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Full text of "Biochemische Zeitschrift 19.1909"

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CALIFORNIA 


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DAVIS 








Biochemische Zeitschrift. 


Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie. 


Herausgegeben von 


E. Buehner-Berlin, P. Ehrlieh-Frankfurt a. M., F. Hofmeister- 
Straßburg i. E., C. von Noorden-Wien, E. Salkowski- Berlin, 
N. Zuntz-Berlin. 


unter Mitwirkung von 
L. Asher-Bern, J. Bang-Lund, G. Bertramd-Paris, A. Bickel-Berlin, F. Blamonthal-Berlin, 
Chr. Bohr-Kopenbagen, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Ncapel, &. Bredig-Heidelberg, A. 
Durig-Wien, F. Ehrlich-Berlin, &. Embden-Frankfurt a. Main, 8. Flexner-New York, 8. 
Fränkei- Wien, E. Freund- Wien, U. Friedemaan-Berlin, E. Friedmann-Berlin, O.v. Fürth- 
Wien, @. Galeotti-Neapel, H. J. Hamburger-Groningen, A. Heffter-Berlin, V. Henri-Paris, 
W. Houbner-Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby-Heidelberg, R. Kobert-Rostock, M. 
Kumagawa-Tokio, F. Landolf-Buenos-Aires, L, Langstein-Berlin, P. A. Levene-NewYork 
L. von Liebermann-Budapest, J. Loob-Berkelcy, W. Loeb-Berlin, A. Loewy-Berlin, A.Mag- 
nus-Levy-Berlin, J. A, Nandel-New York, T.. Marchlewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, 
L. Michaelis-Berlin,J „Morgenroth-Berlin, W. Nernst-Berlin, W. Ostwald-Leipzig, W. Pale 
ladin-St. Petersburg, W. Paull-Wien, R. Pfeiffer-Königsberg, E. P. Piek-Wien, J. Pohl- 
Prag, Ch. Poreher-Lyon, F. Roehmann-Breslau, P. Rona- Berlin, 8. Salaskin-St. Petersburg, 
N. Sieber-St. Petersburg, M. Blegfried-Leipzig, Zd. H. Skraup-Wien, 8. P. L. Sörensen- 
Kopenhagen, K. Spire«Straßburg, E. H. Starling-London, F. Tangi-Budapest, H. v. Tap- 
poiner-München, H. Thoms-Berlin, J. Traube-Charlottenburg, A. J. J. Vandevelde-Gent, 
A. Wohl-Danzig, J. Wohlgemuth-Berlin. 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin. 
Neunzehnter Band. 


Mit 4 Tafeln. 





Berlin. 
Verlag von Julius Springer. 
1909. 


UNIVERSITY OF CALIFORNIA PROE-DRrtmie 
LIBRARY 
COLLEGE OF AGRICULTURE 
PAVAS 


Druck von Oscar Brandstetter, Leipzig. 


Inhaltsverzeichnis. 


Feá, Carlo und Alberte Aggazzotti. Über die physiologische Wirkung 
kolloidaler Metalle . . . 2 2 0 0 0 m er er ren. 
Salkowski, E. Über Fleischersatzmittel . . . 2.» 2: 2 20 2.0. 
Friedheim, Willi. Die Stickstoffverteilung in der Kuh-, Büffel-, Ziegen-, 
Frauen- und Eselsmilch bei Säure- und Labfällung . .... . 
Feigl, Johann und Adolf Rollett. Experimentelle Untersuchungen über 
den Einfluß von Arzneimitteln auf die Magensaftsekretion. IV. 
Michaelis, L. Die elektrische Ladung des Serumalbumins und der 
Resenthaler, L. Über katalysierende Emulsinbestandteile . . . . . 
Buchner, Eduard und Hugo Haehn. Über das Spiel der Enzyme im 
HefeproBsaafff......... 
Battelli, F. und L. Stern. Untersuchungen über die Urikase in den 
Tiergeweben... e-se yor & 
Pränkel, Sigmund. Über Lipoide. VL... .. - 2222020. 
Deleano, N. T. Eine neue Methode zur Reinigung der Peroxydase.. . 
Glikin, W. Zur biologischen Bedeutung des Leoithins. I ..... 
Heß, Leo und Paul Saxl. Hämoglobinzerstörung in der Leber . . . 
Behmansson, Gösta. Über den qualitativen Nachweis des Harn- 
OCKO 0 Soc 
Hirokawa, Walchi. Über den Einfluß des Prostatasekretes und der 
Samenflüssigkeit auf die Vitalität der Spermatozoen . .... . 
Halberksnn, Josef. Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamtee- 
BAER. un un. a a ae ea er ae ee Bi 
Wiechowski, Wilheim. Das Vorhandensein von Allantoin im nor- 
malen Menscohenharn und seine Bedeutung für die Beurteilung des 
menschlichen Harnsäurestoffwechsels . . . . 2222000. 
Winterstein, Hans. Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 
Winterstein, Hans. Bemerkungen über die in dunkel gehaltenem See- 
wasser auftretenden Änderungen des Sauerstofigehaltes. . . . . 


62870 


Hasselbalch, K. A. Untersuchungen über die Wirkung des Lichtes 
auf Blutfarbstoffe und rote Blutkörperchen wie auch über optische 
Sensibilisation für diese Lichtwirkungen . . . . . 22... 

Höber, Rudolt. Bemerkungen zur Deutung der Blutkörperchen-Kata- 
phorese . . . a er er ee EEE E en Sr 

Slowtzoft, B. Über den Gaswechsel der Insekten und dessen Beziehung 
zur Temperatur der Luft. . .. 2... 2 22 een. 

Slowtzoit, B. Beiträge zur vergleichenden Physiologie des Hunger- 
stoffwechsels. V.. u... u ser ae a ee 

Frey, Ernst. Über Dünndarmresorption . . . . s.s saesae. 

Blumenthal, Ferdinand. Beiträge zum Nachweis und zur Entstehung 
aromatisoher Körper im Organismus. I. Naohweis von Indol und 
Skato =, 8: 

Loeb, Jacques. Elektrolytische Dissoziation und physiologische Wirk- 
samkeit von Pepsin und Trypsin . . . ».. 22222000. 

Berichtigung = e ae tea 6 


Über die physiologische Wirkung kolloidaler Metalle.') 
Von 
Carlo Foà und Alberto Aggazzotti. 
(Eingegangen am 24. Januar 1909.) 
Mit 9 Figuren und 2 Tafeln. 


Allgemeiner Teil. 


Nachdem Bredig die katalytischen Wirkungen, die einige 
kolloidale Metalle auszuüben imstande sind, entdeckt und 
analysiert und diese Metalle ‚anorganische Fermente“ genannt hat, 
begaben sich viele Forscher an die Untersuchung der physio- 
logischen und therapeutischen Wirkung solcher Metalle. Nägeli?) 
fand, daß viel Metalle (Cu, Ag, Pb, Zn, Fe, Hg) sich im Wasser 
in sehr geringen Mengen auflösen und ihm Eigenschaften mit- 
teilen, die er „olygodynamische‘‘ nennt, um sie von den chemisch- 
pharmakologischen Eigenschaften zu unterscheiden, welche die- 
selben Metalle bewirken, wenn sie als Salze vorhanden stärker 
konzentriert sind. Die geringe Menge Metall, die sich im Wasser 
löst, ist wahrscheinlich im kolloidalen Zustande darin zugegen 
und hat so die katalytischen Kräfte, welche Bredig später 
entdeckte, als er auch ein Verfahren gefunden hatte, mit Leich- 
tigkeit konzentriertere kolloidale Flüssigkeiten zu erhalten. 
Solche Lösungen wirken auf die einzelligen Organismen, indem 
sie Erscheinungen von Plasmolyse erzeugen. 


1) Diese Arbeit enthält außer neuen Resultaten auch jene, welche 
wir schon in einigen Anmerkungen der k. Acad. der Medizin veröffent- 
lichten. Turin 1907: Einige Arbeiten, die wir im Laufe dieser Auf- 
zeichnungen anführen werden, sind deshalb später als unsere ersten Ver- 
öffentlichungen erschienen. 

2) Nägeli, Über die olygodynamischen Erscheinungen an leben- 
den Zellen. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 1 


2 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Galeotti!), die Versuche Nägelis fortsetzend, untersuchte 
die Wirkung, die das nach Bredigs Methode hergestellte kolloi- 
dale Kupfer auf die Zellen von Spirogira ausübt und fand, 
daß schon bei einer äußerst geringen Konzentration das Kupfer 
eine schädigende Wirkung auf das cellulare Protoplasma hat, eine 
Wirkung wahrscheinlich katalytischer Natur und fähig, den 
cellularen Metabolismus tiefgehend zu modifizieren. Galeottiund 
Todde?) untersuchten an Meerschweinchen die Wirkung intra- 
peritonealer Einspritzungen kolloidalen Silbers. Sie spritzten 20 bis 
30 com der Lösung in einer Zeit von durchschnittlich 1 Monat 
ein und fanden, daß die Einspritzungen einen ganz bedeutenden 
Verfall des Tieres und starke Atrophie einiger anatomischer 
Elemente verursachen, so daß man annehmen kann, die Metalle 
wirken im kolloidalen Zustande auf den allgemeinen Stoffwechsel, 
indem sie den cellularen Stoffwechsel modifizieren. Viele andere 
Forscher untersuchten die pharmakologische Wirkung der ver- 
schiedenen kolloidalen Metalle, und sie werden wir im Laufe 
der gegenwärtigen Arbeit erwähnen. Wir werden vor allem 
die auf chemischem Wege hergestellten Kolloide (Collargol, 
Hyrgol, Eisenhydrat, Wismut, Arsensulfid) von jenen nach 
Bredigs Methode hergestellten (Platin, Gold, Silber, Mangan, 
Quecksilber) unterscheiden müssen; um ihre katalytische Ein- 
wirkung auf das Wasserstoffsuperoxyd zu messen, benutzten wir 
die von V. Henri?) angegebene Methode und bedienten uns der 
Formel. 





wobei t die Dauer in Minuten, a die Konzentration des Wasser- 
stoffisuperoxyds am Anfang des Versuches, x die Quantität, welche 
in der Zeit t zerlegt ist, angibt. Der Versuch wurde so durch- 
geführt, daß man 50 ccm einer Perhydrollösung Merk zu !/,oo 
mit ?/, com kolloidaler Lösung bei konstanter Temperatur rea- 
gieren ließ. Die Titrierung der Mischung wurde alle halbe 


1) Galeotti, Über die Wirkung kolloidaler und elektrolytisch 
dissoziierter Metallösungen auf die Zellen. Biol. Centralbl. 21, Nr. 11, 
1. Juni 1901. 

2) Galeotti und Todde, Alterazioni istologiche provocate da 
soluzioni di metalli colloidali etc. Lo sperimentale 56, 341, 1902. 

3) Cornovodeanu u. V. Henri, Compt. rend. Soc. Biol. 1906. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 3 


Stunden mit 1'/,, übermangansaurem Kali und mit 5 com '/, 
Schwefelsäurelösung vorgenommen. 

Der Wert K, resultiert aus jenem von K, multipliziert 
mit dem Verhältnis zwischen dem Volumen des Kolloids und 
jenem des Wasserstoffsuperoxyds, d. h. in unserem Fall mit 
100. Es wird dann nochmals mit 100 multipliziert, um die 
Nullen zu vermeiden. 


Untersuchungen über das Collargol. 


Das Collargol wird in Form von kleinen braunschwarzen 
Splittern, die sich leicht im Wasser lösen und ziemlich stabile, 
dunkelbraun gefärbte Lösungen geben, in den Handel gebracht. 
Das Collargol wird im allgemeinen für kolloidales Silber ge- 
halten, aber eigentlich ist es kein reines, lösliches Silber. Nach 
den Angaben Carey Leas!), aus Silbernitrat mit Zusatz von 
Eisensulfid, Natronlauge und Citronensäure, oder nach Daulus 
und Cothereans?), auch aus Silbernitrat unter Hinzufügung von 
Citronensäure, Ammoniak und ammoniakalischem Eisensulfat 
hergestellt, ist es in jedem Fall eine Mischung verschie- 
dener Substanzen, und wenn man es zu reinigen versucht, ver- 
liert es seine wesentlichen Eigenschaften. Chassevant und 
Posternack?) fanden, daß das Collargol nur 90,8°/, Silber 
und jenes von Heyden nur 87°/, sowie Salpetersäure enthält 
[Henriot*)]. 

Henriot betrachtet das Collargol als ein lösliches, ba- 
sisches Salz der Collargolsäure, das in seinem Molekül eine 
organische stickstoffhaltige Substanz und das Silber als Oxyd 
enthält. Auch das Collargol von Schneider’) ist nach Henriot 
sehr unrein. 

Das Collargol ist also kein reines, kolloidales Silber; viel- 
leicht wegen der Unreinheiten, die es enthält, dazu auch wegen 


1) Carey Lea, Sillim. Amer. Journ. of Sc., 1889; u. Zeitschr. f. 
anorgan. Chem. 3 u. 4. 

2) Daulus u. Cotherean, Soc. Thörap., 24. Dezember 1902. 

3) Chassevant u. Posternack, Union pharmaceutique 1903, 308; 
Bull. Soc. Ch. 29, 543; Compt. rend. Soc. Biol. 1903, 433. 

4) Henriot, C. R. Ao. Sc. 136, 122, 680 u. 1448, 1903. 

8) Schneider, Zeitschr. f. anorgan. Chem. 339; und Ber. d. 


Deutsch. chem. Ges. 24, 3370; 25, 1281 u. 1440. 
1* 


4 C. Foà und A. Aggazzotti: 


der Größe seiner Körnchen hat es eine geringere katalytische 
Kraft als das nach Bredigs Methode hergestellte kolloidale 
Silber und hat auch, wie wir sehen werden, eine andere 
physiologische Wirkung. 

Für unsere Versuche benutzten wir eine 25°/ ‚ige Collargol- 
lösung. Eine konzentriertere Lösung war während 3 Monaten in 
Kolloidsäckohen gegen destilliertes, oft erneuertes Wasser dialy- 
siert worden. In dieser Lösung, welche anfangs ein gutes 
Leitungsvermögen hatte, nach der langen Dialyse aber ein 
Leitungsvermögen von 9,10— erlangte, wurde das Silber in Form 
von Chlorsilber bestimmt. 

Für unsere 0,25°/,,ige Collargollösung ist K, = 13,5. 

In vitro agglutiniert das Collargol die roten Blutkörperchen 
nicht, gibt keine Präcipitation weder mit Serum noch mit defi- 
briniertem Blut, wenn es im Verhältnis von 1 Teil Collargol 
(0,25°/,,) auf 5 Teile Blutserum oder Blut oder Suspension der 
roten Körperchen in physiologischer Kochsalzlösung vermischt 
wird. 

Bei unseren Versuchen wurde das Collargol zu 0,25°/,. 
stabilisiert eingespritzt und mit Chlornatrium isotonisch gemacht. 

Über die physiologische Wirkung des Collargols finden sich 
in der Literatur eher Untersuchungen klinischen als experi- 
mentellen Charakters. Die Autoren gaben im allgemeinen an, 
daß auf eine Collargoleinspritzung ein Steigen der Temperatur 
des Tieres folgt. Neuerdings fanden Lépine und Boulud?), 
daß bei einem Hund von 19 kg Gewicht die Temperatur infolge 
einer intravenösen Collargoleinspritzung von 7 cg nach Verlauf 
von 3 Stunden von 39,3° auf 40,2° stieg. Brunner?) fand 
nach einer intravenösen Collargoleinspritzung an ein Kaninchen, 
daß das Collargol sich in allen Organen und besonders in den 
Nieren und der Leber festsetzt. Cohn?) fand, daß das Collargol 
sich in Form von schwarzen Silberkörnchen in den Glomeruli 
der Nieren, im Epithel der Nierenkanälchen, im Bindegewebe 
der Lunge, in der Milzpulpa, in den Lymphdrüsen und in der 
Leber festsetzt (Kupferschen Zellen). Aus dem Blut ver- 
schwindet das Collargol 45 Minuten nach der Einspritzung. 

1) Lépine u. Boulud, Compt. rend. Soc. Biol. 1907, 206. 


2) Brunner, Fortschritte der Medizin 18, 81, 1900. 
3) Cohn, Centralbl. f. Bakt. 32, 782 u. 804, 1900. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 5 


Neuerdings untersuchte R. Luzzatto?!) die physiologische 
Wirkung des Collargols und kam zu folgenden Schlüssen: 

Auf gastrischem oder hypodermischem Wege wird es nicht 
resorbiert, weil es als reduziertes Silber ausfällt, durch Ein- 
reiben in Form von Crede-Salbe wird es wenig resorbiert und 
vielleicht nur wegen den Silbersalze, mit denen es vermischt 
ist. In die Adern eingeführt, verursacht es leicht Lungen- 
verletzungen und wird durch den größten Teil des Knochen- 
marks, die Leber und die Milz festgehalten, wo es sich in Form 
von reduziertem Silber findet. 

Die zahlreichen Arbeiten über die mikrobentötende und 
therapeutische Wirkung des Collargols werden weiter unten be- 
sprochen werden. 

Jetzt wollen wir über unsere Versuche berichten. 


Versuch 1. 


Hund Nr. VIII, 10 kg. Die Temperatur mit einem hundertteiligen 
Thermometer gemessen, schwankt während 45 Minuten zwischen 38,06° 
und 38,50 auf und ab. Als die Einspritzung in die Saphena gemacht 
wird, ist die Temperatur 38,32°. Es werden in der Zeit von 9 Minuten 
100 ccm Collargol eingespritzt. 

Die Temperatur sinkt sofort auf 38,06° und bleibt 4 Stunden lang 
zwischen 38,30 und 37,96°. Der Hund ist in tiefem Kollaps und reagiert 
nicht auf schmerzhafte Reize. So verblieb das Tier den ganzen Tag 
über und am folgenden Morgen wurde es tot aufgefunden. 

Bei der Sektion sind alle Organe dunkelbraun schieferig gefärbt, 
ebenso auch das flüssig aus der rechten Herzkammer, der Cava und den 
Mesenterialgefäßen ausgetretene Blut. Alle Organe, bis auf die Farbe, 
erscheinen normal. Die Blase ist voll braunen trüben Urins. Bei der 
spektroskopischen Untersuchung und der Probe mit Guaiakharz findet 
man Hämoglobin. Beim Kochen bildet sich ein Albuminkoagulum, und 
das zentrifugierte Sediment enthält granulierte Zylinder und gelbbraunen 
körnigen Detritus. 

Versuch 2. 

Hund Nr. XII, 10kg. Der Blutdruck in der Carotis wird während 
des ganzen Versuches auf ein langes Blatt berußten Papieres verzeichnet. 
Die normale Temperatur ist 38,66. Es werden 100ccm Collargol in die 
Saphena eingespritzt, und sofort sinkt die Temperatur bis 38,5; aber 
nach 10 Minuten beginnt sie wieder zu steigen, um nach 3 Stunden ein 
Maximum von 41,2 zu erreichen. Nach 5 Stunden ist sie 40,6, nach 
7 Stunden 39,8 und nach 17 Stunden noch 39,6. Am folgenden Tage 
— — — ! 

1) R. Luzzatto, Intorno al cantegno nell!’ organismo animale del 
Collargolo eto. Arch. di Farmacol. e Terap. 14, Februar 1908. 


6 C. Foà und A. Aggarzzotti: 


befindet sich der Hund sehr schlecht und nach 24 Stunden stirbt er: 
Der während des Lebens spontan entleerte Urin ist dunkel und blut- 
haltig. Die Sektion und die Untersuchung ergeben die gleichen Resultate 
wie jene des vorhergehenden Versuches. 

Der Blutdruck, der nach Einspritzung plötzlich gesunken war, wird 
bald wieder normal und bleibt so während der ganzen Zeit, innerhalb 
welcher der Hund aufgebunden ist (Fig. 1). 


Versuch 3. 


Kaninchen Nr. XIII, 1,950 kg. Colargol zu 0,20°/,0.. Normale 
Temperatur 37%. Nach einer Einspritzung von 25ccm Collargol sinkt 
die Temperatur stufenweise in 2 Stunden bis 34,90. Das Kaninchen 
überlebt und am folgenden Tag ist die Temperatur 38,68%. Das Sinken 
der Temperatur ist vielleicht teils die Folge dessen, daß unmittelbar vor 
der Einspritzung und 1/, Stunde nach dieser zwei Blutentziehungen von 
je ca. 10 com Blut aus der Carotis gemacht wurden, um seine Koagu- 
labilität und Viscosität zu prüfen. Die Zeit der Koagulation war gleich 
derjenigen normalen Blutes und so auch die Viscosität des defibrinierten 


Blutes. 
z Für das normale Blut ...... — 4,96 
nach der Einspritzung . . ... . — 4,89. 
Versuch 4. 


Kaninchen Nr. XIV, 3,5 kg. Einspritzung von 35 ccm Collargol zu 
0,20°/,0 in die Jugularis. Normale Temperatur war 38,46. Nach der 
Einspritzung sinkt sie bis 37,8 und bleibt für 2 Stunden zwischen 37,8° 
und 37,9%; nach dieser Zeit beginnt sie zu steigen und erreicht nach 
6 Stunden 40,37. Am folgenden Morgen ist sie noch 38,86. Der Harn 
wird mit dem Katheter entzogen; er enthält kein Blut, aber 2°/, Albumin 
(Albuminometer von Esbach). Das Kaninchen stirbt nach 3 Tagen. 


Versuch 5. 


Hund Nr. XV, 14 kg. Einspritzung von 125 com Collargol zu 0, 200/00 
in die Saphena. Der Blutdruck in der Carotis wird während des ganzen 
Versuches aufgezeichnet. Normale Temperatur ist 38,6. Nach der Ein- 
spritzung, welche durch vier Pausen in Zeit von 10 Minuten aus- 
geführt wird, sinkt die Temperatur in !/, Stunde bis 38,420, dann steigt 
sie wieder, und nach 2 Stunden ist sie 40,40. 5 Stunden nach der 
Einspritzung ist sie 39,1. Der Blutdruck bleibt unverändert, die 
Viscosität des defibrinierten Blutes ist vor und nach der Einspritzung gleich. 

Der Hund überlebt. Der am folgenden Tage mit dem Katheter 
entleerte Urin reagiert alkalisch, ist reich an Phosphaten und enthält 1,5°/, 
Albumin; in den nächsten 15 Tagen sind Spuren davon noch nachweisbar. 


Versuch 6. 


Hund Nr. XXI, 7 kg. Einspritzung von 20 ocm Collargol zu 0,25°/,0 
in die Saphena, Die Temperatur steigt in 2 Stunden von 38,2° zu 39°. 
Am andern Tage ist sie wieder bis 38,30 gesunken, Der nach 24 Stunden 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle, 7 


abgegebene Urin ist alkalisch, reich an Phosphaten und enthält Spuren 


von Albumin. 
Versuch 7. 


Hund Nr. II, 10 kg. Normale Temperatur 38,7%. Es werden in 
die Saphena 100 com physiologischer Kochsalzlösung eingespritzt. Die 
von 5 zu 5 Minuten beobachtete Temperatur schwankt während 6 Stun- 
den nach der Einspritzung zwischen 38,60 und 38,40. Das Tier stirbt 
nach 48 Stunden, und bei der histologischen Untersuchung wird intensive 
Nephritis mit starker Trübung des Epithels der Nierenkanälchen, und 
diese voll von Detritus gefunden. Der nach dem Tode aus der Blase 
entnommene Urin ist reich an Albumin. 

Aus diesen Versuchen können wir schließen: 

1. Nach einer intravenösen Einspritzung von 0,25°/ „ige 
Collargollösung im Verhältnis von ca. !/,.. des Gewichtes des 
Tieres beobachtet man ein unbedeutendes, vorübergehendes 
Sinken der Temperatur, auf welches ein Steigen von 2 bis 21/,° 
nach Verlauf von 2 bis 3 Stunden erfolgt. Aus unbekannten 
Gründen macht Versuch 1 eine Ausnahme. 

2. Die Viscosität des Blutes verändert sich nicht. 

3. Der Druck des Blutes wird nach der Einspritzung plötz- 
lich schwächer, aber nach kurzer Zeit wird er wieder normal. 

4. Kleine Mengen Collargol verursachen auch ein Steigen 
der Temperatur und erzeugen Phosphaturie und leichte Albu- 
minurie. 

5. Große Mengen Collargol erzeugen reichliche Phosphat- 
urie und sehr starke Nephritis mit Cylindern und Hämaturie, 
was in kurzer Zeit zum Tode führt. 

6. Eine intravenöse Einspritzung von physiologischer Koch- 
salzösung, im gleichen Verhältnis wie das Collargol verursacht 
kein Steigen der Temperatur. 


Untersuchungen über das kolloidale elektrische Silber. 


Das Kolloid wird nach der Methode Bredigs hergestellt, 
indem man den Lichtbogen zwischen zwei Silberelektroden 
unter destilliertem Wasser durchschlagen läßt. Die Kathode 
zerstäubt in Form von kolloidalen, ultramikroskopischen 
Körnchen. Schon Bredig hatte beobachtet, daß es möglich 
ist, mit ein und demselben Metall Lösungen von verschiedenen 
Farben zu erhalten. Cernovodeanu und Henri!) bewiesen, 


1) Cernovodeanu und Henri, C. R. Soc. Biol. 1906. 


8 C. Foà und A. Aggazzotti: 


daß je nach Stärke des Stromes, der Reinheit des Wassers, der 
Form und Größe der Elektroden es möglich ist, kolloidale 
Lösungen, die vom ÖOlivgrünen ins Braunrötliche übergehen, 
zu erhalten. Die ersteren haben größere und weniger beweg- 
liche, ultramikroskopische Körnchen als die braunen Lösungen, 
und ihre katalytische Kraft ist geringer als die der letzteren. 

Für unsere Versuche benützten wir Lösungen von ver- 
schiedener Farbe: vom Olivgrünen bis zum Rotbraunen. Eine 
der rotbraunen Lösungen wurde uns freundlichst von Herrn 
V. Henri zur Verfügung gestellt, welchem wir auch hier unsern 
Dank aussprechen; die andern wurden von uns selbst hergestellt. 

Wir werden sehen, wie der Verschiedenheit in der Größe 
der Körnchen und der katalytischen Kraft zwischen der oliv- 
grünen Lösung und der braunrötlichen auch eine verschiedene 
physiologische Wirkung entspricht. 

Gompel und Henri!) bewiesen, daß infolge einer intra- 
venösen Einspritzung von 20 ccm braunrötlichen Silbers von 
0,25°/,, an ein Kaninchen die Temperatur in 2 Stunden um 
ungefähr 1 Grad steigt. Eine Serie täglicher Einspritzungen 
von 20 ccm Silber an ein Kaninchen auf intravenösem, sub- 
cutanem oder intraperitonealem Weg erzeugt ein starkes Ab- 
magern des Tieres im Verlauf von 20 Tagen. Durch den 
Mund eingeführt sind auch sehr starke Mengen ungefährlich, 
in die Adern injiziert, erträgt das Tier gut 10 ccm pro Tag 
während 8 aufeinanderfolgender Tage. 

Um zu untersuchen, wo das eingespritzte Silber sich 
festsetzt, bedienten sich Henri und Gompel?) einer von 
Urbain angegebenen Methode, welche in der spektrophoto- 
graphischen Untersuchung des zwischen 2 Kohlen wirkenden 
Flammenbogens besteht. Auf eine der Kohlen. legt man ein 
wenig Pulver des bei 110° getrockneten Organs. In der ultra- 
violetten Zone des Spektrums hat man die Silberlinie, und die 
Methode ist so fein, daß sie die Anwesenheit des Metalles nach- 
zuweisen gestattet, selbst wenn es sich im Verhältnis von 
2 00000 des Gewichtes des trockenen Pulvers des Organs befindet. 

Mayer und Stodel?) spritzten in die Adern eines Hundes 

1) Gompel u. Henri, C. R. Soc. Biol. 1906, 362. 


2) Gompel u. Henri, C. R. Soc. Biol. 1906, 388 u. 488. 
3) Mayer u. Stodel, C. R. Soc. Biol. 1906, 712. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 9 


160 bis 200 ccm kolloidales Silber (chemisch präpariert) und 
fanden es wieder in Form von kleinen, schwarzen Körnchen 
in den Zellen der gewundenen Kanälchen der Nieren, in den 
Leukocyten und in den Zellen der aufsteigenden Kanäle der 
Ansa von Henle, während die Glomeruli der Nieren frei davon 
waren. Nach 48 Stunden waren die Körnchen aus den Zellen, 
wo sie sich festgesetzt hatten, verschwunden. Das Festlegen 
dieser Körnchen ist die Wirkung aktiver cellulärer Ausscheidung; 
denn, wenn man eine künstliche Zirkulation des kolloidalen 
Silbers in einer toten Niere vornimmt, kommen keine Körnchen 
in die Zellen. 


Wir berichten jetzt über unsere Versuche: 


Versuoh 1. 


Hund Nr. XVIII, 7 kg. Es werden in die Saphena 100 com kolloidale 
Silberlösung von olivgrüner Farbe eingespritzt. Die Lösuug enthält 
0,09°/%- Die normale Temperatur war 37,98%. Sogleich nach der Ein- 
spritzung sinkt sie bis 37,5%, um in 4 Stunden stufenweise bis 40,76° 
zu steigen. Nach 5 Stunden sinkt sie wieder bis 40,50%, am folgenden 
Tage ist sie noch 39,70 und am zweiten Tage noch 38,98%. Der nach 
24 Stunden aus der Blase entnommene Urin ist trüb, dunkel und al- 
kalisch. Er enthält viel Phosphat und 1°/% Albumin (Esbach). Die 
mikroskopische Untersuchung des Sedimentes ergibt körnige und hyaline 
Cylinder. 3 Tage nach der Einspritzung sind im Urin noch Spuren 
von Albumin zu finden. 


Versuch 2. 


Hund Nr. XIX, 8,250 kg. Es werden in die Saphena 100 com rötlich- 
grünes, stabilisiertes und isotonisches Silber eingespritzt und am folgenden 
Tag noch weitere 100 ccm in die andere Saphena. 6 Stunden nach der 
zweiten Einspritzung ist der Urin alkalisch, trüb, enthält viel Phos- 
phate und Spuren von Albumin (weniger als beim vorhergehenden Ver- 
such). Die Konzentration der Lösung war 0,05°/,.- 


Versuoh 3. 


Hund Nr. I, 10 kg. Normale Temperatur 39,07%. Es werden in 
die Saphena in 5 Min. 100 ccm rötlichbraunes Silber eingespritzt (Henri), 
Die Temperatur sinkt in !/, Stunde bis 38,6%, dann bewegt sich das 
Tier heftig, aus Mund und Nase tritt reichlich schaumige Flüssigkeit, 
und das Tier stirbt. 

Bei der Sektion ist das Herz geschwollen, die Notkammern und 
die Kammern sind voll dunkelbraunen, sehr dicken, beinahe fadigen 
Blutes. Die Gefäße des Mesenteriums und des Abdomens haben die 
braune Farbe des Blutes, das sie enthalten, und dieselbe Farbe haben 
alle Organe. 


10 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Die Lungen werden von einem sehr akuten Ödem befallen; sie werden 
ausgequetscht, und es fließt eine schaumige, blutgefärbte Flüssigkeit 
heraus, Bei der mikroskopischen Untersuchung wird blutiges Ödem mit 
Bruch der Lungenalveolen, die sehr ausgedehnt sind, gefunden. 


Versuch 4. 

Hund Nr. II, 5,600 kg. Normale Temperatur 39°. Es werden in 
die Saphena in 5 Min. 50 ccm desselben Silbers wie in Versuch 3 ein- 
gespritzt. Die Temperatur steigt zu 40,06° in einer Stunde. Das Tier 
hat dann starke Atemnot, schäumt aus Nase und Mund, die Temperatur 
beginnt wieder zu sinken, und 1!/, Stunden nach der Einspritzung stirbt 
der Hund. Die anatomische Untersuchung ergibt die gleichen Resultate 
wie bei Versuch 3. Wir bemerken besonders die starke Viscosität des 
Blutes, welches, aus dem Herzen entnommen, langsam zu einem weichen 
und unvollständigen Koagulum gerinnt, und das sehr akute Lungenödem. 
Fig. 2a zeigt den Gang der Temperatur in diesem Versuche. 


PRRBERE 





Fig. 2. 


Versuch 5. 

Hund Nr. V, 4,470 kg. Normale Temperatur 37,80. Es werden 
in die Saphena 225 com Silber gleich jenem der Versuche 3 und 4 ein- 
gespritzt. Die Temperatur hält sich während 11/3 Stunden zwischen 
37,8° und 38°, dann steigt sie, und nach Verlauf von 5 Stunden erreicht 
sie ein Maximum von 39,8%, um dann wieder sofort, nachdem der Hund 
zu trinken bekommen hat, bis 38,8% zu sinken. Sie bleibt auf 38,80 
während 1!/, Stunden, dann werden weitere 46 com desselben Silbers in 
die Saphena eingespritzt. Die Temperatur bleibt während 1 Stunde 
zwischen 38,30 und 38,4°. Der Hund wird sodann sehr erregt, hat starke 
Atemnot, schäumt aus Nase und Mund, und die Sektion ergibt die bekannten 
Resultate. Fig. 3 zeigt den Gang der Temperatur in diesem Versuch. 










| T e 
J 





Physiologische Wirkung des kolloidalen Metalle. 11 


Versuoh 6. 


Hund Nr. VII, 9 kg. Normale Temperatur 38,7°. Es wurden 90 ccm 
rotbraunes 0,25°/,, von uns hergestelltes Silber eingespritzt. Die Tem- 
peratur schwankt 1 Stunde zwischen 38,10 und 38,4° auf und ab. Da- 
nach stirbt der Hund unter den gleichen Symptomen. Die Sektion 
ergibt die bekannten Resultate. 


Versuoh 7. 


Hund Nr. XVI, 6 kg. Der Blutdruck in der Carotis wird während 
des ganzen Versuches aufgeschrieben. Normale Temperatur 37,8%. Es 
werden in die Saphena 100 ccm braunrötliches Silber in 4 Ein- 
spritzungen, jede zu 25 com, in Abständen von 2 Min. zwischen der la 
und der 2a, von 11 Min. zwischen der 2a und der 3a und von 2 Min. 
zwischen der 3a und der 4a eingeführt. Die Temperatur bleibt 1 Stunde 
unverändert, dann zeigen sich die Symptome des Lungenödems, und der 
Hund stirbt. Die Sektion ergibt die bekannten Resultate. Der Blut- 
druck, der während der Einspritzungen und bis zum Beginn des 
Lungenödems unverändert geblieben war, wird von diesem Augenblick 
an nach und nach schwächer bis zum Tod (Tafel I). 


Versuch 8. 


Hund von 16 kg Gewicht. Der Blutdruck in der Carotis wird 
aufgeschrieben. In Abständen von ca. 1 Min. werden 3 Einspritzungen 
von braunrötlichem Silber gemacht, die eine 30 com, die andern je 
20 ccm. 21/, Min. nach der dritten wird eine vierte von 25 com ge- 
macht. Wie beim vorhergehenden Versuch beobachtet man keine Ver- 
änderung des Druckes, bis das Lungenödem beginnt. Der Blutdruck 
wird nach und nach schwächer, bis das Tier stirbt (Fig. 4). 


Versuch 9. 


Hund Nr. XVII, 10 kg. Es wird ein Muster normalen Blutes aus 
der Carotis entnommen und defibriniert. Es werden sodann 100 com des- 
selben Silbers der Versuche 6 und 7 in die Saphena eingespritzt. Nach 
5 Min. wird wieder ein Blutmuster entnommen. Nach 15 Min. zeigen 
sich die Symptome des Lungenödems, und kaum gelingt es noch, 10 com 
Blut aus der Carotis zu nehmen, dann stirbt der Hund. Das 5 Min. 
und 15 Min. nach der Einspritzung entnommene Blut fließt langsam, ist 
sehr viscös und gerinnt nicht zu einem festen Koagulum. Mit dem 
Viscosimeter von Ostwald (den Koeffizienten der Visoosität 7 nach der 


Formel n = se berechnend, wobei żo die Ausflußzeit des destillierten 
Wassers in Sekunden ausgedrückt, s das spezifische Gewicht des Blutes 
nnd ¢ seine Ausflußzeit in Sekunden ausgedrückt ist) fanden wir: 


Normales Blut oe èo o 8 ọ o o oœ n) = 5,29 
Nach 5 Min. entnommenes . . . n = 20,83 
Nach 15 Min. entnommenes . . . n = 56,08. 


12 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Versucn 10. 


Hund Nr. II, 10 kg. Normale Temperatur ist 38,5%. In die 
Saphena werden 75 com des gleichen braunrötlichen Silbers der vorher- 
gehenden Versuche eingespritzt. Die Temperatur sinkt in 1/3 Stunde, 
dann beginnt sie wieder zu steigen, erreicht nach 11/, Stunden ein Maxi- 
mum von 39,6°, und nach einer weiteren halben Stunde sinkt sie wieder 
bis 38,980. Der Hund wird losgebunden und überlebt endgültig. Der 
am folgenden Tage mittels des Katheters entleerte Urin ist leicht alkalisch; 
enthält viel Phosphate und kein Albumin. 


Versuch 11. 


Kaninchen Nr. XX, 1970 g. Normale Temperatur 37,3%. Es werden 
in die Jugularis 25 ocm braunrötliches Silber eingespritzt. Nach 2 Stunden 
ist die Temperatur auf 39,80 gestiegen. Das Kaninchen überlebt. Der 
am folgenden Tage durch Drücken der Blase erhaltene Urin ist alkalisch, 
reich an Phosphaten und enthält kein Albumin. 


Versuch 12. 


Hund Nr. XXII, 6,540 kg. Während 4 aufeinanderfolgender Tage 
macht man pro Tag eine Einspritzung von 20 ccm rotbraunem Silber 
in die Saphena. Jedesmal steigt die Temperatur um ca. 1° in 2 Stunden. 
Der Urin bleibt während der ganzen Zeit frei von Albumin. 


Versuch 13. 


Hund Nr. XXVI, 5,60 kg. In die Saphena werden 30 ccm braun- 
rötliches Silber eingespritzt. Der Hund überlebt, und am folgenden Tage 
enthält sein Urin kein Albumin. 


Versuch 14. 


Hund (Nr. III, IV, VI, XVII), 10 kg. Normale Temperatur 38,5°. 
Es werden in die Saphena 75 ccm 0,25°/,, braunrotes Silber eingespritzt. 
Die Temperatur steigt in 2 Stunden bis 39,6%. Der Hund erträgt die 
Einspritzung gut und wird losgebunden. Am folgenden Tag ist die 
Temperatur wieder bis 39,10 gesunken. Es werden 100 ccm des gleichen 
Silbers in die Saphena eingeführt. Diese Menge hätte auf einen Hund 
von 10 kg Gewicht tödlich gewirkt, wenn er nicht vorher sohon andere 
Einspritzungen erhalten hätte, weil sie 1/iọọ des Gewichtes des Tieres 
betrug. (Versuch 3, 4, 6, 8.) Bei diesem Versuche jedoch steigt die 
Temperatur bei 40,2° in 3 Stunden und das Tier überlebt. Fig. 2b zeigt 
den Gang der Temperatur in diesem Teile des Versuches. 

2 Tage nach der ersten Einspritzung ist die Temperatur noch 39,4°. 
Es werden in die andere Saphena 150 ccm derselben Lösung (1!/, mal 
tödliche Dosis) eingespritzt. Die Temperatur steigt bis 41,1° in 2!/s Stunden; 
dann, nach Verlauf von weiteren 3 Stunden, sinkt sie wieder bis 38,8°, 
Fig. 8 zeigt den Gang der Temperatur in diesem Teil des Versuches. 
Das Tier überlebt, frißt regelmäßig und hat weiter keine Störung. Der 
Urin enthält keine Spur von Albumin. 10 Tage nach der ersten Ein- 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 13 


spritzung werden weitere 100 com desselben Silbers eingespritzt. Nach 
1/, Stunde zeigen sich die Symptome des Lungenödems; das Tier stirbt 
nach kurzer Zeit. 


SEREBEREEEF ARE 

EEENENEF-VERNEEEEENN 
EEFEZEUEREEERSSENEEN 
FELO 
SERNAKEER 


Fig. 5. 


Bei der Sektion findet man ein sehr akutes Lungenödem, das Blut 
des Herzens ist viscöe, beinahe fadig, aber es gerinnt nur teilweise und 
sehr langsam. 

















PEEREEERIBEN 


æ ~% a a 7 at 7 a 


Versuoh 15. 


Hund Nr. XXVI, 5,600 kg. Es werden in die Saphena 30 ocm 
derselben rotbraunen Silberlösung eingespritzt. Der Hund überlebt und 
befindet sich wohl. Am folgenden Tage werden weitere 50 com in die 
Saphena eingespritzt und am dritten Tage noch einmal 100 com (2mal 
tödliche Dosen). Der Hund erträgt die Einspritzungen gut. Am vierten 
Tage wird keine Einspritzung gemacht, am fünften werden 150 com ein- 
gespritzt. Die bekannten Resultate bei der Sektion. Der Urin enthält 
keine Spur von Albumin. Das Koagulum ist am folgenden Tage wegen 
intensiver Fibrinolyse verschwunden. 


Versuch 16. 

Hündin von 4,700 kg Gewicht. Es werden 25 ccm braunrötliches 
Silber in die Saphena eingespritzt. Beinahe sofort läßt der Druck in 
der Carotis bedeutend nach; nach und nach wird er dann beinahe wieder 
normal (Tafel IIa). Eine zweite Einspritzung von 20 ccm vermindert den 
Druck durchaus nicht, der noch während ungefähr !/, Stunde normal 
bleibt. Dann stirbt das Tier an Lungenödem. 


Versuch 17. 


Hund Nr. XXVIII, 4,800 kg. Es werden in die Saphena 25 com 
des bekannten, braunrötlichen Silbers eingespritzt. Am folgenden Tage 
werden 30 com, am dritten Tage 40 ccm (tödlich wirkende Dosis), am 
vierten Tage 60 com, am fünften Tage 80 ccm (doppeltes der tödlich 
wirkenden Menge) eingespritzt. Der Hund erträgt die 5 Einspritzungen 
sehr gut, frißt und befindet sich wohl. 5 Stunden nach der letzten Ein- 
spritzung wird er zum Zwecke der Blutentziehung getötet, weil probiert 
werden soll, ob sein Blut imstande ist, einen andern Hund, dem eine 
tödlich wirkende Menge eingespritzt worden war, zu retten. 


14 C. Foà und A. Aggazzotti: 


` Kaum hat er zu atmen aufgehört, so wird die Sektion gemacht. 
Das Herz schlägt noch und stößt wenig Blut von normalem Fluß, Farbe 
und Koagulabilität aus. Die Lungen sind normal, die Gefäße sind leer. 
Die Organe sind infolge der Blutentziehung sehr blutarm, ausgenommen 
die Milz, welche intensiv braun ist. Die Lungenlymphdrüsen sind schwärzlich 
(Kohle?), jene des Halses und der Leisten haben normales Aussehen. 
Der Urin enthält keine Spur Albumin. Ein wenig defibriniertes Blut wird 
zentrifugiert, und in einem Präparat, das durch Streichen mit der oberen 
Schicht der Blutkörperchen hergestellt wird, werden die normalen Leuko- 
oytenformen bemerkt, und in den Leukocyten sieht man keine Silber- 


körnchen: 
Versuch 18. 


Hund Nr. XXIX, 10 kg. In die Saphena werden 250 ccm defibri- 
niertes Blut vom Hunde des Versuches 16 eingespritzt und sogleich 
darauf 100 ccm Silber (tödlich wirkende Menge). Nach Verlauf 1/, Stunde 
beginnt das Tier zu röcheln, und gleich nachher zeigen sich die Symp- 
tome des Lungenödems, welches bei der Sektion als sehr akut ge- 
funden wird. 


Aus diesen Versuchen können wir folgende Schlüsse ziehen: 

1. Das kolloidale elektrische Silber mit großen Körnchen 
(olivgrünes Silber) und jenes mit mittelgroßen (braungrünes) in 
die Adern eingespritzt verursacht ein Steigen der Temperatur 
des Tieres und erzeugt Nephritis und Albuminurie, nie Lungen- 
ödem. 

2. Das kolloidale elektrische Silber mit kleinen Körnchen 
(braunrötlich) in kleinen, täglichen Mengen (20 ccm für einen 
Hund von 6 kg Gew.) eingespritzt, wird sehr gut ertragen und 
erzeugt keine Albuminurie. Jeder Einspritzung entspricht ein 
Steigen der Temperatur um ca. 1 Grad. 

3. Im Verhältnis von 1°/, des Gewichtes des Tieres ein- 
gespritzt, wirkt das kolloidale, braunrötliche Silber tödlich. Der 
Tod erfolgt in kurzer Zeit, herbeigeführt durch blutiges, akutes 
Lungenödem. Das Blut wird sehr viscös und koaguliert nur 
unvollständig. Das vereinzelte Koagulum, das sich bildet, ver- 
schwindet rasch, was zu der Annahme führt, daß die intensive 
Fibrinolyse durch die Tätigkeit der Fermente, welche auch 
normalerweise Fibrinolyse (Dastre) erzeugen, durch das Silber 
verursacht worden ist. Diese Erscheinung steht vielleicht im 
Zusammenhange mit der Beschleunigung der Leberautolyse mit 
Hilfe der kolloidalen Metalle.?) 


1) M. Ascoli und G. Izar, Katalytische Beeinflussung der Leber- 
autolyse durch kolloidale Metalle. Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 4. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 15 


4. Wenn man täglich intravenöse Einspritzungen von braun- 
rötlichem Silber macht und mit kleinen Mengen beginnt, erreicht 
man in 3 bis 5 Tagen, daß der Hund auch tödlich wirkende 
Mengen und auch das Doppelte davon ertragen kann. Diese 
Dosis ruft gar kein Symptom von Unwohlsein hervor, das Tier 
bleibt leben, aber sein in die Adern eines andern Hundes ein- 
gespritztes Blut rettet diesen nicht vor einer tödlich wirkenden 
Menge, die auf einmal eingespritzt wird. 

5. Wenn (Vers. 7 und 8) die tödlich wirkende Menge durch 
einige Einspritzungen, deren Quantum hinsichtlich des Gewichtes 
des Tieres, weit unter dem tödlich wirkenden ist, erreicht 
wird, dann ist gar keine Veränderung im Druck sofort nach 
jeder einzelnen Einspritzung zu bemerken. Nur nach der 
letzten, das heißt, wenn sich das Lungenödem einstellt, läßt 
der Druck stufenweise bis zum Tode nach. Wenn dagegen 
(Vers. 16) das Quantum der ersten Einspritzung schon ver- 
hältnismäßig groß ist im Vergleiche zum Gewicht des Tieres, 
wenn auch unter der letalen Dosis, so erfolgt ein sofortiges 
Nachlassen des Druckes, welcher dann langsam wieder normal 
wird und sich nicht mehr unmittelbar nach einer zweiten 
Einspritzung, die das tödlich wirkende Quantum erreicht, ver- 
ändert; aber später, wenn das Lungenödem sich bildet, läßt 
er stufenweise bis zum Tode nach. 

Weiter unten werden wir diese Erscheinungen des Anpassens 


besprechen. 


Untersuchungen über das kolloidale Arsensulfid. 


Das kolloidale Arsensulfid wird hergestellt, indem man 
den Schwefelwasserstoff Blase auf Blase durch eine konzentrierte, 
in destilliertem Wasser hergestellte Lösung von Arsenigsäure- 
anhydrid streichen läßt. Es ist unbedingt nötig, daß der 
Schwefelwasserstoff sehr langsam durch die Arsenigsäureanhydrid- 
lösung passiere, denn wenn das Durchstreichen zu rasch vor 
sich geht, fällt das Arsentrisulfid aus, wenigstens teilweise. 

Man ließ das Gas so lange durchstreichen, bis 2 Proben 
der kolloidalen Lösung, in einem Zeitabstand von 10 bis 15 Mi- 
nuten entnommen, gleich gefärbt waren. 

Wie die auf elektrischem Wege hergestellten kolloidalen 
Silberlösungen können auch die verschiedenen kolloidalen Arsen- 


16 C. Foà und A. Aggazzotti: 


lösungen bei gleicher Konzentration verschiedene Farben- 
tönungen vorweisen: diese wechseln vom Kanariengelben bis 
zum Orangeroten. Wenn die kolloidale Lösung aufgekocht wird, 
damit der Überschuß an Schwefelwasserstoff entweicht, nimmt 
sie eine mehr gelbliche Färbung an, wenn sie aber nicht auf- 
gekocht wird, bleibt die Lösung mehr rötlich. Wie beim Silber 
steht auch beim Arsensulfid die verschiedene Färbung in Be- 
ziehung mit der Größe der ultramikroskopischen Körnchen und 
vielleicht auch mit ihrer Form; seine physiologische Wirkung ist 
bei den ungleich gefärbten Lösungen verschieden. 

Je röter die kolloidale Arsenlösung ist, desto kleiner sind 
ihre Körnchen. Die roteste Lösung, die wir herstellten, zeigt 
unter dem Zeißschen Ultramikroskop einen sehr intensiven 
orangegelben Lichtkegel, in welchem man keine Körnchen unter- 
scheiden kann. Wenn man diese Lösung langsam mit destillier- 
tem Wasser verdünnt, wird der Lichtkegel nach und nach 
blasser gelb, dann gräulich und verschwindet, ohne daß man 
eine Scheidung der Körnchen wahrgenommen hätte; diese müssen 
daher amikronische Körnchen sein. 

Ist die Lösung gelb gefärbt, so sieht man mit dem Ultra- 
mikroskop einen gleichfarbigen, nicht homogenen Lichtkegel, 
weil viele, verschieden große, blaßgelbe Körnchen darin enthalten 
sind. Durch Verdünnen der Lösung erzielt man eine vollständige 
optische Scheidung der Körnchen. Die Lösungen, deren Färbung 
zwischen Gelb und Orange liegt, haben noch sichtbare, aber 
sehr kleine Körnchen. Durch Verdünnen erreicht man bei 
diesen Lösungen keine vollständige Scheidung der Körnchen, 
weil sie auch noch amikronische Körnchen enthalten. 

Mit dem gewöhnlichen Mikroskop, auch dem schärfsten, 
untersucht, erscheinen diese Lösungen alle vollständig homogen. 

Keine der kolloidalen Arsenlösungen, die von uns ver- 
wendet wurden, diffundiert, weder durch die Kolloidsäckchen, 
noch durch die Dialysatoren von Pergamentpapier; alle zeigen 
das Tyndallsche Phänomen. 

Das spezifische Leitungsvermögen dieser kolloidalen Lösungen, 
nach langer Dialyse festgestellt, ist verhältnismäßig groß, viel- 
leicht wegen der darin enthaltenen Spuren Arsenigsäureanhydrid. 
Das spezifische Leitungsvermögen der gelblichen Art kolloidaler 
Arsensulfide ist 4,19.10-*, das der rötlicheren 1,96.10-*. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 17 


Die katalytische Kraft der beiden Arten kolloidalen Arsen- 

trisulfids ist nicht sehr verschieden. 
Arsentrisulid rot K=0,5 
= gelb K = 0,3. 

Die Stabilität der kolloidalen Arsenlösungen ist nicht immer 
gleich; die gelben, großkörnigen Lösungen sind stabiler, die 
roten Lösungen sind weniger stabil. Auch wenn ein stabiles 
Kolloid (Gummi) hinzugesetzt wird, präcipitieren letztere Lösungen 
äußerst leicht, und auch mit einer reichlichen Menge Gummi 
gelingt es nicht, sie zu stabilisieren, im Gegenteil, wenn das 
Gummi sehr konzentriert ist, kann es an sich schon das Prä- 
cipitieren des Kolloids verursachen. 

Im Gegensatz dazu sind die gelben, großkörnigen Lösungen 
viel stabiler. Es genügt, ihnen ein wenig Gummi beizufügen, 
um sie so stabil zu machen, daß es weder mit einer Barium- 
chloridlösung, noch mit Schwefelsäure gelingt, sie zu präcipi- 
tieren. 

Bevor die kolloidalen Arsenlösungen verwendet wurden, 
wurden sie zirka einen Monat lang zum Zwecke des Dialysie- 
rens in Kolloid- oder Pergamentsäckchen in destilliertes Wasser 
eingetaucht, um sie von dem in der Lösung zurückgebliebenen 
Arsenigsäureanhydrid zu reinigen. 

Das den Dialysator umgebende destillierte Wasser wurde 
sehr oft erneuert. Trotz alledem enthielten die Lösungen 
noch nach einem Monat einen Teil des Arsenigsäureanhydrids. 
Tatsächlich war es möglich, entweder mittels Filtration durch 
Kolloidsäckchen in der Art, daß man die intergranuläre Flüssigkeit 
ausschied, oder daß man durch gewöhnliches Filtrierpapier 
filtrierte, nach Ausfällung des Kolloids mit einem Barium- 
salz Spuren von Arsenigsäureanhydrid nachzuweisen, indem man 
Schwefelwasserstoff darüber leitet, wobei sich Trisulfid bildete, 
oder indem man das Arsen mit dem Marschschen Apparat 
nachwies. 

Die Lösungen wurden auch von dem Überschuß des 
H,S entweder durch einen Luftstrom oder Aufkochen be- 
freit, jedoch viele Tage nachher entweicht noch immer 
dieses Gas (schwarze Färbung des mit essigsaurem Blei ge- 
tränkten Papieres), und es gelingt nie, die Lösung ganz davon 
zu befreien. Andererseits ist es nicht möglich, auch nicht 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 2 


18 C. Foà und A. Aggazzotti: 


durch langes Durchleiten des H,S, alles Arsenigsäureanhydrid 
in Trisulid zu verwandeln, und wir erwähnten schon, daß 
es nicht gelang, die Lösung von der Arsenigsäure, auch 
nicht durch eine fortgesetzte Dialyse zu reinigen, was uns 
das Bestehen eines Gleichgewichts zwischen den drei Substanzen: 
Arsentrisulfid, Arsenigsäureanhydrid, Schwefelwasserstoff nach 
folgender Formel wahrscheinlich macht: 


As,0, + 3.ST As,S, + 3H,0?),; 


also wäre in dem kolloidalen Arsensulfid sowohl Arsenigsäure- 
anhydrid als auch Schwefelwasserstoff immer noch vorhanden. 
Es ist alsdann klar, daß wenn man durch die Luft einen 
Teil des Schwefelwasserstoffs hinwegnimmt, das Gleichgewicht 
sich nach links hin verschiebt, und man muß neues Tri- 
sulfid zerlegen, indem man neues H,S und neues Arsenig- 
säureanhydrid herstellt. Es können sich in der Lösung also 
H,S und As,O, befinden, ohne aufeinander zu reagieren und 
ob wir das H,S vermittels eines Luftstromes entfernen oder 
ob wir durch Kolloid filtrierend und vermittels der Dialyse das 
As,O, entfernen, so werden wir es nie erreichen, die kolloidale 
Arsentrisulfidlösung von diesen Substanzen zu befreien. In 
unseren Versuchen über die physiologische Wirkung des kol- 
loidalen Arsens haben wir dem Rechnung getragen, daß sich 
in der Lösung freies Arsenigsäureanhydrid befindet, und in 
jeder Lösung wurde sie vor deren Anwendung ihrer Menge nach 
bestimmt. 

Wir ließen hingegen die Spuren von Schwefelwasserstoff, 
die etwa noch in der Lösung gewesen sein konnten, außer acht. 

Das freie Arsenigsäureanhydrid vermittels der Methode des 
Filtrierens durch Kolloid zu bestimmen, ist nicht möglich, weil 
sich im Verhältnis, in dem die intergranuläre Flüssigkeit ver- 


1) Diese Formel hat nur einen vorläufigen Wert. Es ist möglich, daß 
das Gleichgewicht viel komplizierter ist und daß sich im Gegenteil ver- 
schiedene Gleiohgewichte bilden, weil wir nicht wissen, ob in der Lösung 
wirklich nur Arsenigsäureanhydrid zurückbleibt oder ob sich Verbin- 
dungen von Schwefelarsen oder Metarsensäure bilden, Wir behalten 
uns vor, auf dieses Argument zurückzukommen, welches so viel Licht in 
die Konstitution der kolloidalen Lösungen und in das Gleichgewicht, 
das sich zwischen Körnchen und intergranulärer Flüssigkeit bildet, bringen 
könnte. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 19 


schwindet, neue bilden würde; wenn man aber hingegen dasTrisulfid 
des kolloidalen Arsens ausfällt, indem man es in unlöslichen Zu- 
stand übergehen läßt, dann wird das Gleichgewicht wahrschein- 
lich mit einem Schlage zerstört und in der Lösung bleibt wahr- 
scheinlich jene Menge Arsenigsäureanhydrid, die im Augenblick 
des Präcipitierens vorhanden war, so daß sie, während sie vor- 
dem nicht auf H,S reagieren konnte, jetzt von diesem Gas in 
Form von Trisulfid präcipitiert werden kann. 

Um das in einem gegebenen Volumen der Lösung ent- 
haltene Arsenigsäureanhydrid zu bestimmen, wurde das Trisulfid 
mit einigen Tropfen verdünnten HCl präcipitiert. Der Nieder- 
schlag wurde auf einem gewogenen Filter gesammelt, mit de- 
stilliertem Wasser gewaschen und dann trocken gewogen. 

Das durchsichtige, gefärbte Filtrat wurde mit Schwefel- 
wasserstoff behandelt, und das sich bildende Trisulfid, welches dem 
in der Lösung enthaltenen Arsenigsäureanhydrid entsprach,!) 
auf einem Filter gewogen. 

Wie bei den anderen kolloidalen Metallen, haben wir zu- 
erst festgestellt, welches die tödliche Dosis der verschiedenen kol- 
loidalen Arsenlösungen sowohl bei der akuten als auch chroni- 
schen Vergiftung ist, dann, welche Wirkung sie auf die Tem- 
peratur, auf den Blutdruck und auf das Gewicht des Tieres 
haben. 

Zuletzt haben wir noch untersucht, ob die Tiere fähig 
sind, sich an das kolloidale Arsensulfid zu gewöhnen. 


Akute Vergiftung. 


Es ist bekannt, daß, je leichter die Arsenderivate sich 
lösen, desto stärker giftig sie sind. Zum Beispiel: arsenigsaures 


1) Diese Bestimmung kann nicht als genau angesehen werden, man 
müßte denn annehmen, daß mit dem plötzlichen Ausfallen des Arsen- 
sulfids in Gegenwart einer Säure das Gleichgewicht zwischen Kolloid, 
Arsenigsäureanhydrid und Schwefelwasserstoff nicht verschoben wird, 
sondern vielmehr plötzlich gestört wird. Also blieben in der Lösung 
nur Arsenigsäureanhydrid und Schwefelwasserstoff, welche nicht aufein- 
ander reagieren würden wegen der geringen Konzentration des letzteren. 
Diese Hypothese haben wir bis zum Beweis vom Gegenteil als exakt 
angenommen, auch weil der Irrtum keinen großen Einfluß auf das Be- 
stimmen der pharmakologischen Wirkung hätte, wenn immerhin das Wägen 
der geringen Menge Arsenigsäureanhydrid nicht ganz genau wäre, 

2* 


20 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Kali ist löslicher und auch viel giftiger als Arsenigsäure- 
anhydrid. 

Nach Ronyer!) wirken 0,0006 g (pro kg) Arsenigsäure- 
anhydrid, in die Venen eines Hundes eingespritzt, vergiftend; 
bei einer Dose von 0,0025 g (pro kg) zeigen sich ernste Symp- 
tome von Vergiftung, und oft tritt der Tod in 24 bis 36 Stunden 
ein; sicher erfolgt der Tod, wenn 0,003 g pro kg eingespritzt 
werden. 

Führt man die Dosen in den Magen ein, dann sind 0,06 g 
bis 0,07 g pro Kilogramm nötig, um den Tod herbeizuführen. 
Das reine Arsensulfid (Bisulfid, Trisulfid) ist fast oder ganz un- 
löslich, ist nicht giftig und kann den Tieren in großen Mengen 
verabreicht werden. 

Hillefeld?) hat beobachtet, daß ein Kaninchen ohne 
Störung 10 g gefälltes Arsentrisulfid ertrug. Unsere Ver- 
suche ergaben, daß das kolloidale Arsentrisulfid den Tod eines 
Hundes verursachte, wenn eine Dosis von 0,009 g pro Kilo- 
gramm in die Venen eingeführt wird. Im kolloidalen Zustand 
wirkt daher das Arsentrisulfid beinahe ebenso giftig, wie die 
anderen löslichen Arsensalze. 

Die Versuche wurden alle an Hunden gemacht; wir ver- 
wendeten dazu dreierlei Lösungen, die wir der Kürze wegen 
Lösungen a, b, c nennen werden. 

Die Löspnng a ist jene, welche mehr ins Rötliche über- 
geht (amikronische Körnchen). Sie wurde hergestellt aus 21 
einer konzentrierten Arsenigsäureanhydridlösung, durch welche 
man 48 Stunden lang Schwefelwasserstoff Blase auf Blase hin- 
durchstreichen ließ. Nachdem man ein wenig Gummi hinzu- 
gesetzt hatte, wurde der Überschuß des Schwefelwasserstoffs 
mittels eines Luftstromes, der während 4 Tagen durch die 
Lösung strich, entfernt. Dann wurde die Lösung in einen 
langen, zylinderförmigen Sack aus Pergamentpapier gefüllt und 
25 Tage lang der Dialyse ausgesetzt. Diese Lösung enthält 
0,00551 g As,S, und 0,00021 g As,O, pro Kubikzentimeter. 

Die Lösung b hat äußerst kleine, submichronische, gelb- 
lichere Körnchen. 

1) Ronyer, Essai sur les doses toxiques et les contrepoisons des 


composés arsenicaux. Thèse de Nancy, 1876. 
3) Hillefeld zitiert nach Richet, Dictionnaire de Physiologie. 


Physiologische Wirkung des kolloidalen Metalle. 21 


Die Arsenigsäureanhydridlösung, welche zum Kolloid b 
verwendet wurde, enthält 0,0019 g As,S,, entsprechend 0,00235 g 
As,O,. Die in der kolloidalen Lösung zurückgebliebenen Spuren 
Arsenigsäureanhydrid wurden nicht bestimmt. 

Die Lösung c wurde wie die Lösung a hergestellt, aber aus 
ihr wurde der überschüssige Schwefelwasserstoff durch Auf- 
kochen entfernt. Diese Lösung ist citrongelb und enthält 
0,000555 g As,S, und 0,000407 g As,0, pro Kubikzentimeter. 
Da aber diese Lösung sehr stabil ist, hätte man das Präcipi- 
tieren des Trisulfids nicht zustande gebracht, wenn man nicht 
den trockenen Rückstand der kolloidalen Lösung mit konzen- 
trierter Schwefelsäurelösung behandelt hätte, und es ist wahr- 
scheinlich, daß auf diese Weise ein Teil des Trisulfids durch 
Bildung von Arsenigsäure zersetzt wurde. 


Versuch 1. 

18. IV. 1907. Einem Hunde von 10 kg Gewicht werden in die 
Saphena 100 ccm der kolloidalen Arsenlösung a eingespritzt, also 0,051 g 
As,S, und 0,021 g As,0, pro Kilogramm. 

Kaum ist die Einspritzung gemacht, so befindet sich der Hund in 
schlechtestem Zustande; er bleibt zusammengekauert, atmet sehr schwach, 
der Herzschlag ist kaum wahrnehmbar. 

Nach einigen Minuten erholt er sich wieder. 

Nach 1'/, Stunden erbricht er schaumigen, mit Blut untermischten 
Mageninhalt. 

Nach 6 Stunden ist er tot. 

Die Sektion ergibt hyperämische und ödemische Lungen. 

Das Herz ist ausgedehnt, rechte Herzkammer und Aorta sind voll 
flüssigen Blutes; kein Coagulum, 

Blut ist dick und schwärzlich. 


Versuch 2. 

18. IV. 1907. Einem Hund von 5700 g Gewicht werden in die 
Saphena 30 ccm der kolloidalen Arsenlösung a eingespritzt, d. h. 0,029 g 
As,S, und 0,0011 g As,0, pro Kilogramm. 

Nach 1 Stunde verendet der Hund und die Sektion wird sofort ge- 
macht. Die Organe sind hyperämisch; Blut ist flüssig, visoös, koagu- 
liert langsam und teilweise und ist venös asphyktisch.h Die Lungen 
sind ödematisch, haben hämorrhagische Flecken und hyrostatische Zonen. 


Versuch 3. 
19. IV. 1907. Einem Hund von 10 kg Gewicht werden in die 
Saphena 25 com kolloidalen Arsens, Lösung a, eingespritzt, d. h. 0,01377 g 
As,S, und 0,00059 g As,0;: 


22 C. Fo& und A. Aggazzotti: 


Nach 10 Minuten muß sich der Hund lebhaft erbrechen, hat ober- 
flächliche Atemnot und verendet in der Nacht. Bei der Sektion findet 
man Lungenödem und flüssiges, viscöses Blut. Der aus der Blase ent- 
nommene Urin enthält Spermatozoen, wenige hyaline Zylinder und 
Albuminspuren. 

Versuch 4. 

27. IV. 1907. Einem Hund von 17,6 kg Gewicht werden in die 
Saphena 30 ccm kolloidalen Arsens, Lösung a, eingespritzt, d. h. 0,0093 g 
As,8S, und 0,00035 g AsO, pro Kilogramm. 

In diesem Versuche wird der Blutdruck in der Carotis aufgezeichnet. 
Kaum ist die Lösung eingespritzt, als der Blutdruck bedeutend nachläßt 
während ungefähr !/, Stunde. Sodann steigt er wieder ein wenig, aber 
als Lungenödem einsetzt, sinkt er wieder (Taf. 2b). Der Hund verendet 
nach 1!/, Stunden. Sektion: Akutes, intensives Lungenödem, Blut dick 
venös, kein Coagulum. 

Der aus der Blase entnommene Urin zeigt unter dem Mikroskop 
zahlreiche gelbe, nadelförmige Kristalle. 


Versuch 5. 

22. IV. 1907. Einem Hund von 6,5 kg Gewicht werden in die 
Saphena 8 ccm kolloidalen Arsens, Lösung a, eingespritzt, d. h. 0,00678 g 
As,S, und 0,00025 g As,0, pro Kilogramm. Der Hund verspürt nichts 
von der Einspritzung. Der am folgenden Tage aufgefangene Urin ist 
klar, sehr alkalisch und enthält Albuminspuren. 

Demselben Hund wird am folgenden Tage eine weitere Einspritzung 
von 16,5 ccm kolloidalen Arsens in die Saphena gemacht — 0,01397 g 
As,S, und 0,00053 g As O; pro Kilogramm. 

Nach 12 Stunden ist er tot. Die Sektion ergibt dieselben Resultate 
mit Lungenödem. Bei der histologischen Untersuchung werden Anhäu- 
fungen amorphen, gelben Detritus in den Gefäßen der Leber und der 
Milz gefunden, Die Nieren sind normal. 

Aus diesen und anderen Versuchen, die wir der Kürze 
wegen hier nicht wiedergeben, geht hervor, daß 8 mg kolloi- 
dalen Arsentrisulfids pro Kilogramm des Tiergewichtes, in die 
Venen eingespritzt, nötig sind, um das Tier zu töten. 

Die Todesursache bei der akuten Vergiftung durch kolloi- 
dales Arsentrisulfid mit amikronischen Körnchen ist akutes 
Lungenödem. 

Die Nieren werden nicht immer davon angegriffen, wenn 
aber ja, dann macht sich leichte Albuminurie bemerkbar. 

Beim Arsentrisulfid mit gröbern Körnchen ist die tödlich 
wirkende Dose für die Lösungen b und c bei beinahe gleich 
und schwankt zwischen 8 und 9 mg pro Kilogramm des Tieres, 
aber das Zustandekommen des Todes ist verschieden. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 23 


Hier einige Versuche: 

Versuoh 6. 

14. V. 1907. Einem Hund von 11 kg Gewicht‘ werden in die 
Saphena 20 com der Lösung b eingespritzt — 0,00427 g As,S, pro Kilo- 
gramm. 

Am Hund macht sich keine Vergiftungserscheinung bemerkbar; er 
muß sich weder erbrechen, noch hat er Diarrhöe. Der am folgenden 
Tage während der natürlichen Entleerung aufgefangene Urin ist normal, 
im Sediment werden nur Spermatozoen gefunden. 

Am folgenden Tag wird eine weitere Einspritzung in die Saphena 
gemacht. Diesmal werden 40 ocm derselben Lösung eingespritzt 
— 0,00854 g As,S,. Der Hund brach nicht. 24 Stunden nachher wird 
während der Entleerung Urin aufgefangen; es sind viele Spermatozoen, 
Kristalle und gelbe Körnchen und einige wenige Zylinder darin. Am 
dritten Tag werden 60 ccm der Lösung eingespritzt — 0,01365 g As,S, 
pro Kilogramm. Nach wenigen Stunden erbricht der Hund schau- 
mige, gelbe Flüssigkeit und hat Diarrhöe. Nachts verendet er. Die 
Sektion ergibt: Normale Lungen, flüssiges Blut, intensive hämorrhagi- 
sche Entzündung des Dünndarms, nephritische Nieren mit Blutung in 
der corticalen Zone. Es wird nochmals mikroskopisch untersucht und 
es werden deutlich hämorrhagische Nephritis mit intensiver, fettiger 
Degeneration der Zellen der Kanälchen und viele gelbe Arsensulfid- 
kristalle in den Zellen unterschieden. Die histologische Untersuchung 
der in Zenkersche Flüssigkeit fixierten Nieren bestätigt die fettkörnige 
Degeneration der Zellen der Nierenkanälchen. 

Man bemerkt außerdem intensive Kernpigmentierung und weite 
hämorrhagische Zonen um die Glomeruli, die inneren Zonen der Kanälchen 
sind von der Hämorrhagie zerstört. Der aus der Blase entnommene Urin 
ist kaffeebraun, beim Erwärmen koaguliert er. Nachdem er filtriert 
worden ist, ist er orangegelb; mit Guajac-Harz entsteht intensive, blaue 
Reaktion; unter dem Spektroskop zeigt er die charakteristischen 
Absorbierungslinien des Hämoglobins. Der Harn zersetzt Wasserstoffsuper- 
oxyd, was dem darin enthaltenen Blute zuzuschreiben ist. Das zentri- 
fugierte Sediment enthält viele Spermatozoen, zahlreiche gelbe, nadel- 
förmige Kristalle und ebenfalls gelbe Körnchen und Schüppohen; Zy- 
linder sind nur wenige darin. 


Versuch 7. 

16. V. 1907. Einem Hund von 14 kg Gewicht werden in die 
Saphena 81 ccm kolloidalen Arsens, Lösung b, eingespritzt — 0,01359 g 
As,S, pro Kilogramm. 

Am folgenden Tag verendet der Hund. Die Sektion ergibt: Blut 
flüssig, normale Lungen, Dünndarm normal, intensive Hämorrhagie im 
Kolon. Der aus der Blase entnommene Urin ist trübe und dunkel; 
filtriert entsteht durch Erhitzen ein festes Coagulum, welches sauer ist 
und kein Hämoglobin enthält. Im Sediment sind Spermatozoen, Kri- 
stalle und gelbe Körnchen und einige körnige Zylinder. 


24 C. Foà und A, Aggazzotti: 


Versuch 8. 


1. V. 1907. Einem Hund von 10 kg Gewicht werden in die 
Saphena 100 com kolloidalen Arsens, Lösung c — 0,00555 g As,S, und 
0,00407 g As,0, pro Kilogramm eingespritzt. 

Gleich darauf muß sich der Hund erbrechen, dann verendet er 
nach wenigen Stunden. Sektion: Normale Lungen, das kontrahierte 
Herz enthält kleine, nicht zusammenhängende Coagula.. Das Gedärme 
ist leicht hämorrhagisch. Urin kann man keinen aus der Blase ent- 
nehmen. 

Versuch 9. 

1. V. 1907 Einem Hund von 15 kg Gewicht werden 49 com der 
kolloidalen Arsenlösung o eingespritzt = 0,001596 g As,S, und 0,001339 g 
As,0, pro Kilogramm. 

Der Hund hat Erbrechen, zeigt schwere Vergiftungsymptome, stirbt 
aber nicht; im Urin wird wenig Albumin gefunden. 

Demselben Hund werden 2 Tage darauf 100 ccm derselben Lösung 
= 0,0029 g As,S, und 0,0027 g As, O, pro Kilogramm eingespritzt. 

Der Hund muß sich heftig erbrechen und nach 4 Stunden ist er tot. 
Die Sektion ergibt: Lungen normal, Herz voll kleiner nicht zusammen- 
hängender Coagula. Der aus der Blase entnommene Urin ist sehr übel- 
riechend und enthält eine große Menge Albumin (1,5°%/, nach dem 
Esbaohschen Albuminimeter) und körnige Zylinder. Bei der histo- 
logischen Untersuchung findet man in der Leber und Milz Niederschläge 
amorpher, gelber Körncohen. 


Es ist wichtig, festzuhalten daß in keinem dieser Versuche, 
die mit der kolloidalen, großkörnigen Arsenlösung gemacht 
wurden, der Tod durch akutes Lungenödem herbeigeführt wurde, 
sondern durch akute, sehr intensive Nephritis und hämorrha- 
gische Enteritis. 

Ahnliches wurde beim kolloidalen, elektrischen Silber be- 
obachtet. Die rotbraune Lösung mit sehr kleinen Körnchen 
verursachte akutes Lungenödem und führte dadurch den Tod 
herbei, Nephritis wurde nie hervorgerufen. Die olivgrüne Lösung 
aber mit großen Körnchen tötet das Tier durch Nephritis, nicht 
durch Lungenödem. 

Das kolloidale Arsen hat anscheinend keinen Einfluß auf 
die Temperatur, wie die folgenden Versuche zeigen. 


Versuch 10. 


Einem Hund von 5,7 kg Gewicht werden in die Saphena 30 com der 
kolloidalen Arsenlösung a eingespritzt. Diese Menge entspricht 0,03077 g 
As,S, pro Kilogramm. 

Jeweils nach 5 Minuten wird die Temperatur gemessen. Die nor- 
male Temperatur ist vor der Einspritzung 39,56%; kaum ist die Ein- 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 25 


spritzung gemacht, so sinkt die Temperatur bis 39,32%; dann steigt sie 
wieder bis 39,80%. So bleibt sie bis der Tod 1'/, Stunden nach der Ein- 
spritzung eintritt. 

Versuch 11; 


Einem Hund von 10 kg Gewicht werden in die Saphena 25 ccm 
der kolloidalen Arsenlösung a eingespritzt, d. h. 0,01462 g As,S, pro 


Jeweils nach 5 Minuten wird die Temperatur gemessen. 
Normale Temperatur vor der Einspritzung 38,58° 


„ ” nach 10 Min. 38,88 9 
”„ ” ”„ 20 2 39,98 9 
„ „ „ 30 „ 39,809 
„ 3 ” 40 ,„ 39,24 
„ „ „ 1 Stunde 25 » 38,849 
T 3 „3Stunden 00 ,, 39,189 
„ „ ” 4 „ 30 T 38,550 
Versuch 12. 


7. V. 1907. Einem Hunde von 5,5 kg werden in die Saphena 
6 com der kolloidalen Arsenlösung eingespritzt, d. h. 0,00637 g As,S,. 


Temperatur vor der Einspritzung 38.99 
m 10 Minuten nach der Einspritzung 39,20 
9 20 „ „ ”„ s5 39,20 
» l Stunde „ , „ 38,9 
. 2 Stunden „ » F 38,950 
„ 5 „ „ „ 39.5° 


Die Einspritzung kolloidalen Arsens verursacht konstant 
ein Sinken des Blutdruckes, das Sinken hält aber nicht bis 
zum Tode an, sondern isr nur vorübergehend. 

Es ist bekannt, daß alle löslichen Arsensalze eine ersichtliche 
Wirkung auf das Herz und auf den Blutkreislauf haben. 

Boehm und Unterberger!) haben bei den Säugetieren wahr- 
genommen, daß einige Minuten nach einer Arsenigsäureeinspritzung ein 
andauerndes Sinken des Blutdruckes in den Arterien eintritt, ohne daß 
ein Steigen vorausgegangen wäre. Im Versuch 4, der schon beschrieben 
wurde, beginnt das Sinken sofort, nachdem die Einspritzung gemacht 
worden ist. Nach !/, Stunde ist der Druck am niedrigsten, darauf steigt 
er wiederein wenig, dann sinkt er aber wieder anhaltend bis zum Tode. 

Macht man einem Hunde zwei Einspritzungen kolloidalen 
Arsens und macht die zweite 1 Stunde nach der ersten, be- 
obachtet man, daß nur die erste den Blutdruck beeinflußt, und 
zwar erfolgt ein Sinken; die zweite Einspritzung bleibt ohne 
Wirkung. 

1) Zitiert nach Richet, Dictionnaire de Physiologie 1, 688. 


26 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Versuch 13. 

7. V. 1907. Einem Hund von 15 kg Gewicht werden in die Sa- 
phena 20 ccm kolloidalen Arsens, Lösung a eingespritzt, d. h. 0,00734 g 
As,S, und 0,00028 g As,0, pro kg. 

Die Blutdruckskurve wird auf einen großen Zylinder geschrieben. 
Kaum ist die Einspritzung gemacht, sinkt die Temperatur bedeutend, 
nach und nach steigt sie wieder, und nach 1 Stunde ist sie fast wieder 
normal geworden. Darauf wird eine weitere Einspritzung von 20 ccm 
kolloidalen Arsens gemacht; diese beeinflußt den Blutdruck in den 
Arterien gar nicht. In der Nacht verendet der Hund. Die Sektion er- 
gibt kein Lungenödem. Dieser Versuch macht also von allen den Ver- 
suchen, die mit der kolloidalen Arsentrisulfidlösung gemacht wurden, 
eine Ausnahme. 

Diese Tatsache ist wichtig, weil sie vielleicht im Zusammenhang 
steht mit dem ausgebliebenen Sinken des Blutdruckes. Wir werden sehen, 
daß auch bei der chronischen Vergiftung durch kolloidales Arsen man 
nie Lungenödem vorfindet, wenn man demselben Tier verschiedene 
Arseneinspritzungen macht. 


Chronische Vergiftung. 


Bei der chronischen Vergiftung durch kolloidales Arsentrisulfid 
wird kein neues Symptom beobachtet. Es zeigen sich dieselben Symp- 
tome wie bei der akuten Vergiftung, nur sind sie weniger intensiv und 


andauernder. 
Versuch 14. 


24. IV. 1907. Einem Hund von 15,800 kg Gewicht werden in die 
Venen 5 ccm der kolloidalen Arsentrisulfidlösung (0,00184 g As,S, pro kg) 
eingespritzt. Der Hund erträgt die Einspritzung sehr gut. 

25. IV. 1907. Demselben Hund werden in die Venen 6 ccm der- 
selben Lösung (0,0022 g As,S, pro kg) eingespritzt. Man bemerkt keine 
Vergiftungserscheinungen ; der Urin ist normal, 

26. IV. 1907. Weitere Einspritzung in die Venen, diesmal 7 ccm 
derselben Lösung (0,00252 g As,S, pro kg). Der Hund wiegt 16,200 kg. 
Er frißt, und es zeigen sich keine Symptome von Vergiftung. Der Urin 
ist normal. 

27. IV. 1907. Weitere intravenöse Einspritzung von 8 ocm der- 
selben Lösung (0,00288 g As,S, pro kg). Der Hund wiegt 16,200 kg, 
befindet sich wohl, hat keine Diarrhöe und muß sich auch nicht er- 
brechen. 

28. IV. 1907. Einspritzung von 9 com derselben Lösung (0,00376 g 
As,S, pro kg) in die Venen. 

1. V. 1907. Einspritzung von 10 ccm derselben Lösung (0,00389 g 
As,S, pro kg) in die Venen. Der Hund wiegt 15 kg. Er verliert den 
Appetit und hat Diarrhöe Im Urin ist Albumin. 

2. V. 1907. Intravenöse Einspritzung von 13 ccm derselben Lösung. 
Die gastroenteritischen Störungen dauern fort, der Hund magert ab, ist 
traurig und melancholisch (0,00506 g As,S, pro kg). 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 27 


4. V. 1907. Einspritzung von 20 com derselben Lösung (0,00779 g 
As,S,. Der Hund hat viel Gewicht verloren und hat keine Freß- 
lust mehr. 

6. V. 1907. Es wird keine Einspritzung gemacht. Der Hund hat 
seit 2 Tagen nichts gefressen und hat keine Diarrhöe. Der Urin ist 
trübe, sauer, übelriechend und sehr gefärbt. Er filtriert nur sehr schwer 
und enthält Albuminspuren. Das Sediment des Urins besteht aus vielen 
gelben Körnchen, vielen Spermatozoen und einigen körnigen Zylindern. 

8. V. 1907. Der Hund ist sehr unwohl, kaum kann er sich auf- 
recht halten, er frißt und trinkt nicht und ist betäubt. Er wird ge- 
schlachtet, und die Sektion wird sogleich gemaoht. Die Lungen sind 
gesund, der Urin enthält nur Albuminspuren, vielleicht wegen der darin 
enthaltenen Spermatozoen. Zylinder sind keine darin. Hämorrhagische 
Enteritis. 

Versuch 15. 


28. V. 1907. Hund von 5,1 kg Gewicht. Es wird in die Vene 
i/, oom der kolloidalen Arsentrisulfidlösung (Sorte a) eingespritzt; d. h: 
(0,0005 g As S, und 0,00002 g As,0, pro kg). 

29. V. 1907. Der Hund befindet sich wohl und wiegt 5,1l kg. Ein- 
spritzung von l ccm derselben kolloidalen Lösung (0,0011 g As, S, und 
0,00004 g AsO, pro kg). 

30. V. 1907. Kein Vergiftungssymptom, der Hund wiegt 5,1 kg. 
Einspritzung von 1 ccm derselben Lösung in die Venen (0,0015 g As S, 
und 0,00006 g AsO, pro kg). 

31. V. 1907. Der Hund befindet sich wohl, die Urine sind normal, 
das Gewicht ist nicht verändert. Es werden 2 ocm kolloidalen Arsens 
(0,0022 g As S, und 0,00008 g As O; pro kg) eingespritzt. 

1. VI. 1907. Gewicht des Tieres 5,2 kg. Einspritzung von 21/, ccm 
derselben Lösung (0,0027 g As,S, und 0,0001 g As,0, pro kg). 

3. VI. 1907. Gewicht des Hundes 5 kg, Urin ist normal. Ein- 
spritzung von 3 com kolloidalen Arsens (0,0033 g As Są und 0,00012 g 
As,0, pro kg). 

4. VI. 1907. Gewicht ist unverändert, die Urine sind normal, 
Einspritzung von 4com kolloidalen Arsens (0,0014 g As,S, und 0,00016 g 
As,0, pro kg). 

6. VL 1907. Der Hund nimmt ab an Gewicht, er wiegt noch 
4,700 kg, verliert die Freßlust, die Urine sind normal, er hat Diarrhöe. 
Einspritzung von 5 ccm kolloidalen Arsens (0,00586 g As,S, und 0,00022 g 
As,0, pro kg). 

7. VI. 1807. Der Hund magert ab, will nicht mehr fressen und 
ist melancholisch: Er wiegt nur noch 4,600 kg, hat hämorrhagische 
Diarrhöe. Es wird eine Einspritzung von 6 ocm kolloidalen Arsens in 
die Venen gemacht (0,0071 g As,S, und 0,00027 g As,0, pro kg). 

8. VI. 1907. Der Hund ist sehr unwohl, sein Gang ist waockelig, 
er ist kachektisch, und um 3 Uhr stirbt er. Die Sektion wird sofort 
gemacht. 


28 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Die Lungen sind normal, die Nieren anscheinend gesund, der aus 
der Blase entnommene Urin enthält weder Eiweiß noch Zucker. Starke 
hämorrhagische Enteritis mit Geschwüren im Dünndarm. 

Aus diesen beiden Versuchen geht hervor, daß das Tier sich nicht 
an das Arsen gewöhnen kann und kachektisch wird. Sodann stirbt 
es an Dosen, die die tödlich wirkende nicht erreichen, infolge von Darm- 
verletzungen. 


Das koll. Arsentrisulfid unter die Haut eingespritzt. 


Die Wirkung des roten, kolloidalen Arsentrisulfids ist, wenn es 
unter die Haut eingespritzt wird, von jener der gelben Lösung sehr 
verschieden. 

Die erstere Lösung erzeugt intensive Nekrosen der Gewebe, die 
letztere nur kleine Knötchen. 


Versuch 16. 


24. V. 1907. Einem Hund von 14 kg Gewicht werden täglich 
unter die Haut des Unterleibes Einspritzungen von je 1 oom kolloidalen 
Arsens gemacht, und zwar werden abwechselnd die rote Lösung a und 
die gelbe Lösung d eingespritzt. 

3 Tage nach der ersten Einspritzung kolloidaler, roter Arsenlösung, 
bemerkt man an der Stelle, an welcher die Einspritzungen gemacht 
wurden, eine einige Centimeter große nekrotische Area und zerfressene 
Gewebe in der Umgebung. 

Die rote, kolloidale Arsenlösung wurde darauf zu 1/ und !/, ver- 
dünnt und dann mit der verdünnten Lösung Einspritzungen gemacht, 
aber es zeigten sich dennoch Nekrosen an der Haut. An der Stelle, an 
welcher die Einspritzungen mit gelben, kolloidalen Arsen gemacht wurden, 
war nur eine kleine schmerzlose Verhärtung. 

Nach 12 Tagen wurden die Einspritzungen unterlassen, denn der 
Bauch des Hundes war voll nekrotischer Wunden. Im Ganzen wurden 
sechs Einspritzungen mit der roten Lösung gemacht und sechs mit 
der gelben. 

Der Hund wiegt nur noch 13 kg. Der Urin wurde jeden Morgen 
untersucht und war immer normal. 


Versuch 17. 


4. VI. 1907. Diesmal wurden einem weiblichen Hunde von 4,700 kg 
Gewicht alltägliche Einspritzungen von 1 com der gelben, kolloidalen 
Arsenlösung gemacht, um zu beobachten, welchen Einfluß kleine Mengen 
kolloidalen Arsens auf das Gewicht des Tieres haben. Der Hund durfte 
nach Belieben fressen. 

Während der ganzen Versuchszeit schwankt das Gewicht des Tieres 
zwischen 4,300 und 5 kg; jedoch neigt es eher zum Abnehmen als zum 
Zunehmen. Nach 15 Tagen ist das Gewioht noch 4,200 kg. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 29 


Das kolloidale Arsen per os. 


Wir wollten auch beobachten, welche Wirkung das kolloidale Arsen 
hat, wenn es durch den Mund in den Körper eingeführt wird. 


Versuch 18. 


1. VL 1907. Einem kleinen Hund von 3 kg Gewicht werden 
mittels einer Sonde 9 com kolloidales Arsen, rote Lösung a, durch das 
Maul in den Magen eingeführt, im ganzen 0,0495 g As,S, und 0,00189 g 
As, O, (pro kg 0,0165 g As,S, und 0,00063 g As,0,). Nach einigen Stun- 
den erbricht der Hund eine schleimige Flüssigkeit, in welcher Flocken 
präzipitierten Trisulfids sind. Am andern Tag befindet er sich wieder 
wohl und frißt mit Appetit. 

3. V. 1907. Demselben Hund (3 kg Gewicht) werden mit der 
Sonde 20 ccm derselben koll. Arsenlösung verabreicht, d. h. im ganzen 
0,1102 g As,S, und 0,0042 g As,0, (pro kg 0,0367 g As,S, und 0,0014 g 
A=,0,). Der Hund muß sich von neuem erbrechen, weiter nichts. Am 
folgenden Tage geht es ihm wieder gut. 

6. VI. 1907. Demselben Hund (2,800 kg Gewicht) werden mit der 
Sonde 4 com kolloidalen, roten Arsens verabreicht, d. h. im ganzen 0,2204 g 
As,S, und 0,0084 g As O, (pro kg 0,0787 g As,S, und 0,003 g As,0,). 
Der Hund hat Erbrechen, Diarrhöe und will nicht mehr fressen; am 
andern Tage ist ihm wieder besser, und er frißt wieder. 

10. VI. 1907. Demselben Hund (2,700 kg Gewicht) werden mittels 
der Sonde 70 com kolloidalen Arsens in den Magen eingeführt, d. h. im 
ganzen 0,3857 g As,S, und 0,0147 g AsO, (pro kg 0,1465 g As,S, und 
0,0054 g As,0,). Der Hund erbricht hastig, und nach wenigen Stunden 
verendet er. 

Die Sektion wird gleich gemacht. Die Organe sind normal, nur 
die Nieren sind gelblich in der oorticalen Substanz. Der Magen enthält 
blaßgelbe, schleimige Flüssigkeit und so auch das ganze Gedärme. Gas- 
tritis und Enteritis werden nicht gefunden. Der aus der Blase entnommene 
Urin enthält viel Albumin. 

Die Versuche ergeben, daß das kolloidale Arsentrisulfid, das im 
Magen durch die darin enthaltene Salzsäure präzipitiert, nicht ab- 
sorbiert wird, unschädlich ist, und keine Entzündung des Darmkanals 
hervorruft. 


Intravenöse Einspritzungen präzipitierten Arsentrisulfids. 


Um die physiologische Wirkung des koll. Arsentrisulfids näher er- 
läutern zu können, haben wir unsere Untersuchungen durch zwei weitere 
Versuche vervollständigt. Dabei spritzten wir in die Venen zweier Hunde 
reines, in destilliertem Wasser suspendiertes Arsentrisulfid. Das Arsen- 
trisulfid präparierten wir dadurch, daB wir Schwefelwasserstoff durch 
eine gesäuerte Arsenigsäureanhydrid-Lösung passieren ließen. Das Prä- 
zipitat wurde dann wiederholt in warmem Wasser gewaschen. 


30 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Versuch 19. 

3. VI. 1907. Einem Hund von 13 kg Gewicht werden langsam in 
die Venen 11 cg in destilliertem Wasser suspendiertes Arsentrisulfid ein- 
gespritzt. Bevor die Einspritzung gemacht wurde, war das Trisulfid 
lange zerrieben und zu winzigen Körnchen reduziert worden. Der Hund 
erleidet gar keine Störung durch die Einspritzung; am folgenden Tag 
befindet er sich wohl, und der Urin ist normal. 

Versuch 20. 

9. VI. 1907. Einem Hund von 10 kg Gewicht spritzt man lang- 
sam 70 cg in destilliertem Wasser suspendiertes Arsentrisulfid in die 
Venen ein. Dieses Arsentrisulfid enthält gröbere und schwerere Körnchen 
als jenes, das im Versuch 19 verwendet wurde; trotz langen Zerreibens 
setzt es sich sehr rasch. 

1/, Stunde nach der Einspritzung verendet der Hund. Die sofort 
gemachte Sektion ergibt intensives Lungenödem. 


Aus diesen Versuchen lassen sich folgende Schlußsätze 
ziehen : 

l. Man kann verschiedene Typen von Lösungen 
kolloidalen Arsensulfids herstellen. Sie unterscheiden 
sich dadurch voneinander, daß sie verschieden große 
Körnchen enthalten und verschieden gefärbt sind; 
die Farbe wechselt von Kanariengelb bis Orangerot. 

2. Ausden Lösungen kolloidalen Arsensulfids kann 
man dasArsenigsäureanhydrid und denSchwefelwasser- 
stoff nicht vollständig entfernen: Wahrscheinlich be- 
steht zwischen den 3 Komponenten ein Gleichgewicht 
nach folgender Gleichung: 

As,0, + 3 H,S Z As,S, +2 H,O. 

3. Für die verschiedenen Lösungen kolloidalen 
. Arsensulfids ist die minimal tödliche Dose bei Ein- 
führung in die Venen gleich und beträgt ungefähr 9 mg 
pro kg des Tieres (Hund). 

4. Das Zustandekommen des Todes ist je nach der 
angewandten Lösung verschieden. 

Das Kolloid mit amikronischen Körnchen (orange- 
rot) ist beinahe gar nicht stabil und tötet das Tier 
durch akutes Lungenödem, ruft aber keine Nephritis 
und Enteritis hervor. 

Das Kolloid mit submikronischen, sehr kleinen 
oder groben Körnchen (Citronengelb) ist sehr stabil, 
ruft kein Lungenödem hervor, aber intensive Ne- 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 31 


phritis und hämorrhagische Enteritis und führt da- 
durch den Tod herbei. 

5. Die Tiere können sich nicht an das kolloidale 
Arsen anpassen, und die chronische Vergiftung durch 
Arsen mit amikronischen Körnchen in wiederholten 
Dosen, die unter der tödlichen sind, eingespritzt, hat 
Abmagerung und Kachexie zur Folge. 

6. Das kolloidale Arsensulfid hat keine wahrnehm- 
bare Wirkung auf die Temperatur des Tieres. 

7. Es sondert sich in den Nieren ab und findet 
sich wieder als winzige, gelbe präzipitierte Kryställ- 
chen in den Nierenkanälchen und im Urin. 

8. Das Kolloid mit amikronischen Körnchen ver- 
ursacht, wenn es unter die Haut gespritzt wird, in- 
tensive Nekrosen der Haut und des Unterhautbinde- 
gewebes, während das mit submikronischen Körn- 
chen die Haut wenig oder gar nicht verändern. 

9. Täglich wiederholte Einspritzungen von je l cem 
Kolloid mit submikronischen Körnchen verursachten 
Abnahme des Gewichtes. 

10. Werden pro kg 1—3 cg kolloidalen Arsensulfids 
per os verabreicht, dann muß das Tier erbrechen; 
der Organismus ist aber weiter nicht gefährdet. Es 
ist nur durch die in ihm enthaltene Arsenigsäure 
giftig. 

11. Wird präzipitiertes Arsentrisulfid suspendiert 
in die Venen eines Tieres eingespritzt, dann stirbt 
das Tier an Lungenödem, sofern die Körnchen nicht 
äußerst klein sind. Wenn indessen die Körnchen ganz 
winzig klein sind, können 9 mg pro kg eingespritzt 
werden, ohne zu schaden. 

12. Eine Einspritzung einer mäßigen Dose kolloi- 
dalen Arsensulfids (Lösung a) verursacht ein vor- 
übergehendes Sinken des Blutdruckes; eine zweite 
Einspritzung hingegen, die gemacht wird, nachdem 
der Blutdruck wieder normal geworden ist, beein- 
flußt diesen nicht mehr. Wenn es sich aber um 
eine große Dose handelt, sinkt der Druck nicht so 
rasch; aber das Sinken hält bis zum Tode an, der 


32 C. Foà und A. Aggazzotti: 


durch ein Lungenödem herbeigeführt wird (wie beim 
rotbraunen Silber). 

Die verschiedenen Lösungen kolloidalen Arsensulfids führen 
den Tod auf verschiedene Weise herbei. Ähnliches können wir 
beim kolloidalen Silber beobachten: die rotbraune Lösung tötet 
das Tier durch Lungenödem und die olivgrüne durch Nephritis. 
Das Lungenödem wird hervorgerufen durch eine Störung im 
Kreislauf der Lungen (Oedem ex vacuo). Beim Silber war diese 
Störung durch gesteigerte Viscosität des Blutes gegeben, wo- 
durch dieses, da es mit großer Schwierigkeit die Lungencapillaren 
passiert und bei dem auf jeden Inspirationsakt folgenden Rück- 
strömen von Blut in die Lungen, das Innere der Alveolen mit 
Blutplasma anfüllt, beim Arsen tritt vielleicht zu diesem noch 
der Umstand hinzu, daß das Trisulfid im Kreislauf ausfällt. 
In der Tat wird durch die Einspritzung der Lösung a in die 
Venen Lungenödem hervorgerufen ; diese Lösung a ist beinahe 
gar nicht stabil und durch Beifügen von ein wenig Blut in 
großen Flocken ausfällbar. 

Aus demselben Grunde tötet das präzipitierte Arsentrisulfid 
durch Lungenödem, wenn seine Körnchen nicht äußerst fein 
zerteilt sind (Versuch 20). 

Es ist jedoch zu beachten, daß wir bei den Versuchen 
über die chronische Vergiftung gefunden hatten, daß der Tod 
eintrat, wenn die minimal tödliche Dosis erreicht wurde, und 
daß diese beinahe gleich war für die Lösungen, welche Ödem 
verursachten, wie für die, welche es nicht verursachten, und 
daß im Falle der chronischen Vergiftung, wenn die tödliche 
Dosis erreicht wird, das Tier immer an Kachexie und nie an 
Lungenödem stirbt (Versuch 13, 14, 15). 

Wir müssen deshalb annehmen, daß, wie die Einspritzungen 
steigender Dosen kolloidalen Silbers das Zustandekommen 
kolloidaler Verbindungen mit dem Plasma hervorrufen, welche, 
wenn man bei den großen Dosen anlangt, die Vermehrung der 
Viscosität verhinden, so auch beim kolloidalen Arsen auf- 
einanderfolgende Einspritzungen kleiner Mengen die Bildung 
nicht präzipitierter Verbindungen herbeiführen, welche das 
sukzessive Präzipitieren des Arsenkolloids und auch nur das 
Vermehren der Viscosität verhindern und deshalb kein Lungen- 
ödem verursachen. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 33 


Was den Umstand anbetrifft, daß 8 bis 9 mg (pro kg) 
Arsentrisulfid im kolloidalen Zustand eingespritzt, im Kreis- 
lauf im Kontakt mit dem Blut ausfallend, das Tier töten, 
während dieselbe Quantität oder eine noch größere schon prä- 
zipitierten und äußerst fein pulverisierten Arsentrisulfids, in den 
Kreislauf eingeführt, nicht tötet, dafür müssen wir den Grund 
in zwei Dingen suchen. Einerseits in dem Zustandekommen 
von Verbindungen, welche giftig sind, in deren Nichtbildung 
und bei dem als feines Pulver eingespritzten Trisulfid, anderer- 
seits im Volumen der im Kreislauf gefällten Körnchen. Diese 
Körnchen sind, wenn sie sich durch Präzipitieren des Kolloids 
im Kreislauf bilden, sehr grob und von flockigem Aussehen, 
weil mit ihnen ein Teil des Kolloids des Plasmas ausfällt, 
während das präzipitiertte und fein pulverisierte in Wasser 
suspendierte Trisulfid ganz winzige Körnchen enthält. In 
Versuch 20, in dem das präzipitierte Trisulfid das Tier tötet, 
müssen wir diese tödliche Wirkung eher als der großen Dosis 
dem Umstand zuschreiben, daß in diesem Versuch ein gröberes 
und weniger fein zerreibbares Präzipitat verwendet wurde. 

Die Größe der Körnchen des Präzipitates kann sehr vari- 
ieren, je nach der Konzentration der Arsenigsäureanhydrid- 
lösung und der Schnelligkeit, mit der man den Schwefelwasser- 
stoff hindurchströmen läßt. | | 


Hyrgol, 


Zum Unterschied von den edlen Metallen konnte man das 
Quecksilber bis jetzt noch nicht rein und stabil im kolloidalen 
Zustande herstellen, oder doch nur äußerst schwierig. Lotter- 
moser!) präparierte das kolloidale Quecksilber nach wieder- 
holtem Versuche folgendermaßen: Er schüttete eine sehr ver- 
dünnte Quecksilbernitratlösung in eine auch sehr verdünnte 
Lösung von Zinnoxyd und Salpetersäure und schüttelte fort- 
während. Man erhält eine dunkelbraune Flüssigkeit, welcher 
man eine konzentrierte Lösung von Ammoniumcitrat zusetzt, 
dann neutralisiert man mit Ammoniak, indem man schüttelt 


1) Lottermoser, Über kolloidales Quecksilber (Journ. f. prakt. 
Chem. 2, 52, 484). Kolloidales Silber und Quecksilber in chemischer 
Beziehung. Therap. Monatsh. 13, 159. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 3 


34 C. Foà und A. Aggazzotti: 


und dabei vermeidet zu erwärmen. Die Flüssigkeit wird schwarz, 
und es setzt sich ein geringer Niederschlag ab, der sich dadurch 
sammeln läßt, daß man durch eine Chamberland-Kerze 
filtriert; er bildet einen Teig von metallischem Glanz, der 
getrocknet sich in Wasser löst. Gutbier und Billitzer ver- 
suchten, das Quecksilber noch reiner herzustellen, als es mit 
der Lottermoserschen Methode möglich ist, aber nach wieder- 
holtem Probieren kamen sie zu dem Resultat, daß auf chemi- 
schem Wege sich nur ein Hydrosol herstellen läßt, das sich sehr 
rasch umwandelt und sich nicht konservieren läßt. Im Handel 
existiert ein Produkt, Hyrgol genannt, das auf chemischem 
Wege nach Carey Leas Methode hergestellt wird. Dieser 
zufolge mischt man durch Schütteln eine verdünnte Queck- 
silbernitratlösung mit einer ebenfalls verdünnten Zinnnitrat- 
lösung. Aus dieser Mischung präcipitiertt man das Kolloid 
dadurch, daß man eine konzentrierte Lösung von Am- 
moniumcitrat hinzufügt, nachdem man mit Ammoniak neu- 
tralisiert hat. Man erhält ein schwarzes, in Wasser lösliches 
Pulver. Diese Lösung jedoch enthält nicht nur metallisches Queck- 
silber, sondern nach Hoehnel!) noch viele Unreinlichkeiten: 
Ammonium- und Natriumsalze, Citrate und nur 1,80°/, Queck- 
silber. Unsere Versuche über Hyrgol waren bereits angefangen, als 
eine Arbeit von G. Astolfoni über das gleiche Thema erschien. 
Von dieser gerade aus dem Drucke hervorgegangenen Arbeit hatten 
wir nur durch eine kurze Zusammenfassung der von Astol- 
foni der medizinischen Akademie von Padua am 28. Januar 
1907*) gemachten Mitteilungen Kenntnis. Die Ergebnisse dieser 
Untersuchungen waren folgende: 

1. Die tödliche Dose des durch den Magen oder die Haut einge- 
führten Hyrgols ist beim Kaninchen und dem Meerschweinchen weit 
unter jener der anderen Quecksilberverbindungen. 2. Das Queck- 
silber wird hauptsächlich durch den Kot ausgeschieden, geringe 
Mengen aber auch durch den Urin und mit sonstigen Aus- 
scheidungen und verschwindet in ungefähr 6 bis 18 Tagen ganz. 
aus dem Körper. 3. Das Metall lokalisiert sich besonders in 


1) Hoehnel, Das kolloidale Quecksilber des Handels (Pharm. 
Zeitschr. 43, 868, 1898); Bardel, Les nouveaux remèdes 1904, 100 u. 101. 
2) Il Poliolinico 1907, 209. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle, 35 


der Leber, den Nieren und den Darmwänden; in der Milz, im 
Herzen, in den Lungen und im Gehirn werden nur kleine 
Mengen gefunden. Wir werden nun über unsere Versuche be- 


richten. 
Versuch |; 


In die Saphena eines Hundes von 5kg Gewicht werden 50 ccm mit 
arabischom Gummi stabilisiertes Hyrgol zu 1°/,, eingespritzt. Normale 
Temperatur war 38,10. 1 Stunde nach der Einspritzung ist sie bis 38,89 ge- 
stiegen, 3 Stunden nachher bis 39,2°, und nach 6 Stunden ist sie wieder 
bis 37° gesunken. Das Tier ist in tiefem Koma. Nachts darauf hat 
es reichliche Diarrhöe und am folgenden Morgen verendet es. Bei der 
Sektion kann man mit dem bloßen Auge nichts Bemerkenswertes an den 
Organen erkennen. Man findet jedoch akute, hämorrhagische Enteritie; 
der aus der Blase post mortem entnommene Urin ist sehr albumin- 
haltig und reich an körnigen Zylindern. 


Versuch 2. 


Einem Hunde von 5500g Gewicht werden in die Saphena 50 ccm 
19/,, stabilisiertes Hyrgol eingespritzt. Die Temperatur steigt nach Ver- 
lauf von 3 Stunden von 38,30 auf 40,8°. Am andern Morgen liegt 
der Hund in tiefem Koma, bleibt unbeweglich zusammengekauert 
und hat oberflächliche Atmung. Die Temperatur ist kaum 34°! In 
diesem Zustande verharrt er lange Zeit und stirbt dann unmerkbar. 
Bei der Sektion findet man profusen Darmkatarrh. Obwohl der Hund, 
der immer überwacht worden war, seit ungefähr 12 Stunden keinen 
Urin entleert hatte, findet man keinen in der Blase. Speichelfluß ist 
nie bemerkt worden. 


Versuch 3. 


Einem Hunde von 19kg Gewicht werden in die Saphena 20 ccm 
19/0 Hyrgol eingespritzt. Tags darauf wird eine weitere Einspritzung 
von 60 com gemacht. In der auf die zweite Einspritzung folgenden Nacht 
hat der Hund profuse Diarrhöe und verliert 2kg Gewicht. Am dritten 
Tage werden nochmals 50 com der Hyrgollösung eingespritzt. Die hämor- 
rhagische Diarrhöe hält an, der Urin ist sauer und sehr albuminhaltig, 
auch sind viele körnige Zylinder darin. Die Einspritzungen werden nun 
eingestellt, und 7 Tage nachher verendet der Hund. Die hämorrhagische 
Diarrhöe und die Albuminurie haben bis zum Tode angehalten. 


Versuch 4. 


An drei aufeinanderfolgenden Tagen wird je eine Einspritzung von 
19/0 Hyrgol unter die Haut gemacht. Nach kurzer Zeit verschwindet 
die eingespritzte Flüssigkeit, aber nach Verlauf vieler Tage ist noch ein 
dunkler Fleck im Unterhautbindegewebe. Das Quecksilber ist also dem 
Bindegewebe einverleibt geblieben, obwohl die eingespritzte Lösung stabi- 
lisiert gewesen war. Der Urin war immer normal geblieben. 

3e 


36 C. Foà und A. Aggazxotti: 


Versuch 5. 


Einem Hunde von 6kg Gewicht werden in die Saphena 60 ccm 
1°/% Hyrgol eingespritzt. Der Blutdruck in der Carotis wird während 
11/3 Stunden aufnotiert. Man beobachtet gar keine Wirkung auf die 
Blutdruckskurve.e Nach 5 Stunden ist der Hund wieder in tiefer Be- 
täubung und in der Nacht verendet er. 


Versuch 6. 


Einem Hunde von 3,950 kg Gewicht werden mittelst einer Sonde 
40 com 1°/,, Hyrgol in den Magen eingeführt. Nach 1/ Stunde erbricht 
er eine schwarzbraune Flüssigkeit, in welcher beinahe alles Hyrgol 
enthalten war. Am andern Tage hat das Tier keine Diarrhös und auch 
keinen albuminhaltigen Urin und befindet sich wohl. 


Versuch 7. 


Derselbe Versuch wird an einem Hunde von 3,500 g Gewicht gemacht. 
Die Resultate sind dieselben wie beim vorhergehenden Versuch. 


Versuch 8. 


Einem Kaninchen von 1,600 kg Gewicht werden mit einer Sonde 
30 com Hyrgol in den Magen getan. In der Nacht hat es dunkle, breiige 
Diarrhöe. Am folgenden Tage wird es geschlachtet. Die Sektion ergibt 
eine intensive, hämorrhagische Enteritis. Der aus der Blase entnommene 
Urin ist alkalisch, enthält viel Albumin und hyaline und körnige Zylinder. 


Elektrisches kolloidales Quecksilber. 


Das Quecksilber, welches wir benutzten, wurde aus ganz 
reinem Metall nach der von Charpentier und Guilloz?!) an- 
gegebenen Methode hergestellt. Mit arabischem Gummi stabi- 
lisiert, bildete es die ersten Tage einen Niederschlag. Die 
filtrierte Lösung teilte sich in zwei Schichten, von denen die 
obere durchsichtiger war. Nachdem man aber die Lösung 
tüchtig geschüttelt hatte, blieb sie dauernd homogen. Auch 
Stodel?) hatte dasselbe wahrgenommen. Die Lösung wurde 
deshalb einige Tage nach der Herstellung verwendet und war 
jetzt dunkelgrau gefärbt und sehr opak, so daß sie mit 6 Vo- 
lumen destillierten Wassers verdünnt werden mußte, bis sie an- 
fing, durchscheinend zu werden und dadurch eine gelbliche 
Farbe anzunehmen. Diese Lösung enthielt 0,5°/,, metallischen 
Quecksilbers. Schon Charpentier und Guilloz hatten be- 


1) Charpentier u. Guilloz, Compt. rend. Soc. Biol. 1907, 817. 
2) Stodel, Compt. rend. Soc. Biol. 1908, 66. Siehe auch Stodel, 
These de Paris 1908. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 37 


merkt, daß die subcutanen Einspritzungen von 1l com schmerz- 
los sind und keine Quecksilbervergiftungssymptome hervor- 
rufen, selbst nicht, wenn an einem Tage 50 ccm eingespritzt 
werden. Wir machten einer Hündin von 4kg Gewicht eine 
Einspritzung von 26 ccm unserer Lösung!) und beobachteten, 
daß die Temperatur in 1!/, Stunden von 39° auf 40,2° stieg 
und dann nach 4 Stunden wieder bis 39° sank. Der Urin ist 
an den auf die Einspritzung folgenden Tagen normal. 

Das Quecksilber teilt also mit den andern kolloidalen 
Metallen die Eigenschaft, die Temperatur des Körpers zu er- 
höhen. In die Venen einer Hündin von kg Gewicht wird 
8 Tage lang je eine Einspritzung von lccm kolloidalen, nach 
der elektrischen Methode gewonnenes Quecksilber gemacht. 
Nie wurde die geringste Störung wahrgenommen, und der 
Urin blieb normal. Unter die Haut und in die Muskeln ein- 
gespritzt, wird das kolloidale, elektrische Quecksilber rasch ab- 
sorbiert. 


Kalomelol. 


Das Kalomelol ist kolloidales Kalomel, das von der 
chemischen Fabrik Heyden in den Handel gebracht wird. Wir 
kennen keine Untersuchungen, die seine chemische Natur genau 
festlegen. Wir präparierten unsere Lösung folgendermaßen: 
In kaltem Wasser lösten wir Kalomelol, soviel sich lösen ließ, 
und wenn es sich nicht um eine kolloidale Lösung gehandelt 
hätte, so hätte man sie gesättigt nennen können. Indem wir 
den trockenen Rückstand eines bestimmten Volumens der filtrierten 
Lösung wogen, fanden wir 0,2°/, Trockensubstanz. 


Versuch 1. 


Einem jungen Hunde von 3,900 kg Gewicht werden in die Saphena 
50 com der Kalomelollösung (10 cg) eingespritzt. Das Tier ist von Zittern 
befallen, das nach !/, Stunde nachläßt, und hat reichlichen Speichelfluß. 
Am folgenden Tage hat er keinerlei Störungen, weder Diarrhöe noch 
Albuminurie. 

Versuch 2. 

Einem jungen Hunde von 4kg Gewicht werden mittels einer Sonde 
60 com der Kalomelollösung in den Magen eingeführt. Er hat weder Er- 
brechen noch Speichelfluß. In der Nacht hat er heftige Diarrhöe und 


1) Wir bestimmten das Quecksilber auf elektrischem und chemischem 
Wege. Siehe auch Rebiödre, Compt. rend. Soc. Biol. 1908, 150. 


38 C. Foà und A. Aggazzotti: 


entleert dunklen und breiigen Kot. Der Urin enthält kein Albumin. 
Am zweiten Tage ist der Kot dunkel und geformt; die Diarrhöe hat nach- 
gelassen. Der Urin ist immer normal. 

Versuch 3. 


Einem Hunde von 5kg Gewicht wird während 5 Tagen je eine Ein- 
spritzung von 2ccm der Kalomelollösung unter die Haut gemacht. Die 
Einspritzungen sind anscheinend nicht schmerzhaft. Nach 5 Tagen wird 
der Hund geschlachtet; die Haut wird an der Stelle geöffnet, an welcher 
die Einspritzungen gemacht wurden, und man findet nur eine leichte 
Infiltration des Unterhautbindegewebes. Der Urin ist normal. 


Kolloidales Eisenhydrat. 


Es ist im Handel in Form von kleinen, rotbraunen, im 
Wasser löslichen Splitterchen. Die Lösung ist sehr hell und 
braunrötlich. Wird es zum Zwecke der Dialyse in Kolloid- 
säckchen gefüllt, dann nimmt es sehr viel Wasser auf; es ent- 
hält also außer dem Kolloid noch andere Substanzen, welche 
dialysieren, wahrscheinlich einen Teil nicht umgesetzten Eisen- 
chlorids. Wir verwendeten eine Lösung, die während eines Monats 
in Kolloidsäckchen gegen destilliertes Wasser dialysiert war und 
nach der Dialyse 0,70°/, Eisenoxyd enthielt. 

Einem Hunde von 6 kg werden in die Saphena 70ccm der 
Lösung eingespritzt. Der Hund hat davon keinerlei Störung, 
außer am andern Tage ein wenig Diarrhöe, der Urin ist normal. 
Bei Einspritzungen unter die Haut wird der flüssige Teil der 
Lösung rasch absorbiert, aber das Eisen setzt sich im Unter- 
hautbindegewebe fest, und dieses ist noch 8 Tage nach der 
Einspritzung infiltriert und rostig. 

Es ist der Umstand zu beachten, daß man das Eisen- 
hyrat als elektropositives Kolloid ohne Schaden in die Venen 
einspritzen kann, während es in vitro mit Bilutserum ver- 
mischt eine Ausfällung der Proteinsubstanzen herbeiführt, 
da solche die Eigenschaft besitzen, die roten Blutkörperchen 
zu agglutiniern. Man muß jedoch annehmen, daß es im 
zirkulierenden Blut mit den negativen Kolloiden des Plasmas 
nicht präcipitierende Verbindungen eingeht, welche seine agglu- 
tinierende und präcipitierende Wirkung aufheben. Das in die 
Venen eingeführte Eisenhydrat verursacht ein Sinken des Blut- 
druckes, welcher, wenn die Dose nicht außerordentlich groß war, 
bald wieder normal wird. Aufeinanderfolgende Einspritzungen 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 39 


Eisenhydrats verursachen, zum Unterschied vom Silber oder 
Arsensulfid, jeweils ein Sinken des Druckes (Fig. 6). Ist die 
Dose sehr groß, dann stirbt das Tier an akutem Lungenödem, 
wahrscheinlich wegen der sehr gesteigerten Viscosität des Blutes 
infolge von eintretenden Verbindungen zwischen den negativen 
Kolloiden des Plasmas und dem positiven Eisen und wegen des 
Präcipitierens des Kolloids im Kreislauf. 


Gold. 


Die Lösung kolloidalen Goldes wurde auf elektrischem Wege 
nach der Bredigschen Methode hergestellt. Die Lösung enthielt 
0,32°/,, Gold und hatte intensive violette, ins Rötliche spielende 
Färbung. 

Versuch 1. 

Die Temperatur eines Hundes von 4kg Gewicht schwankt während 
einer 1/, Stunde zwischen 37,80 und 38°. Es werden in die Saphena 
100 ccm der Goldlösung eingespritzt. Nach 10 Minuten ist die Temperatur 
bis 36,7 gesunken. Sie steigt dann nach 21/ Stunden bis 39,30 und 
sinkt nach 5 Stunden wieder bis 37,8%. 6 Stunden nach der Einspritzung 
ist der Hund in tiefem Collapsus und nachts verendet er. Die Sektion 
ergibt intensive hämorrhagische Enteritis; der aus der Blase entnommene 
Urin ist dunkel und opak wie Blut. Die Untersuchungen mit dem 
Spektroskop und dem Guajak-Harz ergibt reichlichen Hämoglobingehalt. 
Im Sediment sind viele körnige Zylinder und Detritus von Zellen. 


Versuch 2. 


Hund von 6kg Gewicht. Normale Temperatur 38,9%. Es werden 
in die Saphena 50 com der Goldlösung eingeführt, und der Blutdruck in 
der Carotis wird aufgeschrieben. Die Temperatur steigt 2!/, Stunden 
nach der Einspritzung bis 40,1% und nach 31/, Stunden bis 40,9%. Am 
folgenden Tage ist sie noch 39,5%. Der Urin enthält nur Spuren von 
Albumin. Am dritten Tage ist er wieder normal; der Hund frißt und 
befindet sich wohl. 

Versuch 3. 

Dem Hunde, der zum vorher beschriebenen Versuch diente, werden 
3tägliche Einspritzungen von je lccm unter die Haut gemacht. Nach- 
dem 8 Tage seit der ersten Einspritzung verstrichen sind, werden an der 
Stelle, an welcher die Einspritzungen gemacht wurden, Einschnitte ge- 
macht, und man sieht, daß das Unterhautbindegewebe leicht infiltriert 
und rötlich-blau ist; also hat sich das Gold hier festgesetzt. 


Platin. 


Eine kolloidale Platinlösung wurde nach der Bredigschen 
Methode ziemlich stark konzentriert zu 0,72°/,, hergestellt. 


40 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Versuch 1. 


Einem Hunde von 10,500 kg Gewicht wird die Temperatur 
gemessen; sie ist 38,2°. Dann werden in die Saphena 100 ccm der 
stabilisierten Platinlösung eingespritzt. Während '/, Stunde etwa hat 
der Hund große Dispnöe; dann wird er ruhiger und hat keine weiteren 
Störungen mehr. Nach 1 Stunde ist die Temperatur 38,3°, nach 3 Stunden 
37,9°. Der Hund überlebt und hat keine weiteren Störungen mehr. 
Am andern Tage ist der Urin sauer und enthält kein Albumin; die 
Temperatur ist bis 39,6% gestiegen. Es werden nun noch 50ccm der- 
selben Platinlösung in die Saphena eingespritzt. Die Temperatur, zuerst 
von 10 Minuten zu 10 Minuten, dann von !/, Stunde zu 1/, Stunde ge- 
messen, schwankt während 6 Stunden zwischen 39,6° und 39°. Der Hund 
überlebt ohne jegliche Störung. 


Versuch 2. 

Einem Hunde von 10 kg Gewicht werden in die Saphena 100 com 
derselben stabilisierten Platinlösung eingespritzt. Die normale Tempe- 
ratur ist 38,7%. Sie schwankt während 6 Stunden nach der Einspritzung 
zwischen 38,70 und 37,9%. Am folgenden Tage ist sie bis 39,6° gestiegen. 
Der Urin ist sauer und normal. 


Versuch 3. 

Dem Hunde des vorhergehenden Versuches werden 2 cem der Platin- 
lösung unter die Haut eingespritzt. In wenig Stunden ist die Flüssig- 
keit absorbiert; aber nach 8 Tagen noch bemerkt man da, wo die Ein- 
spritzung gemacht wurde, eine graubraune Färbung des Unterhautbinde- 
gewebes; das Platin hat sich dort abgelagert. 


Versuch 4. 

Einem Hund von 10kg Gewicht werden in die Saphena 300 ccm 
der Platinlösung eingespritzt. Die normale Temperatur war 38,1°. 
Während der folgenden 6 Stunden schwankt die Temperatur zwischen 
37,6° und 38,6%. Der Hund überlebt ohne Störungen; sein Urin ist 
normal. 


Versuch 5; 


Einem Hunde von 3kg Gewicht werden in die Saphena 50 ccm der 
Platinlösung eingespritzt. Der Blutdruck in der Carotis wird notiert. 
Die normale Temperatur war 38,5. 

Die Blutdruckskurve wird von der Einspritzung gar nicht beeinflußt. 
(Fig. 7.) Am nächsten Tage ist die Temperatur bis 40,80 gestiegen. 


Zusammenfassung. 


1. Wird das Hyrgol (kolloidales Quecksilber) in großen 
Dosen in die Venen eingespritzt, so verursacht es in den ersten 
Stunden ein beträchtliches Steigen der Temperatur; sie sinkt 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 41 


darauf wieder, gleichzeitig wird das Tier tief betäubt und stirbt 
dann bald. 

2. In diesem Falle wird der Tod durch Enteritis und 
hämorrhagische Nephritis herbeigeführt. Manchmal bleibt nach 
einer Einspritzung die Harnabsonderung vollständig aus, und 
das erklärt vielleicht den Zustand tiefer Betäubung, in den das 
Tier versetzt wird. 

3. Werden große Dosen Hyrgol in die Venen eingespritzt, 
so wirken sie nicht unmittelbar auf den Blutdruck. 

4. Unter der Haut wird das Hyrgol nicht resorbiert, und 
das Metall lagert sich im Unterhautbindegewebe ab. 

5. Der Magen verträgt das Hyrgol nicht, der Hund er- 
bricht es und rettet sich auf diese Weise vor der Vergiftung. 
Das Kaninchen hingegen kann nicht erbrechen und das Hyrgol 
ruft bei ihm Enteritis und akute Nephritis hervor. 

6. Wird das kolloidale, elektrische Quecksilber in die Venen 
eingespritzt, dann steigt die Temperatur beträchtlich. Tägliche 
Einspritzungen von je lccm in die Venen werden gut er- 
tragen und der Urin bleibt immer normal. In die Haut oder 
Muskeln eingeführt, wird es rasch resorbiert. 

7. Das Kalomelol (kolloidales Kalomel), in die Venen einge- 
spritzt, verursacht keine Nephritis, aber starken Speichelfluß. 
Mit der Sonde in den Magen eingeführt, wirkt es abführend, 
und vielleicht bildet es Niederschläge mit den Verdauungssäften, 
indem es sich in gewöhnliches Kalomel umwandelt. Unter der 
Haut wird es nach wenigen Stunden vollständig resorbiert. 

8. Das kolloidale Eisenhydrat kann in einer Dose von 7 cg 
in die Venen eingespritzt werden, ohne daß es dem Tiere 
irgendeine Störung verursacht. Wenn man sich daran er- 
innert, daß in vitro das Eisenhydrat (elektropositives Kolloid) 
mit den elektronegativen Kolloiden des Serums präcipitiert 
und die roten Blutkörperchen agglutiniert, erscheint dieses Re- 
sultat im ersten Augenblick seltsam. Wenn dieser Vorgang im 
Kreislauf nicht stattfindet, so ist die Ursache davon, daß 
vielleicht die Dosis des eingespritzten Kolloids nicht genügend 
groß ist und es mit den Kolloiden des zirkulierenden Plasmas 
nicht präcipitierbare Verbindungen eingeht. Nach einer Ein- 
spritzung kolloidalen Eisens (im Text nachzusehen) sinkt der 
Blutdruck vorübergehend. 


42 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Unter die Haut eingespritzt, präcipitiert das Eisen im 
Unterhautbindegewebe. 

9. Spritzt man 16 cg kolloidalen, elektrischen Goldes in 
die Venen eines Hundes von 6kg Gew., so steigt die Tempe- 
ratur, der Urin ist vorübergehend leicht eiweißhaltig. Die 
doppelte Dosis tötet das Tier durch intensive Enteritis und 
hämorrhagische Nephritis. Unter die Haut eingespritzt, wird 
es nicht resorbiert und lagert sich im Unterhautbindegewebe ab. 

10. Vom kolloidalen, elektrischen Platin werden intra- 
venöse Einspritzungen großer Dosen (2 deg für einen Hund von 
10 kg) ertragen; es bildet sich weder Lungenödem noch Enter- 
itis und Nephritis. 

Das Tier hat vorübergehend Dispnoe, erholt sich aber 
bald wieder; seine Temperatur steigt nicht oder doch erst lange 
nach der Einspritzung. Das Platin beeinflußt, im Gegensatz 
zum Silber, den Blutdruck nicht und anscheinend auch nicht 
den Stoffwechsel erheblich nach dem geringen Einflusse zu ur- 
teilen, den es auf die Temperatur ausübt, und weil der Urin 
sauer bleibt. Das Silber macht den Urin alkalisch und sehr 
phosphorsäurehaltig. 


Untersuchungen über die Ursachen, welche das Lungenödenm 
herbeiführen und den Blutdruck verändern. 


Wir beobachteten beim kolloidalen Silber, daß, wenn es 
anfangs in kleinen Dosen in den Körper eingeführt wird, sich 
dieser daran gewöhnt und dann unbeschadet Dosen verträgt, die 
über die tödlich wirkende hinausgehen. Eine Form des An- 
passens ist auch jene, welche wir bemerkten, als wir Unter- 
suchungen über den Blutdruck anstellten. Nach der ersten 
Einspritzung von Silber oder Arsensulfid sinkt der Blutdruck, 
wird aber dann wieder normal. Eine zweite Einspritzung hat 
keine Wirkung mehr. Wie können wir uns diese Anpassung er- 
klären? 

Wir müssen daran erinnern, daß eine starke Einspritzung 
in einen dem Kolloid nicht angepaßten Hund eine beträcht- 
liche Steigerung der Viscosität des Blutes mit Lungenödem 
hervorruft, während eine noch größere Dosis bei einem an- 
gepaßten Hund diese beiden Erscheinungen nicht hervorruft. 
Im ersten Falle kann man das Lungenödem dadurch erklären, 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 43 


daß man annimmt, daß das äußerst viscöse Blut mit großer 
Schwierigkeit in den Lungencapillaren zirkuliert. Da nun bei 
jeder Einatmung Blut in die Lungen eintritt und Blutplasma 
in das Innere der Alveolen eingezogen wird, zugleich damit 
auf dem Weg der Diapedese eine gewisse Quantität roter Blut- 
körperchen eintritt, so kommt dadurch hämorrhagisches Lungen- 
ödem zustande. 

Aber betrachten wir für jetzt nur den Umstand, daß die 
Viscosität zunimmt bei den nicht angepaßten Hunden und bei 
den angepaßten sich nicht verändert. Es lassen sich zwei 
Hypothesen aufstellen: Entweder wirkt das Kolloid Silber auf 
die Kolloide des Serums, indem es kolloidale Verbindungen ein- 
geht, welche die Viscosität des Serums erhöhen, oder diese 
Wirkung macht sich nur für die Kolloide des Plasmas geltend. 
Die zweite Hypothese erscheint wahrscheinlicher, wenn man 
bedenkt, daß die Erhöhung der Viscosität im zirkulierenden 
Blut eintritt und auch die Gerinnbarkeit des Blutes modifiziert 
wird. Übrigens ist es sehr leicht zu zeigen, daß das Silber, in 
verschiedenen Proportionen dem Blut eines defibrinierten Hundes 
zugefügt, dessen Viscosität nicht modifiziert. 

Hier ein Beispiel: 

5 ccm defibrinierten Blutes + 1 ccm kolloidalen, braunröt- 
lichen, mit Kochsalz isotonisch gemachten Silbers. Viskosität 
n = 4,37. 

5 cem desselben Blutes + 1 com physiologischer Lösung von 
Kochsalz n = 4,29. 

Man kann alsdann annehmen, daß sich zwischen dem 
kolloidalen Silber und den Kolloiden des Plasmas Verbindungen 
herstellen, welche den Koagulationsprozeß verändern und eine 
Steigerung der Viscosität des Blutes mit Neigung zu Koagu- 
lation hervorrufen, ohne daß diese sich vollziehen kann. 

Von diesen Ursachen würde auch das auf eine Einspritzung 
kolloidalen Silbers oder Schwefelarsens folgende Sinken des Blut- 
druckes herrühren ; dieses Sinken ist vorübergehend, weil, wenn 
das Blut im Kreislauf sich vermischt, jene Verbindungen, welche 
beim ersten Eintreten des Kolloids in das Blut sich bildeten, 
sich wieder auflösen oder sich in irgendeiner Weise verändern. 

Aber bei jeder Reaktion von Kolloiden ist es nicht gleich- 
gültig, ob man die Kolloide auf einmal mischt, oder ob man 


44 C. Foà und A. Aggazzotti: 


die Mischung nach und nach vornimmt. Es ist dies eine oft 
erwiesene Tatsache, und in unserem Falle handelt es sich um 
ein analoges Phänomen. 

Die erste Silbereinspritzung bringt Verbindungen zustande, 
welche auf die folgenden Einspritzungen nicht mehr reagieren, 
oder wenigstens nicht mehr so reagieren, daß jene selben Ver- 
bindungen wie im ersten Falle hergestellt werden. So ließe 
sich erklären, wie die Wirkungen der auf die erste folgenden 
Einspritzungen sich vermindern oder ganz ausbleiben, wie z. B. 
auf den Blutdruck. 

Um beweisen zu können, daß die Veränderung des Blut- 
druckes mit der Bildung von kolloidalen Verbindungen im Zu- 
sammenhange steht, untersuchten wir, welche Wirkungen auf- 
einanderfolgende Einspritzungen von Kolloiden entgegengesetzten 
Vorzeichens haben; diese müssen verschiedene Verbindungen 
herstellen. Im ersten dieser Versuche beobachteten wir, welche 
Wirkungen einige aufeinanderfolgende Silber- und Eisenhydrat- 
einspritzungen auf den Blutdruck haben. Durch die vorher 
gehenden Versuche darüber unterrichtet, daß die zweite Silber 
einspritzung gar keinen Einfluß mehr auf den Blutdruck hat, 
wollten wir sehen, ob ein Kolloid von entgegengesetztem Ladungs- 
wert des Silbers, wie das positive Eisenhydrat, imstande wäre, 
ihn zu verändern. Fig. 8 zeigt, daß die erste Silbereinspritzung 
den Druck vorübergebend sinken macht und die zweite ohne 
Wirkung ist, während, wenn man danach einige Eisenhydrat- 
einspritzungen macht, jede einzelne ein vorübergehendes Sinken 
zur Folge hat. Es ist festzuhalten, was wir vom Eisenhydrat 
sagten, nämlich, daß es, wenn wiederholt eingespritzt wird, 
jedesmal ein vorübergehendes Sinken des Blutdruckes verur- 
sacht. Um dem Einwurfe zu begegnen, daß die nach den Silber- 
einspritzungen durch das Eisen hervorgerufene Wirkung auch 
das Resultat von zwischen den beiden Kolloiden zustande 
gekommenen Verbindungen sein könnte, machten wir nach 
den Eiseneinspritzungen eine nochmalige Silbereinspritzung 
(Fig. 8, 6) und bemerkten gar keine Veränderung des Blut- 
druckes. Man könnte sagen, jedes Kolloid wirkt unabhängig 
und kraft der Verbindungen, die es einzugehen imstande ist. 

Die letzte nach den Eiseneinspritzungen gemachte Silber- 
einspritzung bleibt ohne Wirkung, gerade als wenn jene nicht 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 45 


gemacht worden wären. Ein zweiter Versuch zeigt uns, daß 
nicht die Konstitution des Metalls, sondern seiner elektrischen 
Kraft die beschriebenen Phänomene zuzuschreiben sind. In 
diesem Versuch machten wir zuerst eine Arseneinspritzung, 
welche ein langsames, vorübergehendes Sinken des Druckes im 
Gefolge hatte (Fig. 9). Dieser verändert sich nach einer 
zweiten Einspritzung nicht mehr; aber als wir drei aufeinander- 
folgende Eisenhydrateinspritzungen machten, verursachte jede 
einzelne ein Sinken des Druckes, und als wir dann anstatt des 
Arsens ein anderes negatives Kolloid, Silber, einspritzten, blieb 
diese Einspritzung ohne Wirkung, wie auch eine weitere, nachher 
gemachte Arseneinspritzung. Zwei zum Schlusse vorgenommene 
Eiseneinspritzungen haben dann wieder jeweils ein Sinken des 
Druckes zur Folge. Diese Versuche ergeben die ziemlich ge- 
rechtfertigte Hypothese, das die Modifikationen des Blutdruckes 
gleichen Schritt halten mit dem Zustandekommen von Verbin- 
dungen zwischen den Kolloiden des Plasmas und jenen einge- 
spritzten Kolloiden, Verbindungen, die verschieden sind, je 
nach der Natur der letzteren. 


Wirkung der kolloidalen Metalle auf den Stoffwechsel des 
Organismus. 


Viele Arzneimittel verlangsamen, wenn sie in starken Dosen 
in den Körper eingeführt werden, die Prozesse des Stoffwechsels, 
während geringe Mengen dieselben beschleunigen und steigern. 
Kleine Dosen Quecksilber z. B. vermehren die Ausscheidung der 
Harnsäure,!) während große Dosen sie verringern. Benedi- 
centi e Olliaro?) fanden, daß das Quecksilber und das Blei 
die Phosphorfleischsäure in den Muskeln vermindern. Die 
oxydierte Phosphorfleischsäure im Urin tritt als Milchsäure 
auf. Die Metalle haben im kolloidalen Zustande sodann 
viele wichtige Einwirkungen auf den Stoffwechsel des Orga- 
nismus. Schon Galeotti (l. c.) schloß auf Grund morphologi- 
scher Tatsachen, daß die kolloidalen Metalle zum Unterschied 


1) Boeck, Zeitschr. f. Biol. 5, 593. — Noöl-Paton, Journ. of 
Anat. and Physiol, 20, 114. — Cathelinau, Journ. de Pharm. et de 
Chimie, 25, 504. 

2) Benedicenti u. Olliaro, Giornale della R. Aoc. di Med., Torino 
1900, 526. 


46 C. Foà und A. Aggazzotti: 


von den ionisierten verändernd auf den allgemeinen Stoff- 
wechsel der Zellen wirken, und neuerdings schrieb Schade!) der 
katalytischen Wirkung, die das Jod, das Quecksilber und das 
Eisen auf die organischen Oxydationen ausüben, die größte 
Wichtigkeit zu. Lépine und Boulud?) fanden, daß das Collargol 
die glykolytische Kraft des Blutes erhöht, und Achard und 
Weil?) konstatierten, daß nach einer Einspritzung kolloidalen 
Silbers in die Venen zuerst eine vorübergehende Leukopenie 
sich einstellt, welche von einer Leukocytose mit myelocytischer 
Wucherung des Knochenmarkes und myeloider Umwandlung 
der Milz begleitet wird. Neuerdings fanden Feigl und Rollett*), 
daß das Eisen, das Wismut, das Gold, das Platin, das Silber 
und das Calomel im kolloidalen Zustande die Absonderung der 
Magensäfte steigern, jedoch muß man annehmen, daß dies das 
Resultat einer mechanischen Einwirkung des aus dem Magen- 
safte präcipitierten Kolloids ist. In der Tat hat man dasselbe 
Ergebnis, wenn man schon präcipitiertes Kolloid verabreicht. 
A.Robin?) stellte zuerst Untersuchungen darüber an, welche 
Veränderungen sich im Stoffwechsel durch Verabreichung kol- 
loidaler Metalle bemerkbar machen. Er ermittelte, daß kol- 
loidales Platin, Palladium, Gold die Ausscheidung des Harn- 
stoffes, der Harnsäure und des Indoxyls vermehren und den re- 
spiratorischen Quotienten erhöhen. 

M. Ascoli und Izar?) bemerken, daß Robin nicht stabi- 
lisierte Lösungen, welche nicht auf den Stoffwechsel einwirken, 
verwendete und machten außerdem den durchaus gerechtfertigten 
Einwurf, daß in Robins Veröffentlichungen viele Angaben betreffs 
der technischen Zubereitungen, sowohl Angaben über Maß- 
nahmen, das Individuum im Stickstoffgleichgewicht zu erhalten, 


1) Schade, Die Bedeutung der Katalyse für die Medizin. Kiel 1907. 

2) Lépine und Boulud, Action du collargol sur le pouvoir glyco- 
lytique du sang. Compt. rend. 1907, 206. 

3) Achard u. Weil, Compt. rend. 1907. 93. Siehe auch Filippi, 
Lo Sperimentale 62, 573, 1909. 

4) Feigl u. Rolett, Zur Biochemie der Kolloide. Diese Zeitschr. 
7, 145. 

5) A. Robin sowie Robin u. Bardet, Bull. de Thér. 1904, 1905; 
Gaz. de. Höpitaux 1904, 137. 

6) M. Ascoli u. Izar, Physiopathologische Wirkung kolloidaler 
Metalle auf den Menschen. Berl klin. Wochenschr. 1907, 21. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 47 


als auch bezüglich der Ausführung der Analyse fehlen, so daß 
die wenigen Angaben Robins sich als ungenügend erweisen. 
Niehtsdestoweniger bestätigen Ascoli und Jzar in ihren Unter- 
suchungen, daß infolge subcutaner Einspritzungen von kolloi- 
dalem, mit steriler Gelatine stabilisiertem Silber und Platin in 
den Menschen die Ausscheidung der Harnsäure beträchtlich 
gesteigert wird; die Ausscheidung des im Urin vorhandenen 
Stickstoffes wird nur wenig erhöht, während die Phosphorsäure 
unverändert bleibt. Sie zeigen außerdem, daß dieselben Lösungen, 
wenn nicht stabilisiert oder bis zu 100° erwärmt, ohne Wirkung 
bleiben. 

Dies darf man nicht außer acht lassen, wenn man zu 
therapeutischeom Zwecke bestimmte Lösungen durch Erhitzen 
sterilisieren wollte; es wäre das ganz und gar zwecklos. 

Von den bis jetzt berichteten Tatsachen und vor allem 
von jenen Versuchen ausgehend, welche zu zeigen strebten, daß 
die Wirkung der kolloidalen Metalle darin bestehe, daß sie 
die organischen Oxydationen steigern, Hypothesen, die auch 
Netter anerkennt, beschlossen wir, die oxydierende Wirkung 
der kolloidalen Metalle an Versuchen in vitro zu beobachten 
und dabei auch zu untersuchen, ob diese Metalle außer ihrer 
eigenen Wirkung nicht auch die Fähigkeit hätten, die Wirkung 
der im lebenden Organismus vorhandenen Oxydasen zu unter- 
stützen. 


Qualitative Untersuchungen über die katalytische Wirkung 
einiger anorganischer Kolloide allein und in Gegenwart von 
Oxydasen. 


Die Metalle können auch im Ionenzustand wichtige kata- 
lytische Wirkungen ausüben. Wir erinnern unter anderem an 
die oxydierende Wirkung der Mangansalze und des Eisens auf 
viele Substanzen der Phenolgruppen (G. Bertrand), des Sulfats 
und des Hyperoxyds auf das Guajac-Harz, sei es direkt!) oder 
die Wirkung der Laccase erhöhend*), der Kupfersalze auf die 
Oxydation des Aloins, des Jodkaliums und des Paraphenylen- 


1) Bourquelot, Journ. de Phys. et de Chim., 9, 511, 1900. 
2) Bourquelot u. Boucault, Compt. rend. 1897, 498 und Journ. 
de Pharm. et de Chim., 4, 1898, 477. 


48 C. Foà und A. Aggazzotti: 


diamins!), der Kupfer- und Eisensalze auf die Reaktion der 
Persulfate und des Jodkaliums, des Jods auf die Wirkung der 
Peroxydasen ?), des Quecksilbers auf die Zersetzung des Wasser- 
stoffsuperoxyds durch kolloidales Gold,?) des Quecksilberchlorids 
auf die alkoholische Gärung,*) auf die Reduktion des Gold- 
chlorids durch Hydrochinon und auf die Oxydation des Pyro- 
gallols und des Tyrosins durch Laccase resp. Tyrosinase°). 
Alle diese Reaktionen kommen mit Hilfe unendlich kleiner 
Quantitäten des metallischen Ions zustande und zwar so, daß 
es nicht bei der Reaktion selbst tätig ist (oder wenigstens nicht 
permanent), sondern durch katalytisches Einwirken. Stassano 
(l. c.) zeigt z. B., daß !/,ooo Tropfen ?/ oo- Sublimatlösung die 
Oxydation des Guajacols durch Lacoase erleichtert, während 
1/0. Tropfen derselben Lösung die Oxydation verhindert. 

Aber die intensivsten kalalytischen Wirkungen werden von 
den Metallen im kolloidalen Zustande hervorgebracht, aus dem 
Grunde, weil sie außerordentlich fein zerteilt sind, so daß bei 
einer kleinen Quantität Substanz die mit dem umzubildenden 
Körper in Berührung kommende Oberfläche sehr groß ist. 
Das metallische Quecksilber z. B. gibt, wenn es mit Guajac- 
harz und Wasserstoffsuperoxyd grob gemischt wird, keine Fär- 
bung, wird es aber äußerst fein zu diesen Reaktionen verwen- 
det, so daß es sich in eine große Anzahl winzig kleiner Tröpf- 
chen teilt, die eine Emulsion bilden, so kommt die Oxydation 
des Gusjacharzes durch die katalytische Wirkung des Queck- 
silbers selbst zustande. | 

Wie das Quecksilber, so verhalten sich das Platin, Gold, 
Silber, Eisen, Blei, Kupfer und Aluminium, wenn sie sehr fein 
pulverisiert sind; außer auf das Guajakharz wirken sie auch 
auf die Oxydation des Guajacols, des Naphthols®) und der Oxal- 
säure. Macht man hingegen, anstatt das Metall durch Schütteln 
oder Pulverisieren zu zerteilen, eine kolloidale Lösung auf 


1) E. Schaer, Arch. de Pharm. 239, 610, 1901 und Liebigs Ann. 
223, 32. 

2) A. Bach, Arch. de Soc. Phys. et Nat., Genève 23, 1907. 

3) Bredig, Anorgan. Fermente, 1902. 

4) Schultz, Pflügers Arch. 1888. 

5) Stassano, Compt. rend. 1905, 891 u. 893. 

°) H. Schade, Über die Metall- und Jodionenkatalyse. Zeitschr. f. 
experim. Pathol. u. Ther. 1. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 49 


chemischen Wege oder nach der Bredigschen Methode, dann 
ist die Zerteilung viel feiner, und das Größerwerden der 
Oberfläche bringt eine viel intensivere katalytische Wirkung 
mit sich. 

Bredig (l. c. S. 45) konnte demonstrieren, daß die 
von ihm hergestellten kolloidalen Metalle und ganz besonders 
das Platin nicht nur das Wasserstoffsuperoxyd energisch zer- 
setzen, sondern auch die Oxydation des Guajacharzes, ohne 
Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd erleichtern, ebenso auch die 
Oxydation des Indigos; Schaer (l. c. S. 625) fand, daß 
besonders das Platin und Gold, außer den erwähnten Metallen, 
die Oxydation der Kupfersalze, des Paraphenylendiamins und 
in geringerem Grade die des Aloins und des Pyrogallols er- 
leichtern. 

Neuerdings fanden M. Ascoli und G. Izar,!) daß die 
Leberautolyse in Gegenwart von kolloidalem Platin, Silber und 
Gold beschleunigt wird, eine Tatsache, die sich durch die An- 
nahme erklären läßt, daß sie die Wirkung der Fermente, welche 
die Autolyse herbeiführen, erhöhen. 

Später zeigten die genannten Autoren,?) daß auch kleine 
Dosen kolloidalen Eisenhydrats, Aluminiumoxyds, Schwefel- 
arsens und Mangandioxyds die Leberautolyse beschleunigen, und 
daß?) diese Wirkung von eben jenen Giften, von welchen 
Bredig gefunden hatte, daß sie die katalytische Wirkung der 
kolloidalen Metalle auf das Wasserstofisuperoxyd verringern, 
aufgehoben wird. Daß jedoch die Kolloide diese Wirkung nicht 
auf alle Fermentationsprozesse haben, beweisen die Versuche 
von L. Pinkussohn,*) welcher fand, daß sie keine oder sogar 
eine hemmende Wirkung auf die peptische Verdauung der Protein- 
substanzen ausüben. Wir waren bestrebt, systematisch zu 
untersuchen: 


1. ob die kolloidalen Metalle und einige kolloidale Salze 
eine direkte oxydierende Wirkung haben, 


2. ob sie die katalytische Kraft der Oxydasen erhöhen. 


1) M. Ascoli u. Izar, Berl. klin. Wochenschr. 4, 1907. 

2) M. Ascoli u. Izar, diese Zeitschr. 6, 192. 

3) M. Ascoli u. Izar., diese Zeitschr. 7, 142. 

4) L. Pinkussohn, diese Zeitschr. 8, 387, 1908. 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 4 


50 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Zu diesen Versuchen benutzten wir dieselben Metalle, deren 
physiologische Wirkung wir untersucht hatten, und zwar: 

Platin, Gold, Silber, Mangan nach der Bredigschen Me- 
thode hergestellt, kolloidales Arsensulfid, Collargol, Hyrgol, das 
kolloidale Wismut des Handels, Kalomelol von Heyden und 
kolloidales Eisenhydrat. Die vier ersten, die nach der Art 
ihrer Herstellungsweise rein waren, wurden ohne weiteres 
benutzt, die andern Kolloide wurden einer fortgesetzten Dialyse 
von mehr als 3 Monaten unterworfen. Sie wurden in von uns 
hergestellte Kolloidsäckchen gefüllt und dann in destilliertes, 
oft erneuertes Wasser eingetaucht. Vom kolloidalen Arsensulfid 
verwendeten wir die Lösungen a, b, c, deren Eigenschaften 
wir schon beschrieben haben. 

Nach der langen Dialyse hatten unsere Kolloide beinahe 
dasselbe Leitungsvermügen wie das destillierte Wasser (8. 10—®). 
Sie wurden mit Gummi stabilisiert und in mit Wasserdampf 
sorgfältig gereinigte Flaschen gefüllt und gut zugepropft; so 
hielten sie sich lange unverändert. 


Katalytische Wirkung. 


Die Fähigkeit, das Wasserstoffisuperoxyd katalytisch zu 
zerlegen, wurde nach der schon beschriebenen Methode fest- 


gestellt. K= 
Platin . . . . . . 290 
Gold . . . . . . 28 
braunrötl. Silber. . . 20,0 
Mangan . . .. . 16 
Collargol . . . . . 132 
Hyrgol. . . . . . 700 
Eisenhydrat . . . . 40 
Wismut . . . . . 00 
Arsensulfid . . . (c) 0,3 
„ (d) 0,5 
Kalomel . . . . . 0,4 


Oxydierende Wirkung in Gegenwart von Wasserstoff- 
superoxyd. 
Sie wurde folgendermaßen festgestellt: Man machte eine 
Mischung aus einer verdünnten Lösung von Wasserstoffsuper- 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle: 5l 


oxyd, der kolloidalen Lösung und 1 bis 2 Tropfen alkoholischer 
Tinktur von Guajacharz. Die Gefäße wurden während 15 Minuten 
bis 2 Stunden bei 37° in den Wärmeschrank gestellt; in vielen 
Fällen kam die Oxydation auch ganz energisch in der Kälte 
zustande. 

. Sehr wirksam zeigten sich das Platin, das Mangan, das Silber, 
das Collargol und das Hyrgol, weniger das Gold, noch weniger 
das Wismut; die beiden Sorten Arsensulfid und das Kalomel 
waren inaktiv. Das Eisenhydrat gibt mit dem Guajacharz und 
dem Wasserstofisuperoxyd ein Präcipitat, das im Wärmeschrank 
sehr langsam bläulichgrün wird. 


Direkt oxydierende Wirkung. 


Diese wurde in folgender Weise bestimmt: 

Zu 5 ccm der zu oxydierenden Substanz wurden 10 Tropfen 
des Kolloids getan, und dann wurde das Röhrchen in den 
Wärmeschrank bei 37° gestellt. | 

Der Oxydationsgrad wurde nach der Intensität der Farbe, 
welche die Lösung annahm, beurteilt. Als Vergleichsmuster 
füllten wir eine Serie von Röhrchen mit 5 ccm der zu oxydieren- 
den Substanz, das Kolloid ließen wir weg. Am Ende des 
Versuches wurden kalt in jede der Kontrolltuben 10 Tropfen 
des betr. Kolloids gegossen, um sie mit der entsprechenden 
im Wärmeschrank gewesenen Tube zu vergleichen. Man mußte 
den Kontrolltuben das Kolloid zusetzen, um die Farben ver- 
gleichen zu können, denn viele der Kolloide hatten eine Eigen- 
färbung. 

Wir wählten folgende Substanzen zur Oxydation: Hydro- 
chinon (1°/,), Guajacharz in alkoholischer Lösung, Pyrogallol 
(2°/,), Paraphenylendiamin (0,05°/,) und Tyrosin (gesättigte 
Lösung). | 

Hier kurz die Resultate: 

Die Oxydation des Hydrochinons wird gesteigert vom 
kolloidalen Platin, Gold und Silber, weniger vom Hyrgol, gar 
nicht von Mangan, Collargol, Eisenhydrat, Kalomel und 
Wismut. 

Die Oxydation des Guajacharzes wird gesteigert vom 
Platin, Gold, Silber, Mangan, Hyrgol und Collargol; das Kalo- 


mel, Wismut und Eisenhydrat wirken nicht. 
4% 


52 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Die Oxydation des Pyrogallols wird nur vom kolloidalen 
Platin erhöht, die andern Kolloide wirken nicht. 

Die Oxydation des Paraphenylendiamins wird von folgen- 
den, nach ihrer Wirkung geordneten Kolloiden beschleunigt: 
Platin, Gold, Mangan, Silber, Collargol (sehr wenig), die andern 
wirken nicht. 

Die Oxydation des Tyrosins wird von keinem der ver- 
wendeten Kolloide beschleunigt. 

Das Schwefelarsen hemmt die spontane Oxydation der von 
uns verwendeten Substanzen. 


Oxydierende Wirkung in Gegenwart von Oxydasen. 


Nachdem wir die direkt oxydierende Wirkung festgestellt 
hatten, wollten wir weiter sehen, ob unsere Kolloide fähig sind, 
die Wirkung der oxydierenden zu steigern. Als zu oxydierende 
Substanzen nahmen wir die schon genannten, und als Oxydasen 
wählten wir die Laccase und die Tyrosinase.!) 

Erstere hat das Aussehen eines weißen im Wasser leicht 
löslichen Pulvers, die zweite ist ein glycerinhaltiger Infus von 
Schwämmen der Russulagattung. 

Die Laccase wirkt auf das Guajacol, das Guajacharz, das 
Paraphenylendiamin, das Pyrogallol und das Hydrochinon ; das 
Tyrosin wird nicht beeinflußt. Die Tyrosinase wirkt nur auf 
das Tyrosin. Das Guajacol und das Guajacharz sind aber 
zu qualitativen Untersuchungen des Oxydationsgrades, der 
allein auf der von der Lösung angenommenen Farbe beruht, 
nicht geeignet; denn das erstere nimmt anfänglich eine rote 
Farbe an, in den tiefer gelegenen, mit der Luft nicht in Be- 
rührung kommenden Schichten verliert sich diese Färbung 
wieder, um sich dann wieder einzustellen, wie die Tatsache 
zeigt, daß diese Schichten durch Schütteln bei Luftzutritt 
wieder rot werden. Das Guajacharz hingegen entfärbt sich, 
nachdem es blau geworden ist, und zeigt vorgeschrittenere 
farblose Oxydationsprodukte. Die andern Substanzen hin- 
gegen dienten unserem Zwecke sehr gut, weil die Intensität 


1) Wir verdanken der Freundlichkeit des Herrn Prof. G. Bertrand 
vom Institut Pasteur in Paris beide Oxydasen und sprechen ihm unsern 
verbindlichsten Dank aus. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 53 


der von ihnen angenommenen Farbe in gleichem Maße zu- 
nimmt, als die Oxydation fortschreitet. 

Der Versuch wurde auf folgende Weise ausgeführt. In 
5 ccm der zu oxydierenden Lösung wurden gleichzeitig 10 Tropfen 
Oxydase und 10 Tropfen Kolloid hinzugesetzt; dann wurden 
die Röhrchen in den Wärmeschrank bei 37° gesetzt. Gleichzeitig 
wurden ebensoviele Röhrchen mit 5 com der zu oxydierenden 
Lösung und 10 Tropfen Oxydase in den Wärmeschrank gestellt. 

Nach einigen Stunden wurde jede Tube der ersten Serie 
mit einer Tube der zweiten, der gleichzeitig noch 10 Tropfen 
Kolloid zugegossen worden waren, verglichen. Einige gleich- 
artige Versuche, die an den einzelnen Substanzen ausgeführt 
wurden, ergaben folgende Resultate: 

Kein Kolloid steigert die Wirkung der Laccase auf das 
Hydrochinon. Die Wirkung der Laccase auf das Pyrogallol 
wird nur vom Platin erhöht, auf das Paraphenylendiamin vom 
Platin und Gold, in geringerem Grade von Silber und Mangan. 
Die Oxydation des Tyrosins mit Hilfe der Tyrosinase wird 
von den folgenden Kolloiden, die wir je nach dem Grade 
ihrer Wirkung anführen, gesteigert: Platin, Silber, Mangan, 
Collargol. 

Die andern wirken nicht. Das Arsensulfid verhindert die 
Wirkung der Oxydasen. Was das Arsensulfid anbelangt, müssen 
wir immer daran erinnern, wie Iscovesco gefunden hat, daß 
obgleich es an sich geringe katalytische Wirkung auf das Wasser- 
stoffsuperoxyd hat, es doch die Wirkung der Leberkatalyse ver- 
hindert. 

Vielleicht wird die hemmende Wirkung des kolloidalen 
Arsensulfids durch einen kleinen Teil nicht in Sulfid umgewandelter 
arseniger Säure hervorgerufen, und es ist bekannt, daß diese schon 
bei einer Konzentration von 1 auf 500000 die Oxydation des 
Pyrogallols verhindert (Trillat). 


Zusammenfassung. 


Nicht alle unsere Kolloide haben direkt oxydierende 
Wirkung und jene, die sie haben, machen sie nicht bei 
allen erprobt oxydierbaren Substanzen geltend. Das Eisen- 
hydrat, das Wismut und das Kalomelol ermangeln der direkt 
oxydierenden Wirkung auf alle Substanzen und erhöhen die 


54 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Wirkung der Oxydasen nicht. Das kolloidale Arsensulfid ver- 
hindert die direkte Oxydation und jene durch die Oxydasen 
hervorgerufene. 

Das kolloidale Platin oxydiert direkt das Pyrogallol, das 
Paraphenylendiamin, das Guajacharz und das Hydrochinon ; 
auf das Tyrosin wirkt es nicht direkt. Das Silber und das 
Gold oxydieren direkt das Guajacharz und das Paraphenyl- 
endiamin ; sie beeinflussen nicht das Pyrogallol, das Hydrochinon 
und das Tyrosin. 

Das Collargol und das Mangan oxydieren nur das Guajao- 
harz und das Paraphenylendiamin, das Hyrgol nur das Guajac- 
harz und in geringerem Maße das Hydrochinon. 

Auf das Tyrosin wirkt kein Kolloid direkt; das Platin, 
das Silber, das Mangan, das Gold und das Collargol erhöhen 
die Wirkung der Tyrosinase. Es gibt also Fälle, in welchen 
das Kolloid, das Eigenwirkung hat, auch die Wirkung der 
Oxydasen steigert. (Beispiel: Platin auf Pyrogallol, Platin, 
Gold, Silber und Mangan auf das Paraphenylendiamin.) In 
andern Fällen wirkt das Kolloid selbst nicht, sondern erhöht 
die Wirkung der Oxydasen. (Beispiel: Platin, Silber, Mangan, 
Gold und Collargol auf das Tyrosin). Endlich gibt es auch 
Kolloide, welche Eigenwirkung haben, aber die Wirkung der 
Oxydasen nicht erhöhen. (Beispiel: Platin, Gold, Silber auf 
das Hydrochinon, Collargol, wenn auch in geringerem Maße, 
auf das Paraphenilendiamin). í 

Aus unseren Versuchen über das Mangan geht hervor, daß, 
während einige Mangansalze und besonders die Salze der 
schwachen Säuren (Milchsäure, Citronensäure) starke, direkt 
oxydierende Wirkung auf viele Phenole haben, das kolloidale 
elektrische Mangan nur schwach und nur auf das Guajacharz 
und das Paraphenylendiamin wirkt. Es ist bekannt, wie 
Bertrand die oxydierende Wirkung der Magansalze der 
Hydrolyse, der sie unterworfen sind, zuschreibt nach folgen- 
der Gleichung: 

RMn-+ H,O=RH, + MnO. 

Das Manganoxyd würde sich dann mit den Sauerstoff- 
molekülen in Dioxyd verwandeln und dabei aktiven Sauerstoff 
in Freiheit setzen, nach der Gleichung 

MnO + O, = MnO, + O, 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 55 


und andererseits würde sich das Mangansalz wiederherstellen, 
indem es neuen Sauerstoff aus dem Dioxyd in Freiheit setzt 
nach der Gleichung: 

RH, + MnO, = RMn + O + H,O. 

Nun verlangt aber dieser Vorgang, daß das Mangan sich 
in Form eines leicht hydrolysierbaren Salzes vorfindet. Beim 
kolloidalen, metallischen Magan ist dies nun nicht der Fall, 
und das erklärt seine geringere oxydierende Wirkung. Die 
Behauptung Trillats,!) daß das Mangan sich im kolloidalen 
Zustande befinden müsse, um stärker zu oxydieren, erscheint 
uns darum nicht beachtenswert. In den Verbindungen, die 
Trillat durch Mischen eines Mangansalzes mit einem Alkali 
in Gegenwart von Albumin, welches das Ausfällen verhindern 
sollte, erhielt, war vielleicht noch etwas Salz im nichtkolloi- 
dalen Zustande vorhanden, welches dann dadurch, daß es 
hydrolisierte, oxydierend wirkte. 

Wie ist es zu erklären, daß das Platin und andere Kolloide 
keinen direkten Einfluß auf das Tyrosin haben und die Wirkung 
der Tyrosinase erhöhen ? 

Wir suchten diese Frage dadurch zu lösen, daß wir die 
Tyrosinase und das Platin dem Tyrosin zu verschiedenen Zeiten 
zusetzten. In einer Serie von Versuchen brachten wir in Tuben 
je eine Mischung von 5 com gesättigter Tyrosinlösung und 
10 Tropfen Tyrosinase. Die erste Tube blieb unverändert als 
Probe. In die zweite wurden sofort 10 Tropfen kolloidales 
Platin gegossen, in die dritte kam diese Quantität erst nach 
1/, Stunde, in die vierte nach 2, in die fünfte nach 3, in die 
sechste nach 7 und in die siebente nach 12 Stunden. 

Die Tuben waren alle in den Wärmeschrank gestellt worden 
und wurden 20 Stunden nach dem Augenblick, in dem das 
Platin zugesetzt worden war, wieder herausgenommen. Auf 
diese Weise machten wir den Fehler, die letzten Tuben länger 
im Wärmeschranke gelassen zu haben; wir werden jedoch sehen, 
daß dies nicht in Betracht zu ziehen war, denn wir fanden, 
daß die Oxydation in den ersteren weiter vorgeschritten war, 
obgleich sie weniger Zeit im Wärmeschranke gewesen waren. 

In einer zweiten Serie von Versuchen füllten wir 7 Tuben 
mit einer Mischung von 5ccm Tyrosin und 10 Tropfen Platin; 


1) Trillat, Compt. rend. 1904, 274. 


66 C. Foà und A. Aggazzotti: 


die Tyrosinase wurde in den gleichen Zeitabständen und in der 
gleichen Reihenfolge wie bei dem vorhergehenden Versuche hin- 
zugegossen. Diese Versuche ergaben folgendes: 

Wenn das Platin gleichzeitig mit der Tyrosinase und dem 
Tyrosin vereinigt wird oder !/, Stunde nach dieser, dann kommt 
die Oxydation viel energischer zustande, als wenn kein Platin 
gegenwärtig ist. Wenn dieses 2 oder 3 Stunden später hinzutritt, 
bleibt es ohne Wirkung und die Oxydation vollzieht sich wie in der 
Tube, in welche kein Platin kam. Wenn man hingegen Tyrosin 
und Platin vermischt und dann in Zeitabständen Tyrosinase 
zusetzt, dann ist für die gleiche Wirkungsdauer die Oxydation 
gleich. Für diese Erscheinung können wir folgende Erklärung 
versuchen: Die Tyrosinase geht mit dem Tyrosin Verbindungen 
ein, welche eine bestimmte Zeit beanspruchen (ca. 3 Stunden). 
Das Platin beeinflußt das Tyrosin nicht, aber es wirkt auf die 
Tyrosinase und bringt energischer oxydierende Verbindungen 
zustande. 

Wenn es daher zugesetzt wird, solange noch ein wenig 
freie Tyrosinase vorhanden ist, kann es deren oxydierende 
Wirkung erhöhen; wenn es aber erst nach 3 Stunden zugesetzt 
wird, findet es die Tyrosinase schon an das Tyrosin gebunden 
und wirkt nicht mehr. Zur Bekräftigung dieser Hypothese 
diente die zweite Serie von Versuchen. Diese zeigen, daß das 
Platin mit dem Tyrosin keine Verbindung eingeht, und daß die 
Oxydation erst in dem Augenblick einsetzt, in welchem man 
die Tyrosinase hinzufügt, die das Platin noch 12 Stunden, nach- 
dem es mit dem Tyrosin vermischt worden war, frei antrifft 
und mit ihm jene Verbindungen eingeht, die die oxydierende 
Wirkung erhöhen. 

Nachdem wir so gefunden hatten, daß einige kolloidale 
Metalle fähig sind, einige Substanzen katalytisch zu oxydieren 
und die Wirkung der Oxydasen zu erhöhen, übertrugen wir 
unsere Untersuchungen auf einige Prozesse, welche im Organis- 
mus sich vollziehen, und beabsichtigten festzustellen, ob das 
Steigen der Temperatur, das die kolloidalen Metalle verursachen, 
nicht der Einwirkung einiger Erscheinungen, die im unmittel- 
baren Zusammenhang mit der tierischen Wärme sind, zugeschrieben 
werden kann und begannen mit der Untersuchung der respira- 
torischen Kraft der Gewebe. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 67 


Kolloidale Metalle und respiratorische Kraft der Gewebe. 


Über die respiratorische Aktion der Gewebe wurden in 
letzter Zeit von Battelli und Stern!) Untersuchungen an- 
gestellt. Sie stellten die Hauptbedingungen für dieses Studium 
fest und untersuchten, welche Wirkung verschiedene Substanzen 
auf diese respiratorische Tätigkeit haben. In gleichem Sinne, 
wenn auch nach etwas anderer Methode, arbeiteten Lussana?) 
und Fletscher?). Auf diese Arbeiten verweisen wir den Leser 
für das, was die Theorie der Respiration der aus dem Organismus 
isolierten Gewebe und die Bedingungen, unter welchen diese 
sich vollzieht, betrifft. 

Um die respiratorische Kraft der Gewebe direkt zu 
messen, benützten einige Autoren ganze Organe, andere auch 
Brei dieser Organe. So machte Lussana seine Versuche 
an Stücken Leber oder an Muskeln eines Frosches. Er tat 
sie in ein verschlossenes Gefäß und wog am Ende des 
Versuches die ganze Luft des Rezipienten. Er fand so 
die Quantität der abgegebenen Kohlensäure und des rest- 
lichen Sauerstoffes.. Er berechnete die Menge des absorbierten 
Sauerstoffes aus dem Stickstoff, welcher nach der Analyse ver- 
blieb. Battelli und Stern hingegen taten den Brei, in Blut 
oder irgend einer andern Flüssigkeit suspendiert, in ein tariertes 
Gefäß, und bestimmten die Kohlensäure und den Sauerstoff 
durch Absorption, durch Kalilauge resp. mit Phosphor. Als sie 
reinen Sauerstoff benützten und den Rezipienten mittels einer 
T-Röhre, mit einer als Wassermanometer funktionierenden 
Hempelschen Bürette in Verbindung brachten und damit das 
Gas des Rezipienten unter atmosphärischen Druck setzten, war 
es möglich, von Anfang bis zum Schluß des Versuches festzu- 
stellen, wieviel das Gas an Volumen eingebüßt hatte. 

Zu unseren Versuchen verwendeten wir in physiologischer 
Kochsalzlösung suspendierte Organbreie. Zwei Flaschen wurden 


1) Battelli u. Stern, Journ. de Physiol. u. Pathol. gen. 1907, 1; 
Battelli u. Stern, Ibid. 1907, 228; Battelli u. Stern, Arch. Int. de 
Physiol. 1907, 468. 

2) Lussana, Arch. di Fisiologia 1905, 445, e Boll. d. So. Med. di 
Bologna 1907. 

3) Fletscher, Journ. of Physiol. 23, 10. 


68 C. Foà und A. Aggazzotti: 


mit einem Gummipfropfen, der von einem Glashahn durch- 
bohrt war, verschlossen und durch Wägen genau tariert, da- 
durch daß man sie bis zum Verschluß des Hahns mit Wasser 
füllte. Das auf diese Weise festgestellte Volumen der beiden 
Flaschen war 493,3 resp. 519 ccm. Es wurden dann in zwei 
Kapseln gleiche Quantitäten gut vermischten Breies des Organs 
gewogen; jede wurde dann mit physiologischer Lösung auf ein 
bestimmtes Volumen gebracht und dann in die entsprechende 
Flasche getan, Es wurde sorgfältig darauf geachtet, daß mög- 
lichst genau gewogen wurde und keine Substanz verloren ging. 
Da uns das Volumen des leeren Rezipienten und das der ein- 
geführten Flüssigkeit bekannt war, kannten wir auch das Vo- 
lumen der Luft. Der Hahn wurde geschlossen und Hahn und 
Pfropfen an die Flaschen gebunden, dann wurden diese 
gleichzeitig in einen weiten Wasserwärmeschrank bei 38 bis 40° 
getan und auf einen durch eine Wasserturbine bewegten Schwing- 
hebel gestellt und heftiger Erschütterung ausgesetzt. Nach einer 
bestimmten Anzahl von Stunden wurden sie wieder heraus- 
genommen, und nachdem sie kalt geworden waren, wurde zur 
Analyse der zurückgebliebenen Luft übergegangen. Es wurde 
eine Probe mittels einer Hempelschen Quecksilberpipette ent- 
nommen. 


Die Analyse wurde mit dem Grandisschen?) Apparat, der 
die genauesten Resultate gibt, vorgenommen und auf das Anfangs- 
volumen der in den Flaschen enthaltenen Luft reduziert. Wenn 
es auch scheinen könnte, daß das Messen der Luft dadurch, 
daß man das Volumen des einzuführenden Breies mißt, nicht 
sehr genau gelungen wäre, haben Kontrollversuche, die in der 
Weise gemacht wurden, daß man in die zwei Flaschen dasselbe 
Quantum Brei desselben Organs im Kontakt mit demselben 
Quantum Luft tat, erwiesen, daß diese Methode genügend 
genaue Resultate ergibt und daß ein kleiner Irrtum im Messen 
des Volumens des eingeführten Breies keinen in Betracht zu 
ziehenden Einfluß auf das endliche Bestimmen des Gases hat, 
vorausgesetzt, daß die Quantität Luft, mit welcher experimentiert 
wird, genügend groß ist. 


1) Grandis, Description d’un crisiotonome£tre (Arch. ital. de Biol. 
39, 325). 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 59 


Zum Beweise dessen wollen wir über unsere Versuche be- 
richten: 

Versuch 1. 

In die Flaschen a, resp. b werden 50 g gut gemischter Brei von 
Kaninchenmuskeln getan und mit physiologischer Lösung auf 150 com 
gebracht. Man schüttelt sie während 3 Stunden bei 38°, nach deren Ver- 
lauf findet man: 


Absorbierten Sauerstoff — a 13,6 com 


99 b 13,3 29 
Flasche a 12,9 ccm 
CO, abgegeben i „b132, 
Versuch 2. 


Ist gleich wie der vorhergehende, aber es werden 50 g Brei gut ver- 
mischter Hundeleber genommen. Nach 4stündiger Bewegung bei 380 
findet man: 


Saverstoft absorbiert en a 16,2ccm 


99 b 15,9 [I] 
Flasche a 13,6 ccm 
CO, abgegeben i O bll, 


Nachdem wir so gefunden hatten, daß die Mothode brauch- 
bar war und wir beinahe die ziemlich eng gezogene Fehler- 
grenze kannten, machten wir mit kolloidalem Silber und Platin 
Versuche über die respiratorische Tätigkeit der Gewebe. 

Die Silberlösung war immer dieselbe: 0,30°/,, Silber und 
stabilisiert. Die stabilisierte Platinlösung enthielt 0,28°/,, Platin. 
Auf der Tabelle sind die Ergebnisse der Versuche angegeben. 

Aus diesen Versuchen folgt, daß das kolloidale Silber, wenn 
es dem Brei von einem Gewebe direkt zugefügt wird, beinahe 
gar nicht auf die Respiration des Gewebes selbst wirkt. Manch- 
mal nimmt die Quantität des absorbierten Sauerstoffes nur 
wenig zu, manchmal die der abgegebenen Kohlensäure, und 
manchmal nimmt die eine oder die andere, oder beide dieser 
Quantitäten ab, aber immer nur sehr wenig. Nur einmal kam 
es vor, daß das Silber die respiratorische Kraft der Hundeleber 
sehr vermindert (Vers. 7). Kleine Mengen Silber haben eher 
Neigung den Gasaustausch zu steigern (Vers. 3, 6, 7, Ausnahme 
Vers. 11), während größere Mengen ihn hemmen (Vers. 4, 5, 9). 

Große Mengen Platin (Vers. 12) setzten den Gasaustausch 
sehr herab, während eine lOmal geringere Konzentration (Vers. 13) 
keinen nennenswerten Einfluß hatte. Jedenfalls steht fest, daß 
es die respiratorische Tätigkeit der Muskeln nicht erhöht. 


60 C. Foà und A, Aggazzotti: 


Nachdem wir diese negativen Resultate erhalten hatten, 
wollten wir nach einer andern Methode experimentieren, d. h. 
wir wollten untersuchen, ob die Muskeln eines Tieres, dem 
kolloidales Silber in das Blut eingespritzt worden war, lebhafter 
respirierten als die eines normalen. 

Wir machten die Versuche an Kaninchen und versicherten 
uns erst durch zwei Versuche, daß zwei gleiche Quantitäten 
Muskelbrei, der von zwei beinahe gleichaltrigen und gleich- 
rassigen Kaninchen genommen wurden, die gleiche respiratorische 


Kraft besitzen. 
Versuch 14. 

Von zwei jungen, weißen Kaninchen werden je 50 g Muskelbrei 
hergestellt. Mit physiologischer Lösung wurde das Volumen der Mischung 
auf 150 ccm gebracht. Wir setzten die beiden Flaschen einer 3stündigen 
Bewegung bei 39° aus und fanden nach deren Verlauf: 


Sauerstoff absorbiert Kohlensäure abgegeben 


Flasche a 19,09 18,51 

F b 17,65 17,23 

Differenz 1,44 1,28 
Versuch 15. 


Ist gleich wie der vorhergehende und wird mit Muskeln zweier 
anderer Kaninchen gemacht. Man schüttelt bei 390 11/, Stunden lang. 


O, absorbiert CO, abgegeben 
‘Flasche a 15,91 14,33 
5, b 16,01 13,03 
Differenz a—b — 0,10 + 1,30 


Nachdem wir so gefunden hatten, daß die Differenzen zwischen der 
respiratorischen Kraft zweier normaler Kaninchen unter denselben Be- 
dingungen nicht groß sind und uns deren Grenzen ziemlich genau bekannt 
waren, machten wir einen Versuch, bei welchem wir die respiratorische 
Kraft zweier Kaninchenmuskeln, deren einem in die Auricularvene 30 com 
kolloidales Silber gespritzt worden waren, verglichen. Der Kürze wegen 
werden wir letzteres Kaninchen Ag. nennen. 


Versuch 16. 

Es werden 50 g Muskelbrei eines normalen Kaninohens genommen 
und 50 g eines solchen von gleichem Gewicht, dem aber 1 Stunde vorher 
30 com Silber in die Auricularvene eingespritzt worden waren. Das Ganze 
wird einer Bewegung bei 39° ausgesetzt. Volumen der Mischung je 150 ccm. 

O, absorbiert CO, abgegeben 
Normales Kaninchen a 16,12 16,12 
Kaninchen Ag. b 14,99 15,00 
Differenz a—b 1,13 1,12 


61 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 





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usgedodge #09 | Aaarqzosqe $0 


CO, ab- 
gegeben 





62 €. Foà und A. Aggazzotti: 


Dieser Versuch zeigt, daß eine Einspritzung kolloidalen Silbers die 
respiratorische Kraft der Muskeln nicht steigert, sondern sie im Gegenteil 
um ein Geringes vermindert, was jedoch in den Versuchsfehlergrenzen 
liegt. Es ist zu beachten, daß im Augenblick, in welchem das Kaninchen 
geschlachtet wurde, die Körpertemperatur nicht gestiegen war. 

Battelli und Stern zeigten, daß die Kaninchenmuskeln an und 
für sioh schon eine geringe respiratorische Kraft besitzen, und daß diese, 
dadurch daß man das wässerige Extrakt von Hundemuskeln hinzusetzt, 
sehr gesteigert werden kann. Dieses Extrakt hat an und für sich keine 
respiratorische Kraft, ebensowenig der Brei, der davon zurückblieb; wird 
aber der Brei mit dem Extrakte vereint, dann respirieren beide zu- 
sammen aktiv und das Extrakt ist fähig, die respiratorische Kraft der 
Muskeln anderer Tiere sehr zu steigern. Es war interessant, zu unter- 
suchen, ob die von dem wässerigen Extrakt der Hundemuskeln aus- 
geübte Wirkung vom kolloidalen Silber nicht erhöht oder ersetzt werden 
könnte Wir untersuchten seine Wirkung auf die Respiration der 
Kaninchenmuskeln, nachdem das wässerige Extrakt von Hundemuskeln 
hinzugesetzt worden war. 


Versuch 17. 
Flasche a: 50 g Kaninchenmuskeln werden mit frischem, wässerigem 
und durch Hundemuskeln filtrierten Extrakt auf 150 ccm gebracht (300 g 
Wasser -+ 200 g Muskeln). Flasche b: Dieselbe Mischung + 5 com kol- 
loidales Silber. Nach 3stündiger Bewegung bei 39° findet man: 


O, absorbiert CO, abgegeben 





Flasche a 43,36 44,99 
» b 40,55 41,33 
Differenz 2,80 3,66 


Das Silber hat also den Gasaustausch, den das wässerige Extrakt 
von Hundemuskeln erhöht hatte, herabgesetzt. 


Versuch 18. 


Die Muskeln eines kaum geschlachteten und verbluteten Hundes 
werden mit der Maschine klein zerhackt, und dann wird davon ein 
doppelter wässeriger Extrakt hergestellt. Der Rückstand wird sodann 
durch feine Leinwand gequetscht und das wässerige Extrakt so abge- 
sondert; dieses stellt man sodann auf Eis. Inzwischen werden 50 g des 
hergestellten und getrockneten Breies mit physiologischen Lösung und 
10 ccm Wasser auf 185 oom gebracht. In die Flasche b kommen an 
Stelle der 10 com Wasser 10 ccm kolloidales Silber. Nach 3stündiger 
Bewegung bei 36° findet man: 


O, absorbiert CO, abgegeben 
Flasche a 4,77 4,17 
ie. b 8,30 6,34 
Differenz b—a BETTY 217 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 63 


Nachdem das wässerige Extrakt während 4 Stunden auf dem Eis 
gewesen war, werden davon in die Flasche a 150 com + 10 com Wasser 
und in die Flasche b dieselbe Quantität + 10 ocom kolloidales Silber 
getan. Nach 4stündiger Bewegung bei 39° bemerkt man in beiden 
Flaschen reichliche Flocken präzipitierten Albumins, die sicher nicht 
durch Wärmekoagulation entstanden sind. Bei der Analyse findet man: 


O, absorbiert CO, abgegeben 








Flasche a 14,66 16,83 
» b 15,18 14,63 
Differenz a—b — 0,52 + 2,20 


Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß während das kolloidale 
Silber die respiratorische Kraft des aus den Hundemuskeln her- 
gestellten Breies ein wenig erhöht hat, es die Quantität der 
abgegebenen Kohlensäure des wässerigen Extraktes steigert und 
die Quantität des absorbierten Sauerstoffes ein wenig ver- 
mindert. 

Schlußfolgerung: Kleine Mengen kolloidalen Silbers 
haben weder große Wirkung auf die respiratorische Kraft der 
Muskeln, noch auf die der Leber, wenn auch im allgemeinen Neigung 
besteht, den Gasaustausch um ein Geringes zu steigern. In 
stärkerer Konzentration vermindern die beiden Kolloide die 
respiratorische Kraft der Gewebe. Die bis jetzt berichteten 
Versuche berechtigen uns nicht, zu behaupten, das auf eine 
Einspritzung kolloidalen Silbers folgende Steigen der Tempe- 
ratur des Tieres werde durch einen aktiven respiratorischen 
Austausch der Gewebe hervorgerufen, und diese Folgerung 
stimmt mit dem Befund von M. Ascoli und Izar überein, 
nämlich, daß das Steigen der Temperatur, das sich beim 
Menschen unter dem Einflusse der kolloidalen Metalle einstellt, 
nicht gleichen Schritt hält mit den Veränderungen des von 
ihnen näher untersuchten Stickstoffaustausches.. Wenn man 
andererseits in Betracht zieht, daß die respiratorische und oxy- 
dierende Kraft der Gewebe als voneinander ganz unabhängige 
Phänomene betrachtet werden, wird es einen nicht in Erstaunen 
setzen, einen Widerspruch zwischen den Versuchen in vitro 
über die oxydierende Wirkung der kolloidalen Metalle und jenen 
über die respiratorische Kraft der Gewebe zu finden. 


64 C. Foà und A. Aggazzotti: 


Über die mikrobentötende und antitoxische Wirkung 
des kolloidalen Silbers. 


Die häufige Verwendung der kolloidalen Metalle in den 
letzten Jahren zu therapeutischen Zwecken bewog uns, ihre 
Wirkung auf die Mikroben und die Toxine experimentell zu 
erproben. 

Über die bakterientötende Wirkung des Collargols existieren 
nicht viele Arbeiten, und die, welche vorhanden sind, wider- 
sprechen sich. Schloßmann') fand, daß das Collargol den 
Staphylococcus, das Bacterium coli und die Diphteriebacillen 
tötet. 

Baldoni?) fand, daß das 1°/,ige Collargol in !/, Stunde den 
Staphylococcus und den Streptococcus tötet. Brunner?) ex- 
perimentierte mit viel größerer Genauigkeit und fand, daß es 
fähig ist, die Entwicklung der Bakterien zu lähmen, daß aber 
seine mikrobentötende Wirkung ziemlich gering ist. 

Zu den gleichen Ergebnissen führten die genauen Unter- 
suchungen Cohnst), der über den Streptococcus, Staphylococcus 
aureus, die Diphtheriebacillen und Milzbrandbacillen ohne Sporen 
Versuche machte. Die Untersuchungen über die therapeutische 
Wirkung des Collargols bei experimentellen Infektionen führten 
zu ganz und gar negativen Resultaten. Beyer°) berichtet über 
2 Versuche, bei welchen es gelungen sein soll, ein Kaninchen 
von der Staphylokokkeninfektion zu heilen, aber diese Versuche 
sind nicht überzeugend, weil er kein Kontrollkaninchen hielt. 
Brunner (loc. cit.) hatte ganz und gar negative Resultate bei 
der Staphylokokkeninfektion des Kaninchens, und Cohn (loc. cit.) 
fand die Einspritzungen oder Einreibungen mit Collargolsalbe 
bei der künstlich herbeigeführten Streptokokken-, Staphylo- 
kokken-, Cholera- und Milzbrandinfektion ohne Wirkung, ja 
sogar manchmal schädlich. Der Autor schreibt diese negativen 
Ergebnisse dem Umstande zu, daß das Collargol nicht auf- 


1) Schloßmann, Therap. Monatsh., Mai 1899. 

2) Baldoni, La Clinica Veterinaria di Milano, Oktober 1899. 

3) Brunner, Fortschritte d. Med. 18, 81, 1900. 

4) Cohn, Über den antiseptischen Wert des Argentums Colloidale 
Cred& und seine Wirkung bei Infektionen. Centralbl. f. Bakt 22, 732 
u. 804, 1902. 

&) Beyer, Münch. med. Wochenschr. 1902, Nr. 8. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 65 


gelöst im Blut zirkuliert, sondern in den Organen präzipitiert 
und sich als winzige, schwarze, metallische Silberkörnohen aus- 
scheidet. 

Über die mikrobentötende Wirkung des kolloidalen Platine, 
Palladiums, Goldes und der andern Metalle sind keine Versuche 
gemacht worden, wenigstens unseres Wissens nicht. 

Über die bakterientötende Wirkung des kolloidalen nach 
der Bredigschen Methode hergestellten Silbers stellten Cerno- 
vodeanu und Henri!) Untersuchungen an. Sie fanden, daß die 
olivgrüne Sorte beinahe keine Wirkung auf die Bakterien hat, 
während die rotbraune kleinkörnige Art die Entwicklung des 
Bacteriums Pyocyaneum, des Streptococcus, der Milzbrand-, 
Dysenterie- und Typhusbakterien verhindert. Das Bacterium 
coli ist widerstandsfähiger. Chiri& und Monnier-Vinard?) 
fanden, daß dasselbe Silber die Entwicklung des Pneumococcus 
verhindert. Diese Autoren sagen nicht, ob das Silber, außer 
daß es die Entwicklung der Bakterien verhindert, auch die- 
selben zu töten fähig ist. 

Über die Wirkung des kolloidalen, elektrischen Silbers auf 
die experimentell herbeigeführten Infektionen sind uns nur die 
Versuche von Chirie und Monnier-Vinard (loc. cit.) bekannt. 
Diese fanden, daß bei der Pneumokokkeninfektion der Ratten 
und Mäuse das Silber keine heilende Wirkung hat, außer bei 
den leichten Infektionen. 

Wir sprachen bis jetzt von der bakterientötenden Wirkung 
der kolloidalen Metalle; über ihre antitoxische Wirkung kennen 
wir nur die Arbeit von Hamburger?). Dieser untersuchte, 
ob das Collargol die Fähigkeit besitzt, das Staphylolysin zu 
oxydieren. Er fand, daß mit !/, com Collargol von 1°/, + 1 com 
Staphylolysin keine Hämolyse hervorgerufen wird, während 
kleinere Dosen Collargol fähig sind, die Hämolyse zu steigern. 
Dazu müssen wir bemerken, daß die Hämolyse uns kein gut 
gewähltes Phänomen für Untersuchungen über die Wirkung des 
Collargols auf das Staphylolysin scheint, weil zwischen Collargol, 
Lysin und dem Serum kolloidale Verbindungen zustande kommen, 
welche die Erklärung der Resultate, was die Hämolyse anbelangt, 


1) Cernovodeanu und Henri, C. R. Soc. Biol. 1906, 120 u. 122. 
8) Chiri6 und Monnier-Vinard, C. R. Soc. Biol. 1906, 673. 
3) Hamburger, Arch. int. de Physiol. 1, 145. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. k 5 


66 C. Foà und A. Aggazzotti: 


sehr erschweren, da diese sehr variieren kann, je nachdem die 
verschiedenen Reaktiven den roten Blutkörperchen zugefügt 
werden (s. Cernovodeanu und Henri)!). 

Wir teilten unsere Beobachtungen in 2 Kategorien ein. 
Einerseits untersuchten wir, welche Wirkung die Kolloide in 
vitro auf die Bakterien haben, andererseits, welche Wirkung 
die Kolloide auf den Fortschritt der Bakterieninfektionen bei 
Tieren haben, und ob sie auf die Bakterientoxine wirken 
oder nicht. 

Sind die von uns untersuchten Kolloide fähig, die Ent- 
wicklung der Bakterien zu verhindern? Sind sie fähig, die 
schon entwickelten Bakterien zu töten? 

Um die erste Aufgabe zu lösen, fügten wir einer be- 
stimmten Quantität Fleischbrühkultur ansteigende Dosen der 
verschiedenen Kolloide bei und säten dann die Mikroorganismen 
hinein. Um die mikrobentötende Kraft festzustellen, taten wir 
in eine schon entwickelte Kultur die ansteigenden Dosen der 
Kolloide, und von Stunde zu Stunde fügten wir 1 oder 2 Platin- 
ösen dieser Kultur einer Tube mit steriler Fleischbrühe hinzu. 
Auf diese Weise hätten wir beobachten können, von weloher Dosis 
und in welcher Zeit die Mikroben getötet worden wären. Wir 
müssen bemerken, daß viele der von uns verwendeten Kolloide 
sofort oder wenige Stunden, nachdem sie der Fleischbrühe zu- 
gesetzt worden waren, präzipitierten. Wenn kleine Dosen Kolloid 
zugesetzt wurden, war dies jedoch nicht der Fall (z.B. 10 Tropfen 
auf 5ccm Fleischbrühe), sowie aber die Dose Kolloid größer 
war, gab es eine Fällung. Damit sich das Metall nicht als 
ein wirkungsloses Pulver, das sicherlich seiner mikrobentötenden 
Wirkung verlustig gegangen wäre, absetzte, mußten wir das 
instabile Kolloid mit einer großen Quantität stabilen Kolloids, 
z. B. Blutserum oder arabischem Gummi, stabilisieren. Der 
Bequemlichkeit wegen wählten wir letzteres. Dieses enthält 
jedoch immer Keime von Schimmelpilzen und diese widerstehen 
der Wirkung des Kolloids kräftig; solange das Kolloid sehr 
konzentriert ist, wachsen sie nicht, aber sobald es verdünnt 
wird, entwiokeln sie sich, also sind sie gelähmt, aber nicht 
getötet gewesen; während die Krankheitserreger, wie wir 


1) Cernovodeanu undHenri, Recherches sur l’hemolyse. C. R. Soo. 
Biol. 1905). 


+ 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 67 


sehen werden, der Wirkung des Kolloids viel weniger Wider- 
stand leisten. Um das Gedeihen der Schimmelpilze, das die 
Ergebnisse verschleiert hätte, zu verhüten, ließen wir das 
stabilisierte Kolloid, bevor wir es in Gebrauch nahmen, 2mal 
in einem Zeitabstand von 24 Stunden während !/, Stunde 
kochen. 

Wir machten mit folgenden Mikroben Versuche: 

Staphylococcus, Pyogenes aureus, Streptococcus, Pest-, 
Diphtherie-, Cholerabakterien, Bacterium coli, Typhusbakterien, 
Pyocyaneus, Dysenteriebakterien, Pneumococcus, Diplococous 
von Fränkel, Milzbrandbakterien (sporigene). 

Wir untersuchten die Wirkung folgender Kolloide: 

Großkörniges, kolloidales, elektrisches Silber zu 0,25°/,, 
(olivgrüne Lösung), kleinkörniges, kolloidales, elektrisches Silber 
zu 0,25°/,, (braunrötliche Lösung), Collargol 1°/,, kolloidales 
Eisenhydrat 1°/,, Hyrgol 1 °/,, Kalomelol 1°/, (kolloidales 
Kalomel), kolloidales Wismut 1°/,, kolloidales elektrisches Pla- 
tin 0,25°/,., Kolloidales elektrisches Gold 0,25°/,., Kolloidales 
Arsensulfid 0,55°/,- 

Um festzustellen, bis zu welchem Grad die Kolloide fähig 
wären, die Entwicklung der Mikroorganismen zu verhindern, 
bereiteten wir für jedes der Kolloide eine erste Serie von 
6 Tuben, deren erste als Muster diente, und die andern ent- 
hielten 2 resp. 4, 10 Tropfen, 1 ccm, 2 cem Kolloid. 

Gleich nachdem die Fleischbrühe mit dem Kolloid ver- 
mischt war, säten wir 2 Platinösen Mikroorganismen, die aus 
einer frischen 24 Stunden alten Kultur stammten, hinein. 

Um die mikrobentötende Kraft festzustellen, wurden die- 
selben Dosen Kolloid in eine zweite Serie von 5 Tuben, in 
welchen je 5 ccm Kultur derselben Mikroorganismen waren, 
verteilt. Eine Tube wurde als Probe gehalten, und es kamen 
noch 2 weitere Tuben dazu mit je 5 und 6 ccm Kultur + 5 com 
Fleischbrühe. Nach Verlauf '/, Stunde, 1 Stunde, 3, 7, 12, 
24 Stunden wurden 2 Platinheuser aus der Kultur entnommen 
und in Fleischbrühtuben ausgesät. 

Sowohl die Tuben der ersten Serie sowie auch jene, in 
welche Kultur der zweiten Serie gesät worden war, wurden, 
wenn die Mikroorganismen nach 24 Stunden noch nicht ent- 


wickelt waren, für mehrere Tage in den Wärmeschrank gestellt 
5* 


68 C. Foà und A, Aggazzotti: 


und nach 8 Tagen wieder herausgenommen, falls in dieser Zeit 
die Entwicklung noch nicht gediehen war. 

Folgendes sind die Ergebnisse dieser Versuche: 

Das Kalomelol, das kolloidale Wismut, das Eisenhydrat 
(welches in der Fleischbrühe ausfällt, weil es ein elektropositives 
Kolloid ist, während die Kolloide der Fleischbrühe elektronegativ 
sind) verhindern bei keiner der oben angegebenen Dosen die Ent- 
wicklung irgend eines der genannten Mikroorganismen. Das 
Hyrgol, das Platin, das Gold und das kolloidale Silber fangen 
gleich an, hemmend auf die Entwicklung zu wirken, nachdem 
man 2 bis 5 ccm Fleischbrühe zugesetzt hat. 

Das Collargol wirkt hemmend auf die Entwicklung, wenn 
man l ccm hinzufügt. 

Als die wirksamsten erweisen sich das kolloidale Arsen- 
sulfid und das kleinkörnige Silber (braunrot); diese beiden ver- 
hindern die Entwicklung aller Mikroorganismen schon durch 
Hinzusetzen von 5 Tropfen zu 5com Fleischbrühe; d. h. in 
einem Verhältnis von 0,028°/, für das erstere und 0,00125°/, 
für das zweite (4 Tropfen = !/, com gemessen). Wir müssen 
erinnern, daß das kolloidale Arsensulfid immer einen bestimmten 
Teil Arsenigsäureanhydrid enthält, und vielleicht verdankt es 
diesem Umstande seine Fähigkeit, die Entwicklung der Bakterien 
zu verhindern. Das kleinkörnige, kolloidale Silber ist also von 
allen genannten Kolloiden am fähigsten, die Entwicklung der 
Mikroorganismen zu verhindern. 

Die Ergebnisse der Versuche über die bakterientötende 
Wirkung waren folgende: 

KeinederangewandtenDosenKalomelols, kolloidalenWismuts, 
kolloidalen Eisenhydrats töten einen der Mikroben. Das Hyrgol 
tötet in 7 Stunden die Typhusbakterien, den Diplokokkus, den 
Staphylokokkus, die Pestbakterien, die Cholerabacillen, wenn 
sie in der Kultur im Verhältnis von 5°/, sich vorfinden. Unter 
denselben Bedingungen tötet es den Streptokokkus, den Pyo- 
cyaneus, die Dysenteriebakterien, die Diphteriebacillen und 
den Pneumokokkus, aber erst nach 24 Stunden. Auf die Milz- 
brandsporen wirkt es nicht. Das kolloidale Platin und Gold 
töten die Typhusbakterien und den Diplokokkus in 24 Stunden 
im Verhältnis von 0,0125°/, (1,25 auf 10000); die andern Mikro- 
organismen lassen sie lebend, auch wenn sie 24 Stunden lang 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle, 69 


einwirken. Das Collargol tötet alle Mikroorganismen in 12 Stunden 
bei einer Minimalkonzentration von 0,5°/,. 

Das kolloidale Arsensulfid tötet sie in 7 Stunden bei einer 
Proportion von 0,05°/,; vielleicht dank des darin enthaltenen 
Arsenigsäureanhydrids. 

Das kolloidale, olivgrüne Silber tötet keinen der Mikro- 
organismen in 24 Stunden bei der oben angegebenen Kon- 
zentration. 

Das kolloidale, braunrote Silber tötet nach 12 Stunden 
alle Mikroorganismen bei einer Konzentration von 0,007°/, 
(2 ccm auf 5 ccm Fleischbrühe). 

Letzteres ist also auch am meisten befähigt, Mikroben zu 
töten. 

Wir untersuchten, welche Wirkung das kolloidale, klein- 
körnige Silber auf die von Streptokokken, Staphylokokken, 
Typhusbakterien und Diplokokken infizierten Tiere hat. Die 
Giftigkeit jedes Mikroorganismus wurde durch Übertrag auf 
Tiere erhöht (Streptokokkus und Staphylokokkus auf Kaninchen, 
Diplokokkus auf Maus und Kaninchen, Typhus auf Meer- 
schweinchen).. Wir erhielten so Stämme von Kulturen in 
Fleischbrühe, welche ein Kaninchen von 1500 g Gewicht in 
24 Stunden bei folgenden Dosen töten: Streptokokkus (intra- 
venös) l com, Diplokokkus (in Fleischbrühserum) */,, com, 
Staphylokokkus 1 ccm. Der Typhus tötete ein Meerschweinchen 
von 300 g in 24 bis 36 Stunden bei Dosen von 2 ccm Kultur 
in das Peritoneum. 

Bei jedem Versuch spritzten wir 2 Tieren desselben Ge- 
wichtes dieselbe Quantität Kultur ein; eines wurde zur Kontrolle 
gehalten, und am andern wurde der Versuch mit dem Silber 
gemacht. Wir machten zwei Serien von Versuchen. Bei der 
ersten Serie spritzten wir solche Bakterienkultur ein, die schon 
seit 24 Stunden mit der Silberdosis, deren bakterientötende 
Wirkung wir erprobt hatten, vermischt war. Bei der zweiten 
Serie spritzten wir zuerst die Kultur ein und erst nach 12 und 
24 Stunden starke Dosen Silber in die Venen. Bei einer dritten 
Serie, über den Typhus allein, spritzten wir die Kultur in das 
Peritoneum der Meerschweinchen und dann nach 12 Stunden 
das Silber auch in das Peritoneum. Der Resultate der Ver- 
suche der ersten Serie (2 für jedes Bakterium) waren konstant, 


70 C. Foà und A. Aggazzotti: 


wie vorauszusehen war. Die Tiere, bei welchen die Kultur 

durch das Silber getötet worden war, blieben definitiv am 

Leben, während die Kontrolltiere in 24 Stunden verendeten. 
Es folgen hier die Versuche der zweiten Serie: 


Streptokokkus. 


Versuch |. 


Zwei Kaninchen von 1500 g Gewicht werden in die Randvene des 
Ohres 1 ccm 24 Stunden alter Streptokokkenkultur eingespritzt. Eines 
davon (Kaninchen A) wird als Kontrolle gehalten, dem andern (Kanin- 
chen B) werden 1 Stunde, nachdem die Kultur eingespritzt wurde, 
30 oom Silber in die Vene des andern Ohres eingespritzt. Nach 24 Stunden 
verendet das Kaninchen A unter reichlicher Septicämie; das Kaninchen B 
ist noch am Leben, aber zusammengekauert und zitternd. Nach 42 Stunden 
verendet es ebenfalls; aus dem Blute des Herzens läßt sich der Strepto- 
kokkus isolieren. 
| Versuch 2. 

Derselbe Versuch wie der vorhergehende, mit dem Unterschiede, 
daß dem Kaninchen B eine zweite Einspritzung von 30 ocm Silber nach 
24 Stunden gemacht wird. Das Kaninchen A stirbt nach 24 Stunden, 
Kaninchen B bleibt noch 5 Tage am Leben; es überlebt das Kontroll- 
tier also um 4 Tage. 

Versuch 3. 


Ist gleich wie der vorhergehende, nur werden dem Kaninchen B 
drei Silbereinspritzungen von je 30 oom, 12 und 24 Stunden nach der 
Kultureinspritzung, gemacht. Kaninchen A stirbt nach 24 Stunden; 
Kaninchen B verendet nach 5 Tagen unter reichlicher Streptokokken- 
Septicämie. 

Diplokokkus. 


Versuch L 


In die Randvenen zweier Kaninchen von 1600 g Gewicht werden 
%/, ccm einer 24stündigen, in Fleischbrühserum gezüchteten und mit 
2ccm sterilisierter, physiologischer Kochsalzlösung verdünnten Diplo- 
kokkenkultur eingespritzt. Das Kaninchen A (Kontrolitier) stirbt nach 
24 Stunden. Dem Kaninchen B wird 1 Stunde nach der Kulturein- 
spritzung eine intravenöse Einspritzung von 30 com Silber gemacht. Es 
stirbt in 4 Tagen unter reichlioher Diplokokken-Septicämie. 


Versuch 2. 


Ist gleich wie der vorhergehende, nur wird dem Kaninchen B 
1 Stunde, 12 und 24 Stunden nach der Kultureinspritzung je eine Silber- 
einspritzung gemacht. Kaninchen A stirbt nach 36 Stunden, B über- 
lebt noch 14 Tage, dann verendet es; es ist nicht möglich, aus dem 
Blute des Herzens den Diplokokkus zu isolieren. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 71 


Versuoh 3. 


Gleich wie 2a. Kaninchen A stirbt nach 50 Stunden, B bleibt 
endgültig am Leben. 


Staphylokokkus. 


Ein einziger Versuch. Intravenöse Einspritzung in 2 Kaninchen 
von 2000 g Gewicht. Es wird 1 ccm 24 Stunden alter Kultur eingespritzt. 
Kaninchen A stirbt nach 48 Stunden. Dem Kaninchen B wird !/, Stunde, 
24 und 36 Stunden nach der Kultureinspritzung je eine Silbereinspritzung 
von 30com gemacht. Kaninchen B stirbt nach 3 Tagen; es überlebt 
das Kontrolltier um 24 Stunden. 


Typhus. 


Wir machen drei Versuche, die wir der Kürze wegen zusammenfassen, 
da sie gleiche Resultate ergaben. Einigen Meerschweinchen werden in 
das Peritoneum 2ccm frischer Typhuskultur eingespritzt. Die Kontroll- 
tiere sterben in 24 bis 36 Stunden. Die Meerschweinchen, denen inner- 
halb 48 Stunden drei intraperitoneale Einspritzungen von je 5com (deren 
erste l Stunde nach der Kultureinspritzung vorgenommen wurde) ge- 
macht wurden, überlebten definitiv. 

Bei der dritten Serie von Versuchen machten wir einem Meer- 
schweinchen eine erste Einspritzung von 5 ccm Silber, und zwar 12 Stunden 
nach der Kultureinspritzung. Dann werden innerhalb 24 Stunden zwei 
weitere Einspritzungen derselben Mengen gemacht. Drei Versuche hatten 
konstante Resultate. Die Kontrollmeerschweinchen starben in 24 bis 
48 Stunden unter reichlicher Typhus-Septicämie, während die mit Silber 
behandelten Tiere definitiv am Leben blieben. 


Zusammenfassung. 


Wird das kolloidale, kleinkörnige Silber 1 Stunde nach 
der Strepto- oder Staphylokokkeninfektion eingespritzt, dann 
wiederholt je 30 ccm, dann wird der Tod um 24 Stunden bis 
5 Tage verzögert; aber es gelingt nicht, das Tier von der töd- 
lichen Septicämie zu retten. 

Wird das kolloidale Silber 1 Stunde, 12 und 24 Stunden 
nach der Diplokokken- und Typhusinfektion eingespritzt, dann 
bleibt das Tier am Leben. 

Es rettet auch ein Meerschweinchen von der Typhus- 
infektion, wenn es erst 12, 16 und 24 Stunden nachher in 
einer Dosis von je 5 ccm in das Peritoneum eingespritzt wird. 


72 C. Foa und A. Aggazzotti: 


Versuche mit Toxinen. 


Wie wir schon berichtet, wirken einige kolloidale Metalle, 
und zwar ganz besonders das Platin und das kleinkörnige Silber 
oxydierend. Es war jetzt auf verschiedene Substanzen von 
Wichtigkeit, zu untersuchen, ob sie auch die Toxine oxy- 
dieren und sie so unschädlich machen können. Durch die 
Lieberschen Versuche!) ist es bekannt, daß die Oxydasen des 
tierischen Organismus aus der Milz und der Parotis und 
auch die pflanzlichen aus der Scorzonera hispanica?) fähig 
sind, große Quantitäten Tetanustoxin und Diphtherietoxin in 
vitro zu oxydieren und zu zerstören. 

Das Tetanustoxin wird auch von jenen, welche Lumiere 
und Chevrottier?) künstliche Oxydasen nennen und aus Gela- 
tine oder Gummi und Kaliumpermanganat bestehen, vernichtet. 
In diesem Falle spräche man anstatt von oxydasischer Wir- 
kung besser von oxydierender Wirkung. 

Wenn man die toxinenthaltenen Mittel auf Tyrosin prüft 
(Reaktionen von Millon und Deniges), dann ist die Reaktion 
stark positiv. 

Dieses Tyrosin gehört sicher teilweise den in den Nähr- 
mitteln enthaltenen Substanzen, welche zur Kultivierung des 
Bakteriums dienten, an; aber teilweise ist es auch ein Bestand- 
teil des Toxins selbst, wenn man annimmt, wie viele Autoren 
möchten, daß die Toxine den Proteinsubstanzen angehören. 
(Nach Belfanti wäre das Diphtherietoxin ein Nuclein.) So war 
also wichtig, zu erproben, welche Wirkung die Tyrosinase oder 
ein das Tyrosin oxydierende Ferment auf das Tyrosin haben. 
Zu unseren Versuchen benutzten wir 3 Toxine: Diphtherie-, 
Tetanus- und Dysenterietoxin. 

Zuerst bestimmten wir die tödliche Minimaldose dieser 
Toxine und fanden, daß das Diphtherietoxin innerhalb 48 Stunden 
ein Meerschweinchen von 300g bei einer Dose von ?/,, ccm 


1) Lieber, Über die Entgiftung der Toxine durch die Superoxyde 
sowie tierische und pflanzliche Oxydasen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 
32, 1901, 573. 

2) Id, Arch. de la Soo. Biol. d. St. Pötersbourg 9, 1901, 151. 

3) Lieber, Lumière und Chevrottier, Action des oxydases arti- 
fioielles sur la toxine tötanique. Compt. rend. 1904, 652. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 73 


tötet. Vom Tetanustoxin sind 0,003 com nötig, um ein Meer- 
schweinchen von 600 g zu töten; eine intravenöse Einspritzung 
von ?/,„ ccm Dysenterietoxin tötet ein Kaninchen von 1300 g 
Gewicht nach 48 Stunden. 

In der ersten Serie von Versuchen untersuchten wir die 
Wirkung der drei Toxine, welche wir während einiger Stunden 
mit einer aus der Russula delica entnommenen Tyrosinase (Tyro- 
sinase von G. Bertrand) im Wärmeschrank in Berührung 
gebracht hatten. Da alle Versuche gleiche Resultate er- 
gaben, betrachten wir es als unnütz, alle einzeln wiederzugeben. 
Die Tiere, welche die drei der Wirkung der Tyrosinase in vitro 
ausgesetzt gewesenen Toxine eingespritzt wurden, ertrugen sehr 
starke Dosen Toxin ohne die geringste Störung. Dieses war 
also von der Oxydase zerstört worden, übereinstimmend mit 
den Lieberschen Versuchen. 

In der zweiten Serie untersuchten wir, welche Wirkung 
die drei Toxine haben, nachdem wir sie während einiger Stunden 
mit kleinen (wenige Tropfen) und großen Dosen (lccm Tyrosin 
mit 5 cem) Silber im Wärmeschrank in Verbindung gebracht hatten. 

Die Versuche ergaben das Gegenteil der vorhergehenden, 
und die Resultate können so zusammengefaßt werden: Das 
Diphtherie-, Dysenterie- und Tetanustoxin werden von dem 
kolloidalen Silber in vitro gar nicht verändert; gleiche Dosen, 
ob mit Silber behandelt oder nicht, töten das Tier. 

In der dritten Serie spritzten wir dem Tiere die tödliche 
Dosis oder eine noch größere ein und sofort darauf starke 
Dosen Silber. Zu diesen Versuchen nahmen wir das Kaninchen, 
von dem wir schon wußten, daß es sehr widerstandsfähig gegen 
in die Venen eingeführte, starke Dosen Silber war. Für jedes 
Toxin machten wir zwei Versuche. 

Im ersten spritzten wir die minimal tödliche Dosis ein 
und im zweiten eine lOmal größere. Gleich darauf spritzten 
wir in die Randvene des Ohres 30 ccm kolloidales, kleinkörniges 
Silber zu 0,30°/,,. Gleichzeitig mit jedem Versuche spritzten 
wir zur Kontrolle einem Kaninchen desselben Gewichtes und 
beinahe der gleichen Farbe dieselbe Dosis Toxin ein. 

Die Resultate dieser Versuche waren konstant. 

Wird das kolloidale Silber in großen Dosen sofort nach 
dem Tetanus-, Diphtherie- und Dysenterietoxin in die Venen 


74 C. Foà und A. Aggazzotti: 


eingespritzt, dann ist es imstande, ein Kaninchen am Leben zu 
erhalten, wenn ihm auch 10mal größere Dosen als die minimal 
tödliche eingespritzt werden. 

Wie ist es zu erklären, daß die Wirkung des Toxins auf- 
gehoben wird, wenn das Silber in die Venen eingespritzt wird, 
und nicht, wenn es direkt mit dem Toxin in vitro vermischt wird? 

Allerdings wurden im ersteren Falle Dosen Silber eingespritzt, 
die größer waren als jene, die in vitro mit dem Toxin ver- 
mischt wurden; aber tatsächlich wurde dieses Silber im Blute 
sehr verdünnt, und im Verhältnis zum eingespritzten Toxin 
war es in noch geringerer Konzentration vorhanden, als jenes 
bei den Versuchen in vitro. Es ist also nicht die Quantität 
Silber, welche die Resultate der Versuche der dritten Serie be- 
einflußt. Um diese Ergebnisse zu erklären, müssen wir auf 
die Versuche über die Wirkung der kolloidalen Metalle auf das 
Tyrosin allein und in Gegenwart von Tyrosinase zurückkommen. 
In jenen Versuchen hatten wir gefunden, daß keines der kolloi- 
dalen Metalle das Tyrosin direkt oxydiert, aber daß das Platin 
und das Silber die Wirkung der Tyrosinase sehr erhöhen. Wenn 
man bedenkt, daß die Tyrosinase in beinahe allen Organen 
verbreitet ist, erscheint die Hypothese, daß das kolloidale Silber 
in vitro nicht fähig ist, die Toxine zu oxydieren, so wie es 
auch das Tyrosin nicht oxydiert, nicht ungerechtfertigt. Nach 
dieser Hypothese würde das kolloidale Silber nicht direkt auf 
die Toxine wirken, sondern dem Organismus eine größere Fähig- 
keit verleihen, durch Oxydieren die Bakterientoxine zu zer- 
stören, d. h. ihn widerstandsfähiger zu machen. 


Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle. 


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Physiologische Wirkung der kolloidalen Metalle; 


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Über Fleischersatzmittel. 


Von 
E. Salkowski. 


(Aus der chemischen Abteilung des Pathologischen Instituts der Universität 
zu Berlin.) 


(Eingegangen am 27. Mai 1909.) 


Eine längere Reihe von Jahren hindurch habe ich mich 
u. a. mit der Frage beschäftigt, ob es nicht möglich wäre, ein 
billiges, für die Aufbesserung der Nahrung der unteren Volks- 
schichten geeignetes Eiweißmaterial zu beschaffen. 

Die Wichtigkeit dieses Problems kann nicht bestritten 
werden. Denn wenn in der Wertschätzung des Eiweißes zurzeit 
auch eine rückläufige Bewegung eingetreten zu sein scheint 
und hervorragende Forscher jetzt auf dem Standpunkt stehen, 
daß die Bestrebungen, ein Eiweißmaterial für die allgemeine 
Ernährung einzuführen, aussichtslos und auch theoretisch nicht 
gerechtfertigt sind, so läßt sich doch mancherlei gegen diese 
Anschauungen einwenden. Es ist sicher richtig, daß der mensch- 
liche Organismus auch mit einer verhältnismäßig eiweißarmen 
Nahrung auskommen kann, es ist auch nicht zu bestreiten, 
daß, wie Baelz?) vor einiger Zeit ausgeführt hat, sehr erheb- 
liche körperliche Leistungsfähigkeit bei verhältnismäßig geringer 
Eiweißzufuhr bestehen kann. Die Anschauung, daß eine relativ 
hohe Eiweißzufuhr unnötig und ein Luxus sei, erscheint mir 
trotzdem nicht ausreichend begründet. Grobe körperliche Lei- 
stungen sind doch nicht das einzige, was vom Menschen ver- 


1) Berl. klin. Wochenschr. 1901, Nr. 26. Baelz exemplifiziert dabei 
auf die Japaner, betont übrigens aber, daß es ein Irrtum sei, wenn 
der Reis für die fast ausschließliche Nahrung der Japaner und Chinesen 
gehalten wird, vielmehr würden auch sehr eiweißreiche Vegetabilien 
genossen. 


84 E. Salkowaki: 


langt wird. In vielen Industriezweigen sind heute auch die 
an den Arbeiter gestellten Anforderungen psychischer Art hin- 
sichtlich Intelligenz, Aufmerksamkeit, schneller Entschlußfähig- 
keit unerwarteten Vorkommnissen gegenüber usw. nicht geringe. 
Ob auch für diese Leistungen geistiger Art eine nur nach der 
Zahl der Kalorien bemessene Nahrung mit einem Minimum von 
Eiweiß genügt, erscheint mir sehr zweifelhaft. Ich bin auch 
überzeugt, daß unter den Ursachen der größeren Morbidität 
und Mortalität, der geringeren Widerstandsfähigkeit der hand- 
arbeitenden Schichten der Bevölkerung die ungenügende Er- 
nährung, d.h. der Hauptsache nach der zu geringe Eiweiß- 
gehalt der Nahrung eine wesentliche, vielleicht die Hauptrolle 
spielt. Diese Anschauung, mit der ich sicher nicht allein stehe, 
hat neuerdings eine wesentliche Stütze erfahren in den wichtigen 
Mitteilungen von J. Forster!), aus denen man schließen kann, 
daß die Bildung spezifischer Antikörper von der Reichlichkeit 
der Eiweißzufuhr abhängig ist. 

Nun ist gewiß nichts schwerer, als in den Volksgewohn- 
beiten eine Änderung herbeizuführen, wie sie in dem Zusatz 
eines Eiweißpulvers oder Eiweißpräparates zur gewohnten Nah- 
rung bestehen würde. Dennoch wäre es unrichtig, den Versuch 
aus diesem Grunde von vornherein als aussichtslos aufzugeben. 
Er hat ernstlich?) noch nicht gemacht werden können, weil es 
bisher an einem geeigneten Eiweißmaterial fehlte. Was ich unter 
„geeignet“ verstehe, möchte ich hier kurz zusammenfassen. Ein 
solches muß bedeutend billiger als das Eiweiß des Fleisches, 
leicht assimilierbar, geruchlos, von angenehmem Geschmack 
oder geschmackfrei sein. Unter „Geschmack“ ist dabei auch 
die physikalische Beschaffenheit zu subsumieren: das be- 


1) Deutsche med. Wochenschr. 1907, Nr. 49. 

3) Davon muß ich allerdings eine Ausnahme statuieren. Mit einem 
„Carne pura“ genannten Fleischpräparat — getrocknetes, gepulvertes 
Fleisch mit Salzzusatz — ist vor etwa 26 Jahren der Versuch zur Ein- 
führung in umfassender und durchaus zweckmäßiger Weise gemacht 
worden. Weshalb er nicht gelungen ist, ist mir nicht bekannt. Vielleicht 
wär bei den damaligen Fleischpreisen die Preisdifferenz gegenüber dem 
Eiweiß des frischen Fleisches nicht groß genug, vielleicht war auch der 
Salzgehalt etwas zu hoch. Das Präparat, gegen das nichts einzuwenden 
ist, kostete im Kleinverkehr pro Kilo 4,50 M. 


Über Fleischersatzmittel. 85 


treffende Eiweißpräparat darf keinen „sandigen‘‘ Geschmack 
haben, da wir eine weiche Beschaffenheit der Nahrung gewohnt 
sind, auch nicht klebrig sein, es darf endlich nicht äußerlich 
abstoßend wirken usw. 

Wer, wie ich, der Überzeugung ist, daß die Ermöglichung 
einer reichlicheren Eiweißzufuhr in der Nahrung der unteren 
Volksschichten von weittragender sozialökonomischer Bedeutung 
ist, der hat auch, sofern er dazu befähigt ist, beinahe die 
moralische Verpflichtung, sich an der Lösung dieser Frage zu 
beteiligen, die nur durch die Arbeit Vieler gelöst werden kann. 
Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich vor einer längeren Reihe 
von Jahren meine Untersuchungen über die Einwirkung des 
überhitzten Wassers auf Eiweiß!) resp. Fleischrückstände unter- 
nommen in der Idee, daß es vielleicht gelingen möchte, die 
enormen Quantitäten von Fleischrückständen, welche bei der 
Fabrikation des Liebigschen Fleischextraktes entfallen, gewisser- 
maßen zu verflüssigen, dem Verderben zu entziehen und zu 
Ernährungszwecken zu verwenden, Versuche, die allerdings in 
bezug auf das mir vorschwebende Ziel als gänzlich gescheitert 
angesehen werden müssen. 

Zunächst zeigte es sich in einem an einem Hunde von 
24 kg Körpergewicht angestellten Versuche im Stickstoffgleich- 
gewicht, daß es nicht möglich ist, das gesamte Eiweiß des 
Fleisches durch Atmidalbumose aus Fibrin zu ersetzen, weil 
dieselbe starke Durchfälle verursachte und nur zu 75,8°/, re- 
sorbiert wurde. Etwas günstiger verlief allerdings ein zweiter 
Versuch an einem kleinen Hunde von 4670 g Körpergewicht, 
bei dem nur fast */, des Eiweißes der Nahrung aus Atmidalbu- 
mose bestand. 

An sechs Fütterungstagen nahm das Tier 350 g Fleisch 
=11,55 N, 300 g Reis=2,91 N, 180 g Atmidalbumosen = 26,75N, 
zusammen 41,21 N auf. Davon wurden 15,5°/, durch den Darm 
ausgeschieden. Die Faeces waren dünn, aber nicht häufig, und 
das Körpergewicht war von 4670 auf 4750 g gestiegen. Da 
die Albumosen praktisch doch nie den Gesamt-N der Nahrung 
enthalten würden, so würden sie in dieser Hinsicht genügen 
und jedenfalls besser verwertet werden, als die sog. Somatose, 


1) Zeitschr. f. Biol. 84, 190. 


86 E. Salkowski: 


die man wohl als Atmidalbumose!) ansehen muß. Denn Hilde- 
brandt?) fand beim Menschen, daß von dem N einer Nahrung, 
deren N zu noch nicht ?/, die Form der Somatose hatte, nur 
66,7°/, resorbiert wurde. In den Versuchen von Kuhn und 
Volker?) wurden sogar bei Einführung von 84 g Somatose pro 
Tag unter Umständen fast 60°/, des Stickstoffs durch den Darm 
wieder ausgeschieden! Dagegen sind die mit der Atmidalbumose 
aus Fibrin erhaltenen Resultate noch relativ günstig, für die 
vorliegende Frage der Verwertung der Fleischrückstände aber 
bedeuten sie nichts. Denn erstens gelten sie nur für die Atmid- 
albumose aus Fibrin, nicht für die aus Fleisch, die nur wider- 
willig aufgenommen wurde und Erbrechen erregte, und zweitens 
geht von den Fleischrückständen bei Behandlung mit über- 
hitztem Wasser überhaupt nur 1/, in Lösung. Es ist zwar 
möglich, durch stärkere Erhitzung mehr in Lösung zu bringen, 
aber dann ist das Produkt ganz ungenießbar. 

Das Bestreben, ein für die Volksernährung geeignetes Eiweiß- 


1) Die von der Elberfelder Farbenfabrik (Bayer & Co.) vertriebene 
Somatose ist nach ihrem ganzen Verhalten wohl sicher zu den Atmid- 
albumosen zu rechnen. Das Darstellungsverfahren ist zwar nicht be- 
kannt, es ist jedoch wahrscheinlich, daß sie nach einem seinerzeit zum 
Patent angemeldeten Verfahren (ob ein Patent erteilt ist, weiß ich nicht) 
dargestellt wird, nach welchem fett- und sehnenfreie Fleischfasern 15 Stun- 
den lang mit 3°/,iger Oxalsäurelösung erhitzt, die Oxalsäure dann durch 
Kalk entfernt wird. Für diese Vermutung spricht ein geringer Gehalt 
der Somatose an Oxalsäure in Form von oxalsaurem Kalk, der augen- 
scheinlich in der Somatose nicht ganz unlöslich ist. Man kann denselben 
nachweisen, indem man eine Lösung von Somatose mit Essigsäure über- 
sättigt, wobei der ursprünglich entstandene Niederschlag sich wieder 
auflöst und dann mit Chlorcalciumlösung versetzt: beim Stehenlassen 
bildet sich innerhalb 24 Stunden ein zarter Anflug am Boden des Glases, 
in dem sich mikroskopische Krystalle in der von Feser und Friedberger 
(Malys Jahresb. 4, 231) beschriebenen Form finden. Löst man den 
Niederschlag in Salzsäure und übersättigt schwach mit Ammoniak, so 
scheidet sich oxalsaurer Kalk in den typischen quadratischen Oktaödern 
aus. Ebenso gehen Spuren von Oxalsäure aus der mit Salzsäure an- 
gesäuerten Lösung in Äther über. In hygienischer Beziehung ist dieser 
minimale Gehalt an Oxalsäure, wie ich nicht versäumen will zu be- 
merken, ganz bedeutungslos, da er- viel geringer ist als in vielen pflanrz- 
lichen Nahrungsmitteln. 

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 18, 180. 

3) Berl. klin. Wochenschr. 1894, Nr. 47. 





Über Fileischersatzmittel. 87 


präparat zu beschaffen, hat mich auch bei meiner Arbeit über 
den Nährwert des trockenen, pulverförmigen Caseins geleitet; 
die Erreichung dieses Zieles erschien insofern nicht ganz aus- 
sichtslos, als im Handel Casein (vielfach, namentlich früher, 
Lactarin genannt) — freilich zu Nährzwecken nicht geeig- 
netes — schon zum Preise von 1 M. pro Kilogramm zu haben 
ist, also etwa zum achten Teil des Preises, den das Eiweiß im 
Fleisch hat. Meine Bemühungen führten mich zu einem Ammon- 
salz des Caseins, dem „Eucasin‘!). Gleichzeitig haben auch 
Liebrecht und Röhman?) über die Frage der Verwendbarkeit 
des Caseins gearbeitet und die Nutrose daraus dargestellt. Ich 
darf wohl für Röhman und mich das Verdienst in Anspruch 
nehmen, den Anstoß zur diätetischen Verwendung von Eiweiß- 
präparaten an Stelle der Albumosen gegeben zu haben, wenn 
auch das ursprüngliche Ziel, das mir wenigstens vorschwebte, 
einen billigen Ersatz für ungenügendes Eiweiß der Nahrung zu 
schaffen, nicht erreicht wurde. Auch die zahlreich inzwischen 
aufgetauchten Eiweißpräparate, von denen sich nur wenige, 
wie das Tropon, Aleuronat, Roborat, Plasmon, Sanatogen — von 
zusammengesetzten Präparaten sehe ich hier ab —, in Gebrauch 
gehalten haben, stellen keine volle Lösung der Frage dar. 

Ich gehe nun zur Mitteilung meiner Versuche über. Der 
erste Teil soll von den animalischen, der zweite von den vege- 
tabilisohen Eiweißpräparaten handeln. Die Versuche sind aus- 
schließlich an Hunden angestellt, da mir zu Beobachtungen am 
Menschen die Gelegenheit fehlte, sie sind also, insoweit nicht 
anderweitige Versuche am Menschen vorliegen, in gewissem Sinne 
nur als Vorversuche anzusehen. 

Um zu einem Urteil über die Brauchbarkeit verschiedener 
Eiweißarten resp. -präparate zu gelangen, habe ich mit einer 
Ausnahme nur Ausnutzungsversuche angestellt. Dieses Vor- 
gehen bedarf wohl einiger Worte zur Rechtfertigung. Zweifel- 
los sind Bilanzversuche, bei denen täglich auch der Harn 


2) Deutsche med. Wochenschr. 1896, Nr. 15. DaB das Eucasin 
keine dauernde Anwendung gefunden hat, liegt lediglich an Mängeln der 
Fabrikation, an sich steht es dem Sanatogen ganz gleich. Die diesem 
beigemischten 5°;, glyoerinphosphorsaures Natron sind für die Ernährung 
ohne Bedeutung. 

2) Chem. Centralbl Jahrg. 1896. I. 783. 


88 E: Salkowski: 


quantitativ gesammelt und sein N-Gehalt ermittelt wird, die 
bessere und beweisendere Versuchsform. Daß ich trotzdem, 
mit einer Ausnahme, die einfachen Ausnutzungsversuche vor- 
gezogen habe, geschah aus folgenden Gründen: Bilanzversuche 
lassen sich nur an größeren Hunden anstellen, die dann auch 
entsprechend große Quantitäten der betreffenden Eiweißarten 
erfordern, um so mehr, als mir nur einige Tage dauernde Ver- 
suche für meine Zwecke nicht ausreichend erschienen. Es wäre 
mir aber kaum möglich gewesen, das betreffende Versuchs- 
material in ausreichender Menge herzustellen resp. zu beschaffen. 
Ich mußte mich also mit Ausnutzungsversuchen an kleinen 
Hunden begnügen, suchte diesen aber, wenn irgend möglich, 
eine längere Ausdehnung zu geben. Das war allerdings nicht 
immer möglich, weil die Tiere vielfach die Aufnahme der unge- 
wohnten Nahrung verweigerten. Es ist ja bekannt, wie kapriziös 
die Hunde in diesem Punkte sind. Öfters verweigerten sie die 
Aufnahme eines bestimmten Nahrungsgemisches nur der äußeren 
Form wegen, das gilt ganz besonders für die Breiform. Es genügte 
öfters ein Eindampfen eines Breies bis zur annähernden Trocken- 
heit oder das Braten mit Speck statt einfacher Beimischung 
desselben, um das Gemisch dem Hunde genehm zu machen. 
Es waren also öfters Vorversuche erforderlich. Diese sind hier 
nicht mitgeteilt. In Verbindung mit einer Kontrolle des Körper- 
gewichts und des allgemeinen Verhaltens des Tieres schienen 
mir Ausnutzungsversuche bei genügend langer Dauer ausreichend, 
um zu einem Urteil über den Wert des betreffenden Präparates 
zu gelangen. In einigen lange dauernden Versuchen ist auch der 
Harn im Käfig gesammelt, was bei lange dauernden Versuchen 
allenfalls zulässig ist. | 

Außer den angeführten Gründen sprachen für die Wahl 
der einfachen Ausnutzungsversuche auch noch andere Umstände. 
Es ist natürlich bei der willkürlichen Zusammensetzung der 
Nahrung in bezug auf die Quantität nicht möglich, stets das 
Richtige zu treffen, d.h. sowohl das ‚Zuviel als das Zuwenig‘“ 
zu vermeiden; es war daher öfters nötig, während des Ver- 
suches kleine Änderungen in der Zusammensetzung der Nahrung 
vorzunehmen; Voraussetzung für den Bilanzversuch ist aber — 
abgesehen von besonderen Zwecken — das Gleichbleiben der 
Nahrungsaufnahme Tag für Tag. Endlich machen Bilanz- 


Über Fleischersatzmittel. 89 


versuche mehr Arbeit. Da ich sämtliche Analysen selbst aus- 
geführt und bezüglich der Herstellung des Futters wenigstens 
das Eiweißpräparat stets, meistens auch die anderen Materialien, 
selbst abgewogen oder mindestens kontrolliert habe, so mußte 
ich mir in dieser Beziehung einige Beschränkung auferlegen, 
ich hätte sonst die erforderliche Zeit nicht aufbringen können. 

Dem praktischen Zweck entsprechend, d. h. da es sich 
unter den realen Verhältnissen nie um einen vollständigen Er- 
satz des Eiweißes der Nahrung durch ein Eiweißpräpararat 
handelt, ist öfters nicht das gesamte Eiweiß (abgesehen von 
dem geringen N-Gehalt des Beifutters) in Form des zu prüfenden 
Eiweißpräparates zugeführt, sondern nur der größere Teil. 

Was die Abgrenzung des Kotes betrifft, auf die natürlich sehr 
viel ankommt, so wurden verschiedene Verfahren angewendet. 
In manchen Fällen erübrigte sich die Abgrenzung zu Beginn des 
Versuches überhaupt, nämlich wenn das Tier vorher ein nur 
aus Küchenabfällen mit reichlicher Knochenbeigabe bestehendes 
Futter erhalten hatte. Vielfach wurde die von Rubner?) in 
seinen Ausnutzungsversuchen am Menschen für diesen Zweck 
angewandte und empfohlene Milch benutzt, die in der Tat eine 
vortreffliche Abgrenzung gibt. Da aber nicht alle Hunde Milch 
in ausreichender Quantität zu sich nahmen, wurden auch andere 
Substanzen gewählt, so das, wenn ich nicht irre, von Cremer 
empfohlene Kieselgur, das allerdings in ziemlich großen Mengen 
angewendet werden muß und dann durch sein Volumen Schwierig- 
keiten macht. Besser geeignet fand ich sehr fein zerriebene 
Knochenasche oder gefällten phosphorsauren Kalk, auch Knochen 
selbst nach Voit sind geeignet. Übrigens machte die Abgrenzung 
nie Schwierigkeiten. Am Schlusse des Versuches erhielt das 
Tier stets reichliches, stark knochenhaltiges Futter, durch das 
oft noch unerwartet viel Versuchskot herausbefördert wurde, 
dessen Vernachlässigung erhebliche Fehler verursacht haben 
würde. 

Daß der Stickstoff des Kotes nicht allein von dem nicht 
resorbierten Rest des Nahrungseiweißes herrührt, sondern auch 
von den Verdauungssäften, ist seit den oben zitierten Unter- 
suchungen Rubners über die Ausnutzung der Nahrung bekannt, 


1) Zeitschr. f. Biol. 15, 114. 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 6 


90 E. Salkowski: 


es fehlt uns aber die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen 
diesen beiden Stickstofformen, und praktisch kommt es auch 
auf dasselbe hinaus, ob die Nahrung an sich schlecht resorbiert 
wird oder unter ihrem Gebrauch ein größerer Verlust von Stick- 
stoff der Verdauungssäfte durch den Kot stattfindet. Nach 
diesen Vorbemerkungen gehe ich zur Mitteilung meiner Ver- 
suche über. 


Erster Teil. 
Eiweiß animalischen Ursprunges. 


Als Material für die Herstellung billigen animalischen 
Eiweißes zu Ernährungszwecken kommen nur zwei Ausgangs- 
materialien in Betracht: die Rückstände von der Fabrikation 
des Liebigschen Fleischextrakts und das Blut der Schlachttiere. 


I. Versuche mit Eiweiß aus Fleischrückständen. 


Zur Darstellung von Eiweiß aus Fleischrückständen wurde 
in Anlehnung an frühere Angaben von Krukenberg folgender- 
maßen verfahren: 100 g käufliche Fleischrückstände wurden mit 
21 Wasser und 20 ccm Salzsäure von 1,124 D zum Sieden er- 
hitzt und noch ca. '/, Stunde im Sieden erhalten, dann die 
gequollene Masse durch ein ziemlich großlöcheriges Metallsieb 
(sog. Durchschlag) gedrückt unter Verwendung von 11 Wasser 
zum Nachspülen. Die durchgedrückte Masse wurde mit ca. 31 
Wasser verdünnt, dann bis zu neutraler resp. schwach alka- 
lischer Reaktion Natriumcarbonatlösung hinzugesetzt (es sind 
etwa 50 ccm gesättigte Lösung erforderlich). Die Masse wird 
nun durch Preßtuch koliert, mit 1 1 heißem Wasser nach- 
gewaschen. Zur Entfernung des in großer Menge imbibierten 
Wassers erwies sich folgendes Verfahren zweckmäßig: Das 
über dem Niederschlag zusammengefaltete Preßtuch wurde in 
einer trockenen, bedeckten Schale einige Zeit auf dem Wasser- 
bade erhitzt; dabei trat ein großer Teil des Wassers aus. Schließ- 
lich wurde die Masse bis zu dem gewünschten Grade der Trocken- 
heit abgepreßt. 


Fütterungsversuch 1 (Fleischalbuminat). 


Zu dem Fütterungsversuch kamen zwei auf Eis aufbewahrte 
Präparate von etwas verschiedenem N-Gehalt zur Anwendung, 


Über Fleischersatzmittel. 91 


das erste mit 2,972°/, N an 3 Tagen (23., 24., 25. März), das 
zweite mit 2,773°/, N an 2 Tagen (26. und 27. März). 

Der Versuch wurde an einer großen Hündin von 35,700 kg 
Anfangsgewicht angestellt. Das Tier war mit 500 g Fleisch und 
100 g Speck annähernd in Stickstoffgleichgewicht und wurde in 
der üblichen Weise katheterisiert. Der Versuch dauerte 12 Tage, 
an 5 Tagen wurde das Fleisch durch das Fleischpräparat, das im 
folgenden Fleischalbuminat genannt werden soll, ersetzt. An 
diesen Tagen wurden der Nahrung noch je 2g K,HPO, zu- 
gesetzt. Der Hund zeigte an allen Tagen völliges Wohlbefinden, 
Verdauungsstörungen traten nicht auf. 

Nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die Versuchs- 
ergebnisse. 





[= 

è ® 
Futter N im F ; 
y fa 





Harn 
538 15,30 
Fleisch- 
albuminat 
+ 100 g 
Speck 
do. 13,34 
" . 3. do. 15,26 
22. 3.1 35,670 do. 17,29 , 
o 10088 & 
albuminat pe 
-+- 100 g 29. 3.1 35,150 dog 14,21 
Speck 30. 3.| 35,150 





0 3,598 
24.3.|35,760| do. | 16,17 4,24 | 

Hierzu noch einige Bemerkungen. 

Die N-Ausscheidung durch den Harn zeigt an den Albu- 
minattagen ein deutliches Absinken, was auf die schlechtere Re- 
sorption gegenüber dem Fleisch hinweist. 

Kotentleerung fand statt 1. am 24.3. ca. 53 g. Diese Ent- 
leerung gehörte auffallenderweise noch ganz dem früheren ge- 
mischten, Linsen enthaltenden Futter an; 2. am 28. 3. ca. 151 g = 
63,5 g trocken; 3. am 30.3. durch Klysma bewirkt = 44,5 g 
trocken. 

Abgrenzung des Kotes ist in diesem Falle unterlassen, um 
nicht vielleicht durch die zugesetzte unverdauliche Substanz 


störend auf die Resorption einzuwirken. 
6* 


92 E. Salkowski: 


Sehen wir nun, wie sich die Ausnutzung des Stickstoffes 
gestaltet. 


An den 5 Fütterungstagen ist eingenommen: 
1. 3>< 538 g Fleischalbuminat — 1614 g 


à 2,972°/, N 47,936 g N 
2. 2X 538 g Fleischalbuminat — —= 1076 g 

à 2,773°/, N == 29,838 g N 
3. 500 g Speck à 0,243°/, N = 1,215 g N 


zusammen 78,989 g N 

Die N-Ausgabe durch die Faeces betrug während des ganzen 
Versuchs 4,424 + 3,598 = 8,022 g. 

Mit Rücksicht auf das lange Verweilen der Nahrung im 
Darm wird man die N-Ausnutzung des Fleisches als nahezu 
vollständig ansehen können. Um die Rechnung nicht zu günstig 
für das Albuminat zu gestalten, nehme ich sie zu 97,5°/, an. 
Auf die an 7 Tagen verfütterten 3500 g Fleisch würden somit 
2,975 g N im Kot entfallen, somit auf das Albuminat 5,047 g. 
Es sind somit 73,942 g — 93,62°/, N ausgenützt. 

Die N-Ausscheidung im Harn betrug an den 5 Albuminat- 
tagen 77,42 g. Hierzu 5,047 g in den Faeces ergibt eine Gesamt- 
ausscheidung von 82,467 g. Da nur 78,989 N eingenommen, 
sind 3,478 g N vom Körper abgegeben. 

Das an sich geschmackfreie Fleischalbuminat läßt sich in 
verschiedenen Zubereitungen sehr gut auch für den Menschen 
genießbar machen. Dasselbe erfordert natürlich eine Konser- 
vierung, am einfachsten in zugelöteten, dann erhitzten Blech- 
büchsen. Es ist nicht schwierig, eine einigermaßen konstante 
Zusammensetzung der Masse in den Büchsen zu erzielen. Zwei 
von mir hergestellte feuchte, in sterilisierten Büchsen aufbe- 
wahrte Präparate zeigten folgende Zusammensetzung in Pro- 
zenten: 


I II Mittel 
Eiweiß (N œx 6,25). . . 21,72 22,97 22,345 
Fohr cae 2 Se 8,21 7,81 7,16 
Salze . na. eh 0,28 0,34 0,31 


Wasser (Differenz zu 100) 69,79 69,38 69,585 

Es sei noch besonders hervorgehoben, daß der Geschmack 
auch nach monatelanger Aufbewahrung nicht ranzig war. Zu 
einer praktischen Anwendung ist es nicht gekommen. 


Über Fleischersatzmittel. 93 


Sehr viel leichter als aus den käuflichen trockenen Fleisch- 
rückständen geht die Darstellung aus den frischen feuchten 
Rückständen. Es ergab sich daher naturgemäß die Frage, ob 
man nicht die feuchten Rückstände am Orte der Gewinnung 
mit der nötigen Quantität Salzsäure imprägnieren und sie da- 
durch transportfähig machen könnte. Die Darstellung könnte 
dann in Europa ebenso gut wie aus frischen Rückständen vor- 
genommen werden. Durch freundliche Vermittelung des dama- 
ligen Ministerresidenten (Gesandten) für Uruguay in Berlin ge- 
lang es mir, in den Besitz einer kleinen Quantität solcher in 
Montevideo durch Salzsäure konservierter feuchter Rückstände 
zu gelangen. Die Quantität der Salzsäure war so bemessen, 
daß etwa 20 g Salzsäure auf 100 g trockene Rückstände kamen. 
Bei einer bestimmten Art des Vorgehens — die kleinen Einzelheiten 
lassen sich schwer beschreiben — gelang es in der Tat, mit großer 
Leichtigkeit, viel besser als aus den trockenen Rückständen, ein 
allen Ansprüchen genügendes Fleischalbuminat zu erhalten. 


Beiläufig möchte ich Versuche zur Konservierung von frischem ge- 
hacktem Fleisch ohne Abschluß durch Verlötung erwähnen, welche mir 
nicht ohne Interesse erscheinen. 

Ich benutzte dazu besonders große Zinntuben, wie sie zur Auf- 
bewahrung von Malfarben gebraucht werden. Dieselben wurden oben 
zugelötet, zu etwa drei Viertel mit Fleisch gefüllt, dann unten mehr- 
mals umgefaltet, die Falten duroh Streichen mit dem Messer unter starkem 
Andrücken oder im Schraubstock festgedrückt, dann die Tuben etwa 
1 Stunde lang, vom Ausströmen des Dampfes an gerechnet, im Koch- 
schen Dampftopf sterilisiert. Dabei siokerte ein wenig Flüssigkeit nach 
außen hindurch, welche nicht weiter beachtet wurde und allmählich ein- 
trocknete. Nach !/, bis 3/, Jahren wurden die Tuben geöffnet. Das 
Fleisch zeigte sich anscheinend ganz unverändert, völlig geruchlos, nur 
von auffallend hellroter Farbe. Der Verschluß war also bakteriendicht 
gewesen, ähnlich wie in den alten Versuchen von Helmholtz, bei denen 
das Eindringen von Bakterien aus der Luft durch Verschluß mittels 
einer mehrfach gebogenen Glasröhre verhindert wurde, oder in den Ver- 
suchen von Meißner mit Flüssigkeiten, wie Milch, in denen die ein- 
getrocknete Flüssigkeit an der Ausmündung gleichfalls einen bakterien- 
dichten Verschluß bildete. Bei näherer Untersuchung zeigte sich das 
Fleisch aber vollständig durchzogen von Schimmelpilzfäden. Entweder 
waren die Sporen derselben nicht getötet oder, was wahrscheinlicher, 
sie waren duroh die capillaren Öffnungen hindurchgewachsen. Auch in 
der durch Überhitzen konservierten Milch, die früher unter gutem Ver- 
schluß durch Korke im Handel war, habe ich ein solches Durchwachsen 
von Schimmelpilzen beobachtet. 


94 E. Salkowski: 


Die unleugbaren Unannehmlichkeiten, welche in dem Vertrieb 
von in Büchsen konserviertem Material liegen würden, führten 
mich zu Versuchen über die Resorption des nach demselben 
Verfahren dargestellten, jedoch durch Behandeln mit Alkohol 
und Äther von dem größten Teil des Fettes befreiten, dann 
auf dem Wasserbade getrockneten und zu einem staubfreien 
Pulver zerriebenen, resp. gemahlenen Fleischalbuminates. Hier- 
bei stieß ich auf die unerwartete Schwierigkeit, daß die Hunde 
das Präparat nur widerwillig aufnahmen. Es wurde einerseits 
nötig, die Nahrung komplizierter zu gestalten, um sie den 
Tieren annehmbarer zu machen, andrerseits gelang es auch nur 
einige Tage, die Hunde zur Aufnahme der Nahrung zu bewegen, 
die weitere Aufnahme wurde verweigert. 

Zu allen Versuchen diente dasselbe Präparat. Ich führe 
die Daten nur kurz an. 


Fütterungsversuch 2 (Fleischalbuminat trocken). 


Hund von 10,990 kg Anfangsgewicht erhält am 14. 3. 
Schabefleisch mit Knochen zur Abgrenzung, fraß vom 16. 3. bis 
20.3. rund 175 g des Präparates, 200 g Speck, 160 g Reis, am 
21.3. wurde die Nahrungsaufnahme verweigert, am 22.3. er- 
hält er Knochenasche mit 100 g Fleisch zur Abgrenzung. 

Kot im ganzen 23,5 g à 7,06°/, N = 1,657 g N. 


Ausnutzung des N. 


N-Aufnahme: 

1. 175g Fleischalbuminat à 12,46°/, N=21,80 g 
2. 160g Reis à 1°/, N — 1,80 g 
3. 200 g Speck à 0,243°/, N = (0,486 g 


zusammen 23,891 g 
Somit ausgenutzt 23,891 — 1,657 g N — 12,234 g = 93,07 °|,. 
Das Körpergewicht betrug am Ende des Versuchs 10,530 kg, 
das Befinden ungestört, die Faeces waren trocken, geformt. 


Fütterungsversuch 3 (Fleischalbuminat trocken). 


Derselbe Hund, nachdem er einige Zeit knappe Kost be- 
kommen hatte. Körpergewicht zu Beginn des Versuchs 9300 g. 
Am 3.4. Fütterung mit 30 g Fleischalbuminat, 40 g Speck. 
Am 4., 5., 6., 7., 8.4. je 30 g Reis, 40 g Speck und im ganzen 


Über Fleischersatzmittel. 95 


175g Fleischalbuminat. Am 9. 4. Nahrungsaufnahme verweigert. 
Erhält gemischtes Futter mit Knochen. Faeces am 12. 4. ent- 
leert, gut abgegrenzt, 27,7 g trocken mit 6,42°/, N. 

Allgemeinbefinden des Tieres gut, Körpergewicht am 9. 3. 
9400 g, also 100 g Zunahme. 


Ausnutzung des N. 


N-Aufnahme: 
1. 175 g Fleischalbuminat à 12,46°/, N = 21,80 g 
2. 150g Reis à 1°), N = 1,50g 
3. 200 g Speck à 0,243°/, N = (0,486 g 
23,791 g 
davon ab N-Ausgabe in Kot 27,7 g 
à 6,42°/, N = 179 g 
also ausgenutzt 22,001 g 
== 92,14°/,. 


Fütterungsversuch 4 (Fleischalbuminat, trocken). 


Körpergewicht bei Beginn des Versuchs 5915 g. Da der 
Hund das ebenso wie in den beiden Versuchen 2 und 3 zu- 
sammengesetzte Futter nicht fressen wollte, wurde versuchs- 
weise mit Erfolg der Reis durch Weißbrod ersetzt. Am 19.4. 
erhält der Hund 30 g Weißbrot mit Knochenasche, dann am 
20. 4. und den folgenden Tagen bis zum 28.4. inkl., also im 
ganzen 9 Tage lang, täglich 50 g Weißbrot, 40 g Speck und 
20 g Fleischalbuminat. Am 28. 4. abends erhält der Hund 
reichlich Knochen und entleerte danach am 29. 4. gut ab- 
gegrenzten Kot, größtenteils Knochenkot, da unter dem Ein- 
fluß des hohen Fettgehaltes fast täglich Entleerungen erfolgten. 
Das Befinden des Tieres war während der ganzen Zeit gut, 
Körpergewicht am Ende des Versuchs 5870 g, also 48g Ab- 
nahme, demnach fast konstant geblieben. 


Ausnutzung des N. 
N-Aufnahme in der Nahrung: 
1. 180 g Fleischalbuminat à 12,46°/, N = 22,428 g 


2. 450 g Weißbrot à 1,50°/, N?) = 6,750 g 
3. 360 g Speck & 0,243 = 0,815 g 


zusammen 30,053 g 
1) Frühere Analyse. Deutsche med. Wochenschr. 1896, Nr. 15. 


96 E. Salkowski: 


Übertrag 30,053 g 
davon ab N-Ausgabe in den Faeces 


73 g à 3,960°/, — 2,805 g 
somit ausgenutzt 27,158 g 
= 88,95°/,. 


In Anbetracht dessen, daß der N des Fleischalbuminates 
nur rund zwei Drittel des Gesamtwertes ausmachte, außerdem 
die Fettquantität wohl etwas zu groß war und daher häufige, 
stark fetthaltige Entleerungen eintraten, ist die Ausnutzung 
noch eine ziemlich gute zu nennen. Im ganzen hat sich die 
Ausnutzung des trockenen Fleischalbuminates, abgesehen von 
dem vorliegenden Versuch, als nur unbedeutend schlechter heraus- 
gestellt wie des feuchten in Versuch 1, nach dieser Richtung 
hin würde also die unbequemere feuchte Form keine Vorzüge 
vor der trockenen haben. 


II. Versuche mit Eiweiß aus Blut. 


Es ist nicht zweifelhaft, daß mit dem Blut der Schlacht- 
tiere, namentlich der Rinder, eine außerordentlich große Quan- 
tität wertvollen Eiweißmaterials für die Volksernährung verloren 
geht, denn was davon zu Wurst verarbeitet wird, ist nur ein 
verschwindender Bruchteil des ganzen beim Schlachten erhaltenen 
Blutes, außerdem wird zu Wurst meines Wissens nur Schweine- 
blut verwendet. Der Versuch, aus Blut ein annehmbares 
billiges Eiweiß für die menschliche Ernährung herzustellen, 
erscheint daher durchaus nicht ungerechtfertigt. 

Nun bestehen die Eiweißkörper des Blutes überwiegend 
aus Hämoglobin. Nach den Analysen von Abderhalden!) ent- 
halten 1000 T. defibriniertes Schweineblut in den Blutkörper- 
chen 142,2 T. Hämoglobin und 8,35 Eiweiß, im Serum nur 
38,26 Eiweiß, 1000 T. Rinderblut 106,4 T. Hämoglobin und 
15,38 Eiweiß, im Serum nur 46,41 Eiweiß. Das Hämoglobin 
weicht nun in seinen Eigenschaften sehr wesentlich von den Eiweiß- 
körpern ab (Fr. N. Schulz?), es steht nach diesem den Histonen 
nahe, ja es wird nach seinen hydrolytischen Spaltungsprodukten 
von Abderhalden?) direkt zu den Histonen gerechnet. 

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 25, 65. 


?) Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 458. 
3) Dessen Lehrbuch, 2. Aufl., S. 239. 


Über Fleisohersatzmittel. 97 


Es steht daher keineswegs fest, daß es zur Ernährung 
ebenso geeignet ist, wie andere Eiweißkörper. Da es bei der 
Pepeinbehandlung nach den Angaben von Fr. N. Schulz, die ich 
durchaus bestätigen kann, sehr schnell in Körper von dem 
Charakter der Deuteroalbumosen oder Peptone übergeht, so 
liegt außerdem die Befürchtung nahe, daß es dünnflüssige Ent- 
leerungen bewirken könnte. 


Es kommt außerdem in Betracht, daß das Hämoglobin 
sehr schwefelarm ist (0,425°/,) und aus diesem Grunde zur 
Ernährung ungeeignet sein könnte. Gegen diese Erwägungen 
ist freilich geltend zu machen, daß viele Raubtiere sich ganz 
überwiegend von dem Blute der erlegten Tiere ernähren. Das 
Defizit an Schwefel muß also bei der Neubildung des spezi- 
fischen Arteiweißes durch erneute Verwendung der beim Stoff- 
wechsel des Protoplasmas freiwerdenden Schwefelverbindungen 
ausgeglichen werden. Jedenfalls schien es mir nicht überflüssig, 
einen Fütterungsversuch mit Blutkörperchen und mit krystal- 
lisiertem Oxyhämoglobin anzustellen. 


Fütterungsversuch 5 (mit Blutkörperchenbrei). 


Zur Fütterung diente durch Senkung erhaltener und wieder- 
holt mit physiologischer Kochsalzlösung ausgewaschener Blut- 
körperchenbrei (eine größere Zentrifuge stand mir damals nicht 
zur Verfügung) aus Rinderblut. Der Brei wurde mit Wasser 
aufgekocht, abfiltriert (das Filtrat war ganz oder nahezu eiweiß- 
frei), abgepreßt und dann in einem breithalsigen Glasstöpselglas 
auf Eis aufbewahrt. 


Dieser Brei enthielt im Mittel 6,86°/, N. Daß er im 
wesentlichen jedenfalls aus koaguliertem Hämoglobin bestand, 
geht aus dem Eisengehalt hervor. Derselbe berechnet sich für 
die Trockensubstanz zu 0,311°/, in naher Übereinstimmung mit 
dem Hämoglobin des Rinderblutes, das nach Hammarsten 
(Lehrbuch, 6. Aufl., S. 140) 0,336°/, Fe enthält. 


Die Abgrenzung zu Beginn des Versuchs geschah mit Milch. 
Der Hund von 5800 g Körpergewicht verzehrte im Laufe von 
6 Tagen (27.1 bis 2.2.07) 425 g Coagulum, 280 g Weißbrot, 
180 g Speck und entleerte durch Knochen gut abgrenzte Faeces 
= 14,5 g trocken. 


98 E. Salkowski: 


Das Befinden des Tieres war gut, die Nahrungsaufnahme 
erfolgte z. T. nur zögernd und unregelmäßig. Körpergewicht 
am Schluß des Versuchs 5795 g, also gleich geblieben. 


Ausnutzung des N. 
N- Aufnahme: 


1. 425 g Coagulum à 6,86°/, = 29,155 g 
2. 200 g Weißbrot à 1,50°/, = 3,000 g 
3. 240 g Speck à 0,243°/, = 0,583 g 

zusammen 32,738 g 
Abgabe in den Faeces 41,5 g 


à 6,53°/, = 2,710 g 
Somit ausgenutzt 30,028 g = 91,72°/; 


Aus dem Versuch ist zunächst zu ersehen, daß die aus 
dem Hämoglobin im Magen und Darm hervorgehende Deutero- 
albumose keine Durchfälle bewirkte, wenn die Entleerung des 
übrigens geformten Kotes auch fast täglich erfolgte, mit anderen 
Worten, daß das Hämoglobin vertragen wurde. Weiterhin 
kann man schließen, daß das Globin, ein Histon, an Stelle 
des Eiweißes treten kann, da es 6 Tage lang den einzigen oder 
fast einzigen N-haltigen Körper der Nahrung bildete und das 
Körpergewicht unverändert blieb. 

Ich schließe hieran noch den Bericht über einen resultat- 
los verlaufenen Versuch mit krystallisiertem Oxyhämoglobin 
und Pferdeblut. Es sollte versucht werden, ob sich bei einem 
mit Fleisch und Speck gefütterten Hunde das Fleisch durch 
eine ebenso viel N enthaltende Quantität krystallisierten Oxy- 
hämoglobins ersetzen ließe. 

Das Oxyhämoglobin aus Pferdeblut war durch wiederholtes 
Aufschwemmen in alkoholhaltigem Wasser gereinigt, dann noch 
einmal aus Wasser unter Zusatz von Alkohol umkrystallisiert. 
Es wurde in Form eines feuchten, noch etwas Alkohol ent- 
haltenden Breies auf Eis aufbewahrt. 

Der Hund von 9900 g Körpergewicht erhielt vom 7. 2. bis 
14. 2. täglich 250 g Rindfleisch und 50 g Speck, am 14. 2. wurde 
der Nahrung zur Abgrenzung reichlich feinpulverisierte Knochen- 
asche beigemischt. Das Körpergewicht blieb fast unverändert 
(9920 g). 

Der Hund sollte nun eine dem N-Gehalt des Fleisches ent- 


Über Fleischersatzmittel. 99 


sprechende Quantität Oxyhämoglobin bekommen. Da er in- 
dessen nicht zur Aufnahme der Nahrung zu bewegen war, so 
mußte zur Zwangsfütterung geschritten werden, teils durch Ein- 
gabe des Futters mit dem Löffel, teils durch Eingießen des ge- 
lösten, resp. aufgeschwemmten Hämoglobins mit der Schlund- 
sonde. In letzterem Falle trat wiederholt Erbrechen ein, so 
daß der Versuch aufgegeben werden mußte. Zum Teil mag an 
dem Mißerfolge wohl der Alkoholgehalt des Oxyhämoglobins 
schuld sein. Es wäre wohl besser gewesen, das Oxyhämoglobin 
trocken zu geben, unbekümmert um den Übergang desselben 
in sog. Parhämoglobin. 

Ich gehe nunmehr zu den mit den Gesamteiweißkörpern 
des Blutes angestellten Versuchen über. 

Zur Darstellung des Fütterungsmaterials wurde folgender- 
maßen verfahren. Möglichst frisches defibriniertes Rinderblut 
wurde mit dem 5 bis 6fachen Volumen Wasser verdünnt, zuerst 
auf dem Wasserbad bis zur Koagulation erhitzt, dann unter Her- 
stellung minimal saurer Reaktion mit Essigsäure auf freiem 
Feuer zum wallenden Sieden. Das Coagulum wurde nach 
einigem Abkühlen abkoliert, mit heißem Wasser wiederholt 
nachgewaschen, stark abgepreßt, mit Alkohol und Äther be- 
handelt. Dies geschah nur zum Zweck der Trocknung, da das 
nicht so behandelte Coagulum beim Trocknen so hart wird, daß 
es nicht möglich war, dasselbe mit den mir zu Gebote stehen- 
den Hilfsmitteln in ein so feines Pulver zu verwandeln, wie es 
zu den Fütterungsversuchen nötig ist, wenigstens nicht in den 
zu den Versuchen erforderlichen Mengen. 


Fütterungsversuch 6 (Blutcoagulum). 


Das angewendete Präparat enthielt im Mittel aus zwei Ana- 
lysen 15,18°/, N. 

Ein Hund von 5250 g Anfangsgewicht erhielt am 10. 6. 
nach voraufgegangener 2tägiger Milchfütterung zur Abgrenzung 
des Kotes ein aus 30 g des Präparates, 20 g Reis und 40 g 
Speck bestehendes Futter. Da sich am 11. früh noch Reste 
vorfanden, wurden diese nochmals vorgesetzt, dabei die Quanti- 
tät des Eiweißpulvers auf 22,5 g herabgesetzt und gleichzeitig, 
um dem Tier das Futter annehmbar zu machen, 50 g Fleisch 
hinzugesetzt, so auch am 12. bis 15. inkl. Da das Präparat 


100 E. Salkowski: 


knapp wurde, wurde dann die tägliche Quantität desselben auf 
21,5 g herabgesetzt. Das Futter wurde stets aufgefressen. Am 
19. erhielt der Hund zur Abgrenzung Milch. Das Befinden 
des Hundes war gut, das Körpergewicht stieg allmählich auf 
5350 g, jeden Tag wurden schwarz gefärbte, geformte Faeces 
entleert. 

Der Übersichtlichkeit wegen seien die Daten in betreff des 
Futters nochmals zusammengestellt. 


Nahrungsaufnahmen in g 


Datum _Bluteiweiß- | Fleisch 


präparat Reis | Speck 







10, 6. 30 0 290 | 
11. bis 15. täglich 22,5 50 20 
16. bis 18. , 21,5 50 20 





Die N-Ausnutzung gestaltet sich folgendermaßen. 


Mit der Nahrung N aufgenommen: 
1. 207 g Bluteiweiß à 15,18°%/, N = 31,42 g, 
2. 400g Fleisch .& 3,3°/, N = 13,20 g, 
3. 180g Reis . .& 1°/ N= 1808, 
4. 450 g Speck. . à 0,243°/, N= 1,09g, 
zusammen 47,51 g. 
N-Ausgabe in den Faeces: 
58 g à 8,366°/, N = 4,852 g, 
Resorbiert 42,658 g = 89,78°/,. 


Zieht man in Betracht, daß die Nahrung fast '/, des N 
in Form von Fleisch enthielt, dieses aber beim Hund zu zirka 
97°/, ausgenützt zu werden pflegt, so kann die Ausnutzung 
des Bluteiweißpulvers kaum als mittelgut bezeichnet werden. 
Darauf deutet auch schon der hohe N-Gehalt des Trockenkotes 
hin. Freilich kommt dabei in Betracht, daß der Kot außer- 
ordentlich viel Haare enthielt, die sich nicht mechanisch ab- 
trennen ließen. Eine genaue Berechnung, wie hoch sich die 
Ausnutzung des Bluteiweißes selbst stellt, unterlasse ich, da 
es sich in den folgenden Versuchen zeigte, daß die Ausnutzung 
desselben, jedoch ohne Anwendung von Alkohol und Ather 
dargestellten Präparates eine weit bessere war. 


Über Fleischersatzmittel. 101 


Fütterungsversuch 7 (Blutcoagulum). 


Das zu diesem Versuche dienende Präparat war nicht 
mit Alkohol und Ather behandelt, sondern in der Wärme ge- 
trocknet und dann mit einer Kugelmühle zu einem feinen 
Pulver gemahlen. Es war ferner nicht von mir selbst dar- 
gestellt, da die Herstellung so großer Mengen, wie sie zu diesem 
und dem folgenden Versuch erforderlich waren, mit den Hilfs- 
mitteln des Laboratoriums nicht gut ausführbar gewesen wäre. 

Die Analyse des mir in einer gut verschlossenen Blech- 
büchse zugegangenen Präparates ergab folgende Zusammensetzung 
für 100 Teile: 

Eiweiß (N << 6,25) 93,13, 


Wasser . . . . 5,98, 

Lecithin. . . . 0,64, 

Asche . . . . 0,78, davon 0,34 Eisenoxyd, 
100,52. 


Hierzu sei noch folgendes bemerkt: 

1. Daß die Summe der direkt bestimmten Bestandteile 
etwas über 100 beträgt, trotzdem Spuren von Fett nicht be- 
rücksichtigt sind, liegt daran, daß zur Berechnung des Eiweißes 
aus dem N-Gehalt — 14,90 der Faktor 6,25 benutzt ist, der für 
manche Eiweißarten, und namentlich für das Hämoglobin etwas 
zu hoch ist. 

2. Das Präparat hinterließ beim Glühen eine durch Eisen- 
oxyd rot gefärbte Asche. In dem kalten Auszug des Präparates 
selbst mit verdünnter Salzsäure war, auch nach Entfärbung 
desselben durch Wasserstofisuperoxyd, nur äußerst wenig Eisen 
nachweisbar. 

3. Unter „Lecithin“ ist die in Alkoholäther lösliche, or- 
ganische, phosphorhaltige Substanz verstanden, zuverlässig frei 
von phosphorsauren Salzen. 

Zu dem Versuch diente ein sehr lebhafter Terrier von 
6700 g Anfangsgewicht, nachdem derselbe am Tage vor dem 
Versuch eine reichliche Quantität feingeriebener Knochenasche 
mit ein wenig Fleisch erhalten hatte. Der Hund fraß das ihm 
gereichte Futter stets ganz auf, meistens sofort, nur am letzten 
Fütterungstage ließ er etwas Speck mit Spuren von Blutpräparat 
übrig. Das Befinden des Tieres war während der ganzen Zeit 


102 E. Salkowski: 


— 14 Tage — vortrefflich, die Darmentleerungen äußerst spär- 
lich, von schwarzer Farbe. Nach Abschluß des Versuches 
wurde durch ein reichliches, viel Knochen enthaltendes Futter 
dafür gesorgt, daß auch die letzten Reste des noch zur Fütterung 
gehörenden Kotes aus dem Darm entfernt wurden. 

Das Körpergewicht betrug am Ende des Versuches, 
24 Stunden nach dem letzten Versuchsfutter, 6825 g, war also 
um 125 g gestiegen. 

Über die Nahrungsaufnahme gibt die folgende Tabelle 
Auskunft. 







Nahrungsaufnahme in g 


Datum Körpergewicht 









9. bis 13. 12. täglich 
14. 
15. bis21. täglich 
22. 
23. 


am 9. 6700 g 
am 16. u. 19. 6800 g 


6825 g 


Im Ganzen 


Ausnutzung des Stickstoffs der Nahrung. 
Aufgenommen in g: 

1. Blutpräparat 490 g à 14,9°/, N=73,01g N, 

2. Fleisch . . 500g à 3,3°, N=16,50gN, 


3. Speck . .610g à 0,243°/, N= 1,47g N, 
Im ganzen 90,98 g N. 
Ausgeschieden: 55 g Kot à 6,52°/, N= 3,586g N, 


Resorbiert 87,394 g N = 96,06°/, 

Mit Rücksicht darauf, daß die Darmentleerungen ja zum 
Teil aus Sekretresten bestehen, kann man wohl sagen, daß die 
Nahrung, deren N zu fast °/, aus dem Blutpräparat bestand, so 
gut wie vollständig ausgenutzt war. Daß sie auch imstande 
war, den Bedarf des Hundes an Eiweiß zu decken, geht aus 
der Dauer des Versuches, dem Körpergewicht und dem Befinden 
des Tieres hervor. 

Der Harn wurde in diesem Versuch im Käfig gesammelt 
und durch Chloroformzusatz konserviert. Er war ganz klar, 
frei von Zucker und Eiweiß. Seine Quantität betrug 2360 ccm, 
der N-Gehalt 3,42°/,=80,71g N im ganzen. Von dem re- 


Über Fleischersatzmittel. 103 


sorbierten N fehlen somit 6,68 g. Die angesetzten 125 g ent- 
sprechen in der üblichen Weise als Fleisch berechnet 4,25 g, es 
fehlen somit 2,43 g N, die als Verlust beim Sammeln des Harns 
im Käfig anzusehen sind. 


Fütterungsversuch 8 (mit demselben Präparat). 


Hund von 9720 g Anfangsgewicht. Der Versuch sollte 
möglichst lange ausgedehnt werden und die Nahrung nur aus 
dem Blutpräparat und Speck bestehen, mit Wasser unter Zusatz 
von etwas Kochsalz gekocht. Die Ausführung stieß auf Schwierig- 
keiten, da der Hund wiederholt, namentlich am Anfang nicht 
die ganze Quantität des ihm vorgesetzten Futters aufnahm und 
deshalb Änderungen in der Ernährung erforderlich wurden. Am 
21. und 22. 1.08 fraB er nur die Ration eines Tages, ebenso 
am 23. und 24. und 25. und 26, an diesen Tagen 4 30 g Speck. 
Das Übriggelassene wurde ihm immer wieder, nachdem es auf- 
gewärmt war, aufs neue vorgesetzt. Vom 24. ab erhielt 
der Hund täglich zur Nahrung, um ihm dieselbe schmackhafter 
zu machen, die filtrierte Abkochung von 100 g Fleisch, jedoch 
fraß er erst am 27. dies Futter vollständig auf und von da 
an ohne jede Schwierigkeit bis zum Schluß des Versuches, so 
daß er im ganzen 29 Tage so gut wie ausschließlich von dem 
Blutcoagulum als einzigem Eiweißkörper lebte. Das Sinken des 
Körpergewichtes bis auf 9300 g am 29. 1. zeigte, daB die 
Nahrung quantitativ nicht ausreichte, der Hund erhielt daher 
vom 2. 2. ab täglich 30 g Reis zugelegt. Das Körpergewicht 
stieg nunmehr und betrug am Schluß des Versuches, 24 Stun- 
den nach der letzten Fütterung, 9800 g, also noch 80 g mehr 
als im Anfang. Da bei der langen Dauer des Versuches die 
Gefahr der Aschenverarmung vorlag, erhielt der Hund vom 31.1. 
ab täglich 5 com einer Lösung, welche 10 g KH,PO, in 100 ccm 
gelöst enthielt, mit kohlensaurem Natron neutralisiert. 

Kotentleerung erfolgte anfangs sehr selten, nach Zulage 
des Reises häufiger. Am 17. 2. bekam der Hund zur Ab- 
grenzung des Kotes 100 g Fleisch mit feingepulverter Knochen- 
asche, des Abends noch eine reichliche Quantität gemischten 
Futters mit viel Knochen, um die Reste des Fütterungskotes 
aus dem Darm herauszuschaffen. 


104 E. Salkowski: 


Bereits am 18. erfolgte Entleerung von Knochenfaeces mit 
Resten schwarzen Faeces, die sich leicht trennen ließen. 


Die Faeces der ersten 4 Tage wurden für sich gesammelt 
und frisch für die Untersuchung auf Lecithin verwendet. Ihr 
Gewicht betrug 27,5 g. Diese kommen also für die Berechnung 
der Ausnutzung nicht in Betracht, ebenso natürlich nicht die 
aufgenommene Nahrung. 


Im ganzen hat der Hund in 29 Tagen verzehrt 1270 g 
Blutpräparat, 1330 g Speck, 450 g Reis und die Fleischbrühe 
aus 2400 g Fleisch, davon kommen für die Berechnung der 
Ausnutzung nicht in Betracht, 100 g Blutpräparat und 150 g 
Speck. Die verzehrten Nahrungsmittel sind nachfolgend ta- 
bellarisch zusammengestellt. 


Dabei ist der leichteren Übersichtlichkeit wegen Futter, 
das an zwei aufeinander folgenden Tagen verzehrt wurde, 
gleichmäßig auf beide Tage verteilt. 


— gg Te 


Blut- : Brühe aus 100 g 
— eo | * | Fleisch 








Datum 


19. u. 20.1. 03 täglich 


30 50 0 0 
21. u. 22. x 20 25 0 0 
23. 25 25 0 0 
24. 25 25 0 Fleischbrühe 
25. u. 26. 25 40 0 j 
27. I. bis 1. 2. täglich 50 50 0 — 
2.2. 50 50 30 h 
3. 70 50 30 Š 
4. bis 16. inkl. täglich 50 50 30 ú 
Im ganzen in aus 2400 
T — | 1270 | 1330 | 450 | Fleisch € 


Über die Aufnahme und Ausnutzung der Nahrung in 
25 Tagen (der Kot der 4 ersten Tage ist, wie gesagt, für die 
Lecithinbestimmung benutzt) gibt die nachfolgende Tabelle 
Auskunft. 


Über Fleischersatzmittel. 105 


* Eingeführt Isüetson Fett — 


Blutpräparat. . 1170 g à 14,90%, N 
Speck?) . . . . 1180 g à 0,243°/, N 
Reis?) .... 450g& 1,0 N 
Fleischbrühe 2400 ccm à 0,31°/⁄, N 
Im ganzen 
Durch den Darm augesohieden 
Also resorbiert 

Ausnutzung in Prozenten 





















334,19 


180,72 | 1048,52 
98,98 


95,5 98,48 





Danach ist die Ausnutzung des Eiweißes fast so gut wie 
die des Fleisches. Über die Zahlen für Fett- und Amylum- 
ausnutzung habe ich folgendes zu sagen. Das von mir aus- 
geübte Verfahren zur Fettbestimmung?) halte ich für vollkommen 
genau, es gibt eher ein fehlerhaftes Plus. Die in 25 Tagen 
bei recht fettreicher Ernährung durch den Darm ausgeschiedene 
Quantität von ca. 16 g Fett ist jedenfalls sehr geringfügig. 

Von der Genauigkeit der Amylumbestimmung in den 
Faeces bin ich, wenn es sich um sehr kleine Mengen von 
Amylum handelt, nicht so überzeugt, jedenfalls war die Quan- 
tität des Amylums sehr gering. 

Die Untersuchung des an den 4 ersten Fütterungstagen ge- 
sammelten Kotes (27,5 g frisch) auf Lecithin lieferte ein fast 
ganz negatives Resultat. Aus dem ätherisch-alkoholischen Aus- 
zug wurde nur 0,0030 Mg,P,O, erhalten. Die Berechnung des 
Lecithins hieraus schien mir überflüssig. 

So gut nun auch die Fütterungsversuche mit .dem ge- 
pulverten Coagulum ausgefallen sind, so könnte bei der An- 
wendung beim Menschen doch vielleicht die braunrote Farbe 
ein Hindernis bilden — kein absolutes allerdings, da man sich 
ja auch an die dunkelbraune Farbe des Kakaos und die fast 
schwarze der Schokolade gewöhnt hat, immerhin wäre es an- 
genehm gewesen, aus dem Blut ein womöglich gleichwertiges hell- 
gefärbtes Präparat zu erhalten. Diese Entfärbung gelingt mit 
dem fertigen Coagulum nicht, es handelt sich also darum, das 


1) Fettgehalt des Specks wurde fast genau zu 90°], gefunden. 
8) Kohlenhydrate nach König zu 75°/, gesetzt, Fettgehalt = 0,6°|,. 
3) Siehe hierüber die analytischen Belege im Anhange. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 7 


106 E. Salkowski: 


Blut vor der Koagulation zu entfärben. Als Entfärbungs- 
mittel scheiden Chlor resp. Oxydationsstufen desselben von 
vorneherein aus, da den dabei erhaltenen Produkten stets ein 
unangenehmer Geschmack anhaftet. Kaliumpermangat ist nicht 
brauchbar wegen der Unmöglichkeit, das entstandene Mangan- 
superoxyd aus dem Eiweiß zu entfernen. Eher Erfolg zu 
versprechen schienen die Persulfate, namentlich aber Wasser- 
stoffsuperoxyd und die Alkalisuperoxyde. 

Die Entfärbung gelingt mit Kaliumpersulfat oder Am- 
moniumpersulfat in schwach saurer Lösung, jedoch nur unter An- 
wendung relativ großer Mengen von Persulfat. Der Anwendung 
von Wasserstoffsuperoxyd stellen sich Schwierigkeiten entgegen. 
Die Entfärbung nach eingetretener Koagulation gelingt nur 
unvollständig, das Coagulum bleibt im Inneren stets unver- 
ändert. Die Entfärbung des Blutes selbst aber, vor der Koa- 
gulation, scheitert an der katalytischen Wirkung desselben: der 
größte Teil desselben wird zersetzt, die Entfärbung ist also 
minimal, außerdem ist das Verfahren technisch unausführbar 
wegen des enormen Schäumens. Die Zersetzung des Wasser- 
stoffsuperoxyds durch Blut wird allgemein einem in ihm ent- 
haltenen Ferment der ‚„Katalase‘‘ (von Senter Hämase genannt) 
zugeschrieben. Ich will hier die Frage unerörtert lassen, ob 
diese Ansicht ganz richtig ist, ob nicht vielmehr die Zersetzung 
mindestens zum Teil dem lebenden Protaplasma als solchem 
oder dem Hämoglobin zukommt, jedenfalls aber erschien es 
mir nicht aussichtselos, das Ferment oder das Protoplasma durch 
Erhitzen zu töten, ehe noch eine Gerinnung eintritt und das 
Wasserstoffsuperoxyd auf dieses erhitzte Blut einwirken zu 
lassen, auf das es nun seine volle entfärbende Wirkung äußern 
konnte, ohne der sofortigen Zersetzung zu unterliegen. Ich 
arbeitete dazu ein Verfahren aus, das auf der von mir ge- 
machten Beobachtung beruht, daß die katalysierende Wirkung 
von verdünntem Blut durch Erhitzen auf 69 bis 70° mit Sicher- 
heit aufgehoben wird, ohne daß dabei Koagulation eintritt. 

Das Verfahren wird folgendermaßen ausgeführt: 

200 ccm Rinderblut werden mit 11 Wasser gemischt und 
in einer Schale auf dem Dampfbad unter stetem Umrühren 
erhitzt, wobei die Temperatur an einem in die Flüssigkeit ge- 
senkten Thermometer genau beobachtet wird. Sobald die 


Über Fleischersatzmittel. 107 


Temperatur auf 69 bis 70° gestiegen ist, wird die Erhitzung 
durch Abnahme der Schale vom Dampfbad unterbrochen. Dabei 
hat die Lösung ihr Aussehen verändert: während sie vorher 
rein rot und durchsichtig war, ist sie nunmehr bräunlichrot ge- 
worden und erscheint nicht mehr durchsichtig, sondern leicht 
opalisierend. 

Setzt man zu kleinen Proben dieser Flüssigkeit etwas 
Wasserstoffsuperoxyd, so verhalten sich dieselben ganz anders, 
wie vor der Erhitzung abgenommene Proben. In diesen be- 
wirkt der Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd sofort heftiges Auf- 
schäumen, so daß meistens die Flüssigkeit überschäumt. Bei 
den Proben der, wie angegeben, erhitzten Flüssigkeit ist hier- 
von nichts zu bemerken, vielmehr findet eine Gasentwicklung 
überhaupt nicht statt, die katalysierende Wirkung des Blutes 
ist vollständig aufgehoben. 

Unmittelbar nach dem Abnehmen vom Dampfbad wird die 
Flüssigkeit durch Wasserzusatz auf 50° abgekühlt, dann 60 com!) 
eines sog. 3°/,, 10 Vol. O, entwickelnden Wasserstofisuper- 
oxyds, welches vorher mit 100 bis 120 ccm Wasser verdünnt 
ist, hinzugesetzt. Die Verdünnung hat den Zweck, die Ver- 
teilung des Weasserstoffsuperoxyds möglichst zu begünstigen, 
ist aber nicht durchaus notwendig. Es wird nun aufs neue 
auf dem Dampfbad erhitzt, wobei die anfangs bräunlich-rote 
Mischung sich mehr und mehr entfärbt und stärker trübt. 

Bei fortschreitender Erhitzung scheidet sich allmählich das 
Eiweiß, gelblich gefärbt, aus. Verzögert sich die Ausscheidung 
in grobflockiger Form oder wird die zwischen den Flocken be- 
findliche Flüssigkeit nicht ganz klar, so befördert man die Aus- 
scheidung und das Zusammenballen in der üblichen Weise 
durch einen minimalen Säurezusatz. Das auskoagulierte Eiweiß 
wird abkoliert, mit warmem Wasser gewaschen, abgepreßt, schließ- 
lich durch Behandlung mit Alkohol und Ather gereinigt und 
getrocknet, und so in Form eines gelblichen, staubigen Pulvers 
erhalten. 

Ich bemerke noch, daß es nicht zweckmäßig ist, Wasser- 
stoffsuperoxyd der auf 69° erhitzten Flüssigkeit selbst ohne 
vorherige Abkühlung hinzuzusetzen. In diesem Falle erfolgt 


1) Später habe ich mehr, 90 bis 100 ccm, genommen. 
7* 


108 E. Salkowski: 


eine intensive völlige Entfärbung an der Stelle, an welcher das 
Weasserstoffsuperoxyd hineingelangt, während eine so weitgehende 
Entfärbung nicht erforderlich ist. Rührt man dann um, so 
ist eine genügende Entfärbung nicht zu erreichen, weil der 
größte Teil des Wasserstoffsuperoxyds schon verbraucht ist. 
Außerdem findet bei dieser Temperatur an der Stelle, wo das 
Weasserstofisuperoxyd hineingelangt, schon eine Koagulation statt. 
Kühlt man dagegen die Flüssigkeit ab, so läßt sich das Wasser- 
stoffsuperoxyd in derselben gleichmäßig verteilen, ohne eine merk- 
liche Wirkung auszuüben, die Entfärbung tritt erst bei er- 
neutem Erhitzen und dann ganz gleichmäßig ein. Statt Wasser- 
stoffsuperoxyd läßt sich natürlich auch Natriumsuperoxyd an- 
wenden, das Verfahren erleidet dann einige leicht ersichtliche 
Modifikationen. Mit diesem Präparat, daa — nebenbei be- 
merkt — Eisenreaktion mit Schwefelammonium und Salzsäure 
-+ Kaliumferrocyanid gibt, sind die folgenden Versuche an- 
gestellt. 


Fütterungsversuch 9. (Entfärbtes Koagulum.) 

Feuchtes Blutpräparat, in einer gut schließenden Blech- 
büchse auf Eis aufbewahrt. Körpergewicht des Hundes 36 kg. 
Die Nahrung bestand aus dem Präparat, Reis, Fett und Fleisch- 
extrakt. Der Kot wurde durch Knochenasche abgegrenzt. 
Trockengewicht desselben 153 g. Das Befinden des Tieres war 
gut, die Fäces geformt. Die Nahrungsaufnahme geht aus fol- 
gender Zusammenstellung hervor. 


Nahrungsaufnahme in Gramm 
Präparat Reis Speck | Fleischextrakt 


Datum 





N-Aufnahme: 
1. 610 g Präparat —=291,6g trocken à 16°), N = 33,46 N 
2. 165 g Reis . . ... . . à 1%,N= 165N 
3. 165g Speck . . . . 2. 80,243°%,. N= 040N 
4. 16g Fleischextrakt . . . . à 9° N= 144N 


Im ganzen 36,95 N 


Über Fleischersatzmittel. 109 


N-Abgabe durch den Kot: 

153g à 4,784°/, = 17,319 g, also resorbiert 29,631 g, = 80,41 °/,. 

In Wirklichkeit ist die Ausnutzung wohl etwas günstiger, 
da die N-Zufuhr von ca. 8,5 g pro Tag, namentlich in Anbetracht 
der geringen Quantität N-freier Nährstoffe augenscheinlich zur Er- 
haltung des großen Tieres nicht ausreicht, dasselbe sich also 
im partiellen Hungerzustand befand. Der entleerte Kot ist 
zum Teil als Hungerkot anzusehen. Außerdem ist der N-Ge- 
halt des Trookenpräparates wohl etwas zu hoch veranschlagt. +) 


Fütterungsversuch 10. (Entfärbtes Koagulum.) 


Da sich in einem Vorversuch gezeigt hatte, daß der Hund 
ein aus dem Eiweißpräparat, Speck und Reis gemischtes 
Futter schlecht fraß, wurde ein Teil des N in Form von Fleisch 
gegeben. An einigen Tagen wurde dasselbe auch fortgelassen. 
Das Futter wurde nur zögernd aufgenommen, aber doch voll- 
ständig, nur am 18. ließ der Hund etwas übrig, fraß es jedoch 
am nächsten Tage. Kotentleerung erfolgte fast täglich, war 
schwärzlich, häufig etwas dünn, so daß die Sammlung schwierig 
war und wohl auch nicht ganz ohne Verlust erfolgt ist. 

Die Fütterung ist 21 Tage lang fortgesetzt, das Befinden 
des Hundes war gut, das Körpergewicht stieg von 4550 g am 
Anfang auf 4700 g am Ende (24 Stunden nach der letzten 
Fütterung und nach Kotentleerung). 

Die Zahlen für die Nahrung sind in nachfolgender Tabelle 
zusammengestellt. 





Nahrungsaufnahme in Gramm 
Präparat |Fleisch| Speck | Reis 


Datum Körpergewicht 





am 16. 4650 g, am 21. 4680 g, 
am 25. 4700g 








400 | 1050 | 820 | 510 


1) Aus welchem Grunde ich in diesem Falle keine direkte N-Be- 
stimmung im Präparat gemacht habe, ist aus den Protokollen nicht er- 
sichtlich und mir auch nicht mehr erinnerlich. 


110 E. Salkowski: 


Über die Ausnutzung der Nahrung gibt folgende Tabelle 
Auskunft. 


Mit der Nahrung eingeführt | Stickstoff | Fett 


400 g Präparat : TE 

1050 g Fleisch . . . . ; 34,65 nicht bestimmtinicht bestimmt 
820 g Speck . . . ; 

510 g Reis 










Kohlenhydrate 








Durch d. Darm ausgeschieden 
Resorbiert . u — 83,69 130,32 
Ausnutzung in Prozenten . 83,41 98,55 

Hierzu sei noch folgendes bemerkt. 

Die N-Ausnutzung der aus dem Präparat, Fleisch, Reis 
und Fett gemischten Nahrung erscheint wenig günstig, noch 
etwas ungünstiger die des Bluteiweißpräparates für sich. Man 
kann sie annähernd erhalten, wenn man von der Gesamt-N- 
Einfuhr die des Fleisches abzieht und ebenso die diesem ent- 
sprechende N-Ausfuhr. Nehmen wir diese mit Rücksicht auf 
die Beigabe von Speck und Reis zu 5°/, an, was sicher nicht 
zu hoch, sondern eher zu niedrig ist, so erhalten wir: N-Ein- 
fuhr 100,34 minus 34,65 — 75,69 g. N-Ausfuhr 14,92 g, somit 
resorbiert 75,69 minus 14,92 — 60,77 g = 80,29°/,. — Für die 
mangelhafte Resorption spricht auch der hohe N-Gehalt des 
Kotes — 10,74°/,. Angesichts desselben kann man sogar zweifel- 
haft sein, ob die Aufsammlung des Kotes in der Tat vollständig 
gelungen ist. In auffallendem Gegensatz zu der mangelhaften 
Eiweißresorption steht die gute Ausnutzung des Fettes trotz 
sehr reichlicher Zufuhr und die noch bessere der Kohlenhydrate; 
ließ sich doch der Kohlenhydratgehalt der Fäces überhaupt 
nicht sicher bestimmen. 


nicht bestimmbar 
fast alles 








Fragen wir nun, welche Schlüsse sich aus den angeführten 
Versuchen für die Möglichkeit der Anwendung beim Menschen 
als Ersatz eines Teiles des Eiweißes der natürlichen Nahrung, 
speziell des Fleisches, ergeben, so muß von vornherein zu- 
gegeben werden, daß das Material hierfür insofern mit einiger 
Unsicherheit behaftet ist, als Versuche am Menschen überhaupt 
nicht vorliegen. Mit dem durch diese Verhältnisse bedingten 
Vorbehalt möchte etwa folgendes zu sagen sein. 


Über Fleischersatzmittel. 111 


Das entfärbte, getrocknete Bluteiweißpräparat dürfte kaum 
in Betracht zu ziehen sein, um so weniger, als ich in einem 
hier nicht berichteteten Fütterungsversuch damit unverändertes 
Präparat direkt in den Entleerungen nachweisen konnte. Die 
Fäces wurden zuerst mit Wasser extrahiert, der Rückstand 
mit verdünnter Natronlauge behandelt, filtriert, die alkalische 
Lösung mit Essigsäure gefällt. Der entstandene Eiweißnieder- 
schlag hatte durchaus dieselbe Beschaffenheit, wie das verfütterte 
Präparat. Es ist gewiß sehr bemerkenswert, daß die anscheinend 
so geringfügige Einwirkung des Wasserstoffsuperoxyds in noch 
nicht einmal ganz entfärbender Quantität genügt hat, um den 
Wert des Eiweißes als Nährstoff in erheblichem Grade herab- 
zudrücken. Die Erscheinung ist um so auffallender, als sie in 
Widerspruch steht mit der leichten Verdaulichkeit des ent- 
färbten Bluteiweißpräparates durch Pepsinsalzsäure, die wieder- 
holt festgestellt wurde: die Verdauung erfolgte sehr schnell unter 
Bildung von primären und sekundären Albumosen, nur ein sehr 
kleiner Anteil blieb regelmäßig unverdaut. 

Ebensowenig ist wohl an eine Verwendung des getrockneten 
syntoninähnlichen Fleischpräparates (oder Fleischalbuminates) 
zu denken, das außerdem stets einen etwas ranzigen Geschmack 
zeigte. Von den trocknen Präparaten kommt allein das ge- 
pulverte Coagulum aus Blut in Betracht, welches augenscheinlich 
sehr gut ausgenutzt und in Verbindung mit Fett und etwas 
Fleisch, ja auch ohne letzteres gut vertragen wird. Dies zeigt 
sich in dem Fütterungsversuch 7, der 14 Tage umfaßt, bei einer 
Nahrung, deren Eiweißgehalt zu mehr als */, aus dem Blut- 
präparat bestand. Noch beweisender ist der Fütterungsversuch 8, 
in welchem das Blutpräparat 29 Tage lang deneinzigen 
Eiweißkörper darstellte neben den geringen kaum in Be- 
tracht kommenden Quantitäten Stickstoff, die im Speck, Reis 
und Fleischbrühe enthalten waren, das Eiweiß zu 95°/, aus- 
genutzt wurde und das Körpergewicht (nach vorüber- 
gehendem Sinken infolge zu geringer Nahrungszufuhr) noch 
etwas anstieg. Auch die Ausnutzung von Fett und Kohlen- 
hydraten ließ in diesem Versuch nichts zu wünschen übrig. 
Das Blutcoagulum ist selbstverständlich nach der Art seiner 
Herstellung steril und hygienisch völlig einwandfrei. Das ein- 
zige Bedenken, das man geltend machen kann, ist die Farbe. 


112 E. Salkowski: 


In der trocknen Form unterscheidet sie sich nur wenig von 
der des Kakao und tritt keineswegs unangenehm hervor, anders 
dagegen in feuchtem Zustand beim Einrühren in flüssige Speisen: 
hierbei nimmt das Pulver unter manchen Verhältnissen einen 
schwärzlichen Farbenton an, welcher unangenehm berührt, so 
z. B. beim Einrühren von mit etwas Kakao gemischtem Präparat 
in Milch. 

Immer aber werden pulverförmige Eiweißpräparate, welche 
sich nicht lösen!) und auch nicht quellen, nur von einer be- 
schränkten Anwendbarkeit bleiben, die Zunge vermißt an ihnen 
die gewohnte weiche Beschaffenheit, in dieser Hinsicht sind 
die nicht getrockneten, daher weichen feuchten Präparate den 
Pulvern bei weitem überlegen. Bei den feuchten Eiweißkörpern 
erhebt sich aber die große Schwierigkeit der Konservierung. 
Sie ist natürlich ohne weiteres gelöst bei der Anwendung von 
zugelöteten Büchsen, die Frage ist nur, ob die Präparate da- 
durch nicht zu sehr verteuert werden. Bei dem Vertrieb in 
nicht zu kleinen Büchsen von mindestens !/, kg dürfte indessen 
dieser Faktor in Anbetracht des sehr niedrigen Preises, zu 
welchem heute die Blechdosen im großen hergestellt werden, 
nicht zu schwer ins Gewicht fallen. Sieht man von sterilisierten, 
zugelöteten Konservenbüchsen ab, so erheben sich allerdings 
für die praktische Anwendung erhebliche Schwierigkeiten, die 
chwer zu überwinden sein würden. 

Im Prinzip sind sie allerdings nicht vorhanden, denn das 
Fleisch ist in weit höherem Grade der Fäulniszersetzung unter- 
worfen, als die feuchten Blut- und Fleischpräparate. Das ist 
selbstverständlich, denn diese sind ja bei der Darstellung steri- 
lisiert. Sie halten sich, kühl aufbewahrt, ca. 8 Tage genieß- 
bar. Für das praktische Leben aber würde sich die große 
Frage erheben, welche Geschäfte den Vertrieb dieser feuchten 
Präparate übernehmen sollten, der außerdem wohl nur an dem 
Ort der Fabrikation stattfinden könnte. Allenfalls könnte der 
Vertrieb durch die Nahrungsmittelgeschäfte geschehen, zweck- 
mäßig aber nur an den Stellen, die auf die Konservierung leicht 
zersetzliichen Ernährungsmaterials eingerichtet sind. Ob diese 





1) „Lösen“ in wissenschaftlichem Sinne, nicht in dem Sinne, in 
dem der Handel und das Publikum von „löslichem Kakao“ spricht. 


Über Fleischersatzmittel. 113 


sich zur Übernahme eines Konkurrenzartikels bereitfinden lassen 
würden, ist freilich sehr zweifelhaft. 

Würde nun das Blutpräparat oder das Fleischpräparat 
in feuchtem Zustand Vorzug verdienen? 

Gegen das Blutpräparat spricht die Abneigung des Publi- 
kums gegen Blut und alles, was mit dem Blut in Zusammen- 
hang steht und seinen Ursprung noch deutlich dokumentiert, 
für dasselbe, daß nur diese Quelle in reichlichster Menge zur 
Verfügung steht. 

Gegen das Fleischpräparat spricht, daß das Ausgangs- 
material lediglich das überseeische ist und dieses nur in einem 
Zustande zu erhalten ist, in dem es nicht ganz frei von etwas 
ranzigem Geschmack ist. Für dasselbe, daß es, als aus Fleisch 
stammend, den Vorstellungen und Lebensgewohnheiten des 
Publikums mehr entgegenkommen würde. Eine Fleischkonserve 
würde jedenfalls leichter einzuführen sein, als eine Blutkon- 
serve. Der Vorwurf des ranzigen Geschmacks kommt ganz in 
Fortfall, wenn die Fleischrückstände frisch verarbeitet werden, 
was in praxi aber wohl kaum in Frage kommen kann. Er 
fällt aber auch dann ganz in Fortfall, wenn die bei der Her- 
stellung des Fleischextraktes gebliebenenen Rückstände nicht 
getrocknet, sondern in feuchtem Zustand mit einer angemessenen 
Quantität Salzsäure versetzt und so versendet werden. Daß 
dies möglich ist, habe ich festgestellt, wenn auch nur in sehr 
kleinem Maßstabe. Gleichzeitig unterscheiden sich die mit Salz- 
säure konservierten Fleischrückstände von den getrockneten 
sehr vorteilhaft dadurch, daß die Herstellung des Fleisch- 
präparates (Fleischalbuminates) aus ihnen außerordentlich leicht 
ist, sehr viel leichter, als aus den getrockneten. Man könnte 
sogar daran denken, die Herstellung des Fleischpräparates aus 
den ziemlich unbegrenzt, jedenfalls sehr lange, haltbaren an- 
gesäuerten und in Holzgefäßen versendbaren Fleischrückständen 
direkt in die Küchen des Haushaltes zu verlegen, deren Uten- 
silien für diesen Zweck ausreichen. Gar keine Schwierigkeit 
würde dieses in den großen auf Massenverpflegung berech- 
neten Anstaltsküchen verschiedener Art machen. Die Ver- 
wertung des überseeischen Fleischreichtums wäre dann in 
ähnliche Bahnen gelenkt, wie die eines großen Teils der Milch 
bei uns. Wie diese in die für die wohlhabenderen Bevölke- 


114 E. Salkowaski: 


rungsschichten bestimmte Butter und in die für den Konsum 
minder Begüterter dienende Magermilch (wo die Anwendung 
einer solchen zulässig erscheint) zerlegt wird, so würde auch 
bei dem überseeischen Fleisch eine solche Teilung in Fleisch- 
extrakt und Eiweißkörper zu demselben Zweck eintreten. Damit 
wäre erst die Frage, wie sich der Fleischreichtum von Süd- 
amerika für die europäische Bevölkerung verwerten läßt, die 
sich einst Liebig stellte, gelöst, denn niemand wird heute in 
Abrede stellen, daß die Herstellung des Fleischextrakts allein 
keine Lösung der Aufgabe darstellt, geht dabei doch der bei 
weitem wertvollere Teil des Fleisches, die Eiweißkörper, für 
die Volksernährung verloren. Die Liebigs Extract of Meat 
Company würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn sie 
an die Lösung dieser Aufgabe heranträte. 


Zweiter Teil. 
Eiweiß vegetabilischen Ursprunges. 


Die Herstellung von Eiweißpräparaten aus Pflanzensamen 
zu Genußzwecken ist vielfach versucht worden, auch nicht 
ohne Erfolg; der Erfolg ist aber doch nur ein teilweiser gewesen. 
Dauernd eingeführt haben sich, soviel ich weiß, nur zwei der- 
artige Eiweißpräparate, das Roborat und das Aleuronat!) beide 
aus Weizenmehl bei der Verarbeitung desselben auf Amylum 
als Nebenprodukt erhalten, das Roborat unter Anwendung von 
Chemikalien, das Aleuronat ausschließlich durch mechanische 
Bearbeitung des im Weizenmehl enthaltenen Klebers.. Während 
die Anwendung des Roborats lediglich eine diätetische geblieben 
ist, als solche zweifellos oft gute Dienste leisten mag, findet 
das Aleuronat, soviel ich weiß — entprechend seinem niedrigeren 
Preise —, auch Anwendung für die allgemeine Ernährung, 
namentlich in Form von Backwaren, die für dasselbe insofern 
die geeignetste ist, als das Aleuronat selbst einen den meisten 
Personen nicht angenehmen Geschmack hat. 

Meine Versuche über einige pflanzliche Eiweißkörper liegen 
z. T. sehr weit zurück und sind z. T. zu einer Zeit angestellt, 


1) Zum Teil ist hierher auch das Tropon zu rechnen, das nach An- 
gaben in der Literatur, soweit mir erinnerlich ist, zu !/, aus animalischen, 
zu ?2/, aus pflanzlichem Eiweiß bestehen soll. 


Über Fleischersatzmittel 115 


als man noch nicht allgemein der Ansicht war, daß das vege- 
tabilische Eiweiß an sich ganz denselben Nährwert habe, wie das 
animalische. Die ersten entscheidenden Versuche hierüber sind, so- 
viel ich weiß, von Constantinidi!) unter Voit an Aleuronat und 
von A. Loewy und M. Piokart?) an Roborat angestellt. Es 
kann indessen sein, daß schon ältere Versuche hierüber vor- 
liegen; ich möchte bei dieser Gelegenheit ganz allgemein be- 
merken, daß es mir bei dem großen Umfang des Gegenstandes 
nicht möglich war, die Literatur eingehend zu berücksichtigen, 
dies lag auch nicht in meiner Absicht, ee kam mir haupt- 
sächlich darauf an, durch eigene Versuche ein Urteil über die 
betreffenden Eiweißkörper zu gewinnen. 

Ich gehe nun zur Mitteilung meiner Versuche über, die 
nicht in demselben Umfange angestellt sind wie bei den 
animalischen Eiweißkörpern. 


Fütterungsversuch 11 (Eiweiß von Pferdebohnen, 
| Vicia faba minor). 


Das Präparat war mir zur Prüfung übergeben worden. 
Von der Darstellung ist mir nur bekannt, daß sie sich im all- 
gemeinen der von Ritthausen in seinem bekannten Buche über 
die Eiweißkörper der Getreidearten usw. angegebenen Methode?) 
zur Darstellung des Legumins (Extraktion mit schwacher Kali- 
lauge, Fällung mit Essigsäure) anschloß. Das Eiweiß stellte 
ein weißes, staubfeines, etwas nach Alkohol riechendes, in Wasser 
unlösliches Pulver dar. Der heiße wässerige Auszug färbte 
sich nach dem Erkalten mit Jodlösung himmelblau, mikro- 
skopisch habe ich Amylum nicht entdecken können, das Präparat 
enthielt also wohl nur lösliches Amylum und auch dieses nur 
in geringer Quantität. Beim Schütteln mit Äther gingen in 
diesen Spuren von Fett über. In Pepsinsalzsäure löste sich 
das Eiweiß mit großer Leichtigkeit. Leider reichte bei der 
langen Dauer des Versuches die zuerst übersendete Quantität 
nicht aus, so daß noch eine zweite, weit wasserärmere in An- 
wendung gezogen werden mußte. Die erste Quantität enthielt 


1) Zeitschr. f. Biol. 23, 433. 
2) Deutsche med. Wochenschr. 1900, 821. 
3) 1. o., S. 172. 


116 E. Salkowski: 


11,32°/, Wasser, 1,04°/, Asche und 12,12°/, Stickstoff, die 
zweite Quantität enthielt 14,89°/, N. 

Der Hund wurde am 28./2. 1895 zum Versuch genommen, 
nachdem er am 27. Knochen zur Abgrenzung erhalten hatte. 
Das Körpergewicht war am Anfang des Versuches 4990 g, am 
Ende des Versuches, 24 Stunden nach der letzten Fütterung, 
5370 g, hatte also um 380 g zugenommen. 

Das Futter bestand aus dem Eiweißmehl, Speck, Reis, 
4 g Fleischextrakt und 4ccm gesättigter Kochsalzlösung!) täglich. 
Der Versuch dauerte 21 Tage und konnte ohne jede Störung 
durchgeführt werden. Das Befinden des Hundes war in der 
ganzen Zeit sehr gut. Kotentleerung erfolgte in Zwischenräumen 
von einigen Tagen, stets fest. Der Kot wurde in zwei Anteilen 
gesammelt. Der erste von 5 Tagen — 33,6 g trocken mit 4,08°/, N, 
der zweite in 16 Tagen = 145 g trocken mit 4,97°/), N. Am 
20. abends erhielt der Hund Knochen, der am 21. entleerte 
Kot gehörte noch ganz überwiegend zum Versuch. Am 21. wurden 
reichlich Knochen gegeben, die Entleerung am 22. bestand nur 
aus Knochenkot. 

Die Einzelheiten betreffs Nahrungsaufnahme und Körper- 
gewicht sind in folgender Tabelle zusammengestellt. 






Nahrungsaufnahme 
in g 


Eiweiß, Speck | Reis 





Körpergewicht 
Datum d 








Bi. er% 4990 g Futter nicht ganz 
aufgefressen 

1./3.—6./3. inkl. tägl... am 6. 3. 5050 g 
7./3.—13./3. p n - am 11. 5250 g 
14./3.—15./3. täglich . 5340 

17.18. u une 6380 

18:73: G 0.8.0. 26 0 6360 

10.19. ar ie a 6390 

20.3 nee 5400 

BLI & 2 w.2,.8 0% 5370 





Im ganzen | 845 | 810 | 740 | 





Die Ausnutzung des Stickstoffes berechnet sich folgender- 
maßen: 


1) 20 g Fleischextrakt und 20 com gesättigte Kochsalzlösung auf- 
gefüllt zum Vol. von 100 ccm, davon täglich 20 com; 


Über Fieischersatzmittel. 117 
N-Einfuhr: 


1. 450g EiweißI. . . .& 12,72°/, N= 57,24 
2. 395g Eiweiß II . . .& 14,89%, N= 58,82 
3. 740g Reis ..... & 1° N= 7,40 
4. 810g Speck . . .. . à 0,243°/, N= 1,97 
5. 84g Fleischextrakt .à 8,81° N= 7,40 


Im ganzen 132,83 g 

Durch den Darm ausgeschieden sind 7,51 g, also resorbiert 
125,32 g = 94,37°/, bei einer Nahrung, deren N zu mehr als °/, 
in Form von Pflanzeneiweiß gereicht wurde. 

Der Harn war im Käfig gesammelt und mit Chloroform 
konserviert. Harnmenge 4190 ccm, N-Gehalt 2,814°/, = 117,91 g. 
Da 125,32 g resorbiert waren, so fehlen von den resorbierten gN 
7,41 g. Das Defizit ist zum Teil auf Fleischansatz — 252 g zu 
beziehen, aber wenn man selbst annehmen wollte, daß der 
Harn ohne Verlust gesammelt ist, was sicher nicht ganz zu- 
trifft, würde die Gewichtszunahme nicht vollständig auf Fleisch- 
ansatz bezogen werden können. 


Fütterungsversuch 12 (Aleuronat). 


Aleuronat ist bekanntlich ein Phantasiename für ein im 
wesentlichen aus Klebereiweiß bestehendes Präparat, das als 
Nebenprodukt bei der Fabrikation von Weizenstärke in der 
Fabrik von Hundhausen in Hamm gewonnen wird und 
natürlich noch Amylum enthält. Die Darstellung ist lediglich 
mechanischer Natur, indem der Kleber zwischen erhitzten 
Walzen getrocknet und dann pulverisiert wird. Chemikalien 
kommen dabei nicht in Anwendung. 

Das verwendete Präparat hatte folgende Zusammensetzung: 

Eiweiß (12,96°/, >< 6,25) . . . . 80,94?) 


Wasser . . 2. 2 2 2 2 2 20. 5,84 
Asche . . . . 2 2 2 2 2 2 0. 1,07 
Fotto a a 8 cr 1,86 
Amylum . . es 22 2 2 20.0 9,10 
Rohfaser . . . 2. 2.2 2 2 20. 0,33 
Verlust und nicht Bestimmtes . . 0,86 

100,0 


1) Die Zusammensetzung ist nur wenig abweichend von der von 
Constantinidi (Zeitschr. f. Biol. 23, 436) angegebenen; in 100 Teilen 
der bei 100° getrockneten Substanz fand C. Stickstoff 13,71, Fett 0,27, 
Stärkemehl 7,01, Cellulose 0,45, Asche 0,78. C. hatte wohl ein etwas 
sorgfältiger hergestelltes Präparat in Händen. 


118 | E. Salkowski: 


Ein Hund von 5900 g Körpergewicht erhielt nach Ab- 
grenzung des Kotes am 5. XII. 1901 zum erstenmal Aleuronat, 
am 18. XII. zum letztenmal, der Versuch dauerte also 14 Tage. 
Das Körpergewicht betrug am Ende des Versuches 5850 g, war 
also fast konstant geblieben. 


Nahrungsaufnahme in g 
Aleuronat Speck Fleisch!) 


Datum 






5. XIL 1901 2 ....... 
6. XIL—8. XII. inkl. täglich . 


18. XIL 


Das Befinden des Hundes war durchaus gut, die Faeces 
trocken, schwarz, pechartig. Entleerungen erfolgten nur 4mal 
während des Versuches, im ganzen 70 g trocken mit 6,09°,, N 
Um die noch im Darm enthaltenen Faeces herauszubefördern, 
wurden am 19. XII. reichlich Knochen gegeben, am m fanden 
sich deutlich abgegrenzte Faeces. 


Ausnutzung der Nahrung. 





Mit der Nahrung eingefü Stickstoff Fett Kohlenhydrate 

















730 g Aleuronat : 13,58 66,43 
700 g Fleisch. ..... nioht bestimmt| nicht bestimmt 
560 g Speck . ..... ; 504 — 





66,43 





Be EU ; 517,58 


schieden . . .... 4,32 21,65 nicht nachweisbar 
Resorbiert . . ..... 114,68 495,93 fast alles 
Ausnutzung in Prozenten 96,37 95,82 fast 100 


Das Aleuronateiweiß ist also bei einer Nahrung, die */, des 
eingeführten Eiweißes in dieser Form enthielt, bis auf einen 
geringen Bruchteil, man könnte beinahe sagen, so gut wie 
vollständig und kaum weniger gut wie das Eiweiß des Fleisches, 
ausgenutzt worden, selbst in relativ sehr großen Quantitäten, 


1) Fleisch mußte beigegeben werden, weil der Hund ohne dieses 
das Futter nicht fraß. 


Über Fleischersatzmittel. 119 


wie sie 60 g pro Tag (im Maximum) darstellen, es ist ferner 
14 Tage hindurch gut vertragen worden und zweifellos voll- 
wertig gegenüber dem Eiweiß des Fleisches. Auch die Aus- 
nutzung des Amylums und Fettes muß als sehr gut bezeichnet 
werden. 

Fütterungsversuche mit Aleuronat sind schon wiederholt 
ausgeführt worden, allerdings nur solche von kürzerer Dauer. 
Für den Hund liegt ein unter Voit ausgeführter Versuch von 
Constantinidi!) vor. Der Hund von C. fraß das Aleuronat 
mit Speck allein ohne Fleischzusatz. Es wurde fast noch besser 
susgenutzt als in meinem Versuch: In einem 3tägigen Versuche 
an einem Hund von 24 kg bei 100 g täglich zu 96,5°/,, in 
einem Ötägigen Versuche an demselben Hund bei 200 g sogar 
zu 97,4°/,. Auch für den Menschen liegen Ernährungsversuche 
vor. Zunächst ein gleichfalls von Constantinidi angestellter 
3tägiger Versuch. Die Ausnutzung betrug 93,6°/, bei 200 g 
Aleuronat, 1700 g Kartoffeln und 100 g Butter täglich, während 
bei derselben Kost ohne Aleuronat nur 81,5°/, N zur Aus- 
nutzung gelangten. Ein von C. Virchow?) angestellter Ver- 
such am Menschen hatte gleichfalls ein sehr günstiges Resultat. 
In allen Versuchen ergab sich das Pflanzeneiweiß als dem 
Fleischeiweiß ganz gleichwertig. Schon früher haben sich Voit 
und Ebstein?) günstig über das Aleuronat ausgesprochen. 


Fütterungsversuch 13 (mit Pferdebohnenmehl). 


Hund von 6920 g Anfangsgewicht. Abgrenzung des Kotes 
durch Fleisch und Knochenasche. Das Mehl wurde mit Speck 
gebraten, da es nur in dieser Form willig aufgenommen wurde. 

Der Versuch umfaßte 8 Tage, vom 11. VII. 1900 inkl. bis 
18. VII. inkl. An allen Tagen erhielt der Hund 30 g Speck. 
Dazu am 11. und 12. je 50 g Pferdebohnenmehl, am 13. 100 g, 
am 14., 15., 16., 17., 18. je 75 g. Das Befinden des Tieres 
war durchaus gut, das Körpergewicht betrug am Ende des 
Versuches 6820 g. Die Faeces waren geformt, Kotentleerung 
erfolgte täglich (am ersten Tage Knochenkot), trotzdem erhielt 
der Hund am 19. zur Abgrenzung noch Knochen. Die Ab- 

1) Zeitschr. f. Biol. 23, 433, 1887. 


2) Allgem. med. Centralzeitg. 71, Nr. 51, 1902. 
3) Vgl. Malys Jahrb. f. 1893, 23, 431 u. 512. 


120 E. Salkowaki: 


grenzung war gut. Der Kot im Gesamtgewicht von 74 g trocken 
enthielt viel Amylum, roch beim Erhitzen mit Wasser stark 
nach Bohnen. 


Ausnutzung des Stickstoffs. 
Mit der Nahrung eingeführt: 
1. 575g Pferdebohnenmehl à 4,36°/, N = 25,07 g N 
2. 240g Speck . . . . . à 0,243°/, N= 0,58gN 


Zusammen 25,65 g N 
N durch den Darm ausgeschieden 2,75 g N 


Somit resorbiert 22,90 g N = 89,28°/,. 
Die relativ gute Ausnutzung des Eiweißes aus dem Mehl 
ist gewiß sehr bemerkenswert. 


Nach diesen Versuchen scheinen mir die Aussichten, zu 
einem zu allgemeiner Anwendung geeigneten pflanzlichen Eiweiß 
zu gelangen, nicht eben groß. Die Anwendung von Alkohol 
und Äther, welche zur Entfernung des Fettes und zur Ver- 
besserung des Geschmackes erforderlich sind, bringen notwendig 
eine solche Verteuerung des Produktes mit sich, daß es mit 
dem im Fleisch enthaltenen Eiweiß nicht erfolgreich konkurrieren 
könnte. Selbstverständlich ist eine Konkurrenz eines Eiweiß- 
pulvers mit dem Fleischeiweiß nur dann denkbar, wenn der 
Preis wesentlich niedriger ist als der des Fleischeiweißes. 
Erreicht ist dieses beim Aleuronat, von dem das Kilo im Klein- 
handel zu 2,90 M. zu haben ist, das Eiweiß also, wenn man 
einen Eiweißgehalt von 80°/, zugrunde legt, zu 3,60 M., 
während 1 kg Eiweiß im Fleisch kaum unter 7,50 M. zu 
haben sein möchte. Der Geschmack des Aleuronats läßt aber 
für die meisten Personen nur eine beschränkte Anwendung in 
Form von Backwaren usw. zu. Wesentlich teurer stellt sich, 
nebenbei bemerkt, das Tropon, von dem das Kilo 5,40M. 
kostet!). Hier ist die Preisdifferenz nicht mehr groß genug, um 
für das Publikum einen genügenden Anreiz zur Verwendung 
zu bieten. Immerhin ist es auffallend, daß unter Verhältnissen, 
in denen es auf besondere Billigkeit der Ernährung ankommt 


1) Preise für Aleuronat und Tropon nach der Preisliste von 
Kahlbaum. 


Über Fleischersatzmittel. 121 


und die Wahl der Nährstoffe nicht von dem Konsumenten, sondern 
von den Verwaltungsbehöraen abhängt, von diesem und dem 
Aleuronat nicht mehr Gebrauch gemacht wird, wenigstens ist 
mir nicht bekannt, daß dieses in umfangreicher Weise ge- 
schieht. 

Bei dem konsumierenden Publikum spielt übrigens noch 
ein Faktor eine wichtige Rolle, das ist die mangelnde Einsicht 
in die Zusammensetzung und den Nährwert der Nahrungsmittel. 
Wenn jemand z. B. 1 kg knochenfreies Fleisch kauft, denkt 
er nicht daran, daß darin rund 800 g Wasser und nur 200 g 
Eiweiß sind, und zahlt dafür weit eher 2 M., als daß er für 
l kg Aleuronat mit 800 g Eiweiß 2,90 M. gibt, er würde, 
wenn er den Tatbestand sich vergegenwärtigte, vielleicht von 
den Vorzügen des Fleisches im Interesse der größeren Billig- 
keit absehen. Mit anderen Worten: der Preis an sich pro Kilo 
ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung spielt bei dem 
kaufenden Publikum eine sehr große Rolle. Außerdem würde 
dasselbe, wenn man ihm ein Eiweißmehl anbietet, unwill- 
kürlich den im Verhältnis außerordentlich niedrigen Preis von 
Weizenmehl als Maßstab anlegen und den Preis für das 
Eiweißmehl übertrieben und unverständlich hoch finden. 
Darum würde es, meiner Ansicht nach, auch eher möglich sein, 
ein feuchtes Eiweißpräparat einzuführen als ein trocknes Pulver. 

Einen Punkt müßte man übrigens bei dem Versuch, billiges 
Eiweiß einzuführen, im Auge behalten: man dürfte sich wo- 
möglich nicht auf ein einziges Eiweißpräparat beschränken. 
Einem solchen haftet doch immer ein, wenn auch nur schwacher, 
Geschmack nach dem Ausgangsmaterial oder eine ganz be- 
stimmte Eigenschaft an, bei fortgesetztem Gebrauch eines und 
desselben Präparates würde daher der Konsument desselben 
wahrscheinlich bald überdrüssig werden. 

Die Tabelle auf Seite 122 enthält eine Übersicht über die 
in den Versuchen erzielte Ausnutzung des Stickstoffs nebst 
einigen anderen für die Beurteilung in Betracht kommende 
Angaben. 

Es schien mir noch von Interesse, zu sehen, wie sich in den 
Versuchen das Verhältnis der Calorien aus den N-haltigen und 
N-freien Nährstoffen stellt, dabei ist noch folgendes zu be- 


merken: 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 8 


E. Salkowski: 


122 


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Über Fleischersatzmittel. 123 













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1 4185 | 6210 2,07 32,60 
2 2166 2778 3,54 22,04 
3 2135 2743 3,51 22,18 
4 3934 4704 5,11 16,37 
5 2433 3272 2,90 25,64 
6 3767 4136 3,40 29,44 
7 5106 7437 2,19 31,35 
8 9727 14576 1,92 33,27 
9 1889 2799 2,08 32,15 
10 2571 8431 11002 | 3,28 23,33 
11 3214 9051 12365 | 282 25,99 
12 3049 5087 8136 | 1,66 | 37,48 


1. Der Einfachheit halber ist in den Versuchen, in denen 
Fleisch zur Anwendung kam, der Stickstoff desselben >X< 6,25 — 
Eiweiß gesetzt. Das ist, streng genommen, allerdings nicht ganz 
richtig, die Differenz ist aber nur unbedeutend. Dagegen schien 
es mir nicht richtig, den Stickstoff des Fleischextraktes, der in 
den Versuchen 10 und 11 dem Futter beigegeben wurde, zu 
berücksichtigen. Derselbe ist vielmehr von dem Gesamt-N in 
Abzug gebracht. 

2. Der Berechnung sind die von Rubner eingeführten 
Zahlen für Eiweiß — 4,1, Fett 9,3, Kohlehydrate 4,1 zugrunde 
gelegt. Dieselben gelten allerdings eigentlich nur für den 
Menschen, werden aber auch für den Hund einigermaßen zu- 
treffend sein. 

3. Da es vielfach üblich ist, die Eiweißcalorien in Pro- 
zenten der Gesamtcalorien anzugeben, so ist neben dem Ver- 
hältnis Eiweißcalorien: Nichteiweißcalorien auch diese Prozent- 
zahl berechnet worden. 

4) Selbstverständlich handelt es sich durchweg nur um 
Annäherungswerte. 

Die Berechnung für 13 ist nicht ausgeführt, da die Unter- 
lagen zur Berechnung in diesem Fall bei der augenscheinlich 
schlechten Ausnutzung des Amylums nicht ausreichend vor- 


handen waren. 
gt 


124 E. Salkowski: 


Aus der Tabelle geht hervor, daß das Verhältnis aus Ei- 
weißcalorien zu Nichteiweißcalorien, resp. die Prozentzahl der 
Eiweißcalorien bezogen auf die Gesamtcalorien in den Versuchen 
innerhalb weiter Grenzen schwankte. Dies war nicht beab- 
sichtigt, hat sich vielmehr zufällig ergeben, abhängig von der 
Möglichkeit, dem Hunde nur kleinere oder, was eigentlich be- 
absichtigt war, große Mengen des betreffenden Eiweißpräparates 
beizubringen. Die Fälle mit geringerer Eiweißcalorienzahl sind 
indessen insofern nicht unwichtig, als diese Fälle eher eine Über- 
tragung auf die menschliche Ernährung zulassen. 

In der bei Stoffwechselversuchen am Hunde üblichen 
Nahrung ist der Prozentgehalt der Eiweißcalorien sehr hoch. 
Hunden gibt man wohl mindestens 5 Mal soviel Fleisch als Speck 
(z. B. 500 Fleisch, 100 Speck). Das Verhältnis von Eiweiß- 
calorien zu Nichteiweißcalorien berechnet sich hierbei (Fettgehalt 
des Specks — 90°/, gesetzt) —1:2,15 resp. die Prozentzahl zu 
31,70. Diese Prozentzahl ist nur in Versuch 12 mit Aleuronat 
noch überschritten (37,48), in allen anderen Versuchen liegt sie 
in der Nähe dieser Zahl oder sie ist geringer, zum Teil erheb- 
lich geringer, am geringsten in Versuch 4 (mit Fleischalbuminat), 
wo sie nur etwa die Hälfte beträgt und ungefähr mit der 
Prozentzabl der Eiweißcalorien beim Menschen übereinstimmt, 
wenn man die Voitschen Standardzahlen von 118 Eiweiß, 56 Fett 
und 500 Kohlehydrate zugrunde legt = 17,5°/, Eiweißcalorien. 
Bei eiweißarmer Kost stellt sich diese Zahl freilich erheblich 
niedriger, so bei den im Hammarstens Lehrbuch der physiol. 
Chem., 60. Aufl., 8. 765 erwähnten lang ausgedehnten Er- 
nährungsversuch von O. Neumann auf 12,8°/,. 

Indem ich damit meine Arbeiten über das Thema schließe, 
bin ich mir wohl bewußt, nichts Abschließendes erreicht zu haben, 
das war aber auch nicht zu erwarten. Wenn meine Versuche 
zu weiteren Arbeiten auf diesem sozialökonomisch so wichtigen 
Gebiete Anregung geben, ist ihr Zweck erreicht. 

Bei der Ausführung der Untersuchungen haben mir Mittel 
aus der Gräfin-Bose-Stiftung zur Verfügung gestanden, für deren 
Gewährung ich mich dem Kuratorium der Stiftung zu lebhaftem 
Dank verpflichtet fühle. 


Über Fleischersatzmittel. 125 


Anhang. — Analytische Belege. 
Fütterungsversuch 1 (Feuchtes Fleischalbuminat). 
Erste Quantität des Albuminats. 


N-Bestimmung. 
a) 1,071 g erforderten 9,1 ccm */,-Säure — 2,974°/, 
b) 0,943 g F 80 „ „  =2,969°/.. 
Zweite Quantität. 
N-Bestimmung. 
a) 1,0746 g erforderten 8,5 com "/,-Säure = 2,767°/, 
b) 0,932 g „ 7,4 „ „ = 2,779°/,. 


Erste Faeces = 63,5 g trocken. — N-Bestimmung. 
a) 0,8445 g erforderten 17,0 com ?/ -Säure = 17,04°/, N 
b) 0,838 g MN 16,5 „, »„ = 6,89°/, N. 


Zweite Faeces — 44,5 g trocken. — N-Bestimmung. 


a) 0,6005 g erforderten 14,2 ccm »2/,-Säure = 3,516°/, N 
b) 0,7455g  „ 168 „  „  =3,598°/,N. 


N-Bestimmung im Speck: 


a) 10,0 g erforderten 33 ccm ?/, -Säure = 0,234°/, N 
b) 10,0 g » 32,8 „ » = 0,252°/, N. 


Analyse des in Büchsen konservierten feuchten 
Fleischalbuminats. Büchse I. 


1. Fettbestimmung. 3,228 g (mit Alkohol erhitzt, filtriert, 
auf dem Filter mit Ather gewaschen, dann Soxhlet usw., das 
Alkoholextrakt verdunstet und ausgeäthert) gaben 0,265 g Fett. 

2. Trockenrückstand und Asche. 2,7854 g gaben 
0,8414 g Trockenrückstand, wovon 0,8336 g organische Substanz, 
0,0078 g Asche. 

Büchse II. 

1. Fettbestimmung. 3,871 g gaben 0,283 g Fett. 

2. Trookenrückstand und Asche. — 2,711 g gaben 0,830 g 
Trockenrückstand und 0,092 g Asche. 

Der organische Trockenrückstand minus Fett ist gleich 
Eiweiß zu setzen. 


126 E. Salkowski: 


Fütterungsversuch 2. 
Analyse des Fleischpräparates. 
1. 1,6876 g gaben 1,5420 g Trockenrückstand, wovon 0,0433 g 
Asche (= 88,807°/, organische Substanz und 2,57°/, Asche). 
2. N-Bestimmung. 
a) 0,4609 g erforderten 20,5 com "/,-Säure — 12,454°/, N 
b) 0,4736 g T 21,1 „ „ =12,475°/,N. 
3. N-Bestimmung im Kot = 23,5 g trocken. 
a) 0,7657 g erforderten 19,2 ccm "/,-Säure = 6,95°/, 

b) 0,880 g j 22,5 „ »  =7,1659°|,. 
Fütterungsversuch 3 (Fleischalbuminat trocken). 
Kot — 27,9 g trocken. — N-Bestimmung. 

a) 0,9416 g erforderten 22,1 com ?/ -Säure = 6,27°/, 

b) 0,8032 g i 18,0 ,, w 667 
Fütterungsversuch 4 (Fleischalbuminat trocken). 
Kot!) 73 g trocken. — N-Bestimmung. 

a) 0,7933 g erforderten 11,4 com 2/,-Säure = 4,023°/, 

b) 0,7879 g ” 11,0 „ „ = 3,909°/,. 
Fütterungsversuch 5 (Blutkörperchenkoagulum, feucht). 
1. Trockenrückstand 2,1214 g gaben 0,884 g Trockensubstanz. 
2. Eisenbestimmung 0,884 Trockensubstanz gaben 0,0076 g 
FePO, = 0,311°/, Fe. 

3. N-Bestimmung: 

a) 0,838 g erforderten 20,5 com 2/,-Säure — 6,849°/, 

b) 0,807 g 29 19,8 39 ER = 6,869°/,. 

4. N-Bestimmung im Kot 41,5 g trocken. 

a) 0,7154 g erforderten 16,5 ccm "/,-Säure — 6,458°/, 

b) 0,6144 g a 14,5 „ „= 6,608°/,. 


Fütterungsversuch 6 (Blutooagulum, trocken). 
1. N-Bestimmung im Coagulum. 


a) 0,5299 g erforderten 23,0 ccm ?/,-Säure — 15,10°/, 
b) 0,5820 g „24, „= 15,26°/,. 


— — · — 





1) Sehr fett, schwer zu trocknen. 


Über Fleischersatzmittel. 127 


2. Kot 58g trocken. — N-Bestimmung. 
a) 1,0108 g erforderten 23,7 com ®/,-Säure — 7,966°/, 
b) 1,0381 g 3 26,0 , » = 8,766°/, 
Die große Differenz erklärt sich durch die ungleiche Bei- 
mischung von Haaren. 


Fütterungsversuch 7. 


I. Analyse des Blutpräparates. 


1. Wasser und Asche. 1,5708 g gaben 1,4770 g Trocken- 
rückstand und 0,0124 g Asche 0,79°/,; hieraus 0,0098 FePO,. 

2. Asche und Eisen. 3,7906 g gaben 0,0292 Asche = 
0,77°/a; hieraus 0,0222 FePO,. 

3. N nach Kjeldahl. 

a) 0,3405 g erforderten 18,0 com 2/,-Säure — 14,80°/, 

b) 0,3895 g 7 20,6 „ » = 14,81°/» 

4. N nach Dumas. 
0,1760 g gaben 22,4 ccm N bei 15° und 765 mm B= 15,0°/, N. 

5. Lecithinbestimmung. 25 g mit Alkohol absolut 
extrahiert, verdampft, Rückstand mit Gemisch gleichen Volums 
Alkohol in Äther aufgenommen, verdunstet, mit Alkohol gelöst, 
die Lösung mit dem doppelten Volum Äther versetzt, filtriert usw. 
Erhalten 0,0182 Mg, P, O, 


II. N-Bestimmung im Kot = 55 g trocken. 

a) 0,7144 g erforderten 16,5 ccm ?/ -Säure = 6,467°/, N 
b) 0,6562 g = 15,4 „„ » = 6,571°/,N 
IN. N-Bestimmung im Rindfleisch. 

a) 1,4442 g erforderten 17,0 ccm »/,-Säure = 3,301°/, 

b) 1,4312 g j 16,7 „ »  =3,267°/,-. 
Mittel 3,285 g, zu den Berechnungen auf 3,3°/, abgerundet. 


Fütterungsversuch 8. 


I. Fleischbrühe. 
100 g Fleisch mit 300 Wasser gekocht, filtriert, stets Vol. 
= 300. Die Hälfte erforderte 53 com »?/, -Säure = 0,310°/, N. 
II. N in Faeces — 134 g trocken. 
a) 0,5750 g erforderten 12,8 com ?/,-Säure = 6,23°/, 
b) 0,8208 g i 19,0 „ „= 6,48°/» 


128 E. Salkowski: 


IH. Fett in Faeces. 

3,533 g mit Salzsäure eingedampft, im Soxhlet mit Ather 
extrahiert, Auszug verdunstet, nochmals mit Ather extrahiert 
= 0,4362 g Rückstand, wovon 0,0096 g Asche, also 0,4266 g 
Fett. In 134 g Faeces 16,18 g Fett. 


IV. Amylum im Kot nach L. v. Liebermann. 
6,0394 g auf 500 com. 100 com lieferten 0,0548 Cu,O. 


Fütterungsversuch 9 (Blutcoagulum entfärbt, feucht). 
1. Blutpräparat. Trockengehalt. 
3,150 g gaben 1,080 g trocken = 34,29°/,. 
2. N in Faeces = 153 g. 


a) 1,0694 g erforderten 14,5 com n/ „Säure — 4,746° lo 
b) 1,0376 g j 14,4 „ 2 = 4,821 °/,- 


Fütterungsversuch 10 (Blutcoagulum entfärbt, trocken). 


1. Blutpräparat. — H,O und Asche. 


0,8264 g gaben 0,8008 Trockenrückstand, worin 0,0076 g 
Asche = 0,949°/, und 0,7932 g aschefreie Trockensubstanz — 
95,98°/,. 

2. Blutpräparat. N-Bestimmung. 
a) 0,3120 g erforderten 13,5 ccm »/,-Säure = 14.64°/, N?) 
b) 0,2627 g gaben 34 ccm N bei 21° und 756 ccm B = 14,66°/.. 


3) Faeces — 1556 g. N-Bestimmung. 


a) 0,9996 g erforderten 30,45 ccm »?/,-Säure = 10,66 °/, N 
b) 0,1042 g „ 322 „ „—10,820/, N. 


4. Fett im Kot. 


3,6854 g, im Soxhlet extrahiert, gaben 0,194 g Fett = 
5,264°/,; im ganzen 8,153 g; mit Salzsäure behandelt und noch- 
mals extrahiert: 0,0615 g = 1,67°/, = 2,588 g. Im ganzen Fett 
und Fettsäuren aus Seifen 10,74 g. 


1) Die den Berechnungen über Ausnutzung zugrunde gelegten Zahlen 
stimmen, wie hier bemerkt sein möge, nicht immer genau mit den aus den 
hier angegebenen Zahlen sich bereohnenden Mittelzahlen überein. Der Grund 
liegt darin, daß diese Zahlen abgekürzt sind, bei den Berechnungen zur 
Bildung der Mittelzahlen auch die weiteren aus den Logarithmen sich er- 
gebenden Dezimalen berücksichtigt sind, 


Über Fleischersatzmittel 12 


5. Kohlehydrate in Faeces. 


4,681 g nach Märker behandelt. Ausscheidung von Cu,O 
unwägbar. 


Fütterungsversuch 11 (Eiweißmehl aus Pferdebohnen). 
Eiweißmehl I. 
1. Wasser und Asche. 
0,7464 g verloren bei 110° 0,6846 g— 11,32°/, und hinter- 
ließen beim Glühen 0,0078 g Asche = 1,04°/,. 
2. N-Bestimmung. 

a) 0,4886 g erforderten 17,7 com ?/,-Säure = 12,73°/, N 
b) 0,6798 g j 24,7 „ „ = 12,72°/,N. 
2. Eiweißmehl II. N-Bestimmung. 

a) 0,3359 g erforderten 14,3 com "/,-Säure = 14,70°/, N 
b) 0,4069 g a 17,3 „ » = 14,88°/,N. 
3. Faeces I, 33,6 g trocken. — N-Bestimmung. 

a) 1,6708 g erforderten 19,8 ocm ?/ -Säure = 4,15°/, N 
b) 1,3544 g i 15,5 „ » = 4,01°/,N. 
4. Faoces II. 145 g trocken. — N-Bestimmung. 


a) 1,2618 g erforderten 18,0 cem ?/,-Säure = 4,99°/, 
b) 1,0328 g en 14,6 „ „»  =49°/.. 


Fütterungsversuch 12. 
Analyse des Aleuronats. 


1. H,O-Bestimmung. 
a) 1,3561 g verloren bei 110° 0,0774 = 5,71°/, H,O 
b) 135g „ „ 110° 0,0868 = 5,97°/, H,O. 


2. Aschebestimmung. 
a) 1,3551 g gaben 0,0145 g Asche —=1,07°/, 
b) 1,4535g „ 0,0152g „ =1,07°/. 
3. N-Bestimmung ist diesmal in der wasserfreien Substanz 
nach Dumas bestimmt. 


a) 0,2933g gaben 35,2 ccm N bei 16° und 750 mm B = 13,80°/, 
b) 0,2715 g „ 33,0 » » o» 18° „ 742 * B= 13,70°/,. 


130 E. Salkowski: 


Diese Zahlen sind zugrunde gelegt. Aus dem Mittelwert 
= 13,75°/, berechnet sich der N-Gehalt der lufttrockenen Sub- 
stanz zu 12,95°/,. 

Die auch ausgeführten Kjedahlbestimmungen ergaben etwas 
niedrigere Werte. 

a) 0,3060 g erforderten 14,7 ccm %/,-Säure = 13,45°/, N 

b) 0,3000 g j 14,5 „ » = 13,53°/,N. 

4. Fettbestimmung. 2,964 g mit einem Gemisch von 
20 ccm Salzsäure von 1,124 D und 80 ccm Wasser zum Sieden 
erhitzt und 1 Stunde unter zeitweiligem Ersatz des Verdunsteten 
durch heißes Wasser im Sieden erhalten, nach dem Erkalten 
die Mischung mit Äther ausgeschüttelt. Erhalten 0,0316 g Fett. 
Die Mischung dann filtriert, das Filtrat ist ganz klar und fettfrei. 
Der Rückstand ausgewaschen, heiß mit Alkohol absolut extrahiert 
(im Kolben) filtriert; Alkoholauszug verdunstet, mit Äther auf- 
genommen. Erhalten 0,0115 g. Endlich der auf dem Filter 
gebliebene Rückstand und das vom Äther nicht Gelöste des 
Alkoholauszuges in einer Schale in schwacher Natronlauge ge- 
löst, mit Salzsäure angesäuert, mit Äther ausgeschüttelt. Er- 
halten 0,0075 g Fett, also im ganzen 0,0551 g=1,86°/,. — 
Das Filtrat sollte zu einer Zuokerbestimmung resp. Amylum- 
bestimmung dienen, ging jedoch verloren. 

5. Amylumbestimmung. 3,0014 g mit einem Gemisch 
von 195 ccm Wasser und 5 ccm Salzsäure 1,124 D !/, Stunde 
gekocht, heiß filtriert, nachgewaschen. Das beim Abkühlen 
trüb werdende Filtrat mit NaOH schwach alkalisiert (dabei 
bleibt es bis auf eine leichte Opalescenz klar), dann mit Essig- 
säure angesäuert, vom ausgeschiedenen Eiweiß abfiltriert, nach- 
gewaschen und bis auf 100 ccm eingedampft. 20 ccm gaben 
0,1016 Cu,O. Hieraus berechnet sich (Zucker x 0,9) 7,68°/, 
Amylum. Der Sicherheit wegen wurde weiter mit Salzsäure er- 
hitzt. Zu 60 ccm des Filtrates wurden 6 ccm Salzsäure — 1,124 D 
hinzugefügt, volle 3 Stunden im lebhaft siedenden Wasserbad 
erhitzt, nach dem Erkalten wieder das Volumen von 60 ccm 
hergestellt. 20 com gaben 0,1204 Cu,O. Hieraus berechnet sich 
Amylum 9,10°/,. Die Verzuckerung war also bei der ersten 
Erhitzung mit der stark verdünnten Salzsäure nicht vollständig 
gewesen. Das Verfahren erscheint einer allgemeinen Anwen- 
dung fähig. 


Über Fleischersatzmittel. 131 


6. Rohfaserbestimmung. Der bei der Amylumbestim- 
mung durch die wässerige Salzsäure nicht gelöste Rückstand vom 
Filter gespritzt, so viel Wasser hinzugesetzt, daß das Volumen 
ca. 200 ccm beträgt, 2,5 g Atzkali hinzugesetzt (5,4°/,ige Kali- 
lauge), in der Schale gekocht, ausgewaschen, mit Alkohol und 
Äther gewaschen, gewogen. Erhalten 0,0122 g, davon Asche 
0,0024 g, also organischer Rückstand 0,0098 g = 0,327 °/,- 


Analyse des Kotes (trocken) = 70 g. 


1. N-Bestimmung. 

a) 0,8122 g erforderten 18,0 ccm ?/, Säure = 6,20°/, N 

b) 0,7491 g ee 16,0 „ » = 5,98°/, N. 

2. Fettbestimmung. 2,9874 g ebenso bearbeitet, wie 
das Aleuronat. Erhalten 0,9135- 0,015 -+ 0,0075 = 0,9315 g 
= 30,93°],. 

3. Amylum. Die bei der Bestimmung des Fettes ge- 
bliebene wässerige salzsaure Lösung wurde gekocht, dann auf 
Glucose untersucht; das Resultat war negativ, Amylum also 
nicht nachweisbar. 


Fütterungsversuch 13 (Pferdebohnenmehl). 


1. N im Pferdebohnenmehl. 

a) 0,5870 g erforderten 9,0 ccm ?/,-Säure — 4,29°/, N 
b) 0,564 g F 89 „ » = 4,42°), N. 
2. N in Faeces. 

a) 0,8274 g erforderten 11,0 com ?/,-Säure = 3,72°/, N 
b( 0,9542 g En 125 „ »  =3,70°/,N. 


Die Stickstoffverteilung in der Kuh-, Bülffel-, Ziegen-, 
Frauen- und Eselsmilch bei Säure- und Labfällung. 


Von 
Willi Friedheim. 
(Aus der akademischen Klinik für Kinderheilkunde in Düsseldorf.) 
[Eingegangen am 19. Februar 1909.] 
Mit 1 Tafel. 


Schon seit den klassischen Untersuchungen Hammarstens 
ist es hinlänglich bekannt, daß wir es bei der Fällung der 
Milch mit Säure und mit Lab mit zwei verschiedenen Pro- 
zessen zu tun haben. Der eine der grundlegenden Unterschiede 
besteht darin, daß das Produkt der Labfällung, das Para- 
casein, im Gegensatz zu dem der Säurefällung, dem Casein, 
einen starken Gehalt an Kalk aufzuweisen hat. Diese Tat- 
sache ist längst in den Besitzstand der Biochemie übergegangen. 

Weniger bekannt ist es, daß sich bei der Labgerinnung 
der Kuhmilch ein weiterer Vorgang am Caseinmolekül abspielt, 
welcher ebenfalls durch Hammarsten aufgedeckt worden ist. Es 
wird nämlich ein löslicher Bestandteil, das sog. Molkeneiweiß, 
abgespalten, welches in die Molke übergeht. Der Vorgang findet 
seinen einfachsten Ausdruck darin, daß die Molke nach Lab- 
gerinnung einen höheren Stickstoffgehalt aufzuweisen hat, als 
nach der Einwirkung von Säure. Die Frage ist in der jüngsten 
Zeit Gegenstand mehrfacher Bearbeitung gewesen. Man be- 
schäftigte sich teils damit, festzustellen, wie groß die Menge 
des Spaltproduktes sei, teils aber auch mit Theorie und Wesen 
des Prozesses und schließlich auch damit, was für ein Körper 
es wohl sein möge, welcher in die Labmolke übergeht. 


W. Friedheim: Stickstoffvert. in Kuh-usw.-miloh b. Säure- u. Labfällung. 133 


Als wir daran gingen, uns mit dem Problem!) näher zu 
befassen, leiteten uns Gesichtspunkte der letzteren Art nicht, 
sondern wir waren in erster Reihe bestrebt, die Verteilung der 
gelösten und der ungelösten stickstoffhaltigen Körper bei Säure- 
und bei Labfällung zu studieren, indem wir von verdauungs- 
physiologischen Gesichtspunkten unseren Ausgang nahmen. 

Für uns handelte es sich zunächst darum, nicht so sehr 
den Vorgang bei der Kuhmilch oder ihrem Casein aufs neue 
zu analysieren, als vielmehr nachzusehen, ob andere Milch- 
arten, welche auch für den Genuß beim Menschen und ins- 
besondere beim Säugling in Frage kommen, ein analoges Ver- 
halten aufzuweisen haben. 

Von besonderem Interesse war uns natürlich neben der Kuh- 
die Frauenmilch, weil uns auch darum zu tun war, eventuell 
einen Einblick in die Differenzen der natürlichen und der 
künstlichen Säuglingsernährung zu tun. Daher haben wir 
auch, um uns ein eigenes Urteil bilden zu können, noch mehrere 
Analysen von Kuhmich vorgenommen. Andere Milcharten 
haben wir berücksichtigt, weil sie gerade zur Verfügung standen, 
und weil uns auch daran gelegen war, nachzusehen, ob die 
bei der Kuhmiloh bereits festgestellten Unterschiede zwischen 
Säure- und Labgerinnung bei allen Milcharten immer wieder- 
kehren. 

Wir haben, da es uns ja vor allen Dingen darauf ankam, 
die natürlichen Verhältnisse so getreu wie denkbar nachzu- 
ahmen, ausschließlich mit frischer Milch und nicht etwa mit 
Caseinlösungen gearbeitet und uns ganz einfach die Frage ge- 
stellt, wie verhält sich bei Säure- und bei Labfällung das Ver- 
hältnis der stickstoffhaltigen Körper in der Molke zu dem der 
Fällung. Wir pflichten zwar Fuld vollkommen bei, wenn er 
das Problem der Molkenalbumose an reinstem Casein besser 
lösen zu können glaubt wie bei der natürlichen Milchgerinnung 
mit ihrer „unübersehbaren Komplikation‘, aber uns kam es, 
wie schon gesagt, bei unserer Fragestellung zunächst auf die 
Theorie des Problems nicht an. Demgemäß haben wir unsere 
Versuchsanordnungen stets so gestaltet, daß wir von einer be- 
stimmten Milchprobe den Gesamtstickstoff bestimmt haben, 


1) Die Untersuchungen wurden auf Veranlassung und unter Leitung 
von Dr. Engel in Düsseldorf ausgeführt. 


134 W. Friedheim: 


dann den Stickstoff in dem Filtrat nach der Säure- und nach 
der Labfällung. Die drei so gewonnenen Zahlen geben uns 
vollständig ausreichenden Aufschluß über die Verteilung der 
gelösten und der ungelösten stickstoffhaltigen Körper. 

Methodische Schwierigkeiten waren nur insoweit zu über- 
winden, als die Fällungsbedingungen für einige Milcharten nicht 
oder nur unvollständig bekannt waren, so daß erst die ent- 
sprechenden Verfahren ausgearbeitet werden mußten. 

Die größten Schwierigkeiten dabei haben uns die sog. 
Albuminmilchen gemacht, die Frauen- und die Eselsmilch, wäh- 
rend die anderen Milcharten, die oaseinreichen, sich leicht be- 
handeln ließen. Wir schicken daher, um uns nachher bei der 
Besprechung der Resultate kürzer und übersichtlicher aus- 
drücken zu können, zunächst die Beschreibung der Methoden 
voran, deren wir uns bedienten. 


Säurefällung. 


Die Säurefällung der Milch läßt sich für alle untersuchten 
Arten gemeinsam besprechen. Es hat sich nämlich im Laufe 
der Untersuchungen herausgestellt, daß sich im Prinzip alle 
Milcharten der Säurewirkung gegenüber gleich verhalten, daß 
sie sich alle durch Ansäuerung allein fällen lassen. Auch die 
Frauenmilch und die Eselsmilch, von denen man früher glaubte, 
daß sie eine Ausnahmestellung einnähmen, lassen sich aus- 
gezeichnet durch Säure zur Gerinnung bringen, wenn man nur 
die richtigen Mengen anwendet. Allerdings erfolgt bei den 
letzteren beiden Milchsorten und besonders bei der mensch- 
lichen Milch die Fällung nicht so leicht wie sonst, doch immer- 
hin gut genug, um auf ganz einfache und kurze Weise das 
Casein von einer klaren Molke abtrennen zu können. 

Zwei Tatsachen müssen vor allen Dingen berücksichtigt 
werden, wenn man verschiedene Milcharten durch Säure fällen 
will, nämlich die Art der Säure und die Menge, welche man 
verwendet. Die letztere wiederum ist von der Art der Milch 
und der Stärke der Säure abhängig. 


Starke und schwache Säuren. 


Allen Milcharten ist gemeinsam, daß sie sich den starken 
und schwachen Säuren gegenüber verschieden verhalten. Als 


— nn 


Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 135 


Vertreter der ersteren haben wir vor allen Dingen Salz-, 
Schwefel-, Milch- und Oxalsäure geprüft, bei den letzteren uns 
aber wesentlich auf die Essigsäure beschränkt, welche sich als 
außerordentlich geeignet für unsere Zwecke bald erwiesen hat. 

Will man die Wirkungsweise einer Säure auf Milch prüfen, 
so geht man zweckmäßig so vor, daß man in einer Reihe von 
Reagensgläsern (s. Tafel I) steigende Mengen Säuren einfüllt, 
sie auf gleiches Volumen mit destilliertem Wasser bringt und 
dann überall dieselben Mengen der zu prüfenden Milch zu- 
setzt. Man schüttelt dann die Röhrchen gut durch und über- 
läßt sie entweder bei Zimmertemperatur sich selbst, oder aber 
auch, wenn es sich als zweckmäßig erweist, wenigstens im An- 
fang bei einer Temperatur von 40° im Wärmeschrank. Wir 
haben alle unsere Untersuchungen so angestellt, daß wir von 
l ccm Milch ausgingen und daß wir, um gut vergleichbare 
Säurewerte zu erhalten, immer A/ „Lösungen verwendeten. 
Außerdem hat es sich, wie ja schon ältere Erfahrungen lehren, 
als zweckmäßig erwiesen, die Milch zu verdünnen, und zwar 
haben wir uns einer vier- oder fünffachen Verdünnung stets 
bedient, je nachdem sich die eine oder andere als geeignet 
herausstellte. Praktisch gingen wir dabei so vor, daß wir 
entweder die Milch entsprechend verdünnten und dann die 
Säure zufügten, oder erst die Säure auf ein Volumen von 3 bzw. 
4 ccm brachten und dann überall 1 ccm Milch hinzufügten. 
Je nach der Milchart, um die es sich handelt, tritt dann in 
der Kälte oder in der Wärme schneller oder langsamer eine mehr 
oder minder grobflockige Gerinnung ein. Die Flocken senken 
sich nach einiger Zeit zu Boden, — bzw. steigen bei der Frauen- 
milch in die Höhe) und man kann schnell beurteilen, in wel- 
chem Röhrchen ein trübes oder klares Plasma!) zurückbleibt. 
Die endgültige Ablesung des Endresultates haben wir stets 
nach 24 Stunden vorgenommen, dessenungeachtet, daß das Er- 
gebnis in den meisten Fällen schon früher klar ersichtlich war. 

Geht man nun in der geschilderten Weise vor, so sieht 
man, daß bei der Verwendung starker und schwacher Säuren 
sich ganz einheitlich bei allen Milcharten das folgende heraus- 
stellt: Die starken Säuren rufen nur in einem oder in 
wenigen Gläschen, also nur bei einer eng begrenzten 


1) Inden Tabellen: 1 Strich — Fällung, 5Striohe= vollständige Fällung. 


136 W. Friedheim: 


Acidität, eine vollständige Ausfällung hervor, während 
in den vorangehenden oder nachfolgenden gar keine 
oder eine unvollständige Ausflockung auftritt. Bei der 
Essigsäure ist es jedoch ganz anders. Auch hier tritt zwar 
erst Gerinnung von einer gewissen Acidität an ein, aber dann 
bleibt sie vollständig gleichmäßig in der großen Zahl 
nachfolgender Proben, selbst bis über das doppelte der- 
jenigen Acidität hinaus, welche für die Einleitung des Prozesses 
nötig waren. Im allgemeinen bedurfte man auch zur Fällung 
mit Essigsäure bedeutend höherer Werte, als zu der mit den 
vorerwähnten starken Säuren. Das von B. Bienenfeld fest- 
gestellte Verhalten der Frauenmilch gegenüber der Milchsäure 
stellt also nur einen besonderen Fall dar, der sich in das all- 
gemeine Gesetz einpaßt. 


Tabelle I. 


Fällung von 1 ccm fünffach verdünnter Kuhmilch durch 
starke Säuren. 


2/10 Schwefel- 
säure 


1,0 


Caseinmilchen. Die von uns untersuchten Caseinmilchen, 
Kuh-, Ziegen- und Büffelmilch, waren insgesamt dadurch aus- 
gezeichnet, daß hier die Gerinnung sehr prompt, schnell und 
grobflockig erfolgte, und zwar schon ohne weitere Manipu- 
lationen bei Zimmertemperatur. Unmittelbar nachdem die 


Stiokstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 137 


Milch zugesetzt war, traten die Caseingerinnsel auf. Die leichte 
Fällbarkeit fand einen weiteren Ausdruck darin, daß bei der 
Verwendung starker Säuren und wenn man im Rahmen der 
oben geschilderten Versuchsanordnung von Röhrchen zu Röhr- 
chen die Acidität um je 0,1 ”/ .-Säure steigerte, nicht nur eine 
einzige Eprouvette vollständige Gerinnung, d. h. also eine wasser- 
klare Molke zeigte, sondern zwei oder drei, manchmal auch 
vier. Hiermit stand es auch im Einklange, daß unvollständige 
Gerinnung in einer großen Zahl von Proben besonders nach 
dem Säureoptimum vorhanden war und daß sie nur selten ganz 
fehlte. Als Beispiel führen wir die Gerinnung von Kuhmilch 
durch Oxal-, Schwefel-, Milch- und Salzsäure an in Reihen, wo 
sich die Acidität von 0,0 bis 1,1 "/ „Säure steigert (Tab. I). Man 
sieht hier recht deutlich, daß das Optimum der Acidität etwa 
bei 0,3 bis 0,7 liegt. Innerhalb dieses Bereichs steht über 
dem Caseingerinnsel ein wasserklares Plasma, während vor- und 
nachher ab- bzw. zunehmende Trübung deutlich sichtbar ist. 
In der Tabelle I ist wie in allen anderen auf die Gerinnung be- 
züglichen die Helligkeit des Plasmas, welche man nach 24 Stunden 
abliest, durch die Anzahl der senkrechten Striche bezeichnet 
(5 | = wasserklar).. Man ersieht so, daß das Charakteristische 
an dieser Tabelle ist, daß die Wirkung nach einem Optimum 
zu schnell anschwillt und dann auf der anderen Seite langsam 
wieder abnimmt. Derartige Befunde erhält man immer, wenn 
man mit starken Säuren arbeitet. 

Bei der Verwendung von Essigsäure ist es im Gegensatz 
dazu so, daß von einem gewissen Grade eine völlige Gerinnung 
eintritt und dann in den nächstfolgenden Röhrchen für steigende 
Aciditätsgrade zunächst gleichmäßig bleibt (s. Tabelle II). 

Man erhält also für jede Milchart bei den starken Säuren 
ein Optimum der Wirkung, bei der Essigsäure eine Zahl, 
welche den minimalen Aciditätsgrad angibt, welchen 
man nehmen muß, um Wirkungen zu erzielen. In der folgen- 
den Tabelle III sind die bezüglichen Zahlen für die drei Casein- 
milchen zusammengestellt. Sie differieren nicht sehr erheblich 
voneinander, sind aber auch keineswegs gleich. 

Will man die so gewonnenen Resultate für die Praxis 
der Caseinausfällung benutzen, so wird man zunächst zweck- 


mäßig von der Verwendung starker Säuren absehen, weil man 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 9 


138 W. Friedheim: 


hier zu genau auf die Dosierung achten müßte und lieber mit 
Essigsäure arbeiten, bei der man es nicht allzu genau zu nehmen 
braucht, wenn man nur über die mindest benötigten Mengen 
hinausgeht. 


Tabelle II (s. a. Taf. I, Fig. 1). 
Fällung von 1 cm? fünffach verdünnter Kuhmilch durch 
Salz- und Essigsäure. 


a/,o-Säure | Salzsäure | Essigsäure 
0,0 
0,1 
0,2 
0,3 
0,4 
0,5 
0,6 
0,7 
0,8 
0,9 
1,0 
1,1 





Zoe) 


Man verfährt daher am besten bei der Verarbeitung von 
Kuh-, Büffel- und Ziegenmilch so, daß man die Milch, welche 
man fällen will, in ein viermal so großes Flüssigkeitsquantum 
einträgt, welches man mit Essigsäure auf eine Acidität von 
mindestens 70 bzw. 120 ?/ „Essigsäure pro 100 ccm unverdünnte 
Milch gebracht hat. Man läßt sie dann einige Stunden kühl 
stehen und filtriert sofort mühelos eine klare Molke ab. 


Tabelle III. 
Aciditätswerte in cm? "/, „-Säure für die Caseinfällung von 100 cm? 
Kuh-, Büffel- und Ziegenmilch (Salz- und Essigsäure). 


| Kuhmitoh| Büffelmilch | Ziegenmilch | 
Salzsäure | 50-70 70—90 40—70 | — 
Essigsäure | 60—80 | 100-120 | 60—80 |Minimalwerte 





Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 139 


Albuminmilchen. Die von uns verwendeten Albumin- 
milchen von der Frau und vom Esel sind so leicht nicht ge- 
rinnbar wie die Caseinmilchen, sie fallen vor allen Dingen nicht 
in so groben Flocken wie jene aus. Im Prinzip ist aber ein 
Unterschied im Verhalten den Säuren gegenüber nicht vor- 
handen. Am allerschwierigsten verhält sich die Frauenmilch, 
wo die entsprechenden Verhältnisse bereits eingehend von Engel 
geschildert worden sind. Ursprünglich war von Bianca Bienen- 
feld die Entdeckung gemacht worden, daß sich die Frauenmilch 
durch Milchsäure fällen läßt, wenn man nur die richtigen Mengen 
anwendet, welche sie zu 25 bis 30 ccm #/,,„.‚Säure auf 100 ccm 
unverdünnte Milch feststellte. Engel hat dann nachgewiesen, 
daß ein ganz ähnliches Aciditätsoptimum für alle starken Säuren 
gilt. Im Gegensatz zu den vorhin geschilderten Casein- 
milchen ist aber die Frauenmilch dadurch ausge- 
zeichnet, daß das Optimum der Säuerung viel enger 
begrenzt ist: Bei der von ihm ebenso wie in den vorhin 
geschilderten Versuchen gewählten Anordnung genügt in der 
Reihe schon eine Differenz von 0,1 Säure auf l ccm Milch, um 
neben der optimalen Fällung einen totalen Mißerfolg zu erzielen. 
Ja, wenn Engel mit noch größerer Verdünnung der Säure 
arbeitete, konnte er finden, daß selbst ein Unterschied von 
0,2 com */,„ Säure den gleichen Effekt hervorbringt. Auf der 
andern Seite bietet Essigsäure auch bei der Frauenmilch wiederum 
einen weiten Spielraum bei ihrer Benutzung. Sie muß in weit 
größeren Mengen angewendet werden, bringt aber, wenn man 
erst einmal die Wirkungsgrenze erreicht hat, auch noch bei 
bedeutenden Steigerungen gleich gute Effekte hervor. Ganz 
ähnlich verhält sich nun auch die Eselsmilch, wenn sie auch 
nicht so heikel ist, wie die Frauenmilch. Bei der Verwendung 
von starken Säuren und bei der Steigerung um 0,1 Säure erhält 
man doch in der Regel wenigstens in 2 Röhrchen eine kom- 
plette Fällung und ein wasserklares Plasma. Die Essigsäure 
wirkt bei der Eselsmilch ebenso wie bei allen anderen Milch- 
arten, d. h. also, auch starke Überschreitung der geringsten 
notwendigen Mengen bewirkt noch ebenso gute Fällung wie am 
Anfang. Bemerkenswert jedoch ist, daß die absoluten Säure- 
mengen, welche man zurFällungder Eselsmilch braucht, 


bei weitem höher sind als bei der Frauenmilch und 
9* 


140 W. Friedheim: 


fast genau das Doppelte betragen. Fällt z. B. die Frauenmilch 
bei einer Ansäuerung von 25 bis 30 ccm Salzsäure auf 
100 Milch, so muß man für die Eselsmilch 50 bis 60 ccm nehmen. 

Ebenso ist es auch mit der Essigsäure. Hier beträgt der 
entsprechende Anfangswert für die Frauenmilch 60 bis 80 ccm, 
während er bei der Eselsmilch 150 bis 180 beträgt. Eine obere 
Grenze der Acidität wird, wie Tabelle IV zeigt, etwa bei 240 
erreicht. 

Tabelle IV (s. a. Taf. I, Fig. 2). 


Fällung von l ccm fünffach verdünnter Eselsmilch durch Salz- 
und Essigsäure. 





—_-__—— — — 


"o-Säure) Salzsäure | /1oDäure Essigsäure 


ccm ccm 
TRE . ©; = 
ol | — | œ% | = 
02 | — | os || 

0,3 | > | o9 |i] 
o4 || | ı2 Er] 
SERIE AE FELTA 
BO LE A FILETI 
or IT] E 832 1 171115 
os | — | 24 11111 
| — p jit] 
1,0 | — | 30 |i] 
1 | = f |ıı 


Die leichtere Gerinnbarkeit der Eselsmilch dokumentiert 
sich darin, daß sich der Prozeß hier schon bei Zimmertempe- 
ratur vollzieht, während man gute Erfolge bei der Frauenmilch 
nur dann hat, wenn man sie auf 40° anwärmt. Außerdem 
sind die Flocken bei der ersteren in der Regel größer wie bei 
der letzteren. Da die Flockengröße für die Filtrierbarkeit von 
ausschlaggebender Bedeutung ist, hat es sich, wie schon früher 
von Engel mitgeteilt, für die Frauenmilch als zweckmäßig 
erwiesen, einen kleinen Kunstgriff anzuwenden, welcher darin 
besteht, daß die zur Fällung angesetzte Milch einige Stunden 


Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 141 


tief abgekühlt wird auf 3 bis 4° und dann erst in die Wärme 
versetzt wird. Diese Manipulation braucht man mit der Esels- 
milch nicht vorzunehmen, kann sie jedoch auch hier mit Erfolg 
anwenden. Hinzugefügt sei noch, daß die zweckmäßigste 
Verdünnung für die Frauenmilch die fünffache und für 
die Eselsmilch die vierfache ist. 

Die praktische Ausführung der Frauen- bzw. Eselsmilch- 
ausfällung wird daher so vorgenommen, daß man die fünf- 
bzw. vierfache Verdünnung auf eine Acidität von 60 bis 80 bzw. 
150 bis 200 Essigsäure bringt, die Kolben eine Zeitlang im Eis- 
schrank stehen läßt und sie dann in ein Wasserbad von 40° 
bringt. Das Casein fällt dann grobflockig aus und kann leicht 
abfiltriert werden. 

Wir machen noch besonders darauf aufmerksam, daß die 
Aciditätswerte, welche man für die Frauenmilch bzw. 
Eselsmilch nötig hat, sehr viel höher sind als für die 
Kuhmilch, und daß hierin der Grund liegt, weswegen frühere 
Forscher in der Regel keinen Erfolg hatten, wenn sie ver- 
suchten, eine einfache Säurefällung in diesen Milcharten hervor- 
zurufen. Sie gingen immer von den bei der Kuhmilch gemachten 
Erfahrungen aus, und da sie nicht in Reihenversuchen den 
nötigen Säuregrad ermittelten, so nahmen sie durchgehend zu 
wenig, so daß ein Erfolg nicht eintreten konnte. Uns selbst 
passierte noch das gleiche Mißgeschick, als wir, von den Er- 
fahrungen der Frauenmilch ausgehend, Eselsmilch durch Säure 
zur Gerinnung bringen wollten. 

Wir verwendeten zunächst die gleiche Menge wie bei der 
Frauenmilch, aber es trat keine Spur einer Wirkung auf. 
Wir ermittelten dann in einem Reihenversuch die nötige, freilich 
überraschend große Acidität und hatten, als wir sie dann ver- 
wendeten, keinen einzigen Mißerfolg mehr zu verzeichnen. Wir 
gehen nunmehr, nachdem wir erkannt haben, daß sich alle 
Milcharten durch Säure und durch Essigsäure vor 
allem fällen lassen, immer so vor, daß wir bei der Be- 
nutzung einer neuen Milchart erst einen entsprechenden Vor- 
versuch anstellen, um den für die Fällung erforderlichen Acidi- 
tätsgrad zu ermitteln. Es wird sich empfehlen, wenn man 
mit andern Milchsorten arbeitet, wie wir sie benutzt 
haben, immer wieder in der gleichen Weise zu ver- 


142 W. Friedheim : 


fahren. Man kann sich so unter allen Umständen kompli- 
ziertere Methoen für die Fällung, wie sie sonst wohl angewendet 
wurden, ersparen. 


Labfällung. 


Bei der Labfällung ergeben sich für die Caseinmilchen 
keinerlei methodische Schwierigkeiten. Hier genügt es, zur 
völlig unveränderten Milch eine geringe Menge einer käuflichen 
Lablösung oder eines Labpulvers hinzuzufügen, um binnen 
kurzer Zeit eine völlige Erstarrung der Milch herbeizuführen. 
Läßt man dann die Milch noch einige Stunden an einem kühlen 
Orte stehen, so setzt sich der Käsekuchen gut ab, und man 
kann dann die Molke mit Leichtigkeit abfiltrieren. Wir haben 
darauf verzichtet, im Gegensatz zu anderen Autoren (Rotondi) 
such noch Säure hinzuzufügen, wiewohl wir uns bewußt sind, 
daß auf diese Weise a priori ein völlig präziser Vergleich der 
Säurefällung und der Labfällung nicht möglich ist. Da wir 
uns aber immer von dem Gesichtspunkte leiten ließen, möglichst 
natürliche Verhältnisse zu schaffen, so haben wir auch bei 
denjenigen Milcharten, welche sich ohne Zuhilfenahme von Säure 
zur fermentativen Gerinnung bringen lassen, tatsächlich keine 
verwendet. 

Die Molke, welche man auf diese Weise erhalten konnte, war, 
nachdem sie ein oder mehrere Male durch ein Filter gelaufen 
war, von bernsteingelber oder hellbräunlicher Färbung und war 
auch dann noch leicht opalescent, wenn man sie durch ge- 
härtete, außerordentlich dichte Filter hatte passieren lassen. 
Diese Opalescenz wurde durch morphotische Bestandteile nicht 
hervorgerufen, wie sich leicht dadurch erweisen ließ, daß selbst 
ein halbstundenlanges Behandeln in einer Zentrifuge mit 3000 Um- 
drehungen in der Minute nicht imstande war, irgendwelche 
Schichtung hervorzurufen. Nur bei einer Ziegenmolke (s. S. 148) 
war die Trübung stärker als gewöhnlich und beim Zentrifugieren 
sammelte sich an der Oberfläche eine dünne weißliche Schicht 
an; es wurde dann die darunter befindliche Flüssigkeit für die 
Analyse verwertet. 

Bei der Bearbeitung der Albuminmilchen mußte anders 
vorgegangen werden. Hier erzeugt eine neutrale oder schwach- 
saure Lablösung weder in der Kälte noch in der Wärme einen 


Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 143 


sichtbaren Niederschlag. Andererseits ist von Kreidl und 
Neumann und von Engel darauf hingewiesen worden, daß 
frische Frauenmilch wohl labfähig ist, wenn man nur ihre 
Acidität erhöht, und Fuld und Wohlgemut haben ebenfalls 
die fermentative Beeinflußbarkeit solcher Frauenmilch erwiesen, 
welche vorher mehrere Tage eingefroren gehalten worden war. 
Fernerhin haben Kreidl und Neumann nachgewiesen, daß 
auch neutrale Lablösung auf frische Frauenmilch insofern einen 
Einfluß ausübt, als sie ihre Caseinteilchen im Ultramikroskop 
sichtbar macht. Mit Rücksicht auf den letzteren Befund be- 
sonders gingen wir daher so vor, daß wir die zu untersuchende 
Milch zunächst mit einer Lablösung versetzten und in der 
Kälte stehen ließen, und zwar 3 bis 24 Stunden. In der Kälte 
ließen wir die Milch deswegen stehen, weil ja schon nach den 
Feststellungen von Hamarsten bekannt ist, daß die eigent- 
liche Labwirkung, d. h. die Umwandlung des Caseins, sich in 
der Kälte vollzieht und daß nur die Ausfällung in der Wärme 
besser erfolgt. Wir hatten durch die Kältewirkung aber gleich- 
zeitig den Vorteil, daß nachher die Ausflockung gröber wurde, 
was wiederum die Filtration erleichterte (s. auch S. 140). 

Wir mußten weiter noch dafür Sorge tragen, daß die für 
die Bildung des Paracaseins nötige Menge von Kalk vorhanden 
war, welche für den Reagensglasversuch wenigstens durch 
den natürlichen Gehalt der Frauenmilch nicht gedeckt ist. Zu 
diesem Zweck fügten wir der Milch gleich noch etwa das gleiche 
Volumen am gewöhnlichen Leitungswasser hinzu, welches in 
Düsseldorf einen relativ hohen Kalkgehalt hat. Hat dann die 
Mischung einige Stunden oder einen Tag im Kühlraum ge- 
standen, so wurde ebensoviel Essigsäure oder Salzsäure hinzu- 
gefügt, wie zur Ausfällung des Caseins durch Säurewirkung 
allein nötig gewesen wäre. Ferner wurde so viel Wasser zu- 
gegeben, daß die Verdünnung genau fünffach war, und nun 
wurde das Ganze in ein Wasserbad von 40° übertragen. Als- 
dann trat baldige Gerinnung und zwar schneller wie bei Säure- 
wirkung allein auf und es konnte mühelos ein klares, wasser- 
helles Filtrat gewonnen werden. 

Die praktische Ausführung bei der Herstellung der Lab- 
molke gestaltet sich daher meistens so, daß 40 ccm Frauen- 
bzw. Eselsmilch in einen Meßkolben von 200 ccm gebracht 


144 W. Friedheim: 


wurden. Hierzu kamen 2 ccm einer Lablösung mit einem Stick- 
stoffgehalt von 0,2°/, Dann wurden etwa 50 ccm Leitungs- 
wasser zugefügt und das Ganze in einen Kühlraum von 3 bis 
4° über 0° gebracht. Nach 3 bzw. 24 Stunden wurden dann 
30 bzw. 80 ccm "/ „Essigsäure hinzugegeben und mit Leitungs- 
wasser bis zur Marke aufgefüllt. Nun erfolgte im Wasserbad 
die Ausfällung, die in etwa 10 Minuten beendet war, und es 
konnte filtriert werden, wobei wir uns eines gewöhnlichen 
Faltenfilters bedienten. 

Zweimal haben wir bei Eselsmilch die Labwirkung bei 
36° sich vollziehen lassen, und zwar nur für 15 Minuten. Hier- 
auf wird bei der Besprechung der Ergebnisse noch näher ein- 
gegangen werden. 


Verarbeitung des Materials. 


Die Stickstoffbestimmung wurde immer nach der Methode 
von Kjeldahl vorgenommen, und zwar wurden ausnahms- 
los doppelte Bestimmungen gemacht und in die Tabelle der 
Durchschnitt aus zwei gut übereinstimmenden Resultaten auf- 
genommen. Die Milch wurde so verarbeitet, daß je 5 ccm 
zu einer Verbrennung benutzt wurden. Von den Säuremolken 
wurden entsprechend der hier geübten Verdünnung mehr ge- 
nommen und zwar in der Regel 50 ccm, die dann erst im 
Verbrennungskolben langsam eingedampft wurden, nachdem 
die Schwefelsäure schon zugesetzt war. Es wurde nun immer, 
nachdem der Gesamt-N, der N der Säuremolke und der Lab- 
molke ermittelt war, berechnet, wieviel er in Prozenten des 
Gesamt-N ausmacht, wie groß die Differenz zwischen dem N- 
Gehalt der Säuremolke und der Labmolke ist und wieviel Pro- 
zent wiederum diese Differenz vom Gesamtstickstoff beträgt. 
Ferner wurde noch das Verhältnis des N-Gehaltes der Lab- 
molke zur Säuremolke bestimmt, um zu sehen, ob etwa hier 
bestimmte Beziehungen sich ergeben. 


Ergebnisse. 


Zunächst sei vorweggenommen, daß sich bei allen unter- 
suchten Milcharten insofern einheitliche Resultate herausgestellt 
haben, als man immer in der Labmolke einen höheren 
Stickstoffgehalt fand wie in der Säuremolke. Die Einzel- 


Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 145 


heiten werden bei der Besprechung der verschiedenen Milch- 
arten angeführt werden. Hier sei noch zunächst bemerkt, 
daß sich prinzipielle Verschiedenheiten nicht ergeben haben 
zwischen den Albumin- und den Caseinmilchen, was nämlich 
die Größe der Differenz im Stickstoffgehalt der Säuremolke 
und der Labmolke anbelangt, wenn man sie auf den Gesamt-N 
berechnet. 

Die Durchschnittszahlen für die verschiedenen Milcharten 
zeigen, daß die Differenz zwischen Säure- und Labmolke bei der 
Frauenmilch etwas größer ist, wie bei der Kuh- und Ziegen- 
milch und etwa doppelt so groß wie bei der Eselsmilch. Den 
Vergleich mit der Büffelsmilch möchten wir nicht anstellen, 
weil hier nur ein einziges mal Gelegenheit zur Untersuchung 
vorhanden war, und es daher nicht feststeht, ob sich nicht 
bei einer größeren Zahl von Untersuchungen andere Werte er- 
geben würden wie die geringe Differenz, welche in dem einen 
Falle gefunden wurde. 

Wir besprechen nun die einzelnen Milcharten in derselben 
Reihenfolge, wie es bisher immer geschehen ist, und schicken 
die Ergebnisse der Caseinmilchen voran. 


Tabelle V. Kuhmilch. 




















òf E P$: 
35 N z Z az $5 Z, 
g2 g 33337353837 
Nr. pm 5 S.eH == O iS 
a A ERERCCE 
= GE 3 















517,0 
3,2 | 527,0 
2,7 | 491,0 | 113,0 
2,5 | 454,0 | 113,0 
500,0 


192,0 | 67,0 
167,0 | 51,0 
168,0 | 55,0 
154,0 | 41,0 
141,0 | 27,0 


ma wm DD ei 


Büffelmilch. 
169,5 | 12,5 | 23,1 


1 | 5,5 | 680,0 | 157,0 





S 
© 
brd 
wo 
er 
— 
X) 


Kuhmilch. 


Bei der Kuhmilch, wo ja schon eine größere Zahl von 
Bestimmungen anderer Autoren vorliegen, haben wir noch 
weitere fünf Proben einer Prüfung unterworfen. Die Milch 


146 W. Friedheim: 


war eine Mischmilch von 10 Kühen verschiedener Rassen und 
entstammte dem Musterstall des „Vereins für Säuglingsfürsorge 
im Regierungsbezirk Düsseldorf“. Stickstoff- und Fettgehalt 
weisen, wie aus der Tabelle V hervorgeht, Werte auf, welche 
mit den gewöhnlich gefundenen Durchschnittszahlen gut über- 
einstimmen, indem der Fettgehalt durchschnittlich gegen 3°/, 
beträgt und der Stickstoffgehalt etwa 0,5°/,, was einem Eiweiß- 
gehalt von etwa 3,2°/, entsprechen würde. Der Stickstoffgehalt 
der Säuremolke betrug etwa 23,4°/, des Gesamtstickstoffes, der 
der Labmolke etwa 33,4°/,. Es wurden also bei der Labfällung 
Stoffe, entsprechend etwa 10°/, vom Gesamtstickstoff, mehr in 
löslicher Form abgeschieden wie bei der Säurefällung. Dieses 
Resultat stimmt außerordentlich gut überein mit dem von 
Rotondi angegebenen, welcher allerdings methodisch insoweit 
anders vorgegangen war, als er auch bei der Labfällung noch 
so viel Essigsäure zugefügt hatte, wie er für die Säurefällung 
allein benutzt hatte. Diese Tatsache berechtigt uns wohl zu 
dem Schluß, daß im Prinzip der Vorgang der gleiche bleibt, 
ob man mit oder ohne Säurezusatz den Labungsprozeß vor sich 
gehen läßt. 

Wir würden uns also bezüglich der Kuhmilch da- 
hin zu resumieren haben, daß bei der Labfällung mit 
oder ohne Säurezusatz etwa -10°/, vom Gesamt-N mehr 
in löslicher Form abgespaltet werden wie bei der Säure- 
fällung allein. 

Büffelmilch. 

Die Büffelmilch, welche wir benutzten, stammte von einer 
indischen Büffelkuh und wurde uns ebenfalls durch den ‚Verein 
für Säuglingsfürsorge im Regierungsbezirk Düsseldorf“ zur 
Verfügung gestellt. Die Milch zeichnete sich dadurch aus, 
daß sowohl Fett- wie Stickstoffgehalt erheblich höher waren 
wie bei der Kuhmilch. Bei der Säurefällung ergab sich aber, 
daß fast genau ebensoviel Stickstoff prozentual abgeschieden 
wurde wie bei der Kuhmilch. Differenzen ergaben sich erst 
bei der Labfällung. Rein äußerlich fiel schon auf, daß die Lab- 
molke bei weitem dunkler war als bei der Kuhmilch. Zeigte 
sich bei der letzteren eine etwa bernsteingelbe Färbung, so 
war sie bei der ersteren dunkler, fast grüngelblich von Ansehen. 
Bei der Stickstoffuntersuchung stellte sich dann heraus, daß 


. — — — 


Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -miloh bei Säure- u. Labfällung. 147 


die Differenz der Säuremolke gegenüber eine sehr geringe war. 
Die entsprechenden Zahlen sind: 23,1 bzw. 25,02, d. h. also, 
es wurde bei der Labfällung nur so viel Stickstoff mehr in die 
Molke übergeführt, wie 2,1°/, dem Gesamt-N entspricht. Wir 
erwähnten schon oben, daß wir leider nur eine einzige Probe 
untersuchen konnten, und müssen es daher dahingestellt sein 
lassen, ob sich nicht bei Wiederholungen andere Zahlen er- 
geben. Die Milch, welche wir jedoch analysiert haben, mußten 
wir nach den Ergebnissen folgendermaßen charakterisieren : 

Die Büffelmilch zeichnet sich durch einen hohen 
Fettgehalt von (5,5°/,) und ebenfalls durch einen hohen 
Stickstoffgehalt von 0,68°/, aus, was einem Eiweiß- 
gehalt von 4,25°/, entsprechen würde. Die Büffelmilch 
würde also 1°/, Eiweiß mehr enthalten als die Kuhmilch. Be- 
züglich der Stickstoffverteilung wäre zu sagen, daß also wie 
bei der Kuhmilch etwa 77°/, dem durch Säure ausfällbaren 
Casein und fast ebensoviel, nämlich 75°/, dem durch Lab ab- 
trennbaren Paracasein entsprechen. Für unsere spezielle Frage 
bezüglich des Unterschiedes der Säure- und der Labfällung 
würde daraus resultieren, daß bei der letzterwähnten wenig 
lösliche stickstoffhaltige Bestandteile mehr in die Molke über- 
gehen als bei der Säurefällung. 


Ziegenmilch. 


Die Ziegenmilch stammte aus dem gleichen Musterstall wie 
die Kuh- und Büffelmilch. Sie hat einen Durchschnittsfettgehalt 
von 3,8°/, und einen Stickstoffgehalt von 0,564°/,. Das würde 
einem Eiweißgehalt von 3,5°/, entsprechen. Beide Werte sind 
also etwas höher als bei der Kuhmilch, entfernen sich aber 
nicht wesentlich davon, besonders nicht der Stickstoffgehalt. 
Auch in der Verteilung des Stickstoffs haben sich sehr wesent- 
liche Differenzen gegenüber der Kuhmilch nicht ergeben. Auch 
hier betrug der Stickstoffgehalt der Säuremolke in Prozenten 
des Gesamt-N etwa 24,1°/,, der Labmolke 34,9°/,. Es ist 
also sowohl der absolute Prozentgehalt wie die Diffe- 
renz zwischen den beiden Molkenarten nur ganz un- 
wesentlich höher als bei der Kuhmilch. Der letztere 
Wert beträgt 10,2 im Vergleich zu 10,0 bei der Kuh- 
milch. 


148 W. Friedheim: 


Tabelle VI. 
Ziegenmilch. 





































ofz qa Ez ' f 
1 D ' 2 .5 EZ z , 
E HA AR ARAI 
Nr. 27 - u 323332532533333358 
5330 5523 338333383 3832 
3 312358 E q S SERBA ng 
2 AAP gasgas ARA E 


B 
R 
B 
R 





Die Zusammensetzung und das Verhalten der Ziegenmilch 
bei der Fällung würde sich also nach den vorliegenden Unter- 
suchungen folgendermaßen charakterisieren: 

Die Ziegenmilch ist etwas fetter und stickstoff- 
reicher als die Kuhmilch, zeigt aber sonst in ihrem 
Verhalten große Ähnlichkeiten mit jener. Sie läßt 
sich wie jene durch Lab ohne weiteres zur Gerinnung 
bringen und spaltet sich beider Anwendung von Säure 
bzw. Lab in einer Weise, die mit der der Kuhmilch 
fast identisch ist. Wie die Tabelle VI zeigt, beträgt 
nämlich der Prozentgehalt der Säuremolke etwa 24, 
der der Labmolke etwa 35, so daß in der letzteren ein 
Überschuß an Stickstoff vorhanden ist, welcher durch- 
schnittlich 10,2°/, des Gesamt-N beträgt. 

Wir möchten bei dieser Gelegenheit noch einmal kurz 
darauf hinweisen, daß die Labmolken, welche man bei der 
Verwendung unverdünnter Kuh- und Ziegenmilch erhält, nicht 
absolut klar sind, daß sich aber auch andererseits, wie wir 
schon oben erwähnten, körperliche Bestandteile nicht nach- 
weisen lassen. Bei einer Ziegenmilch hatte sich insofern eine 
Schwierigkeit ergeben, als die Labmolke wesentlich trüber war 
als sonst. Eine Fettbestimmung mit der gewöhnlichen Gerber- 
schen Methode ergab keine nachweisbaren Mengen. Beim Zentri- 
fugieren bildete sich aber doch auf der Oberfläche eine weiß- 
liche Schicht, ganz ähnlich wie sie auf fetthaltigem Blutserum 
zu entstehen pflegt, so daß die Annahme nicht ausgeschlossen 
erscheint, daß dennoch feinste Fetttröpfchen die Trübung ver- 
anlaßten. Die Analyse wurde jedenfalls vorgenommen mit dem 


Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 149 


durch Zentrifugieren geklärten Milchserum. Des weiteren sei 
auch darauf hingewiesen, daß der Stickstoffüberschuß in der Lab- 
molke in Prozenten des Gesamt-N ziemlich starken Schwan- 
kungen unterworfen war, und daß die Mittelzahl 10,2 ge- 
wonnen wurde, aus Zahlen, welche zwischen 6,1 und 14,2 lagen. 
Wir weisen auf diesen Umstand schon hier hin, weil wir 
bei Gelegenheit der Besprechung der Frauenmilch auf derartige 
Schwankungen noch mehr zu sprechen kommen. 


Frauenmilch. 


Für die Untersuchung der Frauenmilch wurden Misch- 
milchen verwendet, welche von den Ammen der Düsseldorfer 
Kinderklinik stammten. Unter diesen befanden sich Frauen in 
verschiedenen Phasen der Lactation, doch war zur Zeit, wo die 
Untersuchungen angestellt wurden, nicht eine darunter, welche 
nicht schon wenigstens 2 Monate lactierte. Die vorliegenden 
Milchen sind daher als Proben durchaus reifer Milch zu be- 
trachten. Die Experimente, welche wir mit diesem Material 
angestellt haben, sind zahlreicher gewesen als die mit anderen 
Milcharten, weil uns Gesichtspunkte der Säuglingsernährung 
hauptsächlich leiteten und weil wir vor allem mit Rücksicht 
auf die Verhältnisse der natürlichen und der künstlichen Er- 
nährung Vergleiche zwischen Kuh- und Frauenmilch anstellen 
wollten. Analoge Untersuchungen sind bisher noch nicht vor- 
genommen worden. Die Frage wurde seinerzeit einmal von 
Bienenfeld bei der Diskussion darüber angeschnitten, ob es 
sich bei der gleichzeitigen Einwirkung von Säure und Lab auf 
die Frauenmilch nur um Säurewirkung oder doch um einen 
fermentativen Vorgang handele. Bienenfeld glaubte seiner- 
zeit die Frage in dem Sinne beantworten zu dürfen, daß tat- 
sächlich nur eine Säurewirkung anzunehmen sei. Sie glaubte 
diesen Schluß gerade mit Rücksicht auf das Verhalten des 
Molkeneiweißes ziehen zu dürfen, indem sie sich und auch mit 
Recht sagte, daß man bei der Labung der Frauenmilch ebenso 
wie bei der Kuhmilch eine Vermehrung des Filtratstickstofis zu 
erwarten hätte. Einige Untersuchungen, welche sie anstellte, 
fielen in dieser Hinsicht vollständig negativ aus, und so mußte 
sie denn zu dem Schluß gelangen, daß bei der kombinierten 
Labsäurewirkung nur die eine Komponente in Kraft tritt. Bei 


150 W. Friedheim: 


der Gewinnung dieser Resultate müssen jedoch Methodenfehler 
irgendwelcher Art unterlaufen sein, welche wir hier nicht er- 
örtern wollen, weil sie in einer demnächst am anderen Orte 
erscheinenden Arbeit eingehend diskutiert werden. Wir möchten 
hier noch darauf hinweisen, daß die Versuche von Bienenfeld 
der Beweiskraft schon deswegen entbehren, weil auch die Re- 
sultate, welche sie mit der Säurefällung erhält, so weit von 
denen anderer Untersucher und von unseren eigenen abweichen, 
daß wir berechtigt sind, sie für falsch zu halten. Während 
nämlich mit anderen Methoden wie auch mit der Methode der 
Säurefällung für den Caseinstickstoff der Frauenmilch im allge- 
meinen Werte erhalten werden, welche etwa 40°/, des Gesamt-N 
ausmachen, kommt Bienenfeld zu Zahlen, welche sich um 15°/, 
bewegen. Das kann unter keinen Umständen stimmen, und so 
glauben wir denn, daß die negativen Resultate, welche Bienen- 
feld bei dem Unterschiede der Säure und der Labfällung mit 
Bezug auf die Stickstoffverteilung gewann, ebenfalls metho- 
dische Fehler zur Last zu legen sind. Vielleicht rühren die Ab- 
weichungen daher, daß sie mit schwer gerinnender Mager- 
milch arbeitete. 


















Tabelle VII. 
Frauenmilch. 
Sog E82 332 
‚28 
3423| 194% 533 Ton 
2885904 TEEN 
Nr. 852 2333 5548 SEP: 
sialla. t EHRT E 
Anz 4342 bo 


6,5 | 126,5 | 66,0 | 85,0 19,0 52,17 | 67,2 | 15,0 | 1,22 
4,5 | 126,5 | 74,5 | 85,5 11,0 59,0 | 66,7 8,7 | 1,13 
6,3 | 201,0 | 99,0 | 131,0 82,0 49,3 | 65,2 | 15,9 | 1,32 
6,6 | 176,0 | 63,5 | 76,0 22,5 30,4 | 43,2 | 12,8 | 1,42 
222,0 | 94,5 | 120,0 26,0 43,0 | 54,7 | 11,7 | 1,27 
6,1 | 220,0 | 94,0 | 110,5 16,5 47,0 | 55,2 82 | 1,18 
6,0 | 213,5 | 86,5 | 103,5 17,0 40,0 | 48,0 8,0 | 1,20 
4,8 | 210,0 |110,0 | 132,5 22,5 62,4 | 65,1 | 10,7 | 1,20 


Die Tabelle VII zeigt zunächst eindeutig, daß bei der von 
uns geübten und oben näher geschilderten Art der Säure- und 


der Labfällung der Frauenmilch sichere Unterschiede hinsicht- 
lich der Stickstoffverteilung aufgedeckt werden. Wie auch die 


I EUER D 
> 
pá 


Stiokstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 151 


einzelnen Resultate immer untereinander differieren, so viel bleibt 
aber immer bestehen, daß bei Verwendung des Ferments die 
Molke einen höheren Stickstoffgehalt aufzuweisen hat wie bei 
der alleinigen Fällung mit Säure. Der Stickstoffüberschuß in 
der Labmolke beträgt im Durchschnitt 11,4°/, des Gesamt-N, 
und diese Zahlen wurden erhalten aus Werten zwischen 8 und 
15,9°/, In einem Beispiel sogar, welches später in extenso 
wiedergegeben wird, betrug der Überschuß nur 5 bis 6°/, 
des Gesamt-N. Aber eindeutig vorhanden war er auch in 
diesem Falle, wo er nur so gering war. 

Bezüglich der Einzelheiten der Methodik sei noch darauf 
hingewiesen, daß in den ersten vier Beispielen der Tabelle zur 
Ansäuerung Salzsäure benutzt wurde, und zwar in dem Maße, 
daß auf 100 ccm Vollmilch 20 ccm ®#/,„-Säure genommen wurden. 
In den letzten vier Beispielen wurde Essigsäure verwendet, und 
zwar 70 com ®/ „Säure auf 100 cem Vollmilch. Die Lablösung 
wirkte im allgemeinen 24 Stunden in der Kälte ein, nur im 
Fall 2 wurde die Wirkungsdauer auf 3 Stunden beschränkt. 
Auf den Einfluß der Dauer der Labwirkung kommen wir noch 
weiter unten zu sprechen. 

Bezüglich der Resultate führen wir noch an, daß der Stick- 
stoffüberschuß der Labmolke zwischen 8 und 15,9 des Gesamt- 
stickstoffs schwankte, daß er also bis zu dem doppelten des 
kleinsten gefundenen Werts betragen konnte. Es hat uns 
nun natürlich die Frage beschäftigt, ob sich irgendwelche Be- 
ziehungen dieser Differenzen zur Zusammensetzung der Milch 
finden lassen. Ob etwa vielleicht große Stickstoffüberschüsse 
in der Labmolke einem hohen Gesamt-N oder doch wenigstens 
einem hohen Caseinstickstoff entsprechen. Die Tabelle, in der 
bezügliche Werte angegeben sind, geben jedoch keinerlei Anhalts- 
punkte in dieser Richtung. So war z. B. gerade im Fall 6 
der Caseinstickstoff sehr groß, während der Stickstoffüberschuß 
sehr klein ist, und auch für das umgekehrte Verhalten finden 
sich Belege. Nun läßt sich freilich in dieser Hinsicht kein 
sicherer Entscheid treffen, ehe man nicht darüber Klarheit ge- 
winnt, ob bei derselben Milch der Stickstoffüberschuß bei der 
Labung konstant ist, oder ob er nicht durch irgendwelche 
Einflüsse verändert werden könnte. Vor allen Dingen handelt 
es sich darum, festzustellen, ob nicht etwa die Dauer der Lab- 


152 W. Friedheim : 


einwirkung einen Einfluß dahingehend ausübt, daß bei längerer 
Wirkungszeit mehr Stickstoff in die Molke abgeschieden wird 
wie bei kürzerer. Diese Frage ist für die Kuhmilch bzw. das 
Kuhmilchossein mehrfach erörtert worden und früher auch in 
positivem Sinne entschieden worden, d. h. man glaubte fest- 
stellen zu können, daß bei längerer Einwirkung des Ferments 
auch mehr Stickstoff abgespalten werde. In der letzten Zeit 
hat sich jedoch, wie besonders aus den Untersuchungen von 
Schmidt-Nielsen hervorgeht, gezeigt, daß es sich höchstens 
um verschwindend kleine Mengen handeln könne, welche für 
die Theorie des Vorgangs nicht in Frage kommen. Wir haben 
nun das gleiche bei der Frauenmilch geprüft und zu diesem 
Zweck von der gleichen Milch den Stickstoffgehalt bei der 
Säurefällung festgestellt und bei Labfällung, nachdem das Ferment 
15 Minuten, 3 und 24 Stunden (Labmolke I, II, III der Tabelle VIII) 
eingewirkt hatte. In der Tabelle VIII sind die Resultate nieder- 
gelegt. 
Tabelle VIII. Einfluß der Dauer der Labwirkung auf die 
N-Verteilung in der Frauenmilch. 








Differenz zwischen N 













— = je der Säure und der 
21 © © Labmolke 

Q 2 = 

g 3 © 

E g 8 Lab- 
313[|% “ar 





100 Teile Miloh 
bzw. Molke 
enthalten mg N | 133,5 | 61,1 | 79,5 | 76,5 | 77,5 


N-Gehalt in 
 Prozenten des 
Gesamt-N 


6,4 


45,7 | 51,3 | 50,0 | 50,6 4,8 


Sie besagen, daß eine Vermehrung des Stickstofis in der 
Labmolke bei längerer Fermentwirkung unter keinen Umständen 
eintritt, daß eher, wenn man das aus dem einen Beispiel 
schließen darf, eine Verminderung erfolgt. Es scheint daher 
festzustehen, daß die Dauer der Labwirkung keinen Einfluß 
auf die Abspaltung des Molkeeiweißes ausübt, so daß also von 
einer proteolytischen Wirkung des Labs nicht geredet werden 
kann. 


W. Friedheim: Die Stickstoffverteilung in der Kuh-, Büffel-, Ziegen-, Tafel I 
Frauen- und Eselsmilch bei Säure- und Labfällung. 





Fig.1. Reihenversuch zur Fällung der Kuhmilch mit Essig- und Salzsäure. 

Die Röhrchen enthalten 1 ccm Milch, °/,„-Säure 0,0, 0,1 0.2 0,3 0,4 0,5 0,6 

0,7 0,8 0,9 1,0 1,1. Alle Röhrchen sind auf 5ccm aufgefüllt. Salzsäure. 
Optimum bei 0,6. Essigsäure. Beginn der totalen Fällung bei 0,7. 





Fig. 2. Reihenversuch zur Fällung der Eselsmilch mit Essig- und Salz- 
säure. Die Röhrchen enthalten je 1 ccm Milch. 

a/ J Essigsäure 0,0 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1.6 1,8 2.0 2,2 2,4 2,6 

10 \Salzsäure 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0.5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 

Essigsäure. Beginn der totalen Fällung (klare Molke) bei 1,6. 

Salzsäure. Optimum bei 0,5. In den folgenden Röhrchen kein 
Niederschlag, nur starke Aufhellung. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 


Stickstoffverteilung in Kuh- usw. -milch bei Säure- u. Labfällung. 153 


Die Verschiedenheiten also, welche sich bei unseren Ver- 
suchen ergeben haben, sind nicht auf die Dauer der Labwirkung 
zu beziehen, und der relativ kleine Wert, welcher im zweiten 
Fall erhalten wurde, steht daher nicht damit im Zusammen- 
hang, daß hier die Labung nur über 3 Stunden ausgedehnt 
wurde, im Gegensatz zu allen anderen Fällen, wo sie 24 Stunden 
betrug. 

Es ergaben sich daher bei der Trennung der Frauenmilch 
durch Säure bzw. durch Säure und Lab, folgende Resultate: 
Der Stickstoffgehalt der Säuremolke betrug im Durch- 
schnitt 46,7, der der Labmolke 57,2°/, des Gesamtstick- 
stoffs, d. h. also, es wurde an unlöslichen Körpern an 
Casein bzw. Paracasein 53,3!) bzw. 42,8°/, ausgefällt. Der 
Überschuß an löslichen stickstoffhaltigen Bestand- 
teilen in der Labmolke betrug im Durchschnitt 11,4°/, 
des Gesamt-N, wäre also im ganzen höher als bei der 
Kuh-, Büffel- und Ziegenmilch. Auf die klinische Bedeutung 
dieses Umstandes soll an anderer Stelle eingegangen werden. 


Eselsmilch. 


Das Material stammte von einer Eselin, welche etwa 
4 Wochen vor den Versuchen geworfen hatte. Der Fettgehalt 
betrug meist 1,2, der Stickstoffgehalt schwankte zwischen 385 
und 397 mg in 100 Teilen Milch, war somit beträchtlich höher 
wie die zuletzt von Schloßmann angegebenen Zahlen. Von 
diesem Autor wurde als Mittelzahl 243 mg angegeben. Bei ihm 
handelte es sich jedoch um eine Mischmilch von vielen Tieren, 
so daß der gefundene Unterschied wohl von keiner grundsätz- 
lichen Bedeutung sein dürfte. Auch hier, wo die bei der Lab- 
fällung gewonnene Molke völlig wasserhell und klar war, 
konnte ein erhöhter Stickstoffgehalt gegenüber der Säuremolke 
festgestellt werden, wenn er auch im ganzen geringer war als 
bei den anderen Milcharten und besonders bei der Frauenmilch. 

Die Differenz im N-Gehalt der beiden Molken betrug durch- 
schnittlich 5,5°/, des Gesamtstickstoffs.. Was die Stickstoff- 
verteilung überhaupt anbetrifit, so konnte bei Säurefällung er- 
mittelt werden, daß etwa 61,9 dem Casein angehören und nur 


1) Es handelt sich zufällig um Milchen mit sehr hohem Casein- 
gehalt, im Durchschnitt ist er niedriger. 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 10 


154 W. Friedheim: 


38,2 den löslichen Eiweißstoffen und den Extraktivstoffen. Die 
Verteilung des Stickstoffs ist daher etwa umgekehrt wie bei 
der Frauenmilch, wo durchschnittlich 40°/, des Stickstofis auf 
das Casein und 60 auf die Molke entfallen. Die Wirkung des 
Labs in der Wärme (s. Tabelle IX) übte keinen besonderen Ein- 
fluß aus. Im Falll und 3 hatte nämlich die Fermentwirkung 
bei 40° stattgefunden. 


Tabelle IX. 





































Eselsmilch. 

zals8l@a Eis, |.e_ a |se 
281531881030 882 gzl paria ea 
9| 8838|39 3333 Torao enezi 8 8% 
Nr. = 82 |13= 5582 de .e9 EHAE 
© - 3 g CE- u.a = 5.5335 8 Eigg 258 
az AAZ |g Sg. A0 2532 98 

RZ ads 

mg | mg 



























1 146,5 | 159,0 12,5 

2 1,2 | 397,5 | 1680| — — — 
3 1,2 | 387,5 | 139,5 | 164,0 24,5 1,18 
4 144,5 | 171,0 27,5 1,2 





Die Eselsmilch charakterisiert sich also als eine 
Milchart, welche bezüglich des Gesamteiweißgehaltes 
und des Caseingehaltes in der Mitte steht, zwischen 
der Frauenmilch und der Kuhmilch. Von den beiden 
genannten Milcharten unterscheidet sie sich aber 
ebenso wie von der Ziegenmilch dadurch, daß nur 
ein geringerer Prozentsatz des Gesamt-N bei der Labung 
mehr in die Molke übergeht wie bei der Säuerung, 
und zwar etwa 5,5°/, vom Gesamt-N, d. i. also etwa 
die Hälfte desjenigen Wertes, welcher für die ge- 
nannten Milcharten gilt. 

Das Gesamtergebnis der vorliegenden Untersuchungen be- 
steht also zunächst darin, daß auch für die Büfel-, Ziegen-, 
Frauen- und Eselsmilckh bestätigt werden konnte, was 
von der Kuhmilch bereits bekannt war, daß nämlich 
bei der Labeinwirkung auf die Milch mehr lösliche stick- 
stoffhaltige Bestandteile in der Molke vorhanden sind 
als bei der Fällung mit Säure. Die Mengen, um welche 
es sich hierbei handelt, sind immerhin nicht unbeträchtlich, 
sie sind doch so groß, daß ihr Stickstoff etwa 10°/, des 


Stiokstoffverteilung in Kuh- usw. -miloh bei Säure- u. Labfällung. 155 


Gesamt-N ausmacht. Nur bei der Eselsmilch findet man einen 
geringeren Wert. Die Büffelmilch, bei welcher wir nur eine 
Bestimmung machen konnten, wollen wir vorläufig aus der 
Diskussion lassen. 

Welch nähere Vorgänge sich bei der Labung vollziehen, 
welchen Charakter der abgelöste stickstoffhaltige Bestandteil 
trägt, soll hier nicht untersucht werden, ebensowenig wie auf 
die Theorie der ganzen Erscheinung eingegangen werden soll. 
Die Natur des Prozesses hat uns vorläufig nicht beschäftigt, 
weil es uns eigentlich nur darum zu tun war, zu erfahren, 
welche Vorgänge sich im Organismus wohl bei der Milchgerinnung 
abspielen mögen. Das ist auch der Grund, weswegen wir 
nicht von Caseinlösungen, sondern von der frischen unveränder- 
ten Milch ausgegangen sind. Wenn wir dabei manchmal, be- 
sonders bei der Frauen- und Eselsmilch eine komplizierte Ver- 
suchsanordnung bei der Fällung treffen, wenn wir uns von den 
natürlichen Bedingungen weit entfernen mußten, so hat dies 
seine Begründung darin, daß wir sonst vollständige Abschei- 
dungen nicht hätten erzielen können. Es muß daher natür- 
lich immer noch die Frage offen bleiben, ob wir solche Vor- 
gänge studiert haben, wie sie sich wirklich im Magen abspielen. 
Nach analogen Schlüssen liegt es allerdings nahe, die Frage zu 
bejahen. Es wird unsere weitere Aufgabe sein, uns zunächst 
nähere Aufschlüsse über die Natur der bei der Labung in die 
Molke übergehenden stickstoffhaltigen Körper zu verschaffen. 


Literatur. 


. Bienenfeld, diese Zeitschr. 7, 262, 1907. 

. Engel, ibid. 13, 89, 1908. 

. Engel, ibid. 14, 234, 1908. 

. Fuld, ibid. 4, 488, 1907. 

. Fuld und Wohlgemut, ibid. 5, 118, 1907. 

Hammarsten, zit. nach Maly, Jahresber. d. Tierchem. 4, 135. 
Hammarsten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 114, 1899. 

. Kreidl und Neumann, Pflügers Archiv 123, 523, 1908. 

. Preti, Zeitschr. f. physiol. Chem. 53, 419, 1907. 

. Rotondi, Monatsschr. f. Kinderheilk. 2, 595, 1903. 

. Sohmidt-Nielsen, Beiträge z: chem. Physiol. u. Pathol. 9, 322, 
1907. 


= DD 00 SM AUN m 


p jas 


10* 


Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß von 
Arzneimitteln auf die Magensaftsekretion. 


IV. Mitteilung. 


Über das Verhalten anorganischer und organischer Arsen- 
verbindungen.?) 
Von 
Johann Feigl und Adolf Rollett. 
(Aus der experimentell-biologischen Abteilung des patholog. Instituts der 
Universität Berlin.) 7 
(Eingegangen am 11. Mai 1909.) 


Einleitung. 

In dieser Zeitschrift teilte der eine von uns vor einiger 
Zeit experimentelle Untersuchungen über den Einfluß von Eisen- 
salzen (l1) auf den Vorgang der Magensaftsekretion mit. Nach 
Prüfung und Erörterung der einfachen Verhältnisse bei den 
Ferro- und Ferrisalzen wurde dann die Frage nach dem Ver- 
halten eisenhaltiger Mineralquellen in Angriff genommen und 
zunächst in mehreren Versuchsanordnungen das Roncegno-Wasser 
bearbeitet (2). Indeß stand zur befriedigenden Erklärung dieses 
ferrisalzhaltigen Brunnens noch die Kenntnis des Verhaltens 
der arsenigen Säure resp. Arsensäure — eventuell deren Salze — 
aus. Aus einem anderen Anlasse wurde der eine von uns zur 
Untersuchung von metallischem Arsen geführt (3), das wir dann 
im Vergleich zum kolloidalen Metallpräparat untersuchten (4). 
Während pulverförmiges Arsen, ebenso wie einige andere, schwer 
angreifbare Metalle, indifferent auftrat, sahen wir die kolloidale 
Lösung mit stärksten Wirkungen einhergehen. Beides suchten 


1) Die nachstehend mitgeteilten Versuche waren der Hauptsache 
nach bereits im August 1907 abgeschlossen. Ihre Publizierung wurde 
durch eine Reihe von Umständen: nachträgliche Prüfung neuerer inter- 
essanter Präparate sowie Belastung mit anderen Arbeiten verzögert. 


J. Feigl u. A. Rollett: Das Verh. anorgan. u. organ. Arsenverbindungen. 157 


wir 8.8. O. zu deuten (5). Indes kann — in Übereinstimmung 
mit unseren dortigen Ausführungen — diese Versuchsreihe nicht 
als Bearbeitung der Arsenwirkung schlechthin gelten, da es sich 
offensichtlich um eine generelle Wirkung kolloidaler Substanzen 
zu handeln scheint. 

Bei der Untersuchung der Arsenmedikamente auf ihr Ver- 
halten zur sekretorischen Funktion der Magendrüsen waren 
wir darauf angewiesen, aus den zahlreichen vorkommenden 
Verwendungsformen eine Auswahl zu treffen, das Typische an 
möglichst einfachen Objekten zu studieren, und wir mußten 
uns also im ganzen der Entwicklung der Arsenmedikation über- 
haupt anschließen. 

So war es zunächst wichtig, die anorganischen Verbindungen 
zu studieren. In der dreiwertigen Form waren hier die arsenige 
Säure als solche, sowie ihre Alkalisalze zu studieren; in der 
fünfwertigen mußte die Arsensäure sowie gleichfalls ihre Alkali- 
salze bearbeitet werden. Die große Wichtigkeit einer ein- 
gehenden experimentellen Prüfung und Erörterung der ge- 
fundenen Verhältnisse bei diesen Säuren erhellt daraus, daß 
die an den reinen Substanzen gewonnenen Ergebnisse bestimmt 
waren, einer Erklärung der Mineralwässer mit Arsengehalt 
zur Grundlage zu dienen. Da indeß die chemischen Verhält- 
nisse des Zustandes in Lösung bei diesen Formen — speziell 
der arsenigen Säure und ihrer Salze — recht komplizierte 
sind und wir uns auf jede mögliche Weise in versuchstechni- 
scher Hinsicht bemüht haben, unter Ausschluß von Fehler- 
quellen möglichst genau zu arbeiten, sind wir genötigt, in An- 
lehnung an die physikalisch-cohemischen Untersuchungen über 
Mineralwässer die Besprechung über den Zustand der Lösungen 
eingehend zu besprechen (6). 

Von Mineralwässern, die unserer Bearbeitung zugänglich 
gewesen wären, haben wir abgesehen; indes versuchten wir, 
das bereits von dem einen von uns geprüfte Roncegno-Wasser 
mit Hinblick auf die gewählten Versuchsbedingungen zu er- 
klären. Abstand genommen haben wir ferner von der Unter- 
suchung einer Reihe von Arzneimitteln, die in der Praxis eine 
Rolle spielen — z. B. der Solutio Fowleri —, da diese kom- 
plizierten Gemische Substanzen enthalten (fast stets in bezug 
auf das Arsenpräparat in überwältigender Menge), die in Hin- 


158 J. Feigl und A. Rollett: 


sicht auf die Funktion der Magensaftbildung sich entgegen- 
gesetzt verhalten (7). Somit wären eindeutige Ergebnisse von 
sicherer Bedeutung nicht zugänglich gewesen. 

Dagegen haben wir die organischen Medikamente einer 
Untersuchung unterworfen, soweit sie als Typen ihrer Gruppen 
in Betracht kommen. Die Dimethylarsinsäure (Kakodylsäure) 
(CH,)„AsOOH diente uns als Vertreter der Kakodylreihe, deren 
wesentliches Verhalten sie anschaulich wiedergibt. Von den 
chemisch substituierten aromatischen Arsinsäuren haben wir 
Atoxyl — die ‚„Arsanilsäure‘‘ — untersucht, ferner ein Homo- 
loges dieser Reihe, eine aus p-Toluidin erhaltene ‚Arsanil- 
säure‘‘, sowie eine stickstoffdimethylierte Arsanilsäure, endlich 
haben wir einen Vertreter der Oxyphenylarsinsäuren der Prüfung 
unterworfen. 

Von dieser ganzen Reihe gilt uns Atoxyl selbst als Proto- 
typ; Differenzen in dem physiologischen Verhalten sind durch 
die an dem Präparat vorgenommenen chemischen Substitu- 
tionen in unserer Versuchsanordnung einstweilen nicht zur Dar- 
stellung gelangt. 


Theoretischer Teil. 
Anorganische Arsenverbindungen. 


Die Diskussion der Wirkung anorganischer Körper — der Elektro- 
Iyten — in ihrem Verhalten zu den Vorgängen im lebenden Organismus 
wird von den Vorstellungen der Ionenlehre beherrscht; für die Pharmako- 
logie danken wir dies spəziell J. Loeb (8), Dreser (9), Paul und 
Krönig (10), Pauli (11), Hamburger (12). Der Hauptpunkt ist die 
Erkenntnis, daß die Wirkungen salzartiger Körper rein additiver Natur 
sind, d. h., daß sie aus zwei Komponenten bestehen: der Wirkung von 
Kation und Anion (13). Von Pauli (14) stammt die Fassung: Salz- 
wirkung ist Summierung der Ionenwirkungen. 

Präziser sagt indes Sohmiedeberg (15), die Salzwirkung ist an- 
zusprechen als ein Komplex der Ionenwirkung und der Wirkung der un- 
gespaltenen Moleküle. Inwieweit indeß der eine oder andere Anteil über- 
wiegt nach absoluter Menge und demnach auch nach Wirkung, hängt 
vom einzelnen Falle und dann auch vom Zustande der Lösung ab. Bei 
den toxischen Metallverbindungen besteht nach Paul und Krönig (16) 
ein Parallelismus zwischen Ionenkonzentration und Wirkungsstärke. Die 
Einsicht von der Bedeutung dieses Vorganges hat in der Pharmakologie 
der Magensaftbildung ein schönes Beispiel ergeben am Jod-Ion kombi- 
niert mit Wasserstoff, Kalium-, Natrium-, Lithium-, Ferro-Ion (17). 
Hamburger wählt das anschauliche Beispiel Chinin in seinen Salzen (18); 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 159 


Bei der Besprechung und Beurteilung der arsenigen Säure und 
Arsensäure müssen wir uns die für die jeweils verwandten Lösungs- 
verhältnisse gültigen Ionenformen vorstellen, was im vorliegenden Falle 
von gewissen Schwierigkeiten begleitet ist [Ostwald (19)]. 

In der gewählten Konzentration geht unzweifelhaft As,0,[As,0,] 
Arsenhexoxyd in den Zustand der orthoarsenigen Säure über: AsO,H,; 
das Arsenpentoxyd ist weit leichter einer Hydratation zugänglich — 
bekannt ist nur das Orthohydrat [Ostwald (20)]. Somit ist die Ortho- 
arsensäure AsO,H, zu schreiben. Letztere stellt — als bei weitem 
stärkere Säure — den in der Diskussion einfacheren Fall dar. Köppe (21) 
sowie Hintz und Grünhut (22) verdanken wir die Kenntnis der stufen- 
weisen Ionisation mehrbasischer Säuren, in unserem Falle auch der 
Arsensäure. Wie bei der Orthophosphorsäure tritt zunächst in unter- 
geordnetem Maßstabe Bildung der Ionen H’ und [H,AsO,Y ein; die Haupt- 
stufe wird wiedergegeben durch H, und [HAsO,}’. Für dio etwaige 
Bildung des Endzustandes H, und [AsO,}’” gehen indes Köppe und Hintz 
und Grünhut auseinander (23). Letztere Autoren verfolgen diese end- 
liche Stufe hier wie bei den übrigen schwachen Säuren (H,PO,; H,SiO,; 
H,CO,; H,AsO,), weisen ihr tatsächliches Auftreten nach, aber re- 
sumieren sich dahin, daß bei den komplizierten Salzgemischen der Mineral- 
wässer diesem Endzustande Bedeutung nicht zukomme. Für unseren 
Fall reiner, nach analytischen Methoden gewonnener Lösungen glaubten 
wir dieses Hinweises nicht entbehren zu können. Schwieriger liegen die 
Verhältnisse bei der arsenigen Säure, wo wir von befriedigender Kennt- 
nis des Zustandes in stark verdünnten Lösungen für verschiedene Fälle 
noch weit entfernt sind (24). In Übereinstimmung mit anderen Angaben 
glauben wir den Zustand H’ und [H,AsO,] unserer Betrachtung zugrunde 
legen zu dürfen. 


Gehen wir nun zur Besprechung der einfachen Alkalisalze über, so 
liegen die Schwierigkeiten wieder bei der arsenigen Säure. Bei der Arsen- 
säure liegen die Verhältnisse wie bei der Orthophosphorsäure, wo die 


gegen den Phenolphtnalein-Indicator neutralen Salze vom Typus MelHPO, 


zerfallen sind in 2 Me und [HPO,]. Theoretisch wäre indes noch mit 
der erwähnten Dissoziation „zweiter Ordnung“ von Hintz und Grün- 
thal zu rechnen: 2Me; H und [PO,]. Außerhalb dieser Verhältnisse 
steht die Frage der Hydrolyse, der aber hier bei der verhältnismäßig 
starken Arsensäure in unserem Falle des Pawlow-Magens wohl keine 
Bedeutung zukommt. Beispiel: Na,HAsO, + H0 = NaH,As0, + NaOH. 
Schwieriger liegen beide Arten von Umsetzungen in wässeriger Lösung 
für die arsenige Säure, Ihre Salze im trockenen Zustande sind zu 
beziehen auf die Metasäure HAsO, — somit NaAs0,. Wird ein solches 
Salz in Wasser gelöst, so tritt Hydratation ein, indem zweifachsaure 
Salze der Orthosäure entstehen (25) 


Na 
NaAsO, + H,O = HO \As 
HO/ 


160 J. Feigl und A. Rollett: 


t 


ı. 24 Für die Heilquellen mit arsenigsauren Salzen spielt also nur die ortho- 
arsenige Säure eine Rolle; für reines Wasser wären als Ionen anzusehen 
hauptsächlich Na’, [H,As0O,/, der Nebensache nach „zweiter Ordnung“ 
2 H'; [AsO,}”. Die Zustandsänderung KAsO, + H,O = KH,As0O, gilt 
nur für reines Wasser. Sind K-Ionen kei Gegenwart von OH-Ionen dis- 
ponibel, so gilt KAsO, + 2KOH =K,AsO, im Endzustande D. h. die 
H-Ionen verschwinden ganz oder zum Teil und werden durch K-Ionen 
ersetzt. Da dieser Fall eintritt auch z. B. durch die sekundären Um- 
setzungen des Na,CO,, so ist er für Mineralwässer bedeutungsvoll, und 
wir besprechen ihn mit Rücksicht auf die Magensekretion. Von größerem 
Einfluß ist bei Arseniten die Hydrolyse (26). Sinkende Konzentration 
und steigende Temperatur treiben sie einem Maximum entgegen. Für 
reines Wasser gilt das Auftreten von primär: K, [As0,H,]; durch Hydro- 
lyse sekundär K; OH; [H,As0,]. Für den praktisch ungleich wiohti- 
geren, stets auftretenden Fall der Anwesenheit von Alkali oder Alkali- 
carbonat treten an sich schon K-, bzw. OH-(Na)-Ionen auf, welche 
dann die Hydrolyse rückläufig werden lassen oder ganz verhindern. Wir 
sagen: „Je mehr Hydrolyse, desto mehr OH-Ionen, desto mehr Auftreten 
einer antagonistischen Wirkung, da ja dem OH-Ion eine hemmende Wir- 
kung auf die Sekretion beigelegt wird (27). So würde dann also für 
unseren Fall einer reinen wässerigen Lösung der Sekretionsvorgang nach 
Intensität und Zeitausdehnung eingeengt werden. 

Es ist notwendig, diese Betrachtungen in vollem Umfange anzu- 
stellen, da dann die Versuche einer besseren Deutung zugänglich werden. 
Zu bedenken ist ferner, daß die Wirkung auch davon abhängt, ob die 
Versuchslösung durch fernere Verdünnung im Magen durch mehr oder 
weniger an vorhandener oder allmählich erscheinender Salzsäure (H- und 
Cl-Ionen) wesentlich alteriert wird — ein Vorgang, der unter gleichen 
Versuchsbedingungen am gleichen Tiere immerhin als annähernd kon- 
stant betrachtet werden kann. Solohe Verschiebungen treten indes 
zweifellos während des Sekretionsablaufes dauernd ein. Nun geschieht 
das alles an verdünnten Lösungen mit einem Minimum des wirksamen 
Pharmakons, demnach können diese Umsetzungen als namhaft gelten. 
So glauben wir die verschiedenen Gestalten des Kurvenbildes mit ihren 
zwei Mıxima deuten zu können; da diese Uunregelmäßigkeiten stets ein- 
treten, aber den Gesamtefiekt in der endlichen Summe des sezernierten 
Saftes nicht ändern, so gehen sie auf Beeinflussung eben erwähnter 
Art zurück. 


Mineralquellen. 


Bei den Mineralwässern wird die Heilwirkung in der komplizierten 
natürlichen Mischung gesucht. Die Untersuchung hat somit zwei Fragen 
zu beantworten: 1l. Wie wirkt das eigentliche Pharmakon in der betr. 
Konzentration in reiner Lösung? 2. Wie wirkt das native Gemisch? 
Der ersten Forderung dient die Aufklärung der besprochenen Säuren und 
ihrer Alkalisalze, der zweiten die Prüfung des Wassers. Es kann not- 
wendig sein, die nächsten Begleiter zu kennen, so z. B. für Roncegno (29) 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 161 


die Wirkung der Ferri-ionen, für Levioo (30) der Ferro-ionen, für 
Cudowa (31) die der Kohlensäure usw. (32). Aus dieser Kenntnis 
kann man dann die Wirkung des Gemisches ableiten, indem man den 
(vgl. die betr. Brunnenanalysen) begleitenden Chloriden sowie anderen 
Salzen nur geringe Einfllüsse zuzuerkennen braucht. Somit wird dann 
auch die Kenntnis der einzelnen Arsenwässer weiter in ihrer Untersuchung 
keine Schwierigkeiten bereiten. Das bereits von dem einen von uns — 
mit alleinigem Vorbehalt der Arsenwirkung — geprüfte Roncegno-Wasser 
besprechen wir anschließend. Unverdünntes Wasser gab eine Hemmung; 
Verdünnung mit Leitungswasser zu gleichen Teilen ließ diese geringer 
werden, ja selbst Kontrollversueh und Hauptversuch konnten mit gleichen 
Werten abschließen (33). Fernere Verdünnung gab dann steigend eine 
Anregung der Sekretion, Nach den Ergebnissen und Anschauungen 
unsrer bisherigen Mitteilungen liegt die Sache so: Im ersten Falle stehen 
sich die Wirkung vom Ferri-Ion und den Ionen der Säuren des Arsens 
entgegen; im zweiten beginnt mit fortschreitender Hydrolyse das Ferri- 
salz in mehr und mehr ‚basische‘ Form überzugehen; im dritten ist die 
Hydrolyse einem Endzustande entgegengekommen: es ist kolloidal gelöst 
gebliebenes Fe(OH), entstanden. Nunmehr summieren sich dessen sekre- 
tionstreibende Effekte (34) mit denen der arsenigen Säure. bzw. Arsen- 
säure. 
Diese interessanten Ergebnisse und ihre Beleuchtung gestatten eine 
weitere Präzisierung, indem man den Fragen nachgeht: 1. In welchem 
Zustande liegen die Ferrisalze während des hydrolytischen Vorganges bei 
verschiedenen Verdünnungsstufen? 2. Lassen sich die Stufen der Hydro- 
lyse ungefähr festlegen durch Konzentrationswahl, Temperaturbeobachtung 
und Parallelität in der zeitlichen Anordnung? 

Nicht unerwähnt soll endlich bleiben, daß für die Kenntnis der 
Mineralwässer mit Arsengehalt — für den Zustand ihrer Bestandteile in 
Lösung — die Kenntnis der Quellsedimente von Bedeutung war und 
neuerdings wieder geworden ist. E. Ebler hat mit neuer Methode die 
Quellsedimente der durch Bunsen und Kirchhoff berühmten Max- 
quelle in Dürckheim untersucht und durch vergleichende Aufstellung 
seiner Zahlen lehrreiche Beziehungen gefunden (35). 


Organische Arsenverbindungen. 


Der Anstoß zur Verwendung organischer Derivate der Arsensäure 
zum Zwecke interner Verabreichung geht auf die Arbeit von Schulz 
zurück (36). Dieser Autor fand in der Dimethylarsinsäure 


=> ie £ 

CH, OH 
im gewissen Sinne einen Fortschritt gegenüber rein anorganischen Prä- 
paraten. Weiterhin wurde nun die Form der organischen Abwandlung in 
verschiedener Weise vorgenommen und es sind dann einige Haupttypen 


organischer Arsenderivate chemisch aus ihrem physiologischen Verhalten 
näher zu besprechen. 


162 J. Feigl und A. Rollett: 


Vorher wollen wir noch den wesentlichen Ideengang dieser „Ent- 
giftung‘‘ der anorganischen Säuren näher ins Auge fassen. Für vor- 
liegendes Gebiet der Pharmakologie handelt es sich um Effekte, die durch 
Alkylwirkung (37) erzielt wurden. Abschwächung, Milderung, Verlang- 
samung des toxischen Einflusses ergeben sich daraus, daß der eigentliche 
Charakter der Substanz nur der Stärke der Wirkung nach alteriert wird. 

Für das Arsen in der dreiwertigen Stufe haben wir zu betrachten 
die Körper der, Kakodylreihe, die von Bunsen, Baeyer und im 
weiteren Sinne von Michaelis studiert wurden. Genannt seien mit 
Hinblick auf die pharmakologischen Verhältnisse folgende Beispiele 
(Baeyer 38): 


cl Cl Cl CH, 
AsCl — AsCH, —— AsCH, ——— AsCH, 

Cl Cl CH, CH, 
I u III IV 


I ist das eminent giftige Trichlorid, das im Organismus momentan 
hydrolytisch zur arsenigen Säure umgesetzt wird. 

IV ist das stabile Extrem dieser Reihe, das tertiäre Arsin. 

II ist deutlich stärker giftig als III, wie sich aus der Betrachtung 
der Extreme ergibt; es ist eben leichter und schneller einem hydrolyti- 
schen Zerfalle zugänglich. Methylierung des Arsentrioxyd ergibt 

(CH,)a = As — O — As = (CH,), 
„Kakodyloxyd“, dessen Giftigkeit schon ganz wesentlich gesunken ist 
im Vergleich zur Muttersubstanz (Harnack). 

Interessant ist die von Harnack zuerst hervorgehobene Tatsache, 
daß diese Beziehungen in der Reihe der Elemente As, Sb, Bi sich wieder- 
finden (39). 

Die eben genannten Substanzen sind chemisch dadurch charakteri- 
siert, daß sie indifferent und komplexe Nichtelektrolyte sind. Ihnen 
gegenüber stehen Alkylierungsprodukte vom Charakter der Säuren, die 
also einen wesentlich anderen Typ repräsentieren. Ihre Verabreichung 
hat dann mit der Tatsache zu rechnen, daß in ihnen das komplexe An- 
ion die Grundlage der Betrachtung ist. 

Hierher gehören in erster Reihe Substanzen, die auf die Arsensäure 
zu beziehen sind. 

Die substituierten Arsinsäuren gehen zurück auf die Metaarsen- 
säure. HO— AsO,. Demnach ist die bereits genannte Dimethylarsin- 
säure HOAsO(CH,),, 'der gleichfalls untersuchte Phenylkörper ist 
HOAsO(C,H,„)s- [S. Fraenkel (40).] 

In engem Zusammenhange mit diesen Substanzen sei noch erwähnt 
die von Kobert (41) untersuchte Substanz „Triphenylarsinoxychlorid‘ 
(CeHs); As T Die Substitution ist hier bis zur Aufnahme von 
drei Phenylresten vorgeschritten. Die pharmakodynamisch wesentlichen 
Charakteristiken des Moleküls der Arsensäure sind erhalten geblieben 
einmal in der (OH)-Gruppe und dann in dem Cl-Atom, das — mit 
. Säurechloridfunktion zu denken — hydrolisierbar ist. Ferner sei ge- 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 163 


dacht des von Gautier (42) zuerst untersuchten „Arrhenal“. das als 
Methyldinatriumarsenit aufgestellt werden soll 
AsO (OH), —— > methyliert zu AsO(ONa),. 
CH, 

Diese Substanz bietet in ihrem Verhalten nur unwesentliche Dif- 
ferenzen von der Dimethylarsinsäure, 

Gänzlich außerhalb dieser Reihe von Verbindungen stehen Körper, 
die in jüngster Zeit chemisch, pharmakologisch und klinisch große Be- 
deutung erlangt haben. Der erste Vertreter dieser Reihe ist das Atoxyl. 
Bei der Erklärung des Verhaltens dieser Substanzen zur sekretorischen 
Funktion der Magendrüsen ist eine kurze chemische Erörterung un- 
erläßlich. Wesentlich an ihnen ist, daß sie nicht nur der methylierten 
Arsensäure schlechthin entsprechen, sondern noch eine andere chemisch 
wirksame, resp. bedeutungsvolle Gruppe enthalten. Bechamp (43) ent- 
deckte das Atoxyl und faßte es auf als Anilid der Orthoarsensäure, deren 


C,H,NH — As0(OH), 
Salze er beschrieb. Später erschien nach gleicher Darstellung das eigent- 


liche Handelspräparat Atoxyl, das dann in Beziehung zur Metaarsen- 
säure als Anilid formuliert wurde 
C,H,NHAs0,;;: 

Der erste, der sich mit der Erforschung dieser Substanz erfolgreich 
beschäftigte, war E. Fourneau (44). Er diskutierte die Verhältnisse 
und fand, daß nach obiger Formel ein Na-Salz mit den bekannten Eigen- 
schaften unvereinbar sei. Hier setzten nun die Untersuchungen von 
P. Ehrlioh und A. Bertheim ein, die einmal für die rein chemische 
Auffassung, ferner aber auch für das pharmakologische Verhalten und 
die Erklärung der Wirkung von großer Bedeutung sind (45). Da wir 
sie speziell für unsere Aufgabe nötig haben, folgen wir den wesentlichen 
Punkten der Diskussion. Erstens sind die besproohenen Substanzen 
keine Anilide. Aus dem Anilinsalz tritt unter Kondensation Wasser aus 
und es entsteht z. B. Acetanilid: 


CH,CO/OH-H N HCyH,. 


Der Vorgang führt zur Beseitigung der freien Aminogruppe und 
kann durch Hydrolyse rückläufig werden. Ferner ist ein Ort für ein 
einfaches Salzbildungsvermögen nicht gegeben. P. Ehrlich bewies ohemisch 
durch die Diazotierbarkeit die Anwesenheit der Aminogruppe und konnte 
mit den chemisch stärksten Mitteln Hydrolyse nicht erzielen. Dieser 
letzte Punkt erhellt schon aus dem Verhalten im Organismus, wo wir 
als Agenzien beim Sekretionsablauf die freie Arsensäure neben Anilin- 
salz (durch weitere Hydrolyse freies Anilin!) finden müßten. Somit 
wären zwei ganz getrennte Faktoren zu berücksichtigen. Tatsächlich 
wirkt nun Atoxyl prinzipiell wie Arsensäure resp. Kakodylsäure, wenn 
man die kleinen Verschiebungen außer acht läßt. Das ist zweifellos 
wichtig. 


164 J. Feigl und A. Rollett: 


In Übereinstimmung mit Fourneau legen nun Ehrlich und Bert- 
heim durch chemisch exakte Beweisführung dem Atoxyl die Formel der 
Aminophenylarsinsäure „Arsanilsäure“ (als Na-Sals) bei. 

O0Na 
NOH 


Sie steht dann auch im besten Einklang mit dem allgemeinen 
physiologischen Verhalten. Die Beziehung zur Magensaftsekretion wird 
durch die einheitliche — zu sekundären hydrolytischen Umsetzungen 
nicht befähigte — Formulierung eines beständigen Komplexes treffend 
erklärt. 

Ganz außerhalb dieser Reihe organischer Verbindungen des Arsens 
stehen die Arsoniumbasen, die sich nach Vulpian (53) den quater- 
nären Ammoniumbasen pharmakologisch gleichartig verhalten. 

Endlich nennen wir kurz noch eine Gruppe arsenhaltiger Heilmittel, 
die aber ausreichend verstanden werden nach der Kenntnis des Verhaltens 
der anorganischen Arsensäuren. Sie sind komplex gekuppelt an andere 
Bestandteile, aus denen sie durch die geringsten Agenzien hydrolytisch 
in kürzester Frist zur Absprengung gelangen und somit nahezu unver- 
zögert wie die Stammsubstanz wirken. Dies erhellte — ohne wesent- 
liche Differenzierungen — aus unseren Versuchen; Da wir sehr verdünnte 
Lösungen verwandten, gelangten die Einflüsse der Begleitsubstanzen nicht 
zur Darstellung in den starken Effekten der arsenigen- bzw. Arsensäure. 
Solche Verbindungen sind die kolloidalen Adsorptionsverbindungen mit 
Albuminen, Albumosen (Knoll 54); Leim, Glutin, Gelatosen (Knoll 55), 
Casein usw., endlich die als Versuche eines synthetischen kombinierten 
Eisen- Arsenmedikamentes interessanten glycerinarsensauren Eisensalze 
(Knoll). 

Die Glycerinarsensäure ist — vgl. Glycerinborsäure — komplex 
in bezug auf der Arsensäure, jedoch bedingen die Verdauungsfermente 
rasch und völlig Zerfall. 


NH, — GH, — AsO 


Verhalten im Organismus. 


Von der Wirkung aus dem Verhalten der anorganischen wie orga- 
nischen Arsenverbindungen im Tierleibe besprechen wir aus dem für 
unsere Versuche Wichtigsten das Folgende. Zu beziehen sind die Wirkungen 
der arsenigen Säure auf ihr Komplexion, die der Arsensäure auf das 
ihrige; ein individuelles As-Ion existiert nicht (56), da AsCl, z. B. die 
Rolle eines Säurechlorides spielt und demnach momentan einer Hydro- 
lyse anheimfällt. 

Die Wirkungen auf den Stoffwechsel sind ähnlich in der ganzen 
N-Gruppe des natürlichen Systems der Elemente [Hans Meyer] (57). Aus 
den Ergebnissen über den Ablauf des Eiweißstoffwechsels ist wichtig, 
daß nach v. Boeck (58) und Fokker (59) kleine Gaben keinerlei 
Alteration bedingen, somit konnten unsere Tiere durchaus als normal 
funktionierend angesehen werden (60). 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 165 


Das gleiche gilt von den übrigen speziellen Wirkungen hinsichtlich 
des Fettstoffwechsels (61), Glykogenumsatzes (62), der Bestandteile des 
Blutes. 

Nach Schmiedeberg liegen die vielseitigen speziellen Einflüsse 
in einem einheitlichen Anlasse begründet: einer Erweiterung und Hy- 
perämie speziell der Capillargefäße (63), denen nach Feststellungen von 
Boehm und Unterberger (64) Blutdrucksenkung folgt. 

Für die Dauer der Wirkung ist das Verbleiben im Organismus 
wichtig, mithin sind es die Verhältnisse der Ausscheidung, die nach 
zahlreichen Autoren [Lewin (65), Nothnagel (66), Almquist und 
Welander (67), besonders Heffter (68)] sehr verschieden gefunden und 
beurteilt werden. Heffter wendet sich gegen die Ansicht Welanders, 
daß Arsenverbindungen irgendwo deponiert würden (69). 

Wesentlich ist nur, daB es im Gegensatz zu Husemanns An- 
gaben (70) nicht in organische Bindung übertritt, sondern stets an- 
organisch den Körper verläßt. Die gegenteilige Ansicht ging hervor aus 
unsachgemäßer Beurteilung der Analytik [Vitali (71), Binz und Laar 
(72), Falck (73)). 

Die Umsetzungen des As,0, zum As,0, bestehen im Sauerstoff- 
transport, der wie bei N, P, Sb, Bi überhaupt energisch gefördert wird 
[Binz und Schultz (74)]. 

Es handelt sich um eine Beschleunigung des Zellstoffwechsels; ab- 
wechselnd tritt Reduktion und Oxydation ein. Nach Schultz ist erstere 
eine schwerere Giftwirkung, dementsprechend sind auch die Effekte des 
Arsens in dreiwertiger Form als die energischeren immer angesehen 
worden. Ferner geht AsO, stets in AsO, über und verläßt so den 
Tierleib. Jn dieser Tatsache lag bei der üblichen Analytik der Trug- 
schluß betr. des Überganges anorganischer Formen in organische Bin- 
dung (s. o.). Endlich nennen wir noch den Befund von Nencki und 
Sieber, daß diese oxydativen Umsetzungen bei geringen Arsengaben 
eine Verminderung der Oxydationskraft des Gewebes überhaupt durch- 
weg nioht bedingen. Sie maßen diese in sehr interessanter Weise am 
Übergang von Benzol in Phenol (75). Indes sind das doch wohl ver- 
schiedene Prozesse. Die Ausführungen von Binz und Schultz fanden 
Gegner in Filehne und Dogiel (76). 

Für die Theorie der Wirkung der organischen Körper erhebt sich 
die folgende Frage. Wirken sie — z.B. die Kakodylsäure (CH,),As0O0H 
als komplexe Einheiten oder in Gestalt von Zerfallsprodukten? Diese 
Frage ist entschieden worden im letzteren Sinne. Manche haben in der 
allmählichen Abspaltung der wirksamen Komponente das Nützliche ge- 
sehen (vgl. Binz u. Schultz bei der Kakodylsäure) andere — Schmiede- 
berg — empfehlen diese Substanzen darum nicht, „weil die Spaltung 
erst ausgeführt werden muß‘ und „dieser Vorgang mit Schwankungen 
und Unsicherheit einhergehen kann“ (77). 

Auch in der speziellen Methodik der Magensaftsekretion hat sich 
die Anschauung bewährt, daß die organischen Arsenmedikamente nicht 
komplex, vielmehr daß sie durch allmähliche Aufspaltung wirken. 


166 J. Feigl und A. Rollett: 


Mit Bezug auf die organischen Heilmittel muß noch erwähnt 
werden, daß Heffter (78) bei Verabreichung von Kukodylsäure einmal 
diese selbst ungespalten zum geringen Anteile im Harn auffand, aber 
auch arsenige und Arsensäure; und endlich konnte Schultz kompli- 
zierte Umsetzungen wahrscheinlich maohen, nach dem sich ein fernerer 
Anteil der eingeführten Substanzen reduzierte zu flüchtigen Arsenver- 
bindungen mit oharakteristischem Geruche. Wie diese Sache beim Arsen 
in elementarer Form sich verhält, ist nicht untersucht, indes hat Hof- 
meister beim Tellur den Übergang in flüchtiges Tellurmethyl— Entgiftung 
aus Elimination durch Alkylierung — bewiesen (79). 

Kakodylsäure, obwohl bei gleichem Arsengehalt 6mal weniger giftig 
als Arsensäure, ist in der Therapie unsicher geblieben; dagegen hat 
Atoxyl, in dem man nach Blumenthal (80) und Schild (81) ca. 50 mal 
so viel Arsen verabreichen kann wie in Solutio Fowleri, die bekannten 
großen Erfolge erzielt. 


Experimenteller Teil. 
Technik der Versuche. 


Die erörterten Verhältnisse waren maßgebend für die An- 
ordnung und Ausführung der Experimente. Es wurde an 
Hunden experimentiert, die, nach Pawlow operiert, mit einem 
„kleinen Magen‘ versehen waren (82). Die Aufsammlung des 
Saftes geschah in der mehrfach erwähnten Weise vermittels 
der Magenflasche. Die Untersuchung des sezernierten Saftes 
wurde durchgeführt, wie früher beschrieben, durch Messung 
der Menge nach */,stündlicher Abnahme, durch Titration der 
Säurewerte hinsichtlich der Gesamtacidität wie der ‚‚freien Salz- 
säure‘‘ (83). Die Fermentbestimmungen wurden nach der bereite 
beschriebenen Methode von E. Fuld (84) ausgeführt. Eine 
Anzahl Analysen verdanken wir Herrn Dr. Lewison. 

Die Technik war im einzelnen die übliche, wonach „Kon- 
trollversuch‘“ und ‚„Hauptversuch‘ am gleichen Tage einander 
unmittelbar folgten. Für den Kontrollversuch wurden stets 
200 ccm Wasser, für den „Versuch“ die gleiche Menge — kom- 
biniert mit dem gelösten oder sorgfältig fein verteilten Präparat 
verwendet (85). 

Besonders sorgfältig verfuhren wir mit der Herstellung 
der benötigten Lösungen. Um die Fehlerquellen bei den ge- 
ringen Quantitäten möglichst auszuschließen, verwandten wir 
nur reinste Präparate von Kahlbaum sowie Merck, und be- 
nutzten analytische Meßgeräte zur Herstellung der Lösungen. 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 167 


Die Tiere wurden regelmäßig mit Fleisch gefüttert und waren 
täglich im Versuche. 


Versuchsmaterial. 
A. Anorganische Verbindungen. 


l. Arsentrioxyd A,O, 5 mg im Liter. 
2. Arsentrioxyd in alkalischer Lösung als (Kaliummetarsenit 
gewogen) 6 mg im Liter. 
Nebenversuche: Arsentrioxyd 5 mg im Liter, 
a) mit 5 g Ferrichlorid (=2g Eisenmetall) im Liter, 
b) mit 5g Wismuthydroxyd im Liter, 
c) „ 5g Natriumjodid im Liter. 
3. Arsensäure, 10 mg im Liter. 
4. Arsensaures Kalium (als Dikaliumarseniat K,HAsO, 
gewogen) 15 mg im Liter. 


B. Organische Verbindungen. 


1. Kakodylsaures Natrium, 20 mg im Liter. 

2. Atoxyl, aminophenylarsinsaures Natrium, 50 mg im Liter. 

Nebenversuche: Arsanilsäuro (frei) nach Ehrlich, 
Dimethylatoxyl nach Michalis, 
Acetylatoxyl, 
Oxyphenylarsinsäure. 


Versuche. 
A. Anorganische Arsenverbindungen. 


1. Versuche über Arsentrioxyd As,0,(As,0,). 

Zu den Experimenten diente eine Lösung, die 5 mg AsO, (reines 
mikrokrystallinisches Präparat) im Liter enthielt. Sie wurde im Liter- 
kolben hergestellt und vor der Entnahme jedesmal gut durchgemischt, 
Zu jedem Versuche wurde genommen : 200 ccm der Lösung mit 1 mg 
As,0;. 

Von der ganzen Reihe von Versuchen teilen wir drei Paare mit 
vollständigen Zahlen und analytischen Daten mit. 


Versuche vom 14. Oktober. 


1. A,0,, 5 mg im Liter — 1 mg in 200 ccm H,O. 
9%. Beginn des Kontrollversuches. 200 ocm Leitungswasser an die 
nüchternen Tiere per os verfütttert. 


168 J. Feigl und A. Rollett: 


Die „Wassersekretion‘ gibt folgende Werte: 
Hund M. Hund N. 





930 | 1,2 | 0,004 70 35 0,0064 65 30 
10 0,5 
103° | 0,3 | 0,004 75 35 0,0064 65 30 
11 0,2 | 
11390 | — 
Hie 
2,2  Gesamtsekretion 3,8  Gesamtsekretion 


1%. Der eigentliche Versuch, nachdem die Wassersekretion ab- 
geklungen, 200 com der Arsentrioxydlösung führen zu folgenden Werten: 


Hund M. Hund N. 


._ | Gesamt-| Freie 
Pepsin | Aoiaität| HCI 





Versuche vom 9. August. 


2. As,0,, cf. 1. 


9% Beginn des Kontrollversuches. Die nüchternen Tiere erhalten 
200 ocm Wasser mit der Schlundsonde. 


Sie reagieren mit folgender Sekretion : 


Hund M. Hund N. 


; Saft h 
Zeit | |e 
ei — epsin 












Gesamt- 
Aoidität 






Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 169 


12%, Die Tiere sind nach Ablauf der „Wassersekretion‘“ wieder 
nüchtern und erhalten im Hauptversuch 200 ccm der As,0,-Lösung. 
Hund M. Hund N. 





Gesamtmenge 


zn vom 11. August. 
3. AsO,, cf. 1. 
9% Beginn des Kontrollversuches. Die Tiere erhalten 200 com 
Leitungswasser und reagieren mit folgender Sekretion: 
Hund M. Hund N. 





B 6,2 Gesamtmenge 
122, Nach Ablauf des Kontrollversuches sind die Tiere wieder 


nüchtern und werden in den eigentlichen Versuch eingesetzt: 
200 oom der Arsentrioxydlösung. 
Hund M. Hund N. 











Pepsin 





s 30 ; : } 0,004 75 35 2 0,0064 60 30 
1 30 0,4 1,0 0,0064 60 32 
2 0,5 0,6 |\0,0064 | 60 32 
230 | 04 0,6 

, 35 ’ 
3 | o3 [m 7 0,6 
330| 02 0,3 
g ? 0,0064 

4 |02 0,4 60 | 30 

4 30 Spur | 0,2 
4,0 Gesamtmenge 10,1 Gesamtmenge 


Biochemische Zeitschrift Band 19. 11 


170 J. Feigl und A. Rollett: 


Aus den mitgeteilten Versuchen ergibt sich mit guter Über- 
einstimmung, daß die Zeitdauer des Abklingens der Sekretion 
etwa verdoppelt und der Saft der absoluten Menge nach ver- 
doppelt, verdreifacht, ja vervierfacht erscheinen kann. 

Die analytischen Ergebnisse lassen in betreff der Ferment- 
mengen wie der Säurewerte nur unwesentliche Verschiebungen 
erscheinen. 


Es wurden ferner Nebenversuche unternommen mit Ferrichlorid, 
Natriumjodid, Wismuthydroxyd, indem diese nach bereits genannten 
Mengen einmal kombiniert, einmal anschließend gegeben wurden. Die 
Ergebnisse waren, wie vorauszusehen, für FeCl, und Bi(OH), in Kom- 
bination eine deutlich geringere Steigerung des Sekretionsablaufes nach 
Menge und Zeit, verglichen mit der reinen Arsenlösung. Die Verab- 
reichung im Anschluß an die Arsenlösung erfolgte, um eine etwaige Be- 
einflussung der Drüsentätigkeit kennen zu lernen. Es hatten sich näm- 
lich die Unregelmäßigkeiten im Verlaufe der Kurve — die zweiten 
Maxima — besonders nach Wiederholung des „Hauptversuches“ im An- 
schluß an einen solchen gezeigt. Wesentliche Änderungen waren auch 
dann bei den drei typischen sekretionsbeeinflussenden Medikamenten 
nicht beobachtet worden. 

2. Versuche über Kaliumarsenit (Arsentrioxyd in alkalischer 
Lösung). 

Diese wurde mit gleichem Arsengehalte gewählt wie die zu den 
Versuchen sub I erforderliche Lösung. Die Herstellung geschah ent- 
weder durch Zusatz einer gemessenen — berechneten — Menge ?/,0-Kali- 
lauge zur Arsentrioxydstammlösung oder durch Auswägen eines reinen 
Präparates von Kaliummetaarsenit (KAsO,). Über den Zustand der Lösung 
sowie deren Verhalten unter Beigabe akzidenteller (OH: ; K’) Agentien 
haben wir oben gesprochen. Die Wirkung wird deutlich, wenn man sie 
als antagonistisch auffaßt. 

Es findet eine deutliche Zeitverlängerung der Sekretion, 


indes eine nur unwesentliche Mengensteigerung statt. 


Versuche vom 10. Oktober. 
6. A,O, (alkalisch). 
Um ® erhalten die nüchternen Tiere 200 ccm Wasser mit der 
Schlundsonde. Es kommt zu der „Wassersekretion‘‘ in folgenden Werten: 


Hund M. Hund D. 
; Saft . Gesamt- | Freie Saftmenge 
Zeit | m | PeP% | Acidität | HC — 





Gesamtmenge 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 171 


Um 112 30 ist der Vorversuch beendet und nach Abklingen der 
Sekrektion sind die Tiere wieder nüchtern. Sie erhalten um 12% 200 ccm 
der Arsenlösung und zeigen folgende Sekretion: 


Hund M; Hund D. 





: Gesamt- | Freie Saftmenge 
Pepsin | Acidität | HCI — 


Zeit Saft 











Gesamtmenge 8,0 Gesamtmenge 


3. Versuche über Arsensäure H,AsO,. 


Die Lösung wurde gewonnen durch Auswägen von reinem Arsenpent- 
oxyd As,O, und Lösen im Literkolben; sie enthielt im Liter 10 mg As,O,, 
somit kamen auf die Versuchsportion 

200 ccm Wasser mit 2 mg As30;. 

Die Wirkung ist ähnlich der der niedrigeren Oxydations- 
stufe, außerdem beobachten wir wiederum das diskontinuierliche 
Ansteigen der Sekretion. 

Nach Menge und Zeit tritt etwa Verdoppelung in der 
Saftbildung ein. 

Die analytischen Daten, die wir auch hier zwei Versuchen bei- 
geben, sind nicht geeignet, wesentliche Differenzen in der Zusammen- 
setzung des Saftes anzuzeigen. 


Anschließend ist mitgeteilt der Versuch an 

4. Kaliumarseniat K,HAsO,. 

Die Lösung wurde gewonnen aus reinem Dikaliumorthoarseniat ; 
sie enthielt 15 mg im Liter. 

Damit entfallen auf die Versuchsportion 3 mg in 200 omm Wasser. 

Die Wirkung ist ähnlich, etwas schwächer als die der 
freien Säure; jedenfalls ist sie verschieden von der des Kalium- 
arsenites, was uns aus theoretischen Erwägungen ganz wohl 
verständlich scheint, da an den zwei Salzen die Hydrolyse 


verschieden stark auftritt. 
11* 


172 J. Feigl und A. Rollett: 


Versuche vom 8. August. 

1. A,O, 10 mg in 1000 ocom H,O. 
9b. Die nüchternen Tiere erhalten 200 com Wasser mit der Schlund 
sonde und zeigen einen Sekretionsverlauf, der nach 2 Stunden beendet 


erscheint. und M. Hund N. 


Saft | 
com [Fepein | Aoidität| HCI 





Gesamtsekretion Gesamtsekretion 
Um 12% erhalten die nüchternen Tiere 200 com der Arsensäure- 
lösung. Es kommt zu folgender Sekretion: 
Hund M. Hund N. 


. |Gesamt-| Freie | Saft ._ | Gesamt-| Freie 
oom | Ferein | Aoidität| HCL | com | POPP | Acidität| HCI 


0,01 
50 28 


} 0,01 


} 0,008 55 28 





1230 | 2,5 | 0,008 60 30 


13° | 0,9 — * 65 35 





230 | 0,7 
3 0,5 
33 | o4 [00] T | 3 0,0064) 6o | 30 
4 0,2 
430 | _ 
6,9 Gesamtmenge 11,4 Gesamtmenge 


Versuche vom 11. Oktober. 
2. A,O, 10 mg in 1000 com H,O. 
9% Beginn des Kontrollversuchee. Die nüchternen Tiere erhalten 
200 com Wasser mit der Schlundsonde. 





Hund B. Hund D. 
Saftmenge s Saftmenge 
com com 
2,5 3,3 
1,2 2,0 
0,6 0,9 
0,3 0,5 
0,2 0,2 
— Spur 


4,8 Gesamtmenge | | 6,9 Gesamtmenge 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 173 


Um 12? ist die Wassersekretion beendet, und die wieder nüchternen 
Tiere erhalten um 123° 200 oom der Arsensäurelösung. 


Hund B. Hund D. 
Saftmenge Zeit Saftmenge 
com ccm 





9,5 Gesamtmenge 10,8 Gesamtmenge 


Versuche vom 12. Oktober. 
3. A,0, (alkalisch). 


9» inn des Kontrollversuchee.. Den nüchternen Tieren wurde 
mit der Schlundsonde 200 ocm Wasser verabreicht. Sie ergaben folgenden 
Sekretionsverlauf: 

Hund B. Hund D. 
Saftmenge Zeit Saftmenge 
ccm ccm 





4,8 Gesamtmenge 7,1 Gesamtmenge 
Nach dem Abklingen des Kontrollversuches erhalten die Tiere um 


1230 200 com der Arsensäurelösung. 
Hund B. Hund D. 


Saftmenge Zeit Saftmenge 





6,4 Gesamtmenge 10,2 Gesamtmenge 


174 J. Feigl und A. Rollett: 


B. Organische Verbindungen. 

1. Kakodylsäure (CH,),AsOH. 

Die Technik der Versuche war die gleiche. Da aus der Reihe der 
anderweitig nicht substituierten Arsensäuren die Kakodylsäure als Bei- 
spiel gelten kann. und sonst nur unwesentliche Differenzen zur Darstellung 
gelangten, deren Beurteilung innerhalb der durch das gesamte Verfahren 
gegebenen Fehlerquellen lag, so teilen wir anschließend zwei Versuchs- 
paare an dieser Substanz mit; bei zweien sind die analytischen Befunde 
mit genannt. 

Die Wirkung des Präparates ergibt sich aus den Zahlen- 
werten; Differenzen in der Zusammensetzung des Magensaftes 
ließen bindende Schlüsse nicht zu. 

Die Versuchsportion bestand aus 200 com Wasser mit 5 mg 
Präparat. 

Versuche vom 7. August. 
1. Kakodylsaures Natrium. 

9b Beginn des Kontrollversuches. Die nüchternen Tiere erhalten 

200 ccm Wasser per os. Daraufhin folgende Sekretion: 
Hund M. Hund N. 


Saft À | Gesamt- Freie 


HC 





3,6 Gesamtmenge 
Um 112° ist diese „Wassersekretion“ beendet und die Tiere wieder 
nüchtern. Sie erhalten um 12} 200 com Wasser +5 mg kakodylsaures 
Natrium. Hund M. Hund N. 





desamtmenge 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 175 


Versuche vom 20. Oktober. 
Kakodylsaures Natrium. 


Um 9% erhalten die nüchtern aufgestellten Tiere 200 com Leitungs- 
wasser mit der Schlundsonde. Sie reagieren mit folgender Sekretion: 


Hund B. Hund D. 
Saftmenge Zeit Saftmenge 
ccm ccm 





5,3 Gesamtmenge 6,4 Gesamtmenge 


Um 113° ist der Vorversuch beendet, die „Wassersekretion“ abge- 
klungen. Die Tiere erhalten um 12} 200 com Wasser, enthaltend 5 mg 
des Präparates. 


Hund B. Hund D. 
Saftmenge Zeit Saftmenge 
com com 





13,3 Gesamtmenge | 16,8 Gesamtmenge 


2. Atoxyl (aminophenylarsinsaures) ‚arsanilsaures‘‘ Natrium. 

Atoxyl gilt uns mit Hinsicht auf die mitzuteilenden Versuche als 
Typ einer ganzen Reihe von Medikamenten, die sämtlich arylierte Arsin- 
säuren sind, aber als wesentliche Beigabe noch eine chemisch wirksame 
Gruppe enthalten. Zu der oben gegebenen theoretischen Übersicht ist 
nur noch beizufügen, daß die freie Aminophenylarsinsäure nach Ehr- 
lich (87) noch deutlich basische Eigenschaften hat. Der daraus durch 
Diazo-Umsetzung zugänglichen Oxyphenylarsinsäure kommen doppelte 


176 J. Feigl und A. Rollett: 


Säureeigenschaften zu — äls Säure einmal und ebenso als Phenol, wovon 
wir uns überzeugten. Es besteht hier eine gewisse Ähnlichkeit mit 
Tyrosin, in dem trotz der Aminosäurenatur der Säurecharakter des 
Phenolhydroxyls erhalten bleibt. 

Wir haben als „Nebenversuche“ eine Reihe von Substanzen mit 
bearbeitet, was uns mit Hinblick auf die jetzt wichtige Entwicklung 
dieser Therapie geboten schien. Wir nennen 1. das Michaelissche 
Dimethyl-Atoxyl, das in bezug auf die Aminogruppe eine tertiäre Base 
ist, 2. ein acetyliertes Atoxyl, das zum Stammatoxyl in einer Beziehung 
steht, wie Acetanilid zum Anilin und ferner 3. ein aus o-Toluidin ge- 
wonnenes, im Ringe substituiertes Atoxyl, endlich 4. die Oxyphenyl- 
arsinsäure. 

Alle diese Typen sind nach ihrem chemischen, damit auch 
biologischen Reaktionswerte deutlich verschieden. Nur gelingt 
es nicht, in unserer Methodik Wirkungsdifferenzen anschaulich 
zu machen. Ihre Einflüsse sind durchweg ähnlich dem des 
reinen Atoxyls, von dem wir somit zwei Versuchspaare — eines 
davon mit Analysenwerten — mitteilen. Aus ihnen gehen die 
Mengen und Zahlenverhältnisse hervor, denen weiterhin nichts 
beizufügen ist. Auch die nach P. Ehrlich dargestellte freie 
Arsanilsäure ergab keinerlei Differenzen. 

Versuchsportion: 200 cem Wasser mit 0,01 g Atoxyl. 


Versuche vom 6. August. 
Atoxyl. 


Um 9% erhalten die nüchtern aufgestellten Tiere mit der Schlund- 
sonde 200 com Wasser. „Wassersekretion“ in folgenden Werten: 


Hund M. Hund N. 


Acidität| HCI 


2,7 Gesamtmenge 1.37 Gesamtmenge 





Um 1120 ist der Kontrollversuch beendet. Die nüchternen Tiere 
erhalten um 12% 200 com Wasser, enthaltend 0,01 g Atoxyl. Daraufhin 
folgende Sekretion: 


— —— — — — — — — —— 
nn. 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 177 


Hund M. Hund N. 


Zeit Saft Gesamt-| Freie | Saft Gesamt-| Freie 


com Pepein | Asidität| HCI com Pepsin | Aoidität| HCI 





Versuche vom 21. Oktober. 
Atoxyl. 
Beginn des Kontrollversuches um 9. Die nüchternen Tiere erhalten 
200 com Wasser mit der Schlundsonde Sie zeigen eine Sekretion in 
folgenden Werten: 


Hund M. Hund N. 
Saftmenge Zeit Saftmenge 





Um 12: war der Vorversuch beendet. Die wieder nüchternen 
Tiere erhielten 200 com Wasser mit 0,01 g Atoxyl. Sekretion wie folgt: 


Hund M. Hund N. 





17,2 Gesamtmenge 


178 J. Feigl und A. Rollett: 


Zusammenfassung. | 


In der vorstehenden Arbeit wurde gezeigt, daß die an- 
organischen Komplexionen des Arsens einen steigernden Einfluß 
auf die Sekretionstätigkeit der Fundusdrüsen ausüben. An den 
Beispielen der arsenigen wie Arsensäure konnten die starken 
Wirkungen deutlich veranschaulicht werden. Für die Salze 
liegen die Verhältnisse ähnlich, gleichwohl greifen sekundäre 
Umsetzungen (Hydrolyse) in antagonistischem Sinne ein. An 
der Hand dieser Versuche haben sich Ausblicke für die Be- 
urteillung der Mineralwässer ergeben; am Roncegno-Sprudel 
konnte im Zusammenhang mit früheren Experimenten eine 
Deutung durchgeführt werden. Gleichfalls energisch sekretions- 
treibend erwiesen sich die organischen Komplexderivate sowohl 
der Kakodylreihe wie der substituierten Arylarsinsäuren. Ihnen 
sind sämtlich starke Einflüsse eigen, ohne daß für die feineren 
chemischen Unterschiede Modifikationen in der Wirkung sich 
geäußert hätten. 


Literatur. 


. Joh. Feigl, diese Zeitschr. 6, 17, 1907. 

Joh. Feigl, ebenda 6, 41, 1907. 

Joh. Feigl, ebenda 6, 47ff., 1907. 

Joh. Feigl und Ad. Rollett, diese Zeitschr. 8, 145ff., 1908. 

Joh. Feigl und Ad. Rollett, ebenda, 8, 179, 1908. 

Joh. Feigl, ebenda. 

Kast, Einfluß des Alkohols, zit. nach Oppenheimer, Handbuch 

d. Biochemie. — Einfluß des Zuckers, Artikel Magen usw. von 

Bickel. 

8. Loeb, Pflügers Archiv 88, 68; 91, 248. — Loeb u. Gies, 93, 246. 

9. Dreser, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 32, 456. 

10. Paul und Krönig, Zeitschr. f. physikal. Chem. 21, 414, 1896. — 
Dieselben, Zeitschr. f. Hygiene 25, 1, 1897. 

11. Pauli, W., Münch. med. Wochenschr. 1903, Nr. 4. — Derselbe, 
Bedeutg. Physikal. Chem. f. Med., Wien 1902. 

12. Hamburger, Osmot. Druck u. Ionenlehre, 1, 1. Teil, 37 ff., 1902. 

13. Hamburger, ebenda 3, 223, 1904. 

14. Pauli, L o. 

15. Sohmiedeberg, Lehrbuch. 3. Aufl., 1906; vgl. auch Hamburger, 
l. c. 3, 259, 1904. 

16. Paul, Entwurf. z. einh. Best. ohem. Desinfekt.-Mittel, Berlin 1901; 
vgl. auch Hamburger, l. o. 3, 270, 1904. 

17. Joh. Feigl, diese Zeitschr. 8, 467, 1907. 

18. Hamburger, 3, 223, 1904. 

19. In bezug hierauf vermißt man in den meisten chemischen Lehr- 

büchern Angaben. Eine schöne Erörterung bringt Ostwald: Grund- 

linien d. anorgan. Chem., S. 717ff. 


In NF-F 


Über das Verhalten anorganischer u. organischer Arsenverbindungen. 179 


20. 


21. 


B 


& 


47. 


585% 


3228 


Ostwald, ebenda S. 722; vgl. aber auch die kurzen Angaben in 
Treadwell, Lehrbuch d. analyt. Chem. 1, 5. Aufl, 180, 1907. 
Koeppe, Physikal. Chem. i. Medizin, Wien 1900. — Strauß, 
Koeppe u. a. — Deutsche Medizinalzeitg., Mai 1908, 421. 


. Hintz u. Grünhut, Chem. usw. Untersuchung des Rhenser Sprudels, 


Wiesbaden 1902. — Dieselben, Chem. usw. Untersuchung des gr. 
Sprudels Neuenahr, Wiesbaden 1902. — Grünhut, Zeitschr. f. angew. 
Chem. 1902, 648. — Derselbe, Balneolog. Centralzeitg. (Referat) 1903. 
Hamburger, ebenda 3, 299, 1904. - 

Die Hydratformen, siehe Ostwald, 1. c. S. 717. 

Kurze Angabe bei Treadwell, L o. S. 178 ff. 

Siehe bei Ostwald, 1l. o., und Treadwell, 1. c. 

Hydroxylion hemmt den Sekretionsverlauf (Biokel). 

Siehe unten. 

Chem.-Zeitg. 1886, 145. 

E. Ludwig und v. Zeynek, Wiener klin. Wochenschr. 1898. 
Deutsches Bäderbuch unt. Mitw. v. Reichsges.-Amt, Leipzig 1907,S.332. 
Pinkussohn, Weidert, (zit. nach Oppenheimer cf. 7). 


. Joh. Feigl, diese Zeitschr. 6, 41, 42, Versuche vom 27. u. 28. Juli. 


Derselbe, ebenda S. 32ff. — Joh. Feigl und A. Rollett, ebenda 
9, 145ff., 1908. | 


. Ebler, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 1804, 1907. — Verhandl, 


Nat. med. Verein Heidelberg N. F. 8, 435, 1907. 


. Schulz, zit. nach S. Fraenkel, Arzneimittelsynthese, 2. Aufl. 1906. 
. Harnack, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 9, 152; Ent- 


giftung durch Alkylwirkung. 


. Baeyer. 
. Harnaok, ]. o. 
. A. Fraenkel, Arzneimittelsyntliese, 2. Aufl., Berlin 1906; Abstufung 


der Wirkung b. Monophenyl- und Diphenylarsinsäure. 


. Kobert, Therap. d. Gegenw. 2, 159, 1903. 

. Gautier, Presse med. 1902, 791, 824. 

. Beohamp, Compt. rend. 56, I., 1172, 1863. 

. Fourneau, Journ. Pharm. Chim. 25, 332, 1907. 

. P. Ehrlich und Bertheim, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 3292, 


1907. — Berl. klin. Woohenschr. 1, 10, 1907. 


. Michaelis, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 1516, 1908; daselbst 


Angaben früherer Arbeiten, hierfür wichtig besonders Liebigs Annalen 
820, 295, 1901; ebenda 270, 139, 1894. — Loesner, Dissertation, 
Rostock 1893. 
Oskar Adler und Rudolf Adler, Ber. d. Deutsch. ohem. Ges, 
41, 931, 1908. 


. Benda u. Kahn, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 1642, 1908. 
. Benda, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 2250, 1908. 


Benda, L c. 


. Bertheim, ebenda 41, 1655, 1908. — Bertheim, ebenda 41, 


1853, 1908. 
D. R. P. 1909. 


. Vulpian, Arch. f. d. ges. Physiol. 1, 472. 


Knoll, D. R. P. 135, 306. 


. Knoll, D. R. P. 135, 307. 


180 J. Feigl u. A. Rollett: Über das Verhalten anorg. u. organ. Arsenverb. 


66. Scohmiedeberg, Lehrbuch, |. c. 

67. Hans H. Meyer, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 14, 313, 
1881; daselbst 15, 335; 16, 453. 

68. v. Boeck, Zeitschr. f. Biolog. 12, 512, 1876. 

59. Fokker, Voits Handbuch, 1881, S. 182. 

60. Vgl. H. Meyer, l.o.; Kossel, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 
5, 128; Berg, Diss., Rostock 1881; Gaethgens Centralbl. f. med, 
Wiss. 1875, 29 und 1876, 833. 

61. Gies, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 8, 175, 1877; vgl. auch 
Ziegler und Obolensky, Beiträge z. pathol. Anatomie, 1902. 

62. Morishima, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 43, 217, 1899. 

63. Schmiedeberg, Lehrbuch, 3. Aufl., 1906, 1. o. 

64. Boehm und Unterberger, zit. nach Schmiedeberg. 

65. Lewin, Lehrb. d. Toxikologie, 2. Aufl., 1897. 

66. Nothnagel und Rossbach, Handbuch, 7. Aufl. 

67. Almquist und Welander, Nord. med. Arkiv 21, 1900. 

68. Heffter, Verhdl. d. Ges. Deutsch. Naturf. u. Ärzte, München, 2, 50, 1900. 
Heffter gibt ein übersichtliohes vollständiges Autorenverzeichnis in 
Asher-Spiro, Ergebnisse d. Physiologie; Biochemie, 2, 1904 unter: 
„Ausscheidung körperfremder Stoffe im Harn I“. 

69. Heffter, L o.; vgl. auch Ludwig und Zillner, Wiener med. 
Blätter 1890. 

70. Husemann, Deutsche med. Wochenschr. 1892, 1081. 

71. Vitali, zit. nach Heffter, L o. 

72. Binz und Laar, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 38, 259, 1897. 
— Dieselben, ebenda 41, 179, 1898. 

73. Falck, Dissertation, München 1901. 

74. Binz und Schultz, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 13, 
256; 14, 345. 

75. Nenoki und Sieber, Journ. f. prakt. Chem. 26, 1, 1882. — Die- 
selben, Pflügers Archiv 31, 319, 1883. 

76. Dogiel, Pflügers Archiv 24, 328, 1881. 

77. Schmiedeberg, Lehrbuch. 

78. Heffter, Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 46, 230. 

79. Hofmeister, zit. nach Fränkel, Arzneimittelsynthese, Berlin 1906. 

80. Blumenthal, Deutsche med. Wochenschr. 15, 1902. 

81. Sohild, Berl. klin. Woohenschr. 1902, 279. 

82. vgl. Feigl, diese Zeitschr. 6, 19, 1907. 

83. Derselbe, ebenda. 

84. Vgl. Feigl, diese Zeitschr. 6, 20, 1907. 

85. Vgl. die früheren Mitteilungen von uns. 

86. Joh. Feigl, diese Zeitschr. 8, 145, 1908. 

87. P. Ehrlich, 1. c., Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 3292, 1908. 


Die elektrische Ladung des Serumalbumins und der 
Fermente. 


Von 


L. Michaelis. 


(Aus dem biochemischen Laboratorium des Städtischen Krankenhauses 
am Urban, Berlin.) 


(Eingegangen am 19. Juni 1909.) 


Die Versuche über die Wanderung der Fermente im Strom- 
gefälle veranlaßten mich, auch die früher von Hardy!) und 
Pauli?) studierten Erscheinungen am Serumeiweiß in gleichem 
Sinne zu verfolgen. Hardy arbeitete nur mit denaturiertem 
Eiweiß, so daß die einzigen Angaben über das unveränderte 
Eiweiß von Pauli stammen. Seine Resultate waren etwa fol- 
gende: In elektrolytfreier wässeriger Lösung zeigt das Serum- 
eiweiß keinerlei elektrische Ladung und bewegt sich im Strom- 
gefälle gar nicht; erst durch die Gegenwart von Säuren erhält 
es positiven, durch die von Basen negativen Charakter, wäh- 
rend Neutralsalze keine einsinnigen Resultate geben, denn sie 
bewirken eine Zurückdrängung des Eiweißes von beiden Polen. 

Betrachten wir zunächst die Methodik dieser Autoren. 
Eine Eiweißlösung, welche auf drei durch Heber miteinander 
verbundene Gefäße verteilt wird, wird zwischen Platinelek- 
troden der Elektrolyse unterworfen und nach ausreichender 
Zeit die Verschiebung des Eiweißgehaltes in diesen drei Ge- 
fäßen analysiert. Bei völliger Freiheit von Elektrolyten war 
also keine Verschiebung zu konstatieren. Hierbei erscheint 
mir nun auf Grund der neueren Erfahrungen folgender Ein- 
wand möglich. Das allerreinste Laboratoriumswasser, selbst 


1) Hardy, Journ. of physiol. 24, 288, 1899. 
2) Pauli, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 7, 531, 1906. 


182 L. Michaelis: 


Leitfähigkeitswasser von einer spez. Leitfähigkeit von 10-®, ent- 
hält noch so viel fremde Elektrolyte, daß die Ionen des reinen 
Wassers an der Stromleitung nur zum verschwindenden Teil 
beteiligt sind. Daher bleibt auch bei der Elektrolyse von 
reinstem Wasser die saure bzw. alkalische Reaktion an den 
Polen nicht aus, wenn auch nicht immer mit Lackmuspapier, 
so doch mit Lackmuslösung nachweisbar. Da aber das Eiweiß 
an der sauer reagierenden Anode positiv, an der alkalisch re- 
agierenden Kathode negativ umgeladen werden muß, so wird 
es von beiden Polen zurückgestoßen; andererseits wird die 
Stärke der Ladung bei der geringen Reaktionsänderung nur 
gering sein; auch wird, wenn das Wasser sehr rein ist, bis zur 
Ausbildung wirksamer Reaktionsänderung einige Zeit vergehen; 
kurz, die Verhältnisse sind nicht sehr gut reproduzierbar, und 
als durchschnittliches Resultat wird sich ergeben, daß das Ei- 
weiß überhaupt keine bestimmte Wanderungsrichtung zeigt. 
So entstand die Lehre, daß das Eiweiß in elektrolytfreier 
Lösung im Strom nicht wandere. 

Will man etwas Sicheres über die Ladung des Eiweißes 
aussagen, so muß man die Entstehung saurer und alkalischer 
Reaktion aufs peinlichste vermeiden. Lieber kann man in 
Kauf nehmen, daß kleine Mengen Neutralsalz in die 
Lösung geraten, denn das ist aus den vorliegenden Unter- 
suchungen sicher, daß diese keinen oder wenigstens in geringen 
Konzentrationen keinen merklichen Einfluß haben. Diese Be- 
dingung kann nun leicht erfüllt werden, wenn man sich der 
von mir für die Fermente angegebenen Anordnung bedient, 
nämlich z. B. als Kathode Cu in CuCl, und als Anode Ag in 
CINa benutzt und das Eiweiß nur in das Mittelgefäß einfüllt, 
so daß die ganze Anordnung ist: 


Gegen 
— Leittahigkeits. ahigkeite- | 7 orähig. Cu _ 
- wasser dialy- A 
Lösung wasser arte Albumin: keitswasser | in CuCl, 
lösung 
I II III IV V 


Das Eiweiß war Pferdeserumalbumin, durch Halbsättigung des 
Serums mit Ammonsulfat dargestellt, indem das Filtrat erst gegen ge- 
wöhnliches destilliertes Wasser, dann gegen Leitfähigkeitswasser dialysiert 
wurde, bis die Leifähigkeit zwischen der des destillierten und des Leit- 


Elektrische Ladung des Serumalbumins und der Fermente. 183 


fähigkeitswassers lag. Dieses Eiweiß wurde in einer Konzentration von 
nicht mehr als etwa 1l pro mille in den Apparat eingefüllt. 

Durch reine Diffusion gelangt sehr wenig von den Elektrolyten der 
Räume I und V in die mittleren Räume. Das zeigen folgende Versuche: 


Spez. Leitf. vorher | Nach 248t. Stromdurchg. 
Vers. 1 !Vers.2!)| Vers. 1 | Vers. 2 





Anodenflüssigkeit aus Raum IL |< 2:.10-6 | 12:.10-# 1220.10 - 6'100. 10—6 
Mittelflüssigkeit (Eiweiß) III |oa. 5-10—6 2510—60 | 200.10-—6'200.10—6 
Kathodenflüssigkeit IV < 2.10—6 | 12.10-6 |240:.10-6: 80-10—6 


Eine Leitfähigkeit von 200.10—6 entspricht einer etwa 1/6oọ: norm. 
KCl-Lösung, also einem zu vernachlässigenden Elektrolytgehalt, wofern 
die Reaktion nur neutral bleibt. 

Diese Versuche zeigten nun, daß bei gut erhaltener neutraler 
Reaktion in allen Räumen das Eiweiß stets eindeutig anodisch 
wanderte. 

Sobald die Flüssigkeit nur mit ?/,o000 Vol. Essigsäure ver- 
setzt wurde, wanderte es einsinnig rein kathodisch. Wir 
können also zwischen der neutralen Reaktion des Wassers 
([H'J] = 10-7) und der Reaktion dieser Essigsäurelösung ([H ] um 
10-5) einen Aciditätsgrad von [H ]=ca. 10 interpolieren, bei 
dem das Eiweiß isoelektrisch ist. 

Ein so niederer Aciditätsgrad ist nun an sich schwierig zu 
reproduzieren. Ganz leicht gelingt es aber, wenn man sich eines 
Kunstgriffes bedient, den schon v. Szily?), Salm?) und Frieden- 
thal‘) angewendet haben, indem man nämlich in Lösung saures 
und basisches Natriumphosphat in passendem Verhältnis mischt. 
Man kann so jeden gewünschten Aciditätsgrad herstellen gerade 
in dem Bereich derjenigen Reaktionen, die durch reine Säuren 
und Laugen schwer zu reproduzieren sind. Durch Probieren 
machte ich mir nun eine Stammlösung von Phosphaten, mit 
ca. '/,°/, Natriumphosphat, welche, 200fach mit Wasser ver- 
dünnt, einen H-Gehalt von 1,0:10% hatte. Diese Reaktion 
wurde mit Hilfe einer Wasserstoffkonzentrationskette folgender 
Anordnung 


PtH, | Phosphatlösung | n KCI | nKCI+0,01Hcı | PtH, 





1) Mit gewöhnlichem destillierten Wasser. 

2) von Szily, zitiert von Salm. 

3) Salm, Zeitschr. f. Elektrochem. 1904, 341. 

4) Friedenthal, Naturf.-Verrammlung Kassel, 1903. 


184 L. Michaelis: 


bestimmt. Nun wurde ein Überführungsversuch folgendermaßen 
angeordnet: 

Ag in un- | Phosphat- | 2°/oo Albu- | Phosphat- 
ea see ge — min in Phos- Beer Cuin __ 

osphat- 1: 200 phatlösung 1: 200 CuCl, 

gemisch 1 : 200 

Nach 24stündigem Stromdurchgang war die Reaktion der 
drei mittleren Flüssigkeiten gegen Lakmuslösung gleich geblieben, 
und es enthielt 

die Anodenflüssigkeit ca. 1/,°/., Eiweiß, 
die Mittelflüssigkeit ca. 
die Kathodenflüssigkeit ca. '/,/o  » 

Es ist also die isoelektrische Reaktion für Eiweiß ziemlich 
genau getroffen, und wie schon früher bei den Fermenten!) 
zeigt sich im isoelektrischen Punkt nicht etwa ein Stillstand 
des Eiweißes, wie man auf Grund der älteren Versuche an- 
nehmen mußte, sondern eine beiderseitige Wanderung. Bei 
isoelektrischer Reaktion fehlt also nicht die Ladung des Ei- 
weißes, sondern es sind gleich viel positive wie negative Teil- 
chen vorhanden. Dagegen ergab sich bei einem entsprechenden 
Versuch mit einem Phosphatgemisch von [Ht] = 1,1- 10-7 (also 
schon sauer gegen Lackmus) noch rein anodische Wanderung des 
Albumins, bei 8,107 wiederholt fast rein anodische Wanderung. 

Die isoelektrische Reaktion hat nun eine ganz besondere 
theoretische Bedeutung, die aus folgender Überlegung klar wird. 
Nach dem Massenwirkungsgesetz ist 

ka [undissoz. Albumin] — IH]. [Alb] 
und k» [undissoz. Albumin] = [0H]. [Alb*]. 

Hier ist k, die Dissoziationskonstante des Albumins als 
Säure, k) die als Base. Dividieren wir diese beiden Gleichungen 
durcheinander, so ist: 

ka _ [H*] [Alb] 
k [OH ] [Alb*] | 

Da nun bei isoelektrischer Reaktion [Alb ] = [Alb*] ist, 
so ist bei isoelektrischer Reaktion 

ka _ [HJ 
kp [OH] 
1) L. Michaelis, diese Zeitschr. 17, 231, 1909. 





Elektrische Ladung des Serumalbumins und der Fermente. 185 


Die rechte Seite der Gleichung ist die „Acidität‘‘ der 
Flüssigkeit, der reziproke Wert des als „Alkalinität‘‘ definierten 
Wertes!). Da die Acidität aus dem Versuch bekannt ist, so ist 


auch Ka bekannt. 
kp 
Dieser Bruch heiße die „relative Acidität“. Sein Wert 


für einige bekannte amphotere Elektrolyte ist, wie man ihn 
aus den vorhandenen Messungen?) leicht berechnen kann, in 


L I. 

Glycin . .. 2...» 6,7-10} | Malz-Amylase . . . . 109 
æ-Alanin . . ..... 3,7.-102 | Serumalbumin . . . . 102—103 
Leucylglycin .... . 6,0.102 | Trypsin. .... . 105—108? 

Tyrosin. ....... 1,3.10% | Pepsin . .. 2... 1010 
. Glyoylglyein ..... 9,0.10% | Hefe-Invertase . . . aa groß; 
As “0... 125-108 amphotere 
—— 25 Natur bis- 
her nicht 
erwiesen 


Kolumne I angegeben. In Kolumne II ist derselbe Wert in 
erster, zunächst natürlich ganz roher Annäherung für die von 
mir untersuchten Fermente und das Albumin berechnet ?ꝰ). 


1) L. Michaelis u. P. Rona, diese Zeitschr. 18, 317; Fußnote 
S. 326, 1909. 

2) Der Tabelle von Lundén, Amphot. Elektrolytes, Journ. of Biol. 
Chem. 4, 287, 1908 entnommen. 

3) Nach völligem Abschluß dieser Arbeit erschien die interessante 
Mitteilung von Pauli (diese Zeitschr. 18, 340, 1909), in der er die anodi- 
sche Wanderung von neutralem Eiweiß ebenfalls konstatierte. 


Biochemische Zeitschrift Band 19. 12 


Über katalysierende Emulsinbestandteile. 
Von 
L. Rosenthaler, 
Aus dem Pharmazeutisohen Institut der Universität StraBburg i. E.) 


(Eingegangen am 8. Juni 1909.) 


In Fortführung meiner Untersuchungen über das Emulsin?) 
habe ich zunächst die Natur der Substanz zu erforschen ver- 
sucht, welche die Addition der Blausäure an Aldehyde und 
Ketone beschleunigt. Daß diese Substanz nicht mit dem die 
optische Aktivität hervorrufenden Bestandteil identisch sein 
mußte, war mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits aus Tat- 
sachen zu schließen, die ich in meiner letzten Abhandlung über 
„durch Enzyme bewirkte asymmetrische Synthesen‘ mitgeteilt 
hatte, nämlich daraus, daß auch solche Additionen beschleunigt 
werden, die nicht zu optisch-aktiven Nitrilen führen. Der 
Beweis dafür, daß im Emulsin eine mit dem o-Anteil nicht 
identische katalisierende Substanz vorkommt, läßt sich, wie ich 
zunächst festgestellt habe, leicht durch Erhitzen der wässerigen 
Emulsinlösung führen. Denn die katalytische Wirkung bleibt da- 
durch zum größten Teil erhalten, während, wie ich schon früher 
mitgeteilt habe, die die asymmetrische Synthese verursachende 
Substanz durch einstündiges Erhitzen auf 80° ihre Wirkung 
völlig einbüßt. Die katalysierende Wirkung der Emulsinlösung 
verschwindet auch bei längerem Erhitzen auf freiem Feuer 
nicht. Die katalysierende Substanz konnte demnach mindestens 
nicht ausschließlich enzymatisch sein, und es schien damit die 
Möglichkeit nahegerückt, die chemische Beschaffenheit des nicht- 
enzymatischen Katalysators zu ermitteln. Zu diesem Zwecke 


1) Vgl, diese Zeitschr. 14, 238, 1908; 17, 257, 1909. 


L. Rosenthaler: Über katalysierende Emulsinbestandteile. 187 


ging ich folgendermaßen vor: Eine wässerige Emulsinlösung 
wurde zur Abscheidung der Albuminsubstanzen zuerst auf dem 
Dampfbad uud dann auf freiem Feuer erhitzt. Das Filtrat 
wurde mit Bleiacetat gefällt. Als die vom Bleiniederschlag 
abfiltrierte Flüssigkeit nach Entbleiung durch H,S und Ver- 
treiben der Essigsäure auf ihre katalysierende Wirkung geprüft 
wurde, zeigte es sich, daß sie noch ebenso stark katalysierte 
als das Ausgangsmaterial nach dem Erhitzen. Katalysierende Sub- 
stanz befand sich also im Filtrat der Bleifällung. Dieses gab 
Niederschläge mit Jodjodkalium, Gerbsäure, Pikrinsäure u. dgl. 
und verhielt sich positiv bei der Biuretreaktion, der Vanillin- 
Salzsäurereaktion u. a. Reaktionen auf Eiweiß und Verwandte. 
Die Flüssigkeit enthielt also noch Abbauprodukte von Eiweiß- 
körpern. Um festzustellen, ob diesen vielleicht die katalysie- 
rende Wirkung zukomme, suchte ich sie von den übrigen noch 
vorhandenen Körpern abzutrennen, wozu ich im Merouriacetat 
ein geeignetes Fällungsmittel fand. Auch bei dieser Fällung 
ging katalytisch wirkende Substanz ins Filtrat über; die kata- 
lytische Wirkung hatte somit auch mit den albuminoiden Sub- 
stanzen nichts zu tun. 

Das von der Fällung mit Merkuriacetat resultierende 
Filtrat enthielt nach der Abscheidung des Quecksilbers außer 
anorganischen Substanzen noch Kohlenhydrate. Da es von 
vornherein nicht ausgeschlossen war, daß solchen Körpern die 
katalysierende Wirkung zukam, so zog ich einige Kohlenhydrate 
zu den Additionsversuchen heran. In sämtlichen Fällen mit 
unzweifelhaft negativem Erfolg. 

Als ich das letzte Filtrat auf Kohlenhydrate prüfte, hatte 
ich indes beobachtet, daß es mit Fehlingscher Lösung einen 
flockigen (nur wenig Kupferoxydul enthaltenden) Niederschlag 
gab, der auch mit Natronlauge allein und mit Ammoniak er- 
halten werden konnte. Die nähere Untersuchung zeigte, daß 
er aus Magnesiumhydroxyd bestand. In Essigsäure gelöst, be- 
schleunigt er in geringem Maße die Benzaldehyd-Blausäure-Re- 
aktion. Versuche, die ich darauf mit je 0,05 g Magnesium- 
acetat und -carbonat ausführte, zeigten dieselbe Wirkung in 
starkem Maße. Magnesiumsulfat beschleunigt nicht. 

Die zu diesen und den folgenden Versuchen verwendete 
Flüssigkeit enthielt jeweils 0,135 g Blausäure, 0,53 g Benzaldehyd 

12* 


188 L. Rosentbaler: 


und 30 ccm Weingeist auf 100 com. Eine derartig zusammen- 
gesetzte Flüssigkeit ist homogen. Ein Schütteln der Flüssig- 
keit, wie es bei meinen früheren Versuchen notwendig war, 
wird dadurch selbstverständlich überflüssig. Nach einstündigem 
Erwärmen der Flüssigkeit auf 25° wurde die freie Blausäure, 
wie früher, nach Volhard bei 15° titriert.!) 

Außer Magnesium waren von anorganischen Bestandteilen 
in dem letzten Filtrate auch noch Verbindungen des Calciums 
und Kaliums vorhanden. Deshalb wurden noch die Acetate des Cal- 
ciums und Kaliums sowie Kaliumhydroxyd auf ihre beschleunigende 
Wirkung untersucht. Die beiden ersten beschleunigen stark, 
Kaliumhydroxyd?) beschleunigt ebenfalls, wenigstens, wie voraus- 
zusehen, bei nicht allzu starker Konzentration. Schwefelsäure 
wirkt verzögernd. Über einige Versuche gibt die folgende 
Tabelle Auskunft. 

Versuchsbedingungen: 1 Stunde bei 25°. 


en nr —— — — — — e — U r—— — — —— — 


Blausäure 
Zusammensetzung frei gebunden 


absolut | 0 o 






0,135 g HCN, 0,53g C,H,CHO, 30 ccm 
Weingeist auf 100ccm . . , 


Dasselbe + 0,0554 Mg(C,H,0,); -+4 H 0 

„  -+0,0254 KC,H,0, 

„ einschl. 0,2 cem ?/ -KOH 

» » 5 „KOH. 

jr „ 10 „ »/,-KOH 

Er Mr 10 „ ®/,-H,S0, . 

Aus diesen Bestimmungen ist folgendes zu entnehmen: 
Da der Zusatz von Säure, welche die Dissoziation der Blau- 
säure zurückdrängt, die Reaktion verzögert, so erfolgt die Ad- 
dition der Blausäure nicht in Form ibrer undissoziierten Ver- 
bindung, sondern als Ionen, ein Schluß, den schon früher 
Lapworth (l.c.) aus seinen in anderer Weise angestellten Ver- 


1) Wenn Lapworth (Journ. of the Chemical Society 83, 995, 1903) 
die Ansicht äußert, man könne die freie Blausäure wegen eintretenden 
Zerfalls des Nitrils nicht mit Silbernitrat titrieren, so trifft das auf das 
von mir verwendete Reaktionsgemisch nicht zu: Man erhält nämlich ge- 
nau dasselbe Resultat, gleiohgültig, ob man nach dem Zusatz das Silber- 
nitrat sofort oder erst nach !/, Stunde abfiltriert. 

2) Bei den Versuchen mit Kaliumhydroxyd wurde vor dem Zusatz 
des Silbernitrats Salpetersäure hinzugefügt. 


Über katalysierende Emulsinbestandteile. 189 


suchen gezogen hat.!) Es werden also alle Körper die Ad- 
dition der Blausäure beschleunigen, welche eine Vermehrung 
der CN-Ionen-Konzentration herbeiführen, ohne die Konzentration 
der zur Reaktion unbedingt notwendigen H-Ionen allzusehr 
herabzudrücken. Dazu sind Verbindungen der Alkalien und 
Erdalkalien mit schwachen Säuren und kaustische Alkalien in 
geringer Konzentration geeignet. Während der Reaktion werden 
dann die infolge der Addition verschwundenen CN-Ionen durch 
die noch vorhandene nichtdissozüerte Blausäure nachgeliefert. 
Aus all dem darf für die durch Emulsin erfolgende Beschleu- 
nigung der Blausäure-Addition folgendes geschlossen werden: 
Sie erfolgt zum überwiegenden Teil durch Verbindun- 
gen des Magnesiums, Calciums und Kaliums, die als 
„Cyanionen-Bildner“ zu wirken imstande sind. Für 
diese Anschauung liefern außer den oben angeführten Tatsachen 
folgende Versuche den direkten Beweis: Ein auf oben geschilderte 
Weise durch Fällung einer Emulsinlösung mit Blei- und Mercuri- 
acetat erhaltenes, von den Metallen und der Essigsäure befreites 
Filtrat wurde in drei gleiche Teile geteilt. Teil I wurde un- 
verändert gelassen. Teil II wurde mit Bariumhydroxyd vom 
Magnesium befreit, das Barium wieder mit Schwefelsäure 

1) Unter den Möglichkeiten, die für den eigentlichen Mechanismus 
der Reaktion in Betracht kommen, bevorzugt Lapworth die, daß das 
CN-Ion zunächst mit der Carbonylgruppe zusammentritt und daß dann 
erst in einem zweiten Stadium die H-Ionen sioh mit diesem Komplex 
vereinigen. Nach Bredig (Altes und Neues von der Katalyse, Vortrag 
1907, S. 18) tritt indessen, wenigstens bei der Benzoinbildung, das Cyanion 
mit dem Benzaldehyd unmeßbar schnell zusammen, während es doch 
bei den oben mitgeteilten Versuchen mit wohl meßbarer Geschwindigkeit 
addiert wird. Beides zusammengenommen spricht gegen die Anschauung 
von Lapworth. Ein anderer Verlauf der Reaktion erscheint mir des- 
halb wahrscheinlicher: Es wird immer ein Nitrilmolekül sich bilden, 
wenn ein H- und ein CN-Ion gleichzeitig in die Attraktionssphäre 
eines Benzaldehyd-Moleküls geraten. Dieser Moment wird um so öfter 
eintreten, je mehr CN-lonen vorhanden sind, dabei dürfen, wie es beim 
Zusatz von KOH eintreten muß, gleichzeitig H-Ionen bis zu einem be- 
stimmten Grad aus der Flüssigkeit verschwinden, ohne daß die Beschleu- 
nigung aufgehoben wird; die dann geringere Konzentration der H‘-Ionen 
fällt nicht ins Gewicht, weil ihre Geschwindigkeit beträchtlich größer als 
die der CN-Ionen sein muß. Das eingehende Studium der Reaktions- 
kinetik wird wohl darüber Aufschluß geben, welche von beiden An- 
sohauungen die richtige ist. 


180 L. Rosenthaler: Über katalysierende Emulsinbestandteile. 


(unter Beseitigung eines Überschusses) entfernt. Teil III wurde 
ebenso behandelt, doch wurde außerdem nach dem Zusatz der 
Schwefelsäure noch Weingeist zugefügt, um das Calcium voll- 
ständig zu fällen. Aus dem Filtrat wurde der Weingeist durch 
Abdampfen vertrieben. Alle die Flüssigkeiten wurden dann in 
der oben angegebenen Weise mit Benzaldehyd und Blausäure 
zusammengebracht. Über das Ergebnis unterrichtet nachstehende 
kleine Tabelle: 














Blausäure 
frei gebunden 
absolut | % 
Teil I (unverändert) . 0,1150 85,19 
Teil II (frei von Mg) . . . 0.1091 80,81 
Teil IlI (frei von Mg und Ca) 0,0875 64,813 


Wird gar kein Zusatz gemacht, so wird in derselben Zeit 
53,18°/, Blausäure gebunden. Die Anwesenheit von Calcium, 
Magnesium und Kalium bewirkt also, daß 32°/, Blausäure mehr 
gebunden wird; durch die Entfernung des Magnesiums sinkt 
dieser Betrag auf 27,63°/,, durch die des Calciums auf 11,63 
und dieser Rest darf unbedenklich auf Rechnung des Kaliums, 
d. h. auf die durch dasselbe hervorgerufenen CN-Ionen gesetzt 
werden. In welcher Weise diese Metalle im Emulsin gebunden 
sind, bleibt dabei noch offen. Sie müssen jedenfalls, dafür 
spricht die Fähigkeit der vorhandenen Verbindungen zur Bildung 
von Cyan-ionen, an Substanzen von schwach sauerem Charakter 
gebunden sein. Es ist denkbar, daß letztere mit den die opti- 
sche Aktivität hervorrufenden identisch sind. Ein direkter 
Zusammenhang der anorganischen ‚„Cyanionen-Bildner‘‘ mit der 
durch Emulsin hervorgerufenen asymmetrischen Synthese besteht 
indes nicht. Der Zusatz von Magnesiumacetat bewirkt, wie 
im voraus angenommen werden durfte, keine optische Aktivität 
des Nitrils. 

Jedenfalls komplizieren die in dieser Mitteilung nachgewie- 
senen katalytisch wirkenden Bestandteile des Emulsins alle 
Vorgänge, seien sie synthetischer oder hydrolytischer Natur, 
bei denen Blausäure und Aldehyde oder Ketone mit Emulsin 
zusammentreffen. Es soll deshalb zunächst versucht werden, 
ein von jenen Bestandteilen freies Emulsin zu gewinnen. 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 
Von 
Eduard Buchner und Hugo Haehn. 


(Aus dem chemischen Laboratorium der Landwirtschaftlichen Hochschule 
zu Berlin.) 


(Eingegangen am 3. Juni 1909.) 


Frischer Hefepreßsaft verliert beim Lagern bald seine Gär- 
wirkung auf Zucker, eine Erscheinung, welche der eine von 
uns auf den Einfluß eines proteolytischen Enzymes, der Endo- 
tryptase, zurückgeführt hat'!), deren Anwesenheit im Preßsaft 
kurz vorher von M. Hahn?) nachgewiesen worden war. Der 
Annahme, daß von zwei in derselben Zelle entstehenden En- 
zymen das eine das andere vernichten soll, ist anfangs nicht 
allgemein zugestimmt worden?). Inzwischen hat jedoch mit der 
näheren Erforschung der zellfreien Gärung und der mannig- 
fachen dabei beteiligten Agenzien die Vorstellung vom Spiel 
der Enzyme im Hefepreßsaft immer breiteren Boden gewonnen. 
Lassen wir den Ab- und Aufbau?) von Di- und Polysacchariden, 
wie er im Preßsaft vor sich geht, außer Betracht und sehen 
auch davon ab, daß bei der eigentlichen Spaltung des Trauben- 
zuckers vielleicht verschiedene Enzyme des Preßsaftes wirksam 
sind), welche in dieser Abhandlung unter dem Namen Zymase 
zusammengefaßt werden sollen, so haben doch außerdem die 


1) Buchner, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 30, 1111, 1897. 

2) Vgl. ebenda 31, 200, 1898. 

3) Vgl. R. Neumeister, ebenda, 30, 2965, 2966, 1897. 

4) Vgl. die Zusammenstellung von J. Meisenheimer, Biochem. 
Centralbl. 6, 5, 1907; ferner Buchner und Klatte, diese Zeitschr. 9, 
418, 1908. 

6) Buchner und Meisenheimer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 87, 
423, 1904; 38, 621, 1908. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 13 


192 E. Buchner und H. Haehn: 


Untersuchungen von A. Harden und W. Young!) den Beweis 
geliefert, daß für den Gärungsvorgang neben der Zymase die 
Anwesenheit eines zweiten Stoffes, des sog. Ko-Enzyms, not- 
wendig ist. Diese Forscher zeigten, daß man Preßsaft durch 
ein feinporiges Martin-Gelatinefilter in zwei Teile zerlegen kann: 
einen ‚„inaktiven Rückstand“ und ein ebenso unwirksames Filtrat, 
die aber, vereint, Zucker wieder vergären. An Stelle des 
Filtrates kann man sich, um inaktiven Rückstand von neuem 
wirksam zu machen, nach denselben Autoren auch des „Koch- 
saftes‘‘ bedienen, wie er durch Erhitzen von frischem Hefe- 
preßsaft oder Aufkochen von Hefe zu erhalten und selbst ohne 
Wirkung auf Zucker ist. Gemeinsam mit W. Antoni?) hat 
dann der eine von uns nachgewiesen, daß sich ähnliches, wie 
durch das Gelatinefilter auch durch einfaches Dialysieren mittels 
Pergamentpapier erreichen läßt. Außer der Zymase ist somit 
für den Gärungsvorgang die Gegenwart eines kochfesten und 
dialysablen Stoffes, des Ko-Enzyms, unentbehrlich. Buchner 
und F. Klatte?) haben ferner festgestellt, daß man ebenso, wie 
inaktiven Rückstand, auch Preßsaft, der während 3 Tagen 
seine Gärwirkung auf Zucker ausgeübt hat und dabei schließ- 
lich unwirksam geworden ist, sog. „ausgegorenen‘‘ Preßsaft. 
durch Kochsaftzusatz wieder zur Zuckervergärung fähig machen, 
„regenerieren‘ kann. Über die Natur des Ko-Enzyms ergab 
sich aus den Arbeiten der englischen Gelehrten, daß es sich 
wahrscheinlich um eine durch Magnesismischung nicht fällbare 
Phosphorsäureverbindung handelt®), und zwar, da nach Buchner 
und Antoni?) Glühen des eingedampften Kochsaftes oder vier- 
stündiges Erhitzen auf 130°, sowie eine Behandlung mit Ricinus- 
lipasen die Wirkung vernichtet, während Lecithin in mancher 
Richtung dem Kochsaft ähnliche Dienste leistet, voraussichtlich 
um einen organischen Phosphorsäureester. 


1) Angaben über die Literaturstellen siehe diese Zeitschr. 8, 520, 
622, 1908. 

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 46, 141, 1905. 

3) Diese Zeitschr. 8, 523, 1908. 

4) Die große Bedeutung der Phosphorsäure für den Gärungsvorgang 
ergibt sich auch aus Erfahrungen im praktischen Brauereibetriebe in Eng- 
land; vgl. F. Lafar, Handbuch der techn. Mykologie 4, 87, 1907. 

5) a. a O., S. 139. 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 193 


Diese Ergebnisse werden nun durch die folgenden Versuche, 
welche sich auch wieder auf die Eigenschaften und die Wechsel- 
wirkungen zwischen Preßsaft und Kochsaft beziehen, bestätigt 
und in mancher Richtung erweitert. 

Die Regenerierbarkeit des ausgegorenen Preßsaftes durch Zu- 
fügen von Kochsaft ist, wie schon Buchner und F. Duchatek!) 
wahrscheinlich gemacht haben, keine dauernde. Zögert man 
nämlich mit dem Zusatz zu lange, so kann derselbe manchmal 
ergebnislos bleiben. In einer größeren Anzahl von Fällen (siehe 
Tabelle I) zeigten die untersuchten Preßsäfte, nachdem sie bei 
22° ihre Gärwirkung auf Zucker ausgeübt hatten und dabei 
schließlich unwirksam geworden waren, auf Zusatz von Koch- 
saft und Zucker nach 3 Tage dauernder Gärung stets von neuem 
erhebliche Gasentwicklung; bei Zusatz erst nach 4 Tagen war 
dieselbe aber immer geringer und in mehreren Fällen fast 
auf Null heruntergesunken. Diese letzterwähnten Unterschiede 
deuten auf eine Verschiedenheit der Preßsäfte hin, von welchen 
die einen im Verhältnis zur Zymase mehr Ko-Enzym enthalten 
dürften als die anderen. Die Regenerierbarkeit des ausgegorenen 
Preßsaftes ist wohl darauf zurückzuführen, daß während des 
Gärungsvorganges die Zymase erhalten bleibt), das Ko-Enzym 
aber allmählich verschwindet; da für den Gärungsvorgang beide 
Enzyme notwendig sind, wird der Preßsaft dadurch unwirksam, 
aber durch Zufügen von Kochsaft, d. h. von Ko-Enzym, wieder 
regeneriertt. Das Ko-Enzym scheint die Zymase vor der Zer- 
störung durch die Endotryptase zu schützen (Beweise dafür 
siehe weiter unten); ist relativ mehr Ko-Enzym vorhanden, so 
bleibt die Zymase und damit die Regenerierbarkeit länger er- 
halten. 

Hängt nun das Verschwinden des Ko-Enzyms und die 
Konservierung der Zymase im gärenden Preßsaft mit dem 
Gärungsvorgange als solchem zusammen, oder verhält sich Preß- 
saft, der ohne Zuckerzusatz bei 22° aufbewahrt wird, ähnlich? 
In der Tat zeigte sich, daß letzterer, durch Lagern unwirksam 


1) Diese Zeitschr. 15, 228, 1909. 

2) Jedenfalls ein gewisser Teilbetrag; daß nicht mehr alle Zymase 
unverändert vorhanden ist, ergibt sich daraus, daß auch größere Zusätze 
von Kochsaft keine vollständige Regenerierung bis zur ursprünglichen 
Wirkung herbeiführen. 

13* 


194 E. Buchner und H. Haehn: 


geworden, ebenso gut regeneriert werden kann wie ausgegorener 
Preßsaft (s. Tabelle II). Allerdings muß der Zusatz des Koch- 
saftes hier viel früher als dort vorgenommen werden, wenn er 
von Erfolg begleitet sein soll, d. h. die Vorgänge, welche zur 
Zerstörung der Gärkraft führen, spielen sich bei Zuckerabwesen- 
heit rascher ab. Von Buchner und Klatte!) früher in gleicher 
Richtung angestellte Versuche, bei welchen Preßsaft ohne Zucker- 
zusatz 3 Tage stehen gelassen wurde und dann einen Zusatz 
von Kochsaft erhielt, sind nur deshalb negativ verlaufen, weil 
mit dem Zusatz zu lange gewartet worden war. 

Aus diesen Versuchen läßt sich somit der Schluß 
ziehen, daß die in den ersten Tagen eintretende Ver- 
nichtung der Gärungsenzyme des Hefepreßsaftes mit 
dem Gärungsvorgang selbst nichts zu tun hat. Hierin 
liegt eine Annäherung an die Theorie der Enzymwirkungen, 
welche verlangt, daß jene Stoffe, indem sie wirken, unverändert 
bleiben. Die Zerstörung der Zymase spielt sich ebenso ab, auch 
wenn kein Zucker zugesetzt wird; nur das Tempo ist bei Ab- 
wesenheit von Zucker ein rascheres, wie denn überhaupt enzy- 
matische Vorgänge in hochkonzentrierten Zuckerlösungen lang- 
samer verlaufen*). Da ähnliches, wie sogleich gezeigt werden wird, 
für starke Glycerinzusätze gilt, kann es sich auch im Falle des 
Zuckers kaum um irgend eine schützende Verbindung zwischen 
Ko-Enzym und Kohlenhydrat handeln. 

Welche Vorgänge beim Lagern des Preßsaftes ohne Zucker- 
zusatz zum Verschwinden der Gärwirkung führen, ob tatsäch- 
lich dabei wieder zuerst das Ko-Enzym verschwindet, haben 
wir durch Zusatz von sekundärem Natriumphosphat, Kalium- 
carbonat und Glycerin weiter zu klären versucht (s. Tabellen III 
bis VII). Insbesondere bewahrt ein Zusatz der letztgenannten 
Substanz die Gärkraft des lagernden Preßsaftes 1 bis 2 Tage 
lang in hohem Grade, die dann durch Kochsaftzusatz noch 
weiter gesteigert werden kann. Es stimmt dies mit den alten 
Erfahrungen Wittichs und Hüfners über die Vorzüglich- 
keit des Glycerins als konservierendes Mittel für Enzyme über- 
ein; wahrscheinlich ist neben dem relativen Mangel an hydro- 
Iytische Vorgänge begünstigendem Wasser die eintretende hohe 


1) Diese Zeitschr. 8, 526, 542, Tab. VIII, 1908. 
2) Vgl. z.B. Buchner, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 30, 1111, 1897. 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 195 


Viskosität der Flüssigkeit der Hauptgrund für die Verzögerung 
der Enzymwirkungen. 

Der Zusatz von Dinatriumphosphat wirkt bei Mengen von 
6°/, sehr günstig auf die Erhaltung der Gärwirkung und der 
Regenerierbarkeit ein. Offenbar wird sowohl die Zymase durch 
die schwach alkalische Reaktion vor allzu schneller Verdauung 
durch die Endotryptase, welche nach M. Hahn in saurer 
Lösung rascher arbeitet‘), bewahrt, als auch die Zerlegung des 
Ko-Enzyms, voraussichtlich durch den Phosphorsäuregehalt des 
Zusatzes eingedämmt. Kaliumcarbonat als stärker alkalisch 
wirkende Substanz schützt (in Mengen von 2,5°/,) zwar auch 
die Zymase, so daß die Regenerierbarkeit der damit gelagerten 
Preßsäfte immer eine ausgezeichnete ist, zerstört aber wohl in- 
folge seiner Alkaliwirkung das Ko-Enzym, infolgedessen der ge- 
lagerte Saft für sich häufig keine Gärwirkung mehr besitzt. 
Direkte experimentelle Beweise für den schädlichen Einfluß von 
Potasche auf das Ko-Enzym sind weiter unten mitgeteilt. Es 
wird jetzt auch die frühere Beobachtung?) verständlich, daß 
geringe Kaliumcarbonatzusätze (0,6°/,) in gärendem Preßsaft 
eine außerordentlich rasche Angärung während des ersten Tages 
zur Folge haben, wogegen die Gesamtgärleistung nach 3 Tagen 
keine höhere ist als ohne jenen Zusatz. Die fördernde Wirkung 
auf die Zymase wird eben durch den ungünstigen Einfluß auf 
das Ko-Enzym bald verdeckt. 

Frühere Versuche von Buchner und Klatte?) hatten die 
merkwürdige Tatsache ergeben, daß ausgegorener Preßsaft durch 
häufig wiederholte Zusätze von Kochsaft und Zucker 2 bis 
3 Wochen lang gärkräftig erhalten werden kann. Man muß 
daraus schließen, daß eine Konservierung der Zymase gegen- 
über den vernichtenden Einflüssen der Verdauungsenzyme ge- 
lingt, indem für dauernde Anwesenheit von Ko-Enzym gesorgt 
wird. Um diesem schützenden Einfluß der letzterwähnten Sub- 
stanz auf die Zymase weiter nachzuspüren, haben wir Hefe- 
preßsaft unter mehrmals wiederholtem Zusatz von Kochsaft, 
aber ohne Zucker, lagern gelassen und hernach Gärwirkung und 


1) Zeitschr. f. Biol. 40, 147, 1900. — E. und H. Buchner und 
M. Hahn, Die Zymasegärung, 1903, S. 319. 

2) E. u. H. Buchner u. M. Hahn, Die Zymasegärung, 1903, S. 143; 

3) Diese Zeitschr. 8, 535, 1908. 


196 E. Buchner und H. Haehn: 


Regenerierbarkeit geprüft. Der erwartete Erfolg blieb tatsäch- 
lich nicht aus; der Preßsaft konnte so einen, zwei und sogar 
vier Tage bei sehr starker Gärkraft erhalten werden, die sich 
auf Kochsaftzusatz noch weiter steigern oder „aktivieren‘ ließ 
(s. Tabellen Xa und b). 

Somit schützt das Ko-Enzym die Zymase vor der 
verderblichen Wirkung des proteolytischen Enzyms. 
Man wird sich am einfachsten vorzustellen haben, daß eine 
Bindung zwischen Ko-Enzym und Zymase eintritt!), welche 
letztere bewahrt. Diese Bindung muß aber eine lockere, nur 
bei Gegenwart von überschüssigem Ko-Enzym beständige sein. 
Dadurch erklärt sich, daß der inaktive Rückstand beim Fil- 
trieren durch ein Gelatinefillter und bei der Dialyse zwar jene 
hypothetische Verbindung enthält, aber doch keine gute Gär- 
wirkung aufweist, weil das überschüssige Ko-Enzym fehlt. 

Harden und Young haben gezeigt, daß in einem Gemisch 
von inaktivem Rückstand, Kochsaft und Zucker zuerst, vor 
der Zymase, das Ko-Enzym verschwindet. Ähnliches konnten 
Buchner und Klatte für die Gärwirkung ausübenden Hefe- 
preßsaft feststellen. Dasselbe ergibt sich aus dem oben Mit- 
geteilten auch für ohne Zuckerzusatz lagernden Preßsaft. 

Welche Agenzien sind für die Zerstörung des Ko-Enzyms 
verantwortlich zu machen? Nach Versuchen von Buchner 
und Klatte wird Kochsaft zwar durch 3tägiges Stehen mit 
altem, durch Lagern seiner Gärkraft beraubtem Preßsaft unfähig 
gemacht, ausgegorenen Preßsaft zu regenerieren?), meist aber 
nicht durch eine mehrtägige Behandlung mit Tryptase®); da- 
gegen hat sich eine sehr verderbliche Wirkung einer Lipase- 
emulsion aus Ricinussamen ergeben‘. Demnach scheinen 
es weniger proteolytische, als vielmehr lipolytische 
Enzyme des Preßsaftes zu sein, die das Ko-Enzym 
zerstören, und andere Stoffe, als jene, welche die Zymase 
vernichten, was auf eine vollständig verschiedene chemische 
Natur des Ko-Enzyms und der Zymase hindeutet. Diese Ergeb- 


1) Zu der gleichen Annahme führen auf anderem Wege einige noch 
nicht veröffentlichte Versuche von Buchner u. G. H. A. Clowes. 

2) Diese Zeitschr. 8, 545, 1908. 

3) Ebenda S. 544. 

4) Ebenda S. 549. 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 197 


nisse haben sich bei neuen Versuchen über die Einwirkung von 
Ricinuslipasen auf Kochsaft bestätigt (s. Tabelle XI). Es hat 
sich ferner herausgestellt, daß Kochsaft durch 3tägiges 
Lagern mit 2,5°/, Kaliumoarbonat bei 35° seine re- 
generierende Wirkung auf ausgegorenen Preßsaft ein- 
büßt (s. Tabelle XII) und daß bereits mehrmals wiederholtes 
Aufkochen des Kochsaftes eine deutliche Schädigung herbei- 
führt (s. Tabelle XIII). Alle diese Ermittelungen stimmen mit 
der Auffassung des Ko-Enzymes als eines leicht verseifbaren 
organischen Phosphorsäureesters gut überein. Da es ohne 
Schwierigkeiten gelingt, die wirksamen Stoffe des Kochsaftes 
durch Alkohol zu fällen, soll auf diesem Wege versucht werden, 
einen derartigen Körper zu isolieren. 

Die außerordentliche Empfindlichkeit des Kochsaftes und 
somit des Ko-Enzymes gegenüber Potasche erinnert an die be- 
deutende Beeinflussung der meisten Enzymwirkungen durch 
die Reaktion der Flüssigkeit. Durch diese Beobachtung wird 
auch Hoffnung erweckt, daß es noch gelingen kann, die früher 
beschriebene, oft rätselhaft hemmende Wirkung von alkalisch 
reagierenden Kaliumarsenitlösungen auf die zellfreie Gärung') 
zu erklären. 

Es ist uns Bedürfnis, dankbar der zahlreichen Lieferungen 
sehr geeigneter untergäriger Hefe zu gedenken, mit welchen uns 
die Schultheiß-Brauerei, A.-G., Berlin, unterstützt hat. 


Experimentelles. 


Die Gärkraftbestimmungen wurden in der früher schon 
beschriebenen Weise?) auf gewichtsanalytischem Wege aus- 
geführt. Als Versuchstemperatur diente immer 22°, als Anti- 
septikum kam Toluol zur Anwendung, von welchem, um auch 
bei längerer Versuchsdauer das Wachstum von Mikroorganismen 
auszuschließen, auf 20 ccm Saft bei allen Zusätzen immer wieder 
von neuem 0,2 ccm zugefügt wurden. Um die mit dem physio- 
logischen Zustand der jeweils frisch aus der Brauerei bezogenen 
Unterhefe zusammenhängenden Verschiedenheiten der einzelnen 


1) Buchner, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 31, 1089, 1091, 1898; 
32, 2092, 1899. — E. und H. Buchner und M. Hahn, Die Zymase- 
gärung 1903, S. 184. 

2) Diese Zeitschr. 8, 533, 1908; 15, 229, 1909. 


198 E. Buchner und H. Haehn: 


Preßsäfte möglichst auszuschalten, haben wir angestrebt, die 
Versuche sowohl mit Preßsaft von sehr guter Gärkraft (auf Zu- 
satz von 8g Rohrzucker entwickeln 20 ccm innerhalb 4 Tagen 
über 1,5 g Kohlendioxyd), als auch mit Preßsaft von geringerer 
Wirkung (liefert unter denselben Umständen etwa 1 g Kohlen- 
dioxyd) durchzuführen. Das Datum ermöglicht zu erkennen, 
bei welchen Versuchen der verschiedenen Tabellen der gleiche 
Preßsaft zur Anwendung kam. 

Die normale Darstellung des Kochsaftes war folgende: 
2,5 kg abgepreßte Hefe werden in einer Porzellanschale ?/, Stunden 
lang auf dem Dampfbade erhitzt. Die dünnflüssig gewordene 
und wieder erkaltete Masse wird hierauf mit Kieselgur versetzt, 
bis die Feuchtigkeit aufgesaugt und das Ganze krümelig ge- 
worden ist. Mit Hilfe der hydraulischen Presse erhält man 
dann innerhalb 1!/, Stunden 820 ccm Saft. Derselbe wird nun 
im Glaskolben auf dem Drahtnetze !/, Stunde erhitzt, bis Auf- 
kochen und Schäumen eintritt. Der klar aus der Presse ge- 
kommene Saft scheidet dabei einen Niederschlag ab, welcher 
sich jedoch beim Erkalten etwa zur Hälfte wieder auflöst. Von 
der bleibenden Fällung wird nach dem Abkühlen abfiltriert. 
Um den so gewonnenen Kochsaft längere Zeit aufbewahren zu 
können, setzt man Toluol zu, da das früher geübte wiederholte 
Aufkochen sich, wie unten noch erörtert wird (s. Tabelle XIII), 
als schädlich erwies. Die angewandten Kochsäfte wurden stets 
auf ihre Wirksamkeit geprüft. 

Erwähnt sei schließlich noch, daß in der Regel zwei Parallel- 
versuche angesetzt wurden, welche sich gegenseitig kontrollieren. 


Dauer der Regenerierbarkeit ausgegorener Preßsäfte. 


In Tabelle I sind eine Anzahl von Beispielen zusammen- 
gestellt, welche beweisen, daß ausgegorener Preßsaft nur dann 
durch Kochsaftzusatz regeneriert werden kann, wenn damit 
nicht zu lange gezögert wird. Alle die ausgegorenen Preßsäfte der 
5 Versuchsreihen zeigten nach 3 Tagen auf Zusatz von Koch- 
saft und Zucker erhebliche Gasentwicklung, ließen sich also 
deutlich regenerieren. Nach 4 Tagen aber war die Fähigkeit dazu 
entweder fast verschwunden (Versuche Nr. 14, 15, 18 u. 19) oder 
doch beträchtlich herabgesetzt, so daß bei noch längerem Lagern 
ein gänzliches Verschwinden in Aussicht gestanden hätte. 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 199 


Tabelle I. 
Regenerierung von ausgegorenem Preßsaft durch Kochsaf 
nach 3, 4 und 5 Tagen. | 










Regenerationswirkung: 
Kohlendioxyd 
in g nach Tagen 





Toluol gaben Kohlen- 
dioxyd ing nach Tagen 


Nummer 













































1 — [1,561,63| — [nach 3 Tagen] 0,19 0,32|0,34| — 
2 — (1,56 1,62, — 3 0,20 | 0,29 | 0,32 | 0,33] — 
3 — rss) „ 4 „ [0,15020 0,22 0,25 

4 — |1,48/1,57|1,603)| „ & „ |0,15|0,20|0,22|0,24| — 
5 „ 3 „ 10,18 0,33 0,30 0,41 0,42 
6 » 3 518 |0,32 [0,38 | 0,40 | 0,40 
7 „ %& „ [0,13|0,23|0,27'0,28| — 
8 „3 „ 10251037 044| — | 0,49 
9 „3 „ [0240,36 0,43| — | 0,47 
10 „4 „ 1014024) — |0,31| 0,33 
ll „n 4 „ 1016|0,26) — |0,35| 0,36 
12 „3 „ [011|0,17) — |0,25| 0,26 
13 „ 3 „ 1011/0,20| — 026 0,26 
14 760,83. 85| „ 4 0,01 001 — | — — 
15 0,70.0,80.0,82| 0,83 | „ 4 „ 10,00'0,00] — 1 — | — 
16 — — |117) — | „ 3 „ 10,11 028 0,39 0,49 | 0,56 
17 — — 121% — |, 3 „ [9110,30 |0,42 0,53 | 0,60 
18 — — Lis 119| „ & „ 100110,0210,02|0,08| — 
19 — | — [L22 1,23 |» 4 „ |0,0110,0210,02 003) — 
20 — — |119 1220| „ 5 „ 10,01 0.01 001 — | — 
21 — | — 120 1,21 | „ 5 „ j00110011001| — | — 


Verhalten des Preßsaftes beim Lagern. 


In einer Reihe von Versuchen (s. Tabelle II) wurde Preß- 
saft ohne Zuckerzusatz bei 22° aufbewahrt und nach einigem 
Stehen durch Zugabe einerseits von Zucker, andererseits von 
Zucker und Kochsaft die Gärkraft bzw. die Regenerierbarkeit 
festgestellt. Während des Lagerns trat die bekannte Erscheinung 
der Selbstgärung, beruhend auf dem Glycogengehalt der Hefe, 
ein, deren Umfang durch Wägung verfolgt wurde, aber kein 
sehr erheblicher war. Es zeigte sich, wie nach früheren Er- 


1) Dieser Preßsaft hatte vor Beginn des Versuches etwas länger ge- 
standen, was die Abnahme der Gärkraft gegenüber den Versuchen 1 
und 2 erklärt. 


200 E. Buchner und H. Haebn: 


gebnissen zu erwarten, daß die Gärkraft beim Aufbewahren 
rasch abnimmt und allmählich verloren geht. Solche gelagerte 
Säfte kann man aber durch Kochsaftzusatz immer deutlich, in 
manchen Fällen sogar sehr stark regenerieren, so daß, auch 
wenn Zusatz von Zucker allein keine Gärwirkung mehr herbei- 
führt, Zusatz von Zucker und Kochsaft noch lebhafte Kohlen- 
dioxydentwicklung veranlaßt. Es genügt also der alleinige Zu- 
satz von Kochsaft, d. h. von Ko-Enzym, um hier Gärwirkung 
zu erzielen, während offenbar die eigentliche Zymase noch in 
wirksamer Form erhalten ist. Im lagernden Preßsaft spielen sich 
also dieselben Vorgänge ab wie im mit Zucker versetzten, Gär- 
wirkung ausübenden. Man kann gelagerten Preßsaft ebenso 
gut regenerieren wie ausgegorenen, nur muß bei ersterem der 
Kochsaftzusatz bedeutend früher, schon nach einem Tage, er- 
folgen, während letzterer noch nach 3 Tagen regenerierbar ist. 
Dieser Unterschied dürfte kaum auf eine Art von Schutzwirkung 
des Kohlenhydrats, beruhend etwa auf einer chemischen Bin- 
dung, welche den Gärungsvorgang begleitet, zurückzuführen 
sein, sondern erklärt sich völlig in der Weise, daß durch den 
starken Zuckerzusatz die Wirkung der Enzyme aufeinander im 
gärenden Preßsaft verlangsamt wird. Höchstwahrscheinlich 
handelt es sich bei der Vernichtung der Gärkraft in beiden 
Fällen um die Tätigkeit verdauender bzw. verseifender Enzyme, 
welche zunächst zu einer Zerstörung des Ko-Enzyms führt und 
dann erst zur Vernichtung der Zymase. Der gelagerte, durch 
Kochsaft regenerierte Preßsaft bietet bei der Gärung insofern 
ein etwas anderes Bild wie der frische Hefepreßsaft, als bei 
der normalen zellfreien Gärung immer beträchtliche Ausscheidung 
von Eiweißgerinnsel auftritt, die bei Anwendung gelagerten Saftes 
wegen Selbsverdauung während des Lagerns ausbleibt. 


Lagern von Preßsaft mit Natriumphosphat, Kalium- 
carbonat oder Glycerin. 


Sekundäres Natriumphosphat gleichzeitig mit Zucker zu 
frischem Preßsaft gesetzt, erhöht dessen Gärkraft. Diese 
aktivierende Wirkung veranlaßte uns zu prüfen, ob jenes Balz 
auch auf die Veränderungen des Preßsaftes beim Lagern von 
EinfluB sein würd. In der Tat hat sich herausgestellt 
(s. Tabelle III), daß ein Zusatz von 2,5°/, (0,5 g auf 20 ccm) 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsatt. 201 


Tabelle II. 


Regenerierung des ohne Zusatz gelagerten Preßsaftes. 


Je 20 ocm gelagerter Preßsaft mit 8 g Rohrzucker bzw. 8 g Rohrzucker 
-+ 20 ccm Kochsaft. 








— Kohlendioxyd in g 


nach 24 Stunden 





in 24 Stunden 


Selbstgärung 






















































13.1. | | ao com pr beskimmung: | 10,8311,1311,2011,20| — | — 
sucker 1.0.2 ccm Toluol | [0,84 113120 1,20 — 
0,08 0,01 en En E ae 
0.07 X8 g Rohrzuoker 0.01 0.01 0, — — 
07 ‘> g Rohrzucker 0, 
j + 20 ccm Kochsaft A 0,0110,03 0,06 0,1210,1710,20 0,21 
3. 2. 20 oaar kraftbestimmung: | |1,35/1,66/1,721,73| — | — 
; r a oh | ao —ı —| 
0, 19 0,15/0,31 0,3710,38 — | — | — 
10| > 0l) 8 g Rohrzucker 0,15 0,32,0,38 0,38 = =l 
11 B SE: 8 g Rohrzucker 0,21/0,36 0,53 0, 620, 660, 67 0, 68 
2| „ 5 19 +20 ccm Kochsaft B [0,22 0,37|0,59,0,67.0,69|0,70.0,71 























13 | 28. 2. Gärkraftbestimmung: | |0,660,95| — 11,101,1111,11| — 
4| „ Fe en en | [05410.87 — I1.0511.0611.08| — 
15 0,11 0,02! — |0,06:0,0Rl0,11l0,11| — 
16| ” 86h 8 8 Rohrzucker 0,02) — 10,150,16017| — | — 
| „ 0.10 8 g Rohrzucker ‚04| — |0,47 0,65/0,68|0,70/0,71 
18| >? 10 + 20 com Kochsaft C [0,04 — 10,520,64 0,68'0,71 0,72 
19 | 22.4. | | 50 com pattbestimmung: | 10,89/1,21!1,2711,28| — | — | — 
Wf „ zucker + 0,2 com Toluol | [0,90/1,22/1,28/1,29| — | — 

21 0,08 0,02| — '0,03'0,03| — | — — 
22 g 0,08 } 8 g Rohrzucker 0,02 en 0,02 0,02 ll es ji ne 
23| „ 0,081 8 g Rohrzucker 0,02| — |0,060,130,160,18| — 
24| „ 10,085 -420 ccm Kochsaft D |0,02| — [0,06.0,12 0.14 0,16| — 
25 | 45. Gärkraftbestimmung: | |0 86!1,13/1,18/1,18| — | — 
2| „ ker On To 84112 1171:18 = tsa 
27 0,22 0,03. 0,06 0,07 — ` — | — | — 
28 | ” |o22|} 8 g Robrzucker 0,04/0,07,0,07| — | — | — | — 
29 5 0,22 } 8 g Rohrzucker 0,07!0,18 0,22 0 ,24:0,24] — 

30 » l0, -+ 20 com Kochsaft E {0,07 0,180, ‚190, 220, 22! — 


202 E. Buchner und H. Haehn: 


zwar die Gärkraft des Preßsaftes während eintägigen Lagerns 
nicht zu erhalten vermag (Nr. 14 und 15), wohl aber die 
Regenerierbarkeit, welche in einer Kohlendioxydentwicklung auf 
Kochsaftzusatz hin hervortritt (Nr. 16 und 17). 5°/, Natrium- 
phosphat erhalten aber auch die Gärkraft zum großen Teil 
(Nr. 4, 18 und 19), so daß hier Kochsaftzusatz nicht weiter 
regenerierend, sondern nur als Verdünnungsmittel und daher 
etwas schädigend einwirkt (Nr. 5, 20 und 21). 


Tabelle III. 


Regenerierung des mit Natriumphosphat gelagerten Preßsaftes. 


Je 20 com gelagerter Preßsaft mit 8 g Rohrzucker bzw. 8 g Rohrzucker 
420 com Kochsaft. 






Während des 








Nach 18 Std. 
(Nr. 3—5) bzw. 






Kohlendioxyd in g 
nach Tagen 







































4 5|2 
| | 
1ļ15. 12| — Gärkraftbestimmung: | |0,89,1,1411,1911,20: — | — 
20 ccm Preßsaft + 8 g Robr- | Ioa?’ , a 
2| „ — || zucker 4 0,2 com Toluol. | [089 1,15.1,20 a —— 
8g Rohrzucker 4 — 
= OB E Katearen — 1 ER 
4 3 1,0 0,08 | 8g Rohrzucker 10,17 — 0,61 — | — 
8g Rohrzucker + | ER U 
5l „ 1,0 0,07 | 90cm Kochsaft |918.0,33 0,43 ” | 
61 6.1. — Gärkraftbestimmung: 1,00 1,13 1,14i1,15; — | — 
II — a 02 een 6 is 
8| „ = 0,13 0,0110,02.0,05/0,05; — | — 
9| „ — | 0,18 |»$gRohrzucker |002 0,02 0,02 0,03 — — 
101, = 0,13 een 0,01 0,02 0,05.0,0710,08 — 
11 en — 0,13 1520ccmKochsaftA!0,01 0,03 0,07 0,08 0,08 — 
12| „ — 0,13 Sp Ronrauche | 0,04:0,06:0,08:0,08| — 
13 G — 0,13 |Sıg Natriumphosphat/0,04 0,06,0,08 0,08! — | — 
14| „, 0,5 0,13 0,01/0,01'0,0110,01| — | — 
15| „ 05 | 013 [J88 Rohrzucker 0,01.0,01.0,010,01 — | — 
16| „ 05 | 0,13 |\8g Rohrzucker-+0,05|0,12!0,1710,22)0,28 0,41 
17| „ 0,5 0,13 |J20comKochaaftA|0,05 0,12,0,17 0,22|0,26 0,41 
18| „ 1,0 0,12 0,11.0,37 0,47/0,51.0,51| — 
19| „ 1,0 0,12 188 Rohrzucker 0,10 0,36 0,40 0,51:0,52) — 
20| „ | 10 | 0,12 h8gRohrzucker--J0,14!0,21/0,25.0,28'0,31/0,43 
21| „ 1,0 0,11 20comKochsaftA 0,14:0,21/0,25/0,28.0,30 0,42 


i 
Dieser merkwürdige Einfluß des Natriumphospats konnte 
entweder auf seinen Phosphorsäuregehalt oder auf seine schwach 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 203 


alkalische Reaktion zurückzuführen sein. Zur Entscheidung 
haben wir Preßsaft unter Zusatz von Kaliumcarbonat lagern 
lassen. Die Tabelle IV gibt einige derartige Versuche wieder, 
wogegen in Tabelle V zwei vergleichende Experimente zwischen 
der Wirkung von Kaliumcarbonat und von Natriumphosphat 
auf lagernden Preßsaft zusammengestellt sind. Für die Be- 
urteilung sämtlicher Versuche mit Potaschezusatz mag noch 
erwähnt werden, daß die Bestimmungen der Selbstgärung 
während des Lagerns stets erheblich zu niedrige Zahlen ergeben 
mußten, weil ein Teil des Kohlendioxyds infolge Bildung von 
Kaliumbicarbonat am Entweichen verhindert wird; bei Zusatz 
von 0,5 g Potasche können maximal etwa 0,16 g auf diese 
Weise festgelegt werden. Auch sekundäres Natriumphosphat 
wird imstande sein, geringe Mengen von Kohlensäureanhydrid 
aufzunehmen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß 
die mit Potasche versetzten Hefepreßsäfte im Gegensatz zur 
gelbbraunen normalen Färbung einen eigentümlichen blaugrauen 


Farbenton annehmen. 


Tabelle IV. 
Regenerierung des mit Kaliumcarbonat gelagerten Preßsaftes. 


Je 20 com gelagerter Preßsaft mit 8 g Rohrzucker bzw. 8 g Rohrzucker 
—+20 cem Kochsaft. 


Während des 

















































8 —Maen 24 Stunden Kohlendioxyd in g 
z nach Tagen 
g 
= von görung 
Z KCO; ——— 
24Std. 2.314|5!7|8 
Gärkraftbestimmung: | | | _ 
1 20 ccm Preßsaft +88 Rohr- | |1,00 1,13 1,14 1, 15 — | — 
zucker + 0,2 cem Toluol | wu 
2 8g Rohrzucker 001001 — — — — 
3 Gärkraftbestimmung: Į; 131 201 20 FERN BEE. EA 
ech se 118120120 = | — 
5 0,01 0,02'0,02. 0,02! — | — | — 
6 }8gRohrzucker |002 0 ‚03.0,03.0.03; — | — — 
7 \8g Rohrzucker [0,01 0,02'0,03:0,03| — | — | — 
8 J20ccmKochsaftAI0,01 0,03 0,04 0 ‚05: — — — 
9 l 0,01 0,02'0,02'0,02. lee 
10 eg Rohrzucker |0010; 02 0,02.0,02| — | — | — 
11 18g Rohrzucker-+[|0,14 0, 180230, ‚26 0,29 0,32 0,33 
12 J20 ccmKochsaftA 0, 140,18 0, 0,33 





























204 E. Buchner und H. Haehn : 


Tabelle V. 


Vergleich der Regenerierbarkeit von Preßsäften, die ohne 
und mit Kaliumcarbonat bzw. Natriumphosphat gelagert 
waren. 


Je 20 ccm gelagerter Preßsaft mit 8 g Rohrzucker bzw. 8 g Rohr- 
zucker +20 ccm Kochsaft. 





Nummer 










Nach 24 Stunden 
j Idauerndem Lagern 
Zusatz von: 





















































































| 
Gärkraftbestimmung: | 
3. 2. | — | — | | 20 ccm Preßsaft +8 g | [1,351,661,721,73 — | — | — — — 
„ | — | — | | Fohrzucker + 0,2 cem | |1,32/1,63/1,70/1,71| — | — | — 
oluol. | 
„a =|- * 0,1510,31[0,3710,38| — | — | — | — | — 
: — (o20|J88 Rohrzucker 10150.32 0 ‚380, a Pa a a Fe 
„n I1-|— — 20h 8g Rohrzuoker-40.21 0,36 0,63 0,62 0,65 0, 67 0,68 — | — 
ó — |0,19|f20ccmKochsaftB|0 —— 67 0,70 0,70/0,71| — 
» | „ (0,340,18| 8g Rohrzucker |0,020, —— | et 
À 10,34 —J 1,27 1 902,322,57 2,77 2,83 2,88 2,93 3,09 
n |2 20cemKochsaftB| ’ 
„ | 8 |0,5 0,14| 8g Rohrzucker —— 
g {8g Rohrzucker 
N 5 0,5 10,14] 09 -cmKochsaft p|160 320 2,45 2 soona ‚66 2,72 2, 7019,79, 2,89 
í g Rohrzucker + 
> 1,0 — Ts aee atA Ba ur Da iR aaa a A 
- 52 1,0 0,17) 8g Rohrzucker Ka — — 
58 8g Rohrzucker-- 
» 123 | 1,0 0,1755 cemKochsaftB[115 1,69 2,07/2,40 2,60/2,73/2,83 2,88 2,99 
Gärkraftbestimmung: 
25.2.1 — | — | | 20 ccm Preßsaft +8 g | [0,66 0,95 — 11,1011,11/1,11/1,11| — | — 
» | — | — | | Yohrzucker + 0,2 cem | [0,54 0,87) — |1,0511,0511,06.1,08 1,08 — 
oluol. 
— — 1 0,02 — 0, 06 0,09 0,11/0,11| — | — — 





* = 0.101488 Rohrzucker 0.02 — 017 -|— 


— |0,10h 8g Rohrzucker +0,04) — 0,47 0, 66 0, 68 0, 70 0, u ba 
— 0,1020 ccmKochsaft C]0,04| — 0, 52 0,64 .0,68/0,71/0, 2 —|— 












































UE- Du See Zur OnE- —8 






























































pp e2 8er Mat = areago ee = Z|- 
SE 0,5 0,10\8g Rohrzucker+l0,48| — |1, 72 2,07 2,24 2,45 2,49 2,55 2,55 
Š | 0,5 0,12|/20ccmKochsaft C|0,70| — 212,57 2,67 2,73 
E 1,0 /0,09| 8g Rohrzucker [0,41| — 0,84 0,93 0,95 0,96. he i 
„a [28/10 ; 1,56 1,68.1,76 1,79 
Z A | | | 




















Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 205 


Aus den Tabellen IV und V ist zu ersehen, daß ein Zu- 
satz von 0,85°/, Kaliumcarbonat (0,17 g auf 20 ccm) zu einen 
Tag lang lagerndem Preßsaft weder Gärkraft nooh Regenerier- 
barkeit zu erhalten vermag (s. Tabelle IV Nr. 2 und 5 bis 8) 
und daß ein solcher von 1,7°/, (0,34 g auf 20 com) und von 
2,5°/, (0,5 g auf 20 ccm) zwar meistens nicht die Gärkraft, 
wohl aber immer die Regenerierbarkeit während eines Tages 
konserviert; auf Kochsaft- und Zuckerzusatz treten dann starke 
Gärungserscheinungen auf (Tabelle IV, 9 bis 12; V, 7 bis 10). 
Eine Ausnahme bilden die Versuche 20 bis 23 der Tabelle V 
insofern, als hier durch 2,5°/, Kaliumcarbonat auch die Gär- 
kraft erhalten blieb, was mit der besonderen Beschaffenheit 
des betreffenden Preßsaftes zusammenhängen dürfte und wahr- 
scheinlich auf einen höheren Ko-Enzymgehalt als den ge- 
wöhnlichen zurückzuführen ist. (Einen ähnlichen Fall siehe 
Tabelle VII, 7 und 8.) Daß bei den Versuchen 11 und 12 der 
Tabelle IV, sowie 8, 10, 11, 22 und 23 der Tabelle V (ferner 
bei 9 und 10 der Tabelle VII) das im Kochsaft zugefügte Ko- 
Enzym über 2 Wochen lang wirksam geblieben ist, trotz des 
ursprünglichen Zusatzes von Kaliumcarbonat, wird darauf 
zurückzuführen sein, daß letzteres bald nicht mehr als solches 
vorhanden, sondern in Bicarbonat übergegangen war, dem eine 
viel schwächere verseifende Wirkung zukommen dürfte. In 
Übereinstimmung mit den Erfahrungen aus Tabelle III konser- 
vierte ferner auch in dieser Versuchsreihe ein Zusatz von 
5°/, Natriumphosphat (1 g auf 20 ccm) sowohl die Gärkraft als 
die Regenerierbarkeit; auf Kochsaftzusatz wurde die Gärwirkung 
aber hier noch bedeutend erhöht (s. Tabelle V, J2, 13, 24 und 25), 
im Gegensatz zu Tabelle III (Nr. 4, 5, 18 bis 21), ein Verhalten, 
das vielleicht durch einen im Vergleich zum Zymasegehalt ge- 
ringen Ko-Enzymvorrat der Preßsäfte vom 3. und 25. Februar, 
dagegen durch einen relativ hohen Ko-Enzymgehalt der Preß- 
säfte vom 15. Dezember und 6. Januar zu erklären ist. 

Wenn wir die Wirkung von 2,5°/, Carbonat und von 5°/, 
Phosphat vergleichen, so hat ersteres in einem der vorliegenden 
Fälle das Ko-Enzym stärker geschädigt, so daß keine Gärkraft 
mehr nachweisbar, wogegen beim Phosphatzusatz die Gärkraft 
noch erhalten und somit das Ko-Enzym noch zum Teil wirk- 
sam geblieben war (s. Tabelle V, 9 bis 13). In der anderen der 


206 E. Buchner und H. Haehn: 


beiden Versuchsreihen scheint, wie oben schon bemerkt, ein 
höherer Gehalt an Ko-Enzym vorhanden gewesen zu sein, so 
daß auch durch Potaschezusatz von 2,5°/, das Ko-Enzym 
nicht völlig zerstört worden war (s. Tabelle V, 20 und 21). Die 
hier zuerst aufgetauchte Vermutung, daß Kaliumcarbonat eine 
schädigende Wirkung speziell auf das Ko-Enzym ausübe, ist 
inzwischen durch besondere Lagerungsversuche von Kochsaft 
unter Zusatz dieses Salzes erwiesen worden (vgl. Tabelle XII). 
Die Gegenwart von Kaliumcarbonat wird somit die Verseifung 
des Ko-Enzyms begünstigen und dadurch den Preßsaft rascher 
wirkungslos machen. Andererseits dürfte es aber die Wirkung 
der Zymase befördern, indem es diese vor der Endotryptase 
schützt, welche nach M. Hahn am schnellsten in saurer Lösung 
arbeitet!), und ihre chemische Wirkung auf das Zuckermolekül 
unterstützt, dessen Zerfall am leichtesten in Gegenwart von 
alkalischen Stoffen erfolgt. So erklärt sich, daß geringe Zu- 
gaben von Kaliumcarbonat zu normal gärendem Preßsaft nach 
früheren Versuchen die Angärung außerordentlich beschleunigen, 
daß aber bald ein Stillstand der Gärwirkung eintritt, früher 
als ohne jenen Zusatz®?). 5°/, Kaliumcarbonat verursachen im 
Preßsaft eine starke Fällung; trotzdem derselbe breiförmig wird, 
geht die Regenerierbarkeit nicht verloren (s. Tabelle V, Nr. 11). 

Zur weiteren Charakterisierung der Vorgänge im lagernden 
Preßsaft wurde der Einfluß von Glycerin untersucht (siehe 
Tabelle VI). Es ergab sich, daß '/, bis 1 Volumen dieses Stoffes 
die Gärkraft 24 Stunden fast unverändert und 48 Stunden in 
hohem Grade erhalten und daß immer eine sehr starke Akti- 
vierung des gelagerten Preßsaftes auf Kochsaftzusatz hervor- 
tritt. Allerdings werden die Gärungserscheinungen um etwa 
die doppelte Zeit hinausgezögert, d. h. es sind 8 und mehr Tage 
nötig bis zur vollen Abwicklung. Ähnliches wurde auch schon 
früher berichtet?) und dürfte einfach eine Folgeerscheinung der 
großen Viscosität der Flüssigkeit sein. Das Ko-Enzym scheint 
unter diesen Umständen nur sehr langsam angegriffen zu 
werden. Wie M. Hahn berichtet, wird auch die Proteolyse 
des Preßsaftes durch Glycerinzusatz erheblich behindert*). 


1) E. und H. Buchner und M. Hahn, Die Zymasegärung, München 
1903, S. 318. 
2) Ebenda S. 141. — 3) Ebenda S. 172. — *) Ebenda S. 316. 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 207 


Tabelle VI. 
Regenerierung des mit Glycerin gelagerten Preßsaftes. 


Je 20 com Preßsaft mit 8 g Rohrzucker bzw. 8 g Rohrzucker + 20 com 
Kochsaft, 








Nummer 
Datum 


STETETETETeTH TE 



































122. 4.|— | | Gärkraftbestimmung: 9,8911,2111,271,28 — | — | — — | — 
2| » |—] | acker + 02cm Tormo | 0,90/1,2211,2811,298 — | — | — — — 
3| „ I-—- loos! — yes g Rohrzucker 10,02! — l0,0310,03! — | — — | — — 
4| „ I— 10,08 — |f nach % Sta. 0,02 — .0,0210,02 — Ze 
8g Rohrzucker ' 
ó| — 0,081 — (158 "onrzusker Tio,02! — 0,0610,130,160,18 — | — | — 
6 n — 0,08 — nach 24 Std. 0,02 — 0,06 0,12 0,14 0,16 — —— m 
7i „ 1100,04! — Y8 g Rohrzucker [0,34/0,70,0,88 1,0311,11]1,15|1,16 1,17) — 
s| „ 1100,04] — |f nach 24Std. 10,32.0,67.0,8811, ‚0,110 1,15 1.161,17 = 
9| n» [100,04 — [[58 Rohrzucker Flo 9511,84 2,20 2,69 2,9713,14 13,20 3,25.3,34 
10| » [1010,04 — | en Sat [0,781,6512,08 25712, ‚9113,09 3,16 a 
111 „ 110 ee ent 0,17:0,33 0,49 0,58 0,63:0,66 0,67) — | — 
12| „ 110 0,04:0,0615 nach 48 Std. 10,17|0,30,0,4110,570,62'0,65/0,66| — | — 
13| „ |100,04|0,071[08 Rohrzuoker -tio 7911,291,8212,19 2,67 — 
14| „ |10 10,040,061) ° oem ee 10,6811,2611,74 a ‚2,64 2,66 2,71|2,72 
15126. 4.| — | |__ Gärkraftbestimmung: | 10,7411,281,36 — | — —  — — — 
20 PreBsaft + 8 g Rohr- : r ? i 
16 n — — 0,2 R, Toluol, 0,71 1,23 1,34 — | zz | gt — | nn Ä — 
17) » |= 0201 — 2,38 0,56 0,56 — | — =a 
18| > |— 022| — [le g Rohrzucker [0540 0,57 0,8) — EERS 
10| „ EEE nach 24 Std. 9,32 0.60 0,80 0.901,081,16/1,22,1,271,81 
20| „ 20 0,04 — 0,32 0,55/0,78/0,89/1,02/1,12/1, 1,27/1,29 








In Tabelle VII sind endlich noch die Ergebnisse eines 
vergleichenden Versuches zusammengestellt, bei welchem der- 
selbe Preßsaft mit 2,5°/, Kaliumcarbonat, mit 5°/, Natrium- 
phosphat und unter Zusatz von '/, Volumen Glycerin gelagert 
wurde. Dabei erwies sich das Glycerin als das günstigste 
Konservierungsmittel: es erhält die Gärkraft, verlangsamt dem- 
nach in hohem Grade die schädigende Wirkung der Endo- 
tryptase und der Lipase und schädigt Zymase und Ko-Enzym 


nicht nachweisbar. 
Bioehemische Zeitschrift Band 19. 14 


208 E. Buchner und H. Haehn: 


Tabelle VII. 


Regenerierung von Preßsaft nach Lagern mit Kaliumcarbonat, 
bzw. Natriumphosphat, bzw. Glycerin. 










Nach 24 Std. 








0,80,1,08| — nee — — 
























































Da das alkalisch reagierende Kaliumcarbonat so großen 
Einfluß auf lagernden Preßsaft ausübt, so haben wir versucht, 
wie letzterer sich bei Zusatz von geringen Mengen von Säure bis 
zu deutlich saurer Reaktion verhält (s. Tabelle VIII). Zu 
20 ccm frischen Hefepreßsaftes wurden tropfenweise je 4 ccm 
n/ .-Salzsäure unter Umschütteln zugefügt (Nr. 5 und 6); die 
im ersten Augenblick eintretende Trübung verschwindet wieder 
allmählich. Zum Vergleiche wurden zu eben demselben Preß- 
saft 4 ccm Wasser hinzugegeben (Nr. 3 und 4). Sämtliche 
Versuche blieben dann 24 Stunden bei 22° stehen. Nun 
wurde Zucker bzw. Kochsaft und Zucker zugefügt, ohne 
daß vorher die zugesetzte Salzsäure der Versuche 5 und 6 neu- 
tralisiert worden war. Der Salzsäurezusatz hatte die Gärkraft 
fast vollständig vernichtet und die Regenerierbarkeit sehr stark 


= 
Zusatz von | s © Kohlendioxyd in g in Tagen 
K,CO, bzw. B E dauerndem 
—12H,0 bzw.| 2 x — 
Glycerin Ber 6| 7| 8110 


| 

I). Probst. +34 Bohrmucke 07604 — |113 116.118 — | — | — 
|| I | og |} ee Motels I ooz — > em 
1 = | = | Dean aaa = = | = || = 
| 

; |8,00, 0,58 | 010 Jena SEE 22 2 = ® 
r [kacon 058 | 918 hernaumassih40l — —A — 
is 108030 |} oe nommoeoai Z peoaoz Z |Z |Z |Z 
n Famo LOg | ir ee — 0,98'1,13|1,20 1,22]1,23 — 
r [oiern 10 em 010 |} a g nonrnꝛerer ht Bas a na = = 
; Pexn 10 com 010 cken 3 = Lan, HAAAT 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 209 


herabgedrückt. Es ist demnach eine starke Schädigung nicht 
nur des Ko-Enzyms, sondern besonders der Zymase nach- 
gewiesen, welche auf eine Begünstigung der verdauenden 
Wirkung der Endotryptase hindeutet, wie eine solche auch nach 
den Erfahrungen von M. Hahn durch Ansäuern zu erwarten 
steht. Das Auftreten von Kohlensäure bei den normalen Preß- 
saftgärungen dürfte ähnlich die Zerstörung der Zymase durch 
das proteolytische Enzym beschleunigen. 


Tabelle VIII. 
Regenerierung von Preßsaft nach Lagern mit Salzsäure. 














Während des 
*2 
Q 
g 
g 
jæ] 
Z 
Gärkraftbestimmung: | 
113.2] — 20 ccm Proßsaft | |0,7811,36/1,4411,48 1,48 — — | — 
2| » — +8g Rohrzucker | |0,7611,35|11,441,481,48 — | — — 
+ 0,2 ccm Toluol. 
3| „ j4ccmH,O| 0,13 |8 g Rohrzucker |0,13'0,19/0,19| — | — | — 
4| „ l4comH3,0| 0,13 |8 g Rohrzucker |0,11;0, 35/0,56:0,68.0,78:0, 840,900,90 
20 cem 
ochsaft 
„ MM ccm”/o 0,11 |8 g Rohrzucker 0 0110,02 0,02 — | — — | — | — 
HCI 
6 | „ |4 ccm”/o-| %11 |8 g Rohrzucker |0,05 0,25 0,40 0,4710,52 0,53! — | — 
HCI 20 cem 
ochsaft | 





Nachdem sich beim Lagern des Preßsaftes ein Zusatz von 
Kaliumcarbonat günstig erwiesen hatte, schien es wünschens- 
wert, die Wirkung dieses Körpers auf die normale zellfreie 
Gärung zu prüfen. Mit geringen Mengen (0,85 und 1,7°/,, be- 
rechnet auf den Preßsaft) sind solche Versuche schon aus- 
geführt worden‘). Sie ergaben bei 0,85°/, eine sehr starke 
Angärung, aber eine baldige Beendigung des Vorganges, so daß 
der gesamte Umfang der Gärung dem unter normalen Be- 
dingungen ungefähr wieder gleich kam, bei 1,7°/, aber nur eine 
sehr geringe Gesamtgärwirkung, im Vergleiche zu welcher die 


1) E. u. H. Buchner u. M. Hahn, Die Zymasegärung, 1903, S. 141. 
14* 


210 E. Buchner und H. Haehn: 


Angärung auch wieder außerordentlich groß war. Setzt man 
nun 2,5°/, Kaliumcarbonat zu (0,5 g auf 20 com), so unterbleibt 
auch die anfängliche Beschleunigung vollständig. Es wird so- 
gar schon während des ersten Tages sehr viel weniger Kohlen- 
dioxyd entwickelt als ohne Zusatz; der Gärungsvorgang geht 
sehr bald zu Ende und erreicht nicht entfernt die normale 
Höhe. 

Die Gärkraft und besonders die Angärung erscheint hier 
allerdings zum Teil deshalb so gering, weil erhebliche Mengen 
an Kohlendioxyd infolge Bildung von primärem Kaliumcarbonat 
festgehalten und nicht als Gewichtsverlust bemerkbar werden. 
Da aber durch 0,5 g K,CO,, wie bereits auseinandergesetzt, maxi- 
mal nur 0,16 g CO, aufgenommen werden können, ist dieser 
Vorgang nicht umfangreich genug, um den starken Rückgang 
der Gärwirkung zu erklären. Offenbar tritt noch eine weitere 
Ursache dazu, nämlich der verseifende Einfluß der Pottasche 
auf das Ko-Enzym, welcher schon oben erwähnt wurde und 
von dem in Tabelle XII ausführlich berichtet wird. 


Tabelle IX. 
Wirkung von Kaliumcarbonat bzw. Natriumphosphat auf die 
normale Preßsaftgärung. 


Kohlendioxyd in g nach 
Tagen 





Nummer 
Datum 








timmung: 
8 g Rohrzucker 


+02 oom Toldol 0,52 

0,5 g Kaliumoarbonat 0,11 

0,5 g 0,09 

1,0 g Natriumphosphat 0,71 

1,0 0, 73 

7 0,95 
8 + 0,2 ccm Toluol. 0, 96 
9 0,5 g Kaliumcarbonat 0,26 
10 5g 0, 24 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßeaft. 211 


Konservierung von frischem Preßsaft durch Koch- 
saftzusatz. 

Es liegen zwei Versuchsreihen vor (s. Tabellen Xa u. Xb). 
Um durch die mehrmaligen Kochsaftzusätze den Preßsaft nicht 
übermäßig zu verdünnen, bedienten wir uns eines konzentrierten 
Kochsaftes. 500 com normal hergestellten Kochsaftes wurden im 
luftverdünnten Raum bei einer Temperatur, die 30° nicht 
überstieg, und unter Zusatz von etwas Olivenöl behufs Mäßigung 
des starken Schäumens innerhalb 1 Stunde auf 125 ccm ein- 
gedampft. Der so erhaltene „konzentrierte‘‘ Kochsaft stellt 
eine braune, im Gegensatz zum normalen Kochsaft undurch- 
sichtige Flüssigkeit von neutraler Reaktion vor. Von diesem 
Präparat wurden auf 20 ccm Preßsaft vor Beginn des Lagerns, 
sodann nach 1, 2 und 3 Tagen je 5 com zugesetzt und nach 
l, 2 oder 4 Tagen dauerndem Lagern sowohl die Gärkraft 
(durch Zusatz von Zucker) als die Regenerierbarkeit (durch 
Zusatz von Zucker und 20 ccm normalem Kochsaft) geprüft. 
Kontrollversuche mit Preßsaft, der ohne Zusatz lagerte, ergaben 
eine sehr erhebliche Abnahme der Gärkraft und der Regenerier- 
barkeit bereits nach 24 Stunden (s. Tabellen Xa, 3 bis 6; 
Xb, 5 bis 8). Die Versuche mit Zusatz von konzentriertem 
Kochsaft wiesen dagegen nach 1, nach 2 und sogar nach 4 Tagen 
noch äußerst starke Gärkraft und vorzügliche Aktivierbarkeit 
auf. Bei der Versuchsreihe der Tabelle Xb wurde auch die 
Aktivierbarkeit des frischen Preßsaftes durch Zusatz von 20 ccm 
Kochsaft geprüft (Nr. 3 und 4); es ergab sich eine Gärkraft 
von rund 1,9 g Kohlendioxyd. Da noch weiter gesteigerte 
Kochsaftzusätze erfahrungsgemäß keine Erhöhung der Gärkraft 
mehr zur Folge haben, war damit die überhaupt mit diesem 
Safte erreichbare Gärleistung erzielt. Das gleiche Ergebnis hat 
nun die Aktivierung nach 1, 2 und beinahe auch noch nach 
4tägigem Stehen des Saftes unter Kochsaftzusatz erzielt (Nr. 11, 
12, 15, 16, 19 u. 20). Man kann demnach sagen, daß es durch 
den häufigen Kochsaftzusatz gelungen ist, die Zymase 2 Tage 
vollständig und 4 Tage lang fast unverändert zu konservieren. 

Hingewiesen sei endlich noch auf die starke Selbstgärung 
der Preßsäfte während des Lagerns unter Zusatz von konzen- 
triertem Kochsaft, eine Folge des hohen Glykogengehaltes des 
letzteren. 


E. Buchner und H. Haehn: 


212 


EZ 


PLZ 





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213 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 


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L6‘0)96°0 a. 


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"Zunse3ysg[og 





“JJegyooy] yovınp uroer wq sojesgosqg Sop JunIorarasuoy 
qx e11°4%L 


214 E. Buchner und H. Haehn: 


Verhalten des Kochsaftes gegenüber Lipase und gegen- 
über Pottasche. 


Zur Charakterisierung der wirksamen Stoffe im Kochsaft 
schienen uns zur Ergänzung der Arbeiten von Buchner und 
Klatte einige weitere Versuche mit Lipasen erwünscht; sie 
sind in Tabelle XI zusammengestellt und bestätigen das frühere 
Ergebnis. Auch diesmal bedienten wir uns einer Lipase- 
Emulsion aus Ricinussamen, für deren Überlassung wir den 
Vereinigten Chemischen Werken, A.-G., Charlottenburg, 
insbesondere Herrn Dr. E. Hoyer, besten Dank aussprechen. 
Die Veränderung des Kochsaftes beim Lagern mit dem 
Lipasebrei wurde jeweils durch Zusatz zu ausgegorenen Preß- 
säften ermittelt und trat deutlich in der Abnahme der Re- 
generationswirkung hervor. Es liegen zwei Versuchsreihen vor 
(s. Tab. XI). Die Versuche 1, 2, 11 u. 12 wurden ausgeführt mit 
normalem, nicht mit lipolytischen Enzymen behandeltem Koch- 
saft und dienen zum Vergleich; ebenso die Versuche 3, 4, 13 und 
14, bei welchen die Lipase-Emulsion durch 15 Minuten dauern- 
des Aufkochen unter Zusatz von einigen Kubikzentimetern 
Wasser, welche nach dem Abkühlen schließlich wieder abge- 
gossen werden können, da sie sich nicht mischen, ihrer Wirkung 
größtenteils beraubt worden war. Der Lipasebrei — und zwar 
5 ccm auf 20 com Kochsaft — blieb bei der ersten Versuchs- 
reihe (Versuche 3 bis 10) mit dem Kochsaft 1 Tag bei 22° 
stehen, bei den Versuchen der zweiten Reihe (13 bis 18) 3 Tage 
bei 35°. Vor Feststellung der Regenerationswirkung wurde 
immer kurz aufgekocht (2 Min.), um eine weitere Einwirkung 
der Lipase zu verhindern. Da nach den Erfahrungen von 
Connstein, Hoyer und Wartenberg die Reaktion der Lösung 
von außerordentlichem Einfluß auf die Schnelligkeit der Lipase- 
wirkung ist, haben wir die Versuche 5 und 6 mit der unver- 
änderten Lipase-Emulsion, 7 und 8 mit solcher der 0,015 g 
Essigsäure und 9, sowie 10 mit solcher, der 0,030 g dieser 
Verbindung zugesetzt worden waren, durchgeführt. Ein Unter- 
schied wurde dadurch nicht veranlaßt, d. h. die aus der Fabrik 
bezogene Lipase-Emulsion besitzt eben schon den genügenden 
Säuregehalt. Ferner sind die Experimente 15 und 16 wieder 
mit unverändertem Lipasebrei, 17 und 18 unter Zusatz von 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsaft. 215 


0,5 g Kaliumcarbonat auf 5 ccm Lipase-Emulsion ausgeführt. 
Auch diese letzten zwei Versuche, welche vor dem Zufügen 
zum ausgegorenen Preßsaft in der unten beschriebenen Weise 
(s. die Ausführungen zu Tabelle XII) mit Phosphorsäure neu- 
tralisiert worden waren, ergaben, wie 15 und 16, eine fast voll- 
ständige Vernichtung der Regenerationswirkung, obwohl doch 
die Lipase durch die alkalische Reaktion sehr stark gehindert 
worden sein dürfte. Wie in Tabelle XII gezeigt wird, zer- 
stört aber Potasche schon für sich die wirksamen Stoffe des 
Kochsaftes. 


Tabelle XI. 
Regenerationswirkung von mit Lipase gelagertem Kochsaft. 



















Regenerations- 
8 +0,2 Toluol. Vor-| Kohl — di 

com Toluol. Vor-| Kohlendioxyd in g 
E| Daten [Ss anetfehendtung des Koctr| nach Tagen 
E saftes 





Gelagert mit 












































Temp. 5 
1 | 26. April — 1,36] | normaler Kochsaft| 10 ‚1610, oaa = 0,10, 42 
2 e 0,7111,23: 1,34 (Kontrolle) 0, le ‚28; — ı0,42:0,43 
3 5 0,75|1,26| 1,37] aufgekochter 0,15.0,23 — /0,32|0,32 
4 u 0,76/1,30; 1,39 | Lipase-Emulsion 0,13'0,22| — |0,31j0,32 
5 Pr 0,72|1,28]| 1,38 frischer o 10,080,11| — 
6 »  10,7011,24|1,36| Lipase-Emulsion| N {0,08l0,11| — |0,14.0,14 
7 j 0,76 1,27| 1,37] stärker ange- 3S — 0,1210, 
8 ir 0,76 11,31|1,39 säuerter Lipase- 0,06,0,09| — :0,1210,12 
Emulsion Ei | 
F 0,70 1,23 1,331 noch mehr an- | m 0,06j0,09| — 0,12,0,12 
0,70.1,23| 1,33 |gesäuerter Lipase 0,06,0,09, — 10,12:0,12 


Emulsion 





11] 11.Mai |0,56:0,84 0,89] |normaler Kochsaft | |0,07| — 0,1710, 190,20 
12 » 10,54:0,8410, ‚89 (Kontrolle) 0,08! — 10,1710, 19 0,20 


13 „ \0,180.830,90| aufgekochter | a 10,06) — 0,10 0,13! — 

14 J 0,58 0,85 0.90 Lipase-Emulsion) & 10,06) — 0 ‚100, 13, — 

15| , 10,570,81j0,80| frischer 3 [001] — 0,01] — ge 

16| „.  |0,5610,84,0,80] Lipase-Emulsion < [901 — 10,011 — | — 

17 » |0,56.0,84/0,90| Lipase-Emulsion] & 10,01) — 0,011 — | — 

18 „  10,560,810,90|unter Potasche-| = 10,01] — 0,011 — — 
Zusatz * 





| 


216 E. Buchner und H. Haehn: 


Bei Betrachtung der Versuche über die Einwirkung von 
Kaliumcarbonat auf lagernden Preßsaft hatte sich die Vermutung 
eingestellt, daß jener Stoff schädlich auf das Ko-Enzym ein- 
wirke. Dadurch war Veranlassung gegeben, zu prüfen, ob Potasche 
auch auf lagernden Kochsaft eine schädliche Wirkung ausübt. Tat- 
sächlich hat sich dies als zutreffend erwiesen (s. Tabelle XII). 
In zwei Versuchsreihen wurde ausgegorener Preßsaft regeneriert 
durch normal hergestellten Kochsaft, durch Kochsaft, der 3 Tage 
bei 35° gestanden (Kontrollversuche) und durch Kochsaft, der 
unter Zusatz von Kaliumcarbonat (0,5 g auf 20 ccm) 3 Tage 
bei 35° gelagert hatte. Die letzterwähnten Versuche. (Nr. 5, 
6, 11 und 12) verliefen negativ, d. h. der Kochsaft hatte seine 
Regenerationswirkung eingebüßt. Der 3 Tage bei 35° auf- 
bewahrte Kochsaft der Kontrollversuche 3, 4, 9 und 10 -zeigte 
dagegen noch eine sehr deutliche Wirkung; daß sie in allen 
Fällen geringer ausfiel als die des normalen Kochsaftes (Nr. 1, 
2, 7 und 8), wird wahrscheinlich auf den ungünstigen Einfluß 
des langen Stehens bei erhöhter Temperatur zurückzuführen 
sein. Wie im folgenden gezeigt wird, setzt mehrmaliges Auf- 
kochen des Koohsaftes dessen Wirksamkeit regelmäßig herab; 
ähnlichen, wenn auch viel schwächeren Einfluß wird langes 
Lagern bei 35° ausüben. Bemerkt sei ferner, daß bei den Ver- 
suchen 5, 6, 11 und 12, nachdem sie 3 Tage gestanden hatten, 
neutralisiert wurde, um eine weitere Wirkung der Potasche 
während der Regenerierung auszuschließen. Es kam dazu Phos- 
phorsäure zur Verwendung, damit die entstehenden Salze keine 
Störung hervorrufen; nachdem schwach angesäuert war, wurde 
vorsichtig mit Natronlauge neutral gemacht. Erwähnt mag 
endlich noch sein, daß der 3 Tage bei 35° lagernde Kochsaft 
täglich eines erneuten Zusatzes von 0,2 ccm Toluol bedarf, da 
sich dieser Stoff bei der erhöhten Temperatur rasch durch den 
Wattestopfen hindurch verflüchtigt. 


Verhalten des Kochsaftes bei mehrmaligem 
Aufkochen. 


Nachdem gezeigt wurde, daß Kochsaft durch Lipasen, sowie 
schon durch Stehen mit Potasche bei 35° sehr geschädigt wird, 
ist es nicht überraschend, daß auch längeres Erhitzen un- 
günstig einwirkt. Die beiden Versuchsreihen der Tabelle XIII 


Über das Spiel der Enzyme im Hefepreßsatt. 217 


Tabelle XII. 
Regenerationswirkung von mit Pottasche behandeltem Kochsaft. 









Gärkraftbestim- 
mung: 20 ccm 





















Zusatz Regenerations- 






8 nn a 8g wirkung: 

g 0,2 em Tolol. nach S Tagen von Kohlendioxyd in g 
£ Kohlendioxyd | 20 ccm Kochsaft + 4 g nach Tazén 

2. in g nach Tagen] Rohrzucker + 0,2 ccm ag 


Toluol 





1 — |0,17:0,19 0,20 

2 0,08) — —J 

3 20 com Kochsaft, der |o 06| — 0,100., 130,13 

4 3 Tage bei 35° ge- 1008| — |0,10:0,13.0,18 
standen hat : u 

20ccm Kochsaft, der 

5 3 Tage bei 350 mit (0,011 — 10,011 — | — 

6 0,5g K,CO, gestan- [0,01] — 10,01) — | — 
den hat 












7 22h20 ccm normalem Koch-]0,10| — 0,22. 0,23 — 
8 saft 3) 0,10 — me = 
20 ccm Kochsaft, der — 
3 Tage bei 350 ohne I — Ep TE H 
Zusatzgestanden hat | ’ a 
11 0,44' — 10,651) 3 Tage bei 35° mit |0,00| — 10,00 0,00; — 


0,5 g K,CO, gestan- 


i cem Kochsaft, der 
den hat 


04 — [0.65 0,00! — 0,00,0,0 = 
lassen erkennen, daß jedes Aufkochen des Kochsaftes mit einer 
Schädigung verbunden und daß nach 6maligem Aufkochen (es 
wurde jedesmal bis eben zu starkem Aufschäumen erhitzt und 
dann etwa 1/, Stunde lang wieder abkühlen gelassen) nur mehr 
!/, bis !/, ‘der ursprünglichen Regenerationswirkung vorhanden 
ist. Es dürfte sich dabei um eine hydrolytische Spaltung der 
wirksamen Stoffe handeln. Beim Aufkochen tritt manchmal 
eine beträchtliche Trübung ein, die nur aus der heißen Flüssig- 
keit abfiltriert werden kann, da sie sich beim Erkalten wieder 
auflöst; das Abfiltrieren zeigte keinen großen, und zwar einen 
schwach begünstigenden Einfluß. 

Die Resultate führen praktisch zur Erkenntnis, daß der 
Kochsaft bei seiner Herstellung nur möglichst kurze Zeit er- 
hitzt werden darf, sonst erleidet er Schaden. 


1) Kochsaft war 10 Tage alt. 
2) Gärkraft nach 4 Tagen: 0,62 g CO,. 
3) Kochsaft war frisch bereitet. 


218 E. Buchner u. H. Haehn: Über d. Spiel d. Enzyme im Hefepreßsaft. 


Tabelle XIII. 
Längeres Erhitzen des Kochsaftes vermindert seine Wirksamkeit. 








Gärkraftbestim- 
mung: Je 20 ccm 










8 Zusatz nach 3 Tagen | Kohlendioxvd i 

5 Rohrzucker $ | von 20 com Kochsaft| nach Tagen © 
g 0,2 ccm Toluol | -4-4 g Rohrzucker 

E een maon | [08 oom Toluol 





dioxyd ing 




















































1 : 

2 normaler Kochsaft |1’18.0.3210.38|0,40 0,40 

3 3mal aufgekochter 090, 22 0,2610,28/0,29 

4 Kochsaft 

5 3mal aufgekocht und 0, 12 o 26 o; 3310, 36 ` 87 

6 heiß filtriert ‚13 0,26,0,33:.0,35 v, 37 

7 0,25,0,370,44.0,49 0,50 

8 normaler Kochsaft |1’24!0.380.43.0.47'0.48 

9 3mal aufgekochter 0,21 0,30 ,0 ‚35,0, 37 0,38 
10 Kochsaft 0.210, 31/0,36.0,39 0,40 
11 4mal aufgekooht und |0,18'0,27.0,31/0,33,0,33 
12 heiß filtriert 0,190, 28 0,32 .0,34 0,35 
13 4mal aufgekocht obne [0,17 0, 250, 29 0, 8l — 
14 u filtrieren 0, ‚170,2 250,28 10.29 — 
15 6mal aufgekocht ohne (0.,07 0, 100, 110, 12 — 
16 zu filtrieren 0,0710,09|0,1010,10| — 








Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 


Von 


F. Battelli und L. Stern. 
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Genf.) 
(Eingegangen am 22. Mai 1909.) 
Mit 4 Figuren im Text. 
I. 


Mit dem Namen Urikase!) haben wir ein oxydierendes, 
in mehreren Tiergeweben vorkommendes Ferment bezeichnet, 
das die Harnsäure unter Kohlensäureentwicklung zu Allantoin 
oxydiert, nach der Formel: 

C,H,N,0,+H,0+0=C6,H,N,0, +C0,. 

Die Harnsäurezersetzung durch überlebende Tierorgane ist 
von zahlreichen Forschern studiert worden und größtenteils 
einem besonderen Fermente, dem urikolytischen Fermente, 
zugeschrieben worden. Es ist jedoch möglich, vielmehr wahr- 
scheinlich, daß die Harnsäurezersetzung nicht durch einen ein- 
zigen Prozeß bedingt sei. So beobachtete Croftan*), daß die 
Menschenleber und Niere die Harnsäure im Laufe von 48 Stunden 
energisch zersetzen, während Wiechowski?) bei energischem 
Schütteln dieser Gewebe in Gegenwart von Sauerstoff im Laufe 
von 4 Stunden keine Harnsäurezerstörung konstatierte. Man 


1) BattellietStern, Recherches sur les échanges gazeux produits 
par le ferment uricolytique. Soo. de Biol. 66, 411, 1909. — Idem, 
L’urioase dans les différents tissus animaux. Soc. de Biol 66, 612, 1909. 

8) Croftan, Zur Kenntnis der Harnsäureumwandlung im Tier- und 
Menschenkörper. Pflügers Archiv 121, 377, 1908. 

3) Wiechowski, Über die Zersetzlichkeit der Harnsäure im 
menschlichen Organismus. Arch. f. experim. Pathol u. Pharmakol. 60, 
185, 1909. 


220 F. Battelli und L. Stem: 


könnte somit annehmen, daß in den Versuchen von Croftan 
die Harnsäurezersetzung durch die Niere und die Leber des 
Menschen nicht als Wirkung eines oxydierenden Ferments auf- 
zufassen sei, sondern daß es sich hierbei um einen anderen 
Prozeß, vielleicht um einen hydrolytischen Vorgang handele. 

Ebenso hat Wiener!) die Beobachtung gemacht, daß so- 
wohl in vivo wie in vitro die Harnsäure unter Bildung von 
Glykokoll zersetzt werden kann. Nun kann aber das Glykokoll 
durch einfache hydrolytische Spaltung der Harnsäure ohne Ein- 
wirken von Sauerstoff entstehen, nach folgender Formel zum 
Beispiel: 

C,H,N,O,+5H,0=C,H,NO,+3C0,—+3NH,. 

Wir glauben also, daß es vorteilhafter sei, das die Harnsäure 
unter Allantoinbildung oxydierende Ferment gesondert zu be- 
trachten. Wir haben diesem Fermente die Bezeichnung Uri- 
kase gegeben. 

Die Urikase scheint spezifisch zu sein. Unter anderem 
muß man sie auch von der Xanthinoxydase unterscheiden, wie 
Burian?) und Schittenhelm?) gezeigt haben. 

Die Forscher, die vor uns die Harnsäurezersetzung in 
Gegenwart von überlebenden Tiergeweben studiert haben, haben 
diese Frage entweder vom Standpunkte der Harnsäurezersetzung 
selbst oder vom Standpunkte der Zersetzungsprodukte aus be- 
trachtet. Im Gegensatz zu unseren Vorgängern haben wir in 
vorstehender Arbeit hauptsächlich den Gasaustausch der isolierten 
Tiergewebe und das Studium der im Tierorganismus existierenden 
Oxydationsfermente vor Augen. 

Das Studium aller bisher bekannten, in den Geweben der 
höheren Tiere vorkommenden Fermente bietet ziemlich große 
Schwierigkeiten. Die Urikase hingegen ist ein Ferment, das in 
gewissen Geweben in sehr großer Menge vertreten ist, dessen 


1) Wiener, Über Zersetzung und Bildung der Harnsäure im Tier- 
körper. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 42, 375, 398, 1899. 

2) Burian, Über die oxydative und die vermeintliche synthetische 
Bildung von Harnsäure im Rinderleberauszug. Zeitschr. f. physiol. Chem. 
43, 497—532, 1905. 

3) Schittenhelm, Über die Harnsäurebildung und die Harn- 
säurezersetzung in den Auszügen der Rinderorgane. Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 45, 121, 1905. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben: 221 


Bereitung und Konservierung sehr leicht ist und das sich zu 
systematischen längeren Untersuchungen sehr gut eignet. Übrigens 
beobachtet man unter dem Einflusse der Urikase nicht nur eine 
Aufnahme von Sauerstoff, sondern zugleich auch eine Entwick- 
lung von Kohlensäure. Wir haben also in der Urikase ein 
echtes Atmungsferment vor uns. 

Bis jetzt kannte man nur die Pyrogallussäure, die unter 
der Einwirkung pflanzlicher Oxydasen Kohlensäure zu ent- 
wickeln vermochte. 

In dieser Arbeit untersuchen wir bloß die Steigerung des 
Gaswechsels unter dem Einflusse der Urikase — eine Frage, 
die bisher von keinem der uns vorangegangenen Forscher in 
Betracht gezogen worden ist. Immerhin sind einige unserer 
dabei erzielten Resultate bereits von früheren Forschern, die 
sich mit dem Studium der Harnsäurezersetzung durch Tier- 
gewebe beschäftigt hatten, konstatiert worden. Eine eingehen- 
dere bibliographische Übersicht findet sich in der grundlegenden 
Arbeit von Wiechowski und Wiener!),. Wir veröffent- 
lichen an anderer Stelle eine vollständige Bibliographie dieser 
Frage.) 

Faßt man die Resultate der zahlreichen Arbeiten kurz zu- 
sammen, so ergibt sich, daß eine fermentative Harnsäure- 
zersetzung in mehreren Geweben von vielen Forschern beobachtet 
worden ist. 

Das Studium der bei der Harnsäurezersetzung entstehenden 
Produkte hat keine einheitlichen Resultate geliefert. Einige 
Autoren behaupten, daß sich bei der Harnsäurezerstörung Harn- 
stoff bilde. Wiechowski?) findet hingegen, daß bei Sauerstoff- 
zufuhr das urikolytische Ferment die Harnsäure quantitativ in 
Allantoin verwandelt. 

Bisher sind nur wenige Versuche gemacht worden, mit 
einer gewissen Präzision den Gehalt der verschiedenen Gewebe 

1) Wiechowski und Wiener, Über Eigenschaften und Darstel- 
lung des harnsäurezerstörenden Ferments der Rinderniere und der Hunde- 
leber. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 247—295, 1907. 

2) Battelli et Stern, Recherches sur l’uricase. Travaux du labora- 
toire de physiologie de l'université de Genève 1908—1909. 

3) Wiechowski, Die Produkte der fermentativen Harnsäurezer- 


setzung durch tierische Organe. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
9, 295, 1907. 


222 F. Battelli und L. Stern: 


an urikolytischen Fermenten quantitativ zu bestimmen. Die 
eingehendsten Untersuchungen in der Beziehung verdanken wir 
Croftan!). Er gibt an, daß unter allen daraufhin untersuchten 
Geweben die Leber und die Niere die bei weitem reichsten an 
urikolytischem Ferment seien. Die anderen Organe enthalten 
nur wenig oder gar kein urikolytisches Ferment. 

Die Darstellung des urikolytischen Ferments ist von 
mehreren Forschern versucht worden (Schittenhelm, Wiener, 
Wiechowski und Wiener, Croftan). Die dabei angewandten 
Methoden sind natürlich ziemlich dieselben wie bei der Iso- 
lierung anderer Fermente und beruhen auf der Fällung durch 
Alkohol, verdünnte Säuren, Ammonsulfat usw. 

Die Eigenschaften des urikolytischen Ferments sind nament- 
lich von Wiechowski und Wiener?) in bezug auf den Ein- 
fluß höherer Temperaturen, Säuren, Alkalien, proteolytischer 
Fermente usw. studiert worden. 

In bezug auf die Natur selbst des urikolytischen Ferments 
nehmen Wiechowski und Wiener an, daß es eine Oxydase 
sei, weil die Harnsäurezersetzung bei Sauerstoffausschluß nicht 
stattindet. Doch muß man immerhin annehmen, daß die 
Urikolyse, wie wir bereits hervorgehoben haben, auch in Ab- 
wesenheit von Sauerstoff, wenn auch viel langsamer, vor sich 
gehen kann. 

Der Einfluß der Harnsäure auf den respiratorischen 
Gaswechsel der überlebenden Tiergewebe ist vor uns 
nur von Lussana?) untersucht worden. Letzterer findet, daß 
die harnsauren Salze in einer Konzentration von 0,07 — 0,14: 100 
die Atmung der Leber der Säugetiere und der Vögel herab- 
setzen. Das harnsaure Natrium und Kalium üben auf die Atmung 
der Muskeln keine Wirkung aus; das harnsaure Ammonium 
hat nur eine schwache Wirkung; das harnsaure Calcium wirkt 
deutlich schädigend auf den respiratorischen Gaswechsel. 

Unsere Resultate betreffend den Gaswechsel der Leber 
mehrerer Säugetiere stimmen natürlich mit denen von Lussana 
nicht überein, da unsere Methode der Urikasebestimmung auf 


1) Croftan, l. c. 

2) Wiechowski und Wiener, l. o. 

3) Lussana, Action de l’urde, de l'acide urique, des urates et des 
aminoacides sur la respiration des tissus. Soc. de Biol 66, 250, 1909. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 223 


der Steigerung des Gaswechsels durch Zusatz von Harnsäure 
begründet ist. 


II. Methode. 


&) Vorversuche. 


Die quantitative Bestimmung der Urikase ist in unseren Unter- 
suchungen auf dem Gasaustausch der Gewebe mit oder ohne Harnsäure- 
zusatz begründet: Es war also notwendig, sich zuerst zu überzeugen, 
ob die Harnsäure an und für sich nicht störend auf die Gewebestmung 
wirkt, was natürlich die Resultate stark getrübt hätte. Lussana (l. c.) 
hatte in seinen Versuchen die Beobachtung gemacht, daß das harnsaure 
Natrium die Atmung der Leber herabsetze. Wir haben jedoch seine Re- 
sultate nicht bestätigen können. 

Er findet außerdem, daB das harnsaure Natrium die Atmung der 
Muskeln nicht beeinflußt, was wir vollauf bestätigen konnten. 

Wir haben sodann untersucht, ob die Urikase in den Geweben nach 
dem Tode abnimmt, und haben gefunden, daß dieselbe nicht nur nicht 
verschwindet, sondern vielmehr oft etwas zunimmt. Diese scheinbare 
Zunahme der Urikase ist wahrscheinlich die Folge der Abschwächung 
der in den Geweben enthaltenen hemmenden Substanzen. 

Die Untersuchung und Messung der Urikase ist in einigen Ge- 
weben durch das Vorhandensein die Harnsäurezerstörung hemmender 
Substanzen erschwert. 

Das Vorhandensein hemmender Substanzen ist bereits von Künzel 
und Schittenhelm!) bemerkt worden. Die Menge dieser hemmenden 
Substanzen kann bisweilen so groß sein, daß das Gewebe völlig inaktiv 
gegenüber der Harnsäure scheint. Wir haben immerhin die Beobachtung 
gemacht, daß mehrere Gewebe, die in frischem Zustande keine Urikase 
zu besitzen schienen, Harnsäure ziemlich energisch oxydieren, sobald sie 
mit Alkohol und Ather behandelt worden sind. Man könnte somit an- 
nehmen, daß die Fällung mit Alkohol und Äther die hemmenden Sub- 
stanzen abschwächt oder vernichtet. Jedenfalls besitzen wir in der Alkohol- 
Atherfällung ein Verfahren, das uns zu bestimmen gestattet, ob ein Ge- 
webe, welches in frischem Zustande die Harnsäure nicht oxydiert, Uri- 
kase enthält oder nicht. Dieses Verfahren ermöglicht außerdem, die 
Urikase sebr lange in trockenem Zustande aufzubewahren, ein Umstand, 
der bei der Durchführung systematischer, untereinander vergleichbarer 
Untersuchungen an ein und demselben Gewebe von großer Wichtigkeit 
ist. Die quantitativen Bestimmungen der Harnsäure haben ergeben, daB 
die Zerstörung der Harnsäure durch die Steigerung der Kohlensäure- 
bildung sehr gut gemessen werden kann. Die Zersetzung von 0,10 g Harn- 
säure entspricht in unseren Versuchen einer Steigerung von ungefähr 


1) Künzel und Schittenhelm, Gegenseitige Beeinflussung der 
Fermente des Nucleinstoffwechsels. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 
5, 393, 1909. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 15 


224 F. Battelli und L. Stern: 


13 com in der Kohlensäureentwicklung. Bei der Oxydation der Harn- 
säure zu Allantoin beträgt die theoretische Kohlensäurebildung 13,3 com: 
Außerdem findet man, daß, welcher Art auch die Präparation der Uri- 
kase sei, man für ein gegebenes Gewicht zerstörter Harnsäure annähernd 
dieselben Kohlensäurewerte erhält. 

Es blieb nun noch zu beweisen, daß in unseren Versuchen die 
Steigerung der Kohlensäurebildung ausschließlich auf Kosten der Harn- 
säureoxydation geschieht, d. h. durch die Einwirkung der Urikase und 
keineswegs durch einen anderen, z. B. hydrolytischen Vorgang bedingt 
ist. Wiechowski hatte bereits gesehen, daß bei Sauerstoffausschluß 
die Harnsäure im Laufe von 4 Stunden durch die Gewebe nicht ange- 
griffen wird. Wir haben ebenfalls die Beobachtung gemacht, daß bei 
Sauerstoffabschluß die Harnsäure keine Steigerung der Kohlensäureent- 
wioklung in den Geweben im Laufe von 3 Stunden — maximale Dauer 
unserer Versuche — bewirkt. 


b) Definitive Methode. 


Auf Grund des soeben Gesagten verfahren wir bei der Untersuchung 
der Urikase auf folgende Weise: 

Vorhandensein der Urikase in den Geweben. Die zu unter- 
suchenden frischen, zerriebenen Gewebe oder deren Alkohol-Äthernieder- 
schlag mit oder ohne Harnsäurezusatz werden in Gegenwart von Sauer- 
stoff im Thermostaten energisch geschüttelt, und am Schlusse des Ver- 
suchs die absorbierte Sauerstoffmenge sowie die entwickelte Kohlensäure- 
menge bestimmt. Wenn in dem die Harnsäure enthaltenden Kolben die 
Menge des absorbierten Sauerstoffs und namentlich die der entwickelten 
Kohlensäure größer ist als in dem Kontrolikolben, so schließt man 
daraus, daß das betreffende Gewebe Urikase enthält. 

Die quantitative Bestimmung der Urikase. Die quantita- 
tive Bestimmung der Urikase ist auf der Steigerung des Gaswechsels 
unter dem Einflusse des Harnsäurezusatzes begründet. Hierbei könnte 
man die Steigerung, sei es der Sauerstoffaufnahme, sei es der Kohlen- 
säureabgabe, in Betracht ziehen. Wir werden später sehen, daß je nach 
den Versuchsbedingungen der respiratorische Quotient, der durch den 
Harnsäurezusatz bedingt ist, bedeutende Änderungen aufweisen kann, 
Diese Änderungen betreffen nur die Sauerstoffaufnahme. Die Steigerung 
der Kohlensäureentwicklung ist für ein bestimmtes Gewicht Harnsäure 
eine fast konstante Größe, wie wir es bereits früher gesagt haben. 

Der Urikasegehalt eines Gewebes wird also durch die Steigerung 
der Kohlensäurebildung bestimmt werden. 

Mehrere Faktoren beeinflussen die Zersetzung der Harnsäure durch 
die Urikase. All diese Faktoren müssen konstant gehalten werden, wenn 
man untereinander vergleichbare Resultate bei der quantitativen Be- 
stimmung der Urikase erzielen will. Unter den in Betracht kommenden 
Einflüssen müssen vor allem die Dauer des Schüttelns, die Temperatur 
des Thermostaten, die Alkalinität des Mediums, die Flüssigkeitsmenge 
und die Menge der hinzugesetzten Harnsäure konstant gehalten werden. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben; 225 


Die Menge der zersetzten Harnsäure hängt natürlich von der Dauer 
des Schüttelns ab. In den Versuchen zur quantitativen Bestimmung 
der Urikase in den versohiedenen Geweben betrug die Dauer des Sohüt- 
telns 1 Stunde, 

Die Temperatur des Thermostaten betrug 38 bis 40°, 

Die Menge der Flüssigkeit, in der das Gewebe suspendiert wurde, 
betrug 100 com. 

Die Alkalinität des Mediums variüerte je nach der Gewichtsmenge 
des benutzten Gewebes. Wir werden später, nach der Besprechung der 
Zubereitung der Gewebe, darauf zurückkommen; 

Die hinzugesetzte Harnsäure muß im Überschusse sein, so daß am 
Schlusse des Versuchs ein Teil unzerstörter Harnsäure zurückbleibt. 
Andrerseits ist die Menge der hinzugesetzten Harnsäure von gewissem 
Einflusse auf die Größe der Harnsäurezerstörung. 

Wir verwendeten immer 0,20 g Harnsäure, und am Schlusse des 
Versuchs müssen ungefähr 0,10 g unzerstörter Harnsäure wiedergefunden 
werden können, d. h. die Steigerung der Kohlensäureentwicklung unter 
dem Einflusse des Harnsäurezusatzes darf nicht mehr als ungefähr 13 ccm 
CO, betragen. Wenn die durch die Oxydation der Harnsäure gelieferte 
Kohlensäure mehr als 13 ocm beträgt, muß der Versuch unter Anwen- 
dung kleinerer Gewebemengen wiederholt werden; 

Die quantitative Bestimmung der Urikase kann in gewissen frischen 
Geweben infolge der darin enthaltenen hemmenden Substanzen nicht 
exakt ausgeführt werden. Wir wissen nicht, ob diese hemmenden Sub- 
stanzen in allen Geweben vorkommen. 

Die Zubereitung des in frischem Zustande zu unter- 
suohenden Gewebes ist sehr einfach. Das Gewebe wird in einer ge- 
wöhnlichen feinlöcherigen Fleischhackmaschine zerrieben, so daß der Ge- 
webebrei in der Flüssigkeit suspendiert bleibt. 

Die Zubereitung des Alkohol-Ätherniedersohlages ge- 
schieht auf folgende Weise: Das vorher fein zerriebene Gewebe wird mit 
drei Volumen Alkohol versetzt und 5 Minuten lang verrührt. Man preßt 
es sodann durch ein Tuch, verrührt den Rückstand 2 Minuten lang mit 
dem 3- bis 4fachen Volumen Äther und preßt ihn von neuem stark 
durch ein Leinwandtuch. Der so erhaltene Rückstand wird in dünner 
Schicht auf Filtrierpapier gebreitet und während 24 Stunden an der 
Luft getrocknet. Nach 24 Stunden ist der Rückstand trocken genug, 
um zu den betreffenden Versuchen benutzt werden zu können, Der 
Kürze halber wollen wir dieses Präparat in der Folge als Alkoholnieder- 
schlag bezeichnen. Im Durchschnitt liefern 100 g frischer Leber unge- 
fähr 30 g Alkoholniederschlag, während 100 g frischer Niere nur 20 g 
Alkoholniederschlag liefern. 

Die Harnsäure wird in Form von Säure hinzugesetzt. weil in 
allen von uns untersuchten harnsauren Salzen stets Carbonate in mehr 
oder minder großer Menge vorkommen. Bei Beginn des Versuchs fügen 
wir die nötige NaOH-Menge hinzu, um die Harnsäure in saures harn- 

15* 


226 F. Battelli und L. Stern: 


saures Salz zu verwandeln, d. i. 5 com einer 1°/, igen NaOH-Lösung, zu 
je 0,20 g Harnsäure. Die gewünschte Alkalinität des Mediums wird 
durch Hinzufügen von NH, erzielt. Die Menge des hinzugefügten NH, 
variierte mit der benutzten Gewebemenge. Duroh Vorversuche hatten 
wir gefunden, daß die günstigste Alkalinität folgenden Werten entspricht: 
Für 30 g frischen Gewebes oder 10 g Alkoholniederschlages eine NH,- 
Konzentration von 0,70 : 1000; für 15 g frischen Gewebes oder 5g Alkohol- 
niederschlags eine NH,-Konzentration von 0,50: 1000 und endlich für 
noch kleinere Gewichtsmengen unter 10 g frischen Gewebes und 3 g Alkohol- 
niederschlages eine NH,-Konzentration von 0,40: 1000. 

Dank dieser ziemlich ausgesprochenen Alkalinität, wodurch die ent- 
wickelte Kohlensäure gebunden wird, kann man die Sauerstoffaufnahme 
messend leicht verfolgen, wenn man den Versuchskolben mit einem Mano- 
meter in Verbindung setzt. 

Die Versuchsanordnung selbst ist folgende: Der Kolben von einem 
Rauminhalte von 400 ccm wird völlig in das Wasser des Thermostaten 
versenkt. Man bringt sodann schnell die nötige NH,-Menge, 0,20 g Harn- 
säure, Doom NaOH à 1°/, und die nötige Menge destillierten Wassers, 
um auf 100 ccm aufzufüllen, hinein. Der Kolben wird verschlossen und 
einige Minuten lang geschüttelt, damit die Flüssigkeit eine Temperatur 
von 40° erreiche und auch damit die hinzugesetzte Harnsäure sich löse. 
Man führt sodann das zu untersuchende Gewebe hinein und läßt den 
Kolben dann energisch schütteln. Der Kontrollversuch wird in ganz der- 
selben Weise ausgeführt, nur ohne Zusatz von Harnsäure und der zur 
Lösung derselben nötigen Na0OH-Menge. 

Nachdem nun das Schütteln die gewünschte Zeit gedauert hat, 
1 Stunde zum Beispiel, führt man in jeden Kolben 3 ccm konzentrierter 
Phosphorsäure ein, wodurch die Urikase sowie die Atmungsprozesse der 
Gewebe sofort vernichtet werden. Die Oxydation der Harnsäure hört 
somit auf. Die Phosphorsäure wird durch ein den Stöpsel des Kolbens 
durchsetzendes Rohr eingeführt, ohne den Kolben selbst zu öffnen: Man 
schüttelt alsdann noch 5 Minuten lang, um die Kohlensäure frei zu 
machen und schreitet zur Analyse der im Kolben vorhandenen Gase. 

Die Analyse des Sauerstoffs und der Kohlensäure, die in der Gas- 
atmosphäre des Kolbens vorhanden sind, wird nach den gewöhnlichen 
gasanalytischen Methoden ausgeführt. Es bleibt nur noch, die in der 
Flüssigkeit gelösten Gase zu bestimmen. Die Sauerstoffmenge der Lösung 
kann unbeachtet bleiben. Um die Kohlensäuremenge der Lösung zu 
bestimmen, wird die Flüssigkeit schnell in einen Kolben gebracht und 
die Kohlensäure mit Hilfe der Quecksilberpumpe extrahiert. 


III. Der Urikasegehalt der verschiedenen Gewebe. 


Mit Hilfe der von uns soeben beschriebenen Methode haben wir 
die Menge der in den verschiedenen Geweben vorhandenen Urikase zu 
bestimmen gesucht. Die Gewebe sind sowohl in frischem Zustande, als 
in Form von Alkohol-Ätherniederschlägen untersucht worden. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 227 


In diesen Versuchen sind die frischen Gewebe mehrere Stunden nach 
dem Tode des Tieres untersucht worden, zu einer Zeit also, als sie nur 
noch die Nebenatmung besaßen, mit Ausnahme der roten Muskeln, bei 
denen bekanntlich die Hauptatmung häufig recht lange andauert. 

Die Gewebe sind teils aus dem Schlachthofe bezogen, teils ent- 
stammen sie den im Laboratorium durch Verbluten getöteten Tieren. 
Die menschlichen Gewebe stammen von zwei normalen Männern und einer 
normalen Frau, die durch Unfall getötet wurden. Außerdem haben wir 
die Gewebe mehrerer an verschiedenen Krankheiten gestorbener Personen 
untersucht. 

In allen diesen Versuchen betrug die Dauer des Schüttelns 1 Stunde. 
Die Temperatur war 38°. 

Wir haben die Beobachtung gemacht, daß es zahlreiche 
Gewebe gibt, die weder in frischem Zustande noch nach vor- 
heriger Alkohol- Ather-Behandlung merkliche Urikasemengen auf- 
weisen. Unter diesen Geweben sind vor allem die menschlichen 
Gewebe zu nennen. Kein einziges menschliches Organ hat 
unter dem Einflusse des Harnsäurezusatzes eine Steigerung des 
Gasaustausches aufgewiesen. In der Beziehung stimmen also 
unsere Resultate mit den Angaben von Wiechowski!) völlig 
überein, der im Gegensatz zu Pfeiffer und Croftan das uri- 
kolytische Ferment in den menschlichen Geweben nicht kon- 
statieren konnte. 

Alle anderen Säugetiere, deren Gewebe wir daraufhin unter- 
sucht haben, enthalten Urikase in dem. einen oder anderen 
Organe. Die Gewebe der Ente enthalten hingegen keine 
Urikase. = 

Unter den Geweben, in denen keine Urikase konstatiert 
werden konnte, sind außerdem die folgenden zu nennen: die 
Lunge (von Pferd, Hund und Hammel), die Milz (von Hund, 
Rind und Hammel), das Pankreas (von Pferd), das Gehirn 
(von Hund), die Muskeln (von Hund, Rind und Hammel) 
und die Niere (von Hammel). Das Blut der verschiedenen 
von uns untersuchten Tiere (Pferd, Rind, Hammel) enthält 
keine Urikase. — 

Zu den urikasehaltigen Geweben. übergehend,- geben wir 
in der Tabelle I eine Zusammenstellung der Durchschnitts- 
mengen der durch diese Gewebe im frischen Zustande oder 


1) Wiechowski, Über die Zersetzlichkeit der Harnsäure im mensch- 
lichen Organismus. Aroh. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 60, 185, 1909. 


228 F. Battelli und L. Stern: 


in Form von Alkoholätherniederschlägen entwickelten Kohlen- 
säure. Diese Werte werden dazu dienen, den Gehalt der ver- 
schiedenen Gewebe an Urikase zu bestimmen. Jeder numerische 
Wert ist die Durchschnittezahl von mindestens drei Versuchs- 
reihen, d. h. das betreffende Gewebe wurde an mindestens drei 
Individuen derselben Tiergattung untersucht und daraus der 
Mittelwert bestimmt. Aber für mehrere Gewebe ist die an- 
gegebene Kohlensäuremenge die Durchschnittezahl einer sehr 
großen Anzahl von Versuchsergebnissen. 


Tabelle I. 


Durchschnittsmenge der in den verschiedenen frischen Ge- 
weben oder deren Alkoholniederschlägen enthaltenen Urikase. 
Die Urikasemenge ist aus der durch Harnsäurezusatz bewirkten 
Steigerung der Kohlensäureentwicklung in Gegenwart von 100g 
frischen Gewebes oder 30 g Alkoholniederschlages desselben 
berechnet. Das Schütteln dauerte in allen Versuchen 1 Stunde 
und die Temperatur des Thermostaten betrug 38° C. 





Gewebe Zustand des Gewebes | CO, in ccm 
Leber von Pferd. .... . frisch 106 
idem ocu 88 8.6 Alkoholniederschlag 68 
Leber von Hund ..... frisch 8l 
Wem 2.0: wre g Alkoholniederschlag 53 
Leber von Katze ..... frisch 89 
idem . 2... 2.2. 00.0 Alkoholniederschlag 
Leber von Kaninchen . . . frisch 62 
idem 2.5.8 0 
Leber von Rind... ... . & 
dem u. a 21 
Leber von Hammel . z 12 
idem . . 2» 202 20% 40 
Niere von Pferd... .. . 18 
idem u u 37 
Niere von Hund. ..... 6 
dem .. ..... Ka 7 
Niere von Rind . .... . 142 
idem . 2. 2 2 220200. 94 
Milz von Pferd ...... i 00 
idem u. 23: 0 ee er ee Alkoholniederschlag 14 
Muskel von Pferd ..... frisch 8 


idem . 2.202000 Alkoholniederschlag 00 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 229 


Nach den in der Tabelle I zusammengestellten Versuchs- 
ergebnissen können wir die frischen Gewebe in bezug auf ihren 
Urikasegehalt in absteigender Reihenfolge wie folgt ordnen: 
Niere des Rindes, Leber des Pferdes, Leber der Katze, Leber 
des Hundes, Leber des Kaninchens, Niere des Pferdes und Leber 
des Hammels. 

Die Leber des Rindes, die Niere des Hundes und die 
Muskeln des Pferdes weisen nach Zusatz von Harnsäure eine 
nur schwache Steigerung der Kohlensäureentwicklung auf. 

Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß das Vorhanden- 
sein der Urikase durch die Wirkung der hemmenden Substanzen 
maskiert werden kann. Aus dem Grunde ist es unmöglich, mit 
Bestimmtheit zu behaupten, daß ein gegebenes Gewebe keine 
Urikase enthalte. Die negativen Resultate sind nicht beweisend. 
Außerdem ist wahrscheinlich die Menge der in den verschiedenen 
Geweben enthaltenen hemmenden Substanzen nicht überall die 
gleiche. Daraus folgt, daß wir die reelle Menge der in einem 
Gewebe enthaltenen Urikase nicht bestimmen können. Wir 
können bloß für jedes Gewebe die aus dem Zusammenwirken 
der Urikase und der hemmenden Substanzen resultierende 
aktive Urikasemenge bestimmen. 

Will man die Urikasewerte durch die Menge der zerstörten 
Harnsäure ausdrücken, so genügt es, zu wissen, daß die Oxy- 
dation von 1 g Harnsäure 133 com CO, liefert. Wir können 
auf diese Weise berechnen, daß 100 g frischer Rinderniere im 
Laufe einer Stunde bei 38° im Durchschnitte 1,06 g Harnsäure 
zerstören. Wenn wir nun die Oxydation der Harnsäure durch 
die Niere des Rindes (100 g Rinderniere zerstören im Laufe 
einer Stunde 1,06 g Harnsäure) mit 100 bezeichnen, können 
wir folgende graphische Darstellung der durch die verschiedenen 
Gewebe bewirkten Harnsäureoxydation geben. 

Betrachtet man die durch die Alkoholätherniederschläge 
der Gewebe bewirkte Oxydation der Harnsäure, so findet man, 
daß in den an Urikase überaus reichen Geweben, wie die Niere 
des Rindes, die Leber des Pferdes u. a., die Behandlung mit 
Alkohol und Äther eine Abschwächung resp. Verminderung des 
harnsäureoxydierenden Fermentes zur Folge hat. Andere Ge- 
webe hingegen, wie die Leber des Hammels und des Rindes, 
die Niere des Pferdes und die Milz des Pferdes entwickeln nach 


230 F. Battelli und L. Stern: 


vorheriger Behandlung mit Alkohol und Äther eine bedeutend 
energischere Oxydationskraft der Harnsäure gegenüber als in 
frischem Zustande. In mehreren Fällen haben wir beobachten 
können, daß das frische Gewebe völlig inaktiv in bezug auf 
Harnsäureoxydation schien, während der Alkoholäthernieder- 


100 


Leber — 
Rind 


90 

80 — 

70 - 

60 

50 

40 — 

30 - 

20 _ 

10 _ 

0_ 
ai sr aO ao 77 757 77 rm 
Su èp eg Pu pg Pp >g pp > 
sa BaO pa ga pg ga Hi gi gi 
© 2 9 2 
z S 3 8 AM Z KL 3 z 

Fig. 1. Urikasegehalt der verschiedenen Gewebe in frisohem Zustande. 


schlag desselben die Harnsäure energisch oxydierte. Die 
Fällung mit Alkohol kann somit oft dazu dienen, die Gegen- 
wart der Urikase in einem gegebenen Gewebe hervortreten zu 
lassen. l 

Wenn man nun die durch den Alkoholniederschlag der 
Rinderniere bewirkte Harnsäureoxydation (30 g Alkoholnieder- 
schlag der Rinderniere zerstören in 1 Stunde 0,70 g Harnsäure) 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 231 


mit 100 berechnet, kann man folgende graphische Darstellung 
der durch die Alkoholniederschläge der verschiedenen Organe 
bewirkten Harnsäureoxydation geben. 

Bei fast allen daraufhin untersuchten Tierarten scheint die 
Urikase in wahrnehmbarer Menge nur in der Leber und der 


100 


90 


80 — 


70 


60 


50 


40 — 


30 — 


} 
Leber Mi 
Hammel 


} 


Niere Ya 
Rind 
Leber von 
Hund 
Niere yaı 
Pferd 
Leber von 
Rind 
Milz von 
Pferd 
Niere we} 
Hund 


Fig. 2. Urikasegehalt der Alkoholniederschläge der verschiedenen Gewebe. 


Niere zu existieren. Doch können wir in der Beziehung den 
von Croftan gemachten Unterschied im Verhalten der Fleisch- 
und Pflanzenfresser nicht bestätigen. — Wir fanden, daß beim 
Pferde, dem Hammel und dem Hunde die Leber das an Urikase 
bei weitem reichste Organ ist, während beim Rinde die Niere 
in dieser Beziehung den ersten Platz einnimmt. 


232 F. Battelli und L. Stern: 


IV. Herstellung der Urikase. 


Wie wir bereits früher gesagt haben, haben mehrere Forscher ver- 
sucht, das urikolytische Ferment aus den Geweben zu isolieren. Wir 
haben zu dem Zwecke die Fällung mit Alkohol benutzt, ein Verfahren, 
welches sehr gute Resultate liefert, aber nur unter der Bedingung, daß 
der Kontakt mit dem Alkohol von kurzer Dauer sei — ein Umstand, 
der von den verschiedenen Forschern nicht in Betracht gezogen worden 
war. — Als Ausgangsmaterial für die Herstellung der Urikase haben wir 
größtenteils die Niere des Rindes und die Leber des Pferdes benutzt. 

Bei der Bereitung des Fermentes kann man auf dreierlei Art ver- 
fahren. Man kann sich begnügen, das fein zerriebene Gewebe direkt mit 
Alkohol zu behandeln, ein Verfahren, das wir unter dem Namen Alko- 
holätherniederschlag bei der Beschreibung unserer Versuchsiechnik bereits 
beschrieben haben. Wir haben gesehen, daß unter diesen Bedingungen 
der Verlust an Urikase nicht sehr groß ist, aber es ist augenscheinlich, 
daß das auf diese Weise erhaltene Gewebepulver große Mengen inerter 
Substanzen besitzt; Bei dem soeben angegebenen Verfahren ist eine 
längere Einwirkung des Alkohols weniger schädigend als in den folgen- 
den Methoden, wo der Alkohol nicht direkt dem Gewebebrei, sondern 
einem wässerigen Auszuge desselben zugesetzt wird. Gewöhnlich bleibt 
die Urikase in den soeben beschriebenen Präparaten wochen- und mo- 
natelang intakt; Manchmal hingegen erfährt das Ferment bereits nach 
wenigen Tagen eine Abschwächung. 

Wir haben versucht, die auf diese Weise durch Alkoholätherfällung 
erhaltene Urikase durch eine zweite Fällung mit Alkohol zu reinigen. 
Zu dem Zwecke fügt man zu 100 g des Alkoholätherniederschlags, der 
zuvor zu Pulver fein zermahlen worden ist, 500 com einer NH,-Lösung 
in einer Konzentration von 1:2500 und läßt das Ganze unter wieder- 
holtem Umrühren 4 Stunden lang bei Zimmertemperatur. Die klare 
Flüssigkeit wird abgehoben, mit 2,5 Volumen Alkohol versetzt und schnell 
zentrifugiertt. Der Niederschlag wird schnell mit 2 oder 3 Volumen 
Ather gewaschen und von neuem zentrifugiert. Der gewaschene Nieder- 
schlag wird zwischen Filterpapier ausgepreßt und an der Luft getrocknet. 
Der Kontakt des Alkohols mit der zu fällenden Flüssigkeit muß so kurz 
wie möglich sein, andernfalls die Urikase fast vollständig zerstört wird. 
Aus dem Grunde muß man zentrifugieren; das Filtrieren würde zu lange 
dauern. Man fällt also immer nur die Menge De die unverzüg- 
lich zentrifugiert werden kann. 

Bei gutem Zentrifugieren erhält man einen echt kompakten Boden- 
satz nach 4 bis 5 Minuten. Nach Hinzufügen von Äther ist das Zentri- 
fugieren bereits nach 1 Minute beendet. Man erhält auf diese Weise 
ein reineres und aktiveres Urikasepräparat als die erste Alkoholäther- 
fällung. 2 g einer solchen gereinigten Urikase zersetzen in 1 Stunde 
0,20 g Harnsäure in einer Luftatmosphäre. Unglücklicherweise ist der 
Ertrag ein sehr geringer. Um einige Gramm einer solchen Urikase zu 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 233 


erhalten, muß man sehr große Mengen frischen Gewebes benutzen. So 
erhält man z. B. aus 1 kg Pferdeleber nicht mehr als 10 g gereinigter 
Urikase. Durch die zweite Alkoholfällung ist also die Urikase bedeutend 
abgeschwächt worden. 

Aus dem Grunde empfiehlt es sich, ein anderes Verfahren an- 
zuwenden, das uns ermöglicht ein fast ebenso aktives Präparat wie das 
soeben beschriebene zu erhalten. Dieses Präparat besitzt außerdem viel 
weniger inerter Substanzen als die anfangs beschriebene Alkoholäther- 
fällung des Gewebebreies. 

Man verfährt hierbei auf folgende Weise: Das Gewebe wird fein 
zerrioben, mit 2,5 Volumen leicht alkalisch gemachten Wassers versetzt 
und während 15 Minuten umgerührt. Das Ganze wird durch ein Tuch 
gepreßt und zentrifugiert. Man erhält auf diese Weise eine trübe Flüssig- 
keit, zu der man nun 2,5 Volumen Alkohol hinzusetzt. Im übrigen ver- 
fährt man wie bei der Bereitung der gereinigten Urikase, d. h, man 
zentrifugiert sehr schnell, wäscht den Bodensatz mit Äther und trooknet 
ihn an der Luft. Je länger die Dauer der Einwirkung des Alkohols auf 
die Flüssigkeit ist, um so mehr wird die Urikase abgeschwächt. Dieses 
Verfahren liefert sehr gute Resultate bei Benutzung der Leber des Pferdes 
oder der Niere des Rindes als Ausgangsmaterial. 

2 bis 3 g eines solohen Präparates können in 1 Stunde 0,20 g 
Harnsäure zersetzen, wenn der Versuch in Gegenwart von Luft aus- 
geführt wird, in reinem Sauerstoff ist die Menge der zersetzten Harn- 
säure 2 bis 3mal so groß. Der Ertrag ist hierbei bedeutend größer als 
bei Anwendung der wiederholten Alkoholfällung (gereinigte Urikase). 1 kg 
frischen Gewebes liefert ungefähr 60 g Fermentpulver. Die Leber des 
Hundes eignet sich nicht gut zu diesem Verfahren. 

Die in der Leber des Pferdes und der Niere des Rindes enthaltene 
Urikase läßt sich leicht mit Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung 
extrahieren. Hingegen bleibt die Urikase der Hundeleber zum weitaus 
größten Teil an den Zellen oder Zelltrümmern haften, so daß der wässerige 
Auszug nur geringe Quantitäten dieses Ferments enthält. Die Urikase 
läßt sich sehr gut im schwach alkalisch reagierenden wässerigen Auszuge 
aufbewahren, 24 Stunden und noch länger. 


V. Der respiratorische Quotient, der durch Harnsäurezusatz 
zu den frischen Geweben und deren Alkoholniederschlägen 
bedingt ist. 

In dem Kapitel III haben wir hauptsächlich die durch die Harn- 
säuroxydation bewirkte Kohlensäurebildung in Betracht gezogen. Wir 
wollen nun auch die bei diesem Prozeß erfolgende Sauerstoffaufnahme 
näher untersuchen. 

Der respiratorische Quotient = der durch die Harnsäureoxydation 


bedingt wird, variiert je nach den Bedingungen, unter denen das zu 
untersuchende Gewebe benutzt wird. Von diesem Gesichtspunkte aus 


234 F. Battelli und L. Stern: 


haben wir den respiratorischen Quotienten in Gegenwart von frischen 
Geweben und den Alkoholniederschlägen derselben, sowie von den 
wässerigen Gewebeauszügen und den Alkoholniederschlägen derselben 
untersucht. | 

Die frischen Gewebe können unmittelbar nach dem Tode des Tieres 
benutzt werden, zu einer Zeit also, wo sie noch die Hauptatmung be- 
sitzen. In der folgenden Tabelle werden sie als sehr frische Gewebe 
bezeichnet werden. Sie können auch mehrere Stunden nach dem Tode 
des Tieres, nachdem sie bereits die Hauptatmung verloren und nur noch 
die Nebenatmung aufweisen, verwandt werdeu. Wir werden sie als 
frische Gewebe bezeichnen. 

Der erste Alkoholniederschlag des frischen Gewebes kann ein oder 
zwei Tage nach seiner Bereitung benutzt werden — und besitzt in dem 
Falle die Nebenatmung in mehr oder weniger starkem Grade. — In der 
Tabelle wird dieser Alkoholniederschlag als frischer Alkoholnieder- 
schlag bezeichnet. Der Alkoholniederschlag kann aber auch längere 
Zeit nach der Bereitung benutzt werden. 

In dem Falle ist die Nebenatmung sehr gering oder sie fehlt fast 
ganz. Wir wollen diesen Niederschlag als alten Alkoholnieder- 
schlag bezeichnen. 

Die wässerigen Auszüge der Gewebe wurden gewöhnlich kurze 
Zeit — einige Minuten bis wenige Stunden — nach der Bereitung be- 
nutzt. Die Alkoholniederschläge dieser Auszüge wurden 1 bis 2 Tage 
nach der Bereitung verwandt. Die wässerigen Auszüge sowie die Alko- 
holniederschläge sind nach dem im entsprechenden Kapitel beschriebenen 
Verfahren hergestellt worden. 

Die Versuche sind mit den an Urikase reichhaltigsten Organen aus- 
geführt worden. Der respiratorische Quotient ist aus der durch den 
Harnsäurezusatz bewirkten Steigerung des Gaswechsels berechnet worden. 


Wir bringen hier der Kürze halber nur einige typische Versuche, 
deren Ergebnisse durch zahlreiche andere Versuche bestätigt sind. 


In allen hierher gehörigen Versuchen wurden 30 g Leber der ver- 
schiedenen Tierarten, 30 g Niere des Pferdes, 20 g Niere des Rindes, 
10 g Alkoholniederschlag der Leber verschiedener Tiere und 5 g Alkohol- 
niederschlag der Niere des Rindes, 70 com wässerigen Auszuges ent- 
sprechend 30 g frischen Gewebes und 3 g des Alkoholniederschlages 
dieser Auszüge verwandt. 


Tabelle II. 


Der durch Harnsäurezusatz bewirkte respiratorische Quotient. 
In allen Versuchen beträgt die Dauer des Schüttelns 1 Stunde 
und die Temperatur des Thermostaten 38° C. 


AN = Alkoholniederschlag, E —= Extrakt. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 235 


Gewebe oder Alkoholniederschlag säure in comlin com — 
in g Harnsäure 


I. Leber von Hund, sehr frisch . 00 36 42 
dem 0,20 | 48 71 1,7 

IL Leber von Kaninchen, sehr frisch 00 32 40 
idem 0,20 | 49 67 1,59 

III. Leber von Hund, frisch. ... 00 17 21 
idem 0,20 | 26 38 1,89 

IV. Leber von Hund, frisch. . . . 00 21 20 
idem 0,20 | 27 43 3.83 

V. Leber von Pferd, frisch. . . . 00 13 17 
idem 0,20 | 24 41 2,18 

VI. Leber von Pferd, frisch. . . . 00 22 21 
idem 0,20 | 26 38 4,25 

VII. Leber von Kaninchen, frisch . 00 9 12 
idem 0,20 17 28 2,0 

VUL Niere von Rind, frisch .... 00 11 16 
idem 0,20 | 26 45 1,93 

IX. Niere von Pferd, frisch . . . „| 00 13 28 
idem 0,20 | 20 43 2,14 

X. Leber von Hund, frischer AN . | 00 12 9 
idem 0,20 | 29 34 1,47 

XI. Leber von Pferd, frischer AN . | 00 11 8 

XII. Leber von Hund, alter AN . . | 00 4 7 
idem 0,20 | 21 26 1,23 

XIII. Leber von Pferd, alter AN . . | 00 5 5 

idem 0,20 | 29 31 1,08 

XIV. Leber von Hammel, alter AN . | 00 7 4 
idem 0,20 | 16 15 1,22 

XV. Leber von Rind, alter AN . . | % 3 4 
idem 0,20 | 17 19 1,07 

XVI. Niere von Rind, frischer AN . | 00 5 6 
idem 0,20 19 31 1,78 

XVII. Niere von Rind, alter AN. . . | 00 3 4 
idem 0,20 | 18 26 1,46 

XVIIL Niere von Pferd, frischer AN . | 00 6 9 
idem ⸗ 0,20 | 19 30 1,61 

XIX. Niere von Pferd, alter AN . . | 00 3 7 
idem 0,20 | 11 19 1,50 

XX. Leber von Pferd, E ..... 00 4 6 
idem 020 | 13 20 1,55 

XXI. Leber von Pferd, E ..... 00 3 8 
idem 0,20 | 16 25 1,30 

XXILNi on Pf E EEE 00 6 | 12 
— Be | 0,20 | 22 37 1,56 

XXIII. Lebe Pferd, AN des E. . | 00 3 5 
FRAGE = 020| 20 | 26 | 123 

XXIV. Ni Rind, AN dæ E . ‚| 00 2 4 
idem. — = 0,20 | 14 20 1,33 


236 F. Battelli und L. Stern: 


Bei der näheren Betrachtung der in der Tabelle II zusammen- 
gestellten Versuchsergebnisse bemerkt man sofort, daß die Werte des re- 
spiratorischen Quotienten unter dem Einflusses der Harnsäure sioh je 
nach der Natur des Gewebes ändern. 

Im allgemeinen kann man sagen, daß der durch Harnsäurezusatz be- 
dingte respiratorische Quotient sich dem Werte 2 nähert, wenn man 
frisches Gewebe verwendet. Bei Anwendung von Alkoholniederschlägen 
erhält man einen respiratorischen Quotienten, der niedriger als 2 ist und 
der sich der Einheit nähert in dem Maße, wie der Alkoholniederschlag 
weniger frisch ist, namentlich wenn es sich um Leber handelt. 


Wie ist dieser Unterschied im Verhalten der frischen Gewebe und 
der Alkoholniederschläge derselben zu erklären? Es ist leicht zu ver- 
stehen, warum bei Anwendung frischer Gewebe der respiratorische Quo- 
tient, der durch den Harnsäurezusatz bedingt ist, den Wert 2 hat. In 
der Tat entsprioht dieser Quotient der Oxydation der Harnsäure zu Allantoin. 
Schwerer ist es allerdings, die Herabsetzung des respiratorischen Quo- 
tienten bei Verwendung der Alkoholniederschläge der Gewebe zu ver 
stehen. Zur Erklärung könnte man hier annehmen, daß durch die Harn- 
säureoxydation ein indirekter OxydationsprozeB ausgelöst werde, und 
zwar in folgender Weise: Während der Oxydation der Harnsäure wird 
der molekulare Luftsauerstoff aktiviert. In Gegenwart von leicht oxy- 
dablen Substanzen wird nun dieser aktivierte Sauerstoff diese Substanzen 
oxydieren, im entgegengesetzten Falle wird er nur die Harnsäure oxy- 
dieren. Wenn man nun frisches Gewebe verwendet, können die darin 
enthaltenen leicht oxydablen Substanzen bereits durch den Prozeß der 
Nebenatmung oxydiert werden und infolgedessen wird der bei der Harn- 
säureoxydation aktivierte Sauerstoff ausschließlich dazu dienen, die Harn- 
säure zu oxydieren. Der durch den Harnsäurezusatz bedingte respira- 
torische Quotient wird alse in diesem Falle gleich 2 sein. 

Der frische Alkoholniederschlag weist eine deutliche, wenn auch 
etwas schwächere Nebenatmung auf. Nur ein Teil der leicht oxydablen 
Substanzen kann also durch den Prozeß der Nebenatmung oxydiert 
werden, während der andere Teil indirekt durch den bei der Harnsäure- 
oxydation aktivierten Sauerstoff oxydiert werden wird. Infolgedessen 
wird der durch den Harnsäurezusatz bewirkte respiratorische Quotient 
einen zwischen 1l und 2 liegenden Wert aufweisen. 

Der seit längerer Zeit (mehrere Tage oder Wochen) bereitete Alkohol- 
niederschlag weist gewöhnlich eine kaum nennenswerte oder gar keine 
Nebenstmung auf. In diesem Falle wird der durch die Harnsäureoxy- 
dation aktivierte Sauerstoff teils zur Oxydation der Harnsäure und teils 
zur Oxydation der leicht oxydablen Substanzen dienen. Der respira- 
torische Quotient wird sich dem Werte 1 nähern. Wir haben übrigens 
die Beobchtung gemacht, daß in einigen Versuchen mit frischer Pferde- 
leber der durch den Harnsäurezusatz bedingte respiratorische Quotient 
nur wenig mehr als 1 betrug. In diesen hier zitierten Fällen war die 
Nebenatmung der Gewebe eine minimale; das frische Gewebe verhielt 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 237 


sich also in diesen Fällen wie der gewöhnliche Alkoholniederschlag des- 
selben. 

Wenn die zur Erklärung des respiratorischen Quotienten von uns 
gemachte Vermutung sich als richtig erweisen sollte, hätten wir hier 
einen interessanten Fall von indirekter Oxydation vor uns. Die indi- 
rekte Oxydation ist in der Chemie vielfach beobachtet worden. Wir 
wollen als Beispiel an die von van’t Hoff und Jörissen bei der Oxy- 
dation des Phosphors, des Benzylaldehyds, desschwefligsauren Natriums usw. 
erzielten Resultate erinnern. Wenn die Oxydation dieser Körper in 
Gegenwart von anderen oxydablen Substanzen sioh vollzieht, so ist die 
Menge des dabei absorbierten Sauerstoffs doppelt so groß wie die zur 
Oxydation der betreffenden Körper verbrauchte. Die Hälfte des akti- 
vierten Sauerstoffs oxydiert den Phosphor, den Benzylaldehyd, das 
schwefligsaure Natrium usw., während die andere Hälfte die anderen 
oxydablen Substanzen oxydiert. Wir wollen hier nicht auf die verschie- 
denen Theorien oder Hypothesen, die zur Erklärung der indirekten Oxy- 
dation aufgestellt sind (Ionentheorie, Peroxydtheorie u. a.) eingehen. 

Bei Verwendung des alten Alkoholniederschlags der Rinderniere 
beträgt der durch Harnsäure bedingte respiratorische Quotient nie weniger 
als 1,5. Diesen Unterschied im Verhalten des Alkoholniederschlags der 
Rinderniere und des Alkoholniederschlags der Leber könnte man durch 
die Annahme erklären, daB die Niere weniger oxydable Substanzen ent- 
halte als die Leber, oder auch daß die darin enthaltenen Substanzen bei 
ihrer Oxydation CO, liefern, was bei den in dem Alkoholniederschlage 
der Leber enthaltenen Substanzen nicht der Fall ist. 

In einigen allerdings seltenen Fällen (Versuch IV und VI) ist der 
durch Harnsäurezusatz bedingte respiratorische Quotient sehr hoch und kann 
den Wert 4 erreichen. Dies ist der Fall, wenn die Nebenatmung im be- 
treffenden Gewebe sehr energisch ist. Eine zufriedenstellende Erklärung 
dieser Erscheinung können wir einstweilen noch nicht geben. 

Der Zusatz von Harnsäure zu den wässerigen Auszügen der Niere 
oder der Leber bewirkt einen respiratorischen Quotienten von 1,5 an- 
statt von 2, wie es der Fall beim frischen Gewebe ist. Diese Herab- 
setzung des respiratorischen Quotienten erklärt sich durch die Tatsache, 
daß die Nebenatmung des Auszugs schwach ist und daß daher ein Teil 
der darin enthaltenen oxydablen Substanzen durch die indirekte Oxy- 
dation oxydiert wird. 

Der Alkoholniederschlag der wässerigen Auszüge verhält sich ebenso 
wie der Alkoholniederschlag des ganzen Gewebes, 

In den Fällen, wo das Gewebe gleich nach dem Tode des Tieres 
benutzt wurde (Versuch I und II), ist der durch Harnsäurezusatz be- 
wirkte respiratorische Quotient niedriger als 2, wie es sonst bei frischen 
Geweben der Fall ist. Man könnte diesen relativ niedrigen respira- 
torischen Quotienten dadurch erklären, daß die Harnsäure die Haupt- 
atmung des Gewebes (Leber von Hund und Kaninchen) begünstige, in- 
dem sie analog dem phosphorsauren Natrium die Alkalinität des Mediums- 
reguliert. 


238 F. Battelli und L. Stern: 


VI. Der respiratorische Quotient der Nucleoproteidfällung 
in Gegenwart von Harnsäure. 


Wiener (28) hatte bereits die Beobachtung gemacht, daß das uri- 
kolytische Ferment in der Nucleoproteidfällung, die man durch Behandeln 
der Rinderniere mit Essigsäure erhält, enthalten ist. Croftan (10) findet 
anderseits, daß die Zersetzung der Harnsäure durch das Zusammenwirken 
dreier Faktoren bedingt sei: eines Nucleoproteids, einer durch Alkohol 
fällbaren Albumose (?) und einer Salzlösung. Wir haben Croftans Re- 
sultate nicht bestätigen können, doch müssen wir hinzufügen, daß unsere 
Versuche nicht unter denselben Bedingungen ausgeführt sind, wie die 
von Croftan. 

Wir haben die Nucleoproteide teils aus dem wässerigen Auszuge 
frischer Gewebe, teils aus dem ammoniakalischen Auszuge der Alkohol- 
niederschläge der Organe bereitet. Wir verfahren auf folgende Weise: 
Das fein zerriebene frische Gewebe wird mit 2,5 Volumen Wasser ver- 
setzt, 15 Minuten lang verrührt und darauf durch ein Tuch gepreßt und 
zentrifugiert. Die so erhaltene Flüssigkeit wird mit Essigsäure in einer 
Konzentration von 1,5: 1000 versetzt und schnell zentrifugiert. Man er- 
hält auf diese Weise eine klare Flüssigkeit und einen Niederschlag. Die 
Flüssigkeit wird abgehoben und schnell mit einer Ammoniaklösung neu- 
tralisiertt. Der Bodensatz wird mit einigen Volumen 0,1°/,iger Essig- 
säure gewaschen und schnell zentrifugiert, und darauf in stark verdünntem 
Ammoniak gelöst. 

Der zu feinem Pulver zermahlene Alkoholniederschlag wird mit dem 
10fachen Volumen (0,05°/,iger Ammoniaklösung versetzt und unter 
häufigem Schütteln 4 Stunden lang bei Zimmertemperatur gelassen. Die 
Flüssigkeit wird sodann abgehoben, durch Essigsäure neutralisiert und 
mit Essigsäure bis zu einer Gesamtkonzentration von 1,5: 1000 versetzt. 
Man zentrifugiert rasch und verfährt im übrigen wie bei der Fällung der 
Nucleoproteide aus dem wässerigen Auszuge der frischen Gewebe. 

Diese Versuche sind mit der Leber des Pferdes und der Niere des 
Rindes ausgeführt worden. Wir haben einerseits die Nuoleoproteidfällung 
und die Flüssigkeit getrennt, anderseits die beiden Teile vereint untersucht. 

In einigen Versuchen haben wir die Nucleoproteidfällung oder auch 
den flüssigen Teil der Siedehitze 10 Minuten lang ausgesetzt. 

Die Säure zerstört schnell das urikolytische Ferment, wie es bereits 
Wiechowski und Wiener (26) hervorgehoben haben. Aus diesem Grunde 
weist die Urikasse nach Behandeln des Präparates mit Essigsäure eine 
starke Verminderung ihrer harnsäurezerstörenden Fähigkeit auf. In 
mehreren Fällen ist diese Verminderung so stark, daß die Steigerung des 
Gaswechsels nach Hinzufügen von Harnsäure kaum bemerkbar ist. Die 
Resultate, die auf diese Weise erzielt werden, sind nicht beweisend. 

In der Tabelle III stellen wir einige typische Vesuche, deren Re- 
sultate durch zahlreiche andere Versuche bestätigt sind, zusammen. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 239 


Tabelle III. 
Gaswechsel, bewirkt durch die in der Essigsäurefällung der 
Auszüge frischer Gewebe oder deren Alkoholniederschläge ent- 


haltene Urikase. 
E — Extrakt. AN — Alkoholniederschlag. 





Respiratori- 
Harn- O, CO, cher Quo- 








Gewebe säure |; ocmlin oom! tient der 
in g Harnsãure 
Frische Niere von Rind, Nucleoproteid- 
fällung 2 2... 02000 0% , 00 3 5 
idem Be . 1 0,20 | 13 24 1,9 
Flüssiger Teil... .. 2... 2.2. ° 00 1 7 
idem ... 0,20 2 10 
Nucleoproteidfällung 4 flüssiger Teil. 00 5 13 
idem -+ idem . ...... 0,20 15 31 1,8 
Frische Leber von Pferd, Nucleoproteid- 
fällung . . .. 0 ee 6% s 00 3 3 
idom......... ....102001232 23 2,22 
Flüssiger Teil .... . — 00 2 4 
idem ....... — 0,20 3 6 
Nukleoproteidfällung +- flüssiger Teil . 00 6 8 
idem + idem .... 0,20 | 16 27 1,9 
E aus AN der Leber von Pferd, Nuoleo- 
proteidfällung . .. 2... 2.2.2... 00 1 3 
dom u ge ie ae 020 | 7 | 14 | 183 
Flüssiger Teil .... 2.2 222.0. 00 0 4 
idem z we nee 0,20 1 5 
Nuoleoproteidfällung -+ flüssiger Teil . 00 1 6 
idem + idem ..... e o . 10920 12 19 1,18 
E aus AN der Leber von Pferd, Nucleo- 
proteidfällung . . . 2.2.2.2... . 00 0 2 
dem: u... ... 1020 5 | 12 2 
Flüssiger Teil . ... 2.2 2202. . 00 0 3 
dem . . 2.2... oo... 10,20 2 4 
Nucleoproteidfällung + flüssiger Teil . 00 1 5 
idem + idem .....e o e |020] 10 16 1,22 
Nucleoproteidfällung + ——— flüs- 
siger Teil .. ... . e.. > o o 10,20 7 16 1,82 
Gekochte Nuoleoproteidfällung -+ flüs- 
siger Teil . . . .. 2.220. 0,20 2 6 


Aus der Betrachtung der in der Tabelle III zusammengestellten Ver- 
suchsresultate ergibt sich, daß die Urikase in der Nucleoproteidfällung 
enthalten ist, während der flüssige Teil gar keine oder nur Spuren von 
Urikase enthält, 

Der durch den Harnsäurezusatz bedingte respiratorische Quotient 
der Nucleoproteidfällung nähert sich dem Werte 2. Dieser Quotient wird 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 16 


240 F. Battelli und L. Stern: 


herabgesetzt, wenn man zur Nucleoproteidfällung den flüssigen Teil hinzu- 
fügt. Die Herabsetzung des respiratorischen Quotienten ist viel stärker, 
wenn man an Stelle des Extraktes des frischen Gewebes den Auszug aus 
dem Alkoholniederschlage desselben verwendet. Wir sehen hier eine treue 
Wiederholung der in dem vorigen Kapitel beobachteten Erscheinung, 
d. h. die indirekte Oxydation oxydabler Substanzen bei der Oxydation 
der Harnsäure durch die Urikase, die namentlich bei Verwendung alter 
Alkoholniederschläge der Pferdeleber deutlich zu Tage tritt. Die in der 
Tabelle III gruppierten Versuche zeigen, daß diese oxydablen Substanzen 
durch Essigsäure nicht gefällt werden, sondern in der Lösung bleiben. 

Die Siedehitze zerstört natürlich die in der Nucleoproteidfällung 
enthaltene Urikase. Der flüssige Teil verliert unter denselben Bedingungen 
teilweise das Vermögen, den respiratorischen Quotienten herabzusetzen. 
Man könnte die Annahme machen, daß unter dem Einflusse der Hitze 
die oxydablen Substanzen einige Änderung erfahren, aber wir haben 
keine diesbezüglichen näheren Untersuchungen angestellt. 

Selbstverständlich darf die Tatsache, daß die Urikase in der Nucleo- 
proteidfällung enthalten ist, durchaus nioht als Beweis der Nucleoproteid- 
natur dieses Fermentes aufgefaßt werden. Spitzer!) nimmt an, daß die 
Oxydationsfermente Nucleoproteide seien und gewisse Autoren behaupten, 
daß alle Fermente zu den Nucleoproteiden gehören. Wir wollen hier 
diese Frage nicht näher erörtern. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird 
die Urikase bei der Fällung der Nucleoproteide mitgerissen. 


VII. Einfluß der Temperatur auf die Intensität der Harn- 
säureoxydation durch die Urikase. 


Wir haben eine Reihe von Versuchen gemacht, um den Einfluß der 
verschiedenen Temperaturen auf die Oxydationsgeschwindigkeit der Harn- 
säure durch die urikasehaltigen Gewebe zu untersuchen. Zu diesen Ver- 
suchen haben wir teils frische Gewebe, teils Alkohol-Ätherfällungen der- 
selben benutzt. Die Alkohol-Ätherfällungen sind nach der in Kapitel II 
angegebenen Methode bereitet, d. h. das zerriebene Gewebe wurde ohne 
jede vorherige Behandlung mit Alkohol extrahiert und darauf mit Äther 
gewaschen und an der Luft getrocknet. Wir haben zu diesen Versuchen 
nur die an Urikase reichsten Gewebe, d. i. die Leber des Pferdes und 
die Niere des Rindes, verwandt. Die in den Flaschen enthaltene Flüssig- 
keit wurde vorerst auf die im Thermostaten herrschende Temperatur 
erwärmt, und dann erst das zu untersuchende Gewebe hineingetan. Man 
wartete dann noch ungefähr 3 Minuten, bevor man mit dem Schütteln 
begann. 

In diesen Versuchen betrug die Dauer des Schüttelns nur 30 Minuten. 
Wir haben die Versuchsdauer abgekürzt, weil bei höheren Temperaturen 
(55 bis 60°) die Urikase mehr oder weniger schnell, wie wir weiter unten 
sehen werden, geschädigt wird. Würde man also den Versuch länger 


1) Spitzer, Die Bedeutung gewisser Nucleoproteide für die oxydative 
Leistung der Zelle. Pflügers Archv 67, 615 bis 656, 1897. 





Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 241 


dauern lassen, so würde die begünstigende Wirkung der höheren Tempe- 
raturen durch die mit der Zeit eintretende Abschwächung der Urikase 


verdeckt werden. 

In der Tabelle IV stellen wir nun einige typische Versuche, die 
sich auf die Pferdeleber beziehen, zusammen. Wir haben in allen hierher 
gehörigen Versuchen stets 30 g frischer Pferdeleber und 10 g des getrockneten 
Alkoholniederschlags desselben Gewebes benutzt. Die frische Rinderniere 
sowie der getrocknete Alkoholniederschlag derselben geben ganz dieselben 
Resultate. Um stets einen Überschuß von Harnsäure zu haben, fügten 
wir in allen diesen Versuchen 0,40 g Harnsäure hinzu. 


` Tabelle IV. 

Einfluß der Temperatur auf die Oxydationsgeschwindigkeit der 
Harnsäure durch die Urikase.. Die Dauer des Schüttelns be- 
trägt 30 Minuten. 

AN = Alkoholniederschlag. 


Harnsäure| Tem- O; | CO, 
Gewebe 
| g peratur | om | ccm 


I. frische Leber von Pferd. . . 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 

II. AN. der Leber von Pferd. . 

idem 

idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 
idem 















pó 


jt 
QO A m OUO OA D N m 


pad 
(er) 
# 


242 F. Battelli und L. Stern: 


Auf Grund der in der Tabelle IV zusammengestellten Werte, die 
sich auf die durch die Harnsäureoxydation bei verschiedenen Temperaturen 
bewirkte Kohlensäureentwicklung beziehen, haben wir zwei Kurven kon- 
struiert, deren eine sich auf die frische Pferdeleber (Fig. 3) und die andere 
auf den Alkoholätherniederschlag (Fig. 4) derselben bezieht. 

Aus den bei Anwendung der Rinderniere erzielten Kohlensäurewerten 
lassen sich ganz analoge Kurven konstruieren. 

Die Kurven 3 und 4 lassen deutlich ersehen, daß das Optimum 
der Urikasewirkung nicht bei 40°, sondern bei einer weit höheren Tem- 
peratur liegt, und zwar scheint die günstigste Temperatur zwischen 


50 


40 
30 
20 
10 
0 
in a ge Pi o se 60° ge 


Fig. 3. Kohlensäuremengen in oem (Ordinaten), bedingt durch die Oxy- 
dation der Harnsäure bei verschiedenen Temperaturen (Abscisse) in 
Gegenwart von frischer Pferdeleber (30 g) im Laufe von 30 Minuten. 


60° und 55° zu sein; Die frische Pferdeleber, sowie die Alkoholnieder- 
schläge der Pferdeleber und der Rinderniere haben bei einer Temperatur 
von 50° bessere Resultate geliefert als bei 55°, während die frische 
Rinderniere bei 56° eine größere Oxydationskraft aufweist als bei 50°. 

Die optimale Wirkung ziemlich hoher Temperaturen in der Wirkungs- 
weise der Urikase hat viel Ähnlichkeit mit den für andere oxydierende 
Fermente bekannten Tatsachen. So haben beispielsweise Bordier!) 
und später Jacoby?) beobachtet, daß die Oxydation des Salicylaldehyds 


1) Bordier, Recherches expérimentales sur le mécanisme des 
oxydations de l'organisme. Thèse de Toulouse 1896, 93. 

?) Jacoby, Über die Oxydationsfermente der Leber. Virchows 
Archiv, 157, 235 bis 280, 1899. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben, 243 


durch tierische Gewebe bei 60° sich schneller vollzieht als bei niedrigeren 
Temperaturen. — Desgleichen hat Chodat!) für die pflanzliche Tyrosinase 
beobachtet, daß bei 50° die Tätigkeit derselben mit zunehmender Tem- 
peratur steigt; bei 65° wird sie völlig zerstört. 

Wie aus den Kurven 3 und 4 ersichtlich ist, steigt die Oxydation 
der Harnsäure mit zunehmender Temperatur in gerader Linie an. 

Oberhalb 55° nimmt die Wirkung der Urikase sehr schnell ab, weil 
bei diesen höheren Temperaturen das Ferment abgeschwächt oder zerstört 
wird. In dieser Beziehung bemerkt man einen Unterschied zwischen dem 
frischen Gewebe und dem Alkoholniederschlage desselben. Während das 


50 


40 
30 


20 


10 


0 © d o e ® o e 
10 20 30 40 50 60 70 
Fig. 4. Kohlensäuremengen in com (Ordinaten), bewirkt durch die Oxy- 
dation der Harnsäure bei verschiedenen Temperaturen (Abszisse) in 
Gegenwart von Alkoholniederschlägen der Pferdeleber (10 g) im Laufe 
von 30 Minuten; 


frische Gewebe bei 65° die Harnsäure, wenn auch in geringem Grade, 
noch zu oxydieren vermag, ist der Alkoholniederschlag bei dieser Tem- 
peratur völlig wirkungslos: Die Urikase des frischen Gewebes scheint 
somit gegen höhere Temperaturen widerstandsfähiger zu sein als die in 
Pulverform dargestellte Urikase des Alkoholniederschlags. 

Als Ergänzung zu den soeben beschriebenen Untersuchungen haben 
wir eine Reihe von Versuchen angestellt, um die Widerstandsfähigkeit 
der Urikase gegen die Einwirkung mehr oder weniger hoher Temperaturen 
zu prüfen. Mehrere Autoren (Wiechowski und Wiener, Schitten- 
helm) hatten bereits darauf hingewiesen, daß das urikolytische Ferment 


1) Chodat, Nouvelles recherches sur les ferments oxydants. Arch. 
des Sciences phys. et natur., 24, 172, 1907. 


244 F. Battelli und L. Stern: 


bei einer Temperatur von 80° bis 100° zerstört wird, aber die untere 
Temperaturgrenze, bei der das Ferment abgeschwächt oder zerstört wird, 
ist nicht bestimmt worden. 

Wir verfuhren auf folgende Weise: Zu je 30 g frischen Gewebes 
fügt man 70 com Wasser und zu je 10 g Alkoholniederschlages 90 ccm 
Wasser hinzu. ' Das Gemisch wird durch Ammoniak leicht alkalisch ge- 
macht und in ein Wasserbad von gewünschter konstanter Temperatur 
gebracht. Nachdem das Gemisch die gewünschte Temperatur erreicht 
hat, läßt man dasselbe bei dieser Temperatur 15 Minuten lang stehen, kühlt 
es alsdann ab und fügt die nötige Ammoniakmenge, um eine Gesamtkon- 
zentration von 1:1500 zu erzielen, sowie Harmmsäure hinzu. Der Kontroll- 
versuch wird in derselben Weise, nur ohne Harnsäurezusatz, ausgeführt. 
‘Im übrigen verfährt man wie gewöhnlich, d.h. die die Reaktionsgemische 
enthaltenden Flaschen werden bei 40° energisch geschüttelt. 

Wir haben hier die Beobachtung machen können, daß die in den 
frisohen Geweben enthaltene Urikase der Einwirkung höherer Temperaturen 
besser widersteht als das im Alkoholätherniederschlage der Gewebe ent- 
haltene Ferment. In der Tat weist die Urikase der Pferdeleber oder 
der Rinderniere keine Abschwächung auf, wenn das betreffende Gewebe 
im frischen Zustande 15 Minuten lang der Einwirkung einer Temperatur 
von 55° ausgesetzt wird; ein Erhitzen auf 60° schwächt die Urikase 
nur unbedeutend ab, während eine Temperatur von 65° das Ferment 
zum großen Teil vernichtet und ein Erhitzen auf 70° die Urikase völlig 
zerstört. 

Verwendet man zu den Versuchen an Stelle der frischen Gewebe 
die Alkoholätherniederschläge derselben, so beobachtet man, daß die in 
denselben enthaltene Urikase bei einer Temperatur von 50° bereits ab- 
geschwächt und bei 65° völlig zerstört wird. 

Im allgemeinen kann man also sagen, daß die Urikase in schwach 
alkalischem Medium durch Erhitzen auf 65 bis 70° während 15 Minuten 
völlig vernichtet wird. 

Vergleicht man nun diese Resultate mit den in der Tabelle IV 
zusammengestellten, so sieht man, daß die Wirkung der Urikase mit zu- 
nehmender Temperatur steigt bis zu einem Punkte, wo das Ferment selbst 
geschädigt zu werden anfängt. Aus dem Grunde ist das Optimum der 
Temperatur für die Alkoholniederschläge der Gewebe niedriger (50°) als 
für die frischen Gewebe (55°). In der Tat wird die Urikase des Alkohol- 
niederschlages bei einer niedrigeren Temperatur geschädigt als die Urikase 
des frischen Gewebes. 


VIII. Einfluß der Versuchsdauer auf die Oxydation der Harn- 
säure durch die Urikase. 

Mehrere Forscher haben den Einfluß der Versuchsdauer auf die 

Harnsäurezerstörung durch das urikolytische Ferment untersucht. Wie- 

chowski und Wiener!) fanden, daß die Urikolyse mit der Versuchs- 


1) Wiechowski und Wiener, 1l. c. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 245 


dauer konstant zunimmt. Künzel und Schittenhelm!) finden hin- 
gegen, daß die Harnsäurezerstörung im Anfange bedeutend stärker sei. 

In unseren Versuchen haben wir beobachtet, daß die durch die 
Harnsäureoxydation bewirkte Kohlensäureausscheidung in den ersten 
2 Stunden konstant zunimmt, unter der Bedingung natürlich, daß die 
Harnsäuremenge im Vergleich zur Urikase im Überschusse sei. Wenn 
man also z. B. zu 15 g frischer Pferdeleber 0,50 g Harnsäure setzt, 
so ist die Kohlensäureausscheidung während der ersten 2 Stunden pro- 
portional der Dauer des Schüttelns.. Die Harnsäureoxydation nimmt 
alsdann allmählich ab, sei es infolge der Konzentrationsverminderung der 
Harnsäure, sei es infolge einer mit der Zeit eintretenden Abschwächung 
der Urikase. 

Wiechowski und Wiener?) haben bereits bemerkt, daß das uri- 
kolytische Ferment bei der Reaktion keine Verminderung zu erfahren 
scheint. Unsere Versuchsergebnisse bestätigen vollauf diese Angabe. 


IX. Einfluß der Sauerstoffkonzentration der Gasatmosphäre 
auf die Oxydation der Harnsäure durch die Urikase, 


Die in den vorhergehenden Kapiteln besprochenen Versuche sind 
in einer gewöhnlichen Luftatmosphäre ausgeführt worden. Wir haben 
eine Reihe von Versuchen angestellt, um zu prüfen, ob in einer Atmo- 
sphäre reinen Sauerstofis andere Resultate erzielt werden können. Um 
die die Reaktionsgemische enthaltenden Flaschen mit Sauerstoff zu füllen, 
verfahren wir in folgender Weise. Nachdem die Flüssigkeit, das zu 
untersuchende Gewebe und die Harnsäure in die Flaschen hineingetan 
waren, wird darin mit Hilfe der Wasserstrahlpumpe das Vakuum rasch 
hergestellt. Man verbindet alsdann die Flaschen mit einem Sauerstoff- 
behälter und verfährt im übrigen wie gewöhnlich. 

Wir haben gefunden, daß die Oxydation der Harnsäure viel schneller 
im reinen Sauerstoff als in einer Luftatmosphäre vor sich geht. Im 
Durchschnitt ist die Oxydation der Harnsäure durch die Urikase in 
reinem Sauerstoff doppelt so groß wie in gewöhnlicher Luftatmosphäre. 
Der respiratorische Quotient erleidet aber hierbei keine Veränderung. 


X. Einfluß der Peroxyde auf die Wirkung der Urikase. 


Nach der Theorie von Chodat und Bach?) sind die oxy- 
dierenden Fermente eine Verbindung zweier Teile: einer Oxy- 
genase und einer Peroxydase. Die Oxygenase ist nach dieser 
Theorie ein Peroxydferment und kann durch irgendein gewöhn- 


1) Künzel und Schittenhelm, Über den zeitlichen Ablauf der 
Urikolyse. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 5, 389, 1909. 

2) Wiechowski und Wiener, l. c. 

3) Chodat und Bach, Zerlegung der sog. Oxydasen in Oxygenasen 
und Peroxydasen. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 36, 607, 1903. 


246 F. Battelli und L. Stern: 


liches Peroxyd ersetzt werden; die Peroxydase soll das Peroxyd 
aktivieren. Die Tyrosinase scheint in der Beziehung eine Aus- 
nahme zu machen, wie Chodat!) gezeigt hat. In einer letzt- 
hin erschienenen Arbeit vertritt Bach?) die Ansicht, daß die 
Tyrosinase durch das Peroxyd-Peroxydase-System nicht ersetzt 
werden kann wie die anderen Oxydasen, weil bei der Oxy- 
dation des Tyrosins es sich um die Oxydation eines weniger 
labilen Wasserstoffatoms handelt als bei der Oxydation der 
Phenole, der aromatischen Amine usw. 

Die Untersuchungen von Chodat und Bach beschränken 
sich auf die pflanzlichen Oxydasen. Unter den Oxydations- 
fermenten tierischen Ursprungs haben wir in einer früheren 
Arbeit?) die in den Tiergeweben enthaltene Peroxydase, welche 
in Gegenwart von H,O, oder Äthylhydroperoxyd Ameisensäure 
oxydiert, studiert. 

Unseres Wissens ist bis jetzt kein Versuch gemacht worden, 
das Vorhandensein der Oxygenase in den Tiergeweben zu studieren. 

Wir haben eine große Anzahl von Versuchen gemacht, um 
zu sehen, ob die Urikase in zwei Elemente getrennt werden 
kann. Die Fällung mit Alkohol und mit Essigsäure hat keine 
befriedigenden Resultate gegeben. Wir haben alsdann versucht, 
den Einfluß der Peroxyde auf die Wirkung der Urikase zu 
studieren. Die in der Leber und der Niere in großer Menge 
enthaltene Katalase macht den Gebrauch von H,O, unmöglich, 
und aus dem Grunde haben wir, wie wir es bereits in unserer 
früheren Arbeit: über die tierischen Peroxydasen getan, das 
Athylhydroperoxyd benutzt. 

Das Athylhydroperoxyd wurde in einer Konzentration von 
0,5— 2: 1000 verwandt. In unseren Versuchen fügten wir dem 
zu untersuchenden Gewebe 100 com Flüssigkeit und 0,5 bis 0,20 g 
AÄthylhydroperoxyd hinzu, 

0,10 g Äthylhydroperoxyd enthält 18 ccm aktiven Sauer- 
stoffs, d. i. eine Sauerstoffmenge, die 0,27 g Harnsäure zu Allan- 
toin oxydieren könnte. 


1) Chodat, Journ. Suisse chim. pharm. 1906, Nr. 46—48. 

2) Bach, Zur Kenntnis der Tyrosinase. Ber. d. Deutsch. chem. 
Ges. 42, 694, 1909. 

s) Battelli und Stern, Über die Peroxydasen der Tiergewebe. 
Diese Zeitschr. 13, 44—88, 1908. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 247 


Wir haben folgendes beobachtet: 

Das harnsaure Natrium entwickelt unter dem Einflusse von 
H,O, oder von Äthylhydroperoxyd bei 40° im Laufe 1 Stunde 4 bis 
5 com CO, 

Das Hinzufügen von Athylhydroperoxyd zu frischer Pferde- 
leber oder Rinderniere übt keine Wirkung auf die Schnellig- 
keit der Harnsäureoxydation durch die in den Geweben ent- 
haltenen Urikase aus. Die das Äthylhydroperoxyd enthaltende 
Reaktionsmischung entwickelt 4 bis 5 ccm Kohlensäure mehr 
als im Kontrollversuche, entsprechend der durch die Einwirkung 
des Äthylhydroperoxyds auf die Harnsäure gelieferten Kohlen- 
säuremenge. Die Sauerstoffaufnahme zeigt gewöhnlich keine 
merkbare Veränderung. In einigen Fällen wies sie eine leichte 
Verminderung auf. 

Bei Ausschluß von atmosphärischem Sauerstoff entwickelt 
die Urikase in Gegenwart von Äthylhydroperoxyd und von 
Harnsäure nur geringe Kohlensäuremengen. Die in diesem 
Falle entwiokelte Kohlensäuremenge entspricht der durch die 
Einwirkung des Äthylhydroperoxyds auf die Harnsäure gebildeten. 
Die direkte Messung der Harnsäure führt zum gleichen Re- 
sultat. Das Hinzufügen der Urikase zum Athylhydroperoxyd 
verstärkt durchaus nicht die Harnsäurezerstörung. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich die überraschende Tat- 
sache, daß die Urikase, die so energisch den molekularen Sauer- 
stoff aktiviert, den aktiven, im Äthylhydroperoxyd enthaltenen 
Sauerstoff nicht oder in geringem Grade ausnutzen kann. Dies 
beruht nicht auf einer toxischen Wirkung des Äthylhydroper- 
oxyds, da, wie wir soeben gesehen haben, die Gegenwart von 
Athylhydroperoxyd die Wirkung der Urikase nicht beeinträchtigt. 

Die Urikase kann den an Hämoglobin gebundenen Sauer- 
stoff benutzen, wie wir in mehreren zu dem Zwecke angestellten 
Versuchen mit Hunde- und Rinderblut konstatieren konnten. 
Der größte Teil des an Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs ist 
zur Oxydation der Harnsäure benutzt worden. 

Da nun die natürliche intakte Urikase den aktiven Sauer- 
stoff des Athylhydroperoxyds zur Oxydation der Harnsäure 
nicht verwenden kann, war es a priori wenig wahrscheinlich, 
daß die auf irgendeine Weise abgeschwächte Urikase durch die 
Gegenwart des Peroxyds aktiviert werden könne. Nichts- 


248 F. Battelli und L. Stern: 


destoweniger haben wir mehrere Versuche in dieser Richtung 
unternommen. 

Man hätte ja annehmen können, daß ein Teil der Urikase 
— die hypothetische Oxygenase — der größeren Labilität wegen 
teilweise vernichtet sei, während die dazu gehörige Peroxydase 
nicht geschädigt sei. Wir haben das Äthylhydroperoxyd dem 
Alkohol-Atherniederschlag der an Urikase reichen Gewebe oder 
der Nucleoproteidfällung, oder dem durch Essigsäure nicht fäll- 
baren flüssigen Teile derselben, oder auch den frischen Geweben, 
deren Urikase durch ein 15 Minuten langes Erhitzen auf 62° 
abgeschwächt worden war, hinzugefügt. In keinem dieser Fälle 
hat die Gegenwart von ÄAthylhydroperoxyd die Oxydation der 
Harnsäure durch die abgeschwächte Urikase beschleunigt. 

Aus all diesen Versuchen geht hervor, daß es uns unmög- 
lich war, die Existenz einer Peroxydase in der Konstitution 
der Urikase nachzuweisen. Falls eine solche Peroxydase existiert, 
so kann sie jedenfalls durch ein Peroxyd nicht aktiviert werden, 
wie es auch für die Tyrosinase nach den Untersuchungen von 
Bach der Fall zu sein scheint. Andererseits haben wir ge- 
zeigt, daß in der Leber von Pferd, Hund, Rind usw. eine Per- 
oxydase existiert, die in Gegenwart von ÄAthylhydroperoxyd 
oder von H,O, Ameisensäure energisch oxydiert. Die Oxyda- 
tion dieser Säure findet in Abwesenheit eines Peroxyds nicht 
statt. In der Leber des Pferdes oder des Hundes finden wir 
also ein Gemenge von Urikase und Ameisensäure oxydierender 
Peroxydase. 

Setzt man nun voraus, daß die Urikase, nach der Theorie 
von Chodat und Bach, ein System Peroxyd-Peroxydase dar- 
stellt, so müßte man annehmen, daß das Peroxydferment der 
Urikase die Peroxydase, welche Ameisensäure oxydiert, nicht 
aktivieren könne. Wir enthalten uns absichtlich jeder weiteren 
Hypothese diesen speziellen Punkt betreffend. 


XI. Allgemeine Betrachtungen. 


Mehrere Betrachtungen allgemeiner Natur sind bereits an 
den verschiedenen entsprechenden Kapiteln angestellt worden. 
Wir kommen hier auf dieselben nicht mehr zurück. 

Die Rolle der Urikase im lebenden Tierorganismus ist so 
augenscheinlich, daß es überflüssig ist, dieselbe hier zu betonen. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 249 


Wie Wiechowski bereits bemerkt hat, findet man die Gicht 
bei keinem daraufhin untersuchten Säugetier.. Eine Ausnahme 
bildet der Mensch, in dessen Geweben auch kein harnsäure- 
oxydierendes Ferment (Urikase) gefunden wurde und dessen 
Harn kein Allantoin enthält. 

Die an den überlebenden Geweben gemachten Beobachtungen 
stimmen sehr gut mit den Untersuchungen von Burian und 
Schur!) überein, die gefunden hatten, daß der Hund nur ?/,, 
bis ?/,,, das Kaninchen !/, der gebildeten Harnsäure ausscheidet, 
während beim Menschen ungefähr die Hälfte der Harnsäure im 
Harn wiedergefunden wird. 

Mehrere Gewebe enthalten Substanzen, welche die Wirkung 
der Urikase in vitro hemmen. Wir können aber nicht mit 
Sicherheit behaupten, daß diese hemmende Wirkung auch im 
lebenden Organismus stattfinde.e Man könnte in der Tat an- 
nehmen, daß diese hemmenden Substanzen und die Urikase im 
lebenden Organismus voneinander getrennt bleiben. 

Die Wirkung der Urikase kann mit den bei der Nebenatmung 
sich abspielenden Vorgängen verglichen werden. Wie wir bereits 
gezeigt haben, weisen gewisse Tiergewebe zwei voneinander ganz 
unabhängige Arten oder Formen von Atmungsprozessen auf: 
die Hauptatmung und die Nebenatmung. Die Hauptatmung 
ist an die Vitalität der Zellen gebunden und bezweckt haupt- 
sächlich, die in den verschiedenen im Organismus verbrennbaren 
Substanzen enthaltene chemische Energie in Freiheit zu setzen. 
Wir haben die Hypothese aufgestellt, daß die Nebenatmung, 
welche alle Charaktere eines fermentativen Prozesses aufweist, 
hauptsächlich eine Schutz- oder Verteidigungsrolle spiele, indem 
sie durch Oxydation die für den Organismus schädlichen Sub- 
stanzen zerstört. Nun ist die Urikase der bis jetzt am besten 
bekannte Typus solcher oxydierenden Schutzfermente, die im 
Tierorganismus existieren. Bekanntlich haben bereits mehrere 
Autoren die Idee vertreten, daß die Oxydationsfermente, so- 
wohl pflanzlichen als tierischen Ursprunges im Organismus haupt- 
sächlich eine Schutzrolle spielen. 

Die Urikase bietet ein besonderes Interesse auch aus dem 


1) Burian und Schur, Über die Stellung der Purinkörper im 
menschlichen Stoffwechsel. Pflügers Archiv 87, 239, 1901. 


250 F. Battelli und E. Stern: 


Grunde, daß unter ihrem Einflusse nicht nur Sauerstoff auf- 
genommen wird, sondern zugleich auch eine Kohlensäure- 
entwicklung stattfindet. Man könnte solche oxydierenden 
Fermente als Atmungsfermente bezeichnen. 

Die Urikase weist auch den großen Vorzug auf, in vitro 
auf dieselben Substanzen einzuwirken wie im lebenden Tier- 
organismus. Die bisher bestehenden Oxydationsfermente wirkten 
gewöhnlich auf Körper ein, die im lebenden Tierorganismus 
normalerweise nicht oder kaum vorkommen, wie die Amine, 
Phenole, Aldehyde, Gayak usw. Man konnte also mit einigem 
Rechte annehmen, daß man es hauptsächlich mit künstlichen 
Reaktionen, die keine Analogie mit den im Organismus sich 
abspielenden Vorgängen aufweisen, zu tun habe. 

Da nun die verschiedenen oxydierenden Fermente einen 
ganz spezifischen Charakter aufweisen, läßt sich aus der Oxy- 
dation einer bestimmten Substanz kaum der Schluß ziehen, 
daß andere im Organismus wirklich vorkommende Substanzen 
durch die Wirkung eines gegebenen Fermentes oxydiert werden 
könnten. Was die Tyrosinase anbetrifft, deren Reaktion in 
der Beziehung zufriedenstellender ist, so findet man sie nur in 
einigen pathologischen Fällen; sie hat also keine allgemeine 
Bedeutung. 

Wir wollen noch die interessante Tatsache hervorheben, 
daß man bei der durch die Urikase bewirkten Oxydation der 
Harnsäure unter gewissen Bedingungen eine Sauerstoffaufnahme 
beobachtet, die bedeutend größer, manchmal sogar doppelt so 
groß ist, als die zur Oxydation der Harnsäure erforderliche 
Sauerstoffmenge ist. Wir haben es hier wahrscheinlich mit 
einer indirekten Oxydation gewisser oxydabler Substanzen von 
unbekannter Natur, die in den Geweben enthalten sind, zu 
tun. Wir haben darüber im entsprechenden Kapitel gesprochen. 

Zum Schlusse wollen wir noch bemerken, daß zwischen dem 
Urikasegehalt und dem Reichtum an ameisensäureoxydierender 
Peroxydase eines Gewebes kein Parallelismus besteht. So ent- 
hält zum Beispiel die Rinderniere, das an Urikase reichste 
Organ, nur wenig Peroxydase. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 251 


XII. Experimentelle Ergebnisse. 


1. Die Urikase ist ein Ferment, welches die Harnsäure 
unter Aufnahme von Sauerstoff und Entwicklung von Kohlen- 
säure zu Allantoin oxydiert. Unter günstigen Versuchsbedin- 
gungen vollzieht sich die Harnsäureoxydation sehr schnell. 

2. Die Urikase kann quantitativ leicht durch Messung der 
durch die Harnsäureoxydation bewirkten Steigerung der Kohlen- 
säureentwicklung bestimmt werden. 

3. Die quantitative Bestimmung der Urikase ist in mehreren 
Geweben durch die Gegenwart hemmender Substanzen, die bis- 
weilen die Existenz selbst der Urikase verdecken können, er- 
schwert. Durch Behandeln der betreffenden Gewebe mit Al- 
kohol kann die Wirkung dieser hemmenden Substanzen zum 
Teil aufgehoben werden. Mehrere Gewebe oxydieren nach 
vorangegangener Alkoholbehandlung die Harnsäure viel energi- 
scher als in frischem Zustande. 

4. Die Urikasemenge nimmt in den Geweben mehrere 
Stunden, selbst mehrere Tage nach dem Tode der Tiere nicht 
ab; sie scheint vielmehr oft zuzunehmen. 

5. Die Urikase findet sich in großer Menge namentlich in 
der Leber und der Niere der verschiedenen Tiere. Alle darauf- 
hin untersuchten Säugetiere besitzen die Urikase in dem einen 
oder andern Organe oder in beiden zugleich. Nur der Mensch 
bildet eine Ausnahme. Kein einziges menschliches Gewebe 
enthält eine nennenswerte Menge Urikase. Die Gewebe der 
Ente sind ebenfalls frei von Urikase. 

6. In frischem Zustande betrachtet, können die Gewebe 
in bezug auf ihre harnsäurezersetzende Fähigkeit in absteigender 
Reihenfolge wie folgt geordnet werden: Niere von Rind, Leber 
von Pferd, Leber von Katze, Leber von Hund, Leber von 
Kaninchen, Niere von Pferd, Leber von Hammel. Die Leber 
von Rind und die Niere von Hund besitzen nur äußerst ge- 
ringe harnsäureoxydierende Fähigkeiten. Die anderen Gewebe 
haben keine merkbare Wirkung. 

7. In Form von Alkoholniederschlägen können die ver- 
schiedenen Gewebe in bezug auf ihre harnsäureoxydierende 
Wirkung in absteigender Linie wie folgt geordnet werden: Niere 


252 F. Battelli und E. Stern: 


von Rind, Leber von Pferd, Leber von Hund, Leber von Hammel, 
Niere von Pferd, Leber von Rind, Milz von Pferd, Niere von 
Hund. 

8. Die Urikase kann in Pulverform dargestellt werden. Zu 
dem Zwecke wird das frische Gewebe oder der wässerige Aus- 
zug desselben schnell mit Alkohol behandelt. Die so bereitete 
Urikase hält sich sehr lange. 


9. Der durch die Harnsäureoxydation bedingte respira- 
torische Quotient = 2 ist gewöhnlich 2, wenn frisches Gewebe 
2 
benutzt wird, wie es die Umwandlung der Harnsäure zu Allantoin 
verlangt. 


10. Bei Benutzung der Alkoholniederschläge sinkt der 
respiratorische Quotient und nähert sich der Einheit in dem 
Maße, wie der Alkoholniederschlag weniger frisch ist. In diesem 
Falle handelt es sich wahrscheinlich um eine indirekte Oxy- 
dation von Substanzen, die im Alkoholniederschlage enthalten 
sind und die im frischen Gewebe durch die dem Gewebe eigene 
Nebenatmung oxydiert werden. 


11. Die Urikase wird bei der Fällung der Nucleoproteide 
durch Essigsäure mitgerissen. Die Oxydation der Harnsäure 
durch diese Fällung weist einen respiratorischen Quotienten vom 
Werte 2 auf. Fügt man dieser Nucleoproteidfällung den von 
Nucleoproteiden freien flüssigen Teil hinzu, so sinkt der respi- 
ratorische Quotient infolge vermehrter Sauerstoffaufnahme., 





12. Das Optimum der Temperatur der Urikase ist zwischen 
50° und 55° je nach den Geweben und den Präparaten. Die 
Wirkung der Urikase steigt mit zunehmender Temperatur in 
gerader Linie an bis zu einem Grade, wo das Ferment ab- 
geschwächt zu werden anfängt. Die untere Temperaturgrenze, 
bei der die Urikase geschädigt wird, liegt für die in den Al- 
koholniederschlägen enthaltene Urikase niedriger als für die in 
den frischen Geweben enthaltene. 


13. Die Oxydation der Harnsäure durch die Urikase voll- 
zieht sich konstant, proportional zu der Versuchsdauer während 
der ersten zwei Stunden. Das Ferment scheint bei der Reaktion 
nicht vermindert zu werden, wenn die Versuchsdauer nicht zu 
groß ist. 


Untersuchungen über die Urikase in den Tiergeweben. 253 


14. Die Wirkung der Urikase ist in reinem Sauerstoff viel 
energischer als in einer gewöhnlichen Luftatmosphäre. 


15. Das Äthylhydroperoxyd hat keinen merklichen Einfluß 
auf die Oxydation der Harnsäure durch die natürliche oder auf 
irgend eine Weise abgeschwächte Urikase. Bei Ausschluß von 
molekularem Sauerstoff bewirkt die Urikase in Gegenwart von 
Äthylhydroperoxyd keine Oxydation der Harnsäure. Die Urikase 
nutzt also den aktiven Sauerstoff des Peroxyds nicht aus. Sie 
kann hingegen den molekularen im Oxyhämoglobin enthaltenen 
Sauerstoff völlig ausnutzen. 


Über Lipoide. 
Von 


Sigmund Fränkel. 


VI. Mitteilung. 


Über ein neues Verfahren der fraktionierten Extraktion der 
Gehirnlipoide. 


(Aus dem Laboratorium der Ludwig Spiegler-Stiftung in Wien.) 
(Eingegangen am 27. Mai 1909.) 


Die Geschichte der Gehirnchemie ist zugleich die Erklärung 
für die Mißerfolge und für die sehr differenten Resultate der 
verschiedenen Forscher auf demselben Gebiet. Man findet eine 
ausführliche Schilderung der älteren Arbeiten in Thudichums 
Buch ‚Über die chemische Konstitution des Gehirnes des Menschen 
und der Tiere, Tübingen 1901“. Eine kürzere Darstellung der 
bisherigen Resultate ist nachzulesen in der Gehirnchemie von 
Sigmund Fränkel, in den Ergebnissen der Physiologie heraus- 
gegeben von Asher und Spiro, 8. Jahrgang 1909, Seite 212. 

Vauquelin war der erste, welcher Gehirne mit heißem 
Weingeist extrahierte. Aus den heißen weingeistigen Auszügen 
schied sich eine weiße Substanz ab, Vauquelins ‚weiße 
Materie‘, die aus einem flockigen und aus einem schuppigen 
Anteile bestand. Diese weiße Materie erkannte Vauquelin be- 
reits als phosphorhaltig, und zwar war der Phosphor als Phos- 
phorsäure, also in oxydierter Form, in dieser Verbindung ent- 
halten. Aus den Mutterlaugen der weißen Materie schied sich 
noch beim Einengen des Alkohols zuerst eine butterige, dann 
eine ölige Materie ab. Später behandelte Couörbe das Ge- 
hirn vorerst mit Äther und dann mit Alkohol, und dabei erhielt 
er, durch Extraktion der in siedendem Alkohol löslichen weißen 


S. Fränkel: Über Lipoide. VI. 255 


Absätze mit Äther, als ätherunlöslichen Rückstand die nun 
reinere weiße Materie Vauquelins, die er Cerebrot nannte. 
Dieses Cerebrot ist viele Jahre später in Deutschland in keines- 
wegs reinerer Form wieder als „Protagon‘“ aufgetaucht. Die 
weißen Niederschläge wurden dann von Fremy einer eingehen- 
den Untersuchung unterzogen und als stickstoff-, phosphor- 
und schwefelhaltig erkannt. 

Alle späteren Untersucher haben insbesondere in der Weise 
gearbeitet, daß sie das Gehirn entweder zuerst mit Äther er- 
schöpft und dann mit heißem Alkohol extrahiert haben oder 
in umgekehrter Weise, indem das Gehirn vorerst mit Alkohol 
extrahiert wurde und man die aus der alkoholischen Lösung sich 
&bscheidenden weißen Bodensätze mit Ather erschöpfte. Über 
diese Methodik hinaus ist man im wesentlichen nioht gelangt. 
Selbst Thudichum, dem wir die größten Fortschritte in der 
Aufarbeitung der Gehirnauszüge verdanken, ist im wesentlichen 
von der alten französischen Methodik nicht abgewichen, indem 
er vorerst das Gehirn mit kaltem Alkohol härtete, hierauf mit 
kaltem Äther das Gehirnpulver erschöpfte, hernach mit sieden- 
dem Äther und das mit kaltem und heißem Ather erschöpfte Hirn- 
pulver mit siedendem Weingeist vollkommen auszog, oder den um- 
gekehrten Weg einschlug, indem er gleich mit Weingeist arbeitete, 
und die weingeistigen Auszüge, resp. die Absätze daraus mit 
Ather kalt und heiß erschöpfte. Erst diese zwei großen An- 
teile, die ätherlöslichen und die nur alkohollöslichen Substanzen 
wurden beim Thudichumschen Verfahren einer weiteren ein- 
gehenden Trennung unterzogen, bei welcher er mit Vorliebe 
Chlorcadmium, Chlorplatin, sowie Bleiacetat und Ammoniak 
verwendete. 

Bei den großen Widersprüchen zwischen den einzelnen 
Forschern auf diesem Gebiete und bei der von den Forschern 
selbst geschilderten fast unüberwindlichen Schwierigkeit zu ein- 
heitlich reinen Präparaten zu gelangen, erschien es uns sehr 
wahrscheinlich, als wir Vorversuche über die Aufarbeitung und 
Trennung der Gehirnlipoide anstellten, daß die Schwierigkeit 
vielleicht darin besteht, daß das einmal aus dem Gehirn isolierte 
Substanzengemenge sich weiter sehr schwer trennen und ent- 
mischen läßt und daß insbesondere darauf sich all die Schwierig- 


keiten zurückführen lassen, von denen die Forscher auf diesem 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 17 


256 S. Fränkel: 


Gebiet so viel zu berichten wissen. Anderseits fiel es uns auf, daß 
das Gehirn überaus große Mengen von Cholesterin enthält und 
daß dieses Cholesterin besonders aus der Gruppe der ungesättigten 
Verbindungen sich nur äußerst schwer nach den von den ver- 
schiedenen Autoren und besonders Thudichum angewendeten 
Verfahren isolieren lasse. Das Cholesterin aber verändert ungemein 
die Löslichkeiteverhältnisse der verschiedenen Gehirnsubstanzen in 
organischen Solvenzien, solange es mit diesen gemischt ist; gleichsam 
als amalgamierendes Mittel erschwert es sehr die Trennung der 
gesättigten und ungesättigten Verbindungen. Wir haben daher 
bei der Ausarbeitung des neuen Verfahrens, vorzüglich darauf 
Wert gelegt, zuerst das Cholesterin möglichst aus dem Gehirn 
zu entfernen. Weiter haben wir bemerkt, daß der als Haupt- 
lösungsmittel verwendete Äther, wenn er auch frisch destilliert 
wird, ungemein stark oxydierend und verändernd auf die un- 
gesättigten Verbindungen einwirkt. Wir haben es daher ver- 
mieden, Äther bei der Darstellung und Reinigung dieser Sub- 
stanzen zu verwenden, und haben es vorgezogen, mit leicht 
siedendem Petroläther diese Substanzen aufzuarbeiten, dem die 
stark oxydierenden Eigenschaften des Athers fehlen. 

Unser Verfahren, nach dem die in den folgenden Abhand- 
lungen zu beschreibenden Substanzen im wesentlichen dargestellt 
sind, beruht in der fraktionierten Extraktion der Gehirn- 
substanzen aus dem trockenen Gehirn mit verschiedenen Lösungs- 
mitteln, nachdem das erste Lösungsmittel fast ganz das Cholesterin 
entfernt hat. Man erhält durch dieses Verfahren eine glatte 
Trennung der Hauptgruppen und kann die weitere Entmischung 
der Substanzen mit Verwendung von bloßen Lösungsmitteln noch 
um ein beträchtliches weitertreiben, bevor man zur Anwendung 
von anorganischen Fällungsmitteln und zur Reinigung einzelner 
Präparate über ihre wässerige Lösung schreitet. Dieses Verfahren 
gestattet gleichzeitig, dasselbe Gehirnmaterial auf die ver- 
schiedensten Bestandteile aufzuarbeiten und ermöglicht es, neue 
Substanzen zu isolieren, die bisher zusammen mit der weißen 
Materie ein untrennbares Gemenge bildeten. Es gestattet 
ferner, nicht nur einen kleinen Anteil rein zu erhalten, sondern 
die Hauptmasse jeder Substanz, so daß wir mit Erfolg zur 
Hydrolyse der reinen Substanzen schreiten konnten und so 
neue charakteristische Bestandteile der Gehirnstoffe fanden. 


Über Lipoide. VI. 257 


Es hat schon vor uns Rosenheim!) mit kaltem Aceton 
das sehr störende Cholesterin aus dem Gehirn entfernt und dann 
mit siedendem Aceton die weiße Materie aus dem Gehirn ex- 
trahiert. Wir haben diesen Weg durchaus nicht zweckmäßig 
gefunden und in wesentlich anderer Weise gearbeitet, da wir 
im gleichen Prozesse und aus dem gleichen Material die un- 
gesättigten Phosphatide darstellen können. 

Die Details der Aufarbeitung und Reinigung der einzelnen 
Substanzen werden von Fall zu Fall in den betreffenden Mit- 
teilungen veröffentlicht werden. Wir machen aber insbesondere 
jetzt schon auf den von vielen Forschern übersehenen Umstand 
aufmerksam, der einzig und allein bis jetzt Thudichum nicht 
entgangen ist, daß die Gehirnphosphatide mit großer Hart- 
näckigkeit in alle organischen Lösungsmittel reichlich Aschen- 
bestandteile mitschleppen, und daß einzelne dieser Gehirn- 
phosphatide, wie wir zeigen werden, salzartige Verbindungen 
organischer Substanzen mit verschiedenen Metallen sind, und 
daß auch dieser Umstand eine Quelle zahlreicher analytischer 
Irrtümer war. 

Für kleinere Versuche arbeiteten wir menschliches Gehirn 
und auch Kalbshirn, sowie Rinderhirn in der Weise auf, daß 
wir das von Gehirnhäuten befreite und oberflächlich mit Wasser 
abgespülte Gehirn durch die Fleischmaschine laufen ließen und 
den erhaltenen Brei in Aceton verteilten. Die wässerige ace- 
tonige Lösung wurde abfiltriert und der Hinrückstand neuerlich 
mit reinem Aceton übergossen und nach einigem Stehen wieder 
filtriert. Nach dem Abfiltrieren und Abpressen dieses Acetons 
wurde das so erhaltene Hirnpulver in einem großen kupfernen, 
innen verzinkten Soxhlet-Apparat mit warmem Aceton er- 
schöpfend extrahiert. Hierauf wurde die Masse, nachdem man 
sie im Vakuum von Aceton befreit hatte, mit leicht siedendem 
Petroläther erschöpft, dieses möglichst bei Abschluß von Licht. 
Nach der Extraktion mit Petroläther wurde das restierende 
Hirnpulver mit siedendem absolutem Alkohol so lange aus- 
gekocht, solange der Alkohol noch beim Abkühlen einen weißen 
Bodensatz absetzte oder mit Chlorcadmium eine Fällung gab. 
Hierauf wurde das Gehirn mit 85°/,igem Alkohol siedend heiß 

1) Journ. of Physiol. 34, Nr. 1 u, 2, 13. III. 1906. — Christine 


Tebb, ebenda 34, Nr, 1 u. 2, 13. III. 1906. 
17* 


258 S. Fränkel: 


erschöpft, dann getrocknet und noch mit Äther nachextrahiert. 
Dieses Verfahren haben wir später in zweierlei Weise noch modi- 
fiziert. Bei der Verarbeitung im großen Stile, und wir verarbeiten 
ca. 100 kg auf einmal, trockneten wir den Hirnbrei rasch bei 
100°, nachdem wir uns überzeugt hatten, daß die wesentlichsten 
Substanzen durch diesen Vorgang nicht alteriert werden. Ferner 
haben wir zwischen die Petrolätherextraktion und das Auskochen 
mit absolutem Alkohol noch eine Extraktion mit reinem, kry- 
stallisierten Benzol eingeschoben. Das Benzol löst im wesent- 
lichen diejenigen Körper, welche bei unserem frühern Verfahren 
bei der Extraktion mit 85°/,igem Alkohol gewonnen wurden. 
Auf diese Weise kamen wir zu folgenden, sehr interessanten 
Resultaten: 

Wir verarbeiteten Gehirn in Portionen von 100 kg. 
90 Menschenhirne wogen nach Entfernung der Hirnhäute und 
der Blutflüssigkeit 106 kg 930 g. Im Durchschnitt zeigte bei 
mehrfachen Versuchen das Menschenhirn einen Gehalt an 
Trockensubstanz von 23°/,. 


Acetonextrakt. 


Diese Trockensubstanz gab nun an wässeriges und an 
konzentriertes Aceton eine Reihe von Substanzen ab, so daß 
aus den acetonigen Lösungen 10,96°/, Rohcholesterin und 
9,64°/, Extraktivstoffe sich isolieren ließen, die zum Teil we- 
nigstens Lipoidcharakter zeigten, zum großen Teil aber aus 
anorganischem Material bestanden. Die Verarbeitung zur Ge- 
winnung dieser Extrakte wurde in der Weise durchgeführt, 
daß das Aceton zuerst kalt und dann heiß bis zur Erschöpfung 
auf die Gehirne einwirkte. Diese vorherige Entfernung des 
Cholesterins erschien uns ungemein wichtig für die Trennung 
und Aufarbeitung der Phosphatide und Galactoside, weil das 
Cholesterin in so reichen Mengen im Gehirne vorhanden ist 
und so intensiv die Lösungsverhältnisse der anderen Lipoide 
beeinflußt, daß an eine Scheidung der übrigen Substanzen 
nicht gedacht werden kann, bevor nicht das Cholesterin 
entfernt ist. Nach der Entfernung des Cholesterins liegen 
wesentlich einfachere Verhältnisse vor, und man gelangt in 
rascher Weise zu einheitlichen Substanzen und kann die Ent- 
mischung mit anderen Lösungsmitteln viel weiter treiben, ohne 





Über Lipoide. VL 259 


noch die metallischen Fällungsmittel zu benützen, denn das 
vorzeitige Einwirkenlassen von metallischen Fällungsmitteln 
führt zur Darstellung von Metallverbindungen, die durchaus 
weiter nicht trennbar sind, und erst nach mühseligen Analysen 
bemerkt man, daß man ein Gemenge von Substanzen und nicht 
einen einheitlichen Körper vor sich hat. 

Es liegen wohl in der Literatur einzelne Angaben über 
den Cholesteringehalt des Gehirnes vor, aber sie sind nur so 
nebenbei gefallen. Selbst Thudiohum, dem wir so aus- 
gezeichnete Versuche über das Gehirn verdanken, legt auf die 
Gegenwart des Cholesterins, welches er aus dem Gehirn rein 
darstellen konnte, wie vor ihm ja schon die französischen 
Forscher, keinen besonderen Wert, wenn er auch öfter angibt, 
daß die Löslichkeitsverhältnisse der verschiedenen fettartigen 
Substanzen des Gehirnes in organischen Solvenzien durch die 
Gegenwart von Cholesterin wesentlich beeinflußt sind. 

Die Angaben über den Cholesteringehalt des Gehirnes 
schwanken recht beträchtlich ; jedenfalls ist es für uns von 
Interesse, daß es im Gehirn auch zur Cholesterinsteinbildung 
kommen kann, wie sonst nur in der menschlichen Galle, und 
Barrier?) beschreibt Konkretionen im Plexus Chorioideus der 
Seitenventrikel des Gehirnes, und zwar zwei Steine von zu- 
sammen 25g, welche aus Kalksalzen und Cholesterin bestanden. 
Im Hundehirn fand F. N. Schulz?) 12,7°/, Cholesterin auf das 
trockene Gehirn gerechnet, was auf das feuchte Gehirn 3,48°/, 
Cholesterin ausmachen würde, und Christine Tebb?) extrahierte 
nach der Methode von Rosenheim mit Gips und Sand ge- 
mischtes Gehirn mit kaltem Aceton und erhielt aus 900 g 
Menschenhirn ungefähr 20 g Rohcholesterin, was 2,22°/, Chole- 
sterin auf feuchtes Gehirn gerechnet ergeben würde Thu- 
dichum fand in 1296 g Gehirn 24,21 g Cholesterin, was einem 
Prozentgehalt von 1,8°/, Cholesterin entspricht. 

Bei unseren Untersuchungen hat sich herausgestellt, daß 
das gesamte Cholesterin im Gehirn in freiem Zustande sich 
befindet, entgegen den Angaben von Baumstark*), welcher 


1) Gazette medicale 1878, 186. 

2) Pflügers Archiv 66, 145. 

3) Journ. of Physiol. (L c.). 

4) Zeitschr. f. physiol. Chem. 9, 145. 


260 S. Fränkel: 


annimmt, daß ein Teil des Cholesterins im Gehirn mit Ölsäure 
verbunden ist. Diese letztere Angabe haben schon sowohl 
Christine Tebb, als auch Bünz!) widerlegt. Bünz zeigte, 
daß der Ätherextrakt vom Gehirn nach der Fällung der Phos- 
phatide mit Aceton aus reinem Cholesterin bestand, eine An- 
gabe, die wir nach den Resultaten unserer neuen Methodik 
vollständig bestätigen können. 

Die Entfernung des Cholesterins aus dem Gehirn beruht, 
wie oben erwähnt, auf der bekannten guten Löslichkeit von 
Cholesterin in Aceton und auf der ebenso bekannten Unlöslich- 
keit der meisten Phosphatide in diesem Lösungsmittel. Doch 
wird dieses Rohcholesterin noch von mehreren Phosphatiden 
begleitet, und zur Reinigung von diesen haben wir mehrfache 
Wege eingeschlagen, je nachdem, ob wir auf die Darstellung 
der Phosphatide oder auf die reine Darstellung des Cholesterins 
mehr Wert legten. Zur Darstellung des Cholesterins empfiehlt 
sich am besten das von Mauthner empfohlene Verfahren, 
siedend heißen Eisessig mit dem Rohcholesterin zu sättigen, dann 
erkalten zu lassen, die Cholesterinessigsäureverbindung nach dem 
Erkalten abzusaugen und mehrfach aus 85°/ ,igem Alkohol um- 
zukrystallisieren, bis man den stimmenden Schmelzpunkt hat. 
Neben dem Cholesterin fanden wir durch Fällung der Mutter- 
laugen mit alkoholischer Chlorcadmium-Lösung Phosphatide, die 
sich durch Benzol in einen kleineren benzollöslichen und in 
einen größeren benzolunlöslichen Teil trennen lassen. Dieser 
benzolunlösliche Teil wurde mehrfach aus 95°/,igem Alkohol 
umkrystallisiert, und man erhält ein weißes Pulver, das recht 
undeutlich krystallisiert, bei 186° langsam erweicht und un- 
scharf zwischen 208° und 212° schmolz. Diese Cadmiumver- 
bindung gab keine der feinen Reaktionen für ungesättigte Ver- 
bindungen, weder die v. Baeyersche noch die Oleocholid-Reaktion, 
sie ist daher als eine gesättigte Verbindung anzusehen. Die 
benzollösliche Cadmiumverbindung aus dem Acetonextrakt wurde 
aus der benzolischen Lösung mit absolutem Alkohol gefällt, 
und man erhielt stark lichtbrechende, undeutlich ausgebildete 
Krystalle, welche unter vorhergehender Bräunung zwischen 215° 
und 217° schmolzen. 


1) Zeitschr. f. physiol Chem. 46, 47. 


Über Lipoide. VI. 261 


Petrolätherextrakt. 


Hat man nun das Gehirn mit kaltem und heißem Aceton 
vollkommen erschöpft, so geht man daran, das vom Aceton 
im Vakuum befreite Pulver mit Petroläther zu extrahieren. 
Dabei erhielten wir einen lichtgelben petrolätherischen Extrakt, 
welcher 27,836°/, der Trockensubstanz aufgenommen hatte. Die 
Hauptmasse der phosphorhaltigen Körper war also in diesen Ex- 
trakt übergegangen. Es ließ sich leicht zeigen, daß dieser Extrakt 
im wesentliehen aus zwei Gruppen von Verbindungen besteht. 
Wenn man die petrolätherische Lösung mit absolutem Alkohol 
versetzt, so entsteht sofort ein dicker Niederschlag, der nach 
einiger Zeit sich völlig absetzt (Kephalinfraktion). Wir 
nennen diesen Niederschlag Kephalinfraktion, weil er der 
Hauptsache nach aus der von Thudichum ‚„Kephalin“ 
genannten Substanz besteht, welche wir eingehend studieren. 
Löst man nun diese Kephalinfraktion von neuem in Petroläther 
auf, so bemerkt man, daß sie beim Stehen einen weißen 
Bodensatz absetzt, welcher sich bei längerem Stehen noch ver- 
mehrt. Durch Zentrifugieren der petrolätherischen Lösung der 
Kephalinfraktion läßt sich ein Galactosid darstellen, dessen 
Reindarstellung und chemische Zusammensetzung demnächst mit- 
geteilt werden wird. Durch wiederholtes Lösen in Petroläther und 
Fällen mit absolutem Alkohol kann man immer reineres Kephalin 
bekommen, wenn man nur immer vor dem Fällen abwartet, bis 
sich die weiße Substanz, das neue Galactosid, abgesetzt hat, und 
eventuell unterstützt man noch dieses Absetzen durch Zentri- 
fugieren. Der Hauptsache nach ist auf diese Weise das 
Kephalin gereinigt. Dieses Rohkephalin nun wird seiner Dar- 
stellung und Reinigung nach weiter von Dr. E. Neubauer 
beschrieben werden. Der weiße Bodensatz läßt sich nur 
schwierig reinigen, es haftet ihm immer etwas Kephalin an, 
das man erst entfernen muß. Der Bodensatz besteht dann 
aus einer einheitlichen Substanz, die sich als ein Galactosid 
erweist, frei ist von Phosphor und Schwefel und durchaus 
different von den bisher beschriebenen Galactosiden. Diese 
Substanz wird demnächst von Dr. Kurt Linnert beschrieben 
werden. 


262 S. Fränkel: 


Petroläther-alkoholische Lösung. 


Der petrolätherisch-alkoholische Anteil gibt bei Fällung mit 
alkoholischer Chlorcadmiumlösung Cadmiumverbindungen, die in 
Benzol fast vollkommen löslich sind. Diese Verbindungen sind 
durchaus nicht einheitlicher Natur. Es empfiehlt sich vielmehr, 
diese Fraktion in der Weise zu verarbeiten, daß man nach dem 


Abdestillieren des Petroläther-Alkohols den Rückstand wieder in _ 


absolutem Alkohol löst und die Lösung mit einer schwach ammo- 
niakalischen, alkoholischen Bleiacetatlösung so lange fällt, als noch 
ein Niederschlag entsteht. Diesen Niederschlag saugt man ab und 
wäscht ihn mit Alkohol. Der Hauptsache nach, bis auf einen un- 
wesentlichen Rückstand, löst sich die Bleiverbindung in Benzol 
auf; sie kann aus diesem durch Alkohol wieder gefällt werden. Es 
handelt sich hier vielleicht um das von Thudichum be- 
schriebene Myelin. Wir sind mit der Aufarbeitung dieser Sub- 
stanz eben beschäftigt. Aus der mit Blei gereinigten Lösung 
wird nun so lange Alkohol abdestilliert, bis er nicht mehr 
ammoniakalisch übergeht, und zu der nun konzentrierteren 
Lösung so lange unter Umrühren und Schütteln absolut alko- 
holische Salzsäure zugesetzt, bis kein Niederschlag mehr ent- 
steht. Auf diese Weise gelingt es ohne Verwendung von 
Schwefelwasserstoff, das Blei aus der Lösung bis auf Spuren 
zu entfernen. Zu dem Filtrate von Chlorblei setzt man nun 
alkoholische Chlorcadmiumlösung zu. Es wird durch diese 
eine sehr große Menge Substanz gefällt, die man vom Alkohol 
durch Filtration trennt und in Benzol löst, in welchem sie 
bis auf anorganische Salze löslich ist. Da eine Filtration dieser 
benzolischen Lösung nicht angängig ist, zentrifugiertt man 
sie, gießt von dem Niederschlag ab und kocht ihn so 
lange unter Ersatz von frischem Benzol, bis das Benzol klar 
destilliert. Diese benzolische Lösung wird nun mit absolutem 
Alkohol gefällt und mehrfach mit absolutem Alkohol aus- 
gekocht, bis dieser nichts mehr aufnimmt und auch nicht mehr 
nach Benzol riecht. Durch wiederholtes Lösen in Benzol und 
Fällen mit absolutem Alkohol erhält man die Substanz rein, 
die ein vom Lecithin differentes Monoamino-Monophosphatid ist. 
Wir kehren nun zur Hauptdarstellung zurück. 


Uber Lipoide. VL 263 


Benzolfraktion. 


Das nun mit Petroläther völlig erschöpfte Gehirnpulver 
wird nach Abdunsten des Petroläthers im Soxhlet-Apparat mit 
krystallisiertem thiophenfreiem Benzol extrahiert. Benzol nimmt 
18,58°/, der Trockensubstanz auf. Die benzolische Lösung 
wird mit absolutem Alkohol gefällt, solange noch ein Nieder- 
schlag entsteht. Dieser Niederschlag löst sich nur zum kleinsten 
Teil in siedendem absolutem Alkohol. Wässert man aber den 
Alkohol und verwendet man insbesondere 85°/,igen Alkohol, 
so erhält man eine vorzügliche Lösung, welche nach der 
Filtration sehr gut krystallisiert. Unter allen Umständen bleibt 
ein Teil dieser Fraktion sowohl im absoluten als auch gewässerten 
Alkohol unlöslich, löst sich aber dann wieder sowohl in Benzol 
als auch in Toluol, sowie in Tetrachlorkohlenstoff und läßt sich 
mit Erfolg aus Amylacetat umkrystallisieren. 


Alkoholfraktion. 


Das nun mit Benzol erschöpfte Gehirnpulver wird mit 
absolutem Alkohol wiederholt ausgekocht, bis der Alkohol beim 
Erkalten weder einen Niederschlag absetzt noch mit Cadmium- 
chlorid irgend eine Fällung zeigt. Der Alkohol nimmt noch 
6,256°/, Substanz auf. Sowohl der Benzolextrakt als auch 
der Alkoholextrakt bestehen aus phosphor- und schwefelhaltigen 
Galactosiden. 

Wird nun das Gehirnpulver mit Äther nachextrahiert, so 
gibt es an diesen noch eine ganz unwesentliche Menge Substanz 
ab, welche nur 0,9162°/, der Trockensubstanz beträgt. Es 
hinterbleiben also 31,628°/, des Trockenrückstandes, welche 
weder in Aceton noch in Petroläther, noch in Benzol, noch in 
Alkohol und Äther löslich sind und die der Hauptsache nach 
aus den verschiedenen Eiweißkörpern des Gehirnes, aus Asche 
und aus einzelnen Extraktivstoffen bestehen. 

Rekapitulieren wir nun das bisher Gesagte, so sehen wir, 
daß diese neue Aufbereitung der Gehirnsubstanzen wesentliche 
Fortschritte in der Entmischung dieser Substanzen in der Weise 
bringt, daß man schon von vornherein mit dem spezifischen 
Lösungsmittel bestimmte Körperklassen herausholt und immer 
mehr und mehr die Entmischung ermöglicht. Die Wahl der 
Lösungsmittel ist in der Weise getroffen, daß man vorerst mit 


264 S. Fränkel: 


Aceton das gesamte Cholesterin entfernt, daß man mit dem 
Petroläther die sehr empfindlichen ungesättigten Phosphatide 
extrahiert, denen gegenüber der Äther ein sehr stark oxydierendes 
und daher unbrauchbares Mittel ist, daß der Petroläther aber 
von den Galaktosiden nur ein einziges mitlöst, alle anderen 
aber unberührt läßt. Benzol nimmt nur eine Gruppe der 
phosphor- und schwefelhaltigen Substanzen mit, und zwar die- 
jenigen, welche im absoluten Alkolol nicht löslich sind, daneben 
Substanzen anderer Art, mit deren Trennung und Studium wir 
uns beschäftigen. Der Alkohol aber, den wir fast erst zum 
Schluß verwenden, nimmt wieder eine Gruppe von phosphor- 
und schwefelhaltigen Körpern auf, die wesentlich dadurch von 
den in Benzol gelösten differieren, daß sie schon in heißem ab- 
solutem Alkohol sich glatt und vollständig lösen. Wir haben diese 
Gruppen schon vorher beobachtet, als wir nach der Petrol- 
äther-Extraktion das Gehirn zuerst mit absolutem und dann 
mit verdünnterem Alkohol extrahierten. Wir sahen, daß der 
absolute Alkohol nur einen Teil der sogenannten Protagon- 
körper, die nichts anderes sind als gesättigte Phospho-Sulfatide, 
aufnimmt, und daß ein weiterer Anteil erst mit gewässertem 
Alkohol in Lösung geht und daß der zweite Anteil aus 
absolutem Alkohol sich nicht umkrystallisieren läßt, sondern 
daß man immer wasserhaltigen Alkohol dazu verwenden muß. 
Durch diese Untersuchungen wird klarer, warum alle Bemühungen 
in der Gehirnchemie, zu ganz reinen Substanzen zu gelangen, 
scheiterten, da eine Entwirrung und Entmischung des kompli- 
zierten Substanzengemenges, nachdem man alles zusammen mit 
Alkohol dem Gehirn entzogen, durch Lösungsmittel und Metall- 
fällungen nicht mehr durchführbar ist. 

Andrerseits haben die meisten Untersucher übersehen, daß 
die verschiedenen aus Gehirn dargestellten Substanzen ungemein 
energisch mineralische Bestandteile festhalten und daß sie fast 
durchwegs, wenn sie auch über wasserfreie Lösungsmittel gereinigt 
sind, beträchtliche Mengen von Asche enthalten, so daß wir 
sie erst durch besondere Verfahren ihrer Aschenbestandteile 
berauben mußten und wir bei einzelnen sahen, daß es sich 
tatsächlich um eine salzartige Bindung handelt, und wenn 
man die Metalle entfernt, man Körper mit sehr differenten 
physikalischen Eigenschaften erhält. 


Über Lipoide. VL 265 


Dieser Reichtum an Asche, den viele Untersucher über- 
sehen haben, mag auch die Ursache gewesen sein, daß so dif- 
ferente analytische Resultate der verschiedenen Substanzen von 
den verschiedenen Forschern erhalten wurden. 


Tabelle der Extraktionsresultate für Menschenhirn. 





Trocken- 
230), Trookensubstanz substanz 
Rohcholesterin. . . . . s.. 2 2 2 2 2 2. 10,96 
DESOBESMER! meer u. unbestimmte Extraktivstoffe 9,64 
Petrolätherextrakt . . 2 2 2 2 2 rn nr rn re. 27,836 
Benzolextrakt . . .. 2 20m nr ren 13,53 
Alkoholextrakt . . 2 2: 2 0 0 0 m rn re. 6,256 
Ätherextrakt . .. 2 2m ven 0,916 
Rückstand (Proteine usw.) . ». 22 2 20 202000. 31,628 


Aus der Zusammenstellung der Resultate ersehen wir, daß 
die Gehirntrockensubstanz aus rund */, lipoidartigen Substanzen 
und nur aus !/, eiweißartigen Substanzen besteht, daß 10°/, 
der Trockensubstanz Cholesterin sind, etwa 30°/, ungesättigte 
Verbindungen, und wenn man die Lipoide für sich betrachtet, 
so sieht man, daß von den Lipoiden ca. 17°/, Cholesterin sind, 
48,293°/, ungesättigte Verbindungen und 34,482°|, gesättigte 
Verbindungen. 


* * 
* 


Wir haben das hier mitgeteilte Verfahren der fraktionier- 
ten Extraktion mit viel Erfolg beim Studium der Lipoid- 
substanzen anderer Organe ebenfalls verwendet. Bei jedem 
einzelnen Organ muß nach unseren Erfahrungen die Methode 
im Detail etwas abgeändert werden, entsprechend der sehr ver- 
schiedenen Natur der Lipoide aus differenten Organen. 


Eine neue Methode zur Reinigung der Peroxydase. 
Von 
N. T. Deleano. 


(Aus dem Chemischen Laboratorium des Kaiserlichen Instituts für 
experimentelle Medizin zu St. Petersburg.) 


(Eingegangen am 28. Mai 1909.) 


Vor kurzem haben wir mitgeteilt, daß die Samen des 
Ricinus communis während der Keimung reichlich Peroxydase 
enthalten; ein aus 5 Pflanzen nach 20 Tage langer Keimung 
bereiteter Wasserextrakt gab 0,1400 g Purpurogallin aus 1,0g 
Pyrogallol und 10 ccm 1°/,iger Weasserstoffsuperoxydlösung. 
Es erwies sich, daß beim Trocknen der Samen bei einer Tempe- 
ratur vun 20 bis 22°C und lebhafter Luftdurchleitung die 
oxydierende Eigenschaft derselben sistiert bleibt, um nachher 
wieder aufzutreten, und daß eine aus so getrockneten Samen 
oder jungen Pflanzen bereitete Wasseremulsion nach einigen 
Tagen beim Stehen bei einer Temperatur von 20 bis 37° C 
progressierend oxydierende Eigenschaft aufwies. 

Zur näheren Kenntnis dieser Frage wurden die 10 bis 12 om 
langen Pflanzen, d. h. am 20. oder 22. Tage der Keimung, in 
einem besonderen ‚Apparate bei starker Luftdurchleitung ge- 
trocknet (20 bis 22° C). 

Aus einer bestimmten Zahl getrockneter Pflanzen wurde 
eine Wasseremulsion bereitet und dieselbe in einen Thermostat 
bei 37°C gestellt. Täglich wurde eine 5 Pflanzen entsprechen- 
de Menge der Emulsion zum Oxydationsversuch von 1,0 g 
Pyrogallol mit 10 ccm L1°/,iger Wassertoffsuperoxydlösung in 
einem Gesamtflüssigkeitsvolumen von 100 ccm angewandt. Die 
Resultate sind in folgender Tabelle dargestellt: 


N.T. Deleano: Eine neue Methode zur Reinigung der Peroxydase. 267 


Tabelle I. 
Quantität des erhaltenen 
Zeit der Bestimmung Purpurogallins in Grammen 
nach 1 Tage . . . . . 0,0005 

„» 2 Tagen. . . . . 0,0025 
» ee e e o 0,0135 
so.. e e o 0,0321 
© > . . . 0,0593 
» oe. 0.0.0. 0,0491 
» a 0900012 

Zur näheren Erforschung dieses Vorganges versuchten wir 
zunächst, die Peroxydase möglichst gut von verschiedenen Ver- 
unreinigungen zu befreien, indem wir das von Kahlbaum dar- 
gestellte Liquor ferri oxyd. dialys. colloidale anwandten. Dieses 
Präparat wurde von Rona!) zur vollständigen Eiweißfällung 
empfohlen, sogar minimale Spuren werden mit in den Nieder- 
schlag gezogen und dabei verhält es sich absolut indifferent zur 
Peroxydase. 

Zu diesen Reinigungsversuchen der Peroxydase wurde der 
Raphanusextrakt angewandt. 

Zur Fällung der Eiweißkörper wurden 50 ccm Raphanus- 
extrakt mit 2 bis 3 com der Kahlbaumschen kolloidalen Eisen- 
lösung versetzt, woraufhin in kurzer Zeit ein voluminöser 
flockiger Niederschlag erhalten und abfiltriert wurde. Das in- 
differente Verhalten der kolloidalen Eisenlösung geht aus folgender 
Tabelle hervor. 


IA a 


Tabelle U. 


1. 1,0 g Pyrogallol + 10 ccm 1°/, H,0,;, + 50 ccm Raphanus- 
extrakt gaben nach 24 Stunden 0,2525 g Purpurogallin; 

2. 1,0 g Pyrogallol 4 10 ccm 1°/, H,O, +4 50ccm Raphanus- 
extrakt, von Eiweißstoffen befreit, gaben nach 24 Stunden 
0,266 g Purpurogallin. 


Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß die Peroxydase durch 


das Liq. ferri oxyd. colloid. nicht gefällt wird, wurden 2000,0 g 
Raphanus gut verrieben und bei lebhafter Luftdurchleitung 


getrocknet, die getrocknete Substanz einige Male mit Alkohol 


1) Diese Zeitschr. 18, 222. 


288 ` N. T. Deleano: 


ausgewaschen, 2000,0 g Wasser zugefügt und auf 6 bis 7 Tage 
bei einer Temperatur von 20 bis 22° C an einen dunklen 
Ort gestellt, dann filtriert, der Rückstand gut ausgepreßt und 
im Filtrat die Eiweißfällung mit der kolloidalen Eisenlösung 
vorgenommen. 

(5 ccm der Eisenlösung auf 100 ccm Filtrat genügten zur 
vollständigen Eiweißausfällung::) 


Tabelle III. 


Pyrogallol 1°/,H,O, Raphanusextr. en Dauer — 
1. 1,0 10 ccm 50 ccm — 24 St. 0,2525 g 
2. 1,0 10 ,, 50 ,, 5 ccm 24 0,2660 ‚, 
3. 1,0 10 ,„, 50 „, 10 „ 24 0,2650 „, 


In allen drei Versuchen war das Volumen mit Wasser auf 
100 ccm gebracht. 

Um eine möglichst reine Peroxydase zu gewinnen, wurde 
der von Eiweißkörpern befreite Raphanusextrakt mit Spiritus 
versetzt, die gefällte Peroxydase abfiltriert und in einem luft- 
leeren Raum getrocknet; die Ausbeute war geringer, das Pro- 
dukt aber bedeutend aktiver. 

0,05 g aus gewöhnlichem Raphanusextrakt gewonnene Per- 
oxydase gaben 0,0645 Purpurogallin. 

0,05 g aus von Eiweißkörpern isolierttem Raphanusextrakt 
gewonnene Peroxydase gaben 0,1500 Purpurogallin. Aus dem 
angeführten Versuch geht hervor, daß die Aktivität der Per- 
oxydase durch Reinigung mit der kolloidalen Eisenlösung fast 
um das Doppelte steigt. 

Die Eigenschaften der so gereinigten Peroxydase sind mit der 
ungereinigten identisch, nur ist das Verhalten zur Temperatur 
dagegen ganz verschieden. Die Versuche haben gezeigt, daß die 
Lösung der nicht gereinigten Raphanusperoxydase beim Sieden 
im Laufe von 5 bis 10 Minuten ihre oxydierende Eigenschaft 
verliert, nach einiger Zeit aber wieder mehr oder weniger zurück- 
gewinnt. Die folgende Tabelle giebt einen Überblick über die aus 
1,0 g Pyrogallol, 10 ccm 1°/, H,O, und 50 ccm Raphanusextrakt 
in einem Volumen von 100 ccm nach dem Kochen erhaltenen 
Quantitäten Purpurogallins. 


Eine neue Methode zur Reinigung der Peroxydase. 269 


Tabelle IV. 

Zeit der Bestimmung Purpurogallin erhalten 
Gleich nach dem Sieden . . Nicht erhalten (—) 
Nach 1 Tage . . . . . Geringe Spuren (+) 
Nach 2 Tagen . . . . . Intensive Spuren 

ie Bo 20.20.20. 0,0021g 

sr 2D a ©.. .0.0,0432 „, 

Tan 20.2020. 0,0612,, 

„ 10 5 : 0,0046 ,, 


Aus rohem Raphanusextrakt wurde bei denselben Verhält- 
nissen 0,2525 g Purpurogallin gewonnen. 

Es könnte sich hier um gewissen Schutz der Peroxydase 
gegen chemische und physische Einflüsse durch die Eiweiß- 
körper oder deren Derivate handeln. Man könnte annehmen, 
daß in dem kompliziert zusammengesetzten Komplex der Samen- 
und Pflanzenemulsion beim Trocknen resp. Erwärmen eine Ver- 
schiebung der Atomgruppen in der oder jener Richtung vor 
sich geht und daß die Peroxydase daher mit verschiedenen 
Elementen resp. Gruppen in zeitweilige mehr oder weniger sta- 
bile Verbindungen treten und dadurch zeitweise inaktiv werden 
kann. Diese Verbindungen können nach einiger Zeit oder unter 
dem Einfluß des Wassers dissoziieren und dadurch kann die Per- 
oxydase teilweise wieder aktiv werden. Aus demselben Versuch 
mit der von Eiweißkörpern isolierten Peroxydase erwies es sich, 
daß nach dem Sieden keine Aktivität hervortritt, und daß so- 
gar eine Erwärmung bis 55°C im Laufe von 3 Stunden sie 
vollständig zerstört, andererseits aber die von Eiweißkörpern 
nicht isolierte Peroxydase in demselben Falle an Aktivität 
nichts verlor. 

Aus den angeführten Tatsachen kann man den Schluß 
ziehen, daß die Peroxydase meistens von Eiweißkörpern be- 
gleitet ist, welche sie gegen Temperatursteigerung gewisser- 
maßen schützen (Fall Ricinus communis), und daß sie außer- 
dem die Eigenschaft besitzt, mit den Eiweißkörpern resp. deren 
Derivaten in mehr oder weniger konstante Verbindungen zu 
treten, welche aber wieder teilweise dissoziieren können, wo- 
durch die Peroxydase frei auftreten kann. Die Arbeit ist 
schon nach verschiedenen Richtungen fortgesetzt, und die Re- 
sultate werden in einer späteren Mitteilung veröffentlicht werden. 


Zur biologischen Bedeutung des Lecithins. 


II. Mitteilung. 


Über den Leeithingehalt bei Degenerationen im Zentral- 
nervensystem. 


Von 


W. Glikin. 


(Aus dem Tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftl. Hochschule 
zu Berlin.) 


(Eingegangen am 28. Mai 1909.) 


Bei meinen Untersuchungen des Knochenmarkes!) fand 
ich, daß die neugeborenen Tiere und Menschen einen großen 
Vorrat an Lecithin mit auf die Welt bringen, der mit dem 
Wachstum des Tieres resp. des Menschen abnimmt bis zu einer 
bestimmten Grenze resp. Alter, wo der Lecithingehalt nahezu 
konstant bleibt. Beim menschlichen Kinde bleibt der Lecithin- 
gehalt, entsprechend der langsamen Entwicklung jahrelang 
verhältnismäßig sehr hoch und nimmt entsprechend dem Wachs- 
tum nicht so rasch ab, wie beim Tiere. 

Das Fett des Knochenmarkes enthält 


bei einem 34 Jahre alten Manne noch 3,30°/, Lecitbin, 


a as -00 j ji i „ 2,02, si 
a a 6L 5 ‘i © » 221, 5 
— O j 5 » 2,33 „ ñ 
a a O a F F » 2,76 , j 
a a 86 j sr „ 1,83, í 


Aus dieser Zusammenstellung sehen wir, daß das Knochen- 
mark eines 88jährigen Greises noch einen Lecithingehalt von 
1,83°/, aufweist — ein Wert, der uns zu der Annahme be- 


1) Diese Zeitschr. 4, 235, 1907. 


W. Glikin: Zur biologischen Bedeutung des Lecithins. II. 271 


rechtigt, daß das Lecithin zu den beständigen Bestandteilen 
des Knochenmarkes gehört und unter normalen Verhältnissen 
auch im hohen Alter nicht verschwindet. 

Nun drängt sich die Frage von selbst auf, wie gestaltet 
sich der Lecithingehalt des Knochenmarks unter pathologischen 
Verhältnissen? Ist der Lecithingehalt des Knochenmarks be- 
deutenden Schwankungen unterworfen, oder schwindet das 
Lecithin überhaupt? Daß das Lecithin in den verschiedensten 
pathologischen Geweben oder Flüssigkeiten gefunden worden 
ist, ist bekannt; vom Knochenmark aber wissen wir nichts. 
Eine Diskussion der Frage nach dieser Richtung hin schien 
mir für die weitere Klärung der biologischen Bedeutung des 
Lecithins von besonderem Interesse. 

Zu diesem Zweck habe ich gemeinschaftlich mit Dr. G.Peritz 
an der zweiten medizinischen Klinik der Charité eine Reihe 
von pathologischen Knochen untersucht. Wir hielten es für 
zweckmäßig, unser Augenmerk zunächst der Paralyse zuzuwenden. 
Die von uns untersuchten Röhrenknochen von Paralytikern und 
einem Tabiker gaben folgende Resultate!) (Diese Unter- 
suchungen werden fortgesetzt). 


Lecithingehalt 


Bemerkungen 












D., Spuren Dementia paralytica 
A, » 32 0,285 i = 
W, » 43 kein — ji 
Mo a 42 5 ar j 
W.C. „ 43 2,23 i » 
N, » 40 1,195 An Pi 
X, » — Spuren Tabes 

B, » 42 5 Dementia paralytica 
Ma., „o. 33 

B. Sch., Frau 30 | 4,21 — r: 
U.K, „ 31 | 240 : J 


Aus dieser Tabelle ersehen wir, daß nicht nur eine Ver- 
minderung des Lecithingehaltes, sondern ein vollkommener 
Schwund stattgefunden hat in 6 Fällen, denn die in Spuren 





1) Einen Teil dieser Resultate hat Dr. Peritz in seiner Publikation 
„Über das Verhältnis von Lues, Tabes und Paralyse zum Lecithin“, 
Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 5, zitiert. 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 18 


272 W. Glikin: 


gefundenen Mengen können nicht mehr in Rechnung gesetzt 
werden. Der Fall mit 1,195°/, bedeutet im Vergleich mit dem 
normalen Mittelwert von 2,4°/, oder mit dem Gehalt im höch- 
sten Greisenalter 1,83°/, eine entschiedene Verminderung; ab- 
gesehen von dem bei einem 34jährigen Manne gefundenen 
Werte von 3,30°/,, dem unser Fall dem Alter nach (40 Jahre) 
am nächsten steht. In 3 Fällen haben wir jedoch Werte er- 
halten, die von den Grenzen der Norm nicht im geringsten 
abweichen. Bei der Betrachtung unserer Befunde vom patho- 
logischen Standpunkte aus werden wir auch auf diese ab- 
weichenden Resultate zurückkommen. 

Das Ergebnis dieser Untersuchung braucht keine besonderen 
Erläuterungen; es ist hieraus klar ersichtlich, daß in der che- 
mischen Zusammensetzung des Knochenmarkes bei Paralytikern 
eine Veränderung stattfinden kann, die sich in einer Verarmung 
resp. in einem Schwund des Lecithins äußert, daß das Leci- 
thin demnach als eine für die Funktion des Organismus außer- 
ordentlich wichtige Substanz betrachtet werden kann. Ob 
zwischen der Abnahme resp. dem Schwunde des Lecithins und 
den Erscheinungen der progressiven Paralyse ursächliche Zu- 
sammenhänge bestehen, sollen die weiteren Untersuchungen 
ergeben. 

In meinen Untersuchungen über den Eisengehalt der Fette 
und Lipoide!) habe ich auf die Analogie zwischen dem Leci- 
thin- und Eisengehalt im Fette des Knochenmarkes hingewiesen, 
deren Abnahme mit dem Wachstum Hand in Hand geht. Nun 
war es selbstverständlich, anzunehmen, daß beim Schwinden des 
Lecithins aus dem Knochenmark auch kein Eisen im Fett mehr 
nachweisbar sein müßte, da der Eisengehalt des Fettes durch 
den Eisengehalt der Lipoide — Lecithin und Cholesterin — 
bedingt wird (Glikin, I. c.). Dies hat sich auch in der Tat 
bestätigt: wo ich kein Lecithin fand, war auch kein Eisen 
vorhanden, während die Fälle mit dem normalen Lecithin- 
gehalt einen entsprechenden Eisengehalt aufweisen, wie folgende 
Tabelle zeigt. 


1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 910, 1908. 


Zur biologischen Bedeutung des Lecithins. IL 273 








Fe,0, 
berechnet 
%o 
D., Mann — 
A.. 0,0094 
W., — 
M., = 
W. 0,0736 
N., 0,0395 
X., — 
B., — 
Ma. — 
B. Sch., 0,1389 
U. K. 0,0793 


Der Berechnung der Eisenwerte aus dem Lecithin- resp. 
Phosphorgehalt habe ich auch hier die Relation 
Fe,0, .3P,O, 
2:2 
(die gefundene Menge P,O,) zugrunde gelegt und, wie aus den 
Zahlen ersichtlich ist, stimmen die gefundenen mit den berech- 
neten Mengen Eisen fast überein. 


18* 


Hämoglobinzerstörung in der Leber. 


Von 
Leo Heß und Paul Saxl. 
(Aus der ersten medizinischen Klinik der Universität in Wien.) 
(Eingegangen am 2. Juni 1909.) 
Mit 2 Figuren im Text. 


Die Anschauung, daß in der Leber des erwachsenen Men- 
schen und der Tiere ebenso wie in den Capillaren der Milz 
und des Knochenmarks ein Untergang von roten Blutkörper- 
chen stattfindet, darf seit den Untersuchungen Quinckes als 
allgemein geltend bezeichnet werden. Die hier zerstörten Blut- 
körperchen werden teils zu gefärbten, teils zu farblosen Eisen- 
albuminaten umgewandelt, die einem doppelten Zwecke dienen: 
einerseits der Neubildung von Erythrocyten, anderseits der Er- 
zeugung von Gallenfarbstoffl. Sowohl die Zerstörung von Blut- 
körperchen, als auch der Abbau von Hämoglobin werden all- 
gemein der Leberzelle als eine spezifische Leistung zugeschrieben, 
obwohl zur Stütze dieser Ansicht zumeist nur indirekte Be- 
weise beigebracht wurden. Wenn angegeben wird, daß das 
Blut der Lebervene an roten Blutkörperchen ärmer sei als das 
der Leberarterie, so darf daran erinnert werden, daß lokale 
Störungen der Zirkulation leicht eine geänderte Verteilung der 
Blutzellen zur Folge haben können. Kommt es durch innere 
Blutungen oder durch die Gegenwart von hämolytisch wir- 
kenden Giften zu einem erhöhten Blutkörperchenzerfall, so 
pflegt der Eisengehalt der Leber erhöht zu sein. Da aber 
auch hypodermal eingeführtes Eisen sich in der Leber ablagert, 
so muß der vermehrte Eisengehalt der Leber unter den früher 
genannten Umständen nicht unbedingt einem vermehrten Unter- 
gang von Hämoglobin führenden Zellen in der Leber seinen 
Ursprung verdanken. 


L. Heß und P. Saxl: Hämoglobinzerstörung in der Leber. 275 


Aus älteren Versuchen, die unter Alexander Schmidts 
Leitung Anthen durchführte,*?) geht hervor, daß „überlebende“‘ 
Leberzellen die Fähigkeit besitzen, gelöstes Hämoglobin auf- 
zunehmen und bei Gegenwart von Glykogen in ein dem Gallen- 
farbstoff nahestehendes Pigment teilweise umzuwandeln. 

Wenn auf Grund der erwähnten Beweise die Lehre auf- 
gestellt wurde, daß der gesunden Leberzelle die Fähigkeit zu- 
komme, Hämoglobin zu zerstören, so scheinen uns demgegenüber 
zahlreiche klinische Erfahrungen dafür zu sprechen, daß ihr 
unter pathologischen Bedingungen diese Fähigkeit mangelt. 

In Fällen von Phosphorvergiftung, die bekanntlich zur 
schwersten Leberzellschädigung führt, wurden übernormale Werte 
der Erythrocyten aufgefunden.?) Dabei soll nach v. Jaoksch 
der Eiweißgehalt des Blutes und des Serums sowie der Wasser- 
gehalt normal sein, so daß eine Bluteindickung ausgeschlossen 
erscheint. Ähnliche Blutbefunde wurden erhoben bei der Ver- 
giftung mit Kohlenoxyd und bei der akuten gelben Atrophie 
(E.Grawitz). Ob dementsprechend die Gallenfarbstoffproduktion 
darniederliegt, läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen, da eine 
quantitative Bestimmung desselben am lebenden Menschen 
nicht möglich ist. So weit aber das Verhalten der Blasengalle 
an der Leiche ein Urteil gestattet, ist die Bildung des Gallen- 
farbstoffs sowohl bei der Phosphorvergiftung, als auch bei der 
durch fieberhafte Infektionen bedingten Leberzelldegeneration 
herabgesetzt. In dem gleichen Sinn läßt sich vielleicht das 
Auftreten eines gelbbraunen Pigments bei der sogenannten 
braunen Atrophie der Leber deuten, das auf eine unvollkommene 
Zerstörung des Hämoglobins durch die atropbische Leberzelle 
hinweist. 

Von hohem klinischen Interesse scheint uns vor allem das 
Verhalten der cirrhotiscohen Leber zu sein, deren Zellen immer 
zum großen Teil — gleichgültig ob primär oder sekundär — 
mehr oder minder hohe Grade der Degeneration aufweisen. 
Ein sicheres Urteil über das Maß der Hämoglobinzerstörung 
und der Gallenfarbstoffproduktion bei der Cirrhose zu gewinnen, 
stößt deshalb auf große Schwierigkeiten, weil einerseits bei der 


1) Zitiert nach Landois, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 
9. Auflage, 1896, S. 335. 


23) Taussig, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 30, 261, 1892. 


276 L. Heß und P. Saxl: 


großen’ Regenerationsfähigkeit der Leber der Ausfall ausgedehnter 
Zellkomplexe durch neugebildete junge Zellen überkompensiert 
werden kann. Die vermehrte Urobilinurie, die sich bei zahl- 
reichen Cirrhosen findet, könnte hierin begründet sein. Ander- 
seits bleibt zu berücksichtigen, daß die der Cirrhose voran- 
gehenden Grundkrankheiten (z. B. Lues, Tuberkulose) als solche 
eine extrahepatale Blutschädigung herbeiführen können, die sich 
klinisch als Anämie darstellt. Die Hautfarbe der Cirrhotiker, 
bei denen keine schwere Konstitutionskrankheit besteht, ist 
nicht blaß, sondern erdfahl, und wenn, wie so häufig, Gallen- 
farbstoff im Harn fehlt, besteht die Möglichkeit, sie auf ab- 
norme anderweitige Produkte des Hämoglobins zu beziehen. 
Bei nicht tuberkulösen Cirrhosen konnten wir in mehreren 
Fällen ebenso wie Türk!) Hyperglobulie nachweisen. Daß die 
Menge des Gallensekretes gering ist, läßt sich daraus erkennen, 
daß in den späteren Stadien der Cirrhose die Exkrete des Darms 
eine abnorm helle Farbe zeigen, auch wenn kein Ikterus be- 
steht (Thierfelder). 

Bei Versuchen über die postmortale Autolyse der Leber 
beobachteten wir gelegentlich autolysierende Lebern von nor- 
malen Tieren und solchen, die durch Vergiftung (Phosphor, 
Arsen) oder Toxinwirkung umgekommen waren. Dabei zeigte 
sich regelmäßig, daß die im Anfang rosarote Farbe der nor- 
malen Leber nach wenigen Tagen einer gelbbraunen Verfärbung 
Platz machte, während die Leber der kranken Tiere verhältnis- 
mäßig lange ihr tiefrotes Kolorit beibehielt. Offenbar war bei 
der normalen Leber eine Zerstörung des Hämoglobins schuld 
an ihrer Verfärbung, während bei der Leber der kranken Tiere 
eine Zellschädigung in dem Sinne bestand, daß die Hämoglobin- 
zerstörung ausblieb. Wir gingen diesem zufällig erhobenen Be- 
funde nach und schlugen zur weiteren Verfolgung zwei Wege 
der Beobachtung ein. 

Wir ließen die Leber von normalen und von vergifteten 
Tieren längere Zeit hindurch unter den üblichen Kautelen im 
Brutschrank autolysieren, filtrierten dann von Zeit zu Zeit einige 
Kubikzentimeter Flüssigkeit ab, die wir sowohl spektroskopisch 
untersuchten als auch nach Fleischl auf ihren Hämoglobingehalt 


1) W. Türk, Klin.-therapeut. Wochenschr. 1908, 1382. 


Hämoglobinzerstörung in der Leber. 277 


prüften. Was das makroskopische Verhalten uns früher gezeigt 
hatte, ließ sich jetzt systematisch nachweisen: die normale 
Leber zerstört das in ihr enthaltene Hämoglobin in 
kurzer Zeit nahezu vollständig, während die Leber von 
mit Phosphor, Arsen, Strychnin, Coffein, Chloroform, 
Diphtherietoxin vergifteten Tieren ihren Hämoglobin- 
gehalt viel länger beibehielt und ihn nur allmählich 
verringerte. Interessant war, daß die Leber der durch Chloro- 
formnarkose getöteten Tiere das Bild der Zellschädigung aufwies, 
während sich die in Äthernarkose getöteten Tiere wie normal 
verhielten. 

Wir werden durch diese Befunde zu der Annahme ge- 
drängt, daß eine im weitesten Sinne toxische Zellschädigung 
Ursache ist an der Abschwächung der Hämoglobinzerstörung. 
Betrachten wir diese als eine Funktion der normalen Leberzelle, 
so führen die erwähnten Gifte eine Insuffizienz der Leberzellen 
herbei. Diese Insuffizienz der Leberzellen wäre den bereits 
bekannten Degenerationsformen als neuer Ausdruck einer Zell- 
schädigung hinzuzufügen. Es ist dabei auffallend, daß Gifte 
wie Coffein und Strychnin, von denen bisher eine histologische 
oder funktionelle Veränderung der Leberzellen nicht sicher bekannt 
war, zu einer Störung der Leberfunktion führen können, die 
wohl als Teilerscheinung einer allgemeinen Alteration der Zellen 
des Organismus aufzufassen ist. Die Hämoglobinzerstörung 
durch die Leber, die bisher hypothetisch angenommen wurde, 
läßt sich nach den vorliegenden Experimenten als eine physio- 
logische Leistung derselben erkennen. Die erwähnten patho- 
logischen Zustände führen zur Herabsetzung dieser Leistung. 
Wenn in Krankheiten, die sicher mit einer Leberaffektion einher- 
gehen, Ikterus zur Beobachtung kommt, so ist dieser wohl in 
erster Linie auf mechanische Ursachen zurückzuführen. Die im 
Verlaufe von Infektionskrankheiten auftretende Anämie dürfte 
nicht auf einem vermehrten Hämoglobinzerfall in der geschädigten 
Leber beruhen, sondern wäre auf eine anderweitige extrahepa- 
tale Blutnoxe zu beziehen. 


I. Versuchsreihe. 


Es wurde makroskopisch das Verhalten von Rattenlebern 
beobachtet, die von einer normalen und mehreren vergifteten 


278 L. Heß und P. Saxl: 


Ratten stammten. Eine normale weiße Ratte wurde durch Nacken- 
schlag getötet; ein zweite durch Injektion von 0,02 gelben Phos- 
phor (in Öl aufgeschwemmt), sie starb nach 20 Stunden; eine 
dritte durch Injektion eines ?/, ccm einer kaltgesättigten wässe- 
rigen Lösung von arseniger Säure; sie starb nach 16 Stunden. 
Die Lebern wurden bald nach dem Tode den Tieren entnom- 
men, feinst zerschnitten, je 6 g in ein Wägegläschen gewogen, 
20 ccm physiologische Kochsalzlösung und 2ccm Toluol zugesetzt. 
Das Wägegläschen wurde gut durchgeschüttelt und verschlossen 
in den Brutofen gestellt. Häufig öffneten wir den Deckel der 
Wägegläschen, um den Luftzutritt zu ermöglichen, bei welchem 
nach unserer Erfahrung die Hämoglobinzerstörung leichter vor 
sich geht. Der Leberbrei hatte, so wie er angesetzt war, eine 
rote Farbe; die beiden vergifteten Lebern waren um eine 
Nuance tiefer rot als die normale. Während aber die letztere 
im Verlauf der nächsten Tage sich immer heller färbte und 
nach zehn Tagen hellgelbbraun war, änderten die von den ver- 
gifteten Tieren stammenden Leberportionen durch drei Wochen, 
während welcher Zeit wie sie beobachteten, ihre ursprüngliche 
Farbe nicht; sie blieben tiefrot. Nach dieser Zeit filtrierten 
wir die drei Leberbreie ab: Das Filtrat der normalen Leber 
war lichtgelb, das der Phosphorleber und der Arsenleber in- 
tensiv rot. 


II. Versuchsreihe. 


Eine normale Ratte und ein normales Meerschweinchen 
wurden am 8. 3. 1908 durch Nackenschlag getötet; ferner eine 
weiße Ratte mit Chloroform zu Tode narcotisiert; eine andere 
wie im vorigen Versuch mit Phosphor und eine mit Arsen ver- 
giftet, das Phosphortier starb 42 Stunden, das Arsentier 
12 Stunden nach der Injektion; ferner wurde ein Meerschwein- 
chen durch die letale Dosis eines Diphtherietoxins, 0,03 ccm, 
getötet; es starb am dritten Tage nach der Injektion. Die 
Lebern dieser Tiere wurden wie im vorigen Versuch in Wäge- 
gläschen aufgestellt. Alle paar Tage wurde 1 bis 2ccm ab- 
fitriert und spektroskopisch auf Oxyhämoglobin geprüft. Die 
spektroskopische Untersuchung der Filtrate ergab die Anwesen- 
heit von Oxyhämoglobin: 


Leber der nor- 
malen Ratte 


Leber der Phos- 
phor-Ratte 


Leber der Arsen- 
Ratte 


Leber der Chloro- 
form-Ratte 


Leber d. normal. 
Meerschweinch. 


Leb.d.Diphther.- 
Meerschweinch. 


Hämoglobinzerstörung in der Leber. 


12. 3. 16. 3. 
deutlich Schmaler Streifen 
(makroskopisch im Grün, das 


rot) blaue Ende des 
Spektrums aus- 

gelösoht 
(makroskopisch 

hellgelb) 

12. 3. I6. 3. 
deutlich deutlich 
(makroskopisch (makroskopisoh 
tiefrot) tiefrot) 

12. 3. 16. 3. 
deutlich deutlich 
(makroskopisch (makroskopisch 
tiefrot) tiefrot) 

12. 3. 16. 3. 
deutlich deutlich 
(makroskopisch 
rot) 

12. 3. 16. 3. 
deutlich deutlich 
(makroskopisch (makroskopisch 
rot) lichtrot) 

12. 3. 16. 3. 
deutlich deutlich 


III. Versuchsreihe. 





279 


20. 3. 
Kein O-hämo- 
globin - Streifen, 
das blaue Ende 
des Spektrums 

verdunkelt 
(makroskopisch 
hellgelb) 


20. 3. 
deutlich 
(makroskopisch 
tiefrot) 


2.20. 3. 


Ein Streifen deut- 
lich, der zweite 
spurweise vor- 
handen. Der 
gleiche Befund 
am 28. 3., am 
31. 3. auch der 
erste Streifen nur 
noch spurweise 
(makroskopisch 

rosarot,) 

8. 4. null 


20. 3. 
deutlich 


— — — — 


20. 3. 
spurweise 
(makroskopisch 
gelblich) 


20. 3. 
deutlich 
der gleiche Be- 
fund am 31. 3. 
und am 4. 4. 


In den folgenden Versuchen wurden Lebern wie in den 
früheren aufgestellt; von Zeit zu Zeit wurden einige Kubik- 
zentimeter abfiltriert und in je 0,2ccm des Filtrats der Hämo- 


globingehalt nach Fleischl bestimmt. 


Wir zeichnen den je- 


weiligen Hämoglobinbefund in den untenstehenden Kurven ein. 


280 L. Heß und P. Saxl: Hämoglobinzerstörung in der Leber. 


Es wurden die Lebern folgender Tiere beobachtet: Eine Ratte 
wurde durch Nackenschlag getötet; eine zweite durch Äther, 
eine dritte durch Chloroformnarkose, eine vierte durch Injektion 
von 0,01 com Strychnicum nitricum, sie starb eine Stunde nach- 


Ratte, durch Nacken- Ratte, in Äther- Ratte, in Chloroform- Ratte, mit Phosphor 
schlag getötet. narkose getötet. narkose getötet. vergiftet. 


Zahl d.Tage d.Autolyse Zahld.Taged.Autolyse Zahld.Taged.Autolyse Zahld.Taged.Autolyse 











Normales Ka- Gravides Ka- 
Ratte, mit Arsen Batte, mit Strychnin Batte, mit Coffein ninchen durch ninchen durch 








vergiftet. vergiftet. vergiftet. Nackenschlag Nackenschlag 
Zahld.Taged.Autolyse Zahld.Taged.Autolyse Zahld.Taged.Autolyse getötet. getötet. 

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Fig. 2. 


her; einer Ratte wurde 0,1l com Coffeinum natrio benzoicum 
injiziert, sie starb 10 Stunden später; eine wurde mit 0,5 ccm 
Acidum arsenicosum vergiftet, eine mit 0,2ccm Phosphorauf- 
schwemmung, beide lebten einen halben Tag; ferner wurde die 
Leber eines gesunden und eines graviden Kaninchens aufgestellt. 
Beide Kaninchen wurden durch Nackenschlag getötet. 


Über den qualitativen Nachweis des Harnzuckers. 
Von 


Gösta Bohmansson. 
(Aus dem med.-ohemischen Institut der Universität Lund.) 


(Eingegangen am 7. Juni 1909.) 


Für den qualitativen Nachweis des Harnzuckers — eine 
der wichtigsten chemischen Untersuchungen des praktischen 
Arztes — kommen in erster Linie die Reduktionsproben in 
Betracht, und zwar hauptsächlich die Alm&nsche Wismutprobe 
und die Kupferproben nach Trommer, Fehling, Worm- 
Müller u.a. 

Beim Vorkommen eines etwas größeren Zuckergehaltes im 
Harne ist dieser Nachweis äußerst einfach, und jede Probe führt 
hier zum Ziel. Ganz anders verhält sich aber die Sache, wenn 
man nur eine schwache oder zweifelhafte Reduktion erhält. 
Dies kann zwar anzeigen, daß Spuren oder kleine pathologische 
Mengen von Zucker vorliegen. Anderseits steht noch die Möglich- 
keit offen, daß andere reduzierende Substanzen als Zucker die 
Reduktion bewirkt haben, indem auch der normale Harn solche 
bisweilen enthalten kann. 

In solchen Fällen kann die Entscheidung schwer fallen. 
Da nun aber eine solche Entscheidung von großer praktischer 
-— bisweilen auch wissenschaftlicher — Bedeutung sein kann, 
z. B. für eine Lebensversicherung, so ist es wichtig, darüber klar 
zu werden, ob ein vermehrter pathologischer Zuckergehalt vor- 
liegt oder nicht. Die normalen Spuren von Zucker im Harne 
geben bekanntlich mit den gewöhnlichen Reagenzien keinen 
Ausschlag. Wenn es sich aber erweisen sollte, daß unsere 
Methoden hierzu unzureichend sind, wird es eine dankbare Auf- 
gabe sein, eine zuverlässige Methode ausfindig zu machen. 


282 G. Bohmansson: 


Daß diese Verhältnisse keineswegs gleichgültig sind, zeigt 
z. B. die scharfe Polemik zwischen so hervorragenden Forschern 
wie Hammarsten?) und Pflüger?), welche zu dem Ergeb- 
nisse führte, daß Hammarsten die Kupferproben als wenig 
zuverlässig beurteilte und Pflüger vice versa die Wismutprobe. 
Es ist aber zu bemerken, daß Hammarsten zugegeben hat, 
daß die Alm&nsche Probe bisweilen fehlschlagen kann, d.h. 
einen positiven Ausschlag ohne Gegenwart von Zucker zeigen 
kann, während nach Pflüger die Kupferprobe in Worm- 
Müllers?) Modifikation immer zum Ziele führt. 

Nun ist es aber bekannt, daß mehrere normale Harn- 
bestandteile Kupferoxydhydrat in alkalischer Lösung reduzieren, 
hauptsächlich Kreatinin und Harnsäure. Hierzu kommen noch 
die normalen Spuren von Traubenzucker und die sogenannte 
Restreduktion Lavessons, welch letztere unbekannten Kör- 
pern entspricht. Jeder normale Harn muß demgemäß Kupfer- 
oxydhydrat reduzieren. Nach Lavesson) entspricht die totale 
Reduktion des normalen Harnes etwa 0,2°/,. Wenn nun Pflüger 
trotzdem die Worm-Müllersche Probe als zuverlässig ansieht, 
kann er sich nur darauf stützen, daß der Harn Stoffe enthält, 
welche das gebildete Cu,O in Lösung halten — vor allem das 
Ammoniak. Auch unter der Restreduktion kommen Stoffe vor, 
welche sowohl reduzieren als auch das Cu,O in Lösung halten. 
Es ist aber ganz klar, daß man unmöglich davon ausgehen 
kann, daß nur so viel von diesen Stoffen vorkommt, als für 
das durch fremde Substanzen gebildete Cu,O gelöst wird, während 
kleine Zuckermengen eine Oxydulausscheidung bewirken sollen. 
Im Gegenteil kommen gar nicht zu selten Harne vor, bei 
welchen sogar ziemlich große Quantitäten Cu,O in Lösung ge- 
halten werden. Wenn man dann wie bei der Worm-Müller- 
schen Probe mit einem Überschuß von Cu(OH), arbeitet, resultiert 
eine opalescierende gelbgrüne Lösung ohne eine Spur von aus- 
geschiedenem Cu,O trotz reichlichem Vorkommen von Zucker. 


1) O. Hammarsten, Pflügers Archiv 116. — Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 50. 

2) Pflüger, Schöndorf, Wenzel, Pflügers Archiv 105.— Pflüger, 
ebenda 116. — Pflüger, Das Glykogen, 2. Aufl. 

3) Worm-Müller, Pflügers Archiv 27. 

4) Diese Zeitschr. 4, 40, 


Über den qualitativen Nachweis des Harnzuckers. 283 


Die Kupferproben sind also in zwei Richtungen mit Fehlern 
behaftet. Erstens bewirken mehrere andere Körper als Zucker 
eine Reduktion, und zweitens kommen solche Körper in vari- 
ierender Menge vor, welche das Cu,O in Lösung halten. Es 
wird demgemäß mehr oder weniger ein Zufall sein, wann diese 
nur von Zucker bewirkte Ausscheidung von Cu,O vorkommt. 
(Beim reichlichen Zuckergehalte ist, wie bemerkt, die Kupfer- 
probe gewöhnlich bequem und zuverlässig.) 

Die Wismutprobe ist nun entschieden sämtlichen Kupfer- 
proben deshalb überlegen, weil einerseits die Harnsäure und 
das Kreatinin hier indifferent sind, und auf der anderen Seite 
das reduzierte Wismut niemals in Lösung gehalten wird. Man 
bekommt also überall einen schwarzen Niederschlag. Leider 
kommt es aber nicht allzu selten vor, daß eine Reduktion auf- 
tritt, welche auch nach der Gärung sich unverändert zeigt 
und folglich nicht Traubenzucker entsprechen kann. Es verdient 
aber ausdrücklich hervorgehoben zu werden, daß solche Harne 
auch immer mit den Kupferproben recht starke Reduktion 
zeigen. | 

Bei solchen Fällen, wenn also sämtliche Reduktionsproben 
versagen, ist der Nachweis von Zucker jedenfalls nicht einfach, 
und eine Ausarbeitung eines einfachen und zuverlässigen Ver- 
fahrens ist also keineswegs überflüssig. 

Ich habe deswegen nach der Aufforderung Prof. Bangs 
Versuche in verschiedenen Richtungen angestellt, welche schließ- 
lich zum Ziele geführt haben, und werde im folgenden die Er- 
gebnisse mitteilen. 

Da die Verbindungen, welche außer Zucker Almens Probe 
reduzieren — und wir werden uns hier hauptsächlich mit dieser 
Reduktionsprobe beschäftigen — völlig unbekannt sind, haben 
wir von vornherein keine Ausgangspunkte für die Untersuchung. 
Es war also notwendig, durch systematische Untersuchungen 
die verschiedenen sich darbietenden Möglichkeiten zu berück- 
sichtigen. Hierzu wurden überall solche praktisch zuckerfreien 
Harne verwendet, welche trotzdem Almén reduzierten. Wenn 
die betreffenden Substanzen von kolloidaler Natur wären, 
könnte man voraussichtlich durch Verwendung von kolloid- 
fällenden Mitteln zum Ziele kommen. Von solchen kamen in 
erster Linie Kaolin und kolloidales Eisenoxyd, welche 


284 G. Bohmansson: 


beiden nach Michaelis und Rona?) für die Blutzuckerbestim- 
mung vorzügliche Dienste leisten, in Betracht. 

Indessen stellte sich heraus, daß die Alm&önsche Reaktion 
nach Behandlung sowohl mit Kaolin wie Eisenoxyd fortwährend 
positiv ausfiel. Durch Titration nach Bang?) vor und nach 
Schütteln mit Kaolin wurde erwiesen, daß das Kaolin so gut 
wie keine Verminderung der Totalreduktion bewirkte, während 
Fe(OH), eine etwas geringere Reduktion als ursprünglich ver- 
anlaßte. Trotzdem war die Almönsche Probe ungefähr ebenso 
stark wie vorher. Man kann wohl hieraus die Folgerung ziehen, 
daß der betreffende Körper kaum ein Kolloid darstellt. 

Weiter war es denkbar, daß die reduzierenden Verbindungen 
des Harnes viel leichter oxydabel wären als der Traubenzucker. 
In solchem Falle dürfte man durch eine vorsichtige Oxydation 
z. B. durch Jod oder Wasserstoffsuperoxyd, welche nicht 
dem Zucker schaden, zum Ziele kommen. Beide waren aber 
vollständig wirkungslos. 

Als drittes Verfahren wurde versucht, die betreffenden 
Substanzen durch verschiedene Metallsalze zu entfernen. Von 
solchen Salzen kamen vorzugsweise die von Kupfer, Blei, 
Zink, Cadmium und Aluminium in Betracht. Inzwischen hatte 
Andersen?) Hg-Salze mit gutem Erfolge verwendet. Sämtliche 
Salze bewirkten zwar eine Verminderung der Totalreduktion, 
dagegen waren die qualitativen Reduktionsproben fortwährend 
positiv. 

Während dieser Untersuchung erschien eine Arbeit von 
Michaelis und Rona‘), in welcher erwähnt wird, daß Tier- 
kohle bei Gegenwart von Aceton bzw. Essigsäure bis 10°/, 
keinen Zucker absorbiert. Da nun bekanntlich die Tierkohle 
den Harn gut entfärbt, wurden dieselbe für meinen Zweck 
zur Untersuchung herangezogen. 

Zuerst wurden die Ergebnisse von Michaelis und Rona 
bestätigt, daß Tierkohle bei Gegenwart von Aceton und Essig- 
säure aus einer reinen Zuckerlösung keinen Zucker absorbiert. 
Alkohol läßt sich mit demselben Erfolg verwenden. Sowohl 


1) Michaelis und Rona, diese Zeitschr. 7, 361 und 8, 356. 
2) J. Bang, diese Zeitschr. 2, 271. 

3) A.C. Andersen, diese Zeitschr. 15, 1. 

4) Michaelis und Rona, diese Zeitschr. 16, 6. 


Über den qualitativen Nachweis des Harnzuckers. 285 


feuchte Tierkohle (der Wassergehalt wurde bestimmt) als 
trockene wurde verwendet. Zweitens wurde festgestellt, daß 
bei denselben Versuchsbedingungen kein Zucker aus dem Harn 
entfernt wurde: Ein Harn wurde vor und nach der Gärung 
titriert; er enthielt in 10 com 30,8 mg — 27,7 mg — 8,1 mg 
Dextrose. Weiter wurde mit 10°/, feuchter Tierkohle und 
10°/, Sprit vor und nach der Gärung titriert und gefunden: 
22,1 mg — 18,6 mg = 3,5 mg Dextrose. 

Außer Sprit, Aceton und Essigsäure läßt sich Salzsäure 
mit gutem Erfolg verwenden. Aus der folgenden Tabelle ist 
ersichtlich, daß ein HCl-Gehalt von 5°/,, nicht aber von 2°/,, 
gegen die Absorption von 10°/, Tierkohle vollständig schützt. 


Tabelle I. 
Ta ang Ha Tierkohle Totalreduktion Verminderung 
in 0/ in 9), in mg in mg in% 


0 

0 0 41,5 — — 
2 10 40,0 1,5 3,6 
5 10 41,4 0,1 0 
0 0 47,0 — — 
5 10 46,6 6,4 0,8 
0 0 26,1 — — 
5 10 26,2 0 0 
0 0 12,6 — — 
5 10 12,4 0,2 1,5 


Weiter wurde erwiesen, daß Tierkohle bei Gegenwart von 
5°/, HCl keinen Zucker aus dem Harne absorbiert. Ein Harn 
entsprach vor und nach der Gärung 28,1 mg bzw. 20,9 mg und 
enthielt also 7,2 mg Zucker auf 10 ccm. Derselbe Harn, mit 
Tierkohle 4 5°/, HCI geschüttelt, zeigte 16,7 mg bzw. 9,6 mg, 
also 7,1 mg Dextrose. Zu demselben Harne wurde Trauben- 
zucker bis 0,582°/ zugesetzt. Vor und nach der Gärung — 79 mg 
— 20,8 mg = 58,2 mg Zucker und mit Tierkohle + HCl 67,2 mg 
— 10,0 mg = 57,2 mg Zucker. 

Die Salzsäure verhindert also ebensogut wie Alkohol, 
Aceton und Essigsäure die Absorption. Dagegen ist die Salz- 
säure aus dem Grunde vorzuziehen, weil sie mit Tierkohle den 
Harn viel besser entfärbt. Gewöhnlich bekommt man nach 
dem Schütteln mit Salzsäure + Tierkohle ein ganz ungefärbtes, 


286 G. Bohmansson: 


wasserklares Filtrat,!) während nach der Alkohol-Tierkohle- 
behandlung das Filtrat gelb ist. Für die Praxis ist auch die 
Salzsäure einfacher. Hierzu kommt ferner, was allerdings für 
die quantitative Zuckerbestimmung größere Bedeutung hat, daß 
die totale Eigenreduktion des Harnes wesentlich mehr ver- 
mindert wird als nach Verwendung von Alkohol. (Hierüber 
wird anderswo näher eingegangen.) 

Fragen wir zuletzt, in welcher Weise die Salzsäure, bzw. 
der Alkohol die Schutzwirkung gegen die Absorption ausübt, 
so hat es sich herausgestellt, daß man durch Auskochen 
der Tierkohle mit Salzsäure, bzw. mit Alkohol ihr die Fähig- 
keit einer Zuckerabsorption vollständig rauben kann. Es 
muß dementsprechend zweifelhaft sein, ob wir es hier mit einer 
physikalischen Absorption zu tun haben oder ob man nicht 
eher an eine chemische Verbindung zwischen Verunreinigungen 
der Kohle und Zucker zu denken hat. 

Gehen wir jetzt zu der wichtigsten hier interessierenden 
Frage über, inwieweit man durch Verwendung von Tierkohle mit 
Salzsäure oder Alkohol die Verbindungen aus dem Harne entfernen 
. kann, welche zu der falschen Zuckerreaktion mit der Alm&nschen 
Probe Veranlassung geben. Meine Untersuchungen hierüber 
haben das Resultat gegeben, daß dies immer der Fall ist. Ich 
erlaube mir zuerst meine Versuche hierüber tabellarisch mit- 
zuteilen. 


Tabelle II. 


— Almén nach Schütteln 


Harn Spez. Farbe p mit 10°/, Tierkohle und 


Nr. Gew. a)vor b)nach „) Alkohol b) Salzsäure 
Gärung Gärung 10%/, ) 5%, 

1 1022 Gelb +? +? 0 0 

2 1027 Gelbrot 4 +? 0 0 

3 1028 Gelbrot J- + 0 0 

4 1029 Orange — +- 0 0 

5 1020 Gelb + + 0 0 

6 1026 Braungolb +? +? 0 0 

7 1029 Rotbraun — -+ — + 

8 1032 _Dunkelgelb -L + 0 0 

9 1026 Dunkelgelb + -+ 4- + 
10 1031 Dunkelgelb — + 0 0 


1) Bisweilen sind die Harne rötlich gefärbt (indoxyl- bzw. skatoxyl- 
reiche Harne). 


Über den qualitativen Nachweis des Harnzuckers. 287 
Tabelle II (Fortsetzung). 


Harn Spez. Almen ar In re er 
Nr. dem. Farbe Bi nn. — a) —8 b)Salzsäure 
— 10/, 5% 
11 1027 Dunkelgelb -+ + 0 0 
12 1022 Rotgelb + + + + 
13 1021 Dunkelgelb + 4 + 
14 1026 Dunkelgelb — nu. 0 0 
15 1023 Braungelb -+ -+ + +- 
16 1032 Rotgelb +- + 0 0 
17 1022 Rotbraun + + 0 0 
18 1027 Dunkelgelb + +- 0 0 
19 1023 Rotbraun +- + 0 0 
20 1020 Orange + + 0 0 


Von den Harnen enthielten Nr. 1 und 2 Eiweiß, welches 
zuerst durch die Kochprobe entfernt wurde. Von den 20 Harnen, 
welche sämtliche stark gefärbt und konzentriert waren (die 
meisten stammten von Fieberpatienten , und Patienten mit Herz- 
fehlern her), haben alle eine positive Alme&nsche Probe so- 
wohl vor wie nach der Gärung gegeben. Nach dem Schütteln 
mit Tierkohle und Salzsäure bzw. Alkohol haben die meisten, 
mit Ausnahme von Nr.7, 9, 12, 13 und 15, eine negative Re- 
aktion gezeigt. Untersuchen wir nun aber die 5 Fälle, welche 
auch nach dem Schütteln mit Kohle eine positive Reaktion 
ergaben, so hat es sich herausgestellt, daß sämtliche einen ver- 
mehrten Zuckergehalt besaßen, wie aus der Tabelle III er- 
sichtlich ist. 

Tabelle III. 


Harn Nr Totale Reduktion von 10 com Harn Zuckergehalt 
“ a)vor der Gärung b)nach der Gärung inmg auf 10 ccm Harn 


7 33,2 22,4 10,8 
9 30,2 23,3 6,9 
12 28,1 20,9 1,2 
13 37,0 25,4 11,6 
15 41,0 26,4 14,6 


Nach Lavesson?) ist der durchschnittliche Zuckergehalt 
bei normalen Individuen 4,0 mg auf 10 cem Harn. Der durch- 
schnittliche Zuckergehalt von meinen 20 Harnen war 5,1 mg, 
was also sehr gut mit Lavessons Werten übereinstimmt, wenn 
man den pathologisch vermehrten Zuckergehalt von den 5 hier 


2) Diese Zeitschr. 4, 40. 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 19 


288 G. Bohmansson: 


mitgerechneten Harnen berücksichtigt. Es ist also gut ver- 
ständlich, daß bei den erwähnten Harnen die Reaktion auch 
nach Schütteln mit Tierkohle positiv ausfiel, und diese Tat- 
sache bildet nach meiner Ansicht eine besonders gute Bestäti- 
gung für die Brauchbarkeit meines Verfahrens. 

Da nun weiter überall die Almönsche Probe bei den 
5 Harnen nach der Gärung und Schütteln mit Tierkohle + 
Salzsäure, bzw. Alkohol vollständig negativ ausfiel, ist dadurch 
der exakte Beweis für die Richtigkeit der gegebenen Auffassung 
geliefert. Bei diesen Harnen dürfte es auch sehr schwer sein, 
nach jeder anderen Methode zu entscheiden, inwieweit Zucker 
vorlag oder nicht. Denn wenn die Almönsche Probe vor und 
nach der Gärung (ohne Schütteln mit Kohle) positiv ausfiel, 
lag die Folgerung sehr nahe, daß die Harne ihre Reduktion 
fremden Stoffen verdankten. Die Möglichkeit, daß neben solchen 
Substanzen auch kleine, aber doch pathologisch vermehrte 
Zuckermengen vorliegen könnten, wäre überhaupt einer Unter- 
suchung nicht zugänglich, d. h. wenn man dann nicht den 
Zucker vor und nach der Gärung quantitativ bestimmte. 

Ein Einwand bleibt noch zu beseitigen. Wenn man durch 
Salzsäure, Alkohol und feuchte Tierkohle den Harn etwas ver- 
dünnt, wäre denkbar, daß in der Verdünnung eben der Erfolg 
zu suchen sei. Dies trifft aber tatsächlich nicht zu, wie mir 
vergleichende Untersuchungen erwiesen haben. 

Es fragt sich dann weiter, wie sich die Harne nach Schüt- 
teln mit Kohle gegenüber den übrigen Reduktionsproben, be- 
sonders den Kupferproben, verhalten. Es hat sich folgendes 
Ergebnis herausgestellt: Bei den Harnen Nr. 2, 3, 5, 8, 9, 10, 
13, 17 und 20 oder insgesamt in 9 Harnen—45°/, war die 
Worm-Müllersche Probe negativ. Bei sämtlichen übrigen 
oder 55°/, dagegen positiv, und zwar bei Nr. 1,7 und 16 mit 
Ausscheidung von Oxydul, bei den übrigen wurde die Lösung 
grün bis gelb gefärbt, aber ohne Ausscheidung von Oxydul. Hieraus 
ist also ersichtlich, daß die Worm-Müllersche Probe — die 
beste der Kupferproben — oft einen positiven Ausschlag gibt, 
wenn kein pathologisch vermehrter Zuckergehalt vorliegt. Z. B. 
enthielt Nr. 1 0,015°/, Dextrose, Nr. 4 0,029°/,, Nr. 11 0,043°/,, 
Nr. 14 0,042°/,, Nr. 16 0,046°/,, Nr. 18 0,046°/, und Nr. 19 0,039°/,. 

Andererseits kommen auch solche Fälle vor, in welchen trotz 


Über den qualitativen Nachweis des Harnzuckers, 289 


relativ reichlichem Zuckergehalt und demgemäß positiver Alm én- 
scher Probe die Worm-Müllersche Probe keinen Zuckergehalt 
erwiesen hat. Beim Harne Nr. 9 war der Zuckergehalt 0,069°/, 
und bei Nr. 13 0,116°/,, und die Worm-Müllersche Probe 
war dessenungeachtet vollständig negativ. Diese Tatsache stimmt 
mit den Angaben Hammarstens!) völlig überein, daß man 
bisweilen trotz Zusatz von Zucker zum Harne doch eine nega- 
tive Worm-Müllersche Reaktion erhält. 

Man muß demgemäß nach den obigen Versuchen Ham- 
marsten beistimmen, wenn er die Kupferproben als unzuver- 
lässig bezeichnet, indem man auf der einen Seite trotz 
Schütteln mit Tierkohle + Salzsäure eine positive 
Worm-Müllersche Reaktion ohne Zucker und anderer- 
seits eine negative Reaktion bei vermehrtem Zucker- 
gehalt erhalten kann. 

Da nun aber die Almönsche Probe sich bei den gegebenen 
Versuchsbedingungen als zuverlässig erwiesen hat, ist es ganz 
klar, daß die Harne verschiedene Substanzen enthalten müssen, 
welche zwar das Kupferoxyd nicht, aber das Wismutoxyd re- 
duzieren. Es fragt sich dann zuletzt, welche Stoffe werden durch 
die Tierkohle entfernt, und welches sind die Verbindungen, die 
mit der Alm&nschen Probe außer Zucker reagieren. Da Harn- 
säure und Kreatinin mit Worm-Müller, nicht aber mit Almen 
reagieren, wäre es denkbar, daß dieselben nicht absorbiert 
werden und im Filtrate die falsche Kupferreaktion bewirken. 
Dieses ist aber nicht der Fall. Von Harnsäure werden ca. 80°/, und 
von dem Kreatinin oa. 70°/, absorbiert. Wenn also dessenunge- 
achtet die Kupferprobe mit dem Filtrate fortwährend positiv re- 
agiert, muß folglich der Harn auch andere Verbindungen 
enthalten, welche zwar mit Kupferoxyd, nicht aber 
mit Wismutoxyd reagieren, und welche Körper nicht 
absorbiert werden. 

Wenn man zuletzt nach der Natur der Verbindung fragt, 
welche auch bei der Almönschen Probe reduziert, so haben wir 
den Ausgangspunkt, daß der Harn entfärbt wird. Es bleibt also 
zu untersuchen, inwieweit die Farbstoffe des Harnes von Be- 
deutung sind. In erster Linie kommt hier das Urochrom in 


2) O. Hammarsten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 50 und Pflügers 


Archiv 116. 
19* 


290 G. Bohmansson: Über den qualitat: Nachweis des Harnzuckers. 


Betracht, da Hohlweg!) für dasselbe eine positive Molisch- 
sche Reaktion erwiesen hat. Ich habe demgemäß das Uro- 
chrom nach dem Verfahren von Hohlweg?), Salomonsen 
und Mancini?) dargestellt, nur mit dem Unterschied, daß ich 
zuerst den Zucker durch Gärung entfernte. (Das Urochrom 
wird nämlich hierbei durch Tierkohle absorbiert und später 
durch Behandlung mit Eisessig wieder ausgelöst. Es ist klar, 
daß die physiologischen Spuren von Traubenzucker überall dem 
Urochrom folgen müssen.) 

Das dargestellte Urochrom gab nun mit Almén erst Braun- 
färbung mit folgendem schwarzem Niederschlag und mit Worm- 
Müller reichlichen Niederschlag von Oxydul. Hiermit ist also 
bewiesen, daß Urochrom reduzierend wirkt, und wenn der 
normale Harn eine positive Almensche Reaktion gibt, 
wird dies in erster Linie vom Urochrom bewirkt. Dies 
Urochrom läßt sich aber bequem durch Tierkohle ~- Salzsäure, 
bzw. Alkohol entfernen. 

Die Methode, welche ich demgemäß für den qualitativen Nach- 
` weis des Harnzuckers empfehlen darf, gestaltet sich folgendermaßen: 

Etwa 10 ccm Harn werden mit ?/, Vol. 25°/,iger HCl und 
ca.1 Vol. feuchter Tierkohle*) (oder !/,Vol. trockener) versetzt und 
ca. 1 Minute geschüttelt und danach filtriert. Mit dem Filtrate wird 
die Almeönsche Probe angestellt, nachdem man dasselbe zuerst mit 
ein paar Kubikzentimetern Natronlauge ungefähr neutralisiert hat. 

Fasse ich die Ergebnisse meiner Untersuchung zusammen, 
so hat sich herausgestellt: 

1. Durch Schütteln mit Tierkohle und Salzsäure, bzw. 
Alkohol wird kein Zucker absorbiert. 

2. Dagegen werden mehrere andere Harnbestandteile ab- 
sorbiert, und zwar diejenigen, welche eine falsche Almensche 
Reaktion veranlassen. 

3. Diese Körper sind mit dem Urochrom identisch. 

4. Die Kupferproben sind entgegen Pflügers Auffassung 
für den qualitativen Nachweis unbrauchbar, da andere un- 
bekannte Körper, welche nicht entfernt werden können, eine 
falsche positive Reaktion geben. 


1) H. Hohlweg, diese Zeitschr. 18, 3 und 4. 

2) K. E. Salomonsen, diese Zeitschr. 13, 3 und 4. 

3) St. Mancini, diese Zeitschr. 13, 3 und 4. 

t) Knochenkohle (feucht) zur Entfärbung von Kahlbaum habe 
ich für meine Untersuchungen verwendet. 


Über den Einfluß des Prostatasekretes und der Samen- 
flüssigkeit auf die Vitalität der Spermatozoen. 


Von 


Waichi Hirokawa, Tokio. 


(Ausgeführt unter Leitung des a. ö. Professors Dr. O. v. Fürth 
im physiologischen Institut der Wiener Universität.) 


I. Einleitung und Versuchsmethodik. 


Bekanntlich mengt sich der Samenflüssigkeit während der 
Ejaculation das Sekret der sog. akzessorischen Geschlechts- 
drüsen, nämlich der Samenblasen, der Prostata und der 
Cowperschen Drüsen bei und wird die normale Funktion der- 
selben von der Mehrzahl der Physiologen als notwendige Vor- 
bedingung für einen normalen Ablauf des Zeugungsaktes an- 
gesehen. Die Frage jedoch, welche Rolle diesen Drüsensekreten 
dabei tatsächlich zukommt, ist noch sehr wenig geklärt. 


Eine kurze Bemerkung über die günstige Wirkung derartiger Drüsen- 
sekrete auf die Lebhaftigkeit und Dauer der Samenbewegungen findet 
sich bei Köllicker!), der das Sekret des sog. Uterus masoulinus des 
Kaninchens und der menschlichen Samenblasen in bezug auf sein Ver- 
halten gegen verschiedene Spermatozoen geprüft hat. 

Was speziell die Prostata betrifft, ist, wie es scheint, durch eine 
Beobachtung Fürbringers?) ein direkter Anhaltspunkt für die Annahme 
gewonnen worden, daß das Sekret dieser Drüse Substanzen enthalte, 
welche die Vitalität der Spermatozoen im günstigen Sinne beein- 
flussen. Fürbringer beobachtete nämlich, daß die spontan ent- 
leerten Spermatozoen in der Samenflüssigkeit eines an Defäkations- 
spermatorrhoe leidenden Patienten unbeweglich waren, während sich 
nach normaler Ejaculation bei demselben Individuum die Samenfäden 


1) Köllioker, Physiologische Studien über die Samenflüssigkeit. 
Zeitschr. f. wiss. Zoologie 7, 208, 1856. 

2) Fürbringer, Über Prostatafunktion und ihre Beziehung zur 
Potentia generandi der Männer. Berl. klin. Wochenschr. 1886, 477. 


292 W. Hirokawa: 


lebhaft beweglich fanden. Daher meint der genannte Autor, „daß das 
frische Sekret der Drüsenzellen der Prostata .. . imstande ist, das in 
den Spermatozoen schlummernde Leben vermöge spezifischer 
vitaler Eigenschaften auszulösen und ihnen, sit venia verbo, das 
sichtbare Leben zu geben.“ 

Eine direkte experimentelle Begründung fand diese Ansicht durch 
die interessanten Beobachtungen Steinachs!) an den Samenfäden ver- 
schiedener Nager (Kaninchen, Meerschweinchen, Maus, Ratte). „Durch- 
schnittlich am wirksamsten fand ich“, schreibt Steinaoh, „das mit 
wenigen Tropfen physiologischer Kochsalzlösung vermischte Prostata- 
sekret. Dasselbe erhält die Bewegungen nicht allein sehr lange, sondern 
auch am längsten lebhaft. Sehr günstig wirkt ferner ein etwas stärker 
verdünntes Gemenge aus den Sekreten der Glandulae vesiculares und 
prostatioae.... Im allgemeinen kann man sagen, daß bei Vermeidung 
von Verdunstung und Abkühlung die Präparate der Spermatozoen ihre 
Beweglichkeit und ihr normales Aussehen in dem Sekretgemisch 7- bis 
1Omal länger erhielten, als in reiner physiologischer Kochsalzlösung, 
welche an und für sich zu den die Bewegung fördernden Mitteln zu 
rechnen ist.‘ 

Weiterhin gelangte Waloker?) auf Grund seiner Beobachtungen 
am Hundesperma zu der Annahme, daß die Verdünnung des Hoden- 
sekretes mit dem Sekrete der akzessorischen Geschlechtsdrüsen, ins- 
besondere der Prostata, den unmittelbaren Anstoß zur Bewegung der 
Samenfäden bilde. Die Fortdauer der Bewegung über längere Zeiträume 
sei jedenfalls darauf zurückzuführen, daß der Prostatasaft Stoffe 
enthält, welche entweder erregend auf die Samenfäden 
wirken oder für dieselben Nährmaterial sind. 

Während Finger?) die anregende Wirkung des Prostatasekretes 
auf die Bewegungen der Samenfäden mit der sauren Reaktion des 
normalen Sekretes in Zusammenhang bringt, spricht Casper*) gerade 
die gegenteilige Ansicht aus. Er meint, da nach jeder Harnentleerung 
etwas Urin in der Urethra zurückbleibt, müßte die Lebensfähigkeit der 
Spermatozoen durch die Berührung mit den sauer reagierenden Urethral- 
wänden geschwächt werden und sei es Aufgabe der Sekrete der akzessori- 
schen Geschlechtsdrüsen, die Urethralwand nicht nur schlüpfrig. sondern 
such alkalisch zu machen. 


1) E. Steinach, Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie 
der männlichen Geschlechtsorgane, insbesondere der akzessoriscohen Drüsen. 
Pflügers Archiv 56, 330, 1894. 

2) Walcker, Beitrag zur Kenntnis der Anatomie u. Physiologie der 
Prostata, nebst Bemerkungen über den Vorgang der Ejaculation. Arch. 
f. Anat. (u. Physiol.) 1899, 340. 

3) Finger, Die Störungen der Geschlechtsfunktion des Mannes. 
Handb. d. Urologie 3, 999, 1906. 

t) Casper, Funktionelle Störungen des Sexualapparates. Lehrb. d. 
Urologie 1903, 8. 441. 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital. d. Spermatoz. 293 


Nach Fürbringer!) ist die Reaktion des frischen Sekretes der 
lebenden Prostata amphoter oder schwach sauer; nach Pöhl?) ist da- 
gegen das Sauerwerden des Sekretes eine postmortale Erscheinung. 
Lohnstein?) leugnet auf Grund zahlreicher titrimetrischer Bestimmungen 
an pathologischen Prostatasekreten (Phenolphthalein als Indicator) einen 
merkbaren Einfluß der Reaktion des Prostatasekretes auf die Lebens- 
fähigkeit der Spermatozoen, während wiederum Pezzoli*), der mit 
Hilfe von Lackmus titrierte, einen gewissen Parallelismus zwischen 
dem Alkalescenzgrade und der Vitalität der Samenfäden bemerkt zu 
haben glaubte. 


Wie aus dem Mitgeteilten hervorgeht, ist also über die 
Natur jenes Bestandteiles des Prostatasekretes, wel- 
ches die günstige Wirkung auf die Vitalität der Sper- 
matozoen ausübt, nichts bekannt. Ich bin daher, an die 
Aufgabe herangetreten, eine Ausfüllung dieser Wissenslücke zu 
versuchen. 


Einige Worte über die von mir angewandte Versuchsmethodik 
mögen der Schilderung der Experimente vorausgeschickt werden. 

Was zunächst die Auswahl des Versuchsmaterials betrifit, 
haben wir uns nach einer Reihe orientierender Versuche an den Sexual- 
organen von Stieren, Hunden, Kaninchen, Meerschweinchen und Ratten 
für die letztere Tiergattung entschieden. 

Eine Reihe von Gründen haben uns zu dieser Wahl bestimmt. 

Zunächst die gute Entwickelung der akzessorischen Ge- 
schlechtsdrüsen5) bei der Ratte, welche es leicht gestattet, Prostata 
und Samenblasen getrennt zu entnehmen. Ferner der Umstand, daß die 


t 


1) Fürbringer, Untersuchungen über die Herkunft u. klinische 
Bedeutung der sogenannten Spermakrystalle usw. Zeitschr. f. klin. Med. 
8, 299, 1881. 

2) Pöhl, Die physiologisch-chemischen Grundlagen der Spermin- 
theorie, St. Petersburg, 1903, 8.16. 

3) Lohnstein, Über die Reaktion des Prostatasekretes bei chro- 
nischer Prostatitis und ihren Einfluß auf die Lebensfähigkeit der Sper- 
matozoen. Deutsche med. Wochenschr. 1900, 844. 

4) Pezzoli, Über die Reaktion des Prostatasekretes bei chronischer 
Prostatitis. Wiener klin. Wochenschr. 1902, 699. 

6) Auch beim Hunde ist die Prostata gut entwickelt, und läßt 
sich das dickflüssige, alkalisch reagierende Sekret derselben durch Aus- 
pressen gewinnen. Bei der Katze ist die Prostata ganz klein, und ist 
es sehr schwer, ihr Sekret zu erhalten. Die Samenblasen fehlen bei 
Carnivoren. Beim Stiere sind Prostata und Samenblasen nicht selb- 
ständig entwiokelt; er hat nur sogenannte „falsche Samenblasen“, deren 
Zusammenhang mit der Prostata auf bistogenetischem Wege festgestellt 
worden ist. 


294 W. Hirokawa: 


Reifung der Samenzellen nicht auf eine bestimmte Brunstzeit be- 
schränkt ist, sich vielmehr während des ganzen Jahres abspielt. Endlich 
bildete die Größe der Spermatozoen, welche diejenige der anderen 
hier in Betracht kommenden Säugetiere übertrifft und eine Beobachtung 
bereits bei schwacher Vergrößerung gestattet, für unsere Versuche einen 
Faktor von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. 

Bei der Ratte ist die Übergangsstelle des Nebenhodenschwanzes in 
den Samenleiter birnförmig erweitert und erscheint diese Ampulle stets 
reichlich von Sperma erfüllt. Dieselbe wurde herauspräpariert, in ein 
kleines Gläschen mit physiologischer Kochsalzlösung übertragen (meist 
je einem Nebenhoden entsprechend 1 ocm derselben) und darin mit Hilfe 
einer scharfen Schere zerkleinert. Die so erhaltene milchige Samen- 
emulsion wurde durch ein Seidenfilterohen koliert und von gröberen 
Gewebsfetzen befreit und bildete ein bequem abmeßbares und für 
Parallelversuche mit verschiedenen Zusätzen geeignetes Ausgangsmaterial. 

Zur Gewinnung des Prostatasekretes wurde die Drüse heraus- 
präpariert und in ein kleines Gefäß übertragen; allmählich siokerte der 
(gegen Lackmuspapier deutlich alkalisch reagierende) Saft heraus. Der- 
selbe wurde mit physiologischer Kochsalzlösung entsprechend verdünnt. 

Es ist zu beachten, daß, wenn die Ratte durch einen Schlag auf 
den Kopf getötet wird, es leicht zu einer spontanen Entleerung von 
Sperma und Prostatasekret kommt. Es empfiehlt sich daher, die Ratten 
lieber durch Chloroform zu töten. Eine Schädigung der Vitalität der 
Spermatozoen durch das Gift ist dabei nicht zu befürchten. 

Die Beobachtung der Spermabewegungen erfolgte stets im hän- 
genden Tropfen unter Anwendung eines Vaselinverschlusses. 

Da Walcker!) seine Beobachtungen mit Hilfe eines heizbaren 
Objekttisches bei 34 bis 380° ausgeführt hatte, habe ich den Einfluß der 
Brutofen- und Zimmertemperatur auf die Bewegungen der Samen- 
fäden verglichen. Es stellte sich heraus, daß sich die Samenfäden im 
Brutofen lebhafter bewegen, ihre Bewegungen aber viel früher einstellen. 
Ich habe es im allgemeinen vorgezogen, bei Zimmertemperatur zu be- 
obachten. 


II. Vorversuche über die Wirkung der physiologischen 
Kochsalzlösung und anderer isosmotischer Lösungen. 


Bevor wir auf unser eigentliches Thema eingehen, ist es 
notwendig, eine Reihe von Vorversuchen zu erwähnen, welche 
die Wirkung der physiologischen Kochsalzlösung und anderer 
isosmotischer Lösungen auf die Vitalität der Samenfäden zum 
Gegenstande haben. 

Wir stießen nämlich, einige Zeit nachdem wir diese Arbeit 
aufgenommen hatten, auf die gänzlich unerwartete Tatsache, 


1) L o. S. 339, 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital. d. Spermatoz. 295 


daß einfache Verdünnung einer Samenemulsion mit 
physiologischer Kochsalzlösung nicht etwa einen harm- 
losen Eingriff darstellt, daß also die physiologische Kochsalz- 
lösung für die Samenfäden nicht nur nicht „physiologisch“, 
sondern in hohem Grade different ist, insofern starke Verdünnung 
die Lebensdauer der Spermatozoen erheblich herabsetzt. 


Ein Beispiel mag dies illustrieren: 


Versuch (1. Nr. 8): Der Samen aus den beiden Nebenhoden einer 
frisch getöteten Ratte wurde in 2 com 0,7°/, NaCl-Lösung in der oben 
beschriebenen Art emulgiert. In 0,1 ocm dieser Emulsion wurde mit 
0,1, 0,5, 1,5 und 10 com 0,7°/, NaCl verdünnt. Von Zeit zu Zeit wurden 
Proben entnommen und im hängenden Tropfen untersucht: 





— —— —— — — —— — — 


Verdünnung mit 0,70/, NaCl in cem 
oi | o5 | ı 5 10 


lebh. Beweg. | lebh. Beweg. | lebh. Bew. |lebh. Bew. lebh. Bew. 
Nach 20Min. Š = = j unbewegl. 
„ 30 „ |zieml. lebhaft zieml. lebhaft! zieml. lebh. |unbewegl. 


n 2 Std.|vereinz.langs.|'vereinz.langs.| vereinz. 
Bew. langs. Bew. 


unbewegl. 








Es betrug sonach die Lebensdauer bei der 


1 5 10 50 100fachen Verdünnung 
etwa 4 Std. 4Std. 3Std. 30Min. 20 Min. | 


Unter Einhaltung gleichmäßiger Versuchsbedingungen ist die 
Lebensdauer der Rattensamenfäden eine sehr konstante; sie 
beträgt in dicker Emulsion (1 Nebenhodenschwanz: 1 cem 0,7°/, 
NaCl) meist 3 bis 4 Stunden: 


1. Nr. des Vers. 1 2 3 4 5 6 
Lebensdauer 3 4 3 4 4 3 Std. 


Daß die Samenfäden jeder Schwankung des osmoti- 
schen Druckes gegenüber recht empfindlich reagieren würden, 
war von vornherein zu erwarten: 

Versuch (1. Nr. 6): Jeder Nebenhodenschwanz einer frisch getöteten 
Ratte wurde in zwei Hälften geteilt: der Samen jeder Hälfte in je 1 ccm 


0,7 bzw. 1, 1,5 und 2°/, NaCl emulgiert. Von Zeit zu Zeit wurden 
Proben im hängenden Tropfen beobachtet. 


296 W. Hirokawa: 















NaCl 
0,7% | 1% | 15% 2% 
Im Beginn lebhaft langsam | unbewegl. 
Nach 1/, Std langs. Bew. unbewegl. 
n Ba y Bew. langs. Bew. nicht mehr 
schlängelnd und | fortschreitend, 
fortschreitend nur langsam 
schlängelnd 


E vereinzelte unbeweglich 
zuckende Bew. 


Versuch (1. Nr.7): Lebensdauer in 0,7°/, NaCl 2!/, Stunden. 
In 3°/, NaCl wurden die Bewegungen sofort sistiert. 

In zwei weiteren Versuchen wurden die Chloride der 
Alkalimetalle und alkalischen Erden in äquimolekularer 
Lösung miteinander verglichen. 


Samen aus den beiden Nebenhoden einer Ratte wurde in 2 ccm 
0,7%/, NaCl verteilt. Je O,l ccm der Emulsion wurde mit O,l ccm der 
m/8 Lösung gemischt. Die Lebensdauer betrug in Stunden: 


Nr. des m/8 m/8 m/8 m/8 m/8 m/8 m/S 
Versuches | NaCl | KCI |NH,CI | LiCl | MgCl, | BaCl, | CaCl, 


1/3 


11/2 














2, | A/a | 27, | wenige 


28 31, | a | Pha | mise | 11, 1 


27 





Bei Betrachtung dieser Versuchsresultate fällt der Gegen- 
satz derselben zu allen Erfahrungen über physio- 
logische Ionenwirkung auf, wie sie namentlich von J. Loeb!) 
bei seinen Studien an rhythmisch zuckenden Muskeln gesammelt 
worden sind. 

Während ein Muskel in einer KCl-Lösung sehr schnell 
unerregbar wird, in einer Lösung von LiCl ebenso wie in einer 
solchen von NaCl aber 1 bis 2 Tage lang zucken kann, sehen 
wir hier gerade umgekehrt, daß das KCI ebensogut be- 
fähigt ist wie das NaCl, die Bewegungen der Samen- 
fäden zu unterhalten; das LiCl dagegen erscheint auch 
ineiner der physiologischen Kochsalzlösung adäquaten 


1) J. Loeb, Vorlesungen über die Dynamik der Lebenserscheinungen 
1906, S. 122. — Über physiologische Ionenwirkungen. Handb. d. Bioch. 
2, 125ff., 1908. 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital. d. Spermatoz. 297 


Konzentration exzessiv giftig, und zwar weit giftiger 
als das für die muskulären Organe so differente BaCl, 

Ebensowenig war etwas von jenen antagonistischen 
Salzwirkungen zu merken, wie sie in Loebs Versuchen mit 
„physiologisch-äquilibrierten“ Salzlösungen muskulären 
Gebilden gegenüber in so charakteristischer Weise zur Beob- 
achtung gelangt sind. 

Versuch (1. Nr. 29): Anordnung wie oben. 


Es gelangten zum Vergleiche a) NaCl m/8; f) ein Gemenge: NaCl 
m/8 100 ccm + KCI m/8 2 com + BaCl, m/8 2 com; y) ein Gemenge: 
NaCl m/8 100 com + KCI m/8 2 com + CaCl, m/8 2 com; ô) ein Ge- 
menge: NaCl 100 ccm + KCl m/8 2 ccm + MgCl, m/8 2 com. 

Die Lebensdauer der Rattenspermatozoen betrug in a) 3 Std., 
f) 3 Std., y) 3 Std., ô) 2 Std. 

Versuoh (1. Nr. 30). Vergleich von 

a) m/8 NaCl; b) Ringerscher Flüssigkeit (H,O 1000 +- NaCl 
6 + KCI 0,075 -+ CaCl, 0,1 -+ NaHCO, 0,1); o) Lockescher Lösung 
(H30 1000 + NaCl, + KC1 0,2 + CaCl, 0,2 -+ NaHCO, 0,1); d) Künst- 
liches Seewasser (m/8 NaCl 100-+m/8 KCI 2,2+ m/8 MgCl, 1,8 
+ m/8 MgSO, 3,8). | 

Die Lebensdauer der Samenfäden betrug in a), b), 0) 3 Stunden, 
in d) etwa 2 Stunden. 

Versuche die Lebensdauer der Spermatozoen durch reich- 
liche Sauerstoffzufuhr, durch Substanzen, welche die Blut- 
bzw. Muskelgerinnung hemmen oder fördern (Hirudin, 
Natriumoxalat, Natriumcitrat, Natriumfluorid, Natriumjodid, 
Natriumrhodanid) oder durch Zusatz von Nährstoffen (Dex- 
trose, Rohrzucker, Pepton) zu verlängern, führten nicht zum Ziele. 

Versuch (L Nr. 26): Samenemulsion aus den beiden Nebenhoden 


einer Ratte in 3 Portionen geteilt; durch eine Portion wurde Wasser- 
stoff, durch die andere Sauerstoff in langsamem Strome geleitet. 


Keine Gas- 
durchleitung Wasserstoff Sauerstoff 
Vers. Nr. 25 Lebensdauer 4!/, Std. 20 Min. 20 Min. 
» n 26 ó 4 Std. 121/2 Std. 1 Std. 
Versuch (1l, Nr. 24): — — p 
aCl m/8 + aCl m/8 
NaCl m/8 Hirudin 0,5%, Hirudin 1%, 
Lebensdauer 3!/, Std. 1 Std. 1 Std. 


Versuch (1. Nr. 31). Samen von 2 Nebenhoden in 2 ccm NaCl m/8 
emulgiert. Jede Probe enthält 0,1 ccm Samenemulsion und 0,1 ccm der 
zu prüfenden Lösung. 


298 W. Hirokawa: 


m/8 NaCl Lebensdauer: 2 Std. 
m/8 NaCl 100 -+ m/8 Na-Oxalat 10°/, e 11/, Std. 
s m/8 Na-Rhodanid 100/9 = la y 
ï m/8 Na-Citrat 10°), 2 1 j 
a m/8 Na-Jodid 10°/, a 1! » 
5 m/8 Na-Fluorid 10°/, a 1 # 
Versuch (1. Nr. 32). Anordnung wie oben. 
m/8 NaCl Lebensdauer: 3 Std. 
m/8 NaCl 2+ m/8 Rohrzucker 98 2 L „ 
n 4 n 96 n I, 
10 a 90 5 l „5 
„ 10 > 50 n l y 
m/ 8 MgCl 10 n 50 n / 2 n 
m/8 CaCl, 10 a 50 x lL ; 
m/8 BaCl, 10 j 50 Š E ; 
Vers. (1. Nr. 33). Anordnung wie oben. 
m/8 NaCl Lebensdauer: 3 Std. 
Ringersche Flüssigkeit 100 + Traubenzucker 1 g A 31/, Std. 
A j 100 + Harnstoff lg A 3 n 
5 ` 100 -+ Wittepepton lg a 2 K 


Dagegen gelang es leicht, in Übereinstimmung mit den An- 
gaben Köllickers und anderer Autoren, die günstige Wir- 
kung kleiner Alkalimengen auf die Vitalität von Sperma- 
tozoen zu demonstrieren, und zwar erwies sich eine Alkales- 
cenz entsprechend 0,002 bis 0,004°/, NaOH als optimal; bei 
einer Alkalescenz von 0,008°/, NaOH war das Optimum bereits 
überschritten, und bei einer solchen von 0,040°/, wurden die 
Lebensäußerungen der Spermatozoen augenblicklich sistiert. 


Versuch (1. Nr. 34). Anordnung wie oben. Lebens- 
dauer: 
m/8 NaCl 31/, Std. 
m/8 NaCl 99,5 oom + n/20 NaOH 0,5 com (= 0,001°%/, NaOH) 5 Std. 
„ 990, „ 1,0 „ (=0,002° „p ) 5, 
| 98,0 „ n 20 „ (=0,04°%)% n) Öp, 


Versuch (1. Nr. 35). Samen von 2 Nebenhoden in 20cm m/8 NaCl 
emulgiert. Je 0,1 ccm der Emulsion mit je 10 ccm der zu prüfenden 
Flüssigkeit verdünnt (also Verdünnung 1:100). 


Lebensdauer: 
m/8 NaCl 15 Min. 
5 100 cem + Dextrose 1 g 10 , 


n n a n/20 NaOH 1l ccm 30 
-+ n/20 NaOH 1 cem 90 ,„ 


n n 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital. d. Spermatoz. 299 
Versuch (1. Nr. 36). Anordnung wie oben (Verdünnung 1:100.) 


n/8 NaCl Lebensdauer: 10 Min. 
n/8 NaCl 99 oom + n/20 NaOH 1 com (= 0,002°/,) n 1 Std. 
n 98 v 2 »n (= 0,004 0/ 0) n l 35 
„n 9 n % „ (=0,008°/,) u 20 Min, 
n 90 n 10 n (= 0,020 0/ 0) n 10 n 
n 80 20 „ (= 0,040°/9) n = 
Versuch (1. Nr. 37). —— wie oben. 
n/8 NaCl Lebensdauer: 15 Min. 
= 99 +- n/20 NaOH 1 com (0,002°/,) z 21/, Std. 
n 98 n 2 ” , ? 0) n 2 2 p 
„ 96 „ 4 n (0,008 0/9) „ 11/4 n 
„ 94 „ 6 „ (0,012°/,) 7 1 „ 
„ 92 „ 8 „ (0,016°/,) „ 1 „ 
„ 90 „ 10 „ (0, 020°/, ) „ 1/2 „ 
80 „ 20 „ (0, 04097, 0) Sa n 


Es ergibt sich also die interessante Tatsache, daß man 
den deletären Einfluß der Verdünnung des Spermas 
mit physiologischer Kochsalzlösung vollständig auf- 
zuheben vermag, wenn man dieser letzteren eine Spur 
Alkali hinzufügt. 


III. Versuche betreffend die Wirkung des Prostatasekretes. 


Wir gingen nunmehr daran, zunächst von dem günstigen 
Einflusse des Prostatasekretes auf die Vitalität der Spermatozoen 
selbst eine Anschauung zu gewinnen, und zwar bezogen sich 
unsere Versuche einerseits auf das Prostatasekret von Ratten, 
andererseits aber auch auf solches von Menschen, welches ich 
nach Fürbringers Verfahren durch vom Rectum aus be- 
wirkte Kompression der Drüse gewann. 

Versuch (1. Nr. 9), Samen aus einem Rattennebenhoden wurde 
in dem (mit 1 com 0,7°/, NaCl verdünnten) Safte einer Rattenprostate 
emulgiert. Als Kontrolle diente der in 1 com 0,7°%;, NaCl emulgierte 
Samen des anderen Nebenhodens desselben Tieres. NaCl 0,7%/, 


NaCl 0,7%, -+ Prostatasekret 
Bewegungen der Samenfäden 
Im Beginn lebhaft sehr lebhaft 
Nach 1 Stunde langsam lebhaft 
» 2 Stunden vereinzelte Samenfäden die Mehrzahl der Samen- 
zeigen langsame Bewe- fäden noch in lebhafter 
gungen Bewegung 
» 383 j alle Samenfäden unbe- * 
weglioh 
„8 * Ein Teil der Samenfäden 


noch in fortschreitender 
und schlängelnder Be- 
wegung 
„10 „ Nur mehr einzelne Sa- 
menfäden beweglich 


300 W. Hirokawa: 
Versuch (1. Nr. 10). Anordnung wie oben. 


NaCl 0,7 0/ 0 
NaCl 0,7%, -+ Prostatasekret 
Bewegungen der Samenfäden 
Im Beginn lebhaft sehr lebhaft 
Nach 1 Stunde ziemlich lebhaft lebhaft 
„ 2 Stunden langsam lebhaft 
. 3 * Nur mehr vereinzelte Noch allenthalben leb- 
Samenfäden in träger, hafte Bewegung 
schlängelnder Bewegung 
„ 4 = Alle Samenfäden unbe- * 
weglich 
„» 8 ` Ein Teil der Samenfäden 
noch in langsamer Be- 
wegung 
„ 1l er Alle Samenfäden unbe- 
weglich 


Versuch (1. Nr. 11). Es wurde verglichen a) NaCl 0,7°/,; b) der 
Saft einer Rattenprostata, mit 1 ccm 0,7%), NaCl verdünnt; 
co) menschliches Prostatasekret (nach Fürbringer gewonnen). 
Dasselbe reagierte alkalisch; 0,5 com desselben wurde mit 1 ccm NaCl 
0,7°/, verdünnt, In je 1 ocm dieser 3 Flüssigkeiten wurde der Samen 
aus einer Hälfte eines Rattennebenhodens emulgiert. Die Samenfäden 
in a) waren schon nach 3 Stunden sämtlich unbeweglich; dagegen fanden 
sich in b) und c) nach 3 Stunden die Mehrzahl der Spermatozoen in leb- 
hafter Bewegung, und sogar noch nach 12 Stunden sah man zuckende 
Bewegungen einzelner Samenfäden. 


Versuch (l. Nr. 12). Es wurde verglichen a) Saft einer Ratten- 
prostata (wie oben); b) Saft einer katarrhalisch erkrankten 
menschlichen Prostata; stark alkalisch reagierend; 0,5 ccm davon 
mit 1,5com 0,7°/, NaCl verdünnt. In a) war noch nach 5 Stunden 
allenthalben lebhafte Bewegung, und selbst nach 14 Stunden sah man 
vereinzelte Samenfäden schlängelnd fortschreiten. In b) waren bereits 
nach 31/, Stunden fast alle Spermatozoen unbeweglich. 


Versuch (1. Nr. 13). Ein Tropfen des unverdünnten Prostata- 
sekretes einer Ratte wurde mit Hilfe einer Platinöse auf dem Deck- 
glase direkt mit Samenflüssigkeit gemischt und beobachtet. Die Be- 
wegungen der Samenfäden waren darin von Anfang an langsam und 
bereits nach 1 Stunde vollkommen sistiert, während sie in einer Kontroll- 
probe mit physiologischer Kochsalzlösung 2'/, Stunden andauerten. 


Versuch (1. Nr. 14). Samenfäden der Ratte im unverdünnten 
Prostatasekrete eines normalen Menschen beobachtet. Noch 
nach 6 Stunden waren viele Samenfäden in lebhafter, noch nach 10 Stunden 
vereinzelte derselben in langsamer Bewegung. 

Unsere Versuche bestätigen also durchaus die Be- 
obachtungen Steinachs und ist ein günstiger Einfluß 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital. d. Spermatoz. 301 


des (event. entsprechend verdünnten) Prostatasaftes 
auf die Vitalität der Samenfäden unverkennbar. 

Aus unseren Beobachtungen geht weiterhin hervor, daß 
diese Wirkung keineswegs artspezifisch ist, insofern 
menschliches Prostatasekret seinen fördernden Effekt auch den 
Samenfäden der Ratte gegenüber geltend macht. 

Durch weitere Versuche sollte nunmehr festgestellt werden, 
ob das im Prostatasafte enthaltene wirksame Agens ein solches 
von thermostabiler oder thermolabiler Natur sei: 

Versuch (l. Nr. 15). Das Prostatasekret von 2 Ratten wurde 
mit 2 ccm 0,7°/, NaCl verdünnt und 10 Minuten lang im kochenden 
Wasserbade erhitzt. Der Samen des einen Nebenhodens einer Ratte 
wurde a) in 1 com dieser Flüssigkeit, der Samen des anderen Neben- 
hodens b) in 1 ccm physiologischer Kochsalzlösung emulgiert. In b) 
sistierten die Bewegungen nach 2 Stunden, in a) dagegen waren noch 
nach 9 Stunden stellenweise zuokende Bewegungen sichtbar. 

Versuch (1. Nr. 16). 0,5 com menschlichen Prostatasekretes 
wurde mit 1,5 com 0,7°/, NaCl verdünnt — die eine Hälfte der Flüssig- 
keit wurde 30 Minuten lang im kochenden Wasserbade erhitzt. In beiden 
Hälften wurde sodann der Sameninhalt je eines Rattennebenhodens suspen- 
diert. Ein Unterschied zwischen der erhitzten und der nioht erhitzten 
Portion war nicht bemerkbar. In beiden Portionen konnten noch nach 
10 Stunden Bewegungen der Samenfäden konstatiert werden. 

Der wirksame Bestandteil istalso zweifellosthermo- 
stabiler Natur. 

Der Versuch, den wirksamen Bestandteil durch Extraktion 
von menschlichem Leichenmateriale entnommenen 
Prostatadrüsen zu gewinnen, fiel negativ aus, ein scheinbar 
paradoxes Resultat, das aber später in der postmortalen Re- 
aktionsänderung eine einfache Erklärung gefunden hat: 

10 menschlichen Leichen entnommene Prostatadrüsen wurden zer- 
kleinert und der Reihe nach mit kaltem Alkohol, heißem Alkohol und 
Wasser extrahiert, die Rückstände der Extrakte in NaCl 0,7°/, aufge- 
nommen und mit Rattensperma-Emulsion versetzt. Die Lebensdauer der 
Rattensamenfäden betrug: 





302 W. Hirokawa: 


IV. Versuche betreffend die Wirkung der Samenflüssigkeit. 


Da die früheren Versuche ergeben hatten, daß die Wirkung 
des Prostatasekretes nicht artspezifisch sei, das letztere aber 
natürlicherweise auch in der ejaculierten Samenflüssigkeit ent- 
halten ist, lag es nahe, die Wirkung menschlicher, in Kondomen 
gesammelter Samenflüssigkeit auf die Vitalität des Ratten- 
spermas einem genaueren Studium zu unterziehen: 

Die Versuchsanordnung war derart, daß der Sameninhalt von 
2 Rattennebenhoden in 2 com 0,7°/, NaCl emulgiert wurde. 0,1 ccm 
der Samenemulsion wurden mit 0,5 bzw. 0,1l com der zu prüfenden un- 
verdünnten oder entsprechend mit physiologischer Kochsalzlösung ver- 
dünnten Samenflüssigkeit oder der entsprechenden Menge physiologischer 
Kochsalzlösung gemengt. 

Die Lebensdauer der Rattenspermatozoen betrug: 







In unver- 
dünntem In verdünntem Sperma 
Sperma 






24 Std. (Verdünnung 1:50) 





40 11/2 „” 8 99 

4l a s Ye » ll „ ( ‘i 1:5) 
42 3 a» — ,„ 5 „ ( M 1:5) 
44 I, I!» 86 ʻi 1:10) 


Wie aus den mitgeteilten Versuchsresultaten zu ersehen ist, 
verhalten sich die Samenflüssigkeiten verschiedener menschlicher 
Individuen gegenüber den Rattenspermatozoen sehr verschieden, 
insofern sie die Vitalität derselben teils in hohem Grade steigern, 
teils aber auch in hohem Grade schädigen. Diese Verschieden- 
heiten aber fallen weg, sobald man die Samenflüssigkeit ent- 
sprechend mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt hat. 
Dann tritt in allen Fällen die Fähigkeit derselben, die 
Lebensdauer der Rattenspermatozoen sehr erheblich 
zu verlängern, in unverkennbarer Weise zutage. 

In noch eklatanterer Weise tritt diese Eigenschaft der 
Samenflüssigkeit zutage, wenn man die Versuchsbedingungen 
derart variiert, daß man je 0,1 com der Rattensamen-Emulsion 
mit je 10 com der zu prüfenden Flüssigkeit (bzw. der physio- 
logischen Kochsalzlösung) verdünnt und so die absolute Lebens- 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital. d. Spermatoz. 303 


dauer der Samenfäden durch die stärkere Verdünnung an sich 
verkürzt (s. o.). 





Lebensdauer der Rattenspermatozoen in 






Nr. mit NaCl 0,7°/, verdünnt. menschl. Samen- 
Versuch flüssigkeit 
Verdünnung: 


1:5 | 1: 10 | 1:30 | 1: 50 1:100 





Auch hier wiederum ergab sich, ebenso wie bei Unter- 
suchung des Prostatasekretes, die Tatsache der Thermo- 
stabilität des wirksamen Bestandteiles: 


Versuch (l. Nr. 44). 0,1 com Rattensamen -Emulsion wurden 
mit je 0,5 ccm a) physiologischer Kochsalzlösung; b) nativen unver- 
dünnten Menschensperma, c) nativen 10fach verdünnten Menschensperma; 
d) gekochten unverdünnten Menschensperma; e) gekochten 10fach ver- 
dünnten Menschensperma gemengt. Die Lebensdauer der Samenfäden 
betrug in i 

a) 3 Stunden; b) 11/ Stunden; c) 8 Stunden; d) 11/, Stunden; 
e) 8 Stunden. 

Da die Samenflüssigkeit bekanntlich eine basische Substanz, 
das Spermin, als charakteristischen Bestandteil enthält, lag 
es nahe, die Wirkung derselben in bezug auf die Vitalität der 
Samenfäden etwa mit dieser Base in Zusammenhang zu bringen. 
Der direkte Versuch mit einem Sperminpräparate ergab jedoch 
alsbald die Haltlosigkeit dieser Vermutung: 

Der Sameninhalt eines ganzen oder halben Rattennebenhodens wurde 
in 1/, bzw. 1l ocm einer mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellten 
Lösung eines Sperminpräparates („Sperminum Pöhl ad 2°/, in solutione 
physiologioa sterilisata“) emulgiert. Die Lebensdauer der Rattensper- 
matozoen betrug in 









Spermin 
12/0 








Versuch Nr. } NaCl 0,7°/, 





20/9 
1 Stunde 


Ich versuchte nunmehr weiterhin, den wirksamen Bestand- 
teil der Samenflüssigkeit mit Hilfe der Alkoholfällung zu 


fraktionieren: 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 20 


304 W. Hirokawa: 


Einige Kubikzentimeter menschlicher Samenflüssigkeit wurden mit 
der 20fachen Menge von Alkohol versetzt, aufgekocht, der Niederschlag 
abfiltriert, Filtrat und Niederschlag von Alkohol befreit, der Rückstand 
in der dem ursprünglichen Samenquantum entsprechenden Menge physio- 
logischer Kochsalzlösung gelöst. Die beiden Lösungen wurden nach 
10facher Verdünnung mit physiologischer Koohsalzlösung in bezug auf 
ihr Verhalten gegenüber Rattensperma-Emulsion miteinander verglichen. 






Lebensdauer der Rattenspermatozoen in 


der Fraktion des der Fraktion des 
Alkoholniederschlages | Alkoholfiltrates 


44 1!/, Stunde 61/, Stunden 11/, Stunde 


Der wirksame Bestandteil war also offenbar in der durch 
Alkohol fällbaren Fraktion enthalten. 

Dieselbe erwies sich deutlich akalisch (und zwar wie die 
Titration gegen Lackmus ergab, einer Alkalescenz von 0,2°/, 
NaOH entsprechend); die in Alkohol lösliche Fraktion dagegen 
erschien nahezu neutral. 

Dieser Umstand, zusammengehalten mit den oben erörterten 
Erfahrungen über den hochgradigen Einfluß kleiner Alkali- 
mengen auf die Vitalität der Spermatozoen legte den Gedanken 
nahe, daß vielleicht einfach das Alkali des Prostata- 
sekretes und der Samenflüssigkeit der gesuchte „wirk- 
same Bestandteil“ sei. 

Falls diese Vermutung richtig war, mußte es ohne weiteres 
gelingen, die Wirksamkeit der alkalischen Samenflüssigkeit 
durch einfache Neutralisation zu beseitigen. 

Es wurde daher die Alkalescenz mehrerer Spermaportionen 
auf titrimetrischem Wege mit Hilfe von Lackmustinktur er- 
mittelt, sodann durch entsprechenden Säurezusatz ganz oder 
teilweise beseitigt und nunmehr die Wirksamkeit der nativen 
und der neutralisierten Spermaportionen miteinander ver- 
glichen (S. 305). 

Die Versuche entsprachen durchaus der gestellten Annahme. 
In den beiden Versuchen 40 und 41 bewirkte Abschwächung 
der Alkalescenz des Spermas direkt eine Abnahme der Wirk- 
samkeit. Bei einem dritten Versuche (Nr. 42), wo ein Sperma 
von besonders hoher Alkalescenz zur Anwendung gelangt und 
das Optimum dieser letzteren offenbar selbst durch fache 
Verdünnung noch nicht erzielt worden war, bewirkte geringer 





NaCl 0,7%, 





Einfl. d. Prostatasekr, u. d. Samenflüssigk. auf dieVital. d. Spermatoz. 305 


Säurezusatz zunächst eine Verbesserung der Wirkung. Die Neu- 
tralisation hob jedoch auch hier die Wirkung auf. 






NaOH | Kubikzentimeter * er- * = 
n/10-Säure dünnt | verdünnt 





Es ergab sich aber nunmehr die weitere Frage, ob es die 
durch eine organische Base bedingte Alkalescenz sei, welche 
die Wirkung auslöst, oder ob das anorganische Alkali, 
welches in Form von Aschenbestandteillm im Sekrete enthalten 
ist, zur Erklärung der Wirkung ausreicht. Ist letzteres der 
Fall, so darf selbst die vollständige Zerstörung aller organischen 
Bestandteile des Sekretes durch die Gluthitze der in Rede 
stehenden Wirkung keinen Eintrag tun. Der Versuch hat 
auch tatsächlich ergeben, daß dies nicht der Fall ist und daß 
die Wirkung auch der Asche anhaftet: 

Menschliche Samenflüssigkeit wurde in einer Platinschale verascht, 
die Asche mit physiologischer Kochsalzlösung ausgelaugt, auf das ur- 
sprüngliche Volumen der Flüssigkeit gebracht, titriert, eventuell mehr- 
fach verdünnt und mit Rattensamenemulsion auf ihren Wirkungs- 
wert geprüft. 








mit physiologischer Kochsalz- 
lösung verdünnter Aschen- 
lösung 





Nummer des 
Versuches 


Eine gegen Lackmus neutralisierte Spermaaschenlösung 
erwies sich unwirksam. 


20* 


306 W. Hirokawa: 


Wir mußten uns nunmehr die Frage vorlegen, ob denn 
das Prostatasekret, bzw. die Samenflüssigkeit anderen 
tierischen Flüssigkeiten gegenüber durch eine auf- 
fallend hohe Alkalescenz ausgezeichnet sei. 


Nach Slowtzoff?) reagiert die menschliche Samenflüssigkeit deut- 
lich alkalisch und entspricht die Alkalescenz 0,147 bis 0,148°/, NaOH. 

Pezzoli?) fand die Alkalescenz pathologischer Prostatasekrete 
innerhalb weiter Grenzen schwankend. Als Mittelwert aus seinen An- 
gaben läßt sich eine Alkalescenz entsprechend 0,26°/, NaOH berechnen. 

Ich selbst habe die Alkalesoenz einer größeren Zahl von mensch- 
liohen Samenflüssigkeiten auf titrimetrischem Wege ermittelt, (Lackmus- 
tinktur als Indicator): 











Nummer Alkalescenz 
Verbrauchte 
des 20-Sä entsprechend 
Versuches cem: i ure 0/, NaOH 


38 1 1 1,15 0,23 
38 1 1 1,35 0,27 
39 1 1 2,25 0,45 
39 1 1 2,00 0,40 
40 1 1/, 0,50 0,20 
41 1 1 1,40 | 0,28 
44 4 3 6,20 | 094 
45 5 1 2,00 | 0,40 
46 4 1 | 2,10 0,42 
49 3 1 | 2,00 0,40 


Die Alkalesoeonz der auf das ursprüngliche Volumen bezogenen 
Spermaasche wurde ganz erheblich geringer gefunden (s. o. 0,08 bis 0,14°/, 
NaOH), und muß hervorgehoben werden, daß die Ergebnisse der Titration 
in einer so eiweißreichen Flüssigkeit, wie es das Sperma ist, höchst 
unsicher und wenig verläßlich sind. Die Titration nach Ent- 
eiweißung mit kochendem Alkohol ergab in einem Falle eine Alkalescenz 
von 0,2°/, NaOH. 

Ich habe wiederholt bei Ratten und bei Menschen die Reaktion 
der Sekrete des Hodens, der Prostata sowie der Samenblasen geprüft; 
stete fand ich das Hoden- und Samenblasensekret neutral, das- 
jenige der Prostata deutlich alkalisch, was mit den Angaben 
Caspers?) übereinstimmt. 


1) Slowtzoff, Zur Chemie des menschlichen Sperma. Zeitschr. 
f. physiol. Chem. 35, 359. 

2) 1. o., S. 698. 

3) L c., S. 439. 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital d. Spermatoz. 307 


Vergleicht man diese Werte mit den Angaben über Blut- 
alkalesoenz, so kann man so viel sagen, daß beide hinsicht- 
lich ihrer Größenordnung nicht in auffallender Weise 
differieren. 

Um nur einige Angaben als Beispiele herauszugreifen, sei beiläufig 
angeführt, daß der titrierbare Alkaligehalt des normalen Menschenblutes 
von Jaksch mit 0,26 bis 0,30%, NaOH, von Strauß mit 0,30 bis 
0,35%/, NaOH, von Rzentkowski mit 0,37°/, NaOH, derjenige des 
Kaninchenblutes von Landau mit 0,37°/ NaOH angegeben wird. 


Wenn nun die Alkalescenz der Samenflüssigkeit allem An- 
scheine nach nicht um vieles größer ist als diejenige des Blutes, 
die günstige Wirkung der ersteren in bezug auf die Vitalität 
der Samenfäden aber im wesentlichen auf der Alkalescenz 
beruht, muß auch das Blut bzw. das Blutserum wenn 
nicht direkt, so nach entsprechender Verdünnung 
imstande sein, den gleichen Effekt in bezug auf die 
Spermatozoen zu entfalten. 

Es ist dies auch in der Tat der Fall. 

0,1 ccm einer Rattensamenemulsion wurden mit der 100 fachen 


Menge der zu prüfenden Flüssigkeit gemischt. Die Lebensdauer der 
Samenfäden betrug in 










Mit NaCl 0,7°/, verdünntem Blute bei 
2 | 3 | 4 | 5 | 10 | 20 | Art des Blutes 
facher Verdünnung 


Vers. Nr. ' 


21/,Std. 2i /28td. 2 /2.Std.|Menschenblut 
„ 2  „ |Hundeblutserum 
Menschenblut 


Es liegt also gar kein Grund vor, in dem be- 
obachteten Effekte des Prostatasekretes und derSamen- 
flüssigkeit etwas Spezifisches zu sehen und nach einem 
besonderen wirksamen Bestandteile zu suchen, welcher 
befähigt ist, „das in den Spermatozoen schlummernde 
Leben vermöge spezifischer vitaler Eigenschaften aus- 
zulösen‘“. Bietet doch die Alkalescenz, welche diesen 
(ebensogut wie anderen) tierischen Flüssigkeiten eigen- 
tümlich ist, und die Fähigkeit minimaler Alkalimengen, 
die Vitalität der Samenfäden erheblich zu steigern, 
eine ausreichende Erklärung für die beobachteten Er- 
scheinungen. 


308 W. Hirokawa: 


Da die titrierbare Alkalescenz des Prostatasekretes an- 
scheinend größer ist als diejenige des Hoden- und Samenblasen- 
sekretes, läßt sich die Möglichkeit sicherlich nicht leugnen, daß 
die durch die Vermengung dieser Sekrete hervorgerufene 
Alkalescenzänderung dieLebensäußerungen derSamen- 
fäden beeinflussen und daher von physiologischer 
Wichtigkeit sein könnte. Ob sich dies aber tatsächlich so 
verhält, ist eine andere Frage, die keineswegs ohne weiteres 
bejaht werden darf, und deren Beantwortung nur auf Grund 
sorgfältiger Untersuchungen möglich wäre. Die Schwierigkeiten, 
welche sich jedoch solchen entgegenstellen, sind doppelter Art 
und beziehen sich einerseits auf die richtige Ermittelung 
der Alkalescenz der eiweißreichen Sekrete und andererseits 
auf die Erlangung eines geeigneten Versuchsmaterials in 
ausreichenden Quantitäten. Menschliches Leichenmaterial, in- 
soweit es nicht ganz frisch ist, erscheint dazu ungeeignet, da 
dabei natürlich die Gefahr einer postmortalen Säurebildung 
und einer totalen Verschiebung der physiologischen Verhältnisse 
besteht. 

Jedenfalls ist das spärliche, bisher in dieser Richtung vor- 
liegende Beobachtungsmaterial völlig unzureichend, um eine 
Erledigung dieser schwierigen und subtilen Frage zu gestatten. 


Zusammenfassung. 


1l. Starke Verdünnung einer Emulsion von Ratten- 
spermatozoen mit physiologischer Kochsalzlösung übt auf die 
Vitalität derselben eine deletäre Wirkung aus, welche durch 
Zusatz einer minimalen Alkalimenge aufgehoben werden kann. 


2. Die von Loeb beim Studium der Rhythmik muskulärer 
Organe beobachteten Ionenwirkungen haben in bezug auf 
die Spermatozoenbewegungen keine Gültigkeit. Gerade um- 
gekehrt wie bei den Muskeln ist eine reine Kaliumchloridlösung 
ebensogut befähigt, die Bewegungen der Samenfäden zu unter- 
halten, wie eine Natriumchloridlösung. Dagegen erscheint das 
(für Muskeln ganz indifferente) Lithiumchlorid exoessiv giftig, 
und zwar weit giftiger als das Bariumchlorid. Von antago- 
nistischen Salzwirkungen im Sinne Loebs war hier nichts zu 
bemerken. 


Einfl. d. Prostatasekr. u. d. Samenflüssigk. auf die Vital d. Spermatoz. 309 


3. Die Beobachtungen von Steinach und Walcker be- 
treffend den günstigen Einfluß des Prostatasekretes auf die 
Vitalität der Spermatozoen wurden bestätigt. 

4. Einen gleich günstigen Einfluß auf die Lebensfähigkeit 
der Rattenspermatozoen ergab menschliche Samenflüssig- 
keit, wenn nicht direkt, so nach entsprechender Verdünnung 
mit physiologischer Kochsalzlösung. Die Lebensdauer der 
Samenfäden konnte durch Zusatz derselben auf mehr als das 
l0fache verlängert werden. 

5. Diese Wirkung der Sekrete akzessorischer Geschlechts- 
drüsen findet in der Alkalescenz derselben eine ausreichende 
Erklärung, und es liegt vorläufig kein Grund vor, der zur Annahme 
der spezifischen Wirksamkeit eines organischen, vitale Eigen- 
schaften der Samenfäden auslösenden Sekretbestandteiles zwingen 
würde. Blut und Blutserum zeigen nach entsprechender Ver- 
dünnung mit physiologischer Kochsalzlösung die gleiche Wirkung, 
welche also keineswegs eine besondere Eigentümlichkeit sexualer 
Sekrete bildet. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 
Von 
Josef Halberkann. 


(Aus dem Institut für Pharmakologie und physiologische Chemie der 
Universität Rostock.) 


(Eingegangen am 4. Mai 1909.) 
Mit 2 Figuren im Text. 


Die zu meiner Arbeit nötigen Assamteesamen hat Pro- 
fessor Kobert durch gütige Vermittlung des holländischen 
Kolonialinstitutes in Haarlem frisch aus Niederländisch-Indien 
bezogen, wofür hierdurch bestens gedankt sein möge. Einen 
Teil derselben hatte die Firma Merck die Liebenswürdigkeit, 
für uns auf Saponin zu verarbeiten. Auch ihr sei hier dafür 
bestens gedankt. (Die recht verbreitete Ansicht, daß Saponine 
gegen Insektenfraß schützen, erwies sich an diesen Samen 
übrigens als unrichtig; denn eine sehr beträchtliche Zahl der 
Samen war schon bei der Ankunft von Insekten aufgefressen). 


Chemischer Teil. 


Assamin ist ein gelblichweißes, feines, amorphes, optisch 
inaktives Pulver. Aus der Luft zieht es begierig Wasser an, 
ohne seine Pulverform zu verlieren. In Wasser ist es in jedem 
Verhältnis löslich, in kaltem absolutem Alkohol unlöslich, in 
kochendem wenig löslich; in verdünntem Alkohol löst es sich 
entsprechend der Menge des Wassers. Leicht löslich ist es in 
Essigsäure und Phenol, unlöslich in Chloroform, Äther, Schwefel- 
kohlenstoff und Ligroin. 

Die Lösungen des Assamins in Wasser sind nicht lange 
haltbar. Eine 1°/,ige Lösung, in dunkler Flasche aufbewahrt, 


J. Halberkann: Über Assamin, d. neutr. Saponin d. Assamteesamen. 311 


trübte sich nach einigen Tagen; nach längerer Zeit bildete sich 
ein aus feinsten Flöckchen bestehender Bodensatz. Dabei tritt 
ein Geruch auf, der dem des Altheesaftes vollkommen gleicht. 
Beim Stehenlassen in offenen Gefäßen treten diese Zersetzungen, 
die wohl auf bakterieller Tätigkeit beruhen, schneller ein. 

Assamin ist aus seinen Lösungen weder durch Kochsalz 
noch durch Ammonchlorid fällbar; demzufolge löst es sich in 
konzentrierten Lösungen dieser Salze auf. Selbst eine 40°/, ige 
Ammonsulfatlösung fällt eine 25°/,ige Lösung des Saponins 
nicht. 

Assamin wird in wässeriger Lösung durch Tierkohle stark 
absorbiert. 50 ccm einer ca. 1,2°/ igen Saponinlösung wurden 
mit 1g Tierkohle kurze Zeit geschüttelt und filtriert. Je 30 ccm 
des Filtrates und der nicht mit Tierkohle behandelten Lösung 
wurden zur Trockne eingedampft und 2 Sturden lang im 
Trockenschrank erhitzt. Im ersten Falle blieb 0,1968 g, im 
zweiten 0,3576 g Rückstand. Die Tierkohle hatte also 45°/, 
des Assamins absorbiert. . Nach Neuberg (63) verhalten sich 
Fermente, wie Ricin und Pankreaslipase ebenso; sie werden 
teilweise absorbiert. 

0,001 g Assamin färbt konzentrierte Schwefelsäure erst 
gelblich, im Verlauf von 10 Minuten rot bis violettrot. Die 
Rotfärbung der Säure wird auf Zusatz einiger Tropfen Brom- 
wasser bedeutend intensiver, wie solches auch Kiliani (64) für 
sein Digitonin angibt. 

0,001 g Assamin färbt Meckes Reagens sofort kirschrot, 
welche Farbe schnell in violettrot übergeht und allmählich 
verblaßt. 

Mit Millons bzw. Nasses Reagens, sowie mit Kilianis 
und mit Fröhdes Reagens tritt keine Reaktion ein. 

In alkoholischer Schwefelsäure löst sich Assamin mit gelber 
Farbe, die beim Erwärmen über kirschrot und bordeauxrot 
nach längerem Stehen in tief violettrot umschlägt. Setzt man 
zu dieser Lösung sehr wenig Eisenchlorid, so tritt zwar keine 
Grünfärbung ein, wie solche bei anderen Saponinen beobachtet 
wurde (65), doch zeigt die Flüssigkeit eine schöne grüne 
Fluorescenz, 

Wird Assamin mit konzentrierter Salzsäure einige Zeit 
erhitzt, dann färbt sich die Säure unter gleichzeitiger Abscheidung 


312 J. Halberkann: 


von Sapogenin rot (64). Auf Zusatz von Bromwasser verschwindet 
die Farbe, ist jedoch beim Verdünnen mit Alkohol beständig. 
Diese klare Lösung wird durch Alkali entfärbt; beim Ansäuern 
wird die Farbe wieder hergestellt. 

Ammoniakalische Silberlösung löst das Saponin ohne 
Färbung und ohne Reduktion. Kocht man, so färbt sich die 
Lösung gelbrot, dann rotbraun, und nach längerem Erhitzen 
tritt Reduktion des Silbersalzes ein. 

Wird eine Quecksilberchlorid-Assaminlösung einige Zeit ge- 
kocht, so erfolgt erst beim Erkalten allmählich eine Trübung. 
Der Niederschlag wurde abfiltriert, sorgfältig ausgewaschen und 
mit Ammoniakflüssigkeit übergossen, wobei sich der Filterinhalt 
schwärzte. Es war also Reduktion zu Quecksilberchlorür ein- 
getreten. 

Kaliumpermanganat wird schon in der Kälte reduziert, 
in der Hitze in großer Menge. Ebenfalls wird Chromsäure 
reduziert. 

Mit Neßlers Reagens (26) entsteht in der Kälte ein 
gelblich-grauer, bald grau werdender Niederschlag, in der Hitze 
sofort ein grauer Niederschlag. Dabei färbt sich die Flüssig- 
keit gelb, dann rotbraun bzw. sofort rotbraun. Das Spektrum 
derselben ist von grün bis violett ausgelöscht. Nach mehr- 
tägigem Stehen gelatiniert die Flüssigkeit, so daß die Reagens- 
gläser umgekehrt werden können. Alkohol zerstört die Gallerte. 

Eine Assaminlösung färbte sich auf Zusatz von Eisen- 
chlorid braunrot, welche Farbe durch Salzsäure zum Ver- 
schwinden gebracht wurde. Es wurde mit Ather ausgeschüttelt, 
der Auszug mit Wasser gewaschen und dann mit eisenchlorid- 
haltigem Wasser geschüttelt. Die wässerige Flüssigkeit färbte 
sich schwach, jedoch rein violett. Die Reaktion mit Eisen- 
chlorid kommt also nicht dem Saponin zu, sondern einer phenol- 
artigen Beimengung, wahrscheinlich Salicylsäure, die aus dem 
Teesamen stammt. Die Senegawurzel enthält ja auch Salicyl- 
säure, und zwar zu 0,15°/, in Form des Methylesters. P. Hoff- 
mann (19) isolierte aus seiner Quillayasäure eine phenolartige 
Säure, die allerdings für Salicylsäure zu hoch schmolz und die 
Violettfärbung nicht gab. Der Gehalt der Verunreinigung im 
Assamin war gemäß qualitativer Prüfung so gering, daß eine 
Beseitigung zur Analyse des Saponins nicht angebracht war. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 313 


Eine Eisenchlorid-Ferricyankaliumlösung wird durch Assamin 
reduziert, kenntlich an der Abscheidung von Berliner Blau. 

Eine feste Cholesteridverbindung, wie sie A. Windaus (66) 
beim Vermischen von alkoholischen Lösungen des Digitonins und 
des Cholesterins erhielt, liefert Assamin nicht; damit steht im 
Einklang die leichte Dissoziation der auf anderem Wege er- 
haltenen Verbindung durch Äther. 

Bleiessig fällt das Assamin noch aus einer Lösung 1: 1000. 
Bleiacetat ruft, auch in konzentrierten Lösungen, keinen Nieder- 
schlag hervor. 

Assamin vird durch Gerbsäuren nicht gefällt. Geprüft 
wurde mit Gallus-, Catechu-, Dividivi-, Eichen-, Myrobalan-, 
Quebracho- und Sumachgerbsäure. 

Beim Versetzen von Fehlingscher Lösung in der Kälte 
mit konzentrierter Assaminlösung oder mit verdünnter in der 
Wärme, schlägt die Farbe der Lösung von Blau in Grün um, 
ein Grün von der Färbung des Chlorophylis. Die Grenzen 
dieser Färbung liegen bei 1:10000 und ist bei den nächst- 
liegenden Verdünnungen nur mittels Vergleichslösungen, doch 
deutlich zu sehen. 

5 com Assaminlös. 1:100 -+ 10 Tropf. Fehlingsche Lösung: intensive Grünf. 


5 „ s 1:1000+10 ,, Br j j j 
56 „ m 1:2000--10 „, 5 J % * 
5 „ i 1: 5000+10 „, s ER deutliche „, 
5 „ 5 1:4000-+10 „ 3 3 ss * 
DB; = 1:5000-4+10 „, i “ e 3 
5 „ Re 1:6000-+10 „ S = 5 e 
5 , I 1:7000+10 „ 4; schwache ,, 
5 „ RR 1:8000-+10 „, > E sehr schw. ,, 
5 „ x 1:9000+10 ,, j n j Ar F 
5 „ j 1:10000+10 „ F keine a 


Da sich Assamin in Laugen mit gelber Farbe löst, ist die 
Grünfärbung in konzentrierter Lösung zum Teil wohl eine 
Komplementärwirkung. Doch kann sie darauf allein nicht 
beruhen, da Saponaria-Sapotoxin, ebenfalls in Alkalien gelb 
löslich, unter gleichen Bedingungen überhaupt keine, Guajac- 
Saponin wenigstens bei 1:1000 keine Grünfärbung mehr zeigt. 

In der Fehlingschen Lösung wurde das Kupfersulfat 
durch Nickelsulfat und Kobaltsulfat ersetzt. Erstere Lösung 
ist grün gefärbt, letztere violettrötlich; beide werden durch 
Assamin gelb gefärbt. 


314 J. Halberkann: 
5 ccm Assaminlös. 1:100 + Ni-Fehlingsche Lösung: intensive Gelbfärbung 


5 ” „ 1:200 —+-Ni- „ 99 „ „ 
5 „ F 1: 1000 4 Ni- J schwache * 
5 „ PR 1:2000 Ni- * Br sehr schwache „, 


Quillayasäure gibt nur in konzentrierter Lösung Gelb- 
färbung, Guajac-Saponin bei 1:1000 keine mehr. Agrostemma- 
säure, Cereinsäure und Smilacin rufen keinen Farbenwechsel 
hervor. 
5com Assaminlös. 1:100 -+Co-Fehlingsche Lösung: intensive Gelbfärbung 
5 „ 5 1:200 -+Co- 5 F ý s 
Bis: * 1:1000--Co- * 3 keine A 

In konzentrierten Assaminlösungen entsteht durch Fehling- 
sche Lösung ein weißer, beim Erwärmen löslicher Niederschlag. 
Nach kurzem Aufkochen bildet sich kein Kupferoxydul. 

Emulsin und Pepsin vermögen Assamin nicht zu spalten, 
wenn sie bei 38° zwei Tage lang einwirken, und zwar letzteres 
in schwach salzsäurehaltiger Lösung. 

Eine aufrahmende Wirkung, wie sie K. Tufanow (67) 
für sein Cyclamin beobachtete, zeigte Assamin gegen Kuh- 
milch nicht. Dieses Verhalten steht im Einklang mit den 
emulgierenden Eigenschaften der Saponine. Das Cyclamin 
veränderte wahrscheinlich die Eiweißhülle der Milchkügelchen, 
wobei das Fett mechanisch mit zur Oberfläche gerissen wurde. 

Das zur Untersuchung gelangende Assamin war nicht frei 
von mineralischen Bestandteilen. Fünf Aschebestimmungen 
— die Substanz wurde an verschiedenen Stellen entnommen — 
ergaben im Mittel 6,324°/, Asche. 

0,5588 Assamin gaben 0,0354 Asche — 6,335°/, 


0,2482 , „ 0,0154 „ =6,206%, 
0,3716 „ „ 0,0234 „ = 6,297°/, 
0,5596 „ „ 0,0360 „ = 6,433°/, 
0,4220 „ „ 0,0268 „ =6,351%, 


Es wurde versucht, durch Auskochen mit absolutem Alko- 
hol die anorganischen Stoffe zu beseitigen bzw. auf ein Mini- 
mum herabzudrücken. Da jedoch die Asche nach dreimaliger 
Behandlung immer noch 4,74°/, betrug und nicht mehr ab- 
nahm, wurden die Analysen mit dem 6,324°/, aschehaltigen 
Material ausgeführt. 

Das Fehlschlagen der Versuche, das Assamin aschefrei 
herzustellen, ist leicht erklärlich durch die Löslichkeit vieler 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamtessamen. 315 


anorganischer Salze in Alkohol, jedenfalls leichter als durch 
die Annahme von Ed. Stütz (10), daß, da sein am besten 
gereinigtes Quillayasaponin noch 2,4°/, Asche enthielt, diese 
Asche ein Bestandteil des Saponinmoleküls sei. 

Die Verbrennungen des Assamins lieferten folgende Zahlen: 
0,1212 Substanz (aschefrei gerechnet) gaben 0,2486 CO, und 0,0784 H,O 


0,1190 99 „ [2] 99 0,2438 99 99 0,0762 „ 
0,2168 „ 99 99 9 0,4424 [2] 99 0,1396 29 
Gefunden: 
65,94 °/ C 7,24°%/, H im Mittel 
55,87 °/ C 7,16%, H | 55,82°/ C 
55,65°/ C 7,20°/ H 7,20%, H 


Aus diesen Daten berechnet sich die empirische Formel 
C4,65H7,1502,31, bzw. C20,13H30,92010, die sich der Kobertschen 
Reihe C,H2n_3010 einpaßt in der Annahme, daß für Wasser- 
stoff 32 einzusetzen ist. Für die Formel C,,H,,O,, würde sich 
berechnen 55,52°/, C und 7,46°/, H. Boorsma (57) fand als 
Resultat seiner Analysen 53,15°/, C und 7,24°/, H entsprechend 
der Formel C,sH,,0,.., Für das aus dem Samen von Camellia 
theifera isolierte Teesamensaponin, welches mit dem Assamin 
identisch sein dürfte, fand Weil (25) 53,42°/, C und 7,19°/, H 
und die Formel C ,H,,0,0.. Er bestimmte auch das Molekular- 
gewicht durch Gefrierpunkt. Erniedrigung in Eisessig zu 366, 
während der Formel C,,H,,0,. das Molekulargewicht 404 
entspricht. 

Meine Verbrennungen, die ca. 2,5°/, C mehr lieferten als 
Boorsma und Weil fanden, wurden erst 3 Stunden nach Ent- 
zünden aller Flammen beendet, da nur dann in sich überein- 
stimmende Resultate zu erzielen waren. Mein erhöhter Kohlen- 
stoffbefund könnte auf einen Gehalt des Assamins an Carbonaten 
zurückgeführt werden. Acetate kommen nicht in Frage, da 
diese den Kohlenstoffgehalt und Wasserstoffgehalt erhöht hätten, 
während letzterer mit den Resultaten obiger Analytiker über- 
einstimmt. Zur Bestimmung ev. vorhandener Carbonate wurden 
3,2474 Assamin mit verdünnter Salzsäure erhitzt und die frei- 
gewordene Kohlensäure in Lauge aufgefangen. Es wurde ge- 
funden 0,007 CO,, was für 100 g Saponin -+ 6,751 g Asche ein 
zuviel von 0,063°/, an Kohlenstoff ergibt. Diese Menge ist 
für die Richtigkeit der Analysen ohne Belang. 


316 J. Halberkann: 


Acetylassamin. 


5 g Assamin wurden mit 7,5 g entwässertem Natriumacetat 
sorgfältig gemischt, in 30 g Essigsäureanhydrid eingetragen, und 
diese Mischung 5 Stunden auf 120 bis 130° erhitzt, dann in 
Wasser eingegossen. Nach 24 Stunden wurden die braunroten 
Massen zerkleinert, mit Wasser gewaschen, in alkoholischer 
Lösung mit Tierkohle entfärbt und noch heiß in Wasser filtriert. 
Der Niederschlag wurde nach dem Trocknen in Chloroform ge- 
löst, mit Ligroin ausgefällt und auf Tonplatten über Kalihydrat 
gebracht, um die letzten Spuren Essigsäure zu entfernen. 

Acetylassamin ist ein gelblichweißes, geruchloses, asche- 
freies Pulver, sehr leicht löslich in Chloroform und Essigsäure, 
leicht in Benzol, Essigäther und Alkohol, etwas schwerer lös- 
lich in Äther, unlöslich in Ligroin und Wasser. Konzentrierte 
Schwefelsäure färbt sich durch die Acetylverbindung erst gelb, 
dann braun, schließlich violettrot. Meckes Reagens wird gelb- 
rot, dann braunrot. Wird eine Chloroformlösung mit konzen- 
trierter Schwefelsäure unterschiohtet, so bildet sich ein gelb- 
roter Ring. 

Die Analysen lieferten folgende Werte: 

0,1522 Substanz gaben 0,3162 CO, und 0,0870 H,O 


0,2144 * 04444, , 0114 „ 
0,2226 i »„ 04642 „ „01250 , 
Gefunden: 
66,67%/, C 6,41%/, H 1 im Mittel 
56,48%, C 6,19%, H 66,67%), C 
56,87 °/ C 6,28°/, H 6,29%, H 


woraus sich die empirische Formel C4, 72H6 2202,82 berechnet. 
Die Molekulargewichtsbestimmungen des Acetylassamins 
wurden nach der Landsbergerschen Methode der Siedepunkt- 
erhöhung ausgeführt. Als Lösungsmittel wurde Chloroform an- 
gewandt, dessen Konstante 36,6 ist. Die Berechnung geschah 


peoh dor Formal 100. Subetanz -36,6 
Diff. °. Lösungsmittel 





Menge des Siedepunkt- 
Substanz Lösungsmittels Erhöhung Gef. Mol.-Gew. 


0,6988 0,125 ° 1073 
0,7864 0,13° 1048 
1,0674 0,215 9 945 





Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 317 


Ganz ähnliche Zahlen erhielt O. May (20) bei Acetyl- 
Sapindus-Saponin, nämlich 1028, 930 und 826, und auch 
L. Rosenthaler (68) bei Acetyl-Gypsophila-Saponin, nämlich 
955, 878 und 1003, während letzterer (12) für Acetyl-Verbascum- 
Saponin 2406 fand. Diese Bestimmungen wurden in Benzol- 
lösung nach der Raoulschen Methode ausgeführt. 


Zwecks Bestimmung der in das Assaminmolekül eingetretenen 
Acetylgruppen wurde die Substanz in 25 ccm absolutem Alko- 
hol gelöst und in der Kälte 50 ccm ?/ -alkoholische Alkali- 
lösung zugesetzt. Nach anfänglicher Braunfärbung tritt bald 
Trübung ein infolge eines sich bildenden gelben Niederschlages. 
Zur Vervollständigung der Umsetzung wurde das Gemisch 
1J, Stunde auf dem Wasserbade am Rückflußkühler gekocht. 
Nach dem Erkalten wurde die am Boden des Gefäßes klebende 
braune Masse durch Zusatz ausgekochten Wassers gelöst, die 
Flüssigkeit immer auf das gleiche Volumen gebracht, und der 
Alkaliüberschuß mit Phenolphthalein als Indicator mittels ®/,- 


Salzsäure zurücktitriert. . 
Für 1 g Substanz 


berechnet als CH,CO 
0,8254 Substanz verbrauchten 16,4°/,-KOH. . . . . — 0,4157 
0,9560 A An 19,3 een = 0,421 
1,0052 , ji 19,45 » 2000. = 0,4062 
1,3032 ,„ b 26,05 5 ae = 0,4198 


im Mittel also 0,4164 


Wird nun die gefundene empirische Formel des Assamins 
C20,18H 30,920 10 = Mol.-Gew. 433 zugrunde gelegt, dann berechnet 
sich das Gewicht der eingetretenen Acetylgruppen nach der 
Gleichung 


0,4164 - 433 
x=- 5a 800 
und die Anzahl derselben nach der Gleichung 
0,4164. 433 
x = 05836.42 366. 


Das Molekulargewicht des Acetylassamins müßte also gemäß 
Berechnung 433 -+ 309 =— 742 sein. Da aber das gefundene 
Molekulargewicht im Mittel 1022 beträgt, so ist das berechnete 
Molekulargewicht 742 mit 1,5 zu multiplizieren, ebenso die 
berechnete Formel und das Molekulargewicht des Assamins. 


318 J. Halberkann: 


Demnach wäre die Formel und Molekulargewicht für 
Assamin Cy,.Hsess015s = 649 und entsprechend für Acetyl- 
assamin Os⸗, Hos 33026 = 1111. 

In das Assaminmolekül wären gemäß der Titration 11 Acetyl- 
gruppen eingetreten. Diese Zahl ist aber höchstwahrscheinlich 
nicht richtig und muß auf 10 reduziert werden. Die Beobachtungen, 
die dazu führen, sind folgende: Beim Kochen des Assamins 
mit alkoholischer Salzsäure tritt der charakteristische Geruch 
des Buttersäureäthylesters auf. Ebenfalls roch bei der Ver- 
seifung des Acetylassamins die Flüssigkeit nach Zusatz über- 
schüssiger Säure intensiv nach Buttersäure.. Diese Säure ist 
allem Anscheine nach ein Bestandteil des Assaminmoleküls und 
wird beim Kochen mit Alkalien abgespalten. Daß sich auch 
aus anderen Saponinen beim Behandeln mit Alkali Buttersäure 
bildet, ist eine bekannte Tatsache und wird u. a. von Mutsch- 
ler (40), Rochleder (39), Weil (25) und May (20) her- 
vorgehoben. Da dieselbe als Acetylgruppe bei der Bestimmung 
mittitriert wurde, ist also ein Acetyl in Abzug zu bringen, 
und es berechnet sich demnach, durch Eintritt von zehn Acetyl- 
resten in das Assamin, Formel und Molekulargewicht des 
Acetylassamins zu Cs5o,2H66,38025 = 1069. 


Spaltung des Assamins. 


Es wurden vorerst Versuche angestellt, in welcher Kon- 
zentration das Assamin durch Salzsäure und Schwefelsäure, so- 
weit sich solches äußerlich beurteilen ließ, am zweckmäßigsten 
zu spalten sei. Salzsäure wurde später nicht mehr angewandt, 
da deren Entfernung aus dem zuckerhaltigen Filtrate zuviel 
Silberoxyd erforderte. Da bei Anwendung von 10°/,iger und 
auch 5°/,iger Schwefelsäure Filtrat und Niederschlag stark ge- 
bräunt wurden, wurde die Spaltung mit 3°/ iger Schwefelsäure 
ausgeführt. 

Eine 5°/,ige Assaminlösung wurde nach Zusatz von so 
viel Schwefelsäure, daß ihre Menge 3°/, betrug, 3 Stunden lang 
auf lebhaft siedendem Wasserbade unter häufigem Umschütteln 
erhitzt. Nach ungefähr ?/, Stunde trübte sich die braune Lösung 
plötzlich, und allmählich sammelte sich am Boden des Gefäßes 
ein weicher Sapogeninkuchen. Nach 3 Stunden hat sich die 
überstehende braune Flüssigkeit geklärt. Beim Erkalten er- 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen; 319 


starrt der Kuchen, der den Eindruck krystallinischer Struktur 
macht; doch sind mikroskopisch Krystalle nicht wahrzunehmen. 
Das Sapogenin wurde nach dem Zerkleinern und Auskochen mit 
Wasser in absolutem Alkohol gelöst, und diese Lösung in 
Wasser filtriert. Das abgeschiedene Sapogenin wurde wiederum 
in Alkohol gelöst, !/, Stunde mit Tierkohle gekocht und aus 
dem Filtrate mit Wasser gefällt. Nach dem Trocknen auf 
Ton und nach dem Zerreiben bildet das Sapogenin ein fast 
weißes, aschefreies, nicht krystallinisches Pulver, leicht löslich 
in Alkohol und Eisessig, schwerer in Äther und Chloroform, 
unlöslich in Ligroin und Wasser. Langsam erhitzt, sintert es 
bei 175° zusammen und zersetzt sich gegen 178° unter starkem 
Aufschäumen. 

Die Ausbeute an Rohsapogenin betrug als Mittel aus drei 
Bestimmungen 49,05°/,. 

Die Verbrennungen ergaben folgende Zahlen: 

0,1550 Substanz gaben 0,3642 CO, und 0,1118 H,O 


0,1462 PR „ 0,3456 „  „ 0,1058 „ 
0,1650 j » 0,3896 „  „ 0,1128 „ 
Gefunden: 
64,08°0/ C 8,07%, H im Mittel 
64,47°/ C 8,10%, H | 64,320/, C 
64,4 C 7:65°/ H 7,88°/ H 


woraus sich die empirische Formel Cis sH27,206 berechnet, wenn 
Sauerstoff zu 6 angenommen wird. 

Zu einer eventuellen Reinigung des Sapogenins wurde das 
Kaliumsalz bereitet. Sapogenin wurde in Alkohol gelöst, dann 
eine wässerige Kalihydratlösung zugefügt, und die Lösung so 
lange auf dem Wasserbade erhitzt, bis Trübung eintrat. Nach 
Zusatz von Alkohol bis zur klaren Lösung wurde auf dem 
Wasserbade erkalten lassen. Es schieden sich weiße, mikro- 
skopisch kleine Nadeln ab, während die überstehende Flüssig- 
keit braun gefärbt war. Ein Auswaschen des erhaltenen Nieder- 
schlages oder Umkrystallisieren erwies sich als unmöglich, da 
sowohl durch Wasser als auch durch Alkohol wieder Spaltung 
eintrat. Da das Sapogeninkaliumsalz noch freies Alkali ent- 
hielt, erübrigten sich die Analysen. 

Das Sapogeninkalium wurde auf der Nutsche durch scharfes 
Absaugen möglichst von der Mutterlauge getrennt, mit wenig 


elkalihaltigem Wasser gewaschen und in verdünntem Alkohol 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 21 


320 J. Halberkann: 


gelöst. Nach Zusatz überschüssiger Salzsäure fiel beim Ver- 
dünnen mit Wasser das regenerierte Sapogenin aus. 
0,1546 Substanz gaben 0,3784 CO, und 0,1154 H,O 


0,1204 * » 0,2954 „ „ 0,0912 „ 
Gefunden: 
66,75°/, C 8,36%), H im Mittel 
66,91°/, O 8,47°%/, H J 66,830/, C 8,41°%/, H 


woraus sich, Sauerstoff als 6, die empirische Formel Czı,ss 
Hg2,3206 ergibt. 

Eine anderweitige Reinigung des Sapogenins wurde über 
die, nicht rein isolierte, Acetylverbindung weg erstrebt. 

5 g des Sapogenins wurden mit 10 g geschmolzenem Natrium- 
acetat und 30 g Essigsäureanhydrid 5 Stunden lang am Rück- 
flnßkühler gelinde gekocht. Das Gemisch wurde heiß in Wasser 
gegossen und die erhärtete Acetylverbindung mit Sodalösung 
gekocht. Das regenerierte Sapogenin wurde in Chloroform ge- 
löst, in der Hitze mit Tierkohle entfärbt und aus dem Filtrate 
das Lösungsmittel abdestilliert. 

0,1386 Substanz gaben 0,3330 CO, und 0,0986 H,O 


0,1606 „ » 0,3890 „ ,„ 0,1138 „ 
0,1064 E » 0,2558 „  „ 0,0740 „ 
Gefunden: 

65,530/, C 7,96%, H ], im Mittel 
68,06°/, C 7,93%, H 65,71°/ C 
65,55°0/ C 7,78%, H 7,890/ H 


hieraus resultiert die empirische Formel C19,93H28,5106. 


Verhalten des Sapogenins in alkoholischer Lösung gegen 
Salzsäure. 


Eine Lösung von 5 g Sapogenin in 50 g absolutem Alkohol 
wurde unter Eiskühlung mit Salzsäuregas gesättigt, wobei die 
Farbe dunkelbraun, und unter Trübung die Flüssigkeit 
gallertartig dickflüssig wurde. Nach 24 Stunden wurde mit 
absolutem Alkohol verdünnt und filtriert. Auf dem Filter 
blieb eine weißliche Gallerte zurück, die nach sorgfältigem Aus- 
waschen auf Ton getrocknet wurde. Dann wurde der Rück- 
stand in Chloroform mit Tierkohle entfärbt, die Lösung in 
absolutem Alkohol filtriert, das Chloroform durch Erhitzen 
möglichst verjagt, mit Alkohol verdünnt und die Abscheidung 
auf Ton getrocknet. Dieses nur in geringer Menge entstandene 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 321 


Produkt ist ein gelblichweißes Pulver ohne Struktur, löslich in 
Chloroform, schwer löslich in Eisessig, unlöslich in Ather, 
Alkohol, Ligroin und Wasser. 
0,1100 Substanz gaben 0,2892 CO, und 0,0906 H,O 
Gefunden: 
71,7%, C 9,210/, H = C30,13H46,9806. 

Der vom Alkohol gelöste Teil wurde durch Wasserzusatz 
ausgefällt, nochmals in Alkohol gelöst, mit Tierkohle gekocht 
und durch Einfiltrieren in Wasser wieder gefällt. Dieses zweite 
Produkt ist ein weißes amorphes Pulver, löslich in Alkohol, 
Eisessig und Chloroform, schwerer in Ather, unlöslich in 
Ligroin und Wasser 

0,1076 Substanz gaben 0,2760 CO, und 0,0802 H,O 


0,1512 J „03860.,„01150, 
Gefunden: 

70,119/, C 8,34°/, H im Mittel 

69,63%/, C 8,51%, H } 69,87°/ C 8,43%/, H 


woraus sich die empirische Formel ergibt C2zs,s8sH37,060e. 

Die von dem alkohollöslichen Produkte abfiltrierte wässerig- 
alkoholische Flüssigkeit besaß einen starken, fettsäureesterartigen 
Geruch, ähnlich dem der Reinetten. Eine Isolierung des riechenden 
Prinzipes wurde zwar versucht, doch wohl der geringen Menge 
wegen nicht erreicht. 


Einwirkung von heißer alkoholischer Salzsäure auf Sapogenin. 


10 g Sapogenin wurden in 100 g einer Flüssigkeit, be- 
stehend aus 75 g abs. Alkohol, 10 g Salzsäuregas und 15 g 
Wasser, gelöst und 2!/, Stunden über kleiner Flamme am Rück- 
flußkühler gekocht, wobei die anfangs gelbliche Farbe in Dunkel- 
braun überging. Nach dem Erkalten wurde die Flüssigkeit in 
viel Wasser gegossen, wodurch ein gelblichweißer Körper ab- 
geschieden wurde. 

Das Filtrat besaß starken, obstartigen, an Reinetten und 
Ananas erinnernden Geruch. Es wurde zur Untersuchung auf 
ev. noch abgespaltenen Zucker neutralisiert, eingedampft, und 
der Rückstand mit Alkohol ausgekocht. Dieser Auszug wurde 
wieder zur Trockne gebracht, mit abs. Alkohol heiß aus- 
gezogen, und das Filtrat nochmals eingeengt. Dieser Rückstand 


reduzierte Fehlingsche Lösung und lieferte mit Salpeter- 
21* 


322 J. Halberkann: 


säure oxydiert eine für eine Sohmelzpunktsbestimmung eben 
hinreichende Menge Schleimsäure von 216°. Dieser Zucker ist 
also Galactose. 

Der oben abgeschiedene gelblichweiße Körper wurde in 
Alkohol gelöst, nach dem Filtrieren durch Wasser gefällt und 
gut ausgewaschen, dann nochmals in Alkohol gelöst und mit 
Tierkohle längere Zeit gekocht. Aus dem wenig gelb gefärb- 
ten Filtrate schieden sich auf Zusatz von Wasser fast weiße 
Flocken aus, die auf Ton abgepreßt wurden. Das Produkt ist 
ein weißes, nicht krystallinisches Pulver, löslich in Alkohol und 
Eisessig, schwerer in Äther und Chloroform, unlöslich in Ligroin 
und Wasser. 


Die Verbrennungen ergaben folgende Werte: 
0,1198 Substanz gaben 0,3204 CO, und 0,0998 H, 


0,1652 F » 04394 „ „ 0,1376 „ 
0,1394 m „ 03710 „ „»„ 0122 „ 
Gefunden: 


72,54%/, C 9,320%/, H 72,69%,, C 
72,58%), C 9,79°%/, H 9,48°%/, H 


Dieser Befund entspricht der empirischen Formel C,, „, Hao.sz Oe 


72,94%, C 9,32%, H | im Mittel 


Drei Molekulargewichtsbestimmungen wurden nach der 
Landsbergerschen Methode teils in Chloroform, teils in Athyl- 
alkohol, dessen Konstante 11,5 beträgt, ausgeführt. 


Menge des Siedepunkts- 
Substanz Lösungsmittels Erhöhung | Gef. Mol.-Gew. 





0,4840 | 23,7882 CHC), | 09,140 532 
0,5054 10,1484 C,H,OH 0,10 573 
0,6186 | 9,5552 C,H,OH 0,135° 552 


Die bei der Hydrolyse des Assamins entstehenden 
Zuckerarten. 


Die bei der Spaltung des Assamins mit Schwefelsäure erhal- 
tenen Filtrate wurden zur Entfernung der Säure mit Bleicarbonat 
erwärmt, mit Kohlensäure gesättigt und 24 Stunden stehen gelassen. 
Dann wurde filtriert, und das Filtrat anfangs auf dem Wasser- 
bade, später im Exsikkator eingeengt. Die Zucker bilden nach 
zweimonatigem Stehen im Vakuum einen dicken, klaren, 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 323 


braunen Sirup, in dem sich vereinzelt Krystalle zeigten, die 
sich als anorganische Beimengungen erwiesen. Die Gesamtmenge 
des Rückstandes betrug 47,286°/,, von der aber noch 25,65°/, 
Asche, die 8,16°/, SO, enthielt, abzuziehen ist, so daß ein Rest 
von 35,16°/, für Zucker bleibt. 

Die Lösung der Zucker dreht das polarisierte Licht nach 
rechts; der Drehungswinkel wurde nach 24stündigem Stehen 
der Lösung bestimmt. 

Es wurden zwei Lösungen angefertigt. Dieselben wurden 
durch Bleiessig von Schwefelsäure und färbenden Substanzen 
befreit, die Filtrate mit Natriumcarbonat entbleit und im Fil- 
trate der Sodaüberschuß mit Salzsäure abgestumpft. Die so 
vorbereiteten Lösungen drehten bei 20° im 200 mm-Rohr 

bei 3,036 °/, Zucker 2° 
„ 12084, + 0,8° 
woraus sich das spez. Drehungsvermögen zu 
ap = + 32,94° und —-33,1° 
berechnet. 

Bei der Oxydation des Zuckergemisches mit Salpetersäure 
1,15 entstand Schleimsäure, deren Schmelzpunkt bei 216° lag. 
Eine Mischprobe mit reiner Schleimsäure schmolz bei 214°. 
Bei der Oxydation war gleichzeitig Oxalsäure entstanden. 

Eine quantitative Bestimmung der Schleimsäure (69) er- 
gab auffallend geringe Werte. 4,21 g reiner Zucker wurden in 
60 ccm Salpetersäure 1,15 gelöst, auf dem Wasserbade unter 
Umrühren auf 20 ccm eingedampft, nach dem Erkalten mit 
Wasser verdünnt, und der 120 ccm betragenden Flüssigkeit 
0,3916 Schleimsäure zugefügt. Nach ca. 3 Wochen wurde 
die Schleimsäure abfiltriert und gewogen. Nach Abzug obiger 
0,3916 ergab sich eine Ausbeute von 0,51 Schleimsäure. 

Durch den Nachweis der Schleimsäure ist einer der Spal- 
tungszucker Galactose, deren Menge nach der Analyse in den 
35,16°/, der isolierten Zucker 5,5 g beträgt. (77,4 g Schleimsäure 
entsprechen 100 g Galactose.) 

Außer Galactose konnte in dem Zuckergemisch eine Pen- 
tose nachgewiesen werden, dagegen gelang der Nachweis von 
Glucose bzw. Zuckersäure nicht. 

Wird etwas des Zuckers mit Orcin-Salzsäure erhitzt, so 
tritt Grünfärbung ein unter Abscheidung grünblauer Flocken. 


324 J. Halberkann: 


Werden diese nach dem Abfiltrieren in Alkohol gelöst, dann 
zeigt die grüne Flüssigkeit das für die Doppelverbindung Orein- 
Furfurol charakteristisch e Band im orangegelben Teile des 
Spektrums. 

Zur quantitativen Bestimmung der Pentose wurde nach 
B. Tollens und M. Krüger (70) verfahren. 

Je 0,2846 Zucker wurden in einem 300 ccm-Kolben in 
100 ccm 12°/,iger Salzsäure gelöst und im Ölbade so hoch er- 
hitzt, daß in 10 bis 15 Minuten 30 ccm Destillat erhalten wurden, 
worauf die gleiche Menge 12°/ iger Salzsäure zugegeben wurde. 
Die Destillation wurde unterbrochen, wenn das Destillat Anilin- 
acetat-Papier nicht mehr rötete.e Dann wurde das Destillat 
mit einer Lösung von Phloroglucin in 12°/,iger Salzsäure ver- 
setzt und mit der gleichen Säure auf 400 cem Flüssigkeit auf- 
gefüllt. Nach gutem Umrühren wurde nach 24 Stunden filtriert, 
der Niederschlag mit 150 ccm Wasser gewaschen und 4 Stunden 
bei 100° getrocknet. Die gefundene Menge des Phloroglucids 
wurde zur Umrechnung auf Furfurol durch den kleinsten für 
0,2 Phloroglucid angegebenen Divisor dividiert und mit dem 
Faktor für Arabinose bzw. Pentose multipliziert. Es ergaben 
sich so: 

0,1042 Phloroglucid — 0,05725 Furfurol — 0,1314 Arabinose 
— 0,1197 Pentose. 

0,1063 Phloroglucid — 0,05868 Furfurol =— 0,1347 Arabinose 
= 0,1227 Pentose. 

Für obiges 35,10 g Zuckergemisch berechnet sich: 

16,24 g Arabinose bzw. 14,79 g Pentose und 
16,64 g F „ 1516g m 

In den aus 100 g Assamin isolierten 35,16 g Zucker habe 
ich 5,5 g Galactose und 16,44 g (Pentose, angenommen als) 
Arabinose gefunden. Es verbleibt also ein Rest von 13,22 g. 
Eine Erklärung für diesen Restzucker kann noch nicht ge- 
geben wurden. Es sei jedoch erwähnt, daß der quantitativen 
Bestimmung der Galactose Schwierigkeiten begegneten. Nach 
der Vorschrift soll die entstandene Schleimsäure 1 bis 2 
Tage, besser 2 bis 3 Tage nach Ausführung der Oxyda- 
tion zur Wägung gelangen. Bei der qualitativen Prüfung hatte 
sich in dieser Zeit noch keine Schleimsäure gebildet, sie be- 
gann erst nach 8 Tagen auszufallen, weshalb die quantita- 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen, 325 


tive Bestimmung erst nach 3 Wochen zu Ende geführt 
wurde. Auf die ev. Übelstände macht V. Lippmann (71) auch 
aufmerksam: ‚Diese Methode ist sehr brauchbar; zu bemerken 
ist jedoch, daß die Anwesenheit großer Mengen fremder orga- 
nischer Stoffe die Abscheidung der Schleimsäure häufig stört, oft 
sogar gänzlich hindert.“ Es könnte also leicht der Fall sein, daß 
nicht alle Schleimsäure zur Wägung kam. Wäre der Rest von 
35,16 Zucker — 16,44 Arabinose = 18,72 alles Galactose, dann 
stimmt hiermit nicht das spez. Drehungsvermögen der Zucker 
überein; dasselbe würde sich zu «p = -+ 91,78° berechnen, wäh- 
rend im Mittel «p = + 33,02° gefunden wurde. Übrigens fand 
v. Schulz (37) ganz ähnliche Verhältnisse bei dem Zucker der 
Sarsaparill-Saponine und des Saporubrins, bei letzterem - 23,67 ° 
und sagt, daß Rotations- und Reduktionsvermögen kleiner sei 
als daß der Glucose. 

Wollte man zur Erklärung der geringen Rechtsdrehung 
Zuckerzersetzungsprodukte nicht verantwortlich machen, so 
könnte dieselbe so ausgelegt werden, daß bei der Spaltung 
gleichzeitig ein linksdrehender Zucker, für den nur Lävulose in 
Betracht käme, entstände. Dann würden sich obige 35,16 g 
Zucker aus 16,44 g Arabinose, 5,5 g Galactose und 13,22 g 
Fructose zusammensetzen, und für dieses Gemisch berechnete 
sich eine spez. Drehung von «p= -+ 26,74°. Phenylosazone 
vom Schmelzp. 205° sind verschiedentlich aus Saponinzuckern 
dargestellt worden, doch wurde für diese immer Glucose als der 
eine Generator benannt bzw. nachgewiesen. 

Wenn auch gemäß der Drehung die Annahme von Fructose 
einiges für sich hat, so glaube ich nach Menge und Formel der 
Spaltungsprodukte des Assamins nicht an deren Existenz, und 
führe die geringe Reohtsdrehung lieber auf Beeinflussung durch 
Zersetzungsprodukte zurück. Denn wenn schon Arabinose und 
Galactose, deren Menge offenbar zu klein gefunden wurde, durch 
3°/ ige Schwefelsäure beim Erhitzen zersetzt werden, so zerfällt 
doch, wie bekannt, die Fructose dabei bedeutend leichter in Lä- 

In der Annahme, daß sich aus einem Molekül Assamin 
je ein Molekül Arabinose und Galactose bildet, berechnet sich 
die Galactose zu 27,86°/, und die Arabinose zu 23,22°/,. 
C„H,0,+2H,0=0C,H,,0, + C,H,00; -H CıoH,s0,. Ist diese 


326 J. Halberkann: 


Auffassung richtig, dann muß, wie schon erwähnt, Galactose 
und Arabinose verloren gegangen sein. Letztere wurde deshalb 
sofort nach Aufspaltung des Saponins bestimmt. 

1,1262 (aschefrei gerechnetes) Assamin wurde in 100 ccm 
12°/ iger Salzsäure eine Stunde lang auf lebhaft siedendem 
Wasserbade am Rückflußkühler erhitzt, und nach dem Erkalten 
wurde die Flüssigkeit aus dem gleichem Kolben der Destillation 
unterworfen. Es wurden 0,2576 Phloroglucid erhalten, ent- 
sprechend 25,59°/, Pentose bzw. 28,09°/, Arabinose. Diese Zahl 
paßt sehr gut zu obiger Spaltungsformel, wenn man bedenkt, 
daß auch aus Hexosen Furfurol, wenn auch in geringer Menge, 
entsteht. 

Anfügen will ich noch die Zahlen, die bei der quantita- 
tiven Bestimmung anderer Saponinzucker erhalten wurden: 

P. Hoffmann (19) fand in der Quillayasäure 29,25°/, 
Galactose; L. Rosenthaler (68) im Gypsophila-Saponin 30,81 °/,, 
35,81°/, und 37,4°/, Arabinose; O. May. (20) im Sapindus-Ra- 
rak DC. Saponin 26,23°/, und 26,31°/, Arabinose. 

Die Zahlen von O. May berechnen sich für Pentose (irr- 
tümlich als Arabinose angegeben), während sich für Arabinose 
28,58°/, und 28,74°/, ergibt. Dieser Befund stimmt dann sehr 
gut mit meinen Resultaten überein. 


Trockendestillation des Sapogenins. 


Je 5 g Sapogenin der Formel C,,,H,,.0, wurden in einem 
trockenen Kolben der Destillation unterworfen. Die Anwen- 
dung des Vakuums erwies sich als nicht zweckmäßig. Beim 
Erhitzen begann sich das Sapogenin gegen 90° zu zersetzen, 
und unter starkem Schäumen spaltete sich Kohlensäure und 
Wasser ab, das zwischen 100° und 130° übergeht. Ist alles 
Wasser abdestilliert, dann gerät der Kolbeninhalt in ruhiges 
Sieden. Zwischen 150° bis 250° destilliert ein bernsteingelbes 
Ol, zwischen 250° bis 290° ein grüngefärbtes Öl, und im Kühl- 
rohre schieden sich aus dem Öle wenige lange, farblose Kry- 
stalle ab, deren Menge zur Isolierung zu gering war. Dann 
wurde ohne Thermometer mit sturker Flamme weiter erhitzt, 
bis nichts mehr überging. Der Rückstand bestand in der 
Hauptsache aus Kohle neben teerartigen Produkten, deren rot- 
braune alkoholische Lösung grün fluorescierte.. Die Menge des 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 327 


Gesamtdestillates betrug 60°/, bis 65°/,. Ein Drittel davon 
bestand aus einer schwach gelb gefärbten wässerigen Lösung, 
das oben schwimmende Öl besaß braune Farbe. 

Zur Trennung einzelner Bestandteile wurde das Destillat 
mit Äther aufgenommen und mit Wasser ausgeschüttelt. Die 
wässerige Flüssigkeit wurde filtriert und mit kleiner Flamme 
destilliert. Das sauer reagierende Destillat wurde nach dem 
Neutralisieren auf dem Wasserbade eingedampft, wobei sich 
Gelbfärbung einstellte. Der gelbliche Salzrückstand gab sowohl 
die Essigester- als auch die Kakodylreaktion, was für Essig- 
säure beweisend ist. | 

Die ätherische Lösung wurde wiederholt mit Natronlauge 
ausgeschüttelt, bis nichts mehr aufgenommen wurde, dann mit 
Wasser gewaschen und mit entwässertem Natriumsulfat getrock- 
net. Nach Abdunsten des Äthers restierten aus 20 g Sapogenin 
5,35 g eines bräunlichen Öles, das bei der Rektifikation fort- 
während steigende Siedepunkte zeigte, deren Grenzen wegen der 
geringen Menge nicht enger gezogen werden konnten. Es 
wurden drei Fraktionen von je ca. l g aufgefangen. Von 210° 
bis 250° destillierte ein helles, bernsteingelbes Öl, von 250° bis 
270° ein wenig grünliches Öl und von 270° bis 290° ein gras- 
grün gefärbtes Öl. Als Rückstand hinterblieb ein braunes, 
schmieriges Öl. 

Aus keiner Fraktion waren Krystalle zu erhalten, obwohl 
Temperaturen bis zu —30° angewandt wurden. Beim Auf- 
bewahren nahmen alle Fraktionen infolge Verharzung dunklere 
Farbe an, und die grüne Farbe der höheren Destillate ver- 
schwand. Alle Öle, deren Geruch juchtenartig war, gaben mit 
konzentrierter Schwefelsäure Rotfärbung: 


Fraktion I. 

0,1048 Substanz gaben 0,3252 CO, und 0,0978 H,O 
0,1220 „ „ 0,3768 CO, „ 0,1132 H,O 
Gefunden : 

84,63%, C 10,4%, H}. 84,430/, C 
ar c ir H ) ‚m Mitel Bi ” H = CanasHannsO 
Fraktion II. 

0,1654 Substanz gaben 0,5216 CO, und 0,1494 H,O 
0,114 „ „ 0,3736 CO, „ 0,1114 H,O 
Gefunden: 

86,01%, C 10,1% H X}. ru... 86,040/ C 
86,06%, C 10,82%, H } im Mittel 10,310, H — CsraHeonO 


328 J. Halberkann: 


Fraktion III. 
0,1188 Substanz gaben 0,3758 CO, und 0,1092 H,O 
0,1458 A „ 0,4626 CO, „ 0,1330 H,O 
Gefunden: 


86,27%/, C 10,28%, H}. ; 86,4°/ C 

— c RiR } ne a H — Cwrw O 

Gemäß der Zusammensetzung können die ätherischen Öle 
ein Gemisch aus Sesquiterpenen mit Sesquiterpenalkoholen sein. 
Um ein bekanntes Glied dieser Verbindungen zu fassen bzw. 
darzustellen, wurden verschiedene Operationen vorgenommen, 
die jedoch alle nicht, vielleicht wegen des geringen Materials, 
zum Ziele führten. 

Fraktion I gab weder mit Brom, noch mit Salzsäure, noch 
mit salpetriger Säure ein festes Produkt; auch durch Kochen 
mit verdünnter Schwefelsäure blieb die Zusammensetzung im 
wesentlichen unverändert. 

Fraktion II lieferte bei dem Versuche, mittels Salpeter- 
säure Terpinhydrat zu erhalten, hauptsächlich Oxalsäure. 

Fraktion III wurde der Reduktion unterworfen und zu 
diesem Zwecke über Zinkstaub destilliert. Das Destillat wurde 
in ein zwischen 240° bis 270° siedendes hellgelbes Öl und in 
ein zwischen 270° bis 300° siedendes gelbes Öl getrennt. Der 
Rückstand ist braun, teerartiger Natur. 

Fraktion 240° bis 270°. 
0,1528 Substanz gaben 0,5094 CO, und 0,1198 H,O 
Gefunden:! 
90,92%), C 8,78%, H = C,s8Hs»71 
Fraktion 270° bis 300°, 
0,1112 Substanz gaben 0,3386 CO, und 0,0786 H,O 


0,122 , „0,3806 CO, „ 0,0908 H,O 
Gefunden: 

83,05%, C 7,919 E}. ans, 83,320 0 

83,580/, C 8,18%, H f im Mittel 2050, m — AirssHienıd 


Die Fraktion 240° bis 270° erwies sich also als frei von 
Sauerstoff, doch konnte an eine Aufklärung über die Art der 
Kohlenwasserstoffverbindung wegen mangelnden Materials nicht 
gedacht werden. 

Die alkalische Ausschüttelung obiger Öle wurde mit Wasser 
verdünnt, filtriert, mit Kohlensäure gesättigt und mit Ather 
extrahiert. Die ätherische Lösung wurde mit Tierkohle ent- 
färbt, das Filtrat getrocknet und eingedunstet. Als Rückstand 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 329 


blieb eine geringe Menge eines hellbraunen, teerartig riechenden 
Phenoles, das die Millonsche Reaktion gab, mit Brom jedoch 
kein festes Produkt lieferte. Eisenchlorid rief keine Färbung 
hervor. Der Siedepunkt konnte nicht bestimmt werden. 
0,1108 Substanz gaben 0,2954 CO, und 0,0670 H,O 
0,10 , „ 0,3988 CO, „ 0,0950 H,O 
Gefunden: 
2,71°%/, C 6,76%, H}. 2,86°/, © 
ar c a H } Ike) ee H 


woraus sich die empirische Formel C, ,.„H,.,0,.,, berechnet. 


Die vom Phenol befreite Sodalösung wurde mit Schwefel- 
säure angesäuert, mit Natriumsulfat gesättigt und ausgeäthert. 
Nach dem Trocknen und Verdunsten des Äthers restierte eine 
leicht bewegliche, gelbliche, stark nach Fettsäuren riechende 
Flüssigkeit. Wird wenig davon mit Alkohol und Schwefelsäure 
erhitzt, so tritt derselbe Geruch auf wie bei der weiteren Spal- 
tung des Sapogenins mit alkoholischer Salzsäure. 

Die Säure wurde durch Destillation mit Wasserdampf ge- 
reinigt, das Destillat mit Natronlauge genau neutralisiert (die 
flüchtigen Säuren aus 20 g Sapogenin erforderten zur Neutrali- 
sation 70 com R/,-Alkali) und die Salzlösung auf dem Wasser- 
bade eingedampft. Die Natronsalze wurden in wenig Wasser 
gelöst, mit Äther nochmals ausgeschüttelt und kalt mit Silber- 
nitrat versetzt. Bei der fraktionierten Fällung gingen durch 
Zerbrechen des Becherglases die Fettsäuren verloren, so daß 
die Untersuchung leider nicht fortgesetzt werden konnte. 


Die Ergebnisse der chemischen Untersuchung des Assamins 
lassen sich in folgender Tafel I (S. 330) zusammenfassen. 

Zur Erklärung dieser Tafel sind folgende Erläuterungen 
angebracht. 

Im Assamin-Molekül sind Galactose, Arabinose und ein 
leicht abspaltbarer Fettsäurerest (wahrscheinlich Buttersäure 
in esterartiger Bindung) enthalten. Beim Kochen mit ver- 
dünnter Säure wird nun nicht zuerst der Zucker oder 
zuerst die Fettsäure befreit, sondern beide Phasen laufen 
nebeneinander, so daß ein Sapogeningemisch (I-+II) ent- 
steht, dessen einer Teil frei von Zucker, ein zweiter Teil auch 
frei von Fettsäure ist, während ein dritter kleiner Teil noch 
Zucker gebunden hält. Diese Sapogenine entziehen sich durch 


330 


Gefunden 


J. Halberkann: 


Tafel I. 


Mol.- 
Gew. 


Berechnet: 


Mol.- 
Gew. 


1073 
nase Assa- fiss Cso» se He703025 Cio oHee 38025 1069 
= 945 


— 10 Acetyl- 
gruppen 
(10C,H,0) 


t 


Assamin 


— (Galactose + 
Arabinose) 
(Cs H1005 
Cs Hs 04) 
Erhitzen 
mit 
verdünnter‘ I. Sapogenin 

Schwefel- 


säure 
— 1 Butyl- 
gruppe 
(C,H,0) 
II.Sapogenin 
| 
Kochen mit 
alkoholischer 
Salzsäure — |? 


Y 
III. Sapogenin ! 


66,67%/, C 
| 6,29°/, 4 —D 


Csao-2 H46»38015 


k JA a 
7,20°/, H 


CisssH27206 


64,3200 C 
7,88°/ H 


Cis·a6 H22 705 


573 
552 C32, 76H 508708 
532 


| 72,690/,C 
| 9,48°/,H 





%%oH 
— 420 
+10(C,H,0) 
Y 
u 649 
| C,H ,00; | 
| ( LO, 
| — 294 | 
| ; 
Cis2H38»3806 355 
ke 0/,C | 
8,00°/, H 
— 70 
— (C,H,O) 
4 + 
Cisse He2»3805 285 
64,050/,C 
| 7,860], 4 
| —? 
j 
7 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 331 


ihre Unlöslichkeit in Wasser der weiteren Hydrolyse. Voll- 
kommene Spaltung tritt erst ein durch Säure in alkoholischer 
Lösung, wobei gleichzeitig eine dritte Phase statthat; wie 
diese dritte Hauptepaltung vor sich geht, entzieht sich meiner 
Kenntnis. Besonders kompliziert sich dieselbe durch den Be- 
fund des Molekulargewichtes. In der Annahme, daß irgend 
ein Komplex abgespalten würde, müßte das Molekül des Sapo- 
genins III kleiner sein als das berechnete des Sapogenins II, 
während fast das doppelte Molekulargewicht ermittelt wurde. 
Dies kann nur so erklärt werden, daß entweder beim Kochen 
des Sapogenins II mit alkoholischer Salzsäure unter Abspaltung 
eines Restes sich zwei Moleküle zu Sapogenin III kondensieren, 
oder daß das Molekulargewicht des Assamins, von dem die Be- 
rechnung für Sapogenin II ausgeht, zu verdoppeln ist. Denn es 
wäre denkbar, daß bei der Acetylierung irgend eine Brücken- 
bindung aufgerissen, und das Molekül des Assamins dadurch ge- 
spalten würde. Vom Assamin selbst konnten leider keine Be- 
stimmungen gemacht werden, da dasselbe in nicht genügend 
reinem Maße vorlag. 

Die Spaltung des Assamins bei der Acetylierung wird 
fast gewiß durch die später ausgeführten Molekulargewichts- 
bestimmungen des Sapogenins I, die die Zahlen 697 und 681, 
also im Mittel 689, lieferten. Demnach würde dem Assamin 
die doppelte Formel C.o aHoe.760z0 zukommen, und aus dieser 
bei der Hydrolyse je 2 Moleküle Arabinose und Galactose ent- 
stehen. Aus dem Assamin bildet sich dann das Acetyl-Assa- 
min durch Eintritt von 18 Acetylgruppen unter gleichzeitiger 
Aufreißung eines zwei identische Komplexe verbindenden Brücken- 
sauerstoffs und Bindung der dadurch frei gewordenen Valenzen 
durch die im Essigsäureanhydrid enthaltenen Reste CH,CO 
und CH,COO. 

Ähnliche Verhältnisse zeigte das von G. Weiß (31) aus 
Rinde und Samen von Aegiceras majus dargestellte Saponin, 
das bei der Hydrolyse gleichfalls eine Pentose und Galactose 
lieferte. Bei der Acetylierung wurde das Saponinmolekül an- 
scheinend nicht gespalten, und er erhielt die Verbindung 
C,osH,s,0,, mit den gefundenen Molekulargewichten 2016 und 
2168, während sich 2136 berechnet; durch Titration ermittelte 
er 18 Acetylgruppen. Rückwärts schließend, da das Saponin 


332 J. Halberkann: 


nicht in genügend reinem Zustande vorlag, bestimmte er aus 
der Acetylverbindung die Formel des Saponins selbst zu 
C,H 108030: 

Den gleichen Schwierigkeiten bei der Ermittelung der Mole- 
kulargrößen begegnete auch Kiliani beim Digitonin. 

W. G. Boorsma (57) 'nimmt an, daß die Spaltung des 
Assamins nur in einer Phase verläuft, und daß der entstehende 
Zucker Glucose ist. Dieses ist jedoch nicht richtig, ebensowenig 
wie die aufgestellte Spaltungsformel 


Cis Ha8010 -+ H,O — C,H, ,0, + C.H,,0;- 


Pharmakologischer Teil. 


I. Verhalten von Assamin gegen rote Blutkörperchen. 


Alle Blutarten wurden defibriniert verwendet. Die Ver- 
dünnungen wurden so hergestellt, daß z. B. 1 Vol. des be- 
treffenden Blutes mit 99 Vol. 0,9°/,iger Kochsalzlösung ver- 
mischt wurde. Die Proben standen bei Stubentemperatur. 
Meist wurden 10 ccm des Blutgemisches angewandt. In manchen 
Versuchen wurde absichtlich das Blutserum nicht mitverwendet, 
weil dieses die Hämolyse in erheblichem Maße hindert. Das 
von Ransom (72) untersuchte Saponin wirkte in isotonischer 
Kochsalzlösung fünfmal stärker als in unverdünntem Serum. 
In solchen Fällen wird dann nicht von einem Blut-Kochsalz- 
gemisch, sondern von einem Blutkörperohen-Kochsalzgemisch 
gesprochen. In den meisten Versuchen hier war aber das Serum 
hundertfach verdünnt und daher sein hemmender Einfluß recht 
gering. 

In allen Versuchen wurden Kontrollgläschen aufgestellt, 
die nur das Gemisch, aber kein Saponin enthielten. In die 
nachfolgenden Protokolle sind nur solche Versuche aufgenommen 
worden, bei denen die Kontrolle nach mehrstündigem Stehen 
unten eine rote Schicht von Blutkörperchen von wenigen 
Millimeter Höhe zeigte, und darüber eine von Blutfarbstoff 
durchaus freie, farblose oder leicht gelbliche Schicht von ganz 
klarer Flüssigkeit. 





Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 333 
Verdünnung des M des Aaii valli 
Blutes enge des öllige Lösung 
1. Kaninchenblut. 

19% 0,01 10 com = 1:1000 in 20 Sekunden 
$ 0,005 „ = 1:2000 „ 50 5 
8 0,001 „ =1:10000 „ 7 Minuten 
$ 0,0005 +- „ =1:20000 „ 20 Stunden 

2/9 0,01 „ =1:1000 „ 40 Sekunden 
A 0,005 „ = 1:2000 „ 90 Rn 
= 0,001 + „ =1:10000 „ 61/3 Stunden 
i 0,0005 -+ „  =1:20000 nicht mehr 

10%, 0,01 „  =1:100 in 75 Sekunden 
n 0,005 „ = 1:2000 nicht mehr 
2. Meerschweinchenblut. 

1%/, 0,01 +10 com = 1: 1000 in 20 Sekunden 
” 0,001 „ `= 1:10000 2 Minuten 
E 0,0005 „ = 1:20000 23, Stunden 
š 0,0004 „ =1:25000 j 
5 0,0002 „ = 1:50000 nicht mehr 

20/, 0,01 + „ =1:100 in 30 Sekunden 
š 0,001 + „  =1:10000 „ 65 Minuten 
Š 0,0005 + „ = 1:20000 „ 18 Stunden 

3. Katzenblut. 

10/9 0,01 +10 oom = 1 : 1000 in 20 Sekunden 
x 0,001 + „ =1:10000| „ 4t/, Minuten 
is 0,0005 +- „ = 1:20000 nicht mehr 

20/9 0,01 + „ =1:1000 in 35 Sekunden 
š 0,001 + „ =1:10000 „ 40 Minuten 
5 0,0005 + „ =1:20000 nicht mehr 

4. Hundeblut. 

1%, 0,01 410 com = 1:1000 in 35 Sekunden 
® 0,005 + „ = 1:2000 „ 50 = 
r 0,001 + „ =1:10000| „ 7 Minuten 
i 0,0005 -+ „ = 1:20000 „ 2 Stunden 

20/0 0,01 „  =1:1000 „ 45 Sekunden 
. 0,005 „ = 1:2000 „ 60 — 
0,001 + „ =1:1000| „ 55 Minuten 
$ 0,0005 -+ „ = 1:20000 » 23 Stunden 

00/9 0,01 + „ =1:100 „ 3 Minuten 
ó 0,005 + „ = 1:2000 „ 3 Stunden 
M 0,001 + „ =1:10000 nicht mehr 

5. Pferdeblut. 

10/0 0,01 —+10cem = 1:1000 in 30 Sekunden 
a 0,005 +  „ = 1:2000 » 35 ” 

i 0,001 + „ =1:10000| „ 2"/, Minuten 
á 0,0005 + „ =1:2000 | „16 . 

3 0,000254-  „ = 1:40000 » 2 Stunden 
" 0,0001 + ,„ =1:10000 nicht mebr 


334 J. Halberkann: 





rn des Menge des Assamins | Völlige Lösung 





:1000 in 40 Sekunden 


20/. 0,01 | 
i 0,005 „ = 1:2000 = Š 
5 0.001 „ =1:10000 „ 15 Minuten 
0,0005 „ =1:20000 „14 Stunden 
10%, 0,01 +4 „ =1:1000 „ 55 Sekunden 
ó 0,005 +-  „ = 1:2000 „ 4 Minuten 
a 0,001 + ,„ =1:10000 nicht mehr 
6. Schweineblut. 
10/9 0,01 -10 com = 1:1000 in 75 Sekunden 
o 0,005 + „ = 1:2000 „ 90 = 
Y 0,001 »„ = 1:10000 „ 20 Minuten 
i 0,0005 „ = 1:20000 „ 6 Stunden 
20, 0,01 „ =1:1000 n 1!/, Minuten 
o 0,005 „ = 1:2000 „2 m 
0,001 „ = 1:10000 „ 8°/, Stunden 
bi 0,0005 „ = 1:20000 nicht mehr 
10%, 0,01 „  =1:1000 in 21/, Minuten 
F 0,005 ” = 1:2000 Stunde 
os 0,001 + „  =1:10000 nicht mehr 
7. Menschenblut. 
19/ 0,01 -+10ccm=1:1000 | in 15 Sekunden 
— 0.002 „ =1:5000 | „ 30 a 
PR 0,001 + „  =1:10000, „ 60 — 
0,0005 „ =1:20000 „ 13 Minuten, leicht 
getrübt 
5 0,0002 + »„ = 1:50000 nicht mehr 
20/9 0,01 + »„  =1:1000 | in 20 Sekunden 
„ 0,002 + „ = 1:5000 n 45 n 
5 0,001 „  =1:10000| „ 21/, Minuten 
* 0,0005 » = 1:20000 nicht mehr 
50/9 0,01 + „ =1:10%0 | in 50 Sekunden 
a 0,002 -+ „ =1:5000 | „ 1 Stunde, leicht 
getrübt 
— 0,001 + „  =1:10000 nicht mehr 


Das Ergebnis dieser sieben Versuche lautet dahin, daß 
das Assamin ein starkes Hämolyticum ist. 


Die Hämolyse durch Saponine führen Raymond Foss 
Bacon und Harry F. Marshall (73) auf physikalische Vor- 
gänge zurück. Denn durch Saponin wird, wie nachgewiesen, 
die Leitfähigkeit einer Salzlösung beträchtlich vermindert, so 
daß, da das Saponin nicht oder nur schwer dialysabel ist, ein 
Strom aus den Blutkörperchen nach außen auftreten muß, der 
so heftig ist, daß die Peripherie gesprengt wird. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 335 


Mit Neuberg und Reicher (74) teile ich die Ansicht, 
daß man die hämolytischen Substanzen wohl in zwei Kate- 
gorien bringen muß: I. Gruppe der hämolytischen Fermente ; 
diese gehören zu den Lipasen und wirken durch Lecithin- und 
Fettspaltung auf die Blutkörperchen ale echte Enzyme. 
II. Gruppe der physikalisch und (oder) chemisch wirkenden 
Stoffe; diese Gruppe, zu der u. a. Alkalien, Säuren, Äther, 
Wasser und Saponin gehören, in Unterabteilungen zu gliedern, 
ist nicht gut möglich, da einzelne Hämolytica sowohl chemisch 
als auch physikalisch wirken. 

Am empfindlichsten gegen Assamin erwiesen sich die Blut- 
körperchen des Meerschweinchens, die in 1°/,iger Lösung 
noch in einer Verdünnung 1 :25000 gelöst wurden. Bei Pferde- 
blut ergab sich zwar noch bei 1:40000 völlige Hämolyse; 
doch wird bei der Defibrination, die nicht von mir selbst vor- 
genommen war, wohl eine Schädigung der roten Blutkörperchen 
stattgefunden haben. Dies ist besonders deshalb anzunehmen, 
da ja Pferdeblut reich an für Saponin antihämolytisches Chole- 


sterin ist. 
8. Versuch mit ganz frischem Karpfenblut, 5°/,ig. 
I. 10 oom als Kontrolle 


Id. „ -+0,02 Assamin = 1:500 
II. „ +0,01 „  =1:1000 
IV. „ -+0,001 „ = 1:10000 
V. „0,0005 „ = 1:20000 
VI. ,„ 0,00025 ,„ = 1:40000 
VIL. „ +2 com Kochsalzlösung als Kontrolle. 


In Nr. II sofortige Lösung aller Körperchen, aber nicht der Kerne, 
so daß völlige Aufhellung erst nach vielen Stunden erfolgt. 

In Nr. III nach 2 Minuten alle Körperchen gelöst; völlige Auf- 
hellung wie bei IL 

In Nr. IV nach 4 Stunden Auflösung der Körperchen wohl voll- 
ständig; Kerne noch nicht. 

In Nr. V nach 15 Stunden völlige Auflösung der Körperchen, Kerne 
jetzt auch. 

In Nr. VI keine Hämolyse merklicher Art. 

9. Froschblut, 2°/,ig, verdünnt mitphysiologischer Kochsalzlösung, 
die nicht für den Frosch (0,6°%/,ig), sondern für den Warmblüter ein- 
gestellt ist, also für den Frosch etwas hypertonisch ist. 

I. 10 com als Kontrollflüssigkeit. Sie setzt farblos ab. 

II. 9 ccm -+ 1 ccm der Giftlösung = 1 mg Assamin. Nach ?3/, Stun- 
den ist die Hämolyse schon recht bemerklich, und ist auch nach 1?/, Stun- 
den noch nicht bis zur völligen Klarheit fortgeschritten, weil offenbar 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 22 


336 J. Halberkann: 


die Kerne nicht mitgelöst werden. Nach 41/ Stunden haben sich die 
Kerne als farblose Masse zu senken angefangen. 


Ergebnis: Assamin wirkt auch auf Froschblut sehr stark hämo- 
lytisch, aber der Endpunkt der Hämolyse läßt sich nicht genau be- 
stimmen, da die Kerne später oder gar nicht bei kleiner Giftdose ge- 
löst wurden. 


10. Hämolyse in isotonischer Kochsalzlösung und Jodkaliumlösung ; 
Katzenblut teils 5°/,ig, teils 4°/,ig. 


A. Verdünnungsmittel: physiologische Kochsalzlösung. 

I. 10 oom 5°/,iges Blut. Setzt farblos ab. 

II. 9 ccm 5°/,iges Blut + 1 mg (= 1 ocm) Assamin. Nach 31/, Stun- 
den fast völlig klar gelöst. 

IIL 5 com 5°/,iges Blut + 1 mg (= 1 cem) Assamin. Nach 4 Mi- 
nuten völlige Hämolyse. 

IV. 5ccm 4°/,iges Bhut +1 mg (= 1 cem) Assamin. Nach 31/, Mi- 
nuten völlige Hämolyse. 

V. 10 cem 4°/,iges Blut + Img (= 1 ocm) Assamin. Nach 4 Stunden 
noch nicht völlig gelöst. 

B. Verdünnungsmittel: 2,56°/,ige Jodkaliumlösung. 

L 10 ccm 5°/,iges Blut; setzt farblos ab. 

II. 9 ccm 5°/,iges Blut +1 mg (=1ccm) Assamin. Nach 36 Mi- 
nuten völlig klare Hämolyse. 

III. 5 ccm 5°/,iges Blut +- 1 mg (= 1 ccm) Assamin. Nach 3 Mi- 
nuten völlige Hämolyse. 

IV. 5 ccm 4°/,iges Blut -+ 1 mg (= 1 ccm) Assamin. Nach 28/, Mi- 
nuten völlige Hãmolyso. 

V. 10 ccm 4°/,iges Blut -+ 1 mg (= 1 ccm) Assamin. Nach 30 Mi- 
nuten völlige Lösung. 

Ergebnis: In der 2,56°/ igen Jodkaliumlösung wirkt Assamin 
stärker als in physiologischer Kochsalzlösung, was mit den Versuchen 
von Rudolf Höber (75) übereinstimmt. 

11. Einwirkung von Assamin auf Bern ee nen in 
2,5°/,iger Mischung. 

I. 10 ccm Katzenblutkörperchengemisch als Kontrolle. 

I. 10 ccm + 1l mg (= 1 ccm) Gift—1:11000, aufgestellt 12: 35’. 
Um 12% 45’ beginnt die Aufhellung; um 3% schon weit fortgeschritten, 
aber auch um 6® noch nicht total, sondern erst über Nacht. 

III. 10 ccm 2 mg (=2 cem) Gift—=2:12000: binnen 5 Minuten 
totale Hämolyse. | 

IV. 10 com + 3 mg (=3 ccm) Gift—=3:13000; innerhalb 30 Se- 
kunden totale Hämolyse. 

V. 10 ccm + 0,5 mg (= 1 ccm) Gift; aufgestellt 12% 36°; um 12546’ 
noch nichts; um lè fängt oben an sich leicht rotgefärbtes Serum ab- 
zusetzen. Um 3# ist die rote Schicht dicker und deutlicher. Auch nach 
24 Stunden nur mäßige Hämolyse. 

VI. 10 ccm +- 0,25 mg (=1 com) Gift; aufgestellt 1248’. Um 3b 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 337 


hat sich eine ganz klare, farblose Serumschicht abgeschieden. Nach 24 Stun- 
den eben merkbare Hämolyse, 

VII. 20 com 4 0,25 mg (=1cem) Gift; aufgestellt 15°. Um 3? 
hat sich farbloses Serum abgeschieden. Nach 24 Stunden gar keine 
Wirkung. 

12. Der gleicheVersuch in gleicher Verdünnung mit Meerschwein- 
chenblutkörperchen. 

I. 10 ccm Meerschweinblutkörperchengemisch als Kontrolle. 

II. 10 ccem-+1 mg (=1 com) Gift; nach 45 Minuten völlige 
Hämolyse. 

III. 10 com +-2 mg (=2 com) Gift; nach 1!/ Minuten völlige 
Hämolyse. 

IV. 10 cem + 0,5 mg (=1 com) Gift; aufgestellt 3} 45’. 

V. 10 ccm-+-0,25 mg (=1 ccm) Gift; aufgestellt 3? 48°”. Bei IV 
und V um 6*30’ partielle Hämolyse, aber sehr schwach. ' Am folgenden 
Tage früh bei IV fast völlige Hämolyse und bei V nicht viel schwächer. 


Ergebnis: Totale Hämolyse noch bei 1:11000, mögen nun Katzen- 
oder Meerschweinchenblutkörperchen verwendet werden ; aber die „In- 
kubationszeit‘“, d. h. die Zeit bis zur völligen Wirkung beträgt 20 Stun- 
den. Partielle Hämolyse noch bei 1:20000, ja bei 1:40 000. 

13. Einwirkung von Assamin in 1°/,iger Lösung -+ 0,9 %/, Kochsalz 
auf das Blut der Kröte (Bufo variabilis). 

Bringt man unter das Deckglas einen Tropfen Blut und läßt vom 
Rande her eine Spur Assaminlösung zufließen, so sieht man im 

I. Stadium: 

1. Viele rote Blutkörperchen „zerfließen‘““ einfach so, daß nur der 
Kern übrig bleibt. 

2. Viele rote Blutkörperchen bekommen radiäre Streifungen, und 
erst dann lösen sie sich auf. 

3. Einzelne rote Blutkörperchen quellen, so daß sie kugelrund werden; 
dann stoßen sie den Kern aus, und dann platzen sie. 

Nachdem alle rote Blutkörperchen geschwunden sind, tritt ein 

IL Stadium ein, in welchem die restierenden Kerne derselben zu- 
grunde gehen. Sie pflegen meist Reste in Form von Bröckelohen zurück- 
zulassen. 

Alsdann folgt ein 

III. Stadium, in dem auch die weißen Blutkörperchen zugrunde 
gehen. Die erste Einwirkung auf diese besteht darin, daß sie ihre Be- 
weglichkeit verlieren und statt des granulierten Aussehens die Form 
einer kreisrunden Scheibe mit stark sichtbarer Grenzmembran bekommen. 
Gleichzeitig werden die Kerne sehr deutlich. Endlich zerfallen sie in 
Bruchstücke. 

14. Einwirkung von Assamin auf Katzenblut bei Gegenwart von 
Fluornatrium. 

Angewandt: 10 com Katzenblut 4+ 165 ccm physiologischer Koch- 
salzlösung 4 25 cem 4°/,iger Fluornatriumlösung. 

22% 


338 J. Halberkann: 


I. 10 ccm Gemisch + 1 ccm physiolog. Kochsalzlösung als Kontrolle, 
I, = „ +10 mg (=1 ccm) Assamin, 
III. „ „ T 1 „ (= 0,1 n” ) n 
Bei II erfolgt fast unmittelbar völlige Hämolyse und bei III nach 
wenigen Minuten völlige Hämolyse. 
Ergebnis: Fluornatrium hindert selbst bei einer Konzentration 
von 1:200 die Saponinhämolyse nicht. 
15. Einwirkung von Assamin auf Katzenblut bei Gegenwart von 
Fluornatrium und Blausäure. 
Gemisch wie oben: 10 com Katzenblut + 165 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung +4 25 ccm 4°/,iger Fluornatriumlösung. 
I. 10 ccm Gemisch 42 ccm physiolog. Kochsalzlösung als Kontrolle, 


DD. „ +1 „ (=1 mg) Gift + 1locm 1°/,iger Blausäure- 
lösung, 
IL „ n + 1 „ (= 1 mg) „ + l ccm physiolog. Kochsalz- 
lösung, 
IV. „ 00 +1 „ (=lmg) „ +lcom 1%/,iger Blausãure- 
lösung, 
vV. e = 42 „ physiolog. Kochsalzlösung als Kontrolle. 


Zu IV wurde Saponin- und Blausäurelösung gemischt und erst nach 
10 Minuten langem Stehen dem Blutgemisch zugesetzt. 

Bei II und IV tritt 11/, Minuten nach dem Mischen völlige Hämo- 
lyse ein, bei III etwas später. 

Ergebnis: Blausäure (+4 Fluornatrium) verhindert die Hämolyse 
durch Saponin nicht im mindesten ; eher unterstützt sie die Hämolyse. 
Im Gegensatz dazu stehen die Beobachtungen J. Noguchis (76), daß 
die hämolytische Wirkung der Pankreaslipase durch Fluornatrium und 
durch Cyankalium noch in einer Verdünnung 1:10000 vollständig auf- 
gehoben wird. 

16. Hämolyse agglutinierten Blutes von Hund. 

500 ccm 5°/,iger Mischung von Hundeblut mit physiologischer Koch- 
salzlösung wurden mit 25 ccm einer Bohnengiftlösung (10 g Bohnen mit 
600 ccm Kochsalzlösung ausgezogen) versetzt, wobei sofort völlige Agglu- 
tination eintrat. Von diesem gleichmäßigen Gemisch wurden je 10 ccm 


geprüft mit 
I. 0,01 Assamin = 1:1000: völlige Hämolyse in 6 Minuten, 
IL 0,005 „ = 1:2000: n n n 9I » 
ITI. 0,0025 „  =1:4000: , X „ 25 $ 
IV. 0,001 „  =1:10000: , sj „ 1°/, Stunde 
V. 0,0005 i —=1:20000: „, ; nicht mehr 


Das Stroma wurde nicht gelöst und blieb als weißer Bodensatz 
zurück. 

Auf vollkommene Genauigkeit können diese Zahlen keinen Anspruch 
machen, da schon bei starkem Schütteln des agglutinierten Gemisches 
Blutfarbstoff in Lösung geht. Starkes Schütteln wurde deshalb ver- 
mieden und eine Mischung nur durch Umschwenken erreicht. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 339 


Assamin entzieht also dem aus Blutkörperchen und 
Bohnenagglutinin (Phasin) bestehenden Gerinnsel das darin 
mechanisch mit eingeschlossene Hämoglobin vollständig, 
so daß das Gerinnsel seine rote Farbe verliert. Eine Auflösung des Ge- 
rinnsels erfolgte aber nicht. Von einer antidotarischen Wirkung gegen- 
über dem Bohnenagglutinin ist also keine Rede. 

17. Einwirkung von Assamin auf mit Formalin behandeltes Ka- 
ninchenblut. 

50 ccm 35°/,iger Formaldehydlösung, 50 ccm Kaninchenblut und 
400 com physiologischer Kochsalzlösung wurden gemischt, 24 Stunden 
bei gewöhnlicher Temperatur belassen und die Mischung zentrifugiert. 
Nach Abgießen der überstehenden farblosen Flüssigkeit wurden die Blut- 
körperchen noch zweimal mit hinreichender Menge Kochsalzlösung ge- 
waschen und wieder abgeschleudert und dann, entsprechend der an- 
gewandten Menge des Blutes, mit Kochzalzlösung auf 50 ccm aufgefüllt. 

Von dieser Suspension wurde mittels Kochsalzlösung eine 1°/,ige 
Verdünnung hergestellt. 

10 ccm + 0,01 Assamin = 1:1000: keine Hämolyse, 
»n +0,25 n =1:40 : „ „ 

Ergebnis: Die Membran der Blutkörperchen wird also auch aus 
Eiweiß bestehen, bzw. eiweißhaltig sein, da weder Cholesterin noch Leci- 
thin das Aufheben der Hämolyse bewirken können. Für diese Ansicht 
spricht auch das Verhalten der gehärteten Blutkörperchen zu vegetabi- 
lischen Agglutininen, deren Wirkung durch mäßiges Härten zwar modi- 
fiziert, aber keineswegs ganz aufgehoben wird. Die Hämolyse wird eben 
verhindert durch das starre Häutchen von gehärtetem Eiweiß; die Um- 
wandlung des Eiweißes in eine klebrige Modifikation, wie die Agglutination 
sie verlangt, kann aber noch an dem starren Häutchen, wenn auch un- 
vollkommen, vor sich gehen. 

18. Gleicher Versuch mit Katzenblutkörperchen. 

Unter Formalin für 24 Stunden gehaltene Katzenblutkörperohen 
wurden vom Formalin durch Abgießen und Waschen befreit und dann 
mit physiologischer Kochsalzlösung so stark verdünnt, daß sie genau 
einer 5°/,igen Katzenblutlösung entsprechen. Dieses Gemisch wird 


benutzt. 
I. 10 ccm + 1 ccm physiolog. Kochsalzlösung, 


II. „ +1 „ (=10 mg) Assaminlösung, 
Il. „ +2 n (= 20 n ) „ 
IV. „ +2 „ physiolog. Kochsalzlösung. 


Nach 24 Stunden ist zwischen den vier Gläschen gar kein Unter- 
schied zu sehen, sondern alle vier haben farblos abgesetzt. 

Ergebnis: Saponine wirken auf gehärtete Blutkörperchen, auch der 
Katze, nicht mehr ein. Da diess am empfindlichsten sind, dürfte das 
Ergebnis für alle Blutarten gelten. 

19. Wiederholte Benutzung von Assamin zur Hämolyse, 

Um zu prüfen, ob die Stromata der Blutkörperchen das Saponin 
chemisch an sich binden oder wenigstens durch Adsorption verankern, 


340 J. Halberkann: 


wurde nach eingetretener Hämolyse, das gelöste bzw. fein suspendierte 
Eiweiß durch Erhitzen entfernt und die klar filtrierte Lösung von neuem 
geprüft, indem die gleiche Menge Blutkörperchen wieder zugesetzt wurde. 
Zum Versuche wurden Katzenblutkörperchen benutzt. 


Verdü 3 s 
d.Blutkörper. Menge des Assamins I löst II löst 








1%/  |001 + 10 com = 1:1000 | augenblicklich jin 20 Sekunden 
3 0,001 „= 1:10000;in 13/, Minuten! ,, 28 Minuten 
j$ 0,0005 „ = 1:20000; „ = unvollkommen 
R 0,0004 „  =1:25000| , 55 ú nicht mehr 
P 0,0002 „ = 1l:50000| nicht mehr ni a 

2%, 0,01 „ = 1:1000 | augenblicklich |in 25 Sekunden 
5 0,001 „ = 1:10000'in 3 Minuten |unvollkommen 
k 0,0005 „ = l:20000j „ 1!/,Stunden! nicht mehr 

100/9 0,01 „ = 1:1000 |in 45 Sekunden 7 F 
ji ‚006 „ = 1:1650 |, 1!/, Minuten 5 — 
0,005 „ = 1:2000 |, 2 1 „ „ 
„ 0,002 n =l: n „ „ „ 
“ 0,001 „ = 1:10000; nicht mehr 


Die serumfreien Blutkörperchen waren gewonnen durch Abhebern 
nach 12stündigem Absetzen. Zu II wurden die erhaltenen Lösungen I 
10 Minuten lang in siedendem Wasser erhitzt, vom abgeschiedenen, 
fadenförmig-flockigen Eiweiß durch Filtration befreit und die farblosen 
Filtrate mit konz. serumfreien Katzenblutkörperchen, im gleichen Ver- 
hältnis wie in I, versetzt. 


Es ergibt sich in allen Versuchen eine merkbare Abnahme der 
hämolytischen Kraft; das ausfallende Cholesterin bindet oder das Eiweiß 
reißt Saponin mit nieder. 


L. und P. v. Liebermann (55) nehmen an, daß sowohl bei der 
Agglutination als auch bei der Hämolyse der Saponine eine chemische 
Verbindung des Agglutinins, bzw. des Saponins mit dem Stroma ent- 
steht, die daher im Zentrifugenbodensatz enthalten ist. Extrahiert man 
diesen mit spurweis angesäuerter physiologischer Kochsalzlösung, so geht 
das Saponin in Lösung und kann nun nach dem Neutralisieren wieder 
gebraucht werden. 


20. Einwirkung von Assamin auf Katzenblut, Kaninchenblut und 
Pferdeblut, in Pferdeserum gelöst. 


Pferdeblutserum löst bei 38° auch ohne Saponin, also schon an sich, 
die Körperohen von Katzenblut, in viel geringerem Maße auch die des 
Kaninchenblutes. Bei Stubentemperatur wird diese Wirkung wohl auch 
etwas bemerkbar sein. 


Zu den Versuchen wurde Assamin 1: 100 in Pferdeblutserum gelöst, 
die nötigen Verdünnungen ebenfalls mit Serum hergestellt. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 341 





Kaninchen- 
blut, Pferdeblut, 


5* ölli 
völlige enbe 
Lösung Lösung 
















'10 coem = 1: in 65 Sek. 'in 11/3 Min. in 11/, Min. 
» = l:2000 jin 2°/, Min.lin 4!/, „ lin 3i „ 
= 1l : 10000 lin 24 Stun-| nicht mehr | nicht mehr 
den, aber 
unvoll- 
ständig 


20/, :1000 jin 1?/, Min. in 2!/, Min. in a rag 
R :2000 jin 61/, Min.| in 7 Min. 5 Min. 
a : 10000 | nicht mehr | nioht mehr — mehr 
10%, in 15 Min. | in 16Min. | in 6 Min 
Š 2000 | nicht mehr | nicht mehr |in 1?/, Std 


9 „ „ 20 | nicht mehr 


Bedingt durch den reichlichen Gehalt an Cholesterin bewirkt also 
Pferdeblutserum eine bedeutende Verzögerung bzw. ein völliges Aufheben 
der Hämolyse, was zu den oben angeführten Versuchen von Ransom (72) 
stimmt. Er hat nämlich festgestellt, daß tierisches Cholesterin auf Sapo- 
nine entgiftend wirkt, und zwar bedingt durch chemische Momente. Auch 
Kobert(27) sowie Madsen und Noguchi (77) gelangten infolge ihrer 
Versuche zu derselben Ansicht. Für Phytosterin liegen zwei analoge 
Versuchsreihen vor: durch Hausmann (78) sowie durch Abderhalden 
und Le Count (79). Daß auch Assamin duroh Phytosterin entgiftet wird, 
geht aus folgendem Versuche hervor. 

21. Entgiftung von Assamin durch Phytosterin. 

Je 10 ccm einer 1°/, igen Phytosterin-Ätherlösung und einer 1°/, igen 
Lecithin-Ätherlösung wurden mit 10 ocm einer. 1°/ igen Assamin - Koch- 
salzlösung einen Tag lang bei 30° unter häufigem Schütteln stehen ge- 
lassen. Dann wurde der Äther durch Erwärmen verjagt und filtriert. 
Von den auf 10 ccm aufgefüllten Filtraten wurden Verdünnungen her- 
gestellt und gegen je 10 com 1°/,iges Hundeblut geprüft, wobei reine 
Saponinlösung als Kontrolle diente. 





Cholesterin- 
Assamin, 
löst 






Menge des Assamins 









0,01 +10 ccm = 1 : 1000 in 20 Sck. nicht 
0,005 +  ,„ = 1:2000 in 28 „, j 
0,001 + „ = 1: 10000 ın 21), Min. 99 


Lecithin hindert also die Hämolyse nicht, wohl Phytosterin (aus 
Ricinusöl gewonnen). Um die Grenze der Entgiftung festzustellen, wurden 
verschieden starke Phytosterin-Ätherlösungen mit je 10 com 1°/,iger Assamin- 
lösung wie oben gemischt und die Filtrate geprüft. Von letzteren wurde 
je 1l ccm, entsprechend 0,01 g Assamin mit 10 ccm 1°/, igen Menschenblutes 
versetzt. 


342 J. Halberkann: 





Verhältnis des Assamins Davon 
zu Phytosterin angewandt 








10 ccm Assaminlösung + 0,05 Phytosterin nicht mehr 
>» -+ 0,01 a in 70 Sek. 
„ ” + 0,005 ” ” 45 ” 
”„ ”„ + 0,001 ” ” 40 ” 
99 93 + 0,0005 „ 9? 35 39 
” „ + 0,00025 „ „ 30 ”„ 
”„ 99 + 0,0001 » „ 30 ” 


0,05 Phytosterin entgiften also 0,1 Assamin. 

Vor kurzem gelang es Windaus (66), den exakten Nachweis zu 
führen, daß sich tierische und pflanzliche Cholesterine mit Saponinen zu 
ungiftigen Cholesteriden verbinden, in denen die beiden Komponenten in 
äquimolekularen Mengen enthalten sind. Danach würde für die Ent- 
giftung von 0,1 Assamin, unter Zugrundelegung der Formel C,,H4s0:5» 
0,0598 Phytosterin erforderlich sein, während ich, wie oben gesagt, 0,05 
Phytosterin gebrauchte. Sollte dem Assamin die Formel C,H.0,, zu- 
kommen, dann würde nur 0,0299 Phytosterin nötig sein. 


Um nun die Grenze der Entgiftung festzustellen, wurde obige mit 
0,05 Phytosterin entgiftete Assaminlösung mit 1°/,iger Assaminlösung 
so verdünnt, daß 10 ccm der Lösung 0,025 bzw. 0,01 Phytosterin ent- 
sprachen. Hiervon wurde je l ocm, wie oben, mit 10 ccm 1°/,igen 
Blutes geprüft, wobei im ersteren Falle in 40 Sekunden, im letzteren in 
35 Sekunden vollkommene Hämolyse eintrat. 


Daraus ist zu schließen, daß durch einfaches Mischen einer ent- 
gifteten Saponinlösung mit Saponinlösung der ev. Überschuß des Ent- 
giftungsmittels das weiter zugesetzte Gift nicht mit Beschlag belegt, 
sondern daß letzteres giftig bleibt. Denn bei dem zweiten Versuche 
hätte erst nach 70 Sekunden Hämolyse eintreten dürfen, fand aber tat- 
sächlich sohon nach 35 Sekunden statt. 


Dabei ist allerdings zu bedenken, daß das Saponin in wässeriger 
Lösung auf das wasserunlösliche Cholesterin bzw. Phytosterin nicht ge- 
nügend einwirken kann. Nach Windaus geschieht diese Einwirkung 
am besten in alkoholischer Lösung. 

Daß das Assamin durch die Behandlung mit Phytosterin stark ent- 
giftet ist, zeigte der Versuch mit Kaulquappen. Während dieselben in 
einer nicht entgifteten Assaminlösung 1:1000 nach 20 bis 25 Minuten 
eingingen, erfolgte der Tod bei gleicher Konzentration bei 0,05 Phytosterin 
erst nach 6 Stunden, bei 0,01 Phytosterin nach 11/, Stunden. 

22. Entgiftung von Assamin durch Cholesterin. 


Die Entgiftung wurde ebenso wie mit Phytosterin vorgenommen. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 343 









Verhältnis des Assamins Davon Löst 
zu Cholesterin angewandt 
10 com 1°/,ige Assaminlös. + 0,1 Cholesterin || 1 ccm : 10 ccm nicht 


” 99 „ + 0,06 99 1 0% iges ” 
j m „ -+ 0,01 2 Kaninchen- || in 65 Sek. 
= i 5 + 0,005 ,„ blut — 1 : 1000 `| „ 40 „ 


Die erstere, mit 0,1 Cholesterin entgiftete Assaminlösung wurde auf 
einer Uhrschale eingedunstet, der Rückstand mit Äther gewaschen, um 
ev. mechanisch beigemengtes Cholesterin zu entfernen, und mit Wasser 
auf das ursprüngliche Volum aufgefüllt. Auch jetzt rief diese Lösung 
keine Hämolyse hervor. 

In die drei anderen, mehr oder weniger entgifteten Assaminlösungen 
wurden nach der Verdünnung 1 : 1000 Kaulquappen eingesetzt. Es zeigte 
sich auch in diesem Versuche eine starke Herabsetzung der Giftigkeit 
des Assamins,. 

L. und P. v. Liebermann (55) konnten die entgiftende Wirkung 
des Cholesterins auf ein Guajacsaponin, welches sauer reagierte und da- 
her sicher Guajacsaponinsäure enthielt, bei Versuchen mit Schweineblut- 
körperchen nicht bestätigen. Offenbar haben sie dieses Fehlresultat nur 
bekommen, weil sie das Saponin nicht mit der Cholesterinlösung kochten. 
Jedenfalls konnte Kobert das Guajacsaponin ebenso leioht durch Cho- 
lesterin entgiften als beliebige andere Saponine. 

23. Fernerer Versuch der Entgiftung von Assamin durch Cholesterin. 

2 g Assamin wurden in 20 ocm Wasser gelöst mit 100 ccm einer 
2°/,igen Cholesterin - Ätherlösung 3 Tage lang bei 35° unter öfterem 
Schütteln stehen gelassen, wobei eine dicke Emulsion entstand. Dann 
wurde zur Verjagung dès Äthers nach dem Verdünnen mit Wasser erwärmt 
und filtriert. Der Filterrückstand wurde nochmals in viel Wasser fein 
verteilt, längere Zeit geschüttelt, zentrifugiert und die vereinigten klaren 
Filtrate auf dem Wasserbade eingeengt. Die Flüssigkeit wurde dann 
kalt mit Äther extrahiert und auf dem Wasserbade eingedampft. Nach 
dem Trocknen bei 105° hinterblieb 0,56 g Rückstand, der in 10 com 
physiologischer Kochsalzlösung gelöst wurde. Hiervon wurde 1 ccm 
= 0,066 g Assamin mit 10 ccm 1°/,igem Hundeblut versetzt. Es er- 
folgte, also in einer Konzentration von 1:180, keine Hämolyse. 

Da nur 0,56 g Assamin wiedergewonnen waren, mußte der Rest 
= 1,44 g in den Cholesterinrückständen stecken. Dieselben wurden mit 
Wasser und Äther im Scheidetrichter geschüttelt; zur Beseitigung der 
Emulsion wurde die wässerige Flüssigkeit mit Kochsalz gesättigt, noch 
zweimal mit Äther ausgezogen und auf dem Wasserbade eingedampft. 
Neben Krystallen von Kochsalz blieb ein gelber Rückstand, der sich in 
wenig Wasser leicht löste. Die Lösung schäumte stark und reduzierte 
nach dem Erhitzen mit Salzsäure Fehlingsohe Lösung. 

Aus diesem Versuche geht hervor, daß die Hauptmenge 


des Saponins an Cholesterin verankert war. Das Ver- 


344 J. Halberkann: 


ankerungsproduktist aberin Wasser nur wenig löslich. 
Der ungelöste Teil der Verbindung wird beim Be- 
handeln mit Ather aber durch Dissoziation wieder zer- 
legt. Nach Windaus (66) ist dies nicht bei allen Saponinen 
der Fall, denn er konnte das Digitonincholesterid durch Ather 
nicht zerlegen. 


24. Acetylassamin wirkt nicht mehr hämolytisch. Es wurde in 
Alkohol gelöst, und diese Lösung mit physiologischer Kochsalzlösung stark 
verdünnt, so daß eine feine Emulsion entstand. Beim Vermischen mit 
verdünntem Blut setzte das Gemisch farblos ab; auch das Filtrat zeigte 
keine Spur von Hämolyse. 


25. Die Ungiftigkeit des mit Baryt behandelten und des regenerierten 
Quillayasaponins hat schon Kobert festgestellt. Wohl die meisten kritisch 
denkenden Leser haben ihm dies nicht glauben wollen. Aber ich muß 
für mein auf beide Arten behandeltes Assamin dieselbe Ungiftigkeit be- 
haupten. Kobert hat damals das Wort „Saponin“ im engeren Sinne 
nur für das ungiftige Präparat gelten lassen wollen und die zwei prä- 
formierten, giftigen Körper der Quillayarinde Quillayasäure und Sapotoxin 
genannt. Für die Schaumgetränke dürften solche entgifteten Saponine 
von Bedeutung werden können, namentlich da die Entgiftung mühelos 
ausgeführt werden kann. 

A. Versuche mit dem aus der Acetylverbindung regenerierten Assa- 
min und 

I. 1%/, igem Kaninchenblut. 

10 com + 0,01 Assamin = 1:1000 keine Hämolyse, 


” — 0,02 „ = 1: 500 ” ” 
„ +0,05 »  —=1:200 en F 

IL 5°/,igem frischem Karpfenblut. 
5 ccm + 0,01 Assamin = 1 : 500 * m 
” L 0,02 [7 = 1 : 250 „ „ 

III. 5°/, igem Meerschweinchenblut. 
5 ccm + 0,01 Assamin = 1:500 er , 
„ -+ 0,02 „ = 1 : 250 „ „ 


IV. 1°/,igem Katzenblut. 
10 ccm + 0,01 Assamin = 1:1000 „ a 


”„ + 0,02 „ = 1: 500 E „ 
» +01 * = 1:100 Re i 

V. 2°/, igen Kaninchenblutkörperchen. 
10 cem +- 0,01 Assamin = 1:1000 ,, * 
„ +0,02 A = 1 : 500 j j 

VL 1°/ igen Kaninchenblutkörperchen. 
10 com + 0,01 Assamin =1:1000 ,, j 
” + 0,02 „ = 1 : 500 „ „ 


5 com + 0,05 „ = 1:100 „ „ 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 345 


Zu allen Versuchen wurden Kontrollflüssigkeiten hergestellt. In 
keiner der Proben trat binnen 24 Stunden auch nur eine Spur von Hämo- 
lyse ein. Damit ist bewiesen, daß das regenerierte Assamin auch in 
enormen Dosen und bei Abwesenheit von Serum ganz unwirksam ist. 


B. Versuche mit dem durch Barythydrat entgifteten Assamin. 

Dieses Barytsaponin wurde so gewonnen, daß Assaminlösungen mit 
heiß gesättigter Barytlösung versetzt und 1, 5 und 10 Stunden im 
kochenden Wasserbade erhitzt wurden. Nach dem Erkalten wurde aus 
den Filtraten das Baryt durch Schwefelsäure abgeschieden, und die baryt- 
freien Filtrate zur Trockne eingedampft. Der Rückstand wurde in 
physiologischer Kochsalzlösung gelöst. Angewandt wurde 1°/,iges und 
20/ iges Blutkörperchenkochsalzgemisch. 


I. 10 oom + 1 ocm physiologischer Kochsalzlösung als Kontrolle, 
” + „ ( ” ) ” II, 
„ + „ ( ” ) 9 UL 
II. Genau die gleichen 4 Gläschen, nur nicht mit 2°/, igem, sondern 
mit 1°/,igem Blutkörperchenkoohsalzgemisch. 
Alle Versuche angestellt früh 11è 15’. Bis zum Abend kein Unter- 
schied gegenüber den Kontrollen, am folgenden Morgen auch nicht. 
Das mit Barythydrat einige Zeit in der Hitze behandelte Assamin 
wird also ganz unwirksam. 
26. Von animalischen Hämolysinen werden Leukocyten meist gelöst. 
Das Verhalten gegen Saponin ist nocoh wenig untersucht. Von den ver- 
schiedenen Arten der Leukocyten waren mir die des Eiters am bequemsten 
zugänglich und wurden daher zur Untersuchung herangezogen. Doch 
wurden dieselben in 2,5°/,iger Suspension von Assamin nicht gelöst, 
ebensowenig wie Darmzellen, die aus dem Darm eines jungen Hundes 
erhalten wurden. Über die Leukocyten des Krötenblutes habe ich unter 
Nr. 13 gesprochen. 


27. Verhalten von Assamin gegen Leberzellen der Katze. 

Vollkommen hämoglobinfreie Leberzellen wurden in 5°/,iger Suspen- 
sion geprüft. 

0,1 Assamin -+ 10 com: Nach kurzer Zeit sind die Zellen beim 
Schütteln verklebt und lösen sich nach Verlauf von 20 Stunden bis auf 
einen geringen Rest vollständig auf. 

0,05 Assamin +- 10 com: Verhält sich ähnlich. 

0,01 Assamin + 10 ccm: Sohwache Auflösung, doch gegen Kontrolle 
deutlich zu sehen. 


28. Verhalten von Assamin gegen völlig blutfrei isolierte Leberzellen 
des Schweines. 





I aufgestellt | 10 com Zellensuspension 
3h 36’ +1 ocm phys. NaCl 

II aufgestellt | 10 ccm Zellensuspension | 45’ Bodensatz kleiner als 
3b 35' -+ 1 ocm Assamin [10 mg] | bei I; 5% 30 wie vorher 


346 J. Halberkann: 





III aufgestellt | 10 com Zellensuspension 
3b 36’ +42 ccm phys. NaCl 
IV aufgestellt | 10 ccm Zellensuspension | 4 5’ Bodensatz kleiner als 
3b 35 +2 ccm Assamin [20 mg] | bei II; 5? 30 wie vorter 
y aufgestellt | 10 com Zellensuspension 
32 35’ +3 ccm phys. NaCl 
VI aufgestellt | 10 ccm Zellensuspension | 4° 5° Bodensatz kleiner als 
3b 35’ -+ 3 com Assamin [30 mg] | bei IV; 5 30’ wie vorher 
VII aufgestellt 10 com Zellensuspension j 


3h 35 ohne Zusatz Bei I, III, V, VII, VIII ist 
XII aufgestellt 10 cem Zellensuspension dip Aele len Eu 


5b 20° ohne Zusatz 


ach 1/3 Stunde zeigt Xeinen 
IX ee Rem paya. Na * Bodensatz als XI. 


Zell | Am andern Morgen ist dieser 
aufgestellt ee ensuspension {Unterschied noch immer 
5b 20’ 


+ 1 ccm Assamin [10 mg merkbar 
xg | aufgestellt | 5 ccm Zellensuspension |\nach !/, Stunde, auch noch 
i 520 +2 ccm phys. NaCl |\nach 15Stunden in XII sehr 
xır| aufgestellt | 5 com Zellensuspension |(geringer, in XI sehr starker 
6b 20’ + 2 ccm Assamin [20 mg] Bodensatz 
XIIII aufgestellt | 5 ccm Zellensuspension 
5b 20/ +5 ccm phys. NaCl 


XIV aufgestellt | 5 ccm Zellensuspension 
i 5b 20” -+ 5 com Assamin [50 mg] | 


| Die Differenz der Größe des 
i Bodensatzes ist noch stärker 
| als bei XI und XII 

| 


Nun wurden Filtrate angefertigt, und immer die zusammengehörigen 
Filtrate verglichen. Dabei ergab sich, daß ausnahmslos die saponin- 
haltigen Filtrate eiweißreicher waren als die saponinfreien. Von Eiweiß- 
reaktionen wurden folgende angewandt: 1. Kochen mit verdünnter Essig- 
säure, 2. Fällen mit Pikrincitronensäure, 3. Fällen mit Salzsäure und 
Mayers Reagens. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich mit zwingender Notwendigkeit, 
daß völlig hämoglobinfreie Leberzellen vom Schwein durch Assamin teil- 
weise aufgelöst werden und im Filtrat in gelöster Form vorhanden sind. 
Die Löslichkeit ist beträchtlich, da sie noch bei 10 mg Saponin 4 20 ccm 
Zellgemisch deutlich nachweisbar ist. Dieses Zellgemisch enthielt etwa 
1/ ccm Zellen. 

Die Filtrate sämtlicher Gläschen wurden außerdem vergleichend 
biologisch geprüft. Da die Leberzellen reich an Katalase sind, war an- 
zunehmen, daß bei Auflösung derselben reichlich Katalase in Lösung geht. 
Folglich mußten die Filtrate der Saponingläschen mit Wasserstoffsuper- 
oxyd stärkere Schaumentwicklung geben als die ohne Saponin. In der 
Tat ergab sich, als zu je ö5com 2ccm H320, [3°/,ig] zugesetzt wurde, 
daß die Saponingläschen viel stärker schäumten als die ohne Saponin. 
Da nun die Saponine an sich auf Wasserstoffsuperoxyd nicht katalytisch 
einwirken, kann hier als Erklärung für die Schaumentwicklung nur an- 
genommen werden, daß durch die Auflösung der Leberzellen Katalase 
in aktiver Form in Lösung gegangen ist. Nimmt man diese Erklärung 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 347 


als richtig an, so wird durch diesen Versuch ebenfalls bewiesen, daß das 
Assamin „hepatolytisch‘“, d. h. leberzellenlösend wirkt. 

Nachdem die Wasserstoffsuperoxyd-Zersetzung zu Ende gegangen ist, 
werden die Gläschen nochmals angesehen. Jetzt stellt sich ein neues Er- 
gebnis heraus: In allen Saponingläschen ist ein reichlicher Bodensatz, in 
den andern ein minimaler. Der Bodensatz besteht aus unlöslich ge- 
wordenem Eiweiß. In den Saponingläschen war viel Eiweiß und konnte 
daher viel ausgefällt werden; in den andern war fast kein gelöstes Eiweiß 
und konnte daher nichts ausgefällt werden. Millons Reagens zeigte, 
daß der Niederschlag in den Saponingläschen aus Eiweiß bestand. 

Alle Versuche wurden genau in der gleichen Weise wiederholt, und 
alle Ergebnisse von neuem festgestellt. 


29. Einwirkung von Assamin auf völlig blutfreie, weißgelbe Leber- 
zellen nach zweitägiger Härtung in 3,6°/,igem Formalin. 

Dieselben Leberzellen, welche vor der Härtung noch bei 10 mg Assa- 
min [l cem] -+ 10 com Zellensuspension stark gelöst wurden, werden nach 
der Härtung auch bei 24stündiger Einwirkung von 100 mg Saponin [10 com] 
auf 10 ccm Zellensuspension absolut nicht beeinflußt. Es geht kein Eiweiß 
in Lösung, und die Zellen verkleben nicht. Der Formaldehyd war vor- 
her durch Filtration des Zellbreies nach Möglichkeit entfernt worden. 


Ergebnis: Die durch Formaldehyd gehärteten Zellen der 
Leber verlieren also durch diese Härtung die Fähigkeit, von 
Saponin aufgelöst zu werden, völlig. Sie stimmen darin mit 
den roten Blutzellen überein. Falls das Saponin nur auf das 
Cholesterin der Zellen einwirkte, wäre dies doch undenkbar. 
Das vom Saponin Beeinflußte muß eine Cholesterin- Eiweiß- 
verbindung sein. Legt man diese Theorie zu Grunde, so werden 
alle Versuche verständlich. 


30. Hämolyse der Sapogenine von Assamin und Gujacsaponin, ge- 
prüft mit Hundeblut. 

Schon seit vielen Jahren war bekannt, daß das Solanin auch noch 
nach Abspaltung seiner Zuckerkomponente stark hämolytisch wirkt. Den 
Sapogeninen hat Kobert früher die hämolytische und toxische Wirkung 
ganz abgesprochen. Brandl hat diese Ansicht experimentell für das 
Kornradesapogenin widerlegt. Kobert hatte alle solche Versuchsproto- 
kolle, wo die Sapogenine wirkten bzw. zu wirken schienen, verworfen, 
weil er glaubte, daß in diesen Fällen die Spaltung nicht vollständig ge- 
wesen sei. Diese Auffassung ist aber unrichtig. 

Wie das neutrale Gujacsaponin nur schwach wirkt, so auch das 
Sapogenin, das aus einem Gemisch des sauren und neutralen Guajac- 
saponins gewonnen worden war. 

Angewandt wurden die Sapogenine als 1°/, ige neutrale Aufschwem- 
mung in physiologischer Kochsalzlösung. 


348 J. Halberkann: 


Verd. S. d. S. d. 
des Menge des Sapogenins Assamins Guajacsaponins 
Blutes löst löst 

















1%/, | 0,01 10 com = 1: in 50 Sek. in 28 Min. 

„ =e in 1!/, Min. in 54 

„ = 1:10000 in 1 je Stunden nicht mehr 

— = 1:20000 |in j 5s = 
20/9 =]; in — Min. |in 11/, Stunden 

m =l; in 21⁄4 „ in 11 = 

i = 1: 10000 | in 12 Stunden nicht mehr 
10%), =|: in 41/, Min. * * 

„ = 1: in 32 ” ” „” 

.. nicht mehr * 


Die Versuche sind deshalb nicht sehr genau, weil die Pipro 
nicht in Lösung wirkten, und andrerseits die Trübung ein scharfes Ein- 
treten der Hämolyse nicht erkennen läßt. 

31. Verhalten der Sapogenine des Assamins und der Quillayasäure 
gegen Kaninchenblut. 

Entsprechend der geringeren hämolytischen Kraft der Quillayasäure 
(1: 10000) gegenüber Assamin, wirkt auch das Quillayasäuresapogenin 
schwächer als das Sapogenin des Assamins. 

Die Sapogenine wurden angewandt in 0,25°/, iger neutraler Lösung. 





0,01 10 ccm = 1: 1000 









„ in 30 

bs « Stunden | in 5!/, Stunden 

5 nic it mehr nic t mehr 
20/9 ‚in 2!/, Min. in 31/, Min. 

* in 12/, Stunden | in 4?/, Stunden 

en = "nicht mehr nicht mehr 
10°/, F in 1 Stunde | in 23/; Stunden 

x nicht mehr nicht mehr 


32. Hämolyse der Assamsäure in neutraler Lösung, geprüft mit 
Hundeblut und mit Kaninchenblut. 

Assamsäure, das zweite Saponin der Samen des — wurde 
ebenfalls auf sein Verhalten gegen rote Blutkörperchen geprüft. Die 
Grenze der Hämolyse liegt bei 1:2000, es wirkt also bedeutend 
schwächer als das neutrale Assamin. 


Verd. — 
des Menge der Assamsäure H undeblut. Kaninchenblat, 
Blutes 


0,01 10 com = 1: 1000 Min. | in 8 Min. 
0,005 „ = l: ° 2000 







in 71/3 Stunden in 61/, Stunden 


en 0,001 „ = 1:10000 nicht mehr nicht mehr 
2°/, | 0,01 „» = 1:1000 in 3 Stunden |in 21/, Stunden 

j 0,005 »„ = 1:2000 nicht mehr nicht mehr 
100/0 0,01 + „ = 1: 1000 „ 2 „ „ 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 349 


II. Versuche mit Assamin und mit dem Sapogenin des 
Assamins am lebenden Organismus von Säugetieren 
und Fröschen. 


A. Einspritzungen von Assamin in die Blutbahn. 


I. 


8. XI. 07. 10. 0,6 ccm einer 0,5°/,igen Assaminlösung einem 
männlichen Kaninchen in die Ohrvene gespritzt. Gewicht ca. 2000 g. 
Benehmen wenig anormal. Einige Tage lang etwas weniger Freß- 
lust. Harn normal. 
II. 


19. XI. 07. 950, 2oomeiner 1°/,igen Assaminlösung dem gleichen 
Tiere in die Ohrvene. 

1. Harn. 1145, Normal aussehend, trübe, alkalisch, mikroskopisch 
zahlreiche Salzceylinder; zuckerfrei; Eiweiß in großer Menge vorhanden. 

2. Harn. 12. Normal aussehend, überhaupt wie vorher. Am 2. Tage, 
400 com Harn, frei von Zucker, Spuren Eiweiß. Der Harn ist fast klar, 
sehr schwach alkalisch, ohne Salzoylinder, dagegen krystallisiert nach 
einigem Stehen neutrales Magnesiumphosphat in reichlicher Menge aus. 
Am 3. Tage enthält der Harn nur noch geringe Spuren Eiweiß. 

Am 4. Tage ) ist der Harn nach Aussehen und Bestand- 


abe teilen wieder normal. Auch die Freßlust 
—— des Tieres ist wieder normal. 
III. 


26. XI. 07. 93%, 1,8 ccm einer 2°/,igen Assaminlösung dem glei- 
chen Tiere ins Blut der Ohrvene gespritzt. 

1. Harn. 10% 4%, Normales Aussehen, alkalisch, zuckerfrei, Eiweiß 
reichlich vorhanden. 

2. Harn. 51%, Vollkommen klar, schwach alkalisch, zuckerfrei, 
reichlich Eiweiß. 

3. Harn. 27. XI. morgens. Klar, ohne Salzeylinder, reichliches 
Sediment von neutralem Magnesiumphosphat, zuckerfrei, Eiweiß vorhanden. 
4. Harn. 28. XI. morgens , Das Aussehen des Harns wird wieder 
56. „ 28. XI. mittags } normal normales Sediment wieder 
6. „29. XI. morgens ‘vorhanden. Eiweiß verschwunden. 


IV. 


29. XI. 07. 101%, 3 ccm einer 2°/,igen Assaminlösung dem glei- 
chen Tiere ins Blut der Ohrvene, 

1. Harn. 1035 in einer Menge von ca. 10 ccm, ist durch Blutfarb- 
stoff rot gefärbt, alkalisch, vollkommen klar. Spektroskopisch sind die 
Linien des Oxyhämoglobins zu sehen, durch Reduktion nach Über- 
schichten mit Öl die Linie des Hämoglobins. Durch Vergleich wurde 
ungefähr .0,1°/, Hämoglobin festgestellt. Eiweiß reichlich vorhanden. 


350 J. Halberkann: 


2. Harn. 11%. ca. 15 com, klar, alkalisch; durch Blutfarbstoff deut- 
lich gerötet, doch weniger als im 1. Harn; Eiweiß reichlich vorhanden. 

3. Harn, 1130, ca. 15ccm klar, alkalisch, zuckerfrei, Eiweiß reich- 
lich vorhanden. Hämoglobin vorhanden, weniger als im 2. Harn. Doch 
spektroskopisch deutlich nachweisbar. 

Kurz nach der Injektion wird das Tier unruhig, wirft sich hin und 
her, liegt mit ausgestreckten Beinen auf dem Bauche, hält die Augen 
geschlossen, atmet schnell und wird vollkommen apathisch. Tod gegen 
2 Uhr. Gewicht 1900 g. Tödliche Dosis: 0,01 Assamin: 317 g Kaninchen. 

Bei der Sektion ergibt sich makroskopisch nichts. Blase leer. Blut- 
serum durch Hämolyse rot gefärbt. 


Mikroskopisoher Befund: 
Leber: Normal. 
Niere: Alle Glomeruli intakt. In den Kanälen vereinzelt Eiweiß- 
oylinder, aber keine Hämoglobinoylinder. 


V. 


26. XI. 07. 9% 30. 4 oom einer 2°/ igen Assaminlösung einem weib- 
lichen Kaninchen ins Blut der Ohrvene injiziert. 

1. Harn. 10%20°. Durch Hämoglobin intensiv gerötet. Spektro- 
skopisch die beiden Oxyhämoglobinstreifen, nach Reduktion der Hämo- 
globinstreifen sehr schön zu sehen. Nach Vergleichspräparaten ungefähr 
1°/, Hämoglobin enthaltend. Zucker nicht vorhanden, dagegen reichlich 
Eiweiß, 

Das Tier vollkommen apathisch, wirft sich unrubig hin und her, 
Atmung sehr beschleunigt, liegt lang ausgestreckt, Augen geschlossen. 
stirbt 11 05. Gewicht 2300 g, tödliche Dosis: 0,01 Assamin :288 g 
Kaninchen. 

Die Sektion ergibt makroskopisch keine Veränderung. Der der Blase 
entnommene Harn ist durch Blutfarbstoff gerötet; das Blutserum durch 
Hämolyse rot gefärbt, in 2°%/,iger Verdünnung sind spektroskopisch aller- 
dings keine Streifen mehr zu sehen. 


VI. 


27. XI. 07. 11%. 3 com einer 2°/,igen Assaminlösung einem männ- 
lichen Kaninchen ins Blub der Ohrvene gespritzt. Nach Injektion 
von !/, ccm wegen Schreien des Tieres Aussetzen der Einspritzung. 

1. Harn. 25. Normal aussehend, schwach alkalisch, wenig Sedi- 
ment, das aus Magnesiumphosphat und Kalkoxalat besteht, zuckerfrei, 
wenig Eiweiß. 

2. Harn. 5t 3%”, Klar, sehr schwach alkalisch, wenig krystallinisches, 
aus Magnesiumphosphat bestehendes Sediment, zuckerfrei, Eiweiß sehr 
wenig vorhanden. 

3. Harn. 28. XII. morgens. Klar, alkalisch, wenig Sediment, frei 
von Zucker und Eiweiß, 

4. Harn. 28. XI. mittags 


5. „29. XI. morgens } wird wieder normal. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteessamen. 351 


vo. 

30. XL 07. 92, 4ccm einer 2°/,igen Assaminlösung dem glei - 
ohen Tiere ins Blut der Hinterschenkelvene injiziert. 

1. Harn. 1045, oa. 4 oom klar, alkalisch, ohne Sediment, frei von 
Hämoglobin und Zucker, Eiweiß vorhanden. 

Das Tier fällt mit Oberkörper und Kopf andauernd nach vorne, 
sucht sich wieder aufzurichten. sinkt jedoch immer wieder nieder, liegt 
dann, die Beine weit weggestreckt, hastig atmend, auf dem Bauche, 
Augen geschlossen, stirbt 11 4%. Gewicht 2600 g, tödliche Dosis: 0,01 As- 
samin : 325 g Kaninchen. 

Die Sektion ergibt makroskopisch nichts. Der Harn der Blase ent- 
hält Hämoglobin und wenig Eiweiß. Das Blutserum ist durch Hämo- 
lyse rot gefärbt. | 

Die Einspritzungen des Assamins ins Blut ergeben, daß es 
wesentlich (30mal) ungiftiger ist als das Sapotoxin der Quillaya, 
von dem schon 1 mg pro Kilogramm sicher letal wirkte. Die 
Hämoglobinurie ist leicht zu verstehen; sie wird nach ver- 


schiedenen Saponinen beobachtet, jedoch keineswegs nach allen. 


VIII. 


Die Nichtgiftigkeit des aus der Acetylverbindung regene- 
rierten Assamins zeigt sich in folgendem Versuche. | 

Ein Kaninchen von ca. 1900 bis 2000 g erhält 8 com der Lösung des 
regenerierten Saponins, entsprechend 80 mg Substanz, teils in die rechte, 
teils in die linke Ohrvene. Es bleibt ganz gesund, frißt und läßt keinen 
rot gefärbten. sondern dauernd normalen Harn. 


B. Einspritzungen von Assamin unter die Haut. 


Die meisten Saponinsubstanzen wirken subcutan stark rei- 
zend und machen lokale Abscoesse, ja Hautnekrose. Dies gilt 
auch für das Assamin. Ein Teil des Giftes gelangt langsam 
zur Aufsaugung und macht Albuminurie und bei Katzen Häma- 
toidinurie, wobei das Hämatoidin in Kryställchen auftritt. Die 
Allgemeinerscheinungen bestehen in Schwerfälligkeit und Som- 
nolenz. Das Hämatoidin ist natürlich ein Zeichen der Blut- 


zersetzung. i 

10. L 08. 1015, 5 ccm einer 2°/,igen Assaminlösung einem Ka - 
ninchen unter die Haut gespritzt. 

11. I. 08. Morgens liegt das Tier im Sterben und wird deshalb ge- 
tötet. Gewicht 1200 g, tödliche Dosis: 0,01 Assamin : 120 g Kaninchen. 

Nach der Injektion wird das Kaninchen völlig apathisch, zeitweilig 
von Krämpfen befallen. Die bis zur Tötung untersuchten Harne ent- 

Biochemische Zeitschrift Band 19. 23 


352 | J. Halberkann: 


halten keine anormalen Bestandteile. Die Sektion ließ makroskopisch 
niohts sonderliches feststellen. An der Injektionsstelle keine Eiterung, 
wohl eine leichte Rötung. 

IL 


13. I. 08. 10% 3”, 10 oom einer 2°/,igen Assaminlösung einer Katze 
subcoutan injiziert. 


. Harn. 11 
A ji A \ Eiweiß in reichlicher Menge 
3. » 14.1 morgens vorhanden. 


Die Katze wird zusehends apathischer, reagiert nicht mehr auf 
Reize, kann sich nur schlecht auf den Beinen halten, kriecht ins Dunkle, 
verändert nur langsam uud schwerfällig ihren Platz, fällt am Abend des 
zweiten Tages um, klagt wenig und stirbt ohne Krämpfe gegen 6%, 
Gewicht 2500 g, tödliche Dosis: 0,01 : 125 

Die Sektion ergibt makroskopisch nichts. Der Inhalt der Gallen- 
blase ist zäh, goldigrot. Spektroskopisch zeigen sich die Streifen des 
Oxyhämoglobins; der Blutfarbstoff ist auch mittels Aloin und Guajacon- 
säure nachweisbar; letztere Reaktion tritt, bedingt durch Gallenfarb- 
stoffe, mit grüner Farbe ein. 


Mikroskopischer Befund: 
Leber und Herz: Normal. 
- Niere: Viele Kanäle voll Eiweiß, teils auch mit epithelialen, kern- 
haltigen Abstoßungen. Blut ergossen in die Kanäle, oft in bedeutenden 
Mengen; zum Teil sind die Blutkörperchen gelöst. 


III. 

3. II. 08. 35%, 10 com einer 2°/,igen Assaminlösung einer Katze 
unter die Haut gespritzt. 

1. Harn. 4. II. morgens. Schwach alkalisch, normales Aussehen, 
wenig Eiweiß. 

2. Harn. 4.II. #. Neutrale Reaktion, normales Aussehen, sehr 
viel Eiweiß. 

3. Harn. 5. IL morgens. Enthält sehr viel Eiweiß. 


Die Katze ist völlig teilnahmlos, verbirgt den Kopf, frißt kaum, 
säuft am 5. II. wenig; am gleichen Tage Durchfall; in der Nacht 5./6. II. 
laut und viel klagend.. Am Morgen des 6. II. tot. Gewicht 4700 g, 
tödliche Dosis 0,01: 238. 

Sektion: Im Magen eine Anzahl punktförmiger Blutaustritte, die 
durch Einwirkung des Magensaftes bereite schwärzlich verfärbt sind. Im 
unteren Dünndarm, nahe dem Ende, einzelne Blutaustritte in die Schleim- 
haut, sonst normal. Die Milz ist geschwollen, schwarzblau, entschieden 
blutreicher als normal. Herz und Lunge normal, ebenso der Inhalt der 
Galle. Der Blaseninhalt zeigt unter dem Mikroskope neben zahlreichen 
Spermatozoen eine Menge Fetttröpfchen, in denen braunrote, drusig grup- 
pierte Nädelchen liegen: Hämatoidin. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 353 


Mikroskopischer Befund: 

Leber: Normal mit reichlicher Fettablagerung. 

Milz: Reichlich Hämosiderin. 

Lymphdrüse: Blutaustritte. Weiße Blutkörperchen: mit den Resten 
zerstörter roter Blutkörperchen beladen. 

Niere: Glomeruli frei; in vielen Kanälen, sowohl auf Quer-, als 
auch auf Längsschnitten, Blut und zwar die Blutkörperchen vollkommen 
zu erkennen; einzelne Cylinder in den Sammelröhren und in diesen Kerne 
zerstörter Epithelzellen. 

IV. 

6. II. 08. 12% 45, 8 oom einer 2°/,igen Assaminlösung einer Katze 
unter die Haut gespritzt. 

Die bis zu dem am 9. II. 3 erfolgten Tode untersuchten fünf Harne 
sind schwach alkalisch, sehen normal aus, enthalten jedoch alle sehr 
reichlich Eiweiß. 

Verhalten des Tieres wie bei III. Gewicht 3200 g, tödliche Dosis 
0,01 : 200. 

Sektion: Im Magen brauner Inhalt, aber keine größeren Gesch würe, 
sondern nur zwei Blutaustrittstellen, eine längliche und eine punktförmige. 
Hämoglobinartige Massen im oberen Dünndarm, dessen Schleimhaut im 
übrigen unverändert ist. Im Dickdarm nichts Anormales. Herz und 
Lunge normal. Im sehr geringen Blaseninhalte: Hämatoidin. 

Die im Dünndarm befindlichen Massen enthalten, gemäß der Unter- 
suchung mit Benzidin, Aloin und Guajaconsäure, reichlich Hämoglobin. 

Der mikroskopische Befund der Niere, Milz und Leber ist der 
gleiche wie bei Katze IIL 

v. 

18. II. 08. 10 15>. 7 com einer 20/ igen Assaminlösung einer Katze 
suboutan injiziert. 

1. Harn. 12%. Normal; dann zwei Tage lang kein Harn. 

2. Harn. 21. II. morgens; neutrale Reaktion, viel Eiweiß. 


3 j 22. II. * alkalische „, ir RE 
4. 99 23. II. 29 99 „9 „ 99 
5. 24. II. * 


—— zeigt sich, da der Harn sta 'alkalisch ist, viel Tripel- 
phosphat, dann weiße Blutkörperchen bzw. Kerne, Hämatoidin, Epithel- 
zellen der Niere und vereinzelt körnige Cylinder. 

6. Harn. 24. II. mittags. Gleicher Befund wie vorher, auch mikro- 
skopisch. 

7. Harn. 25. II. morgens | arna Bild wie Harn 5. Nach dem Filtrieren 


8 „ 25. II. mittags } tritt Reaktion auf Gallenfarbstoff nicht ein, also 
9. „ 25. IL abends alles Hämatoidin ungelöst. Indikan vorhanden. 


10. Harn. 26. II. morgens. Weniger Eiweiß und weniger Häma- 
toidin; da Reaktion alkalisch, viel Tripelphosphat; weiße Blutkörperchen. 
bzw. Kerne, Cylinder. 

23% 


354 J. Halberkann: 


11. Harn. 26. II. abends. Weitere Abnahme des Eiweißes und 
des Hämatoidins. Von letzterem wurden in je vier Präparaten nur ein 
Büschel Krystalle gefunden. 


12. Harn. 27. II. morgens. Schwach alkalisch, normal braun, mit 
Essigsäure tritt Grünfärbung ein, enthält viel Indikan, Eiweiß nimmt 
wieder zu, zeigt mikroskopisch gleiches Bild wie 10. Harn, — sehr 
wenig Hämatoidin. 


13. Harn. 27. II. abends. Gleicher Befund wie beim 12. Harn; 
Hämatoidin nicht mehr vorhanden. 


14. Ham. 28. II. Wie vorher. 

15. „ 29. II. morgens. Wie vorher; die Eiweißmenge nimmt zu. 

16. „ 29. II. mittags. Wie vorher. 

17. „ 2. III. Neutral, braungelbe Farbe, weniger Indikan, 
viel Eiweiß. 

18. Harn. 3. IIL Nur noch Spuren Indikan, dagegen sehr viel 
Eiweiß. 

Die Katze liegt während der ersten sicben Tage immer schlafend 
eingerollt und frißt nicht, am achten Tage steht sie wieder auf, leckt 
sich und frißt. Die Katze, die sich zu erholen scheint, wird am elften 
Tage wieder mehr krank und stirbt am 3. III. Sie ist sehr abgemagert. 
Eine große Stelle in der rechten Seite ist offen (welche Wunde sich das 
Tier in seinen Schmerzen beigebracht hat), und läßt das darunter liegende 
faulig-eitrige Gewebe von intensiv fauligem Geruche erkennen. Diese 
Stelle erstreckt sich äußerlich bis unter den Bauoh. Die Augenbinde- 
häute sind durch eitrige Entzündung verändert. Die Sektion wurde 
unterlassen. 

VI. 

25. II. 08. 10% 15 com einer 2°/,igen Assaminlösung einem Hunde 
unter die Haut gespritzt. 

1. Harn. 26. II. morgens. Kein Eiweiß. 

2. 35 26. IL abends. Spuren Eiweiß. 

3.» 27. II. morgens. Große Mengen Eiweiß. 

4. ,„ 27. II. mittags. Große Mengen Eiweiß. 

Der Hund schläft an den beiden ersten Tagen fortwährend, frißt 
nicht. Am dritten Tage streckt er sich lang aus, wimmert und klagt 
beim Anfühlen stark. Stirbt am 27. II. 6%. Gewicht 6500 g, tödliche 
Dosis 0,01 : 220 g. 

Sektion: Unter der Haut des Bauches und der rechten Seite, an 
der eingespritzt worden war, finden sich ausgedehnte, seröse Durch- 
tränkungen des Gewebes, wodurch dasselbe stark verdickt ist. Gleich- 
zeitig haben starke Blutaustritte stattgefunden, wodurch das Gewebe 
intensiv blutig gefärbt ist. Die Blase ist leer. Nach dem Auftupfen 
der Blasenwand auf einem Objektträger zeigt sich: viel Fett, zahllose 
körnige Cylinder und weiße Blutkörperchen, kein Hämatoidin. Dicht 
über dem Mastdarmausgange einige Blutaustritte in die Schleimhaut. 
Sonst ist Darm und Magen normal. Der rötlioh-gelbe Inhalt des Darmes 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 355 


enthält kein Blut, auch der Inhalt der Galle ist nicht blutig. Die In- 
tima der Aorta sind ikterisch gefärbt. 


Mikroskopischer Befund. 


Hautgewebe: Regellose, starke Blutergüsse in die Maschen des 
Gewebes, nur wenige rote Blutkörperchen noch intakt; Hämosiderin 
vorhanden. 

Milz: Viel in Einschmelzung begriffenes Blut, das die Form der 
Blutkörperchen verloren hat und in Schollen umgewandelt ist, die eben 
im Begriffe sind, unter Hämosiderinbildung zu zerfallen. 

Leber: Die Capillaren sind sehr stark erweitert und strotzend mit 
Blut gefüllt, in dem auch hier reichlich Hämosiderin und Vorstufen des- 
selben nachweisbar sind. 

Niere: Glomeruli frei; in den gewundenen und geraden Kanälen 
finden sich dagegen reichlich Veränderungen, und zwar Cylinderbildung 
mit Einschluß zelliger Elemente und Vakuolenbildung in den Zellen der 
Wandung. In den Schleifenkanälen finden sich hier und da auf große 
Strecken hin die Lumina durch Blutkörperchen, die teils schon in Hämo- 
eiderin umgewandelt sind, geradezu verstopft. 


Diese sechs Versuche zeigen, daß das Assamin bei Katze, 
Hund und Kaninchen auch nach subcutaner Einspritzung den 
Tod herbeizuführen vermag. Aber das Bild der resorptiven 
Wirkung wird durch das der lokalen Wirkung sehr getrübt. 
Diese lokale Wirkung besteht in einer nicht von Bakterien 
abhängigen Reizung des Unterhautzellgewebes, welche zu 
Infiltrationen, ja selbst zur Absceßbildung und zur nekroti- 
schen Abstoßung der Haut führen kann. Die dadurch ver- 
ursachten Schmerzen machen das Tier freßunlustig und be- 
einträchtigen seinen Bewegungstrieb. Das zur Resorption ge- 
kommene Assamin macht beim Durchgang durch die Nieren 
Albuminurie, Cylinderbildung und Blutzersetzung. 


VII. 
14. I. 03. 10%. Je !!, ccm einer 2°/,igen Assaminlösung zwei 
Fröschen unter die Rückenhaut gespritzt. 
Irgendwelche Erscheinungen stellen sich nicht ein. 


VIII. 


10. I. 08. 1% 20. Je l ccm einer 2°/,igen Assaminlösung zwei 
Fröschen unter die Rückenhaut gespritzt. 
Am selben Tage gegen 3° tot. In dem Bauchraum wenig blutige 
Flüssigkeit, sonst ergibt die Sektion nichte. 
IX. 


10. I. 08. 10% 30. 2 ccm einer 2°/,igen Assaminlösung einem 
Frosch unter die Rückenhaut gespritzt. 


356 J. Halberkann: 


Am gleichen Tage gegen 3? tot. Sektion ergibt wenig blutige Flüssig- 
keit im Bauchraum, sonst nichts. 

X. 

13. L 08. 10% 30. 1/, com einer 2°/,igen Assaminlösung einem 
Frosch unter die Rückenhaut gespritzt. 

Am Morgen des 14. I. tot. 

XI. 

Je zwei Frösche erhalten 1 com und 2 ccm einer 25°/,igen Assa- 
minlösung ins Hinterbein unter die Haut gespritzt. Bald tritt partielle 
Lähmung ein, und das Bein wird nachgeschleppt. Nach Verlauf von 
20 Stunden sind alle vier Frösche tot. Bei Entfernung der Haut zeigen 
sich die Muskeln des betr. Beines mehr oder weniger stark gerötet im 
Vergleich zu den Muskeln des andern Beines, hervorgerufen durch lokale, 


stärkere Hämolyse. 
XII. 


Es wurden zwei Nervenmuskelpräparate vom rechten und linken 
Hinterbein eines Frosohes hergerichtet, welche den ganzen Stamm des 
Nervus ischiadicus und den Musculus gastrocnemius umfaßten. Das vom 
rechten Bein wird in phys. Kochsalzlösung und das vom linken Bein in 
eine 1°/,ige Lösung von Assamin in phys. Kochsalzlösung eingelegt. 

Während Nerv und Muskel im ersteren Falle nach acht Stunden 
noch gut erregbar waren, verlor der Nerv des zweiten seine Erregbarkeit 
schon in der ersten halben Stunde und bald darauf auch der Muskel, 
der sein normales Aussehen und seine Struktur ganz einbüßt. 

Ehe Kobert die Hämolyse durch Saponine entdeckte, 
war die gewöhnliche Spezialreaktion auf Saponine die Parese 
bzw. völlige Lähmung und Unempfindlichkeit eines Hinter- 
beines beim Frosch nach Einspritzung einer beträchtlichen Menge 
des Giftes in dieses Hinterbein. Diese Wirkung hat nun auch 
das Assamin, aber die zur Hervorrufung nötigen Mengen sind 
sehr groß. Die Erklärung zu dieser Wirkung gibt Versuch XII, 
welcher zeigt, daß Nervenstämme in Assaminlösung rasch ab- 
sterben, und daß auch Muskelbündel in direktem Kontakt mit 
solchen Lösungen unter Verlust ihrer Erregbarkeit groben ana- 
tomischen Veränderungen unterliegen. 


XIIL 
Das isolierte, am Williamsschen Apparate mittels Ringer- 
scher Lösung gespeiste Froschherz ist für die Prüfung der 
Stärke der Saponinwirkung vorzüglich brauchbar. Dies zeigte 
sich auch bei Assamin, das noch bei 1:24000 facher Verdünnung 
den Herzmuskel binnen weniger Minuten aufs schwerste schä- 
digte. Dies stimmt zu den oben mitgeteilten Versuchen. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 357. 


In folgenden Tabellen bedeuten die Zahlen des zweiten Stabes die 
Frequenz pro Minute und die des letzten Stabes die Quantität der blut- 
freien Nährflüssigkeit, welche pro Minute in das Reservoir zurückge- 
pumpt wurde, 


Minuten Zahl der Systol. ccm der Lösung 
1. Lösung des Assamins 1: 12000. 
nach 2 31 4,2 ——— 
4 31 4,0 
n : Nährlösung 
» 1 28 3,0 
„ 10 | Durchleiten von Assamin 0,5ccm 1°/,iger 
Lösung: 60 com 
„ 12 29 | 2,0 
„ 19 | Das Herz wogt ohne wesentlichen Pumperfolg 
2. Lösung des Assamins 1:24000. 
h 2 45 ‚5 
* 6 43 . 4 unvergiftete 
> ” Nährlö 
„ 8 43 8,2 — 
» 9 | Durchleiten von Assamin 1 com 0,25°/,iger 
Lösung: 60 com 
„ 15 21 5,5 Herstätigkeit 
» 20 19 3,8 mäßig: ] Kon- 
„ 25 15 1,0 — Er 


» 30 | Das Herz wogt ohne wesentlichen Pumperfolg 


C. Einspritzungen von Assamin-Sapogenin in die 
Blutbahn. 


I. 


19. XL 07. 10%. 1/, ccm einer 1°|,igen neutralen Sapogenin- 
aufschwemmung einem weiblichen Kaninchen ins Blut der Ohrvene injiziert. 
Irgendwelche Veränderungen im Benehmen des Tieres nicht wahr- 
zunehmen. Urin normal. 
I: 

4. XIL 07. 1015. 2,5 oom einer 1°/,igen neutralen Assamin- 
Sapogeninsuspension einem männlichen Kaninchen ins Blut der Ohr- 
vene gespritzt. 

Während der Injektion Krämpfe und Lähmung, nach 5 Minuten 
tot. Gewicht 2200 g. 

Die Sektion ergibt makroskopisch nichts. Das Blutserum ist durch 
Hämolyse schwach rot gefärbt. Der der Blase entnommene Harn ist 
normal, also eiweißfrei und war wohl schon vor der Injektion in der 
Blase enthalten. 


358 J. Halberkann: 


IIL 


4. XII. 07. 1020. 1 ccm einer 1°/,igen Sapogeninsuspension 
einem kleinen Kaninchen ins Blut der Ohrvene gespritzt. 


1. Harn. 3, Frei von Eiweiß. Benehmen 
2. 9? 5 ° Spuren n d Ti 
3. „ 6. XII 07. 30. „o, ERKI 


4. „ B. „ 11230’. Frei von „ 


IV. 


5. XI. 07. 12%. 2 ccm obiger neutraler Suspension dem gleichen 
Kaninchen ins Blut der Ohrvene gespritzt. 

Das Tier fällt nach einiger Zeit unter Lähmungserscheinungen um 
und ist völlig apathisch. Gang nach Anstoßen äußerst schwankend. 
Nach vier Stunden scheint es sich zu erholen, sitzt ruhig, Augen ge- 
schlossen, frißt jedoch nicht. Nach 4?/, Stunden fällt es plötzlich um, 
schlägt heftig mit den Füßen und stirbt 5 Stunden nach der Injektion 
unter Krämpfen, wobei Kotentleerung erfolgt. Gewicht 1200 g, tödliche 
Dosis 0,01: 600. 

Sektion: Im Fundus des Magens ungefähr zehn punktförmige Blut- 
austrittstellen. Der Darm ist ungefähr 1 m hinter dem Magen auf einer 
Strecke von 15 cm sehr stark gerötet. Mikroskopisch zeigen sich an 
dieser Stelle die Gefäße strotzend voll Blut, dessen Blutkörperchen noch 
intakt sind. Durch größere Blutergüsse im Darm geronnenes Blut. Eben- 
falls ist der Darmschleim an dieser Stelle rot gefärbt. Die Blase ent- 
hält keinen Harn. Das Serum des entnommenen Blutes ist durch Hämo- 
lyse rot gefärbt. 

Mikroskopischer Befund: 

Niere: Ganz vereinzelt Cylinder in den Sammelröhren; die meisten 
gewundenen Kanäle und Glomeruli sind intakt. 

Darm: Blutüberfülle der Zotten, besonders nach der Spitze zu. 


V. 


4. XII.07. 11:15’. 12 ccm der 1°/,igen Sapogeninaufsohwemmung 
einem Hunde teils in die Blutbahn, größtenteils subcutan injiziert. 

1. Harn. 6. Schwach alkalisch.) Frei von Zucker; 

2. „S. XIL07 morgens. e ” enthalten alle 

3. „ 5. XIL 07 mittags. = = reichliche Men- 

4 ,. 6.XII.07 morgens. „ sauer. gen Eiweiß. 

An den folgenden Tagen nimmt das Eiweiß ab und ist am 10. XII. 
verschwunden. 

Die Versuche mit Assamin-Sapogenin sind der Unlöslich- 
keit der Substanz wegen schwierig. Immerhin zeigen meine 
Versuche doch, daß Albuminurie, ja der Tod erfolgen kann. 
Das Sapogenin des Assamins ist also keineswegs ungiftig. Dies 
stimmt zu der Tatsache, daß auch das Spaltungsprodukt des 
Solanins und das des Kornradesapotoxins giftig sind. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 359 


D. Einspritzungen von Assamin-Sapogenin unter 
die Haut. 


I. 


7. XIL 07. 940. Je lccm einer 1°/,igen Assamin-Sapogenin- 
suspension zwei Fröschen ins linke Hinterbein gespritzt. 

9. XII. 07 morgens wird der Harn künstlich entleert. Der normaler- 
weise farblose Harn ist gelb gefärbt und zeigt spektroskopisch Andeu- 
tungen der Oxyhämoglobinstreifen; mittels Aloin und Guajaconsäure ist 
jedoch Blutfarbstoff nicht nachweisbar. Zucker ist nicht vorhanden, Ei- 
weiß in reichlicher Menge. 

| II. 

9.11.07. 11%. Die gleichen Frösche erhalten je 2ccm der 
1°/,igen Suspension subcutan injiziert. | 

1. Frosch sondert durch Druck nur einige Tropfen Harn ab, 
der viel Eiweiß enthält. Ist gegen 3 Uhr tot, bzw. das Herz liegt in 
den letzten Zügen. An der Einspritzstelle keine Entzündung. Darm vom 
Magen bis Kloake tief gerötet, Darmschleim durch Blut rot gefärbt. Ge- 
wicht des Frosches 58 g. 


2. Frosch. 
1. Harn. 1214. Rot gefärbt. Enthalten alle große Mengen Ei- 
2, 330’. Schwach gerötet. weiß. Blut sowohl spektroskopisch 
: n 515°. Gelblich gefärbt als auch chemisch (durch Aloin 
„ $ e 


und Guajaconsäure) nachweisbar. 
Eiweiß reichlich vorhanden. Blut 
spektroskopisch nicht nachweis- 
ie A bar, wohl chemisch durch Aloin 
und Guajaconsäure. 
6. „ 11. XII.07. 10. Gleiches Resultat wie vorher. 

Das Tier stirbt am 11. XII.07. Gewicht 65 g. 

Sektion: Blase enthält einige Tropfen Harn, der sehr reich an Ei- 
weiß ist. Magen viel, jedoch normaler Schleim. Darmblutgefäße prall 
gefällt, doch keine Blutaustritte. Die Bauchhöhle ist mit einer großen 
Menge fast farbloser Flüssigkeit angefüllt. 

III. 

9. XII. 07. 345’. 2 ccm neutraler 1°/,iger Sapogeninsuspension 
einem Frosch unter die Rückenhaut gespritzt. 

Gegen 515’ läßt sich durch Druck kein Harn entleeren. Am 
nächsten Morgen tot. Gewicht 60 g. 

Sektion: Blase leer. Vorderer Darmabschnitt mit einzelnen hochrot 


gefärbten Zotten. 
IV. 


10. XII. 07. 10%. 2 ccm obiger Suspension einem Frosche unter 
die Rückenhaut gespritzt. 

Harn läßt sich nicht erhalten. Am folgenden Morgen tot. Ge- 
wicht 63 g. 

Die Sektion ergibt nichts Anormales. Blase leer. 


360 J. Halberkann: 


Mikroskopischer Befund: 

Leber: Normal. 

Niere: Gewundene Kanäle durch Eiweiß verstopft, auch in den 
Glomerulihohlräumen große Mengen Eiweiß, Glomerulischlingen zum 
Teil komprimiert. Ergußfreie Glomeruli und Kanäle sind selten. Hämo- 
globin in den Kanälen sicher nachweisbar, für Glomeruli zweifelhaft. 


Die Froschversuche zeigen, daß das Sapogenin des Assamins 
resorbiert wird und den Harn abnorm (Albumen, Hämoglobin) 
macht. Die Tiere gehen dabei zugrunde. Bei allen Fröschen 
an der Einstichöffnung keine Entzündung. Darm meist normal, 
dessen Blutgefäße sind prall gefüllt. Der Tod tritt infolge 
Lähmung der Nerven und des Herzens ein. 


vV. 
11. XII. 07. 10 25. 5 ccm einer 2°/,igen Sapogeninsuspension 
einem Meerschweinchen unter die Haut gespritzt. 
Der Harn wurde bis zum 16. XII. 07 untersucht; anormale Bestand- 
teile waren nioht vorhanden. Auch das Befinden des Tieres normal. 


VI 

3.11.08. 4. 10 ccm einer 2°/,igen Sapogeninsuspension einem 
Kaninchen unter die Haut gespritzt. 
Normales Aussehen, frei von Eiweiß. Nach 
dem Ansäuern mit Essigsäure fällt Pikrin- 
säure lange gelbe Nadeln, die bei 310° noch 
nicht schmelzen. Die Identität dieser Doppel- 
verbindung konnte nicht festgestellt werden; 
das Pikrat wurde aber auch aus normalem 
Kaninchenharn erhalten. 
3. „ 6.11.08. 8. (Normales Aussehen, geringe Spur Eiweiß; 
4. „ 6.11.08. 1b, en geringer. 

Die weiterhin untersuchten Harnmengen sind normal, die Spuren 
Eiweiß verschwunden, auch ruft Pikrinsäure keine Fällung mehr hervor. 
VII. 

13. II. 08. 10615. Dem gleichen Kaninchen 15 ccm obiger 
Suspension unter die Haut gespritzt. 

Der während dreier Tage untersuchte Harn ist normal, auch fällt 
auf Zusatz von Pikrinsäure nichts mehr aus. Das Befinden des Tieres 
ist ebenfalls normal. 


1. Harn. 4. II. 08. Morgens. 
2. „ 65.11.08 1l. 


VIII. 

26.11.08. 10? 30. Dem gleichen Kaninchen 30 com obiger 
2°/,iger Suspension unter die Haut gespritzt. 

Die während zweier Tage erhaltenen Harne sind frei von patho- 
logischen Bestandteilen. Ein Pikrat ließ sich nicht erhalten. 

Das Tier wird, vollkommen gesund, am 28. II. 08 getötet. Alles 
Sapogenin liegt ungelöst, wurstförmig unter der Haut. Da keine Re- 
sorption erfolgt war, verlief Sektion resultatlos. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 361 


Ergebnis: Bei Warmblütern bleibt das suboutan einge- 
führte Sapogenin zum größten Teil unter der Haut liegen. 
Wohl nur deshalb kommt es nicht recht zur Entwicklung re- 
sorptiver Wirkungen. 


E. Einspritzungen von Guajac-Sapogenin. 


Wie schon weiter oben gesagt, löst das Sapogenin des 
Guajac-Saponins (bestehend aus einem Gemisch von saurem 
und neutralem Saponin) rote Blutkörperchen auf; es wirkt je- 
doch weniger stark als das Sapogenin des Assamins. Diese 
geringere Giftigkeit zeigte sich auch nach Einspritzungen ins 
Blut und unter die Haut. 


16. XII. 07. 11P 40°. 2 com einer 1°/,igen neutralen Guajac-Sapogenin- 
suspension einem Kaninchen ins Blut der Ohrvene injiziert. 
Harn bis zur nächsten Injektion normal. 


IL 
17. XII. 07. 1030. 6 ccm der gleichen Suspension demselben 
Tier ins Blut der Ohrvene gespritzt. 
Harn bis zum 19. XII. 07 untersucht und normai befunden. 


IL 

17. XII. 07. 340’. 3com obiger 1°/,iger Suspension einem kleineren 
Frosch unter die Rückenhaut gespritzt. 

Der am 18. XII. 07 durch Druck entleerte Harn ist farblos und 
frei von Eiweiß. Am Abend des 20. XII. tot. Gewicht 45 g. 

Sektion: Ganzer Darm bis zur Kloake dunkelrot. Unter dem 
Mikroskope zeigt sich, daß sämtliche Falten und Zotten mit Blut prall 
gefüllt sind. 

IV. 

17. XII. 07. 340. 3 ocm der 1°/,igen Suspension einem größeren 
Frosch unter die Rückenhaut gespritzt. 

Am anderen Morgen tot. Der der Blase entnommene farblose Harn 
ist frei von Eiweiß. Die Bauchhöhle ist mit einer rötlichen Flüssigkeit 


erfüllt. Darm normal. u 


18. XII. 07. 9% 40. 3 ccm der 1°/ igen Suspension einem größeren 
Frosch unter die Rückenhaut gespritzt. 

Wird am 21. XII., noch ganz munter, getötet. 

Sektion: Blase leer. Der Darm zeigt nahe dem Magen wenige, 
aber intensive Blutaustritte unter die Serosa auf einer Strecke von 2 om. 
Darmschleimhaut normal. 


Mikroskopischer Befund: 


Darm: Nicht nur Überfülle der Gefäße mit Blut, sondern auch 
zahlreiche Austritte des Blutes in die Muskularis. 


362 J. Halberkann: 


Niere: Gewundene Kanäle häufig mit Eiweiß angefüllt, teils auch 
durch Blutergüsse. 

Ergebnis: Guajac-Sapogenin intravenös bei Kaninchen ein- 
gespritzt wirkt in einer Menge von 60 mg gar nicht. Auch bei 
Fröschen wirkt es schwächer als Assamin-Sapogenin. Dies 
stimmt zu den Angaben, welche Friboes über die Guajac- 
Saponine gemacht hat. 


IN. Verhalten von Weassertieren und Spulwürmern in 
Assaminlösungen. 


1. Werden Rotaugen in eine Assaminlösung 1: 20000 eingesetzt, 
so zeigen sich bald Vergiftungserscheinungen. Nach 2 bis 5 Minuten 
nimmt der Fisch die Rückenlage ein und kann sich trotz großer An- 
strengungen nicht mehr aufrichten. Nach kurzer Zeit wird die Atmung 
unregelmäßig, Kiemendeokel und Maul werden hastig geöffnet. Für 
Reize sind die Fische in diesem Stadium ziemlich unempfindlich. Bis- 
weilen richten sie sich nach einiger Zeit nochmals auf, fallen aber bald 
wieder um und sterben ungefähr nach einer halben Stunde. In ver- 
dünnteren Lösungen treten die Erscheinungen langsamer und weniger 
intensiv auf. Größere Verdünnungen als 1: 250000 wurden nicht an- 
gewandt. 

2. Ein 22 cm langer Aal wurde in eine Assaminlösung 1 : 10000 
gebracht. Nach 1 Stunde macht er große Anstrengungen, aus dem 
Wasser emporschnellend, aus dem Gefäße zu entfliehen, die sioh nach 
weiterem Verlauf einer halben Stunde andauernd wiederholen, bis der 
Aal, 13/, Stunden nach Beginn des Versuchs, ermattet zurückfällt. Die 
Atmung ist unregelmäßig und von hastigen Zügen unterbrochen, aus 
den Kiemen entweichen fortwährend Luftblasen.e Nach 2!/, Stunden 
macht er auf Reiz hin nur noch matte Bewegungen, nimmt die Rücken- 
lage ein und stirbt 31/, Stunden nach dem Einsetzen. Das Maul ist 
weit geöffnet und der Körper von einem zähen Schleim in großer 
Menge bedeckt, der an den Kiemen blutig gefärbt ist. 

3. Zwei je 9 om große Aale werden in eine Ässaminlösung 1: 10000 
eingesetzt. Nach 1 Stunde sind die Bewegungen nur noch matt, die 
Atmung heftig und unregelmäßig. Nach 13/, Stunden liegen beide mit 
weit geöffnetem Maule auf dem Rücken und bewegen sich nur noch auf 
Reize ein wenig. Nach 2 Stunden tritt unter Absonderung großer Schleim- 
massen der Tod ein. 

4. Eine Anzahl Kaulquappen, ca. 1,8 bis 2 cm lang, werden in 
verschieden starke Assaminlösungen eingesetzt. Kurz nach dem Ein- 
setzen schlagen sie mit dem Schwanze hin und her, stoßen reichliche 
Mengen Kot ab und öffnen häufig krampfhaft das Maul. Im späteren 
Stadium werden die Bewegungen träger, auch bei Berührung, und die 
Tiere werden beim Umschwenken der Flüssigkeit willenlos mitgeführt. 


Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamtoesamen. 363 


Meist krümmt sich vor dem Tode die Schwanzspitze, und das Tier steigt 
an die Oberfläche. Die toten Tiere erscheinen heller gefärbt, bedingt, 
wie mikroskopisch festgestellt wurde, durch Maceration und Einziehung 
der Ausläufer der gallertartigen Bindegewebezellenfortsätze. Eine größere 
Verdünnung als 1 : 300000 erwies sich für Kaulquappen im Verlauf von 
5 Tagen als ungiftig bzw. als nicht tödlich. 


Assamin- | Aale, 12 om Kaulquappen, 
l tot nach 1,8—2 cm, 
tot nach 





1 : 1000 1 1/3 Stunden; 20—25 Minuten 
1 : 2000 13Sa s» 32—35 a 
1: 5000 2 à 35 ə 
1:10000 |234 „ 42 j 

l1 : 20000 |31/), „ 50 š 
1: 60000 |33; , 13/, Stunden 
1: 100000 21/, = 

1: 180000 31/3 5 

l: 200000 51h: n 

1 : 250000 9 5 

1: 300 000 14 3 


5. Verschiedene Arten Schwimmkäfer und der gemeine 
Rüokenschwimmer werden ebenfalls in Assaminlösungen eingesetzt. 


Nach einiger Zeit versuchen 
die Tiere aus der Flüssig- 
keit zu entkommen, teils 
durch Emporkriechen an 
der Gefäßwandung, teils 
durch hastiges Umher- 
schwimmen, wobei sie mit 
dem Kopfe fortwährend 
heftig gegen das Gefäß an- 
stoßen. Die Bewegungen 
werden allmählich träger. 
Die Tiere bleiben schließ- 
lich an der Oberfläche 
liegen und tauchen auch 
beim Berühren nicht mehr 
unter. Bei Eintritt des 
Todes sinken sie meist zu 
Boden. 


Lösungen des Assa- 
mins, stärker verdünnt als 
1: 5000 bzw. 1: 10000, er- 
wiesen sich während fünf 


” 





Shurceszail 

NERSREEBER 
NERBEERREE 
DE De BE BE ER 
TA 
BR RE BE I ER ER 
BERSRIEREN 
EERRERENATE 
e E 

ae E 


a 












364 J. Halberkann: 


Tagen als ungiftig, beziehungsweise führten sie in dieser Zeit nicht den 
Tod herbei. 





Dytiscus mar- 
ginalis, 3cm, 





lösung tot nach 


Hydaticus trans- Notonecta 
Assamin- versalis, 1,3 bis — —— glauca, 1,50m, 
1,5 cm, tot nach m nao tot nach 


21/, Stunden | 11/, Stunden | 40 Minuten 


31/. a 21/, a l] Stunde 
6 n 81, 5 3 Stunden 
— — 24 n 





6. Spulwürmer, Ascariden, erhalten aus dem Darm eines jungen 
Hundes, von einer Länge zwischen 5 und 6 om, sind gegen Assamin- 
lösung sehr unempfindlich. In einer 10°/,igen Lösung trat der Tod erst 
nach 8 Stunden ein, in 5°/,iger, 2°/,iger und 1°/,iger Lösung erst 
nach 36 Stunden, während dünnere Lösungen innerhalb dreier Tage nicht 
tödlich wirkten. Die Flüssigkeiten hatten während der Verruche eine 
Temperatur von 37°. 

7. Verschiedene Süßwasseramöben wurden ebenfalls in Assamin- 
lösung unter dem Mikroskope beobachtet. Assamin erwies sich für die- 
— ya O Opener 


= ; — ——.— III Hydaticus transversalis 
— au/quappe ___.---— IV Notonecta glauca 








selben äußerst giftig. Es wurde ein wenig des Giftes 
auf einen Objektträger gebracht, mit Deckglas be- 
deckt und wenig Wasser mit den Amöben zufließen 
lassen. Die Amöben werden rasch, wie die Lösung 
des Saponins vor sich geht, in ihren Bewegungen 
gehemmt, bewegen sioh drehend oder nur zitternd 
auf der Stelle und sterben, wobei in konzentrierter 
Lösung ihr Ektosarck platzt bzw. gelöst wird, und 
die eingeschlossenen Algen unzerstört zurückbleiben. 
Schwimmen die Amöben in die sehr konzentrierte 
Lösung hinein, dann werden sie augenblicklich getötet 
und lösen sich vollkommen auf. Bei geringerer Kon- 
zentration' platzt das Ektosarck nur an einer Stelle. 
x Ein vorheriges Größerwerden der Amöben konnte 
Assaminlösungen nioht beobachtet werden, ebensowenig ein explosions- 
Fig. 2. artiger Zerfall, im Gegensatz zu den Angaben von 
Raymond Foss Bacon u. Harry F. Marshall (73). 

Ergebnis: Fische und Kaulquappen sind gegen assamin- 
haltiges Wasser enorm empfindlich, selbst wenn die Verdünnung 
1 : 250000 beträgt. Dies stimmt zu Koberts Versuchen mit 
Quillayasaponin. Woasserkäfer sind weniger empfindlich und 


Askariden noch weniger, während Amöben platzen. 





Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamteesamen. 365 


Das aus dem Acetyl-Assamin regenerierte Saponin erwies 


sich, wie durch mehrere Versuche festgestellt wurde, für Kaul- 
quappen und Woasserkäfer vollkommen ungiftig. 


& 


29. 


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Über Assamin, das neutrale Saponin der Assamtessamen. 367 


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Biochemische Zeitschrift Band 19. 24 


Das Vorhandensein von Allantoin im normalen Menschen- 
harn und seine Bedeutung für die Beurteilung des mensch- 
lichen Harnsäurestoffwechsels. 


Von 
Wilhelm Wiechowski. 
(Aus dem pharmakolog. Institute der deutschen Universität Prag.) 


(Eingegangen am.10. Juni 1909.) 


Die Verwendung einer exakten Isolierungsmethode des Allan- 
toins ließ finden’): daß alle daraufhin untersuchten Säugetiere 
(Kaninchen, Hunde, Katzen, Rinder [Salkowski], Affen und 
nach neueren Untersuchungen [s. w. u.] auch Pferde) dauernd 
reichliche Mengen Allantoin auch bei purinfreier Kost und im 
Hunger neben verhältnismäßig wenig Harnsäure ausscheiden, 
und weiter, daß Hunden und Kaninchen subcutan zugeführte Harn- 
säure zum größten Teil als Allantoin und nur zum geringsten 
Teil als Harnsäure im Harn wiedergefunden wird. Bei Ver- 
wendung der gleichen Methodik konnte im Menschenharn da- 
gegen Allantoin mit Sicherheit bisher nicht nachgewiesen werden, 
wiewohl unter die Haut gespritztes Allantoin unverändert im 
Harn erschien, sonach das Allantoin wie für die anderen 
Säuger so auch für den Menschen im wesentlichen unangreifbar 
ist.?) Dagegen ist der U-Gehalt des normalen Menschenharnes 
bei purinfreier Kost zum Unterschiede von anderen Säugetieren 
erheblich. Auch der parenteralen Harnsäurezufuhr gegenüber 


2) W. Wiechowski, Die Bedeutg. d. All. im Harnsäurestoffwechsel. 
Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 109, 1907. 

2) W. Wiechowski, Über die Zersetzlichkeit der Harnsäure im 
menschl. Organismus. Arch. f. experim. Pathol. und Pharmakol. 60, 
185, 1909. 


W. Wiechowski: Allantoin im normalen Menschenharn usw. 369 


zeigte der Mensch ein von dem der Säugetiere abweichendes 
Verhalten, indem der größere Teil, manchmal die ganze Menge 
der verabreichten Harnsäure im Harne der nächsten Tage un- 
verändert wiedergefunden wurde.!) 

Daß mithin quantitative Unterschiede in der Zersetzlich- 
keit der Harnsäure durch Säugetier und Mensch bestehen, ist 
zweifellos, es erhebt sich aber die Frage, ob das gefundene gegen- 
sätzliche Verhalten nur auf besonders weitgehenden quanti- 
tativen Unterschieden des Zersetzungsvorganges beruht oder 
ob der Harnsäurestoffwechsel des Menschen außerdem von dem 
der anderen Säuger wesensverschieden ist. Die Resultate der 
U-Injektionsversuche beim Menschen im Zusammenhange mit den- 
jenigen meiner Untersuchungen über Harnsäurezersetzung durch 
überlebende menschliche Organe?) führten mich zu dem Schlus- 
se, daß eine praktisch in Betracht kommende ‚„Urikolyse‘“?) 
im intermediären Stoffwechsel des Menschen (jenseits der Darm- 
wand) nicht stattfindet. Ich mußte mich daher für die erste 
Alternative entscheiden. — Gleichwohl widerstreiten diesem 
Schlusse Ergebnisse anderer Autoren bei Versuchen mit über- 
lebenden menschlichen Organen, insbesondere aber auch das in 
einigen der wenigen angestellten Versuche beobachtete Verschwin- 
den eines Teiles der den Versuchspersonen unter die Haut gebrach- 
ten Harnsäure im Organismus. Kann das letztere Verhalten auch 
auf analoge Vorgänge zurückgeführt werden (Retention, „Stau- 
ung‘‘), wie sie das Verschwinden eines Teiles der im Organismus 
gleichfalls unangreifbaren Oxalsäure verursachen, so blieb doch 
immer die Möglichkeit offen, daß der verschwundene U-An- 
teil im Menschen in anderer Weise zerfalle als im Säugetier 
sonst; d. h. nicht zu oder über Allantoin abgebaut werde, wie 


1) Ebenda 203. 

2) Ebenda 196 ff. 

3) Der Ausdruck urikolytisches Ferment und Urikolyse stammt von 
Sohittenhelm (Zeitschr. f. physiol. Chem. 45, 161) aus einer Zeit, 
da das Produkt der tierischen Harnsäurezersetzung (insbesondere auch 
im überlebenden Organe) nicht sichergestellt war. Heute, da wir wissen, 
daß es sich allemal im lebenden und überlebenden Organe um eine Oxy- 
dation zu Allantoin handelt, ist es eine Forderung der Einheitlichkeit 
der Nomenklatur U-Oxydation bzw. U-Oxydase wie Xanthinoxydase oder 
Urikase (der Ausdruck ist jüngst von französischen Autoren gebraucht 


worden) wie Nuclease oder Aldehydase zu sagen. 
24° 


370 W. Wiechowski: 


es gegenwärtig namentlich Schittenhelm?) und seine Mitarbeiter 


direkt aussprechen, indem sie einen Abbau zu Ù und NH, an- 
nehmen, und daß demnach der U -Stoffwechsel des Menschen 
nicht nur quantitativ, sondern wesentlich von dem der 
anderen Säugetierarten unterschieden sei. — Die Möglichkeit 
war gegeben, wenn auch die Wahrscheinlichkeit in Anbetracht 
des identischen Verhaltens aller untersuchten Säugetiere bis 
zum Affen hinauf nicht eben für einen wesensverschiedenen Zer- 
setzungstypus beim Menschen sprechen mochte. 

Die Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten war nur 
von der restlosen Beantwortung der Frage zu erwarten: ent- 
hält der normale Menschenharn Allantoin oder ist er 
frei davon? Ich habe diese Frage durch meine letzte Unter- 
suchung über den Gegenstand?) nur dahin beantworten können, 
daß, wenn überhaupt, jedenfalls nur sehr wenig Allantoin im Men- 
schenharn ausgeschieden wird — die Entscheidung aber, ob es wirk- 
lich darin vorhanden ist, mußte ich weiteren Versuchen vorbehalten, 
die ich nun im folgenden mitteile.. — Die Frage scheint mir 
nicht nur spezialistisches, sondern vielmehr allgemeines Interesse 
zu beanspruchen, ja für manche gichttherapeutisch wichtigen 
Forschungen geradezu richtunggebende Bedeutung zu besitzen, 
denn 1. würde der Nachweis einer von dem sonst allgemein gül- 
tigen Säugetier-Zersetzungstypus abweichenden, also für den Men- 
schen spezifischen ‚Urikolyse‘ (hier ist der nichts präjudizierende 
Ausdruck am Platze) eine sehr bemerkenswerte Ausnahme in 
dem für alle Säuger im wesentlichen identischen Stoffwechsel 
bedeuten; andererseits würde 2. der Nachweis geringer Allan- 
toinmengen im Menschenharn, unter Bedachtnahme auf die be- 
reits bewiesene Unangreifbarkeit des Allantoins im Menschen 
mit größter Wahrscheinlichkeit beweisen, daß eben nur eine 
diesen kleinen Mengen entsprechende U-Quantität im Menschen 
oxydiert wird und den für die Gichtforschung wichtigen, von 
mir bereits gezogenen Schluß,?) von der praktisch bedeutungs- 
losen U-Zerstörungsfähigkeit des menschlichen Körpers erheb- 


1) Zahlreiche ‘Mitteilungen zur Stoffwechselpathologie der Gicht, 
Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 4, 1907. 

23) W. Wiechowski, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 60, 
186 f., 1909. 

3) Ebenda 205f. 


Allantoin im normalen Menschenharn u, seine Bedeutung usw. 371 


lich stützen. Denn kaum könnte angenommen werden, daß die 
U im Menschen nach zwei völlig voneinander verschiedenen 
Typen zerstört wird, dem der gewöhnlichen mäßigen Oxydation 
(die zu Allantoin führt) und noch einem anderen, der zum 
Allantoin gar keine Beziehungen haben dürfte. 

Die Literatur über das Vorkommen von Allantoin im 
Menschenharn ist geringfügig und entscheidet unsere Frage in 
keiner Weise, da niemals aus Menschenharn Allantoin rein dar- 
gestellt und analysiert worden ist und andererseits die ange- 
wandten indirekten Bestimmungsmethoden zu mangelhaft waren, 
um im gegenteiligen Sinne sicher zu entscheiden. Wie immer 
in naturwissenschaftlichen Fragen steht und fällt unsere Erkennt- 
nis mit der Sicherheit unserer Methoden. Ich habe es nicht 
für nötig gehalten, bei Besprechung meiner Methode der Allan- 
toinisolierung') aus Harn die früheren quantitativen Bestimmungs- 
methoden kritisch zu beleuchten und verzichte auch an dieser 
Stelle darauf. Nur einige wenige Daten sollen erweisen, daß 
mit den bisher bekannten Methoden nicht weiter zu kommen 
war. Poduschka?) fällte den Harn mit Bleiessig, entbleite 
mit Sulfat, fällte weiter bei saurer Reaktion mit Silbernitrat und 
das Filtrat schließlich mit sehr verdünntem Ammoniak. Der 
N-Gehalt der mit Sulfat NH,-frei gewaschenen Fällung wurde 
auf Allantoin umgerechnet. O. Loewi?) fällte den Harn mit 
Merouronitrat und das mit H,S entquecksilberte Filtrat mit 
Silbernitrat und Magnesiumoxyd. Der N-Gehalt dieser Fällung 
wurde auf Allantoin umgerechnet. — Dieses im wesentlichen 
gleiche Vorgehen wurde später auch von Dakint) beanstandet. 5) 
Man überzeugt sich leicht davon, daß diese zur Allantoinfällung 
verwendeten Filtrate noch reichlich Stoffe enthalten, die mit Phos- 
phorwolframsäure fällbar sind, bei deren Gegenwart aber eine 
alkalische Silberfällung nicht ohne weiteres Allantoin anzeigen 
kann. Müssen diese Methoden derart nicht lediglich Allantoin 
niederschlagen, so sind sie andererseits nicht unter allen Um- 


1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 121, 1907. 

2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 59, 1900. 

3) Ebenda 44, 1, 1901. 

4) Journ. of Biolog. Chem. 3, 51, 1907. 

5) Vgl. hierzu auch die Fußnote S. 121 in Beiträge z. chem. Physiol. 
u. Pathol. 11, 1907. 


372 W. Wiechowski: 


ständen quantitativ, denn ich konnte feststellen, daß die Fäll- 
barkeit des Allantoins durch alkalische Silberlösung durch die 
Gegenwart verschiedener Salze (z. B. Acetate) sehr gehemmt 
werden kann. Die Resultate der Silbermethoden sind denn auch 
nichts weniger als befriedigend gewesen. Poduschka stellte 
l. c. eine auf Allantoin zu beziehende Normalausscheidung in 
100 Harn = 7,3 2/ NaOH, fest, was ungefähr 0,027 Allantoin 
entsprechen würde. Doch gelang es nicht, aus der Silber- 
fällung Allantoin darzustellen. O. Loewi fand mit seiner 
Silbermethode dagegen den Menschenharn allantoinfrei. Dakin 
fand Normalwerte, die er aber für Allantoin nicht gelten 
lassen konnte. Pfeiffer!) fand im eigenen Harne mit der 
Loewischen Methode, Werte, die auf Allantoin berechnet 1 bis 2 g 
pro die ergaben (!). Ganz neuerdings teilte Schittenhelm?) in 
einer Diskussionsbemerkung mit, daß er selbst aus großen 
Mengen menschlichen Harnes kein Allantoin isolieren konnte (auch 
hier scheint mit einer Silbermethode gearbeitet worden zu sein). 
Bezüglich der älteren Literaturangaben von Pouchet und 
Gusserow verweise ich auf die zitierte Arbeit über die Zer- 
setzlichkeit der Harnsäure im menschlichen Organismus.) 

Die Methode, die ich für die Allantoinbestimmung im Tierharne 
ausgearbeitet habe*) (Fällung des durch Phosphorwolframsäure, 
Bleiessig und Silberacetat gereinigten Harnes mit 0,5°/, Queck- 
silberacetatlösung bei Gegenwart von viel Natriumacetat, Zer- 
setzen der Fällung und Wägung des auskrystallisierten Allan- 
toins), ergab, wie bereits mitgeteilt, im Menschenharn kein 
Resultat, wiewohl zugesetztes und subcutan injiziertes Allan- 
toin zur Gänze wiedergefunden wurde.) Da es sich also im 
normalen Menschenharne nur um sehr geringe Allantoinmengen 
handeln konnte, habe ich die Methode derart modifiziert, daß 
ich die Allantoinfällung nicht in einem aliquoten Teile, sondern 
in der ganzen zur Verfügung stehenden Menge vornehmen 
konnte. Das wesentliche der Modifikation bestand darin, daß 


1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 324, 1907. 

2) Bericht üb. d. Kongreß f. inn. Med. 1909, Berl. klin. Wochenschr. 
1909, 1000. 

3) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 60, 186, 1909. 

4) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathologie 11, 121, 1907. 

8) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol,; 60, 187 ff., 1909. 


Allantoin im normalen Menschenharn u. seine Bedeutung usw. 373 


nach vorhergehender Behandlung des Harnes, welche basische 
Stoffe, Salz- und Phosphorsäure entfernte, eine partielle Fällung 
mit Mercurinitrat vorgenommen wurde. Dieses schlägt, wie Ver- 
suche gezeigt haben, alles Allantoin bzw. alle unter den gleichen 
Bedingungen wie dieses mit Hg-Acetat fällbaren Substanzen 
nieder, die späteren Mercurinitratfraktionen enthalten nichts 
durch 0,5°/, Hg-Acetat Fällbaree. Nach der Zersetzung dieser 
partiellen Fällung mußte somit das vorhandene Allantoin in 
kleinem Volumen angereichert sein. Das Filtrat der Zersetzung 
wurde dann weiter in derselben Weise behandelt, wie es für 
Tierharn angegeben worden ist. Überdies wurde nach der 
Zersetzung des Hg-Acetatniederschlages noch eine zweite Rei- 
nigung mit Phosphorwolframsäure und mit einer schwefel- 
sauren Lösung von Hg-Sulfat (welche Allantoin nicht fällt) an- 
geschlossen. Die auf diese Weise aus normalem Menschenharn 
erhaltenen Produkte krystallisierten zwar, ihre Geringfügigkeit 
gestattete aber keine Identifizierung. Ich habe daher die Ver- 
suche in größerem Maßstabe fortgesetzt, d. h. große Harn- 
quantitäten in der angegebenen Weise verarbeitet. Verwendet 
wurden stets 8 bis 101 ganz frischen normalen Harnes. Um die 
Möglichkeit einer passiven Entstehung von Allantoin aus den Harn- 
purinen während des Sammelns zu vermeiden, war ich ge- 
zwungen, Mischharn zu verwenden, der sofort nach dem 1 bis 
2b währenden Einsammeln mit Bleiessig oder Merouronitrat von 
Purinen, insbesondere von Harnsäure befreit wurde. Jedesmal 
gelangte ich bei Verarbeitung derartiger Harnquantitäten in der 
weiter unten im einzelnen beschriebenen Weise in den Besitz 
einiger Zentigramme rein-weißer Krystalle, welche ohne Rück- 
stand verbrannten und nach Reaktionen und Löslichkeit sich 
wie Allantoin verhielten. Der jedesmal bestimmte Schmelzpunkt 
lag unter Zersetzung bei 230 bis 232° und änderte sich nach 
dem Mischen mit reinem Allantoin Merck nicht. Die N-Ana- 
lyse nach Dumas von ca. 0,08 des Produktes ergab einen Ge- 
halt von 35,50°/,. Für Allantoin (C,H,N,O,) berechnet sich ein 
Gehalt von 35,44 °/,. 

Damit ist zum ersten Male das Vorhandensein von 
Allantoin im normalen Urin des Menschen bewiesen. 

Durch Verfeinerung der Methode in einigen scheinbar un- 
wesentlichen Details kam ich aber schließlich auch bei in Arbeit- 


374 W. Wiechowski: 


nahme geringerer Harnquantitäten zum Ziele. Ich habe das 
Allantoin in keinem der untersuchten Menschenharne vermißt. 
Stets gelang es mir, bei quantitativer Verarbeitung des größten 
Teiles einer Tagesportion das Allantoin als solches zu isolieren, 
zur Wägung zu bringen und durch Schmelzpunktbestimmung 
bzw. Ermittlung des Mischungsschmelzpunktes sicherzustellen. 
So bin ich auch in der Lage, eine kleine Reihe von Bestim- 
mungen mitzuteilen, welche den Umfang der täglichen Allan- 
toinsusscheidung des Menschen bei gemischter Kost beleuchten 
(Tabelle I). Die Ausscheidungsgröße schwankt, wie ersichtlich, 
um ca. 10 mg pro die. 


Tabelle I. 









Versuchsperson 


J. J. 0,0127 
Eine Schwangere 0,0042 
Ein Alkaptonuriker F, J.?) 0,0038 


Anschließend an diese Tabelle seien noch die entsprechenden 
Zahlen eines Pferdeharnes mitgeteilt, da über dessen Allantoin- 
gehalt noch nichts bekannt ist: 

Pferd II®) | 1,36 | 8000 Ir PB 2320 


Aus dem Mitgeteilten ergibt sich, daß der Mensch, was 
sein Verhalten zur intermediären Harnsäure anlangt, durchaus 
keine Ausnahme unter den untersuchten Säugetieren bildet. 
Wie die übrigen Säuger oxydiert auch der Mensch inter- 
mediärvorbandene Harnsäurezu Allantoinund scheidet 
dieses aus. Da dieses, wie früher gezeigt, auch für den 
Menschen ein Endprodukt ist, d. h. nicht weiter angegriffen 


1) Dieser neue Fall von Alkaptonurie wurde in der klinischen Am- 
bulanz des Herrn Hofrates Pribram von Dr. O. Adler aufgefunden und 
ist dort gegenwärtig Gegenstand eingehenden Studiums. 

8) Der Harn dieses Tieres konnte quantitativ gesammelt werden, 
da es die Gewohnheit hat, nur einmal des Tages am Abend nach der 
Fütterung zu barnen. 


Allantoin im normalen Menschenharn u. seine Bedeutung usw; 375 


wird, so ist auch für den Menschen die Größe der Allantoin- 
ausscheidung ein Maß für seine U-Oxydation, denn die An- 
nahme, daß der Mensch Harnsäure noch in anderer Weise an- 
zugreifen vermöchte, erscheint in hohem Grade unwahrschein- 
lich und entbehrt jeglicher analytischen Grundlage. Der Um- 
fang dieser Zersetzung aber ist weit geringer als bei den 
übrigen bisher untersuchten Säugetieren. Parallele Bestim- 
mungen von Allantoin und Harnsäure im Harne zeigen, daß dasVer- 
mögen, U zu zersetzen, nicht in gleichem Maße allen Säuge- 
tierarten zukommt, sondern daß z. B. für Pferd und Mensch 
auffallende quantitative Unterschiede den anderen gegenüber 
bestehen. 

In der folgenden Tabelle II ist die relative Oxydations- 


fähigkeit der Harnsäure in der Weise ermittelt, daß das Allan- 
toin als Harnsäure (mit dem Faktor o = 1,07 multipliziert) 
in Rechnung gesetzt und in Prozenten der Summe U -- Allantoin 


als Harnsäure ausgedrückt ist. 


Tabelle II. 






Mensch 1 (Tagesmenge) . | 0,0074 | 0,0079 
Mensch 2 (Tagesmenge) 
Alkaptonurie . ... . 


Mensch 3 (J. J.) Tagesmenge 
Pferd I (50 com) .... 
Pferd II (100 ocom) ... 
Hund B2) (Tagesmenge) . 
Kaninchen IV!) (Tages- 

menge) . . 2... .. 
Katze!) (60 com) . .. . 
Affe!) (100 com) 







0,0093 | 0,0098 
0,01496 | 0,0160 


0,044 | 0,04708 
0,017  |0,01819 


0,2996 





0,0122 | 0,05928 | 79,420/, 
0,0180 | 0,08619 | 50,1°/, 


0,0200 | 0,8196 | 93,73%), 








0,1498 
0,09 0,0963 
0,107 


99,40%, 







Danach kommt dem Menschen das geringste Harnsäure- 
zersetzungsvermögen unter den untersuchten Säugetieren zu, 
er zersetzt nur ungefähr 2°/, der in seinem Stoffwechsel vor- 


1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 112, 1907. 


376 W. Wiechowski: 


handenen U. Nach den voranstehenden wenigen Daten scheint 
das Pferd in dieser Beziehung dem Menschen am nächsten zu 
stehen, doch auch sein Oxydationsvermögen für U ist noch immer 
25- bis 40 mal höher gefunden worden. — Das der übrigen unter- 
suchten Spezies ist praktisch quantitativ, nähert sich sehr 
100°/,, während das des Menschen in der Tat so bedeutungs- 
los ist, daß es vorläufig den Anschein hat, als könnte man es 
praktisch völlig vernachlässigen. 

Diese zahlenmäßige Feststellung gestattet mit mehr 
Sicherheit, als ich es vor kurzem getan habe, an die Frage 
heranzutreten, ob eine Störung der Harnsäureoxydation für 
die Pathogenese der menschlichen Gicht herangezogen werden 
kann. — Ich glaube auch nach dem Ergebnis der mitgeteilten 
Versuche diese Frage mit nein beantworten zu müssen. Denn 
es muß gleichgültig erscheinen, ob ein Mensch beispielsweise 
0,5 U und 0,01 Allantoin oder 0,51 Harnsäure und kein Allantoin 
bildet, denn er verträgt bei purinreicher Kost ohne weiteres 
eine Steigerung seiner zirkulierenden Harnsäure selbst um den 
gleichen Betrag, ohne zu erkranken. — Was die pharmako- 
therapeutische Seite der Frage aber anlangt, möchte ich mich 
heute, da ich mich überzeugt habe, daß die U-Oxydation zu 
Allantoin nichts dem Menschen Wesensfremdes ist, nicht mehr 
so dezidiert aussprechen. Vielmehr scheint mir als Ergebnis 
der mitgeteilten Untersuchungen die Frage durchaus des Studiums 
wert: Kann man durch irgendwelche, namentlich pharmako- 
logische Maßnahmen das an sich niedrige U-Oxydationsver- 
mögen des Menschen heben? Solche Eingriffe dann in der 
Gichttherapie zu versuchen, wäre durchaus sachgemäß und 
naturwissenschaftlich begründet. — Jedenfalls aber glaube ich 
durch das Mitgeteilte die Gewinnung der notwendigen physio- 
logischen!) Grundlagen so weit beendet zu haben, um an die 
pharmakologische Bearbeitung des U-Problems herantreten zu 
können. In zweierlei Richtung erscheint eine solche Behand- 
lung aussichtsreich: Gelingt es, durch planmäßige Vergiftung 
unsere Laboratoriumstiere quoad Oxydationsumfang der U dem 
Menschen näher zu bringen? (hier kämen insbesondere die Alko- 


1) Die allfälligen Besonderheiten der Allantoinausscheidung des 
Menschen bei verschiedenen Krankheiten, insbesondere bei der Gicht zu 
ermitteln, wird Sache der Klinik sein. 


Allantoin im normalen Menschenharn u. seine Bedeutung usw. 377 


hol- und Bleiintoxikation, vielleicht auch die HCN und an- 
deres in Betracht). Ist es andererseits möglich, durch irgend- 
welche Pharmaka die U-Oxydation des normalen Menschen zu 
steigern? (hier kämen wohl Versuche mit den möglichst 
isolierten Urikasen tierischer Organe in Betracht). 

Das Ergebnis der hiermit zu einem gewissen Abschluß ge- 
langten Studien über den Harnsäurestoffwechsel der Säugetiere 
läßt sich im Zusammenhange mit dem von anderen Seiten 
(Schittenhelm usw.) Ermittelten dahin resumieren, daß 
die N-haltigen Produkte des intermediären Nuclein- 
stoffwechsels quantitativ!) als Basen, Harnsäure und 
Allantoin ausgeschieden werden. — Der Umfang jedes 
einzelnen dieser Oxydationsprozesse, welche zu Basen, von 
diesen zu U, und von dieser zu Allantoin führen, ist eine 
Funktion der Arteigenheit sowohl als der Individualität 
und ist möglicherweise durch Krankheit und Vergiftung ab- 
änderbar. 

Abgesehen von den letzteren muß daher bei purinfreier 
Ernährung die Summe Basen 4 Harnsäure + Allantoin ein Maß 
für die chemische bzw. ‚„vitale‘‘ Individualität des einzelnen 
sein. — Da in praxi die geringe Basenausscheidung bei allen 
und außerdem die geringe Allantoinausscheidung beim Menschen, 
die geringe U-Ausscheidung bei Kaninchen, Katzen und Hunden 
vorläufig unberücksichtigt bleiben kann, so kann dieses Maß 
beim normalen Menschen durch die 24b endogene Harnsäure- 
ausscheidung, bei Hunden, Katzen und Kaninchen durch die 
24h endogene Allantoinausscheidung als gegeben angesehen 
werden. — In der Tat sehen wir, worauf ich bereits hingewiesen 
habe, daß nicht nur die endogene U-Ausscheidung des Menschen, 
sondern auch die endogene Allantoinausscheidung von Hunden 
und Kaninchen für das Individuum eine mit großer Zähigkeit 
festgehaltene Konstanz pro 24h aufweist.) In dieser Beziehung 
ist ein Vergleich der in 24h ausgeschiedenen endogenen Allantoin- 





1) Hierbei ist die Möglichkeit einer Ausscheidung von Purinen auf 
die Darmschleimhaut und sekundäre Zersetzung im Darm außer acht 
gelassen. Ein solches Schicksal erscheint nach zu anderen Zwecken 
unternommenen Versuchen von Schittenhelm (Zeitschr. f. experim. 
Pathol. u. Ther. 4, 766, 1907) in der Norm unwahrscheinlich. 

2) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 113, 1907. 


378 W. Wiechowski: 


Harnsäuremengen als Harnsäure berechnet bei den einzelnen 
Spezies interessant. 








Tabelle III. 
| Ges.-U | Körpergewicht 
mit 0,01 angenommen . ...... 0,40 60 kg 
Hund B., Hunger... .. 2.222200 0,32 5 „ 
Kaninchen IV., Hunger . .. . 2:2... 0,15 16 „ 
Pford III) u.a ale rn ek 2,89 600 „ 


Auffällig ist die bei Hund, Kaninchen und Mensch ver- 
hältnismäßig geringe Differenz bei den so enorm auseinander 
liegenden Körpergewichtszahlen. Daß das Körpergewicht selbst 
bei Angehörigen derselben Art der Größe der Allantoinaus- 
scheidung nicht proportional ist, ist bereits hervorgehoben 
worden.?) Um so weniger scheint, wie die Tabelle III ergibt, 
das Körpergewicht bei verschiedenen Arten eine brauchbare 
Unterlage für einen Vergleich zu bieten, worauf auch viele toxi- 
kologische und andere Erfahrungen hinweisen. 


Methodik. 


Im wesentlichen ist die verwendete Methode zur Abscheidung des 
Allantoins aus Menschenharn identisch mit dem bereits mitgeteilten, für 
den Tierharn ausgearbeiteten Verfahren:®) Das Allantoin wird als Hg- 
Verbindung durch 0,5°/, Quecksilberacetat bei Anwesenheit von viel 
Natriumacetat niedergeschlagen, nachdem der Harn nacheinander mit 
Phosphorwolframsäure, Bleiessig und Silberacetat völlig erschöpft und 
gleichzeitig auf eine Harnstoffkonzentration von höchstens 1°/, verdünnt 
ist. Unter diesen Bedingungen wird aus Tierharn neben minimalen 
Mengen gefärbter, mit Hg-Sulfat in schwefelsaurer Lösung (welches Allan- 
toin nicht fällt) fällbarer Substanzen nur Allantoin niedergeschlagen, welches 
nach dem Zersetzen der Hg-Verbindung durch HS und entsprechendem 
Einengen sofort rein krystallisiert. Die Grundlagen dieses Verfahrens 
sind folgende: 0,5°/, Hg-Acetat fällt bei durch Na-Acetat hervorgerufener 
alkalischer Reaktion Allantoin quantitativ; 0,5°/, Hg-Acetat fällt Harn- 


1) Über das Ausmaß der Purinaufnahme des stark arbeitenden 
Tieres, welches neben Hafer hauptsächlich mit Heu ernährt wurde, kann 
nichts ausgesagt werden, sie dürfte bei der erwähnten Kostordnung un- 
erheblich sein. 

2) l. o. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 1907. 

3) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 121ff., 1907. 


Allantoin im normalen Menschenharn u. seine Bedeutung usw. 379 


stoff auch bei Gegenwart von Nitraten nicht; die Allantoinfällung wird 
dagegen durch viel Harnstoff gehemmt bis aufgehoben, in 1°/, Harn- 
stofllösung ist sie noch vollständig. Wie Harnstoff in starker Lösung, 
hemmen auch Ammonsalze und Chloride. Andererseits werden, abgesehen 
von Phosphorsäure, basische Stoffe (manche Purine) und jene erwähnten 
mit Hg-Sulfat reagierenden Substanzen, außer dem Allantoin durch das 
Reagens gefällt. Auch Ammonsalze reagieren mit demselben unter 
Niederschlagsbildung, während sie gleichzeitig die Allantoinfällung beein- 
trächtigen. Diese gleichfalls durch das Reagens fällbaren und die die 
Reaktion hemmenden Stoffe müssen daher vor der Allantoinfällung ent- 
fernt werden, was im Tierharne am besten in der angegebenen Weise 
geschieht. Durch die drei aufeinander folgenden Fällungen ist dann auch 
die entsprechende Harnstoffverdünnung erreicht. Auf die Abwesenheit 
hemmender Stoffe ist stets dadurch besonders zu prüfen, daß man das 
Filtrat jeder Allantoinfällung mit einer frisch bereiteten, verdünnten 
Allantoinlösung versetzt; hierbei soll als Beweis dafür, daß alles Allantoin 
gefällt ist und keine die Reaktion störenden Stoffe mehr zugegen sind, 
ein deutlicher Niederschlag entstehen. 

Im Menschenharn war nach dieser Methode direkt kein Allantoin 
auffindbar. Die in ihm tatsächlich vorhandenen Mengen sind so gering, 
daß sie durch die bei der Verarbeitung erfolgende und wegen des reichlich 
vorhandenen Harnstoffes auch notwendige Harnverdünnung unter die 
Schwelle der Nachweisbarkeit herabgedrückt werden. — Es war daher 
die Aufgabe gestellt: in großen Harnmengen die Allantoinkonzentration 
ohne die Harnstoffkonzentration zu steigern und dann erst den Harn 
in der angegebenen Weise auf Allantoin zu verarbeiten. Außerdem er- 
forderte das hier relativ reichliche Vorhandensein jener erwähnten, gleich- 
zeitig mit dem Allantoin ausfallenden, mit Hg-Sulfat fällbaren Substanzen 
aber auch die Ökonomie des Arbeitens eine Modifikation der Methode, 
um diese für Menschenharn brauchbar zu machen. Da der Menschen- 
harn sehr reichlich PWS-fällbare Substanzen enthält, ist der Verbrauch 
dieses kostspieligen Reagens enorm (man braucht meist die Hälfte des 
Harnvolumens an 50°, PWS zur völligen Erschöpfung). — Geht man 
demnach, wie meist zweckmäßig von 1 Liter Harn aus, so sind für eine 
Betimmung 250 g PWS nötig) Auch der hohe Chloridgehalt des 
Menschenharnes verteuert das Arbeiten durch die Notwendigkeit, massen- 
haft Silberacetat zu verbrauchen. Außerdem wird noch bei einer drei- 
maligen Fällung (PWS, Blei, Silber) von 1 Liter Harn das Volumen 
nicht nur ganz unhandlich groß, sondern die Prozeduren nehmen auch 
sehr viel Zeit in Anspruch. — Ich umgehe aus diesen Gründen zunächst 
die Verwendung von PWS und Silberacetat, aber auch von Bleiacetat, 
welche alle ich durch 20°/, Mercuronitratlösung ersetze. Diese fällt alle 
anorganischen Säuren des Harns und die Hauptmasse der basischen 
Stoffe. Das Filtrat reagiert allerdings noch mit PWS, ist aber, wenn 
der Harn frisch ist, d. h. nicht viel Ammoniak enthält, doch zu der 
nun folgenden Allantoinanreicherung geeignet. Ist dagegen viel Ammoniak 
vorhanden, so ist die letztere, wie man sich leicht überzeugt, gehemmt, 


380 W. Wiechowski: 


und man muß in solchen Fällen doch zur PWS greifen oder das NH, 
zuvor etwa in der Weise entfernen, wie ich es l. c. beschrieben habe 
(Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 60, 193, 1909). In den aller- 
meisten Fällen ist das aber nicht nötig. — Um einen Überschuß an 
Mercuronitrat zu vermeiden, taste ich die gerade völlig ausfällende Menge 
vorher in 2 com betragenden Harnmengen auf !/,, ccm genau aus. Der 
Mercuronitratniederschlag ist sehr mächtig und soll gründlich gewaschen 
werden (bis das Filtrat nicht mehr mit Mercurinitrat reagiert). Das 
Filtrat (welches sich beim Stehen meist noch gelblich trübt) wird samt 
den Waschwässern mit H,S von Quecksilber befreit, das ausgefällte HgS 
seinerseits ausgewaschen und die erhaltene Flüssigkeit nach genauer 
Neutralisierung mit Cl-freier Sodalösung so lange mit 20°/, Mercuri- 
nitratlösung versetzt, bis das Filtrat auf Zusatz weniger Tropfen einer 
frischen, verdünnten (ca. 0,1°/,) Allantoinlösung mit Bildung einer 
weißen Fällung reagiert. Die hierzu nötige Menge tastet man vorher 
in kleinen Voluminis aus. Es zeigt sich, daß schon nach verhältnis- 
mäßig geringem Zusatz (meist 1/2% bis 1/1ọ Volumen) dieser Punkt erreicht 
ist, bei dem man sicher sein kann, alles Allantoin gefällt zu haben.!) 


1) Bei sukzessivem Zusetzen der Merourinitratlösung sieht man, daß 
der zuerst entstehende Niederschlag sich beim Umrühren wieder löst, 
erst bei weiterem Zusatz entsteht ein dauernder Niederschlag. Dieses 
Verhalten wird durch den Harnstoff verursacht. Die Verbindung des- 
selben mit Mercurinitrat ist nämlich in Harnstofflösung löslich, und erst 
wenn die Konzentration dieser Lösung einen gewissen Grad erreicht hat, 
fällt ein Teil der Verbindung aus. Bemerkenswerterweise ist nun — 
und das begründet die Möglichkeit, auf diese Weise das Allantoin aus 
Harnstofflösungen anzureichern — die Allantoinverbindung mit Mercuri- 
nitrat in Harnstofflösungen viel weniger löslich als die entsprechende 
Harnstoffverbindung. Setzt man zu einer reinen ca. 1°/‚igen Harnstoff- 
lösung nur so viel Mercurinitrat, daß der entstehende Niederschlag sich 
noch löst, oder filtriert von der geringen partiellen Fällung ab, so reagiert 
die klare Flüssigkeit bzw. das Filtrat auf Zusatz von Allantoinlösung 
sofort mit Bildung der weißflockigen Allantoin-Hg-Verbindung. Das 
Allantoin ist eben durch Hg-Verbindungen so leicht fällbar, daß es selbst 
durch die in Harnstoff gelöste Mercurinitrat-Harnstoffverbindung nieder- 
geschlagen wird. Hat man also zu dem durch Merouronitrat gereinigten 
Harne bis zu dem Punkte Merourinitrat zugesetzt, wo das Filtrat mit 
Allantoinlösung eine Fällung gibt, so ist noch so viel in Harnstoff gelöste 
Mercurinitrat-Harnstoff- Verbindung vorhanden, daß alles Allantoin in dem 
entstandenen Niederschlag enthalten sein muß. In der Tat ist das 
Filtrat dieser partiellen Mercurinitratfällung reich an gelöstem Hg. Er- 
zeugt man in demselben eine neuerliche Fällung durch weiteren Mercuri- 
nitratzusatz, so erweist sich diese im Gegensatz zur ersten nach dem 
Zersetzen frei von Allantoin: Die Zersetzungsflüssigkeit reagiert nach 
Reinigung mit PWS und Bleiessig gar nicht mit 0,5°/, Hg-Aoetat- 
lösung. — Da für die Mercurinitratfällung von Allantoin und Harnstoff 


Allantoin im normalen Menschenharn u. seine Bedeutung usw. 38] 


Durch den so bemessenen Merourinitratzusatz wird neben allem 
Allantoin ein geringer Teil des vorhandenen Harnstofies, Ammonsalze 
und organische basische Verbindungen, die der Merouronitratfällung ent- 
gangen waren, gefärbte Substanzen usw. niedergeschlagen. Nach 24» 
Stehen wird der Niederschlag quantitativ auf einem Faltenfilter ge- 
sammelt, einige Male mit Wasser (eventuell bis zur beginnenden kol- 
loidalen Lösung) gewaschen, samt dem Filter in Wasser verteilt, durch 
H,S in der Kälte zersetzt, der H,S durch Luft verdrängt, das HgS ab- 
filtriert und gründlich ausgewaschen (bis das Filtrat nicht mehr mit 
Merourinitrat reagiert); Filtrat und Waschwässer werden genau neu- 
tralisiert und auf dem Wasserbade, je nach der Menge des in Arbeit 
genommenen Harnes auf ein Volumen von 20 bis 100 ocm eingeengt. In 
der so erhaltenen Flüssigkeit ist das Allantoin bei geringer Harnstoff- 
konzentration angereichert, und man kann nun weiter genau so verfahren, 
wie es für den Tierharn beschrieben worden ist, nur mit dem Unter- 
schiede, daß, da die Flüssigkeit chloridfrei ist, die Fällung mit Silber- 
acetat wegbleibt. Die meist tief dunkel gefärbte Flüssigkeit wird mit 
560%), PWS!) bei Anwesenheit von 10°/, Schwefelsäure genau gefällt. 
Filtrat und Waschung, die mit 5°/, PWS vorgenommen wird, durch 
Bleioxyd neutralisiert, hierauf noch 20°/, Bleiessig bis zur völligen 
Ausfällung hinzugefügt, auf der Nutsche filtriert und gewaschen, 
Filtrat und Waschwasser mit H,S entbleit, der H,S ausgeblasen, Filtrat 
und Waschwässer vom Bleisulfid mit Sodalösung genau neutralisiert und 
mit einem Überschuß 0,5%, Hg-Acetat in 30°/, Na- Acetatlösung 
gefällt. Man läßt klar absetzen, sammelt den Niederschlag auf einem 
glatten Filter und wäscht ihn so lange, bis das Filtrat nicht mehr mit 
Mercurinitrat reagiert. Der Niederschlag wird in ein Becherglas gespritzt 
und in der Hitze mit H,S zerlegt. Hierbei beobachtete man zumeist, 
daß der Niederschlag zunächst gelb und dann erst ganz allmählich 
schwarz wird; dieses bei der H,S-Zersetzung vieler Hg-Verbindungen zu 


dieselben Gesichtspunkte Geltung haben wie für die Hg-Acetatfällung 
des Allantoins (d. h. insbes. Hemmung durch Chloride und viel Ammon- 
salze, gleichzeitige Fällung der Purine usw., s. 0.) so ist es eben nötig, 
den Harn vorher durch Behandlung mit Mercuronitrat von den störenden 
Substanzen zu befreien. 

1) Man braucht nur wenig PWS-Lösung. Die Fällung filtriert auf 
der Nutsche klar, das Waschen macht jedoch Schwierigkeiten, da bald 
kolloidale Lösung eintritt. Man kann dies vermeiden, wenn man auf 
dem Filter eine dünne Schicht gut geglühtes Kieselgur ausbreitet. Das 
Kieselgur wird in Wasser suspendiert, etwas Schwefelsäure zugesetzt und 
nach dem Absetzen gröberer Partikel die Suspension auf das Filter ge- 
gossen, scharf abgesaugt und einige Male mit Wasser nachgewaschen. 
Die Kieselgurschicht liegt fest an, wird nicht rissig und durch Auf- 
gießen nicht aufgewirbelt. Ein solches Filter verhindert die kolloidale 
Lösung des Niederschlages völlig, es hat sich mir auch zu vielen anderen 
Zwecken bewährt. 


382 W. Wiechowski: 


beobachtende Phänomen deutet in unserem Falle darauf hin, daß das 
gefällte Allantoin noch erheblich verunreinigt ist, denn reines Allantoin-Hg 
wird mit H,S sofort schwarz. Bei der Zersetzung des Niederschlages 
wird das meiste HgS kolloidal. Man verdampft daher die ganze Zer- 
setzungsflüssigkeit in einer Glasschale auf dem Wasserbade zur Trockne, 
wobei das HgS ausflockt. Bei Verarbeitung von Tierharn krystallisiert 
hierbei schon das Allantoin aus. Nicht so beim Menschenharn, hier sind 
meist noch gefärbte Substanzen verhältnismäßig reichlich mit gefällt, welche 
die Krystallisation hemmen. Man behandelt mit heißem Wasser, schüttet 
durch ein kleines Filter, wäscht aus und engt in einer entsprechend 
kleinen geradwandigen Schale auf ein kleines Volumen (2 bis 5 com) ein. 
Die Flüssigkeit ist dunkelgelb gefärbt, sie wird mindestens mit dem 
gleichen Volumen einer 3°/, Auflösung von Quecksilbersulfat in 
10°/ Schwefelsäure versetzt. Es entsteht meist ein ansehnlicher 
gelber Niederschlag. Nach dem völligen Absetzen filtriert man, wäscht 
aus, entfernt aus dem Filtrate durch H,S das Hg, den H,S durch Luft, 
filtriert, wäscht, neutralisiert und fällt das Allantoin noch einmal mit 
0,5%/, Hg-Acetatlösung. Dieser Niederschlag wird ebenso behandelt wie 
der zuerst erzeugte. Nach dem Zersetzen wird wieder zur Trockne ver- 
dampft, in heißem Wasser gelöst, filtriert, gewaschen und auf ein kleines 
Volumen eingeengt. Diese nunmehr sehr wenig gefärbte Flüssigkeit be- 
handelt man mit ein paar Tropfen 50%, PWS und das Filtrat mit 
Bleiessig, wobei man genau so verfährt wie bei der ersten PWS-Fällung; 
Fällung und Filtration sind in kleinsten — dem Volumen von 2 bis 5 com 
entsprechendem — Gefäßchen mit ebensolchen Filtern vorzunehmen, um 
die Fällung, was wichtig ist, bei möglichster Konzentration zu erzeugen, 
da sich gezeigt hat, daß die verunreinigenden Substanzen nur hierbei 
niedergeschlagen werden. Das Blei entfernt man mit H,S und fällt in 
derselben Weise nach dem Neutralisieren schließlich das Allantoin zum 
dritten Male, behandelt den Niederschlag wie früher, zersetzt, verdampft 
zur Trockne, löst in heißem Wasser, filtriert und engt in kleinsten gerad- 
wandigen Krystallisierschalen (1,5><2cm) auf etwa 0,2 bis 0,3 com ein (bei 
1 Liter Ausgangs-Harnmenge). Nach einigem Stehen (nicht im Exsiccator) 
krystallisiert das Allantoin in wohlausgebildeten Krystallen. Durch Zu- 
satz von Eisessig läßt sich die Krystallisation beschleunigen. — Bevor man 
das Allantoin auskrystallisieren läßt, kann man noch eine Reinigung der 
Lösung mit Alkohol ebenfalls in kleinstem Volumen versuchen. Wässerige 
Allantoinlösungen werden durch Alkohol nicht gefällt. — Die schließlich er- 
haltenen Krystalle, welche meist wohl ausgebildet und groß sind (nur bei 
Verwendung von Eisessig scheidet sich das Allantoin klein krystallinisch aus), 
werden auf einem kleinsten gehärteten Filter (2 cm Triohterdurchmesser) 
gesammelt, vor der Luftpumpe mit 1/3 bis 1 ccm Wasser oder Eisessig 
tropfenweise, und hierauf ebenso mit Alkohol und Äther gewaschen, bei 
100° getrocknet, vom Filter mittels Federfahne auf eine Schale gebracht 
und gewogen. Sie sind meist nur wenig gefärbt. Die Mutterlauge ent- 
hält nur Spuren von Allantoin, man kann sie nach demselben Gange 


Allantoin im normalen Menschenharn u. seine Bedeutung usw. 383 


zweckmäßig zusammen mit der beim eventuellen Umkrystallisieren er- 
haltenen zweiten Mutterlauge noch auf Allantoin verarbeiten. 

Das so aus Menschenharn erhaltene, einmal umkrystallisierte Allantoin 
(aus 1 Liter etwa 3 bis 4 mg) ist rein. Es schmilzt bei 230 bis 232° 
unter Zersetzung, ebenso nach Mischung mit reinem Allantoin (Merck) 
v. F. P. 230°, verbrennt ohne Rückstand, ist schwer in Wasser löslich, 
die Lösung reagiert nicht mit PWS, Bleiessig, Mercuronitrat und Merouri- 
sulfat in schwefelsaurer Lösung, dagegen entsteht mit Mercurinitrat, mit 
Hg-Acetat in Natriumacetatlösung und mit Silbernitrat +4 wenig Am- 
moniak eine flockige Fällung. Die N-Bestimmung in 0,0770 g des Pro- 
duktes nach Dumas ergab 24,5 coom N (t=20°; b= 742,6 mm) 
== 0,027 342 g. 

Gefunden: 35,50°%/,: Berechnet für C,H,N,Oz: 35,44°/, N. 


Biochemische Zeitschrift Baud 19. > 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 
Von 
Hans Winterstein. 
(Aus der chemisch-physiologischen Abteilung der zoologischen Station 
zu Neapel.) 
(Eingegangen am 12. Juni 1909.) 
Mit 1 Figur im Text. 


Unsere Kenntnisse über die respiratorischen Eigenschaften 
der Körperflüssigkeiten der niederen Tiere sind bisher äußerst 
dürftig; die wenigen vorliegenden Daten zum Teil wider- 
sprechend. Systematische Angaben über diesen Gegenstand 
liegen bisher bloß von einem Autor, Griffiths, vor, dessen 
Analysen aber leider, wie wir sehen werden, völlig aus der 
Luft gegriffen zu sein scheinen. Die vorliegende Untersuchung 
hatte den Zweck, über das Sauerstoffbindungsvermögen und 
die respiratorische Bedeutung derjenigen Körperflüssigkeiten 
wirbelloser Seetiere einen Überblick zu gewinnen, für welche 
das Vorhandensein respiratorischer Proteide angegeben worden ist. 


Methodische Vorbemerkungen. 


Die von wirbellosen Tieren erhältlichen Blutmengen sind 
im allgemeinen recht gering. Noch viel geringer aber ist im 
Vergleich zu den Säugetieren die aus dem gleichen Blutquantum 
gewinnbare Gasmenge, da, wie wir sehen werden, sowohl Sauer- 
stoff- wie Kohlensäuregehalt für gewöhnlich weit hinter dem- 
jenigen des Säugetierblutes zurückbleiben. Um brauchbare 
Resultate zu erzielen, ist daher eine diesen besonderen Verhält- 
nissen angepaßte Methodik erforderlich. 

Französische Autoren haben sich zur Bestimmung des 
Sauerstoffgehaltes des Blutes wirbelloser Tiere mit Vorliebe des 
Schützenbergerschen Titrationsverfahrens bedient. Gegen die 


H. Winterstein: Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 385 


Anwendung einer chemischen Bestimmungsmethode bei Flüssig- 
keiten von ungenügend bekannter chemischer Zusammensetzung 
erheben sich jedoch gewichtige Bedenken. Betrachtet man 
gemäß der beim Säugetierblute üblichen Auffassungsweise das 
Dissoziationsvermögen der supponierten Sauerstoffverbindung 
als Maß ihrer respiratorischen Wirksamkeit, dann kann zunächst 
auch nur die Messung des im Vakuum abgegebenen Sauerstofis 
ein genaues Bild der letzteren liefern. In der Tat hat die 
Titration des Sauerstoffs auch im Säugetierblut widersprechende 
und von den Resultaten der Auspumpung völlig abweichende 
Werte ergeben. 

Ich habe mich daher der gasanalytischen Methodik be- 
dient, die bei geeigneter Modifikation auch bei sehr kleinen 
Gasmengen eine für physiologische Zwecke völlig ausreichende 
Genauigkeit erzielen läßt. Zum Auspumpen des Blutes diente 
eine Toeplersche Quecksilberpumpe in der von Bohr?) emp- 
fohlenen Form, die unter anderem den Vorteil bietet, daß sie 
ein Schütteln des Rezipienten während des Auspumpens und 
dadurch ein rasches Evakuieren ohne zu starkes Erhitzen er- 
möglicht, das zu Zersetzungen Anlaß geben könnte. Die von 
mir verwendete Pumpe unterschied sich von der Bohrschen 
im wesentlichen nur durch die den kleineren Flüssigkeitsmengen 
angepaßten geringeren Dimensionen; an Stelle der bauchigen 
Pumpenkammer war eine einfach zylindrische angebracht von 
jenen Ausmaßen, wie sie vor längerer Zeit Barcroft!) als 
zweckmäßig empfohlen hat. Ebenso wurde an Stelle der bei 
einer transportablen Pumpe nicht verwendbaren Hebung des 
Quecksilbers durch Wasserdruck das Quecksilberreservoir mittels 
einer über eine Rolle geführten und durch ein Gegengewicht 
belasteten Schnur mit der Hand gehoben und gesenkt, ein 
gleichfalls von Barcroft?) empfohlenes Verfahren, das bei 
kleinen Dimensionen der Pumpe viel rascher und bequemer ist 
als eine Windevorrichtung. 

Die Pumpe stand dauernd luftleer. Zur Austreibung der 
Kohlensäure wurden in den Blutrezipienten zunächst etwa 


1) Chr. Bohr, Bilutgase und respiratorischer Gaswechsel. Nagels 
Handb. d. Physiol. 1, 1. Hälfte, S. 220f. 
2) J. Barcroft, The gaseous metabolism of the submaxillary gland. 
Journ. of Physiol. 25, 265, 1899 bis 1900. 
25* 


386 H. Winterstein: 


20 ccm ca. 4°/, Borsäure gebracht; diese Maßregel ist erforder- 
lich, auch wenn auf die genaue Bestimmung der Kohlensäure 
kein Wert gelegt wird, da sonst infolge der sehr allmählichen 
Dissoziation der Carbonate die Auspumpung fast endlos weiter 
geht. Die Evakuation des mit Borsäure beschickten Rezipienten 
wurde meist am Tage vor dem Versuche vorgenommen und 
die Pumpe mit dem Rezipienten dann noch 12 bis 24 Stunden 
luftleer gelassen. Unmittelbar vor Einfüllung der zu unter- 
suchenden Flüssigkeit wurden die letzten Gasreste nochmals 
entfernt. Die Einführung der auszupumpenden Flüssigkeit er- 
folgte, wenn es sich um luftgesättigtes Blut handelte, durch 
Ansaugen aus einer in */,, ccm geteilten Pipette. Zur Sättigung 
des Blutes mit Luft diente eine sehr einfache Vorrichtung, 
die sich gut bewährt hat: Das Blut (meist 5 bis 15 ccm) 
wurde in einen !/, bis !/,1 fassenden Glaskolben gebracht, der 
dann mit einem Stopfen verschlossen und horizontal auf einer 
vertikal gestellten Drehscheibe befestigt wurde, die ein Elektro- 
motor 15 bis 30 Minuten lang in rasche Umdrehung versetzte. 
Handelte es sich um die Untersuchung des im lebenden Tier 
zirkulierenden Blutes, so wurde dieses zunächst über Queck- 
silber in eine mit der Gefäßkanüle verbundene, in ?/,, ccm geteilte 
Meßröhre aufgesaugt und dann aus dieser in den Blutrezipienten 
der Pumpe überführt. Die untere Fläche des Rezipienten 
tauchte in ein Wasserbad von ca. 40° C, während durch den 
darüber befindlichen Kühler ein möglichst starker Strom kalten 
Wassers geleitet wurde. Bei jedem Niedergange des Queck- 
silbers in der Pumpe wurde der Rezipient kräftig durchgeschüttelt. 
Bei diesem Verfahren war die Auspumpung sehr rasch, meist 
in 15 bis 20 Minuten vollständig beendet. 


Die auf diese Weise gewonnene Gasmenge war, wie schon 
erwähnt, im allgemeinen sehr gering, meist zwischen !/, und 
l ccm. Die Analyse so kleiner Gasmengen mit einer für physio- 
logische Zwecke ausreichenden Genauigkeit begegnet bei An- 
wendung geeigneter Meßapparate durchaus keinen besonderen 
Schwierigkeiten. Ich verwendete zu diesem Zwecke einen 
Petterssonschen Analysenapparat!), der mit einer Meßbürette 


1) Die Pumpe sowie sämtliche Meßapparate waren von Dr. Geißler 
Naohf. Franz Müller in Bonn bezogen. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 387 


von besonderer Form versehen war: Der obere, 13 com fassende 
Teil derselben war in 0,05 ccm geteilt und zur Analyse größerer 
Gasmengen bestimmt; er kam bei den vorliegenden Versuchen 
niemals in Anwendung. Der untere Teil war in ein langes, 
genau kalibriertes Capillarrohr ausgezogen, und mit Millimeter- 
teilung versehen. 1 mm der Teilung entsprach einem Volumen - 
von 8cmm, so daß noch 0,8 cmm gut abgelesen werden konnten. 
Bei Verwendung der Capillare muß der obere Teil der Bürette 
natürlich mit einem sauerstoff- und kohlensäurefreien Gas ge- 
füllt sein, das stets vorrätig gehalten wurde, indem nach Be- 
endigung der Analyse eine entsprechende Menge des restierenden 
Gases in die Sauerstoffabsorptionspipette überführt und in dieser 
aufbewahrt wurde. 

Zur Absorption der Kohlensäure diente ca. 70°/, Kalilauge, 
zur Absorption des Sauerstoffs die gleiche Lösung mit Pyro- 
gallussäure gesättigt. Ich habe gefunden, daß bei der sehr 
geringen Menge der zu absorbierenden Gase (die gesamte zu 
analysierende Gasmenge betrug ja meist nur etwa 5°/, des in 
der Bürette enthaltenen Gases) ein sehr häufiges Überführen 
in die Absorptionspipette erforderlich ist, um eine vollständige 
Absorption zu bewirken. Ioh habe im allgemeinen stets etwa 
15mal in die Kalilauge überführt und bei der Absorption des 
Sauerstoffs es zweckmäßig gefunden, zur Erzielung genauer 
Resultate das wiederholte Überführen der Gase mit einem 
längeren Aufenthalte in der Absorptionspipette zu kombinieren 
und folgendermaßen zu verfahren: Das Gasgemisch wurde zu- 
erst 6 bis 8mal in die Absorptionspipette überführt und wieder 
zurückgesaugt, darauf 5 Minuten in der Pipette belassen dann 
wieder 6 bis 8mal überführt, neuerlich durch 5 Minuten in der 
Pipette belassen und zum Schlusse nochmals 6 bis 8mal überführt. 
Es ist weniger zeitraubend, die Absorption gleich das erstemal 
so gründlich vorzunehmen, daß ihre Vollständigkeit völlig ge- 
sichert ist, als zunächst eine Ablesung vorzunehmen und sich 
nach weiterer Überführung durch eine zweite Ablesung von der 
Vollständigkeit der Absorption zu überzeugen. 

Die Ablesung kann nämlich keineswegs unmittelbar nach 
der Absorption vorgenommen werden. Die Gase werden im 
Petterssonschen Apparat bekanntlich feucht gemessen; so- 
wohl die Gasbürette wie das KompensationsgefäßB muß ein 


388 H. Winterstein: 


wenig Wasser zur Sättigung der Gase mit Feuchtigkeit ent- 
halten. Durch Überführung in die konzentrierten Absorptions- 
flüssigkeiten aber werden die Gase fast vollständig getrocknet, 
und es ist einige Zeit erforderlich, bis nach Beendigung der 
Absorption das in der Bürette enthaltene Gas sich neuerlich 
mit Feuchtigkeit gesättigt hat. Das unmittelbar nach der 
Absorption abgelesene Gasvolumen erfährt daher eine allmähliche 
Zunahme, die bei geöffneter Verbindung mit dem Indextropfen 
in einer Wanderung desselben ohne weiteres zum Ausdruck 
kommt. Diese durch den Wasserdampf bedingte Volumänderung 
kann unter Umständen 10 und mehr Kubikmillimeter betragen, 
ein Wert, der zwar bei den sonst üblichen Dimensionen der 
Gasbüretten kaum in Betracht kommt, im vorliegenden Falle 
jedoch von großer Bedeutung ist.!) Um genaue Resultate zu 
erzielen, muß man daher in Abständen von etwa 2 bis 3 Mi- 
nuten so lange Ablesungen vornehmen, bis zwei aufeinander 
folgende Ablesungen den gleichen Wert ergeben. Die Schnellig- 
keit des Ausgleichs der Dampfspannungen hängt hauptsächlich 
von der in der Bürette enthaltenen Wassermenge ab, und es 
ist daher zweckmäßig, die Wände der Bürette so feucht zu 
erhalten, als es ohne Ansammlung einer (auch nur capillaren) 
Flüssigkeitsschicht über der Quecksilberkuppe möglich ist, 
deren Vorhandensein natürlich die Genauigkeit der Ablesung 
beeinträchtigen würde. 

Zur Vermeidung der parallaktischen Verschiebung bei der 
Ablesung ohne Fernrohr verwendet Krogh?) ein rechtwinkeliges 
Holzstück, in dessen obere zugeschärfte Fläche eine 6 bis 8fach 
vergrößernde Linse bis zur Hälfte eingelassen ist. Die senk- 
rechte Fläche des Holzstücks wird an die Glaswand, an welcher 
abzulesen ist, angelegt, und man visiert über die obere hori- 
zontale Kante. Ich habe diese ebenso einfache wie zweckmäßige 
Vorrichtung geringfügig modifiziert, da ich das Visieren über eine 


1) Schon an anderer Stelle (Der respiratorische Gaswechsel des 
isolierten Froschrückenmarks. Centralbl. f. Physiol. 21, 869, 1908) habe 
ich auf die große Bedeutung hingewiesen, welche dem Ausgleich der 
Dampfspannungen nach Beendigung der Absorption bei mikrorespiro- 
metrischen Untersuchungen zukommt. 

2?) A. Krogh, On micro-analysis of gases, Skand. Arch. f. Physiol. 
20, 283, 1908. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere: 389 


Kante wegen der Unmöglichkeit einer scharfen Akkommodation 
lästig gefunden habe. Die Linse wurde nicht bis ganz zur Mitte 
in das Holz eingelassen ; in einigem Abstande von der Linse 
wurde in die obere Holzkante eine Nadelspitze eingefügt, deren 
Länge dem Abstande des Linsenmittelpunktes von der Holz- 
kante entsprach. Bei der Ablesung wird der durch einen 
schwarzen Punkt markierte 
Mittelpunkt der Linse mit der 
Spitze der Nadel und der Kuppe 
des Quecksilbers in eine Linie 
gebracht, wie dies die neben- 
stehende Figur zeigt (ein auch 
für genaue Ablesungen an Ti- 
trationsbüretten sehr zu emp- 
fehlendes Verfahren). Bei Be- 
obachtung allerdieser Vorsichts- 
maßregeln (Vollständigkeit der 
Absorption, völliger Ausgleich 
der Dampfspannung, Genauig- 
keit der Ablesung) gelingt es, Fig. 1. 

wie gleich gezeigt werden soll, 

selbst bei sehr geringen Gasmengen eine befriedigende Genauig- 
keit der Analyse zu erzielen. 

Die relative Genauigkeit der verwendeten Methode ergibt 
sich aus einer Reihe von Doppelanalysen, die an luftgesättigten 
Körperflüssigkeiten von verschiedenem Sauerstoffgehalt ausge- 
führt wurden. Sie sind in der folgenden Tabelle (S. 390) zusammen- 
gestellt, in welcher die Menge der ausgepumpten Flüssigkeit 
(in com), das Volumen der gesamten Gase und des darin ent- 
haltenen Sauerstoffs (in cmm), der daraus berechnete pro- 
zentische Sauerstoffgehalt der Flüssigkeit und die bei den 
Doppelanalysen sich ergebende Differenz dieses Sauerstoffgehaltes 
angegeben ist. 

Die größte in dieser Zusammenstellung sich findende 
Differenz von 0,23°/, wurde in einem der ersten, bei noch un- 
zureichender Schulung angestellten Versuche beobachtet; in 
allen folgenden geht die Differenz, selbst bei sehr kleinen Sauer- 
stoffmengen (Nr. 5) nicht über 0,1°/, hinaus. Nr. 3, in welchem 
drei mit dem gleichen Blut angestellte Analysen eine maximale 





390 H. Winterstein: 


— — — 


Prozent- 






= g Differenz der 
E Gehalt Anal in Vol- 
5 R an y r J 

> Sauerstoff 0 





Differenz von nur 0,02°/, ergaben, zeigt, eine wie große Über- 
einstimmung erzielt werden kann. Nicht minder bemerkens- 
wert ist die Übereinstimmung auf 0,04°/, in Versuch 6, bei 
welchem 1 bzw. 2 ccm Rinderblut verwendet wurden. Wenn 
auch diese große Übereinstimmung als zufällig bezeichnet werden 
muß, da bei 1 ocom Flüssigkeit einem Kubikmillimeter bereits 
eine Differenz von 0,1°/, entspricht, so zeigt der Versuch doch 
jedenfalls, daß mit der angewendeten Methode auch in ganz 
kleinen Blutmengen eine exakte Sauerstoff- und wohl auch 
Kohlensäurebestimmung durchführbar ist. Für den Stickstoff, 
auf welchen als bloßen Differenzwert sich die Fehler der Analyse 
häufen und auch die geringste Undichtigkeit der Pumpe bereits 
einen Einfluß ausüben kann, ist die erzielbare Genauigkeit viel 
geringer. Hier können die Differenzen unter gewöhnlichen Be- 
dingungen mehr als !/,°/, betragen, bei ganz kleinen Flüseig- 
keitsmengen, also sehr großen Multiplikationen, wohl auch un- 
brauchbare Resultate ergeben. Über die relative Genauigkeit 
der Kohlensäurebestimmung (deren Feststellung besondere Maß- 
regeln erfordert hätte, um den Kohlensäuregehalt der unter- 
suchten Blutprobe konstant zu erhalten) habe ich keine Ver- 
suche angestellt, doch ist kein Grund zu der Annahme vor- 
handen, daß sie hinter jener der Sauerstoffbestimmung wesentlich 
zurückbleibe. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 391 


Was die absolute Genauigkeit der Methode anlangt, so 
sind direkte Versuche hierüber nicht angestellt worden. Sie 
muß abhängen 1. von der Vollständigkeit der Auspumpung und 
2. von der absoluten Genauigkeit der Analyse. Was die erstere 
betrifft, so wird man wohl annehmen dürfen, daß die Gewinnung 
des Sauerstoffs und Stickstoffs und — wie aus der schnellen 
Beendigung der Auspumpung hervorgeht — bei Säurezusatz 
auch der Kohlensäure praktisch als quantitativ betrachtet 
werden kann. Was die absolute Genauigkeit der Analyse 
betrifft, so sind die durch Unvollständigkeit der Absorption 
oder des Ausgleichs der Dampfspannung entstehenden Fehler 
bei Beobachtung der früher erwähnten Vorsichtsmaßregeln ver- 
meidbar; die Fehler der Einstellung und Ablesung kommen, 
da sie in verschiedenem Sinne wirken können, bei Bestimmung 
der relativen Genauigkeit zum Ausdruck. So bleiben nur die 
prinzipiellen Fehler des Apparates, die bei der unübertrefflichen 
Präzision der Einstellung auf gleichen Gasdruck sich im wesent- 
lichen auf das Vorhandensein schädlicher Räume reduzieren. 
Diese schädlichen Räume sind dreifacher Art: Der eine besteht 
darin, daß bei der Überführung der Gase in die Absorptions- 
pipetten nicht alles Gas bis zu diesen verdrängt werden kann, 
sondern eine kleine Menge in der Capillare zwischen der Ab- 
sorptionspipette und der Meßbürette zurückbleibt und so der 
Einwirkung der Absorptionsflüssigkeit entgeht. Je häufiger 
aber die Überführung erfolgt, um so geringer wird diese Gas- 
menge, und bei genügend gründlicher Wiederholung dieser Mani- 
pulation, wie sie oben empfohlen wurde, kommt dieser Fehler 
völlig in Fortfall. Ein weiterer, bloß für die Sauerstoff- 
bestimmung in Betracht kommender schädlicher Raum entsteht 
dadurch, daß nach Beendigung der Kohlensäureabsorption eine 
kleine Sauerstoffmenuge in der zu der Kohlensäure-Absorptions- 
pipette führenden Capillare zurückbleibt und der Sauerstoff- 
bestimmung entgeht. Wenn aber, wie in unseren Versuchen, 
bei denen die Meßbürette zum größten Teil mit reinem Stickstoff 
gefüllt war, der Prozentgehalt des Gases an Sauerstoff ein sehr ge- 
ringer und außerdem bei den verschiedenen Analysen ein annähernd 
gleicher ist, die Capillare also vor der Analyse etwa die gleiche 
Sauerstoffmenge enthält wie nachher, so wird wohl auch dieser 
Fehler auf ein unmerkliches Maß herabgedrückt. Der dritte 


392 H. Winterstein: 


schädliche Raum endlich liegt in der zum Indextropfen führen- 
den Capillare, in welche in den Momenten der Einstellung etwas 
von der zu untersuchenden Gasmenge entweichen kann; doch 
dürfte es sich auch hierbei um kaum meßbare Fehler handeln. 
Im allgemeinen wird man demnach annehmen dürfen, daß 
trotz der genannten Fehlerquellen (die überhaupt nur bei 
Analysen so kleiner Gasmengen eine Erwähnung rechtfertigen) 
die absolute Genauigkeit der Bestimmungen hinter der relativen 
nicht sehr wesentlich zurückbleibt. 

Im folgenden sollen nun die Resultate der mit dieser 
Methodik angestellten Untersuchungen besprochen werden; die 
genaueren analytischen Belege sind als Anhang beigefügt. 


1. Hämocyaninhaltiges Blut. 


Über den Sauerstoffgehalt hämocyaninhaltigen Blutes von 
Mollusken und Crustaceen liegen eine Reihe einander durchaus 
widersprechender Angaben vor. Als erste haben Jolyet und 
Regnard?) das Sauerstoffbindungsvermögen des Blutes von 
Krebsen und Krabben untersucht und zu 2,4 bis 4,4 Vol.-°/, 
gefunden. Richet?) hingegen wollte im Blute der Languste 
13,44°/,, Griffiths?) im Blute verschiedener Mollusken und 
Crustaceen sogar 12 bis 15°/, Sauerstoff (und 27 bis 34°/, Kohlen- 
säure) gefunden haben. Demgegenüber hat Heim‘) die respi- 
ratorische Bedeutung des Hämocyanins überhaupt in Abrede 
gestellt, da er beobachtet haben wollte, daß der Sauerstoff- 
gehalt des Crustaceenblutes im allgemeinen dem des Seewassers 
entspreche. Da die tatsächlich von ihm gefundenen Werte 
aber im Mittel zwischen 3,5 und 5,6°/, betragen, mithin zum 
Teil fast 10mal so groß sind als der Sauerstofigehalt des See- 
wassers, so geht daraus hervor, daß er von dem letzteren eine 


1) Jolyet et Regnard, Recherches physiologiques sur la respi- 
ration des animaux aquatiques. Arch. de Physiol. 2. Ser., 4, 584, 1877. 

2) Ch. Richet, De l’hömoglobine et de ses combinaisons avec les 
gaz, Progrès medical 7, 600, 1879. 

3) A. B. Griffiths, On the blood of the invertebrata. Proc. Roy. 
Soc. of Edinborough 18, 288, 1890/91; 19, 116, 1892, 

4) F. Heim, Sur la matière colorante bleue du sang des Crustacés. 
Compt. rend. de l'Acad. 114, 771, 1892; Études sur le sang des Crustacés 
decapodes, These, Paris 1892, 


Zur Kenntnis der Biutgase wirbelloser Seetiere. 393 


ganz falsche Vorstellung besaß. Cu&önot!) fand im Schnecken- 
blute 1,15 bis 1,28°/,, Dhere*) im Schnecken-, Hummer- und 
Krebsblute 1,5 bis 3,1°/, Henze?) schließlich fand in zwei 
Analysen des Octopusblutes 3,70 und 3,09°/, Sauerstoff. 

Jolyet und Regnard, Griffiths und Henze haben 
sich gasanalytischer Methoden bedient; alle übrigen Angaben 
sind durch Titration nach dem Schützenbergerschen Ver- 
fahren gewonnen, auf dessen Unzulässigkeit oder wenigstens 
Unzuverlässigkeit bei derartigen Untersuchungen bereits eingangs 
hingewiesen wurde; die letzteren Angaben sollen daher im 
folgenden nicht weiter berücksichtigt werden. 

Meine Untersuchungen wurden an Octopus vulgaris, 
Palinurus vulgaris und Maja squinado angestellt, die 
meisten an Octopus vulgaris, dessen Blutgase in mehrfacher 
Beziehung ein größeres Interesse erweckten. 


A. Octopus vulgaris. 


a) Das Sauerstoffbindungsvermögen des luft- 
gesättigten Blutes. 


Die Gewinnung des Blutes erfolgt am besten nach dem 
von Fredericqg*) empfohlenen Verfahren: Das Tier wird an 
einem Holzbrett festgenagelt und dann ein Tuch herumgelegt, 
welches bloß Kopf und Mantelsack freiläßt. Durch diese Art 
der Fixierung wird weder die Zirkulation noch die Atmung 
stärker beeinträchtigt. Dann wird der Mantel in der Mittel- 
linie der Rückseite aufgeschnitten, worauf sogleich die starke, 
kräftig pulsierende Dorsalarterie hervortritt, die bei größeren 
Exemplaren etwa das Lumen einer Kaninchenjugularis besitzt 
und so leicht das Einbinden einer Kanüle gestattet, aus der 
das Blut in starkem Strahle hervorspritzt. Ä 


1) L. Cu&önot, La valeur respiratoire de l’hömocyanine; Compt. 
rend. de l’Acad, 115, 127, 1892. 

2) Ch. Dhéré, Le cuivre hématique des invertébrés et la capacité 
respiratoire de l’h&mocyanine. Compt. rend. de la Soc: de Biol. 52, 
458, 1900. 

3) M. Henze, Zur Kenntnis des Hämocyanins; Zeitschr. f. physiol: 
Chem. 33, 370, 1901. 

4) L. Frederioq, Recherches sur la physiologie du poulpe commun. 
Arch. de Zool. expér. 7, 535, 1878; 

\ 


394 H. Wınterstein: 


Die Bestimmung des Sauerstoffbindungsvermögens des in 
der früher beschriebenen Weise bei 17 bis 22°C mit Luft ge- 
sättigten Blutes wurde in einer größeren Zahl von Versuchen 
vorgenommen, deren Resultate in der folgenden Tabelle zu- 
sammengestellt sind. Die durch Buchstaben gekennzeichneten 
Werte derselben Rubrik sind mit dem Blute des gleichen Tieres 
erhalten, 


sn 100 Teile Blut enthalten: 
Versuches CO, Os | N, 
4,34 0,69 
410° ? 
415 1,18 
4.38 1.15 
421 1,51 
4,02*** ? 
423 1,07 
4,71 1,10 
4,94 1,61 
5.01 1,63 
4.92 1.95 


3,82(?) 1,45 
1,51 (?) 0,98 





4,57 1,18 
4,59 1,26 
4.59 1,18 
4,21 1,08 
4,85 1,36 


* Durch Verlust einer kleinen Gasmenge vermutlich etwas zu ge- 
ring. — ** Ohne Borsäure ausgepumpt. — *** Durch Verlust einer 
kleinen Gasmenge vermutlich etwas zu gering. — ft Blutkörperchen ab- 


zentrifugiert. 

Sehen wir ab von den beiden vermutlich etwas zu nied- 
rigen Werten 2b und 5a, sowie von den beiden Werten 11 
und 12, von denen besonders der letztere ganz aus der Reihe 
fällt und nur aufgenommen wurde, weil ein Fehler in der Ana- 
lyse nicht nachzuweisen war, so ergibt sich das Sauerstoff- 
bindungsvermögen des luftgesättigten Octopusblutes 
zu 4,2 bis 5,0 Vol.-°/,. 

Versuch 4 zeigt, daß der Zusatz von Borsäure für die 
Gewinnung des Sauerstoffs belanglos ist; aus Versuch 5b, 6 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 395 


und 8 geht hervor, daß die weißen Blutkörperchen für die 
Sauerstoffbindung im Blute keine Bedeutung besitzen. 

Die Stickstoffwerte schwanken zwischen 0,69 und 
1,95°/,. Die der letzteren Grenze sich nähernden Werte sind 
zweifellos zu hoch und vermutlich durch Beimengung kleinster 
Luftmengen zu erklären ; eine dementsprechende Korrektur der 
Sauerstoffwerte (die übrigens selbst in den extremen Fällen 
0,1°/, kaum übersteigen würde) ist jedoch nicht durchführbar, 
da die Bestimmung des Stickstofis, wie erwähnt, die größten 
Fehler aufweist, denen keine solchen der Sauerstoffbestimmung 
zu entsprechen brauchen. Jedenfalls ist kein Grund vorhanden, 
den Stickstoff anders als einfach gelöst anzunehmen. Die 
Kohlensäurewerte des luftgesättigten Blutes bieten kein be- 
sonderes Interesse; sie zeigen begreiflicherweise große Ver- 
schiedenheiten, die teils von dem ursprünglichen Kohlensäure- 
gehalt, teils von der Dauer der Luftsättigung und den sonstigen 
Diffusionsbedingungen abhängen. 

Vergleichen wir die von uns für das Sauerstoffbindungs- 
vermögen des luftgesättigten Octopusblutes gefundenen Werte 
mit den bereits vorliegenden Angaben von Griffiths und 
Henze, so ergibt sich, daß die letzteren mit den unsrigen an- 
nähernd übereinstimmen; sie sind im Mittel um etwa 1°/, nied- 
riger, vielleicht eine Folge der für diesen Zweck nicht zureichenden 
Genauigkeit der von ihm verwendeten Methodik, die sich auch 
aus dem einen viel zu hohen Stickstoffwert (3,58°/,) ergibt. 
Völlig unerfindlich hingegen ist, wie Griffiths zu seinen um rund 
9°/, zu hohen Werten (13,28 bis 13,65°/,!) gelangen konnte. 
Ich habe, um zu sehen, ob sie überhaupt auf irgendwelche 
Weise erklärbar wären, in zwei Versuchen das Blut statt mit 
Luft mit einem mehr als 90°/, Sauerstoff enthaltenden Gas- 
gemisch gesättigt. Die Analyse der Blutgase ergab 6,35 bzw. 
6,69°/, Sauerstoff, also Werte, die durch die (dem rund 4!/, mal 
so hohen Sauerstoffdruck entsprechende) Mehrabsorption von 
physikalisch gelöstem Sauerstoff hinreichend erklärbar sind. Da 
Griffiths seine Werte an dem direkt aus dem Tiere ent- 
aommenen Blute erhalten haben will, so soll ihre weitere Er- 
örterung bis nach Besprechung der diesbezüglich von uns ge- 
wonnenen Resultate verschoben werden. 


396 H. Winterstein: 


b) Der Gasgehalt des Blutes im lebenden Tier. 


Die direkte Entnahme des Blutes aus den Gefäßen unter 
Luftabschluß bietet bei Octopus keine besonderen Schwierig- 
keiten. Die Entnahme dos arteriellen Blutes erfolgt in der 
oben angegebenen Weise aus der großen Dorsalarterie. Man 
muß nur die Vorsichtsmaßregel beobachten, das am Brett be- 
festigte Tier vor oder nach Freilegung des Gefäßes in ein flaches 
mit Seewasser gefülltes Bassin zu bringen, um jede Asphyxie 
zu vermeiden bzw. wieder zu beseitigen. Dann wird die Kanüle 
eingebunden, mit dem mit Quecksilber gefüllten Meßrohr in 
Verbindung gesetzt und nach völliger Erfüllung aller Verbin- 
dungsröhren das Blut in das Meßrohr eingesaugt. Die Ent- 
nahme des venösen Blutes erfolgt am besten aus der mäch- 
tigen, bei größeren Exemplaren bis kleinfingerbreiten Abdominal- 
vene. Wenn man die den Mantel mit dem Ausatmungstrichter 
verbindende Muskelbrücke durchschneidet, kann man das ganze 
Tier handschuhartig umkrempeln und so die Eingeweide frei- 
legen. Dieses Verfahren (das ich in meinem ersten Versuche 
(Nr. 11, s. u.) angewendet habe) ist jedoch nicht zu empfehlen, 
weil hierdurch die Atmungsmechanik völlig aufgehoben und so 
auch in gut erneuertem Wasser Asphyxie erzeugt wird. Es ist 
zweckmäßiger, zur Seite dieser Muskelbrücke und mehr nach 
der Mantelspitze zu einen Längsschnitt durch den Mantel zu 
führen und in diesem Spalt die Vene aufzusuchen. Hat man 
sie gefunden und freigelegt, was trotz ihrer Größe wegen der 
fast völligen Farblosigkeit des venösen Blutes und der leichten 
Zerreißbarkeit der Venenwandung nicht immer ganz leicht ist, 
so unterbindet man die Vene, worauf sie sogleich stark an- 
schwillt und nun leicht das Einbinden einer Kanüle ermöglicht, 
aus der das Blut unter Druck ausströmt und im Meßrohr über 
Quecksilber aufgefangen wird. War der Verlust an venösem 
Blut kein zu großer, so kann auch von demselben Tier noch 
eine Probe arteriellen Blutes in der gewöhnlichen Weise ent- 
nommen werden. Die Atmungsmechanik geht auch nach Aus- 
führung eines Einschnittes an der ventralen und dorsalen Seite 
in ausreichendem Maße von statten. 

Bereits der Vergleich der Farbe des tief dunkelblauen 
arteriellen und des nur leicht bläulich schimmernden venösen 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 397 


Blutes zeigt, daß hier eine sehr beträchtliche Differenz des 
Sauerstoffgehaltes vorliegen muß. Die Analyse der Blutgase 
lehrt in der Tat, daß das arterielle Blut für den herrschen- 
den Sauerstoffdruck fast völlig gesättigt ist, während 
das venöse fast seinen ganzen Sauerstoff eingebüßt hat. 

Die erste der folgenden drei Tabellen gibt die Resultate 
dreier Versuche, in welchen der Gasgehalt des arteriellen und 
dann des gleichen Blutes nach Sättigung mit Luft bestimmt 
wurde: 


Nummer | 100 Teile arteriellen Blutes |100 Teile desselben Blutes mit 
des enthalten: Luft gesättigt enthalten: 


Versuche] CO, | Os | N | COs | O | M 





* Mittel aus zwei Analysen. 


Wie diese Versuche zeigen, beträgt die Differenz zwischen 
dem Sauerstofigehalt des arteriellen und des luftgesättigten Blutes 
nur 0,2 bis 0,3°/,. 

Die nächste Tabelle gibt den Gasgehalt des venösen Blutes 
in drei Versuchen: 


Nummer 100 Teile venösen Blutes 
des enthalten: 





* Tier umgekrempelt (s.0.) und infolgedessen etwas asphyktisch. 


In zwei Versuchen schließlich wurde bei demselben Tier 
der Gasgehalt des arteriellen und des venösen Blutes bestimmt. 
Leider ist jedoch in dem einen Versuche durch ein Versehen 
die Bestimmung des Sauerstoffs unterblieben, dessen Wert nur 
annäherungsweise aus dem Gesamt-(O--N-) Wert zu ent- 
nehmen ist: 


398 H. Winterstein: 








100 Teile arteriellen Blutes 
enthalten: 


100 Teile venösen Blutes des 
gleichen Tieres enthalten: 


N; 


0,93 0,96 





6,56 0,40 1,09 


Aus der Gesamtheit der angeführten Resultate ergibt sich, 
daß wir dem Hämocyanin in der Tat eine dem Hämoglobin 
der Wirbeltiere entsprechende Funktion eines Transportmittels 
für den Sauerstoff zuschreiben dürfen, wenigstens bei den Octo- 
poden; denn das venöse Blut, das in den Geweben den größten 
Teil seines Sauerstoffs verloren hat, belädt sich in den Kiemen 
aufs neue mit Sauerstoff, den es wieder den Geweben zuführt. 
Die Versuche zeigen zugleich die außerordentliche Vollkommen- 
keit des Atmungsapparates der Octopoden, der bei einem Durch- 
gange des Blutes den Sauerstoffgehalt von einem minimalen 
Wert bis zu der dem umgebenden Sauerstoffdruck fast völlig 
entsprechenden Höhe!) zu treiben vermag. Diese Vollkommen- 
heit tritt auch schon in dem anatomischen Bau des Respira- 
tionsapparates zutage, der an Kompliziertheit kaum von einem 
anderen Wasseratmungsorgan übertroffen wird, und mit seinen 
bis zu Kiemenlamellen 7. Ordnung fortschreitenden Verzwei- 
gungen?) eine respiratorische Oberfläche von ungewöhnlicher 
Größe darstellt, deren Wirksamkeit noch durch eine vortreff- 
liche Atmungsmechanik unterstützt wird. 

Eine weitere bemerkenswerte Tatsache ist der im Vergleich 
zum Säugetierblut auffällig niedrige Kohlensäuregehalt sowohl 
des arteriellen wie des venösen Blutes; auf die Diskussion dieser 
Erscheinung soll erst später im Zusammenhang eingegangen 
werden. 

Was nun nochmals die Angaben von Griffiths anlangt, 
der im arteriellen Blute von Octopus vulgaris 13,28 bis 13,65°/, O, 


1) Die zwischen dem O,-Gehalt des der Arterie entnommenen und 
des mit Luft gesättigten Blutes beobachtete Differenz von 0,2 bis 0,3°/, 
erfährt in Wirklichkeit noch eine Verminderung, da das Seewasser der 
Aquarien nicht ganz vollständig mit Luft gesättigt ist. 

2) Vgl. L. Joubin, Structure et développement de la branchie de 
quelques C&phalopodes. Arch. de Zool. expér., 2. sér., 8, 75, 1885. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 399 


und 30,23 bis 31,29°/, CO, gefunden haben will, so wird ihre 
völlige Haltlosigkeit durch die vorangehenden Versuche aufs 
neue dargetan. Nicht bloß die O,-Werte sind, wie schon er- 
wähnt, um etwa 9°/,, auch die CO,-Werte sind um mehr als 
20°/, zu hoch. Es gibt keine Fehlerquelle, welche solche Diffe- 
renzen erklären, keine Fehlerquelle, welche bei richtigen Stick- 
stoffwerten um das vielfache zu hohe Sauerstoff- und Kohlen- 
säurewerte liefern könnte. So bleibt nur die Schlußfolgerung 
übrig, daß die Angaben von Griffiths jeder tatsächlichen Grund- 
lage entbehren und reine Phantasieprodukte darstellen. Be- 
greiflioherweise nur zögernd habe ich mich zur Annahme eines 
solchen Sachverhaltes entschlossen, der wohl eine selbst auf ver- 
gleichend - physiologischem Gebiete recht ungewöhnliche Er- 
scheinung darstellt; aber jeder weitere Versuch hat nur eine 
Bestätigung dafür gebracht, daß die obige Deutung die einzig 
mögliche ist. 


B. Palinurus vulgaris. 


An der Languste habe ich nur wenige Versuche angestellt. 
Die große Intensität und Schnelligkeit, mit der hier die Ge- 
rinnung des Blutes eintritt, ist bei den Experimenten sehr 
hinderlich. In zwei Versuchen wurde das Sauerstoffbindungs- 
vermögen des luftgesättigten Blutes untersucht; das Blut wurde 
aus einer durchschnittenen Extremität je einer Languste in 
einem Meßgefäß aufgefangen, das zur Verhinderung der Ge- 
rinnung mit 15°/, Kaliumoxalat beschickt war (1 Teil der Lösung 
auf je 10 Teile Blut). Das luftgesättigte Blut zeigte nur einen 
bläulichen Schimmer, ein Beweis, daß der Gehalt an Hämo- 
cyanin nur gering war. Die sehr gut übereinstimmenden Ana- 
lysen der Blutgase ergaben in den beiden Versuchen den fol- 
genden Gasgehalt für 100 Teile Blut: 


Nr. des 
Versuches CO, 0: N; 
18a 6,35 1,48 1,17 
19 6,32 1,43 1,38 





Ein Versuch (18b), bei einem dritten Exemplare den Gas- 
gehalt des Blutes im lebenden Tier zu bestimmen, gelang nur 


unvollständig, weil das direkt aus der durchschnittenen Extre- 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 26 


400 H. Winterstein: 


mität über Quecksilber aufgefangene Blut in der engen Meß- 
röhre trotz des Zusatzes von Kaliumoxalat zum Teil gerann, 
so daß eine genaue Bestimmung der untersuchten Blutmenge 
nicht möglich war. Es wurden beiläufig 3!/, com Blut aus- 
gepumpt, woraus sich der Gasgehalt zu ca. 6°/, CO, und 1°/, O; 
berechnete. 


C. Maja squinado. 


Das Blut von Maja zeigt auch nach Luftsättigung nur 
einen schwach bläulichen Schimmer; der sehr geringe Gehalt 
an Hämocyanin wird noch verdeckt durch die Anwesenheit eines 
zweiten (nicht respiratorischen) Pigments, des sogenannten 
„Tetronerythrins‘, das dem ziemlich farblos ausfließenden Blut 
beim Stehen an der Luft einen rötlich-orangenen Farbenton ver- 
leiht. Zur Entnahme des Blutes!) pflegt man sich einer Ex- 
tremität zu bedienen, deren letztes Glied man durchschneidet. 
Hat man genügende Blutmengen erhalten oder hat der Blut- 
ausfluß aufgehört, so veranlaßt man durch einen weiteren, durch 
das zweite Glied geführten Schnitt die Autotomie dieser Ex- 
tremität, wodurch das Tier vor dem Verbluten geschützt wird. 
Ich habe jedoch gefunden, daß es ein viel bequemeres Ver- 
fahren ist, das Blut direkt aus dem Perikardialsinus zu ent- 
nehmen. Die Umgrenzung des letzteren ist am Rückenpanzer 
durch eine seichte Iyraförmige Furche ausgeprägt. Innerhalb 
dieser bohrt man mit einem spitzen Instrument eine Öffnung, 
gerade so groß, daß sie die Einführung der Glaskanüle gestattet, 
und aspiriertt dann das Blut, das durch Heberwirkung oder 
durch Ansaugen mit Quecksilber sehr rasch in großen Mengen 
gewonnen werden kann. Nach beendigter Blutentnahme wird 
die Öffnung durch etwas Wachs wieder verschlossen; eine 
Schädigung des Tieres ist hiermit in keiner Weise verbunden. 


Die Untersuchung des direkt aus dem Perikardialsinus über 
Quecksilber aufgefangenen Blutes, das im folgenden als ‚Peri- 
kardblut‘‘ bezeichnet wird, und des gleichfalls aus dem Peri- 
kardialsinus oder aus einer Extremität aufgefangenen mit Luft 
gesättigten Blutes des gleichen Tieres ergab die folgenden Re- 
sultate: 


1) Das Blut von Maja gerinnt nicht. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 401 








Nummer 100 Teile Perikardblut |100 Teile luftgesättigten Blutes 
des enthalten: desselben Tieres enthalten: 


| N | CO | Os | N 


















10° 24,20 113 0,60 

b 24,19 1,10 1,17 
13 0,44 121 | 18,02 0,95 1,12 
20 13,68 | 0,76* | 1,76* | 10,83 0,91 1.47 
21 26,57 | 052 | 1,53 | 27,20°* | 0,84 1,43 


* Durch Eindringen eines Luftbläschens etwas zu hoch. 

** Die Probe ist zu einer Zeit entnommen, in der der CO,-Gehalt 
des Blutes angestiegen war (s. u.). 

Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß das Sauer- 
stoffbindungsvermögen des Majablutes ein sehr geringes ist, 
1?/, bis höchstens 2mal so groß als das des Seewassers. Auch 
dieser Sättigungsgrad aber wird normalerweise offenbar nicht 
erreicht, wie die Untersuchung des Sauerstoffgehaltes des Peri- 
kardblutes lehrt, das wir mit als das bestarterialisierte des 
Körpers auffassen dürfen, weil die aus den Kiemen kommenden 
Venen im Perikardialsinus zusammenfließen. 

Es ist bekannt, daß viele Decapoden recht lange den Auf- 
enthalt im Trockenen ertragen können; auch bei Maja ist dies 
der Fall. Es schien mir von Interesse, die Veränderungen des 
Gasgehaltes während eines fortgesetzten Landaufenthaltes zu 
untersuchen. Zu diesem Zwecke wurde die Maja des Ver- 
suches 21, deren Perikardblut bei gewöhnlicher Wasseratmung 
einen O,-Gehalt von 0,52°/, und einen CO,-Gehalt von 26,57°/, 
gezeigt hatte, in ein Gefäß gebracht, dessen Boden nur leicht 
mit Wasser überdeckt war, so daß das Tier, vor Vertrocknung 
geschützt, sich doch völlig außerhalb des Wassers befand und 
lediglich auf Luftatmung angewiesen war. Die Untersuchung 
des Gasgehaltes des Perikardblutes nach 2stündigem Land- 
aufenthalt ergab einen O,-Gehalt von 0,37°/, und einen CO,- 
Gehalt von 31,09°/, und nach weiteren 6 Stunden einen 0,- 
Gehalt von 0,31°/, und einen CO,-Gehalt von 33,15°/,. (Der 
N,-Gehalt zeigte keine nennenswerte Veränderung: 1,53, 1,42, 
1,38°/,..) Bei der letzten Blutentnahme war das Tier bereits 
sehr matt, und 1?/, Stunden später (9!/, Stunden nach Beginn 
des Landaufenthaltes) war es völlig reaktionslos und wurde ins 


Wasser zurückgebracht, wo im Verlaufe weniger Minuten eine 
26* 


402 H. Winterstein: 


deutliche Erholung eintrat; am nächsten Morgen war das Tier 
jedoch tot. 

Aus den gewonnenen Daten ergibt sich, daß der Sauerstoff- 
gehalt des Blutes nach Verlauf von 2 Stunden etwas abgesunken 
war, während der folgenden Zeit aber sich auf dem allerdings 
niedrigeren Niveau konstant erhielt. Der Kohlensäuregehalt 
hingegen zeigte innerhalb der ersten 2 Stunden einen mächtigen 
Anstieg, der, wenn auch in stark vermindertem Maße, in der 
Folge noch zunahm. Aus diesem Verhalten scheint hervorzu- 
gehen, daß die Luftatmung nicht so sehr für die O,-Aufnahme, 
als für die CO,-Ausscheidung sich unzureichend erweist, welch 
letztere im Wasser offenbar viel vollkommener vor sich geht, 
eine Erscheinung, auf deren Deutung wir später noch zurück- 
kommen werden. 

Für das Sauerstoffbindungsvermögen des Crustaoeenblutes 
haben, wie schon erwähnt, Jolyet und Regnard, allerdings 
an anderen Tierarten, nicht unbeträchtlich höhere Werte ge- 
funden. Bei der großen Verschiedenheit, die der Eiweiß- und 
speziell auch der Hämocyaningehalt des Blutes der einzelnen 
Crustaceen anscheinend aufweist, ist kein Grund vorhanden, an 
der annähernden Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, wenn 
auch die zum Teil viel zu hohen Stiokstoffwerte (bis 2,7°/,) auf 
eine unzureichende Genauigkeit der verwendeten Methodik hin- 
zuweisen scheinen. Bezüglich der Angaben von Griffiths (der 
z. B. bei Palinurus einen O,-Gehalt von über 14°/, gefunden 
haben will) sei auf das oben Gesagte verwiesen, desgleichen be- 
züglich der zahlreichen auf titrimetrischem Wege gewonnenen 
Angaben der französischen Autoren. 

Auffallend erscheint die (bei Maja beobachtete) große Un- 
regelmäßigkeit des Kohlensäuregehaltes; schon Jolyet und 
Regnard, die im Crustaceenblute mitunter einen ungeheueren Ge- 
halt an gebundener Kohlensäure beobachteten (bis zu 280 Vol.-°/,!), 
haben auf ihn hingewiesen und ihn mit der Ablagerung von 
kohlensaurem Kalk in Zusammenhang gebracht. 


2. Hämoglobinhaltiges Blut. 


Neben dem Hämocyanin ist bei den Wirbellosen das Hämo- 
globin der am weitesten verbreitete respirstorische Farbstoff, 
besonders bei den Anneliden und Lamellibranchiern. Über den 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 403 


Gasgehalt hämoglobinhaltigen Blutes wirbelloser Tiere liegen 
nur Angaben von Griffiths?) vor, der bei verschiedenen Wür- 
mern einen mittleren O,-Gehalt von 12 bis 13°/, (und CO,-Ge- 
halt von 28 bis 30°/,) gefunden haben will, sowie eine Angabe 
von Dhör6*), nach welcher das Blut von Planorbis 2°/, O, zu 
binden vermag. Die Irrealität der Griffithsschen Analysen 
folgt mit großer Wahrscheinlichkeit schon aus der Betrachtung 
der Tiere, an deren Blut sie angestellt sein sollen. Denn bei 
der Kleinheit der Verhältnisse ist es begreiflicherweise sehr 
schwierig, die zur Ausführung einer Analyse erforderlichen Blut- 
mengen zu gewinnen. Unter den Anneliden scheinen am ehesten 
die Glyceriden hierzu geeignet, bei denen die hämoglobinhaltige 
Blutkörperchen führende Leibeshöhlenflüssigkeit die Rolle des 
Blutes übernommen hat, das eines Gefäßsystemes hier völlig 
entbehrt. Ich habe mich daher bei den Anneliden auf Glyoera 
siphonostoma beschränkt und in zwei Versuchen die Leibes- 
höhlenflüssigkeit von je 12 Exemplaren untersucht, die durch 
wiederholtes Einstechen einer in eine Capillare ausgezogenen 
Glaskanüle gewonnen wurde. Da die Blutkörperchen jedoch 
oft schon im lebenden Tier zu Klumpen vereinigt erscheinen 
und in noch stärkerem Maße außerhalb des Körpers solche 
bilden, so ist sowohl bei der Entnahme wie bei der Über- 
führung des Blutes in die Pumpe eine ganz ungleiche Verteilung 
des Blutfarbstoffes nicht zu vermeiden, wodurch die Messung 
natürlich sehr an Genauigkeit einbüßt, die auch durch die ge- 
ringen Flüssigkeitsmengen, die für die Auspumpung zur Ver- 
fügung standen (1,2 bzw. 1,5 ccm), ungünstig beeinflußt wurde. 
Die gewonnenen Zahlen können daher nur über die Größen- 
ordnung des Sauerstoffbindungsvermögens der mit Luft gesättigten 
Cölomflüssigkeit orientieren, deren Hämoglobingehalt übrigens — 
der verschiedenen Farbe der Tiere nach zu schließen — bei 
den einzelnen Individuen sehr verschieden zu sein scheint. 


Der Gasgehalt ergab sich für 100 Teile Leibeshöhlenflüssig- 
keit wie folgt: 


1) Griffiths, a. a. O. 19, 116. 
2) Dhéré, zitiert nach F. Müller, Die respiratorischen Farb- 
stoffe. Handb. d. Biochemie 1, 681, 1909. 


404 H. Winterstein: 


| | | Pi 
Versuches Co, 03 N3 
5,02 








Darnach beträgt das Sauerstoffbindungsvermögen bei Glycera 
etwa 2!/, bis 3°/, (nach Griffiths 12,87°/,!). 

Von Lemellibranchiern habe ich Cardita sulcata und 
Pectunculus violaceus untersucht. Das Blut wurde nach 
gewaltsamer Eröffnung der Schale durch Zerstörung der Kiemen- 
lamellen gewonnen. Hierbei ist jedoch eine Verunreinigung mit 
dem diesen anhaftenden Seewasser nicht zu vermeiden; so kam 
es, daB der Sauerstoffgehalt um so größer gefunden wurde, je 
weniger Exemplare zu einem Versuche verwendet wurden; alle 
Werte sind demgemäß als etwas zu niedrig zu betrachten. 
Das Hämoglobin ist hier im Plasma gelöst. Der Gasgehalt er- 
gab sich für 100 Teile luftgesättigten Blutes wie folgt: 


Nr. d f 
Versuches Versuchstiere . CO, Oz | N; 








4,80 0,94 0,84 
4,38 1,12 0,92 
37 3 Pectunculus 7,71 0,71 1,25 
38 2 j 7,27 0,92 1,13 
41 1 j 7,57 1,12 1,06 


Das Sauerstoffbindungsvermögen des untersuchten La- 
mellibranchierblutes beträgt demnach (unter Berücksichtigung 
der Verdünnung mit Seewasser) zwischen 1 und 2°/,. Dieser 
Wert erscheint ebenso wie der etwas größere des Glycerablutes 
für eine hämoglobinhaltige Flüssigkeit sehr gering. Es wäre von 
Interesse, die auf Eisen bezogene Sauerstofikapazität des Hämo- 
globins der Wirbellosen mit der der Wirbeltiere zu vergleichen. 
Die so geringe Größe des Sauerstoffbindungsvermögens in den obi- 
gen Versuchen ist jedoch zweifellos der Hauptsache nach durch den 
geringen Gehalt an Hämoglobin bedingt, denn das Blut von 
Cardita wie von Pectunculus erscheint als eine ganz dünne 
Hämoglobinlösung, so daß es ohne weitere Verdünnung zur 
spektroskopischen Untersuchung verwendet werden kann. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 405 


3. Hämerythrinhaltiges Blut. 


Der von Krukenberg!) als Hämerythrin bezeichnete 
respiratorische Farbstoff ist von Schwalbe?) bei Phascolosoma 
entdeckt und von Krukenberg?!) an Sipunculus nudus genauer 
untersucht worden. Neuerdings will ihn Benham?) auch bei 
einem zu den Anneliden gehörigen Wurm, Magelona, gefunden 
haben. Über das Sauerstoffbindungsvermögen hämerythrin- 
haltiger Körperflüssigkeiten liegt wieder nur eine Angabe von 
Griffiths*) vor, der in 100 Teilen Sipunculusblut 12,31°/, 
Sauerstoff (und 28,29°/, Kohlensäure) gefunden haben will, eine 
Zahl, die, wie wir gleich sehen werden, ebensowenig der Wirk- 
lichkeit entspricht wie alle übrigen. 

Bei Sipunculus nudus, an dem auch die folgenden Unter- 
suchungen angestellt sind, findet sich das Hämerythrin gebunden 
an geformte Elemente, die in großer Zahl in der Leibeshöhlen- 
flüssigkeit suspendiert sind. Um diese zu gewinnen, braucht 
man nur den Hautmuskelschlauch des sorgfältig abgetrockneten 
Tieres an einer Stelle aufzuschneiden, wobei man sich jedoch 
vor einer Verletzung des sogleich vorspringenden überaus zarten 
Darmes zu hüten hat. Unter dem Einfluß der heftigen Kon- 
traktionen des Hautmuskelschlauches spritzt die Leibeshöhlen- 
flüssigkeit zuerst mit großer Gewalt hervor. Beim Ausfließen 
meist rosa gefärbt, nimmt sie unter dem Einfluß des Sauer- 
stoffs der Luft alsbald eine braunrote Färbung an. Zentrifu- 
giert man diese Flüssigkeit, so setzen sich die verschiedenen 
geformten Bestandteile in mehreren Schichten ab, und es bleibt 
ein völlig klares, farbloses Plasma übrig, dessen Sauerstoffbindungs- 
vermögen das des Seewassers nicht übersteigt. Der Gasgehalt 
der mit Luft gesättigten Leibeshöhlenflüssigkeit von je einem, 
im dritten Versuche von zwei Exemplaren ergab sich für 

100 Teile wie folgt: 


1) I. Krukenberg, Vergl.-physiol. Beiträge zur Kenntnis d. Respi- 
rationsvorgänge bei wirbellosen Tieren. Vergl.-physiol. Studien, 1. Reihe, 
3. Abteil, S. 82, 1880. 

2) G. Schwalbe, Kleinere Mitteilungen zur Histologie wirbelloser 
Tiere. Arch. f. mikrosk. Anat. 5, 248, 1869. 

3) W. B. Benham, The blood of Magelona, Quart. Journ. of mi- 
croso. Science, 39, 1, 1896/7. 

4) Griffiths, a. a. O., 19, 116. 


406 H. Winterstein: 


ne | CO, | O; | N, | Bemerkungen 


1 Tag im Aquarium 
” ”„ „ 
längere Zeit im Aquarium 





Die Analyse des abzentrifugierten Plasmas der Leibeshöhlen- 
flüssigkeit von Versuch 26 ergab nach Luftsättigung: CO, : 15,06°/,, 
0,:0,47°/, Na: 1,41°/,. 

Das Sauerstoffbindungsvermögen der mit Luft gesättigten 
hämerythrinhaltigen Leibeshöhlenflüssigkeit beträgt also im 
Mittel etwa 2°/,. 

Es ist mir nicht gelungen, den Gasgehalt der Leibeshöhlen- 
flüssigkeit des lebenden Tieres unter normalen Bedingungen 
zu untersuchen. Ein jeder Eingriff ruft eine so gewaltsame 
Kontraktion des Hautmuskelschlauches hervor, daß jede Kanüle 
durch die vordringenden Eingeweide verstopft wird. Ich habe 
daher nur eine Analyse der Leibeshöhlenflüssigkeit von drei 
Exemplaren ausgeführt, die durch Zusatz von etwas absolutem 
Alkohol zum Seewasser (im Verhältnis von etwa 1:10) schwach 
narkotisiertt worden waren. Die Entnahme der Leibeshöhlen- 
flüssigkeit erfolgte durch eiue Pipette, deren Spitze durch einen 
Einschnitt im hinteren Körperende eingeführt wurde; völliger 
LuftabschlußB war auch hier nicht vorhanden, so daß der er- 
haltene Sauerstoffwert noch etwas zu hoch sein kann. Die 
Analyse der aus diesen Leibeshöhlenflüssigkeiten gewonnenen 
Gase ergab: 

C0,:17,80°/, 0,:0,53°/, N,:1,11°/, 

Die Untersuchung der gleichen Flüssigkeit nach Luft- 
sättigung ergab: 

CO,:13,97°/, 0,:176%,  N2:1,06°%, 

Die Leibeshöhlenflüssigkeit ist also, soweit dieser Versuch 
einen Schluß zuläßt, nur zum Teil mit Sauerstoff gesättigt; es 
ist jedoch zu berücksichtigen, daß die aus der Leibeshöhle ge- 
wonnene Flüssigkeit ein Gemisch von arterialisiertem und venös 
gewordenem Blute darstellt, da gesonderte Blutbahnen (abge- 
sehen von dem unbeträchtlichen Gefäßsystem der Tentakel) 
hier nicht existieren. Auffällig ist die beträchtliche Differenz 
des Kohlensäuregehaltes der verschiedenen Cölomflüssigkeiten, 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 407 


die mit dem Aufenthalt der Tiere in Zusammenhang zu stehen 
scheint, da die beiden frisch gefangenen Exemplare (Vers. 22 
und 23) einen sehr geringen, die anderen, längere Zeit in Gefangen- 
schaft gehaltenen, einen viel beträchtlicheren CO,-Gehalt aufwiesen. 


4. Verschiedene Körperflüssigkeiten, welche angeblich 
respiratorische Proteide enthalten. 


a) Chlorocruorin. 


Der grüne Farbstoff des Blutes mancher Anneliden ist von 
Lankester!) genauer untersucht worden. Er fand, daß er in 
zwei Modifikationen, einer oxydierten und einer reduzierten, 
existiert, die durch charakteristische Spektren ausgezeichnet 
sind und in ihrem spektroskopischen Verhalten eine Verwandt- 
schaft mit dem Hämoglobin zeigen. Er schrieb diesem als 
Chlorocruorin bezeichneten Farbstoff auch eine dem Hämoglobin 
entsprechende Funktion zu, eine Anschauung, deren Berechti- 
gung von Krukenberg?) bezweifelt wurde. Griffiths?), der 
den Farbstoff gleichfalls als respiratorischen betrachtete, be- 
hauptete, im Blute von Sabella und Serpula etwas über 12°/, 
Sauerstoff gefunden zu haben. Ich war nicht so glücklich wie 
Griffiths, der aus diesen kleinen Würmern eine zur Gasanalyse 
ausreichende Blutmenge gewonnen haben will; ich konnte bei 
Verwendung der großen Spirographis durch Abschneiden der 
Kopfkiemen (ein von Krukenberg‘) zur Gewinnung reinen 
Blutes empfohlenes Verfahren) von 11 Exemplaren nur wenig 
über ?/, com Blut gewinnen und habe daher auf eine Analyse 
verzichten müssen. 

b) Echinochrom. 


Mac Munn’) hat in der Perivisceralflüssigkeit verschie- 
dener Echinodermen (Sphaerechinus, Stongylocentrotus u. &.) 


1) E. Ray Lankester, Abstract of a report on the speotroscopic 
examination of certain animal substances. Journ; of Anat. and Physiol. 
4, 119, 1869. 

2?) I. Krukenberg, Zur vergl. Physiol. d. Lymphe, d. Hydro- und 
Hämolymphe. Vergl. physiol. Studien, 2. Reihe, 1. Abt., S. 87, 1882. 

3) Griffiths, a a O. 

4) Krukenberg, Vergl.-physiol. Beitr. z. Kenntnis d. Respirations- 
vorgänge usw. Vergl.-physiol Studien, 1. Reibe, 3. Abt., 8. 79, 1880. 

6) C. A. Mac Munn, On the chromatology of the blood of some 
invertebrates. Quart. Journ. of microsc. science 25, 469, 1885. 


408 H. Winterstein: 


einen Farbstoff beschrieben, der den geformten Bestandteilen 
anhaftet, die sich außerhalb des Körpers zu fädigen Gebilden 
agzlutinieren (sogenannte „Gerinnung“), und beim Stehen an 
der Luft eine dunkle rötlich-braune Farbe annehmen. In dieser 
oxydierten Form zeigt der extrahierte Farbstoff ein charakte- 
ristisches Spektrum. Mac Munn hat diesen Farbstoff, mit 
dem auch die von anderen Autoren bei verschiedenen Echino- 
dermen zum Teil als Hämoglobin beschriebenen Pigmente 
identisch zu sein scheinen, als Echinochrom bezeichnet und ihm 
eine respiratorische Funktion im Sinne des Hämogzlobins zu- 
geschrieben, eine Ansicht, der auch Griffiths!) beigepflichtet 
hat. Um ihre Berechtigung zu prüfen, habe ich einige Analysen 
der mit Luft gesättigten Perivisceralflüssigkeit von Sphaerechinus 
granularis und Strongylocentrotus lividus ausgeführt; der Gas- 
gehalt ergab sich für 100 Teile wie folgt: 


— — 


O Ne. d s u mm | o|o | m 
Versu — Tierart | CO, Oz N, 





7,34 0,63 1,16 
Sii 1 Sphaerechinus 7,18 0,53 1,08 
28 1 Strongylocentrotus 9,48 0,52 1,06 
29 2 „ 7,42 0,57 1,01 


Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß das Sauer- 
stoffbindungsvermögen nicht größer ist als das des Seewassers, 
und daß somit die Annahme einer respiratorischen Bedeutung 
der Perivisceralflüssigkeit jeder Begründung entbehrt. 


c) „Pinnaglobin“ und „Achroglobine“. 


Aus dem Blute von Pinna squamosa will Griffiths?) ein 
manganhaltiges, von ihm als Pinnaglobin bezeichnetes Proteid 
dargestellt haben, von welchem 100 g 162 ccm Sauerstoff sollen 
binden können. Eine Reihe anderer farbloser Proteide, „Achro- 
globine“, will Griffiths?) ferner aus dem Blute verschiedener 
Mollusken (darunter Patella) und Tunicaten (darunter Ascidia 


1) Griffiths, Sur l’&chinochrome, un pigment respiratoire. Compt. 
rend. de l’Acad. 115, 419, 1892. 

2) Griffiths, Sur la composition de la pinnaglobine, une nouvelle 
globuline: Oompt. rend. de l’Acad. 114, 840, 1892. 

3) Griffiths, s. Compt. rend de l’Acad. 115, 259, 474, 738, 1892; 
116, 1206, 1893. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 409 


mammillata) dargestellt haben. Sie alle sollen die wunderbare 
Fähigkeit besitzen, Sauerstoff zum Teil in noch höherem Maße 
binden zu können als das Hämoglobin (120 bis 150 ccm pro 
100 g), manche nebenbei auch noch große Mengen von Kohlen- 
säure (z. B. das Achroglobin von Patella 315 ccm pro 100 g!). 
Da das Vorhandensein dieser respiratorischen Proteide 
naturgemäß such in dem Gasgehalt der betreffenden Körper- 
flüssigkeiten zum Ausdruck kommen müßte, so habe ich diesen 
bei einigen der von Griffiths erwähnten Tierarten untersucht, 
und zwar bei Pinna (nobilis), Ascidia mammillata und Patella 
(coerulea). Das Blut der großen Steckmuscheln ist leicht zu 
gewinnen; man braucht nur das Tier nach teilweiser Eröffnung 
der Schale gewaltsam herauszuziehen, und erhält durch Zer- 
reißung der zarten Herzwand eine ansehnliche Menge des 
braunroten Blutes. Nach vorsichtiger Eröffnung der Schale 
von der Rückseite kann man das Blut auch direkt aus dem 
Herzen oder dem von ihm abgehenden großen Gefäß entnehmen. 
— Bei Ascidia mammillata soll man nach Harless!) durch 
einfaches Einschneiden in den dicken Mantel Blut erhalten. 
Ich habe dies nie vermocht; erst wenn man an der der Ex- 
spirationsöffnung gegenüberliegenden Seite nahe der Basis den 
Mantel vollkommen durchschneidet, fließt eine größere Menge 
Flüssigkeit aus, die reich ist an geformten Bestandteilen, die 
nach mehrstündigem Stehen eine blauschwarze Färbung an- 
nehmen (die Angabe von Harless, daß Einleiten von Kohlen- 
säure Blaufärbung hervorruft, eine Beobachtung, die auch 
Krukenberg?) gemacht haben will, konnte ich daraus nicht 
bestätigen). — Die Gewinnung des Blutes von Patella ist müh- 
sam; man erhält einige Tröpfehen durch mehrfaches Durch- 
schneiden des zirkulären, die kranzförmigen Kiemen begleiten- 
den Gefäßes.?) — Die Analyse dieser. mit Luft gesättigten 
Flüssigkeiten ergab für 100 Teile den folgenden Gasgehalt: 


1) Harless, Über das blaue Blut einiger wirbelloser Tiere und 
dessen Kupfergehalt. Müllers Archiv, 1847, 148. 

2) Krukenberg, Vergl.-physiol. Beitr. z. Kenntnis d. Respirations- 
vorgänge usw. Vergl.-physiol. Studien, 1: Reihe, 3. Abt., S. 100, 1580. 

3) Die Gewinnung des Blutes von Patella gibt ein drastisches Bei- 
spiel für die Glaubwürdigkeit der Griffithsschen Angaben: von 
36 Exemplaren habe ich im Verlaufe von mehr als 1 Stunde 7'/ ocm 


410 H. Winterstein: 











— Tierart CO, O, N, 
35 1 Asoidia 024 | 0,8 1,33 
36 L ; 0,29 0,48 1,04 
40 2 Pinna 512 | 0,57 0,90 
39 36 Patella 12,57 | 0,88 1,11 


Diese Zusammenstellung zeigt, daß in keinem einzigen 
Falle der Sauerstoffgehalt der untersuchten Flüssigkeiten ein 
derartiger war, daß er die Annahme einer besonderen chemischen 
Bindung erfordern würde. *) Selbst wenn also wirklich irgendwelche 
„Achroglobine‘“‘ von Griffiths existieren sollten (was man wohl 
als höchst unwahrscheinlich betrachten darf), könnten sie bei 
dem Transport des Sauerstoffis und der Kohlensäure keine Rolle 
spielen. (Erwähnt sei, daß auch Griffiths?) den Gasgehalt 
des Blutes von Patella untersucht und 12 bis 13°/, O, und 
31 bis 32°/, CO, gefunden haben will.) 

Sehr auffällig ist der außerordentlich niedrige Kohlensäure- 
gehalt der Ascidienflüssigkeit, doch bin ich leider nicht in der 
Lage gewesen, seiner Ursache nachzugehen. 


Zusammenfassung und Schlußbetrachtungen, 


Fassen wir die in den vorangehenden Untersuchungen ge- 
wonnenen Resultate zusammen, die natürlich nur Fragmente 
eines großen, mit exakten Methoden bisher kaum behandelten 
Arbeitsgebietes darstellen, so ergibt sich das folgende: 

Die Fähigkeit, Sauerstoff in lockerer Bindung zu fixieren, 
wurde für die Hämocyanin, Hämoglobin und Hämerythrin ent- 
haltenden Körperflüssigkeiten wirbelloser Seetiere festgestellt. 


Blut gewinnen können; Welche ungeheure Materialmassen hätte Griffiths 
wohl verarbeiten und welche Zeit allein für die Gewinnung des Blutes 
verwenden müssen, um aus dieser sicher sehr eiweißarmen Flüssigkeit 
sein „Achroglobin‘“ darstellen zu können (für das er — ebenso wie für 
alle anderen respiratorischen Proteide — natürlich auch die empirische 
Formel aufgestellt hat). 

1) Der Sauerstoffgehalt bei Patella erscheint allerdings ein wenig 
höher als dem Absorptionsvermögen von Seewasser bei mittlerer Tem- 
peratur entsprechen würde, doch fällt die geringe Differenz (ca. 0,1°/,) 
bei der minimalen Gesamtmenge des Sauerstoffis (33,5 cmm! s. Anhang) 
in das Bereich der Fehlergrenzen. 

2) Griffiths, a a. O. Proc. Roy. Soo. Edinborough, 19, 116. 





Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 411 


Für das chlorocruorinhaltige Blut konnte die Frage nicht ent 
schieden werden; für das Vorhandensein sonstiger respiratorischer 
Proteide haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Das 
Sauerstoffbindungsvermögen des luftgesättigten hämocyanin- 
haltigen Blutes ergab sich bei Octopus zu 4,2 bis 5,0°/,, bei 
Palinurus zu rund 1!/,°/,, bei Maja zu ca. 1°/,; das des hämo- 
globinhaltigen Blutes bei Glycera zu etwa 2'/, bis 3°/,, bei 
Cardita und Pectunculus zu etwa 1 bis 2°/,; das der hämery- 
thrinhaltigen Leibeshöhlenflüssigkeit von Sipunculus zu rund 2°/,. 
Das Sauerstoffbindungsvermögen der übrigen untersuchten 
tierischen Flüssigkeiten (von Sphaerechinus, Strongylocentrotus, 
Ascidia, Pinna, Patella) erscheint durch physikalische Absorption 
erklärbar; das gleiche gilt für den Stickstoffgehalt in sämt- 
lichen Versuchen. 

Der direkte Nachweis einer der Rolle des Hämoglobins der 
höheren Tiere entsprechenden Funktion konnte nur für das 
hämocyaninhaltige Blut von Octopus erbracht werden. Hierbei 
ergab sich zugleich die hohe Vollkommenheit seines Atmungs- 
apparates, der das seines Sauerstoffs zum größten Teile beraubte 
Blut bis zu der dem herrschenden Druck entsprechenden Höhe 
mit Sauerstoff sättigt. In den übrigen Fällen, in denen aller- 
dings eine Sonderung des arteriellen und venösen Blutes nicht 
so scharf (Maja), oder gar nicht (Sipunculus) möglich ist, zeigte 
das direkt aus dem lebenden Tier entnommene Blut nur einen 
recht geringen Sauerstofigehalt. 

Die Frage nach der Ursache der scheinbar ganz regellosen 
Zerstreuung der respiratorischen Farbstoffe bei den Wirbellosen 
ist besonders bezüglich des Vorkommens des Hämoglobins 
mehrfach aufgeworfen worden. Lankester!), Cu&enot?) und 
andere haben versucht, ein besonderes Sauerstoffbedürfnis oder 
besonders ungünstige Bedingungen der Sauerstoffversorgung zur 
Erklärung heranzuziehen. Allein in vielen Fällen erscheint dies 
gewaltsam und wenig befriedigend, und eine konsequente Durch- 
führung dieses Erklärungsversuches begegnet sehr großen 
Schwierigkeiten. Sie werden erhöht durch die Feststellung, 
daß das Sauerstoffbindungsvermögen des Blutes wirbelloser 


1) E. Ray Lankester; A contribution to the knowledge of haemo- 
giobin. Proo. Roy. Soc. of London 21, 70, 1872/73. 
2) L. Cuönot, a. a. O. 


412 H. Winterstein: 


Tiere auch bei Anwesenheit respiratorischer Farbstoffe meist 
ein recht geringes ist, so daß man sich fragen muß, ob diese 
geringfügige Vermehrung der im Körper zirkulierenden Sauer- 
stoffmenge überhaupt von nennenswerter Bedeutung sein kann. 
Es wäre vielleicht auch die Möglichkeit zu erwägen, ob diese 
sozusagen rein mechanische Funktion der Sauerstoffspeicherung 
und des Sauerstofftransportes wirklich die einzige oder die 
wesentlichste Aufgabe dieser respiratorischen Farbstoffe darstellt, 
oder ob sie vielleicht noch in anderer Weise an den im Orga- 
nismus ablaufenden Prozessen Anteil nehmen. Doch scheint 
es müßig, diese Frage weiter zu erörtern, solange jede experi- 
mentelle Grundlage zu ihrer Beantwortung fehlt. 

Eine bemerkenswerte Tatsache, die sich aus den voran- 
gehenden Untersuchungen ergibt, ist die, daß der Kohlensäure- 
gehalt des Blutes der Wirbellosen im Vergleich zu dem der 
Säugetiere meist ein außerordentlich geringer ist.!) Zwei 
Momente dürften für die Erklärung dieser Erscheinung in Be- 
tracht kommen. Das eine ist die relativ geringe Größe des 
Gaswechsels, die ebenso wie sie an die Sauerstoffkapazität des 
Blutes nur geringe Anforderungen stellt, auch nur ein geringes 
Kohlensäurebindungsvermögen erfordert, weil eben nur kleine 
Kohlensäuremengen zu transportieren sind. Ein zweites Moment 
aber dürfte in den besonders günstigen Bedingungen liegen, die 
bei den Seetieren für die Ausscheidung der Kohlensäure gegeben 
sind. Der unvollkommene Wechsel der Atmungsluft bedingt 
bei den Luftatmern das Vorhandensein eines nicht unbeträcht- 
lichen Kohlensäuredrucks in der Atemhöhle, gegen welchen die 
Ausscheidung der Kohlensäure erfolgen muß. Bei den Wasser- 
tieren sind die Bedingungen für den Wechsel des respiratorischen 
Mediums in vielen Fällen günstiger, da die Atmungsorgane oft 
frei im Wasser flottieren, für dessen immerwährende Erneuerung 
endweder durch die Bewegungen der Atmungsorgane oder 
wenigstens durch einen Wimperstrom Sorge getragen wird, und 
da auch dort, wo eine Atemhöhle vorhanden ist, Ein- und Aus- 
atmungsöffnung meist gesondert sind, wodurch die Entstehung 


1) So kommt es, daß die Angaben von Griffiths, die offenbar in 
einer gewissen Analogie zu dem Verhalten des Säugetierblutes erfunden 
wurden, sich in den Koblensäurewerten oft noch weiter von der Wirklich- 
keit entfernen als in den Sauerstoffwerten. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 413 


eines schädlichen Raumes verhindert wird. Der Hauptgrund 
für die Erleichterung der Kohlensäureabgabe aber ist physi- 
kalischer und chemischer Natur. Einmal liegt er in der großen 
Löslichkeit der Kohlensäure, welche bedingt, daß auch in reinem 
Wasser durch die Aufnahme relativ großer Kohlensäuremengen 
nur eine unbeträchtliche Erhöhung des Kohlensäuredruckes her- 
beigeführt wird,') dann aber besonders in dem Umstande, daß 
das Seewasser die abgegebene Kohlensäure als Bicarbonat zu 
binden und so ihre Wirkung fast völlig zu beseitigen vermag. 
Diese in ihrer Bedeutung bisher kaum genügend gewürdigte 
Tatsache muß eine außerordentliche Erleichterung der Kohlen- 
säureausscheidung bedingen, die vielleicht zur Erklärung von 
mancherlei Erscheinungen herangezogen werden kann.?) Auch 


1) Vgl. hierüber H. Winterstein, Beiträge zur Kenntnis der 
Fischatmung. Pflügers Archiv, 125, 73, 1908. 

2) So hat z. B. Bethe (Die Bedeutung der Elektrolyten für die 
rhythmischen Bewegungen der Medusen, 1. Teil. Pflügers Archiv 124, 
541, 1908) kürzlich die Beobachtung mitgeteilt, daß künstliches Seewasser 
die rhythmische Tätigkeit von Rhizostoma nur dann ebensogut zu er- 
halten vermag wie natürliches, wenn es mit CaCO, gesättigt wurde. 
Dieser Effekt war durch andere Ca-Salze nicht zu erzielen und mußte 
daher „auf die Wirkung der undissoziierten CaCO,-Moleküle bezogen 
werden“. Diese auf den ersten Blick sehr befremdliche Beobachtung ist 
auf Grund der obigen Erörterungen vielleicht in einfacher Weise durch 
den Umstand erklärbar, daß nur bei Anwesenheit von CaCO,, nicht aber 
der eines anderen Ca-Salzes eine Bindung der von den Tieren ausge- 
schiedenen CO, als Bicarbonat möglich ist, und daß es beim Ausbleiben 
dieser Bindung viel rascher zu einer schädlichen Ansammlung der lähmend 
wirkenden CO, kommt. Gegen diese Deutnng spricht allerdings die An- 
gabe, daß die gleiche Wirkung durch Zusatz von Na,CO, nicht erzielbar 
war, doch fragt es sich, inwieweit dabei die normalen Alkalinitätsverhält- 
nisse gewahrt blieben. 

Merkwürdigerweise hat Bethe geglaubt, daß im Seewasser nur 
neutrales Carbonat vorhanden sei; denn in einer Anmerkung auf Seite 537 
(a. a. O.) schreibt er: „Winterstein (Zeitschr. f. allg. Physiol. 5, 329, 
1905) und andere geben wohl unter der Annahme, daß der kohlensaure 
Kalk wie im Süßwasser als Bicarbonat gelöst sei, an, daß man Seewasser 
zur Befreiung von Gasen nicht kochen dürfe, weil es sonst an Kalk 
verarme. Tatsächlich fällt beim Kochen niemals Kalk aus.“ Die An- 
nahme, daß im Seewasser Calcium-Bicarbonat vornanden sei, ist bisher 
wohl von niemandem bezweifelt worden, weil sie sich aus hier nicht 
näher zu erörternden Gründen von selbst versteht. Dies scheint Bethe 
selbst auch inzwischen erkannt zu haben, da in seiner zweiten Mitteilung 


414 H. Winterstein: 


die an Maja angestellte Beobachtung (vgl. S. 401), daß 
während des Landaufenthaltes eine sehr viel stärkere Zunahme 
des Kohlensäuregehaltes als Abnahme des Sauerstoffgehaltes im 
Blute feststellbar ist, erscheint von diesem Gesichtspunkte aus 
leicht verständlich. 


Dem hohen k. k. österr. Ministerium für Kultus und Unter- 
richt, sowie Herrn Hofrat Prof. Exner in Wien sage ich für 
die Überweisung eines Arbeitsplatzes an der zoologischen Station, 
Herrn Geheimrat Dohrn sowie den Herren Abteilungsvorständen 
daselbst, insbesondere den Herren Dr. Henze, Bauer und Cav. 
Lo Bianco, sage ich für ihr freundliches Entgegenkommen und 
vielfache Unterstützung meinen verbindlichsten Dank. 


Anhang. 
Analytische Belege. 
(t = Temperatur, B == Barometerstand, bei welchen die Einstellung des 
Analysenapparates erfolgte.) 


Versuch 2. 
Luftgesättigtes Blut von Octopus. 
t = 23,4; B == 765,5. 


a) 10 com Blut b) 4,9 cem Blut 








unreduziert | reduziert | 
cmm Vol. -0/ 0 
Gas 457,6 9,34 
CO, 567,5 211,2 4,31 
OÖ, 410,2 212,6 4,34 
N, 33,8 0,69 


* Verlust einer kleinen Gasmenge, daher Gesamtgas und N, nicht 
bestimmbar, die anderen Werte vermutlich etwas zu gering. 


(Pflügers Archiv 127, 219, 1909) mehrfach von dem Gehalt des See- 
wassers an Bicarbonat die Rede ist. Auch die Behauptung, daß beim 
Kochen des Seewassers niemals Kalk ausfalle, ist unrichtig. Allerdings 
tritt — wegen der großen Löslichkeit des neutralen Carbonats im See- 
wasser — beim einfachen Aufkochen keine Fällung ein; setzt man das 
Kochen aber — wie dies zum Austreiben der Gase natürlich notwendig ist — 
längere Zeit, auch nur 15 Minuten, fort, so tritt eine diohte Trübung 
auf. Meine Angabe, daß durch Auskochen kein sauerstofffreies Seewasser 
von unveränderter Zusammensetzung gewonnen werden könne, war daher 
vollständig korrekt, 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Sestiere. 415 


Versuch 3. 


Luftgesättigtes Blut von Octopus. 
t = 22,6; B = 772. 


a) 10 ccm Blut b) 20 com Blut 





Versuch 4. 


Luftgesättigtes Ootopusblut, ohne Zusatz von Borsäure ausgepumpt. 
t = 22,5; B — 768,5. 


co) 3,7 ocm Blut 











Versuch 5. 
Luftgesättigtes Octopusblut. a) normal, b) Blutkörperchen abzentrifugiert. 
t = 21,0; B = 768,5. 





a) 10 com Blut b) 9 com Blut 





* Wegen Verlustes einer kleinen Gasmenge nur der O,-Wert be- 
stimmbar, dieser vermutlich etwas zu gering. 


Biochemische Zeitschrift Band 19. 27 


416 H. Winterstein: 


Versuch 6. 


Octopusblut; Körperchen abzentrifugiert. a) mit Luft, b) mit Atmo- 
sphäre von über ———— — gesãttigt. 
t = 20,1; B = 762, 













a) 10 com Blut a 10 com Blut 

















Gas 1036,7 | 10,37 984,0 | 895,5 
CO, 455,8 4,56 229,6 208,9 o 
0O, 471,0 4,71 697,6 634,9 6,35 
N, 109,9 | 1,10 66,8 51,7 | 0,52 
Versuch 7. 
Octopusblut, gesättigt mit Atmos — von über 90°/, O2-Gehalt. 
t = 20,3; B = 765,2. 
c) 4,7 oom Blut 
unreduziert| reduziert A 
cmm cmm Vol.-; 
CO, 47,2 43,1 0,92 
0, 344,8 321,8 6,69 
Versuch 8. 
Octopusblut. a) RE b) mit Luft gesättigt und abzentrifugiert. 
= 21,3; B= 763,3. 


a) 4,5 ccm Blut b) 3,5 oom Blut 





Versuch 9. 


Octopusblut. a) ee b) und 3 mit Luft gesättigt. 
= 17,8; B = 758 





a) 5 coem Blut 





Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 417 





b) 4,5 ccm Blut c) 3,5 com Blut 





Versuch 10. 


Blut von Maja, mit Luft gesättigt. 
t = 19,0; B = 766. 


b) 10 ccm Blut 





Versuch 1l. 


Octopusblut. a) Venenblut, b) luftgesättigtes Blut. 
t= 20,0; B = 767,2. 


a) 4,34 ccm Blut b) 8,2 com Blut 





Versuch 12. 
Octopusblut. a) Venenblut, b) luftgesättigtes Blut. 
t = 20,9; B = 767,4. 





a) 5 com Blut b) 15 ccm Blut 


unreduziert| reduziert 0 
cmm cmm Vol.-%/, 





418 H. Winterstein: 


Versuch 13. 
Blut von Maja. a) _Perikardblut, H luftgesättigtes Blut. 
5. 








a) 4,5 oom Blut b) 10 0 com Blut 





Versuch 14. 


Ootopusblut, mit Luft gesättigt. 
t = 18,3; B= 764,4. 


a) 7 oom Blut 





Versuch 15. 


a HEMI a) Venenblut, b) Arterienblut. 
= 16,4; B = 762,6. 






a) 5 com Blut 


unreduziert; reduziert 
cmm 





b) 5 com Blut 






Vol.-%/, 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 419 


Versuch 16. 
Ootopusblut. a) —— Blut, b) Venenblut. 
= 17; B = 758,4. 
a) 4,9 ccm Blut b) 5 cem Blut 





Versuch 17. 


Octopusblut. a) men b) luftgesättigtes Blut, c) Venenblut. 
= 17,6; B = 749,8. 


ee — —ñ —ñ —ñ— — 
— 


b) 3,15 ccm Blut 
unreduziert| reduziert 


cmm 






Vol.-%/, 







0,40 
1,09 


Versuch 18a. Versuch 18b. 
Palinurusblut, mit Luft gesättigt. Palinurusblut, direkt aus dem 


Bein. 
t = 16,3; B = 761,7. 








ca. 3,3 cem Blut 
unreduziert 


cmm 


10 ccm Blut 
unreduziert| reduziert 





reduziert Vol.-0/, 
cmm 








420 H. Winterstein: 


Versuch 19. 


Palinurusblut, mit Luft gesättigt. 
= 14,9; B = 766,2. 





10 ccm Blut 





Versuch X. 


Blut von Maja. a) Perikardblut, b) luftgesättigtes Blut. 
t = 16,55; B = 766,0. 











a) 5 ccm Blut 


unreduziert | reduziert 
cmm cmm VoL.-°/, 


Versuch 21. 


Blut von Maja. a) Perikardblut (Wasseraufenthalt), b) Perikardblut 
nach 2stünd., c) nach 8stünd. Landaufenthalt, d) luftgesättigtes Blut. 
t= 15,7; B= 767,3. 








a) 5 ccm Blut 


unreduziert | reduziert Vol.- 
cmm cmm 5 


b) 5 com Blut 





Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 421 


Versuch 22. | Versuch 23. 
Leibeshöhlenflüssigkeit von Sipunculus, mit Luft gesättigt. 
t= 14,7; B= 755,7. 





Versuch 26. 


Leibeshöhlenflüssigkeit von 2 Sipunculus. a) abzentrifugiertes Plasma, 
mit Luft gesättigt, b) genuine Flüssigkeit, mit Luft gesättigt. 
t = 15,4; B = 765,4. 


a) 6 ccm 





Versuch 27. 
Leibeshöhlenflüssigkeit von Sphaerechinus, mit Luft gesättigt. 


t = 15,2; B= 772,8. 








b) 10 com 







9,14 








Co, 734,5 | 7,35 
0, 63,5 | 0,63 
N, 1164 | 1,16 





Versuch 28. 
1 Strongylocentrotus. 


422 H. Winterstein: 


Versuch 29. 


2 Strongylocentrotus, 
Leibeahöhlenflüssigkeit mit Luft gesättigt. 
t = 16,3; B= 770,2. 





Versuch 3l. 
Leibeshöhlenflüssigkeit von 3 Sipunoulus. a) direkt entnommen, b) mit 
Luft gesättigt. 
t = 15,5; B = 766,6. 






a) 8,2 ccm 


unreduziert| reduziert 
cmm 






Versuch 32. 


Leibeshöhlenflüssigkeit von Glycera, mit Luft gesättigt. 
t = 16,1; B = 763,8. 


12 ccm 





Versuch 33. 
Blut von 5 Cardita, mit Luft gesättigt. 


Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 423 


Versuch 34. 


Blut von 6 Cardita, mit Luft gesättigt. 
t = 14,8; B = 755,3. 





Nr. 33. 4,9 com Nr. 34. 4,9 com 





Versuch 35. 
Blut (?) von 1 Ascidia mamm., mit Luft gesättigt. 


Versuch 36. 


Blut (?) von 1 Ascidia mamm., mit Luft gesättigt. 
t = 15,3; B = 758,0. 


Nr. 36. 5 com 





Versuch 37. 
Blut von 3 Peotunoulus, mit Luft gesättigt. 


Versuch 38. 


Blut von 2 Pectunculus, mit Luft gesättigt. 
t = 14,8; B = 765,0. 


Nr. 37. 4,9 ccm 





424 H.Winterstein: Zur Kenntnis der Blutgase wirbelloser Seetiere. 


Versuch 39. Versuch 40. 
Blut von 36 Patella, mit Luft Blut von 2 Pinna, mit Luft 
gesättigt. gesättigt. 


t = 14,55; B = 758.4. t— 14,55; B = 758,4. 











Versuch 4l. Versuch 42. 
Blut von 1 Pectunculus, mit Luft | Blut von 12 Glycera, mit Luft 
gesättigt. gesättigt. 
= 15,5; B = 761,9. 







t—=15,5; B = 761,9. 





1,53 ccm 


unreduziert | reduziert ' 
cmm | cmm | Vol-9/o 





unreduziert' reduziert VoL-0/, 











Bemerkungen über die in dunkel gehaltenem Seewasser 
auftretenden Änderungen des Sauerstoffgehaltes. 


Von 


Hans Winterstein. 


(Aus der chemisch-physiologischen Abteilung der zoologischen Station 
zu Neapel.) 


(Eingegangen am 12. Juni 1909.) 


Der Kreislauf der Gase im Meere ist ein noch recht dunkles 
Problem. Dem gewaltigen Verlust an Sauerstoff, der unauf- 
hörlich durch die Lebens- und Verwesungsvorgänge herbeigeführt 
werden muß, können wir außer dem bekanntlich äußerst lang- 
samen Diffusionsprozesse bisher nur die Meeresströmungen als 
Quelle der Sauerstoffzufuhr entgegenstellen. Die bei den Süß- 
wässern sehr bedeutungsvolle Sauerstoffproduktion durch Chlo- 
rophyli führende Organismen kann im Meere höchstens beim 
Oberflächenwasser für die Sauerstoffversorgung eine Rolle spielen, 
da schon in relativ geringe Tiefen das Licht nicht mehr ein- 
dringt. In noch verstärktem Maße gelten diese Erwägungen 
für die Kohlensäure, deren Menge nicht nur durch die den 
Sauerstoffverlust bedingenden Faktoren, sondern — wie aus 
dem geringeren Kohlensäuregehalt der über dem Ozean liegen- 
den Atmosphäre hervorgeht — auch durch Aufnahme von 
Kohlensäure aus der Luft eine immerwährende Steigerung er- 
fahren müßte.?) 

Es würde begreiflicherweise eine wesentliche Aufklärung 
dieses Problemes bedeuten, wenn es gelänge, nachzuweisen, daß 
auch im Dunkel der Meerestiefen Umsetzungen vor sich gehen, 


1) Eine ausführlichere Darlegung unserer bisherigen Kenntnisse über 
den Kreislauf der Gase im Wasser soll demnächst an anderer Stelle ge- 
geben werden. 


426 H. Winterstein: 


die gleich den unter dem Einfluß des Lichtes sich abspielenden 
Assimilationsprozessen zu einer Produktion von Sauerstoff auf 
Kosten der Kohlensäure Anlaß geben. Solchen Umsetzungen 
glaubt Pütter‘) in dem Seewasser des Golfes von Neapel 
auf die Spur gekommen zu sein. Die Beweisführung Pütters, 
daß in dunkel gehaltenem Seewasser Prozesse stattfinden, die 
zu cinem Freiwerden von Sauerstoff führen, gründet sich auf 
Beobachtungen zweifacher Art: Einmal fand er bei Vergleich 
filtrierter und unfiltrierter Portionen desselben dunkel gehaltenen 
Seewassers, daB die im Verlaufe von 24 Stunden eingetretene 
Sauerstoffzehrung in den ersteren häufig geringer war als in 
den zweiten. Die Erklärung dieser Erscheinung sucht Pütter 
darin, daß der im filtrierten Seewasser fast ausschließlich zum 
Ausdruck kommenden bakteriellen Sauerstoffzehrung im un- 
filtrierten Seewasser Prozesse entgegengesetzter Art gegenüber- 
stehen, die mit einer Produktion von Sauerstoff einhergehen 
und daher eine Verminderung des durch die Zehrung bedingten 
Sauerstoffdefizits veranlassen; sie würden vielleicht durch be- 
sondere, den abfiltrierten Algen anhaftende Bakterien bedingt 
sein, welche im Dunkeln Kohlensäure zu spalten vermögen. 
Es liegt wohl auf der Hand, daß selbst unter der Vor- 
aussetzung einwandfreier Methodik diese Beweisführung keine 
zwingende ist. Denn sie gründet sich auf die Annahme, daß 
die Sauerstoffzehrung im filtrierten und im unfiltrierten See- 
wasser gleich groß ist; es wäre aber immerhin auch denkbar, 
daß die Anwesenheit der Algen irgendwie hemmend auf die 
mit Sauerstoffverbrauch einhergehenden Prozesse einwirkt, so 
daß die geringere Verminderung des Sauerstoffgehaltes in diesem 
Falle einfach der Ausdruck einer geringeren Sauerstoffzehrung 
und nicht der einer gleichzeitigen Sauerstoffproduktion wäre. 
Der zweite Beweis Pütters hingegen ist direkter Art und 
gründet sich auf die Beobachtung einer absoluten Zunahme 
des Sauerstoffgehaltes in dunkel gehaltenem Seewasser. Dieses 
wurde bei 10 bis 15° C in Flaschen von je 250 ccm aufbewahrt, 
von denen täglich Proben auf ihren Sauerstoffgehalt untersucht 
wurden. Dabei ergaben sich sowohl in einem an Aquarium- 


1) A. Pütter, Der Stoffhaushalt des Meeres. Zeitschr. f. allgem. 
Physiol. 7, 321, 1907. 


Über die in dunkel gehalt. Seewasser auftret. Ander; des O-Gehaltes. 427 


wasser, wie in einem an filtriertem Seewasser und in drei an 
unfiltriertem Seewasser angestellten Versuchen gelegentliche Zu- 
nahmen des Sauerstoffgehaltes.. Besonders in zwei von den 
letztgenannten Versuchen wurden ganz unregelmäßige Schwan- 
kungen des Sauerstoffgehaltes bald nach oben, bald nach unten 
gefunden (Versuch a: 8,3 — 6,5 — 7,6 — 8,0 — 7,7 — 8,2; Ver- 
such c: 7,0 — 7,5 — 4,9 — 8,2 — 7,9 — 7,2 — 7,0 — 7,5 mg O, pro 
Liter! a. a. O. S. 354). 

Bei der prinzipiellen Bedeutung, die der Feststellung der- 
artiger Prozesse im Seewasser zukäme, schien es mir von Inter- 
esse, die Angaben Pütters während meines Aufenthaltes in 
Neapel bei Gelegenheit anderer Untersuchungen nachzuprüfen. 
Gegen ihre Richtigkeit sprach von vornherein die außerordent- 
liche Unregelmäßigkeit der beobachteten Schwankungen des 
Sauerstoffgehaltes, die, wenn sie eine tatsächliche Grundlage 
haben sollten, den Ablauf höchst sonderbarer Prozesse zur Vor- 
aussetzung haben mußten, und daher viel eher auf methodische 
Fehler hinzuweisen schienen. 

Pütter hat sich bei seinen Untersuchungen der Winkler- 
schen Methode?) der Sauerstofftitration bedient. Die Genauigkeit 
dieser vortrefflichen Methode wurde durch zahlreiche Unter- 
suchungen über jeden Zweifel erhoben. Immerhin erfordert sie 
gerade beim Seewasser eine besonders sorgfältige Ausführung. 
In seiner zweiten Mitteilung hat Winkler*) zur Einschränkung 
der durch den Zusatz der Reagenzien und durch den Sauer- 
stoffgehalt derselben bedingten Fehler die Anwendung sehr 
konzentrierter Lösungen von MnCl, (ca. 80°/,) und NaOH (ca. 
12 mal normal) empfohlen. Als ich die ersten Titrationen im 
Seewasser mit diesen konzentrierten Lösungen ausführte, erhielt 
ich Werte, die außerordentlich schlecht untereinander überein- 
stimmten und oft viel zu niedrig waren. Als Ursache?) dieser 
Erscheinung ließ sich feststellen, daß der in dem salzreichen 
Seewasser bei Anwendung der konzentrierten Lösungen auf- 


1) L. W. Winkler, Die Bestimmung des im Wasser gelösten Sauer- 
stofis. Ber. d. Deutsch. chem. Ges., 21. Jahrg., 2, 2843, 1888. 

2) L. W. Winkler, Die Löslichkeit des Sauerstoffs im Wasser. 
Ebenda, 22. Jahrg., 2, 1764, 1889. 

3) Ihre Aufdeckung verdanke ich der freundlichen Unterstützung 
von Herrn Dr. Henze. 


428 H. Winterstein: 


tretende sehr dicke und schwere Niederschlag sich selbst bei 
kräftigem Umschwenken der Flasche so rasch zu Boden senkt, 
daß nur eine unvollständige Absorption des Sauerstoffs erfolgt. 
Tatsächlich sieht man häufig die den Boden des Gefäßes be- 
deckenden Schichten des Niederschlags ganz weiß bleiben und 
nur die oberen durch frei werdendes Jod eine braune Färbung 
annehmen. Es sind also die konzentrierten Lösungen zur Ver- 
wendung beim Seewasser nicht geeignet. Aber auch bei An- 
wendung schwächerer Lösungen setzt sich der Niederschlag sehr 
viel schneller ab als im Süsswasser, und es ist ein sehr gründ- 
liches Umschütteln der Flasche erforderlich, um eine vollstän- 
dige Absorption des Sauerstoffs herbeizuführen. Wird diese 
Vorsichtsmaßregel nicht beobachtet, so kann man je nach der 
Vollständigkeit der Absorption bald höhere und bald niedrigere 
Sauerstoffwerte finden. Nimmt man bei Ausführung von Doppel- 
analysen das Umschwenken der beiden Probeflaschen gleich- 
zeitig vor, so kann es, wie leicht verständlich, geschehen, daß 
die Doppelanalyse Werte liefert, die untereinander gut überein- 
stimmen, ihrem absoluten Werte nach aber beide falsch, näm- 
lich zu niedrig sind. i 

Bei exakter Ausführung der Methode ist die Übereinstimmung 
der Doppelanalysen auch im Seewasser eine ausgezeichnete. 
Unter den 27 Doppelanalysen, die bei den später zu besprechen- 
den 3 Versuchen ausgeführt wurden, hat die größte Differenz 
0,039 ccm O, pro Liter betragen, was einem mittleren Fehler von 
weniger als 0,002 Vol.-°/, entspricht, eine auf gasanalytischem 
Wege wohl kaum erreichbare Genauigkeit. 

Meine Versuche wurden zunächst in der gleichen Weise 
angestellt wie jene von Pütter, indem das zu untersuchende 
Seewasser in einer größeren Zahl von Flaschen im Dunkeln 
aufbewahrt wurde. Die durch eingeschliffene Glasstopfen ver- 
schlossenen Flaschen dienten dann auch zur Ausführung der 
Sauerstoffbestimmung. Da mir gleiche Flaschen in genügender 
Zahl nicht zur Verfügung standen, so wurden solche von ver- 
schiedenem Rauminhalt (210 bis 310 ccm) und auch aus ver- 
schiedenem Glas (teils Jenenser, teils gewöhnliches) verwendet. 

Eine notwendige Voraussetzung für die Brauchbarkeit 
dieser Methode ist die, daß die Sauerstoffzehrung in allen zur 
Aufbewahrung des Wassers dienenden Gefäßen gleichmäßig vor 


Über die in dunkel gehalt. Seewasser auftret. Ander. des O-Gehaltes. 429 


sich geht, da natürlich nur unter dieser Bedingung die suk- 
zessive Untersuchung der verschiedenen Flaschen ein Bild von 
dem zeitlichen Ablauf der Änderungen des Sauerstoffigehaltes 
zu geben vermag. Man sollte meinen, daß gut übereinstimmende 
Doppelanalysen eine ausreichende Garantie für das Vorhanden- 
sein einer solchen gleichmäßigen Änderung des Sauerstoffgehaltes 
bieten. Als ich aber in einer größeren Zahl von Versuchen, 
die fast durchweg nur eine Abnahme des Sauerstoffgehaltes 
ergeben hatten, auch tatsächlich vereinzelte Zunahmen desselben 
beobachten konnte, die über die Fehlergrenzen der Bestimmung 
hinausgingen, veranlaßte mich dies, zu untersuchen, ob nicht 
die gleichzeitige Analyse mehrerer in verschiedenartigen 
Flaschen aufbewahrter Wasserproben (zu den Doppelanalysen 
waren stets Flaschen von möglichst gleicher Größe und Be- 
schaffenheit verwendet worden) untereinander differierende Re- 
sultate ergeben können. Das Resultat dieser Versuche war 
sehr überraschend: 

Von Wasserproben, die seit 6 Tagen aufbewahrt waren, 
ergaben zwei Flaschen (Jenenser Glas, 286 und 283 com In- 
halt) einen O,-Gehalt von 5,00 und 4,96, zwei andere Flaschen 
(gewöhnliches Glas, 221 und 215 ccm Inhalt) hingegen einen 
solchen von 4,19 und 4,11 com p. L., also zwei Doppelanalysen, 
die jede für sich eine leidliche Übereinstimmung zeigten, von- 
einander dagegen sehr bedeutend abwichen. Zwei am nächsten 
Tage untersuchte Proben (gewöhnliches Glas, 252 und 248 ccm 
Inhalt) ergaben einen O,-Gehalt von 4,17 und 4,22 com p. L., 
also eine bedeutende Sauerstoffzehrung gegenüber der ersten, 
hingegen eine leichte Sauerstoffproduktion gegenüber der zweiten 
Doppelanalyse des vorangegangenen Tages. Meine erste Ver- 
mutung, daß die Größe der Flaschen auf die Sauerstoffzehrung 
einen entscheidenden Einfluß ausübe, erwies sich als irrig, da 
such an Gefäßen von annähernd gleicher Größe (und gleichem 
Glase) bedeutende Differenzen in dem Sauerstoffgehalt des in 
ihnen aufbewahrten Wassers beobachtet werden konnten. So 
ergab Seewasser, das in 7 größeren Glasgefäßen (von ca. 1300 com 
Inhalt) aufbewahrt wurde, in den täglich aus je einem Gefäß 
entnommenen Proben eine konstante Abnahme des Sauerstoff- 
gehaltes; als aber am 5. Tage gleichzeitig Proben aus drei 
Gläsern entnommen wurden, zeigte das Wasser des ersten einen 


430 H. Winterstein: 


O,-Gehalt von 4,89, das des zweiten von 4,34 und das des 
dritten sogar nur von 2,07 cem p. L. Die abnorm große Ver- 
minderung des Sauerstoffgehaltes im letzteren Falle erklärte 
sich durch die Anwesenheit eines kleinen, der Gefäßwand an- 
haftenden Gewebspartikels, das in vertrocknetem Zustand bei 
der Reinigung des Gefäßes vor dem Versuch der Beobachtung 
entgangen, im Seewasser aber aufgequollen war und zu stärkeren 
Fäulnisprozessen Veranlassung gegeben hatte. Diese Versuche 
zeigen, daß in verschiedenen Gefäßen die Änderungen des 
Sauerstoffgehaltes durchaus nicht gleichmäßig verlaufen müssen, 
sondern hauptsächlich wohl infolge der Verschiedenheit der 
bakteriellen Infektion, vielleicht aber auch aus anderen Ur- 
sachen mitunter bedeutende Differenzen zeigen können. Aus 
der Untersuchung solcher Proben läßt sich demgemäß auch 
keine sichere Schlußfolgerung über den Ablauf der Änderungen 
des Sauerstoffgehaltes ziehen; untersucht man z. B. Proben mit 
stärkerer O,-Zehrung nach solchen mit geringerer, so entsteht 
der Anschein einer abnorm großen O,-Zehrung, untersucht man 
umgekehrt solche mit geringerer nach solchen mit stärkerer 
O,-Zehrung, so kann sogar eine O,-Produktion vorgetäuscht 
werden.!) 

Ein sicherer Schutz gegen derartige Irrtümer ist offenbar 
nur dann gegeben, wenn sämtliche Proben aus ein und dem- 
selben Wasserbehälter entnommen werden. Ich habe daher 
drei Versuche in der Weise angestellt, daß das Seewasser in 
große, mehrere Liter fassende Flaschen, die vorher mit Salz- 


1) Diese Erscheinung kommt in sehr deutlicher Weise auch in Be- 
obachtungen zum Ausdruck, die Fox (On the determination of the at- 
mospherio gases dissolved in sea-water, Publications de circonstance, 
No. 21, Copenhague 1905) an etwas fauligem Wasser des Christianiafjords 
angestellt hat. Die gleichfalls in einzelnen Flaschen aufbewahrten und 
in größeren Zeiträumen untersuchten Wasserproben zeigen bei allgemeiner 
Tendenz zur Abnahme doch große Unregelmäßigkeiten des O,-Gehaltes, 
die zwar großenteils in die hier viel weiteren Fehlergrenzen hineinfallen, 
zum Teil aber weit über sie hinausgehen. So zeigt z. B. die Probe vom 
5. Tag einen O,-Gehalt von 1,58, die vom 6. einen solchen von 2,50 ccm 
p. L., die vom 15. einen solchen von 0,15, die vom 25. einen solchen 
von 0,52 ocm p. L. Auch diese scheinbaren Steigerungen des O,-Gehaltes 
(die übrigens vom Autor gar nicht weiter berücksichtigt wurden) sind 
zweifellos einfach auf eine verschiedene Intensität der O,-Zehrung zurück- 
zuführen. 


Über die in dunkel gehalt. Seewasser auftret. Ander. des O-Gehaltes. 431 


säure und Salpetersäure gründlich gereinigt worden waren, ge- 
bracht und durch eine 2 bis 3cm hohe Schicht Paraffinöl 
gegen die Luft abgeschlossen wurde. Aus diesen Flaschen 
wurden durch eine untere Ausflußöffnung täglich zwei Proben 
zur Bestimmung des Sauerstoffgehaltes entnommen. Dieses 
Verfahren hat gegenüber der Aufbewahrung in gesonderten, un- 
mittelbar zur O,-Bestimmung verwendbaren Flaschen allerdings 
zwei Nachteile; einmal den, daß die Überschichtung mit 
Paraffinöl kein exakter Luftabschluß ist, und zweitens den, 
daß bei der Entnahme der Wasserproben Änderungen des 
Sauerstoffgehaltes eintreten können. (Für die Annahme, daß 
das Öl als solches einen Einfluß auf die im Wasser sich ab- 
spielenden Prozesse ausübe, hat sich kein Anhaltspunkt ergeben; 
die beobachteten Änderungen des O,-Gehaltes waren durchaus 
von gleicher Größenordnung wie die bei Anwendung kleiner 
Flaschen mit Glasstopfen gewöhnlich gefundenen.) Wenn aber, 
wie dies bei allen Versuchen der Fall war, der O,-Gehalt des 
untersuchten Wassers sich von dem des luftgesättigten nur 
wenig entfernt, so ist weder von der Diffusion durch die Öl- 
schicht, noch von dem (sehr sorgfältig vorgenommenen) Ab- 
lassen der Wasserproben eine merkliche Änderung des Sauer- 
stoffgehaltes zu befürchten; auch konnten, da es sich durchweg 
um Wasser handelte, dessen O,-Gehalt etwas geringer war, als 
der völligen Lufteättigung entsprochen hätte, beide Fehlerquellen 
nur im Sinne einer Zunahme des O,-Gehaltes, also einer O,- 
Produktion, wirken. Die Resultate dieser drei Versuche sind 
im folgenden zusammengestellt (O,-Gehalt in ccm p. L.): 


12. bis 23. März 19, bis 26. März 20. bis 26. März 
5,74 5,73 5,70 
5,72 5,57 5,49 
5,55 5,46 5,38 
5,47 5,26 5,29 
5,32 5,11 5,20 
5,16 4,88 6,08 
6,10 4,65 4,98 
4,98 444 
4,94 
4,91 
4,86 
4,89 


Biochemische Zeitschrift Band 19. 28 


432 H. Winterstein: 


Wie man sieht, ist unter diesen Versuchsbedingungen nichts 
mehr von unregelmäßigen Schwankungen wahrnehmbar. In 
allen drei Fällen findet eine Sauerstoffzehrung statt, die in den 
ersten 8 Tagen eine annähernd konstante Größe zeigt (0,1 bis 
0,2 com p.L.); in dem auch noch in der zweiten Woche weiter- 
geführten Versuch nimmt ihre Intensität dann ab, so daß die 
Schwankungen des Sauerstoffgehaltes der letzten Versuchstage 
zur Gänze in das Bereich der Fehlergrenzen fallen. Für den 
Ablauf irgendwelcher mit Sauerstoffproduktion einhergehender 
Prozesse ist keinerlei Anhaltspunkt gegeben. 

Die abweichenden Resultate Pütters sind, wie ich glaube, 
durch die erörterten Fehlerquellen ausreichend erklärbar. In- 
wieweit bei seinen Versuchen eine Ungleichmäßigkeit der Sauer- 
stoffzehrung in Betracht kam, ist natürlich schwer zu ent- 
scheiden; sehr wahrscheinlich ist es, daß ein zwischen zwei 
hohen O,-Werten eingeschalteter abnorm niedriger Wert (wie 
der in Versuch o zwischen 7,5 und 8,2 mg liegende Wert 4,9) 
auf eine durch irgendwelche Ursachen bedingte stärkere O,- 
Zehrung der betreffenden Wasserproben zurückzuführen ist. 
Andere Schwankungen, wie besonders die durch Ungleichmäßig- 
keit der O,-Zehrung nicht erklärbare Zunahme des O,-Gehaltes 
über den Anfangswert, dürften ihre Ursache einfach in der 
Unvollständigkeit der O,-Absorption bei der O,-Bestimmung 
haben. Tatsächlich erhebt sich in keinem einzigen Falle bei 
Pütter die Sauerstoffzunahme über den gewöhnlichen Sauerstoff- 
gehalt des Seewassers (was doch sehr wohl möglich wäre, wenn 
es sich wirklich um eine Sauerstoffproduktion handelte), und wo, 
wie in Versuch c, eine Zunahme über den Anfangsgehalt eintritt, 
ist dieser letztere so viel niedriger als normalerweise (7 mg = 
4,9 com statt im Mittel etwa 8 mg = 5,6 com p. L., wie ihn 
Pütter in den anderen Versuchen und auch ich in meinen um 
dieselbe Jahreszeit entnommenen Wasserproben beobachtet 
habe), daß bei der großen Konstanz des Sauerstoffgehaltes des 
Oberflächenwassers an seiner Unrichtigkeit kaum zu zweifeln ist. 

Fassen wir die Resultate der vorangehenden Untersuchung 
zusammen, so ergibt sich das folgende: 

Bei der Ausführung der Winklerschen Methode der Sauer- 
stoffbestimmung im Seewasser ist die Anwendung zu konzen- 
trierter Lösungen zu vermeiden; nach Einbringen der Reagenzien 


Über die in dunkel gehalt. Seewasser auftret. Ander. des O-Gehaltes. 433 


ist ein sehr gründliches Umschütteln der Flaschen erforderlich, 
da sonst die Absorption des Sauerstoffs nur unvollkommen vor 
sich geht. Die Sauerstoffzehrung der in verschiedenen Gefäßen 
aufbewahrten Wasserproben braucht nicht gleichmäßig zu ver- 
laufen, und ihre Untersuchung gestattet daher keinen sicheren 
Rückschluß auf den zeitlichen Ablauf der im Seewasser ein- 
tretenden Änderungen des Sauerstoffgehaltes.. Ein solcher ist 
vielmehr nur möglich, wenn alle Proben aus ein und demselben 
Wasserbehälter entnommen werden. Unter Beobachtung 
aller dieser Vorsichtsemaßregeln ist in dunkel gehalte- 
nem Seewasser nur eine Sauerstoffzehrung feststellbar. 
Für das Vorhandensein entgegengesetzter, mit Sauer- 
stoffproduktion einhergehender Prozesse ist kein An- 
haltspunkt gegeben. 


Untersuchungen über die Wirkung des Lichtes auf Blut- 
farbstoffe und rote Blutkörperchen wie auch über 
optische Sensibilisation für diese Lichtwirkungen.') 

Von 
K. A. Hasselbalch. 
(Aus dem Laboratorium des Finsen-Instituts, Kopenhagen.) 
(Eingegangen am 21. Mai 1909.) 
Mit 1 Textfigur und 1 Tafel. 


Es ist nur äußerst wenig, was wir bisher mit Sicherheit über 
die Einwirkung des Lichtes auf Blutfarbstoffe und Blutkörperchen 
wissen. Der Grund hiervon ist nicht in mangelndem Interesse 
für diesen Gegenstand, sondern darin zu suchen, daß erst die 
während der letzten Jahrzehnte stattgefundene rapide Ent- 
wicklung stark chemisch wirksamer Lichtquellen — und bis zu 
einem gewissen Grade die Entdeckung der photobiologischen 
Sensibilisation — so kräftige Lichtwirkungen auf das Blut er- 
möglicht hat, daß diese sich beschreiben und messen lassen. 
Denn, wie unten gezeigt werden wird, ist die Wirkung der sicht- 
baren Lichtstrablen auf die meisten Blutfarbstoffe und auf die 
Blutkörperchen an und für sich, wenn auch meßbar, so doch nur 
gering. 

Meine Untersuchungen zerfallen ungezwungen in drei 
Gruppen. 

Ausgehend von meinem früheren Nachweis, daß Bestrah- 
lung mit ultraviolettem Lichte das Vermögen des Blutes, Sauer- 
stoff aufzunehmen und abzugeben, herabsetzt, habe ich zuerst in 
dem Abschnitte „Blutfarbstoffe‘“ die Art und die Bedingungen 


1) Die Hauptergebnisse dieser Arbeit wurden dem 7. internationalen 
Kongreß für angewandte Chemie in London, Juni 1909, vorgelegt. 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 29 


436 K. A. Hasselbalch: 


dieser wie auch anderer Lichtwirkungen auf mehrere verschie- 
dene Hämoglobinderivate festgestellt. 

Darauf habe ich im Abschnitte „Blutkörperchen“: die 
vor kurzem von anderen Forschern gefundene hämolysierende 
Wirkung des Lichtes und die Bedingungen für deren Eintreten 
untersucht. 

Endlich sind unter dem Titel „Sensibilisation“ mehrere 
neue Beobachtungen über die Wirkung einiger photobiologi- 
schen Sensibilisatoren auf Blutfarbstoffe und Blutkörperchen 
gesammelt und eine Theorie zu deren Erklärung aufgestellt. 

Versuchsanordnung. Es wurde ausschließlich mit 
frischem, defibriniertem Ochsenblute oder mit daraus darge- 
stellten gereinigten Blutkörperchen und Oxyhämoglobinlösungen 
gearbeitet. 

Die angewandte Lichtquelle ist Kromayers Quecksilber- 
lampe!), deren Licht glühenden Quecksilberdämpfen in einer 
U-förmigen evakuierten Röhre aus geschmolzenem Quarz ent- 
strahlt. Die Lampe brannte in der gegebenen Aufstellung 
(siehe unten) mit ca. 3,6 Amp. bei einer Elektrodenspannung 
von ca. 120 Volt. Das entsandte Licht behielt in derselben 
Versuchsserie äußerst große Konstanz, was durch den Ausfall 
der Beleuchtungen (siehe unten) bezeugt wird, wie auch durch 
die Resultate der Lab-Destruktionsuntersuchungen, die 8. und 
S. Schmidt-Nielsen?) bei derselben Aufstellung im hiesigen 
Laboratorium vorgenommen haben. 

Wie aus der Fig. 1 ersichtlich ist, enthält das angewandte 
Licht Strahlen mit Wellenlängen von ca. 600 uu bis ca. 220 uu. 
Durch Anbringung eines gewöhnlichen Glases, bzw. eines Uviol- 
glases (planparallele Platten von 1,5 mm Dicke) vor dem Quarz- 
fenster der Lampe wurden in einigen Versuchen die äußersten 
ultravioletten Strahlen abfiltriert. Das angewandte gewöhnliche 
Glas hielt die Strahlen von ca. 310 uu bis ca. 220 uu, das Uviol- 
glas nur solche von ca. 250 uu bis ca. 220 uu zurück. 

Die Lampe ist, wie Fig. 2 zeigt, angebracht, in ein Glas- 
aquarium mit reinem und lebhaft zirkulierendem Leitungswasser 


1) Deutsche med: Wochenschr. 1906, Nr. 10. 
2) S. und S. Schmidt-Nielsen, Quantitative Versuche über die 
Destruktion des Labs durch Licht. Zeitschr. f. physiol. Chem. 58, 1908. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 437 


von Zimmertemperatur; der Plan ihres Quarzfensters bildet 
zur Senkrechten einen Winkel von 45°. Durch zwei der vier 
durch das Wasser zur Lampe führenden Kautschukschläuche 
gehen die Leitungen zu den Quecksilberelektroden der Lampe, 
durch die beiden anderen das Kühlwasser zu und von der 
Lampe. In der Achse des durch das Quarzfenster ausstrahlenden 
Lichtkegels ist, 3 om von der Lampe entfernt, die Versuchs- 
kammer an einer Gabel befestigt, die mittels eines Elektro- 
motors ca. 40 mal pro Minute um ihre Achse gedreht wird. 
Von Versuchskammern wandte ich zwei Formen an: 
l. die in der Fig. 2 abgebildete ‚große Quarzkammer‘. 
Diese ist eine zylindrische Kammer, die zusammengesetzt ist 
aus einem 21 mm hohen, vergoldeten, neusilbernen Ringe, 
80 mm im Durchmesser, und zwei planparallelen, ebenfalls einen 
Durchmesser von 80 mm haltenden Quarzplatten, die durch 
Kautschukpackungen mittels starker, ringförmiger Metallfassun- 
gen, wie Boden und Deckel einer Schachtel, an den Ring fest- 
geschraubt sind. Die Kammer kann bei sorgfältiger Anlegung 
der Packungen und festem Zuschrauben das Vakuum der Queck- 
silberluftpumpe stundenlang bewahren; in Versuchen mit dem 
Vakuum ist diese Kammer während des Auspumpens übrigens 
stets in Wasser versenkt. Die Kammer läßt sich durch zwei 
diametral entgegenstehende Metallröhren füllen und entleeren; 
die eine derselben sieht man in Fig. 2, durch einen Hahn mit 
einfacher (oder doppelter) Bohrung verschlossen. Durch diese 
Glashähne kann man Proben des Blutes oder des überstehenden 
Gases entnehmen, wie man auch den Druck des letzteren vor 
und nach der Bestrahlung an einem Manometer ablesen kann, 
mit welchem das Innere der Kammer in Verbindung gebracht 
wird. Die Kammer faßt ca. 100 ccm; gewöhnlich wurden 
25 ccm Blut verwendet, wovon während der Rotation der Kammer 
sich fortwährend wechselnde Schichten über das der Lampe zu- 
gekehrte Quarzfenster verbreiteten; um die Mischung des Blutes 
zu sichern, sind noch an zwei diametral entgegengesetzten Stellen 
im Innern des Ringes zwei löffelförmige Schaufeln angebracht; 
jedesmal, wenn eine dieser Schaufeln während der Rotation der 
Kammer durch das Blut passiert, füllt sie sich mit Blut, das 
sie nach !/, Umdrehung über das Quarzfenster ausgießt. Auch 


diese Schaufeln sind vergoldet, so daß das Blut während der 
29* 


438 K. A. Hasselbalch: 


Belichtung nur mit Quarz, Gold und zwei schmalen Rändern 
der Kautschukpackungen in Berührung kommt. 

2. Die andere Versuchskammer, die ‚kleine Quarzcuvette‘“ 
(Fig. 3), wurde in Anwendung gebracht, teils weil sie sich 
leichter und sicherer zu Versuchen im Vakuum gebrauchen ließ, 
teils weil ihre Form sich besser zu spektroskopischen Unter- 
suchungen in zwei Schichtendicken: 5 mm und 25 mm, eignet. 








Fig. 3. 


Ihr Volumen beträgt ca. 3ccm. Während der Belichtung war 
sie in derselben Stellung wie die große Quarzkammer an die 
rotierende Gabel befestigt; wegen dieser Anbringung und weil _ 
die Guvette nur mit 2,5 ccm Versuchsflüssigkeit gefüllt wurde, 
wechselte auch in dieser Versuchskammer die belichtete Schicht 
fortwährend, wenn auch nicht ganz so vollständig wie in der 
großen Quarzkammer. Die Erneuerung der belichteten Schicht 
ist von großer Bedeutung, weil die wirksamen äußersten ultra- 
violetten Strahlen in Schichten farbiger Versuchsflüssigkeiten 
von ganz minimaler Dicke absorbiert werden, so daß nur eine 
Anordnung wie die hier angewandte quantitative Untersuchungen 
wird gestatten können. 

Methodische Einzelheiten werden unten in den einzelnen 
Versuchsreihen erwähnt werden. 


"1 214 


ER 3 Tafel I. 


| K. A. Hasselbalch: Untersuchungen über 

De - 5790 die Wirkung des Lichtes auf Blutfarbstoffe 

— F—— 3679 und rote Blutkörperchen wie auch über 

— 546] optische Sensibilisation für diese Licht- 
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Biochemische Zeitschrift Band 19. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 439 


I. Blutfarbstoffe. 


In einer früheren Arbeit!) untersuchte ich an defibriniertem 
Ochsenblute die Wirkung der Bestrahlung (mit parallelem Lichte 
einer 25 Amp.-Kohlenbogenlampe) auf das Sauerstoffbindungs- 
vermögen des Blutes und fand, daß dessen Fähigkeit, Sauer- 
stoff aufzunehmen und abzugeben, hierdurch etwas vermindert 
wurde. Die Wirkung, die an und für sich im Vergleich mit 
den unten näher zu besprechenden Wirkungen nur gering war, 
schien obendrein zum Teil von vorübergehender Natur zu sein. 
Da die Methodik in den genannten Versuchen in mehreren Be- 
ziehungen ziemlich mangelhaft war, und namentlich weil sie 
die Bestrahlung bei niedrigen Sauerstoffdrucken nicht gestattete, 
wiederholte ich vorerst diese Versuche mit der oben beschrie- 
benen Versuchsanordnung, die u.a. Belichtung unter einem 
willkürlich gewählten Sauerstoffdrucke ermöglicht. 

Das nähere Verfahren bei diesen Versuchen war folgendes: 


In den Versuchen über den Einfluß der Belichtung auf die Sauer- 
stoffbindung des Blutes bei variiertem Sauerstoffdruck (große Quarz- 
kammer) hat man erst vor der Belichtung eine Gasmisohung von un- 
gefähr dem gewünschten Sauerstoffpartialdruck über die 25 com Blut 
hinzuleiten; wenn ferner die Quarzkammer nebst ihrem Inhalt nach 
oa. 15 Minuten dauernder Rotation im Wasserbade die Temperatur des 
letzteren angenommen hat, hat man die Druckdifferenz zwischen dem 
Gase über dem Blute und der Atmosphäre auszugleichen (durch kurz- 
dauerndes Öffnen eines der Hähne nach der Atmosphäre oder nach 
einem Gasometer mit der angewandten Sauerstoffmischung). Darauf 
unternimmt man die Belichtung, indem ein Schirm vor der vorher an- 
gezündeten Lampe entfernt wird, und setzt nun die Kammer wieder 
in Rotation. Nach der Belichtung wird die Rotation bis zum sicheren 
Temperaturgleichgewicht fortgesetzt (2 Minuten), und man bestimmt den 
Gasdruck der Kammer (nachdem zwischen einem kleinen engen Wasser- 
manometer und dem Inneren der Kammer Verbindung hergestellt ist), 
dann hebt man die Kammer aus dem Wasserbade und befestigt sie ge- 
schwind an einem Stativ; hierauf führt man ca. 10 com der über dem Blute 
stehenden ca. 75 ccm Gas in einen Quecksilberrezipienten über und un- 
mittelbar darauf in einen anderen Quecksilberrezipienten mit einer Abfluß- 
röhre von 1 mm Lichtung ca. 10 ccm der 25 com Blut; diese 10 oom 
Blut, deren genaues Volumen man durch Messen oder Wägen des her- 
ausgeflossenen Quecksilbers bestimmt, werden darauf in den evakujierten 


1) K. A. Hasselbalch, Über die Wirkung des Lichtes auf die 
Sauerstoffbindung des Blutes. Upe. Läk. Förbandl XI. Suppl. (Fest- 
schrift f. Hammarsten). 


440 K. A. Hasselbalch: 


Rezipienten der Quecksilberpumpe gebracht und entgast. Die Gasproben 
analysiert man mittels eines Pettersonschen Apparates mit pyrogallus- 
saurem Kali in der Sauerstoffabsorptionspipette..e Wie die gefundenen 
Stiokstoffmengen anzeigen, war die Genauigkeit befriedigend. 

Die angegebenen Gasmengen wurden in Volumenprozenten auf 
0°, 760 mm und Trockenheit umgerechnet. Die physikalisch absorbierten 
Gasmengen (,Phys. abs.“) wurden unter der Voraussetzung berechnet, 
daß die Absorptionskoeffizienten des Blutes für N, und O; gleich denen 
des Wassers sind. Die in den Tabellen hervorgehobene „O,-Diff.“ bezeichnet 
unter dieser Voraussetzung nun den an das Hämoglobin gebundenen, 
suspumpbaren Sauerstoff. Die „N,-Dift.‘“ gibt, unter derselben Voraus- 
setzung, einen Ausdruck der Genauigkeit, womit man gearbeitet hat; 
man muß hierbei bemerken, daß alle Fehler der Übertragungen und der 
Analyse sich zu dieser Größe addieren, die stets eine positive ist. Die 
Spannung der Gase (,Sp. mm“) ist in Millimetern Hg angegeben, diese 
ist vor und nach der Belichtung ziemlich gleich, denn die Belichtung 
verändert die Druck- und Temperaturverhältnisse in der Kammer nur in 
sehr geringem Grade. 


1. Versuch vom 22.11.08. 


Angewandt zu jedem Versuche 25 com def. Ochsenblut. Atm. Luft 
(nicht analysiert) in der großen Quarzkammer. 


g | | Im | Sp. 
ganzen| abs. Diff. | mm 


Bel. durch Quarz 60’, Vol.-°/o CO | 57,39 | — — — 














Temp. 15,55°, ca. 150 
Anal. 9,3 com Blut. „ 570 
Unbelichtet 60’ im 
Woasserbade, — 
Temp. 15,700. „ 150 
Anal. 9,3 ccm Blut. „ 570 


Nach S. Schmidt-Nielsens Untersuchungen über die 
Destruktion des Labs durch Licht (l.c.) läßt sich annehmen, 
daß dieser Prozeß ca. 10mal geschwinder im Lichte der Queok- 
silberquarzlampe als im Focus des ad modum Finsen kon- 
zentrierten Lichtes einer 50 Amp. >X< 45 Volt Kohlenbogenlampe 
erfolgt. Hiermit steht das Resultat des Versuchs 1 in Überein- 
stimmung, wenn man es mit den unbedeutenden Ausschlägen in 
meinen früheren Versuchen (l. c.) vergleicht. Die einstündige 
Belichtung mit der Quecksilberquarzlampe hat die 
Menge des locker gebundenen Sauerstoffes von 16,41 
auf 6,58 Vol.-°/ oder um ca. 60°/, herabgesetzt. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbet. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 441 


Das belichtete Blut hatte einen eigentümlichen, an Phos- 
phor erinnernden Geruch und war von dunkler Schokolade- 
farbe. Wie später gezeigt werden wird, ist diese Farbe dem 
Methämoglobin zuzuschreiben; da die Umbildung aber 
noch weiter geht (siehe unten), bezeichne ich einstweilen 
diese Änderung des Blutfarbstoffes als eine ‚„Destruktion“ 
des Oxyhämoglobins, indem dessen in biologischer Beziehung 
wichtigstes Vermögen, mit dem Sauerstoff eine dissoziable 
Verbindung einzugehen, durch die Belichtung verloren gegangen 
ist. Das Oxyhämoglobin ist im Versuch 1 also um 60°/, „de- 
struiert‘‘ worden. 

Wirksamkeit der verschiedenen Strahlenquali- 
täten. Welcher Grad der destruierenden Wirkung an die 
verschiedenen Abschnitte des Spektrums geknüpft ist, geht 
aus den übereinstimmenden Resultaten der Versuche 2 und 3 


hervor. 
2. Versuch vom 24. II. 08. 


25 com def. Ochsenblut in der Kammer. Atm. Luft. 


Im |Phys.| p; Sp. 
Dif. | m 


ganzen| abs. 
a) Bel. durch Quarz 60, | VoL-%/, CO, | 52,90 | — — 12,1 
Temp. 15,29, » 0: 8,59 | 0,64 | 7,95 | 143,0 
Anal. 9,6 com Blut. » N 1,60 | 1,36 | 0,24 | 579,1 
b) Bel. durch U-V-Glas 60, » CO 151,68 | — — 15,3 
Temp. 15,2°, » 0, 114,54 | 0,63 |13,91 | 140,8 
Anal. 9,65 com Blut. » Na 1,50 | 1,36 | 0,14 | 578,1 
c) Bel. durch gew. Glas 60, » 00, |471| — — 11,8 
Temp. 15,20, » 0, 118,02 | 0,68 | 17,34 | 150,9 
Anal. 9,65 ccm Blut. » N 1,46 | 1,34 | 0,12 | 569,3 
d) Unbelichtet 60’, » C0,|4641| — — 13,3 
Temp. 15,19, » O, |18,13) 0,68 |17,45 | 149,7 
Anal. 9,6 ocm Blut. “a Na 1,46 | 1,34 | 0,12 | 569,0 


Betrachtet man den Gehalt des Blutes an auspumpbarem Sauer- 
stoff als Maß für die vorhandene Oxyhämoglobinmenge, so wurde im 
Versuch 2 bei Bestrahlung mit Licht „destruiert“: 











17,45 — 7,95 
— — — 0 
600 — 220 uu 17.8 100—54,44°/,, 
17,45 — 13,91 
— m . — 0 
600 — 250 uu 17.48 100—= 20,29 /,, 
600 — 310 uu OT jji 0,63 °/,. 


17,45 


442 K. A. Hasselbalch: 


Die destruktive Wirkung der sichtbaren Strahlen ist bei 
der gegebenen Versuchsanordnung also relativ unbedeutend; die 
ultravioletten Strahlen sind es, denen fast die ganze Wirkung 
zu verdanken ist, und zwar namentlich die äußersten, mit 
Wellenlängen von 250 bis 220 uu. Doch ist die destruktive Wirkung 
des Lichtes auf das Oxyhämoglobin bei weitem nicht so aus- 
schließlich an die Strahlen mit Wellenlängen 250 bis 220 uu ge- 
bunden, wie dessen destruktive Wirkung auf das Labferment 
(Schmidt-Nielsen, 1l. o.) die zu 96°/, diesen Strahlen zu 
verdanken ist. Das Verhältnis zwischen der Wirkung des 
Strahlengebietes 600 bis 220 uu zu der des Strahlengebietes 
600 bis 250 uu ist im 2. Versuch: 

600—220 uu 54,44 
600—250 uu 20,29 

Das entsprechende Verhältnis bei der Destruktion des Lab- 

fermentes durch Licht ist ca. 25. 








= 2,68. 


3. Versuch vom 27. II. 08. 


In allen Fällen 25 oom def. Ochsenblut in der großen Quarzkammer. 
Atm. Luft (nioht anal). Das Wasserbad weniger klar, 


© | eej | Im — * 
ganzen) abs Diff. 


a) Bel. duroh gew. Glas 60, | Vol.-0°/, CO, | 48 
Temp. 15,2°, 
Anal. 9,9 oom Blut. 

b) Bel durch U-V-Glas 63°, 
Temp. 18,1, 





Anal. 9,7 com Blut. 0 „ 580 
c) Bel. durch Quarz 63, — — 
Temp. 15,20, 10,59 | „ 140 
Anal. 9,75ccm Blut. 0,17 | „ 580 
d) Unbelichtet 63’, — — 
Temp. 15,20, 18,60,, 150 
Anal. 9,9 com Blut. 0,26 | „ 570 


Die Destruktion, die ein wenig geringer ist als im 2. Versuch, ver- 
mutlich weil das Wasser des Aquariums weniger durchsichtig war, ver- 
teilt sioh auf die verschiedenen spektralen Gebiete wie folgt: 

Bestrahlung mit Licht 600 bis 220 uu destruiert 43,07°/, 
N „ „ 600 „ 250 uu MM) 15,86°/, 
„ „ „ 600 „ 310 AR „ 1,18%), 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 443 


Das Verhältnis zwischen dem Wirkungsgrade des gesamten Lichtes 
zu dem des durch Uviolglas filtrierten Lichtes ist fast genau dasselbe 
wie im 2. Versuch: 


600—220 un = 43,07 — 9272. 
600—250 uu 15,86 $ 

Die Wirkung des durch gew. Glas filtrierten Lichtes ist 
etwas größer als im 2. Versuche; in beiden Fällen sind die 
Wirkungen aber so klein, daß der Unterschied von Beobachtungs- 
fehlern herrühren kann. Daß das betreffende Strahlengebiet 
— 600 bis 310 uu — wirklich eine oxyhämoglobindestruierende 
Wirkung besitzt, die bei schwächeren Konzentrationen des 
Blutfarbstoffes viel stärker hervortritt, wird aus späteren Ver- 
suchen erhellen. 

Geschwindigkeit der Reaktion. Bei der hier an- 
gewandten Versuchsanordnung werden wegen der Rotation der 
Quarzkammer fortwährend neue Blutkörperchen der Belichtung 
ausgesetzt. Eine solche Anordnung ist, wie gesagt, bei der- 
artigen quantitativen Untersuchungen notwendig, weil die wirk- 
samsten Strahlen in minimalen Schichtdicken des Blutes ab- 
sorbiert werden. Geschieht nun dieser Wechsel der belichteten 
Oberfläche regelmäßig in dem Sinne, daß die von jedem einzelnen 
Blutkörperchen in der Quarzkammer aufgenommene Lichtenergie 
der Belichtungsdauer genau proportional ist, und beruht die ge- 
fundene Destruktion auf einer direkten Lichtwirkung und nicht 
auf der Bildung irgendeines Stoffes, der nach seiner Verbreitung 
auf die Flüssigkeit die Destruktion sekundär bedingt, so ist 
es eine naheliegende Folgerung, daß die vom Lichte pro 
Zeiteinheit destruierte Oxyhämoglobinmenge der jeweilig vorhan- 
denen Menge proportional ist. Unter diesen Voraussetzungen wird 
die Destruktion im Verhältnis zur Belichtungsdauer nach fol- 
gender Formel verlaufen (a bezeichnet die anfängliche Oxy- 
hämoglobinmenge, x die während der Dauer t destruierte Oxy- 
hämoglobinmenge, k eine Konstante): 
| u = k(a— z). | 

Der 4. Versuch wurde angestellt, um die Richtigkeit 
dieser Formel zu prüfen. In jeder der Bestimmungen des Ver- 
suches, welche die Belichtung mit dem unfiltrierten Lichte 
während variierter Zeitdauer betrifft, wurde k aus obiger Formel 
unter Anwendung dekadischer Logarithmen berechnet (korrekt 





444 K. A. Hasselbalch: 


müßten also die für k gefundenen Werte mit log. nat. 
10 — 2,30259 multipliziert werden). 


4. Versuch vom 5. III. 08. 


In allen Fällen 15 oom def. Ochsenblut in der großen Quarzkammer. 
Atm. Luft. Bel. durch Quarz. 








Im |Ph a: Sp. 

ganzen aba: Diff. = 

a) Bel. 46’, Temp. 15,4°, VoL-°/, CO, | 50,50 | — — 10,3 
Anal 10,45 ocm, » 0 8,72 ; 0,67 | 8,05 | 146,7 

k — 0,00749. » N 1,66 | 1,37 | 0,29 | 588,0 

b) Bel. 15’, Temp. 15,4°, „» CO, Į] 48,79) — — 13,8 
Anal. 10,25 ccm, » ©, 11473 | 0,66 | 14,07 | 144,9 

k = 0,00679. » N 1,63 | 1,37 | 0,26 | 589,3 

c) Bel. 92’, Temp. 15,49, » CO | 50,44; — — 9,2 
Anal. 10,0 com, » Oa | 5,06 | 0,65 | 4,41 | 142,1 

k = 0,00658. » N 1,67 | 1,38 | 0,29 | 592,7 

d) Bel. 30, Temp. 15,30, » CO, | 50,86 | — — 13,2 
Anal. 10,3 ccm, = O, 112,44 | 0,63 | 11,81 | 139,0 

k = 0,00593. „ N 1,49 | 1,39 | 0,10 | 593,8 

e) Unbelichtet 66’, » CO, | 45,52) — — 11,8 
Temp. 15,49, » Oa 11846 | 0,67 | 17,79 | 146,6 
Anal. 10,35 com. » N 1,70 | 1,37 | 0,33 | 588,6 


Die einzelnen Bestimmungen des 4. Versuches wurden in der an- 
gegebenen Reihenfolge ausgeführt. Es erweist sich, daß die Reaktions- 
konstante k ohne Rücksicht auf die Dauer der Belichtung von a bis d ab- 
nimmt. Dieser Umstand läßt sich entweder dadurch erklären, daß das 
vermeintliche Abhängigkeitsverhältnis zur Beliohtungsdauer nicht existiert, 
oder wahrscheinlicher dadurch, daß ein systematischer Versuchsfehler vor- 
handen war. Ein solcher Fehler ist im 4. Versuch nun leicht nachweis- 
bar: zu allen 4 Belichtungen wurde dasselbe Fenster der Quarzkammer 
dem Lichte zugekehrt, und im Protokolle findet sich die Notiz: das be- 
leuchtete Fenster erweist sich nach dem Versuche als an fast seiner 
ganzen Fläche durch Beschläge getrübt. 

Dreyer und Hanssen?) haben vor kurzem nachgewiesen, 
daß ultraviolettes Licht die Ausscheidung von Albuminstoffen 


bewirkt, und Meisling?) fand, daß Gelatine, auch ohne Zusatz 


1) G. Dreyer und O. Hanssen, Sur la coagulation des albumines 
par l’action de la lumière ultraviolette et du radium. Compt. rend; 
145, 1907. 

2) Aage A. Meisling, Recherches sur la sensibilite des colloides 
à la lumière. Ao. roy. des scienc. et des lettres de Danemark. Extr. 
d. bull. 1908. 


Wirk. d. Lioht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 445 


ohemischer Agenzien, unter ultravioletter Belichtung erstarrt. 
Es liegt also nichts Überraschendes darin, daß die belichteten 
Blutportionen im 4. Versuch eine allmählich anwachsende 
Schicht von Niederschlägen an dem belichteten Fenster abgesetzt 
haben; wenn diese Schicht sich beim Abschlusse des Versuches 
auch nur als eine leichte, milchige Trübung darstellte, hat sie 
doch genügt, um die fortwährend sinkenden Reaktions- 
geschwindigkeiten in den Bestimmungen a bis d zu bewirken. 

Daß diese Erklärung die richtige ist, zeigt der 5. Versuch, 
wo man den genannten Fehler zum Teil dadurch eliminierte, 
daß die Belichtung bei jeder der Bestimmungen des Versuches 
durch ein blank poliertes Fenster erfolgte. 


5. Versuch vom 7. III. 08. 


In allen Fällen 15 com Blut in der großen Quarzkammer. Atm. 
Luft. Bel. durch Quarz. 





a) Bel. 30, Temp. 15,1°, Vol.-0/ CO3 





Anal. 9,75 com, F O⸗ 
k = 0,008 68. o N, 
b) Bel. 45°, Temp. 15,0°, „ Co, 
Anal. 10,2 com, js O3 
k — 0,009 26. » Na 
c) Bel. 100, Temp. 15,0°, * CO, 
Anal. 10,10 ccm, * O⸗ 
k = 0,008 82. 5 N, 
d) Bel. 15’, Temp. 15,2°, = CO, 
Anal. 9,6 ocm, F Oz 
k — 0,008 26. 5 N, 
e) Unbelichtet 60, » CO: 
Temp. 15,0°, — Oz 
Anal. 9,8 com. 5 N, 


Die Einzelbestimmungen wurden im 5. Versuch in der angegebenen 
Reihenfolge unternommen. Die Reaktionskonstanten schwanken, wie 
man sieht, verhältnismäßig unbedeutend um durchschnittlich 0,00875 
herum; 


kso = 0,008 68 
kas — 0,009 26 
kioo = 0,008 82 
kıs — 0,008 26 


Durchschnitt 0,00875 


446 K. A. Hasselbalch: 


Berechnet man von dieser durchschnittlichen Reaktionsgeschwindig- 
keit aus den Sauerstofigehalt des Hämoglobins nach 15; 30; usw. Minuten 
dauernder Belichtung, so erhält man folgende, mit den tatsächlich ge- 
fundenen recht gut übereinstimmende Werte: 


O des Hämoglobins in Vol.-%/, des Blutes im 5. Versuch. 


|beobachtet| berechnet 





Belichtung ®©. .... 17,21 — 
Ir lO EEE 12,94 12,72 
7 5 | TE ge 9,45 9,40 
z dO e 6,59 6,95 
wo l0 eeoa 2,26 | 2,29 


Eine so gute Übereinstimmung berechtigt zu dem Schlusse, 
daß die Voraussetzung der Berechnung richtig war, und daß 
also die Destruktion des Oxyhämoglobins durch Licht unter 
den hier gegebenen Versuchsbedingungen wirklich mit der ver- 
muteten Abhängigkeit von der Belichtungsdauer fortschreitet. 

Die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit 
von der Menge des belichteten Blutes. Dem Vorher- 
gehenden zufolge wird es einleuchten, daß die in der Kammer 
vorhandene Blutmenge — innerhalb gewisser Grenzen — den 
Grad der Destruktion durch Licht beeinflußen muß, so 
zwar, daß während derselben Zeit eine um so größere prozentige 
Destruktion erzielt wird, je weniger Blut in der Kammer be- 
lichtet wird; bei kleinen Blutmengen wird nämlich das 
einzelne Blutkörperchen während der Rotation häufiger belichtet 
werden als bei großen. Ich habe keine Versuche angestellt, 
die speziell die Untersuchung des Verhaltens der Blutmenge 
zur Reaktionsgeschwindigkeit ins Auge fassen; solche Be- 
stimmungen müßten in unmittelbarer Aufeinanderfolge aus- 
geführt werden, weil sowohl das Brennen der Lampe als die 
Klarheit des Wasserbades und die Rotationsgeschwindigkeit der 
Kammer wie auch noch mehrere andere Umstände bei dieser 
Untersuchung konstant sein müßten. 

Ich habe unten indes ein paar Reaktionskonstanten aus 
Versuchen mit verschiedenen Blutmengen in der Kammer 
unter sonst — soweit sich begutachten läßt — gleichen Be- 
dingungen zusammengestellt. Diese Versuche wurden an ver- 
schiedenen Tagen mit verschiedenem Blute unternommen; hierzu 
ist zu bemerken, daß die Entfernung der Kammer von der 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 447 


Lampe von Tag zu Tag konstant war, daß nur solche Ver- 
suche mit aufgenommen wurden, wo das Wasserbad soeben ge- 
wechselt worden war und wo es also für die ultravioletten Strahlen, 
an die die Wirkung hauptsächlich gebunden ist, in ungefähr 
demselben Grade durchlässig war; ferner ist es nur von unter- 
geordneter Bedeutung, daß es sich bei jedem Versuche um ver- 
schiedenes Blut handelt, wenn nur die Konzentration der Blut- 
körperchen einigermaßen konstant ist. Die Konstanz des Lichtes 
der Lampe kann ich nur schwierig beurteilen; die Stromstärke 
war in allen Versuchen dieselbe, im Laufe eines halben Jahres 
hat die Intensität des Strahlengebietes 250 bis 220 uu aber nach- 
weisbar um ca. !/, abgenommen (wegen anwachsender Beläge 
an der inneren Seite der Lichtröhre: unvollständiges Vakuum, 
daher Oxydation des Quecksilbers); die Bestimmungen der 
Tabelle erstrecken sich indes nur auf 3 Wochen, so daß man 
wohl annehmen darf, die Intensität des Lichtes sei innerhalb 
dieses Zeitraumes praktisch genommen konstant geblieben. 


Nummer und Datum 15 ccm 25 com 30 com 
des Versuchs k k k 
5. 7.1. 0,008 75 EN 
1. 22. IL — 0,00661 — 
2. 24.11. — 0,00569 — 
7. 14. III. — — 0,004 84 
k im Durchschnitt 0,008 75 0,006 15 0,004 84 





Es ist, wie bereits gesagt, nur ein bedingter Wert, der diesen Zahlen 
beigelegt werden darf, und es ist unmöglich, aus denselben ein zahlen- 
mäßiges Verhältnis zwischen der Destruktionsgeschwindigkeit und der 
Blutmenge abzuleiten. Jedoch demonstrieren sie sehr deutlich die Not- 
wendigkeit, bei quantitativen Untersuchungen über Lichtwirkungen auf 
aufgelöste oder aufgeschwemmte Körper in derselben Verauchsserie stets 
mit genau derselben Menge Flüssigkeit zu arbeiten und sich zu ver- 
gewissern, daß die Teile der Flüssigkeit in gleichem Maße dem Lichte 
ausgesetzt werden. Eine chemische oder physikalische Wirkung der Be- 
strahlung setzt nämlich voraus, daß das Licht absorbiert wird; hieraus 
folgt aber, daß tiefere Schichten weniger stark oder auch gar nicht be- 
einflußt werden. Eine Flüssigkeit, in welcher eine photochemische Re- 
aktion vorgeht, ist eo ipso in einer gewissen Schichtdicke undurchlässig 
für diejenigen Strahlen, welche die Reaktion bewirken. Je mehr die 
untersuchte Wirkung an die äußersten ultravioletten Strahlen geknüpft 
ist, die in den rein oberflächlichen Schichten absorbiert werden, und je 
mehr undurchlässig — für sichtbare Strahlen — die Flüssigkeit ist, um 
so notwendiger ist es, daß die Oberfläche fortwährend wechselt. 


448 K. A. Hasselbalch: 


Systematische Untersuchungen über den Einfluß der Blut- 
menge auf die Reaktionskonstante hätten möglicherweise zu einer 
Vorstellung davon führen können, wie tief die wirksamen Strahlen 
in das Blut eindringen. Da es sich hier um ein diskontinuier- 
liches Spektrum mit einer nicht ausgemessenen Energieverteilung 
handelt, fand ich mich jedoch nicht zu solchen Untersuchungen 
veranlaßt. 

Die Abhängigkeit der Destruktion von der Sauer- 
stoffspannung. In den bisher besprochenen Versuchen fand 
die Belichtung bei der Sauerstoffspannung der Atmosphäre, 
ca. 150 mm Sauerstoffdruck, statt. Der 6. Versuch wurde in 
der 8. 439 beschriebenen Weise angestellt: das Blut befand sich 
während der Belichtung im Gleichgewicht mit einem Gase von 
ca. 20 mm Sauerstoffdruck, und nach der Belichtung wurde so- 
fort der Sauerstoffgehalt des Blutes untersucht. Darauf ge- 
richtete Voruntersuchungen hatten mich belehrt, daß, um 
15 com Blut in Diffusionsgleichgewicht mit 85 ccm Gas einer 
derartigen Zusammensetzung zu bringen, eine Versuchsdauer von 
(weniger als) 30 Minuten erforderlich sei; die Versuchsdauer be- 
trug deshalb 45 Minuten. 


6. Versuch vom 9. VII. 08. 


In allen Bestimmungen 15 ccm def. Ochsenblut in der 
großen Quarzkammer. 





Im Phys. p; Sp. 
ganzen| abs. > mm 


Vol.-°/, CO, | 66,58 









a) Bel. durch Quarz 45), 








es °, „ 0,1] 6,56 23,1 

al. 9,72 com, 

k = 0,00854. » Naj 77 air 

b) Bel. durch gew. Glas 45’, » CO | 61,27 30,9 
Temp. 14,89, = O, | 15,67 21,9 
Anal. 9,78 ccm. er N, | 1,76 681,2 

c) Unbelichtet 45, „» CO} | 60,76 30,1 
Temp. 14,850, 21,1 
Anal. 9,58 com. 685,8 


Es erweist sich nun (6. Versuch), daß bei einem Sauer- 
stoffpartialdruck von nur 23 mm Hg die Lichtdestruk- 
tion des Oxyhämoglobins in wohl so ziemlich demselben 
Umfang wiebeiatmosphärischem Sauerstoffdruokstatt- 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbet. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 449 


findet; vgl. k= 0,00854 im 6. Versuch mit derselben Größe 
0,00875 im 5. Versuch. 

Die Wirkung des glasfiltrierten Lichtes (Versuch 6b) ist 
kaum nachweisbar. 

Im 7. Versuch gelang es, das Blut bei so niedriger Sauer- 
stoffispannung unter Belichtung zu bringen, daß die Destruktion 
keinen so großen Umfang wie in atmosphärischer Luft erreichte. 
Dies wird dadurch erwiesen, daß man dem Blute nach der Be- 
lichtung Gelegenheit gibt, sich mit atmosphärischer Luft zu 
sättigen: das in sauerstoffarmer Luft belichtete Blut 
vermag dann mehr Sauerstoff aufzunehmen als das in 
atmosphärischer Luft belichtete. 

Außerdem untersuchte ich in diesem Versuche, ob keine 
Nachwirkung der Belichtung eintrete. Dies ist aber nicht 
der Fall, weder bei dem in sauerstoffarmem Gase, noch bei dem 
in atmosphärischer Luft belichteten Blute. Der Übersicht wegen 
sind im 7. Versuch nur die Zahlen für den Sauerstoffgehalt des 
Blutes in Vol.-°/, unter Abzug des physikalisch absorbierten Sauer- 
stoffs angeführt. 


7. Versuch vom 14. III. 08. 
In allen Bestimmungen 30 ccm Blut. Große Quarzkammer. 


&) b) Bel, durch Quarz| c) Unbelichtet in 
Schütteln mit CO,+N,| in atm. Luft 30. atm. Luft 30. 
(zu gleichen Teilen) bis Anal. 9,72 ocm. Anal. 9,5 ccm. 
zum red. Hb.-Spektrum, Vol.-%/, O, 14,38. Vol.-%/, Og 19,80. 


daraufmitN,. Nun bel. | Sättigung mit atm. Luft 
durch Quarz 30 in fortgesetzt 60. 
sauerstoffarmem Anal. 7,3 ccm. 
(as. Darauf mit atm. Vol.-0/ Oa 14,10. 
Luft 30’ lang gesättigt. | Sättigung mit atm. Luft 
Anal. 9,6 ccm. ferner fortgesetzt 60. 
Vol.-%/, Oz 15,18. Anal. 8,3 com. 
Sättigung mit atm. Luft VoL-%/, Og 14,25. 
fortgesetzt. 30’ später 
anal. 10,2 com. 
VoL -0/ O, 15,27. 
Durchschnitt: 15,22. 14,24. 19,80. 


Es zeigt sich also, daß eine energische, wenn auch nicht 
vollständige Austreibung des Sauerstoffs des Blutes, wie sie im 
7. Versuch durch Sättigung mit einer mehrmals erneuerten 


450 K. A. Hasselbalch: 


Kohlensäurestiokstoffatmosphäre stattfand, bis die Spektroskopie 

nur das Spektrum des reduzierten Hämoglobins darbietet, einen 

gewissen Grad der Lichtbeständigkeit des Hämoglobins bewirken 

kann. Die Frage ist nun, ob ein vollständiger Mangel an 

Sauerstoff das Hämoglobin unter den gegebenen Versuchs- 

bedingungen durchaus lichtbeständig zu machen imstande ist. 
Um diese Frage zu untersuchen, wurden im 


8. Versuch vom 21. III. 08. 


25 ccm Blut ohne Anwendung von Säure und Erwärmung und 
während vorsichtigen Schüttelns mittels der Quecksilberluft- 
pumpe entgast. 

Ca. 15 ccm entgastes Blut wurden in die ebenfalls ausgepumpte, in 
Wasser versenkte große Quarzkammer gebracht, die man während des 
Auspumpens mit dem Rezipienten der Pumpe in Verbindung gesetzt 
hatte. Die 15 com Blut wurden darauf in einer 60’ währenden Rotation in 
gewöhnlicher Weise im Vakuum belichtet; Sättigung 45’ hindurch mit 
atm. Luft und Auspumpen von 10,2 com. Man bemerkte, daß das Blut 
während der Sättigung mit Luft seine ursprüngliche Oxyhämoglobinfarbe, 
nicht aber die gewöhnliche Schokoladefarbe annahm. Das Blut enthielt 
nach der Sättigung 

Im ganzen Phys. abe. Diff. 
Vol.-0/ Op 20,65 0,65 20,00 
und scheint somit von der Belichtung im Vakuum unbeein- 
flußt zu sein; 

Bei einer vollständigen Untersuchung (9. Versuch), wo u. a. 
die Änderung der Konzentration berücksichtigt wurde, die das 
Blut durch das fast 3stündige Auspumpen erleidet, erweist es 
sich nun, daß eine Belichtung, die in atmosphärischer 
Luft das Sauerstoffbindungsvermögen des Blutes um 
ca. 50°/, herabsetzt, im Vakuum völlig unschädlich ist. 
Nur das Oxyhämoglobin wird durch das Licht de- 
struiert, während das Hämoglobin lichtbeständig ist. 
Dieses Resultat wird durch unten angeführte Untersuchungen 
andrer Art bestätigt (und ein wenig modifiziert). 


9. Versuch vom 23. III. 08. 


50 ccm def. Ochsenblut ausgepumpt. Ca. 20 ccm in die aus- 
gepumpte Quarzkammer gebracht und 60’ lang im Vakuum belichtet, 
darauf 60’ hindurch mit atm. Luft gesättigt (a). 

Die übrigen 30 ccm unbelichtet 60’ mit atm. Luft gesättigt, eine 
Probe anal. (b), der Rest (ca. 18 com) 60’ in atm. Luft belichtet (c). 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 451 








a) Beliohtet durch | b) Unbelichtet 60’.|c) Bel. durch Quarz 
Quarz60Y’imVakuum. | Mit atm. Luft gesättigt. | 60’ in atm. Luft. 


Temp. 15,0°, mit atm. Temp. 14,9°. Temp. 14,9°., 
Luft gesättigt. 

9.72 ccm anal 8,42 com anal. 10,0 ccm anal. 

` VoL-°/o O3 21,26. VoL-°/, 21,01. | Vol.-0/ 10,27. 


Der Mechanismus der Oxyhämoglobindestruktion. 
Bekanntlich ionisieren und ozonisieren ultraviolette Strahlen die 
Luft, die sie passieren. Es liegt nahe, die Möglichkeit zu unter- 
suchen, ob die Oxyhämoglobindestruktion indirekt durch Be- 
lichtung der Luft in und über dem Blute hervorgerufen sein 
könnte. Daß Ozon methämoglobinbildend wirkt, ist jedenfalls 
bekannt und leicht zu konstatieren; allerdings sind bedeutende 
Ozonmengen erforderlich. 

Entstünde die Oxyhämoglobindestruktion sekundär nach 
einer primären Wirkung des Lichtes auf die Luft, so müßte 
man das sauerstoffbindende Vermögen des Blutes dadurch 
herabsetzen können, wenn man dieses mit belichteter Luft 
sättigte.e Der 10. Versuch ist ein Beispiel unter mehreren der 
vergeblichen Bemühungen, die ich mir gab, um eine solche in- 
direkte Destruktion des Hämoglobins mittels belichteter Luft 
herbeizuführen. Das negative Ergebnis ist wegen des einge- 
schalteten Kautschukschlauches nur hinsichtlich der Ionisierung 
der Luft beweisend; mit Bezug auf das Ozon siehe unten. 


10. Versuch vom 28. III. 08. 


50 com def. Ochsenblut in der „Rollflasche‘‘!) behandelt mit Durch- 
leitung a) 51 unbelichteter atm. Luft während 45’, mit Feuchtigkeit bei 
Zimmertemperatur gesättigt, b) atmosphärischer Luft unter denselben 
Bedingungen, unterwegs aber in der großen Quarzkammer von Queck- 
silberlicht durch Quarz belichtet. Kommunikation der Quarzkammer 
mit der Rollflasche mittels eines Kautschukschlauches. 


Vol.-0/, Oz 
a) 18,04 
b) 18,11 


Was die Ozonbildung der Quecksilberquarzlampe betrifft, 
die in mehreren Publikationen über diese zu medizinischem Ge- 


1) Eine liegende, rotierende 1 l-Flasche, durch deren Achse Luft zu- 
und abgeführt werden kann. Siehe meine frühere Arbeit: Über die Wir- 


kung des Lichtes usw. 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 30 


452 K. A. Hasselbalch: 


brauche konstruierte Lampe als unbestreitbar und kräftig voraus- 
gesetzt wird, habe ich folgende Gründe, um anzuzweifeln, ob 
die Lampe überhaupt Ozon in meßbaren Mengen entwickelt: 


1. Ozonbildung kann nach Regener!) bei Bestrahlung von Luft 
mit ultraviolettem Lichte stattfinden, aber nur mit Licht von geringerer 
Wellenlänge als 200 uu; die Wellenlänge 186 uu ist die günstigste, weil 
hier der Sauerstoff ein Absorptionsmaximum hat.2) Bei der Quecksilber- 
quarzlampe ist die Aussendung von Strahlen mit geringerer Wellenlänge 
als ca. 210 uu ausgeschlossen, nicht des Quarzes wegen, der erst bei 
185 uu zu absorbieren beginnt, sondern wegen des Kühlwassers — Leitungs - 
wasser — zwischen der Lichtröhre und dem Quarzfenster. Tatsächlich 
wird die photographische Platte, wie bereits gesagt, sogar bei sehr langer 
Exponierung nur bis 220 uu beeinflußt. Regener wies ferner nach (l. o.), 
daß Strahlen mit der Wellenlänge von ca. 257 uu (deren die Lampe eine 
große Menge entsendet, siehe Fig. 1) die entgegengesetzte Wirkung ausüben, 
d. h. das Ozon in Sauerstoffmoleküle spalten, was damit in Zusammen- 
hang steht, daß hier das Ozon ein Absorptionsmaximum hat. Von vorn- 
herein scheint also jede Möglichkeit einer Ozonbildung bei Bestrahlung 
von Luft mit der Quecksilberquarzlampe ausgeschlossen. 

2. Selbst eine ganz unbedeutende Ozonbildung in der „großen Quarz- 
kammer“ von ca. 100 ccm müßte sioh durch Druckmessungen nachweisen 
lassen, indem eine Ozonbildung von auch nur 0,02 ccm in der darin ein- 
geschlossenen atmosphärischen Luft ein Sinken des Druckes um I mm 
Wasser bewirken würde, 


11. Versuch vom 10. IV. 08. 


Die Schaufeln sind aus der Kammer entfernt, die Quarzfenster am 
neusilbernen Ringe längs der Peripherie paraffiniert worden. Bei Be- 
lichtung der Luft in der Kammer, die durch Drehung eines Hahnes mit 
einem engen Manometer in Verbindung gesetzt werden kann, beobachtet 
man nach Korrektur der unbedeutenden Temperaturschwankungen (fort- 
währendes Umrühren des Wasserbades) durchaus keine Druckänderungen 
in der CO,-freien, trocknen atm. Luft, die bestrahlt wird, nicht einmal 
nach 1!/,stündiger Belichtung durch Quarz. Im ganzen 12 Beobachtungen 
während des Verlaufes des Versuches. 

3. Atmosphärische Luft, die während der Passage durch die große 
Quarzkammer belichtet wird, bewirkt keine Jodausscheidung in Jod- 
kaliumstärkelösung. 

4. Dagegen bewirkt die direkte Bestrahlung des Jodkaliumstärke- 
papiers bekanntlich bei Vorhandensein von Sauerstoff leicht eine Jod- 
ausscheidung; das nicht filtrierte Quecksilberquarzlampenlicht bewirkt 
fast augenblicklich eine kräftige Blaubraunfärbung; wird das Lioht durch 


1) E. Regener, Über d. chem. Wirk. kurzwelliger Strahlungen auf 
gasförmige Körper. Annal. d. Physik, IV. Folge, 20, 1906. 
2) H. Kreusler, Annal. d. Physik, IV. Folge, 6, 1901. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 453 


Uviolglas filtriert, so erfolgt die Färbung in 1 bis 2 Minuten; hält man 
gewöhnliches Glas zwischen die Lampe und das Jodkaliumstärkepapier, 
so färbt letzteres sich gar nicht.!) Es handelt sich hier indes um eine 
direkte Lichtwirkung auf Jodkalium, eine Wirkung, die der Natur des 
Prozesses zufolge das Vorhandensein von Sauerstoff, nicht aber von Ozon 
voraussetzt. Hält man vor der in Luft (in der Fig. 2 abgebildeten 
Stellung) brennenden Lampe ein Stück feuchtes Jodkaliumstärkepapier 
parallel zum Quarzfenster und zwischen die Lampe und die obere 
Hälfte des Papiers ein Stück gewöhnliches Glas, so zeigt sich, daß die 
Jodausscheidung scharf auf den unteren Teil des Papiers begrenzt ist, 
obwohl die belichtete Luft zwischen dem Glase und dem Papier 
emporsteigt. 

Der sog. „Ozongeruch‘“ in der von der Quarzlampe belichteten 
Zimmerluft ist möglicherweise den Wirkungen des Ultraviolett auf die 
organischen Staubpartikelchen zu verdanken. ?) 

Da wir bewiesen haben, daß die benutzte Lichtquelle die Luft 
nicht ozonisiert, und daß die durch dieselbe bewirkte Ionisierung für die 
Destruktion des Oxyhämoglobins keine Rolle spielt, gewinnt es an Wahr- 


1) Dieses Verhalten ist später hier im Laboratorium benutzt worden, 
um leicht und sicher zu entscheiden, ob ein Stoff Quarz, Uviolglas oder 
gewöhnliches Glas ist, Verdeckt man ein Stück Jodkaliumstärkepapier 
(2°/, lösliche Stärke, 5°%/, JK) zum Teil durch ein Stück Quarz, und 
exponiert man es dem Lichte der Quecksilberquarzlampe (in der Ent- 
fernung von ein paar Zentimetern), so wird das Papier nach ca. 30” 
überall ganz gleichmäßig braunblau sein; Uviolglas gibt nach 2’ eine 
hellbraune Abzeichnung auf blaubraunem Grunde, gewöhnliches Glas eine 
ganz weiße. — Die Reaktion wird, näheren Untersuchungen zufolge, die 
Herr cand. mag. H. M. Hansen hier im Laboratorium anstellte, bei der 
gegebenen Lichtquelle durch das Strahlengebiet 253,6 u bis ca. 230 uu, 
und zwar am kräftigsten durch die Strahlen um 253 „u herum bewirkt. 
Sie eignet sich deshalb sehr wohl zu der genannten Untersuchung, da 
das Uviolglas bei ca. 253 uu zu absorbieren beginnt. 

2) Bordier und Nogier, deren Arbeit: Experimental researches 
on Kromayers Quarz-Mercury Lamp (Arch. of the Röntgen rays 1908, 
ref. in den Fortschr. a. d. Gebiete der Röntgenstr. 13, 1909) mir nur 
aus dem Referat bekannt ist, vermochten ebensowenig wie ich Ozon- 
bildung durch die Quecksilberquarzlampe nachzuweisen, scheinen aber 
doch wegen des Geruchs dessen Vorhandensein zu behaupten. Da die 
Jodkaliumstärkereaktion indes eine ganz außerordentlich feine Ozonprobe 
ist, erscheint meine Erklärung des Geruchphänomens mir als die natür- 
lichere. 

Zur Erklärung der Methämoglobinbildung in (verdünntem) Blut, 
die auch Bordier und Nogier beobachteten, genügt eine Ozonbildung, 
die sich nicht durch Jodkaliumstärke nachweisen läßt, jedenfalls nicht; 
denn dazu ist eine energische und lange Behandlung mit verhältnismäßig 


enormen Ozondosen erforderlich (Binz). 
g 30* 


454 K. A. Hasselbalch: 


scheinlichkeit, daß der betreffende Prozeß als eine direkte Lichtwirkung 
zu betrachten ist. Wie bereits angedeutet, besteht die Wirkung in erster 
Linie in einer Methämoglobinbildung. Belichtetes Blut gibt ein 
Methämoglobinspektrum, das bei Reduktion mit Schwefelammonium in 
das Spektrum des reduzierten Hämoglobins hinüberschwingt; nach 
Schütteln mit atmosphärischer Luft bildet sich wieder Oxyhämoglobin. 


Spektroskopische Untersuchung der Lichtwirkung 
auf Oxyhämoglobin. 


Bei den folgenden spektroskopischen Untersuchungen benutzte ich 
ein geradsichtiges Spektroskop mit Wellenlängenskala, das vor dem Ge- 
brauche stets sorgfältig auf die Natriumlinie bei 589 xu eingestellt wurde. Die 
gefundenen Absorptionsstreifen sind durch die Wellenlänge der geschätzten 
maximalen Absorption angegeben. Diese Schätzung darf wohl kaum 
auf größere Genauigkeit als + 2 uu Anspruch machen; zum Erkennen 
der Farbstoffe ist diese Genauigkeit indes genügend. Da es mir nun 
gerade nur darum zu tun war, die Farbstoffe mittels deren Spektra zu 
erkennen, notierte ich nur die Lage der charakteristischen sichtbaren 
Absorptionsstreifen, dagegen nichts über die Totalabsorption am roten 
oder violetten Ende des Spektrums. 

Die charakteristischen Absorptionsstreifen des äußersten Violett!) 
entzogen sioh deshalb auch meiner Wahrnehmung. 


Maximale Absorption | Meine Versuche ——— und 


| 











Oxyhämoglobin . | 580, 540 679, 542, 415 
Reduziertes Hämoglobin | 560 559, 429 
Kohlenoxydhämoglobin . | 570, 540 570, 542, 416 
Neutrales Methämoglobin | 630, 580, 540, 500 !626, 575, 533, 499, 410 
Alkalisches Hämatin . .| 615 616 

Hämochromogen . . . . | 555, 530 1658, 530, 441 


Es erweist sich, daß die maximale Absorption, die ich 
fand und als für die von mir untersuchten Blutfarbstoffe 
charakteristisch anwandte, laut der obenstehenden Zusammen- 
stellung recht gut mit der von Lewin, Miethe und Stenger 
(l. c.) photographisch fixierten und ausgemessenen maximalen 
Absorption zusammenfällt. Nur zeigt sich in meinen Bestim- 
mungen, wie zu erwarten, eine Tendenz zur Abrundung, bald 
nach oben, bald nach unten, die wahrscheinlich von Suggestion 
aus den Haupteinteilungen der Wellenlängenskala herrührt. 


1) Siehe z. B. L. Lewin, A. Miethe und E. Stenger, Über die 
durch Photographie nachweisbaren spektralen Eigenschaften der Blut- 
farbstoffe des tierischen Körpers. Pflügers Archiv 118, 1907. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw 4855 


Wo sonst nichts bemerkt ist, wurden bei diesen Untersuchungen 
stets die kleinen ca. 3 ccm fassenden Quarzcuvetten (Fig. 3) mit 2,5 ccm 
der Blutfarbstofflösung angewandt. Für Kontrolluntersuchungen war eg 
von Wichtigkeit, daß die beiden Cuvetten, womit ich arbeitete, ziemlich 
genau dasselbe Volumen und dieselben Dimensioncn hatten. 

Die spektroskopischen Veränderungen, die erfolgen, wenn 
eine Hämoglobinlösung der Belichtung mit oder ohne Luft 
durch Quarz und durch Glas ausgesetzt wird, gehen deutlich 
aus folgendem Versuche hervor. 


12. Versuch vom 2. X. 08. 


20/ Blutlösung in dest. Wasser, am vorhergehenden Tage aus- 
gepumpt, 60 lang im Vakuum durch Quarz belichtet ohne Ver- 
änderung des reduzierten Hb.-Spektrums (595 bis 545; maximal bei 560) 
und ohne Ausscheidung. 

Nach kurzer Zulassung der Atmosphäre Oxy-Hb.-Spektrum (580, 
540); Belichtung 60’ lang in Luft durch Glas; nach 30’ schwaches 
Methb. (630), nach 60’ stärkeres Methb. und leichter Bodensatz. 

Darauf Belichtung durch Quarz in Luft. Nach 6’ sehr kräf- 
tiges Methb. und Bodensatz; nach ferneren 6’ gräuliche Trübung, 630 
undeutlicher; 12’ später: 630 immer undeutlicher, die Flüssigkeit bleicher, 
gelblich. Naoh im ganzen dreistündiger Belichtung durch Quarz wasser- 
klare Flüssigkeit mit gelbgrauem Bodensatz. 

Die im 12. Versuch zusammengedrängten Beobachtungen 
über die Wirkung des Lichtes auf das Hämoglobin, die einzeln 
und im Verein in etwas über 100 auf verschiedene Weise 
variierten Versuchen wiederholt wurden, ergeben folgendes: 


1. Das reduzierte Hämoglobin ist lichtbeständig. 


2. Oxyhämoglobin wird durch Licht in Methämo- 
globin umgewandelt; dieses wird, wenn Sauerstoff 
vorhanden ist, unter Ausscheidung von Verbindungen, 
die in Wasser unlöslich sind, gespalten (s. u.). Die 
Wirkung ist an Strahlen von Wellenbreiten sowohl 
über als unter 310 zu geknüpft, und zwarin ganz über- 
wältigendem Maße an die letzteren. 


Bei Belichtung einer von den Eiweißstoffen des Serums 
befreiten Oxyhämoglobinlösung, aus der man die Stromata ab- 
zentrifugiert hat, ändert sich der Verlauf der Lichtwirkung nur 
insofern, als die Ausscheidungen viel geringer werden und die 
Lösung während mehr als der dreifachen Zeit methämoglobin- 
farbig bleibt. 


456 K. A. Hasselbaloh: 


Im Bodensatz finden sich in beiden Fällen Hämatin 
und Albumin. Das Hämatin, das albuminfrei ist, läßt sich 
leicht nach Auflösung des ausgewaschenen Bodensatzes in ganz 
schwachem Alkali und Reduktion mit Schwefelammonium (oder 
Licht, s. u.) erkennen, indem hierdurch das charakteristische 
Spektrum des Hämochromogens erscheint (555 stark, 530 schwach); 
durch Schütteln mit atm. Luft wird Hämatin wieder rückge- 
bildet. 

Reindarstellung des Methämoglobins. Da das Häma- 
tin in neutraler, salzarmer Flüssigkeit unlöslich ist,!) muß sich 
auf diese Wirkung des Lichtes eine Reindarstellung des Met- 
hämoglobins gründen lassen. Die hierzu üblichen Methoden, 
speziell die Ferricyankaliummethode, leiden bekanntlich an dem 
Übelstand, daß die Methämoglobinkrystalle sich nur sehr 
schwierig von Spuren des angewandten Methämoglobinbildners 
befreien lassen, was gelegentlich — Elementaranalyse, Licht- 
wirkung auf Methämoglobin (s. u.), spektroskopische Messungen 
— große Unannehmlichkeiten bereiten kann und auch be- 
reitet hat. 

Die einzige Schwierigkeit bei der Reindarstellung des Met- 
hämoglobins durch ultraviolettes Licht ist die Bestimmung des 
Zeitpunktes für die vollständige Umbildung des Oxyhämoglobins. 
Bei der von mir angewandten Anordnung — 30 ccm 5°/,iger 
gereinigter Blutkörperchenauflösung in der großen Quarzkammer — 
tritt dieser Zeitpunkt nach weniger als 30 Minuten ein; von 
einer entnommenen Probe erweist es sich dann durch Aus- 
pumpen, wodurch das Spektrum nicht geändert wird, 
daß sie Sauerstoff nur in derselben Menge wie de- 
stilliertes Wasser enthält. 

Das Spektrum des Methämoglobins. Das Spektrum 
der solchergestalt dargestellten reinen Methämoglobinlösung zeigt 
in geeigneter Schichtdicke 3 bis 4 sichtbare Absorptionsstreifen 
auf: 1. den Streifen im Rot um 630 u herum, der für be- 
sonders charakteristisch gehalten wird; 2. und 3. die Streifen 
bei 580 und 540, die das Methämoglobin mit dem Oxyhämo- 
globin gemein hat, unter denen 540 aber der kräftigere ist und 


1) V. Arnold, Ein Beitrag zur Spektroskopie des Blutes. Zeitschr. 
f. physiol. Chem. 29, 1900. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 457 


bei steigender Verdünnung mit 580 zugleich verschwindet, 
während hinsichtlich des Oxyhämoglobins 540 der weniger in- 
tensive ist und lange vor 580 schwindet; 4. in gewissen Schicht- 
dicken erblickt man auch bei 500 uu einen schwachen Streifen, 
der aus der allgemeinen Absorption am violetten Ende des 
Spektrums hervortritt. 

Eine Beimischung von Oxyhämoglobin wird sich durch die 
spektrale Untersuchung allein natürlich nur schwierig erkennen 
lassen. Gibt aber die spektrale Untersuchung vor und 
nach dem Auspumpen in allen Beziehungen genau dasselbe 
Bild, so kann man mit großer Sicherheit behaupten, daß die 
Umbildung in Methämoglobin eine vollständige war. Denn 
eine Verunreinigung durch Oxyhämoglobin wird ziemlich leicht 
dadurch entdeckt werden, daß nach dem Auspumpen ein ge- 
mischtes Spektrum des Methämoglobins und des reduzierten 
Hämoglobins auftritt. Behandelt man eine Oxyhämoglobin- 
lösung mit irgendeinem Methämoglobinbildner, z. B. mit Ferri- 
cyankalium, in so großer Menge, daß noch Spuren von Oxy- 
hämoglobin zurückbleiben, d. h. hört man mit dem tropfen- 
weisen Zusetzen des Methämoglobinbildners auf, bevor das 
Spektrum konstant geworden ist, so werden diese Spuren des 
Oxyhämoglobins sich leicht durch Entgasen der Lösung und 
durch Spektroskopie entdecken lassen. Bei dieser Gelegenheit 
war es von Bedeutung, daß die Konstruktion der Quarz- 
cuvetten die spektroskopische Untersuchung in zwei Schichtdicken 
gestattet. 

Otto!) setzt voraus, daß eine Lösung von Oxyhämoglobin 
während des Auspumpens zum Teil in Methämoglobin über- 
gehe, und gründet hierauf eine Untersuchung über den Sauer- 
stoffgehalt des letzteren. Mir ist es bei der von mir angewandten 
vorsichtigen Form des Auspumpens (keine Erwärmung, kein 
Säurezusatz) und bei den Oxyhämoglobinkonzentrationen, mit 
denen ich arbeitete, nicht vorgekommen, daß ich das Met- 
hämoglobin während des Auspumpens einer Oxyhämoglobin- 
lösung in spektroskopisch erkennbarer Menge auftreten sah. Das 
Auspumpen einer Methämoglobinlösung mit Spuren von Oxy- 


1) J. G. Otto, Studien über Methämoglobin. Pflügers Archiv 
81, 1883. 


458 K. A. Hasselbalch: 


hämoglobin wie oben würde schlimmstenfalls ja auch nur be- 
wirken können, daß ein Teil des Oxyhämoglobins in Met- 
hämoglobin, der Rest aber in reduziertes Hämoglobin über- 


ginge. 
Als Resultat meiner spektroskopischen Untersuchungen an 
Licht-Methämoglobin in Luft und im Vakuum muß ich fest- 
stellen, daß das Spektrum des durch Belichtung ge- 
bildeten Methämoglobins vier sichtbare Absorptions- 
streifen enthält, bei 630, 580, 540 und 500 uu. Dasselbe 
gilt übrigens von dem aus folgenden Stoffen gebildeten Met- 
hämoglobin: Hydrochinon, Phenylhydrazin, Kalium- 
permanganat, Ferricyankalium, Chloras kalicus, wie 
auch von dem durch Fäulnis und spontan, namentlich in 
der Wärme gebildeten Methämoglobin. Näheres hierüber unten. 


Die Frage nach dem optischen Verhalten des reinen Methämoglobins 
in neutraler Flüssigkeit ist stark diskutiert worden. Die meisten Autoren, 
hierunter Hoppe-Seyler!), der Entdecker des Methämoglobins, Preyer?), 
Araki’) und Dittrich) schreiben dem Methämoglobin nur den Ab- 
sorptionsstreifen I (630 uu) zu und betrachten II und III (580 und 
540 uu) als Zeichen der Verunreinigung durch Oxyhämoglobin; daß III 
bei Verdünnung so lange fortdauert, erklärt Dittrioh dadurch, daß das 
Methämoglobin starke allgemeine Absorption im ganzen kurzwelligen 
Teil des Spektrums gebe, so daß die vom Oxyhämoglobin herrührende 
` Verdunkelung, Linie III, hierdurch verstärkt werde. Arakis Argumen- 
tation dafür, daß nur die Linie I dem Methämoglobin charakteristisch 
sei, ist von Interesse. In einer zugesohmolzenen Röhre, die Methämo- 
globinlösung und ein wenig Luft enthält, verschwinden wegen bakte- 
rieller Einwirkung erst II und III, indem sie zu einem reduzierten 
Hämoglobinstreifen zusammenfließen; erst durch Schütteln mit der darüber 
stehenden Luft kommen II und III wieder zum Vorschein. Erst lange 
nachdem II und III durch Fäulnis zum Verschwinden gebracht worden 
sind und nicht mehr durch Schütteln mit der obenstehenden Luft zum 
Vorschein kommen, verschwindet auch I, so daß das Ganze reduziertes 
Hämoglobin ist. Araki schließt hieraus, daß ursprünglich eine Mischung 
aus Methämoglobin (Streifen I) und Oxyhämoglobin (II und III) vor- 


1) F. Hoppe-Seyler, Weitere Mitt. über die Eigenschaften des 
Blutfarbstoffes. Zeitschr. f. physiol. Chem. 1, 1878. 

23) W. Preyer, Über einige Eigenschaften des Hämoglobins und 
des Methämoglobins. Pflügers Archiv 1, 1868. 

3) T. Araki, Über den Blutfarbstoff und seine näheren Umwand- 
lungsprodukte. Zeitschr. f. physiol. Chem. 14, 1890. 

4) P. Dittrich, Über methämoglobinbildende Gifte. Arch. f. ex- 
perim. Pathol. u. Pharmakol. 29, 1892. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 459 


handen gewesen sei; erst sei das Oxyhämoglobin durch den Sauerstoff- - 
verbrauch der Bakterien reduziert worden; nach der Reduktion des sämt- 
lichen Oxyhämoglobins und nach Verbrauch des sämtlichen Sauerstofis 
werde schließlich auch das Methämoglobin reduziertes Hämoglobin. Man 
kann ebensowohl aus diesem nur wenig überzeugenden Versuche schließen, 
daß ursprünglich reines Methämoglobin vorhanden gewesen sei (I, II, III), 
das durch die Wirkung der Bakterien allmählich reduziert (und durch 
Schütteln mit dem zurückgebliebenen Sauerstoff vorübergehend in Oxy- 
hämoglobin umgebildet) worden sei, daß die Linie I während der fort- 
schreitenden Reduktion aber die beharrlichste sei. Hierfür sprechen 
meine unten angeführten Beobachtungen über die Wirkung der Be- 
lichtung auf ausgepumpte Methämoglobinlösung. 

Menzies!) und Lewin, Miethe und Stenger?) betrachten nur 
I und IV als für das Methämoglobin charakteristisch; II und III seien dem 
Oxyhämoglobin zu verdanken. 

Bertin-Sans?) und Ziemke und Müller®) schreiben ebenso wie 
ich dem Methämoglobin sämtliche vier besprochenen sichtbaren Absorp- 
tionstreifen zu. 

Der Sauerstoffgehalt des Methämoglobins. Nachdem 
Hoppe-Seyler5) 1864 das Methämoglobin entdeckt hatte, blieb es etwa 
20 Jahre lang unentschieden ob der neue Stoff als ein Peroxyd oder ein 
Suboxyd des Oxyhämoglobins zu betrachten sei. Es stand fest, daß das 
Methämoglobin keinen Sauerstoff an das Vakuum abgab; daß es Sauer- 
stoff in chemischer Bindung enthielt, ging daraus hervor, daß es durch 
Reduktionsmittel in reduziertes Hämoglobin überging; seine Bildung aus 
Oxyhämoglobin sowohl durch Oxydationsmittel als durch Reduktions- 
mittel und wohl auch durch sonst chemisch indifferente Stoffe erzeugte 
aber schwankende Auffassungen mit Bezug auf die Menge des im Met- 
hämoglobin fest gebundenen Sauerstoffes. Im Jahre 1881 gelang es zum 
erstenmal Hüfner®) im Verein mit Otto, das Methämoglobin krystal- 
linisch darzustellen; sie machten die Beobachtung, daß der Sauerstoff 
des Methämoglobins, der weder an das Vakuum noch an einen Kohlen- 
oxydstrom abgegeben wird, sich durch Stickoxyd, NO, verdrängen läßt. 
Hierauf gründeten Hüfner und Külz”?) ihre quantitative Methode zur 


1) J. A. Menzies, On Methaemoglobin. Journ. of Physiol. 17. 

2) l. c. 

3) Bertin-Sans, Sur le speotre de la möth&moglobine acide. Compt. 
rend. 106, 1888. 

4) E. Ziemke und F. Müller, Beiträge zur Spektroskopie des 
Blutes. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1901, SuppL 

5) F. Hoppe-Seyler, Virchows Archiv 29. Zit. nach J. G. Otto, 
Studien über Methämoglobin. Pflügers Archiv 31, 1883. 

6) G. Hüfner und J. Otto, Über krystallinisches Methämoglobin. 
Zeitschr. f. physiol Chem. 7, 1882. 

7) G. Hüfner und R. Külz, Über den Sauerstoffgehalt des Met- 
hämoglobins. Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, 1883. 


460 K. A. Hasselbaloh: 


Bestimmung des Sauerstoffgehalte des Methämoglobins; sie verglichen 
die Mengen Stickstoff, die aus gleich starken Oxyhämoglobin- und Met. 
hämoglobinlösungen durch Schütteln mit gleichen Mengen von Harnstoff 
und NO befreit werden; an diesem Prozesse ist nämlich der vorhandene 
Sauerstoff beteiligt. Es erwies sich nun, daß durchschnittlich gleich 
große Mengen N befreit wurden, und daß sich also im Oxy- und im 
Methämoglobin die gleichen Sauerstoffmengen fanden. Fast um dieselbe 
Zeit kam Otto!) zu demselben Resultat auf einem anderen Wege mit- 
tels folgender Methode. Wie oben genannt, findet während des Aus- 
pumpens einer schwachen Oxyhämoglobinlösung — bei der von Otto 
angewandten Technik wenigstens — eine partielle Umbildung in Met- 
hämoglobin statt. Otto bestimmte nun vor dem Auspumpen die Stärke 
der Oxyhämoglobinlösung auf spektrophotometrischem Wege und be- 
rechnete hieraus deren Sauerstoffgehalt. Nach dem Auspumpen fand er 
nun einen bedeutend geringeren Sauerstoffgehalt (der genau der nach Aus- 
pumpen und Schütteln mit Luft spektrophotometrisch bestimmten Oxy- 
hämoglobinmenge entsprach). Der Rest des Sauerstoffes, der während 
des Auspumpens bei der Methämoglobinbildung festgehalten wurde, war 
somit bekannt; die gebildete Methämoglobinmenge läßt sioh spektro- 
photometrisch bestimmen. 

Während die genannten Forscher darin übereinstimmen, daß der 
Sauerstoff im Methämoglobin in derselben Menge wie im Oxyhämoglobin, 
jedoch in festerer Bindung, vorhanden ist, haben namentlich Haldane?) 
und v. Zeynek?) sich mit der näheren Beschaffenheit dieser ‚‚festeren“ 
Sauerstoffbindung beschäftigt. v. Zeynek meint, es spreche vieles dafür, 
daß im Methämoglobin zwei Hydroxylgruppen an das Hämoglobin- 
molekül gebunden seien, im Oxyhämoglobin dagegen ein einziges Sauer- 
stoffmolekül. Haldane behauptet, es sei überhaupt zweifelhaft, ob die 
Bindung des Sauerstoffs an das Hämoglobin im Methämoglobin „fester“ 
sei als im Oxyhämoglobin; das Methämoglobin gebe allerdings an das 
Vakuum seinen Sauerstoff nicht ab, viel leichter aber als das Oxyhämo- 
globin an chemische Reduktionsmittel. Haldane erklärt diesen und einige 
andere Umstände einfach durch die Annahme, der Sauerstoff sei im Met- 
hämoglobin atomisch, im Oxyhämoglobin aber molekular gebunden. Man 
könnte durch ein anderes Bild das Verhalten vielleicht so ausdrücken, 
daß das Methämoglobin Hämoglobinoxyd, das Oxyhämoglobin dagegen 
Hämoglobin mit adsorbiertem Sauerstoff sei. 

Auch von dem durch Licht gebildeten Methämoglobin gilt es, daß 
es sich leichter reduzieren läßt als das Oxyhämoglobin, z. B. durch 


1) J. G. Otto, Studien über Methämoglobin, Pflügers Archiv 
31, 1883. 

2) J. Haldane, A contribution to the ohemistry of haemoglobin 
and its immediate derivations. Journ. of Physiol. 22, 1897—98. 

3) R. v. Zeynek, Neue Beobachtungen und Versuche über das 
Methämoglobin und seine Bildungsweise. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 
1899. 


Wirk. d. Lioht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 461 


Schwefelammonium. Was die Menge des Sauerstoffs im Methämoglobin 
betrifft, fand ich in einem einzelnen Versuche, daß die Umbildung 
des Oxyhämoglobins in Methämoglobin durch Belichtung 
ohne irgendwelohe Druckänderung der darüberstehenden 
atm. Luft erfolgt, mit der die Flüssigkeit während der Belichtung im 
Diffusionsgleichgewicht erhalten wird. 1) 


13. Versuch vom 6. I. 09. 


20 ocm 4°/, gereinigter Blutkörperchenauflösung in der großen Quarz- 
kammer, atm. Luft, Wassermanometer. Belicht. durch Quarz 5’. Obs. 
nach 1’, 2’ und 5’. Steigende Methämoglobinbildung, nach 5’ fast total. 
Keine Druckänderungen nach Korrektion der Temperaturänderung während 
des Versuches. 

Im 13. Versuch sieht man eine fast totale Umbildung des Oxy- 
hämoglobins in Methämoglobin ohne Druckänderung in der darüber- 
stehenden Luft. Vor der Belichtung fanden sich ca. 0,5 ccm Sauerstoff 
an das Hämoglobin gebunden; wäre bei der Umbildung des Oxyhämo- 
globins in Methämoglobin z. B. mehr Sauerstoff als diese 0,5 ccm ver- 
braucht worden, so müßte unter den gegebenen Verhältnissen der Druck 
in der Luft über dem Blute für je ca. 0,0038 ccm ferner verbrauchten 
Sauerstoffes um 1 mm Wasser gesunken gein. In entsprechender Weise 
würde ein Steigen des Druckes das Maß einer stattgehabten Suboxyd- 
bildung abgeben. Daß der Druck in der Tat konstant geblieben ist, 
stimmt sehr wohl mit dem von den obengenannten Forschern geleisteten 
Nachweis überein, daß es sich bei der Bildung von Methämoglobin aus 
Oxyhämoglobin nicht um eine Peroxyd- oder Suboxydbildung, sondern 
um eine Umlagerung von Sauerstoffatomen im Hämoglobinmolekül 
handelt. 

UmbildungdesMethämoglobinsim Lichte. Es wurde 
bereits erwähnt, daß das Methämoglobin bei Vorhandensein 
von Sauerstoff in Hämatin und Albumin zerfällt, die aus- 
geschieden werden, so daß die zentrifugierte Auflösung bei ge- 
nügend langer Belichtung ganz farblos wird. 

Bei der Belichtung im Vakuum einer entgasten Auflösung 
alten Blutes, das bei beginnender Fäulnis methämoglobinhaltig 
geworden war, bemerkte ich, daß das Spektrum, das vor der 
Belichtung aus Absorptionsstreifen reduzierten Hä.noglobins und 
des Methämoglobins zusammengesetzt war, während der Be- 


lichtung (durch Quarz) das Spektrum eines reinen redu- 


1) Diese Untersuchung sollte man nicht länger fortsetzen, als bis zur 
beginnenden Ausscheidung in der Flüssigkeit, die ein geringes Sinken des 
Druckes zu bewirken scheint. Deshalb sollte die Oxyhämoglobinlösung 
von Serum frei sein, und deshalb sollte man auch die Methämoglobin- 
bildung durch einen Uviolglasfilter vor der Lampe verzögern. 


462 K. A. Hasselbalch: 


zierten Hämoglobins wurde, indem erst die Linien 580 und 
540 zu dem breiten Streifen 595—545 mit Maximum 560 zu- 
sammenflossen und darauf 630 allmählich verschwand. 

Ich untersuchte nun mittels der Belichtung im Vakuum 
Methämoglobinlösungen, die auf verschiedene Art gebildet worden 
waren: durch Belichtung, durch Kaliumnitrit, Kalium- 
permanganat, chlorsaures Kali, Hydrochinon, Phenyl- 
hydrazin und durch Fäulnis. 

Bei diesen Untersuchungen kam stets eine 5°/,ige Lösung 
gereinigter Blutkörperchen in destilliertem Wasser zur Anwen- 
dung nebst Zusatz von so viel des methämoglobinbildenden 
Stoffes, daß das Spektrum sich bei weiterem Zusatze eben nicht 
zu verändern schien; eventuell Zentrifugieren; Entgasung und 
Übertragung in kleine evakuierte Quarzcuvetten, gleich darauf 
Spektroskopie und Belichtung (durch Quarz), die alle 5 Minuten 
unterbrochen wurde, um die Reaktion spektroskopisch verfolgen 
zu können. 

Mit jedem der genannten Methämoglobinbildner wurden 
2 bis 4 Versuche unternommen, deren Ergebnis, mit der unten be- 
sprochenen unwesentlichen Beschränkung, ganz übereinstimmend 
war. Als Beispiel führe ich folgenden Auszug aus dem 14. Ver- 
such mit Methämoglobin an, das durch drei verschiedene 
Mittel aus Oxyhämoglobinlösung gebildet worden war. 


14. Versuch vom 10. XI. 08.!) 
65°/, Blutkörperchenauflösung in HO. Nach Methämoglobinbildung 
Zentrifugieren und Entgasung. Belichtung durch Quarz in kleinen Quarz- 
cuvetten. 





Nach a) Kalium- b) Hydrochinon- c) Licht- 
t- .. . va (3 
Bel. Methämoglo bin Methämoglobin Methämoglobin 








Methb. I, II, III Methb. I, II, III, Methb. I, II, III 

+ Hb. Kein Hb. + Hb. (?) 

1) Im 14. Versuch bezeichnen I, II, III die drei ersten Absorptions- 
streifen des Methämoglobins bei 630, 580, 540 „mu; Hb. das Spektrum des 
reduzierten Hämoglobins, das unter den gegebenen Verhältnissen einen 
Absorptionsstreifen von 595 bis 545 «« mit dem Maximum bei 560 uu 
darbot; Hb. geteilt, daß II und III nebst dem Hb. zugleich sichtbar 
sind. Dünne Schicht mißt 5 mm, dickeSchicht 25 mm. Die wich- 
tigsten Beobachtungen sind hervorgehoben. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 463 


















Nach a) Kalium- b) Hydroohinon- o) Licht- 
Bel. Hethämeelobin Methämoglobin Methämoglobin 











I schwächer, Hb. brei- I ein wenig schwächer, 







Ischwächer, Hb. stark, 








5 Itet sich aus, ist aber aber tetelt Hb. breitet sich aus, 
geteilt g | ist aber geteilt 
ig I schwindend, | I schwindend, I schwächer, 
Hb. geteilt | Hb. ungeteilt Hb. geteilt 
I geschwunden in 
15 do db: dünner, sichtbar in I sichtbar, 
j dicker Schicht, Hb. ungeteilt 
| Hb. ungeteilt 
aaa u Tre ulm un en 
I geschwunden in Spuren in dicker| 
gy; jünner,. sichtbar in Schicht do. do. 
dicker Schicht, 
: Hb. ungeteilt 
Hb. angedeutet geteilt Í 
| I geschwunden in hi geschwunden in 
25 do. do | dicker Schicht, jdünner, sichtbar in 
Hb. ungeteilt dicker Schicht, 
| Hb. ungeteilt 
I geschwunden in | | I geschwunden in 
60 dioker Schicht, do. do. dicker Schicht, 


Hb. angedeutet geteilt | Hb. ungeteilt 


Nach Zutritt der Atmosphäre und Schütteln in allen Fällen reines 
Oxyhämoglobinspektrum. Darauf Belichtung durch Quarz 5’ lang: starke 
Methämoglobinbildung und Trübung. — Kontrollproben, die ohne Be- 
lichtung im Vakuum aufbewahrt worden waren, zeigten keine Änderung 
des Spektrums während der Versuchsdauer. 

Die Hauptwirkung der Belichtung des Methämoglobins im 
Vakuum ist also ganz klar: das Methämoglobin wird in 
reduziertes Hämoglobin umgebildet. Nur dem Anschein 
nach zeigt sich einiger Unterschied des Verlaufes der Reaktion 
bei den verschiedenen Methämoglobinbildnern. Dieser Unter- 
schied rührt von dem Schicksal des abgespaltenen Sauerstofis 
her. Wo das Methämoglobin durch reduzierende Stoffe, 
die den abgespaltenen Sauerstoff aufzunehmen ver- 
mögen, gebildet worden ist — und sich während der Be- 
lichtung mit solchen Stoffen zusammen befindet —, da erfolgt 
die Reduktion geschwind und bleibt der Hämoglobin- 
streifen ungeteilt; dies ist in meinen Versuchen der Fall 


464 K. A. Hasselbalch: 


mit dem durch Hydrochinon, Phenylhydrazin und durch Fäul- 
nis gebildeten Methämoglobin. Wo sich keine solche Sauer- 
stoffreceptoren vorfinden — Chloras kalicus, Kaliumperman- 
ganat, Kaliumnitrit — da wird der abgespaltene Sauerstoff sich 
mit dem reduzierten Hämoglobin zu Oxyhämoglobin verbinden, 
und letzteres wird im Lichte in Methämoglobin umgewandelt 
werden: kurz, es wird sich irgend ein von vielen Fak- 
toren bedingter Gleichgewichtszustand einstellen, wo 
reduziertes Hämoglobin und Oxyhämoglobin, eventuell 
Spuren vonMethämoglobinzusammen gefunden werden. 

Durch mehrere Versuche habe ich festgestellt, daß der 
während der Belichtung im Vakuum z. B. aus Licht- 
Methämoglobin abgespaltene Sauerstoff sich im Dunkeln 
mit Hämoglobin zu Oxyhämoglobin vereinigte. 

Biologische Bedeutung. Die Wirkung des Lichtes auf 
den nativen Blutfarbstoff in vitro besteht also darin, daß das 
Oxyhämoglobin in Metlämoglobin umgebildet wird, und daß 
letzteres bei Vorhandensein von Sauerstoff sich u. a. in neutrales 
Hämatin, ohne Sauerstoff in red. Hämoglobin umwandelt. Da 
wenigstens die erstere dieser Wirkungen, die Methämoglobin- 
bildung, #n vitro in meßbarem Umfang bei Licht erfolgt, das 
gewöhnliches Glas passiert hat (siehe oben S. 441 bis 442), 
könnte es von biologischem Interesse sein, zu erfahren, ob auch 
das durch tierisches Integument filtrierte Licht auf diese Weise 
zu wirken vermag. 

15. Versuch vom 7. X. 08. 

30 ccm einer 2°/, igen Blutkörperchenauflösung in der großen Quarz- 
kanımer mit atm. Luft durch soeben abgezogene, entfettete und kurz- 
geschorene weiße Mäusehaut belichtet. Nach 40’ deutliches Methämo- 
globin, nach 25 kräftiges Methämoglobin. Bei Kontrollversuchen kein 
Methämoglobin nach 2% 15' langer Rotation im Dunkel bei derselben 
Temperatur, 15°. | 

Der Versuch am 8. X. mit demselben Ergebnis wiederholt. 

Eine 2°/ ige Blutkörperchenauflösung läßt sich also durch 
das Licht der Quecksilberquarzlampe, das durch eine weiße 
Mäusehaut filtriert ist, zum Teil in Methämoglobin umbilden. 
Tierversuche habe ich vorläufig noch nicht unternommen. 

Linser?) teilte mit, daß im Harn eines Mannes, dessen Haut der 


1) Kongreß der deutschen dermatol. Gesellschaft in Bern. Ref. 
im Arch. f. Derm. u. Syph. 82, 1906. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbet. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 465 


Sitz einer universellen Liochtentzündung war, das Hämatoporphyrin in 
größerer Menge als normal vorkam. Linser meint, es sei hier von einer 
Lichtwirkung auf das Oxyhämoglobin des Blutes in den Hautgefäßen 
die Rede. Ich vermochte durch meine Belichtungen von Blut außerhalb 
des Organismus keine Bildung von Hämatoporphyrin festzustellen; da 
dieser Stoff aber ein Abspaltungsprodukt des Hämatins ist, das sich ja 
in meinen Versuchen bildet, gibt es die theoretische Möglichkeit, daB so- 
wohl Linsers Beobachtung als auch seine Erklärung derselben richtig 
wäre. Vgl. doch die unten mitgeteilte Beobachtung über die Wirkung 
des Lichtes auf alkalische Hämatinlösung. 

Frühere Untersuchungen über die Lichtbeständigkeit 
des Oxyhämoglobins. v. Zeynek!) bemerkt in seiner Besprechung 
von Bocks „Photomethämoglobin“, worüber näheres unten, daB diese 
Lichtwirkung auf das durch Ferricyankalium gebildete Methämoglobin 
lebhaftes Interesse erregt habe, um so mehr, „als dieses Blutfarbstoff- 
derivat das einzige gegen Lichtwirkung nicht beständige zu sein schien‘. 
v.Zeynek glaubt nun, dargetan zu haben, daß das reine Methämoglobin 
in der Tat wie alle anderen Blutfarbstoffe lichtbeständig sei. Diese 
Charakteristik der Lichtbeständigkeit der Blutfarbstoffe ist nicht älter 
als aus dem Jahre 1901. 

Hertel?) kann 1904 indes mitteilen, daß Licht von der Wellenlänge 
ca. 280 uu eine Wirkung auf Blut und Blutlösungen in dünnen Schichten 
übt, die er als eine Reduktion des Oxyhämoglobins in reduziertes Hämo- 
globin charakterisieren zu können glaubt. Er äußert sich (l. o. S. 33) 
wie folgt: „Ich konstatierte bei allen Versuchen in einwandfreier 
Weise ein Verschwinden der vorher gut sichtbaren Oxyhämoglobin- 
linien. Die Linien wurden je nach der Dicke der Blutschicht nach 
20 bis 40 Sekunden schon undeutlich und verschwommen. Nach 5 bis 
7 Minuten waren beide Linien meist nicht mehr sichtbar, wobei die nach 
E hin liegende £ -Linie etwas eher verschwunden war als die andere. 
Nach 10 bis 12 Minuten Strahlzeit sah ich öfter einen schwachen Hämo- 
globinstreifen (reduziertes Hämoglobin) auftreten‘. 

Nach dem Resultat meiner Untersuchungen fällt es nicht gar zu 
schwer, diesen Befund zu analysieren. Hertel arbeitete mit einer 
kleinen, eingeschlossenen Oxyhämoglobinmenge, deren Konzentration es 
ihm gestattete, vor der Belichtung das zweistreifige Absorptionsspektrum 
des Oxyhämoglobins zu beobachten. Nun ist es bekannt, daß zur Wahr- 
nehmung des Spektrums des Methämoglobins (wie auch des Spektrums 
des reduzierten Hämoglobins) eine bedeutend größere Blutfarbstofikonzen- 
tration — oder größere Schichtdicke — erforderlich ist als zum Unter- 
scheiden des Spektrums des Oxyhämoglobins. Deshalb war Hertel nicht 


1) R. v. Zeynek, Über krystallisiertes Cyanhämoglobin. Zeitschr. 
f. physiol. Chem. 33, 1901. 

2) E. Hertel, Über Beeinflussung des Organismus durch Licht, 
speziell durch die chemisch wirksamen Strahlen. Zeitschr. f. allg. Phy- 
siol. 4, 1904. 


466 K. A. Hasselbalch: 


imstande, die Methämoglobinbildung zu bemerken, die zweifelsohne auch 
in seinem Falle stattgefunden hat. Daß die Begrenzung der Oxyhämo- 
globinlinien nach einer gewissen Strahlzeit verschwamm, ist anwachsenden 
Ausscheidungen, u. a. des Hämatins, zu verdanken. Ausgeschlossen ist 
es nicht, daß der Absorptionsstreifen des reduzierten Hämoglobins, den 
Hertel „öfter“ und mehr oder weniger „deutlich“ gewahrte, reell ge- 
wesen sein kann, da seine Versuchsanordnung dem Sauerstoff den Zu- 
tritt verwehrt und deshalb einige Reduktion des Methämoglobins herbei- 
geführt haben kann. 


Als ich Hertels Versuche nachahmte, indem ich die Quecksilber- 
quarzlampe benutzte und die Blutlösung in eine keilföürmige Quarzkammer 
einschloß, so daß ich dieselbe in verschiedenen Schichtdicken spektro- 
skopieren konnte, ließen die meisten von Hertels Beobachtungen sich 
in aufklärender Weise wiederholen. Die Konzentration der Oxyhämo- 
globinlösung wählte ich so, daß in den dünnsten Schichten die beiden 
Oxyhämoglobinstreifen, in den dickeren nur eine gesammelte Absorption 
von Gelb bis Violett deutlich erkennbar war. Nach Belichtung durch Quarz 
gibt ein solches Präparat erstens gräuliche Beläge an der inneren Seite 
der belichteten Quarzplatte und infolgedessen Unschärfe des spektro- 
skopischen Bildes, zweitens in den dünnen Schichten nur die mehr oder 
weniger verschwimmenden Linien II und III, in den dicksten Schichten 
die Linie I, während II und III ineinander fließen, in den mittleren sehr 
schön das ganze Spektrum des Methämoglobins, wo III mehr intensiv als 
II ist und IV sich deutlich erkennen läßt. Einen „Reduktionsstreifen“ 
vermochte ich freilich nur durch Belichtung von Methämoglobin im 
Vakuum nachzuweisen. — Bordier und Nogiers Nachweis einer Met- 
hämoglobinbildung in verdünntem Blute durch Bestrahlung mittels der 
Quecksilberquarzlampe wurde oben erwähnt (S. 453, Anm.). 


Die Wirkung des Lichtes auf Hämatin in alka- 
lischer Lösung. Das nicht filtrierte Quarzlampenlicht bewirkt 
schon im Laufe einer Minute beginnende Hämochromogen- 
bildung in einer Hämatinlösung, die dadurch hergestellt worden 
war, daß ich eine 2°/,ige Blutkörperchenauflösung ohne Stro- 
mata mit !/,, Vol. 10°/,iger Natronlauge bis auf den Siedepunkt 
erhitzte. Der einzelne Absorptionsstreifen des alkalischen Hämatins 
um 615 uu herum verschwindet, und es erscheint das sehr 
charakteristische Spektrum des Hämochromogens mit dem 
dunklen und scharf begrenzten Absorptionsstreifen um 555 uu 
und dem breiteren und schwächeren um 530 uu herum. Ein 
Glasfilter vor der Lampe verzögert die Reaktion stark: in einem 
Versuche um ca. die löfache Zeit. Bei Aufhebung im 
Dunkeln kehrt das Hämatinspektrum wieder zurück, 
erneute Belichtung bewirkt wieder Hämochromogen- 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 467 


bildung usw., in einem Versuche konstatierte ich diesen 
Wechsel im ganzen 10 mal mit unveränderter Präzision. Das 
Hämochromogen scheint lichtbeständig zu sein ; selbst bei stunden- 
langer Belichtung bleibt sein Spektrum unverändert und seine 
Auflösung klar; eine Umbildung in Hämatoporphyrin (s. o.) 
durch Belichtung vermochte ich nicht zu erkennen. 

Die Wirkung des Lichtes auf Hämatin in alkalischer Lösung 
hat also einen sehr einfachen Mechanismus. Dieser besteht in 
einer Abspaltung des Sauerstoffes aus dem Hämatin 
und verläuft deshalb noch schneller im Vakuum als in Sauer- 
stoff, in einem Versuche ca. 7mal so geschwind im Vakuum 
als in atm. Luft.) Das Vorhandensein leicht oxydierbarer 
Stoffe fördert daher den Prozeß auch in wesentlichem Maße 
(s.u.), und dieser läßt sich unter solchen Umständen nicht 
rückgängig machen. 

Bertin-Sans und Moitessier?) glauben die Existenz einer Art 
von Zwischenstadium zwischen Hämatin und Hämochromogen, „redu- 
ziertes Hämatin“ mit einem Absorptionsstreifen etwa bei 590 umu nach- 
gewiesen zu haben; dasselbe sollte durch Reduktion des Hämatins in 
albuminfreier oder ammoniakfreier Flüssigkeit entstehen und durch Zu- 
satz von ein wenig Albumin, Amid oder Ammoniak in Hämochromogen 
umgebildet werden. Beachtenswert ist, daß eine Hämatinlösung, die 
man aus 6mal gereinigten Blutkörperchen hergestellt hat, welche nach- 
weisbar von der letzten Spur der Eiweißstoffe des Serums und nach Auf- 
lösung in destilliertem Wasser vor dem Kochen mit Alkali durch Stehen 
und Zentrifugieren von den Stromata befreit worden sind, durch Be- 
lichtung direkt in Hämochromogen und dieses im Dunkel direkt in 
Hämatin übergeht, ohne daß ein Zwischenstadium spektroskopisch nach- 
weisbar is. Bertin-Sans’ „reduziertes Hämatin‘“ trägt daher seinen 
Namen wohl kaum mit Recht und ist vielmehr als ein Spaltungsprodukt 
des Hämochromogens aufzufassen. 

Die Wirkung des Lichtes auf Kohlenoxydhämo- 
globin. Die Unbeständigkeit des Kohlenoxydhämoglobins wurde 
von Haldane und Smith?) nachgewiesen, insofern diese For- 
scher beobachteten, daß eine Mischung aus Oxyhämoglobin und 
Kohlenoxydhämoglobin, in einen Glasbehälter eingeschlossen, 


1) Die gewöhnliche Anordnung: kleine Quarzouvetten von 3 ccm 
Volumen mit 2,5 ccm Flüssigkeit. 

2) H. Bertin-Sans und J. Moitessier, Oxyhematine, hömatine 
réduite et hemochromogene. Compt. rend. 116, 1893. 

3) J. Haldane und J. L. Smith, The oxygen tension of arterial 


blood. Journ. of Physiol. 20, 1896. 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 31 


468 K. A. Hasselbalch: 


im Tageslicht verblaßt und im Dunkel ihre ursprüngliche Farbe 
wieder erhält. H. und S. nehmen mit gutem Grunde an, die 
Lichtreaktion beruhe darauf, daß die Affinität zwischen Hämo- 
globin und Kohlenoxyd im Lichte geringer sei als im Dunkel. 
Um die Sache näher zu untersuchen, namentlich mit Bezug 
auf reines Kohlenoxydhämoglobin, verglichen mit einer Mischung 
aus diesem Stoffe und Oxyhämoglobin, unternahm ich folgenden 
Versuch. 
16. Versuch vom 5. I. 09. 


Eine 4°/,ige Auflösung gereinigter Blutkörperchen ohne Stromata 
1/, Stunde im CO-Strom behandelt (letzteres erhalten durch Erhitzung von 
Oxalsäure 4 Schwefelsäure, Auswaschen mit KOH und Wasser). Zusatz 
von gleichen Teilen lufthaltigen destillierten Wassers. Damit eine Quarz- 
cuvette (a) gefüllt; der Rest wieder im CO-Strom bis zur Sättigung, 
hiermit eine andere Cuvette (b) gefüllt. Belichtung durch Quarz. 











Bel. a b 
Min. 0 CO—Hb+0,—Hb CO—Hb 
Große Ausscheidungen. Kein Methb 
5’ | Das Methb. kräftig. Die f —Hb-Lini d , 
CO-_Hb-Linien deutlich. Die CO—Hb-Linien deutlich. 
10 Kein Methb. Die CO—Hb-Linien 
schwächer. Die Flüssigkeit blasser. 
Kein Methb, Die CO—Hb-Linien 
80 deutlich erkennbar in einer breiteren 
Verdunkelung. Die Flüssigkeit etwas 
blasser. 


Eine Wiederholung des Versuches 16b mit der Modifikation, daß 
einer entgasten Hämoglobinlösung analysiertes reines Kohlenoxyd zuge- 
setzt wurde, gab dasselbe Resultat: die Belichtung hatte keinen Met- 
hämoglobinstreifen zur Folge, doch veränderte sich das CO—Hb-Spektrum 
bei einigem Erblassen ohne Ausscheidung in derselben Richtung, d. h. 
die CO—Hb-Streifen (570 pu, 540 uu) wurden schwächer und 
zeichneten sich auf dem Hintergrunde einer leichten Ver- 
dunkelung ab, die an Umfang dem reduzierten Hämoglobin 
entsprach. Die Wirkung stellte sich bei dem nicht filtrierten etwas 
schneller als bei dem durch Glas filtrierten Lichte ein, war aber doch 
nicht in so durchaus vorherrschendem Maße wie die früher untersuchten 
Reaktionen an die äußeren ultravioletten Strahlen gebunden. Im Dunkel 
kam die ursprüngliche Farbe und somit das reine CO—Hb-Spektrum 
in vollem Umfange wieder zurück (Vergleich mit dem Kontrollpräparat). 
Nach Zulassen der Atmosphäre und nach erneuter Belichtung stellte sich 
die Methämoglobinbildung sofort ein. 


Wirk. d, Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 469 


Bei Belichtung von Kohlenoxydhämoglobin, das mittels der Durch- 
leitung von Leuchtgas durch eine Oxyhämoglobinlösung dargestellt worden 
war, bildeten sich Spuren von Methämoglobin. Hieraus darf man schließen, 
daß die Lösung ein wenig Oxyhämoglobin enthalten hat. 

Es ist hervorzuheben, daß bei Belichtung sauerstofffreien Kohlen- 
oxydhämoglobins kein der Methämoglobinlinie I entsprechender Ab- 
sorptionsstreifen auftrat. 

Weyl und v. Anrep!) haben nämlich den Begriff des Kohlenoxyd- 
methämoglobins aufgestellt, der sicherlich wohl auf einer Mißdeutung 
beruht. Von der theoretischen Unwahrscheinlichkeit einer solchen Verbin- 
dung ganz abgesehen (s.u.), behaupteten Bertin-Sans und Moitessier?) 
mit Recht, daß das Vorhandensein von Kohlenoxyd in dem Augenblicke, 
wo sich das Methämoglobin durch Ferricyankalium bildet, ein unwesent- 
licher Umstand ist: das Methämoglobin bildet sich ebensowohl im Vakuum 
aus Ferrioyankalium und reduziertem Hämoglobin. Hiervon überzeugte 
ich mich ebenfalls. Wird das gebildete Methämoglobin darauf mit 
Schwefelammonium behandelt, so wird das reduzierte Hämoglobin sich 
mit möglicherweise vorhandenem Kohlenoxyd zu CO—Hb verbinden, 
hierin liegt aber keine Berechtigung, das Methämoglobin als Kohlenoxyd- 
methämoglobin zu bezeichnen. 

Gäbe es eine derartige, durch genau dieselbe Absorption im Rot 
um 630 herum wie das Methämoglobin gekennzeichnete Verbindung, so 
würde man einigen Grund haben, deren Auftreten als Folge der Belich- 
tung einer reinen Kohlenoxydhämoglobinlösung in einer Kohlenoxyd- 
atmosphäre zu erwarten. Dies ist dem Obenstehenden zufolge nicht der 
Fall; die Bildung des Methämoglobins, auch bei Licht, ist durch das 
Vorhandensein von Sauerstoff in molekularer oder atomischer Gestalt 
bedingt. 

Gröber?) wies vor kurzem nach, daß bei Belichtung einer Kohlen- 
oxydhämoglobinlösung (die wegen ihrer Herstellung doch wohl kaum 
sauerstofffrei war), der man eine Spur von Ferrioyankalium zusetzte, 
mittels einer Nernstlampe sich eine spektroskopisch erkennbare (Kohlen- 
oxyd-)Methämoglobinbildung weit schneller einstellte als im Dunkel oder 
in rotem Lichte. Diese Beobachtung, die in der Tat mit der früher von 
Quincket) gemachten übereinstimmt, daß Methämoglobinbildung mittels 
chlorsauren Kalis im Sonnenlichte bedeutend schneller als im Dunkel 
erfolgt, läßt sich leicht mit meinem Nachweis, daß das Licht an und 
für sich die Methämoglobinbildung begünstigt, wenn Sauerstoff vorhanden 
ist, in Einklang bringen. In Gröbers Beobachtung findet sich aber 


1) Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1880. 

2) H. Bertin-Sans und Moitessier, Sur la transformation de 
l’hömoglobine oxycarbonée en meth&moglobine. Compt. rend. 113, 1891. 

23) A. Gröber, Über den Einfluß des Lichtes auf die Bildung von 
Kohlenoxydmethämoglobin. Arch.f.experim. Pathol. u. Pharmakol. 58, 1908. 

4) Quinoke, Über den Einfluß des Lichtes auf den Tierkörper. 


Pfügers Archiv 57, 1894. 
31* 


470 K. A. Hasselbalch: 


keine Stütze für die Annahme, daß der gebildete Stoff Kohlenoxyd- Met- 
hämoglobin sein sollte. 

Nach der Kenntnis der Methämoglobinbildung durch Ferricyankalium, 
die wir den Arbeiten von Haldane?) und von v. Zeynek?) verdanken, 
bewirkt der Zusatz des letzteren Stoffes zur Oxyhämoglobinlösung, daß 
der im Oxyhämoglobin molekular gebundene (oder, wie ich es ausdrücke: 
adsorbierte) Sauerstoff entweicht, während das Hämoglobin durch das 
Ferricyankalium, das selbst zu Ferrocyankalium reduziert wird, eine 
„Oxydation“ erleidet. Man kann sich nicht leicht vorstellen, wie das 
Vorhandensein von CO [das man sich ja als an das Hämoglobinmolekül 
„adsorbiert‘‘ zu denken hat?)] auf das Endresultat dieser Reaktion, die 
Methämoglobinbildung, sollte einwirken können. 

Alles in allem ist deshalb das durch dasselbe Spektrum wie das 
Methämoglobin spektroskopisch bestimmte „Kohlenoxydmethämoglobin‘“ 
als eine Fiktion zu betrachten. 

Cyanhämoglobin. Die erste Mitteilung über eine Lichtwirkung 
auf ein Hämoglobinderivat verdanken wir Bock), der 1895 die Ver- 
änderung der Farbe und des Spektrums beschrieb, die eine durch Ferri- 
oyankalium gebildete Methämoglobinlösung in dem durch Glas filtrierten 
Sonnenlichte erleidet. Später erwies es sich durch übereinstimmende 
Untersuchungen von v. Zeynek5), Haldane®), Ziemke und Müller’) 
und Leers®), daß diese Wirkung von Spuren von Ferricyankalium her- 
rührt, die im Lichte unter Bildung von Blausäure dekomponiert werden, °) 


1) J. Haldane, A contribution to the chemistry of haemoglobin 
and its immediate derivations. Journ. of Physiol. 22, 1897—98. 

2) R. v. Zeynek, Neue Beobachtungen und Versuche über das 
Methämoglobin und seine Bildungsweise. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899. 

3) Das molekulare CO verdrängt den molekularen O, aus dem Oxy- 
hämoglobin, während O, dagegen CO aus dem Kohlenoxydhämochromogen 
verdrängt (Bertin-Sans, l. o.). Der Sauerstoff im Hämatin ist näm- 
lich atomisch gebunden (Hämatin ist „Hämochromogen-Oxyd‘“), während 
der Natur der Sache zufolge CO in diesen Verbindungen stets in mole- 
kularem Zustande vorkommen muß. Deshalb wird das leicht oxydier- 
bare Hämochromogen oxydiert ohne Rücksicht darauf, ob das Kohlen- 
oxyd „adsorbiert‘‘ worden war. 

4) J. Bock, Über eine durch das Licht hervorgerufene Veränderung 
des Methämoglobins. Skand. Arch. f. Physiol. 6, 1896. 

5) R. v. Zeynek, Üb. krystall. Cyanhämoglobin. Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 33, 1901. 


6) J. Haldane, On Cyanmethaemoglobin. Journ. of Physiol. 25, 
1899—1900. 


7) E. Ziemke und F. Müller, Beitr. z. Spektroskopie des Blutes. 
Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1901, Suppl. 
8) O. Leers, Über Photomethämoglobin. Diese Zeitschr. 12, 1908. 


°) Die Blausäurebildung durch Belichtung des Ferricyankaliums 
wurde, meines Wissens, zuerst 1885 von Eder nachgewiesen (Eder und 
Valenta, Beiträge zur Photochemie und Spektralanalyse 2, 21, Wien 1904). 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 471 


und daß Bocks „Photomethämoglobin‘“‘ mit dem 1891 von Kobert?) 
gefundenen Cyanhämoglobin identisch ist, mit dem es das Spektrum 
(Absorption etwa 580 uu bis 520 uu) und chemische Reaktionen gemein hat. 


Im Lichte der Quecksilberquarzlampe verläuft die Reaktion 
sehr geschwind; wie der 17. Versuch zeigt, wird die Hauptmenge 
der gegebenen Methämoglobinlösung fast momentan umgebildet; 
nach 3 Minuten ist die Umbildung eine vollständige. Wird das 
Licht durch gew. Glas filtriert, so verläuft die Reaktion um 
ca. 5mal langsamer. Der Versuch klärt ferner auf, wie das 
Licht auf eine Oxyhämoglobinlösung wirkt, die nur zum Teil 
durch Ferricyankalium in Methämoglobin umgebildet worden ist. 


17. Versuch vom 20. X. 08. 


5°/,ige Auflösung gereinigter Blutkörperchen in Wasser. Zu a) und 
b) Zusatz von 10°/,igem Ferrioyankalium tropfenweise bis zum konstanten 
Methämoglobinspektrum, zu c) Zusatz von 1°/,igem Ferricyankalium tropfen- 
weise, bis Linie I eben sichtbar wird. Kleine Quarzcuvetten. 







a) Methämoglobin 


+ K,CysFe 
Bel. durch Quarz 


b) Methämoglobin 


+- K,Cy,Fe 
Bel. durch Glas 


c) Methb. + Oxyhb. 


3UL yet © 


4 
Bel. durch Quarz 









1’ Fast reines Cyan-| 1’ Reines Methb. 1’ Methb. 


hämoglobin 3 Spuren vonCyanhb. | 7’ Methb. Schwache 
2 Noch Spuren von| 7’ Gemischt.Spektrum Ausscheid. Spuren 

Methämoglobin 10’ Noch Spuren von von Cyanhb. (?) 
3’ Reines Cyanhb. Methb. 16’ Das Spektrum un- 
Keine Ausscheidung | 13’ do. veränd.,verschwom- 
16° Reines Cyanhb. men infolge Aus- 


Keine Ausscheidung soheidungen. 

24’ Die Flüssigkeit im- 
mer blasser. Noch 
immerMethb.Reich- 
liche Ausscheidgn. 


Versuch 170 zeigt, daß, wenn die Umbildung in Methämoglobin 
durch Ferricyankalium keine vollständige ist, die Lichtwirkung auf das 
restierende Oxyhämoglobin: die Methämoglobin- und die Hämatinbildung, 
eine mögliche Cyanhämoglobinbildung gänzlich verdecken kann. Dies 
trägt dazu bei, Gröbers obengenannte Beobachtung von Methämoglobin- 
bildung durch Belichtung von Kohlenoxydhämoglobin + Ferrioyankalium 
verständlich zu machen; denn die in Gröbers Versuche zugesetzte Menge 
K,Cy,Fe war gerade absichtlich so gering, daß die Umbildung in Met- 
hämoglobin beim Anfang des Versuches nicht beendigt war, ja erst nach 
Verlauf einer meßbaren Zeit erkennbar wurde. 


1) Malys Jahresberichte !891. 


472 K. A. Hasselbalch: 


Leers teilt mit (l.o.), daß die Umbildung in Cyanhämoglobin ihm 
nicht durch Belichtung (Sonnenlicht) chemisch reinen Methämoglobins 
von Grübler gelang. Ich wies mit meiner Versuchsanordnung eine sehr 
kräftige Cyanhämoglobinbildung in einem Präparate „chemisch reinen“ 
Methämoglobins von Grübler nach und muß daraus schließen, daß das 
Präparat durch Ferricyankalium dargestellt worden war, eine Methode, 
die demnach als verwerflich zu bezeichnen ist. 

Soweit ich zu sehen vermag, gibt es keine andere Methode 
zur Reindarstellung von Methämoglobin, die so gute Garantie 
gegen Verunreinigung darböte, als die Ultraviolettbestrahlung 
einer reinen Oxyhämoglobinlösung bei reichlichem Zutritt der Luft. 

Ist die Lichtbeständigkeit des reduzierten Hämo- 
globins eine absolute? Während dem Vorhergehenden zu- 
folge Oxyhämoglobin, Methämoglobin, Kohlenoxydhämoglobin 
und Hämatin gegen Licht der angewandten Qualität und Quan- 
tität unbeständig sind, haben wir dagegen im Hämochromogen, 
Cyanhämoglobin und reduzierten Hämoglobin wenigstens relativ 
lichtbeständige Verbindungen. Wie man früher diese Verhält- 
nisse zum größten Teil nicht kannte, weil die Qualität des 
angewandten Lichtes deren Erkenntnis nicht gestattete, so ist 
es ja sehr möglich, daß ein anderes oder kräftigeres Licht als 
das von mir benutzte auch der Beständigkeit der genannten 
„lichtbeständigen‘‘ Hämoglobinderivate ein Ende machen wird. 

Was das reduzierte Hämoglobin betrifft, so zeigt der 9. Versuch 
ganz unzweifelhaft, daß dieser Stoff unter den angewandten Versuchs- 
bedingungen, u.a. in der gegebenen Konzentration (ca. 14°/, Hämoglobin 
unter Voraussetzung völliger Hämolyse) sich als vollkommen licht- 
beständig erwies. Ob dasselbe mit den schwächeren Konzentrationen 
(2 bis 5°/, Auflösung von Blutkörperchen, 0,8 bis 2°/, Hämoglobin ent- 
sprechend), die in den meisten der referierten Versuche angewandt 
wurden, der Fall ist, suchte ich durch eine einzelne Untersuchung an 
einer Hämoglobinlösung von ca. 0,8°/, zu entscheiden. 


18. Versuch vom 27. X. 08. 


Zwei ausgepumpte Quarzcuvetten mit reduziertem Hämoglobin 
wurden durch Quarz belichtet, die eine 20’, die andere 90’ lang; nach 
der Belichtung wurden die Lösungen mit atmosphärischer Luft gesättigt, 
ebenso wie eine Probe des entgasten, unbelichteten Restes in der Pumpe; 
darauf verglich ioh den Oxyhämoglobingehalt in 1 com der belichteten 
Proben mit dem in 1 com der unbelichteten Probe nach der colorimetri- 
schen Methode, die zu den Hämolysebestimmungen im folgenden Ab- 
schnitte benutzt wurde. Die 20’ lang belichtete Auflösung zeigte 
nun einen Oxyhämoglobingehalt von 94°/, von dem der Kon- 
trollprobe; die 90 lang belichtete: 83°/,. 


Wirk, d; Licht, auf Blutfarbst. u. Blutkörp u. üb, Sensibilisation usw. 473 


Dieser Versuch deutet an, daß die Lichtbeständigkeit des 
reduzierten Hämoglobins, wenngleich im Vergleich mit der des 
Oxyhämoglobins ungeheuergroß, so doch begrenzt ist. Auf welcher 
Reaktion dieser geringe Grad der Unbeständigkeit gegen Licht 
beruht, weiß ich nicht. Es ist unwahrscheinlich, daß er mit 
den unendlich kleinen Sauerstoffmengen in Beziehung stehen 
sollte, die man sich als an die inneren Flächen der Quarz- 
cuvette adsorbiert denken muß, und die sich nicht durch ein- 
faches Auspumpen entfernen lassen; denn das Licht würde 
möglicherweise gebildetes Methämoglobin in reduziertes Hä- 
moglobin umgewandelt haben. Dagegen bemerkte ich bei 
dieser wie bei mehreren anderen Gelegenheiten, daß auch das 
im Vakuum belichtete reduzierte Hämoglobin, sobald die Cuvette 
geöffnet wurde, denselben oder einen ähnlichen, an Phosphor 
erinnernden Geruch entsandte wie belichtete Oxyhämoglobin- 
lösungen. 

Es ist möglich, daß die geringe Lichtdestruktion schwacher 
Lösungen reduzierten Hämoglobins mit dieser Erscheinung in 
Beziehung steht. 


II. Blutkörperchen. 


Bekanntlich bewirken eine Menge verschiedenartiger Ein- 
griffe das Austreten des Blutfarbstoffes aus den roten Blut- 
körperchen und somit dessen Auflösung in das umgebende Medium: 
die Hämolyse. Der Mechanismus dieses Vorganges ist wahr- 
scheinlich der Natur des Eingriffes gemäß höchst verschieden- 
artig, indem es sich bald um einfache Zersprengung des Blut- 
körperchens, — wie bei dessen Eintragung in ein hypo- 
tonisches Medium — bald um eine Zersetzung der Membran 
oder des Stromas desselben handelt — wie bei der Behandlung 
mit Äther und anderen lipoidlösenden Stoffen; endlich ist 
es denkbar, daß der Vorgang dadurch unterstützt würde, daß 
eine Reaktion zwischen dem hämolysierenden Agens und dem 
Oxyhämoglobin stattfände. 

Daß Strahlen mit kurzer Wellenlänge auf rote Blutkörperchen 


— ohne Zusatz eines „sensibilisierenden“ Stoffes (s. u.) — auf- 
lösend wirkt, wurde zuerst von S. Schmidt-Nielsen?) ohne nähere 


1)8. Schmidt-Nielsen, Einige Erfahrungen über das Licht als 
Reagens. Mitteil. aus Finsens Med. Lichtinstitut 10, 1906. 


474 K. A. Hasselbalch: 


Erörterung und von G. Busck!) angegeben, welcher letztere findet, daß 
die Wirkung auf den in Glas zurückgehaltenen ultravioletten Strahlen 
beruht. Diese beiden Beobachtungen wurden 1906 veröffentlicht. Später 
teilte S.Schmidt-Nielsen?) über seine oben erwähnte Beobachtung mit, 
daß das angewandte Licht — konzentriertes Kohlenbogenlicht ad. mod. 
Finsen — nicht so sehr hämolysierend im eigentlichen Sinne als viel- 
mehr die Resistenz gegen hypotonische Salzlösungen vermindernd wirke. 
Die äußerst geringe Wirkung im Vergleich mit der von Busck 
erzielten (totale Hämolyse nach 15 Min. dauernder Bestrahlung) muß 
daher, da beide Forscher dieselbe Liohtquelle benutzten, von der weit 
größeren Konzentration und Schichtdicke in Schmidt-Nielsens Ver- 
suchen herrühren. 

Dreyer und Hanssen?) benutzten Blutkörperchenaufschwemmung 
in physiologischer Kochsalzlösung in Thoma-Zeißschen Zählkammern 
mit Quarzdeckgläsern; die Lichtgnelle war eine Bang-Lampe mit ab- 
gekühlten silbernen Elektroden, also sehr ultraviolettreich. Der Zweck 
der Untersuchung bestand darin, das Zeitmaß für den Verlauf der Hä- 
molyse nach kurzer Belichtung zu bestimmen. Es erwies sich, daß nach 
einer solchen Belichtung erst eine gewisse Latenzzeit verstrich, bevor 
das Hämoglobin auszutreten begann; unter dem Mikroskope vermochte 
man den Gang der Hämolyse mittels Zählens der unversehrten Blut- 
körperchen zu verfolgen. Es erwies sich nun, daß die größte Wirkung: 
die Auflösung eines gewissen prozentualen Teiles der Blutkörperchen 
während der ersten Zeiteinheit nach dem Eintreten der Hämolyse er- 
folgte, während der folgenden Zeiteinheit aber die Auflösung desselben 
prozentualen Teiles der noch unversehrten Blutkörperchen usw., kurz, daß 
die Hämolyse sich vollzog nach der Formel 

= —=k(a-- x). 

Es erübrigte nur noch die Untersuchung mehrerer prinzipiell 
wichtiger Fragen: 

l. Steht die Oxyhämoglobindestruktion durch Licht, die 


wir oben fanden, in irgendwelcher Beziehung zu der gleich- 
zeitig bewirkten Hämolyse ? 


2. Erfordert die Lichthämolyse das Vorhandensein von 
Sauerstoff? 


1) G. Busck, Die photobiologischen Sensibilisstoren und ihre Ei- 
weißverbindungen. Diese Zeitschr. 1, 1906. 

2) S. Schmidt-Nielsen, Vortrag in der biologischen Gesellschaft 
in Christiania, ref. in Nyt Magazin for Naturvidenskab. 1909. 

3) G. Dreyer und O. Hanssen, Sur la loi de la vitesse d’hemo- 
lyse des hématies sous l’action de la lumière, de la chaleur et de quel- 
ques corps hémolytiques. Compt. rend. 145, 1907. 


Wirk, d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 475 


3. In welcher Weise ist der Grad der Hämolyse von der 
Dauer der Belichtung abhängig? 

4. In welcher Weise ist der Grad der Hämolyse von der 
Art des Lichtes abhängig ? 


Zur Anleitung bei der Beantwortung der ersten Frage untersuchte 
ich in drei Versuchen die Bedeutung des Hämolysegrades für die Oxy- 
hämoglobindestruktion durch Licht, so zwar, daß ich während der ersten 
Hälfte jedes Versuches 15 ccm Blut + 15 ccm 0,85°/, NaCl-Lösung eine 
gewisse Zeit lang, darauf während der zweiten Hälfte ebenso lange 15 ccm 
Blut + 15 ccm destilliertes Wasser belichtete. Im ersteren Falle wurden 
die normalen Blutkörperchen belichtet, die sich im Laufe des Versuches 
wegen der Belichtung bis zu einem gewissen geringen Grade auflösen; 
im letzteren Falle kamen völlig aufgelöste Blutkörperchen zur Be- 
lichtung. 


18. Versuche vom 21. IX., 23. IX., 24. IX. 08. 


Die Flüssigkeiten waren während der Belichtung — durch Quarz — 
in der großen Quarzkammer mit atm. Luft eingeschlossen. Temp. ca. 150. 
Anal. ca. 22 com Flüssigkeit in jeder Bestimmung. 





Dauer 
der Belichtung 


Blut +H,0 ..... 
Blut + 0,85°/, NaCl 








30 15’ 15° | Durchschnitt 





3,60 | 7,67 | 8,38 6,55 
3,88 | 7,76 | 7,90 6,51 





Wie Versuch 18 zeigt, ist es bei der gegebenen Versuchsanordnung 
einerlei, ob das Oxyhämoglobin in aufgelöstem Zustande 
(ca. 7%/, Oxyhb.) oder in die Blutkörperchen eingeschlossen 
(ca. 35°/, Oxyhb.) zur Belichtung kommt. Die Lichtdestruktion des 
Oxyhämoglobins erfolgt in beiden Fällen in demselben Umfange. 

Ob umgekehrt der Grad der Hämolyse von der Methämo- 
globinbildung durch Licht abhängt, ist eine Frage, deren exakte 
Beantwortung ich nicht zu geben vermag, da wenigstens die 
von mir angewandte Bestimmung des Grades der Hämolyse 
zu einer solchen Untersuchung nicht geeignet ist (8. u.). 

Dagegen läßt es sich leicht zeigen, daß die Hämolyse 
unter Bedingungen, die die Oxyhämoglobindestruktion aus- 
schließen, im Vakuum nämlich, geschehen kann. Eine Auf- 
schwemmung gereinigter Blutkörperchen in 0,85°/,iger NaCl- 
Lösung kann schnell und leicht vollständig evakuiert werden 
(20 ccm einer 5°/,igen Aufschwemmung in weniger als */, Stunde), 
so daß gar keine oder auch nur eine minimale Hämolyse ein- 
tritt; die Bedingung ist nur die, daß die Blutkörperchen 


476 K; A. Hasselbalch: 


während des Auspumpens nicht erwärmt werden, und daß 
eventuell durch Leitungswasser abgekühlt wird. Durch Schütteln 
wird nun ein Teil der Blutkörperchenaufschwemmung in eine 
ausgepumpte Quarzcuvette gebracht, und man schließt den 
Hahn der Cuvette. Belichtet man ein solches Präparat (19. Ver- 
such), so erweist es sich, daß nach angemessen langer Be- 
liohtung vollständige Hämolyse eingetreten ist in einem Medium, 
das nachweislich keinen Sauerstoff enthält, da zu keinem Zeit- 
punkte der Belichtung eine Methämoglobinbildung wahrgenommen 
werden konnte. 


19. Versuch vom 29. X. 08. 


6°/,ige Aufschwemmung 3 mal gereinigter Blutkörperchen in 0,85°/,igen 
NaCl. Davon 20 ccm entgast. Die Cuvetten a, b und o bis zur Marke 
gefüllt. a im Vakuum durch Quarz belichtet, b im Dunkel rotiert, c im 
Vakuum durch Glas belichtet. 





a) b) c) 
Belichtet durch Quarz 60. Unbelichtet 60’. |Belichtet durch Glas 
V 


akuum Vakuum 60. Vakuum 












Totale Hämolyse. 

Reines red. Hb. 

Eine Spur atm. Luft ein- 
gelassen. 

Bel. 3’: Methb. 4 red. Hb. 
Trübung. 

Bel. 9: Methb. 4 red. Hb. 

Bel. 24’: Reines red. Hb. 

Reichliche atm. Luft einge- 
lassen. 

Bel. 4’: Methb., starke Aus- 

scheidung. 


Haämolyse O. 
Reines red. Hb. 


Geringe Hämolyse. 
Reines red. Hb. 


Im Versuch 19a wurden, um zu ermitteln, welche Bedeutung das 
Vorhandensein einer geringen Sauerstoffmenge hat, ca. 0,025 ccm Sauer- 
stoff (berechnet) nach dem Abschluß des Hauptversuches zugesetzt: die 
Methämoglobin- und Hämatinbildung beginnt sofort bei Belichtung. 
Wie zu erwarten, wird bei fortgesetzter Belichtung ein Teil des gebildeten 
Methämoglobins reduziert: nach erneuertem Zusatz von Sauerstoff im 
Überschuß wird der gesamte Blutfarbstoff in Methämoglobin umgebildet 
und dieses noch ferner zersetzt. 

Der 19. Versuch — der Hauptversuch — wurde mit demselben Er- 
gebnisse im ganzen 12mal wiederholt, indem die spektroskopischen Ver- 
hältnisse zu verschiedenen Zeitpunkten nach dem Beginn der Belichtung 
beobachtet wurden. Niemals zeigte sich Methämoglobin, ge- 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 477 


schweige denn Ausscheidung von Hämatin, so daß man hieraus schließen 
kann, daß die Hämolyse im vollständigen Vakuum stattgefun- 
den hat. Ein fernerer Beweis für die Sauerstofflosigkeit des Mediums 
liegt in den unten mitgeteilten Beobachtungen über die Bedingungen 
der optischen Sensibilisation. 

Was die Beziehung des Grades der Hämolyse zur Belich- 
tungsdauer betrifft, muß man aus Dreyer und Hanssens (l. o.) Nach- 
weis, daß die Belichtung nach einer gewissen Induktionszeit eine Hämolyse 
herbeiführt, die schnell einsetzt und allmählich abklingt, den Schluß 
ziehen, daß die Beziehung sich wohl schwerlich als so einfach erweisen 
wird wie die Abhängigkeit der Oxyhämoglobindestruktion von der Dauer 
der Belichtung. Letztere Lichtreaktion scheint nämlich (vgl. den 7. Versuch) 
im Gegensatz zur Hämolyse beim Aufhören der Belichtung abgeschlossen 
zu sein. Nimmt man an, was nahezuliegen scheint, daß die Licht- 
hämolye auf einer Fettsäureabspaltung oder dgl aus dem Lecithin des 
Blutkörperchens beruht,!) welche die Zersetzung sowohl belichteter als 
eventuell auch unbelichteter Blutkörperchen nach Einwirkung von ge- 
wisser Dauer auf dieselben herbeiführt, so ist man von vornherein zu 
dem Schlusse berechtigt, daß die Liohthämolyse in ganz anderer und 
weit mehr verwickelter Beziehung zur Dauer der Belichtung steht, als 
dies mit der Oxyhämoglobindestruktion der Fall war, die sich allem 
Anschein nach auf die belichteten und noch nicht umgebildeten Moleküle 
beschränkt. 

Bei den Versuchen, um die Abhängigkeit des Grades der Hämolyse 
von der Dauer der Belichtung zu bestimmen, bediente ich mich des 
folgenden Verfahrens. Ein passendes Volumen (3mal mit 0,85°/,igem NaCl 
zentrifugierter) gereinigter, in 0,85°/,iger NaCl-Lösung aufgeschwemmter 
Blutkörperchen wird im Rezipienten der Quecksilberluftpumpe ohne Er- 
wärmung und während behutsamen Schüttelns entgast. Nach und nach 
werden von hier durch Schütteln konstante Mengen Blutkörperchenauf- 
schwemmung in ausgepumpte Quarzouvetten gebracht und variierte Zeiten 
hindurch der Belichtung ausgesetzt. Unmittelbar nach der Belichtung ent- 
leert man die Blutkörperchenaufschwemmung in Zentrifugengläser, schüttelt 
sie mit Luft und zentrifugiert sie eine konstante Zeit lang — 15 Min. — sofort 
in einem kalten Zimmer. In einer angemessenen Menge — l ocm — 
der blutfarbigen NaCl-Lösung über den zurückgebliebenen Blutkörperchen 


1) Unter Anwendung von Uranylverbindungen als Katalysatoren 
und bei Vorhandensein atmosphärischer Luft fand C. Neuberg (Che- 
mischo Umwandl. durch Strahlenarten. Diese Zeitschr. 13, 1908), daß 
. das Lecithin im Sonnenlichte außer anderen Veränderungen auch eine 
Zunahme der Acidität darbot. Sicheres mit Bezug auf die Chemie der 
Lichthämolyse läßt sich aus dieser Beobachtung jedoch nicht folgern, 
eben weil in N.s Versuchen sowohl Sauerstoff als auch ein Katalysator 
vorhanden war. Inwiefern bei der Belichtung von Blutkörperchen- im 
Vakuum neben der Hämolyse auch eine Zunahme der Acidität statt- 
findet, ist noch unentschieden; jedenfalls ist eine solche nicht bedeutend. 





478 K. A. Hasselbalch: 


bestimmt man die Oxyhämoglobinmenge — nach einer in v. Tappeiners 
Laboratorium angewandten Methode!) — mittels der Menge 0,85°/ iger 
NaCl-Lösung, die man zusetzen muß, um in einer gegebenen Schichtdicke 
bei konstanter Belichtung und konstanter Spaltweite des Spektroskops 
die Oxyhämoglobinlinie a (580 uu) zum Verschwinden zu bringen. Ist 
die entsprechende Größe für die völlig hämolysierten Blutkörperchen be- 
kannt, so berechnet man durch einfache Division den prozentualen Grad 
der Hämolyse. Die Methode setzt allerdings voraus, daß die Flüssigkeit, 
deren Oxyhämoglobingehalt ein Ausdruck der stattgehabten Hämolyse 
sein soll, wirklich ausschließlich Oxyhämoglobin und nicht zugleich z. B. 
Methämoglobin enthält. 

Wenn ein wesentlicher Teil der ‚„Blutfarbe“ in der über den 
Blutkörperchen stehenden NaClI-Lösung von Methämoglobin herrührt, 
so wird die zum Verschwindenbringen der Linie 580 uu erforderliche Menge 
NaCl-Lösung viel geringer werden, als wenn es sich um eine reine Oxy- 
hämoglobinlösung handelt. Die Zahl für die stattgefundene Hämolyse 
wird dann zu niedrig werden. Dieser Einwurf trifft eben die genannten 
Untersuchungen aus v. Tappeiners Laboratorium, denn in diesen ist 
außer der Hämolyse unzweifelhaft eine ziemlich kräftige Methämo- 
globinbildung vorgegangen (s. den nächsten Abschnitt). Derselbe Ein- 
wurf gilt übrigens auch von der auf einfacher Colorimetrie beruhenden 
Bestimmung der Hämolyse, die Arrhenius vorschlug, insofern die 
untersuchten Hämolytica zugleich Methämoglobin- oder sogar Hämatin- 
bildner sind,2) was sehr oft der Fall ist. Die Farbe der Lösung läßt 
sich in solchen Fällen nicht als Maß der geschehenen Hämolyse ge- 
brauchen; ist das Oxyhämoglobin auch nur zum Teil in Methämoglobin 
umgebildet, so wird eine wesentlich geringere Hämolyse als die wirkliche 
vorgetäuscht. Durch Reduktion, z. B. mit Schwefelammonium und fort- 
währendes Schütteln mit Luft kann der Fehler — der 100°/, des Wertes 
betragen kann — teilweise eliminiert werden, insofern nämlich die Um- 
bildung nicht weiter als bis zu Methämoglobin gegangen ist. 

Da ich in meinen Versuchen Blutkörperchen mit reduziertem 
Hämoglobin benutzte, das praktisch genommen lichtbeständig ist, ver- 
mied ich eine Umbildung des Farbstoffes, dessen Menge das Maß des 
Grades der Hämolyse abgibt. 

Die Genauigkeit, womit die benutzte Methode den Grad der Hämo- 
lyse angibt, geht aus folgender Übereinstimmung der gefundenen mit den 
wirklichen Oxyhämoglobinkonzentrationen in einer Reihe Verdünnungen 
hervor; die Konzentration der Stammflüssigkeit wird als 100 bezeichnet. 


1) O. Harzbecker und A. Jodibauer, Über den zeitlichen Ab- 
lauf der Hämolyse bei Belichtung sensibilisierter roter Blutkörperchen. 
Diese Zeitschr. 12, 1908. 

2) Svante Arrhenius, Versuche über Hämolyse. Medd: fr. K. 
Vetenskapsakademiens Nobelinstitut 1, 1908. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 479 








 Oxyhämoglobin - . Konzentration 
gefunden = gefunden | wirklich 


Oxyhämoglobin - in- Konzentration | 

gefunden — |. Se wirklich || 
33 a 3 oa omo | 

17,2 16,5 | 








Es erwies sich als von Wichtigkeit, daß die Verdünnungsflüssigkeit 
(die eine 0,85°/,ige NaCl-Lösung sein muß, weil die Methämoglobin- 
bildung durch destilliertes Wasser begünstigt wird) geschwind (aus einer 
Bürette) zugesetzt wurde, und daß die Belichtung während der Spektro- 
skopie aus Rücksicht auf das methämoglobinbildende Vermögen des 
Lichtes, das bei diesen schwachen Konzentrationen meßbare Fehler ver- 
ursachen kann, eine schonende war. Nach einiger Übung beendigte ich 
eine Bestimmung des Hämolysegrades in ca. 2 Min. — In den folgenden 
Versuchen geben die Zahlen die prozentuale Hämolyse an; unter Hämo- 
lyse 0 ist eine Hämolyse zu verstehen, die weniger als 2°/, beträgt. 


20. Versuch vom 13. XI. 08. 


25 ccm 2°/, ige Blutkörperchenaufschwemmung in 0,85°/, iger NaCl- 
Lösung, im Dunkel bei Zimmertemp. (ca 15°C) entgast. Davon kon- 
stante Mengen zur Belichtung durch Quarz in Quarzouvetten. 

ad I | Gad 
der Hämolyse der Hämolyse 
| 
| 













d) Bel. 20’ 


eo) „ 09 2,5 


21. Versuch vom 26. XI. 08. 


25 ccm 4°/,ige Blutkörperehenaufschwemmung in 0,85°/, iger NaCl- 
Lösung, im Dunkel bei Temp. ca. 7° entgast. Sonst wie im 20, Versuch. 


Grd | = | Gad 
der Hämolyse | der Hämolyse 





a) Bel 10' 6 | d) Bel. 40° | 27 
b) „ 20 13 | ) „ 0 42 
0) 30 18 | 2» 0 0 


Aus dem 20. und 21. Versuche geht hervor, daß der Grad 
der Hämolyse bei Belichtung im Vakuum unter den 
gegebenen Bedingungen stärker anwächst als die Be- 
lichtungsdauer. In einer graphischen Darstellung des 21. Ver- 
suches, wo die Strahlzeit die Abszisse, der Grad der Hämolyse die 
Ordinate wären, würden die Endpunkte der Ordinaten eine zur 


480 K. A. Hasselbalch: 


Abszissenachse konvexe Kurve bezeichnen. Die Destruktion 
des Oxyhämoglobins verläuft dagegen (vgl. die Formel S. 443) 
in einer zur Äbszissenachse konkaven Kurve. 

Hauptsächlich die Strahlen mit Wellenlängen unter 310 zu 
bewirken die Hämolyse. Aus dem 19. Versuch geht hervor, 
daß das Licht, wenn es durch gew. Glas filtriert worden ist, 
dennoch eine geringe, nicht ausgemessene hämolytische Wirkung 
übt. Im 22. Versuch wurde der Grad der Hämolyse bestimmt, 
der in einer 2°/ igen Blutkörperchenaufschwemmung nach Be- 
lichtung durch Glas im Vakuum angetroffen wird. Derselbe 
ist verschwindend im Vergleich mit dem durch unfiltriertes 
Glas bewirkten (vgl. den 20. Versuch, wo dieVerhältnisse sonst 
dieselben waren), jedoch noch immer meßbar. 


22. Versuch vom 14. XI. 08. 


20/,ige Blutkörperchenaufschwemmung in 0,85°/, iger NaCl-Lösung, 
Entgasung. Gleiche Mengen in zwei ausgepumpte Quarzouvetten über- 
geführt: Belichtung durch Glas im Vakuum. 


| Grad der Hämolyse 





a) Bel 15’ 3 
b) 5 60’ 6,5 
o) p 0 0 


Im folgenden Abschnitte finden sich eine Reihe Wieder- 
holungen des 22. Versuches, die sämtlich eine ähnliche schwache, 
jedoch deutliche, hämolysierende Wirkung des durch 
Glas filtrierten Lichtes der Quarzlampe auf Blut- 
körperchen im Vakuum zeigen. 


III. Die Sensibilisation. 


Seitdem H. W. Vogel 1874 die Erscheinung entdeckte, die 
er die „optische Sensibilisation“: nannte, und die darin besteht, 
daß Silberhaloide, welche für sich allein, praktisch genommen, 
nur für blaue, violette und ultraviolette Strahlen lichtempfind- 
lich?) sind, durch Beimischung verschiedener Farbstoffe auch 
für andere Lichtqualitäten — rote, gelbe, grüne Strahlen emp- 
findlich werden, ist die Sensibilisation behufs photographischer 


1) Unter „liohtempfindlich“ ist in diesem Zusammenhäng in erster 
Linie zu verstehen: einer partiellen Reduktion durch Licht zugänglich. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 481 


Zwecke eingehend von Vogel, Eder, deren Schülern und einer 
langen Reihe späterer Untersucher!) studiert worden. Neuere 
Forscher auf dem Gebiete der „‚‚photobiologischen Sensibili- 
sation‘‘?) behaupten oft, das Verständnis der optischen Sensi- 
bilisation sei seit der Entdeckung der Erscheinung nicht zu 
wesentlich größerer Klarheit gelangt; Hanssen (l. o. S. 125) 
nennt sogar die photographische (und die photobiologische) 
Sensibilisation: deux processus encore inoonnus. Wie unten 
näher entwickelt, finde ich diese Auffassung nicht berechtigt. 


Die Bedeutung der Pflanzenfarbstoffe für die Kohlensäureassimilation 
wurde bereits 1883 (Engelmann) mit der Wirkung der optischen Sen- 
sibilisatoren auf Silberhaloide verglichen. Hiervon abgesehen waren es 
jedoch Arbeiten aus v. Tappeiners Laboratorium in München, die seit 
1899 und bis heute fortgesetzt in einer langen Reihe von Untersuchungen 
zuerst die Aufmerksamkeit der Biologen auf die Möglichkeit lenkten, 
photobiologische Prozesse durch Farbstoffe zu beschleunigen. Während 
v. Tappeiner sich anfangs der eigentlichen Natur der neuentdeckten Er- 
scheinung gegenüber abwartend stellte, und dieselbe „photodynamisch‘“ 
taufte, hegte Dreyer (L o.) durchaus keinen Zweifel, daß sie der photo- 
graphischen Sensibilisation als ganz parallel zu betrachten sei. Nachdem 
v. Tappeiner und seine Mitarbeiter eine Reihe von Jahren hindurch 
diese Ansicht als unerwiesen und unwahrscheinlich bekämpft hatten, 
scheint in der jüngsten Zeit,3) nachdem das Münchener Laboratorium 
das Thema ferner behandelt und die gemeinschaftliche Symptomatologie 
der beiden Prozesse festgestellt hat, völlige Einigkeit über deren Iden- 
tität eingetreten zu sein, meiner Meinung nach (s. u.) mit Unrecht. 

Es wird notwendig sein, die Hauptpunkte unseres jetzigen Wissens 
über diese Prozesse anzuführen. 


1) Siehe hierüber namentlich die beiden Sammelwerke: J. M. Eder, 
Die chemischen Wirkungen des Lichtes usw., 1891, und J. M. Eder und 
E. Valenta, Beiträge zur Photochemie und Spektralanalyse, Wien 1904, 
und die darin erwähnten Spezialabhandlungen. 

2) Über die photobiologische Sensibilisation siehe besonders: 
G. Dreyer, Die Sensibilisation von Mikroorganismen und tierischen Ge- 
weben. Mitt. aus Finsens Med. Lichtinst. 7, 1904. — G. Busck, Die 
photobiol. Sensibilisatoren und ihre Eiweißverbindungen. Diese Zeitschr. 1, 
1906. — H. v. Tappeiner und A. Jodlbauer, Die sensibil. Wirkung 
fluoresoierender Substanzen, 1907. — E. Hertel, Abhandlungen in der 
Zeitschr. f. allg. Physiol. 1904, 1905, 1906. — O. Hanssen, Recherches 
expérimentales sur la sensibilisation ete. Königl. Dän. Akad. d. Wissen- 
schaften. 1908. 

3) A. Jodlbauer, Die sensibilisierende Wirkung fluorescierender 
Stoffe (Photodynamische Erscheinung). Jahrb. u. Leist. u. Fortschr. a. 
d; Gebiete der physikal. Med, 1908. 


482 K. A. Hasselbalch: 


Was nun zuerst die photographische Sensibilisation betrifft, können 
wir die Verhältnisse da betrachten, wo sie am besten aufgeklärt sind, 
nämlich an einer durch Eosin sensibilisierten Bromsilbergelatineemulsion. 

Die Bromsilbergelatine an und für sich hat ihr Empfindlichkeits- 
maximum und zugleich ihr Absorptionsmaximum im Blau; bei sehr langer 
Exposition können aber selbst gelbe, ja orange Strahlen schwach auf 
sie einwirken. 

Zusatz von Eosin bewirkt, daß das Empfindlichkeitemaximum sich 
nach dem Gelbgrün verschiebt, wo das Eosin seine maximale Absorption 
hat, ja sogar ca. 30 «u an diesem Orte vorbei nach Rot hin. Nun zeigt 
es sioh indes, daß Eosin- Bromstibergelatine ein Absorptionsspektrum hat 
(Eder und Valenta, l. oc. 3, 38), welches der gemessenen Licht- 
empfindlichkeit genau entspricht und sich also, mit dem Absorptions- 
spektrum des Eosins verglichen, ca. 30 uu gegen Rot verschoben hat. 

Nicht einmal mittels fortgesetzten Auswaschens gelingt es, die Brom- 
silbergelatine völlig vom Eosin zu befreien. (Eder und Valenta, 3, 20). 

Aus diesen und mehreren anderen Beobachtungen schließt Eder, 
daß im Dunkel eine — vielleicht auf Adsorption beruhende — Reaktion 
zwischen dem Sensibilisator und dem Bromsilber (-- Gelatine) vorgehe, 
die in einer neuen „Verbindung‘ mit neuem Absorptions- und Empfind- 
lichkeitsmaximum resultiere. Hübl hat nachgewiesen (Eder und Va- 
lenta, 3, 89), daß eine „‚Färbung‘‘ des Bromsilbers die Voraussetzung 
der Sensibilisation ist; wird die Bromsilbergelatine mit überschüssigem 
Siibernitrat dargestellt, so läßt sie sich durch Eosin sowohl färben als 
sensibilisieren, wird sie mit überschüssigem Bromid dargestellt, so geschieht 
keins von beiden. 

Eder findet keine Übereinstimmung zwischen einerseits der che- 
mischen Konstitution, dem Fluorescenzvermögen und der Liohtempfind- 
lichkeit verschiedener Sensibilisatoren und andrerseits deren Sensibili- 
sationsvermögen (l. o. 3, 23 bis 24). „Es steigert sich nach meiner 
Ansicht vielmehr die Wirkung des Bromsilbers und des Farbstoffes gegen- 
seitig, und zwar unabhängig von der Lichtempfindlichkeit des Farbstoffes 
für sich.“ 

Endlich faßt Eder seine Ansicht von der Natur der Sensibilisation 
in folgenden Satz zusammen: „Die Neigung des Farbstoffes, sich im 
Lichte zu oxydieren (bromieren), wird durch die Eigenschaft des Brom- 
silbers, im Lichte das desoxydierende Brom abzugeben, unterstützt.“ 


Besteht also die Wirkung des photographischen Sensibilisators darin, 
daß er in seiner Eigenschaft als farbiger und leicht oxydierbarer Stoff die 
teilweise Reduktion der Silberhaloide durch Strahlen von großer Wellen- 
länge unterstützt, so muß man u. a. schließen dürfen, daß der Prozeß 
im Vakuum mit derselben (oder vielleicht noch größerer) Geschwindig- 
keit verläuft wie in sauerstoffhaltiger Atmosphäre. Soweit mir bekannt, 
liegt hierfür kein Beweis vor. Dagegen hat Eder gesehen (2, 26), daß 
ein Quecksilberhaloid, 495J,, im Lichte und ohne Sauerstoff zu Hg und 
Hg4Je reduziert wurde. 


Wirk .d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 483 


Endlich ist zu bemerken, daß sensibilisierte photographische Platten 
nur wenig haltbar sind, selbst wenn sie im vollständigen Dunkel auf- 
bewahrt werden. 

Dies ist der Hauptsache nach, was über die Natur der photo- 
graphischen Sensibilisation als bekannt vorliegt. 

Will man eine neue biologische Erscheinung mit einer be- 
kannten chemo-physikalischen parallelisieren oder identifizieren, 
so wie man es mit der „photobiologischen‘‘ und der photogra- 
phischen oder optischen Sensibilisation getan hat, so muß man 
verlangen, daß die beiden Prozesse in allen wesentlichen Punkten 
miteinander verglichen werden. Der Umstand allein, daB — 
um ein Beispiel zu nennen — die Galle im Lichte stärker 
hämolysiert als im Dunkel,”) kann nicht zu der Behauptung 
berechtigen, daß die Galle ein optischer Sensibilisator sei. 
Mehrere andere Möglichkeiten stehen offen; eine derselben ist 
die, daß es sich um eine einfache Addition der hämolysierenden 
Eigenschaft der Galle zu der des Lichtes handeln könnte; eine 
andere, daß die für sich belichtete Galle gesteigertes hämo- 
lysierendes Vermögen erhielte; eine dritte, daß sie beschleunigend 
auf die Lichthämolyse wirkte schon allein wegen ihrer che- 
mischen Konstitution (‚chemische Sensibilisation“) ohne Rück- 
sicht auf die Qualität des von ihr absorbierten Lichtes, daß sie 
also in genau derselben Weise wirken würde, selbst wenn ihr 
alle Farbe entzogen wäre. 

v. Tappeiner, Jodlbauer und ihre Schüler haben durch 
ihre Arbeit ein großes Material herbeigeschafft, das sich jedoch 
zur Klarlegung der Ähnlichkeitspunkte der optischen mit der 
photobiologischen Sensibilisation nur teilweise benutzen läßt. 

Die Bemühung, ein gewisses — umgekehrtes — Verhältnis zwischen 
dem fluoreszcierenden und dem sensibilisierenden Vermögen eines Farb- 
stoffes nachzuweisen, ein Verhältnis, das die biologische im Gegensatze 
zur photographischen Sensibilisation kennzeichnen sollte, ist mithin als 
erfolglos zu betrachten. Sohon der leicht nachweisbare Umstand, daß z.B. 
Eosin ebensowohl im Vakuum als in der Luft fluoresciert, mit Bezug auf 
eine Reihe photobiologischer Prozesse aber nur in Luft (Sauerstoff) sen- 
sibilisiert, widerspricht einer ursächlichen Beziehung zwischen dem Fluor- 
escoenzvermögen und der Sensibilisation. 

Die Lichtbeständigkeit der isolierten Farbstoffe hat sich ebenso- 
wenig für deren Anwendbarkeit als Sensibilisatoren maßgebend er- 


1) W. Hausmann, Über die sensibilisierende Wirkung tierischer 
Farbstoffe und ihre physiologische Bedeutung. Diese Zeitschr. 14, 1908, 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 32 


484 K. A. Hasselbalch: 


wiesen; hinsichtlich derartiger Untersuchungen kann Eder nur dasselbe 
negative Resultat darbieten wie v. Tappeiner, so daß wenigstens hierin 
keine Andeutung einer Wesensverschiedenheit der photographischen von 
der photobiologischen Sensibilisation liegt. 

Ebenfalls scheint der Umstand, daß dieser oder jener Farbstoff als 
photographischer Sensibilisator wirksam, als photobiologischer aber un- 
wirksam ist — oder umgekehrt — keine Brauchbarkeit als Argument für 
oder wider die prinzipielle Identität der Prozesse zu besitzen. Handelt 
es sioh in einem Prozesse um Haloidabspaltung, im anderen um eine 
Sauerstoffabspaltung durch Licht, so kann derselbe Farbstoff die beiden 
— möglicherweise im Prinzipe miteinander übereinstimmenden — Pro- 
zesse seiner eigenen chemischen Konstitution gemäß sehr wohl in höchst 
verschiedenem Maße unterstützen. 

Es gibt eine bestimmte Schwierigkeit, die sich demjenigen, 
der zu beweisen sucht, daß die Beschleunigung eines photo- 
biologischen Prozesses durch einen Farbstoff auf einer ähnlichen 
Reaktion wie die photographische Sensibilisation beruhe, sehr 
schnell darbietet. Diese Schwierigkeit besteht darin, daß man 
annehmen muß, daß die verwickelten organischen Moleküle, 
Formelemente oder Lebewesen, mit denen man arbeitet, durch 
Licht auf mehr als eine Weise „geschädigt‘‘ werden können, 
und zwar namentlich auf anderen Wegen als durch einen Re- 
duktionsprozeß. Die schließliche Reaktion, die im Experimente 
ausgemessen wird — z. B. das Absterben lebender Zellen —, 
kann nicht nur durch Reduktionsvorgänge (und dieselben be- 
gleitende sekundäre Oxydationen), sondern auch durch andere 
molekulare Zerteilungen, durch Änderungen des molekularen 
Zustandes usw. herbeigeführt worden sein, durch Vorgänge, auf 
welche das Vorhandensein lichtabsorbierender, oxydierbarer Ver- 
bindungen möglicherweise durchaus keine Einwirkung übt. Es 
kann mithin das Ergebnis der Untersuchung werden, daß eine 
photobiologische „Reaktion“ — z. B. durch das Absterben einer 
Zelle bezeichnet — sich z. B. in zwei photochemische Reak- 
tionen spalten läßt, deren eine der optischen Sensibilisation zu- 
ginglich ist, die andere aber nicht. 

Zu demselben Schlusse wurde v. Tappeiner durch seine 
Untersuchungen über die Lichtwirkung auf Invertin bewogen 
(l. c. S. 207), wenigstens zu einem gewissen Zeitpunkte (1906): 
die eine photochemische Reaktion erfolge im gesamten Umfange 
des Spektrums, und zwar am kräftigsten in dessen ultraviolettem 
Teile, erfordere das Vorhandensein von Sauerstoff und sei unter 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp, u. üb. Sensibilisation usw. 485 


dieser Bedingung der optischen Sensibilisstion zugänglich; die 
andere geschehe ohne Sauerstoff, in meßbarem Grade nur im 
ultravioletten Teile des Spektrums (?) und sei der optischen 
Sensibilisation unzugänglich. 

Indem wir an der Möglichkeit festhalten, daß die während 
des Vorhandenseins eines optischen Sensibilisators stattfindende 
photobiologische Reaktion nur zum Teil auf einem Vorgange 
zu beruhen brauche, der durch den optischen Sensibilisator 
beschleunigt werde, wollen wir nun sehen, welche Tatsachen 
man mit bezug auf die photobiologische Sensibilisation ge- 
sammelt hat und inwiefern diese für oder gegen die Annahme 
einer prinzipiellen Ähnlichkeit zwischen diesem Prozesse und der 
photographischen Sensibilisation sprechen. 


1. Die Wirkung des Sensibilisators ist an Strahlen geknüpft, die 
von demselben absorbiert werden. (Beobachtungen an Daphnien, Para- 
maecien, Bakterien, Chromatophoren, Enzymen von Raab, v. Tappeiner, 
Dreyer, Hertel, Hanssen.) 

2. Die biologischen Versuchsobjekte haben — im großen und ganzen — 
ihr Empfindlichkeitsmaximum für Licht in dem ultravioletten Teile des 
Spektrums; auch langwellige Strahlen können aber, insofern sie absorbiert 
werden, dieselben Wirkungen auslösen (Hertel). Das Vorhandensein 
des Sensibilisators bewirkt, daß das Empfindlichkeitemaximum sich bis 
nach dem ungefähren Platze des Absorptionsmaximums des Sensibilisators 
verschiebt (Hanssen). Einer einzelnen Beobachtung zufolge (Bakterien, 
Erythrosin: Dreyer) scheint das Empfindlichkeitsmaximum sioh ein 
wenig über das Absorptionsmaximum des Sensibilisators hinaus, d. h. noch 
weiter bis gegen das rote Ende des Spektrums verschoben zu haben. 

Das Absorptionsmaximum des Sensibilisators verschiebt sich nach 
Zusatz von Serum gegen das rote Ende des Spektrums hin (Rose bengale, 
Eosin u. m. a. Busck): 

3. Viele photobiologische Sensibilisatoren reagieren bei hinlänglicher 
Konzentration auch im Dunkel gegen die biologisohen Objekte (Toxine, 
Fermente, rote Blutkörperchen): Kudo und Jodlbauert), Fr. H. 
v. Tappeiner?). In einigen Fällen ist diese Reaktion als eine Ad- 
sorptionserscheinung aufzufassen, in anderen ist sie irreversibel. 

4. Daß ein Farbstoff langwellige Strahlen absorbiert, verbürgt uns 
nicht, daß er das Vermögen der photobiologischen Sensibilisation besitzt. 


1) F. Kudo und A. Jodlbauer, Über die Dunkelwirkung fluores- 
cierender Stoffe auf Eiweiß, Toxine und Fermente und ihre Reversibilität. 
Diese Zeitschr. 13, 1908. 

2) Fr. H. v. Tappeiner, Untersuchungen über den Angriffsort der 
fluoresoierenden Substanzen auf rote Blutkörperchen. Diese Zeitschr. 
13, 1908. 

32* 


486 K. A. Hasselbalch: 


Zwischen dem Sensibilisator und dem biologischen Objekte geht während 
der Belichtung eine ohemische Reaktion vor. Für das Zustandekommen 
dieser Reaktion ist (Bakterien, Enzyme, Toxine: v. Tappeiner, Jodl- 
bauer) das Vorhandensein freien Sauerstoffes eine Notwendigkeit. 

5. Man kennt Lichtwirkungen (auf Bakterien, Enzyme: Biel), 
v. Tappeiner), für deren Zustandekommen das Vorhandensein von 
Sauerstoff überflüssig ist. Für solohe Vorgänge läßt sioh nicht sensi- 
bilisieren (Enzyme, Bakterien: v. Tappeiner). 

Wie unten gezeigt werden wird, ist Punkt 5 infolge der 
Ergebnisse meiner Untersuchungen in theoretisch bedeutungs- 
voller Weise zu modifizieren. Übrigens geht aus den Punkten 
l bis 3 hervor, daB, soweit die Vollständigkeit der vorliegenden 
Untersuchungen ersehen läßt, mit dem Mechanismus der 
photographischen Sensibilisation durchgeführte prin- 
zipielle Übereinstimmung herrscht. Was den Punkt 4 
betrifft, ist schon hier hervorzuheben, daß, selbst wenn darauf 
gerichtete Untersuchungen erweisen sollten — was wahrscheinlich 
geschehen wird —, daß freier Sauerstoff keine Notwendigkeit 
für das Zustandekommen der photographischen Sensibili- 
sation ist, dies doch keinen prinzipiellen Unterschied bezeichnen 
würde, indem das durch das Licht befreite Haloid in vielen 
Fällen dieselbe Rolle wird spielen können wie der molekulare 
Sauerstoff. 


Daß das Licht beim Vorhandensein optischer Sensibilisatoren 
hämolysierend wirken kann, wurde schon 1905 von Saccharoff 
und Sachs?) und von Pfeiffer?) nachgewiesen, noch bevor 
es bekannt war, daß das Licht für sich allein — in angemessener 
Qualität und Quantität — dazu imstande ist. Die erstgenannten 
Forscher fassen den Prozeß — die Hämolyse — als einen durch 
den Sensibilisator beschleunigten Oxydationsprozeß auf. Dem 
Vorstehenden zufolge, und namentlich nachdem man nach- 
gewiesen hat, daß Blutkörperchen im Vakuum durch Licht 
aufgelöst werden (siehe S. 476 u. 479), ist diese Auffassung als 
irrig zu betrachten. 

1) V. Bie, Ist die bacterioide Wirkung des Lichtes ein Oxydations- 
vorgang? Mitteil. aus Finsens Med. Lichtinst. 9, 1905. 

2) G.Saccharoff und H. Sachs, Über die hämolytische Wirkung 
der photodynamischen Stoffe. Münch. med. Wochenschr. 1905. 

3) H. Pfeiffer, Über die Wirkung des Lichtes auf Eosin-Blut- 
gemische. Wiener klin. Wochenschr. 1905. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbet. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 487 


Später haben Dreyer und Hanssen (l. c.) gezeigt, daß 
eine schnell abgebrochene Belichtung einer Blutkörperchen- 
aufschwemmung mit Eosin durch gelbgrünes Licht nach einer 
Induktionszeit eine Hämolyse bewirkt, die zeitlich nach der- 
selben Formel wie die Lichthämolyse ohne Sensibilisator abläuft. 

Meine Versuche über den Mechanismus der Sensibili- 
sation für Hämolyse stellte ich sämtlich an 2°/, Auf- 
schwemmungen frischer, 3 mal durch Zentrifugieren mit erneuerter 
Kochsalzlösung gereinigter Ochsenblutkörperchen in 0,85°/,iger 
NaCi-Lösung an. Die angewandten Farbstoffe und deren 
Konzentrationen waren: 


Eosin (Tetrabromfluoresceinnatrium) . . . . . Yasoo mol. 
Erythrosin (Tetrajodfluoresceinnatrium) — 
Dichloranthracendisulfonsaures Natrium . . . . Yao » 


Rose bengale(Tetrachlortetrajodfluoresceinnatrium) */ 50000 »» 
Methylenblau (Tetramethylthioninchlorhydrat) . ?/ 0o00 » 


Durch einleitende Versuche wurde vorerst festgestellt: 


1. daß die Farbstoffe in diesen Konzentrationen im Dunkel 
die Blutkörperchen nur in ganz geringem Grade auflösten 
(weniger als 2°/, Hämolyse nach 2 Stunden); 

2. daß die Farbstoffe, je für sich sowohl im Vakuum als 
in Luft belichtet, im Dunkel nicht hämolysierend wirkten. 
Mehrere der Farbstoffe verblaßten ziemlich stark bei Belichtung 
durch Quarz in Luft;!) 

3. daß Blutkörperchen, die erst 1 Stunde lang durch 
Glas und in Luft belichtet wurden und hierdurch einen 
Hämolysegrad von ca. 6°/, erreicht hatten, später nicht 
ferner gelöst wurden, wenn man ihnen im Dunkel einen — be- 
lichteten oder unbelichten — Farbstoff beimischte. 

In den folgenden Versuchen wurde die Blutkörperchenaufschwem- 
mung stets entgast, eventuell im Verein mit dem Sensibilisator, und 
zwar im Dunkel; nach Schütteln wurden ca. 2,5 com in eine ausgepumpte 
Quarzcuvette übergeführt. Übrigens war die Methodik die S. 477 an- 
gegebene. Wo die Methämoglobinbildung kräftig war, ist der Hämolyse- 
grad der ungefähre, was durch „oa.“ angedeutet wird. — Blutk. = Blut- 
körperchen, Sens. — Sensibilisator, Vak. = Vakuum, Hämol. — Hämolyse- 
grad, Methb. = Methämoglobinbildung. 


1) Dreyer (l. o.) hat nachgewiesen, daß das für sich in Luft be- 
lichtete Erythrosin schwächer sensibilisierend wirkte als das unbelichtete. 


488 K. A. Hasselbalch: 


23. Versuch vom 14. XI. 08. 
Eosin. Bel. durch Glas 15 und 60’. 


| Hämol. 


a) Blutk., Vak., Dunkel. ...... l... 








0 
do. do. Licht 19°... . . 22... 3 
do. do. Licht WW ..... 2.2... 6 
b) Blutk. +4 Sens., Vak., Dunkel ..... . 0 
do. do. do. Liobt 15'..... 4 
do. do. do. Licht 60'..... 5 
c) Blutk. + Sens., Luft, Lioht 169° ..... oa. 50, starko Methb. 
d) Blutk., Luft, Licht 15 . . . . 2 2.2.2. 2 


Das Ergebnis dieses Versuches ist unstreitig: das glasfiltrierte 
Licht hat schwach hämolysiert, sowohl im Vakuum als in 
Luft, das Eosin hat aber nur für die Hämolyse sensibilisiert, 
wo Luft (Sauerstoff) vorhanden war; im Verein mit der stark 
beschleunigten Hämolyse ist starke Methämoglobinbildung 
aufgetreten. 

Versuch 24 ist eine Wiederholung von 230 und d. 


24. Versuch vom 16. XI. 08. 
Eosin. Bel. durch Glas 30’. 


| Hämol. 


a) Blutk. 4 Sens., Luft, Licht 30’ ca. 100, starke Methb. 
b) Blutk., Luft, Licht 30’ 4, keine Methb. erkennbar 


Daß eine Methämoglobinbildung in spektroskopisch nachweisbarem 
Umfange durch glasfiltriertes Licht erfolgen kann, wurde in früheren 
Versuchen dargelegt, wo das Oxyhämoglobin in viel geringerer Kon- 
zentration, in destilliertem Wasser aufgelöst, vorhanden war. Das 
Eosin ist mithin ein Sensibilisator für die Methämoglobin- 
bildung, wenn Sauerstoff vorhanden ist, und nur unter der- 
selben Bedingung ein Sensibilisator für die Hämolyse, die 
an und für sich vom Sauerstoff unabhängig ist. 


25. Versuch vom 18. bis 19. XI. 08. 


Dichloranthracendisulfonsaures Natrium (A) und Erythrosin (B). 
Bel. durch Glas 30’. 











— 


Hämol. 
A.: Dichl. Na | B.: Erythrosin 





a) Blutk. + Sens., Vak., Dunkel. . . 


b) Blutk. -+ Sens., Vak., Licht 30°. . 3 2 
o) Blutk.+ Sens., Luft, Licht 30 . . jca. 100, Methb. | ca. 100, Methb. 
d) Blutk., Luft, Licht 30 . . . ... 5 — 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 489 


Der 25. Versuch zeigt dem Prinzip nach dasselbe: keine Sensibilisation 
für Hämolyse im Vakuum, Sensibilisation in Luft, von starker Met- 
hämoglobinbildung begleitet. Daß der Grad der Hämolyse in b nicht 
größer ist als in dem unter denselben Bedingungen unbelichteten a, rührt 
wahrscheinlich von Versuchsfehlern her. 


26. Versuch vom 20. XI. 08. 
Rose bengale (A), Methylenblau (B). Bel. durch Glas 30 und 60. 


Hämol. 
A.: Rose beng. | B.: Methylenbl. 


a) Blutk. -+ Sens., Vak., Dunkel . . . 6 3 0. 














do. do. do. Licht 30 . . 7 3 
b) Blutk. + Sens., Luft, Licht 30° . . |oa. 100, Methb. | ca. 25, Methb. 
do. do. do. Licht 60 . . — oa. 100, Methb. 
c) Blutk., Luft, Licht 307 . .... . 9 9 


Das Resultat des 26. Versuches fällt ganz mit dem Ergebnisse der 
Versuche 23 bis 25 zusammen. Mit Bezug auf 5 optische Sensibilisatoren 
von weit verschiedener chemischer Konstitution ist somit der Nachweis 
geführt, daß ihr sensibilisierendes Vermögen hinsichtlich der Hämolyse 
davon abhängt, ob Sauerstoff vorhanden ist, 

Die Lichthämolyse ist also ein Prozeß, der im Vakuum 
vorgehen kann, geschwind bei ultraviolettreichem Lichte, 
langsamer bei glasfiltriertem Liohte. Die gewöhnlichen op- 
tischen Sensibilisatoren beschleunigen den Prozeß nicht im 
Vakuum. In Luft wird die Liohthämolyse von Methämo- 
globinbildung begleitet; beide Prozesse werden in Luft durch 
das Vorhandensein optischer Sensibilisatoren enorm be- 
schleunigt. 

Auch die sogenannte Dunkelwirkung des Rose bengale (Konz. 
1/4000 mol.), des Eosins (!/,., mol.) und des Chloretum chinioum (gesättigte 
Lösung in 0,85 NaCl) erweist sich als auf dem Vorhandensein von 
Sauerstoff beruhend (im ganzen 6 Versuche), Nach 2 bis 3 Stunden 
trat bei diesen Konzentrationen totale Hämolyse und Methämoglobin- 
bildung in denjenigen Cuvetten ein, zu denen die Luft Zutritt hatte, 
in den ausgepumpten Cuvetten aber keine Hämolyse. Der sauer re- 
agierende Bisulphas chinicus hämolysierte dagegen im Dunkel und 
im Vakuum. 

Entsprechend dem, was Busok (l. c) mit Bezug auf die Hemmung 
der Sensibilisation durch Zusatz von Serum oder Eiweiß, und Jodl- 
bauer (l. c.) durch Zusatz von Rohrzucker und anderen Kohlenhydraten 
fanden, beobachtete ich (27. Versuch), daß sowohl Traubenzucker als 
Rohrzucker die Sensibilisation des Eosins für Hämolyse zu hemmen oder 
sogar gänzlich aufzuheben vermag. Als Beispiel führe ich an: 


490 KA. Hasselbalch: 


27. Versuch vom 3. XII. 08. 


2%/, Blutkörperchenaufschwemmung in isotonischen Flüssigkeiten mit 
1/2509 mol. Eosin und mit Luft durch Glas belichtet. 


p Hämolysegrad 
Bel. 10° | Bel. 20° | Bel. 0’ 


Blutk. in 0,85%, NaCl + Eosin . . . | ca 60 | ca. 100 0 
»  » 4,10°/, Traubenzucker + Eosin 
»  » 7,80%/, Rohrzucker + Eosin 


Aus solchen Beobachtungen geht hervor, daß es in verschiedener 
Weise — durch Entfernung des Sauerstoffes, durch Zusatz verschiedener 
Stoffe — möglich ist, die Reaktion zwischen Farbstoff und Blutkörper- 
chen zu verhindern, die dem Sensibilisationsprozesse mutmaßlich zugrunde 
liegt und denselben einleitet, in ganz ähnlicher Weise, wie in Hübls 
Beobachtung (siehe oben) die Färbung des Eosins durch Bromsilber 
eine notwendige Bedingung für die Sensibilisation war. 

Man hat nun nach den Ergebnissen der Versuche anzunehmen, daß 
die Reaktion, mittels deren Blutkörperchen durch Belich- 
tung im Vakuum zersetzt werden, kein Reduktionsprozeß ist, 
wenigstens keine Abspaltung von Sauerstoff bewirkt. Denn alsdann 
müßte — der hier entwickelten Ansicht zufolge — das Vorhandensein 
eines oxydierbaren Sensibilisators den Prozeß im Vakuum beschleunigen 
können. Als Gegenprobe auf die Richtigkeit dieser Folgerung können 
wir nur die Möglichkeit untersuchen, im Vakuum für zwei unzweifelhafte 
Reduktionsprozesse zu sensibilisieren, mit denen wir oben Bekanntschaft 
machten: für die Umbildung des Hämatins in Hämochromogen 
und die Umbildung desMethämoglobins in reduziertes Hämo- 
globin. Wie die Versuche 28 und 29 zeigen, sind diese beiden Pro- 
zesse der Sensibilisation im Vakuum zugänglich. 








28. Versuch vom 10. XII. 08. 


Alkalische Hämatinlösung. Entgast. 1/25 mol. Eosin. 
Belichtet durch Glas im Vakuum. 


a) Hämatin + Eosin. Vakuum | b) Hämatin. Vakuum 


Bel. 10’: Hämochrom. I (555 uu) | Hämatin unverändert. 
deutlich in dünner, intens. in 
dicker Schicht. 

Noch Andeut. von Hämatin. 
Bel. 15°: Hämochrom. I (555 mu) 
Bel. 40: Die Umbildung in Hämo- 

chrom. fast vollständig. 

Die Farbe schön rotbraun. 











Hämatin unverändert: 

555 uu sichtbar in dünner, deutlich 
in dicker Schicht. 
Die Farbe schmutzig gelbbraun, 
mit rotem Anstrich. 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp. u. üb. Sensibilisation usw. 491 


29. Versuch vom 11. XII. 08. 


Methämoglobinlösung, durch Belichtung einer Oxyhämoglobinlösung 
durch Quarz gebildet. Entgasung. Eosin 1/25ọọ mol. 
Belichtet durch Glas im Vakuum. 


a) Methämoglobin+Eosin. Vakuum | b) Methämoglobin. Vakuum 





Bel. 10’: Beginn des red. Hb. Keine sichere Veränderung des 
Die Farbe röter. Spektrums. DieFarbebierbraun. 
Bel. 20’: 630 verschwunden. Andeut. red. Hämoglobins. Die 
Der Streifen des red. Hämoglo- Farbe noch nicht so rot wie in a 
bins kräftig, noch geteilt. nach 10’ langer Bel. 
Bel. 40: Die Reduktion fast voll- | 630 noch schwach sichtbar indünner 
ständig. Schicht. Die Red. fortschreitend, 
doch nicht soweit wie ina nach 
20’. 


Hierdurch gewinnt die Anschauung die Wahrscheinlichkeit 
für sich, daß nur solche photochemischen Reaktionen 
der optischen Sensibilisation im Vakuum zugänglich 
sind, bei denen entweder durch abgespaltenen Sauer- 
stoff oder in anderer Weise eine Oxydation des Sensi- 
bilisators bewerkstelligt werden kann. 

Die photobiologische Sensiblisation ist also prin- 
zipiell mit der photographischen Sensibilisation zu 
parallelisieren, insofern sie sich auf Reduktionspro- 
zesse gründet, was sie möglicherweise sehr oft tut. Da 
die biologischen Objekte aber bedeutend verwickelterer Natur 
sind als die photographischen, und da die Erscheinungen, die 
bei den ersteren beobachtet werden — Tod, Bewegung, Destruk- 
tion der Fermenttätigkeit, Austreten des Blutfarbstoffes usw. — 
gelegentlich und gleichzeitig auch durch Lichtreaktionen hervor- 
gerufen werden können, die der Sensibilisation unzugänglich 
sind, wird eine vollständige und unbedingte Identifizierung der 
Prozesse unzweckmäßig und irreleitend sein. 

Es ist z. B. möglich, daß die chemische Reaktion, auf 
welcher die Lichthämolyse beruht — Fettsäureabspaltung aus 
Lecithin? — durchaus nicht geschwinder verläuft im Versuche 
23c als im Versuche 23d, daß aber die um viele Male stärkere 
Hämolyse inc der anderen gleichzeitig verlaufenden Reaktion 
zu verdanken wäre, der Methämoglobinbildung nämlich, für 


492 K. A. Hasselbalch: 


die das Eosin unzweifelhaft sensibilisiert. In dieser Beziehung 
ist es ein bemerkenswerter Umstand, daß fast alle methämo- 
globinbildenden Stoffe und Eingriffe zugleich auch hämolytisch 
wirken. 

Ist diese Erklärung richtig, so muß man also sagen, daß 
die Zersetzung eines roten Blutkörperchens durch Belichtung 
ein praktisch wahrnehmbares Symptom von zwei eventuell gleich- 
zeitig verlaufenden chemischen Reaktionen ist, von denen nur 
die eine sich als optischer Sensibilisation zugänglich erweist. 


Hauptergebnisse. 


Der genuine Blutfarbstoff wird durch Licht in 
Methämoglobin umgewandelt, dieses zersetzt sich 
weiter, u.a. in Hämatin. Bedingung für den Eintritt 
der Reaktion ist das Vorhandensein von Sauerstoff, 
wogegen das reduzierte Hämoglobin lichtbeständig ist. 


Die Wirkung ist an Strahlen von der Wellenlänge 
sowohl über als unter 310 uu gebunden, in durchaus 
vorherrschendem Maße aber an die letzteren. 


Die Methämoglobinbildung, die in demselben Um- 
fang erfolgt — das Oxyhämoglobin möge in den Blut- 
körperchen eingeschlossen vorkommen oder gelöst 
sein — verläuft, was die Belichtungsdauer betrifft, 
gemäß der Formel für monomolekulare Reaktionen. 


Das Methämoglobin wird im Vakuum durch Be- 
lichtung in reduziertes Hämoglobin übergeführt; im 
Dunkeln bewirkt der abgespaltene Sauerstoff eine Oxy- 
hämoglobinbildung. 


Hämatin wird durch Licht zu Hämochromogen re- 
duziert; im Dunkeln bildet sich wieder Hämatin. 


Das Kohlenoxydhämoglobin wird durch Belich- 
tung zum Teil in reduziertes Hämoglobin umgewandelt; 
im Dunkeln wird das Kohlenoxydhämoglobin zurück- 
gebildet. | 

Blutkörperchen werden durch Belichtung gelöst 
sowohl in Luft, als im Vakuum, am stärksten durch 
Strahlen, die eine geringere Wellenlänge als 310 uu be- 


Wirk. d. Licht. auf Blutfarbst. u. Blutkörp, u. üb. Sensibilisation usw; 493 


sitzen, in nachweisbarem Grade aber doch auch durch 
die sichtbaren Strahlen. 

Zusatz von Farbensensibilisatoren beschleunigt an 
der Luft sämtliche untersuchte Licohtreaktionen des 
Blutes, im Vakuum jedochnursolche Reaktionen, mittels 
deren Sauerstoff abgespalten wird. Die Rolle, die der 
Sensibilisator spielt, ist die eines lichtabsorbierenden, 
leicht oxydierbaren Stoffes. 


Bemerkungen zur Deutung der Blutkörperchen- 
Kataphorese. 


Von 


Rudolf Höber, 
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.) 


(Eingegangen am 16. Juni 1909.) 


Erst jetzt bin ich auf eine in dieser Zeitschrift am 24. Dezember 
1908 veröffentlichte Mitteilung von Spiro und Henderson!) aufmerk- 
sam geworden, in welcher die Herren zu meinen Untersuchungen über 
die Kataphorese der Blutkörperchen und die daran geknüpften Bemer- 
kungen?) Stellung nehmen. Die Sachlage ist kurz folgende: Aus den 
bekannten Eıscheinungen beim Einleiten von CO, in Blut, welche von 
Zuntz, Gürber, Koeppe, Hamburger u. a. beobachtet worden sind, 
ist der Schluß gezogen worden, daß die Blutkörperchen-Oberfläche für 
Anionen durchlässig ist. Wenn das zutrifft, dann müssen die Blutkörper- 
chen, in einer anionenreichen Lösung suspendiert, negative, in einer 
anionenarmen Lösung dagegen positive Ladung führen, Das ist, wie ich 
zeigte, in der Tat der Fall, aber nur unter der Bedingung, daß CO, ein- 
geleitet wird. Dies Resultat war nicht von vornherein zu erwarten. Die 
CO,-Zufuhr ist zwar aus den verschiedenen Gründen, welche von Zuntz, 
Gürber und Koeppe angegeben worden sind, für die von diesen geübte 
Methode des Nachweises der Anionendurchlässigkeit unbedingt nötig; 
mein Nachweis der Anionendurchlässigkeit durch Kataphorese erscheint 
aber zunächst an die Erfüllung dieser Vorbedingung nicht gebunden, 
sondern allein die Größe der Anionenkonzentration im Medium der Blut- 
körperchen könnte entscheidend sein. Wenn sich aber in Wirklichkeit 
die CO,-Zufuhr doch als notwendig erweist, um die vermuteten Ladungs- 
änderungen hervortreten zu lassen, so beweist das nach meiner Meinung, 
daß erst durch die Kohlensäure die Zelloberfläche ihre Durchlässigkeit 
für Anionen erhält. 

Spiro und Henderson haben nun einen großen Teil der von den 
verschiedenen genannten Autoren beobachteten, zwischen Blutkörperchen 


1) Diese Zeitschrift 15, 114, 1908. 
2) Pflügers Archiv 101, 627, 1904 und 102, 196, 1904. Physikal, 
Chemie der Zelle und der Gewebe, 2. Aufl., S. 307. 


R. Höber: Bemerkungen z. Deutung d. Blutkörperohen-Kataphorese. 495 


und Medium sich abspielenden chemischen Umsetzungen an einfachen 
anorganischen Modellen nachgeahmt, bei denen von einer Membran, 
deren Durchlässigkeit durch CO, geändert wird, nicht gut die Rede sein 
kann, und anschließend an diese Feststellungen schreiben die Autoren: 
„Im Lichte dieser Erwägung erscheint der Vorgang nicht, wie Höber 
angenommen hatte, als einer, bei dem die Durchlässigkeit der Membran 
unter dem Einfluß der Kohlensäure zu einer funktionellen Selektion (der 
Anionen. R. H.) führt, sondern vielmehr als ein einfacher physikalisch- 
chemischer Vorgang, der nur etwas modifiziert ist durch die noch nicht 
erklärte Eigentümlichkeit der Membran“ (nämlich undurchlässig für Kat- 
ionen zu sein). Diese Folgerung der Autoren aus ihren Versuchen halte 
ich nicht für zutreffend. Wenn die Blutkörperchen in ihrem Medium in 
Gegenwart von CO, dieselben chemischen Umsetzungen und Verschiebungen 
darbieten wie die Modelle von Spiro und Henderson, so ist es zwar 
gewiß berechtigt, zu sagen: wir haben es dort, wie hier, mit den 
gleichen Vorgängen zu tun, und es liegt dann auch gewiß kein Grund 
zu der Annahme vor, daß unter diesen Bedingungen die Oberfläche der 
Blutkörperohen sich gegen die Anionen anders verhält als die Oberfläche 
in den Modellen von Spiround Henderson. Damit bin ich ganz ein- 
verstanden. Aber die von mir speziell beobachteten Ladungserscheinungen 
sind ja von Spiro und Henderson überhaupt nicht in ihren Modell- 
studien berücksichtigt, und gerade erst die Kataphorese-Erscheinuugen, 
das verschiedene kataphoretische Verhalten in Anwesenheit 
und in Abwesenheit von CO, konnte überhaupt erst die von vorn- 
herein gar nicht erwartete Anschauung aufnötigen, daß die Permeabilität 
in beiden Fällen verschieden ist. Ich sehe nicht, worin die Versuche 
von Spiro und Henderson etwas hierauf Bezügliches besagen. Ich 
halte mich daher auch jetzt noch für berechtigt, auf Grund der Tatsache, 
daß CO, zu den physiologisch und zu verschiedenen Zeiten in verschie- 
denen Mengen produzierten Stoffen gehört, eine funktionelle Selektion 
der Anionen von seiten der Blutkörperchen-Oberfläche anzunehmen, ohne 
aber dabei ausschließen zu wollen, daß auch das Zustandekommen dieser 
funktionellen Selektion ein relativ einfacher physikochemischer Vor- 
gang ist. 

Es ist noch ein zweiter Einwand gegen meine Beweisführung des 
Bestehens einer Anionenpermesbilität erhoben worden, den ich bei dieser 
Gelegenheit gleich mit zur Sprache bringen möchte. Overton?) hat 
darauf aufmerksam gemacht, daß eigentlich gar nicht einzusehen ist, wie 
die von mir unter dem Einfluß von CO, beobachteten Ladungserschei- 
nungen reversibel sein können. In der Tat, wenn Blutkörperchen, welche 
in einer anionenarmen Lösung suspendiert sind, durch CO,-Zuleitung 
anionendurchlässig werden und, indem nun einige Anionen längs des 
Konzentrationsgefälles aus ihnen herausdiffundieren, positive Ladung an- 
nehmen, so sollte diese Ladung auch beibehalten werden, wenn die 
Kohlensäure wieder ausgetrieben und damit die Blutkörperchen-Oberfläche 


1) Nagels Handbuch der Physiologie 2, 843 bis 844. 


496 R. Höber: Bemerkungen z. Deutung d. Blutkörperchen-Kataphorese. 


wieder für Anionen undurchlässig gemacht wird. Mögen die chemischen 
Prozesse, welche sich als Begleiterscheinung der CO,-Zufuhr abspielen, 
sowie die anschließenden Diffusionen der einzelnen Ionensorten im wesent- 
lichen reversibel sein, so behält doch das Konzentrationsgefälle für die Ge- 
samtheit der Anionen unter allen Umständen seine Richtung vom Blutkörper- 
ohen Innern nach außen hin, und die einmal längs dieses Gefälles aus- 
getretenen Anionen können deshalb auch nicht alle von selbst zurück. Ich 
muß also zugeben, daß hier eine von mir übersehene Schwierigkeit für meine 
Deutung der kataphoretischen Vorgänge vorliegt. Dennoch glaube ich 
nicht, daß deshalb die Deutung zu fallen braucht. Ich habe auseinander- 
gesetzt, daß, wenn in einer anionenarmen Lösung die Blutkörperchen 
unter der CO,-Wirkung positive Ladung annehmen, dies der Effekt zweier 
Vorgänge ist, 1; der Auswanderung einiger Anionen, 2. der Positivierung 
der ursprünglich negativen Plasmahaut-Kolloide durch die Kohlensäure, 
und daß andererseits, wenn in einer anionenreichen Lösung die Blut- 
körperchen in Gegenwart von CO, negative Ladung führen, dies davon 
herrührt, daß die Positivierung der Plasmahaut-Kolloide durch die Kohlen- 
säure von der durch Anioneneinwanderung erzeugten negativen Ladung 
überkompensiert sind. Dann ist es aber auch möglich, daß die Blut- 
körperchen, weohe in der anionenarmen Lösung positiv geworden waren, 
nach Entfernung des CO, wieder negativ werden, indem die Plasma- 
haut-Kolloide wieder negativ werden und nun deren Ladung die positive 
Ladung, welche von dem irreversiblen Herausdiffundieren einiger Anionen 
herrührt, überkompensiert. Dann wäre also der Ladungsvorgang nur 
scheinbar reversibel, im Gegensatz zu den die CO,-Zufuhr begleitenden, 
wirklich reversiblen chemischen Vorgängen. Ob diese Erklärung das 
Richtige trifft, darüber können meine bisherigen rein qualitativen Kata- 
phorese-Versuche keine Auskunft geben. 


Über den Gaswechsel der Insekten und dessen Beziehung 
zur Temperatur der Luft. 
Von 
B. Slowtzoft. 
(Aus der militär.-medizin. Akademie zu St. Petersburg.) 


(Eingegangen am 15. Juni 1909.) 


Bei meinen Untersuchungen über den Hungerstoffwechsel 
verschiedener Insekten (Maikäfer, Mistkäfer und Hummeln) 
und niederer Tiere (Weinbergschnecken) konnte ich mehr- 
mals sehen, daß die Gewichtsverluste während der heißen Tage viel 
größer als bei kaltem Wetter waren. Diese Tatsachen beweisen, daß 
der Stoffwechsel dieser Tiere in einem engen Zusammenhange 
mit der Temperatur der Luft steht. Um aber diesen Zu- 
sammenhang näher zu studieren, mußte man genügend Versuche 
anstellen, und es schien mir zweckmäßig, zahlenmäßige Be- 
stimmungen der Kohlensäure- und Wasserausscheidung der In- 
sekten bei verschiedener Temperatur vorzunehmen. Die Frage 
schien um so interessanter, als man über den Gaswechsel der 
Insekten überhaupt noch sehr wenig weiß. Man kann hier nur 
an die interessanten Beobachtungen von Bütschli (6), Schulz (7) 
und Vernon (8) erinnern. Vernon konnte zeigen, daß mit zu- 
nehmender Temperatur auch der Gaswechsel steigt, aber die 
Erhöhung der Kohlensäureproduktion geht nicht immer dem 
Steigen der Temperatur parallel. Es gibt ein Temperatur- 
intervall von ca. 12°, bei dem der Gaswechsel derselbe bleibt. 
So hält sich z. B. die Kohlensäureproduktion beim Regenwurm 
zwischen 10 und 22!/,°, bei den Schnecken zwischen 20 und 
30° auf gleicher Höhe. Bei der Schwabe (Periplaneta orien- 
talis) konnte Vernon diese Gesetzmäßigkeit nicht bestätigen. 
Bütschli macht ebenfalls mehrere Angaben über das Steigen 
der Kohlensäureabgabe und der Temperatur. 


498 B. Slowtzoff: 


Die meisten Versuche wurden im Sommer 1904 und 1907 
gemacht und betreffen hauptsächlich die Mistkäfer und Ameisen. 


Die erste Reihe von Versuchen wurde folgenderweise an- 
gestellt. Eine Anzahl von Käfern wurde in ein breites, hori- 
zontal liegendes Glasrohr eingelegt. Die beiden Enden wurden 
mit durohbohrten Gummistopfen verschlossen. Von einer Seite 
wurde das Innere des Rohres mit vier zweihalsigen Wulffschen 
Gefäßen (mit konzentrierter Kalilauge und Schwefelsäure gefüllt) 
verbunden, von der anderen Seite mit zwei gefüllten Kali- 
apparaten und Chlorcalciumröhren, wie man sie gewöhnlich für 
Elementaranalyse braucht; durch Verbindung mit einer Wasser- 
strahlpumpe konnte man Luft durch den ganzen Apparat saugen. 
Die Luft wurde auf einer Seite von Wasserdämpfen und Kohlen- 
säure befreit und die gereinigte Luft durch den mit den Käfern 
gefüllten Raum geführt. Die von den Käfern ausgeschiedene 
Kohlensäure und das Wasser wurde in dem Kaliapparat und 
dem Chlorcalciumrohre quantitativ gesammelt. Nach einer be- 
stimmten Zeit wurden die Apparate gewogen, und aus der Ge- 
wichtsdifferenz konnte man die Menge der Kohlensäure und des 
Wassers bestimmen. 


Aus den zahlreichen dazu gehörenden Versuchen kann ich 
“ inige Versuchsprotokolle als Beispiele anführen. 


Versuch vom 20. V. 04. 20 Stück Mistkäfer (Gesamt- 
gewicht 18,4 g) wurden in den Apparat auf 21 Stunden ein- 
gelegt. Die Temperatur der Luft 20°C, Barometerstand 760 mm, 
CO, 0,2220 g, H,O 0,1624 g. Auf 100 g Gewicht und 24 Stunden 
berechnet macht das 1,38 g CO, und 1,14g H,O. 

Versuch vom 22. V. 04. 20 Stück Mistkäfer von dem- 
selben Gewicht wurden in dem Apparat 22 Stunden gehalten. 
CO, = 0,3800 g, H,O = 0,2758 g, was auf 100g Gewicht und 
24 Stunden berechnet 2,24 g CO, und 1,63 g H,O ausmacht. 

Versuch vom 1. VI. 04. 13 Stück Käfer (Gewicht 12,49 g) 
wurden in dem Apparat 6 Stunden gehalten. Temperatur 20°C, 
Bar. 768mm. CO,-Zuwachs 0,0700 g, für H,O 0,0460 g, was 
pro 100 g und 24 Stunden 2,24 g CO, und 1,49 g H,O ausmacht. 

Versuch vom 6. VI. 04. 23 Käfer (Gewicht 20,12 g) ver- 
weilten in dem Apparat 3 Stunden bei der Temperatur von 
20°C und Bar. 768 mm. CO, ausgeschieden 0,0564 g, H,O- 


Gaswechsel der Insekten u. dessen Beziehung zur Lufttemperatur. 499 


Ausscheidung 0,0570 g, was pro 100 g und 24 Stunden berechnet 
2,23 g CO, und 2,23g H,O ausmacht. 

lm ganzen habe ich ca. 20 solche Versuche gemacht und 
kann die gewonnenen Resultate in folgender Tabelle zusammen- 


stellen. 


— — nn 


Ausscheidung | | | | a a a nr a 
pro 24 Std. u. 100g 1|2/)3|4|5[|6 7/|8|9 | 10 | 11 | 12 
i .-._ | | 








CO, 1,38 2,24 2,24/2,23,2,00|1,80,1,70|1,60|1,72|1,60/1,60|1,60 
H0 I, I4 1,63 1,49 2,23 2,00 I,10 2,10 2,14 1,80 1,90 1,701, 10 











Im Mittel aus diesen Versuchen konnte ich die CO,-Aus- 
scheidung pro 100 g Lebendgewicht und 24 Stunden auf 2,02 g 
berechnen. Die Menge des Wassers variierte viel bedeutender 
von 1,14g bis 2,23g. Leider konnte man nach der oben be- 
schriebenen Weise die Versuche nicht länger als 6 bis 10 Stunden 
ausdehnen. 

Bei den folgenden Versuchen habe ich deswegen die Me- 
thodik geändert. Ich begnügte mich mit dem Messen der 
Kohlensäureabgabe. Das eine Ende des Rohres wurde mit 
Wulffschen Gefäßen (mit Barytlösung gefüllt) verbunden, das 
andere Ende mit ebensolchen Gefäßen, welche mit aliquoten 
Teilen ®/ „-Barythydratlösung gefüllt waren. Die von der Kohlen- 
säure befreite Luft ging in das Rohr hinein und brachte die 
von den Käfern ausgeatmete Luft in die gemessene Baryt- 
lösung hinein. Nach der Beendigung des Versuches konnte 
man die Menge des gebundenen Baryt titrieren und daraus 
die Menge der Kohlensäure berechnen. Um die Wirkung der 
Temperatur auf den Gaswechsel zu studieren, wurde das mit 
den Käfern gefüllte Rohr in einem mit 'Thermoregulator ver- 
bundenen Wasserbade auf die gewünschte Temperatur erwärmt. 

Um eine Vorstellung von dem Sauerstoffverbrauch zu ge- 
winnen, haben wir auch eine Reihe von Versuchen zu dessen 
Bestimmung gemacht. Eine Menge von Käfern wurde in eine 
große Flasche eingelegt und dann die Zusammensetzung der in 
der Flasche befindlichen Luft von Zeit zu Zeit mit dem Zunz- 
Geppertschem Apparat analysiert. Wenn man die Zusammen- 
setzung der Luft vor und nach dem Versuche kennt, so kann 


man sich natürlich eine Vorstellung über den Verbrauch an 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 33 


500 B. Slowtzoff: 


Sauerstoff und die Kohlensäureabgabe machen und daraus natür- 
lich den respiratorischen Quotienten berechnen. 

Aus solchen Versuchen konnte man feststellen, daß bei 
den Mistkäfern der respiratorische Quotient bei verschiedener 
Temperatur von 0,784 bis 0,813 variiert, also im Mittel ungefähr 
0,798 ist, daß also die Kohlensäureausscheidungskurve im 
ganzen immer parallel dem Sauerstoffverbrauch folgt. Bei den 
Versuchen an Ameisen war der respiratorische Quotient immer 
höher 0,90, sogar 1,00. 

Sehr interessante Zahlen wurden auch mit gewöhnlichen 
Fliegen bekommen. Wenn man diese Tiere mit Zucker füttert, so 
steigt der respiratorische Quotient bis auf 1,0, wenn man aber die- 
selbe Fliege auf einem Stückchen gekochten Fleisch ein paar 
Tage hält, so sinkt der Quotient auf 0,8. 

Die Resultate meiner Versuche über die CO,-Ausgabe bei 
verschiedenen Temperaturen sind in folgender Tabelle zusammen- 
gestellt: 


















„|. 8leu|s a |33 .|83 
rg [63 6833 55: 5 | 53 S3 
und |g TE | 35 5 33 bd- 348 

Monst|g5 |2 n| 5> | ER |? ET Zeg ZEO 
T| S| A: >= |äs |As" 
28.V. I 18 | 10 | 50 | 1,20 | 1,44 | 9. VL| 48 | 10 | 30 | 1,65 | 3,30 
20. V. 24 | 10 | 60 | 1,50 | 1,55 |11. VLI 16 | 20 | 60 | 3,60 | 1,80 
29. V. | 24 | 10 | 40 | 1,20 | 1,80 |12. VL] 0 | 10 60 | 0,60 | 0,60 
31.V. | 27 | 30 | 60 | 8,60 |! 1,87 j14. VL| 0 | 10 60 | 0,70 | 0,70 
1.VLI 15 | 30 | 60 | 4,80 | 1,60 114. VI.| 12 | 10 60 | 1,20 | 1,20 
3. VI.| 27 | 30 | 60 | 5,60 | 1,87 115. VL] 44 | 10 | 60 | 3,20 | 3,20 
3.VLI 24 | 20 | 60 | 2,60 | 1,30 |15. VL| 12 | 10 60 | 1,50 | 1,50 
4. VL] 10 | 10 | 60 | 1,40 | 1,40 |21. VL] 52 | 10 | 20 | 0,60 | 1,80 
6. VI.| 10 | 10 | 60 | 1,00 | 1,40 |21. VLI 55 | 10 20 | 0,20 ! 0,60 
7. VI. 24 | 10 | 60 | 1,10 | 1,10 
8. VI.| 12 | 20 | 60 | 2,80 | 1,40 
9. VI.| 16 | 10 | 60 | 1,40 | 1,40 
9. VI.| 0 | 20 | 60 | 2,00 | 1,00 | 


Das mittlere Gewicht meiner Tiere (Mistkäfer) betrug 
0,876 g. Man kann also die Ausscheidung der Kohlensäure in 
Gramm pro 24 Stunden und 100 g Lebendgewicht umrechnen, 
da jedes Kubikzentimeter ”/ o-N SO, 0,0044 g CO, entspricht. 


Gaswechsel der Insekten u. dessen Beziehung zur Lufttemperatur. 501 


Eine solche Umrechnung ist in der folgenden Tabelle ge- 
macht. 








Verbraucht 











7 18 1,44 1,44 0,0082 1,70 
8 24 1,50 
14 24 1,30 
= í 110 1,42 0,0081 1,70 
9 24 1,80 | 
10 27 1,87 
aa ge 1,87 0,0082 2,27 
27 44 3,20 3,20 0,0131 3,59 
22 48 3,30 3,30 0,0145 3,98 
29 52 1,80 1,80 0,0079 2,16 
30 65 0,60 0,60 0,0024 0,66 
| 





Wir sehen also ganz deutlich, daß die Menge der CO, 
mit der Temperatur steigt. Bei 0°C geht der Gaswechsel noch 
langsam, er steigt allmählich bis 12°C. Dann bleibt er bis 24°C 
fast auf derselben Höbe und steigt dann wieder allmählich. 
Bei 48°C wird er am größten, dann sinkt er ganz schnell ab. 
Bei 52 bis 55°C scheinen die Tiere einen Hitzschlag zu be- 
kommen und sterben bald vor Hitze. 

Wir sehen also, daß es auch bei diesen Tieren ein Tem- 
peraturintervall gibt, in dem der Gaswechsel nicht steigt; solche 
Angaben kann man auch bei Bütschli, Schulz und Vernon 


finden. 
33* 


502 B. Slowtzoff: 


Wir haben analoge Versuche mit Ameisen gemacht. Die 
erhaltenen Zahlen kann man folgender Tabelle entnehmen. 





38 i 0,01 } 0,01 0,00044 0,106 
ia ia — 0,025 | 0,0010 0,240 
i = * 0,19 0,0084 2,016 
a 2 0 } 0,20 0,0088 2,112 
i = * 0,20 0,0088 2,112 
i * = } 0,20 0,0088 2,112 
* Ber l 0,40 0,0176 4,224 
r i a } 0,44 | 0,0196 4,707 
a * * 0,01 0,00044 0,106 


Hier sieht man wieder ein Temperaturintervall von ca. 14°C, 
in welchem die CO,-Ausgabe nicht steigt. 


Die angestellten Versuche berechtigen meines Erachtens 
zu folgenden Schlüssen: 


1. Die CO,-Ausgabe bei Insekten steigt mit der Temperatur 
der Luft. 


2. Es gibt ein Temperarurintervall, in dem der Gaswechsel 
auf derselben Höhe zu bleiben scheint. 

3. Dieses Intervall beträgt ca. 1200 und liegt bei ver- 
schiedenen Insekten auf verschiedener Höhe. 

4. Der respiratorische Quotient beim Mistkäfer beträgt 0,80, 
bei Fliegen 1,0, bei Ameisen 0,90 und scheint wie bei den 
höheren Tieren von der Nahrung abzuhängen. 


an a 


Gaswechsel der Insekten u. dessen Beziehung zur Lufttemperatur. 503 


Literatur. 


Slowtzoff, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol 4, 1, 1903. 

Slowtzoff, Ibid. 4, 460, 1903. 

Slowtzoff, Ibid. 6, 170, 1904. F 

Slowtzoff, Ibid, 6, 163, 1904: 

Slowtzoff, Salkowski-Festschrift 1904. 

Bütschli, Arch. f. Anatomie 1874, 384, 

H. Schulz, Über die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Stoffwechsel 
und Temperatur bei Amphibien und Insekten. Inaug.-Dissertation; 
Bonn 1879. 

Vernon, Journ; of Physiol. 21, 443, 1897. 


Beiträge zur vergleichenden Physiologie des 
Hungerstoffwechsels. 


Von 


B. Slowtzoftf. 


V. Mitteilung. 
Der Hungerstoffwechsel der Mistkäfer (Geotrupes stercoralis). 
(Aus der militär.-medizin. Akademie zu St. Petersburg.) 
(Eingegangen am 15. Juni 1909.) 


Ich möchte hier ganz kurz die Hauptzüge meiner Unter- 
suchung über den Hungerstoffwechsel der Mistkäfer erörtern. 
Eine Menge von Käfern wurde einige Tage reichlich mit Mist 
gefüttert und in zwei Teile geteilt, die eine Gruppe (Kontroll- 
tiere) wurde gewogen und mit Alkoholdämpfen getötet, bei 110° 
getrocknet und gepulvert. Die andere Gruppe ließ ich in Glas- 
gefäßen hungern, sie wurde täglich bis zum Eintreten des Todes 
gewogen. Dann wurde die zweite Partie auch in Alkohol 
aufbewahrt, dann gewogen, getrocknet und gepulvert. Von 
beiden Portionen wurden Analysen gemacht, und zwar die 
Menge der Trockensubstanz, der Asche, der Eiweißkörper, 
Fette und des Chitins bestimmt. Das mittlere Gewicht von 
unseren Mistkäfern betrug 0,8764 g (Maximum 0,9980 g, Mini- 
mum 0,8070 g). Bis zu dem Tage des Hungertodes fiel es 
auf 0,6879 g. Im ganzen wurden drei Reihen von Versuchen 
ausgeführt. Die Gewichtsverluste der Tiere während des Hungerns 
betrugen I. 20,74°/,, II. 27,94°/,, III. 22,12°/, und IV. 16,12°/, 
des ursprünglichen Gewichtes, was im Mittel 21,73°/, ausmacht. 

Die Dauer des Lebens während der Karenzzeit betrug im 
Mittel 8 Tage, in zwei Reihen 5 Tage und in zwei anderen 
1l Tage. Wie hoch die täglichen Gewichtsverluste sind, kann 


B. Slowtzoff: Hungerstoffwechsel der Mistkäfer. 505 


man aus Tabelle I ersehen. Die anderen Reihen zeigten die- 
selbe Gesetzmäßigkeit. Zuerst werden die Gewichtsverluste 
ziemlich groß, dann werden sie allmählich kleiner. Die ver- 
schiedenen Gewichtsverluste an einigen Tagen (4. und 8. Tag) 
stehen in einem engen Zusammenhang mit der Temperatur der 
Luft. An diesem Tage war die Temperatur besonders hoch 
und der Stoffwechsel stieg. 


Tabelle I. 



















Gewichts- 
verlust 


Gewichts- 
verlust 


Gesamt- 
Gewioht 








1 17,80 0,60 3,75 
2,vIL.| 2 16,90 0,90 4,88 5,21 
3.. 3 15,61 1,29 7,00 
4. , 4 15,29 0,32 1,74 
5. „ 5 15,06 0,23 1,25 1,24 
6., 6 14,98 0,10 0,54 
T, 7 14,70 0,26 141 
8. „ 8 14,63 0,07 0,37 0,65 
9, 9 14,50 0,13 0,71 
10. , 10 14,33 0,17 0,81 


Die Menge der Trockensubstanz betrug für die Kontrolltiere 
36,12°/,, für Hungertiere sogar 43,81°/,. Die beiden Zahlen - 
scheinen größer zu sein, als sie bisher bei den anderen Insekten 
beobachtet worden sind. 

Bei der Untersuchung der chemischen Zusammensetzung 
dieses Materials bekam man folgende Zahlen, die in der 
Tabelle II für Trockensubstanz und für die frische Substanz 
berechnet sind. Um aber die Verteilung verschiedener Stoffe 
bei Karenz- und Kontrolltieren besser zu ermitteln, habe ich 
in der Tabelle III die Zahlen auf 100 Stück Karenz- und Kon- 
trolltiere berechnet. 

Die Hauptverluste beziehen sich auf Fette (62,82°/,) und 
Wasser (30,58°/,).. Die Eiweißstoffe werden bis 19,32°/, ge- 
spalten, dessenungeachtet vermindert sich die Menge der or- 
ganischen Substanzen nur auf 4,77°/, Das hängt damit zu- 
sammen, daB die Oxydationsprodukte (Extraktivstoffe) schlecht 


506 B. Slowtzoff: 


ausgeschieden werden, und wir sehen, daß die Menge der Extrakt- 
stoffe um 57,49°/, steigt. Die Menge des Chitins bleibt ganz 
. unverändert, was auch für andere Insekten schon mehrmals 
festgestellt ist. 

Wir wollen noch die — in dem Stickstoff- und 
Phosphorgehalt der Kontroll- und Karenztiere näher studieren. 


Tabelle II. 






Wasser . .. . 








Trockensubstanz 100,00 43,81 
Gesamtasche 3,23 1,41 
Wasserlösl. Asche 1,79 0,97 
Wasserunlöel, „ 1,00 0,44 
Organische Sub- 

stanz.. ... 96,77 42,40 
Fette. .... 4,31 1,88 
Extraktivstoffe 25,64 11,23 
Eiweißkörper 46,07 20,23 
Chitin . 20,75 9,06 

Tabelle III. 
100 Stück | 100 Stück Gewichte- 
Kontrolltiere | Karenztiere | Differenz | veränderung 
enthalten enthalten in 
8 g 8 %e 

Gesamtgewicht 87,64 68,79 — 18,85 21,58 
Wasser ... . 65,69 38,66 — 17,03 30,58 
Trookensubstanz 31,65 30,13 — 1,52 4,80 
Gesamtasche 1,03 0,97 — 0,06 5,82 
Weasserlösl. Asche 0,70 0,67 — 0,03 4,30 
Wasserunlösl. „ 0,33 0,30 — 0,03 9,09 
Organische Sub- 

stanz . ... 30,62 29,16 — 1,46 4,77 
Fette. .... 3,47 1,29 — 218 68,82 
Extraktivstoffe 4,89 7,71 -+ 2,82 67,47 
Eiweißkörper . 17,13 13,82 — 3,31 19,32 


Chitin ... - 6,23 6,24 + 001 0 


Hungerstoffwechsel der Mistkäfer. 507 


Tabelle IV. 






100 Stück 100 Stück 
Kontrolltiere | Karenztiere 
enthalten enthalten 

















GesamtN... 004 | — 98 


N des Ather- 
Extraktes . . -+ 0,003 + 50,00 
N des Wassers- 
Extraktes . . -+ 0,456 -+ 196,5 
N der Eiweiß- 
körper... — 0,665 — 22,87 
N des Chitins . -+ 0,082 + 15,1 
Tabelle V. 
Absolute Ver- 
Ver- änderung 
änderung 


Gesamt-P,O, 
P 0; des Ather- 

Extraktes . . 
P0, der Eiweiß- 

körper R 
P,0, desWassers- 
Extraktes.. . 


Die Menge des 
Phloroglucid- 
niederschlages 
(die Menge der 
Pentose) 


Aus der Tabelle IV ist deutlich ersichtlich, daß fast ?/, aller 
Eiweißkörper bei dem Hungern angegriffen ist. Dieser Verbrauch 
scheint phosphorhaltige Eiweißkörper zu betreffen, welche bis 
auf 30°/, der ursprünglichen Menge gespalten sind. Die Menge 
der Pentosen scheint aber dieselbe zu bleiben. Die Lecithin- 
verbindungen werden auch stark angegriffen, was den Verände- 
rungen des in Äther löslichen P,O, entspricht. 

Wenn man die Menge der Eiweißkörper, der Fette und 
der Kohlenhydrate auf deren Energie berechnet und den Ge- 
“ samtenergieverlust bei der Karenz bestimmt, so erhält man 
folgende Werte. Die Mistkäfer verlieren bei der Karenz 21,22°/, 


508 B. Slowtzoff: Hungerstoffwechsel der Mistkäfer. 


der gesamten in ihren Körper gespeicherten Energie, so daß 
der Energieverbrauch pro Kilo Lebendgewicht und 24 Stunden 
37,41 Cal. und pro Kilo und Stunde berechnet 1,56 Cal. beträgt. 

Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen sich in folgen- 
der Weise zusammenfassen : 

l. Die Mistkäfer sterben bei absoluter Karenz in 5 bis 
11 Tagen und verlieren dabei ca. 21,73°/, ihres ursprünglichen 
Gewichtes. 

2. Die Verluste beziehen sich hauptsächlich auf Wasser 
und Fette. 

3. Die Menge der verbrauchten Energie pro Kilo Gewicht 
und 24 Stunden beträgt 39,41 Cal. 

4. Die Menge der während der Karenz verbrauchten Ei- 
weißkörper beläuft sich auf etwa !/, und die der phosphor- 
haltigen Eiweißkörper auf ca. !/, der ursprünglichen Menge. 

5. Die Menge der Pentosen (aus dem Phloroglucidnieder- 
schlage berechnet) und die des Chitins scheint sich während der 
Karenz nicht zu verändern. 





Über Dünndarmresorption. 
Von 
Ernst Frey. 


(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena.) 
(Eingegangen am 16. Juni 1909.) 


Die Resorption im Dünndarm setzt sich aus zwei Vor- 
gängen zusammen, dem mit dem Mikroskop verfolgbaren Trans- 
port von ungelösten Stoffen (Fetttröpfchen) und der Aufnahme 
gelöster Substanzen mit dem zugehörigen Lösungsmittel. Während 
für die Resorption von Fetttröpfchen die Annahme einer Tätig- 
keit von Zellorganen unabweisbar ist, kann man für die Auf- 
nahme von Lösungen die Gesetze der Osmose und Diffusion 
zur Erklärung heranziehen. Zahlreiche Untersuchungen haben 
aber gelehrt, daß diese physikalischen Gesetze nicht restlos die 
Aufnahme der gelösten Stoffe erklären können, und daß man 
gezwungen ist, auch bei der Resorption von Lösungen auf die 
Lebenstätigkeit der Zelle zurückzugreifen. Wenn nun auch die 
Aufnahme von Flüssigkeit und gelöstem Stoff nicht in jedem 
Fall eine aktive Zelltätigkeit zur Auslegung verlangt, sondern 
wenn eine ganze Reihe von Erscheinungen nach den Gesetzen 
der Osmose und Diffusion verlaufen, so bleiben, wie oben gesagt, 
doch immer noch Beobachtungen genug übrig, die eine physi- 
kalische Erklärung nicht zulassen. Man ist bestrebt gewesen, 
diesen „physiologischen Faktor“ dadurch näher zu präzisieren, 
daß man bei den Erscheinungen, die man am Dünndarm be- 
obachtete, die Wanderungen von gelöstem Stoff und Lösungs- 
mittel durch Diffusion und Osmose von denjenigen Vorgängen 
abtrennte, die einer Erklärung bisher nicht zugänglich sind 
und abhängig von der Lebenstätigkeit der Dünndarmschleim- 
haut erscheinen. 


510 E. Frey: 


Drei Wege sind es gewesen, auf denen man dieses Ziel erreichte. 
Einmal verglich man den Resorptionsvorgang des Dünndarms mit den 
Austauscherscheinungen an toten oder vergifteten tierisohen Membranen, 
resp. an solchen, welche gewöhnlich der Resorption nicht dienen. Zweitens 
schaltete man die Möglichkeit von physikalischer Wanderung dadurch 
aus, daß man den überlebenden Darm, innen und außen in die gleiche 
Flüssigkeit tauchend, beobachtete. Und endlich variierte man die physi- 
kalischen Bedingungen durch Anwendung von Lösungen mit verschiedenen 
physikalischen Eigenschaften. 

Die erste für unsere Kenntnis äußerst fruchtbare Methode, den 
Vergleich der Austauscherscheinungen am intakten Darm mit denen an 
anderen Membranen hat Cohnheim!) angewandt. Er konnte zeigen, 
daß die Darmschleimhaut eine Sonderstellung einnimmt. Der Autor ver- 
glich das Schicksal einer hypotonischen Zuckerlösung, welche in den 
Peritonealraum von Kaninchen eingeführt wurde, mit dem einer eben- 
solchen im Dünndarm und stellte fest, daß nach einiger Zeit ein Teil 
beider Lösungen resorbiert war, und daß sie nahezu blutisotonisch ge- 
worden waren. Während aber im Peritonealsack diese Blutisotonie da- 
durch erreicht wurde, daß Zuoker die Lösung in reichlicher Menge ver- 
lassen hatte und dafür Kochsalz bis fast zu seiner Konzentration im 
Blute hineindiffundiert war, wies die Lösung im Darm bei einem höheren 
Zuckergehalt nur Spuren von Kochsalz auf. 

Es erklären sich also an dem Peritonealüberzug alle Erschei- 
nungen durch die Gesetze der Diffusion und Osmose: Zucker diffundiert 
hinaus, Wasser wird durch Osmose ins Blut bewegt, Kochsalz und wohl 
auch andere Blutsalze diffundieren in die Lösung hinein. In den Darm 
dagegen ist der Übertritt von Koohsalz gehemmt; die Darmwand hat 
also die Fähigkeit, Blutsalze zurückzuhalten. Außerdem geht die Re- 
sorption im Darm bei weitem schneller vor sich, Vergiftet man aber 
die Darmwand mit Fluornatrium oder Arsenik, so werden die Vorgänge 
im Darm denen im Peritoneum ähnlich, verlaufen also nach physikalischen 
Gesetzen (während diese Gifte im Peritonealsack nur die Flüssigkeits- 
aufnahme herabsetzen). Schaltet man also die Tätigkeit der lebenden 
Zelle in der Darmschleimhaut aus, so treten die Gesetze der Osmose und 
Diffusion in reiner Form hervor; im intakten Darm aber erleiden sie 
eine Modifikation in der Weise, daß sich eine schwere Durchgängigkeit 
der Schleimhaut für Blutsalze in der Richtung vom Blut zum Darm- 
lumen dazugesellt. 

Cohnheim?) hat diese Studien dadurch erweitert, daß er in Ver- 
suchen am überlebenden Darm nachwies, daß auch hier noch eine Wan- 
derung an Flüssigkeit vom Darminnern nach der Außenseite des Darmes 
stattfindet, und zwar auch dann, wenn außen und innen sich die gleiche 


1) Cohnheim, Über die Resorption im Dünndarm und der Bauch- 
höhle. Habilitationsschrift, Heidelberg 1898. 

2) Cohnheim, Versuche am überlebenden Darm. Zeitschr. f. Biol. 
38, N. F. 20, 419, 1899. 


Über Dünndarmresorption. 511 


Lösung befindet, wenn also Osmose und Diffusion nicht in Frage kommen 
können. Desgleichen entfaltet der Darm von Holoturien, den man mit 
Meerwasser füllt und in Meerwasser einhängt, nach demselben Autor!) 
eine resorbierende Tätigkeit. Endlich hat Reid?) gezeigt, daß durch 
ein Stück überlebende Darmschleimhaut des Kaninchens ein Flüssigkeits- 
durchtritt von der Schleimhautseite nach der Serosa auftritt, wenn man 
ein solches Stück zwischen zwei Gefäße ausspannt, die mit derselben 
Lösung gefüllt sind. Es findet also ein Flüssigkeitstransport im Sinne 
einer Resorption unabhängig von physikalischen Gesetzen durch die Tätig- 
keit der lebenden Darmwand statt. — Sodann haben Höber?) und 
seine Schüler in ausgedehnten Untersuchungen die Resorption verschieden 
diffusibler Stoffe, die Resorption von isotonischen, hypotonischen und 
hypertonischen Lösungen verfolgt und gefunden, daß die Diffusion für 
die Schnelligkeit der Aufnahme von großer Bedeutung ist, in der Weise, 
daß leicht diffusible Körper auch besser resorbiert werden als schwer 
diffusible. Ferner zeigte Höber*®), daß lipoidlösliche Stoffe leichter auf- 
genommen werden als lipoidunlösliche Körper, wohl deswegen, weil den 
ersteren Substanzen der Weg durch die Zellen sowohl wie durch die 
Intercellularräume offen steht, während lipoidunlösliche Stoffe die Zellen 
selbst nicht zu durchdringen vermögen. 

Aus allen diesen Untersuchungen geht hervor, daß zwar die Vor- 
gänge der Osmose und Diffusion eine große Rolle bei der Dünndarm- 
resorption spielen, daß aber eine restlose Erklärung derselben durch 
die physikalischen Gesetze — soweit wir heute sehen — nicht möglich 
ist. Es gesellt sich eine Triebkraft in der Richtung vom Darm- 
lumen zum Blut und eine einseitige Permeabilität, die die 
Blutsalze am Hineindiffundieren in den Darm hindert, hinzu; 
beides ist an die Lebenstätigkeit der Zellen geknüpft. 

Die Meinungen über das Zustandekommen dieser vitalen Erschei- 
nungen sind verschieden. Zunächst kann, wie Höber°) bei der Be- 
sprechung der Resorption in seinem Lehrbuch angibt, der Zottenmeche- 
nismus Brückes nicht für alle Fälle in Frage kommen; denn der 
Holoturiendarm, an dem Cohnheim®) eine Resorption konstatierte, 
besitzt keine Zotten. Sodann muß man von der naheliegenden Erklärung 


1) Cohnheim, Versuche über Resorption, Verdauung und Stoff- 
weohsel der Eosinodermen. Zeitschr, f. physiol. Chem. 33, 9, 1901. 

2) Reid, British med. Journ. 1892 u. Journ. of Physiol. 26, 436, 
1901, zit. nach Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 
2. Aufl., S. 320, Leipzig 1906. 

3) Höber, Pflügers Archiv 74, 246, 1899, u. Katzenellenbogen. 
Pflügers Archiv 114, 525, 1906. 

4) Höber, Pflügers Archiv 74, 246, 1899, u. Katzenellenbogen, 
Pflügers Archiv 114, 525, 1906, u. Höber, Pflügers Archiv 86, 199, 1901. 

5) Höber, Lehrbuch der physikalischen Chemie der Zelle und der 
Gewebe, 2. Aufl., S. 320, Leipzig 1906. 

6) Cohnheim, I. c. 


612 E. Frey: 


einer Druckkraft durch Kontraktion der Darmwand angesichts des Ver- 
suches von Reid!) Abstand nehmen. Cohnheim?) hat geglaubt, die 
Triebkraft vom Darmlumen ins Blut hinein auf die einseitige Permea- 
bilität der Darmwand, auf das Zurückhalten der Blutsalze, zurück- 
führen zu können. ‚Ja, es wäre nicht undenkbar, daß die Fähigkeit der 
leichten Diffusibilität nach der einen Seite, der völlige Undurchlässigkeit 
nach der anderen Seite den wichtigsten Anteil an der Resorption hat.“ 
Umgekehrt hat Höber?) die einseitige Durchlässigkeit der Darmwand 
auf einen Filtrationsstrom vom Darm aus zurückgeführt, welcher 
der Diffusion von Blutbestandteilen in den Darm hinein entgegengerichtet 
ist und sie für gewöhnlich hindert. Wenn aber dieser aktive Flüssigkeits- 
transport vom Darmlumen in die Gewebe und ins Blut hinein dadurch 
überkompensiert wird, daß eine stark hypertonische Lösung im Darm 
einen Einstrom von Flüssigkeit veranlaßt, so werden die Blutbestandteile 
mitgerissen und die einseitige Durchlässigkeit des Darmes durchbrochen. 


Es ist nun möglich, diese Ansichten experimentell auf 
ihre Richtigkeit zu prüfen. Das heißt: man kann feststellen, 
erstens, ob die Resorption auf der Durchlässigkeit des Darmes 
in nur einer Richtung beruht, oder zweitens, ob die Triebkraft, 
vom Darmlumen aus wirkend, der Grund für das Zurückhalten 
von Blutbestandteilen durch die Darmschleimhaut ist. 

Der Weg, den ich beschritten habe, schließt sich in ge- 
wissem Sinne an die Methode Cohnheims an, das Schicksal 
einer Lösung im Dünndarm, der wichtigsten resorbierenden 
Membran, mit dem einer gleichen Lösung in einer für gewöhnlich 
nicht resorbierenden Membran zu vergleichen. Die oberen Ab- 
schnitte des Dünndarms weisen eine lebhaftere Resorption auf 
als die unteren, und es müßten daher die höher gelegenen Teile 
des Dünndarmes ein Bild des Vorganges entwerfen, das für 
die Darmresorption typischer wäre als die unteren Abschnitte, 
die den anderen tierischen Membranen in ihrer Aufssaugungs- 
fähigkeit näher stehen. Das heißt also: wenn die einseitige 
Durchgängigkeit des Darmes die Ursache der Resorption ist, so 
müßte diese einseitige Durchgängigkeit am schärfsten in den 
am besten resorbierenden oberen Dünndarmabschnitten hervor- 
treten. Wenn dagegen die vitale Triebkraft der Grund für die 
Undurchgängigkeit der Darmwand für Blutbestandteile in der 
Richtung zum Darmlumen hin ist und das Hineindiffundieren 
= 1) Reid, l. o. 

2) Cohnheim, Über Dünndarmresorption. Zeitschr. f. Biol. 39, 


N. F. 18, 152, 1897. 
3) Höber, Lehrbuch der physikal. Chemie usw., S. 324. 


Über Dünndarmresorption. 613 


derselben in den Darm hindert (weil sie dieser Diffusion entgegen- 
gerichtet ist), so müßte der Durchtritt von Kochsalz dann am 
größten sein, wenn diese vitale Triebkraft durch einen og- 
motischen Einstrom von Wasser in den Darm überkompensiert 
wird (d. h. nach Einbringen von stark hypertonischen Lösungen). 

Ich habe diese Fragen in der Weise zu lösen gesucht, daß 
ich allemal den Dünndarm in drei gleich lange Abschnitte teilte 
und in diese Abschnitte gleiche Mengen hypotonischer oder 
hypertonischer Zuckerlösungen einführte; nach 1/, Stunde wurde 
die Resorption einerseits, der Durchtritt von Kochsalz anderer- 
seits bestimmt. 

Die Tatsache, daß die oberen Abschnitte des Dünndarms 
besser resorbieren als die unteren, ist bekannt. Röhmann!) 
hat für Stärke in den höheren Darmteilen ein besseres Re- 
sorptionsvermögen gefunden. Nagano?) konstatierte dasselbe 
Verhalten für Monosaccharide, und zwar wurde ‚im oberen Teile 
des Darmes Zucker verhältnismäßig schneller resorbiert als das 
Wasser, im unteren das Wasser verhältnismäßig schneller als 
der Zucker“. Die absoluten Wassermengen, die resorbiert wurden, 
waren aber gleichfalls wie die Zuckermengen im Jejunum größer 
als im Ileum. Für die Disaccharide fanden Röhmann und 
Nagano?) auch die schnellere Resorption in den oberen Ab- 
schnitten des Dünndarms, und gleichzeitig stellten die Autoren 
fest, daß auch die Zerlegung des Zuckers im Jejunum schneller 
vor sich ging als im Ileum. Dagegen konstatierte Lieblein‘) 
für Peptonlösungen eher ein besseres Resorptionsvermögen in 
den unteren Darmabschnitten; berechnet man aber das Mittel, so 
ergibt sich eine Resorption der oberen Schlinge von 32,027 mg N, 
der unteren von 29,396 mg N, also kein nennenswerter Unter- 
schied, während die Einzelversuche stark variieren. Berechnet 


1) Röhmann, Über Sekretion und Resorption im Dünndarm. 
Pflügers Archiv 41, 411, 1887. 

2) Nagano, Zur Kenntnis der Resorption einfacher, im besonderen 
stereoisomerer Zucker im Dünndarm. Pflügers Archiv 90, 389, 1902. 

23) Röhmann und Nagano, Über die Resorption und die fermen- 
tative Spaltung der Disaccharide im Dünndarm des ausgewachsenen 
Hundes. Pflügers Archiv 95, 533, 1903. 

4) Lieblein, Über die Resorption von Peptonlösungen in ver- 
schiedenen Abschnitten des Dünndarms. Zeitschr. f. Heilkunde (Chirurgie) 
27, 201, 1906. 


514 E. Frey: 


man dagegen, wie es Lieblein tut, die Resorption pro Gramm 
Schleimhaut, so resorbiert 1 g Schleimhaut oben 1,496 mg N, unten 
2,358 mg N; d.h. bei dieser Betrachtung ergibt sich allerdings 
in den tieferen Teilen ein besseres Resorptionsvermögen für Pepton. 

In den nachfolgenden Versuchen habe ich sowohl für Wasser 
wie für Zuckerlösungen in Übereinstimmung mit den Autoren, 
welche Zuckerlösungen untersuchten, in den oberen Darm- 
abschnitten eine ausgiebigere Resorption gefunden. 

Schon früher habe ich!) an 6 Hunden konstatieren können, 
daß nach Einbringen von 7,5°/,igen Glaubersalzlösungen die 
Kochsalzsekretion in den oberen Teilen eine größere ist als 
in den tieferen Abschnitten des Darmes. Es erschien aber nötig, 
‚diese Befunde mit Rücksicht auf die vorliegende Frage in der 
Weise zu ergänzen, daß man nachwies, daß tatsächlich in den- 
selben Versuchen oben eine bessere Resorption — bei größerer 
Kochsalzausscheidung — stattfindet als unten. Ich habe daher 
diese Versuche dadurch modifiziert, daß ich an Stelle des schwer 
resorbierbaren Glaubersalzes einen gut resorbierbaren Stoff setzte 
und seine Resorption bestimmte. Sodann war es nötig, nicht 
nur hypertonische Lösungen zu prüfen, sondern auch hypo- 
tonische Lösungen und ihre Aufnahme sowohl wie die Kochsalz- 
susscheidung in sie hinein in den verschiedenen Abschnitten zu 
bestimmen. Dabei fanden die früher erhobenen Befunde ihre 
Bestätigung. 

Die Hunde wurden durch Morphinäther betäubt, der Dünn- 
darm unter Ausschluß des Duodenums, also unterhalb der 
breiten Anheftungsstelle des oberen Dünndarms an die Rück- 
wand beim Hunde, in drei möglichst gleich lange Teile geteilt, 
&bgebunden und mit den entsprechenden Lösungen gefüllt. 
Verwandt wurde Merckscher Traubenzucker nach Soxhlet, 
der auf der Apothekerwage (nicht analytischen Wage) abgewogen 
wurde. Nach einer halben Stunde, vom Zurückbringen der 
Därme in die Peritonealhöhle an gerechnet, tötete ich die Hunde 
durch Chloroform, nahm den Darm heraus und bestimmte die 
restierende Flüssigkeitsmenge nach Filtrieren durch lockere Glas- 
wollfilter, die nur die gröberen Beimengungen, wie Würmer usw., 
zurückhielten. Darauf wurde der Zucker gewichtsanalytisch 


1) E. Frey, Die Kochsalzausscheidung im Dünndarm. Pflügers 
Archiv 123, 515, 1908. 


Über Dünndarmresorption. 615 


nach Allihn, das Kochsalz durch Veraschen, Schmelzen mit 
Salpeter, Fällen mit Silberlösung und Zurücktitrieren mit Rhodan- 
ammon bestimmt. Immer sind Doppelanalysen ausgeführt worden 
und die Mittelwerte aus den gut stimmenden Analysen ein- 
getragen worden. Die Bestimmung des Gefrierpunktes geschah 
mit dem früher von mir (mit einer kleinen Modifikation an- 
gebenen und) benutzten Instrument, das von der Technischen 
Reichsanstalt geeicht war, unter den üblichen Kautelen. Die 
Längen der Darmabschnitte sind nach dem Herausnehmen ge- 
messen, die Werte unterliegen den bekannten Fehlern. 


Tabelle I. (Dauer !/, Stunde.) 








Hund |schlinge Flüssigkeit| NaCl Rt ; Be- 
6000 4 | obere | Eingeführt H,O 
82 | Erhalten 
Resorbiert 
mitt]. | Eingeführt H,O 
78 | Erhalten 
Resorbiert 
untere Eingeführt H,0 
67 | Erhalten 0,0420 0,35 (Noch etwas 
è Kot bel- 
Re;orbiert gemengt) 
7000 3 | obere | Eingeführt H,O 
81 | Erhalten 
Resorbiert 
mittl. | Eingeführt H,O 
82 | Erhalten 
Resorbiert 
untere| Eingeführt H,O 
87 | Erhalten 0,0976 10,16 
Resorbiert 
ca. 7000 2 | obere | Eingeführt | 50 -0, 180 { 1,50) 
40 |Erhalten | 0 Zucker 
Resorbiert | 50 
mittl. | Eingeführt | 50 -0, 180 { 1,5%) 
62 |Erhalten | 0 Zucke 
Resorbiert | 50 
untere| Eingeführt | 50 |-0,18° { 1,5°%/, (Nur 1 Chlor- 
36 |Erhalten | 9 |-0,500|0,0360 0,40] Zucker] betimmung) 
Resorbiert | 41 


Biochemische Zeitschrift Band 19. 


34 


516 E. Frey: 


Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß sowohl Wasser wie 
auch eine 1,5°/ ige Zuokerlösung den oberen Dünndarm schneller 
verläßt als den unteren. Der erste Versuch zeigt, daß die 
obere und mittlere Schlinge die 50 cem Flüssigkeit nach ?/, Stunde 
vollkommen resorbiert hatte. Der beträchtliche Kochsalzgehalt 
von 0,35°/, in der unteren Schlinge weist darauf hin, daß wir 
es schon mit dem Endzustand des Resorptionsvorganges zu tun 
haben. Immerhin ist zu bemerken, daß eine stark hypotonische 
Lösung eingeführt wurde. Dasselbe Verhalten sieht man im 
letzten Versuch, wo ebenfalls eine hypotonische Lösung zur 
Resorption kam. Wie ich?) früher zeigte, sezerniert der Darm 
— auch dieselbe Schlinge eines Vellahundes — in destilliertes 
Wasser und dünne Zuckerlösungen größere Mengen Kochsalz 
als in konzentrierte chlorfreie Lösungen. Eine Läsion des Darm- 
epithels durch die konzentrierten Lösungen ist dabei aus- 
geschlossen, da ja eben weniger, nicht mehr Kochsalz in den 
Darm übertritt. Eine Schädigung durch destilliertes Wasser 
auf der anderen Seite ist aber aus weiteren Versuchen zu ver- 
neinen; denn auch 1,5°/,ige und 6°/,ige Zuckerlösungen geben 
denselben Ausschlag. Und bei Anwendung dieser Konzentrationen 
kann es sich wohl um eine Schädigung nicht handeln. Die 
Diskussion dieser Befunde in Hinsicht auf unsere Anschauungen 
der Resorptionsverhältnisse habe ich bis jetzt verschoben, weil 
ich die Kochsalzausscheidung bei gut resorbierbaren Lösungen 
in den verschiedenen Abschnitten des Darmes unter gleich- 
zeitigerr Bestimmung der Resorptionsgröße erst untersuchen 
wollte. Im zweiten Versuch — nach Einführen von 100 ccm 
Wasser — sieht man, daß die oberen Teile des Dünndarmes bei 
besserer Resorption auch größere Mengen von Kochsalz ab- 
sondern. Darauf, daß es bei diesen Betrachtungen lediglich 
auf den Prozentgehalt des Kochsalzes in der zurückbleibenden 
Flüssigkeit ankommt, nicht auf die absoluten Mengen, habe 
ich schon früher hingewiesen. 

Es haben auch hier die oberen Abschnitte des Dünn- 
darmes den Zucker besser resorbiert als die unteren. Hand 
in Hand mit dieser besseren Resorption geht auch eine 
leichtere Durchgängigkeit der oberen Teile des Darmes 


1) E. Frey, Die Kochsalzausscheidung im Dünndarm. Pflügers 
Archiv 123, 515, 1908. 


Über Dünndarmresorption. 517 


für Kochsalz. Die letztere Tatsache — hier an hypotonischen 
gut resorbierbaren Lösungen erhoben — stellt also eine Be- 
stätigung meiner früheren Befunde nach Einführen von 7,5°/ igen 
Glaubersalzlösungen dar. Auch dort fand sich oben mehr 
Kochsalz als unten im Darm. 

Auch nach Einführen hypertonischer Zuckerlösungen 
finden wir dieselben Verhältnisse: eine bessere Resorption 
der oberen Abschnitte und einen höheren Kochsalz- 
gehalt der zurückbleibenden Flüssigkeit in den oberen Teilen. 
Die gleichzeitig resorbierten Flüssigkeitsmengen sind auch im 
Jejunum größer als im Ileum, resp. der Wasserverlust in die 
10°/,ige Zuckerlösung hinein ist oben geringer. Bei sehr schwer 
resorbierbaren Lösungen, wie Glaubersalzlösung, findet man dies 
nicht, dort ist die Wasserabscheidung in den oberen Teilen er- 
heblicher als in den unteren. Danach scheint einerseits der 
Dünndarm in seinen höheren Abschnitten auch für Wasser 
besser durchgängig zu sein, wenn im Darm eine Lösung von 
hohem osmotischem Druck liegt; andererseits muß aber auch 
die Triebkraft im oberen Teil eine größere sein, die die Flüssig- 
keit zur Aufnahme bringt; denn sie vermindert schon die 
Flüssigkeitsmenge hypertonischer Lösungen, wenn sie leicht 
resorbierbar sind, zu einer Zeit, wo die unteren Abschnitte noch 
eine Vermehrung des Volumens ihres Inhaltes aufweisen. — Es 
ergibt sich also aus dem Vergleich des Verhaltens verschiedener 
Dünndarmteile: Dort, wo eine gute Resorption Platz 
greift, treten auch die Blutbestandteile leicht in den 
Darminhalt über. Danach muß man, unserer ersten Frage- 
stellung folgend, die Vorstellung aufgeben, als sei das Zurück- 
halten von Blutbestandteilen, die einseitige Permeabilität der 
Darmwand, die ja in ziemlich ausgedehntem Maße besteht, die 
Ursache für den Resorptionsvorgang, die Ursache der vitalen 
Triebkraft, die einen Flüssigkeitsstrom vom Darmlumen ins Blut 
hinein zustande bringt. 

Vergleichen wir den Kochsalzgehalt der zurückbleibenden 
Flüssigkeiten in Tabelle II mit denen der Tabelle III, also den 
Übertritt von Kochsalz in verdünnte Lösungen mit dem in hyper- 
tonische Flüssigkeiten, so erscheint er bei weitem ausgiebiger 
in Lösungen hinein stattzufinden, deren osmotischer Druck 


unter dem des Blutes liegt. Es scheint geradezu die Kochsalz- 
34° 


618 E. Frey: 













































Tabelle II. 
Hyotonische Zuckerlösungen. Dauer !/, Stunde. 
D a 
Hund Flüssigkeit] Zucker Naci |28| Be- 
—— 4—3 E S| merkunge 
g om) 4 g |% | g |% EE ý 
7500 9 100 —0,17°|1,5 1,5 
(Morphin-| 65 |Erhalten | 18:—0,57°| 0,3028! 1,6825| 0,0558/0,31 
Ather) 82 1,1972 79 
100 —0,17115 |15 
32 — 0,430] 0,6210) 1,94091 0,0736 0,23 
68! 0,8790 58 
100'— 0,1711,5 1,6 
37 — 0,4101 0,8971| 2,4248| 0,0444 0,12 
63 0,8029 40 





i 


55003 | obere |Eingeführt 100, — 0,170 15 |16 


(Morphin-| 65 |Erhalten | 80,441 0,044 |0,55 | 0,0240 0,30 ie 
Äther) Resorbiert 92 1,456 97 
mittlere|Eingeführt |100 — 0,170 1,5 |1,5 
75 |Erhalten | 17|— 0,440] 0,3793! 2,2314] 0,0469'0,27 
Resorbiert | 83 1,1207 74 
untere |Eingeführt 100 - 0,17°] 1,5 1,5 iel B 
77 |Erhalten | 32'— 0,40°| 0,7348| 2,2963ļ| 0,0288:0,09 nn 
Resorbiert | 68 0,7652 | 5l 
"83002 | obere |Eingeführt |100 —0,17°| 1,5 |15 
(Morphin-| 48 |Erhalten | 6  ? [0,012 02 ? ? 
Ather) Resorbiert | 94 1,488 99 


mittlere] Eingeführt |100 — 0,17°] 1,5 1,5 
48 (Erhalten | 77/— 0,39°| 0,9696; 1,2593] 0,1694 |0,22 
Resorbiert | 23 0,5304 35 
untere |Eingeführt |100 — 0,17°| 1,5 1,5 
49 IErhalten 55 — 0,37 °| 0,8338 1,516 | 0,0731,0,133 
Resorbiert 45) 0,6662 44 


wanderung den Ausgleich der osmotischen Drucke des Darm- 
inhaltes und des Blutes herbeizuführen.!) Dies tritt nicht nur 
beim Vergleich des Kochsalzgehaltes dünner und konzentrierter 
Zuckerlösungen hervor, sondern auch, wenn man den Zucker- 


1) Auch die Versuche Bönningers (Die Substitution des Chlors 
durch Brom im tierischem Körper, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 
4, 414, 1907) ergaben, „daß es in erster Linie Aufgabe des Chlornatriums 
ist, den Körperflüssigkeiten den der Säugetierzelle adäquaten Konzen- 
trationsgrad zu geben.“ 




















Über Dünndarmresorption. 519 
Tabelle III. 
Hypertonische Zuckerlösungen. Dauer !/, Stunde. 
& 538 
HAund £ Flüssigkeit | Zucker NaCl [383%] Be- 
— — 8% $S|merkungen 
g A omj) 4 g | % g | °% Ei 
14000 3 | obere |Eingeführt | 50 - 1,14 °| 5,0 10,0 
(Morphin-| 58 Erhalten | 43— 0,63°| 1,7113; 3,9798] 0, 0045 0, 15 
Äther) Resorbiert | 7 3,2887 65 
mittlerelEingeführt | 50/— 1,14 | 5,0 10,0 
56 |Erhalten f 48 — 0,590] 1,8990; 3,9563] 0,0576 0,12 
Resorbiert | 2 3,1010 62 
untere |Eingeführt | 50; — 1,14] 5,0 10,0 
64 |Erhalten | 70/—0,63°[ 3,0073! 4,2962] 0,0420.0,06 
Resorbiert H20 1,9927 | 39 
7200 3 | obere [Eingeführt | 50|— 1,17015,0 | 10,0 | 
(Morphin-| 58 |Erhalten | 58/— 0,73°| 2,8860| 4,9760] 0,0348'0,06 
Äther) Resorbiert | - 8 2,1140 42 
1/,JahraltimittlerelEingeführt | 50—1,17015,0 | 10,0 
55 Erhalten | 68/— 0,671 3,9384| 5,7920] 0,0204 0,03 
Resorbiert |-18 1,0616 | 21 
untere |Eingeführt | 60 - 1,17 °| 5,0 10,0 
58 IErhalten | 64 — 0,680] 3,4866, 5,4480] 0,0320 0,05 
Resorbiert |-14 1,5134 | 30 
7000 & | obere |Eingeführt| 50—1,180150 | 10,0 | 
(Morphin-| 53 |Erhalten | 50/— 0,75°| 2,7520| 5,5040| 0,0650 0,13 
Äther) Resorbiert | 0 2,2480 44 
1/,Jahr altimittlere|Eingeführt | 50 — 1,18] 5,0 10,0 
54 (Erhalten | 57|— 0,7301 3,2079| 5,6280] 0,0456 0,08 
Resorbiert | - 7 1,7921 35 
untere [Eingeführt | 50/— 1,18] 5,0 10,0 
63 Erhalten | 66—0,69°| 3,6669: 5,5560| 0,0462 0,07 
Resorbiert |-16 1,3331 25 


gehalt der zurückbleibenden Flüssigkeit in Beziehung zum Koch- 


salzgehalt setzt. 


Nach Einführen von konzentrierten Zucker- 


lösungen weichen die Prozentgehalte an Zucker in den restierenden 
Lösungen in den einzelnen Darmabschnitten nur wenig voneinander 
ab, und gleichzeitig liegen auch die an sich schon geringen Prozente 


Kochsalz dicht beieinander. 


Größere Unterschiede im Zucker- 


gehalt sieht man in der zurückbleibenden Lösung nach 1,5°/,igen 
Zuckerlösungen, hier ist auch der Kochsalzgehalt der ver- 


520 E. Frey: Über Dünndarmresorption. 


schiedenen Darmabschnitte wesentlich verschieden, dem Sinne 
nach dem Zuckergehalt entgegensetzt. Man hat demnach den 
Eindruck, als diene das Kochsalz zum Ausgleich des 
osmotischen Druckes der eingeführten Lösung, indem 
einmal bei geringem osmotischem Druck der ein- 
geführten Lösung viel Kochsalz in den Darm über- 
tritt, sodann aber auch bei verschiedener Resorption 
des Zuckers aus dünnen Lösungen in verschiedenen 
Darmabschnitten die fehlenden Zuckerprozente durch 
Kochsalzprozente ersetzt werden. Dies schließt die Be- 
antwortung der zweiten oben gestellten Frage in sich, ob der 
vitale Einstrom von Flüssigkeit aus dem Darmlumen ins 
Blut die Ursache für das Zurückhalten von Blutsalzen 
durch die Darmschleimhaut ist, da der vitale Flüssigkeitstrans- 
port dem Diffundieren der Blutbestandteile entgegengerichtet 
ist. Entgegen dieser Anschauung sehen wir gerade dort, wo 
die Flüssigkeitsaufnahme groß ist, bei verdünnten Lösungen, 
einen reichlichen Übertritt von Kochsalz aus dem Blut in den 
Darminhalt vor sich gehen und umgekehrt, Kochsalz dann 
zurückgehalten werden, wenn der Flüssigkeitsstrom vom Blut 
in den Darm hinein gerichtet ist, beim Einführen von kon- 
zentrierten Lösungen. 

Man ist somit gezwungen, zwei Versuche zur Erklärung 
der Resorption aufzugeben: man kann weder die Aufnahme im 
Dünndarm auf das Zurückhalten von Blutbestandteilen zurück- 
führen noch umgekehrt die einseitige Permeabilität auf den 
vitalen Flüssigkeitsstrom ins Blut hinein. Infolgedessen wird 
man diese beiden Vorgänge unabhängig voneinander be- 
trachten müssen. 

Wenn man seinen Betrachtungen das verschiedene Ver- 
halten der einzelnen Dünndarmabschnitte zugrunde legt, so 
beobachtet man den vitalen Flüssigkeitstransport aus dem Darm- 
lumen hinaus gerade dort, wo eine leichte Durchgängigkeit der 
Darmschleimhaut für gelöste Stoffe in beiden Richtungen sich 
zeigt, und es erscheint als markantestes Zeichen der gut resor- 
bierenden Schleimhaut erstens dieser Stofftransport ins Blut 
hinein durch die Zelltätigkeit und zweitens gleichzeitig gerade 
das Fehlen des Charakters als Membran. 


Beiträge zum Nachweis und zur Entstehung aromatischer 
Körper im Organismus. 


1. Nachweis von Indol und Skatol. 


(Nach Versuchen mit Friedrich Herschmann und 
Ernst Jacoby.) 


Von 


Ferdinand Blumenthal. 


(Aus der chemischen Abteilung des pathologischen Instituts der 
Universität zu Berlin.) 


(Eingegangen am 18. Juns 1909.) 


P. Ehrlich!) hat zuerst gezeigt, das der p-Dimethylamino- 
benzaldehyd mit Indol bei Gegenwart von Salzsäure eine schöne 
Rotfärbung zeigt, die sich noch in unendlich verdünnten Lö- 
sungen des Indols zu dessen Nachweis benutzen läßt. 

Eine Reihe von schönen Untersuchungen über die Ver- 
wertbarkeit dieses und anderer aromatischer Aldehyde zum Nach- 
weis des Indols und Skatols verdanken wir dann insbesondere 
französischen Forschern, Deniges?), Gautier und Hervieux.?) 
Deniges hat neben dem Dimethylaminobenzaldehyd noch ver- 
schiedene aromatische Aldehyde und Furfuraldehyd, ebenso die 
Propyl- und Allylderivate untersucht und so eine Zahl von 
neuen Reaktionen geschaffen. Ferner behauptet er, daß der 
Allylalkohol mit Indollösung erwärmt, unter Zusatz von Salz- 
säure eine intensive Rotfärbung zeige, die ein breites Absorp- 
tionsband in der Nähe des Urobilinbandes zeige. Ganz be- 
sonders machte er aber aufmerksam auf die Reaktionen mit 


1) Medizinische Woche 1901, April. 
2) Soc. de Biolog. 64, 295 und 689, 1908 
3) Soc. de Biolog. 63, 610. 


522 F. Blumenthal: 


Zimtaldehyd und mit Vanillin, welche fast ebenso empfindlich 
wie das Ehrlichsche Reagens (2°/, alkoholische Lösung von 
p-Dimethylaminobenzaldehyd) sein sollten und daher mit dem- 
selben in Konkurrenz treten könnten. Er löste 0,2 der erwähnten 
Substanzen in 100 ccm Alkohol. Von dieser Lösung fügte er 
1/, bis 1 ccm zu 5 ccm einer alkoholischen Lösung von Indol, 
versetzte mit mindestens 3 ccm reiner Salzsäure vom spezifi- 
schen Gewicht von 1,17 bis 1,18, eventuell mit mehr Salzsäure, 
und schüttelte gut durch. 


Mit Vanillin entwickelte sich eine Eosin- oder Grenadinfärbung, 
welche im Grün ein breites Absorptionsband zeigte, das über das Blau 
hinausragt. Mit Zimtaldehyd erhielt er eine mehr oder weniger dunkle 
Gelbfärbung. Die Empfindlichkeitsgrenze ist mit alkokolischen Lösungen 
von Indol !/io bis ?/iọ mg Indol im Liter. Wenn es sich um Benzolaus- 
züge von Indol handelt, so versetzt man 10 oom mit 0,5 com der alko- 
holischen Lösung von Vanillin oder Zimtaldehyd und dann mit 2 ccm 
Salzsäure. Die erhaltenen Färbungen, welche dauerhaft sind, sollen sich 
sehr gut zu einem colorimetrischen Verfahren von Indol eignen. 

Ehrlich hatte bekanntlich gezeigt, daß die Rotfärbung, die sich 
bei der Verbindung von Indol mit Dimethylaminobenzaldehyd bildet, in 
der Gegend des Gelbgrün 2 Absorptionsstreifen von ungleicher Stärke 
zeigt. Wenn man nun das Indol in Benzollösungen nachweisen will — 
ein Verfahren, das sehr häufig für den Nachweis des Indols ım Kot das 
gegebene ist —, so kann man die Reaktion nach Denigds in folgender 
Weise anstellen. Man fügt zu 10 ocm Benzollösung 2 ccm einer alko- 
holischen 5?/ igen Ehrlichschen Lösung, dann 0,5 ccm Salzsäure, und 
schüttelt stark. Die Salzsäure geht auf den Boden des Reagensglases 
und ıfärbt sich rotviolett. Fügt man nunmehr in genügender Menge 
Alkohol hinzu, so kann man das von Ehrlich beschriebene Spektrum 
erkennen. Denigds hat dieses Verfahren noch weiter geändert, indem 
er zu 10 ocm Benzollösung nur 2 bis 3 Tropfen Ehrlichsches Reagens 
hinzufügte und mit 1 bis 2 ccm Salzsäure schüttelte.. Bei Gegenwart 
von Indol färbt sich der die Säure enthaltende Teil mehr oder weniger 
gelb. Bei Zusatz von Alkohol geht die Farbe über in Carmin- oder 
Violettrot und zeigt das oben beschriebene Spektrum. 


Sehr wichtig ist der von Denigès erhobene Befund, daß 
die käuflichen Extraktionsmittel für Indol, wie Benzol, Toluol 
und Xylol, wenn sie nicht ganz rein sind, Substanzen ent- 
halten, die sich mit Indol bei Gegenwart von Salzsäure ver- 
binden und mehr oder weniger schöne Färbungen liefern. 
Benzol zeigt ein Rotviolett sowie ein schönes Spektrum in 
Gelbgrün, und mit den Homologen des Benzols bekommt man 
eine mehr oder weniger starke Gelbfärbung. Diese Färbungen 


Nachweis von Indol und Skatol. 523 


verschwinden unter dem Einfluß des Wassers, welches den 
Farbstoff zerstört, besonders bei Anwendung von Benzol. Aber 
sie bleiben bestehen, wenn man die Flüssigkeit mit konzen- 
trierter Salzsäure oder Essigsäure versetzt. Nach meinen Unter- 
suchungen sind alle Reaktionen der hier beschriebenen aroma- 
tischen Aldehyde, welche mit nicht absolut chemisch reinem 
Benzol, z. B. mit dem gewöhnlichen käuflichen Benzol ange- 
stellt sind, gar nicht zu verwerten; so gibt Vanilin mit käuf- 
lichem Benzol und rauch. Salzsäure eine prachtvolle Rotfärbung, 
Heliotropin Rosafärbung usw. Es sind daher alle positi- 
ven Indolbefunde in Benzolauszügen, z. B. der Faeces, 
wie sie sich zahlreich in der Literatur vorfinden, 
vorsichtig zu beurteilen. 

Bei dem Nachweis von Skatol bediente sich Denigös 
folgender Reaktionen: 


1. Vanillin-Reaktion. 

Man mischt im Reagensglase 5 com einer alkohol. Lösung 
von Skatol mit 0,2 bis 0,3 ccm einer Lösung, welche 5 g 
Vanillin in 1 Liter Alkohol enthält und 3 ccm reiner Salzsäure 
vom spez. Gewicht 1,18, dann bemerkt man zuerst eine schwach 
gelbliche bis gelbrosa Färbung, die bei starker Verdünnung 
sehr schwach ist. Die anfängliche Färbung ist im Vergleich 
zu der mit Indol wenig ausgesprochen. Bald ändert sich die 
Färbung und im Verlauf von einigen Stunden ist sie schön 
violett und sehr stark bei Konzentration von 0,2 bis 0,25 mg im 
Liter, und man kann auch noch Img im Liter bei vertikaler 
Durchsicht erkennen. Wenn man anstatt 3 ccm Salzsäure 5 ccm 
zufügt, so wird die Farbe unmittelbar rosa oder rot und ziem- 
lich dunkel, und läßt noch ein Millionstel g Skatol erkennen. 


2. Reaktion mit Zimtaldehyd. 

Dieselbe Reaktion, mit Zimtaldehydjangestellt, zeigt mit Indollösung 
eine intensive gelbrote Färbung, welche an alkalische Chromatlösung 
erinnert, oder bei starken Verdünnungen gelbe Färbung. Sie bleibt 
einige Stunden unverändert und geht dann mehr oder weniger in Rot 
über. — Empfindlichkeitsgrenze 1/1ọ bis ?/1ọ Millionen. (Siehe nachher 
meine eignen Untersuchungen über diese Reaktion.) 

Mit Skatol bekommt man eine klare Gelbfärbung, die bei einer 
Verdünnung von 0,02 g auf l Liter kaum bemerkbar ist. Die Gelb- 
färbung geht allmählich über in Grün, um so langsamer, je geringer der 
Gehalt an Skatol ist. Wenn man die Reaktion anstatt mit 3 com mit 


524 F. Blumenthal: 


5 com Salzsäure anstellt, so geht sie in Rot über, wird dann gelb oder 
bläulich, wenn man Alkohol zusetzt, und allmählich violett, und zeigt 
2 Absorptionsstreifen in Gelbgrün, wenn man noch einige Kubikzentimeter 
Salzsäure hinzufügt. 


3. Reaktion mit Dimethylaminobenzaldehyd. 


Mit Skatol ist die Farbe der Reaktion fast identisch mit der des 
Indols, wird aber ziemlich schnell schön violett und nach einigen 
Stunden blau. Bei stärkerer Konzentration der Skatollösung findet sich, 
ehe die Blaufärbung eintritt, eine Grünfärbung, welche noch längere Zeit 
bestehen bleibt. Das Spektrum ist ähnlich dem des durch Indol ge- 
lieferten Spektrums. Die Streifen ziehen sich aber bald in einen Streifen 
zusammen in der Mitte des Rot in dem Moment, wo die Blaufärbung 
beendet ist. — Empfindlichkeitsgrenze zwischen 3 bis 10 Millionstel. 

Denigös betont, daß diese verschiedenen Reaktionen auch mit 
schwächeren alkoholischen Lösungen der Reagenzien angestellt werden 
können. 

Die Ehrliohsche Probe mit p-Dimethylaminobenzaldehyd hat vor 
Denigös schon Adolf Schmidt zum Nachweis des Skatols benutzt. 


Erwin Rhode?) hat gezeigt, daß die Eiweißkörper mit 
Paradimethylamidobenzaldehyd mit Vanillin und Nitrobenz- 
aldehyd in salzsaurer Lösung unter schöner Farbenbildung re- 
agieren. Steensma hat diese Reaktionen durch Nitritzusatz 
verfeinert. 

Ich hatte die gleiche Idee gelegentlich meiner Unter- 
suchungen über den Nachweis des Indols und Skatols durch- 
geführt, als ich bei Durchsicht der Literatur sah, daß Steensma?) 
bei einigen Aldehyden den Nitritzusatz bereits zur Erkennung 
des Skatols benutzt hat. Steensma bediente sich eines Re- 
agenzes, bestehend aus einer 2°/ igen Lösung von Paradimethyl- 
amidobenzaldehyd in Alkohol (96°/,) und einer Lösung von 
Natriumnitrit in Wasser (0,6°/,). Er prüft folgendermaßen auf 
Indol: 

Zu 2 Teilen der Flüssigkeit, welche man auf Indol prüfen will, 
setzt man 1 Teil des Reagens hinzu und dann tropfenweise 25°/,ige 
Salzsäure, bis eine rote Farbe auftritt. Jetzt fügt man vorsichtig 1 oder 
einige Tropfen einer Natriumnitritlösung (0,5°/,) hinzu. Die Farbe geht 
in ein schönes dunkles Rot über. Diese rote Farbe verschwindet ziem- 
lich bald. — Steensma erwähnt, daß es sich hierbei nicht um die 


Nitrosoindol-Reaktion handelt, denn die Reaktion ist immer intensiver 
als die Nitrosoindol-Reaktion, und kann auch in sehr verdünnten Lö- 


1) Zeitschr. ^. physiol; Chem. 44, 161. 
2) Ebenda 47, 25. 


Nachweis von Indol und Skatol. 525 


sungen, wo die Nitrosoindol-Reaktion schon ein negatives Resultat ergibt, 
noch positiv ausfallen. 

Als sich nun Steensma des Ehrlichschen Reagens zum Nach- 
weis des Skatols bediente, fand er, daß Zusatz von Nitrit eine Blau- 
färbung hervorrief. 

Die Angaben Steensmas kann ich im Prinzip bestätigen; 
nur finde ich den Verlauf der Indol-Reaktion etwas anders. 
Sch benutzte ein von Kahlbaum bezogenes Indol, von dem 
ich 0,1 in 100 com 96°/, Alkohol löste und von dieser Stamm- 
lösung wässerige Verdünnungen herstellte. Es zeigte sich, daß 
eine Indollösung in einer Verdünnung von 1:10000 auf Zusatz 
einer 2°/ igen alkoholischen Lösung von p-Dimethylamido- 
benzaldehyd violettrot wurde und ein breites Band in Gelb- 
grün zeigte. Versetzt man die Reaktion nunmehr mit 2 Tropfen 
einer 1°/,igen Natriumnitritlösung, so wird die Farbe allmählich 
grenadinrot; sowohl der violettrote Farbstoff als auch der nach 
dem Zusatz von Natriumnitrit grenadinrot gewordene gehen 
über in Amylalkohol. Beide amylalkoholischen Auszüge zeigen 
einen intensiven Streifen im Gelbgrün. — In einer Verdünnung 
von 1:100000 ist die Reaktion noch stark violettrot, Streifen 
im Gelbgrün; der amylalkoholische Auszug zeigt ein Band im 
Gelbgrün; auf Zusatz von 1 Tropfen Natriumnitrit (1°/,) wird 
die Reaktion grenadinrot und zeigt ein Band im Grünblau, der 
amylalkoholische Auszug zeigt ein Band im Gelbgrün und ein 
schwächeres im Grünblau. — Bei einer Verdünnung von 1:1000000 
ist die Reaktion noch deutlich, auf Zusatz von 1 Tropfen Na- 
triumnitrit wird sie einen Augenblick etwas stärker, aber bald 
blasser. Amylalkoholauszüge ohne Streifen. Die Empfindlich- 
keitsgrenze ist ca. 1:5 Millionen. Tritt die Reaktion erst auf 
Nitritzusatz auf, so beweist sie nichts, da das Reagens mit 
Nitrit eine schwache Rosafärbung gibt. 

Versetzt man eine Lösung von Skatol!) von 1: 10000 
mit einigen Tropfen einer 1 bis 2°/ igen Lösung von Di- 
methylamidobenzaldehyd und 2ccm rauchender Salzsäure 
(spez. Gewicht 1,19) — dieselbe ist entschieden der gewöhn- 
lichen Salzsäure vorzuziehen —, so entsteht eine schöne 


1) Von Kahlbaum bezogen, fast indolfrei, gibt in einer Verdünnung 
von 1 : 1000 keine Nitrosoindol-Reaktion und nur eine sehr schwache 
Legalsche Probe, die bei einer Verdünnung von 1: 5000 negativ ist. 


626 F. Blumenthal: 


violettrote Farbe, die in Amylalkohol mit blaßvioletter Farbe 
übergeht und einen Streifen im Gelb zeigt. Setzte man vor 
dem Ausschütteln mit Amylalkohol oder auch nach dem Aus- 
schütteln zum Amylalkohol 2 Tropfen 1°/, wässeriger Lösung 
von Natriumnitrit hinzu, so wird die Reaktion schön blau. 
Im Amylalkohol zeigt sich ein starker Streifen im Rot mit Ver- 
dunkelung im Gelb. — Bei einer Verdünnung von 1: 100009 
wird die Probe violett. Auf Zusatz von 1 Tropfen Natrium- 
nitrit nimmt die Reaktion einen bläulichen Farbenton an; die 
amylalkoholischen Auszüge sind schlecht gefärbt. — Bei einer 
Verdünnung von 1: 1000000 ist die Farbe schwach rosa; auf 
Zusatz von 1 Tropfen Natriumnitritlösung tritt eine Abblassung 
der Flüssigkeit ein. 

Wir werden sehen, daß die Reaktion mit dem Zu- 
satz von Nitrit sich sehr schön gebrauchen läßt, um 
Indol und Skatol voneinander zu unterscheiden. 
Während das Skatol auf Zusatz von Nitrit einen blauen 
Farbenton annimmt, werden die Indollösungen mehr 
orangefarben und verblassen. 

Nimmt man eine Mischung von Indol und Skatol zu 
gleichen Teilen, und stellt sich eine Verdünnung von 1:10000 
her, so wird die Reaktion himbeerrot; der Auszug mit Amyl- 
alkohol ist ebenfalls himbeerrot und zeigt ein breites Band im 
Gelb, teilweise im Grün (wie beim Indol). Auf Zusatz von 1 bis 
2 Tropfen 1°/,iger Nitritlösung wird die Reaktion blauviolett 
(Skatol); der Amylalkoholauszug zeigt das gleiche Band. Bei 
einer Verdünnung von 1:100000 ist die Reaktion himbeer- 
rot, der Auszug mit Amylalkohol zeigt einen schwachen Streifen 
im Gelbgrün. Bei Zusatz von Nitrit ist die Nuance ein wenig bläu- 
licher (Skatol), Streifen im Gelbgrün angedeutet. Bei einer Ver- 
dünnung von 1:1000000 war die Reaktion negativ. Daraus 
geht hervor, daß wir in einer Verdünnung von 1:100000 
Skatol neben Indol noch zu erkennen vermögen. 


Vanillin-Reaktion. 


Steensma benutzte eine 5°/,ige Lösung von Vanillin in 
Alkohol und eine wässerige Lösung von 0,5°/, Natriumnitrit. 
Ich benutze eine 10°/,ige Lösung von Vanillin in Alkohol und 
eine 1°/,ige Natriumnitritlösung und konz. Salzsäure (1,19). 


Nachweis von Indol und Skatol. 627 


Man kann aber auch Vanillin in Substanz verwenden, was bei alko- 
holischen Lösungen entschieden von Vorteil ist; denn es scheint, 
je konzentrierter die Vanillinlösungen sind, desto besser geht 
die Reaktion. Steensma schildert die Reaktion für Indol 
folgendermaßen: 

Die Farbe ohne Nitrit ist orangerot; diese Farbe wird durch 
Hinzufügung von Nitrit nicht geändert; Skatol färbt sich ohne 
Nitrit rotviolett, nach Hinzufügung von Nitritlösung blauviolett. 
Er schreibt: Diese Reaktion wird durch Indol beeinträchtigt. 
Es gelingt also nicht, mit Vanillin Skatol neben Indol nach- 
zuweisen. i 

Meine Erfahrungen sind folgende: Von einer Verdünnung 
von Indol (1:10000) werden 5ccm mit 1 bis 20cm 10°/,iger 
Vanillinlösung und ca. 2 bis 3 cem konz. Salzsäure versetzt. 
Orangerote Färbung mit Auslöschung im Grün. Der Farbstoff 
ist in Amylalkohol löslich, zeigt ein breites Band von grün 
bis zum Violett. Auf Zusatz von 2 Tropfen 1°/ iger Natrium- 
nitritlösung wird die Reaktion blasser, allmählich gelb. 
In einer Verdünnung von 1:100000 ist die Reaktion orange- 
rot; auf Zusatz von Nitrit blaßgelb, Amylalkohol wie oben. 
In einer Verdünnung von 1:1000000 ist die Reaktion noch 
deutlich. Empfindlichkeitsgrenze 1:5 Millionen. 

Eine Skatollösung (1:10000) zeigt mit Vanillin eine pur- 
purrote Färbung (breites Band in Grünblau), die in Amyl- 
alkohol löslich ist, ohne Streifen; auf Zusatz von 1 bis 2 Tropfen 
1°/,iger Natriumnitritlösung wird die Reaktion mehr blau- 
violett, der amylalkoholische Auszug ist ebenfalls blauviolett, 
zeigt keinen Streifen. In einer Verdünnung von 1:100000 ist 
die Reaktion violettrot; auf Zusatz von 1 Tropfen 1°/,iger 
Natriumnitritlösung wird sie bläulicher, aber weniger schön. 
Der amylalkoholische Auszug von beiden Proben ist schwach 
gefärbt. Die Reaktion in einer Verdünnung von 1:1000000 
ist schwach rosa; Nitritzusatz läßt die Farbe verschwinden. 

Eine Mischung von Indol und Skatol verhält sich mit 
Vanillin folgendermaßen: Eine Verdünnung von je 1:10000 zeigt 
eine tieforangerote Färbung. Im Amylalkoholauszug Band 
von grün bis violett. Es scheint, als ob die Farben im Amyl- 
alkohol undeutlicher werden, als sie vorher waren. Verdünnung 
von 1:100000: schwach orangerot; auf Zusatz von einem 


528 F. Blumenthal: 


Tropfen Nitrit scheint die Reaktion einen etwas bläulicheren 
Farbenton anzunehmen. Im Amylalkohol ist kein Spektralstreifen. 

Die Reaktion scheint sich nicht recht zur Erken- 
nung von Skatol und Indol nebeneinander zu eignen. 


p-Nitrobenzaldehydreaktion. 


Den p-Nitrobenzaldehyd hat Steensma in Substanz ange- 
wendet. Er behauptet, daß man mit Indol und Skatol keine Re- 
aktion bekommt. Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe aller- 
dings den Nitrobenzaldehyd nicht in Substanz, sondern in 10°/,iger 
alkoholischer Lösung benutzt. Indol in einer Verdünnung von 
1:10000 gibt eine rote Färbung, die beim Erhitzen deutlicher 
wird. In Amylalkohol ist der Farbstoff mit roter Farbe löslich, 
zeigt hierin keinen scharfen Streifen; mit 2 Tropfen 1°/,iger 
Natriumnitritlösung wird die Reaktion prachtvoll himbeer- 
farben und zeigt dann ein Band im Grün. In Amylalkohol mit 
Himbeerfarbe löslich, zeigt diese ein wenig starkes Band von 
grün bis blau. Verdünnung von 1:100000 schwach rosa, beim 
Kochen etwas stärker, im Amylalkohol kein Streifen; Zusatz 
von Natriumnitrit nach dem Kochen und Wiederabkühlen : 
schön himbeerrot mit Streifen im Grün, im Amylalkohol 
Streifen im Grün. Verdünnung von 1:1000000 gibt noch deut- 
liche Reaktion. Empfindlichkeitsgrenze 1:2 bis 3 Millionen. 

Skatol. 1:10000: schmutzig grüngrau, in der Kälte 
negativ; Reaktion tritt beim Erhitzen auf. Amylalkohol: 
schmutzig gefärbt; auf Zusatz von Natriumnitrit nach dem Er- 
hitzen und wieder Abkühlen wird die Reaktion schön blau, 
geht über in Amylalkohol und zeigt einen Streifen am Anfang des 
Grün. Setzt man Natriumnitrit hinzu, ehe man erhitzt hat, so 
ist die Reaktion schwächer. Verdünnung von 1:100000, Er- 
hitzen blauviolett, Abkühlen und Zusatz von 1 Tropfen 
Natriumnitrit: unverändert; in Amylalkohol mit rötlich-violetter 
Farbe löslich. Verdünnung von 1:1000000 eben angedeutete rosa 
Färbung. 

Mischung von Indol und Skatol. Je 1:10000 rosa, 
beim Kochen bläulıch-vıolett. Abkühlen und Zusatz von zwei 
Tropfen 1°/,iger Natriumnitritlösung stark blauviolett. Ohne 
Nitrit ist die Reaktion viel schwächer als beim Zusatz von 
Nitrit. Der Auszug mit Amylalkohol zeigt ohne Nitrit kein 


Nachweis von Indol und Skatol. 529 


Band, mit Nitrit ein Band im Gelb und am Anfang des Grün. 
In einer Verdünnung von 1:100000 ist die Probe nach dem 
Erhitzen schwach rosa. Auf Zusatz von Nitrit wird sie etwas 
deutlicher. Kein Streifen im Amylalkohol. 

Die Probe eignet sich dann zur Erkennung von 
Skatol neben Indol, wenn das Skatol in ziemlicher 
Konzentration vorhanden ist. 

Noch eine Reihe anderer aromatischer Aldehyde, sind ge- 
eignet zum Nachweis des Indols und Skatols, so der Protocatechu- 
aldehyd. Es wurde eine 5 °/,ige alkoholische Lösung angewandt. 


Protocatechualdehyd-Reaktion. 


Man benutzt eine 5°/,ige alkoholische Lösung und verfährt 
genau wie bei der Vanillinprobe. 

Indol. Verdünnung 1:10000, orangerot; auf Zusatz von 
2 Tropfen 1°/ iger Natriumnitritlösung etwas heller. Die orange- 
rote Farbe geht im Amylalkohol in einen mehr himbeerfarbenen 
Ton über. Im Spektrum findet sich eine Auslöschung von Gelbgrün 
bis violett. Verdünnung von 1:100000, orangerot; auf Zu- 
satz von 1 Tropfen Natriumnitrit gelb. Verdünnung von 
1:1000000 schwach rosa. Nach 1 Tropfen Nitrit verschwindet 
die Farbe. Empfindlichkeitsgrenze 1:5 Millionen. 

Skatol. Verdünnung von 1:10000, himbeerrot. Der 
Auszug mit Amylalkohol himbeerrot; Streifen im Grün; auf 
Zusatz von zwei Tropfen 1°/,iger Natriumnitritlösung wird die 
Reaktion blaurot, der Auszug mit Amylalkohol ist blauviolett 
ohne deutlichen Streifen. Verdünnung von 1:100000 himbeer- 
rot, mit 1 Tropfen Natriumnitrit wird die Nuancierung mehr 
bläulich, Auszüge mit Amylalkohol schwach bläulich. Ver- 
dünnung von 1:1000000 schwach rosa. Nach Nitritzusatz ver 
schwindet die Rosafärbung. 

Mischung von Indol und Skatol. Verdünnung von 
1:10000 orangerot ; mit Nitrit schön kirschrot. Amylalkoholische 
Auszüge: Band von grün bis violett. Beim Erhitzen fällt die 
Reaktion erheblich stärker aus. Verdünnung von 1:100000 
schwach rosa, Nitritzusatz: etwas stärker. Nach dem Erhitzen 
wird die Reaktion etwas stärker. 

Die Reaktion eignet sich nicht recht zur Erkennung 
von Indol und Skatol nebeneinander. 


530 F. Blumenthal: 


Heliotropin- (Piperonal-)Reaktion. 


Man benutzt eine 10°/,ige alkoholische Lösung des Helio- 
tropins in Substanz falls es sich um den Nachweis von Indol 
und Skatol in einer alkoholischen Flüssigkeit handelt, und ver- 
fährt genau wie bei der Vanillinprobe. 

Indol. Verdünnung von 1:10000 orangerot Amylalkohol- 
sauszug: Auslöschung vom Grün bis Blau. Auf Zusatz von 
2 Tropfen 1°/ iger Natriumnitritlösung blaßt die Probe allmählig 
stark ab. Verdünnung von 1:100000 orangerot. Farbstoff in 
Amylalkohol löslich, gelblich-orange, Streifen grün am Blau; 
auf Zusatz von Natriumnitrit blaßt die Probe ab. Verdünnung 
1:1000000 deutlich orange. Empfindlichkeitegrenze 1:5 Millionen. 

Skatol. 1:10000 himbeerrot, in Amylalkohol blauviolett, 
kein Streifen. Auf Zusatz von 2 Tropfen Natriumnitrit tief- 
blau; in Amylalkohol löslich mit tiefblauer Farbe; Streifen 
von der Mitte des Rots ab bis Blau: in dünnen Lösungen 
von Grün bis Blau. Skatol 1:100000 schwach himbeerrot, 
in Amylalkohol mit blasser Farbe löslich; auf Zusatz von 
Natriumnitrit intensiv bläulich, in Amylalkohol löslicher Farb- 
stoff. Skatol 1:1000000 schwach rosa, aber deutlich; Zusatz 
von 1 Tropfen Nitrit läßt die Farbe verschwinden. Empfindlich- 
keitsgrenze 1:1 Million. 

Mischung von Indol und Skatol. Verdünnung 
1:10000 orangefarben, in Amylalkohol mit schwacher Orange- 
färbung löslich ; schwacher Streifen von grün bis violett. Auf 
2 Tropfen Nitrit kirschrot; mit Amylalkohol prachtvoll kirsch- 
rot. Band grün bis violett. 

In dieser Verdünnung ist die Reaktion durch das 
Spektrum zur Erkennung von Indol neben Skatol ge- 
eignet. Eine Verdünnung von 1:100000: Rosafärbung, welche 
sich auf Zusatz von 1 Tropfen Natriumnitrit nicht ändert; in 
Amylalkohol löslich ohne Streifen im Spektrum. 


Safrol-Reaktion. 


Indollösung 1:10000. Schüttelt man eine Indollösung 
mit ca. l ccm Safrol und 1 ccm konzentrierter rauchender 
Salzsäure, so tritt eine Gelbgrün-Färbung ein, welche bald 
gelbrot wird. Auf Zusatz von 1 bis 2 Tropfen Natrium- 


Nachweis von Indol und Skatol. 531 


nitrit gelbbraun. Eine Verdünnung von 1:100000 gibt eine 
rötliche Reaktion; auf Zusatz von 1 Tropfen Natriumnitrit 
färbt sich die Lösung gelb. Verdünnung 1:1000000 negativ. 
Empfindlichkeitegrenze 1:500000. 

Skatol. Nimmt man eine Lösung von 1:10000, so ist 
die Reaktion negativ. Erst auf Zusatz von Natriumnitrit 
tritt eine Grünblaufärbung ein. Die Farbe wird bald schmutzig. 
Viel Salzsäure nehmen und gut schütteln. Bei einer Ver- 
dünnung von 1:100000 bleibt die Reaktion negativ, auf Zu- 
satz von Natriumnitrit tritt eine schwache Gelbfärbung ein. 


Zimtaldehyd-Reaktion. 


Indol 1:10000. Versetzt man ca. 5 com dieser Ver- 
dünnung mit einigen Tropfen Zimtaldehyd und einigen Kubik- 
zentimetern rauchender Salzsäure, so färbt sich die Lösung 
schön rot. Auf Zusatz von Natriumnitrit bleibt sie unver- 
ändert oder wird etwas mehr braunrot. Eine Indolverdünnung 
von 1:100000 färbt sich gelbrot und verändert sich nicht 
auf Zusatz von Natriumnitrit. 1:1000000 Gelbfärbung. Dies ist 
wohl auch die Empfindlichkeitsgrenze. 

Eine Skatollösung von 1:10000 gibt bei Anstellung der 
Reaktion eine braunrote Färbung, welche auf Zusatz von 
Natriumnitrit grün wird, Amylalkohol grün, Streifen An- 
fang des Rots. In einer Verdünnung von 1:100000 ist die 
Reaktion schwach. Erst auf Zusatz von Natriumnitrit zeigt 
sich eine schwache gelbgrüne Färbung. 


Eugenol-Reaktion. 


Indollösung 1:10000, genau wie mit Safrol so mit 
Eugenol behandelt gibt eine schöne Rosafärbung; erst auf Zu- 
satz von 1 bis 2 Tropfen 1°/,iger Natriumnitritlösung wird die 
Reaktion braunrot. Empfindlichkeitsgrenze 1:1 Million. 

Skatollösung 1:10000. Auf Zusatz von Natriumnitrit 
prachtvolle grünblaue oder rein blaue Färbung. Empfindlich- 
keitsgrenze 1:500000. 

Bei allen diesen Reaktionen handelt es sich nach P. Ehr- 
lich und Erwin Rohde um eine Reaktion zwischen der 
Aldehydgruppe und der reagierenden Gruppe des Indols und 


Skatols. Es sei hier darauf hingewiesen, daß Tryptophan, ebenso 
Biochemische Zeitschrift Band 19. 35 


532 F. Blumenthal: 


wie alle diese Gruppe enthaltenden Eiweißkörper naoh Kochen 
mit Salzsäure und Zusatz eines der genannten aromatischen 
Aldehyde, wenn nach dem Abkühlen Nitrit (1°/,) zugesetzt 
wird, die entsprechende Reaktion geben und zwar mit der für 
Skatol charakteristischen Farbe. 

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Spektren 
nicht immer deutlich hervortreten. Das Auftreten der charak- 
teristischen Färbung genügt fast immer zum Nachweis. 


Andere Reaktionen auf Indol und Skatol. 


Glyoxylsäurereaktion (Hopkins). Versetzt man eine 
Lösung von Indol, 1:10000, mit einigen Kubikzentimetern 
Glyoxylsäurelösung und derselben Menge konzentrierter Schwefel- 
säure, so färbt sie sich purpurrot. Nimmt man anstatt 
Schwefelsäure konzentrierte rauchende Salzsäure, so bleibt die 
Probe negativ. Setzt man nunmehr einige Tropfen einer 1°/ igen 
Natriumnitritlösung hinzu, so wird die Reaktion schön rot und 
geht in Amylalkohol mit orangeroter Färbung über. Es zeigt 
sich ein Absorptionsband von grün bis blau. Nimmt man eine 
Indollösung von 1:1000000, so ist das Resultat noch gerade 
positiv. Nimmt man eine Skatollösung von 1:10000, versetzt 
mit einigen Kubikzentimetern Glyoxylsäurelösung und konz. 
Schwefelsäure, so wird die Reaktion purpurrot. Nimmt man 
statt Schwefelsäure rauchende Salzsäure, so bleibt die Reaktion 
negativ, färbt sich auf Zusatz von Natriumnitrit schwach gelb- 
lichrot. Im Amylalkohol zeigt sich kein Streifen. 

Deniges teilte mit, daß er mit der Legalschen Reak- 
tion noch positive Nachweise zur Erkennung des Indols be- 
kommen hat in Lösungen von 1 mg Indol in 1 1 Wasser. 
Hierbei ist ihm unbekannt geblieben, daß er als eine neue 
Modifikation der Legalschen Probe eine Reaktion be- 
schrieben hat, welche bereits von Salkowski vor Jahren in 
dieser Form angegeben wurde. Salkowski hat, wie dies auch 
in seinem „Praktikum“ mitgeteilt ist, bei Anstellung der 
Legalschen Probe (Zusatz von Nitroprussidnatrium und Natron- 
lauge zur Indollösung) angegeben, daß die Rotfärbung in eine 
schöne Blaufärbung bei Zusatz von Essigsäure umschlägt. 

Die Reaktion ist nach meinen Untersuchungen noch in 
einer Verdünnung des Indols von 1:500000 zu brauchen. 


Nachweis von Indol und Skatol. 533 


Skatol gibt diese Probe nicht; es tritt Gelbfärbung nach 
Zusatz von Natronlauge auf und schwache Violettfärbung beim 
Ansäuern und Kochen mit Essigsäure. | 

Die Nitrosoindolresktion mitSalpetersäure und Natrium- 
nitrit ist positiv bis höchstens zu einer Verdünnung von 1:100000. 

Skatol gibt die Probe nicht oder wenigstens nicht mit 
Rotfärbung, sondern mit Gelbfärbung. 

Die Cholerarotreaktion nach E. Salkowski zeigt für 
Indol eine Empfindlichkeit bis 1:1000000. 

Skatol gibt die Reaktion nicht. 

Die Formaldehydreaktion (Konto)!) (Zusatz von Form- 
aldehyd und konzentrierter Schwefelsäure) mit Indol Rotfärbung, 
mit Skatol Gelb- bis Gelbbraun-Färbung gibt nach meinen Er- 


fahrungen schon bei Verdünnungen von 1:100000 keine brauch- 
baren Resultate mehr. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 48, 185. 


Elektrolytische Dissoziation und physiologische 
Wirksamkeit von Pepsin und Trypsin. 


Von 
Jacques Loeb. 
(University of California, Berkeley, California.) 
(Eingegangen am 1. Juli 1909.) 


1. Es ist bekannt, daß Zusatz von Bäure die Wirksamkeit 
von Pepsin vermehrt und daß die Wirksamkeit von Trypsin 
durch Zusatz einer geringen Menge Alkali vermehrt wird. Für 
diese Tatsache fehlt bis jetzt, so weit mir bekannt ist, eine 
befriedigende Erklärung. Man hat von einer Pepsin-Salzsäure- 
verbindung gesprochen, aber die theoretische Chemie gibt uns 
keinen Anhaltspunkt dafür, daß derartige Additionsverbindungen 
chemisch wirksamer sind als die einzelnen Komponenten der- 
selben. Man hat ferner das Alkali bei der Trypsinwirkung und 
die Säure bei der Pepsinwirkung als Kofermente bezeichnet; 
aber das Wort Koferment gibt uns ebenfalls keine fördernde 
Einsicht in die Rolle der Säure bei der Pepsinwirkung. 

Dagegen gewinnen wir eine rationelle Erklärung der Wirk- 
samkeit von Säure bei der Pepeinhydrolyse und von Alkali bei 
der Trypsinhydrolyse, wenn wir von der Voraussetzung aus- 
gehen, daß Pepsin eine schwache Base, Trypsin eine schwache 
Säure ist. Ich glaube mich zu entsinnen, daß für diese An- 
nahme auch bereits eine tatsächliche Begründung vorhanden ist, 
vermag aber nicht anzugeben, wo ich darüber gelesen habe.!) 
Gehen wir von dieser Annahme aus, nämlich daß Pepsin eine 
schwache Base, Trypsin eine schwache Säure ist, so kommen 
wir zu folgendem Resultat: 

1) Diese Notiz ist während einer Reise geschrieben, wo mir keine 
Literatur zugänglich war: 


J. Loeb: Elekt. Dissoziation u. physiol. Wirkung v. Pepsin u. Trypsin. 535 


Die schwache Base Pepsin muß natürlich mit einer Säure 
ein Salz bilden, und der gleiche Prozeß muß eintreten, wenn 
Alkali zu der schwachen Säure Trypsin zugefügt wird. Statt 
der freien Base Pepsin haben wir alsdann ein Pepsinsalz, und 
statt der schwachen Säure Trypsin haben wir ein Trypsinsalz. 
In dieser Salzbildung sehe ich die Ursache der Erhöhung der 
Wirksamkeit von Pepsin durch Säure und von Trypsin durch 
Alkali, und zwar auf Grund einer Tatsache, auf die J. Stieg- 
litz jüngst besonders die Aufmerksamkeit gelenkt hat, nämlich, 
daß die Salze schwacher Basen und Säuren viel stärker elek- 
trolytisch dissoziiert sind als die schwachen Basen und Säuren 
selbst. 

Als bekanntes Beispiel möge NH,Cl und NH,OH dienen, von 
denen bekanntlich das letztere schwach, das erstere stark disso- 
ziiert ist. Für alle Reaktionen, die vom NH,-Ion abhängen (und 
nicht vom undissoziierten Molekül), ist also die aktive Masse 
größer, wenn NH,CI als wenn NH,OH angewendet wird. 
Wenn wir nun die Voraussetzung machen, daß die 
katalytische Wirkung von Trypsin und Pepsin vom 
Pepsin- und Trypsinion, und nicht vom undissoziierten 
Molekül ausgeht, so ist uns auf einmal die fördernde Wir- 
kung von Alkali auf die Trypsinhydrolyse und von Säure auf 
die Pepsinhydrolyse klar. Denn dadurch, daß die Säure mit 
der schwachen Base Pepsin und das Alkali mit der schwachen 
Säure Trypsin Salze bilden, wird die Dissoziation dieser Fer- 
mente und damit die Zahl der nach unserer Ansicht allein für 
die Fermentwirkung in Betracht kommenden Fermentionen — 
im Falle von Pepsin ein Kation, im Falle von Trypsin ein 
Anion — vermehrt; infolge dessen erhöht also der Zusatz von 
etwas Säure die Wirksamkeit von Pepsin, der Zusatz von etwas 
Alkali die Wirksamkeit von Trypsin, und zwar durch Erhöhung 
der aktiven Masse des katalytischen Agens, nämlich des En- 
zymions. Es läßt sich so wohl auch verstehen, warum bei- 
spielsweise nicht alle Säuren gleich günstig auf die Pepsin- 
hydrolyse einwirken. Denn, wie wir durch Arrhenius und 
Madsen wissen, wird eine schwache Base durch eine schwache 
Säure nur unvollkommen, durch eine starke Säure aber voll- 
kommen neutralisiert. Vielleicht hängt es damit zusammen, 
daß beispielsweise Salzsäure günstig, Borsäure und Phosphor- 


536 J. Loeb: 


säure aber weniger günstig auf die Pepsinhydrolyse wirken. 
Damit soll natürlich die Möglichkeit, daß auch. das Säureanion 
von Bedeutung für die Reaktionsgeschwindigkeit sein könnte, 
nicht in Abrede gestellt werden. 

2. Der hier entwickelte Gedankengang stützt sich — die 
schönen Arbeiten von Stieglitz und seinen Schülern über die 
Katalyse von Estern und Imidoestern durch Säuren.!) In 
diesen Arbeiten ist durch quantitative Versuche der Beweis 
erbracht, daß die Hydrolyse der Imidoester (und der Ester im 
allgemeinen) nach Maßgabe der Konzentration der positiven 
Esterionen und nicht nach Maßgabe der Konzentration der 
undissoziierten Estermoleküle erfolgt. Mit Wasser bildet nach 
Stieglitz der Ester eine Oxoniumbase, also z. B. das Methyl- 
acetat die Oxoniumbase dieser Verbindung: 


| 
(CH,CO)OCH, + HOH — (CH,C0) — OCH,. 


OH 
die in folgender Weise ionisiert: 
OH 
| + — 
(CH, CO) — O — CH, Z (CH,CO) — O — CH, + OH. 
| | 
H H 


Da der Grad der Dissoziation bei dieser Base nur gering 
ist und da nur das positive Esterion, nicht aber das undisso- 
ziierte Estermolekül für die Hydrolyse in Betracht kommt, 
so ist der Reaktionsverlauf sehr langsam. Setzt man aber eine 
Säure, z. B. HC], zu, so wird die Reaktion stark beschleunigt, 
und zwar nach Stieglitz einfach deshalb, weil der Ester mit 
der Säure ein Salz bildet, das viel stärker dissoziiert ist als 
der Ester selbst, der nur eine schwache Base ist. Da nur das 
positiv geladene Esterion in die Reaktion eintritt, so wird 
durch diese Salzbildung die Konzentration der Esterionen und 
damit die aktive Masse der reagierenden Substanz erhöht; daher 
die Reaktionsbeschleunigung. Damit ist die mysteriöse Re- 
aktionsbeschleunigung durch Säure auf ein rationelles Element 
zurückgeführt worden, nämlich die Zunahme der aktiven Masse 


1) Julius Stieglitz, Studies in Catalysis. Am. Chem. Jour. 39, 
29 und 166, 1908. 


Elektrolyt. Dissoziation u. physiol. Wirkung v. Pepsin u. Trypsin. 537 


infolge der Salzbildung. An den Imidoestern, welche gestatten, 
alle für die Reaktionsgeschwindigkeit in Betracht kommenden 
Variabelen direkt zu messen, konnte Stieglitz die Richtigkeit 
seiner Ansicht direkt nachweisen. 


3. Es besteht noch eine zweite Möglichkeit, die Einwirkung 
der Säure auf die Pepsinhydrolyse und die des Alkalis auf die 
Trypsinhydrolyse abzuleiten, aber das Resultat ist dasselbe. 
Wir können nämlich von der Voraussetzung ausgehen, daß 
beide Enzyme, Pepsin und Trypsin, amphotere Elektrolyte sind, 
was ja sehr wahrscheinlich ist. 


Ein amphoterer Elektrolyt OH-R-H kann bekanntlich in der 


Form R und R dissoziieren. Fügen wir nun eine Säure, z. B. 
| | 
OH H 
HCl, zu der Lösung eines solchen amphoteren Elektrolyten, so 
findet eine Salzbildung statt 


OHRH + HCI=CIRH + H,O. 
Der Elektrolyt kann in zwei Formen dissoziieren, nämlich in 


+ = — + 
der Form RH, Cl und RCI, H. Ist nun der Elektrolyt nur 
eine schwache Säure, so muß wegen der großen Dissoziations- 


tendenz der Salze die Dissoziation RH, Cl überwiegen, und der 
amphotere Elektrolyt muß elektropositiv sein. Ich glaube, daß 
dieses Überwiegen der Dissoziation der Salze über die Disso- 
ziation der schwachen Säuren und Basen auch in letzter In- 
stanz die berühmte Entdeckung von Hardy erklärt, daß Ei- 
weiß durch Zusatz von Säure elektropositiv, durch Zusatz von 
Alkali elektronegativ gemacht wird. Setzt man nämlich statt 
einer Säure Alkali zum amphoteren Elektrolyten, z. B. NaHO, 
so bildet sich NaRHO, wobei der Elektrolyt als Salz oder als 
Base dissoziieren kann. Da das Salz stärker dissoziiert als 
die Base, so bildet der Elektrolyt das negative Ion. 

Da nun Pepsin durch Säure wirksamer gemacht wird, so 
führt das zur Annahme, daß Pepsin nur in der Form eines 
positiven Ions als Enzym bei der Eiweißhydrolyse wirkt; und 
da Trypsin durch Alkali wirksamer gemacht wird, so müssen 
wir annehmen, daß Trypsin nur in der Form eines negativen 
Ions bei Hydrolysen beschleunigt. Wir kommen also auch bei 
dieser Annahme wieder zu dem Resultat, daß Alkali die Tryp- 


-538 J. Loeb: Elekt. Dissoziation u. physiol. Wirkung v. Pepsin u. Trypsin. 


sinhydrolyse daduroh beschleunigt, daß es die Masse der allein 
für die Wirkung in Betracht kommenden negativen Trypsin- 
ionen vermehrt und daß die Säure die Pepsinhydrolyse da- 
durch beschleunigt, daß sie die Masse der für diese Hydrolyse 
allein in Betracht kommenden positiven Trypsinsäuren erhöht. 

Wenn die hier gemachte Annahme einer Salzbildung 
zwischen Pepsin und Säure und Trypsin und Alkali richtig ist, 
so sollte sie einer Verallgemeinerung fähig und imstande sein, 
uns über manche Schwierigkeiten der Enzymchemie hinweg- 
zuhelfen. 

Zusatz. Diese Arbeit war vor 3 Wochen geschrieben 
worden. Inzwischen erschien eine weitere Arbeit von Mi- 
chaelis!), auf welche mich Herr Dr. Wolfgang Ostwald 
aufmerksam machte, mit dem ich über meine Idee korrespon- 
diertt hatte. Michaelis kommt in dieser Arbeit zu dem 
Schluß, daß nur das Pepsin dann proteolytisch wirkt, wenn 
es zur Kathode wandert. Ich sehe in diesem Schluß und in 
Michaelis’ Überführungsversuchen eine Stütze meiner Ansicht, 
daß nicht das Pepsinmolekül, sondern nur das Pepsinkation 
als Ferment wirkt. Gleichwohl wäre es unrecht, den hypo- 
thetischen Charakter dieser Annahme verhüllen zu wollen. 
Der Umstand aber, daß Bayliss*) gefunden hat, daß die Wirk- 
samkeit von Trypsin innerhalb gewisser Grenzen der zugesetzten 
Alkalimenge direkt proportional ist, weist auf die Möglichkeit 
hin, daß meine Hypothese sich zahlenmäßig prüfen läßt und 
daß die bereits existierenden Zahlen für die Richtigkeit der- 
selben sprechen. 


1) Michaelis, diese Zeitschr. 17, 234, 1909. 
2) Bayliss, The Nature of Enzyme Action, S. 48, London 1908. 


Berichtigung. 
Bd. 19 S. 106 Zeile 17 von oben: 
statt „desselben“ lies: „des Wasserstofisuperoxydes‘‘, 


Autorenverzeichnis. 


Aggazzotti, Alberto, siehe Fo& 
und Aggazzotti. 

Battelli, F. und L. Stern. Unter- 
suchungen über die Urikase in den 
Tiergeweben. 8. 219. 

Blumenthal, Ferdinand. Bei- 
träge zum Nachweis und zur Ent- 
stehung aromatischer Körper im 
Organismus. I. S. 52]. 

Bohmansson, Gösta. Über den 
qualitativen Nachweis des Harn- 
zuokers. S. 281. 

Buchner, Eduard und Hugo 
Haehn. Über das Spiel der En- 
zyme im Hefepreßsaft. 8. 191. 

Deleano, N. T. Eine neue Me- 
thode zur Reinigung der Per- 
oxydase. S. 266. 

Feigl, Johann u. Adolf Rollett. 
Experimentelle Untersuchungen 
über d. Einfluß von Arzneimitteln 
ge die Magensaftsekretion. IV. 

156 


Foä, Carlo und Alberto Aggaz- 
zotti. Über die physiologische 
Wirkung kolloidaler Metalle. S. 1. 

Fränkel, Sigmund. Über Li- 
poide. VI. S. 254. 

Frey, Ernst. Über Dünndarm- 
resorption. 8. 609. 

Friedheim, Willi. Die Stickstoff- 
verteilung in der Kub-, Büffel-, 
Ziegen-, Frauen- und Eselsmiloh 
bei Säure- und Labfällung. S. 132. 

Glikin, W. Zur biologischen Be- 
deutung des Lecithins. II. 8. 270. 

Haehn, Hugo, siehe Buchner und 
Haehn 


Halberkann, Josef. Über Assa- 
min, das neutrale Saponin der 
Assamteesamen. S. 310. 

Hasselbalch, K. A. Untersuchun- 
gen über die Wirkung des Lichtes 
auf Blutfarbstoffe und rote Blut- 
körperchen wie auch über optische 


Sensibilisation für diese Licht- 
wirkungen. S. 435. 

Heß, Leo und PaulSaxl. Hämo- 
globinzerstörungin d. Leber. 8.274. 

Hirokawa, Waichi. Über den 
Einfluß des Prostatasekretes und 
der Samenflüssigkeit auf die Vita- 
lität der Spermatozoen. S. 291. 

Höber, Rudolf. Bemer zur 
Deutung der Blutkörperchenka- 
taphorese. S. 494. 

Loeb, Jacques. Elektrolytische 
Dissoziation und physiologische 
Wirksamkeit von Pepsin u. Tryp- 
sin. S. 534. 

Michaelis, L. Die elektrische La- 
dung des Serumalbumins und der 
Fermente. S. 181. 

Rollett, Adolf, siehe Feigl und 
Rollett. 

Rosenthaler, L. Über katalysie- 
rende Emulsinbestandteile. 8.186. 

Salkowski, E. Über Fleischersatz- 
mittel. S. 83. 

Saxl, Paul; siehe Heß und Saxl. 

Slowtzoff, B. Über den Gas- 
wechsel der Insekten und dessen 
Beziehung zur Temperatur der 
Luft. S. 497. 

en — m vergleichenden 

ysiologie des Hungerstoffwech- 
sels. V. S. 504. 

Stern, L., siehe Battelli und Stern. 

Wiechowski,Wilhelm. Das Vor- 
handensein von Allantoin im nor- 
malen Menschenharn und seine 


Bedeut für die Beurteil 
des me lichen Harmsäurestoff- 
wechsels. S. 368. 


Winterstein, Hans. Zur Kennt- 
nis der Blutgase wirbelloser See- 
tiere. N 

— — Bemerkungen über die in 
dunkel gehaltenem Seewasser auf- 
tretenden Änderungen des Sauer- 
stoffgehaltes. S. 425. 


PERIODICAL 


THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATE 
STAMPED BELOW 


RENEWED BOOKS ARE SUBJECT TO 
IMMEDIATE RECALL 








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Series 458A 


— — 





51870 A 
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v.19