsseldorf, E. Schmitz - Breslau, 
d. Snapper - Amsterdam, 8. P. L. Sörensen - Kopenhagen, K. Spiro- Basel, E. H. Starling- 
London, J. Stoklasa- Prag, W. Straub - München, K. Suto- Kanazawa, U. Suzuki- Tokio, 
H. v. Tappeiner- München, K. Thomas - Leipzig, H. Thoms - Berlin, C. Tigerstedt - Helsing- 
fors, P. Trendelenburg - rreiburg i. Br, F. Verzár - Debreczen, 0. Warburg - Berlin, 
H. J. Waterman - Delft, G. v. Wendt - Helsingfors, E. Widmark - Lund, W. Wiechowski- 
Prag, A. Wohl - Danzig, J. Wohlgemuth - Berlin, N. Zelinsky - Moskau. 


herausgegeben von 


C. Neuberg-Berlin 


Hundertdreiundachtzigster Band 


Berlin 
Verlag von Julius Springer 


1927 


Druck von Friedr. Vieweg & Sohn Akt.Gies., Braunschweig 


Inhalt. 


Euler, Hans v. und Edvard Brunius. Urease. I. ër € ër a 

Lorber, Leo. Die Ausfällung der Eiweißkörper ES EH infolge der 
Einwirkung von Säuren und Schwermetallsalzen . i 

Schirlitz, Kurt. Über die Beziehungen von Blutzuckerhöhe, spezifisch- 
dynamischer Wirkung und Verbrennung bei einer Anzahl von 
Kohlehydraten a aa ae dr aa oe ee er Die Mr el ee da 

Pineussen, Ludwig. Analytische Mitteilungen. VI. Über die Be- 
stimmung des Calciums im Serum. Von Paula Schimmelpfeng 

Harpuder, Karl. Beiträge zur allgemeinen Biochemie komplizierter 
Salzlösungen. I. Mitteilung: Untersuchungen über die een 
Wirkungen des Wiesbadener Thermalwassers . g Be née 

— Beiträge zur allgemeinen Biochemie komplizierter Ee 
II. Mitteilung: Untersuchungen über die biologischen Wirkungen des 
Wiesbadener Thermalwassers. Einfluß von Ferro- und Mangano- 
ionen auf Atmung und Gärung der Hefe . 

Ehrenberg, Rudolf. Radiometrische Mikroanalyse. III. i 

— Rarliometrische Mikroanalyse. IV. Mitteilung: Disponitätsanalyso ; 

Hotta, Katsuo. Mastixsol und Proteine . 8 

Krinizki, J. M. Zur Frage nach dem Mineralstoffwechsel bein: experi- 
mentell erzeugten Tetanus . ; ; 

Steppuhn, 0O. und Xenia Utkin-Ljubowzow. Experimentelle Ver- 
schiebungen des Serumtryptasenwertes ; Ke EEE 

Utkin-Ljubowzow, L. Zur Kenntnis der Ee ; 

Scheunert, Arthur. Über den Gehalt von Weizen- und Roggenkoimon 
an Vitaminen . e 

Rona, P. und E. Mislowitzer. ERT E (über acte vi ; 

Noack, Kurt. Der Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze 

— Modellversuche zur Frage der VE an der Kohlen- 
säureassimilation der grünen Pflanzen . ; 

Meyerhof, Otto. Über die enzymatische Milchsäurebildung i im 1 Muskel- 
extrakt. III. ae Die Milchsäurebildung aus den 
Hexosen . Be ee tc ee a EECH 

Meyer, Karl. Über einige chemische se dis Milchsäure 
bildenden Ferments im Muskel. 

Sjollema, B. und L. Seekles. Über die beschr gokte a endbsrkeit ger 
quantitativen Stickstoffbestimmung mit Nesslers Reagens . 

Starlinger, W., K. Späth und E. Winands. Fortgeführte ee 
über Maßanalyse, Aussalzbarkeit und spezifische Refraktion der 
Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas nebst Be- 
merkungen über die vergleichende Viskositätsuntersuchung des 
Blutserums . . 


Seite 


23 


42 


45 


. 245 


IN Inhalt. 


Smorodinzew, J. A. und A. N. Adowa. Der Einfluß verschiedener 
Präparate der Chiningruppe auf die fermentativen Funktionen des 
Organismus. VII. Mitteilung: Die Bedeutung der aktuellen 
Reaktion des Milieus bei der Erforschung der fermentativen 
PLOZOSSO a ce une wre e E E ee ee ar De ee 

Issekutz, B. v. Beiträge zur Wirkung des Insulins. II. Mitteilung: 
Insulin-Adrenalin-Antagonismus . . 

Issekutz, B. v. und J. v. Both. Einfache Methode zur r Bestimmung der 
Glucose in Mengen von 1 bis lömg . . 

Zelinsky, N. D. und K. P. Lawrowsky. Über die Hydrolyse des Seiden- 
fibroins mittels 25proz. Ameisensäure . . 

Krestownikoff, A. Über den Chloridgehalt im Blute bei milchgebendem 
Vieh während des Melkaktes . 

Bleyer, B. und W. Braun. Beitrag zur Konktnis des öxydativén Abbenes 
der Glucose. II. Mitteilung: Über die Oxydation der Brenztrauben- 
säure . 

Reinwein, H. wa W. Singer. Studien. über Gewebsatmung. Er Mit- 
teilung: Der Einfluß des physikalisch-chemischen Milieus auf die 
Atmung überlebender Warmblüterorgane ; 

Schmitz, Ernst und Maximilian Reiss. B- Ayitkminose und Nebenniere 

Scheff, Georg. Über mn Bestimmung der Glucuron- 
säure e Ee E Aa he Mann aa ar Arie Arena e bg e 

Szörényi, Emerich. Deutung und Folgen der Veränderung in der 
Körperzusammensetzung kleiner, an Hunger oder Unterernährung 
verendeter Tiere . . u e e De e e 

Schmalfuss, Hans und Hans-Paul Müller. Über das Hautskelett von 
Insekten. Uber Dioxyphenylalanin in den Flügeldecken von 
Maıkälern:. 0.2 "8. er, En 2a ae ee Nr a A a 

Zeller, Heinrich. Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf die 
Hefegärung. VII.. .. 

— Untersuchung über die kombinierte Wirkung z zweier Substanzen 
auf die Hefegärung. VIII. A 

Aszódi, Zoltán und Georg Ambrus. Beitrag zur ` Physiologie überlebender 
Säugetierherzen. I. Mitteilung: Eine Modifikation des Locke- 
Rosenheimschen Apparats . Br er ee ee ee 

Sbarsky, B. und K. Nikolaeff. Zur Kenntnis des Mechanismus der 
Immunitätserscheinungen. IV. Mitteilung: Dialysierungsversuche 

Sachs, Ilse und Herbert Zander. Katalase und Peroxydase beim 
Epileptiker . . . 

Kolthoff, I. M. und Wouter Bosch. Die Anw endung der Chinhydron- 
elektrode zur Messung der Weasserstoffionenkonzentration in 
pufferarmen Lösungen. . EN a ar Ze 

Kolthoff, I. M. und j. J. Vieeschhouwer. Eine Korrektur für die neue 
Reihe Pufferlösungen i ; 

Alders, Nikolaus. Beitrag zur Kenntnis. des Seidenleims 8 Gr 

Ivekovic, H. Beitrag zur Kenntnis der alkoholischen a und 
deren Beschleunigung durch Tierkohle 

Stoklasa, Julius. Die Milchsäure als intermedliäres Produkt des. no 
biotischen Kohlehydratumsatzes in der Tierzelle . 

Suganuma, Ichizo. Über Adsorption und Osmose von Alkalien in ein 
Gelatinegel mit und ohne Leecithinzusatz ; 

Neuberg, Carl und Torao Kitasato. Synthese der a- -Keto- d- gluconsäure 


Autorenverzeichnis . 


Seite 


. 274 


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. 444 


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461 


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485 


. 439 


Urease. I. 


Von 
Hans v. Euler und Edvard Brunius. 


(Aus dem biochemischen Laboratorium der Universität Stockholm.) 


(Eingegangen am 7. Januar 1927.) 


I. Theoretischer Teil. 


Das Enzym ÜUrease, dessen Wirkung auf das wohldefinierte Substrat 

Harnstoff nach der Bruttoformel 

H,N.CO.NH, +H,0=C0,+2NH, 
besonders einfach zu sein scheint, ist sowohl hinsichtlich seiner biologi- 
schen Rolle als hinsichtlich seiner chemischen Leistung und seiner 
Kinetik noch ungenügend aufgeklärt. 

Der obigen Formel nach schien sich die Urease zunächst den pro- 
teolytischen Enzymen anzuschließen, indem an Stelle der zu spaltenden 
Gruppe .CO.NH. hier die reine Säuresmidgruppe, . CO . NH,, tritt. 
In diesem Falle würde sich die enzymatische Harnstoffspaltung immer- 
hin aus zwei Vorgängen zusammensetzen, nämlich aus der Hydrolyse 
des Diamids HN CO. NH, in carbaminsaures Ammonium und einer 
nachfolgenden Spaltung des letzteren Salzes in Ammoniumcarbonat 
bzw. in CO, und 2NH,. Es blieb zu entscheiden, wie die beiden Teil- 
vorgänge die Gesamtreaktion beeinflussen bzw. ob überhaupt die 
Spaltung des carbaminsauren Ammoniums eine enzymatische Reaktion 
ist, oder ob sie — was bei der Labilität!) der carbaminsauren Salze 
nicht unwahrscheinlich ist — ohne Mitwirkung eines Enzyms verläuft. 

Schon die Untersuchung von Yamasaki?) stützte die Annahme, 
daß bei der Spaltung des Harnstoffs Carbamat als Zwischenprodukt 
auftritt; nach seinen Versuchen erreicht die Carbamatkonzentration 


1) Siehe hierzu Faurholt, Zeitschr. f. anorg. Chem. 120, 85, 1921. 
3) Yamasaki, Sc. Reports Tohoku Univ. 9, 97, 1920. 
Biochemische Zeitschrift Band 183. l 


2 H. v. Euler u. E. Brunius: 


im Verlauf der Harnstoffspaltung ein Maximum und nimmt dann 
wieder ab. Demgemäß ist zu schließen, daß die Teilreaktion 


Harnstoff > Ammoniumcarbamat 


diejenige ist, welche von der Urease beschleunigt wird, und dieser 
Schluß wird durch die eingehenden Untersuchungen von Mack und 
Villars!) bestätigt. 

Es macht sich aber hinsichtlich der Kinetik der enzymatischen 
Harnstoffspaltung noch eine zweite Komplikation geltend, welche mit 
dem Auftreten isomerer Harnstoff-Formen zusammenhängt. 

Bekanntlich haben Armstrong und Horton?) sowie E. A. Werner?) 
asymmetrische Formeln für den Harnstoff vorgeschlagen, nämlich 

OH OU 
HN CG bzw. HN:C | . 
"NH. NNH, 


Dadurch tritt die Analogie des Harnstoffs zu den Peptiden, über- 
haupt zu den Derivaten der Carbamidgruppe, .CO.NH., zurück. 

Nachdem Fawsittt) nachgewiesen hatte, daß die katalytische 
Hydrolyse des Harnstoffs durch Säuren und Basen über das Zwischen- 
produkt Ammoniumcyanat verläuft, geht aus den neueren Versuchen 
von Fearon’) sowie von Mack und Villars hervor,. daß auch bei der 
enzymatischen Harnstoffspaltung Cyansäure auftritt. 

Die Kinetik der Ureasewirkung kann natürlich nicht als endgültig 
aufgeklärt angesehen werden, bevor nicht die Gesamtreaktion als Funk- 
tion der Teilvorgänge berechnet werden kann. 

Immerhin sind wir durch die früheren kinetischen Untersuchungen. 
von denen insbesondere diejenigen von D. D. van Slyke) erwähnt 
seien, über den zeitlichen Verlauf der Enzymreaktion und über die 
Konzentrationsfunktionen so weit unterrichtet, daß wir für die Be- 
stimmung der Wirksamkeit von Ureasepräparaten sichere Grundlagen 
besitzen. Wir wissen, daß innerhalb gewisser Grenzen aus Harnstoff 
Ammoniak nach der Formel für monomolekulare Reaktionen ge- 
bildet wird. 


1) Mack und Villars, Journ. Amer. Chem. Soc. 45, 505, 1923. 

2) Armstrong und Horton, Proc. Roy. Soc. 85, 109, 1912. 

3) E. A. Werner, Journ. Chem. Soc. 108, 1010 und 2275, 1913, siehe 
ferner die Monographie dieses Autors: Chemistry of urea. London 1923. 

$4) Fawsitt, Zeitschr. f. physik. Chem. 41, 601, 1902; Burrows und 
Fawsitt, Journ. Chem. Soc. 105, 609, 1914. 

5) Fearon, Biochem. Journ. 17, 84, 1923. 

D D. D. van Slyke, Journ. Biol. Chem. 19, 414, 1914. D. D. van Slyke 
und Cullen, ebendaselbst 24, 117, 1916; D. D. van Slyke und Zacharias, 
ebencdlaselbst 19, 181, 1914. 


Urease. I. 3 


Ferner wissen wir aus den Arbeiten von van Slyke, Barendrecht!), 
Rona und G yörgy?), St. Lövgren?) u. a., daß die enzymatische Harnstoff- 
spaltung nahe bei pn = 7 ein Aciditätsoptimum besitzt. 

Über die Salzwirkungen sowie über die Wirkung von Ampholyten 
liegt eine Reihe von Untersuchungen von Onodera, Grollt), Jacoby’), 
Rona, Wester). Kochmann’), Kato u.a. vor, nach deren Ergebnissen 
die erforderliche Pufferung zweckmäßig gewählt werden kann. 

Trotz dieser vielfachen und eingehenden Forschungen reicht das 
vorhandene experimentelle Material noch kaum aus, um in den 
Chemismus der Ureasewirkung einzudringen®). Insbesondere fehlen 
uns noch die Grundlagen für die Beurteilung, welche Gruppe des Sub- 
strats seine Bindung der Urease vermittelt. Auf Grund früherer Ver- 
suche aus diesem Laboratorium haben Euler und Josephson die Affinitäts- 
konstante 

KL — [Enzym -Substrat] 
M ” [Enzym] . [Substrat] 


zu berechnen versucht, und haben vorläufig den Wert 90 angegeben. 
Die Sicherstellung dieses Wertes für X, erscheint uns von allgemeinem, 
enzymchemischem Interesse, um so mehr, als die einfache Zusammen- 
setzung des Substrats und der Reaktionsprodukte die Zahl der in 
Betracht kommenden Gruppen beschränkt. 

Versuche von Josephson und Euler?) an Darmpeptidase haben es 
wahrscheinlich gemacht, daß die Bindung des Enzyms nicht, wie bei 
den Disacchariden angenommen wurde, an zwei Affinitätsstellen er- 
folgt, sondern daß eine einzige spezifische Gruppe im wesentlichen 
die Größe der Konstanten Ky bedingt!°). Wie eine noch nicht ver- 
öffentlichte Berechnung ergab, ist im System Darmpeptidase— Glycyl- 
glycin—Glykokoll die Affinität des Enzyms zum Glykokoll nicht 
wesentlich kleiner als diejenige zum Dipeptid. Eine entsprechende 


1) Barendrecht, Rec. Trav. Chem. Pays-Bas 89, 1, 1920. 

2) Rona und György, diese Zeitschr. 111, 115, 1920. 

3) St. Lövgren, ebendaselbst 119, 215, 1921; 187, 206, 1923. 

t) Groll, Proc. Akad. v. Wetensch. Amsterdam 20, 559, 1917/18. 

5) Jacoby und Mitarbeiter, diese Zeitschr. 140—158, 1923—1925. 

€) Wester, ebendaselbst 128, 279, 1922. 

?) Kochmann, ebendaselbst 151, 259, 1924. 

8) In Oppenheimer-Kuhns Handbuch „Die Fermente und ihre 
Wirkungen“, 5. Aufl., ist eine von Sture Lövgren (diese Zeitschr. 187, 206, 
233, 1925) aufgestellte Formel aufgenommen. Dieselbe ist sogar in das 
„Lehrbuch der Enzyme‘ der gleichen Verfasser übergegangen. Ohne auf 
die Herleitung der Formel einzugehen, möchten wir hier nur betonen, 
daß wir in diesem rein formalen Ausdruck keinen Fortschritt erblicken. 

9) Josephson und Euler, Zeitschr. f. physiol. Chem. 162, 85, 1926. 

10) Siehe Euler, Chem. d. Enzyme, 3. Aufl., I. Teil, 152, 1925. 


]* 


4 H. v. Euler u. E. Brunius: 


Feststellung bei der Urease erscheint uns um so wichtiger. als die 
Reversibilität der Ureasewirkung, also die enzymatische Synthese 
des Harnstoffs, aus den Spaltprodukten nach den Angaben von 
Barendrecht und insbesondere von Mack und Villars durchgeführt 
zu sein scheint. 


Die Bedingungen der enzymatischen Harnstoffsynthese sind von 
biologischen Gesichtspunkten aus in letzter Zeit besonders von N. A. 
Iwanoff!) sehr erfolgreich studiert worden. Der Anschluß seiner an 
lebenden Organismen gewonnenen Ergebnisse an die in einfacheren 
Systemen berechenbaren Gleichgewichte verspricht Aufschluß über 
manche biochemischen Fragen, welche über das Gebiet dieser speziellen 
Synthese hinausgehen. | 


Ein näheres Studium der Verbindung Harnstoff— Urease haben 
wir aber nicht in Angriff nehmen wollen, ohne im Besitz wesentlich 
reinerer Enzymlösungen zu sein als diejenigen, mit welchen bisher 
gearbeitet wurde. 


Bei den vorliegenden orientierenden Versuchen haben wir uns 
zunächst durch eigene Versuche davon überzeugt, daß ein spezifischer 
Aktivator im Sinne Onoderas in Ureaselösungen, wie sie aus pflanzlichem 
Material gewonnen werden, nicht vorkommt. Für die Bestimmung 
der enzymatischen Wirksamkeit von Präparaten war die Entscheidung 
dieser Frage natürlich unbedingt notwendig. 


Die hier mitzuteilenden orientierenden Versuche zur Reinigung 
und Anreicherung der Urease in Lösung haben wir mit dem Studium 
der Kaolin- und Tonerdeadsorption und der Dialyse begonnen. Auch 
Versuche, welche sich auf die fraktionierte Fällung bzw. auf fraktionierte 
Kristallisation aus organischen Lösungsmitteln und Lösungsmittel- 
gemischen gründen, haben wir angestellt, haben aber bisher die Erfolge. 
welche Sumner in vorläufigen Mitteilungen beschreibt, nicht erzielen 
können?). 

II. Methodik. 


Die Spaltung des Harnstoffs in Kohlensäure und Ammoniak wird 
am besten so verfolgt, daß die zu verschiedenen Zeiten entwickelten 


1) N. N. Iwanoff, diese Zeitschr. 185, 1, 1923; 148, 62, 1923; 154, 376 
und 391, 1924; 157, 229, 1925. 

2) Sumner, Journ. biol. Chem. 69. 435, 1926; Sumner und V. A. 
Graham, Proc. Soc. exper. biol. a. med. 22, 504, 1925. 

Auch durch die von Sumner vorgeschlagene Fällung mit Bleiacetat 
und mit neutralisierter Caclmiumchloridlösung haben wir bisher nur sehr 
unbefriedigende Ausbeuten erzielt, in keinem Falle mehr als 10 Proz. Als 
Elutionsmittel wurde bei diesen Versuchen lproz. Kaliumoxalatlösung 
verwendet. 


Urease. I. 5 


Ammoniakmengen bestimmt werden. Zu diesem Zwecke wurde die 
von Folin angegebene Ausblasemethode verwendet. Nach dieser wird 
ein Luftstrom durch die Probe geleitet, nachdem derselbe mit Alkali 
(Kalium-Carbonatlösung) versetzt ist, und die Luft streicht dann durch 
eine mit n/10 H,SO, gefüllte Vorlage. Die Säure wird dann mit n/10 
NaOH und Methylrot als Indikator titriert. Bei Zimmertemperatur 
ist zum vollständigen Ausblasen eine Zeit von 15 bis 20 Stunden er- 
forderlich, bei 40° aber sind 1 bis 2 Stunden schon hinreichend. Bei 
diesen Versuchen wurde als Alkalizusatz eine 50proz. Kaliumcarbonat- 
lösung, 40 ccm, zu der Probe zugesetzt. In dem Kolben, in welchem 
ausgeblasen wurde, betrug das Totalvolumen 60 ccm, das der Vorlage 
200 ccm. Der Luftstrom wurde in konzentrierter Schwefelsäure ge- 
waschen, um ihn ganz von Ammoniakspuren zu befreien. 


Folgender Versuch zeigt uns die Anwendbarkeit der Methode. 
Angewandt 2,00 5,00 10,00 ccm NH,CI-Lösung. 
2,06 5,19 10,30 „ n/10 NBA 


Einer Kjeldahl-Bestimmung zufolge enthielten 5cem der ver- 
wendeten Ammoniumchloridlösung 5,16ccm n/lO NH, in guter 
Übereinstimmung mit den obigen Werten. 


Wieviel Harnstoff bei der Folin-Methode gespalten wird, haben 
wir durch folgenden Versuch festgestellt, bei welchem die Temperatur 
während des Blasens bei 40° gehalten wurde. Zusatz 40 ccm KC O;- 
Lösung. 


0.2n Harnstoff | 01n NH3 Spaltung 


8 Gem BR een O o Proz. 
5,00 ! 0,17 0,8 
10,00 0,20 05 
15.00 | 0,30 0,5 


Der Harnstoff wird also bei der Folin-Methode zu einem gewissen 
Grade gespalten. Indessen ist es leicht, hierfür eine Korrektion an- 
zubringen, die durch eine jedesmal auszuführende Parallelprobe zu 
ermitteln ist. Die Ammoniakmenge, welche bei der Parallelprobe auf- 
tritt, entspricht den Ammoniakmengen, welche durch Spaltung bei 
Blasen entstehen. 


Die Konzentration der Wasserstoffionen kann nicht elektrometrisch 
mit Wasserstoffelektroden in Gegenwart von Ammoniak gemessen 
werden. Dagegen scheint sich die Chinhydronmethode von Bitilmann 
zur Bestimmung von p in diesem Falle zu eignen. Durch mehrere 
Versuche haben wir uns überzeugt, daB Gegenwart von Ammoniak 
bei pa < 8,2 die Ergebnisse der Biilmannschen Methode nicht stört. 


6 H. v. Euler u. E. Brunius: 


II. Experimenteller Teil. 
A. Vorversuche. | 


Aktivität eines Arlco-Ureasepräparats. 


Dieses Präparat wird aus Jackbohnen dargestellt. In 25 ccm Wasser 
wurden 0,5 g des Präparats gelöst; Trockengewicht in 5 ccm war 0,0931 g. 
Die Reaktionsmischungen waren folgendermaßen zusammengesetzt: 

20 ccm li mol. Harnstofflösung + 50 ccm 1 mol. Phosphatmischung 
+ 10 cem Enzymlösung + 20 ccm Wasser. Gesamtvolumen somit 100 ccm 
Harnstoffkonzentration in den Mischungen somit 0,2 mol. 

Die Phosphatmischungen wurden aus primärem und sekundärem 
Kaliumphosphat bereitet und hatten eine Acidität pn = 7,30. 

Zu den Ammoniakbestimmungen wurden je 10 ccm entnommen und 
in 10 ccm 0,5 n H, BO, einpipettiert, wodurch die Enzymreaktion gehemmt 
wurde. Die Nullprobe wurde so ausgeführt, daß zu den Zeiten 1, 5, 10 usw. 
Minuten Proben genommen wurden; sie wurden in eine Kurve eingetragen 
und der Wert für die Zeit 0 wurde extrapoliert. Der Wert, welcher dann 
erhalten wird, wird von den folgenden subtrahiert. 


Bu n/10 NH; 4m Spaltung | i 

Min. cem H | k 10 Pa 
5 1,46 E — | 32,3 7,33 
10 2,85 — 32,2 — 
15 4,37. | 10,9 33,4 ° 1,44 
20 5,72 | — 33,5 — 
25 7,05 17.6 | 33,6 1.54 


Wie die vierte Spalte der Tabelle zeigt, verläuft die Reaktion sehr 

angenähert monomolekular!). 
Stan E EE 
g Enzympräparat 


Aktivitätsbestimmungen an Sojabohnenextrakt. 


Feingemahlene Sojabohnen wurden mit der zehnfachen Menge Wasser 
3 Stunden lang digeriert; hierauf wurde zentrifugiert. Trockengewicht in 
5ccm der Enzymlösung: 0,1375g. Reaktionsmischung wie im vorigen 
Versuch. Mittel der Reaktionskonstanten: 20. 10-4. Daraus Uf = 0,009. 


Aktivitätsbestimmung am acetongefällten Extrakt. 


100 g feingemahlene Sojabohnen wurden mit 500 ccm Wasser 8 Stunden 
lang behandelt. Hierauf wurde zentrifugiert; die Lösung wurde mit dem 
dreifachen Volumen Aceton gefällt, wobei ein flockiger, leicht zentrifugier- 
barer Niederschlag entstand. Dieser wurde mit Alkohol und Äther be- 
handelt und im Vakuumexsikkator getrocknet; Ausbeute etwa 15 g. 

0,5 g dieses Präparats in 20 ccm Wasser gelöst; Trockengewicht in 
Beem 0,1075g. Die gleiche Reaktionsmischung wie oben. Mittel der 
Reaktionskonstanten: k = 24 .10—4. Daraus Uf = 0,013. 


1) Über die Unabhängigkeit der Konstanten von einem Coenzym 
siehe S. 4. 


Urease. I. 7 


B. Versuche über das Vorkommen einer Co rege, 


Onodera!) fand, daß eine Ureaselösung bei der Dialyse ihre Aktivität 
allmählich ganz verliert. Eine 1,5proz. Ureaselösung, welche vor der 
Dialyse während 16,5 Stunden 23,19ccm n/10 NH, entwickelt, gibt 
nach fünftägiger Dialyse nur 0,08 ccm n/10 NH, während der gleichen 
Zeit. Diese Verringerung der Aktivität führt Onodera auf den Verlust 
eines Coenzyms zurück. Dieses Coenzym hat sich jedoch im Dialysat 
nicht nachweisen lassen. Onodera führte die Dialyse mit Pergament- 
papier als Membran aus. Einen entsprechenden Versuch führten wir 
mit Kollodiummembranen durch. 


20 g fettfreien Sojabohnenpulvers wurden mit 150 ccm Wasser 
l Stunde lang geschüttelt. Hierauf wurde zentrifugiert; die so erhaltene 
Enzymlösung wurde auf zwei Kollodiumsäcke verteilt, welche 75 Stunden 
in je 150 ccm Wasser zur Dialyse gestellt wurden. Dabei war sowohl 
die Außen- wie die Innenflüssigkeit mit Toluol versetzt. Das Dialysat 
wurde bei 35° im Vakuum auf 10 ccm eingeengt. Die Innenflüssigkeit 
bei der Dialyse = 1; das im Vakuum eingeengte Dialysat wird mit y 
bezeichnet. 

Es wurde nun folgender Versuch angestellt. 


25 ccm lmol. Phosphatmischung + 10 ccm 1 mol. Harnstofflösung 
+5cem y + 10 cem H,O. Acidität pu = 7,3 (Chinhydronelektrode). 


Aus der Reaktionsmischung werden nach verschiedenen Zeiten 
Proben von je 10 ccm in 10 ccm n/2 Schwefelsäure einpipettiert. Das 
gebildete Ammoniak wurde durch Folin-Blasen bestimmt, wobei 40 ccm 
50proz. Kaliumcarbonatlösung zugesetzt wurden. In der Vorlage n/10 
Schwefelsäure. Rücktitration mit n/10 NaOH. 


In dieser Reaktionsmischung konnte keine Ammoniakbildung 
konstatiert werden. 


Unsere hier nicht wiedergegebenen Versuchszahlen zeigen, daß 
durch Zusatz von dialysierttem Enzym keine Aktivierung eintritt. 
Temperatur bei diesen drei Versuchen 18°. Das gleiche negative 
Resultat wurde mit dialysierter Arlco-Urease erhalten. 

Nun wurde untersucht, ob eine auf 80° erhitzte Ureaselösung 
aktiviert. Eine Lösung von 2 g Arlco-Urease in 50 ccm Wasser wurde 
10 Stunden lang gegen eine große Wassermenge dialysiert, welche 
mehrmals gewechselt wurde. Je lg Arlco-Urease, gelöst in 10 ccm 
Wasser, wurde unter Umrühren zu 40 ccm Wasser zugesetzt und auf 80° 
während 30 Minuten gehalten. 

Die Versuche, die wir der Raumersparnis wegen nicht ausführlich 
angeben, zeigten, daß eine Aktivierung durch die erhitzte Enzymlösung 


1) Onodera, Biochem. Journ. 9, 575, 1915. 


8 H. v. Euler u. E. Brunius: 


sehr wahrscheinlich nicht eingetreten war. Die kleine Erhöhung der 
Aktivität lag fast innerhalb der Versuchsafehler. 


Ebensowenig konnte eine Coenzymwirkung nachgewiesen werden. 
als die Ureaselösung statt auf 80° etwa 10 Sekunden auf 100° erhitzt 
wurde. 


Diese Versuche zeigen also, daß im Dialysat kein Coenzym nach- 
gewiesen werden kann. Dies steht auch in Übereinstimmung mit den 
Ergebnissen von Onodera. Dagegen sollte nach Onodera in einer nicht 
dialysierten Ureaselösung Coenzym vorkommen. Er findet, daß bei 
Zusatz von Leem 5proz. frischer Ureaselösung zu 5 ccm einer 5 Tage 
lang dialysierten 1,5proz. Ureaselösung diese Enzymmischung 8,53 cem 
n/10 NH, während 16,5 Stunden entwickelt, während 5 cem dialysiertes 
Enzym für sich allein 0,08 cem und 1 ccm frische Enzymlösung 1.23 cem 
entwickeln. 


Dies wurde durch folgenden Versuch geprüft: Eine frische 
Enzymlösung wurde erhalten durch Auflösen von 0,3 g Arlco-Urease 
in 15ccm Wasser. Eine Lösung von 2g Urease in 50 ccm Wasser 
wurde 5 Tage lang gegen eine große, täglich erneuerte Wassermenge 
dialysiert. 


1. 25ccm lmol. Phosphatmischung + 10 ccm lmol. Harnstoff- 
lösung + 3 cem dialysiertes Enzym + 12 cem Wasser. 


2. 25ccm Phosphatmischung + 10 ccm lmol. Harnstofflösung 
+ 5ccm frische Enzymlösung + 10 ccm Wasser. 


3. 25 cem Phosphatmischung + 10 ccm 1 mol. Harnstofflösung 
+ 3 cem dialysiertes Enzym + 5ccm frische Enzymlösung + 7cem 
Wasser. 


Addiert man die Aktivitäten in 1 und 2, so erhält man 0,232 ccm 
0,1 n NH, pro Minute. In Versuch 3 ergibt sich 0,242 cem n/lO NH, 
pro Minute. Die Aktivitätssteigerung ist also nicht größer als 
4,3 Proz. und im Vergleich zu dem von Onodera erhaltenen Effekt 
unbedeutend. 


Eine Ureaselösung wird durch Erhitzen auf 100° augenblicklich 
inaktiviert. Dies beruht nach Onodera darauf, daß die Co-Urease zerstört 
wird, und folglich fand er bei Zusatz von frischer Enzymlösung eine 
starke Aktivitätserhöhung. Auch dieser Effekt wurde durch einen 
Kontrollversuch geprüft. 


0,5 g Arleo-Urease wurden in 25 ccm Wasser gelöst. Davon wurden 
15 cem einen Augenblick zum Kochen erhitzt. 


Drei Versuche wurden angestellt mit je 25 ccm Phosphatmischung 
und 50 eem Totalvolumen. 


Urease. I. d 


1. | 2. | 3, 


— 10 ccm zum Kochen | +3 cem frische Enzym- + 3cem frische Enzym- 
erhitzte Enzymlösung ' lösung + 12 ccm Wasser Issung + 10 eem zum 
+ 5cem Wasser | Kochen erhitzte Enzynı- 
 Iisung + 2 wen Wasser 


Das Ergebnis dieser Versuchsreihe war also negativ; der Effekt 
Onoderas wurde nicht gefunden. 


C. Reinigungsversuche. 
Auch hier wurde als Ausgangsmaterial das Präparat ‚Arlco-Urease‘“ 
verwendet. Die Aktivität desselben, U f, wurde durch folgenden Versuch 
ermittelt, und zwar mit 2proz. Enzymlösung. 


n/10 NH; 


Min. Ä k.10% 
e, ` 
10 2,52 28,3 
20 5,06 i 29,3 
30 7.60 EE) 
` Mittel: 29.4 
Trockengewicht in 5cem = 0,0945 g. 
0,002 94 . 0,6 
Uj '-— ' = 0,019. 
f 0,0945 


Adsorptionsversuche mit Kaolin. 


Zu 50 ccm 2proz. Enzymlösung wurden 25 ccm Kaolinsuspension 
(Trockengewicht pro Kubikzentimeter 0,195 g) zugesetzt. Hierauf 
wurde zentrifugiert. Als Elutionsmittel wurde Sodalösung verwendet, 
von welcher so viel zugesetzt wurde, daß die Elutionslösung Phenol- 
phthalein rot färbte. Hierauf wurde das Volumen auf 50 ccm ergänzt 
und die Mischung durch einen Büchner-Trichter filtriert. Neutralisation 
mit Essigsäure. 


D n/10 NH3 


Min. k.10 
oo cem ER 
um | 0,33 3,5 
CO 0,57 | 31 
30! 0,90 33 
Mittel: 3.3 


Ausbeute bei der Elution — 11 Proz. (berechnet nach der Aktivität 
des Ausgangsmaterials). 

Hierauf wurde geprüft, ob durch Adsorption an Kaolin in Gegen- 
wart von Essigsäure die Ausbeute erhöht werden konnte. Essigsäure- 
konzentration bei der Adsorption betrug 0,04n. Im übrigen wurde 
wie beim vorhergehenden Versuch verfahren. 


10 H. v. Euler u. E. Brunius: 


3 ccm Enzymlösung. 


n/10 NH3 


k .10% 
RS ae ds 
10 0,88 97 
20 1,62 9,0 
30 2,47 9,2 
Mittel: 9,8 


Ausbeute bei der Elution = 53 Proz. 


Hierauf wurde die so erhaltene Enzymlösung gegen 2 Liter Wasser 
15 Stunden lang im Eisschrank dialysiert. 


5 cem dialysierte Enzymlösung. 


10 0,73 | 7,9 
20 | 1,43 7,8 
30 | 2,19 8,1 

| | Mittel: 7,9 


Aktivitätsverlust während der Dialyse = 49 Proz. 
Trockengewicht in 5ccm = 0,005 218. 
Uf = 0. 
Durch die Kaolinadsorption ist eine rund fünffache Steigerung der 
Wirksamkeit (Uf) erzielt worden. 
Die Adsorption an Kaolin geschieht also geeigneter in essigsaurer 
Lösung bei pa = etwa 2,7. 


Adsorptionsversuche mit Aluminiumhydrat. 


Durch Untersuchung des Ureasegehalts der Restlösung ergab sich, 
daß die Sorption an Aluminiumhydrat am besten durchgeführt 
wird, indem man die Ureaselösung direkt mit einer Tonerdesuspension 
versetzt, also bei einer Acidität, welche sich dabei von selbst einstellt. 

Zu 50 ccm 2proz. Ureaselösung wurden 15 ccm Aluminiumhydrat- 
suspension (Gramm Al,O, pro Kubikzentimeter = 0,042) zugesetzt. 
Nach Abzentrifugieren wurde während 20 Minuten mit lproz. Lösung 
von Dinatriumphosphat eluiert, worauf von neuem zentrifugiert wurde. 


Min. | e SE 8 E. 104 
CC 
an | 2.38 | 8,9 
60 4.79 | 92 
90 7,20 i sun, 9,6 
| Mittel: 9,2 


Ausbeute bei der Elution = 31 Proz. 


Urease. I. 11 


Aktivität nach der löstündigen Dialyse (5 cem Enzymlösung.) 


Min sin | ios 
H cm | 
an o 1,10 | 4,0 
CO 2,28 | 42 
90 3,37 42 
| | Mittel: 4,1 


Trockengewicht in 5ccm = 0,005 52g. U/ = 0,045. 


Die Wirksamkeit Uf ist also hier um das 2,4fache gestiegen. 

Der geringe Wert dieser Steigerung des Reingehaltsgrades beruht 
nicht darauf, daß die Adsorption mit schlechter Ausbeute verläuft; der 
Gehalt der Restlösung an Urease war nämlich gering. Vielmehr beruht 
das ungenügende Resultat darauf, daB das Enzym sich nur unvoll- 
ständig eluieren ließ. Es wurden auch Versuche ausgeführt zu Elusion 
mit Phosphat von verschiedener Acidität in den Grenzen pa = 5 bis 9, 
ohne daß aber ein besseres Resultat erzielt werden konnte. 


D. Adsorptionsversuche mit neuem Ausgangsmaterial (Areco-Urease). 
Dieses Präparat zeigte eine größere Aktivität als das zuerst ver- 
wendete; es übertrifft letzteres um das 3,6fache. 
An einer 0,5proz. Lösung wurde folgender Versuch angestellt 


(5 cem Enzymlösung). 


Min. | BEER k.10% 
Zar, dee 2 EE 
10 2,37 26,4 
20 4,86 28,1 
30 7,25 © WY 

Mittel: 27.8 


Trockengewicht in 5ccm = 0,02412g. 
Aschengehalt = 18,6 Proz. 
Uf = 0,009. 


Reinigung durch Dialyse. 


Obige Lösung wurde gegen 1 Liter Wasser im Eisschrank dialysiert. 
6 Stunden Beem Enzymlösung. 


Min. ` k.10% 
Den, u, we m 
10 | 1,80 | 20,0 
20 i 3.62 | 20,6 
30 | 5,40 21,0 
| Mittel: 20,5 


Aktivitätsverlust während der Dialyse = 26 Proz. 
Trockengewicht in 5ccm = 0,01145g. 
Aschengehalt = 10,2 Proz. 

Uf = 011. 


12 H. v. Euler u. E. Brunius: 


15 Stunden 5 cem Enzymlösung. 


Min, | MON | k. 10 
> j gem J 
Im 0,79 | 8,5 
30 2,47 y2 
40 3,17 8,9 
| ‚ Mittel: 8,9 


Aktivitätsverlust während der Dialyse —= 68 Proz. 
Trockengewicht in 5ccm = 0,00270g. 
Aschengehalt = 3,2 Proz. 

Uf = 0,2%. 


Zunahme des Reinheitsgrades nach 6stünd. Dialyse : 1.6, nach 15stünd. Dialyse : 2.4. 


Adsorptionsversuche mit Aluminiumhydrat. 


Das neue Präparat mit Uf = 0,069 wurde hinsichtlich der Adsorp- 
tionsverhältnisse zu Aluminiumhydrat geprüft. 

Zu 50cem 0,5proz. Ureaselösung wurden 25ccm Aluminium- 
hydratsuspension zugesetzt, hierauf wurde zentrifugiert. Das Adsorbat 
wurde auf ein Volumen von 50ccm in Wasser suspendiert. Diese 
Suspension wurde auf ihre Aktivität geprüft. 


Min i MIS N Ha k.10 

8 i E cem í o 
10 ` 2,22 | 24,8 
20; 4,41 | 25,8 
OU 6,61 | 26,1 


l Mittel: 25,4 
Ausbeute bei der Adsorption = 91 Proz. 


Die Adsorption geschieht somit mit sehr guter Ausbeute. Dagegen 
bereitet die Elution Schwierigkeiten; geprüft wurde lproz. Phosphat- 
lösung von verschiedener Acidität, und zwar ohne nennenswertes 
Ergebnis. Auch bei Verwendung von Arseniat waren die Ergebnisse 
bei Variation von pa nicht besser. Geprüft wurde ferner die Elution 
mit Sodalösung bei pa = 9,5, ferner mit Essigsäure (0,05 n) bei pu = 4.2 
und schließlich mit Phosphorsäure bei pe = 2,9, ohne daß eine erhebliche 
Elution des Enzyms erreicht wurde. 

Um eine Schätzung des Reinheitsgrades des adsorbierten Enzyms 
vornehmen zu können, wurde die Restlösung und ihr Trockengewicht 
untersucht. 

Trockengewicht in ccm (bei Berücksichtigung der Volumen- 
änderung) = 0,01162 g. Die Ausgangslösung enthielt in 5 ccm 0,02469 g. 

Das adsorbierte Trockengewicht beträgt somit 0,01307 g, somit 
Uf = 0,117. | 


Urease. I. 


13 


Adsorptionsversuche mit Kaolin. 


Wie Schon oben erwähnt, ist für die Kaolinadsorption essigsaure 
Lösung a günstigsten. Mit dem neuen Präparat (Uf = 0,069) wurden 
einige verschiedene essigsaure Konzentrationen geprüft. Die Adsorption 
wurde im übrigen in gleicher Weise durchgeführt wie vorher. 

Bei al ern folgenden Versuchen wurden Beem Enzymlösung angewandt. 


A. 0,015n Essigsäure. 


Vor der Dialyse 


| Nach der Dialyse (15 Stunden) 


Min. Min 
k . 104 | e e "e k.10% 
2 Fe en er Be nt mt Ir BER. | _ | EE eg, E 
10 1,43 | 15,7 | 10 0,64 | 7,0 
20) 285 | 16,0 20 1,26 6,9 
30 428 | l6 ı 30 1,91 7,0 
| | Mittel: 16,0 | | Mittel: 7,0 
| Ausbeute = 58 Proz. | Aktivitätsverlust während der 
| Dialyse = 56 Proz. Trocken» 
gewicht in 5 ccm = 0,00228 g. 
Uf = 01%. 
B. 0,03 n Essigsäure. 
| Vor der Dialyse Nach der Dialyse (15 Stunden) 
Min. |! l 
nm Hn, | A | Min n/10 NH, BER 
ep ' j 8 SE Se 
10 a l 
1,62 18,0 10 0,88 97 
20 315, 17,7 2N 1.84 10,2 
30 4,74 | — B83 30 2.58 96 
| | Mittel: 18,0 | Mittel: 9.8 
Ausbeute = 65 Proz. Aktivitatsverlust = 46 Proz. 
| ‘ Trockengew. in 5ccm = 0,00201 g. 
Uf = 0283. 
i Steigerung von Uf 41 
—— 
Vor der Dialyse 
mn n/10 NH, 
EE A SE 
um | Lä 
20 | 267 
30 RE 
| 


| Mittel: 15.2 
| Ausbeute = 55 Proz. 


D 
i 
1 


i 


Mittel: 8,7 


Aktivitätsverlust = 43 Proz. 
| Trockengew. in 5ccm = 0,00230 g. 
Uf = 0,227. 
Steigerung von Uf 33. 


Schließlich wurde ein Versuch ausgeführt, um zu ermitteln, ob 
sich durch eine größere Kaolinmenge des Endergebnis günstiger stellt. 
Konzentration der Essigsäure: 0,03 n. 


"14 H. v. Euler u. E. Brumus: 


Nach der Dialyse (15 Stunden) 


Vor der Dialyse e 

Min. d n/10 NH3 8 L 104 i Min n/10 N H3 | k.104 

E er ai ade Ee a EES Pr 
10 TI 153 16,8 | 10 | 08 5,7 
20 ` 3,08 174 | 20 | 1,05 5,7 
30 i 4,60 Di 30 1,56 5,8 

S Mittel: 17,3 Ä | | Mittel: 5,7 

| Ausbeute = 62 Proz. | | Aktivitätsverlust = 67 Proz. 


Trockengew. in 5ccm = 0,002 56 g. 
| "f = 013. 

Der Versuch zeigt, daß die Vergrößerung der Kaolinmenge keine 
Verbesserung des Ergebnisses herbeigeführt hat. 

Es wurde nun Natronlauge und Ammoniak als Elutionsmittel 
untersucht. 

Elution mit NaOH: Die Sorption wurde wie vorher mit 0,03 n 
Essigsäure durchgeführt. Dabei wurde das Adsorbat in Wasser sus- 
pendiert, worauf wir Natronlauge zusetzten, bis die Lösung Phenol- 
phthalein rot färbte. 


Vor der Dialyse 7 Nach der Dialyse der EEE ri gees l 
Min afin NH, |! afin NH Penn S 
on ccm ` | k.10: des ccm ` | k.10 Eu 
Im | 4 17,1. 087 | 9,4 
20 3,05 | 17 1 Sé | 1,77 | 9,8 
30 4,53 17, 3 30 | 2,65 9,9 


E (le H 
Mittel: 17,2 | | Mittel: 9,7 
Ausbeute = 62 Proz. Aktivitätsverlust = 44 Proz. 
Trockengew. in a 0,002 03$ g. 
U 3 


Uf ist somit auf das 4,lfache erhöht worden. Die Elution mit 
Natronlauge ergab keine Verbesserung gegenüber derjenigen mit 
Natriumcarbonat. 

Elution mit NH,: Die Sorption geschah wie vorher in 0,03 n 
Essigsäure. Die Elution wurde mit 0,02 n NH, ausgeführt. Neutralisation 
mit Essigsäure. 


Vor der Dialyse 


Aktivitätsverlust = 48 Proz. 
| Trockengew. in Scem = 0,001 82g. 
Uf = 0,3. 


l Ausbeute = 75 Proz. | 


Min. | oun NH3 
E EEE ar en | l 
10 | Lë 205 | 10 | 098 | 10,8 
20 364 20.7 20 "Lu 10,9 
30 ' 5,47 92 30 | 291 109 
| Mittel: 20,8 | Mittel: 10,9 
| 1 
| 


Urease. I. 15 


Das so erhaltene Präparat ist also 5,2mal reiner als das Aus- 
gangsmaterial. Ammoniak scheint als Elutionsmittel etwas vorteil- 
hafter zu sein als Soda oder Natronlauge. 


Zweimalige Kaolinadsorption. 


Adsorption wie vorher, Elution mit 0,02n Ammoniak. Das 
Verfahren wurde zweimal angewandt. In der Lösung, welche nach 
der zweiten Adsorption erhalten wurde, wurde die Aktivität vor und 
nach der Dialyse bestimmt. 


Vor der Dialyse | Nach der Dialyse 
Min. | no NH, ep | Min. | nj10 NH; Bee: 
8 | ccm i | ccm ö 


10 1,06 11,7 10 0,40 44 
20 2,08 11,6 20 0,79 4,3 
30 316 | 11,9 30 1,18 4,3 
| Mittel: 11,7 Mittel: 4,3 
i Ausbeute = 42 Proz. Aktivitätsverlust = 63 Proz. 
| ı Trockengew. in 5ccm = 0,001 727 g. 
| Uf = 0,5. 


Dieses Präparat ist also schlechter als dasjenige, welches durch 
eine einzige Kaolinadsorption erhalten wurde. Dies beruht darauf, 
daß die Abnahme des Trockengewichts nicht die großen Aktivitäts- 
verluste kompensierte, die bei der Adsorption und der darauf folgenden 
Dialyse eintraten. 


Die Ausfällung der Eiweißkörper des Serums- 
infolge der Einwirkung von Säuren und Schwermetallsalzen. 


Von 
Leo Lorber. 
(Aus dem Zentrallaboretorium der jüdischen Germeinde in Budapest.) 


(Eingegangen am 31. Dezember 1926.) 
Mit 2 Abbildungen im Text. 


Die Untersuchungen über den isoelektrischen Zustand geschahen 
bisher hauptsächlich in sogenannten ‚reinen‘ Lösungen; da jedoch 
die Kolloide unter physiologischen Umständen in nicht reinen Lösungen 
vorhanden sind, untersuche ich im folgenden den isoelektrischen 
Zustand der ursprünglichen, nicht dialysierten Serumeiweißkörper bei 
Anwesenheit verschieden starker (H-Ionen enthaltender) Säuren; 
ferner, ob ein Zusammenhang zwischen dem Ausfällen der Eiweißkörper 
durch schwere Metalle (Metallsalze) und dem isoelektrischen Zustand 
besteht. 

Unter isoclektrischem Punkt verstehen wir jenen Zustand der Eiweiß- 
körper und allgemein der Kolloide, in welchem die Anzahl der positiven 
und negativen Ladungen gleich ist, bei den Eiweißkörpern, wenn ka = k» 


ist. Dieser Zustand der Eiweißkörper, welche ihre elektrische Ladung haupt- 
sächlich den H- und OH-Ionen verdanken, kann durch die Gleichung!) 


kk 
Cu = Vi 
k, 


charakterisiert werden, worin Cy die dem isoelektrischen Zustande ent. 
sprechende Konzentration der H-Ionen, ka und Er die sauren bzw. basischen 
Dissoziationskonstanten und A, die Dissoziationskonstante des Wassers — 
0,58 . 10-14 — bedeuten. 

Nach den Ergebnissen der Untersuchungen von Pauli?), Sörensen `), 
Jacques Loeb*) u. a. ist bei ungleichem ka und kp Eiweiß positiver oder 


1) Pauli, Kolloidchemie der FEiweißkörper 1, 34, 1920. 
2) Derselbe, l. ce 

3) Sörensen, Ergebn. d. Physiol. 12, 1912. 

4) Jaques Loeb, Die Eiweißkörper, 1924. 


L. Lorber: Eiweifikörper des Serums. 17 


negativer Ladung vorhanden. Nach Sörensen!), Michaelis!) u. a. können 
die Eiweißkörper positiver oder neysativer Ladung auf den isoelektrischen 
Punkt gebracht werden, indem die aus der Ungleichheit von ka und Er 
berechneten H- bzw. OH-Ionen der negativ bzw. positiv geladenen Eiweiß- 
lösung zugesetzt werden; die H- bzw. OH-Ionen können am einfachsten 
in Form von Säuren oder Basen in die Lösung eingeführt werden. Das 
negativ geladene Serum (Eiweiß), hei welchem kp < ka ist, kann also auf 
den isoelektrischen Punkt gebracht werden, wenn eine der Differenz ent- 
sprechende Menge H-Ionen der J.ösung zugeführt wird. Ich bemerke 
jedoch, daß aus obiger Ungleichheit auch dann eine (Gleichung wird, wenn 
in der Lösung die OH-Ionen vermindert werden. Mit dem isoelektrischen 
Zustande gehen noch andere Veränderungen einher; so nimmt die Viskosität 
minimale Werte an; die Kolloide zeigen keine Elektrophorese, auch entsteht 
eine starke Dispersionsverminderwig, womit die Fähigkeit leichterer Aus- 
fällung einhergeht. 


Die Untersuchungen über die Zustandsveränderungen der Kolloide 
in cler Nähe des isoelektrischen Punktes können ir einfacher Weise an- 
gestellt werden, indem man die Veränderungen der vorhin erwähnten 
Eigenschaften untersucht. 

Bei den in der Folge mitgeteilten Untersuchungen zeigt die 
Dispersionsverminderung den isoelektrischen Punkt an. Dem Obigen 
zufolge können wir die Eiweißkörper des Serums auf den isoelektrischen 
Punkt bringen, indem wir die Ladungsdifferenzen mit H-Ionen aus- 
gleichen. Demgemäß müssen wir also von schwachen Säuren mehr, von 
starken weniger nehmen, um den isoelektrischen Punkt zu erreichen. 
Dieses folgt übrigens auch aus den Titrationskurven von Jacques Loeb?), 
nach welchen Salzsäure, Oxalsäure und Phosphorsäure im Verhältnis 
von 1:2:3 zu einer isoelektrischen Gelatinelösung zuzusetzen wäre, 
damit diese mit jeder der Säuren die gleiche H-Ionenkonzentration 
habe. Aus diesen Untersuchungen muß natürlich auch folgen, daß 
die angesäuerte Gelatine wieder isoelektrisch gemacht werden kann, 
wenn zu derselben eine mit den H-lonen äquivalente Menge OH-Ionen 
zugesetzt wird. 

Untersuchen wir, wieviel H-Ionen nötig seien, um die Eiweißkörper 
des Serums auf den isoelektrischen Punkt zu bringen (d. h. eine Trübung 
bzw. Fällung darin hervorzubringen). so finden wir, daB beim Vor- 
handensein von 0,2ccm Serum ungefähr 1 cem n/160 HCl, also bei- 
läufig ebensoviel H-Ionen, notwendig ist. Im weiteren Verlauf meiner 
Untersuchungen mit verschieden starken Säuren war zu bestimmen, 
wieviel von denselben notwendig ist, um denselben Zustand hervor- 
zubringen; ferner, ob ein Zusammenhang zwischen der Stärke der 
Säuren und deren Ausfällungsfüähigkei.: besteht, welcher nach dem 
Obigen zu finden wäre. 

1) Sörensen, Le 

2) Michaelis, diese Zeitschr. 47, 251, 1612. 

3) Jacques Loeb, l.c., S. 47. 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 2 


18 L. Lorber: 


Zu diesem Zwecke stellte ich mesne Versuche in folgender Weise 
an (die Ergebnisse derselben sind aus den weiter unten beigefügten 
Kurven bzw. der Tabelle ersichtlich gemacht). 


Die in abnehmenden Konzentrationen äquivalenten Lösungen ver- 
schieden starker Säuren wurden in kleinen Reagenzröhrchen gemessen, 
und zwar je l cem der Säuren. Zu diesen verschieden starken Säuren 
wurden 0,2 cem Menschenblutserum gegeben. Nach gründlichem Durch- 
schütteln trat in den einzelnen Röhrchen eine bald stärkere, bald schwächere 
Trübung ein. Zur genauen Ablesung wurden in die Röhrchen noch je 
4ccm destilliertes Wasser gegeben, wcrauf dieselben auf 2 Minuten in 
kochendes Wasser gestellt wurden. Die auf Einwirkung der Säuren ent- 
standenen Trübungen wurden nunmehr sehr intensiv, ohne daß der 
Charakter der die Wirkung der Säure darstellenden Kurven sich geändert 
hätte. 


0 Fe nennen | e 
nnnnnnnr ANURA EC E nnnnnnnn 
ý Zi JO 80 160 3206401280 2560 TO 20 40 80 Nee EEE DU e Zi See: Ze 
Essigsäure Schwefel» und Salzsäure Oxalsäure 


EE 
NT ANII 
L N E 


SE? ONI) 
EEN 

Drees bes 

H D DH" H ZZ ES SZ 2 
1525 5 0 DI A0 80 160.520 640 1280 2560 

Milchsaure Sulfosalicylsäure 
Abb. 1. Säurekurven. 

Die Zeichen auf der Ordinate bedeuten: Grad der Dispersionsverminderung [O = maximale, 


F (= Falluny) = minimale Dispersion]. Die Zeichen auf der Abszisse bedeuten: 1 ccm von 
der ni, n/20 usw. starken Saurelösung. 


Aus den hier beigefügten Kurven ist ersichtlich, daß das Maximum 
der Ausfällung, unabhängig von der Stärke der Säuren, bei derselben 
Konzentration n/160 zu finden ist. Die bei den Kurven angebrachten 
Bezeichnungen n/10, n/20 usw. bedeuten, daß von den verschiedene 
Konzentrationen aufweisenden Säuren l cem in dem Reagenzröhrchen 
vorhanden ist. 

Ich möchte mich noch mit der Borsäure und ihrem eigentümlichen 
Verhalten in dieser Beziehung befassen. Führen wir nämlich obige 
Versuche mit Borsäure aus, so sehen wir, daß die Fällung der Eiweiß- 
körper weder in n/160, noch in stärkerer Konzentration gelingt. Dieses 
Verhalten der Borsäure stimmt aber sehr gut mit der oben gegebenen 


Eiweißkörper des Serums. 19 


Definition des isoelektrischen Punktes überein; mit Borsäure, als sehr 
schwacher und schlecht löslicher Säure, können wir die der Ungleichheit 
ka < Er entsprechende Menge H-Ionen nicht in die Eiweißlösung 
einführen. Mit meinen, durch oben mitgeteilte Versuche gewonnenen 
Ergebnissen ist dieses Verhalten der Borsäure jedoch scheinbar nicht 
übereinstimmend. Aus diesen Versuchen sehen wir nämlich, daß der 
ssoelektrische Zustand unabhängig vom H-Ionengehalt der verschiedenen 
Säuren, nur abhängig von ihren äquivalenten Mengen hervorgerufen 
werden kann. Das Verhalten der Borsäure wird aber verständlich, 
wenn man bedenkt, daB auch, bei Ausschluß von Eiweiß, Alkalien mit 
Borsäure nicht zu neutralisieren sind!), d. h. wenn man zu n/160 NaOH 
in äquivalenter Menge oder deren Mehrfachem entsprechende H,BO, 
hinzufügt, bleibt die Lösung auch weiterhin alkalisch. Wenn aber die 
Lösung alkalisch reagiert, dann kann das Eiweiß nicht ausgefällt werden ; 
und wenn die Borsäure das reine NaOH zu neutralisieren vermöchte. 
dann könnte auch das Eiweiß — unabhängig vom Gehalt an reinem 
H-lon — durch dieselbe auf den isoelektrischen Punkt gebracht werden 


Nach den Untersuchungen von Thomson?) wird jedoch die Borsäure 
titrierbar, d. h. sie vermag Laugen zu neutralisieren, wenn zu ihrer Lösung 
höhere Alkohole, z. B. Glycerin, Mannit usw., zugesetzt werden. 


Wenn wir in den Versuchen statt der destilliert wässerigen eine 
glycerin-wässerige Lösung der Borsäure anwenden, so können die 
Eiweißkörper auch durch die sehr wenig H-lonen enthaltende Borsäure- 
lösung, übereinstimmend mit der obigen Annahme, auf den isoelektri- 
schen Punkt gebracht werden. Die Ergebnisse dieses, den oben mit- 
geteilten analog durchgeführten Versuches sind in folgender Tabelle 
zusammengefaßt: 


ar u ne 


Borsäure `, . 2.2 h...’ j Keine Fällung - 
Borsäure + Glycerin. . . see Se Sr | T _ 


Glycerin + Aqua . .. | Keine Fällung 


Wie aus dieser Tabelle ersichtlich, ist die neutrale, glycerinwässerige 
Lösung ohne Wirkung auf das Eiweiß. 


Ferner wird nach den Untersuchungen Thomsons das H,BO, in 
"Glycerinlösung nicht unter äquivalenten Verhältnissen gebunden; 
denn 1 Molekül Borsäure neutralisiert nur 1 Molekül NaOH; aus der 
Tabelle sehen wir, daß auch die Ausfällung des Eiweißes auf dieselbe 
Weise erfolgt. 


1) C. L. Winkler, Zeitschr. f. angew. Chem. 27, 630, 1917; 28, 48, 1915. 
2) Thomson, Zeitschr. f. angew. Chem. 1897, 8.5. 


2%* 


20 L. Lorber: 


Aus den bisherigen Untersuchungen im allgemeinen und dem 
Verhalten der Borsäure im besonderen sehen wir, daß das Blutserum 
dadurch auf den isoelektrischen Punkt zu bringen ist, daß man das im 
Blutserum vorhandene Alkali nach den Gesetzen der Stöchiometrie bindet, 
unabhängig von der H-Ionenkonzentration der Säurelösungen. 

Wenn obige Auffassung richtig ist, dann sind die Eiweißkörper 
auch durch andere Alkali bindende Chemikalien auf den isoelektrischen 
Punkt zu bringen, selbst durch solche, welche keine H-Ionen enthalten. 
Diese Eigenschaft besitzen bekanntlich die Schwermetalle. 

Die Schwermetalle bilden nämlich mit dem Alkali in Wasser un- i 
lösliche Metalloxyde bzw. Metallcarbonate, z.B. CuSO, + 2 NaOH 
= Cu (OH), + Na,SO,. 

Wenn also die Lösung irgend eines Schwermetalls zum Serum 
hinzugefügt wird, so muß, dem Obigen zufolge, durch Alkaleszenz- 
verminderung der isoelektrische Punkt zustande kommen, das Eiweiß 
muß ausgefällt werden. Aus den oben mitgeteilten Kurven ist zu 
sehen, daß die Ausfällung des Eiweißes in äquivalenten Mengen mit 
den die Fällung bewirkenden Säuren erfolgt. 


N 
E WEE Ers 
EE EE 
SZ H DP Dn H nn nnnnnnn n n 
10 20 40 80 160 320 6%0 1280 2560 10 20 40 80 160 320 690 1280 2560 
Plumbumnitrat Aluminiumsulfat 


Abb. 2. Schwermetallsalzkurven. 
Die Zeichen auf der Ordinate bedeuten: Grad der Dispersionsverminderung [U0 = maximale, 
F (= Fällung) = minimale Dispersion]. Die Zeichen auf der Abszisse bedeuten: 1 ccm von 
der n/10, n’20 usw. starken Schwermetallsalzlösung. 


Vergleicht man die Kurven, welche die Fällung durch Säuren und 
durch Metalle darstellen, so sieht man, daß, wie auch aus dem oben 
Dargelegten folgt, die Fällung der Eiweißkörper durch Säuren und 
durch Metalle quantitativ nach denselben Gesetzen erfolgt; d.h. die Aus- 
füllung der Eiweißkörper geschieht hei derselben Konzentration der Säuren 


~ 


Eiweißkörper des Serunıs, 21 


und Metalle, weil beide auch die Alkalien in äquivalenter Menge neu- 
tralisieren. 

Qualitativ zeigen die Kurven eine gewisse Individualität. Beim 
Vergleich derselben sehen wir, daß die Fällung durch Säuren bzw. das 
Maximum der Ausfällung um n/160 beginnt. Erhöht man die Kon- 
zentration der Säuren, so lösen sie die Eiweißkörper in geringerer oder 
größerer Konzentration wieder auf. Die Grenzkonzentration dieses 
Lösens ist, wie ebenfalls ersichtlich, der Stärke der Säuren proportional. 
Daher kommt es, daß die Ausfällungskurve bei starken Säuren steil 
ist, während sie bei schwachen Säuren einen verzogenen Verlauf zeigt 
und bei ganz schwachen Säuren, wie Borsäure, Kohlensäure, der das 
Lösen anzeigende Teil der Kurve gar nicht zu finden ist. 


Steigert man die Konzentration der Säure über den isoelektrischen 
Punkt hinaus, dann entstehen — wie wir aus älteren Untersuchungen 
wissen — saure FEiweißkörper, die sich dann, abhängig von der Stärke 
der untersuchten Säure, bei geringerer oder stärkerer Konzentration 
lösen. 

Besonders erwähnt zu werden verdient, wegen ihres interessanten 
Verlaufs, die Kurve der Sulfosalicylsäure; dieselbe zeigt zwei Spitzen, 
deren erste mit der Spitze der Kurven anderer Säuren zusammenfällt 
und die spezifische Fällung anzeigt; die zweite zeigt das spezifische 
Eiweißfällungsvermögen der Säure an. 

Vergleicht man die Kurven der Schwermetalle, so findet man eine 
ähnliche Individualität wie bei den Säuren. Ein Teil verhält sich wie 
bei sehr schwachen Säuren, wie ZnSO,, CuSO,, andere hingegen wie 
bei starken Säuren, Al,(SO,),. PPNO,; d.h. während die ersteren das 
Eiweiß bei der über n/160 untersuchten Konzentration nicht lösen, 
lösen letztere, bei Steigerung der Konzentration der Salze über n/160, 
das Eiweiß wieder auf. Dieses Verhalten der Schwermetalle kann. 
dem Obigen zufolge, folgendermaßen erklärt werden: wenn wir in einer 
Eiweißlösung die Konzentration des CuSO, oder des ZnSO, noch so 
erhöhen, können wir, da deren Lösungen neutral sind, die zum Wieder- 
auflösen der Eiweißkörper erforderliche H-Ionenkonzentration nicht 
erreichen, und die Eiweißkörper bleiben auch weiter auf dem isoelektri- 
schen Punkt!). Die Al- und Pb-Salze, welche eine den starken Säuren 
identische Kurve aufweisen, werden in Wasser hydrolytisch gespalten, 
so ist z. B. in der wässerigen Lösung des Al,(SO,),, AL(OH), und H, SO, 
anwesend; das gleiche gilt auch von Pb NO0,. dessen Lösungen ebenfalls 
hydrolytisch gespalten werden. In solchen Metallsalzlösungen sind 
also in Wirklichkeit Säuren anwesend, und das im Serum vorhandene 


1) Ich bemerke, daß bei Anwendung einer sehr starken Metallsalzlösung 
auch die Eiweißkörper sich lösen (Zsigmondy, Kolloidchemie, 1922, S. 351). 


22 L. Lorber: Eiweißkörper des Serums. 


Alkali wird nicht infolge Einwirkung des schweren Metalles, sondern 
auf Einwirkung der anwesenden Säure neutralisiert, und daher zeigen 
sie die für die starken Säuren charakteristische Kurve. 


Ich bemerke, daß ich die Pufferwirkung des Serums bei der Er- 
klärung der oben mitgeteilten Erscheinungen geflissentlich unberück- 
sichtigt ließ, denn, wie wir sehen, können diese Erscheinungen sehr 
wohl auch ohne jene gedeutet werden. ' 


Zusammenfassung. 


l. Die verschieden starken Säuren bringen die Eiweißkörper des 
Blutserums in äquivalenter Menge auf den ‚‚isoelektrisch‘‘ genannten 
Zustand, unabhängig von der H-Ionenkonzentration der Säurelösungen. 


2. Die Eiweißfällung verschiedener Schwermetalle erfolgt gleich- 
falls in äquivalenter Konzentration, welche mit der Ausfällungs- 
konzentration der Säuren identisch ist; diese Konzentration ist im 
Falle von 0,2 ccm Serum etwa n/l160. 

3. Die Ausfällung der Serumeiweißkörper, d.h. das Bringen der- 
selben auf den isoelektrischen Punkt, geschieht durch Bindung des 
titrierbaren Alkalis, unabhängig von der H-Ionenkonzentration der 
Lösungen. 


Über die Beziehungen von Blutzuckerhöhe, 
spezifilsch-dynamischer Wirkung und Verbrennung 
bei einer Anzahl von Kohlehydraten, 


Von 
Kurt Sechirlitz. 


(Aus dem pharmakologischen Institut der Hamburgischen Universität.) 


(Eingegangen am 5. Januar 1927.) 
Mit 4 Abbildungen im Text. 


Die Versuche, über die in dieser Arbeit berichtet werden soll, 
bilden die Fortsetzung einer Versuchsreihe, die Bornstein und Holm (4), 
sowie Holm (5) früher im gleichen Institut angestellt haben. Aus 
diesen Versuchen ging hervor, daß wenige Minuten nach peroraler 
Zufuhr von 100g Traubenzucker beim nüchternen Menschen der 
Blutzucker ansteigt. Respirationsversuche zeigten, daß die Verbrennung 
des im Blute kreisenden Zuckers zu dieser Zeit noch nicht beginnt. 
Sie setzt erst 14 bis 11, Stunden später ein, nachdem der Blut- 
zucker schon recht hohe Werte angenommen, häufig nachdem er schon 
den Höchstwert erreicht oder überschritten hat. Die weitere Ver- 
brennung des zugeführten Zuckers kann bei niedrigen Blutzucker- 
werten erfolgen; ein Parallelismus zwischen Höhe des Blutzuckers 
und Umfang der Zuckerverbrennung nach Traubenzuckerzufuhr 
besteht also nicht. S 

Des weiteren zeigten diese Versuche. daß nach Lävulose der Anstieg 
ds Blutzuckers gering ist, daß aber dieses Kohlehydrat sofort verbrennt. 
Milchzucker bewirkt eine geringe oder gar keine Steigerung des Blutzuckers, 
erst nach 1 Stunde eine mäßig vermehrte K.-H.-Verbrennung, die entfernt. 
nicht so stark ist, wie bei Lävulose und Dextrose. 

Zum Vergleich führen wir noch die Arbeit von Benedict und Car- 
penter (3) an. 

Auch sie beobachteten die schnell einsetzende Verbrennung der Lävulose. 


Ein ähnliches Bild geben auch die Versuche mit Rohrzucker. Zu beiden 
ste steht die Dextrose, die erst später und langsamer verbrannt. 


24 K. Schirlitz: 


Die Versuche von Bornstein und Holm sind mit der Zuntz-Geppertschen 
Methode, diejenigen von Benedict und Carpenter mit dem Benedictschen 
„Universalapparat‘‘ angestellt. Beide geben sachlich die gleichen Werte. 
Sie zeigen in ihrer Übereinstimmung, daß bei sorgfältigem Arbeiten mit 
gut eingearbeiteten Versuchspersoren man sehr wohl respiratorische 
Quotienten erhält, die Schlüsse über die Art der Verbrennungen gestatten. 


In den Versuchen von Born;tein und Holm waren nur die Be- 
ziehungen zwischen Höhe des Blutzuckers und der Verbrennung des 
zugeführten K.-H. besprochen werden. Dagegen war die Erhöhung 
des Energieumsatzes, die durch die K.-H.-Zufuhr bedingt war, nicht 
in den Bereich der Betrachtung gezogen worden. Wir wollen diese 
Oxydationssteigerungen, dem jetzt herrschenden Brauche entsprechend. 
als spezifisch-dynamische Wirkung (sp. d. W.) bezeichnen, ohne zunächst 
über ihr Wesen etwas auszusagen. Die sp.d. W. nach K.-H.-Zufuhr 
bildet den Hauptgegenstand dieser Arbeit, in der wir eine Reihe von 
K.-H. untersucht haben, und zwar nach: 


A. der absoluten Größe der ap. d W., 
B. etwaigen Beziehungen zur Verbrennung der K.-H., 
C. y 7 ‚„ Höhe des Blutzuckers. 


Methodik. 


Die Versuche wurden am Zuntz-Geppertschen Apparat etwa 13 Stunden 
nach der letzten Mahlzeit ausgeführt. Sie wurden nur an gut eingeübten 
Versuchspersonen vorgenommen, die in wenigen Fällen wenigstens 1!,, 
meist 7 bis 8 Stunden vorher auf dem Sofa lagen, auf dem die Versuche 
durchgeführt wurden. Am Tage vorher war eine im wesentlichen aus 
Eiweiß und Fett bestehende Nahrung genossen worden. Ein Teil der Ver- 
suche geschah an zwei Hunden. Beide Tiere, ein Pinscher und eine Wolfs- 
hündin, waren nach ihrer Tracheotomie sorgfältig und liebevoll behandelt, 
hatten keine Scheu mehr und gehorchten gut. Das Temperament war 
ruhig. Die Tiere wurden in je vier bis sechs Vorversuchen an verschiedenen 
Tagen gut „eingeatmet‘“, d. h. sie mußt am sich soweit an den Versuchsraum 
mit den Apparaten gewöhnen, daß die notwendigen Handgriffe weder ihre 
Beachtung mehr noch etwa Angst vor etwas unbestimmt Drohendem 
erregten. Am Morgen wurde dann ınit der Nüchterndoppelbestimmung 
begonnen. Wenn es in Betracht kam, erfolgte auch die Nüchternblutzucker- 
probe, und zwar sofort im Anschluß an ein abgeschlossenes Rohr. Die 
Blutentnahmen waren beim Menschen und Hunde gleichermaßen am Ohr 
(beim Tiere rasiert) durch einen mäßigen Ritz am Versuchsanfang. Ein 
einfaches starkes Überwischen genügt» für die nächsten Entnahmen zur 
Neublutung. Die Hunde blieben ganz ruhig dabei. Die Blutverarbeitung 
geschah nach dem Analysenverfahren nach Hagedorn. Danach erfolgte 
die Zuckergabe in den in den Tabellen stehenden Mengen. Es wurde im 
Liegen aus einem Rohre gesogen. Die Hunde erhielten bei guter Hilfs- 
stellung den Zucker durch den Magenschlauch. Eine wesentliche Erregung 
ist nie eingetreten, die nötige Beruhizung trat während einiger Minuten 
des Maulschleckens sehr schnell ein. ba wurde darauf die Tamponkanüle 
eingelegt (nicht vorher, sonst gibt es Druckschmerzen und das Tier wird 
unruhig) und das Tier in die feuchte Gasuhrleitung eingeschaltet. 10 Minuten 


Blutzuckerhöhe, spezifisch-dynamische Wirkung usw. 25 


bis Y, Stunde nach der Zuckergabe konnte meist der erste Teilversuch 
beginnen. In der ersten Stunde erfolgten meist drei Bestimmungen, dann 
in größerem, später in stündlichem Abstand (s. Tabellen). 

Beschwerden, bis auf einmal etwas Durchfall, sind nicht aufgetreten. 
Auch das Schlucken des schlecht schmeckenden Maltose- und des Stärke- 
kleisters ging ganz leidlich. Die zweite Stärke-,‚Mahlzeit‘‘ war durch vier 
Tabletten Saccharin schmackhafter gemacht. 

Die Gasanalysen lagen in der Hand der alteingearbeiteten Laborantin, 
Fräulein M. Nickau. 

Zur Berechnung ist allgemein folgendes zu sagen: 

Da es sich nur um Zeitausschnitte handelte, mußte die Zwischenzeit 
aus dem Mittelwert des vorhergehenden und des folgenden Teilversuchs 
errechnet werden. Die Prozentzahl der sp. d. W. jedes K.-H. ergibt sich 
also aus der Summe der beobachteten Teilversuche plus der Summe der 
errechneten Werte der Zwischenzeiten. Als Nüchternwert ist ferner bei 
den Hunden und den Selbstversuchen eine Zahl angenommen, die sich 
als Mittel ergibt aus den vorliegenden zusammen mit einer ganzen Reihe 
anderer Atmungsversuche der betreffenden Lebewesen. Wir glauben 
damit besser der Tatsache Rechnung zu tragen, daß durchaus nicht immer 
die Werte wieder erreicht werden, die an dem einen betreffenden Morgen 
nun gerade als Nüchternwerte gefunden sind. Die Stoffwechsellage pendelt 
um eine gewisse Mittellage. Sie kehrt daher öfters, wenn sie z. B. zufällig 
anfänglich hoch lag, nicht dorthin zurück, sondern stellt sich auf einen 
tieferen Punkt ein. Auch das Umgekehrte kann der Fall sein. Diese Art 
des Ausgangspunktes konnte aus äußeren Gründen für die Berechnungen 
für Versuche, die wir aus dem Schrifttum entnahmen, nicht eingehalten 
werden. 

Aus O, und dem R.-Q. ergibt sich nach der bekannten Zuntzschen 
Rechnung der Wert der verbrauchten Kalorien. Von diesem Kalorienwert 
wurde der „Nüchternwert‘‘ (s. oben) abgezogen und je nach der Versuchs- 
dauer multipliziert mit seiner Zeitzahl. Dieser Wert ist als „Kalorien- 
differenz‘“ für den betreffenden ganzen Teilversuch in der nächsten Säule 
zu finden. Diese Säule ist also die einzige, die keine Minutenwerte anzeigt. 
Sinngemäß errechnet sich der Wert für die Zwischenzeit. Die Summe 
dieser Spalte ist daher die kalorische Verbrauchssumme, die auf Hundert 
in Verbindung gesetzt wurde mit 410 Kalorien einheitlich für alle 100 g K.-H. 


Absolute Größe der spezifisch-dynamischen Wirkung. 


Zur Verfügung stehen Versuche mit sechs verschiedenen K.-H., 
nämlich Stärke, Lävulose, Rohrzucker, Maltose, Traubenzucker und 
Milchzucker. Die Nennung erfolgte in der Reihenfolge ihrer stärksten 
bis zur schwächsten sp. d. W., von 9,25 bis 1,15 Proz. durchschnittlich. 
Wir haben aus dem Schrifttum (4) (5) (6) eine weitere Anzahl von 
Versuchen in der gleichen Art wie unsere eigenen durchgerechnet und 
mit in der Tabelle II aufgeführt. Hinsichtlich des Traubenzuckers ist 
zwischen den eigenen und den Versuchen aus dem Schrifttum eine 
sehr gute Übereinstimmung festzustellen. während die Lävulose- 
versuche eine kleinere Spannung zeigen von 9 zu rund 4,4, die aber 


Im Grunde genommen immer noch in der gleichen Größenordnung 
bleiben 


26 K. Schirlitz: 


Die sehr zahlreichen Versuche Benedicts!) liegen mit 6 Proz. etwa 
in der Mitte. Soweit Tierversuche, die nur für Maltose und Lävulose 
vorliegen, in Betracht kommen, liegen deren Zahlen innerhalb der bei 
Menschen gefundenen Werte. Auch beim Tiere zeigt die Lävulose eine 
etwas stärkere sp. d. W. als die Maltose. Im ganzen können die Zahlen- 
werte aller Versuche für gleichsinnig gehalten werden. 


Tabelle I 
u ee u Durchschnitt u 
e Nach Schrifttum» 
E v h er 
nn angaben | Eigen `. Schrifttum Gesamt 
Mensch, 
An Stärke... ... | 103 82 | 9.25 | 9.25 
Lävulose ..... ı 102 92 4,2 3,7 "91 — 3,95 6.53 
Rohrzucker "AA 8O 6,2 
Maltose . ..... 155 | 
Traubenzucker. . . ! 52 28 Ä 37 30 68 40 4,5 425 
Milchzucker . . . . | 18 05 1.15 
Tier 
Lävulose ..... 1,8 ! 7,8 
Maltose `, 42 79 | 
6,5 | 6,54 
88 5.3 


Beziehung zwischen spezifisch-dynamischer Wirkung und Verbrennung der 
Kohlehydrate. 


Diese Frage läuft auf einen Vergleich der Zahlen des Sauerstoffs 
und der respiratorischen Quotienten hinaus. 

Bei der Stärke zeigt sich im ersten Versuch nach der Stärkegabe 
sofort ein Anstieg der O,-Menge von 10 Proz.?), während aus dem 
praktisch unverändert gebliebenen R.-Q. auf noch keinerlei im Körper 
vor sich gehende Verbrennung geschlossen werden muß. Erst nach 
rund 3% bis 1 Stunde setzt diese ziemlich stark ein, bei einem weiteren 
O,-Anstieg um 20 Proz. Vermehrung. Von hier ab sinkt der O,-Bedarf 
in den nächsten 134 Stunden auf Werte von + 10 Proz., während der 
R.-Q. als Ausdruck zunehmender Verbrennung noch etwas ansteigt. 
Im zweiten Versuch beginnt der O,-Anstieg erst etwas später, doch 
dann erheblich, um annähernd 15 Proz.. während erst vom dritten 
Teilversuch nach Zuführung der Stärke eine Verbrennung fest- 
zustellen ist. Diese hält sich wesentlich länger auf ziemlicher Höhe. 
während die O,-Werte nur noch eine Erhöhung von rund + 5 Proz. 
ergeben. | 

1) S. 235. e 

Die Art „Prozent‘-Angaben berücksichtigen nur ganz grob 5, 10, 
15 und 20 Proz. 


“ Blhutzuckerhöhe, spezifisch-dynamische Wirkung usw. 27 


Ergebnis: Schon frühzeitig nach Zufuhr der Stärke Erhöhung des 
O,-Bedarfs um 10 bis 20 Proz. bei erst später einsetzender Verbrennung, 
die in der Stärke (Intensität) und zum Teil auch in der Zeit die sp. d. W. 
überdauert. 

Lävulose 2 zeigt den Unterschied zwischen dem abgeklungenen 
O,-Bedarf und der auf vollster Höhe sich befindenden Verbrennung 
am besten im vierten Teilversuch. Im Versuch 3 ist von einer Ver- 
brennung noch nicht die Rede, im ersten Teilversuch nach der Zu- 
führung, obgleich die sp. d. W. schon nahe an ihren Höhepunkt heran- 
gerückt ist. Lävulose 1 ist dadurch beachtenswert, daß gerade um- 
gekehrt die Verbrennung viel eher auf der Höhe ist, während sich die 
sp.d. W. noch in wesentlich tieferen Grenzen bewegt. Erst nach 
l l„stündiger Senkung von R.-Q. ist der O,-Bedarf am höchsten. 
Gerade diese Verschiedenheit zeigt am besten, daß sicher kein zwangs- 
läufiges Nebeneinanderlaufen der beiden zu vergleichenden Vorgänge 
anzunehmen ist. 

Die berechneten Lävuloseversuche aus dem Schrifttum zeigen 
ein Bild, wie es von meinem J,ävuloseversuch 1 soeben beschrieben ist. 
Früher einsetzende Verbrennung bei allen beiden. In H. ist schon 
nach 30 Minuten der Höchstwert erreicht, während in G., rein zahlen- 
mäßig betrachtet, der Höchstwert zwar nach 2 Stunden liegt (1,04); 
doch ist tatsächlich kein Unterschied festzustellen mit dem gleich- 
großen Werte von 1,01 nach 45 Minuten. Hier setzt nun deutlich ver- 
spätet die sp. d. W. ein, indem diese mit + 10 Proz erst nach 34 Stunden 
beginnt. 

Im Gesamtbild stehen damit drei Lävuloseversuche mit keinem 
bzw. nur kleinem sofortigen O,-Anstieg, zwei (Nr. 2 und 3) mit sofort 
stark einsetzender ap. d W. gegenüber. Ferner zeigen drei (Nr. 2, 
Nr.1 schlechter, G. sehr gut), wenn auch nicht gleichmäßig gut, daß 
die Verbrennung unabhängig vom O,-Verbrauch weiter geht, während 
die zwei anderen ein annähernd gleichmäßiges Abklingen von 0,- und 
R.-Q.-Werten erkennen lassen. 


Rohrzucker. Zwei anfänglich gleichlautende eigene Versuche. 
Sofortige sp. d. W. bei erst im zweiten Teilversuch nach der Stärke- 
gabe sich zeigender Verbrennung des Zuckers. Diese ist nach 30 Minuten 
voll ausgebildet. Aber einmal hört die sp. d W., beim zweiten Male 
die Verbrennung zuerst auf. 


Maltose (zur Hauptsache Tiermaterial). 


Versuch 1. Ein einigermaßen gleichlaufendes Wirken von O,-Auf- 
nahme- und Verbrennungsvorgängen; eine mäßige sp. d. W., die deutlicher 
nur im Beginn, vierten und sechsten Teilversuch wird. Dabei aber durchaus 
kräftige K.-H.-Verbrennung (R.-Q. von 7,4 auf 0,89) von Anfang bis Ende 
der untersuchten Zeit. 


28 K. Schirlitz: 


Versuch 2. Die ep d W. geht im zweiten Teilversuch auf den Aus- 
gangswert zurück, während die Verbrennung unverändert weiter geht. 

Versuch 3. Ähnlich 1. Sp. d W. und R.-Q. gleichlaufend. 

Versuch 4. Auffallend ein starkes anfängliches Herabgehen des 
O,-Verbrauchs unter den Nüchternwert bei gleich gut hervortretender 
Verbrennung. Der Höhepunkt der sp. d. W. liegt vor dem Höchstwert 
des R.-Q. Schneller Abfall der sp. d. W. bei weitergehender Verbrennung. 

Versuch 5. Starke sp.d. W., zunächst ohne Änderung des R.-Q. 
Zusammenfallen beider Höchstwerte. Wesentlich vorzeitiges Aufhören 
der sp. d. W. bei noch stark und lange 
bestehender Zuckerverbrennung. 

Versuch 6 (Mensch, s. Abb. 1). Hier 
setzten beide untersuchten Erscheinungen 
gleichmäßig verspätet ein; doch dann deut- 
lich das häufigere Bild: stärkere und 
kürzere Welle der sp. d. W., später an- 
steigende und länger dauernde Zucker- 
verbrennung. Gerade hier ein besonders 
klares Beispiel für das nicht Hand-in- 
Hand-Gehen dieser beiden Vorgänge; der 
Höchstwert des R.-Q. zu einer Zeit, wo 
die sp. d. W. schon wesentlich abgefallen ist. 


Gesamtbild: Vier Versuche (Nr. 2, 4, 
5, 6), die eine deutliche Selbständigkeit 
der sp.d. W. im Vergleich zum R.-Q. zeigen gegenüber zweien, bei 
denen eine Unabhängigkeit beider Funktionen nicht abzulesen ist. 


Traubenzucker. 

Die zwei eigenen und die drei Versuche C D und F ergeben ein 
fast übereinstimmendes Bild bis auf einen (D), wo der O,-Anstieg zuerst 
nur gering ist. Im übrigen ist überall zunächst 

SÉ, ein Ansteigen des O,-Verbrauchs zu bemerken; 
erst später, wenn der O, -Verbrauch schon sehr 

hoch ist, beginnt mit einem Steigen des R.-Q. 
ES eine Verbrennung des Zuckers. In allen fünf 
9% eine ganz beträchtlich kürzere Dauer der sp. 
` leng d.W. Ferner: zweimal (C und D) liegen die 
Verbrennungshöchstwerte des Zuckers bei 
einem Ruhesauerstoffbedarf, zweimal fallen 
TS 0O,- und R.-Q.-Höchstwerte wesentlich aus- 
einander (F und Sch) und nur einmal (Kr) 


2,3 
Zet 
Abb. 21). liegen beide in dem gleichen Teilversuch. 


1) Material stammt von einer Patientin, die nicht so lange für den 
Versuch zur Verfügung stand. Es kommt der „Abstand“ zwischen der fast 
normalen sp. d.W. und der noch starken Verbrennung im fünften und 
sechsten Kurvenpunkt gut zum Ausdruck. 


Blutzuckerhöhe, spezifisch-dynamische Wirkung usw. 29 


Milchzucker. 


Praktisch genommen ist diese sp. d. W. fast gleich Null. Ebenso 
fällt bei der Verfolgung der R.-Q.-Werte das noch spätere Auftreten 
und ihre verhältnismäßige Schwäche auf. 

Bei der Betrachtung aller K.-H.-Versuche insgesamt hinsichtlich 
der Frage, ob eine Gleichheit oder Ungleichheit in dem Verhalten der 
sp. d. W. zu den Verbrennungsvorgängen vorliegt, wollen wir uns die 
Versuchsergebnisse noch mehr vereinfachen. Dazu gliedern wir die 
Versuche in drei weitere, kleine Tabellen, in denen ausgesagt wird: 


l. über den Anfang der sp. d. W., ob vor, mit oder nach Einsetzen 
der Verbrennung, 

2. über den Höhepunkt der sp. d. W., 

3. über das Ende der sp.d. W., immer im Vergleich zum R.-Q. 


Tabelle II. 


 Spezifischdynamische Wirkung 


vor | mit | nach vor mit : na vor | mit nach 


dem Beginn l, dem | ie mt dem Ende 


der Kohlehydratverbrennung 


ı Ia 1009 1 


Stärke. ... 12 | | | 
Lävulose . . . ` 123 H6"236G IH 126 H 3 
Rohrzucker. . 1 2 1 | 12 

Maltose KI (on A |246 135 Is45e6lıa2 
Traubenzucker |ICDF| 2 I!lUDF| 2 ‚12CDF 
Milchzucker*) | 1 d HE? C 
Gesamtzahl. . . 9mal | $ 9mal Susi 13 mal |6mall mal! 16 mal |4inal | Imal 


°) Nur Versuch 1 gewertet. 


Anmerkung. Die Zahlen bzw. Buchstaben beziehen sich auf die 
ebenso genannten Versuche. 


Höhepunkt und Ende zeigen mit starkem Überwiegen, daß im 
Durchschnitt die sp. d. W. nicht zusammenfällt mit der im Körper 
einsetzenden Kohlehydratverbrennung. Die Tabelle ‚Anfang‘ gibt ein 
gemischtes Bild. Namentlich beim Traubenzucker setzt die sp.d. W. 
fast immer früher ein als der Anstieg des R.-Q. In weitaus der Mehrzahl 
der Versuche ist die sp. d. W. schon abgeklungen, wenn die Verbrennung 
der K.-H. noch auf der Höhe ist. Wir müssen daraus schließen, daß 
die sp. d W. nichts mit der Verbrennung der zugeführten K.-H. zu tun hat. 
Häufig ist die sp. d. W. schon auf der Höhe, wenn eine Verbrennung 
noch nicht oder kaum begonnen hat. Die sp. d W. ist also durchaus 
in die assimilatorische Phase des K.-H.-Stoffwechsels zu verlegen, darf 
aber doch nicht mit der Aufsaugungsarbeit aus dem Darm in die Chylus- 
und Blutgefäße gleichgehalten werden (s. den letzten Abschnitt dieser 
Arbeit). 


30 K. Schirlitz: 


Beziehung des Blutzuckers zur Verbrennung der Kohlehydrate. 


Blutzuckerentnahmen nach der Mikromethode nach Bang und 
dem Hagedornschen Analysenverfahren sind bei den einfachen Zuckern 
gemacht worden. Von den Di- und Polysacchariden des Rohrzuckers 
und der Stärke, die eine technisch andere, weit langwierigere Behandlung 
zur quantitativen Erfassung beansprucht hätten, mußte abgesehen 
werden. 


Es liegen vor: 
6 Angaben über Maltose (5 vom Hund, 1 vom Menschen), 


3 „ an Lävulose, 
5 = (davon 1 intravenös) über Traubenzucker, 
2 = über Milchzucker. 


In den früheren Arbeiten des Instituts ist die Ansicht ausgesprochen, 
daß ein Parallelismus zwischen der Höhe des Blutzuckers und der Größe 
der K.-H.-Verbrennung nicht besteht. Die Ansicht ist namentlich im 
Falle der Verbrennung des Traubenzuckers mit Beispielen belegt (siehe 
Versuche vom 29. August 21. und 20. Oktober 1921). 

Auch in neueren Versuchen findet sich das gleiche. In beiden 
Versuchen mit Traubenzucker ist die K.-H.-Verbrennung auf der Höhe 
zu einer Zeit, in der der Blutzucker schon 
wieder normale (Nr. 1) oder wesentlich tiefere 
(Nr. 2) Werte angenommen hat. Anderer- 
Aë | | "vo seits ist im ersten Traubenzuckerversuch 
0,140 der Blutzucker auf seinem höchsten Wert 
0120 angelangt, während der R.-Q. noch nicht 
angestiegen ist (Abb. 3). 


Blutzucker. 


0,100 , , f 
0,78 Hier sei ein besonderer Versuch er- 
0,080 .. D 2 
0,74 wähnt, der aus einer anderen, noch nicht 
0060 veröffentlichten Untersuchungsreihe Prof. 
WM . D 8 . 
u R Bornsteins stammt. Hier ist die Dextrose 
Abb. 3. intravenös gegeben. Wir sehen, daß allein 


die Höhe des Blutzuckers sicher nicht 
gleichbedeutend ist mit Verbrennungsvorgängen, denn unverändert 
steht ein R.-Q. von 0,833 einem von 0,091 auf 0,191 mg (vorher 
schon 0,219) gestiegenen Blutzucker gegenüber. 

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Lävuloseversuchen in den 
späteren Stunden (s. besonders Nr.3). Auch bei unseren Versuchen 
mit Maltose findet man häufig Entsprechendes. Am klarsten ist der 
Selbstversuch 6, Neben-Nr. 3. 

Versuch 3. In diesem macht die Verbrennung den raschen Anstieg 
des Zuckerwertes nicht ınit. Selbst beim Zuckerhöchstwert von 0,239 ıst 


eine Verbrennung noch nicht ausgelöst. R.-Q. bei 0,85, während sein 
Anfangswert 0,83 war. 


Blutzuckerhöhe, spezifisch-dynamische Wirkung usw. 3l 


Versuch 6. Der Beginn ähnlich wie Versuch 3. Bei allen hohen Blut- 
zuckerwerten kann von keiner, oder zumindest keiner beträchtlichen Ver- 
brennung die Rede sein. Erst bei normaler Zuckerhöhe liegt der R.-Q. 
höher und steigt bei dem tiefen Zuckergehalt von 0,069 noch zu seinem 
Spitzenwert von 0,88. 


Gerade Beobachtungen wie diese letzten beiden zeigen, daß kein 
notwendiger Parallelismus zwischen Blutzuckerhöhe und Verbrennungs- 
vorgängen bestehen muß. So einfach, daß das vorhandene Brenn- 
material im Blute notwendig sofort Verbrennungsvorgänge bedeutet, 
liegen die Verhältnisse also nicht. 


Die Spannung, die in den Traubenzuckerversuchen zwischen den 
meisten R.-Q.-Punkten und den Blutzuckerwerten abgelesen werden 
kann, ist zu offensichtlich. Es betonen sich jetzt damit die Fälle, in 
denen von einem direkten Parallelismus zwischen R.-Q. und Blut- 
zuckergehalt nicht die Rede sein darf, mag auch eine Anzahl Versuche 
einen gewissen Zusammenhang scheinbar erkennen lassen. Die Versuche, 
in denen ein Parallelismus nicht besteht, sind die für die Beantwortung 
der Frage grundsätzlich wichtigeren. Es müssen also für die direkte 
Einleitung der Verbrennung noch andere Bedingungen gefordert werden. 


Wegen der geringen Ausschläge beim Milchzucker ist von einer 
Wertung abgesehen worden. 


Verhältnis von spezifisch-dynamischer Wirkung und Blutzucker. 


Es werden dieselben soeben besprochenen Angaben für Maltose, 
Lävulose und Traubenzucker gesichtet. 


Maltose 1. Anfänglich ein Hinaufschnellen beider Werte. Während 


der Zucker aber weiter steigt, sinkt die sp. d. W. wieder, um dann abermals 
höhere Werte zu bekommen, während der B.-Z. 


fast wieder zur Norm zurückgekehrt ist. Wer- As? Eeer 
tung: Sp. d. W. ist unabhängig vom B.-2. bei 
Maltose 2. Ein ziemlich ähnliches Bild. 7? SE 


Gemeinsamer starker Anstieg. Dann aber zum 0450 en -+ -|4190 
Teil starke Spannung zwischen der wieder 
erstmalig abgeklungenen sp. d. W. und dem 
hohen B.-Z. Der Abfall setzt gemeinsam 0,410 
ein, zeigt am Ende aber doch noch einmal 


l S ; 0,390 0,130 

eine betontere Ungleichheit. Wertung: Unab- ges 

hängig. 0,370 | 0,110 
Maltose 3. Bei dem Höchstwert des B.-Z. 0,350 I, 57, 0,090 

von 0,239 eine noch minimale sp. d. W. Erst 4 oh 

l Stunde später erreicht die sp. d. W. ihre Abb. 4 


Spitze. Wertung: Unabhängig. 

Maltose 4. Bei der hier beobachteten negativen Zacke der sp. d. W. 
fällt besonders der Gegensatz auf zu der schon voll erreichten B.-Z.-Höhe. 
Bei schon beträchtlich abgeklungenem B.-Z. von 0,150 ist die sp.d. W. 
noch deutlich ausgeprägt. Wertung: Unabhängig. 


32 K. Schirlitz: 


Maltose A. Hier ist zum erstenmal ziemlich annähernde Parallelität 
vorhanden. Wertung: Gleichlaufend. 


Maltose 6. Wiederum das bedeutend häufigere Bild. B.-Z.-Höchst- 
wert zu einer Zeit, in der noch keine sp. d. W. vorhanden ist, und weiter 
umgcekehrt bei deutlich ausgebildeter sp. d.W. annähernd normale B.-2.- 
Werte (vgl. Abb. 1). 


Bei der Lävulose (Versuch 2) ist eine deutlich verkürzte sp. d. W. fest- 
zustellen. Gemeinsamer Anstieg, aber früheres Abklingen der sp. d.W. 
vor dem Höhepunkt der Zuckerkurve, die sich wesentlich etwas länger 
höher hält. 


Lävulose 3 gibt gemeinsame Anstiegwerte. Aber hier sinkt der B.-Z. 
deutlich schneller bei über 3 Stunden fortbestehender sp. d. W. 


Lävulose 1. Dem energischen Anstieg der Zuckerwerte hält die 
sp. d. W. nicht Schritt. Erst bei normalen Zuckerwerten ist diese voll 
ausgebildet. Ihr Abfall ist langsamer. Die zuletzt beschriebene Beoh- 
achtung ist auch wieder die wertvollere, da sie eindeutig zeigt, daß durchaus 
keine Koppelung, wie man sie bei 2 und 3 für den Anfang doch noch an- 
nehmen könnte, besteht. 


Man muß zu dem Schluß kommen, daß die sp.d. W. nicht not- 
wendig Ausdruck ist für den Teil der assimilatorischen Phase, der es 
mit der Aufnahme der K.-H. aus dem Darm in die Chylus- und Blut- 
gefäße zu tun hat. Aber auch der ‚Gewebereiz‘‘ des erhöhten Blut- 
bzw. Gewebezuckers ist nicht direkt für die sp. d W. verantwortlich 
zu machen. Ein Blick auf den Abstand der entsprechenden Werte 
beim Traubenzucker zeigt ebenfalls, daß ein unbedingt gleichzeitig 
verlaufender Ablauf nicht vorhanden ist. Beim Versuch 1 ist der Unter- 
schied beim fünften Teilversuch gut ersichtlich, während ebenfalls 
eine Spannung beim zweiten Versuch besteht, hier aber gerade in 
den Anfangswerten. 


Zusammenfassung. 


l. Untersucht man den Einfluß der Zufuhr von 100 g K.-H. auf 
den respiratorischen Stoffwechsel des nüchternen Menschen nach der 
Zuntz-Geppertschen Methode, so ergibt sich ein Mehrverbrauch, welcher 
durchschnittlich 1,15 bis 9,25 Proz. der mit den K.-H. zugeführten 
Kalorien entspricht. Versuche an Hunden mit entsprechenden K.-H.- 
Mengen zeigen ein gleiches Ergebnis. Den geringsten Mehrverbrauch 
verursacht von den untersuchten Stoffen Milchzucker, dann Trauben- 
zucker, Maltose, Rohrzucker, Lävulose,;, am wirksamsten ist Stärke. 


2. Der Mehrverbrauch (die ‚‚spezifisch-dynamische Wirkung‘) 
setzt in vielen Fällen, namentlich in den Versuchen mit Traubenzucker, 
schon wesentlich früher ein als die Verbrennung des Zuckers. Die 
sp.d. W. hat also nichts mit der dissimilatorischen Phase des K.-H.- 
Stoffwechsels zu tun. 


Blutzuckerhöhe, spezifisch-dynamische Wirkung usw. 


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Blutzuckerliöhe, spezifisch-dynamische Wirkung usw. 41 


3. Es werden frühere Befunde unseres Instituts bestätigt, daß die 
Verbrennung der K.-H. unabhängig vom Verlauf der B.-2.-Kurve ist. 

4. In einigen Versuchen findet sich zweifellos ein gewisser Par- 
allelismus zwischen Höhe des B.-Z. und Größe der ap d W. In häufigeren 
anderen Versuchen jedoch wird ein solcher Parallelismus vermißt, so 
daß ein Gewebereiz durch den Blutzucker als Ursache der sp. d W. 
ausgeschlossen werden kann. 


Literatur. 


1) Handb. d. Biochem., 2. Aufl., 6, 1926, „Die spez.-Ayn. Wirkung der 
Nahrungszufuhr“, S. 812, Rostock, E. Grafe. — 2) A. Gigon, Pflügers Arch. 
f. d. ges. Physiol. 140, 1, 1911. — 3) Benedict und Carpenter, Carnegie Inst. 
Public. 1918. S. 261.— 4) A. Bornstein und Kurt Holm, diese Zeitschr. 180, 
209, 1921. — 5) Kurt Holm, Zeitschr. f. exper. Med. 87, H. 1/2. — 
6) 0. Tögel, E. Brezina und A. Durigh, diese Zeitschr. 50, 296, 1913. 


Analytische Mitteilungen. VI. 


Von 
Ludwig Pincussen. 


Über die Bestimmung des Calciums im Serum. 


Von 
Paula Schimmelpfeng. 


(Aus der biologisch-chemischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses 
am Urban in Berlin.) 


(Eingegangen am 8. Januar 1927.) 


Die Frage, in welcher Weise das Calcium im Blut gebunden ist, 
wird auch neuerdings wieder eifrig diskutiert und dem ‚dialysablen“ 
und ‚‚adialysablen‘‘ Anteil verschiedene biologische Wertigkeit zu- 
geschrieben. Die für die Bestimmung angegebenen Methoden beruhen 
darauf, daß bei Dialyse unter bestimmten Bedingungen und in gewisser 
Zeit eine ziemlich konstante Menge als dialysabel gefunden wird. Für 
klinische Versuche, besonders an Kindern, sind diese Methoden nicht 
anwendbar. 

Gerade solche Untersuchungen, die im Säuglingskrankenhause 
Berlin-Weißensee vorgenommen werden sollen, boten nun Veranlassung, 
der Frage näherzutreten, in erster Linie aber die verschiedenen gebräuch- 
lichen Methoden zur quantitativen Bestimmung des Calciums im Blut- 
serum nachzuprüfen und zu vergleichen. Hierbei war an die Möglichkeit 
zu denken, daß zwischen Fällbarkeit durch Oxalsäure und verschiedener 
Erscheinungsform des Calciums im Blute irgendwelche Beziehungen 
bestehen könnten. Es ergab sich sehr bald, daß die gewonnenen Werte 
‘nicht immer miteinander in Einklang zu bringen waren. Bestimmt 
man z. B. den Kalkgehalt eines Serums nach Kramer und Tisdall’), so 
findet man in vielen Fällen einen wesentlich niedrigeren Wert als bei 


1) Mandel und Steudel, Minimetrische Methoden der PBilutunter- 
suchung, 2. Auflage. 


P. Schimmelpfeng: Bestimmung des Ca im Serum. 43 


der Titration nach Veraschung des Serums im Mikrokjeldahlkolben 
[Methode von Pincussen und Cronheim!)]. Die Unterschiede betragen 
bis zu 20 Proz. (Tabelle I). 


Tabelle I. 


Quantitative Bestimmung des Calciums im Serum. 


| A. Methode Kramer und 
| Tisdall 


B. Veraschungsmethode 
Pincussen und (ronheim 


| __mgeProz. ` 


mg-Proz. 


mg»-Proz. | mg-Proz. 


a) Menschenserum . . . | 6,9 | 13 i 9,0 9,0 
b) Hammelserum. . . . | 8,4 | 8,2 | 10,6 10,7 


Nach der Methode von Kramer und Tisdall wird demnach, 
wenigstene beim Vorgehen in der üblichen Weise, nicht die gesamte 
im Serum enthaltene Calciummenge erfaßt. Zwei Ursachen könnten 
für diese Tatsache in Betracht kommen: entweder es gibt im un- 
veraschten Serum Zustandsformen des Calciums, bei denen eine Aus- 
fällung durch Ammoniumoxalat überhaupt nicht möglich ist — man 
könnte eine solche Erscheinungsform mit dem ‚adialysablen Calcium‘ 
identifizieren —, oder aber es ist die von Kramer und Tisdall vor- 
geschriebene Wartezeit von 30 Minuten nach Zusatz der gesättigten 
Ammoniumoxalatlösung für die vollständige Fällung nicht ausreichend. 
Zur Klärung dieser Frage wurden mehrere Versuchsreihen durchgeführt. 
Die Ergebnisse sind aus Tabelle II ersichtlich. 


Tabelle II. 


Quantitative Bestimmung des Calciums im Serum. 


A. Methode Aramer und Tisdall 
Wartezeit nach Zusatz der gesattigten Ammonium» 


Nr. Serum oxalatlösung Bee 
| 20 Min. | 32 Min. | 1 Stde. | 24 Stdn. ` 48 Stan. EE 
mehr më «Proz. | | mp «Proz. mg-Proz. mg, Proz. mg.Proz. 

1 ` Hammel- | | 

serum 6,4 92 : 103 1124 — 12,2 

2 ` Menschen- ` 

serum ' 90 | 97 ı 10 | — 1.0 | 11,0 

3 i vu TI wä o 115 | 11.4 

ı . =. T 403. —, zt ET e 105 

5 r 95 101 | 104 ! 120 SS | = 

6 í y0 a TE E 11,0 


1) Mikrobestimmung von Ionen in Organen und ähnlichem Material. 
Diese Zeitschr. 171, 7, 1926. 


44 P. Schimmelpfeng: Bestimmung des Ca im Serum. 


Es geht daraus hervor, daß die nach Methode A (Kramer und 
Tisdall) gefundenen Werte stets dann mit den nach Methode B (Ver- 
aschungsmethode nach Pincussen und Cronheim) festgestellten überein- 
stimmen, wenn die Wartezeit auf mindestens 24 Stunden verlängert 
wurde. Es wird also in 24 Stunden das gesamte Calcium des Serums 
ausgefällt. Ein gesetzmäßiges Ansteigen der Calciumwerte, entsprechend 
der Verlängerung der Wartezeit von 32 Minuten auf 1 Stunde, 24 Stunden 
und 48 Stunden, ist nicht zu erkennen. Bei Serum Nr.4 ergab die 
Calciumbestimmung nach Kramer und Tisdall schon nach 32 Minuten 
Wartezeit den endgültigen Wert, während das Ergebnis bei Serum \r. 1 
und Nr. 5 noch nach 1 Stunde wesentlich hinter dem nach 24 Stunden 
Wartezeit festgestellten zurückblieb. Die Absicht, in einem Parallel- 
versuch das Verhältnis des dialysierbaren Kalkanteils zum nicht 
dialysierbaren zu bestimmen und dadurch vielleicht das verschiedene 
Verhalten einzelner Seren zu erklären, scheiterte an den zur Verfügung 
stehenden, nicht kalkfreien Pergamenthülsen. Selbst nach gründ- 
lichem Auswässern dieser Hülsen wurden im Leerversuch noch 2 bis 
5 mg Calcium festgestellt. Eine Klärung bleibt weiteren Untersuchungen 
auf anderem Wege oder mit anderem Material vorbehalten. 

Hierbei sei erwähnt, daß die quantitative Bestimmung des Calciums 
im Blute nach der in der Mikromethodik von L. Pincussen!) veröffent- 
lichten Anweisung bei Einhaltung von 16 Stunden Wartezeit nach 
Zusatz einer 3proz. Ammoniumoxalatlösung zuverlässige Werte ergibt. 
Bei dieser Methode ist also schon mit einer längere Zeit in Anspruch 
nehmenden Ausfällung des Calciumoxalats gerechnet. 


Zusammenfassung. 


Die nach der Methode von Kramer und Tisdall im Serum 
bestimmten Calciumwerte sind in vielen Fällen zu niedrig. Sie stimmen 
nur dann mit Sicherheit mit der nach Veraschung des Serums (Methode 
Pincussen und Cronheim) gefundenen Gesamtmenge überein, wenn 
statt der vorgeschriebenen Wartezeit von 30 Minuten nach Zusatz 
der Ammoniumoxalatlösung eine Wartezeit von 24 Stunden bis zum 
Zentrifugieren eingehalten wird. Unterschiede zwischen verschiedenen 
Erscheinungsformen des Caleiums lassen sich mit der Fällungsmethode 
nicht klar erkennen. 


1) 3. Auflage. Leipzig, Verlag von Georg Thieme, 1925. 


Beiträge zur allgemeinen Biochemie komplizierter Salzlösungen. 


I. Mitteilung: 


Untersuchungen über die biologischen Wirkungen des 
Wiesbadener Thermalwassers. 


Von 
Karl Harpuder. 


(Aus dem städtischen Forschungs-Institut für Bäderkunde und Stoffwechsel, 
Wiesbaden.) 


(Eingegangen am 10. Januar 1927.) 


Bisher hat man sich im großen und ganzen darauf beschränkt, die 
Einflüsse der Mineralwässer auf den Stoffwechsel oder sonstige Lebens- 
äußerungen des Gesamtorganismus zu untersuchen, ohne freilich ein- 
deutige Feststellungen machen zu können. Demgegenüber erschien es 
nicht ohne Interesse, sich einmal mit den allgemeinen physiologischen 
Wirkungen dieser kompliziert zusammengesetzten Salzlösungen zu 
beschäftigen. Zweierlei Vorteile konnten von derartigen Untersuchungen 
erwartet werden: l. neue physiologische Erkenntnisse über die Wirkung 
von Salzkombinationen und einzelner, bisher wenig beachteter Bestand- 
teile derselben; 2. Aufschlüsse über die allgemein-biologischen Wirkungen 
des vorliegenden Mineralwassers, die vielleicht auch imstande sein 
könnten, als Grundlage und Richtweiser für eine spätere Erforschung 
von Einflüssen auf den Gesamtorganismus zu dienen. 

Die folgende erste Mitteilung hat zur Aufgabe, die physiologischen 
Eigenschaften und Eigenheiten des Wiesbadener Thermalwassers 
möglichst umfassend festzustellen, ohne daß zunächst der einzelne 
Effekt eingehender analysiert wird. 

Die zahlreichen Thermalcuellen Wiesbadens sind sehr ähnlich zusammen- 
gesetzt. Das Wasser enthält im Liter ungefähr 2,7 gNa, 0,1gK', 0,35 g Ca” 
und geringe Mengen NH, Sr, Mg”, Fe und Mangan. Von Anionen sind 
vorhanden 4,6 g Cl’, 0,6g HCO,. in Spuren HPO}, NO, J’, Br’. Ferner 
sind Borsäure, Kieselsäure, ÄArsensäure und Titansäure nachweisbar. Der 
Gehalt an freiem CO, beträgt etwa 0,3 g pro Liter. | 

Die nachstehenden Untersuchungen wurden an der Schützenhofquelle 
durchgeführt. Zum Vergleich gegenüber den Wirkungen des Thermalwassers 
diente Ringerlösung mit 0,9 Proz. NaCl, 0,02 Proz. KCl, 0,02 Proz. CaCl, 
0,03 Proz. NaHCO,. Die Reaktion beider Flüssigkeiten wurde, wo nötig. 


an der Gaskette mit Differenzen von + pa 0,03 auf die für den Versuch 
gewünschte Größe gebracht, wozu die freie CO, entfernt und öfter kleine 


46 K. Harpuder: 


Mengen Salzsäure oder Natronlauge zugesetzt werden mußten. In manchen 
Fällen war es nötig, eine verdünnte, dem Thermalwasser isotone Ringer- 
lösung zu verwenden. Die Versuche wurden stets mit frischem Thermal- 
wasser angestellt, in dem eventuell sogar eine Spur Kahlbaumscher Stärke 
aufgelöst wurde, was sich im vorliegenden Falle bestens bewährte, um den 
Ausfall von Salzen zu ‘vermerden. 


Zur Beobachtung wurde herangezogen der Einfluß des Thermal- 
wassers auf: 
l. Eiweißkörper (Albumin, Globulin, Casein), 
2. Hämolyse durch lipoidlösliche Stoffe, Wärme, Hypotonie, H 
und OH’, 


. Permeabilität von menschlichen Erythrocyten für Dextrose. 
. Ferment- und andere katalytische Prozesse, 

. Atmung und Gärung von Hefezellen, 

. Vermehrung von Hefezellen und Bakterien, 

. Phagocytose, 

. den quergestreiften Kaltblütermuskel. 


x J ON VW Cu 


Ich lasse nun eine Besprechung der gewonnenen Resultate folgen. 


1. Einfluß des Thermalwassers auf Eiweißkörper. 


Globulin wurde aus Rinderserum durch Halbsättigung mit Anımon- 
sulfat gefällt, dreimal umgefällt und 14 Tage gegen fließendes Leitungs- 
wasser und destilliertes Wasser dialysiert. Der salzfreie Rückstand 
wurde im Tlhiermalwasser zu einer Konzentration von etwa 3Prom. 
gelöst und hiervon je 5ccm mit steigenden Mengen n/20 und n/100 
HCl versetzt. Maximale Flockung trat bei py etwa 5,1 in einer Fällungs- 
zone von py etwa 5,4 bis 4,7 auf. Die Reaktionen wurden an der Gas- 
kette gemessen. Albumin wurde aus Rinderserum durch Sättigung 
mit Ammonsulfat gewonnen, im übrigen behandelt wie das Globulin. 
Von seiner etwa 3prom. Lösung im Thermalwasser wurden je 3 ccm 
mit steigenden Mengen n/20 bzw. n/100 HCl gemischt. Dann wurde 
teils festgestellt, bei welchen Reaktionen durch Zusatz von 2 ccm 
96proz. Alkohol die stärkste Fällung hervorgebracht wurde, teils wurde 
die minimale Alkoholmenge ermittelt, die in den einzelnen Röhrchen 
noch Trübung hervorrief. Das Maximum der Instabilität fand sich 
bei pu 6,2 in einem Flockungsbereich von pe 6,3 bis 5,8. Eine lprom. 
Caseinlösung (Hammarsten) wurde so hergestellt, daß von einer 1proz. 
Lösung in n/100 NaOH Leem mit 9ccm Tbermalwasser verdünnt 
wurde. Je 10 ccm hiervon wurden mit n/lO und n/100 HCl titriert. 
Stärkste Fällung zeigte sich in einem Bereich von pua 4,6 bis 4,3. Die 
J. P. aller drei Eiweißkörper werden also, wie wohl zu erwarten war, 
durch das Thermalwasser verändert. 


Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. I. 47 


2. Hämolyse. 


Die Hämolyseversuche wurden durchwegs an menschlichen Erythro- 
cyten angestellt. Das Blut wurde sehr vorsichtig defibriniert, der 
Körperchenbrei zweimal in der Zentrifuge mit Thermalwasser oder 
Ringerlösung gewaschen. Beide Salzlösungen hatten gleiches pa und 
ein ô = — 0,380. Der Grad der Hämolyse wurde entweder in der 
salzsauren Lösung des Hämatins im Autenriethschen Kolorimeter 
bestimmt oder zeitlich, indem der Eintritt vollständiger Auflösung 
festgestellt wurde. Wurden z. B. 0,2ccm Blutkörperchenbrei in 12 ccm 
Thermalwasser und Ringerlösung suspendiert, bei Zimmertemperatur 
stehengelassen, nach 1 oder 2 Stunden ausgeschleudert und von der 
überstehenden Lösung 10 cem mit Leem n/l HCl versetzt, gegen den 
in einem den Versuchsbedingungen entsprechenden Volumen auf- 
gelösten, gesamten Blutkörperchenbrei kolorimetrisch verglichen, so 
ergab sich: 


| Thermalwasser PH 7,42 | Ringer Pu 7,44 
Zusatz | Versuchszeit ô = — 0,380 ô = — 0,380 

= | Proz. Lyse i Proz. Lyse 8 
Aleem Chloroform . ...! 1h 40 68 
Aleem Toluol. 2... 1 47 47 
Aleem Äther . . . 2. 2... 1 47 46 
3cem 96 proz. Alkohol . . . | 1 37 | 10 
4cem 10 proz. Urethan . 2 6 — 
2cem 1proz. Natr. cholalie. | 2 | 100 16 


Bei 2 Stunden langer Einwirkung einer Temperatur von 50°C be- 
trug die Lyse im Thermalwasser 27 Proz., in Ringer 7 Proz. 


Wurden die 0,2ccm Blutkörperchenbrei in 12 ccm der beiden 
Salzlösungen (pa 7,63; 7,60) suspendiert und nun nach Zusatz steigender 


Mengen von Chloroform der Zeitpunkt vollständiger Lyse bestimmt, 
so ergab sich: 


Chloroformzusatz | 100 proz. Hamolyse | 100 00 proz. Hamolyse 

cem Ä im Lil henmalmanser Das in Singen. 

0,05 nach 17h noch nicht ` nach 175 

0,1 i Dä 47' 

0,15 45.5 | 31’ 

0,25 25 18’ 

0,40 12’ 1.5 

0,50 | 7 5,5 


Es ist also die Verzögerung der Chloroformhämolyse im Thermal- 
wasser bei verschiedener Chloroformkonzentration nachweisbar. 
Quantitativ stimmen übrigens die einzelnen Versuche mit Blutkörper- 
chen verschiedener Menschen nicht überein, so daß nur Resultate am 
gleichen Material direkt vergleichbar sind. 


48 K. Harpuder: 


In ähnlicher Weise zeigte sich, daß auch die Beschleunigung der 
Alkoholwirkung im Thermalwasser bei jeder Alkoholmenge vorhanden 
ist, soweit die Lyse nicht sofort und überhaupt noch nachweisbar 
auftritt. 


Anders verhält sich wiederum Saponin (puriss. Merck), hier ist 
der Einfluß der Salze von der Menge des Hämolyticums abhängig. 
So . wurde 0,] ccm Blutkörperchenbrei in 10 ccm Quellwasser bzw. 
Ringer (mit pu 7,62 und ô = — 0,38°) von 0,4 und 0,35 ccm 0,2 proz. 
Saponinlösung in 135 bzw. 95 Sekunden vollständig aufgelöst, bei 
0,25 und 0,20 ccm war die Lyse ungefähr gleich und bei 0,1 ccm Saponin 
verlief sie im Thermalwasser um etwa 20 Proz. schneller als in Ringer. 


Die Hypotoniereristenz der roten Blutkörperchen im Thermal- 
wasser wurde geprüft, indem fallende Mengen desselben mit de- 
stilliertem Wasser auf 5 ccm ergänzt und mit 0,1 cem Blutkörperchen- 
brei gemischt wurden. Nach 2 Stunden Stehen bei Zimmertemperatur 
wurde ausgeschleudert. Entsprechende Verdünnungen des Quell- 
wassers ohne Zusatz von Erythrocyten wurden zur Gefrierpunkts- 
bestimmung herangezogen. 

Es fand sich beginnende Hämolyse bei ô = — 0,260%, — 0,255°, 
— 0,260°. Vollständige Auflösung wurde festgestellt bei ô = — 0,200°, 
— 0,190°, — 0,195%. mu war in diesen Versuchen 7,36 bis 7,62. In Ringer 
fanden sich entsprechende Werte von — 0,270 bis 0,275° und — 0,210°. 

Die Auflösung der roten Blutkörperchen durch H und OH’ wurde 
gemessen, indem 12ccm der beiden Salzlösungen von gleicher Re- 
aktion und gleichem ô mit 0,2ccm Blutkörperchenbrei und mit 
steigenden Mengen n/5 HCl und n/5 bzw. n/l NaOH versetzt wurden. 
Nach 2 Stunden wurde ausgeschleudert, auf gleiches Volumen auf- 
gefüllt, 5cem der Flüssigkeit zur Kolorimetrie verwendet. im Rest pa 
bestimmt. Aus vier Versuchen ergibt sich im Mittel, daß die Hämo- 
lyse im Thermalwasser bei pa etwa 6,4 beginnt, bei pu etwa 4,8 voll- 
ständig ist, auf der alkalischen Seite tritt Hämolyse bei pu etwa 9,7 
bis 9,8 auf. In Ringer sind die entsprechenden Reaktionen pu 6, l bzw. 
4,6 bzw. 9,90 bis 10,0. 


Thermalwasser. 

© SHC | 03 | os | 0325 | 035 | 03 | 0,40 0.425 
Proz. Lyse . Ka | Spur 8—10 | 40 70 100 
ehe | 62 | — | 608| 54 4,8 
WE | | a a: j ED 

nil NaOH | 035 08 | 0,10 un | ou | 0,14 | 0.15 
_ I = m | Ee GE ege =. e EE 
Proz. Lyse . | = | — | Spur | 20 | 40 | 90 100 
Pa -.- rt Ger ec |] 972 i 998 10,15 — 10,43 


Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. I. 49 


Ringer 
n/5 HCI 0,125 | 0150 | 015 | 020 , 0225 | 0.250 | 0275 
=. HE T CR EN de SE nat Es EES Ge ag Ee EE 

Proz. Lyse . Spur | 10-15 | 30 | An ' 80 100 100 
Pa .... | 613 | 596 ES 53 | 4,87 4581 — 
nSNSOH | 0175 | 020 | 0225 ; 0,250 | 0275 | 030 | 0325 
Proz. Lyse . | Spur |etwa 10 4 | 80—90 | 100 100 
Bee AC zeg 9,98 | 1015 ` — | 10,28 106 | — 


Im ganzen ergibt sich aus den vorstehenden Versuchen erneut, 
wie stark die Hämolyse durch Salze beeinflußt wird und daß die gleiche 
Salzkombination verschiedene Lyltica, und zwar auch solche, denen man 
geneigt wäre, gleiche Angriffspunkte an der Plasmahaut zuzuschreiben, 
wie Chloroform, Äther, Alkohol, in ihrer Wirkung verschieden verändert. 


8. Permeabilität der Erythrocyten. 


Untersucht wurde lediglich die Aufnahme von Traubenzucker 
aus den beiden Salzlösungen — Thermalwasser und Ringer — nach 
Dextrosezusatz und die Abgabe von Dextrose durch Erythrocyten 
an die zuckerfreien Lösungen. Ob es sich im ersten Falle um Adsorption 
des Zuckers an die Blutkörperchen oder um Durchtritt desselben 
handelt, wurde nicht berücksichtigt. Zur Verwendung kamen mensch- 
liche Blutkörperchen aus Citratblut, die dreimal mit physiologischer 
NaCl-Lösung gewaschen wurden. 1l ccm Blutkörperchenbrei wurde mit 
2ccm Salzlösung vermischt, die zuckerfrei war oder bis 0,3 Proz. 
Dextrose enthielt, und der Zuckergehalt der Erythrocyten, eventuell 
der Lösung, und der gesamten Mischung sofort und nach 2 Stunden 
langem Stehen im Eisschrank (zur Hintanhaltung der Glykolyse) nach 
Hagedorn-Jensen bestimmt. Die Resultate waren im Quellwasser und 
in Ringer sowohl für Aufnahme wie für Abgabe der Dextrose annähernd 
— mit Differenzen von einigen Prozenten — gleich. 


4. Ferment- und andere katalytische Prozesse. 


Daß die Wirkung vieler Fermente wesentlich von dem anorganischen 
Milieu abhängt, in dem sie sich befinden, ist längst bekannt. Freilich 
ist es nicht entschieden, ob es sich dabei um Beeinflussung von Begleit- 
stoffen oder der Fermente selbst handelt, häufig dürfte wohl das erste 
der Fall sein. Die Wichtigkeit der Salze für die Fermente ist damit 
auch keineswegs in Frage gestellt, da die Fermente in natürlichem 
Zustande immer an Begleitstoffe gebunden sein dürften. Besonders 
deutlich ist der Selzeffekt bei Amylasen und Katalasen. Der Einfluß 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 4 


OU K. Harpuder: 


des Thermalwassers auf wasserstoffsuperoxydzerlegende Fermente 
kann nicht untersucht werden, da es selbst katalytisch wirkt, wie von 
L. Fresenius kürzlich gezeigt worden ist. Deutlich unterscheidet sich 
dagegen die Wirksamkeit der Speichel- und Pankreasdiastase im Quell- 
wasser von der in Ringerlösung. 


Dialysiertt man menschlichen Speichel 48 Stunden gegen destilliertes 
Wasser, verdünnt mit Wasser 1: 200, bringt je 5ccm Fermentlösung mit 
2 ccm 2proz. Lösung Kahlbaumscher Stärke und je 20 ccm Thermalwasser 
und Ringer zusammen und verfolgt den Stärkeabbau durch die Jodreaktion 
(2ccm n/1000 Jod), so zeigt sich bei pa 6,06 die Diastasenwirkung im 
ersten um etwa 25 Proz. stärker als im zweiten. Das Reaktionsoptimum 
liegt für die Speicheldiastase in Thermalwasser bei py 6,8 bis 6,6, die Wirkung 
fällt langsam nach der sauren und alkalischen Seite ab, so daß bei pa 6.27 
noch fast optimaler Abbau stattfindet. In Ringer ist die optimale Reaktion 
ziemlich scharf bei py 5,87 bis 5,99. 


Als Pankreasdiastase kam ein Trockenpräparat von Freund und Redlich 
zur Verwendung, das nur kurze Zeit gelöst haltbar war und deshalb nicht 
dialysiert werden konnte. 0,1g Fermentpulver wurde mit Wasser an- 
gerieben, auf 50 ccm gebracht und 4 Stunde geschüttelt. Die Ansätze 
entsprachen denen bei der Speicheldiastase. Nach ein- und zweistündigem 
Stehen bei Zimmertemperatur wurde die Jodreaktion angestellt. pg im 
Thermalwasser 6,81, in Ringer 6,76. Der Abbau ist im Thermalwasser um 
etwa 30 Proz. stärker. Optimale Fermentwirkung für das Quellwasser bei 
pp 6,5 bis 6,4 mit allmählichem Abfall auf der sauren, etwas rascherem 
Rückgang auf der alkalischen Seite. In Ringer optimaler Abbau bei pe 6,9 
bis 7,1. 


Auch Pepsin erwies sich als beeinflußbar. Von einem Grüblerschen 
Trockenpräparat wurden 2- und 4proz. Lösungen hergestellt. Casein 
Hammarsten wurde 2proz. in n/l HCl gelöst. 40 ccm Thermalwasser 
und Ringerlösung wurden mit 10 cem Caseinlösung und 5 cem Ferment- 
lösung versetzt und 1 bis 3 Stunden bei 40° im Brutschrank gehalten. 
Danach wurden 5ccm des Gemisches mit 3 ccm gesättigter Sublimat- 
lösung und 2 cem n/1 HCl enteiweißt und mit 5 cem Filtrat der Rest-N 
durch Mikrokjeldahl bestimmt. Die Reaktion variierte in vier Ver- 
suchen zwischen pa etwa 1,5 bis etwa 3,6. Bei letzterer Reaktion war 
kein sicherer Abbau nachweisbar. Bei pn etwa 1,5 bis etwa 2,5 war 
der Abbau im Thermalwasser um 28 bzw. 22 bzw. 18 Proz. größer als 
in Ringer. So betrug der Rest-N in einem Versuch mit pu 1.64 bzw. 1,66 
sofort 2.52 mg-Proz., nach 3 Stunden im Quellwasser 35,70 mg-Proz., 
in Ringer 27,76 mg-Proz. 


Die tryptischen Wirkungen des vorhin genannten Pankreatin- 
präparats unterschieden sich dagegen in den beiden Salzlösungen nicht. 
wesentlich. Die Versuchsanordnung war wie beim Pepsin. 2proz. 
Fermentlösung. 2proz. Caseinlösung in n/100 NaOH, pu 7,27, Rest-N 
bei Beginn 8.32 mg Dro, nach 2 Stunden im Thermalwasser 


Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. I. öl 


23,4 mg-Proz., in Ringer 21,4 mg-Proz. In einem weiteren Versuch, 
pa 7,53 bzw. 7,57, Rest-N sofort 11,76 mg-Proz., nach 3 Stunden im 
Thermalwasser 34,9 mg-Proz., in Ringer 36,7 mg Drog, Ähnlich um 
geringe Werte differierende Resultate ergaben zwei weitere Versuche. 

Zur Untersuchung der Serumlipase wurden Thermalwasser und 
Ringer von pa 7,42 bzw. 7,44 mit Tributyrin, je 20 Tropfen auf 20 ccm, 
14 Stunde geschüttelt, filtriert und 18 ccm der Lösungen mit 2ccm 
Serum angesetzt. Die Tropfengröße wurde sofort und nach Stehen bei 
Zimmertemperatur mit dem Traubeschen Viskosistagonometer ge- 
messen. So ergab sich z. B. für jeden Tropfen eine durchschnittliche 
Größe von: 


on ` Sofort | Heck 39. | Nach 4 Std. 
Thermalwasser. . . . | 63 | 70 80 Teilstrichen 
Ringer soe sina 4.2 | 63 | 65 72 5 


Mit zwei anderen Seren wurden ähnliche Werte erhalten, in zwei 
weiteren Fällen waren die Abbauunterschiede nur angedeutet, so daß 
die Tropfengröße z. B. im Quellwasser von 64 auf 77, in Ringer von 
63 auf 74 in 4 Stunden zunahm. Immerhin ist in allen untersuchten 
Fällen — fünf — eine verstärkte lipolytische Funktion des Serums 
unter dem Einfluß der Mineralwassersalze nachweisbar gewesen. 

Kein Unterschied war dagegen für die Hämoglykolyse festzustellen. 
Menschliches Blut wurde vorsichtig defibriniert, die Blutkörperchen 
einmal mit physiologischer NaCl-Lösung gewaschen und 1 cem Erythro- 
cytenbrei mit 2ccm der beiden Salzlösungen von pa 7,44, die jeweils 
einen Zusatz von 0,150 Proz. Dextrose bekamen, gemischt. Sofort und 
nach 4 Stunden Bebrütung bei 40° wurde der Gesamtzuckergehalt 
nach Hagedorn-Jensen bestimmt. So ergab sich 


sofort im Thermalwasser 0,166 Proz., nach 4 Stunden 0,088 Proz. 


in Ringer 0,163 „ an 4 ge 0,086 ,, 
oder 
sofort im Thermalwasser 0,139 Proz., nach 4 Stunden 0,090 Proz. 
in Ringer 0,138 „ » 4 5 0,087 „ 


Angesichts der auf dem Gehalt an Ferro- und Manganoionen 
beruhenden katalytischen Wirkungen des Wiesbadener Thermalwassers 
lag es nahe, zu versuchen, ob es auch als O,-Überträger funktionieren 
könne. Uns interessierte von den vielen Wegen die zur Entscheidung 
dieser Frage gangbar waren, vor allem der Einfluß des Quellwassers auf 
die Oxydation von Aminosäuren an Tierkohle. Suspendiert man nun 
0,50 g Merckscher Tierkohle in 10 ccm 'Thermalwasser und Ringer mit 
1 Proz. Glykokoll, bringt in Barcroft-Manometer (modifiziert nach 


4* 


52 K. Harpuder: 


Warburg und Negelein), durchlüftet mit O, und bestimmt unter Ab- 
sorption der CO, durch Kalilauge die Sauerstoffzehrung, so ist zwar 
eine Steigerung des O, -Konsums im ersten Falle unverkennbar, aber 
sie ist recht gering. Anders, wenn man Tierkohle, etwa 1 g auf 200 cem, 
mit dem frischen Quellwasser schüttelt, filtriert, den Rückstand im 
Trockenschrank bei 150° etwa 1 Stunde trocknet und nun gegen eine mit 
Ringerlösung in gleicher Weise behandelte Kohle vergleicht. Dabei 
muß darauf geachtet werden, daß die Erhitzung der beiden Kohle- 
sorten nach Temperaturhöhe und Dauer für den einzelnen Versuch 
dieselbe ist, da sonst große Unterschiede in der Oxydationskraft ent- 
stehen können. 


| i O,-Konsum f 


| | | O,-Konsum 
Lösung in 30 Min. | in 60 Min Lösung 'in3% Min. in 60 Min. 
‚ | cmm cmm | vw. emun E | cmm 
1 | Thermalwasser | 92,86 | 167,04 | 3 || Thermalwasser | 94,34 | 184,25 
ky S 86,94 | 162,29 | 3 z -105,77 | 199,96 
1 Ringer : 85,17 62,69 | 3 Ringer | 42.46 | 76.75 
1. S 28,88 62,86 | 3 | = ı 36,21 | 172,42 
2 ' Thermalwasser | 107,62 | 22321 | 4 | Thermalwasser | 101,24 ` 215.54 
2 i | 131,04 | 267,84 | 4 | ’ | 101,94 | 217.46 
2 Ringer 29.34 | 68,59 | 4 | Ringer 32,92 . 85.58 
2: š 24,69 | 51,03 | 4 i 2 f 29,48 , 73,70 


pu war im ersten Versuch 7,03 bzw. 7,07, im zweiten Versuch 
6,85, ebenso im dritten, im vierten 7,01 bzw. 7,03. Jeder Ansatz bestand 
aus 10 cem Thermalwasser oder Ringerlösung mit n/5 Glykokoll und 
0,5 g in der oben angegebenen Art präparierter Tierkohle. Die Oxydation 
erfolgte in reiner O,-Atmosphäre bei 37° unter Absorption der CO, 
durch Kalilauge im Barcroft-Manometer bei ständiger, gleichmäßiger 
Schüttelung. 


Aus den Versuchen geht hervor, daß die Präparation der Tierkohle 
mit frischem Thermalwasser eine erhebliche Steigerung ihrer Oxydations- 
kraft gegenüber Glykokoll, damit wohl überhaupt gegenüber Amino- 
säuren bewirkt. Mit Untersuchungen über die Oxydationen des Cysteins, 
der Fructose, die nach Warburg Eisenkatalysen sind, der Methylenblau- 
reduktion im Thermalwasser befaßt sich das Laboratorium von 
Dr. Fresenius, Wiesbaden. 


5. Atmung und Gärung von Hefezellen. 


Die Steigerung der Verbrennungsprozesse an Tierkohle erlaubt 
natürlich keine Rückschlüsse auf den Einfluß der Salze bei Oxydations- 
vorgängen in der Zelle. Um darüber Aufschluß zu erhalten, wurden 
Versuche über die Atmung von Hefezellen im Thermalwasser und in 


Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. I. 53 


Ringer von gleichem pe und mit Zusatz gleicher Dextrosemengen 
angestellt. Diese Versuchsanordnung schien brauchbar, wenn auch 
die künstlich gezüchtete Hefe immer neben der Atmung einen lebhaften 
anaeroben Stoffwechsel betreibt. 


Gewöhnliche Bäckerhefe wurde dreimal auf der Zentrifuge mit 0,9 proz. 
Na Cl-Lösung gewaschen, dann wurde eine etwa l proz. Suspension hergestellt 
und geschüttelt. In Negeleinsche Ansatzgefäße für Barcroft-Manometer 
wurden 9 ccm Thermalwasser bzw. Ringer mit einem Gehalt von 0,2 Proz. 
Dextrose und } cem Hefeaufschwemmung eingefüllt, mit O, durchlüftet 
und nun in üblicher Weise im Schüttelthermostaten bei 26° unter Absorption 
der CO, durch Kalilauge die Sauerstoffzehrung gemessen. 


O2-Konsum Ä | Oz2»Konsum 


a se | 
l Lösung in 15 Min. | in 45 Min. Lösung "in 15 Min. | in 45 Min. 
| | cmm cmm | cmm cmm 


|] = | 


| | 
1 | Thermalwasser | 88.88 ! 266.65 | 2 | Ringer 80,77 ` 218.98 
1 n 88.44 ES 2 S 79,59 228.47 

1 Ringer 81.65 | 230,25 G 
2 R 3, Thermalwasser 101,25 | 298,74 
1 n | 7646 | 21917 3! 98.76 | 291,34 
2 Thermalwasser | 94,71 |, 305.37 | 3 Ringer . 52,67 ' 149,51 
2 , , 9155 | 286,74 | 3, , " 51,59 | 155,29 


Die Reaktion betrug im ersten Versuch pa 4,56 bzw. 4,53, ebenso 
im zweiten Versuch, beim dritten Versuch dagegen pa 7,4. 


Ähnliche Resultate wurden in drei weiteren Versuchen unter den 
gleichen Bedingungen erzielt. Die Oxydationssteigerung an Hefe, die 
das 'Thermalwasser gegenüber der Ringerlösung hervorruft, ist bei 
der in üblicher Weise angewendeten sauren Reaktion zwar deutlich, 
aber keineswegs sehr erheblich. Dagegen ist bei eben alkalischem 
Milieu eine Erhöhung des O,-Konsums um etwa 100 Proz. nachweisbar, 
ein sehr interessantes Ergebnis, das noch eingehenden Studiums bedarf. 


Daß die Gärungsprozesse der Hefe von Salzen beeinflußt werden, 
ist bekannt und wiederholt untersucht worden. Wir beobachteten 
die Einwirkung des Quellwassers auf Hefegärung im Vergleich zu 
Ringer bei folgender Versuchsanordnung: 


0,1g Bäckerhefe wurde mit 10 ccm Quellwasser oder Ringer zweimal 
auf der Zentrifuge gewaschen und dann in 10 ccm der entsprechenden 
Flüssigkeit suspendiert. 0,2 cem dieser Aufschwemmungen wurden mit 
0,8 cem Thermalwasser bzw. Ringer von gleichem py in Manometergefäße 
nach Negelein eingebracht. Je Leem 25proz. Dextroselösung in Quell- 
wasser oder Ringer kam in die Birne der Gefäße. Die Manometer wurden 
zusammengesetzt, mit CO, durchlüftet und im Schüttelthermostaten bei 
26° nach Eintritt des Temiperaturausgleiches zunächst die, Eigengärung 
bestimmt. Hierauf wurde die Dextrose in die Gefäße eingekippt. Die jetzt 
gemessene CO,-Produktion war z. B. | 


| C O.-Produktion 
| Lösung Lösung “in 30 Min. , in 60Min. 
| ` cmm | cmm 
1  Thermalwaser 93,52 | 197,52 | 2 Ringer ı 56.42 | 98.12 
1 >à R 9919 | 210.12 ER Š l 55,63 | 98.30 
1 Ringer 70.95 , 137,17 3 T | | S 
, os ‚ Thermalwasser 104,03 198.69 
1 » E RE j 108.52 , 212.43 
2 Thermalwaser 75,94 , 148.14 | 3 Ringer 66.66 ° 130.86 
2 e ı 70,41 | 14426 | 3, 2 75,68 : 151.36 


Die Reaktion der Lösungen schwankte zwischen py 4,5 und 4,6. 


Ersichtlich verläuft die Hefegärung bei Ausschluß von O, im 
Thermalwasser erheblich — rund um 50 Proz. — stärker als in Ringer. 
Es ist zunächst auffallend, daß die gleiche Salzlösung sowohl Atmung 
als Gärung der Hefe erhöht, während sonst oxydationssteigernde 
Einflüsse die anaerobe Energieproduktion zu hemmen pflegen und 
umgekehrt. Doch angesichts der komplizierten Zusammensetzung des 
Quellwassers ist die Annahme gerechtfertigt, daß bestimmte Bestand- 
teile den einen, andere den zweiten Prozeß steigern. Dafür soll später 
der Beweis versucht werden. 


6. Vermehrung von Hefezeilen und Bakterien. 


An Hand dieser stimulierenden Wirkung des Thermalwassers auf 
den Stoffwechsel der Hefe lag die Vermutung nahe, daß auch das 
Wachstum und die Vermehrung derselben beeinflußt werden könnte. 
Um darüber Aufschluß zu bekommen, wurde wieder Bäckerhefe dreimal 
auf der Zentrifuge mit Quellwasser bzw. Ringer gewaschen und dann 
wurden dünne Suspensionen derselben in den beiden Flüssigkeiten 
hergestellt, die in einem Versuch z. B. ein pa von 7,46 bzw. 7,45 und 
einen Dextrosegehalt von 0,150 Proz. hatten. Die Zellzahl wurde sofort 
in einer Thoma-Zeissschen Leucocytenkammer ausgezählt und war im 
Durchschnitt von drei Zählungen im Thermalwasser 700 pro Kubik- 
millimeter, in Ringer 625 pro Kubikmillimeter. Die Ansätze blieben 
24 Stunden bei Zimmertemperatur stehen, dann wurde gründlich 
durchgeschüttelt und wieder gezählt. Jetzt fanden sich im Thermal- 
wasser 1675 pro Kubikmillimeter, in Ringer 925 Zellen pro Kubik- 
millimeter. In einem weiteren Versuch mit pe 7,54 und 1 Proz. Dextrose 
betrugen die Anfangszahlen für Thermalwasser 550, für Ringer 775 
Zellen pro Kubikmillimeter, die Werte nach 24 Stunden: 1525 bzw. 
1100, nach 48 Stunden: 2300 bzw. 1450. Die Vermehrung in 48 Stunden 
beträgt also im Quellwasser etwa 418 Proz., in Ringer etwa 174 Proz. 
des Ausgangswertes. Ähnliche Differenzen in der Hefevermehrung 
wurden in zwei weiteren Versuchen festgestellt, in einem letzten bei 


Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. I. 55 


mn 7,7 erreichte das Wachstumsplus zugunsten des Thermalwassers 
dagegen nur 34 Proz. Die Vermehrung war dabei im ganzen gering, 
sie machte in 48 Stunden 164 bzw. 130 Proz. der Ausgangszahlen aus. 

Die Stimulierung der Hefevermehrung durch die Quellsalze ist 
jedenfalls deutlich. Es interessierte deshalb, ob auch die Propagation 
anderer Pilze beeinflußt werden kann, um so mehr, als Baudisch und 
Welo derartige Wirkungen bei katalytisch wirksamem Eisen, wie es 
in den Wiesbadener Quellen vorhanden ist, für einige Bakterien fest- 
gestellt haben. Ich untersuchte das Verhalten von Bac. Paratyph. B. 
und Bact. coli comm. 


5g Standardnährbouillon nach Kuczynski werden in etwa 40 ccm 
Wasser gelöst und 24 Stunden gegen fließendes Leitungswasser, dann 
weitere 24 Stunden gegen häufig erneuertes destilliertes Wasser dialysiert. 
Hierauf wird die Bouillon im Autoklaven sterilisiert. Je 10 cem der Bouillon 
kommen zu 40 ccm Quellwasser bzw. Ringer von py 7,4, die in sterilen 
Kolben aufgefangen bzw. aus sterilisiertem Wasser bereitet waren. In 
Reagenzgläsern werden 10 ccm der beiden Bouillonverdünnungen mit 
0,25 cem einer Aufschwemmung aus Reinkulturen von Paratyphus- oder 
Kolikeimen gemischt und 24 Stunden bei 40° bebrütet. Danach wurde die 
Bouillon mit 0,9proz. NaCl-Lösung zehnfach verdünnt und in der Erythro- 
cvrtenkammer ausgezählt. 


Wie sich aus drei derartigen Doppelversuchen ergab, erfolgte die 
Keimvermehrung in beiden Salzlösungen (innerhalb der nicht un- 
beträchtlichen Fehlergrenzen) gleichmäßig. 


7. Phagocytose. 


Seit langem ist uns — besonders durch die Hamburgerschen Unter- 
suchungen — bekannt, daß die Aufnahme von Fremdkörpern durch 
Leucocyten vom anorganischen Milieu abhängig ist, daß sie von Kalk- 
salzen befördert wird und daß so auch die Phagocytose in einem kalk- 
reichen Mineralwasser z.B. stärker ist als in einer physiologischen 
NaCl-Lösung. Im folgenden ist die Phagocytose im Wiesbadener 
Thermalwasser mit einer isotonen Ringerlösung verglichen. 


Tierkohle wurde getrocknet und im Achatmörser verrieben. 0,5g 
werden mit 20 cem Quellwasser bzw. Ringerlösung geschüttelt, dann 
für mehrere Stunden der Sedimentiering überlassen. Wenn die über- 
stehende Flüssigkeit makroskopisch keine Partikel mehr erkennen läßt, 
wird sie abgehoben, bleibt nochmals 1 bis 2 Stunden stehen. Mikroskopiert 
man, so sollen sich jetzt nur wenige Teilchen von mehr als Erythrocyten- 
größe finden. Man verdünnt mit der entsprechenden Salzlösung auf un- 
gefähr gleiche Partikelzahl. Die Leucocyten wurden teils aus frischem Eiter?) 
teils aus Blut nach Szillard?) dargestellt, was nicht jedesmal gelang. 10 eem 
der kohleteilchenhaltigen Salzlösungen wurden mit 0,2cem Eiterbrei 


!) Durch dreimaliges Waschen mit physiologischer NaCl-Lösung. 
2) Arch. f. ges. Physiol. 211, 597, 1926. 


56 K. Harpuder: 


gemischt und in Barcroft-Manometer mit Gefäßen nach Negelein eingebracht, 
die Gefäße mit O, durchlüftet und nun bei 37° im Schüttelthermostaten 
geschüttelt. Die Leucocytenzahl und die Zahl der Kohleteilchen wird am 
Beginn, die Zahl der beladenen Leucocyten und der nicht phagocytierten 
Partikel nach ein- oder zweistündigem Schütteln festgestellt. Beide Salz- 


lösungen haben Blutreaktion und ein ô = — 0,38°. So ergaben sich folgende 
Werte; 

fe | Leucocyten Kobleteilchen Beladene Leucos Freie K.-Teilcben 

g im cmm im cmm Bi cyten im cmm im cmm 

a E AE = ee ee A 
Thermalwasser. ... l 1205 o 1080 425 435 
Ringer . 22... 185 | 990 325 | 610 
Thermalwasser. . .. j 2340 | 1420 870 240 
Ringer . ...... ii 2180 1385 580 | 450 


Die Steigerung der Phagocytose zeigte sich ebenso deutlich in 
zwei weiteren Versuchen unter entsprechenden Bedingungen. 


8. Verhalten des quergestreiften Kaltblütermuskels. 


Endlich erschien es noch prüfenswert, wie sich die Kontraktion 
des quergestreiften Kaltblütermuskels im Thermalwasser im Vergleich 
zu einer Ringerlösung abspielen würde, letztere mit 0,65 Proz. NaCl. 
Zur Untersuchung kamen Gastrocnemien von Esculenten, die Versuchs- 
anordnung war die übliche. Verglichen wurden immer die beiden 
Muskeln der gleichen Tiere, die zunächst beide in Ringer kamen, nach 
LA Stunde wurde dann der eine Muskel ins Thermalwasser überführt. 
Bei Reizung mit einzelnen Induktionsschlägen (alle 5 bis 10 Minuten) 
erwies sich Hubhöhe und Zuckungsablauf während einer Versuchs- 
dauer von 11, bis 3 Stunden als gleich. Auch beim Tetanus und bei 
Reizung bis zur Ermüdung konnten verwertbare Unterschiede nicht 
nachgewiesen werden. 


9. Ergebnisse. 


Aus allem Berichteten geht hervor, daß es sich beim Wiesbadener 
Thermalwasser nicht um eine ‚nahezu physiologische Salzlösung‘“ 
handelt, wie angenommen wurde. Die physikalisch-chemischen Eigen- 
schaften der untersuchten Biokolloide, die Funktionen der Plasmahaut, 
die Wirkung von einigen Fermenten, der Stoffwechsel der Hefe, einige 
andere Lebensäußerungen von Zellen, wie Vermehrung der Hefe, Phago- 
cytose, werden vom Quellwasser deutlich in unphysiologischer Weise 
beeinflußt, während sich allerdings nicht wenige andere Vorgänge in 
ihm so abspielen, wie im physiologischen Milieu der Ringerlösung. 
So entsteht ein wenig einheitliches, recht kompliziertes Bild der biologi- 
schen Wirkungen des Thermalwassers, was bei seiner komplizierten 
Zusammensetzung nicht weiter wunderzunehmen braucht. Eine 


Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. I. 57 


schematische Charakterisierung des Quellwassers nach dem einen oder 
anderen Bestandteil, wie sie bisher häufig erstrebt wurde, etwa als 
Kochsalzquelle oder dergleichen, erscheint jedenfalls höchst untunlich. 
Es wird unsere weitere Aufgabe sein, die durch die vorstehenden Unter- 
suchungen gewonnene Übersicht über die physiologischen Eigen- 
schaften einer vielartig zusammengesetzten Salzlösung zu erweitern 
und zu vertiefen und die einzelnen Beobachtungen nach Ursache und 
Ablauf zu analysieren. 


Zusammenfassung. 


Es wird gezeigt, daB das Wiesbadener Thermalwasser den J. P. 
des Albumins, Globulins und Caseins verschiebt, daß es die Lyse roter 
Blutkörperchen durch eine Reihe auflösend wirkender Eingriffe anders 
beeinflußt als eine Ringerlösung, daß es gegenüber der letzteren die 
Wirkung der Amylase, des Pepsins, der Serumlipase steigert. Die 
Verbrennung von Aminosäuren an Tierkohle, die Oxydation und Gärung 
der Hefe wird erhöht, ebenso die Vermehrung der Hefe. Die Phagocytose 
ist im Thermalwasser stärker als in Ringer. Die Permeabilität von 
Erythrocyten für Dextrose, die Trypsinwirkung, die Hämoglykolyse, 
die Vermehrung von Bact. coli und Paratyphus B. ist in beiden Salz- 
lösungen annähernd dieselbe. Froschgastrocnemien verhalten sich 
ebenfalls in beiden Milieus anscheinend gleich. 


Beiträge zur allgemeinen Biochemie komplizierter Salzlösungen. 


II. Mitteilung: 
Untersuchungen über die biologischen Wirkungen 
des Wiesbadener Thermalwassers. 
Einfluß von Ferro- und Manganoionen auf Atmung und Gärung der Hefe. 


Von 
Karl Harpuder. 


(Aus dem städtischen Forschungs-Institut für Bäderkunde und Stoffwechsel, 
Wiesbaden.) 


(Eingegangen am 10. Januar 1927.) 


In der vorhergehenden Mitteilung konnte gezeigt werden, daß 
das Wiesbadener Thermalwasser auf eine Anzahl biologischer Substrate 
unphysiologische Wirkungen ausübt. Um diese Sonderwirkungen der 
Quelle näher analysieren zu können, wird es zunächst nötig sein, fest- 
zustellen, ob sie durch einzelne bestimmte Salze, durch einen Syn- 
ergismus mehrerer Bestandteile, oder durch das gesamte anorganische 
Milieu verursacht werden. Praktisch wollen wir so vorgehen, daß wir 
den Effekt einzelner Ionen auf die in der ersten Arbeit beobachteten 
oder ähnliche Vorgänge untersuchen und vergleichen mit den Ein- 
flüssen des Thermalwassers und einer künstlichen Lösung der Quellsalze, 
denen das betreffende Ion entzogen ist. 

Da das zweiwertige Eisen- und Manganion im Hinblick auf seine 
katalytischen Eigenschaften auch physiologisch im Rahmen unserer 
Fragestellungen besonders interessierte, beschäftigt uns im folgenden 
die Wirkung des Ferro- und Manganoions, und zwar zunächst auf Atmung 
und Gärung von Hefe. 


1. Einfluß von Ferro- und Manganosulfat auf die Atmung der Hefe. 


Die Versuchsanordnung war ähnlich wie beim Thermalwasser. Als 
Ferro- und Manganosalz diente das kristallisierte Oxydulsulfat mit 7 H,O. 
Sie wurden in wechselnder Konzentration in Ringer gelöst, deren Reaktion 
vorher an der Gaskette in erwünschtem Maße ins Saure verschoben 
worden war. Als Vergleichslösung diente Ringerlösung gleicher Reaktion 
ohne Schwermetallzusatz. Als Hefe wurde in den ersten Versuchen Bäcker- 
hefe verwendet, «die zweimal in der Zentrifuge mit Ringer gewaschen 


K. Harpuder: Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. I. 59 


war, später Bierhefe der Germaniabrauerei Wiesbaden, die in der Saug- 
vorrichtung gründlich mit physiologischer NaCl-Lösung gewaschen wurde. 

0,1 g der gereinigten Bäckerhefe wurde in 10 cem Ringer suspendiert. 
Bei der Bierhefe mußte physiologische NaCl-Lösung genommen werden, 
weil sie in Ringer rasch und grobflockig sedimentierte, so daß das Abmessen 
schwierig gewesen wäre. Leem der Suspensionen wurde im Barcroft- 
Manometer mit Negeleinschen Gefäßen eingebracht, 9 cem Ringer mit 
bzw. ohne Eisen- oder Mangansulfat zugesetzt, die 0,2 Proz. Dextrose ent- 
hielt. mit O, durchlüftet, dann unter Absorption der CO, mit Kalilauge, der 
O,-Verbrauch bei 26° im Schüttelthermostaten gemessen. py der Lösungen 
schwankte um 4,3 und war in Vergleichsansätzen dasselbe. Die Konzen- 
tration der Schwermetallsalze ist aus den Tabellen ersichtlich. 


a) Bäckerhefe. 


"`  0%Verbrauch > 0g«Verbrauch 


Lösung DENE PRER HERTER SINE: l.ösung 
cmm in 30' | cmm in 60’ ‘cmm in %' | cmm in 60’ 
Ringer-Ferro- | Riuger-Ferro- |i 
sulfat m/250000 ` 127,37 i 240.05 sulfat m'100000' 7951 142.20 
Dasselbe .... 113.34 207,98 Dasselbe .... | 94,34 176,88 
Ringer... 117,22 | 22257 | Ringer. .. . .| 9.45 | 168.20 
a e 123.35 232.60 © TEET 91.45 | 166.57 


sulfat m/50000 | 128.44 . 236,99 sulfat m/10000 108,55 196.42 


| 
| 

Riuger-Ferro- | | Ringer-Ferro- 

Dasselbe . . . .i 120.86 | 206,36 | Dasselbe . . . . 107,60 ` 208,31 
N 
| 
| 


Ringer . .. 13227 ` 256.88 | Ringer. .. | || 12787 | 25812 
e ©.. .142.62 279.54 A < e... 13252 , 256,42 
Riuger-Ferro- | Ringer-Ferro- | 
sulfat m,;1000 .ı 93.27 | 154,43 sulfat m/500 . 53,82 13,44 
Dasselbe . . . . 9286 | 141.45 | Dasselbe . . . . 49,44 67.21 
Ringer . ... . 17160 273,54 Ringer. .. . ..' 12825 | 227.88 
e © e.. © 16819 307,0 SZ aee 136.30 | 238,52 


Aus der Tabelle geht hervor, daß Eisensulfat die Atmung der 
Bäckerhefe in reinem O, bei einer Konzentration von 1.1074 mol. zu 
beeinträchtigen beginnt. Niedrigere Konzentrationen sind wirkungslos, 
bei höheren nimmt die Schädigung der Oxydationsprozesse zu. Diese 
äußert sich nicht nur in dem geringeren O,-Verbrauch, sondern auch 
in dem im Verhältnis zu reiner Ringerlösung schnelleren Abfall der 
Atmung im Laufe der Beobachtung, wie er schon in den zwei Halb- 
stundenwerten der Tabelle zum Ausdruck kommt. 


Mangansulfat übt dagegen in Konzentrationen von m/250000 bis 
m 1000 keinen sicher verwertbaren Einfluß auf die Atmung der Bäcker- 
hefe aus. So war der O,-Verbrauch bei m; 250000 MnSO, in 30 Minuten 
für Ringer 125,74; 108,23 cmm; in 60 Minuten 246,58; 212.24 emm ; für 
die manganhaltige Lösung in den entsprechenden Zeiten 107,03; 114,90 
bzw. 211,00; 232,82 cmm. Bei m/1000 Mn S O, waren dieWerte z. B. 78,38; 
84.65 cmm O, in 30 Minuten; 155.14; 164.32 cmm O, in 60 Minuten 


60 K. Harpuder: 

(Ringer) und 70,33; 76,65 cmm O, in 30 Minuten; 137,61; 150,35 cmm 
O, in 60 Minuten (Ringer-Mangan). Auf die ausführliche Wiedergabe 
der Protokolle kann daher verzichtet werden. 


b) Bierhefe. 


| O»»Verbrauch | O,»Verbrauch 
Lösung Lösung 
|; cmm in 30’ | cmm in 60' emm in 30’ | cmm in 60’ 
Ringer-Ferro- Ringer. ... . 102,44 | 180,42 
sulfat m/100 000 76,64 158,99 ee E 117,20 204,89 
Bene 6830 | 13600 sulfat m/1000 . | 39,75 | 65,75 
Br ı , Dasselbe .... 38,52 70,59 
Ringer-Ferro- Ringer. .... 42,56 80,02 
sulfat m/10000 97,28 185,72 Ae ee 33,02 66,64 
Dasselbe . . . . || 113,26 202,92 


Die Bierhefe erweist sich also gegenüber dem Ferrosulfat in der 
Atmung resistent. Auch mit der relativ hohen Konzentration von 
m/1000 Fe konnte an drei verschiedenen Präparaten nie eine außerhalb 
der üblichen Schwankungen — die zum Teil wohl durch die kaum 
ganz exakt durchführbare Bemessung des Hefezusatzes bedingt sind — 
liegende Veränderung der Sauerstoffzehrung beobachtet werden. 
Auch mit Mangansulfat waren bei Bierhefe einwandfreie Veränderungen 
der Atmung nicht zu erzielen. Die Resultate der Parallelversuche 
zeigten trotz aller Mühewaltung wieder große Schwankungen, so daß 
erst aus einer erheblichen Zahl eine Übersicht zu gewinnen war. 


Es ergab sich z. B. mit Ringer ein O,-Verbrauch von 47,36 bzw. 44,92 cmm 
in 30 Minuten, 106,14 bzw. 94,14 cmm in 60 Minuten; mit m/100000 Mangan 
in Ringer gleichzeitig 38,23 bzw. 36,18 in 30 Minuten und 82,57 
bzw. 78,65 cmm in 60 Minuten. Mit m/1000 Mangansulfat waren die Werte 
nach 30 Minuten 56,57 bzw. 43,15 bzw. 45,04 cmm 0O, nach 60 Minuten 
107,03 bzw. 73,97 bzw. 76,50 cmm O,, gleichzeitig wurden in Ringer 57,16 
bzw. 57,96 in 30 Minuten, 117,58 bzw. 111,57 cmm O, in 60 Minuten ver- 
braucht. In einem anderen Versuch standen den Ringerwerten 55,52 und 
52,16 (30 Minuten), 117,58 und 102,88 (60 Minuten) bei m/1000 Mangan die 
Werte 45,87; 36,98 und 40,89 (30 Minuten) und 93,27; 83,21 und 86,45 
‚(60 Minuten) gegenüber. So ähnlich noch in zwei weiteren Versuchen mit 
m/1000 Mangan. Man könnte zunächst geneigt sein, doch eine mäßige 
Beeinträchtigung der Atmung aus den Zahlen herauszulesen, doch scheint 
mir eine derartige Folgerung bei den verhältnismäßig großen Schwankungen 
nicht genügend begründet. 


2. Einfluß von Ferro- und Manganosulfat auf die Gärung der Hefe. 


Die allgemeine Anlage der Versuche entsprach auch hier den Be- 
dingungen, wie sie in der vorausgehenden Arbeit bei der Hefegärung zur 
Anwendung kamen. Zunächst wurde Bäckerhefe, dann Bierhefe verwendet. 


Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. II. 61 


Die Hefen wurden wie für die Atmungsversuche gewaschen und 0,1l g in 
10 ccm Ringer bzw. 0,9proz. NaCl-Lösung suspendiert. 0,2ccm der Sus- 
pension wurden mit 0,8ccm Ringer, die eventuell verschiedene Konzen- 
tration von Eisen- oder Mangansulfat enthielt, in Barcroft-Manometer mit 
Negelein-Gefäßen eingebracht. In die Birnen der Gefäße kam 1 cem Ringer 
mit 20 Proz. Dextrose, gegebenenfalls gleichzeitig eines der beiden Schwer- 
metallsalze enthaltend. Die Gefäße wurden mit CO, durchlüftet, in den 
Schüttelthermostaten gebracht und nach Eintritt des Temperaturausgleichs 
die Eigengärung beobachtet. Dann wurde die Zuckerlösung eingekippt 
und die CO,-Produktion gemessen. Reaktion der Lösungen war um pn 4,3. 


a) Bäckerhefe. 


i C O,.Produktion e | C O,»Produktion 
sung sung | 
GEN cmm in 30' cmm in 60’ emm in 30'| cmm in 60' 
Ringer- Ferrosulf. E Ringer. .... i 24,07 45,85 
1.10—6mol.. . 65,64 | 155,35 FREE) ı 26,26 51,57 
Dasselbe ; . 69,13 167,77 
Ringer... . 70,95 | 173,65 | Ringer- Ferrosulf. | Da eo 
dE 73,89 | 177,19 | Dasselbe  . . 1 3694 | 73,88 
Ringer-Ferrosulf. Riuger. .... | 29,63 54,32 
2,5.10-8mol. . 24,69 41,57 a | 24,07 48,85 
Dasselbe ... 23,09 41,56 | Rin ger-Ferrosulf. | 
Ringer e > e e o 16.56 28,34 1.10-3 ] 16.32 95.9 
1750 | 28,44 .10=3mol.. . SC 
Geer cdabgechg Dasselbe . `, . 18,45 | 28.66 
Ringer - Ferrosulf. Ringer. .... | 2828 | 54,88 
1.10-5mol.. . 51,03 99,33 E E A | 32,54 65,66 
Dasselbe . 54,40 ! 108,80 


Aus den Versuchszahlen geht hervor, daß Ferrosulfat bei einer 
Konzentration von m/1000 die Gärung der Bäckerhefe deutlich hemmt, 
bei Konzentrationen von m/100000 und m/250000 dagegen steigernd 
wirkt. m/1000000 Ferrosulfat ist wirkungslos. 

Etwas anders verhält sich Mangansulfat. Es rief noch bei einer 
Verdünnung auf m/1000000 eine deutliche Stimulation der CO,- 
Produktion hervor, die hinauf bis m/1000 anhielt. Auch m/100 MnSO, 
hemmte die Gärung nicht, es war scheinbar ohne Einfluß. 


ee 


` CO;-Produktion 2 | CO,-Produktion 
Lösung Lösung | 
` cmm in 3’ cmm in 60 cmm in 30 | emm in 60 
Ringer--MnSO, | | Ringer-MuSO, | 
1.10-6mol... 79,01 ! 140,85 1.10-5mol. .!| 4730 | 102,98 
Dasselbe `. . 76,58 139,03 | Dasselbe . . . .| 43,76 111,28 
Ringer... 62,34 | 110,83 | Ringer... .. 37,03 69,00 
ee | 64,12 | 109,25 SSES 33,25 65,90 
Ringer-Mn SO, Ringer-MnS0, | 
1.10=3mol. .| 85,43 | 177,79 | 1.10-2mol. .| 86,94 | 55,42 
Dasselbe . . . .' 7220 | 146.60 | Dasselbe .. .. 4038 | 7125 
Ringer... .. „|| 5679 | 11839 | Ringer. .... ı 42,17 84.34 
De \ 56,76 | 113,52 Be e aera 33,11 66,02 


62 K. Harpuder: Allgemeine Biochemie komplizierter Salzlösungen. IT. 
Mit Bierhefe wurden nicht unwesentlich andere Resultate erzielt. 
m/1000 FeSO, hemmte die Gärung, von m/10000 abwärts ließ sich 
ein sicherer Einfluß nicht mehr feststellen. Mangansulfat dagegen 
übte eine nennenswerte Wirkung auf die Gärung der Hefe überhaupt 


nicht aus. 
b) Bierhefe. 


CO;-Produktion | CO,-Produktion 
l Lösung eegene 
cmm in 30’ ıcmın in 60’ „cmm in 30’ cmm in 60° 


Lösung 


Ringer-FeSO 


Ringer-Mn S0, 


| 


101,70 | 211,77 


| 

1.10-5mol.. i 107,44 248,99 1.10-5 mol. . 

Dasselbe „| 114,00 248,50 | Dasselbe . . . . | 104,72 | 216.41 
Ringer... ..|| 11851 ' 256.65 | Ringer... . . . 106,17 | 214.53 

Re | 107,21 240.68 no- i 94,08 | 188.16 
Ringer-FeSO, | Ringer-Ma att, | ' 

1.10—4 mol. . | 84,32 162,40 1.10-+mol. ., 125,24 266.59 
Dasselbe "69,88 , 12542 | Dasselbe | . . || 116.35 | 262.95 
Ringer... . 87,52 : 166,82 I Ringer. . . . | 125,92 | 278.99 

Be 76,18 | 142,18 nr... 111,59 | 246.24 
Ringer- FeS 0, i Ringer-Mu SO, | | 

1.10-3mol. .| 5439 126,90 | 1.10-smol. .| 54,39 | 122.98 
Dasselbe ..' 58.52 ` 112,99 | Dasselbe . . . .|, 5585 123.33 
Ringer ©... .| 8642 177.52 | Ringer... . . 59,26 | 140.78 

a TE 76,58 160,23 Denn. 5470 ` 122.583 


Zusammenfassend kann danach gesagt werden, daß Ferrosulfat 
in Konzentrationen von 1. 10”? mol. aufwärts die Atmung der Bäcker- 
hefe beeinträchtigt, die Gärung bei einer Konzentration von 1.1073 
hemmt, bei solchen von 1.1075 und niedriger erhöht, bis bei 1 . 107° 
jeder erkennbare Einfluß erlischt. Die Atmung der Bierhefe wird durch 
Eisensulfat nicht erkennbar verändert, ihre Gärkraft wird durch höhere 
Konzentrationen (1. 107? mol.) reduziert, bei niedrigeren bleibt sie 
unbeeinflußt. 

Manganosulfat läßt die Atmung der Bäckerhefe unverändert, ihre 
Gärkraft ist bei Konzentrationen von 1.10 bis 1 . 1073 mol. erhöht 
und wird durch eine solche von 1. 10”? noch nicht beeinträchtigt. Bei 
Bierhefe war weder Atmung noch Gärung gegen Mangan in Kon- 
zentrationen bis 1.1073 empfindlich. 


Radiometrische Mikroanalyse. IlI. 
Von 
Rudolf Ehrenberg. 
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Göttingen.) 
(Eingegangen am 11. Januar 1927.) 


Inhalt. 
Allgemeines . . . a ee, re DD, Er ne e ént ie ae ee D3 
I. ER Aë A E e E Ee 
II. Anionenbestimmung . . . Ben ar er ne Be JB er we 08 
III. Acidimetrie und Alkalinimetrie éi M rt er ..66 
Allgemeines. 


Wie in den voraufgegangenen Mitteilungen!) dargelegt worden ist, 
beruht die radiometrische Mikroanalyse auf der elektrometrischen \ 
Messung des Aktivitätsverlustes oder -gewinnes einer mit dem radio- 
aktiven Bleiisothop Thorium B infizierten Bleisalzlösung. Der Gang 
der Analyse auf ein zu bestimmendes Kation oder Anion wird so ge- 
leitet, daß er in eine Fällungs- oder Lösungsreaktion des Bleiions aus- 
läuft, oder daß bei der Fällung eines Niederschlags das infizierte Blei 
in quantitativ vergleichbaren Mengen mitgerissen wird. Bei dem 
letztgenannten Verfahren darf die Konzentration des Bleiions nicht 
das Lösungsprodukt des betreffenden Bleisalzes erreichen, andererseits 
ist es nur in den Fällen anwendbar, wo — entsprechend neueren Unter- 
suchungen von Otto Hahn?) — das betreffende schwer lösliche Bleisalz 
mit dem ausfallenden Niederschlag Mischkristalle bildet. Das gilt 
nach Hahn vom Fumarat, Chromat, Carbonat mehrerer Metalle, nach 
meinen Erfahrungen ferner vom Oxalat des Calciums. Diese Anionen, 
sowie manche mit ihnen fallende Kationen, sind daher mit diesem 
Verfahren bestimmbar, das den Vorteil hat, nur einer Fällungsreaktion 
zu bedürfen und große Aktivitätsunterschiede auf Kleine Mengen- 
unterschiede der untersuchten Substanz zu ergeben, den Nachteil, daß 
bei der niedrigen Konzentration an inaktivem Blei apparatuelle 


1) Diese Zeitschr. 164, 183, 1926; 172, 10, 1926. 
2) Ber. 59, 2014. 


64 | R. Ehrenberg: 


Adsorptionsfehler störender werden können. Doch ist die Genauigkeit 
sehr gut, wenn man durch Parallelbestimmungen die Pipettierungs- 
fehler ausschaltet, wie nachstehendes Beispiel einer Calciumbestimmung 
zeigt: 
I. Je 0,25 ccm n/1000 CaCl, zu 1,0 H,O + 1,0 ccm n/10° Pb(NO,), 
inf. + 1,0 ccm n/100 Ammoniumoxalat. 
II. Je 0,5ccm n/1000 CaCl, zu 1,0 H,O + 1,0 cem n/10° Pb(NO,), 
inf. + 1,0 ccm n/100 Ammoniumoxalat. 
III. Je 0,75 ccm n/1000 CaCl, zu 1,0 HO + 1,0 ccm n/10° Pb(NO,), 
inf. + 1,0 ccm Ammoniumoxalat. 
Zentrifugiert, je 2 ccm eingedampft, Aktivität = Teilstriche in 10 Se- 
kunden. 
Abfallelektrometer, 100 Teilstriche 200 Volt. 


5,56 4,58 3,22 
5,42 4,45 3,18 
5,56 4.25 3,17 
5,48 4,22 3,15 
5,40 4,30 = 

5,53 4297 0 

5,48 4,34 3,18 


| Die Aktivitätsdifferenzen, entsprechend 0,005 mg Calcium, be- 

tragen in den beiden gleichen Intervallen also 114 bzw. 116, bis zu 
0,00005 mg lassen sich also schon mit diesem wenig empfindlichen 
Elektrometer bestimmen. 

Der Anwendungsbereich dieses Verfahrens ist durch die Fähigkeit 
zur Mischkristallbildung begrenzt, die Versuche, die adsorptive Mit- 
nahme des Radioelements durch einen ausfallenden Niederschlag zur 
quantitativen Bestimmung zu verwerten, haben zu keinem brauch- 
baren Ergebnis geführt. Das ist verständlich, wenn — wie Hahn 
folgert — diese Adsorption von der Aufladung des Niederschlags ab- 
hängig ist; geringste Ungleichheiten der H-Ionenkonzentration wie 
auch andere in der Lösung vorhandene Ionen erwiesen sich als be- 
deutungsvoll, auch wird das Resultat durch den Kristallisationsvorgang 
selbst mitbedingt. 

Als die allgemein anwendbare Methode wird daher die der Aus- 
fällung des radioaktiv infizierten Bleies selbst, quantitativ abgestuft 
durch die voraufgehende eigentlich analytische Fällung, zu gelten 
haben. 

I. Kationenbestimmung. 


Prinzip: Eine definierte Lösung eines Salzes, dessen Anion sowohl 
mit dem zu bestimmenden Kation wie mit Blei ein schwer lösliches 
Salz bildet, fällt bei bestimmten Volumen zuerst das Bestimmungs- 


Radiometrische Mikroanalyse. III. 65 


kation, dann — nach Zentrifugieren — das infizierte Blei. Die zu 
bestimmende Konzentration des Kations kann unter der Fällungs- 
grenze bleiben und durch Hinzupipettieren eines Volumens der definierten 
Lösung eines seiner Salze darüber gebracht werden. Durch mehrfache 
Parallelbestimmungen wird der Pipettierungsfehler ausgeschaltet und 
mit diesem Verfahren der Anwendungsbereich auch auf minder schwer- 
lösliche Salze ausgedehnt. Ein weiterer Vorteil ist, daß z. B. bei Unter- 
suchung einer Asche deren Lösung für die anderen Ionen gleichzeitig 
so weit verdünnt wird, daß ihre Konzentration weder das Löslichkeits- 
produkt mit dem zukommenden Anion noch mit dem Blei erreicht. 
Die Hinzufügung der Salzlösung stellt also anstatt einer Trennung 
auf die beabsichtigte Analyse ein und ermöglicht es, in ein und der- 
selben Aschenlösung bei minimaler Ausgangsmenge nacheinander die 
verschiedenen Tonen zu bestimmen. 


Beispiel. 
I. 0,6 cem n/1000 Ca Cl, + 0,1 cem n/100 Ammoniumoxalat zu 1,0 ccm 
H,O (zentrifugiert) + 1,0 ccm n/1000 Pb(NO,), (zentrifugiert), 
1,0 ccm eingedampft. 

II. 0,7ccm n/1000 CaCl, + 0,lccm n/100 Ammoniumoxalat zu 
1,0 cem H,O (zentrifugiert) + 1,0 ccm n/1000 Pb(NO,), (zentri- 
fugiert), 1,0 ccm eingedampft. 

III. 0,8ccm n/1000 CaCl, + 0,1l ccm n/l100 Ammoniumoxalat zu 
1,0 ccm H,O (zentrifugiert) + 1,0 ccm n/1000 Pb(NO,), (zentri- 
fugiert), 1,0 ccm eingedampft. 


Aktivitäten. 11,04, 12,59, 14,03 im Mittel. Differenzen für 0,002 mg 
Calcium 155 bzw. 144, Empfindlichkeit bis 0,00002 mg. 


Will man die Empfindlichkeit steigern, so erhöht man die Abfalls- 
zeiten des Elektrometers durch größeren Abstand der strahlenden 
Substanz, oder Kapazitätssteigerung des Elektrometers, man kann so 
die Aktivität auf weitere Dezimalen errechnen. . Voraussetzung ist 
ein hinreichend konstanter Elektrometerabfall auch bei schwächerer 
lonisierung und eine genügende Zahl von Parallelbestimmungen. 

Zu jeder Kationenbestimmung sucht man in Vorversuchen ein 
geeignetes Konzentrationsintervall aus, legt bei jeder Bestimmungs- 
reihe die beiden Grenzkonzentrationen fest und wählt die Zusatzlösung 
so, daß sie bei dem konstanten Gesamtvolumen allein die untere Grenz- 
konzentration ergeben würde. 


II. Anionenbestimmung. 

Die einfachste Methode ist die direkte Fällung des infizierten 
Bleies mit dem fraglichen Anion, ihre Voraussetzung — Schwerlöslich- 
keit des betreffenden Bleisalzes — erfüllen von den biologisch wichtigen 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 5 


66 R. Ehrenberg: 


Anionen Carbonat, Phosphat, Sulfat. Die Anwendung dieses Verfahrens 
ist in den früheren Mitteilungen erläutert worden. Ist — wie bei dem 
Chlorid — die Lösliehkeit des Bleisalzes beträchtlich, so würde für 
das einfache Verfahren eine relativ hohe Bleikonzentration erforderlich 
sein, die radiometrisch gemessenen Unterschiede demgemäß sehr klein 
ausfallen. Hat man reichlich radioaktive Substanz und ein hoch- 
empfindliches Elektrometer zur Verfügung, so wird man auch so noch 
zu vielfach hinreichender Analysenempfindlichkeit kommen können. 
»nderenfalls muß folgendes indirekte Verfahren eingeschlagen werden: 
Das fragliche Anion wird mit seiner analytischen Reaktion in definierter 
Überschußmenge des fällenden Kations gefällt, der nicht gefallene 
Anteil des Kations wird mit definiertem Überschuß eines Anions gefällt. 
welches auch ein schwerlösliches Bleisalz gibt, welch letzteres aus 
wiederum überschüssiger infizierter Lösung die Schlußfällung der 
Analyse bildet. Sämtliche Fällungen werden nacheinander in einem 
Jentrifugenglas mit enger Endkapillare vorgenommen, nach jeder 
Fällung zweckmäßigerweise zentrifugiertt. So wird bei der Chlorid- 
bestimmung nacheinander mit Silbernitrat, Kaliumcehromat und 
infiziertem Bleinitrat gefällt, Beispiel: 


I. 0,05 ccm n/1000 Ca Cl, zu 0,15 ccm H,O + 0,5 ccm n/1000 AgNO, 
(zentrifugiert) + 0,05 ccm n/100 K,CrO, (zentrifugiert) + 1,0 cem 
n/1000 Pb(NO,), inf. (zentrifugiert. | 


II. 0,10 ccm n/1000 CaCl, zu 0,15 ccm H,O + 0,5 ccm n/1000 AgNO, 
(zentrifugiert) + 0,05 ccm n/100 K,CrO, (zentrifugiert) + 1,0 ccm 
n/1000 Pb(NO,), inf. (zentrifugiert). 


III. 0,15 ccm n/1000 CaCl, zu 0,15 ccm H,O + 0,5 ccm n/1000 AgNO, 
(zentrifugiert) + 0,05 ccm n/100 K,CrO, (zentrifugiert) + 1,0 ccm 
n/1000 Pb(NO,), inf. (zentrifugiert), je 1,0 ccm eingedampft. 


l. | IL. I. 


Differenzen für 0,0018 mg Cl 577 bzw. 623. 


III. Acidimetrische Titration. 


In der früheren Mitteilung wurde ein Verfahren beschrieben, das 
auf der teilweisen Wiederauflösung einer radioaktiv infizierten Blei- 
carbonatfällung durch die Säure beruhte. Neben diesem bewährte sich 
eine Modifikation, bei welcher der Carbonatniederschlag nach im Maß- 
kölbchen erfolgtem Säure-Basenausgleich im Zentrifugengläschen erzeugt 


Radiometrische Mikroanalyse. JIl. 67 


wurde. Das Verfahren ist besonders dann vorzuziehen, wenn die Säure 
oder Base gasförmig in die Titrationsflüssigkeit gelangt, man benutzt 
dann — so bei der NH,-Bestimmung — das Maßkölbchen als Vorlage 
und füllt es am Schluß nach Zusatz der Sodalösung auf, die Einzel- 
heiten erhellen aus nachfolgendem Beispiel: 


10-ccm-Kölbehen. Aktivitätsmittelwert. 

I. 4ccm n/1000 H,SO, + 0,0 ccm n/1000 NH, + 1 cem n/100 Soda 2,319 
II. 4 „ n/l000H,SO, + 10 „ n/lOV0oNH, +1 , n/l00 „ 1,917 
HI. 4 „ n/l000H,SO, + 1,5 „ n/lO00 NH, + 1 „ n/l00 „ 1,716 
IV. 4 „ n/1000 H50, + 1,75, n/l000 NH, + 1 ,„ n/l100 , 1,617 
V.2 „ n’/l000H,SO, + 0,0 „ n/1000NH, +1 „ n/l00 „ 1,501 
Die Aktivitäten wurden bestimmt nach Zufügung von Leem der 
Kölbchenlösungen zu lccm n/l1000 infizierter Bleinitratlösung, Zentri- 


fugierung und Eindampfen von Leem, In dem Versuch entspricht der 
Aktivitätsdifferenz von 100 je 0,0035 mg N,- 


Über eine entsprechend verkleinerte Mikrokjeldahleinrichtung 
sowie eine auf die radiometrische Titration gegründete Kohlenstoff- 
(Kohlensäure-) Bestimmung wird demnächst berichtet werden. 


5* 


Radiometrische Mikroanalyse. 


IV. Mitteilung: 
Dispersitätsanalyse. 


Von 
Rudolf Ehrenberg. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität Göttingen.) 
(Eingegangen am 11. Januar 1927.) 


In einer früheren Mitteilung!) war gezeigt worden, daf kolloidal 
verteilte organische Substanz, wenn sie in geeigneter Weise verkohlt 
wird, ihren Verteilungszustand der entstehenden Kohle mitteilt, der- 
gestalt, daß gröber verteilte Substanz eine porösere Kohle — gemessen 
an der Adsorptionsleistung gegenüber dem Methylenblau — ergibt. 
Dabei muß die großporigere Kohle gegenüber einer feinerporigen eine 
geringere Gesamtoberfläche haben. War also die Deutung der Methylen- 
blauversuche auf die Struktur der Kohle richtig, so mußte bei Ver- 
wendung eines teilchenkleineren Adsorptivs umgekehrt die aus feiner 
verteilter Substanz entstandene Kohle die größere Adsorptionsleistung, 
entsprechend der größeren wirksamen Oberfläche, zeigen. 

Es lag nahe, als solches teilchenkleineres Adsorptiv das radioaktiv 
infizierte Blei zu verwenden und als Maß der Adsorption die Abnahme 
der elektrometrisch bestimmten Aktivität in der mit der Kohle ge- 
schüttelten Lösung zu nehmen. Neben der Genauigkeit der Messung 
ergab sich damit die Möglichkeit, sehr kleine Kohlenmengen zu ge- 
brauchen, womit die Methode für biologische Zwecke geeigneter wird; 
es wird — unter Verwendung der Mikrowage — mit Mengen von 1 bis 
2 mg Kohle gearbeitet, was nicht die erforderliche Mindestmenge 
darstellt. 

Methodik. 

Die Verkohlung des organischen Materials wurde, wie in den 
Methylenblauversuchen, in einem Überschuß von Pottasche vor- 
genommen, in einigen noch nicht abgeschlossenen Versuchen auch 


1) Diese Zeitschr. 161, 339, 1926. 


R. Ehrenberg: Radiometrische Mikroanalyse. IV. 69 


in anderen Salzen. Die anorganische Substanz hat der Annahme nach 
die Funktion, als Füllsel zwischen den organischen Teilchen zu dienen, 
deren Zusammentreten zu verhindern. Um diese Aufgabe zu erfüllen, 
muß sie eine hohe Wasserlöslichkeit haben, darf nicht beim Eintrocknen 
des Breies oder der gesättigten Lösung auskristallisieren, sondern muß 
wie Pottasche oder Calciumchlorid in kompakter Masse allmählich 
erstarren. Kristallisiert sie vorzeitig aus, so bestimmt ihre Kristall- 
bildung, nicht die Verteilung des organischen Stoffes, die Oberflächen- 
struktur der Kohle, wie sich das bei Verkohlung in Kochsalz zeigte: 
die verschiedenen Ausgangsmaterialien ergaben alle Kohle von gleicher 
Adsorptionsleistung. Dieser negative Befund ist eine weitere Stütze 
für die dem Verfahren zugrunde liegende Annahme. 


Als Modell diente 10proz. Gelatinelösung in Wasser, und zwar im 
Vergleich zwischen einer Lösung, die durch rasches Auflösen der 
trockenen Gelatine in heißem Wasser hergestellt war, und einer solchen, 
bei der die Gelatine vor dem Erwärmen eine Zeit in kaltem Wasser 
gequollen hatte. Es ist bekannt, daß in letzterem Falle die Gelatine 
feiner verteilt wird, es mußte daher, wenn die Annahme richtig war, 
aus ihr eine oberflächengrößere und gegenüber dem infizierten Blei- 
nitrat adsorptionskräftigere Kohle entstehen. Das ist in der Tat der 
Fall. Zunächst wurde die ‚Kalt“-Gelatine — wie die gequollene im 
Unterschied von der `. Her" Gelatine kurz bezeichnet werden soll — 
2 Stunden quellen gelassen. Der Adsorptionsversuch wurde durchweg 
mit 2 mg Kohlen auf 2ccm n/1000 Bleinitrat angesetzt, 1, bis 
l Stunde im Schüttelapparat geschüttelt, zentrifugiert, l ccm ein- 
gedampft und mit der Ausgangsaktivität elektrometrisch verglichen. 
Die nachstehenden Werte sind jeweils Prozente der Ausgangsaktivität, 
die nach der Adsorption noch in der Lösung geblieben sind. Der ver- 
gleichsweise angesetzte Methylenblauversuch, gemäß der früher be- 
schriebenen Methodik mit 25 mg auf 5 cem m/100 Methylenblau, ergab. 
wie erwartet, eine stärkere Entfärbung durch die Heißgelatina, 10 Proz. 
gegenüber 7 Proz. durch die Kaltgelatine. 


Prozentwerte der Aktivität von „Heiß“ und (zweistündig) „Kalt“. 
Heiß: 44,0 57,0 64,0 
Kalt: 38,8 35,4 54,0 
Werte für „Heiß“ und 24stündig gequollene „Kalt“. 
Heiß: 49,4 41,4 51,2 45,3 45,0 51,0 
Kalt: 24,3 21,7 26,8 27,6 25,5 24,1 


In einem Falle unter etwa 20 solcherart gewonnenen Gelatine- 
kohlen ergab eine Kaltgelatine einen Wert der Größenordnung „Heiß“. 
möglicherweise ein Versehen der Herstellung, niemals hatte ein „Heiß“ 
die hohe Adsorptionsleistung von „Kalt“. Die relativ gute Konstanz 


70 R. Ehrenberg: 


der 24-Stunden-Kaltwerte läßt diese Kohle als ein geeignetes Test- 
objekt bei biologischen Dispersitätsvergleichsversuchen erscheinen. 

Es ergibt sich die Frage, ob auch molekulardisperse organische 
Substanz ihren Verteilungszustand der solcherart gewonnenen Kohle 
mitteilt. Im Bejahungsfalle bietet sich die Aussıcht, mit dieser Methode 
nicht nur die Teilchengröße, sondern vielleicht auch den Kohlenstoff- 
gehalt kolloidal gelöster Teilchen zu ermitteln. Vorläufig ist zu sagen, 
daß in der Tat von molekulardisperser Ausgangssubstanz aus die 
adsorptionstüchtigsten Kohlen zu erhalten sind, so aus ?/, mol. Natrium- 
oleinatlösung einen Aktivitätsrest von 12,8 Proz., aus m/2 Proz. Glycerin 
einen solchen von 7,6 Proz. Dabei ist noch zu bedenken, daß, je weiter 
die Adsorption geht, um so weniger für die noch verfügbare Oberfläche 
der Sättigungsteil der Adsorptionskurve gilt, die Aktivitätsabnahme, 
bezogen auf die Ausgangsaktivität und Oberflächeneinheit, immer 
geringer werden muß. Es sind Versuche im Gange, um diesen Zu- 
sammenhang weiter aufzuklären. 

Für die biologischen Fragestellungen erschien es wichtig, die 
Methode auch auf die Erkennung des Verteilungszustandes von Gewebs- 
biokolloiden auszudehnen. Es wurde folgendermaßen verfahren: 


Rasiermesserschnitte von Organen und Geweben wurden in Lösungen 


steigender Konzentration von Kaliumcarbonat — beginnend mit 1 Proz., 
endend bei Sättigung — eingetragen, in jeder Konzentration einige Zeit 


belassen und schließlich die von dem Salz inkrustierten und darin ein- 
gebetteten Schnitte verkohlt. Natürlich ist zu jeder Bestimmung eine 
Anzahl von Schnitten erforderlich, wenigstens wenn man nicht unter Img 
Kohle im Adsorptionsversuch heruntergeht. Die nachfolgenden Werte 
sind mit Img und Leem n/1000 Pb(NO,), gewonnen, die Schnitte sind. 
wo nichts anderes bemerkt ist, unmittelbar nach Tötung des Tieres (Meer- 
schweinchen) entnommen, in zwei Fällen nach sechsstündiger Autolyse 
bei 37° zum Vergleich mit dem lebensfrischen Organ. Das autolysierte 
Material ergibt, wie erwartet, entsprechend der verringerten Teilchengrüße 
eine adsorptionskräftigere Kohle. Analog läßt sich die Methode zum Ver- 
gleich von Organen in verschiedenen Funktionszuständen, in der Mikro- 
biologie usw. verwenden. 


Beispiele. 
Leber . . ....675 71,5 75,4 (51,8) 
Niere. . . 2... 45,7 49,8 72,3 (47,7) 
Muskel. . . . . . 83,0 
Herzmuskel. . . . 81,5 


Die eingeklamınerten Zahlen sind die zu den voranstehenden zugehörigen 
Autolysenwerte. 

Natürlich ist so noch nicht erwiesen, daß der Dispersitätszustand 
in den Gewebsschnitten durch die Pottaschebehandlung ungeändert 
bleibt, immerhin spricht der Einfluß der Autolyse dafür, daß die 
Struktur im gleichen Sinne wie bei den kolloidalen Lösungen wirkt. 


Radionietrische Mikroanalyse. IV. 71 


Weitere Versuche in dieser Richtung, zumal an Organen mit bekannten 
funktionellen Strukturveränderungen, werden weiterführen. Ebenso 
sind die Versuche fortzusetzen, die Pottasche bei der Verkohlung durch 
ein anderes Salz zu ersetzen. Daß das Kochsalz, wie oben erwähnt, 
unbrauchbar ist, weil es selbst die Struktur der Kohle bedingt und 
daher aus verschiedenen dispersen Materialien Kohlen von gleicher 
Adsorptionskraft erzeugt. zeigt folgendes Beispiel: 


Leber . . . . 2 22.0. 8l 84 8l 

Niere 4 23.68 2% 89 81 

Heißgelatine . . .... 77 71 77 74 
Kaltgelatine `, 77 79 77 
Rohrzucker `, . . .... 80 84 82 
Traubenzucker . . ... 74. 74 17,5 


Die Werte für Zuckerkohlen aus Pottasche ändern sich mit der 
Konzentration der Zuckerlösungen, aus molarer Lösung z. B. 67, 70, 
aus m/10 51, 55, jedanfalls gegenüber den Gelatinekohlen und erst 
recht der Glycerinkohle viel zu hohe Werte. Bei leicht kristallisierenden 
Verkohlungssubstanzen scheint die Struktur der Kohle eine Funktion 
des Verhältnisses der Löslichkeit des organischen und des anorganischen 
Materials zu sein. Dem entspricht es, wenn mit Calciumchlorid als 
Füllsel ` Zuckerkohlenwerte gefunden werden, die unter denen für 
Gelatine liegen. Die Versuche mit Calciumchlorid sind noch nicht 
spruchreif, es macht sich hier die Austauschadsorption stark bemerkbar, 
die Kohlen müssen nicht nur gewässert, sondern auch mit mehrfach 
gewechselter konzentrierter Salzsäure behandelt werden, um über- 
einstimmende Werte zu ergeben. So gaben Gelatinekohlen ohne Salz- 
säurebehandlung 5,7, 8,6, 18,5, nach der Säure 65, 62, 63, 63; Rohr- 
zucker vorher 4,9, nachher 32,5; Traubenzucker (frisch gelöst) 8,6 
bzw. 43 in m/10 Lösung. Es ist anzunehmen und durch die Gelatine- 
versuche bisher bestätigt, daß die gesättigte Calciumcbloridlösung 
beim Eintrocknen den Verteilungszustand kolloidaler Lösungen ver- 
ändert, sein Anwesungsbereich würden eher die molekulardispersen 


Stoffe sein, nach Fortführung der Versuche wird darüber berichtet 
werden. 


Mastixsol und Proteine. 


Von 
Katsuo Hotta (Nagoya, Japan). 
(Aus dem Institut für medizinische Kolloidehemie der Universität Wien.) 


(Eingegangen am 12. Januar 1927.) 


Das Mastixsol hat neben dem Goldsol sehr früh die Aufmerksamkeit 
der Mediziner wegen seiner Verwendbarkeit zu Kolloid-Eiweißflockungs- 
reaktionen gefunden. Die letzteren haben wiederum wegen ihrer Be- 
ziehungen zu den Agglutinations- und Präzipitationserscheinungen, sowie 
besonders als Liquorreaktionen ein erhebliches praktisches Interesse 
erlangt. Gegenüber der günstigen Entwicklung der technischen Seite 
ist hier jedoch die theoretische Erkenntnis zurückgeblieben oder hat 
sich mit sehr unvollkommenen Bildern begnügen müssen, ein Umstand, 
der in erster Linie auf die ungenügende physikalisch-chemische Charak- 
terisierung der verwendeten Sole und die unzureichende Berück- 
sichtigung des Verhaltens und der Konstitution reinster elektrolyt- 
freier Eiwcißlösungen zurückgeführt werden muß. In dieser Richtung 
sollen die folgenden am Institute auf Anregung und unter Leitung 
des Herrn Prof. Pauli angestellten Beobachtungen im Verein mit 
anderweitigen!) Versuchen einen vorläufigen Beitrag liefern. 


1. Physikalisch-chemische Charakteristik des Mastixsols. 


Darstellung. Nach der üblichen Bereitung des Mastixsols wurde käuf- 
licher Mastix im Verhältnis 1: 10 in absolutem Alkohol gelöst. Von dieser 
Stammlösung wurden 2 ccm mit 20 ccm Alkohol verdünnt und dann tropfen- 
weise unter Rühren zu 80 cem destillierten Wassers gegossen. Später wurde 
die alkoholische Lösung auf einmal dem Wasser zugegeben und die Mischung 
einige Stunden geschüttelt. 

Zur Reinigung des Mastix von Elektrolyten wurde die obige Stamm- 
lösung zur Hälfte mit Wasser verdünnt und wenigstens durch 48 Stunden 
in einem mittelgroßen Paulischen Elektrodialysierapparat (220 Volt) 
unter zeitweiligem Umrühren durchströmt. Dabei wird der größte Teil 
des Harzes auf der anodischen Membran niedergeschlagen, von der er 


1) Vgl. M. Spiegel- Adolf, diese Zeitschr. 180, 395, 1927. 


K. Hotta: Mastixsol und Proteine. 13 


abgelöst und im Exsikkator getrocknet wurde. Dieses gereinigte und ge- 
trocknete Produkt diente zur neuerlichen Bereitung einer Stammlösung. 
Der verwendete Alkohol wurde durch Destillation gereinigt. Die End- 
konzentration der Sole an Alkohol betrug 22 Vol.-Proz. 


Methodik. Die H-Ionenaktivität (ay) wurde potentiometrisch mit der 
rotierbaren Paulischen Elektrode!) in einigen Fällen mit der Biilmann- 
schen Chinhydronelektrode bestimmt. Ferner wurden die mittels der 
Mikroleitfähigkeitstitration [Pauli-Semler?)) titrierbaren H-Ionen (cy) er- 
mittelt, die regelmäßig höhere Werte als an ergaben. Die Leitfähigkeits- 
messung mußte wegen des erheblichen zeitlichen Anstieges mit unplatinierten 
Elektroden, also bei schlechterem Minimum, vorgenommen werden. Die 
Korrektur für die Leitfähigkeit des reinen Mediums wurde bei den Alkohol- 
Wassermischungen im Versuch jeweilig ermittelt, für die Wasserleitfähigkeit 
meist der erfahrungsmäßige Wert 2,5. 10-6r.O. eingesetzt, soweit nicht 
besondere Umstände zu berücksichtigen waren. 


Es war zunächst von Interesse festzustellen, ob ein reines Mastixsol 
ein Acidoid vorstellt, also ein Kolloid mit negativen aufladenden Kom- 
plexen und mit H* als Gegenionen. Diese Bezeichnung legt die rein 
chemische Auffassung als Säure zugrunde (Pauli) und ist nicht identisch 
mit der Nomenklatur von L. Michaelis?), der unter Acidoiden Sole 
mit dem isoelektrischen Punkt auf der sauren Seite des De versteht, 
unabhängig vom Reinheitsgrad und den vorhandenen Gegenionen. 
Der Michaelissche Begriff Acidoid und Basoid deckt sich im wesent- 
lichen mit der Bezeichnung elektronegatives und positives Kolloid und 
sieht z. B. nicht den Fall vor, daß es positive Sole mit OH als Gegenion 
praktisch nicht gibt). Daß die aufladenden Komplexe der kolloiden 
Harze Harzsäureionen sind, die infolge der Verseifung im Wasser auf 
der Teilchenoberfläche entstehen, wurde zuerst von Pauli’) aus- 
gesprochen. Die gleiche Auffassung des Ursprungs der Teilchenladung 
liegt wohl der Arbeit von L. Michaelis und A. Domboviceanu®) zugrunde, 
welche die Abhängigkeit der Wanderungsgeschwindigkeit des Mastixsols 
vom py der Flüssigkeit behandelt. 


Um nun zu prüfen, ob das Mastixsol ein primäres reines Acidoid 
vorstellt, wurde, wie in früheren Arbeiten [Pauli-Valko')], aus der 
H-Aktivität und plausiblen Werten der Kolloidionenbeweglichkeit 
eine Leitfähigkeit errechnet, die mit der tatsächlich gemessenen ver- 
glichen wurde. Die Übereinstimmung der gefundenen und berechneten 


1) Biochem. Zeitschr. 52, 371, 1913 und Kolloid-Zeitschr. 21, 51, 1917. 

2) Kolleid-Zeitschr. 84, 145, 1924. 

3) Ebendaselbst 81, 249, 1922. 

1) Vgl. Pauli, Eiweißkörper und Kolloide. 2 Vorträge, J. Springer, 
Wien 1926. 

5) Kolloid-Zeitschr. 28, 50, 1921. 

D Ebendaselbst 84, 322, 1924. 

?) Zeitschr. f. physik. Chem. 121, 161, 1926; daselbst Literatur. 


74 K. Hotta: 


Werte würde für den rein acidoiden Charakter des Sols sprechen und 
zugleich dafür, daß die weitere dieser Berechnungsweise zugrunde 
liegende Voraussetzung von der genügenden Übereinstimmung der 
Aktivitäts- und Leitfähigkeitskoeffizienten des Kolloids (in bezug auf 
das Gegenion) praktisch erfüllt war. 


Die in unserem Falle vorliegende Komplikation besteht darin, 
daß das Mastixsol alkoholisch-wässerig war und daß in die Rechnung 
die Leitfähigkeit der lonen in solchen Mischungen eingesetzt werden 
mußte. Zu ihrer Ermittlung wurde die Abhängigkeit der Äquivalent- 
leitfähigkeit einer Schwefelsäure von bekannter Aktivität (an = 3.99 
.10”*n) vom Alkoholgehalt des Lösungsmittels festgestellt. Im Meß- 
bereich erwies sich das potentiometrisch bestimmte au als praktisch 
unabhängig vom wechselnden Alkoholgehalt. Die folgende Tabelle I 
zeigt die Abnahme der Leitfähigkeit mit der steigenden Alkohol- 
konzentration. Aus den gefundenen (un + vso,)-Werten ergibt sich 
bei Annahme proportionaler Beeinflussung der Beweglichkeiten ua 
und vso, durch den Alkoholzusatz eine Tabelle für den Gang von ur. 
Legt man für unser Mastixsol den Wert gu = 30 zugrunde, so er- 
mittelt sich u + v = 236 für den Alkoholgehalt von 22 Proz. Der 
gefundene Gang der Leitfähigkeit der Schwefelsäure stimmt be- 
friedigend mit vorliegenden Werten von Godlewski!) überein. 


Tabelle I. 
SR BETT 
0 1,709 428 
4,25 1,473 378 
9.5 1.381 345 
13.75 Ä 1,228 308 
19,00 | 1,09 | 273 
20,9 ' — 259 
23,25 | 0,904 | 238 


In der Tabelle II ist ein Teil der ausgeführten potentiometrischen 
Messungen (an) und Leitfähigkeiten (k) an frischen Mastixsolen mit 
22 Proz. Alkohol zusammengestellt. Unter a sind Sole mit einer Leit- 
fähigkeitskorrektur von 1,2.10-° für die Alkoholwassermischung, 
unter b Sole aus einer anderen Stammlösung und etwas wechselnder 
Leitfähigkeit des Dispersionsmittels, die für jedes Sol separat bestimmt 
wurde, unter c) und d) sind Sole mit elektrodialytisch gereinigtem 


1) Bull. Acad. Se. Crac. 1904. 


Mastixsol und Proteine. 15 


Mastix angeführt, wobei aa in den letzten zwei Solen mittels der 
Chinhydronelektrode gemessen wurde. 


Tabelle II. 
Sol Ä k.108 2.0. | on . 106 , Dn: SE i 

a) 
L | 5,12 Ä 2,04 2,12 
M | 5.24 | 2,00 2,22 
N 4.53 Ä 2.00 1.92 
0 4.44 1.89 1.88 
p | 4.03 | 1,61 1,84 

b) 
S 5,03 1,85 2,12 
T 3.74 | 1.49 1.58 
U | 3,51 1,24 1.49 
vo 3.03 | 1.06 1.28 
W | 4,70 | 1,81 1.99 
7, 5.48 1.71 2,22 
IV 5,01 S 221 | 2,12 
IX Ä 10.04 4.08 | 4.25 
X | 6.42 2.64 | 2,72 
XI 6,61 2,59 | 2,80 
vu 11,63 2,69 | 4,93 

d) 
xy | 17,0 | 7.11 | 7,20 
XVH | 11.28 | 4,16 4,18 


Die Versuche zeigen im allgemeinen eine befriedigende Überein- 
stimmung des gemessenen und des aus der Leitfähigkeit berechneten ay, 
wodurch der rein acidoideCharakter der inüblicher Weise hergestellten und 
ebenso der aus vorgereinigtem Mastix gewonnenen alkoholisch-wässerigen 
Sole in hohem Maße wahrscheinlich gemacht wird. In der Überzahl 
der Beobachtungen liegt der aus k berechnete au-Wert ein wenig aber 
merklich höher ala der gemessene. Der Wert von as ist seiner Größen- 
ordnung nach dem Gehalt an Mastix (Trockengehalt etwa 0,4 bis 
0.5 Proz.) und dem polydispersen Charakter des Sols entsprechend. 

Die Mastixsole zeigen ferner eine starke zeitliche Änderung, er- 
kennbar an einem Anstieg der Leitfähigkeit. Wie die Tabelle Ill dartut, 
entspricht diesem Anstieg ein nahe proportionales Anwachsen der 
H-Ionenkonzentration. 


76 K. Hotta: 


Tabelle III. 
SSES KSE | ap.1% 

Sol | nach Herstellung | k . 10° r.0. | ag . 10° bech, aus Kee 

4 | sufort 11,26 — | — 

4 | 8d 15.27 7,55 | 6,47 

5 | sofort 8,26 — — 

5 l 8 20,1 8,84 8,48 
XI 36h 6.61 2.58 2.80 
Vi? ma lode |o fm 

B 8d 9.41 3.55 | 3.99 

F 1d 8.6 2.59 | 3.56 

F 6d 9,9 | 4.16 | 4.20 


Der zeitliche Anstieg der H-Ionenkonzentration kann zu ver- 
hältnismäßig hohen Werten derselben führen. Nach analogen Beob- 
sachtungen an Sulfidsolen müssen bei den gegebenen Solkonzentrationen 
die ansteigenden hohen Leitfähigkeiten und H-Aktivitäten auf die 
Ablösung der ionogenen Komplexe von den Solteilchen, also auf das 
Auftreten freier Harzsäure oder auf einen sehr feinteiligen Zerfall der 
Solpartikelchen bezogen werden. Daß ein Gleichgewicht mit in Lösung 
gegangener Harzsäure besteht, dafür könnte schon die meist merklich 
höhere au sprechen, die sich aus der Leitfähigkeit berechnet. Diese 
geringe Diskrepanz ließe sich beseitigen, wenn für die freie Harzsäure 
eine etwas höhere Beweglichkeit einzusetzen wäre als für das Kolloidion. 

Man kann schließlich durch viele Stunden lange Vakuumdestillation 
bei 18 bis 25°C und ständigen Ersatz der wegdestillierten Flüssigkeit 
durch Wasser den Alkohol aus den Solen entfernen und so zu sehr 
stabilen, rein wässerigen Mastixsolen kommen. Auch diese zeigen den 
rein acidoiden Charakter und eine geringe, aber deutlich höhere Leit- 
fähigkeit als dem gefundenen a» entspricht (Tabelle IV). Behufs Er- 
mittlung der Leitfähigkeitskorrektur wurde in diesen Versuchen Wasser 
in der gleichen Weise im Destillierapparat behandelt wie das Sol. 


Tabelle IV. 
- Zr €———, | un 
| dp, 10 
Sol k.10° r.O. aH. 10° berechnet aus k 
nm i 1,92 | 3,85 4,94 
yv | 1,45 | 3,42 3,81 
VI f 0.86 2.21 2,28 


Aus den bisherigen Versuchen geht mit aller Wahrscheinlichkeit 
hervor, daß die Mastixsole reine Acidoide sind und mit der Zeit eine 
Veränderung durch Ablösen der oberflächlichen, ionogenen Harzsäure 
erfahren, die sich als Anstieg von k und au kundgibt. Sie stellen dann 


Mastixsol und Proteine. 17 


nicht nur, wie nach der Herstellungsweise angenommen werden muß, 
polydisperse Sole, sondern geradezu eine Mischung von Kolloidelektrolyt 
mit typıschem Elektrolyt dar. Diese Anschauung findet eine Be- 
stätigung in einer nach Abschluß dieser Untersuchung erschienenen 
Arbeit von H. V. Tartar und C. Z. Draves!), welche in Solen,. die 
4 Wochen gestanden hatten, fast das ganze H durch dialysable bzw. 
ultrafiltrierbare Säure bedingt fanden, wie dies namentlich bei höheren 
Werten von au der stark verschiedenen Mastixsole erwartet werden darf. 


2. Flockungsversuche mit Eiweißkörpern. 
a) Glutin. 


Für Gelatine hat Menz?) die bemerkenswerte, von Zsigmondy und 
Joel?) weitergeführte und analysierte Beobachtung gemacht, daß sie 
für das Formolgold ein von ihrem Dispersitätsgrad abhängiges Flockungs- 
vermögen besitzt. Diese Flockung erschien nämlich nur auf die grob- 
disperse, trübe Zerteilung der französischen Gelatine beschränkt. 
welche man durch mehrtägiges Stehenlassen einer lproz. Lösung 
erhält und die nachträglich für die Flockungsprüfung verdünnt wird. 
Es findet sich dann in einem relativ engen Konzentrationsbereich dieser 
Gelatine mit Formolgold ein Farbenumschlag. Zum Unterschied von 
dieser grobdispersen Gelatine läßt sich eine sorgfältig nach Vordialyse 
bei 220 Volt elektrodialysierte Gelatine, entsprechend verdünnt, als 
nahezu klare Lösung gewinnen. 

Die in unseren Versuchen verwendeten Mastixsole waren zunächst 
alkoholhaltige Typen (Tabelle V) von der Leitfähigkeit k und mittels der 
Leitfähigkeitstitration ermittelten H-Ionen ce, welche fast das Doppelte 


der potentiometrisch bestimmten ag betrugen. Der Mastix war stets vor der 
Verwendung zur Solbereitung durch Elektrodialyse gereinigt. 


Tabelle V. 
"sei Min MM | wm | MN MVI MIX 
kim... 1 Hm 63 | 166 | 895 Am 1 
cy. 106 25 24 i 56 | 809 225 2.25 


Das Sol wurde zu gleichen Teilen mit der entsprechenden ver- 
dünnten Glutinlösung unter gründlicher Mischung versetzt. In sämt- 
lichen Versuchen — von einer tabellarischen Wiedergabe wird hier 
abgesehen — fand sich in einem Bereich zwischen 0,45 bis 0,03 mg/cen, 
etwas wechselnd bei den verschiedenen Solen. eine Flockungszone, 
deren Optimum etwa bei 0.25 mg/cem lag. XNiedrigere und höhere 


1) Journ. phys. Chem. 80, 763, 1926. 
2) Zeitschr. f. physik. Chem. 66, 129, 1909. 
3) Ebendaselbst 113, 302, 1924. 


18 K. Hotta: 


Glutingehalte blieben flockungsfrei. Die Flockung war weder durch 
Verdünnung noch durch nachträglichen Zusatz von überschüssigem 
Glutin reversibel. Sie war ferner bei französischer Gelatine und elektro- 
dialysiertem Glutin für dasselbe Mastixsol und gleichen Glutingehalt 
nach Lage und Ausdehnung des Flockungsbereichs praktisch überein- 
stimmend. 


Um den Einfluß des sauren Charakters der Mastixsole auszuschalten, 
wurden Versuche mit Zusatz von mittels KOH titriertem sowie über- 
titriertem Mastixsol (M IX) ausgeführt. Es zeigte sich, daß eine Zugabe 
von 5 . 1075 n bzw. 1 . 1074 n KOH (Endkonzentration) keine merkliche 
Verschiebung des Flockungsbereichs der zwischen 0,45 und 0,025 mg/cem 
lag, bewirkte. Weiter wurde der Einfluß kleiner Mengen Neutralsalzes 
u/1000 KCl [[Endkonzentration!)] auf die Glutinflockung geprüft. 
Dabei ergab sich eine Verschiebung des gesamten Flockungsgebiets 
des Glutins in niedrigere Konzentration, und zwar von 0.2 bis 0,015 l 
ohne Salzzusatz, in 0,05 bis 0,0025 mg/ccm mit dem angegebenen 
Salzzusatz (französische Gelatine und Sol M IHI). Ein analoges Ver. 
halten war auch an elektrodialysierter Gelatine (Goldmarke) zu kon- 
statieren. 


Geringe Zusätze von Säure und Alkali zum Glutin vor Zugabe 
des Sols wirken im Sinne einer leichten Förderung bzw. Hemmung 
der Flockung. Doch läßt sich noch bei einem Verhältnis von 7:1 der 
] proz. Gelatine und von n/100 KOH eine merkliche Trübung des 
Mastixsols in der sonstigen Flockungszone erzielen. Erst eine weitere 
Verschiebung des Verhältnisses zugunsten der Lauge führt zu völliger 
Hemmung des Flockungsvermögens. 


Es war nur noch zu prüfen, welche Rolle dem Alkoholgehalt des 
Mastixsols bei der Glutinflockung zukommt. Die Alkoholwirkung 
könnte vor allem darin bestehen, als Vorstufe der in hohen Alkohol- 
konzentrationen erfolgenden Fällung des Glutins, seinen Dispersitäts- 
grad zu verringern. Zur Entscheidung der Frage wurden Mastixsole 
einer wiederholten stundenlangen Vakuumdestillation in einem Apparat 
aus Jenaer Glas mit eingeschliffenen Verbindungsstücken unterworfen. 
Diese Temperatur betrug 18 bis 25°. Das ursprüngliche Flüssigkeits- 
volumen wurde immer wieder durch destilliertes Wasser ersetzt. Die 
erzielten Sole erwiesen sich praktisch als alkoholfrei. Bei drei der- 
artigen Mastixsolen zeigte sich, daß sie lediglich mit französischer 
Gelatine geflockt wurden, dagegen blieb die Flockung der die alkohol- 
haltigen Mastixsole koagulierenden elektrodialysierten Gelatine aus. 


1) Das Salz wurde in n/l0 Lösung dem Sol behutsam unter folgendem 
starken Schütteln zugesetzt, so daß von einer Volumenänderung des Sols 
abgesehen werden konnte. 


Mastixsol und Proteine. 19 


Diese Flockung konnte jedoch schon in Anwesenheit von wenig Neutral- 
salz (Endkonzentration 0,002n KCl) wieder hervorgerufen werden. 
Danach ist der Alkoholgehalt der gewöhnlichen Mastixsole von Be- 
deutung für die Flockbarkeit eines sonst zu fein dispersen Glutins. 


b) Albumine. 


Zur Verwendung kam ein reinstes Ovalbumin, das nach Vordialyse im 
Faltendialysator (bis zur Größenordnung von k ~ 10-5) durch Elektro- 
dialyse bei 220 Volt gereinigt und mittels wiederholten Zusatzes von n/100 
K,S O, globulinfrei gemacht worden war. Frisch elektrodialysiert, besaß 
es in lproz. Lösung die Leitfähigkeit von k = 9,2. 10-6, nach längerem 
Stehen 2,16 . 10-5. Ein analog gereirigtes Seralbumin hatte beim Stehen 
an der Luft in 1,4proz. Lösung k = 1,62.10-3. Zugesetzt wurden die 
Mastixsole III, IV, VI (s. oben), die aus elektrodialysiertem Mastix bereitet 
waren. 


Die gegenseitige Flockung von Mastixsolen und Serumeiweißkörpern 
ist lange bekannt und mannigfach verwendet. Sie dürfte zuerst von 
O. Porges!) angegeben worden sein. Für die Zwecke dieser Unter- 
suchung war es lediglich von Interesse, das Verhalten hochgereinigter 
Eiweißkörper gegen Mastixsol festzustellen. 

In den angestellten Versuchsserien fand sich bei Ovalbumin eine 
Flockung sofort bei 2mg/cem. Nach 12 Stunden Stehen der Mischung 
schon bei 0,1 mg/ccm. Auch das Seralbumin zeigte ein analoges Ver- 
halten fast im gleichen Flockungsbereich. Eine Hemmung oder Wieder- 
auflösung der Flockungen im Eiweißüberschuß konnte nicht beobachtet 
werden. 

Von Neutralsalzen wurden KCl und K,SO, in ihrem Einfluß auf 
die Flockung in der Weise untersucht, daß das Salz vorsichtig unter 
tropfenweisem Zusatz mit gleichmäßigem Rühren dem Sol bis zur 
Endkonzentration m/1000 zugefügt wurde. Es fand sich mit KCl eine 
geringe Förderung der Flockung, erkennbar an einem leichten Herab- 
rücken der Eiweißkonzentration und an einer besseren Sichtbarkeit 
(Verdichtung) der Flocken. Bei K,SO, war in der verwendeten Kon- 
zentration diese Wirkung weniger deutlich ausgesprochen. 

Um das Verhalten von Eiweißsulzen zu prüfen, wurden Gemische 
von l1proz. Albuminlösungen mit 0,01 n Säure (bzw. Lauge) hergestellt 
und wechselnde Mengen davon den Mastixsolen (1 : 1) zugesetzt. Beim 
Säureeiweiß tritt eine scharfe, aber sehr eng begrenzte und deshalb 
leicht zu übersehende Flockungszone auf. Oberhalb und unterhalb 
dieser Flockungszone bleibt das Gemisch ungeändert. So fand sich 
für Ovalbumin und M VII eine Flockung zwischen 0,0125 und 
0,0037 mg/ccem. (Diese Zahlen geben zugleich die vorhandene End- 


1) Zentralbl. f. Bakt. 40, 133, 1905. 


80 K. Hotta: Mastixsol und Proteine. 


konzentration m/1000 HCl an.) Ähnliche Verhältnisse finden sich bei 
Seralbumin. Die Grenzwerte der Flockung liegen tief unter denen der 
reinen Albumine oder Säuren. Bei H,SO, fand sich ein analoges Ver- 
halten bei etwas geringerer Empfindlichkeit. So gab Ovalbumin 
+ H,SO, einen Flockungsbereich von 0,087 bis 0,03 mg/cem und 
Seralbumin + H,SO, einen solchen zwischen 0,075 bis 0,015 mg;/ccm. 
Mit Säureeiweiß tritt also im Überschuß des Eiweißsalzes Hemmung 
bzw. Wiederauflösung der Flockung auf. | 

Laugenzusatz zum Eiweiß hemmt sein Flockungsvermögen, doch 
war dasselbe noch bei einem Verhältnis mg/com von 15:1 z.B. 
1,41 mg Ovalbumin + 0,09ccm n/1000 NaOH erhalten. 

Die durch Vakuumdestillation erzielten alkoholfreien Masti.rsole 
gaben mit den reinsten Albuminen gleichfalls Flockungen, und zwar 
ungefähr bei demselben Albumingehalt, wie die entsprechenden 
wässerig-alkoholischen Sole. 


Zusammenfassung der Eiweißflockungsversuche. 


l. Sowohl grobdisperse (nach Menz-Zsigmondy hergestellte), trübe, 
als auch elektrodialysierte, feindisperse, klare Glutinlösung gibt mit 
alkoholisch-wässerigen Mastixsolen in einem Bereich von 0,45 bis 
0,03 mg Glutin pro 1l cem eine Flockungszone. Diese Flockung ist 
weder bei Verdünnung, noch im Überschuß von Glutin reversibel. 

2. Neutralsalzzusatz verschiebt diese Flockung in niedere Glutin- 
konzentrationen. 

3. Dem Alkoholgehalt des Mastixsols kommt eine sensibilisierende 
Wirkung auf die Flockung feindispersen Glutins zu, ähnlich wie dem 
Neutralsalz. 

4. Ersatz der H-Ionen des Mastixsols durch K-Ionen ist für die 
Glutinflockung irrelevant. 

5. Säure oder Lauge, dem Glutin vor der Reaktion mit dem Sol 
zugesetzt, wirken mit zunehmender Konzentration zunächst fördernd 
bzw. hemmend auf die Solflockung. 

6. Ovalbumin und Seralbumin geben eine Solflockung bei etwa 
2 bis O,lmg/cem. Dieselbe ist vom Alkoholgehalt des Mastixsols 
praktisch unbeeinflußt und wie beim Glutin weder auf Verdünnung 
noch im Albuminüberschuß reversibel. 

7. Dagegen wird die Flockung mit Eiweißsalz (Säurealbumin) im 
Überschuß des Säureproteins wieder gelöst. Steigende Alkalizugabe zum 
Albunin hebt sein Flockungsvermögen allmählich auf. 


Zur Frage nach dem 
Mineralstoffwechsel beim experimentell erzeugten Tetanus. 


Von 
J. M. Krinizki. 


(Aus der chirurgischen Abteilung des Mečnikov- Krankenhauses in Leningrad.) 


(Vorgetragen auf der 7. Sitzung der Endokrinologischen Gesellschaft 
am 22. Oktober 1926 in Leningrad.) 


(Eingegangen am 12. Januar 1927.) 


In allen sich im Organismus abspielenden Prozessen nimmt nicht 
nur irgend ein Organ oder ein Teil desselben, sondern ein ganzer Komplex 
von Organen teil. In diese Prozesse ist sowohl das zentrale und periphere 
Nervensystem und das vegetative Nervensystem als auch ein ganzes 
System von Zellen und Geweben mit verschiedenen Kombinationen 
der in ihnen enthaltenen Elektrolyten Ca, K und Na mit einbezogen. 
In neuerer Zeit beurteilt man die Tätigkeit aller Organe vom Stand- 
punkt einer Veränderung des Flüssigkeitswechsels zwischen Zelle und 
Gewebe. Speziell den Elektrolyten Ca und Na wird in einer ganzen 
Reihe komplizierter physikalisch-chemischer Prozesse, die sich im 
Organismus abspielen (Osmose, Diffusion, Durchgängigkeit der Zell- 
membran), eine besondere Rolle zugeteilt. 


Zondek und Kraus heben eine besondere antagonistische Wirkung von 
Ca und K hervor. Auf Grund ihrer experimentellen und klinischen Studien 
kommen erwähnte Autoren zu dem Schluß, daß die Elektrolyten von Ca 
und K auf Zellen und Gewebe auf dieselbe Weise einwirken, wie auch auf 
ein ganzes Organ. So ruft z. B. Ca die systolische Tätigkeit des Herzens, 
K umgekehrt die diastolische Tätigkeit hervor. Dementsprechend reagieren 
auch die Zellen auf Calciumwirkung mit systolischer, auf Kaliumeinwirkung 
mit diastolischer Tätigkeit. Diese Veränderungen hängen nach der Meinung 
von Zondek und Kraus augenscheinlich von dem Prozeß der Aufnahme und 
Abgabe flüssiger Substanzen von seiten der Zelle ab. Außerdem wird nach 
den Ergebnissen dieser Autoren und vieler anderer die Höhe des Calcium- 
und Kaliumstoffwechsels im Blute durch die Tätigkeit des vegetativen 
Nervensystems reguliert, sowohl von dessen sympathischem, als auch 
parasympathischem Teil. Unter normalen Verhältnissen strebt dieses 

Biochemische Zeitschrift Band 133, 6 


82 J. M. Krinizki: 


System zur Erhaltung des Calcium- und Kaliumgehalts auf bestāndiger 
Höhe. Bei einer Störung der regulierenden Tätigkeit dieses oder jenes 
Abschnitts des vegetativen Nervensystems tritt das Vorherrschen des einen 
der beiden Elektrolyten im Blute zutage. Die Autoren stellen somit zwei 
pathologische Formen des vegetativen Nervensystems fest. Die erste wird 
durch die Tonuserhöhung des sympathischen Nervensystems hervor- 
gerufen, die zweite durch die Tonuserhöhung des parasympathischen 
Nervensystems. Dementsprechend wird dem Reizzustand des sympathischen 
Nervensystems die Bezeichnung Sympathikotonie, dem erhöhten Reız- 
zustand des parasympathischen Systems aber die Bezeichnung Vagotonie 
gegeben. Die Sympathikotonie charakterisiert sich durch Störung des 
Mineralstoffwechsels im Blute, nämlich durch Verringerung des Calcium- 
gehalts, einer gewissen Erhöhung des Kaliumgehalts, Abnahme des Phosphat- 
gehalts, Vermehrung des Blutzuckers, Austritt von Zucker im Harn, ebenso 
aber durch Verringerung der Sekretion der Drüsenapparate. 


Bei Erscheinungen der Vagatonie tritt eine Funktionshemmung des 
Vagusnerven auf; diese Erscheinung aber ist mit einer Verstärkung der 
autotischen Organtätigkeit und Abschwächung der Koordinationstätigkeit 
verbunden. 


In bezug auf den Blutchemismus erhält man bei der Vagotonie gegen- 
über der Sympathikotonie umgekehrte Verhältnisse. 


Es ist kaum anzuzweifeln, daß verschiedene pathologische Prozesse 
mit einer Störung des Mineralstoffwechsels einhergehen. Biedl, dann aber 
auch Ibrahim und Falta stellten auf Grund ihres Studiums des Blutchemismus 
einen genetischen Unterschied zwischen den Erkrankungen der Schild- 
drüse und der Nebenschilddrüsen fest. Die Untersuchungen von Loeb und 
vieler anderer stellten fest, daß die Erkrankung der Epithelkörperchen, 
welche mit einer Abschwächung ihrer Tätigkeit verbunden ist. sich klinisch 
durch Krämpfe äußert, vom Standpunkt des Mineralstoffwechsels aber 
sich durch Verringerung des Calciumgehalts und Veränderung des gegen- 
seitigen Verhältnisses von Ca und K charakterisiert. Tisdall, Cramer, 
Howland bewiesen, daB bei Tetanie starke Hypokalzämie besteht. 


Der Calciumgehalt fällt bis 5,5 mg-Proz. Quest fand in der Hirnsubstanz 
spasmophylischer Kinder einen erhöhten Gehalt an Kalksalzen. Loeb weist 
ferner darauf hin, daß Calciumionen eine hemmende Wirkung auf die 
Kontraktilitätsfunktion der Muskulatur ausüben und daß dank den Elektro- 
lyten von Ca und K das Muskelsystem nicht beständigen rhythmischen 
Kontraktionen ausgesetzt ist. Wenn man bedenkt, daß zwischen der 
Funktion der Nebenschilddrüsen und dem Calciumstoffwechsel im Blute 
ein gewisser enger gegenseitiger Zusammenhang besteht, so erscheint die 
Tatsache des Auftretens tetanischer Krampfzustände mit einer Verringerung 
des Calciumgehalts im Blute nach Exstirpation der Nebenschilddrüsen ver- 
ständlich, ebenso aber umgekehrt das Wiederverschwinden der Tetanie mit 
gleichzeitiger Calciumvermehrung im Blute nach Transplantation dieser 
Drüsen. Eine Störung des Calcium- und Kaliumgehalts im Blute konnte 
übrigens unter anderen Bedingungen, auf dem Wege der Einwirkung ver- 
schiedener pharmakologischer Gifte auf das sympathische oder para- 
sympathische Nervensystem beobachtet werden. Unter diesen Giften sind 
Adrenalin, Cholin und Muscarin zu nennen. 


Die Frage von der Störung des Mincralstoffwechsels bei der Ver- 
giftung des tierischen Organismus durch bakterielle Gifte und speziell 


Mineralstoffwechsel bei Tetanus. 83 


durch Tetanotoxin erwies sich daber sehr interessant und untersuchungs- 
würdig. 

Auf Veranlassung von Prof. V. A. Oppel unternahm ich den Versuch 
zur Klärung der eben gestellten Frage. Es ist von vornherein zu be- 
merken, daß wir über die uns interessierende Frage aus der uns zugäng- 
lichen Literatur nur spärliche Ergebnisse schöpfen konnten. 


Frank bestimmte den Blutzucker- und Glykogengehalt der Hirnsubstanz 
bei Tieren, denen er Tetanotoxin injizierte. Kricevski streift die Frage in 
seinem kritischen Artikel über „Endokrinologie in der Chirurgie‘ und er- 
wähnt die Behandlung von Tetanus mittels Schilddrüsenextrakt. Der Autor 
hat von dieser Behandlungsmethode gute Resultate gesehen, die sich in 
Abschwächung der Krämpfe nach einigen Injektionen äußerten. Kricevski 
meint, daß die Abschwächung der Krämpfe der Einwirkung des Neben- 
schilddrüsenextrakts, welcher im Extrakt der Schilddrüse enthalten ist, 
zu verdanken ist. Je mehr Nebenschilddrüsenprodukte im Extrakt vor- 
handen sind, desto wirkungsvoller erweisen sie sich bei der Behandlung des 
Tetanus. Was nun das Studium des Calcium- und Kaliumstoffwechsels im 
Blut beim Tetanus und der Beziehung dieser Stoffe zur Funktionsstörung 
des vegetativen Nervensystems anbelangt, so konnten wir darüber in der 
uns zugänglichen Literatur keine Hinweise finden. 


Eigene Untersuchungen. 


Unsere Versuche teilten wir in zwei Gruppen. In der ersten Versuchs- 
reihe riefen wir bei den Tieren Tetanus hervor und untersuchten nach 
Eintritt der klinischen Symptome das Blut auf Calcium- und Kalium- 
gehalt. In der zweiten Gruppe der Versuche transplantierten wir den 
Tieren ein Stück Menschenknochen, wodurch wir den Gehalt des Blutes 
an Calcium künstlich erhöhten, injizierten dann erst den Tieren Tetano- 
toxin und untersuchten die Veränderungen des Calcium- und Kalium- 
stoffwechsels. Das Tetanotoxin erhielten wir durch die freundliche 
Vermittlung von Prof. B. P. Ebert. 

Das zu unseren Versuchen verwandte Tetanotoxin wurde im Labo- 
ratorium von Prof. Ebert vor einigen Jahren hergestellt, seine letale Dosis 
war uns unbekannt. An einer großen Anzahl von weißen Ratten und 
Mäusen und an mehreren Kaninchen stellten wir die letale Dosis ungefähr 
fest. Bei der Verdünnung 1: 30000 traten keine Krämpfe ein, das Tier 
blieb am Leben. Bei einer Verdünnung von 1: 20000 traten scharf aus- 
geprägte Tetanuserscheinungen am dritten Tage auf. Bei einem solchen 
Verdünnungsgrad begannen die Erscheinungen mit einer Kontraktur der 
hinteren Extremität und Kontraktur des Körpers zur Injektionseite hin. 
Am vierten Tage traten Kontraktur der übrigen Extremitäten und anhaltende 
Krämpfe auf. Der Tod trat am fünften oder sechsten Tage infolge Lähmung 
des Atmungs- und Herzzentrums ein. 

Die Versuche der ersten Gruppe wurden an sechs Kaninchen von 
annähernd gleichem Gewicht und Alter ausgeführt. Im Laufe von 
2 Wochen wurde bei diesen Tieren dreimal das Blut in bezug auf den 
Gehalt an Calcium und Kalium nach dem Verfahren von de Waard und 


6* 


84 J. M. Krinizki: 


Cramer untersucht. Daraufhin wurde zwei Kaninchen, Nr 1 und 2. 
Tetanotoxin in einer Lösung 1:20000 subkutan injiziert. Den zwei 
‚anderen, Nr. 4 und 5, wurde das Gift in einer Verdünnung von 1: 15000 
und schließlich dem letzten Kaninchen, Nr.6, in einer Verdünnung 
von 1:30000 injiziert; die Menge der injizierten Flüssigkeit betrug 
lg pro Kilogramm Gewicht. Nach der Injektion wurde das Blut 
systematisch alle 2 Tage und am Tage des Todes untersucht. Die 
Injektionen wurden subkutan an der einen oder der anderen Seite 
des Brustkorbs injiziert. | 


Die Ergebnisse der Veränderungen des Calcium- und Kalium- 
gehalts sind in folgender Tabelle niedergelegt. 


Tabelle 1. 
A | Vor Einführung des Toxins 
Versuch i 
Nr. Toxinmenge , 3. NL 6. VI. 14. VI. 
I Ca | K ` Ca | K | Ca K 
1 | 1:2000 118 | 186 | 118 | 175 | 114 | 175 
2 1:20000 — 12,2 | 21,5 11.5 ! 20,1 12.0 | 20 
3 | 1:17000 Í 10,8 | 20,1 94 | 20,0 | 104 | 21 
A | 1:15000 | 12,2 | 194 12,3 | 20,1 11,6 | 196 
5 | 1:15 000 12,1 | 184 12,5 | 18,6 | 1223 | 182 
6 | 1:30 000 102 | 19,93 | 10,1 189 | 10,5 | 19.05 
Versuch 
Nr. 
1 | 1:2000 | 93 | 16,17 | 681 | 1821 | 62 | 22.38 
2 1 : 20 000 | 8,11 | 1902 | 76 18,8 6.01 | 21,5 
3 1 : 17 000 9,2 | 20,0 7.0 CH 6,4 26.21 
4 (gn ui | igo | 98 | 24 | 70 | 23.8 
5 1:15 000 9,4 179 | 81 18,4 6.0 ' 182 
6 1 : 30 000 100 | 19,7 ' 998 | 192 9,5 | 1901 


Ein Blick auf die angeführte Tabelle läßt uns folgende charak- 
teristische Veränderungen des Blutchemismus nach Injektion einer 
tödlichen Dosis des Tetanotoxins erkennen. Am Versuch 6 sehen wir, 
daß beim Fehlen klinischer Krampfsymptome der Calcium- und Kalium- 
gehalt im Blute gar keine Veränderung zeigt. Nach Injektion einer 
letalen Dosis 1: 20000 in den Versuchen 1 und 2 sehen wir eine starke 
Verminderung des Caleiumgehalts, welcher sich von 11,3 bis 6,2 im 
Terminalstadium verringert, d.h. die Verminderung geht bis 50 Proz. 
Die Schwankungen des Kaliumgehalts gehen von 18,6 bis 20,5. Somit 
wird in diesen beiden Versuchen neben einer etarken Hypokalzämıe 
keine Veränderung des Kaliumgehalts beobachtet. In den beiden 


Mineralstoffwechsel bei Tetanus. 85 


anderen Versuchen, Nr. 3 und 4, bei der Toxindosis von 1: 17000 und 
} : 15000, tritt wie in den vorhergehenden Versuchen eine starke Ab- 
nahme des Calciumgehalts im Mittel auf 50 his 60 Proz. ein. Der Kalium- 
gehalt aber steigt z. B. von 20,1 bis 26,21, d.h. auf 20 Proz.; in den 
anderen Fällen sinkt der Calciumgehalt auf 50 Proz., der Kaliumgehalt 
aber schwankt zwischen normalen Grenzwerten. Zusammenfassend 
können wir aus den Ergebnissen der ersten Versuchsreihe folgende 
charakteristische Besonderheiten hervorheben: 1. Der Calciumgehalt 
im Blute fällt im Mittel auf 40 bis 50 Proz.; 2. je höher die Dosis des 
eingeführten Tetanotoxins ist, desto rascher und stärker sinkt die 
Calciummenge, so sank z. B. beim Kaninchen bei der Dosis von 1 : 20000 
die Calciummenge am zweiten Tage nach der Injektion bis 9,0 mg Proz., 
bei dem anderen Kaninchen sank bei der Dosis von 1: 15000 die Calcium- 
menge in demselben Zeitabschnitt bis 7,0 mg-Proz.; 3. die Kaliummenge 
offenbarte in zwei Fällen eine unbedeutende Erhöhung auf 10 Proz. 
und nur in einem Falle auf 20 Proz. Das gegenseitige Verhältnis von 
Calcium und Kalium vermehrte sich in unseren Fällen immer zugunsten 
des Kaliums. 


Der zweite Tesl der Arbeit basiert sich auf sechs Versuche. In 
diesem Teile unserer Arbeit versuchten wir die Frage zu klären, in- 
wiefern die künstliche Erhöhung des Calciumgehalts im Blute von 
dem Beginn und Verlauf der Tetanusinfektion abhängt. Uns auf die 
Ergebnisse von Schmidt und Obraszov stützend, transplantierten wir 
den Kaninchen Stückchen von Menschenknochen. Die Knochen- 
transplantate wurden aus der Tibia entnommen, in Sodawasser 3 bis 
4 Stunden lang ausgekocht und unter allen aseptischen Kautelen 
unter die Rückenhaut der Tiere transplantiert. Einige Tage später 
erwies sich das Transplantat mit dem umliegenden Gewebe fest ver- 
wachsen. Die Einheilung des Transplantats erfolgte gewöhnlich per 
primam intentionem. 10 bis 12 Tage nach vollständiger Einheilung 
des Transplantats wurde bei den Tieren, wie bei der ersten Versuchs- 
gruppe, das Blut untersucht und dann tödliche Tetanotoxinmengen in 
der Verdünnung von 1:20000, 1:15000, 1:17000 und 1: 30000 
injiziert. Bei zwei Kaninchen wurde von Dr. Galkin die Blutzucker- 
menge nach Hagedorn untersucht. Die Ergebnisse dieser Versuchsgruppe 
sind in Tabelle II niedergelegt. 


Tabelle II. 
Gehalt an Blutzucker. 

Versuch | Vor der | Nach der Nach Einführung 
aANT Ee Ee, 
ı | o9 un 0,044 
2 j 010 0114 ' 007 


86 J. M. Krinizkı: 


Tabelle III. 


| Vor der Operation 


Versuch 
Nr. | 
ZE p | 
ı 1 1:20000 | 112 | 211 | 119 | 20,9 11,7 | 216 
2 1:20000 $ 11,9 ı 184 , 124 | 178 än 18,0 
3 1:15000 ; 10,4 | 22,3 | 11,2 | 26 ` 101 215 
4 1:15000 | 121 | 205 | 123 | 201 | 117 , 218 
5 1: 17.000 101 | 225 | 106 ' 220 102° 226 
6 1:3000 , 121 i 195 , 119 | 190 124 196 
Versuch | ge 
Nr. | oxinmenge 
1 1:20 000 
2 1 : 20 000 
3 1:15 000 
4 1:15 000 
5 1:17 000 
6 1: 30.000 
ae 
vg  Toxinmenge | | 
Ä LG K | G K | C | K 
1 || 120000 > ga | aa | 7i 280 65 | 219 
2 It: anon 8, 190 © 74 II 70 187 
3 | 1:15000 70 | 229 68 29 X 20 
4 1:1500 HI | 219767: 218 | 64 | 241 
5 1:17.000 85 | 27 59 au" 700210 
6 1: 30.000 10.5 | 194 84 21 0 89 195 


Wie aus dieser eben angeführten Tabelle zu ersehen ist, konnte 
bei allen Versuchstieren nach der Knochentransplantation eine Er- 
höhung des Calciumgehalts auf 10 bis 12 Proz. konstatiert werden. 
Der Kaliumgehalt behielt normale Grenzwerte. Nach Einführung des 
Toxins in der Verdünnung 1 : 20000 trat bei Kaninchen Nr. 1 und 2 
eine starke Herabsetzung der Calciummenge ein, welche von 11,2 bis 
auf 6,5, d.h. auf 50 Proz. gefallen war. Der Wert des Kaliumgehalts 
schwankt zwischen 21,1 bis 21,9 mg-Proz.. Nach Einführung einer 
stärkeren Dosis von Tetanotoxin (1:15000) können wir ebenso wie 
in den ersten Fällen, eine starke Herabsetzung des Calciumgehalts 
ungefähr auf 50 Proz. und eine entsprechende Vermehrung des Kalium- 
gehalts auf 20 Proz. vermerken. Nach Einführung einer nicht tödlichen 
Dosis, 1: 30000, werden keine Veränderungen des Calcium- und Kalium- 
gehalts konstatiert. Zusammenfassend können wir von den Ergebnissen 


Mineralstoffwechsel bei Tetanus. 87 


der zweiten Versuchsreihe also folgendes sagen: 1. In allen Fällen stieg 
nach Knochentransplantation der Calciumgehalt des Blutes auf 8 bis 
10 Proz., die Höhe des Kaliumgehalts blieb unverändert; 2. nach 
Einführung von Tetanotoxin wurde in allen Fällen eine starke Abnahme 
des Calciumgehalts vermerkt. In zwei Fällen wurde ein Steigen des 
Kaliumgehalts auf 10 bis 15 Proz. beobachtet; in allen anderen Fällen 
schwankt die Zahl des Kaliumgehalts zwischen normalen Grenzwerten. 


Es stellt sich nun die Frage, wie man diese auf experimentellen 
Wegen erworbenen Tatsachen beurteilen und den komplizierten Fort- 
gang der durch die Einführung des Tetanotoxins hervorgerufenen 
teaktionserscheinungen vom Standpunkt des Blutchemismus und 
eines Zusammenhangs mit dem vegetativen Nervensystem erklären soll. 

Wohlgemuth und einige andere Autoren nehmen an, daß die Ver- 
minderung des Calciumgehalts im Blute mit gleichzeitiger Vermehrung der 
Kaliummenge oder auch ohne diese Vermehrung die Äußerung eines be- 
sonderen Symptomenkomplexes ist, den sie als Sympathikotonie be- 
zeichnen. Wohlgemuth glaubt dabei annehmen zu können, daß die Sympathi- 
kotonie — hervorgerufen in seinen Fällen durch die Ligatur des Ausführungs- 
ganges der Pankreasdrüse — auch von einer Erhöhung der gefäßverengernden 
Substanzen im Blut begleitet wird. Mit anderen Worten also glaubt 
Wohlgemuth annehmen zu können, daß die Sympathikotonie von Hyper- 
alrenalinämie begleitet wird oder sogar dieser gleichgestellt werden kann, 
was durch die Dilatation der Froschpupille unter der Einwirkung dee Blut- 
serums seiner Versuchstiere bewiesen wird. Die Verminderung des Calcium- 
gehalts und die Veränderung dee Verhältnisses zwischen Calcium und Kalium 
stellt nach Wohlgemuth eine beständige Erscheinung dar. 

Wie aus den Zahlenwerten unserer Tabelle zu ersehen ist, können 
wir in der Tat eine starke Verminderung des Calciumgehalts im Blute 
der Tiere, bei denen wir Tetanus hervorgerufen hatten, beobachten. 
Der Kaliumgehalt bleibt in der Mehrzahl der Fälle bei normalen Grenz- 
werten, nur in den wenigsten Fällen wird der Kaliumgehalt in der Tat 
etwas erhöht gefunden. Wohlgemuth meint übrigens, daB die absolute 
Erhöhung des Kaliumgehalts nicht wesentlich erscheint, eine viel 
größere Bedeutung besitzt die Veränderung des gegenseitigen. Ver- 
hältnisses zwischen Kalium und Calcium, welches beim Zustande der 
Sympathikotonie zugunsten des Kaliums und zuungunsten des Calciums 
verändert wird. Auf diese Weise könnte es auf den ersten Blick scheinen, 
daß auch in unseren Fällen wir hinsichtlich der Störung des Kalium- 
und Calciumstoffwechsels das Bild einer Tonuserhöhung des sympathi- 
schen Nervensystems, d.h. Sympathikotonieerscheinungen, vor uns 
haben. Es fehlen aber die Ergebnisse, welche die erwähnten Auf- 
stellungen zu unterstützen imstande sind. Wir müssen umgekehrt 
hervorheben, daß die Schwankungen des Kalium- und Calciumgehalts 
in dieser oder jener Richtung ganz isoliert und ohne gegenseitige Ein- 
wirkung vor sich gingen. Diese Behauptung wird dadurch bewiesen. 


88 J. M. Krinizki: 


daß nach einer deutlichen Vermehrung des Calciumgehalts im Blute 
nach der Knochentransplantation die Höhe des Kaliumgehalts gar 
keine Änderung erfährt. Was nun die Schwankungen des Calcium- und 
Kaliumgehalts anbelangt, so kann man unter diesen, wie aus unseren 
Tabellen zu ersehen ist, keinen engen Zusammenhang feststellen. 
In den einen Fällen finden wir eine Erhöhung des Kaliumgehalts. 
in anderen erfährt derselbe keine Veränderung. Zweifelsohne muß 
man anerkennen, daß in einer Reihe von Fällen, besonders bei schweren 
pathologischen Prozessen, eine Erhöhung des Kaliumstoffwechsels bei 
Abnahme des Calciumgehalts eintritt. Doch hängt diese Erscheinung 
von vielen bis jetzt noch unaufgeklärten Bedingungen ab. Ebenso 
unaufgeklärt ist die Frage von der gegenseitigen Rückwirkung der 
Elektrolyten Ca und K. 

In ihren weiteren Auseinandersetzungen kommen die Autoren, 
unter diesen auch Wohlgemuth, zu dem Schluß, daß die Schwankungen 
des Calcium- und Kaliumstoffwechsels immer von einer starken Er- 
höhung des Blutzuckergehalts begleitet werden. In den Versuchen von 
Wohlgemuth wies die Zuckermenge während einer langen Zeit hohe 
Zahlenwerte (0,16 bis 0,17) auf und erreichte schließlich die für leichte 
Diabetesformen charakteristischen Zahlenwerte. Die Untersuchungen 
von Kylin, Abelin, Zondek und Kraus stellten ebenso fest, daß die 
Verminderung des Calciumgehalts und die Vermehrung des Kalium- 
gehalts mit einer Erhöhung des Zuckergehalts einhergeht. Bei der 
Bestimmung des Blutzuckergehalts bei zweien unserer Versuchstiere 
fanden wir ein ganz umgekehrtes Verhältnis. Am Anfang der Tetano- 
toxinvergiftung, wo der Calcium- und Kaliumgehalt sich auf der 
normalen Höhe befand, beobachten wir eine geringe Hyperglykämie. 
Am Ende des Versuchs aber, zurzeit des stärksten Krämpfezustandes 
und dementsprechend zurzeit der höchsten Hypokalzämie und eines 
in einigen Fällen bedeutend erhöhten Calciumgehalts, erhielten wir eine 
Hypoglykämie. Dieser Umstand erscheint uns als selbstverständlich, 
da wir wissen, daß jede Muskelarbeit, in unseren Fällen aber per- 
sistierende Krämpfe, eine Verminderung des Blutzuckergehalts hervor- 
rufen. 

Die Ergebnisse der Blutzuckeruntersuchung bestärken uns noch 
mehr in der Auffassung, daß die Schwankungen des Calciumstoff- 
wechsels, die Veränderungen des Kaliumgehalts und schließlich der 
Zuckergehalt des Blutes keineswegs parallel gehen. Jeder pathologische 
Prozeß kann von dieser oder jener Veränderung eines jeden einzelnen 
Symptomenkomplexes begleitet werden. Nach der Meinung von Prof. 
V. A. Oppel kann man schwerlich annehmen, daß die oben beschriebenen 
Veränderungen des Blutchemismus und ihr gegenseitiges Verhältnis 
als Äußerung einer besonderen Form eines pathologischen Zustandes 


gn m ` mm Pr Mes 


Mineralstoffwechsel bei Tetanus. 89 


des vegetativen Nervensystems gelten können. Die Schwankungen 
des Calcium-, Kalium- und Zuckergehalts können nicht in strenger 
Gesetzmäßigkeit miteinander stehen, und die Veränderung des Gehalts 
eines jeden dieser Stoffe kann verschiedene pathologische Zustände 
des Organismus begleiten. 

Wie dem auch sei, zeigen die Untersuchungen des Calcium- und 
Kaliumstoffwechsels bei experimentell erzeugtem Tetanus, daß, wie 
auch bei Tetaniekrämpfen mit hypofunktionierenden Nebenschild- 
drüsen, der Mineralstoffwechsel erheblich leidet. Die Auffassung, daß 
der Tonus des Muskelsystems und der Gleichgewichtszustand dieses 
Tonus sich in engem Zusammenhang mit der Gehaltshöhe der Calcium- 
ionen befindet, wird an unseren Versuchen vollkommen bestätigt. 

Sehr interessant und beachtenswert erweist sich in unserer Zeit 
die Frage, inwiefern der Mineralstoffwechsel beim Tetanus in einem 
indirekten oder unmittelbaren Zusammenhang mit der Funktion der 
Nebenschilddrüsen steht, und ob hier nicht eine akute Minderwertigkeit 
der Nebenschilddrüsen vorliegt, die das ursächliche Moment zur Ent- 
stehung der Krampfzustände bildet. Die weiteren Untersuchungen 
sollen auf diesem Wege weitergeführt werden. 

Zusammenfassend erlaube ich mir, folgende Schlußsätze auf- 
zustellen: 

l. Knochentransplantation (Heterotransplantation) ruft eine Ver- 
mehrung des Calciumgehalts im Blut hervor, wodurch die Unter- 
suchungen von Schmidt und Obraszov bestätigt werden. 

2. Schwache Dosen von Tetanotoxin üben auf die Mineralbestand- 
teile des Blutes keinen Einfluß aus. 

3. Starke, tödliche Tetanusgiftmengen verringern den Calcium- 
gehalt im Blute bis zum Grade einer starken Hypokalzämie. Der Calcium- 
gehalt ist gelegentlich besonders bei schweren klinischen Formen erhöht. 

4. Der Symptomenkomplex des Tetanus enthält Hypokalzämie, 
relative Hyperkaliämie und terminale Hypoglykämie. 

5 Durch die präventive Erhöhung des Calciumgehalts im Blute 
mittels Knochentransplantation kann weder der Entwicklung der 
Tetanussymptome vorgebeugt werden, noch der Beginn der Erkrankung 
angehalten werden. 


Experimentelle Verschiebungen des Serumtryptasenwertes. 


Von 
0. Steppuhn und Xenia Utkin-Ljubowzow. 


(Aus der Abteilung für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 
des Staatlichen Chemo-Pharmazeutischen Forschungsinstituts, Moskau.) 


(Eingegangen am 12. Januar 1927.) 


Die Frage nach Herkunft und Qualität der Serumproteasen steht 
mit dem Problem der intracellulären proteolytischen Fermente in 
engster Verbindung. Sieht man von der möglichen Rückresorption 
der Verdauungstryptasen ab, so kann ja das Serum nur Zelltryptasen 
erhalten, sei es aus den Formelementen des Blutes, besonders Leuco- 
cyten oder aus den zu Geweben verbundenen Zellkomplexen. Es ist 
darum selbstverständlich, daß wir aus unseren Autolysestudien heraus 
auf die dunklen Punkte der Serumproteaseforschung stießen. Und je 
mehr wir uns in das Studium der Literatur und Bewertung unserer 
ersten Tastversuche vertieften, desto augenscheinlicher wurde es, daß 
die dunklen Punkte eigentlich dominieren. 


Wenn eine ganze Reihe älterer Autoren dem nativen Serum keine 
proteolytische Fähigkeit zuschreiben konnten, so ist damit wohl nur die 
antitryptische Fähigkeit des Serums in bezug auch auf die Serumtryptasen 
bewiesen, denn in neuester Zeit ist es ja vielfach gelungen, auf verschiedene 
Weise die Serumproteasen zu „demaskieren‘‘ — um nach Jobling zu sprechen 
— und eine Verdauung wie der eigenen, so auch zugeführter Proteine zu 
erzielen. 

Glaubt E. Abderhalden, daß normales Serum keine Proteasen enthält, 
so ist das Wort „normales“ zu umschreiben. Sollten die beobachteten 
Proteasen durch Manipulationen an entsprechendem Blute also Defibrinieren 
und Zerfall von Leucocyten und Blutplättchen entstehen, so ist dieser 
Vorgang nur quantitativ durch die Manipulationen verstärkt. Im ganz 
normalen Organismus findet ein ständiger Untergang von Leucocyten statt; 
sollten deren Proteasen denn wirklich nicht vom Blute mitgenommen werden 
können ? Ebenso verständlich erscheint es, daß Organ- und Gewebsproteasen 
in den Blutstrom gelangen müssen. 

Neuerdings haben ja auch wieder M. Schierge!) und Hans J. Fuchs?) 
interessante Ergebnisse über proteolytische Fermente des Serums publiziert; 


1) M.Schirge, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 82, 34, 1923. 
2) H. Fuchs, diese Zeitschr. 170, 76, 1926; 176, 92, 1926. 


O. Steppuhn u. X. Utkin-Ljubowzow: Serumtryptase. 91 


die angewandten Methoden sind verschieden und die fermentative Fähigkeit 
vollkommen deutlich meßbar. Inzwischen ist auch eine Arbeit aus unserem 
Institut von L. und Xenia Utkin Ljubowzow!) erschienen mit der Beschreibung 
einer besonderen Versuchsanordnung, welche die systoproteolytische 
Fähigkeit des Serums hemmt und die Proteolyse an der Caseinverdauung 
mißt — bis zu 70 Proz. des zugesetzten Substrats wurden vom Meer- 
schweinchenserum verdaut. Es erscheint uns somit, daB C. Oppenheimer?) 
wohl nicht recht hat, wenn er an einer Stelle schreibt: daß Serum, praktisch 
genommen, kaum Proteasen führt. Es führt eben wohl kaum manifeste 
Proteasen und auch diese mit Einschränkung, denn in saurer Pufferung 
autolysiert ja auch Serum, und diese Ausdrucksweise ist sicher mehr be- 
rechtigt, wie die immer bereite Erklärungsformel — in saurer Pufferung 
wird das Antitrypsin „zerstört“. 


Diese systo- oder antiproteolytische Fähigkeit des Serums, welche 
sicher eine große biologische Bedeutung besitzt, weil eben im Serum 
meist unspezifische, polylytische Proteasen kreisen, die die Serum- 
proteine angreifen könnten, hat die Serumproteaseforschung auf- 
gehalten, und wenn später durch ‚‚Beseitigung‘‘ des Antitrypsins mittels 
Chloroform, Aceton, Phenolderivaten, Kieselgur, Kohle, Kaolin usw. 
eine noch deutliche Serumautolyse eingeleitet werden konnte, so war 
einmal die Verdauung gering, andererseits aber ist es kein glücklicher 
Gedanke, wenn man nicht die Autolyse als solche studiert, sondern 
die Proteolyse überhaupt messen will, diese an einer Selbstverdauung 
zu messen. Es ist selbstverständlich, daß verschiedene Serien besonders 
bei pathologischen Erscheinungen auch ein verändertes Substrat auf- 
weisen; für das Gesanmtresultat ist also nicht nur Fermentaktivität, 
sondern auch die Qualität des Substrats ausschlaggebend. 


Bevor die erwähnte Methode?) bei uns ausgearbeitet wurde, haben 
wir versucht, die Serumautolyse nach Behandlung mit Chloroform, 
Kaolin usw. in Pufferlösungen zu messen, und können nicht über gute 
Erfahrungen reden. 


Das Wirkungsoptimum ist wohl das erste, was ein Ferment 
charakterisiert. Will man die Frage der Herkunft und Qualität pro- 
teolytischer Serumfermente entscheiden, so ist vor allen Dingen nach- 
zusehen, welche Wasserstoffionenkonzentrationen als Wirkungsoptima 
bestimmt werden können und welche Übereinstimmung die so ge- 
fundenen Werte mit denen von Fermenten erwarteter Herkunft zeigen. 
Die folgende Mitteilung behandelt diese Frage. 


Gleichzeitig begannen wir aber mit der Untersuchung der Serum- 
tryptasen bei gepufferter, neutraler Reaktion, um vor allen Dingen sich 
zu vergewissern, ob eine Konstanz der Tryptasewerte bei einzelnen 


1) L. und Xenia Utkin-Ljubowzow, diese Zeitschr. 169, 100, 1926. 
3) C. Oppenheimer, Fermente S. 1070, 2620. 
3) l e. | 


92 O. Steppuhn u. X. Utkin-Ljubowzow: 


Individuen und gleichartigen Tieren überhaupt besteht, und sodann 
Verschiebungen der Tryptasewerte zu fassen, die auftreten müßten, 
wenn der problematische Tryptaselieferant des Serums entweder im 
Organismus ausgeschaltet oder umgekehrt dessen erhöhte Tätigkeit 
provoziert wurde. Gerade diese Fragestellung verlangte ein leicht und 
von allen Tryptasen angreifbares Substrat; als solches war das Casein 
sehr gelegen. Wie gesagt, arbeiteten wir bei pu = 7 im optimalen 
Tryptasebereich!),, um einer jeden eventuell auftretenden Tryptase 
gerecht zu werden. Wir hielten uns in allen Einzelheiten an die Methode 
von L. und Xenia Utikin-Ljubowzow (ei Mit dieser Methode arbeitend. 
stellten wir die ersten Versuche so an, daß wir auch die Verdauung im 
optimalen Bereich der Organpepsinasen (pau = etwa 3,5) bestimmten. 
Es war entweder gar keine oder minimale Verdauung zu messen; dieses 
veranlaßte uns, davon Abstand zu nehmen und sich mit dem pu ` 7 
zu begnügen. Es ist aber schon daraus ersichtlich, daB Organ und 
Gewebsproteasen nur einen sehr geringen Teil der Serumproteasen 
ausmachen, denn alle Organe enthalten Pepsinasen, und würden die 
intracellulären Proteasen in großen Mengen aus den Zellen heraus- 
geschwemmt, so müßten neben den Zelltryptasen auch die Zellpepsi- 
nasen im Blute kreisen, dieses ist aber nicht der Fall. In einer anderen 
Arbeit (gemeinsam mit O. Ssokolnikow) werden wir Gelegenheit finden, 
darüber mitzuteilen, ob bedeutend mehr Pepsinasen im Blute bei 
in-vivo-Autolysen (Cancer, gelbe Leberatrophie, eventuell Tuberkulose) 
und bei künstlich gesteigertem Pepsinasegehalt der Gewebe [Schild- 
drüsenfütterung?)] auftreten. 

Die vorliegende Arbeit behandelt nur die Veränderung der Tryp- 
tasenwerte im Serum nach Milzexstirpation, nach Provozierung eines 
sterilen Abszesses durch Terpentininjektion nach Pankreasexstirpation 
und besonders nach Injektion von artfremdem Eiweiß. Diese Wahl 
der Versuche schien uns insofern gegeben, als eine Entscheidung über 
Herkunft der Serumproteasen getroffen werden konnte. Sollten die 
Serumproteasen auch von den Leucocyten herstammen, so mußte die 
Milzexstirpation zu einem Sturz der Serumtryptasen führen. ein 
steriler AbszeB dagegen zu ihrer Anreicherung im Serum. 

Sollte rückresorbiertes Trypsin für den Serumtryptasewert in 
Betracht kommen, so müßte nach Pankreasexstirpation das Serum 
an Tryptase verarmen. Schließlich war es auch interessant, nach- 
zusehen, wie sich die Aktivität der Serumtryptasen nach Einführung 
blutfremder Proteine verändert; auf diesbezügliche Einzelheiten der 
Versuchsanordnung werden wir weiter zurückkommen. 


1) Okubo fand für Serum die optimale py mit 7,0. Ber. phys. 27, 195; 
28, 467. 
2) Siehe diese Zeitschr. 175, 476, 1926. 


Serumtryptase. 93 


Schon als Kontrolle aller dieser Versuche mußten vor allen Dingen die 
Tagesschwankungen der Tryptasewerte und Mittelzahlen bei verschiedenen 
Individuen festgestellt werden. Unsere Arbeit ist mit einer Ausnahme an 
Kaninchen und Hunden ausgeführt — also interessierten uns vor allen 
Dingen diese Tiere. Ergänzend untersuchten wir aber auch eine Reihe von 
Meerschweinchen. Bei den meisten Tiernummern ist auch Fluoridplasnia 
untersucht worden, nachdem wir uns vergewissern konnten, daß NaF 
in diesen Konzentrationen die Fermenttätigkeit nicht unterdrückt. Dies- 
bezügliche Tabellen seien im folgenden mitgeteilt. 


Aus den angeführten Tabellen ersieht man vor allen Dingen, daß 
beim Kaninchen und Hund die Tagesschwankungen nicht sehr be- 
deutend sind, bei Meerschweinchen kommen gänzlich aus der Reihe 
fallende Zahlen vor, davon haben wir uns seitdem bei anderen Frage- 
stellungen öfters überzeugen können. Vergleicht man die Mittelzahlen 
bei den Kaninchen und Hunden, so sind die individuellen Schwankungen 
auch nicht allzu groß und ist die größte beobachtete Differenz zwischen 
dem größten und kleinsten Wert etwa 40 Proz. 


Diese Orientierung genügte uns, um nicht weniger als aus drei 
inhaltlich übereinstimmenden Versuchen irgendwelche Schlüsse ziehen 
zu dürfen. 


Es ist interessant, hervorzuheben, daß Plusma mit ganz wenigen Aus- 
nahmen einen geringeren Wert gab als das Serum, man braucht nur die 
angegebenen Mittelzahlen zu betrachten. Diese Erscheinung könnten wir 
nur so deuten, daß bei dem Gerinnungsprozeß durch Untergang von Leuco- 
cyten und Blutplättchen das Serum an Tryptasen angereichert wird, 
andererseits findet sicher: eine Adsorption von Tryptasen an Fibrin statt; 
der Serumwert ist dann eben ein Mittelwert aus diesen gegeneinander 
arbeitenden Mechanismen. Aber nicht nur dieses ist ausschlaggebend; 
wir haben des öfteren beobachtet (die entsprechenden Zahlen führen wir in 
den Tabellen nicht an, weil sie keine direkte Beziehung zu unserer Frage- 
stellung haben), daß, wenn Plasma «die Nacht über gestanden hatte und eine 
Nachgerinnung stattgefunden, das nun erhaltene Serum wieder viel aktiver 
war als das Plasma; in diesem Falle konnte ja aber nur von einer Adsorption 
an das Gerinnsel, also Verarmung an Tryptase gesprochen werden; somit 
spielen physikalisch-chemische Zustandsfragen hier wohl eine bedeutende 
Rolle. Dieses zwang uns zu der Entscheidung, doch mit Serum zu arbeiten. 
welches wenigstens den Vorzug gleichmäßiger Werte hat. 


Pankreasexstirpation. Wie bereits mitgeteilt, haben wir durch 
Pankreasexstirpation feststellen wollen, ob Blut namhafte Mengen von 
Pankreastryptase enthält. Die Operation durfte natürlich nicht zu 
Diabetes führen, da dabei Veränderungen auftreten, die sicher im 
Proteasehaushalt (ler Organe eine bedeutsame Rolle spielen. Die 
Zuckernachfrage im an Zucker verarmenden Organismus zwingt zum 
Nachschub aus Proteinkomponenten, was so oder anders die Proteasen- 
tätigkeit der Zellen anfacht; Widerspiegelungen davon könnten in 
Blute nachzuweisen sein. Es wurde somit darauf acht gegeben, daß 


O. Steppuhn u. X. Utkin-Ljubowzow: 


608 | | er | I eZI | g9 |l | rar | 82 , | £9 | ee 
E —— m  _— E = a ee 
Ch eT | | 


"XI | Fig SEIL | 863 R "IITA Kë 
xTe | 86 66T | 8er | | E | gez 
- ng wnıag ng wnıag | mg swssig wnıag | ana | swsejd wnıeg Dees SC russ. 


ZıN puny IIN puny | CAN usyIummygdsiaaw zZ AN USYIUrDAgIEJ1I33W LIN usWunmmyısıaawy 

va ot | 283 | goë | oat | ese | | ver | rsz = | T% 
ee | | | o o BR up 

"X 08 got IAG) 9 GC ; cZ = 1'93 
‘X 91 oe Me X | gag | Ta)’ — | gzz 
'X'OT | gar | v8 | X’ Zog | 8 SS 86% 


EL 1ÉI wm (mmm | uns 


€ AN gaangs | I IN uagautusy 


I MWL 


Serumtryptase. 95 


bei der Operation ein geringer Teil des Insularapparats erhalten blieb; 
es trat auch nie Zucker im Harn auf. Die Operationen (an Hunden) 
wurden unter leichter Pantopon-Chloroformnarkose bei Beachtung 
strengster Asepsis ausgeführt. Die Bestimmung der Tryptasen im 
Serum geschah kurz vor der Operation und dann nach der Operation 
in bestimmten Zeitintervallen. 


Wie bekannt, vertritt Boldyre/f hauptsächlich die Meinung, daß Organ- 
tryptasen von den Pankreastryptasen herstammen, insbesondere will er ja 
das Auftreten der Abderhaldenschen Abwehrfermente auf dem Wege einer 
Rückresorption aus dem Darmtraktus erklären. Von diesem Standpunkt 
aus wäre es zu erwarten, daß nach Pankreasexstirpation eine Verarmung 
des Blutes an Tryptasen eintreten würde. Wir wollen hier in keiner Weise 
zu der Boldyref/schen Theorie im einzelnen oder allgemeinen Stellung 
nehmen; unsere Aufgabe sollte nur sein, festzustellen, ob im normalen 
Serum die rückresorbierten Proteasen einen Anteil haben, und dieses scheint 
uns nach unseren Versuchen zweifelhaft. Unsere Resultate sind in Tabelle II 
zusammengestellt. Der prozentuale Caseinzerfall ist der Kürze halber mit 
„C. Z.“ bezeichnet. 


Die Versuche sind nur an Hunden ausgeführt, da die Pankreas- 
exstirpation bei Kaninchen große Schwierigkeiten bereitet; es ist das 
Organ im Netz in Form kleiner Inseln zerstreut. 


Tabelle II. 
N C. Z. vor der | Tage nach der | C. Z. nach der 
r Operation | peration Operation 


1 20,5 23,1 
2 | 140 16,1 
3 14,5 5 Zi 
4 17,3 9 | 31.7 


Wie die Tabelle II zeigt, ist in keinem Falle eine Verarmung des 
Serums an Tryptasen zu bemerken, und das ist für uns die Hauptsache. 
Weshalb in allen Fällen eine größere oder geringere Anreicherung des 
Blutes an Tryptasen stattfindet, ist eine interessante, aber für unsere 
direkte Aufgabe eine nebensächliche Frage. Wir haben Ursache an- 
zunehmen, daB nach der Operation unaufgespaltene Proteinanteile 
ins Blut gelangen und als solche zu den Organen transportiert werden. 
Mag sein, daß dort, wo ein Organ im gegebenen Augenblick Eiweiß- 
bruchstücke, also im physiologischen Zustande Aminosäuren braucht, 
die höheren Komplexe nicht bewältigt werden können und Tryptasen 
von anderen Organen vikarierend herbeigeschafft werden, was ja 
natürlich auf dem Wege der Blutbahn geschieht. Jedenfalls haben wir 
bei anderen Versuchen, über die wir berichten werden, gleichzeitig mit 


96 O. Steppuhn u. X. Utkin-Ljubowzow: 


dem Anwachsen der Serumtryptasen eine Verarmung in einzelnen 
Organen gesehen. 


Aus dem oben Dargelegten schließen wir, daß rückresorbierte 
Pankreastryptasen keinen merklichen Anteil der Serumtryptasen 
darstellen. 


Steriler Abszeß. Um zu prüfen, inwieweit Leucocytose, Ansammlung 
von Leucocyten an einer Stelle und deren Untergang für die Serum- 
tryptasen verantwortlich sind, erzeugten wir durch Terpentininjektion 
ins Peritoneum beim Kaninchen einen sterilen AbszeB und unter- 
suchten das Blut auf Tryptasen vor der Operation und in zwei Zeit- 
intervallen danach. 


Es war vorher aber noch festzustellen, wie Terpentinöl, welches auf 
dem Wege der parenteralen Einführung natürlich auch in das Blut 
gelangen mußte, die Tryptasen beeinflußt. Es stellte sich heraus, daß 
Terpentinöl die Serumtryptase in unserer Versuchsanordnung merklich 
hemmt. Zusatz von 0,02 ccm Terpentinöl zu l cem Serum drückt den 
Tryptasenwert auf etwa 20 bis 25 Proz. herab. Die Leucocytenansammlung 
wurde von uns durch Injektion von 0,5 ccm Terpentinöl provoziert; somit 
war im Blute die Konzentration von Terpentin sicher geringer. Immerhin 
mußte man damit rechnen, daß die Werte nach Injektion im Hauptversuch 
größer zu veranschlagen sind, als die tatsächlich gefundenen. Die Tabelle III 
illustriert den eigentlichen Versuch. 


Tabelle III. 
Kaninchen C. Z. vor der i C. Z. nach Injektion 
ki | Injektion ` 1" sech 4Stdn. | nach 24 Stdn. 
1 "294 | 32,5 22,9 
2 | 308 | 42 28.0 
3 k 540 Bä ! 510 


Schon an und für sich sind die Tryptasezahlen nach Terpentinöl- 
injektion, nach 4 Stunden, wo ein Abszeß immer bereits zu kon- 
statieren war, größer als vorher; wie gesagt, sind aber diese Werte 
sicher noch höher zu veranschlagen. Nach 24 Stunden flaut die Wirkung 
ab und die Zahlen kehren zur Norm zurück. Um den umgekehrten 
Versuch zu machen, beraubten wir den Organismus seines haupt- 
sächlichsten Leucocytendepots; wir exstirpierten die Milz. 


Milzexstir pation. Auch dieser Versuch wurde, wie der vorige, an 
Kaninchen vorgenommen. Die Operation wurde natürlich vollkommen 
steril durchgeführt, was durch eine nachträgliche Sektion immer kon- 
trolliert werden konnte. 


Die entsprechenden Zahlen sind aus der Tabelle IV zu ersehen. 


Serumtryptase. 97 


Tabelle IV. 
Kaninchen | C. Z. vor der on | C. Z. nach der 
Nr. Operation Stdn. Operation 
1 ° 25 a 7 Í 166 
2 11,2 20 | 5, 
3 36,2 ! 24 33,2 
4 1.497 28 34,5 


Wir sehen somit, daß die Milzexstirpation in allen Fällen zu einem 
Rückgang der Tryptasewerte des Blutserums führt. Es ist somit außer 
Zweifel, daß das Pankreastrypsin keine Bedeutung für die Serum- 
tryptase besitzt; höchstwahrscheinlich wird es eben kaum rückresorbiert. 
Dagegen ist die Leucocytentryptase für das Serum ausschlaggebend. 
Schon die Milzexstirpation drückt die Zahlen bedeutend herab; konnte 
man experimentell den ganzen Lymphapparat entfernen, so würden 
die Zahlen sicher weiter Verminderung zeigen. Der Gegenversuch mit 
Provozierung einer künstlichen Leucocytose bestätigt die große Be- 
deutung der Leucocyten für die Serumtryptase. 


Nicht unerwähnt möchten wir lassen, daß ein Kaninchen, welches 
im Verlauf von 11 Tagen immer anwachsende Tryptasenwerte gab, 
die schließlich 150 Proz. der Anfangszahl ergaben, am zwölften Tage 
starb. Bei der Sektion wurde eiterige Pneumonie gefunden. Wenn wir 
nochmals auf den Beginn unserer Ausführungen zurückgreifen und 
uns erinnern, daß wir Anlaß hatten zu glauben, daß die Organzellen- 
tryptasen wohl kaum einen merklichen Teil der Serumtryptasen aus- 
machen, wenn dasselbe für die Pankreastryptasen angenommen werden 
muß, so bleiben eben nur die Leucocyten im breiten Sinne des Wortes 
als Spender für die Serumtryptase nach. 


Parenterale Einführung von Protein. Im Besitz einer Methode, welche 
die systoproteolytische Fähigkeit des Serums bei der Bestimmung der 
Serumtryptasen umgeht, schien es uns von Interesse, die Verschiebungen 
der Fermenttätigkeit bei parenteraler Proteinzufuhr zu verfolgen. Es 
wäre vielleicht einzuwenden, daß Casein in diesem Falle gerade ein un- 
geeignetes Substrat darstellt; nach Rosenbaum!) soll es selbst überhaupt 
keine Abwehrfermente hervorrufen. Andererseits ist es aber bekannt, 
daß gerade Milch und Casein die klassischen Präparate sind, welche bei der 
„Reiztherapie‘‘ so große Bedeutung gewonnen haben, auch ist es bekannt, 
daß gerade Milch bei Anaphylaxieversuchen gute Resultate gibt. 


C.Oppenheimer und Michaelis?) haben schon vor vielen Jahren der 
Meinung Ausdruck gegeben, daß fremdes Protein in der Blutbahn die 
Leucocyten mobil macht. Wenn wir im vorigen zeigen konnten, daß die 


1) S. Rosenbaum, diese Zeitschr. 103, 30, 1920. 
2) C. Oppenheimer und L. Michaelis, zitiert nach ‚‚Fermente‘, S. 1070. 
Biochemische Zeitschrift Band 183. 7 


98 O. Steppuhn u. X. Utkin-Ljubowzow: 


Serumtryptasen zum großen Teil Leucoceytentryptasen sind, so haben wir 
besondere Aussichten, deren Schwankungen nach erfolgtem ‚Reiz‘ fest- 
zustellen. 

Daß es die Leucocyten sind, die vor allen Dingen unter dem Einfluß 
des Reizes zerfallen, glaubt auch Heilner!). 

Daß es nicht Organzellen sind, die das eingeführte körperfremde 
Protein verdauen, konnte E. Abderhalden selbst in einer Reihe von Ab- 
handlungen zeigen. 

Unsere ersten diesbezüglichen Versuche sollten in keiner Weise 
die Frage der Spezifität berühren; insofern war uns Casein als Substrat 
gerade sehr gelegen, da es als ein sehr leicht und von allen tryptischen 
Fermenten angreifbares Objekt uns vor allen Dingen über die quan- 
titative Seite der erfolgten Verdauung nach Proteineinführung orientieren 
konnte. 

Kaninchen führten wir intravenös entfettete Kuhmilch ein und 
bestimmten die Tryptasen an der Verdauung von Kuhmilchcasein und 
in einem Versuch auch an Ziegenmilchcasein. In allen Fällen erhielten 
wir dieselben Resultate: nach etwa 3 Stunden war ein Sturz der Tryptasen 
zu beobachten, und dieses ist das C'harakteristischste, nach 24 Stunden ist 
immer ein Anstieg zu sehen, welcher gewöhnlich die Anfangszahl über- 
springt. Diese zweite Phase wäre somit diejenige, welche mit dem oft 
beschriebenen Auftreten von Proteasen nach Proteineinführung über- 
einstimmt. Was das Substrat anbetrifft, so scheint Kuhmilch ein 
Ferment zu produzieren, welches ebenso Ziegenmilchcasein verdaut: 
im entsprechenden Versuch haben wir genau das gleiche Bild beobachtet, 
Sturz und Anstieg über die Norm. 

Tabelle Nr. 5 mag das Gesagte illustrieren. 


Tabelle V. 

Kaninchen CZ vor der Einführung CZ nach | CZ nach | o 

r. Einführung Ge 3 Stdn. | A4 Stdn. | Substrat 
nn; Sa FE u nn SE 22 a Tb u e. EA, 

| Kuhmilch 
1 33.8 | J 18,1 51,6 
2 25 
2 SE | } SCH | E Kuhmilchcasein 
| nn | 
3 42,7 | | 186- , 46.6 
4 19,3 | i 69 >: 271 Ziegenmilcheasein 


Es ist somit zu sehen, daß durch den Reiz einer Einführung ins 
Blut eines sicher körperfremden Proteins die Tryptasenwerte sich in 
regelmäßiger Weise verschieben. Ist der Reiz einmal erfolgt, so ist 
das Substrat belanglos, insofern es Kuh- oder Ziegenmilchcasein ist; 


1) E. Heilner, zitiert nach ‚„Fermente‘“, S. 1070. 


Serumtryptase. 99 


in bezug auf Casein sind, wie es scheint, die auftretenden Fermente 
nicht spezifisch. 

Wir legten uns die Frage vor, ob die Anreicherung der Tryptasen 
im Serum in der zweiten Phase und der Sturz in der ersten zusammen 
in denselben Mechanismus hineingehören. Es war ja sicher nicht zu 
erwarten, daß ein Reiz und eine Anhäufung von Tryptasen auch dann 
auftreten würde, wenn wir einem stillenden Kaninchenweibchen 
Kaninchenmilchcasein einführen. 

Wir wählten ein anderes Versuchsobjekt, eine melkende Ziege, der wir 


Ziegenmilch einführten und das Serum zu verschiedenen Zeitintervallen 
auf Tryptasen hin untersuchten (Tabelle VI). 


Tabelle VI. 
Ziege. Einführung von 3 ccm Ziegenmilch. 


C. Z. vor der C.Z. nach C. Z. nach C. Z. nacb ' Substrat 


Einführung , 3Std. , 24 Stdn. 2X 24Stdn. | 
28,0 m 11 2 16 4 | E EH 
18,7 16. 2 145 Kuchmilchcasein 


Das gewöhnliche Bild der primären Verarmung des Serums an 
Tryptasen ist such hier zu sehen — vielleicht in geringerem Maße, 
was auch Zufall sein kann —, ein Anstieg ist aber sicher nicht vor- 
handen. Es hängt somit der beobachtete Sturz wohl kaum mit dem 
Reiz zusammen, hat besondere Ursachen und hängt vielleicht mit 
einer primären Adsorption der vorhandenen Serumtryptasen an das 
eingeführte Protein und Wegtransport in die Leber zusammen. 

Ein der Tabelle V vollkommen ähnliches Bild erhalten wir, wenn 
wir statt Milch Hühnereiweiß injizieren; als Substrat wurde auch in 
diesem Falle Ziegen- und Kuhmilchcasein verwendet. Wäre gerade 
dieses Substrat nicht so leicht von allerlei proteolytischen Fermenten 
angreifbar, so müßten wir von einer Entstehung unspezifischer Tryp- 
tasen reden. denn nach Einführung von Eiprotein werden nach 
24 Stunden beide Caseine stärker verdaut. 

Immerhin ist es erlaubt, zu verlangen, wenn man auf dem Standpunkt 
einer tatsächlichen Spezifität der nach Einführung artfremden Proteins 
auftretender Schutz- oder Abwehrfermente steht und dieses zu einem bio- 
logischen Gesetz erhebt, daß solche merkwürdige Ausnahmen, wie das Casein, 
nicht gerechtfertigt werden. Wenn wir mit klinischen Angaben über den 
„Abbau‘ von einer Reihe von Substraten durch Seris von Kranken über- 
häuft sind, so ist dieses doch wenigstens immer durch multiorganische 
Störungen zu erklären. Im reinen Experiment ist ein jeglicher Versuch, 
einen unspezifischen Abbau zu erklären, auch i immer ein Weg, die Spezifität 
in Zweifel zu setzen. 

Die Tabelle VII illustriert den Versuch mit Hühnereiweiß; der 
anfängliche Sturz und spätere Anstieg sind gut ausgesprochen. 


7* 


100 O. Steppuhn u. X. Utkin-Ljubowzow: 


Tabelle VII. 
Kaninch CZ d | ee, C. Z. hi C.Z et: = ! 
"We || Einführung Hühnereiweiß | 3Sıdn. | 24 Stdn. SES 
SE EE mr len BEE E E 
1 Ap 20? 1 | 132 490 | Kuhmilchcasein 
2 | 17,4 1 8,8 26,8 Ziegenmilchcasein 


Um die Gewißheit zu gewinnen, daß Hühnereiweiß, in die Blutbahn 
eingeführt, Fermente produziert, die wohl Casein abbauen, aber nicht 
ein anderes beliebiges Protein, haben wir versucht, das Casein durch 
ein Organsubstrat zu ersetzen. Es war uns von der Arbeit L. Utkin- 
Ljubowzows!) her bekannt, daß auch Leberbreiaufschwemmung, im 
isoelektrischen Punkte koaguliert, die Tryptasen an sich reißt; in der 
angeführten Arbeit werden alle Tryptasen (mit dem Optimum pa >’) 
im Koagulum gefunden. Wir bedienten uns jener Methode im gegebenen 
Falle, in dem zu Leem Serum 3ccm 20proz. Leberaufschwemmung 
und 0,5ccm des Puffers pa = 4,5 hinzugegeben wurde. Der Nieder- 
schlag wurde dann genau wie der Caseinniederschlag weiterbehandelt 
und unter denselben Bedingungen verdaut. 

Es mußte aber zuerst als Kontrolle festgestellt werden, daß die normalen 


Serumtryptasen unter den gegebenen Bedingungen ein solches Leberbrei- 
koagulum verdauen. Daß dieses tatsächlich der Fall ist, zeigt die Tabelle VIII. 


Tabelle VIII. 
re Ss = BEN Versuchsanordnung Tee 
1 | 1 cem 0,9 proz. CINa + 3 cem 5proz. Leberbreiaufschwem- | 
| mung + 0,5cem Puffer pa = 45 (Kontr.) .. | 91 
| Lem Serum + 3 ccm 5 proz. Leberbreiaufschwemmung 
| + 0,5 ccm Puffer pg = 4,5 (versi, | 28,9 
2 | lccm 0 9 proz. Cl Na + 3 ccm 5 proz. Leberbreiaufschwem- 
mung + 0,5 ccm Puffer po = 4,5 (Kontr.) . . 9,7 
l ccm Serum + 83 cem 5 proz. Leberbreiaufschwemmung 
i + 0,5 ccm Puffer pg = 4,5 (Vers.). .. | 17,8 


Die Tabelle IX zeigt die Verschiebungen der Verdauungswerte 
von Leberbrei nach Einführung von l ccm 2proz. Hühnereiweißlösung. 
Wie wir früher gesehen haben, ruft eine solche Injektion eine Ver- 
stärkung der Caseinverdauung nach 24 Stunden hervor. Dieses Plus 
an Ferment ist also sicher vorhanden, daß es aber nicht Leberbrei zu 
verdauen vermag, ersehen wir aus der Tabelle IX. 

Wie man ersieht, sind die Verdauungswerte überhaupt sehr niedrig. 
Eine primäre Verminderung ist vorhanden, aber auch klein. In keinem 


1) L. Utkin-Ljubowzow, diese Zeitschr. 158, 50, 1926. 


Serumtryptase. 101 


Tabelle IX. 
g Leberbrei» Injektion Leberbrei, Leberbrei, 
Kaninchen | verdauung vor von 2 proz. verdauung nach Rei, nach 
Nr. | der Injektion Hühnereiweiß 3 Stdn. | 
ccm 

—_ ee ee EE ee SE SS KEE = Ber = re EI 

1 11,1 | 1 7,0 | 8,8 

2 | ou | N 82 8,6 

3 | 62 | 1 6,0 | GA 


Falle aber übertrifft die Verdauung den Anfangswert. Das vorhandene 
Ferment ist somit nicht imstande, das Leberbreikoagulum anzugreifen. 
Dieses Resultat ist also sicher im Sinne einer gewissen Spezifität zu 
deuten oder jedenfalls nicht im Sinne einer vollkommenen Unspezifität; 
wir wissen eben nicht, ob das produzierte Ferment außer dem leicht 
und von vielen Fermenten angreifbaren Casein eben nur noch Hühner- 
eiweiB abbaut. 

Wir waren selbstverständlich überzeugt, daß, wenn wir nun Leber- 
emulsion in die Vene spritzen, wir doch sicher das bekannte Bild des 
Anstiegs (nach eventueller Verminderung) der Tryptasenwerte beob- 
achten werden. Unser Erstaunen war groß, als dieses nicht eintrat. 
Vom Standpunkt der Abderhaldenschen Lehre muß doch Leberprotein 
blutfremd sein, wenngleich das in diesem Falle eingeführte Protein 
nicht artfremd war. Wir glaubten annehmen zu müssen, daß, wie 
bereits aus den Tabellen VIII und IX zu ersehen ist, die Leberprotein- 
verdauung derartig träge ist, daß eine vielleicht auftretende An- 
reicherung an Tryptasen durch physiologische, aus anderen Gründen, 
zufällige Verarmung verdeckt wird, denn die physiologischen Tages- 
schwankungen dürfen ja auch nicht vernachlässigt werden. Um Ge- 
wißheit zu gewinnen, führten wir in zwei anderen Versuchen Casein als 
Substrat ein. Dieses so leicht und stark und immer verdaubare Substrat 
mußte eine Anreicherung widerspiegeln. Aber auch in diesem Falle, 
trotz sehr hoher Verdauungszahlen, war nichts von einem Auftreten 
von Tryptasen zu beobachten, die Werte blieben dieselben. Die Ver- 
suche sind in Tabelle X zusammengefaßt. 


Tabelle X. 
Einführung von 2cem Leberbreiaufschwemmung. 
Kaninchen ` E Zen on Kn KC 
= e E E 
| 

1 9,5 8,4 | 9,2 Leberprotein 
2 14,5 13.1 13,3 h 
3 16.7 11,7 13,2 = 
4 54,6 — 51,5 Casein 
5 44,6 | 41.8 44,2 5 


102 O. Steppuhn u. X. Utkin-Ljubowzow: Serumtryptase. 


Wir wagen es nicht, aus diesem letzten Versuch irgendwelche 
` entscheidende Schlüsse zu ziehen. Wir wollen nur unsere Beobachtung 

festgestellt haben, die uns auf die Fragestellung hinüberführt, ob 
vielleicht die eingeführte Proteinmenge zu gering ist (was wir be- 
zweifeln), ob vielleicht das entsprechende Ferment später auftritt als 
nach 24 Stunden (was immerhin möglich ist), ob schließlich andere 
Organproteine sich anders als Leberprotein aufführen. 

Darüber zu berichten, werden wir demnächst bemüht sein. 

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen können wir zusammen- 
fassend folgenderweise formulieren: 

Nach der in unserem Laboratorium ausgearbeiteten Methode der 
Tryptasenbestimmung im Serum zu urteilen, ist die Serumtryptase 
hauptsächlich wohl Leucotryptase, denn die für Organzellen charak- 
teristischen Pepsinasen sind im Serum in geringerem Maße enthalten, 
und Pankreasexstirpation führt nicht zu einem Sturze der Serum- 
tryptasenwerte. Für diese Annahme spricht auch der Anstieg der Tryp- 
tasenwerte nach Provozierung eines sterilen Abszesses und Absinken 
nach Milzexstirpation. Endgültig kann die Frage nach genauem Ver- 
gleich der Wirkungsoptima der Serumproteasen (s. nächste Mitteilung) 
mit jenen der Leucocyten entschieden werden. 

Einführung von Milch und Eiproteinen in die Blutbahn gibt an- 
fänglich Sturz und, sekundär, Anstieg der Tryptasenwerte im Serum 
nach 24 Stunden. Die diesbezüglichen Versuche wären vielleicht im 
Sinne einer Spezifität zu deuten, denn die nach Eiweißprotein auf- 
tretenden Fermente verdauen nicht Leberprotein. Merkwürdigerweise 
treten aber nach Leberproteininjektion in die Blutbahn überhaupt 
keine Tryptasen auf. Versuche mit anderen Organen sind an der Reihe. 


‘Zur Kenntnis der Blutproteasen. 


Von 
L. Utkin-Ljubowzow. 


(Aus dem staatlichen chemo-pharmazeutischen Forschungsinstitut in 
Moskau.) 


(Eingegangen am 12. Januar 1927.) 


Während in den letzten Jahren das Studium proteolytischer 
Fermente der Organe bedeutende Fortschritte aufzuweisen hat, blieb 
die Frage der Blutproteasen bis heute nicht genügend berücksichtigt. 
Dieses betrifft nicht nur solche Seiten des Problems, wie z.B. die 
Rolle der Blutproteasen im Eiweißhaushalt des normalen und kranken 
Organismus, oder den Ursprung dieser Proteasen; sogar das Wesen 
der Blutproteasen ist nicht genügend aufgeklärt, es fett, die genügende 
Differenzierung der einzelnen proteolytischen Fermente. Die erste der 
hier genannten Fragen lasse ich unberührt; was die zweite betrifft — 
über den Ursprung der Blutproteasen —, so sei im voraus bemerkt, 
daß die Lösung dieses Problems eine möglichst volle Kenntnis der 
Eigenschaften dieser Proteasen verlangt, da auf dem Wege des Ver- 
gleichs eine Identifizierung mit anderen von einzelnen Teilen des 
Organismus gelieferten Proteasen möglich wird. Als eine für jedes 
Ferment höchst charakteristische Eigenschaft ist die für seine Arbeit 
optimale Reaktion des Milieus. In der Literatur besitzen wir bereits 
Angaben über Serumproteasen in der Arbeit von Okubo}), welcher ein 
Wirkungsoptimum bei pu = 7 feststellte. Jobling?) jedoch ist der 
Meinung, daß das Ferment auch in saurem Milieu aktiv "at Wir wissen 
zwar nicht, welches pyu das Milieu von Jobling besaß, doch bedienten 
wir uns des Hinweises von Jamakava?), daß zu beiden Seiten des 
optimalen Punktes ein rasches Abklingen der Proteasenaktivität beob- 
achtet wird; dieses gibt uns Anrecht. die Existenz von zwei Blut- 


1) Ber. Phys. 27, 195; 28, 467. 

2) Zitiert nach Oppenheimer, Die Fermente usw., S. 1067. 

3) Journ. of exper. Med. 27, 689, 711; zitiert nach Oppenheimer, l. c.. 
S. 1067. 


104 L. Utkin-Ljubowzow: 


fermenten vorauszusetzen; das erste ist schon annähernd bekannt und 
kann zum Tryptasentypus gerechnet werden; über das zweite besitzen 
wir vorläufig überhaupt keine Angaben, außer der oben genannten 
Angabe von Jobling. 


Indem ich mir die Aufgabe eines gründlichen Studiums optimaler 
Milieuverhältnisse der Arbeit proteolytischer Blutfermente, besser 
gesagt Serumfermente, stellte, entschloß ich mich, zur Lösung dieser 
Frage in der Weise herauszutreten, daß alle Faktoren, die so oder anders 
die Versuchsresultate beeinflussen könnten, ausgeschlossen bleiben. 


Von diesem Standpunkt aus erscheint das Verfahren besonders 
praktisch, welches in unserem Laboratorium zur Bestimmung der 
Blutproteasen angewandt wird; diese Methode erlaubt, alle Bestand- 
teile des Serums zu eliminieren und die Wirkung der Protease in einem 
Milieu, dessen Bestandteile bekannt sind, zu beobachten. Diese von 
uns angewandte Methode unterscheidet sich vorteilhaft von allen 
anderen, welche mit Serum in toto operieren und Anwendung von 
stark wirkenden Agenzien zur ‚Zerstörung‘ des sich im Serum be- 
findenden Antitrypsins, welches störend auf die Arbeit der Protease 
wirkt, verlangen. Die Methode beruht auf einer Proteasenadsorption 
durch das im isoelektrischen Punkte ausfallende Casein. Der Casein- 
niederschlag kann mit Wasser oder einer beliebigen Lösung ausgewaschen 
werden, was die Entfernung von Serumeiweißstoffen und seiner löslichen 
Bestandteile bezweckt. Der ausgewaschene Niederschlag wird in 
schwacher Sodalösung gelöst; mit dieser Lösung wird dann der Versuch 
angestellt. 


Im Anfang steckte ich mir das Ziel einer Kontrolle der von Okubo 
erhaltenen Resultate betreffend das Wirkungsoptimum der Serum- 
tryptase. 


Im einzelnen war die Versuchsanordnung folgende: 1 Volumen Serum 
wurde mit 3 Volumen 1lproz. neutraler Caseinlösung vermengt (in manchen 
Füllen wandte ich verhältnismäßig weniger Serum an, 1 Volumen zu 6\Vo- 
lumen Casein; die Resultate wurden dadurch in keiner Weise beeinflußt, 
nur die absoluten Verdauungszahlen waren niedriger). Zu dem Gemenge 
wurde 1 Volumen Acetatpuffer, das aus gleichen Teilen von Normallösungen 
von Natriumacetat und Essigsäure zubereitet war, hinzugegeben. Nach 
kurzem Stehenlassen wurde der Niederschlag abfiltriert und zweimal mit 
Wasser oder demselben 100fach verdünnten Acetatpuffer ausgewaschen. 
Später erwies es sich als praktischer, den Niederschlag zu zentrifugieren und 
auch auf der Zentrifuge zu waschen. Der Niederschlag wurde in einen 
Kolben eingetragen, mit 20 cem 0,2proz. Sodalösung übergossen und bis 
zur Lösung des Caseins stehengelassen, was gewöhnlich rasch geschieht. 
Nach Auflösung wurde Wasser bis zu einem bestimmten Volumen auf- 
gefüllt und die Lösung filtriert. Von dem erhaltenen Filtrat wurden je 
10 cem mit 10 ccm Pufferlösungen in Erlenmeyerschen Kölbchen gemischt 
und nach Zugabe von Toluol für 24 Stunden oder mehr im Thermostaten 


Blutprotease. | 105 


bei 37° stehengelassen. Nach einer bestimmten Zeit wurden aus jedem 
Kolben 5ccm Flüssigkeit zur elektrometrischen Bestimmung von pa ent- 
nommen; in dem Rest wurde das Eiweiß durch kolloidales Eisenoxyd 
gefällt und im Filtrat der Reststickstoff nach Kjeldahl (mikro) bestimmt. 
Der Rest-N-Zuwachs gegenüber dem anfänglichen Rest-N diente als Maß- 
stab der Proteaseaktivität. Als Puffer wurden m/15 Phosphat-, m/10 Acetat- 
und Lactatmischungen angewandt. 

Die Versuchsresultate sind in den folgenden Tabellen zusammen- 
gefaßt. 

Versuch 1. 
Kaninchenserum. Phosphatpuffer. Dauer 23 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,28 mg. 


| 1. | 2. | 3, En 


Se geet eer Eege — 


5nelektrömetriache.. S1 7,65 7,36 6,98 
Rest-N 2. 042 | 059 0,73 1.19 
Rest-N-Zuwachs . . . i 0,14 0,31 | 0,45 0,91 


Dieser erste Versuch zeigt klar genug die Aktivitätsvergrößerung 
der Protease je nach Reaktionsveränderung des Milieus in der Richtung 
alkalisch-neutral. Die beiden weiteren Versuche 2 und 3 sind nicht 
weniger demonstrativ in Hinsicht des Aktivitätssturzes beim Über- 
schreiten des neutralen Punktes und einer weiteren Säuerung. 


Versuch 2. 
Kaninchenserum. Acetatpuffer; in Versuch 1 und 2 durch Soda alkalisiert. 
Dauer 421, Stunden. Vor dem Versuch Rest-N = 0,16 mg. 


| 1. | 2. | 3. | 
Pu, elektrometrische . 7,49 7,06 5,35 4,65 
Rest-N . . 2...» hi 0,87 0,93 0,29 0,24 
Rest-N-Zuwachs `, . . | 0,71 | 0,77 0,13 0,08 
Versuch 3. 


Kaninchenserum. Acetatpuffer. Dauer 231, Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,12 mg. 


pu, elektrometrische . ` 6,69 6,21 5,87 5,31 

oa... 0,78 0,70 0,52 0,29 

Rest-N-Zuwachs . . . ` 0,66 0,58 ' 0,40 17 
Versuch 4. 


Kaninchenserum. Phosphatpuffer. Dauer 23 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,15 mg. 


E EE ES Zu 
6,70 6,37 | 5,93 


mm nn nn nn 


Pu, elektrometrische . . 7,30 7,02 
Best-N. . 22 222.0. 0,86 1,24 0,98 © 0,89 | 0,62 
Rest-N-Zuwachs 0,71 1,09 0,83 >: 0,74 0,47 


106 L. Utkin-Ljubowzow: 


Versuch 5. 
Kaninchenserum. Phosphatpuffer. Dauer 251, Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,15 mg. 


EE 


pu, elektrometrisce . . | 740 — 7,22 701 1 688 6,66 
Rest-N. . 2.2.2220. 0,7078 031 086 1075 
Rest-N-Zuwachs . . . . 0,62 0,63 | 0,66 0.71 0,60 


In allen hier angeführten Versuchen grenzt das Wirkungsoptimum 
der Serumprotease, was Caseinverdauung anbetrifft, an die neutrale 
Reaktion, d.h. an pu = 7. Eine unbedeutende Abweichung nach der 
sauren Richtung im Versuch 5 ist kaum von Belang, da die Grenzen 
eines Versuchsfehlers sicher nicht überschritten sind. Somit können 
wir mit Bestimmtheit sagen, daß das Wirkungsoptimum eines Kaninchen- 
serums bei der neutralen Milieureaktion (pu = 7) liegt, was vollkommen 
mit den von Okubo gewonnenen Ergebnissen übereinstimmt. Was 
den Aktivitätssturz der Serumprotease zu beiden Seiten des optimalen 
Punktes, von dem Jamakava spricht, anbetrifft, so konnte dieser in 
unseren Versuchen als Regel nicht beobachtet werden. Jedenfalls 
kann von einem bedeutenden Aktivitätsschwund nur im Falle einer 
Reaktionsveränderung nach der sauren Seite hin die Rede sein. Ver- 
suchen wir aber, die Aktivität in der Richtung einer Verminderung 
der Wasserstoffionenkonzentration zu verfolgen, so werden wir die 
Beobachtung machen, daß das Ferment sogar im Falle einer starken 
Alkalität des Milieus zu arbeiten fortfährt (Versuch 1). 


Die weiteren zwei Versuche mit Hundeserum zeigen, daß ein 
Arbeitsoptimum der Protease auch in diesem Falle nahe pa = 7 liegt. 


Versuch 6. 
Hundeserum. Phosphatpuffer. Dauer 67 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,36 mg. 


Li Sr 2 4. E? 
Am, lkkironmet, 745 ` "31 up | 689 6,78 66 
Rest-N .... 10 1.79 ‚si 1,92 2,00 1.84 
hest-N-Zuwachs 1.39 1,43 1.45 | 1,59 1,67 1.56 


Versuch 7. 


Hundeserum. Acetatpuffer. Dauer 25 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0.10 mg. Versuche 1, 2, 3 durch Soda alkalisiert. 


"A 2. | 3. . | 5 6. 
Py. elektrometr. 908 | 8O07 | 7.66 6.80 5.35 | 4,98 
Rest-N . .. 1 0.23 oun P 185 Län | 013 0.10 
Rest-N-Zuwachs 0.13 0,75 1.125 1.30 0,03 0,00 


Blutprotease. 107 


In beiden Versuchen mit Hundeserum zeigt sich am deutlichsten 
ein sehr langsames Abklingen der Proteasewirkung in der Richtung 
vom Optimum nach der alkalischen Seite hin. 


Es bestätigen die hier angeführten Versuche die von Okubo ge- 
wonnenen Resultate und geben uns zur selben Zeit die Möglichkeit, den 
Schluß zu zieben, daß dis Serumtryptase nicht mit dem Trypsin des 
Pankreas identifiziert werden kann, da letzteres ein weit alkalischeres 
Wirkungsoptimum besitzt. 


Indem ich jetzt zu der zweiten Aufgabe schreite, nämlich zur 
Klärung der Frage über die Existenz eines proteolytischen Ferments 
im Serum. mit einem Wirkungsoptimum im sauren Milieu — der 
Pepsinase —, muß ich bemerken, daß, wenn die Existenz einer Tryptase 
— das Resultat der Arbeiten anderer Verfasser (Jobling, Okubo) — 
als unbestrittene Tatsache vorlag, die Existenz einer Pepsinase im 
Gegenteil nur vorausgeahnt werden konnte. Die Voraussetzung so 
einer Existenz konnte ich nur darauf gründen, daß die Pepsinase mit 
ihrem Wirkungsoptimum in stark saurem Milieu in Organen aufgefunden 
wurde; selbstverständlich konnte sie auch ins Blut gelangen. Deshalb 
begann ich die entsprechenden Versuche mit Pufferlösungen, welche 
mit dem Pepsinaseoptimum der Leber in unseren diesbezüglichen 
Versuchen entsprachen, d.h. pa = 3,6 bis 3,8 für Leberautolyse (Rona 
und Mislowitzer) oder pa = 3,0 bis 3,4 für Caseinspaltung durch Leber- 
pepsinase (L. Utkin-Ljubowzow). Die Methodik war anfänglich dieselbe 
wie für Serumtryptase. | 


Der erste Versuch in dieser Richtung erwies sich als mißlungen, 


da die Caseinspaltung zu unbedeutend war, um aus den erhaltenen 
Zahlen irgendwelche Schlüsse ziehen zu können (Versuch 8). 


Versuch 8. 


Hundeserum. Acetatpuffer. Dauer 67 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,10 me. 


1. 2. 3. 4. 5, 
py. elektrometrische .. 5.04 4.64 4.24 3.92 3.64 
RestaN — 9 Ne Ne ER 0.13 0.10 0,13 0,15 0.15 
Rest-N-Zuwaehs `... 0,03 0.00 0,03 0,05 0,05 


Der erste Gedanke, der beim Anblick dieser Tafel auftaucht, ist 
der, daß die im sauren Milieu arbeitende Protease durch das Casein, 
welches im isoelektrischen Punkte ausfällt, nicht adsorbiert wird, da 
eine Caseinspaltung zwar vorhanden, doch so gering ist, daß der Gedanke 
an irgendwelche Fermentreste. die zufällig im Casein nach dessen 
Auswaschung verbleiben, naheliegt. Da bei den Versuchen mit Pepsinase 


108 L. Utkin-Ljubowzow: 


die Anwesenheit von Antitrypsin keine Bedeutung hat und das von mir 
angewandte Verfahren speziell zur Trennung des Ferments von Anti- 
trypsin und den Serumproteinen bestimmt ist, so benutzte ich die 
Gelegenheit, um meine Versuche unmittelbar mit Serum anzustellen. 
Der Versuch 9, in dem als Substrat für die Pepsinasewirkung das 
Serumprotein selbst diente, zeigte, daß das Serum eine Pepsinase 
enthält, obgleich die Spaltung — im gegebenen Falle die Autolyse — 
nicht bedeutend war. 


Versuch 9. 


Hundeserum. Acetatpuffer. Dauer 67 Stunden. In jedem Kolben à 5 ccm 
Serum verdünnt 1:5. Vor dem Versuch Rest-N = 0,33 mg. 


| KS te Lt E 3 


Deren 
vg, elektrometrische . . ' 4,62 | 4,32 ' 408 — 3,82 | 3.46 
Rest-N. ........ 0839 0,39 0,45 0,49 0,52 
Rest-N-Zuwachs . ... 0,06 — 0.06 0,12 0,16 0,19 


Um die Resultate deutlicher zu gestalten, stellte ich einige Versuche 
in der Weise an, daß ich das Serumprotein durch das leichter spaltbare 
ersetzte. Dabei gewann ich ein klares Bild einer Aktivitätszunahme 
des Ferments in Abhängigkeit von einer Vergrößerung der Wasserstoff- 
ionenkonzentration, wie es aus den Versuchen 10 und 11 hervorgeht. 


Versuch 10. 


Hundeserum (dasselbe). Acetatpuffer. In jedem Kolben à 5 ccm Serum 1:5 
und à 3 ccm lproz. Caseınlösung. Dauer 67 Stunden. Vor dem Versuch 
Rest-N = 0,35 mg. 


Io. E e re | a "a a 
e | | u E EE e 
Pu, elektrometr. | 4,62 | 4,32 4,10 | 3,87 3,66 3,39 
Rest-N .... 038 0,50 0,67 0,97 | 1,53 1,75 
Rest-N-Zuwachs 0,03 0,15 0,32 0,62 į; 1318 1,40 

Versuch 11. 


Hundeserum. Lactatpuffer. Bestandteile der Mischung dieselben wie in 
Versuch 10. Dauer 50 Stunden. Vor dem Versuch Rest-N = 0,38 mg. 


IRRE o 1. E Bir | 3. | 4. | 5, Isi = 


Py, elektrometr. ` 4,20 399 379 357 | 3,34 2,98 | 2,83 
Rest-N . ... | 0,58 065 0,80 101 | 1,87 1,84 | 256 
Rest-N-Zuwachs ı 015 0,27 nä 0,63 | n99 | 1,46 | 218 


Blutprotease. 109 


Die angeführten Versuche zeigen auf der ganzen Skala der Wasser- 
stoffionenkonzentration, auf welcher ein Wirkungsoptimum der Casein- 
spaltung für die Leberpepsinase liegt, nur einen Aktivitätszuwachs, 
was wiederum darauf hinweist, daß eine optimale Reaktion des Milieus 
saurer sein muß. Die nächsten zwei Versuche 12 und 13 zeigen, daß 
als Optimum pe etwa 2,4 bis 2,6 zu setzen ist. 


Versuch 12. 
Hundeserum. Lactatpufter. Dauer 47 Stunden. Vor dem Versuch Rest-N 
= 0,36 mg. 
zz 1 2 a Joa doso 
Pg, elektrometrische . . 3,55 3,25 2,97 2,65 | 2,40 
Rest-N 22222020. 1,06 1,38 2,00 2,82 1,83 
Rest-N-Zuwachse . . . . u 0,70 1,02 1,64 2,46 1,47 
Versuch 13. 
Kaninchenserum. Lactatpuffer. Dauer 47 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,43 mg. 
2. Bu oodo oa di a p oa i 5 e? 
| | | en vn 
Py, elektrometr. 3,54 3,25 2.95  , 267 2,87 2,10 
Rest-N ... 0,67 1.16 Län | 182 . 2,56 2,05 
Rest-N-Zuwachs 024 | 0,73 0,87 | 1,39 | 2,18 1,62 


Vergleichen wir aber das gewonnene Wirkungsoptimum mit den 
Resultaten der Versuche 14 und 15, so müssen wir gestehen, daß hier 
nicht alles so klar ist, wie man erwarten könnte, denn die Versuche 14 
und 15 geben ein Optimum, welches in weniger saurem Milieu liegt, 
d.h. bei pu etwa 3,0 bis 3,2, also mit dem Optimum der Leberpepsinase 
bei ihrer Einwirkung auf Casein zusammenfallen. 


Versuch 14. 


Kaninchenserum. Lactatpuffer. Dauer 91 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,44 mg. 


1. 


3,83 | 339 | 321 | 8,00 
0.75 118 | 147 | 232 


Py, elektrometr. or 4,26 
0,31 | 0,69 1,03 1,88 


Rest-N 0,57 
Rest-N an i 0,13 


110 L. Utkin-Ljubowzow: 


Versuch 15. 


Kaninchenserum. Lactatpuffer. Dauer 41 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,34 mg. 


SG A.S - 3, 4, | dE 
Pa, elektrometr. 3,80 | 3,67 353 Í 388 ses | zu 
Rest-N .. . .' 060 071 0,77 086 | 096 1086 
Rest-N-Zuwachs 026 | 037 0,43 0,52 0,62 0.33 


Die Widersprüche in den erhaltenen Resultaten zwangen mich 
zu einem Verzicht auf die von mir angenommene Methodik; ich griff 
wieder zu dem Verfahren, welches zur Tryptasenbestimmung an- 
gewandt wurde, indem ich es nur den Eigenschaften der Pepsinase 
gemäß änderte. 


Wie bekannt, ist nicht nur die Magenpepsinase, sondern nach Rona 
und Mislowtiizer auch die Leberpepsinase durch Alkali leicht zerstörbar; 
daraus folgt, daß bei Anwendung unserer Methode die Pepsinase, wenn 
sie durch Casein adsorbiert wird, einer starken Zerstörung im Stadium 
der Bearbeitung des Caseinniederschlags mit Sodalösung unterliegt. 
Aus diesem Grunde versuchte ich, den Niederschlag aufzulösen. indem 
ich ihn in Wasser suspendierte und vorsichtig eine n/l0 Lösung von 
HCl dazugab. In diesem Falle erhielt ich sofort befriedigende Resultate. 


Versuch 16. 


Kaninchenserum. Lactatpuffer. Dauer 68 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,10 mg. 


Kit e r H e AS 7. 


Pu. elektrometr. ` 387 | 360 | 337 au, 28 263 238 
Ha, om oä on 083 än 045 ` 032 
Rest-N-Zuwachs 007 | ou 05 083 | uän 05 02 


In den Versuchen 16 und 12 wurde das Verdauungsmaximum des 
Caseins bei pu = 2,6 beobachtet, weiter beginnt ein Abklingen der 
Kurve. Analoge Resultate mit den hier angeführten ergaben die Ver- 
suche 17 und 18. 


Versuch 17. 


Kaninchenserum. Lactatpuffer. Dauer 92 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,13 mg. 


1. | e Ek ek wee ea 
Py, elektrometr. 3,64 3.40 3:17. = 2:92 267 ` 243 | 246 
Rest-N . . ; 0.39 0.33 0,41 0.54 0.62 | 054 0,43 


Rest-N-Zuwachs 017 020 (än 04L 099 un 030 


Blutprotease. 111 


Versuch 18. 
Kaninchenserum. Lactatpuffer. Dauer 95 Stunden. 
Vor dem Versuch Rest-N = 0,11 mg. 


u EECH, 3 | 4. | 5. | 6. I 


3,40 


i 


| 

"am 
Rest-N . . 0.23 

die 


Pa, elektrometr. © 8, 3,10 | 292 | 262 | 242 | 217 
aa 033 | 042 | 050 | 057 | 054 | 033 
Rest-N-Zuwachs C, 0,22 0,31 : 0,39 0,46 0,43 0,22 


Die hier angeführten Versuche sprechen mit Bestimmtheit für die 
Anwesenheit eines proteolytischen Ferments im Blutserum, welches 
in stark saurem Milieu aktiv ist. Was sein Wirkungsoptimum anbetrifft, 
so liegt dasselbe in einem Milieu, welches saurer ist als ein solches für 
die Leberpepsinase. So bleibt die Frage über den Ursprung dieses 
proteolytischen Ferments vorläufig unaufgeklärt. Es sollte scheinen, 
daß es am einfachsten wäre, als Quelle dieses Ferments die Magensaft- 
drüsen zu bezeichnen, doch haben wir für diese Vorstellung keine ge- 
wichtigen Gründe, da das Wirkungsoptimum des Magenpepsins einem 
pu = 1,6 bis 1,8 entspricht, während das Wirkungsoptimum für die 
Serumpepsinase bei pe = 2,5 bis 2,7 liegt, also im Milieu mit einer 
geringeren H-Ionenkonzentration. Abgesehen davon müßte eine Rück- 
resorption aus dem Magendarmtraktus angenommen werden, wofür 
sicher keine Anhaltspunkte vorliegen. Als Endresultat besitzen wir 
im Serum zwei Fermente, die Tryptase und Pepsinase, und keines von 
beiden können wir sicher mit irgend einem von den uns bekannten 
proteolytischen Organfermenten identifizieren. Was die Serumtryptase 
anbetrifft, so ist in der vorhergehenden Mitteilung die Meinung aus- 
gesprochen, daß sie leucocytären Ursprungs sei. Es fehlen endgültige 
Beweise. Immerhin ist es erwähnenswert, daß Dernby!) bei einer 
anderen Versuchsanordnung für die Leucoprotease ein Optimum bei 
Du = 3 fand und Nye?) ein Maximum bei pa = 7. Vereinigt man 
diese beiden Angaben, so erhält man Zahlen, die den von mir für Serum- 
proteasen gefundenen ziemlich genau entsprechen. Zur endgültigen 
Klärung dieser Frage müßten die optimalen Punkte der Leucoprotease 
mit derselben Methode bestimmt werden. 


Zusammenfassung. 


L Das Serum von Kaninchen und Hunden enthält eine Protease 
(Iryptase), deren Wirkungsoptimum gegen Casein bei me =7 (6,7 
bis 7,1) liegt, was vollkommen mit den von Okubo erhaltenen Resultaten 
übereinstimmt. 


1) K. Dernby, Journ. of biol. Chem. 35, 179. 
2) R. Nye, Journ. of exper. Med. 35, 153. 


112 L. Utkin-Ljubowzow: Bilutprotease. 


2. Die Aktivität dieser Protease fällt rasch mit einer Vergrößerung 
der Wasserstoffionenkonzentration und viel langsamer mit einer Ver- 
minderung ab. 

3. Das Serum enthält eine zweite Protease (Pepsinase) mit dem 
Wirkungsoptimum gegen Casein bei pe = 2,5 bis 2,7. 

4. Die gefundenen Proteasen sind sicher nicht mit den Fermenten 
des Magendarmtraktus zu identifizieren, was die Annahme einer 
eventuellen Rückresorption ausschließt. Die am meisten gerechtfertigte 
Meinung, die aus experimentellen (s. auch vorige Mitteilung) und 
theoretischen Betrachtungen erwächst, daß die Serumprotease haupt- 
sächlich Leucoprotease ist, wäre unter anderem durch ein dieser Arbeit 
analoges Studium der Leucocyten zu ergänzen. 


Über den Gehalt von Weizen- und BRoggenkeimen an Vitaminen. 


Von 
Arthur Scheunert. 


(Aus dem veterinär-physiologischen Institut der Universität Leipzig.) 
(Eingegangen am 12. Januar 1927.) 


Mit 4 Abbildungen im Text. 


Unter den zu Ernährungs- und Futterzwecken verwendeten, bei 
der Vermahlung gewinnbaren Teilen des Getreidekorns wird dem 
Keimling, dem Embryo, wenig Beachtung geschenkt. Dies mag mit 
seiner, infolge des relativ hohen Fettgehalts gegenüber den anderen 
Teilen des Korns, geringeren Haltbarkeit und auch mit seinem etwas 
strengen Geschmack zusammenhängen. So kommt es, daß die Keime 
beim Mahlprozeß meist nicht abgetrennt werden, sondern in die Kleie 
fallen. 

Honcamp, Neumann und Müller!) untersuchten vergleichend Roggen- 


und Weizenkeime auf ihre Verdaulichkeit bei Hammeln und Schweinen und 
fanden dabei folgende Werte: 


| G Stickstoff. | 
| Organ. Rohs Rohs freie Rohs 


' Substanz| protein fett | Extraktiv- | faser 

l stotfe 
Proz. Proz. Proz. Proz. Proz. 
SE et SE nn Pl Er EN nee a N DE I Er EE Ke 
Roggenkeime, Zusammensetzung . . | 94,56 | 31,09 9,7 | 49,88 3,88 
Berron maren bes ee 917 : 918 | 905: 91,5 914 
verdaulich | Schwein . . ... 83,5 ı 86,4 | 90,8 | 87,8 | 67,7 


| | 
| 94,79 | 32,21 
Hiervon waren Schaf . . . 2... il 89,3 93,8 
verdaulich Schwein | 86,9 90,1 


Weizenkeime, Zusammensetzung . . 7,8 | 52,62 2,16 
89,4 91,1 — 


85,5 | 88,1 141,8 


1) Landw. Versuchsst. 81, 205, 1913. 
Biochemische Zeitschrift Band 183. 8 


114 A. Scheunert: 


Der hohe Eiweißgehalt und die hohe Verdaulichkeit lassen somit die 
Keime als hochverdauliches, höchst wertvolles Futtermittel erscheinen. 
Nach den angeführten Untersuchungen enthalten die Roggenkeime 21,23 Proz. 
verdauliches Eiweiß und 75,8 Proz. Stärkewert (nach Kellner), die Weizen- 
keime 21,97 Proz. verdauliches Eiweiß und 74,7 Proz. Stärkewert. 

Diesen Befunden entsprechen neuere von Honcamp und Pfafrt, und 
Scheunert, Klein und Steuber?) mit Roggenkeimen. Bei Hammeln wurden 
hier in der Trockensubstanz 22,87 Proz. (Honcamp und Pfaff) und 21,12 Proz. 
(Scheunert, Klein und Steuber) verdauliches Eiweiß sowie rechnerisch 
Stärkewerte von 83,15 und 83,44 gefunden. Als der Nährwert der Roggen- 
keime im Respirationsversuch experimentell ermittelt wurde, erwies er sich 
als wesentlich höher. Scheunert, Klein und Steuber fanden bei einem Tier 
auf diese Weise 113,4. 


Wenn durch diese Zahlen auch der hohe Nährwert der Getreidekeirne 
deutlich hervorgehoben wird, so wird er mit ihrer Hilfe in seinem ganzen 
Umfange aber immer noch bei weitem nicht richtig erfaßt. Dies ist erst. 
möglich, wenn auch die qualitative Beschaffenheit des Keimes berücksichtigt 
wird. McCollum ist es gewesen, der in dieser Richtung darauf hinwies, dab 
der Keim der qualitativ wertvollste Teil des Kornes ist. Da aus ihm die 
neue Pflanze hervorgeht, muß er alle lebensnotwendigen Bestandteile in 
günstigen Mengenverhältnissen enthalten, d. h. er muß eine für den Ablauf 
der Lebensvorgänge und Assimilationen des werdenden neuen pflanzlichen 
Organismus optimale Zusammensetzung haben. Die übrigen Teile des 
Kornes sind demgegenüber nur als Reservematerial aufzufassen. Der Keim 
steht somit den grünen Blättern, in denen die wesentlichen Stoffwechsel- 
vorgänge ablaufen, und den Organen der Tiere nahe, die ebensolchen Funk- 
tionen obliegen. Die Qualität des im Embryo enthaltenen Mineralstoff- 
gemischs und die seiner Eiweißkörper muß demnach für Ernährungszwecke 
eine sehr gute sein, und weiter muß der Keim auch Vitamine enthalten. 
In der Tat haben McCollum, Simmonds und Pitz?) festgestellt, daß Weizen- 
keime alle zum Wachstum und Wohlbefinden eines Tieres notwendigen 
Bestandteile enthalten. Ein Mangel besteht nur insofern, als die gegen- 
seitigen Mengenverhältnisse dieser Bestandteile ungünstige sind, so daß ohne 
Abänderung derselben ein Wachstum nicht möglich ist, insbesondere muß 
auch der Mineralstoffgehalt modifiziert werden. Die Eiweißkörper (der 
Keime sind von vorzüglicher Qualität. Alles das läßt es angezeigt erscheinen, 
den Keimen für alle Ernährungszwecke eine erhöhte Aufmerksamkeit 
zuzuwenden, sie insbesondere zur Ergänzung vermutlich unterwertiger 
Rationen heranzuziehen und auch bei der menschlichen Ernährung zu 
gleichen Zwecken zu verwenden. Auf letzteres hat meines Wissens als erster 
P. Bergell aufmerksam gemacht, und es wird gegenwärtig von der Nähr- 
mittelfabrik Dr. Klopfer ein Präparat namens Materna (aus geschmacklichen 
Gründen auch mit Zucker ‚„kandiert‘‘) in den Handel gebracht, welches aus 

setreidekeimen hergestellt: ist. 


Es erschien von Interesse, zur weiteren Klärung des Nährwerts 
der Keime Untersuchungen über deren Vitamingehalt anzustellen. 

1) Landw. Versuchsst. 103, 259, 1925. 

2) Zeitschr. f. Tierzüchtung, Züchtungsbiol. und Tierernährung 3, 
343, 1925. 

3) Journ. of biol. Chem. 25, 105, 1916. 


Gehalt von Weizen- und Roggenkeimen an Vitaminen. 115 


In dieser Richtung sind bisher nur Weizen und Mais, und zwar 
im Auslande, untersucht worden. Über dis in Deutschland gebauten 
Cerealien liegen noch keine Untersuchungen vor. Es war dadurch 
gegeben, unsere Brotgetreidearten, Weizen und Roggen, zu untersuchen. 
Gleichzeitig erschien es interessant, das erwähnte Präparat Materna 
vergleichsweise heranzuziehen. 


Bezüglich des Vitamins A ist bekannt, daß es in den Getreide- 
körnern nur sehr spärlich vorkommt. Es spricht vieles dafür, daß diese 
geringen Mengen von Vitamin A wesentlich im Keime zu suchen sind. 
In der Tat haben Mc Collum, Simmonds und Pitz in Weizenkeimen 
merkliche Vitamin-A-Mengen gefunden. Was das Vitamin B anlangt, 
so liegen mehrere Untersuchungen vor, nach denen C'hitk und Hume!), 
Osborne und Mendel?), sowie Mc Collum, Simmonds und Pitz über- 
einstimmend einen reichlichen Vitamin-B-Gehalt nachwiesen. Über 
Roggenkeime konnten wir keine Angaben finden. Vitamin C dürfte in 
den Keimen nicht vorhanden sein. Getreidekörner enthalten dieses 
Vitamin nicht, und Untersuchungen über Weizenkeime®?) haben ein 
negatives Ergebnis gehabt. 


Allgemeine Methodik. 


Die Prüfung auf Vitamin A und B erfolgte durchweg an weißen Ratten, 
die im Alter von 3 bis 4 Wochen bei einem durchschnittlichen Gewicht von 
etwa 50 g in Einzelkäfigen mit der Versuchsnahrung gefüttert wurden. 
Die Einzelkäfige waren Aquariengläser aus Glas, die mit einem Drahteinsatz 
zum Durchfallen von Harn und Kot und mit einem Drahtdeckel versehen 
waren. Auf dem Drahteinsatz waren ein Futternäpfchen aus Glas, ein 
Salbenbüchschen als Wassergefäß und ein kleiner Blumentopfuntersetzer 
aus Ton als Lagerstatt befestigt. Die Ratten wurden zweimal in der Woche 
gewogen, die Nahrungsaufnahme wurde gelegentlich durch Stichproben 
kontrolliert. im übrigen auf sie täglich beim Ergänzen der Nahrung geachtet. 
Die Ergebnisse der Versuche werden in Kurven dargestellt. 


Zur Herstellung der benötigten vitaminfreien Nahrungsgemische wurden 
deren Bestandteile einer sorgfältigen mehrfachen Extraktion mit Wasser, 
Alkohol und Äther unterzogen. Als Eiweiß verwendeten wir das schon 
mehrfach beschriebene Gemisch aus drei Teilen Lactalbumin und einem Teil 
Plasmon oder, als diese Bestandteile verbraucht waren, Casein. Als Stärke 
wurde Kartoffelstärke, als Fett gehärtetes Pflanzenfett verwendet. Das 
Salzgemisch wurde nach Osborne und Mendel hergestellt. Später bedienten 
wir uns der einfacheren Herstellung wegen des bekannten Gemisches von 
McCollum und Davis. Als Träger von Vitamin B wurde der vitamin-A-freien 
Nahrung Trockenhefe des Einsiedler-Brauhauses zugesetzt, die vorher 


1) Proc. Roy. Soc. London 90, 44, 1917. 

2) Journ. of biol. Chem. 87, 557, 1919. 

3) Rep. on the Present State of Knowl. of Access. Food Factors 
(Vitamins) Med. research. Counc. London, II. Aufl., 1924, S. 112. 


GC 


116 A. Scheunert: 


vitamin-A-frei extrahiert worden war. Als Träger von Vitamin A diente 
Lebertran. 


Die quantitative Zusammensetzung der Nahrung wird bei den einzelnen 
Varsuchen angegeben. 


Untersuchung auf Vitamin A. 


Vitaminuntersuchungen werden jetzt häufig derart angestellt, daß 
die zu prüfende Substanz von vornherein in gewissen Prozentsätzen 
der vitaminfreien Grundnahrung beigemischt wird, um festzustellen, 
bei welchem Prozentgehalt die Nahrung als vollwertig bezeichnet 
werden kann. 


Versuch 1.-Es wurde zunächst nach dieser Methode verfahren. und 
zwar glaubten wir mit einer ziemlich geringen Beigabe von 5 oder 
10 Proz. auskommen zu können. 


Die Nahrungszusammensetzung war deshalb folgende: 
18,00 Proz. Eiweiß (Lactalbumin 3: Plasmon 1), 
15,00 ,„ _ gehärtetes Pflanzenfett, 
5,00 ,„  Trockenhefe, 
5,00 ,„ Keime (Weizen- oder Roggenkeime oder Materna), 
6,14 „  Salzgemisch (Osborne und Mendel), 
50,86 „ Stärke. 
In der zweiten Reihe wurden 10 Proz. der Keime zugegeben und dafür 
die Stärkemenge auf 45,86 Proz. erniedrigt. 


Diese Gemische wurden den Tieren vom ersten Tage des Versuchs ab 
vorgelegt. Die Ergebnisse sind in Abb. 1 dargestellt, die die Wachstums- 
kurven von je vier Ratten für eine Versuchskost wiedergibt. Auf der Abszisse 
ist die Versuchsdauer in Abschnitten von je 10 Tagen, auf der Ordinate das 
Gewicht in 10 g-Abschnitten aufgetragen. 


Der Verlauf der Kurven zeigte, daß weder eine Kost, die 5 Proz. 
Weizenkeime, Roggenkeime oder Materna, noch eine solche, die 10 Proz. 
dieser Produkte enthielt, richtiges Wachstum junger Ratten auf die 
Dauer unterhalten konnte. Geringe Unterschiede zwischen den 5 und 
10 Proz. Nahrung waren zugunsten der letzteren vorhanden. Im all- 
gemeinen stockte das Wachstum nach anfänglichem raschen Verlauf 
bereits nach 15 bis 20 Tagen. Ein deutlicher Unterschied zwischen 
den einzelnen Produkten bestand nicht. Der Versuch wurde deshalb 
am 36. Tage abgebrochen und nur je ein Tier von jeder Gruppe im 
Versuch belassen. Dieses diente zur Führung des Beweises, daß die 
Wachstumsstockung tatsächlich auf Vitamin-A-Mangel zurückzuführen 
war. Diese Tiere, Nr. 569, 563, 555 und 576, 566, 557, erhielten vom 
35. Versuchstage ab (bei + der Abb. 1) eine Zulage von Lebertran, 
und zwar wurden der Einfachheit halber davon 5 Proz. der Versuchs- 
nahrung beigemischt. Die Abbildung zeigt. daß daraufhin das Wachstum 


Gehalt von Weizen- und Roggenkeimen an Vitaminen. 117 


sogleich energisch von neuem einsetzte, es hatte also tatsächlich Vitamin- 
A-Mangel bestanden. 

Der Versuch hat kein positives Ergebnis gehabt, die Zulagen 
waren zu gering. Sie hätten erhöht werden müssen. Dann aber müssen 


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erhöhte methodische Bedenken geltend gemacht werden. Die Keim- 
linge sind derart eiweißreich, daß jedwede erhebliche Zulage die Eiweiß- 
versorgung der Versuchstiere ändert. Diese ist aber zweifellos für das 
Wachstum von Wichtigkeit, es hätte also der Eiweißgehalt der Rationen 


118 A. Scheunert: 


auf gleiche Höhe gebracht werden müssen. Dann aber wäre in jeder 
Ration das Eiweißgemisch immer noch verschieden gewesen. Ferner 
hat man bei dieser Versuchsanordnung keinerlei Maß für die wirklich 
aufgenommene Menge des zu prüfenden Materials. Diese ist ganz ins 
Belieben der Versuchstiere gestellt. 

Es wurde deshalb diese Methode verlassen und zu jener zurück- 
gekehrt, die darin besteht, daß zunächst durch eine das betreffende 
Vitamin nicht enthaltende Kost die Mangelerscheinungen hervor- 
gerufen werden und nunmehr eine Zulage von der zu prüfenden Sub- 
stanz erfolgt. 


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60 
40 
Abb. 2. 
Versuch 2. Die Ratten erhielten eine vitamin-A-freie Grund- 


nahrung; diese bestand aus 18 Proz. Casein, 15 Proz. gehärtetem 
Pflanzenfett, 5 Proz. Salzgemisch (McCollum). 5 Proz. Trockenhefe. 
57 Proz. Stärke. Sie wuchsen mit dieser Nahrung noch eine kurze Zeit 
und stellten dann weiteres Wachstum ein. Die Versuchsergebnisse 
sind in Abb.2 kurvenmäßig wiedergegeben worden. wobei aber der 
zeitliche Verlauf in 20tägigen Abschnitten und die Gewichte von 20 zu 
20 g angegeben sind. Sobald weiteres Wachstum etwa 14 Tage unter- 
blieben war (Zeichen + in Abb. 2), erfolgte die Zulage von 1 bzw. 28 
der genannten Produkte (Weizenkeime, Roggenkeime, Materna). 


Gehalt: von Weizen- und Roggenkeimen an Vitaminen. 119 


Die Kurven zeigen, daß durch diese Zulagen sofort das Wachstum 
wieder in Gang kam. Weiter sieht man aber, daß keine der drei Pro- 
dukte in Menge von 1l g ein befriedigendes Wachstum zu sichern ver- 
mochte. Die Gewichtszunahmen erfolgten vielmehr langsam, schleppend 
und mit Stockungen und Rückschlägen. Trotzdem aber zeigte das 
durch die Zulage langsam in Gang kommende Wachstum, daß Vitamin A 
in deutlich wirksamer Menge vorhanden war. Die Zulage von 2 g hatte 
wesentlich besser gewirkt, und zwar waren, wie der steile Anstieg der 
Kurven zeigt, die Roggenkeime sowohl den Weizenkeimen als auch dem 
Produkt Materna etwas überlegen. Leider waren die Ratten 610 und 611 
sowohl wie 616 vor Gabe der Zulage gestorben. Bei den Materna- 
zulagen ist zu berücksichtigen, daß diese von den Ratten schlecht ge- 
fressen wurde, so daß manchmal Reste blieben. Dies wirkte sich in dem 
zackigen Verlauf der Kurven aus. Zweifellos hatten die Weizenkeime 
aber den geringsten Vitamin-A-Gehalt. Der Versuch führte dann 
insgesamt zu einem klaren Ergebnis: Weizenkeime, Roggenkeime und 
das Nährmittel Materna besitzen einen deutlichen, wenn auch nicht 
sehr hohen Gehalt an Vitamin A. 


Untersuchung auf Vitamin B. 


Es wurde hierzu ebenfalls in der Weise vorgegangen, daß Ratten 
auf vitamin-B-freier Kost bis zum Eintreten der Mangelerscheinungen 
(Wachstumsstillstand, Gewichtsrückgang, struppiges Aussehen) ge- 
halten und ihnen dann die zu prüfenden Produkte zugelegt wurden, 
Die Wachstumskurven, die ebenso eingerichtet sind, wie in Abb. 2, 
werden in Abb. 3 gegeben. Die Kost bestand aus 20 Proz. Casein. 
10 Proz. gehärtetem Pflanzenfett, 5 Proz. Lebertran, 6,14 Proz. Salz- 
gemisch (Osborne und Mendel), 58,86 Proz. Stärke. Die Versuchstiere 
nahmen mit dieser Kost nur ganz kurze Zeit und vorübergehend zu. 
Nachdem sie etwa 14 Tage keine Gewichtszunahme mehr gezeigt 
hatten, erfolgte die Zulage (bei + in Abb. 4), und zwar täglich 0,5 g 
oder l g Weizenkeime, Roggenkeime oder Materna. Von letzterem 
Produkt wurde hierbei eine mit Zucker zur Geschmacksverbesserung 
versetzte kandierte Materna verwendet. 

Der Verlauf der Wachstumskurven zeigt, daß die Zulagen in Höhe 
von 0,5g nicht genügten, um normales Wachstum herbeizuführen. 
Das Wachstum kam mit diesen Zulagen zwar in Gang, war aber noch 
schleppend. Die Zulagen von Lg brachten bei Roggenkeimen einen 
vollen Erfolg. 1 g Materna kandiert war den Keimen etwas unterlegen, 
wobei aber zu berücksichtigen ist, daß infolge des Zuckergehalts 1g 
Materna kandiert nur etwa 0,75g Materna unkandiert entsprachen. 
Weiter deuten aber die mit 0.5 g Zulage erzielten Kurven an, daß ebenso 
wie es bezüglich Vitamin A gefunden wurde, die Roggenkeime den 


120 A. Scheunert: 


Weizenkeimen um ein geringes überlegen sind. Insgesamt zeigt der 
Versuch deutlich, daß der Gehalt an Vitamin B sowohl in Weizen- 
keimen und dem Produkt Materna recht beträchtlich ist, und bestätigt 
damit die bezüglich der Weizenkeime von den amerikanischen Autoren 
erhobenen Befunde. 


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Prüfung auf Vitamin C. 


Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist ein Vitamin-C-Gehalt der 
Keimlinge unwahrscheinlich. Einige Versuche, die zur Sicherheit mit 
Meerschweinchen angestellt wurden, brachten hierfür auch bezüglich 


Gehalt von Weizen- und Roggenkeimen an Vitaminen. 121 


der Roggenkeime eine volle Bestätigung. Abb. 4 bringt die Gewichts- 
kurven der Meerschweinchen, die auf Hafer + autoklavierter Milch 
als Skorbutkost in Einzelkäfigen gehalten wurden und vom ersten 
Versuchstage an 20 g Keime als Zulage erhielten. Sehr bald traten 
Gewichtsstillstand und Abnahme ein. Mit Ausbildung der klinischen 
Skorbutsymptome wurde der Versuch eingestellt. 


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Abb. 4. 


Zusammenfassung. 


1. Roggenkeime und Weizenkeime enthalten deutliche Mengen 
von Vitamin A. Der Gehalt ist nicht hoch aber auch nicht unbeträchtlich 
und in den Roggenkeimen scheinbar um ein geringes höher. 

2. Roggenkeime und Weizenkeime enthalten erhebliche Mengen 
von Vitamin B, und zwar scheinen die Roggenkeime ein wenig über- 
legen zu sein. 

3. Das aus Roggenkeimen hergestellte Produkt Materna enthält 
Vitamin A und B etwa in dem Ausmaß der Roggenkeime. 

4. Vitamin C ist in Roggenkeimen und Weizenkeimen nicht 
enthalten. 


Untersuchung über Autolyse. VII 


Von 
P. Rona und E. Mislowitzer. 


(Aus der Chemischen Abteilung des Pathologischen Instituts der Universität 
Berlin, Charite.) 


(Eingegangen am 12. Januar 1927.) 


I. 


In einer früheren Mitteilung?) wurde über die Zunahme des an- 
organischen Phosphors während der Autolyse von Kaninchenlebern 
namentlich in ihrer Abhängigkeit von der Reaktion des Mediums be- 
richtet. In diesen Untersuchungen, die nur spätere Stadien der Autolyse 
(von der dritten Stunde an bis zu 24 und 48 Stunden) berücksichtigt 
haben, konnte unabhängig von dem Eiweiß- und Glykogenabbau eine 
starke Vermehrung des anorganischen Phosphors nachgewiesen werden, 
die im wesentlichen auf fermentative Spaltung der Nucleine und der 
Phosphatide zurückgeführt werden mußte. In vielen Fällen wurde 
jedoch zu Beginn der Autolyse die Menge der säurehydrolysierbaren 
Phosphorverbindungen größer gefunden als die direkt fällbare Phosphor- 
menge. Dieser Umstand führte uns dazu, den phosphorentbindenden 
Vorgängen im Beginn und in den ersten Stunden der Autolyse größere 
Aufmerksəmkeit zu schenken?) und zu versuchen, den vorhandenen 
„Phosphor“ in mehrere Fraktionen zu zerlegen. Zu diesem Zweck 
wurde der „nichtkolloidale‘“‘ Phosphor von dem „kolloidalen“ durch 
Sublimatfällung getrennt und der nicht kolloidale seinerseits in einen 
nicht spaltbaren und in einen durch Säure nur unter Druck spaltbaren 
Teil zerlegt. Dazu kamen dann die schon aus der vorigen Mitteilung 
bekannten Fraktionen: der direkt fällbare, anorganische Phosphor und 
der durch kurze Säurehydrolyse spaltbare Phosphatester. 


1) Diese Arbeit wurde mit Unterstützung der Notgemeinschaft der 
Deutschen Wissenschaft ausgeführt. 

2) P. Rona, E. Mislowitzer und S. Seidenberg, diese Zeitschr. 162. 87, 
1925. 

3) Vgl. über diesen Punkt die inzwischen erschienene Mitteilung von 
O. Jtiesser, Zeitschr. f. physiol. Chem. 161, 149, 1926. 


P. Rona u. E. Mislowitzer: Autolyse. VI. 123 


Der allgemeine Gang der Untersuchung war so, daß in einem aliquoten 
Teil der Lebersuspension (es wurden stets Kaninchen benutzt) nach Ver- 
aschung mit dem Neumannschen Säuregemisch die Menge des Gesamt- 
phosphats festgestellt wurde. Sämtliche Phosphorbestimmungen sind nach 
der Embdenschen Methode durchgeführt. Dann wurde die Suspension nach 
Schenck enteiweißt, in einem aliquoten Teil des Filtrats der direkt fällbare 
Phosphor bestimmt (Fraktion I). Ein anderer Teil des eiweißfreien Filtrats 
wurde 4 Stunden lang im siedenden Wasserbad am Rückflußkühler mit 
4proz. Salzsäure hydrolysiert, nach der Hydrolyse neutralisiert, das Phosphat 
wie oben bestimmt (Fraktion II). Ein weiterer Teil des eiweißfreien Filtrats 
wurde 6 Stunden lang mit 2proz. Salzsäure bei 21, Atmosphären im Auto- 
klaven erhitzt, dann neutralisiert, das Phosphat wie oben gefällt 
(Fraktion III). Im letzten Teil des Filtrats wurde nach Veraschung mit dem 
Neumannschen Säuregemisch und Neutralisierung der Gesamtphosphor 
des eiweißfreien Filtrats bestimmt. 


Untersucht man unter diesen Gesichtspunkten den im Moment 
des Todes vorhandenen Phorphor in der Leber, so findet man folgendes: 

In dem Versuch 1 (vgl. Protokoll S. 132) war die Verteilung der 
einzelnen Fraktionen, ausgedrückt in Prozenten des Gesamtphosphors, 
zu Beginn des Versuchs 


Fraktion I. ....2.2.22.2.9,84 
m IE. 5 3 2 20 00. 8 20: 12549 
eg IV 2. 02 5-8 5% 2-2 2 kee 
m IV......... 11,06 


Auf den kolloidalen (durch Subiimat fällbaren) Teil entfallen 
demnach fast 50 Proz. (49,36 Proz.) des gesamten Phosphors. Die 
übrigen 50 Proz. verteilen sich auf die vier Fraktionen, wobei besonders 
bemerkenswert die ‚Autoklavenfraktion‘ (Fraktion III) ist, die wesent- 
lich größer ist als die Fraktion der leicht spaltbaren Ester (Fraktion II). 
Darüber hinaus ist ein nicht unbeträchtlicher Teil des Phosphors nach- 
gewiesen der in so fester organischer Bindung vorhanden ist, daß er 
auch durch die Autoklavenbehandlung nicht {reigeiegt werden kann 
(Fraktion IV). 

In dem Versuch 2 (siehe Protokoll H 132) war die Verteilung in 
Prozenten des Gesamtphosphors. 


Fraktion I... ..2.02. 0. ..11,20 
Se Il: 2:2... .4.% sw 4.433,52 
III“: 2.4 2.08 a a 224597 

IV 3.2.6 8.0 2282 


Die Fraktionen des anorganischen und des leicht hydrolysierbaren 
Phosphors (I und II) sind nur unwesentlich von denen des ersten Ver- 
suchs verschieden. Weit größer sind jedoch die beiden anderen 
Fraktionen des nicht kolloidalen Phosphors, so vor allem der schwer 
spaltbare Phosphatester, der ein Viertel des ganzen Leberphosphors 
ausmacht, und der fast ebenso große nichtkolloidale, organisch 


124 P. Rona u. E. Mislowitzer: 


festgebundene Phosphor. Die Vermehrung dieser beiden Fraktionen 
ist anscheinend auf Kosten des kolloidalen Phosphors erfolgt, der 
gegenüber dem Versuch 1 ungefähr gerade ebensoviel kleiner ist als 
die beiden Fraktionen zusammen größer sind. 

In den folgenden Versuchen sollten die Veränderungen der un- 
mittelbar nach der Organentnahme gefundenen Phosphorfraktionen 
während einer kurzdauernden Autolyse festgestellt werden. 

Die Anfangswerte der Fraktionen im Versuch 3 (siehe Protokoll 3, 
S. 132) decken sich fast vollständig mit den Anfangswerten des ersten 
Versuchs. In Prozenten des Gesamtphosphors fand man: 


Fraktion I... aaa’ 9,04 
T 8 ar E 10,88 
Se RE u aeaa 20,02 
de EK ut e oe e 13,24 


Also wieder ungefähr die Hälfte (46,82 Proz.) kolloidaler Phosphor, 
die zweite Hälfte aufgeteilt auf die vier Fraktionen des nicht kolloidalen 
Phosphors mit besonders hohem Autoklavenwert. Dieser ist auch im 
Versuch 2 erkennbar, der ja sonst eine etwar andere Verteilung zeigt. 
Wir sehen also in der Leber ursprünglich rund 10 Proz. anorganischen 
Phosphor, rund 10 Proz. leicht hydro)ysierbaren Phosphorester, rund 
50 Proz. kolloidalen Phosphor und von den noch übrigbleibenden 
30 Proz. nicht kolloidalen Phcsphors 20 Proz. schwer hydrolysierbaren 
und 10 Proz. auch unter Druck mit Säure nicht hydrolysierbaren 
Phosphor. Diese Verteilung wird nun bei der Autolyse verschoben. 
Es werden zwei parallel verlaufende Autolysen, eine bei pe 6,1, die 
andere bei pu 8,2 angesetzt. In beiden Reihen konnte bei der Entnahme 
l und 2 Stunden nach Beginn des Versuchs ein Anwachsen der niedrigen 
Phosphorkomplexe auf Kosten der höheren beobachtet werden. Folgende 
Verteilung in Prozenten des Gesamtphosphors wurde gefunden: 


‚In dem Versuch | In dem Versuch 


00001 bei pg 612 | bei pg 823 
1. Entnahme nach 1 Stunde 
Fraktion I..... | 10,93 15,81 
Ra GEES 9,43 12,86 
s ll ass | 23,25 22,30 
Ne ag | 20,48 19,23 
ge een non 
Kolloid. Phosphor . .ı 35,96 | 31,18 
2. Entnahme nach 3 Stunden. 
Fraktion 1..... \" 1626 | 18,03 
S H ën aer l 20,51 26,08 
a II... | 20,08 | 16,10 
Vo aa 6.8 | 12,94 17,18 


Kolloid. Phosphor . . 3022 22,66 


Autolyse. VI. 125 


Der kolloidale Teil hat in diesem Versuch bei pu 6,1 schon in 
einer Stunde eine Abnahme von 10Proz. (von 47 auf 36 Proz.) des 
Gesamtphosphors erfahren, nach weiteren 2 Stunden beträgt er nicht 
mehr ganz zwei Drittel des ursprünglichen kolloidalen Phosphors. In 
dem Versuch bei pe 8.2 ist dieser letztere Wert schon nach 1 Stunde 
erreicht, während nach 3 Stunden der übrigbleibende kolloidale Phos- 
phor nur noch etwas weniger als die Hälfte des ursprünglich vorhandenen 
beträgt. Es sind also intensive Spaltungsvorgänge in den kolloidalen 
phosphorhaltigen Substanzen vor sich gegangen, die in 3 Stunden die 
Hälfte der Gesamtmenge betrafen. Kine Abhängigkeit von dem pa 
ist unverkennbar, da die Spaltung bei 8,2 erheblich schneller verlief 
als bei 6,1. 

Was die Verhältnisse der anorganischen Phosphatfraktion anlangt, 
so ist der Anfangswert von 9 Proz. (bei pa 6,1) in 1 Stunde nur um 
1,9 Proz. angewachsen, während in derselben Zeit der kolloidale Phosphor 
um 11 Proz., also um das Sechsfache abgenommen hat. Der Phosphor 
wird also bei der Spaltung der kolloidalen Phosphoranteile zunächst 
nicht anorganisch. Aus dem Vergleich der anderen drei Fraktionen 
des nicht kolloidalen Phosphors ist ersichtlich, daß der Zuwachs der 
Autoklavenportion und der der nicht hydrolysierbaren Fraktion sich 
gerade mit der Abnahme des kolloidalen Phosphors deckt. Die phosphor- 
haltigen kolloidalen Substanzen sind hier zum größten Teile nur so weit 
aufgespalten, daß sie nicht mehr kolloidal sind; enz leicht hydro- 
lysierbare Phosphoresterbindung tritt noch nicht auf. Wenn doch 
Ester vorliegen, so sind diese noch zu größeren Molekülkomplexen 
verbunden, die auch durch Säurehydrolyse im Autoklaven zum größten 
Teile nicht spaltbar sind. Es ergibt sich also: Spaltung des kolloidalen 
Phosphors zu nicht kolloidalen, gar nicht oder äußerst schwer säure- 
spaltbaren Verbindungen. 

Die zweite Abnahme in demselben Versuch ist auch sehr lehrreich. 
Die Abnahme des kolloidalen Phosphors ist weitergegangen. Jetzt 
sind aber auch die beiden Fraktionen III und IV vermindert, die 
zuerst ihr Material bei der Spaltung des kolloidalen Phosphors beziehen. 
Wir müssen die Abnahme dieser beiden Fraktionen um so höher be- 
werten, als sie ja auch noch die Abnahme des kolloidalen Anteils in 
sich schließt. Alle drei kleiner gewordenen Fraktionen haben ihr Material 
an die nächsten beiden (I und II) weitergeliefert, wie deren sehr starkes 
Anwachsen zeigt. 

Bei dem Versuch bei pa 8,2 ist die Aufspaltung des Phosphors von 
der kolloidalen Form über alle Zwischenstufen, bis herunter zur an- 
organischen, etwas stürmischer. Prinzipiell ist der Verlauf bei der 
einstündigen Autolyse in diesem Versuch der gleiche wie in dem Versuch 
bei 6,1, nur ist die Endaufspaltung etwas größer. Die dreistündige 


126 P. Rona u. E. Mislowitzer: 


Abnahme zeigt eindeutig, wie stark der anorganische und der leicht 
hydrolysierbare Phosphor auf Kosten des fester gebundenen zu- 
genommen hat; während die beiden untersten Fraktionen zu Beginn 
des Versuchs nur 19,9 Proz. des Gesamtphosphors ausmachen, haben 
sie hier nach 3 Stunden den Wert von 44,1 Proz. err:icht. Ob ein Teil 
des anorganischen Phosphors nicht während der Autolyse noch nach- 
träglich verestert worden ist, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. 
doch ist es unwahrscheinlich. 


Ein zweiter Versuch (Versuch 4, Protokoll S. 133) bei py 4.58 und 
6,82 ausgeführt, zeigt genau dasselbe Bild. Die Verteilung der einzelnen 
Fraktionen (in Prozenten des Gesamtphosphors) zeigt die folgende Tabelle. 


Zu Beginn war die Verteilung wie folgt: 


Fraktion I... .. . 12,20 
M LBE ET, 
ag, Ms 5 ea e 1982 
Ve ee EE 

Kolloid. Phosphor . . . . . . 29,23 


Im Verlauf der Autolyse wurde folgende Verteilung gefunden: 


o In dem Versuch | In dem Versuch 
| bei Dr 4,58 bei PH 6,82 
1. Entnahme nach 1 Stunde. 


Fraktion I... .. 18,09 | 19,35 
S Deo no. 950, | 1217 
Im. ` 2098 27.59 

o DN... 28988 1557 ` 

Kolloid. Phosphor . . 25,57 | 25,83 

2. Entnahme nach 3 Stunden. 

Fraktion I..... "19,74 26.58 
v LSK 1631 20,16 
>» M | 2132 16,98 
A o LEE | 1592 12.90 

Kolloid. Phosphor . . 23,61 | 2839 


Die Autolyse ist in diesem Versuch etwas langsamer verlaufen als 
in dem vorherigen; ein Unterschied in dem Gesamtverlauf, gemessen 
an der Abnahme des kolloidalen Phosphors. ist bei pe 4,6 und pa 6.8 
nicht zu bemerken. Jedoch ist die Verschiebung der Fraktionen 
bei pe 6.8 viel ausgeprägter als bej pa 4.6. Diese Verschiebung 
zeigt nun in den wesentlichen Punkten dieselben Züge wie im 
Versuch 3: Zunahme der niederen Fraktionen (des anorganischen und 
des leicht hydrolysierbaren Phosphors) während der Autolyse auf 
Kosten der höheren. Der kolloidale Phosphor weist bei allen eine 
Abnahme auf. Was die einzelnen Fraktionen anlangt, so ist nach 


Autolyse. VI. 127 


1 Stunde im Versuch bei pu 4.58 in den zwei ersten Fraktionen noch eine 
leichte Zunahme zu verzeichnen, während im Versuch bei pa 6,8 
Fraktion IV bereits sehr stark (von 24,90 auf 15,57 Proz.) abgenommen 
hat unter gleichzeitiger, fast entsprechender Zunahme der Fraktion III. 
Interessant ist die Zunahme des anorganischen Phosphors auf Kosten 
des leicht hydrolysierbaren in beiden Versuchsreihen. Nach 3 Stunden 
ist die Vermehrung weiter fortgeschritten. Namentlich deutlich ist 
dies im Versuch bei py 6,82 zu erkennen, wo die Fraktionen III und IV 
und der kolloidale Teil 20.17 Proz. ab-, die Fraktionen I und II 20,19 Proz. 
zugenommen haben. 

Prinzipiell dieselben Verhältnisse liegen im Versuch 5 (Protokoll 
S. 133) vor, doch sind infolge der geringfügigen Autolyse die Aus- 
schläge nicht so deutlich. 


Zu Beginn war die Verteilung wie folgt: 


Fraktion I .... 2.. . . 13,49 Proz. 
ge E ` gë e, Ad % 8: 8:10,19 
e SR g eanu e awe Gl g 
> IV wu ee rd. e 
Kolloid. Phosphor . . . . . . 37,52 Proz. 


Im Verlauf der Autolyse wurde folgende Verteilung gefunden: 


|| In dem Versuch. In dem Versuch 
bei PH Gm bei py 8.25 


Entnahme nach 3 Stuuden. 


Fraktion I..... | 16.47 18.29 

g E 1324 15,86 

„ II... 1582 12,80 
a DN. Bä | Dm ` 
Kolloid. Phosphor . . 82,95 | 33297 


II. 


Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, daß während der 
Autolyse in der Verteilung des Phosphors eine Verschiebung statthat. 
Die ursprüngliche Verteilung, in der wir einen im Leben vorhandenen 
Zustand angenähert erblicken können, weist schon, wie oben dargelegt, 
charakteristische Merkmale auf. Die Verschiebung beruht im wesent- 
lichen darauf. daß der kolloidale Teil über Zwischenstufen zu schwer-, 
dann zu leicht-spaltbaren Estern und schließlich zum erheblichen Te‘le 
zu anorganischem Phosphor überführt wird. Für die leicht spaltbaren 
Ester ist es am naheliegendsten, ein Mono- oder Disaccharosephosphat 
anzunehmen. Die nächstfolgenden Versuche haben zur Aufgabe, 
Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, inwieweit man diesen Ester mit 
diesem Hexosephosphat identifizieren kann und ob bei der leicht 


128 P. Rona u. E. Mislowitzer: 


spaltbaren Fraktion eventuell auch andere Esterarten in Frage kommen. 
Für die schwer spaltbare Form muß man wohl höhere Komplexe an- 
nehmen, die unter Autoklavenbehandlung ihr Phosphat anorgani.ch 
abgeben. Ihr Verhalten bei der Autolyse ist noch nicht geklärt. Es ist 
möglich, daß sie durch die Einwirkung der Fermente ebenfalls an- 
organisches Phosphat abspalten, dieser anorganische Phosphor aber 
sofort mit der vorhandenen Hexose verestert wird, und daß es dadurch 
zu der Vermehrung der leicht spaltbaren Fraktion kommt. Oder ist 
die leicht spaltbare Form (also wohl die Hexoseester) schon in den 
schwer spaltbaren größeren Komplexen präformiert vorhanden? Die 
Entscheidung hierüber läßt sich nur nach Isolierung der schwer spalt- 
baren Komplexe, ihrer Aufspaltung und Bestimmung erbringen. Unsere 
Untersuchungen erstreckten sich zunächst auf die leicht spaltbare Form. 

Die Untersuchung auf Äquivalenz zwischen Hexose- und Phosphat- 
werten läßt sich ohne weiteres nicht anstellen, da die Reduktionswerte 
durch die unvermeidliche Anwesenheit gleichzeitig vorhandener Zucker- 
mengen (Spaltung des Glykogens in der Autolyse) in keine Beziehung 
zu den Phosphatwerten zu setzen sind. Wir haben versucht, die Schwierig- 
keit dadurch zu beseitigen, daß wir die Glykogenmengen durch Hungern- 
lassen der Tiere möglichst niedrig hielten, ferner den vorhandenen 
Zucker ganz oder zum Teil vergoren haben. Hierbei darf, wenn der 
Zucker (auch der Zucker in Form von Hexosephosphat) vergoren 
wurde und der ganze Phosphatester als ‚Hexosephosphat‘‘ vorliegt, 
am Schluß kein hydrolysierbarer Ester vorhanden sein. Wurde nach 
der (nicht vollständigen) Vergärung noch ein Reduktionswert gefunden, 
so konnte man nachsehen, ob eine stöchiometrische Beziehung zwischen 
dem noch vorhandenen Reduktionswert (auf Glucose berechnet) und 
dem Phosphatwert, der nach leichter Hydrolyse gewonnen wird, besteht. 
Wurde eine Beziehung gefunden, die auf Hexosemono- oder -diphosphor- 
säure stimmt, so war eine gewisse Berechtigung vorhanden, diese leicht 
spaltbare Fraktion als Hexosemono- oder -diphosphorsäure anzusehen. 
Wurde nach der leichten Hydrolyse mehr Phosphat gefunden als dem 
Reduktionswert entsprechen konnte, so hätte man Anhaltspunkte für 
die Annahme anderer Ester. Das Nicht-Auftreten von anderen als 
Hexoseestern spricht jedoch nicht mit voller Sicherheit gegen die 
ursprüngliche Anwesenheit solcher Verbindungen, da sie möglicher- 
weise bei der Hefebehandlung fermentativ gespalten und sich so dem 
Nachweis als Ester entziehen konnten. Entscheidender sind natürlich 
positive Befunde, da diese nicht anders zu deuten sind, ais durch die 
Anwesenheit nicht vergärbarer und nicht reduzierender Ester. 

Der allgemeine Gang der Untersuchungen war der folgende. 


Ein Teil der Lebersuspension wurde mit kolloidalem Eisenhydroxyd 
enteiweißt, mit Quecksilberacetat behandelt und nach Bertrand der Re- 


Autolyse. VI. 129 


duktionswert bestimmt. Ein weiterer Teil der Suspension wurde nach 
Schenck enteiweißt, dann mit Hefe versetzt, nach der Vergärung mit 
Sublimat, dann mit Quecksilberacetat behandelt, und in aliquoten Teilen 
der Reduktionswert nach Bertrand und die einzelnen Phosphorfraktionen 
(direkte, leicht hydrolysierbare, schwer — im Autoklaven — hydrolysier- 
bare und nicht hydrolysierbare Fraktion) bestimmt. 


Die einzelnen Versuche ergaben folgendes: 


Versuch 11 (vgl. Protokoll S. 133). 
Phosphatwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion 1... .0.02.0...106,0 mg P,O, 
j UE asss we 141,66 „. P0, 
e Hle c a we: 1958 ou. PO; 
„ IV.. f 210,2 „ P,O, 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 252 mg, nach der Hefe- 
behandlung 91 mg. 
Es kommen 0,508 Millimol Phosphorsäure auf 0,505 Millimol 
Zucker. 
Versuch 12 (vgl. Protokoll S. 133). 
Phosphatwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion I...... . . 129,5 mg P,0;, 
m Il. aana 470,8: oe Eat 
j Hiean ui up DEE, e 220: 
og IV eiser e . 246,6 o P0; 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 450 mg, nach der Hefe- 
behandlung 105 mg. 
Es kommen 0,582 Millimol Phosphorsäure auf 0,583 Millimol 
Zucker. 
Versuch 13 (vgl. Protokoll S. 134). 


Phosphorwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion I.. ... . . . 229,05 mg P,O, 
H Ieg 09-408: Ed u BO, 
ep III > eg e dér 23072. 5.50, 
d IV va e 319,7 ,„ P,O, 


Zuckerwerte: Vor der EE 426 mg. nach der Hefe 
behandlung, 13,44 mg. 
Es kommen 0,344 Millimol Phosphorsäure auf 0,075 Millimol 
Zucker. 
Versuch 14 (vgl. Protokoll S. 134). 


Phosphorwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion I... ...0...291,41mg P,O, 
e Io #2. 4. 8. & 7830,93: 45: P O0; 
m Hlo 2 & 3 Se SIE ar PO; 
ge ER, >26 22993 ën, BEER 


Biochemische Zeitschrift Band 183. 9 


130 P. Rona u. E. Mislowitzer: 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 376 mg, nach der Hefe- 


behandlung 44,4 mg. 
Es kommen 0,552 Millimol Phosphorsäure auf 0,246 Millimol 


Zucker. 
Versuch 15 (vgl. Protokoll S. 134). 


Phosphorwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion I........ 238,5 mg P,O, 
y EE re er 283,2 ,„ P,O, 
Se EE 2.5 2 e t 312,4 ,„ P,O, 
e EK ele, 2.03 319,0 ,„ P,O, 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 534 mg, nach der Hefe- 


behandlung 150 mg. 
Es kommen 0,70 Millimol Phosphorsäure auf 83 Millimol Zucker. 


Versuch 16 (vgl. Protokoll S. 134). 
Phosphorwerte nach der Hefebehandlung: ` 


Fraktion 1........ 175,18 mg P,O, 
Se 8 ENEE 5% 205,8 „ PO; 
vi II 2:0: éi e 928 238,12 „ P,O, 
Ge A e el E 261,14 „ P,O, 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 378 mg, nach der Hefe- 


behandlung 37,24 mg. 
Es kommen 0,430 Millimol Phosphorsäure auf 0,21 Millimol Zucker. 


Versuch 17 (vgl. Protokoll S. 134). 
Phosphorwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion 1.....2.0.% 180,32 mg Deh 
F Ions 5% a 209,28 „ P,O, 
P 111.22 8 An ei E 0 245,6 „ P,O, 
y IV. gea 22: i a 267,28 „ P,O, 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 414,0 mg, nach der Hefe- 


behandlung 25,20 mg. 
Es kommen 0,406 Millimol Phosphorsäure auf 0,140 Millimol 


Zucker. 
Versuch 20 (vgl. Protokoll S. 134). 


Phosphorwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion. Is 2 2: 08 % 127,76 mg P,O, 
Ar Dia u re 133,36 „ P0; 
5 Ale a ee G 178,64 „ P,O, 


Pe: PER 185,2 „ P,O, 


Autolyse. VI. 131 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 366 mg, nach der Hefe- 
behandlung keine Reduktion. 
Der direkt fällbare Phosphor nimmt (so gut wie) nicht zu nach 
der Hydrolyse. 
Versuch 21 (vgl. Protokoll S. 134). 


Phosphorwerte nach der Hefebehandlung: 


Fraktion I1I........ 125,34 mg P,O, 
d Moea k e 138,88 „ P,O, 
e EE en E Aë ër 210,88 „ P,O, 
Se IVa aoa a 233,28 „ P,O, 


Zuckerwerte: Vor der Hefebehandlung 492 mg, nach der Hefe- 
behandlung keine Reduktion. 

Der direkt fällbare Phosphor nimmt (fast) nicht zu nach der 
Hydrolyse. 

Wie aus den Versuchen ersichtlich ist, gelang in einigen Fällen 
eine völlige Vergärung, d.h. nach der Vergärung war keine Reduktion 
vorhanden. In anderen Fällen blieb jedoch eine mehr oder weniger 
starke Reduktion übrig. Wo keine Reduktion mehr gefunden wurde 
(Versuche 20, 21), war auch (fast) kein leicht hydrolysierbarer Phosphat- 
ester mehr vorhanden. Die Wägungsdifferenz an P,O, vor und nach 
der Hydrolyse beträgt absolut nur 3 bis 4 mg, d.h. nur etwa 5 Proz. 
der gewogenen Menge. Wollen wir diese Summe als außerhalb der 
Fehler betrachten, so müssen wir sie auf nicht reduzierende, nicht 
vergärbare Ester beziehen. 

Hierfür sprechen die Ergebnisse der Versuche 13 und 17 (und 
vielleicht auch 14). wo der leicht hydrolysierbare Phospha:wert größer 
ist als selbst der Äquivalenz eines Diphosphats entspricht. Die meisten 
anderen Versuche, 15, 16, 11 und 12, zeigen eine genaue Äquivalenz, 
wie sie einem Hexosemono- bzw. einem Hexosediphosphat entspricht. 
Die leicht spaltbare Esterfraktion besteht also wahrscheinlich zum 
größten Teile aus dieser Verbindung. Hierüber sind noch weitere 
Untersuchungen im Gange). 


Zusammenfassung. 


l. Der im Leberbrei unmittelbar nach dem Tode gefundene Phosphor 
kann in mehrere Fraktionen zerlegt werden: in einen kolloidalen und 
einen nicht kolloidalen Teil, und der letztere weiterhin — außer dem 
direkt fällbaren anorganischen Phosphor — in einen leicht, in einen 
schwer (nur im Autoklaven) hydrolysierbaren und in einen überhaupt 
nicht spaltbaren Teil. 


1) Vgl. hierzu O. Riesser Le, ferner E Schmitz, Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 144, 196, 1925. 


9% 


132 P. Rona u. E. Mislowitzer: 


2. Während der Autolyse erleidet die Verteilung dieser Fraktionen 
eine Verschiebung, die im wesentlichen darauf beruht, daß der kolloidale 
Teil über Zwischenstufen zu schwer, dann zu leicht spaltbaren Estern, 
schließlich zum erheblichen Teil zu anorganischem Phosphor überführt 
wird. 

3. Die durch Säure leicht hydrolysierbare Fraktion besteht an- 
scheinend im wesentlichen aus Hexosedi- bzw. -monophosphorsäure. 
Außerdem ist jedoch wahrscheinlich noch ein nicht reduzierender und 
nicht gärender Phosphatester darin vorhanden. 


Auszug aus den Protokollen. 


Versuch 1. 38g Kaninchenleber + 100 ccm ‚destilliertes Wasser. 
Zweimal 25 ccm nach Schenck enteiweißt auf 200 ccm aufgefüllt. 


I. Direkte Phosphatfällung. In 60 ccm des eiweißfreien Filtrats gefunden 
1,603 mg P,O,. Auf 100 g Leber berechnet 77,62 mg P,O,. — II. Phosphat- 
jallung nach der Hydrolyse. 50ccm vom eiweißfreien Filtrat in 4 Proz. HO 
4 Stunden am Wasserbad hydrolysiert, dann neutralisiert, auf 100 ccm 
aufgefüllt, in 50 ccm P gefällt. Gefunden 1,515 mg P,O,. Auf 100 g Leber 
176,06 mg P,O,. — III. Phosphatfällung nach Erhitzen im Autoklaven. 
50 ccm des enteiweißten Filtrats wurden mit 2proz. HCl 6 Stunden bei 
21, Atmosphärendruck im Autoklaven erhitzt, neutralisiert, auf 100 ccm 
aufgefüllt, 50 ccm nach Embden behandelt. Gefunden 2,685 mg P,O,, auf 
100 g Leber 311,9 mg. — IV. Gesamtphosphor im eiweißfreien Filtrat. 25 ccm 
des eiweißfreien Filtrats mit Neumannschen Säuregemisch verascht, 
neutralisiert, auf 50 ccm aufgefüllt, davon 20 ccm gefällt. Gefunden 
1,374 mg P,O,, auf 100 g Leber 399,1 mg. — V. Gesamtphosphor. Zweimal 
5ccm der Lebersuspension wurden nach Neumann verascht, auf 100 cem 
aufgefüllt, davon 10 ccm gefällt. Gefunden 1,085 mg P,O,, auf 100 g Leber 
788,1 mg. 


Versuch 2. 54,9g Kaninchenleber + 120 ccm destilliertes Wasser. — 
Sonst wie Versuch 1 behandelt. — I. Direkte Phosphatfällung. Gefunden 
2,15lmg P,O,. auf 100g Leber 92,39 mg. — II. Phosphatfällung nach 
Hydrolyse (Fällung in 40 ccm). Gefunden 1,603 mg P,O,; auf 100 g Leber 
206,55 mg. — III. Phosphatfällung nach Erhitzen im Autoklaven (Fëllung 
in 40 ccın). Gefunden 3,238 mg P,O,, auf 100 g Leber 417,28 mg. — IV. Ge- 
samtphosphat im eiweißfreien Filtrat. Gefunden 1,88 mg P,O,; auf 100g 
Leber 605,68 mg PO, — V. Gesamtphosphor. Gefunden 1,31 mg P,O;; 
auf 100 g Leber 844,09 mg. 


Versuch 3. 55g Kaninchenleber + 200 ccm destilliertes Wasser. Je 
100 ccm von der Suspension 1. zu 100 cem Acetatgemisch (m/5, pa 6,12), 
2. zu Boratgemisch m/5, py 8,23. — I. Direkte Phosphatfällung (60 cem 
gefällt). — II. Phosphatfällung nach Hydrolyse. (Vom eiweißfreien Filtrat 
50 cem hydrolysiert, auf 100 cem aufgefüllt, 60 cem gefällt.) — III. Phosphat- 
fällung nach Erhitzen im Autoklaven. 50 cem autoklaviert, auf 100 ccm auf- 
gefüllt, in 60 cem gefällt. — IV. Gesamtphosphat im eiweißfreien Filtrat. 
25 ccm verascht, auf 50 ccm aufgefüllt, in 25 ccm gefällt. — V. Gesamt- 
phosphat. 5 cem der Suspension verascht, auf 100 cem aufgefüllt; in 15 ccm 
gefällt. — Alle Zahlen mg P,O, (in Klammern mg P,O, auf 100 g Leber). 
Gesamtphosphat: gefunden 1,32 mg P,O,; auf 100 g Leber 817,8 mg P,O,. 


Autolyse. VI. 133 


Anfangswert. 1. 0,718 (73.96); II. 1,015 (162,90); III. 1,58 (326,62); 
IV. 0,88 (434,91). | 

Versuchsreihe bei py 6,12. Abnahıne nach 1 Stunde. I. 0,87 (89,34); 
Il. 1.03 (166,49); III. 1,73 (356,66); IV. 1,06 (523,69). — Abnahme nach 
3 Stunden. (Je 30 ccm enteiweißt, auf 200 cem aufgefüllt.) I. 1,21 (125,17); 
JI. 1,12 (230,32); III. 2,01 (412,70); IV. 1,14 (562,78). 

Versuchsreihe bei py 8,23. Abnahme nach 1 Stunde. I. 1,29 (132,92); 
II. 1,46 (300,66); III. 2,256 (464,85); IV. 1,154 (570,66). 


Versuch 4. 69g Kaninchenleber + 200 cem destilliertes Wasser. Je 
100 cem von der Suspension 1. zu 100 cem Lactatgemisch (m/5, pu 4,58), 
2. zu 100 cem Boratgemisch (m/5, pu 6,82). — Sonst wie im Versuch 3. — 
Zahlen Milligramm P,O,. Gesamtphosphor: gefunden 1,32 (687,75). 

Anfangswert. I. 0,97 (83,94); II. 1,05 (182,65); III. 1,82 (315,52); 
IV. 1,40, (486,79). 

Versuchsreihe bei py 4,58. — Abnahme nach 1 Stunde: I. 1,44 (124,40); 
II. 1,09 (189,20); III. 1,94 (333,57); IV. 1,48 (511.91). — Abnahme nach 
3 Stunden (30 ccm enteiweißt, auf 200 cem aufgefüllt). I. 1,57 (135,78); 
II. 1.43 (247,95); IJI. 2.28 (394,93); IV. 1.52 (525.02). 

Versuchsreihe bei pp 6.82. Abnahme nach 1l Stunde: I. 1,54 (133,06); 
II. 1.25 (216,76); III. 2,35 (406,47); IV. 1,48 (513,56). — Abnahme nach 
3 Stunden: I. 2.11 (182,81); II. 1,58 (321,44); III. 2,53 (438,21); IV. 1,52 
(526,90). 


Versuch 5. 15g Kaninchenleber + 200 cem destilliertes Wasser. Je 
100 cem von der Suspension 1. zu 100 cem Acetatgemisch (m/5, pn 6,08), 
2. zu 100 cem Boratgemisch (m/d, pp 8,25). Sonst wie im Versuch 2 und 3. 
Zahlen Milligramm P,O,. Gesamtphosphor: gefunden 1,81 (886,36). 

Anfangswert. I. 1,47 (119,52); II. 1,62 (263,01); III. 2,10 (343,06); 
IV. 1,42 (553,82). 

Versuchsreihe bei py 6,08. Abnahme nach 3 Stunden: I. 1,79 (145,96); 
JI. 1.64 (263,33); III. 1,65 (403,69); IV. 1,52 (594,27). 

Versuchsreihe bei py 8.25. Abnahme nach 3 Stunden: I. 1,99 (162,14); 
II. 1.86 (302,69); III. 1,70 (416,18); IV. 1,51 (591,44). 


Versuch 11. 90g Kaninchenleber + 150 cem. — 25cem Suspension 
mit kolloidalem Eisen enteiweißt, auf 200 cem aufgefüllt, davon 25 ccm 
Quecksilberacetat behandelt. — In 75cem wurden nach Bertrand 252 mg 
Glucose gefunden. — 75 cem Suspension wurden nach Schenck enteiweißt, 
mit Hefe vergoren, mit Sublimat und Quecksilberacetat behandelt, auf 
500 cem aufgefüllt (‚Versuchslösung‘‘). 

Nach der Hefebehandlung sind in beem Suspension noch 91 mg 
Glucose vorhanden. S 


Phosphorbestimmung. (Zahlen Milligramm P,O,. In den Klammern 
Werte für 75 ccm Suspension.) I. (10 cem gefällt) 2,12 (106,0). II. (25 ccm 
in 4proz. HCl im Wasserbad, auf 50 eem aufgefüllt, davon 20 cem gefällt) 
2,83 (141,66). III. (25 ccm mit 2proz. HCl 6 Stunden bei 21%, Atm., dann 
auf 100 cem aufgefüllt, davon 10 cem gefällt) 0,98 (195,80). IV. (25 ccm 
verascht, auf 100 ccm aufgefüllt, davon 10 ccm gefällt) 1,05 (210,20). 


Versuch 12. 50 g Kaninchenleber + 80 ccm destilliertes Wasser. Wie 
oben behandelt. Zu 75 ccm Suspension 450 mg Glucose. 


134 P. Rona u. E. Mislowitzer: Autolyse. VI. 


75ccm Suspension wie oben behandelt. Nach der Hefebehandlung 
noch 105 mg Zucker vorhanden. 

Phosphorbestimmung. (Zahlen wie oben.) I. 2,59 (129,50); II. 1,708 
(170,8); III. 2,32 (232,0); IV. 1,23 (246,6). 


Versuch 13. 65g Kaninchenleber + 100 ccm destilliertes Wasser. 
Wie oben behandelt. In 75 ccm der Suspension 426 mg Glucose. 

75ccm Suspension wie oben behandelt. Nach der Hefebehandlung 
13,44 mg Glucose. 

Phosphorbestimmung (Zahlen wie oben). I. 3,58 (229,06); II. 3,96 
(253,57); III. 1,20 (307,2); IV. 1,25 (319,7). 


Versuch 14. 60g Kaninchenleber + 100 ccm destilliertes Wasser. 
Wie oben behandelt. In 50 cem der Suspension 376 mg Glucose. 

50 ccm Suspension wie oben behandelt. Nach der Hefebehandlung 
noch 44,4 mg Glucose vorhanden. 

Phosphorbestimmung. (Werte in den Klammern auf 50 ccm Sus- 
pension.) I. 1,97 (291,41); II. 2,24 (330,93); III. 2,69 (398,1); IV. 1.35 
(399,30). 


Versuch 15. 43,5g Kaninchenleber + 80 ccm destilliertes Wasser. 
Wie oben behandelt. In 75ccm der Suspension 534 mg Glucose. 

In 75ccm der Suspension nach der Hefebehandlung noch 150 mg 
Glucose. 


Phosphorbestimmung. (Werte in den Klammern auf 75 ccm Suspension). 
I. 2,38 (238,5); II. 1,44 (288,2); III. 1,56 (312,40); IV. 0,79, (319,8). 


Versuch 16. 42 g Kaninchenleber + 80 ccm destilliertes Wasser. Wie 
oben behandelt. In 75ccm Suspension 378 mg Glucose. Nach der Hefe- 
behandlung in 75 ccm Suspension 37,24 mg. 


Phosphorbestimmung (Zahlen wie oben). I. 2,30 (175,18); II. 1,35 
(205,80,); III. 1,57 (238,12); IV. 1,72 (261,14). 


Versuch 17. 44 g Kaninchenleber + 80 cem destilliertes Wasser. Wie 
oben behandelt. In 75 cem Suspension 414,0 mg Glucose; nach der Ver- 
gärung 25,20 mg. 

Phosphorbestimmung (Zahlen wie oben). I. 2,25 (180,32); II. 1,31 
(209,28); III. 1,54 (245,6); IV. 1,60 (267,28). 


Versuch 20. 66 g Kaninchenleber + 100 cem destilliertes Wasser. Wie 
oben behandelt. In 75cem Suspension 366 mg Glucose; nach der Ver- 
gärung keine Reduktion. 

Phosphorbestimmung (Zahlen wie oben). I. 1,59, (127,76); II. 1,66, 
(133,36); III. 178,64; IV. 185,20. 


Versuch 21. 65 g Kaninchenleber + 100 ccm destilliertes Wasser. Wie 
oben behandelt. In 75ccm Suspension 492 mg Glucose; nach der Ver- 
gärung keine Reduktion. 


Phosphorbestimmung (Zahlen wie oben). I. 1,57 (125,34); II. 1,64 
(130,88); III. 2,64 (210,88); IV. 1,45, (233,28). 


Der Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 


Von 
Kurt Noack. 


(Aus dem Botanischen Institut der Universität Erlangen.) 


(Eingegangen am 13. Januar 1927.) 


Der Chlorophylifarbstoff ist bekanntlich an besondere Organe des 
Protoplasmas, an die Chloroplasten, gebunden, die als lebende Zell- 
bestandteile organisiertes Eiweiß besitzen, außerdem regelmäßig Lipoide 
und neben dem Chlorophyll a und b mindestens zwei weitere Farbstoffe, 
das Carotin und Xanthophyll, führen!). Ein tieferer Einblick in den 
Bau des Chloroplasten ist bis jetzt nicht gewonnen worden; die allent- 
halben beschriebenen Inhomogenitäten der Chloroplastenmasse ge- 
statten keine allgemeine Schlußfolgerung, zumal nach den Literatur- 
angaben der wesentliche Bestandteil des normalen Chloroplasten im 
allgemeinen als optisch homogen betrachtet: werden muß. Besonders 
wichtig ist im Hinblick auf die Photosynthese die Frage nach dem 
Zustand des Chlorophylis im lebenden Chloroplasten. 


Hierbei sind folgende Tatsachen vornehmlich zu berücksichtigen: 


In manchen organischen Stoffen löst sich das Chlorophyll 
molekulardispers und zeigt dabei starke Rotfluoreszenz, während es sich 
in Wasser kolloidal löst, ohne Fluoreszenz zu zeigen. Willstätter und 
Stoll kamen nun, wie schon andere Autoren vor ihnen, auf Grund spektro- 
skopischer Vergleiche zwischen lebenden Blättern und verschiedenen 
Chlorophyllösungen zu dem Schluß, daß die Chloroplasten den Farbstoff 
in kolloidalem oder einem diesem sehr ähnlichen Zustande fübren?). Zu 
dieser Folgerung wurden die beiden Forscher außerdem durch das Ver- 
halten der Chloroplasten gegen die verschiedenen organischen Lösungs- 
mittel gedrängt. Demgegenüber griff Stern?) die schon seit langem 


1) R. Willstätter und A. Stoll, Untersuchungen über d. Chlorophyll. 
Berlin 1913. 

2) Dieselben, ebendaselbst, S. 61. 

3) K. Stern, Zeitschr. f. Botanik 18, 193, 1921. 


136 K. Noack: 


bekannte Tatsache auf, daß das Chlorophyll im lebenden Blatte stark 
rot fluoresziert, und kam unter ergänzender Heranziehung von Modell- 
versuchen zu dem Schluß, daß der Farbstoff in den Lipoiden des Chloro- 
plasten molekulardispers gelöst ist, und zwar so, daß der Chloroplast 
„ein Emulsionskolloid oder eine Emulsion von Chlorophyllipoid und 
hydroider protoplasmatischer Grundsubstanz‘“ darstellt. Mit dieser 
Annahme glaubt Stern zugleich die hohe Empfindlichkeit des Assi- 
milationsvorgangs gegen oberflächenaktive Stoffe erklären zu können. 
Willstätter!) erhob gegen diese Auffassung unter Aufrechterhaltung 
seines alten Standpunkts mit aller Entschiedenheit Widerspruch und 
bemerkt: 


„Befunde über das Verhalten des Chlorophylis im Blatte sprechen 
dafür, daß sich das Pigment der Chloroplasten nicht frei, molekular gelöst, 
sondern, wenigstens in der Hauptmenge, in einem Adsorptionszustand 
befindet, der sein Löslichkeitsverhalten entstellt.‘“ 

Eine ähnliche Ansicht wird von Lubimenko?) vertreten, der eine 
Bindung, und zwar eine vermutlich chemische Bindung des Farbstoffs 
an Eiweiß annimmt. Er erhielt aus Aspidistrablättern wässerige 
Chlorophyllauszüge, in denen der Farbstoff mit Alkohol wie ein Eiweiß- 
körper ausgefällt werden kann und die spektroskopisch mit dem 
Chlorophyll im lebenden Blatte übereinstimmen. Nach Ansicht des 
Verfassers ist in dieser Untersuchung keine sichere Entscheidung 
gegeben, da auch die von Stern als wesentlich erachteten Chloroplasten- 
lipoide mindestens zum Teil in die Auszüge übergehen werden. Die 
Fluoreszenz hat Lubimenko nicht berücksichtigt. Auch die ..Eiweiß- 
Chlorophyliverbindungen‘“, die Eisler und Portheim?) durch Zusatz 
von Serum oder von wässerigen Pflanzenextrakten zu alkoholischen 
Blattauszügen erzeugt haben und deren Fluoreszenz sie betonen, sind 
zur Klärung der Frage nach dem Zustande des Farbstoffs im lebenden 
Blatte wegen ihres Lipoidgehalts nicht geeeignet. 

Von der funktionellen Seite ausgehend kam der Verfasser?) zur 
Ablehnung der Chlorophyllauflösung in den Chloroplastenlipoiden, un- 
geachtet der Fluoreszenz, die im lebenden wie im abgetöteten Blatte 
nachweisbar ist. Er zeigte, daß im Blatte, dessen Assimilationstätigkeit 
gehemmt worden war, wie auch in abgetöteten Blättern photooxydative 
Prozesse vor sich gehen, die den fluoreszierenden Zustand des Farbstoffs 
zur Voraussetzung haben, und fand weiterhin eine fast normale Photo- 
oxydationsgröße in Blättern, denen nach Trocknung die Lipoide mittels 


1) R. Willstätter, Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 35, 3601, 1922. An- 
merkung auf S. 3604. 

2) V. Lubimenko, C. r. Acad. Sc. Paris 178, 365, 1921. 

3) M. Eisler und L. Portheim, diese Zeitschr. 180, 497, 1922. 

4) Kurt Noack, Zeitschr. f. Bot. 17, 481, 1925. 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 137 


Petrolätherextraktion unter Erhaltung des Chlorophyligehalts möglichst 
entzogen worden waren. 

Aus den mitgeteilten Befunden heben sich folgende Einzelheiten 
heraus: 1. Rotfluoreszenz im lebenden und im toten Blatte, die an sich 
der Annahme einer echten Chlorophyllösung im Chloroplasten günstig 
ist, 2. die von Willstätter mit guten Gründen gestützte Möglichkeit 
einer Bindung des Farbstoffs an andere hochmolekulare Stoffe. 

Im vorliegenden Bericht glaubt der Verfasser den experimentellen 
Nachweis einer irgendwie gearteten Bindung des Chlorophylis an 
Chloroplasteneiweiß zu liefern und mit der Fluoreszenz des lebenden 
Blattes in Einklang zu bringen. 


Allgemeine Methoden. 


Zunächst wurde versucht, fluoreszierende Chlorophylladsorptions- 
verbindungen im Modell herzustellen. Nachdem dies gelungen war, wurden 
die Chloroplasten selbst untersucht. 

Infolge der lichtzerstreuenden Wirkung der Nebenbestandteile des 
Versuchsmaterials war sichtbares Licht zur Feststellung der Rotfluoreszenz 
ungeeignet, so daß die Untersuchungen teils makro-, teils mikroskopisch 
mit der Zeissschen Lumineszenzeinrichtung im ultravioletten Licht vor- 
genommen werden mußten. 


I. Modellversuche mit verschiedenen Adsorbentien. 


1. Versuche mit „Aluminiumhydroryd C“. 


Als brauchbarstes Adsorptionsmittel erwies sich ‚Aluminium- 
hydroxyd CC. das von Willstätter zur Fermentreinigung verwandt 
worden ist und das nach der Methode von Willstätter und Kraut!) 
hergestellt wurde. 

Zunächst wurde eine kolloidale, also nicht fluoreszierende, wässerige 
Lösung von chemisch reinem Chlorophyll a + b mit feuchtem Alumi- 
niumhydroxyd C geschüttelt, wobei vollständige Adsorption eintrat. 
Jedoch zeigte das durch Zentrifugieren abgeschiedene Präparat keine 
Rotfluoreszenz, auch nicht in dünnster Schicht unter dem Mikroskop. 
Auch nach Trocknen über Phosphorpentoxyd im Vakuum war keine 
Rotfluoreszenz wahrzunehmen. Nach Zusatz von leichtsiedendem 
Petroläther war ebenfalls keine Fluoreszenz zu bemerken, wohl aber 
nach Zusatz von höher siedendem, der das Auftreten roter Höfe um 
die einzelnen Aluminiumhydroxydteilchen verursachte. Der letzte 
Befund steht im Einklang mit der Löslichkeit des Chlorophylis, das sich 
in reinem Zustande nur in höher siedendem Petroläther löst und dabei 
zur Fluoreszenz kommt. Fs sind also in dem beschriebenen Falle, wie zu 


1) R. Willstätter und H. Kraut, Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 56, 1117, 
1923. 


138 K. Noack. 


erwarten stand, die kolloiden Farbstoffteilchen als solche von dem 
feuchten Aluminiumhydroxyd adsorbiert worden. 

Nicht anders war der Befund, als molekulardisperse Chlorophyll- 
lösungen in verschiedenen organischen Lösungsmitteln mit feuchtem 
Aluminiumhydroxyd geschüttelt wurden. Es wurde z.B. eine durch 
Zusatz von wenig Methylalkohol in leichtsiedendem Petroläther her- 
gestellte, stark fluoreszierende Farbstofflösung mit dem Adsorbens 
geschüttelt. Bei allen angewandten Farbstoffkonzentrationen trat 
vollständige Adsorption ein; auch hier zeigte sich nach Entfernung 
des Lösungsmittels im Vakuum keine Spur einer Rotfluoreszenz. Der 
Farbstoff hatte also bei der Adsorption entweder seinen molekular- 
dispersen Zustand verloren oder hat, was ebenfalls denkbar wäre, 
infolge der adsorptiven Bindung die Fluoreszenzfähigkeit ohne Änderung 
des molekulardispersen Zustandes eingebüßt. Im ersten, näherliegenden 
Falle war an die Mitwirkung des im Aluminiumhydroxyd vorhandenen 
Wassers zu denken, das eine Vereinigung der Farbstoffmoleküle zu 
Kolloidteilchen zur Folge haben konnte. 

Bei den weiteren Versuchen wurde daher Wasser ausgeschlossen. 
Willstätter und Kraut haben eine Trocknungsmethode für Tonerdegele 
zwecks Bestimmung ihres Wassergehalts angegeben, die für vorliegenden 
Zweck, wie der Erfolg zeigte, vereinfacht werden konnte. Das feuchte 
Aluminiumhydroxyd C wurde während einiger Tage mit gewöhnlichen 
und wasserfreiem Aceton, hierauf mit wasserfreiem Äther behandelt 
und im Vakuumexsikkator über Phosphorpentoxyd von organischer 
Flüssigkeit befreit. Das Präparat, das im kurzwelligen Lichte weiß- 
blaue Fluoreszenz zeigte, wurde fein zerrieben und mit petrolätherischer 
Chlorophyllösung (0,5 mg Chlorophyll auf 15 ccm Petroläther mit etwas 
Methylalkohol) geschüttelt. Schon bei kurzem Schütteln trat völlige 
Adsorption ein, obwohl organisches Lösungsmittel vorlag. Nachdem 
dieses durch zweitägiges Evakuieren des dunkelgrünen Sediments 
wohl restlos entfernt worden war, zeigte das Präparat im Lumineszenz- 
mikroskop leuchtende Rotfluoreszenz; diese ist auch jetzt, d.h. an den 
in Glas mit Korkverschluß ohne Vorsichtsmaßregeln 10 Monate lang 
aufbewahrten Präparaten, noch in der ursprünglichen Stärke vorhanden. 
Wasserzusatz bewirkte keine wesentliche Schwächung der Fluoreszenz. 

Selbstverständlich mußte auf vollständige Abwesenhei, von 
Fetten und Lipoiden Bedacht genommen werden; der angewandte 
Petroläther und Methylalkohol war in dieser Hinsicht einwandfrei, 
wie sich daraus ergab, daß der Verdampfungsrückstand der Farbstoff- 
lösung auch in dünnster Schicht keine Spur von Fluoreszenz zeigte. 
Nebenbei sei bemerkt, daß das kristallinische Chlorophyllausgangs- 
material auch nach stärkster Zerkleinerung ebenfalls völlig fluoreszenz- 
frei war. 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 139 


Keines der anderen untersuchten, in trockenem Zustande an- 
gewandten Adsorptionsmittel ergab Präparate, deren Fluoreszenz- 
stärke dem genannten Tonerdeadsorbat gleichgekommen wäre. Z.B. 
ließ sich der Farbstoff aus petrolätherischer Lösung quantitativ an 
Kaolin adsorbieren; der adsorbierte Farbstoff zeigte nur schwache, 
wenn auch deutliche Rotfluoreszenz, die nach Wasserzusatz nicht 
abnahm; höchstens spurenweise Fluoreszenz war an Aluminium- 
oxvdadsorbaten zu sehen. Die Untersuchung war hier dadurch er. 
schwert, daß das Aluminiumoxyd trotz feinster Verteilung nur wenig 
Farbstoff aus petrolätherischer Lösung aufnahm und seinerseits gelbrot 
fluoreszierte. 

2. Versuche mit Eiweißkörpern. 


Durch die Versuche mit Aluminiumhydroxyd C ist erwiesen, daß 
die Fluoreszenz des Chlorophylis im lebenden Blatte mit der Annahme 
einer adsorptiven Bindung nicht im prinzipiellen Widerspruch steht. 
Es war daher im weiteren der Nachweis der Fluoreszenz des Chlorophylis 
nach Adsorption an Eiweißkörper zu versuchen, d.h. an die Stoffe, 
die im Blatte in erster Linie für die Farbstoffbindung in Frage kommen. 

Am nächstliegenden wäre es, solche Versuche mit genuinem 
('hloroplasteneiweiß anzustellen; jedoch sind die bisherigen Be- 
mühungen nicht nach Wunsch ausgefallen. Daher wurde zunächst 
versucht, die Beziehungen, die zwischen Chlorophyll und Blutfarbstoff 
bestehen, in dem Sinne zu erweitern, daß vielleicht das Globin, die 
HEiweißkomponente des Blutfarbstoffs. als Adsorptionsmittel für das 
Chlorophyll geeignet wäre. 

Freilich steht die Art der Bindung des Hämwehromogens an das Globin 
noch nicht fest. Madinareitia!), ein Schüler Willstätters. wie auch Will- 
stätter und Stoll?) halten das Hämoglobin für eine kolloide Adsorptions- 
verbindung. während Fischer und Schneller?) auf Grund der zahlenmäßigen 
Konstanz der beiden Komponenten im Hämoglobin eine Molekülverbindung 
erblicken. Zoche?) verneint das Vorliegen einer Salzverbindung, d. h. einer 
echten chemischen Bindung zwischen Globin und prostethischer Gruppe. 


Das Globin wurde aus Hämoglobin Merck nach der Pyridin- 
Acetonmethode gemäß Kiyotakı®) hergestellt und, was für den vor- 
liegenden Zweck unumgänglich war, durch mehrtägige Behandlung 
mit Lipoidsolventien lipoidfrei gemacht. Das trockene Präparat (0,1 g) 
nahm aus petrolätherischer Chlorophyllösung (0,5 oder 1 mg in 20 cem) 


1) A. Madinaveitia, Zur Kenntnis der Katalase. Diss., Zürich 1912. 

2) R. Willstätter und A. Stoll, Ann. d. Chem. 416, 21, 1918. 

3) Hans Fischer und K. Schneller, Zeitschr. f. physiol. Chem. 128, 230, 
1923. 

4) J. Roche, C. r. Soc. Biol. 94, 463, 1926. 

3) U. Kiyotaki. diese Zeitschr. 184, 322, 1922. 


140 © K. Noack: 


etwa 90 Proz. des Farbstoffs auf. Das Adsorbat zeigte nach Entfernen 
des Lösungsmittels tatsächlich Rotfluoreszenz, jedoch in weit 
schwächerem Maße als die Aluminiumhydroxyd-C-Präparate; nur in 
sehr dünner Schicht war im Mikroskop dunkelrote Fluoreszenz zu 
erkennen, die in chlorophyllfreien Kontrollen nicht vorhanden war. 
Immerhin ist bemerkenswert, daß keiner der anderen untersuchten 
Eiweißkörper Verhältnisse wie das Globin zeigte. Untersucht wurden 
Albumin, Casein, Legumin, Hordenin, Clupeinsulfat!) nach gründlicher 
Vorbehandlung mit Lipoidsolvenzien. Diese Eiweißkörper adsorbierten 
den Farbstoff aus petrolätherischer Lösung annähernd gleich stark, 
jedoch nur in geringem Maße; eine Rotfluoreszenz war nirgends nach- 
zuweisen, höchstens das Hordeninadsorbat zeigte schwache dunkelrote 
Fluoreszenz. Auch mit Pepton, das ganz gut adsorbierte, wurden keine 
Resultate erhalten. Nebenbei wurde Tristearin mit petrolätherischer 
Chlorophyllösung geschüttelt. Trotz geringster Adsorption zeigte sich 
nach Entfernen des Petroläthers starke hellrote Fluoreszenz. die an- 
haltend war. Es handelt sich hier wohl um Farbstoffauflösung im Tri- 
stearin, dessen äußere Schichten durch den Petroläther vorübergehend 
gelöst worden waren, so daß eine molekulardisperse Auflösung des 
Chlorophylis in dem Tristearin-Petroläthergemisch erfolgte und nach 
Entfernung des Petroläthers erhalten blieb. Ähnliches hat schon 
Reinke?), allerdings mit unreinem Chlorophyll, an festem Paraffin 
nachgewiesen. 


Aus den obigen Ausführungen erhellt, daß zur Herstellung fluo- 
reszierender Chlorophylladsorbate Abwesenheit von Wasser unter den 
gegebenen Verhältnissen Vorbedingung war. Immerhin mögen noch 
einige Versuche in Gegenwart von Wasser mitgeteilt werden: Aluminium- 
oxyd, Kaolin, Talk, Kieselgur, ebenso Pepton adsorbierten den Farbstoff 
aus kolloidaler, wässeriger Lösung nicht, ebensowenig Pepton, während 
Globin schwache Adsorption ohne Fluoreszenz der Partikel ergab. 
Andererseits adsorbierte, wie schon früher erwähnt, feuchtes Aluminium- 
hydroxyd C kolloidales Chlorophyll ebenfalls ohne Fluoreszenz, aber 
so stark, daß Zusatz von Methylalkohol bis zu 65 Proz. keine Elution 
zur Folge hatte und nicht zur Aufspaltung der adsorbierten Kolloid- 
teilchen in fluoreszierende Moleküle ausreichte. 


Um eine Oberflächenvergrößerung des Adsorbens zu erreichen, 
wurde unter anderem mit Pepton ein Versuch derart angestellt, daß 
dieses in Gegenwart des Farbstoffs aus seiner Lösung abgeschieden 


1) Die Eiweißkörper verdankte der Verfasser zum Teil der Liebens- 
würdigkeit der Herren Bergmann-Dresden und Waldschmidt-Leitz-München, 
wofür auch an dieser Stelle bestens gedankt sei. 

2) J. Reinke, Ber. d. Deutsch. Botan. Ges. 1, 395, 1883; 2, 265, 1884. 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 141 


wurde. So wurde eine wässerige Peptonlösung mit einer molekular- 
dispersen Aceton-Chlorophyllösung versetzt. Es entstand eine sehr 
feine, stark grün gefärbte Ausflockung, die nach mehrmaligem, raschem 
Waschen mit Wasser und Entfernen des Acetons durch Evakuieren 
bei 35° ganz schwache Rotfluoreszenz zeigte. 

Eine spektroskopische Charakterisierung des Fluoreszenzlichts 
wurde in keinem Falle vorgenommen, da eine Störung der Resultate 
durch Rotfluoreszenz der angewandten Adsorbentien in den positiven 
Fällen nicht zu befürchten war, wie sich dies auch aus den folgenden 
Versuchen ergibt. Die meisten der angewandten Stoffe zeigten fahl- 
blaue Fluoreszenz. 


8. Versuche mit Chlorophyll- Rohertrakten. 


Zu den folgenden Versuchen wurden an Stelle reinen Chlorophylis 
Methylalkohol- und Acetonextrakte aus Blättern angewandt; sie sind 
insofern von Interesse, als hier infolge der Anwesenheit von Lipoiden 
von vornherein mit anderen Resultaten zu rechnen war, die zugleich 
zur Kontrolle der Hauptversuche dienen konnten. 

Methylalkoholische Extrakte aus Selaginellapflanzen wurden zur 
Hälfte mit Wasser verdünnt und mit Kaolin geschüttelt; nach Waschen 
des ziemlich stark grün gefärbten Adsorbats zeigten die Kaolinteilchen 
im Lumineszenzmikroskop sehr starke Rotfluoreszenz, die in keinem 
Verhältnis stand zu der schwachen Rotfluoreszenz reinen, an Kaolin 
unter WasserauschlußB adsorbierten Chlorophylls.. Bei Anwendung 
von Acetonextrakten war die Rotfluoreszenz des Kaolins, entsprechend 
der in Aceton geringeren Löslichkeit der Lipoide, deutlich schwächer. 

Auch bei Eingießen von methylalkoholischen Blattextrakten in 
wässerige Casein- . oder Peptonlösungen ließen sich deutlich fluores- 
zierende, grüne Ausfällungen erzielen. 

Kolloidale Farbstofflösungen, die aus den alkoholischen Roh- 
extrakten hergestellt waren, ergaben beim Schütteln mit Kaolin oder 
Aluminiumhydroxyd C ebenfalls schwache Rotfluoreszenz im Mikroskop. 
Wurde Aluminiumhydroxyd C zunächst mit Leeithin beladen, so 
zeigten die durch Schütteln mit kolloidaler Rohchlorophyllösung er- 
zielten Adsorbate weit stärkere Fluoreszenz als ohne Lecithinvor- 
behandlung. 

Die mitgeteilten Befunde zeigen also im Prinzip die Möglichkeit, 
die Tatsache der Rotfluoreszenz des C'hlorophylis im lebenden Chloro- 
plasten von der dieserhalb aufgestellten Behauptung einer molekular- 
dispersen Auflösung des Farbstoffs in den Chloroplastenlipoiden ab- 
zulrennen, da es gelang, C'hlorophylladsorbate an feste Substanzen her- 
zustellen, so daß dabei die Rotfluoreszenz des Farbstoffs zum deutlichsten 
Ausdruck kommt und damit eine Adsorption des C'hlorophylis in mono- 


142 K. Noack: 


molekularer Schicht anzunehmen ist, wie eine solche von Paneth?) und 
van der Grinten?) für die Adsorptionsweise anderer Farbstoffe erwiesen 
wurde. Die Tatsache der Fluoreszenzfähigkeit adsorbierter Farbstoffe 
in trockenem Zustande, die sich auch beim Reinchlorophyli in festem 
Zustande nicht findet, ist schon von Kauisky?) festgestellt, der Echt- 
säureeosin, Rhodamin und andere an kristallinische Siliciumverbindungen 
adsorbieren ließ und an diesen Adsorbaten die für den betreffenden 
Farbstoff typische Fluoreszenz erhalten fand. 


II. Versuche mit Chloroplasten. 


Im folgenden wird gezeigt, daß an den Chloroplasten selbst Er- 
scheinungen gefaßt werden können, die mit einer Adsorption des Chloro- 
phylis an Bestandteile des Chloroplasten, und zwar an dessen Eiweiß, 
in Einklang stehen. Zunächst wurde eine schonende Isolierung der 
Chloroplastenmasse versucht. Es war anzunehmen, daß die chemisch- 
physikalische Beschaffenheit der Chloroplasten nicht allzu stark ver- 
ändert wird, wenn die Isolierung ohne Anwendung organischer Lösungs- 
mittel, die sowohl lipoidlösend als auch eluierend wirken, vorgenommen 
werden könnte. Deshalb wurde eine Extraktion mit Wasser bei Zimmer- 
temperatur folgendermaßen vorgenommen: 


Die Blätter (etwa 10 bis 20 g Frischgewicht) wurden mit Calcium- 
carbonatzusatz im Porzellanmörser unter Zugabe von wenig Wasser 
fein zerrieben. Das Reibgemisch wurde in etwa 50 ccm Wasser auf- 
genommen und zunächst bei hoher Tourenzahl kurz vorzentrifugiert, 
wodurch Zellwandbruchstücke, Kristalle und das zugesetzte Calcium- 
carbonat abgeschieden wurden. Die meist undurchsichtig grün gefärbte 
Flüssigkeit wurde hierauf filtriert, wobei außer dem letzten Rest von 
festen Bestandteilen nur kleine Spuren der grünen Substanz auf dem 
Filter zurückblieben. Selbst durch Hartfilter ging die gesamte grüne 
Substanz hindurch, wurde aber im Gegensatz zu kolloidalem, reinem 
Chlorophyll von den ‚‚feinen‘‘ Membranfiltern nach Zsigmondy zurück- 
gehalten, soweit die Lösung nicht stark verdünnt wurde; in diesem 
Falle ging ein kleiner Teil des Farbstoffs, vielleicht als Abspaltungs- 
produkt, durch das Feinfilter hindurch. Die durch Weichfilter filtrierte 
Lösung wurde nochmals kurz vorzentrifugiert und nach Dekantieren 
bei hoher Tourenzahl 1, Stunde oder länger scharf zentrifugiert. Hierbei 
setzte sich bei allen Pflanzen ein dunkelgrünes, schmieriges Sediment 
ab, das, mit Ölimmersion untersucht, nur feinste grüne, in farbloser 
Flüssigkeit suspendierte, runde Teilchen zeigte, die weit kleiner als 


1) Fr. Paneth, Zeitschr. f. Elektrochem. 28, 113, 1922. 
2) K. van der Grinten, Journ. chim. phys. 28, 209, 1926. 
3) H. Kautsky, Zeitschr. f. physikal. Chem. 120, 230, 1926. 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 143 


die Chloroplasten waren. Die überstehende Flüssigkeit war je nach 
Pflanzenart und Dauer des Zentrifugierens noch mehr oder weniger 
grün oder auch nur bräunlich gefärbt. 


Die vom Reibgemisch abfiltrierte Lösung zeigte bei Bestrahlung 
mit ultraviolettem Lichte im Reagenzglas starke Rotfluoreszenz. Noch 
bedeutend stärker war die Rotfluorerzenz des Sediments, besonders 
wenn es mittels Quarzobjektträgers auf den Quarzkondensor der 
Lumineszenzeinrichtung gebracht wurde. Obwohl das Sediment so 
konsistent war, daß es beim Umkehren der Zentrifugengläser nicht 
ausfloß, ließ es sich bei kurzem Schütteln mit Wasser leicht in auf- 
fallend klare Lösung bringen, die im sichtbaren Lichte starkes Tyndall- 
phänomen und im ultravioletten Lichte ebenfalls starke Rotfluoreszenz 
zeigte. Neuerliches scharfes Zentrifugieren bewirkte wiederum Ab- 
scheidung der gefärbten Substanz unter Erhaltung der Fluoreszenz, 
die übrigens auch beim Eintrocknen des Sediments zu Lamellen im 
Vakuumexsikkator über Phosphorpentoxyd erhalten blieb. Die 
chemische Struktur des Chlorophylis wird durch diese Behandlung 
nicht verändert, wie der normale Ausfall der Lactam- und der Basizitäts- 
probe zeigte. Eintrocknung bei 70° bewirkte dagegen Phytolabspaltung. 
Selbstverständlich waren auch die Carotinoide im Sediment vorhanden. 


Es kann ohne weiteres angenommen werden, daß diese Sedimente 
der Hauptmasse nach aus Bestandteilen der Chloroplasten bestehen. 


Unter der Voraussetzung einer adsorptiven Bindung des Chloro- 
phylis an das ChloroplasteneiweißB wurde nun versucht, die Rot- 
fluoreszenz der aus den gereinigten Sedimenten hergestellten wässerigen 
Lösungen durch solche Mittel zu beeinflussen, die Eiweißdenaturierung 
zur Folge haben. Die ersten Untersuchungen, in denen die Sediment- 
lösungen einige Minuten im Reagenzglas gekocht worden waren, er- 
gaben keine Änderung der Fluoreszenz. Jedoch war daran zu denken, 
daß die Erhitzung außer der Eiweißdenaturierung eine Auflösung des 
etwa vom Eiweiß abgetrennten Chlorophylis in den Lipoiden zur Folge 
haben könnte. Deshalb wurde die Erhitzungsdauer möglichst abgekürzt. 


Zu dem Zwecke wurden die frischen Sedimentlösungen in dünnwandige, 
gleichmäßig ausgezogene Kapillaren von 15 cm Länge gebracht, deren Enden 
zugeschmolzen wurden. Die Kapillaren wurden hierauf verschieden lange 
Zeit in kochendes Wasser gestellt und zugleich mit nicht erhitzten Kon- 
trollen auf dem Kondensor der Lumineszenzeinrichtung auf Fluoreszenz- 
helligkeit geprüft. Frische Sedimente zeigten, auf diese Weise untersucht, 
makroskopisch leuchtend rote Fluoreszenz im Lichtkegel des Kondensors. 


Die im folgenden angeführten Resultate wurden bei allen unter- 
suchten Pflanzen gleichermaßen erhalten. Zur Verwendung kamen 
hauptsächlich Spinat- und Aspidistrablätter, aus später anzuführenden 
Gründen, ferner Grasblätter, Selaginellapflanzen und andere. 


144 K. Noack: 


Wurden die Sedimente 1 bis 30 Sekunden auf 100° erhitzt, so war 
die Fluoreszenz vollständig oder nahezu vollständig vernichtet. Bei 
längerem Erhitzen (60 Sekunden und mehr) begann die Fluoreszenz 
wieder aufzutreten bzw. deutlich stärker zu werden, so daß nach 3 bis 
4 Minuten langem Erhitzen die ursprüngliche Stärke wieder erreicht war. 


Um die Möglichkeit auszuschließen, daß das Verschwinden der 
Fluoreszenz auf einer optischen Täuschung beruht, die unter anderem 
dadurch verursacht sein konnte, daß das koagulierte Eiweiß mit seiner 
bläulichweißen Fluoreszenz lediglich eine vorhandene Rotfluoreszenz 
überdeckte, wurden kurz erhitzte Lösungen mit frischen in verschiedenen 
Verhältnissen gemischt. Auch wenn die Menge des erhitzten Anteils 
sechsmal größer war als dia des frischen, war die Fluoreszenz des frischen 
Anteils noch deutlich zu sehen. Optische Täuschung lag also nicht vor, 
was sich übrigens auch aus dem Wiederauftreten der Fluoreszenz bei 
längerer Erhitzung ergibt. 


a) Das Verschwinden der Fluoreszenz und seine Ursache. 


Wenn nun die so bewirkte Fluoreszenzvernichtung eine Folge 
der Eiweißkoagulation darstellt, so mußten die für beide Prozesse 
hinreichenden Minimaltemperaturen übereinstimmen. Ein solcher 
Versuch wurde mit Sedimentlösungen aus Spinatblättern bei einer 
jeweiligen Erhitzungsdauer von 30 Sekunden vorgenommen: 


90, 85,750. 22 keine Fluoreszenz 

TOD ën ee ie ee ze schwache Rotfluoreszenz 
OOP A A En, e A E e E leuchtend rote Fluoreszenz 
nicht erhitzte . . .... leuchtend rote Fluoreszenz 


Der physiologische Zustand des Blattes spielte keine große Rolle. 
Spinatblätter, die 24 Stunden bei 37° gehalten worden waren, ergaben 
dieselben Resultate, ebenso Blätter, die halbwelk zur Untersuchung 
kamen. Andererseits lieferten Spinatblätter, die 14 Tage im Exsikkator 
gelegen waren, ein sich rasch absetzendes Sediment, das nur schwach 
fluoreszierte, obwohl nach der Lactam- und Basizitätsprobe normales 
Chlorophyll vorhanden war. Somit waren hier Umlagerungen im 
Chloroplasten vor sich gegangen. 


Soweit das Verschwinden der Fluoreszenz auf Erhitzen in Frage 
steht, ergibt sich also, daß die hierzu nötige Minimaltemperatur mit 
der für Eiweißdenaturierung anzuwendenden zusammenfällt. Daraus 
muß der Schluß gezogen werden, daß das Chlorophyll auf Grund der 
Eiweißkoagulation in den kolloidalen, nicht fluoreszierenden Zustand 
übergeht und mithin normalerweise an das Chloroplasteneiweiß 
adsorptiv oder in einer anderen lockeren Weise in monomolekularer 
Schicht gebunden ist. 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 145 


Über die Einzelvorgänge dieser Erscheinung kann nichts aus- 
gesagt werden. Da nach Freund und Lustig!) die Eiweißkoagulation 
mit Wasseraufnahme verbunden ist, wäre es möglich, daß damit die 
Bildung kolloidaler Farbstoffteilchen erleichtert wird, nachdem durch 
die mit der Erhitzung verbundene Strukturänderung des Substrats die 
Bindung des Farbstoffs an dieses aufgehoben worden ist. Eine neuerliche 
Adsorption des Farbstoffkolloids an das denaturierte Eiweiß ist damit 
nicht ausgeschlossen. Zusatz von 1 bis 5 Proz. Kochsalz zu den frischen 
Sedimentlösungen hatte eine Herabsetzung der für Fluoreszenzver- 
nichtung nötigen Minimaltemperatur um 2 bis 3° zur Folge. Unter 
Gleichsetzung von Fluoreszenzvernichtung mit Eiweißkoagulation steht 
dies im Gegensatz zu den Ergebnissen der eben genannten Autoren, die, 
wie auch schon andere, durch Salzzusatz eine Erhöhung des Hitze- 
koagulationspunkts erhielten. Zusatz von 0,35 bis 3,5 Proz. Form- 
aldehyd hatte ebenfalls eine ganz schwache Herabsetzung der Minimal- 
temperatur für Fluoreszenzvernichtung zur Folge, was hier insofern 
bemerkenswert ist, als nach zahlreichen Feststellungen [z. B. Blum?)] 
Eiweiß nach Formaldehydzusatz beim Kochen nicht mehr koaguliert. 
Unter der obigen Voraussetzung würde dies besagen, daß die Erhitzung 
einer mit Formaldehyd versetzten Eiweißlösung auch bei fehlender 
Koagulation irgendwelche Zustandsänderungen hervorruft, wie ja 
auch Hardy?) u. a. betonen, daß Denaturierung und Flockung bei 
Hitzegerinnung zwei verschiedene Prozesse sind. Diesen Fragen ist 
hier nicht weiter nachgegangen worden. 


Wenn also eine lockere Bindung des Chlorophylis an das Chloro- 
plasteneiweiß als wahrscheinlich erachtet werden darf, so muß die 
Fluoreszenz des Farbstoffs erhalten bleiben, wenn das Chloroplasten- 
eiweißB der Sedimentlösungen durch fällende Mittel ausgeflockt wird. 
Mit Bleiacetat und Ammoniumsulfat ließ sich eine vollständige Aus- 
flockung der grünen Substanz aus Sedimentlösungen erzielen. Der 
Niederschlag zeigte in allen Fällen starke Rotfluoreszenz und verlor 
diese nach 1 Sekunde langer Frhitzung auf 100°. Dieser Befund steht 
damit in Einklang, daß die genannten Stoffe das Eiweiß wohl aussalzen, 
jedoch nur langsam denaturieren. Auch bei den Ammonsalzaus- 
flockungen lag die für Fluoreszenzvernichtung nötige Minimaltemperatur 
tiefer als bei den frischen Sedimentlösungen; 30 Sekunden langes Er- 
hitzen auf 65° bewirkte schon deutliche Fluoreszenzabschwächung. 
Die Salzausflockungen halten den Farbstoff sehr fest; 50proz. Äthyl- 
alkohol oder Methylalkohol löste nur sehr wenig Farbstoff heraus. 


I) E.Freund und B. Lustig, diese Zeitschr. 167, 355, 1926. 

23) F. Blum, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22, 127, 1896. 

3) W. B. Hardy, Journ. of Physiol. 24, 158, 288, 1899. 
Biochemische Zeitschrift Band 183. 10 


146 ; K. Noack: 


Nach Schütteln der Salzniederschläge mit Wasser lösten sich dicse 
wieder kolloidal auf. 

Um eine ungefähre Charakterisierung der in Frage stehenden 
Eiweißkörper zu ermöglichen, wurden in den aus Spinat erhaltenen 
Sedimentlösungen die Fällungsgrenzen in Ammonsulfat nach dem 
von Kestner!) angegebenen Verfahren bestimmt. Die Fällungsgrenzen 
waren 2,8 und 1,9. Der Eiweißkörper ist also leichter als die Globuline 
aussalzbar. 


Über die Eiweißkörper der Spinatblätter liegen wertvolle Unter- 
suchungen von Osborne und Wakeman?) vor, aus denen manche indirekte 
Bestätigung der hier vorgetragenen Ansichten herausgelesen werden kann. 
Die Verfasser stellten ebenfalls wässerige Extrakte her, aus denen sie durch 
Alkoholzusatz einen dunkelgrünen Niederschlag in zwei Fraktionen er- 
hielten. Nach Farbstoffextraktion mittels Alkohols und Äthers hinterblieb 
eine halbfeste, fettige Masse, die etwa 14 Proz. Stickstoff, bezogen auf das 
aschefreie Produkt, enthielt. Die Verfasser betonen die geringe Löslichkeit 
ihres ersten Präzipitats, das im Gegensatz zu den meisten anderen Protein- 
arten bei Zimmertemperatur in 0,2- bis 0,3proz. Natronlauge sich nur zum 
kleinsten Teil löste und erst durch kochende alkoholische, 0,2- bis 0,3 proz. 
Natronlauge in Lösung gebracht wurde. Das zweite Präzipitat verhielt sich 
dagegen wie ein gewöhnliches Protein. Aus der alkoholischen Lösung 
konnte der erste Eiweißkörper durch Neutralisieren wieder auısgefällt 
werden, so daß der neue Niederschlag in schwachem Alkali jetzt leicht löslich 
war. Die Verfasser vermuten daher, daß dieses Protein ursprünglich mit 
anderen Stoffen verbunden war und erst durch Alkalihydrolyse frei ge- 
macht wurde. Da außerdem bei der ersten Fällung mit Alkohol der größte 
Teil des Chlorophylis, der Phosphatide usw. in Lösung ging, halten sie es 
für möglich, daß in den Blattzellen die genannten Stoffe und vielleicht noch 
andere ‚in chemical union as a complex‘“ vorhanden sind, der sehr empfind- 
lich gegen Alkohol ist. 

Ferner ist hier auf die Untersuchungen von Lubimenko?°) hinzuweisen, 
der sich bemühte, zu spektroskopischen Untersuchungen wässerige Chloro- 
phyllextrakte aus frischen Blättern zu erhalten und hierzu nur Aspidistra- 
blätter geeignet fand, da die Extrakte aus anderen Pflanzen mehr oder 
weniger rasch koagulierten. Der Verfasser unterließ also das Abzentrifugieren 
und Wiederaufnehmen in reinem Wasser, womit er bei den meisten Pflanzen 
brauchbare Lösungen erhalten hätte. Auch Lubimenko vermutet auf Grund 
der Fällbarkeit der grünen Substanz durch wenig Alkohol, daß es sich um 
eine Bindung zwischen Eiweiß und Chlorophyll handelt, und glaubt, daß 
diese chemischer Art ist. Die Fluoreszenz hat Lubimenko nicht berücksichtigt. 


Dieser Angaben wegen untersuchte der Verfasser das Verhalten 
der aus Aspidistra erhaltenen Lösungen etwas genauer. Die mittels 
der weiter oben beschriebenen Methode erhaltenen Lösungen fluo- 
reszierten im ultravioletten Lichte stark rot. Durch stundenlanges, 
scharfes Zentrifugieren wurde reichlich dunkelgrünes, stark rot fluo- 


1) O. Kestner, Chemie der Eiweißkörper, S. 178. Braunschweig 1925. 
2) Th. Osborne und A. Wakeman, Journ. of biol. Chem. 42, 1, 1920. 
3) V. Lubimenko, C. r. Acad. Sc. Paris 178, 365, 1921. 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 147 


reszierendes Sediment abgeschieden; während des manchmal unter- 
brochenen Zentrifugierens nahm die Fluoreszenz der überstehenden 
Flüssigkeit allmählich bis auf Null ab, obwohl diese stark grün gefärbt 
blieb und mit Bleiacetat vollständige Ausfällung der grünen Substanz 
ergab, die ebenfalls nicht fluoreszierte. Die anderen hier untersuchten 
Pflanzen verhielten sich insofern anders, als ihr Farbstoff bei langem 
Zentrifugieren vollständig sedimentiert wurde, so daß die überstehende 
Flüssigkeit nur braungelb gefärbt war. Dies spricht dafür, daß in 
wässerigen Extrakten von Aspidistra neben dem an Eiweiß gebundenen 
und daher leichter sedimentierbaren Chlorophyll kolloidal gelöstes und 
daher nicht ohne weiteres sedimentierbares vorhanden ist. Ob hier 
eine sekundäre Abspaltung vorliegt oder ob schon im lebenden Aspidistra- 
blatt kolloidales Chlorophyll vorhanden ist, entzieht sich vorläufig 
der Entscheidung. Vielleicht hängt das Sonderverhalten der Aspidistra- 
extrakte damit zurammen, daß, wie der Verfasser regelmäßig beob- 
achtete, die Chloroplasten als solche sehr leicht aus dem Gewebeverband 
befreit werden können; unter dem Mikroskop sieht man bei leichtem 
Druck auf Blattquerschnitte ganze Wolken von scharf konturierten 
Chloroplasten in das umgebende Wasser strömen. 


b) Das Wiederauftreten der Fluoreszenz bei längerem Erhitzen. 


Es ist nun das Wiederauftreten der Fluoreszenz bei längerer Er- 
hitzung der Sedimentlösungen zu besprechen. Hier handelt es sich 
offenbar um eine Auflösung des vom Eiweiß zunächst abgespaltenen 
Chlorophylis in den Chloroplastenlipoiden, die durch die Erwärmung 
der Chlorophyllaufnahme leichter zugänglich geworden sind. Bekannt 
ist, daß lipoide Chlorophyllösungen stark fluoreszieren. Es soll dahin- 
gestellt bleiben, ob die betreffenden Lipoide im Sinne von Osborne 
und Wakeman (l.c.) durch die Erhitzung vom Eiweiß abgespalten 
werden, oder ob sie, was dem Verfasser wahrscheinlicher vorkommt, 
wenigstens zum Teil im lebenden Blatte frei vorhanden sind. Betreffs 
der Möglichkeit der Chlorophyllüberführung in die Lipoide ist auf die 
Erfahrungen von Willstätter und Stoll (1913, S. 61, 1. c.) hinzuweisen, 
die eine leichtere Extrahierbarkeit des Farbstoffs nach Abbrühen der 
Blätter feststellten; sie bemerken: 

„Das Chlorophyll ist aus seinem kolloidalen Zustand in die Form einer 
wirklichen Lösung übergegangen, nämlich gelöst in seinen, infolge der 
Temperaturerhöhung verflüssigten, wachsartigen Begleitstoffen.‘“ 

Wie früher erwähnt, hat sich Willstätter späterhin für einen Ad. 
sorptionszustand im lebenden Blatte entschieden, ohne sich über die 
Frage der kolloidalen oder molekulardispersen Verteilung dabei zu 
äußern. 

10* 


148 K. Noack: 


Aus kolloidalen, wässerigen Lösungen reinen Chlorophylis läßt sich. 
wie Willstätter und Stoll fanden, der Farbstoff nur nach Kochsalzzusatz 
ausäthern. Im Gegensatz hierzu geht der Farbstoff aus den hier unter- 
suchten Sedimentlösungen nach kurzem Schütteln ohne weiteres in 
Äther über; hierbei ist an die von Osborne und Wakeman (l.c.) beob- 
achtete Lipoidabspaltung bei Lipoidproteiden durch Ätherbehandlung 
zu denken. Es wurden daher ätherische Extrakte aus den Sediment- 
lösungen auf dem Quarzobjektträger eingedampft. Der dunkelgrüne. 
fettige Rückstand zeigte in dünnster Schicht starke Rotfluoreszenz. 
die bei kurzem Erhitzen auf 100° nicht verschwand. Es kann sich 
demnach nur um eine durch den Ätherzusatz Es Lösung des 
Farbstoffs in Lipoiden handeln. 


Wurden Ätherauszüge aus Sedimentlösungen mittels methyl- 
alkoholischer Kalilauge vom Farbstoff befreit, so resultierte beim Ver- 
dampfen des Äthers ein fettiger Rückstand. Nach Wiederaufnehmen 
in Äther, Schütteln der Ätherlösung mit wässeriger, kolloidaler Lösung 
reinen Chlorophylis und Vertreiben des Äthers zeigte die wässerige 
Lösung deutliche Fluoreszenz. die gegen Erhitzung auf 100° be- 
ständig war. 


Wurden frische Sedimentlösungen mit 0,2proz. Sodalösung ver- 
setzt oder 30 Minuten lang einer Temperatur von 45° ausgesetzt, so 
ließ sich die Fluoreszenz durch kurzes Kochen nicht mehr vernichten. 
Schon nach 8 Minuten konnte im letzten Falle die Fluoreszenz durch 
100° nur teilweise aufgehoben werden. Ebenso zeigten häufig 1 bis 
2 Tage alte Sedimentlösungen Resistenz der Fluoreszenz gegen kurzes 
Erhitzen, wobei Lactam- und Basizitätsprobe meist das Vorhandensein 
normalen Farbstoffs vor dem Kochen bewiesen. Auch diese Befunde 
lassen sich ungezwungen mit einer durch die verschiedenen Versuchs- 
bedingungen bewirkten Erleichterung der Farbstoffaufnahme durch 
die Lipoide erklären. 


Auffallend war, daß kolloidale Lösungen chemisch reinen Chloro- 
phylis bei langem Erhitzen (10 Minuten und mehr) ohne jeden Zusatz 
ebenfalls Fluoreszenzeigenschaft bekamen; vermutlich handelt es sich 
um Zersetzungsprodukte. Jedoch konnte kein bestimmter Anhaltspunkt 
bisher gefunden werden. 


Die Vernichtung und das Wiederauftreten der Fluoreszenz ließ 
sich auch an mikroskopischen Blattschnitten beobachten. Bei 1 bis 
30 Sekunden langem Kochen der Schnitte war die ursprüngliche. 
leuchtend rote Fluoreszenz meist gänzlich vernichtet oder wenigstens 
stark abgeschwächt, obwohl die Chloroplasten noch fast normale Form 
und Farbe besaßen. Auch kurze Erhitzung auf nur 75° bewirkte deutliche 
Fluoreszenzabschwächung. Bei längerem Kochen kehrte die Fluoreszenz 


MIT 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 149 


auch bei Blättern meist zurück. Öfters, so gerade auch bei Aspidistra, 
zeigte sich schon nach kurzem Erhitzen ein stark fluoreszierender Saum 
am Epidermisaußenrand, an dem sich wachsartige Stoffe befinden, 
die demnach durch Kochen ausgetretene Chlorophylispuren molekular- 
dispers aufgenommen hatten. In manchen Fällen, so bei der Grünalge 
Spirogyra, trat wohl Fluoreszenzvernichtung bei kurzem Kochen, aber 
keine Erneuerung dieser bei längerem Kochen ein. Da sich in den 
Chloroplasten dabei kleine, dunkelgrüne Tröpfchen zeigten, dürfte es 
sich hier um ein Zusammenfließen der Lipoide handeln, in denen sich 
so viel Farbstoff gelöst hat, daß das fluoreszenzerregende Licht nur 
einen Bruchteil der großen Farbstoffmenge traf, und auch das emittierte 
Licht von dem Farbstoff selbst größtenteils absorbiert wurde. 

Blattschnitte, die 5 Minuten in 70- oder 80proz. Methylalkohol 
gelegt worden waren, eine Alkoholkonzentration, die den Farbstoff 
noch nicht extrahierte, zeigten nach Auswaschen normale Fluoreszenz, 
die bei kurzem Erhitzen ihre bisherige Intensität beibehielt. Auch 
dies kann nur in einer erst durch die Behandlung mit Alkohol bedingten 
Vereinigung des Farbstoffs mit den Lipoiden erklärt werden. 

So fügen sich also auch die Untersuchungen an Blattschnitten in 
den Rahmen der ganzen Ausführungen ein. 


c) Fermentative Abbauversuche am Chloroplasteneiweiß. 


In einer weiteren Versuchsreihe wurde geprüft, ob nach Analogie 
mit den Befunden am Blutfarbstoff [von Zeynek!)] Fluoreszenzver- 
nichtung als Folge fermentativen Abbaues des Chloroplasteneiweißes 
in den Sedimentlösungen erreicht werden kann. Die Versuche fielen 
sehr ungleichmäßig aus. Dies ist einmal darin begründet, daß bei 
längerem Stehen oder rasch bei etwas erhöhter Temperatur an sich 
schon Lipoidübertritt des Farbstoffs stattfindet, zum zweiten scheinen 
die Chloroplastenlipoide, die im vorliegenden Falle nicht durch organische 
Lösungsmittel entfernt werden konnten, den Fermentangriff auf das 
Eiweiß zu hindern. Denn Biedermann?) fand, daß Trypsin in alkalischer 
Lösung das Plasma angeschnittener Zellen nicht angreift, jedoch in 
plasmolysierten und zwecks Lipoidentfernung mit Alkohol behandelten 
Schnitten auch in geschlossenen Zellen rasche Lösung der Chloroplasten 
bewirkt. Mit Pepsinsalzsäure, die im vorliegenden Falle wegen der 
Säurewirkung auf das Chlorophyll überhaupt nicht in Frage kam, 
konnte Biedermann auf keine Weise Plasmaverdauung erzielen. 

Die Versuche wurden unter den verschiedensten Temperatur-, Zeit- 
und pe Bedingungen vorgenommen. Am besten verlief ein Versuch 


1) A. v. Zeynek, Zeitschr. f. physiol. Chem. 49, 472, 1906; 70, 224, 1910. 
23) W. Biedermann, Flora, N. F. 111/112, Stahl-Festschrift 1918, S. 560. 


150 K. Noack: 


mit Trypsin (Kahlbaum) unter Zusatz von 0,2 Proz. Soda bei 44°. Nach 
234 Stunden war gegenüber den fermentfreien Kontrollen eine starke 
Fluoreszenzabschwächung zu konstatieren, die nicht auf optischer 
Täuschung beruhte, da nach geringem Zusatz einer normal fluoreszieren- 
den Kontrolle zum verdauten Gemisch die Fluoreszenz stark vermehrt 
war. Wurde die verdaute Lösung, die normal grün war, auf 100° erhitzt, 
so trat nach 3 Minuten starke Rotfluoreszenz auf. Es ist also das Chloro- 
phyll infolge der Proteolyse zunächst in den kolloidalen, in Wasser 
gelösten Zustand übergegangen und bei der nachfolgenden Erhitzung 
von den Chloroplastenlipoiden aufgenommen worden. Lactam- und 
Basizitätsprobe ergaben vollständige Unversehrtheit des fermentativ 
freigelegten Farbstoffs. 


d) Belichtungsversuche. 


Der Verfasser hat früher (l.c.) gezeigt, daß das Chlorophyll in 
fluoreszierendem Zustande starke photooxydative Wirkung besitzt, die 
sich mangels geeigneter anderer Akzeptoren in einer Ausbleichung des 
Farbstoffs selbst äußert, derart, daß echt gelöstes Chlorophyll um ein 
Vielfaches lichtempfindlicher ist als kolloidal gelöstes, d. h. nicht fluo- 
reszierendes. Dieser Unterschied in der Lichtempfindlichkeit war 
nun auch nachweisbar zwischen frischen Sedimentlösungen und solchen, 
die durch kurzes Erhitzen und den damit verbundenen Übergang in 
den kolloidalen Zustand die Fluoreszenzfähigkeit verloren hatten: 
Frische Sedimentlösungen aus Spinatblättern bleichten im direkten 
Sonnenlicht in 5 Minuten völlig aus, während die zuvor kurz erhitzten 
noch normal grün waren und erst in 1 bis 2 Stunden vollständig 
zerstört wurden. 


Der Verfasser glaubt auf Grund aller hier mitgeteilten Versuche. 
in ergänzender Bestätigung der Ansicht Willstätters, zu der Behauptung 
berechtigt zu sein, daß der Chlorophyllfarbstoff in der lebenden Zelle 
an das Eiweiß der Chloroplasten irgendwie, vermutlich adsorptiv, in 
monomolckularer Schicht gebunden ist, ein Befund, der in Anbetracht 
des außerordentlichen Stoffumsatzes im Assimilationsapparat von 
vornherein hohe Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ob daneben in den 
Chloroplasten etwa kolloidales Chlorophyll vorkommen kann, entzieht 
sich zunächst der Beurteilung, wäre aber aus regulatorischen Gründen an 
sich denkbar. Offen bleibt auch noch die Frage, in welcher Weise die 
beiden anderen für den Chloroplasten typischen Farbstoffe, Carotin und 
Xanthophyli, im Chloroplasten untergebracht sind. Der Verfasser hat 
die Vermutung. daß diese in Chloroplastenlipoiden gelöst sind, da 
getrockneten Blättern mit Petroläther. d.h. einem Lipoidsolvens. die 
Carotinoide ohne Chlorophylibeimengung entzogen werden können. 


Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 151 


Die Ausführung der vorliegenden Arbeit ist dem Verfasser durch 
weitgehende Unterstützung von seiten der Notgemeinschaft der 
Deutschen Wissenschaft ermöglicht worden, wofür dieser auch hier der 
Dank ausgesprochen sei. 


Zusammenfassung. 


Die Arbeit bezweckt die Klärung der Frage, ob die von Will- 
slätter u. a. ausgesprochene Ansicht, wonach das Chlorophyll im lebenden 
Blatte an hochmolekulare Stoffe bzw. an Eiweiß adsorbiert oder sonst- 
wie gebunden ist, mit der Tatsache der Rotfluoreszenz der normalen 
Chloroplasten in Einklang gebracht werden kann, da die Fluoreszenz- 
eigenschaft des Farbstoffs bisher nur in organischen Lösungsmitteln 
nachgewiesen werden konnte, so daß Stern für das Vorhandensein 
einer lipoiden Chlorophyllösung im Chloroplasten eintritt. 


1. Modellversuche mit verschiedenen Adsorbenzien. 


Gelöstes, chemisch reines Chlorophyll ließ sich an zahlreiche 
feste Stoffe adsorbieren, so daß solche Präparate, soweit sie unter 
Ausschluß von Wasser hergestellt waren, zum Teil die Rotfluoreszenz 
des Chlorophylis bei Bestrahlung mit ultraviolettem Lichte zeigten. 
Besonders stark waren Adsorption und Fluoreszenz bei Anwendung von 
„Aluminiumhydroxyd C“ (Willstätter), das unter Schonung der Gel- 
struktur von Wasser befreit worden war. Auch Adsorbate an lipoid- 
freies Globin zeigten geringe Fluoreszenz. Die Fluoreszenz solcher 
Präparate ist nach Monaten noch unverändert. 


2. Versuche mit Blättern. 


Durch fraktioniertes Zentrifugieren wässeriger Blattreibgemische 
beliebiger Pflanzen gelang es, eine dunkelgrüne Masse zu isolieren, die 
größtenteils aus zerstörten Chloroplasten bestand und die sich in Wasser 
bei leichtem Schütteln kolloidal löste. Solche Lösungen zeigten im 
ultravioletten Lichte starke Rotfluoreszenz und verloren diese völlig 
bei Erhitzung auf etwa 70 bis 100° innerhalb 1 bis 5 Sekunden. Bei 
Zusatz von Schwermetallsalz oder Ammonsulfat zur frischen Lösung 
flockte eine dunkelgrüne. ebenfalls stark rot fluoreszierende Masse aus, 
die ebenfalls bei ganz kurzem Erhitzen ihre Fluoreszenz verlor. Diese 
muß ihrem Hauptbestandteil nach als eine Proteinsubstanz von sehr 
leichter Aussalzbarkeit angesprochen werden. Demnach muß die durch 
Erhitzung bewirkte Fluoreszenzvernichtung des Chlorophylis in den 
Sedimentlösungen mit einer Veränderung des Eiweißkörpers in Zu- 
sammenhang gebracht werden, und es ist anzunehmen, daß das Chloro- 
phyli an dieses Eiweiß irgendwie locker gebunden, vermutlich ad. 


152 K. Noack: Zustand des Chlorophylis in der lebenden Pflanze. 


sorbiert ist, beim Denaturieren des Eiweißes abgespalten und dadurch 
in den kolloidalen Zustand überführt wird, in dem es nicht fluoresziert. 

Längeres Erhitzen der Sedimentlösungen hatte Wiederauftreten 
der Fluoreszenz zur Folge. Diese Erscheinung wurde auf einen Übertritt 
des Farbstoffs in die durch die Erhitzung flüssig gemachten Chloro- 
plastenlipoide zurückgeführt, die Chlorophyll nachgewiesenermaßen 
molekulardispers zu lösen vermögen, womit das Auftreten der Fluo- 
reszenz verbunden ist. | 

Proteolytische Abbauversuche mit den Sedimentlösungen führten 
ebenfalls zu Fluoreszenzvernichtung. Ebenso konnte an Blattschnitten 
die Beeinflussung der Fluoreszenz durch Erhitzung, wie sie in Sediment- 
lösungen gelungen war, wiederholt werden. 

Demnach wird der Zustand des Chlorophylis im lebenden Blatte 
wohl am besten als eine Adsorption des Farbstoffs an das Chloroplasten- 
eiweiß in monomolekularer Schicht bezeichnet. 


TS er ee ee ee eu — u 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung 
an der Kohlensäureassimilation der grünen Pflanzen, 


Von 
Kurt Noack. 


(Aus dem Botanischen Institut der Universität Erlangen.) 


(Eingegangen am 13. Januar 1927.) 


Die Frage nach der Beteiligung des Eisens an den Stoffwechsel- 
vorgängen hat in den letzten Jahren durch die Arbeiten von O. Warburg, 
Baudisch u. a. zunehmende Bedeutung erlangt. Im folgenden seien 
Versuche mitgeteilt, die sich auf die Möglichkeit der Eisenmitwirkung 
bei der Kohlensäureassimilation der grünen Pflanze beziehen und die 
folgende Grundlage haben: 

Moore!) hat mikroskopisch-chemisch in den Chloroplasten Eisen 
nachgewiesen. 0O. Warburg?) zerlegt unter Zugrundelegung früherer 
Arbeiten von Blakman den Assimilationsvorgang in zwei Teile, die 
temperaturunabhängige, photochemische Reaktion, die bei geringer 
Lichtintensität unmittelbar nachgewiesen werden kann, und die ‚‚Blak- 
mansche Reaktion‘, die eine gewöhnliche Dunkelreaktion mit starker 
Temperaturabhängigkeit darstellt und, soweit die Temperaturbeziehung 
in Frage kommt, bei höherer Lichtintensität das Bild der Gesamt- 
reaktion bestimmt. 0. Warburg fand ferner, daß die Kohlensäure- 
assimilation durch Blausäure oder Schwefelwasserstoff so gehemmt 
wird, daß auf eine Beeinträchtigung der Blakmanschen Reaktion 
durch diese Stoffe zu schließen ist, und faßt diese Hemmung wegen 
der Affinität der genannten Stoffe zu Schwermetallen als eine Be- 
hinderung einer beim Assimilationsvorgang beteiligten Eisenkatalvse 
auf. Der Verfasser?) fand, daß die gegenüber belichteten grünen 
Pflanzen besonders starke Giftwirkung der schwefligen Säure in den 
weiter unten zu behandelnden sekundären Folgen einer Assimilations- 
hemmung zu suchen ist, und glaubt ebenfalls, eine irgendwie geartete 


1) J. Moore, Proc. Roy. Soc. B. 87, 556, 1914. 

2) O. Warburg, Naturwiss. 18, 985, 1925. 

3) Kurt Noack, Zeitschr. f. Botanik 17, 481, 1925. Zeitschr. f. angew. 
Chem. 89, 302, 1926. 


154 K. Noack: 


Ausschaltung des Eisens, vielleicht durch Komplexbindung an die 
schweflige Säure, aus dem Assimilationsvorgang annehmen zu müssen. 
Auch von ganz anderer Grundlage, von der Fluoreszenz des Chlorophylis 
im lebenden Blatte, ausgehend, kam der Verfasser zu dem Schluß, daß 
Schwermetalle an der Assimilation beteiligt sein müssen. Nachdem 
Straub!) u. a. die oxydierende Wirkung belichteter fluoreszierender 
Farbstoffe auf Jodkalium, Benzylalkohol usw. festgestellt hatten, wies 
der Verfasser?) nach, daß auch die physiologische (,‚photodynamische‘‘), 
von Tappeiner untersuchte Wirkung dieser Farbstoffe in einer Oxy- 
dationswirkung besteht, da er z. B. die hochempfindlichen Paramaecien, 
wie auch beliebige Pflanzenzellen, vor der photodynamischen Wirkung 
durch das ungiftige, neutrale Natriumsulfit schützen konnte und 
andererseits Zusatz von Mangansalz als Sauerstoffüberträger eine 
starke Erhöhung der photodynamischen Wirkung zur Folge hatte. 
Diese Befunde konnten des weiteren auf die Kohlensäureassimilation 
übertragen werden insofern, als der Verfasser (l.c., 1925) feststellte, 
daß das schon bekannte Absterben belichteter grüner Blätter in kohlen- 
säurefreier Atmosphäre eben in dieser Ausschaltung des normalen 
Akzeptors der photochemischen Gesamtreaktion zu suchen ist, derart, 
daß nun der Farbstoff selbst, wie auch das Protoplasma als End- 
akzeptoren der Photoreaktion dienen, die auf oxydativem Wege zur 
Farbstoffausbleichung und Abtötung des Protoplasten führt. Gaffron?) 
hat neuerdings die Oxydierbarkeit natürlicher Eiweißstoffe durch 
belichtete fluoreszierende Farbstoffe, unter anderem durch Methyl- 
chlorophyllid, in exakten Versuchen sichergestellt. 

Diese Befunde lassen sich nicht ohne weiteres für das Eindringen 
in den Chemismus der Kohlensäureassimilation verwerten, da diese ın 
ihrem Gesamtverlauf nicht einen Oxydations-, sondern einen Reduktions- 
vorgang darstellt. Es ist jedoch zu betonen, daß die am Sauerstoff- 
verbrauch gemessene Photooxydationsgröße des Chlorophylis in ab- 
getöteten Blättern von der Größenordnung des normalen Assimilations- 
wertes ist [nach den Versuchen des Verfassers (l. c.)]. - In derselben 
Richtung liegen die Ergebnisse, über die hierauf Gaffron?) und O. War- 
burg?) berichteten: Die Sauerstoffübertragung durch belichtetes 
Chlorophyll oder Hämatoporphyrin entspricht annähernd dem Einstetn- 
schen photochemischen Äquivalentgesetz. So kommt auch O. Warburg 
zu der Auffassung, daß trotz der Verschiedenheit der biologischen, photo- 
chemischen Kohlensäurereduktion von den erfaßbaren Photooxydations- 


1) W. Straub. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 51, 383, 1904. 
2) Kurt Noack, Zeitschr. f. Botanik 12, 273, 1920. 

3) H.Gaffron, diese Zeitschr. 179, 157, 1926. 

4) Derselbe. Naturwiss. 13. 860, 1925. 

5) O. Warburg. ebendaselbst 13, 985, 1925. 


A eegenen, Beie ve — ` 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 155 


vorgängen eine Beziehung zwischen den genannten Prozessen be- 
stehen muß. 


Es ist daher wohl berechtigt, die durch fluoreszierende Farbstoffe 
bewirkten Photooxydationen auch für die Frage der Beteiligung des 
Eisens an der Kohlensäureassimilation mit heranzuziehen. 

Als Sauerstoffakzeptor verwandte der Verfasser das von ihm 
früher schon (l.c., 1925) benutzte Benzidin, das in Gegenwart von 
Eosin usw., wie auch — in methylalkoholischer Lösung — von Chlorophyll 
im Lichte zu violettbraunem Farbstoff oxydiert wird, der vermutlich 
zur Gruppe des Diphenochinondiimins gehört und demnach eine über 
das Benzidinblau hinausgehende Oxydationsstufe des Benzidins dar- 
stellt. Bei Gegenwart von etwa 8 Proz. Halogensalz kann dagegen 
mit Eosin in wässeriger Lösung die Benzidinblaustufe selbst erhalten 
werden. In beiden Fällen läßt sich durch Mangansalzzusatz die Benzidin- 
photooxydation beträchtlich beschleunigen. Soweit die Schwermetall- 
wirkung in Frage steht, erlauben diese Versuche eine gewisse Ver- 
gleichung mit den Verhältnissen bei der Kohlensäureassimilation, da 
im Blatte schon häufig Mangan nachgewiesen worden ist. Eine engere 
Analogisierung war jedoch ausgeschlossen, da die für Oxydations- 
beschleunigung nötige Minimalmenge an Mangan den Mangangehalt 
der Blätter bei weitem überschreitet. Wird z.B. eine gesättigte, 
wässerige Benzidinlösung mit 8 Proz. Kochsalz, 1,6 . 1074 Mol Eosin 
(pro Liter) und Manganochlorid in verschiedenen Mengen versetzt, so 
tritt bei Belichtung reichliche Benzidinblaubildung nur bis herab zu 
einer Konzentration von len Mol Mangan (pro Liter) ein, derart, daß 
nach oben keine Grenze gesetzt ist. 

Um so mehr ist das Bestehen einer solchen Analogie beim Eisen 
denkbar, da, wie im folgenden beschrieben wird, schon kleine Eisen- 
mengen dieselbe Wirkung wie große Manganmengen auf das genannte 
Photooxydationssystem besitzen, und zwar merkwürdigerweise so, daß 
größere Eisenmengen die Benzidinphotooxydation völlig hemmen. 


I. Versuche mit Eosinnatrium und Benzidin in wässeriger Lösung. 
a) Eisensalze. 


Die Versuche wurden dadurch erleichtert, daß, genau wie beim 
System Eosin—Benzidin— Mangansalz, bei Ersatz des Mangans duch 
Eisen die Benzidinphotooxydation in Gegenwart von Halogensalz nur 
bis zur leicht kontrollierbaren Benzidinblaustufe führt und durch den 
Halogensalzzusatz gleichzeitig eine Reaktionsbeschleunigung auftritt, 
derart, daß starke Belichtung und Anwendung optimaler Eisen- 
konzentration in wenigen Minuten reichliche Benzidinblaubildung 
zur Folge hat. 


156 K. Noack: 


Auch die Halogensalzwirkung ist stark von der Konzentration 
abhängig. Bei Anwendung von Kochsalz bewirkten Konzentrationen 
unter 8 Proz. keine besondere Beschleunigung der Photooxydation, 
während von etwa 10 Proz. Kochsalz an auch ohne Eisenzusatz geringe 
Benzidinblaubildung auftrat. In starkem, direktem Sonnenlicht konnte 
sogar ohne Eosinzusatz bei Gegenwart von mehr als 10 Proz. Kochsalz 
Benzidinblaubildung erreicht werden, was vielleicht in der Unmöglich- 
keit der Fernhaltung kleinster Schwermetallsalzmengen seinen Grund 
hat (vgl. die späteren Angaben über Kupferwirkung). In ähnlichen 
Sinne vermutet R. Kuhn (nach einer Mitteilung in Oppenheimer, Fer- 
mente, 1926, S. 1745), daß die eisenfreie H,O,-p-Phenylendiaminreaktion 
wenigstens teilweise durch Eisenspuren der Reagenzien bedingt ist. 
da sie durch Blausäure gehemmt werden kann. Wie Kochsalz wirkten 
auch andere Halogensalze, z. B. Magnesiumchlorid und Kaliumchlorid, 
ebenso Rhodankalium, das schon im künstlichen Licht ohne Eisenzusatz 
Benzidinblaubildung bewirkte. Es bestehen hier also Verhältnisse 
wie bei der a-Naphthylamin- oder Benzidinoxydation durch Wasser- 
stoffperoxyd [Baudisch!)], jedoch so, daß im vorliegenden Falle, 
d.h. beim Ersatz des Wasserstoffperoxyds durch belichtetes Eosin, 
Schwermetallzusatz wesentlich ist. Somit dürfte es sich auch hier 
gemäß der Annahme von Baudisch um die Bildung von Verbindungen 
höherer Ordnung unter Mitwirkung des Halogensalzes handeln so, daß 
Nebenvalenzkräfte zur Bindung und damit auch zur Aktivierung 
des zu oxydierenden Körpers zur Verfügung stehen. Nebenbei sei 
bemerkt, daß Benzidinchlorhydrat unter den vorliegenden Versuchs- 
verhältnissen keine Blaubildung, sondern nur schwache Violett- 
färbung ergab. 


Für die im folgenden zu beschreibenden Reihenversuche wurden 
meist Reagenzgläser mit je 2 ccm gesättigten (etwa 0,04proz.) Benzidin- 
wassers, 2 ccm Halogensalzlösung, 1l ccm der zu untersuchenden Eisen- 
salzlösung und 1 Tropfen Eosinnatriumlösung von bekanntem Volumen 
beschickt so, daß die Eosinkonzentration 1,6 . 10-4 Mol pro Liter, die 
Kochsalzkonzentration 8 Proz. betrug. Die Gläser wurden dann mit 
einer 2000-Watt-Lampe im Abstand von 40 cm vom Glühkörper be 
lichtet. Auf annähernd gleichmäßigen Sauerstoffgehalt der Gemische 
mußte Bedacht genommen werden, da, wie der Verfasser früher fand, 
die Photooxydation in starkem Maße, und zwar in linearer Proportion 
vom Sauerstoffgehalt des Lösungsmittels abhängig ist. Untersucht 
wurden besonders Ferroammonsulfat, Ferrolactat, Ferrobicarbonat und 
auch einige Ferriverbindungen. Alle angegebenen Molzahlen beziehen 
sich auf 1 Liter. 


1) O. Baudisch, diese Zeitschr. 106, 134, 1920. 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 157 


]. Ferroammonsulfat. 


In einem Parallelversuch mit Mangano- 


chlorid wurden die Konzentrationen von Il bis !/,ooooo Mol Eisen- 
bzw. Mangansalz angewandt; nach einer Belichtungsdauer von 5 Minuten 


ergab sich folgendes: 


Tabelle I. 
Ferroammonsulfat Manganvchlorid 
Konz. in Mol | Reaktion Konz. in Mol | Reaktion 
= mm m rn Sr emeng dee er ge = Se are a een 
"lan bis I goo nur Trübung durch Vor bis Jan stärkste Benzidinblan- 
` Abscheidung basischer bildung 
Ferriverbiudungen 1 00 | etwas weniger 
Lang Spur von Benzidinblau Benzidinblaubildung 
16400 reichlich Benzidinblau T ang etwas weniger als 
12u00 bis Dap em stärkste Benzidinblau- gi l bei ien 
8 | bildung 1400 bis 1 Roo geringe Benzidinblau- 
,51 200 wenig Benzidinblau bildung 


1 
100000 und 


Spuren v. Benzidinblau 
weniger bis 0 


1! 
2 (1000 
unverändert IL aen und 
l weniger bis U ` 


unverändert 

Die Dunkelkontrollen waren nach 6 Stunden vollkommen un- 
verändert und zeigten bei Belichtung dieselben Erscheinungen wie der 
Hauptversuch. Bei Versuchen ohne Halogensalz trat in der Eisen- 
wie in der Manganreihe nur die violette, höhere Oxydationsstufe des 
Benzidins auf, wenn auch nur in geringem Maße. Immerhin lag auch 
hier in der Eisenreihe das Maximum der Reaktion bei tioo bis 
!goooo Mol Eisensalz mit starker Hemmung in den höheren Eisen- 
konzentrationen im Gegensatz zur Manganteihe, bei der einfache 
Proportionalität herrschte. Längeres Stehenlassen der Dunkelkontrollen 
(24 Stunden) verschob das Maximum der Eisenwirkung nach den 
höheren Konzentrationen, offenbar infolge Ferrisalzbildung während 
des Stehens (vgl. später). 

Die hemmende Wirkung höherer Eisenmengen auf die Benzidin- 
blaubildung beruht nicht auf einer Beeinflussung des zu dehydrierenden 
Benzidins, da in allen Fällen nach einem sofort nach der Belichtung 
vorgenommenen Jodzusatz Benzidinblau in normaler Weise ausfiel. 
Ebensowenig kommt hierfür eine durch größere Ferroammonsulfat- 
mengen bedingte pr-Verschiebung in Frage, wie aus den weiter unten 
zu behandelnden Versuchen mit Ferrobicarbonat hervorgeht. 

2. Ferrolactat wirkte in einem Parallelversuch mit Ferroammon- 
salz wie dieses: In beiden Fällen ergaben Mengen von 1/500 bis 1/2000 Mol 
nach einer Belichtungsdauer von 3 Minuten nur Trübung durch Eisen- 
abscheidung. Spuren von Benzidinblau traten erst bei Lan Mol auf, 
während das Maximum (sehr starke Benzidinblaubildung) bei 1/16000 
bis 1/2000 Mol lag. Deutliche, wenn auch schwache Farbstoffbildung 


158 K. Noack: 


war noch bei !/,sgooo Mol zu erkennen. Warum die Konzentrationen 
optimaler Wirkung gegenüber den in Tabelle I verzeichneten Werten 
etwas tiefer lagen, bleibt fraglich. Vielleicht war der Sauerstoffgehalt 
in der vorliegenden Versuchsreihe etwas größer oder die Beleuchtung:- 
intensität infolge Stromschwankung höher. Zu bemerken ist, daß die 
Eisenwirkung noch in einer Verdünnung vorhanden war (zs ang Mol). 
in der mit Ferricyankali nach zweistündigem Stehen keine Berliner- 
blaureaktion auftrat. Erst mit Ilan Mol konnte diese Reaktion in 
Form einer blaugrünen Färbung erhalten werden. 

3. Sehr starke Wirkung hatten auch Ferrosalze der Kohlensäure, 
die mittels Durchleitens von Kohlendioxyd durch wässerige Suspensionen 
von chemisch reinem Eisen (Kahlbaum) hergestellt wurden. Baudtsch 
erwähnt in seinen Studien über Eisenkatalyse unter anderem!), daß 
frische Lösungen von Ferrocarbonaten, die auf die genannte Weise 


hergestellt werden, imstande sind, mit Hilfe des Luftsauerstoffs Milch- ` 


säure, gewisse Eiweißbausteine usw. oxydativ stark abzubauen, während 
solche Lösungen, die unter Sauerstoffabschluß einige Stunden ge- 
standen hatten, trotz der erhalten gebliebenen Fähigkeit der Sauerstoff- 
absorption einen oxydativen Abbau nicht mehr bewirken können. Im 
vorliegenden Falle kann es sich allerdings nicht um die Wirkung einer 
hochaktiven Eisenverbindung von kurzer Lebensdauer handeln, da 
diese von der Dauer des Stehenlassens der Lösungen unter Luftabschluß 
(6 Stunden bis 4 Tage) ziemlich unabhängig war. Es handelt sich ja 
bier auch um Reaktionen, die mit einer Milchsäure- oder Eiweiß- 
oxydation nicht zu vergleichen sind. 

Zur Festlegung der quantitativen Beziehungen wurde der Eisen- 
gehalt von 20 ccm der jeweiligen Versuchsstammlösungen durch Ein- 
dampfen, Aufnehmen mit Schwefelsäure und Glühen gravimetrisch 
als Fe,O, bestimnit. 

Aus den Versuchen sei folgender herausgegriffen: Nach 20stündigem 
Durchleiten von Kohlendioxyd lag das Wirkungsmaximum (reichliche 
Benzidinblaubildung nach 3 Minuten Belichtung) bei Y/,g000 bis 
1/50000 Mol Eisen, während bei !/gooo Mol nur geringe und bei noch 
höheren Konzentrationen keine Reaktion außer der auch hier auf- 
tretenden Trübung durch Ferrioxydhydratbildung zu konstatieren war. 
Die untere Grenze der Wirksamkeit (Spuren von Benzidinblaubildung) 
lag bei ?/,o0000 Mol. Eine Dunkelreaktion war auch hier nicht fest- 
zustellen. 

Wurden Lösungen mit einem für die Benzidinblaubildung zu 
hohen Eisengehalt kurz erhitzt, so konnten sie sich nachher wirksam 
zeigen. d.h. es ist der Überschuß an zweiwertigem Eisen in unwirk- 


1) O. Baudisch, Naturwiss. 13, 749, 1925. 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 159 


sames Ferrioxydhydrat überführt worden, so daß eine kleine Menge 
der wirksamen Verbindung erhalten geblieben war. Auch dieser Befund 
zeigt, daß es sich bei der Benzidinphotooxydation nicht um die Wirkung 
hochaktiver Eisenverbindungen von kurzer Lebensdauer im Sinne 
Baudischs handeln kann. 

Die Hemmung der Benzidinphotooxydation bei Anwendung von 
Ferrobicarbonat bzw. -carbonatmengen über 1/6000 Mol zeigt, daß die 
ungefähr bei derselben Konzentration zu konstatierende Hemmung in 
Gegenwart von Ferroammonsulfat oder Ferrolactat nicht auf einer 
pn-Erhöhung durch photolytische Säureabspaltung beruhen kann, da 
es sich im vorliegenden Falle um HCO,- bzw. CO,-Ionen handelt. 
Ferner ist im Hinblick auf den biologischen Hintergrund der vor- 
liegenden Untersuchung bedeutsam, daß auch die Kohlensäurever- 
bindungen des Eisens in kleinsten Mengen bei photochemischen Re- 
aktionen in Gegenwart fluoreszierender Farbstoffe wirksam sind. 


4. Ferroammoncitrat zeigte andere quantitative Verhältnisse: 
Bezogen auf 15 Proz. Eisengehalt, lag die Zone für Blaubildung, aus- 
gedrückt in Mol Eisen, zwischen !/,,, und 1/2000 Mol mit einem Maximum 
bei 1/0 Mol. Jedoch war die Wirkung weit schwächer als bei den im 
vorigen angeführten Salzen. Bemerkenswert ist das Vorhandensein 
eines Optimums trotz schwacher Allgemeinwirkung. 


5. Wolff!) erhielt mit kolloidalem Ferrocyaneisen Peroxydase- 
reaktionen. Die Verbindung wurde nach den Angaben Wolffs aus 
Ferrocyankali und Ferrosulfat hergestellt, obwohl mit dem blauen 
Membranfilterrückstand gemäß Wolffs Angaben leicht Chinhydron- 
bildung aus Hydrochinon und Wasserstoffperoxyd zu erzielen war, 
zeigte die Substanz im vorliegenden photochemischen System, bei den 
verschiedensten Konzentrationen untersucht, nur ganz schwache 
Wirkung. 

6. Ferrocyankali war in allen Konzentrationen ohne Wirkung. 

Ferner wurden einige Ferriverbindungen untersucht: 


7. Ferricyankali bewirkte bis herab zu etwa 1/i20000 Mol Benzidin- 
blaubildung als Dunkelreaktion. Wenn bei geringeren Mengen eine 
Lichtreaktion ausblieb, so ergibt der Vergleich mit den Wirkungs- 
größen der oben angeführten Eisensalze, daß der Grund dieses Ausfalls 
wohl in der Geringfügigkeit der anwendbaren Eisenmenge zu suchen ist. 


8. Anders verhielt sich Ferriammonsulfat: Bis herab zu !/,g00 Mol 
trat auch hier Benzidinblaubildung als Dunkelreaktion in absteigendem 
Maße auf. Mengen von 1/4000 ÞIS !/aooo Mol ergaben ganz schwache 
Benzidinblaubildung im Lichte. Ein Maximum der Wirkung war bei 


—_ 


1) J. Wolff, Ann. Inst. Pasteur 24, 789, 1910. 


160 K. Noack: 


Le gon bis !/32000 Mol gegeben. Jedoch stand die gebildete Farbstoff. 
menge um ein Vielfaches hinter der mit Ferroammonsulfat erhaltenen 
zurück. Mengen unter 1/3000 Mol ergaben Benzidinblau nur in Spuren. 
Ohne Eosin war keine Photoreaktion zu erkennen. 

Bemerkenswert ist, daß hier, obwohl eine Dunkelreaktion an sich 
möglich ist, doch zwischen der unteren Konzentrationsgrenze für diese 
und der oberen für die Lichtreaktion eine Konzentrationszone mit 
hemmender Wirkung auf die Photooxydation vorhanden ist. 


9. Frisch gefälltes Ferrihydroxyd und Ferricarbonat waren ohne 
Wirkung. 

Es ergibt sich also, daß die Ferroverbindungen in ihrem Einfluß 
auf die Benzidinphotooxydation in Gegenwart von fluoreszierendem 
Farbstoff wenigstens die hier untersuchten Ferriverbindungen bei 
weitem übertreffen. 


10. Einige Versuche wurden mit der in der vorigen Mitteilung 
beschriebenen Substanz angestellt, die aus den bekanntlich eisenreichen 
Spinatblättern durch Zerreiben mit Wasser und wiederholtem Zentri- 
fugieren gewonnen wurde und im wesentlichen aus desorganisierter 
Chloroplastenmasse besteht. Die daraus hergestellte kolloidale Lösung 
wurde in verschiedenen Mengen dem System Benzidin— Eosin—Koch- 
salz zugesetzt. In einigen Fällen war nach Belichtung leichte Benzidin- 
blaubildung zu konstatieren, ohne daß jedoch eindeutige Ergebnisse 
erzielt wurden. Die Versuche werden fortgesetzt. 


11. Auch das Eisen des Hämoglobins scheint eine schwache Wirkung 
in dem System auszuüben. Mengen von 0,01 bis 0,0012 Proz. Hämo- 
'globin-Merck bewirkten nach einer Belichtungsdauer von 10 bis 
20 Minuten violettblaue Färbung. Hämoglobinlösungen, durch die 
Sauerstoff geleitet worden war, zeigten keine stärkere Wirkung. 


b) Kupfer- und Zinksalze. 


Vergleichsweise wurden einige Versuche mit Kupfersalzen an Stelle 
des Eisens angestellt. Kupfersalze haben in Gegenwart von Halogensalz 
eine außerordentlich starke, sauerstoffübertragende Wirkung auf Benzi- 
din, worauf schon Madelung!), ohne Angabe der wirksamen Minimal- 
konzentration. hingewiesen hat. Wurde z. B. Benzidinwasser mit Kupfer- 
sulfat big herab zu einer Konzentration von Inge Mol versetzt. 
so fand auf Halogensalzzusatz sofort reichliche Benzidinblaubildung 
als Dunkelreaktion statt. Noch geringere Kufersalzmengen bewirkten 
auch nach mehrstündigem Stehen keine Benzidinblaubildung im 
Dunkeln, wohl aber im reichsten Maße bei Belichtung in Gegenwart 


1) W. Madelung, Zeitschr. f. physiol. Chem. 71, 204, 1911. 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 161 


von Eosin, und zwar so, daß nach einer Belichtungsdauer von 6 Minuten 
in Gegenwart von 8 Proz. Kochsalz und 1,6. LO? Mol Eosinnatrium 
noch bei einer Kupfersulfatkanzentration von !/go00000 Mol deutliche 
Benzidinblaubildung festzustellen war und auch noch in Gegenwart 
von 4.10”° Mol Kupfer kleinste Farbstoffmengen auftraten, die in 
den kupferfreien Kontrollen fehlten. Es handelt sich bei diesen Wirkungs- 
graden um dieselbe Größenordnung, in der nach T'itoff!) Kupfersulfat 
die Oxydation neutralen Natriumsulfits durch den in der Salzlösung 
vorhandenen Sauerstoff beschleunigt. Das Maximum der Kupfer- 
wirkung lag bei der höchsten Konzentration, die, obne eine Dunkel- 
reaktion zu bewirken, angewandt werden konnte. Es fehlt also hier 
die bei den Ferrosalzen und dem, wie das Kupfersulfat Dunkeloxydation 
ermöglichenden, Ferriammonsulfat vorhandene Konzentrationszone, in 
der die Benzidinphotooxydation gehemmt wird. 

Auch Zinksulfat gab in Mengen von lee Mol im System Benzidin— 
Eosin—Halogensalz bei Belichtung starke Benzidinblaubildung; die 
untere wirksame Konzentration lag bei etwa !/15oọ Mol. Dem Wirkungs- 
grad nach schließt sich also das Zink dem Mangan an, jedoch bewirkten 
im Gegensatz zum Mangan Mengen über !/,,0 Mol Hemmung der Farb- 
stoffbildung, die wohl auf pa-Einflüsse zurückzuführen ist, da das 
gegenüber dem Zinksulfat stärker saure Zinkchlorid überhaupt keine 
Wirkung hatte. 


UL Der Charakter der Eisen- und Kupferwirkung im belichteten System 
Eosin — Benzidin — Halogensalz. 


Die im vorigen beschriebenen Reaktionen gleichen am meisten 
der Wirkung von Wasserstoffperoxyd auf Benzidin in Gegenwart von 
Schwermetallsalz, die besonders Madelung?) untersucht hat. Unter 
Annahme einer engeren Verwandtschaft der hier beschriebenen Benzidin- 
photooxydation mit der gewöhnlichen Wasserstoffperoxydreaktion auf 
Benzidin wäre belichtetes Eosin dem Wasserstoffperoxyd gleich- 
zusetzen, obwohl noch eine andere Möglichkeit denkbar ist, auf die 
weiter unten eingegangen werden soll. 

Auf alle Fälle war die Frage zu entscheiden, ob die Beteiligung 
der Eisen- und Kupfersalze an der Lichtreaktion als echt katalytische 
oder als induzierte zu betrachten ist. Madelung fand, daß bei der 
Wasserstoffperoxyd-Benzidinreaktion Eisensalz als Induktor, Kupfer- 
salz als Katalysator wirkt. Tiioff (l.c.) betrachtet andererseits die 
beschleunigende Wirkung von Ferrosulfat auf die Natriumsulfit- 
oxydation durch molekularen Sauerstoff trotz Verbrauch des Eisens 


1) A. Titoff, Zeitschr. f. physikal. Chem. 45, 641, 1903. 
D W. Madelung, Le: Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 44, Ib, 626, 1911. 
Biochemische Zeitschrift Band 183. 11 


162 K. Noack: 


nicht als Induktion, sondern als Katalyse, da auf 1 Mol Ferrosulfat 
mehr als 100 Mol Sulfit umgesetzt werden. Um so mehr sind die be- 
kannten Cystinoxydationen O. Warburgs durch Eisen als echte kata- 
lytische Vorgänge aufzufassen, ebenso die photooxydativen Spaltungen 
von Zuckern, Aminosäuren usw. durch Schwermetallsalze, über die 
C. Neuberg!) früher berichtet hat. Hingegen ist nach Kuhn?) die 
Beteiligung von Ferrosalz bei der Reaktion von Wasserstoffperoxyd 
auf Jodwasserstoff stöchiometrischer Art. 


Außerdem war es erwünscht, die Temperaturabhängigkeit der 
Benzidinphotooxydation unter den gegebenen Bedingungen zu prüfen. 


Die Bestimmung des Benzidinblaus wurde jodometrisch auf Grund- 
lage der Methode von Madelung vorgenommen. Die Anwesenheit des 
Eisensalzes stört bei raschem Arbeiten und Abkühlen der zu titrierenden 
Lösung nicht, obwohl das Eisen im Benzidinblauniederschlag gantitativ 
enthalten ist. Die Belichtung der Versuchslösungen wurde in einer 
flachen, kreisrunden Glaskammer, die mit zwei gegenüberliegenden 
Hähnen an den Schmalseiten versehen war und 174 ccm Inhalt hatte, 
vorgenommen, so daß die Kammer mit der Versuchslösung unter Ver- 
meidung von Luftblasen vollständig gefüllt war. Die Versuchsgemische 
wurden in Mengen von 200 ccm in molaren Konzentrationen angesetzt, 
so daß sich nach dem Einfüllen in die Kammern die darin befindlichen 
absoluten Mengen des Eisens usw. berechnen ließen. Zur Titration 
wurde die gesamte entstandene Benzidinblaumenge verwandt. Während 
der Belichtung befanden sich die Kammern in einem Glastrog mit 
Wasser von konstanter Temperatur (10%). Die in den Kammern be- 
findliche Benzidinmenge betrug jeweilig 0,04 g neben 8 Proz. Kochsalz 
und 1,6 .107¢ Mol Eosin pro Liter. 


a) Wurde eine solche Lösung in Gegenwart von 0,87 ccm n/100 
Ferroammonsulfat, entsprechend 1/30000 Mol Eisen pro Liter 4 Minuten 
belichtet, so ergab die Titration des Benzidinblaus nach Jodzusatz in 
drei Parallelversuchen einen Verbrauch von 1,84, 1,82 und 1,87 ccm 
n/100 Natriumthiosulfat. Bei längerer Belichtung stieg die Farbstoff- 
menge nur unwesentlich an. Da durch die starke Benzidinblaubildung 
die Lichteinstrahlung natürlich fortlaufend geschwächt wurde, lassen 
sich keine klaren Beziehungen zwischen Belichtungsdauer und ent- 
standener Farbstoffmenge herstellen. 


Bei Zusatz von 0,43 ccm n/100 Ferroammonsulfat, entsprechend 
140000 Mol Eisen pro Liter, betrug der Thiosulfatwert 1,64 cem n/100 
nach 4 Minuten Belichtung. 


1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 18, 305, 1908; 23, 279, 1910; 29, 279, 1910. 
2) R. Kuhn, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 59, 2370, 1926. 


‚Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 163 


Aus den angegebenen Zahlen erhellt jedenfalls so viel, daß die 
Beschleunigung der Benzidinphotooxydation durch Eisen in Gegenwart 
von Eosin eine induzierte Reaktion ist. Dies ergibt sich auch aus 
folgendem: Nach einer Belichtungsdauer von 6 bis 8 Minuten war im 
Filtrat vom Benzidinblauniederschlag weder Ferri- noch Ferrosalz 
nachweisbar, während die salzsaure Lösung des Farbstoffniederschlags 
starke Reaktion mit Ferrocyankalium, keine jedoch mit Ferricyankalium 
gab, dagegen war die Lösung des Benzidinblauniederschlags frei von 
Ammoniak und Schwefelsäure, die sich beide im Filtrat vom Farbstoff- 
niederschlag, nachgewiesen mit Bariumchlorid und Neßlers Reagens, 
befanden. Somit ist das Ferroammonsulfat durch die Belichtung 
völlig aufgespalten und das Eisen unter vollständiger Oxydation vom 
entstandenen Benzidinblau adsorbiert worden, wie auch Madelung bei 
seinen Versuchen Adsorption des Eisens an das Benzidinblau fest- 
gestellt hat. 

Die oben angeführten zahlenmäßigen Beziehungen zwischen 
Farbstoffbildung und zur Verfügung stehender Eisenmenge unter- 
scheiden sich von den Werten, die Madelung im System Wasserstoff- 
peroxyd— Benzidin—Ferroammonsulfat gefunden hat, insofern als im 
letzten Falle der Thiosulfatwert zur angewandten Eisenmenge im 
Verhältnis 1:1 stand, während bei der hier untersuchten Photooxy- 
dation auf 1 Mol Eisen 2 bis 4 Mol Benzidinblau gebildet worden sind. 
Dieser Unterschied kann darin begründet sein, daß die photooxydative 
Benzidinblaubildung, als Gesamtreaktion betrachtet, langsamer als die 
Farbstoffbildung durch Wasserstoffperoxyd verläuft, die eine Moment- 
reaktion darstellt. Nach Scrabal!) ist bei Induktionsreaktionen der 
Betrag des nach der sekundären Reaktion erfolgenden Umsatzes um 
so größer, je geringer die Geschwindigkeit des Gesamtvorgangs ist. 

Die Untersuchung der Kupferwirkung ergab erwartungsgemäß, 
daß es sich hier um eine echte Katalyse handelt: Das System Eosin— 
Benzidin— Kochsalz wurde unter Zusatz von 1/00000 Mol Kupfersulfat 
4 Minuten belichtet, wobei sich eine Benzidinblaumenge bildete, die 
einem Thiosulfatwert von 2,86 ccm n/100 entsprach. 

Ein prinzipieller Unterschied zwischen der Eisen- und der Kupfer- 
wirkung wird wohl nicht bestehen, da eine gekoppelte Reaktion in eine 
katalytische übergehen kann (vgl. Luther und Schilow?). 

Nebenbei wurde untersucht, ob sich Eisen und Kupfer im vor- 
liegenden System gegenseitig beeinflussen. Angewandt wurden Kom- 
binationen von Tonne Mol Kupfersulfat mit 1/15000 und 1/30000 Mol 
Ferroammonsulfat; es ergab sich weder eine addierende, noch eine 


!) A. Scrabal, Zeitschr. f. Elektrochem. 11, 653, 1905. 
2) R. Luther und N. Schilow, Zeitschr. f. physikal. Chem. 46, 777, 1903. 


11* 


164 K. Noack: 


potenzierende Wirkung der beiden Schwermetallsalze aufeinander; 
lediglich eine leichte Hemmung der Kupferwirkung durch das Eisen- 
salz war feststellbar. 

b) Die Tempersturabhängigkeit der Reaktionen wurde bei 10 
und 20° bei einer Belichtungsdauer von 4 Minuten bestimmt, wie 
folgende Thiosulfatwerte (n/100) zeigen: 


Tabelle II. 
Tempe» i l Ferroammonsulfat | = Kupfersulfat u 
ratur | 1/20000 Mol pro Liter Lang gong Mol pro Liter 
oc | ccm | ccm 
10 1,84 2,68 
20 1,87 ‚75 


Somit ist der Temperaturquotient gleich 1 und folgt also der für 
Photoreaktionen gültigen Regel. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß 
Kuhn und Brann!) neuerdings für die katalatische Häminwirkung, eine 
Dunkelreaktion, Q,0 = 1,05 fanden. 

Bei Versuchen dieser Art, die nicht wie die tigen in vollständig mit 
der Versuchslösung gefüllten Kammern vorgenommen wurden, trat bei 
Temperaturerhöhung Sinken der Reaktionsgeschwindigkeit ein, die ihren 
Grund nur in der Verminderung des Sauerstoffgehalts der Lösung durch 
die höhere "Temperatur haben kann. Versuchslösungen, die 3 Stunden 
unter der Luftpumpe gestanden hatten, ergaben nur Spuren von 
Benzidinblau bei Belichtung. 


Bei den Versuchen in den vollständig gefüllten Kammern, wie 
übrigens auch in den Reagenzglasversuchen bei Luftgegenwart. färbte 
sich bei der Belichtung die Lösung in allen Teilen gleichmäßig blau. 
wodurch erwiesen ist, daß es sich um eine Reaktion im homogenen 
Medium auf Kosten des im Wasser gelösten Sauerstoffs handelt. 

Vorbelichtung der reinen Benzidinlösung hatte eigentümlicher- 
weise vorübergehende Schwächung der Reaktion mit Eosin und Eisen 
zur Folge, was noch näher zu untersuchen ist. 


Die Hauptergebnisse der bisher beschriebenen Versuche sind 
folgende: Die Benzidinphotooxydation durch Eosin kann durch Eisen- 
salze ebenso wie durch Mangansalze beschleunigt werden. Zwischen 
der Wirkung der beiden Schwermetalle besteht jedoch der Unterschied. 
daß Eisen im Vergleich zum Mangan nur in ganz kleinen Mengen 
wirksam ist, ja, daß Eisenmengen, die immer noch unter der wirksamen 
Minimalkonzentration der Mangansalze liegen, spezifisch hemmend 


1) R. Kuhn und L. Brann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 59, 2370, 1926. 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 165 


auf die Benzidinphotooxydation einwirken. Kupfersalze sind noch 
vie] wirksamer als Eisensalze. 

Der Verfasser wurde durch die Herren Pohl-Göttingen und Gudden- 
Erlangen darauf hingewiesen, daß die Verhältnisse bei der Phospho- 
reszenzaktivierung der Erdalkali- und Zinksulfidphosphore ähnlich 
liegen. Tiede und Reinicke!) fanden z.B. beim Zinksulfid phospho- 
reszenzaktivierende Wirkung durch geringe Eisenmengen derart, daß 
ein Eisengehalt von 1: 1000 schon einen phosphoreszenzvernichtenden 
Überschuß darstellt. Tomaschek?) findet bei Zinksulfidphosphor 
Schwermetallspuren ausschlaggebend für die Phosphoreszenz, und 
zwar wirkte Kupfer schon in kleinsten Mengen (0,006 mg Kupfer pro 
Gramm Zinksulfid) während Mangan mit 0,03 mg noch ganz unwirksam 
war und ein Maximum der Phosphoreszenz bei 17 mg, jeweils pro Gramm 
Zinksulfid, bewirkte. Wichtig ist außerdem, daß Tomaschek die auffallend 
günstige Wirkung von Halogensalzzusatz auf den Phosphoreszenzeffekt 
betont, wie dies ja auch bei den hier beschriebenen photochemischen 
Systemen der Fall ist. 

Es scheinen also hier Zusammenhänge prinzipieller Art gegeben 
zu sein. 

Auch eine biologische Analogie zu den obigen Unterschieden in 
der Wirkung der Eisen- und Mangansalze ist vorhanden: Uspenski und 
Uspenskaja?) fanden, daß Volvoxkulturen in Gegenwart von 0,3 Proz. 
Mangansulfat nach 7 Tagen zugrunde gingen, während schon 0,007 Proz. 
Ferrioxyd®) genügten, um diese Grünalge in derselben Zeit abzutöten 
und noch kleinere Eisenmengen (0,0005 Proz.) Feırioxyd?) zu optimalem 
Gedeihen unbedingt erforderlich waren. Demnach dürften die sogenannten 
„Staubreaktionen‘‘ [vgl. z.B. Rice?)] auch eine Erklärung für das 
Absterben besonders empfindlicher Kulturen, die unbedeckt der Luft 
ausgesetzt sind, bieten, d.h. oligodynamische Wirkungen der in der 
Luft nachweisbaren Schwermetallspuren hier wie auch in anderen 
Fällen in Frage kommen. 


III. Versuche mit Chlorophyll und Benzidin. 


Um die obigen Befunde auf die photooxydative Wirkung des 
Cblorophylis übertragen zu können, wurde im allgemeinen 90proz. 
Methylalkohol als Lösungsmittel verwandt, da sich das Chlorophyll 
nur in organischen Flüssigkeiten molekulardispers und damit fluo- 


1) E. Tiede und H. Reinicke, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 56. 666, 1923. 
2) R. Tomaschek, Ann. d. Phys., 4. F., 65, 189, 1921. 
3) E. E. Uspenski und W.J. Uspenskaja, Zeitschr. f. Botanik 17, 273, 
1925. 
1) Zugesetzt als Ferricitrat. 
5) F.O. Rice, Journ. Amer. Chem. Soc. 48, 2099, 1926. 


166 K. Noack: 


reszierend löst und die in Betracht kommenden Eisensalze sich in dieser 
Alkoholkonzentration noch hinreichend auflösten. Die angewandte 
Benzidinmenge betrug 0,3 Proz.; von Halogensalzzusatz mußte Ab- 
stand genommen werden. Das in diesem Falle durch fluoreszierende 
Farbstoffe erzielbare Benzidinphotooxydationsprodukt besteht, wie 
der Verfasser schon früher (l. c., 1925) feststellte, in braunem Farbstoff. 
der erst nach längerer Belichtung, als sie für die Benzidinphotooxydation 
in wässeriger Lösung bei Halogensalzzusatz nötig ist, in größerer Menge 
auftritt. Die Versuchsanordnung entsprach der im ersten Teile be- 
schriebenen; jedoch kamen je 10 ccm der Lösungen zur Untersuchung. 

Wie in den Versuchen mit wässeriger Benzidinlösung waren auch 
hier bestimmte Eisenmengen maximal wirksam, lagen jedoch etwas 
höher. 

Vorversuche mit Eosin ergaben folgendes: Bei Anwendung von 
Ferroammonsulfat oder Ferrolactat lag das Maximum der Braun- 
färbung nach einer Belichtungsdauer von 60 Minuten bei lung Mol: 
die Wirkungsgrenzen lagen bei 1/400 bzw. Tonn Mol. Bei Anwen- 
dung einer Alkoholkonzentration von 65 Proz. trat statt der rot- 
braunen Farbe Violettfärbung auf. 

Ebenso verliefen Versuche mit Chlorophyll an Stelle des Eosins. 
wobei reines Chlorophyll a + b in der Konzentration 1:50000 zur 
Verwendung kam. In einem Versuch mit Ferrolactat war nach halb- 
stündiger Belichtung in den Lactatkonzentrationen von Ilan Mol an 
abwärts Bräunung zu erkennen, die am stärksten bei Laune Mol war. 
Nach längerem Belichten — weitere 1!4 Stunden — waren die Portionen 
mit 1/200 }/400 und Lean Stark braun gefärbt, und zwar weit stärker als 
die Portionen mit geringerem Eisengehalt. Die eisenfreien, aber chloro- 
phyllhaltigen Kontrollen, die nach halbstündiger Belichtung nur schwach 
hellbraun gefärbt waren, hatten sich bei Fortsetzung der Belichtung 
ebenfalls stärker angefärbt. Jedoch ergab ihr kolorimetrischer Vergleich 
mit der 1 Loo Mol Eisen enthaltenden Portion, daß in dieser etwa viermal 
mehr Farbstoff gebildet worden war. Benzidinfreie Kontrollen, die nur 
Eisen und Chlorophyll enthielten, zeigten keine Farbstoffbildung 
während der gesamten Belichtungsdauer. 

Die untere Methvlalkoholgrenze für deutliche Chlorophyliwirkung 
lag in Gegenwart von 1/6400 Mol Ferrolactat bei 60 Proz. 

Mit Ferrobicarbonatlösung (vgl. ersten Teil) ließ sich in Gegenwart 
von Chlorophyll schon nach 5 Minuten Belichtung deutliche Braun- 
färbung erreichen. Auch hier war bei Anwendung höherer Kon- 
zentrationen, die jedoch nicht bestimmt wurden, eine gewisse Hemmung 
der Benzidinphotooxydation zu beobachten. 

Wenn auch diese Versuche durch die Notwendigkeit der Ver- 
wendung von Methylalkohol etwas getrübt sind, so beweisen sie doch 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 167 


so viel, daß Eisen als Beschleuniger der Photooxydation des Benzidins 
durch Chlorophyll wirkt, d.h. daß im Prinzip eine Beteiligung des 
Eisens an photochemischen Reaktionen mit Chlorophyll als Sensibilisator 
möglich ist. 


IV. Die Hemmung der Schwermetallsalzwirkung durch Cyankalium 
und saures Natriumsulfit. 

Um noch weitere Analogien zwischen dem System fluoreszierender 
Farbstoff—Benzidin— Eisen und dem Assımilationsapparat zu finden, 
wurden Versuche mit Stoffen ausgeführt, deren starke assimilations- 
hemmende Wirkung theoretisch gemäß dem in der Einleitung Gesagten 
auf Abbindung des Chloroplasteneisens zurückgeführt werden kann, 
womit die Möglichkeit einer eventuellen Mitwirkung von Eisen außer- 
halb der Chloroplasten nicht abgelehnt werden soll. 

Zur Verwendung kamen Cyankalium und saures Natriumsulfit. 
Eine gewisse Schwierigkeit bestand dabei insofern, als durch diese 
Salze die pa-Verhältnisse des Systems geändert werden und eine 
Pufferung nicht möglich war, da die zur Einstellung des Neutralpunkts 
geeigneten Puffersysteme die Eisenwirkung bei der Photooxydation 
an sich schon hemmten. Aus den Ergebnissen wird jedoch hervor- 
gehen, daß die Ursache der mit den beiden Salzen tatsächlich erreich- 


baren Hemmung der Eisenwirkung nicht in einer pa-Änderung zu 
suchen ist. 


A. Versuche mit saurem Nutriumsulfit. 


Die Sulfitwirkung wurde z.B. in folgendem System untersucht: 
0,02 Proz. Benzidin + 8 Proz. Kochsalz Lian Mol Ferroammon- 
sulfat + 1,6. 1074 Mol Eosin (Mole pro Liter). Bei einer Belichtungs- 
dauer von 2 Minuten bewirkten Tina bis lee Mol Sulfit pro Liter 
völlige Hemmung der Benzidinblaubildung; in der Zone von 1/3200 bis 
Long Mol stieg die Benzidinblaubildung mit abnehmender Sulfit- 
konzentration derart, daB bei laan Mol etwa !/, und bei !/5000o Mol 
etwa °/, der in der sulfitfreien Kontrolle gebildeten Farbstoffmenge 
vorhanden war. Dieselben relativen Unterschiede waren nach viertel- 
stündiger Belichtung vorhanden, wobei bis herab zu 1/isoọ Mol Sulfit 
die vollständige Hemmung erhalten blieb, die übrigen Portionen dagegen 
eine leichte Vermehrung der Farbstoffmenge aufwiesen. 

Versuche mit Ferrolactat und Ferrobicarbonat hatten im Prinzip 
dasselbe Ergebnis. | 

Aus dem allmählichen Übergang von vollständiger Hemmung bis 
zur normalen Farbstoffbildung gemäß der Sulfitdosierung ergibt sich, 
daß keine strengen stöchiometrischen Beziehungen bestehen. Immerhin 
zeigte ein Vergleichsversuch mit 1/10000 und 1/20000 Mol Ferroammon- 
sulfat völlige Hemmung durch Y/,soo Mol Sulfit gegenüber Y/,,oo0o Mol 


168 K. Noack: 


Eisen, während dieselbe Sulfitmenge bei dem höheren Eisengehalt 
noch schwache Benzidinblaubildung zuließ. Die untere Grenze für 
starke Hemmung lag gegenüber der höheren Eisenkonzentration bei 
1/20000 Mol Sulfit, gegenüber der schwächeren bei ?/30000 Mol. 

Bemerkenswert ist, daß Sulfitkonzentrationen, die drei- bis fünfmal 
geringer als die Eisenmengen waren, noch partielle Hemmung ver- 
ursachten. Ähnlich fanden Wieland, Wingler und Rau!), daß die sauer- 
stoffübertragende Wirkung metallischen Kupfers schon durch sebr 
wenig Blausäure, die stöchiometrisch nicht ins Gewicht fällt, gehemmt 
wird. 

Andererseits ergab sich eine gewisse stöchiometrische Beziehung 
bei vergleichsweiser Verwendung von Eisen und Mangan, das, wie 
früher betont, erst bei bedeutend höherer Konzentration die Benzidin- 
blaubildung im Lichte zu beschleunigen vermag. In einem Parallel- 
versuch wurde die Sulfitwirkung auf Tonon Mol Ferroammonsulfat 
und Tice Mol Manganochlorid mit dem in Tabelle III enthaltenen Er- 
gebnis untersucht: 

Tabelle III. 


lan 
De Mol pro Liter 


| 


Ferroammonsulfat 
"ae ooo Mol pro Liter 


Photooxydationsbeschleuniger: ' 


SS Se = pa 


Minimale Sulfitmenge für | 
| 


starke Hemmuug (Spu- 


ren von Benzidinblau) NËT Mol Na HS0; 1/6000 Mol Na HS0; 


Sulfitmenge für eben er- | 
kennbare Heınmung . (an oon Mol Na HS Og 


133000 Mol Na HS0. 

Dieser Versuch zeigt zugleich, daß die Sulfithemmung unter den 
gegebenen Bedingungen nicht auf pu-Einflüssen berubt, da die Sulfit- 
menge, die im System mit Eisen Hemmung der Blaubildung bewirkte. 
bei Gegenwart von Mangan die Benzidinphotooxydation normal zuließ. 
Dies geht auch daraus hervor, daß in anderen Versuchen das sauer 
resgierende, primäre Natriumphosphat erst in einer Konzentration 
von 1/6400 Mol und mehr die Eisenwirkung hemmte. Außerdem erhellt 
aus dem Versuch der Tabelle, daß eine Ablenkung der Photooxy- 
dationsenergie des Eosins auf das Sulfit selbst höchstens zum Teil 
in Frage kommen kann. Der Verfasser hatte früher (l. c., 1920) fest- 
gestellt, daß belichtetes Eosin auch ohne Schwermetallzusatz die Oxy- 
dation neutralen Sulfits stark beschleunigt. 

Immerhin wurden, um eine gewisse Analogie zu der gegenüber 
dem neutralen Sulfit bedeutend gesteigerten biologischen Giftwirkung 
des sauren Sulfits zu erhalten, einige Versuche mit neutralem Sulfit 
angestellt: 


1) H. Wieland, A. Wingler und H. Rau, Ann. d. Chem. 484, 185, 1923. 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 169 


Tabelle IV. 

DE | 
Photooxydationsbeschleuniger: | 1 Weeer GR It Ge | i Wee dee ger 
Minimale Sulfitmeuge für | 

starke Hemmung (Spu- | 

ren von Benzidiublau) | I sooo Mol NaaSOz 1/2000 Mol Noa SO, 
Sulitmenge für eben er- | | 

kennbare Hemmung . |; e4ooo Mol NaSO; -/sooo Mol Nag SO; 


Die hemmende Wirkung des neutralen Sulfits steht also hinter 
der des sauren beträchtlich zurück, was sich wohl am besten durch 
eine stärkere Affinität des sauren Sulfits zu Schwermetallen erklärt. 
Vielleicht besteht die Wirkung des neutralen Sulfits lediglich in einer 
Verdrängung des Akzeptors Benzidin, was die oben erwähnten früheren 
Ergebnisse des Verfassers wahrscheinlich machen. 


Es ist noch darauf hinzuweisen, daß die Hemmung durch saures 
Sulfit auch nicht auf einem primären Angriff auf das Benzidin beruhen 
kann, da Zusatz von 1 Tropfen n/10 Jodlösung zu den Gemischen mit 
maximal 1/00, Mol saurem Sulfit normale Benzidinblaubildung gab. 
Immerhin dürften in dem ziemlich komplizierten System manche 
Teilreaktionen nebeneinander hergehen. 


Ein Versuch, durch Stehenlassen von Eisensalz mit Sulfit vor der 
Belichtung eine Abbindung und damit etwa eine Herabsetzung der 
wirksamen Sulfitdosis zu erzielen, hatte keinen Erfolg. 


Die vorgetragenen Ansichten finden darin eine gewiss: Bestätigung, 
daß auch die beschleunigende Wirkung des Kupfers durch Sulfit ge- 
hemmt werden kann, und zwar durch Mengen, die unter den für d'e 
Eisenhemmung nötigen liegen. Bei Anwendung von Ilan og Mol Kupfer- 
sulfat hemmten 1/20000 Mol saures Natriumsulfit die Benzidinblau- 
bildung vollständig; 1/40000 Dis }/400000 Mol Sulfit hemmten um etwa 
80 bis 90 Proz., und erst 1/600000 Mol Sulfit ließ normale Farbstoff- 
bildung zu. 


B. Versuche mit Cyankali. 


Auch Cyankali hatte eine Hemmung der Eisenwirkung in dem 
hier untersuchten System zur Folge. In Gegenwart von 1/1000 Mol 
Ferroammonsulfat hemmte !/,oo0o0 und auch noch 1/12000 Mol Cyan- 
kalium die Benzidinblaubildung fast vollständig, während bei !/,,000 Mol 
‚schon normale Farbstoffbildung vorhanden war; bei Anwendung von 
Tagen Mol Eisen war die Hemmung durch ?/,o000 Mol Cyankalium 
vollständig. Auch hier lassen die Unterschiede in den quantitativen 
Beziehungen bei Anwendung von Mangan und Kupfer an Stelle von 
Eisen auf eine spezifische Wirkung des Cyankaliums auf das Schwer- 


170 K. Noack: 


metall schließen: !/,, Mol Manganochlorid wurde durch minimal 1/3000 Mol 
Cyankali, lan Mol Manganochlorid durch minimal Y/gsoo Mol völlig 
gehemmt. Immerhın ist auffallend, daß bei Anwendung von !/,oo000 Mol 
Kupfersulfat völlige Hemmung erst durch die relativ hohe Cyankali- 
konzentration von Toon Mol bewirkt wurde. 


Die Versuche zeigen jedenfalls so viel, daß bei den hier bebandelten 
photochemischen Reaktionen, die als Modellversuche für die Licht- 
reaktionen im Chloroplasten gedacht sind, Verhältnisse vorliegen. wie 
sie bei den als Dunkelreaktion vor sich gehenden Eisenkatalysen 
O. Warburgs gegeben sind. 


Die Tatsache, daß unter Umständen die zur Hemmung der Schwer- 
metallwirkung nötige Sulfitmenge beträchtlich unterhalb der vor- 
handenen Schwermetallmenge liegt, kann mit der von O. Warburg 
nachgewiesenen Reversibilität der physiologischen Blausäurewirkung 
in Beziehung gebracht werden, insofern als die Einwirkung der ge- 
nannten Stoffe auf Schwermetall offenbar nicht in einer Bildung von 
Verbindungen höherer Ordnung nach der gewöhnlichen Art besteht; 
es dürften nur sehr lockere Anlagerungen besonderer Art in Frage 
kommen. 


Theoretisches über die Beziehung zwischen Fluoreszenz 
und photochemischer Wirkung. 


So augenfällig die zwangsläufige Verbindung zwischen der Fluo- 
reszenz der organischen Farbstoffe und deren photooxydativer Wirkung 
im sichtbaren Lichte ist!), so dunkel sind noch die tieferen Ursachen 
dieses Zusammenhangs. Die Feststellung von Neuberg und Galambos?), 
wonach unter den von ihnen untersuchten fluoreszierenden, organischen 
Farbstoffen nur die Anthracenderivate neben der biologischen, ‚‚photo- 
dynamischen‘‘ Wirkung auch Spaltung chemischer Substrate bewirken. 
würden wohl unter Hinzuziehung der eingangs erwähnten, späteren 
Befunde von Gaffron einen Wegweiser für weiteres Vordringen in 
dieser Frage abgeben. 


Eine wichtige Feststellung, die zu den hier mitgeteilten Ergebnissen 
in reziprokem Verhältnis steht, machte Kautsky?); es gelang ihm, 
fluoreszierende Farbstoffe, wie Rhodamin, Echtsäureeosin und andere, 
zur Chemilumineszenz zu bringen, indem er diese Farbstoffe an die 
aus dünnsten Lamellen bestehenden Kristalle einer oxydablen Silicium- 
verbindung (Siloxen) adsorbieren konnte, so daß die Adsorbate die 
Fluoreszenz des betreffenden Farbstoffs zeigten und bei Oxydation des 


1) Vgl. hierzu die Ausführungen des Verfassers, l. c. 1925. 
23) C. Neuberg und A. Galambos, diese Zeitschr. 61, 315, 1914. 
3) H. Kautsky, Zeitschr. f. physikal. Chem. 120, 230. 1926. 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 171 


Siloxens mit Kaliumpermanganat starkes Reaktionsleuchten auf- 
wiesen, das mit dem Fluoreszenzspektrum des Farbstoffs überein- 
stimmte. Es ist also in diesem Falle gegenläufig zu den hier mit- 
geteilten Befunden, aus der Siloxenoxydation stammende freie 
Energie auf den Farbstoff übertragen und in Strahlungsenergie um- 
gewandelt worden. 

Im besonderen interessiert hier die Beteiligung der Schwermetall- 
salze an der photochemischen Oxydation. Möglich ist, daß diese als 
Sauerstoffüberträger peroxydischen Sauerstoffs wirken, dessen Ent- 
stehung irgendwie mit der Belichtung fluoreszierender Farbstoffe zu- 
sammenhängt. Eine solche Peroxydbildung wird von Gebhard!) ver- 
treten, der sogar festes Farbstoffperoxyd durch Belichtung hergestellt 
haben will; Weigert?) konnte Wasserstoffperoxyd bei der Belichtung 
von Chininsulfat nachweisen. Auch der Verfasser?) hat diese Möglich- 
keit früher theoretisch ins Auge gefaßt, betonte aber, in Überein- 
stimmung mit Weigert, daß die Wirkung belichteter, fluoreszierender 
Farbstoffe die des Wasserstoffperoxyds übersteigt. 

Eine andere Erklärungsmöglichkeit gibt die Annahme, daß durch 
den belichteten fluoreszierenden Farbstoff sowohl der Akzeptor, im 
vorliegenden Falle Benzidin, als auch besonders das Schwermetall in 
angeregten Zustand überführt wird, so daß eine Reaktion mit mole- 
kularem Sauerstoff möglich wird. Baudisch*) führt die physiologische 
Wirkung radioaktiver Mineralwässer auf das Vorhandensein kurz- 
lebigen, vielleicht durch Radiozerfall aktivierten Eisens zurück. Ferner 
sind hier die Versuche Neubergs®), der mit belichteten Eisensalzen 
oxydative Spaltungen erhielt, zu erwähnen, wenn auch hierbei eine 
unmittelbare Lichtwirkung auf das Eisen vorliegt. Andererseits hat 
der Verfasser früher (l. c., 1920) festgestellt, daß den Schwermetallsalzen 

keine physiologische, „photodynamische“ Wirkung auf Paramaecien 
‘nach Art der Eosinwirkung zukommt. 

Man kann so vielleicht zu folgender Vorstellung gelangen: Die 
Schwermetalle können durch Strahlung wie auch durch belichtete 
fluoreszierende Farbstoffe aktiviert werden. Die Art der Aktivierung 
kann verschieden sein. Insbesondere ist die in Gegenwart von fluo- 
reszierenden Farbstoffen im Lichte entstehende aktive Form zur 
Förderung von Reaktionen befähigt, die wie die hier untersuchte 


1) K. Gebhard, Zeitschr. f. angew. Chem. 22, 2484, 1909; 23, 820, 1910. 

2) Fr. Weigert, Nernstfestschrift 464. Halle 1912. 

3) 1. c. 1920 und 1925. 

4) O. Baudisch, Arch. f. Balneologie 1. 1, 1925; Naturwiss. 18, 749, 1925; 
O. Baudisch und L. Welo, Journ. of Biol. Chem. 64, 771. 1925. Vgl. hierzu 
L. Fresenius und K. Harpuder, Klin. Wochenschr. 5, 2304, 1926. 

5) C. Neuberg, diese Zeitschr., u. a. 29, 293, 1910. 


172 K. Noack: 


Benzidinblaubildung in ihrem Endeffekt einer Wasserstoffperoxyd- 
reaktion gleichen. 

Diese Vorstellungen würden eine Bestätigung finden, wenn es 
gelänge, in dem System Eosin— Benzidin— Eisen das mit sichtbarem 
Licht bestrahlte Eosin durch kurzwellige Strahlung zu ersetzen, was 
der Verfasser zu untersuchen gedenkt. 


Rückblick. 


Die vorliegenden Untersuchungen waren in der Absicht unter- 
nommen worden, zwei Eigentümlichkeiten des Assimilationsapparats, 
die Fluoreszenz des Chlorophylis und das Vorkommen von Eisen im 
Cbloroplasten, zur Behandlung der Frage nach dem Chemismus der 
Photosynthese mit heranzuziehen. Im folgenden soll nun kurz das 
Für und Wider eines solchen Versuchs beleuchtet werden. Folgende 
Punkte sind einer theoretischen Angleichung der Modellversuche mit 
Benzidin an die Verhältnisse bei der Kohlensäureassimilation günstig: 


1. Die Größenordnung der durch Chlorophyll erreichbaren Photo- 
oxydation im sichtbaren Lichte entspricht der Assimilationsgröße der 
lebenden Zelle, wie in der Einleitung ausgeführt wurde. 


2. Die photooxydative Wirkung des Chlorophylis kann durch 
Eisen, das im Chloroplasten vorhanden ist, stark gesteigert werden. 
Von Bedeutung ist vielleicht hierbei, daß auch Ferrocarbonate, deren 
Vorkommen im Chloroplasten ohne weiteres denkbar ist, diese Wirkung 
besitzen, und daß diese Verbindungen nach den Untersuchungen von 
Baudisch ganz besonders ausgeprägte physiologische Wirkungen im 
aktivierten Zustande besitzen. 


3. Die beschleunigende Wirkung des Eisens auf die Photooxv- 
dation des Benzidins kann gerade durch solche Stoffe unterbunden 
werden, die schon in kleinsten Mengen eine Hemmung der Kohlen- 
säureassimilation bewirken. 


4. Im lebenden Blatte tritt nach irgendwelcher Assimilations- 
sistierung, sei es z. B. durch Kohlensäureentzug oder Sulfitvergiftung 
bei währender Belichtung eine Abtötung des Protoplasmas und Aus- 
bleichung des Chlorophyllis auf, die sich nur durch die photooxydative 
Wirkung des fluoreszierenden Chlorophylls erklären läßt (vgl. hierzu 
die früheren Arbeiten des Verfassers). 

Als Gegenargumente stehen folgende Punkte zur Erwägung: 

l. Die Kohlensäureassimilation ist ein Reduktionsvorgang, der 
erheblichen Energieaufwand beansprucht, während es sich in den vor- 
liegenden Modellversuchen um die Oxydation eines leicht dehydrier- 
baren Körpers handelt. 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der CO,-Assimilation. 173 


Hierzu ist zu sagen: Eisensalze können sowohl reduzierend als 
oxydierend wirken, derart, daß nach den Vorstellungen von Haber!) 
ein feuchter Oxydationsprozeß einen reversiblen Vorgang darstellt. 
Bei den besonderen energetischen Verhältnissen in den Chloroplasten 
wäre eine Verschiebung des Gleichgewichts nach der Seite der Reduktion 
an sich jedenfalls denkbar. Ferner findet Hr. Wieland?) auch bei der 
Sauerstoffaktivierung durch Schwermetall, durch Kupfer, zunächst 
Wasserstoff, der sich bei Vorhandensein von Luftsauerstoff an diesen 
unter Peroxydbildung anlagert. Falls ähnliches für die hier in Frage 
kommenden Vorgänge angenommen werden darf, so würde dies be- 
sagen, daß auf Grund einer durch das belichtete Chlorophyll bedingten 
Eisenanregung Wasserstoff aktiviert wird, der nur beim Fehlen des 
normalen Akzeptors der biologischen Reaktion, der Kohlensäure, mit 
molekularem Sauerstoff zu einem Peroxyd zusammentritt, das die 
oben erwähnten Zellschädigungen hervorruft. Einen Anhaltspunkt 
für das Auftreten von aktivem Wasserstoff im Verlauf der normalen 
Kohlensäureassimilation erblickt der Verfasser in der von ihm ge- 
fundenen Tatsache?), daß Assimilationshemmung durch Kohlensäure- 
entzug, Überfütterung mit Zucker oder Narkotisierung bei währender 
Belichtung in flavonolhaltigen Blättern Hydrierung des Flavonols zu 
Anthocyan in den grünen Zellen zur Folge hat. 

Diese Vermutung über eine Mitwirkung des Eisens bei der Kohlen- 
säureassimilation schließt nicht aus, daB dieses auch an der Aktivierung 
der Kohlensäure beteiligt sein könnte. 

2. Die beschleunigende Wirkung des Eisens auf die Photooxydation 
des Benzidins durch Eosin ist keine echte Katalyse, sondern eine 
induzierte Reaktion. 

Auch hiergegen kann unter Zurückgreifen auf die besondere 
Leistungsfähigkeit der grünen Zelle die Annahme gemacht werden, 
daß durch irgendwelche Prozesse eine Regeneration des verbrauchten 
Eisens stattfindet. Davon abgesehen bestehen zwischen induzierender 
und katalytischer Wirkung keine scharfen Grenzen. 


Betreffs der Hemmung der Eisenwirkung bei der Benzidinphoto- 
oxydation durch saures Sulfit sei noch folgendes mitgeteilt: 

Der Verfasser hatte (l. c., 1925) gezeigt, daß die Rauchgasschädigung 
(Schwefelsäurevergiftung der Vegetation) in Assimilationssistierung 
und der dadurch ermöglichten photodynamischen Wirkung des Chloro- 


1) F. Haber, Zeitschr. f. physikal. Chem. 84, 513, 1900; zusammen mit 
F. Bran, ebendaselbst 85, 81, 1900; F. Haber, Zeitschr. f. Elektrochem. 7, 
441, 1900/01. 

2) Hr. Wieland, Ann. d. Chem. 484, 185, 1923. 

3) Kurt Noack, Zeitschr f. Botanik 14, 1, 1922. 


174 K. Noack: 


phylis auf das Protoplasma zu suchen ist. Die Modellversuche der 
vorliegenden Arbeit lassen den Schluß zu, daß diese Assimilations- 
hemmung auf Eisenabbindung zurückzuführen ist. Hieraus ergibt 
sich die Folgerung, daß mit schwefliger Säure im Dunkeln vorbehandelte 
Pflanzen durch Darreichung von Eisenverbindungen vor der erst im 
Lichte einsetzenden Nachwirkung der Behandlung mit schwefliger 
Säure mehr oder weniger geschützt werden könnten. Noch nicht ab- 
geschlossene Untersuchungen im Institut des Verfassers lassen diese 
Annahme als berechtigt erscheinen und ergeben umgekehrt eine Be- 
stätigung der in dieser Arbeit vorgetragenen Ansichten. 

Der Verfasser ist sich bewußt, daß Modellversuchen wie den vor- 
liegenden für die Erklärung biologischer Vorgänge nur bedingter Wert 
zukommt und daß eine Behandlung des Problems der Kohlensäure- 
assimilation nicht an einzelne Eigentümlichkeiten des komplizierten 
Aufbaus der Chloroplasten und eine einzige Eigenschaft des Chlorophylis 
gebunden bleiben darf. Jedoch hält er sich für berechtigt, einen Lebens- 
vorgang, der noch so gut wie vollständig im Dunkeln liegt, auch von 
einem einseitigen Standpunkt aus zu beleuchten. 


Die vorliegende Untersuchung wurde mit Unterstützung der Not- 
gemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ausgeführt, wofür dieser 
auch hier der Dank ausgesprochen sei. 


Zusammenfassung. 


Der Verfasser untersuchte im Hinblick auf die Kohlensäureassi- 
milation der grünen Pflanze und auf die Tatsache des Eisenvorkommens 
in den Chloroplasten die photooxydative Wirkung des Eosins und 
fluoreszierenden Chlorophylis auf Benzidin, ein System, das er schon 
früher behandelt hat, und versuchte durch Zusatz von Eisen, eine 
Beschleunigung der Benzidinphotooxydation zu erzielen, wie er sie 
früher durch Manganzusatz erhalten hatte. 

Es zeigte sich, daß besonders Ferrosalze eine beträchtliche Be- 
schleunigung der Benzidinphotooxydation durch Eosin wie auch durch 
fluoreszierendes Chlorophyll bewirken, jedoch mit dem Unterschied 
gegenüber Mangansalzen. daß nur sehr geringe Eisenmengen wirksam 
sind und größere, die noch unter der wirksamen Minimalkonzentration 
des Mangans liegen, völlige Hemmung der Reaktion zur Folge haben. 

Das Eisen wirkt hierbei induzierend, während Kupfer, als Sulfat 
verwandt, noch weit stärker wirksam ist und die Reaktion katalytisch 
beeinflußt. 

Die hemmende Wirkung von schwefliger Säure und Cyankali m 
kleinen Mengen auf die Kohlensäureassimilation findet in den Modell- 
versuchen eine Analogie, indem diese Stoffe die beschleunigende 


Modellversuche zur Frage der Eisenbeteiligung an der C O,-Assimilation. 175 


Wirkung des Eisens im belichteten System Eosin— Benzidin aufheben. 
so daß auch auf Grund dieser Versuche eine Beteiligung des Eisens an 
der Kohlensäureassimilation denkbar ist. 

Die Untersuchung macht es ferner wahrscheinlich, daß die Fluo- 
reszenzeigenschaft des Chlorophylis mit einer aktivierenden Wirkung 
des belichteten Farbstoffs auf Eisen irgendwie verbunden ist, das 
dann seinerseits in einer ebenfalls noch unklaren Weise bei der Kohlen- 
säureassimilation beteiligt zu denken ist. 

Die vom Verfasser früher gefundene Tatsache, wonach die Rauch- 
gasschädigung der Vegetation in einer Hemmung der Photosynthese 
und der damit verbundenen Ablenkung der photochemischen Energie 
des Chlorophylis auf das Protoplasma besteht, läßt sich an Hand der 
obigen Modellversuche dahin erweitern, daß der eigentliche Angriffs- 
punkt der schwefligen Säure im Eisen des Assimilationsapparats zu 
suchen ist. 


Über die enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. 


III. Mitteilung: 
Die Milchsäurebildung aus den gärfähigen Hexosen. 


Von 


Otto Meyerhof. 
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Biologie, Berlin-Dahlem.) 
(Eingegangen am 13. Januar 1927.) 
Mit 20 Abbildungen im Text. 


Inhalt. Seite 
Einleitung u.a. > 2 a ee o e a . 2 e 176 
I. Milchsäurebildung a aus Hosen ES Heteaktivator gé re E i 
A. Froschmuskelextrakt . ... 8 pr ër A er 8 
B. Kaninchenmuskelextrakt. . . ..... paui EE 
II. Milchsäurebildung aus Hexosen mit Hefeaktivator Kee ir, . 1 BA 
A. Übersicht . . ee ae DE Da. Sr be BR 
B. Herstellung des "Aktiv ators EEN 
C. Eigenschaften des Aktivators . . . 187 
1. Das Trockengewicht der noch wirksamen Menge . 187 
2. Stabilität des Aktivators . . . . 188 
D. Verlauf des Glucoseumsatzes . . 2. 2. 2 2 2222.20. .189 
E. Beeinflussungen des Zuckerumsatzes . . . . 2 2 2 2.2. . I97 
12. ATs3emiab. 2 2 2 42 20 Eee ee ae ie 101 
2. Andere Stoffe... . . . 200 
III. Vergleichende Betrachtung der Kohlehydratvergärung, durch Hefe. 
präparate (Acetonhefe und Mazerationssaft) . . . 203 
A. Hälftige Teilung des Zuckerss . . 22.2 222222 , 208 
B. Einfluß des Fluorids . . . ; Sa a e ei EE 
C. Vergärung der Hexosediphosphorsäure dg a re en de 20 
Zusammenfassung . . 2 2 2 m m m nr rennen nn. 214 


Wie in den vorangehenden Mitteilungen!) gezeigt, werden die 
verschiedenen Kohlehydrate in abstufbarer Leichtigkeit durch das 
gelöste milchsäurebildende Enzym des Muskels gespalten. Am 
leichtesten, wenn auch keineswegs mit größter Geschwindigkeit, die 
Hexosediphosphorsäure der Gärung, da cofermentfreier Muskelextrakt, 


1) Diese Zeitschr. 178, 395, 462, 1926. 


O. Meyerhof: Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 177 


ferner solcher, der durch Erwärmen auf 37° oder 24stündiges Stehen 
auf Eis seine sonstige glykolytische Fähigkeit eingebüßt hat, noch zur 
Spaltung des Phosphorsäureesters in äquimolekulare Mengen Milch- 
säure und Phosphorsäure imstande ist. Dann folgen die Polysaccharide 
und ihre anhydrischen Spaltprodukte, Glykogen, Stärke, Amylopectin, 
Amylose, Trihexosan und Dihexosan, die von frischem Muskelextrakt, 
der mit isotonischer KCI-Lösung oder destilliertem Wasser hergestellt 
ist, mit nahezu gleicher und für mehrere Stunden nur langsam ab- 
fallender Geschwindigkeit in Milchsäure gespalten werden, einer Ge- 
schwindigkeit, die bei genügendem Phosphatgehalt etwa der spontanen 
Milchsäurebildung zerschnittener Muskulatur gleichkommt. Als dritte 
Gruppe folgen die gärfähigen Hexosen, deren Spaltung zwar in bestimmt 
hergestelltem, frischem Extrakt und daraus gewonnenen Trocken- 
präparaten schon an und für sich stattfinden kann, aber viel rascher 
erlischt als der Umsatz der Polysaccharide. Jedoch kann durch Zusatz 
eines aus der Hefe gewonnenen Aktivators dem unwirksamen Muskel- 
extrakt die Fähigkeit zu äußerst rascher Glykolyse verliehen werden. 
Mit diesem Gegenstand beschäftigt sich die vorliegende Mitteilung, 
wobei die weitgehende Analogie des Hexoseumsatzes im ‚„aktivierten‘ 
Muskelextrakt und bei der zellfreien alkoholischen Gärung in einem be- 
sonderen Kapitel behandelt wird. 


I. Milchsäurebildung aus Hexosen ohne Hefeaktivator. 


Mit unterkühlter isotonischer Kaliumchloridlösung hergestellte Ex- 
trakte aus Froschmuskeln (Temporaria) sind den Hexosen gegenüber 
nahezu wirkungslos, erheblich aktiver dagegen die mit destilliertem Wasser 
hergestellten Auszüge. Allerdings sind diese, speziell aus der Muskulatur 
von Herbstfröschen, nicht so frei von Kohlehydrat wie die Kalium- 
chloridextrakte. Doch läßt sich bei Zusatz von Hexosen eine deutliche, 
oft mehrere Stunden anhaltende Steigerung der schwachen spontanen 
Milchsäurebildung erzielen. Dabei ergibt sich zum Unterschied vom 
Umsatz der Polysaccharide, daß diese Spaltung niemals mit hoher 
Geschwindigkeit einsetzt, um dann auf ein nahezu konstantes Niveau 
abzufallen, sondern daß umgekehrt die Spaltung oft erst nach einer 
längeren Induktionsperiode beginnt und dann entweder konstant ist 
oder schwach ansteigt. 

Noch günstigere Resultate als mit den Wasserextrakten aus 
Temporarienmuskeln erzielt man mit Extrakten aus Kaninchen- 
muskulatur, besonders wenn auch hier die Extraktion mit Wasser oder 
hypotonischer KCl-Lösung geschieht. Da hier häufig der Glykogen- 
umsatz rasch abfällt, während der Zuckerumsatz langsam steigt, kann 
sogar in gewissen Perioden der letztere größer sein. Im ganzen werden 
aber auch hier die gärfähigen Hexosen mit kaum der halben Geschwindig- 

Biochemische Zeitschrift Band 133. 12 


178 O. Meyerhof: 


keit wie das Glykogen umgesetzt. Während ferner ein 15 Stunden auf 
Eis gehaltener Extrakt aus Kaninchenmuskeln die Polysaccharide 
noch gut spaltet, ist seine Fähigkeit gegenüber den Hexosen erloschen. 
Die Abstufung der Empfindlichkeit ist hier also dieselbe wie im Frosch- 
muskelextrakt, aber das ganze Fermentsystem stabiler. Schließlich 
kann man durch Fällung von frischem Extrakt, der Hexosen glykolysiert, 
ein haltbares Acetonpulver gewinnen, das auch noch zur Spaltung der 
Zucker befähigt ist. 

Die Versuche wurden zum großen Teil nach der manometrischen 
Methode unter Berücksichtigung der hierbei anzubringenden Korrek- 
turen für Milchsäureretention und Phosphatumsatz (Veresterung 
bzw. Abspaltung) und eventuell noch für Verdünnung bei Zusatz des 
Kohlehydrats ausgeführt. Wie schon in der ersten Arbeit erwähnt. 
liefert beim Umsatz der Hexosen ohne Aktivator die manometrische 
Methode etwas zu kleine Werte, denn bei der Spaltung der Hexosen 
wird der präformierte Phosphorsäureester (Lactacidogen) meist mehr 
oder weniger stark aufgespalten. Die hierbei auftretende Alkalisierung 
ist aber größer als sich aus der Differenz der p,;-Werte von Phosphor- 
säure und Hexosediphosphorsäure berechnet!). Inzwischen wurden 
auch die Dissoziationskonstanten der Hexosemonophosphorsäuren 
(Robisonsche und Neubergsche Säure) bestimmt?). Pg; für diese 
ergab sich, wie erwartet, kleiner als bei der Harden- Youngschen Säure, 
nämlich zu 6,11. Schreibt man dem Embdenschen ‚Lactacidogen“ 
hypothetisch eine solche Konstitution zu), so wird die Übereinstimmung 
zwischen beobachteter und berechneter pa-Verschiebung besser. Bei 
totaler Abspaltung des Phosphats aur dem Ester muß dann in der 
Gegend des Neutralpunkts die pu-Verschiebung 0,70 betragen, was 
unter den Bedingungen der manometrischen Versuche gleich 112 cmm 
CO, für Img P,O, ist, während sich für die Spaltung der Hexose- 
diphosphorsäure pro Img P,O, 82 cmm CO, ergibt. Während vor- 
läufig der größere Wert, der allerdings immer noch etwas zu klein 
erscheint, für die Aufspaltung des präformierten Esters verwandt wird, 
werden als Veresterungskorrektur für Bildung und Spaltung des Di-Esters 
wie bisher 82 cmm C O, und bei Zusatz von Salzen in m/10 Konzentration 
100 cmm CO, (?a-Verschiebung 0,61) benutzt. 

Der Verlauf des Phosphatumsatzes beweist, daß den Hexosen eine 
verhältnismäßig geringe Veresterungstendenz zukommt. Im Gegensatz 
zum Umsatz der Polysaccharide nimmt bei der Glucosespaltung das 
veresterte Phosphat meist nicht zu, sondern ab. Man könnte deshalb 


1) Vgl. O. Meyerhof und J. Suranyi, diese Zeitschr. 178, 440, 1926. 

2) Vorläufige Mitteilung O. Meyerhof und K. Lohmann, Naturw. 13, 
1277, 1926. 

3) Vgl. Embden und Zimmermann, Ber. d. ges. Physiologie 88, 157, 1926. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 179 


die Frage aufwerfen, ob der Zerfall der Hexosen überhaupt über einen 
Phosphorsäureester führt. Das ergibt sich aber, abgesehen von den 
Versuchen des nächsten Abschnitts, aus dem Verhalten des Fluorids. 
In mittleren Konzentrationen kommt es hier bei gleichzeitiger Hemmung 
der Glykolyse zu einer Anhäufung der Hexosediphosphorsäure. Im Sinne 
der in der vorigen Arbeit gegebenen Erklärung der Fluoridwirkung!) 
häuft sich das Stabilisierungsprodukt der Veresterung an, da die 
Wiederaufspaltung des Esters gehemmt wird. Bei sehr hoher Fluorid- 
konzentration nimmt der Phosphorsäureester nicht zu, weil hier außer 
der Spaltung auch die Synthese gehemmt wird. Daß die Veresterung 
der Glucose unter der Wirkung des Fluorids von anderen Forschern 
bisher nicht beobachtet wurde, ist verständlich, da eben eine solche 
Veresterung nur unter Bedingungen stattfindet, die bei Abwesenheit 
von Fluorid die Milchsäurebildung ermöglichen. Diese liegen aber bei 
den Hexosen nur unter speziellen Umständen vor. 

Im folgenden sind einige Versuche mit Wasserextrakt von Frosch- 
muskulatur sowie Wasser- und Kaliumchloridextrakt von Kaninchen- 
muskulatur wiedergegeben. Aus den 
Kurven ersieht man das allmähliche An- 
steigen der Glykolyse in den ersten Ver- 
suchsstunden. Wird das Kohlehydrat 
vorher zugesetzt, so entgeht besonders 
bei Kaninchenmuskelextrakt ein erheb- 
licher Teil des Glykogenumsatzes der 
Messung, während der Glucoseumsatz 
nahezu vollständig in die Meßperiode 
fällt. Dadurch scheinen die betreffenden 
Versuche (Tabelle III) etwas zu günstig. 
Auch sind in den Tabellen nur die posi- 
tiven Versuche aufgeführt, während ein 
nicht unbeträchtlicher Teil mit den 
Hexosen ohne Aktivatorzusatz überhaupt 
negativ verläuft. 


Abb. 1. 
Spaltung von Glykogen und Glu» 
A. Froschmuskelextrakt. cose durch Wasserextrakt aus 
Froschmuskeln ohne Aktivator. 


Als Beleg für einen durchschnittlichen e © ohne Zusatz. 
Versuch von Wasserextrakt aus Frosch- x er eech 
muskulatur diene Abb. 1 Als weiteres 
Beispiel ist in der Tabelle I ein Versuch (9. Juni 1926) angegeben, 
in dem neben der Milchsäurebildung die Phosphatveresterung be- 
stimmt ist. Während mit Glucose allein eine teilweise Aufspaltung 


1) Diese Zeitschr. 178, 482, 1926. 
12 * 


180 O. Meyerhof: 


des präformierten Esters erfolgt, nimmt in Gegenwart von Glucose 
+ Fluorid die Veresterung zu. 


Tabelle I. 


9. Juni 1926. Je 0,5ccm dest. Wasserextrakts aus Froschmuskeln auf 0,9ccm 
aufgefüllt; mit 0,02 mol. NaHCO, und den angegebenen Kohlehydrat- 
zusätzen, in 90 Minuten bei 20°. 


Fe E = Dk ll F = | Dareus | Toter 
Nr. || Kohlebydrat Kc GEES EZ San amt: = 
2 _Veresterung) __ E Zucker 


1 an 0,085 
2 | 0,22 Proz. | 
Glucose — | 0,406 | + 0,030 | (— 0,04) 0,41 
3 || 0,22 Proz. | | | 
Glucose 0,02 n NaF | 0 . — 0,257 0,33 0,83 
4 0,45 Proz. | 
| Stärke —  ' 0,734  —0140| 018 | 09 


Der Vergleich der Glykolysegeschwindigkeit verschiedener Zucker 
ist in der Tabelle II enthalten, wo in der letzten Spalte die relative 
Umsatzgeschwindigkeit (für Stärke = 100) unter Abrechnung der 
spontanen Milchsäurebildung verzeichnet ist (vgl. auch Tabelle III, 
Nr. 2, mit Kaninchenmuskulatur). 


Tabelle II. 


Umsatzgeschwindigkeit verschiedener Hexosen ohne Aktivator. 
Je 0,6 ccm Woasserextrakt auf 0,9 ccm geben in 90 Minuten bei 20°: 


Nr. | Datum | eegene Ra mg Milchsäure re pros dss see 


10. VI. | 0,052 


la 
b 0,4 Proz. Glykogen 0,54 63 
c 0,4 „ Stärke 0,83 100 
d 0,2 „ Glucose 0,20 20 
e " 0,2 „ Fructose 0,18 17 
f ı 0,2 „ Mannose 0,15 13 
g 02 „ Galaktose 0,07 3 

2a 11. VI. | — 0,088 — 
b : 0,4 „ Stärke 0,56 100 
o + 0,2 „ Glucose 0,29 42 
d ı 0,2 „  Maltose 0,15 13 
e ' 0,2 „  Amylobiose 0,16 16 
f | 02 „ _ Saccharose 0,088 0 


Während Galaktose und Saccharose unwirksam sind, werden die 
anderen Mono- und Disaccharide, wenn auch mit geringerer Geschwindig- 
keit als Glucose gespalten. Das Verhältnis zwischen Glucose und 
Fructose wechselt jedoch, indem in etwas älterem Extrakt die Fructose- 
spaltung sich als stabiler erweist. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 181 


B. Kaninchenmuskelextrakt. 


Die größere Stabilität des Kaninchenmuskelextrakts, die bereits in 
der ersten Arbeit dieser Serie hervorgehoben ist, bewährt sich auch in 
der Milchsäurebildung aus Hexosen, wobei die relative Wirkungsstärke 
im Vergleich mit Glykogen bei 20° und 37° ziemlich ähnlich ist. In 
Tabelle III ist eine Versuchsserie angegeben, wo bei 37° mit demselben 
Extrakt der Hexosenumsatz sofort, nach 34, und nach 21 Stunden 
untersucht ist. Hierbei sind auch einige Versuche mit Insulin auf- 
geführt, die zeigen, daß es auf die Geschwindigkeit der Spaltung keinen 
Einfluß hat. Auch wenn in gealtertem Extrakt die Glucose spontan 
nicht mehr angegriffen wird, wird durch Insulin niemals eine Aktivierung 
erreicht oder eine Veresterung der Glucose mit Phosphat ermöglicht. 
Auch in Verbindung mit Hefeaktivator besitzt das Insulin keine er- 
kennbare Wirkung auf den Umsatz der Glucose im Muskelextrakt von 
Frosch- oder Kaninchenmuskulatur. 


Tabelle III. 


1. Juni 1926. Je 0,52 ccm Extrakt in 0,9proz. KC auf 1,0 cem aufgefüllt. 
Umsatz bei 37° in 90 Minuten. 


E WEE 
Proz. des 

nd Bi Extrakt me | bon | ran Kohlehydratzusatz on | ET | meine "Së Se = GE Glykogen: 
umsatzes 


la — T d 

b 4 mg Glykogen — | 1,83 100 
c 2 „ Glucose — 1,27 95 
d 2 „ S 4.107 1,24 | 95 
e 2 „ S 2. Ur? 1,26 | 95 
2a — ne 0,02 = — 
b 4 mg Glykogen —- 0,99 100 
c 2 „ Glucose — 0,86 85 
d 2, = 4.1075 0,75 ! 75 
e 2 „ Fructose — 0,44 | 43 
f 2 „ Mannose | — | 0,48 47 
g 2 „ Galaktose | — 0,035 2 
h 2 „ Maltose = 0,14 12 
3a || 21h später | = 007. — 
b R 4 mg Elykosen — 0,44 100 
c e 2 „ Glucose — 0,07 | 0 


Während die glykolytische Wirksamkeit des Extrakts bei 
31,,stündigem Stehen in Eis noch nicht bedeutend geschwächt ist, ist 
sie nach 21stündigem Stehen gegenüber Glucose erloschen, gegenüber 
Glykogen auf ein Drittel gefallen. 

Bei Extrakten, die Glucose gut spalten, gelingt es, dies Vermögen 
durch Herstellung von Acetondauerpräparaten für Wochen zu kon- 
servieren. Tabelle IV enthält eine derartige Versuchsreihe, in der die 


O. Meyerhof: 


182 


— 99T "AonAn3geient R "2-06 8 | ` S 
| 9 


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= = Es =. Open ` = ' on “Z op ` ý a 
= = — j| = ' 090 ES goäogitg BWP | 06 el Kittel əqrəsssq ` d 
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183 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 


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184 ° O. Meyerhof: 


Wirksamkeiten des frischen Extrakts, des Extrakts nach mehreren 
Stunden, sowie der Acetondauerpräparate nach 1 Tag und 3 Wochen 
untersucht sind. 


Die Versuche 1, 3 und 4 der Tabelle IV sind auch auf den Abb. 2, 
3 und 4 für die ganze Versuchszeit dargestellt. Sowohl in der Tabelle 
wie auf den Abbildungen sind einige Versuche unter Zusatz von Hefe- 
aktivator enthalten, die in das nächste Kapitel gehören. Der außer- 
ordentliche Unterschied in der Geschwindigkeit der Anfangsperiode ist 
sehr auffallend. Der rasche Abfall in Gegenwart des Aktivators steht 
mit der Erschöpfung des Phosphats bzw. des freien Zuckers in Zu- 
sammenhang, worauf unten eingegangen wird. In dem Versuch 1 ist 
auch die Phosphatveresterung angegeben. Aus ld, letzte Spalte sieht 
man, daß der Gesamtzuckerumsatz der zugegebenen Glucosemenge 
fast genau entspricht. 


TI. Milchsäurebildung aus Hexosen mit Hefeaktivator. 


A. Übersicht. 


Die besondere Eigentümlichkeit der Hexosespaltung im Muskel- 
extrakt besteht, abgesehen von ihrer größeren Empfindlichkeit, in 
dem langsamen Einsetzen der Reaktion. Wie bei den Polysacchariden 
die schnelle Anfangsperiode mit der starken Anhäufung von Phosphor- 
säureester zusammenfällt, ist umgekehrt bei dem Glucoseumsatz die 
Veresterungstendenz klein. Es lag nahe, diese Veresterungstendenz 
durch Zugabe eines Hefeauszugs zu verstärken, da ja der Zucker im 
Hefeextrakt während der ersten Gärungsperiode glatt verestert wird. 
Dieser Gedanke erwies sich als richtig, und der verantwortliche Aktivator 
war leicht zu isolieren. Seine Lösung blieb, im Eisschrank aufbewahrt, 
für Wochen haltbar. Bei Zugabe einer gewissen Menge Aktivator, die 
bei der gewöhnlichen Herstellung ohne weitgehende Reinigung gegen 
] mg organische Trockensubstanz enthält auf 1 cem Glykolysegemisch, 
wird der Verlauf der Zuckerspaltung vollständig verändert. Sie setzt 
nunmehr mit sehr hoher, für eine gewisse Zeit ziemlich konstanter 
Geschwindigkeit ein, die dann steil abfällt und einer zweiten Periode 
stark herabgesetzter, aber für längere Zeit ebenfalls annähernd kon- 
stanter Geschwindigkeit Platz macht. Die gleichzeitige Untersuchung 
der Phosphatveresterung lehrt, daß in der ersten Periode Phosphat 
verestert wird, und zwar äquimolekular zu der entstehenden Milchsäure. 
daß aber der rasche Abfall in den Zeitmoment fällt, wo entweder der 
freie Zucker durch Übergang in Milchsäure und Ester, oder aber das 
freie Phosphat durch Veresterung völlig verschwunden ist und nunmehr 
die Wiederaufspaltung der gebildeten Hexosediphosphorsäure die 
Geschwindigkeit der Gesamtreaktion bestimmt. Allerdings kommt e in 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 185 


weniger guten Extrakten oder auch bei geschwächtem Aktivator 
öfters zu einem Stillstand des Prozesses, ehe das anorganische Phosphat 
oder der freie Zucker erschöpft ist. Häufiger noch als dieses vorzeitige 
Stehenbleiben ereignet sich eine andere Abweichung von der obigen 
Regel: Bei Überschuß an Zucker sinkt nach totaler Veresterung des 
anorganischen Phosphats die Geschwindigkeit nicht auf einen konstanten 
Wert, der etwa der Spaltungsgeschwindigkeit zugesetzter Hexose- 
diphosphorsäure entspricht, sondern sinkt annähernd oder ganz auf 
Null. Versuche mit variierter Zuckermenge und solche, die in einer 
späteren Arbeit über die Spaltung der Hexosemonophosphorsäuren mit- 
geteilt werden, zeigen, daß bei gänzlichem Fehlen des anorganischen 
Phosphats der Fermentkomplex geschwächt ist und unter solchen 
Umständen auch die Wiederaufspaltung angehäufter Hexosediphosphor- 
säure nicht mehr glatt gelingt. Man erkennt dies leicht, indem dann 
bei kleinerer Zuckerkonzentration, die nicht hinreicht, das Phosphat 
restlos zu verestern, die Wiederaufspaltung rascher verläuft und der 
Gesamtumsatz den bei größerer Zuckermenge schließlich übertrifft. 
Vorweggenommen sei zu dem im folgenden Kapitel angestellten Vergleich 
mit der alkoholischen Gärung, daß diese sich bei völligem Fehlen des 
anorganischen Phosphats ähnlich verhält. Wie schon Harden und Young 
beobachteten!), kommt sie ebenfalls unter solchen Umständen zum 
Stehen, und Zugabe von Phosphat wirkt nunmehr auf den Gesamt- 
umsatz viel stärker, als der Äquivalentbeziehung der Harden- Youngschen 
Gleichung entspricht. 


Bei der Analyse der Vorgänge sehen wir von diesen unvollständigen 
Spaltungen ab und beschäftigen uns nur mit den normal verlaufenden, 
bei denen in geeigneter Konzentration der zugesetzte Zucker in kurzer 
Zeit total umgesetzt wird. Da der Prozeß stets in zwei scharf getrennte 
Perioden zerfällt, analog der alkoholischen Gärung im Hefeextrakt, so 
gibt der Gesamtumsatz in der Versuchszeit nicht eine bestimmte Ge- 
schwindigkeit wieder. Die Geschwindigkeit der Veresterungs- oder 
Phosphatperiode muß von der Geschwindigkeit der zweiten Phase, die 
durch die Wiederaufspaltung der Hexosediphosphorsäure bestimmt 
wird, unterschieden werden, und nur die Kurve des Verlaufs gibt ein 
richtiges Bild. Da anfangs ebensoviel Zucker durch Veresterung wie 
durch Milchsäurebildung verschwindet, muß zur vollständigen Analyse 
der Phosphatumsatz gleichzeitig bestimmt werden. In den Kurven ist 
der Phosphatschwund, umgerechnet auf Milligramm äquimolekulare 
Milchsäure, nach unten von der Abszisse aufgetragen. Die ‚Veresterungs- 
korrektur‘‘ der manometrischen Messungen ist hier ziemlich beträchtlich. 
Einige chemische Bestimmungen dienten teils zur Kontrolle der mano- 


1) Proc. Roy. Soc., Ser. B, 82, 321, 1910. 


186 O. Meyerhof: 


metrischen Messungen, teils (vgl. Tabelle VIII) zur Ermittlung des 
Anfangsverlaufs nach Zusatz des Zuckers. 

Das System Muskelenzym + Hefeaktivator ist zur Spaltung der 
Glucose auch in solchen Säften imstande, die sonst keine Spur einer 
Glucosespaltung zeigen, wie vor allem im Kaliumchloridextrakt aus 
Froschmuskulatur. Andererseits ist es doch nicht so stabil wie das 
System der Glykogenspaltung. Es versagt leicht in mehreren Stunden 
alten Froschmuskelextrakten, wobei außer der Beschaffenheit des 
Extrakts auch das Alter des Hefeaktivators eine Rolle spielt. Während 
dann unter Umständen überhaupt keine Reaktion mehr eintritt, kann 
man bei guter Beschaffenheit von Enzym und Aktivator durch Ab- 
stufung der Menge des letzteren eine abgestufte Geschwindigkeit der 
Phosphatperiode erreichen und hieran die wirksame Aktivatormenge 
abschätzen. In den folgenden Abschnitten ist zunächst die Her- 
stellung und die Haltbarkeit des Aktivators behandelt und an- 
schließBend die Kinetik des Zuckerzerfalls. 


B. Herstellung des Aktirvators. 


Bäckerhefe, z. B. 250 g, wird zunächst, etwa der Willstätier schen 
Vorschrift zur Darstellung des Invertins folgend, mit wenig Toluol 
verrieben und ”/, Stunden bei 35° plasmolysiert, dann mit dem gleichen 
Gewicht Wasser verrührt, 2 bis 3 Stunden in den Brutschrank von 
35° gestellt. Die Hefe wird scharf abzentrifugiert, der Auszug ver- 
worfen und der Heferückstand wiederum mit dem gleichen Gewicht 
Toluolwasser verrührt und über Nacht bei 35° stehengelassen. Am 
nächsten Morgen wird auf einer rasch laufenden Zentrifuge (5000 Touren 
in der Minute) zentrifugiert, die überstehende, stark gelbliche, aber 
durchsichtige Lösung auf 0° abgekühlt und mit dem gleichen Volumen 
Alkohol bei 0° gefällt. Auf diese Weise wird die ganze im Hefeautolysat 
enthaltene Aktivatormenge niedergeschlagen. Der Niederschlag wird 
mit Wasser verrieben und wieder scharf zentrifugiert. Es bleibt ein 
erheblicher unlöslicher Rückstand, der unwirksam ist und verworfen 
wird, während die Lösung den Aktivator enthält (A). 

Einige Versuche von Herrn Dr. Lohmann, die das Verhalten des 
Aktivators bei den Fällungen betrafen, bewiesen die Richtigkeit dieser 
Prozeduren, indem a) die 50proz. alkoholische Lösung nach Entfernung 
des Niederschlags praktisch frei von Aktivator ist, b) die Fällung mit 
höherer Alkoholkonzentration eine zusätzliche Fällung hervorruft, die 
nur unwirksamen Ballast darstellt, c) durch Verreiben mit Wasser die 
ganze Aktivatormenge in Lösung geht und der Rückstand unwirksam ist. 

Zur weiteren Reinigung kann der Hauptteil der Aktivatorlösung 
nochmals auf 0° abgekühlt werden und wiederum mit dem gleichen 
Volumen eiskalten Alkohols gefällt werden. Es fällt nunmehr ein feiner 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 187 


Niederschlag, der die Hauptmenge des Aktivators enthält. Die Fällung 
wird abzentrifugiert, mit einem kleinen Volumen Wassers verrieben, 
die Lösung durch Zentrifugieren geklärt. Diese Aktivatorlösung B 
enthält häufig den Aktivator in noch reinerer Form; wie es scheint, 
insbesondere dann, wenn der Niederschlag in Alkohol nur kurze Zeit 
stehen bleibt. In anderen Fällen aber treten hierbei erhebliche Ver- 
luste ein. Bei richtiger Herstellung kann die Lösung B fast phosphatfrei 
sein, während die Aktivatorlösung A noch ziemlich viel Phosphat ent- 
hält. Ein großer Teil der Versuche wurde mit der Lösung B angestellt; 
wo sich diese aber als weniger wirksam erwies, wurde die Lösung A 
benutzt. 
C. Eigenschaften des Aktivators. 

Die bisherigen mehr orientierenden Versuche über die Eigen- 
schaften des Aktivators betreffen 

1. das Trockengewicht der gerade noch wirksamen Menge, 

2. die Temperaturempfindlichkeit und Haltbarkeit in wässeriger 

Lösung. 


1. Trockengewicht der wirksamen Menge. 


Die Beispiele für Punkt 1, das Trockengewicht der wirksamen 
Aktivatormenge, beziehen sich alle auf die Aktivatorlösungen A. Die 
B-Lösungen wurden in dieser Rich- — Mie 
tung noch nicht genauer untersucht. 37 
Bei dem Vergleich darf nur die Um. ” 
satzgeschwindigkeit in dem ersten 
Teile der Phosphatperiode berück- 
sichtigt werden, und zwar bei gut 
wirksamen Extrakten. Einige Bei- 
spiele sind in der Tab. V zusammen- 
gestellt. Versuch 1 betrifft eine Ak- 
tivatorlösung, die aus Verarbeitung 
von 250 g Hefe gewonnen ist und gut 
100 ccm betrug. Sie enthielt pro 
Kubikzentimeter 21,7 mg Trocken- 
substanz mit 2,3 mg Asche. Der 


Abb. 5. 


Glucosespaltung mit verschiedenen 


ganze Verlauf der Spaltungen ist auf 
Abb. 5 dargestellt. In der Tabelle 
sind für den Wirksamkeitsvergleich 
nur die ersten 15 Minuten benutzt. 
Versuch 2: 10 ccm Aktivatorlösung 
aus 20 g Hefe enthalten pro Kubik- 


Aktivatormengen. Froschmuskelextrakt. 
Sen‘ Kurve a: Aktivator B von hoher 


Konzentration aber kleis 

nerem Phosphatgehalt. 
U Kurve b: 2,9 mg v. Aktivator A. 
Ka X Kurve c: 0,97 mg v.Aktivator A. 
Om.) Kurve d: 0,39mg v. Aktivator A. 
© © Kurve e: ohne Zusatz. 


zentimeter 10,9 mg Trockensubstanz (Asche nicht bestimmt). Versuch 3: 
l8 eem Autolysat aus 8,5g Hefe wurden zunächst mit Essigsäure 


188 O. Meyerhof: 


angesäuert, der Niederschlag abfiltriert, dann neutralisiert und jetzt 
mit dem gleichen Volumen Alkohol gefällt. 10ccm Lösung (nach 
Entfernung des Rückstandes) enthalten pro Kubikzentimeter 8,3 mg 
Trockensubstanz mit 1,9 mg Asche. Aus den Versuchen siebt man. daß 
der Aktivator bis herab auf 0,4 mg pro 1 bis 1,5 ccm Glykolysegemisch 
die Zuckerspaltung in Gang setzt, daß aber die Geschwindigkeit mit 
wachsender Aktivatormenge noch erheblich steigt. 


Tabelle V. 
Umsatz bei wechselnden Aktivatormengen. 


De eu Tr re REH NENNEN |] 
| | Aktivator | 


BR 

e |2 D Organische l 5 E x 

£ SS, H | Trocken» | | Aktivator! 4% 085 

Nr Datum Za Sb 3 Zeit | substanz : Benutzte |! im AS '> EE 

ZS 1Sei 0 ro 1 ccm | Aktivator» || Versuch | 2 «=? 

K E Be lösung , z 3 E 

` ` EE Mä 

1a |25. XI. 08 1013| 1| ? 0,15 A 0,84 | 100 

b 05/1013) 15 | 194 0,15 "© 29 :080| 96 

e 10,5 |10] 3| 15 ; 194 0,05 1 0,97 ;0,80) 36 

d 105,10|8 | 15, 194 : 02 | 089 |014| 17 
, j (verd. 1:10) | 

2a |27. VIL| 0,7 |15! 3 | 20 | 10,0 0,35 35 1089| 100 

b 0,7115! 3 | 20 || 10,0 0,20 ` 2,0 Ka 85 

e ‚07115) 8 | 20 10,0 0,10 1,0 |060! 6 

3a |28. VII | 0711513 | 20 6,6 024 "Lë |139 | 100 

b 107:115:3| 20 | 66 012 | 080 08. 60 

e | lo7l15!3 ml e6 wo ` 040 Ka 32 

d (oz iuläl 2 | >= i 0 _ loo — 


2. Stabilität des Aktivators. 


Der Aktivator ist sehr temperaturempfindlich und unterscheidet 
sich dadurch ebenso wie durch seine Alkoholfällbarkeit von dem Gluco- 
kinin C'ollipst) und anderen insulinähnlichen Substanzen. Durch kurzes 
Erwärmen im siedenden Wasserbad wird seine Wirksamkeit vernichtet. 
ja schon durch 5 Minuten langes Erwärmen auf 50° fast aufgehoben, und 
schon durch 1 Minute langes Erwärmen auf 50° stark geschwächt, ohne 
daß hierbei eine sichtbare Trübung auftritt. Ein solcher Versuch mit 
erwärmtem Aktivator ist auf Abb. 6 dargestellt. Auch gegen stärker 
saure und alkalische Reaktion ist der Aktivator sehr empfindlich. 
Versetzt man z. B. Proben mit so viel HCl oder NaOH, daß die Kon- 
zentration bezüglich Säure oder Base n/3 wird, läßt einige Minuten 
stehen und neutralisiert genau, so ist die Aktivität verschwunden. 
Dagegen ist der Aktivator, im Eisschrank aufbewahrt, in neutraler 


2) J. B. Collip, Journ. of biol. Chem. 56, 513; 57, 65; 58, 163, 1923. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 189 


Lösung fast unbegrenzt haltbar. Doch scheint nach einigen Wochen 
seine Stabilität geringer zu werden. Wird er in diesem Zustande einige 
Zeit in verdünnter Bicarbonatlösung gehalten ohne gleichzeitige Kohlen- 
säuredurchleitung, so entfesselt er nicht mehr den Zuckerumsatz, 
während er, wenn man Kohlensäure durch 
die Bicarbonatlösung hindurchleitet, wirk- 
sam bleibt. Hierbei macht man die eigen- 
tümliche Beobachtung, daß, wenn einmal 
der Glucoseumsatz mit einer gewissen, 
wechselnden Geschwindigkeit begonnen hat, 
diese während der ganzen Phosphatperiode 
konstant bleibt. 

Wenn auch die Natur und Wirkungs- 
weise des Aktivators näher zu untersuchen 
ist, so ist nach dem Bisherigen sein Ver- 
halten ähnlich dem eines Ferments, das den At 


. Temperaturempfindlichkeit des 
Zucker in Veresterungsform umlagert. Doch Aktivators (Versuch 10. 12, 26). 


e d . a © 1: ohne Zusatz, 
erleidet der Zucker hierbei ohne gleich- x X< 2: -Clochseumdsiz 
zeitige Anwesenheit von Muskelenzym mit O,lucm Aktivator A 


(2 mg Trockensubstangz). 


keine Änderung der Drehung oder Reduk- Ba 5 derselbe vorher 
tionskraft. Gänzlich verschieden ist dieser l aus en 
Hefeaktivator einmal von Insulin und 5 Minuten auf 500 erwärmt. 
andererseits von der Cozymase, indem sich 

keiner dieser Stoffe gegenseitig vertreten kann. Insbesondere wird 
die Cozymase in gleicher Weise für die Spaltung des Glykogens wie 


der Glucose benötigt. 
D. Verlauf des Glucoseumsatzes. 


Der Verlauf der Milchsäurebildung aus Traubenzucker ist in einer 
Reihe von Kurven wiedergegeben, wobei in mehreren Fällen auch der 
Phosphatumsatz mit verzeichnet ist. Milchsäure und Phosphat sind 
stets auf die gleiche Molekülzahl umgerechnet. l] mg Zucker = ] mg 
Milchsäure = 1,11 . 1075 Mol. = 1,09 mg Phosphorsäure. Daß auch in 
diesen Fällen die manometrische und chemische Methode der Milch- 
säurebestimmung gut übereinstimmende Werte liefern, ist schon in 
der ersten Abhandlung!) gezeigt. 

In den manometrischen Versuchen kann der Phosphatgehalt nur 
am Anfang und Ende bestimmt werden, wodurch nur ein Punkt auf 
der Veresterungskurve gefunden wird. Es wurde deshalb in mehreren 
Versuchsserien eine größere Zahl Parallelbestimmungen angesetzt, die 
nach verschiedenen Zeiten abgebrochen wurden. Diese sind den Abb. 7 
bis 10 zugrunde gelegt. EES 


1) Diese Zeitschr. 178, 404, 1926, Tabelle I. 


190 O. Meyerhof: 


Tabelle VI!). 
29. Juni 1926. Je 0,5ccm Extrakt auf 1 cem Flüssigkeit. 


gd EN EE, Ee e. ` id 


| | Phosphat» Summe 
` Zeit | Milchsäure | veresterung .Veresterung 
| | in mg Bas 
Be : in Min. | mg eege E, 
| GO u GE " 
1 Glucose | 0,736 092 | 5 0,195 0,19 , 0,38 
2 ` | 0,736 — 0,942 ' 15 0,557 0,27 Ä 0,83 
3 S 0,736 0,942 j 20 1,05 0,905 1,9% 
4 a 0,736 092 ` 45 1,24 0,734, 18 
5 a 0,736 0,942 60 1,33 0,740 ` 209 
6 R | 0,736 , 0942 90 | 150 049 | 19 
7 S 0,356 0,546 15 ° 055 0,184 0,93 
8 S | 0,356 0,546 45 | 0,785 0,504 1,29 
9 || Fructose 0,736 ` 0,942 90 i 187 | 038 11% 
mg Zuckerverbrauch 
ps 
dD 
È E 
N 
è E? 
È Si 
` See 
3 N 
Zi 
R = 
x A 
$ Wa 
S 
> 30 
"oe mm 20 20 A AN 60 701 8% 90 
Abb. 7. 
Umsatz von 2 mg Glucose durch Muskelextrakt mit HefesAktivator. 
a ©: Milchsäurebildung mit vermehrter 
x X: Phosphatveresterung im Extrakt ) Phosphatmenge. 


(Gehalt: 0,736 mg POs äquivalent 0,942 mg Zucker. Die vertikalen gestrichelten Linien ent- 
sprechen dem Umsatz der im ganzen vorhandenen 2 mg Glucose.) 


On O: Milchsäurebildung. 
Xen X: Phosphatveresterung obne Phosphatzusatz. 


(Präformierter Gehalt P0O5: 0,356 mg, entsprechend 0,546 mg Zucker.) 
P mit ausgezogenem Strich — Phosphatgehalt des 1. Versuchs, Po —> gestrichelt, Pbosphatgehalt 
des 2. Versuchs. Die einzelnen Kurvenpunkte entsprechen Nr. 1 bis 8 der Tabelle VI. 


1) Die fettgedruckten Zahlen dieser und der folgenden Tabellen ent- 
sprechen dem Totalumsatz von Phosphat bzw. Zucker. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 


Glyholysegeschn 
HNH < 
N 


A 
> 


veresterun 
REN 
E 


20 4” 60 AO 700" 
Abb. 8. 
Kurven der Milchsäurebildung aus Abb. 7, um» 
gezeichnet für Geschwindigkeit: mg Zucker: 
umsatz pro 15’; unterbalb der Abszissenachse: 
Verlauf der Phospbatveresterung. 
Ausgezogene Kurven: mit Phosphatzusatz. 
Gestrichelte Kurven: ohne Phbosphatzusatz. 
Die anfangs etwa gleiche Umsatzgeschwindigkeit 
fallt bei kleinerem Phosphatgehalt eher ab als 
bei höherem, in beiden Fällen im Augenblick 
der totalen Veresterung. 


191 


10 
R 
I g8 — 
N Olykolysegeschwindigkeit 
S mit Fructose 
D Oe 
© 8 Glykolyse esch? digk. 
S T mit Glukose 
D Qu \ 
ZS 
X 
Si 


. Abb. 9. 
Geschwindigkeit der Glucoses und Fructoses 
spaltung mit gleicher Aktivatormenge und 
gleichem Phosphatgehalt. Mit Fructose ist die 
Geschwindigkeit während der Phosphatperiode 
fast doppelt so hoch, fällt aber entsprechend 
der schnelleren Veresterung um so eher ab. 
Die von den beiden Kurven umschlossenen 
Flächen oberbalb des horizontal laufenden Ends» 
stücks sind etwa gleich und repräsentieren den 
Zuckerumsatz, der dem veresterten Phosphat 

entspricht. 


Ein anderer Reihenversuch mit Fructose, aber weniger voll- 
ständiger Bestimmung des Phosphatverlaufs, ist in Tabelle VII und 


auf der Abb. 10 dargestellt. 


Abb. 10. 


Umsatz von 2mg Fructose durch aktivierten Muskelextrakt. Pbosphatgehalt: 0,574 mg PO; ent. 

sprechend 0,735 mg Zucker. Kurz vor Si beginnt die Wiederautspaltung des Esters wegen des 

Verbrauchs des überschüssigen Zuckers. Die gestrichelte vertikale Linie entspricht 2 mg Zucker, 
d. h. der zum Versuch zugesetzten Menge. 


192 O. Meyerhof: 


Tabelle VII. 
2. Juli 1926. Umsatz von 2 mg Fructose mit zur Veresterung nicht aus- 
reichender Phosphatmenge. P,O,-Gehalt am Anfang 0,574 mg entspricht 
0,735 mg Zucker. 


| Is 
Milchsäure Phosphatveresterung tung 
in mg Zucker +3 
mg 


> OO DD m 


Um auch in den ersten Minuten, wo die manometrische Bestimmung 
wegen des nicht momentanen Durckausgleichs ungenaue Resultate 
liefert, das Verhältnis von Milchsäure und Phosphatveresterung zu 
kennen, wurde eine Reihe chemischer Bestimmungen gemacht, indem 
nach 2, 5, 10 (und 15) Minuten aliquote Teile abpipettiert wurden. 
Die Versuche sind in der folgenden Übersicht angegeben und Nr. 2 und 3 
der Tabelle VIII mit fast demselben Phosphatgehalt auf Abb. 11 dar- 
gestellt, die gestrichelten Kurven mit Fructose, die ausgezogenen 


Abb. 11. 


Spaltung und Veresterung von Glucose und Fructose in den ersten Minuten nach Zugabe zum 
Extrakt (Milchsäure chemisch bestimmt). Die Veresterung verläuft fast genau symmetrisch zur 
Milchsäurebildung. Ausgezogene Linie: Glucose, gestrichelte: Fructoce. 


mit Glucose. Der symmetrische Verlauf von Veresterung und Milch- 
säurebildung ist hier deutlich zu sehen, indem im Fructoseversuch 
beides anfangs rascher geht, aber dann schneller abfällt. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 193 


Tabelle VIII. 


Zuckerumsatz in den ersten Minuten nach Zusatz. 


Phosphatgehalt | Summe 
SE EE | Milchsäure | Phosphat | Verestes 
Nr. || Datum gebildet rung + Spal» 
entspricht m ag tung 


Zucker) 


mg Zucker mg 


| 


1a ||14.VII.|| Glucose || 1,013 1,30 2 | 0,20 0,37 0,57 
b = 1,013 1,30 5 0,43 0,63 1,06 
e S 1,013 1,30 10 0,955 | 1,26 2,22 

2a || 14.VII. || Fructose 0,961 1,23 2 0,56 0,66 1,12 
b i 0,961 123 | 5 0,87 0,904 1,77 
e 8 0,961 123 |) 10 0,99 1,07 2,06 

3a |22.VII. || Glucose 0,963 1,23 2 0,26 0,34 0,60 
b ; 0,963 1.23 5 0,56 0,78 1,34 
e S 0,963 1,23 10 0,99 1,14 2,13 
d f 0,963 1,23 15 1,18 1,20 2,38 


Aus den angegebenen Versuchen lassen sich die folgenden Schlüsse 
ziehen : 

Bei der Spaltung von Glucose und Fructose wird zunächst gleich- 
zeitig mit dem Entstehen der Milchsäure eine äquimolekulare Menge 
Phosphat verestert. Wenn auch ganz am Anfang die Proportion nicht 
immer streng erfüllt ist, ist sie in dem Zeitpunkt, wo bei Überschuß 
von Zucker das anorganische Phosphat verschwunden ist, fast stets 
genau 1:1. In diesem Augenblick fällt die vorher hohe und annähernd 
konstante Spaltungsgeschwindigkeit rasch ab und kommt auf einen 
niedrigen, für längere Zeit ziemlich konstanten Wert. Dies letztere 
ist besser in den länger fortgesetzten folgenden Versuchen zu sehen. 
Solange noch veresterungsfähiger Zucker vorhanden ist, bleibt der 
Phosphatgehalt fast Null, nimmt aber nach Veresterung des Zuckers 
wieder zu, so daß der gesamte Zuckerumsatz (Spaltung + Veresterung) 
eine gewisse Zeit konstant bleibt und gleich dem zugesetzten Zucker 
ist (s. Abb. 7 und 10). Wenn die Phosphatmenge wieder zunimmt, so 
ist, wie besonders in Abb. 7 zu sehen ist, die Milchsäurezunahme genau 
parallel der Phosphatabspaltung: für 1 Mol. freigesetzter Phosphorsäure 
entsteht 1 Mol. Milchsäure, die Milchsäure stammt jetzt also aus Hexose- 
diphosphorsäure. Weiter zeigt der Vergleich von Fructose und Glucose 
im selben Versuch, daß die erstere in der Phosphatperiode nahezu 
doppelt so rasch reagiert und infolgedessen bei gleichem Phosphatgehalt 
die Geschwindigkeit früher abfällt. Manchmal sinkt allerdings der 
Fructoseumsatz schon innerhalb der Phosphatperiode, was als Ferment- 
schädigung aufgefaßt werden muß. 

Wenn bei Überschuß an Zucker der Umsatz in der raschen Periode 
durch die vorhandene Phosphatmenge bestimmt wird, derart, daß 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 13 


194 O. Meyerhof: 


pro 1 Mol. veresterter Phosphorsäure l Mol. Milchsäure auftritt, so 
muß der Umsatz in dieser Periode offenbar dem am Anfang vorhandenen 
anorganischen Phosphat genau proportional sein. Daß dies zutrifft, 
geht aus den folgenden Beispielen hervor: In Abb. 12 (3. Juli 1926) 


mg Milchs 
2# 


Abb.12, 


Milchsäurebildung aus 3 mg Glucose in 1 ccm Lösung bei wechselnden Mengen Phosphat. 
Kurve 1: 0,43 mg Pz Ogs. entsprechend 0,55 mg Milchsäure. 

e 2: 0,80 e e e 1.03 e e 

e 3:18. e b 151 . e 
Die in allen drei Fällen gleich hohe Anfangsgeschwindigkeit sinkt auf ein konstantes Niveau ab, 
sobald etwa die dem vorhandenen Phosphat äquimolekulare Milchsäuremenge gebildet ist. Die 
Endgeschwindigkeit in Versuch 3 ist aber höber als in Versuch 1 und 2, weil hier der Zucker durch 
Spaltung und Veresterung verbraucht ist und infolgedessen der Phosphatgehalt wieder ansteigt. 


ist derselbe Extrakt und die gleiche Glucosemenge (je 3 mg pro l ccm) 
mit drei verschiedenen Mengen Phosphat benutzt. Die Geschwindigkeit 
während der Phosphatperiode ist in allen drei Fällen gleich, sinkt aber 
jäh ab in dem Moment, wo eine dem vorhandenen Phosphat etwa 
äquivalente Menge Milchsäure gebildet ist. Kurve 1 entspricht einem 
P,O,-Gehalt von 0,43 mg, äquimolekular 0,55 mg Milchsäure, Kurve 2: 
0,78 mg P,O,, äquimolekular 1,0 mg Milchsäure;, Kurve 3: 1,18 mg 
P,O,, äquimolekular 1,51 mg Milchsäure. Die Endgeschwindigkeit ist 
in diesem dritten Falle jedoch höher als in den beiden anderen. Hier 
ist nämlich nach der Rechnung der zugesetzte Zucker schon in 50 Minuten 
teils gespalten und teils verestert, und daher steigt die Phosphatmenge 
nachher entsprechend der Spaltung der Hexosediphosphorsäure wieder 
an. In den Kurven 1 und 2 bleibt sie dagegen wegen des Überschusses 
an Zucker zunächst nahezu Null. Dies führt, wie oben besprochen, zu 
der zunehmenden Verlangsamung des Umsatzes in der zweiten Periode. 
Späterhin kann Hexosediphosphat aufgespalten werden, ohne daß, 
trotz Anwesenheit von Zucker, eine neue Veresterung stattfindet. Es 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 195 


liegt dies an der Labilität des aktivierten Fermentsystems, das bei 20° 
nur etwa 2 Stunden funktionstüchtig bleibt. 

Daß man die Geschwindigkeit, wenn sie durch Veresterung des 
Phosphats abgesunken ist, durch neuen Zusatz von Phosphat wieder 
erhöhen kann, bis auch das jetzt zugesetzte verestert ist, ist auf den 


Milchs 


mg Milchs. in 5' 
05 
` NN 
de e 
K H H 


03 


01 


02 


Ku 


ae 20° 30' P OO E, zéi: 23 777 7209 


Abb. 13. Abb. 14. 
Verlauf der Milchsäurebildung aus Glucose bei Geschwindigkeit der Milchsäurebildung (mg pro 


zweimaligem Zusatz von Phosphat (Versuch 9. 5’) in den Kurven II und IV der Abb. 13. 
VII. 1926). Zuckergehalt 2,8 mg in 0,85 ccm. 


f © © Geschwindigkeit bei Gegenwart 
S Gelee Dee SEET von 0,99 mg Pati, entsprechend 1,27 mg 
lI Ke f bei 0.99 PaO p ts hend Milchsäure. 
> u ‚99 m , entsprechen 
1 7 mg a Se? j CH 1. Kurvenstück: Geschwindigkeit 


bei Gegenwart von 0,688 mg Pas, ents 
sprechend 0,88 mg Milchsäure. 

2. Stück: nach neuem Zusatz von Aktis 
vator und Phosphat, entsprechend 0,55 mg 
Milchsäure. 


Illa und IVa: Verlauf während 15’ bei 0,688 mg 
Bas wiein I. Dann in lila: Phosphat (0,35 mg 
POs) entsprechend 0,45 mg Milchsäure zus 
gegeben: Kurve Ilib. In IV a 0,43 my P3 Os ente 
sprechend 0,55 mg Milchsäure u. neuer Aktıvator 
zugesetzt: Kurve IVb. In Ib und IVb steigt 


die Geschwindigkeit von neuem, bis eine Milch» 
säuremenge produziert ist,dieetwaäquimolekular 
dem neu zugesetzten Phosphat ist. In III und 
IV Umsatz zwischen 15’ u. 20’ nicht bestimmt. 


Die geringere Steigerung beim zweiten Phos- 
phatzusatz rührt, abgesehen von der stärkeren 
Verdünnung des Extrakts von seiner rasch 
nachlassenden enzymatischen Wirksamkeit ber 


Abb. 13 und 14 dargestellt. Die dazu gehörigen Versuche nebst einigen 
weiteren sind in der folgenden Tabelle IX angeführt. Man sieht aus 
der letzten Spalte der Tabelle und ebenso aus der Abb. 13, daß nach 
dem zweiten Zusatz des Phosphats der Umsatz so lange erhöht bleibt, 
bis die theoretisch erwartete Milchsäuremenge entstanden ist. Gleich- 
wohl besteht zwischen der ersten und zweiten Phosphatperiode ein 
großer Unterschied der Geschwindigkeit (s. Abb. 14). Die starke Ver- 


13* 


196 O. Meyerhof: 


ringerung in der zweiten Periode ist teils auf die Verdünnung des Extrakte 
durch die Zusätze, in höherem Maße aber wohl auf die fortschreitende 
Schädigung des Fermentkomplexes zu beziehen. Da es möglich war, 
daß auch der Aktivator unwirksam geworden war, wurde in Versuch 5 
(Abb. 13, Kurve 4b) außer Phosphat noch neuer Aktivator hinzu- 
gegeben. Dadurch wird indessen die Geschwindigkeit nur wenig höher 
als ohne diesen Zusatz, so daß wahrscheinlich das Ferment selbst an 
Wirksamkeit nachgelassen hat. 


Tabelle IX. 
Versuch: 9. Juli 1926. Je 2,8 mg Glucose mit 0,45 ccm Extrakt. 
KH Ps O5 Milchsäure ge» > c9 , Se > 
` Se zA] | 88 bildet s.E | #32 |252 
| 3 | 88 |83323| z8 | 73 288 | 223 |5u38 
Nr. € | 58 |Sse£3| 23 | 8% WII 238 | 85% [8825 
EK ` Q4 J [es < tot ts Ces EI Gë en ze O 
= |E Wë Sé | 85 VTT |penodell 63 | E28 [992 
ccm ROSŁA | Sg mg mg || mg mg | mg 
1 | 0.85 0,69 | 0,885 120’ 1,03 | 0,85 0,89 | 0,602 | 1,63 
2 | 1 108 | 0991 1265 | 120 | 138 | 128 | 1.26 | 1,05 | 281 
| I 10,85 0,69 | 0,885 | 10 || 0,76 |\y 4 |: 
IM m |092 |+035|045 | 105 | 070 |] %0 || 184 | 1,05 | 2,89 
1 I 0,85 0,69 | 0,885 15 DS. IK on | e Inc Ə 
4 | II | 0,92 + 0,35 0,45 100 0.55 | 1.35 1.34 0,99 2 83 
pij 1 0,85 0,69 | 0.885 15 0.83 |\ 447 e | 
5 | | i SE ? ; 0: 2 
°\| I | 1,00 |+ 0,48 | 0,55 100 | 0,64 [| bE || Lët | 1,05 | ‚49 


Die Deutung des eigentümlichen Zusammenhangs zwischen 
Phosphatveresterung und Milchsäurebildung kann keine andere sein, 
als daß sich das Phosphat mit Zucker zu einer labilen Hexosephosphor- 
säure verestert, die im status nascens zur Hälfte zerfällt und zur anderen 
sich als Hexosediphosphorsäure stabilisiert. Im Moment, wo entweder 
das anorganische Phosphat oder der freie Zucker verschwunden ist, 
wird nunmehr die Geschwindigkeit durch die Aufspaltung der Hexose- 
diphosphorsäure bestimmt, die in äquimolekulare Mengen Milchsäure 
und Phosphorsäure zerfällt. Dieser letztere Zerfall geschieht, wie 
schon in der vorigen Arbeit gezeigt wurde, ohne Mitwirkung des Co- 
ferments. Die Ursache der hälftigen Teilung der Zuckermoleküle, 
die eng mit der Frage nach der Konstitution des labilen Esters zu- 
sammenhängt, wird in der folgenden Arbeit untersucht werden!). 


Zum Schluß sei erwähnt, daß die Spaltung des Glykogens und 
der Stärke durch den Hefeaktivator nur wenig, im höchsten Falle bis 
zu 50 Proz. gesteigert wird. Dieser geringe Einfluß kann zwanglos auf 


1) Vgl. auch O. Meyerhof und K. Lohmann, Vorläufige Mitteilung, 
Naturw. 14, 1277, 1926. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 197 


einen zusätzlichen Umsatz der hydrolytisch entstandenen Glucose be- 
zogen werden, da nach K. Lohmann die Verzuckerung der Polysaccharide 
rascher verläuft als ihre Spaltung in Milchsäure. 


E. Beeinflussungen des Zuckerumsatzes. 
l. Arseniat. 


Wie im folgenden Kapitel noch im einzelnen zu zeigen ist, stimmt 
die Glucosespaltung im Muskelextrakt erstaunlich genau überein mit 
der alkoholischen Gärung des Zuckers im Hefesaft, und es ist daher 
von Interesse festzustellen, ob diejenigen Stoffe, die die Gärgeschwindig- 
keit in spezifischer Weise beeinflussen, diese Wirkung hier auch aus- 
üben. Das ist offenbar besonders für diejenigen Stoffe zu erwarten, 
die bei der Veresterung oder Wiederaufspaltung des Esters angreifen. 
Ein besonders gutes Beispiel bietet das Arseniat. Dieses erhöht die 
Gärgeschwindigkeit durch Steigerung der Hexosephosphatspaltung?). 
Daß bei geeigneter Anordnung eine Steigerung der Milchsäurebildung 
zu erwarten ist, ergibt sich aus den älteren Versuchen mit zerschnittener 
Muskulatur, wo die Geschwindigkeit der spontanen Milchsäurebildung 
durch etwa m/100 Natriumarseniat um 50 bis 100 Proz. erhöht wurde?). 
Allerdings fiel schon damals auf, daß der Zerfall zugesetzten Glykogens 
und zugesetzter Hexosediphosphorsäure nicht gesteigert wurde. Ebenso- 
wenig konnte durch m/100 bis m/1000 Arseniat eine Steigerung des 
Glykogenumsatzes im Muskelextrakt erzielt werden, vielmehr zeigten 
sich starke Hemmungen). Dies liegt aber wesentlich an der großen 
Empfindlichkeit des Ferments in Lösung in Verbindung mit der 
spezifischen Natur der Arseniatwirkung. Durch erhöhte Aufspaltung 
der Hexosediphosphorsäure kann die Spaltung der Polysaccharide nur 
dann beschleunigt werden, wenn die Veresterung hiermit Schritt hält 
und wenn nicht, wie häufig, die Stabilität des Fermentsystems durch 
Verringerung der Hexosephosphatkonzentration leidet. Geht man 
mit der Arseniatkonzentration genügend herab, auf etwa m/1500 bis 
m/2000, so kann man die Stärke- und Glykogenspaltung in guten 
Extrakten deutlich steigern, wobei stets die Anhäufung der Hexose- 
diphosphorsäure verringert ist oder sogar ganz wegfällt. Viel regel- 
mäßiger wird aber in diesen Fällen die Spaltung zugesetzter Hexose- 
diphosphorsäure erhöht, und zwar in den ersten Stunden um 50 bis 
100 Proz. und hierbei eine der vermehrten Milchsäure genau ent- 
sprechende Menge anorganisches Phosphat mehr gebildet. Daß auch 


m e 


1) Harden und Young, Proc. Roy. Soc., Ser. B., 83, 451, 1911; 
O. Meyerhof, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. phys. Chem. 102, 185, 1918. 

2) Pflügers Arch. 188, 114, 1921. 

3) Diese Zeitschr. 178, 489, 1926. 


198 O. Meyerhof: 


unter diesen Umständen Phosphorsäure und Milchsäure genau äqui- 
valent bleiben, beweist, daß das Arseniat nicht nur die Hydrolyse des 
Hexosephosphats steigert, sondern den tieferen Zerfallsprozeß (Abb. 15 
und 16). Wie Abb. 16 zeigt, hört die starke Steigerung der Hexose- 
phosphatspaltung bei höheren Arseniatkonzentrationen nach 20 bis 
30 Minuten auf und macht einer Hemmung Platz, so daß der Gesamt- 
umsatz bei verschiedenen Arseniatkonzentrationen nach etwa einer 
Stunde gleich ist. Doch ist diese Hemmung der Spaltung wohl in- 


Abb. 15. Abb. 16. 
Milchsäurebildung aus Stärke und Hexosediphos» Milchsäurebildung aus Hexosediphos- 
phat unter Zusatz von Arseniat (Versuch Nr. 1 phat unter Einfluß von Arseniat. 
und 2, Tabelle X). l.: © © ohne Ärseniat. 
Arsenistkonzentration 6. 10-4 mol. 2.: OC) mit 6,3 . 10-4 mol. 
1.: Hexosediphosphat ohne Zusatz. Arseniat. 
2.: Hexosediphosphat mit Arseniat. 3.: X x mit 1,26 . 10-3 mol. 
3.: Stärke ohne Zusatz. Arseniat. 
4.: Stärke mit Arseniat. 4.: âmâ mit 6,3.10-3 mol. 
. Arseniat. 


ee a Be A a: Die nach 20 bis 30’ einsetzende Hem, 
mung bei höheren Arseniatkonzen- 


sofort, dagegen die der Stärke erst später, ents S 8 e 
SEN = trationen ist wahrscheinlich indirekt 
sprechend der alimählichen Anhäufung des Esters. durch die starke Anhäufung des an- 


organischen Phosphats bedingt. 


direkter Natur und durch die zunehmende Anhäufung des anorganischen 
Phosphats bedingt. In der Tabelle ist deshalb nur die Zeit von 30 Minuten 
berücksichtigt. Schließlich wirkt das Arseniat in derselben Konzentration 
auch auf die Hexosenspaltung qualitativ gleich wie bei der Gärung, 
indem es die Phosphatperiode verlängert, durch rasche Wiederauf- 
spaltung der stabilisierten Hexosediphosphorsäure. Qantitativ bleibt 
hier allerdings die Wirkung erheblich hinter der auf die Gärung zurück; 
doch entspricht auch hier die Mehrbildung an Milchsäure meist ziemlich 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 199 
4 
gut dem mehr abgespaltenen anorganischen Phosphat (s. Abb. 17 und 
Tabelle X, 7). 


0' 20' Ei 0 AT 60 


Abb. 17. Milchsäurebildung aus Fructose unter Zusatz von Arseniat. 
1. Fructoseumsatz ohne Zusatz. 2. Fructoseumsatz mit 8,5. 10-4 mol. Arseniat. 
Die Geschwindigkeit ist nach Ablauf der Phosphatperiode etwas erhöht. 


Eine Reihe von Versuchen mit verschiedenen Kohlehydraten ist 
in der folgenden Tabelle X wiedergegeben. 


Tabelle X. ireng von Arseniat auf die ET EEE ER FE WER BONAN EE 


Sin e | | op 
IT und selon 
5 kl a | 
Nel Datum | 8 | za | Kobie BE a5 |35] | ES Zë 
3 len AE 
E Face IE Eu fj ge gst 

R m | E 

SN ga Jra Se 
1 | Gr Teller | 
a Stärke 6,3 0,825.0,285 | Ges kass Ge 
2 vn) ul 60° | 0,36 Pros. | — [081 | — [0,5960,438 näm — 
d | ER Stärke 63.042 01 | — g 520 — 0,097. 0,11 
3 116. XI. 1,0 | 60° | 0,4 Proz. 0,54 | — ol +038| — 
a wë, 6,3 0,96 042 | 22 +0,793| 0, 
4 26. x1. 2,0 | Or | 001 mol. | — 0,83 ba ZER +08 | = 
a | | NasHexoses 8,5 1,465 0,635 — 12638 '+126 ' 0, 
| phosphat | | Wu 

5 |17.xı1.|1,0 | 30" | 0,4 Proz. BEER ze ee är, Be 
a | | [Mg | 63082 We | — | — | — | — 
b | het [12.611,08 [0,51 | — | — an A ës 
c | | 163 11,11 0,56 | ger Ä a — |]; — 
6 |24. gë 2,2 | 45° | 03 Proz. | — A 1,82510,1433 -215 | — 
a I | lucose 852.58 041 | 0271| — 198 0,17 
7 \26. x1.| 2,0 | 60 | a Proz. | — |1,92 ' — |1,645l0,178|| -1,87 | — 
a | Fructose 85.220 08  — 0410 -158 ` 0,29 


200 O. Meyerhof: 


Das Verhalten des Arseniats ist auch im Hinblick auf die spontane 
Milchsäurebildung der zerschnittenen Muskulatur von Interesse, da 
von vornherein nicht zu entscheiden ist, welches eigentlich der die 
Geschwindigkeit kontrollierende Faktor innerhalb der Muskelstruktur 
ist. Dies scheint nun nicht die Veresterung, sondern die Aufspaltung 
des Esters zu sein, da man durch Erhöhung der Aufspaltung die spontane 
Milchsäurebildung steigern kann, und zwar ungefähr ebenso stark wie 
die Hexosephosphatspaltung im Saft. Für das Arseniat gibt es in der 
Tat keinen anderen Angriffspunkt, da die Annahme Hardens, daß 
auch die Glykogenhydrolyse dadurch erhöht würde, sich als irrtümlich 
erweist (s. unten, S. 206). 


2. Andere Stoffe. 


Im gleichen Zusammenhang wurde noch eine Reihe anderer Stoffe auf 
ihr Verhalten gegenüber der Milchsäurebildung im Muskelextrakt unter- 
sucht. Arsenit, das nach Harden ähnlich, aber schwächer und weniger regel- 
mäßig die Gärung steigert als Arseniat, hat auf die Milchsäurebildung 
in kleinen Konzentrationen (5 . 10”? bis 1,5. 10? mol.) keine Wirkung. 

Ein besonderes Interesse beansprucht Coffein, da es die Milch- 
säurebildung intakter und zerschnittener Muskulatur stark steigert, 
Es lag nahe, daß der Mechanismus hier ein anderer ist als bei Arseniat 
und mit der Veränderung der Muskelproteine zusammenhängt, die 
auch bei der Coffeinstarre in Erscheinung tritt. Diese Annahme wird 
weiter gestützt durch die Beobachtung von Evans?), daß die Milch- 
säurebildung glatter Muskulatur zwar durch Arseniat ebenso gesteigert 
wird, wie quergestreifter, aber nicht durch Coffein. In der Tat ist das 
Coffein in kleinen Konzentrationen (unter 0,005 Proz.) ohne Einfluß, 
während es in höheren zunehmend hemmt. Die Coffeinwirkung auf 
den lebenden Muskel beruht danach nicht auf einem direkten Eingriff 
in die Kohlehydratspaltung. 

Während Aldehyde in Konzentrationen von 1.10? bis 2 . 107° n 
den Gäranstieg im Hefeextrakt und das Gärungsmaximum stark er- 
höhen, haben sie in diesem Konzentrationsbereich nur einen hemmenden 
Einfluß auf die Glykolyse. Dagegen tritt unter n/1000 eine Steigerung 
von 30 bis 50 Proz. in Erscheinung. Ob sie auf den gleichen Ursachen 
beruht wie die etwa zehnfach so große Steigerung der Gärgeschwindig- 
keit, ist fraglich, da die letztere offenbar mit der Akzeptorwirkung des 
Aldehyds für den überschüssigen Wasserstoff während der Bildung der 
Brenztraubensäure zusammenhängt?). 


1) O. Meyerhof, Pflügers Arch. 188, 114, 1921. 

2) Biochem. Journ. 20, 893, 1926. 

3) C. Neuberg, diese Zeitschr. 88, 145, 1918; Harden und Henley, 
Biochem. Journ. 14, 642, 1920. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 201 


Während es bei dem Glucoseumsatz ohne Aktivator möglich ist. 
durch geeignete Fluoridkonzentrationen eine Trennung von Ver- 
esterung und Wiederaufspaltung herbeizuführen, ist dies in Gegenwart 
des Aktivators nicht mehr durchführbar. Der Veresterungsvorgang 
ist hier gegen Fluorid ebenso empfindlich wie die Spaltung, so daß 
gleichzeitig beide Prozesse gehemmt werden; auch dies ist, wie man 
im folgenden sieht, völlig analog mit dem Verhalten der alkoholischen 
Gärung, da auch dort nur bei Glykogen, aber nicht bei Glucose, durch 
Fluorid Veresterung und Spaltung getrennt werden können. 

Weiterhin wurde im Vergleich zu der Hemmung der alkoholischen 
Gärung durch Blausäure und Schwefelwasserstoff der Einfluß dieser 
beiden Zellgifte, die Schwermetalle in komplexe Bindung überführen, 
auf die Milchsäurebildung im Muskelextrakt untersucht. Nach O. War- 
burg und E. Negelein!) ist zwar die alkoholische Gärung in lebender Hefe 
und im Hefemazerationssaft für beide Stoffe nur etwa !/;oọ so empfind- 
lich als die Atmung; andererseits aber ist diese Wirkung für eine bloß 
narkotische erheblich zu hoch, und zwar hemmt 1 .10-2 n Blausäure 
nach Warburg die Gärung im Mazerationssaft zwischen 50 und 90 Proz.. 
6 . 1073 mol. H,S nach Negelein die Gärung lebender Hefe um 80 Proz. 

Die Milchsäurebildung im Muskelextrakt ist sowohl gegen Blau- 
säure wie Schwefelwasserstoff noch unempfindlicher, auch unter Berück- 
sichtigung der Konzentration der freien Säure, die bei pu 7,5 im 
Muskelextrakt geringer ist als im Hefemazerationssaft (etwa ps 6). 
Ist K die Dissoziationskonstante der betreffenden Säure, a die zu- 
gegebene Menge Alkalisalz derselben in molarer Konzentration, bezogen 
auf das benutzte Flüssigkeitsvolumen, H: bzw. S’ und (HS) die molaren 
Konzentrationen des freien H-Ions, des Säureanions und des un- 
gespaltenen Moleküls, f der Faktor, der angibt, das Wievielfache von 
Säuremolekülen im ganzen, in Flüssigkeit und Gasraum vorhanden 
ist gegenüber dem Gehalt der Flüssigkeit, so gilt: 


H .8' | 
“as o 
'=a-}.(HS), (2) 
SS = GE oder (HS) = ze u (3) 
f setzen wir mit E Negelein?) gleich H SZ 
Dr ei TL Gr, 6 
T 
= Vpa i 


1) O. Warburg, diese Zeitschr. 165, 196, 1925; E. Negelein, ebendaselbst 
165, 203, 1925. 
3) a. a. O., S. 205. 


202 O. Meyerhof: 


wo Ge und vp die Volumina des Gas- und Flüssigkeitsraums der Glyko- 
lysegefäße sind, T' die absolute Temperatur und a der Absorptions- 
koeffizient der betreffenden Säure für die Versuchstemperatur 20°. 
Bu: = ist in meinen Versuchen durchschnittlich 4,8, vp = 1,0. 

Für Schwefelwasserstoff ist K, nach Knox!) = 9,1.10-°; K,, nach 
demselben Autor = 1,2 . 10715, kommt für unsere Verhältnisse nicht 
in Betracht; a nach Winkler bei 20° = 2,58. Für vo = 4,8 und vp = 1,0 
und pe = 7,5 ergibt sich = = 2,88, f = 2,84. (H,S) = 0,175a. 
Danach ist die zugesetzte Menge a mit 0,175 multipliziert. 


Zur Erzeugung des H,S diente NaHS, das unter Eiskühlung mit 
HCl vor der Zugabe zum Extrakt auf etwa 7,5 neutralisiert wurde. 
Die Hemmungsgröße erwies sich etwas von der Beschaffenheit der 
Muskelextrakte abhängig. In stark wirksamen Extrakten erhält man 
erst mit 3.10”? mol. Hemmungen der Stärkespaltung von anfangs 
50 Proz., die mit der Zeit nachlassen, während Konzentrationen von 
1 . 10”? mol. keine Wirkung haben, und etwas geringere die Geschwindig- 
keit leicht steigern. Die Spaltung der Hexosediphosphorsäure ist unter 
ähnlichen Umständen eher noch weniger empfindlich. In weniger guten 
Extrakten hemmt schon 2.102 H,S um 90 Proz., 5. 10? mol. zeigt 
eine eben merkliche Hemmung. 


Noch etwas schwächer ist die Wirkung der Blausäure und ebenfalls 
von der Beschaffenheit des Extrakts abhängig. Auch hier kann man 
die Konzentrationen freier HCN nach der obigen Formel berechnen, 
doch weicht sie wenig von dem zugesetzten KCN ab. Die Dissoziations- 
konstante K ist 1,3. 10”; die Verteilung freier HCN zwischen Gas- 
raum und Wasser fand ich in manometrischen Versuchen außerordent- 
lich stark zugunsten der wässerigen Phase, a bei 20° erheblich über 
200; f ist danach praktisch = 1 und (HCN) = 0,96 a. 2.10=?2nHCN 
hemmt in guten Extrakten weder die Spaltung der Stärke noch des 
Hexosephosphats, dagegen werden beide durch 8. 10” ?n um etwa 50 Pros. 
gehemmt. Etwas empfindlicher ist die Spaltung der Glucose, doch ist 
auch diese von 1 . 107? n HCN nicht mehr hemmbar. Wie die Spaltung 
der Stärke, wird auch die Veresterung gehemmt, es kommt also nicht 
wie bei Fluorid zu einer Anhäufung des intermediären Esters. Die 
ergibt sich sowohl, wenn man direkt mit und ohne KCN die Summe 
von Milchsäurebildung und Veresterung bestimmt als auch, wenn man 
durch gleichzeitigen Zusatz von Fluorid die Anhäufung des Esters 
vermehrt (vgl. hierzu die folgende Übersicht). 


1) Zeitschr. f. Elektrochem. 12, 479, 1906. 


Ennzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 203 


Tabelle XI. 


Blausäurehemmung im Muskelextrakt. Je 1,0 ccm Flüssigkeit mit 0,5 ccm 
Extrakt und 0,4 Proz. Stärke. 


| P3 O,-Gehalt | un Summe, Hem- 
GE IS rung Gesamt. 
un Gogo nachber:; *stert || + Milch: || umsatz 
| säure 
mg mg Proz. 
ge | r | | 
ı |ı9.xıL.) — . — | 607, 0,31 | 0,596 Ä 0,438 | 0,204 | 0,514 | — 
8 — | 60 0,10 — '0,490|| 0,185 || 0,235 || 66 
LP" — 60 [087 | — — => = SÉ 
SE | 60 10,17 | — a 0,56 || 0,73 Ä = 
8 1 en Vom | — 0,465 Ä 0,141 || 0,17 \ 76 
2 ët, nn ie | 60 || 0,45 0,530 | 0,380 0,19 | 0,64 ; — 
| ENEE jo — 0,227 0,89 || 0515 | — 
: 8 5 = 60 |) 0,0 — 0413 || 0,15 || 0,15 71 


DI. Vergleichende Betrachtung der Kohlehydratvergärung durch Hefe- 
präparate (Acetonhefe und Mazerationssalt). 


Harden und Young haben in ihren grundlegenden Arbeiten, in 
denen sie die Rolle der Phosphate bei der alkoholischen Gärung 
klarstellten, die beiden getrennten Phasen der Gärung entdeckt, 
von denen die erste, rasche, der Veresterung eines Zuckermoleküls 
unter gleichzeitigem Zerfall eines zweiten entspricht, die zweite Phase 
aber der Wiederaufspaltung des Esters. Die erste Harden- Youngsche 
Gleichung 

2 CeHi206 + 2PO,HR, 
= 2 CO, + 2C,H,0H + 2H,0 + C,H,,0,(PO,R3)s (1) 


drückt die genau hälftige Teilung der Zuckermoleküle in zerfallende 
und veresternde aus; durch die zweite Gleichung 


C, H,o0,(PO,R;)2 = 2 H0 = CH 206 + 2 PO,HR, (2) 


wird diejenige Reaktion angegeben, die die Gärgeschwindigkeit der 
zweiten Periode bestimmt. Um den Gärverlauf selbst in dieser Periode 
wiederzugeben, muß hieran noch einmal die Gleichung 1 angefügt 
werden, da die Gärung nur unter Wiederveresterung des frei kommenden 
Phosphats (bei Überschuß von Zucker) oder frei kommenden Zuckers 
(bei Überschuß an Phosphat) fortschreiten soll. Während die Reaktion 1 
der Cozymase bedarf, kam die Reaktion 2 ohne diese vonstatten gehen, 
nicht aber die anschließende Gärung, die nach Gleichung 1 verläuft. So 
weit die Erklärung von Harden und Young. 


204 O. Meyerhof: 


Daß die erste der beiden Gleichungen nur eine Bilanz wiedergibt 
und daß irgend ein Intermediärprodukt postuliert werden muß, durch 
das die Spaltungs- und Veresterungsreaktion miteinander verknüpft 
werden, ist weder Harden selbst noch den späteren Autoren, die sich 
mit dem Gegenstand beschäftigt haben, entgangen; doch ist diese 
Lücke bislang nur durch spekulative Betrachtungen ausgefüllt. Die 
vollkommene Übereinstimmung der Kinetik der Milchsäurebildung im 
Muskelextrakt und der Zymasegärung läßt keinen Zweifel, daß das 
postulierte Intermediärprodukt beide Male dasselbe ist und daß die 
Verbindung von Veresterung und Zerfall auch auf dem gleichen Mecha- 
nismus beruht. Da nun aber die Hexosediphosphorsäure ohne Co- 
ferment zu Milchsäure aufgespalten wird und auch von solchen Ex- 
trakten, die zur Veresterung von Kohlehydrat nicht mehr imstande 
sind (z. B. Froschmuskelextrakt nach 15 Minuten langem Erwärmen 
auf 370), so kann hier die Spaltung des Esters nicht auf dem kom- 
plizierten Wege über Hydrolyse und Wiederveresterung erfolgen. 
Demnach muß die sich anhäufende Hexosediphosphorsäure den 
stabilisierten Rest darstellen, der bei der Aufspaltung der Kohlehydrate 
dem Zerfall entgangen ist, während zunächst das ganze in Reaktion 
tretende Kohlehydrat verestert wurde. Dies ergibt sich weiter auch 
durch die Veresterung in Gegenwart von Fluorid, wo parallel mit der 
Hemmung der Milchsäurebildung eine entsprechende Anreicherung 
der Hexosediphosphorsäure stattfindet. Das Verhältnis zwischen 
Anhäufung von Ester und Spaltung in Milchsäure ist daher im all- 
gemeinen beliebig, und nur im Falle der Hexosenspaltung im Muskel- 
extrakt unter Aktivatorzusatz ergibt sich die genau hälftige Teilung 
der Zuckermoleküle in zerfallende und veresternde. Sollen die mit dem 
Muskelextrakt gewonnenen Ergebnisse für die Gärung im Hefeextrakt 
Geltung haben, so ist zu fragen: 


a) ob auch bei der Gärung die genau hälftige Teilung der Zucker- 
moleküle nur einen Spezialfall für die Hexosen darstellt, 


b) ob es mit geeigneten Fluoridkonzentrationen gelingt, die Ver- 
esterung von der Gärung völlig zu trennen, 


c) ob ebenso wie im Muskelextrakt die Hexosediphosphorsäure 
direkt vergoren werden kann, einmal von solchen Hefepräparaten, 
die durch Alter oder sonstige Beeinträchtigung des Enzymkomplexes 
zur Zuckerspaltung nicht mehr imstande sind, zweitens, ob diese Ver. 
gärung auch in Abwesenheits des Coferments gelingt. 


Der Umstand, daß diese sämtlichen Fragen durch den Versuch 
mit ja beantwortet werden, ist ein starkes Argument zugunsten der hier 
vertretenen Vorstellung. In einer in kurzem folgenden Arbeit wird 
diese völlige Übereinstimmung zwischen der Zuckerspaltung im Muskel- 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 205 


und Hefeextrakt auch am Umsatz der Hexosemonophosphorsäuren 


demonstriert werden!). 


A. Hälftige Teilung des Zuckers. 


Wie steht es nun mit der hälftigen Teilung der Zuckermoleküle in 


veresternde und vergärende ? 


Daß diese Proportion für die Hexosen 


genau zutrifft, ist von Harden und Young bereits gezeigt worden. Auch 
Euler und Johansson?) bestätigten dies Resultat für den Gesamt- 
umsatz, fanden aber im Beginn ein Überwiegen der Veresterung. Der 


weitere Befund von Euler, Ohlsen und Johans- 
son?), daß Mazerationssäfte bestimmter Stock- 
holmer Hefen Zucker nur verestern, aber nicht 
vergären, wird in seiner Beweiskraft von Harden 


bezweifelt, da der gebildete Ester möglicherweise 


keine Hexosediphosphorsäure sei?). 

Für Glucose und Fructose ist in den Maze- 
Tationssäften aus Berliner Unterhefen die Harden- 
Youngsche Gleichung während der Phosphat- 
periode genau erfüllt, wenn man, wie es geschehen 
muß, die kontinuierliche Wiederaufspaltung der 
gebildeten Hexosediphosphorsäure in jedem Moment 
in Rechnung zieht. 
besteht eine vollständige Symmetrie (s. Abb. 18, 
wo die Angärung der Fructose dargestellt ist), so 
daß insbesondere der Gäranstieg nicht auf ein 
Vorauseilen der Veresterung zurückgeführt werden 
kann. Auch mit Natriumfluorid gelingt es nur 
sehr unvollkommen, die Veresterung der Glucose 
von der Gärung zu trennen, da, wie schon Euler bei 
ähnlichen Versuchen beobachtete, beide annähernd 
gleich stark gehemmt werden. Die Gärversuche 
mit Mazerationssaft wurden nach der Warburgschen 
Methode in Gefäßen von etwa 20 ccm ausgeführt 
unter Füllung des Gasraums mit N,, 5 proz. 
C 0,5). Einige Versuche, die die Gültigkeit der 
Harden - Youngschen Proportion während der 
Phosphatperiode zeigen, sind in der Tabelle XII 
angeführt (Temperatur 28°). 


Auch für den Anfangsteil 


Abb. 18. 


Fructosegärung im 
Hefemazerationssaft zu 
Beginn der Phosphat» 
periode. Vergärung in 
mg Zucker (aus CO» 
Bildung bestimmt) nach 
oben; Veresteruny (bes 
stimmt durch Andes 
rung des Phosphat, 
gehalts) nach unten 

aufgetragen. 
Der Verlauf beider 
Kurven ist vollständig 
symmetrisch (Versuch 
27. X. 1926). 


1) Siehe vorläufige Mitteilung O. Meyerhof und K. Lohmann, Naturw. 


14, 1277, Dezember 1926. 
?) Zeitschr. f. physiol. Chem. 85, 192. 1913. 


3) Ebendaselbst 76, 468, 1912; diese Zeitschr. 84, 492, 1917. 


t) Harden, Alcoholic Fermentation, 3. Aufl., S. 60. 


5) Siehe diese Zeitschr. 162, 79, 1925. 


London 1923. 


206 O. Meyerhof: 


Tabelle XII. 
Ge ` e a 
AS Sal PzOsGehalt | Su | wi? 
DS | Vorhandene St 53 SE şa 
Nr. || Datum E ucker» SER Kr 2| 9 || Bemerkungen 
"e SE > ZS vorher nachher > e $ 
mg S 
1 20. V. 1,18 | 0,98 || Anfang der 
Phosphats 
periode 
2 127.X. 1,09 | 0,95 || Hauptteil der 


2,10 | 0,93 || Phosphat 


8 ||16.X.|11,0 | WmgFruc. 2,85 | 0,89 || Induktionszeit 
tose 1830 
50 | 0,86 | Mitte d Tha 
5 — | Ende dr 
| Phase 


Ganz anders verhält sich aber die Vergärung der Polysaccharide. 
Hier häuft sich nämlich in der ersten Stunde drei- bis viermal so viel 
Zucker als Hexosediphosphorsäure an, wie Glucosegruppen vergären, 
und erst in längerer Zeit wird der angehäufte Ester allmählich wieder 
gespalten. Wenn man nach der Berechnungsweise von Harden und 
Young für die Aufspaltung einen konstanten Betrag der Gärung in 
Abzug bringt, so wird das Mißverhältnis zwischen Esteranreicherung 
und Kohlensäurebildung noch erheblich größer. Der Einwand, daß der 
gebildete Ester auch hier möglicherweise keine Hexosediphosphorsäure 
wäre, läßt sich auf überzeugende Weise widerlegen durch die Wirkung 
des Natriumarseniats. Schon Harden hat beobachtet, daß das Natrium- 
arseniat die Vergärung des Glykogens um das Vierfache steigern kann, 
dies aber als eine Wirkung auf die Glykogenhydrolyse angesehen!). Die 
gleichzeitige Bestimmung der Kohlensäurebildung und Phosphat- 
veresterung führt aber zu einer sehr einfachen Erklärung der Arseniat- 
wirkung; es wird nämlich dabei die sich sonst bei der Glykogenvergärung 
anhäufende Hexosediphosphorsäure aufgespalten. Daher setzt 1. die 
Steigerung der Glykogenspaltung durch Arseniat erst allmählich mit 
der Anhäufung des Hexosediphosphats ein, während die Gärung zu- 
, gesetzten Hexosediphosphats durch Arseniat von Anfang an be- 
schleunigt wird; 2. ist während der beschleunigten Gärperiode die 
mehr gebildete Kohlensäure äquimolekular mit dem weniger veresterten 
bzw. mehr aufgespaltenen Phosphat. Hieraus ergibt sich also gleich- 
zeitig, daß wirklich Hexosediphosphat angehäuft war, das unter der 


1) Siehe Alcoholic Fermentation, 3. Aufl., S. 128. 


Einzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 207 


Arsenistwirkung aufgespalten wird. Auch zeigen Versuche mit 
Robtsonscher und Neubergscher Hexosemonophosphorsäure, daß deren 
Aufspaltung durch Arseniat anfänglich nicht beschleunigt wird, sondern 
erst nach Umlagerung der Monoester 7„,ye 

in die Harden-Youngsche Säure. Die 
Wirkung des Arseniats auf die Ver- 
gärung des Glykogens ist in Abb. 19 
wiedergegeben und auch in der 
folgenden Tabelle XIII, Versuch la, 
b, c und Ga und b aufgeführt. 


B. Einfluß des Fluorids. 

In genau gleiche Richtung weist 
das Verhalten des Natriumfluorids, 
denn ähnlich wie bei der Milch- 
säurebildung im Muskelextrakt gelingt 
es zwar nicht mit den Hexosen, wohl 
aber mit Glykogen, durch NaF Ver- 
esterung und Vergärung zu trennen. 
Die Vergärung wird durch n/250 bis 
n/1000 NaF nahezu aufgehoben, die 
Veresterung aber nur teilweise ge- 
hemmt. Würde diese letztere gar 


nicht gehemmt werden, müßte sich, Abb. 19. 
wie bei der Milchsäurebildung im (rersuch: 3. November 1920) 

3 S Vergärung von Glykogen mit und ohne 
Muskelextrakt, die Hexosediphosphor- Arseniat mit gleichzeitiger Messung 
o o o der Veresterung. 
säure stärker anhäufen als ohne la: Vergirung des Glykogenas SE 
Fluorid, was aber hier nicht beob- Zusatz. 
achtet wird. Eine Übersicht ist in der ` IF: Yeresterung des Glykogens ohne 


Tabelle XIII gegeben, wo in der letzten 2a: Vergärung von Glykogen in Gegen» 
wart von Arseniat. 


Spalte das Verhältnis 2b: Veresterung von Glykogen in 
z Gegenwart von Arseniat. 
Moleküle Zucker verestert Das Plus an Vergärung entspricht 


genau einem Minus an Veresterung. 


Moleküle Zucker vergoren 


angegeben ist, das nach Harden- Young weit unter 1 sein müßte, weil 
neben der Veresterung ja die Wiederaufspaltung des gebildeten Esters 
verläuft, so daß bei der langsamen Gärgeschwindigkeit des Glykogens 
überhaupt keine Zunahme der Hexosediphosphorsäure zu erwarten 
wäre. Tatsächlich ist das Verhältnis aber in den ersten 1 bis 11, Stunden 
2 bis 4, in Gegenwart von Fluorid noch beliebig größer. Späterhin 
sinkt es infolge Wiederaufspaltung des Esters langsam ab. Zum Vergleich 
sind auch einige Versuche mit Zucker angegeben, die der Harden- Young- 
schen Gleichung folgen. Bei Hemmung der Zuckerspaltung durch 


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Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 209 


Fluorid wird auch die Veresterung gehemmt. Der kleine, übrig ge- 
bliebene Rest muß auf Bindung des präformierten Glykogens in dem 
nicht ganz kohlehydratfreien Mazerationssaft bezogen werden und 
findet sich auch in Extrakten, die ohne Zusatz von Kohlehydrat unter 
Fluorideinwirkung gesetzt werden. 

Diese Versuche lassen sich noch auf indirekte Weise bestätigen. 
Zusammen mit J. Suranyi wurde gezeigt!), daß die Hexosediphosphor- 
säure eine stärkere Säure als Phosphorsäure ist, und daß bei der Ver- 
esterung des Phosphats im Muskelextrakt eine aus der Differenz der 
Dissoziationskonstanten berechenbare Säuerung stattfindet. Dasselbe 
ist auch bei der Gärung der Fall. Vertreibt man die Kohlensäure durch 
Schütteln, so ist diese Zunahme an Ester die einzigeUrsache der Säuerung. 
Nun erfährt ein mit Glykogen und Fluorid versetzter Mazerationssaft 
in 1 bis 2 Stunden eine Zunahme der Acidität etwa ebenso groß wie 
ohne Fluorid, obwohl die Gärung völlig gehemmt ist, andererseits aber 
mit Glykogen und Arseniat eine erbeblich geringere, entsprechend der 
geringeren Veresterung. Dies ersieht man aus dem folgenden Beispiel 
(durch Arseniat wurde hier wie gelegentlich in schlechter gärenden 
Mazerationssäften die Vergärung des Glykogens nicht gesteigert). 


Tabelle XIV. 


pu-Verschiebung bei Veresterung des Phosphats im Hefemazerationssaft. 
Versuch 6. Dezember 1926. Vergärung von Glykogen. Versuchszeit 


90 Minuten. 
Zuck P0 Zuck 
Zusätze vergoren SES eweg ‚ Pa A 
mg ‚ Gehalt _ Änderung mg ne 
Vorher... l _ | ngl — 
Kein Zusatz ... É 2,22 1,68 — 3,92 5.02 
0,006 n NaF . 0,04 8,92 — 2,28 | 2 ‚92 
0,004 mol. Natrium- | | 
arseniat >... 1,90 | 10,24 | —0,96 | 1,23 


t 


C. Die Vergärung der Hexosediphosphorsäure. 


Die in der vorhergehenden Arbeit mitgeteilten Tatsachen führten 
zu dem Schluß, daß die Hexosediphosphorsäure die stabilisierte Form 
des Intermediärprodukts der Kohlehydratspaltung ist, als solches 

l. langsamer reagiert als der naszierende Ester, 

2. durch ein Ferment gespalten wird, das weniger empfindlich ist 

als das veresternde, und 


3. zu seinem Zerfall des für die Veresterung benötigten Coferments 
nicht bedarf. 


1) Diese Zeitschr. 178, 427, 1926. 
Biochemische Zeitschrift Band 183. 14 


210 O. Meyerhof: 


Es bleibt zu zeigen, daß die Punkte 1 bis 3 auch für die Vergärung 
der Hexosediphosphorsäure Geltung haben. 


L Daß die Vergärung der Hexosediphosphorsäure so viel lang- 
samer erfolgt als die des Zuckers, ist bekannt und bedarf keiner weiteren 
Belege. Aber von Interesse ist, daß sie von vornherein mit einer kon- 
stanten Geschwindigkeit einsetzt, ohne Induktionsperiode und ohne 
Gäranstieg. Die primäre Aufspaltung des Esters und nicht das Auf- 
treten geeigneter Wasserstoffakzeptoren bestimmt die Gärgeschwindig- 
keit. Diese wird daher im Gegensatz zur Vergärung der Hexosen und 
Polysaccharide durch Aldehyd nicht gesteigert, wohl aber außerordent- 
lich durch Natriumarseniat. 


2. Daß Hefepräparate, die unfähig sind, Hexosen zu spalten, noch 
Hexosediphosphorsäure vergären, läßt sich leicht zeigen. In derart 
beschränkt wirksamen Säften kann sogar die Vergärung der Hexoss- 
diphosphorsäure noch durch Natriumarseniat stark stimuliert werden. 
Nachdem früher beobachtet war, daß die Induktionsperiode bei der 
Vergärung der Zymohexosen durch Hexosediphosphat aufgehoben 
‘werden kann!), wurde, um die Angärung nicht zu verzögern, stets 
etwas Hexosediphosphat zum Hexosengärgemisch zugegeben. Aber in 
schlechteren Säften kam die Zuckervergärung dadurch doch nicht in 
Gang, sondern die Geschwindigkeit entsprach nur der Gärung der 
Spur zugefügten Hexosephosphats, während dies selbst in höherer 
Konzentration deutlich vergoren wurde. Als Beispiel sei ein Versuch 
mit Extrakt aus alter, nicht gut getrockneter Trockenhefe gegeben. 


Versuch 17. Juli 1926. 28° in 2 Stunden 10 Minuten mit 0,5ccm Saft: 


| Umsatz in 
| cmm CO, 
Mit 1 Proz. alter EEN ea A d d 
1 Proz. Glucose + 0,02 Proz. Mg-Hexosephosphat . . . .. . ! 11.5 
1 Proz. Glucose + 0,02 Proz. Mg-Hexosephosph. + n'400 Aldehyd | 16.0 
„ 1,1 Proz. Mg-Hexosephosphat . . 2. 2 2 2 2 2 2 2 nee. 100 
„ 1,1 Proz. Mg-Hexosephosphat + 0.003 mol Natriumarseniat. . | 592 


3. Der wichtigste Punkt dürfte die Vergärung der Hexosediphosphor- 
säure in Abwesenheit des Coferments sein, denn nach der Auffassung 
von Harden und Young erscheint dies unmöglich, weil ja nach dieser 
die Vergärung der Hexosediphosphorsäure auf dem Umweg über die 
erste Gärungsgleichung stattfinden soll. Nun haben die englischen 
Forscher selbst Versuche mit Acetonhefe (Zymin) angestellt. die durch 
mehrmaliges Waschen von Coferment befreit wurde?). Durch dies zs 


1) Zeitschr. f. phys. Chem. 102, 185, 1918. 
2) Proc. Roy. Soc. Ser. B. 82, 321, 1910. 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. III. 211 


gewaschene Zymin wurds das Hexosediphosphat zum Teil in an- 
organisches Phosphat und gärfähige Hexose gespalten, zum anderen 
Teil ab. r entstand nach den Versucbsprotokollen der Autoren Gärungs- 
kohlensäure bis zur Hälfte der bei totalem Umsatz möglichen Menge. 
Diese letztere Beobachtung haben Harden und Young wohl nur deshalb 
außer acht gelassen, weil sie nicht sicher waren, das Coferment voll- 
ständig entfernt zu haben. In meinen eigenen Versuchen wurde 
durch zweimaliges Waschen von Aceton- = 
hefe auf der Zentrifuge mit größeren 

Mengen Wassers das Coferment so weit 
entfernt, daß Zucker in Phosphat- 
lösung ohne gleichzeitige Zugabe von 
Hefekochsaft durch die Acetonhefe nicht 
mehr vergoren wurde. Eine derartige 
Acetonhefesuspension von 0,5 bis 1g, 
zweimal mit je 40 ccm Wasser gewaschen 
und wieder auf ein kleines Volumen 
aufgefüllt, vergärt Glucose und Fructose 
such nicht nach Zugabe von etwas 
Hexosephosphat, wohl aber das Hexose- 
phosphat selbst, und zwar wenig 
schwächer als eine gleich konzentrierte, 
ungewaschene Suspension. Gibt man 


Abb. 20. 


aber Kochsaft hinzu, so wird jetzt Glu- 
cose ungefähr ebenso rasch wie die 
Ausgangssuspension vergoren und das 
Hexosephosphat ein wenig stärker als 
die Susp:nsion ohne Kochsaft. Dieser 
Unterschied rührt zum kleinen Teil von 
der Gärung der im Kochsaft vorhandenen 
Kohlehydrate, zum größeren aber von 
der zusätzlichen Vergärung des bei der 
Esterhydrolyse gebildeten Zuckers her. 
Von unserem Siandpunkt erscheint diese 
Zusatzgärung weniger interessant als das 
Faktum, daß hier offenbar eine Ver- 


Vergärung von Glucose und Hexose» 
diphosphat durch Acetonhefe in Gegen» 
wart und Abwesenheit von Coferment. 
(Versuch 12. VII. 1926 Tabelle XV, 1). 


Om) 1.: Glucoseumsatz durch 


gewaschene Acetonhefe ohne 

Kochsaft. 

© 2.: Vergärung von Glue 

cose durch gewaschene Aceton» 

hefe nach Zusatz von Kochsaft. 

x 3.: Vergärung v. Hexose« 

phosphat durch nicht gewaschene 

Acetonhefe. 

A 4.: Vergärung v. Hexose- 
phosphat d. gewaschene Aceton» 
hefe obne Kochsaft. 

D e—,.) A. ` Vergärung v. Hexose» 
phosphat d. gewaschene Acetons 
hefe mit Kochsatt. 


x 


Ah 


gärung von Hexosedipbosphorsäure in 

Abwesenheit des Coferments vorliegt (s. Abb. 20). Nun wird allerdings 
bei weiterem Waschen auch schließlich die Gärung der Hexosediphosphor- 
säure zum Verschwinden gebracht und kann durch Zugabe von Kochsaft 
nachher noch zu einem kleinen Teile restitutiert werden. Schließt man 
hieraus, daß durch das zweimalige Waschen das Coferment nicbt restlos 
entfernt wurde, so würde auch die Gärung des Hexosephosphats 


14* 


212 O. Meyerhof: 


noch einer Spur der Cozymase bedürfen, die aber um das Vielfache 
geringer wäre als die für die Zuckergärung benötigte Menge. Wahr- 
scheinlicher jedoch ist, daß durch zu häufiges Waschen das Enzym 
selbst geschädigt wird. Jedenfalls ist das Verhalten völlig analog der 
Hexosephosphatspaltung im Muskelextrakt. Auch hier darf der Extrakt 
nicht beliebig lang dialysiert werden; aber auch hier ist die Kohle- 
hydratspaltung schon lange erloschen, wenn die Spaltung des Hexose- 
phosphats nur wenig geschwächt wird, und auch bier läßt sich durch 
Kochsaft die erstere fast völlig rest’tuieren, während die Spaltung des 
Esters dadurch nur schwach gesteigert wird. 


Nach Entfernung des Coferments wird die Vergärung der Hexose- 
diphosphorsäure durch Arseniat nicht mehr beschleunigt; dagegen 
läßt sich diese Beschleunigung durch Zusatz von Kochsaft restituieren. 
Möglicherweise bedarf es also für die Wirkung des Arseniats des Co- 
ferments, falls hier nicht sekundäre Einflüsse im Spiele sind. Jedenfalls 
beeinflußt in Abwesenheit des Coferments das Arseniat ebensowenig 
die Abspaltung des Phosphats wie die Gärung, so daß auch bierdurch 
keine Trennung der Hydrolyse vom vollständigen Zerfall des Esters 
herbeigeführt wird. 

In mehreren dieser Versuche wurde gleichzeitig der Phosphat- 
umsatz bestimmt. Für die Hexosephosphatspaltung gewaschener 
Acetonhefe ergibt sich unter Zugabe von Kochsaft eine recht genaue 
Äquimolekularität von Phosphat- und Kohlensäurebildung sowohl 
mit wie ohne Arseniat, ganz entsprechend der kompletten Aufspaltung 
des Esters; dagegen kann ohne Kochsaft die Phosphatabspaltung 
die gleichzeitige Gärung his auf etwa das Doppelte übertreffen. Dies 
entspricht der neben der direkten Vergärung stattfindenden hydro- 
lytischen Spaltung, die in Anwesenheit von Kochsaft durch Vergärung 
nach der ersten Hardenschen Gleichung unsichtbar gemacht wird. 
Eine Reihe von Versuchen über die cofermentfreie Vergärung der 
Hexosediphosphorsäure enthält Tabelle XV. 


Der Versuch 3 zeigt, daß Aldehyd die Traubenzuckergärung 
enorm steigert, aber nur in Anwesenheit von Coferment, während es 
auf Hexosephosphat ohne Wirkung ist. Harden!) hat die Angabe 
gemacht, daß das Coferment sich in Acetonpräparaten aus englischen 
Öberhefen durch Kaliumphosphat + Aldehyd ersetzen ließe und in 
Zusammenhang damit geschlossen, daß die Cozymase ähnlich den 
Aldehyden in den „Oxydoreduktionsvorgang‘‘ der Gärung eingriffe. 
Dieser Schluß scheint jedoch auf Grund der völligen Übereinstimmung 
der Cozymasenrolle bei der Gärung und Milchsäurebildung wenig 


1) Biochem. Jown. 11, 64, 1917; Alcoholic Fermentation, 3. Aufl., 
S. 71f. 


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214 O. Meyerhof: 


wahrscheinlich. Darüber hinaus ist auch der von Harden beschriebene 
Effekt von Kaliumphosphat + Aldehyd an den Präparaten aus 
deutschen Unterhefen nicht zu reproduzieren. Möglicherweise bleibt 
doch in den Oberhefepräparaten von Harden noch ein Rest von Co- 
enzym zurück, das dann durch Aldehyd kräftig aktiviert werden kann. 

Nach der hier vertretenen Ansicht entspricht die zweite Gärungs- 
phase genau der zweiten Phase der Milchsäurebildung. Der Gärungs- 
abfall nach der Phosphatperiode beruht danach nicht auf der Um- 
schaltung der beherrschenden Reaktionsgeschwindigkeit (Contreling 
factor von Harden) von der Veresterung auf die hydrolytische Spaltung 
des Esters, sondern von der Vergärung des naszierenden Esters auf 
die Vergärung des stabilisierten Esters. Hierzu addiert sich dann noch 
die Hydrolyse, die aber ähnlich wie beim Muskelextrakt auf ein all- 
mähliches Versagen des Gärungsferments zurückgeführt werden kann. 
Die zwischen der Milchsäurebildung und der alkoholischen Gärung 
noch übrigbleibenden Unterschiede der Kinetik beruhen nur zum 
Teil auf dem verschiedenen Chemismus, zum anderen Teile auf der 
sehr verschiedenen Stabilität der Fermente, den großen Unterschieden 
in der Konzentration der wirksamen Bestandteile, wie Phosphat, Co- 
ferment, Zucker und ähnlichem. 


Zusammenfassung. 


J]. Von dem milchsäurebildenden Ferment des Muskels in Lösung 
werden die gärfähigen Hexosen unmittelbar sebr viel schwächer in 
Milchsäure gespalten als die Polysaccharide, relativ am besten von 
frischem Kaninchenmuskelextrakt. 

2. Fügt man jedoch einen durch alkoholische Fällung von Hefe- 
autolysat gewonnenen Aktivator hinzu, so werden die Hexosen mit 
großer Geschwindigkeit umgesetzt, wobei sie zur Hälfte in Milchsäure 
gespalten, zur anderen Hälfte verestert werden. Sobald entweder das 
Phosphat oder der freie Zucker verbraucht ist, fällt die Geschwindigkeit 
der Milchsäurebildung ab und entspricht nunmehr der Aufspaltung 
der gebildeten Hexosediphosphorsäure in äquimolekulare Mengen 
Milchsäure und Phosphorsäure.. Die Milchsäurebildung in der ersten 
Phase ist daher dem vorhandenen anorganischen Phosphat proportional 
und läßt sich nach Veresterung desselben durch neue Phosphatzugabe 
wiedeı steigern. Durch kleine Konzentrationen von Arseniat wird die 
Spaltungsgeschwindigkeit der Hexosediphosphorsäure beträchtlich 
erhöht; etwas geringer auch die Spaltung der Polysaccharide und der 
Hexosen in derjenigen Phase, wo sich Hexosediphosphorsäure anhäuft. 

3. Der in die Augen springende Parallelismus des Hexoseumsatzes 
im Muskelextrakt mit dem der alkoholischen Gärung im Hefeextrakt 
wird noch vervollständigt durch folgende neu gefundene Eigentümlich- 


Enzymatische Milchsäurebildung im Muskelextrakt. II. 215 


keiten des Gärungsablaufs: Nur die Hexosen werden entsprechend der 
Harden-Youngschen Gleichung genau im Verhältnis 1:1 verestert 
und gespalten. Dagegen häuft sich bei der Vergärung des Glykogens 
und der Stärke in der ersten Zeit das Mehrfache an Hexosediphosphat 
an als vergärt. Hierauf ist die starke Steigerung der Glykogenvergärung 
durch Arseniat zurückzuführen, da hiermit die sonst angehäufte Hexose- 
diphosphorsäure aufgespalten wird. Durch Fluorid läßt sich die Ver- 
esterung des Glykogens von der Vergärung ähnlich trennen wie im 
Muskelextrakt. Die Hexosediphosphorsäure kann durch annähernd 
cofermentfreie Zymase (mehrfach gewaschene Acetonhefe) vergoren 
werden. Die Vergärung in der zweiten Phase vollzieht sich danach 
nicht unter hydrolytischer Spaltung des Esters und erneutem Umsatz 
der Spaltprodukte, sondern wie im Muskelextrakt unter direktem 
Zerfall der Hexosediphosphorsäure in die Endprodukte, während das 
Coferment nur für die Bildung des Phosphorsäureesters benötigt wird. 


Über einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden 
-= Ferments im Muskel). 


Von 
Karl Meyer. 
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Biologie, Berlin-Dahlem.) 


(Eingegangen am 13. Januar 1927.) 


Mit 1 Abbildung im Text. 


Inhalt. 

Seite 

I. Die Wirkung des gereinigten Coferments und die Unentbehrlichkeit 
des Phosphats für die Milchsäurebildung . . . . 2... HUN 
Methoden... u a. ac ee ee E e 0 E e er LS 

II. Ist das Coferment der Milchsäurebildung auch ein Coferment der 
Atmung? . 222 ee eu a e er ee ee Ek 
III. Über den Mechanismus der Fluorid- und Oxalathemmung . . . . 227 
IV. Versuche zur Ausfällung und Reinigung des Ferments . . . . 229 
1. Fällung mit Kohlensäure . . . 2. 2 2 2 2 2 ne nenn. 229 
2. Fällung mit saurem Acetat . . 2. 2. 2 2 2 2 nennen. 230 
Zusammenfassung . . s 2 2 2 2 2 ren. ge e Be a a e E 


Nachdem es kürzlich gelungen ist?), das Milchsäure bildende 
Ferment des Muskels in Lösung zu überführen, konnten einige Fragen 
bezüglich der chemischen Komponenten des wirksamen Enzym- 
komplexes einer direkteren Bearbeitung unterzogen werden, als es 
bisher möglich war. Diese betreffen vor allem die weitere Isolierung 
der Bestandteile des Enzymsystems, die Reinigung des Coferments 
und des Ferments selbst. Während bekanntlich die Reinigung der 
hydrolysierenden Fermente vor allem dank der Arbeiten Willstätters 
und von Eulers schon große Fortschritte gemacht hat, ist bisher die 


1) Die Arbeit wurde mit Unterstützung der Rockefellerstiftung aus- 
geführt, der ich dafür auch an dieser Stelle meinen Dank sage. 
2) O. Meyerhof, diese Zeitschr. 178, 395, 1926. 


K. Meyer: Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 217 


weitere Isolierung solcher Fermente, die die energieliefernden Stoff- 
wechselreaktionen katalysieren, nicht möglich gewesen. Das bisher hierin 
Erreichte bei der Zymase, dem Atmungsferment und neuerdings dem 
Milchsäure bildenden Ferment des Muskels beschränkt sich darauf, 
die Gesamtheit der wasserlöslichen Zellinhaltsstoffe durch Auspressen 
oder Extrahieren zu gewinnen und in diesem strukturlosen Gemisch 
die Anwesenheit des Fermentsystems zu demonstrieren. Ich halte 
es deshalb für einen Fortschritt, daß im folgenden nicht nur das Co- 
ferment, sondern das veresternde und Milchsäure bildende Ferment 
selbst zu einem erheblichen Teil von Eiweiß befreit werden konnte, 
so daß gegenüber stark wirksamen Extrakten eine 10- bis 20fache 
Konzentrierung der Wirksamkeit, bezogen auf den Eiweißgehalt, 
herbeigeführt wurde. 


Die Arbeit, die auf Vorschlag und unter Leitung von Prof. Meyerhof 
ausgeführt wurde, beschäftigt sich in ihrem ersten Teil mit der Reinigung 
des Coferments und seiner Wirkung und im Anschluß daran mit der 
Frage, ob das Coferment der Milchsäurebildung auch ein Coferment 
der Atmung ist. Im dritten Teil wird die Frage nach einer Mitwirkung 
des Calciums für den Zuckerumsatz untersucht und schließlich im 
vierten Teil die Reinigung des Ferments selbst behandelt. Die Ver- 
suche dieses Abschnittes werden fortgesetzt. 


I. Die Wirkung des gereinigten Coferments und die Unentbehrlichkeit des 
Phosphats für die Milchsäurebiidung. 


Die erste Frage betrifft die Wirkungsweise des Coferments der 
Milchsäurebildung. Das von Harden und Young entdeckte Coferment 
der alkoholischen Gärung!), das durch Dialyse bzw. Ultrafiltration 
des Hefesaftes oder auch durch Kochen von der Zymase getrennt 
werden kann, läßt sich, wie diese Autoren weiterhin zeigten, von an- 
organischem Phosphat sowie von Hexosediphosphorsäure befreien und 
so der Beweis erbringen, daß das Coferment (Cozymase) neben dem 
anorganischen und veresterten Phosphat einen notwendigen Bestand- 
teil des Zymasekomplexes darstellt. Nachdem sich ergeben hatte, 
daß der Muskel und andere tierische Organe echte Cozymase enthalten?), 
und daß diese offenbar bei der Atmung sowie der Milchsäurebildung?) 
eine ähnliche Rolle spielt wie die Cozymase der Hefe bei der alko- 
holischen Gärung, war die Frage, ob sich auch hier auf den von Harden 


1) Proc. Roy. Soc. B. 77, 405, 1906. 

2) O. Meyerhof, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 101, 165, 
1918; 102, 1, 1918; vgl. auch die Bestätigung bei Euler, Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 123, 90, 1922. 

3) O. Meyerhof, Pilügers Arch. 175, 20, 1919. 


218 K. Meyer: 


und Young eingeschlagenen sowie von Euler weiterhin verfolgten 
Wegen der direkte Beweis erbringen ließ, daß diese phosphatfreie 
Verbindung als echtes Coferment der Milchsäurebildung figuriert, 
und ob ferner zu ihrer Betätigung der Zusatz von anorganischem 
Phosphat ebenso nötig ist wie bei der alkoholischen Gärung. DaB 
das mehr oder weniger gereinigte Coferment der Muskulatur die alko- 
holische Gärung annähernd ebensogut aktiviert wie gereinigtes Co- 
ferment aus Hefe, ist schon früher gezeigt worden!). 

Der Fermentextrakt der Muskulatur läßt sich auf mehrere Weise 
von Coferment befreien. Man kann sich dafür entweder mehrfacher 
Extraktion der Muskulatur bedienen, indem der dritte und vierte 
Extrakt zwar reichlich Milchsäure bildendes Ferment, aber nahezu 
kein Coferment mehr enthält?), oder auch der ‚klassischen Methode‘, 
der Dialyse. Auf der anderen Seite kann man als Ausgangsmaterial 
für die Reinigung des Muskelcoferments entweder das Dialysat, den 
gekochten oder filtrierten Muskelextrakt oder den Kochsaft aus Musku- 
latur wählen. Das Dialysat kommt wegen zu starker Verdünnung 
kaum in Betracht. Der Kochsaft des Extrakts hat gegenüber direktem 
Muskelkochsaft den Vorteil, fast kohlehydratfrei zu sein, doch ist der 
Muskelkochsaft selbst so viel reicher an Coferment, daß ich in der 
Regel diesen als Ausgangsmaterial gewählt habe. 


Methoden. 


Der Verlauf der Milchsäurebildung wurde manometrisch verfolgt?), 
wobei die speziell für die Glykolysemessung im Muskelextrakt an- 
gegebenen Vorschriften und Berechnungsmethoden Anwendung 
fanden?). Die Gesamtflüssigkeit pro Bestimmung betrug 0,9 bis 1 cem. 
das Volumen der Glykolysegefäße 6ccm. Der mit unterkühlter K Cl- 
Lösung gewonnene Muskelextrakt wurde in Kollodiumschläuchen von 
Coferment und einem Teil des Phosphats befreit. Bei der großen 
Empfindlichkeit des Ferments mußte die Dialyse in unterkühlter 
Lösung bei 0 bis — 2° geschehen. Die Kollodiumschläuche wurden 
nach der Vorschrift von Brown?) mit den von Lundsgaard und 
Hollbsil®) angegebenen Modifikationen angefertigt. Sie waren für 
Kristalloide so gut durchlässig, daß eine etwa 12mm weite und 
10 ccm fassende Hülse 1 proz. Glucose gegen 10 ccm destilliertes Wasser 


1) O. Meyerhof, Zeitschr. f. physiol. Chem. 102, s. bes. SIS 1918. 

2) Derselbe, diese Zeitschr. 178, 395, 1926. 

3) O. Warburg, ebendaselbst 142, 317, 1923; 162, 51, 1924; 164, 481. 
1925. 

4) O. Meyerhof, ebendaselbst 178, 395, 1926. 

5) Biochem. Journ. 9, 591, 1915. 

6) Hospitals Tidende 68, 849 und 866, 1925. 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 219 


zu 46 Proz. in einer Stunde durchließ, was einem 90proz. Ausgleich 
entsprach. Die von mir benutzten Hülsen faßten im allgemeinen 6 ccm. 
Sie wurden auf einem Brettchen befestigt, das durch einen Motor 
mittels Exzenter auf und ab bewegt wurde. Die Hülse mit Brettchen 
befand sich in einer Schale mit KCl-Lösung, die sich in einem Kälte- 
gemisch von etwa — 3° befand. Eine sehr weitgehende Dialyse verträgt 
der Muskelextrakt auch nicht unter diesen Kautelen. Während er 
nach 40 Minuten noch gut reaktivierbar ist, kann er nach 60 Minuten 
und erst recht nach 80 Minuten langer Dialyse meist nur noch durch 
konzentrierten Kochsaft, aber nicht mehr durch verdünntes gereinigtes 
Coferment aktiviert werden. Doch reichen in der Regel 40 bis 60 Minuten 
aus, um das Coferment bis zur völligen Wirkungslosigkeit zu entfernen. 


Die Reinigung des Coferments geschah pach verschiedenen Me- 
thoden. Stets wurde der Muskelkochsaft zunächst auf 50 Proz. Alkohol- 
gehalt gebracht, das ausgesghiedene Glykogen wurde nach 14- bis 
lstündigem Stehen der Lösung im Kältegemisch zentrifugiert. Zur 
Entfernung des Phosphats wurde in den ersten Versuchen nach den 
Angaben von Harden und Young der Alkohol durch Eindampfen ver- 
trieben und dann neutrales Bleiacetat im Überschuß hinzugegeben. 
Nach Filtration wurde das Blei durch Schwefelwasserstoff entfernt 
und dieser durch Luftstrom vertrieben. Hieran wurden die von Euler 
angegebenen Reinigungsverfahren!) angeschlossen, die durch Ad- 
sorption an basisches Bleiacetat (von pg etwa 9) oder an Aluminium- 
hydroxyd eine weitere Konzentrierung bezwecken. Während es aller- 
dings so gelang, mit dem Muskelcoenzym Fraktionen zu gewinnen, 
die gewaschene Acetonhefe zur Gärung zu aktivieren vermochten, 
waren sie gegenüber dem empfindlicheren glykolytischen Ferment 
des Muskels wirkungslos. Das lag wohl zur Hauptsache, abgesehen 
von der Verdünnung des Coferments, an der Schädigung durch den 
hohen Salzgehalt der Lösung. 

Ich versuchte, das Coferment durch Eindampfen bei 50° anzu- 
reichern und dann durch Abkühlung der Lösung bis auf — 2° einen 
Teil der Salze auszufällen. Aber auch jetzt war die Aktivierung des 
dialysierten Muskelextrakts ungenügend. Ich ging deshalb zu anderen 
Reinigungsmethoden über und entfernte das Phosphat durch Zusatz 
von Bariumchlorid bei etwa 758. In der Regel wurden auf 8ccm 
eingedampften, von Glykogen befreiten Muskelkochsaft 2 cem n BaCl, 
verwandt. Das überschüssige Barium wurde zunächst durch Kohlen- 
säure, dann nach Abfiltrieren des Carbonats durch vorsichtigen Zusatz 
von Schwefelsäure entfernt und die Lösung bei etwa 35° mit einem 
Fön eingedampft. Diese Lösungen erwiesen sich als wirksam, waren 


1) Zeitschr. f. phys. Chem. 188, 1, 189, 281, 1924. 


220 K. Meyer: 


aber noch nicht phosphatfrei. Doch ließen sich die hier noch vor- 
handenen Spuren Phosphat entfernen, wenn man außer Bariumchlorid 
auch noch kolloides Eisenhydroxyd in Mengen von etwa 2 ccm 10proz. 
Sols hinzusetzte. Die so gewonnenen phosphatfreien Filtrate enthielten 
das Coferment des Muskels in genügender Konzentration ohne störende 
Beimengungen von anderen Salzen, um gegenüber dem dialysierten 
Muskelenzym wirksam zu sein. Mit ihnen ließ sich die Aufgabe, die 
Wirkung des Phosphats von der des Coferments vollständig zu trennen, 
erledigen. 


Während ich davon absehe, die verschiedenen Etappen der Aus- 
probierung des hier benutzten Reinigungsverfahrens im einzelnen 
wiederzugeben, seien nur zwei Beispiele angeführt, um die Wirksamkeit 
sowohl des über das Bleiacetat, wie über Bariumchlorid und Eisen- 
hydroxyd gereinigten Muskeleoenzyms auf die Gärung gewaschener 
Acetonhefe zu belegen. ; 


l. Aktivierung der Gärung von Acetonhefe mittels des Blei- 
filtrats des Muskelkochsaftes. 39 cem Muskelkochsaft + 40 cem 96 proz. 
Alkohol; Alkohol durch Eindampfen vertrieben, Filtrat mit Pb-Acetat 
gefällt; nach Entfernen des Pb durch H,S ein Drittel des Filtrats 
eine Stunde lang bei etwa 35° eingedampft. 


Versuch. 26. März 1926. 0,03 g gewaschene Acetonhefe geben in 
30 Minuten mit 1,2 Proz. Glucose: 


T CO; bei 00 
d cmm 
en ve Eee ee ein rer re eg BE raum Eee SE FF Eee en Ee FELGE ere m = 
a) Ohne Zusatz . 2. 2 2 2 2 2 22. | 2,2 
b) Mit 0,4cem Muskelkochsuft . . . |! 18,2 
e) Mit O,&cem Pb-Filtrat. . 2 2... "36,0 


2. Aktivierung der Gärung von Acetonhefe durch über BaCl, 
und Fe(OH), gereinigtes Coferment. 


Versuch. 26. April 1926. 54ccm Muskelkochsaft + 50 cem Alkohol, 
nach Entfernen des Alkohols 8 cem des Ausgangsextrakts mit 2 cem n BaCl, 
+ 2ccm l0proz. Fe(OH), versetzt. Nach Filtration Ba bei schwach 
alkalischer Reaktion mit CO, dann mit Schwefelsäure entfernt. 0,03 g 
gewaschene Acetonhefe geben in 60 Minuten mit 1,2 Proz. Glucose: 


| Co 
5 a a S Be cmm 
S 
` 
a) Ohne Zusatz . 2 2 2 2 2 20. ; | 0,5 
b) Mit 04 cem Muskelkochsuft ` 39,0 
| 


e) Mit O0,&ccm Filtrat . . . 2.2... ? 42,0 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 221 


Hinsichtlich der Bedeutung des Coferments für das Milchsäure 
bildende Ferment des Muskels war zuerst zu beweisen, daß tatsächlich 
bei der Dialyse des Muskelextrakts in das Dialysat eine Substanz 
übergeht, die mit der im Muskelkochsaft enthaltenen identisch ist, 
welche den inaktiven dialysierten Rückstand zur Milchsäurebildung 
befähigt. Dies ließ sich dadurch zeigen, daß der Muskelkochsaft diese 
Substanz ebenso durch Dialyse verliert. 


Versuch 3. 28. Mai 1926. 6ccm Extrakt gegen 0,9 Proz. KCl 60 Mi- 
nuten bei — 2° dialysiert (a); 10 ccm Muskelkochsaft bei Eiskühlung 
5 Stunden gegen 10 cem destillierten Wassers dialysiert (b) und das Dialysat, 
auf 3 cem eingedampft; 6 cem Muskelkochsaft bei Eiskühlung gegen 1 Liter 
destillierten Wassers dialysiert (c). 

Je 0,3cem Muskelextrakt mit Bicarbonat, 0,45 Proz. Stärke und 
Zusätzen auf 0,9 ccm gebracht, bei 20° in 60 Minuten: 


Co, 
| cmm 
1. Unveränderter Muskelextrakt . . . 2 2 2 2 2 2 2 2 0 20. 85 
2. Dialysierter Muskelextrakt (a) 2. 2. 2 2 2 22 nenne 5,1 
3. Dialysierter Muskelextrakt (a) + 0,4 cem Muskelkochsaft . . | 69 
4. Dialysierter Muskelextrakt (a) + 0,4 eem dialysierter Muskel, | 
Kochsaft. Ce) z wre a 2 a re a a a a : 7,4 
5. Dialysierter Muskelextrakt (a) + 0,4 ccm eingeengtes Dialysat 
des Kochsaftes (b). . 2... Bde ee an ae Men eng Hat 61 


I cnm CO, = 0,004 mg Milchsäure. 


Wurde der Muskelkochsaft, wie oben angegeben, mit Alkohol 
von Glykogen. mit BaCl, und kolloidem Eisenhydroxyd von Phosphat 
befreit, so ließ sich das gereinigte Coferment der Milchsäurebildung 
darin nachweisen: dialysierter Muskelextrakt, mit Glykogen und 
Phosphat versetzt, war wirkungslos, wurde aber durch Zusatz des 
gereinigten Coferments aktiviert. Andererseits war aber auch Glykogen 
+ Coferment wirkungslos, falls nicht Phosphat hinzugegeben wurde. 
Darüber hinaus zeigte sich, daß die Milchsäurebildung in einem ge- 
wissen Konzentrationsbereich mit Vermehrung des Phosphats stieg. 
Zu dieser Versuchsanordnung ist zu bemerken, daß zwar das Coferment 
vollständig von Phosphat befreit werden kann, nicht aber der dialy- 
sierte Fermentrückstand. Wird hier die Dialyse bis zur vollständigen 
Entfernung des Phosphats fortgesetzt, was erst in mehreren Stunden 
erreichbar ist, so läßt sich der Rückstand nicht mehr aktivieren. Trotz- 
dem aber bedarf der Rückstand in Gegenwart phosphatfreien Coferments 
einer Zugabe von anorganischem Phosphat, um wirksam zu sein. 
Die in dem Extrakt noch vorhandene Menge Phosphat reicht nicht 
mehr zur Entfesselung der Milchsäurebildung aus. Auch sonst läßt 


222 K. Meyer: 


sich beobachten, daß die Vermehrung des anorganischen Phosphats 
eine um so größere Wirkung auf das Ferment hat, je geschädigter es 
ist. Während die Vermehrung der Phosphatkonzentration in frischem 
Extrakt zunächst die Milchsäurebildung unbeeinflußt läßt oder sogar 
verringert, führt der Zusatz des Phosphats zu älterem Extrakt eine 
starke Steigerung herbei. In dialysiertem Extrakt wird teils durch 
dje Dialyse, teils durch die Verdünnung der Gesamtgehalt des Phosphats 
in l cem auf etwa 0,1 bis 0,15 mg P,O, herabgesetzt, während er im 
unverdünnten Muskelextrakt 0,5 bis 0,6 mg P,O, beträgt. Bei steigen- 
dem Zusatz von Phosphat zwischen 0,12 bis 0,6 mg P,O, steigt die 
Milchsäurebildung des dialysierten, mit gereinigtem Coferment ver- 
setzten Extrakts an. Weniger empfindlich gegen Dialyse war der 
Muskelextrakt frisch gefangener Herbstfrösche. Bei diesen ließen sich 
während 80 bis 90 Minuten etwa zwei Drittel des Phosphats aus dem 
Rückstand entfernen, so daß der Gesamtgehalt in l ccm nur noch 
etwa 0,08 mg P,O, betrug. Die Aktivierung durch Coferment und 
Phosphat verlief hier ähnlich. Mehrere derartige Versuche sind in der 
Tabelle I vereinigt. In einigen anderen Fällen war das Ergebnis negativ, 
indem entweder durch zu lange Dialyse der Fermentrückstand nicht 
mehr aktivierbar war oder die gereinigte Cofermentlösung zu wenig 
Coferment enthielt, oder schließlich auch die Dialyse zur Entfernung 
des Coferments nicht ausreichte. Diese Versuche sind fortgelassen, 
da es sich um technische Mängel handelt, die durch zunehmende Er- 
fahrung zu vermeiden sind. Zu allen Versuchen wurden 0,3 cem Rück- 
stand, 0,02 n Na HC O, und 0,5 Proz. Stärke zugegeben und das Volumen 
mit KCl auf 0,9ccm aufgefüllt. Versuchstemperatur 20°. Die ge- 
reinigte Cofermentlösung war gegenüber den Ausgangssäften doppelt 
bis dreifach konzentriert. 


Daß im Gegensatz zur Spaltung der Polysaccharide die Spaltung 
des Hexosephosphats in Milchsäure und Phosphat der Mitwirkung 
des Coferments nicht bedarf, ließ sich vermittelst wiederholter Ex- 
traktion der Muskulatur zeigen!), da die späteren Extrakte zwar das 
Milchsäure bildende Ferment in hoher Konzentration, aber fast kein 
Coferment mehr enthalten. Vermittelst Dialyse und einem von Gly- 
kogen befreiten Coferment läßt sich dies Ergebnis bestätigen (Vers. 10). 
Das Coferment wurde hier aus Muskelkochsaft, nach Entfernung des 
Glykogens mit 50proz. Alkohol, vermittelst Ausfällung in 90proz. 
Alkohol gewonnen. Der Niederschlag wird abgenutscht, in absolutem 
Alkohol gewaschen und in m/10 Phosphatlösung gelöst. Die Ent- 
fernung des Coferments aus dem Extraktrückstand wird durch das 
Verhalten des Glykogens (a bis c) gezeigt. 


1) O. Meyerhof, diese Zeitschr. 178, 462, 1926. 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 223 


Tabelle I. 


Aktivierung des dialysierten Milchsäure bildenden Ferments durch ge- 
reinigtes Coferment und Phosphat. 


ECH = 


Ge BER Esferment: Zusatzm 15 Gesamt» | Dauer des | a 
Nr. Datum | SCH _ Zusatz | Phosphat phospbatgehalt | Glykolyse- CO2 
(je 0,4 sem: ccm mg P, O; versuchs cmm 
| ; 
4 4.\. Am" | | — nicht bestimmt | 30’ | 1 
Ä 40 Noskelkachsäfk — p S 30 24 
40 gerein. Filtrat — Dr 5 30 1 
40 £ 0.05 | A 30 18 
5 6.v| 40 = "TEF $ 30 8 
| 40 |Maskelkochsaft ` T au | 46 
40 gerein. Filtrat — 5 R 30 8,5 
40 ‚05 | r : 30 + 
| 
6 LV An: geit | 33 | 2 
| I 40 | Kochsaft | — Se e 45 40 
i | 40 | gerein. Filtrat . — 0,11 45 0 
| 40 | = | 0,025 0.23 45 | 8.5 
40 ! ei 0,05 0.35 45 | 14,5 
An i 0,10 0.60 A8 "Së 
7 20.8 40 | — — nicht bestimmt | 60 ' 8B 
| 120 Kochsaft — S | 60 ‚110 
| 40 gerein. Filtrat = | 0,16 60 i 10 
40 e 0,025 0.28 60 28 
Ai i 005 0.41 6N |49 
40 , 3 0,10 0,66 60 46 
8IT.X. | 00 | = = 0.05 90 Ä 12 
| 90 Kochsaft 0,05 0,82 | yo) 88 
| 90 | gerein. Filtrat — | 0,085 99 : 10,5 
um . om | 0,34 d 46 
9 ox op = ës | 0.08 ECH 40 
80 Kechsaft — 2.40 2 81,5 
| ' DI | gerein. Filtrat — | 0,11 | 2 5.0 
80; 0.05, 0,36 | 2 28 


n 


Versuch 10. 28. Juli 1926. Extrakt 60 Minuten dialysiert. Je Leem 
Gesamtflüssigkeit mit 0,3 cem Extraktrückstand, 0,4 Proz. Glykogen oder 
hexosephosphorsaurem Mg 0,02 mol. NaHCO,, in 2 Stunden: 


CO: 
cmm 

a) Mit 05cem KCL 04 Proz. Glykogen ... WEEN 2 

b) „ 095 „ Mnskelkochsaft, 0,4 Proz. Gly koge De A 67.5 

cl a 05 sx  Cofermentlösung. 0 4 Proz. Glykogen ..... 36 

d) „ 05 „ KCL 04 Proz. Hexese phosphat E pi uie a 24 

e). „ N5, Cofermeutlösung, 0,4 Proz. Hexosephosphat DCH 14.5 


II. Ist das Coferment der Milchsäurebildung auch ein Coferment der Atmung? 


Nachdem festgestellt ist, daß das Coferment der Milchsäurebildung 
genau die gleiche Funktion hat wie das Coferment der alkoholischen 


224 K. Meyer: 


Gärung der Hefe!) und der wechselseitige Ersatz der beiden Coenzyme?) 
für ihre Identität spricht, erhebt sich die Frage, ob der früher als 
„Atmungskörper‘‘ bezeichnete Substanzkomplex ein Coferment der 
Atmung enthält, das mit dem der Milchsäurebildung identisch ist. 
Es war gezeigt worden, daß dieser Atmungskörper, der zum Teil dem 
„Pnein‘“ von Battelli und Stern?) entspricht, in der gleichen Weise 
inaktiviert, gefällt, konzentriert werden kann, wie das Coferment der 
alkoholischen Gärung im Muskel, und daraus gefolgert, daß hier ein 
Coferment der Atmung vorliegt, das mit dem der Gärung identisch 
zu sein scheint?). Dem widerspricht es nicht, daß, wie insbesondere 
von Hopkins und seinen Schülern®) hervorgehoben wird, der als 
„Atmungskörper‘“ bezeichnete Substanzkomplex auch Nährsubstanzen 
enthält, die bei der Atmung oxydiert werden. Das Vorhandensein 
eines Coferments der Atmung würde sichergestellt sein, wenn es in 
ähnlicher Weise wie bei der Gärung gelänge, dieses von allen Nährstoff- 
komponenten zu befreien und eine Fraktion zu erhalten, die, zu- 
sammen mit dem Muskelrückstand unwirksam, diesen erst bei weiterem 
Zusatz oxydabler Substanzen zur Atmung befähigte. Dies läßt sich 
jedoch leider nicht durchführen. Der Muskelexirakt ist ungeeignet, 
weil er selbst keine Sauerstoffaufnahme zeigt. Die zerschnittene 
Muskulatur läßt sich zwar annähernd von Kohlehydrat und Milchsäure 
befreien, aber die Möglichkeit, daß Eiweiß oxydiert werden kann, 
läßt sich nicht ausschließen, und das Eiweiß ist natürlich aus dem 
Muskelrückstand nicht zu entfernen. Wenn auch im glykogenhaltigen 
Kaltblütermuskel die Oxydation von Kohlehydrat weit überwiegt, 
so ist doch in Analogie zu den Befunden am Zwerchfell hungernder 
Ratten®) anzunehmen, daß nach Entfernung aller Kohlehydrate der 
Muskel Eiweiß, vielleicht auch Fett oxydieren kann, die in dem 
gewaschenen fermenthaltigen Muskelrückstand zurückbleiben. In 
diesem Falle muß aber auch die Zugabe gereinigten Coferments zum 
Muskelrückstand eine Oxydation hervorrufen, und dies war auch 
das Ergebnis meiner dahingehenden Versuche. Wird der Muskel- 
rückstand und der Atmungskörper von Glykogen, Zucker, Hexose- 
diphosphorsäure und Milchsäure größtenteils befreit, so ist die durch 
den gereinigten ‚Atmungskörper‘ reaktivierbare Atmung an sich 


1) O. Meyerhof, Nature. 14, 1175, 1926. 

2) Derselbe, Zeitschr. f. physiol. Chem. 101, 165, 1918; 102, 1, 1918; 
diese Zeitschr. 178, 395, 1926. 

3) Zusammenfassung: Abderhaldens Handb. d. Biochem. Arbeits- 
method. 

4) O. Meyerhof, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. phys. Chem. 102, 1, 1918. 

5) Holden, Biochem. Journ. 17, 361, 1923; 18, 535, 1924. 

6) Meyerhof, Lohmann, Meier, diese Zeitschr. 157, 459, 1925; Takane, 
ebendaselbst 171, 403, 1926. 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 225 


erheblich kleiner geworden, aber sie wird auch ohne weiteren Zusatz 
von Nährsubstraten beobachtet. Durch Zusatz von Glykogen und 
Milchsäure wird diese Oxydation allerdings gesteigert. In der Regel 
ist der respiratorische Quotient dieser reaktivierten Atmung verkleinert, 
was dafür spricht, daß sie nicht auf den zurückgebliebenen Rest an 
Glykogen, sondern eher auf die Oxydation von Eiweiß zu beziehen ist. 


Da die Milchsäurebildung im Muskel die Geschwindigkeit der 
Atmung bestimmt!), so könnte man zwar den bisherigen Beobachtungen 
die Deutung geben, daß das scheinbare Coferment der Atmung in 
Wirklichkeit nur eins der Milchsäurebildung ist. Wahrscheinlicher 
jedoch bleibt es, daß es sich als wirkliches Coferment der Atmung 
ebenso wie bei der Gärung und der Milchsäurebildung in der Veresterung 
der Phosphorsäure betätigt, durch die die organischen Moleküle in 
zerfallsbereite Form umgelagert werden?) Die Atmungsaktivierung 
von kohlehydratarmem Muskelrückstand durch gereinigten Atmungs- 
körper ergibt sich aus den beiden folgenden Versuchsbeispielen: 


Versuch 11. 15. Juli 1926. Befreiung des Atmungskörpers von Hexose- 
phosphorsäure, Glykogen, Milchsäure: 


36g Muskel + 46ccm 3proz. NaHCO, 2 Stunden bei 38° gehalten 
(Spaltung des Lactacidogens), mit Essigsäure neutralisiert, aufgekocht. 
50 cem Kochsaft + 50 cem 96proz. Alkohol: Glykogenfällung abzentri- 
fugiert, auf 26 ccm eingeengt + 234 ccm absoluten Alkohols. Die Alkohol- 
fällung mit absolutem Alkohol gewaschen, in 10 cem Wasser suspendiert. 
Die Suspension des Niederschlags ist völlig frei von Milchsäure (Veratrol- 
probe nach Mendel und Goldscheider ?)]. 


Je 0,3 g gewaschener Muskelrückstand (Ausgangsgewicht) auf 2,0 ccm 
aufgefüllt mit Phosphat und Zusätzen. 


| O, in 4 Stdn. 
cmm 
1. 0,3 g ungewaschene Muskulatur . . 2 2 2 2 nn re ne 2. 183 
2. 0,3g gewaschene S ohne Zusatz . 2. 2 2 2220. 1 
3. 0,3g E a + 0,8 ccm gereinigtes Coferment 56,7 
4. 0,3 g T 0,8 n n 
+ 0,1 mit "Natänmlactar Be a Een ir en 67,4 
5. 0,3g gewaschene Muskulatur + 0,1 m;2 Natriumlactat + Wasser | 15,9 


In dem folgenden Versuch 12 wurde auch das Glykogen aus dem 
Muskelrückstand nach Möglichkeit entfernt, indem die Muskulatur 
vor dem Auswaschen in m/l0 Natriumphosphat suspendiert " und 


1) Meyerhof, Lohmann, Meier, a. a. O., S. 463, 1926. 

2) Siehe hierzu auch Euler und Nilsson, a f. physiol. Chem. 160, 
234, 1926. 

3) Diese Zeitschr. 164, 163, 1925. 


Biochemische Zeitschrift Band 183. 15 


226 K. Meyer: 


20 Stunden bei Zimmertemperatur in Stickstoff gehalten wurde, um 
das Glykogen in Milchsäure zu spalten. 

Versuch 12. 26. Juli 1926. 3g Muskulatur enthalten vor der An- 
aerobiose 14 mg Glykogen (als Glucose berechnet), nachher 2 mg. 


Je 0,5g glykogenarme Muskulatur geben in 2ccm Flüssigkeit in 
2 Stunden: 


SE DS 
cmm 


1. Ungewaschene Muskulatur. . . . 2. 2 2 2 2 2 2 rn nn. | 65,2 
2. Gewaschen ohne Zusatz . . » 2: 0 rer ren. i 0 
3. S mit 0,8 cem Kochsaft `, . . » 2 2 2 2 0 22. 59 
4. „ 0,8 „ gereinigtem Coferment (Herstellung wie 

im vorigen Versuch) . . 2 2 2 2 2 nn rn ren 17 
5. Gewaschen mit 0,8 ccm gereinigtem Coferment + 0,15 cem | 

6 proz. Glykogen . .. 22.2 2 20220. SA | 22 
D Gewaschen mit 0,8 ccm gereinigtem Coferment + 6, 1 cem i 

m/2 Natriumlactat `... J 3 


In diesem Versuch ist durch die Vorbehandlung der Muskulatur 
zur Entfernung des Glykogens die Atmung bereits stark geschädigt. 

Unter den gleichen Umständen ergaben sich die in der Tabelle Il 
zusammengestellten respiratorischen Quotienten!). 


Tabelle II. 
Respiratorischer Quotient der reaktivierten Atmung durch Muskelkochsaft 
und gereinigtes Coferment. 


Vorbehandlung der 
Muskulatur 


O2 | CO: | RQ. 


Datum Zusätze Gewicht 


mdh 


1 

2 $ WR 0,98 
3 n 270,8. 0,965 
4 gewaschen Kochsaft 86 0,66 
4a gerein. Coferment 

5 Kochsaft 171 |146 0,85 
da gerein. Coferment | 0,3 277 |246 0,89 
6 glykogenarm ge- Kochsaft 0,5 57 | 835 0,76 


macht, gewaschen ` 
6a | 25. IX. | glykogenarm ge- 
macht, gewaschen . 


gereinigtes 05 | 2 | 735 344 0,47 


Coferment 


141 |123 | 0,88 
| 
| 
| 
l 


7 (ai IX. | glykogenarm ge- | gereinigtes | 0,5 2 1106 | 82 | 0,87 
macht, gewaschen Coferment | 

8 ı28.1X. glykogenarm ge- Kochsaft 0,5 2 67 62,7! 0,935 
macht, gewaschen Ä | 

8a || 28. IX. glykogenarm ge- | gereinigtes ` 2 36,7. 28,2 0,77 
macht, gewaschen Coferment | | | 


1) Methode wie bei O. Meyerhof, Pflügers Arch. 175, 34, 1919. 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 227 


III. Über den Mechanismus der Fluorid- und Oxalathemmung. 


Die Untersuchung der chemischen Bestandteile des Milchsäure 
bildenden Ferments führte zu der Frage, ob an seiner Wirkung Calcium- 
ionen beteiligt seien. Diese Möglichkeit war durch die spezifische 
Hemmung der Milchsäurebildung mittels Oxalat und Fluorid nahe- 
gelegt. Die Froschmuskeln enthalten nach Urano!) durchschnittlich 
0,01 Proz. Calcium, was nach 20- bis 42stündiger Dialyse kaum abnahm. 


In 10 ccm des auf die gewöhnliche Weise hergestellten Muskel- 
extrakts fand ich nach trockener Veraschung und Calciummikro- 
bestimmung [Methode C’ramer-Tisdall?)] in verschiedenen Versuchen 
0,116, 0,124, 0,156, 0,114 mg Ca. Dieser Gehalt änderte sich bei ein- 
bis vierstündiger Dialyse nicht merklich, z. B. fanden sich direkt 
0.142 mg Ca, nach 2!‘ stündiger Dialyse 0,140 mg Ca; in einem anderen 
Versuch in frischem Extrakt 0,114 mg, nach 2 Stunden 0,134 mg, 
nach 8 Stunden 0,084 mg. Daraus geht hervor, daß das Calcium, 
wenn auch nicht ganz undialysabel, jedenfalls nicht dem dialysablen 
Coferment angehören kann. Weiter aber zeigt sich, daß durch Oxalat- 
und Fluoridkonzentrationen, die bereits die Milchsäurebildung völlig 
hemmen, das im Extrakt vorhandene Calcium bei neutraler Reaktion 
nicht ausgefällt wird, so daß, auch wenn es zum größten Teil ionisiert 
sein sollte, das Löslichkeitsprodukt der Salze noch nicht überschritten 
ist. Wurde der Calciumgehalt der Extraktlösung und des sich spontan 
abscheidenden Bodensatzes, besonders bei Dialyse mit destilliertem 
Wasser, getrennt bestimmt, so wurde durch die Gegenwart von Fluorid 
und Oxalat in der Volumeneinheit der unteren Flüssigkeitsschicht 
einschließlich Niederschlag der Calciumgehalt nicht erhöht. Der Nieder- 
schlag schließt aber schon spontan einen verhältnismäßig hohen 
Calciumgehalt ein. So fanden sich z. B. nach 30 Minuten langer Dialyse 
in je 13,3 ccm Extrakt: 


Versuch 13. 6. Juli 1926. 


\ 
l 


! 10 ccm | 3 ccm untere 
überstehende Schicht einschl. 
Lösung | Bodensatz 


Ohne Zusatz .. . . | 0.069 mg Ca | 0,065 mg Ca 
Mit n/1000 Naz-Oxalat ! 0,083 p , 0,040 „ 
Mit n/1000 NaF . . | 0,069 


n 


n 7 d WA n n 


Danach erscheint es unwahrscheinlich, daß die Wirkung von 
Fluorid und Oxalat auf Entionisierung von Ca beruht. 


1) Zeitschr. f. Biol. 50, 212, 1908. 
2) Journ. of biol. Chem. 47, 475, 1921. 


(Eh 


228 K. Meyer: 


Daß durch sehr kleine Fluorid- und Oxalatkonzentrationen der 
Lösungszustand der Proteine beeinflußt wird, läßt sich in manchen 
Anordnungen erkennen. Häufig trüben sich z. B. bei der Dialyse die 
Fluorid und Oxalat enthaltenden Lösungen rascher als ohne Zusatz. 
Doch ist es schwierig, das Phänomen reproduzierbar zu gestalten, 
da der Extrakt mehrere leicht ausflockende Eiweißfraktionen enthält, 
die sich gegenüber Salzen verschieden verhalten. Für eine kolloid- 
chemische Deutung der Fluorid- und Oxalathemmung spricht, daß 
sie von Milieubedingungen abhängig sind. Durch Vermehrung des 
Phosphatgehalts der Extrakte werden die Hemmungen stark ab- 
geschwächt. Andererseits werden sie durch Vermehrung des Eiweiß- 
gehalts — Zugabe von inaktiviertem Extrakt — deutlich erhöht. 
Dies ergibt sich aus den folgenden Beispielen. [Die angeführten Zahlen 
Kubikmillimeter Kohlensäure = 0,004 mg Milchsäure sind für Re- 
tention und Phosphatveresterung korrigiert?)]. 


Tabelle III. 
Abhängigkeit der Fluorid- und Oxalathemmung von Milieubedingungen. 


| L a 
D Ko i CO, in 1 Std. H 
Nr. | 1026 Zusatz zum Extrakt ee Si = an 

Së E | EE EE 
1,1. LXI d = 161 | ze 
0 0,025 mol. Ox. 14,7 91 
0 0,0025 , , 390 | 76 
| = 99 = 

| 0.05 15 
| ae | 0,025 5, , 39,5 60 

a 

osp 0,0025 „ , 97 9 
ad 152 = 

0,25 ccm inakti- 
A ee d 0,025 p, , 8,8 94 
vierter Extra 00025 `. 8.8 Mr 
2 || 26.xX. 0 = 154,7 = 
0 002 ,„ EL 1, 100 
0 0,0012 n, 92,6 40 
0,05 ccm m/15 E 76 = 
Phosphat 002 p , 49 36 
0,0012 p, , 76,5 0 
a 194 = 
| veier) GC | i ve 
| vıerter nNıXTrakt | 0,0012 S i 47 76 


1) Vgl. O. Meyerhof, diese Zeitschr. 178, 462, 1926. 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 229 


IV. Versuche zur Ausfällung und Reinigung des Ferments. 


Daß das glykolytische Ferment durch Aceton in ähnlicher Weise 
wie die Zymase niedergeschlagen werden kann, ist von O. Meyer- 
hof!) gezeigt worden. Ich habe Versuche ausgeführt, um eine stärker 
differenzierende Fällung zu erhalten, vor allem durch fraktionierte 
Fällung von Eiweiß. Vorversuche ergaben, daß solche Eiweißfällungs- 
mittel, die grob fällen und das Eiweiß leicht denaturieren, das Ferment 
zerstören, z. B. Essigsäure, halbgesättigtes Ammonsulfat usw. Positive 
Resultate ließen sich dagegen erzielen 1. durch Fällung mit Kohlen- 
säure, 2. durch Fällung mit einem Acetatgemisch von pa 4,4. Diese 
letztere Methode, die sich genauer abstufen ließ, war erheblich günstiger 
und ließ sich in Kombination mit der Salzfällung zu einer fortschreiten- 
den Reinigung und Konzentrierung des Ferments — bezogen auf den 
Eiweißgehalt — benutzen. 


l. Die Fällung mit Kohlensäure im Extrakt von Frosch- und 
Kaninchenmuskulatur wurde bei — 1 bis — 2° vorgenommen. Es wurde 
so lange Kohlensäure eingeleitet, bis der Extrakt stark getrübt war. 
Die Trübung wurde auf einer rasch laufenden Zentrifuge, 5000 Touren 
in der Minute, Tangentialgeschwindigkeit = 5200 m/Min., scharf ab- 
zentrifugiert, mit kohlensäuregesättigtem Wasser gespült und der 
Bodensatz dann in verdünnter Phosphatlösung suspendiert, wobei er 
zum Teil in Lösung ging. Je ein Versuch mit Froschmuskel- und 
Kaninchenmuskelextrakt ist im folgenden wiedergegeben. 


Versuch 14. 21. Oktober 1926. 18 cem Froschmuskelextrakt in 
destilliertem Wasser, 5 Minuten lang Kohlensäure durchgeleitet, dann scharf 
zentrifugiert, Bodensatz zweimal mit kohlensäuregesättigter K Cl-Lösung 
nachgespült, in Deem m/7,5 Phosphat suspendiert. Die nach der Fällung 
erhaltene Restlösung wird unverändert benutzt. Je Leem Flüssigkeit mit 
0,02 mol. NaHCO, in KCI in 90 Minuten. 


| 
(ohne 
| Retentions» 
bestimmung) 


cmm 
1. 0.3 ccm Ausgangsextrakt + 0,4 Proz. Stärke. 2 2 22 220200 118,5 
2. 0,3 „ Fällung + 0,4cem KCl + 0,4 Proz. Stärke. . . .. . | 1,5 
3.03 „ +04 „ Muskelkochsaft + 0,4 Proz.Stärke . 19 
4.03 „ Restlösung + 0,tccm KCl + 0,4 Proz. Stärke . 35 
5. 0,3 „ Fällung + 0,4 cem KCl + 0,4 Proz. Mg-Hexosephosphat . 18,5 
6.0,3 „ Restlösung + 0,4 cem KC1 + 0,4 Proz. Mg-Hexosephosphat 53 


1) Diese Zeitschr. 178, 395, 1926. 


230 K. Meyer: 


Aus Versuch 14 sieht man, daß der Niederschlag nur das Ferment, 
aber nicht das Coferment enthält, da zwar die Hexosephosphatspaltung 
mit ihm direkt möglich ist, dagegen die Stärkespaltung nur unter Zusatz 
von Kochsaft. Daß das Coferment nicht mit gefällt wird, ist naheliegend, 
da es ja auch beim Kochen des Extrakts in Lösung bleibt. 


Versuch 15. 6. November 1926. Je 6ccm Kaliumchloridextrakt und 
d. W.-Extrakt von Kaninchenmuskulatur mit Kohlensäure gesättigt. 
Trübung auf rascher Zentrifuge abzentrifugiert. Je einmal mit 5 cem 
Kohlensäure gesättigtem Wasser gewaschen, in 0,8 cem Lösung suspendiert. 
Mit 0,04 mol. NaHCO, und 0,4 Proz. Glykogen erhalten: 


f CO: 
(ohne 
Retentions» 

|i bestimmung) 


cmm 


| 

1. OO 0,5 cem d. W.-Extrakt (Ausgangslösung) `, | 148,5 
2. 90° 04 „ COg-Fällung + 0,3 ccm Kochsaft . . 2 2 2 2 2.2. | 34,5 
3. 60 0,5 „ KUl-Extrakt (Ausgangslösung) . ... a. t 1837 
4. 90' 0,4 „ Kohlensäurefällung d. KCl-Extrakts + 0,3 cem Eaebeft , 


Berücksichtigt man, daß in beiden Versuchen ein verhältnis- 
mäßig großer aliquoter Teil des Niederschlags benutzt ist (im ersten 
Falle das 31⁄ fache, im zweiten das 6fache des Ausgangsextrakts von 
Nr. 1), während die Wirksamkeit nur 16 und 24 Proz. der Ausgangs- 
lösung beträgt, so ist das Ergebnis der Fällungen nicht sehr befriedigend. 
Andererseits fällt aber auch mit Kohlensäure nur ein sehr geringer 
Teil des vorhandenen Eiweißes aus. Doch wurde auf die Ausarbeitung 
dieser Methode verzichtet, weil die Fällung mit saurem Acetat viel 
bessere Resultate ergab. 


2. Fällung mit saurem Acetat. Die Resultate mit Froschmuskel- 
extrakt und Kaninchenmuskelextrakt verliefen im großen und ganzen 
ähnlich, doch ergab der erstere übersichtlichere Resultate. Stets wurde 
in den erhaltenen Fraktionen die Milchsäurebildung (manometrisch 
mit Veresterungskorrektur), die Phosphatveresterung (kolorimetrisch), 
der Eiweißgehalt (Mikrokjeldahl nach Michaelis) bestimmt. Berechnet 
wurde für den Ausgangsextrakt sowohl die Wirksamkeit bezogen auf 
lg Muskulatur!) (w), wie auch bezogen auf mg Trockengewicht (u), 
bzw. mg Eiweiß (oi (Img N = 6 mg Eiweiß), in den wirksamen 
Fraktionen des Ferments allein die letztere Größe. 


Im folgenden sind eine Reihe solcher Versuche mit dem Trennungs- 
gang wiedergegeben, in denen eine weitgehende Konzentrierung ge- 


1) Siehe O. Meyerhof, diese Zeitschr. 178, 395, 1926. 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 231 


lang. Hierbei ist auch stets der Gesamtzuckerumsatz, bestehend 
aus Veresterung + Milchsäurebildung, berücksichtigt (= u”, bezogen 
auf mg Eiweißgehalt). Es ergibt sich die auffällige Tatsache, daß 
in den gereinigten Fermentlösungen die Esteranhäufung sehr er- 
heblich ist, ja daß ähnlich wie sonst unter Fluoridwirkung eventuell 
der reagierende Zucker nur noch verestert, der Ester aber nicht 
wieder aufgespalten wird. Man muß dies entweder so deuten, daß 
das veresternde Enzym in höherer Konzentration als das spaltende 
abgeschieden wird, oder wahrscheinlicher, daß die Spaltung aus irgend- 
welchen Gründen gehemmt ist. Ein zweiter Unterschied gegenüber 
dem unveränderten Extrakt besteht darin, daß die Spaltungsgeschwin- 
digkeit nicht wie hier zunächst sehr hoch ist und dann nach etwa 20 
bis 30 Minuten auf ein langsam abfallendes Niveau sinkt, sondern 
daß sie umgekehrt langsam steigt, was man in frischem Extrakt nur 
bei sehr hohem Phosphatgehalt beobachtet. Die für weitere Reinigung 
günstigste Verschiebung der Eigenschaften besteht aber darin, daß 
die Haltbarkeit des Ferments mit Verringerung des Eiweißgehalts 
zunimmt. Während der genuine Extrakt aus Froschmuskulatur bei 
l2stündigem Stehen auf Eis seine Wirksamkeit völlig verliert, zeigen 
die gereinigten Lösungen nach 24 Stunden noch gut die halbe, nach 
48 Stunden etwa ein Viertel der ursprünglichen Aktivität, eventuell 
auch noch höhere. Alle Prozeduren wurden in den stark abgekühlten 
Lösungen bei etwa — 2° vorgenommen. Das Zentrifugieren war so kurz 
wie möglich, und bis zum Meßbeginn wurden alle Fraktionen kalt 
gehalten. 

Auch hier ist es selbstverständlich, daß nur das Ferment, aber 
nicht das Coferment ausgefällt wird, und daß daher für die Polysaccharid- 
spaltung Muskelkochsaft hinzugegeben werden muß. Da die Spaltung 
des Hexosephosphats ohne Coferment geschieht, bedarf es hierfür des 
Kochsaftes nicht, indessen ist, wie schon erwähnt, die Aufspaltung 
des Hexosephosphats im Vergleich zu der Veresterung des Glykogens 
verhältnismäßig gering. 

Für die Wirksamkeit, bezogen auf den Eiweißgehalt, den man 
annähernd dem organischen Trockengewicht des Extrakts gleich- 
setzen kann, mag als Orientierung dienen, daß im Muskelbrei bei 
20° pro lg feuchter Muskel = 200 mg Trockengewicht etwa 3 mg 
Milchsäure pro Stunde gebildet werden. Es ergibt sich eine Um- 
satzgröße (u) von 0,015 mg Milchsäure pro Img. Der genuine 
Extrakt von Frosch- oder Kaninchenmuskulatur zeigt eine mittlere 
Wirksamkeit w pro Gramm Muskel von 2,0 mg, was einem u von 
etwa 0,03, bzw., auf den Eiweißgehalt bezogen, einem uw’ von 
0,04 mg entspricht. (Bei Kaninchenmuskelextrakt fällt die Ge- 
schwindigkeit oft nach einer Stunde recht steil ab.) Demgegenüber 


232 K. Meyer: 


ist der Wert für die bestgereinigten Lösungen, bezogen auf den 
Zuckergesamtumsatz, 0,7 bis 0,9 mg (uw), für die Milchsäurebildung 
0.26 mg (uw). Es ist also bezüglich des Gesamtumsatzes eine etwa 
20fache, bezüglich der Milchsäurebildung eine achtfache Konzen- 
trierung eingetreten. 

Das Prinzip der Trennungsmethode bestand darin, durch Zugabe 
von saurem Acetat (pu 4,4) eine durchschnittliche H-Ionenkonzentration 
von etwa pa 5 herzustellen, wodurch ein Teil des Eiweißes ausflockt. 
Hierbei gelangt ein mehr oder minder großer Teil des Ferments 
in den Niederschlag a, der abzentrifugiertt wird. In Extrakten 
von Froschmuskulatur gelingt es, hierbei das ganze Ferment mit- 
zureißen, so daß die abzentrifugierte Lösung b sich nicht nur nach 
Neutralisierung selbst unwirksam erweist, sondern auch durch 
neue Fällung keine wirksamen Fraktionen mehr liefert. Wird nun 
der abzentrifugierte Niederschlag a in schwach alkalischer Phos- 
phatlösung suspendiert, so geht ein Teil in Lösung. Diese Elution d 
enthält das Ferment, der sich nicht wieder auflösende Niederschlag c 
ist unwirksam. Auch hier erhält man, wenn man ihn in Acetatlösung 
wäscht und von neuem in schwach alkalischer Phosphatlösung eluiert, 
keine nachweisliche Fermentmenge. Läßt man die Elution d stehen, 
so flockt ein Teil des Eiweißes aus, wodurch die zurückgebliebene 
Lösung d, bei geringerem Eiweißgehalt dieselbe oder sogar eine 
höhere Wirksamkeit besitzt. Diese Elution d läßt sich noch einmal 
mit Acetat fällen und wieder eluieren. Die Elution e ist in diesem 
Falle noch erheblich konzentrierter an Ferment, bezogen auf den 
Eiweißgehalt. Die Elution d, der beiden Versuche mit Frosch- 
muskelextrakt wurde auch nach 24- und 48stündigem Stehen auf 
Eis geprüft und hatte dadurch nur einen Teil ihrer Wirksamkeit 
eingebüßt, während der Ausgangsextrakt selbst völlig unwirksam 
geworden war. 

Etwas unübersichtlicher verliefen die Versuche mit Kaninchen- 
muskelextrakt, da hier durch Fällung mit saurem Acetat ein großer 
Teil des Ferments in Lösung bleibt, dann aber durch weitere Zu- 
gabe von Acetat und festem Salz (NaCl oder KCI) eine Fällung 
entsteht,” die die Hauptmenge des Ferments enthält. Diese 
Fällung kann durch alkalische Phosphatlösung ähnlich eluiert werden 
wie die Fällung a im Froschmuskelextrakt, und ein unwirksamer 
Niederschlag bleibt zurück. Die Umsatzgröße, bezogen auf den 
Eiweißgehalt, ist hier ähnlich groB wie bei diesem. Doch enthält 
auch die erste Fällung a einen Teil des Ferments und kann weiter 
gereinigt werden. Im folgenden sind zwei Versuche mit Frosch- 
muskel- und zwei besser verlaufene mit Kaninchenmuskelextrakt 
wiedergegeben. 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 233 


Versuch 16. 4. Dezember 1926. Froschmuskelextrakt. 


Schema: 
(Das Pluszeichen bei den Fraktionen gibt die wirksamsten an.) 


A mit Acetat gefällt 


Fällung u | Lösung b 


mit mit NaCl- 
Phosphat Acetat 
eluiert gefällt 
Rückstand e Elution d + 
| Suspension bg Lösung b, 
mit 
Phosphat F 
-7 `~ 
Spontane Lösung dı + 
Fällung da 


Elution e Rückstand e 
a 


Niederschlag Elution Co 

13,5 ccm Ausgangsextrakt mit destilliertem Wasser (A) + 11 cem 
destilliertes Wasser + 3 ccm 0,15 mol. Acetat (pa 4,4). Abzentrifugierte 
Fällung a + 5 cem destilliertes Wasser + 2 cem n/50 NaOH + 2 ccm 
m/15 Phosphat eluiert (d). Rückstand etwa mit 5 ccm Wasser und 2 ccm 
0,15 mol. Acetat gewaschen. Mit verdünnter Natronlauge auf 10 ccm 
neutralisiert: Elution e. Rückstand c, in 7ccem destillierten Wasser 
und Leem m/l15 Phosphat eluiert, Elution c}. 


Elution d nach dreistündigem Stehen im Kältegemisch spontan 
geflockt, spontane Fällung d, abzentrifugiert und in Deem Wasser 
+ 0,5 cem m/15 Phosphat suspendiert. Lösung d, zurückbleibend. 


Lösung b des ersten Niederschlags, 18 cem mit 1,8g festem Natrium- 
chlorid + 2 cem m/6 Acetat (pu 4,4) versetzt; Trübung abzentrifugiert, 
Lösung neutralisiert: b,; Bodensatz in 8 cem Wasser + 0,75 m/15 
Phosphat: b». 

Die Wirksamkeit der einzelnen Fraktionen ergibt sich aus der 
folgenden Übersicht, in der aus der Messungszeit von 21⁄4 Stunden 
der durchschnittliche Umsatz pro 1 Stunde für je 0,5 ccm der be- 
zeichneten Fraktion berechnet ist. Die manometrisch bestimmte 
Milchsäure ist für Retention und Phosphatveresterung korrigiert. 
Temperatur 20°, Flüssigkeitsmenge l ccm, enthält 0,4 Proz. Stärke 
und 0,04 mol. NaHCO,, 0,3 cem Kochsaft. 


Die Wirksamkeit w des Ausgangsextrakts ist 2,42, also relativ 


hoch. Die Konzentrierung des Ferments bezüglich des Gesamtumsatzes 
wie der Milchsäurebildung betrug knapp das Vierfache. 


234 K. Meyer: 


Sam S 

umsatz 

: Zucker Zuck Eiweiß i u” Milchsäure- 

Nr. Vie amung Milchsäure vercan. pro l 0,5 eem es umsatz poo mg 
E E RR mg mg | mg = mg mg 

I om, © uw | | ME 

1) A 1049 | 0186 | 0555 , 107 | 0,0882 0,089 

2; d 0,218 | 0,254 | 0,472 | 3,54 0,188 0,062 

se A 0.460 ww 0.534 | 309 | 0178 0.150 

4 | do 0,02 — | — | BEN Pe 

A GC 0,010 "lU nicht — _ == = 

6 es ` ` 0,010 l he- a a S Ss z 

1 bı 0,019 | |Í stimmt — Í — -= SS 

8 ba 0.016 | BE _ a 


Die Fraktion d, wurde nach 24- und 48stündigem Stehen auf 
Eis geprüft. Die Milchsäurebildung, unter gleichen Verhältnissen wie 
in der Tabelle, betrug im Durchschnitt von 2 Stunden stündlich nach 
eintägigem Stehen 0,26 mg, nach zweitägigem Stehen 0,10 mg, statt 
bei der direkten Messung 0,46 mg. 


Versuch 17. 6. Dezember 1926. Forschmuskelextrakt. 


Schema: 
Extrakt A mit Acetat 
gefällt 
Fällung a Lösung b (nicht ver- 
arbeitet) 
mit Phosphat 
Rückstand e Elution d 
mit Acetat 
mit gefällt 
Acetat Fällung 
mit Phos- Lö 
“Ox phat paupe 
Lösung Fällung mit 
verworfen Phosphat R 
eluiert SC 
e Spontane Lösung dı + 
Fall 
Elution c, Rückstand zu 


ps 


A ` 
Rückstand Elution e+ + 


Der Versuch wurde zunächst als Wiederholung des vorigen aus- 
geführt, aber die als unwirksam erkannten Fraktionen verworfen. 
Die erste Fällung, hergestellt durch Zusatz von 3 cem 0,15 mol. Acetat 
(pu 4,4) zu 8,5ccm Extrakt + 20 ccm destilliertes Wasser besaß ein 
pu von 5,3 (alle Messungen mit der Chinhydronelektrode). Die Elution d 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 235 


in 16ccm schwach alkalischem Phosphat, davon 8cem nach drei- 
stündigem Stehen durch Zentrifugieren geklärt: d,. Die andere Hälfte 
der Elution nochmals mit Leem Acetat gefällt, Niederschlag mit alka- 
lischem Phosphat eluiert auf 10 ccm: e. 


Bei 20° in 2 Stunden ergeben sich die in der Übersicht angegebenen 


stündlichen Umsatzgrößen. Je 0,5 ccm Extrakt mit 0,3 ccm Kochsaft 
auf l cem usw. wie im vorigen Versuch. 


| | Gesamts | 
Zuck Zucker Eiweiß i GN Milchsäure 
Bezeichnung | m; v. uckers ucker iweiß in e 
Nr. A Milchsäure 5 Gesamtumsatz | umsatz pro mg 
der Fraktion veresterung SE x 0,5 ccm pro tg Eiweiß SR 
mg mg | mg 
| 0,197 | 0,762 | 0.034 
0,19 0,365 0,077 
0,169 | 0,232 | 0,200 
| 


In diesem Falle war durch die zweite Fällung und Elution e die 
Konzentrierung des Ferments sehr viel größer. Der Gesamtumsatz 
pro Milligramm Eiweiß war auf etwa das löfache, die Milchsäure- 
bildung auf etwa das 6fache gestiegen. Dabei war die Ausgangswirksam- 
keit w des Extrakts schon sehr hoch, 3,25 mg. Nach 48stündigem Stehen 
betrug die stündliche Milchsäurebildung im Durchschnitt von 2 Stunden 
unter den gleichen Verhältnissen wie in der Tabelle bei A 0,02 mg, 
bei d, 0,18 mg; während sie also im Extrakt A erloschen war, war sie 
in der letzteren Lösung überhaupt nicht merklich abgefallen. 


Bei den folgenden Versuchen mit Kaninchenmuskelextrakt wird 
durch Zusatz von Acetatpuffer pu 4,4 und einem pa der Gesamt- 
lösung von etwa 5,0 weniger Eiweiß ausgefällt. Infolgedessen wird 
nur ein Teil des Ferments mitgerissen. Der Hauptanteil, im zweiten 
der angegebenen Versuche nahezu die ganze Menge, bleibt in Lösung 
und kann durch weitere Zugabe von Acetat mit festem Alkalisalz 
niedergeschlagen werden. 


Versuch 18. 26. November 1926. Kaninchenmuskelextrakt. 


Schema: 
‚Extrakt A mit Acetat 
gefüllt 
Fällung a Lösung b 
mit Phosphat mit Acetat 
eluiert und KCI 


Suspension d gefällt 


er an 
Rückstand ¢ Elution di + Suspension ba} Lösung b; 


236 K. Meyer: 


25 ccm Extrakt + 6ccm 0,15 mol. Acetat, pu 4,4. Fällung a 
abzentrifugiert, Niederschlag in 11 ccm NaOH + Phosphat suspendiert: 
d Ein Teil von Ungelöstem durch Zentrifugieren befreit: d,. Lösung b 
der ersten Fällung mit 2ccm 0,15 mol. Acetat + 2,3 g festen KCl 
neu gefällt (pu 4,86). Fällung in 7 ccm alkalischen Wassers + 1 ccm 
m/15 Phosphat suspendiert: bh, Je 0,5ccm jeder Fraktion geben im 
Durchschnitt von 2 Stunden eine Umsatzgröße pro Stunde bei 20° 
laut folgender Übersicht. Verhältnisse wie in den anderen Versuchen. 


l | | Gesamt 
N Bezeichnung ` Milch Zuckers | Zucker Eiweiß in G u” Milchsäure» 
x ; ilchsä ; t t 
"de Fraktion ("TTT |veresterung| pro, | Mi ron | oe me ett Eiweiß `" 
mp Im | m mg mg mg 
il a ann 022 | 139 | 142 | 0,098 | 0.081 
2 d 0014 | 048 | 0494 | — e w 
3| A 0,294 | 0,34 | 0,634 | 11 ! 0567 | 0,267 
4 ba | 03878 | 052 0.90 ; 161 | 0556 0241 


In diesem Falle war der Ausgangsextrakt ungewöhnlich stark 
wirksam (w = 6,05), was hauptsächlich an der Mitberücksichtigung 
der Anfangszeit von 15 Minuten lag. (Die Anfangszeit wurde hier 
für den Ausgangsextrakt mit berücksichtigt, obwohl des Kohlehydrat 
erst nach Schluß der Hähne eingekippt wurde und in den entsprechenden 
Versuchen O. Meyerhofs diese Anfangszeit von 30 Minuten für die 
Berechnung der Wirksamkeit außer acht gelassen wurde. Es geschah 
dies hier wegen des besseren Vergleichs mit den gereinigten Fraktionen, 
denn in diesen wurde das Kohlehydrat bereits vorher zugegeben, 
so daB die Berechnung vom Versuchsbeginn an zu geschehen hatte.) 
Infolge dieser hohen Anfangswirksamkeit erscheint die Konzentrierung 
weniger hoch. Der Gesamtumsatz in den beiden Fraktionen d, und bg 
ist etwa auf das Sechsfache, die Milchsäurebildung etwa auf das Drei- 
fache erhöht. 

Versuch 19. 2. Dezember 1926. Kaninchenmuskelextrakt. In diesem 
Versuch wurde eine bessere Trennung herbeigeführt. 

Schema: 


Extrakt 4 mit Acetat 
gefällt 


Fällung a Lösung b 
Acetat mit 


mit Phosphat 
Fällung KCI 


Suspension d mit Phosphat! 


Rückstand e Elution d Suspension by 


Lösung bı 


Elution e+ Rückstand 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments.. 237 


22 ecm Extrakt + 6ccm 0,15 mol. Acetat, pe 4,4. Fällung a 
&bzentrifugiert, in 12 ccm alkalischen Wassers mit 1,5 ccm m/15 Phos- 
phat suspendiert: d Ein Teil der Suspension vom Ungelösten abzentri- 
fugiert, Elution d, Die überstehende Lösung b (Pu 5,27) + 2,6g 
festes ROL + 4ccm Acetat ergibt ein pa von 5,05. Die entstehende 
Fällung abzentrifugiert, in 10 eem Phosphat + NaOH suspendiert: b,. 
Ein Teil vom Ungelösten abzentrifugiert: Elution e Die stündlichen 
Umsatzgrößen aus der Messungszeit von 3 Stunden sind in der folgenden 
Übersicht angegeben. Verhältnisse wie in den vorigen Versuchen. 


| Gesamt. | ‚ 
| E EE, Zuckers Zucker Eiweiß in | u Milchsäure- 
Nr. ` der Fraktion Milchsäure | yeresterung Kai 0,5 cem | | Pro mg Eiweiß Wee pro mg 
| g mg j mg i | mg i u | m 
1 = ` = f 
il A ` 0,338 | 0,327 | 0,665 Si 13,9 | wan 0,024 
2 ba 0,072 0265 | 0337 | _ 
3: œ 0,092 0,253 — 0,845 0,37 0,985 0.250 
4 a 0 0,35 0,35 En Ss 0 
BI d 0 0,43 043 | 22 0,81 0 


Der Gesamtumsatz pro 0,5 cem der Fraktionen A und e ist in 
der Abb. 1 wiedergegeben. Man sieht hieraus, daß der Vergleich beider 
Umsätze für den gereinigten Extrakt noch günstiger ausfällt, wenn 
man von der Anfangszeit von 15 Minuten absieht. 


Se 


mg Zuckerumsatz 


30 60 SO 120 750 min 180 


Abb. 1. 
Versuch Nr. 19. 2. Dezember 1926. 
Verlauf des Kohlehydratumsatzes in mg (Veresterung + Milchsäurebildung) während 
3 Stunden. 
A: 0,5ccm Muskelextrakt aus Kaninchenmuskulatur. 
€: 0,5ccm der gereinigten Fraktion des Extraktes, die nur den 37. Teil des Eiweißes 
wie der Ausgangsextrakt enthalt. (Einzelheiten s. Text.) Von den 15’ Anfangszeit 
abgesehen, ist die Geschwindigkeit des Kohlehydratumsatzes etwa gleich. 


238 K. Meyer: 


Die Wirksamkeit w des Extrakts betrug 2,71. In der besten 
Fraktion e ist bezüglich des Zuckergesamtumsatzes eine Konzen- 
trierung um das 20fache, bezüglich der Milchsäurebildung um das 
lOfache eingetreten. Da schon der erste Extrakt eine Konzentrierung 
des Milchsäure bildenden Ferments gegenüber der zerschnittenen 
Muskulatur um das Drei- bis Vierfache enthält, ist hier also, auf den 
Eiweißgehalt bezogen, eine mindestens 30fache Konzentrierung er- 
reicht Dabei ist die zweifellos nicht genau zutreffende Annahme 
gemacht, daß die Wirksamkeit direkt mit der Konzentration des 
Ferments proportional ist. Eine andere Möglichkeit zur Beurteilung 
des Fermentgehalts ist ja weder hier noch in ähnlichen Fällen gegeben. 
In weiteren Versuchen soll die Reinigung fortgesetzt und die Bedin- 
gungen für die vollständige Wiederaufspaltung des Esters in den ge- 
reinigten Fraktionen untersucht werden. 


Zusammenfassung. 


In der vorliegenden Arbeit werden die Teilbestandteile des Milch- 
säure bildenden Fermentsystems getrennt und nach Möglichkeit zu 
reinigen versucht. 

l. Ein durch Dialyse von Coferment befreiter, enzymhaltiger 
Muskelextrakt bedarf zu seiner Wirksamkeit der Anwesenheit. 

a) zugesetzten Kohlehydrats, 
b) gereinigten Coferments, 
c) anorganischen Phosphats. 


Während das nach Harden über Bleiacetat von Phosphat befreite 
Coferment aus Muskelextrakt nicht in genügend reiner und aktiver 
Form erhalten wurde, um den dialysierten Extrakt zu aktivieren, 
gelang die Reinigung von Phosphat mittels BaCl, und kolloidem 
Fe(OH), in neutraler Lösung. Die Wirksamkeit des Systems: Enzym- 
rückstand + Coferment, die für sich Null ist, wird durch Zugabe von 
Phosphat bis zu der im Muskelextrakt vorhandenen Konzentration 
in steigendem Maße aktiviert. 

2. Obwohl wahrscheinlich das Coferment der Milchsäurebildung, 
das mit dem der Gärung identisch ist, gleichzeitig auch als Coferment 
der Atmung wirkt, ist es nicht möglich, den Muskelrückstand und die 
cofermenthaltige Fraktion so weit von allen Nährsubstraten zu befreien, 
daB das System erst durch Kohlehydrat- oder Milchsäurezusatz atmungs- 
wirksam wird, vielmehr bleibt eine wohl auf Eiweißverbrennung zurück- 
zuführende Oxydation in dem nach Möglichkeit gereinigten System 
zurück. 

3. Es lassen sich keine Anhaltspunkte für die Beteiligung des 
Calciums an dem Milchsäure bildenden Ferment finden. Im Muskel- 


Einige chemische Eigenschaften des Milchsäure bildenden Ferments. 239 


extrakt finden sich etwa 0,12 mg Calcium pro Kubikzentimeter, die 
fast undialysabel sind. Durch hemmende Fluorid- oder Oxalatkonzen- 
tration wird dies Calcium nicht ausgefällt. Die Hemmungsgröße ist 
stark von Milieubedingungen abhängig und, wie auch das Auftreten 
von Trübungen zeigt, wohl auf lyotrope Einflüsse der Salze zurück- 
zuführen. 

4. Durch Fällung des Muskelextrakts mit saurem Acetat und 
Eluierung des Niederschlags mit schwach alkalischem Phosphat läßt 
sich eine fortschreitende Reinigung des Milchsäure bildenden Ferments 
erzielen, so daß in den bisher bestgereinigten Lösungen die Konzen- 
tration des veresternden und Milchsäure bildenden Ferments, bezogen 
auf den Eiweißgehalt, gut zehnmal so groß ist wie im Muskelextrakt, 
der selbst das Ferment schon in der zwei- bis dreifachen Konzentration 
wie die zerschnittene Muskulatur enthält. 


Über die beschränkte Anwendbarkeit 
der quantitativen Stickstoffbestimmung mit Nesslers Reagens. 


Von 
B. Sjollema und L. Seekles. 


(Aus dem Laboratorium für medizinisch-veterinäre Chemie der Reichs- 
universität Utrecht.) 


(Eingegangen am 13. Januar 1927.) 


Die kolorimetrische Bestimmung des Stickstoffs durch Verwendung 
von Nesslers Reagens — Nesslerisation — hat sich besonders da, wo 
nur kleine Substanzmengen zur Verfügung stehen, in vielen Labora- 
torien eingebürgert. Sie kann nur dann richtige Resultate liefern, 
wenn der Stickstoff vollständig in Ammoniak umgewandelt wird, 
denn andere basische Stickstoffverbindungen, z. B. Methylamin und 
Dimethylamin, färben sich nicht mit Nesslers Reagens. 

Unsere Untersuchungen zeigten nun, daß nicht alle Stickstoff- 
verbindungen bei den üblichen Veraschungsmethoden quantitativ 
Ammoniak liefern. Weil unter den obengenannten Substanzen auch 
solche vorkamen, die biochemisch wichtig sind, möchten wir unsere 
diesbezüglichen Ergebnisse hier mitteilen. Um der Gefahr zu ent- 
gehen, daß ein zu kurzes Veraschen eine unvollständige Ammoniak- 
bildung verursacht, haben wir, wie in der Tabelle angegeben ist, in 
vielen Fällen 4 oder 414, Stunden mit dem Veraschungsmittel gekocht. 
In einzelnen Fällen setzten wir der Stickstoffverbindung ein wenig 
Glucose hinzu. Das Resultat wurde aber dadurch nicht geändert. 

Für die kolorimetrischen Bestimmungen bedienten wir uns eines 
von Klett nachgebauten Dubosgkolorimeters. 


Methodik. 


Die stickstoffhaltige Substanz, meistens 200 mg, wurde im Kjeldahl- 
kolben zerstört durch Kochen mit einer Mischung a) von 10 cem kon- 
zentrierter Schwefelsäure, 1 g Kupfersulfat und lg Kaliumsulfat; 


B. Sjollema u. L. Seekles: Beschränkte Anwendbarkeit usw. 241 


b) von 10 ccm konzentrierter Schwefelsäure, 5 g Kaliumsulfat und einem 
Tropfen Quecksilber; c) von 10 ccm Phosphorschwefelsäure (2g P,O,, 
gelöst in konzentrierter Schwefelsäure bis 10 eem) und Le Kupfer- 
sulfat; d) mit 10 ccm Phosphorschwefelsäure (2 g Phorphorpentoxyd, 
gelöst in konzentrierter Schwefelsäure bis 10 ccm) und einem Tropfen 
Quecksilber. Nach 21⁄4- oder nach 4- bis 5stündiger Erhitzung wurde 
abgekühlt und, falls Stickstoff quantitativ bestimmt werden sollte, 
mit 300 ccm Wasser verdünnt. Nach Zugabe von 50 ccm einer 33 proz. 
Natronlauge — bei Anwesenheit von Quecksilber überdies noch von 
2g Natriumsulfid — wurde destilliert und das Destillat aufgefangen 
in 50 cem n/10 Schwefelsäure. 


Nach Verdünnung des Destillats mit destilliertem Wasser auf 
500 ccm wurden 250 ccm abgemessen und titriert mit n/10 Natronlauge 
und in der anderen Hälfte der Ammoniakgehalt kolorimetrisch nach 
Nessler bestimmt. 


Dazu wurde l ccm des Destillats oder so viel wie nötig war, um 
die Intensität der entstehenden gefärbten Lösung derjenigen der Ver- 
gleichslösung nahezu gleich zu machen, genau abpipettiert und in 
einem MeBkolben von 100 ccm mit destillierttem Wasser bis auf 70 bis 
80 ccm verdünnt. Dann wurden 5ccm einer l0proz. Natronlauge 
und 2 ccm Nesslerscher Lösung!) zugegeben, bis zur Marke aufgefüllt, gut 
gemischt und nach 10 Minuten mit einer Standard-Ammonsulfatlösung 
verglichen, hergestellt aus 2 ccm Ammonsulfatlösung (0,1 mg Stickstoff 
enthaltend), mit Wasser, 10proz. Natronlauge und Nesslerscher Lösung 
bis 100 ccm in der oben angegebenen Weise aufgefüllt. Immer wurde 
darauf geachtet, daß die Farbenintensitäten der zu prüfenden Lösung 
und der Vergleichslösung möglichst gleich waren, denn nur unter 
diesen Bedingungen sind mit dem Nessierschen Verfahren brauchbare 
Ergebnisse zu erhalten. 


In den Fällen, wo auf Methylamin geprüft ist, wurde der Inhalt 
des Kochkolbens nach Veraschung abgekühlt, 30 ccm Wasser, dann 
40 ccm 33proz. Natronlauge zugegeben, von der Mischung 10 ccm 
überdestilliert und in IO eem einer 0,5proz. alkoholischen Lösung 
von Chlordinitrobenzol (1:2:4)?) aufgefangen. Bei Anwesenheit von 
Methylamin färbte sich das Destillat sofort gelb. Nach einiger Zeit 
setzten sich Kristalle ab, welche, nach 24 Stunden abfiltriert und 
getrocknet, einen Schmelzpunkt von 174° zeigten. Eine Mischung 


1) Hergestellt aus 75g KJ in 50 cem Wasser, 100g HgJ, aufgefüllt 
mit Wasser bis 500 cem, von «dieser Lösung 300 cem, dabei 200 cem NaOH 
(1Oproz.) ausgefüllt bis ] Liter. 

2) P. A. Valeton, Journ. Chem. Soc. 127, 40, 1924. 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 16 


242 


B. Sjollema u. L. Seekles: 


der Substanz mit reinem 2, 4-Dinitromethylanilin schmolz immer bei 
derselben Temperatur. 


Unsere Resultate sind in folgender Tabelle, ausgedrückt in Pro- 
zenten Stickstoff, zusammengefaßt. 


Titrimetrisch 


Kolorimetrisch (Nesaler) 


| 
|! RER: 
: CuSO, CuSO H H ICuSO, CuSO, H H 
o | KSO% CA Sc KSO; Kaz Kë, St 
| ee TT 2 
Kreatin — — 283 !: — | — u  — — 
287 | — 28,4*) WA 21,2  — 26,6*) 282% 
p oa e JEE, A eg S a 29 = 
Kreatinin mz Dien — UN eu N — 344% 
= en aan 
Coffein 1**) .. . 24 Zén — 271% 172 27% — 230% 
| 2759, së, oeg ot au ët aa ss: zë 
> Uu . 295  295*) T ës 18 än —  264*) 
Theobromin IT) . 39,311) — 31 Mn 18,2tt) — 123,7 — 
| as | mw, 
30,6 er Be — 118,7 2E A 
„ln... 81,8% 247*) — | — 3238 
lr, e el e, et ` Zeg 


*) Es wurde während 4 oder 41/, Stunden destruiert. 

ee) Weil der Stickstoffgehalt für reines Coffein zu niedrig gefunden wurde, machten wir 
eine Stickstoffbestimmung nach Dumas. Dabei wurden 27,45 Proz. gefunden. Das Praparat ist 
dann zweimal aus Wasser umkristallisiert. Das gereinigte Coffein (II) enthielt nach einer Dumas» 
bestimmung 29,1 Proz. Stickstoff. 

+) Präparat I lieferte durch zweimaliges Umkristallisieren aus Wasser Theobromin II. 


tt) Er wurde nur kurz destruiert. und zwar 3/4 Stunden. Für die beiden anderen Bestim» 


mungen dauerte das Kochen 21/, Stunden. 


Wie aus der Tabelle hervorgeht, wurden in Coffein und in Theo- 
bromin bei der Nesslerisation immer zu niedrige Zahlen gefunden. 


Das Defizit war am größten, wo mit CuSO, + K,SO, — H,SO, 
verascht wurde; weniger groB war es, wo P,0, statt K,SO, verwendet 
wurde. Behandlung mit Hg, P,O; und H,S0, lieferte bei der kolori- 
metrischen Bestimmung die höchsten Zahlen, aber auch diese waren 
für Coffein bedeutend zu niedrig. 


Nach der Veraschung von Coffein und Theobromin mit CuSO,. 
K,SO, und H,SO, konnte im Destillat sehr deutlich Methylamin nach- 
gewiesen werden, und zwar viel mehr als Spuren. 


Beschränkte Anwendbarkeit der quantitativen N-Bestimmung usw. 243 


Wurde Hg bei der Destruktion verwendet, dann wurde kein Methyl- 
amin im Destillat gefunden, auch da nicht, wo ein Stickstoffdefizit 


konstatiert wurde. Dies war z. B. der Fall bei der Veraschung von 
Theobromin und von Kreatinin mit Hg, K,SO, und H,SO,. 


Für Kreatin und Kreatinin waren die Ergebnisse insoweit anders 
als für Coffein und Theobromin, als beim Kochen mit Hg, P,O, und 
H,SO, die kolorimetrische Bestimmung Resultate lieferte, welche nicht 
so viel unter denen der titrimetrischen liegen, wie es beim Coffein und 
T’heobromin der Fall war; dennoch waren die Resultate bei der Nessleri- 
sation immer zu niedrig, wo anders als mit Hg, P,O, und H,SO, ver- 
ascht wurde. 


Die Methylaminprobe wurde für Kreatin und Kreatinin nach 
Veraschung mit CuSO, K,SO, und H,SO,, bei beiden mit positivem 
Erfolg, gemacht. Ein negatives Ergebnis wurde, wie schon gesagt, 
für Kreatinin nach Kochen mit He K,SO, und H,SO, erhalten; also 
auch hier kein Methylamin, wo Hg verwendet wird. 


Daß nicht für alle organischen Stoffe, welche die Methylgruppe 
enthalten, die Nesslerisation beim Veraschen mit CuSO, K,SO, und 
H,SO, zu unrichtigen Resultaten führt, konnten wir mit Dimethyl- 
anilin zeigen. Hier war auch die Methylaminprobe negativ. 


Wir teilen hier noch die approximativen Zahlen der Methylamin- 
proben mit, damit es deutlich wird, daß es sich hier nicht um geringe 
Spuren von Methylanilin handelt. 


Fr EE - 
Menge | D f Menge des kristallisierten 
Substanz Seet Zerstörungsmittel | Dinitromethylanilins 
Theobromiu 100 | H,S0,-K,S0,-CuSO, 40 mg 
| | 2,5 Stunden 
Kreatinin © 100 ' 1,50,-K,S0,-CuS0, 25 „ 


4 Stunden 


Coffein ID. 200 H,SO,-K,SO,-CuSO, 60 mg, mit mehr Dinitrochlor- 
| | 2,5 Stunden | benzol noch etwa 60 mg, also 


t 


im ganzen 120 mg 


Kreatin 200 H,SO,-K,aSO,-CuS0, 40mg, mit mehr Dinitrochlor- 
i 2,5 Stunden benzol noch etwa 20 mg 


100 mg Dinitromethvlanilin stimmen mit etwa 16 mg Methylamin 
und mit etwa 7 mg N aus Methylamin überein. Es wurde beim Coffein I 
also etwa ein Neuntel des Stickstoffs im gefällten Dinitromethylanilin 
zurückgefunden. 


244 B. Sjollema u. L. Seekles: Beschränkte Anwendbarkeit: usw. 


Bei der Analyse von Flüssigkeiten, die neben anderen Stickstoff- 
verbindungen nur wenig von den stickstoffhaltigen Substanzen ent- 
halten, welche nach Veraschung mit dem vielfach verwendeten Gemisch 
von Cu8 0, K,SO, und H,SO, nur einen Teil ihres Stickstoffs be- 
stimmen lassen, wird der Fehler nicht sehr groß sein, wenn es sich um 
Stoffe, wie Kreatinin handelt, bei denen das Defizit nicht sehr groß 
ist. Sind jedoch Stoffe wie Coffein, Theobromin und Kreatin, von 
denen nur etwa zwei Drittel des Stickstoffs bei der Nesslerisation 
gefunden werden, anwesend, so wird auch da, wo diese Stoffe nur 
einen kleinen Bruchteil der Stickstoffverbindungen ausmachen, schon 
bald ein bedeutender Fehler entstehen. Ob bessere Resultate erzielt 
werden, wenn mehr K,SO, auf einen Teil H,SO, verwendet wird 
als wir benutzten — z. B. auf 10 cem H,SO, 5g K,SO, —, haben 
wir nicht untersucht. Auch die Mischung CuSO, P,O; und H,SO, 
lieferte bei unseren kolorimetrischen Versuchen für Coffein, Theo- 
bromin und Kreatinin zu niedrige Zahlen. 


Fortgeführte Untersuchungen über Maßanalyse, 
Aussalzbarkeit und spezifische Refraktion der Eiweißkörper- 
gruppen des menschlichen Blutplasmas nebst Bemerkungen über 

die vergleichende Viskositätsuntersuchung des Blutserums. 


Von 


W. Starlinger, K. Späth und E. Winands. 
(Aus der medizinischen Universitätsklinik in Freiburg ı. Br.) 
(Eingegangen am 13. Januar 1927.) 


I. Fragestellung. 


In einer Reihe vorausgehender Mitteilungen wurde über Unter- 
suchungen berichtet, die den Zweck verfolgten, eine zusammenfassende 
theoretische und experimentelle Kritik der methodischen Maßanalyse 
der Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas erstmalig 
darzustellen. Diese Untersuchungen wurden ursprünglich lediglich 
zum Zwecke eigener Aufklärung durchgeführt, da zur Zeit ihrer An- 
stellung verschiedenste Methoden zu gleichen Zielen im Rahmen 
gleicher biologischer und klinischer Fragestellung in Anwendung ge- 
bracht wurden, ohne daß eine Abgrenzung ihrer Leistungsfähigkeit und 
damit die Möglichkeit gegeben war, die solcherweise erhobenen, sich 
vielfach widersprechenden Ergebnisse auf eine gemeinsame Vergleichs- 
grundlage zurückführen zu können. Als sich nun im Verlauf dieser 
Prüfung, die sich zwanglos über mehrere Jahre erstreckte, einerseits 
Befunde ergaben, die mit manchen, bisher auf Grund alter Angaben 
ziemlich allgemein anerkannten Anschauungen nicht in Einklang zu 
bringen waren, andererseits verschiedene Beobachtungen einen all- 
gemeineren methodischen Fortschritt zu bedeuten schienen, wurden 
die erhobenen Erfahrungen zusammengestellt und mitgeteilt. Die 
Berechtigung zur Veröffentlichung schien uns schließlich noch dadurch 
gegeben, daß wir uns auch in Einzelfragen auf ein experimentell er- 
hobenes Material stützen durften, wie es bis dahin von keiner Seite 
in gleichem Ausmaß beigebracht worden war. 

Die Mitteilungen bezogen sich vor allem auf die Methodik der 
quantitativen Bestimmung der Gerinnungsfraktion [des sogenannten 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 17 


246 . W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Fibrinogens]!) und der Serumeiweißfraktionen [der sogenannten 
Globuline und Albumine]?), weiter auf die gemeinsame Bestimmung 
aller drei Fraktionen im Rahmen besonders expeditiver Bedingungen), 
schließlich auch auf die hierhergehörigen Beziehungen verschiedener 
Serumarten zueinander?) und die vergleichende Viskositätsuntersuchung 
des Serums). Es wurde ausgeführt, daß die klassische Neutralsalz- 
fraktionierung der zirkulierenden Eiweißkörper, wie wir sie Hammarsten 
und der Schule Hofmeisters verdanken, auch heute noch die sicherste 
Möglichkeit bietet, die Gesamtmenge des Eiweißes in einige große 
Gruppen zu zerlegen, die wenigstens ihrem Hauptteil nach durch 
bestimmte physiko-chemische, konstitutiv-chemische und immun- 
biologische Eigenschaften, sowie durch bestimmte biologische und 
klinische Gesetzmäßigkeiten gekennzeichnet werden können; es wurde 
weiter der Ammonsulfatfraktionierung der unbedingte Vorzug vor 
den anderen gebräuchlicheren Trennungsverfahren durch Magnesium- 
sulfat und Natriumsulfat eingeräumt, und schließlich die im Rahmen 
besonderer Bedingungen durchzuführende Wägeanalyse aus Gründen 
der Expeditivität bei gleicher, sogar unter Umständen größerer Zu- 
verlässigkeit der Stickstoffbestimmung vorgestellt, während die meisten 
optischen Verfahren, vor allem die verbreitete Refraktometrie und 
kombinierte Viskosirefraktometrie, infolge grundsätzlicher Fehler- 
möglichkeit abgelehnt werden mußten. 


Diese Hauptergebnisse: der Vorzug der Ammonsulfatfraktionierung 
vor den anderen Trennungsverfahren bzw. der ungleiche Fällungseffekt 
in solcher Hinsicht als gleichwertig angenommener Salzkonzentrationen 
in pathologischen Menschenplasmen, weiter der Vorzug der Wäge- 
analyse auch unter vereinfachten, der biologischen Serienuntersuchung 
angepaßten Bedingungen, schließlich die ungenügende Leistungs- 
fähigkeit der Verfahren, die auf der Bestimmung des Brechungs- 
vermögens aufgebaut wurden, standen also zur Diskussion und wurden 
inzwischen mehrfach einer solchen unterworfen. Da nun im Rahmen 
solcher Stellungnahme auch Befunde mitgeteilt und Ansichten ver- 
treten wurden, die unseren Ergebnissen zu widersprechen scheinen, 
da weiter die Entscheidung dieser strittigen Fragen für die Beurteilung 
des Verhaltens der zirkulierenden Eiweißkörper des Blutes grundsätz- 


1) W. Starlinger, Mitteilung I und II, diese Zeitschr. 140 und 148, 1923; 
W. Starlinger und K. Hartl, Mitteilung III, ebendaselbst 157, 283, 1925. 

2) W. Starlinger und K. Hartl, Mitteilung I bis III, diese Zeitschr. 160. 
113, 129, 147, 1925. 

3) W. Starlinger, ebendaselbst 168, 423, 1926. 

4) Derselbe, Mitteilung I, ebendaselbst 153, 144, 1924; W. Starlinger 
und U. Strasser, Mitteilung II, ebendaselbst 160, 417, 1925. 

5) W. Starlinger und K. Hartl, ebendaselbst 160, 225, 1925. 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasınas. 247 


liche Wichtigkeit beanspruchen darf, die Bedeutung der Bewertung 
dieser Eiweißkörper aber immer mehr erkannt und berücksichtigt 
wird, scheint es erlaubt und berechtigt, die früheren eigenen und in- 
zwischen erhobenen fremden Befunde einer vergleichenden Kritik zu 
unterwerfen und über das Ergebnis neuerer, in gleicher Richtung 
weitergeführter eigener Untersuchungen zu berichten. Die vergleichende 
kritische Betrachtung aber scheint uns besonders nötig, da von manchen 
Autoren Schlußfolgerungen gezogen wurden, mit denen die erhobenen 
Befunde unseres Erachtens nicht in Einklang gebracht werden können. 


Es wird also in drei Abschnitten zu erörtern und zu prüfen sein: 
l. Das Leistungsvermögen der vereinfachten Wägeanalyse; 


2. das Fällungsvermögen der wichtigsten Trennungssalze in 
pathologischen menschlichen Plasmen ; 


3. die Eignung der Refraktometrie und ihrer verwandten Ver- 
fahren für die Maßanalvse der Eiweißkörper bzw. das Bestehen einer 
einheitlich konstanten spezifischen Refraktion der letzteren. 


Schließlich soll anhangsweise zu einigen hierhergehörigen Fragen, 
die sich auf die vergleichende Viskositätsuntersuchung des Blutserums 
beziehen, Stellung genommen werden. 


Bevor wir jedoch auf diese einzelnen Abschnitte eingehen, möchten 
wir noch eine allgemeine Bemerkung vorausschicken: 


Wir haben seinerzeit den Vorschlag gemacht, ‚an Stelle der im 
Streit der Meinungen stehenden Bezeichnungen‘: Fibrinogen — Glo- 
bulin— Albumin, die von verschiedenen Autoren je nach der jeweils 
verwendeten Trennungsgrundlage völlig verschieden verstanden wurden 
und werden, „nichts präjudizierende Ausdrücke‘ treten zu lassen, 
die nur Tatsächliches, klar Definiertes enthalten: also ‚„Gerinnungs- 
fraktion“ (oder bei Abtrennung durch Ammonsulfat ‚28vol.-proz. 
Sättigungsfraktion‘“) statt Fibrinogen, ‚„Ammonsulfathalb-“ oder 
„Natriumsulfathalb-“ oder ‚Magnesiumsulfatganzsättigungsfraktion‘ 
statt Globulin, ‚„Ammonsulfatganz-" oder ‚Natriumsulfatganz- 
sättigungsfraktion‘ statt Albumin zu sagen. 

Dieser Tendenz, „die Begriffe Globulin und Albumin fallen zu lassen‘, 
wurde von E. A. Hafner!) widersprochen, ‚da wir heute ganz allgemein von 
der Relativität dieser Begriffe überzeugt wären und bekannte Forscher 
dieselben Begriffe mit Erfolg verwendet hätten“; ferner, „weil der kon- 


ventionell gebildete Begriff nicht nur biologisch seine Berechtigung hätte. 
sondern auch physikalisch-chemisch klar definierbar wäre", 


Demgegenüber möchten wir nun ausdrücklich betonen, daß unser 
Vorschlag lediglich den Zweck verfolgte, eine klare Verständigung 


1) E A. Hafner, diese Zeitschr. 165, 29, 1925. 
17 * 


248 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


anzubahnen, daß er also nicht in Ermangelung ‚historischen Fein- 
gefühls“ die Namengebung klassischer Forscher verwerfen wollte; 
eine klare beigeordnete Begriffsdefinition zu verlangen, schien uns 
aber gerade aus der allgemeinen Überzeugung von der Relativität 
des Sprachgebrauchs und -begriffs ableitbar. Daß jede der großen 
Eiweißkörpergruppen ihrer Hauptmenge nach eine verhältnismäßig 
sicher physikalisch-chemisch definierbare Einheit bildet, scheint auch 
uns wahrscheinlich und wurde von uns immer vertreten; daneben aber 
dürfte es, so wie in jedem biologischen System Übergänge vorkommen. 
auch hier Übergangs- oder Grenzfraktionen geben, die zur Nachbar- 
hauptfraktion überleiten, also Übergangseigenschaften besitzen, und 
so unter verschiedenen Bedingungen des umgebenden Milieus (an- 
scheinend nicht zum wenigsten auch bei verschiedenartiger Aussalzung) 
einmal dieser, das andere Mal jener Hauptfraktion zugehörig werden. 
Solche Verhältnisse werden aber in Hinsicht auf die vorliegende Frage- 
stellung nur dann klar ausgedrückt, wenn der Effekt der Fraktionierung 
durch die Art der Fraktionierung definiert wird. 


Im folgenden soll nun in die Erörterung der eingangs ausgeführten 
Einzelfragen eingetreten werden und dabei zuerst die Frage des Standard- 
verfahrens, in unserem Falle also der Wägeanalyse, Berücksichtigung 
finden, da ihre Entscheidung auch für die folgenden Kapitel die metho- 
dische Beurteilungsgrundlage erst vermittelt. | 


II. Das Leistungsvermögen der vereinfachten Gewichtsanalyse 
der Eiweißkörpergruppen. 


Vorausgeschickt sei, daß im folgenden nur mehr die Gewichts- 
analyse der beiden Haupteiweißkörpergruppen des Blutserums, also 
der sogenannten Globuline und Albumine, berücksichtigt werden muß, 
während auf die Bestimmung der Gerinnungsfraktion, des sogenannten 
Fibrinogens, nicht mehr eingegangen werden braucht, da diese in 
ihrer Zuverlässigkeit und Expeditivität nicht anfechtbar ist und auch 
bisher nicht angefochten wurde; die Übereinstimmung der Ergebnisse 
der Gravimetrie und Stickstoffbestimmung, die bei der Bestimmung 
der Gerinnungsfraktion ebenso expeditiv verläuft, ist eine vollkommene. 


Weiter möchten wir vorausschicken, daß wir bei Veröffentlichung 
unserer vereinfachten ’Gewichtsanalyse der Serumeiweißkörpergruppen 
ausdrücklich betonten, daß wir kein neues Verfahren, sondern lediglich 
eine solche Modifikation der klassischen gravimetrischen Methodik 
mitteilen wollten, die den Anforderungen der biologisch-klinischen 
Serienuntersuchung im Sinne genügender Zuverlässigkeit und Handlich- 
keit auf Grund eigener Erfahrungen voll entspricht. Unsere Aufgabe 
mußte also sein. zu erproben. in welchem Ausmaß technische Hemmnisse 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 249 


der Serienbestimmung (Wägung auf der analytischen Wage, Ver- 
aschung usw.) verringert oder gar ausgeschaltet werden könnten, 
ohne das erlaubte Maß der Fehlermöglichkeit zu überschreiten. Die 
entsprechenden Versuche wurden seinerzeit ausführlich mitgeteilt, ihre 
Ergebnisse führten zu folgendem Verfahren: 


Das zu analysierende Serum (natives Vollblut-, natives Plasma-, 
rekalzifiziertes Citratserum) wird (im Falle vorausgehender Verdünnung 
unter entsprechender Berücksichtigung dieser Verdünnung) zuerst genügend 
(mindestens dreifach) mit Wasser verdünnt, darauf mit gleicher Menge 
gesättigter Ammonsulfatlösung halbgesättigt und nach einiger Zeit scharf 
zentrifugiert; darauf wird die überstehende klare Flüssigkeit, die nunmehr 
die Ganzsättigungsfraktion gelöst enthält, in bekannter Menge abgehoben, 
mit gleicher Menge einer etwa m/25 Essigsäure versetzt und im Wasserbad 
koaguliert; schließlich wird das koagulierte Eiweiß in vorgewogenen, 
wasserfreien Schleicher-Schüll-Blaubandfiltern aufgefangen, mit destilliertem 
Wasser bis zur negativen Sulfatreaktion gewaschen, je einmal mit Alkohol 
und Äther gespült und mit dem Filter getrocknet und gewogen. Ebenso 
wird im gleichen Serum ohne vorausgehende Fraktionierung der Gesamt- 
eiweißgehalt bestimmt. 

Als Serummengen genügen 1,0 ccm für die Ganzsättigungsfraktions- 
bestimmung, 0,5 cem für die Gesamteiweißbestimmung; doch können diese 
Mengen bei sorgfältigem Arbeiten noch um die Hälfte verringert werden. 

Die Trocknung der unbeschickten und beschickten Filter erfolgt bei 
genügender Wägetechnik bis zu vier Filter in einer Petrischale, bei ungenügen- 
der Wägetechnik einzeln in Wägegläschen durch 1 Stunde bei 105°. Die 
Wägung erfolgt auf der Torsionswage. 

Gegen dieses Verfahren wurden nun von Arndt und Hafner!) einerseits, 
von Petschacher, Berger und Schretter?) andererseits folgende Einwendungen 
erhoben: 

Arndt und Hafner sagten: 


L daß es, wie ‚„‚Starlinger und Hartl selbst angeben“, nicht möglich 
wäre, „den Eiweißverlust beim Waschen völlig auszuschließen“ ; 

2. daß durch das nur einmalige Nachwaschen mit Alkohol und Äther 
eine genügende Entfernung der am Eiweißkoagulum anhaftenden Lipoide 
nicht erzielt werden könne. 

Petschacher, Berger und Schretter wiederholten den letzteren Einwand, 
dehnten ihn auch auf anhaftende Salze aus und fügten hinzu, daß 


3. durch die „offene“ Wägung auf der Torsionswage große Elter, 
fehler“ durch Wasseranziehung der Filter während der Wägung entstünden. 

Diesen Einwendungen müssen wir folgendes entgegenhalten: 

Zu 1. Arndt und Hafner lehnen unsere vereinfachte Gewichtsanalyse 
auf Grund der ausgeführten theoretischen Kritik ab, ohne anscheinend 


. SA . D . 
selbst das Verfahren aus eigener Übung zu kennen; sie postulieren einen 
Eiweißverlust während des Nachwaschens unter Berufung auf uns selbst. 


1) Arndt und Hafner, diese Zeitschr. 167, 440, 1926. 
2) Petschacher, Berger und Schretter, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 0, 
1926. 


250 W. Starlinger, K. Späth u. E.'Winands: 


Diese Berufung ist jedoch nicht verständlich, denn wir haben den Eiweiß- 
verlust nur dann beobachtet, wenn bei gleichzeitiger direkter Mitbestimmung 
der Halbsättigungsfraktion der Niederschlag dieser Fraktion lange mit 
halbgesättigter Lösung nachgewaschen werden mußte, um ihn vom an- 
haftenden Ganzsättigungseiweiß zu befreien; in diesem Falle erfährt ver- 
ständlicherweise das die Ganzsättigungsfraktion enthaltende Filtrat eine 
solche Vermehrung des Salzes, daß die Filterung des koagulierten Filtrats 
nunmehr um ein Vielfaches verlängert, verzögert und erschwert wird und 
solcherweise in der Tat manchmal Eiweißverluste auftreten. Aus diesem 
Grunde haben wir auf die direkte Bestimmung der Halbsättigungsfraktion 
verzichtet, dadurch das Nachwaschen mit halbgesättigter Salzlösung 
erspart. und solcherweise die Salzmenge im Halbsättigungsfiltrat auf etwa 
ein Zehntel herabgesetzt. Die notwendige Wasserspühing des koagulierten 
Eiweißes wird dadurch so verkürzt, „daß der Eiweißverlust ausgeschaltet 
oder wenigstens auf ein Minimum beschränkt wird" Tatsächlich ist das 
Filtrat immer wasserklar und zeigt auch bei Zusatz von Alkaloidreagenzien 
nur in Ausnahmefällen eine kaum erkennbare Opaleszenz, die bekanntlich 
Eiweißmengen entspricht, welche sich der «quantitativen Erfassung ent- 
ziehen. Doch sind diese Fälle so selten, daß man bei ihnen eher an eine un- 
genügende Koagulation oder an eine ungenügende Filterhärtung denken 
möchte. Dieser Sachverhalt wurde von uns durch die ausdrückliche Be- 
tonung der „Beseitigung des Eiweißverlustes‘‘ der früheren Methodik, die 
in der erwähnten Mitteilung wenige Seiten vorher entsprechend den vor- 
stehenden Ausführungen kritisiert wurde, so eindeutig klargelegt, daß wir 
nicht verstehen können, wie Arndt und Hafner uns selbst als Kronzeugen 
des von ihnen theoretisch supponierten Eiweißverlusts anführen können. 

Zur theoretischen Erklärung dieses tatsächlich gar nicht erfolgenden 
Eiweißverlustes verweisen die Autoren auf seine Abhängigkeit vom Dis- 
persitätsgrad der gefällten Eiweißteilchen, welcher auch bei Verwendung 
des gleichen Fällungsmittels und unter Konstanterhaltung aller übrigen 
Faktoren bei verschiedenen pathclogischen Zuständen in weitestem Maße 
schwanke. Diese Ausführung trifft jedoch, wie wir auf Grund einer Er- 
fahrung von vielen Hundert Stabilitätsprüfungen an pathologischen 
Menschenplasmen aus früheren Jahren mit Sicherheit behaupten dürfen, 
nur auf Eiweißfüllungen reversibler Natur zu, wie sie z. B. durch Neutral- 
salze bewirkt wird. gilt jedoch nicht für massive irreversible Koagulation, 
bei welcher von einem Dispersionsgrad der Fällung eigentlich nicht mehr 
gesprochen werden kann, wie beispielsweise in unserem Falle der Hitze- 
koagulation; hier ist die Teilchengröße. wenn man von einer solchen überhaupt 
noch reden darf, in Verhältnis zur Porengröße «des gehärteten Filters so 
groß, das etwaige Dispersitätsunterschiede außer jeder Betrachtung bleiben 
können. Im übrigen bedarf es wohl keines weiteren Beweises, daß best- 
gehärtete (Blauband-) Filter hitzekoaguliertes Fiweiß quantitativ zurück- 
zuhalten vermögen, wenn Salzkonzentrationen, welche die Filterporen 
schädigen, vermieden werden, wie es eben durch Verzicht auf die direkte 
Bestimmung der Halbsättigungsfraktion geschah. 


Damit scheint uns der erste Einwand erledigt. 


Zu 2. Auch dieser Einwurf wurde von beiden Autorengruppen nur 
theoretisch formuliert; er läßt sich jedoch bereits aus der vorliegenden 
Literatur widerlegen, da es bekannt ist, daß die Plasmaphosphatide bei 
Hitzekoagulation des Plasmaeiweißes zur Gänze, die Sterine zum weitaus 
größten Teile in das Filtrat übergehen, während der Rest der Sterine mit 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 251 


dem Eiweiß der Halbsättigungsfraktion vereinigt bleibt. Ich brauche in 
diesem Zusammenhang nur die sorgfältigen Untersuchungen Handovskys!) 
anzuführen; er schreibt: „Fällt man die Gesamteiweißkörper durch Hitze- 
gerinnung mit verdünnter Säure oder durch Ganzsättigung mit Ammon- 
sulfat, dann sind die ganzen Phosphatide im Filtrat nachweisbar und vom 
Cholesterin ebensoviel wie im Filtrat nach Globulinflockung, das sind 70 
bis 80 Proz.‘ Aus diesem experimentellen Ergebnis Handovskys ergibt 
sich also, daß das koagulierte Eiweiß der Ganzsättigungsfraktion überhaupt 
lipoidfrei ist, ein Lipoidfehler also gar nicht in Betracht gezogen werden 
braucht, weiter, daß die am Globulin haftende, bei unserer Gesamteiweiß- 
bestimmung also etwa Fehler bedingende Lipoidverunreinigung, selbst 
wenn die Alkohol-Ätherspülung gar keinen Einfluß entfalten würde, so 
geringe Wirkung ausüben würde, daß sie ebenfalls nicht berücksichtigt 
werden muß. Denn wenn beispielsweise der mittlere Gesamteiweißgehalt 
mit etwa 7g-Proz., der mittlere Gesamtcholesteringehalt mit etwa 
0,150 g-Proz. veranschlagt würde, könnte die anhaftende Verunreinigung 
höchstens 0,03 g-Proz. Fehler verursachen, würde also nicht einmal ein 
halbes Hundertstel der Gewichtsmenge des Gesamteiweißes erreichen. 

Was weiter die Fehler«uelle durch ungenügende Entfernung der an- 
haftenden Salze anlangt, die von Petschacher, Berger und Schretter wieder 
nur theoretisch konstrwert wird, während wir seinerzeit diese Fehler- 
möglichkeit in zehn genauen Aschenanalysen kontrollierten, so brauchen 
wir nur auf das Ergebnis dieser Untersuchungsreihe verweisen, demzufolge 
im Rahmen unserer Methode die Aschenrückstände bei negativer Sulfat- 
reaktion um 0,0003 g schwanken, im Rahmen der angestrebten Genauigkeit, 
also vernachlässigt werden dürfen. 

Damit scheinen uns auch diese Einwände erledigt. 


Zu 3. Petschacher, Berger und Schretter erklären es eıstlich für un- 
möglich, zur Gewichtskonstanz getrocknete, im Exsikkator abgekühlte 
Filter auf der Torsionswage ohne wesentlichen Feuchtigkeitsfehler zur 
Auswägung zu bringen. Wir haben zu diesem Einwand, den wir uns ver- 
ständlicherweise selbst gestellt haben, bemerkt: „Die Wägung auf der 
Torsionswage muß und kann so rasch erfolgen, daß die Luftfeuchtigkeit, 
die nach 1 Minute bereits einen Wägefehler bis 0,002 g nach sich ziehen 
kann, keinen Einfluß auszuüben vermag. Die Wägung eines Filters ist auf 
der Torsionswage in wenigen Sekunden susführbar‘. Wir können dieser 
damaligen Bemerkung auch heute nichts hinzufügen und daher nur noch- 
nals ausdrücklich betonen, daß es mit einiger Übung ausnahmslos möglich 
ist, die Filter in der angegebenen Weise und Zeit ohne Wasserfehler zu wägen. 
Wir haben, bevor wir zur Torsionswage übergingen, uns immer wieder von 
der völligen Übereinstimmung der Filterwägung im Wägegläschen auf der 
analvtischen Wage und offen auf der Torsionswage im Rahmen der Genauig- 
keit der Torsionswägung, die wir mit + 0,00025 g beziffern möchten, 
überzeugt. ebenso wie wir auch bei wiederholter Trocknung und Wägung 
auf der Torsionswage immer gleiche Werte beobachteten. Wir können also 
mit Sicherheit behaupten, daß in 4 bis 5 Sekunden, welche Zeit eine Filter- 
wägung beansprucht, die Einflußnahme der Luftfeuchtigkeit unter dem 
methodischen Wägefehler bleibt. vorausgesetzt, daß die Wägung bei Luft- 
feuchtigkeitsgraden. wie sie in Wägezimmern üblich sind, durchgeführt 
wird. 


1) Handovskuy, Pflügers Arch. 1925, S. 210. 


252 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Die Autoren nehmen weiter Stellung gegen das ‚„serienweise Abwägen‘“ 
der Filter, worunter die gleichzeitige Trocknung bis zu vier Filtern zu ver- 
stehen ist. Die Petrischale soll dabei nach unserer Vorschrift unmittelbar 
vor der Wägung dem Exsikkator entnommen und darauf bei jeder Filter- 
entnahme der Deckel der Schale nur so weit gelüftet werden, daß eine kleine 
Pinzette das Filter eben entnehmen kann. Wir geben zu, daß dieses Ver- 
fahren von vornherein ein gewisses Mißtrauen zu erwecken imstande ist, 
da man vermuten könnte, daß hier die Luftfeuchtigkeit doch größeren 
Einfluß ausüben müßte. Wir können jedoch auf Grund vielfacher Kon- 
trollen sagen, daß diese Einflußnahme bei sorgfältiger Arbeit tatsächlich 
nicht erfolgt, wie wir ja überhaupt immer wieder ausdrücklich betonen 
möchten, daß alle diese kleinen technischen Vorteile, die im Zusammenhang 
eben erst die angestrebte Expeditivität bewirken, immer erst nach ge- 
nauester experimenteller Prüfung dauernd angewendet und schließlich 
mitgeteilt wurden; so haben wir auch im vorliegenden Falle die Trocknung 
im Einzelwägegläschen erst verlassen, nachdem wir von der Ungefährlich- 
keit der Simultanwägung genügend überzeugt waren. Wer jedoch diese 
technische Vereinfachung nicht sicher zu beherrschen meint, wird besser 
die Einzelwägung im Wägegläschen 'bevorzugen. 

Damit scheinen uns auch die letzten Einwendungen erledigt. 


Wenn gegen ein maßanalytisches Verfahren kein grundsätzlicher 
Einwand erhoben werden kann, ist es üblich, einerseits die gewonnenen 
Resultate mit den Resultaten eines anderen gleichgeordneten Ver- 
fahrens zu vergleichen, andererseits die Differenzabweichung zwischen 
Parallelbestimmungen festzulegen. Grundsätzliche Einwendungen 
lassen sich gegen unsere vereinfachte Wägeanalyse nicht vorbringen 
bzw. wenn sie vorgebracht werden, wie im vorstehenden leicht ent- 
kräften, so daß also nun der Vergleich mit der Leistung gleichgeordneter 
Verfahren und der Vergleich von Parallelbestimmungen durchzuführen 
bleibt. 


Als gleichgeordnetes Verfahren kommt derzeit entsprechend unserer 
seinerzeitigen Beweisführung und in Anbetracht der wngenügenden 
Leistungsfähigkeit der optischen Verfahren (mit Ausnahme der Nephelo- 
ınetrie, die aber noch nicht genügend erprobt scheint) lediglich die Stickstoff- 
bestimmung in Betracht. Wir haben nun seinerzeit einen unmittelbaren 
Vergleich der Gewichtsanalyse und Stickstoffanalyse der Ammonsulfat- 
fraktionen für kaum durchführbar erklärt, weil uns die Stickstoffbestimmunz 
bei Anwesenheit bzw. bei nicht sicher genügender Entfernung der Ammon- 
salzmengen nicht unbedenklich erschien; hinsichtlich des Vergleichs der 
Wäge- und Stickstoffanalyse im allgemeinen aber haben wir auf die eigenen 
diesbezüglichen Vergleichsbestimmungen der Gerinnungsfraktion verwiesen. 
die in 35 Parallelbestimmungen eine mittlere Differenz von 0,03 g-Proz. 
erzeben hatte; gleiche Ergebnisse haben wir auch wiederholt bei Parallel- 
analysen des Serum-Giesamteiweißgehalts und anderer Eiweißkörper 
(Caseinate) erhalten. Wir haben immer die gleichzustellende Zuverlässigkeit 
der Wäge- und Stickstoffbestunmung betont und lediglich die unter Um- 
ständen größere Expellitivität der ersteren hervorgehoben. Wir müssen 
auf diese Stellungnahme deshalb zurückkommen, weil anscheinend 
mancherorts angenommen wurde, daß wir die Stickstoffanalyse verdrängen 
wollten. 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 253 


Petschacher, Berger und Schretter haben sich inzwischen in die Cullen- 
van Siykesche Methode eingearbeitet, die es erlauben soll, die Eiweißanalyse 
trotz verwendeter. Ammonsulfatfraktionierung im Rahmen der Stickstoff- 
bestimmung durchzuführen; sie berichten über gute Resultate, deren 
Kritik uns nicht zusteht, nachdem wir diese Methode selbst niemals geübt 
haben, da sie uns, wie schon ausgeführt, nicht ohne schwer vermeidbare 
Fehlermöglichkeiten anwendbar schien. Mit den Resultaten dieser Methode 
haben nun die Autoren die gleichzeitig mit unserer Methode erhobenen 
Resultate in sieben Fällen verglichen und dabei Abweichungen von — 1,3 
bis + 1,4 Proz, beim Gesamteiweißgehalt, von — 1,4 bis + 2,2 g-Proz. 
bei der Ganzsättigungsfraktion gefunden. Gleichzeitig beobachteten sie 
in derselben Versuchsreihe, in welcher auch die Gravimetrie parallel in 
Doppelbestimmungen durchgeführt wurde, daß ‚‚der Unterschied in einigen 
Fällen die von Starlinger und Hartl angegebenen mittleren Werte von 
-+ 0,12 g-Proz. überstieg.‘“ In welchem Ausmaße diese Abweichung beob- 
achtet wurde, ist leider nicht angegeben. | 

Wir können für diese auffallend hohen Differenzen zwischen den 
Resultaten der Wäge- und Stickstoffbestimmung, wie wir sie selbst 
niemals sahen, keine andere Erklärung abgeben, als daß die Gewichtsanalyse 
nicht unter entsprechenden Bedingungen durchgeführt wurde. Für diese 
Auffassung scheint uns zu sprechen, daß die Autoren ihrem besprochenen 
„Filterfehler‘‘, der von uns nie beobachtet wurde, so großen Wert zubilligen 
und in ihren gravimetrischen Doppelanalysen größere (um wieviel größere, 
wissen wir leider nicht) Differenzen sahen als wir angegeben hatten. 

Wir selbst haben seinerzeit in je 33 Doppelanalysen des (jesamteiweiß- 
gehalts und der Ganzsättigungsfraktion je eine mittlere +-Abweichung von 
+ 0,12 g-Proz. gefunden. Diese Analysen wurden im Vollblutserum durch- 
geführt. Wir haben später denselben Vergleich neuerlich auch im rekalzi- 
fizierten Citratserum unternommen und in 32 Parallelanalysen eine mittlere 
-+ -Abweichung von 4- 0,12g-Proz. beim Gesamteiweißgehalt, von 0,07 g-Proz. 
bei der Ganzsättigungsfraktion gefunden. Wir verfügten also vor der 
Mitteilung Petschacher, Berger und Schretters über insgesamt 65 Doppel- 
analysen, die eine mittlere + -Abweichung von + 0,12 g-Proz. für das 
Gesamtserumeiweiß, von + 0,10 g-Proz. für die Ganzsättigungsfraktion 
ergeben hatten. 


Da nun diese Autoren bemerken, „eine eingehendere Diskussion 
dieser Resultate nicht geben zu können, da sie ohne Angabe genauer 
Protokolle nur summarisch mitgeteilt wurden“, was von uns aus 
Gründen der Raumersparnis geschah, da wir über das Ergebnis von 
insgesamt mehreren hundert Untersuchungen zu berichten hatten, 
sind wir im folgenden gezwungen, eine neuerliche, inzwischen un- 
beabsichtigt durchgeführte Vergleichsserie (da wir unsere klinischen 
Analysen häufig als Doppelanalvsen durchführen) ausführlich an- 
zugeben: Die erste Serie umfaßt 44 Doppelanalysen des Gesamt- 
eiweißgehalts und 37 Doppelanalysen der Ganzsättigungsfraktior bei 
Verarbeitung rekalzifizierten Citratserums die zweite 38 Doppel- 
analysen des Gesamteiweißgehalts und der Ganzsättigungsfraktion 
bei Verwendung von Vollblutserum. Dabei wurden folgende Unter- 
schiede beobachtet: 


254 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Bei Bestimmung des Gesamteiweißgehalts im Rahmen der ersten Serie 
bei absoluten Gesamteiweißmengen zwischen 6,50 und 8,68 g-Proz.: 


fünfmal 0; sechsmal 0,01; 0,02; 0,03; zweimal 0,04; 0,06; 0.07; 0,08; 
0,09; 0,10; 0,11; 0,12; dreimal 0,14; zweimal 0,15; 0,18; 0,23; 0,25; 0,30; 
0,33; 0,35; 0,36; 0,65; im Mittel also 0,11 g-Proz.; 

im Rahmen der zweiten Serie bei absoluten Gesamteiweißmengen 
zwischen 5,48 und 8,70 g-Proz.: 

zweimal 0,02; dreimal 0,03; 0,05; sechsmal 0,07; viermal 0,08; 0,10; 
sechsmal 0,12; fünfmal 0,13; zweimal 0,15; 0,17; 0,18; 0,22; 0,25; 0,27; 
im Mittel also 0,11 g-Proz.; 

bei Bestimmung der Ganzsättigungsfraktion im Rahmen der ersten 
Serie bei absoluten Eiweißmengen zwischen 1,24 und 5,67 g-Proz.: 

fünfmal 0,01; viermal 0,02; dreimal 0,03; 0,05; zweimal 0,06; 
dreimal 0,07; zweimal 0,08; 0,11; 0,12; 0,15; 0,17; 0,18; 0,19; viermal 
0,20; 0,21; 0,22; 0,28; 0,29; 0,33; im Mittel also 0,11 g-Proz.; 

im Rahmen der zweiten Serie bei absoluten Eiweißmengen zwischen 
3,02 und 6,75 g-Proz.; 


0; dreimal 0,02; fünfmal 0,05; zweimal 0,07; fünfmal 0,08; viermal 
0.10; zweimal 0,12; viermal 0,13; zweimal 0,15; 0,17; 0,18; 0,20; dreimal 
0,23; 0,23; zweimal 0,25; im Mittel also 0,11 g-Proz. 


Die mittlere -—--Abweichung betrug demzufolge bei dieser neuer- 
lichen Prüfung von 82 Fällen für das Gesamteiweiß +- 0,06, von 75 Fällen 
für die Ganzsättigungsfraktion -+ 0,06. Es wurde also ein noch besseres 
Endergebnis erzielt als in unseren früheren Vergleichsreihen, was 
wohl der größeren technischen Erfahrung zugeschrieben werden darf. 

Fügen wir nun diesen neueren unsere früheren Resultate an, so 
umfaßt unser derzeitiges statistisches Gesamtmaterial insgesamt 
147 Doppelanalysen des Gesamteiweißes mit einer mittleren —--Ab- 
weichung von -:- 0,09 g-Proz. und 140 Doppelanalysen der Ganz- 
sättigungsfraktion mit einer mittleren -+ -Abweichung von + 0,08 g-Proz. 
und steht solcherweise sieben Parallelanalysen Petschacher- Berger- 
Schretters mit gleicher Methodik gegenüber, in denen ‚der Unterschied 
in einigen Fällen den mittleren Wert von — 0,12 g-Proz. übertraf“. 
Wir glauben daher. auf Grund dieses Vergleichs keine Ursache zu haben, 
unsere seinerzeitigen Angaben revidieren zu müssen. 

Wenn Petschacher, Berger und Schretter weiter angeben, daß im 
Rahmen ihres modifizierten Verfahrens nach Cullen-van Slyke infolge 
ungenügender Entfernung des Ammonsalzes oder gleichgeordneter 
Fehlermöglichkeiten Abweichungen zur Beobachtung kommen, die in 
neun Parallelanalysen einer mittleren Fehlabweichung von + 0,05 g-Proz. 
entsprachen. und im Rahmen der obengenannten Methodik in 17 Par- 
allelanalvsen des Gesamteiweißes eine — -Abweichung von + 0,04 g-Proz., 
in 13 Parallelanalysen der Ganzsättigungsfraktion eine solche von 
—- 0.03 g-Proz. verzeichnen, so dürfen sie berechtigterweise die Zu- 
verlässigkeit dieser Methodik hoch einsetzen, und wir geben gern zu, 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 255 


daß ihre Fehlabweichung absolut um die Hälfte kleiner ist als die 
von uns mit der vereinfachten Wägeanalyse an einem allerdings zehnmal 
größeren Material gefundene Divergenz. Dieser absolute Unterschied 
der Ziffern scheint uns jedoch methodisch völlig belanglos, da die 
von uns erreichte Genauigkeit bereits so hochgetrieben ist, daß die 
anzustrebende Genauigkeit überboten wird. 


Wird nun schließlich noch bedacht, daß die technische Handlich- 
keit der vereinfachten Wägeanalyse die der N-Bestimmung im Rahmen 
des modifizierten C'ullen-van Slykeschen Verfahrens weitaus übertrifft, 
welches Urteil sich bereits aus der Nebeneinanderstellung beider Ver- 
fahren ergibt und wohl nicht näher ausgeführt werden muß, so glauben 
wir berechtigterweise annehmen zu dürfen, daß unsere seinerzeitige 
Schlußfolgerung auch heute ebenso wie damals völlig zu Recht besteht; 
sie lautet dahin, daß die vereinfachte Wägeanalyse, da sie einerseits 
ein Maß der Zuverlässigkeit bietet, welches die erforderliche Zuver- 
lässigkeit übersteigt und die der N-Analyse in der Größenordnung 
erreicht, andererseits eine technische Expeditivität besitzt, welche die 
der gleich zuverlässigen Methoden übertrifft, derzeit für die biologisch- 
klinische Serienuntersuchung als Methode der Wahl empfohlen 
werden darf. 


UL Der Vergleich des Trennungsvermögens gleichgeordneter Salzkonzen- 
trationen des Ammonsulfats, Magnesiumsulfats und Natriumsulfats. 


Für die Bestimmung der dGerinnungsfraktion kommt diese 
Fragestellung nicht in Betracht, weil einerseits Spontangerinnung, 
Rekalzifikation oder Wärmefällung bei 56° ein besseres Kriterium 
darstellen als die Salzfraktionierung, und andererseits gleichgeordnete 
Fällungskonzentrationen, die der 28vol.-proz. Sättigung mit Ammon- 
sulfat entsprechen, für Magnesium- und Natriumsulfat unseres Wissens 
bisher nicht zur Prüfung und Feststellung kamen. Da weiter auch 
kein Bedürfnis nach einer derartigen Untersuchung und Entscheidung 
besteht. braucht sie vorerst keiner Erörterung und experimentellen 
Prüfung zugeführt werden. Für die Salzfraktionierung der Serum- 
eiweißkörper hingegen wird der Ammonsulfathalbsättigung die Ma- 
gnesiumsulfatganzsättigung [Hammarsten!)], seit Pinkus?) und Porges- 
Spiro?) auch die Natriumsulfathalbsättigung bei 34° ganz allgemein 
als gleichwertig gegenübergestellt; die letztere wurde neuerdings von 
Howe?) wieder geprüft und in ihrer Brauchbarkeit bestätigt. 


1) Hammarsten, Pflügers Arch. 1878. 

2) Pinkus, Journ. of Phys. 27, 1901. 

5) Porges und Spiro, Hofmeisters Beitr. 3, 1903. 
4) Howe, Journ. of biol. Chem. 49, 1921. 


256 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Da aber von allen diesen Untersuchern die Prüfung der Fällungs- 
wirkung gleichwertiger Konzentrationen dieser: verschiedenen Salze 
an einem Untersuchungsmaterial menschlicher Herkunft niemals 
durchgeführt wurde, die erwähnte Korrelation vielmehr bestenfalls 
aus dem Vergleich einiger Analysen normaler Tierseren abgeleitet!). 
in der Folgezeit ohne weitere Nachprüfung übernommen und in all- 
gemeinster Fassung auch auf das gar nicht untersuchte Verhalten 
pathologischer Menschenseren übertragen worden war, sahen wir uns 
seinerzeit gezwungen, diesen Vergleich erstmalig durchzuführen. Wir 
haben dabei gefunden: 


l. bei Prüfung des Magnesiumsulfatganzsättigungseffektes (bei Ziinmer- 
temperatur) in zwölf Parallelanalysen pathologischer Menschenseren ..in 
keinem Falle genügende Übereinstimmung, dagegen Differenzen bis 
50 Proz., in Anbetracht welcher Resultate auf die weitere Fortführung der 
Reihe verzichtet wurde‘; 


2. bei Prüfung des Natriumsulfathalbsättigungseffekts (37°), „daß 
die Fällung ungleichmäßig abläuft. in großer Abhängigkeit von Temperatur 
und Zeitdauer der Salzeinwirkung zu stehen scheint und fast ausnahmslos 
um vieles geringere Eiweißmengen zur Abscheidung bringt‘. 


Aus diesem Ergebni. haben wir den Schluß gezogen, daß .‚der 
gleiche Fällungseffekt von Ammonsulfathalb-, Magnesiumsulfatganz- 
und Natriumsulfathalbsättigung über 34° zum mindesten für patho- 
logische Menschenseren keine allgemeine Geltung besitzt und somit 
ein Ersatz der Ammonsulfatfällung durch die beiden anderen Salze 
nicht statthaft erscheint“. 


Gegen diese Auffassung wurde, soweit sie sich auf die Magnesium- 
sulfatwirkung bezieht, bisher unseres Wissens nichts vorgebracht; 
trotzdem haben wir inzwischen zur eigenen Sicherung denselben Ver- 
gleich nochmals an 12 menschlichen Seren durchgeführt, die wie in 
unserer ersten Untersuchungsreihe von pathologischen Zuständen 
stammten, bei denen deutliche, wenn auch nicht extreme Veränderungen 
der zirkulierenden Eiweißkörper des Blutes bestanden. 


Die Methodik wurde in der Weise gehandhabt, daß immer je 1 cem 
Serum zuerst mit 2 ccm Wasser, hernach mit 3 cem einerseits einer gesättigten 
Ammonsulfat-, andererseits einer gesättigten Magnesiumsulfatlösung ver- 


!) Die Gleichwertigkeit der Ammonsulfathalb- mit der Magnesiunı- 
sulfatganz- und Natriunsulfathalbsättigung (bei 34%) wurde ursprünglich 
überhaupt nur aus dem gleichen kompletten Aussalzungseffekte in isolierten 
Globulinlösungen abgeleitet, während unmittelbare quantitative Vergleichs- 
bestimmungen im Serum selbst unseres Wissens überhaupt nur von Howe 
durchgeführt wurden; seine Analvsen beziehen sich auf den Vergleich aller 
drei Salze in je einem normalen Rind-. Schaf- und Pferdeserum; die rnit- 
geteilten Resultate weichen jedoch bis zu 25 Proz. voneinander ab, und zwar 
hinsichtlich des Fffekts aller drei Nalze. 


Eiweißkörpergruppen «des menschlichen Blutplasmas. 257 


setzt wurde, worauf in letzterer Mischung feinstgepulvertes Salz so lange 
gelöst wurde, bis ein ungelöster Bodensatz des Salzes resultierte.e Nach 
mindestens 12 Stunden bei Zimmertemperatur erfolgte die Filterung durch 
härteste Schleicher-Schüll- (Blauband-) Filter mit immer wasserklarenı 
Filtrate, welches schließlich in abgemessener Menge nach Zusatz. gleicher 
Teile m/25 Essigsäure im Wasserbad koaguliert und im Rahmen unserer 
Wijgeanalyse zur Eiweißbestimmung gebracht wurde. 


Es ergaben sich folgende Werte: 


Ammonsulfathalbsättigung in Grammprozenten: 
4.93 5,09 3,63 4,17 4,77 4,33 4,39 4,75 4,50 4,57 4,52 4,63 


Magnesiumsulfatganzsättigung in Grammprozenten: 
6,17 6,91 4,86 5,15 5.80 4,88 4,88 5,18 4,81 4,58 4,43 4,40 


Differenz in Grammprozenten: 
2.24 1,82 1,23 0,98 1,03 0,55 0,49 0,43 0,31 0,01 0,09 0,23 


Differenz in Prozenten: 
45.4 35,7 33,9 23,5 21.6 12,7 11,2 9,0 6,9 0,2 1,9 4,9 


Wir fanden also in 12 pathologischen Fällen, deren Ammonsulfat- 
ganzsättigungsfraktionen zwischen den absoluten Werten 5,09 und 
3,63 g-Proz. lagen, beim Vergleich der Ammonsulfathalb- und Magne- 
siumsulfatganzsättigung absolute Differenzen bis 2,24 g-Proz. um 
einen Mittelwert von 0,75 g-Proz., relative Differenzen in Prozenten der 
Ammonsulfatganzsättigungsfraktion bis 45,4 Proz., und zwar in der 
Weise, daß einerseits neben großen Differenzen auch gute Überein- 
stimmung zutage trat, andererseits die Differenzen fast ausschließlich 
ein Vorzeichen im Sinne eines geringeren Fällungsvermögens der 
Magnesiumsulfatganzsättigung trugen. Dieses Ergebnis steht also in 
völligem Einklang mit unseren seinerzeitigen Befunden und erlaubt, 
abgesehen von seiner Bedeutung für die Methodik, den erneuten Hin- 
weis auf unsere eingangs vertretene Anschauung, daß zum mindesten 
unter pathologischen Verhältnissen Übergangsfraktionen zwischen den 
Hauptfraktionen bestehen, die in ihrer Zugehörigkeit unter verschiedenen 
Bedingungen wechseln können. 


Hinsichtlich der Wirkung der Ammonsulfat- und Natriumsulfat- 
halbsättigung wurde bisher von Arndt und Hafner (l. ce.) zu unserer Mitteilung 
Stellung genommen und die Frage mit Hilfe des Refraktometers im Rahmen 
der Robertsonschen Methodik ebenfalls geprüft. Die Autoren gingen von 
der berechtigten Annahme aus, daß „die Brechungsquotienten der Filtrate 
nach Abzug der Restrefraktion und der Verdünnungsflüssigkeiten bei 
Verwendung des gleichen Serums identisch sein müssen‘ und teilten nur 
ein Versuchsresultat an einem Kalbsserum init, in welchem diese Forderung 
erfüllt wurde, „doch ergaben die Messungen an anderen Tierseren prinzipiell 
dasselbe Resultat“: Arndt und Hafner ziehen daraus die Schlußfolgerung, 
„daß die Natriumsulfataussalzung der Globuline die Ammonsulfatfällung 
miantatitativ zu ersetzen vermag’. 


258 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Wir können jedoch diese Schlußfolgerung in dieser allgemeinen Fassung 
nicht annehmen, da wieder nur normale Tierseren untersucht wurden 
und uns überdies das beigebrachte zahlenmäßige Material nur eines Ver- 
suchsergebnisses nicht genügend beweiskräftig erscheint. Uns scheint 
vielmehr das mitgeteilte Ergebnis einstweilen nur den Schluß zuzulassen. 
daß in normalen Tierseren, zum mindesten in Einzelfällen Übereinstimmung 
zwischen «den beiden Aussalzungsarten bestehen kann, eine Auffassung, die 
wir niemals bestritten haben. Wir haben uns inzwischen selbst vielfach 
wieder mit der Natriumsulfataussalzung aus theoretischen Gründen befaßt, 
müssen aber bekennen, daß dadurch unsere Anschauung von der technischen 
Schwierigkeit und Unzuverlässigkeit dieses Verfahrens nur bestärkt 
wurde; wir sind heute noch nicht einmal soweit, daß wir uns mit Bestimmt- 
heit über die standardisierte Herstellung einer gesättigten Lösung, die 
untereinander sicher reproduzierbare Aussalzungsresultate gibt, äußern 
könnten, da die Lösung des Salzes bzw. seine Sättigung nicht nur in ganz 
außerordentlichem Maße von geringen Temperaturschwankungen abhängig 
ist, sondern auch zum Auflösungsverfahren in Beziehung steht: es ist 
beispielsweise nicht gleichgültig, ob man zuerst bei höheren Temperaturen 
sättigt und nachher bei 37° auskristallisieren läßt, oder ob man nach und 
nach von niederer Temperatur zu 37° aufsteigt und dabei sukzessiv sättigt. 
Auf diese Schwierigkeit der Herstellung der standardisierten Salzlösung, von 
der wir seinerzeit noch gar nichts wußten, wurden wir erst in der letzten 
Zeit aufmerksam. Wir verzichten daher vorerst auf eine zahlenmäßige 
Wiedergabe unserer bisherigen Versuchsprotokolle und fassen nursummarisch 
zusammen, daß wir auch jetzt ebenso wie in unseren früheren Versuchen 
keine auch nur annähernde Übereinstimmung mit der Ammonsulfatfällung 
erzielen konnten, und zwar ausnahmslos im Sinne eines geringeren Fällungs- 
vermögens (des Natriumsulfats. 

Wir möchten dabei ausdrücklich betonen, daß wir uns wie immer 
reinster Salze (Merck pro analysi) bedienten und die Natriumsulfatfällung 
in der Weise vornahmen, daß 1 cem Serum zuerst mit 2 cem Wasser versetzt. 
hernach auf 37° vorgewärmt, mit gleich warmer, bei dieser Temperatur 
gesättigter Natriumsulfatlösung vermischt und nach einiger Zeit unter 
Paraffin filtriert wurde (alles bei 37°). 

Als Ursache dieses Ergebnisses möchten wir einstweilen vor allem die 
wahrscheinliche Ungleichmäßigkeit der gesättigten Natriumsulfatlösung 
anschuldigen, obwohl es uns sehr wahrscheinlich erscheint, daß auch ein 
anderer Fällungseffekt als bei der Ammonsulfatfällung in Betracht gezogen 
werden muß. Jedenfalls geht in methodischer Hinsicht aber schon aus 
diesen Beobachtungen hervor, daß eine Aussalzungsart, deren exakte 
Reproduktion auf solche Schwierigkeiten stößt, die Grundlage eines zu- 
verlässig und einfach zu handhabenden quantitativen Verfahrens nicht 
abgeben kann. 


Wir möchten jedoch noch bemerken, daß wir im Begriff sind. 
die ganze Frage der Aussalzungsverfahren und ihrer Gleichwertigkeit 
an einem größeren normalen und pathologischen Material menschlicher 
Herkunft mit einer uns hierfür besonders geeignet erscheinenden 
Methode, der Nephelometrie, neuerdings zu prüfen. Die Notwendigkeit 
hierfür scheint uns in der großen Bedeutung gegeben, die einer end- 
gültigen Entscheidung in solcher Hinsicht für die ganze physikalische 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 259 


Chemie der Eiweißkörper und ihre biologisch-klinische Auswertung 
zugesprochen werden muß. 

Einstweilen aber dürfen wir daran festhalten, daß eine grund- 
sätzliche Übereinstimmung der Magnesiumsulfatganz- und Natrium- 
sulfathalbsättigung mit der Ammonsulfathalbsättigung nicht nur nicht 
regelmäßig beobachtet wird, sondern zum mindesten bei pathologischem 
Substrat menschlicher Herkunft anscheinend nur in wenigen Fällen 
zur Feststellung gelangt. 


IV. Die spezifische Refraktion der Eiweißkörpergruppen des Blutplasınas 
und die Eignung der refraktoınetrischen Methoden für ihre Maßanalyse. 


Wir haben seinerzeit mit Hilfe der Wägeanalyse und refraktometrischen 
Differenzbestimmung in 15 nativen Blutplasmen zum ersten Male die 
spezifische Refraktion der Gerinnungsfraktion, des sogenannten Fibrinogens 
untersucht und sie zwischen np = 0,00209 bis 0,00131 um einen Mittelwert. 
vonnp = 00169 bestimmt. Diese Untersuchungen bereiten einige Schwierig- 
keiten, da die refraktometrische Prüfung nativen Blutplasmas ziemliche 
technische Anforderungen stellt; dies ist vielleicht auch der Grund, warum 
unsere Ergebnisse bisher nicht nachgeprüft wurden und solcherweise weder 
Bestätigung noch Widerspruch erfahren haben. Damit entfiele zwar für 
uns derzeit die Nötigung, selbst über eine Fortsetzung bzw. Erweiterung 
unserer damaligen Untersuchungen zu berichten, da wir aber inzwischen 
aus anderen Gründen diese Bestimmung mehrfach wiederholt haben, 
möchten wir ihr Ergebnis kurz anführen. 


Unsere neue Untersuchungsreihe bezieht sich auf acht menschliche 
pathologische Blutplasmen; die Methodik wurde in nativem, d. h. von 
jedem gerinnungsverhindernden Zusatz freiem Substrat in gleicher 
Weise wie seinerzeit durchgeführt (ci Das Ergebnis ist in folgender 
Tabelle zusammengestellt: 


der Dese Du ee Spezifische Refraktion 
np = 0,000 .. g-Proz. Denon 
45 0,23 | 180 
33 0.20 | 165 
48 0,33 | 144 
50 | 0,39 | 128 
57 0,46 | 124 
74 | 0,60 | 123 
30 | 0.27 | 111 
74 | 0,67 | 110 


Die Betrachtung der Tabelle lehrt, daß unser seinerzeitiges Er- 
gebnis diesem neu erhobenen völlig gleicht, die große Schwankungs- 
breite der spezifischen Refraktion der Gerinnungsfraktion also als 
völlig gesichert gelten darf. 


260 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Diese großen Schwankungen der spezifischen Refraktion der Gerinnungs- 
fraktion, die wir seinerzeit selbst nicht erwartet hatten, bildeten für uns 
damals den Anlaß, auch die spezifische Refraktion der Serumeiweißkörper- 
gruppen, die bis dahin auf Grund unzureichender Prüfung als konstant 
angesehen wurde, neuerdings an einem genügend großen Material mensch- 
licher Herkunft und unter besonderer Berücksichtigung pathologischer 
Zustände, neuerdings zu bestimmen. Auf die bis dahin vorliegenden Unter- 
suchungen in solcher Richtung von Reiss, Schorer, Rohrer, Robertson, 
Neuhausen und Rioch brauchen wir hier nicht mehr einzugehen, da ihre 
eingehende Erörterung bereits in unserer früheren Mitteilung gegeben wurde 
und wir unseren damaligen Ausführungen nichts hinzuzufügen haben. Wir 
möchten nur zusammenfassen, daß wir in den Vordergrund unserer Kritik 
einerseits die geringe Zahl der untersuchten Seren, andererseits die meist 
tierische Herkunft derselben stellten. Wir selbst bestimmten mit Hilfe 
unserer gravimetrischen Methode die spezifische Refraktion ausnahmslos 
in menschlichen Substraten und bevorzugten dabei die Herkunft von 
pathologischen Zuständen, bei denen möglichst große Abweichungen der 
physikalisch-chemischen Struktur der zirkulierenden Eiweißkörper erwartet 
werden konnten. Es wurde bestimmt die spezifische Refraktion: 


l. des Gesamtserumeiweißes in 69 Seren; 

2. der Ammonsulfathalbsättigungsfraktion in 20 Seren im Lösungs- 
gemisch, in 7 Seren in isolierter Fraktion; 

3. der Ammonsulfatganzsättigungsfraktion in 23 Seren im Lösungs- 
gemisch, in 6 Seren in isolierter Fraktion. 

Es wurde gefunden eine spezifische Refraktion: 

l. des Gesamtserumeiweißes von np = 0,00177 bis 0,00258 um einen 
Mittelwert von np = 0,00196; 


2. der Ammonsulfathalbsättigungsfraktion im Lösungsgemisch von 
np = 0,00126 bis 0,00493 um einen Mittelwert von np = 0,00254. in 
isolierter Fraktion von np = 0,00214 bis 0,00312 um einen Mittelwert 
von np = 0,00265; 

3. der Ammonsulfatganzsättigungsfraktion im Lösungsgemisch von 
np = 0,00108 bis 0,00291 um einen Mittelwert von np = 0,00187, in 
solierter Fraktion von np = 0,00137 bis 0,00204 um einen Mittelwert 
von np = 0,00166. 

Die mittlere Fehlabweichung der Bestimmung betrug für das Gesamt- 
serumeiweißes + 0,00005, für die Ammonsulfathalbsättigungsfraktion 
+ 0,000 10 bei Bestimmung im Lösungsgemisch, + 0,00005 bei Bestimmung 
in ısoherter Fraktion, für die OAR EA EREE + 0.00006 
bzw. 0,00005. 


Aus diesem Ergebnis wurde gefolgert: 


l. daß jede einzelne Eiweißkörpergruppe zum mindesten unter 
pathologischen Bedingungen eingreifenden konstitutiv-chemischen Ver- 
änderungen unterliegen muß: 

2. daß die refraktometrische Eiweißbestimmung als maßanalytische 
Methode nicht mehr gelten könne, da ihre Grundlage, die Einheitlichkeit. 
und Konstanz der spezifischen Refraktion, keine allgemeine Geltung 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 261 


besitzt. Die letztere Schlußfolgerung wurde schließlich durch das 
Ergebnis ausgedehnter Vergleichsbestimmungen mit Hilfe der Wäge- 
und Refraktometeranalyse nach Robertson (Berger- Petschacher) in jeder 
Hinsicht bestätigt und daher diese Methode sowie das Verfahren von 
Reiss und Rohrer abgelehnt. 


Zu diesen Ergebnissen, die um des späteren Verständnisses willen 
kurz zusammengefaßt werden mußten, wurde nun inzwischen einerseits 
von Arndt und Hafner (ei, andererseits von Peischacher- Berger und 
Schreiter (l. c.) sowie von Schretter!) Stellung genommen. 


Arndt.und Hafner sagten: „W. Starlinger und K. Hartl geben Zahlen 
für die spezifische Gesamteiweißrefraktion, die, wenn sie zutreffen, nicht 
nur für die Methodik, sondern auch für Physiologie und Pathologie von 
hoher Bedeutung sind.‘ Die Bestimmung der spezifischen Refraktion des 
Gesamtserumeiweißes, welche die Autoren zur Nachprüfung durchführten, 
ergab in 21 menschlichen Seren im Lösungsgemisch np = 0,00181 bis 
0,00238, „somit eine Variationsbreite von 0,00057 oder rund ein Viertel 
des Mittelwertes‘“. Stellt man nun diese Zahlen unseren Zahlen gegenüber, 
die zwischen nn = 0,00177 bis 00258 lagen und somit eine Variationsbreite 
von 0,0079 oder rund zwei Fünftel des Mittelwertes aufwiesen, bedenkt 
man ferner, daß sich unsere Befunde auf ein dreimal größeres und ausgesucht 
pathologisches Untersuchungsmaterial beziehen, mithin also bereits nach 
dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit eine größere Ausschlagsschwankung 
erwarten lassen, so muß man sich fragen, warum Arndt und Hafner in ihrem 
Ergebnis nicht nur keine Bestätigung unserer Befunde erblicken, sondern 
nach einer Erörterung über die „Variabilität als ganz allgemeine Eigenschaft 
der organisierten Welt‘ und über die „Streuung des Corneadurchmessers‘‘, 
die noch fünfmal größer als die der spezifischen Refraktion des Gesamt- 
serumeiweißes sei, als „praktisches‘ Ergebnis feststellen: „daß die refrakto- 
metrische Eiweißbestimmungsmethode, wo keine größere Genauigkeit 
als 0,3 bis 0,5 g-Proz. verlangt wird, in den meisten Fällen weitaus genügend 
genaue Resultate liefert‘‘; welches „Ergebnis die Ergebnisse von Berger 
und Petschacher bestätigt‘. Wir müssen gestehen, daß wir dieser Schluß- 
führung nicht folgen können, sondern in den Befunden der beiden Autoren 
entsprechend der obigen Gegenüberstellung ein grundsätzlich gleiches 
Ergebnis, wie es unsere eigenen Untersuchungen erbrachten, erblicken, 
und dieses im Sinne des neuerlichen Nachweises einer großen Schwankungs- 
breite der spezifischen Refraktion des Gesamtserumeiweißes deuten müssen. 
Schließlich müssen wir feststellen, daß auch die Bewertung der „praktischen“ 
Brauchbarkeit mit den eigenen Angaben der Autoren nicht in Einklang 
gebracht werden kann, da sich wesentlich größere Abweichungen der be- 
rechneten Eiweißmengen ergeben, wenn man die Grenzwerte der gefundenen 
spezifischen Refraktionen zugrunde legt. 


Beispiel. Die gefundene Gesamtserumeiweißrefraktion betrage 
np = 0,01500, woraus sich bei Verwendung der Arndt-Hafnerschen Grenz- 
werte der spezifischen Refraktion FEiweißwerte von 8,29 und 6,30 e Proz. 
bei Verwendung unserer Grenzwerte 8,47 und 5,81 g-Proz., als Differenzen 
mithin im ersten Falle 1,99, im zweiten Falle 2,66 g-Proz. ergeben, oder 


1) Schretter, diese Zeitschr. 177, 335, 1926. 
Biocbemische Zeitschrift Band 183. 18 


262 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


in Prozenten der beiden Mittelwerte =: 7,29 bzw. 7,14 g-Proz. ausgedrückt, 
rund 27 bzw. 37 Proz. betragen. 

Was weiter die spezifische Refraktion der beiden Haupteiweißgruppen 
allein anlangt, sagen Arndt und Hafner: ‚Starlinger und Hartl haben wohl 
zum ersten Male bei ihren methodischen Untersuchungen mit vollem Nach- 
druck auf die Inkonstanz der Brechungsanteile (pro Gramm) der Albumine 
und Globuline hingewiesen. Und in der Tat scheint dies, soweit uns bis jetzt 
unser Untersuchungsmaterial ein Urteil hierüber gestattet, der Fall zu 
sein.‘ Arndt und Hajner fanden mit ihrer Methodik (Natriumsulfat- 
fraktionierung und Stickstoffbestimmung) im Lösungsgemisch als „besonders 
extreme Werte‘ für menschliches Albumin np = 0,00148 bis 0,00212, für 
Globulin np = 0,00194 bis 0,00307; bei Tieren ergaben sich noch größere 
Unterschiede, z. B. beim Rind (die angegebenen Werte sind hier wohl 
infolge eines Druckfehlers vertauscht ?) für Albumin np = 0,00118 (an- 
gegeben 0,00287), für Globulin np = 0,00287 (angegeben 0,00118). Die 
Anzahl der Untersuchungen und Mittelwerte sind leider nicht näher an- 
geführt. Es kann also gesagt werden, daß auch hier ein grundsätzlich 
gleiches Ergebnis wie von uns verzeichnet wurde. 


Nach dieser Erörterung der Mitteilung Arndt und Hafners kommen wir 
zur Besprechung der Angaben Peischacher, Berger und Schretters. welche 
Autoren 31 menschliche pathologische Seren und sieben normale Kaninchen- 
seren vergleichend untersuchten und sich dabei der Ammonsulfat- 
fraktionierung und ihrer modifizierten Methode von Cullen-van Slyke be- 
dienten. Dabei ergaben sich Werte der spezifischen Refraktion der Ammon- 
sulfatganzsättigungsgruppe von np = 0,001 74 bis 0,00220 um einen Mittel- 
wert von np = 0,00192 beim Menschen, von np = 0,00171 bis 0,001 98 
um einen Mittelwert von np = 0,00179 beim Kaninchen, der Ammonsulfat- 
halbsättigungsgruppe von np = 0,00171 bis 0,00245 um einen Mittelwert 
von np = 0,00205 beim Menschen, von np = 0,001 84 bis 0,00226 um einen 
Mittelwert von np = 0,00209 beim Kaninchen. Weiter bestimmten sie 
bei 15 pathologischen Menschen mit dem zweiten Hilfsprisma die Refraktion 
unmittelbar in jenem Eiweiß-Ammonsulfatgemisch, welches für die 
Kjeldahlbestimmung verwendet wurde, und fanden eine spezifische Re- 
fraktion des Albumins mit np = 0,00168 bis 0,00246 um einen Mittelwert 
von np = 0,00207 und gegensätzlich in 16 pathologischen Fällen, in denen 
der Eiweißgehalt aus der überstehenden Flüssigkeit, welche bei der Robertson- 
methode zur Ermittlung der Albuminrefraktion Verwendung fand, ermittelt 
wurde, eine solche von np = 0,00176 bis 0,00234 um einen Mittelwert 
von np = 0,00176. Das Ergebnis wurde von den Autoren so zusammen- 
gefaßt, „daß sich tatsächlich kein einheitliches Verhalten des spezifischen 
Brechungszuwachses für Albumin und Globulin ergibt‘, weiter aber ent- 
gegen den oben mitgeteilten klaren experimentellen Befunden, welche wir 
als grundsätzliche Bestätigung unseres Ergebnisses auffassen dürfen, ge- 
folgert, „daß sich aus den bisherigen Untersuchungen nicht der Nachweis 
erbringen läßt, ob der spezifische Brechungszuwachs tatsächlich so große 
Schwankungen aufweist, oder ob dieses Verhalten nur vorgetäuscht wird‘, 
und zwar infolge verschiedener technischer Schwierigkeiten und Bedenken, 
die im Original nachgelesen werden müssen. 

Der Vergleich der von den Autoren mitgeteilten Versuchsanalysen 
ergab nun im Gegensatz zu unseren früheren Befunden, die entsprechend 
den großen Schwankungen der spezifischen Refraktion auch große Ab- 
weichungen zwischen Gravimetrie und Robertsonmethode ergeben hatten. 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 263 


zwischen Kjeldahlwerten und Robertson trotz der eben wiedergegebenen, mit 
der gleichen Methode gefundenen großen Streuung der spezifischen Re- 
fraktion eine viel kleinere Abweichung. Zusammenfassend beziehen sich 
die Autoren selbst auf diese ‚interessante Tatsache‘, „wieso trotz der auch 
in ihren Untersuchungen ziemlich weitgehenden Schwankungen des be- 
rechneten spezifischen Brechungszuwachses die Robertsonsche Methode 
verhältnismäßig gute Resultate ergibt“. Wir können demgegenüber nicht 
auf die Bemerkung verzichten, daß es uns unverständlich scheint, wie eine 
quantitative Methode, deren Grundlage in der Konstanz eines Umrechnungs- 
faktors (der spezifischen Refraktion) gegeben ist, nach Angabe der Autoren 
praktische Resultate mit einer Schwankung von 10 Proz. vermitteln soll, 
wenn der als konstant angesetzte Umrechnungsfaktor zwischen Zahlen 
schwankt, die nach Angabe derselben Autoren bis zu 25 Proz., nach Angaben 
von Arndt und Hafner bis zu 30 Proz., nach unseren seinerzeitigen Angaben 
in noch größerem Ausmaße differieren können. Zur experimentellen Be- 
urteillung der Leistungsfähigkeit der Robertsonmethode möchten wir 
schließlich noch auf eine jüngst erschienene sorgfältige Arbeit von Schoch!) 
aus der Klinik Naegeli verweisen, derzufolge sich zwischen der Stickstoff- 
bestimmung und Robertsonbestimmung des Gesamteiweißwertes (Stick- 
stoffbestimmungen der Fraktionen wurden leider nicht durchgeführt) 
Differenzen bis 2,82 g-Proz. beobachten ließen, welche Größenordnung der 
maximalen Abweichung auch von uns bei Verwendung der Wägeanalyse 
seinerzeit gefunden wurde. 


Schretter schließlich führte die Untersuchungen Petschacher, Berger 
und Schretters unter Berücksichtigung der spezifischen Refraktion sowohl 
des Gesamteiweißes als auch der der beiden Einzelfraktionen weiter, als 
„Beitrag zu der durch die Arbeiten von Starlinger und Hartl neuerdings 
zur Diskussion gestellten und bisher gewiß noch nicht genügend unter- 
suchten Frage nach der Variabilität des spezifischen Brechungszuwachses 
der Eiweißkörper des Blutserums unter pathologischen Bedingungen“. 
Die spezifische Refraktion des Gesamteiweißgehalts wurde mit der von 
Arndt und Hafner in Anwendung gebrachten Methodik an neun patho- 
logischen Menschenseren bestimmt, bei denen eine „stärkere Vermeh- 
rung oder Verminderung des Gesamteiweißspiegels oder Hyperglobulin- 
ämie nicht nachweisbar war‘‘. Es ergaben sich Werte zwischen np = 0,001 96 
bis 0,00211 um einen Mittelwert von np = 0,00202. Überdies wurden aus 
der vorausgehenden Arbeit von Petschacher, Berger und Schretter die dort 
nicht zusammengestellten spezifischen Refraktion des Gesamteiweißes von 
32 pathologischen Menschen übernommen und mit np = 0,00183 bis 
0,00215 um einen Mittelwert von nn = 0,00197 angegeben, desgleichen 
aus einer früheren Arbeit Berger und Galehrs, bei der aus anderen Gründen 
neben der refraktometrischen auch die Kjeldahlanalyse ausgeführt worden 
war, die entsprechenden Werte aus einer Reihe von 47 pathologischen 
Menschenseren berechnet und mit np = 0,00179 bis 0,00228 um einen 
Mittelwert von np = 0,00201 beziffert. Schließlich wurde auch noch auf 
frühere Untersuchungen an normalen und pathologischen Kaninchen 
zurückgegriffen und bei ersteren (7 Fälle) eine Schwankungsbreite 
von np = 0,00184 bis 0,00201, bei «den letzteren (23 Fälle von Berger 
und Galehr) eine solche von np = 0,00176 bis 0.00216 nachträglich be- 
rechnet. 


1) A. Schoch, Schweiz. med. Wochenschr. 42, 1926. 


264 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


In Fortsetzung dieser Untersuchungen an den gleichen neun Seren 
wurde die spezifische Refraktion der Halb- und Ganzsättigungsfraktion 
bestimint, und zwar einerseits in isolierter Fraktion mit np = 0,001 72 bis 
0,002 12 für Albumin, mit np = 0,001 88 bis 0,00234 für Globulin?!) anderer- 
seits im Lösungsgemisch mit np = 0,00156 bis 0,00229 für Albumin, mit 
np = 0,00174 bis 0,00360 für Globulin?). Aus diesen Befunden wird nun 
nach Erörterung aller nur möglichen technischen Fehlerquellen, welche die 
gefundenen Schwankungen irgendwie verkleinern könnten?), gefolgert, 
daß „trotzdem Schwankungen übrigbleiben, die man als reelle Unterschiede 
bezeichnen‘‘ könne. Statt aber nun in Anbetracht dieser trotz des kleinen 
und nicht extrem pathologischen Materials gefundenen großen Differenzen, 
die unsere Befunde grundsätzlich bestätigen, dieses rückhaltslos zuzugeben, 
wird in der weiteren Erörterung immer wieder auf die große technische 
Fehlermöglichkeit hingewiesen, die vielleicht doch die ganze Schwankungs- 
breite erklären könnte, trotzdem kurz vorher diese Möglichkeit unbedingt. 
vom Autor selbst zahlenmäßig ausgeschlossen werden konnte. Und schließ- 
lich wird auf Grund der Näherung der Mittelwerte, die von allen Autoren, 
auch von uns gefunden worden war, für die vorliegende Fragestellung aber 
verständlicherweise gar nichts besagt, das Ergebnis in der Weise resümiert, 
daß die erhobenen Befunde ‚‚in methodischer Hinsicht gegenüber Starlinger 
und Hartl die Grundlagen der Robertsonschen Methode und die Angaben 
von Berger und Petschacher, Arndt und Hafner, Petschacher, Berger und 
Schretter über die Brauchbarkeit dieser Methode bestätigen‘. Einer solchen 
Schlußführung können wir nichts erwidern. 


Zusammenfassend glauben wir also auf Grund dieser Gegenüber- 
stellung der von uns und den nachprüfenden Autoren gefundenen 


1) Die in „eingeengten‘“ und ‚nicht eingeengten‘‘ Lösungen erhaltenen 
Resultate wurden von uns zusammengezogen und die Extremwerte einander 
gegenübergestellt. 

2) Wobei die eben angeführten Extremwerte mit aufgenommen wurden, 
von denen der Autor sagt, „es dürften wohl Fehlbestimmungen vorliegen“, 
mit der Begründung, diese Werte wären ‚„abnorm hoch bzw. abnorm 
niedrig“, dabei aber ausdrücklich angibt, „über den Mechanismus dieser 
Fehlbestimmungen vorderhand nichts Bestimmtes aussagen zu können“. 
Die Tatsache allein, daß diese Werte aus der Reihe der anderen Bestimmungen, 
deren Zahl ja nur sieben betrug, „herausfallen‘‘, scheint uns aber nicht 
genügend zu begründen, regelrecht erhobene Befunde zu vernachlässigen, 
denn unter solchen Bedingungen hätten wir in unserer seinerzeitigen Unter- 
suchungsreihe einige unserer Werte, die uns ebenfalls recht hoch erschienen, 
und die von den hier angeführten Autoren mit (!) bezeichnet werden, 
ebenfalls als Fehlbestimmung auffassen dürfen. Wir haben daher auch 
die hohen Werte Schretters angeführt. 

3) Dazu möchten wir nebenbei bemerken, daß, wenn die technischen 
Fehlerquellen in der Tat ein solches Ausmaß erlangen, daß sie Schwankungs- 
breiten der spezifischen Refraktion obenerwähnter Größenordnung be- 
dingen, was wir allerdings unbedingt ablehnen müssen, in diesem Falle alle 
refraktometrischen Verfahren verständlicherweise von vornherein gerichtet 
wären. Denn die gleichen Fehlerquellen kommen verständlicherweise 
auch für das einfache Maßverfahren auf refraktometrischer Grundlage in 
Betracht. 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasınas. 265 


Resultate sagen zu dürfen, daß unsere Angaben, soweit sie sich auf 
die experimentellen Daten beziehen, grundsätzliche Bestätigung er- 
fahren haben. Mit den von manchen Autoren aus diesen experimentellen 
Befunden gezogenen Schlüssen aber können wir uns nicht auseinander- 
setzen, da sie diesen Befunden nach den allgemeinen Gesetzen der 
Schlußführung nicht entsprechen. 

Trotzdem wir also an sich keine Veranlassung hätten, unsere 
seinerzeitigen Untersuchungen selbst nochmals zu wiederholen, haben 
wir uns dazu doch entschlossen, und zwar aus folgendem Grunde: 
es ist uns bei Betrachtung aller bisherigen Ergebnisse aufgefallen, 
daß die größten Schwankungen von den Autoren beobachtet wurden, 
die mit Substraten arbeiteten, welche von möglichst schweren patho- 
logischen Zuständen stammten. Wir haben uns daher die Frage vor- 
gelegt, ob wir nicht vielleicht selbst bei einem ausgesuchten gegen- 
teiligen Material eine wesentlich geringere Schwankungsbreite fest- 
stellen würden, und haben in solchem Sinne die nachfolgenden Unter- 
suchungen an 39 menschlichen Seren durchgeführt, die von Zuständen 
stammten, bei denen schwerere Veränderungen der zirkulierenden 
Eiweißkörper nicht angenommen werden konnten. 

Die Bestimmung erfolgte im Lösungsgemisch im Rahmen der 
seinerzeit eingehaltenen Methodik!), jedoch fast ausschließlich in 
Doppelbestimmungen in dem Sinne, daß nicht nur die Refraktion 
der verdünnten Ammonsulfatlösung und des verdünnten Serum- 
Ammonsulfatgemisches zweimal bestimmt, sondern das ganze Lösungs- 
gemisch jeweils doppelt angesetzt wurde. Auf die Doppelbestimmung 
des Vollserums und der Restrefraktion haben wir verzichtet, weil bei 
ihr Abweichungen außerordentlich gering sind, jedenfalls das End- 
resultat nicht merkbar beeinflussen können, wie wir schon seinerzeit 
experimentell nachweisen konnten. 

Die Differenzen der viertelgesättigten Ammonsulfatverdünnungen 
betrugen in 20 Fällen (nur 20, weil wir an jedem Tage zwei Seren 
gleichzeitig untersuchten und dadurch eine Doppelbestimmung er- 
sparten) viermal 0.0, neunmal 0,1, sechsmal 0,2, einmal 2,2 Skalenteile. 

Die Differenzen der verdünnten zentrifugierten Ammonsulfat- 
Serummischungen betrugen bei absoluten Grenzwerten zwischen 
71,9 und 78.5 Skalenteilen in 38 Fällen: 0,0, zwanzigmal 0,1, elfmal 
0,2, fünfmal 0,3, einmal 0,5 Skalenteile. 

Ebenso wurden auch alle gravimetrischen Eiweißbestimmungen in 
Doppelavalysen mit dem Ergebnis der von uns vertretenen Fehler- 
größe ausgeführt. 

Das Resultat ist in folgender Tabelle zusammengestellt. 


!) Diese Zeitschr. 160, 130, 1925. 


266 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Spezifische Refraktion 


Refraktion | | 


ee ie A.H.F. | A.G. Fr, | Gesamt- | A HF AGE 


Gesamt; | 
| eiweiß eiweiß 


Nr. || eiweiß | A. H.F. | 


g-Proz. 


510 182 192 179 


5,08 


0910 | 
0910 | 7,08 


21 | 1559 0283 | 1976 | 763 
0809 | 1250 | 7,70 

22 | 1610 | 0872 | 1238 | 8,48 
0404 ` 1206 | 8,60 
23 | 1422 | 0374 1048 | 7,70 
| 0898 109 | 7,75 

24 | 1232 , 0586 — 0646 | 6,20 
| 0602 | 0630 || 6,45 


2 0946 | 7,63 5,23 189 | 207 | 185 
0986 | 7,48 518 |, 192 | 199 | 184 
3 | 1088 ; 6,53 5,70 | 194 | 218 191 
| 0161 | 1108 | 6,60 590 | 192 | 230 186 
A? 0692 | 0890 8,25 475 192 | 198 | 187 
0610 | 0972 | 8,13 5,00 | 197 | 195 | 194 
5 0556 | 0858 | 7,60 4,70 ' 186 | 192 | 183 
0568 | 0846 | 7,78 4,78 | 182 | 189 | 177 
6 0660 0530 |, 6,28 3,00 ' 190 | 201 | 177 
0644 | 0546 | 6,55 3,25 ' 182 | 195 | 166 
7 0474 | 0570 | 5,55 325 | 188 | 206 | 175 
0502 0542 | 5,48 3,10 | 192 | 211 | 175 
8 | 1328 mei ` 0962 | 7,30 5,72 | 181 | 228 | 168 
0333 | 0990 ` 7,48 50 178 | 218 | 168 
9 | 1176 | 0283 | 0944 | 6,13 5,00 mm | 206 | 189 
| 0183 0992 6,00 513 196 | 210 | 198 
10 | 1449 | 0682 | 0767 ` 7,58 3,58 l 192 | 170 | 214 
0731 ı 0718 | 7,40 3,58 | 196 | 191 | 201 
11 || 1338 | 0770 | 0568 | 7,08 3,00 ` 190 | 191 | 189 
12 | 1237 | 0801 0486 | 6,85 3,05 | 181 | 211 | 143 
0810 ol 293 | 179 | 208 | 14 
13 | 1223 | 0573 | 0650 | 6,85 | 340 | 192 | 194 | 191 
0585 ` 0638 6,25 | 3,53 | 195 | 201 | 181 
14 i| 1261 | 0231 | 1030 | 5,98 493 | 229 | 281 ' 209 
0203 | 1058 mg. 408, 219 | 26 | 217 
15 | 1233 0283 0950 | 6,70 5,25 | 184 | 195 | 182 
0267 | 0966 |, 6,68 5,80 | 184 | 193 | 182 
16 | 1294 0264 | 1030 | 6,98 5,70 | 187 | 214 | 181 
| 0236 | 1058 | 6,90 5,78 | 188 | 211 | 183 
17 | 1468 0282 | 1186 | 7,75 6,32 | 189 | 197 | 188 
' 0298 | 1170 | 788 6,30 , 187 | 195 | 186 
18 | 1354 0734 | 0620 | 6.58 3,08 | 206 210 201 
| 0750 | 0604 ; 6,75 310 | 201 | 205 19 
19 | 1884 0656 | 0728 ' 7,89 4,30 190 | 219 | 169 
0684 | 0700 | 7,23 | 420 i 191 | 226 167 
20 | 1654 mum | 1306 | 845 6,75 196 | 205 | 193 

: 0392 | 1262 | 8,42 | 

| 


3,18 > ‚ 199 203 184 
320 | 3 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 267 


| Refraktion | | | | Spezifische Refraktion 


Gesamt: | 


Nr. Ko AHE  A.G.F. ; Gesamt | A HF, | AG Gesamt A.H.F. | A.G.F. 
, np >09... gros, ' g-Proz. | g-Proz. d BE np = 0.00... 
| al | | | 

25 | 1468 | oaoa | 1060 || 750: 202 zo mm. 199 | 19 

0375 1088 | 763 2,98 | 5,70 : 192 194 191 

26 | 1516 | 0900 | 0616 ` 7,68 , 450 | 318 197 | 200 | 194 
| 0928 | 0588 | 7,83 Am | 3,10 | 198 | 198 | 189 

27 | 1619 | 0427 1192 | 8,58 | 210 | 648 189 | 208 | 184 
0439 | 1180 | 863 ı 223 | 640 187 | 197 ' 184 

28 | 1501 | 0711 | 0790 | 7,65 | 3,55 | 410 | 196 | 203 | 193 

0699 | 0802 7,78 | 3,50 | 428 | 198 ' 200 187 

29 | 1501 | 0747 | 0754 745 | 3,67 | 3,78 am | 203 | 199 

0733 | 0766 | 7,53 | 3,63 | 3,90 (op 202 | 196 
30 1285 |! 0597 | 0688 6,90 3,07 | 3,83 186 ` 188 | 179 
0609 | 0676 | 6,78 | 3,10 | 368 189 ' 196 | 184 

31 | 1231 | 0323 | 0918 | 660 | 147 | 5.18 ; 187 | 219 | 179 
| | 0297 | 0934 | 6,68 | 143 | 5,20 wm 208 mg 

32 | 1489 , 0233 | 1266 , 7,90 | 1,10 | 6,80 | 186 | 212 | 186 

| 0238 | 1250 778 | 1.08 | 670 191 | 220 | 187 

33 || 1437 , 0707 | 0730 | 7,68 Aan | 3,98 | 187 | 191 | 183 
| | 0695 | 0742 | 7,80 | 3,72 | 4.08 | 184 : 187 | 182 

34 (Im | 0634 | 0868 ` 808 3,28 | 4,80 | 196 19 | 181 
0666 | 0836 8,00 | 3,37 | 4,68 | 188 | 198 | 180 

35 | 1524 | 0440 | 1084 | 8,08 | 4,35 | 5.68 ' 189 . 188 | 191 
i , 0428 | 1096 ` 815 | 225 | Am ‚187 | 190 | 186 

36 | 1521 | 0383 (um 843 | 1,93 | 6.50 © 180 mg (ep 
, 0399 ` 1122 850 ! 2,02 648 , 178 : 198 , 173 

37 | 1532 | 0484 1048 — 8.70 | 220 | 650 | 176 | 220 | 161 

0500 1032 863 2,23 | 6,40 | 177 ' 224 | 161 

38 | 1470 | 0356 1114 7,78 | 1,78 | 600 | 189 | 200 | 186 
d 0340 . 1130 7,80 ı 172 | 6,08 || 188 ' 198 186 

39 | 1464 | 0394 1070 770 1,87 | 588 | 190 ı 211 ' 184 
i 0387 | 1086 7,48 | 1.78 | 5,70 || 196 | 212 ` 191 


Es wurden also bei 39 (darunter 38 vollständigen Doppel-) Be- 


stimmungen folgende Einzelmittelwerte der spezifischen Refraktion 
gefunden: 


Für das Gesamteiweiß np = 0.00... 
224 203,5 203 200 196 195 195 194,5 19 194 
193,5 193,5 193.5 193 193 191 191 190 189,5 194 
193.5 193.5 193.5 193 193 191 191 190 189,5 188,5 
188,5 188,5 188 188 188 187,5 187.5 187 186,5 186 
185,5 184 184 184 183 180 179,5 179 176,5 


um einen (esamtmittelwert von 190,6. 


268 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


Für die Halbsättigungsfraktion np = 0,00... 


228,5 227,5 222,5 222 220 216 215 213,5 212,5 211 
208 208 207,5 206,5 206 203 202,5 201,5 200 199 
199 199,5 198 198 197,5 197 196,5 196,5 196 196 
195,5 194 192 191,5 191 190,5 189 189 190,5 


um einen Gesamtmittelwert von 195,4. 


Für die Ganzsättigungsfraktion np = 0,00... 


213 207,5 199,5 198 197,5 193 192,5 191,5 191,5 191 
190 190 189,5 189 188,5 187,5 187 186,5 186,5 186 
186 184 182,5 182 182 181,5 180,5 179,5 179,5 179 
179 175 174,5 174 168 168 161 143,5 


um einen Gesamtmittelwert von 182,5. 


Die Ausschlagsbreite betrug für das Gesamteiweiß np = 0,00047, 
entsprechend 25 Proz. des Gesamtmittelwertes, für die Halbsättigungs- 
fraktion np = 0,00048, entsprechend 25 Proz. des Gesamtmittel- 
wertes, für die Ganzsättigungsfraktion n,, = 0,00069,5, entsprechend 
38 Proz. des Gesamtmittelwertes. 


Die spezifische Refraktion der Halbsättigungsfraktion lag mit 
einer einzigen Ausnahme (Protokoll Nr. 10) immer höher als die der 
Ganzsättigungsfraktion, die des Gesamteiweißes immer in der Mitte 
zwischen beiden. 


Die +-Abweichung der 38 Doppelbestimmungen erreichte: 


für das Gesamteiweiß np = 0,0000 
5; zweimal 4; 3; 2,5; fünfmal 2; neunmal 1,5; vierzehnmal l; zwei- 
mal 0,5; 0; ım Mittel + 0,00001,6; 

für die Halbsättigungsfraktion nn = 0,000 
10,5; 7,5; 5,5; 5; 4,5; dreimal 4; 3,5; 3; fünfmal 2,5; 2; viermal 
1,5; fünfmal 1; viermal 0,5; 0; im Mittel + 0,00002,7; 

für die Ganzsättigungsfraktion nn = 0,0000 
6,5; 5,5; 4; dreimal 3,5; 3; viermal 2,5; dreimal 2; viermal 1,5; 
fünfmal 1, 0,5; achtmal 0; im Mittel + 0,00001,7. 


Die Durchführung der Bestimmung darf demnach als sehr gut 
bezeichnet und die Genauigkeit der angeführten Einzelmittelwerte 
dementsprechend hoch eingeschätzt werden. 


Vergleichen wir nun diese Werte, die in wenig oder nicht patho- 
logischen Seren gefunden wurden, einerseits mit unseren früheren, 
an meist extrem pathologischen Seren erhobenen Befunden, andererseits 
mit den Angaben der anderen Autoren, die im vorstehenden referiert 
wurden, so dürfen wir zusammenfassend sagen: daß wir in dieser 
neuen Reihe entsprechend unseren Erwartungen zwar bedeutend ge- 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 269 


ringere Schwankungen der spezifischen Refraktion sowohl des Gesamt- 
eiweißes, als auch der einzelnen Fraktionen feststellen konnten, als 
in unserer seinerzeitigen Untersuchungsserie, daß aber auch im vor- 
liegenden Material sich noch sehr große Schwankungen ergaben, die 
mindestens ein Viertel des Gesamtmittelwertes betrugen; weiter, daß 
die Größenordnung unserer nunmehrigen Werte weitgehend mit der- 
jenigen, die von den genannten Autoren festgestellt wurde, zur Deckung 
gelangt, wie ja auch die beiderseitigen Untersuchungssubstrate qualitativ 
einander ähneln, indem sie unter Vermeidung schwer pathologischer 
Seren zusammengestellt wurden. 


Wir dürfen daher berechtigterweise feststellen, daß unsere seinerzeit 
vertretene Anschauung über die Inkonstanz der spezifischen Refraktion 
der zirkulierenden Eiweißkörper des Blutplasmas sowohl in ihrer 
Gesamtheit wie in den einzelnen Fraktionen uneingeschränkt zu Recht 
besteht, daß die Größe der jeweils gefundenen Ausschlagsbreite zwar 
von dem Ausmaß der pathologischen Struktvränderung abzuhängen 
scheint, jedoch auch bei normalen und kaum veränderten Seren bereits 
so groß ist, daß die Einführung einer willkürlich gewählten einheitlich- 
konstanten spezifischen Refraktion als Grundlage maßanalytischer 
refraktometrischer Verfahren nicht statthaft erscheint. Daraus aber 
folgt weiter, daß unsere seinerzeitige Auffassung über den Wert bzw. 
Unwert aller derartigen Methoden (Reiss, Rohrer, Robertson) unver- 
änderte Geltung besitzt, alle diese Verfahren also nicht als maßanaly- 
tische Verfahren, sondern höchstens als Schätzungsverfahren zur 
Eiweißbestimmung bezeichnet werden dürfen. 


V. Anhang über die vergleichende Viskositätsuntersuchung des Blutserums. 


Nachdem in den vorausgegangenen Abschnitten die eingangs gegebenen 
Fragestellungen der entsprechenden theoretischen und experimentellen 
Kritik unterworfen wurden, möchten wir im folgenden anhangsweise noch 
einige Bemerkungen über die vergleichende Viskositätsuntersuchung des 
menschlichen Blutserums anfügen, da diese Frage mit den vorstehend 
behandelten Ergebnissen in engem Zusammenhang steht und überdies zu 
unserer seinerzeitigen Mitteilung (l. c.) von den gleichen Autoren, die in den 
früheren Abschnitten referiert wurden, Bemerkungen veröffentlicht wurden, 
die wir kurz beantworten möchten. 


Auf die kombinierte Viskosirefraktometrie Naegeli-Rohrers, die ur- 
sprünglich ebenfalls als maßanalytisches Verfahren mitgeteilt wurde, 
brauchen wir nicht mehr einzugehen, da das Verfahren in diesem Sinne 
heute wohl kaum mehr Verwendung findet und von niemandem verteidigt 
wird, so daß unsere seinerzeitige, durch entsprechende maßanalytische 
Belege gestützte unbedingte Ablehnung dieses Verfahrens nicht neuerdings 
begründet werden muß. 


Wir brauchen uns daher nur mit den Methoden zu beschäftigen, welche 
die Viskositätsprüfung als selbständiges Verfahren üben. Wir haben seiner- 


270 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


zeit in einer zusammenfassenden vergleichenden Prüfung und Kritik aller 
hierher gehörigen Methoden die Meinung vertreten, daß es vorteilhaft wäre, 
die verwirrende Vielheit dieser Verfahren und ihrer Bezeichnungen zweck- 
mäßig zu vereinfachen, indem wir vorschlugen, einerseits solche Verfahren, 
die auf prinzipiell gleicher Grundlage und Ergebnisbewertung beruhen, zu- 
sammenzuziehen, andererseits solche, denen nachweislich schwere methodi- 
sche Mängel anhaften, überhaupt fallen zu lassen. Wir haben schließlich 
nach entsprechender theoretischer und experimenteller Begründung als 
zweckmäßigsten Ausdruck eine Kombination der Prinzipe von Hellwig- 
Neuschloss!) (Viskositätsfaktor) und E A. Hafner?) (Zustandsviskosität) 
vorgeschlagen und die Verwendung der maßanalytisch in sorgfältiger Weise 
von Hellwig-Neuschloss angegebenen Vergleichstabellen für Normalserum, 
sowie der maßanalytischen Eiweißbestimmung unter Ausschluß der Re- 
fraktometrie verlangt; der Ausdruck wird gewonnen durch die Differenz 
zwischen Gesamtviskosität des untersuchten Serums und Viskosität des 
enteiweißten Serums (welche praktisch mit 1,02, in Ausnahmefällen mit bis 
1,04 beziffert werden kann), gebrochen durch die Differenz zwischen Gesamt- 
viskosität des eiweißgleichkonzentrierten Normalserums (welche aus den 
Tabellen von Hellwig und Neuschloss abgelesen wird) und 1,02. Für diesen 
Ausdruck haben wir als möglichst unpräjudizierliche Bezeichnung relative 
Viskosität‘‘ vorgeschlagen, da die bereits vorliegenden Bezeichnungen 
einerseits dem Ausdruck nicht entsprachen und auch sonst verschiedenen 
Einwendungen zugänglich erschienen, andererseits bei Wiederverwendung 
für einen neuen zugrunde liegenden Begriff die bereits bestehende Wirrnis 
nur vermehrt hätten. Neben diesem typischen Ausdruck haben wir jedoch 
noch folgende Ausdrücke als selbständige Begriffe belassen (Viskositäts- 
Refraktionsquotient, reduzierte Viskosität nach Rusczniak, Viskositäts- 
konzentrationsquotient nach Hafner bzw. Petschacher), jedoch gleichzeitig 
verschiedene methodische Mängel betont. Schließlich haben wir durch die 
vergleichende Untersuchung von 39 normalen und pathologischen Seren 
nachgewiesen, daß „die Verwendung der relativen Viskosität als für den 
biologisch-klinischen Zweck bestgeeignet bezeichnet werden darf, da sie 
die Veränderung der Eiweißkörper und nur dieser in größten Ausschlägen 
darzustellen vermag“. 


Zu diesen Ausführungen wurde nun einerseits von Hafner?), anderer- 
seits von Petschacher*) in folgender Weise Stellung genommen. 


Hafner führte aus: 


1. daß zwar die Reduktion der Begriffe und Namen auch ihm erwünscht 
scheine, unsere „Identifikationsbestrebungen‘“ aber als „verfrüht‘‘ be- 
zeichnet werden müßten, da das „ganze Gebiet noch so wenig abgeklärt 
und die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Ausdrücke noch ganz un- 
abgegrenzt‘ sei. Zum Beweis führte er zwei Fälle an, bei denen die Neben- 
einanderstellung des Viskositäts-Konzentrationsquotienten, der spezifischen 
Viskosität. der spezifischen Viskositätserhöhung und der Zustandsviskosität 
ergibt, daß die jeweilige Differenz der zwei Werte bei den verschiedenen Aus- 
drücken verschieden groß ist; 


1) Hellwig-Neuschloss. Klin. Wochenschr. 40, 1922. 

2) Hafner, ebendaselbst a, 1925. 

3) Derselbe. diese Zeitschr. 165. 29, 1925. 

4) Petschacher, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 50, 1926. 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 271 


2. bemerkt er, daß unsere Bezeichnung „überflüssig‘‘ und außerdem 
„zu verwerfen‘“ sei, da ‚relative Viskosität physikalisch-chemisch die Vis- 
kosität bezogen auf die des Wassers als Einheit‘ bedeute und eine, Doppel. 
spurigkeit der Namengebung‘““ in diesem Grenzgebiet der physikalischen 
Chemie und Biologie tunlichst vermieden werden sollte. 

Petschacher schloß sich diesen Ausführungen an und nahm außerdem 
gegen unsere Ablehnung der Refraktometrie als nicht genügend zuverlässiger 
Methode zur Eiweißkonzentrationsbestimmung Stellung, da sie nach den 
neuesten Untersuchungen Peischocherse, Bergers und Schretters genügende 
Leistungsfähigkeit aufweise. 

Demgegenüber möchten wir kurz zusammenfassen: 


Zu 1. Da wir eben der Meinung waren, die Reduktionsbestrebungen 
wären einer weiteren Verständigung nur dienlich, haben wir die Zeit dazu 
für gekommen erachtet; daß die relativen Differenzen zwischen ver- 
schiedenen Seren bei Prüfung mit den vorliegenden hierher gehörigen Ver- 
fahren verschiedene absolute Werte darstellen, haben wir nicht nur niemals 
übersehen oder bestritten, sondern eben durch unseren experimentellen 
Vergleich an einem 20mal größeren Material als demjenigen Hafners nach- 
gewiesen, weiter aber aus dem Ergebnis der gleichen Reihe abgeleitet, daß 
dem vorhin ausgeführten Begriffe die derzeit beste Eignung zur Feststellung 
von Strukturänderungen der Eiweißkörper zukomme; weshalb wir ihn eben 
den anderen vorzogen. 

Zu 2. Was den Einwand gegen unsere vorgeschlagene Namensgebung 
anlangt, müssen wir Hafner Recht geben, daß eine solche Doppelspurigkeit 
der Begriffe tatsächlich neue Mißverständnisse schaffen könnte, was wir 
gerade vermeiden wollten. Andererseits aber können wir unsere seinerzeitigen 
Bedenken gegen die Bezeichnung ‚„Zustandsviskosität‘“ nicht aufgeben und 
möchten wieder zu einer ganz unpräjudizierlichen Namengebung raten, 
etwa zu „Vergleichsviskosität‘“. 

Petschacher können wir nur erwidern, daß wir entsprechend unseren 
seinerzeitigen und neueren Experimentalergebnissen über die Inkonstanz 
der spezifischen Refraktion, die in prinzipiell gleicher Weise auch von ihm 
selbst, sowie von Arndt und Hafner bestätigt werden mußten (siehe die 
vorausgehenden Abschnitte), unsere unbedingte Ablehnung der Refrakto- 
metrie als maßanalytischer Methode zur Bestimmung der Eiweißkörper 
aufrecht erhalten müssen und daher auch unsere Meinung über seine Me- 
thoden der vergleichenden Viskositätsprüfung des Serums, die auf der 
refraktometrischen Eiweißbestimmung beruhen, nicht ändern können. 


Zusammenfassung. 


1. Die theoretisch erhobenen, experimentell nicht gestützten Ein- 
wände Arndt-Hafners, sowie Petschacher- Berger-Schreiters gegen die 
vereinfachte Wägeanalyse werden erörtert und auf Grund entsprechender 
experimenteller Ergebnisse abgelehnt. 


In Bestätigung des Ergebnisses der seinerzeit von uns erhobenen, 
mit Hilfe der vereinfachten Wägeanalyse durchgeführten je 65 Doppel- 
bestimmungen des Gesamtserumeiweißes und der Ammonsulfatganz- 
sättigungsfraktion, welche eine mittlere +-Abweichung für ersteres 
von + 0,12 g-Proz., für letztere von + 0,10 g-Proz. ergeben hatten, 


272 W. Starlinger, K. Späth u. E. Winands: 


wird eine neuerliche Vergleichsserie mitgeteilt, die in 82 Doppelbestim- 
mungen des Gesamtserumeiweißes und in 75 ebensolchen der Ganz- 
sättigungsfraktion eine +-Abweichung von je 0,06 g-Proz. ergibt. 
Diese methodische Genauigkeit, welche von Petschacher- Berger-Schretier 
auf Grund eines zahlenmäßig nicht ausgeführten Ergebnisses von sieben 
Analysen in Zweifel gezogen wurde, darf also auf Grund unseres 
20mal größeren Beobachtungsmaterials als völlig gesichert gelten. 
Da weiter die technische Handlichkeit der vereinfachten Wägeanalyse 
diejenige der hinsichtlich Zuverlässigkeit gleichzuwertenden Stickstoff- 
bestimmung weitaus übertrifft, darf das erstere Verfahren nach wie 
vor als Methode der Wahl für den biologisch-klinischen Serienversuch 
angesehen werden, zudem die Genauigkeit, die für diesen erfordert 
werden muß, hinter der nachgewiesenen Zuverlässigkeit des Wäge- 
verfahrens wesentlich zurückbleibt. 

2. Der seinerzeit an 12 pathologischen Seren erbrachte Nachweis, 
daß die bis dahin allgemein angenommene, niemals jedoch genügend 
geprüfte quantitative Übereinstimmung der Ammonsulfathalb- und 
Magnesiumsulfatganzsättigung zum mindesten im pathologischen 
Substrat keine regelmäßige Geltung besitzt, wurde durch das Ergebnis 
einer neuen Untersuchungsreihe am gleichen Material bestätigt: es 
ergaben sich bei der vergleichenden gravimetrischen Prüfung von 
12 Seren neben mehr oder weniger genügenden Näherungsresultaten 
Differenzen, die bis 45 Proz. der Ammonsulfatganzsättigungs- 
fraktion erreichten. In gleicher Weise wurde auch der Fällungseffekt 
der Ammonsulfathalb- mit der Natriumsulfathalbsättigung bei 37° 
in pathologischen Menschenseren neuerdings verglichen, ohne daß 
jedoch eine sichere Entscheidung erzielt werden konnte, da es bisher 
nicht gelang, eine völlig reproduzierbare Natriumhalbsättigungsfällung 
zu gewährleisten. In den bisher erfolgten Parallelanalysen konnte 
jedenfalls eine genügende Übereinstimmung der beiden Fällunge- 
verfahren ebenso wie in der seinerzeitigen Untersuchungsreihe nicht 
beobachtet werden. Unsere damals vertretene Anschauung. daß die 
Ammonsulfathalbsättigung daher zum mindesten im pathologischen 
menschlichen Substrat den beiden anderen Fällungsverfahren nicht 
ohne weiteres gleichgeordnet werden kann, darf daher in vollem Umfang 
aufrechterhalten bleiben. 

3. Es wird auf die Inkongruenz hingewiesen, die zwischen den 
experimentellen Befunden und den daraus abgeleiteten Schluß- 
folgerungen Arndt-Hafners, Petschacher- Berger-Schretters und Schreiters 
insofern besteht, als diese Autoren in Nachprüfung unserer seinerzeitigen 
Angaben über die große Schwankungsbreite der spezifischen Refraktion 
der Eiweißkörpergruppen des Blutplasmas. welche bis dahin als konstant 
angesehen wurde, zwar einerseits ebenfalls große Schwankungen dieser 


Eiweißkörpergruppen des menschlichen Blutplasmas. 273 


Größe fanden, andererseits aber gegen unsere aus diesen Befunden 
abgeleitete (und überdies noch durch entsprechende Vergleichsanalysen 
gestützte) unbedingte Ablehnung aller refraktometrischen Methoden 
Stellung nahmen. 


Es wird an einer neuen Versuchsreihe, die im Gegensatz zu unserer 
früheren, welche meist extrem pathologische Seren betraf, aus 39 meist 
normalen Menschenseren bestand, den Erwartungen entsprechend 
gezeigt, daß die Schwankungsbreite in Seren, deren Eiweißstruktur 
keine schweren Veränderungen aufweist, zwar beträchtlich kleiner ist, 
immerhin aber noch mindestens ein Viertel des Gesamtmittelwertes 
beträgt (für das Serumgesamteiweiß zwischen np = 0,00176 bis 
0,00224, für die Halbsättigungsfraktion zwischen np = 0,01% bis 
0,00228, für die Ganzsättigungsfraktion zwischen np = 0,00143 bis 
0,00213). Da nun eine Methode, die auf der Konstanz eines prin- 
zipiellen Umrechnungsfaktors aufgebaut ist, als maBanalytische Methode 
nicht mehr gelten kann, falls dieser willkürlich konstant gesetzte Faktor 
selbst unter normalen Bedingungen bis zu 25 Proz. schwankt, unter 
pathologischen Bedingungen aber noch viel größere Ausschläge aufweist, 
bleibt unsere unbedingte Ablehnung aller refraktometrischen Verfahren 
zur quantitativen Eiweißbestimmung in vollem Umfang aufrecht. 


Gleichzeitig wird in einer neuerlichen Untersuchungsreihe von 
acht nativen pathologischen Menschenplasmen die Schwankungsbreite 
der spezifischen Refraktion auch der Gerinnungsfraktion im vollen 
Ausmaß der eigenen früheren Ergebnisse bestätigt (np = 0.00110 bis 
0,001 80). 


4. Es werden anhangsweise einige theoretische Bemerkungen 
Hafners sowie Petschachers über unsere vorausgehende zusammen- 
fassende experimentelle Kritik der verschiedenen Methoden zur ver- 
gleichenden Viskositätsuntersuchung des Serums kurz erörtert. 


Der Einfluß verschiedener Präparate der Chiningruppe 
auf die fermentativen Funktionen des Organismus. 


VII. Mitteilungt?): 


Die Bedeutung der aktuellen Reaktion des Milieus bei der Erforschung der 
fermentativen Prozesse. 


Von 
J. A. Smorodinzew und A.N. Adowa. 


(Aus der chemo-therapeutischen Abteilung des Tropeninstituts des Volks- 
kommissariats für Gesundheitswesen in Moskau.) 


(Eingegangen am 13. Januar 1927.) 


I. 


Während bei der Pepsinverdauung der Zusatz von Chinin-?), 
Arsen- und Antimonpräparaten?) die Reaktion des Milieus nicht ver- 
ändert, verschieben einige der geprüften Verbindungen das pg in 
den Versuchen mit Lipase) und Trypsin manchmal sehr stark und 
verändern bedeutend den Reaktionsverlauf. 

In der vorigen Mitteilung?) stellten wir fest, daß 1. das salzsaure 
und schwefelsaure Chinin in den Konzentrationen 0,009 bis 0,451 Proz., 
die Doppelverbindung des Chinins mit dem Harnstoff bei 0,005 bis 
0,036 Proz. und die Harnstoffsalze bei 0,002 bis 0,019 Proz. die Trypsin- 
verdauung des Caseins verlangsamen ; 2. die Harnstoffsalze bei 0,019 Proz. 
und die Doppelverbindung des Chinins mit Harnstoff bei 0,36 Proz. 
den Prozeß beschleunigen und 3. der freie Harnstoff bei 0,075 Proz. 
wie auch seine Salze und die Chininsalze in den kleinsten Konzen- 
trationen keine Wirkung auf die Trypsinverdauung des Caseins ausüben. 

Um die Gewißheit zu bekommen, daß die beschriebenen Ver- 
änderungen des Verlaufs der Trypsinverdauung des Caseins durch 


1) VI. Mitteilung, J. A. Smorodinzew und V. A. Danilow, diese 
Zeitschr. 181, 149, 1927. 

2) J. A. Smorodinzew und C. S. Lemberg, ebendaselbst 162, 266, 1925. 

3) J. A. Smorodinzew und N. P. Riabouschinsky, ebendaselbst 168, 
73, 1926. $ 

1) J. A. Smorodinzew und V. A. Danilow, ebendaselbst 181, 157, 1927. 

5) J. 4. Smorodinzew und A. N. Adowa, ebendaselbst 185, 128, 1923. 


J. A. Smorodinzew u. A.N. Adowa: Fermentative Funktionen usw. VII. 275 


die direkte Einwirkung der angewandten. Stoffe bedingt sind, war 
es nötig, den Einfluß der aktuellen Reaktion des Milieus festzustellen. 
Leider waren wir dann nicht im Besitz der für die Bestimmung des 
Pu-Wertes nötigen Apparatur und Reaktive!); jetzt sind wir imstande, 
die betreffenden Korrekturen in unsere Arbeiten einzutragen. 


I. Die Bestimmung der aktuellen Reaktion in chininhaltigen Lösungen. 


Da Chinin die Wasserstoffelektroden ‚vergiftet‘‘?2) und unrichtige 
Zahlen bei Anwendung von Indikatoren?) gibt, so stellt die Bestimmung 
des ?a-Wertes in chininhaltigen Flüssigkeiten einige Schwierigkeiten dar. 
Wales*) bestimmte mittels Titration mit Hilfe der Chinhydronelektrode 
das py der 0,2proz. Lösung des salzsauren Chinins zu 6,12 gleich. Nach 
den Bestimmungen anderer Autoren schwankt py der Chininlösungen von 
5,15 bis 6,52°). 


Die Unanwendbarkeit der Wasserstoffelektroden in diesen Fällen 
veranlaßte uns, die Chinhydronmethode zu prüfen, und wir überzeugten 
uns, daß sie hier anwendbar ist, da die Farbe der Lösung nach dem 
Zusatz von Chinhydron nicht verändert wird und das Potential sich 
sehr schnell einstellt (Tabelle I). 


Tabelle I. 
en ee ee a Be Pu 
K tion d l | | 
| Pe Chinins a N nach Verlauf von 
des Gemisches 5 Min. 15 Min. 40 Min, 
1. | m 20 6.20, 613, — | e IB, 
2. | m80 6.18 | — 6, 17 
3. m/160 627 | — 627, | 6,26, 
4. | m 200 fac) = 6,13, | 6.13, 
5. | m/1280 5.97, — | 59 a 
6. l H, 0) 5.46, — 
7. m:160 6.17, 6.13 6,13 6,11, 
8. | m:160 6.13, 614s | 614 6.14 
9. Das zu verdauende (remisch | ` 
| mit m 160 ChHC] 7.13 u e 6.95, 
10. , Das zu verdauende Gemisch || | 
i ohne ChHCI 7,044 =. rei — 60; 


1) Einige Reagenzien wurden uns in liebenswürdiger Weise von 
Frau Dr. R. M. Plechanowa zur Verfügung gestellt. Wir benutzen die 
Gelegenheit, ihr auch an dieser Stelle unseren tiefsten Dank auszusprechen. 

2) L. Alichaelis, diese Zeitschr. 106, 83; 109, 165, 1920. 

3) Derselbe, Pract. physik. Chem. 39. Berlin 1922. 

t) H. Wales, Ind. and Eng. Chem. 18, 390, 1926. 

5) N. Evers, Pharm. Journ. 106, 470, 1921; Krantz, Journ. Amer. Pharm. 
ass. 14, 294, 1925; McGill, Journ. Amer. Chem. Soc. 44, 2156, 1922; Masucci 
und Moffat, Journ. Amer. Pharm. ass. 12, 609, 1923; zitiert nach Wales. 
H. B. Rasmussen und S. A. Schou, Pharm. Zentralh. 65, 729, 1924. 


276 J. A. Smorodinzew u. A.N. Adowa: 


Auswahl des Indikators. 


Für die Titration der Chininlösungen werden Kresolpurpur!), 
Bromphenolblau und Methylrot?) empfohlen. Auf Grund der Angaben 
über die pu-Bestimmung nach der Chinhydronmethode in reinen 
Chininlösungen wie auch in dem zu verdauenden Gemische, wählten 
wir für unsere Versuche folgende Indikatoren: mit Puffer 5,32, den 
universellen?) Indikator (3,5 bis 7,6), y-Dinitrophenol (4,0 bis 5,4), 
Methylrot (4,4 bis 6,0), Bromkresolpurpur (5,2 bis 6,8) und p-Nitro- 
phenol (5,4 bis 7,0); mit Puffer 6,2 den universellen Indikator, 
p-Nitrophenol und Bromthymolblau (6,0 bis 7,6); mit Puffer 6,61 
den universellen Indikator, p-Nitrophenol, Bromthymolblau und 
Neutralrot (6,5 bis 8,0); mit Puffer 6,8 den universellen Indikator, 
p-Nitrophenol, Neutralrot, Phenolrot (6,8 bis 8,4) und m-Nitro- 
phenol (6,8 bis 8,4). Die Prüfung der Anwendbarkeit des Indi- 
kators wurde folgendermaßen ausgeführt: Zu 50 ccm des Mc Ilvaine- 
schen Puffers wurde die betreffende Tropfenzahl des Indikators 
hinzugefügt: 10 ccm dieser gefärbten Flüssigkeit wurden mit ver- 
schiedenen Mengen einer n/20-Lösung des salzsauren Chinins (pe = 6,20,) 
versetzt und die Farbe mit 10 ccm des Puffergemisches ohne Chinin 
verglichen. 


Tabelle II. 
2 Menge des Gehalt des Gemisches an 
salzsauren salzsaurem Chinin 
Reayenzglas u k rn SE Sn a Eh m 
$ cm Mol | Proz 
Se ne 

1 = | = = 

2 0,1 | 1/2020 0.02 

3 | 0,5 m 420 0,08 

4 "1 Ä m/220 ıı 0,16 


In den Versuchen mit p-Nitrophenol hatten die Lösungen in 
sämtlichen Röhrchen, von oben wie auch von der Seite gesehen, dieselbe 
Farbe. Mit Neutralrot sahen alle Röhrchen bei seitlicher Betrachtung 
ebenfalls gleichmäßig aus, von oben wiesen das dritte und vierte eine 
steigende Violettnuance auf. Der Zusatz von Chinin zur Lösung des 
mit Bromthymolblau gefärbten Puffers rief nicht nur eine Veränderung 
der Nuance des Indikators hervor, sondern es entstand noch eine 


1) W.J. McGill, Journ. Amer. Chem. Soc. 44, 2156, 1922. 


2) N. Evers, Pharm. Journ. 106, 470, 1921; Chem. and Drogist. 97, 174, 
1922. 


3) H. Niklas und A. Hock, Zeitschr. f. Pflanzen-Düng., 3 A, 402, 1924. 


Fermentative Funktionen des Organismus. VII. 277 


Opaleszenz, welcher Umstand den Vergleich schwierig machte. Noch 
stärker wird der Ton des Bromkresolpurpurs verändert, so daß für 
die pu-Grenzen 5,6 bis 6,6 keine entsprechende Pufferlösung zu finden 
war. Der universelle Indikator gibt schlecht zu unterscheidende 
Nuancen. In den Lösungen mit Phenolrot und m-Nitrophenol ruft 
Chinin keine Änderungen hervor. Bei 0,16 Proz. Chiningehalt fiel in 
Anwesenheit sämtlicher Indikatoren ein Bodensatz von Chinincitrat 
aus. Die Farbe der Lösungen wurde dadurch nicht beeinträchtigt. 
Diese Untersuchungen sprachen für die relative Anwendbarkeit des 
p- und m-Nitrophenols, y-Dinitrophenols, Phenolrots, Methylrots 
und Neutralrots und für die Unanwendbarkeit des Bromthymol- 
blaus, Bromkresolpurpurs und des universellen Indikators für die 
kolorimetrische pu-Bestimmung der 0,02- bis 0,2proz. chininhaltigen 
Lösungen. 


Es soll bemerkt werden, daß die kolorimetrische Methode bessere 
Resultate nicht mit den reinen Chininlösungen, sondern in gepufferten 
Gemischen gibt (vgl. Tabelle III). 


Tabelle III. 
= = Bes s — = 
| Q T 3 + 
: ` SE SS Se Sum | KA EI S d 
Konzentration von ChHCI COO Pan „230 bgn Beer: S 
| in der Lösung Bog oal AR eg cel 
| OO Sal 290 EJN IZEN LEI zn 
AR| EEA O Aari | A fan GE a 
i DS en i Fei Z. 


1" m/160 eine |640. 6,40*%)| — | — 
| abweich. 
2. | m/160 | Nuance | 6.30 618%) — | — 
3. | Das zu verdauende Gemisch‘ | | 
" mit m/160 ChHCI |645! 660; — | Géi) — | — 
4. | Dasselbe ohne m/160Ch HCI 6,50 660 — |680! 7,00 |700: — 
5. | Dasselbe mit ChĦHCI 1718| 780) — | — | 7,10*) | 7,40 | 7,10 
6. | Dasselbe ohne ChHCI ‚7.04 760. — | — | 7,60 — 17,10 


a Die Lösung ist trübe — der Vergleich ist erschwert. 


II. Versuche der Verdauung des Caseins durch Trypsin in Gegenwart von 
salzsaurem Chinin. 


Nach der Feststellung der Anwendbarkeit der Chinhydronmethode 
wie auch einiger Indikatoren für die Messung der aktuellen Reaktion 
des Milieus in Gegenwart von Chinin beschäftigten wir uns mit der 
Frage vom Einfluß des Chinins auf die pu- Werte des Verdauungsgemisches 
nach Gross. Als Fermentpräparat benutzten wir den natürlichen Saft 
des Hundes, der uns vom Akademiker J. P. Pavloff liebenswürdiger- 
weise aus dem Institut für experimentelle Medizin zu Leningrad zur 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 19 


378 J. A. Smorodinzew u. A. N. Adowa: 


Verfügung gestellt wurde, wofür wir ihm unseren tiefsten Dank aus- 
sprechen. Die Verdauungskraft dieses Saftes betrug 256 Trypsin- 
einheiten nach Gross. 


Tabelle IV. 


Veränderungen der aktuellen Reaktion des Milieus bei der Verdauung des 
Caseins durch Trypsin in Abwesenheit von Chininhydrochlorid. 


Das Verdauungsgemisch bestand aus 2 Teilen 0,lproz. Casein, 
1 Teil Pankreassaft in der Verdünnung 1:256 und 1 Teil Chininlösung 
oder Wasser. 


" Konzentration | P "Bestimmung 
Ch HCI | vor der Verdauung nach der Verdauung 
Bes | nach der kolorimetrisch ı nach der kolorimetrisch 
Chin» ' Chin nr 
| hydron» ohne mit ı hydron ohne | mit 
Mol | Proz. | metnode Puffer _ Neutralrot ! methode Puffer | Neutralrot 
a der eat Ge We _- | nn a ne = 
1. m/160 0,06 6.45 | 6,70 Ko: E a | e 
i 
HO | — . 650 pm mm, — Tu u 
2.| m/160 0.06 713 ° 710 ° 740 " 6,95 7,10 7.40 
‚| i 
| Hun, — 7, | 710 — ep, | oun | "än 
E wiel 0.06 © 7.13 -E e 6,80 a e 
| H,0 | == i 701g GH a: 6,97 (DIV ' == 


Die Tabelle IV zeigt, daß nach Verlauf von 30 Minuten die pu-Werte 
des verdauenden Gemisches in Anwesenheit von Chinin wie auch ohne 
Chinin etwas nach der sauren Seite verschoben werden. Chinin allein 
in der Konzentration von 0.06 bis 0,11 Proz. verändert die aktuelle 
Reaktion des Milieus nicht. bei 0,5 Proz. wird sie nach der sauren 
Seite um 0,49, (Tabelle V) verschoben. Bei denjenigen Konzen- 
trationen, in welchen Chinin das pa des Milieus nicht aus den Grenzen 
der optimalen Trypsinwirkung verschiebt, ist die hemmende Wirkung 
auf den VerdauungsprozeB offenbar durch das Chinin selbst bedingt. 
Die Verschiebung der aktuellen Reaktion nach der sauren Seite, die 
durch die Hinzufügung stärkerer Chininkonzentrationen hervorgerufen 
wird, schafft ungünstige Bedingungen für die Verdauung des Caseins. 
das teilweise aus der Lösung ausfällt, wovon wir uns in einem speziell 
angestellten Versuch überzeugen konnten (Tabelle V). 


Tabelle V zeigt, daß die Chininlösungen von 0,23 bis 0,5 Proz. 
in den Caseinlösungen eine Fällung hervorrufen; in den abfiltrierten 
Flüssigkeiten ruft Essigsäure nur eine schwache Trübung hervor, 
was auf die Ausfällung eines bedeutenden Teiles des Caseins unter 
der Einwirkung des Chinins hinweist. 


Fermentative Funktionen des Organismus. VII. 279 


Tabelle V. 
Die Fällung der Caseinlösung in Gegenwart verschiedener Mengen des salzsauren 
Chinins. 
Zu einer Reihe fallender Chininverdünnungen sind je’2ccm Casein, 1 ccm 
Meer 5 Tropfen alkoholischer ER hinzugefügt worden. 


Ze = 


l || Zustand des Gemisches n: nach 
EE | EES E Pro d "a Hinzutügung von 
| bi fügten ` es ` des Gemisches ` 5 Tropf ko» 
E | "Ch SR | im Gemisch | 2 ccm Casein holischer Essig. 
Ee Ee gern, 
1 " m/20 l 0,451 6,44, | Bodensatz — 
2 m/40 0,225 — S — 
3 | m’80 0,112 6,84, 1 Opaleszenz | Bodensatz 
4 | H,O — 6,934 durchsichtig S 
5 I  m/160 0,061 1,13 e | Se 
6 | mB20 0,080 0 ú | á 
7 t m/640 | 0,015 See e | ” 
8 0o m1280 0,907 = | „ „ 
9 m/2569 0,093 — | a | x 
10 m/5120 0,002 — | 5 e 
11 | H,0 ge i 7,04, i nm n 


°) n/20 bis n/5120 Chininlösungen werden durch die alkoholische Essigsäurelösung nicht gefällt 


IV. Versuche der Verdauung des Caseins durch Trypsin in Anwesenheit von 
Harnstoff und seiner Salze. 

Ise Molarlösung des freien Harnstoffs (0,08 Proz. im Gemisch) 
übt keine Wirkung auf die Trypsinverdauung des Caseins nach der 
Methode von Gross aus und verändert die Wasserstoffionenkonzentration 
der verdauenden Flüssigkeit nicht. 


Tabelle VI. 
Die Verdauung des Caseins durch Trypsin in Gegenwart freien Harnstoffs. 


Das Gemisch bestand aus: 2 Teilen 0,lproz. Casein, 1 Teil Pankreassaft 
in der Verdünnung 1:256 und 1 Teil Harnstofflösung oder Wasser. 


` ` N r : 
l Konzentration des Py des Gemisches 


Ä "E Proz. des Harnstoffs ` b 


im Gemisch 


I 
| ss eb eh een 
` Harnsto ` t vor r der Verdauung | nach der Kate, 
ver - ; en 2 = 
N m/20 |i ` om | 66% 
H, O | SS | 6,80, 6 ‚4 
2 m/20 | 0,08 | 6,46; | 6,59, 
Ho ( ! —= l DAD, 6,45, 
Harnstoffnitrat. 


Bei den Versuchen der Verdauung von Casein durch Trypsin in 
Gegenwart von Harnstoffsalzen, die ohne Rücksicht auf die Reaktion 
des Milieus ausgeführt wurden, erwies sich, daß große Konzentrationen 


19* 


280 | J. A. Smorodinzew u. A.N. Adowa: 


dieser Salze (0,02 bis 0,16 Proz.) den Prozeß beschleunigen. während 
schwache (weniger als 0,01 Proz.) ihn hemmen. Die Bestimmung 
der ?u-Werte der Lösungen (Tabelle VII) zeigte aber, daß die angebliche 
beschleunigende Wirkung der Harnstoffsalze in Wirklichkeit dadurch 
bedingt wird, daß sie die Reaktion des Milieus so stark nach der sauren 
Seite verschieben (pu = 1,99 bis 2,91), daß das Casein von der Essig- 
säure nicht ausgefällt wird. Die hemmende Wirkung der schwächeren 
Konzentrationen der Harnstoffsalze (0,01 bis 0,003 Proz.) wird dadurch 
erklärt. daß sie die Reaktion unter das Optimum!) für die Trypsin- 
verdauung des Caseins herabsetzen (pn = 3,86 bis 6,11,). noch schwächere 
Lösungen üben keinen Einfluß auf den Prozeß aus. 


Tabelle VII. 


Fallbarkeit des Caseins durch Essigsäure und die Bestimmung des py der 
Gemische in Gegenwart von Harnstoffnitrat. 


Das Gemisch bestand aus: 2 Teilen 0.1proz. Casein, 1 Teil Pankreassaft in 
der Verdünnung 1:256 und 1 Teil der Lösung von Harnstoffnitrat oder 


Wasser. 
BEE E E Zustand des Gemisches nach“ 
Konzentration | Diva. rdes inzufügung von 
Reagenz- - es H ni Pa Br m er E den 
| | hinzugefügten |amstoffnitrats des Gemisches 5 Tropfen alko- 
SH ne im Gemisch 2ccm Casein holscher. Essa. 
i | saurelösung 
A | m/20 0,16 1.99 durchsichtig durchsichtig 
H,O — 6.76% = Niederschlag 
S dh ie Be ? durchsichtig 
m č D æst e e 
4 m 160 0,02 2.91, Trübung Trübung 
5 Í m 320 0.01 3.86 ‚ Niederschlag — 
K t H, w T e durchsichtig Niederschlag 
JI mp 005 3.64 D = 
7 | m'1250 0.0025 6.11, e = 
H,O — 6.163 8 à 
8 | m 2560 0.0012 — R Š 
H,O es 6.76, p ! Le 
9 m 5120 0.006 — H we 


V. Versuche der Verdauung des Caseins durch Trypsin in Gegenwart von 
der Doppelverbindung Chininhydrochlorid-Harnstoff. 


Nachdem die Ursache der Wirkung der Harnstoffsalze auf den 
Prozeß der Verdauung des Caseins aufgeklärt war, entstand die Not- 
wendigkeit, einen Versuch mit Chininhydrochlorid-Harnstoff unter 
den gleichen Bedingungen wie in der Tabelle VII anzustellen. 


1) J. A. Smorodinzew und 4. N. Adowa, Zeitschr. f. phys. Chem. 160, 
189, 1926. 


Fermentative Funktionen des Organismus. VII. . 281 


Tabelle VIII. 
Fällbarkeit des Caseins durch Essigsäure und die Bestimmung des py der 
Gemische in Gegenwart von Chininhydrochlorid-Harnstoff. 


Das Gemisch bestand aus: 2 Teilen 0,lproz. Casein, 1 Teil Pankreassaft 
in der Verdünnung 1:256 und 1 Teil der Lösung Chininhydrochlorid- 
Harnstoff oder Wasser. 


Konzentration Proz. des | Zustand des Gemisches nach 
des Chinins | p der Hinzufügung von 
Reagenz» binzugefügten hydrochlorid» | Au — e — 
glas Chinins Harnstoffs eem DI RE 5 Le ng alkos 
hydrochlorid» im Gemisch 2 ccm Casein holischer Essig» 
Harnstofis säurelösung 
Í m/i 11,44 2,238 durchsichtig | durchsichtig 
2 m/2 5,12 - e 
) m/4 2,56 e e 
4 m/d 1,43 S 8 
5 m/1b 0,72 3,08, e 
D m/32 0,36 3,374 steigende Trüb. 
7 m/64 0,18 - - 
g m/128 0,09 
9 m/256 0,045 4,68, X 
10 m/310 0,037 5,08, schwache Trüb. | Trüb. stärker 
11 m/512 0,022 — durchsichtig | Niederschlag 
12 m/1024 0,011 Dila z 
13 m/2048 0,006 6,30, 
14 m/2480 0,005 7,06, 


15 SPA jia 1,216 


Tabelle VIII zeigt, daß in den Gemischen, die 0,7 bis 11,4 Proz. 
Chininhydrochlorid-Harnstoff enthalten, das Casein durch das Trypsin 
nicht verdaut werden kann und von Essigsäure nicht gefällt wird, 
da die Wasserstoffionenkonzentration zwischen pa 3,37, bis 2,23, sich . 
bewegt, d. h. unterhalb des isoelektrischen Punktes. Bei niedrigeren 
Konzentrationen des Präparats (0,4 bis 0,04 Proz.) fällt das Casein 
sus und pe bleibt noch unterhalb des Optimums der Trypsinwirkung 
(4,68,). Aber bei 0,005 Proz. des Chininharnstoffs im Gemisch entspricht 
pu (7,06,) dem Optimum der Einwirkung des Trypsins auf das Casein, 
trotzdem wird die Verdauung verzögert; daraus folgt, daß die hemmende 
Wirkung dieser Konzentrationen der Veränderung der Reaktion des 
Milieus nicht zugeschrieben werden kann — sie hängt offenbar von 
der unmittelbaren Einwirkung des Präparats selbst ab. 


Es ist also wiederum erwiesen, daß bei den Untersuchungen über 
die Wirkung verschiedener Stoffe auf die Fermente immer mit der 
aktuellen Reaktion des Milieus, die in Gegenwart verschiedener Ver- 
bindungen beträchtlich verändert werden kann, gerechnet werden muß. 
Der Einfluß, der anscheinend von der direkten Einwirkung der Harn- 
stoffsalze abhängig war, erwies sich in Wirklichkeit als ein indirekter, 
durch die Verschiebung der Reaktion des Milieus in die für die Trypsin- 


282 J.A:Smorodinzew u. A. N. Adowa: Fermentative Funktionen usw. VII. 


wirkung ungünstige Richtung bedingt. Andererseits gelang es uns zu 
beweisen, daß die hemmende Wirkung sämtlicher untersuchten Chinin- 
präparate auf die Trypsinverdauung des Caseins von der Milieureaktion 
unabhängig ist, da sie sich auch bei dem für das Trypsin optimalen 
pa-Wert äußert. In vorliegender Mitteilung konnten wir sämtliche 
Schlußfolgerungen unserer vorherigen Arbeit!) auch in den neuen 


Bedingungen bestätigen. 


Schlußfolgerungen. 


l. Die Chinhydronmethode ermöglicht die Bestimmung der 
aktuellen Reaktion des Milieus in chininhaltigen Lösungen. 

2. Für die kolorimetrische Bestimmung der pa-Werte des Milieus 
bei der Trypsinverdauung des Caseins in Gegenwart von Chinin ergeben 
die meisten von uns geprüften Indikatoren keine richtigen Resultate. 

3. Die pa-Werte der Lösungen des salzsauren Chinins, nach der 
Chinhydronmethode bestimmt, schwanken zwischen 5,97 bis 6,20. 

4. Hinzufügung von salzsaurem Chinin in den Konzentrationen 
0,06 bis 0,11 Proz. verändert die aktuelle Reaktion des Verdauungs- 
gemisches nach Gross nicht. 

5. Stärkere Konzentrationen des salzsauren Chinins (0,5 Proz.) 
verschieben die Reaktion des Gemisches nach der sauren Seite. 

6. Die pYu-Werte der (Grossschen Lösung werden nach Verlauf 
von 30 Minuten in Gegenwart von Chinin wie auch ohne Chinin ein 
. wenig nach der sauren Seite verschoben. 

7. Das salzsaure Chinin übt eine hemmende Wirkung auf die 
Trypsinverdauung des Caseins ohne Zusammenhang mit dem pe des 
Milieus aus. 

8. Freier Harnstoff übt keine Wirkung, weder auf die Casein- 
verdauung noch auf die Wasserstoffionenkonzentration des Milieus. aus. 

9. Die Einwirkung der Harnstoffsalze auf die Verdauung wird 
ausschließlich dadurch erklärt, daß sie die Ya-Werte des Milieus be- 
trächtlich verändern. 

10. Höhere Konzentrationen des Chininhydrochlorid-Harnstoffs 
verschieben die pa-Werte nach der sauren Seite. 

ll. Der hemmende Einfluß der schwachen Konzentrationen des 
Chininhydrochlorid-Harnstoffs wird durch die Wirkung des Chinins 
selbst auf den Prozeß erklärt und hängt von der Reaktion des Milieus 
nicht ab. 


1) J. A. Smorodinzew und 4. N. Adowa, diese Zeitschr. 185, 128, 1923. 


Beiträge zur Wirkung des Insulins. 


II. Mitteilung: 
Insulin-Adrenalin-Antagonismus?). 


Von 
B. v. Issekutz. 


(Aus dem pharmakologischen Institut der Kgl. Ungarischen Universität 
in Szeged.) 


(Eingegangen am 17. Januar 1927.) 


Mit 2 Abbildungen im Text. 


In der ersten Mitteilung (l) wurde gezeigt, daß das Insulin eine 
direkt hemmende Wirkung auf die Glykogenhydrolyse der isolierten 
Froschleber ausübt; während nämlich die Lebern der normalen Frösche 
stündlich 2,59 mg Glucose bilden (auf lg Leber gerechnet), bilden 
die der 24 bis 48 Stunden vor dem Versuch mit Insulin behandelten 
Tiere nur 0,53 mg, also etwa ein Fünftel der normalen. 

Es ist natürlich von größter Bedeutung, diese an der Froschleber 
festgestellte Wirkung auch an Säugetieren nachzuweisen, obwohl wir 
schon mehrere indirekte Belege haben, daß das Insulin auch bei diesen 
eine direkte Wirkung auf die Glykogensynthese und -hydrolyse hat. 


So fanden Cori (2) und seine Mitarbeiter, daß der Blutzucker am Anfang 
der Insulinwirkung zuerst in der V. hepatica und nur später in der V. jugularis 
abnimmt, daraus folgt, daß das Insulin die Glykogenhydrolyse in der Leber 
hemmt. Dieselben beobachteten in Versuchen, bei denen sie durch Bauch- 
fenster kleine Leberstücken von Kaninchen entnahmen, daß eine Glykogen- 
synthese in den normalen Lebern nur dann vorkommt, wenn diese mehr als 
0,25 Proz. Glucose enthalten. Hingegen kann diese während der Insulin- 
wirkung schon bei einem viel geringeren Glucosegehalt stattfinden. Also 
das Insulin befördert diese Synthese. Nach ihren Versuchen nimmt das 
Leberglykogen bei hungernden Kaninchen, obwohl der Blutzucker schon 
vermindert ist, in der ersten Stunde der Insulinwirkung nicht ab. Ferner 
bildet sich Glykogen unter Insulinwirkung aus dem Blutzucker bei den mit 
Phlorrhizin behandelten hungernden Tieren. Gleicherweise erreichten 


1) Ausgeführt mit Unterstützung des ‚„Ungarischen Naturwissen- 
schaftlichen Landesfond.“ 


284 B. v. Issekutz: 


Frank, Hartmann und Nothmann (3) bei Kaninchen, die sie mehrere Tage 
hindurch hungern ließen, durch ganz kleine Dosen von Insulin eine Glykogen- 
anreicherung in der Leber. Diese Resultate dürfen aber nur mit einer 
Vorsicht verwertet werden, denn A. Grevenstuk und E. Laqueur (4) konnten 
auch durch subkutan injizierte n/100 HCl eine Zunahme des Leberglykogens 
erreichen. Die hemmende Wirkung des Insulins auf die Glykogenhydrolyse 
beweisen sehr schön die Versuche von Macleod, Noble und O. Brien (5). 
Das Leberglykogen nahm nämlich bei Kaninchen während einer lange 
dauernden Urethannarkose von 8,64 auf 3,5 Proz. ab, wenn aber die Tiere 
mit Urethan auch Insulin erhielten, blieb der Glykogengehalt unverändert. 
Ferner beträgt das Leberglykogen der mit Adrenalin behandelten Tiere 
nur 4,87 Proz., das der Tiere aber, die mit Adrenalin und Insulin behandelt 
wurden, 8,8 Proz. 


Es ist eine viel schwerere Aufgabe, diese Insulinwirkung auch an 
überlebenden Säugetierlebern nachzuweisen, und zwar deshalb, weil 
sie die Fähigkeit der Glykogensynthese während der Präparation und 
Durchströmung schnell verlieren. 


Die Hundelebern sind am geringsten empfindlich, sie behalten am besten 
ihre Fähigkeiten, und so gelang es Grube (6) und Barrenscheen (7), an über- 
lebenden Hundelebern eine Glykogensynthese zu erreichen. An den Lebern 
von Kaninchen, Meerschweinchen und Ratten gelingt dies schon kaum, 
diese geben durch Glykogenhydrolyse der durchströmenden Flüssigkeit 
Zucker ab. So ist es verständlich, weshalb es Bernhardt (8) nicht gelang, die 
hemmende Wirkung des Insulins auf die Glykogenhydrolyse an durch- 
strömten Rattenlebern nachzuweisen, hingegen konnte Bindi (9), der an 
den widerstandsfähigeren Hundelebern arbeitete, positive Resultate 
erhalten. So nahm in seinen Versuchen die Zuckerbildung der durchströmten 
Leber unter der Insulinwirkung ab. Als er die zwei Hälften der Leber 
getrennt durchströmen ließ, war der Glykogengehalt der mit insulinhaltigem 
Blute durchströmten Hälfte immer größer als die andere. An Lebern 
pankreasdiabetischer Tiere gelang es ihm, zu beweisen, daß das Insulin die 
Glykogensynthese fördert. 


Obwohl es unzweifelhaft ist, daß die Insulinhypoglykämie durch 
Adrenalininjektion aufgehoben werden kann, und umgekehrt die 
Adrenalinhyperglykämie durch Insulin, folgt daraus noch nicht, daß 
die Angriffspunkte der beiden Hormone identisch sind, es wäre nämlich 
such möglich, daß das Insulin die Adrenalinhyperglykämie nur durch 
eine gesteigerte Oxydation des gebildeten Zuckers verhindert. 


Doch meinen Versuchen (1) nach, die ich an überlebenden Frosch- 
lebern durchführte, wirken beide Hormone auf die Leber direkt an- 
tagonistisch: das Adrenalin mindert die auf die Glykogenhydrolyse 
ausgeübte hemmende Wirkung des Insulins, das Insulin hemmt dagegen 
die zuckermobilisierende Wirkung des Adrenalins. Zur Geltung gelangt 
die Wirkung desjenigen Hormons, welches dominierend vorhanden ist. 

Zwischen der Wirkung zweier Stoffe herrscht nicht nur dann ein 


Antagonismus, wenn der eine die Wirkung des anderen vollständig aufhebt, 
sondern auch dann schon, wenn die Wirkung bedeutend gehemmt wird. 


Insulin. 1. 285 


Daher ist das Argument Lessers (10), nach welchem bei meinen Froschleber- 
versuchen zwischen Insulin und Adrenalin kein Antagonismus vorhanden 
gewesen sein sollte, weil das Adrenalin die Zuckerbildung auch mit Insulin 
behandelter Leber steigerte, nicht richtig, weil diese Steigerung in den 
meisten Versuchen nur sehr klein war. Während nämlich die Zuckerbildung 
normaler Leber auf die Wirkung des Adrenalins im Mittelwerte (pro 1g 
Leber) sich von 2,59 auf 5,39 mg (= 108 Proz.) steigerte, nahm die der mit 
Insulin behandelten Tiere von 0,53 auf 0,82 mg!) zu (= 55,0 Proz.), im 
ganzen also nur mit 0,29 mg. Diese bildeten also auch unter der Adrenalin- 
wirkung viel weniger Zucker, als die normalen Lebern ohne Adrenalin. 
Dabei muß auch in Betracht genommen werden, daß ich das Adrenalin 
in starker Konzentration verwandte (1: 200000), welche die Zuckerbildung 
der normalen Leber mit 108 Proz. steigerte. Es ist unzweifelhaft, daß das 
Adrenalin bei den mit Insulin behandelten Lebern unwirksam geblieben 
wäre, wenn ich es in einer viel schwächeren, bei normalen Lebern eben 
wirksamen Konzentration angewandt hätte. Ein ganz ähnliches Resultat 
hatten die Experimente von Bornstein und W. Griesbach (11) an durch- 
strömten Hundelebern, in denen das Adrenalin (auf 1 g Leber gerechnet) 
eine Zuckerbildung von 7 mg verursachte, in Gegenwart von Insulin aber 
nur eine von 0,8 mg. 

Da aber die Zuckerbildung der Hundeleber sehr gering ist, erscheint 
der Einwand Lessers (10), daß es möglich ist, daß unter Insulinwirkung der 
durch Adrenalin mobilisierte Zucker oxydiert worden ist und der Blutzucker 
deshalb nicht zugenommen hat, für rechtmäßig; obwohl es so nicht ver- 
ständlich wäre, weshalb das Insulin ohne Adrenalin keine Abnahme des 
Blutzuckers verursachte. Es scheint aber, als ob zwischen Adrenalin und 
Insulin nicht nur in der Beziehung der Zuckermobilisierung, sondern auch 
in der Beziehung der Zuckeroxydation ein Antagonismus herrscht. OG. Ahl- 
green (12) nahm wahr, daß das Adrenalin die fördernde Wirkung des Insulins 
auf die Oxydation des Froschmuskels hemmt; als Gottschalk (13) zeigte, 
daß Adrenalin die Steigerung der Acetaldehydbildung durch Insulin in 
der Leber hemmt, gab er der Meinung Ausdruck, daß Insulin und Adrenalin 
bezüglich der Bildung derjenigen labilen Glucosemodifikation, welche die 
Verbrennung des Zuckers einführt, Antagonisten sind. 


Der Zweck meiner Versuche war, die an Froschleber wahr- 
genommenen Insulinwirkungen auch an Kaninchenlebern zu beweisen. 
Mein Bestreben war, mich den physiologischen Verhältnissen möglichst 
gut zu nähern. Da ich trotz diesem keine Glykogensynthese erreichen 
konnte, untersuchte ich die völlig unverletzt gebliebene Leberfunktion: 
Die Steigerung der Zuckerbildung durch Adrenalin und die hemmende 
Wirkung von Insulin dieser gegenüber. 


Versuchsanordnung. 


Die Konstruktion meines Durchströmungsapparats, zu welcher ich 
die Grundidee von Skramlik (14) benutzte, zeigt Abb. 1. In dem dick- 
wandigen Gefäß A, welches oben luftdicht verschlossen ist. liegt auf einem 
Glastischehen die herausgenommene Leber, in dessen V. portae eine Kanüle 


1) In der Tabelle III der I. Mitteilung (1) ist dieser Mittelwert unrichtig 
angegeben. 


286 B. v. Issekutz: 


eingebunden ist. Das leberdurchströmte Blut fließt aus der geöffneten 
V. hepatica durch eine am Grunde des Gefäßes befindliche Röhre ab. 
Vorrichtung K bläst durch eine unten eingelötete Nebenröhre Sauerstoff 
ein, treibt damit das Blut durch Spirale O in das Gefäß B und oxydiert 
dasselbe. Das Ventil R vor der Nebenröhre verhindert die Rückströmung 
des Blutes und Sauerstoffs. Aus dem Reservoir B läßt eine Pumpenvor- 
richtung das Blut rhythmisch durch die Leber strömen. Diese besteht aus 
einer Spritze mit 10 cem Inhalt D, die ein Motor treibt; diese übt auf die 


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Abb. 1. 


in das Gefäß C eingeschlossene Luft eine Saug- und Druckwirkung aus, welche 
sich auf das am Grunde des Gefäßes befindliche Blut und durch die in das 
Blut eingreifende Röhre auf die Klappen F übersetzt, welche den Weg des 
Blutes in der Richtung des Reservoirs E bestimmen. Das Blut strömt in 
der oberen Hälfte des Reservoirs ein und entfernt sich unten durch eine 
T-Röhre. In den einen Zweig dieser Röhre reicht bis zur Mitte eine mit 
einem Hahn versehene Kanüle, durch diese können Blutproben entnommen 
werden. Der andere Zweig dieser T-Röhre steht einerseits mit einem 
Hg-Manometer, andererseits mit einer Kanüle, welche in die V. portae 
eingebunden ist, in Verbindung. 

Das Blut strömt aus dem Gefäß B in das Gefäß E, von hier durch die 
Leber in das Gefäß A, von hier durch die Spirale O zurück in das Gefäß B. 
Der Sauerstoff ist, in einem geschlossenen Röhrensystem ebenfalls in 
Zirkulation, so daß das CO. welches die Leber bildet, bestimmt werden kann. 

Die Pumpenvorrichtung Kt) besteht aus einer Gummiröhre, welche 
in einem stählernen Kahn von regulierbarer Biegung liegt. Auf dieser 


1) Hergestellt von dem Universitätsmechaniker O. Klein, Szeged. ` 


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Insulin. II. 287 


Gummiröhre wandern vier Ebonitwalzen entlang, welche sich an den vom 
Motor getriebenen Rade befinden, und blasen hierdurch die Luft in der 
Richtung der Umdrehung. Die Menge der beförderten Luft kann durch die 
Änderung des Gummirohrdurchmessers, durch die Umdrehungsgeschwindig- 
keit des Rades und durch die Klemme, welche vor der Pumpe angewendet 
ist, zwischen weiten Grenzen geändert werden. Der Sauerstoff, welcher 
die Pumpe treibt, vermengt sich in der Spirale O und in dem Gefäße B mit 
dem Blute, oxydiert dasselbe und nimmt CO, auf; gelangt von hier durch 
die Schaumgefäße G und H in das Absorptionsgefäß I, in welchem 0,2 n 
NaOH-Lösung das CO, absorbiert, dann gelangt es durch die Röhre P in 
das Gefäß A und von dort zurück in die Pumpe X. N und M dienen zum 
Ausgleich der Druckdifferenzen. Durch N, dessen Ende in Wasser taucht, 
entfernt sich bei wachsendem Druck der überflüssige Sauerstoff, welcher 
sich bei abnehmendem Druck aus der Waschflasche M ergänzt. Die An- 
füllung des ganzen Apparats mit O, geschieht durch die Röhre Q, wobei 
die Nebenröhre b offen ist. Aus der CO, absorbierenden Lauge kann zeit- 
weise durch den Hahn c eine Probe entnommen werden. 

Der ganze Durchströmungsapparat ist, mit Ausnahme der Pumpen, 
in einem aus Holz angefertigten Thermostaten aufgestellt. Dieser besteht 
aus einem außen doppelwandigen und innen mit einer Isolierschicht bedeckten 
Holzkasten (105 x 90 x 110 cm), in welchem sich der innere Kasten, aus 
Zinkplatte verfertigt, befindet (70 x 50 x 80cm). Im Raume zwischen 
den beiden Kästen brennen sowohl an den Seiten als auch unten elektrische 
Birnen; unten brennen zwei Stück 32er Kohlenfadenbirnen fortwährend, 
welche die Temperatur des Thermostats auf 35 bis 36° halten. An den Seiten 
befinden sich zwölf Stück 16er Birnen, welche durch ein Kontakt-Thermo- 
meter entzündet und ausgelöscht werden. Durch diese Einrichtung kann 
der ganze Kasten schnell auf 38° C erwärmt werden und behält seine Tempe- 
ratur mit kleinen Schwankungen. Von den drei Türen des Thermostats 
hat die innere an den beiden Flügeln je drei Fenster, so daß man bei der 
Herausnahme von Blut- und Laugeproben den inneren Kasten nicht ganz 
öffnen muß, sondern nur das entsprechende Fensterchen der inneren Tür. 
Hierdurch kann eine beträchtlichere Abkühlung des Thermostats bei der 
Herausnahme von Proben vermieden werden. 

Da sich aus einigen Versuchen zeigte, daß die überlebende Kaninchen- 
leber eine sehr bedeutende Menge von Säuren bildet und infolgedessen das pg 
des im Apparat zirkulierenden Blutes rasch abnimmt (binnen 2 Stunden 
sinkt es unter 6,0), mußte ich die Neutralisierung der gebildeten Säuren 
ausführen. Da ich dieses durch Dialyse nicht erreichte, gab ich bei fort- 
währender Kontrolle des pa dem Blute im langsamen Strome isotonische 
0,15n NaOH oder NaHCO, zu. 


Zu diesem Zwecke verband ich das Ende der Spirale O mit Hilfe einer 
T-Röhre mit einer Bürette, in welche eine Niveauröhre hineinlangt, an 
deren freiem äußeren Ende das Eintreten der Luft eine feine Kapillare 
verzögert. Die Bürette setzt sich unten in einen Regulierapparat aus Ebonit 
vor, dessen konischer Zapfen in dem ebenso angeformten Lager durch eine 
feine Schraube gehoben und gesenkt wird, wodurch der Ausfluß, auch bei 
der langsamsten Strömung (0,1 bis 0,5 ccm pro Minute), pünktlich reguliert 
werden kann. 

Zu den Versuchen verwendete ich mit Getreide reichlich gefütterte 
Kaninchen, damit ihre Leber viel Glykogen enthalte. In Novocain-Lokal- 
anästhesie band ich die Kanüle in die Trachea, Carotis und V. jugularis 


288 B. v. Issekutz: 


ein, und während in langsamem Strome physiologische Lösung!) in die 
Jugularis floß, ließ ich das Tier verbluten und defibrinierte das Blut. Nach 
Durchschneiden des Halsmarkes öffne ich die Bauchwand und den Brust- 
kasten, schneide den Magen heraus, unterbinde die A. hepatica, setze eine 
Kanüle in die V. portae und durchwasche durch diese die Leber; nehme sie 
bald schnell heraus und setze sie nach der Unterbindung und dem Ab- 
schneiden eines kleinen Läppchens in den Apparat, welchen vorher der 
Gehilfe mit Blut anfüllte, welches auf 250 ccm ergänzt wurde, etwa vierfach 
verdünnt war und 0,1 Proz. Glucose enthielt. 

Die Leberkanüle wurde mit der entsprechenden Röhre verbunden und 
die Blutzirkulation begann sofort. Bei einem Quecksilberdruck von 15 bis 
20 mm strömt etwa 100 ccm Blut pro Minute durch. Die Operation vollzog 
ich möglichst rasch, so daß die Leber höchstens 1 Minute lang ohne Blut- 
zirkulation blieb. 

Zwecks ständiger Kontrolle des pp-Blutes entnahm ich alle 3 bis 5 Mi- 
nuten mit einer Spritze durch die Kanüle, welche sich am Reservoir E be- 
findet, 1 cem Blut. In der ersten Versuchsreihe benutzte ich eine H,-Elek- 
trode nach Michaelis und hatte, da sich dessen Potential langsam einstellt, 
so lange mit Schwierigkeiten zu kämpfen, bis ich auf Chinhydron überging, 
welches ich in der Spritzelektrode nach Mislowitzer (14) anwandte und die 
Potentialdifferenz 0,01n HCl + 0,09 n KCl gegenüber maß. Hier stellt 
sich die Potentialdifferenz in einigen Sekunden ein, so braucht eine Be- 
stimmung weniger als LG Minute Zeit; wodurch ich die Einströmung der 
Lauge am pünktlichsten regulieren konnte und hierdurch erreichte, daß 
sich die pp des Blutes in einem nicht größeren Maße als 0,3 änderte. 

Nachdem ich die Einströmung der Lauge regulierte, entnahm ich die 
erste Blutprobe. Von dieser maß ich 5 ccm in einen 50-ccm-Kolben, ver- 
dünnte sie mit destilliertem Wasser, enteiweißte nach Folin mit Wolfram- 
säure, ergänzte sie auf 50 ccm und bestimmte den Zuckergehalt der Filtrate 
in drei Proben nach der von uns modifizierten Methode von Hagedorn- 
Jensen. 

In dem Gefäße, in welchem das CO, absorbiert wird, sind 140 ccm 
0,2n NaOH-Lösung. Gleichzeitig mit der Blutprobe entnehme ich durch 
den Hahn c 20 ccm Lauge aus diesem Gefäß, lasse dieselbe in 80 ccm heißer 
8proz. BaCl,-Lösung und titriere sie nach der Abkühlung mit n/10 HCl. 

Nach 1 Stunde entnahm ich wieder 20 cem Lauge und titriere dieselbe. 
Die Differenz der beiden Titer, multipliziert mit 6 und 1,12, ergibt die während 
einer Stunde absorbierte Quantität vom CO,. Hierbei muß noch die Ver- 
änderung der CO, des Blutes in Rechnung genommen werden, welche ich 
im Apparate nach van Slyke bestimmte. 

Die Zuckerbildung der Leber maß ich in Perioden von 20 bis 30 Minuten, 
zog bei der Rechnung natürlich die Volumenänderung des Blutes in Betracht, 
welches einerseits durch das herausgenommene Blut verkleinert, andererseits 
durch die dazufließende Lauge vergrößert wird. 


Ich vollzog im ganzen 75 Versuche, von denen 20 mit der Aus- 


arbeitung der Methode vergingen. In den nächsten 25 Versuchen konnte 
ich die po des Blutes noch nicht genügend pünktlich regulieren und 


1) Enthält in 1 Liter: 8,5g NaCl, 0,2g CaCl, 0,1g KCl, 5ccm 
Phosphatlösung (4,776 Proz. Na, H PO, + 0,275 Proz. NaH,PO,) und 
0,2 g NaHCO, 


Insulin. II. 289 


konnte nur in den letzten 30 Versuchen, wo ich mit der Chinhydron- 
elektrode arbeitete, die Bedingungen des Versuchs völlig beherrschen. 


Den Verlauf eines Versuchs zeigt die Tabelle I. Aus diesem und aus 
anderen Versuchen kann festgestellt werden, daß die durchströmte Leber 
ihre Vitalität mindestens 3 Stunden behält, und während dieser Zeit ver- 
ringert sich ihr Stoffwechsel und ihre CO,-Bildung kaum. 


In der Leber gut genährter Tiere, die viel Glykogen enthält, geht die 
Glykogenhydrolyse während der Durchströmung mit einer beträchtlichen 
Geschwindigkeit vor sich, der Zuckergehalt des Blutes steigt fortwährend 
und erreicht auch 0,7 bis 0,9 Proz., ohne daß sie hierdurch die Zuckerbildung 
der Leber verringerte. Die Zuckerbildung ist während der Zeit des Versuchs 
(s. Tabelle II) ziemlich konstant, vielfach ist sie am Anfang größer, ver- 
ringert sich später um etwas, aber es kann häufig auch umgekehrt vor- 
kommen. Im allgemeinen können wir sagen, daß die pa des Blutes die 
Glykogenhydrolyse bedeutend beeinflußt, bei abnehmender py ist dieselbe 
rascher, bei zunehmender kleiner. Dieses kann aus dem Versuch 57 sehr 
schön ersehen werden, wo sich die py des Blutes zwischen 7,4 — 7,92 — 6,96 
veränderte und die Glucosebildung 59,0 — 30,6 — 55,0 mg war. 


Die Zuckerbildung der Leber verschiedener Tiere ist sehr verschieden, 
und wir erhalten auch dann große Differenzen, wenn wir die Zuckerbildung 
auf 1 g Leber berechnen; so schwankte z. B. in jenen 18 Versuchen, welche 
in der Tabelle III angeführt sind, die Zuckerbildung von 1 g Leber in 10 Mi- 
nuten zwischen 0,47 bis 2,03mg. Der Zusammenhang zwischen dem 
Glykogengehalt und der Zuckerbildung der Leber ist sehr lose, und es kann 
im allgemeinen nur gesagt werden, daß die Leber von größerem (ilykogen- 
gehalt mehr Glucose erzeugt als diejenige, welche an Glykogen ärmer ist. 
Die Quantität der Glucose, welche in 10 Minuten aus 1 g Glykogen entstand, 
schwankte zwischen 4,95 bis 40,8 mg. Diejenigen Lebern (Versuche 32, 
34, 44, 45, 46, 64), welche kein Glykogen oder dasselbe nur in Spuren ent- 
halten, bilden keine Glucose, bei diesen ist natürlich auch das Adrenalin 
unwirksam. 

Die Quantität der Lauge, welche dem Blute zugegeben werden mußte, 
um das py des Blutes innerhalb der physiologischen Grenzen zu halten, gibt 
die Säurebildung der Leber genügend pünktlich an. In der ersten Periode 
des Versuchs ist nur wenig Lauge notwendig (s. Tabelle II), da die Säuren, 
welche die Leber bildet, größtenteils die Pufferstoffe des Blutes neutrali- 
sieren. Die Quantität der verbrauchten Lauge nimmt in der zweiten Periode 
zu und behält auch in den folgenden Perioden diesen größeren Wert ohne zu 
großer Schwankung. Diese Versuche sind also nicht nur zur Beobachtung 
der Änderung in der Zuckerbildung, sondern auch der in der Säurenbildung 
geeignet. 

In der Tabelle III sind diejenigen Versuche zusammengestellt, welche 
ich mit Adrenalin ausführte. Die Wirkung des Adrenalins auf die Glykogen- 
hydrolyse der durchströmten Leber untersuchten schon viele; während 
Jwanov, Masing (16) u. a. fanden, daß das Adrenalin die Zuckerbildung 
der Leber im größeren Maße steigert, konnte Abelin (17) diese Steigerung 
nicht beobachten. Die Ursache des negativen Resultats von Abelin besteht 
darin, daß er, von den anderen Versuchern abweichend, die Leber mit 
Ringerlösung und nicht mit Blut durchströmen ließ, und die Leber verlor 
infolge mangelhafter Sauerstoffversorgung nicht nur ihre Glykogenbildungs- 
fähigkeit, sondern auch ihre Adrenalinempfindlichkeit. 


B. v. Issekutz 


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Insulin. II. 293 


In meinen Versuchen steigerte das Adrenalin in 13 Fällen die Zucker- 
bildung im hohen Grade, 36 bis 456 Proz. 

Anfangs injizierte ich 0,5 bis 1,0 mg Adrenalin in eine e von 
250 cem, benutzte also eine Verdünnung von 1: 250000 bis 500000. In den 
weiteren Versuchen stellte es sich aber heraus, daß schon 0,1 bis 0,2 mg 
(1: 1,25 bis 2,5 Millionen) genügen. 

Die Adrenalinwirkung blieb natürlich in den Versuchen, in denen die 
Leber kein Glykogen enthielt, daher auch keinen Zucker bildete, und außer 
diesen noch in fünf Versuchen (23, 26, 28, 37, 67) aus. In diesen Versuchen 
war aber das py des Blutes 7,6 bis 7,8, also viel alkalischer als in den Ver- 
suchen von positiven Resultaten (py 6,8 bis 7,4). Die Alkalose des Blutes 
hemmt also die Wirkung des Adrenalins. 

In den meisten der Versuche (30, 35, 36, 38, 55, 63, 66, 68) steigert 
das Adrenalin gleichzeitig auch die Säurebildung, deshalb mußte in der 
Adrenalinperiode der ZuflußB der Lauge beschleunigt werden, wenn dies 
aber nicht geschah, verringerte sich das pp. Vor der Adrenalinperiode 
waren in der Regel zwei normale Perioden, in der Tabelle ist der Laugen- 
verbrauch der zweiten normalen Periode angegeben. 

Diese gesteigerte Säurebildung konnte nicht eine Gefäßverengerung 
und die damit verbundene langsamere Strömung verursachen, denn das 
Manometer, welches in den Apparat eingeschaltet war, zeigte nach der 
Adrenalininjektion keine Erhöhung des Druckes. Aller Wahrscheinlichkeit 
nach steigert das Adrenalin die Säurebildung direkt. Dies zeigen die Ver- 
suche von Elias und Sammartino (18), die wahrnahmen, daß die Adrenalin- 
einspritzung den Milchsäuregehalt der Leber auf das Drei- bis Vierfache 
erhöht. Ferner beobachteten Gigon (19) und andere bedeutende Acidose 
nach Adrenalininjektion; diese Acidose wird in erster Reihe durch die 
gesteigerte Säurebildung der Leber verursacht, wobei Gottschalk und Pohle (20) 
angaben, daß das py des Blutes der V. hepatica parallel mit der Steigerung 
die Zuckerbildung verringert. Die gesteigerte Säurebildung fördert nämlich 
die zuckermobilisierende Wirkung des Adrenalins. Nach Fröhlich und 
Pollak (21) wird die Adrenalinwirkung an isolierten Froschlebern durch 
Säurezusatz verstärkt, durch Alkali gehemmt. Gleichermaßen beobachteten 
Underhill, Mc Donell (22) und viele andere, daß eine Injektion von NaHCO, 
oder Na, H PO, sowohl bei Tieren als auch bei Menschen die Adrenalinhyper- 
glykämie hemmt. 

Nach der allgemeinen Auffassung ist die gesteigerte Säurebildung nicht 
die Ursache der Zuckermobilisierung, sondern eine der hauptsächlichsten 
Bedingungen dieser. Weil das Optimum der Leberdiastase bei py 6,8 liegt, 
hingegen nimmt die Wirksamkeit der Diastase bei py 7,8 so stark ab, daß 
die Adrenalinwirkung darum nicht zum Vorschein treten kann. 


Meine Versuche mit Insulin (Tabelle IV) erreichten das erwartete 
Resultat nicht, ich nahm die Verringerung der Zuckerbildung in der 
Leber in keinem Falle wahr, als ich dem durchströmenden Blute 2 bis 
10 Einheiten Insulin zugab. Von neun Versuchen veränderte sich die 
Zuckerbildung in sechs Fällen nur innerhalb normaler Grenzen. In 
drei Versuchen steigerte sich die Zuckerbildung bedeutend. 

Dasselbe beobachteten an Hundelebern auch Bornstein und Gries- 


bach (11). Aus diesem negativen Resultate darf aber nicht der Schluß 
gezogen werden, daß das Insulin an Lebern der Säugetiere die Glykogen- 


Biochemische Zeitschrift Band 183. 20 


B. v. Issekutz 


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Insulin. II. 295 


hydrolyse nicht hemmt, denn es ist höchst unwahrscheinlich, daß die 
Wirkung eines Hormons beim warmblütigen und poikilothermen Tiere so 
verschieden wäre, bei letzteren ist aber die hemmende Wirkung des Insulins 
unzweifelhaft bewiesen (1). 

Der Grund des negativen Resultats ist darin zu suchen, daß man mit 
der angewandten Versuchseinrichtung die Vitalität der Kaninchenleber 
nicht völlig aufrecht halten kann. Dieses bezeugt auch diejenige Versuchs- 
reihe, in denen ich die Kaninchenleber mit 1, 2, 3 Proz. Glucose halten- 
dem Blute durchströmen ließ, konnte aber die Glykogensynthese nicht 
einmal erreichen. Es ist schon von Barrenscheen (7) festgestellt worden, 
daß die Kaninchenleber sich für solche Versuche viel weniger eignet als die 
Leber des Hundes, da erstere im überlebenden Zustande ihre Glykogen- 
baufähigkeit viel früher verliert. Aller Wahrscheinlichkeit nach hängt 
diejenige Funktion, welche die Glykogenhydrolyse hemmt mit derjenigen 
eng zusammen, welche die Glykogensynthese durchführt. Und wenn die 
Leber diese letztere Fähigkeit verlor, besitzt sie auch die erstere nicht mehr. 
Beide hängen mit der Vitalität der Leber eng zusammen und beide gehen 
während der Durchströmung rasch verloren. 

Deshalb kann das Insulin an Kaninchenleber weder die Glykogen- 
hydrolyse hemmen, noch die Synthesesteigern. An der vielunempfindlicheren 
Froschleber und nach Bindis (9) Versuchen an der Hundeleber kann diese 
Wirkung des Insulins ohne Zweifel bewiesen werden. 

Obwohl meine Versuche in 
dieser Hinsicht negatives Resul-. 
tat hatten, gelang es, an über- 
lebenden Kaninchenlebern zwei 
wichtige Insulinwirkungen nach- 
zuweisen. 

l1. Das Insulin hemmt die 
Säurebildung der Leber. Den 
in der Tabelle IV zusammen- 
gestellten Insulinversuchen gab 
ich in der Regel nach zwei 
normalen Perioden der durch- 
strömenden Flüssigkeit Insulin 
zu, in die Tabelle wurde aber 
nur die zweite normale Periode 
aufgenommen, in welcher die 
Säurebildung — gemessen mit 
der Quantität der verbrauchten 
Lauge — diejenige Stufe er- 
reichte, welche sie in den übrigen 
Perioden zu behalten pflegte. SH SEHE E 
Auf die Wirkung des Insulins Abb. 2. Insulin. A = Adrenalin. 
verringert sich aber die Säure- 
bildung rasch, und während der Insulinperiode wurde regelmäßig ein 
halbmal soviel Säure gebildet als normal. Dies zeigt auch Abb. 2. 


20 * 


296 B. v. Issekutz: 


Da aus den Versuchen von Gottschalk (13) schon bekannt ist, daß 
das Insulin die Oxydationen (die Acetaldehydbildung) in der Leber 
steigert, müssen wir für wahrscheinlich halten, daß es diese hemmende 
Wirkung auf die Säurebildung durch eine raschere Oxydation der ent- 
stehenden Säuren erreicht. 

Mit diesem Resultat stehen die Aufhebung der Acidose diabetischer 
Kranke durch Insulin und die Hemmung der Säurebildung der Muskeln 
in Einklang. 

2. Das Insulin hemmt die Zuckermobilisterung des Adrenalıns. Aus 
acht Versuchen nahm die Zuckerbildung der Leber nach Adrenalin- 
injektion nur in zwei zu und auch dann nur unbedeutend mit 8 bis 
ll mg = 22,4 bis 12,6 Proz.; also in viel geringerem Grade als bei 
normaler Leber. In den anderen sechs Versuchen ließ das Adrenalin 
die Zuckerbildung nicht nur ungesteigert, sondern hemmte dieselbe, 
in zweien (Nr. 42, 70) unbeträchtlich und in vieren (Nr. 43, 71, 72, 73) 
sehr stark. Diese Verringerung war in den vier Versuchen 42 bis 
5l mg = 35 bis 67 Proz. | 

Das Insulin wirkte auch der säurebildungfördernden Wirkung des 
Adrenalins gegenüber antagonistisch. Das Adrenalin konnte nämlich 
die durch Insulin verminderte Säurebildung überhaupt nicht oder nur 
in einem -sehr kleinen Grade steigern. Da aber bei der zuckermobili- 
sierenden Wirkung des Adrenalins cs eine wichtige Bedingung ist, daß 
durch Steigerung der Säurebildung ein entsprechendes Milieu zur 
optimalen Funktion der Leberdiastase hergestellt werde, ist cs un- 
zweifelhaft, daß das Insulin die zuckermobilisierende Wirkung des 
Adrenalins auch durch diese Verhinderung der Acidose hemmt. 

Diese Versuche beweisen also, daß Adrenalin und Insulin betreffs 
ihrer Wirkungen auf den Stoffwechsel wahre Antagonisten sind. 


' Zusammenfassung. 


Die beschriebene Versuchseinrichtung ermöglicht, daß man die 
Zucker-, Säuren- und CO,-Bildung der überlebenden Kaninchenleber 
gleichzeitig beobachten kann. 

Die glykogenreiche Leber bildet während der Durchströmung eine 
beträchtliche Menge von Zucker und Säuren, letztere muß man aber 
dadurch, daß man der durchströmenden Flüssigkeit Lauge beimengt, 
neutralisieren, sonst kann das py des Blutes auch auf 6,0 heruntersinken. 

Das Adrenalin fördert die Zucker- und Säurebildung, die erstere 
Wirkung kommt aber nur dann zur Geltung, wenn das py des Blutes 
unter 7,5 ist. 

An durchströmten Kaninchenlebern konnte mit Insulin weder 
(lykogenswnthese noch eine Verminderung der Zuckerbildung erreicht 
werden. 


Insulin. II. 297 


Das Insulin vermindert die Säurebildung der Leber, und zwar 
wahrscheinlich dadurch, daß es die Oxydation der gebildeten Säure 
fördert. 

Das Insulin hemmt beide Wirkungen des Adrenalins, da dieses 
weder die Zucker- noch die Säurebildung der Leber in Gegenwart von 
Insulin steigern kann. 


Literatur. 


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245, 1917. 


Einfache Methode zur Bestimmung der Glucose 
in Mengen von 1 bis lö mg. 


Von 
B. v. Issekutz und J. v. Both. 


(Aus dem pharmakologischen Institut der Kgl. Ungarischen Universität 
in Szeged.) 


(Eingegangen am 17. Januar 1927.) 


Zur Bestimmung der Glucose in einer Quantität über 10 mg stehen 
uns viele verläßliche Methoden zur Verfügung; gleicherweise wurden in 
den letzten Jahrzehnten zahlreiche Mikromethoden zur Bestimmung 
des Blutzuckers ausgearbeitet. Zwischen der Leistungsfähigkeit der 
Makro- und Mikromethoden gibt es aber ein Gebiet, nämlich die Be- 
stimmung der Zuckerquantität von 1 bis 10 mg, welche, obwohl wir 
dessen öfters bedürfen, Schwierigkeiten trifft und wir dazu keine ent- 
sprechenden Methoden haben. 

Es wurde öfters versucht, die Methode von Bertrand zur Bestimmung 
der Glucosemenge unter 10 mg für geeignet zu gestalten. So brachten 
Möckel und Frank mit der Zugabe von 10 mg Glucose den Zuckergcehalt 
der Lösung in ein Gebiet, welches zur Glucosebestimmung geeignet 
ist. [Irene @reiner!) strebte, den ungestörten Verlauf der Reaktion 
bei weniger als 10 mg Zucker durch Zugabe von Na,CO, und NaOH 
zu erreichen. Wir hielten es für zweckmäßiger, anstatt die Leistungs- 
fähigkeit der Makromethode nach abwärts auszubreiten, das Gebiet 
der gut bewährten Mikromethoden durch eine Erhöhung der Kon- 
zentration der angewandten Reagenzien nach aufwärts zu steigern. 

Unsere Wahl traf die Methode von Hagedorn-Jensen?), da wir uns 
überzeugten, daß diese bedeutend einfacher und bequemer ist als die 
Bangsche und dabei bei geringerer Vorsicht genauere Resultate gibt. 

Bei der Anwendung der Hagedorn-Jensenschen Methode wird zur 
Oxydation der Glucose Kaliumferrieyanid angewendet: 12ccm der 
Glucoselösung werden mit 2cem 0,005n Kaliumferrieyanid, welche 


1) Diese Zeitschr. 128, 274, 1922. 
2) Ebendaselbst 135, 461, 1923. 


B. v. Issekutz u. J. v. Both: Methode zur Bestimmung von Glucose. 299 


auch 0,2n Na, CO, enthält, in einem Wasserbad 15 Minuten lang 
gekocht. Das entstandene Kaliumferrocyanid wird mit Zinksulfat aus- 
gefällt, mit Essigsäure angesäuert und das Jod, welches aus JK durch 
das überflüssig gebliebene Ferricyanid entsteht, wurde mit 0,005 n 
Natriumthiosulfat titriert. 


Mit Hilfe einer Tabelle erhält man aus der Quantität des ver- 
brauchten 0,005 n Natriumthiosulfats die Quantität des vorhandenen 


Zuckers. 
0,01 ccm entsprechen 0,382 mg Glucose, 


1,99 99 TD 0,002 LE Lé 


Dies sind die Grenzen der Anwendbarkeit dieser Methode. 


Wenn man die Konzentration der Kaliumferricyanid- und Natrium- 
thiosulfatlösungen auf das Zehnfache steigert, also mit 0,05 n Lösungen 
arbeitet und 10 bis 10 ccm zur Bestimmung verwendet, so ist auch die 
Bestimmung von 10 mg Zucker möglich. 


Vor allem stellten wir fest, daß zur Titrierung von 10 ccm 0,05 n 
Kaliumferricyanids in der Anwesenheit von IO ccm Jodkaliumzink- 
sulfatlösung genau 10 ccm 0,05n Thiosulfat notwendig sind. Das 
Resultat bleibt auch dann unverändert, wenn man die Kaliumferri- 
cyanidlösung vorher 10 bis 20 Minuten hindurch in einem heißen 
Wasserbad wärmt. 


Folgende Aufgabe war die Bestimmung der Konzentration der 
angewendeten Laugen und die der Kochzeit. Zu diesem Zwecke kochten 
wir je cem O,lproz. Glucoselösung mit 15 cem Wasser und 10 eem 
0.05n Kaliumferricyanid, welche in lLiter 5g Na,CO, enthält, in 
einem Wasserbad 10, 15, 20, 30 Minuten hindurch; nach Abkühlung 
gaben wir Leem JK-Zinksulfatlösung und Deem Ohn Essigsäure 
hinzu und titrierten mit 0,05n Thiosulfat. 


Die Quantität des verbrauchten Kaliumferricyanids war mittel- 
wertig. nach je drei Bestimmungen nach dem Kochen von 


10 15 20 30 45 Minuten 
3,20 3.29 3,51 3,75 3,80 cem. 


Es steigerte sich also die Quantität des reduzierten Kaliumferri- 
cyanids während des Kochens bedeutend. Wenn wir aber die Quantität 
des Natriumcarbonats erhöhten. hatte die Kochzeit einen viel ge- 
ringeren Einfluß. Wir ließen z. B. 5 cem einer 0,lproz. Glucoselösung 
mit löccm Wasser und 10 ccm 0,05n Kaliumferrieyanid, welche in 
einem Liter 17 g Na,CO, enthielt, 15, 20, 30 Minuten lang sieden. 

Die Quantität des reduzierten Kaliumferricyanids war nach 


10 20 30 Minuten, 
2,98 3,00 3,04 ccm. 


300 B. v. Issekutz u. J. v. Both: 


Während der weiteren Versuche stellte es sich heraus, daß das 
Resultat um so genauer und regelmäßiger ist, je größer der NaC 0O,- 
Gehalt der Lösung war und daß dabei ein Kochen von 20 Minuten voll- 
ständig genügt. 


Die endgültige Form der Methode bestimmten wir folgendermaßen : 
Notwendige Lösungen: 


l1. 0,05 n Kaliumferricyanidlösung, 16,5 g Kaliumferricyanid und 
70g Natriumcarbonat in 1000 ccm Wasser gelöst. 


2. Jodkaliumzinksulfatlösung, 10g. Zinksulfat, 50g Natrium- 
chlorid und De Kaliumjodid in 200 ccm Wasser gelöst. 


3. 9proz. Essigsäurelösung. 
4. 0,05 n Natriumthiosulfatlösung. 
5. 1 Proz. Amylum solub. in gesättigter NaCl-Lösung gelöst. 


Man bringt die Zuckerlösung in einen 100-ccm-Erlenmeyerkolben, 
ergänzt das Volumen auf 20 cem, gibt 10 cem 0.05 n Kaliumferricyanid 
hinzu und kocht es 20 Minuten lang in einem Wasserbad. Nach der 
Abkühlung gibt man 10 cem JK-Zinksulfatlösung hinzu, 10 cem 9proz. 
Essigsäurelösung, einige Tropfen Stärke und titriert mit 0,05 n Natrium- 
thiosulfat. 


Gleichzeitig vollführt man eine Kontrollbestimmung ohne Zucker 
zur Feststellung des Titers der Kaliumferricyanidlösung. Die Differenz 
der beiden Bestimmungen ergibt die Quantität des reduzierten Kalium- 
ferricyanids. 


Um 15 Bestimmungen gleichzeitig ausführen zu können, verwende 
man ein Wasserbad von 40 cm Durchmesser und einen dazu passenden 
Kolbenbehälter. Dieser besteht aus drei scheibenförmigen Kupfer- 
platten von 36 cm Durchmesser, welche an einer gemeinsamen zentri- 
schen Säule befestigt sind. An der oberen Scheibe, welche herunter- 
genommen werden kann, befinden sich in zwei Kreisen zusammen 
15 kreisförmige Löcher von 3 cm Durchmesser. An der mittleren und 
unteren Scheibe befinden sich, diesen Löchern entsprechend, je 15 kreis- 
förmige Ausschnitte, an der mittleren von 6cm, an der unteren von 
4cm Durchmesser. In diese Löcher werden 15 Stück Erlenmeyer- 
kolben in zwei Reihen, in der Art der Probierröhren, placiert und mit 
der oberen Scheibe, durch dessen Öffnungen die Hälse herausreichen, 
befestigt. 


Wir verfertigten aus Merckscher ‚Glucose pro analyse‘ nach dem 
Austrocknen im Vakuum 0,lproz. Lösung, deren Glucosegehalt mit 
den Methoden von Bertrand und Willstätter kontrolliert wurden. Aus 
dieser Lösung stellten wir mit Hilfe kalibrierter Pipetten und Meß- 


301 


Methode zur Bestimmung von Glucose. 


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800°0 — | 2666 omg 800 | E00 + 9r9 | us9 | 99 og 619 Gg FT9 | GT9 | 2T9 | T9 ut 
600°0 + | 6006 sro «WO | soo+| Je | gua | ggg gag oe egg od | agg | Sg | A 6 
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2000 + | 200° omg wo! Hot! oer ver ger Et Er Or Br | ger | SET | SET L 
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1000 — | 6667 200 | Z00— | ot pop | GÉR ag LTE STE. STE Gë, 866 | A 
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302 B. v. Issekutz u. J. v. Both: Methode zur Bestimmung von Glucose. 


kolben die entsprechenden Verdünnungen her, und zwar so, daß 20 bis 
20 cem Lösungen 1 bis 15 mg Glucose enthalten sollen. 

Wir vollzogen in drei Versuchsreihen je drei Bestimmungen und 
faßten diese in der Tabelle I zusammen. Die Bestimmungen geben gut 
übereinstimmende Resultate, die Abweichung von dem aus den neun 
Versuchen berechneten Mittelwert ist durchschnittlich 0,05 ccm, die 
Differenz der größten und kleinsten Werte ist mittelwertig 0,07 ccm. 

Aus den Angaben dieser Tabelle berechneten wir mit der Methode 
der kleinsten Quadrate die Tabelle II, welche die dem verbrauchten 
Kaliumferricyanid entsprechenden Glucosemengen angibt. 

Wir verwenden diese Methode seit zwei Jahren zur Bestimmung des 
Glucosegehalts von solchem Blute, welches isolierte Organe durch- 
strömt. Zu diesem Zwecke verdünnen wir 5ccm Blut in einem Meß- 
kolben von 50 ccm mit Wasser und geben wegen des Enteiweißens 
3 bis beem 5proz. Lösung von Natriumwolframat und ebensoviel 
2/,n H,SO, hinzu und führen die Zuckerbestimmung an 10 bis 20 ccm 
Proben des Filtrats durch. Gleichzeitig bestimmen wir an Leerproben 
den Titer des Kaliumferricyanids und durch Subtrahieren beider Werte 
erhalten wir die Quantität des reduzierten Kaliumferricyanids. Den 
Zuckergehalt des Blutes berechnen wir mit Hilfe der mitgeteilten 
Tabellen. 

Die Methode ist, wie es unsere Erfahrungen von 2 Jahren zeigen, 
genügend verläßlich, ergibt übereinstimmende Resultate; es hat alle 
diejenigen Vorzüge, welche die Hagedorn-Jensensche Mikromethode so 
sehr auszeichnen und beliebt machen: Geschwindigkeit, Einfachheit 
und daß kleinere Veränderung der Bestimmungsumstände das Resultat 
nicht beeinflußt. 


Über die Hydrolyse 
des Seidenfibroins!) mittels 25 proz. Ameisensäure. 


Von 
N.D. Zelinsky und K.P. Lawrowsky. 
(Aus dem organisch-chemischen Laboratorium der I. Universität Moskau.) 


(Eingegangen am 19. Januar 1927.) 


Vor etwa 3 Jahren?) machten Zelinsky und Ssadıkow die Beob- 
achtung, daß Gelatine beim Auflösen in 50proz. Ameisensäure selbst 
bei längerem Kochen nicht vollständig zerfällt, indem das Hydrolysat 
nicht aufhört die Biuretreaktion zu geben. Die Menge des NH,-Stick- 
stoffs in der Lösung beträgt 25,46 Proz., während beim Kochen einer 
Gelatinelösung mit Schwefelsäure das Hydrolvsat 71 Proz. nach 
Sörensen titrierbaren Stickstoffs enthält. 

Es stellte sich ferner heraus, daß lOproz. Ameisensäure bei 180° 
(bei nur dreistündigem Erhitzen) Gelatine in ein abiuretes Hydrolysat 
verwandelt; dessen ungeachtet enthält letzteres nur 33,1 Proz. NH,- 
Stickstoff. Ähnliche Resultate wurden bei der Bearbeitung von Seide, 
Casein und Gänsefedern mit 10proz. Ameisensäure erzielt. Aus diesen 
Daten könnte man den Schluß ziehen, daß Ameisensäure zur Hydrolyse 
von Eiweißstoffen nicht geeignet ist, und hauptsächlich deshalb, daß 
sie eine Maskierung der NH,-Gruppen hervorruft, wobei wahr- 
scheinlich Kondensationsprodukte der Aminosäure gebildet werden. 
Bei der näheren Untersuchung eines Gelatinehvdrolvsats wurden auch 
wirklich in Alkohol und Äther lösliche sirupartige Produkte gefunden, 
aus denen die Aminosäuren sich durch nachträgliche Hydrolyse mittels 
Salzsäure nicht ausscheiden ließen. Hieraus wurde daher die Schluß- 
folgerung gezogen, daß bei der Hydrolyse von Eiweißstoffen unter 
Druck (im Autoklaven) mittels 10proz. Ameisensäure die nächsten 
Zerfallsprodukte der ersteren, die Peptide und Anhydride der Amino- 


1) Steaın Filature Japan Raw Silk Meikyosha. 
2) Diese Zeitschr. 137, 397, 1923. 


304 N. D. Zelinsky u. K. P. Lawrowsky: 


säuren, sich unter dem Einfluß der Ameisensäure kondensieren und 
sich der weiteren hydrolysierenden Wirkung derselben entziehen. 


Die vorliegende Arbeit hat eben den Zweck festzustellen, ob in 
der Tat eine solche Folgerung richtig ist, oder doch vielleicht Ameisen- 
säure, in anderen Konzentrationen angewandt, analog den Mineralsäuren. 
imstande wäre die Hydrolyse zu Ende zu führen. 

100 g Seidenfibroin wurden, nach vorheriger Entleimung durch 
Erwärmung mit Wasser unter schwachem Druck, mittels 25proz. 
Ameisensäure im Autoklaven bei 180° und 10 Atm. Druck im Laufe 
von 3 Stunden hydrolysiert. 

Alles ging in Lösung über, Farbe hellorange, Biuretreaktion negativ, 
Ninhydrinreaktion positiv. 

2ccm des Hydrolysats enthalten nach Kjeldahl 0,04265 g, gleich 
100 Proz., nach Sörensen 0,02751 g, gleich 64,49 Proz. Stickstoff. 


Solch ein Verhältnis zwischen Amino- und Gesamtstickstoff (sehr 
nahe Werte erhielten wir auch bei der Hydrolyse der Seide mittels 
verdünnter Mineralsäuren, nicht schwächer als 4 bis 5 Proz.) weist 
darauf hin, daß bei der Druckhydrolyse des Seidenfibroins mittels 
25proz. Ameisensäure keine Kondensation der Produkte der Hydrolyse 
stattfindet, wie sie Zelinsky und Ssadikow bei Gelatine und 10 proz. 
Ameisensäure beobachteten; es geht hierbei vielmehr eine normale 
Hydrolyse vor sich, wie bei der Hydrolyse mittels Mineralsäuren. 

Die Hauptmenge der Ameisensäure wurde im Vakuum abgetrieben. 
Nach Entfernung der Ameisensäure wurde das Hydrolysat mit heißem 
Wasser verdünnt. Aus der im Vakuum nochmals konzentrierten Lösung 
fiel ein kristallinischer Niederschlag aus. Letzterer wurde aus heißem 
Wasser umkristallisiert, wobei 10 g Kristalle erhalten wurden; Schmelz- 
punkt 312 bis 316° unter Zersetzung. Die Substanz wies eine positive 
Reaktion von Millon auf. 

0.1500 g Substanz enthalten 0,01147 g Stickstoff nach Kjeldahl. 
Für Tyrosin (C,H,,NO,) ber. 7,73 Proz., gef. 7,65 Proz. N. 

Das Hvdrolysat wurde, nach Entfernung des Tyrosins, bis zum 
Verschwinden der Millonschen Reaktion, im Extraktionsapparat von 
Maassen mit Äther extrahiert, was 2 Wochen dauerte. In den Auszug 
ging außer einer geringen Menge Ameisensäure nichts über. 

Auch bei darauffolgendem Extrahieren mit Chloroform und Äthyl- 
acetat ging in den Auszug nichts über. 

Würde die Ameisensäure unter den Bedingungen unserer Hydrolyse 
reduzierend wirken, so könnte man unter den Produkten der Hydrolyse 
die Bildung von Basen (Piperazinen) erwarten. Behufs Bestimmung 
der Basen wurde ein Teil des Hydrolvsats auf Zusatz von KOH bis 
zur stark alkalischen Reaktion der Destillation mit Wasserdampf 


Hydrolyse des Seidenfibroins. 305 


unterworfen, wobei die Basen in mit Salzsäure angesäuertem Wasser 
aufgefangen wurden. 

Das Destillat (14, Liter) wurde auf dem Wasserbad eingeengt und 
im Vakuumexsikkator getrocknet. Der getrocknete Rückstand wurde 
mit absolutem Alkohol extrahiert. 

Der in Alkohol unlösliche Teil besteht aus Chlorammonium, dessen 
Menge bedeutend größer war, als die des in Alkohol löslichen Salzes 
der Base. 

Die alkoholische Lösung dieses Salzes wurde eingeengt und dann 
das Chloroplatinat dargestellt, dessen Analyse ergab: 0,4144 g Substanz 
enthalten 0,1722 g Platin. Für (CH,NH,HCI),‚PtCl, ber. 41,58 Proz., 
gef. 41,55 Proz. Pt. | 

Somit gingen mit dem Wasserdampf NH, und Methylamin über; 
Piperazin wurde nicht gefunden. Die Bildung des Methylamins ist 
hier eine Folge der bekannten Reaktion, die beim Erwärmen von 
Aminosäuren mit starkem Alkali stattfindet; das Methylamin entstand 
auf Kosten des in geringer Menge zerfallenden Glykokolls, während 
das NH, als Resultat der Desamidierung der Aminosäuren unter dem 
Einfluß des andauernden Erwärmens mit starkem Alkali gebildet wurde. 

Der mit Alkali nicht behandelte Teil des Hydrolysats (eine Hälfte 
des Ganzen) wurde im Vakuum (10 bis 12 Millimeter) bei 40° bis zur 
Trockne eingedampft. Auf Zusatz von absolutem Alkohol ging ein 
ganz unbedeutender Teil der Substanz in Lösung über, während die 
Hauptmasse sich in Form eines weißen kristallinischen Produkts aus- 
schied. Dasselbe wurde abfiltriert, im Vakuumexsikkator getrocknet 
und dann mit absolutem Alkohol extrahiert. Es ging hierbei ein 
ganz kleiner Teil in Lösung über, der aus einem Öl besteht, das die 
Pyrrolreaktion gibt; ein Hinweis darauf, daß das Prolin ein Produkt 
der Hydrolyse von Leimspuren ist, die im Seidenfibroin zurückblieben. 

Der in Alkohol unlösliche Teil wurde aus Wasser umkristallisiert. 
Es wurden 28 g eines weißen kristallinischen Produkts gewonnen, das 
süß und in Wasser gut löslich war; es gab eine starke Ninhydrinreaktion. 

Zu 15g dieser Substanz wurde absoluter Alkohol zugesetzt und 
die Aminosäuren wie üblich esterifiziert. Das Reaktionsprodukt wurde 
im Vakuum (12 mm) bei 40° eingeengt, und zwar bis zu zwei Drittel 
des ursprünglichen Volumens. In der Kälte fielen reichlich Kristalle 
(Chlorhydrat des Glykokollesters) aus. Nach Umkristallisieren aus 
absolutem Alkohol war der Schmelzpunkt 143 bis 144°. 

In reinem Zustande wurden von dieser Substanz 9,8 g gewonnen; 
die Mutterlauge wurde wieder in konzentrierter Lösung esterifiziert 
und fand in der Kälte keine Ausscheidung der Kristalle mehr statt. 
Die Lösung wurde im Vakuum auf dem Wasserbad bis zur Trockne 
eingedampft und aus dem rückständigen Salze wurde der freie Ester 


366 N. D. Zelinsky u. K. P. Lawrowsky: Hydrolyse des Seidenfibroins. 


nach der Methode von Zelinsky!) isoliert: das Salz wurde mit frisch 
gefälltem und getrocknetem Bleihydroxyd vermengt; die Zersetzung 
wurde bei einer Temperatur des Ölbades von 180 bis 185° geführt: die 
Vorlage wurde durch ein Gemisch von Alkohol mit fester Kohlensäure 
gekühlt. Vom freien ster der Aminosäure resultierten etwas mehr 
als 3 g. Der Ester wurde im Vakuum (12 mm), und zwar auf dem Wasser- 
bad bei einer Temperatur von 49 bis 50°, d. h. bei der Siedetemperatur 
des Alanins rektifiziert. | 

Als Resultat der Untersuchung der Produkte der Hydrolyse er- 
gaben sich somit: 10 g Tyrosin, was bei Umrechnung auf die verarbei- 
tete Menge Seide 10 Proz. ausmacht; 9,8 g Chlorhydrat des Glykokoll- 
esters, was bei Umrechnung auf Glvkokoll 34 bis 35 Proz. von der 
verarbeiteten Seide ausmacht (die Ausbeute an Chlorhydrat beträgt 
70 bis 75 Proz. der Theorie) und 3 g Alaninester, was auf freies Alanin 
20 Proz. ausmacht (wir rechnen die Ausbeute an Chlorhydrat des 
Alanins entsprechend 75 Proz. der Theorie und die Ausbeute an freiem 
ister zu 50 Proz. der Theorie). 

Die Ausscheidung der Aminosäuren aus dem Hydrolysat bietet 
keine Schwierigkeiten, da sie sich leicht reinigen lassen; das Hydrolysat 
ist nur schwach gelblich gefärbt. Diese Umstände, sowie die Abwesenheit 
von Anhydriden unter den beschriebenen Bedingungen der Hydrolyse, 
veranlassen uns auf die Hydrolyse der Proteine mittels wässeriger 
Lösung von Ameisensäure aufmerksam zu machen. | 

Daß die Anhydride der Aminosäuren mittels 25proz. Ameisensäure 
hydrolysiert werden, erhellt aus folgendem Versuch: 0,3586 g Glykokoll- 
Anhydrid (Diketopiperazin) wurden im Autoklaven mittels 25proz. 
Ameisensäure bei 180° im Laufe von 3 Stunden hydrolysiert. Das 
Hydrolysat wurde mit Ba(OH), neutralisiert und in der neutralen 
Lösung der NH,-Stickstoff ermittelt. An nach Sörensen titrierbarem 
Stickstoff wurde gefunden: 0,07781 g. Berechnet: 0,08806. 

Mithin befindet sich der größte Teil des Stickstoffs in Form von 
NH,-Gruppen. Das Verhältnis des Amino- zum Gesamtstickstoff 
beir it 88,36 Proz. 

Es wurde somit erörtert, daß durch die Autoklav aiyiiy der 
Seide mittels 25proz. Ameisensäure dasselbe Resultat erzielt wird, wie 
mittels 4- bis 5proz. starker Mineralsäuren. Die in der Seide prä- 
existierenden Anhydridformen können bei der Spaltung mittels 25proz. 
Ameisensäure nicht ausgeschieden werden, da sie bei solch einer Be- 
handlung hydrolvsiert werden. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chern. 73, 459, 1911. 


Über den Chloridgehalt im Blute 
bei milchgebendem Vieh während des Melkaktes. 


Von 
A. Krestownikoff. 


(Aus dem medizinisch-chemischen Institut, Lund.) 


(Eingegangen am 19. Januar 1927.) 


In einer von mir zusammen mit Carlens (l) ausgeführten Arbeit 
haben wir gezeigt, daß der Melkakt als solcher eine Senkung des Glykose- 
gehalts des Blutes herbeiführt, die unter gewissen Umständen sehr 
beträchtlich werden kann. Die Entstehung dieser Hypoglykämie 
kann zufriedenstellend durch die Annahme erklärt werden, daß der 
Blutzucker die Muttersubstanz für die Lactose der Milch bildet, sowie 
daß der Melkakt eine temporäre Forcierung der Milchproduktion zur 
Folge hat. Der hierdurch entstandene erhöhte Verbrauch von Glykose 
sollte durch ein entsprechendes Einströmen von Glykose in das Blut 
nicht momentan kompensiert werden können. Hierdurch muß eine 
kurzdauernde Verminderung des Blutzuckergehalts zustande kommen. 

Im Zusammenhang mit dieser Untersuchung hat mir Prof. 
E. Widmark vorgeschlagen, zu untersuchen, ob der Gehalt des Blutes 
an Chloriden während des Melkaktes eine Veränderung erleidet. Die 
Chloride sollen sich nämlich auf eine wesentlich andere Weise verhalten 
als die Glykose. Der Glykosegehalt des Blutes ist bei Kühen in der 
Regel niedriger als 0,1 Proz. und der Lactosegehalt der Milch erreicht 
ungefähr 5 Proz., woraus sich ergibt, daß bei der Milchbildung eine 
erhebliche Konzentration von Kohlehydraten stattfinden muß. Die 
Konzentration der Chloride im Blute ist aber drei- bus viermal so groß 
als in der Milch. Vergleicht man den Chloridgehalt des Plasmas mit 
dem der Milch, so wird die Differenz noch größer, da sich die Chloride 
hauptsächlich im Plasma und nicht in den Blutkörperchen vorfinden. 
Bei der Milchbildung muß also hier — verglichen mit den Kohle- 
hydraten — eine ganz entgegengesetzte Erscheinung zu beobachten 
sein. Die Flüssigkeit, die die Milchdrüsen verläßt, ist in bezug auf die 
Chloride weniger konzentriert als das Blut und es muß demnach bei 


308 A. Krestownikoff: 


der Milchbildung ein Hintanhalten dieser stattfinden. Außerdem 
besteht ein intimer Zusammenhang zwischen dem Gehalt an Chloriden 
im Blute und in der Milch (2, 3), indem bei einer Zunahme des Chlorid- 
gehalts im ersteren auch unmittelbar der Gehalt in letzterer steigt, eine 
Erscheinung, die an einen unvollständigen Diffusionsausgleich erinnert. 
Die Lactosekonzentration in der Milch scheint dagegen vom Blut- 
zuckergehalt ziemlich unabhängig zu sein. 


Aus diesen Gründen hat man daher nicht zu erwarten, daß der 
Chloridgehalt des Blutes auf die gleiche Weise wie der Glykosegehalt 
während Perioden mit erhöhter Tätigkeit der Milchdrüsen sinken wird. 
Es sollte eher das entgegengesetzte Verhältnis eintreffen. Ein gewisses 
Hintanhalten der Chloride des Plasmas bei gleichzeitiger Ausscheidung 
eines bedeutenden Teiles seines Wassers sollte eine Erhöhung des 
Chloridgehalts des Blutes herbeiführen können, wenn nicht ein Aus- 
strömen von Chloriden in die Gewebe und in den Harn mit hinreichender 
Geschwindigkeit erfolgt. 

Die Versuche wurden derart ausgeführt, daß Blutproben einer 
kleinen Ohrvene vor, während und nach dem Melken entnommen 
wurden. Das Melken geschah bei Kühen in der Regel mit der Maschine. 
Der Chloridgehalt wurde mit der Mikromethode von Bang bestimmt. 
Die Werte sind als Cl’ berechnet. 


Um festzustellen, ob die Milchmenge durch die Irritation bei der 
Probenahme nicht wesentlich vermindert wurde, wurde die während 
des Versuchs erhaltene Milchmenge abgemessen und mit der Produktion 
der vorhergehenden Tage verglichen. 


Aus den Versuchen mit Kühen (Tabelle I) ergibt sich, daß der 
Chloridgehalt durch den Melkakt keine wesentliche Veränderung 
erfährt. In gewissen Versuchen kann man aber eine ganz unbedeutende 
Tendenz zu einer Erhöhung des Chloridgehalts im Blute während des 
Melkaktes oder unmittelbar danach konstatieren. Diese Erhöhung 
überschreitet aber nur selten die Fehlergrenzen der Mikromethode. 
Vielleicht würde sich das regelmäßige Auftreten dieser Erscheinung 
durch eine genauere Methode feststellen lassen. Die Erhöhung ist aber 
so unbedeutend, daß der osmotische Druck des Blutes, der zum großen 
Teile durch die Chloride aufrechterhalten wird, keine wesentliche 
Erhöhung erleidet. Dies stimmt mit mehreren Beobachtungen anderer 
Untersucher, die den osmotischen Druck des Blutes bei Kühen unter 
verschiedenen physiologischen Verhältnissen gemessen haben (3, 4). 


Auch bei der Ziege (Tabelle II) kann man die gleiche Erscheinung 
beobachten. In vier von den sechs ausgeführten Versuchen ist der 
Chloridgehalt während oder unmittelbar nach dem Melken höher als 
vor demselben. 


Chloridgehalt im Blute. 309 


Tabelle I. 


Der Chloridgehalt des Blutes von Kühen unmittelbar vor, während und 
nach dem Melkakt. 


= ZE 


Gd 


ersuchs ben EE dem Melken 


| Milchmenge in kg | STE in Prozenten 
Nr. des | DA Beer: 2bi 3 bis | 6bi i 
Datum während Min | während | 3 s 
Tieres ES des 19 Min. | 10 Min. 20 Mın. 
en |a Melkens | 


© 
Wo 
ed 


0,29 


E an l > = 
äi — _ 
| 034 | 0,30 
|032 | > = 
029 | 031 = 
SE E 0.30 
en OB 
0,32 | — 2 

2,089 


*) 10 Min. vor dem Melken. 


Tabelle II. 


Der Chloridgehalt im Blute einer Ziege unmittelbar vor, während und nach 

dem Melkakt. Die Ziege wurde morgens und abends gemolken. Die obere 

Hälfte der Tabelle gibt die Resultate für das Morgenmelken, die untere die 
für das Abendmelken wieder. 


Datum \ Milchmenge während des 5 bis 10 Minuten 
ccm i Melkens nach dem Melken 

22. X. 1330 0,28 0,30 

23. X. 1100 0,29 0,31 

25: A. 1320 l 0. 29 0,31 

27. X. i 1100 j 0,28 0,30 

24. X. ı 820 i 0,30 0,30 

27. X. | 620 | 0,30 0,30 

Literatur. 


1) O. Carlens und A. Krestownikoff, diese Zeitschr. 181, 176 bis 182, 
1926. — 2) W. Denis und W. Sisson, Journ. of biol. Chem. 46, 483 bis 492, 
1921. — 3) F. H. van der Laan, diese Zeitschr. 71, 289 bis 305, 1915. — 
4) Ch. Porcher, Le Lait 8, 11 bis 21, 1923. 


Biocbemische Zeitschrift Band 183. 2] 


Beitrag zur Kenntnis des oxydativen Abhbaues der Glucose. 


II. Mitteilung: 
Über die Oxydation der Brenztraubensäure. 


Von 
B. Bleyer und W. Braun. 


(Aus dem chemischen Institut der Hochschule für Landwirtschaft und 
Brauerei Weihenstephan.) 


(Eingegangen am 20. Januar 1927.) 


In den Untersuchungen über den oxydativen Abbau der Glucose!) 
mittels Chloramin in alkalischer Lösung wurde die Vermutung aus- 
gesprochen, daß die Oxydation über die Brenztraubensäure verläuft. 
Die Brenztraubensäure selbst wurde dabei weder isoliert noch sonstwie 
nachgewiesen. Die Vermutung beruhte auf den experimentellen Tat- 
sachen, daß 1 Mol Glucose 8 Äquivalente Sauerstoff verbraucht und 
quantitativ Essigsäure und Kohlensäure liefert. Wenn bei dieser 
Reaktion wirklich Brenztraubensäure als Zwischenprodukt auftritt, 
so muß die Reaktion vollständig gleichartig verlaufen, wenn man 
an Stelle der Glucose Brenztraubensäure selbst als Ausgangsmaterial 
in die Reaktion einführt. 1 Mol Brenztraubensäure müßte also bei 
der Oxydation mit Chloramin 2 Äquivalente Sauerstoff verbrauchen 
und 1 Mol Essigsäure und 1 Mol Kohlensäure liefern. 

Die Untersuchungen wurden, abgesehen von einigen nebensäch- 
lichen Modifikationen, methodisch ganz gleich durchgeführt, wie bei 
der Glucose!). Sie zerfallen also im wesentlichen auch in drei Teile: 


1. Jodometrische Messung des von 1 Mol Brenztraubensäure ver- 
brauchten Sauerstoffs. 

2. Acidimetrische Messung der entstandenen Essigsäure. 

3. Acidimetrische Messung der entstandenen Kohlensäure. 

Zunächst wurden die Reaktionsbedingungen (Reaktionszeit und 


Temperatur sowie Alkalität der Lösung) vollständig gleich eingehalten, 
wie bei der Oxydation der Glucose. Dabei zeigte sich, daß die Reaktion 


1) Diese Zeitschr. 180, 105, 1927. 


B. Bleyer u. W. Braun: Oxydativer Abbau der Glucose. II. 311 


nicht zu Ende geführt ist. Es wurde nun die Reaktionstemperatur und 
die Alkalität der Lösung konstant gehalten und die Reaktionszeit 
systematisch gesteigert. Es ergab sich, daß unter denselben Bedingungen, 
unter denen die Glucoseoxydation in 15 Minuten quantitativ abläuft, 
die Brenztraubensäurereaktion 30 Minuten benötigt. Diese Tatsache 
läßt sich damit erklären, daß die Brenztraubensäure, welche im Verlauf 
der Glucoseoxydation in statu nascendi entsteht, viel reaktionsfähiger 
ist als gewöhnliche Brenztraubensäure, welche vermutlich viel stabiler 
und eventuell in einer polymeren Form vorliegt. In allen vorliegenden 
Versuchen wurde daher eine Reaktionszeit von 35 Minuten eingehalten. 


Angewandt: 2,50 ccm 0,100 n NaOH, 


2,00 , 0,1276 n Chloramın, 
2,00 „ H,O (im Blindwertversuch) 
bzw. 2,00 — 0,0288 mol. Brenztraubensäurelösung 


(im Hauptversuch), 
35 Minuten Reaktionszeit auf dem siedenden Wasserbad. 


Nach der Reaktion ansäuern mit etwa 2 ccm 30proz. Essigsäure, dazu 
Leem etwa l n KJ, Titration mit 0,100 n Thiosulfat. 


[Die Brenztraubensäurelösung wurde in der Weise hergestellt, daß 
2,00 ccm Brenztraubensäure (spezifisches Gewicht 1,267, Mol.-Gew. 88,03) 
mit Wasser zu 1l Liter gelöst werden.] 


Verbraucht: 1. im Blindwertversuch 
(2,43) 
2,42 


Së Mittel: 2,420 ccm 0,1 n Thiosulfat 


2. im Hauptversuch 
(1,32) 

1,29 

1,29 

1,28 

1,28 


Mittel: 1,285 ccm 0,1 n Thiosulfat 


Die Berücksichtigung des Blindwertes erfolgt in folgender Weise: 
In die Reaktion me 2,00 ccm 0,1276 n 


Chloramin.. . . = 0,2552 Milli-Äquivalente 
Im Blindwertversnch gefunden ` 2. 00 ccm 

0,2420 n Chloramin . . . — 0,2420 = 
Differenz wurde durch das Kochen mit Alkali 

zerstöft . » 2 2 2 200000... = 0,0132 Milli-Äquivalente 


Hierbei war das gesamte Chloramin während der ganzen Reaktions- 
zeit der zerstörenden Wirkung des Alkalis ausgesetzt. Dies ist beim 
Hauptversuch nicht der Fall, weil ein großer Teil des Chloramins von 


21* 


312 B. Bleyer u. W. Braun: 


der Brenztraubensäure verbraucht wird. Also darf auch nicht der ganze 
Blindwert (0,0132 Milli-Äquivalente), wie er im Blindwertversuch ge- 
funden wurde, im Hauptversuch in Rechnung gesetzt werden, sondern 
nur ein Teil davon. Im Blindwertversuch waren während der ganzen 
Reaktionszeit der zerstörenden Wirkung des Alkalis 0,2420 Milli- 
Äquivalente ausgesetzt, im Hauptversuch hingegen nur 0,1285 Milli- 
Äquivalente. Der experimentell gefundene Blindwert 0,0132 ist also 


fg 


im Verhältnis SE zu teilen = 0,0070 Milli-Äquivalente. Der auf 


diese Weise errechnete Blindwert ist etwas zu klein. Da die Reaktion 
zwischen Chloramin und Brenztraubensäure nicht momentan verläuft, 
ist mehr Chloramin der zerstörenden Wirkung des Alkalis ausgesetzt, 
als beim Hauptversuch als Restchloramin gefunden wird. Statt 0,0070 
wird also 0,010 (Mittel zwischen 0,07 und 0,013) als Blindwert ein- 
gesetzt. Statt des Titerwertes des Chloramins 0,2552 Milli-Äquivalente 
wird also der reduzierte Titerwert 0,2552 bis 0,0100 = 0,2452 Milli- 
Äquivalente angenommen. 


keet klar, daß unter diesen Umständen keine größere Genauigkeit 
als etwa 1 Proz. erreicht werden kann. 


I. Auswertung des Versuchs. 
In die Reaktion eingeführt . . . . = 0,2452 Milli-Äquivalente 


Nach der Reaktion gefunden . . . = 0,1285 e 
Differenz von der Brenztrauben- ` 
säure verbraucht . ..... = 0,1167 Milli-AquivalenteChloramin 
In die Reaktion eingeführt 2,00 ccm ) 
0,0288 mol. Brenztraubensäure . = 0,0576 Millimol Brenztraubensäure 
Also wurden verbraucht 2,026 Milli-Äquivalente Chloramin pro Millimol 
Brenztraubensäure. 


Dieser Versuch beweist mit einer Genauigkeit von etwa 1 Proz., 
daß 1 Mol Brenziraubensäure 2 Äquivalente Sauerstoff verbraucht. 


II. Messung der entstandenen Kohlensäure. 


Angewandt: 2,50ccm 0,100 n NaOH, 
2,00 ,„ 0,1276 n Chloramin, 
2,00 ,, 0,0288 mol. Brenztraubensäurelösung, 
35 Minuten Reaktionszeit auf dem siedenden Wasserbad. 


Nach der Reaktion wird der Lösung etwa 1 g festes NaCl und etwa 
20 ccm gesättigte BaCl,-Lösung zugesetzt und weitere 10 Minuten 
gekocht. Dann wird zentrifug‘ert und die klare Lösung von dem ge- 
fällten BaCO, dekantiert. Durch mehrmnliges Auffüllen mit Wasser, 
Zentrifugieren und Dekantieren wird das BaCO, völlig rein erhalten. 


Oxydativer Abbau der Glucose. I. Ä 313 


Das BaCO, wird dann mit 3,00 ccm 0,100nH,SO, übertitriert, durch 
Digerieren und Erwärmen vollständig zur Lösung gebracht und mit 0,100 n 
NaOH zurücktitriert (Phenolphthalein als Indikator). 


Verbraucht: 1,87 


1,88 
1,86 } Mittel: 1,868 ccm 0,100 n NaOH 
1,87 
1,86 
In der Reaktion Ben 0,3000 bis Ä 
0,1868 .... . . = 0,1132 Milli-Äquiv. Kohlensäure 
In die Reaktion eingeführt . = 0,0576 Milli-Äquiv. Brenztrauben- 
säure 


Das sind 1,97 Milli-Äquivalente Kohlensäure pro Millimol Brenztraubensäure. 


Damit ist mit einer Genauigkeit von etwa 1,5 Proz. erwiesen, daß 
aus 1 Mol Brenziraubensäure 2 Äquivalente (= 1 Mol) Kohlensäure 
entstehen. 

III. Messung der entstandenen Essigsäure. 

Angewandt: 2,50 ccm 0,100 n NaOH, 

2,00 , 0,1276 n Chloramin, 
2,00 , 0,0288 mol. Brenztraubensäure, 
35 Minuten Kochen auf dem siedenden Wasserbad. 


Nach der Reaktion wird die Lösung mit 3,00 eem 0,100nH,SO, 
übertitriert, weitere 10 Minuten gekocht und mit 0,100 n NaOH zurück- 
titriert (Phenolphthalein als Indikator). 


Verbraucht:: 1,00 


1,06 
1,06 ù Mittel: 1,074 ccm 0,100 n NaOH 
1,06 
1,09 
In die Reaktion eingeführt 2,50 ccm 
0,100nNaOH..... = 6,2500 Milli-Äquivalente Alkali 
Nach der Reaktion gefunden o, 3000 
bis 0, 1074. e œ . e = 0,1926 9 IL 
Differenz von der DE Essig- 
säure neutralisiert . . . , . = 0,0574 Milli-Äquivalente Alkali 
In die Reaktion eingeführt , . . . = 0,0576 Millimol Brenztraubensäure 


Damit ist mit großer Genauigkeit erwiesen, daß 7 Mol Brenz- 
traubensäure 1 Mol Essigsäure liefert. 


Zusammenfassung. 


Durch die angeführten Versuche konnte gezeigt werden, daß 
Brenztraubensäure in alkalischer Lösung durch Chloramin quantitativ 
zu Essigsäure und Kohlensäure oxydiert wird und dabei 2 Äquivalente 
Sauerstoff verbraucht. Die Annahme, daß die Oxydation der Glucose 


3l4 DB. Bleyer u. W. Braun: Oxydativer Abbau der Glucose. II. 


mittels Chloramin, welche ebenfalls zu Essigsäure und Kohlensäure 
führt, über die Zwischenstufe der Brenztraubensäure verläuft, wird 
dadurch wesentlich gestützt. 

Wir möchten nicht verfehlen, auf die Zusammenhänge unserer 
Feststellungen (I. und II. Mitteilung dieser Serie) mit den bekannten 
und grundlegenden Arbeiten C. Neubergs über die Gärungsabläufe 
hinzuweisen. Die Oxydation der Glucose führt unter den geschil- 
derten Zuständen zu den gleichen Schlüsselsubstanzen des Hexosen- 
abbaues, wie sie bei der weinigen und anderen Gärungen entstehen 
bzw. sehr wahrscheinlich sind. Wir werden bei der Fortsetzung 
unserer Arbeiten auf diese Beziehungen noch besonders eingehen. 


Studien über Gewebsatmung. 


IJI. Mitteilung?!): 


Der Einfluß des physikalisch-chemischen Milieus auf die Atmung überlebender 
Warmblüterorgane. 


Von 
H. Reinwein und W. Singer. 
(Aus der medizinischen Poliklinik zu Rostock.) 
(Eingegangen am 21. Januar 1927.) 


Nachdem bei Untersuchungen über die Aufnahme von Sauerstoff 
durch das überlebende Warmblüterprotoplasma sich eine im Vergleich 
zum lebenden Tiere auffallende Gleichmäßigkeit ergeben hatte (1), 
galt es der Frage näher zu treten: ‚Welches sind die besonderen Ein- 
richtungen, mittels derer der überlebende Organismus seine Eigen- 
gewebsatmung dem Energiebedarf des Gesamtorganismus anpassen 
kann?“ Wie schon in der früheren Mitteilung bemerkt wurde, könnte 
man daran denken, daß die Verbrennungsgröße eine Variable der 
Durchblutungsgröße und damit auch der Summe der vorhandenen 
Blutgefäße sein könnte. Leider liegen bisher zu wenig Untersuchungen 
über die Anzahl der Blutgefäße, besonders der Kapillarenanzahl pro 
Gewebseinheit der einzelnen Tierklassen vor. Es erscheint aber doch 
das eine daraus hervorzugehen, daß die Summe der Kapillaren mit 
zunehmender Größe des Tieres etwas abnimmt. Man kann also von 
diesem Gesichtpunkte aus eine Determinante finden, die dahin wirken 
könnte, daß die Atmungsgröße der Zellen von demselben Organ ver- 
schiedener Tiere auffallend gleich ist, sie reicht aber noch nicht aus, 
es müssen noch andere Vorrichtungen vorhanden sein, die nach Ent- 
nahme aus dem Zellkomplex, dem Organ bzw. dem Gesamtorganismus 
entfallen. 


1) Die wichtigsten Tatsachen dieser Arbeit wurden bereits auf der 
zweiten Tagung der nordwestd. Vereinigung für innere Medizin, Januar 1925, 
mitgeteilt. Vgl. weiter E. Grafe, Deutsch. med. Wochenschr. 1925, Nr. 16. 


316 H. Reinwein u. W. Singer: 


I. Wirkung von Änderungen der Isotonie. 


Wir wissen aus den bekannten Untersuchungen von Jean Jaques 
Loeb, Ringer, Warburg u.a., wie weitgehend jede Lebensäußerung 
von der Zusammensetzung der Umspülungsflüssigkeit beeinflußt werden 
kann. Die erste Teilfrage war alsc, wie verhält sich die Atmung, wenn 
die osmotische Kraft der Nährflüssigkeit bei gleichbleibender prozen- 
tusler Zusammensetzung geändert wird, oder, mit anderen Worten, 
ergibt sich ein Unterschied in dem Sauerstoffverbrauch der Zellen 
desselben Organs, wenn man einige in einer Ringerlösung atmen läßt, 
deren osmotische Kraft, gemessen in der Gefrierpunktserniedrigung 
gleich der des Blutes des betreffenden Tieres ist, während andere in 
einer Ringerflüssigkeit suspendiert sind, die zum Blute hypo- oder 
hypertonisch ist ? 

Tabelle I zeigt einige diesbezügliche Untersuchungen. DBetreffs 
der Methode sei erwähnt, daß wir uns in allen diesen Untersuchungen 
einer Ringerlösung bedienten, die nach den Angaben von Warburg (2) 
zusammengesetzt war. Den Verbrauch an Sauerstoff bestimmten wir in 
diesem Falle nach der in dieser Publikation angegebenen Methode. 
Es wurden nur solche Kontrollbestimmungen verwandt, bei denen die 
Doppelbestimmungen nicht über 10 Proz. differierten. 


Tabelle 1. 
Einfluß der osmotischen Kraft. 


Sauerstoffaufnahme pro Gramm Gewebe suspendiert in Ringerlösung 
von wechselnder Konzentration in 1 Minute bei 37°. 


Versuche an Kaninchenleber. 


Sauerstoffaufnahme l  Sauerstoffaufnahme 
40,56 d 0,14 
bei 0,132 bei 0.092 
0,128 | 0,08 
1056 4027 
Sen l bei 0,092 bei 0,067 
| 0.098 0.073 
d 0,56 | 40,85 
bei 0,148 j bei 0,150 
0,146 | 0,145 
E 20,56 | 40,75 
bei | 014 | bei 0,117 
| 0187 | 0115 
i 40,56 | | 20,102 
bei | 0,163 | bei i 0,09, 0,089 
i 0,168, 0.165: | 0,099, 0,108 


Gewebsatmung. III. 317 


Sauerstoffaufnahme pro Gramm Gewebe suspendiert in Ringerlösung 
bei wechselnder Konzentration. 


Versuche an Meerschweinchenniere. 


EE 
Sauerstoffaufnahme ! Sauerstoffaufnahme 


40,56 40.14 
bei 0.36, 0,358 | bei | 0, 173, 0,175 
Zn BR 0,38, 0,36 | 0,23, 0,24 
Ki BI? bei 4027 
SR Dä, Dë 0,87%, 0835 
J 0,56 | 4035 
bei 0,371 | bei 0,372 
EEN 
Gen 056 bei 20,15 
| 0,317, 0,314 | nn | 0,189, 0,181 
| 20,56 SR | 41,02 
bei ‚0,852, 0,348 | bei 0,172, 0,158 
040, 038 | 025, 0,23 


Aus diesen Versuchen geht hervor, daß es uns durch kleine Ände- 
rungen des J.niemals, weder bei der Leber noch bei der Niere, gelang, 
den Sauerstoffverbrauch außerhalb der Fehlergrenze (= 10 Proz.) zu 
steigern, die Vitalität wird aber gestört, sobald die Differenz des 4 nach 
oben oder nach unten gegenüber dem normalen osmotischen Druck 
groß wird. Nach unseren Versuchen liegt das günstigste Milieu zwischen 
d 0,35 bis 20,75. Auffallend erschien es uns, daß die Nierenzellen 
relativ leicht alteriert werden, obgleich doch ihr Sekretionsprodukt, 
der Harn, bei normalen Menschen weitgehende Schwankung betreffs 
des osmotischen Druckes zeigt. 


Unger (3) fand bei Untersuchungen über den Einfluß hypo- und hyper- 
tonischer Lösungen auf die Sauerstoffaufnahme des isolierten Frosch- 
rückenmarks, daß hypotonische Kochsalzlösungen bis herunter zum 
destillierten Wasser keinen Einfluß auf die Oxydationsgröße des von der 
Pia noch umhüllten Rückenmarks ausüben, wenn auch dadurch die Reflex- 
erregbarkeit früher oder später in meist irreversibler Form aufgehoben 
wurde. Hypertonische Kochsalzlösungen dagegen verursachen nach ihm 
ein Steigen des Sauerstoffverbrauchs mit einer anfänglichen Steigerung 
aber bald nachfolgender Aufhebung der Reflexerregbarkeit. Battelli und 
Stern (4) zeigten schon 1907, daß hypertonische Kochsalzlösung auf die 
Atmung fein verteilter Muskulatur von Mammalia hemmend wirkt. Zu dem- 
selben Ergebnis kam Thunberg (5) bei Versuchen mit Froschmuskulatur, 
wobei er sich gasanalytischer Methoden bediente. In dieser Arbeit weist 
Thunberg auch darauf hin, wie schwierig es ist, dieses Problem experimentell 
einwandfrei anzugreifen. Es ist ja nicht möglich, den osmotischen Druck 
zu variieren, ohne auch die chemischen Faktoren der Umspülungsflüssigkeit 
zu ändern, auch die pu-Konzentration wird, wenn auch nur wenig, so doch 
sicher verändert. Wie aus früheren Untersuchungen von Warburg, Büchner 
und Grofe (6) und eigenen, über die im folgenden berichtet wird, hervorgeht, 


318 H. Reinwein u. W. Singer: 


ist der Einfluß der H-Ionenänderung wohl praktisch zu vernachlässigen. 
Ahlgren (7) kommt nach seinen Versuchen zu dem Ergebnis, daß man aus 
der Konstanz des Reduktionsvermögens gegenüber Methylenblau sowohl 
in Phosphat- wie Kochsalzversuchen mit ziemlich großer Sicherheit den 
Schluß ziehen kann, daß die Oxydationsintensität in den Geweben für 
Variationen des osmotischen Druckes innerhalb eines Gebiets, das sich von 
der Isotonie bis zu relativ niedrigen Werten heraberstreckt, unempfindlich 
ist. Meyerhof (8) gibt an, daß bei der Wirkung des Phosphats auf die 
Gewebsatmung auch der osmotische Druck auf die Weise maßgebend ist, 
daß die Atmung sowohl bei Erhöhung als auch bei Verringerung der Kon- 
zentration um 1,5 Proz. herabgesetzt wird. 


Wir heben nur die Leber- und Nierenzellen untersucht, glauben 
aber kaum, daß die übrigen Drüsen sich anders verhalten. Ließen 
wir die Zellverbände länger als eine Stunde in dem geänderten Milieu, 
so sank der Sauerstoffverbrauch, berechnet auf eine Zeiteinheit, immer 
mehr, der Sauerstoffverbrauch stieg auch nicht wesentlich wieder 
an, wenn man die betreffenden Organschnitte wieder in eine Nähr- 
flüssigkeit legte, deren 4 dem des Blutes entsprach. Man kann das 
Ergebnis dieser Versuche wohl dahin zusammenfassen: Änderung des 
Milieus betreffs osmotischer Konzentration, gemessen in der Gefrier- 
punktserniedrigung, bewirkt höchstens eine Schädigung der Zellen, 
wenigstens was die Sauerstoffaufnahme betrifft, es handelt sich allem 
Anschein nach dabei nicht um einen reversiblen Prozeß. Geringere 
Änderung des osmotischen Druckes, d.h. 4 0,35 bis 4 0,75, die aller- 
dings im lebenden Organismus, soweit wir wissen, nicht mehr vor- 
kommen (abgesehen von der Niere), sind ohne nachweisbare Ein- 
wirkung auf die Sauerstoffzehrung. Es erscheint dies von besonders 
praktischem Werte, weil man bei Versuchen am überlebenden Gewebe 
nicht besondere Maßnahmen zu ergreifen braucht, um den osmotischen 
Druck ängstlich konstant zu halten. Zu demselben Schluß kommt 


Ahlgren (ei 


I. Wirkung der Änderungen der H-Ionenkonzentration. 


Seit den Untersuchungen von Winterstein über die Erregbarkeit des 
Atemzentrums und den zahlreichen Arbeiten über den Einfluß der 
H-Ionenkonzentrationen auf alle möglichen vitalen Vorgänge und der 
Ausbildung einer guten Untersuchungstechnik, sind wir gewohnt, mit einer 
Abhängigkeit biologischer, ja rein chemischer Prozesse von dem pp der 
Umgebung zu rechnen. Untersuchungen über den Einfluß der Acidität 
bzw. Alkalität auf die Oxydationen in den Geweben wurden schon von 
Battelli und Stern (9) angestellt, bevor es möglich war, die aktuelle Reaktion 
genau zu messen. Sie fanden, daß die Hauptatmung durch eine geringe 
Alkalität des Milieus verbessert, durch eine stärkere O H-Ionenkonzentration 
aber gänzlich vernichtet wird. Refraktär soll sich im Gegensatz hierzu bei 
den erwähnten Änderungen die akzessorische Atmung verhalten. Über- 
wiegen der H-Ionen schädigte beide Arten der Atmung. Thunberg (10) 
fand in seinen mikrorespirometrischen Versuchen über den Einfluß des pr, 


Gewebsatmung. III. 319 


daß sowohl OH- wie H-Ionen hemmend wirken. Warburg (11) wies nach, 
daß die Sauerstoffaufnahme bei Strongylocentrotuseiern bei Zunahme der 
OH-Ionen wächst. Loeb und Wasteney (12), Clendon und Mitchell (13) 
kamen zu demselben Ergebnis bei Arbacia bzw. Seeigeleiern. Meyerhof 
erwähnt in seinen Arbeiten über die Atmung der Froschmuskulatur, daß 
das Atmungsoptimum am Neutralpunkt oder ganz wenig nach der alkalischen 
Seite verschoben liege. Zu demselben Ergebnis kommt Thunberg 1920 (14). 
Warburg (l. c.) hatte die Wirkung der OH-Ionen auf die Oxydations- 
geschwindigkeit der Strongylocentrotuseiern hauptsächlich als Folge einer 
physikalischen oder chemischen Zustandsänderung der umgebenden Plasma- 
haut angesehen. ZEllinger und Landsberger (15) weisen mit Recht darauf 
hin, daß außer dieser Warburgschen Erklärung noch weitere Möglichkeiten 
in Betracht zu ziehen sind, einmal könnten die Aminosäuren in der COOH- 
Gruppe stärker dissoziiert sein und leichter verbrannt werden, andererseits 
könnte auch eine lokale Anhäufung der OH-Ionen in der Zelle selbst be- 
deutsam werden. Der Angriffspunkt wäre, in der Warburgschen Termino- 
logie über die Atmung am Kohlenmodell gesprochen, an den Brennorten oder 
am Brennmaterial zu suchen. Bei den Brennorten wäre zwischen einer 
Wirkung auf Katalyse oder Adsorptionsänderung zu unterscheiden. Sie 
stellten diesbezügliche Versuche mit gewaschenen Gänseerythrocyten an 
und kamen zu dem Ergebnis, daß die eigentliche Zellreaktion durch die 
primäre starke Pufferung der Zellen fast nicht beeinflußt wird. Quellungs- 
und Adsorptionsfähigkeit bleiben unverändert, es zeigte sich auch kein 
Einfluß auf die Eisenkatalyse. Sie sehen daher den Angriffspunkt für die 
H-Ionenkonzentration lediglich im Brennmaterial durch eine Änderung der 
Dissoziation in der COOH- bzw. in der NH,-Gruppe. Es ergab sich betreffs 
des Sauerstoffverbrauchs eine fast lineare Abnahme mit wachsender 
H-Ionenkonzentration. Schon in seinen ersten Arbeiten über die Carcinom- 
zelle wies Warburg darauf hin, daß bei Schwankung des py zwischen 6,5 
und 8,5 keine wesentliche Beeinflussung der Leber- oder Carcinomzellen- 
atmung erkennbar wird. 


Es erscheint nicht von vornherein erlaubt, Erfahrungen am See- 
igelei oder intakten roten Blutkörperchen auf Versuche an den Warm- 
blüterzellverbänden zu übertragen. Bei Untersuchungen der Gewebs- 
schnitte handelt es sich ja um Zellen, die aus einer Gesamtheit heraus- 
gelöst sind, während man das Ei als solches wohl doch noch als Gesamt- 
organismus bezeichnen kann. Büchner und Grafe kamen, wie schon 
erwähnt, zu demselben Ergebnis. Wenn wir nochmals diesbezügliche 
Untersuchungen anstellten, so geschah es, um festzustellen, ob nicht 
außerhalb der von Warburg, Grafe und Büchner gezogenen Grenzen, 
die zwar an sich schon weit außerhalb der im lebenden Organismus 
allseits angenommenen H-Ionenschwankungen liegen, eine Änderung 
eintreten kann. 

Auch hier bedienten wir uns der alten Warburgschen Methode, eine 
Variation des py bei sonst gleichbleibender osmotischer und prozentualer 
Verteilung der in der Umspülungsflüssigkeit vorhandenen Elemente, 
erreichten wir durch Anwendung der von Rhode und Saito (16) empfohlenen 


Durchspülungsflüssigkeit. Vor und nach jedem Versuch prüften wir mit 
Hilfe der Michaelisschen Indikatorenmethode die Reaktion und konnten 


320 H. Reinwein u. W. Singer: 


uns einerseits von der Richtigkeit der von obengenannten Autoren an- 
gegebenen py überzeugen, andererseits auch ersehen, daß die Reaktion nach 
ein- oder zweistündigen Versuchen in der Flüssigkeit annähernd dieselbe 
geblieben war. Nichts können wir darüber aussagen, ob nun tatsächlich 
such im Inneren der Gewebsschnitte eine wesentliche Änderung des py 
eintrat. Schon vor Anstellung der eigentlichen Atmungsmessung versuchten 
wir durch Liegenlassen der Gewebsschnitte in der betreffenden Flüssigkeit, 
die mit Sauerstoff durchperlt und häufig gewechselt wurde, das Pufferungs- 
vermögen des Zellinhalts abzuschwächen, eine gänzliche Erschöpfung ist 
selbstverständlich nicht möglich, da man dann ja auch nicht mehr von 
überlebenden Zellen reden kann. 


Tabelle II. 


Meerschweinchenniere. 


Sauerstoffverbrauch, berechnet für 1g Gewebe in 1 Minute ` 
bei 37° Temperatur. 


45! ae | 65 | 74 |7 7,6 Ia Ia i B6 | 96 | 
EE 2 ae BORD 

0,180 | | 0,3108 | 0,3099 | 

0.20 ' 0.3057 | ‚0312 

022 0.290 | 

0,1762 | 0,1975 | 0,314 | 0,332 ' 


0,176 EH 0,308 0,31 u | 


| ’ Kaninchen- 
| 


0,40 ' ‚367 | 

| 0,37 0,368 | 0,426 NW 0,440 0,360 ' ` "wiere 
| | 0,3845 | 0,40 | 0,42 Kos H 
Ä | 0,375 |0, | 
Ä | ; 0,374 | 0,267 | 
! | 0365 | | 0,272 
| | Ä | | 0,270 


Meerschweinchenleber. 


Sauerstoffverbrauch, berechnet für 1g Gewebe in 1 Minute 
bei 37° Temperatur. 


ap | 56 | 65 | za | 76 | so | s4 | s6 | ae 
a a a e a ee 
0,048 | | | Ä 0,1153 | 
0,046 | ! 0,0977 0,180 | 
0,062 | 0,0868 | 0,108 | 0,130 | 
0,0686 | | 0,098 10,113 ` | 0,125 | 
0,051 | 0,073 0,074 | 0,088 ` 0,096 | 
0,050 ` 0,071 | 0,072 | 0,092 ` 0,098 = 
| | 0,087 ` 0,094 0,104 |- 0,066 
| i 0,085 | 0,093 0,111 | 0,962 
| 0,087 0,110 : 0,111 | 0,063 | 
0,031 | 0,120 | 0,114 | 0,068 
, 0,089 | | 
0,041 ` 0,089 | 00 0,060 
0,046 0,088 ` 0,093 0,062 


Gewebsstmung. III. 321 


Tabelle II zeigt den Einfluß des pe auf die Sauerstoffzehrung, 
wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, daß wir, auch wenn 
keine Änderung des Sauerstoffverbrauchs eingetreten ist, nicht ohne 
weiteres annehmen, daß intermediäre Vorgänge dann auch nicht beein- 
flußt sind. 

Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß die isolierten Zellen auffallend 
zähe, unbeeinflußt von der Reaktion des umspülenden Milieus die 
Atmung größe beibehalten. Ob es sich hierbei lediglich um das Ver- 
mögen der guten Pufferung handelt, kann man vorerst nicht definitiv 
sagen. Eine Verschiebung auf die alkalische Seite läßt ein geringes 
Ansteigen der Sauerstoffzehrung erkennen, es sei hier betont, daß wir 
nur solche Versuche verwerteten, bei denen die Warburgsche Grund- 
forderung erfüllt war: Gleichmäßiger Sauerstoffverbrauch innerhalb 
der jeweiligen Ablesungszeiten. Innerhalb einer Stunde war dies bei 
allen angeführten Untersuchungen erfüllt, verlängerte man die Unter- 
suchung dauer, so fingen die Zellen in den extremsten Versuchs- 
bedingungen an, unregelmäßig Sauerstoff aufzunehmen. Hin und 
wieder machten wir bei anderen Versuchen die Beobachtung, daß 
manchmal, wenn die Umspülungsflüssigkeit extrem alkalisch wurde 
(z. B. durch Überkippen der Kalilauge in das größere Reservoir), nach 
der üblichen Wartezeit, die eine gleichmäßige Diffusion und Erwärmung 
bewirken soll, in den ersten Minuten ein auffallender Sauerstoffverbrauch 
stattfand, in den nächsten Minuten wurde die Atmung immer geringer 
und hörte meistens nach kurzer Zeit ganz auf. Vielleicht geht also dem 
Absterbeprozeß ein gesteigerter Sauerstoffverbrauch voraus oder mit 
ihm einher, wir möchten aber nicht aus einigen Beobachtungen, zu 
deren genauen Analyse man sich anderer Versuchstechnik bedienen 
müßte, weitgehende Schlüsse ziehen. Wir entnehmen unseren Unter- 
suchungen, daß eine Änderung der umgebenden Reaktion bei iso- 
lierten Gewebszellen nur geringen Einfluß hat. Innerhalb der physio- 
logischen Grenzen ist die Sauerstoffzehrung praktisch die gleiche. 
Das Optimum liegt etwas nach der alkalischen Seite bei etwa pu 8,0 
“ bis 84. Wie Ahlgren in seiner nach Abschluß unserer Versuche er- 
schienenen zusammenfassenden Arbeit angibt, haben Essen und Möller 
neuerdings die Einwirkung der H-Ionen auf das Reduktionsvermögen 
der Muskulatur von Fröschen und Meerschweinchen mit der Methylen- 
blaumethode studiert. Sie fanden, daß das Reduktionsvermögen von 
6,5 mit zunehmender Alkaleszenz langsam steigt, bis etwa bei 8,3 ein 
Optimum erreicht ist. Diese Ergebnisse bestätigen demnach unsere 
Resultate.. Zu ganz anderen Ergebnissen kam Ryffel (17), der den 
EinfluB des pyu des Milieus bei überlebendem Muskelgewebe mittels 
der Dinitromethode von Lipschitz untersuchte. Er fand das Optimum 
für die Sauerstoffzehrung der Frosch-, Meerschweinchen- und Tauben- 


322 H. Reinwein u. W. Singer: 


muskulatur bei pu 9 bis 10 gelegen. Das gleiche pa-Optimum für die 
Atmung der Fischmuskulatur fanden Hess und Ryffel (18). 


IH. Die Wirkung von Elektrolyten auf die Gewebsatmung. 


Es galt nun weiter, der Frage der Wirkung der Salze auf die 
Oxydationsgröße der überlebenden Gewebsschnitte näherzutreten. 


Es handelt sich dabei von vornherein um eine Wirkung von Ionen und 
Molekülen. Vor allem durch die Elektrolyttheorie von Kraus-Zondek (19) 
und ihren Mitarbeitern ist die Wichtigkeit der richtigen Verteilungs- 
verhältnisse der Calcium-, Kalium- und Natriumionen für den ungestörten 
Verlauf der Gewebsfunktionen dargetan worden. Zondek spricht ja direkt. 
von einer Identität von Nerven- und Ionenwirkung. Arnoldi (20) bemühte 
sich, zu zeigen, daß es möglich ist, den Sauerstoffverbrauch des isolierten 
Herzens in gesetzmäßiger Weise durch Änderung der Ringerflüssigkeit zu 
beeinflussen, so daß man sogar von einem biologischen Antagonismus 
zwischen Wasser und Kochsalz, Kalium und Calcium, Bicarbonat und 
Phosphat reden kann. Unger (l. c.) konnte unter Wintersteins Leitung bei 
seinen Untersuchungen am isolierten Froschrückenmark irgend einen Ant- 
egonismus zwischen Natrium-, Kalium-, Calciumionen hinsichtlich des 
Sauerstoffverbrauchs nicht finden. Kaliumsalze zeigten in iso- und hypotoni- 
schen Lösungen keine Beeinflussung, in hypertonischen Lösungen trat eine 
Änderung des Sauerstoffverbrauchs ein. Calciumsalze wirken nach ihm in 
jeder Konzentration verschlechternd auf den Sauerstoffverbrauch. Unger 
nimmt als geeignetste Umspülungsflüssigkeit die isotone Kochsalzlösung. 
Thunberg (21) wies schon 1909 in seinen Mikrorespirationsversuchen die 
deletäre Wirkung des Calciums nach. Warburg (22) zeigte die Giftigkeit der 
Caleiumionen in Versuchen mit lädierten Gänseerythrocyten, Meyerhof (ei 
am Froschmuskelbrei, Klockmann und Moro (23) an Darmzellen. Lange (24) 
untersuchte den Einfluß des Calciums sowohl auf den Glykogen-, Lact- 
acidogen-, Milchsäurestoffwechsel wie auch auf den Gasaustausch. Bei der 
Atmung fand er eine diphasische Wirkung. In Konzentrationen von molar 
bis m/1l25 erhielt er eine Hemmung, bei m/625, dagegen eine Steigerung 
über 15 Proz. gegenüber dem Wasserwert. Lange bringt die Calciumwirkung 
in Zusammenhang mit kolloidchemischen Veränderungen. Gerade diese 
Langeschen Versuche zeigen, daß die Ionen an den überlebenden Zell- 
verbänden ganz verschiedene Angriffspunkte haben können. Das, was 
Weizsäcker (25) bei seinen Untersuchungen am Herzen fand, nämlich, daß 
bei regelmäßiger guter Herztätigkeit die Sauerstoffaufnahme nicht sehr groß 
zu sein braucht, bei schlechter Tätigkeit dagegen sich oft ein Mehrverbrauch 
an Sauerstoff zeigt, dürfte bis zu einem gewissen Grade auch an den über- 
lebenden Zellverbänden nachweisbar sein. Thunberg (26) hatte gezeigt, 
daß das Reduktionsvermögen, das mit destilliertem Wasser extrahierte 
Froschmuskulatur gegenüber Methylenblau hat, durch Zusatz von Natrium- 
chlorid und Kaliumchlorid verstärkt werden kann. Eine noch stärkere 
Wirkung zeigte Zusatz von Phosphat. Ahlgren (l. c.) findet, daß hyper- 
tonische Kochsalzlösungen immer mehr oder minder hemmend wirken, 
Kaliumchlorid zeigte auf die Oxydationsintensität von ungewaschenem 
Froschmuskelbrei keine beschleunigende Wirkung. Zilinger (27) kommt 
bei Untersuchungen mit ausgewaschenen Gänscerythrocyten, die obendrein 
durch Gefrieren gesprengt wurden, zu dem Ergebnis, daß das Vorhandensein 
von Kalium in der Nährlösung unbedingtes Erfordernis ist. Durch Herab- 


Gewebsatmung. III. 323 


setzung der Kaliumkonzentration wird der Oxydationsprozeß erheblich 
verschlechtert. Durch Vermehrung des Kaliums wird er zunächst ver- 
bessert, nimmt aber bei stärkerer Vermehrung wieder ab. Das Kalium 
kann durch Rubidium ersetzt werden, ein Ersatz durch Cäsium ist nicht 
möglich. Unentschieden bleibt nach seinen Versuchen, ob das Kalium als 
Ion wirkt oder infolge seiner radioaktiven Eigenschaft. 

Auch wir fanden, daß destilliertes Wasser auf die Sauerstoffzehrung 
deletär wirkte, es kombinieren sich ja in diesem Falle osmotische Ein- 
flüsse und der Mangel an Elementen. Fast immer schon nach einer 
halben Stunde, die wir wegen Temperaturausgleich abwarteten, war der 
Sauerstoffverbrauch praktisch erloschen. Wie aus Tabelle III ersichtlich, 
findet aber auch in physjologischer Kochsalzlösung ein geringerer 
Verbrauch statt, wie bei den Zellen, die in der von Warburg angegebenen 
Flüssigkeit suspendiert waren. Um die Wirkung der Calcium- und 
Kaliumionen zu verfolgen, kann man auf drei verschiedene Weisen vor- 
gehen. Man kann das Verhältnis beider Ionen zueinander ändern oder 
eines der Elemente aus der Ringerflüssigkeit weglassen oder drittens zu 
einer Kochsalzlösung Kalium oder Calcium zufügen. 


Tabelle III. 
Verhalten der Sauerstoffzehrung von Nierengewebsschnitten in gewöhnlichem 
Ringer, physiologischer Kochsalzlösung, Kochsalz und Natronbicarbonat, 
in Ringerlösung, der das Calcium fehlt. 


i l | Kochsalz und | Ringer ohn. Physiologisch 
Gewöhnl. Ringer ` Natronbicarbonat | Calcinmchlorid | Korhaalerdsung 
0,349, 0356 ı 0,301, 0,285 0,31, 0,29 | 0.175, 0,190 
0,305, 0,309 | Ze 0,241, 0,285 = ës 
0,249, 0,267 
Tabelle IV. 


Verhalten der Sauerstoffzehrung von Nierengewebsschnitten in gewöhnlichem 
Ringer, physiologischer Kochsalzlösung, Kochsalz- und Natronbicarbonat, 
in Ringerlösung, der das Kalium fehlt. 


Gewö e i Kochsalz und Ringer ohne | Physiologische 
ewöhnl. Ringer _ Natronbicarbonat Kaliumchlorid Kochsalzlösung 
= S P i ee en SE 2 = = ERSTE TI en 
035, 0356 ` 0,302 | 0,317, 0,32 0.167, 0,170 
0,308, 0.399 0.278. 0,253 0,256, 0,322 — — 


Tabelle V. 


Der gewöhnlichen Ringerlösung wurden 0,2 ccm isotoner Kaliumchlorid- 
lösung zugesetzt, Versuch mit Kaninchenniere. 


Kontrolle mit Ringer | Versuch nu 


0.407, 0,39 


0425, | 


0,425, 0,41 


324 H. Reinwein u. W. Singer: 


Tabelle VI. 


Der gewöhnlichen Ringerlösung wurden 0,2 ccm isotoner Calciumchlorid- 
lösung zugesetzt, Versuch mit Kaninchenniere. 


Kontrolle mit Ringer | V ersuch 


0,425, 0,41, 0,407 | 0,350, 0,336 


Tabelle VII. 


Verhalten in Kochsalz + 0,2 ccm isotoner Calciumchloridlösung; Kochsalz 
-+ Natriumbicarbonat + 0,2 cem Calciumchlorid. 


Ringerkontrolle ` ` Kochsalzkontrolle ee | ra Her 
0,364, 0,356 0,100, 0,178 0.263, 0258 | 024, 0,245 


Tabelle VIII. 


Verhalten in Kochsalz + 0,2 cem isotoner Kaliumchloridlösung, Kochsalz 
+ Natriumbicarbonat + 0,2ccm Kaliumchloridlösung. 


; i | Kochsalz + Natrium» Kochsalz 
Ringerkontrolle Kochsalzkontrolle bivarb. + Kaliumchlor. + Kaliumchlorid 
0,354, 0346 ' 0,190, 0,187 0,295, 0,297 0,263, 0.25 


Diese Tabellen stellen einen Auszug unserer Versuchsergebnisse 
dar, wir betonen, daß alle verwertbaren Ergebnisse in diesem Sinne 
ausfielen. Wir können demnach nicht von einem direkten Antagonismus 
von Kalium und Calcium reden. Calciumchloridvermehrung scheint 
immer schädigend auf die Atmung zu wirken, diese Befunde decken 
sich mit denen früherer Untersucher. So eindeutige Befunde wie 
Ellinger betreffs der Kaliumchloridwirkung konnten wir nicht erhalten. 
Kalium einer gewöhnlichen gepufferten Natriumchloridlösung zugesetzt, 
steigert die Atmung;größe wohl etwas, aber auch diese Differenzen 
liegen eigentlich in der Fehlergrenze. Bei Atmung in reiner isotoner 
Kaliumchlorid- oder Calciumchloridlösung, auch wenn diese durch 
Natriumbicarbonat gepuffert wurde, gehen die Zellen schnell irre- 
versibel zugrunde. Auch hier scheint es sich um eine Schädigung der 
atmenden Struktur zu handeln, was wir daraus schließen möchten, 
daß die Atmung unregelmäßig wird und daß es nur in ganz wenigen 
Versuchen gelang, den Versuch eine Stunde lang fortzuführen. Unter 
Berücksichtigung der Ungerschen Arbeit lenkten wir unsere Auf- 
merksamkeit besonders auf das Verhalten der Atmung in physiologischer 
Kochsalzlösung. 


Gewebsatmung. III. 325 


Tabelle IX. 


Verhalten der Nierenzellenatmung von Meerschweinchen in physiologischer 
Kochsalzlösung. 


Versuch mit Ringer | Versuch mit Kochsalzlösung 


0,309, 0,308 | 0,167, 0,243 
0.305. 0.309 0.175, 0.190 
0,31, 0,304 0.138, 023 


0,38, 0,39 (Kaninchen) 0,155, 0,14 
Verhalten der Leberatmung 


0,109, 0,11 | 0,082, 0,081 


Auch die Atmungsgröße in diesen Versuchen variiert sehr. Da 
wir uns vor Beginn der Arbeit in Reihenversuchen überzeugt hatten, 
daß es bei guter Übung gelingt, eine nur geringe Variation der Atmungs- 
größe zu erreichen, möchten wir auch diese Erscheinung als eine 
Schädigung der Zellverbände durch das nichtphysiologische Milieu 
auffassen. Wie schon aus den früheren Angaben in den Tabellen hervor- 
geht, könnte man daran denken, daß eine Zellschädigung schon allein 
durch die schlechte Pufferung gegen Kohlensäure, d.h. Fehlen des 
Natriumbicarbonats verursacht sein könnte. Aus dem Untersuchungs- 
ergebnis der folgenden Tabelle X könnte man auch tatsächlich 
entnehmen, daß Natronbicarbonat eine gewissermaßen entgiftende 
Wirkung hat. 

Tabelle X. 
Verhalten in physiologischer Kochsalzlösung + 0,2 cem isotoner Natron- 
bicarbonatlösung. 


Versuch in Kochsalz 
+ Natriumbicarbonat 


Versuch in Ringer | 


Nierenzellen 
0.364, 0,365 0,313, 0,308 
0,402, 0,404 0.345, 0,331 
0,413, 0,41 0,347, 0,345 
0,360, 0,350 0,302, 0,295 
Leber 
0,104, 0,11 i 0,099, 0,0998 
0,113, 0,109 | 0,10, 0,101 


Die Leber scheint überhaupt gegen Änderung der Elektrolyte 
weniger empfindlich als die Niere, es gilt dies auch betreffs des Sauer- 
stoffverbrauchs bei Variation des Kaliums und Caleiums. Wir brachten 
daher in den diesbezüglichen Tabellen auch nur unsere Ergebnisse bei 
den Nierenzellen; an den Leberzellen war die Einwirkung nicht außerhalb 
der Fehlergrenze der Methode zu bestimmen. Daß das Natronbicarbonat 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 29 


326 H. Reinwein u. W. Singer: 


keine Steigerung der Sauerstoffzehrung bewirkt, glauben wir durch 
folgende Versuchsanordnung erweisen zu können. 

Wir bedienten uns auch hier der alten Warburgschen Atmungs- 
trögchen, nur hatten wir außer dem Rezipienten für die Lauge an der 
Außenseite des Gefäßes mittels eines Schliffes eine kleine Retorte an- 
bringen lassen. Selbstverständlich darf hierdurch der Gesamtinhalt 
nicht sehr vergrößert werden, da sonst die Manometerausschläge in 
der Zeiteinheit zu klein werden. In die Retorte taten wir nun 0,1 bis 
0,2ccm Natriumbicarbonat, nach einer gewissen Zeit ließen wir diese 
zu der Ringerlösung, in der ein Gewebsschnitt lag, fließen, indem wir 
den Retortenbauch umdrehten, ohne dabei das Manometer aus dem 
Kasten emporzuheben. Niemals gelang es uns so, in der folgenden 
halben Stunde eine gegenüber der ersten größere Sauerstoffaufnahme zu 
erzielen. Bei gleichen Versuchen mit gewöhnlicher Kochsalzlösung 
blieb die Atmung regelmäßiger, wenn der Versuch nicht zu lange ge- 
dauert hatte, ein Mehrverbrauch an Sauerstoff fand aber auch nicht 
mehr statt. Die folgende Tabelle XI zeigt das Verhalten der Nieren- 
zellen in einer Ringerlösung, der nur das Natriumbicarbonat fehlt, 
zum genauen Vergleich hatten wir auch einige Schnitte desselben 
Organs in physiologische Kochsalzlösung getan, wobei wiederum die 
sehr unter sich differierende Atmungsgröße in physiologischer Koch- 


salzlösung hervortritt. 
Tabelle XI. 
Verhalten von Nierenzellen in Ringer, dem Natronbicarbonat fehlt. 


Kontrolle in Physiologische 


E ee Ringer: i Kochsalzlösung Ungepufferter Ringer 
0,310, 0,304 | 0,24, 0,189 0096, 010, 01 
0343, 0,349 | a 019. 0197, 

0.401. 0,398 | Ln 0220, 020 


Man möchte daraus ersehen, daß Calcium und Kalium, sobald 
Natriumbicarbonat fehlt, hemmend auf den Sauerstoffverbrauch 
wirken. Es gelang nicht, die Wirkung von Kalium und Calcium dabei 
einzeln einwandfrei zu analysieren, wie aus den früheren Tabellen zu 
ersehen ist. 

Eine Steigerung der Atmung durch Kalium oder Calcium konnten 
wir auch in den Fällen nicht erhalten, wo wir uns der eben beschriebenen 
Methode bedienten, d.h. statt des Bicarbonats Kalium oder Calcium 
zufließen ließen. Das Verhalten der Sauerstoffzehrung in Normosal- 
lösung wich nicht von der der gewöhnlichen Ringerlösung ab. Thunberg 
hatte 1909 gemeint, daß das Kaliumphosphat notwendig ist, um einen 
normalen Gasaustausch zu erhalten. Wie Ahlgren in seiner Monographie 
mitteilt, soll sich nach unveröffentlichten Versuchen Thunbergs das 
Natriumphosphat genau so verhalten. Thunberg nimmt deshalb eine 


Gewebsatmung. III. 327 


Phosphatwirkung an. Ahlgren weist unseres Erachtens mit Recht 
darauf hin, daß vor allem die Pufferwirkung des Phosphats maßgebend 
sein könnte. In diesem Sinne würden auch unsere Versuche über das 
Verhalten in physiologischer, ungepufferter Kochsalzlösung und ge- 
pufferter Kochsalzlösung sprechen. Über die Phosphatwirkung als 
solche stellten wir keine besonderen Versuche an, nachdem wir ge- 
funden hatten, daß die Sauerstoffzehrung in der Ringerflüssigkeit 
nach Warburg und in der Rhodeschen Flüssigkeit praktisch gleich war. 
Wir lassen es vorläufig dahingestellt, ob den Phosphatlösungen als 
Suspensionsflüssigkeiten der Vorzug einzuräumen ist. Daß die Ringer- 
lösung für fein verteilte Gewebe bei Atmungsversuchen direkt als un- 
geeignet bezeichnet werden dürfte (s. Ahlgren), können wir nicht 
bestätigen. 

Selbstverständlich wäre es verfrüht, aus diesen Versuchen bindende 
Schlüsse gegen die Bedeutung der Elektrolytentheorie ziehen zu wollen, 
vor allem, da man ja gar nicht mit Sicherheit sagen kann, bei welcher 
Umspülungsflüssigkeit die Sauerstoffzehrung am optimalsten ist. Jeder 
Vergleich ist daher zurzeit noch willkürlich, es gilt vor allem zu unter- 
suchen, ob sich nicht andere Ergebnisse bei Untersuchungen im art- 
eigenen Serum zeigen. Auch möchten wir nochmals darauf hinweisen, 
daß man vorerst aus einer normalen Sauerstoffzehrung noch nicht 
ohne weiteres auf ungestörte intermediäre Vorgänge schließen kann, 
zumal sich unsere Untersuchungen meist nur über 1 Stunde, maximal 
2 Stunden, erstreckten. 

Literatur. 

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23) Klockmann und Moro, Jahrb. f. Kinderheilk. 79, 676. — 24) Lange, 
Zeitschr. f. physiol. Chem. 187, 105, 1924. — 25) v. Weizsäcker, Pflügers 
Arch. 141, 547; 147, 135; 148, 535. — 26) Thunberg, Skand. Arch. f. Physiol. 
40, 1920. — 27) Ellinger, Zeitschr. f. physiol. Chem. 116, 266, 1921. 


22* 


B-Avitaminose und Nebenniere. 


Von 
Ernst Schmitz und Maximilian Reiss (Prag). 


(Aus der Chemischen Abteilung des Physiologischen Instituts in Breslau.) 


(Eingegangen am 22. Januar 1927.) 


Unter den zahlreichen Einzelerscheinungen, die sich nach länger 
dauernder Entziehung von B-Vitamin bei Vögeln einstellen, stehen die 
nervösen Symptome dermaßen im Vordergrund, daß die ganze Er- 
krankung häufig mit dem Namen einer Polyneuritis, das Vitamin 
selber als Antineuritin bezeichnet wird. Die Darmerscheinungen und 
die Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung fast aller 
Organe zeigen aber, daß damit nicht das Wesen, sondern nur eine Folge 
der Erkrankung erfaßt wird, und weisen der Forschung den Weg zu 
den Stoffwechselvorgängen. 

Die Vitaminwirkung ist häufig mit der von Katalysatoren und 
Fermenten verglichen worden. Dieser Vergleich stimmt zu einigen 
ihrer Eigenschaften, wie der zunehmenden Labilität bei fortschreitender 
Reinigung, zu der hohen Hitzeempfindlichkeit. Aber auch bei der 
Darreichung von Vitaminpräparaten an avitaminöse Tiere hat man 
sehr häufig den Eindruck, daß ein bis dahin gehemmter Vorgang plötzlich 
wieder in Gang kommt. Schon kurze Zeit nach Aufnahme vergleichs- 
weise sehr kleiner Mengen eines Vitaminpräparats sieht man Beriberi- 
tauben sich aufrichten, die Krämpfe verlieren sich und die Freßlust 
kehrt zurück, trotzdem natürlich die anatomisch und chemisch feststell- 
baren Läsionen noch nicht ausgeheilt sein können. Hier scheint buch- 
stäblich eine katalytische Vitaminwirkung offenbar zu werden. 

Dagegen bilden sich die genannten chemischen Veränderungen nur 
ebenso allmählich zurück, wie sie entstanden sind, und es dauert z.B. 
Wochen, bis das Gehirn seine frühere Masse wiedergewonnen hat. 
Auch bei diesen langsamen Änderungen sind die Vitamine beteiligt, 
aber zum mindesten hier muß ihre Wirkung eine indirekte,-über Stoff- 
wechselvorgänge hinweg erfolgende sein. 

Daß der Abbau des Körper- und Nahrungsmaterials bei der 
B-Avitaminose verlangsamt ist, wissen wir aus den Messungen des 


E. Schmitz u. M. Reiss: B-Avitaminose und Nebenniere. 329 


Gaswechsels durch W. Hess!) und E Abderhalden?), nach denen 
sich der oxydative Stoffwechsel in der B-Avitaminose geradezu mit 
dem bei der Blausäurevergiftung vergleichen läßt. Da trotzdem die 
Verluste an Körpersubstanz ein ähnliches Ausmaß erreichen wie beim 
absoluten Hunger, muß der Stoffansatz ebenfalls schwer geschädigt 
sein. In erster Linie ist dafür natürlich die in den späteren Stadien 
der Erkrankung fast ganz aufhörende Nahrungsaufnahme verant- 
wortlich gemacht worden; die absolut spezifischen Veränderungen in 
der Zusammensetzung der Organe, die bei Hungertieren vermißt werden, 
zeigen aber, daß auch ganz bestimmte Bahnen des intermediären Stoff- 
wechsels gestört sein müssen. 


Da wir wissen, daß das Nervensystem an der Steuerung der 
Stoffwechselvorgänge beteiligt ist, liegt es nahe, die auf beiden Gebieten 
statthabenden avitaminotischen Störungen miteinander in Verbindung 
zu bringen; wir sind aber noch nicht in der Lage, zu entscheiden, an 
welcher Stelle die Ursache, an welcher die Wirkung zu suchen ist. Dazu 
bedürfte es vergleichender Untersuchungen über die zeitliche Lagerung 
beider Erscheinungsgruppen. 


In immer steigendem Maße haben aber die Untersuchungen der 
letzten Jahre die Bedeutung der hormonalen Stoffwechselregulation 
ins Licht gesetzt. Hier sind nun schon verschiedene Brücken von den 
Vitaminen über endokrine Drüsen zu den Stoffwechselvorgängen ge- 
schlagen worden. So hat Erdheim?) nachgewiesen, daß bei der Rachitis, 
die wenigstens zum Teil eine Avitaminose ist, die Beischilddrüsen eine 
außerordentlich ausgeprägte Massenzunahme erfahren. Ähnliche Er- 
scheinungen finden sich nun auch an den Nebennieren von an B-Avita- 
minose erkrankten Tieren. AMac('arrison?) beobachtete zuerst, daB 
bei der Vogelberiberi, bei der alle Organe an Masse einbüßen, einzig 
die Nebennieren hypertrophieren. Er glaubte auch, eine Zunahme des 
Adrenalingehalts festgestellt zu haben. Diese letzte Angabe konnte 
von Verzars Schüler v. Beznak?) und von Kenji und Komatsu®) nicht 
bestätigt werden, der Befund einer Nebennierenvergrößerung wurde 
aber immer wieder erhoben und von Verzar und Peter”) auf eine Hyper- 
trophie der Rinde zurückgeführt, die ihren Bestand um etwa 50 Proz. 
vergrößert. Wie die Nebenniere bzw. ihr Rindenanteil in quantitativer 


._— a e HT rn 


1) W. Hess, Zeitschr. f. physiol. Chem. 117, 284. 1921; 119, 176, 1922. 

2) Abderhalden, Pflügers Arch. f. d. ges. Phvsiol. 187, 180. 1921. 

3) Erdheinm, Denkschriften d. Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 
zu Wien, Math.-nat. Klasse 90, 365, 1914. 

4) MacCarrisun, Proc. Roy. Soc. London, Ser. B, 91, 103, 1920. 

5) x. Beznak, diese Zeitschr. 140, 1, 1923. 

8) Kenji und Komatsu, zitiert bei Verzar und Peter. 

1) Verzar und Peter, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 208, 659, 1924. 


330 E. Schmitz u. M. Reiss: 


Hinsicht eine gegensätzliche Stellung zu allen anderen Organen zeigt, 
so verhält sie sich auch in qualitativer Richtung verschieden, indem 
sie als einziges Organ ihren Cholesterinbestand nicht vermehrt, sondern 
herabsetzt!). Ein typisches Gegenbeispiel ist der Hoden, der seine 
Masse stark einschränkt, seinen Cholesteringehalt aber vermehrt. 


Dieses gegensätzliche Verhalten kann nicht zufällig sein, sondern 
es weist mit aller Schärfe darauf hin, daß die Nebennierenrinde am 
Zustandekommen der Beriberierscheinungen beteiligt sein muß. Erdheim 
hat in der Hypertrophie der Epithelkörperchen bei der Rachitis den 
Versuch einer Anpassung an vermehrte Ansprüche gesehen. Es lag 
nahe, diese Auffassung auf die Nebenniere bei der Beriberi zu über- 
tragen. Wenn sie berechtigt ist, so enthält sie die Möglichkeit, die 
Nebenniere auf opotherapeutischem Wege zu entlasten, und es erschien 
möglich, daß dadurch die Hypertrophie unterdrückt, vielleicht auch 
die allgemeinen Krankheitserscheinungen in irgend einer Weise be- 
einflußt würden. Eine Entscheidung darüber, ob die avitaminotische 
Nebenniere normale oder Unterfunktion zeigt, war freilich auf diesem 
Wege nicht zu gewinnen. Es mußte damit auch unsicher bleiben, ob 
bei der B-Avitaminose die Nebenniere das primär geschädigte Organ 
ist, oder ob sie in der Tat anderen, geschädigten Organen bei eigener 
normaler Funktion zu Hilfe kommt. 


Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Veränderungen zu 
studieren, die im Krankheitsbild der Vogelberiberi, speziell den Neben- 
nierenerscheinungen, eintreten, wenn die Darreichung der B-vitamin- 
freien Nahrung mit der von Nebennierensubstanz kombiniert wird. 
Die Befunde von MacÜarrison hätten an sich den Versuch einer 
Adrenalinbehandlung nahegelegt, wir glaubten aber, da sie keine 
Bestätigung gefunden haben, diese Behandlung zunächst zurückstellen 
zu können und wendeten uns den eigentlichen Organpräparaten 
zu. Zur oralen Darreichung wählten wir Suprenototal und Corti- 
supren, getrocknete Nebennieren- bzw. Nebennierenrindensubstanz in 
Pillenform. Da vom Adrenalin bekannt ist, daß es beim Wege durch 
den Verdauungskanal zerstört wird und ähnliches Verhalten immerhin 
auch für andere Bestandteile der Nebenniere im Bereich des Möglichen 
lag, stellten wir außerdem noch eine Versuchsreihe an, in der Supreno- 
totalextrakte subkutan injiziert wurden. Sie enthielten die aus dem 
Alkoholätherextrakt des Organs durch Essigsäure isolierten wasser- 
löslichen Bestandteile. Für die Überlassung der Präparate sind wir 
der Firma Dr. Laboschin A.-G. zu Dank verpflichtet. 


Unsere Versuchstiere waren ausgewachsene Tauben von 300 bis 400 g 
Gewicht. In den Avitaminosereihen wurde lediglich bester Reis verabreicht, 


1) K. Hotta, Zeitschr. f. physiol. Chem. 186, 1, 1924. 


B-Avitaminose und Nebenniere. 331 


der Korn für Korn verlesen war, sowie Wasser nach Belieben. Die anderen 
Gruppen erhielten käufliches Taubenmischfutter, bei dem sie gut gediehen. 
Jede der Tiergruppen saß in einem besonderen Schlag, der täglich gereinigt 
wurde. Aus unserem Plan ergaben sich folgende Reihen: 


I. Normale Kontrolltiere ohne jede Behandlung (3 Tiere). 
II. Normale Kontrolltiere mit Suprenototalinjektion (3 Tiere). 
III. Normale Kontrolltiere mit Suprenototalfütterung (3 Tiere). 
IV. Normale Kontrolltiere mit Cortisuprenfütterung (3 Tiere). 
V. Unbehandelte Avitaminosetiere (7 Tiere). 
VI. Avitaminosetiere mit Suprenototalinjektion (4 Tiere). 
VII. Avitaminosetiere mit Suprenototalfütterung (3 Tiere). 
VIII. Avitaminosetiere mit Cortisuprenfütterung (3 Tiere). 


Unsere Beobachtungen erstreckten sich auf das allgemeine klinische 
Verhalten, auf die Gewichtsverhältnisse von Nebennieren und Hoden und 
endlich auf die Schwankungen der verschiedenen Lipoidfraktionen im Bhute. 
Die Cholesterinvermehrung im Blute von beriberikranken Tauben ist nach 
den Untersuchungen von Lawaczek!) ein so regelmäßiger Befund, daß ihr 
Ausmaß als gegebener Maßstab für das Fortschreiten und eine eventuelle 
Beeinflussung der Erkrankung erschien. Weniger klar liegen die Verhältnisse 
der Phosphatide des Blutes. Für die Organe hat Ciaccio?) nachgewiesen, 
daß der Lipoidphosphor stark abnimmt und daß das Verhältnis der Fett- 
säuren zu ihm ebenfalls sinkt. Im Blute fanden Ciaccio und Jemma?), daß 
bei Tauben die Phosphatide deutlich zunahmen, bei Hunden dagegen sich 
verminderten. Neuerdings hat Kodama t) ähnliche Untersuchungen am Blute 
von Hähnen angestellt, in deren Futter zum Teil polierter, zum Teil un- 
geschälter Reis vorkam. Unter den sechs von ihın angegebenen Phosphatid- 
werten des Avitaminoseblutes finden sich vier, die denen des normalen 
Hühnerbluts gleich sind, nur zwei liegen erheblich tiefer. Bei B-vitaminfrei er- 
nährten Kaninchen fand J/watsuru®) anfangs auch die Phosphatide gesteigert, 
während sie später absanken. Wir hatten die Vermutung, daß die schein- 
baren Unterschiede im Verhalten so nahe verwandter Tierarten, wie es 
Tauben und Hühner sind, vielleicht dadurch zustande gekommen sein 
könnten, daß nur einmalige Untersuchungen vorgenommen wurden und die 
Probenahmen in verschiedenen Stadien der Erkrankung vorgenommen sein 
konnten. Wir entschlossen uns daher, die Blutlipoide fortlaufend zu unter- 
suchen. Im allgemeinen bedienten wir uns der Bloorschen Methoden, 
führten aber die Cholesterinbestimmungen im Autenriethschen Kolorimeter 
zu Ende und verwendeten zur Phosphatidphosphorbestimmung die Briggs- 
sche Modifikation des Bell-Doisy-Verfahrens. (Die Modifikation von Fiske, 
die wir inzwischen mit ausgezeichnetem Erfolg erprobten, erschien erst, als 
unsere Versuche schon einigermaßen fortgeschritten waren.) Die Blut- 
entnahmen erfolgten durch Venaesectio am Bein. Man kann so bequem 
2ccm entnehmen und die Operation allwöchentlich wiederholen. 


1) Lawaczek, Zeitschr. f. physiol. Chem. 125, 229, 1923. 
2) Annali di clinica medica 10, 60, 1920. 

3) Ciaccio und Jemma, ebendaselbst 11, 260, 1921. 

1) Kodama, Journ. of Biochem. 5, 185, 1925. 

5) Iwatsuru, Arch. f. d. ges. Physiol. 208, 41, 1925. 


332 E. Schmitz u. M. Reiss: 


Ergebnisse. 


Sämtliche Normaltauben, sowohl die unbehandelten wie die mit 
Nebennierenpräparaten gefütterten oder subkutan gespritzten, boten 
in allen Stadien des Versuchs ein vollkommen normales Bild. Die 
unbehandelten Beriberitauben zeigten die bekannten Erscheinungen, 
geduckte Haltung und gesträubtes Gefieder, ataktischen Gang, leichte 
Krämpfe. Zur Ausbildung ganz schwerer Krämpfe und von Opistho- 
tonus, wie wir ihn sonst meist auftreten sehen, kam es nur vereinzelt, 
da der Versuch aus äußeren Gründen nach 2ltägiger Dauer abgebrochen 
werden mußte. In einigen Fällen bemerkten wir, nachdem die Reis- 
fütterung etwa eine Woche oder etwas länger gedauert hatte, eine 
Neigung zur Einnahme einer Steilstellung, wie sie Embden und Hotta!) 
bei Cholesterin-Reisfütterung beobachtet haben. Sie ging bald wieder 
vorüber. Möglicherweise steht sie mit beginnenden Veränderungen in 
der Zusammensetzung der Organe in Verbindung, wir konnten jedoch 
diesmal darüber keine Untersuchungen anstellen. 

Die nachstehende Tabelle I gibt eine Übersicht über die Gewichte 
der Nebennieren und bei den männlichen Tieren der Hoden nach Ab- 
schluß des Versuchs. 


Bei unseren unbehandelten Normaltieren bewegt sich das Gewicht der 
Bulben zwischen 1,1076 und 1,1747 g, das der Nebennieren zwischen 0,0304 
und 0.0364 g, der Hoden des einzigen Männchens wog 1,5149g. Das Gewicht 
der Nebennieren stand zu dem der Bulbi im Verhältnis von 2,59 bis 3,09, 
während v. Beznak einen etwas höheren Mittelwert von 3,6 angibt. Unter 
dem Einfluß der verschiedenen Nebennierenpräparate finden ausgiebige 
und regelmäßige Veränderungen der Größenverhältnisse augenscheinlich 
nicht statt. Unter den mit Suprenototalinjektionen behandelten Normal- 
tieren findet sich eins (Nr. 63), bei dem das Gewichtsverhältnis 4,09 beträgt. 
Hier ist das Gewicht des Bulbus normal, das der Nebenniere für ein Normal- 
tier auffällig hoch (0,0449 g, während sonst keine normale Nebenniere über 
0,0371 g gesehen wurde). Wir können nicht entscheiden, ob dieses ver- 
einzelte hohe Gewicht, das in der Tat schon an Hypertrophie grenzt, irgend 
etwas mit der Nebennierenmedikation zu tun hat. In den später erwähnten 
Versuchen an Beriberitauben hatten die Suprenototalinjektionen den ent- 
gegengesetzten Effekt. 

Jedenfalls erscheint es nach unseren an Normaltieren erhaltenen Zahlen 
ausgeschlossen, daß bei irgend einer der von uns angewandten Formen der 
Nebennierenverabreichung eine Reduktion der Nebennierenmasse des be- 
handelten Tieres stattfindet. 

Bei den Beriberitauben lag das Gewicht der Nebennieren nie unter 
40 mg, meist erheblich über diesem Werte und stieg bis zu 66.7 mg bei 
Taube Nr. 82. Das Verhältnis zum Bulbusgewicht lag nur in einem Falle, 
mit 2,98, unter 3, erhob sich aber bis über 5. Diese Steigerungen erreichen 
noch nicht die stärksten von v. Beznak erhaltenen, auch hier ist. aber wohl 
wieder die kurze Dauer unseres Versuchs verantwortlich zu machen, die die 
Krankheitserscheinungen nicht bis zur vollen Höhe sich ausbilden ließ. 


1) Hotta, Zeitschr. f. physiol. Chem. 126, 1, 1924. 


B-Avitaminose und Nebenniere. 333 


Tabelle I. 

Fang ee 
Nr. i Bulbus |Nebenniere | Nebenniere Nebenniere : Bulbus Bemerkungen 

t l il 
79 | 1,1172 0,0304 | 2.59 | Unbehandeltes Normaltier 
80 | 11076 | 0.0304 2,75 Ä Desgleichen 
81 11747 | 0.0364 3.09 | 
63. 1,0973 0.0449 4.09 Norma, tägl. 1 ccm Suprenototal intramus» 
68; 1,1516 | 0,0351 3,03 | Desgleichen 
12 1,1082 : 0,0352 | 3,17 
64° 1,1296 0,0251 ` 2,22 | Normal, tägl. 1 Pille Suprenototal 
68 | = — | — Desgleichen 
72 1,1082 0,0352 3,24 | » 

| 

15 | 1,2325 0,0354 2,87 | Normal, tägl. 1 Pille Cortisupren 
76 , 1,3039 | 0,0287 2,18 | Desgleichen 
78 1,1352 ` 0,0871 | 3.26 dees 
82 | 1,1928 0,0667 | 5,57 | 22 Tage Reisfütterung, sonst unbehandelt. 
83 1,0401 0,0420 | 4.03 Desgleichen 
84 1,1442 ! 0,0445 | 3.89 e 
85 | 1,3536 | 0,0404 2,98 e 
86 | —_ = _ á 
87 1,1039 0.0502 4,54 e 
89 ° 1,2630 " 0,0454 3,59 S 
61 | 1,3508 | 0,0401 | 2,96 EE tägl. 1 ccm Suprenototal intras 
65. 1,2156 | 0,0317 2,49 Desgleichen 
69 | 1,1732 0,0317 2.49 | e 
HR ` — — aa Ä e am 18. Tage eingegangen 
62 1,2510 | 0,0442 3,86 | Reisfütterung, tägl. 1 Pille Suprenototal 
66 | 1,2638 0,0407 322 | Desgleichen 
70° 1,1598 Ä 0,0434 3,75 | P 
73 Uu 1,1133 0,0369 | 3,30 : Reisfütterung, tägl. 1 Pille Cortisupren 
14 | 1,2042 0,0476 | 3,89 | Desgleichen 
11 1,1629 | 0,0925 1,95 | » 


Von den beiden Männchen dieser Gruppen besaß das eine, unbehandelte, 
ein Hodengewicht von 1,5149 g = 136.5 Proz. des Bulbus, das andere, das 
mit Cortisupren per os behandelt war, ein solches von 1,2474 g = 101,1 Proz. 
des Bulbus. 

Durch Fütterung mit Suprenototal oder Cortisupren gelingt es nicht, 
das Gewicht der Nebennieren niedrig zu halten. Die absoluten Zahlen lagen 
mit einer Ausnahme über 40 mg. Diese, Nr. 73, betraf unser jüngstes und 
schwächstes Tier mit einem Anfangsgewicht von nur 290 g. Die Verhältnis- 
zahlen liegen um 3,5, bei Nr. 77 wird sogar der Höchstwert von allen, 7,95, 
erreicht. 

Anders bei subkutaner Verabreichung des Präparats: Von den drei 
in dieser Weise behandelten Tieren erreicht nur eins, Nr. 6l, ein Neben- 
nierengewicht von 40 mg. Das Verhältnis des Gewichts zu dem des Bulbus 
ist aber auch hier wie bei den beiden anderen Tieren dieser Gruppe ein 
niedrig-normales: 2,96 gegenüber 2.49 und 2,54 bei den beiden anderen 


334 E. Schmitz u. M. Reiss: 


Tieren. Durch die Suprenototalinjektionen gelang es also in allen Fällen, 
eine Hypertrophie der Nebennieren zu verhindern, während bei der Ver- 
fütterung von Cortisupren und Suprenototal diese Wirkung teils mit 
Sicherheit fehlt, teils höchstens angedeutet ist. Wir konnten bei den Tauben 
dieser Serie als einzigen der mit poliertem Reis gefütterten auch äußerlich 
keine polyneuritischen Erscheinungen feststellen. 

Unsere Blutanalysen konnten wir nur an Gesamtblut ausführen, da wir 
die zur Gewinnung von Plasma nötigen Blutmengen nicht entnehmen 
konnten. Ihre Ergebnisse stellen wir in den folgenden Tabellen, die auch die 
Gewichtskurven der Tiere enthalten, zusammen. 

Die Zahlen der Tabelle II ergeben für sämtliche Nermaltiere; sowohl 
unbehandelte wie behandelte, Cholesterinwerte von 0,197 bis 0,285 Proz., 
wobei Werte oberhalb von 0,250 Proz. nur ausnahmsweise, und zwar vor- 
wiegend gegen Schluß des Versuchs, vorkommen. Sie finden sich vor allem 
bei den Tieren, die zugleich erhebliche Anstiege der Gesamtfettsäuren auf- 
weisen (Nr. 76,78), und sind wohl eine Folge gesteigerten Umlaufs von Neutral- 
fett. Auf einen Steringehalt der von uns verwendeten Nebennierenpräparate 
lassen sich die Erhöhungen nicht zurückführen, da diese sich bei der Unter- 
suchung als sehr cholesterinarm erwiesen und nur in kleiner Menge zugeführt 
wurden. Die Menge der Neutralfette, die nach den Gesamtfettsäurewerten 
zu Beginn des Versuchs annähernd gleich der Phosphatidmenge war, 
steigerte sich vor allem bei den mit Cortisupren gefütterten Tieren. Es sieht, 
zumal wir bei zweien von den drei in dieser Weise behandelten Tieren nicht 
unerhebliche Gewichtsreduktionen feststellten, so aus, als ob hier eine 
Cortisuprenwirkung zutage träte. Da wir indessen nur über drei in dieser 
Weise behandelte Tiere verfügen, und in den weiter unten zu besprechenden 
Versuchen an Beriberitieren eine ähnliche Wirkung nicht eintrat, möchten 
wir ohne ausführlichere experimentelle Prüfung auf diese Frage nicht ein- 
gehen. 

Der Phosphatidgehalt des Blutes der Normaltauben schwankte im 
allgemeinen zwischen 0,3 und 0,45 Proz., nur vereinzelt wurden niedrigere 
oder höhere Werte gefunden. Die Schwankungen sind immerhin recht 
beträchtlich, was sich zum Teil aus der Berechnung der Phosphatide aus 
dem Phosphorgehalt erklären dürfte, der nur 4 Proz. des Moleküls ausmacht. 
Bei einigen Tieren waren die wöchentlichen Schwankungen der Phosphatide 
sehr unbedeutend, bei anderen dagegen ziemlich ausgiebig, ohne daß darin 
eine bestimmte Regelmäßigkeit, etwa ein Einfluß der Gefangenschaftsdauer, 
der Fütterung, der Nebennierenfütterung zu erkennen wäre. 


Tabelle III bringt unsere Befunde an mit poliertem Reis gefütterten 
Tauben mit und ohne Nebennierendarreichung. Bei den unbehandelten 
Tauben zeigt sich mit völliger Regelmäßigkeit eine Steigerung des Cholesterin- 
gehalts, die nach Ablauf der ersten Versuchswoche einsetzt und bis zu 
außerordentlich hohen Werten, bei Taube Nr. 83 bis zum 21. Tage zu einer 
Verdreifachung des Ausgangswertes, führt. Nur einmal lag der am Ende 
des Versuchs gemessene Wert deutlich unterhalb des am 21. Versuchstage 
gefundenen (Taube Nr. 85), war aber auch hier noch sehr stark über die 
Grenzen des Normalen gesteigert. 

Das Verhalten der Gesamtfettsäuren war bei den Tieren dieser Reihe 
ein wechselndes, jedenfalls läßt sich weder eine mit der Versuchsdauer 
steigende oder fallende Tendenz regelmäßig feststellen. Beides kam vor, 
jedoch liegt z. B. bei Taube Nr. 86 der höchste Wert in der Mitte des Versuchs. 
Auch hier könnte wohl nur ein Versuch an umfangreicherem Tiermaterial 


B-Avitaminose und Nebenniere. 335 


Tabelle II. 
Lipoide im Blute von Normaltauben. 


63 | 5. vu.| 1. || 0,250 | 0,318 | 0,268 | 390 |; Unbehandeltes Normaltier 
ı2.viL| 8. || 0222 | 0598 | 0,470 410 | 
19. VIL | 15. | 0214 | 0427 | 0456 | 415 
26. VIL| 22. | 0242 | 0.588 | 0469 | — 

67 | 6.VIL| 2. | 0,197 | 0,445 | — | 290 | Desgleichen 
14. VI.) 8. | 0250 | 0497 | 0,418 | 290 
20. VIL] 14. | 0250 | 0356 | 0327 | 315 
eet 21. | 0250 | 0534 | 034 | — 

71 | 7.VIL| 3. | 0,246 | 0,548 | 0,232 | 300 Desgleichen 
15. VIL| 11. | 0964 | 0455 | 0422 | 300 
20. VIL.| 17. | 0214 | 0378 | 0330 | 315 
26.VII.| 23. | 0285 | 0572 | 0417 | — 

64 | 5.VIL| 1. | 0268 | 0,440 | — | 300 ` Normaltier, tägl. 1 Pille Supreno» 
12. VIL.| 8 | 025 | — 0,485 | 310 | total 
i19. VIL! 15. | 0231 | 0435 | 0417 | 310 
‚28. VILI 24. | 0235 | 0488 | 0417 | — | 

68 Gutt 1. | 0177 | 0425 | — | 330 | Desgleichen 
14. VIL) 9. | 0195 | 0,477 | 0450 | 320 
21. it 16. | 0240 | 0500 | 0.445 | 300 
128. vIL| 23. | 0240 | 0,497 | 048 | — ` 

oa" o enl 2. || 0,267 | 0,456 | 0,216 | 250 ` Desgleichen 
15. VIL] 10. || 0248 | 0,513 | 0,433 | 250 
E 16. | 0.268 | 0353 | 0.383 | 250 
'28. VIL| 23 0.240 | 0,479 | 0462 | — 


; . 0,227 0,517 0,329 370 || Normaltier, tägl. 1 Pille Cortis 
14. VII. 7. | 0,195 0,590 0,417 380 N supren 
| 20.V11.| 13. | 0,212 0,560 0,320 340 ` 


76 8.vu.| 1. | 0,204 | 0,504 | 0.312 | _Desgleichen 
16. VIL| 9. | 0250 | 0,417 | 0,354 | 395 | 
l | 


340 | 


= 
w 
x 


330 | Desgleichen 
330 | 
335 | 


| 
| 

78 | 9. VILI 1.) 0,224 | 0,520 ` 
| 


63 , 5. VII. 1. 0,250 390 |; Normaltier, tägl. 1 ccm Suprenos 
"12. VIL 8. 0.222 ' 0,598 0.470 410 | total intramuskulär 
| 


E 
GA 
pd 
LE 
| 


300 | Desgleichen 


671 6. VIL] 2. | 0,197 | 0,445 — 
| 14.VIl.| 10. | 0,250 0,597 | 0,418 " 300 
20.VIL| 16. || 0,250 0,456 | 0,327 | 315 | 
26. VII.| 22. | 0250 | 054 | 0,354. — ` 


74 7. VII 3. 0,246 ' 0,548 — 200 |, Desgleicben 
5. VIL.| 11. ! 0,204 ı 0,455 | 0,422 OU 
0,330 | 315 ` 
26 VIL| 21. | 0,285 : 0,572 | 0417, — | 


336 E. Schmitz u. M. Reiss: 


Tabelle III. 
CEET EES WS 
Versuchs” Choles Fett» Phos» Ge | 
tag sterin säuren | phatide wicht. Bemerkungen 
| Proz. Proz. Proz. g 
| EEN N a EEGENEN 
82 10. VI., 5. | 0,224 | 
16. VII. 11. | 0,247 : 0,472 : 0,412 | 270 
av 18. || 0,865 | 0.497 | 0,500 | 220 | 
| 


26.VIL., 21. 0,487 | 0,381 0.223 | — | 


83. vU 4. 0,256 | 0,580 ` 0,416 | 300 " Desgleichen 
16.VIL 11. 0,300 ° 0,442 | 0,379 | 250 | 
22. VIL, 18. | 0,561 | 0,580 | 0,238 | 210 
26. VIL. 22. © 0,834, BB. 

au 10. Vi. a | 0207 — | 0.417 | 310 ‘| Desgleichen 
17. VIL] 12. | 0,816 | 0,362 ' 0,295 | 250 
23. VIL 18 0455 ' 0,442 0264 | 217 
26. VIL! 21. | 0,514 | 0,455 | 0160| — | 


320 Desgleicben 


= 


85 12. VIL: 


0,691 | = 310 | Seit 5. VII. Reisfütterung 
0,287 , 0,533 0,515 

| 

| 


21. VI 16. | 0,540 | 0,540 , 0,350 | 275 
28. VIL mm oui — , 0,821 1240 | 

86 15.VIL, 10. ' 0,320 0,449 , 0,417 | 300 | Desgleichen 
22. VIL) 17. 0,405 ' 0.649: 0,189 | 290 | 
28. VIL 23. 0,496 | 0,393 , 0,239 | 270 


St 


87 10. VIIL 0,266 
17. VU. 12; 0,347 
23. VII. 18. l 0,395 


— ` 0,363 | 290 | Desgleichen 
0546 0,402 | 240 | 
0,395 | 0,320 ' 215 | 


j ps | tägl. 1. ab 19. VII. 2 Ampullen 
0,309 , 295 | Suprenototal intramwuakülär 


27. VIL 22, | 0.377 | 0.320 0.283 | — 
89 (vil 1. | 0247; 0,652 | 0,446 | 365 || Seit 17. VII. Reisfütterung 
VL. o | 0,876 0,354 | 0,596 | 313 
28. VIL 11. 0,381 | 0,465 | 047 — | 
61 | 5. VIIL 1. 0,240 | 0,296 | 0.223 | 280 d Seit I un ae deet, ab 
bic Sé Gier e a = , BEER 
f E 5. | 0215 0, O0 1? 
(26. VIL, 22. | 0.222 ` 0871 | wm Ä = l 
65 6. VIL 1. 1.0193 0,376 | — 310 Ab 6. VI. Suprenototel intra- 
Li: 9. 50242 | 0,598 | 0.354 | 252 
119. VIL 14 | 0238 | 0.402 | 0.334 | 240 
26. VIL. 21. 0.504 | gl — 
m "vi 1. | 0,380 | 0,572 | 0,325 | 300 | Desgleichen 
15. VII. 8. 0,261 | 0.476 | 0,378 | 295 
20. V1., 13. 0273 0475 änt 265 
26. em. 19. | 0262| 0,646! 085 — 
ı 0,635 | 0.388 , — Ab 5. VII. Reisfutter, ab 17. VII. 
| 


88 Ee 1. | 0,340 


23. VIL 6. 0,281 0.208 


B-Avitaminose und Nebenniere. 


Tabelle III (Fortsetzung). 


| | Chole» | Fett» | Phos» 


Versuchs» Ge- 
Nr. |; Datum e sterin säuren : phatide | wicht Bemerkungen 
| Proz. Proz. | Proz. g | 
R m Bez Eee Tre Bm ee Tri = nn 
62 | 5.VIL' 1. (8), 0,268 | 0316 | — = Ab. VII Reis, ab 5, VII, tägl 
'12.VILı 8.(15.)| 0,203 | 0,564 | 0.392 | 300 Pille Suprenototal. Sdt 
(Oe 15.022). 0,330 | 0.462 | 0.334 | zen  Fmpis Opisthotonus 
"26. VII. 22.129.) 0,581 | 0,507 0237 247 
66! 6. VIL! 2. 017710868 — Ab5.VII Reis, ab 6. VII. 1 Pille 
14. VIL | 10. 0.244 | 0,432 0,398 ; 270 Suprenototal täglich 
119. VIL |15. ! 0.300 | 0,338 ` 0,371 | 220 
28. VII. | 24.  — | 0607 0.354 180. 
70 || .vı.! 3. 0.277 | 0,552  — 330 
15. VIL; 11. : 0.816 | 0,727 ' 0,490 312 | 
21. VIL ' 17. | 0,360 | 0,353 | 0,383 275 | 
28. VIL | 24. i 0,896 | 0,607 | 0417| — | 
| t 
73° 8.VIL| 1. (4) 0244 | 0,548 ° 0,308 | 290 Ab 5. VII. Reis, ab 9. VII. 1 ab 
114. VIL] 7.(10.), 0.282 | 0,667 , 0,490 | 225 „ BA 3 Cortisuprenpillen 
120. VIL | 13. (16.) | 0,304 | 0,449 0,278 — dës 
‚27. 11.20.23.) 0,607 | 0,410 0,251 208 
74! 8.V1.. 1. (4): 0417 | 0,548 0,416 320 Ab 5. VII. Reis, ab 8. VII. 1 Pille 
|15. VIL BOL) 0,410 | 0,667 0,422 ' 295 , Cortisupren täglich 
21. VI. \14.(17.) 0.606 | 0,449, 0,347 245 
27. VI. 120.(23.) 0,607 | 0410 | 0322 — | 
77. 9.vI.! 1. äi 0307 ' 0715 0,440 ' 320 Ab 5. VII. Reis, ab 9. VII. 1 Pille 
16.VIL| 8.112). 0.247 © 0389 0,362 ` 275  Cortisupren täglich 
22. VIL | 14. (16.) , 0,506 | 0,760 0,308 ; 240 
27.V11.|19.(23.) 0,480 , 033 0272. — | 


und vor allem von längerer Ausdehnung eine etwa vorhandene Gesetz- 
möäßigkeit aufdecken. 

Unverkennbar ist aber bei den Phosphatiden die Tendenz, in der 
zweiten Versuchshälfte rasch abzusinken, und ausnahmslos ergab die letzte 
Untersuchung Werte, die tief unter der Norm gelegen sind. Bei Tier Nr. 89, 
das am 11. Versuchstage an der Blutentnahme zugrunde ging, ist dieses 
Stadium noch nicht erreicht. Hier wie bei Taube Nr. 82 ging der Senkung 
eine Steigerung des Phosphatidwertes voraus, die wir auch in der Reihe der 
behandelten Tiere (bei Taube Nr. 73) noch einmal wiederfanden. Es ist 
nicht unmöglich, daß wir hier eine häufiger auftretende, aber vorübergehende 
Erscheinung vor uns haben, die nur wegen der immer noch verhältnismäßig 
seltenen allwöchentlichen Untersuchung nicht öfter gefunden wurde. 

Das Ergebnis der Fütterungsversuche mit Suprenototal und Cortisupren 
war beim Cholesterin eindeutig, daß keines der beiden Präparate die 
Steigerungen zu verhindern oder ihr Ausmaß zu verkleinern vermochte. 
Die Gesamtfettsäuren zeigen auch hier ein unregelmäßiges Verhalten. 

Die Phosphatide zeigen zwar in allen Fällen sinkende Tendenz, jedoch 
scheint das Tempo der Verminderung ein langsameres zu sein als bei den 
unbehandelten Beriberitieren. Es ist demnach nicht ganz von der Hand 
zu weisen, daß vielleicht der Phosphatidstoffwechsel irgendwie auch durch 
orale Darreichung von Nebennierenpräparaten zu beeinflussen ist. Allerdings 


338 E. Schmitz u. M. Reiss: 


müßte man dann annehmen, daß der Cholesterin- und Phosphatidstoff- 
wechsel in diesem Falle unabhängig voneinander variieren, da wir ja bei dem 
ersteren keine Beeinflussung durch die gleichen Maßnahmen erkennen 
können. 


Wenn man in den Fütterungsversuchen höchstens die Andeutung einer 
Beeinflussung des Lipoidstoffwechsels der B-vitaminfrei ernährten Tiere 
sehen kann, so tritt eine solche einwandfrei in den Versuchen zutage, in 
denen Suprenototalinjektionen verabreicht wurden. Hier hält sich bei allen 
Tieren das Cholesterin während der ganzen Dauer des Versuchs in seinen 
normalen Grenzen von 0,200 bis 0,270 Proz. Die beiden einzigen Werte 
oberhalb von 0,300 Proz. lagen an den Tagen, an denen die Suprenototal- 
injektionen begonnen wurden. Die Phosphatide liegen in allen Fällen um 
den normalen Wert von 0,350 Proz. herum, während der einzige Wert 
unter 0,3 Proz. wiederum am ersten Tage der Behandlung notiert wurde. 
Die Suprenototalinjektionen halten also gleichmäßig beide Lipoidfraktionen 
im Bereich des Normalen fest, indem sie beim Cholesterin die Steigerung, 
beim Phosphatid die Abnahme verhindern. 

Zusammenfassend können wir sagen, daß die Injektion von Neben- 
nierenextrakt bei mit poliertem Reis gefütterten Tauben das Auftreten 
von Avitaminoseerscheinungen zwar nicht ganz zu verhindern vermag — 
es bleiben z. B. die starken Gewichtsreduktionen —, daß es aber die 
Hypertrophie der Nebennieren, die Veränderungen in der Zusammen- 
setzung der Blutlipoide und die neuritischen Symptome hintanhält. 
Von der Bedeutung der Nebennierenhypertrophie bei der B-Avitaminose 
hat man sich, seit sich MacCarrisons Befund einer verstärkten Adrenalin- 
produktion als irrig erwiesen hat, keine Vorstellung mehr machen 
können. Gehen wir noch einmal auf Erdheims Untersuchungen über die 
Hypertrophie der Epithelkörperchen zurück, so sehen wir, daß hier 
zwei Deutungen der Erscheinung diskutiert wurden: 1. Die Hyper- 
trophie könnte der Ausdruck einer Unterfunktion und des Bestrebens 
sein, durch Massenvermehrung den sekretorischen Aufgaben gerecht 
zu werden. 2. Sie könnte einen vermehrten Anspruch des Organismus 
an die sekretorischen Leistungen der Epithelkörperchen anzeigen, dem 
ebenfalls durch eine Vermehrung des an sich normal funktionierenden 
Drüsengewebes entsprochen wird. Erdheim entscheidet sich !) für die 
zweite Möglichkeit, da er bei seinen histologischen Untersuchungen 
der hypertrophierten Epithelkörperchen keine Parenchymschädigung 
nachweisen konnte. Derartige Untersuchungen an der hypertrophierten 
Nebenniere von Beriberitieren fehlen bis jetzt, und auch wir mußten 
unseren Plan, sie anzustellen, einstweilen aus äußeren Gründen zurück- 
stellen. Immerhin sprechen unsere chemischen Untersuchungen und 
Wägungsergebnisse dafür, daß die Ursachen für die Hypertrophie nicht 
in der Nebenniere selber gelegen sind, da die Versorgung der Organe mit 
Nebennierensubstanz sie verhindert. 


1) Erdheim, a a O. S. 677. 


B-Avitaminose und Nebenniere. 339 


Es erhebt sich weiter die Frage, ob wir berechtigt sind, einen Zu- 
sammenhang zwischen der Beeinflussung der Nebenniere und des 
Lipoidstoffwechsels anzunehmen. Beziehungen der Nebenniere zum 
Lipoidstoffwechsel werden von vielen Autoren angenommen und er- 
scheinen sehr naheliegend wegen des außerordentlich hohen Gehalts 
des Organs sowohl an Cholesterin wie an Phosphatiden. Versuche 
haben gezeigt, daß der Lipoidgehalt der Nebenniere vom Blute aus zu 
beeinflussen ist; so nimmt beim Kaninchen die Nebennierenrinde bei 
Cholesterinfütterung bis zum Fünf- bis Sechsfachen zu, unter Erhöhung 
ihres Cholesteringehalts auf ein Mehrfaches!),. Andererseits gehen 
auch von den Nebennieren Wirkungen auf den Fettstoffwechsel aus. 
Nach Raab?) bewirkt Adrenalin kurzdauernde Senkungen des Blut- 
fettes, nach Wertheimer?) hemmt es die Umgruppierung der Fette unter 
Phlorrhizinwirkung und beschleunigt den Übergang der Fette in Kohle- 
hydrat. Dem gegenüber steht allerdings, daß Baumann und Holly’) 
bei Kaninchen, die die beiderseitige Nebennierenexstirpation lange 
Zeit hindurch überleben, keine Veränderung der Blutlipoide fanden, 
solange das Allgemeinbefinden der Tiere ein gutes war, eine Fest- 
stellung, mit der sie sich allerdings in Gegensatz zu den Arbeiten 
der Aschoffschen Schule®) befinden. Jedenfalls lassen sich die Be- 
ziehungen der Nebenniere zum Fetthaushalt bis jetzt nicht auf eine 
einfache Formel bringen, und die darüber entwickelten Theorien haben 
sich nicht allgemein durchzusetzen vermocht. Wir möchten aber 
glauben, daß unsere Befunde deutlich für die Annahme solcher Zu- 
sammenhänge sprechen. Wir haben in allen Fällen zugleich mit der 
Hypertrophie der Nebennieren eine Steigerung des Cholesterins und 
eine Senkung der Phosphatide, in allen solchen, in denen die Hyper- 
trophie nicht zustande kam, ein Verbleiben beider Lipoidfraktionen 
innerhalb der normalen Grenzen gesehen. Es erscheint uns gezwungen, 
einen Zusammenhang zwischen zwei unter den gleichen Umständen 
eintretenden, durch denselben Eingriff aufzuhebenden Erscheinungen 
in Abrede stellen zu wollen. Besonders möchten wir noch darauf hin- 
weisen, daß die Gegenbewegung von Cholesterin und Phosphatid im 
Blute beriberikranker Tiere ein ganz einzigartiges Vorkommen ist, da 
wir sonst unter den mannigfaltigsten physiologischen und pathologischen 
Bedingungen beide Fraktionen, wenn auch nicht immer ganz gleich- 

1) Wacker und Hueck, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 74, 416, 1913. 

2) Raab, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 49, 179, 1926. 

3) Wertheimer, Arch. f. d. ges. Physiol. 218, 280, 287, 1926. 

1t) Baumann und Holly, Journ. of biol. chem. 55, 457, 1923; vgl. auch 
Randkes und Knudson, ebendaselbst 67, 17, 1926. 


6) Rothschild, Beitr. z. allgem. Pathol. u. path. Anat. 60, 39, 1915; 
Landau und MacNee, ebendaselbst 58, 667, 1914. 


340 E. Schmitz u. M. Reiss: B-Avitaminose und Nebenniere. 


zeitig, so doch ganz gleichsinnig variieren sehen. Vielleicht geben gerade 
unsere Befunde ein neues Mittel an die Hand, die Bedeutung der Neben- 
nieren für den Lipoidstoffwechsel zu prüfen. 

Auf das Adrenalin werden wir allerdings die von uns beobachteten 
Wirkungen nicht zurückführen dürfen, denn seine chemischen Reaktionen 
fielen in unseren Extrakten negativ aus. Injektionen von 1 bis 2 ccm 
brachten bei Kaninchen keine deutliche Wirkung auf den Blutzucker- 
gehalt zustande und Blutdruckbestimmungen am Läwen-Trendelenburg- 
schen Präparat ergaben, daß der Adrenalingehalt des Extrakts kleiner 
war als 1: 5000000. Unsere Tauben hätten also im Laufe von 20 Tagen 
höchstens Zi, oan mg Adrenalin erhalten, eine Menge. die wohl. über 
einen so langen Zeitraum verteilt, kaum derartige Wirkungen hervor- 
bringen könnte. Übrigens ist Herr cand. med. H.J. Pollack zurzeit 
mit einer Prüfung der Adrenalinwirkung bei Beriberitauben beschäftigt. 

Wir sind demnach genötigt, in unseren Extrakten die Anwesenheit 
einer anderen, ihrem Wesen nach einstweilen unbekannten Wirk- 
substanz anzunehmen, die wir zwar noch nicht näher charakterisieren 
können, die aber wohlumschriebene Wirkungen zeitigt und sich in 
wässerige Lösung überführen läßt. Es ist das nicht die erste Beob- 
schtung, die darauf hinweist, daß sich die hormonale Wirkung der 
Nebenniere nicht einfach auf das Adrenalin zurückführen läßt. So 
hat z. B. Obr& die Erregbarkeit des motorischen Nerven durch Neben- 
nierenextrakt, nicht aber durch Adrenalin steigern könnent). Vielleicht 
kann das von uns angewandte Verfahren, das den Einfluß der Substanz 
an ihrem Ursprungsorgan zeigt. trotz seiner Weitläufigkeit bei weiterem 
Suchen als Wegweiser dienen. 


1) Obre, C. r. de la soc. de biol. 88, 585, 1923. 


Über spektrophotometrische Bestimmung der Glucuronsäure. 


Von 
Georg Scheff (derzeit in Pécs). 


(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Königl. ungarischen 
Universität Budapest.) 


(Eingegangen am 24. Januar 1927.) 


Mit 1 Abbildung im Text. 


Den quantitativen Bestimmungsmethoden der Glucuronsäure, 
soweit sie bisher vorgeschlagen wurden, mangelte es an einer reellen 
Grundlage, da z. B. bei den kolorimetrischen Methoden nicht die freie 
Säure, sondern das Lacton, oder verschiedene Salze. oder aber der 
betreffende Paarling als Vergleichsbasis diente; die verschiedenen 
Glucuronsäuren verhalten sich aber verschieden, daher mußte die 
bereits an und für sich komplizierte Methodik jeweils dem be- 
treffenden Falle angepaßt werden. 

Als es vor kurzem Ehrlich und Rehorst!) gelang, die freie Glucuron- 
säure kristallisiert darzustellen, konnte ich im Anschluß an meine zwei 
vor einiger Zeit veröffentlichten Arbeiten?) einen bereits seit längerer 
Zeit vorgefaßten Plan verwirklichen. Im Besitze reiner Präparate von 
freier Gluceuronsäure konnte ich versuchen, meine auf der Bialschen 
Probe beruhende spektrophotometrische Methode, die ich zur Be- 
stimmung der Pentosen vorgeschlagen habe, zur Bestimmung der 
Glucuronsäure auszuarbeiten. Dabei war es klar, daß dies nur möglich 
ist, wenn nicht nur die freie, sondern auch die gepaarte Glucuronsäure 
bzw. ihre Glucuronsäurekomponente, sich mit dem Bialschen Reagens 
unter den von mir vorgeschlagenen Bedingungen, zunächst wenigstens 
qualitativ, so verhält, wie die Pentosen. Das ist aber in der Tat der Fall! 

Es wird zwar angegeben, daß die Orcinreaktion in der Broochen 
Modifikation an der Glucuronsäure — im Gegensatz zu den Pentosen — 


1) F. Ehrlich und K. Rehorst, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 58, 1925. 
2) G. Scheff, diese Zeitschr. 147, 90, 94, 1924. 


Biochemische Zeitschrift Band 183. 23 


342 G. Scheff: 


negativ ausfällt, und mag dies auch seine Richtigkeit haben. Indessen 
erwies sich bereits nach meinen ersten orientierenden Versuchen, daß 
Glucuronsäuren mit dem Bialschen Reagens dieselben Farbenreaktionen 
wie Pentosen geben, wenn man die von mir vorgeschlagene Art und 
Dauer des Erhitzens übt. 


Um mein zur Bestimmung der Pentosen ausgearbeitetes Verfahren 
kurz zu wiederholen, verfahre ich wie folgt. 1l cem der zu untersuchenden 
Lösung wird in einem Reagenzglas mit 4 cem des Bialschen Reagens ver- 
setzt, das Reagenzglas in ein siedendes Wasserbad versenkt, daselbst 
10 Minuten lang belassen, 3 Minuten lang unter dem Leitungswasserstralıl 
gekühlt, der entstandene grünblaue Farbstoff mit Amylalkohol extrahiert, 
den man aus einer Bürette zufließen läßt, und dessen Volumen genau 
abgelesen werden muß. Die Extraktion erfolgt durch mehrmaliges Um- 
schwenken, nicht durch Schütteln! Nun wird der Extinktionskoeffizient des 
amylalkoholischen Auszugs, der nicht zu hell und nicht zu dunkel sein darf, 
bestimmt. Die gesuchte Konzentration kann jedoch nicht einfach auf Grund 
der Gleichunge = e 4 gefunden werden, wo e den Extinktionskoeffizienten, 
A aber das für eine bestimmte Spektralstelle bei jeder Konzentration 
konstante Absorptionsverhältnis (Vierordt) bedeutet. Denn einerseits ist 
die Farbstoffbildung, daher auch das Absorptionsverhältnis der Pentose- 
konzentration nicht proportional, andererseits muß man, um spektro- 
photometrisch prüfbare amylalkoholische Lösungen zu erhalten, je nach 
der Intensität der entstandenen Farbenreaktion. bald mit mehr, bald mit 
weniger Amylalkohol ausschütteln. Hierzu kommt noch, daß der Amyl- 
alkohol beim Schütteln mit der wässerigen sauren Phase bestimmte Mengen 
von der letzteren aufnimmt und hierdurch merkbar an Volumen gewinnt. 
Allen diesen Umständen mußte dadurch Rechnung getragen werden. daß 
im Ausdruck c = 8 4, das Absorptionsverhältnis 4 durch einen Wert K 
ersetzt wurde, der aber jeweils nur für eine ganz bestimmte Pentose- 
konzentration gültig ist. Die Ä-Werte habe ich an einer möglichst großen 
Zahl verschieden konzentrierter Pentoselösungen wie folgt ermittelt. Der 
nach obigem Vorgange in Leem der zu untersuchenden Pentoselösung ent- 
standene Farbstoff war nach der Extraktion nicht mehr in Leem der 
wässerigen Lösung, sondern in v cem Amıylalikohol enthalten, dessen 
Volumen zudem noch durch Aufnahme von der wässerigen Säure auf 
f.v vergrößert war. Dann ist aber die gesuchte Konzentration nicht 
c = eK, sondern um so vieles größer, als anstatt ] ccm des Lösungs- 
mittels nunmehr v . f cem vorhanden waren, daher c = e.v.f.K bzw., da 
ja zunächst der Wert von K bestimmt. werden sollte, 


K -> 


D EN 


Versuche mit Glucuronsäure. 


Die Darstellung des mentholglucuronsauren Ammoniums erfolgte 
nach der von Neuberg und Lachmann!) beschriebenen Methode. Der 
in üblicher Weise gewonnene Mentholharn von Kaninchen wird am 
Wasserbad auf ein Drittel eingeengt, von den eventuell im Laufe der Aus- 


1) C. Neuberg und Lachmann, diese Zeitschr. 24, 418, 1910. 


Spektrophotometrische Bestimmung der Glucuronsäure. 343 


kühlung ausgeschiedenen Salzen dekantiert, mit Essigsäure gut angesäuert 
und mit Äther öfters ausgeschüttelt. Die vereinigten Ätherauszüge werden 
abdestilliert, bis bloß ein wässeriger Rückstand verbleibt, der die Menthol- 
glucuronsäure gelöst enthält. Unter Kühlung wird nur konzentriertes 
Ammoniak tropfenweise so lange zugesetzt, bis das mentholglucuronsaure 
Ammonium vollständig ausgeschieden wird. Den Niederschlag bringt man 
aufs Filter, wäscht mit ammoniakalischem Wasser nach und läßt trocknen. 
Zur Umkristallisation löst man in Wasser, dekoloriert mit wenig Tierkohle, 
filtriert, säuert mit Essigsäure wieder an und schüttelt mit Äther aus und 
fährt wie oben fort. Die Umkristallisation läßt sich, abgesehen von geringen 
Verlusten, mit guter Ausbeute wiederholen, und man gelangt bereits beim 
erstenmal zu einem glänzend weißen Präparat. Das reine mentholglucuron- 
saure Ammonium läßt sich im Vakuum über Schwefelsäure bis zur Gewichts- 
konstanz trocknen, und daß hierbei sich nur das überflüssige Ammoniak 
verflüchtigt, das Salz aber wochenlang unverändert bleibt, ging aus von Zeit 
zu Zeit wiederholten, nach Kjeldahl ausgeführten N-Bestimmungen hervor, 
wobei ich einmal statt des berechneten Wertes von 0,04545 g einen solchen 
von 0,04536 g und 1 Woche später am gleichen Präparat anstatt 0,05050 g 
einen Wert von 0,05043 g erhielt. Dieses Resultat spricht entschieden gegen 
einen Verlust von Ammoniak aus dem Verband mit der Säure. Schmelz- 
punktbestimmungen führten zu keinem brauchbaren Ergebnis, denn es 
kam bloß zu einem allmählichen Sintern und bei etwa 175°C zu einer 
Bräunung der Substanz. 


Bezüglich der Darstellung der freien d-Glucuronsäure und dessen 
Kristallisation verweise ich auf die Originalmitteilung der oben genannten 
Autoren. Hier sei bloß kurz darauf hingewiesen, daß das Wesentliche in 
dieser verbesserten Methode in der Spaltung der gepaarten Glucuronsäure- 
verbindung zu suchen ist, die nicht unter Druck, wie gewöhnlich, sondern 
bei Wasserbadtemperatur mit verdünnter Schwefelsäure vollzogen wird. 
Die Schwefelsäure wird mit überschüssigem Barytwasser oder Barium- 
carbonat entfernt, wobei die d-Glucuronsäure vollständig in das Bariumsalz 
übergeht. Dieses wird durch Alkohol gefällt, in Wasser gelöst, bei mäßiger 
Wärme mit weniger als der berechneten Menge verdünnter Schwefelsäure 
zerlegt, die Flüssigkeit vorsichtig verdampft und der verbliebene Sirup mit 
Alkohol extrahiert (wobei das unzerlegte Bariumsalz wieder ausfällt) und 
der alkoholische Extrakt eingeengt. Dabei erhält man sofort ein kristalli- 
sierendes Produkt, das nur aus freier d-Glucuronsäure besteht. Die um- 
kristallisierte Säure läßt sich gleichfalls im Vakuum über Schwefelsäure 
bis zur Gewichtskonstanz trocknen. 

Die in einem reichsdeutschen Laboratorium ausgeführte Analyse 
ergab sowohl an den mir von den Herren Ehrlich und Rehorst zugesandten, 
wie auch an zwei eigenen Präparaten Werte, die mit den aus der Formel 
berechneten recht gut übereinstimmten. 


Te I 
C : H l 
| Proz. | Proz. ! EE 
Š Ben = Bine. mals Bm at | EVER EE ee E EE E EE EEN 
Präparat von Ehrlich und Rehorst - | un Ke 
Eigenes Präparat I © © = | HT e EE GE E 
Eigenes Präparat II ee $ SI > 


344 G. Scheff: 


Bei den bekannt nahen Beziehungen zwischen Pentosen und Glu- 
curonsäure war es zu erwarten, daß in der amylalkoholischen Lösung von 
Pentosen einerseits und der Glucuronsäure andererseits der Verlauf der 
Lichtabsorption längs des sichtbaren Spektrums zum mindesten ein 
ähnlicher sein wird. was in der Tat der Fall war. Ich habe zunächst, 
um den Verlauf der Absorptionskurve festzustellen, die Extinktions- 
koeffizienten bezüglich der freien Glucuronsäure genau in denselben 
Spektralintervallen bestimmt, wie seinerzeit an den Pentosen, und wie 
aus nachstehender Tabelle I ersichtlich 


Tabelle I. 
Spektralstelle d-Glucuronsäure 
uu | Fraparat I Präparat II 
i 

648.2 | 0.849 0,954 
641,5 | 0,881 0,985 
6347 ` 0.936 1,041 
628,0 1.017 1.121 
621,3 1.074 1.159 
617,7 > 1.138 1.212 
6154 | 1,110 1,185 
6097 5 1,084 1.159 
598,2 | 0,940 1,015 
587.6 0.855 — 

KC WW 0,795 0,899 


das Maximum der Lichtabsorption genau an derselben Stelle, bei 
617,7 un. wie an der Arabinose gefunden. Es war also wohl gerecht- 
fertigt, die weiteren Bestimmungen, da ja ihre Ergebnisse mit den 
seinerzeit an den Pentosen erhaltenen verglichen werden sollten, wieder 
an der Stelle jenes Absorptionsmaximums auszuführen. 


Nun galt es. unter ganz identischen Bedingungen die K-Werte. 
sowohl für die freie Glucuronsäure, wie auch für das mentholglucuron- 
saure Ammonium zu ermitteln, und war es zu erwarten, daß, wenn 
Hydrolysenprodukte nicht störend einwirken, das Salz der gepaarten 
Säure dieselben Werte liefert, sofern man diese auf den Gehalt des 
Salzes an reiner Glucuronsäure bezieht. In nachstehender Tabelle II 
sind die Ergebnisse aller dieser Bestimmungen nach ansteigenden 
Konzentrationen der untersuchten Lösungen geordnet, und zwar so. 
daß am mentholglucuronsauren Ammonium nicht der Gehalt der 
Lösung an der gepaarten, sondern an der freien Glucuronsäure 
maßgebend war. Daten und Ergebnisse dieser Bestimmungen sind 
in nachstehender Tabelle II zusammengestellt, und enthält der 
letzte Stab die Werte von K. die für je eine Konzentration charak- 
teristisch sind. 


Spektrophotometrische Bestimmung der Glucuronsäure. 345 


Fi 


Tabelle II. 


K-Werte für d-Glucuronsäure. 


Konzentration 


| Zur Extraktion 


Faktor fur 
die Volumen» 
zunahme des 
Amylalkohols 


verwendeter 
Verwendete Glucuronsäure AR | er 
v 
‚Eros: | cem 
Erer a aoga 0,0695 8,0 
ENEE 0.0869 6.0 
Er en 0,0948 6.3 
de Be Sega 0,104 8,0 
Gepaart 0,199 Proz 0,111 9,0 
Freis ve eg, 5 904 0.115 11,0 
en Ne 0,130 8,0 
ne a ee 0,144 10,5 
Gepaart 0,265 Proz 0,148 9,5 
TEE 0,174 9,0 | 
GE 0,319 Proz 0,177 10,0 
Krei. 4: u: 3. 0,178 10,0 | 
EE ne 0,189 8,0 
Gepaart 0,356 Proz. . 0,198 10,0 
Brei: a nes 0,817 10,0 
Gepaurt 0,398 Proz.. . | 0,222 10,0 
Frei ..... | 0,231 10,5 
De ee E E 0,256 10,0 | 
Gepaart N,510 Proz.. . 0,283 10,3 
n Te ma 0,288 11,0 
FÜ u, Bee e 0,289 10,0 
Gepaart 0,560 Proz 0.311 10,0 | 
Frei e ee 0,316 10,0 Ä 
EERE EE 0,348 11,0 
Gepaart 0,637 Proz 0,354 10,5 
Brei. a mar % 0,379 10,0 
E 0,385 11,0 
ee Mahler Se 0,392 11,0 
Gepuart 0,713 Proz 0,396 | 10,0 
dt ege ad, ri 0,435 | 11,0 
Gepnart 0,796 Proz 0,443 11,5 
Frei äu Au: br 0,462 12,0 | 
EEN 0,474 | 11,0 | 
Gepaart 0,864 Proz 0,480 | 12,0 | 
S 0,892 0,496 | 11,5 | 
s 0,919 „ 0,511 12,0 
Frei. mg e we as 0,564 11,5 
CHE 0,615 13,5 
Be ned er 0,634 12,0 
FR N 0,695 12,0 
en Be a 0,758 14,0 
FE u dr e 0,868 | 12,0 
ee 0,869 12,0 


Av v 


bo be bake be ke ke beta ba be 
tts stet 


- 


+ 


. ÉI 


þad bech bech bech bech keck ke ke bech kee Fe 
Ki 


-> 


1,25 


TEICHE SICHT ba ba ba bo be 
Gët 


Ki 


KI a 


kd 


Kkeekeetskeeeekeleeses 


kA bh ka Fi du kä pab fach Pu ti fa fa ped in fh fh fach pack fach u pn pi un Fu ba 


< 


| 


0,00769 
(,00913 
0,00980 
0,0104 
0,0109 
0,0114 
0,0124 
0,0134 
0,0138 
0,0155 
0,0151 
0,0161 
0,0170 
0,0172 
0,0187 
0,0194 
0,0200 


Diese Werte wurden auch als Ordinaten in ein Koordinatensystem 
eingetragen, das die Konzentration der verwendeten Lösungen auf 
der Abszissenachse verzeichnet enthält und durch die Schnittpunkte 


346 G. Scheff: 


die nachstehend abgebildete Kurve gezogen; gleichzeitig aber auch. 
um einen Vergleich zu erleichtern, auf Grund der in meiner erwähnten 
Mitteilung enthaltenen Daten die entsprechenden Kurven für Arabinose 
und Xylose abgebildet. 


K S 
äm Sen pe ae R 


SES E 


00280 


00240 


Abb. 1. 


Man sieht aus den einander folgenden X-Werten in der Tabelle II, 
wie auch an der Kurve, daß die der gepaarten Säure angehörenden 
Werte mit hinreichender Genauigkeit in die Reihe bzw. in die Kurve 
fallen, in der auch die Werte der freien Säure!) enthalten sind, so daß 
sicher ausgesagt werden kann, daß sich die gepaarten Glucuronsäuren 
sn der von mir verwendeten Modifikation der Bialschen Probe qualitativ 
und quantitativ so verhalten, wie die freie Säure. 


!) Die auf die freie Säure bezüglichen Werte sind mit Ringen be- 
zeichnet. 


pa 


Spektrophotometrische Bestimmung der Glucuronsäure. 347 


Tabelle III. 

Konzentration K ( “za E ) Konzentration | K ( = e ) 
Proz | v.f.e Proz. v. f. e 
0,10 0:0100 0:46 0.0356 
(il 0:0108 0:47 | 0,0362 
0,12 | 0.0115 0:48 | 0:0369 
0:13 | 0.0123 0.49 0:0375 
0:14 0:0130 0:50 | 0:0381 
0-15 0.0138 0,51 0,0387 
0.16 0:0145 0.52 0.0393 
0.17 0:0153 0:583 0:0399 
0,18 0,0160 0:54 0:0405 
0:19 0,0168 0.55 | 0,0411 
0,20 | 0,9175 0,56 0.0417 
0,21 0,0183 0.57 0.0423 
0,22 0,0190 0,58 0,0429 
0,23 0.0198 0,59 0.0435 
0.24 0.0205 0,60 0,0441 
0,25 0,0213 0,61 0,0447 
0,26 0,0220 0.62 | 0,0452 
0,27 0,0227 0,63 0.0458 
0,28 | 0.0232 0.64 0,0463 
0.29 | 0.0241 0,65 0,0469 
0,30 | 0,0248 0,66 0,0474 
0,31 0,0255 0,67 0,0480 
0,32 | 0,0261 0,68 0,0485 
0,33 0,0268 0,69 0,0491 
0,34 i 0.0275 0,70 0,0496 
0,35 0,0282 0,71 0,0501 
0,36 0,0289 0,72 0,0506 
0,37 | 0,0296 0,73 0,0511 
0,38 ! 0.0303 0,74 0.0515 
0,39 | 0,0310 0,75 | 0,0520 
0,40 | 0,0316 0,76 0,0525 
0,41 | 0.0323 0,77 0.0529 
0,42 0,0330 0,78 0,0534 
0,43 0,0336 0,79 0,0539 
0,44 0,0343 0,80 0.0543 
0.45 0,0349 


Einmal im Besitz der Glucuronsäurekurve, habe ich für die Glucuron- 
säurekonzentration von 0,10 bis 0,80 Proz. alle zugehörigen K-\Werte, 
teils durch graphische, teils durch lineare Interpolation erhalten und 
die betreffenden Werte in Tabelle III zusammengestellt. 


Auf Grund der Gleichung X = Ss bzw. v.f.e= S konnte 
ich dann ohne weiteres den zu jeder Konzentration gehörenden Wert 
von v.f.e berechnen. Diese Werte sind in Tabelle IV zusammen- 
gestellt. 


Man wird also, um die Konzentration einer Lösung von freier Glu- 
ceuronsäure oder von mentholglucuronsaurem Ammonium zu bestimmen, 


348 


G. Scheff: 


| 


Tabelle IV. 
Konzentration ; Konzentration 
v.f.e 
Proz. Proz. 
0,10 10,0 0.34 
0,105 10-1 0:36 
0-11 10:2 0:38 
0:115 10:3 0,40 
0,12 10-4 0,43 
0.125 10,5 0,45 
0,13 10.6 0.47 
0,135 10,7 0.49 
0,14 10.8 0.51 
0,145 10,9 0,53 
0,15 11.0 0,55 
0,16 11,1 0.57 
0,17 11,2 0,59 
0,18 11,3 0.61 
0,19 11.4 0,63 
0,20 11,5 0,65 
0,215 11,6 0,67 
0,225 11,7 0,69 
0,235 11,8 0,71 
0,245 11,9 0,73 
0,27 12,0 0.75 
0,29 12,1 0,76 
‚0,31 12,2 0,78 
0,32 12,3 0,80 
Tabelle V. 

Zu 5 ccm der Zu 5 ccm der 
H Cl-Orcin» H C1l»Orcin: 
Pentoses bzw. Pentose» bzw. 
Glucuronsäures | Glucuronsäures | 
lösung hinzus | Í lösung hinzu» 
gefügter Amyls | gefügter Amyl» | 
alkohol alkohol 
v V 
4 1,28 18 
5 1.28 19 
6 1,27 20 
7 1,27 21 
H 1,26 22 
9 1,26 23 
10 1,25 24 
11 1,24 25 
12 1,24 26 
13 1.23 27 
14 1.28 28 
15 1.22 29 
16 1,21 30 
17 1,21 31 


bah, bc eb pak pak ja Pi Et ah a Fe a N DVD 
GO CV, Va, LC CO sl COS OO SS 


bech bech bes. be ke Eech ke bech Fe ke ec Fee ke. Fe: 
w o - - 


e 


Spektrophotometrische Bestimmung der Glucuronsäure. 349 


lccm der zu prüfenden Lösung nach der gegebenen Vorschrift mit 
eisen- und orcinhaltiger Salzsäure erhitzen, mit dem entsprechenden, 
genau bekannten Volumen Amvlalkohol ausschütteln, den Extinktions- 
koeffizienten bestimmen, das Produkt v.e noch um den Faktor f aus 
der am Ende des Textes wiedergegebenen Tabelle V korrigieren und 
einfach aus Tabelle IV die dem Wertev.f.e entsprechende gesuchte 
Glucuronsäurekonzentration ablesen. Zur Berechnung des korrigierten 
Volumens des Amylalkohols v.f dient die bereits erwähnte und aus 
meiner früheren Mitteilung übernommene Tabelle V. 


Diese Arbeit wurde auf Anregung und unter Leitung des Herrn 
Prof. P. Häri mit Hilfe der von der Ella Sachs- Plot:-Stiftung zu- 
gewendeten Mittel ausgeführt; ihrer Verwaltung sei unser bester 
Dank quittiert. 


Deutung und Folgen der Veränderung 
in der Körperzusammensetzung kleiner, an Hunger oder 
Unterernährung verendeter Tiere. 


Von 
Emerich Szörényi. 


(Aus dem physiologisch-chenuschen Institut der königl. ung. Universität 
Budapest.) 


(Fingegangen am 24. Januar 1927.) 


Es ist längst bekannt, daß der auf die Einheit des Körpergewichts 
oder der Körperoberfläche reduzierte Energieumsatz an manchen 
Individuen wesentlich andere Werte aufweist als an den meisten anderen 
Individuen derselben Tierart. So fällt z. B. der derart berechnete 
Wert erheblich geringer an solchen Tieren aus, in denen vorangehend 
größere Mengen Fett angesetzt wurden; denn auf diese Weise wird 
zwar das Körpergewicht erhöht, die Umsätze nehmen aber nicht in 
solchem Maße zu, da sich an ihnen das Fettgewebe in weit geringerem 
Grade als der Eiweißbestand beteiligt. Das Umgekehrte kann an sehr 
fettarmen, besonders muskulösen Individuen der Fall sein. 

Auch ist es wiederholt beschrieben worden, daß im protrahierten 
Hungerzustande oder bei chronischer Unterernährung der reduzierte 
Energieumsatz zuweilen ganz erheblich abnimmt, und wurde für diese 
Fälle eine absolute und. was eigentlich ausschlaggebend ist, auch eine 
relative Verringerung des Eiweißbestandes teils angenommen. teils 
auch bewiesen. 

Zu einer anderen Kategorie gehören die Fälle, in denen ein und 
dasselbe Tier zu verschiedenen Zeiten einen verschieden großen 
reduzierten Energieumsatz aufweist, dabei aber sein Körpergewicht 
ein annähernd konstantes ist, so daß man keine Veranlassung hat, 
eine Änderung seiner Körperzusammensetzung im obigen Sinne an- 
zunehmen. So fand (raham-Lusk!), daß der reduzierte Energieumsatz 
eines seiner Versuchshunde. wenn das Tier nach einem längeren Aufent- 


1) (Graham Lusk, Journ. of biol. Chem. 20, 565, 1915. 


E. Szörényi: Körperzusarmmrnensetzung Kleiner Tiere. 35] 


halt am Lande, wo es sich in Freiheit bewegen konnte, nach dem 
Institut in der Stadt zurückgebracht und bald darauf kalorimetrisch 
geprüft wurde, wesentlich größer war als nachdem das Tier wieder 
längere Zeit hindurch in den Institutsräumen gehalten ward. (Ob 
hierbei physiologische oder psychische Momente im Spiele sind, mag 
hier unerörtert bleiben.) 


Weit schwerer zu deuten sind die oft recht erheblichen Schwan- 
kungen des reduzierten Energieumsatzes, die man in längeren Serien- 
bestimmungen erhält, namentlich, wenn man zu diesen Versuchen ge- 
fütterte, jedoch immer im Nüchternzustande untersuchte kleinere Ver- 
suchstiere (Ratten, Mäuse) verwendet, die erfahrungsgemäß auch relativ 
ungemein große Schwankungen ihres Körpergewichts nach beiden Rich- 
tungen hin aufweisen. Die Schwankungen des reduzierten Energie- 
umsatzes können so groß sein, daß man oft Mühe hat, auf Grund der 
voneinander erheblich abweichenden Werte den Grundumsatz zu 
ermitteln. 


Hat das Körpergewicht eines solchen Tieres eine Zunahme er- 
fahren, so läßt sich die Verringerung des reduzierten Energieumsatzes 
sehr leicht im obigen Sinne aus dem Fettansatz erklären. Ist aber die 
Zunahme des Körpergewichts mit einer Vergrößerung des reduzierten 
Energieumsatzes verbunden, so müßte angenommen werden, daß nur 
der Eiweißbestand des Tieres eine Vermehrung, und zwar nicht nur 
eine relative, erfahren hat. Daß an erwachsenen Tieren Eiweißansatz 
nur ausnahmsweise vorkommt, ist längst bekannt; doch sind die dies- 
bezüglichen Erfahrungen an größeren Versuchstieren gewonnen und 
ist es ganz gut möglich, daß kleine Versuchstiere, wie z. B. Mäuse, sich 
anders verhalten. Es ist aber auch möglich, daß der reduzierte Energie- 
umsatz auch bei unverändertem Körpergewicht Änderungen nach 
beiden Richtungen hin erfährt, und zwar dadurch, daß Einschmelzung 
von Körpereiweiß mit gleichzeitigem Fettansatz, oder umgekehrt 
Fettschwund mit gleichzeitigem Eiweißansatz vergesellschaftet ist. 


Solche Fragen können natürlich nicht anders als auf experimen- 
tellen Wege gelöst werden: man müßte am selben Tiere vor und nach 
einer bestimmten Fütterungsart einerseits kalorimetrische Bestimmungen 
ausführen, andererseits jedesmal, also zu wiederholten Malen auch die 
Körperzusammensetzung bestimmen, was ja natürlich ein Ding der 
Unmöglichkeit ist. 

Das Problem ist ein sehr verwickeltes und besteht aus einer Anzahl 
von Teilproblemen. In nachstehender Arbeit habe ich eines dieser 
Teilprobleme zu lösen und namentlich zu ermitteln versucht, wie sich 
am hungernden und am unterernährten Tiere das Verhältnis zwischen 
Wasser-, Eiweiß- und Fettgehalt gestaltet ? 


352 E. Szörenyi: 


A. Versuchseinrichtung. 


Zu den Versuchen wurden erwachsene weiße Mäuse gruppenweise 
verschiedenartig ernährt und zu einem geeigneten Zeitpunkte der Analyse 
zugeführt. An einer ersten Gruppe von Tieren wurde die Menge der vor- 
gelegten Nahrung so lange geändert, bis sich das Körpergewicht nicht mehr 
änderte; sobald dieser Gleichgewichtszustand eine Zeitlang bestanden hatte, 
wurden die Tierkörper analysiert. An einer zweiten Gruppe wurde die 
Nahrung und (mit Ausnahme der Mäuse 2 und 5) auch das Trinkwasser 
entzogen, und wurden die Tiere analysiert, sobald sie dem Hungertode 
voraussichtlich bald erlegen wären. An einer dritten Gruppe wurde die 
Nahrung, bestehend in Hafer oder in Weißgebäck, das zuvor in Wasser 
eingelegt war, soweit beschränkt, daß die Tiere von Tag zu Tag an Körper- 
gewicht abnahmen und infolge der ungenügenden Ernährung zugrunde 
gegangen wären. Kurz vor dem zu gewärtigenden Tode wurden die Tiere 
der Analyse zugeführt. 


B. Methodik der Versuche. 


Das zu analysierende Tier wurde durch Abknickung der Wirbelsäule 
im obersten Cervicalabschnitt und dadurch bewirkte Zerstörung des Hals- 
markes fast augenblicklich getötet und der Kadaver gewogen. Da 
die großen und wechselnden Stickstoffmengen der Epidermis und der Haare 
die Verhältnisse in unberechenbarer Weise kompliziert hätten, wurde dem 
Kadaver nach der Abwage die Haut abgezogen, was bis nahe an das distale 
Ende der Extremitäten leicht durchzuführen war; dort war eine glatte 
Loslösung der Haut nicht möglich, so daß die äußersten Enden der 
Extremitäten mit einem Scherenschlag abgeschnitten und zur abgezogenen 
Haut geschlagen werden mußten. Gleich darauf wurde die Bauchhöhle 
geöffnet, der Inhalt der Därme mit einer Pinzette herausgestreift, auch der 
Inhalt des aufgeschnittenen Magens entfernt, und der abgehäutete Kadaver 
(mitsamt dem leeren Darm und Magen) gewogen. Auf diese Weise ergab 
sich ein Gewichtsunterschied. der zum größten Anteil durch den nunmehr 
fehlenden Magen- und Darminhalt, zu einem kleineren Anteil durch Wasser- 
verdampfung während der allerdings kaum mehr als 5 Minuten dauernden 
Manipulationen und zum geringsten Anteile durch Blut verursacht wurde, 
das an den Instrumenten haften blieb. Der Gesamtverlust betrug in der 
Mehrzahl der Fälle etwa 1, g. zuweilen weniger, zuweilen mehr. Den von 
Haut, Magen- und Darminhalt befreiten Tierkörper, der außerdem noch 
die soeben erwähnten Verluste erlitten hat, wollen wir der Kürze halber als 
„abgehäutetes Volltier‘‘ bezeichnen; an diesem wurden die Bestimmungen 
ausgeführt, und die Ergebnisse teilweise auch auf das ‚.fettfrei gedachte Tier‘* 
umgerechnet. 


Das abgehäutete Volltier wurde mittels einer Schere grob zerkleinert, 
an der Schere haftengebliebene Teile mit der Hauptmasse vereinigt, diese 
auf einem Uhrglase im Wasserdampf-Thermostaten bis zur Gewichts- 
konstanz getrocknet und so der „Trockensubstanzgehalt‘‘ ermittelt. Die 
Trockensubstanz wurde im Wägezimmer so lange frei an der Luft stehen- 
gelassen, bis keine weitere Gewichtszunahme mehr erfolgte, gewogen und 
die auf diese Weise erhaltene „lufttrockene Substanz‘‘ in einem Messingmörser 
zu einem möglichst gleichmäßigen, feinen Pulver verrieben. Dieses diente 
zu den eigentlichen Analysen. An fettarmen Tieren gelang die Pulverisierung 
ohne weiteres, an fettreichen mußte erst am grob zerkleinerten Tierkörper 


Körperzusammensetzung kleiner Tiere. 353 


das Fett durch Extraktion entfernt werden. Die entfettete Masse war gut 
pulverisierbar und wurde dann weiter verarbeitet. In aliquoten Anteilen 
des Pulvers wurde in Parallelanalysen der Fettgehalt durch 48stündiges 
Extrahieren mit Äther, der N-Gehalt aber nach Kjeldahl bestimmt, und 
aus dem N-Gehalt der Eiweißgehalt des Tierkörpers unter Vernachlässigung 
sonstiger N-haltiger Bestandteile in der Annahme berechnet, daß dem 
Gesamteiweiß ein N-Gehalt von 16 Proz. zukomme Bei der Bestimmung 
des Aschengehalts habe ich nach der bekannten Vorschrift die zu ana- 
lysierende Substanz erst bei gelinder Rotglut verkohlt, aus der Kohle die 
löslichen Salze mit heißem Wasser extrahiert, und nun erst den Rückstand, 
der keine bei höherer Temperatur flüchtigen Salze mehr enthielt, geglüht. 
Zu dem Glührückstand wurde die durch Extraktion gewonnene Salzlösung 
hinzugefügt, eingedampft und der Rückstand bei schwacher Rotglut 
kurz erhitzt. Fs muß aber bemerkt werden, daß an Maus 6, 19, 13 und 1 
nur je eine Aschenbestimmung ausgeführt werden konnte, und an Maus 16, 
5 und 17 die Parallelanalysen nicht gut übereingestimmt haben. Die bei 
den anderen Tieren angegebenen Daten stellen Mittelwerte aus gut überein- 
stiimmenden Doppelanalysen dar. 


C. Die Versuchsdaten. 


Die auf die normal ernährten, hungernden und unterernährten 
Tiere bezüglichen Daten sind in den Tabellen I, II und III zusammen- 
gestellt. Tabelle I enthält die allgemeinen Daten, Tabelle II die 
Analysenergebnisse, die sich auf das gesamte abgehäutete Volltier 
beziehen, in Tabelle III sind diese Werte auf den fettfrei gedachten 
Tierkörper umgerechnet. 

Dabei ist aber noch folgendes zu bemerken. Im Wasser- bzw. 
Trockensubstanzgehalt war an fünf von den sechs normal ernährten 
Tieren kein größerer Unterschied vorhanden, wohl aber am äußerst 
fettreichen Tiere 10, das aus diesem Grunde von der Berechnung der 
mittleren Zusammensetzung des abgehäuteten Volltieres ausgeschlossen 
werden mußte, aber mitberücksichtigt wurde bei der Umrechnung 
auf den fettfrei gedachten Tierkörper. Ferner darf auch nicht ver- 
gessen werden, daß die Abhäutung so manche Fehler involviert, da 
sich die nicht mitanalysierte Haut am hungernden und am unter- 
ernährten Tiere möglicherweise anders als der übrige Tierkörper ändert. 
Ein solcher. wenn auch wahrscheinlich sehr geringer Fehler entsteht 
sicherlich dadurch, daß die Haargebilde auch während des Hungerns 
bzw. der Unterernährung weiter wachsen, was einem N-Ansatz gleich- 
kommt und dadurch ein N-Defizit bei der Analyse des übrigen Tier- 
körpers verursacht. | 

Daß trotz alledem die Bestimmung der einzelnen Körperbestand- 
teile an die Grenze der Genauigkeit heranreichte, die bei Wasser-, 
Eiweiß-, Fett- und Aschenbestimmung an einer so wenig homogenen 
Substanz, wie der zerkleinerten Tierkörper, überhaupt möglich ist, 
geht aus dem letzten Stabe der Tabelle II hervor. die zeigt, daß im 


354 E. Szörenyi: 


Mittelwert je einer Gruppe von Tieren 98,5 bzw. 98,8 bzw. 97,8 Proz. 
der gesamten analysierten Masse zurückerhalten wurden, wobei in 
den fehlenden 1,2 bis 2,2 Proz. auch das Glykogen enthalten ist. das 
nicht gesondert bestimmt wurde. 


D. Ergebnisse der Versuche. 


Der Einfluß des totalen Hungerns und der ungenügenden Er- 
nährung auf die prozentuale Zusammensetzung des Tierkörpers läßt 
sich ermitteln, wenn man die an diesen Tieren erhaltenen Mittelwerte, 
die für die einzelnen Körperbestandteile (Wasser, Trockensubstanz, 
Eiweiß, Fett) berechnet sind, mit den entsprechenden Daten der normal 
ernährten Tiere vergleicht. 


a) Bezüglich der Volltiere ergab sich folgendes: 


Fettgehalt. In der prozentualen Zusammensetzung der Tiere ist 
am auffallendsten die Abnahme des Fettgehalts auf etwa den dritten Teil 
des ursprünglichen Wertes im hungernden Tiere, auf einen noch ge- 
ringeren Wert im unterernährten Tiere. Es ist dies eine so lange und 
allgemein bekannte Tatsache, daß hieran keinerlei weitere Erörterungen 
geknüpft werden müssen. (Anders verhält es sich bezüglich der Frage, 
ob das Überwiegen des verbrannten Fettes auch dann zum Ausdruck 
kommt, wenn man nicht dessen prozentuale, sondern absolute Menge 
vergleicht. Hierüber siehe Näheres weiter unten.) 


Wassergehalt. Der prozentuale Wassergehalt der hungernden und 
ungenügend ernährten Tiere ist konstanter als der des normal ernährten;; 
dort schwanken die Werte zwischen 70,9 und 72,9 bzw. 72,8 und 
74,9 Proz., hier aber zwischen 58,7 und 71,3 Proz.; bzw. wenn man 
vom besonders fettreichen Tiere 10 absieht, zwischen 66,6 und 71,3 Proz. 
Daß dies mit dem stärker als an hungernden und schlecht ernährten 
Tieren wechselnden Fettgehalt der normal ernährten zusammenhängt. 
geht z.B. auch aus den Angaben von Magnus-Levy!) hervor, der an 
einem fetten Schafe 35 Proz., an einem weniger fetten aber 57 Proz. 
Wasser fand. 


Vergleicht man die mittleren Werte in Tabelle Il, so ergibt sich 
folgendes: im Hungerzustande ist der Wassergehalt deutlich, im Zustande 
der Unterernährung noch stärker erhöht (die Trockensubstanz entsprechend 
herabgesetzt). Dieser Befund stimmt gut mit einigen aus der Literatur 
bekannten Daten überein, so zunächst mit den Angaben von Tachau?). 
der an nicht hungernden Mäusen einen Wassergehalt von 61 bis 74 Proz. 


1) Noordens Handb. d. Pathol. des Stoffwechsels 1, 445. 
2) Tachau, Wasserverteilung u. Odembildung bei Salzzufuhr, diese 
Zeitschr. 67, 338, 1914. 


35 


Körperzusammensetzung kleiner Tiere. 


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356 E. Szörenyi: 


Tabelle II. 


Zusammensetzung des abgehäuteten Volltiers. 


| | K Von der 
Tier | Wasser | no Eiweiß Fett Asche Ka SCH 
E L | Proz. Kä Proz, £ E Proso i | prog: | e ‚Proz. Proz. u 
3112,97. 70,0 ' 5.25 | 300 3.09 | 17,6 1,38 | 76,068 39, 99 
6 8,70 | 69,4 . 3,84 | 30,6 | 2,19 | 17,4 1,09, 8,7034 27 98.2 
10 || 9,37 | 58,7 6,60 | 41.3, 220 | 13.8 8,50 | 21,9 ,0,52| 33 97.6 
15 | 842| 66,6 | 423 | 33,4 | 1,88 | 149 1,86 | 10,7 0,77 61 | 983 
16 8,27, 68,4 ! 3,82 | 31,6 | 2,08 | 16,8 | 1,10 | 9,110,72| 59 100.3 
19 | 8,10! 71.8 3,26 | 28.7 ` 1.81 | 16,1, 0,68 | 6,0 FS A0. 97A 
"ohne Tier 10; wa | 80,9 16,6 ` A |45 985 
2, 8,20) 71,2 | 3.31 | 28,7 1222 195,036 | 31 [0,58] Ai 98.9 
5 845] 72,5321 27,5 238 , 20,4 ai 26 0,55 Ai 102 
12 7,59. 72,8 | 2,81 ; 27,2 1.96 19.0 än 29'042) 41. 98,9 
13 6,54! 71,1 2.66 289172 187 0,25 27 049 Bä ON 
14. 6,47 | 70,9 | 2,65 29.1 ` 1.77 19,4 ! 0,25 | 2,7 |0531 5,8; 98.9 
17 | 5,76| 72,9- 2,14 | 27,1 Län 165 e 31 041 52° 97,7 
201 882 722 1340 Dn 2391196 080| 25 064 Aë ua 
Mittelwerte: 71,9 , 28,1 19,0 | 28 | 5,1 98.8 
1 | 7,98] 73,5 | 2,89 | 26.5 , 1.82 | 16,6 0,32 | 29 0,47; 43, 97.3 
4 10,24| 73,8 | 3,63 26,2 | 248 179 030, 21 |0,63 45 op A 
7T  821' 7491274 25,1 "169' 14,6 024; 22 A4" 49 po S67 
9 6,95 72,8 2,59 | 27.2 i 1,59 | 16.6 “0.24 25 049 5,2 97.1 
18| 6,40 741, 224| 259.153 17,7 022' 25 046 583 9.7 
i EN SN Z e IT Ge: Si a = 
Mittelwerte: 78,8 26.2 | 16,7 ` o g4] A8 9, 


fand, während die betreffenden Werte bei mir 59 bis 71 Proz. betragen. 
An hungernden Tauben fand Lukjanow!) den Wassergehalt in Ober- 
schenkelmuskeln und Knochen erhöht, in einer Reihe anderer Organe 
unverändert, in Pankreas und Leber herabgesetzt; Vott?) in Knochen 
eines verhungerten Hundes, Set/mair?) in Knochen hungernder Katzen 
erhöht, Moulton) in Rindermuskeln unverändert, in der Leber etwas 
erhöht, Junkersdorf?) in kurzdauernden Hungerversuchen am Hunde 
in der Leber etwas herabgesetzt, Biddle und Howe®) ebenfalls an Hunden 


1) Lukjanow, Zeitschr. f. phys. Chem. 18, 339, 1888. 

2) Voit, Gewichte der Organe eines wohlgenährten und eines hungernden 
Hundes, Zeitschr. f. Biol. 30, 510. 1894. 

3) Sedlmair, Über die Abnahme der Organe insbesondere der Knochen 
beim Hunger. YEbendaselbst 87. 

4) Moulton, Biochem. changes in the flesh of beef animals during 
un.lerfeeding. Journ. of biol. Chem. 48. 

5) Junkersdorf, Beiträge zur Physiologie der Leber. I. Mitt. Pflügers 
Arch. 186, 238, 1920. 

D Biddle und Howe, Biochem. Bull. 2, 386 bis 389. 


Körperzusammensetzung kleiner Tiere. 357 


in den Muskeln etwas erhöht. Zuntz!) fand das Knochenmark unter- 
ernährter Kälber ‚ganz ungewöhnlich“ wasserreich. 


Eiweißgehalt. Der prozentuale Eiweißgehalt der hungernden Tiere 
war erheblich erhöht. Die Zunahme betrug etwa 15 Proz. und wird erst 
weiter unten ihre Erklärung finden. Bei ungenügender Ernährung 
nimmt der prozentuale Eiweißgehalt weniger stark zu. 


Wenn auch am normalen wie auch am hungernden und unter- 
ernährten Tiere Werte vorkommen, die stark aus der Reihe springen, 
und in obigen Mittelwerten naturgemäß alle unvermeidlichen Analysen- 
fehler sich summieren, können obige Ergebnisse als genügend sicher- 
gestellt angesehen werden; um so mehr, da an den Volltieren die 
Resultante aus dem abnehmenden Fett- und dem zunehmenden 
Eiweißgehalt mit der Änderung des Trockensubstanzgehalts, wie 
aus nachstehender Zusammenstellung hervorgeht, gut übereinstimmt, 
zumal, wenn man in Betracht zieht, daß sicherlich auch das Glykogen 
eine Einbuße erlitten haben muß. 


f Wasser | Trockensubstanz Eiweiß Fett 

| | Proz. l Proz. Proz. | Proz. 

| | —281 | +24 | — 5,62 
— 4,69 + 0,12 


Hunger... .... | 
Unterernährung . . . | 


-- 5,97 


b) In dem fettfrei gedschten Tierkörper verhält sich die Sache 
etwas anders. Wie den Daten der nachstehenden Tabelle III zu ent- 
nehmen ist, sind die durch Hunger bzw. ungenügende Ernährung 
verursachten Änderungen in der Zusammensetzung des fettfrei ge- 
dachten Tierkörpers geringer als im Volltier.. Auch ist ein gewisser 
Gegensatz zwischen hungernden und ungenügend ernährten Tieren 
zu konstatieren: der Wassergehalt ist am Hungertier etwas herab- 
gesetzt, am unternährten unverändert; der Eiweißgehalt am Hunger- 
tier deutlich erhöht, am unterernährten ein wenig herabgesetzt. Diesen 
Befunden, namentlich dem Gegensatze zwischen beiden Gruppen, 
möchte ich aber angesichts der meist bloß recht geringen Ausschläge 
keine besondere Bedeutung zumessen, um so weniger, als ja in den 
genannten Werten die unvermeidlichen, wenn such nicht zu großen 
Fehler der Fettbestimmung zum Ausdruck kommen. Auch die Be- 
funde früherer Autoren weisen diesbezügliche Widersprüche auf, indem 
nach Schultz?) der N- bzw. Eiweißgehalt in der fettfrei gedachten 
Trockensubstanz unverändert, nach Biddle und Howe?) aber erhöht ist. 


1) Zuntz, Noordens Handb. d. Pathol. d. Stoffwechsels 1, 446. 

2) Schultz, Über d. Verteilung von Fett u. Eiweiß bei magerem Tier usw. 
Arch. f. d. ges. Phys. 66, 145, 1897. 

3) le. 


Biochemische Zeitschrift Band 183. 24 


358 E. Szörényi: 


Tabelle III. 
Zusammensetzung des abgehäuteten und fettfrei gedachten Tierkörpers. 
Tier Wasser Trockensubastans |. = Eiweiß 
Nr. ` ) Proz. Proz. Proz. 
3 | 78 | 242 
6 76,0 24,0 
10 75,2 24,8 
15 74,6 25,4 
16 75,3 | 24,7 | 
19 759 k o Al j o 
Mittelwerte: 715,5 24,5 18,0 
2 73,4 26,6 20,1 
5 74,4 | 25,6 20,9 
12 75,0 | 25,0 | 19,6 
13 73,1 l 26,9 20,5 
14 72,9 , 27,1 19,9 
17 75,3 | 24,7 | 17,0 
om wu | %9 j| 21 
Mittelwerte: | 74,0 26,0 , 19,7 
1 | 75,6 24,4 | 17,2 
4 75,5 24,5 18,3 
7 76,6 23.4 14,5 
H 74,7 25,3 | 17,0 
IB" 76,9 24,0 18,2 
Mittelwerte: 75,7 24,4 | 17,1 


E. Deutung der prozentualen Änderung in der Zusammensetzung des Tier- 
körpers. 


Die bedeutende Zunahme des relativen Wassergehalts im hungern- 
den und im unterernährten Tiere ist eine feststehende Tatsache und es 
fragt sich, ob hieraus auf eine Verwässerung des Tierkörpers geschlossen 
werden darf, entstanden durch Retention von Verbrennungswasser an 
den Hungertieren, von getrunkenem Wasser an den unterernährten ? 
Daß dies nicht der Fall ist, geht aus der ebenfalls feststehenden Tat- 
sache hervor, daß auch der relative Eiweißgehalt am Hungertiere 
eine bedeutende (am unterernährten Tiere keine) Zunahme erfährt. 
Gehen wir von der allerdings etwas übertriebenen Annahme aus, 
daß im Tiere das Wasser nur als Lösungsmittel für das Körper- 
eiweiß vorhanden ist, so ergibt sich, daß der Tierkörper normalerweise 
in 69,1g Wasser plus 16,6g Eiweiß 80,6 Proz. Wasser, im Hunger- 
zustande in 72,0 g Wasser plus 19,0 g Eiweiß 79,1 Proz. Wasser, bei 
Unterernährung in 73,8 g Wasser plus 16,7 g Eiweiß 81,5 Proz. Wasser 
enthält, mit anderen Worten, daß das Hungertier als eine Eiweißlösung 
gedacht ein wenig verdünnter, das unterernährte ein wenig konzentrierter 
ist als das normal ernährte Tier; bzw. wenn man die geringen Unter- 
schiede zwischen hungernden und unterernährten Tieren als von Versuchs- 


Körperzusammensetzung kleiner Tiere. 359 


fehlern herrührend betrachtet und von beiden Gruppenmittelwerten 
einen neuen Mittelwert bildet, die hungernden und unterernährten Tiere, 
als wässerige Eiweißlösung gedacht, sich von normal ernährten nicht 
unterscheiden. Das ist auch ganz plausibel, wenn man bedenkt, daB — 
wieder im Sinne obiger Annahme — beim Einschmelzen von Gewebs- 
eiweiß stets auch proportionale Mengen von Wasser aus dem Verbande 
gelöst und ausgeschieden werden; wird aber neben Eiweiß und Wasser 
auch ein solcher Körperbestandteil eingeschmolzen, der, wie das Fett, 
wenig oder gar keinen Bezug auf das Körperwasser hat, so muß dies 
notwendigerweise zu einer relativen Zunahme nicht nur des relativen 
Erwerßgehalts, sondern auch zu der des relativen Wassergehalts führen. 


Hiermit im Zusammenhang ist aber auch eine der eingangs auf- 
geworfenen Fragen beantwortet, ob nämlich — als Gegenstück zur 
Abnahme des auf die Körpergewichtseinheit reduzierten Energie- 
umsatzes infolge Fettansatzes bzw. einer Zunahme des Energieumsatzes 
infolge Eiweiß- (Muskel-) Ansatzes — eine Abnahme oder eine Zunahme 
des reduzierten Energieumsatzes auch bei abnehmendem Körpergewicht, 
wo also weder Fett noch Eiweiß angesetzt wird, sondern im Gegenteil 
verloren geht, möglich ist? Die Frage muß nach beiden Richtungen 
hejahend beantwortet werden. Ist nämlich verhältnismäßig mehr Fett 
als Eiweiß verloren gegangen, so wird der relative Eiweißgehalt trotz 
der gleichzeitigen Zunahme des relativen Wassergehalts 80 stark erhöht, 
daß der auf die Körpergewichtseinheit reduzierte Energieumsatz eine Er- 
höhung erfährt. Ist hingegen der Organismus dadurch eiweißärmer 
geworden, daß mehr Eiweiß als Fett verbrannt wurde, so muß es, da in 
dem verhältnismäßig feltreicher gewordenen Tierkörper die Umsätze 
stärker abgenommen haben als das Körpergewicht, zu einer Herab- 
selzung des reduzierten Energieumsatzes kommen, die nur teilweise 
dadurch kompensiert ist, daß neben dem erhöhten Eiweißverlust auch 
ein stärkerer Wasserverlust eingetreten ist, durch den das Körper- 
gewicht weiter abgenommen hat. 


F. Folgen des absoluten Eiweiß- und Fettverlustes. 


Es ist eine landläufige Ausdrucksweise, wenn man sagt, daß sich 
das Hungertier überwiegend auf Kosten seines Fettbestandes erhält. Sie 
basiert auf der unbestreitbaren Tatsache, daß im Körper eines ver- 
hungerten Tieres meist über 90 Proz. des vormaligen Fettes und nur 
etwa die größere Hälfte des vormaligen Eiweißbestandes fehlen. Es 
soll nun gezeigt werden, daß obige Tatsache zwar selbstverständlicher- 
weise zu Recht besteht, jene Ausdrucksweise aber für viele Fälle nicht 
richtig ist. In nachstehender Tabelle IV habe ich den in Grammen 
ausgedrückten Eiweiß- und Fettverlust meiner hungernden und unter- 


24* 


360 E. Szörényi: 


Tabelle IV. 
| 

Tier 

Nr. nachher Verlust 

d i iii g g UI 

d 282 | 224 | 0,8 143 | 0,86 1,07 || 68 Stunden gehungert 

5i 261 238 | 0,23 1,33 | 0,30 1,03 a . k 

12 | 2,68 1,96 | 0,67 1,34 | 6,30 1,04 | 4 Tage gehungert 

13 | 3,03 1,72 | 1,31 1,54 | 0,25 |; 1,29 4. 

14 | 3,08 1,77 | 1,31 1,56 | 0,25 1,31 || 4. ; 

17 || 227 1,30 | 0.97 1,15 0,25 ! 090 in, - 

20 | 3,20 2,39 | 0,81 1,63 | 0,80 | 13 3 . i 

4 3,42 2,48 0,94 1,74 0,30 1,44 10 Tage unterernährt 

7l 325 1,60 | 1,65 1,65 | 0,24 141 |u . ; 

9 | 3,36 1,59 | 1,77 1,71 | 024 147 |» . S 

18 | 2,44 153 | 0,91 14 | 0,22 1,02 |7 . i 


< 
zé 


ernährten Tiere berechnet und dieser Berechnung den an den normal 
ernährten Tieren erhaltenen Mittelwert zugrunde gelegt. Dies ist 
wohl anfechtbar, doch läßt sich die Berechnung auf keine andere Weise 
durchführen, und können die Fehler, die auf diese Weise entstehen, 
das Ergebnis seinem Wesen nach nicht ändern. Im zweiten Stabe der 
Tabelle I ist bei jedem Tiere das Körpergewicht zu Beginn des Hungerns 
bzw. der Unterernährung angegeben. Von diesem Gewicht habe ich, 
da auch später nicht das ganze Tier analysiert wurde, die Verluste 
abgezogen, die der Tierkörper anläßlich der Aufarbeitung durch Ab- 
häutung, Entleerung des Magens und Darmes usw. (Stab 6 und 7 der 
Tabelle I) erlitten hat, und nun auf Grund der in Tabelle II für den 
normal ernährten Tierkörper angegebenen Mittelwerte den Eiweiß- 
und Fettgehalt des um obigen Verlust verringerten Tierkörpers 
zu Beginn des Hungerns bzw. der Unterernährung berechnet. 
Der in Gramm ausgedrückte Eiweiß- und Fettgehalt am Ende des 
Hungerns bzw. der Unterernährung ist in Tabelle IV angegeben und 
konnte nun durch Subtraktion der letzteren Werte von obigen der 
Eiweiß- und Feltverlust erhalten werden. Ein Blick auf die im vierten 
und siebenten Stabe der Tabelle IV befindlichen Daten zeigt, daB bloß 
in der Hälfte aller hungernden und unterernährten Mäuse mehr Fett als 
Eiweiß verloren ging, in der anderen Hälfte aber umgekehrt mehr Eiweiß 
als Fett verbrannt wurde. Ordnet man aber die betreffenden Daten 
nach der Dauer des Hungerns bzw. der Unterernährung, so ergibt sich, 
wie aus nachstehender Tabelle V hervorgeht, daß die Fettverbrennung 
in denjenigen Fällen überwiegt, in denen der Hunger bzw. die Unter- 
ernährung bloß kürzer andauerte, hingegen der Esweißverlust dem 
Fettverlust gleichkommt oder ihn gar überflügelt, wenn das Tier länger 
hungerte bzw. längere Zeit hindurch unterernährt wurde, was übrigens 
auch schon vielfach beschrieben wurde. Worauf ich aber hinweisen 


Körperzusammensetzung kleiner Tiere. 36l 


Tabelle V. 
u Fa Hunger Unterernährung 
Des | Dauer | EiweißBverlust Fettverlust SCH Dauer Eiweißverlust | Fettverlust 
Fi a e | œ 
5 |62 Stan.) 0,23 | 103 | 18 7 Tage 09 | 1,02 
2 68 „ | 0,58 l 1,07 4 10 0,94 1,44 
20 ' 3 Tage | 0,81 1,33 7114 1655; 1,41 
17,3 „` 097 ` 090 9 20 , 1,77 1,47 
EE d 0.67 1.04 | 
13 j & „ ' 131 | 1,29 | | 
14 | Ais, © 1831 1,31 


will, ist, daß z. B. an den Tieren 13 und 14, die jeweils gleiche Mengen 
von Eiweiß und Fett verbraucht hatten, diese gleichen Verluste zu 
einer quantitativ gänzlich verschiedenen Änderung des Eiweiß- und 
Fettbestands geführt hatten. Denn es betrug am 


Tier 13: der Eiweißbestand . . . . . . . 3,038 
„ Eiweißverlust . . ..... 131g 
„ Fettbestand . . .. . . . . 154g 
„ Fettverlust . . . 2.2 .2.. 1,29 g 
Tier 14: der Eiweißbestand . . . .... 3,07 g 
„ Eiweißverlust . . . 2...» 1,31 g 
„ Fettbestand . . . ..... 156g 
„ Fettverlust . . 2.2... 131g 
und der gleiche Verlust an Eiweiß und Fett führte am 
Tier 13: zu einem Eiweißrest von. . . . . 1,72g 
m vn  Fettrest von. .. . . . 025g 
Tier 14: zu einem Eiweißrest von . . . . 1,76g 
» vw  Fettrest von. .. . . . 0,25g 


Wenn also die verhungerten Tiere nur den sechsten Terl ihres ur- 
sprünglichen Fettvorrats, hingegen weit mehr als die Hälfte ihres Eiweif- 
bestands behalten hatten, rührt dies nicht davon her, daß die hungernden 
Tiere überwiegend auf Kosten ihres Fettbestands gelebt hatten, sondern 
einfach davon, daß Eiweiß- und Fettverbrauch gleich groß waren, der 
ursprüngliche Erweißbestand aber doppelt so groß gewesen ist als der 
ursprüngliche Fettbestand. 


Diese Arbeit wurde auf Anregung und unter Leitung des Herrn 
Prof. Hari ausgeführt. 


Über das Hautskelett von Insekten. 
Über Dioxyphenylalanin in den Flügeldecken von Maikäfern. 


Von 
Hans Schmalfuss und Hans-Paul Müller. 


(Aus dem chemischen Staatsinstitut Hamburg, Universität.) 


(Eingegangen am 24. Januar 1927.) 


In einer früheren Arbeit!) wurde gezeigt, wie vererbungstheoretisch 
ermittelte Rassenunterschiede in der Pigmentierung chemisch zwanglos 
erklärt werden können. Hierzu war es nötig, gewisse o-Dioxybenzol- 
derivate als Chromogene anzunehmen. In einer besonderen Unter- 
suchung?) wurde nachgewiesen, daß wirklich ein o-Dioxybenzol- 
derivat im Hautskelett von Insekten vorkommt. Unter den o-Dioxy- 
benzolderivaten besitzt nun für die Erklärung der Rassenunterschiede 
das 1-8-3, 4-Dioxyphenyl-a-alanin (= D) eine ganz besondere Bedeutung. 
Denn einerseits bildet das D besonders leicht und schnell ein tief dunkles 
Pigment, andererseits vermag schon ein so geringer Unterschied der 
Wasserstoffionenaktivität, wie wir ihn an verschiedenen Orten eines 
tierischen Organismus erwarten dürfen, den Grad der fermentativen 
Pigmentbildung aus D stark zu beeinflussen. 

Deshalb ist es für die Vererbungswissenschaft, die Zoologie und 
die Medizin gleich wichtig zu wissen, ob wirklich das D im tierischen 
Organismus vorkommt. Denn eine ganze Reihe moderner Arbeiten 
würde dadurch ihre materielle Grundlage erhalten. 

Wir erwähnen nur die schönen Untersuchungen K. Hasebroeks?) „Über 
den neuzeitlichen Melanismus der Schmetterlinge‘, ferner H. Przibrams*) 
und seiner Mitarbeiter „Über die Ursachen tierischer Farbkleidung“. Denn 
weder in Schmetterlingen noch in anderen wirbellosen Tieren ist unseres 


Wissens bisher irgend ein Chromogen der melaninartigen Pigmente durch 
Analyse und Konstitutionsbestimmung sicher nachgewiesen worden. 


1) Hans Schmalfuss und Hans Werner, Zeitschr. f. induktive Ab- 
stammungs- und Vererbungslehre 41, 285 bis 358, 1926. 

2) Dieselben, Über das Hautskelett von Insekten. Ber. 58, 2763, 1925. 

3) Fermentforschung 8, 568, 1926. 

+) Arch. f. Entw.-mech. d. Organismen 48, 140, 1921. 


H. Schmalfuss u. H.-P. Müller: Hautskelett von Insekten. 363 


Für eine solche Untersuchung hielten wir die Maikäferarten 
[Melolontha melolontha L. und hippocastani F.!)] für besonders 
geeignet, weil sie sich leicht in größeren Mengen beschaffen lassen und 
als allgemein bekannte Tiere vielfach untersucht sind. Über das 
Chromogen von Maikäferpigment ist früher noch nicht gearbeitet 
worden. Auch über das Pigment selbst ist nur wenig bekannt. 

C. Schmidt?) beschreibt den morphologischen Charakter und einzelne 
Eigenschaften des Pigments der Maikäfer. 

10 Jahre später veröffentlichte H. Reinsch?) eine Arbeit über einen 
braunen Farbstoff des Maikäfers, in der er die Löslichkeitsverhältnisse des 
Farbstoffs beschreibt, den er aus der Hämolymphe des Maikäfers gewinnen 
konnte. T. Ishizaka*) schließlich gibt für das Melanin des Maikäfers die 
Formel C-H Nu SO an. 

Aus den angeführten Arbeiten ist also, wie man sieht, nichts zu 
entnehmen, was für die vorliegende Untersuchung zweckdienlich sein 
konnte. 

Da verschiedene Teile des Maikäfers verschieden gefärbt sind, 
verwandten wir für die entscheidenden Versuche ausschließlich die 
gleichmäßig braun gefärbten Flügeldecken (3 Proz. des Gesamttrocken- 
gewichts). Für die Hauptuntersuchung standen die Flügeldecken von 
etwa 11000 Maikäfern zur Verfügung. Die Flügeldecken wogen zu- 
sammen 145g. Hieraus konnten etwa 0,2 g Chromogen isoliert werden. 

Vorversuche mit Maikäferkörpern ergaben, daß sich das Chromogen 
in Ligroin (K. P. 30° bis 50°) nicht löst. Deshalb konnten wir zunächst 
das Fett) mit Hilfe von Ligroin entfernen. Das Chromogen löste sich 
nebst Begleitstoffen in siedendem Methylalkohol. Diese Begleitstoffe 
erschwerten die Untersuchung außerordentlich. Denn einerseits 
steigerten sie die Empfindlichkeit des Chromogens gegenüber Sauerstoff 
und Alkali sehr stark, andererseits verhinderten sie die Kristallisation 
des Chromogens. Selbst als Bleisalz oder als Alkylderivat ließ sich das 


1) Für die Bestimmung der Tiere sind wir Herm Dr. E. Titschack vom 
Zoulogischen Museum in Hamburg zu Dank verpflichtet. 

2) Ann. 54, 299, 1845. 

3) Neues Jahrbuch der Pharmazie, Jahrg. 2, 8, 309, 1855. 

4) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 58, 198,. 1908. 

5) Aus dem Maikäferfett konnten wir Laurinsäure, Myristinsäure und 
Stearinsäure gewinnen und als Hydrazide oder Phenylhydrazide durch 
Analyse, Molekulargrewichtsbestimmung und Mischschmelzpunkt identi- 
fizieren. Myristinsäurephenylhydrazid wurde von uns erstmalig hergestellt. 
Äquimolekulare Mengen Myristinsäure (3 g) und frisch destilliertes Phenyl- 
hydrazin (1,5g) werden Lo Stunde am Rückflußkühler im Ölbad auf einer 
Temperatur von 145° Schalten. Durch Abkühlen und Umkristallisieren 
wurden 3,5g = 83,6 Proz. Myristinsäurephenylhydrazid vom Fp. 103,5° 
(korrigiert) erhalten. Näheres siehe Dissertation H.-P. Müller, Hamburg 
1927, „Über das 1-8-3,4-Dioxyphenyl-a-alanin in Vicia Faba L. und 
Melolontha-Arten‘“. | 7 


364 H. Schmalfuss u. H.-P. Müller: 


Chromogen nicbt in reiner Form isolieren. Doch gelang es schließlich, 
das Chromogen mit Hilfe von Phosgen!) als Carbonat?) vom Typus 


kristallinisch zu gewinnen. Die Phosgenmethode hat mehrere An- 
nehmlichkeiten: Die Reaktion verläuft eindeutig und nur in einer 
Richtung. Das Molekül wird nur wenig vergrößert, so daß die 
Analyse entscheidende Werte liefern kann. Vor allem aber verläuft 
die Reaktion so schnell, daß die spontane Oxydation und Verharzung 
des Chromogens in alkalischer Lösung selbst bei Gegenwart von Luft 
ganz oder fast ganz ausbleiben. Oft scheidet sich das Carbonat auch 
gleich analysenrein aus. 


Analyse und Konstitutionsbestimmung des Chromogens. 


Für die Konstitutionsbestimmung standen nur etwa 0,2g des 
Carbonats zur Verfügung. Deshalb konnten nur wenige Bestimmungen 
ausgeführt werden, die aber einander gegenseitig stützen und gemeinsam 
einen sicheren Schluß erlauben. 

Quantitativ durchgeführte Analysen ergaben die Abwesenheit von 
Schwefel, Halogen, Phosphor und Asche. Die Substanz bestand aus- 
schließlich aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff. 
Die Verbrennung und die Bestimmung des Molekulargewichts in Phenol 
im Depressimeter?) ergaben für das Carbonat die Bruttoformel 
Gala N. : 

Die Kalischmelze lieferte Protokatechusäure, die durch die Eisen- 
chloridreaktion sowie durch Schmelzpunkt und Mischschmelzpunkt 
mit synthetischer Protokatechusäure identifiziert wurde. 


1) 4. Einhorn, Ann. 800, 135, 1898, stellte zuerst derartige Carbonate 
von o-Dioxybenzolderivaten mit Hilfe dieser Methode her. 

2) Um die Methode einzuüben, stellten wir folgende Carbonate und 
Carbonatderivate her, die in der Literatur bisher nicht beschrieben sind: 
1-8-3, 4- Dioxyphenyl-a-alanincarbonat, Zers.-P. 208°; Kaffeesäurecarbonat, 
Fp. 223°; 2, 3-Dioxynaphthalincarbonat, Fp. 158°; 2, 3-Dioxynaphthaliın- 
kohlensäureanilid, Fp. 191°; 2, 3- Dioxynaphthalinkohlensäurepheny!- 
hydrazid, Fp. 191°; 2,3- Dioxynaphthalinkohlensäure-p-nitrophenylhydrazid, 
Fp. 201°; 2, 3-Dioxynaphthalinkohlensäurepiperidid, Fp. 203°; Mono- 
2.3-Dioxynaphtbhalinkohlensäurehy.«drazid, Fp. 182°; Di-2, 3-Dioxynaphthalin- 
kohlensäurehydrazid, Fp. 144°. Alle Schmelzpunkte der Arbeit sind korri- 
giert angegeben. Sämtliche Stoffe wurden durch je zwei vollständige 
Flementaranalysen identifiziert. Näheres siehe Dissertation H.-P. Müller, 
Hamburg 1927, „Über das 1-8-3. 4-Dioxyphenyl-a-alanin in Vicia Faba L. 
und in Melolontha-Arten‘“. 

3) Houben-Weyl, Methoden der org. Chem. 1, 931, 1925. 


Hautskelett von Insekten. 365 


Da sowohl das gereinigte Extrakt der Maikäferflügeldecken wie 
das Verseifungsprodukt des reinen Carbonats die Eisenchloridreaktion 
auf o-Dioxybenzole gaben (grün, mit Alkali rot), ist die Anwesenheit 
zweier o-ständiger Hydroxylgruppen im ursprünglichen Chromogen 
erwiesen. 

Die Protokatechusäure aus der Kalischmelze zeigt weiter, daB 
sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine und nur eine Seitenkette in 
l-Stellung zu den beiden Hydroxylgruppen in 3, 4-Stellung am Benzol- 
kern befindet. 

Die Waser- Brauchlische Reaktion!) auf a-Aminosäuren mit p-Nitro- 
benzoylchlorid wies auf das Vorhandensein einer a-Aminosäure- 


gruppe hin. 

Das isolierte Carbonat zersetzte sich, genau wie synthetisch her- 
gestelltes 1-8-3, 4-Dioxyphenyl-a-alanincarbonat, bei 208%). Der Zer- 
setzungspunkt des synthetischen LO 3. 4-Dioxyphenyl-a-alanincarbonats 
wurde im Gemisch mit dem aus Maikäfern hergestellten Carbonat nicht 
erniedrigt. 

Synthetisch gewonnenes d 1-ß-3, 4-Dioxyphenyl-a-alanincarbonat 
zersetzte sich dagegen bei 210°; ein Gemisch des isolierten Carbonats 
mit diesem Stoff zeigte eine beträchtliche Depression des Zersetzungs- 
punkts: 206°. Die spezifische Drehung erwies sich als völlig unbrauchbar 
für die Charakterisierung der geringen Menge der sehr schwer löslichen 
Substanz. Dasselbe zeigte sicb auch deutlich in Parallelversuchen 
mit etwa der gleichen Menge synthetischen Carbonats des 1-8-3, 4-Dioxy- 
phenyl-a-alanins. 


Beschreibung der Versuche. 


1. Das Untersuchungsmaterial. 


Im Mai 1926 fingen wir in Travemünde an der Ostsee eine große 
Anzahl Maikäfer [Melolontha melolontha L. und hippocastani F.®)] ein. 
Die Tiere wurden in Glasgefäßen mit wenig Essigester getötet. Dann 
breiteten wir die abgetöteten Tiere in einem trockenen Raume aus. 
Da ein kräftiger Zugwind den Raum durchstrich, trockneten die Tiere 
in wenigen Tagen. Um Berührung mit Metall zu vermeiden, brachen 
wir die distalen?) Enden der Flügeldecken ab. Dann zerkleinerten wir 


1) E. Waser und E. Brauchli, Helv. 7, 481, 1925. 

2) Wegen der sehr erheblichen Schwankungen der Lage der Zer- 
setzungspunkte je nach der Art des Erhitzens wurden Zersetzungspunkte 
und Mischzersetzungspunkt stets nebeneinander im gleichen Bad bestimmt. 

3) Die Flügeldecken beider Arten sind, wie besonders hervorgehoben sei. 
o-dioxybenzolderivathaltig. 

1) Vom Körper abgewanlddt. 


366 H. Schmalfuss u. H.-P. Müller: 


die Flügeldecken mit Hilfe’ einer Kugelmühle aus Steingut und 
trockneten das Mahlgut im luftverdünnten Raume über Phosphor- 
pentoxyd. So entstand ein hellbraunes, staubfeines Pulver. 


2. Extraktion des Chromogens. 


Zunächst befreiten wir das Flügeldeckenpulver (145g) durch 
Extraktion!) mit Ligroin (K. P. 30° bis 50°) von Fett und Fettsäuren. 
Dann zogen wir im Verlauf von 10 Stunden das Chromogen nebst 
einigen Begleitstoffen mittels 750 ccm trockenen Methylalkohols aus. 
Bei etwa 13 mm Druck und einer Badtemperatur von 30° engten wir 
den Auszug in einer Kohlendioxydatmosphäre auf 300 ccm ein. Dann 
fällten wir mittels 300 ccm Wasser Begleitstoffe heraus, filtrierten, 
engten in der gleichen Weise wiederum auf 300 ccm ein und fällten 
dann mit 300 ccm Aceton weitere Begleitstoffe.e Nun dunsteten wir 
das Filtrat in der beschriebenen Weise bis zur Trockne ein. Der Rück- 
stand wog 3g. Er wurde mit ungefähr 40 ccm Wasser extrahiert. 
Wenige Tropfen der wässerigen Lösung gaben mit einem Tropfen einer 
5proz. Eisenchloridlösung?) eine starke Grünfärbung, die auf Zusatz 
von Ammoniak in Violett umschlug. 


3. Isolierung des Chromogens als Carbonat. 


Die wässerige Lösung des Chromogens wurde unter starker Kühlung 
mit 10 ccm 50proz. Natronlauge versetzt. Dann wurden bei — 5° 
Innentemperatur sofort 35 ccm einer frisch bereiteten 20proz. Lösung 
von Phosgen in Toluol zugesetzt. Schon nach kurzem Schütteln schied 
sich das Carbonat in der Toluolschicht kristallinisch ab. Nach der 
Filtration wurde es nacheinander mit Äther, Alkohol und Wasser 
gewaschen und bei 50° im luftverdünnten Raume über Phosphor- 
pentoxyd getrocknet. 


Ausbeute: 0,2 g. 


Siedender Äthylalkohol löst das Carbonat unter weitgehender 
Zersetzung. Wasser und Äther lösen nicht wesentlich, wohl aber Phenol. 


Das Carbonat zersetzt sich, genau so wie das von uns erstmalig 
synthetisierte Carbonat der 1-8-3, 4-Dioxyphenyl-a-aminopropionsäure, 
bei 208°. Auch ein Gemisch dieser beiden Substanzen zersetzte sich 
bei derselben Temperatur. Dagegen zersetzt sich die entsprechende 
d, l-Verbindung, die wir ebenfalls synthetisierten, bei 210°. Die Gemische 
gleicher Teile des Carbonats aus dem Maikäferstoff oder aus 1-ß-3, 4-Di- 


1) Die Extraktion wurde im Extraktionsapparat von Schmalfuss und 
Werner, J. pr. 108, 355, 1924, ausgeführt. 
2) Aus sublimiertem Fisenchlorid. 


Hautskelett von Insekten. 367 


oxyphenyl-a-aminopropionsäure mit dem Carbonat der d, 1-8-3, 4-Dioxy- 
phenyl-a-aminopropionsäure dagegen ergaben den Zersetzungs- 
punkt 206°. 

Elementaranalyse. 


I. 0,003478 g Substanz: 0,006884g CO, 0,001304g H,O. 
II. 0,004059 g 5 0,008040 g CO, 0,001379g H,O. 
III. 0,013853 g S 0,752 ccm N, (17°, 762 mm). 

IV. 0,007892 g Se 0,425 „ N, (17%, 764 ,„ ). 


Berechnet für Dioxyphenylalanıncarbonat C,H3,0;N: 
C 53,80 Proz. H 4,07 Proz. N 6,28 Proz. 


Gefunden: I. C 53,98 „, H 4,20 ,, 
II. C 54,02 ,, H 3,80 ,, 
III. N 6,28 „ 
IV. N 6,06 „, 


Molekulargewichtsbestimmung. 


I. 0,0135 g Substanz in 8,0462 g Phenol. Depression 0,804°. 
II. 0,0085 g = » 5,40438 „n e 0,568°. 


Berechnet: 223. Gefunden: I. 200, 1I. 199. 


Synthetisches 1- ß-3,4-Dioxyphenyl - a - aıninopropionsäurecarbonat 
ergab im Vergleich 204. 


4. Kalischmelze. 


In 5g schmelzendes Ätzkali trugen wir 0,1 g Carbonat in kleinen 
Mengen ein. Die Schmelze färbte sich intensiv gelb. Dann lösten wir 
den Tiegelinhalt in 40 cem Wasser, neutralisierten mit reiner Salzsäure 
und ätherten die Lösung aus. Der Rückstand der ätherischen Lösung 
war gelblich. Mit Eisenchlorid gab er eine grasgrüne Färbung, die mit 
Ammoniak in Violett umschlug. Die Substanz schmolz bei 192°. Der 
Mischschmelzpunkt mit Protokatechusäure lag bei 193° (Fp. der Proto- 
katechusäure 194°). 


A. Verseifung des Curbonats. 


Eine Probe des Carbonats wurde mit gesättigter Sodalösung auf 
dem Wasserbad verseift. Nach vorsichtigem Ansäuern mit Eisessig 
gab die Lösung mit Eisenchlorid eine grüne Färbung, die auf Zusatz 
von Ammoniak in Violett umschlug. 


6. Nachweis der a-Aminosäuregruppe. 


Eine Probe des Carbonats (etwa 4 mg) wurde in 2 ccm einer 10 proz. 
Sodalösung gelöst. Nach 2 Minuten langem Kochen mit einer Messer- 


368 H. Schmalfuss u. H.-P. Müller: Hautskelett von Insekten. 


spitze p-Nitrobenzoylchlorid!) färbte sich die Lösung vorübergehend 
deutlich rotviolett. 
7. Farbstoffbildung. 

Je etwa 4 mg des Carbonats aus Maikäfern und aus 1-$-3, 4-Dioxy- 
phenyl-a-alanin wurden auf je einem Uhrglas mit 2ccm gesättigter 
Natriumcarbonatlösung versetzt. Die Farben beider Lösungen gingen 
in gleicher Weise über Rot und Rotbraun in Dunkelbraunschwarz über. 


Ergebnis. 
Aus den Flügeldecken der Maikäferarten Melolontha melolontha L. 
und hippocastani F. wurde 3, 4-Dioxyphenyl-alanin, ein Pigment- 
bildner, isoliert. 


Die Untersuchung wird fortgesetzt und auch auf andere Organismen 
ausgedehnt. 


1) E. Waser und E Brauchli, Helv. %, 481, 1925. 


Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen 
auf die Hefegärung. VII. 


Von 
Heinrich Zeller. 


(Aus der medizinischen Universitätsklinik zu Königsberg i. Pr.) 


(Eingegangen am 26. Januar 1927.) 


Warburg fand, daß ein indifferentes Narkoticum bei gleicher 
Konzentration die Gärungsgeschwindigkeit der intakten Hefezelle 
mehr hemmt als die Gärungsgeschwindigkeit des Hefepreßsafts. Die 
gleiche Regel fand er auch gültig für die Hemmung der Sauerstoff- 
atmung. Unter seiner Leitung stellte Dorner fest, daß die Alkohole 
der Fettreihe, die Urethanreihe, die Gärung der lebenden Hefe stets 
mehr hemmen als die Gärung des Preßsafts. Schon früher hatte Buchner 
nachgewiesen, daß Toluol, das die Hefegärung hemmt, auf die Gärung 
des Preßsafts ohne Einfluß ist. Ähnliches gilt für das Chloroform. 
Neuberg hat Versuche mit Chloroform und Toluol angestellt und ge- 
funden, daß Toluol die Gärung nicht vollständig unterdrückt, daß aber 
Chloroform sie vollständig aufhebt; die Carboxylase wird dabei nicht 
geschädigt. Euler und Myrbäck fanden: Toluol beschleunigt die Selbst- 
gärung der Hefe, Chloroform hemmt sie. Euler und Kuhlberg fanden, 
daß Thymol und Toluol die Gärung bis auf 1 Proz. verhindern, Chloro- 
form dagegen nur bis auf 4 Proz. Euler selbst hat noch Versuche mit 
Resorein und Phenol angestellt; meist tritt dabei eine Steigerung bei 
niedrigen Dosen auf, die von einer Hemmung gefolgt ist. Boas 
hat mit Saponinen gearbeitet und bei Bierhefe eine Steigerung ge- 
funden; er wandte Konzentrationen von 0,2 bis 5 Proz. an. Auf 
die schon früher erwähnten Arbeiten von Neuberg, der eine Reihe 
auch oberflächenaktiver Substanzen untersuchte, sei nochmals hin- 
gewiesen. 


370 H. Zeller: 


Versuch mit Methylalkohol. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 
erhalten die unten bezeichneten Mengen Methylalkohols. 


Zeit Bi u 0,5 ccm OSom | 1 1.0 ccm em | 2.0 ccm | 5.0 ccm em |! 10.0. ccm m | 20. Sep 
KO SÉ Das GE | ! 
2h35’ bis e | 20 14 = 133 ` 12 14 | 12 8 
au „358| 4 46 | An A 42 , 32 15 
417 „438| 45 45 46 43 i 40 35 17 
536 „ 548 45 45 43 44 45 44 | 25 
60 „612 45 45 43 42 4 42 26 


Versuch mit Amylalkohol. 


60 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 
erhalten die unten bezeichneten Mengen Amylalkohols. 


E Zeit || Kon || Kontrotte | | 0, 5 ccm | Lem | 2,0ccm | 50 ccm | 100 a EEN 
2h35’ bis 3h14' | 20 20 14 | 14 8 e 3 
314 „358| 45 60 | 72 | 5 36 | 28 0 
417 „4388| 45 4 Im 52 o we: 0 
536 „5 ef 45 47 | 50 ; 4&8 2 0 
em , 612! 45 | 46 | 47 45 op, 28 2 


Aus den beiden Versuchen geht hervor, daß Methylalkohol eine anfäng- 
liche Hemmung in allen Konzentrationen aufweist. Beim weiteren Verlauf 
tritt bei 1: 1600 noch volle Erholung ein, bei den stärkeren Konzentrationen 
bleibt eine gewisse Hemmung bestehen, die bei 1:40 ungefähr 50 Proz. 
erreicht. Bei noch kleineren Konzentrationen, die hier nicht ausgeführt sind. 
ist bei 1: 3000 eine kleine Steigerung festzustellen. Amylalkohol hemmt 
ebenfalls zu Beginn in einer Konzentration von 1: 800 an, doch wirkt im 
weiteren Verlauf noch eine Konzentration von 1:400 steigernd auf die 
Gärung ein; bei 1: 80 beträgt die Hemmung etwa 50 Proz., bei 1: 40 hört 
die Gärung auf. 

Nimmt man hierzu noch die früher für Äthylalkohol gefundenen Werte, 
ebenso die von Kochmann und Kühl gefundenen Werte, so kann man fest- 
stellen, daß Alkohol bei 1: 500 steigert, bei 1:50 um 50 Proz. hemmt. 
bei etwa 1:10 die Gärung aufhebt. Allem Anschein nach stimmt hiermit 
das Richardsonsche Gesetz überein: lähmende Wirkung der Alkohole mit 
steigernder Molekulargröße. 


Methylalkohol hemmt um 50 Proz. bei 1:40, steigert bei 1: 3000. 


Äthylalkohol AS sg: 00° 5, „ 1:50, ge » 1l: 500. 
Amylalkohol = ei, 50 ,, „ 1:80, Se „ 1:400. 


Hefegärung. VII. 371 


Versuch mit Chloralhydrat. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu kommen folgende 
Mengen Chloralhydrats. 


Zeit Moa | 108 BE Aw. 5.0g a | 20a | sog | wog | 2 10,08 
3b06' bis 3b45' | 45 oe o er 18 ja 3 
345 „406| 4 32 31 30 25 3 
406 Al 4 p 4o an © 20 | 0 
42 43! 5 | æj 6 | 0 | lo 
437 „452 4 46 47 42 30 12 | 3 
37 on : 2 


452 BI 4&5 8 42 43 


Versuch mit Chloralformamid. 


50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt Dazu kommen folgende 
Mengen Chloralformamids. 


Zeit | Kontrolle; 0,5g ` 10g | 20% 50g | 1008 | an 
| a rn me az 
3h06’ bis 3h45’ | 45 23 | 20 22 17 14 8 
345 „406 ' 45 24 21 di 20 10 3 
106,42 | 45 35 34 32 | 30 | 18 3 
4 22 „437 45 40 39 3 , 3 25 3 
4 37 „ 452 45 44 40 35 34 27 3 
4 52 , 516 | 45 45 41 41 40 33 4 
| | Chloralbydrat © | Chla Chloralformamid 
Vorübergehende Hemmung. .... | 1: 1600 | 1:1600 
Dauernde Hemmung. . . . .... | 1: Së | 1: 400 
Vernichtung . . . 2. 2 2 2 2 20. 
Vorübergehende Steigerung. . . . . E? keine ki keine 
Dauernde Steigerung . . . 2... | 


Nach Dujardin-Beaumetz und Hirne!) wird die Hefegärung durch 
Chloralhydrat nur wenig beeinflußt; nach Lissonde (Thèse de Paris) erst 
bei 3 Proz. Diese beiden Versuche zeigen, daß Chloralhydrat schon in 
verhältnismäßig kleinen Dosen hemmen kann. Chloralhydrat und Chloral- 
formamid wirken gleichsinnig; die Formamidgruppe ist hier im Gegensatz 
zum freien Formamid ohne Wirkung. 


1) Dujardin- Beaumetz und Hirne, C. r. 78, 501, 1874. 


372 H. Zeller: 


Versuch mit Chloroform. 


50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Menge 
von Chloroform: 


Bun ER Kontrolle strolle | nun Bun 0,1 ccm a 0,2 cem 2 A ccm 


© 


| 
12605’ bis mag 40 30 30 19 | | 1 1 
1256, 109° 40 35 om 25 5 | 2 0 
109, 129: 40 | ap | 34 27 14 2 0 
146, 155 40 | A | 35 30 18 0 0 
am, 212 40 | 39 ı 85 32 | 18 0 0 
240, 254 4 An An o 20 ; 0 0 


Versuch mit Äther. 


50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Menge 


von Äther. 
E Zeit O Zit " Kontrolle | 1 1 Tropfen Die Ee E 0.1 ccm Eé 02: cem , 1 Aäeen | 0, Sot ER 1.0ccm | 10cm | 20cm 20 eem ccm 
a Br j 
12h05'bis12h56'! 40 29 mw do | | 23 2 | 12 | 10 
12 56 „ 109 | 40 35 33 33 2% E 5 
109, 129, 40 35 "am aw" 32 3 | 7 
146, 15 40 A Am um Im 28 
203, 212| 40 42 | 4 8 51 SL | A 
245, 254, An | Am, 42 | 44 42 42 | 40 


Salkowski!) stellte fest, daß 0,5 Proz. Chloroform die Gärung der Hefe 
vernichtet. Wird das Chloroform innig mit der Hefeaufschwemmung ver- 
mischt, so wie bei diesem Versuch, so ist noch weniger Chloroform zur 
Aufhebung der Gärung nötig. Vorübergehende Hemmung tritt bei 1: 40 000, 
dauernde bei 1: 4000, Vernichtung bei 1: 800 auf. Eine Steigerung ist 
bei den angewandten Mengen nicht zu konstatieren. 


Äther zeigt nach vorübergehender Hemmung aller Dosen eine vorüber- 
gehende Steigerung um etwa 20 Proz. bei 1: 8000 bis 1: 800 (wahrscheinlich 
Ätherdampf). 

Hamburger?) stellte Wachstumsbeschleunigung durch kleine Desen 
Chloroform fest. 


1) Salkowski, Deutsch. med. Wochenschr. 1888, S. 310. 
2) Hamburger, Phys. chem. Untersuchungen über Phagocyten. Wies- 
baden 1912. 


Hefegärung. VII. 373 


Versuch mit Bromoform. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Sie erhalten folgende Menge 
von Bromoform, emulgiert in Dextrin: 


t 


Zeit | Kontrolle | I Tropfen | Olg 0.2g ae | 10g | 20g 
EEEE ka ee ur en 
5h02’ bis 6b05') 25 on | 18 elnı Io 
605 „ 626 50 42 40 32 | 28 4,0 
79 717! 50 50 45 35 30 0,0 
800 „ 814 | 50 50 54 50 39 8 0 
1041 „1056 || 50 48 50 45 45 30 0 
Am and Tage | 50 51 52 | 48 | 46 | 45 0 


Versuch mit Aceton. 
Die Anordnung ist wieoben, die Flaschen erhalten folgende Menge von Aceton: 


5h02' bis 6605’ 10 11 10 8 
605 „ 22 17 14 14 
12 „ 40 41 36 34 
800 „ 52 50 50 48 
10 41 LU 56 51 > 50 52 50 
Am and. Tage 50 | 52 50 ° 51 

| Bromoform Aceton 

| 
Vorübergehende Hemmung... . . . 1 1: 24 000 1 : 8000 
Dauernde Hemmung. . . . .... li 1: 1600 keine 
Vernichtung `, .. 2.222220. 1: 400 e 
Vorübergehende Steigerung. . . . . ! keine „ 
Dauernde Steigerung . ...... S 2 » 


Bisher ist über eine Wirkung von Bromoform und Aceton auf Hefe 
nichts bekannt. Aus dem Vergleich von Chloroform und Bromoform geht 
hervor, daß letzteres weniger hemmt, was wohl auf die Löslichkeitsverhält- 
nisse zurückzuführen ist. Aceton selbst hemmt nur zu Beginn der Kon- 
zentration entsprechend, doch tritt überall völlige Erholung ein. 


Versuch mit Amylenhydrat. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Menge 
von Amylenhydrat: 


Zeit l Kontrolle | 0,2g | 058 | 108 | 20g | 5.08 | 10,08 
we terre | sl l 
1h25’ bis 222" 20 | 2 19 | 19 | 18 | 15 l 10 
245 , 302 40 44 45 | 43 |.47 | 46 11 
8304 „38 4 %4 44 48 54 5 17 
318 an 40 4 2 4 48 . 42 20 
3 31 „342 40 42 "A" Ap 48 | 42 | 22 
342 an 40 2, 4 45 A 482 23 


Biochemische Zeitschrift Band 183. 25 


374 H. Zeller: 


Versuch mit Paraldehyd. 


Zeit Kontrolle | 0.2g | 058, 10g | 208 | 508 | one ` 
1h25 bis 2h22' ` 20 gu mm D nu 6 
245 ,„,3R 40 8 o Uj 4j 15 7 
304 7? 318 40 | 5 59 | an 45 An | o 
318 „831 A0" 48 48 | 48 49 38 | 2 
331 „8342| 40 , 48 48 | 48 48 39 26 
342 an 40 A8 | A, 48 48 An | Om 

E Aniylenhiydeat | Paraldehyd EZ 

Vorübergehende Hemmung. . . . . | 1:160 | 1: 160 
Dauernde Hemmung. . . . .... ! 1: 89 1: 80 
Vernichtung . . 2.2 22 2 220. | — | JE 
Vorübergehende Steigerung : : Si 
Dauernde Steigerung . . . .. | le en 


Amylenhydrat und Paraldehyd zeigen in ihrem Verhalten weitgehende 
Übereinstimmung; nur ist beim Paraldehyd die Höhe der Steigerung besser. 

Werden die hier untersuchten Glieder der Fettreihe in bezug auf 
Steigerung und Hemmung zusammengestellt, so ergibt sich folgendes: 


Steigerung | Hemmung | Steigerung | Hemmung 
Chloroform. . . ı keine 1:4000 | Paraldehyd . . | 
Bromoform. . . ` S 1:1600 | Athylalkohol . ` 
Chlorallydrat. . S 1: 400 | Methylalkohol | 
Chloral. form. . | > 1: 400 | Aceton .... i 
Amylalkohol . . . 25 Proz., 1: 80 | Äther. .... 
Amylenhydrat . , 18 , 1: 80 


Die Reihenfolge wurde nach dem Grade der Giftigkeit gewāhlt. Aceton 
und Äther sind ohne Wirkung. Die Alkohole, einschließlich des Paraldehy-ds, 
sind verhältnismäßig ungiftig. In kleinen Dosen steigern sie. Sämtliche 
Verbindungen mit Chlor oder Brom sind viel giftiger und lösen in kleinen 
Dosen keine Steigerung aus. Es legt sich der Gedanke nahe, an eine Oxy- 
dations- oder Reduktionswirkung dieser Substanzen auf die Hefe zu denken. 


Versuch mit Toluol. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten die unten 
angegebene Menge Toluols. 


Zeit | Kontrolle 1 Tropfen | 0,1 ccm | 0,2 cem | 0,5ccm | 1.0 ccm | 2,0 cem 
SN SE | een 
1155%’ bis (bn: 30 17 |!| 2 | 22 15 11 | m 
101 „ 151, 60 40 a äm" I 7 | 6 
151 „ 220 60 51 | 387 24 10 4, 3 
220 , 246" 60 60 > 47 | B8 19 5 3 
246 „ 31l 60 6 5 A8" 2 5 | 2 
836 , 401| 60 i 62 , 64 Dë 22 7 | 3 


rt -mn rn mv 


Hefegärung. VII. 375 


Versuch mit Schwefelkohlenstoff. 


50g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten die unten an- 
gegebene Menge Schwefelkohlenstoffs. 


— FE LN E rm m e - 


Zeit Kontrolle | 1 Tropfen | 0,1 ccm | 0.2 cem | 0,5ccm ` 1,0 ccm | EZE Š 
EK D armer 
(WT bis 11017 ° 30 , 20 | 20 18 3 ° Q |j u 

Im, 151, 60 74 50 ı 52 13 | A € 7 
151,220: 60 75 55 |l 56 30.0010 
229 „24 60 75 64 | o ml? o 
246 „31 | 60 75 68 74 "A8 | 14 3 
836 „an 6 "0 |) 7⁄4 -72 55 | 27 7 
u i | Toluol  Schwefelkohlenstoff 
Vorübergehende Hemmung...  . 1:16 000 1:16 000 
Dauernde Hemmung. . . 2... .. | 1: 4000 1: 1600 
Vernichtung . . 2 2 2 2 2222. 1: 400 | 1: 400 
Vorübergehende Steigerung. . . . . Be 1:16.000 


Dauernde Steigerung . .. s... a 


Toluol wirkt auf lebende Hefe schädigend, während Trockenhefe oder 
Zymase kaum nennenswert beeinflußt werden!). Dieser Versuch zeigt, 
daß schon kleine Mengen Toluols die Gärung der Hefe bedeutend hemmen 
können. Eine Steigerung ist bei noch kleineren Mengen nicht nachzuweisen. 

Schwefelkohlenstoff wirkt nicht so giftig wie das Toluol, steigert dazu 
in kleinen Dosen. Die Vernichtungsdosis ist ungefähr dieselbe wie beim 
Toluol. 


Versuch mit Thymol. 
50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Dazu kommen die unten 
genannten Mengen von Thymol, gelöst in Alkohol. 


Zeit Kontrolle | 0.05g oig 025g ae ' 10g | 25g 
6h45’ bis hät 45 18 18 |» 8, 7 5 
736 , 807 9 33 35 | 2 ı | 0 0 
807 an %9 2 EE 2.0 0 
nn, 852 9 72 m 200 1 o | o0 
913 n 934 99 85 84 2 Lg 0 
10 35 „1058 9 un, BO 2 1 0 0 
Am and. Tage 90 92 — 9 - 2 0 0 1.0 


1) Buchner und Hahn, Zymasegärung 1903, S. 182. 
25 * 


376 | H. Zeller: 


Versuch mit Benzol. 


50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu kommt die unten 
angegebene Menge von Benzol, gelöst in Alkohol. 


Zeit | Kontrolle | 0,05 ed us! 0.25g 0,5g CH l 25g 
Gh45' bis 736 | Ap 35 o | 3 o | 12 "e 
736 „ 807 90 52 62 50 14 | 715 
807 „ 831 90 60 65 6&2 | 8, 7 0 
8 31 „ 852 | 90 72 75 65 | 31 oi 3 
913 „ 934 o 90 92 80 | 36 | 28 | 9 
10 35 „1058 | op 90 | 88 80 I 50 ia 2a 
Am and. Tage | on 9% | 93 gn "om Im. & 
u | EEE SEN Bi | en 
Vorübergehende Hemmung. . . . . | 1:16 000 | .1:16.000 
Dauernde Hemmung. . . . 2... 1: 8000 1: 3200 
Vernichtung . . .» 2 222020. 1: 1600 1 300 
Vorübergehende Steigerung . . . . . | 
Dauernde Steigerung . ... 2... j sowe | a 


Bernacki!) stellte fest, daß Thymol bei 1: 3000 die Gärung hemmt. 
Aus diesem Versuch geht dasselbe ungefähr hervor. Außerdem ist zu be- 
merken, daß der Übergang von der hemmenden zur letalen Dosis ziemlich 
unvermittelt kommt. 

Benzol wirkt viel schwächer als Thymol, auch besteht nur ein all- 
mählicher Übergang zur letalen Dosis. 


Versuch mi Lysol. 
50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der halbstündigen Gärung 


überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu kommt die unten 
genannte Menge Lysol. 


Zeit | Kontrolle | 1 Tropfen | Kä ccm | 0,2 ccm | 0,5 ccm | 1,0 ccm | 2,0 ccm 
8h42 bis än 40 | 53 48 43 29 13 3 
930 „1008 40 66 ; 72 75 78 26 3 
10 03 „1022| 40 55 D6 60 60 45 0 
10 22 „1038 40 55 | 50 46 45 | Ap 0 
10 55 „ill, 40 50 ' 50 47 Ä 36 34 0 
119 „1135 40 sn, Sp 46 | 32 30 0 


1 


Bernacki, s. Ellinger im Handb. d. exper. Pharm. 1923. 


e” 


Hefegärung. VII. 377 


Versuch mit Kresol. 


50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der halbstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu kommt die unten 
genannte Menge Kresols. 


Zeit KE Kontrolle > | 1 en O1c ccm em | 0, 02 cc ccm m |o, 03 ccm | 1,0 ccm | 2,0 cem 
8b42 bis aan! 40 34 29 21 15 e | 9 i 0 
9 30 „1008| 40 41 32 32 18 8 k 0 
10 03 7 1022) 40 87 32 32 12 7 0 
10 22 „10 38 40 87 34 33 11 5 0 
10 55 „1111 An ` 40 37 37 | 20 6 0 
11 19 .ı 35 | 40 ` 40 37 38 24 6 0 


Vorübergehende Hemmung... . . . 
Dauernde Hemmung. . . . .... 
Vernichtung . ... 222200. 
Vorübergehende Steigerung . . . . . 
Dauernde Steigerung . . . 2... 


Lysol zeigt bei kleinen Dosen eine anhaltende Steigerung von 30 Proz. 
auf; der Übergang von der hemmenden zur letalen Dosis ist ziemlich un- 
vermittelt. | 

Kresol verursacht keine Steigerung, dafür aber eine allmähliche 
Schädigung bei höheren Dosen. 


Versuch mit nicht emulgiertem Toluol. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Menge 
Toluols: 


Zeit BL Kontrolle le | 1 Tropfen 0,1 ce Ok ccm RH ccm em | 02cm | 0,5 ccm | 1,0 ccm | 2,0 cem 


= ze cr — 
E bis , 6h15 30 25 18 um 8 2 1 
6 15 D 33 30.28 24 H > 0 0 d 
63 „ 655. 60 | 56 45 ER 1 >. 0 0 
704 „ 725. 60 D 45 26 2 0 0 
802 „ 823 60 | 66 54 39 2.0 0 
Am and. Tage Di 63 60 i 614 ; 6 0 0 
Versuch mit emulgiertem Toluol. 
Emulgierung mit je 2 g Mucilag. gumm. arab. 

Zeit | Kontrolle | 1 Tropfen 0,1 ccm | 0,2 cem | 0,5 ccm | 10 1,0 ccm | SE 
5h36’ bie 6b15' 19 | 15 2 i 1 fo 0 
6 15 „ 6 33. 35 25 0 0 U 
6 33 „ 635 65 32 0 o | o0 
704 „725 56 44 2,9 d 
8 02 „8233 65 44 2 j; 0 | 0 
Am and. Tage 65 60 419010 


378 H. Zeller: 


Toluol Toluol emulgiert 
Vorübergehende Hemmung. . . . . 1:16 000. 1:20.00 
Dauernde Hemmung. . . 2. 2.2... 1: 4000 1: 4000 
Vernichtung A ee Goi 1: 800 1: 800 
Vorübergehende Steigerung . Pod m | Si l 
Dauernde Steigerung `... | senie 116000 


Dieser Versuch wurde angestellt, um zu untersuchen, ob es möglich ist. 
die Wirksamkeit des in Wasser beinahe unlöslichen Toluols dureh Emul- 
gierung zu steigern. Es zeigt sich. daß die letale Dosis dieselbe geblieben ist. 
daß aber das emulgierte Toluol in kleineren Dosen weniger giftig wirkt. 
sogar eine mäßige Steigerung verursacht (Gummi arab.). 


Versuch mit Guajakol. 
50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt, alle Flaschen außer der 
Kontrolle erhalten die unten bezeichnete Menge Guajakols. 


Zeit | Kontrolle | 1 Tropfen | 0,1 cem 02ccm O5cem 1,90 cem | 2.0 cum 
| i | 
10h48' bis (hän 30 — 25 23 25 0 2 18 8 
11 33 „ 1213: 60.8 65 76 40 23 7 
12 13 „ 12430 60 — 64 68 10 45 30 | D 
107 „ 138, 60 59 59 60 50 35 j H 
136. 220' 60 — Di 59- DI 49 41 9 


Versuch mit Kreosot. 
Die Anordnung ist wie oben. Die Flaschen erhalten die unten 
bezeichnete Menge Kreosots. 


Zeit ) Kontrolle 


1 1 Tropten R 0, Ic cem | 02 0. 2 cem 06 cm ' 1,0ccm ' 2,0 ccm 
= & = i == SEEN Ir See "ee = 
| 

10h48 bis EN 30o | 82 mm 0 15 8 3 
11 33 „ 1213| 60 72 0 68 > B8 d 10 1 
12 13 „ 12 43 | 60 | 69 mu ` 45 305 2 
107. 1833, 60 70 B 50 | 29 10 1 
(ap. 2200 60 — 62 | 63 5I | 39 18 0 


Brenzeatechin schädigt in Iproz. Lösung die Gärung!), ebenso l proz. 
Resorein. Hydrochinon wirkt bei 0,05 Proz. giftig ?). 

Guajakol und Kreosot ähneln sich in ihrem Verhalten, beide steigern 
in kleinen Dosen und hemmen gleichmäßig absteigend in größeren Dosen. 


| Guajakol | Kreosot 


Vorübergehende Hemmung . er | 1:16. 000 | 1: 8000 
Dauernde Hemmung . . 2. 2.2.2.2. 1 1: 1600 1 : 4000 
Vernichtung | 1: 400 1: 400 
Vv vorübergehende Steigerung . | 1: 4.000 | 1: 8000 
Danernde Steigerung | keine keine 


1) Brieger, Arch. f. Ph. u. A., Suppl. 1879, S. 65. 
2) Bokorny, Chem. Centralbl. 1916, I, 1174. 


Hefegärung. VII. 379 


Versuch mit Campher. - 
50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt, dazu kommen die unten 
genannten Mengen Camphers, der in etwas Alkohol gelöst ist. 


e i 
Zeit || Kontrolle | m | 50mg | 100 mg | 200 mg | 500 mg | 1,08 


| 


2h45’ bis 66, 30 ` 16 ` 12 | 10 11 15 5 
336 „ 358 30 1 10 13 | 10 6 3 
358 „426, 60 | 17 20 49 50 19 5 
602 , 623 60 | 58 57 57 | 56 52 16 
634 „ 655, 60 ` oi 58 ; 60 59 60 26 
805 „ 8235: 60 59°: 60 ` 59 | 57 | 58 | 36 


Versuch mit Naphthalin. 


Die Anordnung ist wie oben. Dazu kommen die unten genannten Mengen 
Naphthalins, gelöst in etwas Alkohol. 


Zeit l , Kontrolle | See | 10 mg | 20 mg 50 mg | 100 mg | 150 mg 
Seen KEE E EE ET e Se Ë 2 = 
2h45’ bis 3h26’ 30 i 144 10 17 10 6 | 2 
336 „ 358 30: 5 5 20 >. 20 26 10 
3 58 „46 60 | 28 23 46 40 ; 49 26 
6 02 on 60 63 ee o am | o 10 
634 „655 DI TO E68, 46 33 28 
8 05 gä 60 ` 68 67 60 ` 48 | 42 8 
` Campher | Naphthalin 
` i = Se ée ee = 
Vorübergehende Hemmung. . . . . 1:40 000 | 1 : 160 000 
Dauernde Hemmung. . . ..... 1: 800 1: 16.000 
Vernichtung . . . 2.2.2 2 2.2.2. SS == 
Vorübergehende Steigerung T E | keine Ä 1: 60000 


Dauernde Steigerung `, 


Campher hat bei verschiedener Dosierung nur eine vorübergehende 
Hemmung zur Folge, die nach einiger Zeit beinahe wieder «die Höhe der 
Form erreicht, nur bei 1: 800 kommt eine dauernde Hemmung zustande. 

Naphthalin «dagegen hemmt eigenartigerweise zu Beginn um eine 
mittlere Dosis am wenigsten; später zeigen die kleinen Dosen eine Steigerung, 
die höheren eine immer stärker werdende Hemmung. 


Versuch mit a-Naphthol. 
50 g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Menge 
von a-Naphthol, gelöst in etwas Alkohol. 


Zeit | Kontrolle: 003g | 001g ei 0028 ` one oig | 0.28 
9628’ bis 10b15 30 au ` ou on Tu | 8 5 
15 15 „ 1031 30 op B 29 15 8 2 
12,15 45 37 34 30 on > 18 2 
11 28 „ 11 41 45 Ap | 4 39 |! 386 i 15 3 
11 52 7 1201 45 : 46 A 40 36 16: 4 
10 , 111 45  & ` 48 44 an 2 5 


380 H. Zeller: 


Versuch mit ßB-Naphthol. 
50g Hefe, 250g Zucker, 5600g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Mengen 
von #-Naphthol, gelöst in etwas Alkohol. 


Zeit | Kontrolle | 0.003 g 02g 
9b28' bis 10615 | 30 | 15 2 
10 15 „ 1031| 30 31 3 
11 02 ? 1115| 45 ` Aë 3 
11 28 uo 45 ' 49 2 
152 „20| 45 | 48 3 
Im. ul 45 | A 2 
` @Naphthol: | B-Naphthol 
Vorübergehende Hemmung . . . . . | 1:240000 1 : 240 0M0 
Dauernde Hemmung. . ...... | 1: 16.000 1: 16000 
Vernichtung . . . . 2 2 2 220. | 1: 4000 1: 4000 
Vorübergehende Steigerung ate A8 Ce I 1 . 240 060 1 240 000 
| 


Dauernde Steigerung . . ..... H 


a- und ß-Naphthol wirken vollkommen gleichartig, höchstens rnit 
einer kleinen Einschränkung, daß ß-Naphthol zu Beginn eine stärkere 
Hemmung verursacht, die aber später durch eine höhere Steigerung aus- 
geglichen wird. 

Versuch mit Gummi arabicum. 


50 g Hefe, 5600 g Wasser werden fein gemischt, nach 15 Minuten auf sieben 
Flaschen verteilt. Jede Flasche erhält erst die unten bezeichnete Gummi- 
arabicum-Menge, nach 10 Minuten je 35 g Zucker. 


Zeit ) Kontrolle | 0,25 ccm | 0,5 ccm | 1,0 ccm | 20ccm 50cem 10,0ccm 
(kr bi 18 | 20 2 20 2X 6 5 
1215 „ 104i 60 48 52 ° 58 60 6 5 
145 „ 204; 60 62 pp ` 60 58 7 3 
226 „ 241" 60 | 65 | 68 66 64 28 5 
40 „ 416" 60 600: 6 | 60 62 47 23 


Versuch mit Cantharidin. 


50 g Hefe werden mit 1400 g Wasser fein zerrührt und auf sieben Flaschen 

verteilt. 130 mg Cantharidin werden in 1200 cem Wasser gelöst, davon wird 

für die einzelnen Flaschen die unten bezeichnete Menge zugeführt, dann das 

Gesamtvolumen auf 800 cem gebracht. Nach 15 Minuten erhält jede Flasche 
35g Zucker. Nach 1 Stunde wird mit der Ablesung begonnen. 


Zeit Kontrolle | Img | 3mg | 6 mg 12mg | Dmg | Omg 
11h00 bis 12h15'! 14 | 16 | 16 17 15 15 14 
25, 104; en" 27 ! 8 20 8 10 | 14 
(A, 204, 6 om a oli u 6 | 3 
22 p 241, 60 6 | Æ , 3 mi € 4 
400 ? 416. 60 58 47 ` Ap 30 4 | 4 
505 7 521, 60 60 ;7 A8 © 10 10 


Hefegärung. VII. 381 


Gummi arabicum hemmt von einer bestimmten Konzentration an. 
Die Hemmung ist reversibel, was die Erholung oben zeigt, und was noch 
deutlicher wird, wenn die Gärflüssigkeit etwas verdünnt wird. Die bewirkte 
Hemmung scheint eine mechanische zu sein, 


Cantharidin schädigt die Gärung in sehr kleinen Dosen; entsprechend 
der Dosis ist die bewirkte Hemmung, die bei nicht allzu großer Schädigung 
um etwas zurückgehen kann. 


| Gummi arabicum | Cantharidin 


EM E EE DN E 


Vorübergehende Hemmung. . . . . | 1: 3200 | 1 : 800 000 
Dauernde Hemmung. . . . 2... | 1: 160 | 1: 240 000 
Vernichtung . . 2 22 2 2 220. | keine | 1: 12000 
Vorübergehende Steigerung. . . . . f 1 : 16000 keine 
Dauernde Steigerung . .. a. | keine | e 


Versuch mit Natriumnitrit. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Sie erhalten folgende Mengen 
von Natriumnitrit: 


Zeit Kontrolle ` 0,058 | ous | 02g | 05g 108 | 25g 
` le geg "ee Vase ar Frag Da 
3h10’ bis 4607 60 85 25 6 5 2 10 
407 A3 60 ` 80 15 2 0 0 0 
425 Au 60 738 ' B | 2 0 0 0 
54 7 558 60 65 20 2 0 0 0 
6 30 „ 6 36 D ; 66 di 2 0 > 0 0 


Versuch mit Amylnitrit. 


Bei derselben Anordnung werden folgende Mengen von mit Gummi arab. 
emulgiertem Amylnitrit genommen: 


on Zeit l i Kontrolle | Ap: | oig | 0,2g | 05g ' 10g | 2.5g 
air bis 4h07 om am $ 5 2 1020 
407,4 60 > 6 , 9 0 0 €| 9 | 0 
425.44. 60 168 1.0 0 0 0,9 
541 te | 1 O f oo 9 
630 „ 636 60 66 13 0 0 0O, QO i 0 
BZ ` E Natriumnitrit | Amylaiteit 
Vorübergehende Hemmung. . . . . 1: 8000 | 1: 8000 
Dauernde Hemmung . . . 2. 2... 1: 8000 1: 8000 
Vernichtung . . 2. 2 2 2 2 220. 1: 4000 | 1: 8000 
Vorübergehende Steigerung. . . . . | 1: 1: 16000 


Dauernde Steigerung `... JI LO ONN | 

Natriumnitrit und Amylnitrit wirken gleichsinnig, mit dem Unterschied, 
daß Aınylnitrit stärker giftig wirkt. Beide weisen in kleinen Dosen eine 
Steigerung auf, wird die Dosis aber nur wenig erhöht, so wirkt sieschon 
deletär. 


382 H. Zeller: 


Versuch mit Terpentinöl. 
50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Sie erhalten dann die unten 
bezeichneten Mengen Ol. terebinth. rectif. emulgiert in Wasser. 


Zeit | Kontrolle | 0.058 | Ole | 0258 | 058 | 10g 258 
3620" bis 4b34', 30 | 2g 1 | æ | 12 |10 | m 
530 „ 542; 45 48 | 55 | 50 50 0 837 ; 23 
648, 659, 45 | 50 | 5 we 50 j 4, 26 
800 7 809, 45 | 50 | 52 | 54 | 50 | Am ' 30 
10 50 „ 1104; 45 48 | 51 | 53 52 1 50 33 
An andern Tage , 45 | An ° 44 | 46 | 46 47 41 


Versuch mit Anilinöl. 


Die Anordnung ist wie oben. Die Flaschen erhalten dann die unten 
bezeichneten Mengen Anilinöls. 


Zeit i Kontrolle 0,058 | (A | 0.25; g 0 5g 1.0 g 2.58 
320 bis | 30 mmm pl: 
530 , 542| 45 50 | 45 40 24 10 4 
GA. 6589| 45 50 Ap |48 | 4 4 j 6 
800 „ 809 45 45 An 7838 012% 18 11 
1050 „ 1104| 45 | 483 41 37 29 26 | 19 
Am andern Tage ` 45 ı 48 36 31 , B4 33 | 32 
Terpentinöl EW Anilinöl ` ! 
V E Hannut EA | 1: 16000 1:16000 
Dauernde Hemmung. . . ..... keine 1: 3200 
Vernichtung . . 2. 2 2 220... | — = 
Vorübergehende Steigerung. . . . . | , | f 
Dauernde Steigerung . ...... ) 1: 16000 EISEN 


Terpentinöl und Anilinöl wirken der Konzentration entsprechend zu 
Beginn hemmend. Terpentinöl zeigt später bei einer ganzen Reihe eine 
mäßige Steigerung, Anilinöl dagegen weist keine dauernde Steigerung auf 
und wirkt im ganzen giftiger als Terpentinöl. 

Bei der Zusammenstellung der untersuchten Glieder der zyklischen 
Reihe in bezug auf Hemmung und Steigerung ergibt sich folgendes: 


e e Ee 


| Steigerung | Hemmung | Steigerung Sei 
a-Naphthol. . . | 10 Proz. '1:16000| Benzol . .. . keine | 1:3200 
8-Naphthol . . . , 10 „ 11:16000ļ| Anilinöl. ... | s | 1:3200 
Naphthalin. . . 112 „ 1:16000| Lysd..... ` 25 Proz. . 1:1600 
Thema .... keine 1: 8000| Guajakol ... keine | 1 : 1600 
Kresol ..... e '1: 8000| Campher a | 1: 800 
Toluol `, S '1: 4000| Hexeton. . . . Op Proz. 1: 800 
Kreosot `... e '1: 4000] Terpentinöl . . | 16 „ | keine 


Diese Reihe gibt manchen Fingerzeig für weitere Untersuchungen. 
Auffallend ist die starke Giftigkeit der Naphthole und des Naphthalins, die 
gleichartig wirken, auch in bezug auf eine geringe Steigerung. Sonst findet 


Hefegärung. VII. 383 


sich eine Steigerung nur beim Terpentinöl und Lysol, die wohl nicht auf 
das Phenol zurückzuführen ist, und beim Hexeton, die von der Salicyl- 
komponente herrührt. 


Versuch mit Psicain. | 
50 g Hefe, 200 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Mengen 
von Psicain: 


Zeit | Kontrolle ` 001g 1 002g 005g | olg IER 0.5g 


! Te Ee 


8h56’ bis 9h37' 25 25 : 2 25 2 20 | 15 


98387 „1016 40 . 45 ` 56 42 ; 48 | 35 | 28 
10 16 „ 1030 40 | 43 52. | 43 | 4 35 25 
1114 „1126 40 40 43 42 42 Ba 
1147 „1159 40 40 42 > 4&2 A 53 25 


Versuch mit Nirvanol. 


Bei derselben Versuchsanordnung wird für Psicain Nirvanolnatrium 


genommen. 
Zeit Kontrolle 0, e ` e 058 108 20g 508 
ane bis | 25 ` 20 ml 1 5 4 j 0 
937 n 1016| 40 8 33 27 24 14 8 
10 16 LI 30 Al A4 ` 45 40 26 17 10 
(Uu. Um 40 A 2 | 42 38 38 12 
11 47 „ 1159 40 40 388 28 43 , 40 | 12 
u nn Paaa | "Nirvanol 
Vorübergehende Hemmung. . , . 1: 8000 | 1: 8000 
Dauerude Honn... 1: 8000 l 1: 160 
Vernichtung EE Er A 1 En u 
Verübergehende Steigerung. | 1: 80000 1: 8000 
Dauernde Steigerung 1 keine keine 


Psicain und Nirvanol bewirken eine vorübergehende Steigerung, bei 
stärkeren Dosen eine Herminung. Psicain ist viel giftiger als Nirvanol. 


Versuch mit Formalin. 
50 g Hefe. 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Folgende Mengen Formalins 
werden zugefügt, berechnet auf 40 Proz.: 


Zeit ‚ Kontrolle | 001g CH 0058 ue | 02g 0,58 
11h38’ bis 12627 40 au TI "og 29 1 | € 0 
227.108 Ap A ` 36 36; 23 3,0 

146 > 159 40 44 | 42 40 30 | 
159. 212 40 Au TI A 43 39 15 3 
212 , 22 40 | 47 | 45 45 34 15 3 
237.25 40 3 


47 45 44 31 20 


384 H. Zeller: 


Versuch mit Herzreton. 


50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Folgende Mengen Hexetons 
werden zugefügt, berechnet auf 40 Proz. 


Zeit | | Kontrolle | ` oog 005g 1 ue 028 ` 05g log 

11688" bis 12h27° 40 800 4 32 2% 5 
12 27 „103 40 42 A8 51 50 24 0 
146 > 159 An 45 ' 50 53 54 41 0 
159 „ 212. 40 | 46 | 5l 52 54 40 0 
2 12 „ 225| 40 ! 4 | 5 55 55 | 41 |! 0 
237 , 250 4 ; & | 5 55 57 2,0 

O Formalia, Hexeton 
Vorübergehende Hemmung 1 : 40 000 1 : 8000 
Dauernde Hemmung. .. ..... 1: 8000 1: 800 
Vernichtung . . . 2 22 22202. 1: 1600 | 1: 800 
Vorübergehende Steigerung. . . . . | f 
Dauernde Steigerung . ...... l 1 : 80 000 1 : 4000 


Formalin steigert in kleinen Dosen und hemmt in absteigender Reihe 
bei höheren Dosen. 


Hexeton steigert bei verschiedenen Konzentrationen. Der Übergang 
zur vernichtenden Dosis ist ziemlich unvermittelt. 


Versuch mit Formamid. 


50 g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Darauf werden folgende 
Mengen Formamids EE 


Zeit Kontrolle 0,02ccm | 0,1 eem | 0,2 ccm d 0,5 ccm | Lë ccm ı 3,0 ccm 
11603’ bis 120% 45 Ai Fu 85 65 o 40 
12 02 „28 4$ Sp , 59 62 63 | 62 48 
1228 „ 1249, 45 56 58 om" | 66 58 
131 „, 146 45 52 D ` 50 56 `, 60 57 
146 „ 21 45 52 3 1 At | 56 60 57 
245. 30) 45 52 2.5383 | 52 56 60 I o 


Versuch mit Eserin. 


Die Anordnung ist wie oben, 0,5 g Eserin werden in 5ccm Wasser gelöst. 


Zeit Kontrolle | 00028 008 ` 0028 | 0058 | otg | ae 
Fer =. SS (ep ` aan a re 9 ei er 
11h03" bis 1202 45 ` o | | 4 40 | æ 


12 02 „ 1223 45 55 | 16 42 35 25 
12 28 „ 1249 4 50 E A8 50 40 30 
131 „ 146 45 5N 48 46 41 32 
146 „ 20, 45 ` 31 49 1 46 | 41 33 
245 , 30. 45 50 mn 4&8 48 43 39 


Hefegärung. VII. 385 


| Formamid 5 j Eserin 
Vorübergehende Hemmung . . . .. | 1: 270 1: 16000 
Dauernde Hemmung. ... .... | keine 1: 2700 
Vernichtung . 2» 2. 2 2 2 2 220. | — — 
Vorübergehende Steigerung. . . . . \ e i 
Dauernde Steigerung `... 5 1:40000 12200.000 


Formamid kann die Gärung bis um 33 Proz. steigern, und zwar dauernd; 
die anfängliche Steigerung kann noch höher sein. Die Ursache wird mehr 
auf die N-Komponente als auf die Ameisensäure zurückzuführen sein, 
ähnlich wie bei den Eiweißspaltproduktenversuchen. Hier möchte ich 
die Gelegenheit ergreifen und ein Übersehen nachholen. Herr Geheimrat 
Abderhalden schickte mir zwei Arbeiten zu, die wegen Fehlens der Schluß- 
bände in einer Institutsbibliothek, mir nicht zugänglich waren. Er hat 
darin bei vielen Eiweißspaltprodukten eine Steigerung der Gärung fest- 
gestellt, doch meist nur mit einer Konzentration. Über die Ursache der 
Steigerung, auch beim Insulin, läßt er sich nicht aus. Bei einer Zusammen- 
fassung der Arbeiten komme ich noch darauf zurück. 

Eserin wirkt in kleinen Dosen steigernd, in größeren stufenweise 
hemmend. 

Versuch mit Chinin. hydrochl. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten folgende Mengen 
von Chinin, gelöst in Alkohol: 


Zeit | Kontrolle | 0.058 | olg | 028 | 08 | 108 | 20g 
420 bis 5b10' | 30 27 |! 2% 8 Ju | 13 7 
510 Bän än | äu, 15 13 mn | m 5 
541 „600 60 — 43 37 38 36 | 2 6 
6 10 „ 6 28 60 o | 48 42 44 40 6 
70 „718 60 | 64 | 60 62 60 56 5 
840 „900 60 | 63 61 64 64 63 5 


Versuch mit Morphium hydrochl. 


Die Anordnung ist wie oben. Die Flaschen erhalten folgende Mengen von 
Morphium hydrochl., gelöst in Alkohol. 


Zeit | Kontrolle | 0.05g | olg | 0,2% | 0,58 10g 2.08 
E er el ar a et A — ees GE eeh GE Së ET = = u Be nn ei 
4620’ bis 5h10 | an 2 | %4 22 a 1 mm um 
510 „531 30 30 ' 34 30 25 ; 16 8 
541 „60 60 60 o ` 60 54 41 20 
610 628 Io mm D ` 58 59 50 36 
700 „718 60 6B ' 6 | 60 56 50 40 
840 „ 900 60 64 76 63 59 56 47 
Chinin | Morphium 
Lë SE kg T o EECH E a a E ser = Fe u ee Ey er 
Vorübergehende Hemmung. . . . . l 1: 16000 | 1: 16000 
Dauernde Hemmung. . . . 2... | 1: 400 1: Hu 
Vernichtung . . . 2 2 2 20 nn. | 1: 400 | — 
Vorübergehende Steigerung. l E | 1: 16000 


Danernde Steigerung . . 2.2... 


386 H. Zeller: 


Chinin hemmt, der Dosis entsprechend, stufenweise. Der Übergang 
zur letalen Dosis ist ein ziemlich plötzlicher. Nach längerer Gärung tritt 
bei allen vorangehenden Dosen eine kleine Steigerung auf. 

Morphium hemmt in mäßigem Grade bis auf die letzte Konzentration. 
Bei den vorangehenden tritt bald Erholung ein, bei einigen sogar eine kleine 
Steigerung. 

Versuch mit Blutkohle. 


5g Blutkohle werden mit 100 ccm Wasser + 6g Gummi arabikum auf- 
geschwemmt. 50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der ein- 
stündigen Gärung überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Von der 

aufgeschwemmten Kohle ohne Bodensatz erhalten sie folgende Menge: 


Zeit Kontrolle | 1,0 ccm | 2,0 ccm | 5,0 cem ; 10ccm | A eem 50 ccm 
11h05’ bis 11655’ ` 30 21 18 8 12 
11 55 „ 1250. 60 96 65 66 63 
12 50 „ 114 6 82 74 75 68 
114 „ 136 60 o 85 86 76 
136 „ 156, 60 70 | 70 68 58 
156 > 216 60 66 56 


Versuch mit Bariumsulfat. 


10 g Bariumsulfat werden mit 100 ccm Wasser + 10 ccm Mucilag. gumm. 
arab. aufgeschwemmt. Dann wird wie oben verfahren. 


Zeit Kontrolle ` 1,0 ccm | 2,0 ccm | 50ccem — 10 ccm 20ccm | 50 ccm 
11h05' bis (ID: 30 12 w iao | 5 3 5 
11 55 „ 12 50 60 41 35 38 | 23 24 11 
1250 „ 114 DO" A 50 65 28 19 12 

114 „ 136 60 58 65 i Dr 60 20 į 20 
136 „ 156 | 60 ` 59 61 63 58 36 28 
156 „ 216, 60 : 60 59 59 56 37 34 
Blutkohle | Barumsuliät - 
Vorübergeheude Hemmung. . . . . 1: 800 | 1: 800 
Dauernde Hemmung . . . 2.2... keine 1: 16 
Vernichtung . 2. 2 22 2220. | j = 
Vorübergehende Steigerung. .... 1 : 800 1:400 
Dauernde Steigerung `... | 1:400 — 


Blutkohle hemmt. vorübergehend. Es tritt aber bald Erholung auf 
mit ziemlicher Steigerung, die um die mittlere Konzentration am stārksten 
ist. Doch hält sie nicht lange an. 


Bariumsulfat wirkt sicher nur mechanisch. So ist die zu Beginn auf- 
tretende Hemmung aufzufassen, die bald bis auf die beiden letzten Kon- 
zentrationen verschwindet. Durch ein Absetzen der Hefe ist das Zurück- 
bleiben zu erklären. 


Stellt man die zuletzt untersuchten Substanzen zusammen, die keiner 
bestimmten Gruppe angehören, so ergibt sich folgendes: 


Hefegärung. VII. 387 


| Stei | geg 

ee Ge EEN Steigerung enmung 
Cantharidin . . keine 11:400000| Chinin .... keine 1:40N 
Amylnitrit. . . , 10 Proz. |1: 8000| Nirvanıl ... e ‚ 1:160 
Natriumnitrit 10 „ 1: 8000| Gummi arab. . | i 1:160 
Formaliu .. . | 18 „ 1: 4000| Bariumsulfat. . | e 1: 16 
Psieain | keine |1: 4000| Formamid. . . | 36 Proz. | keine 
Eserin. . ... 12 Proz. |1: 2700| Blutkohle . .. 20 „ - 
Morphium . . . : 10 „ |1: 800 


Alle Stoffe, die hier eine Steigerung der Gärung veranlassen, enthalten 
Stickstoff ; auch bei der Blutkohle ist außer der mehr physikalischen Wirkung 
an eine Mitwirkung von stickstoffhaltigen Substanzen zu denken. Daß die 
Wirkung von Amylnitrit und Natriumnitrit nur auf die Nitritgruppe zurück- 
zuführen ist, kann man sicher annehmen. Wie giftig das Psicain sogar auf 
die Hefezelle wirkt, geht aus der gleichen Hemmungsdosis des Formalins 
hervor. Auch Eserin wirkt ziemlich giftig. Am giftigsten ist das Cantharidin. 


Zusammenfassung. 


Die hier untersuchten lipoidlöslichen oder oberflächenaktiven 
Stoffe haben folgenden Einfluß auf die Gärung: 

Aceton, Äther, Terpentinöl, Formamid haben in mittelstarken 
Dosen keinen hemmenden Einfluß auf die Gärung. Formamid selbst 
steigert die Gärung, da es zwei Komponenten enthält, die jede für 
sich steigern können. 

Eine Hemmung in einer Verdünnung von 1:40 bis 1:80 mit 
einer vorangehenden Steigerung in kleineren Dosen üben aus: Methyl- 
alkohol, Äthylalkohol, Paraldehyd, Amylalkohol, Amylenhydrat. 

Eine Hemmung in einer Verdünnung von 1:400 bis 1: 8000 ohne 
vorangehende Steigerung bei kleineren Dosen üben aus: Chinin, Chloral- 
hydrat, Chloralamid bei 1: 400; Campher bei 1 : 800; Guajakol, Bromo- 
form bei 1: 1600; Benzol. Anilinöl bei 1: 3200; Toluol, Kreosot, Chloro- 
form, Psicain bei 1:4000; Thymol, Kresol bei 1: 8000. Lysol wirkt 
bei 1: 1600, Hexeton bei 1: 800 hemmend, bei kleinen Dosen wirken 
sie aber steigernd auf Grund der in ihnen enthaltenen Beimengungen ; 
Formalin wirkt bei 1:4000 hemmend, bei kleineren Dosen ebenfalls 
steigernd, wohl auf Grund der beiden in ihm enthaltenen Komponenten. 
Morphium und Eserin wirken bei 1: 800 bzw. 1: 2700 hemmend, steigern 
aber in kleineren Dosen; ob diese Steigerung auf Stickstoff beruht, der 
durch die Hefe leicht abspaltbar ist, ließ sich noch nicht sicher fest- 
stellen. 

Eine Sonderstellung nehmen Naphthalin und Naphthol ein, die 
bei 1: 16000 hemmen, in kleineren Dosen aber steigern, genau ebenfalls 
Amylnitrit und Natriumnitrit. nur beträgt hier die hemmende Dosis 
1:8000. Eine Gruppe für sich bildet wieder das Cantharidin, das bei 
1: 400000 hemmt, ohne vorangehende Steigerung. 


388 H. Zeller: Hefegärung. VII. 


Mancher dieser genannten Stoffe wurde schon von anderen Autoren, 
meist bei anderer Fragestellung, untersucht, so besonders von Neuberg, 
Euler und ihren Schülern, doch kann ich hier, ohne weitläufig zu werden, 
die Ergebnisse nicht direkt verwenden, da die Methodik meist eine 
andere war. Vor der Zusammenfassung aller Versuchsergebnisse möchte 
ich schon bemerken, daß hier ein Weg sich weist, die Spezifität der 
Gifte zu untersuchen. Auf eine Fehlerquelle möchte ich dabei auf- 
merksam machen, die oft unberücksichtigt gelassen wurde: Zu Beginn 
der Gärung scheiden die Hefezellen bestimmte Substanzen aus, die erst 
die Einleitung derselben ermöglichen; außerdem wird die Hefe durch 
schleimartige Substanzen umhüllt, deren Veränderung durch zu- 
gesetzte Gifte das eigentliche Ergebnis verschleiern kann. Es handelt 
sich also um eine Berücksichtigung der Vorgänge außerhalb der Zelle. 


Literatur. 


Abderhalden, Fermentforschung 6, 149, 1922; 8, 227, 1925. — Euler, 
Chem. d. Enzyme 1, 164, 1921. — Derselbe, Fermentforschung 1, 465, 1915. 
— Euler und Linder, Chem. d. Hefe. Leipzig 1915. — Kochmann, diese 
Zeitschr. 16, 391, 1907. — Neuberg, ebendaselbst 67, 12, 1914 u. f. — Sand- 
berg, Fermentforschung 8, 232, 1925. — Warburg-Dorner, Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 81, 99, 1912; Pflügers Arch. 158, 19, 1912. 


Untersuchung über die kombinierte Wirkung zweier 
Substanzen auf die Hefegärung. VIII. 


Von 
Heinrich Zeller. 
(Aus der medizinischen Universitätsklinik zu Königsberg i. Pr.) 


(Eingegangen am 26. Januar 1927.) 


Boas fand, daß durch Zusatz von Saponin die Hefegärung ge- 
steigert wird, daß aber eine Salz-Saponinkombination sowohl eine 
Steigerung wie auch eine Hemmung zur Folge haben kann. Er führt 
diesen Befund auf eine Änderung des kolloidalen Zustandes der Plasma- 
hautlipoide zurück, wobei Hemmung oder Steigerung der Gärung 
durch gleichzeitig zugesetzte Salze aus der Anwesenheit von verschieden- 
wertigen Kationen erklärt werden. Neuberg und Kobel haben auf Grund 
der Boasschen Anschauung versucht, mit Natriumcholat und Saponin 
die Permeabilität der lebenden Hefezelle zu steigern, um Hexose- 
diphosphat zur Vergärung zu bringen, ohne Erfolg dabei zu haben. 
In früheren Versuchen fand Neuberg im Hefepreßsaft eine Stimulierung 
durch Quillayasaponin, Saponin Merck, Verodigen, auch durch Digitonin 
und Cyklamin. Die Gärung lebender Hefezellen wurde gesteigert durch 
Quillayasaponin, Saponin Merck, gehemmt durch Digitonin und 
Cyklamin. Eine ähnliche Reihe fand Boas. Auffallend ist das Ver- 
hatten vom Solanin, das einmal eine Steigerung der Gärung hervorruft, 
dann wieder eine völlige Hemmung. Gallensaure Salze und Säuren 
zeigen in Kombination mit Salzen ein ähnliches Verhalten wie die 
Saponine (Boas). Schon früher hatte Neuberg die Aktivierung der 
Gärung durch diese Substanzen gefunden. Boas beweist, daß die 
Gallensalze mit den Saponinsubstanzen eine scharf fixierte Sonder- 
stellung einnehmen: sie verändern die Lipoidhüllen, wodurch un- 
gehindert Substanzen ins Zellinnere dringen können. In einer neuen 
Arbeit hat er diesen Gedankengang weiter ausgeführt. 

Für mich handelte es sich in dieser Arbeit um Gewinnung neuer 
Anbaltspunkte zum Verständnis der Giftwirkung. ohne sich an bis- 
herige Hilfshypothesen zu halten. 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 26 


390 H. Zeller: 


Versuch mit Acidum ciricum. 
50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der ersten, er- 
halten 80 mg Acidum citricum; 10 Minuten später werden die unten ge- 
nannten Substanzen zugefügt. 


Acidum citricum 


Zeit 


rn 1 

Acetat ' Na Sublimst 
11b00' bis 11n45' op u 60 30 25 
1145 „ 1216: 40 | 36 | 39 38 | 123 44 23 
1248, 102. 40 | 37 | 38 35 98 44 20 
ao 217! 40 ` 39 40 39 105 45 31 
230, 243 40 | 40 44 41 106 45 34 
256 7 309: 40 A 43 42 108 45 | 34 


Es wird so wie oben verfahren; nur werden andere Zusätze gemacht. 


Acidum citricum 


Kon» | Acidum 
Zeit | trolle 'citricum "1 g blora; l 0,5 ccm 25 mg 0,2 ccm 
' I br ch Ofen Toluol Phenol Formalin 


11h00" bis 11h45" 20,8 30 13 10 5 n 
1145 „ 1216, 40 34 30 | 10 5 15 14 
12 48 > 102| 40 34 30 5 5 28 20 
204” 217| 40 | 38 32 20 9 32 25 
230° 243| 40 Ap 36 26 11 35 30 
256 3080| 40 | 42 39 33 15 | 36 32 


Dieser Versuch mit Citronensäure brachte ungefähr dasselbe Ergebnis 
wie der Leerversuch ohne Citronensäure, abgesehen von einer anfänglichen 
Hemmung, die hier auftrat. So konnte von einer Wiedergabe abgesehen 
werden. Die Menge der Zusätze wurde beim Natriumchlorid, Calciumchlorid, 
Natriumcitrat so gewählt, daß eine kleine Steigerung auftrat, die Höhe der 
übrigen so, daß nach anfänglicher stärkerer Hemmung allmählich noch die 
Norm erreicht wurde, abgesehen vom Ammoniumsalz, das in der zugeführten 
Dosis eine Steigerung von 100 bis 150 Proz. bewirkte. 

Citronensäure ist ohne Einfluß auf die Gärung, noch bewirken Zusätze 
eine nennenswerte Änderung. 


Versuch mit Ozalsäure. 
50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 
erhalten 80 mg Oxalsäure. 10 Minuten später werden die unten genannten 
Zusätze gemacht. 


Oxalsäure 
Zeit e olle Geer 1 1 2gA N 
r n.s 
u = SEN Na Ci di. Bee Ne-Citr f Safer 
3h40 bis 4h06 20 17 15 um 22 u 10 9 
436 „456 40 34 35 2 104 31 12 
456 „ 510 An B8 42 3, 12 A 2 
543, 556 An 40 i 8 42 105 47 30 
6 44 , 658 40 A8" #4 42 ' 105 ! 48 34 
oo 916 An 82 | 8 41 | 108 46 35 


Hefegärung. VIII. 391 


Für diesen Versuch wird genau wie oben verfahren, unter Änderung der 


Zusätze. 
d | D 
Se Kona | Oxal. Oxalsäure 
|; trolle | säure ||1gChloral,j 0,5ccm 0,5ccm 25mg | 0,2ccm 
Fe | hydrat | Chloroform Toluol Pbenol ' Formalin 
3h40’ bis 4h06’ || 20 11 5 2 5 5 5 
436 „ 456 | An 30 14 7 8 17 5 
456 „ 510 || 40, 34 16 5 8 24 5 
543 „556 40 36 31 10 22 32 12 
64 „658 40 ` 39 37 23 24 | 35 22 
901.916 Ai 2 | 49 28 21 37 27 


Ozalsäure hemmt zu Beginn in ähnlicher Weise wie Citronensäure. 
Zusätze von Natriumchlorid, Phenol sind ohne Wirkung; dagegen hemmen 
die übrigen im Vergleich mit dem Citronensäureversuch, doch gleicht sich 
die Hemmung nach einiger Zeit aus, so daß der Zusatz von Oxalsäure 
gleichgültig ist, bis auf Toluol und Formalin. Von diesen arbeitet ersteres 
besser, letzteres schlechter. 

Oxalsäure + Toluol hemmt weniger als Toluol allein. 


Oxalsäure + Formalin hemmt mehr als Formalin allein. 


Versuch mit Benzoesäure. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 

erhalten 40 mg Benzoesäure. 10 Minuten später werden die unten genannten 
Substanzen zugesetzt. 


Benzoesäure 
Zeit Kons | Benzoes | 

i trolle | saure | 1 1 2g Ammon.s 1 ' 2mg 

oo ` Na C: Co d. l Acetat | NacCitr. | Sublimat 
1h00’ bis 141 | 30 | 30 i 15 on j 87 ap | 15 
141 „212 | 60 6l j A 42 j a 42 17 
227 244| al 76 | 7 | ın 69 32 
3 16 , 332| o 8 | 87 | 84 127 75 50 
351 „ 407 || 60 , 80 85 86 135 80. 57 
423 7 440 || 60 | 78 86 vm 126 : 80 64 


Es wird wie oben verfahren, unter Änderung der Zusätze. 


l i Benzoesäure 

Zeit Kons ' Benzoes Beulen Eee he a 

trolle | saure \]gChlorale 0,5ccm | 0,5ccm 25 mg 0,2 cem 

hydrat Chlorotorm Toluo Phenol Formalin 

Lëck. = E E = e a he ne et ee ar & re D 
1600" bis 1h41’ | 30 98 10 EE 7 8 
141 „212 | 60 58 19 2 3 dE 
oa, 244! 60 om ` Dn 6 3 6 © 15 
316 „ 332 Di | 75 70 8 To 10 44 
ab Ami on vg 20 18 17 50 
423 „ 44) 60 79 Hu 22 19 20 52 


392 H. Zeller: 


Benzoesäure steigert ohne vorangehende Hemmung die Gärung bis 
um 33 Proz. Benzoesäure mit Zusätzen hemmt ohne Unterschied zu Beginn 
die Gärung, später verschwindet die Hemmung bis auf die Versuche mit 
Chloroform, Toluol, Phenol. 

Ergebnis. Benzoesäure steigert die Gärung. 

Benzoesäure + Zusätze hemmen zu Beginn die Gärung. 

Benzoesäure + Chloroform hemmen dauernd die Gärung mehr als 
Chloroform allein. 

Benzoesäure + Toluol hemmen dauernd die Gärung mehr als Toluol 
allein. 

Benzoesäure + Phenol hemmen dauernd die Gärung mehr als Phenol 
allein. 


Versuch mit Salicylsäure. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 
erhalten 40 mg Salicylsäure. 10 Minuten später werden die unten genannten 
Zusätze gemacht. 


| 
t 
H 


we Salicylsäure 
Zeit ee Er i 1 1 2 g Ammon 2 
NaCI Call, PR cetat Sen Sublimat 
Stan: bis 617 30 34 3 A 31 | 28 | 18 
675, 645! 60 | 6 | 69 A8 58 0 88 |! 15 
751, äm o o om | 110 65 © 33 
gan, 841 D OR" 77 70 10,66, 35 
03,109 60 ° 7 73 — 69 127 73 A 
805. 854 | | | 
am andern Tage 60 ' 70 | 73 69 793° 6 76 


Es wird wie oben verfahren, unter Änderung der Zusätze. 


| | l Salicylsäure 
Kon» Salicyl» l 


trolle | saure fiyat. 0,5 ccm 


Zeit 


0.5 ccm ` 25mg 0,2 cem 
Toluol Phenol Formalin 


| hydrat Chloroform 


a ee a Bee ee 


5630’ bie 6h17” 830 : 29 16 14 10 | 2 14 
617. 645; on l-65 2 5 23 i %1ı 12 
751. 807!) Gm. 69 54 2:5. 52 op 
8 25 841! 60 68 | 57 18 |} 10 Bä SH 
1013 „ 1029 60 | 68 67 36 op | 66 46 
8 05 HAM | 
am andern Tage | 60 70 69 6 aua, a 68 


Salicylsäure steigert um etwa 15 Proz. Salicylsäure + Zusätze hemmen 
zu Beginn, mit Ausnahme von Natriumcehlorid und Phenol, ähnlich wie bei 
der Oxalsäure. Sonst zeigt sich im Verlauf keine Abweichung von der 
Norm, bis auf das Phenol, das mit Salieylsäure weniger hemmend wirkt. 


Salievlsäure — Phenol hemmen weniger als Phenol allein. 


Die Versuche mit Citronen-, Oxal-, Salicyl-, Benzoesäure zeigen, 
daß dieselben Zusätze je nach dem vorangehenden Säurezusatz eine 


Hefegärung. VIII. 393 


verschiedene Wirkung äußern können. Citronensäure selbst ist beinahe 
ohne Einfluß: Oxalsäure dagegen schwächt die Hemmung durch Toluol 
ab, verstärkt aber die durch Phenol. Dazu verstärkt Oxalsäure die 
Hemmung der Zusätze zu Beginn. Salicylsäure wiederum entgiftet 
etwas die Hemmung durch Phenol, während Benzoesäure die Hemmung 
durch Chloroform, Toluol, Phenol verstärkt. 


Über den inneren Zusammenhang dieser Resultate läßt sich vorerst 
nichts Abschließendes sagen. Für Oxalsäure und Toluol scheint ein 
Zusammenhang mit Calcium zu bestehen: Wird Phenol erst zugesetzt, 
dann Oxalsäure, so tritt keine Entgiftung ein. Die Wirkung der Benzoe- 
säure tritt unabhängig von der Reihenfolge des Zusatzes auf, so daß 
die Verstärkung der Hemmung als reine Addition beider Wirkungen 
zu verstehen ist. 


Versuch mit Phenol. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Sie erhalten die unten ge- 
nannten Mengen Phenols. 


Zeit Kon» Pbenol 

_ Hole Gm | iome Sa | Omg | Tome `a 
en bis 1126 | e | 34 4 40 | Ap an | 26 
1 26 „ 151 | e 55 50 41 
1531.21: 60 | 69 66 63 58 51 36 
214 , 235 60 67 66 62 58 54 40 
305 „325 ` 60 64 63 60 60 56 | 45 
410 „420 : 60 | 6 63 61 60 59 | 50 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der halbstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu erhält jede Flasche, außer 
der Kontrolle, je 25 mg Phenol, 10 Minuten darauf die unten genannten 


Zusätze. 
u ! Phenol 
, Kon 
Zeit trolje | Phenol 1 +28 lg +05ccm 

| E ei Ar CG DC: "aah 
4h10" bis 4h47” 30 | 18 | 24 28 o l g | 7 
447 „508 30 ` 2 24 37 22 8 12 
527 „ Am a. 28 | 29 55 23 5 10 
sai, em 30 27 29 58 25 5 13 
635 „ 644 30 | 30 31 51 2 13 18 
70,709 380 a" 31 50 | 28 | 13 21 
gon, 809 30 Av 3l 48 ' 2 17 25 


Phenol steigert in der Dosis 1: 1000000 die Gärkraft der Hefe um 
15 Proz. Bei 1 : 200000 besteht zu Beginn eine geringe Hemmung (siehe auch 
Euler). Zusatz von Natriumchlorid, Chloralhydrat ist ohne Einfluß; Zusatz 
von Ammoniumacetat, Chloroform, Sublimat ergibt eine mäßige Hemmung. 


394 H. Zeller: 


Ammoniumacetat, Chloroform, Sublimat hemmen die Gärung der 
Phenolhefe in geringem Grade. 


Versuch mit Toluol. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 

erhalten 0,2ccm Toluol. Eine halbe Stunde später werden die unten ge- 
nannten Zusätze gemacht. 


| Kon | Toluol 

Zeit i trolle Toluol 1g 02 ccm 

En en acetat Na. tr. Formol 
4h35' bis 5629 | 60 | 45 E o wm 65 26 
sa. 551| 6 48 | 46 A 100 | 60 25 
624 , 64 e Ai 50 | 388 101 | 58 
735 „751| 6o | 55 | 58 48 124 ' 60 40 
815 „ 831 | 60 56 | 60 | 60 180 | op 48 
918,951 60 59 | e 60 14 | 6 58 


Bei derselben Versuchsanordnung werden die unten genannten Zusätze 


gemacht. 
l | \ Toluol 
Zeit | golle Toluol I "res Dem Osean 02g 
| | | Benzol Chloroform Amylalk. CS, Saponin 
4h35' bis 5h y| 60 | 37 13 13 | 25 2 29 
529, aale min? 29 | oja 
624,64, o 5 | 12 15 | ag 11 34 
735 „ 751 60 54 15 ao | 4&8 18 ur 
815 „ 831 60 | 56 19 "mm 54 20 "A 
918.935 | 60 ` 60 24 35 56 35 ı 57 


Toluol hemmt zu Beginn längere Zeit; Erholung tritt nach einigen 
Stunden ein. Zusätze von Natriumchlorid, Calciumchlorid, Ammonium- 
acetat, Formol sind ohne Wirkung. Chloroform, Benzol, Schwefelkohlen- 
stoff dagegen schädigen dauernd, Amylalkohol, Saponin nur vorübergehend. 

Toluol allein hemmt etwas. 

Toluol + Benzol hemmen dauernd mehr als ohne Toluol. 

Toluol + Chloroform hemmen dauernd mehr als ohne Toluol. 

Toluol + Schwefelkohlenstoff hemmen dauernd mehr als ohne Toluol. 

Toluol + Amylalkohol oder + Saponin hemmen vorübergehend mehr 
als ohne Toluol. 

Toluol + Natriumcitrat heben die hemmende Wirkung des Toluols auf. 


Hefegärung. VIII. 


395 


Versuch mit Saponin. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu erhalten sie die unten 
genannten Zusätze. 


er tolle | 18, 12 g Ammon. 
u Na d i Arot 

| p | 

me bis 750° (mm 35 | 59 | 
750 „ 805 | 830 | 30 52 | 
805 „819 | 30 ` 33 54 | 
819 , 830 30 33 56 | 
845 „ 855 : 30 | 34 63 » 
94,918 | d 33 62 | 
Am ander. Tage. 30 28 AN | 


50g Hefe, 5600g Wasser werden fein 
Saponin Merck, 


10 Minuten später 250g Zucker. 


Saponin 


1g Chlorel-: 0,5 ccm mg 
hydrat ; Chloroform sé 


40 31 16 30 
39 20 7 24 
40 |; 20 7 26 
41 21 7 26 
38 3, 1 29 
4,97 ' 16 28 
29 ; 20 28 31 


zerrührt. Dazu kommen 5,0g 
Nach 1 Stunde wird 


die Gärflüssigkeit auf sieben Flaschen verteilt, dann genau wie oben 


verfahren. 
, H" 2g Ammon.. 1gChlorak| 0,5c | 
Zeit a. Mel? | nee | Ce, Fivan Chloroform SCENE 
|! +Sapo» 
nin + Saponin 
7h06’ bis 750° 62 | 10 75 46 0 0 4 
750.80 45 | 52 92 54 29 16 21 
805, 819: 2 | 34 88 > 389 24 18 22 
8 19 , 830 a | a 735 3 20 15 18 
nu, aal 24 | 23 | 6 33 | 23 2 |» 
904 „913, 30 || 31 70 35 25 20 3 
Am ander. Tage 27 | 25 35 2 | 2 28 27 


Saponin beschleunigt die Triebkraft, hemmt aber die Gärkraft der 


Hefe. 


Alle Zusätze hemmen die Beschleunigung der Triebkraft durch 


Saponin (wenig bei Ammoniumacetat und Calciumchlorid, stark bei Natrium- 


chlorid, Chloralhydrat, Chloroform und Sublimat). 


Die Gärkraft selbst 


wird nicht beeinflußt mit Natriumchlorid, Calciumchlorid, Sublimsat, 
Chloralhydrat;; gesteigert wird sie durch Ammoniumacetat und Chloroform, 
absolut und im Vergleich mit der Saponinkontrolle. 

Saponin steigert die Triebkraft, hemmt die Gärkraft. 

Zusätze hemmen die Triebkraft der Saponinhefe. 

Ammoniumacetat steigert die Gärkraft der Saponinhefe. 

Chloroform hemmt die Gärkraft der Saponinhefe weniger. 


396 H. Zeller: 


Digitonin- Rönigenversuch. 1proz. alkoholische Digitoninlösung. 


100 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Flasche 3, 5, 7 werden 

45 Minuten zusammen bestrahlt, wobei sie nach je 15 Minuten in der Reihen- 

folge getauscht werden; dann erhalten Flasche 2 und 3 0,1 cem Digitonin, 

Flasche 4 und 5 1,0 cem Digitonin, Flasche 6 und 7 4,0 cem Digitonin. 
Flasche 1 wird Kontrolle. Temperatur 22°, 


Zeit l Kontrolle | 01 | ol.X | 1,0 | 10.X 40, 40.X 
| | | 
Ir bis 15° : 90 80 81 6)  & 42 | 62 
200, 13 © 9% | 95 o ` 92 94 55 | 66 
2 25 90 9 "oa o" og 54 65 
237 90 i 97 | 9 93 ' 90 53 Io 
2 49 90 | 95 i 97 9 : 87 50 " Ou 
336 48 o om mm 84 5i j a7 
4 01 | 97 op 9 85 50 58 
414 | 9 | 97 o 86 50 57 


In Übereinstimmung mit früheren Versuchen wurde hier bestrahlte 
und nicht bestrahlte Hefe mit steigenden Mengen Digitonins behandelt. In 
kleiner Dosis wirkt Digitonin steigernd, in größerer hemmend. Ein Vergleich 
der Dosis 0,1 bei bestrahlter und unbestrahlter Hefe ergibt keinen Unter- 
schied; bei der Dosis 1,0 ergibt sich eine anfängliche Steigerung zugunsten 
der bestrahlten Hefe, die von einer Hemmung gefolgt ist. Bei der Dosis 4,0 
ist die durch Digitonin bewirkte Hemmung bei der bestrahlten Hefe viel 
kleiner als bei der unbestrahlten. 


Versuch mit Cantharidin. 


300 mg Cantharidin werden in 9600 g Wasser gelöst, darin werden 84g 
Hefe aufgeschwemmt, nach 15 Minuten 420g Zucker zugesetzt, nach 
11sstündiger Gärung wird das Ganze auf 12 Flaschen verteilt. Gleichzeitig 
werden in 1600g Wasser 14g Hefe aufgeschwemmt, nach 15 Minuten 
70 g Zucker zugesetzt und ebenfalls 113 Stunden der Gärung überlassen 
und auf zwei Flaschen verteilt. Dann werden die unten genannten Zusätze 


gemacht. 
Cantharidin 
RER Kons Cantha, | | 
Zeit BR 2 
trolle ridin +1 +28 +1 +] + 
Na Ñ | none Cach Na-Chr. Ä Sublimat 
—— 7 in dee? Sieg D. sën, Es, 2 Zeie = ur ne, E her en 
6h00’ bis 6h52 30 1 A4 18 | 37 Im 1 14 
652, 845 150| 2 mm 27 28 15 
845 , 935: 150° 20 o 152 36 32 18 
935. 1016 150 2 © 25 ' 147 34 31 18 
10 16 „ 11 00 | 150 31 33 141 42 43 30 
8 06 „ 950 | , Ä 


tags darauf . . 5008860 154 88 75 72 


Hefegärung. VIII. 397 


| 


Cantharidin 


Kon | Cantha-» 


Zeit kéft" + 0,5 ccm +025g | +0,25g 
| Re 
trolle ridin Chloral. Chloros SE Zinks Zink» 
form 


i| hydrat sulfat 


6h00’ bis 6652’ 
6 52 „ 845 
845, 935 
935 „ 1016 
10 16 „ 11 00 
806 „ 950 
tags darauf. . 


Cantharidin allein setzt die Gärung der Hefe stark herab (bis auf 
15 Proz.), ein Zusatz von Natriumchlorid schwächt diese Hemmung 
etwas ab; Ammoniumacetat hebt die Cantharidinwirkung vollkommen 
auf, ohne dabei die 100proz. Steigerung zu zeigen; Calciumchlorid und. 
Natriumacetat schwächen die Giftwirkung etwas ab, während Sublimat 
ohne Wirkung ist; Chloralhydrat, Phenol und Zinkacetat schwächen 
die Cantharidinwirkung ab, Chloroform und Zinksulfat sind dagegen 
ohne Einfluß. 


Cantharidin hemmt die Gärung sehr stark (bis auf etwa !/,). 
Ammoniumacetat hebt diese Hemmung vollständig auf. 


Natriumchlorid und Chloralhydrat beschleunigen die Cantharidinhefe 
um 20 bis 30 Proz. 


| Calciumchlorid, Natriumcitrat, Phenol, Zinkacetat beschleunigen die 
Cantharidinhefe um 50 bis 100 Proz. 


Versuch mit Tannin. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Sie erhalten die unten ge- 
nannten Mengen Tannin. puriss. Merck. 


| Tannin 
Zeit Kontrolle | Ä 
5mg 10 mg | 25 mg | 50 mg | 100 mg 250 mg 


11630’ bis (hät: | 60 ` 38 30 "Au | on 20 | 18 
126, (nl om 57 50 | s | 3a | æ | 2 
151 „214! 60 ` o 55 om" 53 | 45 30 
214 „ 235 | 60 e o 68 56 | 53 40 
305 , 325, 60 | 64 Gi 69 60 56 | 44 
410 , 420 6 63 63 ` 66 62 | 58 , 46 


398 H. Zeller: 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der halbstündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu erhält jede Flasche 

außer der Kontrolle je 25 mg Tannin, nach 10 Minuten die unten genannten 
Zusätze. 


Tannin 
Tannin | ' +2g +1g | +0,5 ccm 
a A . | Chloral» | CN +2 

T a | Da ES 
4610" bis war | a | 1 | 20 44 | om | 5 7 
447 „ 5.08 30 ' 86 2 | 1% 37°, 16 9 

| 

| 


Zeit Kon» 


527 ,539| 30 4 48 ml Au 7,8% 
550 „ 600 || 30 | 88 42 96 | 38 18 18 
6 35 „64 | 30 38 38 s80 ; 3 | a | 2% 
700, 709| 30 a" 35 mam ` 2 
800 „ 809| 30 ı 31 | 32 a | aA | 3 21 


Röhling hat in einer Dissertation, Erlangen 1905, festgestellt, daß 
Tannin in einer Konzentration von 0,5 Proz. völlig die Gärung hemmt. 
Hier wird festgestellt, daß Tannin in kleinen Dosen die Gärkraft um 15 Proz. 
steigern kann. Zusatz von Kochsalz steigert bis um 30 Proz. Zusatz von 
Ammoniumacetat kann bis um 300 Proz. steigern. Chloralhydrat ist ohne 
Wirkung, Chloroform hemmt weniger, Sublimat hemmt mehr mit Tannin 
als ohne. 

Tannin steigert bei 1: 100000 um 15 Proz. 

Tannin + Natriumchlorid steigern bis 30 Proz. 

Tannin + Ammoniumacetat steigern bis um 300 Proz. 

Tannin + Chloroform wirken weniger giftig als Chloroform alein. 

Tannin + Sublimat wirken giftiger als Sublimat allein. 


Versuch mit Natriumcitrat. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der halbstündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt; dazu bekommt jede Flasche 

außer der Kontrolle je 1 g Natriumcitrat. 10 Minuten später werden die 
unten genannten Zusätze zugefügt. | 


Natriumcitrat 


Zeit | Kons 


" trolle +2g 


+1g 
Ammon. | Chloral» | P 


, Acetat hydrat | 
12h50" bis 1h10’ | 20 “| oh arg 
110 „ 148| 45 64 49 dE 
148 „ 212! 60 58 57 4 25 
234 „ 248 1 60 51 60 3 38 
3 15 „ 380; 60 60 71 4 48 
357 „412, 60 60 70 7 60 
515 „ 532" 60 61 73 20 68 


Hefegärung. VIII. 399 


Versuch mit Ammoniumcüralt. 


Die Versuchsbedingungen sind dieselben wie oben, nur wird für Natrium- 
citrat Ammoniumceitrat genommen. 


Ammoniumcitrat 
Zeit Kon | Ammon. + 28 +1g + lccm 
trolle Citrat e + 1 ccm à +2mg 
Ammon. Choral» Chloro» - 
Aceton Sublimat 
Acetat hydrat form 
12550’ bis 1510’ || 18 15 9 9 | 7 2 5 
10: 2 "148 45 12 60 50 60 5 45 
| 48 2 12 58 90 76 65 66 14 54 
234 „ 248 58 99 110 68 90 2 70 
3 15 3 30 61 122 116 96 112 2 86 
3 57 4 12 60 125 140 102 110 5 100 
D 15 5 32 62 120 142 156 120 20 120 


Natriumcitrat steigert die Wirkung um 15 Proz. Chloralhydrat 
hemmt diese Steigerung. Aceton ist ohne Einfluß; 1 g Chloroform hemmt 
sehr stark. 


Ammoniumcitrat steigert um 100 Proz. Chloralhydrat und Aceton 
hemmen diese Steigerung. Chloroform läßt sie gar nicht aufkommen. 
Ammoniumceitrat + Zusatz hemmen mehr als Natriumcitrat + Zusatz. 


Ergebnis. Auf die Entfaltung der Steigerung durch Ammoniumcitrat 
wirken Chloralhydrat und Aceton hemmend, Chloroform dagegen verhindert 
sie ganz. 


Versuch mit Ammoniumacetat. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 

erhalten je 2g Ammoniumacetat. 10 Minuten später werden die unten ge- 
nannten Zusätze gemacht. 


Ammoniumacetat 


kae ee EE EE EE 

= trolle | nium | +0,58 eet, | Chlor | 400258 | oe 
Saponin hydrat form Phenol arab. 
4b30' bis 4b55’ | 20 16 17 | 1 | 10 | 18 4 
455 „51 | 30 | 3 60 1 10 | 16 1 
450 „459 || 30 53 55 46 42 ; 53 0 
6 30 „ 637 | 30 53 52 48 47 | 58 0 
835 „ 843 30 60 | 54 53 52 j 58 16 
922 „ 930 | 30 61 | 58 54 2:59 18 


400 H. Zeller: 


Versuch mit Ammoniumcarbonat. 


50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Alle, außer der Kontrolle, 

erhalten je 2g Ammoniumcarbonat. 10 Minuten später werden die unten 
genannten Zusätze gemacht. 


| | | Ammoniumcarbonat 
| | 
Zeit | Kon niums +1g !+05ccm + 10 ccm 
| trolle carbonat Bi 058 | Chlorals | Chloro. . + 0,0258 ummi 
| Saponin ı hydrat Deen Phenol Br 
Pu RE kai ARE EN TAN Re ee Zich Er Zen BR Ge u | az De euere = eo 
| u | | | 
4h30' bis 4h5b’ || 18 1 17 | 15 0,7 8 
4 55 „ 515 , 30 ; 30 | 60 | 35 10 28 20 
550 „559 | 30 | 52 aale æ, 38 
6 30 „ 637 | 30 55 56 : 48 44 54 42 
835 „84 | 30 ee ! 53 | 55 au 64 53 
922 „9830| 30 ı 66 | 50 : 56 ;, 58 64 52 


Ammoniumacetat und -carbonat steigern um etwa 100 Proz. Zusatz 
von Saponin steigert die Triebkraft, hemmt aber später die Gärkraft. 
Chloralhydrat hemmt ebenfalls die volle Entfaltung der Gärkraft. Eigen- 
artigerweise ist die Giftwirkung des Chloroforms mit diesen Ammon- 
salzen abgeschwächt, ebenfalls die Giftwirkung des Phenols. Gummi 
arabicum hemmt beim Ammoniumacetat die Gärung beinahe voll- 
ständig, während sie beim Ammoniumcarbonat nur wenig unter der Norm 
zurückbleibt. 


Versuch mit Saponin. 


1. 50g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu kommen die unten 
genannten Zusätze. 


| Saponin 


. Kon ` | | | | | 
Zeit 2g lg lyg l ccm | 
trolle | Ammon. E Chloral» ' Methyl» | 2 mg a Wi 


Acetat bydrat formam. | viol. konz. 
= 


Ä | 
1806° bis 1h25} 20 | 52 | 25 | 25 ur om | 40 
210 „ 226 | 30 84 , 30 31 | 19 28 
240 „255 | 30 | 9 29 | 30 ; 20 mo 
320 „ 336 | 30 90 28B ; 2 2 j 82 m 
44 „458 | 30 | o 27 | 380 24 "am, 68 
Am ander. Tage | 30 30 25 ! 2 27 | 31 : 88 


=- e ber = — rm 


Hefegärung. VIII. 401 


2. 50g Hefe, 250g Zucker, 5600 g Wasser werden der zweistündigen 

Gärung überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Jede Flasche erhält 

0,08 g Saponin Merck. 10 Minuten später werden die unten erwähnten 
Substanzen zugefügt. 


Kons Saponin 
Zeit trolle > i 1 Br 

+ Sapoe A imane. Cie, | Cie, | Methyle +2mg | + 50cm 
| SH Acetat hydrat forma. Bee Pheno | Urin 
1h06’ bis 1h25° | 25 50 27 26 18 25 37 
210 „ 2 26 38 108 41 383 | 27 33 63 
240 „255 | 33 90 38 38 | 27 33 63 
320 „ 336 25 64 | 20 22 22 24 63 
441 „ 458 20 61 16 18 18 22 54 
Am ander. Tage 25 25 15 ! 1l 11 Ip, 20 


Wird Saponin der in Gärung befindlichen Hefe zugesetzt, so ist nur 
eine geringe vorübergehende Steigerung festzustellen. Bei der weiteren 
Gärung ist das Saponin bei den Zusätzen nur insofern von Wirkung, als hier 
dieselbe Hemmung zum Ausdruck kommt, wie beim Saponin allein. 


Zu den Versuchen mit Phenol, Toiuol, Saponin, Digitonin, Cantha- 
ridin, Tannin ist folgendes zu bemerken: Phenol addiert die Gift- 
wirkung des Sublimats und Chloroforms, die steigernde Wirkung des 
Ammonacetats läßt es nicht voll aufkommen. Toluol dagegen hemmt 
mehr in einer Kombination mit Benzol, Chloroform, Schwefelkohlen- 
stoff. Saponin steigert die Wirkung des Ammonacetats, entgiftet das 
Chloroform. Auf röntgenbestrahlte Hefe wirkt Digitonin weniger ein. 
Die Hemmung durch Cantharidin, die sehr stark ist, wird durch Ammon- 
acetat ganz aufgehoben, während die anderen Zusätze ebenfalls hohe 
Beschleunigungen bewirken, besonders Zinkacetat, Calciumchlorid, 
Natriumcitrat. Auch das Tannin verhält sich merkwürdig: es potenziert 
die Wirkung des Ammonacetats, entgiftet die Wirkung des Chloroforms 
teilweise. 


Die Ergebnisse zeigen, daß die einzelnen Stoffe ganz spezifisch 
wirken, jedes hat einen besonderen Angriffspunkt, gerade das Cantha- 
ridin und das Tannin machen das sehr deutlich. 


Über das Natriumcitrat, Ammoniumcitrat, Ammoniumacetat. 
Ammoniumcarbonat ist zu sagen. daß Chloralhydrat die volle Ent- 
wicklung der Steigerung bei allen Substanzen hemmt; Chloroform 
hemmt die Entfaltung der Steigerung bei Natrium- und Ammonium- 
citrat, bei Ammoniumacetat und Ammoniumcarbonat kaum, wenn 
auch die etwas höhere Dosis Chloroform bei den ersteren berück- 
sichtigt wird. 


402 H. Zeller: 


Versuch mit Sublimat. 


1. 50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen gefüllt. Dazu kommen die unten 

genannten Zusätze. 10 Minuten später erhält jede Flasche, abgesehen von 
der Kontrolle, je 2 mg Sublimat. 


1" 1 f 1 1 1 
Zeit Kons Na Ci Nascitr. Aa Ca ei, Chloral KÍ 
trolle ` i 
| + Sublimat 
as 

12508’ bis 12b44 | 20 | 19 | 20 pi 11 14 | 18 | 9 
1244 „ 115|| 60 | 79 75 38 54 48 | 3 
200 > 215| 60 | m | 56 58 66 42 23 
2 35 „ 250| 60 57 50 80 54 50 | 49 
315 „ 329| 60 | 57 55 88 56 2,58 
430 „ 445 | 60 || 60 57 98 | 57 54 | 56 
600 „ 617| 60 | 60 62 120 ` 58 54 ` o 


2. 50g Hefe, 5600 g Wasser, 14 mg Sublimat werden gemischt, kurze Zeit 
darauf 250g Zucker zugefügt. Nach einstündiger Gärung Verteilung auf 
sieben Flaschen unter Zusatz der oben erwähnten Substanzen. 


Kons | Sublimat 
Zeit o trolle Keel aa Te aa d 

+ Subli» 1 1 2g 1 

| mat | ud Nast Kg cach Chomit | K)" 
12h05’ bis 12h44’ | 10 F 15 La 10 | 4 
12 44 „ 115, 32 | 7 | 30 ' 60 | 14 
200 „ 215| 35 61 30 86 | 28 
235, 215, 40 | 50 45 90 42 
315 „ 3829) 48 | 55 55 ` Op 49 
430 „ 445 | 51 p 58 57 106 | 48 
60 „ 617, 56 — 60 60 120 | 56 


Wird Sublimat wie im obigen Versuch als letztes zugesetzt, so löst es 
in Verbindung mit Natriumchlorid oder Natriumcitrat keine Hemmung 
aus, sogar entsteht eine vorübergehende hohe Steigerung; bei den übrigen 
Salzen kommt es nach Zusatz von Sublimat zu einer Hemmung, bei 
Ammoniumacetat ist sie am stärksten, bei Calciumchlorid am schwächsten. 

Anders ist es, wenn die Zelle erst durch Sublimat vergiftet wird und 
dann die Zusätze gemacht werden. Wie stark die Hefe durch das Sublimat 
gestört ist, geht aus dem Vergleich der Normalkontrolle mit der Sublimat- 
kontrolle hervor. Durch Natriumchlorid wird diese Giftwirkung sofort 
aufgehoben, Natriumcitrat ist hier ohne Wirkung. Ammoniumacetat 
arbeitet absolut und relativ besser, bringt aber doch nur das Doppelte 
zustande, was die Sublimatkontrolle anzeigt. Calciumchlorid wirkt etwas 
entgiftend ein, während beim Jodkali und Sublimat die Reihenfolge gleich- 
gültig ist. 

Ergebnis. Vorheriger Zusatz von Natriumchlorid und Natriumeitrat 
läßt eine Hemmnung durch Sublimat nicht aufkommen, während Calcium- 
chlorid, Chlorallıydrat, Jodkali, Ammoniumacetat der Reihenfolge nach 
eine immer stärkere Hemmung zeigen. 


Hefegärung. VIII. 403 


Mit Sublimat vergiftete Hefe wird durch Natriumchlorid schnell ent- 
giftet; Natriumcitrat und Ammoniumacetat sind ohne Wirkung; Calcium- 
chlorid hat eine geringe entgiftende Wirkung. 


Versuch mit Arsenik. 


1. 50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. 15 Minuten nach Zusatz der 
unten genannten Substanzen erhält jede Flasche, mit Ausnahme der ersten, 


30 mg Arsenik. 

Leg ee ee E OCH 

Zeit | Kon Na CI | Nascitr. Acetat Ca Cl, | Chloral | Sublimat 
5h00’ bis AO | 25 
6 02 „19 60 
6 19 „ 35 | 60 
6 35 „ 50 © 60 
6 50 „ 7505 60 
705 ,„ 20 60 
900 „17 | 60 


2. 50g Hefe, 5600 g Wasser werden gemischt. Dazu kommen 210 mg 

gelöster Arsenik. Nach 10 Minuten werden 250g Zucker zugefügt, das 

Ganze wird 1 Stunde der Gärung überlassen, dann auf sieben Flaschen 
verteilt unter Zusatz der vorigen Substanzen. 


Kons Arsenik 
Zeit trolle 72 
+ +1 R +1 +1 +2 
reen gi Na å | Citrat "A Ca à d, E Sublimat 
5h00’ bis e sc? 11 ale 
6 02 GU 
619 „ 29 
6 35 „ a 40 
6 50 „ 7b05' 4 
705 „20 | 47 | 
900 „ 17 48 


Durch Zusatz von Arsenik zu Ammoniumacetat leidet die durch 
letzteres bedingte Gärsteigerung der Hefe. Sublimat + Arsenik addieren 
sich in ihrer Wirkung. Bei den übrigen ist nur die durch Arsenikzusatz 
bedingte Hemmung vorhanden. 


Arsenikvergiftete Hefe erholt sich schneller bei Zusatz von Natrium- 
chlorid, Ammoniumacetat oder Calciumchlorid. Bei den übrigen ist kein 
nennenswerter Unterschied zum obigen Versuch zu bemerken. 


Zusatz von Arsenik hemmt die volle Entwicklung der Gärsteigerung 
durch Ammoniumacetat. Sublimat + Arsenik addieren sich in ihrer Wirkung. 
Arsenikvergiftete Hefe erholt sich schneller nach Zusatz von Natriumchlorid, 
Ammoniumacetat. 


404 H. Zeller: 


Versuch mit Chloralhydrat. 


1. 50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 
überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu kommen die unten 
genannten Zusätze. Gleich darauf erhält jede Flasche außer der Kontrolle 
je lg ee 


Zeit Kon- ! Lag, Neat Ammon. | Ca T E De 
a | + Chloralbydrat 
5608’ bis gp | 40 | 42 30 | 76 72 AE 3 5 
615 „636 | 40 28 13 | 78 85 | 12 
6 36 „650 | 40 29 20 | 80 46 | 37 , 20 
650 „708 | 40 | 30 26 88 o. 39 24 
715 „728 | 40 | 3 28 72 40 41 30 
728 „740 | 40 85 29 76 40 40 31 
920 „936 | 40 | 36 35 78 40 i 40 36 
Amander.Tage | 40 | An 40 68 47 | 40 42 


2. 50g Hefe, 7 g Chlorhydrat werden gemischt, kurze Zeit darauf werden 
250 g Zucker zugefügt und 1 Stunde der Gärung überlassen; dann auf 
sieben Flaschen verteilt unter Zusatz der oben erwähnten Substanzen. 


IT Kon» Chloralhydrat 
ZS | er EF l 

Bez Na A Ina. Mei, | | : ack | véi sa, 
5hOB bis 6h15' | 46 | 40 | w jo eo ie 25 
615 „636 38 | 37 | um Io l 8 25 
636 „650, 38 | 3 | 17 % om 29 27 
6 50 , 703| 38 | 40 35 87 | 40 35 32 
703 „728 | 36 38 33 85 | 39 35 32 
728 „740| 383 | 40 | 3 76 | A 38 33 
920 , 935| 34| 3 34 m j 40 37 32 
Am ander. Tage | 40 | 38 | 33 62 j 40 38 43 


Wird Chloralhydrat zu Natriumchlorid oder Natriumcitrat zugesetzt. 
so entsteht eine dauernde Hemmung, wird es zu Calciumchlorid zugesetzt, 
so entsteht eine vorübergehende Steigerung. Sublimat + Chloralhydrat 
ergibt eine mäßige vorübergehende Hemmung. 


Mit Chloralhydrat versetzte Hefe zeigt auf Zusatz von Natriumchlorid 
keine Änderung, wohl aber eine mittlere Hemmung auf Zusatz von Natrium- 
citrat. Ammoniumacetat steigert und beschleunigt seine Wirkung; ebenfalls 
Calciumchlorid zeigt zu Beginn eine erhöhte Wirkung. 


Hefegärung. VII. 405 


Versuch mit Pepton Witte. 


l. 50 g Hefe, 250 g Zucker, 5600 g Wasser werden der einstündigen Gärung 

überlassen, dann auf sieben Flaschen verteilt. Dazu kommen die unten 

genannten Zusätze. 15 Minuten später erhält jede Flasche, abgesehen von 
der Kontrolle, je 1,5 g Pepton. 


ago o 2g A Se ue 2 
Kon. Na Ci Na Citrat een Cal, Choral Sublimat 
Zeit m un ea en Een ey Lin Der Neem 
trolle 
+ Pepton 
10h25’ bis 11b18° 35 60 A 6 33.50 19 
Im. 1155 3 m 62 96 0:38 10 
11 55 „ 1210 3 66 63 93 66 | 34 10 
12 25 „ 1238 35 e 63 95 61 34 10 
1238 „ 1249 35 57 58 82 57 | 32 10 
128 „37 3546 55 Gm. 30 11 
215 „2 35 40 50 55 Ai 297,538 
320,30 35 3: 46 50 soo a | u 


2. 50g Hefe, 5600 g Wasser, 10,5 g Witte-Pepton werden gemischt, nach 

10 Minuten werden 250 g Zucker zugeführt, das ganze dann 1 Stunde der 

Gärung überlassen, hierauf gleichmäßig verteilt unter Zusatz der oben 
erwähnten Substanzen. 


Kons Pepton 
Zeit trolle `, 

+ +1 | + 1g Met +1 +1 +2 mg 

' Pepton Naci Citrat | Acetat ' Ca ch Chloral | Sublimat 
10625’ bis 11b18' 105 , 125 | 100 ` mm 76 | 70 50 
1140 „1155! 70 | 9 88 104 ` RO ' 56 4l 
11 55 „ 1210, 65 84 84 100 76 54 42 
1225 „ 1238: 55 70 78 95 74 Ap 3 | 
12 388 „ 1249, 50 66 72 90 72 4l 40 
128 „ 137; 35 52 60 68 57 32 ' 35 
25, 27, 7 A 55 ` gn 82 20 31 
320 „ 330 | 28 40 50 | 45 50 28 30 


Beim oberen Versuch steigert Peptonzusatz zu Beginn und in der Mitte 
des Versuchs die Wirkung von Natriumchlorid, Calciumchlorid und 
Ammoniumacetat, dagegen hemmt Chloral jegliche Peptonwirkung; 
Sublimat wirkt mit Pepton doppelt so giftig. 

Wird Pepton der Hefe zu Beginn zugesetzt, so wird dadurch die Trieb- 
und Gärkraft der Hefe gesteigert, weiterer Zusatz von Kochsalz, Natrium- 
citrat und Calciumchlorid erhöht die Wirkung der Gärkraft; Zusatz von 
Ammonacetat läßt nicht ganz die doppelte Steigerung aufkommen. Chloral 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 97 


406 H. Zeller: 


kann bei nachherigem Zusatz nur noch die halbe hemmende Wirkunz 
ausüben, auch Sublimat wird durch Pepton teilweise entgiftet. 


Werden die Hauptergebnisse der Versuche mit Sublimat, Arsenik. 
Chloral, Pepton- Witte zusammengefaßt, so ergibt sich folgendes: 


Sublimat übt, nachträglich den Zusätzen beigegeben, die sonst 
ungefähr 30 Proz. betragende Hemmung nicht aus, außer bei Ammonium- 
acetat und Jodkali. 


Arsenik übt, nachträglich den Zusätzen beigegeben, die sonst 
ungefähr 30 Proz. betragende Hemmung nicht aus, abgesehen vom 
Sublimat und Ammonacetat. 


Chloral übt, nachträglich den Zusätzen beigegeben, obgleich allein 
ohne Wirkung, eine Hemmung von 25 bis 50 Proz. aus. abgesehen 
von Ammonacetat und Aceton. 


Pepton-Witte übt, nachträglich den Zusätzen beigegeben. die 
sonst etwa 100 Proz. betragende Steigerung nicht aus bei Chloral und 
Sublimat. Bei letzterem macht sich eher eine außerordentliche Hemmung 
bemerkbar. 


Werden die Resultate der Umkehrungen kurz zusammengefaßt. 
so läßt sich folgendes sagen: Pepton + Sublimat arbeitet dauernd 
dreimal besser als Sublimat + Pepton. Natriumcitrat + Sublimat 
arbeitet zu Beginn zweimal besser als Sublimat + Natriumcitrat. 
Sublimat + Ammonacetat arbeitet zu Beginn zweimal besser als 
Ammonacetat + Sublimat. Natriumchlorid + Arsenik arbeitet zu 
Beginn 11,mal besser als Arsenik + Natriumchlorid. Natriumcitrat 
+ Arsenik arbeitet zu Beginn 1!.mal besser als Arsenik + Natrium- 
citrat. Chloral +- Ammonacetat arbeitet zu Beginn 1!.mal besser 
als Ammonacetat + Chloral. 


Werden noch die Hauptergebnisse der anderen V ENUEG ZU- 
sammengefaßt, so ergibt sich folgendes: 


Phenol addiert die Giftwirkung von Sublimat, Benzoesäure. 
Chloroform. 


Toluol, Benzol, Chloroform, Schwefelkohlenstofl, Benzoesäure 
addieren sich in ihrer Wirkung. 

Saponin und Tannin entgiften teilweise das Chloroform. 

Cantharidin hemmt sehr stark ; diese Hemmung wird durch Ammon- 
acetat ganz beseitigt, teilweise durch Zinkacetat, Calciumchlorid. 
Natriumeitrat. 

Die ganzen Ergebnisse sind aber so mannigfaltig, daß sie sich 
ohne Zwang nicht auf eine einfache Formel bringen lassen. Eine weitere 
Klärung fand sich bis jetzt in Verfolgung der in der letzten Arbeit. 


Hefegärung. VIII. 407 


entwickelten Richtlinien. Dazu wird mir eines immer klarer: Es liegen 
bier nicht einfache Salzwirkungen, verbunden mit einer Aufschließung 
der Lipoidhülle vor, wie die Boassche Theorie besagt. Es gibt überhaupt 
sehr wenig Mittel, die die Hefezellen direkt beeinflussen können, ohne 
dabei grobmechanisch zu wirken. Bei diesen Versuchen führen die 
Ergebnisse mit den Ammonsalzen zu einem tieferen Verständnis ihrer 
Wirkungsweise. Im ganzen läßt sich sagen, daß es auf diesem Wege 
möglich ist, etwas tiefer in die Chemie der Zelle einzudringen. 


Literatur. 


Boas, diese Zeitschr. 117, 166, 1921; 129, 144, 1922; 176, 349, 1926. — 
Lundberg, Zeitschr. f. Gärungsphysiol. 2, 223, 1913. — Neuberg, diese Zeit- 
schrift 121, 220, 1921; 126, 153, 1921/22. — Neuberg und Kobel, ebendaselbst 
174, 490, 1926. 


to 
-i 
* 


Beitrag zur Physiologie überlebender Säugetierherzen. 


I. Mitteilung: 
Eine Modifikation des Locke-Rosenheimschen Apparats. 


Von 
Zoltän Aszödi und Georg Ambrus. 


(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der königl. ungar. Universität 
Budapest.) 


(Eingegangen am 27. Januar 1927.) 


Mit 2 Abbildungen im Text. 


Eine ganze Reihe von Versuchen, die in unserem Institut von 1923 
bis 1925 zur Bestimmung des Zuckerverbrauchs überlebender Säugetier- 
herzen am Locke-Rosenheimschen Apparat ausgeführt wurden, und 
die an einer anderen Stelle mitgeteilt werden sollen, haben den über- 
zeugenden Beweis erbracht, daß der genannte Apparat mit so manchen 
Mängeln behaftet ist, die sich in den Versuchsergebnissen entsprechend 
fühlbar machen. Diese Mängel bewirken einerseits, daß die Speisung 
des Herzens keine genügende ist, daher es unter nichte weniger als 
physiologischen Verhältnissen arbeitet, andererseits, daß bei der Hand- 
habung des Apparats Schwierigkeiten technischer Art erwachsen. 
Mängel ersterer Art sind: Die Speiseflüssigkeit nimmt wohl in der 
Spirale, die sie durchläuft, die Temperatur des Wasserbads an, in das 
die Spirale versenkt ist. doch kühlt sie auf dem langen Wege bis zum 
Herzen um so stärker ab, je langsamer sie in das Herz einströmt. Unter 
den Bedingungen, die im Locke- und Rosenheimschen Apparat gegeben 
sind, tritt die Speiseflüssigkeit unter einem Drucke von 44 mm Hg in 
die Coronarien ein, was nicht nur von den physiologischen abweichende 
Verhältnisse, sondern auch zur Folge hat, daß dem Herzen zu wenig 
Flüssigkeit, namentlich aber zu wenig darin gelöster Sauerstoff zu- 
geführt wird. Technische Mängel sind: Um die Speiseflüssigkeit im 
Apparat von der ursprünglichen Dimension in ununterbrochener 
Zirkulation zu erhalten, werden 400 ccm Flüssigkeit benötigt, und ist 
es klar, daß es einen verhältnismäßig großen Zuckerverbrauchs bedarf. 


Z. Aszódi u. G. Ambrus: Physiologie überlebender Säugetierherzen. I. 409 


damit die gewöhnlich verwendete Anfangszuckerkonzentration von 
O,1 bis 0,2 Proz. einigermaßen erheblich abnehme; eine Vorbedingung 
verläßlicher Versuchsergebnisse. An keinem der ähnlich konstrwerten 
Apparate ist das stellenweise Auftreten von Gasblasen zu vermeiden, 
die einerseits die normale Strömung der Flüssigkeit verhindern, anderer- 
seits zu Herzembolien führen können; die Entfernung der Gasblasen 
ist aber an manchen Stellen des ursprünglichen Apparats unmöglich, 
an anderen Stellen sehr erschwert. Die Dimensionen des Apparats, 
sowie die zahlreichen Gummischlauchverbindungen erschweren einerseits 
die vorangehende Sterilisierung der Glasteile, andererseits auch den 
etwa während der Versuchsdauer erwünschten Wechsel der Speise- 
flüssigkeit. Endlich führt die an ähnlich konstruierten Apparaten 
eigentlich nie zu vermeidende Schaumbildung beim ursprünglichen 
Locke- und Rosenheimschen Apparat dadurch zu erheblichen Verlusten, 
daß der Schaum alsbald den ganzen oberen Flüssigkeitsbehälter erfüllt, 
ja über seinen Rand quillt. 


Alle diese Mängel sind in der nachstehend beschriebenen und 
abgebildeten Modifikation des Locke- und Rosenheimschen Apparats 
gänzlich bzw. größtenteils dadurch behoben, daß a) die Spirale, in der 
die Speiseflüssigkeit erwärmt wird, und die Herzglocke sich im selben 
temperierten Raume befindet; b) eine ununterbrochene Zirkulation 
auch bei Verwendung von bloß 125 ccm Flüssigkeit möglich ist; c) die 
Flüssigkeit unter einem — übrigens beliebig zu ändernden — Drucke 
von 110 mm Hg in die Coronarien einströmt; d) das Herz reichlich mit 
Speiseflüssigkeit — bzw. mit darin gelöstem Sauerstoff — versehen 
wird (was bei den neu eingerichteten Versuchen daran zu ersehen ist, 
daß die Flüssigkeit nicht tropfenweise, sondern in kräftigem Strahle 
vom Herzen ausgespritzt wird; natürlich nur so lange. bis nicht die auch 
von anderen Autoren beobachtete, zuweilen sehr bald, oft aber erst 
Stunden später eintretende Verengerung der Herzgefäße nur mehr 
einen tropfenweisen Durchtritt der Speiseflüssigkeit gestattet); e) die 
an kritischen Stellen auftauchenden Gasblasen zu jeder Zeit leicht 
entfernt werden können; f) ein Wechsel der Speiseflüssigkeit ohne 
Schwierigkeiten vorgenommen werden kann; g) der Apparat leicht 
auseinanderzunehmen und wieder zusammenzustellen und auch leicht 
sterilisierbar ist; und endlich, daß h) die schädlichen Folgen der Schaum- 
bildung nach Möglichkeit behoben sind. 


A. Der modifizierte Apparat, 


Die wichtigsten Bestandteile des modifizierten Apparats (s. Abb. 1) 
sind die folgenden. 


Wanne W, die als Thermostat dient; die mit der weiten Mündung nach 
oben gerichtete Glocke G, in der das Herz an einer Kanüle aufgebunden frei 


410 - Z. Aszódi u. G. Ambrus: 


hängt; der Behälter B, der die Speiseflüssigkeit enthält; das zylindrische 
Gefäß P, das zur Probenahme dient; das Schlangenrohr Sch, in der die 
Speiseflüssigkeit entsprechend erwärmt wird; das zylindrische Gefäß T mit 
dem Thermometer Th,, an dem die Temperatur der in das Herz einströmen- 


K 


den Flüssigkeit abgelesen wird; das Abstromrobr A, durch das die Speise- 
flüssigkeit in den Behälter zurückströmt; der Kolben K, in dem sich der 

gebildete Schaum ansammelt; die Luerspritze L, die im Verein mit einem 
“ elektrischen Motor und einer von diesen in rotierender Bewegung erhaltenen 


Physiologie überlebender Säugetierherzen. I. 411 


Scheibe als Saug- und Druckpumpe wirkt, das Maximumventil M V,, durch 
das der Druck, mit dem die Speiseflüssigkeit in das Herz einströmt, auf 
konstanter Höhe erhalten wird, und das Hg-Manometer AM, an dem dieser 
Druck abgelesen wird. 


Die vordere und hintere Wand der 48cm hohen, 26cm breiten und 
22 cm tiefen Wanne W sind aus Glas, Seitenwände und Boden aus ver- 
zinktem Eisenblech angefertigt und an der nach innen gekehrten Ober- 
fläche mit weißer Ölfarbe angestrichen. Ihre Decke besteht aus zwei Teilen, 
die an korrespondierenden Stellen halbkreisförmige Ausschnitte tragen, 
und, zusammengefügt, Gilasröhrenleitungen, Thermometer, Thermo- 
regulator usw. durchtreten lassen. Die Wanne ist etwa zur Hälfte mit 
Wasser angefüllt, das mittels einer kleinen Gasflamme und eines ein- 
geschalteten Hg-Thermoregulators auf der ständigen Temperatur von 
40° C gehalten wird. Dadurch, daß die Verlängerung des Schlangenrohrs Sch, 
ehe sie an das Zylinderrohr T herantritt, und auch T selbst aus dem 40 gräd. 
Wasser herausragen, dabei sich aber innerhalb des Thermostaten bzw. in 
der durch das Wasser erwärmten Luft befinden, wird bewirkt, daß die 
Speiseflüssigkeit, solange sie mit der normalen Geschwindigkeit kreist, mit 
der angenähert konstanten Temperatur von — 38,5° C in das Herz eintritt. 
Diese Temperatur sinkt nur, wenn die Kreislaufgeschwindigkeit infolge der 
Verengerung der Coronarien abnimmt, ab. Die linke Seitenwand trägt eine 
10 x 12cm große viereckige Öffnung, die knapp oberhalb des Wasser- 
niveaus angebracht ist, mit einer Schiebeplatte verschlossen werden kann 
und zum Einführen des Herzens in die Herzglocke dient. Die Menge des 
Wassers in der Wanne ist so bemessen, daß das Schlangenrohr, durch das 
die Speiselflüssigkeit erwärmt wird, ganz, die Herzglocke aber bis nahe 
zur ihrem oberen Rande vom Wasser bedeckt sei. Am Boden der Wanne 
ruht ein (in der Zeichnung nur durch seine Füße angedeutetes) Messinggestell 
auf; auf dieses sind an geeigneten Stellen rinnenförmig gebogene Stücke aus 
federnlem Messingblech aufgelötet, die zur Aufnahme und Fixierung der 
unter Wasser versenkten gläsernen Bestandteile des Apparats dienen. Die 
aus dem Wasser herausragenden Teile des Apparats werden durch Klemmen 
an einem Stativ festgehalten, dəs an den oberen Rand der Wanne ge- 
schraubt ist. 


Herzglocke G und das Rohr 4 für die abströmende Flüssigkeit einerseits, 
sowie Schlangenrohr Sch und deren zwei aufwärts gerichtete Ver- 
längerungen andererseits bilden je ein Stück. 


Die Herzglocke G hat an ihrer oben weiten Mündung eine lichte Weite 
von Dem, etwas weiter unten eine solche von 6 cm; ihre Mündung ist durch 
einen doppelt durehbohrten Gummistopfen verschlossen. Durch die eine 
Bohrung ist die Kanüle gesteckt, auf die das Herz bei der Aorta aufgebunden 
ist, und welche Kanüle durch einen kurzen Gummischlauch mit dem unteren 
Ende des Zylindergefäßes T verbunden wird; durch die andere Bohrung 
tritt eine kleine, an beiden Enden offene Glasröhre a, durch die verhindert 
wird, daß im Glockeninnern infolge der Aspiration der in der Glocke sich 
ansammelnden Speiseflüssigkeit ein negativer Druck entstehe. An dem 
Zylinderrohr 7 sind zwei Röhren seitlich angebracht; die eine ist durch 
ein kurzes Gumrmnischlauchstück mit der aufwärts gerichteten Verlängerung 
des Schlangenrohres Sch verbunden, über die andere b ist ein Stück Gummi- 
schlauch gezogen, der mit einem Quetschhahn verschlossen ist. Der ver: 
Jüngte untere Teil des Zylindergefäßes T ist mit einem Glashahn c versehen; 
seine obere weite Mündung ist mit einem Gummistopfen verschlossen, 


412 Z. Aszódi u. G. Ambrus: 


durch den ein in 0,05° geteiltes Thermometer Th, gesteckt ist. Die nach 
links gelegene Verlängerung «des Schlangenrohres Sch ist durch ein kurzes 
Gummischlauchstück mit «dem verjüngten Ende des Zylinderrohres P 
verbunden. Dieses trägt seitlich ein dickwandiges, mit einem Glashahn d 
verschließbares Kapillarrohr, das zur Probenahme am Ende einer Versuchs- 
periode dient; sowie ein kurzes Ansatzrohr e mit Gummischlauch und 
Quetschhahn, der ebenso wie das oben beschriebene zum Ablassen von 
Luft dient. Die obere Mündung dieses Zylinderrohres P ist mit einem 
(iummistopfen verschlossen, durch dessen Bohrung das verjüngte, mit einem 
Glashahn f verschließbare Ende des Behälters B tritt. Dieser Behälter 
wird durch ein Zylinderrohr gebildet und enthält die Speiseflüssirkeit. 
Sein Fassungsraum ist 250 cem, es ist 15 œn hoch, hat eine lichte Weite von 
5cm und trägt an der Vorderfläche eine aufgeätzte Teilung von 5 zu 5 cern. 
Stellt man die weiter unten beschriebene Saug- und Druckpumpe ab, 
durch die die Speiseflüssigkeit von der Herzglocke her in den Behälter 
zurückbefördert wird. so läßt sich an dieser Teilung das Flüssigkeitsvolumen 
ablesen, das in der Zeiteinheit aus dem Behälter schwindet bzw. durch die 
Coronarien strömt. Die obere Mündung des Behälters ist mit einem dreifach 
durchbohrten Gummistopfen verschlossen. Durch die eine Bohrung tritt 
das nach oben verlängerte Abstromrohr A, durch das die aus der Herzglocke 
aspirierte Speiseflüssigkeit in den Behälter zurückfließt. Durch die beiden 
anderen Bohrungen ist je eine Glasröhre g und h gesteckt, die mit den 
oberen Enden durch zwei korrespondierende Bohrungen eines anderen 
Gummistopfens treten. Dieser zweite Gummistopfen verschließt die nach 
unten gekehrte Mündung eines etwa 2 Liter fassenden wumgestülpten 
Kolbens X, der dem von Ernst urd Szappanyos!) vorgeschlagenen Schaum- 
fänger nachgebildet und in dieser Stellung an dem erwähnten Stativ befestigt 
ist. Röhre g endet unten knapp über dem Boden des Behälters, oben knapp 
über dem Gummistopfen des Kolbens, Röhre k aber einige Millimeter unter- 
halb des unteren und einige Millimeter oberhalb des oberen Gummistopfens. 
Der im Behälter namentlich zu Beginn des Versuchs sich ansammelnde 
Schaum tritt bei Röhre h in den Kolben über und wird dort weit hinauf- 
getrieben; verflüssigte Anteile des Schaumes fließen aber bei Rohr q wieder 
in den Behälter zurück. Der Stopfen, der den umgestülpten Kolben ver- 
schließt, trägt auch eine dritte Bohrung; durch diese ist eine Glasröhre + 
gesteckt, die mit dem einen Ende hoch hinauf bis knapp unter den Boden 
des umgestülpten Kolbens hinanreicht, mit dem anderen Ende aber mit 
dem Schaft eines T-Rohres verbunden ist; der eine Schenkel des T-Rohres 
steht mit einem Hg-Maximumventil MV,, der andere mit einem Hg-Mano- 
meter M, in Verbindung. In das Abstromrohr 4, das die in der Herzglocke 
angesammelte Speiseflüssigkeit zu dem Behälter zurückführt, ist knapp 
oberhalb der Wanne ein T-Rohr V eingeschaltet, dessen Schaft mit einer 
Saug- und Druckpumpe in Verbindung steht, dessen beide Schenkel aber 
je ein sorgsam eingeschliffenes gläsernes Ventil enthalten. 


Die Saug- und Druckpumpe wird durch eine 10 ccm fassende Luer- 
spritze L gebildet, deren genau eingeschliffener metallischer Pumpenstiefel 
durch ein doppeltes Armgelenk hin- und rückläufig bewegt wird, und zwar 
von einer Scheibe aus, die durch einen elektrischen Motor in rotierender 
Bewegung erhalten ist. In der einen Phase wird von der Pumpe eine Saug- 
wirkung ausgeübt: dann schließt das obere Ventil den Zugang nach oben, 


1) Z. Ernst und B. Szappanyos, diese Zeitschr. 157, 18, 1925. 


Physiologie überlebender Säugetierherzen. I. 413 


das untere Ventil aber gestattet den Durchgang von unten her, so daß die 
Speiseflüssigkeit von der Herzglocke her aspiriert wird; in der nächsten 
Phase übt die Pumpe eine Druckwirkung aus: das untere Ventil sperrt 
den Durchgang nach unten, gestattet hingegen, daß die Speiseflüssigkeit 
nach oben gegen den Behälter zu ausweiche. 

Etwas weiter oberhalb ist in das Abstromrohr seitlich eine Glasröhre k 
eingeschmolzen, die mit dem äußeren weiteren Ende an eine Sauerstoff- 
druckflasche O, (mit dazwischengeschaltetem Blasenzähler) verbunden 
ist, während ihr dünn ausgezogenes anderes Ende frei im Lumen des Ab- 
stromrohres emporragt. Durch den Sauerstoff, der durch die emporgehobene 
Speiseflüssigkeit perlt, wird diese gesättigt, andererseits aber auch der Druck 
vermehrt, mit dem die Flüssigkeit in die Coronarien einströmt. Ein Druck 
von etwa 30 mm Hg wird nämlich bereits durch den Höhenunterschied 
zwischen dem Flüssigkeitsniveau im Behälter und den tiefer gelegenen 
Coronarien erzeugt. Hierzu kommt der Druck, der von einströmendem 
Sauerstoff auf die Oberfläche der Flüssigkeit in dem Behälter ausgeübt 
wird, und dank dem Maximumventil auf der angenähert konstanten Höhe 
von 80 mm Hg gehalten wird. Auf diese Weise ergibt sich ein ständiger 
Druck von 110 mm Hg, mit dem die Speiseflüssigkeit in die C'oronarien 
eintritt. 

Die Dimensionen des Behälters B und der Herzglocke Œ sind 
oben bereits angegeben. Das Proberohr P und das Rohr T hat am 
oberen weiteren Teil eine lichte Weite von 19 bis 20 mm, die unteren 
ausgezogenen Teile dieser beiden, desgleichen auch Schlangenrohr Sch, 
Abstromrohr A, sowie alle anderen den Apparat bildenden Cilasröhren- 
stücke eine solche von 5 bis 6 mm. 


B. Ausführung der Versuche. 


Von den Einzelheiten der Versuchstechnik seien hier seibstredend 
nur diejenigen angeführt, die von der allgemein bekannten und ge- 
übten mehr oder minder abweichen, und denen es — nebst der Aus- 
merzung der dem ursprünglichen Apparat innewohnenden Fehler — 
zu verdanken ist, daß unsere Ergebnisse von denen früherer Autoren 
meistens erheblich abweichen und, wie wir meinen, besser sind 
als jene. 

Reinwaschen der Herzgefäße und Befestigung der Kanüle am Aorten- 
stumpf. Eine der Hauptbedingungen, von denen das Gelingen der 
Versuche an überlebenden Herzen abhängt, ist, daß die Blutgefäße 
von Blut möglichst freigewaschen seien. Dies wird am besten wie folgt 
erreicht. Noch während das Blut des mit Äther narkotisierten Tieres 
der in die Carotis eingebundenen Kanüle entströmt, wird mit Infusion 
körperwarmer Tyrodelösung durch eine in die Vena jug. ext. ein- 
gebundene Kanüle unter einem Druck von 80 mm Hg begonnen und 
damit so lange fortgesetzt, bis der Carotis eine nunmehr beinahe un- 
gefärbte Flüssigkeit entströmt. Die Tyrodelösung wird vorangehend 
durch 2 Stunden langes Durchströmen mit Sauerstoff gesättigt und 
dadurch auf Körpertemperatur erhalten, daß die ungefähr 21/, Liter 


414 Z. Aszödı u. G. Ambrus: 


fassende Flasche (Abb. 2), die sie enthält, in ein Wasserbad von etwa 
380 C versenkt ist. Die Mündung der Flasche F? ist durch einen dreifach 
durchbohrten Gummistopfen verschlossen. Durch die eine Bohrung 
ist ein Thermometer Th, gesteckt, durch die zweite Bohrung tritt die 
Röhre l, die knapp unter dem Gummistopfen in der Flasche FI endet 
und mit einer Sauerstoffdruckflasche in Verbindung steht; durch die 


= 
e 
KH 
u 
sm 
= 
= 
e 
d 
3 
e 
= 
e 


dritte Bohrung tritt aber Röhre m, die knapp über dem Boden der 
Flasche Fl endet und mit einem Gummischlauch verlängert der 
Jugularis die erwärmte Tyrodelösung zuführt. Zwischen Röhre l und der 
Sauerstoffdruckflasche ist das mit Hg beschickte Maximumventil M V,. 
sowie das Hg-Manometer M, eingeschaltet. Am Hunde werden in der 
Regel etwa Zi. an der Katze l, an Kaninchen etwa 3⁄4 Liter Wasch- 
flüssigkeit! benötigt, bis sie beinahe ungefärbt abläuft. 


Nun wird das Herz in der bekannten Weise bloßgelegt, in die 
unmittelbar unter dem Truncus anonymus angeschnittene Aorta eine 
Glaskanüle eingebunden, die in der Bohrung des aus der Mündung der 
Herzglocke genommenen Gummistopfens steckt. Über die weite 
Mündung der Kanüle ist ein kurzer, mit einer Schraubenklemme ver- 
sehener Gummischlauch gezogen. Hat man die Kanüle vorangehend 
vom weiteren Ende her mit Tyrodelösung gefüllt und die Schrauben- 
klemme zugezogen, so bleibt die Flüssigkeit in der Kanüle stehen. 
und kann letztere im gefüllten Zustande in die Aorta eingebunden 
werden, was zur Verhütung einer Luftembolie der Herzgefäße durch- 
aus nötig ist. 


Da das Reinwaschen der Herzgefäße von der Jugularis aus nie 
vollständig gelingt, werden in bekannter Weise die in den Herzhöhlen 
verbliebenen Blutreste durch vorsichtiges Massieren des Herzens 
herausbefördert, Blutreste aber, die im Aortenstumpf zurückgeblieben 
sind. wie ebenfalls bereits von anderer Seite vorgeschlagen, durch einen 
Strahl von Tyrodelösung herausgeschwemmt, der einer etwa 20cm 


Physiologie überlebender Säugetierherzen. I. 415 


langen, dünnen, bis zu den Semilunarklappen eingegeführten Metall- 
kanüle entströmt. 


Vollständig blutfrei wird das Herz auf folgende Weise gemacht. 
Wir lösen das Herz mit einem Scherenschlag von der Umgebung vollends 
los, verbinden die Kanüle an ihrem freien Ende mit der verlängerten 
Röhre m der Waschvorrichtung und lassen unter einem Drucke von 
80 mm Hg so lange Tyrodelösung durchströmen, bis die Flüssigkeit 
nunmehr vollständig farblos abläuft (was in der Regel nach etwa 
8 Minuten der Fall ist). Inzwischen hat sich das Herz, das bei der 
Herausnahme aus dem Brustkorb nur mehr schwach pulsierte, zu- 
sehends erholt, so daß es, sich kräftig kontrahierend, die Speiseflüssigkeit 
im Strahle aus sich stößt. 


Einfüllung der Speiseflüssigkeit in den Apparat. Während dieser 
Manipulationen wird von der Assistenz der Apparat auf folgende Weise 
mit der Speiseflüssigkeit beschickt. Je nach der Größe des Herzens, 
das zur Untersuchung gelangt, läßt man durch einen Trichter 100 
bis 150 ccm der Lösung in die Herzglocke G einfließen und sie bei ge- 
schlossenem Glashahn f durch die Saug- und Druckpumpe in dem Be- 
hälter emportreiben. Öffnet man nun bei abgestelltem Motor den Glas- 
hahn f, so strömt die Flüssigkeit abwärts, füllt nicht nur das Schlangen- 
rohr und dessen beide Schenkel. sondern auch das zylindrische Gefäß T, 
wobei allerdings unter dem Stopfen ein mit Luft gefüllter Raum zurück- 
bleibt. Sie wird von hier durch vorsichtiges Lockern des Quetsch- 
hahns bei C vertrieben und damit erreicht, daß der Ho Behälter des 
Thermometers Th vollkommen von der Lösung umspült wird. In P 
wird das Flüssigkeitsniveau nach demselben Prinzip durch Lockern 
des Quetschhahns bei e eingestellt, wobei es zweckmäßig ist, zwischen 
Flüssigkeitsoberfläche und dem ausgezogenen Ende des Behälters B 
einen kleinen Zwischenraum zu belassen, da auf diese Weise die Ge- 
schwindigkeit kontrolliert werden kann, mit der die Lösung gegen das 
Herz strömt. Unerläßlich ist es, dafür zu sorgen, daß die Flüssigkeits- 
säule nirgends Luftblasen enthalte, die zur Embolie und zum Herzstillstand 
führen können. 


Einschaltung des Herzens in den Kreislauf. Das inzwischen rein- 
gewaschene Herz wird nun mitsamt der im Gummistopfen steckenden 
Kanüle, dem darüber gezogenen Gummischlauch und der Schrauben- 
klemme beim seitlichen Fenster der Wanne in dessen Innenraum 
gebracht, in die Glocke @ eingesetzt. der Gummischlauch bei gelockerter 
Schraubenklemme mit dem in die Glocke ragenden Ende von T ver- 
bunden, Glashahn c geöffnet, die in die Kanüle oder in den Schlauch 
gelangte Luft mit den Fingern nach oben gestreift. Öffnet man jetzt 
den Glashahn f und bringt die Saug- und Druckpumpe in Gang, so 


416 Z. Aszódi u. G. Ambrus: 


ist die Zirkulation durch Herzgefäße und Apparat hergestellt. Bei 
einiger Übung erheischt das Aussetzen des Herzens bis zum Beginn 
des eigentlichen Versuchs nicht mehr als 20 bis 30 Sekunden. 
Wechsel der Speiseflüssigkeit. Um den Zuckerverbrauch des Herzens 
bzw. auch andere gleichzeitig stattfindende Umsetzungen in ihrem 
zeitlichen Verlauf verfolgen zu können, führen wir prinzipiell alle 
Versuche in mehreren Perioden aus und müssen aus diesem Grunde 
am Ende jeder Periode die Speiseflüssigkeit wechseln. Dies geschieht 
wie folgt. Nachdem die Saug- und Druckpumpe abgestellt und bei 
der AblaBöffnung d eine entsprechende Menge der Flüssigkeit ent- 
nommen wurde, wird Glashahn c und f gesperrt, die Schraubenklemme 
an dem über die Kanüle gezogenen Gummischlauch aufgedreht und der 
Gummischlauch mitsamt der Kanüle und dem Herzen vom ausgezogenen 
Ende des Zylinderrohres T heruntergestreift, an die Waschvorrichtung 
geschlossen und das Herz wie vor Beginn des Versuchs mit der körper- 
warmen Tyrodelösung durchströmt, und zwar so lange, bis inzwischen 
die verbrauchte Lösung im Apparat durch eine neue ersetzt ist. Zu 
letzterem Behufe wird über das untere Ende von T, von wo wir soeben 
den Gummischlauch mit der Kanüle und dem Herzen herabgestreift 
haben, ein längerer Gummischlauch gezogen, dessen freies Ende, beim 
Seitenfenster der Wanne herausgeführt, in einen Meßzylinder hinein- 
hängt, Glashähne c und f werden geöffnet, die Saug- und Druck- 
pumpe wird in Gang gesetzt, hierdurch der weitaus größte Teil der 
Speiseflüssigkeit in den Meßzylinder geschleudert und sein Volumen 
daselbst abgelesen. Hierbei ergibt sich aber jedesmal ein Mangel. 
indem 20 bis 30 cem stets zurückbleiben. Dieser Rest muß bei der 
Berechnung des Analysenergebnisses der nächsten Periode wohl berück- 
sichtigt werden, denn durch den Rest wird sowohl das Volumen. wie 
auch die Zusammensetzung der frisch eingefüllten Speiseflüssigkeit 
verändert. Das Einfüllen erfolgt genau so, wie am Versuchsbeginn. 
doch ist es zweckmäßig, mittels der Saug- und Druckpumpe die ganze 
Flüssigkeit einmal im Apparat herumzuführen, wodurch erreicht wird. 
daß der zurückgebliebene Schaum, von allen Stellen weggespült und 
wieder verflüssigt, sich mit der neu eingefüllten Flüssigkeit vermischt. 
Abschluß der Versuche. Ist auch die letzte Periode abgeschlossen. 
so überzeugen wir uns jedesmal davon, ob die Kanüle richtig (vor den 
Semilunarklappen!) eingesetzt war, und ob Herzhöhlen und Aorten- 
stumpf keine Blutreste enthielten. Nun pressen wir das Herz gut aus. 
trocknen es ab und bestimmen, da ja der Zuckerverbrauch auf die 
Gewichtseinheit reduziert werden soll. sein Gewicht. Hierbei ergibt sich 
aber dadurch ein sehr ansehnlicher Fehler. daß sich die Herzen stets 
mehr oder minder ödematös angeschwellt erweisen, man also nicht das 
wirkliche, sondern um ein um das Ödemwasser vermehrte Gewicht 


ro 


Physiologie überlebender Säugetierherzen. I. 417 


bestimmt, das zudem auch aus dem Grunde nicht richtig sein kann, 
weil beim Lospräparieren des Herzens von seiner Umgebung wechselnde 
Mengen nicht kontraktiler Substanz (Stücke der großen Gefäße, außer- 
dem auch variable Mengen von Fettgeweben) das Herzgewicht ändern. 
Um diesen Fehler tunlichst auszumerzen, legen wir das Herz auf etwa 
2 Stunden in siedendes Wasser, das ganz wenig Essigsäure enthält. 
Aus dem so behandelten Herzen wird das Fett förmlich weggekocht 
und lassen sich die erwähnten nicht kontraktilen Elemente mit einer 
Pinzette vom übrigen Herzen loslösen. Letzteres wird nun bis zur 
Gewichtskonstanz getrocknet und dann der Zuckerverbrauch auf die 
nahezu fettfreie, kontraktile Trockensubstanz bezogen werden. 


Beispiel der Berechnung eines Versuchs. An Hand des nachfolgenden 
Beispiels wird die Berechnung des Zuckerverbrauchs in drei getrennten 
Perioden eines Versuchs unter Berücksichtigung der oben erwähnten, 
beim Wechsel im Apparat zurückbleibenden Flüssigkeitsrestes klar vor 
Augen geführt. 

Weibliches Tier. Körpergewicht 1950 g. Herzgewicht am Ende des 
Versuchs im feuchten Zustande 10,1g, Herztrockengewicht 1,128 g. 


I. Periode. 


Tingefüllt 125ccm Tyrodelösung, enthaltend 


0,196 Proz. Zucker . . . . 2 2 2 2 22.0.0. = 245 me 

Schluß dieser Periode 1 Stunde später, die Lösung 
enthält 0,142 Proz. Zucker . . . . 2. .2....=178 ,„ 
Zuckerverbrauch . . . . = 67 mg 


Zuckerverbrauch pro 1Stunde und lg feuchtes 
Herzgewicht o = = vr a caon 2 4 ker wa 56% 

Zuckerverbrauch pro 1 Stunde und 1g Herz- 
trockensubstanz . . . » 2 2 2 e 59 „ 


II. Periode. 
Von der ersten Periode zurückgeblieben 28 ccm, 


enthaltend 0,142 Proz. Zucker; frisch eingefüllt 
125 cem, enthaltend 0,196 Proz., also in 28 — 125 


= 153 ccm enthalten 40 + 245 = 285 mg 
Schluß dieser Periode 1 Stunde später; in 153 cem 
Lösung enthalten 0,135 Proz. Zucker . ....=207 ,„ 
Zuckerverbrauch . . . . = 78 me 
Zuckerverbrauch pro 1l Stunde und lg feuchtes 
Herzgewicht `, . . : oaa 2 2 2 2200. See ER 


Zuckerverbrauch pro 1 Stunde und 1 g Herz- 
trockensubstanz e e DÉI „ 


418 Z. Aszódi u. G. Ambrus: Physiologie überlebender Säugetierherzen. I. 


JII. Periode. 


Von der zweiten Periode zurückgeblieben 32 cem, 
enthaltend 0,135 Proz. Zucker, frisch eingefüllt 
125 ccm, enthaltend 0,196 Proz. Zucker, also in 
32 + 125 = 157cem . . . ..... 43- 245 = 288 mg 


Schluß dieser Periode 1 Stunde später, 157 ccm 


enthalten 0,142 Proz. Zucker = 223 5 
Zuckerverbrauch . = 65 mg 
Zuckerverbrauch pro 1l Stunde und 1g feuchtes 
Herzpewicht — s 3 + ze. a. a a Ae ES Di 
Zuckerverbrauch pro 1 Stunde und 1 g Herztrocken- 
sübstanz = p = s-s wir A aa e ier, EE B e 


(Die Zuckerkonzentration bestimmen wir stets nach dem neueren 
Bangschen Mikroverfahren.) 


Die Unkosten der zu obigen Versuchen nötigen Apparatur wurden 
aus den Mitteln bestritten, die dem Institute von der Ella Sachs- 
Plotz-Stiftung zur Verfügung gestellt wurden. Der Verwaltung der 
genannten Stiftung sei auch an dieser Stelle unser bester Dank aus- 
gesprochen. 


Zur Kenntnis des Mechanismus der Immunitätserscheinungen. 


IV. Mitteilung: 
Dialysierungsversuche. 


Von 


B. Sbarsky und K. Nikolaeff. 


(Aus dem Biochemischen Institut des Kommissariats für Volksgesundheit 
in Moskau.) 


(Eingegangen am 27. Januar 1927.) 


Beim Studium des Einflusses von Aminosäuren auf die Wirkung 
des Diphtherietoxins konnten Sbarsky und Subkowa (1) feststellen. 
daß der Zusatz von Tyrosin das Toxin atoxisch macht. Die Einführung 
von Gemischen aus Toxin und kleinen Mengen Tyrosin wird von Meer- 
schweinchen ohne jegliche Folgen ertragen. Erheblich schwächer 
wirkten Glvkokoll und Alanin, während Leucin vollständig wirkungslos 
blieb. Da das Toxin ein Gemisch aus mehreren Substanzen von un- 
gleicher toxischer Wirkung vorstellt, ist es von Interesse zu erforschen, 
wie die einzelnen Bestandteile des Toxins durch die Aminosäuren 
heeinflußt werden. 

Wir verfügen leider über keine Methode, die die genaue Zerlegung 
des Toxins in seine verschiedenen Bestandteile ermöglichte, obschon 
die Versuche, eine solche Zerlegung durch mannigfache Verfahren, ins- 
besondere durch fraktionierte Fällung, zu erzielen, recht zahlreich sind. 
Beim Studium des Toxins wurde wiederholt zu verschiedenen Zwecken 
die Dialyse verwendet. 

Die ersten die Dialyse von Diphtherietoxin betreffenden Arbeiten 
datieren vom Ende des vorigen Jahrhunderts. als zum ersten Male versucht 
wurde, das Toxin in trockenem Zustande herzustellen. Die Dialyse wurde 
vorwiegend zur Reinigung der erhaltenen toxischen Niederschläge von 
Alkohol, Salzen usw. angewendet. No wurde 1889 von Roux und Jersin (2) 
die wässerige Lösung des durch Alkoholfällung erhaltenen Niederschlags 
durch Pergament dialysiert. Es wurde nachgewiesen, daß das Toxin dureh 
die Membran hindurchgeht, denn dureh die Injektion der Außenflüssigkeit 
wurden Kaninchen getötet. Zu abweichenden Ergebnissen gelangten 
Brieger-Fraenkel (3) und Wassermann-Proskauer (4), nach deren Anschauung 
das Toxin gewöhnlich nicht oder nur in ganz unbedeutendem Maße dialysiert. 
1905 dialysierten Calcar (5) und Röhmer (6) Diphtherietoxin unter Druck. 


420 B. Sbarsky u. K. Nikolaeff: 


Diese Autoren gelangten zu dem Ergebnis, daß das Toxin bei der Dialyse 
unter normalem Druck nicht durch die Membran hindurchgeht, bei Über- 
druck jedoch leicht durch die Membran dialysiert. 

Dernby und Walbum (7) wiederholten 1923 die Versuche mit der Toxin- 
dialyse und bestätigten, daß bei passendem Druck etwa 30 Proz. des in 
einem Kollodiumsäckchen befindlichen Toxins hinausdialysieren. Nélis ($) 
nimmt an, daß das Diphtherietoxin in kleinen Mengen durch kolloidale 
Membranen dialysiert. 

Wir griffen zur Dialyse in der Hoffnung, durch dieses Verfahren 
das Diphtherietoxin in zwei Anteile zu zerlegen, um die Wirkung der 
Aminosäuren sowohl auf das Dialysat wie auf den durch die Membran 
hindurchgetretenen Anteil untersuchen zu können. Als Dialvsier- 
hülsen verwendeten wir Kollodiumsäckchen, die durch dreimaliges 
Begießen weiter Reagenzgläschen mit Kollodiumlösung (Kahlbaum) 
hergestellt wurden. Die Säckchen, deren Durchmesser etwa 4cm und 
deren Länge etwa 10 cm betrug, wurden an Glasröhrchen befestigt 
und an Stativen aufgehängt. Vor dem Gebrauch wurden die Hülsen 
1 bis 24 Tage lang in mehrmals erneutem destillierten Wasser gewaschen. 

Es wurde jedesmal dieselbe Menge Toxin (25 cem) in die Säckchen 
gegossen, in den äußeren Becher kamen 400 ccm destilliertes Wasser. 
Sowohl das Toxin wie das äußere Wasser blieben während der ganzen 
Dauer des Versuchs von einer dünnen Schicht Toluol bedeckt. Die 
Dialyse dauerte 24 Stunden im Dunkeln und bei Zimmertemperatur. 
Es wurden im ganzen 15 Dialysen mit ein und demselben Toxin aus- 
geführt, dessen Dim. 0,0053 cem betrug. Nach Abschluß der Dialyse 
wurde die Flüssigkeitsmenge im Innern des Säckchens sowohl, als im 
Außenbecher gemessen. Die Hülse wurde innen und außen mit je 
20 cem destillierten Wassers gespült, die den betreffenden Flüssigkeiten 
zugesetzt wurden. Dann wurde der Gesamt- und Reststickstoff (Fällung 
durch Phosphorwolframsäure) nach Kjeldahl und der Aminostickstoff 
nach van Slyke im Ausgangstoxin, in der inneren und in der äußeren 
Dialvseflüssigkeit bestimmt. Die Toxizität der letzteren wurde durch 
Injektionen an Meerschweinchen ermittelt. Auf solche Weise erhielten 
wir ein Bild von der Verteilung des Stickstoffs des Toxins nach der 
Dialyse und erfuhren. wieviel Letaldosen die Innen- und die Außen 
flüssigkeit enthielt. 

Die Wirkung der Aminosäuren untersuchten wir, indem wir in 
einem Teile der Versuche Glvkokoll und Tyrosin zur Innen- und Außen- 
flüssigkeit zusetzten, in anderen Versuchen aber die Aminosäuren mit 
dem Toxin vor der Dialyse vermischten. Auch in diesen Versuchen 
wurde, wie bei der einfachen Dialyse, der Stickstoffgehalt und die 
Zahl der Letaldosen bestimmt. 

Die Ergebnisse aller Versuche sind summarisch in nachstehender 
Tabelle zusammengefaßt. 


421 


Immunitätserscheinungen. IV. 


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wt | 0008 our 
OSY ` OUSE ot 
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28 


Biochemische Zeitschrift Band 183. 


422 B. Sbarsky u. K. Nikolaeff: 


Wie aus der Tabelle ersichtlich, ist die Verteilung der stickstoff- 
haltigen Substanzen nach der Dialyse ungleichmäßig. Aus den ersten 
sieben Versuchen, bei denen reines Toxin der Dialyse unterworfen 
wurde, geht hervor, daß die binnen 24 Stunden zwischen dem äußeren 
Becher und dem Innern des Dialysators ausgetauschte Flüssigkeits- 
menge in allen Versuchen fast die gleiche bleibt. Von dem Gesamt- 
gehalt der 25ccm Toxin an Stickstoff (durchschnittlich 111,2 me) 
werden nach der Dialyse in der Hülse nur 17,5 Proz. (durchschnittlich 
19,46 mg) wiedergefunden, während die Außenflüssigkeit 76,8 Proz. 
(durchschnittlich 85,5 mg) davon enthält. Der Reststickstoff verteilt 
sich auf folgende Weise. Von den durchschnittlichen 46,17 mg bleiben 
im Dialysator 8,7 Proz. zurück, und 87,0-Proz. gehen in die Außen- 
flüssigkeit über. Vom Aminostickstoff finden wir nach der Dialvse 
etwa 80,2 Proz. in der Außenflüssigkeit und ungefähr 11 Proz. im 
Dialysator wieder. Die prozentuale Verteilung des Reststickstoffs 
und des Aminostickstoffs nach der Dialyse ergibt also fast die gleichen 
Werte, die aber nicht mit denen des Gesamtstickstoffs übereinstimmen. 
Wir sehen weiter, daß der Aminostickstoff nur einen Teil des gesamten 
Reststickstoffs ausmacht (etwa 46 Proz.).. Es ist wohl möglich. daß 
mit der van Siykeschen Methode, bei der eine Anzahl von Aminosäuren 
nicht ihren ganzen Gehalt an Aminogruppen freigeben, aus diesem 
Grunde nur ein Teil des gesamten Reststickstoffs bestimmt wird, 
obwohl letzterer vielleicht ausschließlich aus Aminostickstoff besteht. 
Diese Vermutung ist um so wahrscheinlicher, als die Verteilung beider 
Stickstoffarten mehr oder minder parallel geht. 

Gleichzeitig wurde die Zahl der Letaldosen ermittelt. Es wurde 
die Flüssigkeitsmenge bestimmt, die erforderlich war, um ein Meer- 
schweinchen auf den vierten Tag nach der Injektion zu töten und daraus 
die Anzahl der Letaldosen in der inneren und der äußeren Flüssigkeit 
berechnet. Wie aus der Tabelle ersichtlich, enthielten die 25 cem des 
in den Dialysator gebrachten Toxins 4716 Letaldosen. Nach der Dialyse 
betrug die Summe der Toxineinheiten in der Innen- und Außenflüssig- 
keit bloß 61,8 Proz. des Ausgangswerts. Es gingen folglich etwa 38 Proz. 
der Toxineinheiten bei der Dialyse verloren, ein Umstand, der auch 
von den eingangs zitierten Autoren, die mit der Toxindialyse arbeiteten, 
hervorgehoben wurde. Da das gealterte Toxin, mit dem wir experi- 
mentierten, an und für sich beim 24stündigen Stehenlassen bei Zimmer- 
temperatur seine volle Toxizität behielt, so muß dieser Verlust bei der 
Dialyse der Adsorption von Toxin an der Oberfläche des Kollodiums 
der Dialysierhülse zugeschrieben werden. 

Die Verteilung der erhalten gebliebenen 62 Proz. der Toxıneinheiten 
verhält sich umgekehrt der Verteilung des Stickstoffs, namentlich sind 
im Innern des Dialysators etwa 47 Proz. der ursprünglichen Letaldosen 


Immunitätserscheinungen. IV. 423 


enthalten, während sich etwa 15 Proz. in der Außenflüssigkeit befinden. 
Die Hauptmenge des Stickstoffs ist hingegen, wie wir gesehen haben, 
in der Außenflüssigkeit enthalten. 

In den weiteren Versuchen wurde die Dialyse unter denselben 
Bedingungen ausgeführt, zu dem Toxin wurde aber Glykokoll (in den 
Versuchen 8, 10, 11, 12) und Tyrosin (Versuche 13, 14, 15) zugesetzt, 
um ihren entgiftenden Einfluß auf das Diphtherietoxin zu untersuchen. 

In den Versuchen von Sbarsky und Subkowa hatte der Zusatz von 

Glykokoll eine geringe Abnahme der Toxizität des Diphtherietoxins 
zur Folge, während das Tyrosin es vollständig entgiftete. Diese Wirkung 
wird von Sbarsky dadurch erklärt, daß die Aminosäuren durch die 
Erythrocyten adsorbiert werden und sie auf diese Weise verhindern, 
dlas Toxin zu adsorbieren. Die Aminosäuren könnten in vitro chemisch 
auf gewisse toxische Anteile des Toxins einwirken und das Gemisch 
bei der Injektion bereits in entgiftetem Zustande in den Organismus 
gelangen. Diese Annahme konnte auf folgende Weise geprüft werden. 
Bei der Dialyse des Toxin-Aminosäuregemisches müssen die letzteren 
durch das Kollodiumsäckchen größtenteils in die Außenflüssigkeit 
übergehen. Ihre Wirkung könnte hier an der Verringerung der Zahl 
der Toxineinheiten kenntlich werden. Die Eigenschaften des im 
Dialysator zurückbleibenden Toxinanteils würden dabei unverändert 
bleiben. Sollte es sich um eine rein chemische Wirkung der Amino- 
säure in vitro handeln, so müßte ihr Einfluß auch in der Innenflüssigkeit 
zur Geltung gelangen, mit der sie ziemlich lange in Berührung bleiben. 
Die Dialyse dauerte 24 Stunden, während das Toxin-Aminosäuren- 
gemisch in den Versuchen von Sbarsky und Subkowa 15 Minuten nach 
der Herstellung injiziert wurde und sich bereits als atoxisch erwies. 
Bei der Betrachtung der Resultate der Dialyseversuche mit Toxin- 
Aminosäuregemischen ist ersichtlich, daß der als Aminosäure zu- 
gesetzte Stickstoff, wie zu erwarten war, fast vollständig in die Außen- 
flüssigkeit überging. Im Versuch 10 wurden z.B. von den 192 mg 
Stickstoff, die dem zugesetzten Glykokoll entsprachen, 164 mg in der 
Außenflüssigkeit wiedergefunden. Der Aminostickstoffwert ergibt 
die gleiche Zunahme des Stickstoffgehalts der Außenflüssigkeit. Der 
größte Teil des Glykokolls war also in die Außenflüssigkeit übergetreten. 
Wenden wir uns zu den bei der Bestimmung der Letaldosen in der 
Außen- und Innenflüssigkeit bei den Dialyseversuchen mit Glykokoll 
erhaltenen Werten, so können wir uns überzeugen, daß in der Innen- 
flüssigkeit nicht nur keine Abnahme des Gehalts an Toxineinheiten 
im Vergleich zum Kontrollversuch (Dialyse von reinem Toxin) statt- 
gefunden hat, sondern umgekehrt, eine Zunahme erfolgt ist. In der 
Tat erhielten wir bei der Dialyse reinen Toxins in der Innenflüssigkeit 
stets durchschnittlich 2206 Toxineinheiten. In den Versuchen 10, 11 


28 * 


424 B. Sbarsky u. K. Nikolaeff: 


und 12 betrug der Toxingehalt der Innenflüssigkeit nach der Dialyse 
3025 Einheiten. Diese Zunahme ist dadurch zu erklären, daß kleine 
Mengen von Glykokoll nicht nur keine Abnahme der Toxizität des 
Toxins hervorrufen, sondern im Gegenteil, seine Wirksamkeit erhöhen. 
Auf diese Erscheinung weisen Sbarsky und Subkowa in ihrer Arbeit hin. 
Ganz anders verhält sich die Außenflüssigkeit, in die die Hauptmenge 
des zugesetzten Glykokolls übergetreten ist. Bei den Versuchen mit 
l g Glykokoll enthielt die Außenflüssigkeit ebensoviel Letaldosen wie 
bei den Versuchen mit reinem Toxin. Wurden jedoch 3 oder 6g 
Glykokoll zugesetzt (Versuche 11 und 12), so ergab sich bereits eine 
Abnahme des Toxingehalts von 650 Einheiten auf 100 Einheiten. 


Dieselben Erwägungen gelten in vollem Maße für die Versuche 13. 
14 und 15 mit Tyrosinzusatz. Nur wurde hier keine Zunahme des 
Toxingehalts der Innenflüssigkeit im Vergleich zur Kontrolle beob- 
achtet. Dies stimmt vollständig damit überein, daß kleine Tyrosin- 
mengen keine dem Glykokoll entsprechende Steigerung der Toxizität 
des Diphtherietoxins hervorrufen. 


Diese Ergebnisse sprechen zugunsten der Anschauung, daß der 
Zusatz von Aminosäuren nicht auf chemische Weise die Eigenschaften 
des Toxins beeinflußt, sondern seine Wirkung in vivo bei der gleich- 
zeitigen Einführung in den Organismus entfaltet. 


Es war von Interesse, das Schicksal der 38 Proz. bei der Dialyse 
verloren gehenden Toxineinheiten zu verfolgen. Wir haben darauf 
hingewiesen, daß eine Reihe von Autoren diese Erscheinung dadurch zu 
erklären suchen, daß der Dialysator einen beträchtlichen Anteil des Toxins 
adsorbiere. Wir haben diese Annahme geprüft. Zu diesem Zwecke 
wurde das Kollodiumsäckchen nach der Dialyse innen und außen mit 
destilliertem Wasser gewaschen, alsdann in der Reibeschale mit physio- 
logischer Kochsalzlösung zerrieben und die so erhaltene Emulsion Meer- 
schweinchen subkutan injiziert. Die Meerschweinchen gingen ein. 
was darauf hinweist, daß tatsächlich Adsorption des Toxins erfolgt. 


Zusammenfassung. 


l. Bei der Dialyse des Diphtherietoxins geht dieses zum Teil in 
die Außenflüssigkeit über. 

2. Die stickstoffhaltigen Anteile des Toxins verteilen sich nach 
der Dialyse auf solche Weise, daß die überwiegende Menge in der Auen. 
flüssigkeit enthalten ist. 

3. Dieser Stickstoff entfällt vorwiegend auf die Aminoprodukte 
des Toxins, deswegen tritt seine Wirkung in der Außenflüssigkeit 
deutlich zum Vorschein. Deshalb erscheint die Anzahl der Toxin- 
einheiten in der Außenflüssigkeit beträchtlich erniedrigt. 


Immunitätserscheinungen. IV. 425 


4. Der Zusatz von Glykokoll und Tyrosin zum Diphtherietoxin 
wirkt nur auf die Außenflüssigkeit. Dies stimmt damit überein, daß 


der größte Teil der Aminosäuren bei der Dialyse in die Außenflüssigkeit 
übertritt. 


5. Diese Resultate weisen darauf hin, daß der Einfluß der Amino- 
säuren auf das Diphtherietoxin nicht auf einer chemischen Wechsel- 
wirkung mit dem Toxin beruht, sondern in einer Schutzwirkung im 
Innern des Organismus besteht. 


Literatur. 


1) Sbarsky-Subkowa, diese Zeitschr. 172, 40, 1926. — 2) Rourxr-Yersin, 
Ann. de l’Inst. Pasteur 1889. — 3) Brieger-Fraenkel, Berl. klin. Wochenschr. 
1890. — 4) Wassermann-Proskauer, Deutsch. med. Wochenschr. 1891. — 
5) Calcar, Berl. klin. Wochenschr. 1904. — 6) Römer, ebendaselbst 1905. — 
7) Dernby-Walbum, diese Zeitschr. 188, 505, 1923. — 8) Nelis, Ann. de 
l’Inst. Pasteur 1926. 


Katalase und Peroxydase beim Epileptiker. 
Von 
Ilse Sachs und Herbert Zander. 
(Aus dem Laboratorium der Anstalt Berlin-Wuhlgarten.) 


(Eingegangen am 30. Januar 1927.) 


Daß bei Epileptikern eine Stoffwechselstörung vorhanden ist. 
steht wohl seit den grundlegenden Versuchen von de Crinis und anderen 
Forschern einwandfrei fest. Unsere Untersuchungen galten der Frage. 
ob diese Störung auf eine mangelhafte Wirksamkeit der Oxydations- 
fermente zurückzuführen ist. Wir untersuchten zu diesem Zwecke die 
Katalase und die Peroxydase, denen bekanntlich eine Rolle im Stoff- 
wechsel zugeschrieben wird, und verglichen in einer Reihe von Messungen 
die Wirksanıkeit dieser Fermente bei genuinen Epileptikern und bei 
Gesunden. 

A. Koatalase. 


Zur Bestimmung der Katalase wurde nach den Angaben von 
Bach und Subkowa!) verfahren, deren Arbeitsweise wir hier kurz wieder- 
geben: 


Von einer 1: 1000 verdünnten Blutlösung werden für jede Bestimmung 
drei Proben von je 1l cem entnommen. Von diesen dient die erste zur Be- 
stimmung des zur Verwendung gelangenden Wasserstoffsuperoxyds (2 cem 
von 1 bis 1.5 Proz.); sie wird deshalb zwecks Zerstörung der Fermente 
aufgekocht und mit n/10 Kaliumpermanganatlösung titriert. Die zweite 
Probe dient zur Bestimmung der Katalase. Sie wird, nachdem sie 1 Stunde 
bei 17° gehalten wurde, mit der gleichen Menge Wasserstoffsuperoxyd 
versetzt. Nach einer halbstündigen Einwirkung titriert man das unzersetzte 
Wasserstoffsuperoxyd mit n/l0 Kaliumpermanganatlösung, die Anzahl 
der zersetzten Kubikzentimeter n’l10 Wasserstoffsuperoxyd mit 1,7 multi- 
pliziert ergibt die Katalasezalıl. Diese wird also ausgedrückt durch die ` 
Menge Wasserstoffsuperoxyd in Milligrammen, die von 1 cmm Blut zersetzt 
wird. Die dritte nach Bach und Subkowa entnommene Probe dient zur 
Bestimmung der Protease. 

Die Blutproben wurden im allgemeinen in Abständen von 1 bis 2 Tagen 
entnommen, einige Male auch in größeren Zwischenräumen. Von jeder 


1) Diese Zeitschr. 125, 283, 1921. 


I. Sachs u. H. Zander: Katalase und Peroxydase beim Epileptiker. 427 


Blutprobe wurden zwei Analysen ausgeführt und das arithmetische Mittel 
berechnet. Die Abnahme geschah morgens nüchtern oder mehrere Stunden 
nach der Mahlzeit. 

Die im einzelnen gefundenen Werte waren folgende: 


I. Bei Epileptischen: 


Ä | , | | | 
Fall 1 99 11.1 11,9111,4111,210,9 13,9113,9112,210,5 13,3112,1' — Es a 
2 | 11,2113,3,14,111,9, 9,916,315,5,12,4 122156141 — | — — | — 
3. 12.1115,113,8,13,3.14,6 — | — | — | — | — | — Bee 
BEE 15,3:13,4114,8.15,7/14,8112,9'14,1,18,1 
RECHERCHER EECH HEET EECH AE 
- 6 .19,0115,313,6.16,0.19,7 — — —|—:— — Ee EE 
c a BATS 13 er e eier re sel 
E EE EE E EE TE 
II. Bei Gesunden: 
| 
Fall 9. 17,0 , 17,9 | 16,5 | 17,0 | 17,0 | 15,0 | 168| —  — 
10 |.. (Gë | 14,1 | 143 | 15,1 | 148 | 17,0 ` 18,0 | 17.0 ' 16,0 
ee Tal ees een Ze 
m12... 1 17,0 | 16,5 1167 | 162 |168| —  - | - | — 
13... 241 89. 01|9|10 | — -|-| 


Wir ermittelten nun bei jedem Falle von der Reihe der gefundenen 
Anulvsenergebnisse erstens den Durchschnittswert sämtlicher Bestimmungen, 
zweitens das Maximum und drittens das Minimum. Das Ergebnis ist in 
folgender Tabelle zusammengestellt: 


Katalasezahlen. 
u | | Kr z 
Ge | Maximalwerte | Minimalwerte ee 
I. Bei Epileptischen 
Fall. 11,9 | 13,9 9.9 | 12 
e. GE 13.4 16,3 | 9.9 | 11 
ge, 94 13,8 15,1 12,1 5 
„4. 14.4 17,2 | 12,2 16 
a o 15,8 20.4 11,6 16 
ET 16,7 19,7 | 13,6 | 5 
e, Se 13,3 14,8 | 11,7 5 
N 14.8 | 16,7 | 12,4 5 
II. Bei Gesunden 
Fall9. ... 16,7 | 17,9 | 15,0 7 
BI (ER 15,7 18,0 141 d 
BE Sief 14.6 15.8 | 12,6 3 
ln e a 16.6 | 17.0 16,2 5 
BE EEN 19.4 211 | 18,0 5 


Wir berechneten dann aus diesen Zahlen den Gesamtdurchschnitts- 
wert für sämtliche Epileptiker und für sämtliche Gesunde und fanden: 


Durchschnittliche Katalasezahl für Epileptische . . 14,3 
Durchschnittliche Katalasezahl für Gesunde . . . 16,6 


428 I. Sachs u. H. Zander: 


Der Durchschnitt sämtlicher Maximalwerte für Epileptische ergab 
die Katalasezahl 16,8, für Gesunde die Katalasezahl 18,0. Als Durch- 
schnitt der Minimalwerte wurde für Epileptische die Katalasezahl 11.7. 
für Gesunde die Katalasezahl 15,2 gefunden. 

Wie aus diesen Zahlen hervorgeht, ist die Katalasezahl bei Ge- 
sunden durchschnittlich etwas höher. Bei den Minimalwerten ist dieser 
Unterschied besonders deutlich, die Maximalwerte der Epileptiker 
liegen dagegen ziemlich dicht bei denen der Gesunden. Ein gesetz- 
mäßiger Einfluß des Befindens, der Art der Nahrung und des Wetters 
konnte nicht festgestellt werden. Außerdem wurde in Stichproben das 
Blut einer Anzahl anderer Epileptischer auf Katalase geprüft, die 
gefundenen Werte blieben jedoch alle im Rahmen der oben ermittelten. 

Die Fermenttätigkeit wird bekanntlich durch anorganische und 
auch organische Substanzen beeinflußt. Es lag demnach die Möglichkeit 
vor, daß die etwa im Blute Epileptischer vorhandenen pathologischen 
Abbauprodukte auch eine hemmende Wirkung auf die Katalasetätigkeit 
ausüben. Aus diesem Grunde bestimmten wir zunächst den Einfluß 
von Gwuanidinsulfat, Alkohol, Acetaldehyd, Coffein und Xanthin. 
Guanidinsulfat wurde gewählt, weil nach einigen Autoren guanidin- 
ähnliche Verbindungen im Blute Epileptischer eine wesentliche Rolle 
bei der Erkrankung spielen. Der Einfluß von Alkohol wurde mit 
Rücksicht auf die Alkoholepilepsie geprüft und Acetaldehyd als Oxy- 
dationsprodukt von Alkohol. Coffein und Xanthin wurden wegen ihrer 
Beziehungen zur Puringruppe gewählt, die bekanntlich im Eiweiß- 
stoffwechsel eine Rolle spielt. 

In der folgenden Tabelle stellen die unter a verzeichneten Werte 
die nach der gewöhnlichen Methode ermittelten Katalasezahlen in 
reiner wässeriger Lösung dar, unter b sind die Katalasezahlen angegeben. 
die dasselbe Blut aufweist, wenn es an Stelle von destilliertem Wasser 
mit einer Lösung der betreffenden Substanz versetzt wird, so daß eine 
Konzentration von 1: 100000 entsteht; ebenso unter c bei Verdünnung 
mit einer Lösung von 1:10000; unter d bei Verdünnung mit einer 
Lösung von 1:1000 und unter e bei Verdünnung mit einer Lösung 
von 1:100. Verwendet wurde hierbei stets Blut von Gesunden. 

Aus der Tabelle geht hervor, daß die Einwirkung von Coffein in 
den angewandten Konzentrationen nur geringfügig ist. Guanidin- 
sulfat zeigt jedoch schon in geringen Konzentrationen eine deutlich 
hemmende Wirkung, ebenso Acetaldehyd, der bei stärkeren Kon- 
zentrationen eine fast vollständige Lähmung der Fermenttätigkeit 
herbeiführt. Bei Zusatz von Alkohol ist die Aktivierung in der Kon- 
zentration 1: 100000 auffallend. Aus den Ergebnissen geht hervor. 
daß Fremdstoffe außerordentliche Einwirkungen ausüben können, die 
selbst bei geringen Konzentrationen über die Fehlergrenze hinausgehen. 


Katalase und Peroxydase beim Epileptiker. 429 


Änderungen der Wirksamkeit der Katalase im Blute bei Einwirkung 
steigender Menge fremder Stoffe. 


| a b | c | d e 
Guanidinsulfat : | ER | | 
Fall ...... I 20,1 19,6 18,7 10156, 18,8 
NR | 16,0 14,6 13, ER 11,7 
Athylalkohol: Ä 
Fal3 ...... , 165 17,0 15,4 146 | 133 
GE BEE | 180 19,4 17,9 17,3 j B6 
Acetaldehyd: | | 
Fal5 2.2.2... i 18,0 17,3 16,3 i 102 TI 20 
e E ee 20,4 20,1 17,9 138 49 
Coffein: | 
Kall, 17,3 17.3 17, 16,7 16,5 
en 19,0 19,2 192 100 H. 
Xanthin: | | | | 
Fal9 2.22... 100 mu | 18,7%) (Gäert, — 
GE (CEET 178 172 | 158% HIN) — 


°) 1:50000. — °°) 1: 10000. 


Um bei den analytischen Bestimmungen der Katalase dieser eine 
ähnliche Umgebung wie im Körper zu bieten, haben wir in einer weiteren 
Versuchsreihe zur Verdünnung des zu untersuchenden Bluttropfens 
kein Wasser, sondern Serum verwendet. Es wurden zwei Versuchs- 
reihen ausgeführt, die erste unter Zusatz von Serum Gesunder, die 
zweite unter Zusatz von Serum Fpileptischer. Wir untersuchten 
auf diese Art sowohl Blut von Gesunden wie auch Blut von Epi- 
leptischen. 

Bei der Verwendung des Epileptikerserums leitete uns besonders 
der Gedanke, daß die unter Umständen in demselben vorhandenen 
pathologischen Stoffwechselprodukte bei der üblichen Analysen- 
methode durch das zugesetzte Wasser so stark verdünnt werden, daß 
ihre möglicherweise im Körper vorhandene lähmende Wirkung gänzlich 
aufgehoben wird, und daß wir nach dieser Methode Werte bekommen, 
die den tatsächlichen, im Körper vorhandenen Verhältnissen nicht 
entsprechen. Zu diesem Zwecke wurden 0,025 ccm Blut, das wie ge- 
wöhnlich aus der Fingerbeere genommen wurde, mit fremdem Serum 
auf l ccm verdünnt und hiervon für jede Bestimmung 0,02 ccm ent- 
nommen, die wiederum mit Serum auf 2,5ccm verdünnt wurden. 
Wir hatten dadurch eine Verdünnung von 1: 5000 erreicht gegenüber 
einer Verdünnung von 1:10000 bei den vorhergehenden Versuchen. 
Wasserstoffsuperoxyd wurde in möglichst konzentrierter Form hinzu- 
gegeben, für die Reaktion genügten 0,1 bis 0,2 ccm 30proz. Wasser- 
stoffsuperoxvd. 


"430 I. Sachs u. H. Zander: 


Die in der folgenden Tabelle unter a verzeichneten Werte stellen 
die Katalasezahlen dar, die wir bei der Verdünnung von 1: 5000 mit 
Serum von Gesunden fanden. Unter b sind die Katalasezahlen an- 
gegeben, die wir bei der gleichen Verdünnung mit Serum von Epilepti- 
schen fanden. Außerdem wurde im Serummilieu der EinfluB von 
Guanidinsulfat auf die Katalasetätigkeit bestimmt, und zwar wurde 
der zu untersuchenden Lösung so viel Guanidinsulfat zugesetzt, daß 
eine Lösung 1: 10000 entstand. Das hierbei verwendete Serum stammte 
von Gesunden, die ermittelten Werte sind unter c angegeben. Es wurde 
nur Blut von Gesunden untersucht. 


Katalasezahlen im Serummilieu. 
a b | CG 


Blut von Gesunden 


Fall ... 18,3 (24,1) 18,0 (24.0) 17,9 (23.8) 
ee SEH 16,3 (21,1) 16,3 (23,1) 16,2 (23.0) 
Blut von Epileptischen 
Fall 3 l... 16,0 (22,8) 16,0 (22,8) — 
Pe Ger E 17.0 (22,8) 16.2 (22,1) — 


Die in Klammern gesctzten Zahlen sind die Werte, die bei der 
direkten Berechnung der gefundenen Analysenresultate ermittelt 
wurden. Diese geben aber von der Katalasetätigkeit kein richtiges 
Bild, da auch das Serum selbst Wasserstoffsuperoxyd zersetzt. Wenn 
diese Zersetzung auch gegenüber der durch das Blut selbst verursachten 
nur minimal ist, so macht sie sich hier, wo wir die 5000fache Menge 
Serum verwendet haben, doch bemerkbar. Die nicht eingeklammerten 
Werte sind unter Berücksichtigung dieser Wirkung des Serums er- 
rechnet. 


Die von uns erhaltenen Resultate lassen, wie aus der Tabelle 
ersichtlich ist, weder bei Blut von Gesunden noch bei Blut von Epilepti- 
schen einen Unterschied in der Katalasetätigkeit bei Gegenwart von 
Serum Gesunder gegenüber der bei Gegenwart von Serum Epileptischer 
erkennen, und dies dürfte wohl darauf hinweisen, daß eine nachteilige 
Einwirkung der im Blute Epileptischer vorhandenen pathologischen 
Abbauprodukte auf die Katalasetätigkeit nicht in Betracht kommt. 


Die unter c angegebenen Werte lassen erkennen, daß Guanidin- 
sulfat in der von uns verwendeten Konzentration keinen Einfluß auf 
die Katalasetätigkeit ausübt. Zum Vergleich stellten wir auch in den 
beiden ersten Fällen den Abfall der Katalasetätigkeit in wässerigen 
Lösungen durch die gleichen Mengen Guanidinsulfat fest, und wir 
fanden bei sonst unveränderten Bedingungen eine Herabsetzung um 


Katalase und Peroxydase beim Epileptiker. 431 


über 20 Proz. Die bekannte Pufferwirkung des Serums tritt also auch 
dem Guanidinsulfat gegenüber in Erscheinung, und es läßt sich demnach 
vermuten, daß dies, besonders wenn man zugleich die Ergebnisse der 
Versuchsreihe b betrachtet, wohl auch gegenüber den pathologischen 
Stoffwechselprodukten im Blute Epileptischer geschieht. 


Beim Vergleich der Katalasezahlen im Serum mit den in wässerigen 
Lösungen erhaltenen Werten fanden wir, selbst wenn wir die Wasser- 
stoffsuperoxyd zersetzende Wirkung des Serums berücksichtigten, in 
einigen Fällen eine starke Aktivierung durch das Serum, in anderen 
Fällen nicht. Da wir diese Versuche nicht weiter ausdehnen konnten, 
können wir über die Ursache dieser Erscheinung oder über gesetzmäßige 
Zusammenhänge nichts aussagen. 


Der Methode von Bach und Subkowa folgend, bestimmten wir in 
einer Anzahl von Fällen neben der Katalase auch die Protease. Aus 
den gefundenen Ergebnissen lassen sich jedoch keine Rückschlüsse 
zichen. 


B. Peroxydase. 


Da die von Bach und Subkowat) für Bestimmungen von Peroxydase 
im Blute mitgeteilte Methode auf kolorimetrischer Grundlage unseren 
Ansprüchen nicht genügte, arbeiteten wir zusammen mit F. Ehrmann 
die von Smirnow?) zur Bestimmung der Pflanzenperoxydase angegebene 
Methode für unsere Zwecke. Bestimmung der Blutperoxydase, weiter aus. 


Nach Smirnow wird peroxydasehaltiger Pilanzenextrakt mit 1proz. 
Wasserstoffsuperoxyd- und Pyrogallollösung versetzt; nach Ablauf von 
20 Stunden wird das durch Oxydation des Pyrogallols entstandene Purpuro- 
gallin in heißer schwetfelsaurer Lösung mit einer abgemessenen, über- 
schüssigen Menge n/10 Kaliumpermanganatlösung oxydiert und das nicht 
verbrauchte Kaliumpermanganat mit n’10 Oxalsäure titrimetrisch be- 
stimmt. Nach Smirnow entspricht 1 cem des verbrauchten n’10 Kalium- 
permanganats 0,7 mg Purpurogallin. Das gebildete Purpurogallin gibt 
einen Maßstab für die Wirksamkeit der Peroxydase. 


Diese Methode war für uns aus dem Grunde nicht ohne weiteres 
brauchbar, da, wie wir beobachtet hatten, auch gekochte Blutlösung 
nach Zusatz von Pyrogallollösung einen Niederschlag gibt, der durch 
Permanganatlösung oxydierbar ist. Da Peroxydase aber durch Kochen 
völlig zerstört wird, kann der Niederschlag kein Purpurogallin dar- 
stellen, er muß deshalb notwendigerweise zu falschen Analysenresultaten 
führen. 


Wir sahen uns daher gezwungen, die Smirnowsche Methode für 
unsere Zwecke wie folgt abzuändern: 

1) Diese Zeitschr. 125, 283, 1921. 

2) Ebendaselbst 155, 1, 1925. 


432 I. Sachs u. H. Zander: 


Von einer 1: 200 verdünnten Blutlösung wurden für jede Bestimmung 
3 ccm in ein Zentrifugiergläschen gebracht und mit 1 ccm 10proz. Pyrogallol- 
lösung versetzt. Der entstandene Niederschlag wurde abgeschleudert und 
mit kaltem Wasser ausgewaschen. Die nunmehr vom Niederschlag befreite 
Lösung, zu der auch das Waschwasser gegeben wurde, wurde jetzt mit 
2 ccm 3proz. Wasserstoffsuperoxyd versetzt. Eine geringere Menge hiervon 
reicht in diesem Falle nicht aus, da die Wasserstoffsuperoxyd zersetzende 
Wirkung der Katalase in der vorliegenden Konzentration recht erheblich 
ist. Nach längerem Stehen (etwa 20 Stunden) wurde das gebildete Purpuro- 
gallin abgeschleudert, mit kaltem Wasser gewaschen, in heißer, etwa 80 proz. 
Schwefelsäure gelöst und mit n’20 Kaliumpermanganatlösung titriert. 
Es wurde darauf geachtet, daß bei der Reaktion des Ferments auf Wasser- 
stoffsuperoxyd stets die gleiche Verdünnung zur Anwendung kam. Purpuro- 
gallin konnte in dem durch Pyrogallol verursachten Niederschlag nicht mit 
entfernt werden, da ja Wasserstoffsuperoxyd erst später zugesetzt wird und 
ohne dasselbe Purpurogallin sich nicht bilden kann. Durch die beschriebene 
Methode wird natürlich nur die in den roten Blutkörperchen erhaltene, in 
Lösung gehende Peroxydase erfaßt. 


Die Brauchbarkeit der Methode ergibt folgender Versuch: In 
einer aus Meerrettich hergestellten Peroxydaselösung wurde die Wirk- 
samkeit des Ferments zuerst gravimetrisch, dann nach beschriebener 
Methode bestimmt. Die gefundenen Werte stimmten genügend genau 
überein. Gewichtsanalytisch wurde gefunden: l cem der Lösung 
enthält 27,6 mg Purpurogallin. maßanalytisch wurden nach der von 
uns ausgearbeiteten Methode in 1 cem 27,02 mg gefunden. 

Für unsere Methode gilt das gleiche wie für die anderen Methoden 
zur Bestimmung der Bilutfermente, man erhält nicht direkte Werte, 
sondern nur relative Zahlen!). Als Maßstab wurde die aus Wasser- 
stoffsuperoxyd und Pyrogallol bei Gegenwart von 100 cm in Blut 
gebildete Menge Purpurogallin genommen. Bei einer Anzahl von 
Peroxydasebestimmungen nach der neuen Methode erhielten wir 
folgende Ergebnisse: 


I. Bei Epileptischen: 


> 9/119 | 131 
„10 1831 ' 128 | 119 | UA 


| l | ! 
Fall 1 | 11,2 133 | 89 | 11.01 — pe er ar Sen "sek 
„2119 147 |1835! 86| — = = e pe, Të 

3. 91, 11.0 | 65 | 119 | 128 | 15,4 | 14,9 | 152 | 14,0 , 142 
„4, 72 65| 84l 135 | 145 | 15.6 | 13,1 | 13,5 | 124 | — 
„a |1081 68! 683| 91] 98! | — Set SE 
„6 105, 1383! 75j 77 |131; — | — = be Dë 
II. Bei Gesunden: 
| 

Fall 7 ` 104 | EE EE E ER 

„8,112 | 135 | 15.6 | 16.6 | 16,6 | 164, 147| — | = — 
135 | 128 | Iää — | — 
| 


EE en A ët e ee 


1) Wieweit überschüssige Mengen Wasserstoffsuperoxyd und Pyro- 
gallol eingewirkt haben. haben wir nicht untersucht. 


Katalase und Peroxydase beim Epileptiker. 433 


Wie wir bereits bei den Katalasezahlen ausgeführt haben, er- 
mittelten wir auch hier für jeden Fall den Durchschnittswert, das 
Maximum und das Minimum. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht 
über unsere Zusammenstellung: 


Peroxydase. 
| er itts» Maximalwerte Minimalwerte en 
I. Bei Epileptischen 
Fall 1 11.1 13.3 8,9 4 
gn Eë 12.2 14.7 8.6 4 
„3 12,5 15,4 6,5 10 
„4 11,6 | 15.6 6,5 d 
gc D 8.4 10,3 6,3 5 
„6 10.4 13,3 1,5 3 
II. Bei Gesunden 
Fall, ! 12,0 13.6 10.4 2 
E o EPSE 14,9 16,6 11,2 ri 
E Pr 12.9 13.5 i 11,9 5 
RE |: GE 11.8 | 13.1 10,3 5 


Aus diesen Zahlen errechnet sich ein Gesamtdurchschnitt für 
Epileptische von 11,0 gegenüber 12,9 für Gesunde, ein Durchschnitt 
der Maximalwerte für Epileptische von 13,5 gegenüber 14,2 für Gesunde 
und ein Durchschnitt der Minimalwerte für Epileptische von 7,4 gegen- 
über 11,0 für Gesunde. 

Daraus geht hervor, daß der Gesamtdurchschnittswert für Epilepti- 
sche gegenüber der Norm erniedrigt ist. Die Maximaldurchschnitts- 
werte der Epileptiker und der Gesunden liegen nahe beieinander, die 
Differenz der Minimaldurchschnittswerte ist aber recht beträchtlich. 

Gegenüber der Norm zeigt also die Peroxydasetätigkeit der 
Epileptiker ebenso wie die Katalasetätigkeit derselben erhebliche 
Schwankungen nach unten. Die Funktion der beiden Oxydations- 
fermente ist also zeitweilig gestört, ein beginnender Einfluß patholo- 
gischer Stoffwechselprodukte im Serum konnte nicht nachgewiesen 
werden. 


Die Anwendung der Chinhydronelektrode zur Messung der 
Wasserstoffionenkonzentration in pufferarmen Lösungen. 


Von 
1.M. Kolthoff und Wouter Bosch. 


(Aus dem Pharmazeutischen Laboratorium der Reichsuniversität Utrecht.) 


(Eingegangen am 31. Januar 1927.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Bei der Messung der Wasserstoffionenkonzentration in Lösungen. 
welche nur eine sehr geringe Pufferwirkung haben, fanden wir bei An- 
wendung der Chinhydronelektrode oft stark abweichende Werte, und 
zwar war das gefundene De immer kleiner als wir nach der Zusammen- 
setzung erwarten konnten; die Abweichung nahm mit abnehmendem 
Puffergehalt stark zu. Weil die Bestimmung von pu in pufferarmen 
Lösungen praktische Bedeutung hat (z. B. Bodenuntersuchung), haben 
wir uns die Aufgabe gestellt, die Abweichungen zu erklären und eine 
Vorschrift zu finden, nach der die Chinhydronelektrode auch in puffer- 
armen Lösungen zuverlässige Resultate gibt. 
Zuerst haben wir verschiedene Chinhydronpräparate miteinander 
verglichen: 
a) nach Valeur!) aus Hydrochinon und Chinon hergestellt (l) 
und (2), 

b) wie a), aber aus Wasser umkristallisiert (1), 

c) aus Hydrochinon und Ferriammoniakalaun nach Æ. rd 
mann?) (1), (2) und (3), 

d) wie c), einmal aus Wasser umkristallisiert, 

e) wie d), zweimal aus Wasser umkristallisiert. 


Es ergab sich in allen Fällen, daß die Umkristallisation aus Wasser 
einen ungünstigen Einfluß hat. Es scheint, daß die Zusammensetzung 
des Chinhydrons sich dabei ändert, wahrscheinlich ist die stark in die 


1) A. Valeur, Ann. de Chim. et Phys. (7) 21, 547, 1900. 
"\ E. Biilmann und A. Lund, Ann. de Chim. 16, 321, 1921. 


I. M. Kolthoff u. W. Bosch: Anwendung der Chinhydronelektrode.. 435 


Komponenten Chinon und Hydrochinon gespaltene, gesättigte Lösung 
des Chinhydrons nicht im Gleichgewicht mit dem Bodenkörper. Zur 
Prüfung der Präparate haben wir zuerst die EMK der Chinhydron- 
elektrode in dem Standardsalzsäuregemisch (0,01n Salzsäure und 
0,09n Kaliumchlorid) gegen die Wasserstoffelektrode in demselben 
Gemisch bei 18° gemessen. Nach den übereinstimmenden Werten in 
der Literatur beträgt die EMK dieser Kette bei 18° 0,7042 -- 0,0002 Volt 
[bezogen auf Wasserstoff von 760 mm Druck !)]. 


Alle Messungen sind im Thermostaten bei 18° -- 0,1°C ausgeführt. 
Wir haben verschiedene Arten von Wasserstoffelektroden verwendet; 
schließlich haben wir ein Gefäß benutzt, das in untenstehender Ab- 
bildung abgebildet ist. Wenn der Platinspiraldraht gut platiniert ist, 
ist die EMK innerhalb 2 bis 3 Minuten konstant. Natürlich haben 
wir uns immer überzeugt, daß auch nach längerem Durchleiten von 
Wasserstoff das Potential sich nicht mehr änderte. 


—> f. 
Z Heberrohr nach 
Bezugselektrode 


Wasserstoffelektrode 
Abb. 1. Halbe Größe. 


Die abgebildete neue Wasserstoffelektrode hat folgende Vorteile: 
1. Das Potential stellt sich sehr schnell ein. 2. Sie verbraucht nur wenig 
Wasserstoff. 3. Das Modell ist auch geeignet, für das Arbeiten bei 
anderen Temperaturen. 4. Auch wenn der totale Elektrolytgehalt nur 
0,001 n beträgt, ist die Ablesung mit einer geeigneten Apparatur noch 
auf 0,2 Millivolt genau. In allen Fällen, wo diese Wasserstoffelektrode 
angewandt werden kann, geben wir ihr den Vorzug über die Chinhydron- 
elektrode. 5. Die benötigte Menge Flüssigkeit beträgt nur etwa 5 cem. 
Zur schnellen Sättigung der platinierten Elektrode mit Wasserstoffgas 
ist der Glasboden, wo der Wasserstoff aus dem angeschmolzenen Rohr 


1) Vgl. Linderström-Lang, C. r. du Lab. de Carlsberg 16, Nr. 3, 1925. 


436 I. M. Kolthoff u. W. Bosch: 


in das Elektrodengefäß einperlt, perforiert. In dieser Weise wird der 
Wasserstoff in feinen Gasblasen verteilt. 


Als Chinhydronelektrodengefäße verwendeten wir Röhren aus 
Jenaer Glas, welche mit einem Kautschukstopfen verschlossen sind. 
Der letztere trägt zwei Durchbohrungen, durch die eine steckt das 
Glasrohr, in dem unten ein Stückchen blankes Platinnetz eingeschmolzen 
ist, die andere trägt während des Messens das dünne Heberrohr — welches 
mit 3 Proz. Agar und 3,5 n bzw. 1,75 n KCI gefüllt ist — zur elektro- 
lytischen Verbindung der Chinhydron- mit der Wasserstoffelektrode 
oder mit einer anderen Bezugselektrode. 


Vor jedem Versuch wurde das Platinnetz gereinigt und ausgeglüht. 
Dann wurden etwa 10 ccm der zu untersuchenden Flüssigkeit in das 
Gefäß gegeben, 50 bis 100 mg Chinhydron hinzugefügt und 1 bis 
2 Minuten kräftig geschüttelt. Darauf wurde die Elektrode eingesteckt 
und das ganze in den Thermostaten gestellt, bis die EMK konstant 
war. Gewöhnlich war das sehr schnell der Fall; in den sehr verdünnten 
Pufferlösungen änderte das Potential sich jedoch oft mit einem regel- 
mäßigen Gang, so daß es unmöglich war, einen konstanten Wert zu 
erhalten. Zudem waren die Resultate nicht genau reproduzierbar. Wir 
kommen hierauf unten noch zurück. 


Zur Kompensation verwendeten wir ein geeichtes .‚Students- 
potentiometer“ von Leeds und Northrop. Die Ablesungen sind leicht 
auf 0,1 Millivolt reproduzierbar. 


Als Bezugselektrode verwendeten wir gewöhnlich nach Stig Veibel!) 
eine Chinhydronelektrode in einer Lösung, die 0,01 n HCl und 0,09 n KCI 
enthielt (Standardsalzsäuregemisch). Das Gefäß wurde jeden Tag 
gereinigt und wieder von neuem mit der Elektrodenflüssigkeit und 
Chinhydron aufgefüllt. Zudem wurde die Elektrode ausgeglüht. Bei 
der Berechnung der pu-Werte haben wir immer nach Sörensen an- 
genommen, daß das po im Standardgemisch 2,038 gleich ist. Wahr- 
scheinlich ist die entsprechende Aktivität der Wasserstoffionen kleiner 
als diesem py entspricht. Diese Sache hat für diese Untersuchung 
jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung, weil wir die vergleichenden 
Messungen mit der Wasserstoffelektrode auf denselben Standardwert 
beziehen. 


In der folgenden Tabelle geben wir die EMK der Chinhydron- 
elektrode in Berührung mit verschiedenen Präparaten Chinhydron 
gegen die Wasserstoffelektrode. Beide Elektroden stehen im Standard- 
salzsäuregemisch. Die gefundenen Werte sind in der üblichen Weise 
für den Barometerstand und den Dampfdruck des Wassers korrigiert. 


1) Stig Veibel, Journ. Chem. Soc. 123, 2203, 1923. 


Anwendung der Chinhydronelektrode. 437 


EMK ~. Chinhydron- und Wasserstoffelektrode im Standardsalzsäure- 
gemisch bei 18°. 


San ea an A se Dei, 
a) a) Ghinhydřon aus Chinon + Hydrochi non iii ae | 0,7039 2,040 
ber NS Ze ës, | 0,7088 2,038 
b) Wie a), einmal aus Wasser umkristallisiert `, . . ı 0,7034 2,031 


ce) Chiuhydron aus Hydrochinon und Ferriammoniakalaun l) 
Präparat (1) ' 0,7088 2,038 


nd. 07042 | 2045 
3) | 07049 | 9.057 


d) Wie ei (1), einmal aus Wasser umkristallisiertt 2 < <. 0,7033 2.030 
el e Cl (2 y S 2 a 0,7023 2,012 
f) „eo a), zweimal > S ` . . ...0,6688 1,428 


Aus dem Obenstehenden ergibt sich, daß Chinhydron!), welches 
aus seinen Komponenten hergestellt ist (a), und Präparate, welche durch 
Oxydation von Hydrochinon mit Ferriammoniakalaun (c) erhalten 
wurden, in dem Standardsalzsäuregemisch dasselbe Potential aufweisen. 
Umkristallisation aus Wasser hat einen ungünstigen Einfluß, das 
Chinhydron weist dann eine zu saure Reaktion auf. Nach der zweiten 
Umkristallisation aus Wasser war das Präparat ganz unbrauchbar 
geworden. Wir haben diese Zubereitung nicht weiter analysiert?). 

Bei den folgenden Untersuchungen haben wir immer Präparate 
verwendet, welche nach (a) und nach (c) hergestellt waren. Das Chin- 
hydron, das aus seinen Komponenten hergestellt ist, kristallisiert 
gewöhnlich in dunkelgoldglänzenden, nadelförmigen Kristallen aus, 
während die Präparate, welche durch Oxydation des Hydrochinons 
bereitet sind, gewöhnlich viel dunkler aussehen und nicht so groß- 
kristallinisch sind. Läßt man die Kristallisation jedoch sehr langsam 
vor sich gehen, so gelingt es auch nach der Oxydationsmethode, größere 
und heller gefärbte Kristalle zu erhalten. 

Bei den folgenden Versuchen haben wir die pa verschiedener 
Pufferlösungen bei zunehmender Verdünnung sowohl mit der Wasser- 
stoff- wie mit der Chinhydronelektrode gemessen. Obgleich wir viele 
Präparate Chinhydron benutzt haben, geben wir in den folgenden 
Tabellen nur kurz die Mittelwerte, welche mit Präparaten nach (a) 
und (c) erhalten sind. In den Fällen, wo die Chinhydronelektrode 


1) Nach Valeur, Ann. de Chim. et Phys. (7) 21, 547, 1900. 

2) Wir bemerken hier, daß neuerdings Th. Arndt und W. Siemers, Zeit- 
schrift f. Pflanzenernährung und Düngung 7, 191, 1926, vgl. auch Chem. 
Centralbl. 1926, II, 1080, für die Messung pufferarmer Flüssigkeiten em- 
pfehlen, zur Reinigung das Chinhydron zweimal aus Wasser von 70° umzu- 
kristallisieren. Wie wir gesehen haben, besteht dabei aber die Möglichkeit, 
daß das Chinhydron sich zersetzt, und es ist nötig, mit einer Standardlösung 
sich davon zu überzeugen, ob das Präparat noch zuverlässige Resultate 
ergibt. 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 29 


438 I. M. Kolthoff u. W. Bosch: 


noch gute Werte aufweist, geben die verschiedenen Zubereitungen auch 
die gleichen Resultate, bei sehr großen Verdünnungen wurden jedoch 
bei den Präparaten nach c erhebliche Differenzen wahrgenommen. 


Messungen im Monokaliumcitrat. 


Konzentration PH || po mit Chinhydronelektrode 
TE (EE 
der Salze EE së off | S A 
0,25 molar 3,59 | — 3,63 
01 „ 3.67 013/68 
0,05 „ 3,73 3,72 3,70 
0,01 „ 3,83 3,84 | 3,70 
0,005 „ 3,87 ji 3.88 3,75 
0,002 „ 3,91 3,90 3,84 
0,001 „ 3,96 I! 3,94 3,86 


Das Wasser, welches bei den Verdünnungen verwendet ist, hatte 
bei 18° eine spezifische Leitfähigkeit von 0,9 bis 1,2 . 10-6 reziproken 
Ohms und war in Gleichgewicht mit der Luft (1,5. 105 molar an 
Kohlensäure). 

Die Werte, welche mit Präparaten nach (a) erhalten sader sind 
besser in Übereinstimmung mit denen, welche die Wasserstoffelektrode 
aufweist, als die, welche mit Zubereitungen nach (c) gemessen sind. Im 
letzteren Falle sind die Werte auch noch zuverlässig, wenn die Kon- 
zentration des Monocitrats größer als 0,01 mol. ist. 


Kaliumbiphthalat. 
Konzentration E Dp mit m 
des Salzes mit Wasserstoff mo 
_ elektrod S 
0,1 molar 398 WI BS 
0,05 „ 3969 | — 
0,01, 4.013 | 4,00 
0,005 e | 4,059 4,08 
0,002 „ 4,216 4.20 
0,001 „ | 4,311 4,33 3,808 


‚(nicht konst.) 


Hier weisen Präparate nach (c) bei sehr großen Verdünnungen 
eine zu saure Reaktion auf, und zwar steigt der Fehler stark mit der 
Verdünnung. Bei Konzentrationen kleiner als 0,005 n ist diese Chin- 
hydronelektrode nicht mehr zuverlässig. Mit Präparaten nach (a) 
hergestellt, ist das Resultat viel besser: bei sehr großen Verdünnungen 
(0,001 mol. Lösungen) ist es aber schwer, konstante Resultate zu 
erhalten. 

Nehmen wir Pufferlösungen, welche stärker alkalisch sind als die 
oben benutzten, so wird die Abweichung bei großen Verdünnungen 
noch größer. In den folgenden Tabellen geben wir davon einige Beispiele. 


Anwendung der Chinhydronelektrode. 439 


Gemisch von Monokalium- und -dicitrat. 


Konzentration De | Pya mit Chinhydronelektrode 
des Gemisches | mit Wasserstofle 1 
elektrode a | R 


0,1 molar | 4,76 4,74 | 4,71 

05 „ 4,88 4,89 4,85 

0,01 „ 5,00 5.01 | 4,95 

0,005 „ 5,09 Ä 5,12 4,92 

0,002 „ 5,17 , 5,20 4,79 
| (nicht konst.) 

0,001 „ | 5,20 | Sai 4,09 
| (nicht konst.) 


Hier gibt also das Chinhydron nach (a) bei allen Verdünnungen 
zuverlässige Resultate, bei Präparaten nach (c) wird die Abweichung 
sehr groß, wenn die totale Citratkonzentration kleiner als 0,01 n wird. 


Biphthalat-Natronlaugegemisch nach W. M. Clark. 


50 ccm 0,1 mol. Kaliumbiphthalat und 29,95 ccm 0,1 n NaOH mit Wasser 
bis 100 ccm. 


` ` pe mit Chinhydronelektrode 


Totale Konzentration mit v A, , 


elektrode a c 
0,08 molar (unverdünnt) ` 5,21 | = | 5,22 
0,016 „ | 5,35 | 5,35 5,27 
0,008 „ | 5,40 l 5,38 5,28 
0.0032 „ 5,46 5,44 5,33 
0,0016 „ | 5,48 5,40 4,78 


Kaliumbiphosphat mit Natronlauge nach W. M. Clark. 


50 ccm 0,1 mol. Kaliumbiphosphat und 29,63 ccm 0,1n NaOH mit Wasser 
bis 100 ccm. 


mit Chinhydronelektrode 
Totale Konzentration | mit Wi stoffe PR d 
elektrode 
0,08 molar (unverdünnt) 6,99. li 6,97 6,98 
0, a ; | 7,05 7,03 
0.016 ` AT 7.14 7.08 
0,008 „ 7,17 h 7,16 6.79 
0.004 ` 7.18 Ä 7.13 2 
0,0016 „ 7,19 Ä 7,09 4,15 


Aus allen Messungsreihen und noch vielen anderen, welche hier 
nicht erwähnt werden, ergibt sich, daß das Chinhydron, welches durch 
Oxydation des Hydrochinons mit Ferriammoniakalaun hergestellt ist, 
in Lösungen von sehr geringer Pufferkapazität eine viel zu saure 
Reaktion aufweist, die Abweichung nimmt mit abnehmender Wasser- 
stoffionenkonzentration der Pufferlösung zu. Dazu kommt noch, daß 


29* 


440 I. M. Kolthoff u. W. Bosch: 


die Elektrode in diesen pufferarmen Lösungen sich sehr langsam ein- 
stellt; je länger man wartet, um so mehr ändert sich das Potential 
nach der sauren Seite. Auch nach dem Umschütteln findet man wieder 
andere Werte. 


Nachdem unsere Arbeit schon abgeschlossen war, erschien eine 
Mitteilung von A.J. Rabinowitsch und V.A. Kargin!), welche die 
Neutralisationskurve verschiedener schwacher Säuren mit der Wasser. 
stoff- und Chinhydronelektrode bestimmten. Auch sie fanden, daß die 
Chinhydronelektrode in wenig gepufferten Lösungen (besonders in der 
Nähe des Äquivalenzpunktes) eine zu saure Reaktion aufweist. Sie 
schreiben die Ursache der Diskrepanz zwischen Wasserstoff- und Chin- 
hydronelektrode der sauren Funktion des Hydrochinons zu, die sich 
in neutralen und alkalischen — nicht genügend gepufferten — Lösungen 
äußert. Für neutrale und saure Flüssigkeiten kann diese Erklärung 
jedoch nicht zutreffen. Ist doch die erste Dissoziationskonstante des 
Hydrochinons nach H o Euler und Bolin?) gleich 1,1.10710. Be- 
trachten wir nun eine gesättigte Lösung des Chinhydrons in Wasser. 
Nach den Untersuchungen von F. S. (Granger?) beträgt die Löslichkeit 
des Chinhydrons bei 25° 1,78 . 1072 mol. ; die Lösung ist fast vollständig 
in die Komponenten Chinon und Hydrochinon zerfallen, und zwar 
ist die Hydrochinonkonzentration ungefähr gleich 1,7 . 1072. Aus den 
genannten Daten berechnen wir, daß eine gesättigte Chinhydronlösung 
in Wasser eine Wasserstoffionenkonzentration von 1,4.10$ hat, 
entsprechend einem pa von 5,85. Die Lösung hat also dasselbe pe wie 
gutes Leitfähigkeitswasser, das in Gleichgewicht mit der Luft ist. Auch 
läßt sich berechnen, daß der Einfluß des sauren Charakters des Hydro- 
chinons in den von uns verwendeten sehr verdünnten Pufferlösungen 
vernachlässigbar klein ist. 


Daß übrigens die saure Funktion des Hydrochinons bei unseren 
Versuchen nicht für die Abweichungen verantwortlich zu machen ist. 
ergibt sich zwanglos aus den guten Resultaten, welche mit dem Chin- 
hydron, das aus Chinon und Hydrochinon hergestellt war, erhalten 
wurden. Wir müssen dann wohl annehmen, daß die anderen Präparate. 
welche durch Oxydation des Hydrochinons mit Ferrialaun hergestellt 
waren, saure Verunreinigungen enthalten. (Rabinowitsch und Kargin 
bemerken, daß sie unter anderem auch ein käufliches Präparat ver- 


1) A. J. Rabinowitsch und V. A. Kargin, Zeitschr. f. Elektrochem. 83, 
11, 1927 

2) H.v. Euler und Bolin, Zeitschr. f. physikal. Chem. 71, 71, 1909; vgl. 
auch Sheppard. Chem. Abstr. 15, 2393, 1921, der K, gleich 1,75 .. 10-10 und 
K, gleich 4. 10-12 fand. 

3) F. S. Granger, Oxidation and Reduction in organic Chemistry from 
the Standpoint of potential differences. Diss. New York 1920. 


Anwendung der Chinhydronelektrode. 441 


wendeten, das offenbar mit sauren Oxydationsprodukten verunreinigt 
war.) Experimentell konnte die Anwesenheit der sauren Oxydations- 
produkte auch leicht nachgewiesen werden. Die gesättigten wässerigen 
Lösungen der Chinhydronpräparate, nach c hergestellt, reagieren alle 
viel zu sauer (pu 3,5 bis Ai Durch Auswaschen mit Wasser kann 
man die sauren Oxydationsprodukte entfernen. Wir haben vier ver- 
schiedene Zubereitungen des Chinhydrons (c) gleich vor den Versuchen 
wiederholt mit destilliertem Wasser ausgewaschen und darauf die 
Messungen mit den sehr verdünnten Pufferlösungen wiederholt. Die 
erhaltenen Resultate waren vollkommen mit denen der Wasserstoff- 
elektrode und der Chinhydronelektrode (a) in Übereinstimmung. Auch 
kann man in folgender Weise verfahren: Man fügt zu etwa 10 ccm 
der zu untersuchenden Flüssigkeit etwa 250 mg des vorliegenden 
Chinhydrons, schüttelt stark, läßt absitzen und mißt. Dann wird 
die überstehende Flüssigkeit abgegossen (wo nötig, nach zentrifugieren), 
wieder frisch aufgefüllt und die ganze Manipulation wiederholt, bis 
das Potential zuletzt konstant bleibt. Auch in dieser Weise wurden 
vorzügliche Resultate erhalten; bequem ist die Methode jedoch nicht. 
Doch können wir in allen Fällen, wo man in sehr pufferarmen Lösungen 
Messungen mit der Chinhydronelektrode ausführt, empfehlen, zu prüfen, 
ob nach dem Abschenken eine frisch zugegebene Menge Flüssigkeit das 
ursprünglich wahrgenommene Potential nicht ändert. 

Eigenartig ist es, daB die durch Oxydation des Hydrochinons 
erhaltenen Präparate Chinhydron auch nach dem sorgfältigen Aus- 
waschen, beim Stehen wieder sauer werden. Wir haben die säurefrei 
gewaschenen Präparate in verschiedener Weise aufbewahrt: an der 
Luft, in Kalk- und Schwefelsäureexsikkatoren, auch über Phosphor- 
pentoxyd in vacuo usw.; nach längerem Stehen wurden sie jedoch alle 
wieder sauer und mußten bei den Messungen in pufferarmen Lösungen 
zuvor wieder ausgewaschen werden. Es scheint, daß die Spur Eisen, 
das die Präparate enthalten, die Oxydation des Hydrochinons zu 
sauren Produkten beschleunigt. Gut ausgewaschene Produkte sind 
wohl während einer Woche brauchbar; nach längerem Stehen ist es 
jedoch zu empfehlen, das Auswaschen zu wiederholen. Die sauren 
Oxydationsprodukte stören nur, wenn das pn der Lösung größer als 3,5 
ist. Ist die Reaktion saurer als diesem pa entspricht, so wird die Disso- 
ziation der verunreinıgenden Säuren so stark zurückgedrängt, daß sie 
nicht mehr stören. So haben wir mit verschiedenen Zubereitungen 
nach (c) das py in einer Mischung von 0,001 n Salzsäure und 0,009 n 
Kaliumchlorid bestimmt und immer Werte gefunden zwischen 2,96 
und 2,99, während die Wasserstoffelektrode ein pa von 3,00 auswies. 

Wir haben auch versucht, mit den ausgewaschenen Präparaten 
nach c das pn vom destillierten Wasser zu bestimmen. Obgleich wir 


442 I.M. Kolthoff u. W. Bosch: 


wiederholt das Wasser frisch auffüllten, ist es uns nicht gelungen, 
einen größeren Wert als pu 5,45 zu erreichen, während das wahre 
pu 5,7 war (kolorimetrisch und berechnet). 

Chinhydronpräparate, welche nach Valeur!) aus Hydrochinon und 
Chinon erhalten wurden, lassen sich gut aufbewahren. Auch nach 
längerem Stehen werden sie fast nicht merkbar sauer. Für Messungen 
mit pufferarmen Lösungen sind derartige Präparate daher besonders 
zu empfehlen. Jedenfalls ist es auch hier sicher, nach dem Messen ab- 
zuschenken und eine frische Menge Flüssigkeit hinzuzugeben. zur 
Prüfung, ob das Potential sich nicht mehr ändert. 

Daß man bei der Anwendung der Chinhydronelektrode in prakti- 
schen Fällen durch die verunreinigenden Säuren große Abweichungen 
finden kann, wenn der Puffergehalt sehr gering ist, haben wir unter 
anderem auch bei der Reaktionsbestimmung in Bodenextrakten wahr- 
genommen. Die Bestimmung von pa im Boden ist eine schwere Auf- 
gabe, bei der sich viele Schwierigkeiten vortun. Wir hoffen, darauf 
später zurückzukommen, wollen hier nur aus dem Zahlenmaterial ein 
Beispiel herausnehmen, an dem sich der Einfluß der Verunreinigungen 
im Chinhydron sehr prägnant demonstrieren läßt. Durch längeres 
Zusammenschütteln von 50 g eines Bodens mit 200 ccm Wasser wurde 
ein Extrakt hergestellt, in dem das pa bestimmt wurde. Nach 15 Minuten 
Durchführens von Wasserstoff wurde mit der Wasserstoffelektrode 
ein Wert von 5,54 gefunden, nach 45 Minuten von 5,64. 

Mit der Chinhydronelektrode sind wir in der Weise verfahren, 
daß wir den Extrakt mit einem Überschuß Chinhydron (c) während 
21, Minuten zusammenschüttelten, in den Thermostaten stellten und 
warteten, bis das Potential konstant war. Dann wurde abgeschenkt, 
frischer Extrakt zugegeben und die Manipulation wiederholt. 


In dieser Weise fanden wir: 


| Pa 
Erste Aufgießung . . . 3,82 
Zweite „ EK | 4,95 
Dritte n ... 4 586 
Vierte S en 006 
Fünfte  ” ` 556 


Schließlich erreichten wir also praktisch denselben Wert, wie mit 
der Wasserstoffelektrode gefunden war (5,64). Arbeiteten wir mit 
Chinhydronpräparaten, nach Valeur hergestellt, so war die ursprüng- 


1) A. Valeur, Ann. de Chim. et Phys. (7) 21, 547, 1900. Man mischt 
alkoholische (95proz.) Lösungen von Chinon und Hydrochinon und ver- 
wendet dabei zweimal die theoretische Menge Hydrochinon. 


Anwendung der Chinhydronelektrode. 443 


liche Abweichung viel geringer als im oben beschriebenen Falle, doch 
auch hier war die Reaktion noch etwa um 0,3 pa zu sauer. Nachdem 
die Lösung aufgefrischt war, wurde das richtige pe gefunden. 

Aus diesen und vielen anderen Beispielen ergibt sich sehr deutlich, 
daß man bei Anwendung von Chinhydronpräparaten, welche durch 
saure Oxydationsprodukte verunreinigt sind, in pufferarmen Lösungen 
ganz fehlerhafte pa-Werte erhalten kann. 


Zusammenfassung. 


l]. In Lösungen, welche eine nicht zu geringe Pufferkapazität 
haben, erhält man mit Chinhydronpräparaten, welche nach ver- 
schiedenen Vorschriften hergestellt sind, ausgezeichnete Resultate. 


2. Wenn Chinhydron in der einfachen Weise mittels Oxydation 
des Hydrochinons mit Ferriammoniakalaun hergestellt und darauf 
säurefrei gewaschen wird, so oxydiert es sich bei längerem Aufbewahren 
unter Bildung von sauren Oxydationsprodukten ein wenig. Derartige 
Präparate weisen in pufferarmen Lösungen eine viel zu saure Reaktion 
auf. Wäscht man sie vor dem Versuch sorgfältig aus, oder gibt man 
nach jeder Messung nach dem Abgießen frische Lösung hinzu, bis das 
Potential sich nicht mehr ändert, so werden in allen Fällen bei 
Dn-Werten kleiner als 7 gute Resultate erhalten. 


3. Chinhydron nach Valeur aus seinen Komponenten hergestellt, 
ist sehr gut haltbar und ist für Messungen mit pufferarmen Flüssig- 
keiten zu empfehlen. Für alle Sicherheit ist es auch hier zu empfehlen, 
nach der Messung die Flüssigkeit abzuschenken und zu prüfen, ob mit 
frischer Lösung dasselbe Potential gemessen wird. 


Eine Korrektur für die neue Reihe Pufferlösungen. 


Von 
I. M. Kolthoff und J. J. Vleeschhouwer. 


(Aus dem pharmazeutischen Laboratorium der Reichsuniversität Utrecht.) 


(Eingegangen am 31. Januar 1927.) 


Bei einer Untersuchung über das Gleichgewicht im System Citronen- 
säure- Natronlauge—- Wasser ergab sich, daß unglücklicherweise in unserer Ver- 
öffentlichung !) über die neue Reihe Pufferlösungen ein Fehler eingeschlichen 
ist, den wir hier korrigieren wollen. Als Standardsubstanz verwenden wir 
Kaliummonocitrat, das nach dem Trocknen bei 80° wasserfrei ist, was sich 
aus der Analyse ergab. In der Literatur steht angegeben, daB das Salz 
nicht hygroskopisch ist, und es ergab sich bei unseren Versuchen. daß es 
bei längerem Aufbewahren an der Luft. äußerlich nicht geändert wird und 
trocken bleibt. Ein derartiges Salz war bei unseren Messungen verwendet, 
und leider hat sich jetzt ergeben, daß es 1 Mol Wasser angezogen hatte. 
Das Molargewicht des Salzes ıst also 248 statt 230. Wir verwendeten 
damals eine 2,3proz. Lösung, während eine 0,1 mol. Lösung 2.48g des 
Hydrats auf 100 ccm enthält. 

Arbeitet man nun mit dem Salz, das 1 Mol Kristallwasser enthält, und 
geht man von einer 2,3proz. Lösung aus, so gelten alle Zahlen, wie sie ur- 
sprünglich angegeben waren; was wir später wiederholt bestätigt haben. 

Geht man jedoch in Wirklichkeit von einer 0,1 mol. Monokaliumcitrat- 
lösung aus, dann sind die angegebenen Zahlen nicht vollkommen richtig 
mehr, und muß man untenstehende Tabelle benutzen. (Die Abweichungen 
von der ursprünglichen Tabelle sind nur verhältnismäßig klein, weil das 
Citratsystem so stark puffert.) 


0,1 mol. Monokaliumceitrat mit 0,1l n Salzsäure. py 2,2 bis 3,8. 


+ 24,85 ccm 0.ln HCl mit Wasser bis 50 cem pn 2,2 
+ 21.70 „ Oln HCI „ a. n 50 n pyé 
18.40 „ OlnHCl „ » „» 50 n. py2ô 
15,10 „ Oln HCl ,, Se „ 50 „ puy 2.8 
11.80 „ OIn HCL „ e „ 50 Dp A4 
8,6 „ Oln HCI „ En „ 50 ,ů pu 3.2 
5.35 „ Oln HCl „ ar ve 50 45 pu 3.4 
210 „ Ol1nHCl „ e » 50 ` Dn 36 


+ 


25 cem 
Monocitrat 


HEHEH 


1) J.M.Kolthoff und J. J. Vleeschhouwer, diese Zeitschr. 179, 410, 1926. 


I. M. Kolthoff u. J. J. Vleeschhouwer: Korrektur für Pufferlösungen. 


0,1 mol. Monoeitrat mit 0,1 n Natronlauge (pa 3,8 bis 6,2). 


25 ccm 
Monocitrat 


445 


+ 1,0 eem 0,1n NaOH mit Wasser bis 50 ccm py 3,8 


+ 4,50 
+ 8,15 
+ 11,85 
+ 15,75 
+ 19,60 
+ 23,35 
+ 27,1 
+ 30,5 
+ 34,0 
+ 37,2 
+ 40,6 


LE) 


0,1 mol. Monocitrat mit 


25 ccm 
Monocitrat 


0,1nNaOH „ 
0,1nNaOH „ 
0,1nNaOH ,, 
0,1nNaOH ,, 
0,1nNaOH „ 
0,1nNaOH „ 


0,1l n NaOH 
0,1l n NaOH 
0,1 n NaOH 
0,l n NaOH 
0,1] n NaOH 


pu 4,0 
mp 4,2 
puy 4,4 
pu 4,6 
PH 4,8 
mp 5,0 
pu 5,2 
pu 5,4 
pu 5,6 
Py 9,8 
Pu 6,0 


0,1 molarer Citronensäure (pp 2,2 bis 3,8) 


ccm 0,1 mol. 
Monocitrat 


ccm 0,1 mol. 


| Pa 


Citronensäure 


0,89 
1,85 
2,85 
4,04 
5,36 
6,84 
8,20 
9,57 


| 


9,11 
8,15 
7,15 
5,96 
4,64 
3,16 
1,80 
0,43 


~+ 


b 


KI 


< 


ki 


SEET ET 
BL ar 2-2 


Sé 


| 


0,1 mol. Monocitrat mit 0,05 mol. Borax. 


+ 0,65ccem Borax mit Wasser zu 


+ 4,4 
+ 8,6 
+ 13,5 
+ 18,0 
+ 22,8 
+ 27,4 
+ 31,2 
+ 34,9 
+ 38,3 
+ 41,7 
+ 44,1 


50 cem 


pa 3,8 
PH 4,0 
Pu 4,2 
pu 4,4 
pu 4,6 
Dp 4,8 
Puy 5,0 
PH 5,2 
PH 5,4 
PH 5,6 
pn 5,8 
puy 6,0 


Zur teilweisen Entschuldigung des gemachten Fehlers sei hier angeführt, 
daß wir damals wohl Versuche über die Stabilität des anhydrischen Mono- 
kaliumcitrats angestellt haben. Es ergab sich, daß das Salz in einer Atmo- 
sphäre mit einem relativen Dampfdruck von 60 Proz. kein Wasser aufnahm. 
Daraus (und auch aus den Angaben in der Literatur) war die fehlerhafte 
Schlußfolgerung gezogen, daß das Monocitrat unter allen Verhältnissen 


luftstabil ist. 


Aus dem Obenstehenden ergibt sich jedoch, daß das Salz 


bei einem relativen Feuchtgehalt der Luft, der größer als 60 Proz. ist, Wasser 
anziehen kann. Diese Sache wird noch näher untersucht werden. Wir 
wollen hier schließlich nur bemerken, daß es nötig ist, das anhydrische 
Monokaliumeitrat in einer gut schließenden Flasche aufzubewahren. 


Beitrag zur Kenntnis des Seidenleims. 
Von 
Nikolaus Alders. 


(Aus der Abteilung für physiologische Chemie im Wiener physiologischen 
Universitätsinstitut.) 


(Eingegangen am 1. Februar 1927.) 


Im Verlauf einer zu anderem Zwecke in Angriff genommenen 
Untersuchung wurde eine größere Menge Seidenleims (Sericins) dar- 
gestellt. Da die chemischen Eigenschaften dieses Eiweißkörpers noch 
unvollkommen bekannt sind, wurde die Gelegenheit wahrgenommen, 
diesen Körper näher zu untersuchen. 

Im folgenden sei die etwas modifizierte Darstellungsmethode des 
Serieins und die allgemeinen Eigenschaften desselben mitgeteilt, sowie 
die Resultate der Tryptophan-, Tyrosin-, C ystin- und Argininbestimmung 
angegeben. 

Darstellung. 

Das Prinzip aller Darstellungsmethoden des Sericins besteht darin, 
daß Rohseide in Wasser gekocht und aus dem Dekokte der in Lösung 
gegangene Seidenleim in mehr oder minder gereinigtem Zustande ge- 
wonnen wird. (Es sei hierauf aufmerksam gemacht, daß das in Österreich 
als ‚„Rohseide‘“‘ käufliche Material schon ‚degummiert‘“, d.h. vom 
Sericin befreit ist.) 

Die älteste Darstellung des Sericins stammt wohl von Mulder!), der 
die durch Kochen von Rohseide erhaltene Sericinlösung auf dem Wasserbad 
bis zur Trockne eindampfte und den Rückstand mit Alkohol, Äther und 
heißem Wasser extrahierte. Die Methode Cramers?), der aus der wie oben 
gewonnenen Sericinlösung den Eiweißkörper mit basischem Bleiacetat fallt 
und nach Entfernung des Bleies als PbS das Sericin mit Alkohol nieder- 
schlägt, ist — abgesehen von ihrer Umständlichkeit — mit dem Nachteile 


verbunden, daß das Schwefelblei vom Eiweißkörper eingeschlossen wird 
und nur schwer entfernt werden kann. Bondi?) hat zwei Methoden der 


1) Mulder, Poggendorfs Ann. f. Phys. u. Chem. 87, 1837. 
2) Cramer, Journ. f. prakt. Chem. 96, 76 und 77, 1865. 
3) Bondi, Zeitschr. f. phys. Chem. 84, 481 bis 499., 1902. 


N. Alders: Kenntnis des Seidenleims. 447 


Darstellung von Sericin aus Kokons der Seidenraupe Bombyx mori vor- 
geschlagen: Nach der ersten, die — wie der Autor selbst angibt — mit großen 
Verlusten verbunden ist, werden die von den Puppen befreiten Kokons 
nach Reinigung mit Wasser und Salzsäure in Wasser ausgekocht. Die Seiden- 
leimlösung hinterläßt nach dem Abdampfen spröde Lamellen, die gepulvert, 
mit kaltem Wasser, Natronlauge, Essigsäure, kaltem und siedendem Alkohol, 
sowie mit Äther behandelt, in heißem Wasser gelöst und mit Alkohol gefällt 
werden. Bondi stellte so eine wasserlösliche und wasserunlösliche Modi- 
fikation des Sericins dar. Die zweite, weitaus einfachere Methode beruht 
darauf, daß im Dekokte der Kokons das Sericin mit lproz. Essigsäure 
gefällt wird. Der Niederschlag wird durch häufiges Dekantieren mit Wasser 
ausgewaschen und dann mit Alkohol und Äther extrahiert. Diese — an sich 
einfache — Darstellungsmethode erschien uns darum nicht empfehlenswert, 
weil sich das Sericin nach der Fällung mit Essigsäure außerordentlich 
langsam absetzt. Emil Fischer!) erhielt Sericin einfach durch Eindampfen 
der durch Abkochen von Rohseide im Autoklaven gewonnenen Lösung. 
Auch Türk?) hielt sich an die eingangs erwähnte Methode Mulders. Kürzlich 
gaben Shelton und Johnson?) zwei Methoden zur Darstellung von Seidenleim 
an: Rohseide wird im Autoklaven mit wenig Wasser gekocht und das Sericin 
aus dem Dekokt entweder mit Alkohol oder mit Ammonsulfat nieder- 
geschlagen. Keizo Kodama) gibt eine Modifikation der zweiten Dar- 
stellungsmethode Bondis (l. c.) an. 


Hier sei — nach Ausprobung der meisten eben erwähnten 
Methoden — folgender Vorgang zur Darstellung des Sericins emp- 
fohlen, der darauf verzichtet, die wasserunlösliche von der wasser- 
löslichen Form zu trennen, zumal die sonstigen chemischen Eigen- 
schaften beider Modifikationen die gleichen sind. 

Je 100 g Rohseide°) werden dreimal in je 3 Liter Wasser jedesmal 
etwa 2 Stunden lang gekocht, die Dekokte auf dem Wasserbad bis auf 
ungefähr ein Fünftel ihres Volumens eingeengt und im Dialysierschlauch 
24 Stunden gegen fließendes Leitungswasser und 6 Stunden gegen 
destilliertes Wasser dialysiert, um die dem Eiweißkörper anhaftenden 
Aschenbestandteile wenigstens teilweise zu entfernen. Aus der Seiden- 
leimlösung wird das Sericin durch Zusatz des doppelten Volumens 
96proz. Alkohols gefällt und nach mehrstündigem Stehen abfiltriert. 
Der vom Filter genommene Niederschlag wird in etwa 80proz. Alkohol, 
welcher zweckmäßig durch Destillation aus dem ersten Filtrat ge- 
wonnen wird, kurz aufgekocht — wobei nach Bond: (l. c.) die anhaftenden 
Farbstoffe größtenteils in Lösung gehen —, nochmals filtriert und in 
Alkohol gekocht und schließlich auf dem Filter mit Äther nach- 
gewaschen, über Schwefelsäure getrocknet und fein zerrieben. 


1) E. Fischer. Zeitschr. f. physiol. Chem. 89, 155, 1908. 

2) Türk, ebendaselbst 111, 70 bis 75, 1920. 

3) Shelton und Johnson, Journ. of Amer. Chem. Soc. 47, 412 bis 418, 
1925. 

4) Keizo Kodama, The Biochem. Journ. 20, Nr. 6, 1208, 1926. 

5) Bezogen von der Firma Gebr. Schmid in Basel. 


448 N. Alders: 


Allgemeine Eigenschaften. 


Das so gewonnene Produkt ist ein grauweißes Pulver; es ist in 
Wasser und verdünnter Säure unlöslich, löst sich dagegen unter Auf- 
quellen in verdünnter Natronlauge und mit brauner Farbe in kon- 
zentrierter Salzsäure. in der Kälte langsam, bei Erwärmen schnell. 
Die Biuret und Xanthoproteinreaktion ist positiv, ebenso die Probe 
nach Millon und Voisenet; die Reaktion nach Molisch ist angedeutet; 
Fehlingsche Lösung wird durch eine alkalische Serecinlösung nicht 


a 3,9 Proz. 


reduziert. Die Aschenbestimmung ergab | 2.94 


Stickstoff im Seriein. 
Die Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl ergab einen Gesamt- 


N.Gehalt von a 15.9 Proz. 


Die Verteilung des Stickstoffs wurde nach Osborne und Harris!) 
bestimmt und wie folgt ermittelt. 


we 2 1,605 
Säureamid-N. . 2. 2... SEN 1,68 Proz. 
N im Magnesiumniederschlage . . . . e 0,12 Proz. 
1,45 
Basen-N 22 2 2 ES Gei 1,51 Proz. 
Monoamino-N . . . 2 2 2 2.02. ge" 12,59 Proz. 
Tryptophanbestimmung. 


Die einzige in der Literatur auffindbare Angabe über Tryptophan 
im Sericin ist die Emil Fischers (l. c.), der das Vorhandensein dieser Amino- 
säure im Seidenleim qualitativ nachwies. 


Der Tryptophangehalt des Sericins wurde nach der Methode von 

Fürth und Dische?), welcher auf der Voisenetschen Farbreaktion beruht, 
ES 1,0 Proz. ermittelt. 
Nach Fürth und Lieben?) ist für die Bildung der Melanoidine bei 
der Säurehydrolyse eines Eiweißkörpers in erster Linie der Tryptophan- 
gehalt des Proteins maßgebend. Mit Sericin angestellte Säurehydro- 
lysen ergaben einen Melanoidingehalt von 1,6 Proz. mit einem N-Gehalt 
von 0,16 Proz., der — auf Tryptophan umgerechnet — 1,18 Proz. 
Tryptophan im Sericin entspräche (gefunden 1,0 Proz.); dieses Resultat 
steht mit den Ergebnissen der erwähnten Arbeit im Einklang. 


mit 


1) Osborne und Harris, Chem. Centralbl. 1908, I, 1279. 
2) O. Fürth und Z. Dische, diese Zeitschr. 146, 275, 1924. 
3) O. Fürth und F. Lieben, ebendaselbst 116, 224, 1921. 


Kenntnis des Seidenleims. 449 


Tyrosinbestimmung. 


Strauch!) findet 1 Proz., Abderhalden und Warms?) 2,3 Proz., Türk (l. c.) 
5,96 Proz. Tyrosin im Sericin (ermittelt nach gravimetrischen Methoden). 
Unsere nach der auf der Msllonschen Reaktion basierenden Methode 
von Fürth und Fischer?) vorgenommene Bestimmung ergab einen 
5,83 
san) 6:0 Proz 

Um für die beiden vorerwähnten Bestimmungen eine Stütze zu 
gewinnen, wurde eine Nitrierung des Sericins vorgenommen, da ja 
Lieben‘) für zahlreiche Proteine gezeigt hat, daß der quantitativ er- 
mittelbare NO,-Wert eines nitrierten Eiweißkörpers mit der Mono- 
nitrierung des in dem betreffenden Protein enthaltenen Tyrosins 
+ Tryptophans in befriedigender Weise übereinstimmt. 

Es wurde Sericin mit 20proz. Salpetersäure nitriert und (nach 
Behandlung des Produkts mit lproz. Sodalösung) für 2 g Nitroprodukt 
0,0399 NO, gefunden, während die Berechnung, basierend auf den 
oben mitgeteilten Bestimmungen des Tyrosins und Tryptophans, 


Tyrosingehalt von | 


d 


für Tyrosin 6 Proz. ..... . . . 0,030g NO, 
für Tryptophan 1 Proz. ... . . . 0005g NO, 
0,035 g NO, 


ergibt. 
Schwefei- (bzw. Cystin-) Bestimmung. 
Über Schwefel- bzw. Cystinbestimmung im Sericin, ebenso wie über 


einen qualitativen Nachweis desselben ist in der Literatur keine Angabe 
zu finden. 


Nach der alten Methode von Liebig-Du Ménil wurde in der Ätz- 
natron-Salpeterschmelze des Sericins der Schwefel als Ba SO, bestimmt 
und auf Cystin umgerechnet. Es ergibt sich so ein Cystingehalt des 


123) 79 Proz. 


Seidenleims von fe j 


Argininbestimmung. 


Türk (l. c.) fand nach der Methode von Kutscher und Kossel 4,56 Proz. 
Arginin in Seidenleim. 


Wir bestimmten das Arginin im Sericin als Salz der Flaviansäure 


j4,12\ 41,3 Proz. 


nach der Methode von Kossel und Gross®) und fanden 14.46] 


Arginin in unserem Eiweißkörper. 


1) F. W. Strauch, Zeitschr. f. physiol. Chem. 71, 365, 1911. 

2) Abderhalden und Worms, ebendaselbst 62. 142. 1909. 

3) O. Fürth und A. Fischer, diese Zeitschr. 154, 1, 1924. 

4) F. Lieben, ebendaselbst 145, 535, 1924. 

5) A. Kossel und E. Gross, Zeitschr. f. physiol. Chem. 135, 167, 1924. 


450 N. Alders: Kenntnis des Seidenleims. 


Histidin und Lysin. 

Türk (l. ec.) ermittelte den Histidingehalt des Sericins mit 1,02, den 
Lysingehalt mit 1,96 Proz. (nach der Methode von Kutscher und Kossel). 

Unsere nach der von Hanke und Koessler!) angegebenen Methode 
ausgeführte Histidinbestimmung ergab ein negatives Resultat, so daß 
wir für das Vorhandensein von Histidin in dem von uns dargestellten 
Produkte keinen Anhaltspunkt haben. 

Der Gehalt des Sericins an Basen-N beträgt, wie oben erwähnt, 
1,51 Proz., der Gehalt an Arginin-N ergibt sich aus dem Gehalt an 
dieser Aminosäure mit 1,37 Proz.; da unser Eiweißkörper kein Histidin 
enthält, ist die Differenz 


Basen-N . . . . 2... . . 1,5l Proz. 
— Arginin-N .....2.0.0. 0.137 „ 
0,14 Proz. 


dem Lysin zuzuschreiben. Einem Lysinstickstoffgehalt von 0.14 Proz. 
entspricht ein Lysingehalt von 0,7 Proz. 


Relation der quantitativ bestimmten Aminosäuren im Serieinmolekül. 


Man kann versuchen, aus den eben mitgeteilten Zahlen das 
molekulare Verhältnis der einzelnen Aminosäuren zueinander im Verband 
des Sericinmoleküls zu berechnen. 

Wir stellten diese Berechnung in der TEE üblichen Weise 
an und ermittelten folgende Relationen: 


Tryptophan . . .. 2... . 1,02 
Tyrosin ........ . . 6,89 
Cystin 2... 5 woran e, 1,04 
Arginin . . 2.222 2200.20. 65,14 
Eysin. a e Ara a ae 
oder abgerundet: 
Tryptophan . 1 
Tyrosin . er ee 
Cystin o ar e Br Ca ës A 
Arginin . ee e e : 
Lysin. . 1 


1) Milton T. Hanke und Karl K. Koessler, Journ. of biol. Chem. 839, 
498, 1919; 48, 527, 1920. 


Beitrag zur Kenntnis der alkoholischen Hefegärung 
und deren Beschleunigung durch Tierkohle. 


Von 
H. Ivekovic. 


(Aus dem Institut für allgemeine experimentelle Pathologie 
und Pharmakologie der Universität Zagreb.) 


(Eingegangen am 1. Februar 1927.) 
Mit 5 Abbildungen im Text. 


Die günstige Beeinflussung der Kolloide und Adsorbenzien auf das 
Wachstum und die Lebenstätigkeit der Mikroorganismen ist eine wohl- 
bekannte Tatsache. Die ersten Befunde auf diesem Gebiet stammen von 
Neuberg!), wobei seinen Untersuchungen statt Hefezellen deren Preßsaft 
zugrunde lag. In derselben Richtung sind auch die Abderhaldenschen?) 
Versuche bezüglich der Gärungsbeschleunigung vermittelst Tierkohle 
von besonderer Bedeutung. Diesen Versuchen zufolge wird die 
alkoholische Gärung durch Zusatz der Kohle bedeutend aktiviert. 
Was die Ursache dieser Beschleunigung anbelangt, beruht dieselbe 
nach Abderhalden auf der Bildung von Acetaldehyd; für diesen hatte 
zuvor Neuberg!) eine stimulierende Wirkung nachgewiesen®), und 
Abderhalden hat ihn im kohlehaltigen Medium in erhöhter Konzentration 
gefunden. 

Mit weiter unten zu besprechenden Versuchen war ich bestrebt, der 
von Abderhalden aufgeworfenen Frage insofern näherzutreten, da anderer- 
seits (z. B. von Söhngen) auch andere Faktoren in Betracht gezogen wurden. 

Es ist eben zu entscheiden, ist der.von Abderhalden gefundene Acet- 
aldehyd der alleinige Faktor der Gärungsbeschleunigung oder spielen noch 
andere Faktoren bei dieser Erscheinung mit. Meine Untersuchungen jedoch 
beziehen sich nicht allein auf die angeschnittene Fragestellung, sondern es 
wurden auch andere Erscheinungen bei der Gärungsbeschleunigung in 
Betracht gezogen. 


1) Neuberg, diese Zeitschr. 88, 145, 1918; Neuberg, Reinfurth und 
Sandberg, ebendaselbst 121, 215, 1921. 

2) Ibderhalden, Fermentforschung 5, 89, 110, 1921; 5, 255, 273, 1922; 
6, 143, 149, 162, 1922; 6, 345. 1923. 

3) Diese Tatsache konnte ich auch bestätigen. 


452 H. Ivekovic: 


Ich experimentierte mit untergäriger Bierhefe, und in allen Versuchen 
war Tierkohle als Adsorbens verwendet. Hiermit stellte ich auch eine Serie 
Vor- oder Nebenversuche zusammen, die sich wie folgt dem Hauptthema 
anreihen. 


Die Versuchsanordnung selbst war nach folgender Voraussetzung 
gegeben: 

Wenn einer Gärungsflüssigkeit, die Kohle enthält, solche Sub- 
stanzen beigegeben werden, die hemmend wirken und dabei auch 
kapillaraktiv sind, so können deren schädliche Eigenschaften entfernt 
werden, indem diese Substanzen von der Kohle adsorbiert werden. 
Als stark kapillaraktive und dabei gärungshemmende Substanzen 
wurden verschiedene Urethane!) in 0,015 mol. Konzentration ge- 
nommen. 


Die so angestellten Versuche ergaben folgendes Resultat und 
wurden in folgender Weise ausgeführt: 


Dg CO 
fe 


28 
24 
20 


76 


G 
2 


A100 ccm 7 proz. Saccharoselsg. + 3g Hefe. E 
B wie A + 5g Kohle. F 
C wie A + 1,335 g Athylurethan. G 
D wie C + 5g Kohle. H 


A + 1,546 g Propylurethan. 
E + 5g Kohle. 

A + 1.757 g Isobutylurethan. 
G + 5g Kohle. 


In acht Erlenmeyerkolben von je 150cem Inhalt kamen 100 ccm einer 
Tproz. Saccharoselösung hinein. Nach Zusatz bestimmter Mengen von 
verschiedenen Urethanen (0,015 mol.), Kohle (Carbo medic. Merck „Neu‘), 
Hefe (immer dasselbe Präparat in allen Versuchen), wurden die Kolben mit 
Gärungsverschluß versehen und bei 25°C im Thermostaten der Gärung 
unterworfen und deren Verlauf durch Gewichtsverlust mit einer feinen Wage 
verfolgt. Die Resultate des Versuchs stellt die Abb. 1 dar. 


1) Warburg, Ergebn. d. Physiol. 14, 295. 


Alkoholische Hefegärung. 453 


Aus dem Diagramm ist ersichtlich, daß sich in unserer Versuchs- 
anordnung bloß die mit Urethanen versetzten Gärungsproben nach der 
Traubeschen Regel verhalten (C, E, G), während dieselben durch Zusatz 
von Kohle (D, F, H) eine größere Gärungsintensität zeigen als die 
Kontrollprobe A, und dabei fallen sie nur etwas niedriger als der reine 
Kohlenversuch B aus. Zugleich fällt es auf, daß sich die Kurven D, 
F und H innerhalb der Versuchsfehler decken. Diese letztgenannte 
Erscheinung ist wohl eine Resultante aus mehreren Komponenten, von 
welchen wir beispielsweise die Einwirkung der in der Lösung ver- 
bliebenen Urethanmengen auf die Hefe und die Verdrängung des 
adsorbierten Zuckers von der Oberfläche hervorheben möchten. Da 
uns bei unseren Versuchen der Gewichtsverlust der Proben als ein 
Indikator der Gärungsbeschleunigung diente, war es jedenfalls von 
Interesse, zu erfahren, ob die Differenz der Gewichtsverluste mehr auf 
Kosten der CO,-Verdrängung durch Kohle oder durch die stimulierende 
Einwirkung von gebildetem Acetaldehyd zu setzen wäre. Bei den 
Abderhaldenschen Untersuchungen wurde der CO,-Verdrängung durch 
Tierkohle keine Berücksichtigung zuteil. Abderhalden lag es haupt- 
sächlich daran, die Gärungsbeschleunigung zu zeigen, ohne sich in 
quantitative Analyse der Beschleunigung einzulassen. 


Es ist bekannt, daß die Gärungsflüssigkeit noch viel Kohlensäure 
enthält. Nachdem es von Wichtigkeit war, die Größe der Kohlensäure- 
verdrängung durch Kohle kennenzulernen, wurden folgende Versuche 
unternommen: 


In zwei Erlenmeyerkolben, A und B, von 150 ccm Inhalt kamen 100 cem 
T7proz. Zuckerlösung. Dem Kolben B wurden noch Be Kohle zugefügt, 
schließlich kamen in beide Kolben noch 5g Hefe, worauf, mit einem 
Gärungsverschluß versehen, beide bei 19°C der Gärung unterworfen wurden. 
Verlauf der Gärung wurde durch Gewichtsverlust verfolgt. Nach einer be- 
stimmten Zeit wurde Kolben A (Kontrolle) und gleichzeitig auch Kolben B 
gewogen. Nach Abnahme des Verschlusses kam in den Kontrollkolben A 
die gleiche Kohlenmenge, wie bereits in B vorhanden (5 g), worauf der Ver- 
schluß wieder daraufgesetzt und das ganze gut durchgeschüttelt wurde. 
Während des Schüttelns entwickelt sich eine große Menge von Kohlensäute, 
jedoch bleibt dasselbe Vorgehen in der Probe B ohne merklichen Einfluß. 
Zu vermeiden ist das Übergehen des sich entwickelnden Schaumes in den 
Verschluß. Nach Beendigung der Gasentwicklung wurde der Kolben 
neuerlich gewogen und das beigefügte Kohlengewicht davon in Abzug 
gebracht. Die Differenz zwischen den Kolbengewichten nach der Beigabe von 
Kohle und Durchschüttelung — abzüglich das Gewicht der Kohle — ergibt 
einen neuen Punkt A’ des Diagraınms. Auf diese Weise ist es möglich, 
eine ganze Kurve A’ zu erhalten, wobei selbstverständlich für je zwei ent- 
sprechende Punkte der Ordinate bei Kurve A und A’ derselbe Kolben zu 
nehmen ist. 


Die auf angegebene Weise erhaltene Kurve A’ stellt eine Gärungs- 
kurve dar, so wie sie auch die Gärung B ergeben würde, wenn die Kohle 
Biochemische Zeitschrift Band 183. 30 


454 H. Ivekovic: 


nur ausschließlich eine verdrängende Wirkung entfalten würde, ohne dabei 
andere Folgen zu zeitigen. Die Differenz zwischen B und 4’ gebt die 
eigentliche Beförderung der Gärung durch Kohle an. Die entsprechenden 

Versuche sind aus der Abb.?2 


0gcC0. À . 

e ersichtlich. 
Sé Aus den Diagrammen geht 
a hervor: 1. daß die Differenz 
EI der entwickelten Kohlensäure 
zwischen dem normalen Medium 
SS und jenem Kohle enthaltenden 
r das Resultat zweier Komponenten 
S ist; a) der faktischen Gärungs- 
8 S P p beschleunigung, das heiBt der 
IPA i rascheren Zuckervergärung, und 
j GE, l b) der durch Kohle verdrängten 
Der EE E E Kohlensäure; 2. daß die Gärungs- 

l y 6 8 on g Ki ee e e 

Stund flüssigkeit noch viel Kohlensäure 
: Cer Se enthält, die sich nach Zusatz von 
ee cd PC dE ek Kohle größtenteils verdrängen 
I. Glucose. II. Lävulose. III. Saccharose. läßt. Demnach fördert Kohle die 


Verdrängung der Kohlensäure 
aus der gärenden Flüssigkeit. Die Menge des verdrängten CO, ist 
nicht gering. Sie beträgt etwa 40 bis 50 Proz. der gesamten Be- 
schleunigung, die wir vermittelst Gewichtsverlustmethode erhalten 
haben (d.h. B— A). Die Abderhaldenschen Versuche zeigten dem- 
nach — quantitativ genommen — viel zu hohe Resultate, denn es 
ist klar, daß man unter Gärungsbeschleunigung nicht die Differenz 
zwischen der im Kontrollversuch und der im eigentlichen Versuch 
mit Kohle entwickelten Kohlensäure zu verstehen hat, sondern die 
Differenz an zersetztem Zucker zwischen den erwähnten Versuchen. 
Die Differenz B — A’ gibt diese Menge, ausgedrückt in CO,, d.h. die 
Differenz in Zucker ist etwa die doppelte. Daraus können wir den 
Schluß ziehen, daß die übliche Methode der Gärungsverfolgung ver- 
mittelst Gewichtsverlust auf die Gärungsbeschleunigung durch Kohle 
und andere ÄAdsorbenzien nicht anwendbar ist, denn es könnte vor- 
kommen, daß z.B. bei einer gewissen Konzentration einer gärungs- 
henımenden Substanz im Medium mit Kohle eine größere CO,-Ent- 
wicklung stattfinden könnte als in Kontrolle ohne diese Substanzen. und 
doch könnte die Gärungsgeschwindigkeit im ersten Falle kleiner sein. 

Die genannte Methode ist nur dann zulässig, wenn man die quan- 
titativen Verhältnisse zweier Gärungen, sei es mit oder ohne Kohle. 
untereinander vergleicht, keinesfalls aber darf man dieselbe auf zwei 
verschiedene Gärungen anwenden. 


Alkoholische Hefegärung. 455 


Den Mechanismus der Kohlensäureverdrängung aus der Gärungs- 
flüssigkeit können wir auf folgende Weise deuten: In der Flüssigkeit 
befindet sich das Kohlendioxyd in Form seiner Säure H,CO, und 
gelöst, d. h. in molekularem Zustande mit hydrierten Wassermolekülen, 
die wir in der Form CO,.nH,O schreiben können. Das hydrierte 
Molekül C0, . n H,O (dasselbe gilt auch für die H,CO,) wird von der 
Kohle adsorbiert, an deren Oberfläche sich folgende Reaktion abspielt: 
CO, . n H0 — CO, + nH,0, d.h. das hydrierte Molekül CO, zerfällt 
in Wasser und CO,, welch letztere in gasförmigem Zustande entweicht, 
da sie von der Kohlenoberfläche durch das umgebende Wasser verdrängt 
wird. Auf diese Weise setzt sich der Prozeß weiter fort. Neue Mengen 
von CO,.nH,O werden auf der Kohlenoberfläche adsorbiert, auf 
welcher das Gleichgewicht zwischen der adsorbierten und nicht ad- 
sorbierten Kohlensäure immerfort gestört wird!). Die Erklärung hat 
natürlich nur unter der Voraussetzung Gültigkeit, daß die Reaktions- 
geschwindigkeit CO,.nH,0— CO, -+n.H,0 wie auch die Verdrängung 
des CO, durch Wasser groß und daher die CO,-Konzentration auf der 
Oberfläche gering ist. 

Wie oben erwähnt, gibt hiermit die übliche Methode der Gärungs- 
beschleunigung mit Kohle zu hohe Resultate, weshalb versucht wurde, 
eine exaktere zu finden, die genauer die eigentliche Differenz des ver- 
gorenen Zuckers angeben würde. Diese Absicht ist leicht erreichbar, 
da sich das Medium mit dem Kohlezusatz gut filtrieren läßt und ein 
polarisierbares Filtrat ergibt. 

Aus diesen Gründen wurden die Versuche auf folgende Weise unter- 
nommen: Wenn man die erwähnte Zucker-differenz unserer Gärungen be- 
stimmen will, so durchschüttelt man zu bestimmter Zeit beide Kolben A 
und RB, und entnimmt jedem die gleiche Menge (z. B. 20 cem). B (Versuch 
mit Kohle) wird direkt ohne weiteres durch ein nasses quantitatives Filter 
filtriert, während der aus A genommenen Flüssigkeit diejenige Kohlenmenge 
beigefügt wird, die aus B entnommener Flüssigrkeitsmenge entspricht, gut 
durcehschüttelt und filtriert. Danach läßt sich auch das Medium von A klar 
filtrieren. A und B werden immer gleichzeitig filtriert. um nachher polari- 
siert zu werden. Die ganze Prozedur bis zur Erhaltung des Filtrats dauert 
bei einiger Übung nicht über 1 Minute. Beim Filtrieren waren die Verhältnisse 
in beiden Proben immer vollkommen gleich, und außerdem wurden die ersten 
Kubikzentirneter des Filtrats nicht verwendet. Wie hervorgeht, wird bei 
diesem Versuch die auf der Kohle adsorbierte Zuckermenge nicht berück- 
siehtirt, sondern nur die in der Lösung verbliebene. Ganz natürlich wurde 
die Lösung aufgekocht, um die Mutarotation des Zuckers bei späterer 
Beobachtung zu eliminieren. 

Die auf diese Weise erhaltenen Resultate lassen nicht die gesamte 
in einem der Medien enthaltene Zuckermenge erkennen, sondern nur 


1) Die beschleunigte Gärung in den rauhen Gefäßen der Gärungs- 
industrie ist auf dasselbe Prinzip zurückzuführen. 


30 * 


456 H. Ivekovic: 


die Differenz zwischen den vergorenen Zuckern, was uns bereits die 
obengenannte Gärungsbeschleunigung darstellt. 

Es möge an dieser Stelle eine Bemerkung bezüglich der Genauigkeit 
der erwähnten Methode eingeschaltet werden. Dieselbe ist nämlich 
keine vollkommen exakte, denn es vergärt B schneller, d.h. es verringert 
schneller die Zuckerkonzentration.e Nachdem die Adsorption von der 
Konzentration abhängt und nachdem mit geringerer Konzentration 
die Menge des adsorbierten Zuckers absolut genommen abnimmt, so 
wird die Flüssigkeit B im Polarimeter eine größere Ablenkung auf- 
weisen als wenn aus B die gleiche Zuckermenge wie aus A adsorbiert 
werden würde. Außerdem entwickelt sich in B etwas mehr Alkohol, 
was zur Folge hat, daß von der Kohlenoberfläche etwas mehr Zucker 
in die Flüssigkeit eluiert wird als in der Probe A, wodurch auch die 
Differenz der Konzentrationen etwas vermindert wird, d. h. die auf 


607 % Zucker 
A /7 lösung 


30 


40 


E 4 5 Co wW 6 ei 


8 
Funden 
Abb. 3. 
A 200ccm 7proz. Zuckerlösung (gekocht) + 10g Hefe. B wie A + 10g Kohle. 
I. Glucose. Il. Lävulose. 


angegebene Weise erhaltenen Resultate werden etwas zu klein aus- 
- fallen. Wie daraus hervorgeht, ist obengenannte Methode zwar nicht 
exakt, jedoch sind die durch dieselbe verursachten Fehler nicht zu 
groß, weshalb sie auch bedeutend genauere Resultate zeigt als die 
Gewichtsverlustmethode allein, was auch nachfolgende Resultate 
illustrieren. 


Zwei 300-ccm-Erlenmeyerkolben A und B enthalten je 200 ccm 7proz. 
Zuckerlösung, worauf Kolben B 10g Kohle zugesetzt wurden. In beide 
Kolben kamen darauf 10 g Hefe und schließlich wurden beide bei 19° C 
der Gärung unterworfen. Von Zeit zu Zeit wurde A durchgeschüttelt, 
der Flüssigkeit mit einem Meßzylinder 20 ccm entnommen und dieser 
Menge 1g Kohle zugefügt, worauf durchgeschüttelt, filtriert und polari- 
metriert wurde. Es wurden 10 ccm des Filtrats verwendet. Polarimeter 
nach Landolt-Lippich. Aus derin B enthaltenen Flüssigkeit wurden zu gleicher 
Zeit ebenfalls 20 cem entnommen und desgleichen filtriert und polarimetriert. 
Die Resultate sind aus der Abb. 3 ersichtlich. 


Alkoholische Hefegärung. 


457 


Inwiefern diese Resultate mit denjenigen einerseits durch Ver- 
drängung des CO, durch Kohle erhaltenen (S. 453) und andererseits 


durch Gewichtsverlust — 


unter sonst streng gleichen ` Zon 
8 6 


Gärungsbedingungen — über- 
einstimmen, erweist Abb. 4. e 


Wenn wir bloß die Differenz 
der Gärungsintensitäten ver- 


folgen wollen, so ist man im- 2 IP 
stande, auf diese Weise den ú A 6 ee 0 EM 
V Stunden 


Verlauf der Gärung zweier ge- 


wöhnlicherGärungsflüssigkeiten  ” 2 4 6 8 0 Z? W B 
zu verfolgen, d. h. von welchen Abb. 4. 
beide keine Kohle enthalten. B— A aus der Abb.2. B— A' aus der Abb. 2. 


Dann wird bei beiden 
Gärungen analog wie oben 
bei Gärung A vorgegangen. 


A— B aus der Abb. A 
I. Glucose. II. Lävulose. 


Die zugefügte Kohlenmenge in einem Teile der entnommenen Gärungs- 
flüssigkeit soll so klein als möglich sein. | 


Da ein analoger Versuch mit Saccharose infolge der stattfindenden 


störenden Inversion nicht anstellbar ist, so wurde der Versuch so 
ausgeführt, daß eine Mischung von Glucose zur Lävulose als 1:1 


in derselben Gesamtkonzentration 
verwendet wurde. Einen so an- 
gestellten Versuch stellt die Ab- 
bildung 5 dar. 

Aus dem Diagramm sieht man, 
daß bei Gärung dieser Mischung die 
Kurve der polarimetrischen Dre- 
hung ein flaches Maximum anzeigt, 
welches man auf die schnellere Ver- 
gärung der Glucose beziehen könnte. 
Es erscheint nämlich die Erklärung 
plausibel, daß die Glucose zur 
Lävulose während des erwähnten 
Maximums annähernd im Verhält- 
nis ihrer polarimetrischen Drehung 

93,0 7 
525 1,78 vergärt, d. h. daß 
auf ein Mol Lävulose beiläufig 
1,78 Mol Glucose entfällt. 


etwa 


Inksdrehung 
mt 


Stunden 


Abb. 5. 


A 200ccm 7proz. Lösung der Glucoses 
Lavulosemischung 1:1 + 10 g Hefe. 
B wie A + 5g Kohle. 
C 200 ccm 7 proz. Lösung der Glucose» 
Lävulosemischg. 1,78:1 + 10g Hefe. 
T=1%C. = 100mm. 


Daß im Diagramm die Kurven A und B nebeneinander verlaufen, 
bedeutet weiterhin, daß die Kohle auf das Gärungsverhältnis keinen 
Einfluß hat, weil sonst in vorliegendem Falle der Kurve B ein ganz 
anderer Verlauf vorstünde. Das Vergärungsverhältnis der Glucose 


458 H. Ivekovic: 


zur Lävulose hängt nämlich, wie bekannt, mit der Änderung des 
Konzentrationsverhältnisses 1: 1 beider Zuckerarten zusammen. Nach- 
dem die Glucose schneller vergärt, ändert sich das Verhältnis 1:1 
zugunsten der Lävulose; infolge davon ändert sich auch das Gärungs- 
verhältnis 1:1,78 zugunsten der Lävulose, was zur Folge hat, daß 
letztere schneller vergärt als es diesem Vergärungsverhältnis ent- 
sprechen sollte. Daher auch die rasche Abnahme der Drehung der 
Polarisationsebene. Selbstverständlich haben diese Werte insofern 
einen relativen Wert, da sie vermutlich mit Änderung der Versuchs- 
bedingungen zeitlich Verschiedenheiten aufweisen werden. Bei einigen 
Kreuzversuchen mit Konzentration der Lävulose-Glucosemischung 
.1:1,78 zeigte sich, daß die Vergärung noch mehr zugunsten der Glucose 
ausfällt, wie es von der Kurve C der Abb. 5 illustriert wird. In diesem 
Falle bewegt sich die Drehung nach links infolge bedeutend schnellerer 
Vergärungsgeschwindigkeit der Glucose. Das Gärungsverhältnis der 
Glucose zur Lävulose hängt bekanntlich in bedeutendem Maße von 
der Art der Hefe ab. 

Die Bestinnmung der bei der Gärung obiger Mischungen angeführten 
` polarimetrisch bestimmten Verhältnisse muß an der Hand quantıtativer 


Analyse der verwendeten Zuckersorten in den Gärungsflüssigkeiten ergänzt 
werden, wofür besondere Untersuchungen im Gange sind. 


Über die Ursachen der Gärungsbeschleunigung durch Kohle. 


Wie bereits zu Beginn erwähnt wurde, hält Abderhalden die Ent- 
stehung des Acetaldehyds als annehmbarsten Grund der Beschleunigung. 
Die oben erwähnten Versuche hatten jedoch ergeben, daß die Ver- 
drängung der Kohlensäure durch die Kohle zur Geltung kommt und 
nachdem andererseits CO, als Hemmungsstoff die Lebenstätigkeit der 
Hefe beeinflußt, muß die Frage der Gärungsbeschleunigung mit dieser 
von Söhngen!) ausgedrückten Auffassung in Einklang gebracht werden. 
Nach Boussingault?) hat die Verdrängung von CO, unter dem ver- 
minderten Druck eine bedeutende Beschleunigung der Gärung zur 
Folge. Da Söhngen annimmt. daß eben diese C O,-Verdrängung durch 
Kohle eine Hauptursache der Beschleunigung ist, so war es notwendig. 
einen Versuch unter vermindertem Druck mit Kohle anzustellen. 
Wenn dieser Versuch dieselben Resultate zeigt, wie jener unter ver- 
minderten Druck ohne Kohle, so wäre dies ein Beweis dafür. daß die 
Gärungsbeschleunigung bloß durch Verdrängung von CO, verursacht 
wäre. 

Dieser Versuch wurde in folgender Weise unternommen: In vier 
Erlenmeyerkolben von je 150 cem Inhalt kamen 100 ccm 7proz. Glucose 


1) Söhngen, Centralbl. f. Bact. 38, IT, 621, 1913. 
2) Boussingault, C. r. 91, 373, 1900. 


Alkoholische Hefegärung. 459 


(gekocht) bzw. Lävuloselösung. Die Gärung in A und B findet unter 
normalen, während die in C und D unter vermindertem Druck von etwa 
100mm Hg statt. Außerdem erhalten B und D je 5g Kohle. In allen 
Proben 5 g Hefe. Temperatur im Thermostaten 22°C. Um einen Vergleich 
zwischen den Proben ziehen zu können, setzt man A und C nach bestimmter 
Zeit. der Gärung je 5g Kohle bei, um damit beiläufig dieselbe Menge an 
Zucker aus dem Medium durch Adsorption zu entziehen. Diesen Versuch 
zeigt das beigefügte Protokoll an. 


Temperatur = 22°C. 


|| A = 100 eem C wie A 
7 proz. Zucker» B wie A mit D wie C 
Zuckerart lösung + 5g Kohle vermindertem + 5g Kohle 
+ 5g Hefe Druck 
Proz. | Proz. Proz. Proz. 
Glucose nach 6 Stdn. is | 838 3,70 2,82 
Lävulose n D p 3,99 | 3,08 i 3,48 i 2,50 


Man sieht deutlich, daß die Zuckerkonzentration in C immer 
geringer ist als in A, d. h. die unter vermindertem Druck stehende 
Flüssigkeit vergärt schneller als die unter normalen Bedingungen 
stehende. Die Ursache dieser Erscheinung liegt an der Kohlensäure- 
verdrängung aus der gärenden Flüssigkeit und gleichzeitig auf etwas 
verminderter Konzentration des Alkohols durch Verdunstung. Ver- 
gleichen wir aber die Gärungen in C und D, so sehen wir, daß die Gärung 
in der Probe, welche unter vermindertem Druck steht und mit Kohle 
versetzt wurde, eine weit größere Gärungsgeschwindigkeit aufweist 
als die Probe, welche ohne Kohle unter demselbem Druck stand, 
obwohl im letzten Falle die CO,-Verdrängung durch Kohle nicht in 
Frage kommt. Wir sehen also, daß die Kohlensäureverdrängung durch 
Kohle keinesfalls der einzige Faktor ist, welcher die Gärungsbeschleuni- 
gung durch Kohle hervorruft. Diese Tatsache könnte vielleicht im ` 
Sinne der Abderhaldenschen Annahme gedeutet werden. Wie sich die 
einzelnen Komponenten der Gärungsbeschleunigung zueinander ver- 
halten, muß weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. 

Auf Grund der obenerwähnten Versuche kann geschlossen werden, 
daB die Gärungsbeschleunigung, d.h. die schnellere Zuckerzersetzung 
durch Hefe in Gegenwart von Kohle nicht durch eine einzige Ursache 
bedingt ist, sondern eine Resultante mehrerer Komponenten darstellt, 
von denen uns folgende bekannt sind: a) der durch Neuberg und 
Abderhalden als gärungsfördernd erwiesene Acetaldehyd; b) die durch 
Kohle verursachte Kohlensäureverdrängung und daher verminderte 
CO,-Konzentration in der Gärungsflüssigkeit und c) die Adsorption 
des entstehenden Alkohols durch Kohle, wodurch gleichfalls ein stark 
hemmender Faktor der Flüssigkeit entzogen wird. (Um die Rolle des 
letztgenannten Faktors festzustellen, wurden besondere Versuche unter- 


460 H. Iveković: Alkoholische Hefegärung. 


nommen, welche ergaben, daß unter den zuvor erwähnten Versuchs- 
bedingungen etwa 16 bis 18 Proz. des gesamt entstehenden Alkohols 
adsorbiert werden. 


Es ist wohl wahrscheinlich, daß die Gärungsbeschleunigung durch 
Kohle auch durch andere Komponenten verursacht wird. Es ist denkbar, 
daß auch die Adsorption der Hefezellen an Kohle im Sinne eines mechanischen 
Reizes wirkt. 

Zum Schluß sei hervorgehoben, daß die erwähnten Tatsachen sowohl 
für verschiedene Zuckerkonzentrationen als auch verschiedene Hefe- 
präparate, sowie verschiedene Arten von Kohle ihre volle Geltung behalten. 


Es obliegt mir nun noch die angenehme Pflicht, meinem ehemaligen 
hochverehrten Lehrer und Chef und Institutsvorstande, Herrn Prot. 
Dr. M. Miculicich, für die mir in jeder Hinsicht erwiesene breitzügige 
Unterstützung bei der Arbeit meinen besonderen und innigsten Dank 
auszusprechen; Dank schulde ich auch Herrn Prof. für technische My- 
cologie Dr. L. Gutschy, dem ich manche Anregung und Beratung zu 
verdanken habe. 


Die Milchsäure als intermediäres Produkt des anoxybiotischen 
Kohlehydratumsatzes in der Tierzelle. 


Von 
Julius Stoklasa. 


(Aus dem staatlichen radiologischen Institut in Prag.) 


(Eingegangen am 8. Februar 1927.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


Schon Pasteur hat gezeigt, daß die Gärung, und zwar sowohl die 
Alkoholbildung, wie die Milchsäurebildung, als eine Form der Energie- 
gewinnung, die des freien Sauerstoffs nicht bedarf, zu deuten ist. 
Dubois-Reymond!) hat diesen Vorgang der Milchsäurebildung im 
Muskel als einen FermentationsprozeßB aufgefaßt. 

Erst in den 80er Jahren gelang es Claude Bernard?), ein glyko- 
lytisches Ferment aus dem Muskel zu isolieren, welches seiner Meinung 
nach die Milchsäurebildung bewirkt. Alle diese Forschungen erbrachten 
nicht den positiven Nachweis, daß die Milchsäure durch einen rein 
enzymatischen Prozeß entsteht. Ich war mit meinen Untersuchungen 
der erste, dem es gelang, aus dem Tierorganismus Enzyme zu isolieren, 
die eine Milchsäurebildung hervorrufen. Ich publizierte diese Entdeckung 
im März 1903 im Zentralblatt für Physiologie?). 

Carl Oppenheimer hat schon in seinem bekannten Buche ‚Die Fermente 


und ihre Wirkungen“ (Verlag von F.C. W. Vogel, Leipzig 1903), meine 
Befunde zitiert. Er sagt wörtlich: „Soeben veröffentlichte Resultate von 


Stoklasa, Jelinek und Černý scheinen nun tatsächlich meine vorläufigen 
Resultate zu bekräftigen, da ihnen der Nachweis eines echten, milchsäure- 
bildenden Enzyms in den tierischen Organen und im Blute gelungen ist. 
Sie konnten es aus den Organen nach der Buchnerschen Methode isolieren 
und erhielten ziemlich beträchtliche Mengen Milchsäure.‘‘ 

In der Auflage aus dem Jahre 1913 äußerte sich Oppenheimer wie folgt: 
„Der einzige gelungene Versuch, das Alkohol und Milchsäure bildende 
Ferment aus den Tiergeweben herauszubekommen und seine Wirkungen 


1) Dubois - Reymond, Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1859, S. 288. 

2) Claude Bernard, Leçons sur le diabète, S. 328, Paris 1877; Cours de 
physiologie au Collège de France 1, 379, 1886. 

3) J. Stoklasa, J. Jelinek, T. Černý, Zentralbl. f. Physiol. 14, H. 25, 
März 1903. 


462 J. Stoklasa: 


frei von Zellen zu demonstrieren (Stoklasa) wird in der heftigsten Weise 
bestritten; die Bedingungen, unter denen neben der Milchsäure auch Alkohol 
entsteht, sind völlig undurchsichtig.‘ 


Oppenheimer hat damals in seinen Publikationen darauf hingewiesen, 
daß es niemand gelungen ist, meine Befunde bezüglich der aus dem Tier- 
körper isolierten glucolytischen Enzyme, welche die Milchsäure- und Alkohol- 
bildung bewirken, zu widerlegen. Er hat damals bereits konstatiert, daß 
die von Stoklasa aus der tierischen Zelle isolierte Zymase Alkohol und 
Kohlendioxyd und daneben in reichlicher Menge Milchsäure bildet. 


Ich war nicht nur der erste, welcher aus dem Pflanzenorganismus 
die Enzyme isolierte, die die Milchsäurebildung hervorrufen, und kon- 
statierte, daß sich beim anoxybiotischen Prozeß im pflanzlichen 
Organismus stets Milchsäure bildet, sondern es ist mir auch gelungen, 
aus dem tierischen Organismus zum ersten Male die glykolytischen 
Enzyme zu isolieren, die eine Milchsäurebildung aus den Hexosen 
verursachen. 


Schon damals, vor 24 Jahren. stellten wir fest, daß in den Tierorganen, 
und zwar in der Lunge, im Muskel und im Blute, sich Enzyme vorfinden. 
welche die Milchsäurebildung und alkoholische Gärung aus der Glucose 
bewirken. Bei allen unseren Versuchen sind bloß diejenigen Resultate 
berücksichtigt worden, bei denen ein vollständiger Ausschluß von gärungs- 
erregenden Mikroben stattgefunden hatte. Ich konnte auf Grund der da- 
maligen Versuche konstatieren, daß in den alkoholisch-ätherischen Nieder- 
schlägen im reinen Preßsaft der Tierorgane Enzyme vorhanden sind, welche 
sofort eine Milchsäuregärung und alkoholische Gärung hervorrufen. Ich machte 
bereits damals darauf aufmerksam, daß durch die Bildung der Milchsäure 
aus der Glucose nicht nur die Tätigkeit des die alkoholische Gärung bewirken- 
den Enzyms gestört wird, sondern daß auch durch das Vorhandensein der 
freien Milchsäure die Milchsäuregärung selbst behindert ist. Durch Hinzu- 
fügen von Tricaleium- oder Trikaliumphosphat wird allerdings die schädliche 
Wirkung der Milchsäure paralysiert und der weitere Fortgang der Milch- 
säuregärung unterstützt. Lassen wir den Alkohol oder Äther bei der Iso- 
lierung des Enzyms länger wirken, so bemerken wir, daß das die alkoholische‘ 
Gärung bewirkende Enzym geschwächt wird und die Gärung erst nach 
12 bis 24 Stunden eintritt, und zwar eine vorwiegende Milchsäuregärung. 


In meiner Publikation ‚Sind glykolytische Enzyme im Tierkörper vor- 
handen ?‘!) habe ich im Jahre 1905 über meine mit aus frischen Muskeln 
dargestellten Enzymen ausgeführten Versuche berichtet. Ich konstatierte, 
daß bei sofortiger Gärung stets Milchsäure in verhältnismäßig größeren 
Quanten auftritt. Auch in meiner Arbeit „Über die glucolytischen Enzyme 
im Pankreas‘‘?) konnte ich die Milchsäure als erstes Produkt der glucolyti- 
schen Prozesse feststellen. 


Dann erst trat Embden?) im Jahre 1912 und 1914 mit seiner Arbeit 
über die Bildung der Milchsäure im Preßsaft des Säugetiermuskels bei 


1) Julius Stoklasa, Zentralbl. f. Physiol 18, Nr. 25, 11. März 1905. 

2) Derselbe, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, H. 1, 1909. 

3) Embden, Kalberlah und Engel, diese Zeitschr. 45, 45, 1912; Embden, 
Griesbach und Schmitz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 98, 1, 1914/15. 


Milchsäure in der Tierzelle. 463 


Zugabe von Hexodiphosphorsäure hervor. Dieselbe Erscheinung konstatierte 
auch Bierry und Moquet!). 

Im vergangenen Jahre publizierte dann O. Meyerhof?) in dieser Zeit- 
schrift eine Arbeit ‚Über die enzymatische Milchsäurebildung im Muskel- 
extrakt“, in der er meine früheren Forschungen vollkommen bestätigt. 
Es ist ihm ebenfalls gelungen, die Abtrennung des Milchsäure bildenden 
Ferments aus dem Muskel zu vollziehen, und er kam zu einem ähnlichen 
Resultat daß nämlich die Haltbarkeit des Ferments sehr gering ist, und 
daß jedenfalls die Energie des Enzyms durch Phosphatzusatz erhöht wird, 
was ich ebenfalls vor 25 Jahren beschrieben hatte. 


Wir haben auch weiterhin mit unseren Mitarbeitern auf Grund 
moderner Apparatur und Versuchsmethodik den Kohlehydratumsatz 
in der tierischen Zelle sehr intensiv weiter verfolgt und gelangten zu 


dem Ergebnis, daß die mit meinen Mitarbeitern vor 25 Jahren erzielten 
Befunde vollkommen richtig sind. 


Im Jahre 1916 stellten Neuberg und Färber das Auftreten von 
Acetaldehyd als Durchgangsprodukt im intermediären Kohlenhydratstoff- 
wechsel fest. Mit Hilfe des zweiten von Neuberg und Reinfurth inaugurierten 
biochemischen Abfangverfahrens ist es gelungen, den Acetaldehyd bei 
Atmung der Froschmuskulatur der weiteren Verbrennung zu entziehen 
und in Form des Anhydro-Acetaldehyd-bis-dimethyleyklohexandions (Acet- 
aldomedon) substantiell zu fassen. Der Fixation des als Zwischenglied auf- 
tretenden Acetaldehyds stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, die 
Neuberg mit Färber, Reinfurth, Hirsch u. a. angegeben hat?). 


Nach dem Erscheinen dieser Arbeiten ging ich sofort daran, mich 
zu überzeugen, ob sich bei der durch die Enzyme hervorgerufenen Milch- 
säure- und alkoholischen Gärung auch stets Acetaldehyd bildet. 


Wir haben zu diesem Zwecke weitere neue Versuche mit nach 
unserer Methode isolierten Rohenzymen vorgenommen, und zwar in 
derselben Weise, wie wir dies in zahlreichen unserer früheren Arbeiten?) 
bereits beschrieben haben, nur daß wir neben Kohlendioxyd, Milch- 
säure, Alkohol und Essigsäure auch stets den Acetaldehyd bestimmten. 
Als Antiseptikum wurde 2proz. Salicylsäure und 2proz. Toluol an- 
gewendet. Die Resultate sind in Tabelle I angeführt. 


1) A. Bierry und L. Moquet, C. r. de la Soc. de biol. 91, 250, 28. Juni 
1924; 93, 322, 4. Juli 1925. 

2) O. Meyerhof, diese Zeitschr. 178, H. 4/6, 395, 1926. 

3) Carl Neuberg und E Färber, diese Zeitschr. 78, 238, 1916; Carl 
Neuberg und E. Reinfurth, ebendaselbst 89, 365, 1918; 92, 234, 1918; 
C. Neuberg und J. Hirsch, ebendaselbst 100, 304, 1919; 106, 281, 1920; 
C. Neuberg, J. Hirsch und E. Reinfurth, ebendaselbst 105, 307, 1920; 
J. Hirsch, ebendaselbst 134, 415, 1922; 117, 113, 1921; C. Neuberg und 
A. (Gottschalk, ebendaselbst 146, 164, 1924; 158, 253, 1925. 

t) J. Stoklasa, V. Int. Kongr. f. angew. Chem, Berlin, 3. Juni 1903; 
Stoklasa und Cerni, Chem. Ber. 36, 662, 1903; J. Stoklasa, Arch. f. d. ges. 
Phys. 101, 1904. 


464 J. Stoklasa: 


Tabelle I. 


Rohenzym aus frischen Muskeln. Die Zahlen sind auf 10g Rohenzym 
umgerechnet. 


Í 


i Menge des bei der Gärung entstandenen | Gesamtmenge 


Art der Lösung, | CO; ing a T. 
in der die — S TEITEI 
ärun =I 25.823 
x folgte | Zahl der Stunden | $ >.a Wetz os. 
| 12 24 | 48 8 72 | % | g g E 


0,346 | 0,417 | 0,077 ' 0,053 | 0,012 0,905 | 0,406 0,776 | 0.152 0.324 
0.282 | 0.596 | 0,096 | 0.014 ' 0,0311019 0,377 0.916 | 0.268 0.372 


1. 0,263 0,513 | 0,052 | 0,048 0,029 llo 0,905 | 0.316 , 0,854 | 0,183 : 0.284 
50 cem 
Glucose Vu ‚199 | 0,694 | 0,061 | 0,032 | 0,018 || 1,004. "0,511 | 0,683 | 0.174 0,369 


Durch diese Resultate wurde bestätigt, daß sich neben Kohlendioxyd, 
Milchsäure, Alkohol und Essigsäure stets Acetaldehyd als intermediäres 
Produkt bildet, wie es Neuberg und seine Schüler bewiesen hatten. 

Um den Nachweis zu erbringen, daß die Milchsäure- und alkoholische 
Gärung nur durch die Enzyme und nicht durch die Bakterien hervor- 
gerufen wird, haben wir nachfolgende Experimente vorgenommen: 

In mehrere Kolben wurden je 50 ccm einer 15proz. Glucoselösung. 
der 5g des betreffenden Rohenzyms zugeführt wurden, gebracht und 
hierauf der gesamte Inhalt des Kolbens gut sterilisiert. In diese 
sterilisierten Kolben wurde unter Beobachtung aller Kautelen je 
10 ccm des Inhalts jener Kolben überimpft, welche nach Beendigung 
des in der Tabelle angeführten Versuchs resultierten. 

Die Ergebnisse dieser Experimente zeigten, daß, trotzdem wir 
10 cem der Lösung benutzt haben, nach einer Wirkungsdauer derselben 
von 72 Stunden nur 5 bis 16 mg gasförmiges Kohlendioxyd ausgeschieden 
worden ist. Es ist klar, daß, wenn Bakterien vorhanden gewesen oder 
noch vorhanden wären, sich mindestens eine zehnfache Kohlendioxyd- 
menge hätte bilden müssen. 

Daß Acetaldehyd im intermediären Stoffwechsel der Muskulatur 
entsteht, hat bereits Hirsch!) vermutet und tatsächlich nachgewiesen. 
. Es liegt demnach auf der Hand, daß sich bei der Milchsäure- und Alkohol- 
gärung der aus der Muskulatur isolierten Enzyme Acetaldehyd bilden muß. 

Heute ist uns der Chemismus des Kohlehydratumsatzes in der pflanz- 
lichen Zelle schon ziemlich klar. Was den tierischen Organismus anbelangt, 
so hat Hirsch angedeutet, daß bei der Glykolyse die Alkoholproduktion, 
die ich stets verteidigt habe, durch die Feststellung des Acetaldehyds 
im Bereich der Möglichkeit liegt. Der enzymatische Abbau des Hexose- 
moleküls und die anoxybiotische Milchsäurebildung in der tierischen 
Zelle ist noch immer ein offenes Problem, das noch nicht genau durch- 
forscht worden ist. Es liegen zwar die Arbeiten von Embden, Fletcher, 
Hill, Hirsch, Hopkins, Meyerhof, Neuberg, Parnas, Ransom, Thunberg vor, 


1) Hirsch, diese Zeitschr. 134, 1 bis 4, 1922. 


Milchsäure in der Tierzelle. 465 


aber der ganze Vorgang ist noch nicht restlos geklärt; Meyerhof ist sogar 
der Ansicht, daß im Anschluß an die anaerobe Milchsäurebildung des 
tätigen, sowie des ruhenden Froschmuskels ein oxydativer Prozeß mit dem 
respiratorischen Quotienten = 1 einsetzt, durch den die Hauptmenge 
bzw. ein Teil der vorhandenen Milchsäure wieder zu Glykogen resynthesiert 
wird 


Nun treten wir zur Besprechung der Experimente bezüglich der 
Bildung der Milchsäure bei der anoxybiotischen Atmung der Tierorgane. 


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> = gä), 

rt E SIE 

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Abb. 1. 


466 J. Stoklasa: 


Methodik. 
Anordnung der Apparate. 


Die Anordnung «der Apparate war, abgesehen von einzelnen nötigen 
Modifikationen, dieselbe, wie bei unseren früheren bereits zitierten Arbeiten. 


In den Zylindern CC befindet sich entweder destilliertes Wasser oder 
2,5- bis 3proz. sterilisierte Glucoselösung. Die Zylinder mit der Lösung 
wurden sterilisiert und im Inkubationsstadium belassen. Die einzelnen 
Tierorgane wurden in einer 0,5proz. Sublimatlösung erst 30, dann 10 und 
5 Minuten bzw. 50, 20 und 10 Minuten sterilisiert, hierauf mit sterilisiertem 
Wasser abgespült und sofort unter Verwendung einer Flamme beı ihrer 
Eintragung in die Zylinder, in das destillierte Wasser oder in die Glucoselösung 
getaucht. Durch diese Flüssigkeit wurde jeden Tag 10 Stunden lang ein 
Strom von reinem Wasserstoffgas hindurchgetrieben. Der der Gasbombe 
entströmende Wasserstoff passierte zunächst die mit destilliertem Wasser 
beschickte Waschflasche H,O, dann die U-Röhre C UO, welche Kupferoxyil 
enthielt, sodann eine mit konzentrierter Natriumhydroxydlösung gefüllte 
Drechselsche Waschflasche NaOH und weiter eine ebensolche dritte und 
vierte PsPs, welche eine alkalische Lösung von Pyrogallussäure (5g Pyro- 
gallussäure in 15 cem Wasser und 120 g KOH in 80 cem Wasser) enthielten, 
und schließlich eine fünfte Flasche, welche mit 0,5proz. Sublimatlösung 
HgCl, beschickt war. 

Wenn wir die Einwirkung der Radiumemanation auf die anaerobe 
Atmung studierten, so wurde das Emanatorium hinter der fünften Flasche 
angebracht. Das Emanatorium enthielt das Joachimsthaler Material für 
die Darstellung des Radiums (Erzlaugrückstände), welches vollständig von 
Uran befreit war und nur Radiumsalze aufwies. Die entstandene Emanation 
wurde durch den kleineren Zylinder in den größeren Zylinder geführt. 


Den 40 bis 60 cm hohen Zylinder C von 10 bis 12cm Durchmesser 
schließt ein gut sitzender Kautschukpfropfen, der 4 cm tief in den Zylinder 
hineinragt. Auf den Zylinder ist ein mit Quecksilber gefüllter Glasbehälter 
so aufgesetzt, daß der obere Teil des Zylinders und der Kautschukpfropfeu 
vollständig in Quecksilber getaucht sind und die Quecksilbersäule um 
l bis Zem höher ist, als der Kautschukpfropfen, so daß keine Luft eindringen 
kann. Durch den zweimal gebohrten Pfropfen führen zwei Glasröhren, von 
denen die zuleitende (z) fast bis zum Boden des Zylinders reicht, um in den 
Apparaten, in welchen wir frisch zubereitetes Caleciumsulfit in Anwendung 
gebracht haben, das Calciumsulfit, welches sich am Boden sammelt, fort- 
während in Bewegung zu halten. Die ableitende Röhre (a) des Liebigschen 
Kühlers (K) überragt. den unteren Rand des Pfropfens um 5 cm. Sie stellen 
(wie aus Abb. 1 ersichtlich), die Verbindung mit zwei kleineren, 11 cm hohen 
Zyhindern CHg,, CHg., von 5 cm Durchmesser her, die eine 4cm hohe 
Quecksilberschicht enthalten. In den kleinen Zylinder, in den die Ableitungs- 
röhre a führt. mündet eine knieartig gebogene. mit einem Äblaßhahn ver- 
sehene Röhre r, die ın das Quecksilber eintaucht. Die in Quecksilber 
tauchenden Röhrenteile sind mit sterilisierter Baumwolle gefüllt. Dasselbe 
gilt von der in die kleinen Zylinder hineinragenden Mündung des Zu- 
leitungs- und Ableitungsrohres z und a. Das Ableitungsrohr reicht bis in 
das Quecksilber des zweiten kleineren Zylinders und ist ebenfalls mit 
sterilisierter Baumwolle gefüllt. 

Außer dem Rohre a münden, wie schon erwähnt, noch zwei andere, 
knieartig gebogene, mit Hähnen versehene Röhren r und r, in diesen 


Milchsäure in der Tierzelle. 467 


Zylinder CHg,. Die eine (r) verbindet ihn mit den Absorptionsapparaten 
für Luftreinigung, während die andere (r,) zum Heraustreiben des eventuell 
noch zurückgebliebenen Kohlendioxyds dient. 

Die Gase passieren nach ihrem Austritt aus dem Zylinder CHg, 
zuerst einen Winklerschen Absorptionsapparat (H,SO,), der mit konzen- 
trierter Schwefelsäure gefüllt ist, dann ein 25cm hohes, 2,5cm weites 
U-Rohr (CuSO,) mit Kupfervitriolbimsstein, ferner ein zweites U-förmiges 
Rohr (CaCl,), welches Chlorcaleium enthält, das häufig erneuert wird. 
Das völlig getrocknete Kohlendioxyd passiert zuerst eine U -Röhre (Na,CaO,), 
welche mit ausgeglühtern Natronkalk gefüllt ist, sodann den mit Kalium- 
hydroxyed (Lösung 2: 3) gefüllten Geisslerschen Apparat. Um die aus diesem 
entweichende ganz unbedeutende Menge Wasser und Kohlendioxyd auf- 
zufangen, sind weiter mit festem Kaliumhydroxyd und Caleiumchlorid 
gefüllte U-Röhren (CaCl, + KOH) vorgelegt. Weiter rückwärts befindet 
sich noch ein U-förmiges Schutzrohr, dazu bestimmt, das in der Luft ent- 
haltene Kohlendioxyd und die Feuchtigkeit abzuhalten. Es ist mit Calcium- 
chlorid und Kaliumhydroxyd gefüllt und mit dem Aspirator verbunden. 
Die beiden Apparate Na,C’a0, sowie der Geisslersche Apparat KOH und 
die Röhre (Call, + KOH) wurden vor und nach dem Durchleiten der 
Gase gewogen. Natürlich wurde der Wasserstoff aus dem Absorptions- 
apparat mit kohlendioxyd- und wasserfreier Luft herausgetrieben. Die 
Zylinder (C und C) samt den Pfropfen, sowie auch ein Teil der Röhren 
tauchten in einen kupfernen Thermostaten, der (wie aus Abb. 1 ersichtlich) 
mit zwei Thermometern und einem genauen Ätherthermoregulator, sowie 
auf beiden Seiten mit Glasscheiben versehen ist, damit die Vorgänge in 
den Zylindern verfolgt werden können. Die Zylinder samt Stopfen und 
zugehörigen Röhren, sowie der Kühler wurden sterilisiert. 


Die Pfropfen der Zylinder wurden durch Übergießen mit geschmolzenem 
Paraffin völlig undurchlässig gemacht. Die oberen Öffnungen des kupfernen 
Thermostaten wurden vollständig mit Watte verstopft, die mit Carbolsäure 
imprägniert war. 

Wir arrangierten die Experimente so, daß in jedem Thermostaten zwei 
Parallelversuche ausgeführt wurden. Die erste Gruppe der Experimente 
umfaßte die Kontrollversuche, welche ohne Einwirkung der Radioaktivität 
vor sich gingen. Die zweite Gruppe bezweckte die Feststellung des 
Einflusses der Radıumemanation bzw. der Beta- und Gammastrahlen, 
sowie der reinen Gammıastrahlen auf den anaeroben Stoffwechsel der Tier- 
organe, sowie seiner Beziehungen zur Milchsäure-und alkoholischen Gärung. 
Bei den Versuchen bezüglich des Einflusses der Beta- und Gammastrahlen 
wurden Glasröhren oder Glaslinsen in den Zylinder gebracht, welche ent- 
weder radioaktives Material, und zwar Erzlaugrückstände, oder komprimierte 
Radiumemanatıion enthielten. Bei den Versuchen zur Bestimmung des 
Einflusses der Gammnastrahlen wurden die mit radioaktivem Material oder 
mit komprimierter Radiumemanation gefüllten Glasröhren in Bleiröhren 
von 2mm Stärke eingeschmolzen, und mit einer schwachen Paraffin- 
schicht überzogen. 

Bei den Versuchen mit Alphastrahlen wurden pro 100 g Trockensubstanz 
20 Liter Wasserstoff mit Radiumernanation verwendet. Die Stärke der 
Ratdiumemanation betrug pro l Liter 60 ME, entsprechend 8184 . 10-8 mcu 
= 21840 .10-12g Ra = 0,00002184 mg Ra. 


Bei den Versuchen mit Beta- und Gammastrahlen wurden für 100 g 
Trockensubstanz 100 g des Joachimsthaler Materials zur Gewinnung von 


468 J. Stoklasa: 


Radium, der sogenannten Erzlaugrückstände, angewendet. Diese 100g 
wurden in Glasröhren (Beta- und Gammastrahlen) bzw. in Bleiröhren 
(Gammastrahlen allein) eingeschmolzen; es wurden fünf bis sechs Stück 
dieser Röhren verwendet. Die Anordnung des Versuchs war folgende: 
Es wurden größere Zylinder verwendet, damit mehr Material zur An- 
wendung kommen kann, und das abgeleitete Kohlendioxyd wurde in 
Erlenmeyerkolben, die mit konzentriertem Natriumhydroxyd gefüllt waren, 
absorbiert. Die Apparatur war in einem großen Thermostat aufgestellt, 
wo ihr reiner Wasserstoff zugeführt wurde. Die Temperatur im Thermostat 
betrug 37 bis 38°C. Die Versuche dauerten 3 bis 6 Tage. Es ist hierbei 
folgendes in Erwägung zu ziehen: 

In der Ionisationskammer des Schmidischen Elektrometers hält 1g 
Nasturan unter verschiedenen Bedingungen bei der Spannung des 
Sättigungsstromes einen elektrischen Strom aufrecht, welcher dem Ioni- 
sationseffekt folgender Mengen radioaktiver Stoffe entspricht: 

1. Falls 1 g Nasturan 


a) in einer kleinen Glasröhre eingeschmolzen ist (Beta- und Gamma- 
strahlen): 


0,08 ME = 2,91 . 10—8 mcu = 29,1 . 10-12g Ra; 
b) in einer Bleiröhre von der Wandstärke 2 mm eingeschmolzen ist 
(Gammastrahlen allein): 
0,017 ME = 6,2. 10-9 meu = 6,2 . 10—!2? g Ra; 
c) lose aufgeschüttet ist: 
78 ME = 2,84 .10—5 mcu = 28400 . 10—12 g Ra, 


2. Falls 1 g Erzlaugrückstände 


a) in einer Glasröhre eingeschmolzen ist (Beta- und Gamma- 
strahlen): 


0,15 ME = 5,46. 10-8 mcu = 54,6. 10-12g Ra, 
b) in einer Bleiröhre von der Wandstärke 2 mm eingeschmolzen ist 
(Gammastrahlen allein): 


0,02 ME = 7,28. 10-9 mcu = 7,28. 10-12g Ra, 
c) lose aufgeschüttet ist: 
90 ME = 3,27. 10-5 mcu = 32760 . 10—12 g Ra. 


Die Bleiröhren waren in sehr feine Gummi gehüllt. 


Durchführung der neuen Atmungsversuche. 


Wir bedienten uns wieder der beschriebenen Apparatur, und die 
ganze Manipulation ging unter strenger Wahrung aller Kautelen der 
Asepsis vor sich. Wir berücksichtigten nur diejenigen Resultate, bei 
welchen wir uns durch Gelatineplattenguß, sowie durch Impfung mit 
der Platinöse in Zuckerbouillon mit untrüglicher Sicherheit überzeugt 
haben, daß wir unter völligem Ausschluß von Mikroben arbeiten, und 
daß sich alle Tierorgane in einem vollständig bakterien- und hypho- 
mycetenfreien Medium befinden. Auch von der völligen Abwesenheit 
der anaeroben Bakterien haben wir uns nach der Methode Fränkl- 
Hueppe überzeugt. Daher können wir mit absoluter Bestimmtheit 


Milchsäure in der Tierzelle. 469 


erklären, daß die Phasen der anaeroben Atmung der Tierzelle, und 
zwar die Bildung von Milchsäure bei völliger Abwesenheit von Bakterien 
stattgefunden hat. Die Zylinder wurden mit sterilisierten, gut an- 
liegenden Pfropfen, die mit den in meinen zitierten Arbeiten be- 
schriebenen Apparaten verbunden waren, verschlossen und die Ver- 
schlußstelle samt den Pfropfen durch Übergießen mit geschmolzenem 
Paraffin völlig undurchlässig gemacht. Wie schon erwähnt, befindet 
sich eine Quecksilberschicht über dem Pfropfen. Durch die Zylinder 
wurde reines Wasserstoffgas, und zwar zu 18 bis 20 Liter, innerhalb 
24 Stunden getrieben. 

Während des Atmungsprozesses wurde die Lösung, in welcher 
sich die Tierorgane befanden, vollständig klar, sie zeigte keinerlei 
Trübung. Wies die Lösung eine Trübung auf, die durch Bakterien 
hervorgerufen wurde, so schalteten wir den Versuch aus. Zu den Ver- 
suchen bezüglich der anaeroben Atmung wurden die einzelnen Tier- 
organe entweder in sterilisiertes Wasser oder in 2,5proz. Glucoselösung 
gebracht. Man verwendete etwa 300 bis 500 ccm der betreffenden 
Flüssigkeit, so daß sich die Tierorgane 5 bis 10 cm unterhalb der Ober- 
fläche des Wassers bzw. der Glucoselösung befanden. 

Nach Beendigung der Versuche zeigten die Tierorgane ein voll- 
kommen frisches Aussehen und man konnte nur einen ganz leichten 
Alkoholgeruch konstatieren. 

Um uns zu überzeugen, daß der ganze Prozeß der anaeroben Atmung 
ohne jegliche Mitwirkung der Bakterien stattgefunden hat, führten 
wir nachstehende Experimente aus: 100 bis 200g sehr sorgfältig 
sterilisierter Tierorgane, in denen die Enzyme vollständig vernichtet 
waren, wurden in einem sterilisierten Atmungsapparat in sterilisierte, 
2,5proz. Glucoselösung getaucht und dann mittels sterilisierter Pipette 
mit 5 cem Gärflüssigkeit aus den einzelnen Atmungszylindern geimpft. 
Dabei beobachteten wir, ob Milchsäure entsteht. Bei keinem unserer 
ganz exakt ausgeführten Versuche war eine Gärung zu konstatieren. 


Ergebnisse unserer Beobachtungen bezüglich des Einflusses der Radioaktivität 
auf die anaerobe Atmung der Tierorgane. 


Versuche ohne Radioaktivität. 


Ich führe im nachstehenden unsere mit Muskeln ausgeführten Versuche 
an. Die Daten sind auf 1000 g Trockensubstanz umgerechnet. 


1. Versuch. 
Gewicht der Muskeln. . . . . . 478g 
Trockensubstanz . . . . . . . . 24,222 Proz. 
Temperatur . . . 2 2.2.2.2.2...37 bis 380 C 
Versuchsdauer . . . . . ! 72 Stunden 


In 2,5proz. sterilisierter Glucoselösung. 
Biochemische Zeitschrift Band 183. 31 


470 


J. Stoklasa: 


Kohlendioxyd, ausgeatmet innerhalb 72 Stunden . 1,025 g 
Kohlendioxyd in der Lösung . . . s.s sss. 0,082 g 
Kohlendioxyd im Muskel . . . . 2.2.2 .2.. 0,171g 
Kohlendioxyd, Gesamtmenge . . .... 1,278 g 
Milchsäure in der Lösung. . . . 2 2 2 222.0. 0,843 g 
Milchsäure im Muskel EZ rar 8 0,091 g 
Milchsäure, Gesamtmenge. . . . 2 2 2 2.2... .60934g 
2. Versuch. 
Gewicht der Muskeln. . . . . . 454g 


Trockensubstanz . . . , . 23,76 Proz. 
Temperatur . . . . 37 bis 38° C 


Versuchsdauer . . . . . . . . . 90 Stunden 
In 2,öproz. sterilisierter Glucoselösung. 


Kohlendioxyd, ausgeatmet innerhalb 90 Stunden . 1,092 g 
Kohlendioxyd in der Lösung . . e. a . 0,091g 
Kohlendioxyd im Muskel . . ..0117g 
Kohlendioxyd, Gesamtmenge . . . 2.2... . 1,300 g 
Milchsäure in der Lösung. . . 0,833 g 
Milchsäure im Muskel . . 0,114 g 
Milchsäure, Gesamtmenge. . . s sasa. = . 0,947 g 
3. Versuch. 

Gewicht der Muskeln. . . . . . 525g 

Trockensubstanz . . . .... . 24,59 Proz. 

Temperatur . . i . 37 bis 38° C 

Versuchsdauer . . . . . 2... 94 Stunden 

In 2,5proz. sterilisierter Glucoselösung. 
Kohlendioxyd, ausgeatmet innerhalb 94 Stunden . 1,126g 
Kohlendioxyd in der Lösung . . . 2.2 2.2... . 0,075g 
Kohlendioxyd im Muskel . . . 2 22.2.2... .60203g 
Kohlendioxyd, Gesamtmenge . . . s.a.a SE 1,404 e 
Milchsäure in der Lösung. . . 2 2 2 se’ 0,952 g ' 
Milchsäure im Muskel . . . 2. 2 2 2 2 2 2 02. 0,119 g 
Milchsäure, Gesamtmenge. . . s 2 2 2 2.2... 1,071 g ` 

4. Versuch. 

Gewicht der Muskeln. . . . . . 566g 

Trockensubstanz . . 22,73 Proz. 

Temperatur . . . 37 bis 38°C 

Versuchsdauer . . . 98 Stunden 


In 2,5proz. sterilisierter Glucoselösung. 


Milchsäure in der Tierzelle. 


Kohlendioxyd, ausgeatmet innerhalb 98 Stunden 
Kohlendioxyd in der Lösung 
Kohlendioxyd im Muskel . 


Kohlendioxyd, Gesamtmenge 


Milchsäure in der Lösung . 
Milchsäure im Muskel 


Milchsäure, Gesamtmenge . 


. 1,292 g 
. . 0,0618 
. . 0,158 g 

. 1511g 


. 0,997 g 
. 0,089 g 
. 1,086 g 


471 


Wir sehen aus diesen Zahlen, daß die Milchsäure bei der anoxybioti- 
schen Atmung der Muskelzelle als erstes Produkt des Kohlehydratumsatzes 
entsteht. Aus der Milchsäure bildet sich Alkohol und Kohlendioxyd 
und weiter aus dem Alkohol Acetaldehyd und Essigsäure unter Produk- 


tion von Kohlendioxyd. 


Versuche bezüglich der Einwirkung der Radioaktivität. 


Von großem Interesse ist der Einfluß der Radioaktivität auf die 
Milchsäurebildung in der Muskelzelle. Wir haben Versuche mit Radium- 
emanation, Beta- und Gammastrahlen und Gammastrahlen allein vor- 
genommen. Ich führe im nachstehenden unsere Resultate, umgerechnet 
auf 1000 g Trockensubstanz, an. Die Versuchsdauer betrug 102 Stunden, 


die Temperatur 37 bis 38°C. 


A. Radiumemanation. 


Gesaint-Kohlendioxy«dl 
Gesamt-Milchsäure . 


B. Beta- und Gammastrahlen. 


Gesamt-Kohlendioxyd 
Gesamt-Milchsäure . . 


C. Gammastrahlen. 


Gesamt-Kohlendioxyd 
Gesamt-Milchsäure . 


. 2,086 g 
. 0,274 g 


. 0,374 g 
. 2,544 g 


. 0,537 g 
. 2,094 g 


D. Kontrollversuch ohne Radioaktivität. 


Gesamt-Kohlendioxyd 
Gesamt-Milchsäure . 


. 1,161g 
. 0,884 g 


Wir haben die Versuche bei derselben Temperatur und Versuchsdauer 


nochmals wiederholt und erhielten nachstehende Resultate. 


sind auf 1000 e Trockensubstanz umgerechnet: 


Die Zahlen 


31* 


472 J. Stoklasa: 


A. Radiumemanation. 


Gesamt-Kohlendioxyd . . ..... 2,147 g 
Gesamt-Milchsäure `, . . . . . 2.2. 0,316 g 


B. Beta- und Gammastrahlen. 


Gesamt-Kohlendioxyd . . . .... 0,289 g 
Gesamt-Milchsäure . . . . : 2.2... 2,073 g 


C. Gammastrahlen. 


Gesamt-Kohlendioxyd . . . 2... 0,394 g 
Gesamt-Milchsäure . . . . . 2... 2,004 g 


D. Kontrollversuch ohne Radioaktivität. 


Gesamt-Kohlendioxyd . . .. . . . 1,206g 
Gesamt-Milchsäure `, . . . 2. 2.2... 0,914 g 


Diese von uns erzielten Resultate sind sehr lehrreich, denn es wird 
bestätigt, daß bet den anoxybiolischen Prozessen Milchsäure entsteht, 
was wir bei unseren früheren Versuchen bereits beobachtet haben. 


Wir fanden pro 1000 g Trockensubstanz des Muskels beim ersten 
Versuch 0,934 g, beim zweiten Versuch 0,947 g, beim dritten Versuch 
1,071 g und beim vierten Versuch 1,086 g Gesamt-Milchsäure. 


Vor dem Versuch wurde in dem zum Experiment verwendeten 
Muskel stets Milchsäure nachgewiesen, und zwar ungefähr 0,06 bis 
0,1g pro 1000 g Trockensubstanz. 


Diese vor dem Versuch in dem Muskel festgestellte Quantität 
Milchsäure wurde dann von den nach dem Prozeß der anaeroben 
Atmung konstatierten Mengen Milchsäure abgezogen. 


Interessant sind die Versuche, die bei Einwirkung von Radio- 
aktivität ausgeführt wurden. Unter dem Einfluß der Radiumemanation, 
die vorwiegend Alphastrahlen enthält, wurde, trotzdem sich anaerobe 
Prozesse abspielten, sehr viel Kohlendioxyd gebildet. Das Kohlendioxyd 
entsteht durch enzymatische Spaltung der Milchsäure in Alkohol und 
Kohlendioxyd und durch enzymatische Oxydation des Alkohols. 


Bei Einwirkung von Beta- und Gammastrahlen wiederum sinkt 
die Kohlendioxydmenge. aber der Gehalt an Milchsäure tritt energisch 
in den Vordergrund. Dasselbe konnten wir bei Einwirkung der Gamma- 
strahlen allein beobachten. 


Wir finden beim ersten Versuch unter Einwirkung der Radium- 
emanation eine Kohlendioxydproduktion von 2,086 g, beim zweiten 


Milchsäure in der Tierzelle. 473 


Versuch eine solche von 2,147 g. Die Milchsäurebildung beträgt unter 
dem Einfluß der Radiumemanation im ersten Falle 0,274 g, im zweiten 
Falle 0,316 g. 


Bei den Versuchen mit Beta- und Gammastrahlen belief sich die 
Kohlendioxydbildung im ersten Falle auf 0,374 g, im zweiten Falle 
auf 0,289 g; die Milchsäuremengen betrugen im ersten Falle 2,544 g, 
im zweiten Falle 2,073 g. 


Die Gammastrahlen bewirkten im ersten Versuch eine Kohlen- 
dioxydbildung von 0,537 g, im zweiten Falle von 0,394 g, und eine 
Milchsäurebildung von 2,094 g im ersten und von 2,004 g im zweiten 
Falle. 


Die Kontrollversuche zeigten folgendes Bild: Kohlendioxyd- 
produktion im ersten Falle 1,161 g, im zweiten Falle 1,206 g, die Milch- 
säuremengen beliefen sich auf 0,884 g im ersten Falle und 0,914 g im 
zweiten Falle. 


Diese Daten zeigen wieder, daß, wie ich bereits in meiner Arbeit 
„ber den Chemismus des Zuckerabbaues in der lebenden Pflanzenzelle 
und den Einfluß der Radioaktivität auf die anaerobe Atmung der 
Pflanzenorganismen‘‘ (Chemie der Zelle und Gewebe 12, H.5, 1926) 
betont habe, durch die Einwirkung der Alphastrahlen bzw. der Radium- 
emanation die Atmungsintensität der chlorophylihaltigen und chloro- 
phyllosen Zelle ungemein erhöht wird, namentlich bei Gegenwart von 
Sauerstoff. Wenn Sauerstoff vorhanden ist, so bewirkt die Radium- 
emanation eine Erhöhung der Kohlendioxydproduktion von 40 bis 
90 Proz. Unsere zahlreichen Versuche, die wir bezüglich des Einflusses 
der Radiumemanation auf den Atmungsprozeß vorgenommen haben. 
sprechen ganz deutlich dafür, daß ein bestimmter Zusammenhang 
zwischen der Wirkung der Radiumemanation und der Sauerstoff- 
konzentration besteht. Je stärker die Radiumemanation ist, desto 
mehr Sauerstoff ist nötig, damit der Dissimilationsprozeß normal vor 
sich geht. Kurz gesagt, die Radiumemanation bzw. die Wirkung der 
Alphastrahlen unterstützt dann die ganzen enzymatischen Prozesse, 
wenn Sauerstoff in genügender Menge vorhanden ist. 


Die Dissimilationsprozesse gehen sehr energisch vor sich, wenn 
in der Atmosphäre 26,2 bis 83 ME Ra Em = Ra Em entsprechend 
9536.10"12g Ra = 0,00000954 mg Ra bis 30212.10-%2g Ra 
= 0,0000302 g Ra vorhanden sind. 


Durch die Beta- und Gammastrahlen, welche das Protoplasma der 
Zelle durchdringen, und durch die Betastrahlen des Kaliums, welches 
im Tierorganismus vorhanden ist, findet ein Anstoß auf die glucolytischen 
Enzyme statt. Es geht eine anoxydative Spaltung der Kohlehydrate 


474 J. Stoklasa: 


vor sich, und zwar entsteht durch Einwirkung der glucolytischen 
Enzyme zuerst Milchsäure, und aus der Milchsäure bilden sich Alkohol, 
Acetaldehyd, Essigsäure und Kohlendioxyd. 


Bei diesem scheinbar anaeroben Lebensprozeß entreißen die 
Atmungsenzyme den im Karyoplasma enthaltenen Oxygenasen den 
angehäuften Sauerstoff, wodurch die aeroben Oxydationsprozesse auch 
unter diesen scheinbar anoxydativen Pedmgungea die Oberhand 
gewinnen. 


Es haben auch schon Unna!), Löb?) und Spitzer?) nachgewiesen, daß 
im Karyoplasma Sauerstoff angehäuft ist. Unter Mitwirkung von para- 
magnetischem Eisen gehen langsame oxydative Phasen vor sich, bei welchen 
der Alkohol nur teilweise in Acetaldehyd, weiter in Essigsäure verwandelt 
wird. Bei Zutritt von Sauerstoff wird die Intensität dieser Prozesse be- 
deutend gesteigert. 

Ich verweise hier auf die Inberässanten und lehrreichen Mitteilungen 
von Walter Thörner: „Über den Sauerstoffstrom im tierischen Gewebe, 
Sauerstofforte und Reduktionsorte nach P.G. Unna‘““*), in welchen er die 
Zellkerne als primäre oder stabile Sauerstofforte bezeichnet. Daß an den 
Sauerstofforten tatsächlich gespeicherter freier Sauerstoff vorhanden ist, 
ergibt sich daraus, daß eine mehr oder weniger starke Bläuung dieser 
Stellen auch dann auftritt, wenn man die Rongalitweißmethode unter 
Ausschluß des Luftsauerstoffs vornimmt. 


Zum Studium der Einwirkung der Alphastrahlen haben wir Radium- 
emanation verwendet. 


Aus der Emanation entsteht das Radium A (Ra A), das weiter 
mit der Halbwertszeit von 3 Minuten unter Aussendung von Alpha- 
strahlen zerfällt und dabei in das Beta- und Gammastrahlen emittierende 
Radium B (Ra B) umgewandelt wird. Letzteres hat eine Halbwertszeit 
von 26,8 Minuten und ergibt bei seiner Umwandlung das Radium C 
(Ra C), das eine Halbwertszeit von 19,5 Minuten aufweist und Alpha-, 
Beta- und Gammastrahlen aussendet. 


In der Radiumemanation sind, wie erwähnt, hauptsächlich Alpha- 
strahlen, aber auch gewisse Mengen Beta- und Gammastrahlen ver- 
treten. Um nun nachzuweisen, daß die durch die Emanation bewirkten 
oxydativen Phasen von den Alphastrahlen, welche die Wirkung der 
Beta- und Gammastrahlen verdrängen, hervorgerufen werden, haben 
wir Versuche mit Ionium vorgenommen. 


1) P.G. Unna, Biochemie der Haut, Hamburg 1913; Arch. f. mikroskop. 
Anatomie 78, 1911; 87, 1911; Medizin. Klin. 1912, Nr. 23; Berl. klın. 
Wochenschr. 1913, Nr. 13, S. 17. 

2) Löb, Dynamik des belebten Stoffes, 1910 (russisch). 

3) Spitzer, Pflügers Arch. 1897, S. 67. 

4) Walter Thörner, Die Naturwissenschaften, H. 14, Jahrg. IX, 1921. 


Milchsäure in der Tierzelle. 475 


Das Ionium emittiert nur Alphastrahlen der charaktersstischen 
Reichweite 3,0 cm, die nur wenig größer ist als die Reichweite der Alpha- 
strahlen des Uraniums selbst. Boltwood fand, daß das Ioniumpräparat 
anfangs eine ausgeprägte Alphastrahlenaktivität zeigte. Diese fiel 
jedoch mit der Zeit mit einer Periode von 22 Tagen ab, woraus hervor- 
ging, daß sie dem Ur X, das vom Mineral mit dem Ionium abgeschieden 
wird, zukam. 


Wir haben selbst Ioniumpräparate aus den Sodaniederschlägen, 
welche bei der Erzeugung des Radiums in Joachimsthal als Abfall- 
produkte aus dem Nasturan gewonnen werden und pro 100g 7mg 
Ionium enthalten, dargestellt und mit diesen sehr ioniumreichen 
Präparaten Versuche vorgenommen. Die Präparate enthielten, wie 
wir uns überzeugt haben, bloß sehr geringe Quantitäten Thorium. 
Weiter erzeugten wir loniumtetrachlorid und führten mit demselben 
Injektionen des Muskels aus. Wir verwendeten etwa 10 bis 60 mg 
Ionium in Form von Ioniumtetrachlorid pro 420 bis 560 g Muskel. 


Diese Versuche, über welche ich nächstens referieren werde, sind sehr 
interessant und bringen den Nachweis, daß die Alphastrahlen des Ioniums 
die oxydatıven Phasen ungemein unterstützen und die Milchsäure voll- 
ständig zum Verschwinden bringen, also dieselbe Erscheinung, die 
wir bei Einwirkung von KRadiumemanation, die hauptsächlich aus 
a-Strahlen besteht, konstatierten. Auch über die Verwendung der 
Joniumpräparate zur Therapie der Carcınom- und Sarkomzellen werde 
ich in meiner nächsten Publikation ausführlich berichten. Die Carcinom- 
und Sarkomzellen befinden sich in einem gewissen anoxybiotischen 
Zustande, und durch Einwirkung der Betastrahlen des im tierischen 
Organismus vorhandenen Kaliums wird die Milchsäurebildung intensiv 
unterstützt. Durch Anwendung von Ioniumpräparaten und Sauerstoff 
ist uns die Möglichkeit geboten, eine normale Atmung der Carcinom- 
und Sarkomzellen zu erreichen. 


Wenn wir die Ätiologie sowie den Stoffwechsel der Careinom- 
zelle, namentlich die Milchsäurebildung beim Wachstum nach den 
Forschungen von Warburg!) und seinen Mitarbeitern näher betrachten, 
so erkennen wir, daß es nur anoxybiotische Prozesse sind, bei denen 
unter Mitwirkung der ß-Strahlen des Kaliums Milchsäure in reich- 
lichem Maße gebildet wird. Es ist ein noch ungelöstes Problem, ob 
die Therapie der Carcinome mit ß- und y-Strahlen zu einem tatsäch- 
lichen Erfolge führen kann, da dieselben die Milchsäurebildung unter- 
stützen. Sicher ist, daß nicht nur beim menschlichen, sondern auch 
beim pflanzlichen Organismus eine Anhäufung von Kalium in den 


1) Otto Warburg, Über den Stoffwechsel der Tumoren. Berlin 1926. 


476 J. Stoklasa: Milchsäure in der Tierzelle. 


Tumorzellen stattfindet und zwar ist dies namentlich bei der Zucker- 
rübe und Kartoffel der Fall, die bekanntlich verhältnismäßig reich 
an Kalium sind. 

Befindet sich der menschliche Organismus in pathologischem 
Zustande, so enthält der Schweiß stets Milchsäure. Ich habe mich 
durch zahlreiche Beobachtungen überzeugt, daß bei Kranken, die 
stark geschwitzt haben, in dem aus der Wäsche ausgepreßten Schweiß 
stets neben größeren Mengen Milchsäure auch Essigsäure und Ameisen- 
säure nachweisbar waren. 

Über den Chemismus der Anoxybiose der tierischen Organe werde 
ich demnächst eine ausführliche Arbeit veröffentlichen. 


Über Adsorption und Osmose von Alkalien 
in ein Gelatinegel mit und ohne Lecithinzusatz 


Von 
Ichizo Suganuma (Tokio). 


(Aus dem Kolloid-Chemischen Laboratorium von Professor J. Traube 
Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg.) 


(Eingegangen am A. Februar 1927.) 
Mit 7 Abbildungen im Text. 


In dieser Zeitschrift wurden einige Arbeiten veröffentlicht, von 
T. Tomita!), S. Yumikura?) und J. Traube?) insbesondere über die 
-Adsorption und Osmose oberflächenaktiver Säuren und Alkohole in 
Gelen mit und ohne Lipoidzusatz, welche zu dem Ergebnis führten, 
daß die einfachen Beziehungen, welche Traube zwischen Oberflächen- 
aktivität und Permeabilität an tierischen und pflanzlichen Zellen fest- 
gestellt hatte, auf die Adsorption und Osmose in Gelen nicht ohne weiteres 
übertragen werden durften. Obwohl Traube an den Grundlagen der 
Oberflächenaktivitätstheorie festhalten konnte, schien der Schluß 
gerechtfertigt, daß die Lipoide doch vielfach eine größere Rolle spielen, 
als von Traube angenommen war. 

Für Alkalien und insbesondere Amine hatte Harvey?) mit Hilfe 
eines Indikators Neutralrot früher gezeigt, daß die Amine um so 
leichter in Pflanzenzellen eindringen, je oberflächenaktiver sie sind, 
ein Ergebnis, welches mit den übrigen Feststellungen von Traube, 
Overton usw. in bestem Einklang steht. 

Es mußte nun interessieren, nach den von Tomita und Yumskura 
angewandten Methoden auch die Adsorption und Osmose von Alkalien 


1) Tomita, diese Zeitschr. 158, 335, 1924. 

2) Yumikura, ebendaselbst 157, 371 und 377, 1925. 

3) Traube, ebendaselbst 1583, 358, 1924; 197, 383, 1925. 

t) Harvey, Journ. Exp. Zool. 10, 507, 1911 und Carnegie Inst. of 
Washington Publ. No. 183. 


478 I. Suganuma: 


und insbesondere von Aminen in ein Gelatinegel mit und ohne 
Lipoidzusatz zu untersuchen. 

Auf Vorschlag des Herrn Professor J. Traube unternahm ich diese 
Aufgabe. In bezug auf die angewandte Methode kann auf die Arbeiten 
von Tomita und Yumikura verwiesen werden. Je 50 ccm eines aus 
reinster Gelatine hergestellten Sols ließ ich in denselben Schalen gelieren, 
mit denen Tomita und Yumikura gearbeitet hatten. Das Lecithin wurde 
in feinster Verreibung mit dem Gelatinesol vermischt. 

Die Entnahme der Lösung nach bestimmten Zeiten, die Titration 
mit Neutralrot und die Berechnung der Molzahl erfolgte in der gleichen 
Weise wie bei Tomita und Yumikura. Die folgenden Tabellen sind 
daher ohne weiteres verständlich. Zur Titration wurden stets 2,5 cem 
der über dem Gel befindlichen Lösungen entnommen. 


Adsorption und Osmose der Alkalien in ein 5 proz. Gelatinegel ohne 
Lipoidzusatz. 


Tabelle I. n/5 KOH. 


| Zur 
| Volumen Neutralisation Molzahlen | Molzahlen 


a | der Lösung en | in der Lösung in dem Gel 
| ccm n/5 HCI 
0' | 30,0 | 2,50 0,0060 0,0 
EN 28,6 | 1,60 0,0037 | 0,0023 
15 27,4 1,30 i 0,0029 ' 0,0031 
Si | 26,4 1,00 0,0021 | 0.0039 
ih i 25,2 0,75 0,0015 į 0,0045 
2h | 23,4 0,70 -0,0013 0,0047 
24h 10,1 0,60 = 0,0005 "Op 
Tabelle II. nj5 NaOH. 
SE An EE 
Së Volumen eutralisation | Molzablen Molzahlen 
zeit | der Lösung | te in der Lösung in dem Gel 
| ccm ni5 H CI 
o 30,0 2,50 | 0,0060 | 0,0 
EN 28,3 | 1,90 Dou? 0,0017 
15' | 26,8 | 1,40 0,0080 | 0,0030 
| 
Si | 25,6 | 1,10 0.0023 0,0037 
1h l 23,9 | 0,85 0.0016 0,0044 
2h | 22,0 0,75 0,0013 0,0047 
24h | 9,9 | 0,58 0,0005 0,0055 


Adsorption und Osmose von Alkalien usw. 479 


Tabelle III. n/5 NH,. 


Zur 
| Volumen Neutralisation Molzahlen Molzablen 
Zeit der Lösung rarderliebe in der Lösung in dem Gel 
om , am | 250 0,0060 0,0 
3 28,6 1,70 0,0039 0,0021 
15 276 | 18 0,0028 0,0032 
30’ | 26,6 i 1,05 0,0022 0,0038 
1b 256 | 0,75 0,0015 0,0045 
2h AR | 0,60 0,0012 0,0048 
24h 159 | 0,40 0,0005 0,0055 
Tabelle IV. n/5(C,H,),HN. 
ER | o = 3 Ei 
Volume Cuita EA on Molzablen Molzahlen 
er der Lösung eis in der Lösung in dem Gel 
n/5 
2,50 wien | 00 
1,70 0,0037 (,0028 
1,60 0,0033 0,0027 
1,42 0,0027 0,0033 
1,08 0,0019 0,0041 
0,75 0,0011 0,0049 
0,45 0,0002 0,0058 
Tabelle V. n/b on 
2 SE 
g Volumen ehr org ine Molzablen Molzahlen 
Zeit der Lösung nie in der Lösung in dem Gel 
| ccm n/5 HC BER 
o | 30,0 2,50 0,0060 on 
a l 28,2 1,85 0,0042 0,0018 
15’ 27,1 1,45 0,0031 0,0029 
30' 26,4 1,10 0.0023 0,0037 
1h 25,4 0,85 0, 0017 0,0043 
2h 24,1 0,60 0,0012 0,0048 
24h | 15,2 0,20 0, 0002 ao 
Die Versuche führten zu dem Ergeb- _° 
nis, daß die Adsorption der stark oberflächen- è S 
aktiven Amine, Diäthylamin und Trimethyl- 5 BCH) N 
amin, nich größer, sondern eher noch etwas X 
geringer ist als diejenige des Ammoniaks. A" 
Siehe die Kurven Abb. 1. N 


Q 
Q 


Bemerkenswert ist auch die Langsam- 
keit, mit welcher die Adsorption fortschreitet. Abb. 1. 


480 I. Suganuma: 


Adsorption und Osmose von n/5 Lösungen der Alkalien und Amine in ein 
proz. Gelatinegel mit 2 Proz. Leeithinzusatz. 


Tabelle VI. 


| n/5 KOH d n/5 NH, | n/5 (C2H5) HN 


| | Zur | | Zur j Zur 
Volumen Meenas | | Volumen Neutralisation | Volumen Neutralisation 
erforderliche 


Zeit 


der Lösung | Anzahl ecm der Lösung | Anzahl gem | der Lösung | Anzahl cem 
ccm n5HCI | ccm | n5HC cm | n/5HCI 
300 | 2,50 30,0 2,50 
283 Aug 27.4 2.27 
26,5 | 177 25.4 2.00 
25,2 | 1,22 24,1 1,72 
23.4 097 | 226 135 
21,2 0,79 20,6 1,13 
9,3 0,58 95 0,53 
| 
Š e W o 9 = 
Zeit in Minuten 
Abb. 2. n/5 KOH. Abb. 3. n/5 (C2H;)2HN. 


Ein Vergleich der Tabelle VI mit den vorhergehenden Tabellen. 
sowie die Abb. 2 und 3 zeigen, daß die Adsorption und Osmose von 
Kalihydrat, sowie auch Ammoniak und Diäthylamin, also einer Ver- 
bindung von hoher Oberflächenaktivität durch den Lecithinzusatz ver- 
mindert wird. 


Adsorption und Osmose von n/2 Lösungen von Diäthylamin und Trimethyl- 
amin in ein proz. Gelatinegel mit und ohne Leeithinzusatz. 


Tabelle VII. n/2 (C,H,),HN, n/2 (C,H,),N. 


e mm mg e EE 


Ohne Lecithinzusatz Mit 5 Proz. Lecithinzusatz 


| 
gun O MZCHDHN | M2C N | ae | n2 (CHN 
ER | Volumen | Anzahl | Volumen | Anzahl | Volumen | Anzahl | Volumen | Anzahl 

| er ccm er ccm der cem | der ccm 

| Lösung | n/2 HCI | Lösung | n/2 HCI || Lösung ai? HCI | Lösung EE: O. 
o | 300 | 250 | 300 | 250 | 300 | 250 | 300 | 2,50 
a | 279 | 227 | 278 | 207 © 283 | 204 | 279 | 223 
15' 29 | 194 | 2583 | 185 | 272 | 197 | 24 | 188 
30 | ae | 168 | 2337 | i47 | 82 | Lët | 2350 | 1,86 
ih | 225 | 1,35 | 218 | 112 | 250 | 140 | 386 ; 1,17 
2h | 200 | L00 | 193 085 | 232 | 115 | 219 | 087 
24h | 71 | 058 88 | oan 281 | 063 | 109 — 032 


Adsorption und Osmose von Alkalien usw. 481 


Q 


Tabelle VII und Abb.4 zeigen, daß 
für die konzentrierteren n/2 Lösungen der 
oberflächenaktiven Amine, Diäthylamin und 
Trimethylamin, die entsprechenden Kurven 
für die Gele mit und ohne Lecithin nahezu 
zusammenfallen. Es wurde daher nur die 
eine Kurve gezeichnet. 


kb 


Karzertrafion dwasseriger Lösung 


v 


Gi 20 
Zeit in Mimrten 
Abb. 4. dE (Ca Hs)a N. 


Adsorption und Osmose von Dipropylaminlösungen in ein proz. Gelatinegel 
mit und ohne Leeithinzusatz. 


Tabelle VIII. n/15 (C,H,),HN. 


| Obne Lecithinzusatz | Mit 5 Proz. Lecithinzusatz 
Zeit u a a 


| Volumen Anzahl ccm Volumen Anzahl ccm 
i der Lösung | n/I5 HCI | der Lösung | n/]5 HCI 
Y an TI an "an 1 250 
SN , 28,2 | 2.16 28,2 | 1,78 
15° | 26,1 1,80 26,5 | 1,50 
30’ | 24.8 1,40 | 25,3 1,22 
1h | 232 | 1,11 | 24,1 0,93 
2h i 210 | (Lä 26 |l 056 
24h i 12,2 0.11 | 14,6 | 0,06 


Tabelle IX. n/30 IC HAHN. 


— EE 
' Obne Lecithinzusatz | Mit 5 Proz. Lecithinzusatz 
Zeit | 


Volumen Anzahl ccm Volumen Anzahl ccm 
der Lösung n/30 HCI der Lösung | n/30 HCI 
or | 30,0 250 | 30,0 2,50 
nu ai 1,94 28,0 1,78 
15° 26,2 1,50 t 26,2 1,50 
Ku li 24,8 1,31 | 25,1 1,22 
1b i 23,4 0,94 24,0 0,93 
2h | 21,8 0,63 22,6 0,56 
24h 14,0 0,12 15,7 0,06 


Das Dipropylamin unterscheidet sich vom 
Diäthylamin wie auch Trimethylamin nicht 
nur durch seine größere Oberflächenaktivität, 
sondern auch durch seine geringere Löslichkeit 
in Wasser und dementsprechend auch größere 
Löslichkeit in Lipoiden. Demgemäß finden 
wir dann auch hier, namentlich für die kon- 
zentrierteren n/15 Lösungen, eine größere Ad- Zeit in Minuten 
sorption und Osmose bei den lecithinhaltigen Abb. 5. 
Gelen als bei den lecithinfreien Gelen. n/15 (C3H,);HN. 


482 I. Suganuma: 


Oberflächenaktive Stoffe (wie Diäthylamin, Trimethylamin) bevorzugen 
den Wasserweg, sofern sie in Wasser erheblich löslich sind, während oberflächen- 
aktive Stoffe (wie Dipropylamin), welche in Wasser schwer löslich sind, den 
 Lipoidweg bevorzugen. Für die Geschwindigkeit der Adsorption und Osmose 
in ein lecithinfreies Gelatinegel ist die Oberflächenaktivität kein entscheidender 
Faktor. 

Tabelle X. 3 Proz. C,H,NH, (gesättigte Lösung). 


Obne Lecithinzusatz Mit 5 Proz. Lecithinzusatz 


| Volumen Tropfenzahl 
der Lösung ot bei 180 bei 180 
E eene 
o | 30,0 37,0 
3: 29,3 35,3 
15’ | 28,8 34,2 
30' 28,4 33,0 
1h | 27,8 31,9 
2h | 27,2 30,7 
24h | 23,6 29,5 


Für das in Wasser ja auch schwer lösliche Anilin ergab sich dasselbe 
wie für Dipropylamin. Titrationen waren hier schlecht ausführbar. 
Konzentrationsbestimmungen wurden daher mit Hilfe des Stalagmo- 
meters ausgeführt. Wie die Arbeit von Tomita, l.c., zeigt, ent- 
ziehen die Lösungen den Gelen oberflächenaktive Stoffe, und zwar 
den lecithinhaltigen Gelen ein Mehr solcher Stoffe, als den lecithin- 
freien Gelen. Daraus folgt, daß das Anilin 
den Lecithinweg gegenüber dem Wasserweg 
bevorzugt. 

Um zu prüfen, mit welcher Geschwin- 
digkeit ein oberflächenaktivees Amin von 
reinem Lecithin aufgenommen wird, wurde 
7 — L eine dünne Lecithinschicht aus Le Lecithin 

BAT I MARIN hergestellt, welche gleichmäßig den Boden 
Abb.6. n/Il4(CH23N. eines zylindrischen Schälchens von 6,7cm 
Durchmesser bedeckte, und darauf goB man 1l5ccm einer n/l1,4 Tri- 
methylaminlösung. Tabelle XI und Abb. 6 enthalten die Ergebnisse. 


Tabelle XI. n/11,4 (CH,),N 


l i 
Vol Anzahl ; Vol Anzahl 
a lee ee 
~ 015,0 2,50 b 139 | 17 
3 | 0 144 2,50 2 136 | Lë 
5 0.148 2,39 24 1 126 | 0,889 
30 | 142 2.05 


Auch hier fällt die Langsamkeit auf, mit welcher die Adsorption 
stattfindet. 


Adsorption und Osmose von Alkalien usw. 


483 


Um die Oberflächenspannungen der untersuchten Lösungen ver- 
gleichen zu können, wurden in der folgenden Tabelle XII die bei 18° 
gemessenen stalagmometrischen Tropfenzahlen nebeneins.ndergestellt. 


Tabelle XII. 
BE e re A 54,0 MACHAN "ze? 80,0 
no. RAR 2 A wo EA u; 54,0 BS tel eh ir 113,5 
Kë, Nett, sun 288 53,8 n/l5(C,H.»HN ...... 90,5 
DISS HE A ng Aa 53,8 n/30(GH-)») HN ...... 74,0 
WBCCHHEN 5 e IA EA 67,8 HGO (Cuh HN . ..... 64,0 
ed (Ge hwEN ...% .% $ 69,0 


Endlich wurde die Dsffustonsgeschwindigkeit einiger Lösungen im 
3proz. Gelatinegel mit und ohne Lecithinzusatz ermittelt, indem in 
Reagenzgläsern gleiche Mengen der betreffenden Lösungen die mit 
geringen Mengen Neutralrot versetzten Gele überschichteten. 


Tabelle XIII. 


n/5 NH, n/12 (CH,),N, n/30 (C,H,),HN. 


i Ohne Lecithinzusatz | 
Geschwindigkeit in cm 


Zeit | 


Mit 2 Proz. Lecithinzusatz 
Ges 


chwindigkeit in cm 


| n/5NH3 | n/12 (C Hg) N | n/30(C3 H7)2HN |) n/5N H3 | n/16 (CH3); N n 30 (C3 H7)2 HN 

l | | I DE 
o 000 wg | "o 0,00 ' 0,00 0,00 
10 ' 0,30 0,20 | 0,20 0,20 | 0,15 0,10 
30 055 0,35 Í 02 035 ` 035 0,15 
1b | 0,80 0,51 | 0,30 0,55 0,50 0,30 
2 | 10 072 | 040 | 0,80 0,65 0,40 
3 | 1,30! 085 0,80 > = SS 
22 | 3,20 | 2,45 1,30 -2,90 2,10 1,30 
24 | 338 260 10 | > e 2 
46 430 | 3,50 > 1,90 | 410 am ' 1,90 

Es ist bemerkenswert, daß die Diffusionsfähigkeit derjenigen 


Amine, wie NH, und N(CH,), in einem lecithinhaltigen Gel ge- 


ringer ist als in einem lecithinfreien Gel, 
welche von einem lecithinfreien Gel besser 
aufgenommen werden als von einem leci- 
thinhaltigen Gel (siehe weiter oben), 
während die größere Diffusionsfähigkeit des 
Dipropylamins in dem lecithinhaltigen Gel 
zusammenfällt mit der besseren Adsorption 
und Osmose dieses Amins in dem be- 
treffenden Gel. 


© 


N 


Diffusionsgeschwindigkeit i on 
& 


484 I. Suganuma: Adsorption und Osmose von Alkalien usw. 


Schließlich wurde auch eine Reihe von Quellungsversuchen mit 
den betreffenden Lösungen und Gelen ausgeführt, indem die Wasser- 
aufnahme von seiten der Gele mit der Zeit untersucht wurde. 

Die Ergebnisse dieser Versuche sollen an anderer Stelle ver- 
öffentlicht werden. i 


Zusammenfassung. 


Durch Überschichtung von Gelatinegelen ohne und mit Lecithin- 
zusatz mit wässerigen Lösungen von Alkalien und insbesondere von 
Aminen wurde festgestellt, daß selbst Amine von großer Oberflächen- 
aktivität (Diäthylamin, Trimethylamin) den Wasserweg bevorzugen, 
wenn sie in Wasser leicht löslich sind, während oberflächenaktive 
Amine von geringerer Wasserlöslichkeit (Dipropylamin, Anilin) den 
Lecithinweg bevorzugen. Diesem Verhalten entspricht auch die 
Diffusionsgeschwindigkeit der betreffenden Amine im lecithinfreien 
und lecithinhaltigen Gelatinegel. 

Einfache Beziehungen zwischen Oberflächenaktivität und Ad- 
sorption wie Osmose sind bei den Aufnahmen der Amine in einem 
lipoidfreien Gelatinegel, entsprechend den früheren Mitteilungen von 
Traube und seinen Mitarbeitern nicht vorhanden. 

Bemerkenswert ist die langsame Adsorption selbst oberflächen- 
aktiver Amine in den Gelen. 


Anmerkung von J. Traube. R. E. Liesegang hat in der Zsigmondy- 
Festschr. 1925, S. 82, vgl. auch Liesegang, Kolloidchem. 6, 140, 1926, gegen- 
über den Schlüssen, welche ich aus den Arbeiten von Tomita und Yumikura 
zog, darauf hingewiesen, daß das Lecithin im Gelatinegel nur in Form von 
Tröpfchen enthalten sei, und wenn ein rascheres Eindringen von Caprylsäure 
bei Gegenwart von Lecithin beobachtet wurde, so könne dies auf Speiche- 
rungswirkung beruhen, wodurch das Konzentrationsgefälle gesteigert wird. 
Ich bin hierin ganz der Auffassung von Liesegang, aber ich verstehe nicht, 
weshalb meine Schlüsse falsch sein sollen. Die Versuche von Toma, 
Yumikura und Suganuma scheinen mir deshalb so beachtenswert, weil sie 
zeigen, daß die in bezug auf die Permeabilität in Zellen beobachteten Be- 
ziehungen zwischen Oberflächenaktivität und Permeabilität bei den Ad- 
sorptionsvorgängen in Gelen erst dann sich geltend machen, wenn die 
wüsserigen Gele aus Gelatine und Eiweiß Lipoide wie Lecithin enthalten. 
Ob hier eine Leecithinemulsion vorliegt oder eine Lösung, erscheint mir 
nebensächlich. 


Synthese der a-Keto-d-gluconsäure. 


Von 
Carl Neuberg und Torao Kitasato. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Biochemie in Berlin-Dahlem.) 


Der einfachste aliphatische Ketonaldehyd, das Methylglyoxal, 
läßt sich mit Bromwasser zu Brenztraubensäure in praktisch quanti- 
tativer Ausbeute oxydieren, wie vor zwei Jahren C. Neuberg und @.Gorr!) 
dargetan haben. Damit war auf rein chemischem Wege zum ersten 
Male eine Beziehung zwischen dem wichtigen Methylglyoxal und der 
nicht minder bedeutungsvollen Brenztraubensäure hergestellt. Die 
hierbei ausgesprochene Erwartung, daß auch die Osone sich auf analogem 
Wege in die zugehörigen a-Ketosäuren der Zuckerreihe überführen lassen 
würden, hat sich erfüllt. 

20 g d-Glucoson in 1 Liter Wasser werden mit 20 g Brom in einer 
Glasstöpselflasche versetzt. Beim Umschütteln löst sich das Halogen 
schnell auf und wird beim Stehen im Licht in 3 bis 4 Tagen weitgehend 
verbraucht. Aus der gelb gefärbten Flüssigkeit wird alsdann durch 
einen Luftstrom überschüssiges Brom ausgetrieben und der gebildete 
Bromwasserstoff durch Neutralisation des farblos gewordenen Reaktions- 
produktes mit alkalifreiem Bleicarbonat zum größten Teil entfernt. 
Die vom Bromblei und kohlensaurem Blei abfiltrierte Flüssigkeit wird 
mit Schwefelwasserstoff vom Metall und durch Einblasen von Kohlen- 
dioxyd von H,S befreit. Durch Schütteln mit Calciumcarbonat und 
kurzes Aufkochen neutralisiert man darauf die stark saure Flüssigkeit. 
Sie wird nech Filtration im Vakuum auf 50 bis 100 ccm eingeengt, 
wobei zwec <mäßig etwas Calciumcarbonat als Bodenkörper zugefügt 
wird. Die etzt schwach gelblich gefärbte Flüssigkeit wird in 500 bis 
800 cem absoluten Alkohols unter starkem Rühren eingetropft. Dabei 
scheidet sich das Calciumsalz der a-Keto-d-gluconsäure in Flocken ab. 

1) C. Neuberg und G. Gorr, diese Zeitschr. 166, 442, 1925. 

Biochemische Zeitschrift Band 183. 3? 


486 C. Neuberg u. T. Kitasato: 


die nach einigem Stehen sich zusammenballen und abfiltriert werden. 
Durch Wiederauflösen in Wasser und Fällung mit Alkohol entfernt 
man anhaftende kleine Mengen von Calciumbromid. Mit zunehmender 
Reinigung fällt das Calcium-2-keto-gluconat schwieriger aus und wird 
wegen seiner feinflockigen Beschaffenheit am besten durch Abschleudern 
in festem Zustande abgeschieden sowie auf der Zentrifuge mit Alkohol 
gewaschen. Das so gewonnene Calciumsalz enthält Halogen höchstens 
in Spuren. Es bildet ein weißes, in Wasser spielend leicht lösliches 
Pulver. Ausbeute 18g. 


Löst man das Calciumsalz in Wasser, gibt einen kleinen Überschuß 
von Oxalsäure hinzu, filtriert und schüttelt mit reinem Bariumcarbonat, 
so entsteht eine Lösung des Bariumsalzes, das man nach dem 
Einengen in vacuo mit Alkohol oder noch besser mit Aceton ausfällen 
kann. 


Das Bariumsalz der a-Keto-gluconsäure bildet ebenfalls ein weißes. 
in Wasser leicht lösliches Pulver. Nach dem Trocknen im Vakuum 
bei 67° hat das Salz schon den richtigen Bariumgehalt. 


(C,H,0,),Ba. Ber.: 26,24 Proz. Ba. Gef.: 26,11 und 26,34 Proz, Ba. 


Da weder das Calciumsalz noch Bariumsalz kristallisierte, so haben 
wir das Calciumsalz in das schön und leicht kristallisierende Brucinsalz 
übergeführt. Zu diesem Zwecke wurde aus dem Calciumsalz das Erd. 
alkali mit der berechneten Menge Oxalsäure ausgefällt, die Flüssigkeit 
mit einem kleinen Überschuß von Brucin versetzt und 15 Minuten lang 
erwärmt. Nach dem Erkalten wurde filtriert, in Lösung befindliches 
freies Alkaloid mit Chloroform ausgeschüttelt und die wässerige Flüssig- 
keit im Vakuum konzentriert. Schon beim Einengen kristallisierte 
das Brucinsalz, und schließlich erstarrte die ganze Flüssigkeit zu einem 
Brei kleiner Nadeln. Dieselben wurden aus 85proz. Alkohol unter 
Zusatz von etwas Knochenkohle fünfmal umkristallisiert. Das nun- 
mehr farblose Brucinsalz hatte den Schmelzpunkt von 171° (unter 
Zersetzung). Die spezifische Drehung des 8Tage im Hochvakuum 


über P,O, getrockneten Salzes war in Wasser [a]» = — 50,8° 
(a = — 149%; 1 = 2; c = 1.467; t = 20°). 
In 50proz. Alkohol war [a] = — 42,7? (a = — 124; 1=2, 


c = 1,453; t = 220). 
0,1907 g Substanz: 7,9cem N (21,5°, 751 mm). 
0,1633 g Se 0,3517 g CO, und 0,0855 g H,O. 
GG Haat, MN. . C,H„O;. Bor.: C = 59,15; H = 6,15; N = 4,76 Proz. 
Gef.: C = 58,74; H = 5,83; N = 475 on 
Aus dem Brucinsalz läßt sich durch Behandeln mit kalter halb 
gesättigter Barytlösung das Bariumsalz regenerieren und ganz rein 


Synthese der a-Keto-4-gluconsäure. 487 


gewinnen. Zu diesem Zwecke wurden 3g Brucinsalz in 150 ccm 
Wasser mit einem kleinen Überschuß von Barytwasser unter Eis- 
kühlung versetzt. Zur Vermeidung der Ausfällung eines basischen 
Bariumsalzes (siehe unten) leitet man sofort Kohlendioxyd ein und 
filtriert die damit gesättigte Lösung, wodurch Bariumcarbonat 
und z&uskristallisierttes Brucin entfernt werden. Der Flüssigkeit 
entzieht man den in Lösung gebliebenen Anteil des Alkaloids mittels 
Chloroform. 


Die wässerige Lösung des Bariumsalzes wird im Vakuum auf 
10 ccm eingeengt und mit Aceton gefällt. Das jetzt in groben Flocken 
ausgeschiedene Bariumsalz läßt sich leicht abfiltrieren. Es wird einmal 
umgefällt und hat nach dem Trocknen im Hochvakuum bei 67° die 
richtige Zueammensctzung (Ce, OU: Ba. 


0,1561 g Substanz: 0,0681g BaSO,. 

0,1566 g Se 0.1600 g CO, und 0,0517 g H,O. 

(C,H,0O-) Ba. Ber.: Ba = 26,24; C = 27,50; H = 3,46 Proz. 
Gef.: Ba = 25,67; C = 27,86; H = 3,69 „. 


Die wässerige Lösung des Salzes reduziert intensiv alkalische 
Kupfermischung, und zwar auch langsam schon in der Kälte. Mit 
Barytwasser!), Strontiumhydroxyd und Bleiessig enstehen, namentlich 
in der Wärme, schwerlösliche Verbindungen. Die Verbindung liefert 
eine nicht übermäßig starke Orcinreaktion. Die spezifische Drehung 
der freien Säure ergibt sich in einer mit der äquivalenten Menge Salz- 
säure versetzten Lösung des regenerierten Bariumsalzes (0,2322 g 
+0,89ccm n HCl aufgefüllt mit H,O auf 10,0ccm) zu — 75,5°. 
(a == 260: I= 2, 1 = 239). 


Die Säure bildet, wie erwähnt, ein äußerst leicht lösliches nor- 
males Salz mit Calcium und mit den übrigen Erdalkalien. Hierdurch 
wie durch die abweichende spezifische Drehung erweist sich unsere 
Säure als sicherlich verschieden von der am längsten bekannten 
Ketogluconsäure von Boutroux, der nach den Untersuchungen von 
G. Bertrand?) sowie H. Kilian?) wahrscheinlich die Formel der 
5-Keto-gluconsäure zukommt. Trotz kleiner Differenzen in den 
physikalischen Konstanten halten wir unsere Substanz für identisch mit 
der Verbindung, die auf einem Umwege (aus Fructose über ihr 
ß-Diacetonid, dessen Oxydation und Abspaltung von Aceton) Ohle?) 


) O. Schmiedeberg und H. H. Meyer, H. 8, 422, 1879. 
"IG. Bertrand, Ann. chim. et phys. [8] 3, 284, 1904. 
) H. Kiliani, Ber. 55, 2820. 1922. 
) H.Ohle, ebendaselbst 58, 2577, 1925. 


488 C. Neuberg u. T. Kitasato: Synthese der a-Keto-d-gluconsäure. 


dargestellt hat. Unsere Säure, die weit von der gleichfalls als 
a-Keto-gluconsäure ausgesprochenen Säure von Hönig und Tempus!) 
abweicht, ist jedenfalls eindeutig als 2-Keto-d-gluconsäure charak- 
terisiert. 

Die noch weitergehende Untersuchung der Substanz nebst der 
Ausdehnung des neuen Verfahrens auf die analoge Gewinnung anderer 
a-Ketosäuren der Zuckerreihe möchten wir uns vorbehalten. Hierüber 
wie über eine einfache Art der Darstellung von Ösonen soll gleichfalls 
später berichtet werden. 


1) M. Hönig und F. Tempus, Ber. 57, 2787, 1924. 


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wertes. S. 90. 

Stoklasa, Julius. Die Milchsäure als 
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Szörényi, Emerich. Deutung und 
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Utkin-Ljubowzow, L. Zur Kenntnis 
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Utkin-Ljubowzow, Xenia s. O. Step- 
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Vleeschhouwer, J. J. s. I. M. Kolthoff. 
Winands, E. s. W. Starlinger. 
Zander, Herbert s. Ilse Sachs. 


Zelinsky, N. D. und K. P. Lawrowsky. 
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Hefegärung. VII. S. 369. 

— Untersuchung über die kombi- 
nierte Wirkung zweier Substanzen 
auf die Hefegärung. VIII. S. 389. 


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