Kg, a
=
— ñ—
nu
ne]
un
O
in
H
m
w
e Ge
DT nt
I A es E — — E En
— OR ZZ II === Ze —— —
e Ce OF *
H £ e
* zu A s / |
N E = ® SE
` — Ch R — — — Cei
go `
at d
; i -
* Ae? Dia? e RK — an Den sen
> x - tO —— O
* — —— Pe K -= ~ i 3
Biochemische Zeitschrift.
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie.
Herausgegeben von
E. Buchner-Breslau, P. Ehrlich-Frankfurt a. M., F. Hofmeister-
Straßburg i. E., C. von Noorden-Wien, E. Salkowski - Berlin,
N. Zuntz-Berlin |
unter Mitwirkung von
L. Asher-Bern, J. Bang-Lund, G. Bertrand-Paris, A. Biokel-Berlin, F. Blumenthal-Berlin,
Chr. Bohr-Kopenhagen, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, 6. Bredig-Heidelberg, A,
Durig-Wien, F. Ehrlich-Breslau, O. Embden-Frankfurt a. Main, 8. Flexner-New York, 8.
Fränkel- Wien, E. Freund-Wien, U. Friedemaan-Berlin, E. Friedmann-Berlin, O.v. Fürth»
Wien, @. @aleoetti-Neapel, H. J. Hamburger-Groningen, A, Heffter-Berlin, V. Henrt-Paris,
W. Heubner - Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby-Berlin, R. Kobert-Rostock, M.
—— F. Landolf-Buenos-Aires, L. Langstein-Berlin, P. A. Levene-NewYork,
ven Liebermann-Budapest, J. Loeb-Berkeley, W. Leeb-Berlin, A. Loewy-Berlin, A.Mag-
aus-Levy-Berlin, J. A. Mandel-New York, L. Marehlewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad,
3. Meisenheimer-Berlin, L. Michaselis-Berlin, J. Morgenroth-Berlin, W. Nernst-Berlin, W.
Ostwald - Leipzig, W. Palladin - St. Petersburg, W. Pauli» Wien, R. Pfeiffer » Breslau,
E. P. Piok-Wien, J. Pohl- Prag, Ch. Poreher-Lyon, F. Roehmann-Breslau, P. Rons- Berlin,
8. Balaskin-St. Petersburg, N. Sieber-St. Petersburg, M. Biegfried-Leipzig, Zd. H. Skraup-
Wien, 8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K. Spiro-Straßburg, E. H. Btarling-London, PF.
Tangl-Budapest, H. v. Tappeiner-München, H. Thems-Berlin, J. Traube-Charlottenburg,
A. J. d Vandevelde-Gent. A. Wohl-Danzig, Je Wohlgemuth-Berlin.
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin.
Zweiundzwanzigster Band.
Berlin.
Verlag von Julius Springer.
1909.
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
LIBRARY
COLLEGE OF AGRICULTURE
DAVIS
Druck von Oscar Brandstetter, Leipzig.
)
.
4
Ze
Le
Inhaltsverzeichnis.
Buglia, ©. Hängt die Resorption von der Oberflächenspenwung Ae "`
resorbierten Flüssigkeit ab? . ....... EEEE
Ibrahim, J. Trypsinogen und Enterokinase beim menschlichen Neu-
geborenen und Embryo. . . .. 2: seven.
Sehätz, Julius. Über den Einfluß der Pepsin- und Salskeremengen
auf die Intensität der Verdauung, speziell bei Abwesenheit „treisr“
Balzssure..... 253 2 we ren
Leimäörier, Alfred. Über die Gasspannung in der Lunge, bei der
zwingend ein neuer Atemzug ausgelöst wird . . . . 2.2...
Poggenpohl, 8. von. Über die Bindungsweise hämolytischer Ambo-
Gëptoren `, eene e e a E ap e
Burri, R. und Ths. Nußbanmer. Über Oberflächenspannungs- und
Viscoositätebestimmungen bei Kuhmilch unter Verwendung des
Traubeschen Stelagmometers . . . . 2. 2 22er e 00.
Löb, Walther. Zur Kenntnis der Zuokerspaltungn. VL . . . . .
Ceminotti, Luigi. Über das Vorhandensein der Pentosen im Herne
des Menschen und der Tiere . . . . 2. 22 2 ee ee rn.
Dietrich, M. Über phosphorhaltige Caseinpeptone . . . . . . . -
Krauß, Ludwig. Die Jodsäurereaktion des Adrmalins . . . . . .
Krogh, Mentz L. v. Ein Versuch zur Stöchiometrie der Hämolyse.
Reichel, Heinrich. Zur Theorie der Desinfektion. I. . . .....
Reichel, Heinrich. Zur Theorie der Desinfektion. II. . . .
Berichtigung . e e 2.2 ea a
Reichel, Heinrieh. Zur Theorie der Desinfektion. IH. . .. .. .
Moruzzi, Giovanni. Untersuchungen über die Gelatinierung des Ei-
See. Loi an er E een Re ee
Stoekhausen, J. Beitrag zur Kenntnis der ohemischen Zusammen-
setzung des Hundekörpers . . .. » 22220 .. DEEN
Oguro, Y. Uber eine Methode zum quantitativen Nachweis des
Antipepsins im Serum . ... 2 2 on er ee ern.
Oguro,Y. Über die Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen.
Schloß, Ernst, Zur biologischen Wirkung der Salze. IL .. .. .
Backman, E. Louis und J. Runnström. Physikalisch-chemische Fak-
toren bei der Embryonalentwicklung . . . . . 2». 2.2.20.
Yoshimoto, 8. Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwälste . . . . .
G18 TI
Frey, Walther und Alfred Gigon. Über quantitative Bestimmung des
Aminosäuren-N im Harne mittels Formoltitrierung . . .
Löb, Walther und Shigeji Higuchi. Zur Kenntnis der Piscentaenzyine.
Higuchi, Shigejl. Zur Kenntnis des Fibrinenzyms der Placenta
Higuchi, Shigeji. Ein Beitrag zur chemischen Zusammensetzung
dér Placenta u: a nr. tr ae A A ee A a
Krogh, von Mentz L. Über die Reversibilität der Hämolyse.. . . .
Sürensen, 8. P. L. Ergänzung zu der Abhandlung: Enzymstudien II.
Über die Messung und die Bedeutung der Wasserstoffionen-
konzentration bei enzymatischen Prozessen. . . . .2....
Irvine, James Colquhoun. Über die Verwendung alkylierter Zucker zur
Bestimmung der Konstitution von Disacchariden und Glucosiden
izar, Guido. Über den Einfluß einiger nn auf
den Stoffwechsel : . . 2. 2 2.0 De rn ren
Simon, J. Schnelligkeit der Absorption des Strychnins in Gegenwart
von Kolloiden . 2... 58.0.8 as Eu u aa ae
Brasch, Walther. Weitere Untersuchungen über den bakteriellen Ab-
bau primärer Eiweißspaltprodukte . . . 2. 2 2222 2 220.
Rubland, W. Erwiderung . .. 2 2 2 se es ss e n. Fr
Parnas, Jakob. Über Kephalin.. . . s.. 22.2 22 2 2 2 2 0. S
Hanssen, Olav. Zur Kenntnis der Kohlensäurebildung im Organbrei
Hunaeus. Über den Kalkgehalt der Frauenmilch .........
Stepp, Wilhelm. Versuche über Fütterung mit lipoidfreier Nahrung
Glikin, W. Zur biologischen Bedeutung des Lecithins. (IV.Mitteilung)
Leyko, Z. und Marchlewski, L. Zur Kenntnis des Hämopyrrols II.
Reach, Felix und Röder, Ferdinand. Über den Energieverbrauch bei
der Atemarbeit . . 2 2: 00 0m ern en i
Sato, T. Beitrag zur Kenntnis des Nuoleoproteids der Milz. .. .
Paladino, Raffaele. Vergleichung des Hämoglobins einiger Weichtiere
mit dem der Wirbeltiere . . . . 2 222 22200. —
. 309
316
. 337
f
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung der
resorbierten Flüssigkeit ab?
Von
G. Buglia.
(Aus dem physiologischen Institut der kgl. Universität zu Neapel.)
(Eingegangen am 19. August 1909.)
Mit 10 Figuren im Text.
I. Ziel der Untersuchung.
In den letzten Jahren wurde die Aufmerksamkeit der
Physiologen auf die Erscheinungen der Oberflächenspannung
gelenkt, welche bei der Resorption in der Darmschlinge als
einer der wichtigsten der physikalisch-chemischen Faktoren er-
kannt wurde. Die Substanzen, welche teils mit Galle gemischt,
teils durch den Verdauungstrakt aus Proteinen und Fetten ge-
bildet, in die Darmschlinge gelangen, haben die Fähigkeit, die
Oberflächenspannung des Wassers, des gewöhnlichen Lösungs-
mittels, zu erniedrigen; nach Traube!) und Billard?) ist diese
Oberflächenspannungserniedrigung der wesentlichste Faktor,
‚welcher das Eindringen des Darminhaltes in die Zellen ver-
ursacht.
Leider wurde die Traubesche Theorie, welche auf den
allgemeinen Gesetzen der Resorptionserscheinungen beruht, durch
die experimentellen Arbeiten einiger Autoren nicht bestätigt,
weshalb ich es für angebracht hielt, mich in der vorliegenden
Arbeit mit dieser Frage zu beschäftigen.
1) J. Traube, Der Oberflächendruck und seine Bedeutung im Or-
ganismus. Arch. f. d. gesam. Physiol. 105, 559, 572, 1904.
2) G. Billard, Influence de sels biliaires et des savons sur l’ab-
sorption intestinale. C. R. Soc. Biol. 60, 1056, 1057, 1906.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 1
2 G. Buglia:
Meine Aufgabe war, den Einfluß der Oberflächenspannung der
Flüssigkeiten auf die Resorption in der Darmschlinge zu unter-
suchen. Die Experimente wurden deshalb zweckmäßig so ein-
geleitet, daß ein bestimmtes Volum physiologischer Kochsalz-
lösung in eine Dünndarmschlinge eingeführt und aus dieser nach
einer bestimmten Zeit entfernt wurde; durch Ausmessen dieser
Flüssigkeitsmenge wurde dann die resorbierte Menge bestimmt.
Sodann wurden unter ähnlichen Bedingungen Experimente ange-
stellt, wobei jedoch die zur Resorption bestimmte Menge der phy-
siologischen Kochsalzlösung eine Substanz beigemischt enthielt,
welche ihre Oberflächenspannung erniedrigte. Es wurden auch
Versuche mit einer Witte-Peptonlösung angestellt und der
resorbierte Anteil durch die Kjeldahlsche Stickstoffbestim-
mungsmethode ermittelt. Bevor ich jedoch die diesbezüglichen
Resultate mitteile, möchte ich einige Bestimmungen anführen,
welche ich ‚in vitro“ angestellt habe, um die Variationen der
Oberflächenspannung einiger Lösungen (Wasser, 10°/,ige Pepton-
lösung) kennen zu lernen, nachdem bestimmte Mengen verschie-
dener Substanzen hinzugefügt wurden. Dadurch konnte ich
also gleichzeitig feststellen, welche Lösung ich am zweckmäßig-
sten bei den Experimenten ‚in vivo" benutzen würde.
II. Experimente „in vitro“.
Experimentelle Technik.
Zu der Peptonlösung (10°/,ig) wurden folgende Substanzen hinzu-
gefügt: Natriumtaurocholat, Natriumglykocholat, Galle, Seife und Athyl-
alkohol Bei der Herstellung der zu untersuchenden Flüssigkeit ging ich
von einer Lösung der Substanzen von bekanntem Gehalte aus und ver-
dünnte dann diese mit Wasser oder Peptonlösung auf die gewünschte
Konzentration, und zwar immer auf ein Volum von 10ccm. Sodann
wurde die Oberflächenspannung der Lösungen in dem Fano-Meyerschen
Apparat bestimmt.!) Statt der berechneten absoluten Oberflächen-
spannung möchte ich die abgelesene Niveaudifferenz im Manometer mit-
teilen, da diese über die Variationen der Oberflächenspannung auch eine
exakte Rechenschaft gibt; die Messungen wurden immer in derselben
Capillare ausgeführt.
In vielen Versuchen habe ioh das spezifische Gewicht der Lö-
sungen im Ostwald-Sprengelschen Pyknometer bestimmt.
1) G. Fano und M. Mayer, Sulla tensione superficiale del siero
di sangue, Archivio di Fisiologia 4, 165, 177, 1907.
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 3
Die Daten sind in ein Koordinatensystem eingetragen und zwar
auf die Ordinate: die abgelesene Niveaudifferenz im Manometer (t) und
das spezifische Gewicht (s) der Flüssigkeit; auf die Abszisse: die Quan-
tität der Substanz in Gramm, welche in 100 ccm Wasser oder Pepton-
lösung enthalten war, außerdem das Volumen der Ausgangsflüssigkeit,
welche dann mit Wasser oder Peptonlösung auf 10 ccm aufgefüllt wurde.
A. Versuche mit wässerigen Lösungen.
Versuch 1.
2. IH. 09. Temperatur = 24° C. H,0 -+ Natriumglykocholat
(Kahlbaum).
Gemisch Niveau-
Natrium- Spez. | differenz
Bemerkungen
schwach opalescent
n
n
or
soo
S Stage one
opalescent
n
-
klar
Spe
Versuch 2.
3. III. 09. Temperatur = 24°C. H,O -+ Natriumglykocholat.
Niveau-
Spez. differenz
Gew. | im Mano-
bei meter
240 C in mm
T=38,5°C
— 31,1
1,0192 31,1
— 31,1
1,0102 31,1
— 30,5
— 31.0
| 1,0000 | 535
Die Kurve, welche die abgelesenen Niveaudifferenzen und die
Quantität des in 100 com H,O gelösten Giykocholats wiedergibt,
zeigt, daß die Konzentration des Natriumoholats bei 0,35°/, das
1*
4 G. Buglie:
Optimum aufweist, da die Oberflächenspannung sodann mit abnehmender
Konzentration ansteigt, um endlich die Oberflächenspannung des Wassers
zu erreichen, in höheren Konzentrationen wie 0,35°/, dagegen bei
einem Werte von 1,2°/, das Maximum erreicht. Mengen über 1,2°/,
bewirken nur eine unwesentliche Erhöhung der Oberflächenspannung,
so daß diese bis zu einer 2°/,igen Lösung voneinander gar nicht dif-
ferieren. Diese Erscheinungen werden nicht von entsprechenden Ver-
änderungen der Dichte begleitet, vielmehr treten physikalische Differenzen
auf. Eine 0,35 °/ ige Lösung des Glykocholats, welche also die niedrigste
Oberflächenspannung besitzt, zeigt die stärkste Opalescenz, während diese
mit steigender Konzentration verschwindet und bei 1,2°/, bis 1,5°/, ganz
aufgehoben wird.
Versuch 3.
4. III. 09. Temperatur = 23°C. H,;0-- Natriumtaurocholat
(Kahlbaum).
Gemisch Ge. | Niveau-
Natrium-| misches | Spez. —
no jtaurocho-|enthalten| Bemerkungen ` Gew. e en
2 latlösung |Natrium- | bei meter
J | 23°C | inmm
eem | cem lat in g EK GE Ke 38,5°C
— | 10.0 1,0 | schwach opalescent H ‚0016 26,2
2.0 | 8,0 0,8 a 26,2
4,0 | 6,0 0,6 3 L 0008 25,7
6,0 :; 40 0,4 | opalescent 27,0
8,0 | 2,0 02 S 1,0002 30,0
9.0 Lo | or | ` 33,5
9,5 | 0,5 0,05 S l ‚0000 41,5
98 |} 02 0,02 : 50,0
10,0 ' — SS klar 1 0000 53,0
Versuch 4.
6. ITI. 09. Temperatur = 23°C. H,O — Natriumtaurocholat.
Gemisch 100 ccm
— cl des Ge- | Niveau-
GT) misches | a
aurocno- , =
H,O latlösung —— Bemerkungen | beı ‚meter
0 23°C in mm
S lo u Wi a
em ccm EE — E
— 1.100 klar ' 10102 262
4,0 6,0 : x | 26,2
60 40 | S 10041 | 262
100 — e g i | 1,0000 | 53,0
Natriumtaurocholat erniedrigt die Oberflächenspannung des Wassers
noch erheblicher als das Glykocholat. Vergleicht man aber die zwei
Kurven, so bemerkt man, daß die zugesetzte Menge des Taurocholats,
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 5
70007 A
7005-1 30
0 0,5 10 3,0
1,5
Natriumglycocholot ër %
Kurve 1.
d
1015
7010
W05
7000- 20 75 30
Watriumtaurocholat ër % f
Kurve 2.
6 G. Buglia:
welche das Maximum der Erniedrigung hervorruft, erheblich größer ist
als die des Glykocholats, jenes liegt bei 0,6°/,, dieses bei 0,35°%/,. An-
dererseits sieht man beim Vergleich der Kurven, daß die Kurve des
Taurocholats viel langsamer ansteigt, so daß die Oberflächenspannung
einer 2°/,igen Lösung erheblich niedriger liegt als die des Glykocholats
bei gleicher Konzentration. Ebenso wie das Glykocholat, zeigt auch das
Taurocholat keine gleichzeitige Veränderungen des spezifischen Gewichtes,
vielmehr weist auch diese stärkere oder leichtere Opaleszenz auf.
Versuch 5.
7. UL 1909. Temperatur = 22°C. H,O Rindergalle aus der
Gallenblase.
0,0 27,1
8,0 27,1
7,0 27,6
6,0 27,6
5,0 27,5
3,0 30,0
I.0 36,
EN
Kä
E Fei
Die Galle erniedrigt am
erheblichsten die Oberflächen-
spannung in einer Mischung
von 8 ocm Galle -+ 2 ccm H,O.
Die Oberflächenspannung
dieser verdünnten Galle ist
gleich der unverdünnter, nor-
maler Galle. Mit Zunehmen
der Verdünnung wächst auch
die Oberflächenspannung. Die
Kurve, welche die Oberflächen-
spannung der Galle in ver-
schiedenen Verdünnungen dar-
stellt, zeigt jedoch nicht die
Eigentümlichkeiten, welche
das Glykocholat und Tauro-
cholat (dies jedoch in ge-
ringrem Grade) aufwiesen.
Sie erreicht kein Minimum, um dann mit zunehmender Konzentration
aufzusteigen. Ferner unterscheidet sich die Galle von den gallensauren
Salzen dadurch, daß sie bei der Verdünnung mit Wasser keine physika-
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 7
lischen Veränderungen erleidet, Opalesoenz tritt nicht auf, die Lösung
bleibt immer klar.
Versuch 6,
8. III. 09. Temperatur = 17°C. H,O -+ Natriumseife,
r T — —
es Gemisches im ometer
H,0 ee enthalten Natrium- in mm
RB. /o seife in g T—-370C
com
= 1,0 |
4,0 0,6 | 23,0
60 0,4 23,5
8,0 0,2 24,3
9,0 1 0,1 26,2
9,5 0, 0,05 | 30,7
99 0, 0,01 37,0
10,0 — — 53,
d
1000
0,950
0,700
2
WI TE SH 3 A 1 gëf
o
5 Li
Nafriumsejfelösung 1% cem 0630- Dese 7 e e 3 3 1 0 hlam '
10
Aethylalkohol cem
Kurve 4. Kurve 5.
Die Natriumseife, welche zur Untersuchung diente, habe ich aus
der gewöhnlichen Seife von Marsiglia durch Aussalzen gereinigt und dar-
gestellt. Es wurde sodann lg in 100 ccm Wasser gelöst. Wie man aus
der Kurve ersieht, erniedrigt diese die Oberflächenspannung des Wassers
viel erheblicher als die gallensauren Salze oder die Galle in entsprechendem
Verhältnis.
8 G. Buglie:
Versuch 7.
9. III. 09. Temperatur — 18°C. H,O + Äthylalkohol 97°.
u Gemisch 5 Se P
' pez. Gew. im Manometer
H,O Athyl l ;
2 ylalkoho bei 180°C in mm
T = 38,5° C
Von den bisher studierten Substanzen erniedrigt Methylalkohol die
Oberflächenspannung des Wassers am stärksten. Das spezifische Gewicht
variiert im gleichen Sinne mit der Oberflächenspannung.
Versuch 8.
13. III. 09. Temperatur = 16°C. H,O- Witte-Pepton.
Niveau- |
differenz
d
1035
1030
7075
7005
ee 76543 2710
“__ r 5 K4
DIT CS 5 2 7 0hlam Nolrumgigcocholaflösung 5 % cem
0
1000 - 25
5 7
Pepfonlösung 10% am
Kurve 6. Kurve 7.
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 9
Pepton Witte erniedrigt die Oberflächenspannung des Wassers auch
in relativ kleinen Mengen sehr erheblich, wie die Eiweißsubstanzen im
allgemeinen. — Wie aus der Kurve ersichtlich ist, sind die Variationen
bis 3%), am ausgesprochensten, während die Werte der Oberflächen-
spannung zwischen 3 bis 10°/, ziemlich konstant bleiben. Das spezifische
Gewicht steigt aber mit zunehmender Menge des gelösten Peptons.
B. Versuche mit Pepton (Witte) - Lösung.
10g Pepton (Witte) in warmem Wasser gelöst.
Versuch 1.
17. III. 09. Temperatur — 20°C. Peptonlösung + Natriumglykocholat.
100 com des Ge- Niveau-
Gemisch misches differenz
enthalten in g Spez. im
— — — Gew. S
Pepton- | Natrium- en bei —
lösung |giykocho- Natrium- 22°C | in mm
100 ho Wer Pepton giyko-
cholat
— klar
3,0 stark opalescent 28,0
80 S 5 25,3
9,0 8 pi 24,4
9,5 f S 25,3
10,0 kalt filtriert 29,5
Die mit Natriumglykocholat versetzte Peptonlösung zeigt eine er-
hebliche Erniedrigung der Oberflächenspannung, und zwar in relativ viel
geringeren Mengen, als dies beim destillierten Wasser der Fall war.
Natriumglykocholat im destillierten Wasser erreicht nie die Oberflächen-
spannung einer Natriumglykocholat-Peptonlösung. Dieses Gemisch erreicht
in mittleren Konzentrationen den niedrigsten Wert der Oberflächen-
spannung, jedoch ist die Menge der Substanz größer als diejenige, welche
im Wasser die maximale Erniedrigung hervorruft. Die aufgezeichnete
Kurve zeigt eine ähnliche Richtung wie die wässerige Glykocholatlösung,
d.h. mit zunehmender Konzentration sinkt die Erniedrigung vom An-
fange an, um dann bis zur Oberflächenspannung der reinen Peptonlösung
anzusteigen. Die Variationen der Oberflächenspannung sind von physi-
kalischen Erscheinungen begleitet: die Lösung trübt sich mehr oder
minder mit der Konzentration.
Das spezifische Gewicht der Peptonlösung nimmt mit zunchmender
Menge des Glykocholats fast proportional ab.
10 G. Buglia:
Versuch 2.
20. III. 09. Temperatur — 16°C. Peptonlösung + Natriumtaurocholat.
Gemisch misches differenz
enthalten in g im
Bemerkungen Mano-
Pepton- | Natrium-
lös taurocho-
stark opalescent
9,0 g , 244
9,5 opalescent 26,0
10,0 klar (kalt-filtriert) |1,0286) 30,0
Die Schwankungen der Oberflächenspannung des Wassers, welche
durch Zusatz von Natriumglykocholat resp. Taurocholat verursacht werden,
treten noch charakteristischer hervor, wenn gleichzeitig Pepton zugegen
ist. Hier werden die Unterschiede zwischen Glykocholat und Taurocholat
noch ausgeprägter; die Kurve des Glykocholats weicht nicht nur bezüg-
lich der geringeren Menge, welohe die maximale Oberflächenspannungs-
erniedrigung hervorruft, von der Kurve des Taurocholats ab, sondern
auch bezüglich des oharakteristischen Ansteigens.
Versuch 3.
24. III. 09. Temperatur — 180°C. Peptonlösung 4 Natriumseife.
— nn EE — — TT— — EE
misohes
enthalten in g
— 5,0 |opalescent (filtriert) | 1,0107
20 | 40 , f
40 | 30 . 2
60 | 20 : i 19,9
80 | 10 n ; 1,0170 23,5
90 | 05 i g 27,1
100 | — | klar (filtriert) be 30,5
Auch Seifenlösung erniedrigt die Oberflächenspannung der Pepton-
lösung erheblich, die dazu nötige Menge ist jedoch geringer als diejenige,
welche die Oberflächenspannung des reinen Wassers am bedeutendsten
erniedrigt.
7- 30
15
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 11
BIETE ra s F > A ei 1000 2 a
S S o v *
Natriumtssrocholafiösung Zë cem
Kurve 8;
Versuch 4.
ZPEEERENENEN
35
T
J
ËU
IE 16 5 433 10
8 10
Natriemseffefösung 5% cem
Kurve 9.
27. III. 09, Temperatur — 210°C. Peptonlösung +4 Athylalkohol 97°.
10,0
|
Bemerkungen F
klar
flockiger Niederschlag; das Fil-
trierte ist opalescent
do.
reichlicher flockiger Nieder-
schlag; das Filtrierte ist opa-
lescent
flockiger Niederschlag; das Fil-
trierte ist opalescent
opalescent
klar (filtriert)
npes-
Niveau-
differenz
im Mano-
meter
bei 250C ear
0,7946
0,8700
0,9193
0,9672
0,9980
1,0122
1,0274
T=38,5°C
17,5
19,5
22,5
28,5
28,5
28,0
30,0
Die Kurve, welche die Oberflächenspannungen eines Peptonlösung-
Alkoholgemisches in verschiedenen Konzentrationen darstellt, weicht von
der Kurve der wässerigen Alkohollösung wesentlich ab, jene erreicht
zweimal einen maximalen Wert; im Anfange ist das Ansteigen weniger
ausgeprägt, und man beobachtet nach Zufügen geringer Quantitäten
Alkohol eine bleibende Opalescenz der Peptonlösung. Übersteigt die zu-
gesetzte Menge Alkohol 20°/, (in der
10°/,igen Peptonlösung), so
wendet sich die Kurve nach unten. Es entstehen sodann immer reich-
lichere Niederschläge, bis endlich sämtliches Pepton niedergeschlagen wird.
12 G. Buglie:
Die Tabelle und die Kurve beweisen, daß die Oberflächenspannung
des Wassers sowie der 10°/,igen Peptonlösung am stärksten durch Alkohol
erniedrigt wird.
Aus den vorstehenden „Experimenten in vitro“ geht her-
vor, daß die Variationen der Oberflächenspannung, als Funk-
tionenderKonzentration, nicht
050- A für alle Substanzen die glei-
E i chen sind. Dieselbe Substanz
35 N erniedrigt nicht im gleichen
| | HP Maße die Oberflächenspann-
1020 30 ung des Wassers und die der
Peptonlösung. Im allgemeinen
| nimmt die Oberflächenspann-
| ung mit zunehmender Sub-
LN, ,
ETITA | stanzmenge ab, jedoch nicht
\ | IL proportional. In einigen Fällen
j ap (gallensaure Salze) entspricht
\ » das Maximum der Erniedri-
TU" oos whaa Kung nicht der höchsten Kon-
— E E zentration des Lösungsge-
Attıyalkohol am misches. In diesen Fällen
Kurve 10. beobachtet man Präcipita-
tionsphänomene, welche je-
doch verschwinden, sobald die Konzentration der Lösung und
damit die Oberflächenspannung erhöht werden.
Es handelt sich in diesen Fällen — welche höchstwahr-
scheinlich infolge von Dissoziations- oder hydrolytischen Prozessen
auftreten — um ähnliche Erscheinungen, welche beim Blut-
serum zu beobachten sind, wenn man Mineralsäuren in ver-
schiedenen Konzentrationen hinzusetzt.!)
25
1010-7 20 —
UL Experimente „in vivo“.
1. Versuche mit physiologischer Kochsalzlösung an einer
isolierten Dünndarmschlinge.
Experimentelle Technik.
Man isoliert die Dünndarmschlinge, ohne diese vom Mesenterium
abzutrennen und vermeidet so gut wie möglich die Störung der Blut-
1) G. Buglia, Veränderungen der Oberflächenspannung des Blut-
serums unter dem Einfluß von verschiedenen Elektrolyten. Diese Zeitschr.
11, 4, 311, 1908.
Hängt die Resorption von der Öberflächenspannung ab? 13
zirkulation. In diese Darmschlinge wird dann die Flüssigkeit von 37°C
eingefüllt, die man nach einer bestimmten konstanten Zeit entfernt und
bestimmt die absorbierte Menge durch Volummessung oder, falls es er-
forderlich ist, durch Bestimmung der Stickstoffmenge in der eingefüllten
und entfernten Flüssigkeit. Man kann dieselbe Dünndarmschlinge zur
öfteren Wiederholung des Versuches benutzen, wobei man aber dafür
Sorge zu tragen hat, daß diese mit physiologischer Kochsalzlösung von
37° C sorgfältig ausgespült wird.
Während des Experiments wird die Dünndarmschlinge in der Bauch-
höhle gelassen.
Versuch 1.
16. III. 09. Zimmertemp. = 15° C.
Hund von 8500 g Gew.; hungert seit 8 Stunden.
Isoliertes Darmstück 40 cm lang; Entfernung vom Pylorus 45 cm.
Um 10 Uhr 49 Minuten werden 30 com 0,9 °/,ige Kochsalzlösung
54
LE
eingeführt.
wird die Lösung entfernt. Vol. = 15,3 ccm.
werden 30 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung +
0,075 g Natriumtaurocholat eingeführt.
wird die Lösung entfernt. Vol. = 22,0ccm.
werden 30 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung ein-
geführt.
wird die Lösung entfernt. Vol. — 19,0 cem.
In den Darm
eingeführte
Lösung
Oberflächenspan-
1. ]:NaCl 0,9%
2. |NaC10,9%/,-1
Natrium-
. taurooholat |
3. 1. NaCl 0,9°/ |
12
12
12
12
12
g:
Niveaudifferenz
nung der einge-
oe | führten Lösun
Do
D Kal u U
3257 555737675,3588
25 On |BM 64 hage >
525335338 wA ng 335 e
SEKR Ek Eetie Sei
Ssstslen- 280% ae E
EEE SE
33 = SIACH ck PO S G
u Zr — Kësse A288 — Tea einen SE
37 | 15 | 15,3 | 14,9
> 0.1201 99
19,0 11,0
| |
Versuch 2.
17. III. 09. Zimmertemp. — 14°C.
Hund von 7000 g Gew.; hungert seit 12 Stunden.
Isoliertes Darmstück 60 cm lang; Entfernung vom Pylorus 50 cm.
Um. 11 Uhr 47 Minuten werden 50 ccm 0,9 %/, ige NaCl-Lösung ein-
3?
99
geführt.
wird die Lösung entfernt. Vol. == 37 com.
„werden 50 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung --
0,035 g Natriumtaurocholat eingeführt.
wird die Lösung entfernt. Vol. = 36,8 ccm.
werden 50 com 0,9 0/ ige NaCl-Lösung ein-
geführt.
wird die Lösung entfernt. Vol. — 38,5 ccm.
14 G. Buglia:
1o N „DO 23 8
s| Eo ESSES IA TB
SH» go, 28” EE 338 £
d g „Ss SH ja 8 8 2
5 | 388 1398335 Zäëaiefel Ë
F aS FEERPE SPDLZER 3
= e gen RB Asg Gë
1. | NaCl 0,9°%/ 63 15 37,0 | 13,0
2. |Nac10,99,1] 34 à 368 | 132
Natrium-
taurocholat |
3. | NaCl 0,9°,, 53,5 a | 38,5 | 11,5
Versuch 3.
21. IH.09. Zimmertemp. = 15°C.
Hund von 11000 g Gew.; hungert seit 6 Stunden.
Isoliertes Darmstück 35 om lang; Entfernung vom Pylorus 40 cm.
Um 10 Uhr 3 Minuten werden 30 ocm 0,9°/,ige NaCl-Lösung ein-
geführt.
„ 10 „ 18 = wird die Lösung entfernt. Vol. — 25,5 ocm.
„ 10 „ 21 e werden 24 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung +
6 com frische Rindergalle eingeführt.
„ 10 „ 36 F wird die Lösung entfernt. Vol. — 28,5 com.
„ 10 „ 44 ge werden 30 com 0,9°; „ige NaCl-Lösung ein-
geführt.
„ 10 „ 59 de wird die Lösung entfernt. Vol. — 29,0 eem.
Au eg e Di =
g bus e E.n jew | g
& EFF BER FRSE | 8
g gogan MSc H wS g KE:
A 333353 333 375 E EZ li 5
5 EKEE EES EEE EE E
g -EE-E g2|1532° ©
E e $ a al g
e FEASA SE
5 4,
Le
aa
es
©
Es folgt einwandfrei aus diesen Experimenten, daB die Resorption
der physiologischen Kochsalzlösung im Darme nicht erhöht wird, wenn
man ihre Oberflächenspannung erniedrigt, sei es durch Zusatz von gallen-
sauren Salzen, sei es durch Rindergalle.
2. Versuche mit Witte-Peptonlösung.
Man isoliert in der gleichen Weise, wie früher angegeben,
zwei Darmschlingen. In die eine wird Witte-Peptonlösung
eingebracht, in die zweite Peptonlösung und eine bestimmte
Lé
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 15
Quantität Natriumtaurocholat. Nach 15 Minuten werden die
Lösungen aus dem Darme entfernt und in einer Portion der
Stickstoff nach der Kjeldahlschen Methode bestimmt. Die
Differenz zwischen dem Stickstoffgehalte vor und nach der Ent-
fernung der Lösung ergibt die resorbierte Quantität Pepton.
Um Versuchsfehler so gut wie möglich zu vermeiden, habe ich
die Darmstücke nach dem Experiment herausgenommen, sorg-
fältigst gereinigt, gewaschen und gewogen und reduzierte sodann
die resorbierte Peptonmenge auf 1 g des benutzten Darmes.
Versuch 1.
10. II. 09. Temp. = 13°C.
Hund von 7,050 g Gew.; hungert seit 5 Stunden. In die eine
Darmschlinge (A) (27 em lang; Entfernung vom Pylorus 44 cm) werden
25 com Peptonlösung eingeführt (5 g Pepton, 100 ccm physiol. Kochsalz-
lösung in der Wärme gelöst, dann auf ca. 37° abgekühlt); in die andere
(B) (30 cm lang; Entfernung vom Pylorus 71 cm) Peptonlösung -+ Natrium-
taurocholat (5g Pepton in 100 com physiol. Kochsalzlösung in der Wärme
gelöst, sodann 1 g Natriumtaurocholat hinzugesetzt, warm filtriert und
auf etwa 370 C abgekühlt).
Die Flüssigkeiten werden aus dem Darme nach 15 Min. entfernt,
mit physiol. Kochsalzlösung reichlich nachgewaschen und das Waschwasser
mit der ursprünglichen Lösung gemischt und zwecks Entfernung der
etwa vorhandenen Eiweißsubstanzen aufgekocht und filtriert.
Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug:
Aus der Darmschlinge A — 288 com
Hi II „ B = 241 nn
Gewicht ,, * A= 40g
DI „ an B= 4 nm
— CET 1%... 28 Ka m + e wee &
g af 3 33330 Gab ag | |$SE
g 2 EE EEFE Lët EIERE vw 1955
3 éi Als 5882233 o0 gg | wg En O E ap | *
IFHIEERSIERREERG SEIFGESE SEE p ABR
DROGEN om aano gi — | QH SEIN.
3.553080 58.» I 8305 025 28 E Lë ef
EOF FRE PIE EIER Br
=: EE- S > 33 lesg "Il S D E
2 sg GO ECKE
k Peptonlösung 25 get A 30,2 01715 15 | 0,1290 0,0425, 0,1062
Ö k 0 473/,” 25,3 0,1785 is | 0,1336 0,0449 0,0998
|
taurocholat |
Versuch 2.
20. I.09. Zimmertemp. = 14° C.
In diesem Versuche und den zwei nachfolgenden wurden die Darm-
schlingen ausgeschnitten, sodann mit der zu untersuchenden Flüssigkeit
16 G. Buglia:
gefüllt und in einer Flasche mit 200 cem physiol. Kochsalzlösung bei 36°
im Thermostaten stehen gelassen.
Hund von 6000 g Gew.; hungert seit 10 Stunden. Das Tier wird
durch Verbluten getötet und vom Darme werden drei Stücke ausgeschnitten.
Das erste Stück (A), welches vom Pylorus 15 cm entfernt war,
wurde mit 24 ccm Peptonlösung gefüllt (5 g Pepton in 100 ccm physiol.
Kochsalzlösung in der Wärme gelöst); das zweite Stück (B) mit 24 ccm
Peptonlösung + Natriumtaurocholat (5 g Pepton in 100 com Wasser in
der Wärme gelöst), sodann 1 g Natriumtaurocholat hinzugefügt und
warm abfiltriert; das dritte (C) mit 24 ccm Peptonlösung wie bei A.
Nach 1 Uhr 10 Minuten werden die Lösungen aus dem Darme
entfernt, mit physiol. Kochsalzlösung gut nachgewaschen, die Flüssig-
keiten vereinigt, sodann gekocht und filtriert wie beim Versuch 1.
Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug:
Aus dem Darm A— 200 ccm
nn d 9 B = 212 nn
o ko O=);
Gewicht des Darmes A = 34 g
» » on B=40,
nm „ an C= 30 „
K 8 a gz: (A, sp, Ela g 3 ee |» i
ga | IS o wg solm LE a E-
w Be 85 at 1ëëÉR ISS gah a8 |
E e r Q © oe H H „| Er N
=| ASF EEEE IEEE EREET 5
SE D Ke fæ Q pg "ei ve wg Ki ba kl LC © A "e e D | E = 8
Q e | Hl 92% ro © Q
| 58% ETEEN EEE cE:
Si "Ze aanp amn aws Sa gana Ee | A
K oB "ob BEE edit Ss
AB >g | 3 Zeëebieë ëss ez |
1. [Peptonlösung| 24 |0 441; "| 302 0,1646 70 | 0,1557 (0,0089
2. [Peptonlösung| „ |0 472/5” 25,3 0,1713 8 | 0,1543 0,0170
-+ Natrium- | | | |
taurocholat | | |
Peptonlösung| ,„ 10441,” 302 10,166 „| 0,1534 0,0112
Versuch 3.
10. IV.09. Zimmertemp. = 13°C.
Hund von 5500 g Gew.; hungert seit 15 Stunden;
Das Tier wird durch Verbluten getötet und vom Darme werden vier
Stücke ausgeschnitten.
Das erste Stück (A), welches vom Pylorus 20 cm entfernt war,
wurde mit 25 ccm Peptonlösung + Natriumglykocholat gefüllt (5 g
Pepton in 100 ccm warmem Wasser gelöst, sodann 1 g Natriumglyko-
cholat hinzugefügt und warm abfiltriert); das zweite Stück wurde
mit 25 ccm Peptonlösung gefüllt (hergestellt durch Lösen von 5 g Pepton
in 100 ccm Wasser in der Wärme).
Nach 1 Stunde werden die Lösungen aus dem Darme entfernt, mit
physiol. Kochsalzlösung gut nachgespült, die Flüssigkeiten vereinigt, so-
dann gekocht und filtriert wie in den Experimenten I und II.
wl
f
| Berechn. Menge |
Se |Pepton, von 100g
| Darm resorbiert
so
DD g
CN
0,0373
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 17
Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug
Aus dem Darm A = 200 ccm
B= 465 „
Gewicht des Darmes A — 30 g
LEI 38 kW B= 26 „
P 4352383 Baf |3g SE
E 3 EE 5558 438 Rn
= t CEEE- E Wg | wd B, So E W GK
E SECHER S $
g 39535888 8593 KEE 58
5 &0 BEIE KEE EK 8
A ©: Ep Se 83553 38 F
> ga, eléëë 353 av Dé
eptonlösung
-+ Natrium-
glykocholat
nlösung
©
kel
Na,
EA
Or
©
‚1232 0,0203 0,0676
0,1354 hard 0,0446
Versuch 4.
25. IV. 09. Zimmertemp. = 16°C,
Hund von 8160 g Gew.; hungert seit 10 Stunden.
Das Tier wird durch Verbluten getötet und von seinem Darme
werden drei Stücke ausgeschnitten.
In das erste Stück (A), welches vom Pylorus 25 om entfernt war,
wurden 25 ccm Peptonlösung eingefüllt (5 g Pepton und 100 com physiol.
Kochsalzlösung in der Wärme gelöst); in das zweite Stück (B) wurden
25 ccm Peptonlösung -+ Natriumseife eingefüllt (5 g Pepton in 100 ccm
physiol. Kochsalzlösung in der Wärme gelöst, sodann 0,5 Natriumseife
hinzugefügt und warm abfiltriert); in das dritte Stück (C) dieselbe
Flüssigkeit wie bei A.
Nach 30 Minuten werden die Lösungen aus dem Darme entfernt,
mit physiol Köchsalzlösung gut nachgespült, die Flüssigkeiten vereinigt
aufgekocht und filtriert wie bei den Experimenten 1, 2, 3.
Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug:
Aus dem Darme A = 310 com
LU) 39 39 B= 275 LÉI
C=340 ,
Gewicht des Darmes A — 45 g
LA LI LA B= — 40 33
np nm nm C= 35 „
|
|
|
, œ =] gr „Ojeg nm. I» DD A3
ge las LH 43435535233 EE 35 | (25%
S| din Deler ER ll tin| g 372
al Gëf Loch ëss ES E CS
7 EES "3 Oe Cf: 338 023 D 5 oo oe |do
CR 3 ei Gi "ie o le %5 |2 9524 538 BI e b
: Zb: ER BEP -FEFERIFERISER FIR ER A BSa
A| as Gs ob s552 gase e325 3g | ^O 5885
CSR gidžfaag Ag |29 | AEA
25 |0422," 30,7 0,1407) 30 | 0,0025 0,0782| 0,1737
oa 212 [012 „| 0,0893 0,0549 0,1372
| |
|
, [0 aaa," 30,7 0,1407 „ | oorsı 0,0626, 0,1788
Biochemische Zeitschrift Band 22. 2
18 G. Buglie: `
Diese Experimente, welche mit Peptonlösung teils an der Darm-
schlinge in situ, teils an ausgeschnittenen Darmstüoken ausgeführt wurden,
beweisen also nicht, daß die Resorption der Peptonlösung erleichtert
wird, falls ihre Oberflächenspannung durch Substanzen erniedrigt wird.
3. Versuche mit physiologischer Kochsalzlösung (0,9°/,) an
einer Thiry-Vellaschen Darmschlinge.
Zum Schluß möchte ich Experimente mitteilen, die an
einem Hunde mit Darmfistel ausgeführt. wurden. Das Tier
(Hund von 15650 g Gewicht) wurde am 27. März nach der
Thiry-Vellaschen Methode operiert. Die Dünndarmschlinge,
etwa 20 cm lang, wurde mit der Abdominalwand vernäht; die
Entfernung vom Pylorus betrug 20 cm. Die Wunde heilt in
ziemlich kurzer Zeit, so daß ich das Tier schon nach 25 Tagen
benutzen konnte.
Experimentelle Technik.
In die Öffnungen der Abdominalwand wurden etwa 3 om lange,
in der Mitte verjüngte Glasröhren eingeführt. Die Dioke der Röhrchen
war so berechnet, daß diese an der verengten Stelle durch die Fistel-
öffnung verschlossen wurden. Das eine Röhrchen, welches in die Abdo-
minalöffnung führte, wurde mit einem Gummischlauch verbunden und
dieser durch eine Klemme verschlossen. Das vordere Röhrchen wurde
mit einem T-Rohr verbunden, welches einerseits mit einer Bürette,
andererseits mit einem Gummischlauch und Klemme verbunden war.
In dieser Anordnung wird nun ein gemessenes Volum der zu unter-
suchenden Flüssigkeit in den Darm eingefüllt und nach 15 Minuten aus
diesem entfernt, und das Volum bestimmt. Um die Flüssigkeit aus der
Darmschlinge so gut wie möglich zu entfernen, bläst man schwach in
den angebrachten Gummischlauch, welcher mit dem T-Rohr und dadurch
mit der Darmschlinge kommuniziert.
In den Vorversuchen habe ich beobachtet, daß die eingefüllte und
sofort entfernte Flüssigkeit konstant etwa l com an Volum abnahm,
höchstwahrscheinlich deshalb, weil dieser an der Darmmuskulatur ad-
härierte. Da ich jedoch immer dieselbe Darmschlinge benutzte, so fielen
doch die Volummessungen mit ziemlicher Genauigkeit aus, und somit
war die Bestimmung des resorbierten Volums mit keinem merklichen
Fehler behaftet.
19
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab?
Versuch 1.
19. IV. 09. Temp. 19°C. Hund hungert seit 12 Std.
Di ZA TR E
woo Ul
Zunso] Oaigiat
-}uə Jop wnjoA
mm a e A A
"um qu
}u19}}uə oduryos
-ULIB(] aop sne
parm Bunso oq
Junso usıynyo
-uto aop wnjoA
(%9) Do U!
yog sng aop
anyeıoduıe],
Oo SEL "wur ut
I1999wOusm ul
ZU9IOFIPNBOAIN
une usJıyny
ou aop Junu
‚usdsuogsggıoq
LH
LI
H
H
Versuch 2.
22. IV. 09. Temp. 19°C. Hund hungert seit 11 Std.
na e an a "e
woo ul
Zunso] U9JUIOJ
-Ju3 I9p mnjoA
a e "e "e "gë 8 "e
om goen
e a a pp e
e A eg pm e
uoo ul
Junso usjıynyo
-urð Jop WNA
(80) Oo ur
Nonısen] 7 aop
ınyeIodwof],
og SÉ L "mu Ur
Izmo ouv wm
2uaaouipuvoa
:ZunsY] uyqu}
oduio aop Zong
uxdsuoioxpaoq
na we e E
e e ao A gi d
aana pg DA AAi e
A A a A A G
a ge aà e A A
NaCl 0,9 %/,
Versuch 3.
24. IV. 09. Temp. 19°C. Hund hungert seit 12 Std.
| ccm
5
8
woo ul
| Bunso uyu} | ere
| -Jue Jop umjoy | "1
um qeu |
‚yuıopyus odurnyss| no .
| -edq Jop sne |
pim Zunsorf arg ||
woD ut
Bunso uanze 9 2 22:
| -uro ap wnjoga ||
(a) |
yoy Ip |B 2223
— —
Oo SEL "mm
I9J0wWOUe u |
ZUSIOpIPNBAAIN | Q aasa
| Sanep age 8
-adum aop unu ||
|-wedsuoqogp1oq0 || ?
| o
Lee ë
| ©
amor 139782
Cu GT „Haste S
Do uəp uf ENF
—_ —
| uoduny.swog ind
G. Buglia:
Versuch 4.
26. IV. 09. Temp. 21°C. Hund hungert seit 24 Std.
Ae asp mnjoA
um qovu
puaojaua oↄuiijos
Jop me
BIS sanso eig
woo ut
umso’ gau g0)
-mo 190p wng
(%0) Do u
io freed aop
anyeıodwayL
Oef SEL "mm
INFWOUBM UI
ZUEIHHTPNYOAIN
Song" Gougnt
-adurs ıop Zong
„uudsusyoeguog
29. IV. 09. Temp. 20°C. Hund hungert seit 10 Std.
i.
w0 ut
Junso Gogm9t
-4u 109p mn[oA
um qru
quaojquo oduryos
OUT Jop SNe
pIu suner od
woo ot
biert.
com
Junso usı1UnJ92
mo op umjoA
(8) Oo ut
teg Zeng aop
qasaadtuoJ,
Oe gë L mo
Aoi1gOugeng ot
Zuo IDpgaAIN
Song" uor}
-outo aop Junu
-usdsusypgg12g0
a e "e e
RR. E Ae
ell e e A a A
E EE
u [ Gw e e A
— e
Qz: ©
e
5
— ——
7
©
>
EEE
(>e) a aA a a A
8
©
e"
Se
S SE EE
Z
1. V. 09. Temp. 20°C. Hund hungert seit 12 Std.
Junsoy gemet
4uo 19p umjoA
"um qou
Oe KEE Gute
-ULIB(] aop sne
pim Bunso oq
-eut aop tunloA
(8) Do UI
yogs 19P | Q
angsıodwey, |
Oe SÉ L "wu
Aoiomouenm on
ZUSIOFTPNEYAIN || wa
Bonet usyıuny || &
oꝰuio Ip Junu
39
99
$
giykocholat
21
Versuch 7.
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab?
17. V. 09. Temp. 22°C. Hund hungert seit 10 Std.
Bus : Bu S
S 5 3 S g SE g | Sa |
A ‘2 Ò a 5 8 —5 el mm
2 —
woo ut wo o woo ut
Junso Gaga) 3 Junso uoauaoj vi ZumsoT ueul | SC F
-Jua Jop wnjoA e -}uə aop umfoA el A9 1op unlo || T7 en
org goen g || um geu ol ww qru | |
auaojauo Zu qos g || Yuzeyyue aduryos WEICKER d
-uLieq aop Sne il -usq 109p sne Si -meq aop sne || ~ 5 `
paa Bunso oq p || p1 Bunsg[ arq Dia ZunsY] oq
u0 ur & w» ul 5 moo oi
Zunso] uau qy} o | 2u usyıynje g Junso usyaynjed| 9 2 S
-uro Jop wnjoA R -uro aop WNA 5 || TO aop mA
(80) Do u S (8) Oe ut J (8) Do ur
yoniıssu]y aop a || aeoaäeentg ep ES || apaäteept? aop N è S
anysıodue]L o || ımyeıodwej, e Di mysıodwoL
SËCH u” Voeggg 1 mm og H -5 Iüegge 1. mm og
Aoiamougnm u 25 || saeamogeng un Ge || ı9>wouey u
ZUSIEFTPNEBAIN g ZUI IpnUoAN X || zuossgrpnesan | a, ei
:3008Q7] gen Hi || :3unso] uoyıyny || Bunso uoan | 3 ° Q
-oĝuro ıop Song c5 || -23u19 aop Song g || ago aop Junu
e |-usdsuoyogpIoq e ||- xedsuoyoggioqo
a w
— KS TO * Š 3 > Zei
(e>) a a CR $ a
ei ek = S > — S sg
5333358 = ula 348:
KK l 5 c || wea up ur |3 Q48
Z SAUZ 8 2 Z A SS
E - Se
e
ec
dd dr
f
i
G. Buglia:
22
Resor-
biert
wo ut
Song" uaquaoj
-}u9 aop wmnjoA
UW qovu
yuıoyJu9 oO os
-unuq aop sne
pirm ZunsY] orq
-uto 1909p wmjoA
(80) Do gt
2eg eeng 190P 1 A
anyeıodwaL
Oeë SÉ L u
Zoiomoen ot
zusIoptpn#aAıN
:Zunsy’] uong
-9dul aop Junu
-uedsuoqoggIoq
Versuch 10.
24. V. 09. Temp. 220C. Hund hungert seit 10 Std.
Jg
Natriumseife
Versuch 1l.
6. V.09. Temp. 24°C. Hund von 14520 g Gew. hungert seit 9 Std.
woo ul
Junso uoquaoʒj
-Ju9 I9p umjoA
‚ur qowu
4U.13J4u9 oↄↄJun jos
-wIIe(] aop sne
pim Bunso od
-u19 Aep OnI0OA
(8) Do gt
Ae Zteentd aop
ınygıodwaL
Oe SÉ L "mmm
I9/3WOUBM um
ZUOIOHIPNBEAIN
Zone)! uoyıyny
-edurs aop Song
-usdsusyogyıog
NaCl-Lösung
) 80 ccm
Lösung
Biel 90 ccm
+ Athylalkohol
WAR
tbylalkohcl
(97°) 20 ccm
NaCl-
(0,9
(97°) 10 ocm
NaCl 0,99,,
AA
A
2
usdungsswog | mio
Versuch 12.
4. V. 09. Temp. 17°C. Hund hungert seit 10 Std.
woo ut
Zunso] uoaquaoj
-Ju9 Ip unjoA
"um qovu
yU19J}u0 outos
-ueq 190p sne
pim 3unsoT oid
uoo ut
Song" UNJO
-uo aop wmjoA
(89) Do gt
yoydtesn] aop
anysıodweys,
Oo SEL "mu
Jaowousy o
ZUEIOHIPNYOAIN
Zong usy1uny
-edue Aop Sonn
NaCl O90i,
NaCl-Lösung
(0,9 Jul 90 ccm
ylalkohol
(97 °) 10 com
NaCl 0,9%,
* At
Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 23
Versuch 13.
8. V. 09. Temp. 18°C. Hund hungert seit 11 Std.
` 0 oe O D i +3 —
s| re 6 Eai lay
b a5 RER REIFE SC SR g Resor.
S Er EP EINE SE ME "rr
5 EISBÄREN FIERE
8 EK EPET 233838
532322235 © Pë Asg IZ _com
1. | Na 0,9%, 63,5 18 | 15 15 8,0 | 7,0
2. ” 99 ) 9 99 ap 10,0 5,0
3. NaCi-Lö | |
4, (0,90 0) 95 com 38,0 | nm TT | „ ie E
5. + At ylalkohol 9 93 DI zg 75 75
(97 0) Room „ | „ | nm | „ ` D
6. NaCl 0,9%, 63,5 en a a m 9,5 5,5
7. A „1% 150180 | 70
Diese Experimente stimmen mit den vorigen überein und
beweisen, daß die Resorption der physiologischen Kochsalz-
lösung im Darme nicht erleichtert wird, falls man ihre Ober-
fächenspannung durch gallensaure Salze oder Galle, Seife, Al-
kohol erniedrigt, sei es, daß diese Substanzen in ganz kleinen
oder in relativ großen Quantitäten zugesetzt werden, welch
letztere dann die maximale Erniedrigung der Oberflächenspannung
hervorrufen. In diesen Fällen beobachtet man, daß die
Menge der entfernten die Menge der ursprünglichen eingeführten
Flüssigkeit übertrifft, was höchstwahrscheinlich damit zusammen-
hängt, daß diese Substanzen (Seife, Alkohol) eine lokale Reizung
des Darmes bewirken, wodurch die Sekretion des Darmsaftes
begünstigt wird.
Meine Resultate stehen also mit der Traubeschen
Theorie nicht im Einklang: sie stehen aber mit Töröks!)
Versuche im Einklang vollkommen. Dieser Autor studierte
die Resorption einer Kochsalzlösung im Dünndarme in ver-
schiedenen Konzentrationen und fand, daß die Resorption er-
schwert wird, wenn man zu der Lösung Öl oder Gummi hin-
zufügt, welche also deren Oberflächenspannung erniedrigen.
1) B. Török, Die Bedeutung der Oberflächenspannung bei den
Resorptionsvorgängen. Centralbl. f. Physiol. 20, 206, 209, 1906.
Trypsinogen und Enterokinase beim menschlichen
Neugeborenen und Embryo.
Von
J. Ibrahim.
(Aus dem Gisela-Kinderspital in München.)
(Eingegangen am 24. August 1909.)
Das Pankreas menschlicher Neugeborener und Foeten ist
bereits mehrfach auf die Anwesenheit von Trypsin untersucht
worden. Die ersten positiven Befunde erhoben Hammarsten!)
und Zweifel?) im Jahre 1874 bei neugeborenen Kindern.
Langendorff’) gelang der Nachweis bei drei Foeten, deren
jüngster im Beginne des 5. Foetalmonats stand. Er vermißte
das Ferment bei zwei Embryonen aus dem Ende des 4. bzw.
Anfang des 5. Monats, aber auch bei einem älteren Foetus
aus dem Anfang des 6. Monats.
Vermißt wurde das Ferment ferner in neuerer Zeit von
Jaeggy“) bei zwei menschlichen Foeten; der eine stand im
6. Monat (30 cm lang), der andere sogar im 9. Monat (2200 g).
Die bisherigen Untersuchungen ließen die Tatsache un-
berücksichtigt, daß das Trypsin in der Bauchspeicheldrüse zum
großen Teil oder ganz als inaktives Zymogen enthalten ist; die
Überführung in aktives Ferment wird der bekannten Entdeckung
von Pawlow zufolge durch ein anderes Ferment, die Entero-
1) O. Hammarsten, Beiträge zur Anat. u. Physiol. als Festgabe
für Carl Ludwig, 1874. (Zit. nach F. Krüger, Die Verdauungs-
fermente beim Embryo u. Neugeborenen. Wiesbaden 1891, 8. 48).
D Zweifel, Untersuchungen über den Verdauungsapparat der Neu-
geborenen, Berlin 1874, S. 35ff.
3) O. Langendorff, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1879. Physiol. Abt.
S. 105ff.
AE Jaeggy, Centralbl. f£. Gyn. 1907, 1061.
J. Ibrahim: Trypsinogen u. Enterokinase b. Neugeborenen u. Embryo. 25
kinase, bewirkt, welches sich in der Dünndarmschleimhaut und
im Dünndarmsekret findet.
Ich habe in einer Reihe von Untersuchungen den Nach-
weis führen können, daß auch beim menschlichen Embryo die
Dünndarmschleimhaut Enterokinase enthält, und daß beim
Foetus das Trypsin als Zymogen im Pankreas enthalten ist.
Zum Nachweis der Kinase verfuhr ich in Anlehnung an eine von
Hekma!) angewandte Methode folgendermaßen: Ich zerkleinerte Schweine-
pankreas, dasich den Tieren unmittelbar nach der Schlachtung entnommen
und sofort auf Eis in das Laboratorium gebracht hatte, mit Schere und
Wiegemesser, verrieb die Drüse im Mörser mit Quarzsand unter all-
mählichem Zusatz von wenig destilliertem Wasser, bzw. 2°/,iger Fluor-
natriumlösung zu einem feinen gleichmäßigen Brei und gewann duroh
Kolieren einen sämigen, graurötlichen Saft, der inaktives Trypsinogen
enthielt. 8 bis 15 Tropfen davon wurden sofort mit 10 oom des zu
prüfenden Dünndarmextraktes gut vermischt und die Wirkung auf
Mettsche Kiweißröhrohen bei 37° im Brutschrank untersucht. Alle
Lösungen wurden auf einen Gehalt von 2°/, Fluornatrium gebracht, wo-
durch nach Hekma?) jede Bakterienwirkung am sichersten vermieden
wird.3) Stets wurden Kontrollen von den Darmextrakten allein sowie
vom Pankreaspreßsaft allein (mit 10 com 2°/ iger Fluornatriumlösung) auf-
gestellt. Während die Darmextrakte allein niemals auf die Eiweiß-
röhrohen einwirkten, erwies sich mehrmals der Schweinepankreaspreßsaft
trotz raschester Verarbeitung als nicht völlig inaktiv, wodurch die be-
treffende Versuchsreihe natürlich unbrauchbar wurde. Ich hatte den
Eindruck, als wenn die Drüse jüngerer Tiere zur Gewinnung reinen
Zymogens eher geeignet ist als die älterer Tiere. Vermutlich würden
hungernde Tiere sich für diesen Zweck besonders eignen.
Die Darmextrakte gewann ich von Neugeborenen oder Foeten, denen
ioh (mit einer Ausnahme) innerhalb der ersten 15 Stunden nach der Ge-
burt dem Darm entnommen hatte. Der Darm wurde vor der Entnahme
abgebunden, zur Verarbeitung wurde er in mehrere gleiche Teile geteilt,
und der Inhalt sorgfältig ausgestreift; die Schleimhaut des aufgeschnittenen
Darmes wurde mit einem stumpfen Skalpell abgeschabt und mit Quarzsand
und wenig destilliertem Wasser gründlich zerrieben, mit der 10- bis 20fachen
Menge 2°/, igem Fluornatrium oder Wasser und mitreichlichem Toluolzusatz
bei Zimmertemperatur aufgehoben. Zum Versuch diente in der Regel der
unfiltrierte Extrakt, der seine Wirksamkeit, wie sich später erwies, viele
Wochen beibehielt. Bei den kleinsten Foeten wurde der ausgestreifte
1) E. Hekma, Arch. f. Physiol. 1904, 346.
2) a. a O.
3) Eine Zerstörung der Enterokinase durch den 2°/,igen Fluor-
natriumgehalt, die J. M. Hamill (Journ. of Physiol. 33, 483) gesehen
haben will, erfolgte nicht, wie die positiven Resultate beweisen.
26 J. Ibrahim:
Dünndarm in toto verrieben, da das Abschaben der Schleimhaut untun-
lich erschien.
Der Inhalt der einzelnen Darmabschnitte wurde mehrfach in der
gleichen Weise untersucht.
Die Mettschen Röhrchen zeigten, in Übereinstimmung mit
Hekmas!) Angaben in allen positiven Fällen einen durchscheinenden
Kegel an den angedauten Enden der Eiweißsäulchen. Gemessen wurde
mit Nonius und Lupenvergrößerung der Abstand von der Spitze des
Kegels bis zum freien Rande des Röhrchens. Es wurden stets 4 Messungen
(2 Röhrchen) vorgenommen, die gut übereinstimmende Resultate ergaben;
die seitliche Abbiegung der Kegelspitze bedingte mitunter kleine Ab-
weichungen. In den Tabellen sind die Mittelwerte aus den 4 Messungen
angeführt.
Tabelle I.
— teg RE —
o | Datum Ver- |d -
Ausgangs- | Ver ver
a ` eg des Versuchsanordnung —— En
E material J— | säule
a | Std. S d Dm
ılFrühgeburt vom! 20. VI. 08 TDünndarmachleimh. een 201], | 0,3
19. VL 08, 2 Std. e II + ` |» 1,85
gelebt, 2130 g, e I allein we 0
46cm;29cmT.U., S IL. b * 0
seziert 2°/, Std. Schweinepankreas e | 2 0
post mort. |
Frühgeburt vom! 20. VI. 08 |Dünndarmschleimh. I + Schweinepankreas 201/,| 1,7
19. VI. 08, 4 Std. e II + : |. 1 0,26
gelebt, 2320 g, - I allein | 4 0
48cm;33cm T.U., e H ; e 0
seziert 1?/, Std. Schweinepankreas e ka o
post mort. | | |
3[Neugeborenes v.| 4. VII. 08 |Dünndarmschleimh. I + Schweinepankreas 24 | 11
3. VII. 08, 2770 g, II + ` „ 0,6
49cm;33cmT.U., Dünndarminhalt I + 8 | * 1,5
seziert 11Std.post Dünndarmschleimh. I allein * d
mort, KR ai y e 0
Dünndarminhalt L. 5 P 0
Schweinepankreas d mr 0,5
7. VII. 08 |Dünndarmschleimh. I+Schweinepankreas 26 | 0,3
50 | 0,7
8 II + 3 26 | Spur
50 | 0,35
Dünndarminhalt II+ P 26 | 0,2
| | 50 | 0,65
| Dünndarmschleimh. I allein d | 0
| n D | 1 d
| Dünndarminhalt IT , a LI
| ‚Schweinepankreas > — | 0
1) a. a. O., S. 361.
Trypsinogen u. Enterokinase beim Neugeborenen u. Embryo. 27
| Länge
5 Datum | Ver- der ver-
suchs-| dauten
d des Versuchsanordnung dauer | Eiweiß-
2 Versuches —
Std. mm
eugeborenes v.| 11. VII. 08 Dünndarmschleimh. I+Schweinepankreas 489) 0,5
10.VII.08,3300g, e II + 0
540m; 35cmT.U., + III + z D 0,7
seziert 131/, Std. Dünndarminhalt I+ e H 0,4
post mort. TI + 3 * 0,3
Dünndarmschleimh. I allein $ 0
I , > 0
, II „ 7 d
Dünndarminhalt I „ * d
o EE: — H d
Schweinepankreas e N 0
18 VAL 08 a200 vom! 20. VII. 08 Dünndarmschleimh. A + Schweinepankreas 49 | 0,05
* d d 0,25
sun: 21cmT. d Dünndarminhalt I+ H 2 0,3
rt 131/2 Std. nm H4 „ d 0,4
` Post. mort. | Dickdarminhalt + a a LP
Donndarmschleimbh. I allein 5 0
„ II nm d d
Dünndarminhalt Tr = 0
„ II di „ 0
‚Dickdarminhalt i k 0
‚Schweinepankreas „| Spur
ageburt vom 31. VII. 08 Dünndarminhalt + Schweinepankreas 29 | Spur
20. VII. 08, 400 g, | 53 | g
30 cm; 18cmT.U., 5 allein o. cb "H
seziert 141/, Std Schweinepankreas ,, a:
post mort. | |
geburt vom 7. VIII. 08 Dünndarmschleimh. + Schweinepankreas | 47 | Spur
6. VIII 08, 390 g, Dünndarminhalt + 2 ka NS
27 cm; seziert ‚Dünndarmschleimh. allein H 0
311/ Std. post Dünndarminhalt nr aD
mort. Schweinepankreas G Sek 1:
* + Dünndarmschleimh. |
von Nr. 4 (zur Kontrolle) ae AS
8/Foetus vom 18.23. VIII. 08 Dünndarm + Schweinepankreas | 566 | 0
VIII. 08, 150 g, '‚Darminhalt + — „O (Spur?)
Zem: 14cmT.U., Sohweinepankreas allein (Ze 0
seziert 6Std. post | + Dünndarmschleimh. | 24 | 0,7
mort. von Nr. 4 (als Kontrolle) 56 2,1
geburt vom 23. VIII. 08 Dünndarm + Schweinepankreas | 24 0
IT. 08,800 g, | 56 | 0,15
3lem; ;21 emt, U., — -+ $ 24 | 0,1
seziert 15 Std. 56 | 1,4
post mort. Dünndarm allein e, ` K 28
'Darminhalt ,, l d
'Schweinepankreas allein d
10 bn EN vom 23. VIII. 08 Darminhalt + Schweinepankreas (Séi DÄ
19.VIIL 08,780g, Lë i Aa
3lem;21cmT.U,, | * alloin kb. d
seziert 15 Std. Schweinepankreas allein (rei 0
post mort,
1) Davon 18 Stunden bei Zimmertemperatur.
28 J. Ibrahim:
Es zeigte sich, daß nicht nur bei ausgetragenen, sondern
auch bei frühgeborenen Kindern die Extrakte der Dünndarm-
schleimhaut einen merklich aktivierenden Einfluß auf das
Zymogen des Schweinepankreas ausübten. Selbst bei kleinen
Foeten von 390 und 400 g war dieser Einfluß noch nachweisbar,
während er beim kleinsten untersuchten Foetus von 150 g Ge-
wicht und 20 cm Länge (Tabelle Nr. 8) fehlte, bzw. nicht mit
Sicherheit erkannt werden konnte.
5mal wurde der obere und untere Dünndarmabschnitt
getrennt untersucht. 2mal schien der obere, 3mal der untere
Abschnitt wirksamer zu sein.
Wie sich aus der Tabelle ergibt, besitzt auch der Darm-
inhalt, und zwar sowohl der des Dünndarms wie auch das im
Dickdarm enthaltene Meconium aktivierende Kraft. Im Darm-
inhalt des Neugeborenen und Foetus findet sich zwar ein
proteolytisches Ferment, wie Schild’) zuerst an Gelatineplatten
und Ed. Müller?) mit Hilfe der Blutserumplatte dartun konnte.
Auch ich konnte das Ferment in gleicher Weise regelmäßig
nachweisen. Doch zeigte sich, daß die angewandten 10- bis
20 fachen Meconiumverdünnungen auf die Mettschen Eiweiß-
röhrchen keine verdauende Wirkung entfalteten, so daß die
Proben auf Enterokinase dadurch nicht beeinträchtigt wurden.
Auch die Schleimhaut des Dickdarmes habe ich mehrfach
auf Enterokinasegehalt geprüft. Ich erhielt stets mehr oder
minder wirksame Extrakte, und zwar nicht nur aus dem Blind-
darm, sondern auch aus tiefer gelegenen Teilen. Es wäre
möglich, daß durch anhaftendes Meconium, das gerade im
Dickdarm schwer durch Auswaschen ganz zu entfernen ist,
ein Fermentgehalt der Schleimhaut vorgetäuscht wurde, der
in Wirklichkeit nicht vorhanden war. Da diese Fehlerquelle
nicht in allen Fällen berücksichtigt wurde, verzichte ich auf
eine zahlenmäßige Wiedergabe der Versuchsergebnisse, möchte
aber betonen, daß ich auch bei sehr gründlichem Abspülen
unter der Wasserleitung mit Zuhilfenahme von Daumen und
Zeigefinger, mehrmals positive Resultate erhielt.?)
1) W.Schild, Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. 19, 118, 1895.
2) E. Müller, Arch. f. klin. Med. 92, 209, 1908.
3) Auch Hekma (a. a. O., S. 348) fand regelmäßig die Extrakte
der Dickdarmschleimhaut (bei Schwein und Katze) kinasehaltig.
Trypsinogen u. Enterokinase beim Neugeborenen u. Embryo. 29
Zum Nachweise des Trypsinogens bzw. des Trypsins
bediente ich mich der Müller-Joohmannschen Serumplatte?),
die für meinen Zweck besonders geeignet erschien, da sie bei
geringstem Materialverbrauch ein rasches und steriles Arbeiten
gestattet und auch noch sehr geringe Mengen aktiven Fermentes
deutlich erkennen läßt.
Die Bauchspeicheldrüse wurde mit Messer und Schere zerkleinert
und im Mörser mit Quarzsand und wenig destilliertem Wasser zu einem
feinen Brei zerrieben. Von diesem Brei wurden je 2 Tropfen auf eine
Serumplatte ohne sonstigen Zusatz aufgetragen, 2 Tropfen wurden mit
etwa der gleichen Menge enterokinasehaltigen Dünndarmextraktes eines
Neugeborenen versetzt; als Kontrolle dienten 2 Tropfen des gleichen
Dünndarmextraktes ohne weiteren Zusatz. Die Platte kam in einen
Thermostaten, dessen Temperatur auf 55 bis 57° eingestellt war. Duroh-
sichtigwerden, Verflüssigung und Dellenbildung bewies das Vorhanden-
sein aktiven Trypsins.. Auch bei dieser Versuchsanordnung zeigten die
Dünndarmextrakte allein keine tryptischen Eigenschaften.
Tabelle II.
i A Versuchs- Be wt
Nr Ausgangsmaterial — KE dauer a Er
22
1|Frühgeburt vom 19.| 19. VI. 08 | Pankreasbrei allein | | GH
VL 08, 2130g, 46cm; | | |
29 cm T. U., seziert |
23/4 Std. post mort. |
2|Frühgeburt vom 19.| 19. VI. 08 | Pankreasbrei allein | 22 : Ø
VI. 08, 2320g, 480m; |
33 cm T. U., seziert | |
1°/, Std. post mort. ; | |
3 ee som. 10. VII. 08 | Pankreasbrei allein) 4 | ©
IL 08, 3300 g, | x o 24 +
54 cm; 35 cm T. U, | |: + En- |
seziert 131/, Std. poe ' terokinase vom
mort. | 4. VIL 08 4 +
Ä Enterokinase allein | 24 | CG
4 |Frühgeburt vom 18. 18. VII. 08 | Pankreasbrei allein | 24 ı ©
VIL 08, 820g, 360m; S En-
21 cm T. U., seziert| terokinase vom |
131/, Std. post mort. 10. VII. 08 2 | Es
| Enterokinase allein | 24 | ©
5|Neugeborenes vom |20. VII. 08 | Pankreasbrei allen, 24 | Ø
20. VIL 08, 3450 g, -+ En- |
52 om; seziert terokinase vom |
73/4 Std. post mort. | 10. VII. 08 3 4-
Enterokinase allein | 24 | (Z
1) E. Müller und G. Jochmann, Münch. med. Wochenschr.
1906, Nr. 29.
J. Ibrahim:
Tabelle II (Fortsetzung).
Nr.| Ausgangsmaterial
6
10
11
12
Datum des
Versuches
Versuchsanordnung
Frühgeburt vom 20.| 20. VII. 08 | Pankreasbrei allein
VII. 08, 400g, 30cm; u -+ En-
18 cm T. U., seziert terokinase vom
141/2 Std. post mort. 10. VII. 08 >
Enterokinase allein
Frühgeburt vom 6.| 6. VIII. 08 | Pankreasbrei allein
VIII. oe 4308. 270m; Ge + En-
20 cm T. U., seziert terokinase vom
103/, Std. post mort. 10. VII. 08
l Enterokinase allein
Frühgeburt vom 6.| 6. VIII. 08 | Pankreasbrei allein
VIII. 08, 390 g,270m; * + En-
seziert 311/, Std. post terokinase vom
mort. 10. VII. 08
Enterokinase allein
Säugling v.6Wochen, | 6. VIII. 08 | Pankreasbrei allein
Brustkind, an Ek-
lampsie ł am 6. VIII. i + En-
08, seziert 5Std. post terokinase vom
mort. 10. VII. 08
Enterokinase allein
Frühgeburt vom 12. 12. VIII. 08 | Pankreasbrei allein
VIII. 08, 2050 g, j -+ En-
47 cm; 31 om T. U., terokinase vom
seziert 10 Std. post 10. VII. 08
mort. Enterokinase allein
Foetus vom 18. VIII. | 18. VIII. 08 | Pankreasbrei allein
08, 150 g, 20 cm; i + En-
14 cm T. U., seziert terokinase vom
6 Std. post mort. 10. VII. 08
Enterokinase allein
Frühgeburt vom 19. | 19. VIII. 08 | Pankreasbrei allein
| VIII. 08,780g, 31cm; Se + En-
21 cm T. U., seziert terokinase vom
15 Std. post mort. | 10. VII. 08
| Enterokinase allein
Versuchs-
—
24
1/2
24
H
—
TOOF OOF QOr
Es zeigte sich, daß bei der angewandten Versuchsanordnung
fast durchweg mit dem Pankreasbrei allein negative Resultate
erzielt wurden, daß hingegen auch bei kleineren Foeten der
Pankreasbrei die Serumplatte verdaute, wenn das Trypsinogen
durch Enterokinasezusatz in wirksame Form übergeführt worden
war. Die negativen Befunde von Jaeggy dürften sich wohl
durch diese Feststellung leicht erklären lassen.
auch mit sehr frischem Material, bei dem eine Aktivierung
Er arbeitete
Trypsinogen u. Enterokinase beim Neugeborenen u. Embryo. 31
durch Bakterien, die sonst ja leicht eintreten kann, noch nicht
erfolgt war.
Bei einem Neugeborenen (Nr. 3) und einem 6 Wochen
alten Säugling (Nr. 9) war neben dem Zymogen auch aktives
Trypsin zu konstatieren; bei einem anderen Neugeborenen (Nr. 5)
wurde letzteres vermißt.
Der jüngste Foetus, bei dem sich das Ferment eben nach-
weisen ließ (Nr. 11), war 150 g schwer und 20 cm lang; es
entspricht das etwa dem 4. Foetalmonat. Das Trypsinogen
gehört somit jedenfalls zu den ersten Verdauungsfermenten,
die sich beim menschlichen Embryo einstellen. Die Probe auf
Enterokinase war bei dem gleichen Foetus fraglich geblieben.
Es sei hier kurz angefügt, was über die anderen proteo-
lytischen Verdauungsfermente beim menschlichen Embryo be-
kannt ist.
Pepsin wurde von Zweifel!) bei einem 4monatigen
Foetus vermißt, ebenso auch von Langendorff?) bei einem
Foetus aus dem 3. Monat; dagegen konnte der gleiche Autor
das Ferment vom 4. Foetalmonat an regelmäßig (in 7 Fällen)
nachweisen.
Über das Erepsin liegen mehrere Mitteilungen vor. O. Cohn-
heim?) selbst hatte das Ferment schon beim Neugeborenen
nachweisen können. Jaeggy*) fand es sowohl‘ bei 2 reifen
Neugeborenen, als auch bei 4 frühgeborenen Kindern in der
Dünndarmschleimhaut. Das jüngste Kind stammte aus dem
5. Monat (25 cm Länge), bei einem 14 cm langen Foetus
(4. Monat) fehlte das Erepsin. Analoge Befunde erhoben
Langstein und Soldin’). Sie fanden Erepsin bei einem früh-
geborenen Kind von 1570 g (7. Monat), vermißten es dagegen
bei einem 4?/, Monate alten Foetus (24 cm Länge).
Daß auch der Darminhalt des Neugeborenen Erepsin ent-
hält, ist durch Schoenberner®) kürzlich ermittelt worden.
1) Zweifel, a. a. O., S. 35.
2) O. Langendorff, a. a. O., S. 106 ff.
3) Laut mündlicher Mitteilung.
DE Jaeggy, a a. O.
5) L. Langstein und M. Soldin, Jahrb. f. Kinderheilk. 67, 9, 1908.
DR Schoenberner, Zur Kenntnis der Meconiumfermente. J. D.,
München 1909.
32 Ibrahim: Trypsinogen u. Enterokinase b. Neugeborenen u. Embryo.
Ausder Gesamtheit der bisher vorliegenden Unter-
suchungen geht hervor, daß die proteolytischen Ver-
dauungsfermente in den Verdauungsdrüsen beim
menschlichen Embryo fast gleichzeitig sich einstellen,
und zwar ist zuerst das Pepsin (Anfang des 4. Mo-
nats), dann bald nacheinander das Trypsin (4. Mo-
nat) und das Erepsin (5. Monat) nachweisbar. Die
Enterokinase erscheint kurz nach, möglicherweise so-
gar gleichzeitig mit dem Trypsinogen.
Über den Einfluß der Pepsin- und Salzsäuremengen auf
die Intensität der Verdauung, speziell bei Abwesenheit
„freier“ Salzsäure.
Von
Julius Schütz, Wien-Marienbad.
(Aus dem pathologisch-chemischen Laboratorium der k. k. Kranken-
anstalt „Budolf-Stiftung“ zu Wien.)
(Eingegangen am 25. August 1909.)
Von klinisch-diagnostischen Gesichtspunkten ausgehend,
habe ich in zwei früheren Mitteilungen!) gezeigt, daß auch bei
beträchtlichem Salzsäuredefizit eine Pepsinverdauung möglich
ist und daß diese Verdauung desto intensiver verläuft, je mehr
Gesamtsalzsäure vorhanden ist. In praktischer Beziehung er-
Möglichte diese Feststellung, neben dem Ewald-Boasschen
Probefrühstück und in Ergänzung desselben, Milch als Probe-
Nahrung zu verwenden, ein Verfahren, welches zum Teil
bereite zu diagnostisch brauchbaren Ergebnissen?) geführt hat,
und mit dessen möglichst quantitativer Ausarbeitung ich der-
zeit beschäftigt bin. Konnte demnach die Frage, soweit sie
eıne Basis für rein diagnostische Überlegungen abgab, zum
größten Teil als abgeschlossen betrachtet werden, so blieben doch
Si Physiologischer, bzw. biochemischer Hinsicht eine ganze Reihe
von Fragestellungen offen. Es wird dies verständlich, wenn
man sich vor Augen hält, daß der überwiegend größte Teil der
Untersuchungen — wenn nicht gar alle —, welche den Einfluß
SP ©psin- und Salzsäuremengen auf die Intensität der Ver-
dauung zum Vorwurfe hatten, stets, oder doch in erster Linie
— —
| > Wiener med. Wochenschr. 1906 u. Wiener klin. Woohenschr. 1907.
achr N Kongr. f. inn. Med. in Wien 1908 und Wiener med. Wochen-
Biochemische Zeitschrift Band 22. 3
34 J. Schütz:
nur die Menge der „freien“, d. h. überschüssigen Salzsäure be-
rücksichtigten. Durch die Feststellung nun, daß bereits weit
unterhalb des Sättigungspunktes!) Pepsinverdauung nachweis-
bar wird, erhob sich die Forderung, die ganze oben erwähnte
Frage in der Weise zu revidieren, daß man ganz kleine Mengen
(gebundener) Salzsäure zum Ausgangspunkt nähme und den Ver-
dauungseffekt mit demjenigen bei Anwesenheit steigender Salz-
säuremengen vergliche. In der vorhergehenden Mitteilung war
ich dieser Frage bereits nahegetreten und zu dem oben er-
wäbnten Ergebnis gelangt, daß unterhalb des Sättigungspunktes
die Intensität der Verdauung mit steigenden Salzsäuremengen
größer wird. Von irgendwelcher genaueren mathematischen
Charakterisierung mußte damals abgesehen werden, weil, wie
daselbst ausführlich auseinandergesetzt wurde, die Volhardsche
Methode bei der von mir gewählten Versuchsanordnung nicht aus-
reichte. Es war daher nötig, die Untersuchungen mit der zwar
umständlichen, jedoch quantitativ-analytisch völlig eindeutigen
Methode des nicht koagulablen N zu wiederholen und zu er-
weitern. Es sei zunächst eine Serie der Versuche wiedergegeben.
Versuchsreihe 1.
Als Versuchsmaterial diente ausschließlioh frisches Eierklar. Kleine
Kochkölbchen wurden mit je 10 com Eierklar, wechselnden Mengen
Sie HOI) und mit je 1 com einer Lösung von 5 g Pepsinum purissimum
(Grübler) in 250 ccm "/,.-HCl beschickt und mit destilliertem Wasser
auf 50 com aufgefüllt. Die Kölbohen blieben dann 12 bis 14 Stunden
im Thermostaten, wurden dann mit N-freier 0,6°/ iger Kochsalzlösung
(weil nach meiner Beobachtung bei Verwendung von destilliertem Wasser
jedenfalls wegen der zu geringen Salzkonzentration die Koagulation
manchmal mißlingt) in Porzellanschalen übergespült und bei sehr schwach
essigsaurer Reaktion durch Aufkochen enteiweißt. Im Filtrat wurde der
Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt und von dem erhaltenen Wert der-
jenige abgezogen, der sich für nicht koagulablen N in den Kontrollproben,
1) Unter Sättigungspunkt einer Eiweißlösung gegenüber Salzsäure
ist hier — in Übereinstimmung mit der allgemein üblichen Bezeichnung —
derjenige Gehalt einer Eiweißlösung an Salzsäure verstanden, bei welchem
noch keine freie Salzsäure nachweisbar ist, aber ein selbst minimaler weiterer
Zusatz von Salzsäure positive Reaktion auf freie Salzsäure zur Folge hat.
2) Da Eierklar gegen Phenolphthalein alkalisch reagiert, so wurde
diese Alkalescenz stets durch Zusatz von je lccm°/,o-HCl auf 1000m Eierklar
abgestumpft. In den Zahlen für die verwendeten DCL Mengen ist dieser
eine Kubikzentimeter Sie HU nioht inbegriffen.
Einfluß d Pepsin- u. Salzsäuremengen auf d. Intensität. d. Verdauung. 35
d.h. ohne Pepsinzusatz ergeben hatte. Der erhaltene Wert gibt die
Menge des verdauten N (bzw. Eiweißes) an. Die erhaltenen Zahlen ver-
stehen sich nach Abzug des N-Wertes für die Pepsin- HCl- Lösung
(= 3,0 mg pro Kubikzentimeter) und bilden das Mittel aus zwei Parallel-
versuchen. Das HCl-Bindungsvermögen wurde gegen Kongopapier be-
stimmt. Über das Verhältnis der angegebenen Werte gegenüber den
durch die Methylacetatmethode gewonnenen siehe unten.
Versuch 1.
Dauer: 6 Stunden bei 37°.
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com (Kongo Spur).!)
— mana | Reeg HCI —— — ai | Verla
10 — — ad 500 |1,9—=fast0
10 6.0 1,0 7 o ad 50,0 8,9
10 13,0 Lü 14.0 ad 50,0 32,0
Versuch 2.
Dauer: 20 Stunden bei 37°.
HClI-Bindungsvermögen: 14 com (Kongo-Spur).
Eierklar ve BO Popsin- -HCI Ka — —
com Ben...
—
10 | 10 1,9—fast0
10 Sa | 1,0 Es e Ss 7,2
10 80 | 1,0 9,0 ad 50 |. 362
Versuch 3.
Dauer: 16 Stunden bei 38 bis 40°.
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com (Kongo Spur).
Eierklar he HO | Pepin. HO | Gesamt-HC1| A ua dest, | VerdautN
ccm com ccm ccm mg
10 2,5 1,0 3,5 ad an | 40
10 6,0 1,0 7,0 ad 50 16,0
10 13,0 1,0 14,0 ad 50 46,7
Versuch 4.
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°,
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com (Kongo Spur).
Eierklar | ste HO) | Pepsin-HC1 — Aqua dest, | Verdaut N
ccm ccm ccm ccm mg
10 5,0 10 | 60 ad 50 15,0
10 11,0 10 | 120 ad 50 42,0
10 35,0 10 | 360 ad 50 144,0
1) scil: 10 cem Eierklarlösung binden 16 ccm Pie HOL wobei als
Endreaktion eine spurweise Bläuung von Kongopapier angenommen wurde.
3%
36 J. Schütz:
Versuch 5.
Dauer: 14 Stunden bei 37 bis 40°.
HCI-Bindungsvermögen: 13,0 com (Kongo Spur), 18,0 ccm deutlich.
Eierklar del Pepsin-HOl — Aqua dest, | VerdautN
com com com oom mg
10 4,0 1,0 5,0 ad 100 28
10 9,0 1,0 10,0 ad 100 21,0
10 19,0 1,0 20,0 ad 100 91,0
Aus obigen Versuchen geht folgendes hervor:
1. In Bestätigung früherer (in der 2. Mitteilung publizierter)
Versuche, daß unterhalb des Sättigungspunktes die Intensität
der Verdauung desto größer wird, je mehr Salzsäure vorhanden ist.
2. Das Optimum der Pepsinverdauung liegt oberhalb des
HCI-Sättigungspunktes (s. u.).
3. Die Intensität der Pepsinverdauung ist nicht in einfacher
Proportion von den Salzsäuremengen abhängig, sondern zeigt
einen schnelleren Anstieg als diese — beim Eiereiweiß un-
gefähr dem Quadrat der Salzsäuremengen entsprechend.
Versuchsreihe 2.
Um zu prüfen, wie weit bei gleichbleibendem HCl-Gehalt
die Intensität der Pepsinverdauung von den relativen Pepsin-
konzentrationen abhängig ist, bzw. ob das Quadratwurzel-
gesetz (E. Schütz, Borissow, Verf. u. a.) der Pepsin-
wirkung auch unterhalb des HCI-Sättigungspunktes gilt,
wurden folgende Versuche angestellt.
Versuch 6.
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis A0°.
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com Sie HL (Kongo Spur).
Eierklar | */,o-HCl | Pepsin-HCl | Gesamt HO | Aqua dest. | Verdaut N
ccm com ccm | ccm | ad 50 | mg
10 80 | 10 | 9,0 | 50 21.5
10 50 © 40 9,0 50 37,7
10 o | 930 | 90 ` 50 | 38,0
Versuch 7.
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°.
HCl-Bindungsvermögen: 14,0 cem Se HOI (Kongo Spur).
Eierklar | nie HO
Pepsin-HC] — Aqua dest. Verdaut N
ccm com | ccm | com I ad 100 mg
10 ' 80 | 10 9,0 | 0: 215
10 50 | 40 9,0 50 | 255
10 o au Ion | 5 | 190
Einfluß d. Pepsin- u. Salzseäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 37
Versuch 8.
Dauer: 20 Stunden bei 38 bis 40°.
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 ocm Se HO (Kongo Spur).
Ee
Eierklar | ste HO) | Pepsin-HCl | Gesamt-HC1| Aqua dest. | Verdaut N
ccm ccm ccm com ad 50 mg
10 8,9 0,1 9,0 50 6,5
10 8,6 0,4 9,0 50 15,7
10 8,1 0,9 9,0 50 24,7
In diesen drei Versuchen lieB sich einigemal das Quadratwurzel-
gesetz erkennen, jedoch nicht in jener Schärfe, wie dies bei einem Salz-
säureüberschuß der Fall ist. Was den Grund dieses Unterschiedes aus-
macht, ob er tatsächlich eine Eigenschaft des Pepeins selbst ist oder
nur von gewissen Eigentümlichkeiten der verwendeten Eiweißkörper
abhängt, ließe sich erst auf Grund ausgedehnter Versuchsreihen ent-
scheiden. Jedenfalls fordern diese Versuche dazu auf, den Einfluß der
relativen Pepeinmengen auf die Verdauung auch unterhalb des Sättigungs-
punktes zu untersuchen, bevor sich ganz verallgemeinernde Schlüsse
ziehen lassen. |
Auf jeden Fall gehen aus der Versuchsreihe 2 in Zusammen-
hang mit Versuchsreihe 1 folgende Tatsachen hervor:
1. Der relative Anstieg der Verdauungsintensität bei Steige-
rung der DCL Mengen und gleichbleibender Pepsinmenge ist
weitaus größer als der relative Anstieg der Verdauungsintensität
bei Steigerung der Pepsinmengen und gleichbleibenden HCl-
Mengen.
2. Pepsin und Salzsäure können sich innerhalb gewisser
Grenzen vertreten,!) doch hat ceteris paribus eine relative
Steigerung der Salzsäuremenge einen weitaus größeren Einfluß
auf die Verdauungsintensität als eine Steigerung der Pepsinmenge.
3. Diese Erscheinungen treten besonders unterhalb des
Sättigungspunktes klar zutage.
Um zu prüfen, ob für den Umfang der Verdauung die
Konzentration oder die absolute Menge der DO in Be-
tracht kommt — eine Frage, der sich nur dann mit Erfolg
näher treten läßt, wenn man mit Salzsäuremengen unterhalb
des Sättigungspunktes arbeitet — wurde folgende Versuchsreihe
angestellt.
1) Diese Tatsache gewinnt an biologischer Bedeutung, wenn man
sie mit dem kürzlich von Kudo (diese Zeitschr. 16) auf anderem Wege
erhobenen Befunde vergleicht, wonach bei großer Quantität des Magen-
saftes der Pepsingehalt geringer ist und umgekehrt.
38 J. Schütz:
Versuchsreihe 3.
Versuch 9.
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°.
HCI-Bindungsvermögen: 15 com Sie HO (Kongo Spur).
Änderung der Konzentration des Pepsins und der Salzsäure bei
gleichbleibender absoluter Menge.
Eierklar | ale HO | Pepsin-HCl | Gesamt-HCl Aqua dest. Verdaut N
com ccm com | cem mg
10 9,0 1,0 10,0 50 20,0
10 9,0 1,0 10,0 25 27,0
10 9,0 1,0 | 10,0 100 18,0
Versuch 10.
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°. |
HCI-Bindungsvermögen: 13,0 ccm Sie HO (Kongo Spur).
Änderung der HCI-Konzentration bei gleichbleibender absoluter
Menge und gleichbleibender Pepsinkonzentration.
Eierklar | Ste HO | Pepsin-HCl | Gesamt-HCI | Aqua dest. —
ccm ccm ccm | com | mg
10 9,0 10 | 100 ad 50 21,5
10,0 ad 100 21,0
10,0 19,5
Versuch 11.
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°.
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 ccm (Kongo Spur).
Gleichbleibende Pepsinkonzentration.
Einerseits Änderung der HCl-Konzentration, andererseits der
HO. Menge
Eierklar | si HO | Pepsin-HCl | Gesamt HO Aqua dest. Verdaut N
com ccm ccm com mg
10 8,0 20 100. ad 100 21,0
10 9,5 0,5 10,0 ad 25 22,5
10 | 140 1,0 15,0 ad 50 44,0
Versuch 12.
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°.
HCl-Bindungsvermögen: 14,0 ccm (Kongo Spur).
Anderung der HCl- und Pepsinkonzentration bei gleichbleibender
absoluter Menge.
Einfluß d. Pepsin- u. Salzszäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 39
Eierklar | ste BO
ccm ccm
Pepein-HC1 |Gesamt-HO1| 4 aus dest. | Verdaut N
ccm com | j mg
Es geht aus dieser Versuchsreihe demnach hervor, daß
bei Verdauung von Eierklarlösungen, deren HCl-Gehalt
‚noch tief unterhalb des Optimums liegt, die Konzen-
tration des HCl um auf das mindestens Vierfache ver-
mindert werden kann, ohne daß sich ein Einfluß auf
die Verdauungsintensität nachweisen läßt, während
Änderungen der absoluten HO Mengen — wie oben
gezeigt — von tiefgreifendem Einflusse sind.
Schlußfolgerungen.
Die in dieser und den früheren Arbeiten mitgeteilten Ver-
suche lassen es möglich erscheinen, bezüglich der Rolle der
H-Ionen bei der Pepsinverdauung eine gewisse einheitliche Auf-
fassung zu gewinnen.
Als nunmehr endgültig festgestellte Tatsache kann der Satz
gelten:
„zum Zustandekommen der Pepsinverdauung ist
die Anwesenheit von H-Ionen nicht notwendig.“
Indem ich bezüglich der Literatur auf meine beiden früheren
Mitteilungen — wo diese ausführlich berücksichtigt ist — ver-
weise, muß ich nur kurz auf eine Arbeit Albert Müllers
(Arch. f. klin. Med. 1908) eingehen, welcher zu dem Resultat
gelangt, daß ‚die Pepsinverdauung der Eiweißkörper nur von
dem wahren Säuregehalt, der H-Ionenkonzentration abhängig ist‘.
Dies ist aus folgenden Gründen nicht richtig:
l. geht aus Müllers eigenen Versuchen — in teilweiser
Bestätigung meiner früheren Versuche — das direkte Gegen-
teil hervor;
2. widerspricht es der üblichen Nomenklatur, von H-Ionen
zu sprechen, wenn es sich um an Eiweiß gebundene Salzsäure
handelt;
40 J. Schütz:
3. bestimmt genannter Autor die H-Ionenkonzentration
seiner Eiweiß-HCl-Lösungen nicht direkt, sondern stellt ent-
sprechende Alanin-HCl-Lösungen her und überträgt die mit
Alaninlösungen erhaltenen Resultate ohne weiteres und ganz
willkürlich auf die Eiweißlösungen, ein Vorgang, dessen absolute
Unzulässigkeit wohl außerhalb jeder Diskussion steht;
4. sind diejenigen Versuche Müllers (wie von mir bereits
in der vorigen Mitteilung auseinandergesetzt), welche mit sus-
pendiertem Fibrin angestellt wurden — die mit Casein- und
Eiweißlösungen stellen nichts anderes als die Bestätigung meiner
Versuche dar —, überhaupt nicht für das Studium des pri- `
mären Einflusses der HCl auf die Eiweißverdauung geeignet,
sondern sind in ihren Resultaten von dem Einfluß der Acidität,
der elektrischen Ladung usw. auf die Verteilung des Pepsins
IN. Jacoby!), L. Michaelis?)] abhängig, ebenso von den Ver-
teilungsgesetzen der HCl zwischen verschiedenen Eiweißkörpern
[O.Cohnheim?), Spiro und Pemsel*) u. a.].
Ein Einwand, den Müller gegen meine Versuche macht,
besteht nicht zu Recht. Er wendet nämlich ein, es hätte sich
bei einigen meiner Versuche in der vorigen Mitteilung’) nicht um
freie Salzsäure, sondern um HCl-Defizite gehandelt, weil zur
Bestimmung des HCIl-Sättigungspunktes Kongopapier verwendet
wurde. Abgesehen davon, daß ich die Berechtigung dieses
Verfahrens daselbst ausführlich diskutiert habe — welchen Um-
stand Müller, nebenbei gesagt, zu erwähnen für überflüssig
zu erachten scheint —, zeigen die gleich mitzuteilenden Ver-
suche, daß das Kongopapier zur Bestimmung der Salz-
säure-Eiweiß-Sättigungsgrenze beim Studium der
Pepsinverdauung sehr geeignet ist.
Versuchsreihe 4.
Die Versuche wurden im Prinzip nach F. A. Hofmann®)
bzw. Ostwald®) angestellt.
1) M. Jacoby, diese Zeitschr. 1, 2, 4.
2) L. Michaelis, diese Zeitschr. 16.
3) O.Cohnheim, Zeitschr. f. Biol. 35.
4) Spiro und Pemsel, Zeitschr. f. physiol. Chem. 26,
5) Wiener klin. Wochenschr. 1907.
D Zit. nach Hamburger, Osmotischer Druck u. Ionenlehre usw.
Einfluß d. Pepsin- u. Salzseäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 41
Versuch 13.
Caseinlösung nach Volhard. Dauer: 13 Stunden bei 409.
HCI-Bindungsvermögen (auf 20 ccm) Kongo Spur: 18,0, Kongo
schwach positiv: 19,0, Kongo deutlich: 20,0.
Aciditätszunahme
Casein Methylacetat Blo) Aa. dest.) /,.-NaOH
lösung Tse HO
ccm ccm
20 25 d
0 3,0 10,0
0 1,0 10,0
0 7,0 10,0
20 25,0 10,0
Demnach HCI-Bindungsvermögen — 25 — (7 — 8) = 17 — 18.
Versuch 14.
Caseinlösung nach Volbard. Dauer: 12 Stunden bei 37°.
HClI-Bindungsvermögen (Kongo Spur): 16: 20.
Casein- Aciditätszunahme
lös a Jia: HC Methylacetat 5 d 0 n h ji NaOH
' ccm ccm
Demnach HCI-Bindungsvermögen — 25 — (8 — 9) = 16 — 17.
l Versuch 15.
Caseinlösung nach Volhard. Dauer: 20 Stunden bei 38°,
HCl-Bindungsvermögen (Kongo Spur): 17,0: 20,0.
Casein- | Aciditätszunahme
lösung | ste HO | Methylacetat Bi | Aq, dest.) ` siwe Raf
00m com ccm
10,0 ad 60 3,3
10.0 ad 60 11.5
10.0 ad 60 24.0
10.0 ad 60 211
ad 60 o
Demnach HCI-Bindungsvermögen — 25 — (8 — 9) = 16 — 17.
Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß das Kongopapier
bei Casein-Salzsäurelösungen fast genau den Punkt angibt,
welcher dem Auftreten mittels der Methylacetatmethode nach-
42 J. Schütz:
weisbarer H-Ionen entspricht.!) Die Günsburgsche Reaktion,
die für klinische Zwecke sehr verwendbar erscheint, ist bei
Verdauungsversuchen im Reagensglas jedoch nicht zweckmäßig,
weil sie das Bindungsvermögen der Eiweißkörper gegenüber
Salzsäure in eingedampften, d. i. hochkonzentrierten Lösungen
anzeigt, wobei im Vergleich zur ursprünglichen Konzentration
bekanntlich ganz andere Werte erhalten werden.
Die Kongoreaktion jedoch wird bei derjenigen Konzentration
vorgenommen, bei welcher auch die Verdauung selbst verläuft,
spiegelt daher die tatsächlichen Verhältnisse wider und ist
demnach zur Bestimmung des HCl-Bindungsvermögens von
Eiweißkörpern bei Pepsinverdauungsversuchen vorzuziehen.
Zur Bedeutung der H-Ionen für die Pepsinverdauung
zurückkehrend, sei nun folgendes bemerkt. Wenn auch nun-
mehr bewiesen ist, daß ihre Anwesenheit hierzu nicht nötig
ist, so könnten doch unsere Versuche, aus denen hervorgeht,
daß das Optimum der Verdauung jenseits des Sättigungspunktes
liegt, der Ansicht Raum lassen, der freien HCl komme noch
eine bestimmte Rolle bei der Pepsinverdauung zu. Die Frage
ließe sich ziemlich eindeutig lösen, wenn man verfolgen könnte,
wie sich die Verdauungskurve an dem Sättigungspunkte ver-
hält. Dies ist jedoch schwer möglich, weil sich der Sätti-
gängspunkt vom ersten Moment der Verdauung an —
sobald nämlich Eiweißabbauprodukte auftreten — stetig und
recht schnell verschiebt.
Indem ich mir vorbehalte, diese Frage seinerzeit einer
weiteren experimentellen Bearbeitung und Diskussion zu unter-
ziehen, sei es mir gestattet, hier eine Hypothese bezüglich
der Rolle der freien HCl auszusprechen, die vielleicht — wenn
auch nur rein heuristisch — es ermöglicht, die Frage von der
Bedeutung der H-Ionen (der ‚freien HCl“) für die Pepsin-
1) Bei analog angestellten Versuchen mit Eierklarlösungen zeigte
sich eine gewisse Divergenz der Kongowerte im Vergleich mit dem Me-
thylacetat (höchstens 3 bis 5 com Die Nal entsprechend), doch
ist diese Divergenz nicht auf Rechnung der Kongomethode zu setzen,
sondern hat ihren Grund darin, daß HCl im Laufe des Versuches lang-
sam neutralisiert wird (wahrscheinlich durch die Carbonate). Auf jeden
Fall übersteigt der Wert von 19 ccm Die HO in Versuch XVIII
meiner vorigen Mitteilung die angegebenen Fehlergrenzen bei weitem,
Einfluß d. Pepsin- u. Salzsäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 43
verdauung von einem einheitlichen Gesichtspunkt betrachten
zu können.
Die Hypothese findet ihre induktive Basis in den grund-
legenden Untersuchungen von O. Cohnheim (l. c.) sowie Spiro
und Pemsel u. a., aus denen sich schließen läßt, daß die Salzsäure,
die mit Eiweiß verbunden ist, diesem wieder entrissen werden
kann, wenn gleichzeitig tiefer stehende Eiweißabbauprodukte
vorhanden sind. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß
die im Laufe der Pepsinverdauung auftretenden Abbauprodukte
dem nativen Eiweiß die Salzsäure ganz oder zum Teil entreißen
und es daher der Verdauung unzugänglich machen. Es ist im
Lichte dieser Auffassung klar, daß eine Eiweißlösung, die gerade
mit HCl gesättigt ist, noch nicht optimal verdaut werden wird,
da die sofort mit dem Einsetzen der Verdauung entstehenden
Albumosen und Peptone mit dem nativen Eiweiß in Konkurrenz
treten, diesem die Salzsäure zum Teil entreißen und einen Teil
desselben der Verdauung unzugänglich machen. Ist dagegen
ein genügender Überschuß von HCl vorhanden, so wird dieser
in Beschlag genommen, so daß die mit dem nativen Eiweiß
bereits verbundene HCl nicht erst in Anspruch genommen zu
werden braucht. Wenn auch in Wirklichkeit der Vorgang ein
komplizierterer sein dürfte, so hat dieses Schema viel Wahr-
scheinlichkeit für sich — zumindest lassen sich die bisher be-
kannten Tatsachen damit gut in Einklang bringen.
Die Rolle der H-Ionen (, freien‘ Salzsäure) würde
demnach einfach darin bestehen, die nativen Eiweiß-
körper vor ihren Abbauprodukten im Konkurrenz-
kampf um die Salzsäure zu schützen.
Es ließe sich vielleicht auch folgender allgemeine Satz
formulieren:
„Wenn in einem Verdauungsgemisch native Eiweißkörper
neben anderen HCl-bindenden Substanzen vorhanden sind, so
werden erstere um so intensiver verdaut werden, je günstiger
sich der Verteilungsquotient der Salzsäure zwischen ihnen und
den anderen HCl-bindenden Substanzen für sie (d. i. die nativen
Eiweißkörper) stellt.“
Bezüglich Anwendung dieses Satzes auf verschiedene spezielle
Fälle (geronnenes Eiweiß usw.) sowie bezüglich des Einflusses
überschüssiger (,freier“) HCl auf den Verteilungsquotienten —
44 J.Schütz: Einfluß der Pepsin- und Salzsäuremengen usw.
auf welchen Punkt sich m. E. die ganze Frage von der
Bedeutung der freien HCl in letzter Linie zuspitzt —
müssen weitere Untersuchungen angestellt werden.
Ergebnisse.
Wie bereits früher für Casein nachgewiesen, kommt auch
in Eierklarlösungen kräftige Pepsinverdauung bei einem be-
trächtlichen Salzsäuredefizit zustande.
Die Anwesenheit von H-Ionen ist für die Pepsinverdauung
nicht notwendig.
Die Pepsinverdauung beginnt bereits bei einem sehr geringen
Gehalt von (an Eiweiß gebundener) Salzsäure.
Die Intensität der Pepsinverdauung steigt bei Eierklar-
lösungen mit der Menge der Salzsäure, jedoch handelt es sich
hierbei nicht um eine einfache Proportionalität, sondern die
Intensität der Pepsinverdauung von Eierklarlösungen scheint
innerhalb gewisser Grenzen ungefähr dem Quadrat der Salz-
säuremengen zu entsprechen.
Für die Intensität der Pepsinverdauung von Eierklar-
lösungen ist in erster Linie nicht die relative Konzen-
tration, sondern die absolute Menge der Salzsäure maß-
gebend.
Salzsäure und Pepsin können sich innerhalb gewisser Grenzen
vertreten, doch hat die Salzsäure ceteris paribus einen weitaus
stärkeren Einfluß auf die Intensität der Pepsinverdauung.
Das Quadratwurzelgesetz der Pepsinwirkung scheint auch
bei Abwesenheit freier Salzsäure zu gelten.
Die Rolle der überschüssigen (,‚freien‘‘) Salzsäure dürfte
in erster Linie darin bestehen, daß sie die nativen Eiweißkörper
vor der Losreißung der an sie verketteten Salzsäure seitens der im
Laufe der Verdauung entstandenen Eiweißabbauprodukte schützt,
demnach nichts als eine Art Reservevorrat darstellt.
Über die Gasspannung in der Lunge, bei der zwingend
ein neuer Atemzug ausgelöst wird.
Von
Alfred Leimdörfer.
(Aus dem physiologischen Institut der Hoohschule für Bodenkultur
in Wien.)
(Eingegangen am 23. August 1909.)
Mit 2 Figuren im Text.
Einleitung.
Geppert und N. Zuntz?) haben durch ihre Versuche den Beweis
erbracht, daß das Blut der Träger der Atemreize ist. Unter normalen
Bedingungen bildet nach den Untersuchungen von N. Zuntz und
A. Loewy?) die Kohlensäure den Atemreiz, während nur hochgradige
Verminderung des Sauerstoffgehaltes in der Atemluft erregend aufs
Respirstionszentrum wirkt. Zu demselben Resultate kommen Haldane
und Priestley?). Doch während Geppert und Zuntz speziell für die
Zeit der Muskelarbeit die im tätigen Muskel gebildeten intermediären
Stoffwechselprodukte als Atemreiz annehmen, reguliert nach Haldane
und Priestley auoh während gewöhnlicher Muskelarbeit die Kohlen-
säure die Atmung.
Bei Sauerstoffmangel ist nach Haldane und Poulton‘) der
Kohlensäurereiz der vorherrschende; der Sauerstoffmangel selbst wirkt
niobt direkt, sondern, wie es besonders Boycott und Haldane?) dar-
legen, die bei Sauerstoffmangel entstehenden intermediären Stoffwechsel
produkte bilden die Atemreize. Pflüger‘) weist schon auf die Be-
deutung solcher Stoffe bei Sauerstoffmangel hin, indem er sagt: „Mut-
maßlich wirkt der Mangel an Sauerstoff deshalb so positiv giftig, weil
1) Pflügers Archiv 42.
2) Arch. f. Anat. u. Physyol., Physiol. Abt. 1897.
3) Journ. of Physiol. 32.
t) Journ. of Physiol. 37.
H Journ. of Physiol. 37.
D Pflügers Archiv 1.
46 A, Leimdörfer:
er eine Anhäufung der sich fortwährend im Körper bildenden, leicht
oxydierbaren Stoffe zur Folge hat, welche das respiratorische Zentral-
organ in der Medulla oblongata und viele motorische Ganglienzellen
heftig erregen.“
Diese Stoffe sind nach Lehmann, Hoppe-Seyler) u. a. orga-
nische Säuren. In Zusammenhang mit dieser Tatsache steht der Befund
Galeottis), daß in sauerstoffarmer Luft und im Hochgebirge, in ver-
dünnter, also ebenfalls sauerstoffarmer Luft, eine Abnahme der Blut-
alkalesceenz zustande kommt. Nach N. Zuntz?) reagiert das Atem-
zentrum sehr fein auf diese Blutreize. Wir hätten deshalb nach Zuntz
in der verstärkten Atmung des ruhenden Menschen das feinste Reagens,
daß irgendwo im Körper Sauerstoffmangel besteht. Von diesem Gesichts-
punkt aus sei die bei Anämie und Chlorose, im Hochgebirge oder in der
verdünnten Luft abnorm starke Atmung zu verstehen.
Ebenso wie Haldane und seine Mitarbeiter schließen Hill und
Flaok?) aus ihren Versuchen, daß die normale Atmung durch den Kohlen-
säuregehalt der Alveolarluft geregelt wird, dagegen spielt nach ihnen in
Fällen von behinderter Oxydation des Blutes die verringerte Sauerstoff-
tension eine größere Rolle. Sie kommen zu diesem Schlusse durch Ver-
suche, aus denen sich ergab, daß nach möglichst langem Atemanhalten der
alveolare Sauerstoffprozentgehalt tiefer sinkt, als der Kohlensäureprozent-
gehalt ansteigt. Scot t3), welcher ebenfalls Versuche überdie Regulation der
Atmung ausführte, fand ebenso, wie es sich bei den früher erwähnten
Versuchen gezeigt hat, daß das Respirationszentrum durch geringe Mengen
von Kohlensäure oder durch starke Verminderung des Sauerstofles in
der Einatmungsluft erregt werden könne.
Um einen Beitrag zur Frage naoh der Bedeutung der alveolaren
Kohlensäure- und Sauerstofftension zu liefern, wurden die folgenden Ver-
suche ausgeführt.
Es wurde nach verschieden tiefer Einatmung von atmosphärischer
Luft, in anderen Versuchen von Gasgemischen, der Atem so lange an-
gehalten, bis gebieterisch der Zwang eintrat, auszuatmen. Dann wurde
die exspirierte Luft behufs Festsetzung der Alveolartensionen analysiert.
Versuche mit atmosphärischer Luft.
Nach möglichst kräftiger Exspiration wurde durch einen
Zweiweghahn (H) bei F atmosphärische Luft eingeatmet. Der
Mund befand sich, um Röhrenatmung möglichst auszuschließen,
ganz nahe am Hahn. Es wurde ein Kautschukmundstück mit
Einbeißlappen verwendet. Hierauf wurde der Hahn umgedreht
und stand nun mit einem Kautschuksack (K) in Verbindung.
1) Aroh. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. Suppl. 1905, N. Zuntz,
Sitzungsberichte.
2) Journ. of Physiol. 37.
3) Journ. of Physiol. 37.
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 47
Der Atem wurde so lange als irgend möglich angehalten,
dann maximal in den Sack ausgeatmet und der Hahn sofort
wieder umgedreht. Die Dauer des Atemanhaltens wurde nicht
bestimmt, weil dies durch die Art der Methodik — es mußte
zweimal der Hahn umgelegt werden — nicht möglich war, die
Bestimmung hätte auch wenig Zweck
gehabt, weil der Sauerstoffverbrauch
in den einzelnen Versuchen ein wech-
selnder war, indem bereits die ver-
schieden starken Inspirationen, abge-
sehen von den sonstigen Handgriffen,
die der Versuch erforderte, verschiedene
Muskeltätigkeit erforderten. Es befand
sich nun die exspirierte Luft luftdicht
abgeschlossen im Kautschuksack, wo
sie vorerst durchgemischt wurde. Das Fig. 1.
die Verbindung zwischen Hahn und
Sack herstellende Rohr hatte eine durch einen Hahn ver-
schließbare Abzweigung (A), welche zu einer Durigschen Meß-
flasche!) führte, um das Volumen der exspirierten Luft be-
stimmen zu können. Durch Einschaltung eines 7T-Stückes (T)
in die zur Flasche führende Leitung war es möglich, aus einer
capillaren Abzweigung in Sammelröhren Proben der exspirierten
Luft aufzufangen, welche im Zuntz-Geppertschen Analysen-
apparat?) analysiert wurden. Bei den Analysen wurde zur Ab-
sorption des Sauerstoffs Natriumhydrosuliit?) angewendet, welches
in kurzer Zeit verläßliche Resultate lieferte und bei den Ver-
suchen mit sauerstoffreichen Gasgemischen überhaupt nur zur
Verwendung gelangen konnte, um brauchbare Resultate zu
erhalten.
Um die alveolaren Kohlensäure- und Sauerstoff-Tensionen bei
den Versuchen mit atmosphärischer Luft und bei den anderen
Versuchen beurteilen zu können, war es notwendig, zuerst die
alveolare Tension unter normalen Verhältnissen bei ruhiger
Atmung kennen zu lernen. Zu diesem Zwecke wurden Ruhe-
Respirationsversuche ausgeführt. Tabelle I gibt hierüber Aufschluß.
1) Arch; f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. Suppl 1903, S. 262.
2) Magnus-Levy, Pflügers Archiv 55.
3) A. Durig, diese Zeitschr., 4, Heft 1, 1907.
48 A. Leimdörfer:
Tabelle I.
alv. °l CO, | alv. fa O: |alv.CO,Te | alv. O,Te
3,98) 5,16 0,765 | 688,9 4,99 14,71 34,62 101,9
3,68! 4,78 | 0,763 | 568,4 4,88 14,89 33,84 103,2
3,54; 4,52 | 0,777 | 573,6 4,69 15,21 32,50 105,4
Mitta 8,78| 4,82 | 0,768 | 605,8 | 4,85 | 14,95 | 83,65 | 103,5
°/ CO, bezeichnet den Prozentgehalt der exspirierten Luft an
Kohlensäure, O, Def. das Sauerstofidefizit, R.Q.denrespiratorischen
Quotienten, V T37) das auf 37° berechnete, nicht reduzierte Atem-
volumen pro Atemzug, alv. °/, CO, den alveolaren Prozentgehalt an
Kohlensäure, alv. °/, O, den an Sauerstoff, alv. CO, Te die alveolare
Kohlensäuretension, alv. O, Te die alveolare Sauerstofftension.
Die folgende Tabelle II enthält die Versuche über Atem-
anhalten nach verschieden tiefer Inspiration aus freier Luft.
Die Versuche sind nach steigendem Atemvolumen angeführt.
Tabelle II.
wie: 2095| 5,83 | 8,22 | 0,657 | 6,24 | 12,14 | 43,18 | 83,91
2499| 5,46 | 7,82 | 0,694 | 5,78 | 13,17 | 39,84 | 90,66
2534 5,38 | 7,56 | 0,705 | 569 | 13,40 | 39,59 | 93,17
2592; 6,01 | 8,66 | 0,689 | 6,35 | 12,31 | 44,09 | 85,52
2753) 5,68 | 7,88 | 0,717 | 5,99 | 13,12 | 41,69 | 91,36
2785 5,36 | 7,80 | 0,684 | 565 | 13,25 | 39,23 | 91,98
Mic, 2633| 5,58 | 7,94 | 0,608 | 5,89 | 13,05 | 40,898 | 90,54
2843| 5,92 | 8,56 | 0,688 | 6,23 | 12,51 | 43,22 | 86,81
2848, 5,71 | 8,74 | 0,650 | 6,01 | 12,40 | 42,02 | 86,69
2921| 5,14 | 7,40 | 0,691 | 5,40 | 13,66 | 37,58 | 95,04
2987| 5,58 | 7,62 | 0,728 | 5,85 | 13,38 | 40,17 | 91,77
3000| 5,90 | 8,25 | 0,712 | 6,06 | 12,79 | 42,41 | 87,70
3099, 5,64 | 7,66 | 0,732 | 5,91 | 13,35 | 41,03 | 92,70
3218; 5,53 | 6,95 | 0,789 | 5,78 | 13,97 | 40,16 | 97,03
Misie: 2988| 5,63 | 7,88 | 0,718 | 5,89 | 18,15 | 40,94 | 91,11
3325 5,66 | 8,01 | 0,703 | 5,91 | 13,99 | 41,13 | 97,43
3417 5,53 | 7,69 | 0,715 | 5,77 | 13,38 | 39,80 | 92,28
3488| 5,14 | 6,79 | 0,763 | 5,35 | 14,21 | 37,20 | 98,73
3514| 5,81 | 7,55 | 0,765 | 605 | 13,44 | 42,24 | 93,83
3525| 5,91 | 7,71 | 0,763 | 6,15 | 13,29 | 42,72 | 92,21
3885: 5,65 | 6,96 | 0,808 | 5,87 | 13,98 | 40,72 | 97,03
wii. 3526. 5,62 | 7,45 | 0,751 | 5,85 | 13,71 | 40,63 | 95,25
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 49
Wie aus dem Vergleich von Tabelle II mit Tabelle I her-
vorgeht, war in allen Versuchen sowohl die Kohlensäuretension
gestiegen als auch die Sauerstofftension gefallen. Stets war die
Sauerstofftension stärker gefallen, als die Kohlensäuretension ge-
stiegen war. Übersichtlich werden diese Verhältnisse in der
folgenden Hilfstabelle, in welcher eine Zusammenstellung der
Mittelwerte von Tabelle I und II enthalten ist.
Mittelwerte von Tabelle I. (Ruheversuche.)
V(Tu) | %/,C0, | O, Det. | R.Q Iaiv.°/.c0,| alv. °/, lais GO, Te | atv. O, Te
0,768 | 4,85 | 14,95 | 33,65
Mittelwerte von Tabelle II.
(Versuche mit Anhalten des Atems.)
Mite 2095| 5,83 | 882 | 0,657 | 6,24 | 12,14 | 43,18 | 83,91
Mate 2633| 5,58 | 7,94 | 0,698 | 5,89 | 13,05 | 40,88 | 90,54
Mitte 2988| 5,63 | 7,88 | 0,713 | 5,89 | 13,15 | 40,94 | 91,11
Mitte, 8526| 5,62 | 7,45 | 0,751 | 5,85 | 13,71 | 40,63 | 95,25
Hill und Flack?!) kamen bei ihren Versuchen, wie schon
erwähnt, ebenfalls zu dem Resultat, daß nach Atemanhalten
die Sauerstofftension bzw. der Sauerstoffprozentgehalt in der Lunge
stärker sinkt, als die Kohlensäurewerte ansteigen, und sie
schließen daraus, daß der Zeitpunkt, zu dem man gezwungen
ist, den Atemstillstand zu unterbrechen, mehr von der Sauer-
stofftension als von der Kohlensäuretension in der Lunge ab-
hängig ist. Man wäre vielleicht geneigt, das Gegenteil anzu-
nehmen. Durch Versuche von N. Zuntz und A. Loewy?),
Haldane und Priestley?) und anderen wissen wir, daß das
Respirationszentrum selbst auf sehr geringe Kohlensäuremengen
in der Einatmungsluft in heftiger Weise reagiert, während erst
recht beträchtliche Sauerstoffverminderung eine Erregung im
Atemzentrum erzeugt. Dieses ist für den Kohlensäurereiz
weit empfindlicher als für den Reiz des Sauerstoffmangels. In-
folgedessen würde ein geringes Ansteigen der Kohlensäure-
1) L. co. S. 46.
2) Lo S. 45. \
3) L O. 8. 45.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 4
50 A. Leimdörfer:
tension gleichwertig, wenn nicht einflußreicher als ein starkes
Fallen der Sauerstofftension sein.
Außerdem weisen die Kohlensäuretensionen bei den Ver-
suchen von Tabelle II trotz verschiedener Atemvolumina viel
kleinere Schwankungen als die Sauerstofftensionen auf, was
darauf hindeutet, daß das Atemzentrum auf kleinere absolute
Änderungen in der Kohlensäuretension antwortet als in der
Sauerstofftension, daß es also für erstere empfindlicher ist als
für letztere. Relativ betrachtet ist das Steigen der Kohlen-
säuretension allerdings viel bedeutender als das Fallen der
Sauerstofftension, denn die CO,-Tension stieg um rund 23°/,,
während die O,-Tension um weniger als 15°/, absank.
Aus der verschiedenen Änderung der Kohlensäure- und
Sauerstofftension gegenüber den Versuchen bei normaler Atmung,
ebenso aus den niedrigen respiratorischen Quotienten ist der
Schluß noch zulässig, daß die Sauerstoffaufnahme rascher vor
sich gegangen ist als die Kohlensäureausscheidung, worunter
nicht die Produktion gemeint ist.
"Vergleicht man die Versuche von Tabelle II untereinander,
so findet man, daß die respiratorischen Quotienten mit dem
Steigen der Atemvolumina wachsen. Dieses Steigen der respi-
ratorischen Quotienten ist, da die Sauerstoffaufnahme bei größer
werdendem Atemvolum nicht geringer, sondern größer wird,
durch stärkere Kohlensäureausscheidung bedingt.
Dieses Verhalten kann seine Erklärung in folgender Weise
finden: Bei einem großen Atemvolumen herrscht in der Lunge
anfangs eine niedrigere Kohlensäurespannung und höhere Sauer-
stoffspannung, wodurch das Ansteigen der Kohlensäuretension
bis zu jenem Schwellenwert, bei welchem eine Exspiration ein-
treten muß, längere Zeit erfordert als bei einem kleinen Atem-
volumen. Sauerstoffverbrauch und Kohlensäureproduktion werden
während dieser längeren Zeit im selben Verhältnis gewesen
sein wie in anderen Versuchen; dagegen wird aber eine größere
Menge von Kohlensäure aus den Geweben in die Lunge ab-
strömen können, da wegen des verschieden großen Absorptions-
koeffizienten von Kohlensäure und Sauerstoff (ersterer 0,57,
letzterer 0,024 für Wasser) an eine Ausschwemmung von Kohlen-
säure gedacht werden muß, der keine analoge Retention von
Sauerstoff gegenübersteht.
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 5l
Bohr!) veröffentlichte von Halberstadt an Kaninchen
ausgeführte Versuche, in denen die rechte und linke Lunge
durch Einführung einer Kanüle in jeden Bronchus separat
ventiliert und der Gaswechsel jeder Lunge für sich untersucht
wurde. Es zeigte sich, daß in der stärker ventilierten Lunge
der Gaswechsel steigt, die Kohlensäureausscheidung aber stärker
als die Sauerstoffaufnahme. Auch hier steigen demnach die
respiratorischen Quotienten. Nach Bohr sind ‚diese Änderungen
des Gaswechsels zunächst einer inzitierenden Wirkung der Ver-
mehrung der Atemgröße auf die Zellenarbeit zuzuschreiben;
einigen Einfluß üben vielleicht auch die geänderten Bedingungen
der Diffusion besonders hinsichtlich der Kohlensäure.“ Demnach
ist jedenfalls auch an eine Verschiebung des respiratorischen
Quotienten durch den Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäure-
produktion des Lungengewebes selbst zu denken. Auch die
Vergrößerung der Atemtiefe an und für sich ist als wirk-
samer Faktor in Betracht zu ziehen, da „bei ruhiger, nor-
maler Atmung nicht alle Teile der Lunge entfaltet werden,
manche direkt luftarm bleiben, und doch wird das Blut die
Capillaren, die die Septa dieser Partien durchsetzen, in reichem
Maße durchfließen“. ‚Bei Vertiefung der Atemzüge werden
auch früher nicht ventilierte Lungenabschnitte der Arterialisation
zugänglich gemacht“ (Durig?).
Wie viel dies für ein Verschwinden von Sauerstoff bedeutet,
illustriert schön ein Versuch von Geppert und Zuntz?) an
einem Hunde, der durch Aufspritzen von heißem Wasser auf
den Rücken zu tiefen Atemzügen angeregt wurde und bei dem
der Prozentgehalt an Sauerstoff im Blute um 2°/, stieg.
Versuche mit verschiedenen Gasgemischen.
Das Gasgemenge wurde in einer 50 l fassenden Flasche (F)
hergestellt, die mit Wasser gefüllt und in welche aus einer
Kohlensäure, Stickstoff oder Sauerstoff enthaltenden Bombe
durch Hinaustreiben von Wasser Gas und atmosphärische
Luft in verschiedenen Quantitäten je nach Bedarf eingelassen
1) Nagels Handb. d. Physiol. d. Mensch. 1905, S. 174.
Le S. 47, Note 1.
3) L c. S. 45.
A5
52 A. Leimdörfer;
wurde. Durch kräftiges Schütteln der Flasche sollte ein mög-
lichst homogenes Gasgemenge hergestellt und die Flüssigkeit
mit dem Gas gesättigt werden. Die Gasflasche war mit einem
Kautschuksack (K,) in Verbindung gesetzt, in welchen Portionen
des Gasgemenges aus der Gasflasche übergetrieben wurden, um
dort als Inspirationsgas aufgefangen zu werden. Von der
Leitung (A) zu diesem Sack zweigte ein capillares Rohr (T)
Fig. 2.
ab, um dem Kautschuksack Gasmengen zwecks Analysierung
des zu inspirierenden Gases entnehmen zu können. Außerdem
bewerkstelligte eine zweite, weite Abzweigung (B) die Verbindung
mit dem Zweiweghahn, welcher auch in den Versuchen mit
atmosphärischer Luft in Verwendung stand, und durch den
das Gasgemenge leicht inspiriert werden konnte. Von diesem
Hahn setzte sich eine Leitung zu einem zweiten Kautschuk-
sack (K,) fort, um das exspirierte Gas auffangen und dann messen
zu können. Dieser Teil der Vorrichtung war derselbe wie bei
den Versuchen mit atmosphärischer Luft.
Versuche mit Kohlensäuregemischen.
In allen Versuchen erscheint die alveolare Sauerstofftension
nur in geringem Grade gegenüber den Versuchen bei atmo-
sphärischer Luft verändert, als Ausdruck dessen, daß die Kohlen-
säurevermehrung in der Einatmungsluft ausschlaggebend für
die Zeit des Atemstillstandes war. Dies bewirkt schon eine
geringe Zunahme des CO,-Gehaltes im Inspirationsgemisch. Im
Einklang damit stehen die bereits angeführten Versuchsergebnisse
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 53
Tabelle III.
Die Versuche sind nach steigendem Kohlensäuregehalt im Inspirationsgas
unter Berücksichtigung der Größe des eingeatmeten Volums angeführt.
Inspirationsgas
alv. alv. alv
Hate) 9/0 O3
99,59
14,01 | 34,60 | 96,95
ted ” n
4,06 | 30,86 |20,11 | 152,84 13,73 | 35,75 | 95,30
n i R 14,09 | 35,19 | 93,50
i ý , 13,90 | 33,66 | 96,43
6,32 | 48,03 | 19,64 | 149,26 13,46 | 38,77 | 93,55
i i 2 R 14,29 | 40,56 | 99,09
744 | 56,54 |19,44 | 147,74 14,26 | 41,52 | 98,90
; i S 14,05 | 43,76 | 97,38
r S 13,82 | 44,89 | 92,55
, i - 14,02 | 44,64 | 97,17
8 £ g 13,82 | 43,87 | 95,44
144,78 14,10 | 44,40 | 97,88
13,84 | 47,09 | 95,99
n n n n.
30,54 | 232,10 | 14,57 | 110,73 13,88 | 67,79 | 95,07
* | n n ” 14,28 74,69 99,09
n n n n 13,99 | 75,75 | 97,01
» n n n 14,15 | 68,99 | 97,20
von Zuntz und Loewy!) und anderen. In geringen Mengen
wirkt die Kohlensäure erregend aufs Atemzentrum, in großen
Mengen narkotisierend. Bei einer gewissen Höhe des Partial-
drucks wird Kohlensäure unzweifelhaft ausgiebig retiniert oder
bei noch größerem Kohlensäuregehalt aufgenommen. In den
vorliegenden Versuchen war am Schlusse der Exspiration vor
Beginn der Inspiration noch Gas von 4,85°/, CO,-Gehalt in
der Lunge (siehe Tab. I); da wir die Residualluft mit rund
1000 ccm annehmen können, so mußte durch Zumischung eines
Volums von 2011 bzw. 2376 com Gas von 6,32°/, CO,-Gehalt
mit der Inspiration (siehe den 6. und 7. Versuch in Tab. III)
bereits am Beginne des Atemanhaltens ein Gasgemenge von
5,8 bzw. 5,9°/, CO,-Gehalt in der Lunge vorhanden gewesen
sein, dies entspricht also gerade dem Prozentgehalt bei Aus-
führung der Exspiration am Schlusse des Atemanhaltens, so
daß die ganze Menge der während des Atemstillstandes pro-
1) L c. S. 45.
54 A. Leimdörfer:
duzierten Kohlensäure retiniert worden ist. In den folgenden
Versuchen mit 7,44°/, CO, im Inspirationsgemisch ist der CO,-
Gehalt der Alveolarluft zu Beginn des Versuches bereits mit
6,6 bzw. 6,8°/, anzusetzen, repräsentiert also einen höheren
Wert als denjenigen, welchen das Gas am Schlusse des Atem-
anhaltens aufwies, weshalb also nicht nur eine Menge, die der
während des Versuches gebildeten Kohlensäure entspricht, re-
tiniert worden, sondern auch noch aus dem Inspirationsgemisch
CO, zur Resorption gelangt sein muß. |
Bohr!) veröffentlicht auch bezüglich der Kohlensäure-
atmung Versuche von Halberstadt an Kaninchen, wobei die
eine Lunge atmosphärische Luft, die andere ein kohlensäure-
haltiges Gasgemenge atmete; in der kohlensäureatmenden Lunge
war die Kohlensäureausscheidung herabgesetzt; erreichte der
Partialdruck der Kohlensäure eine gewisse Größe, wurde Kohlen-
säure aufgenommen; die Grenze, an welcher Kohlensäure weder
ausgeschieden noch aufgenommen wurde, liegt beim Kaninchen
beim Gehalt der Einatmungsluft . von ungefähr 15,5°/, CO,
(117,8 mm Partialdruck), wenn eine Lunge atmosphärische Luft,
die andere ein kohlensäurehaltiges Gasgemenge von demselben
Sauerstoffgehalt einatmet. In meinen Versuchen lag demnach
diese Grenze bei einem viel niedrigeren Druck.
Bei ungefähr 30°/, CO, machte sich schon die narkotische
Wirkung der Kohlensäure geltend und forderte sofortige Ex-
spiration.
Hill und Flack?) finden bei ihren Tierversuchen, daß
über 30°/, kohlensäurehaltige Gasgemische einen narkotischen
Effekt haben. Nach A. Loewy?) liegt die narkotische Wirkung
erst bei 40°/,, bei noch höheren Prozenten ist die Kohlensäure
irrespirabel wegen Glottisverschlusses, und es tritt Erstickung ein.
In den ersten Versuchen von Tabelle III, in welchen das
Inspirationsgas einen Kohlensäuregehalt von 2,41°/, und 4,06°/,
hatte, ist die alveolare Kohlensäuretension viel niedriger als bei
den Versuchen mit Atmung aus freier Luft, die in Tabelle II
angeführt sind, wo die alveolare Kohlensäuretension um 40 mm
schwankt. Man sollte erwarten, daß auch in den Versuchen
1) 1. o. S. 5l.
2) Lo S. 46.
3) Handb. d. Biochemie v. Oppenheimer 4.
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 65
von Tabelle III die. Kohlensäuretension diese Höhe erreichen
kann, zumal da kohlensäurereiche Gemische inspiriert wurden.
Wäre dies der Fall, könnte man annehmen, daß nur die Kohlen-
säuretension den Zeitpunkt der Unterbrechung des Atemstill-
standes bestimmt. Dies trifft aber nicht ein. Es besteht daher
die Notwendigkeit, noch eine andere Ursache für dieses Ver-
halten verantwortlich zu machen. Es wurde wahrscheinlich
auch in diesen Fällen schon Kohlensäure retiniert, besonders
da wir durch die schon erwähnten Versuche von Halberstadt
wissen, daß in der kohlensäureatmenden Lunge die Kohlensäure-
ausscheidung herabgesetzt ist — dies war schon bei niedrigem
Partialdruck in der Einatmungsluft z. B. 1,5°/, CO, der Fall.
Es mußte daher schon von Beginn des Atemanhaltens an im
Blute eine höhere CO,-Spannung herrschen. Die retinierte
Kohlensäure wirkte gleich als stärkerer Reiz aufs Atemzentrum
und es wurde, so wie beim Reflex-Schwefelsäure-Frosch durch
Summation von stärkeren Reizen die Reflexe rascher ausgelöst
werden, durch Summation der stärkeren Kohlensäurereize die
Zeit des Atemstillstandes verkürzt; hierbei konnte die alveo-
lare Kohlensäuretension nicht jene Höhe erreichen wie bei den Luft-
versuchen. Bei den höheren Kohlensäureprozenten im Inspira-
tionsgas steigt natürlich die Kohlensäuretension in der Lunge
stark an.
Man kann sich die eben besprochenen Verhältnisse auch
noch auf eine andere Art erklären. Es ist insbesondere durch
die Untersuchungen von Bohr!) bekannt, daß mit dem Steigen
der Kohlensäuretension im Blute die Sättigungsfähigkeit des
Hämoglobins mit Sauerstoff abnimmt, anderseits die Dissoziation
des Oxyhämoglobins zunimmt. Ist in der Atemluft die Kohlen-
säuremenge vermehrt, wird auch im Blute die Kohlensäuremenge
indirekt zunächst durch Verminderung der Kohlensäureaus-
scheidung größer werden. So ist die Möglichkeit gegeben,
daß die Wirkung der Kohlensäure auf die Sauerstoffbindung
des Hämoglobins in Kraft trat. Die Folge davon war, daß
früher Sauerstoffmangel im Blute zustande kommen konnte als
unter gewöhnlichen Bedingungen, welcher die Zeit des Atem-
stillstandes verkürzte.
1)1.o. 8. 51.
56 A. Leimdörfer:
Es würde dann die Summe von CO,-Reiz und dem Reiz
durch Mangel an Sauerstoff (Oxydationszwischenstufen) die Ur-
sache für die Auslösung des unabweislichen Bedürfnisses zu
atmen gewesen sein. Diese Annahme ist aber bei den vorliegenden
Versuchen darum nicht wahrscheinlich, weil die Höhe der alveo-
laren Kohlensäuretension von jener der alveolaren Sauerstoff-
tension, die in den Versuchen von Tabelle III bestand, nicht
merklich beeinflußt wurde.
Es wäre nun zu entscheiden, wieso die CO,-Tensionen, die
wesentlich über der Höhe der normalen CO,-Tension liegen,
zustande kommen konnten, wenn sich bereits bei nicht absonder-
lich hohem Kohlensäuregehalt in der Inspirationsluft der Zwang
zum Atmen einstellt. Hierbei handelt es sich unzweifelhaft
darum, daß der Reflex einige Zeit willkürlich gehemmt werden
kann, und daß während dieser Zeit bei hohem Kohlensäure-
gehalt der Inspirationsluft Kohlensäure in den Körper auf-
genommen wird, die sich auf das Blut und die Gewebsflüssig-
keit (durch Absorption) verteilt. Je höher die CO,-Tension im
Inspirationsgemisch ist, um so größer muß die restierende
Spannung in den Alveolen zur Zeit der Auslösung des er-
zwungenen Atemzuges sein. Es ist begreiflich, daß bei
größerer Atemtiefe auch die CO,-Tension in der Alveole höher
bleiben muß als dann, wenn nur wenig von dem stark CO,-
haltigen Gemisch inspiriert wurde, was man in den Versuchen
mit 6,32, 7,44 und 9,35°/, CO, in Tabelle III sieht, bei denen
ein Zusammenhang zwischen Atemvolum und CO,-Tension un-
verkennbar ist. Bei 30,54°/, CO, im Inspirationsgemisch ist
wegen der Höhe des Reizes, der sofort den neuen Atemzug
erzwingt, dieses Verhältnis natürlich verwischt, ebenso wie dies
bei der Einatmung nur wenig CO,-haltender Gemische nicht
zu erwarten ist.
Versuche mit Stickstoffgemischen.
In diesen Versuchen hält sich der Mittelwert der Kohlen-
säuretension in der Lunge niedriger als bei den Versuchen
mit atmosphärischer Luft (Tab. II). Die Verminderung des
Sauerstoffprozentgehaltes der Atemluft verringert die Zeit des
Atemstillstandes, wirkt direkt oder indirekt als Atemreiz, indem
Sauerstoffmangel eintritt. Dieser kommt dadurch zustande,
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 57
daß das Hämoglobin wegen des niedrigen Sauerstoffdruckes in
der Einatmungsluft nicht genügend mit Sauerstoff gesättigt
wird; während der kürzeren Zeit wird auch weniger CO, ge-
bildet, und es bleibt daher die CO,-Tension niedriger, immerhin
wird sie aber während des Atemanhaltens doch noch so hoch,
daß die Sättigungsfähigkeit des Hämoglobins mit Sauerstoff
noch eine weitere Einbuße erleidet, indem die Dissoziation des
Oxyhämoglobins ansteigt. Eine Analogie zu diesem Verhalten
liefert die Beobachtung Mossos!); derselbe findet die Zeit des
Atemanhaltens kürzer in der verdünnten, also sauerstoff-
ärmeren Luft.
Tabelle IV.
Die Reihenfolge der Versuche richtet sich nach dem steigenden Stick-
stoffgehalt der Einatmungsluft. |
alv. alv. alv.
alv.
Ten, o COs | ai Oe | C0,Te | 0,Te
13,30 33,79 92,60
13,15 35,88 91,80
12,52 34,32 87,17
12,52 36,78 87,16
á 8 13,55 29,95 94,60
SN 13,07 35,20 90,79
10,27 | 13,07 36,44 91,17
g S 4,37 12,66 30,51 88,37
Zu ww 4,99 11,95 34,79 83,32
u 4,88 12,08 33,65 84,17
on 5,27 11,47 36,32 79,08
S | 4 5,53 12,31 38,30 85,16
S 5,15 11,59 35,69 80,33
fb Es 5,01 1121 | 34,79 | 77,77
a E 6,11 11,89 35,21 82,00
Bombenstickstoff 4,74 5,46 32,83 37,79
r 4,97 6,66 34,52 46,21
Mit dem Fallen der Sauerstoffspannung in der Atemluft
geht natürlich Hand in Hand ein Sinken der alveolaren Sauerstoff-
tension, wobei diese in den Versuchen mit stark herabgesetztem
Sauerstoffgehalt im Inspirationsgas höher ist ale der Teildruck in
diesem, wofür die Erklärung in der Residualluft zu suchen ist.
In allen Versuchen, selbst wenn reiner Stickstoff geatmet
wurde, änderte sich die Kohlensäuretension nicht bedeutend.
1) Centralbl. f. Physiol. 1904, S. 569.
58 A. Leimdörfer.
Dies spricht dafür, daß der Sauerstoffmangel zwar als Atem-
reiz wirkt, aber nur in schwachem Ausmaße, zur Unterstützung
des Kohlensäurereizes, der nicht seine normale Höhe zu er-
reichen braucht. Der hauptsächlichste Atemreiz ist aber die
Kohlensäure.
Übereinstimmend damit sind die Versuchsergebnisse von
Haldane und Poulton?), welche konstatieren, daß der vor-
nehmste Atemreiz die Kohlensäure ist, während Sauerstoffmangel
nur den Reizwert der Kohlensäure alteriert. Während besonders
nach den Darlegungen von Boycott und Haldane?) der
Sauerstoffmangel nicht direkt wirkt, sondern nur die sich bei
Sauerstoffmangel bildenden Zwischenprodukte des Stoffwechsels,
wäre anzunehmen, daß bei den vorliegenden Versuchen der
Sauerstoffmangel selbst direkt wirkt, indem wohl nicht genügend
Zeit zur Bildung solcher Stoffe vorhanden war. Eine Stütze
findet diese Annahme in Versuchen Scotts’) mit sauerstoff-
armen Gasgemengen, welcher dabei Dyspnoe nach sehr kurzer
Zeit, ungefähr !/, Minute, auftreten sah und deshalb schwer
an die Anhäufung von intermediären Stoffwechselprodukten in
der kurzen Zeit glauben kann.
Die Bedeutung des Sauerstoffmangels erhellt gut aus Ver-
suchen von Haldane und Poulton; es wurde sauerstoffarme
Luft geatmet, und bei einem alveolaren Kohlensäureprozent,
bei welchem sonst Apnoe entstehe würde, trat Dyspnoe ein.
Im Hochgebirge, also in der verdünnten, sauerstoffarmen
Luft, trat nach Durig*) die Wirkung des Sauerstoffmangels
dadurch zutage, daß die alveolare Kohlensäuretension, welche
in der Ebene in feiner Weise die Atmung reguliert, um so mehr
absank, je größer die Meereshöhe war, in der er die Marsch-
versuche ausführte; es konnte deshalb die Kohlensäure bei der
Arbeit im Hochgebirge allein nicht jener Faktor gewesen sein,
welcher die Vertiefung der Atemzüge auslöste, sondern in den
Folgen der fortschreitenden Verminderung des Sauerstoffdruckes
wären weitere Komponenten zu suchen, deren Wirkung hier in
Betracht gekommen ist. Während also in der Ebene der CO,-
1) 1. o. S. 45.
2) lL o. S. 45.
3) I. c. S. 46.
4) Pflügers Archiv 113.
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 59
Reiz das fast ausschließlich Ausschlaggebende war, trat im Hoch-
gebirge bei großem 0,-Verbrauch die Wirkung des 0,-
Mangels infolge des Entstehens reichlicherer Zwischenprodukte
deutlich hervor. Im selben Sinne sprechen die Ergebnisse von
Haldane und Poulton für den vorherrschenden Einfluß der
Kohlensäure. Apnoe, erzeugt durch künstliche, abnorm starke
Atmung, verschwindet nicht, bis die alveolare Kohlensäuretension
den Schwellenwert erreicht hat; erst wenn der Sauerstoffdruck
in der Lunge so niedrig ist, daß die durch den Sauerstoffmangel
erzeugten Stoffwechselprodukte die Kohlensäurewirkung ver-
stärken, verschwindet die Apnoe, bevor die alveolare CO,-Tension
den Schwellenwert erreicht hat.
Auch Versuche von Mosso?!) besagen dasselbe. Es zeigte
sich, daß sowohl nach tiefer Sauerstoffatmung als auch nach
ausgiebiger Ventilation mit atmosphärischer Luft oder mit reinem
Wasserstoff Apnoe eintrat. Bei Einatmung von CO,-haltigen
Gemischen war dies nicht der Fall. Die Versuche Aggazzottis
haben ferner erwiesen, daß Menschen und Affen unter ver-
mindertem Luftdruck, auch wenn reichlich Sauerstoff zugeführt
wird, viel eher geschädigt werden, wenn das zugeführte Gas
nicht hinreichende Mengen CO, enthält, um eine entsprechend
kräftige Ventilation auszulösen.
Interessant und bedeutungsvoll hinsichtlich der Frage der
Wirkung des Sauerstoffmangels sind Versuchsergebnisse von
Yandell Henderson.?) Dieser forschte nach der Ursache
des Choks, welcher oft während Operationen bei offener
Pleurahöhle, wobei nach dem Überdruck- bzw. Unterdruck-
verfahren nach Sauerbruch-Brauer geatmet wird, entsteht;
er machte die Beobachtung, daß dieser Chok durch Akapnie,
also durch eine Verminderung des Kohlensäuregehaltes im Blute
und in den Geweben hervorgerufen werde. Henderson konnte
künstlich durch starke Ventilation der Lunge, unter denselben
Umständen wie bei den angeführten Operationen, Akapnie und
als Folge Chok erzeugen; es stellte sich zuerst Tachykardie,
dann Sinken des Blutdrucks und Herzstillstand ein, das Tier
ging zugrunde, ohne die geringste Atemanstrengung gemacht
zu haben, wobei doch unzweifelhaft Sauerstoffmangel bestand.
1) Centralbl. f. Physiol. 1903, S. 793.
2) American Journ, of Physiol. 21, 1908.
60 A. Leimdörtfer:
Henderson schließt daraus, daß der Sauerstoffmangel kein
Atemreiz ist, er lähmt mehr. Anschließend daran wäre eine
Beobachtung von Friedländer und Herter?) erwähnenswert,
welche fanden, daß bei länger andauerndem Sauerstoffmangel
die Erregbarkeit der Centra allmählich sinkt, so daß die im
Blute vorhandenen reizenden Stoffe wenig Effekt haben. Wird
dann wieder sauerstoffreiche Luft zugeführt, so reagiert nun das
Atemzentrum heftig auf dieim Blutezirkulierenden reizenden Stoffe.
Außerdem waren schon früher Versuche von Zuntz und
anderen ausgeführt, in denen das Atemzentrum schon durch
geringe Vermehrung der Kohlensäure in der Einatmungsluft stark
erregt wird, während große Schwankungen im Sauerstoffgehalt der
Atemluft, so von 12 bis 60°/,, ohne großen Einfluß blieben.
Die Atemtiefe zeigt sich in den Versuchen von Ta-
belle IV von nicht besonderer Bedeutung; in den Versuchen
mit 10,27°/, O, im Inspirationsgas und kleinerem Atemvolumen
ist die alveolare Sauerstofftension höher als in den entsprechenden
Versuchen mit großer Atemtiefe, was wohl darauf zurückzuführen
ist, daß bei geringer Atemtiefe früher Sauerstoffmangel eintrat
und früher exspiriert werden mußte.
Versuche mit Sauerstoffgemischen.
Tabelle V.
Inspirationsgas
CM
V rar, \alv.°/,CO,|alv. %/, O, als. CO,Te! alv. OTe
59,46 491,90 40,60 140,1
59,46 491,90 6, 20,91 43,66 145,9
59,46 491,90 5,66 18,77 39,50 130,9
59,46 491,90 6,91 27,89 48,06 193,9
59,46 491,90 7,64 29,82 63,29 207,8
69,46 491,90 6,94 29,06 48,24 202,1
69,46 491,90 6,79 29,11 47,51 203,6
59,46 491,90 7,49 29,47 52,07 204,8
59,46 491,90 6,89 28,53 48,17 199,4
Bombensauerstoff 7,42 31,01 62,06 217,5
1) l. c. S. 46.
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 61
Die alveolare Kohlensäuretension ist in den Versuchen von
Tabelle V bedeutend gestiegen gegenüber den Versuchen bei
Einatmung von atmosphärischer Luft, die Sauerstoffspannung
natürlich auch. Bei den Beobachtungen, in denen die Atem-
tiefe eine geringe war und bei 59,46°/, O, in der Einatmungs-
luft, ist die Kohlensäure- und Sauerstofftension in der Lunge
niedriger als in den anderen Versuchen, weil hier das kleine
Atemvolumen zur Geltung kommt; die Sauerstofftension ist
trotzdem beträchtlich höher als bei den Versuchen in freier
Luft. In den Versuchen mit geringer Atemtiefe bei reiner
Sauerstoffatmung zeigt erstere nur auf die alveolare Sauerstoff-
tension im Sinne einer Herabsetzung derselben einen Einfluß.
Es findet im allgemeinen eine erheblich größere Sauerstoffauf-
nahme statt als unter gewöhnlichen Umständen, wie es sich
aus der Betrachtung der alveolaren Sauerstoffspannung und des
Sauerstoffdruckes in der Atemluft ergibt. Dieser Mehraufnahme
entspricht aber kein Mehrverbrauch, da besonders durch die
Untersuchungen von Durig!) nachgewiesen wurde, daß bei er-
höhtem Partialdruck des Sauerstoffs ein Mehrverbrauch nicht
zustande kommt, daß der Sauerstoffverbrauch innerhalb weiter
Grenzen von der Sauerstoffzufuhr unabhängig ist, wie es zuerst
von Pflüger?) ausgesprochen wurde. Die erhöhte alveolare
Kohlensäuretension kann also nicht die Folge eines vermehrten
Sauerstoffverbrauchs sein, sondern es konnte die Kohlensäure-
tension in der Lunge zu einer größeren Höhe ansteigen, mußte
es vielmehr, weil eine höhere Sauerstofispannung in der Lunge
bestand. Es ist der Schwellenwert der Reizwirkung der Kohlen-
säure in die Höhe gerückt; doch zeigen die Werte der Kohlen-
säuretensionen trotz sehr verschiedenem Sauerstoffgehalt im
Inspirationsgas keine großen Schwankungen, was darauf hin-
weist, daß der Höhe der Sauerstoffspannung in der Lunge,
wenn sie einmal eine gewisse Größe überschritten hat, keine
erhebliche Bedeutung beizulegen ist, und daß der Kohlensäure-
reiz vorherrschend und ausschlaggebend ist. Aus der erhöhten
Kohlensäuretension kann man auf die längere Dauer des Atem-
stillstandes schließen. Auch Hill und Flack?) finden bei ihren
1) L. c. 8. 47.
2) Pflügers Archiv 10.
3) L o. S. 46.
62 A. Leimdörfer:
Versuchen, daß nach Einatmung von reinem Sauerstoff die Zeit
des Atemanhaltens stark erhöht ist; nach vorhergehenden drei
Atemzügen aus reinem Sauerstoff ist sie fast dreimal so lang
als unter gewöhnlichen Bedingungen; dabei ist die Kohlensäure-
menge in der Lunge stark vermehrt. °
Ebenso ist in Versuchen von Haldane und Poulton?)
die Apnoe nach vorheriger Sauerstoffatmung von längerer Dauer
und die Kohlensäuretension erhöht.
Es fragt sich nun, worauf diese Erscheinung beruhen kann.
Es wäre natürlich am naheliegendsten, an den Wegfall des
Reizes des Sauerstoffmangels zu denken. Dazu ist man jedoch
nicht berechtigt. Denn nach der Bohrschen Dissoziations-
kurve?) ist noch bei einer Spannung von 100 mm Hg und be-
trächtlicher Kohlensäuretension die Sättigung des Hämoglobins
mit Sauerstoff fast eine vollständige. Es kann also ein An-
steigen der Sauerstoffspannung in der Lunge von 100 auf 193 mm,
und noch weniger ein solches von 193 auf 357 mm das An-
wachsen der alveolaren Kohlensäurespannung darum veranlaßt
haben, weildieSättigungdes Hämoglobins mit Sauerstoff eine höhere
geworden und der Reiz des Sauerstoffmangels weggefallen wäre.
Es ist möglich, daß darum, weil das Blutplasma und dadurch
auch die Gewebsflüssigkeit entsprechend dem Absorptionskoeffi-
zienten reichlicher Sauerstoff erhielt und die Gewebe, vor allem
das Atemzentrum im Zustande besserer Sauerstoffversorgung
bzw. höheren Sauerstofigehaltes sich befanden, diese für den
Kohlensäurereiz weniger empfindlich waren. So ließe es sich er-
klären, daß die Auslösung eines Atemzuges zu einem späteren
Zeitpunkt erfolgt, als wenn das Hämoglobin zwar mit Sauer-
stoff gesättigt, der Sauerstoffgehalt des Plasmas und der Gewebe
aber kein übernormaler ist.
Auch aus diesen Versuchen folgt demnach, daß der Sauer-
stoff resp. der Sauerstoffmangel eine gewisse, wenn auch der
Kohlensäure untergeordnete Bedeutung für den Atmungsvorgang
haben; Sauerstoffmangel und Kohlensäurereiz zusammen wirken
erregend aufs Atemzentrum, doch nicht in gleichem Maße
und gleicher Weise.
1) 1. o. S. 45.
2) l o. S. 51.
Über die Gasspannung in der Lunge usw. 63
Der Kohlensäurereiz kann auch allein wirken, doch findet er
unter Umständen im Reiz des Sauerstoffmangels (dessen Folgen) eine
Unterstützung, so daß er nicht die Höhe erreichen muß, damit ein
Atemzug erzwungen wird, wie wenn er allein wirkt. Der Sauerstoff-
mangel macht anscheinend die Zellen des Respirationszentrums für
den Kohlensäurereiz empfindlicher. Doch ist dies nicht eine ihm
speziell zukommende Eigenschaft, sondern auch unter anderen
Bedingungen trifft dies ein; so beobachteten Beddard, Pem-
brey und Spriggo‘), daB im Coma diabeticum das Atem-
zentrum durch die gesteigerte Acidität des Blutes — bei Sauer-
stoffmangel besteht auch, wie schon erwähnt wurde, eine Ab-
nahme der Alkaleszenz des Blutes — für den Kohlensäurereiz
empfindlicher ist.
Der Sauerstoffmangel kann allein nicht wirken, wie es sich
herausstellt, wenn dafür gesorgt wird, daß der Kohlensäurereiz
entfällt; er bestimmt nur die Höhe, in welcher die Kohlensäure
regulierend und ausschlaggebend wirken soll.
1) Journ. of Physiol. 37;
Über die Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren.
Von
S. von Poggenpohl, St. Petersburg.
(Aus der bakteriologisohen Abteilung des Pathologischen Instituts
der Universität Berlin.
(Eingegangen am 24. August 1909.)
Wenn auch ein Teil der fundamentalen Gesetze, welche
die Entstehung, die Wirkung und das gesamte Verhalten der
komplexen Cytotoxine beherrschen, durch das Studium der prak-
tisch wichtigsten Repräsentanten dieser Klasse, der Bakteriolysine,
erkannt worden ist, wenn weiterhin die Erkenntnis der großen
Mannigfaltigkeit dieses Gebietes uns weite Ausblicke eröffnet
hat, so haben wir doch erst der wissenschaftlichen Bearbeitung
der spezifischen Hämolysine die gründlichste Vertiefung
unserer Kenntnisse zu verdanken. Es unterliegt nach zahl-
reichen Erfahrungen keinem Zweifel, daß es gestattet ist, vom
Verhalten der Hämolysine Schlüsse zu ziehen auf das Verhalten
der übrigen Cytotoxine. Für sehr viele Fragen können nur auf
diese Weise befriedigende Antworten gefunden werden, ermög-
licht durch die Einfachheit der Methodik bei den Hämolysin-
untersuchungen, die weitgehende Variabilität der Versuchs-
bedingungen und die Eindeutigkeit und Klarheit der im Reagens-
glasversuch erhaltenen Resultate. So sehr infolgedessen gerade
das Studium der spezifischen Hämolysine die Arbeit vieler
Forscher in Anspruch genommen hat, so sind wir doch noch
weit davon entfernt, die Gesetze ausreichend zu kennen, welche
dieses Teilgebiet und damit auch größere Gebiete der Immuni-
tätslehre beherrschen. Die theoretische und praktische Be-
deutung desselben ist sicherlich groß genug, um ein immer
weiteres Eindringen zu rechtfertigen.
S. v. Poggenpohl: Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 65
Es ist hier nicht der Ort, des näheren auf die Tatsachen
und Theorien einzugehen, die sich auf die Wirkungsweise der
komplexen Cytotoxine, speziell der Hämolysine beziehen, um so
weniger, als dieses Gebiet durch H. Sachs!) mehrfach eine vor-
treffliche, leicht zugängliche Darstellung erfahren hat.
Die Versuche, die wir im folgenden beschreiben wollen, beziehen
sich auf die Bindung immunisatorisch erzeugterhämolyti-
scher Amboceptorenanrote Blutkörperchen. Bekanntlich
ist diese Bindung die Vorbedingung für die Verankerung und
Wirkung der Komplemente. Die Beziehungen dieser letzteren zu
den Amboceptoren resp. den Blutkörperchen, in deren Auffassung
wir dem Vorgang von Ehrlich und Morgenroth folgen, kommen
für die vorliegenden Versuche unmittelbar nicht in Frage.
Wir sind uns darüber klar, daß unsere Studien keineswegs
erschöpfend sein können, und daß die immunisatorisch ge-
bildeten Amboceptoren, die bis jetzt bekannt sind, in ihrem
Verhalten nicht die einzigen Typen dieser Körperklasse repräsen-
tieren müssen. Hat doch besonders das Studium der normalen
hämolytischen Amboceptoren ergeben, daß hier einzelne Ver-
treter in vielen Stücken als physiologische Analoga der hämoly-
tischen Immunkörper zu betrachten sind, während wieder andere
in ihren Bindungseigenschaften erheblich abweichen, indem ihre
Verwandtschaft zu den Blutkörperchen sich nur in Gegenwart
des Komplements zeigt (Ehrlich und Sachs). Wie groß auf
diesem Gebiete die Variationsbreite ist, lehren am besten die
hämolytischen Amboceptoren, welche nach den wichtigen Unter-
suchungen von Donath und Landsteiner bei der paroxys-
malen Hämoglobinurie auftreten; bekanntlich treten dieselben
bei Körpertemperatur, im Gegensatz zu allen bekannten Reak-
tionen auf dem Gebiete der Antikörper und Antigene, mit den
Receptoren der Blutkörperchen überhaupt nicht in Reaktion
und werden nur innerhalb niedriger Temperaturen gebunden.
Bemerkenswert ist übrigens, daß, abgesehen von diesem
paradoxen Fall, über das Verhalten der Amboceptorbindung bei
verschiedenen Temperaturen fast nichts bekannt ist.
1) H. Sachs, Die Hämolysine.e Lubarsch - Ostertags Ergeb-
nisse 7, 1902 und Sonderabdruck, ferner 11, 1907 und Sonderabdruck,
endlich in Kraus-Levaditi, Handbuch der Technik und Methodik der
Immunitätsforschung 2, 1909.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 5
66 S. v. Poggenpobl:
Was die quantitativen Verhältnisse der Bindung der
Amboceptoren an die roten Blutkörperchen betrifft, so sind
schon von Ehrlioh und Morgenroth?) einige Fälle beschrieben,
welche zeigen, daß hier die weitestgehenden Verschiedenheiten
in Frage kommen. Einerseits gibt es Amboceptoren, von denen
nur eine lösende Dosis gebunden wird (Amboceptor einer mit
Hammelblut resp. Hundeblut vorbehandelten Ziege); anderseits
sind wiederum Amboceptoren zu beobachten, von denen ein
großes Multiplum der lösenden Dosis von den Blutkörperchen
aufgenommen werden kann (mit Ochsenblut resp. Ziegenblut
vorbehandelte Kaninchen). Späterhin hat Arrhenius?) mit
Morgenroth einige weitere Versuche über die quantitativen
Bindungsverhältnisse der hämolytischen Amboceptoren angestellt.
Die Zahl der bis jetzt vorliegenden Beobachtungen ist eine viel
zu geringe, um irgendwie eine Einteilung treffen oder Verall-
gemeinerungen aufstellen zu können; es wird hierzu noch die
Ergänzung durch sehr zahlreiche weitere Versuche nötig sein.
Zu einer gewissen Erweiterung und Vertiefung unserer Kennt-
nisse sollen die folgenden Versuche beitragen, welche ich auf
Veranlassung und mit Unterstützung von Prof. Morgenroth’?)
angestellt habe.
Wir stellten uns folgende hämolytischen Amboceptoren her:
vier verschiedene Amboceptoren von Kaninchen, welche mit
Ziegenblut behandelt wurden, einen Amboceptor eines mit
Ochsenblut immunisierten Kaninchens, ferner je einen Ambo-
ceptor einer mit Ochsenblut resp. Kaninchenblut vorbehandelten
Ziege. Außerdem wurde ein normaler Amboceptor des Ziegen-
serums untersucht, der auf Kaninchenblut wirkt und durch
normales Kaninchenserum aktiviert wird.
Die Immunisierung der Tiere wurde nach den bekannten
Prinzipien durchgeführt, indem wir die Kaninchen intravenös
oder intraperitoneal, die Ziegen intraperitoneal oder subcutan
injizierten. Die intraperitoneale Injektion von Kaninchenblut
wird von den Ziegen schlecht vertragen. Wir verloren zwei
Tiere unmittelbar nach einer Injektion, ohne daß bakteriologisch
1) Berl. klin. Wochenschr. 1890, Nr. 22 und 1901, Nr. 10.
2) S. Arrhenius, Immunochemie, 1907.
3) Die Kosten der Versuche wurden zum Teil aus Mitteln bestritten,
die Prof. Morgenroth von der Gräfin Bose - Stiftung bewilligt wurden.
Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 67
eine Infektion nachzuweisen war. Bei subcutaner Injektion
konnten wir ohne Schwierigkeit immunisieren. Alle Sera wurden
durch halbstündiges Erwärmen auf 55 bis 56° in sterilen Reagens-
röhrchen inaktiviert und in diesen im Eisschrank aufbewahrt.
Die hämolytische Wirkung der Amboceptoren wurde stets durch
Einstellung nach bekannten Prinzipien kontrolliert. Es wurde
hierbei kein Wert auf eine feinere Abstufung gelegt, die nur
bei einer weit subtileren Anordnung der Bindungsversuche Sinn
hätte. Hier kam es auf Feststellung zunächst allgemeiner Prin-
zipien und der Größenordnung der Vorgänge an. Die auf diese
Weise festgestellte lösende Dosis des Amboceptors diente als Ein.
heit für die Bindungsversuche. Bei diesen wurden zu einer kon-
stanten Menge einer 5°/, igen Aufschwemmung der gewaschenen
Blutkörperchen wechselnde Mengen des Amboceptors gefügt; ein
Röhrchen ohne Amboceptor diente als Kontrolle. Überall wurde
durch Auffüllen mit 0,85°/ iger Kochsalzlösung gleiches Volum her-
gestellt. Die Röhrchen blieben dann eine bestimmte Zeit bei kon-
stanter Temperatur unter häufigem Umschütteln, hierauf wurde
zentrifugiert, die Flüssigkeit wurde sorgfältig von dem Sediment
abgegossen und dann jeder Anteil besonders untersucht. Die Sedi-
mente wurden von neuem in Kochsalzlösung aufgeschwemmt, zu
den Abgüssen wurde von neuem Blutkörperohenaufschwemmung
zugesetzt, hierauf überall Komplement zugefügt und endlich die
eingetretene Hämolyse nach zweistündigem Verweilen bei 37°
und Sedimentieren im Eisschrank bis zum folgenden Tag be-
urteilt. In der Kontrolle darf weder das Sediment noch der
Abguß mehr als Spuren von Hämolyse zeigen. Variiert wurde
die Menge des Amboceptors, ferner die Bindungszeit und die
Temperatur.
Zunächst wurden Amboceptoren von mit Ziegenblut vor-
behandelten Kaninchen (Ziegen-Kaninchen) untersucht.
Versuch 1.
Bindung des Ambooceptors während !/, Stunde bei ver-
schiedenen Temperaturen.
Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm.
2.-K. Amboceptor v. 16. III.
Amboceptormengen
L 0,1 !/)0o = 1><lösende Dosis,
2 03 „= 3x , w Gesamtvolum = 3 ccm.
bg
68 S. v. Poggenpohl:
3. 0,1 1/iọ —=10><lösende Dosis, Gesamtvolum = 3 ccm.
4 0 Kontrolle
Bindung !/, Stunde im Wasserbad.
A. bei 0°; B. bei 20°; C. bei 37°.
Zentrifugiert 2 Minuten.
Die Sedimente in Kochsalzlösung gewaschen und in 3 oom auf-
geschwemmt; davon je 1,5 com + Meerschweinchenserum 0,1.
Die Abgüsse: 1,5 com des Abgusses + 1 com Ziegenblut 50/ + 0,1
Meerschweinchen-Serum.
A, B. C.
Sediment Abguß Sediment Abguß Sediment Abguß
L komplett Spur 1. komplett Spur L komglett Spur
2. së mäßig 2 Pr Spur 2, Ge Spur
3 Br komplett 3. = mäßig 3. er wenig
4 0 0 4. fast O fast O 4. Spürchen 0
Der Versuch zeigt, daß nach einer halben Stunde bei den
drei angewandten Temperaturen die einfache lösende Dosis des
Amboceptors gebunden ist. Bei einem größeren Multiplum der-
selben, dem zehnfachen, tritt jedoch eine deutliche Differenz
hervor, indem bei 37° der gesamte Amboceptor bis auf einen
geringen Rest gebunden ist, bei 20° die Bindung etwas weniger
vollständig ist, während bei 0° noch mindestens eine lösende
Dosis im Abguß verbleibt. Es weist dieses Verhalten schon
darauf hin, daß der zeitliche Ablauf der Reaktion bei
höherer Temperatur ein schnellerer ist, vor allem aber
auch darauf, daß bei geeigneter Versuchsanordnung
die Möglichkeit gegeben ist, diesen Ablauf messend
zu verfolgen. DaB die Menge des gebundenen Ambo-
ceptors bei konstanter Temperatur mit der Bindungs-
zeit steigt, geht aus dem folgenden Versuch 2 hervor. Hier
ersieht man, daß bei möglichst raschem Abzentrifugieren auch
die einfache lösende Dosis noch nicht vollständig gebunden ist
und daß auch die Bindung der Multipla noch mit der Zeit
fortschreitet.
Versuch 2.
Bindung des Amboceptors bei 20° während versohie-
dener Zeit.
Ziegenblut 5°/,, 1 >< gewaschen, überall je 2 cem.
2.-K. Amboceptor v. 16. III.
Amboceptormengen
l. O01 tio 1xL D.
2. 03 „= 3x1l D.
Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 69
3. 0,1 t/o =10 x1. D.
40 Kontrolle `
Bindung bei 20°; A sofort.
i B während 90 Min.
A. ; B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
l. komplett mäßig l. komplett Spürchen
2 e fast komplett 2. Spur
3. — komplett 3. mäßig stark
4. Spur fast 0 4. Spürchen fast 0
Die Versuche zeigen zugleich, daß in diesem Falle die Blut-
körperchen imstande sind, mindestens 10 lösende Dosen des
Amboceptors aufzunehmen. Wir lassen nun Versuche mit einem
zweiten Amboceptor derselben Art folgen. |
Versuch 3.
Bindung des Amboceptors während !/, Stunde bei ver-
schiedenen Temperaturen.
Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm.
Amboceptor Z.-K. v. 15. V.
Amboceptormengen
L . 0,5 io = 1x1. D.
2. 0,15 21/0 = 3x1. D.
A 05 „ =10xID.
4 0 Kontrolle
Bindung während 1 Stunde.
A. bei 0°; B. bei 37°.
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
L fast komplett Spur L komplett Spur
. 2. komplett wenig 2. E ——
3. Do komplett 3. F wenig
4. Spur fast 0 4. Spur fast 0
Die Differenzen der Bindung bei verschiedenen Tempe-
raturen sind auch bei diesem Amboceptor in derselben Weise
ausgeprägt wie in Versuch 1. Daß die hier erhaltenen Re-
sultate der Ausdruck für den zeitlichen Verlauf der Reaktion
sind, illustriert besonders gut der folgende Versuch 4. Beim
sofortigen Abzentrifugieren ist zwar überall eine komplett
lösende Dosis des Amboceptors gebunden, es bleibt aber von
dem 8fachen, l2fachen und l6fachen der lösenden Dosis noch
mindestens eine lösende Dosis beim sofortigen Abzentrifugieren
im Abguß, während nach Verlauf von 30 Minuten auch die
Bindung der 16fachen löslichen Dosis beinahe erfolgt ist.
70 S. v. Poggenpohl:
Versuch 4.
Bindung des Amboceptors bei 20° während verschie-
dener Zeiten.
Ziegenblut 5°/, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm.
2.-K. Amboceptor v. 15. V.
Amboceptormengen
L 0,5 tio = 1x LD.
d 0,1 1/io = 2 x L D.
3. 2 „ = 4x LD,
4 04 „ = 8x ID.
56 06 „ =12x 1D.
6. 08 „ =16x LD
1. 0 Kontrolle
Bindung bei 20°
A sofort; B 30 Min.
A, B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
1. komplett wenig L komplett Spürchen
2. Ui mäßig 2 ” OI
8. > . stark 3. J Spur
4. ve komplett 4. e 3
5. 9 5. „ wenig
6 ” M 6. IA 99
7. 0 0 7. 0 0
Die beiden untersuchten Amboceptoren dieser Gruppe ver-
halten sich offenbar in bezug auf ihre Bindung an die Blut-
körperchen, wenigstens in den Hauptzügen, gleichartig. Es
wurde, um dies mit Sicherheit festzustellen, noch ein weiterer
Bindungsversuch ausgeführt, in welchem beide Amboceptoren
gleichzeitig geprüft wurden, und zwar so, daß stets die ent-
sprechenden Multipla der lösenden Dosis beider Amboceptoren,
was Zeit und Temperatur betrifft, in der gleichen Weise be-
handelt wurden. Wie der Versuch 5 zeigt, ist eine sehr gute
Übereinstimmung vorhanden. Bei Zusatz des l6fachen der
lösenden Dosis werden mehr als 15 lösende Dosen gebunden.
Auch zwischen den übrigen entsprechenden Werten der Tabelle
herrscht gute Übereinstimmung.
Versuch 5.
Ziegenblut gie? 1 >< gewaschen, überall je 2 com.
B.
Z.-K. — 16. UL 2.-K. Amboceptor v. 15. V.
Amboceptormengen Amboceptormengen
1. 0,1 1LD. 1. 0,5 !/,o = 1 xL D.
2. 02 „ = 2xlD. 2. 01 ss 2xl D.
3. 04 „ = 4xl D. 3. 02 „ = Aal D.
4. 06 „ = 8xl D. 4. 04 „= 8xlL D.
5. 0,8 = 12 xL D. 6. 06 „ =12=L D.
6. 0,16 Yo = 16 x1. D. 6. 0,8 1/io = 16 =L D.
7. 0 Kontrolle 7. 0 Kontrolle
Bindung 1/3 Stunde bei 20°.
Bindungsweise hämolytischer .Ambooeptoren. 71
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
L komplett fast 0 1. komplett fast O
2. pg ” 0 2. 99 „
3. e Spur A * Spur
4. Ge wenig 4. Sé wenig
5. = stark | 5 mäßig stark
6. e fast komplett 6 Kë sehr m
7. 0 0 ; 0
Daß diese Übereinstimmung in der „Avidität‘‘ der beiden
Amboceptoren nicht etwa einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit
entspricht, die für alle Amboceptoren dieser Gruppe gilt, ergab
sich aus der Prüfung eines weiteren Amboceptors (vom 22. V.),
die in analoger Weise wie der vorige Versuch unter den gleichen
Kautelen vorgenommen wurde. Es wurden gleichzeitig der an
zweiter Stelle untersuchte Amboceptor mit dem neuen Ambo-
ceptor untersucht. Während bei dem ersteren von 16 lösenden
Dosen mehr als 15 gebunden wurden, blieb bei Anwendung
von 20 lösenden Dosen mindestens eine übrig; bei dem zweiten
Amboceptor dagegen wurden selbst noch 60 lösende Dosen
bis auf einen geringen Rest gebunden. Der Ausfall des Ver-
suches ist um so eklatanter, als die absoluten Werte bei beiden
Amboceptoren übereinstimmen.
Versuch 6.
Ziegenblut 5°/, 1>< gewaschen, überall je 2com.
A. B.
2.-K. Amboceptor v. 15. V. Z. K. Amboceptor v. 22, V.
Ambooceptormengen t
l. 0,2 Las A Ge L D.
2. 04 „ = 8x1. D
3. 8 „ =16x<LD.
4. 0,1 dÉ = 20 x Ll D.
5. 2 „ =40xLD
6 03 „ =0Xx<ID
7. 0 Kontrolle
Bindung ?/, Stunden bei 37°.
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
l. komplett Spürchen 1. komplett Spürchen
2. S fast komplett 2. 5 H
3. Ui L H 8. ! 39 wenig
S e komplett 4. „ mäßig
kW pn „ 5. „ Wa
6. x W: 6. ji fast komplett
7. Spürchen Spürchen 7. Spürchen Spürchen
12 8. v. Poggenpohl:
Der Einfluß der Temperatur auf den Ablauf der
Reaktion auch bei diesem Amboceptor, der dem schon be-
schriebenen analog ist, ist aus folgendem Versuch zu ersehen.
Versuch 7.
Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, je 2com.
2.-K. Ambooeptor v. 22. Vs
Amboceptormengen
L 05 Yo 1x<LD
2 0,1 1/0 = 2xLD
A 02 „ = 4xLD
4 0,4 zs 8xLD
6. 06 „ =12xI1lD
6 0,8 „ =16xLD
7. 0 Kontrolle
Bindung ?/, Stunden.
A bei 0°; B bei 37°,
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
l. komplett Spur 1. komplett Spürchen
2 ” E 2 IA LI:
3. Si wenig 3. ep om
4. nn mäßig 4. SÉ Spur
5 D 29 fast komple tt 5 99 38
6 e komplett 6 ve op
7 0 Spürchen 7. 0 Spürchen
Ein vierter Amboceptor, der aber nicht in exakt ver-
gleichender Weise geprüft wurde, scheint nach dem folgenden
Versuch eher eine geringere Avidität zu besitzen, indem nach
ı/, Stunde bei 37° von 8 lösenden Dosen noch fast eine frei
geblieben ist.
Versuch 8.
Ziegenblut 8°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 com. Z.-K.-Amboceptor
vom 14. VII.
Amboceptormengen
l. 0,51/100 = 1 L D.
2. Olho =2x L D.
3. 021/00 =4x L D.
5. Kontrolle
Bindung 1/, Stunde
A. bei 0%; B. bei 37°.
| A. | B. |
Sediment Abguß . Sediment Abguß
1. komplett Spur l. komplett Spürchen
2- ff wenig 2. Se Spur
3: ge fast komplett 3. ep
& 4. fast komplett
5. Spürchen "Spürchen 5. Spürchen fast 0
Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 73
Fassen wir die Versuchsresultate dieser ersten Gruppe
(Ziegen-Kaninchen-Amboceptor) zusammen, so können wir die-
selben folgendermaßen ausdrlicken:
L Die Reaktion der Bindung des Amboceptors an
die Blutkörperchen beginnt fast sogleich nach Zusatz
des Amboceptors; ihr weiterer Verlauf ist von Zeit
und Temperatur abhängig, inder Weise, daßin gleichen
Zeiten um so mehr Amboceptor gebunden wird, je höher
die Temperatur ist (Vergleich zwischen 0° und 37°),
während bei ein und derselben Temperatur die Bindung
des Ambooceptors mit der Zeit fortschreitet.
2. Verschiedene Ambooeptoren derselben Art haben
verschiedenartige Avidität den Blutkörperchen gegen-
über. Unter gleichartigen Bedingungen kann die
Menge des gebundenen Amboceptors in weiten Grenzen
schwanken. Diese Differenzen der Avidität sind nicht
abhängig von der absoluten Wirkung der Amboceptoren;
man findet Am’boceptoren, die bei gleichartiger hämo-
lytischer Wirkung verschiedene Avidität besitzen
(Amboceptoren vom 15. V. und 22. V.), andererseits solche,
die bei verschiedener hämolytischer Wirkung gleiche
Avidität besitzen (Amboceptoren vom 16. III. und 15. V.).
Auch bei einem Amboceptor!), der von einem mit Ochsen-
blut behandelten Kaninchen stammte, ist der Einfluß der Zeit
auf die Bindung in .klarer Weise zu ersehen, wie der folgende
Versuch 9 zeigt, der nach dem Vorausgegangenen keiner be-
sonderen Erläuterung bedarf. Er zeigt in seinem Endergebnis,
daß nach 1/, Stunde bei 20° von 3 lösenden Dosen mehr als
2, und von 10 mehr als 9 gebunden sind, während bei sofortiger
Abtrennung des Sediments selbst von der einfach lösenden
Dosis noch ein erheblicher Anteil frei ist.
1) Bei Benutzung von Ochsenblut wandten wir als Komplement
das Serum von jungen Meerschweinchen von 250 g an, da das Serum
ausgewachsener Meerschweinchen sehr häufig erhebliche Mengen eines
Amboceptors für Ochsenblut besitzt und infolgedessen stark hämo-
lytisch wirkt. l
714 S. v. Poggenpohl:
Versuch 9.
Bindung des Amboceptors bei 20° während verschiedener Zeit.
Ochsenblut 5°/„ 1>< gewaschen, überall je 2 com. O.-K.-Ambo-
oeptor vom 3. VI
Amboceptormengen
L 02,0 1x L D.
2 0,6l = 3x Ll D.
3. 0210 =10x 1l. D.
4. 0 Kontrolle
Bindung bei 20°.
A sofort; B während !/, Stunde.
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
1. komplett stark 1. komplett Spur
2. j komplett 2. N mäßig
8. j 7A 3. e fast komplett
4. Spürchen Spürchen 4. Spürchen Spürchen
Daß auch hier in ähnlicher Weise wie bei der vorigen
Gruppe bei gleichen Zeiten die Temperatur von Einfluß ist,
zeigt der folgende Versuch 10.
Versuch 10.
Bindung des Amboceptors während fe Stunde bei
verschiedenen Temperaturen.
Oobsenblut Bäi, 1>< gewaschen, je 2 ocm. O.-K.-Amboceptor
vom 3. VI.
Amboceptormengen
L 02,0 1x L D
2. Oëibhoazss 3x L D.
A 0,1!/o = 5x L D.
4. 0210 = 10 x< L D.
5. ` 0,4!/io = 20 x LD
6. 0 Kontrolle
Bindung 1/, Stunde
A bei 0°; B bei 37°.
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
1. komplett mäßig 1. komplett wenig
2. Ge fast komplett 2: u mäßig stark
3; er i 2 3. ~ fast komplett
4. Se komplett 4. ʻi 2 i
5 ý o ? 5. Ka komplett
6 0 0 6. 0 0
Es verhält sich also offenbar dieser Ochsen-Kaninchen-Ambo-
ceptor im wesentlichen wie die Ziegen-Kaninchen-Amboceptoren.
Bindungsweise hämolytischer - Ambooeptoren. 75
Die Bindungsversuche mit dem Amboceptor einer
mit Ochsenblut behandelten Ziege ergaben folgende
Resultate: Der Amboceptor, den wir zunächst zu unseren
Versuchen (vom 29. V.) verwendeten, war, nach kurzer Immu-
nisierung gewonnen, außerordentlich schwach, so daß die lösende
Dosis für 2 com 5°/,iges Ochsenblut 1,4 ccm des unverdünnten
Serums betrug, bei Verwendung von normalem Ziegen-
serum zur Aktivierung. Das Verhalten dieses schwach wirk-
samen Amboceptors ist insofern außerordentlich bemerkenswert,
als es offenbar eine Mittelstellung einnimmt und sich stark
dem Verhalten gewisser normaler Amboceptoren nähert. Aus
den beiden folgenden Versuchen 11 und 12 ist zu ersehen,
daß nach ?/, Stunde bei 0° und bei 37° von der einfach
lösenden Dosis nur ein geringer Bruchteil gebunden ist, während
bei 37° von der 3fachen lösenden Dosis eine gebunden ist.
Selbst nach 4 Stunden bei 37° haben die Blutkörperchen von
einer lösenden Dosis noch nicht alles aufgenommen, während
doch bei Gegenwart von Komplement in derselben Zeit eine
vollkommene Bindung und Hämolyse erfolgt sein müßte.
Versuch 11.
Bindung des Ambooeptors während !/, Stunde bei
verschiedenen Temperaturen.
Oohsenblut 5°%/,, 2>< gewaschen, je 2 com. O.-Z.-Amboceptor
vom 29. V.
Amboceptormengen
141), = 1x l. D.
421/, = 3x LD
8,41/, = 6x L D.
0 Kontrolle
Bindung !/, Stunde
A. bei 0°; B. bei 37°.
Zentrifugiert 2’. Zur weiteren Behandlung wird die Hälfte der
Sedimente und der Abgüsse genommen; als Komplement: normales
Ziegenserum aktiv 0,5 dom.
a PP
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abgu8
l. Spur fast komplett 1. wenig fast komplett
2. fast komplett komplett 2. komplett komplett
3. H LU LA 3. A) 29
4. 0 0 4. 0 0
76 S. v. Poggenpohl:
Versuch 12.
Ochsenblut 5°/,, 2>< gewaschen, überall je 2 com O.-Z.-Amboceptor
vom 29. V., inaktiv.
Amboceptormengen
l. 141, = 1x l D.
2. 2,81 =2x l D.
3. 4,21/, — 3x L D,
4. 0 Kontrolle
Bindung bei 37°
A. während 1/3, Stunde; B. während 4 Stunden.
Weiter wie in Versuch 11.
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
1 Spur stark L stark ` mäßig stark
2. stark komplett 2. fast komplett fast komplett
3. fast komplett e 3. » > e ke
4. 0 0 4. 0 0
Bei einer weiteren Steigerung der hämolytischen Wirkung
des Amboceptors im Verlauf der Immunisierung gewannen wir
den Eindruck einer Aviditätssteigerung. Die Versuche
konnten jedoch aus äußeren Gründen nicht beendet werden;
die Frage hat durch P. Th. Müller!) eine vortreffliche Be-
arbeitung erfahren, aus der sich die Aviditätssteigerung im
Verlaufe der Immunisierung ergibt.
Auch die Bindung eines Amboceptors einer mit Kaninchen-
blut vorbehandelten Ziege ist, wie der folgende Versuch 13
zeigt, bei konstanter Zeit von der Temperatur ab-
hängig. |
| Versuch 13.
Kaninchenblut 5°/,, 1 < gewaschen, überall je 2 ccm. Kaninchen-
Ziegen-Amboceptor vom 7. VII. Komplement: Meerschweinchen-
serum 0,1.
Amboceptormengen
l. 0,510 = 1x 1 D.
2. OI =2x l. D.
3. 0,151/, = SE LD
4. 0,2/1 = 4x LD
5. Kontrolle
-Bindung 1 Stunde
A. bei 0°; B. bei 37%
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
L fast komplett mäßig 1. komplett Spur
2. komplett stark 2. H wenig
3. e 5 3. e mäßig
4 H komplett 4 z fast komplett
5. Spürchen fast 0 5. fast 0 fast 0°
1) Arch. f. Hygiene 54.
Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 17
Wir lassen nun noch einen Versuch folgen, welcher die
Bindungsweise eines normalen Amboceptors zeigt. Benutzt
wurde Kaninchenblut, als Amboceptor diente durch '/,stündiges
Erwärmen auf 56° inaktiviertes Ziegenserum, welches durch
Kaninchenserum (0,5) aktiviert wurde. Wie der Versuch er-
kennen läßt, erfolgt hier die Bindung der lösenden Dosis ziem-
lich rasch, doch werden offenbar auch nach längerer Zeit von
3 lösenden Dosen nicht mehr als 2 gebunden.
Versuch 14.
Kaninchenblut 85°/, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm. Normal-
Ziegenserum, inaktiv.
Serummengen
l. 1,01, = 1x l. D.
2. 2,01/ = 2x l. D.
3. 3,0Y, = 3x l. D.
4. 0 Kontrolle
Bindung bei 37°
A. während !/, Stunde; B. während 2 Stunden.
A. B.
Sediment Abguß - Sediment Abguß
1. komplett fast 0 1. komplett fast 0
2. en fast komplett 2, ae wenig
3. 5 komplett 3. 5 komplett
4. 0 0 4. fast 0 fast 0
Vergleichen wir das Verhalten der von Kaninchen und
von Ziegen gewonnenen Amboceptoren, so hat es den Anschein,
als ob die Avidität der ersteren im allgemeinen eine stärkere
wäre als die der letzteren. Doch bedarf es zur sicheren Fest-
stellung dieser Tatsache noch einer Ausdehnung der Versuche
auf mehrere Blutarten und auf eine größere Anzahl von Ambo-
ceptoren verschiedener Stärke. Es wird sich dann auch
ergeben, ob unsere, auf diese Versuche basierte Ver-
mutung richtig ist, daß das Hauptmoment, welches
den Habitus des Amboceptors bestimmt, nicht in der
Blutart, diezur Immunisierung benutzt wurde, sondern
in der Spezies des immunisierten Tieres liegt.
Im Hinblick auf das von Ehrlich und Morgenroth ein-
geführte Prinzip von der Pluralität der Receptoren taucht die
prinzipiell wichtige Frage auf, ob für gleichsinnig gerichtete
Amboceptoren, die von verschiedenen Tierspezies stammen,
78 S. v. Poggenpohl:
dieselben Receptoren der Blutkörperchen in Frage kommen
oder nicht. Wir haben einige Versuche zur Entscheidung
dieser Frage ausgeführt, und zwar unter Verwendung der beiden
auf Ochsenblut wirkenden Amboceptoren, deren einer vom
Kaninchen, der andere von der Ziege stammte. Der folgende
Versuch zeigt ein eindeutiges Resultat,
Versuch 15.
4 Reagensröhrchen: Überall je 1,0 Ochsenblut 5°/,, 1>< gewaschen
-+ 1,0!/,0 O.-2.-Amboceptor, inaktiv, vom 6. VI. (4 lösende Dosen). Nach
1/,stündiger Bindung im Brutschrank bei 37° werden die Röhrchen
zentrifugiert und die Abgüsse in bekannter Weise auf Ambooeptorgehalt
geprüft. (Resultat: überall komplett.) Die Sedimente werden in Koch-
salzlösung gewaschen und in 1 ocm aufgeschwemmt. Mit diesen Sedi-
menten wird schließlich der folgende Bindungsversuch aufgestellt:
Sediment (vorbehandelte Blutkörperchen), überall je 1 com. Ochsen-
Kaninchen-Amboceptor vom 3. VI., inaktiv.
Amboceptormengen
L 02/0 — L 1. D
2. 0,61/0 =2 Xx LD
d Ollo =4x l D.
4. 0210 =8x l D.
Bindung !/, Stunde bei 37°.
Sediment Abguß
1. komplett 1. komplett
2. LÉI 2. „
3. LE 3 LA
4. „ 4 IT
Kontrolle.
Normales Oohsenblut 5°/,, 2 >< gewaschen, überall je 1 cem Ochsen-
Kaninohen-Amboceptor vom 3. VI., inaktiv.
Ambooceptormengen
L 0,251, 0 — L l. D.
2. 05,0 =2x l. D.
3. 01!/o) =4x L D.
4. 021, =8x l D.
5. 0 ` Kontrolle
Bindung !/, Stunde bei 37°.
Sediment Abguß
L komplett L mäßig
2 „ 2. stark
3. a 3. fast komplett
4 Wd 4. 28 „
5 d 5. 0
Bindungsweise hämolytischer Ambooceptoren. 79
Der Versuch zeigt, daß die Blutkörperchen nach vorheriger
Behandlung mit dem Amboceptor der Ochsen-Ziege ihre Fähig-
keit verlieren, den Amboceptor des Ochsen-Kaninchens zu
binden, welcher von den zur Kontrolle verwendeten Blut-
körperchen in reichlichem Maße gebunden wird. Ein Versuch
im umgekehrten Sinne ergab dasselbe Resultat. Wir lassen
denselben folgen.
Versuch 16.
1. Ochsenblut Bäi, 1>< gew. 1 ccm + 0,51/,, O.-K.-Amboc.
vom 3. VI., inaktiv (20 x 1. DA
2. Ochsenblut Bäi, 1>< gew. 1 com + 0,51/,0 O.-K.-Amboc.
vom 3. VL, inaktiv
3. Ochsenblut 5°/, 1 < gew. 1 com 0,51/,. O.-K.-Amboc.
vom 3. VL, inaktiv
4. Ochsenblut 5°, 1>< gew. 1 cem + 0,51/,. O.-K.-Amboc,
vom 3. VL, inaktiv
Bindung 1/ Stunde bei 37°
Abguß: komplett.
l. Sediment + 0,11/1ọ O.-2.-Amboc. vom 6. VI. inaktiv (=1> l. D.)
2. 9 + 0,21/10 do. (= 2x l. D.)
3. » 4 0.4 1/ do. (= 4 >x< L D.)
4. ai + 0,81/,0 do. (= 8 >X< l. D.)
— — — — — — — — —
Bindung !/, Stunde bei 37°.
Sediment: komplett.
Kontrolle
(0.-Bl. + O.-Z.-Amboc.)
Sediment Abguß
Abguß 1. komplett 1. Spur Kuppe
l. mäßig stark 2. sn s nm „
2. komplett 3. yi 3. mäßig star
3. wë 4. S 4. komplett
4. * 6. fast O 6. fast 0
Die beiden folgenden Versuche (17 und 18) ergänzen die
eben beschriebenen, indem sie zeigen, daß die Bindung der
hier benutzten Amboceptoren in analoger Weise gehemmt wird,
wenn vorher die gleichartigen Amboceptoren von den Blut-
körperchen gebunden sind.
80 S. v. Poggenpohl:
Versuch 17.
l. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. Leem --1,01/,. O.-2.-Amboc.
vom 6. VI. inaktiv (=10x].D.)
2. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. 1 oom--1,01/,, O.-Z.-Amboc.
vom 6. VI. inaktiv
3. Ochsenblut 5°/, 1L><gew. 1 com + Lite O.-2.-Amboc.
vom 6. VI. inaktiv
4. Ochsenblut a l x gew. 1 com + 1,01/,, O.-Z.-Amboc.
vom 6. VI. inaktiv
Bindung 1/ Stunde bei 37°.
Abguß: komplett.
1. Sediment : Lho 0.-Z.-Amboc. vom 6. VI. inaktiv (= 1 Xxl. D.)
2. do. (=2 xl. D.)
3. * 10% do. —=4x<]1.D.)
4. wm +0,8 do. = 8 xl. D.)
Bindung !/, Stunde bei 37°.
Sediment: komplett.
Kontrolle
Abguß Sediment Abguß
1. mäßig 1. komplett 1. Spur K.
2, stark 2. 99 e y TI
3. komplett 3. — 3 mäßig stark
4. e 4. © 4. komplett
6. fast O 5. fast 0
Versuch 18.
l. Ochsenblut SL 1>x<gew. l cem + 0,51/,, O.-K.-Amboc.
m 3. VL inaktiv (=2%0 x1. D.)
2. DEET 5%, 1 x< gew. 1 com — 0,5!/,. O.-K.-Amboc.
vom 3. VI. inaktiv
3. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. Leem + 0,51/,, O.-K.-Amboo.
vom 3. VI. inaktiv
4. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. Leem --0,51/,, O.-K.-Amboc.
vom 3. VI. inaktiv
Bindung !/, Stunde bei 37°.
Abguß: komplett.
l. S Los O-K-Amboc. vom 3. VI. inaktiv (=1 l. D.)
2. sn Gei Mäe do. —2xl D.)
3. 0 do. (=4x[J1.D.)
4. 0,2 Aë do. (=8 xL D.)
EE
Bindung !/, Stunde bei 37°.
Sediment: komplett.
Kontrolle
Abguß Sediment Abguß
1. komplett 1. komplett L mäßig
2» 2. u 2. stark
3. ge 3. e 3. fast komplett
4. * 4. — 4. komplett
5. d 5. 0
Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 81
Es muß also angenommen werden, daß die Re-
ceptoren, deren Funktion die Bindung der beiden
vom Kaninchen und von der Ziege stammenden Ambo-
ceptoren ist, identisch sind. Es können offenbar dieselben
Receptoren, wenn man die Amboceptormengen in der einzigen
uns zu Gebote stehenden biologischen Einheit, in lösenden
Dosen ausdrückt, von verschiedenen Amboceptoren eine ver-
schieden große Zahl von Einheiten binden. Es ergibt sich
hieraus, daß diese Einheit uns nicht, wie man hätte annehmen
können, irgendeinen Aufschluß über die absolute Menge der in
einem Serum vorhandenen Amboceptoren gibt. Wenn wir die
absolute hämolytische Wirkung zweier verschiedener Sera mit-
einander vergleichen und finden, daß dieselben im Verhältnis
von 1:10 stehen, so ist damit noch keineswegs gesagt, daß
das eine Serum die zehnfache Menge eines Amboceptors ent-
hält. Die Verhältnisse, die hier vorliegen, sind offenbar weit
komplizierterer Natur, und es sind für dieselben die Aviditäts-
unterschiede der verschiedenen Amboceptortypen wohl mit maß-
gebend.
Wir haben analoge Versuche, die in demselben Sinne der
gegenseitigen „Sperrung‘‘ ausgefallen sind, noch mit anderen
Kombinationen angestellt, und zwar mit Amboceptor Ziegen-
kaninchen-Ochsenkaninchen und umgekehrt (Öchsenblut), sowie
mit Ziegenkaninchen und Öchsenziege (Ochsenblut).
II.
Ebenso wie auf dem Gebiete der Physiologie, speziell der
Physiologie der Ernährung und den hiermit zusammenhängenden
Gebieten der Pathologie, zunächst das Interesse sich den orga-
nischen Nährstoffen, den Eiweißkörpern, Fetten und Kohlen-
hydraten zuwandte und erst später die wichtige Rolle der Salze
im Haushalt des Organismus erkannt wurde, so wandte sich
auch die Immunitätsforschung zunächst dem Studium der spezi-
fischen Immunsubstanzen und der Bedingungen ihrer Entstehung
und Wirkung zu, bevor sie den Einfluß des Mediums und speziell
der Salze desselben auf die hier in Frage kommenden Vorgänge
zu untersuchen begann. |
An vereinzelten interessanten Beobachtungen auf diesem
Gebiete fehlte es nicht. Es sei hier nur an den wichtigen Be-
Biochemische Zeitschrift Band 22. 6
82 S. v. Poggenpohl:
fund Buchners?) erinnert, daß die baktericide Wirkung des
Serums in salzfreiem oder salzarmem Medium ausbleibt, ein Be-
fund, der später durch die unter Morgenroths Leitung mit
hämolytischen Sera angestellten Versuche von Ferrata?) eine
Erklärung fand. Später trat in einigen Untersuchungen be-
sonders der hemmende Einfluß höherer Salzkonzentration auf
die Wirkung der komplexen Hämolysine hervor, so in Versuchen
von Nolf’), der feststellte. daß Salze der Alkalien (NaCl, KJ
und KNO,) in konzentrierteren Lösungen, Salze der alkalischen
Erden in starken Verdünnungen die Hämolyse hemmen. Ahn-
liche Beobachtungen hat Markl*) angestellt, der auch die
Hemmung durch phosphorsaure Salze feststellte. Hektoen
und Ruediger°) unterscheiden zwischen zwei Gruppen von
Salzen, von denen die einen (NaCl, ROL LiCl) in isotonischen
Lösungen ohne Einfluß sind, während die anderen (Salze alka-
lischer Erden) schon in geringerer Konzentration die Hämolyse
hemmen. Ehrlich und Sachs’) benutzten die Hemmung der
Hämolyse durch Salze für die Trennung von Amboceptor und
Komplement, nachdem sie festgestellt hatten, daß die Vereini-
gung von Amboceptor und Komplement durch höhere Salz-
konzentration gehindert wird. Die Ursachen, welche dem Ein-
fluß der Salze auf die Hämolyse zugrunde liegen, sind noch
unbekannt und eine Klärung der Verhältnisse ist wohl auch
nicht zu erwarten, bis nicht umfangreichere Versuche vorliegen.
Über die Bindung der Amboceptoren bei Gegenwart ver-
schiedener Salze liegen noch kaum ausgedehnte quantitative
Beobachtungen vor. Ich habe deshalb eine Anzahl Versuche
angestellt, um über einige hierhergehörige Punkte Aufklärung
zu erhalten.
Es wurden Lösungen verwendet, welche, auf bekannte
Weise berechnet, mit der gewöhnlich verwendeten 0,85°/,igen
Kochsalzlösung isotonisch waren. In 11 destilliertem Wasser
wurden entsprechende Mengen des betreffenden Salzes (von
1) Buchner, Arch. f. Hygiene 10, 1890 und 17, 1892.
2) Ferrata, Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 13.
3) Nolf, Annales de l’Inst. Pasteur 14, Nr. 10, 1900.
4) Markl, Zeitschr. f. Hygiene 39, 1902.
5) Hektoen und Ruediger, Journ. of infect. diseases 1, 1904.
6) Ehrlioh und Sachs, Berl. klin. Wochenschr. 1902, Nr. 21.
Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 83
C. A. F. Kahlbaum bezogen) gelöst. Die hämolytischen Ver-
suche wurden in der üblichen Weise angestellt, gleichzeitig ver-
gleichende Versuche mit 0,85°/,iger Kochsalzlösung.
Es zeigte sich zunächst, daß die Hämolyse durch spezi-
fische Hämolysine in isotonischen Lösungen von RO ganz
erheblich begünstigt wird, eine Beobachtung, die auch schon
von Ferrata gemacht worden ist. Die folgenden Versuche
demonstrieren, daß bei konstanter Komplementmenge und
wechselndem Amboceptorgehalt die Hälfte bis ein Drittel der-
jenigen Amboceptormenge, welche in 0,85°/, iger Kochsalzlösung
komplette Hämolyse hervorbringt, ausreicht, um in 1,1°/,iger
Kaliumchloridlösung vollständige Hämolyse herbeizuführen.
Versuch |.
Ziegenblut 5°/,, l œ< gewaschen, überall je 1 oom.
Ziegen-Kaninchen-Amboceptor vom 22.V.
Meerschweinchen-Serum aktiv, überall je 0,1 ocm.
A. Verdünnung des Blutes und Ambooceptors in 1,1°/,iger KCl-
Lösung.
B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 0,75°/ iger NaCl-
Lösung.
Amboceptormengen A B
1. 1,0 1/100 komplett komplett
2, 0,5 „ ”
3. 0,35 > Be
4. 0,25 S P
5. 0,15 i stark
6. 1,01/1000 Ge mäßig
7. 0,5 ' fast komplett wenig
8. 0,25 stark ai
9. Blut -+ Komplement Spur Spürchen
10. Blut allein 0 0
Versuch 2.
Ochsenblut Bäi, 1>< gewaschen, je 1 ccm.
Ochsen-Kaninohen-Amboceptor inaktiv, vom 3. VI.
Jung. Meerschweinchen-Serum aktiv, überall je 0,1 com.
A. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 1,1°/,iger KCI-
Lösung.
B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 0,85 °/, iger NaCl-
Lösung.
Gë
84 S. v. Poggenpohl:
Amboceptormengen A. B.
1. 1,01/,000 komplett komplett
2. 0,5 m ve
3. 0,25 » nm
4, 1,02/,0000 ji stark
5. stark wenig
6. Blut + Komplement Spur Spürchen
7. Blut allein 0 0
Versuch 3.
Kaninchenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 1 com.
Ziegen-Kaninchen-Amboceptor vom 1. VIL
Meerschweinchen-Serum je 0,1 com.
A. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 1,1°/,iger KCl-
B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 0,85 %/, iger NaCl-
Amboceptormengen A. B.
L 1,0!/;0 | komplett komplett
2. 0,85 i5 j
3. 0,75 va ze
4. 0,6 vn fast komplett
5. 0,5 „ ” sn
6. 0,25 — stark
7. 1,01/,00 stark mäßig
8. A mäßig wenig
9. 0,25 wenig o
10. 0,1 Spürchen Spur
11. Blut 4 Komplement 0 0
12. Blut allein 0 0
Gänzlich ähnlich, quantitativ noch ausgeprägter, verhält
sich KBr, wie der folgende Versuch zeigt, gegenüber dem NaBr.
Versuch 4.
Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, je l ccm.
Ziegen-Kaninohen-Amboceptor vom 22. V., inaktiv.
Meerschweinchen-Serum aktiv, je 0,1 com.
A. Verdünnung des Blutes upd Ambooeptors in 1,73 °/,iger KBr-
Lösung.
B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 1,5 °/, iger NaBr-
Lösung.
Amboceptormengen A. B.
l. 0,5 1/100 komplett komplett
2. 0,25 *
3. 1,01/1000 J stark
4. 0,75 de E
5. 0,5 > e mäßig
6. 0,25 stark wenig
7: 1,0%/ 0000 wenig Spürchen
8. 0,5 sp 0
9. 0,25 Spur "
10. Blut + Komplement 0 0
11. Blut allein 0 0
Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 85
Es kommt also offenbar Halogensalzen des Kaliums gegenüber
dem Natriumsalz eine begünstigende Wirkung der Hämolyse in den
untersuchten Fällen zu. Ganz entsprechend verhält sich das
Lithiumchlorid, was besonders aus dem zuerst untersuchten
Fall, in dem das Serum einer mit Kaninchenblut vorbehan-
delten Ziege benutzt wurde, hervorgeht.
Versuch 5.
Kaninchenblut, 5°/,, 1 >< gewaschen, überall je 1 com.
Kaninchen-Ziegen-Amboceptor vom 1. VIL, inaktiv.
Meerschweinchenserum aktiv, überall je 0,1 ccm.
A. Verdünnung des Blutes und Ambooeptors in 0,62°/ iger LiC1-Lös.
B. sp „ sp II 0,85°/ iger NaCl- ”
Ambooeptormengen. A. B.
L 1,01/10 komplett komplett
2. 0,7510 . » „
3. 0,61/ı0 se fast komplett
4, 0,51/10 nm nm
5. 0,35 1/10 j stark
6. 0,25 1/10 5 =
7. . 1,01/,00 ss mäßig
8. 0,51/,00 fast komplett wenig
9. ] 0,25 =. 100 sp ”
10. O,11/,00 mäßig Spur
11. Blut -+ Komplement fast 0 0
12. Blut allein 0 0
Versuch 6:
Ziegenblut, 2>< gewaschen, 5°; , überall je 1 oom.
Ziegen-Kaninchen-Ambooeptor vom 14. VIL, inaktiv.
Meerschweinchenserum aktiv, überall je 0,1 com.
A. Verdünnung des Blutes und Ambooeptors in 0,62°/,iger LiCl-Lös.
B. OT TT „ e OI 0,85 ° 0 iger N all. ”
E E EE e À B.
1. 0,51/,00 komplett komplett
2 d 35 wl 100 H ”
3. 0,25 1/100 e 5
4. 0,15 1/100 se stark
5. 1,0 1/10090 fast komplett mäßig
6. 0,75'/1000 stark wenig
1. 0,5 1/1000 mäßig Spur
8. 0,35 zi 1000 ” ”
9. 0,25 21/1000 wenig Spürchen
10. 0,1 2/1000 Spur z a
11. Blut + Komplement Spürchen d
12. Blut allein 0 0
86 8. v. Poggenpohl:
Die hemmende Wirkung der Chloride der alkalischen
Erden ist aus dem folgenden Versuch zu ersehen.
Versuch 7.
Ziegenblut 60/» 1 œ< gewaschen, in 0,85°/,iger NaCl-Lösung, überall
je 1 com.
Ziegen-Kaninchen-Ambooeptor vom 22. V., inaktiv, in 0,85°/, iger
NaCl-Lösung, überall je 0,51/,00-
Meerschweinchenserum aktiv, überall je 0,1 ccm.
A. Steigende Mengen von 1,39°/,iger MgCl,-Lösung.
B. m Se „ 1,62%/ iger CaCl,- ` —
C. i j „ 3,03°/,iger BaCl- „
Fallende Mengen Steigende Mengen
von 0,85°/,iger des betreffenden A. B. C.
NaCl-Lösung Salzes
l 2,0 d komplett komplett komplett
2 1,75 0,25 ` de ab Spur
3 1,5 0,5 * f. Komplott 0
4 1,25 0,75 j stark 0
5. 1,0 1,0 f. komplett wenig 0
6. 0,75 1,25 stark F 0
7 0,5 15 - Spur Spur 0
8 0,25 1,75 Spürchen Spürchen 0
9 0 2,0 ” Sp 0
10. Blut allein 2,5 0 0 0
Bei Zusatz steigender Mengen der Lösungen, welche äqui-
molekular, also unter sich vergleichbar sind, zeigt sich, daß die
hemmende Wirkung mit dem Atomgewicht ansteigt, indem das
Magnesiumsalz am schwächsten, das Bariumsalz am stärksten
hemmt und das Calciumsalz eine Mittelstellung einnimmt.
Inwieweit besonders bei der begünstigenden Wirkung
eine Beeinflussung der Bindung des Amboceptors in Betracht
kommt, ist bis jetzt noch nicht untersucht worden, und wir
haben deshalb Versuche angestellt, deren Technik den im vorigen
Abschnitt beschriebenen entspricht. Die Versuche lassen er-
kennen, daß in Lösungen von KCl und LiCl die Bindung der
Amboceptoren eine geringere ist als in der entsprechenden
Kochsalzlösung.
Versuch 8.
Bindung des Amboceptors in isotonischer KCI-Lösung.
A: B.
Verdünnung des Blutes und Ambo- Verdünnung des Blutes und Ambo-
ceptors in 1,1°/, iger KCl-Lösung. ceptors in 0,85°/,iger NaCl-Lösung.
Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 87
Ziegenblut 5°/,, 1 >< gewaschen, je 2 com.
Ziegen-Kaninchen-Amboceptor vom 22. V., inaktiv.
Ambooeptormengen Amboceptormengen
L 041,0, 2x L D. 1 O1!/o= 2x 1. D
2. 164,0 = 8x L D. 2. 04A!/o = 4x L D.
3. 0,641/,, = 32x L D. 3. 161/00 =32x L D.
4 0 Kontrolle 4. Kontrolle
Bindung !/, Stunde bei 37°.
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
1. komplett L wenig 1. komplett 1. Spürchen
2. H 2. fast komplett 2. e 2. wenig
3. Mr 3. komplett 3. e 3. stark
4. Spürchen 4. Spürchen 4. Spürchen 4. Spürchen
Versuch 9.
Bindung des Amboceptors in isotonischer KCl-Lösung.
A, B
Verdünnung des Blutes und Ambo- Verdünnung des Blutes und Ambo-
ceptors in 1,1°/,iger KCI-Lösung. ceptors in 0,85°/,iger NaCl-Lösung.
Ochsenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm.
Ochsen-Kaninchen-Ambooeptor vom 3. VI. (inaktiv).
Amboceptormengen Amboceptormengen
1. 02, oo = 1x L D 1. 0,5100 = 1x L D.
2. 0.61/00 = 3X 1l. D. 2. 0,15!/,o = 3x L D.
3. 02/0 = 10x l. D. 3. 0,5!/ioo =10x L D.
4. 0,41/i00 =20 x L D. 4 101, =20x LD
50 Kontrolle 5. 0 Kontrolle
Bindung !/, Stunde bei 37°.
A. B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
1. komplett L stark 1. komplett L mäßig
2, e 2. fast komplett 2. EES 2. stark
3. e 3. komplett 3. * 3. fast Komplett
4. 4. 4., 4. komplett
6. Spürchen 5. Spürcken 5. Spürchen 5. Spürchen
Versuch 10.
Bindung des Amboceptors in isotonischer LiCl-Lösung.
A. | B.
Verdünnung des Blutes und Ambo- Verdünnung des Blutes und Ambo-
ceptors in 0,62°/ iger LiCl-Lösung. ceptors in 0,85°/,iger NaCl-Lösung.
Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 com.
Ziegen-Kaninchen Amboceptor vom 14. VIL, inaktiv.
88 S. v. Poggenpohl:
Amboceptormengen Ambooceptormengen
1. 031 = 1x Ll D. 1. Ohio 1x L D.
2. 0,121/ = 4X L D. 2. 0,2!/o = 4x l D
3. 0,2410 = 8x l. D. 3. Gäile = 8x L D.
4. 0,48!/0=16x LD. d 0,8!/i0 = 16 x L D.
5. 0,961/10 = 32 x l. D. 5. 0,16%/, =32 x l. D.
6. 0 Kontrolle 6 0 Kontrolle
Bindung !/, Stunde bei 37°.
A o B.
Sediment Abguß Sediment Abguß
1. komplett 1 Spur l komplett 1. Spürchen
2. nm 2. TT 2. TT 2 WI
3. * 3 wenig 3. F 3 Spur
4. j 4. fast komplett 4. j 4. mäßig
5. 2 6. komplett 5. Se 5. fast komplett
6. Spürchen 6. 0 6. Spürchen 6. 0
Es kann also die verstärkende Wirkung des Kalium- und
Lithiumsalzes nicht auf eine Erhöhung der Avidität des Ambo-
ceptors zurückgeführt werden, sondern die Bindungsversuche
weisen im Gegenteil auf eine Verringerung derselben hin.
Daß auch in den hemmenden Lösungen der Salze der alka-
lischen Erden die Bindung statthat, zeigt der folgende Versuch.
Versuch 1l.
In jedes der vier Reagensröhrchen wird zugefügt: unverdünntes
Ziegenblut überall je 0,1 ccm + 0,74/]00 Ambooeptor. Ziegen-Kaninchen
vom 22. V. (inaktiv) mit 2com folgender Lösung verdünnt:
1. 0,85°/,ige NaCl-Lösung.
2. 1,39°%/,ige Meis „
3. 1,62%/,ige CaC,- „.
4. 3,03°/,ige BaCl- „,
In eine zweite Reihe von Reagensröhrchen, die zur Kontrolle dienen,
wird überall je 0,1 com unverdünntes Z,-Blut und je 2 oom derselben
Lösungen (ohne Amboceptor) zugefügt.
Alle Röhrchen nach 1, stündigem Stehen im Brutschrank bei 37
werden zentrifugiert; die Sedimente werden mehrmals in physiologischer
Kochsalzlösung durchgewaschen und in 2 ccm aufgeschwemmt, dazu wird
0,1 com Meerschweinchenserum (aktiv) zugefügt. Nach 2 stündigem Stehen
im Brutschrank wird das folgende Resultat notiert:
Versuchsreihe Kontrollreihe
1. überall komplett 1l. fast 0
2. ee LO 2. LA 9
3 99 LE 3. 9?
4 H 38 4. LEI 99
Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 89
Ein weiterer quantitativ durchgeführter Bindungsversuch
zeigte, daß auch die einfach lösende Dosis des Amboceptors
(festgestellt in Kochsalzlösung) aus isotonischen Lösungen von
Magnesium-, Calcium- und Bariumohlorid von den Blutkörperchen
gebunden wird. Die hemmende Wirkung der Salze der alka-
lischen Erden dürfte also wohl auf einer Beeinflussung des
Komplements beruhen, und zwar wird dasselbe offenbar nicht
zerstört, sondern nur unwirksam. Denn verdünnt man eine
derartige Lösung, in der das Komplement durch Zusatz eines
hemmenden Salzes gerade ausgeschaltet ist, mit Kochsalzlösung,
so tritt die Wirkung desselben wieder hervor, ähnlich wie in
den Versuchen von Ehrlich und Sachs, mit stärkeren Koch-
salzlösungen. Wir dürfen aus diesen Versuchen wohl schließen,
daß es sich bei den hier beschriebenen Wirkungen der Salze,
sowohl den begünstigenden wie den hemmenden, nicht um Ein-
wirkungen auf die Amboceptorbindung handelt, sondern daß in
dem einen Fall die Komplementwirkung begünstigt, in dem
anderen geschädigt wird. Ob auch hier eine Art Antagonismus
der Salze festgestellt werden kann, wie z. B. in den bekannten
Untersuchungen von J. Loeb, das müssen erst weitere Ver-
suche lehren.
Über Oberflächenspannungs- und Viscositäts-
bestimmungen bei Kuhmilch unter Verwendung des
Traubeschen Stalagmometers.
Von |
R. Burri und Ths. Nußbaumer.
(Aus der schweiz. milohwirtschaftlichen und bakteriologischen Versuchs-
anstalt Bern- Liebefeld.)
(Eingegangen am 30. August 1909.)
In neuerer Zeit macht sich das Bestreben geltend, zur
Untersuchung und Beurteilung von Blut, Harn, Milch usw.
mehr als es bisher geschehen ist, die physikalischen Methoden
heranzuziehen. Für Kuhmilch hat C. Schnorf!) vor einiger
Zeit zunächst bezüglich der Verwendbarkeit von Leitfähigkeits-,
Gefrierpunktserniedrigungs- und refraktometrischen Messungen
Grundlegendes mitgeteilt. Angeregt durch verschiedene Publi-
kationen von J. Traube unternahmen wir es, die Oberflächen-
spannungsverhältnisse der Kuhmilch einer näheren Verfolgung
zu unterziehen, wobei das vom genannten Autor angegebene
Stalagmometer zur Verwendung kam. Das Prinzip und die
Handhabung des Apparates setzen wir als bekannt voraus.
Nach Beginn unserer Untersuchungen ist eine Arbeit von B. Kobler®2)
erschienen, die sich mit Untersuchungen über Viscosität und Oberflächen-
spannung der Kuhmilch befaßt, also den unsrigen ähnliche Ziele verfolgt.
Kobler hat die Bestimmungen über Oberflächenspannung nach einer
eigenen, unter H. Zanggers Leitung ausgearbeiteten Methode ausgeführt,
während er für die Viscositätsbestimmungen das Heßsche .Viscosimeter
benutzte. Schon aus diesem Grunde schien es wünschenswert, unsere
begonnene Arbeit fortzusetzen, denn die auf verschiedenen Wegen er-
1) C. Schnorf, Neue physikalisch-ohemische Untersuchungen der
Milch. Zürich 1908.
2) B. Kobler, Dissert. Zürich 1908,
R. Burri u. Ths. Nußbaumer: Oberflächenspannungs- usw.-bestimm. 91
haltenen Ergebnisse konnten sich nicht nur gegenseitig ergänzen, sondern
sie mußten auch geeignet sein, das Urteil über die benutzten Arbeits-
verfahren abzuklären. Unsere Versuche auch auf die Viscosität aus-
zudehnen, war um so naheliegender, als der Traubesche Apparat, der
in seinem Bau dem Ostwaldschen Viscosimeter entspricht, sowohl für
Bestimmungen der Oberflächenspannung, als der Viscosität geeignet
sein soll.
Unsere Versuche beanspruchen übrigens aus dem Grunde
noch ein besonderes Interesse, weil wir bei den Messungen, die
im allgemeinen bei genau 20° vorgenommen wurden, dem Ein-
fluß der Temperatur, welcher die Milch vor der Untersuchung
ausgesetzt war, besondere Berücksichtigung schenkten.
Dieses Moment, das sich für die Ergebnisse der Oberflächenspannungs-
bestimmungen von außerordentlicher Tragweite erwiesen hat, ist von
Kobler sozusagen nicht berücksichtigt worden.
Zu der von uns befolgten Arbeitsweise sei kurz folgendes bemerkt:
Die Versuche sind mit dem Stalagmometer Nr. II (von C. Gerhardt in
Bonn bezogen; Tropfenzahl für Wasser bei 15° C — 59,15) ausgeführt
worden. Der Apparat war im Innern eines durchsichtigen Wasserbehälters
montiert, dessen Inhalt auf die Temperatur von 20° C eingestellt war.
Eine besondere Vorrichtung zur Regulierung des auf der Versuchsflüssig-
keit lastenden Druckes wurde nicht angebracht, indem bei Anwendung
des genannten Stalagmometers auf Milch die in einer bestimmten Zeit
fallende Tropfenzahl die gewünschten Verhältnisse nicht überschritt.
Ein großer Teil der Versuche ist mit der Milch einer einzelnen Kuh
durchgeführt, ein kleiner Teil mit einer Mischmilch von 40 Kühen. Die
Milch wurde unmittelbar oder bald nach dem Melken noch warm durch
eine dünne Watteschicht filtriert, um gröbere Verunreinigungen, die die
Capillaren des Stalagmometers hätten verstopfen können, zurückzuhalten.
Eine nennenswerte Beeinflussung der Milch, wie sie bei langsam ver-
laufender Filtration durch Filtrierpapier zu befürchten ist, mußte so aus-
geschlossen erscheinen. Zur genauen Feststellung der Auslaufzeiten diente
selbstverständlich ein arretierbares Chronometer. Die Resultate sind bei
den einzelnen Versuchen so ausgedrückt, daß bezüglich der Viscosität
der nach Ostwald!) berechnete, auf destilliertes Wasser von 20° be-
zogene Koeffizient für die relative innere Reibung angegeben wurde,
während die bei der Oberflächenspannung aufgeführten Zahlen direkt die
ermittelte Tropfenzahl bedeuten, Zwischen letzterer und der oapillaren
Steighöhe einer Flüssigkeit bestehen einfache Beziehungen, so daß die
vorliegenden Tropfenzahlen durch Umrechnung auch einen Ausdruck für
die Oberflächenspannung liefern können. Die in den folgenden Versuchen
für Viscosität und Tropfenzahl angegebenen Werte sind das Mittel von
Doppelbestimmungen. Wenn die Ausflußzeiten um mehr als eine Sekunde
1) W. Ostwald, Grundriß der allg. Chemie. Leipzig 1909, S. 99.
92 R. Burri und Ths. Nußbaumer:
differierten, so wurde eine dritte und ev. eine vierte Bestimmung aus-
geführt.
Zwischen den einzelnen Bestimmungen fand immer eine vollkommene
Reinigung des Apparates in der Weise statt, daß zuerst mit warmer,
10°/,iger Sodalösung, dann mit destilliertem Wasser, Alkohol und Äther
gespült und zuletzt trockene Luft durohgeleitet wurde.
Das Stalagmometer als Viscosimeter.
Um zu sehen, in wieweit die mit dem Stalagmometer für
die Viscosität erhaltenen Werte mit den nach andern Methoden
erlangten übereinstimmen, wurden einige vergleichende Versuche
mit dem von Kobler (l. c.) benutzten Viscosimeter nach
W. Heß ausgeführt. |
Versuch 1.
Morgenmilch der Kuh „Gais“. Die Versuche sind bei 20° und bei 30°
ausgeführt.
temperatur jim Viscosimeter —— (Stalagmometer) berechnet
1,88 1,899
20° 1,89 1,901
1 1,88 ES GE 1,892 —
1,79 1,776
30° 1,75 1,745
1,75 1.756
Die bei den betreffenden Temperaturen erhaltenen Werte
stimmen sonach für die benützten Methoden wie auch unter
sich in befriedigender Weise überein. |
Veränderung von Viscosität und Oberflächenspannung bei
Milch, welche konstant bei 20° aufbewahrt wird.
Schon bei den ersten Versuchen hatten wir den Eindruck
bekommen, daß Viscosität und Oberflächenspannung der Milch
auch bei verhältnismäßig kurzer Aufbewahrungszeit sich ändern.
Um Sinn und Intensität dieser Änderung zu ermitteln,
empfahl es sich zunächst, eine Serie von Untersuchungen bei
ein und derselben Milch, die unmittelbar nach dem Melken auf
eine bestimmte mittlere Temperatur gebracht war, in gleich-
mäßigen Zeitintervallen vorzunehmen.
Oberflächenspannungs- u. Viscositätebestimmungen bei Kuhmilch. 93
Versuch 2.
Morgenmilch der Kuh „Gais“ vom 16. III. 1909.
Zeit der Untersuchung | Tropfenzehl | Viscosität
Versuch 3.
Morgenmilch der Kuh ‚„Gais“ vom 17. III. 1909.
Zeit der Untersuchung | Tropfenzal | Viscosität
7? morgens
N,
LD vg
1% nachmittags
di em
5 LA)
Ti nm
Nach diesen beiden Versuchen scheint also im Verlauf von
12 Stunden die Oberflächenspannung merklich abzunehmen,
während die Viscosität um ein geringes steigt.
Da die Versuchsmilch die ganze Zeit im offenen Kolben
gestanden hatte, war in einem weiteren Versuche zu unter-
suchen, ob bezüglich der Viscositätszunahme vielleicht die Ver-
dunstung bzw. die Konzentrationszunahme der Milch eine Rolle
spielen konnte.
Versuch 4.
Die Milch derselben Kuh wurde sofort nach dem Melken
filtriert, gut gemischt, auf zwei je 11 fassende konische Kolben
verteilt und im Wasserbade bei 20° aufgestellt. Die Kolben
wurden’ zunächst etwa Ui, Stunde stehen gelassen, damit sich
der Gasaustausch ungehindert vollziehen konnte. Um 8 Uhr
morgens wurden bei der Untersuchung für beide Kolben über-
einstimmende Werte gefunden. Der eine der Kolben wurde
nun mit einem Gummistopfen gut verschlossen, um die Ver-
dunstung zu verhindern, und nach weiteren 8 Stunden wurde
die Milch wieder untersucht.
94 R. Burri und Ths. Nußbaumer:
u nn | Tropfenzahl
` Visoosität
Ah abends im offenen Kolben | 82,5 IM 1,918
4 abends im verschlossenen Kolben | 82,3 | 1,917 E
Nach diesen Versuchen zu schließen, hat also die Ver-
dunstung der bei 20° gehaltenen Milchprobe keinen wesentlichen
Anteil an der beobachteten Zunahme der Viscosität gehabt.
Einfluß der Kühlung der Milch auf ihre Viscosität
und Oberflächenspannung.
Gewisse Unregelmäßigkeiten in den Befunden für die Werte
der Oberflächenspannung haben es uns nahe gelegt, den Auf-
bewahrungstemperaturen der Versuchsmilch besondere Beachtung
zu schenken. Zunächst sollte ein und dieselbe Milch bei ver-
schiedenen Temperaturen einige Zeit aufbewahrt und dann ver-
gleichend geprüft werden.
Versuch 5.
11 Milch der Kuh ‚Gais‘ wurde unmittelbar nach dem
Melken in drei Teile a, b und o geteilt, wie unten angegeben
aufbewahrt und zu Anfang und Ende der Versuchszeit auf
Viscosität und Öberflächenspannung untersucht. Die Unter-
suchungen selbst sind sämtlich bei 20° ausgeführt.
8. b. C.
Zeit der Untersuchung | dm, Wasser, Im Biel Zum
aufgestellt | aufgestellt | gebracht
Tropfenzahl 81,3 — —
Te morgens | Visaosität 1,847 | - |. —
ee en Lunch | = rel —
: Tropfenzahl 83,2 | 87,2 85,8
4—6 nachmittags | Yisgosität | 1,8986 | 1,898 | 1,888
Ganz ähnliche Resultate ergab der folgende
Versuch 6.
Zeit der Untersuchung
ro fenzahl
7° morgens { Tropfen
(rengen Së, 82,6 pS 87,0 E 86.8
Viscosität
4—61/, nachmittags{
Oberflächenspannungs- u. Viscositätsbestimmungen bei Kuhmilch. 95
Diese Versuche bestätigen zunächst für die Aufbewahrungs-
temperatur von 20° die schon früher erwähnte merkliche Ab-
nahme der ÖOberflächenspannung einerseits, die geringe, aber
doch deutliche Zunahme der Viscosität andererseits. In die
Augen springend ist nun aber die ganz beträchtliche Zunahme
der Tropfenzahl, also Abnahme der Oberflächenspannung bei
Milch, die kühl gehalten war, während die Viscosität durch
Kühlung anscheinend nicht wesentlich beeinflußt worden ist.
Es mußte nun von Interesse sein, den zeitlichen Verlauf der
betreffenden Anderung bei verschiedenen Temperaturen etwas
näher zu verfolgen.
Versuch 7.
Die Morgenmilch der Kuh ‚Gais‘ wurde kurz nach dem
Melken untersucht, ein Teil der Probe zur Kontrolle bei 20°
aufgestellt und die Hauptmenge in einem Gemisch von Schnee
und Wasser den ganzen Tag gekühlt. Alle zwei Stunden wurde
von der gekühlten Milch eine kleine Menge entnommen, auf
20° temperiert und untersucht.
Im Wasserbad bei 20°
gehalten
Tropfenzahl | Viscosität
1,891
Bei ganz gleicher Anordnung und mit gleichem Ergebnis
wurde auch die Morgenmilch einer Kuh , Nelli“ untersucht.
Im Wasserbad bei 200
Im Schmelzwasser gekühlt gehalten
Tropfenzahl | Viscosität
96 R. Burri und Ths. Nußbaumer:
Versuch 8.
In diesem Falle wurde die Milch von Geert nicht im
Schmelzwasser, sondern nur im fließenden Leitungswasser bei
ungefähr 10° gekühlt.
Im Wasser von 10° ant. | Im Wasserbad bei 200
Zeit der bewahrt aufbewahrt
Tropfenzahl | Visoosität
Die Versuche 7 und 8 zeigen deutlich, daß die bedeutende
Verminderung der Oberflächenspannung als Folge der Auf-
bewahrung der Versuchsmilch bei niedrigen Temperaturen nicht
das Ergebnis eines langsam verlaufenden, auf die ganze Ver-
suchsdauer sich erstreckenden Prozesses ist, sondern daß der
Endwert, den wir nach 12 Stunden feststellen können, in an-
nähernd derselben Größe schon nach zwei Stunden, vielleicht
schon früher, erreicht ist. Bemerkenswert ist ferner, daß die
Wirkung der Kühlung auf die Oberflächenspannung ungefähr
dieselbe ist, ob wir als Kühltemperatur 0° oder 10° anwenden.
Diese Tatsache geht nicht nur aus dem Vergleich von Versuch
7 und 8 hervor, sondern wurde noch durch besondere Versuchs-
reihen, die hier nicht aufgeführt sind, erhärtet. Was die Vis-
cosität anbetrifft, so ist ein ähnlicher Einfluß als Folge der
Milchkühlung nicht vorhanden. Ähnlich wie bei 20°, nimmt
auch bei 10° und bei 0° die Ausflußzeit unbedeutend zu und
zwar bei niedrigen Temperaturen durchschnittlich in etwas ge-
ringerem Maße als bei 20°.
Da wir vermuteten, daß durch die Kühlung ein eigen-
tümlicher labiler Zustand der Milch geschaffen würde, der viel-
leicht durch nachträgliche längere Aufbewahrung der Proben
bei 20° wieder rückgängig gemacht werden konnte, haben wir
im folgenden Versuch, wie die Tabelle zeigt, eine anfängliche
Kühlperiode mit einer nachfolgenden Erwärmungsperiode (20°)
kombiniert.
Oberflächenspannungs- u. Viscositätsbestimmungen bei Kuhmilch. 97
Versuch 9.
Die Abendmilch der Kuh ‚Gais‘ wurde in frischem Zu-
stande untersucht und die Probe in verschiedene Portionen
geteilt. Diese wurden verschieden lange gekühlt, bzw. ausge-
froren und nachher bis am folgenden Morgen in das Wasser-
bad von 20° gestellt. Die Untersuchung wurde also erst an
der mindestens 12 Stunden alten Milch vorgenommen.
Untersuchung kurz nach dem Melken:
Tropfenzahl Visoosität
81,6 1,940
Untersuchung 12 Stunden später:
Tropfenzahl Viscosltät
a) Die ganze Zeit bei 20° gehalten. . . . . 2... 83,0 1,986
b) 1 Std. bei 10° gekühlt, nachher bei 20° gehalten 88,0 1,972
c) 4 „ 9 100 „ ” „ 20° d 87,6 1,968
d) Ausgefroren und sofort „ Ge GER ` 87,0 1,9857
e) 48Std. ausgefroren und PR » 2° „ 88,2 1,950
Die nachträgliche Aufstellung bei 20° hat somit die Wir-
kung der vorhergehenden, mehr oder weniger langen Kühlung
nicht rückgängig gemacht. In einem folgenden ähnlichen Ver-
such wurde mit noch kürzeren Kühlperioden begonnen.
Versuch 10.
Untersuchung kurz nach dem Melken:
Tropfenzahl Visoosität
81,0 1,942
Untersuchung 12 Stunden später:
Tropfenzahl Viscosität
a) Die ganze Zeit bei 20° gehalten. . . . 2... 83,0 1,990
b) 1/, Std. bei 10° gekühlt, nachher bei 20° gehalten 86,6 1,993
c) 1/2 9 99 10° ” UI UL 20° OU 88,0 2,005
d) l „ ,„ 10° j RR „ 20° A 88,6 1,982
ei 4 „ „ 109 a S „ 20° 5 90,2 1,980
f) Ausgefroren und sofort F „ 20° m 89,6 1,983
g) 4 Std. ausgefroren und Sé „ 20° M 89,8 1,975
Wie besonders aus dem Versuch 10 hervorgeht, genügt
schon eine sehr mäßige Kühlung der Milch OCI, Stunde bei 10°),
um die Oberflächenspannung merklich herabzusetzen; um aber
den überhaupt möglichen Grenzwert zu erreichen, muß die
genannte Temperatur immerhin '/, bis 1 Stunde wirken.
Von Interesse schien es uns ferner, zu untersuchen, ob
das Verweilen der Milch bei Körperwärme, also in dem Zustande,
Biochemische Zeitschrift Band 22. 7
98 R. Burri und Ths. Nußbaumer:
wie er unmittelbar nach dem Melken besteht, an den bisher
ermittelten Verhältnissen etwas ändern könne. Von mehreren
diesbezüglichen Versuchen sei der folgende
Versuch 11
erwähnt. Selbstverständlich wurden für die höhere Temperatur
nur Zeiten gewählt, in denen eine sekundäre Beeinflussung der
Viscositäts- und Oberflächenspannungswerte durch Bakterien-
tätigkeit ausgeschlossen erscheinen mußte.
Die Abendmilch der Kuh ‚‚Gais‘‘ wurde wie gewöhnlich frisch
untersucht, die entnommene Probe in 2 Teile a und b geteilt und
der eine davon 1 Stunde lang, der andere 2 Stunden lang im
Wasserbade von 37° gelassen. Nachher wurde die gut umge-
schüttelte Milch von a und b auf je 3 Fläschchen I, II und III
verteilt. Je eines von diesen wurde durch eine Mischung von
Schnee und Salz zum Gefrieren gebracht, je ein zweites in
fließendes Wasser von 10° gestellt und das dritte in einem
Wasserbade von 20° gehalten. Die 3 Fläschchenpaare ver-
blieben dann bei den betreffenden Temperaturen bis zum
folgenden Morgen. Zur Kontrolle wurde auch eine Probe der
ursprünglichen Milch dauernd bei 20° gehalten, hatte also weder
unter dem Einflusse einer längeren Einwirkung der Blutwärme,
noch unter dem einer eigentlichen Kühlung gestanden.
Untersuchung kurz nach dem Melken:
Tropfenzahl Visoosität
80,8 1,914
Untersuchung 12 Stunden später:
Probe a: anfänglich 1 Std. bei 37° gehalten, dann
I II III
susgefroren Wasser von 10°C von 20°C"
Tropfenzehl: 87,4 86,2 83,0
Viscosität: 1,943 1,963 1,966
Probe b: anfänglich 2 Std. bei 37° gehalten, dann
I II III
man yimfiedenden "BE
Tropfenzahl: 87,4 87,8 83,0
Viscosität: 1,941 1,957 1,965
Kontrollprobe: dauernd bei 20° gehalten:
Tropfenzahl. ... . 83,2
Viscoaität ..... 1,974
Oberflächenspannungs- u. Viscositätebestimmungen bei Kuhmilch. 99
Der Umstand, daß die Milch vor der Kühlung 1 oder
2 Stunden bei Körperwärme gehalten wurde, ist somit ohne
nachweisbaren Einfluß auf die durch die Kühlung hervorgerufene
Depression der Oberflächenspannung geblieben. Diese Tatsache
im Zusammenhange mit der früher hervorgehobenen, daß nach
der Kühlung vorgenommenes mehrstündiges Erwärmen auf 20°
ebenfalls ohne merkbaren Einfluß blieb, macht es äußerst wahr-
scheinlich, daß es zur Erzielung der fraglichen Depression der
Oberflächenspannung nur darauf ankommt, daß überhaupt
gekühlt wird, und daß es belanglos ist, ob vor oder nach oder
vor und nach der Kühlungsperiode eine Erwärmungsperiode
zur Wirkung gelangt, wenn nur die Kühlung ein gewisses Maß
erreicht, das etwa der halbstündigen Einwirkung einer Tem-
peratur von 10°C entspricht. An dieser Stelle sei übrigens
erwähnt, daß wir in besonderen Versuchen nach vorausgegangener
Kühlung die Milch 1 und 2 Stunden bei Körperwärme hielten,
ohne daß die infolge der Kühlung hoch gestiegenen Tropfen-
zahlen beeinflußt wurden.
Versuch 12.
Bei diesem Versuche wurden zwischen Wärmeperioden (20°)
Kühlperioden (10°) von verschieden langer Dauer eingeschaltet
und die dabei erhaltenen Werte mit jenen bei durchgehender
Erwärmung und durchgehender Kühlung in Vergleich gestellt.
Versuchsdauer 8 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags.
Untersuchung kurz nach dem Melken:
Tropfenzahl Viscosität
82,0 1,929
Untersuchung 8 Stunden später:
Tropfenzahl Viscosität
Von 10%5 bis 1115 bei 100 gekühlt 87,2 1,949
sg 12% sp 200 II zg TI? 86,8 1,944
zg 800 „ 400 „ zg ” 86,8 1,958
„ 80 „ 430 „ 20° gewärmt 83,0 1,958
Dieses Ergebnis entspricht ganz dem, was oben gesagt
wurde und bedarf keiner weiteren Erörterung. Im gleichen
Sinne sind auch weitere, ‚hier nicht mitgeteilte Versuche aus-
gefallen.
Nachdem die bisherigen Versuche sozusagen ausschließlich
mit der Milch einer bestimmten Kuh ausgeführt worden waren,
7*
100 R. Burri und Ths. Nußbaumer:;
schien es wünschenswert, die Gültigkeit der Ergebnisse auch
für sog. Mischmilch, d. h. für das gemischte Gemelk einer
größeren Zahl von Kühen darzutun. Die diesbezüglichen Ver-
suche haben der Erwartung vollkommen entsprochen. Als Bei-
spiel sei das folgende herausgegriffen.
Versuch 13.
Eine Probe einer Mischmilch von 40 Kühen wurde in zwei
Portionen geteilt und davon die eine im Wasserbade von 20°,
die andere im fließenden Wasser von 10° von morgens 8 Uhr
bis abends 5 Uhr aufbewahrt. In den in der Tabelle ange-
gebenen Zeiten wurden Oberflächenspannungs- und Viscositäte-
bestimmungen ausgeführt.
Zeit der Bei 20° aufbewahrt Bei 10° aufbewahrt
Untersuchung | Tropfenzahl | Viscosität | Tropfenzahl | Viscosität
8% morgens
11> JI
25 nachm
1,911
Ein Blick auf diese Tabelle läßt ohne weiteres eine Über-
einstimmung mit den Erscheinungen erkennen, die uns bezüglich
des Einflusses der Kühlung der Milch auf die Oberflächen-
spannung und Viscosität schon bei den ersten Versuchen ent-
gegengetreten sind und die wir zusammenfassend in folgenden
Schlußsätzen niederlegen möchten.
Zusammenfassung.
1. Normale Kuhmilch erleidet, sich selbst überlassen, in
den ersten 12 Stunden nach dem Melken, also zu einer Zeit,
in der eine wesentliche chemische Veränderung durch Bakterien-
wirkung als ausgeschlossen gelten kann, eine merkbare Abnahme
der Oberflächenspannung und eine geringe aber deutliche Zu-
nahme der Viscosität.
2. Die Abkühlung der Milch äußert sich nicht in gleicher
Weise auf Oberflächenspannung und Viscosität. Während bei
einer Milch, deren Temperatur nicht unter %0° sinkt, die Ober-
flächenspannung nur in bescheidenem Maße zurückgeht, genügt
schon die halbstündige Einwirkung einer Temperatur von 10°,
Oberflächenspannungs- u. Viscositätsbestimmungen bei Kuhmilch. 101
um eine auffallend kräftige Depression zu erzeugen. Die Ober-
flächenspannung erreicht unter diesen Verhältnissen einen mini-
malen Grenzwert, wie er auch nach Kühlung der Milch auf 0°
oder nach eigentlichem Gefrieren der Milch festgestellt werden
kann. Im Gegensatz zu dieser großen Empfindlichkeit der
Oberflächenspannung gegenüber geringfügigen Kühlwirkungen
zeigen die Viscositätswerte keine deutliche Abhängigkeit von
einer stattgefundenen kürzeren oder längeren Kühlung der Milch.
3. Die infolge einer genügenden Kühlung der Milch auf-
getretene Eigentümlichkeit der letzteren, einen gegenüber frisch
gemolkener Milch bedeutend verminderten Wert für die Ober-
flächenspannung aufzuweisen, ist durch nachträgliches Erwärmen
der Milch auf Temperaturen bis zu 37° nicht rückgängig zu
machen. Es gehen somit gewisse Bestandteile der Milch unter
dem Einfluß der Kühlung von einem labilen in einen stabilen
Zustand über.
Schlußbemerkungen: Der im vorliegenden behandelte eigen-
tümlioche Zusammenhang zwischen der Oberflächenspannung einer Milch-
probe und ihrer Aufbewahrungstemperatur muß selbstverständlich berück-
sichtigt werden, soweit überhaupt Oberflächenspannungsbestimmungen
bei Milch zur Anwendung kommen. Da man vielfach über die Vor-
behandlung einer zu Versuchszweoken dienenden Milch nicht unterrichtet
ist, empfiehlt es sich, Messungen nur vorzunehmen, nachdem man die Milch
während einer Stunde auf ungefähr 10° gekühlt und so den stabilen Zu-
stand hervorgerufen hat, der einen minimalen Grenzwert der Oberflächen-
spannung bedingt. Selbetverständlich hat die hier behandelte Erscheinung
auch ihre praktische Seite, indem durch eine Oberflächenspannungs-
bestimmung vor und nach der lIstündigen Kühlung auf einfache Weise er-
mittelt werden kann, ob die Milch schon vorher gekühlt war oder nicht. Im
ersten Falle werden die beiden erhaltenen Werte ungefähr zusammen-
fallen, im letzteren Falle wird eine oharakteristische Differenz auftreten;
Bei dieser Gelegenheit möchten wir unserer Meinung dahin Ausdruck
geben, daß für praktische, bzw. klinische und molkereitechnische Zwecke
das Stalagmometer als einfacher und zuverlässiger Apparat für Ober-
flächenspannungs- und Viscositätsbestimmungen vorzügliche Dienste
leisten kann.
Was die Ursache betrifft, welche der hier im Vordergrund stehen-
den Erscheinung zugrunde liegt, so dürfte es sehr wahrscheinlich sein,
daß der beim Abkühlen der Milch erfolgende Übergang der Fettkügelchen
vom flüssigen in den festen Zustand das ausschlaggebende Moment dar-
stell. W. Fleischmann!) hat vor nicht langer Zeit an Hand von
Bestimmungen der spezifischen Wärme der Milch den Schluß abgeleitet,
1) W. Fleischmann, Journ. f. Landwirtsch. 50, 33, 1902.
102 R. Burri u. Ths. Nußbaumer: Oberfläochenspannungs- usw. -bestimm.
daß beim Aufbewahren der Milch bei gewöhnlichen Wärmegraden (12
bis 20°) ein proportional der Zeit sich vergrößernder Teil des Fettes der
Fettkügelchen erstarrt. Fleischmann (l. c. S. 69) sagt: „Weiter ist es
wahrscheinlich, daß das Fett nicht mit der Hartnäckigkeit, die man
übrigens bei der überaus feinen Verteilung erwarten sollte, auch bei
Wärmegraden zwischen O und 30° im flüssigen Zustande verharrt, son-
dern daß es bei diesen Wärmegraden leicht fest wird, um so leichter,
je tiefer die Temperaturen sind.“
Welche weiteren physikalischen Vorgänge nun die Zustandsänderung
des Fettes in der Milch begleiten, bleibt noch aufzuklären. Vermutlich
spielen sich die Prozesse, welche die bedeutende Herabsetzung der Ober-
flächenspannung im Gefolge haben, in den Grenzflächen zwischen Fett-
kügelchen und umgebender Flüssigkeit ab. Vielleicht gelingt es, künst-
lich ein Dispersoid herzustellen, das als Modell des komplizierten Systems,
wie es durch die Milch dargestellt wird, dienen kann und die in Frage
stehende Oberflächenspannungsänderung einer Flüssigkeit durch Über-
führung eines in letzterer enthaltenen Emulsoids in ein Suspensoid nach-
zuahmen gestattet.
Zur Kenntnis der Zuckerspaltungen.
VI. Mitteilung.
Die elektrolytische Reduktion des Traubenzuckers.
Von
Walther Löb. |
(Aus der chemischen Abteilung des Rudolf -Virchow - Krankenhauses
in Berlin.)
(Eingegangen am 29: August 1909.)
In der Mitteilung ‚Die Elektrolyse des Traubenzuckers“
(Zur Kenntnis der Zuckerspaltungen, III!) habe ich für die an
einer Bleianode auftretenden Oxydationsvorgänge folgende Auf-
fassung gewählt:
_ Glucose Pentose Formaldehyd
c v.l ——> Deels CH,O
IN AN AN
Gel, as Cs H08 C,H, Dh Oe Ha, HCOOH CO, u. CO
Gluconsäure Zucker- Arabonsäure Trioxy- Ameisen-
säure glutar- autre
säure
Als primären Prozeß betrachtete ich also den Zerfall des
Traubenzuckers, als sekundären die Oxydation zu den Säuren.
Es lag nahe, anzunehmen, daß das Auftreten einer Pentose
und des Formaldehyds einem Oxydationsvorgang zuzuschreiben
ist. Für die von mir bereits entwickelten Anschauungen über
die Umkehrbarkeit der Zuckersynthese?) aus Formaldehyd und
für die in der nächsten Mitteilung begründeten theoretischen
Vorstellungen war es mir wesentlich, direkt experimentell nach-
zuweisen, daß die oxydativen Vorgänge an der Anode lediglich
1) Diese Zeitschr. 17, 132, 1909.
2) Diese Zeitschr. 20, 516, 1909.
104 W. Löb:
ein zwischen Zucker und seinen Spaltprodukten C,H,,O, und
CH,O bestehendes Gleichgewicht stören und dadurch eine An-
reicherung an Pentose und Formaldehyd veranlassen, die natür-
lich teilweise, ebenso wie der Traubenzucker, dem Angriff des
Sauerstoffs unterliegen. Bei den Versuchen über die Elektro-
lyse der Glucose war der Anodenraum von dem Kathodenraum,
der nur verdünnte Schwefelsäure enthielt, getrennt. Ich be-
schloß deshalb, die Verhältnisse umzukehren und zu prüfen,
ob nicht bei der kathodischen Behandlung des Zuckers der
Wasserstoff, ebenso wie vorher der Sauerstoff, als Störer dieses
Gleichgewichtes fungieren und eine Anreicherung an Pentose
und Formaldehyd veranlassen könne. Die Versuche gaben ein
sicheres, positives Resultat.
Die elektrolytische Reduktion des Traubenzuckers in ver-
dünnter Schwefelsäure unter Anwendung eines Diaphragmas
führt nach den Angaben von O’Brien Gunn!) relativ glatt zu
Mannit. Wenn auch Pentose — Formaldehyd ist äußerst schwer
reduzierbar — dem Angriff des Wasserstoffs ausgesetzt wurde, so
war bei ihrer geringen Konzentration vorauszusehen, daß die
Reaktionsgeschwindigkeit zwischen ihr und Wasserstoff weit
hinter der zwischen letzterem und Traubenzucker zurückbleiben
würde, so daß trotz des Fehlens irgendwelcher Beobachtungen
nach dieser Richtung hin ein Erfolg, Pentose und Formaldehyd
zu fassen, nicht ausgeschlossen schien.
Ich führte die Elektrolyse in folgender Weise aus:
20 g Traubenzuoker, in 100 com 5°/,iger Schwefelsäure gelöst,
wurden in einen sorgfältig gereinigten Thonzylinder gebracht, der durch
einen dreifach durchbohrten Gummistopfen verschlossen wurde. Die
Lösungsverhältnisse waren also die gleichen wie bei der elektrolytischen
Oxydation des Zuckers. Durch zwei Durchbohrungen wurde die Kathode,
eine dauernd von kaltem Wasser durchtsrömte Bleischlange mit etwa
20 qcm wirksamer Oberfläche, geführt. Sie war sorgfältig nach Tafels?)
Vorschrift präpariert. Besonderer Wert ist darauf zu legen, daß die
Oberfläche vor Beginn des Versuches keine Spur Bleioxyd oder Blei-
superoxyd enthält. Man erreicht dies leicht durch längere kathodische
Polarisation in reiner verdünnter Schwefelsäure unmittelbar vor dem Ver-
such. Der Thonzylinder wurde in ein weiteres GlasgefäßB mit 5°/,iger
Schwefelsäure gestellt, das die Platinanode aufnahm. Die Stromstärke
betrug 1 Amp., die Spannung 4 bis 5 Volt, die Dauer 20 bis 24 Stunden.
1) D. R. P. Nr. 140318 (23. V. 1900).
2) Zeitschr. f. physikal. Chem. 84, 187, 1900.
Zur Kenntnis der Zuckerspaltungen. VI. 105
Die wasserklare Lösung, die einen eigenartigen, ganz schwach an
Acro!ein erinnernden Geruch besaß, wurde in der Kälte mit Calcium-
carbonat neutralisiert und der Wasserdampfdestillation unterworfen. Das
neutrale Destillat zeigt alle Formaldehydreaktionen schwach, aber deut-
lich ausgeprägt. Der Gehalt wurde jodometrisch ermittelt. Er ist weit
geringer als bei der elektrolytischen Oxydation und betrug in drei
unter den angegebenen Bedingungen ausgeführten Versuchen 0,0097 g,
0,0027 g und 0,005g Formaldehyd. Ein Teil des Destillates, mit Ben-
zoylchlorid auf Alkohol untersucht, gab ein negatives Resultat.
Der Destillationsrückstand, Kalksalze, Zucker und Mannit ent-
haltend, wurde im Vakuum zur Trockene gebracht. Die nur in äußerst
geringer Menge vorhandenen Calciumsalze, hauptsächlioh Caloiumsulfat,
blieben bei dem Auskochen mit Alkohol ungelöst zurück. Das nach dem
Filtrieren der Lösung und dem Verdunsten des Alkohols zurückbleibende
Gemisch von Zucker und Mannit (9,5g, 10,7g, 10,9g in den drei er-
wähnten Versuchen) wurde in verschiedener Weise bearbeitet.
Zur Prüfung auf die Gegenwart von Pentose ließ ich die wässerige
Lösung des alkoholischen Extraktes mit Hefe vergären. Nach Filtra-
tion und Behandlung mit kolloidaler Eisenlösung zur Entfernung von
aus der Hefe stammenden Eiweiß bzw. Albumosen und abermaliger Fil-
tration trat die Bialsche Pentosenreaktion mit aller Schärfe auf. Durch
Phenylhydrazinacetat fiel nach kurzem Stehen auf dem Wasserbad ein
in heißem Wasser leicht lösliches Osazon aus, das nach der Krystalli-
sation bei 169° unter Zersetzung schmolz. Nach nochmaliger Krystalli-
sation stieg der Schmelzpunkt auf 170 bis 172%. Derselbe stimmt,
ebenso wie das mikroskopische Bild, mit Schmelzpunkt und Aussehen
des bei der elektrischen Oxydation erhältlichen Pentosazons, das zum
Vergleich besonders dargestellt wurde, überein. Die Menge der Pentose
wurde mittels der Tollensschen Furfuroldestillation aus dem erhält-
lichen Phloroglucid als Arabinose berechnet. Die Ausbeuten betrugen in
den drei erwähnten Versuchen 0,15g, 0,17g, 0,17g. Die Prüfung auf
Dioxyaceton mit Methylphenylhydrazin fiel negativ aus.
Vor kurzem hat Neuberg!) die Elektrolyse der d-Glucose in rein
wässeriger Lösung ausgeführt und das Auftreten von Formaldehyd nicht
beobachtet. Da in seiner Anordnung ohne Diaphragma oxydierende und
reduzierende Einflüsse sich geltend machen, beide aber der Bildung von
Formaldehyd günstig sind, so wiederholte ich den Versuch in der von
Neuberg gegebenen Anordnung. Nach 18 Stunden wurde der Versuch
abgebrochen, die Flüssigkeit mit Calciumoarbonat neutralisiert und der
Wasserdampfdestillation unterworfen. Das Destillat zeigte alle Form-
aldehydreaktionen ausgeprägt. Die Menge wurde nicht festgestellt.
Aus den geschilderten Versuchen geht mit Sicherheit hervor, daß
die Zuokerspaltung in Formaldehyd und Pentose in saurer Lösung auch
unter dem Einfluß des reduzierenden Wasserstoffs stattfindet.
1) Diese Zeitschr. 17, 288, 1909.
Über das Vorhandensein der Pentosen im Harne des
Menschen und der Tiere.
Über die Ausnützung der Pentosen im tierischen Organismus.
Von
Luigi Cominotti.
(Aus dem Laboratorium für experimentelle Physiologie der kgl. tier-
ärztlichen Hochschule in Mailand.)
(Eingegangen am 1. September 1909.)
Auf den hohen Pentosengehalt der Vegetabilien haben
Tollens, Schulze, Menozzi und Appiani die Aufmerksamkeit
gelenkt.
Den Befunden Menozzis und Appianis über unsere Futter-
sorten können wir jene Scurtis und De Platos?!) hinzufügen,
welche für die süditalienischen Heusorten unter 54 geprüften
Mustern durchschnittlich einen Pentosanengehalt von 15,19°/,
festgestellt haben. Nach diesen Resultaten nehmen die gras-
fressenden Tiere mit ihrer täglichen Nahrung eine große Quantität
von Pentosanen zu sich, und es erhebt sich sofort die doppelte
Frage, ob und in welchem Maße die Pentosane der Nahrung
im Magendarmkanal resorbiert und vom ES ausgenutzt
werden.
Stone und Jones?) fanden diesbezüglich bei Schafen eine Resorption
der Heupentosane zwischen 44 und 71°/,.
Jones®), welcher Kaninchen mit Weizenkleie und Kornmehl
fütterte, fand, daß diese Tiere die im Futter enthaltenen Pentosane zu
68,93 bis 82,48°/, resorbierten.
1) Stazioni sperimentali Agrarie italiane 41, 333, 1908.
2) Centralbl. f£. Agriculturchemie 1893, 777; nach Agricultur. Science,
7, 6, 1893.
3) Chem. Centralbl. 1892, 566; nach American Chem. Journ. 14.
L. Cominotti: Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 107
Weiske!) fand bei Ziegenböcken und Kaninchen bei Heu- und
Haferfütterung eine Resorption der Pentosane zu 85°/, und bei letzteren
von 53,8 °/,.
Verwickelter war die Frage bezüglich des Verhaltens der Pentosen
im Organismus; die Resultate, zu welchen die verschiedenen Forscher
gelangt sind, stimmen nicht überein, Nach Ebstein?) verwertet der
menschliche Organismus diese Zuckersorten gar nicht. Nach Genuß von
25 Gramm Arabinose oder Xylose soll der gesamte eingenommene
Zucker unverändert ausgeschieden werden. Aber spätere Forschungen
führten zur Annahme, daß die Pentosen zur Bildung von Glykogen
beitragen.
Salkowski?®) hat bei Kaninchen konstatieren können, daß die
Pentosen direkt oder indirekt die Entstehung von Glykogen veranlassen.
Cremert) hat festgestellt, daß Arabinose, Xylose und Rhamnose Gly-
kogenbildung nicht nur bei den Kaninchen und Schafen, sondern auch
beim Menschen bewirken, so daß er zu einer Schlußfolgerung gelangt,
welche jener Ebsteins gerade entgegengesetzt ist.
Hingegen bekämpfte Frentzel5) diese Resultate Cremers, indem
er Ebstein zustimmte, daß die Pentosen im Organismus kein Glykogen
liefern. Weitere Versuche über die Ausnutzung von Pentosen haben
Neuberg und Wohlgemuth®) mit den verschiedenen Raumformen
der Arabinosen angestellt.
. Nach dem Gesagten ist es klar, daß die Frage nach der
Bedeutung der Pentosen für die Ernährung noch uner-
ledigt ist. Deshalb schien es mir, daß eine Untersuchung auf
Pentosen im Urin unserer großen Haustiere, welche wegen
der Qualität ihrer Nahrung täglich ein großes Quantum
resorbierbarer Pentosane zu sich nehmen, vielleicht einen nütz-
lichen Hinweis auf das Verhalten der Pentosen im Organismus
ergeben könnte. Wenn die resorbierbaren Pentosen so wie Pento-
sane vom Organismus nicht verwertet würden, so müßten sie
sämtlich oder nahezu vollständig im Harn wieder auftreten.
Salkowski und Jastrowitz’) waren die ersten, welche
im Harn des Menschen Pentosen auffanden; sie erkannten
diese Ausscheidung als eine pathologische Erscheinung, welche
sie Pentosurie nannten. Mit dieser Pentosurie als Stoffwechsel-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 20, 489, 1895.
2) Centralbl. f. med. Wiss. 1893, 577.
2) Centralbl. f. med. Wiss. 1893, 193.
4) Zeitschr. f. Biol. 24, 484.
8) Arch. f. d ges. Physiol. 56, 273.
6) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 34, 1745, 1909.
7) Centralbl. f£. med. Wiss. 1892, 337.
108 L. Cominotti:
anomalie hat sich weiter Neuberg!) beschäftigt. Pentosurie
bei einem Fall von Cocainismus ist in der Folge von Luzzatto?)
genauer studiert worden; dieser Verfasser hat auch die Natur
der Pentose in seinem Falle festgestellt.
Eine kürzlich erschienene Arbeit Funaros?) sucht das stän-
dige Vorhandensein von Pentosen im Harn des gesunden Menschen
zu beweisen. Aber Funaro hat sich nur auf eine einfache
qualitative Reaktion beschränkt, welche überdies nicht immer
deutlich ist, und seine Schlußfolgerung bedarf daher einer
Bestätigung.
Infolge dieser Resultate beim Menschen habe ich es für
angezeigt gefunden, eine Fahndung auf Pentosen nicht nur im
Harne unserer großen Haustiere, sondern auch in jenem des
Menschen, des Hundes, der Schweine und der Schafe, also bei
Fleischfressern, Grasfressern und Omnivoren vorzunehmen. Für
meinen Zweck war natürlich eine bloße qualitative Feststellung
nicht genügend; ich war daher gezwungen, eine Methode zu
wählen, welche die quantitative Analyse der im Harn befind-
lichen Pentosen ermöglichte. Die beste Methode erschien mir
das in geeigneter Weise abgeänderte Verfahren von Tollens
zu sein, weil die Phloroglucidmethode geeignet ist, auch
minimale Quantitäten Pentosen festzustellen.
Es ist bekannt, daß im Harn, besonders in jenem der
grasfressenden Tiere Glucuronsäure enthalten ist, welche gleich
den Pentosen die Eigenschaft besitzt, bei der Destillation
Salzsäure-Furfurol zu bilden. In unserem Falle war es daher
nötig, vor der Bestimmung der Pentosen die Glucuronsäure
aus dem Harn zu entfernen. Zu diesem Behufe wurde ein
von Salkowski und Neuberg‘) benutztes Verfahren an-
gewandt, welches auf einer Fällung mit Bleizucker, Filtration,
Erwärmung und erneuter Fällung mit Bleisubacetat beruht.
Auf diese Weise wird die Glucuronsäure in Form von unlös-
lichem basischem Bleiglukurunat abgetrennt, während die Pentosen
1) Ber. d Deutsch. chem. Ges. 82, 2395, 1899.
2) a) Festschr. f. P. Albertoni, 1901, S. 27; b) Archivio di Farma-
cologia sperim. e Scienze affini 1, 1902; c) Zeitschr. f. d. ges. Biochem.
6, Heft 1/2, 87, 1902.
3) Archivio di Farmacologia sperim. e Scienze affini 6, 401, 1907.
t) Zeitschr. f. physiol. Chem. 36, 264, 1902.
Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 109
in das Filtrat übergehen. Aus diesem entfernt man dann das
Übermaß an Blei vermittels Schwefelwasserstoff' und durch
Erwärmen des Filtrates in einem Wasserbade entfernt man das
Übermaß von HR. wobei die Flüssigkeit auf das gewünschte
Volumen eingeengt wird.
Nach dieser Behandlung des Filtrates überzeugte ich mich,
ob keine Glucuronsäure mehr darin enthalten war. Zu diesem
Behufe habe ich 5 Liter Rinderharn auf dem Wasserbade
auf 500 ccm konzentriert und dann zuerst kalt mit Bleizucker
und dann warm mit Bleisubacetat gefällt; dann habe ich das
erhaltene Filtrat durch Einleiten von Schwefelwasserstoff von
überschüssigem Blei befreit und in der Wärme den Überschuß
von H,S entfernt. Die Prüfung auf Glucuronsäure in dem
Filtrate verlief negativ. Der durch normales Bleiacetat er-
haltene Niederschlag wurde nach den Angaben von P. Mayer
und Neuberg!) behandelt, und es gelang mir, die Glucuronsäure
als Bromphenylhydrazinverbindung abzuscheiden.
Das nach Anwendung der Methode vonSalkowskiundNeu-
berg erhaltene Filtrat wurde auf dem Wasserbade eingeengt und
dann nach Tollens mit Salzsäure destilliert. Zur Destillation ist nie-
mals ein kleineres Quantum als 100 ccm des Filtrats verwendet
worden. Wenn etwa die Hälfte der Flüssigkeit destilliert war,
wurde ein der ursprünglichen Lösung gleiches Quantum ver-
dünnter Salzsäure (D =— 1060) zugefügt und die Destillation
wieder fortgesetzt. Diese neue Zugabe von Säure war not-
wendig, weil das Furfurol erst im Verlaufe dieser zweiten
Destillation im Destillate allmählich verschwand.
Weiter wurde festgestellt, daß, wenn zu einem gewissen
Zeitpunkt der Destillation eine weitere Menge Säure hinzugefügt
wurde, diese die Reaktion begünstigte und gewissermaßen be-
schleunigte. Beim wiederholten Prüfen des Destillates habe
ich bemerkt, daß die intensivste, durch die bekannten Färbungen
mit ÖOrcin, Phloroglucin, Anilin- sowie Xylidinacetat er-
sichtlich gemachte Reaktion nach dem erneuten Zusatz von
HO stattfand. Sobald die obenerwähnten Reaktionen mit dem
Destillate gänzlich ausblieben, habe ich natürlich zu destillieren
aufgehört. Grund?) rät, das Destillat zu filtrieren, bevor man
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 29, 256, 1900.
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 111, 1902.
110 L. Cominotti:
das Phloroglucin zugibt, um die Bildung eines Häutchens an
der Oberfläche der Flüssigkeit zu vermeiden; diesen Umstand
habe auch ich Gelegenheit gehabt, wahrzunehmen; deshalb
wurde das Destillat vor Zusatz des Phloroglucins filtriert. Das
Phloroglucin war in einigen Kubikzentimetern Salzsäure auf-
gelöst. Die Flüssigkeit nahm mehr oder weniger rasch eine
citronengelbe Färbung an, welche allmählich dunkler wurde,
bis sie eine braungrüne Farbe aufwies. Die Intensität der
Färbung und die Geschwindigkeit des Überganges von der
einen zur anderen, stand immer im Verhältnis zu der im Destillat
enthaltenen Quantität von Furfurol und somit zu der im Harn
enthaltenen Menge Pentosen.
Wie bereits erwähnt, wurde die Flüssigkeit 24 Stunden
stehen gelassen und das ausgefallene Phloroglucid dann ge-
sammelt, getrocknet und gewogen.
Ich habe diese Methode durch einen Versuch mit reiner
Arabinose kontrolliert. Ich destillierte 0,10 g Arabinose mit
HCl (D==1,12), und als das Destillat 30 ccm erreicht hatte,
ließ ich in den Destillationskolben weitere 30 ccm HCl vom
selben spez. Gewicht einfließen. Ich erhielt bei einer Probe
0,086 g Phloroglucid, bei einer zweiten Probe 0,096 g Phloro-
glucid.
Wenn man daraus die Arabinose nach den Tabellen
Kröbers berechnet, so findet man
bei der ersten Probe 0,1007 g Arabinose,
»n ew Zweiten „ 0,1061 g j
Dies Resultat beweist nicht nur die Zuverlässigkeit der
Methode, sondern zeigt auch, daß man, ohne Verluste zu be-
fürchten, den Phloroglucidniederschlag auf einem schwedischen
Filter sammeln kann, ohne zu dem von Tollens vorgeschriebenen
Asbestfilter Zuflucht zu nehmen.
Nachdem Schöndorff!) gezeigt hat, daß im Harn des Menschen
stets kleine Quantitäten Zucker vorhanden sind, habe ich geprüft, ob
sich bei der Destillation des Harns mit HCl aus den kleinen Quanti-
täten Glucose, welohe im Harn enthalten sein könnte, Furfurol bilden
kann. Gleich anderen Autoren habe ich mich überzeugt, daß aus solch
geringen Mengen Traubenzucker keine nachweisbare Menge Furfurol ent-
steht.
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 121, 572, 1908.
Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 111
Tabelle I.
Quantität
des bei der Im analys.
Harne vor-
Gattung d.Tieres, In 1000 ccm Harn gefunden:
von welchem
Pento-
Pferd 1 500 0,0150 | 0,0300 | 0,0182 | 0,0358 |0,0316
„2 500 0,0155 | 0,0310 | 0,0188 | 0,0368 0,0324
„ 3 500 0,0540 | 0,1080 | 0,0588 | 0,1143 (0,1006
„4 500 0,0476 | 0,0952 | 0,0520 | 0,1012 0,0891
„5 500 0,0298 | 0,0596 | 0,0333 | 0,0650 0087 _
Durchschnitt 0,0648 | 0,0362 | 0,0706 0,0622
Rind 1 (Stier) 300 0,163 | 0,5100| 0,2664 | 0,5141 0,4545')
„ 2 (Kuh) 350 0,021 | 0,0600 | 0,0338 | 0,0660 ;0,0581
er d e 500 0,032 | 0,0640 | 0,0359 | 0,0700 |0,0617
„4, 500 0,040 I 0,0800 | 0,0442 | 0,0861 0,0758
„ 5 (Kalb) 500 0,043 | 0,0860 | 0,0474 | 0,0922 |0,0812
„6 „ 500 0,028 | 0,0560 | 0,0318 | 0,0620 [0,0546
ST y - 500 0,036 | 0,0720 | 0,0401 | 0,0781 10,0688
„8, 500 0,032 | 0,0620 | 0,0359 | 0,0700 |0,0617
Durchschnitt?) 0,0688 | 0,0384 | 0,0749 |0,0666
Schaf 1 138 0,0020 | 0,0590 | 0,0333 | 0,0650 10,0573
„ 20 80 0,0038 | 0,0480 | 0,0276 | 0,0539 [0,0475
„3 123 0,0070 | 0,0570 | 0,0323 | 0,0620 |0,0564
„n 4 160 0,0100 | 0,0620 | 0,0349 | 0,0680 0,0599
Durchschnitt 0,0505 | 0,0320 | 0,0622 0,0503
Schwein 1 265 0,0667 | 0,2520 | 0,1333 | 0,2582 .0,2272°)
„2 370 0,0470 | 0,1270 | 0,0686 | 0,1334 |0,1174
„ 3 425 0,0430 | 0,1000 | 0,0546 | 0,1063 0,0935
„n 4 296 0,0315 | 0,1060 | 0,0577 | 0,1123 0,0988
n 54 285 0,0175 | 0,0610 | 0,0344 | 0,0670 ‘0,0590
Durchschnitt 5) 0,0985 | 0,0538 | 0,1047 0,0922
1) Das nach Fällung mit normalem Bleiacetat und Bleisubacetat
erhaltene Harnfiltrat gab eine intensive Farbenreaktionen auf Pentosen.
Ich babe die Feststellung der Pentosen im Harn dieses Tieres nicht
wiederholen können und kann daher nicht sagen, ob diese starke Aus-
scheidung von Pentosen mit dem Harn zufällig war, oder ob es sich um
eine mit der beim Menschen beschriebenen, analogen wirklichen Pentosurie
gehandelt hat. — *) Bei der Durchschnittsberechnung habe ioh die Werte
der im Stierharn gefundenen Pentosen nicht berücksichtigt, da sie sehr
hoch waren und den Zweifel aufkommen ließen, ob man es mit einer
anomalen Elimination von Pentosen durch den Harn zu tun habe. —
3) Intensive Farbenreaktionen auf Pentosen schon im Filtrate nach Fällung
mit Bleizuoker und Bleisubacetat. — *) Die Schweine waren während der
Mästung fast ausschließlich mit vegetabilischen Substanzen und besonders
mit Klumpenlein, welcher nach der Analyse von Menozzi und Appiani
sehr reich an Pentosanen ist, gefüttert worden. — 5) Bei der Durch-
schnittsberechnung habe ich die beim ersten Schweine erhaltenen Werte
aus den früber angegebenen Gründen weggelassen.
112 L. Cominotti:
Die Quantitäten von Furfurol, Pentosen und Pentosanen
sind mit Hilfe der Tabellen Kröbers berechnet worden.
Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß mehrere Male in
dem nach Salkowski und Neuberg vorbehandelten Filtrat
die Farbenreaktionen der Pentosen ganz oder beinahe fehlten,
während bei der späteren Destillation mit Salzsäure das De-
stillat starke Reaktionen zeigte und mit Phloroglucin beim
Stehen nicht unbeträchtlich Phloroglucid lieferte, welches ge-
sammelt und gewogen werden konnte.
Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, als er die An-
nahme bestärkt, daß sich im Harn die Pentosen gebunden, und
zwar als Ureide vorfinden können, und daß bei der Destilla-
tion mit HCI die Verbindung zerfällt und eine Entstehung von
Furfurol stattfindet.!)
Dem Filtrat ist ein gleiches Volumen von HCl von der
Dichte = 1,12 zugefügt worden, weil bei Zusatz von HCl vom
spez. Gewicht 1,06 die Mischung ein bedeutend geringeres spez.
Gewicht als 1,06 angenommen hätte, welches von allen Autoren
als erforderlich bezeichnet wird.
Aus dieser Tabelle geht hervor, daß der geprüfte Harn
Pentosen enthielt. Die Durchschnittsdaten zeigen, daß die
Pentosenausscheidung bei den Schweinen am größten war; dann
folgen Rind, Pferd und endlich das Schaf.
Bei den Schweinen schwankte die Pentosenmenge zwischen
0,0670 g und 0,1334 g für 1000 ccm Harn, doch fanden sich
sogar beim ersten Schweine 0,2582 g in 1000 com vor, Schwer
zu entscheiden ist, ob es sich um eine eventuelle Zunahme der
Pentosen oder gar um eine wirkliche Pentosurie gehandelt hat,
Ich konnte den Harn dieses Tieres nur ein einziges Mal prüfen,
da es sich um Harn handelte, welcher gleich nach Schlachtung
des Tieres aus der Blase entnommen war.
Bei den Rindern schwankte die Pentosenmenge zwischen
0,066 g und 0,0922 g für je 1000ccm Harn; bei den Pferden
zwischen 0,0358 und 0,1143 g "ln bei den Schafen zwischen
0,0539 und 0,068 im Liter.
Es war noch festzustellen, ob bei diesen Tieren die Aus-
1) Siehe bei Neuberg, Ergebn. d. Phys. 3, I. Abt., 373, 1904 und
P. Mayer, dieso Zeitschr. 17, 145, 1909.
Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 113
scheidung der Pentosen durch den Harn von der Gattung der
an Pentosanen mehr oder weniger reichen Vegetabilien abhing.
Es schien mir daher angebracht, die Untersuchung auf den
Harn des Hundes und des Menschen auszudehnen. Von Hunde-
harn sind drei Proben geprüft worden, und die Tiere, von
welchen derselbe stammte, waren seit längerer Zeit mit Brühe
und Brot ernährt worden; von menschlichem Urin wurden zehn
Proben verwendet, die von mir stammten oder mir vom Leiter
und Studenten des Laboratoriums zur Verfügung gestellt waren.
P. nahm in jenen Tagen vorwiegend eine Fleischdiät, F. Ge-
müsekost, ich und die anderen gemischte Nahrung.
Die Resultate sind in nachfolgender Tabelle (II) zusammen-
gestellt.
Tabelle II.
I sot Quantum des! Quant d — = A *
On zur Bestim. | Quantum des in Gem Harn gefunden
Mensch, von Ae A mung der kreie A z5 i le, | sl zw
welchem der Pr Pentosen ver- er ES og 4898| 48
Harn Nahrung | wendeten |suthaltenen | S S| 53| 8| 22
stammte Harnes —— = =
ZELT CC j inom — BEN Br
Hund 1 Brot und Brühe 385 [Unschätzbare |
Spuren |
e 3 7 700 Unschätzbare |
Spuren
8 be 500 0,019 0,038 0, 0224 0,0439 0,0386
„ 3(2.Vers.) e a 0,018 0,036 0,0214 o ‚0418 0,0368
P. Fleischdiät e Unschätzbare
Spuren |
0,004 0,008 0,0068 0,0134 0,0118
|
„ d n |
|
| |
0,0205 10,041 0,02400,0469 0,0413
B. Gemischte Diät S
C Š e 0,0090 |0,018.0,0120 0,0235 0,0204
- * e 0,0110 10,022 0,0140 0,0276 0,0243
G. e | u 0,0220 |0,044.0,0255 0,0499 0,0440
e e | * 0,0150 0,030.0,0182.0,0358 0, 0315
Durchschnittl. | | 0,031.0,01870,0367 0,0323
Resultate!) | | | |
F. Vorwiegend.a. go⸗ z ! 0,030 |0,060.0,0338 0,066 0,0581
kochtenKräutern | | | |
` į bestehende Diät | | |
e Vorwiegend a. ge- o 0,029 0,058 0,0328 0,064 0,0564
kochtenKräutern! | | |
| bestehende Diät | |
1) Die Durchsohnittsziffern sind nur aus den Werten meines Rame
und desjenigen meiner Kollegen gebildet worden, welche gleich mir eine
gemischte Diät erhalten hatten.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 8
114 L. Cominotti:
Aus den angeführten Zahlen geht deutlich hervor, daß im
Harn des Menschen und des Hundes die Pentosen
fehlen können; jedoch in der Mehrzahl der Fälle findet man
Quantitäten, welche zwischen 0,0134 dog ad minimum und 0,066 g
ad maximum pro 1000ccm Harn schwanken. Erwähnenswert ist der
Umstand, daß gerade im Harn P.s, welcher sich vorwiegend mit
Fleisch genährt hatte, in drei Versuchen zweimal die Pentosen
fast völlig fehlten, während der Harn der Versuchsperson P.,
welche sich fast ausschließlich von Gemüse genährt hatte, das
größte Quantum von 0,066 g pro 1000 com Harn ergab.
Im Harn der Hunde befanden sich ebenfalls manchmal
nur unbedeutende Spuren von Pentosen und zwei andere Male
0,0439 g resp. 0,0418 g im Liter.
Wenn man nun berücksichtigt:
1. daß der Harn der Pflanzenfresser stets Pentosen ent-
hielt und gewöhnlich in größerer Menge als der des Hundes
und des Menschen, l
2. daß im Harn der mit Brot gefütterten Hunde, d. h.
mit einem vegetabilischen, aber von pentosenhaltiger Rohfaser
freien Nahrungsstoffe, zuweilen die Pentosen fehlten,
3. daß im Harn des Menschen in den Fällen mit über-
wiegender Fleischkost die Pentosen auf unbedeutende Spuren
beschränkt waren, und daß auch bei gemischter Diät das Pen-
tosenquantum beim Menschen gewiß kleiner war als im Harn
von ausschließlich oder fast ausschließlich mit vegetabilischen,
an Pentosanen reichen Substanzen ernährter Tiere, so kann
man schließen, daß
Schwein, Rind, Pferd und Schaf stets Pentosen
mit dem Harn eliminieren, und zwar in größerer
Quantität als Hunde und Menschen, eben darum, weil
sie mit vegetabilischen, an Rohfasern und mithin an
Pentosanen reichen Substanzen ernährt werden.
Wenn man aber die Quantität der im Harn vorgefundenen
Pentosen mit jener der eingeführten Pentosane vergleicht, so
bemerkt man, daß dieselbe (mit Ausnahme vielleicht des
Schweines 1 und des Rindes 1) sehr klein ist; man muß so-
mit zugeben, daß ein großer Teil der als Pentosane
eingeführten Pentosen vom Organismus verwertet
wird.
Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 115
Weitere Untersuchungen, welche ich auszuführen beab-
sichtige, werden feststellen können, auf welche Weise die Pen-
tosane ausgenutzt werden und ob sie, wie es wahrscheinlich ist,
die Bildung von Glykogen veranlassen.
Wir haben gesehen, daß im Harn des Menschen bei Fleisch-
diät die Pentosen verschwinden können. Grund!) fand nun
in den Muskeln 0,021 g Pentosen pro 100 g, eine Quantität,
welche über den fast gänzlichen Mangel an Pentosen im Harn
der Versuchsperson Aufschluß geben kann; diese hatte am Tage,
an welchem der Harn gesammelt worden ist, vorwiegend Muskel-
fleisch gegessen. Aber auch die Drüsenorgane und besonders
das Pankreas enthalten nach Grund!) sowie Bendix und
Ebstein?) bedeutend größere Quantitäten Pentosen als die
Muskeln.
Diese Drüsenorgane könnten im Stoffwechsel Pentosen ab-
geben; deshalb könnte ihr Vorhandensein im Harn nicht nur
durch die Nahrung bedingt sein, sondern auch einen endogenen
Ursprung haben. Dagegen kann aber sofort der Einwurf gemacht
werden, daß gerade bei der Ernährung mit Fleisch die Pentosen
die Neigung haben, aus dem Harn zu verschwinden, und dieser
Umstand wäre genügend, in den beschriebenen Fällen den endo-
genen Ursprung der im Harn enthaltenen Pentosen auszuschließen.
Freilich muß man berücksichtigen, daß bei normalen Ernährungs-
zuständen am Gesamtauswechsel die Nahrung?) den größten
Anteil hat und die Organe und Gewebo des Körpers nur einen
kleinen. Anders könnten die Verhältnisse beim Hunger liegen,
wo der Organismus auf Kosten der eigenen Bestandteile lebt,
und zu einem gewissen Zeitabschnitt der Hungerperiode könnten
die Pentosen im Harne vorhanden sein. In einem solchen Falle
müßte man zugeben, daß dieselben aus den Organen und Ge-
weben stammen.
Um festzustellen, ob diese Annahme richtig sei, habe ich
eine Reihe Untersuchungen an einem Pferde angestellt, welches
ich 8 Tage fasten ließ; Wasser wurde gewaltsam zugeführt,
wenn das Tier es verweigerte. Täglich habe ich den 24stün-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 111, 1902.
2) Erwähnt von Röhmann, Biochemie, 1908, S. 123.
2) Rubner, Die Quelle der tierischen Wärme. Zeitschr. f. Biol.
30, 73, 1894.
8*
116 L. Cominotti:
digen Harn gesammelt, und vom Gemisch desselben entnahm
ich 500 com für die Analyse. Zu Beginn des Experimentes wog
das Tier 220 kg; der Ernährungszustand war sehr mangelhaft.
Die Resultate sind in folgender Tabelle angeführt.
Tabelle III.
Zustand | Bestimmung der |m ——
des Pentosen verwen- |" Pe ehe
Tieres deten Harnes in |p lorogluei
in com
Nahrung!) 500 0,0296 0,0592; 0,0333| 0,0650 0,0573
alkalische Reaktion
1.Fasten?) 500 0,0119 0,0239! 0,0150! 0,0294| 0,0260
alkalische Reaktion
DE a 500 0,0049 0,0098; 0,0077| 0,0152! 0,0134
neutrale Reaktion
3... 500 Es fehlt der
e Niederschlag von
saure Reaktion Phloroglucid
4. „ 500 0,0080 0,0160! 0,0109| 0,0215! 0,0189
saure Reaktion
5. „ 500 0,0090 0,0180| 0,0120| 0,0235; 0,0207
saure Reaktion
6. „ 500 0,0120 0,0240| 0,0151| 0,0296| 0,0260
saure Reaktion l
1,5 500 0,0056 0,0100: 0,0078| 0,0154! 0,0136
saure Reaktion
8. y 500 0,0040 0,0080; 0,0068, 0,0134\ 0,0118
saure Reaktion
1. Wieder- 500 0,0170 0,0340| 0,0203| 0,0398] 0,0350
ernährung| neutrale Reaktion l
2. Wieder- 500 0,0210 0,0420 0,0245; 0,0479, 0,0422
ernähr.?) | alkalische Reaktion i
3. Wieder- 500 0,0290 0,05401 0,0307) 0,0699! 0,0528
ernährung| alkalische Reaktion |
1) Die bei diesem Pferde gefundenen Werte sind fast identisch mit
jenen der ersten Tabelle unter der Rubrik Pferd 5. Es handelt sich
um dasselbe, gleichartig ernährte Tier, dessen Harn zweimal analysiert
worden ist, und zwar einige Tage vor dem Fasten und den Tag vor der
Inanition.
2) Das Fasten dauerte 8 Tage, vom 17. bis zum 24. Februar.
Das Pferd wog zu Beginn der Inanition 220 kg, am Ende 190 kg. Es
verlor somit in 8 Tagen 30 kg seines Gewichtes, d. h. 13,63°/,;
3) Am ersten Tage der Wiederernährung bekam das Pferd nur
2 kg Heu, in den darauffolgenden Tagen die gewöhnliche Ration zu
fressen,
Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 117
Aus den Resultaten dieses Experimentes geht hervor, daß
wir während des Fastens zwei soharf abgegrenzte Zeitabschnitte
gehabt haben: die erste Periode von 3 Tagen, während welcher
die. Pentosen im Harn bis zum gänzlichen Verschwinden ab-
nahmen, und die zweite von fünf Tagen, während welcher
im Harn sich kleine, aber wägbare Quantitäten Pentosen wieder
vorfanden.
Auffallend ist der Umstand, daß die am 4. Inanationstage
im Harn wieder aufgetretenen Pentosen am 5. und 6. Tage zu-
nahmen, um am vorletzten und letzten Fasttage wieder abzu-
nehmen. Aus der Tabelle geht überdies hervor, daß die Pen-
tosen im Harn bedeutend zunahmen, sobald das Pferd wieder
mit Heu gefüttert worden war.
Es ist einleuchtend, daß die Pentosen nicht gleich mit dem
Beginn der Inanition aus dem Harn verschwunden sind, weil
die vorangegangene Ernährung ihre Wirkung noch bemerkbar
machen mußte, und es nicht wahrscheinlich ist, daß der Darm
des Tieres zu Beginn des Fastens von ii voll-
kommen leer gewesen sein soll..
Man kann dann nicht umhin, das Wiederauftreten der
Pentosen im Harn zu einem gewissen Zeitabschnitte der Inani-
tion mit dem verschiedenen Verbrauch der Körpergewebe beim
Fortschreiten der Inanition in Verbindung zu bringen. Der
Ernährungszustand des Pferdes zu Beginn des Hungerns er-
klärt uns sogar das Wiederauftreten der Pentosen in einem so
wenig vorgeschrittenen Zeitabschnitt der Inanition. Es handelte
sich um ein mageres Tier mit spärlichem Paniculum Adiposum,
welches in einer Woche 30 kg seines Gewichtes verlor. Es hat
wohl bald seinen ungenügenden Vorrat an Fett verbraucht und
die Organe und Gewebe angreifen müssen, welche, wie wir ge-
sehen haben, große Quantitäten Pentosen enthalten. Man muß
somit das Wiederauftreten der Pentosen im Harn während der
Inanition hauptsächlich mit dem Verbrauch der Organe in Ver-
bindung bringen.
Salkowski"!) ernährte zwei Hunde mit gekochtem Pankreas,
dennoch war der Harn frei von Pentose. Man muß also annehmen,
daß entweder bei der Inanition die Drüsengewebe einen gründ-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 27, 507.
118 L. Cominotti:
licheren Zerfall erleiden, als wenn sie als Futter einverleibt werden,
oder daß der Umsatz der Pentose liefernden Nuoleoproteide
sich beim Pferde und Hunde verschieden vollzieht. Weitere
Untersuchungen werden vielleicht die Frage klären können.
Der Befund größerer Quantitäten von Pentosen im Harn
des 4., 5. und 6. Tages im Gegensatz zu dem Harne des 7. und
8. Tages kann mit dem Umstand in Verbindung gebracht werden,
daß mit der Verlängerung der Inanition das hungernde Tier den
Verbrauch der eigenen Gewebe progressiv beschränkte und
sämtliche Funktionen (Zirkulation, Atmung usw.) bis zu einem
gewissen Stadium immer mehr verlangsamt hat. Deshalb wird
die Quantität der die Gewebe bildenden Stoffe, welche abgegeben
wurden, in einer vorgerückten Zeitperiode kleiner sein.
Man kann aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu-
geben, daß mit der Dauer des Fastens die bei dem Zer-
falle der Gewebe frei gewordenen Pentosen, welche sich
besonders in den Drüsenelementen finden, vielleicht in
größerer Quantität ausgenutzt worden sind, besonders vom
Herzen, welches nicht nur sehr wenig von seinem Gewicht,
selbst bei vorgerücktester Inanition, verliert, sondern auch, wie
Jensen!) für den Hund gezeigt hat, noch einen normalen Ge-
halt an Glykogen besitzt zu einer Zeit des Hungerns, wo die
Muskeln, z. B. des Beines, nur ?/,, oder ?!/,, der normalen Quan-
tität von Glykogen haben.
Endlich bestätigt die rasche Zunahme der Pentosen im
Harne der wieder mit Heu gefütterten Tiere das früher Ge-
sagte, daß nämlich bei normalen Ernährungszuständen die Quan-
tität der im Harne befindlichen Pentosen in besonderer Beziehung
zur Ernährung steht.
Allgemeine SchluBfolgerungen.
Aus den angeführten Experimenten kann man schließen:
l. Die Herbivoren und die Schweine scheiden bei reich-
licher Ernährung beständig mit dem Harne Pentosen aus, aber
nurin sehr kleiner Quantität im Vergleich zu der mit der Nahrung
in Form von Pentosanen eingeführten Menge.
1) Jensen, Über den Glykogenstoffwechsel des Herzens. Zeitschr.
f. physiol. Chem. 35, 514, 1902.
Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 119
2. Der größte Teil der Nahrungspentosane wird vom Orga-
nismus verwertet.
3. Im Harne des mit Brot und Fleischbrühe ernährten
Hundes und des Menschen bei vorwiegender Fleischdiät können
Pentosen fehlen. Diese fehlen niemals im Harne des Menschen
bei gemischter Nahrung, finden sich hier aber gewöhnlich in
kleinerer Quantität als im Harne der grasfressenden Tiere.
4. Beim fastenden Pferde verschwinden die Pentosen aus
dem Harne während der ersten Inanationsperiode, um dann
bei fortdauerndem Hungern wieder in sehr kleiner Quantität auf-
zutreten.
5. Das Wiedererscheinen der Pentosen im Harne des
hungernden Pferdes zu einer gewissen Zeitperiode des Hungerns
steht wahrscheinlich mit dem Zerfalle Pentose enthaltender
Organe in Verbindung.
Über phosphorhaltige Caseinpeptone.
Von
M. Dietrich, Moskau.
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.)
(Eingegangen am 20. September 1909.)
I.
Im Jahre 1901 hat E. Salkowski!) aus den löslichen
Produkten der peptischen Caseinverdauung eine phosphorhaltige
Substanz in Form des Eisensalzes dargestellt, die er als den
phosphorhaltigen Komplex des Caseinmoleküls ansprach und
als Paranucleinsäure des Caseins bezeichnete. Die Substanz
spaltete sehr leicht Phosphorsäure ab, gab die Biuret-, aber
nicht die Adamkiewiczsche Reaktion und hatte nach Ent-
fernung des Eisens die Zusammensetzung C 42,73°/,, H 7,03°/,,
N 13,40°/,, P 4,18°/,. Ihrem Verhalten Ammonsulfat gegen-
über war die Substanz den Albumosen zuzuzählen. `
Vor etwa zwei Jahren hat dann A. Reh*) im hiesigen
Institut mit Hilfe der Uranfällung aus dem Gemisch der
Verdauungsprodukte des Caseins eine noch phosphorreichere
Säure isoliert, die zwar Biuret- und Millonsche Reaktion,
aber weder Molischs noch Hopkins’ Probe gab und bei oft-
maliger Darstellung als Uranylverbindung eine nahezu konstante
Zusammensetzung aufwies (im Mittel C 24,14°/,, H 3,91°/..
N 7,78°/,, P 4,30°/,, U 33,25°/,, was auf uranylfreie Substanz
bezogen einen P-Gehalt von 6,9°/, bedeutet). Diese „Polypeptid-
phosphorsäure‘‘ des Caseins, wie sie Reh zunächst bezeichnete,
konnte danach als ein noch kleineres Bruchstück des Casein-
1) Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 32, 245.
2) Reh, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 1. Vgl. hier die
ältere Literatur.
M. Dietrich: Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 121
moleküls angesehen werden, als Salkowskis Paranucleinssäure.
Die Hydrolyse ergab jedoch eine unerwartet große Anzahl von
Spaltungsprodukten, so daß Reh zu dem Schlusse kam, ent-
weder sei das Molekül der untersuchten Polypeptidphosphor-
säure nicht viel kleiner als jenes des Caseins selbst, oder aber
sie sei noch ein Gemenge mehrerer gleichartig gebauter phosphor-
haltiger Säuren.
Bei Fortführung seiner Untersuchungen hat Reh die
letztere Annahme zutreffend gefunden. Durch Abänderung der
Darstellungsbedingungen gelang es ihm, zu noch phosphor-
reicheren Abbauprodukten des Caseins zu gelangen, die nicht
mehr Albumosen-, sondern Peptoncharakter aufwiesen. Reh wird
über diese Versuche später selbst berichten, so daß ich auf sie nur
insoweit eingehe, als sie zu der vorliegenden Untersuchung
direkt in Beziehung stehen. Unter den von Reh dargestellten
Produkten erschien nämlich ein Kalksalz dadurch besonders
interessant, daß es, wie Hofmeister entdeckte, beim Sieden der
sehr verdünnten Lösung eine flimmernde Trübung gab, die durch
die Ausscheidungfeinster mikroskopischer Nädelchen veranlaßt war.
Da die Substanz im übrigen den Charakter eines Peptons
zeigte, erschien deren Untersuchung dringend wünschenswert,
und Prof. Hofmeister war im Einverständnis mit Dr. Reh
so freundlich mir diese Aufgabe zu übertragen.
Das mir übergebene rohe Kalksalz war ein zartes Pulver
von graugelber Farbe, leicht löslich in kaltem Wasser, unlöslich
in Alkohol, Ather, Aceton. |
Durch konzentrierte Mineralsäuren (nicht aber durch Essig-
säure), leichter noch durch verdünnte Alkalien wurde es unter
Phosphorsäureabspaltung zersetzt.
Beim Kochen der wässerigen, sehr verdünnten Lösung
(1:300 bis 400) fiel ein Kalksalz in Form mikroskopisch kleiner
Nädelchen aus. Konzentriertere Lösungen gaben dagegen beim
Aufkochen einen gallertigen Niederschlag, in dem mikroskopisch
Nädelchen nur ausnahmsweise erkennbar waren.
Meine nächste Aufgabe war es, die in dem Rohpräparat
enthaltenen phosphorhaltigen Verbindungen zu trennen und zu
charakterisieren. In der mir zur Verfügung stehenden Zeit
konnte ich diese Aufgabe nur zum Teile erledigen, zumal da
auch die Menge des Ausgangsmaterials nur eine beschränkte war.
122 M. Dietrich:
Im Interesse der übersichtlichen Darstellung sei gleich von
vornherein bemerkt, daß sich das rohe Kalksalz als ein Ge-
menge von mindestens vier verschiedenen Kalksalzen erwies,
aus denen die entsprechenden phosphorhaltigen Säuren dar-
gestellt werden konnten. Da alle diese Säuren die Biuret-
reaktion gaben, dabei aber nicht durch Ammonsulfat fällbar
waren, so sind sie als Verbindungen von peptonartigen Poly-
peptiden mit Phosphorsäure anzusprechen, die vorläufig auf
Grund der älteren Namengebung als Caseonphosphorsäuren be-
zeichnet werden können.
Da es während der Arbeit mit diesen Säuren von größtem
Belang war, festzustellen, ob nicht durch die eingeschlagene
chemische Behandlung eine Abspaltung der Phosphorsäure ver-
anlaßt wird, so sei hier von vornherein auf die Schwierigkeiten
aufmerksam gemacht, denen die Prüfung auf Phosphorsäure
beim Arbeiten mit den so leicht zersetzlichen Caseonphosphor-
säuren zumeist unterliegt.
Die Prüfung mit molybdänsaurem Ammon in salpetersaurer
Lösung ist natürlich nicht statthaft. Aber auch die Tripel-
phosphatprobe konnte nur unter Vermeidung eines irgend er-
heblichen Ammoniakzusatzes Verwendung finden, da Ammoniak
bei Anwesenheit von Magnesis schon in der Kälte Phosphor-
säure abspaltete. Ich habe, wenn ich diese Probe benutzte,
stets das Ammoniak nur bis zum Eintritt einer sehr schwach
alkalischen Reaktion zugefügt, wodurch allerdings die Probe merk-
lich an Empfindlichkeit einbüßt. Am zuverlässigsten erwies sich
die Prüfung mit Chlorcaleium in neutraler oder schwach
ammoniakalischer Lösung. Unter diesen Bedingungen erfolgte
die Abspaltung der Phosphorsäure in der Kälte nicht, wenigstens
nicht in der ersten Zeit, während, wie Kontrollversuche zeigten,
zu der Lösung des Präparats zugesetztes Natriumphosphat
auch in kleinsten Mengen zur Ausscheidung von Calciumphos-
phat führte.
II. Versuche zur Trennung der Caseonphosphorsäuren.
Die oben hervorgehobene Eigenschaft des gelösten rohen
Kalksalzes, sich in verdünnter Lösung zum Teil krystallinisch
abzuscheiden, schien eine wertvolle Handhabe zur Isolierung
Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 123
eines gut charakterisierten Produkts zu bieten. Leider erwies
sich dieser Weg nicht als gangbar, da infolge der notwendigen
großen Verdünnung die Ausbeute an dem beim Kochen aus-
fallenden Salz sehr spärlich war.
Ebenso gelang es mir nicht, durch Behandlung des Roh-
präparats mit Oxalsäure und nachträgliche Fällung mit Alkohol
oder Aceton zu besser charakterisierten Produkten zu kommen,
die entkalkte Lösung gab mit viel Alkohol oder Aceton nur
eine geringe flockige Fällung. Auch der Versuch, die alkoholische
Lösung als solche oder nach Überführung in das Kalksalz
durch Eindunsten im Exsiccator zur Krystallisation zu bringen,
schlug fehl.
Hingegen erwies sich das nachsteliende Verfahren als brauch-
bar. Zunächst wurde die konzentrierte Lösung des rohen Kalksalzes
zum Kochen erhitzt, wobei sich ein großer Teil der vorhandenen
Kalksalze als in der Hitze unlöslicher Niederschlag (A) ab-
schied, dann wurden einerseits aus dem Niederschlag, anderer-
seits aus dem Filtrat (B) die phosphorhaltigen Komponenten
als Metallsalze isoliert.
A. Die beim Kochen ausfallenden Kalksalze.
Das Ausgangsmaterial wurde in einer möglichst geringen
Menge destillierten Wassers bei Zimmertemperatur unter Ver-
reiben in einer Reibschale gelöst, die erhaltene klare aber
dunkelbraune Lösung mit dem fünf- bis sechsfachen Volum
destillierten Wassers verdünnt, und nun in Kolben aus Jenaer
Glas zum Sieden gebracht. Sobald die Flüssigkeit zu kochen
begann, erfolgte die einer Eiweißkoagulation vergleichbare
Ausscheidung der Kalksalze. Der breiartige Niederschlag wurde
nach 10 Minuten langem Sieden auf einem heizbaren Trichter
ebfiltriert, in einer Reibschale mit viel destilliertem Wasser
verrieben — wobei nur sehr wenig in Lösung ging — wieder-
um 10 bis 20 Minuten lang gekocht, filtriert und diese Prozedur
dreimal wiederholt.
Sämtliche Filtrate wurden vereinigt und in weiter unten
angegebener Weise behandelt (B). l
Der gereinigte Niederschlag der ausgefallenen Kalksalze
stellte eine kleisterartige, dicke Masse von gelbbrauner Farbe
dar. Er wurde in einer möglichst geringen Menge Essigsäure
d
124 M. Dietrich:
aufgelöst, wobei ein kleiner Anteil ungelöst zurückblieb, und
die klar filtrierte dunkelbraune Lösung mit Ammoniak vor-
sichtig bis zu amphoterer Reaktion neutralisiert. Dabei wurde
die Flüssigkeit opalescent wie eine kolloidale Lösung und ging
auch in dieser Form durchs Filter. Die Biuretreaktion war sehr
intensiv, anorganische Phosphorsäure nicht nachzuweisen. Lö-
sungen von Eisenammoniakalaun, Manganchlorid, Aluminum-
sulfat, Chromalaun, Zinksulfat, Silbernitrat, Mercurinitrat, Sub-
limat, Kupfersulfat, Kupferacetat und Bleiacetat fällten mehr
oder weniger reichliche amorphe Niederschläge. Mit Nickelsulfat
wurde nur eine leichte Trübung erhalten, Kobaltnitrat fällte
überhaupt nicht.
Von den mit Schwermetallen erhaltenen Niederschlägen
war der mit Zinksalzen erhaltene merklich geringer als der
Kupferniederschlag und dieser wieder geringer als der Blei-
niederschlag. Ich benutzte dieses Verhalten zur weiteren
Fraktionierung in folgender Weise:
Die mit Essigsäure hergestellte und «dann wieder neutrali-
sierte Lösung der Kalksalze wurde mit einer gesättigten Lösung
von Kupferacetat unter Vermeidung eines größeren Überschusses
ausgefällt, der amorphe blaue Niederschlag (a) auf der Zentri-
fuge mit Wasser bis zum Verschwinden der Kalkreaktion ge-
waschen, dann in Wasser suspendiert und mit Schwefelwasser-
stoff zerlegt. Da die so erhaltene Substanz die durch Zink-
salze fällbare Säure enthielt, wurde die von Schwefelkupfer
und Schwefelwasserstoff befreite Lösung mit Ammoniak neu-
tralisiert und mit Zinkacetat in geringem Überschuß ausgefällt.
Aus dem mit Hilfe der Zentrifuge gewaschenen, dann mit
Schwefelwasserstoff zerlegten Niederschlag wurde nach Ent-
fernen des Schwefelzinks und Schwefelwasserstofis eine hellgelbe,
klare, intensiv saure Lösung erhalten, die starke Biuretreaktion
und eine sehr schwache Millonsche Probe gab und frei von
anorganischer Phosphorsäure war.
Diese Fraktion (I) gab nach Überführen in das Calcium-
salz die oben erwähnte krystallinische Ausscheidung beim Kochen.
Das Filtrat vom Zinkniederschlag wurde mit Schwefel-
wasserstoff von Zink befreit und die klare, leicht gelb gefärbte,
sauer reagierende Lösung nach Neutralisation mit Ammoniak
durch Zusatz von Kupferacetat ausgefällt. Der spärliche
Über phosphorhaltige Caseinpeptone, 125
flockige Niederschlag von blauer Farbe wurde in oben be-
schriebener Weise gewaschen, mit Schwefelwasserstoff zerlegt
und lieferte so eine klare, leicht gelbliche, sauer reagierende
Lösung (Fraktion II), die deutliche Biuretreaktion, aber keine
Millonsche Probe und keine Reaktion auf anorganische Phos-
phorsäure aufwies.
Das Filtrat vom Kupferniederschlag gab keine Biuretreaktion mehr,
gab auch nach Entfernung des Kupfers und Neutralisation mit Ferri-,
Uranyl- und Bleisalzen keinen Niederschlag,
Das Filtrat vom ersten Kupferniederschlag (a) wurde von
Kupfer mit Schwefelwasserstoff befreit und nach Vertreiben
des Schwefelwasserstoffs und Neutralisation mit einer 10°/,igen
Lösung von Bleiacetat ausgefällt. Der flockige, weiße Nieder-
schlag lieferte nach dem Auswaschen und Zerlegen eine kaum
gefärbte klare saure Flüssigkeit, die keine freie Phosphorsäure
enthielt und keine Millonsche Probe, wohl aber deutliche
Biuretreaktion gab (Fraktion III).
Um mich über das Verhalten der gebundenen Phosphor-
säure in den Fraktionen I bis III zu unterrichten, stellte ich
mit ihnen die Tripelphosphatprobe, aber diesmal unter reich-
lichem Zusatz von Ammoniak an. Dabei ergab nur Fraktion I
nach längerem Schütteln leichte Trübung, während II und III
klar blieben.
Auch nach dem Kochen mit Ammoniak gab nur I einen
geringen Tripelphoshatniederschlag. Ebenso lieferte nur I
nach längerem Kochen mit Salpetersäure einen typischen Nieder-
schlag mit Ammoniummolybdat, während II und III bei
gleicher Behandlung nur eine leichte Trübung von gelber Farbe
gaben. Es hatte danach den Anschein, als ob nur Fraktion I
(die zinkfällbare Fraktion) Phosphorsäure enthielte. Nach Zer-
störung mit Neumannschem Säuregemisch lieferten jedoch alle
drei Fraktionen einen typischen Niederschlag vom Ammonium-
phosphormolybdat, die erste Fraktion allerdings am reichlichsten.
Es enthielten somit alle drei Fraktionen organisch gebundenen
Phosphor, nur war er in der II. und III. Fraktion bedeutend
fester gebunden.
Es war des besseren Vergleichs halber beabsichtigt, aus
allen Fraktionen die Uranylverbindung herzustellen und der
Analyse zuzuführen. Bei Untersuchung der gereinigten Frak-
126 M. Dietrich:
tionen ergab sich überraschenderweise, daß bloß Fraktion 1
durch Uranylacetat aus essigsaurer Lösung gefällt wurde, während
Fraktion III einen kaum wahrnehmbaren, Fraktion II selbst
bei stundenlangem Stehen gar keinen Niederschlag gab.
Es wurden daher Fraktion I und II neuerdings durch
Fällung mit Kupferacetat in das Kupfersalz, die III. Fraktion
mit Bleiacetat in das Bleisalz übergeführt. Über die mit den
gut ausgewaschenen und getrockneten Substanzen ausgeführten
Analysen wird weiter unten im Zusammenhange berichtet werden.
B. Das durch Kochen nicht fällbare Kalksalz.
Das oben beschriebene Filtrat B, welches intensive Biuret-
reaktion aufwies, aber auch etwas freie Phosphorsäure enthielt,
wurde eingedampft und die dunkelgelbe Flüssigkeit mit einem
geringen Überschuß von Uranylacetat gefällt. Der reichlich aus-
fallende, flockige, gelbe Niederschlag wurde auf der Zentrifuge
bis zum Verschwinden der Kalkreaktion gewaschen, dann mit
Ferrocyanwasserstoff von Uran befreit.
Behufs Darstellung des Ferrocyanwasserstoffs wurde eine bei Zimmer-
temperatur gesättigte Lösung von gelbem Blutlaugensalz mit dem gleichen
Volum rauchender Salzsäure versetzt, der ausgefallene weiße krystallinische
Niederschlag abfiltriert, an der Luft getrocknet, wobei etwas Blaufärbung
eintrat, dann in absolutem Alkohol gelöst und mittels Äther gefällt.
Der ausgefallene schneeweiße Niederschlag wurde mehrere Male mit Äther
gewaschen, dann rasch im Exsiccator zur Trockene gebracht. Das so
erhaltene Präparat enthält keine Spur von Berlinerblau und ist, an
trockener Stelle aufbewahrt, gut haltbar. Bei Zutritt von Feuchtigkeit
und in wässeriger Lösung zersetzt es sich rasch unter Blaufärbung. Die
trockene Säure ist daher erst unmittelbar vor dem Gebrauch aufzulösen.
Bei der Zerlegung des Uranylniederschlages verfuhr ich
wie folgt: Der Niederschlag wurde in Wasser verteilt und nun
tropfenweise die Lösung von Ferrocyanwasserstoff hinzugefügt.
Nach jedem Zusatz wurde kräftig gerührt, dann einerseits ein
Tropfen der Flüssigkeit, andererseits ein Tropfen Eisenchlorid-
lösung nebeneinander auf ein Stück Filterpapier gebracht. Das
Auftreten einer blauen Färbung an der Berührungsstelle der
beiden sich &ausbreitenden Tropfen ließ den geringsten Uber-
schuß an Ferrocyanwasserstoff erkennen. War diese Endreaktion
eingetreten, so filtrierte ich den dunkelbraunen Niederschlag
der Uranylferrocyan-Verbindung ab. Dabei erwies sich zur
Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 127
Erlangung klarer Filtrate ein Zusatz von Kieselgur höchst
förderlich.
Das vollkommen klare und farblose Filtrat wurde von einem
geringfügigen Überschuß an Ferrocyanwasserstoff durch vorsich-
tigen Zusatz von Kupferacetat befreit. Auch hier diente die eben
erwähnte Tüpfelmethode zur Bestimmung des Endpunktes. Dann
wurde von dem ausgefallenen Ferrocyankupfer abfiltriert und
die vorhandene Orthophosphorsäure, deren Anwesenheit in oben
angegebener Weise mit Calciumchlorid und Magnesiumsalz leicht
zu erkennen war, nach Neutralisieren mit Ammoniak durch
vorsichtigen Zusatz von Kalkwasser ausgefällt.
Die so erhaltene Lösung (Fraktion IV) zeigte keine Millon-
sche wohl aber Biuretreaktion, spaltete bei kurzem Kochen mit
Ammoniak keine Phosphorsäure ab, enthielt aber, wie die Be-
handlung mit Neumanns Säuregemisch lehrte, reichlich Phos-
phor. Die Bindung der Phosphorsäure ist somit auch in dieser
Fraktion sehr fest.
Von Metallsalzeen wurde Fraktion IV am besten durch
Bleiacetat und in zweiter Reihe durch Kupfersalze gefällt.
Chrom- und Tonerdesalze gaben geringe Trübung, ebenso Ferri-
salz, das bei längerem Stehen zur Abscheidung eines geringen
flockigen Niederschlags führte. Zink-, Mangan-, Kobalt-, Nickel-
salze fällten nicht.
Behufs Analyse wurde die IV. Fraktion durch Kupferacetat
aus neutraler Lösung gefällt, der Niederschlag gewaschen, mit
Schwefelwasserstoff zerlegt und die Säure im Filtrat nochmals
ins Kupfersalz übergeführt, dieses dann sorgfältig ausgewaschen
und getrocknet.
Das Filtrat vom Kupfersalz der IV. Fraktion enthielt keinen
Phosphor mehr und gab nur noch geringe Biuretreaktion.
Es war somit möglich, in den Fraktionen I bis IV sämtliche
phosphorhaltige Verbindungen der Rohpräparate zu gewinnen.
III. Stickstoff- und Phosphorgehalt der Fraktionen I bis IV.
Für die Beurteilung der Frage, ob die isolierten Fraktionen
in der Tat verschiedenen chemischen Individuen entsprechen,
empfahl sich die Bestimmung des Verhältnisses von N zu P
mehr als eine Bestimmung des Kohlenstoffs oder des Metalls.
128 d M. Dietrich:
Ich habe mich daher in Anbetracht der mir zur Verfügung
stehenden geringen Substanzmengen auf Stickstoff- und Phosphor-
bestimmungen beschränkt.
Die Stickstoffbestimmungen wurden nach Kjeldahl, die
Phosphorbestimmungen nach Neumann ausgeführt. Letzteres
Verfahren habe ich in der von Reh benutzten Modifikation
angewendet. Da sich jedoch herausgestellt hatte, daß Asbest
beim Kochen mit Lauge geringe Mengen Alkali neutralisieren
kann, habe ich es vermieden, die Asbestlage zum Phosphor-
molybdatniederschlag in den Kolben zu bringen, sondern sie
nur im Goochschen Tiegel mit al, -Lauge übergossen und
dann mit Wasser bis zum Verschwinden der alkalischen Re-
aktion ausgewasohen. Dabei war die Einrichtung so getroffen,
daß Lauge und Waschwasser direkt in den Kolben mit dem
Rest des Molybdatniederschlages flossen. Die Bestimmung wurde
dann unter Verwendung von al, Lounge in üblicher Weise zu
Ende geführt.
Nachstehend seien die Ergebnisse der Bestimmungen (Mittel
von Doppelanalysen) mitgeteilt. Zur besseren Übersicht sind
in der Tabelle die wichtigsten Merkmale der einzelnen Frak-
tionen mit angeführt.
1
l
l
1
g |
3| Kalksalz Durch Spaltet | N| P | n.p
G boim Sieden Uranyisniz |x Kupfersalz | Zin an. H,PO, ab dä
EN — — |/o| loj
I falle aus fällbar fällbar fällbar leicht 4,5110, a 1,00:
II ge Gs nicht fällb. ap nicht fällb, — 5,74,1 3,07:
III kaum fällb. nicht fällb., J 4,53 En 2,59:
IV fällt nicht aus fällbar fällbar — 6 ‚83,88! 3,87:
IV.
Wie aus obiger Tabelle ersichtlich, sind die isolierten
Fraktionen nicht bloß in ihren Eigenschaften, sondern auch in
ihrer Zusammensetzung verschieden. Von größtem Interesse
ist die besonders phosphorreiche Fraktion I, die überdies auch
quantitativ am stärksten vertreten war. Bemerkenswert ist ferner,
daß die Fraktion IV in ihrem N: P-Verhältnis der Polypeptid-
phosphorsäure von Reh (4:1) sehr nahe steht.
Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 129
Es wäre verfrüht, über die Beziehungen dieser Verbindungen
zueinander Vermutungen auszusprechen. Dies wird erst nach
genauerer Feststellung ihrer Individualität und ihres Baues
möglich sein. Immerhin wird in betreff der als Fraktion I
erhaltenen Säure, die in ihrem Kupfersalz nicht weniger als
10°/, Phosphor enthält, die Vermutung gestattet sein, daß es
sich hier um eine relativ einfache Verbindung handelt. Das
Verhältnis von N zu P wie 1:1 ließ sogar daran denken, daß
hier die Verbindung einer Monaminosäure mit Phosphorsäure
vorliege. Diese Vorstellung wurde jedoch bald durch einen
orientierenden Spaltungsversuch widerlegt.
Eine relativ geringe Menge (einige Gramm) der aus dem
Zinksalz dargestellten Caseonphosphorsäure wurde mit 20°/ iger
Schwefelsäure 6 Stunden auf dem Wasserbade erwärmt. Die
leicht gelbliche Flüssigkeit wurde dann auf einen Schwefelsäure-
gehalt von 5°/, verdünnt und mit Phosphorwolframsäure aus-
gefällt. Der erhaltene, in kochendem Wasser großenteils lös-
liche Niederschlag wurde ausgewaschen, dann in üblicher Weise
mit Baryt zerlegt und lieferte bei entsprechender Behandlung
schließlich eine alkalisch reagierende Lösung, die mit Pikrin-
säure einen in Wasser schwer, in Alkohol gar nicht löslichen
Niederschlag gab, der in Tröpfchen ausfiel, sich aber später in
Sphaerite umwandelte.
Aus dem Filtrat vom Phosphorwolframsäureniederschlag
wurde die Phosphorwolframsäure, Schwefelsäure und Phosphor-
säure mit Barythydrat entfernt, dann der Barytüberschuß mit
Kohlensäure beseitigt und die eingedampfte barythaltige Lösung
mit Alkohol gefällt. Aus dem ausgefällten Barytsalz ließ sich
nach Entfernen des Baryts durch Übersättigen mit trockenem
Chlorwasserstoff eine Krystallisation von dem Aussehen des
Glutaminsäurechlorhydrats erhalten. Der in Alkohol lösliche
Teil wurde zur Trockene gebracht und mit absolutem Alkohol
erschöpft. Der in Lösung gegangene Anteil konnte in ein
dunkelblaues Kupfersalz übergeführt werden, das den eigentüm-
lichen Geruch des Prolin-Kupfers darbot und bei Erwärmung
mit Natron fichtenspanrötende Dämpfe entwickelte. Da die
spärlichen Reste der Verarbeitung immer noch beim Kochen
mit Kupfercarbonat eine dunkelblaue Lösung gaben, so besteht
die Möglichkeit, daß noch weitere Aminosäuren vorhanden waren.
Biochemische Zeitschrift Band 22. H
130 M. Dietrich: Über phosphorhaltige Caseinpeptone.
Bei der geringen Menge der zur Hydrolyse verwendeten Sub-
stanz konnten nur diese qualitativen Versuche ausgeführt werden.
Sie weisen auf Lysin, Prolin und Glutaminsäure hin. Wichtiger
als dieser Fingerzeig ist aber die unzweifelhafte Tatsache, daß
die untersuchte Substanz immer noch mehrere Aminosäuren,
und zwar Diamino- und Monsminosäuren abspaltet, somit
immer noch einen ziemlich komplizierten Bau aufweist. Danach
ist die Paranucleinsäure des Caseins so wenig wie die echten
Nuoleinsäuren ein einfaches Derivat der Orthophosphersäure.
Die Jodsäurereaktion des Adrenalins.
Von
Ludwig Krauß.
(Aus dem Katharinenhospital in Stuttgart.)
(Eingegangen am 3. September 1909.)
In Band 18, S. 40 dieser Zeitschr. beschreiben 8. Fränkel
und R. Allers eine Reaktion des Adrenalins mit Jodsäure,
über die von mir schon im vorigen Jahre in der Apotheker-
Zeitung 1908, 701 berichtet wurde.
Ich prüfte das Verhalten des reinen synthetischen Supra-
renins gegenüber einer Anzahl von Reagentien, unter anderem
auch gegen Jodsäure. Bezüglich der letzteren konnte ich fol-
gendes konstatieren: „Löst man eine geringe Menge Jodsäure
in wenig Wasser, setzt etwas Chloroform und eine Spur Supra-
renin (oder einige Tropfen der Lösung 1:1000) zu, so wird mo-
mentan Jod freigemacht und das Chloroform färbt sich rosa.
Läßt man die Probe nun einige Zeit stehen, so verschwindet
die Rosafärbung der Chloroformlösung allmählich, und die über-
stehende wässerige Flüssigkeit nimmt eine dauernde, schön
rosarote Färbung an.“
Durch diese Versuchsanordnung ist zugleich auch nach-
gewiesen, daß bei der Einwirkung von Adrenalin auf Jodsäure
tatsächlich primär Jod freigemacht wird. Die Tatsache der
Jodabscheidung wird jedoch von Fränkel und Allers be-
stritten, sie konnten in keinem Stadium der Reaktion Jod
nachweisen. Der Nachweis von Jod gelingt jedoch, abgesehen.
von obiger Versuchsanorıdnung, auch auf folgende Weise sehr
leicht: Mischt man einige Tropfen Jodsäurelösung 1:20 mit
einigen Tropfen Adrenalinlösung 1: 1000 und setzt einige Tropfen
Stärkelösung zu, so tritt die oharakteristische Blaufärbung ein,
welche die Anwesenheit freien Jods beweist.
Es muß jedoch zugegeben werden, daß die Ausführung
der Reaktion in der Hitze, wie sie Fränkel und Allers vor-
schlagen, eine bedeutend intensivere Färbung liefert, wodurch
gleichzeitig auch eine höhere Empfindlichkeit erreicht wird.
9%
Ein Versuch zur Stöchiometrie der Hämolyse.
Von
Mentz L. v. Krogh.
(Aus dem Laboratorium des städtischen Krankenhauses in Christiania.)
Mit 3 Figuren im Text.
(Eingegangen am 30. September 1909.)
Die physikalisch-chemische Forschung hat während der
letzten Jahre angefangen, eine immer größere Rolle in der
Biologie und der Immunitätsforschung zu spielen.
Es sind speziell die Beziehungen zwischen Toxin und
Antitoxin, die behandelt worden sind. Die Hämolyse ist in
dieser Beziehung weniger herangezogen worden. Außer einigen
Arbeiten von Arrhenius habe ich darüber nur die Arbeiten von
Manwaring und Henri auffinden können. Von diesen Forschern
hat nur Arrhenius die einfache Hämolyse mittels Natronlauge
bearbeitet, die beiden anderen haben sich mit komplexer Immun-
hämolysine und deren Derivaten beschäftigt.
Soweit ich es beurteilen kann, hat keiner von diesen
Forschern sichere Schlüsse über die Natur der Hämolyse machen
können. (Henris Abhandlung ist mir nur im Referat zu-
gänglich gewesen.)
Durch Abänderungen der Untersuchungstechnik und speziell
durch Untersuchungen über die Inkubationszeit ist es mir ge-
lungen, einigermaßen tiefer in das Problem der Hämolyse ein-
dringen zu können.
Methodik.
Zunächst mußte eine einigermaßen sichere Methodik für die Er-
mittelung der Reaktionsgeschwindigkeit ausgarbeitet werden.
Zuerst wurde versucht, durch Abkühlung auf 0° die Geschwindig-
keit so langsam zu gestalten, daß man ohne weiteres die Blutkörperchen
Mentz L. v. Krogh: Stöchiometrie der Hämolyse. . 133
der freiwilligen Sedimentierung überlassen könnte. Dies ist nicht ge-
lungen, Zwar ist bei den komplexen Hämolysinen die Reaktions-
geschwindigkeit eine sehr langsame geworden, aber die Reaktion ist doch
so weit fortgeschritten, daß die Resultate ganz verwischt worden sind.
Ich habe dann die Blutkörperohen schleunigst abzentrifugieren müssen.
Die Technik ist im speziellen die folgende.
Herstellung der angewandten Lösungen.
Die Blutkörperchen (immer vom Pferde genommen) werden in
0,80/,iger NaCl-Lösung aufgeschwemmt. Sodann werden sie 2mal mit
einer solchen Lösung gewaschen und aus dem der Zentrifuge entnom-
menen recht dickflüssigen Brei wird eine 5°/,ige Aufschwemmung dar-
gestellt.
Dieser Aufschwemmung habe ich in sämtlichen Versuchen ein
gleich großes Volumen von dem hämolytischen Agens zugesetzt. Dessen
Menge wurde mittels größerer oder geringerer Verdünnung abgestuft.
Das hämolytische Agens ist immer in 0,8°/,iger Kochsalzlösung auf-
gelöst gewesen.
Es ist auf diese Weise leicht, osmotische Änderungen auszuschließen,
und es ist auch möglich gewesen, die Ergebnisse coolorimetrisch mit-
einander zu vergleichen.
Temperatur.
Die meisten Versuche sind bei Zimmertemperatur (17 bis 20°) ge-
macht; da sie nicht allzu lange dauern (1/, bis Di Stunden), sind etwaige
Temperaturschwankungen des Raumes außer acht gelassen worden.
Die Reversibilitätsversuche mittels Natronlauge sind teils bei
Zimmertemperatur, teils bei 8° (die Temperatur mittels flüssigen Lei-
tungswassers konstant gehalten), teils bei 0° (in Eiswasser gekühlt) an-
gestellt worden. Bei den niedrigeren Temperaturen sind immer die
Reaktionsflüssigkeiten vor Anfang des Versuches auf die gewünschten
Temperaturen gebracht worden.
Zentrifugieren.
Zur Sedimentierung der Blutkörperchen ist eine Zentrifuge mit
etwa 3000 bis 4000 Umdrehungen pro Minute angewandt worden. Die
Zentrifuge wird von einem elektrischen Motor getrieben; Um die oben
genannte Geschwindigkeit zu erreichen, ist nur eine Zeit von !/, Minute
nötig; während 15 Sekunden wird diese Geschwindigkeit beibehalten ;
dann wird der Strom ausgeschaltet und die Zentrifuge schnell gebremst,
das Glas mit der nun klaren, mehr oder weniger rotgefärbten Flüssig-
keit herausgenommen und die Flüssigkeit abgegossen; dieser letzte Vor-
gang nimmt etwa 15 Sekunden in Anspruch, so daß die ganze Zeit, die
zum Zentrifugieren nötig ist, etwa 1 Minute beträgt. Als Reaktionszeit
wird der Zeitpunkt angegeben, bei dem die Flüssigkeit von dem Blut-
körperchensediment abgegossen wird. Dieser Zeitpunkt ist allerdings
nicht absolut korrekt; da er aber bei allen Versuchen derselbe ist, be-
trägt die Abweichung nur eine Parallelverschiebung sämtlicher Werte.
In die Zentrifuge werden immer 2 ocm der Mischung gebracht.
134 Mentz L. v. Krogh:
Titrieren der gewonnenen Werte.
Die auf diese Weise gewonnenen Flüssigkeiten werden jetzt colori-
metrisch titriert. Zu diesem Zwecke wird zunächst eine Testlösung her-
gestellt, und zwar in der Weise, daß von der ursprünglichen Blutkörperchen-
aufschwemmung l com abgemessen und mit Leem Wasser versetzt wird.
Durch den verminderten osmotischen Druck platzen die Blutkörperchen
und geben ihr Hämoglobin an die Flüssigkeit ab, und zwar ent-
hält die so gewonnene Flüssigkeit genau ebensoviel Hämoglobin wie die
zu prüfende Blutkörperchenaufschwemmung mit hämolytischem Agens, wenn
alles Hämoglobin in die Flüssigkeit übergetreten ist. Diese Testlösung wird
nun mit der Yfaohen Menge Kochsalzlösung verdünnt, so daß die Lösung
jetzt dieselbe Farbe hat wie eine Lösung, in der !/,, der Blutkörperchen
gelöst sind. Ist nun die zu prüfende Lösung im Vergleich mit Wasser
(oder um kleinste Lichtbrechungsdifferenzen zu vermeiden, mit Koch-
salzlösung) noch farblos, so wird die Hämolyse gleich O gesetzt. Ist sie zwar
gefärbt aber heller als die Testlösung, so wird einfach der Titer gleich
„Spur‘‘ gesetzt und der Grad jugiert. Ist sie gleich der Testlösung, so hat
sie den Titer 0,1. Ist sie endlich dunkler als diese, so wird zu locm der
gehärteten Lösung so viel Wasser (oder Kochsalzlösung) durch eine Bürette
zugesetzt, bis sie genau dieselbe Farbe wie die Testlösung hat. Die
Menge Kochsalzlösung in Kubikzentimeter, die man zusetzen muß, um
diese Nuance zu erreichen, um 1 vermehrt, gibt dann den gesuchten
Titer in Zehntel an, wenn die vollständige Hämolyse gleich 1 gesetzt wird.
Vergleich der Resultate.
Der Vergleich der gewonnenen Resultste ist durchweg in der
Form von Kurven gemacht worden. Solche lassen sich besser als
Tabellen miteinander vergleichen, und die unvermeidlichen Ungenauig-
keiten lassen sich weit besser überblicken und in vielen Fällen aus-
schalten. Man kann auf diese Weise auch eine mißlungene Versuchs-
reihe als solche erkennen und ausschalten.
Es hat sich gezeigt, daß meistens die Resultate miteinander recht
genau übereinstimmen. Zuweilen sind jedoch mehr oder weniger große
Unregelmäßigkeiten aufgetreten, deren Ursache noch nicht aufzuklären war.
a) Die Hämolyse durch Natronlauge.
Die Natronlauge wurde in verschiedenen Konzentrationen
angewandt, und zwar von 0,05n bis 0,005n. Die Konzentration
von 0,05 n läßt bei 20° einen sehr schnellen Fortschritt der
Hämolyse erkennen und nicht nur die Stromata der Blut-
körperchen, sondern auch das Hämoglobin werden schnell an-
gegriffen, indem sich bald nach Vollendung der Hämolyse
dunkles Hämatin bildet; schon bei 0,03 dauert dies viel länger,
und bei 0,02 behält die hämolytische Flüssigkeit noch nach
Stöchiometrie der Hämolyse. 135
mehreren Stunden ihre rote Farbe; bei 0,01 n läuft die Hämo-
lyse sehr langsam ab. Deswegen ist diese Konzentration die
schwächste, die zur Herstellung der Geschwindigkeitskurven
angewandt wird.
Die Kurve 1 gibt eine Reihe von Versuchen über den
Verlauf der Reaktion wider. Jede einzelne Kurve gibt eine be-
stimmte Konzentration der Natronlauge an.
Es ergibt sich zunächst, daß bei jeder Konzentration eine
gewisse Zeit verstreicht, in der keine Hämolyse wahrzunehmen
ist; dann erst setzt sie mehr oder weniger plötzlich ein. Die
Kurve ist jedoch im Anfang schematisiert; es ist natürlich nicht
gelungen, einen so scharfen Knick jemals zu beobachten. Viel-
mehr wickelt sich die Kurve konvex gegen die Abszisse ab.
Diese Abwicklung scheint jedoch meistens sehr schnell zu ver-
laufen und kann oft nicht wahrgenommen werden.
Die Länge der Inkubationszeit wächst mit absteigender
Konzentration der Natronlauge, jedoch in keinem einfachen
Verhältnis. Man muß, um die Kurve mathematisch be-
rechnen zu können, die Inkubationszeit ausschalten, indem man
den gegen die Abszisse konkaven Kurventeil in der Richtung
der Abszisse verlängert und als Nullpunkt der Zeit den
Kreuzungspunkt dieser extrapolierten Länge mit der Abszisse
betrachtet.
Es wird zwar durch diesen Vorgang ein nicht unbedeutender,
willkürlicher Faktor hineinkommen, aber wie ersichtlich werden
wird, sind doch die Resultate dermaßen eindeutig, daß man
gezwungen ist, anzunehmen, daß diese willkürliche Extrapolation
keine wesentliche Rolle spielt. Die Kurve wird so eingezeichnet,
136 Mentz L. v. Krogh:
daß sie sämtliche gefundenen Punkte kreuzt, und von dem durch
die Extrapolation gefundenen Nullpunkt der Zeit zu dieser
Kurve werden die Zeiten für jedes Zehntel der Hämol
interpoliert.
Die in dieser Weise gefundenen Werte?) sind.
Hämolyse Zeit in Minuten bei Konzentration der Natronlauge von
Grad 0,0100 n 0,0143 n 0,0167 n 0,0200 n
z ee L E EE
0,1 2,7 0,8 0,5 0,4
02 5,6, 1,6 1,3 0,9
0,3 9,0 2,7 2,0 1,4
0,4 12,8 3,7 2,8 2,0
0,5 16,8 5,4 3,6 3,0
0,6 21,6 7,4 4,6 3,5
0,7 26,0 9,4 5,7 42
0,8 37,0 10,4 7,3 5,0
0,9 50,0 | 14 9,9 EN
Zunächst muß man nun versuchen, die Ordnung der
Reaktion, d. h. die Zahl der beteiligten Moleküle ausfindig
zu machen.
Man untersucht dazu das Verhältnis der Konzentration zu der
Zeit, in der ein bestimmter gemeinsamer Bruchteil der Hämolyse er-
reicht wird. Aus den gefundenen großen Unterschied zwischen den
Zeiten kann man schließen, daß die Reaktionen erster und zweiter
Ordnung ausgeschlossen sind.
Wenn ich nun die Reaktion dritter Ordnung versuche, so ergibt sich:
0,01002 — 0,01 n = 1-10
0,0143? — 1/739 n = 2-10-4
0,01672 = Lien n = 3-10—4
0,02002 — 1/59 n = 4- 10—4
Die Quadrate der verschiedenen Konzentrationen verhalten sioh somit
ungefähr wie 1:2:3:4.
lmal 16,8 = 16,8
2mal 5,4 = 10,8
3mal 3,6 = 10,8
4mal 3,0 = 12,0
Die Übereinstimmung ist zwar keine ausgezeichnete, aber dooh
eine hinreichend gute, um für weitere Berechnungen zugrunde gelegt zu
werden. Die Differentialformel für die Reaktion dritter Ordnung lautet:
Ss — k(a— z) (b—2)2.
æ ist hier der Grad der Hämolyse, und da dieser immer in Bruch-
1) Der Nullpunkt ist gleich dem bei der endlichen Berechnung
gefundenen.
Stöchiometrie der Hämolyse. 137
teilen der anwesenden Menge Hämoglobin ausgedrückt ist, ist a der in
der Formel der Menge der Blutkörperchen und bedeutet gleich 1.
b ist die in Äquivalenteinheiten ausgedrückte Menge der Natron-
lauge, und da die Natronlauge nur eine Valens besitzt, müssen 2 Mole-
küle NaOH an der Reaktion beteiligt sein, wenn diese dritter Ordnung
sein soll. Deswegen ist b— x in die zweite Potenz erhoben. T ist die
Zeit, k die Reaktionskonstantee Man kann nun versuchen, aus der
Differentialgleichung eine Annäherung des Wertes b ausfindig zu machen,
indem man den Differentialquotienten ohne weiteres gleich dem Quotienten
irgend eines korrespondierenden Wertes für x und T setzt,
also 7 = k(1— z) (b— x)? oder
LOT á
r z (1—2) 6— z)
und da k für alle Werte für z und T konstant ist,
1 T T,
= A (1 — z) (b — z,)? = = (1— z3) (b— z3)?
Hieraus ergibt sich
km. Val lx
b— 2, za(1 — 21) Tı
woraus sich b berechnen läßt.
Diese Formel wird nur auf der Kurve von 0,01 n NaOH in Kurve 1
angewandt.
Nun ergibt sich, daß man auf diese Weise sehr wechselnde Werte
von b findet, die von 0,1 bis 1 q’ variieren; alle diese Werte sind aber
negativ, indem der Wert unter dem Wurzelzeichen kleiner als 1 wird,
wenn z, kleiner als z} genommen wird.
Wenn aber statt
b—ı, b+ z
geschrieben wird, bekommt man positive Werte von b.
Dies würde in der Differentialformel entsprechen:
= = k(a— zx) (b-+ r)®.
Die chemische Bedeutung einer solchen Differentialformel ist, daß
durch die Bindung von b an das Blutkörperchen ein Stoff erzeugt wird,
der eine katalytische Beschleunigung der Reaktion bewirkt. Solche
Reaktionen sind in der organischen Chemie nicht allzu selten.
Wenn diese Differentialformel integriert und die Integrationskon-
stante weggeschafit wird, bekommt man die Integralformel
(a+5)2k T—m +) . x(e—b)
b(a— ` bis
oder indem man den Tatsachen entsprechend a= 1 setzt
SS? b+z . x(l—b)
(1 + b)? kT = ln nai bei
138 Mentz L. v. Krogh:
Wenn ich nun mittels dieser Formel die Kurve von 0,01 n NaOH
berechne, ergibt sioh, wenn ich b= 6 setze und mittels der Konstante
dieser einzelnen Formel [also (a-}b)?k der ganzen Formel] gleich
0,0520 setze
z= T gefunden T berechnet
0,1 2,7 2,61
02 5,6 4,8
0,3 9 8,7
0,4 12,8 12,8
0,5 16,8 16,3
0,6 21 22.6
07 26 27,5
0,8 37 35,7
09 50 499
Die Übereinstimmung ist also eine sehr gute und fällt durchaus
innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler; (a L AE ist also gleioh 0,0520.
a ist gleich 1 und die Berechnung hat b — 6 ergeben, die Konstante
muß also einen Wert haben, der 49mal kleiner ist, also 0,001063. Ver-
suche ich nun aber mittels dieser Konstanten auch die Kurven von
0,0143, 0,0167 und 0,0200 zu berechnen, so ergibt sich, daß die ent-
sprechenden Konstanten Werte von T geben, die überhaupt keinen Ver-
gleich mit den gefundenen Werten gestatten, indem die Werte der Zeit
viel zu klein werden, weil die Konstante zu klein wird.
Die Sache liegt so, daß das Verhältnis zwischen den Zeiten der
Kurve für 0,01 n NaOH und den anderen Kurven in der Wirklichkeit
ein viel größeres ist, als den Werten von NaOH entsprechen würde.
Wenn man von jedem Betrag der Natronlauge 0,0040 n subtrahiert,
erhält man folgende Zahlen:
Ursprüngliche Menge
der Natronlauge
0,0100 n 0,0143 0,0167 0,0200
0 0,0040n „0,0040 0,0040 _0,0040
0,0060 n 0,0103 0,0127 0,0160
ee! b=6 16,3 137 16
(a + b)? k = 0,0520 0,1360 0,2000 0,3280
z T gef. T ber. T gef. T ber. Tgeof. T ber. Tgef. T ber.
0,1 2,7 2,61 0,8 0,9 0,5 0,5 0,4 0,4
0,2 5,8 4,8 1,6 1,9 1,3 1,3 kr 0,8
0,3 9,0 8,7 2,7 3,0 2 2,0 1,4 1,2
0,4 12,8 12,2 3,7 4,3 2,8 2,9 2,0 1,7
0,5 16,8 16,3 5,4 5,7 3,6 3,8 3 2,4
0,6 21,6 22,3 7,4 7,6 4,6 5,0 3,5 3,0
0,7 26.0 27,5 9,4 9,8 5,7 6,5 4,2 4,2
0,8 37,0 35,6 10,4 13,0 7,3 8,1 5 5,6
0,9 50,0 49,9 11,4 17,5 9,9 12,2 7,9
In der Kurve 1 sind die berechneten Werte als Kurven aus-
gezogen, die tatsächlich gefundenen sind als kleine Kreise eingezeichnet.
Stöchiometrie der Hämolyse. 139
Die Übereinstimmung ist eine recht gute, wenn man die
Unsicherheit in der Zeitbestimmung und die nicht sehr
genaue colorimetrische Bestimmung des Hämolysegrades be-
denkt.
Doch zeigt es sich, daß vom Hämolysegrad 0,8 an bei
den stärkeren Konzentrationen von NaOH die Hämolyse erheb-
lich schneller abläuft, als die Formel es zuläßt, und nicht den
asymtotischen Verlauf zeigt, den man eigentlich hätte erwarten
müssen.
Um das Zulässige der Subtraktion von 0,40 von der
Natronlauge zu erklären, möchte ich noch folgendes bemerken.
Die Subtraktion kann augenscheinlich nur dann berechtigt
sein, wenn das bestimmte Quantum von 0,0040 n NaOH zu-
nächst an irgend einem Bestandteil der gleichen Menge der
5°/,igen Blutkörperchenemulsion gebunden wird. Theoretisch
läßt sich vieles zugunsten dieser Annahme anführen, obwohl
der praktische Versuch, der dies beweisen müßte, sich ziemlich
schwierig gestalten würde. Es möge deshalb zunächst ausgeführt
werden, daß schon Arrhenius eine solche Bindung von NaOH,
die keinen Teil an der Hämolyse nimmt, konstatiert hat.
Man konnte sich zunächst denken, daß irgend ein Be-
standteil des Blutkörperchenstromata eine große Affinität zu der
Natronlauge besitze, daß aber diese Verbindung ohne Bedeutung
für die Hämolyse sei. Diese Annahme ist wohl nicht aus-
zuschließen, scheint mir aber nicht sehr wahrscheinlich zu sein.
Ich möchte vielmehr annehmen, daß es Reste des Serum-
eiweißes sind, die für diese Erscheinung verantwortlich sind.
Entweder liegt die Sache ganz einfach so, daß das zweimalige
Waschen nicht hinreichend gewesen ist, um das Serumeiweiß
zu entfernen, oder man kann sich denken, daß die Blut-
körperchen, die als feste Phasen in dem eiweißhaltigen Serum
zu betrachten sind, die umgebenden Eiweißteilchen absorbieren
und sich so mit einer Haut von Eiweiß umhüllen, die zunächst
von der Natronlauge durchbrochen werden muß, damit diese
in das Blutkörperchen dringen und daselbst Hämolyse bewirken
kann. Wäre dies der Fall, so würden sehr viele Waschungen
nötig sein, um diese Eiweißmembran zu beseitigen.
Es liegen auch Beobachtungen in diesem Sinne vor, da
Atkins fand, daß in gut gewaschenen Blutkörperchen öfters
140 Mentz L. v. Krogh:
spontane Agglutination stattfindet, die durch heftiges Schütteln
zwar zu lösen ist, aber dann Hämolyse hervorruft. Wahrschein-
lich ist diese Beobachtung so aufzufassen, daß das Eiweiß des
Serums als Schutzkolloid den Blutkörperchen gegenüber auftritt,
und daß, wenn dieses mechanisch entfernt wird, sich die Blutkör-
perchen nicht mehr in Suspension halten können, sondern in
größeren Klumpen ausfallen. Das gebildete Alkalialbuminat kann
dagegen die Rolle als Schutzkolloid übernehmen, denn eine Ag-
glutination tritt bei der Hämolyse mittels Natronlauge in den
von mir angewandten Konzentrationen nicht auf; Acidalbuminat
dagegen, das durch Salzsäure gebildet wird, kann nicht als Schutz-
kolloid wirken, denn Salzsäure agglutiniert die Blutkörperchen
rasch und vollständig.
Wenn man dagegen einen großen Überschuß von Alkali
anwendet, so werden die Blutkörperchen für eine kurze Zeit
agglutiniert, bevor sie vollständig aufgelöst werden. Alkalialbu-
minat, das mit einem großen Überschuß von Alkali gebildet
wird, ist ja auch ein viel leichter lösliches und viel weiter
zersetztes Gebilde als ein mit wenig Alkali gebildetes.
Man kann nun auch die Bindung der Natronlauge an die
Blutkörperchen untersuchen, wenn man das Blutkörperchen-
sediment nach dem in dem technischen Abschnitt beschrie-
benen Verfahren behandelt.
Es hat sich nun herausgestellt, daß die Kurve, die man
auf diese Weise erhält, mit der Hämolysekurve durchaus analog
ist. Sie folgt der hämolysischen Kurve genau parallel in einem
größeren oder kleineren Abstand, der mit der Konzentration
der Natronlauge und Temperatur schwankt.
Man ist also nach dem oben Gesagten berechtigt anzu-
nehmen, daß die Hämolyse durch Natronlauge eine chemische
Bindung zwischen den Hydroxylionen der Natronlauge einer-
seits und irgend einem Bestandteil des Blutkörperchens anderer-
seits ist, die der Formel entspricht: BC,
Das Resultat dieser Bindung ist die Bildung eines lös-
lichen Stoffes, der das Hämoglobin ohne weiteres in die Flüssig-
keit heraustreten läßt.
Stöchiometrie der Hämolyse. 141
b) Hämolyse durch hämolytisches Serum.
Das Serum wurde gewonnen durch Einspritzung von ge-
waschenen Pferdeblutkörperchen in die Bauchhöhle eines
Kaninchens. Es wurde bei 56° !/, bis 1 Stunde erhitzt, um
das in demselben befindliche Komplement zu beseitigen; als
Komplement wurde frisches Meerschweinchenserum benutzt,
und zwar in verschieden abgestuften Mengen.
Die Versuche ergaben zunächst die Tatsache, daß es ohne
Bedeutung für die Reaktionsgeschwindigkeit ist, ob Ambo-
ceptor und Komplement nacheinander oder zur selben Zeit mit
den Blutkörperchen gemischt werden. Deswegen ist immer
eine Mischung von Amboceptor und Komplement den Blut-
körperchen zugesetzt worden.
Im übrigen ist die Technik dieselbe wie früher.
Versuche, die Geschwindigkeit der Bindung von Blut-
körperchen und Amboceptor zu erforschen, sind sämtlich ge-
scheitert. Die Bindung erfolgt so schnell, daß in den 1 bis
2 Minuten, die zum Zentrifugieren nötig sind, der Amboceptor
mehr oder weniger vollständig an das Blutkörperchen gebunden
ist, und es ist niemals gelungen, eine charakteristische Kurve
zu erhalten.
Ganz anders liegt die Sache, wenn die Bindung des Kom-
plements und die Hämolyse untersucht werden. Die Bindung
geht hier bedeutend langsamer vor sich und kann sehr gut ver-
folgt werden. Die Kurve verändert sich, wie gesagt, nicht merk-
lich, wenn Amboceptor, Komplement und Blutkörperchen in
verschiedener Reihenfolge gemischt werden.
Geradeso wie bei der Hämolyse mit Natronlauge ist auch
bei der durch hämolytisches Serum eine Incubationszeit vor-
handen, die mit der Konzentration des Komplements schwankt.
(Die Mengen des Amboceptors und der Blutkörperchen sind
konstant gehalten.) Auch hier ist es nicht möglich gewesen,
einfache Relationen zwischen der Länge der Inkubationszeit und
dem Komplementgehalt der Flüssigkeit zu ermitteln.
Deshalb ist auch hier die Kurve von dem Wendepunkt
ab gegen die Abszisse extrapoliert worden und der Kreuzungs-
punkt ist als Nullpunkt der Zeit betrachtet. (Kurve 2.)
142 Mentz L. v. Krogh:
Es hat sich auch hier gezeigt, daß die Reaktions-
geschwindigkeit mit dem Gehalt der Flüssigkeit an Blut-
körperchen schwankt, und daß somit eine Reaktion erster Ord-
nung auszuschließen ist.
Aol. Zecm
Fig. 2.
Nun hat aber Henri gefunden, daß die Gleichung erster
Ordnung, auf die Kurve angewandt, recht gute Konstanten
gibt. Dies ist auch der Fall. Aber dennoch kann die Gleichung
nicht erster Ordnung sein, denn die Konstanten wollen sich
in kein einfaches Verhältnis zu der Konzentration des Kom-
plements bringen lassen, und die Änderung der Reaktions-
geschwindigkeit zugleich mit der Blutkörperchenkonzentration
ist auch ein deutliches Zeichen in derselben Richtung.
Um die Molekülzahl zu bestimmen, werden zunächst die
korrespondierenden Zeiten eines bestimmten Hämolysegrades
untersucht.
Komplementgehbalt.
Hämolysegrad 3. 2. 1,5.
0,3 2,4 Min. (4,8) 3,86 Min. (4,8) 56 Min.
0,4 3,6 „ (7,2) 5,0 „ (6,4) 68 „
0,5 4,8 zg 9,6) 1,2 „ (9,6) 8,1 ”
0,6 6,4 , (12,8) 9,8 ,„ (12,8) 11,1 „
0,7 8,0 , (16,0) 11,0 ,„ (14,6) 13,9 „
0,8 9,8 „ (19,6) 13,0 „ (17,3) 173 „
0,9 12,4 „ (24,8) 15,8 „ (21) 234 »
Ich habe in Parenthese die Zahlen gesetzt, die das Pro-
dukt von Komplementgehalt und Zeit darstellen. Es zeigt sich,
daß für jeden Grad der Hämolyse diese Zahlen annähernd
konstant sind!
Die Zeit ist also umgekehrt proportional der ersten Po-
tenz der Konzentration. Die Reaktion ist von der zweiten
Ordnung.
Stöchiometrie der Hämolyse. 143
Um nun die Sache genauer zu berechnen, wird zunächst die Diffe-
rentialformel untersucht:
ZE — kla— 2) — 2) oder
-y —hla— z)(b— z), woraus sich ergibt
b— 2 _ sTla— zl
b— ŭa zT,(a—z)
Gerade wie die bimolekulare Formel für NaOH gibt auch diese
Formel negative Werte für B. Man muß also auch hier eine Be-
schleunigung der Reaktion durch die gebrachten Reaktionsprodukte an-
nehmen und die Formel aufstellen :
ER = k(a— al + z),
was integriert und nach Fortschaffung der Integrationskonstante gibt:
tm oder das
b(a — x)
"ov +e
Wenn ich nun diese Formel auf die Kurven in Kurve 2 anwende,
ist die Übereinstimmung, wie gezeigt, eine sehr gute. Der gestreckte
Verlauf der bimolekularen Kurven tritt auch in der Reaktion deutlich
hervor. Auch das Verhältnis der Reaktionskonstante entspricht der
Gleichung.
Zum Vergleich gebe ich in Kurve 3 denselben Versuch nach der
monomolekularen Formel berechnet. Für den Versuch mit der kleinsten
Komplementmenge ist die Übereinstimmung keine schlechte, und man
muß gestehen, daß die Übereinstimmungen sich innerhalb der möglichen
Versuchsfehler bewegen.
Für die Kurve mit 2ccm Kpl. ist die Übereinstimmung schon
eine viel schlechtere und läßt sich schwerlich durch die Versuchsfehler
erklären. Die Konstante ist auch hier die theoretisch richtige, nämlich
der Konzentration proportional.
144 Mentz L. v. Krogh:
Der dritte Versuch läßt sich dagegen nicht in Übereinstimmung mit
der Theorie unter den monomolekularen Reaktionsverlauf bringen; ent-
weder muß man der Konstanten oder dem Reaktionsverlaufe so stark
Gewalt antun, daß die ganze Sache ohne jeden Sinn wird.
Auch läßt sich schwer die Annahme einer monomolekularen Bin-
dung durch die biologischen Tatsachen erklären.
Sehr eigentümlich ist es nun, daß die Hämolyse durch Na-
tronlauge 2 Moleküle NaOH beansprucht, während die Hämo-
lyse durch hämolytisches Serum nur 1 Molekül nötig hat. Nun
könnte man es sich zwar so vorstellen, daß das Komplement
zwei Valenzen besitzt, die gesättigt werden sollen; dann bleibt
für den Amboceptor keine Stelle mehr frei, und es ist auch
nicht sehr wahrscheinlich, daß das Komplement geradeso wie
Natronlauge auf die Blutkörperchen wirken soll.
Man muß nun die Tatsache ins Auge fassen, daß das
Blutkörperchen zunächst durch den Amboceptor präpariert
werden muß, wenn es das Komplement binden soll, um nach-
her aufgelöst zu werden.
Ich möchte mir diese Tatsache so vorstellen, daß es in
dem Blutkörperchenstroma ein Molekül gibt, das etwa wie
Athylen H,C — CH, eine doppelte Bindung besitzt.
Wenn nun Äthylen mit einem Stoffe mit starker Affinität
versetzt wird, zum Beispiel mit Chlor, so wird die doppelte
Bindung gesprengt, und es wird Athylendichlorid
SZ?
Ci Cl
gebildet. Die Natronlauge wirkt meiner Anschauungsweise nach
ungefähr in ähnlicher Weise auf die Blutkörperchen. Sie zer-
sprengt die doppelte Bindung, so daß zwei Affinitäten frei werden,
die dann beide mit NaOH gesättigt werden. Diese Verbindung
(BI +2NaOH), oder vielmehr BI+ (OH), — denn in den an-
gewandten Verdünnungen ist die Natronlauge praktisch voll-
ständig dissoziiert — ist löslich, und das Blutkörperchen wird in
der Natronlauge gerade wie ein Eiweißpartikelchen oder ein
Fibrincoagulum gelöst.
Das Komplement besitzt aber keine hinreichende Affinität,
um mit dem Blutkörperchen in Verbindung zu treten. Es kann
nämlich die Doppelbindung nicht zersprengen, sondern der Weg
muß ihm erst gebahnt werden und die Affinität in Freiheit
Stöchiometrie der Hämolyse. 145
gesetzt werden. Damit es eine Verbindung mit dem Blut-
körperchen eingehen kann.
Dar Amboceptor dagegen bildet keine lösliche Verbindung
mit dem Blutkörperchen, kann somit allein keine Hämolyse zu-
stande bringen. Seine Affinität zu dem Blutkörperchen ist
aber eine sehr große (er wird auch äußerst schnell gebunden),
und zwar groß genug zur Zersprengung der Doppelbindung in
dem Blutkörperchen. Das Blutkörperchen, das von den Ambo-
ceptoren besetzt ist, hat also die Schutzwirkung gegen das Kom-
plement verloren, so daß es jetzt freie Affinitäten genug be-
sitzt, um an das Komplement gebunden und nachher davon
befreit zu werden.
Ich könnte dies auch durch eine Formel ausdrücken:
5 /Amboceptor
Komplement
Diese Anschauungsweise erklärt es auch, weshalb die Ambo-
ceptoren und die Blutkörperchen in keinem stöchiometrischen
Verhältnis gebunden werden. Die Ambooeptoren lösen eben nur
die Doppelbindungen, wo sie sie finden. Diese Doppelbindungen
können ja in viel größerer Menge vorhanden sein, als zur
Bildung der kompletten Hämolyse der Komplement- Blut-
körperchenverbindung nötig ist. Je mehr solche gelösten Doppel-
bindungen nun vorhanden sind, desto schneller geht die Re-
aktion vor sich; je mehr von dem Amboceptor zugesetzt wird,
desto schneller verläuft auch die Reaktion.
Der Amboceptor ist somit kein eigentlicher Amboceptor,
da er nach dieser Anschauungsweise überhaupt nicht in direkte
Verbindung mit dem Komplement tritt. Seine Spezifität wird
aber durch diese Theorie wenn nicht erklärt, so doch in ihrer
Notwendigkeit angedeutet. Denn eine sehr genaue Anpassung
muß ja nötig sein, um in die komplizierten Moleküle des Blut-
körperchens einzudringen. Dagegen wird eine solche Anpassung
nicht nötig sein, um die freie Affinität zu sättigen, weswegen
auch eine Spezifität des Komplementes nicht nötig ist.
Die Bildung des Amboceptors durch die Immunisierung
wird auch nach Ehrlichs Seitenkettentheorie stattfinden. Der
Receptor wird von dem Molekularkomplex, der die Doppel-
bindung enthält, gebildet, muß aber zunächst durch den Ambo-
Biochemische Zeitschrift Band 22. 10
146 Mentz L. v. Krogh:
ceptor fertig gemacht werden, um in Funktion treten zu
können.
Ein Phänomen, das sich durch die hier skizzierte Theorie
besser als durch die früheren erklären läßt, ist das Neisser-
Wechsbergsche, das darin besteht, daß sehr große Mengen
von Amboceptor die Hämolyse hemmen, statt sie zu be-
schleunigen. Bei der Hämolyse ist das Phänomen nur sehr
selten beobachtet worden. Ich habe es einmal beobachtet,
als frisch gewonnenes Immunserum in t/o- Verdünnung nur
geringe Hämolyse verursachte, dagegen in 1/4- bis !/soe- Ver-
dünnung die Blutkörperchen komplett in Lösung brachte. Auch
Arrhenius gibt einen derartigen Fall an.
Ich stelle mir die Sache so vor, daß der Amboceptor,
wenn er in gewissem Überschuß vorhanden ist, die beiden
Affinitäten des Blutkörperchenreceptoren besetzen kann. Dann
behindert er das Komplement, so daß dieses nicht an den Re-
ceptor herankommen kann; folglich kann keine Hämolyse statt-
finden.
Ich glaube voraussagen zu können, daß die komplizierten
Phänomene der Hämolyse durch diese Auffassungsweise etwas
geklärt werden können.
Somit ist die physikalische Chemie der Hämolyse kein so
hoffnungsloses Durcheinander, wie es Manwaring am Schlusse
seiner Abhandlungen ausspricht. Sie liefert vielmehr recht
beachtenswerte Ergebnisse und kann, wenn gewisse Kautelen
gegeben sind, recht eindeutige Resultate liefern. Ich glaube,
daß die unsicheren Ergebnisse, die auf diesem Wege gewonnen
sind, wenigstens teilweise daher rühren, daß man Endresultate
statt Geschwindigkeiten berücksichtigt hat. Die hämolytischen
Prozesse klingen in den schwächeren Konzentrationen des hä-
molytischen Agens allmählich asymptotisch ab und es können
vielfach Stunden, ja Tage verlaufen, ohne daß die Reaktion
abgeschlossen wird. Allmählich geht sie dann in die spontane
Zersetzung der Blutkörperchen über und entzieht sich so der
näheren Beobachtung.
Dies ist ja auch sehr natürlich, wenn man bedenkt, daß
nach der Differentialformel der Reaktionsgeschwindigkeit
dr
Jı ka—2)(b-+ sf oder =kla— z) (b + z)
Stöchiometrie der Hämolyse. 147
die Reaktion durch die Bildung der Reaktionsprodukte be-
schleunigt wird. Die Kurven zeigen, daß in der ersten Zeit
der Reaktion die Kurve einen fast geradlinigen Verlauf nimmt,
um nachher umzubiegen und asymptotisch weiter zu gehen.
Wenn nun die Reaktion so langsam sich abwickelt, daB die
Kurve sehr schräg gegen die Abszisse ihren Weg nimmt, wird
sie fast geradlinig verlaufen, und wenn erst die Inkubations-
zeit zu Ende ist, wird sie beinahe proportional mit der Zeit
zunehmen. Dies kann man auch beobachten, wenn man
eine solche Reaktion, die z. B. durch schwache Natronlauge
hervorgerufen ist, durch Erwärmen beschleunigt. Man be-
kommt dann, selbst wenn die Hämolyse nach Stunden schein-
bar stillgestanden hat, eine erhebliche Beschleunigung derselben,
ein sicherer Beweis dafür, daß das Gleichgewicht noch nicht
erreicht ist.
Schließlich möchte ich noch einer etwaigen Einwendung
begegnen, der nämlich, daß die hier beobachteten Kurven gar
nicht Kurven der chemischen Reaktionen seien, sondern nur ein
Maß für die Geschwindigkeit sind, mit welcher die Natron-
lauge bzw. das Komplement in die Blutkörperchen hinein-
diffundiert.
Gegen eine solche Einwendung läßt sich folgendes er-
wiedern:
Erstens die Gesetzmäßigkeit der Kurven. Die Diffusions-
kurven verlaufen nach einer einfachen monomolekularen
Formel:
dr
gı ke),
während die hier gegebenen Kurven der Formel der tri- oder
bimolekularen Reaktion folgen.
Zweitens hat Arrhenius gefunden, daß die Temperatur-
schwankungen der Geschwindigkeit dem Gesetz für chemische
Reaktionen folgen und nicht dem Diffusionsgesetze.
Drittens sind die Blutkörperchen so klein und haben im
Verhältnis zu ihrer Masse eine so kolossale Oberfläche, daß die
Diffusion bis in die Mitte des ca. 1 „ dicken Blutkörperchens
kaum eine meßbare Zeit beanspruchen würde, besonders da es
sich außerdem teilweise um Hydroxylionen handelt, deren Dif-
fusionsgeschwindigkeit überall eine besonders große ist.
10*
148 Mentz L. v. Krogh: Stöchiometrie der Hämolyse.
Noch mehr spricht aber gegen diese Auffassung das Er-
gebnis meiner Versuche über die Reversibilität der hämolyti-
schen Prozesse, die später mitgeteilt werden sollen.
Ob aber die von mir gefundenen Gesetzmäßigkeiten nur bei
der Kombination Pferdeblutkörperchen-Kaninohenserum Geltung
haben oder ob ihnen vielleicht eine allgemeinere Geltung zu-
kommt, muß vorläufig dahingestellt werden.
Literatur.
Arrhenius, Immunochemie. Leipzig 1907.
Asher-Spiro, Ergebnisse der Physiologie 8, 1908;
Henri, Compt. rend. de la Société biologique 1908.
Manwaring, Centralbl. f. Bakt. 40, 42 und 43.
Atkins, Zeitschr. f. Immunitätsforschung 1.
Zur Theorie der Desinfektion.
I. Abhandlung.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I.
Von
Heinrich Reichel.
(Aus dem Hygienischen Institute der k. k. Universität in Wien.)
Mit 1 Kurvenfigur im Text.
Einleitung.
Trotz der ausgedehnten praktischen Anwendung der Des-
infektion in Chirurgie und Seuchenbekämpfung, ist das wesent-
liche Verständnis der zugrunde liegenden Vorgänge noch wenig
vorgeschritten. Die wichtigsten diesbezüglichen Arbeiten —
von Scheurlen (1,2), Spiro (2, 3, 4), Paul und Krönig (5) —
liegen heute um mehr als ein Jahrzehnt zurück, ohne daß es
ihnen gelungen wäre, das so erfolgreich aufgenommene Thema
in Diskussion zu erhalten. Und doch ist die Frage nach den
zureichenden Bedingungen des Zelltodes unstreitig eines der
Grundprobleme aller Biologie und Medizin. Auf die künstliche
Herstellung der Bedingungen des Lebens haben wir bis auf
weiteres verzichtet, und diese Beschränkung hat sich heuristisch
ebenso bewährt, wie in anderen Wissenschaften der Satz von der
Konstanz der Elemente und von der Unmöglichkeit eines Perpe-
tuum mobile. Die künstliche Aufhebung der Lebensbedingung
im wissenschaftlichen Versuch bildet aber ein wichtiges Mittel
zu ihrer Erkennung und Beschreibung, welche immer die wert-
vollste Grundlage für die Möglichkeit ihrer Beeinflussung
bleiben wird. `
Es gibt nun kaum ein besseres Objekt, die Naturgeschichte
des Todes direkt zu studieren, als jene einzelligen Lebewesen,
150 H. Reichel:
die Bakterien, deren Tötung wir im Interesse unserer eigenen
Lebenserhaltung anstreben. Denn, während eine beobachtete
Bewegungshemmung noch keineswegs den Tod einer Zelle be-
weist, während eine tiefergehende Strukturstörung für denselben
nicht erforderlich ist, und die wirksamen Prinzipien der che-
mischen Lebenstätigkeit, die Fermente, immer mehr als vom
Leben trennbar erkannt werden, bleibt das bei den Einzellern
feststellbare Fehlen der Fähigkeit, sich unter dazu geeigneten
Bedingungen fortzupflanzen, ein entscheidendes Kriterium des
eingetretenen Todes. Schon die praktische Bedeutung der Ver-
suche über Desinfektionswirkung verlangt aber, daß der Beweis
hierfür mit aller erreichbaren Genauigkeit erbracht werde: eine
ausreichende Anzahl von Rassen oder Stämmen der untersuchten
Bakterienart, eine enorme Anzahl von Individuen derselben,
und eine Häufung gleichartiger Versuche sollen die Wahrschein-
lichkeit der tötenden Wirkung zu praktischer Sicherheit er-
heben; die Vermeidung oder Beseitigung wachstumhemmender
Substanzen, die Einhaltung der als am günstigsten bekannten Fort-
pflanzungsbedingungen und die weitestgehende Sicherung durch
Kontrollversuche müssen Täuschungen vermeiden helfen. Um-
gekehrt könnte aber auch die genauere Kenntnis der Vorgänge
und Bedingungen nicht ohne entscheidende Wirkung für Rich-
tung und Maß der praktischen Desinfektionsbestrebungen
bleiben, wie ja schon in vielen Fragen erst die wissenschaft-
liche Durchdringung die Befreiung von roher Empirie der Metho-
dik gebracht hat.
Manche der bekanntesten tödlichen Einflüsse bieten dem
Verständnis -allerdings keine besondere Schwierigkeit: mecha-
nische Zertrümmerung, thermische Lebensvernichtung durch die
irreversible Zustandsänderung der Eiweißkoagulation, dann auch
einschneidende chemische Wirkungen wie Spaltung oder Bin-
dung der Eiweißkörper und anderer lebenswichtiger Stoffe.
Weniger klar sind die tödlichen Wirkungen, die an Quellungs-
und Entquellungsvorgänge geknüpft sind, wie sie unter dem Ein-
fluß von Änderungen des osmotischen Druckes, durch Zusammen-
wirken von Druck-, Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnissen,
aber auch durch die sogenannten mechanischen Affinitäten chemi-
scher Stoffe zustande kommen können. Die Giftwirkung zahlreicher
körperfremder Substanzen beruht auf einer Störung unentbehr-
Die Desinfektionswirkung des Phenols. L 151
licher chemischer Lebenstätigkeiten, wie Atmung und Ernährung,
auf welchem Gebiete wichtige Erkenntnisfortschritte, z. B.
Jacques Loebs Ergebnisse, in unserer Zeit gemacht wurden
und noch zu hoffen sind. Auch können chemische und physi-
kalische Momente einander wesentlich in ihrer tötenden Wir-
kung beeinflussen, was nur zum Teil auf bekannte Gesetzmäßig-
keiten, z. B. den Einfluß der Temperatur auf den Ablauf
chemischer Reaktionen zurückgeführt werden kann.
Die Bedingungen des Zelltodes können demnach auch bloß
für chemische Agenzien betrachtet noch sehr verschiedenartig
sein, so daß der Versuch einer einheitlichen Erklärung — wie
ein solcher für andere physiologische Wirkungen chemischer
Stoffe möglich ist und beispielsweise in der bekannten Narkose-
theorie von Overton und Meyer tatsächlich bereits vorliegt —
für unsere Verhältnisse aussichtslos erscheint. Immerhin ist
eine Einteilung in zwei große Gruppen möglich: auf der einen
Seite müssen irreversibleZustandsänderungen verschiedenster
Art bei einer bestimmten Grenze ihres Ablaufes die Lebens-
möglichkeit aufheben, auf der anderen Seite können reversible
Gleichgewichtszustände bei einer bestimmten Grenze ihrer
Werte auf verschiedene — direkte oder indirekte Weise —
das Aufhören des Lebens bedingen.
Es tut also not, im einzelnen Falle den wesentlichen Vor-
gang zu kennen, um seine treibende Kraft eben für diesen
Fall als Desinfektionskraft zu definieren. Es ist klar, daß es
unter diesen Umständen mehr einem vagen Vergleiche als einer
mathematischen Beziehung entspricht, die Desinfektionskraft
verschiedener Agenzien zueinander in ein Verhältnis zu setzen,
wobei meist gleiche Kraft bei Abtötung in gleicher Zeit an-
genommen wird.
Im einzelnen betrachtet erscheint nun die Wirkungsweise
der Mehrzahl unserer gebräuchlichsten chemischen Desinfektions-
mittel als recht ungeklärt. Die Wirkung giftiger Salze — wie
HgCl, — konnte von den eingangs genannten Autoren (2, 5)
mit großer Wahrscheinlichkeit auf deren elektrolytische Disso-
ziation, und somit auf echte chemische Reaktionen zurück-
geführt werden. Dieser Fall wäre demnach zu der ersten der
genannten Gruppen zu zählen, denn die starke Affinität zwischen
Hg-Ion und den Eiweißkörpern muß zu einer — praktisch —
152 H. Reichel:
irreversiblen Reaktion führen, deren Produkte eine weitere
Lebensfähigkeit offenbar nicht besitzen. Später hat Clark (6)
gefunden, daß sehr geringe NaCl-Konzentrationen die Wirksam-
keit von HgCl, nicht — wie größere durch Ionisationsrück-
drängung — abschwächen, sondern verstärken, was er auf ein
hypothetisches Ion HgCl,” bezieht.
Jedenfalls könnte aber als Maß der Desinfektionskraft hier
nur die aktive Masse der wirksamen Ionen gelten, und nicht
der neuerdings von Madsen und Nejmann(7) aus den Ver-
suchen Pauls und Krönigs (5) hierfür errechnete Begriff der
„Desinfektionsgeschwindigkeit‘‘, als welche dort die Zahl der in
der Zeiteinheit getöteten Keime erscheint. Die Tatsache dieses
nur allmählichen Abnehmens der Anzahl lebensfähiger Keime
kann nur auf individuellen Resistenzunterschieden oder auf un-
gleichmäßiger Verteilung der Keime in der Flüssigkeit beruhen.
In beiden Fällen erscheinen aber die zeitlich aufeinanderfolgenden
Abtötungsvorgänge nicht gleichartig, wodurch die Anwendbar-
keit einer Betrachtung des Gesamtvorganges als stetige Zeit-
funktion ausgeschlossen ist.
Als Desinfektionsvorgang darf für theoretische Erörterungen
nur die Abtötung aller gleichmäßig verteilten,!) maximal resi-
stenten Individuen gelten, so daß weder eine zeitliche Gliederung
des Prozesses — wie sie die genannten Autoren versuchen —
noch eine quantitative Abstufung seiner Endwirkung möglich
erscheint. Eine zeitliche Gliederung des Prozesses wäre nur
denkbar, wenn die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens
eines lebenden Keimes mit der wirksamen Masse des Desinfiziens
nicht für alle Keime gleichgroß wäre, was in einer homogenen
Flüssigkeit nur für Teilchen von kommensurabler Zahl und
Größe, wie zwei Molekülarten, nicht aber für Keime und Mole-
küle zutreffen kann.
Auch in der Richtung quantitativ abgestufter Wirkung
liegen Versuche vor, die zwar interessante Analogien darbieten,
aber keinesfalls eine Identifizierung mit der echten — tötenden —
Desinfektionswirkung gestatten. So hat Bial(8) bei Unter-
1) Für die praktische Anwendung der Desinfektion muß such noch
die ungleiohmäßige Verteilung berücksichtigt werden, da diese auch in
der Natur zweifellos vorkommt (Schüder, Zeitschr. f. Hygiene 89,
879, 1901).
Die Desinfektionswirkung dee Phenols. I. 153
suchung über die Hefegärhemmung der Säuren tatsächlich einen
Parallelismus der Wirkung mit den H-Ionen festgestellt. Auch
hier wirken Neutralsalze entsprechend ihrem Einfluß auf die
H-Ionendissoziation, wobei jedoch wieder NaCl die bemerkens-
werte Ausnahme macht, die Wirkung von HCl zu verstärken,
was als katalytische Wirkung der Cl- auf die H-Ionen auf-
gefaßt wird.
Maillard (9), der den EinfluB von Cu-Ionen auf die
Wachstumsfähigkeit von Schimmelkulturen untersuchte, trachtet
den sonst möglicherweise störenden Einfluß der Geschwindigkeit
der Diffussion des Giftes in die Zelle durch Beobachtung nach
langer Zeit (5 Wochen) zu vermeiden und findet so einen aus-
gesprochenen Parallelismus zwischen steigendem Cu-Gehalt und
fallendem Gewicht der Kultur.
Der Wirkungsweise des Phenols, des chemisch einfachsten
und historisch ältesten Vertreters einer großen Gruppe des-
infizierender Stoffe, wurde zuerst von Rob. Koch Interesse
entgegengebracht. Nachdem derselbe (10) die überraschend ge-
ringe Wirksamkeit öliger und alkoholischer Phenollösungen fest-
gestellt hatte, untersuchten auf seine Anregung Wolffhügel
und v. Knorre (11) das Verhalten öliger und wässeriger Carbol-
lösungen gegenüber reinem Wasser bzw. Öl. Es ergab sich,
daß der Gehalt des Wassers an Phenol nach 24 Stunden immer
weit geringer war ala der des Öles, und es läßt sich aus den
Versuchen folgern, daß der Phenolaustausch vom Wasser zum
Öl rascher erfolgte als vom Öl zum Wasser, da in jenem Falle
ein übereinstimmender Gleichgewichtszustand bei verschiedenen
Phenolgehalten zu erreichen war, in diesem — binnen 24Stunden —
nicht. Die Autoren erblicken in diesen Feststellungen keine
befriedigende Aufklärung der Unwirksamkeit des Phenols, so-
lange das Verhalten der Mikroorganismen selbst unbekannt ist.
Sie glauben aber auch schließen zu sollen, daß ‚die Berechnung
der Teilungskoeffizienten keine klare Vorstellung hinsichlich des
Einflusses der Flüssigkeitsmengen auf die Verteilung geben
kann“.
Von den späteren Untersuchern wurde in der Tatsache
der starken Beeinflußbarkeit der Phenolwirkung durch Zusätze
der Angelpunkt ihrer Erklärung erkannt. Als erster hat
Scheurlen (1) auf die Steigerung der Phenolwirkung durch
154 H. Reiohel:
NaCl] hingewiesen und gleichzeitig die wichtige quantitative Fest-
stellung beigebracht, daß eine 1°/,ige Phenollösung, die so viel
NaCl enthält, als ohne Trübung möglich ist, ‚fast ebenso‘ wirk-
sam sei als konzentrierte Phenollösung. Den ersten Erklärungs-
versuch durch die Annahme einer Änderung der Hydratwasser-
bindung ließ der Autor in seiner Arbeit mit Spiro(2) fallen,
der vielmehr die Analogie zu den Aussalzungserscheinungen hervor-
hob und den nicht chemisch-ionalen, sondern ‚mechanisch‘‘-mole-
kularen Charakter dieser Desinfektionswirkung betonte. In-
zwischen waren durch Beckmann (12), dann auch durch Paul
und Krönig(5) die wesentlichen Tatsachen bestätigt worden,
ohne daß eine Erklärung versucht worden wäre. Weyland (13)
kam zu gleichem Ergebnis, erblickte aber eine Erklärung in
der angeblich mit diesen und fast allen Desinfektionswirkungen
parallel gehenden Eiweißfällung; nur sollen manche Fällungs-
mittel nicht wirken können, weil sie nicht einzudringen ver-
mögen. Römer(14) schloß sich dieser Auffassung an und
bringt als Stütze einen Versuch, in dem Vorbehandlung der
Keime mit NaCl den Effekt noch zu erhöhen scheint, woraus
auf Schädigung der Hüllen durch das NaCl geschlossen wird.
Spiro und Bruns(3) können eine solche Nachwirkung von
NaCl nicht finden; sie weisen jene Erklärung zurück und bringen
wesentliche Stützen für die früher von Spiro(4) im Rahmen
verwandter Erscheinungen ausführlich begründete Auffassung
bei, daß es die Lösungsverhältnisse, insbesondere die Verschie-
bung der Verteilungsgleichgewichte der Phenolkörper seien, welche
die Veränderung der Desinfektionskraft durch Zusätze be-
herrschen. So wird Brenzkatechin durch NaCl nicht, wohl aber
durch Na,SO, und (NH,),SO, sowohl ausgesalzen als auch in
seiner desinfektorischen Wirkung verstärkt. Harnstoff und Gly-
cerin sind auf Phenol in beiden Richtungen wirkungslos, die
Salze NaCl, KCl, NaBr, NaJ, NaNO, ordnen sich nach beiden
Wirkungen in dieselbe Reihenfolge (Lyotropie, Einfluß auf den
Binnendruck des Lösungsmittels'). Alkohol, der selbst ein besseres
Lösungsmittel als Wasser für Phenol vorstellt, vermindert die
Desinfektionskraft. |
In der dargelegten Auffassung Spiros von der Art der
Wirksamkeit der Phenole ist zunächst die Annahme von all-
1) S. a H. Freundlich, Capillarchemie. Leipzig 1909.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 155
gemein biologischem Interesse, daß überhaupt Verteilungsgleich-
gewichte — die ja andere Lebenszustände wie die Narkose vor-
wiegend zu beherrschen scheinen — auch als maßgebende Be-
dingungen des Zelltodes auftreten können. Freilich könnte nach
den bisherigen Feststellungen auch angenommen werden, daß
jene Bedingung hier eine mehr indirekte sei, daß z. B. die Ver-
schiebung der Löslichkeitsverhältnisse die Permeabilität der
etwa fettartigen Plasmahülle, und nicht die endliche Wirkung
im Plasma beeinflusse, wo dann wohl wieder chemische oder
koagulierende Wirkungen als maßgebend gedacht werden dürfen.
Für die Narkosewirkung lassen sich solche Einwände durch die
Reversibilität des Vorganges widerlegen, wobei höchstens noch
die Mitwirksamkeit schwacher chemischer Affinitäten nicht aus-
zuschließen wäre, die aber — wie Spiro gezeigt hat — von
den Lösungsaffinitäten überhaupt kaum scharf zu trennen sein
dürften. Bei dem Prozeß des Zelltodes kann aber eine Um-
kehrung des Prozesses der Natur der Sache nach nicht zur Be-
obachtung gelangen, so daß die Vorstellung indirekterer Wirkung
von Verteilungsgleichgewichten hier wohl noch zu Recht besteht.
Immerhin ist aber auch die gegenteilige Annahme einer direk-
teren Wirksamkeit durchaus möglich. Die tötenden Stoffe können
auch im Plasma als gelöst gedacht werden, und wenn auch
dann dieser Zustand selbst reversibel sein müßte, so kann doch
seine Persistenz durch eine gewisse Zeit den Zelltod durch Aus-
lösung anderer, irreversibler Vorgänge wie bei der Eiweißkoagu-
lation oder durch Hemmung lebenswichtiger Funktionen, in letzter
Linie wohl durch Fermentlähmung, bedingen.
Eine Entscheidung dieser Alternative erscheint durch ge-
naues Studium der in Betracht kommenden Wechselwirkungen
zwischen dem Desinfiziens und den Körpersubstanzen möglich.
Auch ergibt sich die Konsequenz, daß im Falle irreversibler
Verankerung des desinfizierenden Stoffes am Plasma derselbe
seine Wirkung in jeder Konzentration, nur in verschiedener
Zeit entfalten, daß er sich im Falle eines reversiblen Lösungs-
gleichgewichtes unterhalb einer bestimmten Konzentration als
unwirksam erweisen müßte. Danach kann also auch der Aus-
fall entsprechender Desinfektionsversuche die eine oder die
andere Annahme stützen, und so zur wesentlichen Charakteri-
sierung der einzelnen desinfizierenden Stoffe beitragen.
156 H. Reichel:
In praktischer Hinsicht müßte die Möglichkeit einer Ver-
stärkung und die Gefahr einer Schwächung der Desinfektions-
wirkung durch leicht übersehbare Veränderungen des Lösungs-
gefüges von großer Bedeutung sein. Doch wäre für eine
Verwertung solcher Feststellungen gerade deren quantitativer
Charakter von Bedeutung; in dieser Richtung sind bisher
nur wenige und aufeinander nicht bezogene Tatsachen bekannt,
während sich die wichtigsten Angaben auf qualitative Ver-
änderung der Wirkung, mit einigen Anhaltspunkten zu deren
schätzungsweisem Vergleiche, sowie auf stufenweise Ordnung
der Wirkungsintensität verschiedener Stoffe — worauf sich ja
such die genannte Narkosetheorie aufbaut — beschränken.
Die vorliegenden Untersuchungen hatten zur Aufgabe, zu-
nächst einen umschriebenen Komplex solcher Erscheinungen:
die Beeinflussung der Phenolwirkung durch Kochsalz, einem
eingehenderen Studium zu unterwerfen. Es sollten die Gleich-
gewichtsbeziehungen und wenn nötig die Reaktionen aller dabei
in Betracht kommenden chemischen Stoffe: Eiweiß, Fett, Phenol,
Wasser und Kochsalz, verfolgt und deren Gesetzmäßigkeiten
mit denjenigen verglichen werden, welche in davon unabhängigen
Versuchsreihen aus der Desinfektionswirkung verschiedener
Phenol-Kochsalzlösungen abzuleiten waren.
Es erschien dabei zweckmäßig, in den Bereich der che-
mischen Untersuchungen hauptsächlich — nach dem Vorgange
Hofmeisters in der Untersuchung der Salze und Eiweißgele,
sowie Meyers in den Narkosearbeiten — einfache Vertreter
der Körperstoffe heranzuziehen, daneben aber zur Sicherung der
Schlußfolgerungen auch die genuinen Leibessubstanzen selbst so-
wie fettähnliche Stoffe des Körpers vergleichsweise zu berück-
sichtigen.
Die Phenolverteilung zwischen Öl und Wasser und ihre
Beeinflussung durch NaCl.
l.
Die ersten Versuche galten der Frage, ob sich Phenol
zwischen Wasser und Öl nach konstantem Faktor verteile, be-
ziehungsweise wie groß dieser Faktor sei.
Als Arbeitsmaterial wurden zunächst 2 1 besten Olivenöls beschafft,
das auf seine wesentlichen Merkmale geprüft, und fortan in einer dicht
Dio Desinfektionswirkung des Phenols. I. 167
schließenden Flasche liohtgeschützt aufbewahrt wurde. Als Phenol
diente das Kahlbaumsche Präparat. Bestimmte Mengen des Öles
wurden mit ebensolcher wässeriger Phenollösung in trockenen Glasstöpsel-
flaschen zusammengebracht und während 24 stündigen Stehens wiederholt
_ heftig geschüttelt. Der größte Teil der wässerigen Phase war sodann
durch einstündiges Zentrifugieren, Herauspipettieren und Filtrieren von
Öl zu befreien, ein aliquoter Teil auf seinen Phenolgehalt zu untersuchen.
Die sämtlichen Phenolanalysen geschahen nach der Methode Koppe-
schars, bei der aus einer genauen Bromatlösung auf Zusatz von über-
schüssigem Bromid und HCl eine Br-Lösung bestimmten Gehaltes ent-
steht, von der nun 6 Äquivalente mit einem Mol Phenol zu Tribrom-
phenol und HBr reagieren. Der Br-Überschuß wurde mittels JK in
eine äquivalente J-Menge übergeführt und mit Thiosulfat titriert.
Ich bediente mich °/,.- Lösungen, die für Br durch Abwägen
von 2,5162 g (—=!/, Mol. Gew.) NaBrO, für einen Liter herzu-
stellen sind, wozu dann rund 1/,, des Volumens an 10°), iger NaBr-
Lösung kommen muß. Ein Kubikzentimeter verbrauchter °/,.-Br-Lösung
entspricht sodann 1,5675 mg (= 1/ Mol. Gew.) wasserfreien Phenols oder
1,7177 mg des einfachen Hydrats (2(C,H,0) L HO Die Reaktion
zwischen Br und Phenol erfordert einige Zeit (etwa 15 Min.) und ein luft-
dicht geschlossenes Gefäß (Glasstöpselflasche mit Paraffin abgeschlossen),
wobei noch zu beachten ist, daß der über der Flüssigkeit befindliche
Luftraum nicht zu groß, die Br-Konzentration der Lösung nicht zu hooh
sein darf, wenn in Betracht fallende Br- und J-Verluste vermieden werden
sollen.
Zunächst wurde festgestellt, daß bei der geschilderten Mani-
pulation mit Öl aus diesem keine meßbaren Mengen mit Brom
resgierender Stoffe in das Wasser in Lösung übergehen, bzw.
mechanisch darin zurückbleiben. Es war also auf diese Weise
möglich, durch Titration der wässerigen Lösung vor und nach
dem Schütteln — unter der Voraussetzung gleichgebliebenen
Volums — die an das Öl abgegebene Phenolmenge zu erfahren
und unter Berücksichtigung des Ölvolums den Teilungsfaktor
für die ins Gleichgewicht gebrachten Phasen als Verhältnis der
Volumkonzentrationen zu berechnen. Diese letzteren (g/ccm)
müssen aus theoretischen Gründen für die Betrachtung von
Verteilungsvorgängen ausschließlich Anwendung finden, wenn
die Gesetzmäßigkeiten dieser Erscheinungen durch Analogie,
ja Identifizierung der Lösungszustände mit dem Gaszustande
verstanden werden sollen, was in immer weiter gehendem Maße
der Fall ist.
Die dargelegte Berechnung der Teilungsfaktoren gestaltet
sich jedoch nur dann einfach, wenn die Volumina beider Phasen
158 H. Reichel:
als während des Verteilungsvorganges konstant betrachtet werden,
was nur in gewisser Annäherung zutrifft. Sobald es sich um höher
konzentrierte Lösungen handelt, gehen die hierdurch bedingten
Fehler weit über die sonst erreichbare Genauigkeit hinaus, so
daß eine allgemeine Berücksichtigung dieser Verhältnisse geboten
erschien.
Am einfachsten würde sich die Vermeidung dieser Schwierigkeit ge-
stalten, wenn eine direkte volumetrische Bestimmung des Phenols auch
in der öligen Phase durchgeführt werden könnte, da dann das Verhält-
nis der gefundenen Konzentrationen auch schon den gesuchten Volum-
teilungsfaktor vorstellen würd. Nun ist eine Titration des Phenols
im Öl zwar tatsächlich möglich, doch ist auch hier nur mittels Wägung
eine hinreichend genaue Abmessung des Öles durchführbar, so daß zu-
nächst wieder nur die Gewichtskonzentration des Phenols im Öle erhalten
wird und die Kenntnis des spezifischen Gewichts der Ölphase, das seiner-
seits offenbar von dem Phenolgehalte stark beeinflußt wird, erforderlich
bleibt. Die Methode, die im folgenden für die Entscheidung mancher
Fragen angewendet und dort näher beschrieben wird, gestaltet sich zu-
dem einigermaßen kompliziert und zeitraubend, letzteres schon durch
die nur bei langem Stehen der Proben erreichbare Klärung des mit
wässerigen Lösungen geschüttelten Öles. Die Genauigkeit ihrer Resul-
tate bleibt endlich eben infolge der Kompliziertheit hinter der der Titra-
tion in wässeriger Lösung zurück. Zu alledem war diese unmittelbare
Bestimmung des Teilungsfaktors zwar hier bei Öl, nicht aber bei den
anderen später in Betracht zu ziehenden Substanzen durchführbar. Aus
allen diesen Gründen empfahl sich die Methode nicht zur allgemeinen
Durchführung auch in diesen Versuchen.
Sollten aber bei der Berechnung des Phenols im Öl aug der Differenz
der beiden Bestimmungen in der wässerigen Lösung die feinen Volum-
verteilungen berücksichtigt werden, so war vor allem der Einfluß des
Phenolgehaltes auf das spezifische Gewicht wässeriger und öliger Lösungen
zu bestimmen.
Wöässerige Lösungen erfahren bekanntlich im allgemeinen
eine sog. Kontraktion, d. h. ihr Volum ist kleiner als die Summe
der Volumina der Komponenten. Das geht so weit, daß sehr
geringe Mengen gelöster Stoffe das Volumen der Lösung sogar
absolut geringer gestalten als das des leeren Lösungsmittels war,
was beweist, daß sich auch dieses — nicht nur der gelöste
Stoff — an dem Volumverlust beteiligt. Eine einfache Gesetz-
mäßigkeit ist für solche Vorgänge meines Wissens nicht fest-
gestellt, weshalb es hier nötig ist, sich mit geordneten Einzel-
erfahrungen zu behelfen. Über die Beziehungen zwischen spez.
Gewicht und Gehalt von wässerigen Phenollösungen konnte ich
Die Desinfektionswirkung des Phenols. L 169
in der Literatur Angaben nicht finden. Meine diesbezüglichen
Feststellungen sind in der folgenden Tabelle (I) wiedergegeben.
Tabelle I.
ı | 2 | a | A | 5
es S F
s Phenol Spezifisches Gewicht bei 17,5°C
r. g/100 com berechnet
gemessen empirisch |ohne Kontraktion
Die gesuchten spez. Gewichtswerte ergeben sich, wie ein
Vergleich der Stäbe 3 und 4 lehrt, in guter Annäherung nach
der empirischen Formel
Spez. Gew.pn.-Lös. — Spez. Gew.wasser — 0,087 X< Phenol g/ccm,
während die unter der Annahme der Addition der Volumina
berechneten Werte des Stabes 5 die starke Kontraktion der
Lösungen hervortreten lassen.
Als spez. Gewicht des Phenols bei Zimmertemperatur ist Lan-
dolts Wert, jedoch bezogen auf Wasser von 4°C, also 1,070 (anstatt
1,072) angenommen. Die spez. Gewichtsbestimmungen wurden hier mit
der Mohr-Westphalschen Wage vorgenommen.
Um den Einfluß des Phenolgehaltes auf das spez. Gewicht
von Öl festzustellen, wurden zunächst beide Stoffe in trockenem
Zustand zusammengebracht und die Lösungen auf ihr spez. Ge-
wicht geprüft. Es ergab sich in einem solchen Versuche für
17,5°C 0,9391. Aus dem Gewichtsverhältnis der Stoffe Phenol:Öl
— 21,011°/, und dem spez. Gewicht des Öles, das mit 0,9143
für die gleiche Temperatur zu bestimmen war, läßt sich unter
der Annahme einfacher Addition der Volumina ein spez. Ge-
wicht von 0,9380 berechnen. In einem anderen solchen Ver-
suche war für ein Verhältnis Phenol: Öl = 6,18°/, das gefundene
spez. Gewicht 0,9222, das berechnete 0,9217. Die Überein-
stimmung ist zwar keine sehr weitgehende, doch läßt sich aus
dem Vergleich mit gleich hohen Phenolkonzentrationen in Wasser
auf eine sicher weit geringere Kontraktionswirkung schließen,
so daß in erster Annäherung für die Folge das Volum von Öl-
Phenolmischungen als Summe der Volumina der Bestandteile
angenommen werden durfte.
160 H. Reichel:
Die eben angeführten Versuche wurden gleichzeitig dazu benutzt,
um die Brauchbarkeit von Phenoltitrationen mttels Br-Lösung in Öl fest-
zustellen. Aus dem Gesamt-Br-Verbrauch b einer gewogenen öligen Phenol-
lösung a läßt sich bei festgelegtem Br-Bindungsvermögen des Öles (in
unserem Falle 65,73 ocom ?/1ọ) die für das Phenol verbrauchte Br-Menge
bzw. mit Berücksichtigung des Äquivalentgewichtes des Phenols (15,675)
die Phenolmenge x selbst und die Ölmenge y leicht berechnen:
1000 b — 65,73 a
L y = — X; 2. Ltr 83y=b; =
In den genannten zwei Versuchen ergab sioh auf diese Weise das
Verhältnis Phenol: Öl als 21,07 und 6,22°/,, was mit den obigen, durch
Wägung gewonnen Zahlen ausreichend übereinstimmt, so daß die Methode
im folgenden als verwendbar betrachtet werden darf. Bei ihrer Aus-
führung empfiehlt es sich, das in die Flasche gewogene Öl — ebenso
wie das bei der auch sonst völlig analogen Jodzahlbestimmung der Fette
üblich ist — vor Zufügung wässeriger Flüssigkeiten in etwas Chloroform
zu lösen. Die langsamere Reaktion zwischen Öl und Br erfordert min-
destens zweistündiges Stehen der Probe und wiederholtes Schütteln vor
der Titration. Natürlich muß hier die Abdichtung der Flasche besonders
sorgfältig geschehen.
Mit Hilfe dieser Methode war es, wie erwähnt auch möglich,
eine direktere Bestimmung der Teilungsfaktoren zu unternehmen,
doch erschien das aus den genannten Gründen im allgemeinen
unzweckmäßig, und wurde nur in einigen wenigen Versuchen
zur Kontrolle der indirekten Bestimmung aus der Differenz der
Phenolgehalte im Wasser vor und nach Schütteln mit Öl durch-
geführt.
Wichtiger erschien die weitere Möglichkeit, auf diese Weise
die Löslichkeit des Phenols in Öl direkt zu bestimmen, um
sein Verhältnis zur Wasserlöslichkeit des Phenols mit dem
Teilungsfaktor vergleichen zu können. Die beiden Verhältnis-
zahlen sollten ja auf Grund theoretischer Erwägungen über-
einstimmen, und daß sie es nicht immer tun, hat schon
zu mannigfachen Erörterungen Anlaß gegeben und zur Fest-
stellung scheinbarer Ausnahmen des Teilungsprinzipes geführt.
Eine gesättigte Lösung von Phenolkrystallen in Öl ergab
nun nach jener Methode titriert einen Phenolgehalt von 31,1°/,
Phenol g/ccm für 17,5°C. Die Löslichkeit des Phenols in
Wasser wurde durch eine Reihe von Titrationen bei verschiedenen
Temperaturen gesättigter Lösungen festgelegt:')
1) Die Zahlen stimmen mit sonst häufig angegebenen nicht über-
ein. Landolt-Börnstein sowie Dammer geben für Zimmertemperatur
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 161
Temperatur °C: — 1,5 -+11,8 -+16,0 -+20,8 -+ 32,6
Phenolgehalt gesättigter
Lösungen °/, gleem 6,92 17,53 7,75 8,00 8,66
Daraus ergibt sich durch Interpolation für 17,5°C eine
Löslichkeit von 7,83°/,, somit ein Verhältnis der Löslichkeiten
in Öl und Wasser von 3,97.
Demgegenüber zeigte nun schon die erste Näherungs-
berechnung der beschriebenen Verteilungsversuche einen wesent-
lich größeren Wert — zwischen 5 und 6 — als Teilungsfaktor zu-
gunsten des Öles. Es war naheliegend, die Ursache der Abweichung
in der Anwesenheit des Wassers bei der Verteilung zu suchen.
Versuche ergaben zunächst, daß mit Wasser geschütteltes
reines Öl und ebenso dieses selbst im Exsiccator offenstehend
an Gewicht nichts verliert. Phenolhaltiges Öl, das schon früher
bei Wägungen als hygroskopisch aufgefallen war, nimmt aus
feuchter Luft nicht unbeträchtliche Mengen Wassers auf, die
im Exsiccator wieder rasch und anscheinend vollständig abgegeben
werden. Diese Verhältnisse sind jedoch wegen der gleichzeitigen
Phenolverdunstung nicht ganz einfach zu überblicken. Jeden-
falls ist aber diese in Dampfform aufnehmbare Wassermenge
bei gleicher Phenolkonzentration eine weit geringere als eine
andere, die aus wässerigen Lösungen beim Schütteln gleichzeitig
mit dem Phenol in das Öl übergeht. Diese letztere beträgt,
wie Trocknung im Exsicoator lehrt, bei verschiedenen Phenol-
konzentrationen regelmäßig etwa 10°/, des Phenols. Für ge-
nauere Messung sind auch hier noch die störenden Einflüsse
der Phenolverdunstung zu groß bzw. zu wenig genau in Rech-
nung zu stellen. Es unterliegt aber schon nach den genannten
Feststellungen keinem Zweifel, daß der aus dem Wasser in das
Öl übergehende Körper nicht das wasserfreie Phenol, sondern
das einfache Phenolhydrat (2C,H,OH--H,O) ist, welches
9,674°/, g/g Wasser: Phenol enthält.
6,670/, g/g Phenol:Wasser, was der Vorschrift der deutschen Pharma-
kopöoe für die Löslichkeit des Phenols 1:15 entspricht. Alexejew
(D. B. Ch. G. 10, 18, 1876) hat noch niedrigere Werte angegeben. Der Wert
der englischen Pharmakopöe, die strengere Anforderungen an die Rein-
heit der Präparate stellt (1:12 bei 15,5°C), stimmt mit den obigen Daten
sehr gut, die Angabe Rothmunds (Zeitschr. f. physik. Chem. 26, 433,
1898) gut überein.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 11
162 H. Reichel:
Die Löslichkeit dieses Stoffes kann aber natürlich eine ganz
andere als die des wasserfreien Körpers sein.!) In der Tat zeigte
ein Öl, das bei Wassergegenwart mit Phenol gesättigt wurde,
einen Gehalt von 44,34°/, g/ccm Phenol, also eine wesentlich
höhere Löslichkeit als im trockenen Zustande.
Die besprochene Titrationsmethode ist natürlich auch auf die Be-
stimmung des Hydrates ohne weiteres anwendbar, wenn dessen Äqui-
valentgewicht (17,177) an Stelle desjenigen des Phenols in die Formeln
_ eingeführt wird.
Auch auf anderem Wege ist die größere Löslichkeit des Hydrats
wenigstens qualitativ zu zeigen: in Wassergegenwart mit Phenol ge-
sättigtes Öl, das mehrere Tage hindurch im Exsiccator gehalten wurde, er-
weist sich als übersättigte Lösung, da ein in die klare Flüssigkeit ge-
worfener Phenolkrystall sofort weitere Krystallisation und in weniger als
einer Minute Erstarren der Lösung zur Folge hat. Mit trooken ge-
sättigtem Öl fällt der Versuch völlig negativ aus.
Die Verhältniszahl der Löslichkeiten des Phenols in Öl
und Wasser bei gleichzeitiger Gegenwart der drei Stoffe müßte
also für Zimmertemperatur 44,34:7,83 = 5,66 betragen, was mit
der aus den Verteilungsversuchen zunächst gewonnenen Nähe-
rungszahl gut übereinstimmt. Es wird im folgenden noch zu
erörtern sein, inwiefern diese beiden Quotienten tatsächlich zu-
sammenfallen und zusammenfallen können.
Für die genaue Berechnung der Teilungsversuche war nun
vor allem festzustellen, ob die für Lösung von Phenol in Öl
angenommene einfache Addition der Volumina auch für Phenol-
hydrat Geltung besitze. Nimmt man das spez. Gewicht dieses
Stoffes nach der österreichischen Pharmakopöe mit 1,0685 an,
so ergibt sich für die gesättigte Lösung aus den Titrations-
werten ein spez. Gewicht von 0,9851 bei 17,5°C, während die
direkte Bestimmung den Wert 0,9855 lieferte. Die Überein-
stimmung ist also hier sogar eine bessere als in den für trockenes
Phenol früher angeführten Versuchen, und wir dürfen danach
in Anbetracht der hohen Phenolkonzentration dieses Versuches
die Annahme einfacher Addition als eine völlig ausreichend
genaue Darstellung der Volumbeziehungen betrachten.
1) Spiro (Physik; Chemie der Zelle Oppenheimers Handb. d.
Biochem. 2, 32, 1909) erörtert die einschlägigen Verhältnisse und gibt als
Beispiel Beobachtungen über den Einfluß der Wassergegenwart auf die
Löslichkeit von Acetanilid in ätherischen Phasen.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 163
Ferner war aber die Tatsache, daß das Hydrat des Phenols
in das Öl übergehe, selbst nicht ohne Belang für die in Rech-
nung zu setzenden Volumina. Derjenige Anteil des Wassers,
welcher mit dem Phenol die wässerige Phase verläßt, mußte
für die Volumberechnung dieser Phase von dem Gesamtwasser
als Korrekturwert in Abzug gebracht werden. Diese Korrektur
erwies sich allerdings für die Mehrzahl der im folgenden dar-
gelegten Versuche als belanglos. Doch erschien es um so wich-
tiger, sie überall dort anzubringen, wo sie das nicht war.
Die Berechnung gestaltete sich also wie folgt:
Gegeben erscheinen: Die Ausgangsvolumina der Phasen vor ihrer
Berührung: Av und Ov, ersteres durch Pipettenmessung, letzteres durch
Wägung und spez. Gewichtsbestimmung des Öles, ferner Ausgangs- und End-
oder Gleichgewichtskonzentration der wässerigen Phase an Phenol g/ccm,
Ap/ccm und Ep/ccm durch Titration. Mit Hilfe der genannten Fest-
stellungen war ferner das spez. Gewicht der beiden wässerigen Flüssig-
keiten (nach Tabelle I bzw. der daraus abgeleiteten empirischen Formel)
As und Es aus Ap/com und Ep/ccm, endlich das Volum von Ölphenol-
gemischen als Summe des Öl- und des Phenolhydratvolumens zu be-
rechnen. Gesucht war zunächst die Volumkonzentration des Phenols in
der öligen End-(Gleichgewichts-)Phase, deren Verhältnis zu Ep/com eben
dann den Teilungsfaktor vorstellen sollte. Dazu war bei den bekannten
Volumbeziehungen nur die ins Öl gehende Phenolmenge, diese wieder
als Differenz der Ausgangs- und Endphenolmenge in der wässerigen Phase
zu bestimmen. Erstere war als Av. Ap/ oom gegeben, letztere auf Grund
folgender Überlegungen zu berechnen: Das Gesamtwasser des Systems
beträgt Av (As— Ap/ccm), das Endwasser der wässerigen Phase um
0,0957 Av (Ap/com — Ep/ocm), d. h. das Hydratwasser des ans Öl ver-
lorenen Phenols weniger. In dieser Korrekturgröße darf natürlich die
betreffende Phenolmenge ohne weiteres als der erste Näherungsausdruck
dafür, also unter Vernachlässigung aller Volumverschiebungen auftreten.
Das Verhältnis Phenol: Wasser in der wässerigen Endphase ergibt eine
einfache Überlegung als Ep/com:(Es — Ep/ccm), und das Produkt dieses
Verhältnisses und jener Differenz Av (As — Ap/ccm) — 0,0957 Av (Ap/ccm
— Ep/ccm) muß die gesuchte Phenolmenge der wässerigen Endphase
vorstellen.
Aus alledem folgt die Phenolmenge im Öl als:
Ph. — Av (Ap/ccm Es — Ep/com As) + 0,0957 Ep/com (Ap/ccm —Ep/com)
— Es — Ep/ccm
Diese Menge als Hydrat beträgt dann 1,0957 Ph, und das Öl-
phasenvolum
| 1,0957 Ph, _ ;
Op, = Ov + (Loes ` Ov -+ 1,0256 Ph.
LI?
164 H. Reichel:
Sonach ist die Volumkonzentration in Öl
Ph,/com = dë i 1,0256)
und der Teilungsfaktor selbst:
r-(2) =1 ‚| Ep/oom Lër + 1,0258) |
O Ov
slë =l ‚| Epfoom (2x)
Es — Ep/ccm
` (Ap/ccm Es — Ep/com As) 0,0957 Ep/ocm (Ap/ccem — Ep/cem) E 1,0256
Die folgende Tabelle II gibt nun fünf auf diese Weise an-
gestellte und berechnete Verteilungsversuche wieder:
oder
Tabelle II.
ı | 2 | 3 | 4 | 5 | 6
Volum-
Versuchs- | Volumina der Aus- ee Sei — ccm | verteilungs-
reihe |gangsphasen in ccm ge faktor
Ausgangs- | End- ten
Nr. ölig | wässerig phase des Öles
Die Nummern des Stabes 1 beziehen sich auf die zeitlich aufein-
ander folgenden, im Zusammenhang angestellten Reihen solcher und ver-
wandter Versuche, in Übereinstimmung mit der Numerierung der
nächsten Tabelle. In den Reihen 1 bis 5 war die Ölmenge nicht jedes-
mal gewogen, sondern durch Eichung einer Pipette festgelegt worden.
Das aus der in vertikaler Stellung fixierten Pipette binnen 3 Minuten
ausflioßende und austropfende Öl betrug 23,38 g, also 24,48 com. In den
späteren Versuchsreihen wurde die Ölmenge durchwegs wesentlich kleiner
gewählt und jedesmal durch Wägung bestimmt.
Die Versuche ergaben einen ausreichend konstanten Wert
des Verteilungsfaktors von Phenol zwischen Öl und Wasser, im
Mittel 5,58. Diese Tatsache beweist, daß das Phenol sich auch
im Öl, ebenso wie im Wasser in einfacher, echter Lösung be-
findet, und ferner, daß diesem Stoffe in beiden Phasen derselbe
molekulare Aggregationszustand zukommt. Wäre das nicht
der Fall, d. h. wäre die Anzahl der zu einem Molekül ver-
einigten Phenolgruppen in beiden Lösungsmitteln nicht dieselbe,
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 165
so müßte der Teilungsfaktor einen ausgesprochenen Gang zeigen,
der dann durch Anbringung konstanter, dem Aggregations-
verhältnis entsprechenden Exponenten zu kompensieren wäre
A
E — Konstanz, wenn im ersten Lösungsmittel n-fache Kom-
plexe von Molekülen im Vergleiche mit dem zweiten vorliegen).
Es ist also anzunehmen, daß auch im Wasser wie im Öle
mindestens 2 Phenolmoleküle durch ein Hydratwassermolekül,
jedenfalls aber in beiden Stoffen gleich viel solche zu einem
Aggregate vereinigt sind. l
Die festgestellte Zahl stimmt auch mit derjenigen gut
überein, welche Wolffhügel und v. Knorre (11) beim Zu-
sammenbringen von öliger Phenollösung mit Wasser erhielten
und die im Mittel 5,48 betrug. Daß unsere Zahlen mit dem
umgekehrten Vorgange erzielt wurden, beweist wieder, daß es
sich um ein echtes Gleichgewicht handelt, und daß das ab-
weichende Ergebnis jener Autoren bei solcher Arbeitsweise —
wie sie ja selbst vermuten — auf Unvollständigkeit des Pro-
zesses beruht hat.
Zur Kontrolle des Ergebnisses wurden nunmehr auch direkte
‚Bestimmungen des Teilungsfaktors in der angegebenen Weise
vorgenommen. Irgendwelche Mengen von Öl, Wasser und Phenol,
in dicht schließenden Flaschen gemengt, wurden bis zur Er-
reichung des Gleichgewichtes und völligen Trennung der Phasen
dort belassen. In beiden Phasen war sodann unabhängig von-
einander der Phenolgehalt festzustellen. In einem solchen Ver-
suche ergab sich z. B. im Öl 30,073°/, Phenol g/com, im Wasser
5,224°/,. Das Teilungsverhältnis 5,76 zugunsten des Öles ent-
spricht leidlich den indirekt ermittelten Werten der Tabelle II.
In einem anderen Versuche wurde so viel Phenol zugefügt, daß
ein Überschuß davon bleiben und eine dritte Phase bilden
mußte. Nun war, wie bereits oben angeführt, die Volum-
konzentration im Öl 44,34°/,, die im Wasser jedoch 7,44°/,
anstatt der Sättigungskonzentration von 7,83°/,, die erwartet
wurde. Der Teilungsfaktor wird danach für den Sättigungs-
punkt nicht ganz unwesentlich größer, er beträgt 5,96. Der
scheinbare Widerspruch zur Gleichgewichtslehre, die für 2 mit
einem dritten Stoffe gesättigte, also mit diesen im Gleichgewicht
befindliche Phasen ebenfalls das Bestehen von Gleichgewicht
166 H. Reichel:
verlangt, erklärt sich auf einfache Weise. Die Phenolphase ist
nicht dieselbe, ob sie mit Wasser allein oder auch mit Öl in
Beziehung steht, sie löst zweifellos selbst Öl in sich auf und
erniedrigt damit nach allgemein gültigen Grundsätzen ihren
Lösungsdruck für das Wasser. Die gefundene Abweichung hätte
sich danach erwarten lassen. Es darf angenommen werden,
daß auch die Löslichkeit des Hydrates im Öl größer als 44,34°/,
ausfallen würde, wenn nur dieses, nicht auch das Wasser, im
Überschuß zugegen wäre, denn die Phenolhydratphase löst,
wenigstens solange Öl nicht dabei ist, beträchtliche Mengen
Wassers.
Für unsere Zwecke genügt jedoch hier die Tatsache eines
in weiten Grenzen ausreichend konstanten Teilungsfaktors, den
auch die indirekte — rechnerisch zwar kompliziertere, experi-
mentell jedoch vorteilhaftere — Bestimmungsmethode zu er-
mitteln gestattet.
2
Die nächsten Versuche sollten den Einfluß zahlenmäßig
festlegen, welchen die Gegenwart von Kochsalz im zweiphasigen
System: Wasser — Öl — Phenol ausübt.
Die Ausführung der Versuche war der eben beschriebenen völlig
analog, nur kamen wässerige Phenol-Kochsalzlösungen anstatt der reinen
Phenollösungen zur Anwendung.
Die Feststellung der NaCl-Konzentration geschah durchweg mittels
der Mohrschen Titrationsmethode, neben der nur einige wenige Gewichts-
analysen des Chlors zur Kontrolle durchgeführt wurden. Als maßgebend
für die Beeinflussung des Verteilungsverhältnisses des Phenols war natur-
gemäß die Kochsalzkonzentration der Endphase zu betrachten.
Durch einfache Versuche konnte erwiesen werden, daß eine Koch-
salzlösung ihren Gehalt durch Schütteln mit Öl nicht verändert, daß
also NaCl als in Öl praktisch unlöslich aufgefaßt werden darf, demnach
im folgenden nur die NaCl-Konzentrationen der wässerigen Phasen zu
berücksichtigen sind. Gleichwohl durfte der Gehalt an NaCl für die
Ausgangs- und Endphase eines Verteilungsversuches nicht als identisch
angenommen werden, da die Volumverschiebungen durch die stattfindende
Phenolentziehung dafür in Betracht kommen. Für die Ausgangslösungen
war aber die Feststellung dieses Gehaltes (Ak/ccm) für die Berechnung
der Wassermengen erforderlich, und nachdem die — eigentlich gesuchte —
NaCl-Konzentration der Endphase (Ek/ccm) durch die der Ausgangsphase
und die beiden Phenolkonzentrationen eindeutig bestimmt sein mußte,
wurde dieselbe durch Rechnung ermittelt und nicht durch Messung
(Titration) festgestellt, um nicht zwei einander notwendig um die Ver-
suchsfehler widersprechende Daten in die Berechnungen einzuführen.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 167
Für diese war nun zunächst der Einfluß kombinierter Phenol-NaCl-
Gehalte auf das spezifische Gewicht wässeriger Lösungen zu studieren.
Die Abhängigkeit des spezifischen Gewichts reiner NaCl-Lösungen von
ihrem Gehalte erscheint durch die bekannte Tabelle v. Gerlachs aus-
reichend festgelegt; nur war es nötig, die Werte derselben aus g/g Koch-
salz/Gesamtgewioht in g/com umzurechnen.
Stellt man Lösungen gleichen Kochsalz-Volumgehaltes, aber ver-
schiedenen Phenolgehaltes her, so findet man — und zwar auch bei sehr
verschiedenen Werten für beiderlei Konzentrationen — die frühere für
wässerige Lösungen empirisch abgeleitete Regel durchaus bestätigt, so-
bald nur anstatt des spezifischen Wassergewichtes dasjenige der phenol-
freien Salzlösung eingesetzt wird, welches aber seinerseits aus der um-
gerechneten v. Gerlachschen Tabelle (bequemer aus deren graphischer
Darstellung) durch Interpolation entnommen werden kann. Ein Beispiel
eines solchen Versuches möge genügen: 2 Meßkolben zu je 100 ccm
: werden mit je 25 ocm konzentrierter Koohsalzlösung, der eine auch mit
25 com konzentrierter Phenollösung beschickt und bis zur Marke mit Wasser
gefüllt. Es ergeben sich 7,84°/,ige NaCl-Lösungen, deren eine auch
1,96°/, Phenol enthält. Die spezifischen Gewichte sind 1,0541 und 1,0558.
Die Differenz 0,0017, dividiert durch den Phenolgehalt, beträgt — wie in
Tab. I — 0,087.
Nach diesem Schema läßt sich ohne weiteres bei bekanntem Koch-
salz- und Phenolgehalt, also für die wässerige Ausgangslösung, das spe-
zifische Gewicht finden: As — Sp. G.Sp. G.ax/ccem + Ak/com + 0,087 Ap/com.
Anders liegt die Frage nach diesem Werte für die Endlösung, weil
hier die Kochsalzkonzentration von vornherein nicht gegeben ersoheint.
Bekannt, bzw. berechenbar ist hier das Verhältnis NaCl : (NaCl -+ End-
wasser), und zwar ist das Gesamtkochsalz für Ausgangs- und Endlösung
gleichmäßig mit Av >x< Ak/com, das Endwasser +- Kochsalz als Gesamt-
wasser + Kochsalz, also Ae (As — Ap/cem), vermindert um das Hydrat-
wasser des an dasÖl verlorenen Phenols, also 0,0957 Av (Ap/com — Ep/ccm)
anzunehmen, so daß jenes Verhältnis NaCl: NaCl + Ew = Ak/com: [(As
— Ap/ccm) — 0,0967 (Ap/oom — Ep/com)] wird.
Eine einfache Berechnung lehrt nun, wie sich für jeden beliebigen
Fall kombinierter Phenol- und Kochsalzkonzentrationen das spezifische
Gewioht zu demjenigen einer reinen Kochsalzlösung von gleichem Ver-
hältnis NaCl: (NaCl L Wasser) verhält. Z. B.: Das spezifische Gewicht
einer Lë, g/com Kochsalz und 1°/, g/com Phenol enthaltenden Lösung
beträgt: Sp. G. Sp. G.ı7,,, ai, = 1°/o 10/0 = 1,00724 + 0,087-0,01==1,00811,
wobei der Wert für die 1°/,ige Kochsalzlösung aus der umgerechneten
v. Gerlachschen Tabelle stammt. Das Verhältnis NaCl: (NaCl +4 Wasser)
ist hier mit 1,00194°/, g/g zu berechnen, was nach der nicht um-
gerechneten Tabelle einem spez. Gewicht von 1,00732 entspricht.
Die Differenz beträgt 0,00079, also 0,079 für die Einheit des Phenol-
gehaltes. Der letztere Wert erweist sich bei fortgesetzten analogen Be-
rechnungen als völlig konstant, solange nicht der NaCl-; sondern nur
168 H. Reichel:
der Phenolgehalt wechselt: Es ergibt sich auf diese Weise die folgende
Reihe von Konstanten für verschiedene NaCl-Gehalte:
Zuwachs des spezifischen Gewichtes pro
NaCl %/, gjoom Phenolgehalt — k —
0 + 0.087
1 + 0,079
5 + 0,053
10 + 0,025
20 Kë 0,028
30 — 0,083
Für den Wert 0 des NaCl-Gehaltee muß natürlich die Konstante
mit derjenigen der empirischen Gleichung zusammenfallen, oberhalb einer
gewissen Grenze desselben wird sie negativ, weil hier die Salzlösung
wesentlich dichter als das reine Phenolhydrat ist.
Das spezifische Gewicht der Endlösung ist demnach in folgender
Weise zu berechnen: NaCl : (NaCl + Endwasser) wird aus den gegebenen
Maßzahlen nach der gegebenen Formel bereohnet, der entsprechende
spez. Gewichtswert in v. Gerlachs Tabelle gesucht und durch Addition
des Produktes k >< Ep/com auf den Phenolgehalt korrigiert. Zur Auf-
suchung des jeweiligen k-Wertes in vorstehender Tabelle bzw. in ihrer gra-
phischen Darstellung kann, nachdem Ek/ccm vorläufig noch unbekannt ist,
unbedenklich der AusgangskochsalzgehaltAk/ccm verwendet werden, da beide
Zehlen für die Ermittelung dieses Korrekturwertes ausreichend ähnlich
sein müssen. In eine Formel gebracht lautet dann diese Anweisung:
Es = Sp. G. = Sp. G. NaCı/(Nac1 + Ew) + KaAx/ccm - Ep/com
NaCl/(NaCl + Ew)+k Ak/com - Ep/com.
Daraus ergibt sich dann ohne Schwierigkeit der NaCl-Gebalt der
Endlösung Ek/com, weloher als die unabhängige Variable der ganzen
Versuchsreihe zu betrachten ist:
Es — Ep/cem = (NaCl 4- Ew)/com
und [NaCl: (NaCl + Ew)] >< (NaCl + Ew)/ccm = Ek/oom
= Ak/com (Es — Ep/com): [(As — Ap/cocm) — 0,0957 (Ap/oom — Ep/oom)].
Für die eigentliche Verteilungsberechnung wäre es nun, abgesehen
von der Einführung entsprechender spez. Gewichtswerte, noch nötig bei
der Größe der pro Kubikzentimeter anzunehmenden Wassermengen in
Ausgangs- und Endlösung auch das Kochsalz in Reohnung zu bringen,
d. h. anstatt (As— Ap/com) und (Es— Ep/ccm) hier durchwegs (As
— Ap/cem — Ak/ccm) und (Es — Ep/ccm — Ek/com) einzusetzen. Führt
man jedoch diese Operation unter entsprechender Verwertung des obigen
Ek/com-Wertes durch, so ergibt sich als Resultat einiger algebraischer
Operationen derselbe Ausdruck, wie er oben für den Teilungsfaktor NaCl-
freier Phasen entwickelt wurde, der also die Kochsalzwerte überhaupt
nicht enthält. Es ist dies als ein umständlicher Beweis der einfachen,
ja fast selbstverständlichen Tatsache aufzufassen, daß sich der Einfluß
des Kochsalzes auf die Volumverhältnisse der Phasen in den spez. Ge-
wichtsverhältnissen erschöpfend, d.h. vollständig und eindeutig aus-
spricht. Wir sind demnach in der Lage, hier nach demselben Rechen-
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 169
schema wie bei den Versuchen der Tabelle III vorzugehen, sobald nur
die spezifischen Gewiohtswerte und die maßgebende Kochsalzkonzentration
(Ek/com) — nach den genannten Prinzipien — festgelegt sind.
Die Tabelle III umfaßt alle Versuche, welche über die
Phenolverteilung zwischen Wasser und Öl bei Kochsalzgegen-
wart gemacht wurden.
Tabelle III.
ıle|s|«:|s:s|e || se
Volumina der Beat?) Gehalte
0
Phenolgehalte
vi
Ak/ccm | Ek/ccom
2 | 24,48 | 25,00 | 0,9065 | 0,1069 | 4,914 | 4,960 | 842 | 8,30
ai „ „ | 1986 | 0,2490 | 2,428 | 2471 | 701 | 924
„ | 25,58 | 1,986 | 0,2207 | 4,856 | 4,943 | 822 | 7,85
» 128,00 | 1,986 | 0,1469 | 9,712 | 9,906 | 12,54 | 8,18
Al, „ | 1986 | 0,1925 | 7284 | 7416| 935 | 6,97
9 „ | 0,993 | 0,0580 | 14,568 | 14,561 | 14,70 | 6,66
g „ | 1,706 | 0,0743 | 19,31 | 19,63 | 20,88 | 6,73
É „ | 0,768 | 0,0148 | 30,89 | 31,14 | 50,78 | 7,09
sl „ „ 14933 | 0,5284 | 4,661 | 4870| 802 | 7,45
n „ | 3278 | 0,2696 | 9,448 | 9,747 | 11,06 | 6,92
g „ 1 2270 | 0,1333 | 14,51 | 14,85 | 1602 | 7,10
i $ 1,629 | 0,0728 | 19,65 | 19,86 | 21,45 | 6,75
g „ 1 0,7333 | 0,0144 | 30,89 | 31,13 | 50,75 | 7,19
6 | 0,8835 |20,7215| 0,8164 | 0,2298 | 29,61 | 29,79 | 52,57 | 7,53
7 | 3,145 | 20,00 | 4,764 | 1,997 | 5,028 | 5174| 7,37 | 5,39
2863 | „ | 3398 | 1215 | 9.484 | 9,696 | 10,98 | 6,99
2,381 „ | 2194 | 0,6620 | 15,60 | 15,75 | 16,92 | 7,06
1,487 g 1,469 | 0,4745 | 2106 | 2127 | 2489 | 7,03
1,658 i 1,041 | 0,2430 | 26,98 | 27,20 | 36,18 | 6,88
1.259 „ | 0,7367 | 0,1649 | 30,60 | 30,78 | 50,46 | 7,16
Die Nummern der Versuchsreihen bezeichnen wieder die zeitliche
Aufeinanderfolge, bzw. gleichzeitige Anstellung der hier und in Tabelle II
wiedergegebenen Einzelversuche. In den Reihen 1 bis 5 waren die Tem-
peraturen nicht genau beachtet worden, was dann in den Reihen 6 und 7
durchgeführt wurde. In der Berechnung der ersteren ist, wo erforderlich,
die mittlere Zimmertemperatur von 17,50 C eingesetzt. Die hier-
durch entstehenden Fehler können zwar keine sehr bedeutenden sein,
doch möchte in Anbetracht derselben die Genauigkeit der Berechnung
überflüssig erscheinen. Diese wurde trotzdem auch hier in der ange-
gebenen Weise durchgeführt, einmal weil es eher mehr Mühe gekostet
hätte nach verschiedenen Schemen als nach ein und demselben zu
170 H. Reichel:
rechnen, dann aber auch um die Vergleichbarkeit ihrer Resultate mit
den übrigen tunliohst groß zu gestalten, was durch Ausschaltung wenig-
stens aller bekannten Fehlerquellen der Rechnung immerhin gefördert
werden konnte. In den genaueren Versuchsreihen 6 und 7 wurden außer-
dem auch wesentlich kleinere und wechselnde Ölmengen gewählt, um
trotz der mit dem NaCl-Gehalt fortschreitend schlechteren Löslichkeit
des Phenols in Öl, unter Beibehaltung der geschilderten Methodik, mög-
liohst differente Endzustände innerhalb der Versuchsreihe und noch genau
titrierbare Phenolgehalte in der wässerigen Endphase zu erreichen.
Die Tabellenwerte der Kolonnen 2 bis 6 stellen voneinander
unabhängig gewonnene Maßzahlen, die der Kolonnen 7 bis 9
daraus nach den dargelegten Grundsätzen und mit den an-
geführten Hilfsuntersuchungen abgeleitete Rechenresultate vor.
Die Abhängigkeit des Volumteilungsfaktors (Stab 8) von dem
Kochsalzgehalte (Stab 7) festzustellen, war die Aufgabe dieser
Versuche. Die erwartete Steigerung des Faktors mit der NaCl-
Konzentration fällt in allen Versuchsreihen ohne weiteres in
die Augen. Während nach dem früher dargelegten (Tabelle II)
reines Wasser immerhin imstande ist, einer gleich großen Öl-
phase gegenüber mehr als !/, einer gegebenen Phenolquantität
für sich zu behalten, vermag eine 10°/,ige NaCl-Lösung in
gleicher Lage nur rund ?/,„, gesättigte NaCl-Lösung sogar nur
Za an sich zu reißen.
Aus einer kurvenmäßigen Betrachtung der zusammen-
gehörigen Werte beider Variabeln ergibt sich als vermutlich
zutreffende Beschreibung der Abhängigkeit eine Gleichung der
Form:
Fnacı = Fo >< ek X Ek/cem,
d. h. gleiche — in arithmetischer Progression wachsende —
NaCl-Konzentrationssteigungen scheinen verhältnismäßig gleiche,
geometrisch wachsende Erhöhungen des Teilungsfaktors zu be-
dingen. Setzt man in dieser Formel als F,, den Teilungsfaktor
des Öles gegenüber reinem Wasser, die Mittelzahl aus den obigen
Versuchen 5,58, als Fn.a und Ep/com die jeweilig korrespon-
dierenden Werte der Tabelle III, so erhält man die Werte des
Stabes 9 als
p — 2,303 (log Fyacı — log Fo)
Ep/ccm
Die Werte zeigen untereinander eine ausreichende Überein-
stimmung. Die Zahlen für die ersten 2 Versuchsreihen liegen
171
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I.
N
A
í — Geh, SR
| - S S 3 S
PR 7777.77. 777 BOSSO © A0 rk
35
Wall-Geholt % etc
20
. Die im Zusammenhange gewonnenen Werte sind durch
30
35
Kurvenbild 1
Linien verbunden.
172 H. Reichel:
zwar nicht unwesentlich höher als die später gewonnenen, sie
zeigen auch stärkere Schwankungen. Es prägt sich hierin wohl
hauptsächlich die noch mangelnde Übung in der Versuchs-
anstellung aus. Schon die Reihen 4 und 5 ergeben — trotz
fehlender Temperaturkontrolle — durchweg Werte, die sowohl
einander als auch der Mittelzahl aller Reihen recht nahe liegen.
Die Reihe 7 weist neben einem ersichtlich — aber aus un-
bekannter Ursache — falschen Wert durchweg sehr nahe über-
einstimmende Zahlen auf. Das arithmetische Mittel aller Werte
beträgt 7,32; die Hälfte derselben (10) variiert nur in einem
Spielraum von 0,28, und deren Mittel beträgt 7,03, welche Zahl
als wahrscheinlichst richtiger Wert angenommen werden soll.
Ein ‚Gang‘ der Konstante kann mit weitgehender Annäherung
ausgeschlossen werden, wie die Betrachtung der Kurven, be-
sonders aber extrem gelegener Wertpaare — wie des ersten
und vierten Versuches der 4., des zweiten und sechsten Ver-
suches der 7. Reihe — ergibt.
Wir haben demnach in der obigen Gleichung eine hin-
reichend genaue Beschreibung aller Gleichgewichts-
zustände in 2-phasigen — die gasförmige Phase darf hier
vernachlässigt werden — Öl-Wasser-Phenol-Kochsalz-
Systemen gewonnen, die wir in der Folge einerseits zum
Vergleich der Verhältnisse anderer Substanzen heranziehen,
anderseits zu den Gesetzmäßigkeiten physiologischer, besonders
desinfizierender Wirkungen in Beziehung setzen dürfen.
3.
Zur theoretischen Erklärung der hiermit festgestellten Ab-
hängigkeitsform können wieder vor allem die Löslichkeite-
verhältnisse herangezogen werden. Die Löslichkeitsbeeinflussung
durch Lösungsgenossen war wiederholt der Gegenstand eingehen-
der physikalisch-chemischer Untersuchungen.!) Als erster hat
Setschenow (15) für die Abhängigkeit der CO,-Absorption
durch Salzlösungen von deren Konzentration die Beziehung
L=L, ze e kä
aufgestellt, in der L und L, die beeinflußte und unbeeinflußte
Löslichkeit, n die Konzentration des störenden Lösungsgenossen
1) Siehe V.Rothmund, Löslichkeit und Löslichkeitebeeinflussung.
Bredigs Handb. d angew. phys. Chem. 7.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 173
bedeutet. Rothmund und Wilsmore (16) haben aus thermo-
dynamischen Erwägungen die Notwendigkeit gegenseitiger Be-
einflussung in der allgemeinen Form
kuk
In7=Ih-
abgeleitet, die auch Nernst (17) aus theoretischen Gründen
hierfür aufgestellt hat. Hier bezeichnen L und 1 die Löslich-
keiten der beiden einander beeinflussenden, L, und l, die der-
selben, aber unbeeinflußten Stoffe.
Wie ersichtlich, decken sich diese Gleichungen mit unserer
festgestellten Beziehung der Teilungsfaktoren, wenn die einfache
Annahme zutrifft, daß sich beeinflußte und nicht beeinflußte
Faktoren umgekehrt wie die bezüglichen Löslichkeiten verhalten:
Fo: Fnac = Leo: Lo.
Diese Annahme hat aber wieder zur Voraussetzung, daß
sich die Faktoren auch als Verhältniszahl der Löslichkeiten des
Phenols in beiden Phasen berechnen lassen, was nach dem
früher dargelegten wenigstens für die NaCl-freien Phasen, zwar
nicht genau, doch in erster Näherung der Fall ist. Die Löslich-
keit des Phenols in der Ölphase dürfte sich durch NaCl-Gegen-
wart wenig ändern, da dieser Stoff weder wie erwähnt in das
Öl, noch auch, wie besondere qualitative Versuche lehrten, in
die flüssige Phenolhydratphase eindringt.
In mehreren Versuchsreihen über die Löslichkeit des Phenols
in verschiedenen NaCl-Lösungen sollte das Bestehen der ver-
muteten Gesetzmäßigkeit geprüft werden. Die Tabelle IV gibt
dieselbe wider, entsprechend ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge.
Es handelt sich hier teils um Ausgangslösungen der in Ta-
belle III wiedergegebenen Versuche, teils um eigens zu diesem
Zwecke angestellte Beobachtungen. In den Reihen 1 und 2
fehlte noch die in den späteren durchgeführte Temperatur-
kontrolle; jene wurde wieder bei der Berechnung auf 17,5°,
diese entsprechend den obigen Feststellungen auf die jeweilig
bestimmten Zimmertemperaturen bezogen. Die Werte der
Kolonne 4 ergeben sich hier als
— 2,302 (log L, — log Lxacı)
— — — — —
NaCi/com
174 H. Reichel:
Tabelle IV.
ı | 2 | 3 | 4
be | NaCl-Gehalt oi,
Phenolgehalt °/, Konstante
g/ccm k
g/com
N
Cp
GC
Wie ersichtlich sind die k-Werte hier im allgemeinen von sehr
ähnlicher Größe wie in Tabelle III, was bedeutet, daß die vermutete
Beziehung auf die Löslichkeitsverhältnisse in erster Annäherung
tatsächlich zutrifft. Genauere Betrachtung (s. Kurvenbild 1, ge-
strichelte Linien) lehrt jedoch, daß die Werte der Tabelle IV durch-
weg etwas, zum Teil wesentlich höher als die der Tabelle III (aus-
gezogene Linien) sind, sowie daß ein ausgesprochener Gang der
ersteren mit dem Kochsalzgehalte besteht, in dem Sinne, daß den
niedrigen solchen die höheren k-Werte entsprechen. Dies be-
deutet, daß erstens die Löslichkeitserniedrigung des Phenols
durch Kochsalz im allgemeinen eine etwas größere ist, als man
nach den Verteilungsverhältnissen erwarten dürfte, daß zweitens
niedrige Kochsalzgehalte im Vergleich mit höheren eine noch
stärkere Löslichkeitserniedrigung bedingen, als dies in der an-
geführten Gesetzmäßigkeit ausgesprochen erscheint, die für
solche Beziehungen von den genannten Autoren aufgestellt
wurde. Wollte man — was übrigens Nernst sowie Roth-
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 175
mund und Wilsmore tatsächlich tun — das Teilungsverhält-
nis selbst als maßgebend für die Berechnung der Löslichkeiten
betrachten, so wäre das eben dargelegte allerdings als eine volle
Bestätigung der Regel Setschenows für die Löslichkeitsbeein-
flussung durch Lösungsgenossen zu betrachten.
Eine zureichende Erklärung des abweichenden Verhaltens
von Verteilung und Löslichkeit kann hier nicht versucht werden
und würde über den Zweck dieser Arbeit hinausgehen. Es sei
nur daran erinnert, daß auch für NaCl-freie Lösungen das Lös-
lichkeitsverhältnis dem Teilungsverhältnis nicht genau entsprach,
da sich die Wasserlöslichkeit des Phenols im Verteilungsversuche
anders, und zwar niedriger als im Versuche ohne Ölgegenwart
ergab. Diese Verschiebung des genannten Faktors zugunsten
des Öls für den Phenolsättigungszustand, die dort durch den
mutmaßlichen Ölgehalt der Phenolphase erklärt wurde, findet
sich nun hier bei den Kochsalzversuchen in noch ausge-
sprochenerem Maße und verhältnismäßig um so ausgesprochener,
je weniger NaCl vorhanden ist. Auch hierfür dürfte die Qualität
der dritten Phase — des Phenolhydrates — maßgebend sein,
die zwar, wie erwähnt, kein NaCl, wohl aber sehr wahrschein-
lich je nach dem NaClI-Gehalt der wässerigen Phase sehr ver-
schiedene Wassermengen aufnimmt und damit ihren Lösungs-
druck für beide andern Phasen verschiebt. So könnte die
beobachtete Abweichung z. B. dahin gedeutet werden, daß bei
abnehmendem Wassergehalte der Phenolhydratphase die Ol-
löslichkeit dieses Stoffes — wie schon oben vermutet — zu-
nimmt, und daß schon geringe NaCl-Gehalte der wässerigen Phase
einen nennenswerten Wassergehalt der Phenolphase nicht dulden,
welche Wirkung dann durch Erhöhung des NaCl-Gehaltes nicht
mehr stark, wahrscheinlich bis zur völligen Wasserfreiheit in der
Nachbarschaft konzentrierter NaCl-Lösung gesteigert werden kann.
Jedenfalls sind aber diese komplizierteren Verhältnisse
phenolgesättigter Phasen für den Gegenstand der vorliegenden
Untersuchung ohne tieferen Belang, da es sich sowohl in den
zu betrachtenden chemischen als auch in den späteren bakterio-
logischen Versuchen nach der Natur der Anordnung immer nur
um nicht gesättigte Phenollösungen handeln kann, deren Gleich-
gewichtsbeziehungen sich nach den vorstehenden Feststellungen
als einfach überblickbar erwiesen haben.
176 H. Reichel: Die Desinfektionswirkung des Phenols. I.
4.
Anhangsweise wurden einige orientierende Versuche über
die Frage unternommen, ob das hier festgestellte Verhalten des
Olivenöles mit demjenigen solcher fettartiger Stoffe im allge-
meinen übereinstimmt, die in der lebenden Zelle als integrierende
Bestandteile vorkommen. Als deren Repräsentant wurde das
Cholesterin gewählt. Eine einfache Überlegung lehrt, daß im
Falle eines wesentlich abweichenden Verhaltens dieses Stoffes
jeder nennenswerte Zusatz desselben zum Öl den konstanten
Teilungsfaktor verändern, bzw. einen solchen — bei chemischer
Bindung des Phenols — überhaupt nicht auftreten lassen würde.
Allerdings löst sich Cholesterin bei Zimmertemperatur in Öl
nicht leicht. Eine 3,69°/, g/ccm Cholesterin enthaltende Phase
zeigte mit gesättigter Phenollösung geschüttelt einen Teilungs-
faktor von 5,72, bei Gegenwart von 10°/, g/ccm NaCl einen
solchen von 10,73, also völlig übereinstimmende Werte mit den
an reinem Öl gewonnenen. Um auch bei höherer Cholesterin-
konzentration einen Versuch anstellen zu können, mußte bei
hoher Temperatur, als die 100°C gewählt wurde, gearbeitet
werden. Hier war aber sodann auch eine neuerliche Kontrolle
des Faktors für reines Öl erforderlich. Es ergab sich für dieses
ein Teilungsverhältnis von 3,81, für 18°/, g/ccm Cholesterin
führendes Öl ein solches von 4,00, also wieder eine sehr nahe
Übereinstimmung, welche im Vereine mit der oben genannten
die Verwendung des Olivenöles als Stellvertreter der Fettstoffe
des Zelleibes gerechtfertigt erscheinen läßt.
Zur Theorie der Desinfektion.
I. Abhandlung.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I.
Von
Heinrich Reichel.
(Aus dem Hygienischen Institute der k. k. Universität in Wien.)
Mit 3 Kurvenfiguren im Text.
1. Fortsetzung.
Über das gegenseitige Verhalten von Phenol und Eiweiß
und seine Beeinflussung durch die Gegenwart von NaCl
l.
Nach allgemeinen Gleichgewichtsgrundsätzen muß eine für
das Verhalten zweier Phasen gültige Beziehung auch für jede
andere Phase gelten, die überhaupt mit diesen betreffenden
Stoffen in ein analoges Lösungsgleichgewicht gebracht werden
kann, d. h. für jede, die nicht einer der beteiligten Kom-
ponenten gegenüber ein sehr abweichendes Verhalten — z. B.
unbegrenzte Mischbarkeit, Polymerisation, chemische Bindung —
aufweist.
Der lebende Zelleib darf aber heute gewiß!) als ein mehr-
phasiges System betrachtet werden, in dem gelöste und ge-
quollene Kolloidsubstanzen, feste Stoffe und ölige Bestandteile
eine äußerst innige, aber wohl nach strengen Notwendigkeiten
geordnete Vermengung eingehen. So nehmen viele Autoren an,
daß eine ölige Phase als Grenzschicht sowohl nach außen als
auch zwischen eiweißreicheren und -ärmeren wässerigen Phasen
besteht und zur Beherrschung der selektiven Eigentümlichkeiten
1) Spiro, Physikalische Chemie der Zelle. Oppenheimers
Handb. d. Biochem. 2, 1, 1909.
Bioehemische Zeitschrift Band 22. 12
178 H. Reichel:
der einzelnen Bestandteile dient. Jedenfalls spielen aber ölige
Phasen auch in Form von Emulsionen eine wichtige Rolle.
Bei der bekannten großen Wasserlöslichkeit wichtiger fettartiger
Körperstoffe darf vielleicht die Unterscheidung öliger und wässe-
riger Phasen im Protoplasma als nicht scharf durchführbar gelten.
Immerhin müssen wir aber als den Schauplatz oder Träger der
eigentlichen Lebensprozesse eine eiweißreiche, wasserhaltige Phase
annehmen.
Soll nun die Verteilung eines Stoffes zwischen mehreren
Phasen zur Erklärung im weiteren Sinne physiologischer Er-
scheinungen — wie Narkose und Tod — herangezogen werden,
so darf zwar die alleinige Betrachtung der öligen Zellbestand-
teile nach dem Vorausgeschickten als eine erlaübte Verein-
fachung gelten, weil wenigstens aus übereinstimmenden Abhängig-
keiten für Verteilungszustände und Wirkungen ohne weiteres
auf die Anwendbarkeit der ersteren auch auf alle anderen
Phasen des Zelleibes geschlossen werden kann. Freilich darf
bei fehlender Übereinstimmung der Bedingnisse aus einem solchen
Versuchsmateriale nicht ein Fehlen der Wirksamkeit abgeleitet
werden, weil eben die Möglichkeit andersartiger Wirkung in
den verschiedenen Phasen vorliegt. Z. B. könnte die Geschwindig-
keit der Permeabilität eines Stoffes durch die Verteilung be-
herrscht sein, während seine Wirkung auf die Lebensprozesse
davon nicht abhängt.
Es erschien also für diesen Fall, und als kontrollierende
Bestätigung auch für jeden Fall erwünscht, die eiweißreiche
Phase analogen physikalisch-chemischen Untersuchungen zu
unterziehen wie die ölige. Es war aber nach dem Gesagten
damit nicht etwa die Frage zu entscheiden, ob die ölige oder
die Eiweißphase die für die physiologische Wirkung maßgebende
Speicherung des Phenols bedinge, sondern bloß die, ob beide
Arten von Phasen — also alle, die im Zelleib wohl in Be-
tracht kommen — das überhaupt, bzw. ob sie esnach dem-
selben Gesetze tun. Für solche Versuche konnte natives Ei-
weiß wegen der Schwierigkeit der Herstellung zweier trennbarer
Phasen zunächst nicht gewählt werden. Der Verwendung ko-
agulierter Eiweißstoffe stand kein Bedenken entgegen, sobald
eine wesentliche Veränderung des chemischen Verhaltens gegen-
über Phenol bei dem Vorgang der Gelbildung ausgeschlossen
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 179
werden konnte. Der Vergleich mit der lebenden Zelle bezieht
sich ja eben auf die zweiphasige Anordnung, nicht auf den
besonderen Quellungs- oder Lösungszustand der Eiweißstoffe,
der übrigens im lebenden Plasma weder genau bekannt ist,
noch einfach und einheitlich sein dürfte. Auch Leimgele, wie
sie von Hofmeister (18, 19) und Spiro (20) für verwandte
Zwecke benutzt wurden, wären ein brauchbares Material für
solche Versuche gewesen. Ich benutzte ausschließlich hitze-
koagulierte Eiweißgele, und zwar — der Bequemlichkeit wegen
und in Anbetracht des mehr orientierenden als genauen Charak-
ters dieser Versuche — Eiklar und Pferdeserum. Das frisch
koagulierte Gel wurde rasch in leidlich regelmäßige Stücke,
meist dünne Scheiben geschnitten und vor Austrocknung ge-
schützt. Die Abmessung für die einzelnen Versuche erfolgte
durch Wägung.
Was nun zunächst das allgemeine gegenseitige Verhalten
von Phenol und gelöstem, bzw. in Solzustand befindlichem Ei-
weiß anlangt, so findet sich nicht selten (12, 13) die Behaup-
tung einer koagulierenden Wirkung vertreten. Insofern dieses
Wort im Sinne einer irreversiblen Umwandlung eines Sols in
ein Gel gebraucht wird, erscheint aber diese Auffassung nicht
gerechtfertigt. Zwar bewirkt — wie Spiro (20) feststellt —
0,6°/, Phenol in Eiweißlösungen eine Trübung, die bei 1,8°/,
zu dicken weißen Niederschlägen anwächst. Ein bestehender
Niederschlag kann aber durch neuen Zusatz von Eiweißlösung
wieder in Lösung gebracht werden; der Fällungsvorgang ist
also reversibel, so wie die Alkohol- und Salzfällung der Eiweiß-
körper. Andererseits besitzt verflüssigtes Phenol ein beträcht-
liches Eiweißlösungsvermögen; bringt man Eiweißlösung (Serum)
mit genug wasserfreiem Phenol zusammen, so entsteht nach
anfänglicher Trübung der Flüssigkeit bald eine klare Lösung,
die nun auch, ohne äußerliche Veränderungen zu erfahren, ge-
kocht werden kann. Aber auch im Zustand milchweißer Trü-
bung sehr phenolreicher, eiweißhaltiger Gemenge kann durch
mäßiges Erwärmen klare Lösung erzielt werden, die sich dann
beim Abkühlen wieder trübt. Diese Tatsachen sind wohl am
einfachsten dahin aufzufassen, daß sich Phenol und Eiweiß mit
großer Intensität lösen und daß die scheinbare Fällung auf der
Abscheidung einer zweiten flüssigen, an Phenol und Eiweiß
12*
180 H. Reichel:
reichen Phase beruht. Ganz ähnliche Erscheinungen, auf die
Spiro am genannten Orte aufmerksam macht, ergeben sich
auch zwischen anderen aromatischen Alkoholen und Eiweiß,
nur geht bei deren im Vergleich zum Phenol höherer Wasser-
löslichkeit die Zone der Fällung kontinuierlich in die der Lösung
des Eiweißes über. Spiro schließt aus der schweren Auswasch-
barkeit desselben aus Niederschlägen, die in Resorcin-Eiweiß-
lösungen mittels AÄthylalkohols gefällt werden, auf das Bestehen
von Molekularverbindungen, die allerdings durch Kochen mit
Wasser wieder leicht zu trennen sind. Doch erscheint auch
die Annahme echter Lösung, die zwischen Eiweiß und Resorcin
(ebenso Brenzkatechin, Pyrogallol) um vielmal intensiver als
zwischen Eiweiß und Wasser sein müßte, nach diesen Tatsachen
nicht ausschließbar. Vielleicht sind beide Fälle in Wirklichkeit
nicht streng zu scheiden.
Jedenfalls bleibt das ganze Phenol einer Lösung auch bei
Gegenwart von Eiweißstoffen mit der Br-Titrationsmethode be-
stimmbar, wie wiederholte Versuche lehrten. Es ist dabei nur
erforderlich, das Br-Bindungsvermögen der zugefügten Eiweiß-
lösung zu kennen bzw. zu bestimmen. 1 ccm Pferdeserum
bindet in mehreren Versuchen recht nahe 4,82 ccm al, Brom-
lösung; der Br-Verbrauch von Serum-Phenol-Gemischen setzt
sich additiv aus diesem und dem Verbrauch des Phenols zu-
sammen. Fällt man das Eiweiß eines solchen Gemisches
mit (NH,),SO,, so findet sich die Phenolkomponente der Br-
Bindung in Filtrat + Waschlösung, die Serumkomponente im
wiedergelösten Niederschlag. Die Eiweißstoffe halten also das
Phenol nicht fest, und die Brombindung des Serums scheint am
Eiweiß zu haften. Auch hitzekoaguliertes Serum gibt an wässe-
rige Lösungen Br-bindende Substanzen nicht ab. Dagegen
lehrten schon ungefähre Vorversuche, daß Eiklarcoagula die Kon-
zentration von Phenollösungen mehr herabsetzen, als ihrem
Volumen entsprach, und daß sie herausgenommen, an Wasser
relativ viel Phenol abgaben. Der scharfe Gleichgewichtscharakter
dieser Eiweißgel-Phenol-Bindung war aber auch durch exakte
Reversibilitätsversuche zu erbringen. In einigen der quantite-
tiven Versuche, die zur Feststellung der Teilungsverhältnisse
dienten, wurde das durch wiederholte Wässerung der Serum-
Coagulum-Scheiben aus diesen ausziehbare Phenol bestimmt und
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 181
durch eine Bilanzrechnung festgestellt, daß alles zum Versuch
verwendete Phenol auf diese Weise mit ausreichender Genauig-
keit wiedergefunden werden konnte. So ergaben die zwei Ver-
suche der Reihe 4 in Tabelle VII folgende Werte: g Phenol:
l. 2.
angewendet . . . 0,3756 1,5134
wiedergefunden . . 0,3754 1,5091
Die sechs Versuche der Reihe 12 ergaben ähnlich gute
Übereinstimmung.
Schon jene Vorversuche ergaben aber, daB diese Gleich-
gewichte nicht durch einen Adsorptionsvorgang wesentlich
bedingt sein können, da die pro Gramm Coagulum gebundenen
Mengen mit steigendem Phenolgehalte nicht ab, sondern zu-
nahmen. Es muß also zur Erklärung der Erscheinung ein
Lösungsgleichgewicht angenommen werden.
2.
Erscheint es auch nach dem Vorausgehenden berechtigt,
von einer Lösung des Phenols in koaguliertem Eiweiß, von einer
Verteilung des Phenols zwischen Eiweiß und Wasser zu sprechen,
so ist es trotzdem nicht möglich, eine entsprechende Verteilungs-
rechnung auszuführen, solange nicht entschieden ist, welches
Volum als das der Eiweißphase zu gelten hat. Das Volumen
der Eiweißscheiben selbst verändert sich während des Verteilungs-
vorganges nicht unbeträchtlich, je nach der Konzentration der
wässerigen Lösung. Ihr Volumen im Gleichgewichtszustande ist
zwar durch Wägung und Bestimmung des spezifischen Gewichtes
oder durch tunlichst exakte Abmessung der wässerigen Endphase
mit ziemlicher Genauigkeit bestimmbar, doch wäre von vorn-
herein eine Übereinstimmung von Teilungsfaktoren nicht zu er-
warten, wenn die Volumkonzentration des Geles an Eiweiß in
jedem Versuche eine verschiedene ist. Eine Beziehung der ge-
bundenen Phenolmenge auf das Gewicht des Ausgangscoagulums
erscheint untunlich, weil Gewichtsteilungsfaktoren im allgemeinen
ein richtiges Bild der Verhältnisse nicht geben können und
weil in unserem Falle die angestrebte Vergleichung mit den
Ergebnissen der Ölteilungsversuche dadurch unmöglich geworden
wäre.
182 H. Reichel:
Eine ähnliche Schwierigkeit war in der Beurteilung der maß-
gebenden NaCl-Konzentration gelegen: das Salz dringt ja — im
Gegensatz zu seinem Verhalten zum Öl — in das Eiweiß-
coagulum ein, so daß an eine Beeinflussung der Lösungsaffini-
täten beider Lösungsmittel zum Phenol zu denken war, wobei
wieder das Volumen zweifelhaft sein mußte, auf welches die
eingedrungene Salzmenge etwa zu beziehen war. Hier konnte
nur eine nähere Betrachtung der möglichen und tatsächlichen
Quellungsverhältnisse Aufschluß bringen.
Von den drei durch Hofmeister (18) klargelegten Arten
von Quellungswasser organischer Gele war zunächst das capil-
lare Imbibitionswasser für unseren Fall in Betracht zu ziehen,
da das Coagulum als ein gewiß zum Teil offenes Maschen-
und Netzwerk aufzufassen ist. Es war klar, daß dieser Anteil
der im Coagulum befindlichen Lösung im wesentlichen mit der
äußeren Phase in Phenol- und Salzgehalt übereinstimmen muß
und für eine rationelle Verteilungsberechnung zu dieser und
nicht zur Eiweißphase gerechnet werden sollte.
Endosmotische Imbibitions- bzw. Schrumpfungsvorgänge
kamen von vornherein nicht als wahrscheinlich in Betracht, da
die Existenz abgeschlossener Flüssigkeitsrräume (Waben) im
Hitzecoagulum kaum anzunehmen sein dürfte.
Solche Vorgänge würden eine zweite, von der äußeren ab-
weichende wässerige Phase bedingen, welche in emulsionartiger
Form im Eiweißgel befindlich zu denken wäre, wodurch die
Betrachtung der Verteilungsverhältnisse sehr wesentlich kom-
pliziert werden würde. Allerdings wäre für einen solohen Gleich-
gewichtszustand auch noch eine völlige Impermeabilität des Gels
für einen der Lösungsstoffe erforderlich, und eine solche könnte
schon nach den Vorversuchen nicht für das Phenol, sondern
nur für das NaCl in Frage kommen.
Das echte Quellungs- oder molekulare Imbibitionswasser
endlich ist offenbar allein als in der Eiweißphase gelöst, also
für deren Volumen und sonstige Eigenschaften maßgebend zu
betrachten.
Zur Berechnung der Teilungsfaktoren war es also nötig,
den Anteil dieser drei Arten von Quellungswasser am Wasser-
gehalt unserer Eiweißcoagula zu bestimmen, oder doch über
denselben brauchbare Annahmen zu machen.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 183
Zunächst konnte die Mitbeteililgung endosmotischer Quel-
lungsvorgänge durch die einfache Feststellung mit Sicherheit
ausgeschlossen werden, daß unsere Serumcoagula ihren natür-
lichen Cl-Gehalt an wässerige Lösungen vollständig abgeben.
Dies wurde an einem Teile der später anzuführenden Phenol-
verteilungsversuche, uud zwar den 10 Versuchen der Reihen 2
und 3 der Tabelle VII, sowie auch ohne Phenolgegenwart im
ersten Versuche der Tabelle VI durch Ci-Titrationen der vorher
Cl-freien wässerigen Phasen festgestellt. Der Gehalt des Aus-
gangsserums berechnet sich danach mit 0,55 bis 0,60°/, NaCl,
was den für Pferdeserum in der Literatur vorliegenden Daten (21)
gut entspricht.
Zur Ermittlung der Mengenverhältnisse von capillarem und
molekularem Quellungswasser im Coagulum sollten Versuche
dienen, in denen bestimmt wurde, wie sich der NaCl-Gehalt
einer gemessenen Lösung durch Einbringen gewogener Mengen
des Coagulums ändere. Auf die dabei stattfindenden Volum-
und Gewichtsverschiebungen des letzteren selbst wurde zunächst
nicht geachtet. Wenn nun in solchen Versuchen aus dem
spezifischen Gewicht, dem Kochsalzgehalt und dem Volumen
der Ausgangslösung, dem Gewicht, dem Wasser und dem Koch-
salzgehalt des Coagulums das Verhältnis des gesamten vor-
handenen NaCl zum gesamten Wasser gebildet wurde, so ergab
sich eine nahe übereinstimmende Zahl, wie sie aus spezifischem
Gewicht und NaCl-Gehalt der Endlösung für das tatsächliche
Verhältnis NaCl: Wasser in der Lösung zu finden war. Als
Beispiel solcher Untersuchungen mögen die zwei Versuche der
Tabelle V dienen. Der Wassergehalt des Coagulums war hier
mit 90,43°/, bestimmt worden.
Tabelle V.
| 4 | 5
NaCl-Gehalt
Die g/oom
1 2,1213 10 4,94 4,18 4,29 4,24
2 2,5719 10 31,36 25,90 28,08 28,46
184 H. Reichel:
Das Ergebnis würde — vorausgesetzt, daß die Genauigkeit als
genügend zu betrachten ist — besagen, daß sich das ganze Wasser
des Coagulums gleichmäßig an der Verdünnung der damit in Be-
rührung tretenden NaCl-Lösung beteiligt, das Eiweiß selbst aber
kein NaCl in irgendwelcher Weise bindet. Jedenfalls muß aber der
weitaus üherwiegende Anteil des Quellungswassers an der Lösung
des Kochsalzes teilnehmen und ein wesentlicher Salzverlust der
Lösung durch Bindung an das Eiweißgel kann ausgeschlossen
werden. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt Hofmeister (19)
in seinen bekannten Untersuchungen über das Verhalten von
Leimplatten in Salzlösungen. Der Salzgehalt der die Leim-
scheiben durchtränkenden Lösung ist im Gleichgewichtszustande
ebenso hoch oder nur wenig niedriger als der der Außenflüssig-
keit. Es erscheint nicht unberechtigt, die Erreichung eines
solchen Zustandes als das gemeinsame Ziel sehr mannigfaltiger
Quellungs-, Schrumpfungs- und Selektionsvorgänge an den Scheiben
in verschiedenen Salzlösungen aufzufassen.
Die einfachste erklärende Vorstellung wäre gewiß die, daß
eine — wenigstens bei Salzgegenwart — äußerst wasserarme
Eiweißphase salzfrei bleibt, und durch ihre Oberflächenentwick-
lung ein gewisses Lösungsquantum capillar zu tragen vermag,
oder daß unter solchen Umständen der molekulare neben
dem capillaren Imbibitionsvorgang quantitativ vernachlässig-
bar sei. Der häufig bei Hofmeisters Versuchen etwas niedriger
liegende Salzgehalt der Innenlösung könnte danach für einen
in diesen Fällen schon in Betracht kommenden Gehalt der Ei-
weißphase an echtem — salzfreiem — Quellungswasser verwertet
werden.
Bemerkenswerterweise erscheint dort der Grad der Über-
einstimmung von Innen- und Außenlösung abhängig von der
Natur des verwendeten Salzes (Lyotropie, s. S. 154, Anm.) und
für kein anderes Salz so vollkommen als für Kochsalz. Daß
für andere Gele auch weit größere Abweichungen in demselben
Sinne zwischen Außen- und Innenlösung bestehen können, geht
aus den Untersuchungen Spiros (20) über die Zusammen-
setzung ausgesalzener Eiweiß- und Leimphasen hervor. Die
Genese der Gele und vor allem die wasseranziehende Kraft der
Salze dürfen dafür als ausschlaggebend gedacht werden.
Auch Pauli (22) unterscheidet einen überwiegenden locker
Die Desinfektionswirkung des Phenols, II. 185
und einen sehr kleinen fest gebundenen Teil des Imbibitions-
wassers organischer Kolloide, wovon er den ersten als eigent-
liches Quellungswasser bezeichnet, den letzteren mit dem hygro-
skopisch ersetzbaren Wasser identifiziert. Es wäre denkbar,
daß der Grad der Leichtigkeit der Reversion eines Gelbildungs-
vorganges von der Menge dieses fester an das Kolloid ge-
ketteten Wassers abhängt. Danach möchte die entwickelte
Vorstellung einer trockenen, mit Lösung capillar imbibierten
Kolloidphase für unsere irreversiblen Hitzecoagula vielleicht am
nächsten, und wohl auch ohne Salzgegenwart in ähnlicher Weise
zutreffend sein. Die Vernachlässigung des molekularen Quel-
lungswassers und die Annahme wirklicher Salzfreiheit der Kolloid-
Trockenphase bietet aber die einfachsten Grundlagen für eine
exakte Verteilungsberechnung, welche noch dazu in allen wesent-
lichen Punkten mit denen bei der Öl-Wasser-Verteilung über-
einstimmen, so daß unter diesen Annahmen eine völlig analoge
Berechnungsweise Platz greifen kann.)
Jede andere mögliche Deutung der obigen Tatsachen
müßte von der Vorstellung ausgehen, daß die Eiweißphase eine
der äußeren und capillar-imbibierten Phase sehr ähnliche Lösung
als echte Quellungsflüssigkeit in sich aufnehme. Berechnungs-
grundlagen für eine Volumverteilung scheinen auf diesem Wege
nicht auffindbar, es wäre denn, daß die capillare Imbibition
als überhaupt vernachlässigbar gedacht werden dürfte. Jeden-
falls erscheint aber die andere Auffassungsweise für unseren Fall
plausibler und — mindestens heuristisch — besser verwertbar
als diese.
Ein genaues Studium der bezüglichen Vorgänge war aber
erwünscht, um die Widerspruchsfreiheit der gemachten Annahmen
zu sichern. Es wurden zu dem Zwecke in den Rahmen einer
größeren Reihe von Phenolverteilungsversuchen auch einige reine
Salzversuche einbezogen und alle einer besonders exakten Be-
obschtung auch hinsichtlich der Quellungsverhältnisse unter-
1) Die Vorstellung von einer echten Lösung in einer trockenen,
also festen Phase darf bei der ausgedehnten und erfolgreichen Anwendung
des Begriffes der festen Lösung in physikalischer Chemie und Technik
nicht befremden. Übrigens dürfte für trockene Kolloide ein amorpher
&gregatzustand anzunehmen sein, der ja dem flüssigen in mancher Rich-
tung näher steht als dem festen;
186 H. Reichel:
zogen. Die dabei für die Phenolverteilung gewonnenen Resultate
finden sich in Tabelle VII, 12 wiedergegeben, während das Ver-
halten der Eiweißscheiben in Tabelle VI zusammengefaßt er-
scheint.
Die Stäbe 2 und 3 geben die Phenol- und Salzgehalte der wässe-
rigen Gleichgewichtephase konform mit den Daten der Tabelle VII, 12.
Die geringen Salzgehalte der Endlösungen 1, 5, 8 und 10 stammen aus
dem Coagulum. Ein Drittel dieser geringen Salzmenge, welche auch
für die anderen Versuche berücksichtigt wurde, ist nicht als NaCl
zu betrachten und ist in die Berechnung von Stab 4 und 5 nicht ein-
bezogen.
Es zeigt sich zunächst, daß hier die Übereinstimmung zwischen
dem berechneten und dem gefundenen Verhältnis NaCl: Wasser
(Stab 4 und 5) eine sehr weitgehende ist. Die geringen Ab-
weichungen charakterisieren sich schon durch ihre Verteilung
nach oben und unten als zufällige Fehler. Die obige Schluß-
folgerung, daß durch die Gegenwart der Eiweißphase der Lösung
weder Salz noch Wasser in meßbaren Mengen einseitig entzogen
werde, ist damit voll zu bestätigen.
Zur Kontrolle der Quellungsverhältnisse wurde das Volumen der
wässerigen Endphase durch Pipettenmessung tunlichst genau bestimmt,
Trotz aller Vorsicht kann diese Methode freilich im Vergleich mit den
übrigen Maßzahlen der Versuche nur recht ungenaue Werte liefern,
die aber für einen allgemeinen Überblick der herrschenden Beziehungen
ausreichend sind. Den daraus abgeleiteten Zahlen der Stäbe 7 bis 13
kommt aber infolgedessen durchweg nur der Charakter von Näherungs-
zahlen zu.
Es ergibt sich ferner, daß eine sichere Veränderung des
Volums der wässerigen Phase in den zwei ersten Versuchen nicht
beobachtet werden konnte, während dasselbe in allen folgenden
zugenommen hatte (Stab 6).
Die Volumvermehrung der freien Lösung wurde direkt als Volum-
verminderung des Coagulums betrachtet und als prozentische Abnahme
(Stab 7) wiedergegeben. Damit erscheinen allerdings die stattgehabten
Verschiebungen der Lösungskontraktion in beiden Phasen vernachlässigt,
was aber im Zusammenhang mit der geringen Genauigkeit der Daten
berechtigt ist.
Die entsprechende Abnahme der Coagula (Stab 7) erscheint
unter dem Einflusse des Salzes weit geringer als unter dem des
Phenols. Reine NaCl-Lösung verursacht selbst in einer Kon-
zentration von 25°/, g/ccm erst 13°/, Volumverlust, während
eine fast salzfreie Phenollösung schon bei 2,7°/, g/ccm einen
187
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II.
GE L'88 SLL 0810 | ZELO |9810 ol
SÉ gé Log go 698°9 | L06ʻ9 | 159‘9 6
9977 626 118 ZETO | EETO | E6T'O 8
GES > 16 ON SEU rg Log) L
*691 Log 0‘88 9639 |3639 | Z619 9
FU Ot Se 0'16 1910 |0910 | LEZO 9
9°901 SES *
L ont 6 68 £
E Lë ‘16 S
SE Leg I
(ewou 3'46) | (wwıou z'eo) BE GER e
a 1I0X | '‘3eoopug qomman ay
aoalououa Zooopez Ay woo/woo fl | cseqd
Jop sne wo0/3 Die mool? "ie 2/3 °)o sunpn3eog | -pug
mool 94, swnfndeog) | swnin3eog səp 10p
opggd BEES sop 10403 ap Zuniepug |wnjoA
-USXOOLL aop — “T9888 M — -umjoA
yeganga dek) sT SIAS)
mn jJalalu|l a | œ e | : [>o]?
/s10E'0 = eyosy erspuy
*/809'0 = Dad
TL Lëgrog = Neyadıasse M Honger woo OT yu wnnBeogy He mgo
TA OABL
188 H. Reichel:
Verlust von 19°/,, bei 5,1°/, einen solchen von 53°/, des Volums
bedingt. Kombinierte Lösungen von Salz und Phenol befördern
die Schrumpfung weit mehr als eine einfache Superposition
beider Einzelwirkungen erwarten ließe.
Die Gewichtsverhältnisse ließen sich annähernd berechnen, indem
die Summe aller anwesenden Lösungsstoffe (Wasser, Salz, Phenol)
um das Gewicht der freien Lösung — als spezifisches Gewicht >< Volum
— vermindert und um das Eiweißtrockengewicht vermehrt wurde. Als
solches wurde — unter Vernachlässigung der übrigen organischen Serum-
bestandteile — der Trockenrückstand des Coagulums nach Abzug der
Salze aufgenommen.
Die prozentische Gewichtsänderung (Stab 8) der Coagula
verhält sich in allem der Volumänderung sehr ähnlich, mit
der einen Ausnahme, daß reine Salzlösungen überhaupt keinen
nennenswerten Gewichtsverlust — bei mittlerer Konzentration
sogar einen geringen Gewichtsgewinn — hervortreten lassen.
Es liegt nahe, diese Ergebnisse dahin zu deuten, daß im
Coagulum zunächst ein gewisser Raum für imbibierte Außen-
lösung zur Verfügung steht, der bei steigendem Salzgehalt sich
zunächst mit dem gleichen Volum der immer schwereren Lösung
füllt, daß aber bald die maximale Gewichtstragkraft des Co-
agulums erreicht wird, die sich dann unter entsprechend fort-
schreitender Volumverminderung auch bis zu hohem Salzgehalte
hinauf in fast unverminderter Stärke betätigt. Dagegen scheint
das Phenol von vornherein diese Tragkraft des Coagulums zu
beeinträchtigen, und es scheint hierin von dem allein wirkungs-
losen Salz wesentlich unterstützt zu werden. Die Tatsachen
bekräftigen also die oben entwickelte Vorstellung, daß das Salz
mit dem Eiweiß nicht direkt in Beziehung tritt. Das Phenol
tut das aber offenbar in hohem und bei Salzgegenwart in noch
vermehrtem Maße, was die in Frage stehende Vermutung über
die Phenollösung durch Eiweiß und die analoge Beeinflussung
derselben durch NaCl wie beim Öl — vorläufig qualitativ —
bestätigt.
Die in mittleren reinen Salzlösungen anscheinend erhöhte Trag-
fähigkeit des Coagulums könnte mit der von Hofmeister (19) beob-
achteten erhöhten Quellbarkeit von Leimscheiben in ebensolchen Salz-
lösungen in Zusammenhang gebracht werden. Die Steigerung ist aber dort
eine bei weitem größere als in dem vorliegenden Versuche. Ihr entspricht
eine Erhöhung des Wassergehaltes, die hier fehlt (Stab 9). Die Möglichkeit
einer echten Tragkrafterhöhung dürfte von der Elastizität, und damit
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 189
von der Vorgeschichte des Gels abhängen. Das Hitzecoagulum vermag
wohl infolge geringer Elastizität in schwachen Lösungen seine Tragkraft,
nicht völlig auszunutzen und damit muß diese geringer erscheinen. Jeden-
falls sprechen aber Erhöhungen derselben überhaupt nicht wie ausgeprägte
Erniedrigungen für eine intensivere Lösungsbeziehung zwischen Gel und
Lösungsstoff.
Der Volumgehalt des Coagulums an Wasser (Stab 9) konnte
aus der Differenz des angewendeten Gesamtwassers und des
freien Wassers berechnet werden. Dasselbe nimmt auch in
reinen Salzlösungen mit steigendem Gehalt ständig ab, was
schon nach dem Verhalten des Volumens zu vermuten war.
In gleicher Weise‘ wurde der Gehalt an Lösungsstoffen im
Coagulum ermittelt und im Verhältnis zum Volumen desselben
(Stab 10) sowie zum Gewicht des Trockeneiweißes (Stab 12)
wiedergegeben. Die letztere Reihe zeigt für die reinen Salz-
lösungen — entsprechend dem Verhalten der Gesamtgewichte —
nahezu Konstanz, die erstere einen ziemlich gleichmäßigen
Anstieg. |
Die Zahlen der phenolhaltigen Reihen weisen überall das
schon beim Volum erörterte Verhalten auf. Ein quantitatives
Erfassen dieses letzteren war nach dem Gesagten durch eine
Beziehung auf den Phenolgehalt der wässerigen Lösung nicht
möglich, viel eher von einer solchen auf den Phenolgehalt des
Coagulums selbst zu erwarten.
Die Phenolkonzentrationen auf die Lösungsstoffe im Coagulum so-
wobl als auch auf dieses selbst berechnet, waren ja wesentlich größer
als die der freien Lösung, und selbst wieder vom Salzgehalt der letzteren
abhängig. Doch ergaben auch diese Größen, als unabhängige Variable
betrachtet, keine einfach überblickbaren Verhältnisse der einzelnen Zu-
stände; d. h. Größe, Gewicht, Wasser- und Lösungsgehalt der Coagula
sind auch von diesen Werten nicht einfach abhängig. Dies war jedoch
auch nicht anders zu erwarten, da eine gleichmäßige Verteilung des
am Coagulum haftenden Phenols über die imbibierte Lösung oder über
das ganze Coagulum als äußerst unwahrscheinlich gelten muß.
Schon nach dem bisher Entwickelten muß aber die Vor-
stellung als die plausibelste bezeichnet werden, daß die imbibierte
Lösung gleichen Phenolgehalt wie die Außenlösung besitze,
während der Rest des am Coagulum gebundenen Phenols als
im Eiweiß, und zwar im annähernd wasserfreien Eiweiß, gelöst
zu betrachten sei. Eine rationelle Beziehung war danach am
ehesten zwischen den genannten Quellungszuständen und der
190 H. Reichel: |
— allerdings hypothetischen — Volumkonzentration des Phenols
in der wasserfreien Eiweißphase zu erhoffen.
Jene Zustände waren für diese Berechnungsweise nicht anders als
für die bisherigen einzusetzen, mit Ausnahme der Lösungsgehalte der
Coagula, welche um den Teil des Phenols vermindert werden mußten,
der als an das Trockeneiweiß gebunden zu betrachten war. Dieser
Korrekturwert war leicht aus dem Verhältnis Phenol:Wasser in der
wässerigen Endphase und dem Wassergehalte der Coagula zu schätzen
und in Anrechnung zu bringen. Die Stäbe 11 und 13 enthalten die ent-
sprechend korrigierten Werte, d. h. also die mutmaßlichen Mengen der
mit der Außenlösung übereinstimmenden Lösung im Coagulum.
Der Phenolgehalt der Eiweißtrockenphase dagegen wäre auf diesem
Wege nur sehr ungenau berechenbar gewesen. Auf Grund der wiederholt
erörterten, hier auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfenden Annahme wurde
jedoch dieser Wert im Rahmen der unten darzulegenden .Phenolver-
teilungsrechnung unabhängig von den Volummessungen der wässerigen
Endphase — also wesentlich genauer — ermittelt, und er kann dem-
nach hier ohne weiteres als unabhängige Variable Anwendung finden.
Diese Volumberechnung ist naturgemäß von den genannten Hypothesen
über die Art des Gelzustandes unserer Coagula nicht unabhängig. Als
Eiweißtrockenvolumen wird die Differenz des Gesamtvolumens und des
Lösungsvolumens des Ausgangscoagulum angenommen. Es ergibt sich
bei Serum — Coagulum im Mittel als 6,4°/,, in unserem Falle 6,318°/, des
Ausgangsgewichtes im Kubikzentimetern. Daß bei vielen Quellungsvor-
gängen starke Kontraktion nachgewiesen wurde, beweist nichts gegen
die Stichhaltigkeit dieser Annahme, da es nach dem Gesagten zweifellos
Gele gibt, für die sie nicht oder nicht so gut wie für unsere Hitze-
coagula zutrifft. Das aus der Lösung verschwundene Phenol wird seinem
Hydratvolum nach zu dieser Trockenphase addiert, wobei das Verhalten
des Phenols zum Öl auch hier als gültig vorausgesetzt ist.
Stab 14 enthält die entsprechenden aus der Verteilungs-
berechnung entnommenen Werte dieser Trockenphasenkonzen-
tration. Während nun Volum, Gewicht, Wasser- und Lösungs-
gehalt pro Gramm Trockeneiweiß, auch als Funktion dieser
Variabeln betrachtet, einheitliche Beziehungen der Werte bei
graphischer Betrachtung nicht hervortreten lassen, ist dies für
die auf das Coagulumvolumen bezogenen Wasser- und Lösungs-
gehalte tatsächlich in einem Maße der Fall, das für so un-
sichere Zahlenwerte als ausreichend bezeichnet werden darf.
Die graphische Darstellung dieser Abhängigkeit zeigt, besonders
deutlich für die Volumwassergehalte (Kurvenbild 2), eine ein-
fache Summierung der Wirkungen des Salzgehaltes der wässe-
rigen und des Phenolgehaltes der trockenen Phase. Die Be-
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 191
ziehungen lassen sich in diesem Falle — natürlich nur in grober
Annäherung — dahin ausdrücken, daß die Wassergehaltsabnahme,
welche das Coagulum in einer Salzlösung durch das Auftreten
des Phenols erfährt, der 1,5. Potenz des Phenolgehaltes der
Trockenphase proportional sei. Der annähernde Parallelismus
der 3 ausgezogenen Kurven-
züge, welche die Werte gleichen III]
Salzgehaltes verbinden, läßt er- | pe
kennen, daß damit der Einfluß
oe aks Noaguhuns E g/m
EENEG ur ae 700 SE
714
| IR
| | IR |
— | | d |
— SZ |
I — | Lee CL ;
S
© x
<7 = ER
$ |
| | S | |
— —
| EEE | | N |
| | i j | i
| | | | |
| | | | | |
| | | |
wl Abesohgehalt der Trocken % Aë BA La olgehal der Ir hase Wen!
50 50
” 20 30 40
u Nall-Gehal der wässer Phase % gem
5 10 15 20 25
Kurvenbild 2. Kurvenbild 3.
des Salzes in phenolhaltigen Lösungen recht erschöpfend aus-
gedrückt ist. Ähnlich verhalten sich die Kurven des Lösungs-
gehaltes (Kurvenbild 3), deren Betrachtung vielleicht von theo-
retischen Gesichtspunkten aus richtiger wäre. Sie sind durch
"eine formal gleichartige Beziehung auszudrücken, in der sich
die Exponenten dem Werte 2, d. h. die Kurven der Parabel-
form nähern. Doch ist im einzelnen hier die Übereinstimmung
eine minder gute, besonders zeigt der NaCl-reichste Wert einen
noch immer zu großen Lösungsverlust. Die gestrichelten Linien
der Kurvenbilder zeigen das Verhalten des Coagulums in
phenolfreien Salzlösungen. |
Die Tatsache, daß sich die Beziehungen dieser Werte ein-
fach überblickbar gestalten, darf immerhin für die Richtigkeit
e, Aë 30 40
x----« Mall -Gehalt der wässer Phose Vo gf/cem
5 10 15 20
25
192 H. Reichel:
oder doch Brauchbarkeit der zugrunde liegenden Annahmen
verwertet werden.
3.
Die auf diesen Grundlagen aufbauende Verteilungsberechnung
selbst erstreckt sich auf 40 Einzelversuche, die in 12 Reihen
gruppiert mit Serumcoagulum durchgeführt wurden und deren
wesentliche Daten und Ergebnisse in Tabelle VII geordnet
erscheinen.
Die durch Messungen im einzelnen Falle ermittelten Werte sind
von den als Mittel aus anderen Versuchen angenommenen oder aus
bereits wiedergegebenen Daten durch reine Rechenoperationen gewonnenen
Zahlen durch den Druck unterschieden.
Die Nummern des 1. Stabes kennzeichnen die zeitliche Reihenfolge
der angestellten Untersuchungsreihen. Die Temperatur (Stab 2) wurde
in den anfänglichen Versuchen nicht genau kontrolliert und ist für
diese mit 17,50 C angenommen, später wurde sie innerhalb der einzelnen
Reihen teils absichtlich stark variiert, teils bei 17,5 oder 15° C konstant
erhalten. Stab 3 bis 7 gibt die für die Berechnung wesentlichen Daten
über das verwendete Coagulum. Der Wassergehalt wurde für die
Reihen 1, 11 und 12 bestimmt, bei den übrigen als Mittel der drei Be-
funde angesetzt. Der Salzgehalt des Serums wurde in den Versuchs-
reihen 2, 3 und 12 kontrolliert, sonst mit 0,90°/,, davon 0,60°/, NaCl
angenommen. Das spezifische Gewicht des Coagulums ist in der
L Reihe mittels des Pyknometers, in der 2. mit der Mischmethode ge-
prüft, in den Reihen 11 und 12 aus dem Vergleich des Wassergehaltes
mit dem Coagulum der Reihe 1 berechnet, sonst mit 1,0321 als Mittel-
wert angenommen. Der Wert für Trockeneiweißvolum pro Gramm Aus-
gangscoagulum (Stab 7) ergibt sich aus den jeweiligen spez. Gewichts-,
Wasser- und Salzgehaltswerten in der dargelegten Weise. Der Meßfchler
des wässerigen Ausgangsvolumen (Stab 8) konnte nach wiederholten
Eichungen der benutzten Pipetten nur einen Bruchteil von 0,01 com
betragen. Die Phenol- und Kochsalzwerte wurden in der für die Ölver-
suche beschriebenen Weise durch Titration ermittelt. Filtration der
Endphase war auch hier nötig, um Br-Verlust durch mitgerissene
Coagulumstückchen zu vermeiden. In den angegebenen Gleichgewichts-
Salzgehalten (Stab 12) sind durchweg auch die anderen Salze des
Serums als NaCl mitgerechnet, da der Unterschied ihrer Wirkung auf
die Verteilung nur einen geringeren Fehler als ihre Vernachlässigung
bedingen kann. Ihre Menge ist überall als die Hälfte (21) der festge-
stellten oder angenommenen Serumkochsalzmenge eingesetzt. In den
Reihen mit Salzzusatz wurde bei 11 und 12 der NaCl-Endgehalt der
wässerigen Phase ebenfalls bestimmt und mit dem der Ausgangsphase
zu einer Kontrolirechnung der NaCl-Verteilung benutzt, deren Ergebnis
für Reihe 12 in Tabelle VI wiedergegeben wurden, für Reihe 11 ähnlich
gut übereinstimmende Werte ergab. In den Reihen 9 und 10 wurde
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 193
Tabelle VII.
je|s|=]j5|e I7]|s|s |o|n|m|n|u
$ 8 E Phenolgehalt N SL Gehalt Volumver-
JE aplat Cl air
F S d Ge- = g 5 3o Trocken-
S 2 wi 3 ze g S eiweiß
F s g 3 P EE S Wasser
> =S js
Nr.
3,48921 90,434| 0,90 | 1,0313| 6,2631 20,00| 2,003 | 1,570
4,2231 n n „ nm „ 7,563 | 5,258
4,6651| 90,347| 0,90 | 1,0320| 6,3181 ,, | 0,9854| 0,7459
3,6982) „ S R „ | „ 11964 |1,538 | —
3,8773 „ S 8 „ | „ 14665 |3,388 | —
3,571 n n n `j » „ 7,561 | 5,439 —
7,0915| 90,277) „ |1,0321 6,3801, |0,5262| 0,3550} —
3212] „ S S „ 1» 10,9893| 0,8227] —
1,9073 n n ”„ „ „ 1,891 —
8,5548 ,„ S S ” |? 13,606 12,087 | —
8,5970 „ $ Bi „ | „ 14545 |2,642 | —
1,6392 n n d 1) „ 7,308 | 4,226
9,2846) „ 10,90) „ „ | » (1878 | 1,120
7,6393) „ 8 e „1 » 17567 46711 —
11,0467| „ P e , LU, 17593 |3,749 | —
11,9581 9 n E 39 19 7,593 3,642 —
6,7939 n n 19 „ 99 0,471 0,33 —
6,8123 n ” IN „ „ 0,941 0,6513 —
6,7122): „ 5 „ | „ 11882 |1,340 | —
0,941 | 0,3934] —
1,878 | 1,064
1,878 | 1,078
7,148 | 3,575
7,148 | 3,661
0,7903! 0,2425| 28,67 | 17,256|28,44| 8,46
1,256 | 0,7695| 4,740! 3,754|10,67| 8,01
1,306 | 0,7367| 10,483! 8,074|14,70| 8,34
1,232 | 0,5985| 19,19 | 14,618125,34| 9,07
0,7695| 0,3272| 30,24 | 25,013|56,62\ 9,77
1,345 | 0,8198] 5,266! 4,147| 9,47| 7,07
7,68
1,371 0, 6101] 21, ‚06 16, 266 24, 53| 8,38
0,7141| 0,2878 30, ‚10 | 22,673|37,58| 7,64
1,938 | 1,295
3,877 | 2,687
7,573 | 5,097
1,868 | 1,136 ; , 5
1,786 |0,9933| 16,31 | 13,197]22,94| 9,07
3,621 | 2,217
Biochemische Zeitschrift Band 22. 13
194 H. Reichel:
die Berechnung nach ganz analogen Prinzipien wie bei den Ölversuchen
durchgeführt. Dabei waren die Gesamt-Salz- und Wassermengen um
die aus dem Coagulum stammenden Mengen zu vermehren; für
die nur bei einigen Versuchen überhaupt in Betracht fallende Korrektur
auf das verlorene Phenolhydratwasser durfte die annähernd verlorene
Phenolmenge als Differenz des Gesamtphenols (Av >x< Ap/ccm) und des
Produktes des Endphenolgehaltes mit der Summe von Ausgangsvolum
und Coagulumwassergewicht — anstatt des Coagulumlösungsvolums —
also: Ep/ocm (Av--Cw/g Cg) angesetzt werden.
Diese beiden gleichen Korrekturrechnungen waren als erschöpfender
Ausdruck der gegenüber den Ölversuchen geänderten Bedingungen auch
in die Berechnung der Teilungsfaktoren einzuführen, die sich naturgemäß
wieder nach einem für salzhaltige und salzfreie (bzw. -arme) Versuche
formal übereinstimmenden Schema, hier:
Trockeneiweiß
F (= — ) = Ep/cem
Tv/g-Cg Es— Ep/ccm
E BB EC HR + 1,0258
(Ap/ccm - Es — Ep/com - As) — Ep/com - — (Cw/g + Ck/g) +
-+ 0,0957 Ep/com (Ap/ccm — Ep/cem — Ep/cem-Cw/g-Cg/Av)
gestalten ließ.
Reduzierter Tulungsfahlor -
6 5
Phenolgehe# % gës
x Versuche mit NaCl-Zusatz. o Versuche ohne NaCl-Zusatz, daneben die NaCl-Gehalte
in °/,g/ccm, im Zusammenhang gewonnene Werte sind verbunden.
Kurvenbild 4.
Ein Überblick über die Ergebnisse dieser Rechnung
(Stab 13) lehrt zunächst für die Versuche ohne Salzzusatz im
großen und ganzen das Zutreffen einer Übereinstimmung der
Teilungswerte für verschiedene Phenolgehalte der Lösung. Bei
genauerer Betrachtung, die besonders durch die graphische
Darstellung (Kurvenbild 4) erleichtert wird, ist allerdings eine
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 195
gewisse Abhängigkeit der Werte von dem innerhalb der einzelnen
Reihen ansteigenden Phenolgehalt nicht zu verkennen, Die
13 Teilungswerte in Lösungen, die über 2°/, Phenol enthalten,
erweisen sich als ausreichend konstant; ihr Mittel beträgt 9,75,
die Zerstreuung der Einzelwerte um dasselbe ist ziemlich
symmetrisch nach oben und unten gruppiert, die Abweichung
beträgt im Maximum 1,24, im Mittel 0,41. Demgegenüber
zeigen die Werte der Versuche mit schwächeren Lösungen einen
deutlichen Gang mit dem Phenolgehalte, und zwar in der
Weise, daß sich dieselben von rund 7,0 bei der schwächsten
untersuchten Konzentration (etwa 0,3°/, Phenol) mit deren
Ansteigen zu dem obigen Konstanzwerte allmählich erheben.
Einzelne Versuchsreihen (6 und 12) weisen dabei noch niedrigere,
aber ebenfalls regelmäßig ansteigende Zahlen auf.
Diese Befunde sind wohl am einfachsten dahin aufzufassen,
daß eine echte Verteilung des Phenols zwischen Eiweiß und
Wasser in dem angenommenen Sinne tatsächlich besteht, daß
aber die gemachten Annahmen in schwachen Phenollösungen
weniger genau zutreffen als in stärkeren. Oberhalb eines
Phenolgehaltes von 2°/, ist demnach die Eiweißphase in auch
für diese Betrachtung ausreichender Annäherung als wasserfrei
zu betrachten, während bei geringeren Gehalten noch kleine
Wassermengen im Eiweiß gelöst sein dürften, die zwar nicht
für die Berechnung der Kochsalzverteilung, wohl aber für die
weitaus schärfere der Phenolverteilung ins Gewicht fallen. Ob
damit das wahre Volum der Eiweißphase als größer oder
kleiner als es für die Berechnung angenommen wurde, gedacht
werden muß, ist nicht mit völliger Sicherheit zu entscheiden,
weil die hier jedenfalls beträchtlichen Kontraktionsverhältnisse
unbekannt sind. Rodewald (23) hat bewiesen, daß gequollene
Stärke ein absolut kleineres Volumen als getrocknete einnehmen
könne. Immerhin wird für eine relativ stärkere Wasserauf-
nahme, wie sie in unserem Falle vorliegen dürfte, eine absolute
Vergrößerung der gesammten Phase anzunehmen sein, so daß
sich bei Kenntnis und Berücksichtigung der tatsächlichen Ver-
hältnisse der Teilungsfaktor für diese phenolärmeren Versuche
noch weiter erniedrigen würde.
Es ist dann aus den dargelegten Ergebnissen zu schließen,
daß das Eiweiß ein um so schlechteres Lösungsmittel des
13*
196 H. Reichel:
Phenols vorstellt, je mehr echtes Quellungswasser es enthält,
daß aber das Phenol selbst dieses letztere nach Maßgabe seiner
Konzentration zu verdrängen imstande ist. Die Erklärungs-
weise steht in Analogie zu der Vorstellung, daß eine Phenol-
hydratphase durch die Gegenwart von Öl Wasser verliere,
welche im Vorausgehenden zum Verständnis der dort beobach-
teten Löslichkeitsverschiebungen herangezogen wurde.
Als weiteres nicht unwichtiges Ergebnis läßt sich aus den
Versuchen 5 und 8 ableiten, daß der Einfluß der Temperatur
auf die Verteilung ein geringer sei. Alle diese Versuche weisen
aber in der Richtung einer leichten Verschiebung der Verteilung
zugunsten des Wassers bei steigender Temperatur, wie ja
auch für Öl bei 100° C ein wesentlich niedrigerer Faktor zu
beobachten war.
Was nun den Einfluß des Salzgehaltes betrifit, so ist der
starke Ausschlag in der erwarteten Richtung einer Verschiebung
der Teilungsfaktoren zugunsten der Eiweißphase auf den ersten
Blick zu erkennen. Einer quantitativen Auswertung in der
für die Ölversuche geübten Form stand aber das Bedenken
gegenüber, daß hier der Annahme eines mittleren Normal-
teilungswertes nach dem Dargelegten eine starke Willkürlichkeit
angehaftet hätte, um so. mehr, als der Phenolgehalt der Gleich-
gewichtsphase in allen Salzversuchen — eben infolge der Ver-
schiebung des Teilungsfaktors — niedrig, in fast allen kleiner
als 2°/,, war. Aus diesem Grunde wurde der umgekehrte Gang
der Rechnung eingeschlagen, d. h. es wurde in der an den
Ölversuchen bestätigten Beziehung:
Faacı — F, . ex «Ek/cem,
das k mit dem dort ermittelten Werte von 7,03 angenommen
und der zu jedem Versuche gehörige F,-Wert, der Normal-
faktor, bestimmt. Die Bestätigung der Gesetzmäßigkeit mußte
sich so daraus ergeben, daß die auf Salzfreiheit der Lösung
reduzierten Werte mit den ohne Salzzusatz gewonnenen über-
einstimmen sollten.
Dabei war nun aber auch der geringe Salzgehalt dieser
letzteren nicht mehr zu vernachlässigen und leicht zu berück-
sichtigen, indem dieselbe Methode der Reduktion auf Salz-
freiheit an allen Versuchen gleichmäßig durchgeführt und der
Vergleich an den so gewonnenen Werten angestellt wurde
Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 197
(Stab 14). Wie ein Blick lehrt, hat das Verfahren für die
Werte der salzarmen Versuche lediglich die Bedeutung einer
geringfügigen Korrektur, während die Zahlen der Salzversuche
damit sowohl untereinander als auch mit den ersteren eine weit-
gehende Annäherung erfahren. Der Mittelwert der 13 konstanten
Normalversuche (über 2°/, Phenol in der Lösung) lautet nun-
mehr 9,59, die maximale Abweichung 1,21, die mittlere 0,32,
die Art der Zerstreuung der Werte erfährt keine Veränderung.
Die reduzierten Teilungswerte der Salzversuche lassen, wie
das Kurvenbild am einfachsten zeigt, die oben festgestellte
Abhängigkeit vom Phenolgehalte nur insoweit erkennen, als die
einzige bei mehr als 2°/, Phenol gewonnene Zahl auch die
höchste ist und unter den phenolarmen Proben den minder
salzreichen immer besonders niedrige Teilungswerte zukommen.
Diejenigen der salzreichen Lösungen liegen aber meist dem
genannten Normalmittelwert nahe. Es darf danach im Sinne der
obigen Erklärung angenommen werden, daß das Salz nur in
recht hohen Konzentrationen eine annähernd so vollständige
Entwässerung der Eiweißphase bewirkt wie das Phenol schon
in recht geringen, was mit dem erörterten Verhalten des Ge-
samtquellungswassers des Coagulums völlig übereinstimmt.
Der Mittelwert aller reduzierten Faktoren der 13 Salzver-
suche ergibt sich mit 8,50, die maximale Abweichung als 1,7,
die mittlere 0,75, die Zerstreuung der Werte ist eine ziemlich
gleichmäßige. Sowohl der geringere Mittelwert als auch die
größeren Schwankungen sind nach dem Gesagten durchaus
verständlich. Die letzteren dürften größtenteils auf tatsächlichen
Unterschieden des Gehaltes an molekularem Quellungswasser
beruhen, welche vielleicht durch ähnliche exaktere Feststellungen
in ihrer Gesetzmäßigkeit überblickbar werden könnten.
Jedenfalls beweist aber der vorliegende Grad von Über-
einstimmung den im wesentlichen gleichartigen Einfluß der
Salzgegenwart auf die Phenolverteilung zwischen Wasser und
einer Eiweißphase wie zwischen Wasser und Öl.
Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen stützen wieder ihrer-
seits durch ihre verhältnismäßige Einfachheit und ihre Über-
einstimmung mit der Erwartung die Brauchbarkeit bzw. die
Richtigkeit der über die Natur des vorliegenden Gelzustandes
gemachten Annahmen.
198 H. Reichel:
4.
Anhangsweise wurden ähnliche Untersuchungsreihen auch
mit Bakterienmassenkulturen als eiweißreiche Phase durch-
geführt. Damit sollte einerseits der Versuch gemacht werden,
doch auch noch das native Eiweiß des Zellleibes auf sein
chemisches Verhalten zum Phenol im zweiphasigem System zu
prüfen, andrerseits schien es gerade im Hinblick auf die zu
suchende Beziehung dieses Verhaltens zur Desinfektionskraft
erwünscht, die gewonnenen Vorstellungen über den physikalisch-
chemischen Ablauf der Vorgänge an Bakterienleibern selbst be-
stätigt zu sehen.
Es wurden zu dem Zwecke Massenkulturen von Bacterium pyo-
cyaneum auf der Oberfläche sterilisierter Kartoffelscheiben angelegt
und in feuchter Kammer etwa 10 Tage bei 37° C gehalten. Darauf
wurden die üppigen Kulturrasen, die eine halbfeste, schleimig zähe
Masse vorstellten, abgestreift und vereinigt. Diese Masse war nunmehr
in ganz gleicher Weise, wie sonst die Serum-Coagula zu den Teilungs-
versuchen heranzuziehen, nachdem ihr spezifisches Gewicht mittels der
Mischmethode, ihr Wasser- und Eiweißgehalt durch Trocknung ermittelt
war. Die Trennung der Phasen sollte durch Abzentrifugieren der durch
das Schütteln aufgewirbelten, fast gleichmäßig in der Lösung verteilten
Bakterienleiber geschehen. Dabei ergaben sich Schwierigkeiten, die eine
genauere reohnerische Behandlung dieser Versuche sehr erschwerten, zum
Teil unmöglich machten.
In den salzfreien Versuchen war eine Klärung durch Zentrifugieren
nur sehr unvollkommen erreichbar, Um einen Überblick über die Menge
der suspendiert gebliebenen Bakterienmasse zu gewinnen, wurden Proben
der wässerigen Gleichgewichtsphase getrocknet, was ergab, daß bei der
Mischung von rund 0,3 g Bakterienmasse mit 4,0 ccm Wasser fast die
Hälfte, bei rund 1,0 g mit 10 ccm sogar 7/iọ der Bakteriensubstanz sich
noch in der Lösung befanden. Dieses Ergebnis wollte jedoch zu der
Intensität der Trübung im Verhältnis zur abzentrifugierten Masse keines-
wegs stimmen, so daß außer der mangelhaften Sedimentierung auch
echte — oder kolloidale — Lösung eines wesentlichen Anteiles der Bak-
teriensubstanz anzunehmen war. Gesetzmäßige Beziehungen dieses Lösungs-
vorganges ließen sich nicht erkennen.
Die Berechnung, welohe der Vergleichbarkeit halber in derselben
Weise wie für die Coagulumversuche nur mit einigen weiteren Ver-
nachlässigungen — z. B. des Hydratwassers, des Salzgehaltes der Bak-
terien und der Kontraktionsvorgänge — durchgeführt werden sollte, war
hierdurch für diese Versuche fast illusorisch gemacht. Es konnte zwar
das Br-Bindungsvermögen der Bakterienmasse bestimmt und für die
Berechnung der Phenoltitration der Endlösung in Anrechnung gebracht
werden, doch gestatteten die oft nur geringen Reste der übrig gebliebenen
Die Desinfektionswirkung des Phenols. IL 199
Bakterienmasse keine genügend sichere Volumberechnung. Es ergaben
sich äußerst schwankende Werte des Teilungsfaktors, die beispielsweise
in einer Versuchsreihe 9,8, 6,1, 18,1 lauteten. Immerhin ist auch hieraus
die Richtung einer weitaus höheren Löslichkeit des Phenols im Bak-
terieneiweiß als im Wasser zu erkennen, die mit derjenigen im Serum-
eiweiß wenigstens der Größenordnung nach übereinstimmt.
Etwas günstiger lagen die Verhältnisse bei den Salzversuchen. Hier
konnte leicht eine klare und farblose Lösung gewonnen werden. In den
ersten der 2 Versuchsreihen, die nur aus je 2 Einzelversuchen bestanden,
wurde das Zurückbleiben von Bakteriensubstanz in der wässerigen
Lösung aus diesem Grunde überhaupt vernachlässigt, was jedoch, wie
eine Nachprüfung im 2. Versuche lehrte, keineswegs angeht. Hier be-
fanden sich trotz völliger Klarheit bei 10 com Lösung und 0,6 com Bak-
terienmasse etwa 1/ der letzteren in Lösung. Die Berechnung des 1. Ver-
suches ist deshalb mit unbekannten Fehlern behaftet. Sie ergab 18,4
und 22,6 als Teilungsfaktoren für rund 5 und 10°/, Kochsalzgehalt, was
auf Salzfreiheit reduzierten Faktoren von 12,0 und 7,4 entspricht.
Tabelle VII.
ıl|l.2|s:s/l:| s:s | ss | Is
Phenolgehalt Gehalt der] yojumver-
0 wässerigen :
* E | nen
der wässerigen
terien- Aus- Tr — substanz
— substanz
Die gi com
0.6320 | 10,00 12,150 1,772 | 5,598 0,48 24.62 | 1440 14,40
0,5567 | 10,00 | 1,087 |0,7879| 11,23 0,40 48.50 | 14,16
Die 2., nach dem Gesagten allein tunlich exakte Ver-
suchsreihe mit Phenolsalzlösungen (Tabelle VIII) ergab als
Faktoren 24,62 und 48,50 für 5,59 und 11,23°/, NaCl-Gehalt.
Dies entspricht den reduzierten Faktoren 14,4 und 14,2. Dürfte
man aus dieser — wohl nur zufällig so guten — Übereinstimmung
Schlüsse ziehen, so wäre das Bakterieneiweiß als noch besseres
Phenollösungsmittel als das Serumeiweiß zu betrachten. Viel-
leicht könnten ähnliche exakte Feststellungen zu einer ratio-
nellen Grundlage der ‚inneren Antisepsis‘‘ führen.
Jedenfalls erscheint durch die dargelegten Versuchsergebnisse
das Verhalten des Bakterienleibes zum Phenol als wesentlich
gleichartig mit dem der Serumcoagula erwiesen. Auch hier findet
eine echte Lösungsverteilung statt, deren Gleichgewicht
durch Salzgegenwart in typischer Weise zu verschieben ist.
Berichtigung.
Band 21 8. 116 4. Zeile von unten:
P. Großer, Berl. klin. Wochenscohr. 1909, 595 statt Münch. med.
Wochenschr. 1908.
Band 21 S. 533 20. Zeile von unten:
statt Allochlorophyli zu lesen Alkachlorophyli,
ebenso auf S. 546 Zeile 13 und Zeile 24 von oben.
Zur Theorie der Desinfektion.
I. Abhandlung.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. IH.
* Von
Heinrich Reichel.
(Aus dem Hygienischen Institute der k. k. Universität in Wien.)
Mit 3 Kurvenfiguren im Text.
2. Fortsetzung und Schluß.
Die desinfizierende Wirkung des Phenols und ihre
Beeinflussung durch NaCl.
l.
Die Frage, ob die im vorstehenden dargelegten Beziehungen
des Phenols zu den Körpersubstanzen tatsächlich für seine
tötende Wirkung maßgebend seien, war aus den bisher über
diese Wirkung vorliegenden Tatsachen nicht exakt zu ent-
scheiden. Die eingangs genannten Arbeiten, die sich mit der
Phenolwirkung und deren Alteration durch Salzgegenwart be-
fassen, begnügen sich meist mit der Feststellung starker quali-
tativer Wirkungssteigerung einer bestimmten Phenolkonzentra-
tion durch das Salz. Ein quantitativer Vergleich solcher Be-
funde ist aber so lange unmöglich, als nicht die gegenseitige
Abhängigkeit von wirksamer Konzentration und Zeitdauer bis
zur erfolgten Wirkung festleet, Ein solcher Vergleich hätte
also zunächst von der Feststellung auszugehen, welche ver-
schiedenen Phenolgehalte mit und ohne bestimmten Salzgehalt
gleiche Wirkung ausüben. Die Erwartung, daß diese Kon-
zentrationsgefüge dieselben sein müßten, welche nach dem Vor-
ausgehenden in anderen, damit ins Gleichgewicht gesetzten
Phasen gleiche Phenolgehalte bedingen, schließt die Annahme
in sich, daß der bei der Verteilung des Phenols zwischen Lösung
Biochemische Zeitschrift Band 22. 14
202 H. Reichel:
und Bakterienleib eintretende Konzentrationsverlust für die
Lösung vernachlässigbar gering sei. Bei der relativen Klein-
heit der Bakterienphase im gebräuchlichen Desinfektionsver-
such trifft das wohl auch mit ausreichender Genauigkeit zu,
wie ja auch die allgemein herrschende Lehre dahin geht, daß
Phenolkörper bei der Desinfektionswirkung ihre Konzentration
nicht verändern. Unter dieser Voraussetzung würde die Be-
stätigung jener Erwartung bedeuten, daß der Phenolgehalt der
Bakterienphase selbst die Wirkung eindeutig bestimme.
Solche Feststellungen liegen nur in ganz ungenügendem
Maße vor. Scheurlens (1l) erste Angabe, daß phenolgesättigte
Salzlösungen ähnlich wirksam seien wie salzfreie gesättigte
Phenollösung, könnte als die einfachste, allerdings recht vage
Bestätigung der obigen Annahme betrachtet werden. Denn es
ist klar, daß alle phenolgesättigten wässerigen Phasen, die sehr
verschiedenen Phenolgehalt aufweisen, auch gesättigten Phasen
der Bakteriensubstanz entsprechen müssen, die sehr ähnliche
— wenn auch gerade nach den Erfahrungen über gesättigte
Lösungen nicht gleiche — Konzentration besitzen. Andere
Feststellungen jener Autoren widersprechen unseren Annahmen
nicht, wenn sie auch zu ihrer quantitativen Bestätigung nicht
heranziehbar sind. Die Entscheidung war also in neuen Ver-
suchen anzustreben.
Zunächst wurde die Frage so gestellt, ob Konzentrations-
gemische von Phenol und NaCl, welche nach der gefundenen
Gesetzmäßigkeit einen gleichen inneren Phenolgehalt der Körper-
substanzphasen bedingen, auch tatsächlich gleiche desinfizierende
Wirkung entfalten.
Die Höhe soloher Konzentrationen war nach dem Vorausgehenden
aus der Gleichung:
Ph /comy, a= Ph/oom e_ 703 NaCl/ccm
zu entnehmen, sobald irgendwelche Zahlen für die salzfreie Vergleichs-
lösung (Ph/ccm) und für die heranzuziehenden Salzgehalte (NaCl/ccm)
eingesetzt waren. Auf diesem Wege wurde die Zusammensetzung von
Lösungen berechnet, die mit 1°/,iger Phenollösung bei 5, 10, 15 und
20°/, NaCl übereinstimmende Wirkung hätten entfalten müssen. Die
für 10 com Gesamtvolum entfallenden Stoffe wurden auf 6,5 com gebracht
und zu 3,5 ccm einer dichten Bakterienaufschwemmung zufließen ge-
lassen. Als Bakterien kamen Typhusbacillen und Staphylokokken zur
Anwendung. Die Herstellung der Aufschwemmung geschah durch Ab-
Die Desinfektionswirkung des Phenols. IL 203
spülen von Schrägagarkulturen mittels sterilen Wassers, die bei Typhus-
bacillen einen, bei Staphylokokken zwei Tage alt waren. Die Abschwem,
mung wurde durch Leinwand koliert. Für eine Serie gleichzeitig ange-
stellter Versuche wurden die Kolate gemengt; jedem Versuch — also
je 3,5 com Ausbeute — entsprach dabei ein Kulturröhrchen. Nach der
Mischung von Desinfiziens und Aufschwemmung wurde mittels einer
kleinen — und zwar immer derselben — Platinöse in den bestimmten
Zeitintervallen in 100cm steriler Bouillon überimpft, die dann mindestens
8 Tage hindurch bei 37° C gehalten und beobachtet wurden. Die
Methodik war auch in allen später anzuführenden Desinfektionsversuchen
wesentlich dieselbe, nur wurde in den ausgedehnteren Reihen das Gesamt-
volum der einzelnen Versuchslösungen auf 5 ccm, das der Aufschwem-
mung auf 1,8 com — also einem halben Kulturröhrchen entsprechend —
reduziert. Ein störender Einfluß einer durch die Mitübertragung von
Desinfiziens bedingten Entwicklungshemmung kann ausgeschlossen werden,
da gerade dem Phenol eine solche Wirkung, wenigstens in den in Be-
tracht kommenden Verdünnungen, überhaupt nicht zukommt (10). Natur-
gemäß sind nur solche Versuche als untereinander vergleichbar zu be-
trachten, welohe gemeinsam, d. h. gleichzeitig mit identischem Bakterien-
material angestellt sind.
Tabelle IX.
Versuche mit Typhusbacillen.
EE
N Phenoll NaCl Zeit in Minuten
r.
OWN
1 [100 sera fee
0,70 sI-|I-|-|i-|-|-|I-|-;,-|-
0,50: pio paete 2 el ee ee E
GC Er CR E EE KEES Se S
"CC 20 EE RE EE E E ER ER EE E
2 | 1,00 +|+| +! +|+!|!+1|I-|-|-|-
10,80 sI-|-|-j-|!I-|-!-|-|-|-
0,75 5sI+| -| -|-|-|-i-|-|-|-
0,70 Eee ee ae
3 | 1,100 +|+|+|-|!-| — — — — —
AIR + +| —. — — — — — — —
0975| 5 I +! . . — — — — — — —
4 | 1,90 Eu EE een es
0,70 Ss I+|+|+|-|+|)-|-|-|-|-
0,65 5 I|+| +, —... — — — — — — —
0,60 sI+| + | +! + | + | +|I +1 + + | +
Die ersten der oben dargelegten Versuche sind mit ihrem
Ergebnis in Tabelle IX 1 und X 2 und 3 wiedergegeben. Das
Verhältnis der Konzentration von Phenol und Salz gestaltet
14*
204 H. Reichel:
sich durch Zufall sehr einfach überbliokbar. Die Größe der
Konstanten unserer Gleichung bedingt, daß dem Werte von
10°/, NaCl recht genau die Hälfte desjenigen Phenolgehaltes
entspricht, der damit in salzfreier Lösung verglichen werden
soll. Der Form der Beziehung gemäß entspricht sodann 5°/,
NaCl 1/V2= 0,7, 20°/, NaCl !/, des salzfreien Phenolgehaltes.
Tabelle X.
Versuche mit Staphylokokken.
Zeit in Minuten
Nr.
1 į 1,00 + + — + = — al =
0,70| 5 + | + = + + +++ —
0,50 | 10 + | |+ + + + + +++ +
2 11,00 ze er = ie = BEN Ee E |
0,70| 5 Pass S = = EERE
0,50 | 10 zira S _ u Bas
0,351] 15 — + = = Zeg REN BE
3 [1,00 z Se —
0,701 5 + Sg = ll
0,50 | 10 + — |-/+.+
0,35 | 15 = - (Ui Il +
4 [1,00 ++ lara ri | |
os| 5 OG) Li | |
0,80] BM I+H-+[-1-| I-1-|- | är?
5 |1,00 ++ (+++ +++ | |
077| 5 HR zë Col: |
0,74| 5 ++ H+ It |
In den Reihen 1 der Tabelle IX und 2 der Tabelle X
waren die verwendeten Bakterienstämme zu wenig resistent, als
daß ein exakter Vergleich des Ergebnisses möglich wäre. Die
drei ersten Gemische wirken allerdings gleichmäßig, aber durch-
wegs schon vor der zuerst untersuchten Zeit (1 bzw. 5 Minuten)
abtötend. Der letzte Versuch ergibt in beiden Reihen eine
etwas spätere Wirkung (nach 3 bzw. 5 Minuten). In den
Reihen 1 und 3 der Tabelle X waren die Staphylokokken
wiederum eher zu resistent, indem sie dreimal bis zur zuletzt
untersuchten Zeit am Leben blieben. Doch ergibt sich in beiden
Versuchsreihen eine vergleichsweise raschere Wirkung der phenol-
reichen, salzärmeren Lösungen, so daß eine Bestätigung der
obigen Annahmen aus all diesen Versuchen nicht abgeleitet
werden kann. Immerhin waren wenigstens im Versuche X 1
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 205
die sicheren Unterschiede in der Wirkung so sehr verschieden
phenolhaltiger Lösungen nicht groß. Dabei erscheinen die bei
Desinfektionsversuchen immer zu beobachtenden Unregelmäßig-
keiten, Sprünge der Wirkung, gerade in diesen Versuchsreihen
so stark vertreten, daß sie jedenfalls auch nicht für eine Wider-
legung der Annahme wesentlich übereinstimmender Wirkung
als ausreichend zu betrachten sind.
Um nun auch über den Grad der Genauigkeit solcher Ver-
suche ein Urteil zu gewinnen, wurden die nächsten Reihen
(Tabelle IX 2 bis 4, Tabelle X 4 und 5) mit der etwas ge-
änderten Fragestellung durchgeführt, welober Phenolgehalt bei
Gegenwart einer bestimmten Salzmenge (5°/, NaCl) mit 1°/,
Phenol in salzfreier Lösung gleich wirksam sei. Dabei ergibt
sich das folgende: Konzentrationen über 0,70°/, Phenol mit
BIL, NaCl wirken durchweg, nämlich bei 0,90, 0,80, 0,77, 0,75
und 0,74°/, stärker, d. h. rascher als reine 1°/,ige Phenol-
lösung, 0,70°/, Phenol mit 5°/, NaCl wirkt in drei Versuchen
sehr ähnlich, aber immer etwas stärker als 1°/, Phenol, 0,675
und 0,65°/, verhalten sich ebenso, und erst 0,60°/, wirkt mit
5°/, NaCl deutlich schwächer als 1°/, Phenol allein.
Dieser Befund läßt unsere Annahme allerdings in gröbster
Annäherung als zutreffend erscheinen, doch sind die dabei
möglichen Abweichungen zu groß, um hierin eine ausreichende
Bestätigung derselben zu erblicken. Im Gegensatz zu den zuerst be-
sprochenen Versuchen weisen die hier beobachteten Wirkungs»-
differenzen eher auf eine stärkere als auf eine schwächere Des-
infektionskraft der salzhaltigen Lösungen im Vergleich zur Er-
wartung nach der zu prüfenden Gesetzmäßigkeit hin. Wenn
such diesem Ergebnisse im Hinblick auf die etwas größere
Regelmäßigkeit des Ausfalles der Versuchsreihen eine gewisse
Bedeutung beigemessen werden darf, so kann dieselbe doch auch
in dieser Richtung keineswegs als entscheidend gelten, da ee
such hier an widersprechenden Ergebnissen nicht fehlt, die die
Genauigkeit der gemachten Feststellungen sehr gering erscheinen
lassen.
Es erschien nun vor allem zur Ausschaltung von Zufällig-
keiten nötig, die Zahl der vergleichbaren, d. h. im Zusammen-
hang angestellten Versuche wesentlich zu vermehren. Dazu ge-
sellte sich die Überlegung, daß auch eine einwandfreie Beob-
206 H. Reichel:
Tabelle
Versuch mit
Zeit in Minuten
| (al Lol | |
-|+| | | |
Er
+| -+l#+1l-1---
+
See EE E |
+ Be LU
+ r > |
+ [+ + |
| |
|
del" er |
+ [+ +
| |
| a
WW
at U e a e ann
CR. (des en 14
bd | |
ARER TT
| | | Mu Kai | |
achtung von Abweichungen in der Wirksamkeit der für die
Phenolverteilung gleichwertigen Lösungen bei der bisherigen
Versuchsanordnung keinen Beweis gegen die eindeutige Ab-
hängigkeit der Abtötungswirkung von der Erreichung einer
bestimmten Innenkonzentration hätte abgeben können. Es ist
durchaus denkbar, ja selbst wahrscheinlich, daß die Geschwindig-
keit, mit der dieser maßgebende Zustand erreicht wird, nicht
allein von der überhaupt erreichbaren, d. h. der Gleichgewichts-
konzentration abhängt, sondern daß sich auch andere Einflüsse
darauf geltend machen, etwa die sehr ungleiche Phenoldichte
in der Lösung in der Richtung langsamerer Diffusion in den
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 207
XI.
Typhusbacillen.
Zeit in Stunden
20801120]165] 3 | 4 | 7 | 8 |24|48|72|4|5|6|7]|8]|9]|10|12|14|16|18|20|22| 24
Zeit in Tagen
Hi
Ju)
|
|
|
E
i |
+++ ra +++ + +l+ j++
+ ++1+ lk e + ALL Pë
salzhaltigen Gemischen oder ein unbekannter Einfluß des Salzes
selbst auf die Diffusibilität der Phasengrenzschichte. Eine
Vermeidung solcher auf den zeitlichen Ablauf der Aufnahme
des Phenols vielleicht sehr ausschlaggebender Einflüsse war nur
bei einer Beobachtung der Desinfektion in sehr langer — theo-
retisch unendlich langer — Zeit zu erwarten. Sollten unsere
Vorstellungen über das Wesen der Phenoldesinfektion zutreffen,
so mußte ja für Bakterien von übereinstimmender Resistenz,
d. h. Provenienz, eine ganz bestimmte eben desinfizierende
Phenolinnenkonzentration existieren, die mit einer ebenso be-
stimmten Phenolkonzentration der Lösung durch die Verteilungs-
208 H, Reichel:
Tabelle XI.
2 | 3 | 4 | 5:5 Je| 7 I|s| 9
Zeitdauer == Z (Min.)
ATT- ECET
Tötende Phenolkonzentrationen °/, g/com
ohne NaCl | mit 2,5%, NaCl | mit 5%/, NaCl | mit 10%/, NaCl
100-Ph/com | 100- Ph/comyaci
berechnet berechnet
aus aus < ~
L in * 2
E gefunden |z | g gefunden e gefunden gefunden
; s (inter- |! 8 5 | (inter- 3 (inter-- | © | (inter-
S N poliert) 3 a = | poliert) poliert) k- poliert)
ZS S CDI F 3
Ng Fi re E:
©
1,210 |1,200— 1,015 |0,750--0,90010,852|0,700--0,75010,599 —0,579
1,054 11,030—1,2001 0,884 |0,675--0,7500,743|0,600--0,70010,514|0,450—0,537
0,922 10,900-0,950| 0,774 10,600--0,70010,649|0,575—0,600|0,457\0,440—0,750
0,780 10,788—0,833| 0,654 |0,575-0,594|0,549 0,500—0,544|0,386|0,407—0,425
0,693 |0,719--0,730| 0,581 |0,533—0,565/0,488|0,436—0,450|0,343|0,3540,383
0,619 10,639--0,665| 0,519 10,450--0,50810,436 0,391—0,429|0,317|0,298—0,300
0,582 10,592-0,600| 0,488 |0,440--0,450|0,41010,346—0,40710,288|0,294—0,299
0,526 10,545--0,570| 0,441 |0,409--0,44210,370|0,299--0,343|0,261|0,283—0,295
0,479 10,450-0,510| 0,402 |0,347—0,416|0,337\0,297—0,299|0,237|0,261--0,286
0,439 10,433—0,4461 0,368 |0,300-0,370|0,309|0,292—0,295[0,217|0,217—0,270
0,372 10,308-0,392| 0,311 0,300- 0,262 0,261—0,270|0,184 —0,150
regel eindeutig verknüpft ist. Diese Lösungskonzentration an
Phenol bewirkt die Abtötung — natürlich immer unter der
Voraussetzung der Vernachlässigbarkeit des Phenolverlustes —
in unendlich, praktisch sehr ferner Zeit, und diese Konzentra-
tion kann mit den ebenfalls erst in sehr ferner Zeit wirksamen
Phenolsalzgemischen einwandfrei daraufhin verglichen werden,
ob sie alle der Forderung unserer Annahme gleicher Wirksam-
keit für die Verteilung entsprechen. Aus der Betrachtung von
in näheren Zeitpunkten gleich wirksamen Mischungen und dem
Vergleiche mit dem Ergebnis bei ferneren Zeitpunkten könnten
sodann auch Schlüsse auf die Abhängigkeit der Diffusions-
vorgänge von den oder jenen Umständen gewonnen werden.
Der nächste Komplex vergleichbarer Versuchsreihen wurde
demgemäß so angelegt, daß regelmäßig abgestufte Phenolkon-
zentrationen sowohl für sich allein als auch mit 2,5, 5 und
10°/, NaGl-Zusatz auf ihre desinfektorische Wirkung geprüft
wurden. Das unmittelbare Ergebnis bildet den Inhalt der
209
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III.
Phemolgehalf % g/cem
Kurvenbild 1;
210 H. Reichel:
Tabelle X1. Als Bakterienmaterial dienten Typhusbacillen. Die
Überimpfung aus den jeweilig überlebenden Proben erstreckte
sich auf 24 Tage, nach welcher Zeit die Keime in den phenol-
freien Kontrollproben der Gruppen 1 bis 3 noch lebten, während
sie in der entsprechenden Probe der Gruppe 4 zwischen dem
20. und 22. Tage abgestorben waren. Die an sich bemerkens-
werte Tatsache einer so hohen Resistenz von Typhusbacillen
gegen immerhin stark konzentrierte Salzlösungen lehrt für unsere
Beobachtung jedenfalls, daß eine direkte Schädigung der Bakte-
rien durch die Salzkonzentration bei der Beurteilung der übrigen
Versuchsergebnisse vernachlässigt werden darf.
Auch die niedrigste angewandte Phenolkonzentration er-
weist sich in den Versuchsgruppen 1 und 2 als auch in sehr
langer Zeit wirkungslos, was unserer Annahme über die Art der
Phenolwirkung durchaus entspricht. Der Ausfall der übrigen
Einzelreihen gestaltete sich, wie die fast nirgends unterbrochene
Reihe der Zeichen für Wachstum und Sterilität der überimpften
Proben lehrt, ziemlich regelmäßig. Das wesentliche Ergebnis
jeder Reihe bildet die Lage und Größe des Zeitintervalls zwischen
der letzten angewachsenen und der nächsten nicht angewach-
senen Probe. Diese beiden Grenzpunkte, welche die minimale
und die maximale Resistenz der Bakterien für die betreffende
Konzentration bedeuten, sind im Kurvenblatt 1. durchwegs ver-
zeichnet und durch unausgezogene Linien — die maximale
und minimale Resistenzkurve — verbunden. Die graphische
Betrachtung erleichtert den Überblick der Ergebnisse solcher
Versuche ganz wesentlich. Allerdings konnte aus Platzrück-
sichten nur ein Teil der Kurven — bis zu 4 Stunden — dort
wiedergegeben werden, doch erscheint die Lage der wenigen
restlichen Kurvenpunkte durch die Verlängerungsrichtung der
Linien angedeutet.
Die gelegentliche Größe der Intervalle, welche ein starkes Aus-
einanderklaffen der beiden Resistenzkurven mit sich bringt, beruht auf
ungeeigneter Wahl der Überimpfungszeitpunkte im Desinfektionsversuch.
In jedem einzelnen solchen wurde gestrebt, die größte Zahl der Über-
impfungen um jenen Zeitpunkt zu gruppieren, der für die Abtötung zu
gewärtigen war, der aber in nicht allen Fällen gut getroffen erscheint.
Die Erprobung unserer Gesetzmäßigkeit an diesem Tat-
sachenmateriale hätte nun in der Frage zu bestehen, ob die in
einem gleichen und möglichst fernen Zeitpunkt wirksamen Phenol-
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 211
gehalte zueinander in jenem Verhältnisse stehen, das nach der
NaCl-Beeinflussung des Teilungsverhältnisses zu erwarten ist.
Naturgemäß lassen sich solche Phenolwerte größtenteils nur
durch Interpolierung zwischen tatsächlich erhobenen Zahlen und
auch wieder nur als Intervall zwischen dem minimalen und
maximalen Werte gewinnen.
Weil aber einerseits für die zeitlich fernsten der überhaupt
zum Vergleich heranziehbaren Werte die Genauigkeit aus nahe-
liegenden Gründen nur mehr eine geringe sein konnte, weil
andererseits eine analoge Betrachtung näherer, ja selbst tunlich
naher Zeitpunkte zur Beurteilung der Diffusionsbeziehungen
auch an und für sich erforderlich war, wurde die beschriebene
Ermittlung der maximalen und minimalen Phenolwerte für eine
willkürlich gewählte Reihe von Zeitpunkten systematisch durch-
geführt, wobei als kürzeste und längste in Betracht ziehbare
Zeit !/, Minute und 19 Stunden angenommen wurden. Die Er-
gebnisse dieser Interpolation der Phenolwerte finden sich für
die 4 Kurven dieser Versuche in den Stäben 3, 5, 7 und 9
der Tabelle XII zahlenmäßig wiedergegeben. Die Lage und
Größe dieser Intervalle läßt sich wieder am leichtesten, und
zwar auch für jeden anderen Zeitpunkt, in den graphischen
Darstellungen überblicken.
Die oben angeführte, durch Zufall besonders einfache
numerische Beziehung der Phenolgehalte von Gemischen, die
für die Verteilung gleichwertig erscheinen, läßt das allgemeine
Zutreffen unserer Gesetzmäßigkeit schon aus diesem Vergleiche
einzelner Phenolintervallgruppen erkennen. Danach ist der
Phenolwert für die 10°/,ige NaCl-Lösung als die Hälfte, der
für 5°/,ige NaCl-Lösung als 0,70 (= 1/Y2) und für 2,5°/,ige
NaCl-Lösung als 0,84 (=1 IV des salzfreien Wertes zu er-
warten. An der Hand der graphischen Darstellung läßt sich
leicht überblicken, daß wenigstens im größten Teile der Kurven
Punkte, welche diese Forderungen erfüllen, in die entsprechen-
den, manchmal recht engen Intervalle passen oder doch ihnen
naheliegen. In gewissen Gebieten trifft allerdings die Regel
für eine oder die andere der 4 Versuchsgruppen nicht aus-
reichend zu, doch zeigen sich solche Abweichungen durchwegs
als von ungeeigneten Einzelheiten der Versuchsanordnung, wie
212 H. Reichel:
langen Zeitintervallen und Fehlen geeigneter Versuchsreihen
mit enger abgestuften Phenolgehalten, abhängig.
Immerhin haftet dieser Art der Beobachtungsweise noch
eine gewisse Willkür an: die verglichenen Phenolwertegruppen
für die einzelnen Zeitpunkte werden dabei nicht aufeinander
bezogen, sondern an jeder Stelle nach den gegebenen Inter-
vallen frei gewählt, wie sie gerade am besten passen. Zweifel-
los stellen aber die wahren Abtötungszeitpunkte eine stetige
Funktion des Phenolgehaltes vor, d. h. die einzelnen Phenol-
werte jeder der 4 Versuchsgruppen dürfen und sollen aufein-
ander bezogen werden. Würde man für eine Reihe von Zeit-
punkten nach obiger Regel zusammenpassende Phenolwerte
suchen und dann die Punkte gleichen Salzgehaltes zu Ideal-
kurven verbinden, so wären damit die zufälligen Unstimmig-
keiten der salzfreien Kurve auf alle anderen Idealkurven über-
tragen, wodurch deren Vergleichbarkeit mit den gefundenen
Maximal- und Minimalkurven, die mit eigenen Ungenauigkeiten
behaftet sind, nur leiden könnte.
Es galt also vor allem, eine zureichende Beschreibung des
Verlaufes der salzfreien Idealkurve in Form einer stetigen
Funktion von Phenolwert und Zeit zu finden, aus der sodann
durch die entsprechende Umrechnung der zu betrachtenden
Punkte die übrigen Idealkurven leicht zu berechnen sein mußten.
Es war nach der Sachlage klar, daß die allgemeine Form
einer solchen Kurve eine hyperbelähnliche sein mußte, d. h.
daß ein Produkt irgendwelcher Funktionen der beiden Variabeln
als konstant zu erwarten war. Diese Forderung ergibt sich
aus der Überlegung, daß die Zeitdauer der Wirksamkeit keinen
endlichen Anfangs- oder Schlußpunkt haben kann, also nach
beiden Richtungen einen stetigen Übergang zu unendlich großen
bzw. kleinen Werten zeigen wird, mit anderen Worten, daß
beide Äste der Kurve asymptotisch zu den Achsen oder zu
Parallelen derselben verlaufen müssen. Während nun die Zeit-
werte selbst als Faktoren dieses Produktes anzusehen waren,
weil sie sich mit wachsendem Phenolgehalt der Konzentrations-
achse beliebig nähern, war von den Konzentrationswerten sowohl
nach dem Verhalten der Kurven als auch nach den mehrfach
erwähnten Vorstellungen über die Art der Phenolwirkung ein
gewisser konstanter Grenzwert in Abzug zu bringen, der eben
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 213
als die in unendlicher Zeit wirksame Konzentration zu be-
trachten ist. Die genauere Form der Kurve war endlich durch
einen konstanten Exponenten eines der beiden Faktoren zu
beschreiben. Die allgemeine Form der Kurve lautete demnach:
Z. (Ph/com — a)? = k,
worin die Bedeutung der 3 Konstanten aus dem Vorstehenden
erhellt. Als Einheiten wurden Minuten und g/com gewählt.
Aus der Lage des zeitlich fernsten verwendbaren Wertes
kann in einfacher Weise auf die Größe a und in Zusammenhalt
mit zwei anderen zeitlich näheren gut definierten Werten auf
die Größe des Exponenten geschlossen werden. Als gut definiert
ist ein Wert zu betrachten, dessen Intervall zwischen Maximum
und Minimum klein und mit seinen Nachbarn verglichen nicht
extrem gelegen ist. Zur Ermittlung der Konstanten wird zu-
nächst der Phenolwert des fernsten Punktes als a eingesetzt
und der n-Wert aus der Gleichsetzung der zwei anderen Pro-
dukte als
SE log Z, — log Z,
log (Ph/com, — a) — log (Ph/cem, — a)’
die Zahl k in erster Annäherung als der Wert eben jener gleich-
gesetzten Produkte gefunden. Damit läßt sich für den fernsten
Punkt der Wert a genauer berechnen, der — nur wenig kleiner
als zuerst angenommen — nunmehr in die Berechnung aller
Einzelwerte eingeführt werden darf. Die Größe des n-Wertes
ist für die Form der Kurve nicht von so einschneidender Be-
deutung, daß es gerechtfertigt wäre, ihn anders denn als ein-
fache ganze Zahl bzw. für andere Fälle vielleicht als einfachen
Bruch einzuführen. Selbstverständliich kann und muß diese
Berechnung für die maximalen und minimalen Zeitwerte getrennt
durchgeführt werden. Aus dem Ergebnisse sind unter Berück-
sichtigung der Übereinstimmung der Nachbarwerte die zweck-
mäßig zu wählenden Konstanzzahlen zu ermitteln. Zur Unter-
stützung dieser Rechenoperation erscheint die graphische Be-
trachtungsweise nahezu unentbehrlich.
Auf solche Weise ergibt sich für unsere Funktion als
&Wert 0,23°/, Phenol, als n-Wert 4. Die Einsetzung dieser
Zahlen gestattet nun, den k-Wert für jeden einzelnen der im
Versuch gegebenen Grenzpunkte zu berechnen. Aber nicht alle
214 H. Reichel:
so erhaltenen Zahlen erscheinen gleichwertig. Bei sehr kurzen
Zeiten wird die Konstante schon durch geringfügige Unregel-
mäßigkeiten, die gerade dort häufig sind, stark beeinflußt, bei
sehr langen sind die Intervalle zu groß, um einen Schluß auf
den wahrscheinlichsten Wert zu gestatten. Von den 7 Punkt-
paaren unseres Versuches eignen sich immerhin 4 — das zweite
bis fünfte — zur Ermittlung eines solchen Idealwertes, der sich
mit 4,6-10° berechnet. Daß die so gewonnene Gleichung:
Z- (Ph/com — 0,0023) ¢ — 4,6- 10—°
eine zureichende Beschreibung der festgestellten Tatsachen vor-
stellt, läßt sich wiederum am einfachsten aus dem Kurvenbilde,
wo sie als ausgezogene Linie gezeichnet erscheint, entnehmen.
Zahlenmäßig erhellt diese Übereinstimmung aus dem Vergleiche
der Stäbe 2 und 3 der Tabelle XII, wo für die willkürliche
Reihe von Zeitpunkten die idealen neben den gefundenen bzw.
interpolierten Phenolwerten verzeichnet sind.
Auf die allgemeine Bedeutung dieser Desinfektionskurve
wird im folgenden noch zurückzukommen sein. Hier soll sie
zunächst nur als Grundlage eines rationellen Vergleiches der
salzfreien und salzhaltigen Versuchslösungen in ihrer desinfek-
torischen Wirksamkeit dienen.
Die salzbeeinflußten Idealkurven waren aus dieser Funktion
und der bekannten Verteilungsbeziehung, und zwar am ein-
fachsten durch Umrechnung der einzelnen in Betracht zu
ziehenden Kurvenpunkte nach der Form
7,03
2,303
zu gewinnen, was in Stab 4, 6 und 8 der Tabelle XII durch-
geführt und in den ausgezogenen Linien des Kurvenbildes dar-
gestellt erscheint.
Ph/ccmyacı = Num · (log Ph/cem — NaCl/cem)
Die erreichbar exakte Vergleichung der Tatsachen mit der
Erwartung beschränkt sich nunmehr auf den Vergleich der
berechneten und interpolierten Zahlenreihen bzw. der ent-
sprechenden Kurvenlinien. Eine Extrapolierung der in wirklich
unendlich langer Zeit tötenden, d. h. der eben überhaupt nicht
mehr wirksamen Konzentration verbietet sich praktisch durch
die geringe Genauigkeit, womit sie durchführbar erscheint. Es
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 215
bleibt also festzustellen, inwiefern die Gesetzmäßigkeit für die
beobachteten endlichen Zeitpunkte zutrifft.
Die schon im vorhergehenden im großen und ganzen be-
merkte Übereinstimmung läßt sich an der Hand dieser Be-
trachtungsweise dahin bestätigen, daß für die längeren Zeit-
werte, — etwa von 1 Stunde aufwärts, — die berechneten und
gefundenen Werte ausreichend zusammenfallen. Einige Aus-
nahmen hiervon sind, wie schon oben erwähnt wurde, ersicht-
lich in unzweckmäßigen Einzelheiten der Versuchsanordnung
begründet, die anderen dütfen als zufällige Fehler der Kompli-
ziertheit des Tatsachenmaterials zugute gehalten werden.
Das gleiche Maß von Übereinstimmung kommt aber auch
den übrigen, zeitlich näheren bis nächsten Werten der für
10°/, NaCl-Gehalt berechneten und beobachteten Kurven zu.
Hingegen tritt eine ausgesprochene Abweichung von Rechnung
und Befund für die kürzeren Zeiten bei 5 und 2,5°/, NaCl her-
vor, u. z. in dem Sinne, daß die gleich wirksamen Konzen-
trationen niedriger als berechnet sind, oder m. a. W. daß die
hinsichtlich der Verteilung gleichwertigen Konzentrationen bei
Salzgegenwart rascher wirken. Diese Beobachtung deckt sich
mit dem in den vorausgehenden Versuchen allerdings mit ge-
ringerer Zuverlässigkeit erhobenen Befunde, wo sich bei 5°/, NaCl
in ebenfalls kurzen Zeiten 0,70°/, Phenol noch eben als stärker
und erst 0,60°/, als deutlich schwächer erwies als reine 1°/,ige
Phenollösung. Diese Tatsache darf also als ausreichend bestätigt
gelten.
In einem nächsten Versuche wurde eine im wesentlichen
gleichartige Anordnung und Berechnung zur Bestätigung der
gewonnenen Ergebnisse durchgeführt. Die Abstufungen des
Phenolgehaltes, sowie Lage und Größe der Überimpfungsinter-
valle konnten nunmehr zum Teil zweckmäßiger gewählt, die
Resultate damit zu einer weitergehenden Übereinstimmung ge-
bracht werden. Es wurden Lösungen mit 10 und 20°/, NaCl
mit salzfreien Phenollösungen in ihrer Wirkung auf Typhus-
bazillen verglichen. Die Resistenz des Stammes gegenüber den
phenolfreien Kontrollösungen wurde durch 6 Tage festgestellt
— eine für 20°/, NaCl wiederum bemerkenswerte Widerstands-
fähigkeit. Die Ergebnisse der Versuchsreihen und Berechnungen
sind in den Tabellen XIII und XIV, sowie im Kurvenblatte 2
216 H. Reichel:
Tabelle
Versuch mit
H
‚[PhenollNaCı- kA Fabel Ee KE EE EK SE Sai aa a d o Be
Er 0 ECHO CHECK a e 58
fo fe bm m jm j| A
S Sta
ss22pee>
10 J2 — — —
to
2
E
=
+++++1| |
in völlig analoger Weise wie beim vorigen Versuch wieder-
gegeben. Die überhaupt zum Vergleich heranziehbaren Werte
erstreckten sich hier über 29 Stunden (als Mittelwert der letzten
in allen 3 Gruppen vorliegenden Beobachtungszeiten 17 und
41 Stunden). Die gegenseitige Lage ließ auch hier das all-
gemeine Zutreffen der erwarteten Verhältnisse ohne weiteres
schätzungsweise überblicken: die Phenolwerte der 10°/, igen NaCl-
Kurve waren wieder rund halb, die der 20°/,igen Kurve rund
XIII.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 217
Typhusbacillen.
T
ETA SS DZ as
—
ak lelea tehiel -|
+ PETRS —|—|— |
oa DE BE i a I ae |
+ | + + +++ |
1-1 FO Mk
1 gail
u u
AAA
| | |
ame aa |
+ ++ -— et Fei | ech |
AN + ei JE LC ae), Jet |
|| SEE TG OR |
II || | Bedeu
| | | 1 | BN TT ++
| | | | | | | |
| kä u | |
SGéKNIKR | |
— J—
| zen = sche gt
D S dla a
E ch g 1 1-1 | aan 1 |
de H EEN |
Lf] Ft SI? Ela In W
BEIZZEZZIEZZTE HERHHHHHHAFIR
!/, so groß als die der salzfreien. Die Berechnung der letzteren
ergab hier die Beziehung:
Z.(Ph/ccm — 0,0023)* = 6,0. 1072,
welche die beobachteten Tatsachen, wie das Kurvenbild und
ein Vergleich der Zahlenreihen (Tabelle XV, Stab 2 und 3)
lehrt, in ausreichender, ja in recht guter Weise beschreibt. Zur
Ermittelung der Konstante 6,0.10-° waren 8 Punktpaare von
den 11 gewonnenen, u. z. das 2. bis 9. verwendbar.
Ein genauer Vergleich der berechneten und beobachteten
Biochemische Zeitschrift Band 22. 15
218 H. Reichel:
Tabelle XIV.
| 2 3 | 4 | ss |e] 37
Tötende Phenolkonzentrationen °/, g/com
ohne NaCl mit 10°/, NaCl | mit 200/, NaCl
100. Ph/oom 100- Ph/ccmyacı
berechnet aus
Ph/comy.cı
— Num (log Ph/ccem
rechnet wie 4
0,490--0,500I0,31 er
0 470-0, 480:0,272 0,264—0,300
0.224-0.232|0,122.0,130-0,149
0,150--0,200|0,11110,100--0,146
0,100-0,150/0 ‚09710, 089-0, 132
0,092--0,125;0,0900,080-0,118
Werte der beiden Salzreihen zeigt im ganzen Kurvenverlaufe
eine genügende Übereinstimmung, die im allgemeinen besser
als im vorausgehenden Versuche zu nennen ist. Nur die späteren
Zeitpunkte der 10°/,-NaCl-Kurve zeigen hier eine gewisse Ab-
weichung im Sinne einer vergleichsweise zu starken Wirksam-
keit der betreffenden Lösungen, die wohl als Ausdruck zufälliger
Störung des Versuchsergebnisses aufgefaßt werden muß. Eine
nennenswerte Abweichung für kurze Zeiten ist hier bei
20°/, NaCl nicht zu beobachten, sie erscheint auch bei 10°/,
ebensowenig wie im vorigen Versuche ausgeprägt, höchstens
für ganz kurze Zeiten — unter 5 Minuten — angedeutet.
Ein weiterer analoger Versuch wurde mit Staphylokokken
durchgeführt. Er erscheint in den Tabellen XV und XVI, so-
wie im Kurvenblatt 3 wiedergegeben und dargestellt. Die Phenol-
konzentrationen wurden hier in großen Sprüngen variiert, da
es nur auf eine allgemeine Bestätigung der festgestellten Über-
einstimmung ankam. Aus demselben Grunde wurden nur zwei
Gruppen von Versuchsreihen: ohne Salz und mit 10°/, NaCl
219
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III.
Ca
BE
13 33
ET
Phenolgehalt % gjccm.
Kurvenbild 2.
15*
220 H. Reichel:
Tabelle
Versuch mit
angelegt. Die Resistenz der Stämme in den Kontrollösungen
wurde 4 Tage hindurch beobachtet. Der überhaupt vergleichbare
Zeitraum erstreckte sich bis auf 8 Stunden; für die Salzkurve
fehlen schon nach 1 Stunde die Maximalwerte, die aber nach
der Sachlage den minimalen nur sehr benachbart sein könnten.
Wieder lehrt schon ein Blick die recht weitgehende Überein-
stimmung unserer Gesetzmäßigkeit mit der Beobachtung: die
Salzkurve weist durchweg recht nahe die halben Phenolwerte
der salzfreien Linie auf. Die zureichende Beschreibung der
letzteren als stetige Funktion lautet hier:
2. (Ph/com — 0,0045)* = 45,5- 10— °,
wobei die Konstante 45,5 aus 3 Punktpaaren von den 6 be-
obachteten, u. z. aus dem 3. bis 5. zu ermitteln war.
Die Übereinstimmung der berechneten Idealkurven mit den
aufgenommenen Beobachtungen ist auch hier eine genügende.
Natürlich macht sich hier wieder die gedrängte Versuchs-
anordnung stellenweise in weiterem Auseinanderklaffen der maxi-
malen und minimalen Beobachtungswerte geltend.
Die Ergebnisse der dargelegten Desinfektionsversuche sind
die folgenden: Die nach längerer Zeit (etwa von 1 Stunde an)
wirksamen Gemische von Phenol und NaCl bestätigen durch-
wegs — die NaCl reicheren Mischungen (etwa über 10°/,) be-
stätigen auch bei kürzerer Wirkungsdauer die Annahme — daß
gleiche Wirksamkeit mit gleichem Einflusse auf die
Innenphenolkonzentration einer damit im Gleich-
Die Desinfektionswirkung des Phenol. III. 221
AN, Ke
Staphylokokken.
gewicht befindlichen salzfreien Phase eindeutig ver-
knüpft sei. Man darf hieraus schließen, daß die Erreichung
einer bestimmten Lösungskonzentration an Phenol in der
Körpersubstanz der Bakterien eine zureichende Be-
dingung des Zelltodes vorstellt, ferner daß die Diffusions-
geschwindigkeit des Phenols in den Bakterienleib für die ge-
nannten Lösungen durch die erreichbare Innenkonzentration an
Phenol wesentlich allein bestimmt wird.
Tabelle XVI.
a
ı | 2 | 3 | 4 |
Tötende Phenolkonzentrationen g/com
mit 10°/, NaCl
700. een Nolan —
sr E TRE EA berechnet aus
F Z. — gefundon ER red ee gefunden
0,0045)* (interpoliert) 7,03 (interpoliert)
= 45,5. 10—9 3903 NaCl/com)
1,590— 1,632 0,750—0,921
5 1,342— 1,491 0,709— 0,735
10 1,258— 1,315 0,605—0,684
30 1,133—1,226 0,450 — 0,605
IN 0,975 ! 1,020— 1,050 0,448—0,450
di 0,830 0,750—0,921 —0,439
8a 0, 7162 0,726—0,750 — 0,426
222 ` H. Reichel:
Das abweichende Verhalten der relativ salzärmeren, in
weniger als 1 Stunde wirksamen Lösungen muß dahin gedeutet
werden, daß sich hier eine Erhöhung der Diffusionsgeschwindig-
keit gegenüber den salzfreien Vergleichsversuchen bemerkbar
macht. Die geringere Phenoldichte dieser Lösung würde eher
eine gewisse Verzögerung der Diffusion erwarten lassen, so wie
z. B. die Geschwindigkeit der Weasserdampfaufnahme eines
trookenen Gases nicht nur von seinem Sättigungsdefizit, son-
dern auch von der Größe der Verdunstungsfläche abhängt. Der
Vergleich trifft allerdings nicht völlig zu, da in unserem Falle
nicht die Berührungsfläche des Bakterienkörpers mit der Phenol-
lösung, sondern die Zahl der Phenolmoleküle in dieser Fläche
kleiner ist. Vielleicht ist diese Zahl immer noch so groß, daß
sie für die Geschwindigkeit der Aufnahme außer Betracht fällt.
Jedenfalls bedarf aber eine Diffusionsbeschleunigung unter solchen
Umständen einer besonderen Erklärung, die wohl in Anbetracht
ihres Auftretens gerade in verdünnten Salzlösungen in einer
Wirkung der Ionen auf die Diffusibilität der Grenzschicht bis auf
weiteres erblickt werden könnte. Auch in den salzreichen Ver-
suchen mag eine solche Wirkung vielleicht vorliegen, und von
einer umgekehrten Diffusionsbeeinflussung durch die Abnahme
der Phenoldichte verdeckt werden, bzw. diese selbst verdecken.
Endlich beweist das allgemeine Zutreffen jener Verteilungs-
beziehungen auf die Verhältnisse der Desinfektionswirkung
besser als die spärlichen physikalisch-chemischen Feststellungen
an Bakterienleibern die Richtigkeit unserer Annahme, daß das
Phenol auch mit nativem Eiweiß in einfache Lösungsbeziehungen
tritt. Vielleicht könnte allerdings die hypothetische, durch
Phenol bewirkte Wasserverdrängung aus der Eiweißphase mit
dem wesentlichen Substrat irreversibler Denaturierungen, wie
der Hitzekoagulation, zusammenfallen. Man müßte nur annehmen,
daß es sich auch hierbei — wenigstens primär — nicht um
chemische Vorgänge, sondern um eine Entmischung zweier
Phasen handelt, wie sie Spiro (20) für die Aussalzungsfällung
als maßgebend erwiesen hat.
2.
Auf ein weiteres für die Fragestellung der vorliegenden
Untersuchung nebensächliches, jedoch von anderen Gesichts-
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III.
2,9
=
Phenolgehzt Yo gjccm
7,9
77
Kurvenbild 3.
224 H. Reichel:
punkten nicht unwichtig erscheinendes Ergebnis der dargelegten
Desinfektionsversuche sei hier in kurzem aufmerksam gemacht:
Die Aufsuchung einer die Beziehung zwischen Konzentration
des Desinfiziens und der Zeitdauer bis zur erfolgten Abtötung
beschreibenden Funktion geschah hier nur zum Zwecke der
Ermöglichung eines besseren Vergleiches zwischen den Wirkungen
salzfreier und salzhaltiger Lösungen. Solchen Desinfektions-
kurven kommt jedoch zweifellos auch ein allgemeiner und sicher-
lich auch praktischer Wert zu.
Erstlich kann immer nur eine tunlich lückenlos vergleichbare
Reihe von Grenzpunkten der Wirkung gestatten, die Anwend-
barkeit eines Desinfiziens im allgemeinen und die zweckent-
sprechende Methode seiner Anwendung im besonderen Falle zu
beurteilen, und der Ersatz einer solchen Stufenreihe durch eine
stetige, leicht überblickbare Abhängigkeitsbeziehung müßte dieses
Urteil erleichtern und verschärfen.
Ferner sind aber die Form und die numerischen Kon-
stanten einer solchen Desinfektionsgleichung als wichtige Charak-
teristika teils der Art der Desinfektionswirkung, teils der zu
desinfizierenden Bakterienart und der zum Versuch heran-
gezogenen Bakterienrasse zu betrachten.
Die allgemeine Form der Gleichung, welche ja in unserem
Falle aus der angenommenen und in eben diesen Versuchen
erwiesenen Wirkungsweise der Phenolkörper hergeleitet wurde,
ist zweifellos für eben diese Gruppe desinfizierender Stoffe
charakteristisch. Die spezielle Form, d. h. die Größe des kon-
stanten Exponenten scheint nach den obigen Feststellungen
dem Phenol gegenüber allen Bakterien zuzukommen, da sie
sioh für so verschiedenartige Keime wie Typhusbazillen und
Staphylokokken gleich ergibt.
Daß andersartigen, desinfizierenden Substanzen auch ganz
andere Formen der Desinfektionsgleichung entsprechen, läßt sich
an meinen älteren Versuchsergebnissen über die H,O,-Des-
infektion (24) bestätigen. Die dort wiedergegebenen Werte fügen
sich in recht vollkommener Weise einer Funktion
Z.°H,O,/com = konst. ein,
deren Form schon darauf schließen läßt, daß hier eine Speicherung
des Desinfiziens bei der tötenden Wirkung keine Rolle spielen
kann, und daß die Erstrebung kurzer Wirkungen wegen der
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 225
hierzu nötigen Konzentrationserhöhung unzweckmäßig, hingegen
langfristige Desinfektion wegen der geringen erforderlichen Mengen
zweckmäßig erscheint, welche Feststellung eben das wesent-
liche Ergebnis jener Untersuchungen war. Es wäre gewiß von
Interesse, die Form der Desinfektionskurven aller gebräuch-
lichsten Mittel zu kennen und für neue Mittel festzustellen.
Vielleicht könnte in manchen Fällen die Form der empirisch
gewonnenen Kurve die wesentliche Art der Wirkung eines Mittels
aufklären.
Die beiden übrigen Konstanzzahlen unserer Gleichung sind
als Resistenzgrößen, d. h. Charakteristika des Verhaltens der
Bakterien gegenüber diesem Desinfiziens zu betrachten. Die
Größe a bedeutet sinngemäß das absolute Resistenzmaß einer
Bakterienart, d. h. diejenige Konzentration, welche eben keine
Abtötungswirkung mehr hervorbringt.
Die Größe ist nach ihrem Ursprunge aus einer Extra-
polation mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet, doch sind
Fehler derselben für die übrigen Werte der Funktion, besonders
für ihre Übereinstimmung mit der großen Mehrzahl der empirisch
festgestellten Punkte von geringerem Einfluß. Die Größe dürfte
in einer spezifischen Affinität der Bakteriensubstanz zum Des-
infiziens begründet sein. Es muß danach als wahrscheinlich
gelten, daß sie innerhalb einer Bakterienart als konstant an-
gesehen werden darf. Für unsere Versuche trifft das jedenfalls
zu, indem sich für die Berechnung der zwei Typhusversuche
ohne Schwierigkeit die gleiche Zahl hierfür annehmen ließ,
während sie für Staphylokokken gleich in der doppelten Größe
auftrat.
Praktisch wichtiger erscheint das zweite Resistenzmaß der
Gleichung, die konstante k. Alle bisher üblichen Angaben über
die Widerstandsfähigkeit von bestimmten Keimen gegen be-
stimmte Desinfizienten sind ja zeitlicher Natur. Gewöhnlich
wird zur Charakterisierung der zum Versuche herangezogenen
Bakterien der Zeitpunkt der Abtötung derselben durch 1°/,
Carbolsäure, 1°/, Formaldehyd oder strömenden Dampf von
100°0 angegeben. Halten sich die Kontrollversuche nicht an
diese konventionellen Dosen der Desinfizientien, so erscheint
heute ein Vergleich der Widerstandsfähigkeiten der von ver-
schiedenen Autoren oder in verschiedenen Versuchsreihen an-
226 H. Reichel:
gewendeten Testbakterien undurchführbar. Bei Kenntnis der
Desinfektionskurve eines Mittels kann aber — vorausgesetzt,
daß sich die übrigen Konstanten tatsächlich als von den Re-
sistenzschwankungen einer Bakterienart unabhängig erweisen
werden — aus jedem Wertpaare Zeit und Konzentration die
Konstante k und damit jedes andere Wertpaar berechnet werden.
Vielleicht erweist es sich als zweckmäßig, die Größe k selbst
als direktes Maß der zeitlichen Resistenz zu definieren, da hier-
mit ein von den zufälligen Versuchsdimensionen unabhängiger
Wert, gewissermaßen eine Eigenschaft der zu oharakterisierenden
Bakterienrasse im Verhältnis zum bestimmten Desinfektions-
mittel gewonnen wäre.
Auch die üblichen Wertangaben desinfizierender Stoffe
scheinen einer Reform bedürftig, und mit Hilfe der Desinfek-
tionskurven zugänglich. Soweit sich solche nicht auf ungeord-
nete und höchstens qualitativ vergleichbare Resistenzangaben
beschränken, geben sie häufig als Carbolsäurekoeffizienten die
Verhältniszahl jener Konzentrationen des Carbols und des Des-
infiziens, meist für 1°/ ige Carbollösung, wieder, welche gleiche
Wirksamkeit entfalten. Daß dieses Maß für verschiedene Test-
bakterienarten verschieden ausfällt, bedeutet keine Fehler, da
sich hierin zweifellos die verschiedenen Affinitäten der Leibes-
substanzen zu den Desinfizientien ausdrücken, die volle Be-
achtung verdienen.
Es ist aber klar, daß diese Zahl nur in dem Falle ein für
alle Konzentrationen und Zeiten gültiges Maß einer bestimmten
Desinfektionswirkung sein könnte, wenn die Desinfektionskurve
des verglichenen Mittels mit derjenigen der Carbolsäure formal
übereinstimmt, eine dieser ähnlichen Kurve vorstellt. Das wird
in den seltensten Fällen, vielleicht nicht einmal bei anderen
Phenolkörpern ausreichend zutreffen, und schon bei einiger-
maßen fremdartigen Kurven verschiebt sich diese Verhält-
niszahl auch für wenig geänderte Konzentrationen sehr wesent-
lich. Kurven, wie die des Phenols und des Wasserstoffsuper-
oxyds müssen sich noch innerhalb der Konzentration ihrer
praktischen Verwendbarkeit überschneiden, z. B. für Typhus-
bazillen etwa bei 0,5°/, und 2 Stunden, so daß ein Carbol-
koeffizient für diese Konzentration — 1 für jede höhere weit
kleiner, und für jede tiefere weit größer wäre.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. IIL 227
Es geht daraus hervor, daß nur bei Kenntnis der Des-
infektionskurve eines Mittels eine Aussage über seine Wirksam-
keit oder über die Resistenz einer Bakterienrasse aus Einzel-
daten überhaupt möglich ist, und daß erst bei vergleichbarer
Feststellung der Kurven für ein bekanntes und ein unbekanntes
Desinfektionsmittel Verwendbarkeit, Vorzüge und Nachteile des
letzteren in übersichtlicher Weise beurteilt werden können. Nur
in dem — wohl seltenen — Falle geometrischer Ähnlichkeit
der Kurven zweier Mittel läßt sich ein allgemein gültiger Wert-
koeffizient derselben berechnen.
Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtungen.
Die im vorstehenden dargelegten Untersuchungen haben
gelehrt, daß Öl, koaguliertes Eiweiß und in analoger Weise
Cholesterin und die gesamte Körpersubstanz von Bakterien mit
Phenol einfache, aberdurchwegs intensive Lösungsbeziehungen
eingehen. Auch das Verhalten der nativen, gelösten Eiweiß-
stoffe zum Phenol läßt sich auf Grund solcher Beziehungen
verstehen, ohne die Annahme tiefer greifender, chemischer Ein-
wirkungen nötig zu machen. Das Verhalten der genannten
Phasen wird im Gleichgewichtszustande mit wässerigen Lösungen
für die Lösung von einfachem Phenolhydrat (2 Phenol + 1H,O)
durch die einfachste Form des Verteilungssatzes beherrscht.
Temperaturerhöhung bedingt eine geringe Verschiebung des
Teilungsverhältnisses zugunsten der wässerigen Phase. Mit
steigendem Kochsalzgehalt der Lösung verschiebt sich das
Teilungsverhältnis zugunsten der nicht wässerigen Phasen nach
einer für alle identischen, einfachen, auch sonst für Löslichkeits-
beeinflussung bestätigten Beziehung. Für die Beeinflussung der
Phenollöslichkeit wässeriger Phasen durch Kochsalz trifft diese
Beziehung allerdings nicht völlig zu, doch können auch die
Sättigungswerte nicht in allen Fällen als adäquates Maß der
eich im Teilungsverhältnis ausdrückenden Lösungsaffinitäten
gelten.
Das Ergebnis der Versuche an Eiweißgelen (Hitzecoagula)
läßt den Gehalt derselben an molekularem Imbibitionswasser
als von vornherein gering erscheinen. Derselbe wird offenbar
durch Gegenwart von 2°/, Phenol in salzfreier Lösung, bei
Salzgegenwart schon bei geringerer Phenolkonzentration, praktisch
228 H. Reichel:
zum Verschwinden gebracht. Typische Abweichungen von Tei-
lungsfaktoren könnten vielleicht bei entsprechender Verfeinerung
der Methodik auch in anderen Fragen zur Feststellung des Gehaltes
von Gelen an echtem Quellungswasser verwertet werden.
Der Gehalt der Gele an capillar imbibierter Lösung zeigt
starke Ausschläge je nach der Zusammensetzung der wässerigen
Phase. Während sich NaCl allein selbst in hohen Konzen-
trationen diesbezüglich wenig wirksam erweist, bedingt Phenol
schon in geringen Konzentrationen ausgesprochene Entquellung,
die bei Salzgegenwart noch wesentlich verstärkt ist. Die ca-
pillare Quellung läßt sich in erster Annäherung als eine ein-
fache Funktion des Phenolgehaltes der salz- und wasserfrei
gedachten Eiweißphase darstellen.
Die Vorstellung völliger Salzfreiheit der Eiweißphase hat
sich in den vorliegenden Versuchen durchweg bestätigt, und
— durch das einfache Ergebnis der darauf begründeten Be-
rechnungen — gut bewährt. Sollte sie auch auf lebende eiweiß-
reiche Phasen übertragbar sein, so könnte diesen die Eigen-
schaft der Semipermeabilität zugesprochen werden, als deren
Träger man bisher vielfach ölige Phasen heranziehen zu müssen
glaubte. Die Richtung der osmotischen Wasserbewegung würde
dann mehr auf der räumlichen Anordnung als auf chemischen
Unterschieden der Phasen im lebenden Körper beruhen, welche
Unterschiede allerdings die Entstehung der Konzentrations-
gefälle, also der treibenden Kräfte dieser Bewegung nach dem
Teilungsprinzip, beherrschen [s. Spiro (4)].
In den letzten Jahren wurden von mehreren Seiten Tat-
sachen vorgebracht, die für die Möglichkeit einer eiweißartigen
Plasmahülle oder gegen das allgemeine Vorkommen lipoider
Grenzschichten an und in den Zellen sprechen So konnte
Bechhold (25) nachweisen, daß eine in einem Gelatinegel er-
zeugte Niederschlagsmembran die Salzdiffusion völlig hemmt,
obwohl die Gerüstsubstanz des Gels auch innerhalb der Mem-
bran intakt ist. Andererseits wiesen Moor und Roaf (26) die
hohe Durchlässigkeit von Lipoidmembran für Salze nach.
Robertson (27) findet endlich den Lipoidteilungskoeffizienten
nicht als maßgebend für die Aufnahme von Farbstoffen in die
Zelle, und führt auch andere Gründe für die Proteinnatur der
Plasmahaut an.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. IIL 229
Die Tatsache, daß osmotische Quellungsvorgänge beim
lebenden Plasma eine große Rolle spielen, während sie beim.
Eiweißgel zu fehlen scheinen, dürfte danach vielleicht mit der
Existenz und dem Fehlen abgeschlossener Flüssigkeitsräume —
einer wabigen Struktur — ausreichend erklärbar werden.
Endlich hat das Ergebnis der Desinfektionsversuche er-
wiesen, daß die Wirksamkeit von Lösungen in längeren Zeiten
von eben jenen auf physikalisch-chemischem Wege festgestellten
Verteilungsbeziehungen eindeutig abhängt. Danach muß der
Zelltod als durch die Erreichung einer bestimmten Phenol-
lösungskonzentration in den Körpersubstanzphasen der Bakterien
bedingt gedacht werden, womit unsere Hauptfrage, die den
Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchungen bildet, in be-
jahendem Sinne entschieden ist.
Die Abweichungen, welche die Wirksamkeit in kürzeren
Zeiten bei relativ salzärmeren Lösungen zeigt, lassen auf eine
Diffusionsbeschleunigung durch das Salz, vielleicht eine Ionen-
Wirkung schließen. Auch darf der bekannte förderliche Tempe-
ratureinfluß auf die Desinfektionswirkung des Phenols einer
Diffusionsbeschleunigung nach der erwähnten gegenteiligen Ab-
hängigkeit des Teilungsverhältnisses zugeschrieben werden. Doch
könnte auch eine Wärmekatalyse chemischer, mit dem Lebens-
prozess näher verknüpfter Vorgänge, etwa im Sinne einer be-
schleunigten Autolyse, eine gesteigerte Empfindlichkeit des
Plasmas zur Erklärung herangezogen werden.
Eine noch tiefer greifende Erforschung des in Rede stehen-
den Abtötungsphänomens hätte sich wohl mit eben diesen, dem
Lebensprozesse nahe stehenden Vorgängen, zunächst den fermen-
tativen in ihrer Beziehung zum wirksamen Stoffe, zu befassen.
Vielleicht liegt es am nächsten, an eine Lähmung solcher lebens-
wichtiger Zellvorgänge zu denken. Vielleicht kann die im groben
Umriß festgelegte Beziehung zwischen der Innenkonzentration
der Körperphasen und ihrer Quellung als Wegweiser dienen,
insofern das Leben damit an eine gewisse capillare Tragfähig-
keit von Quellungslösung geknüpft erscheint, die ihrerseits
wieder mit einem bestimmten Mindestmaß molekularer Quellung
in Beziehung stehen dürfte.
Diese Tatsachen weisen auf einen gewissen Zusammenhang
der Wirkung der Phenolkörper mit jener anderer tötenden -
230 H. Reichel:
Agenzien hin, die, wie trockene Hitze, Hitzekoagulation, und
wobl in ähnlicher Weise strömender Dampf, auf einer radikalen
Wasserentziehung aus dieser eiweißreichen Körperphase beruhen
dürften. Vielleicht brauchen die beiden zuletzt entwickelten
Vorstellungen einer Fermentlähmung einerseits, einer Entziehung
des lebensnotwendigen Wassers andererseits einander nicht zu
widersprechen. Denn nach Carlsons (28) Untersuchungen
scheinen sehr viele wichtige Reaktionen, besonders fast alle
fermentativen, mit der Gegenwart eines in besonderer Weise
gebundenen, dadurch zum Zerfall in seine Bestandteile neigen-
den Wassermoleküls wesentlich zusammenhängen.
In praktischer Hinsicht scheint aus den vorliegenden Tat-
sachen die Notwendigkeit hervorzugehen, für Desinfektionsmittel,
deren wirksame Bestandteile der Gruppe der Phenolkörper an-
gehören, das Teilungsverhältnis dieser Stoffe für den Körper-
substanzen ähnliche Phasen, wie Öl oder Eiweißcoagula, zu
messen und bei Beurteilung ihres zu erwartenden Wertes zu
vergleichen. Die Methode könnte gewiß auch zur Aufsuchung
sussichtsreicher Zusammensetzungen der zur Desinfektion heran-
zuziehenden Lösungen dienlich sein. Feinere Unterschiede der
Teilungsverhältnisse für verschiedene Materialien, z. B. Bakterien
und Körpereiweiß, könnten eine rationelle Grundlage für die
Bestrebungen der sogenannten inneren Antisepsis abgeben.
Endlich sei noch auf die dargelegte, für alle Desinfektions-
mittel sicher große Bedeutung der Desinfektionskurven bzw.
Gleichungen hingewiesen.
Es besteht die Absicht, den vorstehenden Untersuchungen
in den angedeuteten Richtungen eine Erweiterung und Fort-
setzung zu geben: 1. Es soll eine größere Anzahl wirksamer
Agenzien — chemischer und physikalischer Natur — in den
Bereich der Betrachtung gezogen werden. 2. Es soll versucht
werden, deren Wirkung auf die einzelnen Komponenten der
Lebenstätigkeit der Zelle zu analysieren.
Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 231
Literatur.
1. Scheurlen, Die Bedeutung des Molekularzustandes der wasser-
gelösten Desinfektionsmittel für ihren Wirkungswert. Arch. f. experim.
Pathol. u. Pharmakol. 87. 74, 1896.
2. Scheurlen und Spiro, Die gesetzmäßigen Beziehungen zwischen
Lösungszustand und Wirkungswert der Desinfektionsmittel. Münch. med.
Wochenschr. 44, 4, 1897.
3. Spiro und Bruns, Zur Theorie der Desinfektion. Arch f. ex-
perim. Pathol. u. Pharmakol. 41, 355, 1898.
4. Spiro, Über physikalische und physiologische Selektion. Straß-
burg 1897.
5. Paul und Krönig, Die chemischen Grundlagen der Lehre von
der Giftwirkung und Desinfektion. Zeitschr. f. Hygiene 25, 1, 1897.
6. T. F. Clark, Journ. Phys. Chem. 8, 263, 1901.
7. Madsen u. Nejmann, Zur Theorie der Desinfektion. Zeitschr.
f. Hygiene 57, 389, 1900.
8. Manfred Bial, Zeitschr. f. physikal. Chem. 40, 513, 1902.
9. Maillard, Compt. rend. Soo. de Biol. 1899.
10. Rob. Koch, Über Desinfektion. Mitteil. a. d. kaiserl. Gesund-
heitsamte 1, 234, 1881.
11. Wolffhügel und v. Knorre, Zu der verschiedenen Wirksam-
keit von Carbolöl und Carbolwasser. Mitteil. a. d. kaiserl. Gesundheits-
amte 1, 352, 1881.
12. W. Beckmann, Über den Einfluß des Zusatzes von NaCl auf
die Wirkung des Phenols. Centralbl. f. Bakt. 20, 577, 1906.
13. Weyland, Desinfektionswirkung und Eiweißfällung chemischer
Körper. Centralbl. f. Bakt. 21, 789, 1897.
14. Römer, Münch. med. Wochenschr. 45, 10, 1898.
15. Setsohenow, Zeitschr. f. physikal. Chem. 4, 117, 1889.
16. Rothmund und Wilsmore, Zeitschr. f. physikal. Chem. 40,
611, 1903.
17. Nernst, Zeitschr. f. physikal. Chem. 88, 487, 1902.
18. F. Hofmeister, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 27,
395, 1890.
19. F. Hofmeister, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 28,
210, 1891.
20. Spiro, Über Lösung und Quellung von Kolloiden; Beiträge z.
chem. Physiol. u. Pathol. 5, 276, 1904.
21. Bugarszky und Tangl, Pflügers Archiv 72, 531, 1896.
22. W. Pauli, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 36, 100, 1895..
23. Rodewald, Zeitschr. f. physikal. Chem. 24, 193, 1897.
24. Reichel, Die Trinkwasserdesinfektion durch H,0,. Zeitschr.
f. Hygiene 61, 49, 1908. Ä
25. Beohold und Ziegler, Zeitschr. f. physikal. Chem. 56, 105, 1906..
26. Moor und Raaf, Biochem. Journ. 2, 69, 1906.
27. T. B. Robertson, Journ. of Biol. Chemie 4, 1, 1908.
28. Carlson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 55, 260, 1908.
Untersuchungen über die Gelatinierung des Eiweißes.
I. Mitteilung.
Von
Giovanni Moruzzi.
(Aus dem Histologisch -Chemischen Laboratorium der allgemeinen
Medizinischen Klinik an der Universität zu Parma.)
(Eingegangen am 1; September 1909.)
Mit 1 Figur im Text.
Gelatinierung durch Salzsäure.
Die Eigenschaft der Säurealbuminate und der Alkalialbu-
minate unter bestimmten Umständen zu gelatinieren, ist für
die Physiologie und die Pathologie vom höchsten Interesse, um
so mehr, wenn wir nicht die echten, eigentlichen Gelatinen in
Betracht ziehen, sondern diejenigen Anfangsmodifikationen,
welche der Gelatinierung vorangehen, d.h. die Zunahme der
Werte der innern Reibung, welche an einen Hydratationsprozeß
gebunden zu sein scheinen (Pauli?).
Die geringe Konzentration der H- und OH-Ionen, die nötig
ist, damit diese Anfangsmodifikationen eintreten, läßt vermuten,
daß such in den Organismen derartige Zustandsänderungen der
Kolloide stattfinden können, und daß dieser Mechanismus bei
der Regulierung des Wassers in den Geweben in die Erscheinung
tritt (Pauli?). Es gibt besondere, krankhafte Zustände, in welchen
die Eiweißstoffe der pathologischen Produkte ein gelatinöses
Aussehen annehmen, wie in den Gallertkrebsen, in den Cysten
mit gallertartigem Inhalt, in den katarrhalischen Entzündungs-
1) Wolfgang Pauli und Hans Handowsky,. Untersuchungen
über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. Diese Zeitschr.
18, 3., 4. u. 5. Heft, 1909.
2) L o.
G. Moruzzi: Gelatinierung dee Eiweißes. 233
prozessen des Dünndarms, in welchen der Schleim das Aus-
sehen von durchsichtigen, runden Klümpchen annimmt, in ge-
wissen Nierenveränderungen, bei welchen die Cylinder gänzlich
das Aussehen von Gelatine haben (hyaline Cylinder).
Das Studium der Eiweiß-Gelatine gewinnt in Anbetracht
dessen ein hohes biologisches Interesse.
Wie bekannt, wird die Natur der Erscheinung der Gela-
tinierung dadurch charakterisiert, daß eine kolloide Flüssigkeit
unter bestimmten Bedingungen ihre flüssige Beschaffenheit ver-
liert und sich in eine halbflüssige oder halbfeste Masse um-
wandelt, die Gelatine genannt wird.
Diejenigen kolloidalen Lösungen, die nach der Gelatinie-
rung die Fähigkeit besitzen, wieder flüssig zu werden, nennt
man reversibel, die, welche sie nicht besitzen, irreversibel.
Die reversiblen Kolloide gelatinieren, wenn die Temperatur
sinkt, die irreversiblen, wenn die Temperatur steigt.
Wirft man einen Blick auf die Literatur über die Eiweiß-
Gelatinen, so bemerkt man, daß die meisten Forscher sich mit
dem Mechanismus der Erscheinung beschäftigt haben, indem sie
die Stoffe studierten, die aus dem Organismus direkt gelatinös
gewonnen werden (Knochengelatine, Agar, Hausenblase usw.) ;
wenige dagegen haben die Erscheinung studiert, indem sie die-
selbe künstlich in den Stoffen erzeugten, die an und für sich
keine Neigung zum Gelatinieren haben.
Die Forscher, welche sich mit der Wirkung der Säuren
und Basen auf Eiweiß, d. h. mit den Acidalbuminen und
den Alkalialbuminaten beschäftigten, beobachteten zuerst, daß
in den konzentrierten Eiweißlösungen das Hinzufügen von Säuren
oder Alkalien eine Gelatine erzeugt, die alle Abstufungen zwischen
dem hellen, glasartigen, durchsichtigen Aussehen und der weißen
Opalisierung darstellen kann.
Dieser Gelatine gaben sie die Namen Acidalbumin bzw.
Alkalialbuminat.
Die ersten, welche diese Erscheinung feststellten, waren, wie
Cohnheim in seiner Abhandlung!) ausführt: Lieberkühn?), Magen-
1) Cohnheim, Chemie der Eiweißkörper. Braunschweig 1904.
2) N. Lieberkühn, Arch. f. anat. Physiol. u. wissenschaftl. Med.
1848, 285 bis 323. Aus Cohnheims Abhandl.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 16
234 G. Moruzzi:
die!), Johnson?) und schließlich Rollet?) und sein Schüler Zoth®#),
wie auch unter der Leitung von Alexander Schüts Kieseritzky®)
und Rosenbergs’).
Die größere oder geringere Durchsichtigkeit dieser Gelatine und die
größere oder geringere Festigkeit hängt von der Konzentration der Säure
oder des Alkalis und von dem Gehalt der Flüssigkeit an unorganischen,
neutralen Salzen ab, wie Rollet und Joth sowie auch Rosenberg
und Kieseritzky bewiesen haben.
Im allgemeinen ist für die Bildung der Gelatine eine größere Kon-
zentration von Säuren als von Alkalien nötig, eine sehr starke Kon-
zentration der ersteren ergibt nicht Gelatine, sondern einen Nieder-
schlag, während die Alkalien bei starken Konzentationen eine nicht sehr
feste Gelatine geben, die bei einem Überschuß sich wieder verflüssigt.
Kieseritzky und Rosenberg, die ganz besonders den Einfluß
der Salze studiert haben, beobachteten, daß die sehr verlängerte Dialyse
dem Eiweiß die Eigenschaft, durch den Einfluß der Säuren und der Al-
kalien zu gelatinieren, entzieht, und daß sowohl die Zeit, in der die Er
scheinung eintritt, als auch die Konsistenz der Gelatine von der Gegen-
wart der Salze abhängt, und daß die Gelatine desto durchsichtiger er-
scheint und desto weniger Festigkeit aufweist, je geringer der Salzgehalt
derselben ist.
Für das Acidalbumin sind geringere Mengen Salze erforderlich ala
für die Alkalialbuminate. Die Wärme beschleunigt die Erscheinung und
macht die Gelatine fester.
In einer interessanten Arbeit über die Gelatinierung des mit Hilfe
von Säuren der Essigreihe dialysierten Eiereiweißes hat Zoja?) beobachtet,
daß diese Säuren in den Eiweißlösungen eine Veränderung der Werte
der Abflußzeit bewirken, welche in bezug auf die Funktion der Säuren-
menge graphisch einen der elektrischen Leitfähigkeit analogen Verlauf
hat, d. h. anfangs ein von Säure zu Säure wechselndes Maximum dar-
stellt, dann abnimmt.
Diese Zunahme der Zähigkeit bei gleicher molekularer Säurekon-
zentration ist um so stärker, je größer das Dissoziationsvermögen der
angewandten Säure ist, und die Kurve wird steil für alle Säuren in Über-
1) Magendie, Lecons sur le sang. Paris 1836, S. 170.
2) Johnson, Journ. Chem. Soc. N. S. 12, 734. Aus Cohn«
heims Abhandl.
3) A. Rollet, Sitzungsbericht d. Wiener Akad. Math. natur. Kl.
Abteil. III, 84, 322, 1881. Aus Cohnheims Abhandl.
4) Zoth, ibid. 100, 140, 1891. Aus Cohnheims Abhandl.
6) W. Kieseritzky, Die Gerinnung des Faserstoffes, Alkalialbu-
minats und Acidalbumins. Dissertat. Dorpat 1882.
6) A. Rosenberg, Dissertat; Dorpat 1883.
7) L. Zoja, Physikalische chemische Untersuchungen der Reak-
tionen zwischen Eiereiweiß und Essigsäure. Zeitschr. f. Chem. u, Ind,
der Kolloide 3, 1908.
Gelatinierung des Eiweißes. 235
einstimmung mit dem niedersteigenden Aste der Kurve der elek-
trischen Leitfähigkeit derselben, wenn nämlich der nicht dissoziierte Teil
zunimmt.
Die Salze üben eine beschleunigende Wirkung auf das Phänomen
aus, welohe Wirkung ihren Kationen zuzuschreiben ist.
Zoja meint, daß es sich um eine ionische, durch die Hydrogenionen
hervorgerufene Erscheinung handele, und daß ein doppeltes Gleich-
gewicht bestehe zwischen dem dissoziierten und dem nicht dissoziierten
Teile der Säure und zwischen dieser und den kolloiden Partikeln.
Es war von Bedeutung, die Untersuchungen auf die
Mineralsalze auszudehnen, für welche vorauszusehen war, daß
die Erscheinung wegen ihres großen Trennungsvermögens bei
sehr geringen Konzentrationen auftreten würde, weswegen auch
genaue Bestimmungen des Gefrierpunktes der angewandten
Lösungen möglich gewesen wären. Diese Bestimmungen konnte
Zoja nicht anstellen wegen der starken Säurekonzentrationen,
welche er zwecks Studiums des Phänomens gebrauchen mußte.
Die in meinen Versuchen angewandte Mineralsäure war
Salzsäure. Ich erforschte das Verhalten des A und des elek-
trischen Leitvermögens an Mischungen, in welchen das Gesamt-
volumen sowohl wie die Mengen Eiweiß und Salzsäure be-
ständig veränderlich waren, und an anderen, in welchen die
Eiweißlösung durch ein gleiches Volumen destilliertes Wasser
ersetzt war. Das Sinken des Gefrierpunktes wurde mit einem
in !/ioọ Grade eingeteilten Beckmannschen Thermometer fest-
gestellt.
Das spezifische elektrische Leitvermögen wurde bei einer
Temperatur von 25°C mit der Kohlrausch-Methode fest-
gestellt.
Das in allen Versuchen gebrauchte Eiereiweiß dialysierte
21 Tage lang in fließendem Wasser und in weiteren 8 Tagen
in destilliertem Wasser, das alle 24 Stunden 2 bis 3mal ge-
wechselt wurde, so daß nach der Dialyse seine elektrische Leit-
fähigkeit bei 35°C K 3% °T" = 55 und das 4 = 0,002 betrug;
während der Zeit, in welcher die Experimente ausgeführt
wurden, wurde es bei niedriger Temperatur unter Toluol auf-
bewahrt. Der Prozentsatz an darin enthaltenem Eiweiß be-
trug nach der Dialyse 47,50°/,, und nach der bei der Be-
reitung der Mischung erfahrenen Verdünnung 31,66°/,.
16*
236 G. Moruzzi:
Mittels der in der Tabelle I und II gesammelten Daten
wurde die Kurve aufgestellt. Für alle Mischungen wurde die-
selbe 75 bis 85°/, ige Salzsäurelösung angewandt.
Tabelle I.
Nummer d. Reihen-
folge d. Mischungen
ccm HO com 5 eem 0,00 0,692 | 22694 |2,762lstark. Niederschl.;
es wird zur Aus-
führ. der Bestim-
mungen zentrifu-
giert u. dekantiert
[>
» » |» 45 | „ 0,5 |o,028 | 18452 |2,433| starker Niederschl.
a »n |n & |» 1 1055| 15747 208 „ 9
a wl 3 Ia 2 [o6] sn —| „ e
„25 | „ 2,5 | 0,347 | 9625,27 |1,192] gelatinöser „,
3
GO si CD CH Va Gabi
s
» o» | » 1,50| „ 3,50] 0,209 | 5765,57 |0,700| während der Be-
und klar, nach drei
Stunden milchi
Gelatine
OI y | » 1,25 , 3,75 0,175 | 4561,33 10,540| klar; nach einer
| i Stunde gelatiniert
nach 24 Stunden,
| den opalescent
10 | a | sé: 2 „ 4 10,138 | 3414,34 | — | klar, gelatiniert
| nach 15 Stunden
1l | » „| » 0,75 we 4,25| 0,103 | 2287,42 |0,272| klar, gelatiniert
| nach 9 Tagen
12 | ww | , 0,50) „ 4,50| 0,069 | 1071,40 0,135 klar, flüssig
13 np nm ”„ 0,40 „ 4,60 0,055 633,20 0,084 TT n”
14 e nm | » 0,25) „ 4,751 0,035 | 287 0,047 ve »
15 | ww | vw DIN „ 8,00] 0,000 68,98 10,002 ge 2
Wie aus den Tabellen I und II und aus der Kurve
hervorgeht, werden die Werte des A der albuminösen Salz-
lösungen, verglichen mit denen der wässerigen Salzsäurelösungen,
in einer ersten Strecke, und gerade eben von der normalen Konzen-
tration bis zur Konzentration 0,055 n durch zwei im Winkel di-
vergierende gerade Linien mit dem Gipfel bei Null dargestellt;
von 0,055 n bis 0,554 n nehmen sie den Verlauf zweier paral-
leler gerader Linien, und zwischen 0,554 n und 0,692 n berühren
Gelatinierung des Eiweißes. 237
die Werte des A der albuminösen diejenigen der wässerigen
Salzsäurelösungen und überragen sie dann.
Tabelle II.
1 com5 eem 10 — 2,712 | — 0,050
2 ; 0,623 — 2,392 | — 0,040
3 0,564 — 2,192 | -+ 0,110
4 0,416 — 1,582 —
5 0,347 | 1574,47 | 1,307 0,115
6 0,278 — 1,037 0,111
7 0,244 | 8448,46 | 0,922 0,110
8 0,209 | 7455,32 | 0,817 0,117
9 0,175 | 6385,87 | 0,652 0,112
10 0,138 | 5070,92 | 0,482 —
11 0,103 | 3936,86 | 0,387 0,115
12 0,069 | 2770,65 | 0,245 0,110
13 0,055 | 2346,55 | 0,197 0,113
14 0,041 | 1708,39 | 0,132
Die ausgezeichneten Versuche Paulis!) geben eine befriedigende
Erklärung über dieses bemerkenswerte anfängliche Sinken der Werte des 4;
deswegen halte ich es für angebracht, dieselben hier kurz wiederzugeben.
Dieser Verfasser hat in einer Arbeit Nachforschungen über den
Einfluß der Salzsäure und des Natriumhydrats auf die innere Reibung
des dialysierten Eiweißes angestellt.
Die als in Funktion betrachteten Werte der innern Reibung der
Säure- und der Basenkonzentration nehmen zu, bis sie ein Maximum
erreichen, wonach sie abnehmen.
Pauli deutet dieses Ergebnis nach Laqueur und Sackur?) als
eine Umbildung des neutralen Eiweißes in Albuminione, die positiv bei
Zufügung von Säure, negativ bei Zufügung von Base sind; wenn die
Werte der innern Reibung abnehmen, so bildet sich nach Paulis An-
nahme durch einen Rückgang des Dissoziationsphänomens aus dem sauren
Chloralbumin neutrales Chloralbumin.
In einer zweiten Arbeit gibt er der aufgestellten Hypothese eine
breite Grundlage, indem er eine Reihe von Experimenten angibt, die
sioh alle mit derselben decken.
1) W. Pauli, Zeitschr. f. Chem. u. Ind. der Kolloide. — Kolloid-
chemische Studien am Eiweiß 8. — W. Pauli und H. Handowsky,l.o.
D Beiträge z. chem. Physiol u. Pathol. 3, 193, 1903.
238 G. Moruzzi:
1. Die elektrische Leitfähigkeit und die innere Reibung nehmen ab,
wenn dem dialysierten Eiweiß, dem man Salzsäure in soloher Menge zu-
setzte, daß die innere Reibung den Höchstwert nicht überstiegen hat,
neutrale Salze hinzugefügt werden.
3800
Erklärungen der Symbole:
a) K35105 der albuminösen
Salzsäurelösung.
74.000 - 1900 b) A der albuminösen Salz-
säurelösung.
— ol A der wässerigen Salzsäure-
lösung.
10 000-1 1000
d) K% ?°—5 der wässerigen
8000- 800 Salzsäurelösung.
6000- 600
400071 400
2000-4 200
al.
- , OE 03 Ge 050 059
ew " Wen Normalität der Säure
Fig. 1.
2. Die freien H-Ionen nehmen beim Zufügen von Salzen starker
Säuren zu.
3. Das dialysierte Eiweiß verliert bei dem ersten Zusatz von Säure
die Eigentümlichkeit, durch Alkohol zu gerinnen; bei den nachfolgenden
Zusätzen gewinnt es dieselbe wieder.
Das Vermögen des Eiweißes, durch Zusatz einer Säure eine positive
elektrische Ladung zu erwerben, ist nach Paulis Meinung den Amino-
säuren der Proteinmoleküle zuzuschreiben und träte nach der folgenden
Gleichung ein:
H H
NH,< NH,<
RC OH | a= RC Cl | B0.
COOH COOH
Gelatinierung des Eiweißes. 239
Die Verminderung des elektrischen Leitvermögens durch Zusatz
von neutralen Salzen käme darum zustande, weil sich in der Amidosäure
starke Anionen und Kationen finden, deren Neigungen zum Ionisieren
fast im Gleichgewicht sind; deswegen bildet sich ein neutrales Molekül,
das die Zahl der freien H-Ionen vermehrt.
R <a NR.
COOH COON:
Die innere Reibung nähme durch einen Hydratationsprozeß des
elektrisch geladenen Eiweißes zu, durch einen Entwässerungsprozeß des
Eiweißes ab, das seine elektrische Ladung verliert, um neutrales Eiweiß
zu werden.
Diese Ansicht werde durch die Tatsache gestützt, daß sowohl das
Säureeiweiß als auch das Alkalialbumin den entwässernden Agenzien (Alko-
hol, Wärme) gegenüber widerstehen, während das neutrale Eiweiß koa-
guliert wird.
Auch bei den flüssigen Gelatinen wurde von Schröder!) beob-
achtet, daß durch Zusatz von Salzsäure die innere Reibung zunimmt,
bis dieselbe ein Maximum erreicht, das mit der Säurekonzentration zu-
sammenfällt (0,015 n), für welche auch Pauli den höchsten Wert der
innern Reibung feststellte.
Lillie?) nahm mit seinem Osmometer Messungen über den osmotischen
Druck vor und konnte durch progressiven Zusatz von Salzsäure in den
Gelatinen eine Zunahme des osmotischen Druckes bis zur Konzentration
0,003 n nachweisen.
Deshalb hält Pauli es für unzweifelhaft, daß die von Lillie beob-
achteten Druckzunahmen mit den von ihm angenommenen starken Hy-
dratationen der Albuminionen gleichzustellen seien.
Die Abnahme der Werte der innern Reibung, die als eine Rück-
gangserscheinung der Dissoziation und der nachfolgenden Bildung von
neutralem Chloralbumin gedeutet wird, wird durch die Experimente von
Scohorr?) bestätigt, welcher, indem er sich auf die besondere Eigen-
schaft des Alkohols, das neutrale Eiweiß zu koagulieren und das saure
Eiweiß gelöst zu lassen, stützte, feststellen konnte, daß das dialysierte
Eiweiß durch den allmählichen Zusatz von Salzsäure anfangs die Eigen-
schaft verliert, dem Alkohol gegenüber zu gerinnen; es gewinnt diese
Eigenschaft jedoch bei weiteren Zusätzen von Alkohol nach und nach
wieder.
Im Lichte dieser Untersuchungen betrachtet, kann man
unschwer die starken, von mir in den albuminösen Salzmischungen®)
angetroffenen Senkungen des A so deuten, daß sie zum klein-
sten Teil der minderen Dissoziation der Salzsäure, wegen der
Na NO, = R -+ HNO,.
1) Zeitschr. f. physikal. Chem. 66, 129.
2) American. Journ. of Physiol. 20, 127.
3) Diese Zeitschr. 13, 173, 1908.
4) A. Aumanski, Zeitsohr. f. physikal. Chem. 60, 553.
240 G. Moruzzi:
Anwesenheit des Eiweiß - Kolloids, zuzuschreiben sind, zum
größten Teil jedoch der Verbindung der Salzsäure mit dem
Eiweiß.
Nach Paulis Ansicht entspricht der höchste Wert der
innern Reibung der Konzentration 0,016 n; bei der Konzentration
0,05 n war die Herabsetzung der Werte der innern Reibung
so stark, daß sie beinahe die Werte des neutralen Eiweißes
erreichten.
Da nun sowohl die Bildung des sauren Eiweißes, als auch
das Neutralwerden desselben an eine Entziehung von Ionen
von seiten des Eiweißes gebunden ist, so muß deshalb das A
beständig sinken, bis alles Eiweiß neutrales Chloralbumin ge-
worden ist.
Die größte Entfernung der Werte des A der albuminösen
von denen der wässerigen Salzmischungen trat bei meinen Ex-
perimenten bei der Säurekonzentration 0,055 n ein, bei der in
entsprechender Weise Pauli die stärkste Senkung der innern
Reibungswerte beobachtete.
Von der Konzentration 0,055 n bis zurKonzentration 0,554 n
bleibt der Unterschied A— 4’ beinahe unverändert; daher muß
angenommen werden, daß entweder die Salzsäure mit dem Chlor-
albumin keine Verbindung mehr eingeht, oder daß sie mit dem-
selben eine Verbindung bildet, die ebenso dissoziierbar ist, wie
die Salzsäure. Bei dem aber, was wir bis heute über den physi-
kalisch-chemischen Zustand der in Lösung befindlichen Körper
wissen, läßt sich eine komplexere und dissoziierbare Verbindung
kaum denken; deswegen halten wir uns an die erstere
Hypothese. | =
Ich erwähne hier von neuem, daß die Gelatinierung zwischen
0,103n und 0,244 eintritt; auf diese Erwägung werde ich
zurückkommen müssen, wenn ich über die Ergebnisse der
Werte des A und Ki, —6 berichte, die in einer und derselben
Lösung zu verschiedenen Zeiten festgesellt wurden.
Von 0,554 n bis 0,692 n werden die Unterschiede A — 4’
negativ, man muß daher annehmen, daß sich entweder eine
größere Anzahl oder dissoziierbarere Moleküle gebildet haben.
Die Lösung der Bindung zwischen der Salzsäure und dem
Eiweiß könnte zum Teil dieses Ergebnis erklären; Feststellungen
über den Gehalt an Chlor des sich bei diesen Säurekonzen-
Gelatinierung des Eiweißes. 241
trationen bildenden eiweißartigen Niederschlags können erklären,
inwieweit diese Hypothese auf Wahrheit beruht.
Wenn wir nun die elektrische Leitfähigkeit der albu-
minösen und der wässerigen Salzsäurelösungen vergleichen, so
sehen wir, daß die Werte der ersteren — beim Ausgang von
einem fast gemeinsamen Punkte (Null) — divergieren und den
schon anläßlich des A erwähnten Winkel bilden. Dann nehmen
sie bis zur Konzentration 0,244 n einen leicht divergierenden
geradlinigen Verlauf; nach dieser Konzentration steigen die
Werte der Leitfähigkeit der wässerigen Salzsäurelösungen bei
krummlinigem Verlauf rasch an; die Werte der Leitfähigkeit
der eiweißhaltigen Salzsäurelösungen dagegen behalten ihren
geradlinigen Verlauf bis zur Konzentration 0,623 n bei, nach
welcher sie rasch ansteigen und dazu neigen, einen den Werten
der Leitfähigkeit der wässerigen Salzsäurelösungen gleichartigen
Fortgang zu nehmen.
Die anfängliche Divergenz der eiweißhaltigen Salzsäure-
lösungen findet ihre Erklärung in den nämlichen, anläßlich der
Werte des A erwähnten Tatsachen. In der Folge ist die Di-
vergenz kaum wahrnehmbar, sie wird stärker nach der Kon-
zentration 0,244 n, wenn die A-Werte parallel verlaufen. Hier
wird die Divergenz folgerichtig nicht durch ein Faktum der
verminderten Dissoziation, sondern durch ein Hindernis für die
Bewegung der Ionen bedingt.
Außerdem stellte ich mir die Aufgabe, zu untersuchen,
welche Modifikationen in der Viscosität und in der elektri-
schen Leitfähigkeit während des Gelatinierens in einer zum
Gelatinieren neigenden Lösung vorkämen; daher verfolgte ich
im richtigen Zeitpunkt das Verhalten dieser beiden physikalsch-
chemischen Konstanten in einer und derselben Lösung.
Die Daten dieses Experimentes sind auf der folgenden
Tabelle zusammengestellt.
Wie aus den darin zusammengestellten Ergebnissen hervor-
geht, nimmt die Viscosität zuerst allmählich, dann schneller zu,
bis sie einen Wert œ erreicht. Die Leitfähigkeit und das 4 da-
gegen erhalten sich unverändert.
Es ist zu beachten, daß die Bildung des Niederschlags
innerhalb der Gelatine gar keinen Einfluß weder auf die elek-
trische Leitfähigkeit, noch auf das A hat; wir müssen daher
242 G. Moruzzi:
Tabelle III.
Eiereiweiß 9,70 Vissosimeter
com 9,70 hatte eine Ab-
HClzu2,55°/, 9,70 flußzeit für das
12 com 9,70 H,O
Normalität 9,70 a 25 C von 49”
der Säure 9,70 u. (ue
= 0,018 9,70
9,70
9,70
9,70
9,70
9,70 opalescierend
gelatiniert
milohige Gelatine
annehmen, daß die Modifikationen, welche diese beiden physi-
kalischen Konstanten erleiden, in den ersten Augenblicken, wenn
die Mischung bereitet wird und dieselbe noch klar ist, zustande
kommen; die nachfolgenden Erscheinungen sind weder ionische
noch molekulare, sondern vielleicht Hydratationen des Kolloids.
Nach Hardys!) Dafürhalten besteht der Gelatinierungsvorgang in
einer festen und in einer flüssigen Phase. Die feste Phase ist eine feste
Lösung des Lösungsmittels im Kolloid; die flüssige Lösung ist eine Lö-
sung des Kolloids im Lösungsmittel.
Nach Lewites?) Meinung wäre die Gelatinierung der Krystallisierung
gleich, weil sie zu demselben Ergebnis führt wie diese, nämlich zu der
Trennung der festen Substanz aus der Lösung; sie unterscheidet sich von
ihr nur durch die Tatsache, daß bei der Gelatinierung der Stoff sich im
amorphen Zustand trennt, bei der Krystallisierung im krystallischen.
Paulis angeführte Untersuchungen, welche die innerhalb der Kol-
loidlösungen vor der Gelstinierung eintretenden Modifikationen von ver-
schiedenen Gesichtspunkten aus in Angriff nehmen, verdienen weiter-
geführt zu werden, und zwar müßten besonders die Salzsäurekonzentra-
tionen, in welchen das Eiweiß gelatiniert, in Betracht gezogen werden.
Die von Pauli aufgestellte Hypothese, daß die Zunahme der an
die Hydratation der Kolloidpartikel gebundenen Werte der innern Reibung
durch die elektrische Ladung verursacht seien, erklärt nicht das Verhalten
der Werte des 4 in den Mischungen, in welchen das Eiweiß gelatiniert,
denn die Logik führt uns dazu, anzunehmen, daß die Gelatinierung ein-
tritt, wenn das Chloralbumin neutral geworden ist.
1) Hardy, Zeitschr. f. physikal, Chem. 33, 1900.
2) Lewites, Beiträge zur Kenntnis des Gelatinierungsvorgangs.
Koll. Zeitschr. 2, 101 bis 208, 277, 1907/08.
Gelatinierung des Eiweißes. 243
Eine Tatsache ist noch bei dem Studium der Gelatinierung
des Eiweißes durch die Salzsäure in Betracht zu ziehen:
die Langsamkeit, mit welcher sich diese Erscheinung vollzieht,
während die Essigsäure, welche so viel weniger dissoziierbar ist,
augenblicklich die Gelatine erzeugt. Wenn man dafür sorgt, zu den
eiweißhaltigen Salzsäuremischungen zwischen 0,035 n und 0,0138 n
ein wenig Alkohol hinzuzutun, so erlangt man auch unter diesen
Umständen die sofortige Gelatinierung der Flüssigkeit.
Weitere Untersuchungen werden feststellen können, welchen
Anteil an dieser Beschleunigung die Verbindungen der Essig-
säure (Rudorf!) und die des Alkohols (Abegg*) mit dem
Wasser haben.
1) G. Rudorf, Zeitschr. f. pbysikal Chem. 48, 243, 291, 1903.
Zur Kenntnis der Leitfähigkeiten und innern Reibungen.
2) R. Abegg, Versuch einer Theorie der Valenz und der Moleku-
larverbindungen. Christiania Vidensk. Selsk. Schrifter 1902 Nr. 12.
Beitrag zur Kenntnis der chemischen Zusammensetzung
des Hundekörpers.')
Von
J. Stockhausen.
(Aus dem zootechnischen Institut der Königlichen Landwirtschaftlichen
Hochschule in Berlin.)
(Eingegangen am 28. August 1909.)
Um den Einfluß der Nahrung auf die chemische Zusammen-
setzung der N-haltigen Trockensubstanz des Tierkörpers —
speziell den Einfluß auf das Verhältnis von N:C in der N-
haltigen Trockensubstanz — zu studieren, wurden 4 Hunde in
Versuch genommen.
In einer älteren und in einer jüngeren Gruppe von je
2 Hunden wurde das eine Tier mit Pt-reichem®) (Fleisch), das
andere Tier mit Pt-armem Futter (Reis) ernährt.
Unmittelbar nach Beendigung der Fütterungsperioden
wurden die Tiere getötet und in ihre einzelnen Organe zerlegt.
Die Schlachtresultate.
Die hier angewandte Methode der Berechnung der Schlacht-
resultate ist diejenige C. Voits in seinem Aufsatz „Gewichte
eines wohlgenährten und eines hungernden Hundes‘ (Zeitschr.
f. Biol. 80, 513 ff., 1894).
1) Auszug aus der Inaugural-Dissertation „Untersuchungen über die
stoffliche Zusammensetzung des Tierkörpers bei proteinreicher und bei pro-
teinarmer Ernährung“, der Philosophischen Fakultät der Königlichen
Albertus-Universität in Königsberg i. Pr. vorgelegt von J. Stookhausen
aus Berlin. Berlin 1909.
2) Pt = Protein.
J. Stookhausen: Chem. Zusammensetzung des Hundekörpers. 245
(Schlachtresultate.)
Reis-1)
hund I
Fleisch-!)
Bezeichnung der Organe hund I
Muskulatur und Knochen
(Schlachtgewicht) . . . .
Haut... 3 4.0.00 8 0
Abgelassenes Blut . . . . .
Gehirn, Rückenmark u. Augen
Herz und Lunge. .. .
Niere. : 2:0: 0 2-20 4%
Abgelöstes Fett . . . .
Galle: ee 3 Deeg, Ze
Kot oca ee a
Summa:
Lebendgewicht:
Differenz: —
Der Schlachtverlust beträgt in Pro-
zenten des Lebendgewichts: 1,40 0,82 0,38
Abgelöste Muskeln... . . 7854,50 | 6392,00 | 3327,00 | 3912,50
Reine Knochen . ..... 2215,50 | 1908,00 973,00 | 1262,50
Schlachtgewicht: | 10070,00 | 8300,00 | 4200,00 | 5175,00
Knochen . . Proz. des 23,17 24,40
Das Gewicht der ( Schlacht-
Muskulatur . | gewichts 76,83 | 75,60
Lebendgewicht, g . . . . . 7920,00 | 8350,00
Knochen . . | Proz. des
Das Gewicht der f Lebend-
12,29 15,12
Muskulatur . j gewichts 40,74 | 46,86
Knochen, g ... sses. 973,0 1262,5
Fett, e... 830,0 | 373,0
Galle, $... 8,0 10,0
Kot, g.......... 125,0 | 104,0
Summa: g | 3003,30 | 2349,0 | 1936,0! 1749,5
Lebendgewicht: g | 14920,00 | 12700,00 | 7920,0 | 8350,0
1) Erklärung siehe Anm. weiter unten.
246 J. Stockhausen:
(Schlachtresultate. Fortsetzung.)
Bezeichnung der Organe hund I | hund I | hund II | hund II
D E LS 8 g
Lebendgewicht min. (Knoche
— Fett -+ Galle 4 Kot) =
Muskulatur--Eingeweide,g | 11916,70 | 10351,00 | 5984,00 | 6600,50
Gewichte der Muskulatur, g 7854,50 | 6392,00 | 3227,00 | 3912,50
Gewichte der Eingeweide, g. | 4062,20 | 3959,00 | 2757,00 | 2688,00
Muskulatur 4 Eingeweide, g . | 11916,70 | 10351,00 | 5948,00 | 6600,50
Reis- — Reis- | Fleisch-
Davon in Proz. Muskulatur 65,91 61,75 63,93 69,27
2 » » Eingeweide 34,09 38,25 46,07 40,73
Gewicht der Eingeweide in |
Proz. des Lebendgewichts 27,23 31,17 SEN 32,19
Gewicht des Fettgewebes in | |
Proz. des Lebendgewichts 4,46 1,75 10,48 4,47
Gewichte der Eingeweide der |
vier Hunde, g. . . . 4062,20 | 3959,00 | 2688,00
Von dem Gewicht der Ein- | |
geweide entfallen in Pro- | |
zenten auf:
F 9 8 8 gu Ee 8,55
De ar are 0,63
1" `" NEE E — 1,69
Magen, Darm und Harnblase 13,45
Herz und Lunge. .... . 5,97
Ausgelaufenes Blut 20,79
Haut und Haare ..... 44,73
Gehirn, Rückenmark u. Augen 3,57
Schlachtverlust . . .... 0,62
Im Hinblick auf das eingangs genannte Ziel der Unter-
suchungen wurde das gesamte, sorgfältig konservierte Material
analysiert.
Die Untersuchungsergebnisse.
a) Die analytischen Befunde bezüglich der einzelnen
Organe.
Die Analysenresultate sind in den Tabellen I bis VII niedergelegt.
Zur Untersuchung kamen Muskulatur, Knochen, Haut, Blut, Herz
und Lunge, Leber, Milz, Niere sowie Magen und Darm. Das Zentral-
nervensystem (Gehirn und Rückenmark) und das Fettgewebe wurden
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 247
nicht in die analytischen Untersuchungen mit hineingezogen, weil die
stoflliche Zusammensetzung der Nervensubstanz wohl weniger einer Be-
einflußung durch die Ernährung, unter Berücksichtigung der durch die
Versuchsanstellung gegebenen Bedingungen, ausgesetzt sein dürfte, ferner
auch weil bei ihrer Verarbeitung ebenso wie bei derjenigen des Fett-
gewebes Schwierigkeiten entstehen, vor allem aber die Arbeiten nicht.
zu sehr ausgedehnt werden sollten und konnten.
Die Analysen erstrecken sich auf den Trockensubstanz-, Asche-,
Fett-, Glykogen-, N- und C-Gehalt der oben aufgezählten Organe.
Besprechung der direkten Befunde:
Tabelle 1.
Trockensubstanzgehalt!) in Prozenten der frischen Substanz.
Gru A? Gru B2
Geste ppe AT ppe B*)
RI FI RII | FH
Muskulatur (einschl. Fett) . | 33,26 33,38 39,89 36,11
Knochen ........x 67,65 66,27 64,90 68,33
Haut... 02.2 2 2.2.0 2% 57,09 46,43 73,11 60,60
Bum, u Ze E Sie eo aa 22,003) 21,95 24,40 20,32
Herz und Lunge ...... 24,74 26,56 30,51 29,02.
Leber 4.8: sra act soa 30,33 34,10 31,42 29,39
Mihe wë enea e 25,71 25,31 28,13 24,60
Niere .. 2 23,89 27,80 29,88 25,37
Magen und Darm. ..... 21,49 — 4) 31,57 27,16
Der Trockensubstanzgehalt ist im allgemeinen bei Gruppe B:
ein höherer als bei Gruppe A. Eine deutliche Ausnahme hier-
von machten allein die Knochen, welche bei den wachsenden
Hunden W.-haltiger®) sind als die der alten Hunde. Innerhalb
der Gruppen A und B neigen die stark mit Kohlenhydraten.
gefütterten Tiere zu einem höheren Trebst.-Geh. als die anderen.
1) Abgekürzt: Trebet.-Geh.
2) Gruppe A ist die Gruppe der ausgewachsenen Hunde, darin be-
deutet „R I“ den Reishund und P: den Fleischhund; Gruppe B ist
die Gruppe der wachsenden Hunde, darin bedeutet „R II“ den Reishund
und PU den Fleischhund.
3) Das Präparat war infolge Eindringens von Bakterien nicht ganz
einwandfrei.
4) Zahl fehlt, da das Glasgefäß während des Sterilisierens platzte
und sein Inhalt auslief.
6) W. — Wasser.
248 J. Stockhausen:
Das ist durchweg der Fall bei den wachsenden Hunden. Gruppe A
zeigt in dieser Beziehung nicht die gleiche Regelmäßigkeit:
Herz und Lunge, Leber und Niere des Reishundes I haben einen
höheren W.-Geh. als diese Organe des Fleischhundes. Die Zahl
für das Blut des Reishundes I konnte nicht ganz einwandfrei
ermittelt werden und ist deshalb auf 22°/, korrigiert worden.
Vergleicht man noch die Pt.-arm!) bzw. die Pt.-reich er-
nährten Hunde untereinander, so sieht man, daß Reishund II
in allen Organen mit Ausnahme der Knochen einen höheren
(teilweise erheblich höheren) Trsbst.-Geh. besitzt als der aus-
gewachsene Reishund I. Dasselbe Verhältnis findet man be-
züglich Muskulatur, Haut sowie Herz und Lunge bei den
Fleischhunden ; dagegen verhalten sich die übrigen Organe
(Blut, Knochen, Leber, Milz und Niere) gerade umgekehrt:
Der W.-Gehalt ist hier bei dem jüngeren Tiere ein größerer als
bei dem susgewachsenen.
Tabelle II.
Aschegehalt in Prozenten der Trockensubstanz.
En | ` Geeppei | GmpeB
RI FI R II | FI
Abgesehen von den Knochen, hat die Milz den höchsten
Aschegehalt, der nur bei Fleischhund II von den Zahlen der
anderen Hunde stark abweicht. Ein Vergleich der Gruppen A
und B lehrt, daß sich beide im Aschegehalt gerade umgekehrt
1) Pt. — Protein.
2) Die Zahl 6,18°/, ist unsicher; of. Tab. I.
3) Die Zahl 7,41°/, ist unsicher, weil unter Fettabzug berechnet,
cf. Tab. III.
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 249
verhalten wie im Trebst.-Gehalt nach Tabelle I. Der Asche-
gehalt ist bei den ausgewachsenen Hunden fast durchweg ein
höherer als bei den entsprechenden Organen der wachsenden
Hunde. Eine Ausnahme macht das Blut: Die Zahlen für die
wachsenden Hunde sind teilweise höher als bei dem ausge-
wachsenen Hunde, cf. Gruppe B mit FI. Die Erklärung für
diese Erscheinung liegt in den Zahlen der Tabelle III (s. oi
die den Fettgehalt der Organe wiedergibt. Wie wir weiter
unten sehen werden, ist der prozentische Fettgehalt in allen
Organen der jungen wachsenden Hunde ein höherer als bei den
ausgewachsenen Hunden, folglich muß der Aschegehalt ihrer
Organe ein niedrigerer als der der ausgewachsenen Hunde sein.
Stellt man die Werte der Reishunde nebeneinander, so er-
gibt sich, daß Reishund I höhere Aschezahlen aufweist als Reis-
hund II — mit Ausnahme der Milz. Von den Fleischhunden hat
Fleischhund I höheren Aschegehalt in seinen Organen als Fleisch-
hund II — mit Ausnahme des Blutes.
Die Analysen ergaben also, daß die jungen wachsenden
Hunde in der Trebst. fast aller Organe einen geringeren Asche-
gehalt besitzen als die ausgewachsenen Tiere.
Tabelle III.
Fettgehalt in Prozenten der aschefreien Trookensubstanz.
Gruppe A Gruppe B `
Organe se AT
RI FI RII FI
Leber
Aus Tabelle III ergibt sich mit Regelmäßigkeit, daß der
wachsende Reishund ebenso. wie der wachsende Fleischhund
dem in gleicher Weise ernährten ausgewachsenen Tiere gegen-
1) Die Analysen gingen verloren.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 17
250 J. Stockhausen:
über an Fettgehalt der aschefreien Trockensubstanz überlegen
ist; der Unterschied ist noch am geringsten bei den Knochen
und im Blute.
Tabelle IV.
Glykogengehalt in Prozenten der aschefreien, entfetteten
Trockensubstanz.
u Gruppe A Gruppe B
Organe E VE NEE
RI FI RII FII
2,78 0,69
30,46
2,76
Die Untersuchung auf Glykogen beschränkte sich auf diejenigen
Organe, welche erfahrungsgemäß den höchsten Gehalt daran aufweisen,
nämlich Leber und Muskulatur, und welche auch ihrer Masse nach den
weit überwiegenden Teil des ganzen Glykogens im Tierkörper enthalten
müssen. Auch lieferten einige Organe so wenig Material zum analysieren,
daß die Analyse des Glykogens neben den anderen Untersuchungen
nicht mehr mit genügender Sicherheit hätte ausgeführt werden
können.
Der mit Reis gefütterte Hund enthält sowohl in Gruppe A
als auch in Gruppe B in Leber und Muskulatur bedeutend
mehr Glykogen als der entsprechende Fleischhund. Reishund I
hat in der Muskulatur mehr Glykogen abgelagert als Reis-
hund II; dagegen in der Leber weniger als der junge Hund.
Die Fleischhunde, bei denen die Unterschiede nicht so große
sind als bei den vorigen, verhalten sich gerade umgekehrt:
Der alte Fleischhund hat in der Leber mehr, in den Muskeln
weniger Glykogen abgesetzt als der wachsende Fleischhund.
Aus den vorstehend mitgeteilten Tabellen ergibt sich
folgender Gehalt der frischen Muskulatur an:
Tabelle V.
— — —
Ee lo | gé Co Ca
Se 12,25 | 1110 20,66 15,91
Glykogen . 2.2.2.2... 1,50 0,12 0,48 0,13
Asche >, 2.) 3. 2,00 0 0.8 1,02 1,15 1,07 1,05
N-halt. Substanz . ..... 18,49 21,97 17,68 19,02
Wasser 2 2 en 66,74 | 66,62 | 60,11 | 6389
Die fettfreie Substanz enthielt:
Wasser . 2 22 2 e’ na ae | 760 | 74,1 | 757 | 75,8
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 251
Tabelle VI.
N-Gehalt in Prozenten der aschefreien, entfetteten, glykogen-
freien Trockensubstanz.
Gruppe A Se B
Organe
RI | FI | Ru | FU H `
Knochen
Niere — 2 91 ee e
Eine Steigerung des N-Gehaltes in der fett-, asche-, glykogen-
freien Trockensubstanz aller Organe der Pt.-reich gefütterten
Hunde hat nicht stattgefunden, wie diese Tabelle zeigt.
In der Gruppe A enthalten drei Organe des Fleisch-
hundes I etwas mehr N als dieselben Organe des Reishundes I,
nämlich die Muskulatur, die Leber und die Niere, während
bei Haut, Herz und Lunge, Milz, Magen und Darm das Um-
gekehrte der Fall ist. Die Differenz im N-Gehalt der Knochen
kann als unerheblich angesehen werden.
In der Gruppe B enthält der Fleischhund II in vier
Organen etwas mehr N, nämlich in Muskulatur, Haut, Herz
und Leber, dagegen zeigen die anderen Organe (Blut, Knochen,
Milz, Niere, Magen und Darm) des Reishundes II höheren
N-Gehalt. Auch in dieser Gruppe (B) sind die Unterschiede
für die Muskulatur und Leber beträchtlichere.
Der Vergleich der Tiere in den Gruppen A und B unter-
einander deutet darauf hin, daß die Pt.-reich gefütterten
Hunde in Muskeln und Leber einen höheren, dagegen in Milz,
Magen und Darm (Gruppe A) einen niedrigeren N-Gehalt be-
sitzen als die Pt.-arm ernährten Tiere.
Bei den anderen Organen schwanken die Zahlen ganz
unregelmäßig; bald hat der Reishund, bald der Fleischhund
einen höheren N-Gehalt.
17*
252 J. Stockhausen:
Tabelle VII.
C-Gehalt in Prozenten der aschefreien, entfetteten, glykogen-
freien Trockensubstanz.
Niere
Auch der C-Gehalt der asche-, fett-, glykogenfreien Trocken-
substanz läßt ebenso wie der N-Gehalt keine Regelmäßigkeit
erkennen. Für die Muskulatur ergab sich: Fleischhund I hat
höheren C-Gehalt als Reishund I, während Fleischhund II einen
niedrigeren C-Gehalt als Reishund II hat.
Die Haut wie Herz und Lunge sind bei den Pt.-reich
ernährten Tieren C-reicher als bei den kohlenhydratreich ernährten
Tieren. Der Vergleich der Gruppe A mit B zeigt, daß be-
züglich der anderen Organe (Knochen, Leber, Milz, Niere,
Magen und Darm) Unregelmäßigkeiten vorherrschen.
In Gruppe A haben Knochen, Haut, Milz, Niere und
Magen-Darm des Pt.-reich gefütterten Hundes einen höheren
C-Gehalt als dieselben Organe des Reishundes; umgekehrt ver-
hält sich in dieser Gruppe nur die Leber.
Bei den jungen Tieren ist es gerade die Leber des Fleisch-
hundes, die einen höheren C-Gehalt besitzt als die Leber des
Reishundes, während bei den Knochen, Niere und Milz wieder
gerade das Gegenteil der Fall ist.
Es sind also bei der Mehrzahl der Organe auch bezüglich
des C beträchtliche Schwankungen zu beobachten.
In der folgenden Tabelle VIII ist aus den in Tabelle VI
und VII zusammengestellten Zahlen das Verhältnis von N:C
berechnet.
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 253
Tabelle VIII.
Das Verhältnis von N:C in der N-haltigen Substanz.
Oriini Gruppe A Gruppe B j
RI FI RII FII
In dem aschefreien, entfetteten, glykogenfreien Trsbst.-Rest verhält
sich die Menge des N zur Menge des C wie 1 zu
Muskulatur. . ......’. 3,38 3,36 3,41 3,33
Knoohen . . 2.2.2020. 3,22 3,38 3,16 3,33
Hant 0.0.4000. a A 2,78 2,96 2,96 2,92
3,80 2,88 3,71 3,89
Herz und Lunge . .... . 3,66 4,50 4,01 4,09
ET TEE 3,77 3,48 3,77 3,97
Mile. a. Sonia E 3,40 3,64 3,32 3,51
Niere 10 u e ee 3,48 3,45 2,96 ‚22
Magen und Darm. . .. . . 3,25 3,59 5,05 3,59
Auch hier ist kein gleichmäßiges Verhalten zu erkennen.
Die Organe der Pt.-reich ernährten Hunde zeigen in beiden
Reihen bei Knochen, Herz, Lunge und Milz ein etwas weiteres
Verhältnis von N:C wie die Reishunde. Nur bei der Musku-
latur ist das Verhältnis stets enger bei den Pt.-reich ernährten
Tieren. Die Verhältniszahlen für die anderen Organe, also für
Blut,Haut, Leber, Niere und Magen — Darm, sind stetsschwankend.
Der Vergleich der älteren Hunde untereinander lehrt, daß
das N-C-Verhältnis ein engeres ist für den Fleischhund in der
Muskulatur, Leber und Niere, während es in den anderen
Organen weiter ist, nämlich in Haut, Knochen, Herz — Lunge,
Milz und Magen — Darm; dies ist die Mehrzahl der Organe.
In Gruppe B haben Muskulatur und Haut des Fleisch-
hundes II ein engeres N-C-Verhältnis, während Knochen, Blut,
Herz — Lunge, Leber, Milz und Niere dieses Hundes (F II) ein
weiteres N-C-Verhältnis besitzen als die entsprechenden Organe
des Reishundes II. — Magen und Darm müssen hier aus der
Besprechung ausgeschaltet werden, da Analysenfehler vorliegen.
Demnach enthält der asche-, fett-, glykogenfreie Trebst.-Rest
der Pt.-arm ernährten Hunde in der Mehrzahl der Organe mehr
N im Verhältnis zum C als der N-halt. Rest der Pt.-reich ge-
fütterten Tiere.
Es entsteht nun die Frage, ob etwa N in denjenigen
Organen aufgespeichert wird, in deren N-halt. Substanz sich das
N-C-Verhältnis verengte.
254 J. Stockhausen:
Die Versuche scheinen der Vermutung Kassowitz’, die
Leber sei vor anderen drüsigen Organen in hervorragendem
Maße an einer N-Retention beteiligt, nicht zu widersprechen. Der
N-Gehalt der Leber ist bei den Fleischhunden höher als bei den
Reishunden (cf. Tab. VI, S. 251), und das N-C-Verhältnis ist
in der Leber des Fleischhundes I ein engeres als in der Leber
des Reishundes I (cf. Tab. VIII, S. 253). — Die hier gefundenen
Unterschiede scheinen allerdings zunächst nicht groß genug,
um für allgemeine Stoffwechseluntersuchungen als bedeutend
zu gelten.
Die anderen von mir gesondert untersuchten drüsigen
Organe weisen im Grunde keine wesentlichen Unterschiede auf,
welche als Folge des Einflusses eines hohen oder niederen
N-Umsatzes auf die Zusammensetzung des sog. N-halt. Restes
der Organe anzusehen wären.
Vergleichen wir den prozentualen N-Gehalt der Muskulatur
(cf. Tab. VI, S. 251), so sehen wir, daß er bei den beiden
Fleischhunden ein höherer ist als bei den Reishunden. Ferner
stehen N und C in der N-halt. Sbst. der Muskulatur bei beiden
Fleischhunden in einem engeren Verhältnis als bei den Reis-
hunden. — Im übrigen lassen die Ergebnissc der Untersuchung
sowohl bezüglich des N-Gehaltes als auch des N-C-Verhältnisses
keine Regelmäßigkeiten erkennen.
Die nicht unbeträchtlichen Schwankungen in der Zusammen-
setzung der Organe lenken zu der Vermutung hin, ihre Ur-
sache bestände in erheblichen individuellen Eigentümlichkeiten
der Versuchstiere.
Die Schwankungen in der Zusammensetzung können zu
angeborenen oder Rasse-Eigenschaften in Beziehung stehen;
eher aber wäre vielleicht noch die Wirkung einer Verschieden-
heit der Ernährung und Haltung in der ersten Jugendzeit als
Entstehungsursache für die Zusammensetzungsschwankungen
anzunehmen. Eine Erörterung gerade dieser Faktoren ist hier
nicht am Platze; es muß die Konstatierung der gefundenen
Unterschiede genügen. Der Einfluß genannter Faktoren scheint
so bedeutend zu sein, daß die Wirkung einer Pt.-reichen oder
Pt.-schwachen Fütterung dadurch vollständig verdeckt oder
kompensiert werden kann, jedenfalls nicht von ausschlaggebender
Bedeutung zu sein scheint.
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 255
Es soll nun die Zusammensetzung der Tiere in absoluten
Zahlen gezeigt werden.
b) Die Zusammensetzung der ganzen Tiere.
Aus den Tabellen I bis VII kann in Verbindung mit den
bei der Schlachtung gewonnenen Gewichten die Zusammen-
setzung der Versuchstiere in absoluten Zahlen, soweit die
einzelnen Organe einer speziellen Analyse unterzogen wurden,
berechnet werden. |
Die so ermittelten Zahlen für die Zusammensetzung der vier Ver-
suchstiere sind übersichtlich in den Tabellen IX, X, XI und XII zu-
sammengestellt (S. 256). Jede Tabelle ist in 7 Stäbe eingeteilt und
enthält das Gewicht der frischen Organe (1), der Trockensubstanz (2),
des Wassers (3), des Fettes (4), des N-halt. Restes [d. h. der aschefreien,
entfetteten, (eventuell) glykogenfreien, N-halt. Trsbst.] (5), sowie das
Gewicht des im N-halt. Rest enthaltenen N (6) und C (7).
Diese Gewichte sind für die folgenden 9 Organe berechnet:
l. Muskulatur, 2. Knochen, 3. Haut, 4. Blut, 5. Herz — Lunge, 6. Leber,
7. Milz, 8. Niere, 9. Magen — Darm.
Man erhält das Lebendgewicht eines Versuchstieres noch nicht
durch Addition der Frischgewichte oben genannter Organe; die Summe
letzterer muß vielmehr noch ergänzt werden durch eine die Gewichte
von Gehirn, Galle, Fettgewebe, Darminhalt und Schlachtverlust um-
fassende Zahl. Sie ist hier in den Tabellen „Restgewicht‘“ benannt.
Rechnet man dieses Restgewicht obiger Summe hinzu, dann erst erhält
man das Lebendgewicht des Hundes. Gehirn, Galle und Fettgewebe
sind im einzelnen nicht untersucht und bleiben in Zukunft unbeachtet,
Berechnung charakteristischer Unterschiede in der
Zusammensetzung der Tiere.
a) Fott- und Wasserverteilung.
Es soll nun im folgenden auf Grund der bisher mitgeteilten
analytischen Resultate unter Zusammenfassung der Mittelzahlen
.von sämtlichen untersuchten Organen der Tiere auf deutliche
Unterschiede in ihrer Zusammensetzung hingewiesen und erwogen
werden, inwieweit die verschiedene Ernährung dafür verantwort-
lich gemacht werden könnte.
Zunächst die Unterschiede im Fett- und Wassergehalt:
Die Zahlen der Tabelle I (Trockensubstanzgehalt) sowie
der letzten 4 Tabellen (IX, X, XI, XII) lassen die Frage ent-
stehen, wie der fast allen Organen der jungen Hunde eigen-
256 J. Stockhausen:
Tabellen IX—XIL Gesamtzusammensetzung der 4 Versuchshunde.
ı|5|e|7
N-halt. Rest
Gesamt- | davon N | davon C
Tabelle IX. Reishund I.
Muskulatur 1854,5]2612,40'5242,10 | 962,22 11452,25| 217,11| 732,81
ochen . | 22155/149880! 716.70 | 255,67 | 658.03| 8197| 263.65
Haut... ... 1654.6| 944.56 709.94 | 382.52 | 538,331 9345| 260.02
Blut ..... 9235| 203.17 720,33 | 1,906: 188,71] 28,311 106,77
Herz — Lunge . | 2664| 65.91 200.49 | 11963; 50,57] 7,62) 27,89
Leber. . . . 131.33) 291,67 | 11829) 7761) 10.85) 40,92
Miz ..... 864 24 0,670 7.10: 1,09) 3,69
Niere... .. 683| 1631| 5199| 2476| 1260, 1.87] 650
n — Darm 122.00 445.70 | 24.067| 9192 45.87
Restgewicht . . — —
Leb.-Gew., Sa.: 114920,016603,128403,88 |1653,32112077,12| 456,41j1488,12
Tabelle X. Fleischhund I.
Muskulatur . . | 6392,0/2069,8014324,220| 690,540'1301,18 199,99| 666,85
Knochen . . . | 1908.011264.40| 643.600| 226,840, 47565) 6963| 235.64
Haut... .. 973,5| 452.00 521,500) 172,050| 266,30! 4479| 132.64
Blut |] 1615.0| 364,4811260,520 2,922) 336,78] 64,59| 186,87
Herz — Lunge . | 2260| 60,03] 165,974| 10,343 45,63 621) 27,90
Leber... .. 290.0] 98,891 191.110 6071| 8177| 1226! 4265
Miz ..... 40.0} 1012| 29876) 1050| 812| 117|) 426
Niere... .. 81.01 1418! 36822) 2221) 1090) 166) 85,73
Magen — Darm | 456,0| 102,60| 363,400) 20,920) 75,93| 10,87) 39,17
12700,0|4426,50|7527,022|1132,966,2602,26| 411,17j1340,71
Tabelle XI. Reishund I.
Muskulatur 3227,011287,3011939,700| 684,270) 552,73] 83,52| 284,60
Knochen 973.0| 631,47; 341,530 127,000 222,77| 34,44| 108,74
Haut . . 1265,0| 924,85| 340,150| 545,210: 361,62 60,99; 180,19
Blut ..... 447,0] 109,07| 337,930; 1,270; 103,11] 15,64| 658,05
Herz — Lunge 218,0] 66,51] 151,489) 24,141) 39,40) 5,32); 21,35
Leber... . » 260,01 81,69) 178,308) 17,204| 42,50; 5,67| 21,35
UE re 14, 3,94| 10,062) 0751| 276 0,45) 1,49
Niere. .... 26, 7,771 18,232 2252| 499 0,87) 2,58
Magen — Darm 362.0 114,28 247,720; 49,087) 60,38 8,04 40,59
Restgewicht 1128,0 — — — — — —
Leb.-Gew., Sa.: | 7920,0|3226,88|3565,121|1451,185]1390,16| 214,94| 718,94
Tabelle XII. Fleischhund IL
Muskulatur , . | 3912,5 1412,82 2499,680| 622,340| 744,19) 114,91| 382,36
Knochen . . . | 1262,5] 736,42 526,080 154.970 277153) 40,57| 135,07
Haut... ... 1190,0) 721,13! 468.870, 430,350) 279,10° 49,71] 139,94
Blut . . . . | 5530| 112,37) 440,630 1,620) 105,41) 15,87) 61,65
Herz — Lunge . | 159,0] 46,14 112,858; 15,364) 28,51 410| 16,77
Leber. . . . .| 230,0| 67,60, 162.403) 6.248; 55,73] 7,50| 29,77
Miz ..... DO 4,18 12,818; 0,672) 325 0,48; 1,68
Niere. .... 45,01 11,42 33,584] 2976| 7866| 1,18| 3,78
Magen — Darm | 367,0] 99,68| 267,322| 30,635: 63,48; 8 84 31,73
Restgewicht . . | 614, | |
Leb.-Gew., Sa.: | 8350,0]32 EG 2451265, STE Ser 313,10) 5072, 75
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 257
tümlich hohe Trsbst.-Geh., der wesentlich von demjenigen der
Organe der älteren Hunde abweicht, zu erklären ist. Ein Ver-
gleich der Tabelle I (S. 247) mit Tabelle III (S. 249) läßt die
Vermutung einer Beziehung zwischen dem Wasser- und dem
Fettgehalt der Organe entstehen. In der Tabelle XIII sind
die Gesamtgewichte der untersuchten Organe der 4 Versuchs-
tiere zum Vergleich nebeneinander gestellt.
Tabelle XIII.
I 3 4668
Gesamtgewicht der unter- Von 100 S „„|Fettfreie Masse
suchten Organe Gew.-T. FE d. untersuchten
S ——| untersuchter |e Ze) Organe frisch
5] Versuchstier |. S ` | Darin sind enthalten | frischer Or- |; =
kel Zeie Cem KC Leen
Mile u EE
5 Sbst, Wasser) Fett |Wasser | Fett 8 Gewicht 8 SP
lo 8 "ie
AU Reishund I. . I4007, 0 6603, 12 8403, 88 1663, 321 60,00 29,51|/12 353,68| 68,03
Fleischhund I. [11951 5 4426, 50 7527, 02 1130, 96| 62, ‚48 25,55110 820,54 69,56
Reishund II . | 6792,0.3226,88|3565,12 1606,06| 52,49 | 23, ol 5 340,81| 66,55
Fleischhund II | 7736 .013211,76 4524,24 1265,17| 58,48 | 16,35 |39,89| 6 470,83 71,55
g g g g > | %
Stab 5 der Tabelle zeigt, wieviel Gew.-T.!) Wasser auf
100 Gew.-T. der untersuchten Organe kommen, und aus den
Stäben 6 und 7 ist ersichtlich, wieviel Gew.-T. Fett auf
100 Gew.-T. der untersuchten Organe — im frischen Zustande
und in der Trsbst. — entfallen. Die Zahlenreihen der Stäbe 5
und 6 zeigen schon deutlich, wie der höhere W.-Geh. dem
niedrigeren Fettgeh. der Organe entspricht und umgekehrt.
Weiter zeigen die Stäbe 6 und 7, daß die Gruppe B einen
bedeutend höheren Gesamt-Fettgeh. besitzt als Gruppe A. Dieser
Beobachtung entspricht auch wieder in Kolonne 5 der höhere
W.-Geh. der Gruppe A gegenüber B. Die Differenz im Fettgeh.
ist zwischen den beiden Gruppen eine bedeutend höhere als
innerhalb jeder Gruppe; die jungen Hunde haben einen größeren
Teil der dargebotenen Nährstoffe zum Ansatz von Fett ver-
1) Gewichtsteile = Gew.-T.
258 J. Stockhausen:
wendet — soweit das Fett nicht vor der Versuchsfütterung
vorhanden war — als die ausgewachsenen Hunde. Sicher ist,
daß die Reishunde mehr Fett ansetzen konnten als die Fleisch-
hunde.
Nach Abzug der absoluten Fettmenge vom Gesamtgewicht
der untersuchten Organe bleibt die Menge der fettfreien, frischen
Substanz, cf. Stab 8. Der prozentische Anteil des Wassers
an der fettfr. frischen Substanz ist in Stab 9 angegeben. Es
sind — wie daraus ersichtlich — zwischen den Gruppen A
und B keine charakteristischen Unterschiede vorhanden; zu
bemerken ist aber auch hier, daß der W.-Geh. der Organe
insofern zu der Ernährungsweise der Hunde in Beziehung zu
stehen scheint, als er bei den Pt.-reich gefütterten Tieren
höher ist als bei den Reishunden. Die Differenz zwischen
Fleischhund und Reishund ist in der Gruppe B größer als in
der Gruppe A.
b) Gehalt an N-haltiger Substanz bei den 4 Versuchs-
tieren.
Von besonderem Interesse ist es ferner, das Verhalten der
N-halt. Sbst. im Tierkörper zu verfolgen.
Zu diesem Zwecke wurde der prozentische Gehalt der
untersuchten Organe an N-halt. Sbst. und der prozentische
Gehalt der N-halt Sbst. an N und C berechnet. Die Ergeb-
nisse sind in Tabelle XIV zusammengestellt.
Tabelle XIV.
| 5 6
Versuchstier J N-halt. Rest u
P S H von 100 Gew.-T.
SE Geng N-balt. Rest sind
0 —
Reishund I. . 15,331 | 49,985
Fleischhund I. 15,800 , 51,622
Reishund II . 15462 | 51,717
Fleischhund . 15,535 | 51,299
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 259
Es ergibt sich aus der Berechnung: Der Anteil der N-halt.
Sbst. an der Zusammensetzung der Organe ist in der Gruppe A
höher als in der Gruppe B, dabei ist in Gruppe A der W.-Geh.
höher, der Fettgeh. aber bedeutend niedriger als in Gruppe B.
Der Gehalt an N-halt. Sbst. und an Wasser gehen also parallel.
In Gruppe B nimmt das Fett einen so großen Prozentsatz der
Trebst. in Anspruch, daß dadurch der Gehalt an N-halt. Sbst.
unter denjenigen der Gruppe A heruntergedrückt wird, obgleich
diese (letztere) einen niedrigeren Trsbst.-Geh. besitzt (s. a. Ta-
belle XV).
In der Gruppe A ist dieselbe Beziehung zwischen N-halt.
Sbst. und W.-Geh. zu sehen. Mit der N-halt. Sbst. steigt die
Menge des Wassers in der Gesamtmasse der Organe.
In der Gruppe B ist das nicht der Fall, sondern die Menge
der N-halt. Sbst. nimmt etwas ab, während der W.-Geh. sich
vermehrt. Die Differenz ist in beiden Gruppen gering. Sie
beträgt in Gruppe A —-0,52°/, zugunsten von Fleischhund I,
in Gruppe B — 0,24°/, zuungunsten von Fleischhund II.
Der teilweise große und bei den 4 Hunden stark schwan-
kende Fettgeh. der Organe stört den Vergleich zwischen W.-Geh.
und N-halt. Sbst. Um dem zu begegnen, wurde das Fett in
Abzug gebracht und nunmehr der Gehalt der fettfreien, frischen
Sbst. an Wasser und an N-halt. Sbst. festgestellt wie folgt:
Tabelle XV.
Frischgewioht der untersuchten Organe,
abzügl. Fett
in 100Gew.-T. istent-
—————— in 100 Gew.-T. ist
Absolutes
Gewicht |halt. an N-halt. Restienthalt. an Wasser
Sen 8 % 7 o
A { Reishund I. .| 12353,68 24,10 68.03
Fleischhund I . | 10 820,54 24,05 69,56
Reishund I . 5340,81 26,03 66,55
Fleischhund II 6470,83 24,18 71,55
Hiernach erscheint die Zusammensetzung der Tierkörper
weniger schwankend in der Gruppe A; hier beträgt die Differenz
ìm der N-halt. Sbst. nur 0,05°/,, im W.-Geh. 1,53°/,. Gruppe B
weist größere Unterschiede auf, nämlich 1,85°/, in der N-halt.
Sbst. und 5,00°/, im W.-Geh.; dies ist durch den hohen W.-Geh.
von Fleischhund II bedingt.
260 J. Stockhausen:
c) Verteilung der N-haltigen Substanz auf die Einzel-
organe in Prozenten der Gesamtmenge; Verteilung
ihres N- und C-Gehalts. Berechnung der mittleren
Verhältnisse von N:C in den ganzen Tierkörpern.
Möglicherweise könnte die Verteilung der N-halt. Sbst. im
Tierkörper von Einfluß auf das Resultat dieser Untersuchungen
sein, so daß vielleicht noch ein anderer Einblick in die Wir-
kung der Ernährungsweise auf die stoffliche Zusammensetzung
des Tierkörpers zu gewinnen ist, wenn der Verbleib der N-halt.
Sbst. sowie des N und C in den einzelnen Organen geprüft wird.
In Tabelle XVI ist der prozentuale Anteil der einzelnen
untersuchten Organe an der Gesamtmenge der N-halt. Sbst.
berechnet.
Tabelle XVI.
Von 100 Gewichtsteilen der N-haltigen Substanz im Tierkörper entfallen
auf die genannten Organe:
Organe RI FI RII FII
Tabelle XVII zeigt die prozentuale Verteilung des gesamten
N auf die einzelnen Organe.
Tabelle XVII.
Von 100 Gewichtsteilen des N in der N-haltigen Substanz entfallen auf
die genannten Organe:
FI RII
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 261
Aus Tabelle XVIII ist die Verteilung des C in der N-haltigen
Substanz auf die Organe ersichtlich.
Tabelle XVIII.
Von 100 Gewichtsteilen C in der N-haltigen Substanz entfallen auf die
genannten Organe:
Organe | RI | FI | RII | FII
39,59 | 47,63
15,12 | 16,83
2506 | 17,48
8,07 7,68
2,97 2,09
2,97 3,71
0.21 0,21
0,36 0,47
5,65 3,95
Tabelle XVI zeigt, daß die N-halt. Sbst. sich in über-
wiegender Menge auf Muskulatur, Knochen und Haut verteilt.
Diese Organe weisen dabei allerdings ganz beträchtliche
Gehaltsunterschiede zwischen den vier Versuchstieren auf. Die
Knochen besitzen noch den gleichmäßigsten Gehalt an N-halt.
Sbst. Dagegen sind sehr große Differenzen bei Muskulatur
und Haut wahrnehmbar.
Auf Blut, Herz und Lunge, Magen und Darm kommt ein
bedeutend geringerer prozentualer Anteil an N-halt. Sbst.,
wobei allerdings auch noch größere Unterschiede zwischen den
Organen bestehen.
Von den drüsigen Organen — Leber, Milz und Niere —
hat die Leber den größten Anteil an N-halt. Sbst., der nicht
sehr zwischen den vier Versuchstieren schwankt.
Die Fleischhunde haben in diesen Organen einen höheren
prozentualen Gehalt als die Reishunde.
Aus den Tabellen XVII und XVIII ist zu erkennen, daß
die in der Masse überwiegenden Organe (Muskeln, Haut und
Xnochen) die weitaus größere Menge des N bzw. C in sich
bergen. Unter den drüsigen Organen kommt auch der Leber
der Hauptanteil an N und C zu. — Die Verschiedenheiten der
Organe in ihrem Gehalt an N bzw. C entsprechen, wie leicht
verständlich, den Veränderungen des Gehaltes an N-halt. Sbst.
262 J. Stockhausen:
Die bevorzugte Verteilung der N-halt. Sbst., des N und
des C auf einige Organe kommt noch stärker in nachstehender
Tabelle XIX zum Ausdruck.
Tabelle XIX.
iıjejsļ|ajs|eļ7|sj|ofojun]|.
| Fleischhund I | Reishund II | Fleischhund II
Reishund I Reis d f
ES EES Ge , le IO era log les...
Eg Ang Te | personell Gg Ang os Kg ngl Teig
Organe | we% ERRE Zrz SES 853 ZECHES ER “283.5 82%
ZSA | VÉS | wen |SS us | uca [E88 382 Sea SES
Zedl ed Sedlësc 333 | sde 528| Zëdliedl Bed ss
eebe E28 822 Ee E 221823 828 1204 322802
Ss äis S Sa] pa Ssa ssa] Ss s52|85z| 5Sz2|354185z
SS —
un 1.293.24.615 50.00 7,685 25,626 39,76 | 47,56 7,343 24,435
Knochen 2,753! 8,856|18.28| 2,676! 9,055| 16,02! 2,477| 7,822| 17,73! 2,593! 8,631
Haut 3130 8,734|10.23j 1,721| 5,097| 26,01| 4,387/12,961| 17,84, 3,177| 8,943
Blut. 0,951| 3,586112,94| 2,482| 7,143| 7,42, 1,125 4,176) 6,74! 1,014! 3,940
0,256| 0,937| 1,75. 0,238] 1,072] 2,83! 0,383. 1,536] 1,82, 0,262 1,071
Leber 0,364| 1,374| 3,14 0,471| 1,639| 3,06 0.408! 1,536] 3,56! 0,479' 1,902
Mis 0,036 0,124] 0,31| 0,045| 0,164| 0,20 0,032] 0,107| 0,21] 0,031) 0,108
Niere 0,063) 0,218] 0,42) 0,064| 0,220] 0,36] 0,063; 0,185 0,49; 0,075 0,242
an 3,09| 0,475| 1,541| 2,92) 0,418] 1,505| 4,34) 0,578| 2,92 * 0,565, 2,028
Summa |100,00.15,330/49,985|99 99: 15,800 51,521|100,00 15,460 51,715|100,01|15,539:51,300
I | H l ]
Tabelle XIX führt in den Stäben 1, 4, 7 und 10 zum
Vergleich mit den Zahlen der anderen Stäbe nochmals die
Verteilung der N-halt. Sbst. auf die Organe wie in Ta-
belle XVI.
Die Stäbe 2, 5, 8 und 11 bringen die Verteilung des N
und die Stäbe 3, 6, 9 und 12 die Verteilung des C, der in
nebenstehenden Mengen der N-halt. Sbst. enthalten ist, zum
Ausdruck. In diesen letzteren Kolonnen zeigt sich deutlich
der Unterschied in der Verteilung des N bzw. C auf die Mus-
kulatur, Knochen, Haut und Haare, Blut und Leber einer-
seits — und die übrigen Organe (Milz, Niere, Herz und Lunge,
sowie Magen und Darm) andererseits, — Die Schwankungen
bewegen sich auch hier natürlich ganz den Veränderungen im
Gehalt an N-halt. Sbst. entsprechend.
Aus der Summazeile am Ende der Tabelle XIX kann das
N:C-Verhältnis in der N-halt. Sbst. berechnet werden. Die
Endzahlen der Kolonnen 2 und 3, 5 und 6, 8 und 9, 11 und 12
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 263
sind dieselben wie die Zahlen der Tabelle XIV, Kolonnen 5
und OI
Sie geben an, wieviel Gew.-T. N bzw. C in 100 Gew.-T.
der N-halt. Sbst. des ganzen Tieres enthalten sind.
Das N-C-Verhältnis in der N-halt. Sbst. des ganzen Tieres
beträgt in: |
Gruppe A
bei Reishund I —1:3,261
„ Fleischhund I = 1 : 3,261
Gruppe B
bei Reishund II ==1: 3,345
‚„ Fleischhund II = 1: 3,302
Demnach haben die ausgewachsenen Hunde ein engeres
N-C-Verhältnis als die jungen wachsenden Hunde in der
N-halt. Sbst.
Für die Pt-arm ernährten Hunde sind die Verhältnisse
1:3,261 und 1:3,345, i. M. also 1:3,303 gefunden worden.
Bei den Fleischhunden stehen N und C der N-halt. Sbst.
in den Verhältnissen 1:3,261 und 1:3,302, woraus sich ein
mittleres Verhältnis von 1: 3,2815 berechnen läßt.
Das N-C-Verhältnis ist also bei den Pt-reich gefütterten
Fleischhunden ein engeres als bei den Pt-arm ernährten Reis-
hunden.
d) Anreicherung an N-haltiger Substanz in Muskeln
und Leber durch proteinreiche Ernährung.
Es ist vielleicht nicht uninteressant, zu prüfen, in welchem
Grade eine Anreicherung an N-halt. Sbst. in Muskulatur und Leber
bei beiden Fleischhunden etwa stattgefunden hat; die Leber
mag hier mit in Betracht gezogen sein, da sie, wie einleitend
bemerkt wurde, auch dazu dienen soll, retinierten N aufzunehmen.
In Tabelle XX ist der prozentische Anteil der N-halt.
Sbst. an der ‚„Tr.-Sbst. minus Fett“ berechnet. (Die Schwan-
1) Die Zahlen der Tabelle XIX sind nicht aus den Angaben der
Tabelle XIV, Kol. 5 u. 6, hervorgegangen, vielmehr wurden sie auf
Grund der Tabellen IX bis XII bzw. XVI bis XVIII berechnet; des-
halb stimmen auch die Endsummen nicht ganz genau mit Tabelle XIV
überein, vielmehr haben sich kleine Differenzen in der dritten Dezimal-
stelle gebildet.
264
Tabelle XX.
Fleischhund I
Reishund II
Wasser-, fettfreie Masse
Raid RH
Fleischhund II
Wasser-, fettfreie Masse
, fettfreie Masse
Wasser-, fettfreie Masse
ihr Ge-
gewicht] Anteil |!
ihr Ge-
Organe
J. Stockhausen:
790,48
samt-
N-halt. | gewicht
Sbst.
Die
g
594,03
der
1379,26 [1301,18] 94,34
88,00
64,943
U
2
5
samt
gewicht
8
1650,18
Muskulatur
61,352
d'S ba ZS Ai 8 =
S n z
Schr Ee Si Z
m Z, | Ca 3
p- |
< > | N Q
KE GC 9
< a N
D wO ` si
Gd (De
81,77| 88,094 | 64,486
92,819
25
61
i
Leber .
kungen im Fett- und
Wassergehalt der Organe
sind schon oben konstatiert
worden; um Vergleiche
besser anstellen zu können,
sind diese Substanzen des-
halb hier und in der näch-
sten Tabelle ausgeschaltet.)
Diese eventuelle Anrei-
cherung müßte natürlich
umgekehrt den früher mit-
geteilten Zahlen für Asche
und Glykogen parallel
gehen; die Befunde bestä-
tigen die Annahme für den
Glykogengehalt, nicht aber
für den Aschegehalt.
Bezüglich der Muskulatur
ergibt sich aus Tabelle XX,
daß die beiden Fleischhunde
hierin mehr N-halt. Sbst.
ansammelten als die Reis-
hunde, ferner, daß Reis-
hund II mehr N-halt. Sbst.
angesammelt hat als Reis-
hund I; Fleischhund II
enthält dagegen 0,195°/,
N-halt. Sbst. weniger als
Fleischhund I.
Auch in der Leber haben
die Fleischhunde mehr N-
halt. Sbst. angesammelt als
die Reishunde; ferner be-
sitzt Reishund II gegenüber
Reishund I und Fleisch-
hund II gegenüber Fleisch-
hund I höheren prozen-
tualen Gehalt an N-halt.
Sbst.
Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 265
Fleischhund I hat also nicht nur pro 100g Muskeln
0,3648g N retiniert, sondern auch noch dem prozentualen Ge-
halt an N-halt. Sbst. gegenüber Reishund I beträchtlich ver-
mehrt.
Fleischhund II dagegen konnte nur in der Muskulatur pro
100 g 0,349 g pro N retinieren und zugleich den prozentualen
Gehalt an N-halt. Sbst. um ein Geringes vermehren.
Das N-C-Verhältnis ist in der Leber des Fleischhundes I
enger als in der des Reishundes I. Da derselbe Vorgang bei
Fleischhund II und Reishund II nicht beobachtet wurde, (cfr.
Tab. VIII, 8.253) so mag die Leber von dieser Betrachtung über-
haupt ausgeschlossen bleiben.
el Anreicherung an fettfreier Fleisch-Trockensubstanz.
Da der N der Nahrung nicht nur zur Anreicherung der
N-halt. Sbst. mit elementarem N, und zur Vermehrung der
N-halt. Sbst. dienen kann, sondern auch zur Vermehrung der
Masse der Muskulatur, so ist in Tabelle XXI die Anreicherung
von fettfreier Muskel-Trockenmasse berechnet worden.
Tabelle XXI.
— Wasser-, fettfreie Masse
der Muskulatur
Wasser-, fett- E pr
freie Masse ihr prozent.
der Anteil an der
Versuchstier untersuchten | ihr Gesamt- | Wasser-, fett-
freien Masse
der untersuch-
ten Organe
"ie
Organe gewicht
en 3949,80 1650,18
— 3295,54 1379,26 41,851
Reishund I ..... 1620,82 594,03 36,657
Fleischhund II .... 1946,59 790,48 40,608
Tabelle XXI zeigt, daßdie Fleischhundeeinen höherenProzent -
satz von wasser- und fettfreier Muskulatur besitzen als die Reis-
hunde. Weiter ist zu ersehen, daß die Differenz in der Gruppe der
wachsenden Hunde eine bedeutend größere, nämlich (40,608 minus
36,057) — 3,951 °/,, als bei den ausgewachsenen Hunden (41,851
minus 41,778) = 0,073°/, ist. Die hier vorgelegten Unterschiede
sind gering, beachtenswert höchstens bei den wachsenden Hunden.
Biochemische Zeitschrift Band 22. IS
Über eine Methode zum quantitativen Nachweis des
Antipepsins im Serum.
Von
Y. Oguro aus Saga (Japan).
(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses Moabit
in Berlin.)
(Eingegangen am 14. September 1909.)
Während man bereits über brauchbare Methoden verfügt,
um die Antikörper des Trypsins und des Labs qualitativ nach-
zuweisen und besonders auch quantitativ zu bestimmen, ist
man über den Antikörper des Pepsins weit weniger unter-
richtet. Mehrere Autoren haben im Pferdeserum Antipepsin
nachgewiesen. Jedoch scheint es sich im allgemeinen nur um
sehr geringe Hemmungswirkungen gehandelt zu haben.
Von älteren Angaben sind Schnappauf!) und Hahn?) zu er-
wähnen, in neuerer Zeit fand z. B. E. Zunz?) das Serum nur wenig
hemmend für das Pepsin. H. Saohs*) erzielte bei der Gans durch
wiederholte Pepsininjektionen einen deutlichen Antipepsingehalt des Se-
rums, das er bei normalen Gänsen kaum antipeptisch wirksam fand.
M. Jacoby®) und J. Morgenroth®) haben dann mit Pepsin beladene
Fibrinflocken in Serum gebracht und erst nach Entfernung des Serums
Säure zugefügt. Bei einer derartigen Anordnung kann man eine sehr
deutliche Antipepsinwirkung des Serums feststellen, so daß beide Autoren
einem ausgesprochenen Parallelismus zwischen Antipepsin und Antilab
begegneten.?)
1) Dissertation, Rostock 1888.
2) Berl. klin. Wochenschr. 1897.
3) Bull. de l’academie Roy. de Medicine de Belg. 1905.
*) Fortschritte der Medizin. 1902.
5) Diese Zeitschr. 2, 3, 1906.
6) Berl. klin. Wochenschr. 1909, 758.
7) J. Cantacuzöne und C. Jonescu-Meihaiesti in Bukarest
(Soo. de Biol. 1908, 273) haben ebenfalls in Bestätigung der Angaben
von Jacoby die Bedeutung der neutralen Reaktion für das Zustande-
kommen der Antipepsinwirkung beobachtet.
Y. Oguro: Methode zum quant. Nachweis dee Antipepeins. 267
Es ist anzunehmen, daß die schwankenden Angaben in
der Methodik begründet sind. Die Resultate von Jacoby und
Morgenroth weisen ja darauf hin, daß nur bei bestimmtem
Vorgehen die vollkommene Antipepsinwirkung manifest wird.
Besonders aber galt es, ein Verfahren auszuarbeiten, welches
den wahren Antipepsinwert des Serums bequem und genau
bestimmt. Ein solches Verfahren wird auch für die Pathologie
Interesse gewinnen und vielleicht diagnostische und prognostische
Aufschlüsse in Fällen gestatten, in denen die Bestimmung
anderer Serumbestandteile versagt. Ich werde nunmehr über
meine Versuche, die ich unter Leitung von Herrn Professor
Jacoby ausgeführt habe, berichten.
Es schien zunächst notwendig, das Antipepsin auf das
Pepsin vor Zufügung der Säure einwirken zu lassen,
und es war zu versuchen, ob nicht ähnlich, wie bei
der Einwirkung von Antitoxinen auf Toxine bei ge-
nügend langer und intensiver Reaktion das mit Anti-
pepsin vorbehandelte Pepsin auch ohne Entfernung
des Antipepsins in Gegenwart von Säure wirksam
bleibt. Diese Fragestellung wurde durch folgenden Versuch
geprüft.
Versuch 1.
0,5 com einer 0,1°/,igen Pepsinlösung (Grübler) werden mit
4,0ccm einer fünffach verdünnten Menge (mit 0,85°/ iger Kochsalz-
lösung) Pferdeserum versetzt, und 30 Minuten lang in den Brut-
schrank gebracht. Danach werden 0,öcom einer #/, ,-Salz-
säure und ein kleines Stück (ca. bohnengroß) von Carminfibrin-
flocken (Grübler) zugesetzt und wieder in den Brutschrank
zur Digestion gebracht. | |
Als Kontrolle habe ich an Stelle des Serums 0,85°/,ige
Kochsalzlösung benutzt.
Für diese Versuche habe ich aus dem Grunde Carmin-
fibrinflocken benutzt, weil selbst ganz minimale Verdauung
durch Rötung und Trübung der Flüssigkeit ganz leicht und
genau beobachtet werden kann.
18"
268 Y. Oguro:
Tabelle I.
gen, nn —
Pepsin- | Pferde-
Car- Nach | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach
lösung | serum min- 20
(1:1000)| (1:5) Abrin- Std
locken `
keine | keine | keine | keine | keine | keine | keine
Rö- | Rö- | Rö- | Rö- | Rö- | Rö- | Rö-
tung | tung | tung | tung | tung | tung | tung
u. Trü- |u. Trü-|u. Trü-'u. Trü-|u. Trü-|u. Trü-|u. Trü-
bung | bung | bung | bung | bung | bung | bung
5.10 vie | Carmin- | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach Nach
en Koch: | sale | Aue | 10 | 30 | 1 2 6 | 10| %
ung | Fais | saure | focken | Min. | Min. | Std. | Std. | Std. | Std. | Std.
Aus diesem Versuch kann man ersehen, daß während eines
halbstündigen Aufenthaltes des Gemisches von Pepsin
und Pferdeserum im Brutschrank das Pepsin durch die
Einwirkung des Antipepsins im Serum inaktiviert wird, und
daß nach dieser Vorbehandlung die Salzsäure nicht mehr die
Demonstration der Antipepsinwirkung beeinträchtigt.
Ferner ist aus der Tabelle (Kontrolle b) ersichtlich, daß
die benutzte Pepsin-Salzsäure durchaus imstande ist, die in
Frage kommende Menge Fibrin vollkommen zu verdauen.
Daß die Vorbehandlung des Pepsins und Serums — halb-
stündiger Aufenthalt des Gemisches von Pepsin und Serum im
Brutschrank ohne Säure — zur Darstellung der Antipepsin-
wirkung notwendig ist, kann man aus nachstehendem Versuch
ersehen.
Versuch 2.
Pepsinlösung, Serum, Salzsäure und Carminfibrinflocken
gleichzeitig zugesetzt.
Hier hat also die Gegenwart von Serum die Verdauung
der Fibrinflocken nur eine kurze Dauer verzögert. Wahrschein-
lich hindert die Gegenwart der Salzsäure die Antipepsinwirkung
und schädigt das Antipepsin selbst, bevor es auf das Pepsin
einwirken kann. Auf diese direkte Schädigung der Antikörper
Methode" zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 269
(Antilab) durch die Säure hat bereits Morgenroth in seinem
Vortrage hingewiesen.
Der nächste Versuch, bei dem nach der von Jacoby und
Morgenroth gewählten Anordnung verfahren wurde, lehrt,
daß nicht etwa die Fixierung des Pepsins an Fibrin bei Brut-
schranktemperatur seine Wirksamkeit herabsetzt.
Tabelle II.
E_
8: Nach | Nach | Nach | Nach
p= 1 Std. | 11/3 Std. | 2 Std. | 5 Std.
Ce
com
deutlich
etwas rot | gerötet
s) und trüb! und
fibrinflocken
/1o- Salzsäure
Carmin-
stark rot
e ziemlich | u, trüb, | etwas | Aocken
3 | etwas | deutlich | Fibrin- |mehr fort-| yoll-
A | gerötet rot flocken go- ständig
x u. trü etwas |schritten | yerdaut
| verdaut
Das Ferment wird auch bei dieser Methodik nur unwirk-
sam, wenn es unter dem Einfluß des Serums steht. Versuche,
wie Versuch 3, bei denen das Serum nach Erfüllung seiner
Leistung vor Beginn der Fermentwirkung entfernt wird, be-
geitigen auch den Einwand, daß die Serumwirkung nur da-
durch zustande kommt, daß das Pepsin mehr Eiweiß als in
der Kontrolle zu verdauen hat. |
Versuch 3.
a) 1. Eintauchen von einem bohnengroßen Stück der
Carminfibrinflocken in ein Gemisch von 0,5ccm einer 0,1°/,igen
270 Y. Oguros
Pepsinlösung 4 4,0 ccm fünffach verdünnten Serums, welches
30 Minuten im Brutschrank gewesen war.
2. Carminfibrinflocken werden gut gewaschen.
3. Gewaschene Carminfibrinflocken 4 2,0 ccm einer
0,85°/ igen Kochsalzlösung +- 0,5 ccm einer */ ,„-Salzeäure. In
den Brutschrank gebracht. Nach mehrstündigem, ja sogar nach
24stündigem Aufenthalt im Brutschrank tritt keine Rötung
und Trübung der Flüssigkeit, d. h. keine Verdauung ein.
b) Kontrolle. 1. Eintauchen von einem bohnengroßen Stück
der Carminfibrinflocken in ein Gemisch von 0,5 ccm einer 0,1°/,igen
Pepsinlösung 4 4,0 com einer 0,85°/,igen Kochsalzlösung ; darauf
Aufenthalt von 30 Minuten im Brutschrank.
2. Carminfibrinflocken werden gut gewaschen.
3. Diese Carminfibrinflocken +- 2,0 com einer 0,85°/,igen
Kochsalzlösung -+ 0,5 ccm einer "/ „-Salzsäure werden in den
Brutschrank gebracht.
Nach 30 Minuten tritt schon eine deutliche Rötung und
Trübung der Flüssigkeit und nach 2 Stunden eine vollständige
Verdauung ein.
Endlich muß man den Einwand ausschließen, daß etwa die
gebrauchten Carminfibrinflocken sich gegen Pferdeserum eigentüm-
lich verhalten; deshalb habe ich statt Carminfibrinflocken 2,0 ccm
von 0,2°/,iger Ricinlösung und 2,0 ccm von 5°/,iger Gelatine-
lösung angewendet. Bei ersterer tritt keine Aufhellung, bei
letzterer auch keine Verflüssigung ein. Also kann ich mit
Sicherheit konstatieren, daß das Pferdeserum im allgemeinen
gegen peptische Eiweißverdauung stark hemmend wirkt.
Die so ermittelten Beziehungen zwischen Serum und Pepsin
benutzte ich zur Grenzbestimmung des Antipepsins im Serum.
Versuch 4.
Eine Reihe von Reagensgläschen wurden mit 0,4 com von
0,1°/,iger Pepsinlösung und einer aufsteigenden Menge (von 0,1
bis 1,0ccm) von zehnfach verdünntem Pferdeserum versetzt und
mit 0,85°/ iger Kochsalzlösung auf 2,4 ccm aufgefüllt und dann
30 Minuten lang in den Brutofen gebracht. Danach wurden
jedem Gläschen bohnengroße Carminfibrinflocken und 0,5 ccm
2/ 0.Salzsäure zugesetzt und wieder in den Brutofen gebracht.
Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 271
Tabelle III.
meistenteils
verdaut
noch mehr vollständig
fortgeschritt. verdaut
ziemlich rot | deutlich rot
ái E und trüb |u. mäßig trüb und trüb
ý keine Rötung
E und Trübung ” ”
2 keine Rötung
” E und Trübung ”
S etwas rot
&
©
| keine Rötung
Versuch mit 10fach verdünntem Kaninchenserum.
Tabelle IV.
peg
8133128
3: S E Nach
= & 8
= F 4 Std.
Š WEI
com
0410 2,0 0,5 deutlich rot, | stark rot und mehr | vollständig
etwas trüb trüb EES SS verdaut
meistenteils
verdaut
39 i 0,1 1,9 „ a 93 ng * sn
„ |o2lı8| „| e ý h H
„ |0,3|1,7| „ | S |keine Rötung mäßig rot und ER stark rot und
g trüb trüb
UI 0,4 1,6 „ LE) schwach rot 99 sn
sw II 15| 2 5 keine Rötung | etwas rot und *
trub
„ 106/14] „|8 e H * Genie rot
0,7 1,3 sn IT en keine Rötung | Spur Rötung
nm 0,8 1,2 „ IT „ » keine Rötung
„ |10|10
„ „ II | an „
272 Y. Oguro:
Versuch mit 10fach verdünntem Menschenserum (Kl. Diagn. :
Epileptiforme Krämpfe).
Tabelle V.
Gu | sl o
er PR: ei
= 5.88 : i g
Æ IE E 3%| Nach Nach Nach Nach
20283 A EE] 30Min | 1Std | 25Std. | 4 Sta.
= Ris: Ea
ccm *
deutlich rot | mehr rot und
noch mehr vollständig
und trüb trüb
fortgeschritten verdaut
ù * meistenteils
| verdaut
= trüb | „ an „
” n | S keine Rötung | schwach rot, | deutlich rot | sehr dentlich
D mäßig trüb und trüb rot und trüb
sw TOSTIO ; E * bißchen rot | schwach rot DI
s FER) LI -i | 8 n keine Rötung | keine Rötung weer 2 und
’ = e | D | g D | D | D | keine Rötung
n D d n | nm D n | 7
nm GE e ” | nm n ” | Hi
” 10 10 nm ” ” | ” | „
DW U ’ nm | ” n | n 1)
Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Nephritiker.
Tabelle VI.
ges Säi
> Ki = 8
SSleclëslal,
83 5815 E E Nach
EES Ain 4 Std
E ez 288 e
= A u =
m | ccm S
0,40 2,0 | 0,5 deutlich ge- | mehr rot und | fast vollstän- | Fibrinflocken
rötet und ge- trüb dig verdaut | spurlos ver-
trübt daut
OL ER j ziemlich rot | deutlich rot | deutlich rot | mäßig ver-
= und trüb und trüb daut
n | 02/18| „ 5p [keine Rötung | etwas rot n IT
e CRL EE - S e keine Rötung | etwas rot — und
„oalıs),„ 4| „ i S
ropisi Ta 3 keino Rötung | etwas ot und
&
D GC S D o D ” D keine Rötung
DI ? 3 n n ” D n
n 0,8 1,2 n n n ” n
n 0,9 1,1 n n n ” kad
” 1,0 1,0 n n n n n
Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 273
Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Urämiker.
Tabelle VII.
|
|
: = .| o
Sal E ag,
D ci = om :
SIS PE SÄCK Nach | Nach | Naoh
2. | Géi = |
RT| E ER EE: l Std. 2Std. | 4Std.
Du N SCH 7
com |ccmjiccm' ccm
| deutl. gerötet,, Verdauung Fibrinfl. mel- | Fibrinfl. spur-
i | | | Fibrin etwas menr ort stenteils verd. los Mai
| i verdau geschritten schwunden
„ :01:19, keine Rötung | etwas rot zieml. deutlich) deutlich rot
| HD ia | rot u. trüb und trüb
„n DS. Lë A x keine Rötung a S
P OB DT aE Deet =
„04116 „| 8 S e | n etwas rot
A | 05 15 „18 A 2 keine Rötung | Spur Rötung
| l ' ;
n | 0,6 | 1,4 | n d n Ä n | n n
n |10,7|1,3 |o» S S | 5 keine Rötung
„ .0,8 | 1,2 |» n | n d n
a Lsekszzzz
* 1,0 1,0 n n n „ n
Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Uteruscarcinom.
Tabelle VIII.
GU E .| 2
SS = SS 3 8 R
Zi gi S S| Nach Nach Nach Nach
Sen 337 a ae
aT ; SEI? ER 30 Min. 1 Std. 2 Std. 4 Std.
Da W zi = 5
ccm som cn =
04 0 | 20 05 stark rot, Fibrinfl. |mehr verdaut vollständig
| deutlich trüb | meistentells verdaut
| , | verdaut
» 01:19 | 5 keine Rötung etwas rot und'zieml. deutlich stark rot und
| tr . rot und trüb , trüb, etwas
| | a | | verdaut
» '02| 18: „ g, a keine Rötung etwas rot mäßig getrübt
| ! EI | ( und gerötet
„n 10,3117 „ 3 | š | keine Rötung í Spur Rötung
| | 8 | und Trübung
n iÍ 0,4 1,6 i n 8 n m „ keine Rötung
n | 0,5 1,5 | n & n n | „ n
n 0,6 1,4 in H n | nm | 19 | n
n 0,7 1,3 n OI | n W | n
n Gë e n | n | OI „ | n
n | ? , | n |! n ' bi * ”
„ 11010), | TE R u u:
274 Y. Oguro:
Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Carc. Sig-
moideae.
Tabelle IX.
|
|
KE al £
— ©
Ẹ ge E 3 a G
8 2 SECH Ë z +d
cHe 83% 33 Nach Nach Nach
° sr E
Ge B 28% ag 1 Std. 2 Std. 4 Std
D © en |Q La
TC Mel Kale
ccm | cem | cem com
5 deutlich rot | stark rot, |mehr verdaut | Fibrinfl. spur-
und trüb mäßig verdaut los verdaut
mäßig rot D | D meist verdaut
= deutlich rot | e 8
und trüb |
keine Rötung | etwas rot | deutlich rot e
und trüb
keine Rötung sehr stark rot
8 kj und trüb
e Spur Trübungjetwas rot und
x trüb
m e keine Rötung | keine Rötung
n n ” n
n D n n
n n n n
n n n n
Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Magencarcinom.
Tabelle X.
— —
E g
séi EE
cl E
E 38
= E
ocm 2
0,4 0 2,0 0,5 deutlich rot |Fibrinfl.mäßig'meist verdaut| vollständig
und trüb verdaut verdaut
Tal 110) g ziemlich rot | deutlich rot |zieml. verdaut fast vollständ.
= und trüb und trüb verdaut
” 0,2 1,8 * nm n n
a NOSI Li keine Rötung | etwas rot | deutlich rot P
„10,4 |1,6 S “ keine Rötung | bißchen rot jetwas E- und
„05/1151 „!|3 8 ? keine Rötung i
0,6 | 1,4 8 n keine Rötung
or, VE 3 N >
n 0,8 1,2 n n n n m
D 0,9 1,1 n n n n n
D 1,0 1,0 n n n D n
Statt Carminfibrinflocken habe ich entsprechende Versuche
mit Ricin und Gelatine gemacht und kam hierbei zu gleichem Er-
Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 275
folge. Hier möchte ich nur beispielsweise die Versuche mit
dem Serum vom Magencarcinom bringen.
Tabelle XI. Ricinprobe.
> F
= 885 8
San 38 Nach
SE
F ER K Ch 4 Std.
. =
ccm m|ccm|iccm
©
⸗
1,0
0 66
” |02|08|.
- 0307|,
„n 1|04|06| „ deutl. getrübt mäßig getrübt bißch. getrübt N
n 0,5 0,5 n ” „ getrübt etwas trüb
” 0,6 0,4 n nm n getrübt
” 0, 0,3 ” n n *
n 0,8 0,2 n n n n D
-losloı| > d ù e é
n 1,0 0 n D n n ID
Tabelle XII. Gelatineprobe mit dem Serum vom Urämiker.
Resultate nach dem
_ Pepsin- Serum 0,85 %/,ige a/, 0-Salz- 50%/,ige
lösung (1:10) Kochsalz- — Gelatine- Aufenthalt zuerst 6 Sta.
(1: 1000) lösung ieung VS Hess und, daan
ccm ccm ccm ccm
bi
-
©
©
*
flüssig
halbflüssig
weich geronnen
n
EI
n
fest geronnen
a 2 2 2 a a a 2 2 3
2 2 2 "3 2 2 3 23 3 2
3333333 33
Wenn Carminfibrin resp. Ricin, resp. Gelatine, Serum, Pepsin
und Salzsäure gleichzeitig zugesetzt werden, so bemerkt man
eine etwaige Verzögerung der Verdauung, aber schließlich
tritt eine Verdauung nach einigen Stunden ein, wie folgende
Tabelle zeigt. Man erhält also mit dem neuen Verfahren viel
größere Ausschläge als mit den früheren Methoden. Es wird
sich daher auch empfehlen, die Immunisierungsversuche mit
276 Y. Oguro:
Pepsin, die durch H. Sachs angebahnt sind, wieder aufzu-
nehmen. Denn es ist möglich, daß man heute viel bessere
Erfolge erzielt.
Versuch mit dem Serum vom Urämiker.
Tabelle XIII.
28 CC
25318 SS Nach
eo dë ( 9:8
n
n
n
n
n
fast klar
0,4 | 0,6 n a?
AO)
0,4 0,7 aufgeheilt Trübung
0, 4 0,8 0,2 0, 5 2,0 schwach bißchen fast klar
n getrübt
Spur
— trub Trübung
trüb
Mit meiner eben beschriebenen ziemlich einfachen und
leicht ausführbaren Methode kann ich also das Antipepsin im
Serum des Menschen und der Tiere qualitativ sowie quantitativ
sicher und fein nachweisen. Zugleich habe ich in Überein-
stimmung mit Jacoby und Morgenroth bewiesen, daß das
Antipepsin im Serum bei Anwendung eines zweckmäßigen Ver-
fahrens nicht so unwesentlich ist, wie einige Autoren behaupten,
sondern daß es sogar ziemlich bedeutend zu sein scheint.
Die vorliegenden Tabellen haben gezeigt, daß Antipepsin
beim Pferdeserum etwas stärker als beim Kaninchenserum ist und
daß dasselbe beim Menschen, und zwar beim erkrankten, in
den von uns untersuchten Fällen im großen und ganzen beinahe
konstant zu sein scheint.
Bisher bin ich nicht imstande, vorauszusehen, ob eine
bemerkenswerte Vermehrung oder Verminderung des Antipepsins
bei verschiedenen besonderen Erkrankungen eintritt, oder ob es
immer gleichwertig bleibt, wie es bei einigen meiner Untersuchungen
der Fall ist. Erst nach zahlreichen, eingehenden und statisti-
Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 277
schen Untersuchungen wird man vielleicht ein interessantes,
wichtiges Resultat erreichen.
Der Zweck dieser Arbeit war, zu zeigen, wie man einfach
und sicher Antipepsin im Serum nachweisen kann. Die Unter-
suchung einiger Krankheitsfälle sollte nur als Beispiel dienen.
Ich hoffe, später nach noch eingehenderen Forschungen bei
verschiedenen Krankheitsfällen, besonders bei Magenleiden,
namentlich Magenkrebs, Gelegenheit zu haben, über das Ver-
halten des Serum-Antipepsins zu berichten.
Was nun die Auswahl der Methoden — Carminfibrin-,
Ricin- und Gelatineprobe — bei quantitativer Bestimmung
anbetrifft, so ziehe ich die Carminfibrinflocken- und die Ricin-
probe vor, weil man bei ersterer die scharfe Grenze des Ver-
dauungsvorganges ganz exakt und genau abmessen, bei letzterer
alles quantitativ genau ausführen kann, auch eine ziemlich feine
Grenze erhält und die beiden Methoden ohne Umstände saus-
zuführen sind. Die Gelatineprobe ist auch quantitativ und
ziemlich leicht ausführbar. Sie gibt auch eine ziemlich scharfe
Abgrenzung, aber sie ist etwas zeitraubender und etwas um-
ständlicher.
Über die Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen.
Von
Y. Oguro aus Saga (Japan).
(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses Moabit
in Berlin.)
(Eingegangen am 14. September 1909.)
J. P. Pawlow und Parastschuk!) sowie M. Jacoby °?)
haben festgestellt, daß bei 42 bis 44° eine parallele Abschwächung
der Lab- und Pepsinwirkung eintritt, während bei 50 bis 51°
sehr schnell beide Wirkungen aufgehoben werden. Ferner ist
bekannt, daß die eigentliche Labwirkung bereits bei 8° erkenn-
bar ist. Hierauf beruht ja die fast allgemein angewandte
Morgenrothsche Methode der Labprüfung. Wenn nun auch
natürlich schon bekannt ist, daß auch das Pepsin bei Tempera-
turen, welche unter der Brutschranktemperatur liegen, Wirkungen
entfalten kann, so schien doch eine eingehendere Untersuchung
dieser Seite der Frage in Hinblick auf die Beziehungen der Lab-
wirkung und der Pepsinwirkung von Interesse. Für diese Ver-
suche ist die Ricinmethode sehr geeignet, da Herr Professor
Jacoby, auf dessen Anregung ich diese Untersuchung aus-
geführt habe, sich schon früher davon überzeugt hat, daß man
auf diese Weise direkt im Eisschrank die Pepsinwirkung er-
kennen kann.
Die Pepsinprüfungen wurden nach den im hiesigen Labo-
ratorium ausgearbeiteten Vorschriften von Solms?) durchgeführt;
nur verwandte ich 0,2°/ ige anstatt 1°/,iger Ricinaufschwem-
mungen. Bei allen Versuchen wurde immer zunächst das Pepsin
und alle Lösungen sowie die Versuchsgläser auf die betreffende
Temperatur erwärmt oder abgekühlt und dann nach dem Zu-
sammenmischen während der Versuchsdauer bei der Temperatur
erhalten. Z.B. wurden für die Versuche bei 0° die einzelnen
Lösungen und Reagensgläser zunächst 15 Minuten in Eiswasser
getaucht, die Lösungen schnell mittels Pipetten in die vor-
geküblten Reagensgläser eingegossen und während der ganzen
Versuchsdauer in Eiswasser auf 0° gehalten.
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 1904.
2) Diese Zeitschr. 1, 1906.
3) Zeitschr. f. klin. Med. 64, 1907.
Y. Oguro: Wirkung des Depeing bei niederen Temperaturen. 279
Stets wurden 2 com Ricin (?/,..) und 0,5 ccm ®#/, „Salzsäure be-
nutzt und mit Wasser die gleiche Verdünnung und dasselbe Volu-
men (4,5ccm) hergestellt. Um Raum zu ersparen, habe ich das in
der Tabelle nicht besonders vermerkt. Versuche, welche nur
in einer Tabelle geschildert werden, geben ein Beispiel von
mehreren gleichsinnig ausgefallenen Versuchen wieder.
Tabelle I. Bei 38°.
Pepsin-
lösung Nach Nach Nach Nach Nach
(1:1000) |5 Minuten! 10 Minuten | 20 Minuten |30 Minuten | 50 Minuten
com
getrübt getrübt getrübt | getrübt
ein bißchen |SpurTrübung| Spur Trü- | fast klar
getrübt bung
klar klar
getrübt | getrübt
schwach i Spur Trü- i
getrübt | bißchen = bung klar
etrübt S
0,1 ein inahe = fast klar klar
bißchen klar g
gotrübt R
0,2 : R RE a a
0,3 Spur Trü- 99 R= nm nm
bun =
0,4 bein © 99 E as ” ”„
SS
0,5 $ 8
0,6 is
0, + ”„
0,8 S „
el „
280 Y. Oguro:
Tabelle III. Bei 8°.
Nach
2 Stunden | 3 Stunden
getrübt getrübt getrübt | getrübt
schwach | schwach ge- | schwach ge- | ein bißchen! ein bißchen
getrübt trübt trübt getrübt getrübt
Pr etwas getrübt| Spur Trüb. | Spur Trüb.
S ein bißchen ein bißchen d F
getrübt getrübt e SG
ein 4 Ge klar beinahe klar
bißchen
getrübt
Se SpurTrübung fast klar F klar
38 LI 99 [2 99
beinahe | fast klar Se Zä e
klar S
„ TT | TT „ TE
Tabelle IV. Bei 5°.
1 Stunde | 11/, Std. |2 Stunden
Pepsinlösung |
(1:1000) ccm
0 | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt
0,05 IS Lë © S schwach | schwach | etwas ge- ein
SIE getrübt | getrübt trübt | bißchen
SIS | getrübt
0,1 I2 5 PR ein = = ein Spur Trü-
Ss e e
Dla bißchen bißchen bung
e Lë laufgohollt getrũbt
02 l3 „| pur ein deutlich ein |Spur Trü-| beinahe
%4 o| bißchen aufgehellt | bißchen | bung klar
& jaufgehellt e getrübt
Tabelle V. Bei 0°.
Pepsin- p
lösung Nach Nach Nach Nach Nach
(1:1000) |1 Stunde | 11/, Std. ’ Stunden'3 Stunden 8 Stunden; 24 Std.
ccm
0 E | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt
0,05 e S nur ein m sg o Spur Trü-| fast klar
e P bißchen 2% BE 8,3 bung
F zu $ aufgehellt!| "e & or E
an 2
, D = | E S S fast klar klar
Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen. 281
Tabelle VI. Bei 0°.
Pepsin-
lösung Nach Nach Nach Nach Nach Nach
(1: :1000) 1 Stunde | 11], Std. |2 Stunden 3 Stunden 8 Stunden 24 Std.
0 getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt
0,08 A = ein schwach |nuretwas| beinahe
Sy FH bißchen | getrübt | getrübt klar
3% 3 aufgehellt
0,1 g a5 2 2 = beinahe klar
Tabelle VII. Bei 0°.
getrübt | getrübt
Spur Trü-| fast klar
Es findet also auch bei 8°, 5° und — was besonders be-
merkenswert ist — auch bei 0° eine Ricinaufhellung statt, die
man wohl ohne weiteres auf eine Pepsinwirkung beziehen darf.
Daß bei niederer Temperatur die Wirkung langsamer eintritt,
ist nicht verwunderlich. Die Feststellung der Wirkung bei
Temperaturen von 8° und darunter ist zunächst für die Pepsin-
Labfrage von Bedeutung. Aber auch abgesehen davon ist die
Wirkung bei 0° eine interessante Tatsache. Möglicherweise be-
schränkt sich diese auffallende Unabhängigkeit des Zustandoe-
kommens der Pepsinwirkung von der Temperatur nur auf die
Ricin- und ihr nahestehende Reaktionen. Die Erklärung hierfür
würde nicht sehr schwer sein. Man müßte annehmen, daß
die Veränderung der anderen Eiweißkörper an und für sich eine
höhere Temperatur erfordert, so daß die katalytische Beschleu-
nigung durch das peptische Ferment auch erst bei höheren Tem-
peraturen deutlich werden kann. Im Gegensatz dazu würde
bei der Ricingruppe die Eiweißumbildung und daher auch die
Biochemische Zeitschrift Band 22. 19
282 Y. Oguro: Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen.
fermentative Beeinflussung durch Pepsin schon bei sehr niederen
Temperaturen möglich sein.
Erweist sich diese Auffassung bei weiteren Versuchen als
berechtigt, so würde man zu dem Ergebnis gelangen, daß unter
Umständen maßgebender ist, bei welcher Temperatur das Sub-
strat sich umbilden kann, als bei welcher das Ferment die
Wirkung katalytisch beeinflußt. Auf jeden Fall aber weisen
die Ergebnisse dieser Arbeit darauf hin, daß man diese beiden
Faktoren stets getrennt betrachten muß.
Zur biologischen Wirkung der Salze.
II. Mitteilung.
Einfluß der Salze auf den Stoffwechsel und die Beziehung der
Stoffwechselvorgänge zu den klinischen Symptomen.
Von
Ernst Schloß.
(Aus dem Großen Friedrichs-Waisenhaus der Stadt Berlin, Rummelsburg.)
(Eingegangen am 21. September 1909.)
In der ersten Mitteilung!) wurde über einige Symptome
— von denen die Störung des Wärmegleichgewichte das auf-
fälligste war — berichtet, die beim Säugling durch die Dar-
reichung bestimmter Salze hervorgerufen werden. Wenn dabei
auch mancherlei widersprechende Resultate vorlagen, so konnte
doch zwischen pharmakologischer Wirkung und Art der ver-
wendeten Salze eine gesetzmäßige Beziehung statuiert werden,
wonach die zweiwertigen zu den einwertigen — oder doch
wenigstens die Ca-Verbindungen zu den Na- und K-Verbindungen
in einem antagonistischen Gegensatz standen.
War schon diese Beziehung für den Einfluß auf die Körper-
temperatur nicht in allen Fällen nachweisbar, — mußte doch z. B.
für die K-Verbindungen eine Hilfshypothese aufgestellt werden,
die sich aber späterhin vollauf bestätigte —, so fügten sich andere
Symptome, so die durch die Salze hervorgerufenen, oft recht
erheblichen Gewichtsschwankungen, diesem Rahmen nur sehr
ungenau ein, so daß ihre Bedeutung nur erwähnt, aber noch
keine Regel für das scheinbar widersprechende Verhalten ge-
geben werden konnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit mußte
sich diese bei den Stoffwechseluntersuchungen ergeben, die zur
1) Diese Zeitschr. 18, 15, 1909.
19*
284 E. Schloß:
Klarlegung der durch die Salze hervorgerufenen Funktions-
störungen in Angriff genommen waren.
Über diese soll nun hier kurz berichtet werden; die aus-
führliche Darstellung erscheint demnächst.
Die Versuche sollten einmal ganz grob die Tatsache der
Stoffwechselbeeinflussung zeigen, dann aber so gründlich wie
nur möglich dem allmählichen Eintreten und Verschwinden dieser
Vorgänge, die parallel mit den klinischen Erscheinungen verlaufen,
nachspüren. Für erstere Absicht reichte die übliche Technik der
Stoffwechseluntersuchungen (Zusammenfassung von größeren
Zeitabschnitten) aus; für die letzteren, weit wiohtigeren Zwecke
mußte eine andere Methode eintreten — die Untersuchung des
Stoffumsatzes in vierstündigen Perioden, ein Verfahren, dessen
Berechtigung a. a. O. dargetan wird. Aus dieser Versuchs-
anordnung und der erforderlichen großen Anzahl der Versuche
(zwölf im ganzen) ergab sich die Notwendigkeit, auf Gesamt-
stoffwechselversuche zu verzichten und sich mit der Ermittlung
einzelner Komponenten zu begnügen. Es wurden also nur der
Wasser-, Stickstoff- und Halogenumsatz bestimmt, was für die
erste Orientierung völlig ausreichte.
Was nun die Ergebnisse meiner Versuche anlangt, so möchte
ich zunächst betonen, daß sich die Vorgänge wohl kaum im
organischen Stoffwechsel abspielen mögen und dieser nur sekundär
von der Salzwirkung in Mitleidenschaft gezogen werden dürfte.
Für den N-Stoffwechsel ist dies in acht verschiedenen Fällen mit
kleinen und großen Dosen aller in Betracht kommenden Salze wohl ein-
wandfrei erwiesen. Weder wurde die Resorption gestört oooh wurde die
Retention in dem einen oder anderen Sinne beeinflußt; nur bei starker
Wasserverhaltung war auch eine deutlichere Zurückhaltung von N durch
die vierstündliche Untersuchung der Ausscheidung nachweisbar, und auch
die glich sich sofort wieder aus. Besonders wichtig ist, daB auch für das
Chlornatrium in sechs Fällen niemals eine direkte Einwirkung auf den
N-Stoffwechsel konstatiert werden konnte.
Eine Bestimmung des Fett- und Kohlenhydratumsatzes ist, wie
oben erwähnt, in meinen Versuchen nicht gemacht worden; trotzdem
möchte ich eine Mitbeteiligung dieser Komponenten für wenig wahr-
scheinlich halten, da die Erscheinungen so schnell wieder schwanden und
besonders die Gewiohtsschwankungen sich sofort wieder ausgliohen. Da-
für spricht auch die Tatsache, daß die Gewichtskurve in den Fällen,
wo die Rückbildung der Erscheinungen abgewartet wurde, genau den aus
der N-Retention erwarteten Verlauf nahm.
Zur biologischen Wirkung der Salze. II. 285
Demnach müssen wir die Hauptveränderungen im anorga-
nischen Stoffwechsel erwarten, und da finden wir auch einige
Unterlagen für die Verschiedenheit in der Wirkung der
Salze, obwohl auch hier die Untersuchung nur fragmentarisch
blieb.
In der Hauptsache waren meine Bemühungen darauf ge-
richtet, das Schicksal der eingeführten Salze zu erforschen. Als
Maßstab hierfür diente mir das leichter bestimmbare Halogen,
und wenn damit auch nur ein Faktor ermittelt wurde, so ge-
stattet sein Verhalten doch wohl die Schlüsse zu ziehen, wie
sie hier nun folgen. Die Resorptionsgeschwindigkeit konnte
nicht direkt ermittelt werden, doch scheint die Verschiedenheit
darin bei den verwendeten Salzen kaum wesentlich zu sein, da
der Eintritt der Reaktion bei fast allen Salzen mit beinahe mathe-
matischer Gleichmäßigkeit erfolgte. Auch die Resorptionsgröße
scheint in wohl allen Fällen die gleiche gewesen zu sein, näm-
lich eine fast totale, wie aus meinen Analysen hervorgeht. Da-
gegen verläuft die Ausfuhr der Salze (resp. des einen Anteils)
sehr verschieden schnell, und die Feststellung dieser Tatsachen
ist wohl das wichtigste Ergebnis meiner Untersuchungen. Die
Ausscheidung des Anions richtet sich danach ganz nach der
Art des mit ihm verbundengewesenen Kations. Die Salze bilden
somit, was die Geschwindigkeit der Ausscheidung angeht, eine
Reihe, bei der NaCl und KCl die Endglieder sind; dazwischen
gruppieren sich die anderen Salze ein. Beim NaCl beginnt die
Ausscheidung langsam und erstreckt sich in geringer Höhe über
längere Zeit, meist 1 bis 2 Tage, um dann langsam abzufallen;
beim KCl haben wir sofort einsetzende stürmische Ausschei-
dung, die in kürzester Zeit alles eingeführte Salz herausschafft.
Das CaCl, nimmt eine Mittelstellung ein; hier setzt die Aus-
scheidung auch langsam ein, verläuft aber dann viel schneller
als beim NaCl. Über die genaue Stellung der anderen Salze
in der Reihe möchte ich nichts Sicheres sagen, da meine
Ausscheidungskurven doch nicht zahlreich genug sind und von
verschiedenen Individuen stammen. Denn auch hier spielen
die individuellen Verhältnisse, besonders aber das Alter eine
sehr wichtige Rolle. Alle diese Feststellungen gelten nur für
den jüngeren Säugling, beim älteren Kind (jenseits des 3. Lebens-
monats) verläuft, wie es scheint, die Ausscheidung aller Salze
286 E. Schloß:
viel schneller. Die leicht zersetzlichen Verbindungen (Carbo-
nate, Acetate usw.) des Natriums halten, wie es scheint, Chlor
zurück, während diese Verbindungen mit K und Ca dem Körper
Chlor entziehen.!)
Als interessanten Nebenbefund möchte ich noch erwähnen,
daß in einzelnen Fällen das eingeführte Salz, besonders das
NaCl, als Reiz dergestalt wirkte, daß nicht nur die eingeführte
Menge, sondern auch noch ein Überschuß vom eigenen Körper
abgegeben wurde, so daß eine geringe Demineralisation mit
entsprechenden klinischen Symptomen auftrat; also analoge
Vorgänge, wie sie in der Säuglingsdiätetik öfters beobachtet
werden und auch in der allgemeinen Pathologie (Immunitäts-
lehre) bekannt sind.
Die eben mitgeteilten Tatsachen der verschiedenen Salz-
ausfuhr lassen schon a priori vermuten, daß wir hier auch den
Grund für die Gewichtsschwankungen haben werden, da doch
notwendigerweise eine starke Salzretention eine entsprechende
Wasserretention und umgekehrt eine schnelle Salzausfuhr eine
vermehrte Wasserabgabe zur Folge haben müsse. Und in der
Tat finden wir einen gewissen Parallelismus dieser Vorgänge;
aber sonderbarerweise nicht immer. In seltenen Fällen finden
wir auch das Gegenteil, so plötzlich einsetzende starke Wasser-
ausschwemmung, wenn das betreffende Salz schon fast völlig
den Körper verlassen hat. Die Gewichts- resp. Wasserschwan-
kungen bieten überhaupt recht komplizierte Verhältnisse dar,
so daß es ziemlich schwer ist, Klarheit hinein zu bringen.
Sie kommen zum weitaus größten Teil durch Schwankungen
der Urinsekretion, weniger durch Änderung der Perspiration zu-
stande, und zwar scheint der Einfluß der letzteren bei der Re-
tention noch ins Gewicht zu fallen, bei der vermehrten Ausfuhr
aber eher im entgegengesetzten Sinne zu wirken, wie aus einem
Versuche mit vierstündlicher Berechnung der Perspiration her-
vorgeht.
1) Hier ist Gelegenheit, einen sinnstörenden Druckfehler zu ver-
bessern, der sich in der ersten Mitteilung bei Besprechung der Kalium-
salze eingeschlichen hat. Seite 19, Zeile 4 von unten muß es statt: „be-
stimmten Verbindungen“ — „weniger festen Verbindungen“ heißen, wo-
durch der ganze Satz seinen richtigen Sinn erhält.
Zur biologischen Wirkung der Salze. II. 287
Zur Ergänzung meiner Stoffwechselversuche, die zu wenig zahlreich
sind, um die Beziehungen aller in Betracht kommenden Salze zum Wasser-
haushalt zu ermitteln, mußte noch eine Methode zu Hilfe genommen
werden, die in viel bequemerer Weise gestattet, diese Frage zu stu-
dieren; diese findet sich in den häufigen, hier stets vierstündlichen
Wägungen direkt vor den in denselben regelmäßigen Zwischenräumen
gereichten Mahlzeiten; — die täglichen Wägungen geben, besonders bei
großen Dosen und bei Berücksichtigung der Ausfuhrverhältnisse in ein-
zelnen Fällen, ebenfalls sichere Resultate, sind aber für unsere Zwecke
zu ungenau.
Ausgehend von der Tatsache, daB 0,5 bis 0,75g NaCl in allen
Fällen beim jungen Säugling einen Gewichtsanstieg von 60 bis 120 g
oder, was sicherer ist, eine Verschiebung des Gewichtsniveaus (das Mittel
aus den sechs Wägungen) um mindestens 40 bis 100 g hervorrufen
— eine Verschiebung, die bei knapper Nahrung absolut eindeutig ist —,
wurden die verschiedenen Salze in knappster Dosierung bezüglich ihres
Einflusses auf das Körpergewicht geprüft.
Das Resultat meiner zahlreichen Versuche über die Beein-
fiussung des Wasserstoffwechsels ist kurz folgendes:
Alle drei in Betracht kommenden Metalle machen Wasser-
retention. Von den Natriumverbindungen das Chlorid stets
und am stärksten, das NaBr ähnlich, aber nicht so intensiv,
das Jodid noch geringer ; bei den beiden letzteren aber bei Gaben
von 1,2 bis 1,5 g in einzelnen Fällen ganz einwandfreie Wirkungen.
Von den K-Verbindungen macht das Chlorid zunächst
meist Wasserausschwemmung, dann aber deutliche Retention,
so daß in vielen Fällen ein deutlicher Gewichtsanstieg resultiert,
auch hier folgt das Bromid und dann wohl das Jodid.
Das CaCl, macht zunächst Retention, dann folgt bei
größeren Dosen starke Wasserausfuhr.
Die Nicht-Halogen-Verbindungen dieser Metalle folgen zum
Teil ihrer Gruppe, doch machen sich hei ihnen auch wohl
andere, durch ihre erleichterten Umsetzungen hervorgerufene
Wirkungen bemerkbar.
Bei größerer Dosierung tritt bei sämtlichen Verbindungen,
mit Ausnahme des NaCl, früher oder später Gewichtsverlust
resp. Wasserabgabe ein.
Dieses scheinbar widersprechende Verhalten läßt sich wohl am ein-
fachsten erklären, wenn man folgende Auffassung zugrunde legt:
Die Wasserretention ist wohl hauptsächlich eine allgemeine Ionen-
wirkung der Salze, indem dadurch die molekulare Konzentration der
Säfte erhöht und daher Wasser zurückgehalten wird,
288 E. Schloß:
Diese Wirkung wird aber bei den relativ giftigen K- und Ca-Salzen
dadurch paralysiert, daß der größte Teil des eingeführten Salzes mit
enteprechendem Lösungswasser möglichst schnell ausgeschieden wird, der
Rest kann noch eine Retention machen; bei größeren Dosen tritt aber
noch das Gegenteil ein; nur das relativ ungiftige NaCl wird noch in
größeren Dosen toleriert.
Neben dieser allgemeinen Ionenwirkung ist noch eine spe-
zifische möglich, die auch hier einen Antagonismus der Ca-Ver-
bindungen zu den anderen begründen würde, wie er für die
anderen klinischen Symptome ja zweifellos besteht.
Die verechiedene Höhe der Dosierung, besonders bei den
Na-Verbindungen, braucht nicht auf den relativ geringeren Ge-
halt an Na bei den Br- und J-Verbindungen bezogen zu werden,
sondern kann ebenso gut mit der Verminderung des osmo-
tischen Druckes desselben Salzquantums von NaBr und NaJ
(in ihren Lösungen) gegenüber dem NaCl erklärt werden.
Daraus ergibt sich auch von selbst die überragende prak-
tische Bedeutung des NaCl als Oedembildner, da es hohe os-
motische Konzentration seiner Lösungen mit relativer Ungiftig-
keit vereint; daneben käme das CaCl, als wirksamster Anta-
gonist auch praktisch in Betracht.
Es erhebt sich nun die Frage, ob man imstande ist, aus
den gefundenen Tatsachen eine Erklärung für das pharma-
kologische Verhalten der Salze zu geben. Wenn man diese
Frage so allgemein betrachtet, wird man vielleicht meinen, sie
bejahen zu können. Wir finden in den obigen Feststellungen
ein überraschendes Zusammenfallen von Salz- resp. Wasser-
retention und Fieber einerseits — von Salz- resp. Wasseraus-
schwemmung und Untertemperatur andererseits, daß man an
einen ätiologischen Zusammenhang denken könnte, der sich
ungefähr so formulieren ließe: „Plötzlich eintretende starke
Salz- oder Wasserbindung führt zu Fieber, plötzlich erfolgende
starke Wasser- oder Salzentziehung macht Untertemperatur.“
Wir fänden dann erklärt, warum die Na-Verbindungen,
besonders das Chlorid, so stark temperaturerhöhend wirken
und warum bei deren Ausscheidung oft Untertemperaturen
auftreten; ferner warum die K-Verbindungen relativ unwirksam
sind, das Fieber meist spät kommt und die Untertemperaturen
häufiger auftreten; wir verständen auch das den Untertemperaturen
öfters vorausgehende Fieber bei den Ca-Verbindungen.
Zur biologischen Wirkung der Salze. II. 289
Nimmt man aber spezielle Fälle an, so wird dieser Kausalnexus
entschieden undeutlicher. Ich habe, um diese Vergleichung zu erleichtern,
den vierstündlichen Stoffwechselablauf mit den wichtigsten klinischen
Daten kurvenmäßig zusammengefaßt, und da zeigt sich wohl in einer
Reihe von Fällen dieser Parallelismus, aber es finden sich daneben viele
einzelne Abweichungen, daß man doch zögert, sich mit dieser Erklärung
ganz zufrieden zu geben.
Und damit wäre immerhin auch erst ein Schritt in der
Erkenntnis der Salzwirkung getan; das Zustandekommen der
Störung des Wärmegleiohgewichts wäre dann noch weiter eine
offene Frage. Eine zentrale Ursache anzunehmen, liegt kein
Grund vor und hieße die Schwierigkeit ohne Grund zurück-
schieben; sie mit den gewöhnlichen Fiebertheorien erklären zu
wollen, ist kaum angängig.
Ich glaube, auch hier läßt sich auf rein physikalisch-
chemischer Grundlage eine Erklärung finden, und will in der
nächsten Mitteilung des näheren darauf einzugehen versuchen.
Physikalisch-chemische Faktoren bei der Embryonal-
entwicklung.
Der osmotische Druck bei der Entwicklung von Rana
temporaria.
Vorläufige Mitteilung.
Von
E. Louis Backman und J. Runnström.
(Aus der anatomischen Abteilung des Karolinischen Institutes, Stockholm.)
(Eingegangen am 22. September 1909.)
Wie die Zellenlehre die Grundlage für die morphologische
Forschung ist, so muß sich auch das Studium der physikalisch-
chemischen Faktoren bei den Lebenserscheinungen auf die cellu-
lären Vorgänge richten.
Ein physikalisch-chemischer Faktor von wichtiger Be-
deutung für das Zellenleben im allgemeinen ist der osmotische
Druck. Kleinere Schwankungen desselben können zwar von
der Zelle ertragen werden, ohne daß ihre Funktionsfähigkeit
geschädigt wird; im allgemeinen kann man jedoch sagen, daß
bei Tieren die Zellen, um am Leben zu bleiben, Isotonie
des in dem Organismus befindlichen Mediums mit ihrer eigenen
Substanz und in vielen Fällen auch eine solche mit der des
äußeren Mediums verlangen.
Ein hypertonisches Medium verursacht eine Schrump-
fung der Zelle infolge Weasserentziehung, bzw. eventuales
Hineindiffundieren der diffusiblen Stoffe, die in stärkerer Kon-
zentration in der Umgebung als in der Zelle vorhanden sind.
Daneben werden sowohl durch die Wasserentziehung und die
dadurch hervorgerufene Vergrößerung der osmotischen Kon-
zentration in der Zelle als durch das Hineindiffundieren von
Krystalloiden die Lösungsverhältnisse der in der Zelle vorhan-
E. L. Backman u. H. Runnström: Physikal.-chemische Faktoren usw. 291
denen Kolloide, der Sole, verändert. Durch die Bildung von
Gelen und Gallerten werden Krystalloide durch Adsorption oder
evtl. durch Eingehen in die Gallerte in fester Lösungsform mit
niedergerissen, und infolgedessen wird bei Überschreitung eines
gewissen Maßes die Lebensfähigkeit der Zelle vernichtet.
Ähnlich sind die Ergebnisse bei einem Medium, das hypo-
tonisch im Verhältnis zu der Zelle ist; durch Aufnahme von
Wasser in die Zelle und durch die Abnahme der Konzentration
von cellulären Krystalloiden, die teils durch die Wasseraufnahme,
teils durch eventuelles Hinausdiffundieren hervorgerufen wird, wird
die Wirkung hinsichtlich des Verhältnisses der cellulären Kol-
loide der Hauptsache nach die gleiche, wie wir sie als Folge
der Hypertonie der Umgebung schilderten. Hinsichtlich der
Krystalloide wird eine absolute Abnahme der Konzentration
erreicht. Eine Zelle, die sich in einem hypotonischen Medium
befunden hat, muß folglich einen geringeren osmotischen Druck
zeigen. Die Konzentrationsveränderung der Krystalloide ruft
zudem, wie erwähnt, eine Gel- und Gallertumwandlung der
Sole hervor, die der Lebensfähigkeit der Zelle verhängnisvoll
werden kann. Geschieht der Austritt der Krystalloide nicht
schnell genug, so kann eine Zersprengung der Zelle durch den
Wassereintritt bewirkt werden, was wohl öfters die Ursache
des Todes der Zelle in einem hypotonischen Medium ist.
Diejenigen Tiere, deren Zellen in der oben geschilderten
Weise für Veränderungen des osmotischen Druckes des Me-
diums empfindlich sind und die also mit diesem isotonisch
sein müssen, sind von Höber poikilosmotisch genannt worden.
Bei der Ausgleichung des osmotischen Druckes zwischen der
Zelle und dem umgebenden Medium verhält sich die Haut-
schicht der Zelle nicht wie eine permeable Membran, sondern
sie hat eine auslesende Fähigkeit hinsichtlich der hineindiffun-
dierenden Salze, welche zum Teil durch die verschiedene Löslichkeit
derselben in der Hautschicht bedingt wird. Mehrfach dürften os-
motisch wirksame Umsatzprodukte zum Gleichgewicht beitragen.
So wird nach Baglioni?) bei Selachiern Harnstoff in der Körper-
1) S. Baglioni, Einige Daten zur Kenntnis der quantitativen Zu-
sammensetzung verschiedener Körperflüssigkeiten von Seetieren (Fischen
und einigen Wirbellosen). Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 50, 1906.
292 E. L. Backman und H Runnström:
flüssigkeit und in dem Blute zurückgehalten, so daß diese einen
Gehalt von ca. 2°/, Harnstoff haben. In diesem Falle und in
ähnlichen muß man vielleicht von einer regulativen Fähigkeit
der Zelle bzw. des Organismus sprechen, die gegen die giftige
Einwirkung zu starker Konzentrationen von gewissen Salzen,
zum Beispiel von NaCl, schützt.
Diejenigen Tiere dagegen, die einen konstanten, von dem
Medium unabhängigen, osmotischen Druck besitzen, sind von
Höber!) homoiosmotisch genannt. Die untenstehende Tabelle
zeigt den osmotischen Druck von Körperflüssigkeit und Blut-
serum verschiedener Tierspezies.
A Untersucher
Coelenterata: Alcyonium palmatum — 2,1960 Bottazi
Echinodermata: Asteropecten aurantiacus — 2,312 5
Vermes: Sipunculus nudus — 2,31 e
Crustacea: Maja squinado — 2,36 2
Selachii: Torpedo marmorata — 2,26 i
Teleostii : Cerna gigus — 1,035 m
Box Salpa — 0,82 bis — 0,88 „
Amphibia : Salamandre maculata — 0,479 Höber
Rana esculenta — 0,465 D
Reptilia : Emys europea — 0,475 sé
Thalossochelys caretta — 0,61 Bottazi
Mammalia: Ovis aries — 0,619 Hamburger
Lepus cuniculus — 0,592 Ge
Felis domestica — 0,638 RR
Canis familiaris — 0,571 Ge
Homo sapiens — 0,526 PR
Aus der Tabelle sieht man, daß die untersuchten Teleos-
tier, die Meeresbewohner sind, einen osmotischen Druck haben,
der niedriger ist als derjenige der vor ihnen in der Tabelle ge-
nannten Tiere und auch niedriger als derjenige des Seewassers.
Sie scheinen also unabhängig vom osmotischen Drucke des
Mediums zu sein. Andererseits zeigt der Aal beim Versetzen aus
Seewasser in Süßwasser eine bedeutende Abnahme des osmoti-
schen Druckes um etwa 30 bis 40°/, Der Aal bleibt jedoch
heterotonisch im Verhältnis zum Medium, und zwar hyper-
tonisch. Wenn man diese Angaben verallgemeinern darf, so ist
der osmotische Druck der Teleostier verschieden von dem des
1) R.Höber, Physikalische Chemie der Zelle u. der Gewebe. Leip-
zig 1906.
Physikalisch-chemische Faktoren bei der Entwicklung usw. 293
Mediums, jedoch gewissen Schwankungen unterworfen, und zwar
bewegen sich dieselben in der gleichen Richtung, wie die des
Druckes im Medium, aber innerhalb engerer Grenzen. Man kann
also sagen, daß sie auf dem Übergange zwischen Poikilosmose
und Homoiosmose stehen. Die autoregulatorischen Vorgänge,
die das Vermögen, den osmotischen Druck bei konstantem
Niveau zu erhalten, bedingen, treten ausgeprägt erst bei den
Landtieren auf, und diese haben auch unter sich einen sehr
übereinstimmenden osmotischen Druck.
o *
*
Seit einiger Zeit sind wir mit Untersuchungen über den
Einfluß verschiedener Lösungen auf die embryonale und larvale
Entwicklung von Rana temporaria beschäftigt. Diese Unter-
suchungsreihe ist noch nicht vollständig abgeschlossen, aber die
Beobachtungen, die wir dabei gemacht haben, ebenso wie einige
Angaben der Literatur haben uns zu einer jene Versuche ver-
vollständigenden Untersuchung über den osmotischen Druck des
Froscheies und des Froschembryos auf verschiedenen Stufen der
Entwicklung geführt. In großen Zügen kann man sagen, daß
eine Lösung von der Konzentration äq.-m./3 von unorga-
nischen Salzen (in Leitungswasser) nicht die Erreichung des
Gastrulastadiums erlaubt. Die Konzentration äq.-m./5 gibt
eine verspätete und in verschiedenen Hinsichten abnorme Ent-
wicklung, äq.-m./10 dagegen eine normale, jedoch ein wenig
verspätete.e. In der Konzentration äq.-m./50 dagegen ist die
Entwicklungsdauer völlig die normale. Es war auch nicht
möglich, eine physiologische Entwicklung für den Frosch in
Göthlins Salzlösung zu erhalten. Die Entwicklung war näm-
lich auch hier bedeutend verspätet und hörte vollständig in 7
bis 8 Tagen auf, trotzdem die Salzlösung Göthlins nicht nur
isotonisch mit dem Serum des Frosches ist, sondern auch NaCl,
KOL CaCl, und NaHCO, in demselben Verhältnisse wie dieses
enthält. Ihre Zusammensetzung ist nämlich die folgende:
NaCl 0,65°/,
KO 0,01°/,
CaCl, 0,0065°/,
NaHCO, 0,10°/,
Aqua dest.
294 E. L. Backman und H. Runnström:
Auch mit 3/, Aqua dest. verdünnt, zeigte sie sioh nicht
als ein geeignetes Medium. Die Entwicklung war immer be-
deutend verspätet.
Aqua destillata ist dagegen ein für das Froschei geeignetes
Medium. Die Entwicklung findet hier in einer völlig normalen
Weise statt, nur mit einer unbedeutenden Verlangsamung.
Die Embryonen haben fast die Metamorphose erreicht.
Da, wie aus dem Gesagten hervorgeht, die Lösungen von
äq.-m./50 sich als die Entwicklung nicht verlangsamend zeigten,
während dagegen die Göthlinsche Lösung "In, äq.-m./lO und
Aqua dest. dieselbe verspäteten, war es offenbar, daß das be-
fruchtete Froschei, ebenso wie die früheren Embryonalstufen,
ein bedeutend niedrigeres A als das entwickelte Tier haben muß,
das aber höher als Aqua dest., niedriger als Göthlin/4 und
äq.-m./10 ist. Wahrscheinlich würde es in der Nähe von 4 für
äq.-m./50 liegen.
Um eine genauere Auffassung von dem osmotischen Drucke in
dem Froschei und den Embryonen zu erhalten, haben wir eine Reihe
Gefrierpunktsbestimmungen an solchen in einigen verschiedenen Ent-
wicklungsstufen mittels des Beokmannschen Gefrierpunktsbestimmungs-
apparates gemacht. Außerdem haben wir den Gefrierpunkt von dem
Wasser des Tümpels, wo die Frösche und die Eier gefangen worden
sind, von dem Wasserleitungswasser, von verschiedenen Lösungen und
endlich von den Gallerthüllen bestimmt.
An den Eiern, Embryonen und den Gallerthüllen wurden die Be-
stimmungen drei- bis viermal und regelmäßig an verschiedenen Partien
gemacht; mit dem Wasser und den Lösungen wurden 2 bis 3 Bestimmungen
angestellt. Die Ziffern in der Tabelle sind Durchschnittszahlen. Bei
jeder Bestimmung wurde etwa 1/0 unterkühlt. Die Versuchsfehler be-
laufen sich auf 0,00 bis 0,020.
A
Fertige Ovarialeier . .. . 2.2.2.2. — 0,480 (1)
Ungefurchte, befruchtete Eier . ... . — 0,0450 (2)
Embryonen, 5 Tage alt . . . . 2.2... — 0,230 (3)
Kaulquappen, 20 bis 25 Tage alt. . . . — 0,405° (4)
Serum des gewachsenen metamorphosierten
Frosches . . . 2. 2 22 2 eeso — 0,4650 (5)
Gallerthüllen . . . 2: 2 2 2 2 20020 —0,015° (6)
Wasser des Tümpels, aus dem die Eier ge-
holt wurden . . . 2 22220. —0,06° (7)
Wasserleitungswasser . . . . 2.202 .. — 0,015° (8)
äg.-m./50-NaCl Lösung. . . . 2... —0,05° (9)
äqg.-m./3-NaCl Lösung . . . . . -....—0,61° (10)
Lösung von Göthlin ......... — 0,445° (11)
Physikalisch-chemische Faktoren bei der Entwicklung usw. 295
Die ungefurchten Eier wurden von den Hüllen bis auf die Dotter-
membran befreit. Hierbei kann sich natürlich eine Fehlerquelle ergeben
dadurch, daß möglicherweise an dieser Gallerte haften bleibt, die bei der
Bestimmung ein zu hohes A für die Eier verursachen würde. Eine
leichte Überlegung an Hand der Angaben der Tabelle über das A der
Gallerte beweist jedoch, daß diese Fehlerquelle die Resultate nicht be-
trächtlich beeinflussen kann. Die Embryonen von 5 Tagen wurden so-
wohl von der Gallerthülle als von der Dottermembran befreit. Die also
von den Hüllen befreiten Eier und Embryonen wurden während 30 bis
40 Minuten zerstoßen und zerpreßt. Hierbei ist Anlaß zur Entstehung
einer anderen Fehlerquelle gegeben, die sich jedoch in entgegengesetzter
Richtung bemerkbar macht, nämlich die von postmortalen Zersetzungen,
der Autolyse. Diese dürfte jedoch während einer so kurzen Zeit nicht
besonders beträchtlich sein, wozu noch kommt, daß der Teil der Masse,
der zu den übrigen A-Bestimmungen einer Serie benutzt war, während
jeder Bestimmung in Eis eingebettet wurde. Die Veränderungen, die
durch autolytische Vorgänge hervorgerufen werden, gehen jedenfalls in
der Richtung, daß von größeren Molekülkomplexen kleinere gebildet
werden, mit anderen Worten, daB die osmotischen Konzentrationsgrade
der Masse vergrößert und folglich ihr Gefrierpunkt erniedrigt wird.
Die postmortale Autolyse dürfte also dahin wirken, daß die A der Be-
stimmungen 1, 3 und 4 ein wenig zu niedrig sind, während sie dagegen
in der Bestimmung 2 vielleicht die dort schon vorhandene Fehlerquelle
neutralisiert.
Unsere A-Bestimmungen bestätigen völlig die Betrach-
tungen bezüglich des osmotischen Druckes des Froscheies, zu
denen wir durch das Studium der Entwicklung desselben in
verschiedenen Konzentrationsgreden von Krystalloiden und in
Aqua destillata veranlaßt wurden. Wie aus den Bestimmungen
2 und 9 zu ersehen ist, liegt dieser Druck wirklich in der Nähe
von dem von äq.-m./50-NaCl.
Die Tabelle zeigt, daß das befruchtete aber noch
ungefurchte Froschei einen osmotischen Druck zeigt,
der nur "le von dem des ausgewachsenen Frosches und
dem des Ovarialeies ist. Man sieht auch, daß jener Druck
in einer einleuchtenden Weise mit dem des Mediums überein-
stimmt, in das die Eier gelegt sind (Bestimmung 7), schwach,
hypertonisch dagegen im Verhältnis zu der Gallerhülle (Be-
stimmung 6) ist. Im Laufe der Entwicklung steigert sich der-
osmotische Druck wieder und der Embryo von 5 Tagen besitzt.
schon ein A, das etwa 50°/, von der Größe desselben bei dem
metamorphosierten Tier und folglich stark hypertonisch im.
296 E. L. Backman und H. Runnström:
Verhältnis zum Medium ist. Bei Embryonen von 25 bis 30 Tagen
ist der Druck nur unbedeutend niedriger als derjenige des
metamorphosierten Tieres.
* *
*
Es drängt sich daher die Frage auf: Welche Faktoren
haben die Erniedrigung des osmotischen Druckes in dem Ova-
rialei bis auf den im befruchteten, ungefurchten Ei von uns
konstatierten Wert bewirken können?
A priori dürfte man von der Eventualität absehen können,
daß das Ei während der Passage durch den Eileiter durch ‚einen
inneren Trieb“ seinen osmotischen Druck, z. B. durch eine
Gel- und Gallertbildung, erniedrigen konnte. Dazu fehlt jeder
bekannte physikalische oder chemische Faktor. Wenn die Eier
gelegt sind, befinden sie sich in einem hypotonischen Medium.
Die Wirkung der Hypotonie haben wir schon auseinander-
zusetzen versucht. Wir sehen, daß die Zelle dadurch einen
erniedrigten osmotischen Druck erhält. Die Frage ist nun,
ob diese Erklärung für den vorhandenen Fall genügt. Kann,
mit anderen Worten, die Verdünnung durch Wasseraufnahme
bzw. Auswanderunng der Krystalloide eine 10fache Erniedrigung
des osmotischen Druckes bewirken? Der Frosch ist während
der Embryonalentwicklung bezüglich der wichtigen, anorgani-
schen Ionen auf seine eigenen Vorräte angewiesen, was durch
die Lebensfähigkeit des Froscheies in aqua destillata bewiesen
wird. Wenn man zudem bedenkt, daß diese Ionen in be-
stimmten Konzentrationen vorhanden sein müssen, muß ein
Hinausdiffundieren auch in geringen Mengen höchst unwahr-
scheinlich sein. Der anderen der beiden Alternativen muß man
mehr Rücksicht widmen. Tatsächlich quillt das Froschei beim
Ablegen zufolge Wasseraufnahme auf. Diese Quellung genügt
jedoch nicht allein, die beobachtete Erniedrigung des osmotischen
Druckes zu erklären, da in solchem Falle das Ei das 8- bis
10fache Volumen gegen das ursprünglich vorhandene erhalten
müßte. Es ist schon a priori unwahrscheinlich, daß die Zelle
eine so starke Ausspannung erfahren könnte; die Beobachtung
bestätigt nun, daß die Volumzunahme bei der Quellung einen
weit niedrigeren Wert hat.
Physikalisoh-chemische Faktoren bei der Entwicklung. 297
Es scheint folglich nur die Möglichkeit übrig zu bleiben,
daß die Erniedrigung des osmotischen Druckes zum größten
Teil durch eine Zustandsänderung der Kolloide in der Eizelle,
durch eine Gel- und Gallertbildung, wobei die Krystalloide ad-
sorbiert werden, hervorgerufen wird. Es bietet sich uns also jetzt
die Aufgabe, einen Faktor herauszufinden, der einen solchen
Vorgang verursachen könnte. Wir haben dabei vielleicht mit
der Möglichkeit zu rechnen, daß die Veränderung des Mediums
die Ursache ist. An anderer Stelle haben wir schon auf diese
Möglichkeit hingewiesen (Seite 1). Es ist jedoch schwer an-
zunehmen, daß das Ei nach einem so heftigen Eingriffe noch
das Vermögen haben sollte, sich selbst zu restituieren, Da
vorläufig noch Anhaltspunkte fehlen, so kann man sich über
diese Sache noch nicht definitiv äußern.
Die letzte Erklärungsmöglichkeit sehen wir in dem Be-
fruchtungsmomente. Wir gehen dabei von der Voraussetzung
aus, daß die Befruchtung diejenige Zustandsänderung der Kol-
loide mit folgender Adsorption der Krystalloide möglicherweise
hervorrufen könnte, die man nach obigem als einen physiolo-
gischen Erstarrungsprozeß der Eizelle bezeichnen könnte — ev.
durch die Veränderung des Mediums unterstützt, die ja ohnehin
durch die Wasseraufnahme des Eies einen Teil der Herab-
setzung des osmotischen Druckes verursacht. Wir hoffen
durch fortgesetzte und erweiterte Untersuchungen sowohl beim
Frosche als auch bei anderen Tieren über diese schwierigen
Fragen Licht verbreiten zu können.
Das Sınken des osmotischen Druckes ist reversibel, was
durch die biophysikalischen und biochemischen Vorgänge, die
mit der Entwicklung verbunden sind, veranlaßt wird. Nach
unserer Auffassungsweise muß die Erhöhung des osmotischen
Druckes wenigstens teilweise von der Entbindung der Krystal-
loide verursacht sein. Dazu tritt die Zersetzung des Dotter-
materials zu osmotisch wirksameren Vereinigungen.
Wir haben im vorhergehenden das Verhalten des os-
motischen Druckes bei verschiedenen Tieren behandelt und
dabei gesehen, daß man poikilosmotische und homoiosmotische
Tiere unterscheiden kann. Wir haben auch gesehen, daß die
Teleostier in einem Übergangszustand zwischen diesen beiden
Gruppen stehen. Aus unserer Untersuchung geht jetzt hervor,
Biochemische Zeitschrift Band 22. 20
298 E. L. Backman u. H Runnström: Physikal-chemische Faktoren usw.
daß der Frosch während seiner ersten Entwicklungsstufen mög-
licherweise als relativ poikilosmotisch anzusehen ist, d. h. einen
osmotischen Druck zeigt, der mit dem der Umgebung überein-
stimmt. 5 Tage alte Embryonen sind jedoch schon ausgeprägt
homoiosmotisch — wenn man damit nur das Vermögen aus-
drückt, den eigenen osmotischen Druck verschieden von dem
der Umgebung zu halten,
Der osmotische Druck ist aber in stetiger Zu-
nahme, und bei Kaulquappen von 25 bis 30 Tagen ist der
osmotische Druck fast der des metamorphosierten Tieres. Den
biogenetischen Satz auf diesen Fall zu beziehen, wäre wohl
nur eine Redensart. Vielmehr haben wir hier einen autoregu-
latorischen Prozeß von lebenswichtiger Bedeutung vor uns,
dessen physikalisch-chemische Bedingungen nicht unerforschbar
sein dürften.
Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwälste.
Von
S. Yoshimoto aus Tokio (Japan).
(Aus dem Institut für Krebsforschung und der chemischen Abteilung
des Pathologischen Instituts der Universität zu Berlin.)
(Eingegangen am 24. September 1909.)
Die Chemie der Krebsgeschwülste und der Stoffwechsel
der Krebskranken sind schon vielfach bearbeitet worden, ohne
daß indessen in allen Punkten Übereinstimmung erzielt
worden wäre.
Der erste, der die chemische Zusammensetzung von Krebs-
geschwülsten studierte, war Petry!). Als konstanten Befund hob er
eine ansehnliche Vermehrung der Nucleoproteide hervor. Dieselben be-
trugen etwa 50°/, des Gesamteiweißes, während dieser Wert in der
Mamma, dem Sitz der Geschwülste, unter 30°/, ausmachte. Petry
bezog diese Vermehrung auf den Kernreichtum des üppig wuchernden
Gewebes. Im Gegensatz dazu fand er Sarkome sehr arm an Nucleo-
proteiden. Er beobachtete auch schon die Autolyse der Carcinome.
Neuberg und Ascher?) und gleichzeitig und unabhängig davon
Blumenthal und Wolff?) fanden im Krebsgewebe ein proteolytisches
Ferment, welches als heterolytisches auf das Eiweiß anderer Gewebe
einwirkt. Blumenthal ist der Meinung, daß dieses Ferment, ebenso
wie das autolytische, wahrscheinlich intracellulär ist und nur bei regem
Stoffwechsel im Krebsgewebe frei wird. Daher sei anzunehmen, daß es
bei derben, abgeschlossenen Careinomen nicht in die Zirkulation gerate,
sondern nur bei weichen Tumoren. Es liegt nahe, die Krebskachexie
mit diesem Ferment, das auch nach Art eines Toxins wirken könnte,
in Verbindung zu bringen, indessen sind Beweise dafür noch nicht ge-
liefert.
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 27, 398.
2) Arbeiten aus dem pathologischen Institut zu Berlin 1906, 593.
3) Zeitschr. f. klin. Med. 16.
20*
300 S. Yoshimoto:
Man könnte wohl als Wirkung eines solchen Fermentes die be-
deutenden Abweichungen des Stickstoff-Stoffwechsels ansehen, welche
nach den wichtigen Beobachtungen von Friedrich Müller®), die übrigens
schon lange vor den erwähnten Autolysenversuchen gemacht sind,
bei Krebskranken bestehen. Pe Müller fand, daß die Stickstoff-
ausscheidung bei Krebskranken stets größer war als die Stickstoffeinfuhr,
so daß es trotz reichlicher Ernährung nicht gelang, die Schwelle des
Stiokstoffgleichgewichts zu erreichen. Allein es zeigte sich, daß dieses
Verhalten nicht konstant und etwa typisch ist für den Stoffwechsel des
Krebskranken. Blumenthal!) konnte sogar bei einem Mammascarcinom
einen erheblichen Stickstoffansatz erzielen. Blumenthal ist daher der
Ansicht, daß es ein spezifisches, von der Krebszelle abgesondertes Toxin,
welches einen vermehrten Eiweißzerfall und damit Kachexie bewirkt,
nicht gibt. Er bezieht diese vielmehr auf die verminderte Nahrungs-
aufnahme und die sekundäre Erkrankung von solchen Organen, welche
für den Stoffwechsel von Wichtigkeit sind, sowie auf vermehrte bakterielle
Prozesse.
Anderseits konnten Gärtig?) und Klemperer?) in ihren Stoff-
weohselversuchen an Krebskranken die Beobachtungen von Fr. Müller
bestätigen. |
Durch die Güte von Exzellenz von Leyden, für die ich auch an
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche, bot sich mir Ge-
legenheit, Autolysenversuche an Krebsgeschwülsten anzustellen. Auch
Herrn Dr. Brahn bin ich für die Überlassung mehrerer von ihm an-
gesetzter Versuche zu Dank verpflichtet. Die anatomische Diagnose
der Tumoren ist durch Herrn Prof. Beitzke sichergestellt.
Im ganzen habe ich 9 metastatische Leberkrebse und ein
Mammacarcinom untersucht. Zu Kontrollversuchen dienten
3 gesunde Lebern und eine Mamma.
Allgemeine Versuchsanordnung.
Die Tumoren wurden möglichst kurze Zeit nach dem Tode
aus den Organen herauspräpariert. Das gelingt in den Fällen,
in welchen die Krebsgeschwülste derb und von der Umgebung
mehr oder weniger scharf abgegrenzt sind — das ist meistens
der Fall — ohne Schwierigkeit, während bei weicheren Tumoren
die Abgrenzung allerdings nicht so scharf zu machen ist.
Die Tumoren wurden fein zerhackt, 100 g des Breies mit
1 1 gesättigten Chloroformwassers in ein breithalsiges Glas-
stöpselgefäß gebracht und 72 Stunden im Thermostaten bei
1) Festschrift für E. Salkowski. 1904, S. 75.
2) Inaugural-Dissertation Berlin, 1890.
3) Charite-Annalen 16.
Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwülste. 301
39° digeriert. Nachdem behufs Kontrolle bezüglich der An-
wesenheit von Bakterien eine Impfung auf Nährgelatine statt-
gefunden hatte, wurden die Flaschen entleert, die Autolysen-
flüssigkeit aufgekocht und nach völligem Erkalten im Meß-
zylinder auf 1 1l (einschließlich der festen Substanz) aufgefüllt,
alsdann durch ein trocknes Filter filtriert. 800 com dieses
Filtrates wurden auf dem Wasserbad auf weniger als 400 ccm
eingedampft. Nach dem Erkalten füllte man sie wiederum auf
400 ccm auf und filtrierte durch ein trocknes Filter. So wurde
eine von koagulierbaren Eiweißkörpern freie verdünnte Lösung
erhalten.
Um eine Vorstellung von dem Gehalt dieser Lösung an
Monoaminosäuren, Albumosen und Purinbasen zu erhalten,
wurde das von E. Salkowski angegebene, zuerst von
Drjewezki!), später vielfach im hiesigen Laboratorium u. a.
auch von mir?) in früheren Versuchen angewendete Verfahren
benutzt. Man erhält dabei durch die Analyse:
1. Gesamtstickstoff, 2. Monaminosäurenstickstoff?), 3. Albu-
mosenstickstoff, 4. Purinbasenstickstoff.
Die Differenz zwischen Gesamtstickstoff und der Summe
von 2, 3 und 4 ergibt den Stickstoff von Diaminosäuren 4
Peptonen + Ammoniak.
Im einzelnen wurde folgendermaßen verfahren:
1. Gesamt-N. — In 20 ccm der Lösung unter Anwendung von
Quecksilberoxyd nach Kjeldahl doppelt ausgeführt.
2. Monoaminosäurenstickstoff: 50 ccm der Lösung mit 5 com Salz-
säure von 1,124 D angesäuert, mit 10°/,iger Phosphorwolframsäure
völlig ausgefällt, die Mischung auf 100 ccm (samt Niederschlag) auf-
gefüllt, durch ein trooknes Filter filtriert, vom Filtrat 20 com zur Be-
stimmung des Stickstoffes nach Kjeldahl.
3. Albumosenstickstoff: 50 ccm mit l com verdünnter Schwefel-
säure angesäuert, mit gepulvertem Zinksulfat gesättigt nach Baumann
und Bömer. Das Gemisch nach den Angaben von E. Rosenberg*)
24 Stunden lang stehen gelassen, filtriert, der Niederschlag mit angeräuerter
1) Diese Zeitschr. 1, 229, 1906.
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 58, 341, 1909.
3) Dieser Ausdruck ist hier, wie in den früheren Arbeiten in dieser
Richtung, nur in dem Sinne gebraucht, daß in dieser Kategorie die
Monoaminosäuren sehr überwiegen; es fällt darunter auch Harnstoff
und Allantoin, wenn vorhanden.
4) Zeitschr. f. klin. Med. 76, 1.
302 S. Yoshimoto:
Zinksulfatlösung gut ausgewaschen und trocknen gelassen, dann im
Kjeldahlkolben mit Schwefelsäure erhitzt. Diese Erhitzung läßt sich
gut zu Ende führen.
4. Purinbasenstickstoff: 100 com wurden mit Ammoniak leicht al-
kalisiertt, von den ausgeschiedenen Phosphaten abfiltriert und naoh-
gewaschen, das Filtrat unter weiteren Zusatz von Ammoniak mit 3°/,iger
ammoniakalischer Silbernitratlösung gefällt. Nach 10 bis 12stündigem
Stehen im Dunkeln wurde abfiltriert, der Niederschlag mit ammonia-
kalischem Wasser so lange ausgewaschen, bis im Waschwasser keine
Silberreaktion mehr vorhanden ist, trocknen gelassen und dann samt
Filter kjeldahlisiert,
Drei gesunde Lebern (1 bis 3) und zwei Krebslebern (4 und 8)
wurden genau nach dieser Angabe untersucht.
In den übrigen Versuchen, wo das Material nicht genügend wan
wurde der Caroinomgewebsbrei immer in gewissen Bruchteilen der Vor-
schriften genommen,
Tabelle I.
Autolyse der gesunden Leber.
Chloro-
S F: ere Spaltungsprodukte %
si ‚©
— Autolyseflüssigkeit
L Gesamt-N 4,536
2. re ee 2,480 54,68
3. Albumosen- 0,944 20,81
l 100 1000 4. Purinbasen-N 0,672 14,82
5. Diaminosäuren-, |
Pepton- und NH,-N 0,440 9,71
. Gesamt-N 4,760
. Monoaminosäuren-N 2,632 55,30
. Albumosen-N 0,963 20,24
. Purinbasen-N 0.560 11,77
. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N| 0,6051 12,71
1
2
2 100 | 1000 dë
5
l. Gesamt-N 6,1521
2. Monoaminosäuren-N 2,8560 65,44
3. Albumosen-N 1,0531 20,44
3 100 1000 4. Purinbasen-N 0,8960 17,39
5. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N 1,1181 12,13
1. Gesamt-N 4,8160
2. Monoaminosäuren-N 2,6560 55,14
Mittelzahlen der Versuche] |3. Albumosen-N 0,9871 20,48
1 bis 3 4. Purinbasen-N 0,7091 14,71
5. Diaminosäuren-,
|
|
In den nachfolgenden vier Versuchen (4 bis 7) wurden zwei
Mischungen aus ein und derselben Krebsleber hergestellt, nämlich in
Pepton- und NH,-N| 0,7111 | 14,97
Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwülste.
303
der Mischung A ein Geschwulstanteil, in der Mischung B ein anschei-
nend normaler Anteil derselben Leber.
Die Ergebnisse sind in der Tabelle II zusammengestellt.
Tabelle II.
Autolyse der Krebsleber.
5 50 |500
6 20 |200
7 50 1500
Mittelzahl der vier
Versuche 6 bis 7
Beim Betrachten der Tabelle II
E,
33 Leber- 23
y E| brei ER
E ö
cc
l.
2
3
4.
5.
m ppm Dër
Sa Do DO pes
Or e GO DO t
Spaltungsprodukte
des Eiweißes in der
Autolyseflüssigkeit
Gesamt-N
. Monoaminosäuren-N
. Albumosen-N
Purinbasen-N
Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N
Gesamt-N
. Monoaminosäuren-N
. Albumosen-N
Purinbasen-N
. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N
Gesamt-N
Monoaminosäuren-N
. Albumosen-N
Purinbasen-N
. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N
Gesamt-N
Monoaminosäuren-N
. Albumosen-N
Purinbasen-N
Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N
Gesamt-N
Monoaminosäuren-N
Albumosen-N
Purinbasen-N
Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N
2,0104
6,0480 1)
2,6880
0,9856
0,1568
2,2176
7,2320
3,5273
1,3906
0,3856
1,9014
26,29
1,2872
sieht man sofort
Normalanteil
derselb.Krebsleb.
die
beiden bemerkenswerten Tatsachen, nämlich, daß die beiden
Gesamtstickstoffmengen in A und B bei jedem Versuche (aus-
1) Dieser zu kleine Wert wird wahrscheinlich ein technischer Fehler
sein, er ist bei der Bildung der Mittelzahlen nicht berücksichtigt,
304 S. Yoshimoto:
genommen Versuch 7 A) ganz gleich oder fast ganz gleich sind
und daß die Abbauprodukte bei jedem Versuche (ihrer Stick-
stoffimenge nach) fast immer in derselben Reihenfolge stehen,
nämlich Monoaminosäurenstickstoff; Diaminosäuren 4 Pepton +
Ammoniakstickstoff; Albumosenstickstoff und Purinbasenstick-
stoff. Aus beiden vorliegenden Tabellen habe ich Tabelle III
kombiniert.
Tabelle III.
Krebsleber, Mittelzahl der vier — EE
V h
Spaltungsprodukte 3 en 5 Vene
des l Augenscheinlich
Eiweißes in der Auto- ne normaler Anteil
lysenflüssigkeit derselb. Leber =
NingauflkgNingauflkgiN ing auf 1 kg
p Leber berechn. | Leber berechn. | Leber berechnet
1. Gesamt-N 7,2320 4,8160
2. Monoaminosäuren-N 3,5273 2,6560
3. Albumosen-N 1,3906 0,9866
4. Purinbasen-N 0,3856 0,7086
5. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N 1,9014 1,2872 0,7211
A B
Gesamt-N o 1,5020; er 1,5350.
Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß der Eiweißzerfall
sowohl bei Geschwulstanteilen als auch den augenscheinlich nor-
malen Anteilen einer Krebsleber im Vergleich zur gesunden
auffallend gesteigert ist: 7,2320; 7,3920 gegen 4,8160 N.
Es ist also entweder der Gehalt der carcinomatösen Leber
an proteolytischem Ferment an sich ein erhöhter — und zwar
sowohl in den Geschwulstteilen selbst, als auch in den schein-
bar gesunden Partien — oder die Carcinomleber produziert einen
die Autolyse steigernden Körper; wir kennen ja derartige Körper,
z. B. Säuren, selbst Kohlensäure.
Ferner ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Zerfalls-
produkte zwischen den Geschwulstknoten selbst und an-
soheinend normalen Partien. In den Geschwulstknoten selbst
ist der durch die Autolyse erhaltene Anteil des Albumosen-N
geringer, der Anteil des Diaminosäuren- usw. N vermehrt. Dies
entspricht einem gesteigerten Zerfall. Im Gegensatz dazu ist
auffallenderweise der Purinbasen-N vermindert. Dies kann ent-
Beitrag zur Chemie der Krebsgesohwülste. 305
Tabelle IV.
Autolyse der Krebsleber (bei verschiedenen Digestionsdauern).
5 © N in g
SS Dauer der Spaltungsprodukte | uf l1 kg! o
F wasser | Digestion des Eiweißes in der Leber be- lo
Ze Autolyseflüssigkeit int
il. Gesamt-N 7,1600
2. Monoaminosäuren-N | 3,2200 | 44,98
3. Albumosen-N 1,0048 | 14,04
4. Purinbasen-N 0,1120 | 1,56
5. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N| 2,7232 | 38,04
1. Gesamt-N 10,080 ')
2. Monoaminosäuren-N | 5,0455 | 50,06
3. Albumosen-N 2,5088 | 25,67
4. Purinbasen-N 0,488 4,44
5. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N| 1,9777 | 19,62
L Gesamt-N 7,8400
2. Monoaminosäuren-N | 3,8080 | 48,46
3. Albumosen-N 1,6128 | 20,57
4. Purinbasen-N 0,4480 | 5,72
6. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N| 1,9712 | 25,14
1. Gesamt-N 9,0720
2. Monoaminosäuren-N | 4,3680 | 48,15
3. Albumosen-N 1,5680 | 19,40
"1/4. Purinbasen-N 0,4480 | 4,94
56. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N 2,6880 | 29,64
L Gesamt-N 8,2880
2. Monoaminosäuren-N | 4,0320 | 48,64
3. Albumosen-N 2,0168 | 24,32
" Vë, Purinbasen-N 0,3584 | 4,32
6. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N| 1,8716 | 27,58
l. Gesamt-N
2. Monoaminosäuren-N 48,06
Mittelzahlen der Versuche )!3. Albumosen-N 20,80
8 bis 12 4. Purinbasen-N 4,19
6. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N 27,00
weder davon herrühren, daß die Quantität der Nucleoproteide,
im Gegensatz zu Petry, vermindert ist oder davon, daß die
Geschwulstknoten eine geringere Quantität von Nuclease ent-
hält. In späteren Versuchen wird auf diesen Punkt zu achten
sein. Auch aus den scheinbar normalen Anteilen der Krebs-
1) Bei diesem Versuche betrug die Temperatur des Brutschrankes
42 bis 46°.
306 S. Yoshimoto:
leber wurde weniger Purinbasen-N erhalten als aus gesunder
Leber. Übrigens scheint der Gehalt an Nucleoproteiden nicht
notwendig mit dem Kernreichtum parallel zu gehen. Fand doch
auch Petry in einem sehr kernreichen Sarkom sehr wenig
Nucleoproteid.
Weiterhin verarbeitete ich die Autolysemischungen von
5Carcinomlebern, die von Herrn Dr. Brahn, damaligen chemischen
Assistenten am Krebsinstitut, angesetzt und mir freundlichst über-
assen waren. Die Zeitdauer der Autolyse war verschieden,
meistens sehr lang. Die Verarbeitung geschah wie früher. Bei
der Verschiedenheit der Digestionsdauer ist ein Vergleich der
absoluten Zahlen nicht zulässig, ein Vergleich der Prozentzahlen
für die Spaltungsprodukte scheint mir dagegen berechtigt zu sein.
Es sei hier noch eine kombinierte Tabelle wiedergegeben,
in der die Stickstoffverteilung bei einer autolytischen Eiweiß-
spaltung der Krebsgewebe im Vergleich zu dem normalen Ge-
webe zusammengestellt ist.
Tabelle V.
Prozentige Mittelzahlen aus je 4 Versuchen bei A und B,
aus 5 Versuchen bei C und aus 3 Versuchen bei D.
Krebsleber
Gesch wulst-
anteil bei ver-
Spaltungsprodukte des
Eiweißes in der Autolyse-
flüssigkeit
Augenscheinlich |
normaler Anteil
Ge-
schwulst-
. Gesamt-N .....
1 100,00
2. Monoaminosäuren-N . 48,06 65,15
3. Albumosen-N ... . 26,89 20,80 20,48
4. Purinbasen-N. ... 8,53 4,19 14,71
5. Diaminosäuren-, Pep-
ton- und NH,-N 17,42 27,00 14,97
Wenn man einen Blick auf die Tabelle V wirft, so ersieht
man, daß die Zahlen in Rubrik A, B und C bei Krebsgeweben
einander ziemlich nahe sind und daß diese Zahlen im Vergleich
mit den entsprechenden in Rubrik D bei der gesunden Leber
im großen und ganzen bezüglich des Monoaminosäurenstickstoffs
und Albumosenstickstoffs einander ziemlich nahe sind, der
Purinbasenstickstoff dagegen bei dem Carcinomgewebe entschieden
geringer, der Diaminosäuren- usw. Stickstoff entschieden höher ist.
Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwülste. 307
Zwei Versuche (einer mit Carcinommamma, ein anderer
mit gesunder Mamma) wurden in ganz derselben Weise wie
vorher angestellt. Man sieht das Resultat in der Tabelle VI.
Tabelle VI.
Krebsmamma.
Nummer! Mamma- an ~ | Spaltungsprodukte Í
der Ver- ma: des Eiweißes in der
wasser
SEH Autolyseflüssigkeit
. Monoaminosäuren-N
. Albumosen-N
. Purinbasen-N
. Diaminosäuren-,
| Pepton- und NH,-N
Gesunde Mamma.
. Gesamt-N 2,0160
. Monoaminosäuren-N | 1,0080 | 50,00
. Albumosen-N 0,473 23,49
. Purinbasen-N 0,2240 | 11,11
. Diaminosäuren-,
Pepton- und NH,-N| 0,3240 | 14,97
Gesamt-N der Krebsmamma 5,0400
Gesamt-N der gesunden Mamma 2,0160 `
13
GE
ke
Ka
08
©
S
ER Va, GG Ri ki
Was den Mammakrebs betrifft, so kann man aus zwei ver-
einzelten Versuchen natürlich keinen bindenden Schluß ziehen,
indessen weisen doch die beiden Gesamtstickstoffmengen (5,0400
gegen 2,0160) entschieden darauf hin, daß der Eiweißzerfall bei der
Carcinommamma ebenso wie bei der Carcinomleber viel stärker
ist als bei der gesunden Mamma, wie auch Petry Lo angibt.
Was die Stickstoffverteilung anbelangt, so ergibt sich kein großer
Unterschied zwischen den beiden Versuchen 13 und 14 (Krebs-
und gesunde Mammagewebe), mit anderen Worten: bei der Auto,
lyse der Carcinommamma und der gesunden Mamma geht der
proteolytische Prozeß nur quantitativ bedeutend verschieden,
qualitativ ziemlich in gleicher Weise vor sich.
Zusammenfassung.
1. Die proteolytische Fermentwirkung bei der Autolyse
des Geschwulstanteils einer Carcinomleber ist viel stärker als
die der gesunden Leber (7,2320 N gegen 4,8160; siehe Tabelle III).
308 S. Yoshimoto: Beitrag zur Chemie der Krebegeschwülste.
2. Diese Steigerung der proteolytischen Fermentwirkung
bei einer Autolyse gilt bei Mammakrebs ebenso wie bei Leberkrebs,
sogar bei ersterem relativ viel stärker (5,04 gegen 2,016;
siehe Tabelle VI).
3. Diese Steigerung der proteolytischen Fermentwirkung
bei der Autolyse des Krebsgewebes bezieht sich nicht nur auf die
Geschwulstmasse selbst, sondern auch auf die anscheinend
normalen Anteile derselben Leber. Sie beruht entweder auf
einem von dem Carcinom produzierten, die Autolyse steigernden
Giftstoff, der sich auch in die noch gesunden Partien ausbreitet,
oder auf abnorm hohem Gehalt an Ferment.
4. Die Verteilung des Stickstoffs in der Autolyseflüssigkeit
differiert beim Lebercarcinom gegenüber dem normalen Gewebe
namentlich in 2 Punkten: Der Purinbasenstickstoff ist bei der
Carcinomleber gegenüber der normalen Leber vermindert, der
Stickstoff von Diaminosäuren, Ammoniak und Pepton vermehrt
(siehe Tabelle V).
Über quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N
im Harne mittels Formoltitrierung.
Von
Walther Frey und Alfred Gigon.
(Aus der Medizin. Klinik zu Basel.)
(Eingegangen am 24. September 1909.)
1. Da wir für fortlaufende Untersuchungen am Kranken-
bett eine bequeme Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne
brauchten, versuchten wir, wie es bereits Ronchöse!) und
Soerensen?) getan haben, eine Methode auszuarbeiten, aus-
gehend von den Angaben von Schiff?). Letzterer wies nach,
daß der Formaldehyd mit den Ammoniumsalzen Hexamethylen-
tetramin, mit den Aminosäuren Methylenverbindungen bildet.
Die Säurekomponente der letzteren kommt dann zur Geltung und
kann mittels Alkali titriert werden. Diese Formolwirkung suchte
Ronchöse bei NH,-Bestimmungen im Harne zu verwerten;
infolge der Anwesenheit der Aminosäuren haftet aber dieser
Methode ein Fehler an, den Ronchöse selbst auf 2 bis 4°/,
schätzt. Soerensen will mit der Formoltitrierung eine quanti-
tative Messung proteolytischer Spaltungen gefunden haben.
Wir hatten nun bereits einige Versuche zur Bestimmung
des NH,- und Aminosäuren-N im Harne mittels Formoltitrie-
rung angestellt, als die Arbeit von Henriques*) erschien.
1) Ronchèse, Sur le dosage de ’ammoniaque. Compt. rend. Soo.
Biol. 1, 867, 1907 und Méthodes de dosage de quelques composés azotés.
Inaug.-Diss., Paris 1908.
2) Soerensen, Enzymstudien, Diese Zeitschr. 7, 45, 1907.
3) Schiff, Trennung von Amin- und Säurefunktion mittels Form-
aldehyd. Annalen der Chemie 319, 59 u. 287, 1900 und 325, 348, 1902.
4) Henriques, Über quantitative Bestimmung der Aminosäuren
im Harne. Zeitschr. f. physiol Chem. 60, 1, 1909.
310 W. Frey und A. Gigon:
Wir glauben uns aber doch berechtigt, auch unsere Unter-
suchungen mitzuteilen, da wir einige abweichende Ergebnisse
zu verzeichnen haben.
Wir hatten uns als Aufgabe gestellt, in der gleichen Lösung
Ammoniak- und Aminosäuren-N zu titrieren; wir gingen davon
aus, daß gewisse Indicatoren, z. B. Rosolsäure, Lackmus, die
durch Aminosäuren bedingte Acidität nicht angeben, während
Phenolphthalein gegen dieselbe empfindlich ist, und hofften in
diesem Unterschied ein Mittel zu besitzen, um den Amino-N
neben dem NH,-N mittels Formol titrieren zu können. Unsere
Versuche ergaben aber, daß eine genaue Bestimmung damit
nicht erzielt werden kann. Wir versuchten dann, in einer
Ammoniumsalze haltigen Flüssigkeit den Amino-N zu bestimmen
und gingen folgendermaßen vor.
2. Es wurden wässerige oder leicht alkalische Lösungen
von bestimmtem Gehalte an Ammonsulfat, Glykokoll, Alanin
und anderen untersuchten Substanzen hergestellt. Diese vor-
erst neutralisierten Lösungen wurden mit neutralisierter Form-
aldehydlösung versetzt. Trat dabei eine Acidität auf, so wurde
die Flüssigkeit mit ?”/ -NaOH titriert. Ein Vergleich zwischen
dem erhaltenen und dem berechneten Wert gestattete, die ent-
sprechenden Schlußfolgerungen zu ziehen. Auf Grund der Über-
legungen von Soerensen und von Ronchere haben wir so-
wohl zur Neutralisation als bei der Endtitrierung Phenolphtha-
lein als Indicator angewandt und der sauer gewordenen Lösung
Alkali bis zur rot-violetten Farbe zugesetzt (drittes Stadium
Soerensens). Wir erhielten damit aber etwas zu geringe Werte.
Genauere Resultate gab folgende Versuchsanordnung.
3. Eine Probe der zu untersuchenden Lösung wurde, wenn
sie nicht bereits alkalisch war, mit einem geringen Überschuß
von Natronlauge oder Baryt alkalisch gemacht und mit ?/,-Salz-
säure und Rosolsäure als Indicator genau neutralisiert; es war
dabei mehr Säure zur Neutralisierung erforderlich, als bei der
Anwendung von Phenolphthalein.!) Die gefundene Säuremenge
wurde einer zweiten, genau gleichen Probe hinzugefügt, neutra-
lisiertes Formol in Überschuß zugegeben und die daraufhin ein-
1) Die Lösungen wurden alkalisch gemacht, weil man bei den Harn-
titrationen mit Vorteil von alkalischer Reaktion ausgeht.
Quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne usw. 311
getretene Acidität mit ?/,-NaOH und Phenolphthalein als Indi-
cator genau bis zur rot-violetten Farbe titriert. Das Phe-
nolphthalein hat sich für Harnuntersuchungen besser bewährt
als das von Soerensen empfohlene Thymolphthalein. Der
kürzlich von Malfatti?) gegen die Anwendung von zwei ver-
schiedenen Indicatoren erhobene Einwand besteht hier nicht
zu Recht; die Aciditätsgrenze bei den zwei Titrationen wird in
diesem Falle durch verschiedene Körper bedingt, das erstemal
durch die schwach sauer reagierenden Aminosäuren, das zweite-
mal durch ihre Methylenverbindungen, welche bedeutend stärker
saure Eigenschaften besitzen. Zur Titration verwendeten wir
n/ -Lösungen; der Farbenumschlag ist dabei schärfer als mit
a/ 0 Lösungen. Baryt als Titrierflüssigkeit hat vor der Natron-
lauge keine wesentlichen Vorteile, dagegen aber manche
Nachteile.
Die Ergebnisse Soerensens mittels seiner Formolmethode
können wir bestätigen; außerdem haben wir einige von ihm
nicht geprüfte Körper untersucht. Einfache Lösungen von
Ammonsulfat, Glykokoll, Alanin, Leucin, Phenylalanin, Aspara-
ginsäure lassen sich mittels der Formolmethode genau titrieren.
Tyrosin ergibt, wie Soerensen bereits beobachtete, einen
zu hohen Wert; dagegen läßt sich merkwürdigerweise das Glycyl-
tyrosin glatt wie eine einbasische Säure titrieren.
Während das Guanin (als Aminooxypurin) sich auch titrieren
läßt, verhält sich Xanthin als Dioxypurin völlig indifferent
gegenüber Formolzusatz; ebenso Kreatin, Kreatinin, Harnstoff,
Harnsäure, Hippursäure, Phenol.
4. Die Wirkung des Formaldehyds wurde nun bei Lö-
sungen geprüft, welche Ammonsulfat und Aminosäuren zugleich
enthielten. Da konnten wir nun aber gleich bemerken, daß
eine Formoltitrierung zur Bestimmung des Aminosäuren-N in
Gegenwart von NH,, also Verhältnisse, wie sie im Harne vor-
liegen, keine genauen Werte liefert; die zur Titration gebrauchte
Menge al, NaOH ist geringer, als es dem berechneten Säuregrad
entspricht. Wie aus dem experimentellen Teile ersichtlich ist, trifft
1) Malfatti, Die Formoltitration der Aminosäuren im Harne.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 61, 499, 1909. Unsere Versuche waren schon
abgeschlossen, als die Arbeit von Malfatti erschien.
312 W. Frey und A. Gigon:
dies vor allem bei Verwendung von Glykokoll zu’); geringere
Fehler erhält man mit Phenylalanin, Alanin, Asparaginsäure.
Tyrosin, welches allein zu hohe Werte gibt, läßt sich hingegen
mit Ammoniumsalzen gemischt, fast genau titrieren. Da man
nun gerade mit Glykokoll im Harne selbst zu rechnen hat,?) ist
diese Bestimmungsweise eben unzulässig.
6. Die Ammoniumsulfat und Aminosäuren enthaltenden
Lösungen wurden nun folgendermaßen behandelt: Das Ammoniak
wird mittels der von Spiro) angegebenen Modifikation der
Folinschen Methode bestimmt und dabei ausgetrieben, die
zurückbleibende Flüssigkeit filtriert und das Filtrat für die
Formoltitrierung verwendet. Nach diesem Vorgang erhielten
wir exakte Werte. Hierauf führten wir auch Bestimmungen
im Harne aus, mit oder ohne Aminosäurenzusatz und kamen
zu ganz befriedigenden Resultaten.
Methode zur Aminosäurenbestimmung im Harne.
25 oder 50 com Harn werden in einem hohen, schmalen Stand-
gefäß mit 10 bis 20 ccm einer gesättigten Barytlösung und
10 bis 15 ccm Alkohol versetzt. Das Ammoniak wird nach
Spiros Vorschrift durch einen kräftigen Luftstrom ausgetrieben,
in 2/,o-H,SO, aufgefangen und bestimmt. Nach Ablauf von
etwa 3 bis 4 Stunden fängt die Flüssigkeit an zu schäumen,
ein Beweis dafür, daß der Alkohol zum größten Teil entfernt
ist; zur völligen Austreibung des Ammoniaks genügen schon
2 Stunden. Die im Standgefäß zurückgebliebene Lösung wird
quantitativ in einen Meßkolben herübergespült und auf 100 ccm,
wenn nötig 200 com, mit dest. Wasser aufgefüllt. Das Spül-
wasser braucht vorher nicht frisch gekocht zu sein. Nach
1) Diese Lösungen geben die Biuretreaktion nicht; dies spricht gegen
die Annahme, daß bei der Reaktion Glycinimid sich gebildet haben könnte.
(Fischer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, 1095, 1902. — Schiff,
Annal. d. Chem. 319.)
2) Embden und Marx, Über das Glykokoll des normalen Harnes.
Beiträge z. ohem. Physiol. u. Pathol. 11, 308, 1908. — Abderhalden
und Schittenhelm, Über den Gehalt des normalen Menschenharns an
Aminosäuren. Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, 340, 1906.
3) Spiro, Zur Methodik der Ammoniak- und Harmmstoffbestimmungen
im Harne. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 481, 1907.
Quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne usw, 313
gründlichem Durchschütteln läßt man die Lösung kurze Zeit
stehen, bis der Niederschlag sich gesetzt hat, und filtriert. Vom
klaren Filtrat werden je zwei Proben von 40ccm resp. 90 ccm
entnommen. Die erste Probe, die mit einigen Tropfen einer
alkoholischen Rosolsäurelösung versetzt wird, dient zur Be-
stimmung der für die Neutralisierung nötigen Menge »/,-HCl.
Der Umschlag ist am deutlichsten erkennbar, wenn zuerst
ein geringer Überschuß von Säure zugegeben wird, und man
dann mit ?/ NaOH zurücktitriert, bis 1 Tropfen Lauge wieder
eine rote Farbennuance hervorruft. Der zweiten Probe wird
diese nun bekannte Menge sl, HO zugesetzt und dann 10 com
einer 40°/,igen, mit Phenolphthalein und NaOH neutralisierten
Formollösung hinzugefügt. Die wieder sauer gewordene Flüssig-
keit titriert man mit Phenolphthalein und 2/,-NaOH bis zu rot-
violetter Farbe. Die gebrauchten com "/,-NaOH geben durch
eine einfache Berechnung die Menge des Aminosäuren-N an.
Etwas genauer ist es noch, wenn man das erhaltene
Resultat mit einer Kontrollprobe von Aq. dest. +- Formol
vergleicht. |
Die Formollösung muß vor jedem Versuch wieder genau
neutralisiert werden.
Experimenteller Teil.
Der Raumersparnis wegen geben wir nur vereinzelte unserer
Bestimmungen wieder. Sie wurden alle meist mehrfach mit
dem gleichen Resultat ausgeführt. Unsere ersten Unter-
suchungen lassen wir weg, da sie kein befriedigendes Ergebnis
hatten.
ad 2. Die mit einer Pipette abgemessene Lösung von
bekanntem Substanzgehalt!) wird in einen kleinen Erlen-
meyer-Kolben gebracht, genau neutralisiert (Phenolphthalein)
1) Ammonsulfat, Glykokoll, Hippursäure, Asparaginsäure sind Prä-
parate von Kahlbaum. — Kreatin, Guanin stammen von Merok. —
Alanin, Leucin, Phenylalanin, Tyrosin, Glyoyl-l-tyrosin wurden von dem
einen von uns nach den von Fischer und seinen Mitarbeitern ange-
gebenen Methoden dargestellt. Dieselben Präparate wurden schon von
Abderhalden und Gigon angewendet. Zeitschr. f. physiol. Chem.
53, 251, 1907. — Xanthin wurde uns freundlichst von Dr. Bloch zur
Verfügung gestellt.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 21
314 W. Frey und A, Gigon:
und mit 10 ccm neutralem Formol versetzt. — Kontrolle: ent-
sprechende Menge Aq. dest. -++ 10 eem Formol —+ Phenol-
phthalein.
com ?/,-Na0H
berechnet erhalten
20 ccm */,„.Ammonsulfatlösung . . 20,0 19,7 Spur rosa
19,75 rot
19,80 rot-violett
30, , e A . . 30,0 29,5 erhalten durch Titra-
40 e e = . . 40,0 39,5 tion bis zu rot- vio-
letter Farbe
10 „ sw Glykokolllösung . . . . 5,0 4,35
20 p a» P . . . . . 10,0 9,7
20 >» ` — .... 15,0 14,2
ad 3. 2 Proben: erste Probe in alkalischer Lösung mit
Rosolsäure und sl, HO neutralisiert (= x ccm al, Nal: zweite
Probe 4 x ccm al, HO + 10 ccm Formol neutr. mit Phenol-
phthalein titriert.
ccm ®/,-Na0H
berechnet erhalten
10 cem ®/,,Ammonsulfat!). ....2.2.. 10,0 10,0
20 — e ge e pad ée aea eem, 200 19,95
5 „ Glykokoll ... 2.220. 20%% 2,5 2,5
10 ;.- 5 K auaa a a a 5,0 4,90
20 p » EE 10,0 10,0
30, , A 15,0 14,7
5 „ = Alanin ar a Se 2,5 2,6
10 „ Alanin (= 38,228 mg) . . ..... 2,14 2,15
20 „ ax (ERBE) nee er 4,06 4,0
20 „ Leucin (36,7 mg). .. . 2.222 . 1,30 1,25
5 „ Phenylalanin (1%, alk.) ...... 1,51 1,45
5 „ Asparaginsäure (1°/, alk.) ..... 1,80 1,90
10 „ ENEE EE 3,59 3,50 Fehler
6 „ Tyrosinlösung (0,2624 °/, alk.). . . . 0,36 0,50 Lola
10 „ 2 F J 02 0,85 -+0,13
20 „ = Ge am ee... 14 1,70 -+0,26
10 „ Giyeyl-I-tyrosin 0,5% . . 2.2... 1,04 1,0
25 „ A 2,6 2,55
10 „ Guanin (60,4 mg) alk. ....... 2,0 1,95
10 eem alkal. Xanthinlösung (°’°2%/,,) nachträglich neu-
tralisiert, gibt mit Formolzusatz keine Veränderung der Reak-
tion; wie Xanthin verhalten sich Harnsäure, Hippursäure,
Kreatin, Harnstoff, Carbolsäure.
ad 4. Bestimmungsmethode wie bei 3.
1) Ebenfalls gute Resultate erhält man mit Chlorammonium.
Quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne usw. 315
ccm ®/,-Na0OH
berechnet erhalten
20 ccm */),-Ammonsulfat 4 10 »/,.„-Glykokoll 25,0 22,9
BG, e Ss +20 „ * 15,0 13,9
40 „ „ Schwefelsäure 10 „ Se 25,0 25,2 Fehler
10 „ e Ammonsulfat 4 10 com Alaninlösg. 12,1 11,6 —05
5a ës er +10 „ Leucinlösg. 5,65 6,55
5n e » + 5 „ Asparin
säurelösgg. 6,8 6,45 — 0,35
5n» >» e +10 „ Tyrosinlösg. 5,5 5.5
D g j +20 „ F 6,0 6,95
5 n n „ + 30 D „ 6,5 6,60
l0» ,„ 2 + & „ Phenylalanin-
lösg. 1°/, 11,5 10,9 — 0,6
10 a y H +10 „ Se 13,0 11,8 —12
10 „ e m +20 „ ge 16,06 13,7 — 2,36
l0, , sg +10 „ Glyoyl-
tyrosin 11,0 10,5 —05
10 „ Guaninlösg.
n 9 ”„ BE n Xanthin S 7,0 6,6 — 0,4
BD, ew Glykokoll —+ 5 „ "/ıo-Alanin 5,0 4,95
10 „ Phenylalanin 6,5 4,6
ad 5. NH, Aa
ccm Ze H,SO, chu
be- be-
röchnet halten rechnet halten
10 ccm ?/19-Ammonsulfat + 15ocm */,0-Gly-
Kokölla ua... 20,0 20,0 7,5 7,6
10 e Ammonsulfat410ccm Alanin-
lösung .. 2.2 2 220. 20,0 20,0 114 11,4
10 „ o Ammonsulfat + 10ccm Aspara-
ginsäure LI . 2. 2 2 2.2. A 20,7 3,59 3,62
5 „ ew Ammonsulfat+ 10ccm Phenyl-
alanin „2-00 00% 10,0 9,8 3,03 3,00
+30comLeucin .
5, „ Ammonsulfat d +10 „ Alani 10,0 9,0 2,21 2,25
Aminosäure in cem °/,-Na0OH
Harn-+ Aminosäure
Harn allein berechnet erhalten
25 ccm Harn- 10com®/o-Glykokoll . . . 3,0 8,0 8,0
10 „ „n + 15 „ Alaninlösg 1,15 3,22 3,2
30 „ Leucin H 0 91
10 „ „ + 10 „ Alanin ee ‚75 ‚96 ‚12
20 „ „ + 25 „ Lecin ...... 1,50 2,17 2,12
56 „ Ammonsulfat |
25 „ n + 10 „ ?oAlenin .... 0,50 10,5 10,0
10 „ „ Glykokoll
21*
Zur Kenntnis der Placentaenzyme.
‚Von
Walther Löb und Shigeji Higuchi.
(Aus der bioohemischen Abteilung des Rudolf-Virohow -Krankenhauses
zu Berlin.)
(Eingegangen am 26. September 1909.)
Bei der Bedeutung, welche die Placenta für das Gedeihen
des Foetus und den Stoffwechsel zwischen ihm und dem mütter-
lichen Organismus besitzt, ist es verständlich, daß der Auf-
klärung ihrer Funktionen eingehende wissenschaftliche Arbeit
gewidmet worden ist. Im Anschluß an die Entwicklung der En-
zymchemie ist zumal in der letzten Zeit versucht worden, durch
chemische Methodik die Rollen der einzelnen, in der Placenta
wirksamen Enzyme zu erkennen. Eine solche Untersuchung
ist durch die drüsige Beschaffenheit des Organs in Analogie
zu andern drüsigen, enzymreichen Organen besonders geboten
und von mehreren Forschern ausgeführt worden. Von dem
Plane ausgehend, die einzelnen Enzyme bzw. ihre Wirkungen
auf chemischem Wege voneinander zu trennen, mußten wir
zuerst die bisherigen Angaben, die sich zum Teil widersprechen,
einer eingehenden und einwandfreien Prüfung unterziehen. Sie
hat einen größeren Umfang angenommen, als wir zuerst beab-
sichtigten, und eine Reihe neuer Resultate ergeben, so daß sie
als Grundlage für die eben erwähnte speziellere chemische Auf-
gabe angesehen werden kann. Derselben paßten wir insofern
sogleich die Methodik unserer Versuche an, als wir die letz-
teren stets mit frischem Placentabrei und einem nach der noch
zu beschreibenden Methode gewonnenen, trocknen Placenta-
pulver ausführten. Die Bearbeitung des frischen Placenta-
breis machte für uns die gesonderte Prüfung von Preßsaft der
W. Löb u. S. Higuchi: Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 317
Placenta oder ihrem Glycerinextrakt unnötig, da in dem Organ-
brei zweifellos sämtliche Placentaenzyme, die in den Preßsaft
oder den Extrakt gelangen können, vorhanden sind.
Aus den Befunden mit dem trocknen Placentapulver ge-
wannen wir einerseits ein Bild über die Widerstandsfähigkeit
der einzelnen Enzymarten gegenüber chemischen Eingriffen,
andererseits bedeuteten sie einen Schritt auf dem Wege, die
Enzymwirkungen durch chemische Trennungsmethoden vonein-
ander zu scheiden.
Die Enzyme, auf deren Gegenwart wir Placentabrei und
Placentapulver untersuchten, sind die folgenden: |
Katalasen und Oxydasen, Kohlenhydrat-, Eiweiß-,
Fettspaltende Enzyme, Urease, Desamidase. Unsere
Versuche, die Tätigkeit synthetisch wirkender Enzyme festzu-
stellen, verliefen resultatlos.
Deshalb wollen wir schon hier kurz bemerken, daß wir
vergeblich die Synthese der Hippursäure aus Glykokoll und
Benzoesäure einerseits und, nach den Angaben von Abelou
und Ribaut!), aus Glykokoll und Benzylalkohol andererseits
versucht haben.
In einer zweiten Mitteilung wird Higuchi noch über den
Nachweis eines Fibrin- und Labenzyms in der Placenta be-
richten. An dieser Stelle sei eine Beobachtung erwähnt, die
für die Aufgabe der Enzymtrennung Interesse verdient. Aus
dem alkoholischen Extrakt der blutfreien Placenta lassen sich
durch alkoholische Mangan- und Eisenchlorürlösungen mehr
oder weniger aktive Niederschläge erzielen. Die Manganfällung
besitzt ein deutliches hämolytisches Vermögen, das den
Eisenfällungen abgeht.
Bezüglich der prinzipiellen Anordnung ist noch folgendes
zu erwähnen:
Es ist wahrscheinlich, worauf Higuchi?) schon früher
hingewiesen hat, daß das die Placenta durchströmende Blut
in seinem Enzymgehalt von dem normalen Blut abweicht und
in seinen Enzymwirkungen im Zusammenhang mit den Wir-
kungen der Placenta steht. Es wird also zweifellos eine Unter-
suchung des Placentablutes auf seine Enzyme sowohl für sich
1) Malen Tierchemie 80, 977, 1900.
D Diese Zeitschr. 15, 95, 1908.
318 W. Löb und 8. Higuchi:
als auch im Zusammenwirken mit den Placentsenzymen zur
Klärung der Frage erforderlich sein. Für unsere Aufgabe aber
war es wesentlich, um zunächst ein klares Bild über die
Funktionsmöglichkeiten der Placenta zu gewinnen und die
Untersuchung nicht vorzeitig zu komplizieren, das Blut voll-
ständig auszuschließen. Wir verkennen dabei nicht, daß
das Blut auch ohne Rücksicht auf seine eigenen Enzyme ledig-
lich als „Medium“ für die Placentaenzyme von großer Be-
deutung sein kann. In einzelnen Versuchen haben wir, um
der Rolle des Blutes als Reaktionsmedium nahe zu kommen,
mit Lösungen, die etwa die Blutalkalescenz besaßen, gearbeitet,
und bei der Prüfung auf Urease und Desamidase auch das
Placentablut berücksichtigt.
Experimenteller Teil.
A. Herstellung von Placentabrei.
Die normalen Placenten, von denen für die vorliegende
Untersuchung über 130 verbraucht wurden, 311 gelangten un-
mittelbar nach der Geburt, unter Beobachtung peinlichster
Sterilität, in sterilen Schalen zur Bearbeitung. Sie wurden so-
fort mit steriler 0,9°/ iger Koochsalzlösung, der 1 Vol.-°/, Toluol
zugesetzt war, überschichtet und unter der Flüssigkeit von
Nabelschnur, Eihäuten und den an der Oberfläche anhaftenden
Blutcoagula befreit. Sodann brachten wir die Placenten unter
fortwährender Spülung mit Toluolkochsalzlösung durch eine
sterilisierte Fleischhackmaschine und mischten den resultierenden
Brei in einer großen, starkwandigen Glasflasche mit etwa der
fünffachen Menge der Toluolkochsalzlösung. Durchschnittlich
lieferte eine Placenta 300 ccm Brei, auf den 1500 ccm der
Lösung verwandt wurden. Zur Entfernung des trotz des
Waschens noch vorhandenen Blutes, dessen Gegenwart sich
durch die typischen Blutreaktionen verriet, schüttelten wir
den Brei viermal je ca. 30 Minuten auf der Schüttelmaschine
1) Herrn Prof. Koblanck, dem dirigierenden Arzt der gynäkolo-
gischen Abteilung des Krankenhauses, möchten wir auch an dieser Stelle
unsern herzlichen Dank aussprechen für das Interesse an unserer Arbeit,
das er durch wertvolle Anregung und durch die bereitwillige Überlassung
des Materials bekundete.
Zur Kenntnis der Placentsenzyme. 319
mit nach jedesmaliger Schüttelung erneuerter Toluolkochsalz-
lösung. Bei den zwischen den einzelnen Schüttelungen statt-
findenden Filtrationen durch ein feines Sieb wurden kleine,
noch vorhandene Blutcoagula sorgfältig mit der Pinzette
mechanisch entfernt. Nach dieser Behandlung zeigte der Brei
eine nahezu weiße Farbe.
Von diesem so möglichst blutfrei gemachten Brei wurden
sofort nach beendigter Bearbeitung, nachdem er auf dem Sieb
durch Aufdrücken mittels Spatels von der anhaftenden Toluol-
kochsalzlösung, die fast wasserklar ablief, befreit war, 50 g abge-
wogen und verwandt, so daß die Versuche stets wenige Stunden
nach der Geburt der Placenta angesetzt waren. Altere Pla-
centen wurden nicht gebraucht, weil keine Sicherheit gegen
das Auftreten autolytischer Vorgänge besteht und, wie die Ver-
suche zeigten, bei auch nur kurze Zeit aufbewahrten Placenten
(z. B. von Nachtgeburten) eine vollständige Befreiung von Blut
unausführbar wurde.
Für die einzelnen Versuche wurden stets 50 g Placenta-
brei (ungefähr 50ccm) mit wechselnden Mengen 0,9°/ iger
Kochsalzlösung unter Zusatz von 1 Vol.-°/, Toluol (auf das Vo-
lumen der ganzen Mischung bezogen) und der zur Unter-
suchung gewählten Substanz mit etwa 3g reinem Quarzsand
in einer Porzellanreibschale gründlich zu einem möglichst
homogenen Brei zerrieben und in einem geeigneten Gefäß bei
Bruttemperatur während bestimmter Zeiten in den Thermo-
staten gebracht.
Diese Vorbehandlung blieb bei den einzelnen Versuchen
die gleiche, so daß ihre jedesmalige Beschreibung in der Mit-
teilung der Resultate unterbleiben kann.
B. Herstellung von Placentapulver.
Zur Darstellung des blutfreien Placentapulvers wurde der
durch die Hackmaschine getriebene, nach den obigen Angaben
behandelte Brei viermal mit Toluolkochsalzlösung und zweimal
mit Toluolwasser (1 Vol.-°/,) in der Schüttelmaschine je eine
halbe Stunde geschüttelt. Im Gegensatz zu dem bei der Ge-
winnung des Placentabreies benutzten Verfahren, bei welchem
alle Prozeduren bei Zimmertemperatur vorgenommen wurden,
erwies es sich bei der sehr mühevollen Darstellung des Pulvers
320 W. Löb und S. Higuchi:
als notwendig, alle diese Schüttelungen mit eiskalten Flüssig-
keiten in Eispackung vorzunehmen. Der nach jeder Schüttelung
auf dem Sieb abgepreßte und von Blutcoagula mechanisch
mittels der Pinzette befreite Brei wurde nach der letzten
Schüttelung mit Toluoleiswasser und dem Abpressen von letz-
terem in einer starkwandigen Glasflasche mit 11 gewöhnlichem
Alkohol (für eine Placenta) übergossen und bei Zimmertempe-
ratur 6 Stunden auf der Maschine geschüttelt. (Die Zeit, z. B.
nachts, während welcher der Schüttelapparat nicht arbeitete,
wurde nicht in Rechnung gebracht.) Sodann wurde nach
der Filtration der Alkohol durch Aceton ersetzt und diese
Mischung gleichfalls 6 Stunden geschüttelt. Die nunmehr
nahezu weiße, vom Aceton filtrierte Substanz unterwarfen
warfen wir schließlich einer etwa 3 Stunden währenden Ex-
traktion mit Äther im Soxhlet. Der Rückstand wurde nach
dem Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure bei gewöhn-
licher Temperatur sorgfältig mit dem Mörser zerrieben und
durch ein feines Sieb (Universalsieb Nr. 5) gebracht. Das durch-
gesiebte nahezu weiße Pulver, das frei von Blut ist, kam in
abgewogenen Mengen, suspendiert in Toluolwasser, zum Ver-
suche.
Bezüglich der allgemeinen Anordnung der Versuche sei
noch erwähnt, daß stets unter Zusatz von 1 Vol.-°/, Toluol ge-
arbeitet wurde, da nach S. Higuchis!) Prüfung der Antiseptica
diese Menge für 48 Stunden eine sichere Sterilität gewähr-
leistet. Bei länger dauernder Digerierung wurde täglich
0,1 Vol.-°/, Toluol — bezogen auf die Gesamtmenge der Ver-
suchsflüssigkeit — hinzugefügt.
Versuche.
1. Katalase und Oxydase,
Bekanntlich enthält Blut Katalasen und Oxydasen, so daß bei der
Prüfung der Placentaenzyme nur solche Substanz verwendet werden
durfte, die sich ohemisch und spektroskopisch als vollkommen blut- und
hämoglobinfrei erwies.
Zu dem Zweck wurde der nach der mitgeteilten Vorschrift er-
haltene Placentabrei noch mehrmals mit der Toluol-Kochsalzlösung gründ-
lich ausgewaschen.
1) Diese Zeitschr. 17, 21, 1909.
Zur Kenntnis der Placentsenzyme. 321
Der frische, weiße, blutfreie Placentabrei. zersetzt eine H,O,-Lösung
momentan unter Schaumbildung, die aber etwas geringer ist als die
durch bluthaltige Placentastückchen erzeugte.
Auch das Plaoentapulver zersetzt unter ziemlich lebhafter Gasent-
wicklung H,O,, so daß wir den Wirkungswert der in ihm enthaltenen
Katalasen bzw. Oxydasen in dem von Löb!) angegebenen Druckapparat
zur Wertbestimmung der Katalasen messen konnten. In 10ccm 3vol.-
0/,iger H,O,-Lösung erzeugten 0,04 g Pulver in 2 Stunden einen Maximal-
druck von 8,3 bis 8,5 mm Quecksilber.
Die positiven Angaben von Charrin und Goupil®), Savaré 3)
und Ferroni*) über das Vorkommen von Oxydasen in der Placenta
können wir bestätigen. Sowohl Brei wie Pulver rufen sofortige Bläuung
der Wasserstoffperoxydlösung in Gegenwart von Guajao oder essigsaurem
Benzidin hervor.
Die Oxydasenreaktion des Placentapulvers wird durch dreistündiges
Trocknen bei 100° nicht zerstört, wohl aber die Katalasenreaktion. Nach
zwölfstündigem Trocknen bei 100° tritt auch die erstere nicht mehr auf.
Kochen des Pulvers mit Wasser vernichtet nach 5 Minuten die H,0,-
zersetzenden Enzyme, während Kochen mit Alkohol nur die Katalase
unwirksam macht.
Bezüglich der Isolierung der Katalasen bemerken wir nur, daß
auch der im Vakuum getrocknete Alkoholextrakt des blutfreien Placenta-
breis, der bei der Darstellung des trocknen Pulvers gewonnen wird, so-
wie die aus dem Alkoholextrakt durch alkoholisches Manganchlorür ent-
stehende Fällung die Zersetzung von Wasserstoffperoxyd herbeiführen.
Kocht man Placentabrei mit Wasser 10 Minuten über freiem Feuer,
so hat der Filterrückstand der Abkochung sein katalytisches Vermögen
gegenüber der H,O,-Lösung verloren, während die Bläuung nach Zusatz
von Guajao oder Benzidin die Wirksamkeit von Oxydasen noch anzeigt.
Die Placenta enthält also — frei von Blut — im frischen
und trocknen Zustand Katalasen und Oxydasen. Dieselben
bleiben bei der wiederholten Vorbehandlung mit Kochsalzlösung
bzw. Wasser in der Organsubstanz, so daß sie derselben ent-
weder sehr fest anhaften oder in Wasser schwer löslich sind.
Die Katalasen werden von Alkohol leicht aufgenommen
und lassen sich mittels Manganchlorürs in Form manganhaltiger
Niederschläge aus der alkoholischen Lösung ausfällen. Diese
Fällungen zeigen, wie bereits erwähnt, hämolytische Eigen-
schaften.
1) Diese Zeitschr 18, 339, 1908,
2) Compt. rend. 142, 595, 1903.
3) Beiträge zur chem. Physiol. u. Pathol. 9, 141, 1907.
t) Jahresber. f. Geburtsh. u, Gynäkol. 20, 617, 1906,
322 W. Löb und S. Higuchi:
2. Kohlenhydrate abbauende Enzyme.
a) Diastatische Enzyme.
I. Spaltung der Stärke.
Das Vorhandensein eines diastatischen Enzyms in der
Placenta ist bereits von einer ganzen Reihe von Forschern
— Cramer undLochhead!), Charrin und Goupil’), Nattan-
Larrier und Fioaiꝰ) Liepmann und Bergell*t), Savaré’) —
festgestellt worden. Wir konnten auch in mehreren Versuchs-
anordnungen mit frischem Brei und trocknem Pulver die posi-
tiven Resultate bestätigen.
Wir verfuhren dabei in der Weise, daß wir Pulver und Brei in den
aus den Tabellen ersichtliohen Mengenverhältnissen mit 0,5°/,iger Stärke-
lösung 24 Stunden im Brutschrank digerierten und gleichzeitig Kontroll-
versuche, einmal unter Ersatz der Stärkelösung durch Wasser, dann bei
Fehlen der Placentasubstanz gleichzeitig unter gleichen Bedingungen
machten. Die Zuckerbildung ließ sich polarimetrisch mit Sicherheit
konstatieren. Trotzdem wurde auch das Reduktionsvermögen gegen
Fehlingsche Lösung quantitativ ermittelt; bei den Versuchen mit Brei
wurde lediglich die letztere Bestimmung ausgeführt.
Die Verarbeitung zur Polarisation geschah hier, ebenso wie in allen
späteren Fällen, in denen nichts besonders erwähnt ist, in der folgenden
Weise:
15 com der filtrierten Reaktionslösung wurden nach beendigtem Ver-
such in ein Maßkölbchen von 25 ocm pipettiert, und nach dem Vorschlag
von Michaelis und Rona®) mit etwa 5 ccm kolloidaler Eisenhydrodxyd-
lösung und einigen Tropfen einer 10°/,igen Magnesiumsulfatlösung versetzt
und mit destilliertem Wasser auf 25 com aufgefüllt. Das wasserklare
Filtrat gelangte in einem 9,47 cm langen Rohr, das bei unserem auf
1/1000 genau ablesbaren Halbschattenapparat im Drehungswert sogleich
die Hälfte des Prozentgehaltes an Traubenzucker angibt, zur Polarisation.
Bei der Eindeutigkeit der Resultate beschränken wir uns auf die Wieder-
gabe der direkt abgelesenen Daten.
Für die Reduktionsversuche verwandten wir bei Anwendung des
Pulvers 40 ccm des Filtrates und versetzten es mit 5 com der kolloidalen
Eisenhydroxydlösung und l ccm der Magnesiumsulfatlösung. 20 ccm
des wasserklaren Filtrates wurden mit 40 com Fehlingscher Lösung
6 Minuten über freiem Feuer gekocht und das ausgeschiedene Kupfer-
oxydul im Tiegelfilter über Asbest in der üblichen Weise ausgewaschen,
1) Journ. of Physiol. 34, 24, 1906.
2) Compt. rend. soc. biol. 142, 595, 1906.
3) Bioch. Centralbl. 7, 398, 1909.
4) Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 46.
5) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 141, 1907.
6) Diese Zeitschr. 7, 329; 13, 121; 14, 476, 1908.
Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 323
bei 110° im Toluolbad bis zum konstanten Gewicht getrooknet und ge-
wogen.
Bei den mit Placentabrei ausgeführten Versuchen ermöglichte die
größere Flüssigkeitsmenge die Verarbeitung eines größeren Volumens des
Filtrats. 100 com desselben befreiten wir mit 20 ccm Eisenhydroxyd-
lösung und 2 ccm Magnesiumsulfatlösung vom Eiweiß und benutzten
20 com des Filtrats zur Bestimmung des Reduktionswertes in der eben
geschilderten Weise.
In den Tabellen sind die Wägungsresultate ohne weitere Umrechnung
angegeben. Dieselbe erübrigt sich bei der Eindeutigkeit der Resultate
und dem Umstand, daß es uns zunächst nicht auf die Feststellung von
Reaktionsgeschwindigkeiten ankam.
Die für die analytische Bearbeitung nicht benutzten Reste der
Filtrate wurden zur weiteren qualitativen Sicherstellung der Resultate
zur Darstellung der Osazone benutzt. Je 20 com der Filtrate versetzten wir
mit 0,5 g Phenylhydrazinchlorhydrat und 1 g Natriumaoetat, filtrierten nach
der Lösung und erwärmten die Proben genau 1 Stunde im siedenden
Wasserbade. Nach der Abkühlung gab die Osazonbildung ein deut-
liches, auch quantitativ abschätzbares Bild für die diastatische Wirk-
samkeit.
Alle Versuche wurden stets in genau gleicher Weise doppelt ange-
stellt und ausgeführt. Die Daten der Tabelle I geben vier voneinander
unabhängige Versuchsreihen wieder.
Tabelle I.
Nr. | Zusammensetzung der Mischung | Polarisationswerte in Grad
0,5°/, ige Stärkelösung 50 ccm | 0,25 | 0,23 | 0,28 | 0,25
Pulver 0,5g
Toluol 0,5 com
2. Aq. dest. 50 ccm 0,00
Pulver 0,5g
Toluol 0,5 ccm
3.
0,5°/, ige Stärkelösung 50 com
Toluol 0
n
Tabelle II.
Nr. | Zusammensetzung der Mischung | CuO ing | Osszonbildg.
1. | 0,5°%,ige Stärkelösung 50 eem 0,0306 | reichlich
Pulver 0,5 g 0,0304 | 5
Toluol 0,5 ccm
2. Aq. dest. 50 ccm 0,0024 Spur
Pulver 0,5g 0,0022
Toluol 0,5 ccm
3. 0,5%/,ige Stärkelösung 50 ocm 0,0020 nichts
Toluol 05 „ 0,0024 =
324 W. Löb und S. Higuchi:
Tabelle III.
Nr. Zusammensetzung der Mischung Cu¿0 in g | Osazonbildg.
l. Brei reichlich
0,5°/,ige Stärkelösung x
0,9°/,ige NaCl-Lösung
Toluol
2. Brei Spur
0,9°%/,ige NaCl-Lösung 5
Toluol
3. 0,5°/,ige Stärkelösung nichts
0,9°/,ige NaCl-Lösung 200 Š
Toluol
Aus. den Versuchsergebnissen, die keiner weiteren Er-
läuterung bedürfen, geht das Vorhandensein eines Stärke
hydrolisierenden Enzymes im blutfreien Placentabrei und im
blutfreien Pulver unzweideutig hervor.
II. Spaltung von Glykogen.
Higuchi!) hat vor kurzem in der Placenta die Gegen-
wart von Glykogen, die von mehreren anderen Autoren bereits
beobachtet worden ist, bestätigt. Bei der Rolle des Glykogens
als des Reservematerials für Kohlenhydrate, die durch seine
Spaltung entstehen, ist es wahrscheinlich, daß ein Organ, das
Glykogen enthält, auch das diastatische Enzym besitzt, um es
als Zucker für den Organismus nutzbar zu machen. Die bis-
herigen Angaben über das Vorkommen eines glykogenspaltenden
Enzyms in der Placenta lauten widersprechend. Cramer und
Lochhead?) fanden positive, Savar6°) negative Resultate.
Nach dem Nachweis des stärkespaltenden Enzyms konnte
aber mit Sicherheit geschlossen werden, daß das Glykogen
gleichfalls hydrolysiert werden würde, da nach Musculus’
und v. Mehrings*) Versuchen die Diastasen sich gegenüber Stärke
und Glykogen gleich verhalten. Doch schien es uns wegen der
1) Diese Zeitschr. 15, 95, 1908.
23) Moscati, Zeitschr. f. physiol. Chem. 53, 386, 1907. — Bot-
tazzi, Biochem. Centralbl. 2, 568, 1904. — Cramer und Lochhead,
Journ. of Physiol. 34, 24, 1906.
3) Beiträge z. chem. Physiol u. Pathol. 9, 141, 1907.
¢) Zeitschr. f. physiol. Chem. 2, 403, 1879.
Zur Kenntnis der Plaoentaenzyme. 325
Verschiedenheit der bisherigen Resultate wünschenswert, durch
den direkten Versuch den Nachweis der Glykogenspaltung zu
bringen.
Die Prüfung, die genau nach den für die Stärkespaltung gegebenen
Vorschriften ausgeführt wurde, erstreckte sich auf die Bestimmung des
Reduktionsvermögens und die Osazondarstellung. Die Ergebnisse be-
weisen unzweideutig das Vorhandensein eines Glykogen hydrolysierenden
Enzyms, gleichzeitig auch die früheren Angaben über das Vorkommen
von Glykogen in der Placenta. Dasselbe geht aus dem gegenüber den
pulver- und breifreien Kontrollproben erhöhten Reduktionsvermögen und
der Menge des erhältliohen Osazons — Erscheinungen, die auch bei den in
den Tabellen II und III mitgeteilten Versuchen über die Stärkespaltung
beobachtet wurden — hervor. Glykogen sowie die es zerlegende Dia-
stase, die mit der Stärkediastase identisch sein dürfte, sind nicht nur im
Brei, sondern auch im trockenen Placentapulver zugegen.
Tabelle IV.
Nr. | Zusammensetzung der Mischung Ouest) in g | Osazonbildg.
Glykogen reichlich
ver On n
Aq. dest. 50 ccm
Toluol 0,5 „
2. Pulver 0,5 g 0,0022 wenig
Aq. dest. 50 cem 0,0028 ö
Toluol 05 „
3. Glykogen 0,28 0,0012 nichts
Ag. dest. 50 com 0,0014 P
Toluol 05 „
Tabelle V.
Nr. | Zusammensetzung der Mischung | CwO in g | Osazonbildg.
l. Brei 50 g 0,0124 reichlich
Glykogen 0,2 „ 0,0138 e
0,9°/,ige NaCl-Lösung 200 ccm
Toluol 2,5 „
2. Brei 50 g 0,0028 wenig
0,9%/,ige NaCl-Lösung 200 com 0,0020 5
Toluol 2,5 „
3. Glykogen 0,2 g 0,0016 nichts
0,9°/ige NaCl-Lösung 250 ocm 0,0022 a
Toluol 25 „
326 W. Löb und S. Higuchi:
b) Spaltung des Inulins (Inulase).
Das Inulin gehört zu den schwer spaltbaren Kohlen-
hydraten, wie die Untersuchungen von Komanos?), Richaud?),
Portier und Bierry?) u. a. zeigen. Enzymwirkungen auf
Inulin hat Kobert*) bei wirbellosen Tieren festgestellt. Unsere
Versuche zeigten uns, daß auch die Placenta eine Inulase ent-
hält, daß es aber nicht gelingt, dieselbe in wirksamer Form
in das trockene Placentapulver überzuführen. Eine größere
Anzahl von Versuchen, in denen wir das Pulver wiederholt bei
wechselnder Zeitdauer einwirken ließen, gaben stets übereinstim-
mend negative Resultate. Bei Anwendung des Placentabreies
erhielten wir regelmäßig eine beträchtliche Erhöhung des Re-
duktionsvermögens. Die Osazonprobe gab uns das gleiche posi-
tive Ergebnis.
Die Technik der Ausführung blieb die bei den diastatischen Ver-
suchen geübte; nur mußte wegen der Schwerspaltbarkeit des Inulins die
Einwirkungsdauer, um sichere Resultate zu gewinnen, auf 3 und 4 Tage
ausgedehnt werden. Jedoch wurde in den letzten 24 Stunden eine Zu-
nahme der Spaltung nicht mehr beobachtet. Die Erhöhung der Ver-
suchsdauer war auch durch die Schwerlöslichkeit des Inulins geboten.
Tabelle VI.
Zusammensetzung
der
Mischung
Brei 50 g stets
Inulin Ka reich-
0,9°/,ige NaCl-Lösung 200 ccm lich
Toluol 2,5 „
2. | Brei 50 g 0,0022, 0,0020] 0,0024 0,0018] stets
0,9%/,igeNaCl-Lösung 200 ccm Spu-
Toluol 2,5 „ ren
3. | Inulin lg
0,90/ igo NaCl-Lösung 250 ccm nichts
Toluol 25 „
1) Über die Verdauung des Inulins und seine Verwendung beim
Diabetes mellitus. Dissert., Straßburg 1875.
2) Compt. rend. soc. biol. 52, 416, 1900.
3) Compt. rend. soc. biol. 53, 810, 1901.
t) Pflügers Archiv. 99, 116, 1903.
Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 327
c) Invertase.
Die Angaben über das Vorkommen einer Invertase in der
Placenta rühren von Liepmann und Bergell!), Savare*®)
und Raineri’) her. Alle lauten übereinstimmend negativ.
Tabelle VII.
Zusammen-
Co in g und Osazonbildung
Nr.| setzang de — — er — —
Misohung nach 2 Tagen | nach 3 Tagen | nach 4 Tagen
Brei 50 g]0,0232| reichlich | 0,0174 reichlich | 0,0130! reichlich -
Rohrzucker 1g|0,0152 0,01
0,9°/,ige NaCl-
Lösung 200 com
Toluol 25 „
Wir konnten in zahlreichen Versuchen mit stets dem
gleichen Resultat nachweisen, daß im Placentabrei eine In-
vertase wirksam ist, während sie im trockenen Pulver fehlt.
Auf die Wiedergabe der negativen Versuche, die durchgängig
keine Erhöhung des Reduktionsvermögens gegenüber den Kon-
trollversuchen ergaben, verzichten wir. Bei den mit Brei aus-
geführten Versuchen haben wir uns auf die Mitteilung der
direkt gefundenen Kupferoxydulmengen ohne Umrechnung auf
die Gesamtmenge der Mischung begnügt, da dieselbe zur Ent-
scheidung der hier vorliegenden Frage ausreicht. Die Daten
sind um so mehr beweisend, als beim Kochen der Kontroll-
lösungen mit Fehlingscher Lösung aus nicht erkannten Gründen
geringe Mengen eines unlöslichen blauen Kupferhydroxyds aus-
fielen, die sich mit ?/, 1 heißen Wassers nicht auswaschen ließen.
Wir haben ihre Menge durch einen besonderen Versuch zu
etwa 0,001 g festgestellt, so daß das Reduktionsvermögen der
1) Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 46.
2) Lo
3) Biochem. Centralbl. 4, 428, 1906.
328 W. Löb und S. Higuchi:
mit Brei behandelten Rohrzuckerlösung gegenüber sowohl der brei-
freien als auch der rohrzuckerfreien, aber Brei enthaltenden Flüssig-
keit etwa um das 8fache gestiegen ist. Außerdem konnten wir
durch die Osazonprobe mit Sicherheit in allen Versuchen das
Vorhandensein einer Invertase im Placentabrei feststellen.
Bezüglich der in der letzten Horizontalreihe der Tabelle angegebenen
Kupferoxydulmengen bemerken wir, daß der von Kahlbaum bezogene
Rohrzucker Spuren von Substanzen enthielt, die Fehlingsche Lösung
reduzierten.
d) Spaltung des Milchzuokers (Lactase).
Liepmann und Bergell!) glauben aus dem Auftreten eines
in heißem Wasser schwer löslichen Osazons nach der Einwirkung
eines Placentabreies auf verdünnte Milchzuckerlösung aufdie Gegen-
wart eines nicht sehr starken, wie Lactase wirkenden Enzyms
schließen zu müssen. Nach unseren Versuchen ist weder im
blutfreien Placentabrei noch im Pulver eine Lactase vorhanden.
Wir konnten mit Sicherheit nachweisen, daß die Polarisationswerte
der Mischungen nach den längere und wechselnde Zeiten durchgeführten
Digerierungen keine Änderung erleiden, vorausgesetzt, daß man das
Schwinden der Multirotation der Milchzuckerlösung bis zum konstanten
Endwert abgewartet hat. Diese negativen Ergebnisse wurden durch
Gärungsversuche bestätigt. Es entsteht kein Zucker, der nach Ent-
eiweißung der Versuchsmischung durch äußerst wirksame Hefenreinzucht
zur alkoholischen Gärung zu bringen ist. Die Versuche mit den durch
Kochen unwirksam gemachten Placentastoffen verliefen genau so, wie die
mit dem frischen Brei bzw. dem Pulver angestellten.
e) Das glykolytische Enzym.
Die Feststellung der Gegenwart oder des Fehlens eines
glykolytischen Enzyms, das Hexosen zum Verschwinden bringt,
bietet besonderes Interesse. Santi und Acconci?®), Raineri’)
und Mirto®) fanden keine Anzeichen für sein Vorhandensein,
während Liepmann und Bergell°) zu der Annahme seines Vor-
kommens in der Placenta neigen.
Da unsere Versuche mit Pulver und Brei sichere negative
Resultate gaben, so sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß
1) Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 46.
2) Biochem. Centralbl. 3, 192, 1908.
3) Biochem. Centralbl. 4, 428, 1906.
4) Nach Angabe von Savare, l. o.
6) Lo
Zur Kenntnis der Plaoentaenzyme. 329
ein vollständiges Bild über die Tätigkeit der Placenta nur bei
gleichzeitiger Berücksichtigung des Placentablutes, der in ihm
vorhandenen Enzyme und des durch das Blut geschaffenen
Mediums für die Placentaenzyme gewinnbar ist. Jedoch ist es
experimentell notwendig, das Zusammenwirken der äußerst
komplizierten Funktionen zunächst nach Möglichkeit zu ver-
meiden und ihre experimentell sicher definierbaren Bestandteile
gesondert zu prüfen.
Nachdem die Versuche mit Placentapulver und Trauben-
zucker vollkommen negative Resultate ergeben hatten, ver-
suchten wir, ob durch Änderung des Mediums durch Zusatz
einer der Blutalkalesceenz entsprechenden Menge Alkali, oder,
um oxydative Zerstörung des Zuckers herbeizuführen, durch Zu-
gabe von Wasserstoffperoxyd mit und ohne Alkali sich ein
sicheres Ergebnis konstatieren ließ. Das war nicht der Fall.
Da außerdem der eine von uns (Löb!) durch besondere Ver-
suche gefunden hatte, daß selbst ganz verdünnte Alkalien
(3°/,.) Traubenzucker weitgehend zu spalten vermögen, mußten
die letzterwähnten Versuche bis zur Klarstellung der rein
chemischen Verhältnisse zurückgestellt werden.
Wir haben deshalb die Versuche mit Placentabrei ohne
Zusatz von Alkalien und Wasserstoffperoxyd ausgeführt und
konnten unter diesen Bedingungen mit Sicherheit das Fehlen
eines glykolytischen Enzyms feststellen.
50 g Placentabrei wurden mit 2,5 g Traubenzucker in 200 com
0,9%/ iger Koohsalzlösung unter Zugabe von 2,5 ccm Toluol 6 Stunden
bei Zimmertemperatur gelassen. Sodann wurde ein Teil der Flüssigkeit
filtriert, 25 com des Filtrates durch 10 com kolloidaler Eisenhydroxyd-
lösung und 1l com 10°/, iger Magnesiumsulfatlösung enteiweißt, auf 50 ccm
aufgefüllt und von dem Filtrat 20 com zur Bestimmung des Reduktions-
wertes in der geschilderten Weise verwandt. Den noch im Versuchs-
gefäß verbleibenden Rest der Mischung ließen wir nun bestimmte Zeiten
(s. d. Tabelle) im Thermostaten bei 37,5° digerieren und ermittelten die
Kupferoxydulmenge genau so, wie vor der Digestion. In allen Fällen
fanden wir nach Beendigung der Versuche eine geringe Zunahme des
Kupferoxyduls, die mit großer Wahrscheinlichkeit — wofür auch die
Größe der Zunahme spricht — auf die hydrolytische Spaltung des in der
Placenta vorhandenen Glykogens zurückzuführen ist. Da auch die
Polarisation der enteiweißten Lösung, die zur Bestimmung des Reduk-
tionsvermögens diente, keinerlei Abnahme des Traubenzuckergehaltes er-
1) Diese Zeitschr. 20, 516, 1909.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 22
330 W. Löb und 8. Higuchi:
kennen ließ, so müssen wir schließen, daß ebensowenig, wie im trockenen
Plaoentapulver, im blutfreien, frischen Placentabrei ein glykolytisches
Enzym unter den gewählten Bedingungen wirksam ist.
Die Resultate mehrerer Versuche geben wir in der folgenden
Tabelle:
Tabelle VII.
Dauer der Digestion:
. [Vor der Digestion] 0,1966/0,27| 0,1918/0,24| 0,1910|0,26| 0,20480,25| 0,2152 0,25
Nachd.Digestion| 0,2040)0,25| 0,1932,0,25| 0,1984,0,25| 0,2116.0,25] 0,221810,26
Differenz . . . +0.0074| |4+0,0014| 14+0,0074 L-0008 |+ 0,0066
TorderDigestion| 0,2218 ,0,26| 0,2142:0,28| 0,2210]0,27| 0,211110,25] 0,208610,28
-[Nachd.Digestion| 0,2294.0,27| 0.2200!0,30| 0,22440,27| 0,2194/0,25| 0,2156 0,27
Differenz . . . 1+0,0076| Looss |4+0,0034 1|40,0083| 00070
Vorder Digestion 0,2388.0,30| 0,24180,31| 024010.30] 0,23500,28
- [Nach d. Digestion 0,2440 0,29] 0,2504,0,20| 0,2492/0,28| 0,2384 0,29
Differenz . . . +0,0052| |+0,0086, Loes {+ 0,0034
Ebenso fielen alle Versuche über ein auf Lävulose glyko-
lytisch wirksames Enzym negativ aus, ein Ergebnis, das bei
der bekannten, weit leichteren Angreifbarkeit der Lävulose im
Vergleich zur Dextrose nicht ohne weiteres vorauszusehen war.
Fassen wir die Ergebnisse über die Kohlenhydrate ab-
bauenden Enzyme der Placenta kurz zusammen, so können wir
folgendes feststellen:
1. Eine Stärke und Glykogen hydrolysierende
Diastase ist sowohl im trocknen Placentapulver als
auch im frischen, blutfreien Placentabrei sicher vor-
handen.
2. Eine Spaltung des Inulins (Inulase) konnten
wir mit Sicherheit mit Placentabrei, nicht aber mit
dem Placentapulver erzielen.
3. Eine Invertase ist im Placentabrei vorhanden,
nicht im Pulver.
4. Ein Milchzucker invertierendes Enzym ist im
Placentapulver und Placentabrei nicht vorhanden.
5. Ein glykolytisches (Dextrose oder Lävulose zer-
störendes) Enzym ließ sich weder im Placentabrei
noch im Pulver nachweisen.
Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 331
8. Fettspaltende Enzyme (Lipasen).
Auch die Angaben über das Vorkommen einer Lipase in
der Placenta sind widersprechend.. Nattam-Larrier und
Ficai!) und Savar6*) behaupten ihre Gegenwart, Raineri’)
sowie Liepmann und Bergell*) bestreiten sie.
Zur Prüfung wurde Butter in Äther gebracht und die klare ätherische
Schioht getrocknet. Von dem noch flüssigen Butterfett brachten wir
2 ccm mit 1l g Placentapulver und 0,5 ccm Wasser im Reagensglas zu-
sammen, verrieben die Mischung mittels Glasstabes und setzten
einige Tropfen Toluol zu. Nach 24 bis 48 stündiger Digestion bei 37,5
wurde die neutrale Mischung zunächst mit Äther extrahiert. Das nach
Verdunsten des Äthers zurückbleibende Fett erteilte beim Schütteln
mit Wasser demselben keine saure Reaktion. Auch die Ausätherung
der vom Neutralfett befreiten, mit Salzsäure angesäuerten Mischung
lieferte keine Spur einer Fettsäure,
Ebenso negativ verliefen die Versuche mit frischem Pla-
centabrei, von dem 50 g mit 10 ccm Butter, 200 ccm Kochsalz-
lösung und 2,5 ccm Toluol 1 bis 2 Tage digeriert wurden. Die
Prüfung auf Fettsäuren war die gleiche wie bei Verwendung
des Pulvers.
Wir müssen also schließen, daß weder im Pulver
noch im Placentabrei eine Lipase enthalten ist.
4. Eiweißspaltende Enzyme.
Auch über die wichtige Frage, ob in der Placenta proteo-
lytische Enzyme sind, haben die bisherigen Untersuchungen
keine sichere Entscheidung gebracht. Liepmann und Bergell,
Raineri, Savar& und Ascori°) behaupten ihre Gegenwart
ebenso sicher, wie Charrin und Goupil, Nattan-Larrier
und Ficai, Cramer und Lochhead’) sie bestreiten.
Wir haben Pulver und Brei auf den Gehalt an peptisch
wirkendem Enzym — Spaltung von Albuminen zu Albumosen —,
an tryptisch wirkendem Enzym — Spaltung von Pepton zu
Tyrosin — und auf Erepsinwirkung geprüft.
1) l. c.
2) ]. c.
3) Biochem. Centralbl. 4, 428, 1906.
4) l. o
D Centralbl. f. Physiol. 16, 124, 1903.
è) Die hier nioht bezeichneten Literaturstellen sind bereits erwähnt.
22”
332 W. Löb und 8. Higuchi:
Zum Nachweis der Pepsinwirkung benutzten wir nur das Pulver,
da der positive Ausfall der Versuche eine Wiederholung mit Placentabrei
überflüssig machte. Als Eiweißkörper diente uns reinstes Casein, das
wir in den in der Tabelle angegebenen Mengenverhältnissen in vier Ver-
suchsreihen mit den Kontrollproben 24 Stunden bei 37° der Einwirkung
des Pulvers aussetzten.
Nach beendigter Digestion reagierte das Filtrat des Hauptversuches
stets deutlich sauer, 10 com gebrauchten zur Neutralisation 0,5 ccm
Se NaOH Das Filtrat des caseinfreien Versuches war neutral, während
das der ohne Placentapulver angesetzten Probe für 10 oom nur 0,05 ocm
2/)0-NaOH verlangte. Das erste Filtrat zeigte nach 10facher Verdünnung
ausgeprägte, die beiden anderen Filtrate in gleicher Verdünnung kaum
merkliche Biuretreaktion. Zur quantitativen Bestimmung wurden je
10 com der Filtrate nach Kjeldahl auf den Gehalt an gelösten Stick-
stoffverbindungen geprüft. Die Resultate zeigt die folgende Tabelle, in
welcher die durch das Ammoniak verbrauchte */,,„-Schwefelsäure direkt
angegeben ist.
Tabelle IX.
N Zusammensetzung Verbrauchte 2/ 0. BAR,
ge der Mischung com
—— ne —— — E EE Sn =
| |
l. 8,0 8,3 i 78 7,9
0,5 com |
Pulver 0,5g |
2. Aq. dest. 50 ccm 1,0 0,8 ' 0,9 0,8
Toluol 0,5 eem |
Casein 0,5 g |
3. Aq. dest. 50 ccm 1,1 1,0 1,1 1,2
Toluol 0,5 eem
Durch diese Versuche ist die peptische Wirksamkeit der
Placenta erwiesen, ein Ergebnis, das mit der Angabe von
Ascoriübereinstimmt, dergefunden hat, daß blutfreie Placenta am
stärksten in saurer Lösung proteolytisch wirksam sei. Auch seine
weiteren Beobachtungen, daß in neutraler Lösung eine Eiweiß-
spaltung nur in geringem Umfange, in alkalischer Lösung kaum
stattfindet, entsprechen den folgenden Resultaten unserer Ver-
suche.
Zur Feststellung einer tryptischen Wirkung verwandten
wir die Bildung von Tyrosin aus Wittepepton. Da Versuche
mit dem Placentapulver nicht zum Ziele führten, beschränken
wir uns auf die Wiedergabe der mit Placentabrei ausgeführten
Prüfungen.
Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 333
50 g Placentabrei wurden mit 2 g Wittepepton in 100 ccm 0,9°/, iger
Kochsalzlösung unter Zusatz von 1,5 ccm Toluol gleichzeitig mit einer
ebenso zusammengesetzten Kontrollprobe, aber ohne Pepton, in den
Thermostat bei 37,50 gestellt.
Nach 24 Stunden wurden beide Proben in genau gleicher Weise
behandelt. Nach der Filtration fällten wir durch Aufkochen unter Zusatz
einiger Tropfen Essigsäure, filtrierten, fügten Bleiessig bis zur vollendeten
Fällung hinzu und befreiten das Filtrat mittels Schwefelwasserstoffs vom
gelösten Blei. Das klare Filtrat vom Bleisulid wurde auf ein kleines
Volumen eingedampft und 24 Stunden bei Eistemperatur aufbewahrt.
Der unter Zusatz von Pepton ausgeführte Versuch lieferte eine
reichliche Krystallisation von Tyrosin, dessen Identität durch seine Eigen-
schaften sichergestellt wurde, während die Kontrollprobe nur eine sehr
geringe Tyrosinabscheidung ergab. Dieselbe ist nach den Versuchen von
Bassow!) auf isogene Bildung durch Autolyse, welche außer Albumosen
und Purinbasen auch Tyrosin und Leucin erzeugt, zurückzuführen.
Die Wirkung eines Erepsins, das durch sein peptonspalten-
des Vermögen in alkalischer Lösung ausgezeichnet ist, hat
Savaré in der Placenta beobachtet, während Cramer und
Lochhead nach gründlicher Prüfung die Gegenwart eines
solchen Enzyms bestreiten. Wir haben, uns Savarés Angaben
anschließend, nach der Vorschrift von Jacoby?) und Rosell’)
die Erepsinlösung dargestellt, konnten aber mit Pulver und
vollständig blutfreiem Brei nur die negativen Ergebnisse von
Cramer und Lochhead bestätigen. Wir verfuhren in der
folgenden Weise:
300 g des sorgfältig vom Blut befreiten Placentabreies (aus einer
Placenta) wurden mit 300 ccm 0,9°/,iger Kochsalzlösung in einem Por-
zellanmörser mit Quarzsand innig zu einer gleichmäßig feinen Emulsion
verrieben. Nach 2stündigem Schütteln auf der Maschine wurde der Brei
durch ein Koliertuch gepreßt und die abgelaufene, noch trübe Flüssig-
keit durch Filtrieren mittels Faltenfilters geklärt. Nach 12stündigem
Stehen im Kühlraum fällten wir die nochmals filtrierte Lösung mit Uran-
acetat durch tropfenweisen Zusatz, solange noch ein Niederschlag ent-
stand. Der letztere wurde auf einem glatten Filter durch ganz all-
mähliche Zugabe von 150 com einer 0,2°/,igen Sodalösung gelöst und
das abtropfende Filtrat nach 12stündigem Stehen nochmals filtriert.
100 ocm des Filtrates wurden in der folgenden Weise zu den Versuchen
benutzt, die nicht nur nach Savar&s Angabe auf 12 Stunden, sondern
auf 24 Stunden ausgedehnt wurden. 50 com versetzten wir mit 1 com
1) Arch. f. Gynäkologie 76, 162, 1905.
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 135, 1900.
3) Über Nachweis u. Verbreitung intraoellulärer Fermente. Disser-
tation, Straßburg 1901;
334 W. Löb und S. Higuchi:
einer 1°/,igen Wittepeptonlösung, verteilten sie gleichmäßig auf 5 Reagens-
gläser, die in den Thermostaten bei 37,5° gebracht wurden. Die restieren-
den 50 com wurden gleichfalls auf 5 Reagensgläser verteilt, aber ohne
Zusatz der 1°/,igen Peptonlösung.
Im Laufe der 24stündigen Versuchsdauer entnahmen wir in ge-
eigneten Intervallen je ein Reagensglas dem Thermostaten, fügten be-
stimmte Volumina konzentrierter Natronlauge und sehr verdünnter
Kupfersulfatlösung hinzu und stellten gleichzeitig in je einem der Reagens-
gläser, welche die peptonfreie Flüssigkeit enthielten, in genau derselben
Weise die Biuretreaktion an, nachdem unmittelbar vorher die ent-
sprechende Menge Wittepepton — d. h. für jedes Reagensglas 0,2 ccm
der 1°/,igen Lösung — zugesetzt war. Der so ermöglichte unmittelbare
Vergleich der Intensität der Biuretreaktionen in der Versuchsflüssigkeit
und den Kontrollösungen, in denen die ganze Menge des Peptons unver-
ändert zugegen sein mußte, ließ während der ganzen Versuchsdauer
keine Spur einer Erepsinwirkung erkennen. In allen Fällen war die
Intensität der Biuretreaktion genau die gleiche.
Zusammenfassend läßt sich daher über die eiweißspaltenden
Enzyme der Placenta sagen, daß solche vonder Wirkungs-
form des Pepsins im Pulver und im frischen Brei ent-
halten sind, daß im letzteren ein das Eiweiß bis zum
Tyrosin abbauendes Enzym wirksam ist, während
irgend ein Anzeichen für die Gegenwart eines Enzyms
vom Typus des Erepsins im blutfreien Brei nicht be- -
obachtet werden konnte.
5. Urease und Desamidase.
Savar6!) gibt an, in der Placenta ein aus Aminover-
bindungen Ammoniak abspaltendes Enzym gefunden zu haben.
Er verwandte zu seinen Versuchen Glykokoll, Asparagin und
Glykosaminchlorhydrat und bestimmte nach 10- bis 30tägiger
Digestion die Menge des gebildeten Ammoniaks. Wir haben
unsere Versuche unter Anwendung von Harnstoff und Glykokoll
mit vollständig blutfreiem und mit bluthaltigem Placenta-
brei 3 bis 7 Tage durchgeführt unter besonderer Kontrolle der
vollständigen Sterilität der Mischung.
Um diese zu erreichen, war außer dem ersten Zusatz von Toluol
beim Ansetzen der Versuche ein täglich zu erneuernder Zusatz von je
Ale Vol.-Prozent der Mischung an Toluol erforderlich. So gelang es, bei
der täglich vorgenommenen Prüfung eines Tropfens des Gemisches auf
1) 1. ©.
Zur Kenntnis der Plaoentaenzyme. 335
Bouillonagar nach 3tägigem Verweilen im Brutschrank ein vollständiges
Ausbleiben einer Bakterienentwicklung zu erzielen.
Bei Anwendung des blutfreien Breies setzten wir 150 oom
0,9%/,iger Kochsalzlösung zu. Die bluthaltige Placenta wurde für die
zweite Versuchsreihe nioht gewaschen, sondern nach dem Abpräparieren
der Eihäute durch die sterilisierte Fleischhackmaschine getrieben und
sogleich zum Versuche verwandt. Wir wählten in diesem einen Falle
die Gegenwart des Blutes, um jedes Auswasohen der Placenta und den
Einwurf zu vermeiden, daß die vielleicht leicht lösliche Urease bzw.
Desamidase durch die Entblutungsprozesse entfernt worden ist. Der
bluthaltige Placentabrei wurde mit 250 com dor Kochsalzlösung im Ver-
such angesetzt.
Nach Beendigung der Digerierung filtrierten wir die mit blutfreiem
Brei angesetzten Mischungen, versetzten 100 oom des Filtrates mit 25 oom
kolloidaler Eisenhydroxydlösung und 2 com Magnesiumsulfatlösung, fil-
trierten abermals und wählten 50 com des klaren Filtrates zur Analyse;
Nach Zusatz von noch 50 com Wasser und 2 g Magnesia usta wurde bei
15 mm Quecksilberdruck aus einem Wasserbad von 43° bis zur Trockne
destilliert und im Destillat das Ammoniak bestimmt.
Die Analysen bei den mit bluthaltigem Brei ausgeführten Versuchen
wurden genau in der gleichen Weise ausgeführt: Nur gelangten ent-
sprechend der größeren Menge Kochsalzlösung 200 ocm des ersten Fil-
trates zur Enteiweißung und 100 ccm des klaren Filtrates zur Destillation.
Die Ammoniakbestimmungen wurden für je einen Tag der beiden
Versuchsreihen nach der Schloesingschen!) Methode mit genau den
gleichen Resultaten wiederholt.
Tabelle X.
Versuche mit blutfreiem Brei.
com ?/,0-H,SO, verbraucht zur
Neutralisation des Ammoniaks nach
3 Tag.|4 Tag.|5 Tag.| 6 Tag.|7 Tag.
Nr.
Brei 50 g
0,90/ igo NaCl-Lösung 150 com
08 | 08
Toluol 2 com
Brei e 50 g
Harnsto A g
á 0,90/,ige NaCl-Lösung 150 com 08 | 0,9
Toluol 2 ccm
Brei 50 g
3 Glykokoll 0,5 g Ge oi
0,9%/,ige NaCl-Lösung 150 ccm
Toluol 2 com
1) Fränkel, Descriptive Biochemie, S. 572.
336 W. Löb u. S. Higuchi: Zur Kenntnis der Placentaenzyme.
Tabelle XI.
Versuche mit bluthaltigem Brei.
cem ?/,0-H,S0O,, verbraucht zur
Neutralisation des Ammoniaks nach
3 Tag.|4 Tag. 5 Tag.| 6 Tag.| 7 Tag.
Brei g
0,9%, i ige NaCl-Lösung 250 ccm
Toluol 3 ocm
Brei 50 g
Harnstoff 0,5g
0,9°/ ige NaCl-Lösung 250 ccm
Toluol 3 oom
Brei 50g
Glykokoll 0,5g
0,9%/,ige NaCl-Lösung 250 ccm
Toluol 3 ccm
Aus den Ergebnissen dieser Versuche und der Kontroll-
proben glauben wir schließen zu müssen, daß die bakterien-
freie Placenta weder eine Urease noch eine Desami-
dase enthält.
Zusammenfassung.
Die blutfreie Placenta enthält im frischen und im
trocknen Zustande Katalase und Oxydase sowie Stärke
und Glykogen spaltende Diastase.
Inulase und Invertase sind hingegen nur im
frischen Placentabrei wirksam, nicht im trocknen
Pulver. Lactase, glykolytische und lipolytische En-
zyme sind im frischen Brei und im trooknen Pulver
nicht vorhanden. Enzyme von der Wirkungsart des
Pepsins sind im Brei und im Pulver, solche, die Eiweiß
bis zum Tyrosin abbauen, nur im ersteren enthalten,
während Enzyme vom Typus des Erepsins, der Urease
und Desamidase fehlen.
Zur Kenntnis des Fibrinenzyms der Placenta.
Von
Shigeji Higuchi.
(Aus der biochemischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses
zu Berlin.)
(Eingegangen am 26. September 1909.)
Die Zunahme des Fibrins im mütterlichen Blute während
der Schwangerschaft ist seit längerer Zeit!) bekannt. Vor
kurzem hat Arneth?) die Leukocytenvermehrung (Hyperleuko-
cytose) bestätigt. Als Bottazzi?) einem Kaninchen Nucleo-
proteid der Placenta injizierte, trat Blutgerinnung ein. Im
Zusammenhang mit diesen Befunden hat man zur Pathogenese
der Eklampsie eine Blutgerinnung erregende Substanz heran-
gezogen, zumal seit Sohmorl*) bei der Sektion zahlreicher
Eklampsieleichen stets multiple Thrombose gefunden hat. Eine
bedeutende Vermehrung an Fibrinogen im eklampsischen Blut
hat neuerdings Dienst’) nachgewiesen; Lewinski’) glaubt
während der Gravidität eine regelmäßige Steigerung des
Fibrinogengehaltes annehmen zu müssen. Alle diese Be-
obachtungen und Anschauungen legen es nahe, die Placenta
selbst im normalen und pathologischen Zustand auf die Gegen-
wart eines Fibrinenzyms zu untersuchen. Die Ergebnisse von
1) Winkel, Handbuch der Geburtshilfe 1, 1. Hälfte, S. 341.
3) Arch. f. Gynäkol. 74, 143.
3) Biochem. Centralbl. 2, 568, 1904.
4) Verhdl. d. Deutsch. Ges. f. Gynäk. 1901, 303 und Centralbl.
f. Gynäk. 1905, 129.
5) Arch. f. Gynäk. 86, 314, 1908.
D Pflügers Archiv 100, 611, 1903.
338 8. Higuchi:
Savar6!), der diese Prüfung mit positivem Resultat ausgeführt
hat, besitzen nach seinen eigenen Angaben nur relativen Wert,
da der wichtige Umstand, daß die Placenta vollständig blutfrei
sein muß, nicht genügend berücksichtigt wurde.
Ich habe deshalb mit dem Placentapulver und dem voll-
ständig blutfreien Placentabrei, die nach den Vorschriften von
Löb und Higuchi?) gewonnen waren, Versuche über die
Wirkung eines Fibrinenzyms angestellt und auch das Placenta-
blut gesondert in den Kreis der Untersuchung gezogen.
Die Gerinnungsversuche wurden an einer aus Pferdeblut gewonnenen
Fibrinogenlösung angestellt. Zur Herstellung dieser Lösung habe ich
gleiche Mengen von Oxalatplasma des Pferdeblutes und gesättigter Koch-
salzlösung gemischt, das ausgeschiedene Fibrinogen in 0,8°%/,iger NaCl-
Lösung gelöst, durch das gleiche Volum gesättigter Kochsalzlösung wieder
ausgeschieden und diese Auflösung und Fällung viermal wiederholt.
Das schließlich erhaltene Fibrinogen war rein weiß. Nach dem
Abpressen zwischen Fließpapier stellte ioh für die Gerinnungsversuche
eine etwa 10°/,ige Fibrinogenlösung in 0,8°/,iger NaCl-Lösung her.
Sie zeigt geringe Opalescenz und gerinnt innerhalb 48 Stunden
bei 37,5° weder allein noch nach Vermischung mit je 1 bis 2 g Glas-
pulver, Asbest oder Kieselgur.
Setzt man aber zu 10 com der Lösung 2 com Serum von Placenta-
blut und 2 Tropfen Chlorcalcium-Lösung, so ist nach 10 bis 15 Min.
vollständige Gerinnung eingetreten. Diese Beobachtung zeigt, daß man
der Entfernung des Blutes bei der Herstellung des Plaoentapulvers und
des Plaoentabreis die größte Sorgfalt zuwenden muß.
Meine Resultate, die alle bei Bruttemperatur gewonnen wurden,
sind die folgenden:
1. Mischt man 10 ccm der Fibrinogenlösung mit 0,1 dee blut-
freien Placentapulvers, so tritt nach 30 bis 60 Minuten — die aus ver-
schiedenen Plaoenten gewonnenen Pulver beanspruchen etwas verschiedene
Dauer — Gerinnung ein; nach 1 bis 2 Stunden ist die Mischung voll-
ständig koaguliert. Beim Eintritt der Gerinnung zieben sich deutlich
sichtbare feine Fäden von den einzelnen Pulverpartikelchen aus durch
die Flüssigkeit.
2. 0,02 g Pulver rufen nach 3 bis 4 Stunden in 10 com Fibrinogen-
lösung noch Gerinnung hervor.
3. Wurden 10 g Pulver mit 100 oom Wasser oder 100 ccm 0,9°%/, iger
NaCl-Lösung 2 Stunden geschüttelt, so erzeugen die Filtrate (10 ccm
Filtrat + 10 ccm Fibrinogenlösung) nach 2 bis 3 Stunden Gerinnung der
Fibrinogenlösung. Jedoch zeigten sich die auf dem Filter bleibenden
Rückstände ebenso wirksam wie die Filtrate.
1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 141, 1907.
2) Diese Zeitschr, 22, 316, 1909.
Fibrinenzym der Placenta. 339
Das Fibrinenzym läßt sich also mit Wasser und physiologischer
Kochsalzlösung extrahieren, jedoch haftet es dem Pulver so fest an, daß
die in den Versuchen erreichte Extraktion sehr unvollständig ist.
4. Wird das Placentapulver 3 Stunden bei 100° getrocknet, oder
5 Minuten mit Wasser über freiem Feuer gekocht, so verliert es seine
Gerinnung erregende Wirkung.
5. Erwärmt man bei der Darstellung des Plaoentapulvers den Brei
mit Alkohol auf dem Wasserbad, statt ihn mit Alkohol von gewöhn-
licher Temperatur zu schütteln,!) so resultiert ein wirkungsloses Pulver.
6. Ebenso besitzt Pulver, das durch Trocknen der direkt zer-
kleinerten Placenta bei niederer Temperatur hergestellt ist, also Blut
und Extraktivstoffe enthält, nach dem Kochen mit Alkohol auf dem
Wasserbad keine Wirkung. °?)
7. Vollständig blutfreier, frischer Placentabrei (2 g auf 10 com
Fibrinogenlösung) erzeugt nach 1 bis 2 Stunden Gerinnung.
Die geringste Spur Blut besohleunigt den Prozeß un-
gemein.
8. Durch Kochen des Plaoentabreis mit Wasser (5 Minuten) wird
das Fibrinenzym zerstört.
9. Die aus Eklampsie- und Luesplacenten hergestellten Präparate
verhalten sich bezüglich der Gerinnung erzeugenden Eigenschaft und
ihrer Zerstörung genau so wie die aus normalen Placenten gewonnenen
Präparate.
10. Schließlich verwandte ich die nach 3stündigem Sohütteln
von 10 g Pulver mit 0,9°/,iger Kochsalzlösung und nach zweimaliger
Filtration gewonnene, noch etwas trübe, das Fibrinenzym enthaltende
Flüssigkeit zu einigen Tierversuchen. Ein Kaninchen (2700 g), dem
35 ccm des Filtrates ganz langsam — eine wesentliche Versuchs-
bedingung — in die Ohrenrandvene mittels Spritze injiziert wurden, blieb
ganz gesund. Das Resultat war dasselbe, als einem Kaninchen (2620 g)
35 com des in gleicher Weise aus Eklampsieplacentapulver hergestellten
Filtrates und 3 Tage später 25 com eines aus Luesplacentapulver ge-
wonnenen Filtrates injiziert wurden.
Zusammenfassend muß ich aus meinen Versuchen schließen,
daß die Placenta ein Fibrinenzym enthält, das sich mit Wasser
und physiologischer Kochsalzlösung, wenn auch unvollkommen,
extrahieren läßt, das noch im trocknen Zustand stark wirksam
und gegen höhere Temperatur und heißen Alkohol sehr empfind-
lich ist, und ferner, daß bezüglich des Fibrinenzyms zwischen
1) Diese Zeitschr. 22, 319, 1909.
2) Dieses Pulver hatte zu den in dieser Zeitschr. 15, 95, 1908,
veröffentlichten Aschenanalysen gedient.
340 S. Higuchi: Fibrinenzym der Placenta.
normalen, Eklampsie- und Luesplacenten kein Unterschied
besteht.
Beiläufig möchte ich an dieser Stelle erwähnen, daß der
frische, blutfreie Placentabrei (normal) in frischer Kuhmilch
(1 g Brei auf 10 ccm Milch) unter Zusatz von 1 Tropfen
JO, (ger Sodalösung in 2 bis 3 Stunden bei 37° Gerinnung
hervorruft. Diese Labwirkung läßt sich aber mit dem Pulver
(0,1 g auf 10 com Milch) in 24 Stunden nicht erzielen.
Ein Beitrag zur chemischen Zusammensetzung der
Placenta.
II. Mitteilung.
Aschenbestandteile.
Von
Shigeji Higuchi.
(Aus der biochemischen Abteilung des Virchow-Krankenhauses zu Berlin.)
(Eingegangen am 12. Oktober 1909.)
1. Einleitung und Analysenmethoden.
Nach dem Abschluß der in meiner ersten!) Mitteilung ver-
öffentlichten Placentaanalysen fand ich alsbald in der chemischen
Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses zu Berlin Ge-
legenheit, die gleichen Placentapulver, welche den bereits publi-
zierten Analysen gedient hatten, auf ihre Aschenbestandteile
genauer zu untersuchen.
Eine Untersuchung der Placentaasche hat Gaube?) mit
dem Resultat ausgeführt, daß er in den Placenten nach der
Geburt von Mädchen alle Bestandteile erhöht fand.
Ich führte die Analysen an 7 verschiedenen, lufttrockenen Placenta-
pulvern aus.
a) Kalium und Natrium. In einer Platinschale wurde eine
größere Menge des Pulvers vorsichtig bis zur Beendigung der Rauch-
entwicklung verkohlt, der Rückstand mehrmals mit heißem Wasser ex-
trahiert und das Ungelöste abfiltriert. Den Filterrückstand glühte ich
sodann für sich über dem Gebläse, bis er frei von schwarzen Partikelchen
erschien, fügte nach dem Erkalten das Filtrat hinzu, dampfte auf dem
Wasserbade zur Trookne ein und glühte nach längerem Verweilen des
Schaleninbalts im Dampftrockenschrank, bis die Asche rein weiß erschien.
1) Diese Zeitschr. 15, 95, 1908.
3) Malys Tierchemie 31, 582, 1901.
342 8. Higuchi:
In ihr wurde nach der Vorschrift in Fränkels „Descriptiver Biochemie“ 1)
zunächst die Summe von NaCl und KCI ermittelt, sodann letzteres in
das Plistinchloriddoppelsalz übergeführt und dessen Gewicht festgestellt.
b) Caloium und Magnesium. Nach der Veraschung des Pulvers
führte ich das als oxalsaures Salz gefällte Can durch Glühen in CaO
über. Das Magnesium wurde im Filtrat des oxalsauren Calciums als
phosphorsaure Ammoniakmagnesia gefällt und in bekannter Weise als
pyrophosphorsaures Mg gewogen.
ol Eisen. Zu seiner Bestimmung wurde das Pulver zunächst
nach Neumanns Säuregemischverfahren verbrannt. Nach dem Ver-
dünnen mit der 3fachen Menge Wasser und dem Verjagen der salpeter-
sauren Dämpfe füllte ich die Flüssigkeit im Meßkolben auf 150 com mit
Wasser auf. Von dieser Lösung wurden genau 20 ccm mit1°/,iger Natronlauge
neutralisiert, 5 com 5°/,ige Natriumpyrophosphatlösung hinzugefügt und
die Flüssigkeit im Maßkölbchen mit Wasser auf 100 ccm gebracht. Zu
dieser Lösung setze ich 3 Tropfen einer 5°/,igen Tanninlösung in 50°/,igen
Alkohol. Die entstehende Färbung wurde im Duboscgschen Colorimeter
gegen die einer Vergleichslösung mit bekanntem Eisengehalt ausgewertet.
Zur Herstellung der letzteren diente eine reine Eisenchloridlösung, die
im Liter 0,1 g Fe enthielt. 1 ccm (0,0001 g Fe) derselben wurde mit
94 com Wasser und 5 com der Natriumpyrophosphatlösung auf genau
100 com gebracht und, wie oben, mit 3 Tropfen der Tanninlösung versetzt.
2. Resultate.
Die Resultate der Analysen habe ich tabellarisch zusammen-
gestellt unter der gleichen Bezeichnung der Pulver, wie in meiner
ersten Mitteilung. Außer der Angabe des Prozentgehaltes an
Aschenbestandteilen in den frischen Placenten, deren Gewichte
ich vor der Herstellung der Pulver bereits ermittelt hatte, gebe
ich auch die Umrechnung auf die trockenen Pulver, um die
Beziehung der einzelnen anorganischen Substanzen zur Gesamt-
menge der festen Substanzen zum Ausdruck zu bringen.
Die in der Tabelle niedergelegten Daten lassen folgende
Schlüsse zu:
1. Die Placentaasche enthält am reichlichsten Na, ihm
folgen in abnehmender Menge: Ca, K, Fe und Mg. Der Gehalt
an letzterem ist regelmäßig der niedrigste.
2. Die mit Kochsalzlösung gewaschenen Placenten zeigen
eine Abnahme sämtlicher Aschebestandteile; nur verursacht
diese Prozedur natürlich keine Abnahme an Na.
1) Descriptive Biochemie 1907, 508.
2) Ibid. S. 510, 518.
"Lotto
GOSO 0 | 2£80ʻ0 | ZELOO
en |
3 9E10°0 0TL0‘0 | 2290‘0 | 6610'0 00.00 | esoo | 36200 aA
z £630°0 9870°0 | 6SF00 oron | L9SOO | 190% | 84500 | 99700 | 61700 | ELFO'O 3W
à L860°0 61870 | 9S0 | Z68L0 | L89FO oo | SL01L0 | SEOTO | 90600 | E8310 89 Iama mt Die
2 69F0°1 LELO | ErsL’o | ZZE8‘0 | 96080 | ETILO | 0189°0 | 6LIL‘O | 89690 | F6zL‘0 SN
$ 9EIT'O SIGLO | 980730 | 13270 | FELL’O 60830 | LELTO | EL9T0 | EI9TO | 9261'0 KI
* | |
8 oo OO | TO Ou 02°%9 | org | 09'8L | 08'99 In | 009 | oo | 26°09 | 3 ‘samda sop pyon
d 81000 21100 | GO E010°0 | SETOO 6ETO‘O | EFI00 | 23100 oA
a 6800°0 £600°0 LO10'0 | 6800°0 | 2200'0 | 0800°0 | &L00 0 | 6L00°0 3N vyuo] ge
1810°0 r780°0 68800 | 28200 | 88100 | 8L10%0 981000 91300 Wi
Ges Co SIE zesto | ozero | mag lost | ezoro | st —
ꝛcecooo rrru0 | 9620°0 | geng | LL20'0 | reg
3 508 | Cor | DEL 09€ | 88% 3 vquoouvld UHF "p FyoLaar)
AS ung [om ITS] | gigud |eyonsyeW MEJE | Ke | vioanx uspueIegqar) Jop aueN
z — GÉIE? yoruugu ususloqadneN aop yqoəryosəo p
d
L Ootoegaa? age Aa? Zunsolzfesypoyy yu 10210 EI0o2pLI
d EE
puv3soqueyosy) 8}uaoeLT aop ZunzIosuswwesnz
SIIgugl,
344 S. Higuchi: Beitrag zur chem. Zusammensetzung d. Placenta. IL
3. K, Na, Ca, Mg sind bei weiblichen Foeten in der
Placenta reichlicher vorhanden als bei männlichem, während
Fe gerade in der entgegengesetzten Richtung Unterschiede zeigt.
Die verschiedenen Placenten zeigen in ihren Daten unerhebliche
Schwankungen.
4. Nur das Calcium zeigt größere Unterschiede. Bei den
Placenten von Ehara und mehr noch von Ishii beträgt der
Ca-Gehalt ein mehrfaches gegenüber den in den andern Placenten
gefundenen. Es handelt sich in diesen Fällen um verschiedene
Grade von Kalkablagerung im Placentargewebe, die von Ishii!)
bereits makroskopisch bei gleichzeitiger erheblicher Fibrin-
ablagerung festgestellt worden ist.
6. Während der Mittelwert des Eisengehaltes sämtlicher
nicht gewaschenen Placenten nach der Überführung in Pulver-
form 0,071°/, ist, erniedrigt sich dieser Wert durch Auswaschen
im trocknen Pulver auf 0,0136°/,. Wahrscheinlich entepricht
diese Differenz dem Eisengehalt des ausgewaschenen Blutes.
1) Vgl. diese Zeitschr. 15, 98, 1908, Tabelle I.
Über die Reversibilität der Hämolyse.
Von
Mentz L. von Krogh.
(Aus dem Laboratorium des städtischen Krankenhauses in Christiania.)
(Eingegangen am 1. Oktober 1909.)
Mit 4 Figuren im Text.
Es ist vielfach darüber gestritten worden, ob die Bin-
dungen zwischen denjenigen Stoffen, die bei den Immunisierungs-
prozessen gebildet werden, reversibel sind oder nicht.
Wie an anderer Stelle erwähnt!), geht der Hämolyse eine
Bindung von Natronlauge bzw. Komplement voraus, und es
lag daher nahe, zu untersuchen, ob diese Bindung auch mittels
geeigneter Stoffe zu lösen sei.
Ich habe deswegen die Natronlauge durch die äquivalente
Menge Salzsäure, das Komplement durch einen Überschuß von
Antikomplement neutralisiert. Diese neutralisierenden Sub-
stanzen sind zu verschiedenen Zeitpunkten während der In-
kubationszeit zugesetzt worden.
Es hat sich hier ein recht durchgreifender Unterschied
zwischen der Hämolyse durch Natronlauge und der der am-
boceptorbeladenen Blutkörperchen durch Komplement gezeigt.
a) Beeinflussung der Hämolyse durch Natronlauge
mittels während der Inkubationszeit zugesetzter
Salzsäure.
Um nun die Inkubationszeit und die Affinitäten abstufen
zu können, sind Versuche bei verschiedenen Temperaturen aus-
geführt worden, indem sowohl bei 0° als bei 8° und 20° ge-
arbeitet worden ist, Einen durchgreifenden Unterschied der
Prozesse bei den verschiedenen Temperaturen gibt es zwar
nicht, die Verhältnisse sind aber quantitativ recht verschieden.
1) Diese Zeitschr. 22, 132, 1909.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 23
346 Mentz L. von Krogh:
Behandlung des Blutkörperchensediments.
Zur Anstellung entsprechender Versuche wird, wenn das
Blutkörperchensediment in den Zentrifugengläsern von der Flüssig-
keit geschieden ist!), die Flüssigkeit möglichst von den Wänden
des Glases abgetrocknet. Dann wird die entsprechende Menge
Kochsalzlösung (2 com) zugegossen, und es wird untersucht, ob
und im Falle eines positiven Ergebnisses wie weit die Blut-
körperchen jetzt hämolysiert werden, indem das Verhältnis der
Affinitäten sich gegenseitig verschoben hat.
Die Affinität zwischen Salzsäure und Natronlauge oder
vielmehr zwischen den H- und OH-Ionen ist bei allen Tempe-
raturen eine sehr große und wird in einem Temperaturintervall
von 10° bis 20° nicht allzusehr schwanken; dagegen ist die Af-
finität der OH-Ionen zu den Blutkörperchen in weitgehendem
Maße von der Temperatur abhängig und ein Vergleich der
Kurven bei den verschiedenen Temperaturen gibt auch dieser
Tatsache einen sehr deutlichen Ausdruck, indem die Kurve
bei 0° viel flacher verläuft, als die Kurven bei 8° und bei 20°.
Man sollte also erwarten, daß der Einfluß der OH-Ionen ein
viel ausgeprägterer bei 0° als bei 20° sei. |
-H
E
TE
B
ES
a
E
EES?
el
Kap
SE
SE
—
~y R ZER
Fig. 1.
Dies ist auch der Fall. Zunächst soll die Kurve bei 8°
zugrunde gelegt werden, denn bei dieser Temperatur läßt sich
die Sachlage am besten überblioken (Kurve 1). Wenn hier
1) v.Krogh, Zur Stöchiometrie der Hämolyse. Diese Zeitschr. 1. c;
Über die Reversibilität der Hämolyse. 347
Salzsäure nahe dem Ende der Inkubationszeit zugesetzt wird,
wird die Geschwindigkeit der Hämolyse sehr erheblich be-
schleunigt. Nach dieser Zeit sind hinreichend Hydroxylionen
an die Blutkörperchen gebunden, um sie komplett aufzulösen,
und die Einwirkung der Salzsäure wird im Innern der Blut-
körperchen sehr heftige Diffusionsströme hervorbringen, die
wahrscheinlich in analoger Weise wie die Diffusionströme in hypo-
isotonischer Salzlösung die Blutkörperchen zum Platzen bringen.
Auch werden schon während der Inkubationszeit die Blut-
körperchen durch die Einwirkung der OH Ionen so geschädigt `
sein, daß sie viel leichter platzen als sonst. Inwiefern diese
beiden Moınente oder nur eines sich hier geltend machen, wird
dahinstehen müssen.
Je früher ich nun die Salzsäure in der Inkubationszeit
hinzufüge, desto weniger steil wird die Geschwindigkeitskurve
verlaufen; sie wird sich aber immer erheblich vor der normalen
Kurve halten. Sie läuft aber jetzt nicht (wenigstens nicht
während mehrerer Stunden) bis zur kompletten Hämolyse hin-
auf, sondern macht bei irgendeinem Bruchteil derselben Halt,
und zwar ist dieser Bruchteil um so kleiner, je früher die
Salzsäure zugesetzt wird. Schließlich hört die Hämolyse ganz
auf; die Flüssigkeit bleibt noch nach mehreren Stunden farblos.
Wenn ich aber den auf diese Weise erreichten Hämolyse-
grad mit demjenigen vergleiche, der in der Bindungskurve der
OH-Ionen dem Zeitpunkte entspricht, wo die Salzsäure zu-
gesetzt wird, so zeigt sich, daß tatsächlich in der verstrichenen
Zeit viel mehr OH-Ionen an die Blutkörperchen gebunden
sind, als dem schließlich erreichten Hämolysegrad entsprechen.
Die Salzsäure muß also die Bindung zwischen den Blutkörperchen
und den Hydroxylionen gelöst haben und diese Bindung
somit eine reversible sein. Ja, wenn die Bindung nicht
eine sehr ausgiebige ist, kann sie ganz rückgängig werden, ohne
daß die Blutkörperchen dadurch allzusehr geschädigt werden.
Wenn die Salzsäure hinreichend früh zugesetzt wird und
die Bindung also keine zu vollständige ist, kann man durch Unter-
suchung des Blutkörperchensedimentes die Lösung der Hydroxyl-
ionen direkt verfolgen. Es zeigt sich, daß während der ersten
zwei Minuten die Bindung der normalen Kurve gemäß weiter-
geht, dann biegt sie um und läuft schräg gegen die Abszisse,
93%
348 Mentz L. von Krogh:
um sich dem schließliochen Wert der endlich erreichten Hämolyse
zu nähern. Bei den Versuchen, wo die Salzsäure so früh
zugesetzt wurde, daß keine Hämolyse zustande kam, konnte
ich anfänglich durch sofortiges Zentrifugieren noch die OH-
Ionen an die Blutkörperchen gebunden finden, indem ich durch
Zusetzen von Kochsalzlösung noch eine geringe Hämolyse zu-
stande bringen konnte, die allmählich abnahm, um schließlich
ganz zu verschwinden.
7,0
ee e
08 ENEE WEE EEE
07 BRUNS DEE RER
0,6 Bere DEE DEE SERGE
05 BEE EE E DE
0,4 a — Ee |
ES E E EE DEENEN
EE EE
E EE EE EE
— EE EE ——
5 70 75 30 25 30
Fig. 2.
Es mag uoch erwähnt werden, daß auch hier eine deutliche
Inkubationszeit wahrzunehmen ist, nachdem die Salzsäure zu-
gesetzt wird, die aber meistens ziemlich konstant ist und 1 bis 2 Mi-
nuten beträgt. Nach dieser Inkubationszeit fängt dieHämolyse an.
70
ae BE E E EE |
ap EE EE EE
a EE —
Se EN
0,51 4 E
az i — E
0 DT — J. ed
o 5 10 20 35 30
Fig. 3.
Vielleicht mag man diese Inkubationszeit als ein Maß für die
‚Diffusionsgeschwindigkeit der H-Ionen in die Blutkörperchen
hinein betrachten. Wenn wir jetzt die Kurven betrachten, die bei
0° bzw. 20° gewonnen sind, werden wir sehen, daß bei 0° (Kurve 2)
die Reversibilität eine viel ausgeprägtere ist und die Bindung
Über die Reversibilität der Hämolyse. 349
der OH-Ionen in einem viel späteren Stadium der Inkubations-
zeit rückgängig gemacht werden kann als bei 8°. Bei 20°
(Kurve-3) ist das Entgegengesetzte der Fall; hier ist die Re-
versibilität eine kleinere und die Salzsäure muß früher zugesetzt
werden, um die Bindung ganz rückgängig zu machen.
b) Einwirkung von Antikomplement auf die Hämo-
lyse der amboceptorbeladenen Blutkörperchen durch
Komplement. | |
Um nun zu untersuchen, in wiefern die Wirkung der er-
zeugten Immunstoffe analog derjenigen einer Säure auf eine
Base ist, wurde versucht, ob man dieselbe Wirkung auf das
Komplement durch ein Antikomplement erhalten könnte.
Das Antikomplement wurde erzeugt, indem man einem
Kaninchen Komplement, d. h. frisches Meerschweinchenblut
intraperitonal einverleibte. Das von diesem Kaninchen erhaltene
Serum wurde, um das in demselben anwesende Komplement zu
zerstören, eine halbe Stunde auf 56° erhitzt. Das so erhaltene
Serum hemmte in einer Menge von 3 ccm vollständig die Hämo-
lyse, die von Leem Komplement erzeugt wurde. Dieses Ver-
hältnis zwischen Komplement und Antikomplement wurde dann
auch in den Versuchen benutzt.
Zunächst wurde auch hier die Bindungskurve während der
Inkubationszeit untersucht und ebenso die Kurve der Hämo-
lyse bei einer passenden Konzentration, die die Hämolyse weder
zu schnell, noch zu langsam verlaufen ließ.
Es wurden 10 ccm 5°/,iger Blutkörperchenaufschwemmung
angewandt, 0,15 ccm hämolytisches Serum und soviel 0,8°/,ige
Kochsalzlösung, daß die Mischung 16 ccm enthielt. Am An-
fang des Versuches wurde nun Leem Komplement zugesetzt
und dann in verschiedenen Serien zu verschiedenen Zeiten wäh-
rend der Inkubationszeit 3 com Antikomplementserum zugefügt,
so daB das Gesamtvolum 20 ccm betrug.
Es zeigte sich nun (Kurve 4), daß es nicht gelang, die Bindung
des Komplementes rückgängig zu machen, da die Hämolyse
schließlich immer wenigstens den Betrag erreichte, dem die
Bindung des Komplementes an die Blutkörperhen zu gegebenem
Zeitpunkt entsprach. Ungefähr diesem Werte näherte die Hämo-
lyse sich anfänglich schnell, später immer langsamer, um schließ-
lich einigermaßen asymptotisch zu verlaufen. Aber auch hier
350 Mentz L. von Krogh:
wird die Hämolyse schneller verlaufen als bei dem normalen,
ungestörten Verlauf der Reaktion. Die Bindung des Kom-
plementes nach Hinzufügen des Antikomplements verläuft in
einer geraden Linie parallel zu der Abszisse, und verursacht
nicht die Biegung nach abwärts, die sie mit NaOH und HCl
machte.
Es ist also nicht gelungen, hier eine Reversibilität zu
beobachten.
Auch hier kann man aber schließen, daß das Antikomplement-
serum in irgendeiner Beziehung zu dem Komplement stehen
muß und daß nicht das Komplement nur EES aus der
Flüssigkeit entfernt wird.
Man erhält natürlich bei der Mischung von Komplement
und Antikomplement einen Niederschlag, indem bei der Ein-
verleibung des Meerschweinchenblutes in das Kaninchen auch
Präcipitine gebildet werden und man konnte denken, daß das
Komplement ganz einfach mechanisch mitgerissen wurde. Dies
scheint nicht der Fall zu sein, denn das Antikomplement greift
doch in das Mechanische der Hämolyse hinein.
Ehrlich hat bekanntlich angenommen, daß das Anti-
komplement sich direkt mit dem Komplement verbinde und
sich so der oytophilen (oder nach seiner Anschauung amboceptoro-
philen) Gruppe bemächtige, so daß das Komplement sich nicht
mehr mit der Amboceptor-Blutkörperchenverbindung verbinden
kann. Dies mag richtig sein und die Beschleunigung des Ver-
laufes der Hämolyse kann durch Diffusionsströmungen herbei-
geführt werden, indem die Bindung von Komplement und Anti-
komplement wenigstens teilweise innerhalb des Blutkörperchens
Über die Reversibilität der Hämolyse. 351
sich vollstreckt. Es scheint so zu sein, daß die Diffusions-
geschwindigkeiten sowohl des Komplementes, als der H- und
OH-Ionen sehr große sind, indem die Blutkörperchen sowohl
für Ionen als für Komplement durchlässig sind.
Weitere Schlüsse über die Natur der hämolytischen Pro-
zesse aus den KReversionsversuchen zu ziehen, scheint mir
nicht zulässig zu sein. Vielleicht wird es gelingen, durch ein
kräftiges Antikomplement auch die Bindung des Komplementes
reversibel zu machen. Irgend etwas Sicheres in dieser Be-
ziehung vorauszusagen, scheint mir jetzt noch nicht zulässig
zu sein. Auch wäre es wünschenswert, durch weitere Versuche
mit anderen hämolytisch wirksamen Substanzen zu untersuchen,
wie sich die Reaktionsgeschwindigkeiten und somit die stöchio-
metrischen Verhältnisse der Bindungen gestalten. Vielleicht
wird es so gelingen, die hämolysierenden Substanzen gemäß
ihres chemischen Verhaltens in Gruppen zu teilen. Zu der-
artigen Versuchen hat mir bis jetzt die Zeit gefehlt.
Ergänzung zu der Abhandlung: Enzymstudien U:
Über die Messung und die Bedeutung der Wasserstoff-
ionenkonzentration bei enzymatischen Prozessen.
Von
S. P. L. Sörensen.
(Aus dem Carlsberg-Laboratorium, Kopenhagen.)
(Eingegangen am 20. Oktober 1909.)
In einer früheren Abhandlung?) mit obenstehendem Titel
habe ich eine Reihe Standardlösungen beschrieben, die durch
Vermischen in passenden Verhältnissen gute Vergleichsflüssig-
keiten für die colorimetrische Messung der Wasserstoffionen-
konzentration liefern. Unter diesen Standardlösungen befindet
sich auch eine ?/,, mol. Lösung eines sekundären Natriumphos-
phats von der Zusammensetzung Na,HPO,, 2H,O.
Die hinsichtlich der Reinheit dieses Salzes gestellten Anforderungen
sind die folgenden (L o. S. 171):
a) Das Salz muß in Wasser klar löslich sein und darf weder Sulfat
noch Chlorid enthalten.
b) Beim Trocknen während 24 Stunden bei 100° und 20 bis 30 mm
Druck und bei nachfolgendem vorsichtigen Glühen bis zur Gewichtskonstenz
soll der gesamte Gewichtsverlust 25,28 + 0,1°/, betragen. Für die Probe
werden etwa 5 g angewandt.
Eine direkte Prüfung auf einen Gehalt an primärem oder normalem
Natriumphosphat ist nicht vorgeschrieben. Es mag aber hinzugefügt
werden, daß alle von uns während der Ausführung oben erwähnter Arbeit
benutzten Präparate des Salzes in wässeriger Lösung mit Phenolphthalein
einen schwachen, aber doch deutlichen rosa Farbton gaben, wie man ihn
gewöhnlich als oharakteristisch für das reine sekundäre Salz ansieht. Bei
einigen in letzter Zeit ausgeführten Untersuchungen hat es sich indessen
gezeigt, daß das als rein betrachtete sekundäre Natriumphosphat noch
3 bis 4°/, primäres Salz enthält, wovon es durch ein- oder zweimaliges
Umkrystallisieren befreit werden kann. Die wässerige Lösung eines
1) Diese Zeitschr. 21, 131, 1909,
8S. P. L. Sörensen: Ergänzung zu Enzymstudien; II. 353
auf diese Weise gereinigten Salzes gibt mit Phenolphthalein (siehe die
unten erwähnte Probe) eine stark rote Farbe. Da nun das Salz sich
selbst nach wiederholten Umkrystallisationen stets gleich verhält, darf
man es wohl als rein betrachten. |
Es würde selbstverständlioh nichte im Wege sein, ein sekundäres
Natriumphosphat, das primäres Salz enthält, als Standardstoff zu be-
nutzen, wenn nur der Gehalt an primärem Phosphat leicht zu definieren
und zu bestimmen ist und bei allen Präparaten der gleiche bleibt. Bei
allen von uns früher benutzten Präparaten ist dieses der Fall gewesen,
da dieselben in wässeriger Lösung mit Phenolphthalein immer die
gleiche schwache rosa Farbe gegeben haben.!) Andererseits ist es aber
sehr wenig zufriedenstellend, eine unreine Substanz als Standardstoff zu
benutzen, wozu noch kommt, daß die Darstellung derselben mit einer
Unsicherheit behaftet ist, welche ganz ausgeschlossen wird, wenn man
sich eines reinen Stoffes bedient, indem in letzterem Falle die Umkrystal-
lisationen nicht zu oft vorgenommen werden brauchen. Ich habe es da-
her für richtig angesehen, das unreine sekundäre Natriumphosphat durch
das reine Salz zu ersetzen, obwohl dieses die Unannehmlichkeit mit sich
bringt, daß die Phosphatkurve auf der Hauptkurventafel in entsprechender
Weise korrigiert werden muß.
Es ist selbstverständlich notwendig, daß man einigermaßen leicht
prüfen kann, ob das sekundäre Phosphat auch in der hier in Rede
stehenden Beziehung rein ist, oder ob es primäres oder normales
Phosphat in nachweisbarer Menge enthält. Außer den oben erwähnten
Anforderungen wird daher die folgende Prüfung hinsichtlich der Reinheit
des sekundären Phosphats vorzunehmen sein.
1,2 g des Salzes werden in einem mit kohlensäurefreier Luft ge-
füllten 100 ccem-Kolben in ausgekochtem Wasser gelöst, wonach mit
Wasser bis zu der Marke nachgefüllt wird. Aus dieser Lösung werden
3mal je 1Ocom und außerdem die folgenden Boratmischungen in Reagenz-
gläser (siehe die Hauptabhandlung S. 177 und 202) abgemessen:
8 Borat + HO
How +»
10 „
9 „ + NaOH
8 TI -+ „
Jeder dieser Lösungen werden 5 Tropfen Phenolphthaleinlösung
(0,5 g Phenolphthalein in 500 ocm Alkohol -+ 500 ccm Wasser) zugesetzt.
Die Lösungen des sekundären Phosphats müssen dadurch eine rote Farbe
von ähnlicher Stärke wie die der Vergleichslösung „10 Borat“ annehmen,
und jedenfalls müssen die Phosphatlösungen sich zwischen ‚9 Borat + HCl“:
1) Auch die käuflichen, reinen, chlorid- und sulfatfreien Präparate
von krystallisiertem, sekundärem Natriumphosphat, die wir in den
Händen gehabt haben, gaben mit Phenolphthalein immer eine schwache
rosa, nie eine starke rote Farbe.
354 8. P. L. Sörensen:
und „9 Borat + NaOH“ einordnen lassen. Wird darauf einer der Phos-
phatlösungen 1 Tropfen ®/,.-.NaOH und einer anderen 1 Tropfen Sie HO
zugesetzt, dann muß die erstere stärker rot als „8 Borat -+ NaOH“, die
zweite schwächer rot als „8 Borat + HCI“ erscheinen.
Unter diesen Umständen lag es nahe, zu untersuchen, ob nicht
auch das andere als Standardstoff benutzte Phosphat, das primäre Ka-
liumphosphat, sich durch weitere Krystallisationen in noch reinerem Zu-
stande gewinnen ließe. Es hat sich aber gezeigt, daß das von uns
bisher benutzte primäre Kaliumphosphat als rein betrachtet werden muß.
Andererseits ist es uns indes begegnet, daß wir bei elektrometrischer
Messung von Lösungen primärer Phosphate, an deren Reinheit zu zweifeln
wir keinen Grund haben, Werte bekommen haben, die um einige Millivolt
von dem in der Hauptabhandlung für „reines primären Phosphat“ an-
geführten Wert (xz — 0,5990; 1l. o. 8. 175) abweichen. Ich halte es dem-
nach für angebracht, die Phosphatkurve auf der Strecke von „reinem
primärem Phosphat“ bis zu „0,25 sek. + 9,75 prim.“ zu punktieren, ganz
wie es sonst überall auf der Hauptkurventafel geschehen ist, wenn die
Kurven parallel oder beinahe parallel mit der Abezissenachse verlaufen.
Ferner habe ich es zweckmäßig gefunden, eine entsprechende Reinbheits-
probe für das primäre Phosphat, wie die für das sekundäre Salz oben
erwähnte, vorzuschreiben.
0,9 g primäres Kaliumphosphat werden, wie oben beschrieben, in
ausgekochtem Wasser gelöst und die Lösung bis auf 100 com verdünnt.
Als Vergleichsflüssigkeiten werden
6 — 7 — 7,5 — 8 — 9 Citrat -+ HCI!)
benutzt. Zu diesen Lösungen sowie zu 10 ccm der Phosphatlösung
werden je 10 Tropfen der Indicatorlösung gesetzt (0,1g des Natriumsalzes
des p-Benzolsulfonsäure-azo-«-naphthylamin in 600 ccm Alkohol -+ 400 oom
Wasser gelöst; Indicator Nr. 12 in dem Indicatorverzeichnis, Lo 8.253).
Die Phosphatlösung muß in betreff der Farbennuance in der Nähe von
„1,5 Citrat 4 HCl“ und in jedem Falle zwischen ,,7“ und „8 Citrat + HCI‘
liegen, während ein Zusatz von 1 Tropfen ?/,„-NaOH bzw. Sie HO die
Farbennuance der Phosphatlösung deutlich und scharf außerhalb dieser
Grenzen verschieben muß. 2)
1) Diese Zeitschr. 21, 176 und 205, 1909.
2) Vom rein theoretischen Gesichtspunkte aus betrachtet ist es
selbstverständlich nicht einwandfrei, Vergleichsflüssigkeiten einer Standard-
lösung — die selbst vielleicht mit Fehlern behaftet sein kann — zu be-
nutzen, um die Reinheit eines anderen Standardstoffes zu kontrollieren.
Wenn ich dessenungeachtet vorgeschrieben habe, die Borat- bzw. die
Citratmischungen bei den oben erwähnten Prüfungen der Phosphate zu
benutzen, liegt der Grund darin, daß es sich in diesen speziellen Fällen
um solche Borat- oder Citratmischungen handelt, welche beinahe
senkrecht verlaufenden Kurvenanteilen entsprechen, so daß kleine Mengen
Verunreinigungen in der Borat- bzw. Citratlösung hier ganz belanglos sind.
Ergänrong zu Enrymstudien. IL 366
Die früher unter | Die unter Be-
Benutzung von autzung von
unreinemsek.ireinem Phos-
Phosphat ge- phat gefun-
tundenen Werte
Zusammensetzung der Phosphatmischung
10 com sek. Phosphat
975, „ —
9
Sp LO
em prim. im Phosphat
GER
—
il EN
EN
S s
S s
SErmestooieesg
++rtr+r++rrtr+trrtr+rr++.
on
eege NAAR Gët
sp
"CS
fat
Es wurden aus reinen Phosphaten, die nicht nur den
früheren, sondern auch den in der vorliegenden Abhandlung
vorgeschriebenen Anforderungen entsprachen, auf die in der
Hauptabhandlung (l. c. 8. 167) angegebene Weise Standard-
lösungen dargestellt. Es wurden benutzt 3 Standardlösungen
von verschiedenen Proben primären Phosphates (2 Proben von
GA F. Kahlbaum, Berlin, und eine im hiesigen Laboratorium
umkrystallisierte Probe) und ebenso 3 Lösungen von verschie-
denen Proben sekundären Phosphates (2 Proben von G.A.F.Kahl-
baum und ein 3mal umkrystallisiertes Kahlbaumsches Prä-
parat). Mischungen dieser Standardlösungen wurden auf die
in der Hauptabhandlung (l. o. S. 150 und 173) angegebene Weise
von 8. Palitzsch elektrometrisch gemessen. Die Ergebnisse,
welche eine gute gegenseitige Übereinstimmung zeigten, sind in
der obigen Tabelle zusammengestellt; dieselbe enthält des
Vergleiches wegen außerdem die früher unter Benutzung von
unreinem sekundären Phosphat gefundenen Werte.
Es wird leicht sein, mittels der in der letzten Kolonne der
Tabelle mit fettem Druck angeführten Werte für pe, die not-
356 8. P, L. Sörensen: Ergänzung zu Enzymstudien. II.
wendige Änderung der Phosphatkurve auf der Hauptkurven-
tafel vorzunehmen, so daß diese Kurve einen Verlauf bekommt,
der den reinen von C. A. F. Kahlbaum zu beziehenden Phos-
phaten entspricht. Die Einklammerung der 2 ersten und der
2 letzten Werte für pe, bedeutet, daß die Kurve von ‚reinem
primärem Phosphat“ bis zu „0,25 sek.“ und von reinem „sekun-
därem Phosphat“ bis zu „9,75 sek.“ punktiert werden muß.!)
Es geht aus der Tabelle sowie auch aus der geänderten
Phosphatkurve hervor, daß der Unterschied zwischen den alten
und den neuen Werten nur für die am stärksten alkalischen
Phosphatmischangen von praktischer Bedeutung ist. Für alle
Mischungen bei und in der Nähe von dem Neutralpunkt ist
der gefundene Unterschied ganz geringfügig und überdies bald
positiv, bald negativ; wir haben daher für eine ganze Kurven-
strecke die alten Werte beibehalten.
Ferner haben wir die Gelegenheit benutzt, um uns neue
Proben der übrigen Standardstoffe (Glykokoll, Citronensäure
und Borsäure) von O. A. F. Kahlbaum zu verschaffen, und
wir haben teils die Reinheit derselben kontrolliert, teils die
daraus hergestellten Standardlösungen elektrometrisch gemessen.
In betreff dieser Stoffe haben wir vollständige Übereinstimmung
mit dem früher in der Hauptabhandlung Angeführten gefunden.
Schließlich möchte ich nur noch darauf aufmerksam machen,
daß alle in der Hauptabhandlung behandelten Fragen — z. B.
die Genauigkeit und die Anwendbarkeit der elektrometrischen
bzw. der colorimetrischen Methode unter verschiedenen Um-
ständen, sowie auch die angeführten Beispiele von der Be-
deutung der Wasserstoffionenkonzentration bei enzymatischen
Spaltungen — selbstverständlich durch diese kleine Änderung der
Phosphatkurve, von der hier die Rede gewesen ist, nicht berührt
werden.
1) Jedem Exemplar der im Handel erhältlichen Hauptkurventafeln.
wird ein Abdruck dieser Ergänzung beigegeben.
Über die Verwendung alkylierter Zucker zur Bestimmung
der Konstitution von Disacchariden und Glucosiden.
Von
James Colquhoun Irvine.
(Aus dem Chemischen Institut der Universität St. Andrews, Schottland.)
(Eingegangen am 30. September 1909.)
Die Chemie der einfachen Zucker, d. h. der Monosaccharide,
ist jetzt durch die vereinten Anstrengungen der Chemiker,
Physiker und Biologen ein gut erforschtes Gebiet, und die
Änderungen und Fortschritte, welche unsere Anschauungen
über die Struktur reduzierender Zucker erfahren haben, sind
auf direkt experimentellem Wege gewonnen. So ist bei der
Glucose durch Acetylierung unschwer der Gehalt an Hydroxyl-
resten ermittelt und die Gegenwart einer leicht oxydierbaren
Gruppe oder Gruppen durch die Einwirkung von Brom bzw.
Phenylhydrazin festgestellt worden, und die Untersuchung der
Multarotation hat die Existenz und die Eigenschaften leicht
veränderlicher stereoisomerer Formen ergeben. Das auf diese
Weise erhaltene Resultat ist so klar und vollständig, daß heute
fast nur eine Meinung über die Struktur dieser Zucker herrscht.
Wenn wir dagegen zur Konstitutionserforschung der Glu-
coside und Disaccharide übergehen, der Verbindungen, welche
dem biologischen Chemiker besonders nahe liegen, so wird die
Sicherheit weit geringer, und es besteht eine größere Zweideutig-
keit in betreff der experimentellen Feststellung der Struktur.
Bei einem typischen Glucosid fehlen z. B. Reduktionsvermögen,
Multarotation und Verbindungsfähigkeit mit Phenylhydrazin
gänzlich, und dasselbe ist der Fall bei Disacchariden vom Typus
des Rohrzuckers.
Ein negatives Resultat dieser Art ist meistens nur für die
Tatsache von Bedeutung, daß die reduzierende Zuckergruppe
Biochemische Zeitschrift Band 22. 24
358 J. C. Irvine:
substituiert ist, und so kommt es, daß in vielen Fällen die
Struktur dieser Verbindungen lediglich aus theoretischen Betrach-
tungen gefolgert ist. Ungeachtet der Schwierigkeit des Problems
ist es jedoch klar, daß viel für den zukünftigen Fortschritt in
der biochemischen Erforschung der Zuckerarten von der voll-
ständigen Aufklärung der Struktur der Disaccharide und der
Glucoside mittels experimenteller Methoden abhängt. Nur wenn
diese Bedingung erfüllt ist, können Synthesen auf diesem Ge-
biete der Zuckerreihe systematisch und mit Sicherheit aus-
geführt werden.
In folgender Mitteilung wird gezeigt, wie auf Grund der
in diesem Laboratorium während der letzten zehn Jahre aus-
geführten Arbeiten über die Zuckergruppe durch Anwendung
der Alkylierung von Zuckern viele Probleme über die
Struktur der Kohlenhydratverbindungen erfolgreich erforscht
werden können.
Wenn man in erster Reihe die Struktur der Glucoside in
Betracht zieht, so besteht die einzige jetzt gebräuchliche Me-
thode der Erforschung darin, die durch Hydrolyse mittels Säuren
oder durch Enzyme gewonnenen Produkte zu untersuchen. Diese
ist insofern unvollständig, als dabei an sich nur wenig Angaben
über die Bindung des Zuckers gewonnen werden. Als Hindernis
erweist sich auch noch, daß die hydrolytischen Produkte in
einigen Fällen während des Vorgangs tiefen, sekundären Ver-
änderungen unterliegen, und so können die Resultate unklar,
ja sogar irreführend sein. Das so gewonnene Ergebnis ist nur
in sehr wenigen Beispielen durch eine synthetische Daıstellung
des Glucosids ergänzt worden.
Die vollständige Struktur eines Glucosids wird bestimmt
a) durch die Aufklärung der Natur des zugrunde liegenden
Zuckers und der Substanz, mit der er verbunden ist, b) durch
die Feststellung der Raumform (a- oder ß-Glucosid) und c) durch
die Erkenntnis der Bindung des Zuckers innerhalb des Moleküls.
Der erste dieser Faktoren wird bei den natürlichen und künst-
lichen Glucosiden durch Hydrolyse bzw. Synthese bestimmt;
der zweite wird durch auswählende Hydrolyse mit Hilfe von
Enzymen ermittelt, aber über die Bindung des Zuckers kann
nur die Darstellung von Derivaten und deren Hydrolyse etwas
aussagen. Gerade zu diesem Zwecke kann nun die Alkylierung
Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disaochariden u. Glucosiden. 359
des Zuckers Anwendung finden. Dank der großen Beständig-
keit der Alkyloxyd-Gruppen sind sekundäre Veränderungen
während der Hydrolyse in weitestem Maße ausgeschlossen, und
die reinen hydrolytischen Spaltungsprodukte können so isoliert
werden. Außerdem hat die Alkylierung eine ausgesprochene
Wirkung auf die Flüchtigkeit der Zuckerderivate, daher können
diese alkylierten Verbindungen im Vakuum unverändert destil-
liert werden, und die große Schwierigkeit, welche die Abtrennung
von Zuckerderivaten bietet, ist auf ein Minimum beschränkt.
Wir geben jetzt einen Umriß der experimentellen Methoden
des Alkylierungsprozesses und wählen als Beispiel das einfachste
Glucosid, nämlich E. Fischers künstliches «-Methyl-Glucosid.
Konstitution künstlicher Glucoside.
E. Fischer erteilt in seiner Arbeit über diese Verbindung
ihr folgende Formel:
CH,0H.CHOH.CH.CHOH.CHOH.CHOCH,,,
und es wird sich zeigen, daß diese Formel experimentell be-
stätigt werden kann und daß ferner die natürlichen Glucoside
den gleichen Typus aufweisen. Der einzig bekannte Prozeß,
der imstande ist, eine vollständige Alkylierung des Zucker-
moleküls zu bewirken, ist der zuerst von Thomas Purdie an-
gewandte, nämlich, die vereinte Einwirkung von trockenem
Silberoxyd und Alkyljodiden. Soweit die Zucker in Betracht
kommen, ist der Alkylierungsprozeß bis jetzt auf die Verwen-
dung von Jodmethyl beschränkt gewesen, und so sind methylierte
Zucker die einzigen bekannten Verbindungen dieser Form. Die
Methode hat sich bis jetzt in jedem angewandten Falle als
erfolgreich erwiesen und die Resultate sind vollkommen gleich-
mäßig. Wenn z. B. «-Methylglucosid in Methylalkohol auf-
gelöst und mit Silberoxyd sowie Jodmethyl zusammengebracht
wird, so findet eine kräftige Reaktion statt und hierbei treten
Methylgruppen in die Hydroxylreste ein. Das Ergebnis ist eine
bewegliche, stark lichtbrechende Flüssigkeit (Siedep. 148 bis 150°
unter 13 mm), die sich als Tetramethyl-a-methylglucosid
erwiesen hat. Nach Fischers Formel für die Muttersubstanz
kann ihr vorläufig die Struktur
24°
360 J. C. Irvine:
CH,OCH,.CHOCH,.CH.CHOCH,.CHOH,.CHOCH,
zuerteilt werden. | O |
Die Verbindung ist dem Tetra-acetylmethyl-glucosid analog,
aber sie weicht von ihm in der Hinsicht ab, daß bei der Hydro-
lyse nur die Glucosidbindung gespalten wird und daß das
Produkt daher eine Tetramethyl-glucose ist. Diese Verbindung
hat sich als sehr wertvoll erwiesen; sie krystallisiert in prächtigen
Nadeln, die in Wasser und auch in Äther, Alkohol und Benzol
und überhaupt in organischen Solventien leicht löslich sind. Der
hauptsächliche Vorteil der Verbindung besteht darin, daß mit
Ausnahme der unsubstituierten reduzierenden Gruppe alle
Hydroxylgruppen methyliert worden sind. Die besonders
charakteristischen Zuokerreaktionen bleiben so erhalten, während
viele der unklaren, sekundären Veränderungen, die vom Vor-
handensein einer Anzahl reaktionsfähiger Hydroxylgruppen her-
rühren und das Arbeiten mit gewöhnlichen Zuckern erschweren,
hier gänzlich fehlen. Tetramethyl-glucose kann so verarbeitet und
in sehr kleinen Mengen zurückgewonnen werden, sie kann un-
verändert im Vakuum destilliert und kann vermittels Äther
aus nicht alkylierten Zuckern extrahiert werden.
Ihre wichtigste Reaktion vom Standpunkt der Konstitutions-
forschung ist indessen ihr Verhalten gegen oxydierende Agenzien.
Das damit gewonnene Produkt enthält noch vier OCH,-Gruppen
und besitzt alle charakteristischen Eigenschaften eines y-Lactons:
es ist deshalb Tetramethyl-gluconsäurelacton. Dieses Verhalten
im Verein mit der Tatsache, daß Tetramethyl-glucose in gut
definierten, multarotatorischen a- und ß-Formen, welche erheb-
liche Multarotation in allen Lösungsmitteln zeigen, gewonnen
werden kann, gibt den vollständigen Beweis für die y-Oxyd-
Struktur des Zuckers, dessen Formel folgende ist:
CH,OCH, .CHOCH,.CH.CHOCH,.CHOCH,.CHOH
PE y OAA
Es folgt daraus, daß Tetramethyl-methyl-glucosid dieselben
Bindungen aufweisen muß, und so wird Fischers Formel für
das Methylglucosid bestätigt. Die oben erwähnten Reaktionen
können also folgendermaßen formuliert werden:
Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disacchariden u. Glucosiden. 361
! emt
aaa ) ; CHO:CH, 2) Be Ei
(Hom Z CHOCH, s noca, e oon.
mg N Äeocn, N Äeocn, Se Äeocn,
N — eck "el
CH (Methylierung) H (Hydrolyse) CH (Oxydation) CH
OH HOCH, HOCH, noca,
| |
e op CH,OCH, CH,OCH, CHOCH,
Eine vergleichende Versuchsreihe mit Fischers f-Methyl-
glucosid ergab ähnliche Resultate; es wurde Tetramethyl-ß-
methylglucosid (Schmelzpunkt 40 bis 41°) gewonnen, welches
wiederum dieselbe oben erwähnte krystallinische Tetramethyl-
glucose bei der Hydrolyse ergab.
Die vorhergehenden Resultate zeigen deutlich, daß, wenn
Glucose mit Alkoholen zu künstlichen Glucosiden zusammentritt, .
die letzteren die y-Oxyd-Struktur besitzen. Ähnliche Experimente
wurden mit den ‚‚Glucosiden‘‘ von Mannose, Galaktose, Fructose,
Arabinose und Rhamnose mit genau denselben Ergebnissen
durchgeführt.
Konstitution natürlicher Glucoside.
Nach den in dem typischen Fall von Salicin erhaltenen
Resultaten zu urteilen, scheinen die natürlichen Glucoside den
künstlichen analog konstituiert zu sein. Jenes Glucosid ergab bei
der Alkylierung ein Pentamethyl-salicin (Schmelzpunkt 62 bis 63°),
und dieses liefert bei der Hydrolyse dieselbe Form der Tetra-
methyl-glucose, wie aus Tetramethyl-methyl-glucosid entsteht.
Die Hydrolyse wurde in diesem Fall indirekt ausgeführt; das
alkylierte Salicin wurde der Hydrolyse und gleichzeitiger Kon-
densation mit Methylalkahol unterworfen, indem es in methyl-
alkoholischer Lösung mit einer Spur Salzsäure erhitzt wurde.
Das wichtigste Produkt dieser Reaktion war ein Gemisch von
stereoisomeren Tetramethyl-methylglucosiden, welche nach dem
Kochen mit wässeriger Salzsäure Tetramethyl-glucose ergaben.
1) Bezeichnet die durch Hydrolyse entfernbare glucosidische Methyl-
Gruppe.
362 J. C. Irvine:
.22
CH.O.C,H,.CH,OH OH. 0. CHi, CHOCH,
.-—5
OH SS —
|
*
on CHOCH,
OH
Salicin Pentamethyl-salioin
CH.O.CH, —
OCH, Es Vë,
O
oon. CHOCH,
N | — |
CH CH
oon, oon,
OCH, bo op.
Tetramethyl-gluoose
Das oben erwähnte Resultat wurde durch synthetische
Versuche gestützt, zu welchen das Reaktionsvermögen und die
verschiedenartige Löslichkeit der Tetramethyl-glucose verwertet
wurde. In Benzol, das überschüssiges Saligenin und wenig
Salzsäure enthielt, fand eine Kondensation des Zuckers und
des Phenols statt, und es entstand eine Mischung von Ver-
bindungen, deren eine das y-Oxyd-Saligenin-tetramethyl-glucosid
war. Nach der Methylierung mittels der Silberoxyd-Reaktion
ergab dieses wiederum dasselbe krystallisiertte Pentamethyl-
salicin, das aus Salicin direkt gewonnen wurde, und bestätigte
so die Struktur des zugrunde liegenden Glucosids.. Diese Re-
aktionen seien im folgenden im Hinblick auf die mögliche
Verwendung von alkylierten Zuckern zu Synthesen zusammen-
gestellt: CH,OH CH,OH CH,OCH,
9.0. CH un CH- ei CH 0.
\ J, £ bes x J e cnoca, u
SÉ p Ki S Ze
— >
H
| |
CHOCH, CHOCH, ÖHOCH,
H,OCH, Le on, BOCH,
(Durch Kondensation) (Durch Alkylierung)
Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disacohariden u. Glucosiden. 363
Konstitution stickstoffhaltiger Zuckerabkömmlinge.
Die Kondensierung der Zucker mit Aminobasen ist ein
Problem von bedeutender Wichtigkeit in der Biochemie und sie
wird gewöhnlich als eine von der Glucosidbildung abweichende
angesehen, da hierbei der Zucker als Aldehyd reagieren soll. Es
ist indessen nachzuweisen, daß diese Ansicht nicht ganz richtig
ist; in dieser Hinsicht ist die Untersuchung alkylierter Zucker
sehr wertvoll, da sie scharf zwischen aldehydischen und y-Oxyd-
zuckerderivaten zu unterscheiden ermöglicht. Ganz allgemein
bestehen bei der Kondensation von Glucose mit einem Amin
R — NH, zwei Möglichkeiten:
1. Aldehydkondensation.
CHÖH,N.R CH:N.R
es |
CHOH CHOH
|
CHOH CHOH
l KR — | (A)
HOH CHOH
|
CHOH CHOH
Lo op Ze op
2. y»-Oxydkondensation.
CH OH HNH. R CH.NH.R
Es CHOH N nen
SE Ze (B)
on HOH
CH,OH dn. on
Die angenommenen Verbindungen A und B sind isomer,
sie müßten aber verschiedene Produkte bei der Methylierung
und nachfolgenden Hydrolyse geben.
C
H:NR CH:NR CHO
dnon CHOCH, CHOCH,
D on ĊHOCH, (enen,
CHOH — HOCH, — CHOCH,
dmon CHOCH, HOCH,
|
CH,OH H,OCH, H,OCH,
364 J. C. Irvine:
CH-NH.R CH.NH.R CHOH
dn A 4}
OH e CHOCH, FG HOCH,
d op SS Logoen, d (moca,
| — | _—
(B) CH \CH CH
CH | dH
OH CHOCH, OCH,
|
(HoH CH,OCH, H,OCH,
(Durch Methylierung) (Durch Hydrolyse)
Der ersten Möglichkeit entsprechend hätte sich ein penta-
methyliertes Derivat gebildet, welches Pentamethylglucose bei
der Hydrolyse ergeben würde, während die zweite Formulierung
unter gleichen Bedingungen als Endprodukt nur Tetramethyl-
glucose liefern würde.
Diese Reaktion wurde nun auf das Glucoseanilid ange-
wandt, derzufolge es zum y-Oxyd-Typus, und nicht — wie man
früher annahm — zum Aldehyd-Typus gehört. So ergibt Glu-
coseanilid bei vollständiger Methylierung ein Tetramethylglu-
coseanilid (v. Schmelzp. 135°). Die Verbindung ist einer weiteren
Methylierung nicht fähig, ist ist mit dem aus Tetramethylglucose
gebildeten Anilid identisch, und gibt bei der Hydrolyse Tetra-
methylglucose. Glucoseanilid ist daher ein y„-Oxyd, das eine den
Glucosiden ähnliche Struktur besitzt, das sich aber von ihnen
dadurch unterscheidet, daß Stickstoff an Stelle von Sauerstoff
Zucker und Paarling verbindet.
CH,OH.CHOH .CH.CHOH.CHOH.CH.NH.C,H.-
—
Augenscheinlich sind Glucose-p-toluid, Glucose-p-phenetidid
und Glucose--naphthylamid ähnlich konstituiert, wenn auch
in den erwähnten Fällen der direkte Beweis nicht vorliegt.
Gluoosoxim verhält sich bei der Alkylierung wie ein y-Oxyd,
aber anderen Reagenzien gegenüber als ein wahres Oxim.
Man kann so die ganze Frage der Kondensation der
Zucker mit Aminoverbindungen in einem neuen Licht ansehen.
Die untersuchten Beispiele zeigen, daß der Kondensations-
mechanismus in etlichen Fällen die übliche Glucosidbindung auf-
weist, und das ist schließlich auch bei unseren Ansichten vom
Bau der Glucoproteine zu berücksichtigen.
Verw. alkyl. Zucker z. Best. d Konstit. v. Disacchariden u. Gluoosiden. 365
Verbindungen von Zuckern mit Ketonen.
Die Bildung von Derivaten dieser Art bildet ein be-
sonders schwieriges Kapitel der Glucosidchemie, da die Keton-
gruppe mit dem Zuckerrest an wenigstens zwei Stellen ver-
knüpft ist, die beide erst bestimmt werden müssen, bevor die
Natur des Produktes sicher festgestellt ist. Durch den Methy-
lierungsprozeß müssen ersichtlich alle die im Zuckerrest ver-
bliebenen freien Hydroxylgruppen methyliert werden, und durch
Hydrolyse des Endproduktes kann die Keton-gruppe oder Gruppen
entfernt werden, wobei ein alkylierter Zucker zurückbleibt. Die
Zahl und Stellung seiner Alkyloxydgruppen kann dann be-
stimmt werden, und man erhält so alle notwendigen Daten. Um
einen besonderen Fall als Beispiel zu nehmen, so sei daran
erinnert, daß Fructose eine gut definierte Diacetonverbindung
bildet.
Diese ist erfolgreich methyliert worden und hat Monomethyl-
fructose-diaceton (Schmelzp. 115°) ergeben, woraus nach der
Hydrolyse mit verdünnter Säure Monomethylfructose gewonnen
wird. Augenscheinlich kann diese Methylgruppe eine der sechs
verschiedenen Stellungen in dem Zuckermoleküle einnehmen.
Diese seien mit (a), (b), (c), (d), (e) und (£f) in folgender Weise
bezeichnet:
CH,OH..... (a)
S bon n E (b)
f Loop DEE (c)
N CHOH NE (d)
eh
NCH....... (e)
Cp op ee (f)
Die in Frage kommende alkylierte Fructose ist ein redu-
zierender Zucker und zeigt Multarotation, demnach kann die
Alkylgruppe nicht in Positionen (b) oder (e) stehen. Außer-
dem ergibt der Zucker ein Monomethylglucosazon, so daß
die Alkylgruppe nicht in Stelle (a) oder (b) sein kann.
Endlich ergibt der Zucker bei Oxydation a-ß-Dihydroxy-y-
methoxy-buttersäure, die nicht imstande ist, ein Lacton zu
bilden. Dieses bestimmt schließlich die Position der Methyl-
366 J. C. Irvine:
gruppe, welche die Stellung (f) einnehmen muß. Die Formel
für Monomethyl-fructose lautet daher:
CH,OCH,.CH.CHOH.CHOH.COH.CH,OH
E
woraus als Struktur für Fructose-di-aceton sich die Formel
CH CH, CH CH
., NZ 3
o No o "o
CH,OH.CH . CH. dn b. da,
ee
ergibt.
Purdie und Young haben ähnliche Beobachtungen bez.
der Struktur von Acetonrhamnosid ausgeführt.
Konstitution der Disaccharide.
Wie bekannt ist, kann die Verkettung von zwei Zucker-
resten unter Bildung eines Disaccharides in doppelter Weise
stattfinden. Entweder können die reduzierenden Gruppen der
beiden beteiligten Zucker an der Reaktion teilnehmen und eine
nicht reduzierende Verbindung geben, oder eine reduzierende
Gruppe kann frei bleiben und so ein reduzierendes Disaccharid
bilden. Einfache Beispiele dieser beiden Typen liegen im Rohr-
zucker, bzw. in der Maltose vor. Die genaue Struktur solcher
Verbindungen ist im Verlaufe der Entwickelung der Zucker-
chemie Gegenstand ausgedehnter Forschungen gewesen, die aber
meist auf Betrachtungen über die Art der inneren Verknüpfung
der Zuckerreste beschränkt geblieben sind. Die von Fischer
vorgeschlagenen Formeln haben sich jedoch als ein außerordent-
lich befriedigender Ausdruck der Tatsachen erwiesen, und sind
durch die Untersuchung der metbhylierten Disaccharide bestätigt
worden.
Es hat sich zum Beispiel herausgestellt, daß Rohrzucker
die normale Alkylierung durch die Silberoxyd-Jodmethyl-Be-
handlung erfährt, keine Hydrolyse oder Oxydation erleidet und
als Endprodukt eine flüchtige Flüssigkeit, Octamethyl-rohr-
zucker, liefert. Durch Hydrolyse mittels verdünnter Mineral-
säuren wird er in ein äquimolekulares Gemisch von Tetra-
Verw. alkyl. Zuoker z. Best. d. Konstit. v. Disacchariden u. Glucosiden. 367
methylglucose und Tetramethylfructose verwandelt, entsprechend
dem Schema:
Pa Tetramethylglucose
Rohrzucker — Octamethyl-rohrzucker
N Tetramethylfructose
Es entsteht dabei dieselbe krystallinsche Tetramethylglucose
wie bei der Hydrolyse von Tetramethyl-methyl-glucosid, und das
ist ein Beweis für die Richtigkeit der einen Hälfte der
Fischerschen Formel. Der Glucoserest ist daher im Rohr-
zucker in der y-Oxydform vorhanden, und die Verkettung mit
dem Fructoseteil des Moleküls findet in folgender Weise statt:
ER
i
CH CH
| |
CHOH CH OH
|
CH,OH
Bei der Maltose gestaltet sich das Problem schwieriger,
da die reduzierende Gruppe durch das Silberoxyd oxydiert
wurde und nachher durch das Alkylierungsgemisch Methy-
lierung eintrat. Bei der Hydrolyse entstand jedoch Tetra-
methylglucose in krystallinischem Zustande, so daß die nicht
reduzierende Hälfte des Maltosemoleküls einen Glucoserest in
der y-Oxydform enthält.
Dieses ist eine Bestätigung für die Fischersche Formel
und zeigt wiederum, daß die Bildung der Disaccharide in
der Zuckergruppe der der Glucoside völlig entspricht.
Synthese von Disacchariden.
Die Versuche über die Kondensation der Zuckerarten mit ein-
ander sind durch den Umstand erheblich erschwert, daß Wasser
und Alkohol allein in praxi als Lösungsmittel in Betracht kommen;
hingegen lösen sich die metbylierten Zucker leicht in nicht
hydroxylhaltigen Flüssigkeiten auf, so daß jede Reaktion mit
dem Lösungsmittel ausgeschlossen ist; daher findet unter dem
Einflusse eines Katalysators Selbstkondensation der Zucker
368 J. C. Irvine:
statt. Dieser Versuch ist mit Tetramethylglucose ausgeführt
worden, die in 0,25°/, Chlorwasserstoff enthaltendem Benzol
aufgelöst war; dabei entstand ein nicht reduzierendes Di-
saccharid. Dieses scheint die erste erfolgreiche Synthese eines
Disaccharids vom Typus des Rohrzuckers auf chemischem Wege
zu sein und erbringt den Beweis für die Bildungsmöglichkeit
solcher Verbindungen. (Siehe Fischer und Delbrück, Ber. 42,
2776.)
Die vorliegende Mitteilung ist geschrieben worden, um biolo-
gischen Chemikern und andern, die ein Interesse für die Struktur-
forschung und Synthesen in der Zuckerreihe haben, den Wert
der Alkylierungsmethode bei solchen Arbeiten klar zu machen,
und hoffenlich wird die Silberoxyd-Reaktion in Zukunft für
die Entwickelung dieses Zweiges der biologischen Chemie von
Bedeutung sein. Da die experimentellen Einzelheiten bezüglich
der Ausführung der Methylierung von Kohlenhydraten in den
Veröffentlichungen zu finden sind, die am Ende dieser Arbeit
zusammengestellt sind, so sei zum Schluß nur eine allgemeine
theoretische Übersicht über die Anwendbarkeit des Verfahrens
gegeben.
Wenn die zu untersuchende Verbindung mit dem allgemeinen
Ausdruck Z. G. bezeichnet wird, wo Z==ein Zuckerrest und
G = die Gruppe ist, mit welcher er kondensiert ist, so werden
bei vollständiger Alkylierung alle freien Hydroxylgruppen der
Verbindung methyliert.
Eine Bestimmung der OCH,-Gruppen des Produktes nach
Zeisel ergibt sofort die in der ursprünglichen Verbindung vor-
handene Anzahl von Hydroxylgruppen. Die methylierte Ver-
bindung wird jetzt vermittels verdünnter Säure hydrolysiert,
und ergibt im Minimum zwei Produkte, die wir mit Z, und G,
bezeichnen können, in welchem von beiden der Methoxylgehalt
bestimmt ist. Dies zeigt die Verteilung der Gesamtzahl von
Hydroxylgruppen zwischen Z und G an, und schließlich wird
durch die Ermittlung der Stellung der Methoxylgruppen in
jedem Rest vollständige Klarheit über die Struktur der Mutter-
substanz geschaffen. Das obenerwähnte Schema führt zur Ge-
wißheit darüber, ob ein Zuckerderivat y-Oxyd- oder Aldehyd-
Typus aufweist. Da die wichtigsten alkylierten Zucker nun dar-
gestellt und ihre Konstanten festgelegt sind, so ist die tat-
Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disaochariden u. Glucosiden. 369
sächliche Erkennung aller solcher Verbindungen, die gewöhnlich
vorkommen, wohl möglich.
Die folgende Zusammenstellung enthält Angaben über die
wichtigsten alkylierten Zucker und deren Charakterisierung:
Tetramethylglucose. Krystallisiert in Nadeln. Schmelz-
punkt 88 bis 89°. Multarotation in wässeriger Lösung [ap] =
+ 100,8° — 88,3°.
Tetramethylgalactose. Flüssigkeit, Siedepunkt 172°unter
13 mm Druck. Bleibende spezifische Drehung im Wasser —
—-109,5°. Identifizierbar durch Verwandlung in Tetramethyl-P-
methyl-galactosid. Schmelzpunkt 44 bis 45°, spezifische Drehung
in Athylalkohol — 20,9°.
Tetramethylmannose. Flüssigkeit, Siedepunkt 187°
bis 189° unter 19 mm Druck. Spezifische Drehung in Methyl-
alkohol + 17,2°. Wird durch Überführung in Tetramethyl-
«-methylmannosid identifiziert. Schmelzpunkt 37 bis 38°.
Tetramethylfructose. Krystallisiert in viereckigen
Tafeln vom Schmelzpunkt 98 bis 99°. Spezifische Drehung
in Athylalkohol — 86,7°.
Trimethylrhamnose. Flüssigkeit, Siedepunkt 151 bis
155° unter 15 mm Druck. Spezifische Drehung in Wasser
+ 25,4°. Hydrazon schmilzt bei 126 bis 128°.
Dimethylrhamnose. Hydrazon schmilzt bei 159 bis
160°. |
Trimethylarabinose. Flüssigkeit, Siedepunkt 148 bis
152° unter 19 mm Druck. Spezifische Drehung in Methylalkohol
+ 102,7°. Charakterisiertt durch Umwandlung in Trimethyl-
«-methylarabinosid vom Schmelzpunkt 43 bis 45°.
Monomethylfructose. Krystallisiert in Tafeln vom
Schmelzpunkt 122 bis 123°. Das Osazon schmilzt bei 142
bis 144°.
Die allgemeinen Prinzipien, die bei diesen Untersuchungen
zur Anwendung gekommen sind, hat Thomas Purdie auf-
gestellt.
Literaturangaben über alkylierte Zucker.
l. Purdie und Irvine, The alkylation of sugars. Trans. Chem.
Soc. 83, 1021.
2. Purdie und Irvine, The stereoisomerio tetramethyl methyl-
glucosides and tetramethyl glucose. Trans. Chem. Soc. 85, 1049.
370 J. C. Irvine: Über die Verwendung alkylierter Zucker usw.
3. Irvine und Cameron, The alkylation of galactose. Trans.
Chem. Soc. 85, 1071.
4. Purdie und Irvine, Synthesis from glucose of an octamethyl-
ated disaccharide; methylation of sucrose and maltose. Trans. Chem.
Soo. 87, 1049.
5. Irvine und Cameron, A contribution to the study of alkylated
glucosides. Trans. Chem. Soc. 87, 900.
6. Irvine und Moodie, The alkylation of mannose. Trans. Chem.
Soc. 87, 1462.
7. Irvine und Rose, The constitution of salicin; synthesis of
pentamethyl salicin. Trans. Chem. Soo. 89, 814.
8. Purdie und Rose, The alkylation of l-arabinose. Trans. Chem.
Soc. 89, 1204.
9. Purdie und Young, The alkylation of rhamnose. Trans. Chem.
Soc. 89, 1994.
10. Purdie und Paul, The alkylation of d-fruotose. Trans. Chem.
Soc. 91, 289.
IL Irvine und Moodie, The addition of alkyl halides to alkylated
sugars and glucosides. Trans. Chem. Soc. 89, 1578.
12. Irvine und Moodie, Derivatives of tetramethyl glucose. Trans.
Chem. Soc. 93, 95.
13. Irvine und Gilmour, The constitution of glucose derivatives.
Trans. Chem. Soc. 98, 1429.
14. Irvine und Hynd, Monomethyl laevulose. and its derivatives.
Trans. Chem. Soc. 95, 1220.
15. Irvine und Gihman. Constitution of glucose derivatives.
Part. II. Trans. Chem. Soc. 95, 1545.
Über den Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf
den Stoffwechsel.
Von
Guido Izar.
(Aus dem Institut für spezielle Pathologie innerer Krankheiten der
Kgl. Universität zu Pavia.)
(Eingegangen am 27. September 1909.)
Die Wirkung des Quecksilbers auf den Stickstoffumsatz
bildete den Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, aber die
ausgeführten Versuche sind mit wenigen Ausnahmen eher darauf
gerichtet, das Verhalten des Stoffwechsels bei akuter!) oder
chronischer?) Quecksilbervergiftung zu ergründen oder die Wir-
kung zu studieren, die das Quecksilber auf den Stoffwechsel
der Syphilitiker?) ausübt, nicht aber darauf, an normalen Wesen
das Verhalten des Stoffwechsels bei Anwendung von kleinen, noch
nicht toxischen Quecksilberdosen festzustellen. Die einzigen
Arbeiten, die wir über den Gegenstand besitzen, jene von
V. Böck (1) und Noöl Paton (2) über Hunde, gelangen zu
geradezu entgegengesetzten Resultaten.
Diese Gegensätze und der Wunsch, die Wirkung des Hy-
drosols und der Quecksilbersalze auf den lebenden Organismus,
wie es schon hinsichtlich der Autolyse geschehen ist, einander
1) Die Literatur über den Gegenstand findet sich in den Arbeiten
von Jablonowski (Inaug.-Dissert., Berlin 1885), von Schroeder (In-
aug.-Dissert, Würzburg 1893) und von Guttenberg und Gurber
(Münch. med. Wochenschr. 1895, 141).
2) Die einschlägige Literatur findet man in den Arbeiten von
H. Sohlesinger (Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1880/81,
Nr. 13) und v. Mering (ibidem 1878, Nr. 8).
3) Über die betreffende Literatur cf. Radaeli (L> sperimen-
tale 1900).
372 G. Izar:
gegenüberzustellen, bewogen mich, den mit verschiedenen Silber-
präparaten ausgeführten (3) Versuchen analoge mit den Queck-
silberverbindungen an die Seite zu stellen.
Zur Ausführung dieser Untersuchungen verwendete ich Hunde,
deren ständige und ausschließliche Diät in mit Kochsalzwasser gekochtem
Brot bestand. Was die übrigen Einzelheiten der Technik anbelangt und
die bei der Dosierung des Stiokstoffs in der Nahrung, in den Faeces und
im Harne in Anwendung gekommene, so verweise ich auf die oben er-
wähnte Arbeit (3). |
Die der Prüfung unterzogenen Quecksilberverbindungen waren:
HgCl,, Hyrgol, HgCl, Quecksilberthiosulfat, stabilisiertes und nicht sta-
bilisiertes Hydrosol. Um die erhaltenen Resultate einander gegenüber-
stellen zu können, verwendete ich bei den Salzverbindungen und Hyr-
gol?) Lösungen von gleichem Metallgehalte2); beim Hydrosol, dargestellt
nach der Stodelschen Methode (4), bediente ich mich folgenden Kunst-
griffes: Ich stellte jedesmal das Hydrosol in einer möglichst starken Kon-
zentration her, bestimmte gleich den Metallgehalt nach der Methode von
Rebiödre (5)?) und verdünnte die Flüssigkeit mit Aqu. dest. (oder mit
einer Lösung von 0,03°/,iger Gelatine in Aqu. deet), je nachdem das
Hydrosol stabilisiert war oder nicht), bis ich ein Hydrosol von dem-
selben Quecksilbergehalt wie die Salzlösungen erhielt. Die Injektionen
wurden in die Jugularvene vorgenommen; die injizierte Flüssigkeitsmenge
betrug stets 10 com.
$ ké
%
Wie aus den angeführten Tabellen hervorgeht,
weist die Einwirkung auf den Stickstoffumsatz im
allgemeinen für alle geprüften Quecksilberverbin-
dungen denselben Typus auf. Alle in Frage stehenden
Präparate steigern den Stickstoffumsatz, indem sie
an den der Einführung in die Zirkulation folgenden
Tagen eine mehr oder weniger beträchtliche Ver-
mehrung des Harnstickstoffs veranlassen. Der Stick-
stoffgehalt der Faeces bleibt dagegen fast unver-
ändert.
1) Das verwendete Hyrgol-Präparat (Merok) enthielt 75°/, Hg
[Hönel gibt ein wenig differierende Zahlen an (73 bis 80°/,)].
2) Die Lösungen der verschiedenen Salze wurden mit Aqu. dest.
angefertigt; Kalomel wurde in Olivenöl im Verhältnis 1: 100 suspendiert
und mit H,O emulgiert.
3) Die von Rebidre vorgeschlagene Methode gab befriedigende
Resultate; die Kontrollproben mit den Gewichtsmethoden und der volumi-
metrischen Methode lieferten nur wenig verschiedene Daten.
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 373
Die Ergebnisse dieser Versuche decken sich mit denen, die
Noöl Paton erzielte, als er an Hunden das Verhalten des
Stoffwechsels bei fortgesetzter Anwendung kleiner Dosen von
Hg, sei es in Form von Sublimat oder Einreibungen, prüfte.
Aber auch die Untersuchungen an Syphilitikern von v. Böck
[über die Versuche am Hunde, die Loewi (6) zitiert, konnte
ich keinen genaueren bibliographischen Hinweis finden] führen
nicht zu abweichenden Ergebnissen, trotzdem die vom Autor
gezogenen Schlüsse entgegengesetzt sind. In der Tat lehrt ein
Blick auf die von diesem Autor erhaltenen Werte, daß bei
einem der behandelten Versuchstiere die Stiokstoffbilanz an den
ersten 3 Versuchstagen von 0,1l auf 1,35 g Defizit im ganzen
gesunken ist, was auf einer größeren Elimination von Stick-
stoff durch den Urin beruht, die dann in der folgenden Zeit,
genau so, wie ich es beobachten konnte, durch eine Stickstoff-
retention, ebenfalls auf Kosten des Harnstickstoffs, ausgeglichen
wird. Bei dem andern Versuchstiere weichen die von v. Böck
erhaltenen Werte ein wenig von den berichteten ab.
Wenn wir dazu übergehen, im einzelnen das Verhalten
von Harnstoff und Harnsäure zu untersuchen, finden wir, daß
euch auf die Ausscheidung dieser einzelnen Stoffe
die herangezogenen Quecksilberverbindungen einen
fast gleichen Einfluß ausüben, indem sie in der Mehr-
zahl der Fälle eine beträchtliche relative und absolute Ver-
mehrung der täglich durch den Harn ausgeschiedenen
Mengen von Harnstoff und Harnsäure hervorrufen.
In diesem Punkte sind die Ansichten der Autoren etwas verschieden:
Während nämlich Noöl Paton (2) beim Hunde, Vajda (7), Ram-
bach (8), Jakovleff (9) bei Syphilitikern eine Vermehrung des Harn-
stoffs finden, stellen v. Böck (1), Poehl (10), Radaeli (11) bei Sy-
philitikern, Schlesinger (12) bei Hunden, die fortgesetzt mit kleinen
Dosen behandelt wurden, statt dessen eine Verminderung fest.
Auch hinsichtlich der Wirkung des Quecksilbers auf den Nuclein-
Stoffwechsel kommen die wenigen Autoren, die sich damit beschäftigten
(v. Böck, Vajda, Noöl Paton) zu widersprechenden Ergebnissen; aber
diese Widersprüche sind wie beim Harnstoff wahrscheinlich der von den
verschiedenen Autoren angewandten nicht immer genügend exakten
Technik zuzuschreiben;
Aus unseren Versuchen geht hervor, daß der Harnstoff
sich infolge der Injektion von wenigen Milligrammen
Quecksilber parallel dem Gesamtstickstoff vermehrt;
Biochemische Zeitschrift Band 22. 25
374 G. Izar:
nachdem ein Maximum am 2. bis 3. Tage erreicht ist, ver-
mindert sich die Menge an den folgenden Tagen, bis sie normale
oder subnormale Werte erreicht.
Schwankungen parallel denen des Harnstoffs be-
merkt man auch im Verhalten der Harnsäure; aber
in diesem Falle verteilt sich die Vermehrung auf eine
größere Anzahl von Tagen und erscheint oft nach
Aufhören des Versuchs wieder, wenn das Tier auf dem
Boden des Ausgleichs wieder angelangt ist.
Wenn wir die Ergebnisse dieser Experimente mit dem
Quecksilber denen gegenüberstellen, die wir bei früheren Unter-
suchungen über die Wirkung des Silbers auf den Stoffwechsel
erhielten, so ergibt sich, daß der Einfluß dieser beiden Metalle
auf den Stickstoffumsatz ähnlich ist.
Diese Analogien reihen sich denjenigen an, die beim Studium
des Einflusses, den einerseits Hydrosole, andererseits Metallsalze
auf die Autolyse ausüben, zutage getreten sind.
$ +
*
Wenn auch die Wirkung der verschiedenen Hg-Präparate
auf den Stoffwechsel als im wesentlichen gleichartig erscheint,
bestehen doch zwischen den einzelnen in den Versuch ein-
bezogenen Verbindungen gewisse Verschiedenheiten, sei es be-
züglich ihrer Aktivität, sei es in ihrer Wirkung auf die Stick-
stoffschlacken.
Während tatsächlich wenige Milligramme Quecksilberhydro-
sol genügen, um eine bemerkenswerte Vermehrung sowohl des
Gesamtstickstoffs im Urin als auch des Harnstofis und der
Harnsäure (die beträchtlich gesteigerte Werte erreicht) hervor-
zurufen, sind etwas größere Dosen der verschiedenen Salz-
präparate nötig, um dasselbe Ergebnis zu erzielen. Analoge,
noch deutlichere quantitative Unterschiede waren bereits von
uns auch für das Hydrosol und die Salze des Silbers (3) fest-
gestellt worden; um sie zu erklären, wurde die Hypothese auf-
gestellt, daß sich die Wirkung auf den Stoffwechsel auf das
metallische Ion beziehe und daß die Differenzen zwischen den
verschiedenen Präparaten zu der größeren oder geringeren
Leichtigkeit, mit der die Ionen in Freiheit gesetzt wurden, in
Beziehung ständen.
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 375
Wenn die Kenntnisse, die wir über die Zusammensetzung
des elektrisch dargestellten kolloiden Ag besitzen, uns erlaubten
zu vermuten, daß die Unterschiede zwischen Kolloid und Salzen
von dem Umstande abhängen, daß die Ag,O-Partikelchen, die
immer im elektrisch gewonnenen Silberhydrosol gegenwärtig
sind, sich langsam und allmählich lösen und dissoziieren, sind
ähnliche Annahmen, die sich auch für das Quecksilber auf-
drängen, zurzeit nicht erlaubt, weil unsere Kenntnisse über die
Zusammensetzung dieses Hydrosols ungenügend sind.
Eine bemerkenswerte Differenz besteht ferner zwischen
dem Silber- und Quecksilberkolloid in der Art und Weise, wie
sich die nicht stabilisierten Hydrosole dieser beiden Metalle
verhalten.
Wie seinerzeit nachgewiesen wurde, erweist sich das nicht
stabilisierte Silberhydrosol als völlig unwirksam sowohl auf den
Stoffwechsel im allgemeinen als auch auf die Verteilung der
Stickstoffschlacken. Dagegen ist die Wirkung des entsprechenden
Quecksilberhydrosols nur etwas weniger deutlich als die des
stabilisierten Hydrosols.. Die Injektionen von gleichen Mengen
von Hg, sei es in der Form des stabilisierten oder nicht sta-
bilisierten Hydrosols, rufen eine fast gleiche Vermehrung des
Gesamtstickstoffs im Urin und des abgesonderten Harnstofis
und der Harnsäure hervor; nur scheint diese letztere etwas
mehr von dem stabilisierten Hydrosol beeinflußt zu sein.
Vielleicht hängen die Unterschiede in der Wirkungskraft
zwischen dem stabilisierten und dem nicht stabilisierten Hy-
drosol des Silbers im Gegensatz zu den gleichmäßigen Resultaten,
die das stabilisierte und nicht stabilisierte Quecksilberhydrosol
ergeben, von dem Umstande ab, daß der Grad der Stabilität
der beiden Kolloide — wenn sie auch auf dieselbe Art stabili-
siert sind — ein sehr verschiedener ist: das Silberhydrosol ist
sehr stabil und läßt sich gut aufbewahren, das des Queck-
silbers ändert sich auch im stabilisierten Zustande schnell. Man
versteht also, wie zwischen der Wirkung des stabilisierten und
nicht stabilisierten Silberhydrosols beträchtliche Verschieden-
heiten auftreten können, die sich dagegen zwischen den beiden
Hydrosolen des Quecksilbers nicht beobachten lassen. Mit
diesen Anschauungen harmoniert auch die Tatsache gut, daß
die quantitativen Differenzen in der Wirkungskraft des stabili-
25%
376 G. Izar:
sierten Hydrosols und der Salze des Silbers geringer als die
zwischen dem Hydrosol und den Salzen des Quecksilbers sind.
Unter den verschiedenen zur Anwendung gelangten Salzen
erweisen sich Sublimat!) und Kalomel in den Mengen von
l mg Hg pro Kilogramm Versuchstier wirksam: in solcher Dose
steigern sie den Stickstoffumsatz und rufen eine bemerkens-
werte Vermehrung des Harnstoffs und der Harnsäure hervor.
Das Hyrgol veranlaßt eine Vermehrung des Gesamtsticksoffs im
Urin und des Harnstoffs nur in etwas stärkeren Dosen (1,5 mg
pro Kilogramm Tier); auf den Nucleinstoffwechsel übt es keinen
Einfluß aus.?)
Was die Intensität der Wirkung anbetrifft, so ist diese
beim Sublimat schnell und ausgiebig; weniger aktiv ist das
Hyrgol und noch weniger das Kalomel; was die Dauer dieser
Wirkungskraft angeht, so besitzen Sublimat und Hyrgol nur
eine vorübergehende, flüchtige, während Kalomel einen lange
anhaltenden Einfluß ausübt, der sich auf eine Reihe von 4 bis
5 Tagen ausdehnt und den man noch nach längerer Zeit in
Form von vorübergehend gesteigerter Absonderung von Stick-
stoff im Urin und von seinen Verbindungen wahrnehmen kann.
Die Wirkungskraft des Quecksilberthiosulfats ist derartig
von der der anderen Hg-Verbindungen verschieden, daß wir
es für richtig gehalten haben, es getrennt von diesen zu be-
handeln. Injiziert in gleichen Mengen (nach dem Metallgehalt)
wie die aktiven Dosen des Sublimats, rief das Thiosulfat bei
einem der Hunde (Nr. 4) keine Veränderungen im Gesamtstick-
stoffgehalt des Urins, sondern nur eine beträchtliche Ver-
mehrung der Menge der ausgeschiedenen Harnsäure hervor; bei
Hund Nr. 5 dagegen veranlaßte dieselbe Menge von Thiosulfat
eine deutlich bemerkbare Vermehrung des Gesamtstickstoffs,
des Harnstoffs und der Harnsäure schon drei Tage nach der
Injektion.
1) Es muß hinzugefügt werden, daß nicht alle Versuchstiere in
gleichem Maße auf die Injektion von gleichen Dosen Sublimat reagierten.
Diese individuellen Verschiedenheiten können vielleicht z. T. die Unter-
schiede in den von den Autoren beschriebenen Ergebnissen erklären.
2) Das Verhalten des Hyrgols ermöglicht keinerlei Erklärung, zumal
die Kenntnisse, die wir von der Zusammensetzung dieser Substanz be-
sitzen, spärlich sind.
Einfluß einiger Queoksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 377
Zur weiteren Beweisführung wiederholte ich das Experi-
ment mit stärkeren Dosen (2 mg Hg pro Kilogramm Tier) und
konnte in diesem Falle bei allen beiden Hunden feststellen, daß
die Vermehrung des Gesamt-N und der einzelnen Schlacken im
Harn nicht an dem der Injektion folgenden Tage erfolgt, wie
wir es bei den Injektionen der anderen Quecksilberverbindungen
sahen, sondern sich erst 3 bis 4 Tage später einstellt und eine
beträchtliche Zeit anhält. Dieses Verhalten des Quecksilber-
thiosulfats, auf das schon Sabbatani (15) aufmerksam machte,
als er die Giftigkeit einiger Metallsalze mit Bezug auf die Dis-
sozistion studierte, wird nach diesem Autor der Tatsache
zugeschrieben, daß das Salzmolekül in den Lösungen dieser
Verbindungen nicht in einfache Ionen, sondern in komplexe
Ionen dissoziiert, so daß sich die Ionenwirkung des Quecksilbers
(welcher seine charakteristischen pharmakologischen und toxischen
Eigenschaften zukommen) nur offenbaren kann, wenn der Ionen-
komplex sich durch Absonderung des Säureradikals in Gestalt
des Kalium- oder Natriumsalzes gespalten hat. Diese An-
schauungen erklären auch die früheren Versuche von Dreser (16),
der bereits bemerkt hatte, daß die toxische Wirkung des Queck-
silberthiosulfats viel geringer ist als die der andern orga-
nischen Verbindungen des Quecksilbers und daß man bei An-
wendung gesteigerter Dosen dieses Salzes keine akute, sondern
eher eine subakute Vergiftung erhält.
Ferner ist in der Wirkungsweise des Thiosulfats die sehr be-
trächtliche Vermehrung der Harnsäure beachtenswert, die auf
Zablen steigt, wie sie nur durch den Einfluß des Hydrosols er-
reicht wurden.
Die Tatsachen, die aus diesen Versuchen hervorgehen, lassen
sich kurz folgendermaßen zusammenfassen:
1. Quecksilber, direkt in den Kreislauf einge-
führt, sei es in Form des Hydrosols oder von Salz,
beschleunigt in ausgesprochener Weise den Stickstoff-
umsatz, indem es seine Menge im Urin bedeutend ver-
mehrt.
2. Um gleich starke Wirkung zu erreichen, sind
größere Dosen von Sublimat, Kalomel, Hyrgol, Mer-
curithiosulfat als von Hydrosol nötig.
378 G. Izar:
3. Es besteht kein Unterschied in der Wirkung
des nicht stabilisierten und des stabilisierten Kolloids.
4. Parallel der Vermehrung des Gesamtstiokstoffs
vermehren sich auch Harnstoff und Harnsäure.
Literatur.
H. v. Böok, Zeitschr. f. Biol. 5, 393, 1869.
Noël Paton, Journ. of Anat. and Physiol. 1886—1887.
G. Izar, diese Zeitschr. 1909.
Stodel, Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1907.
Rebiödre, ibidem 1908.
Loewi, Handb. d. Pathol. d. Stoffw. von v. Noorden, 2, 761.
Vajda, Vierteljahrsschr. f. Dermat. u. Syph. 1875.
Rambaoh, Arch. f. Dermat. u. Syph. 1879.
Jakovleff, These St. Petersburg 1892 (zit. von Radaeli).
10. Poehl, Monatsh. f. prakt. Dermat. 6, 1103, 1887.
11. Radaeli, Lo sperimentale 1900.
12. Schlesinger, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmak. 13, 1880/81.
13. G. Izar, diese Zeitschr. 17, 1909.
14. L. Preti, Hoppe-Seylers Zeitschr. 58, 60.
15. Sabbatani, Archiv. di Psich. Antrop. orimin. e Med. leg, 25, 1904.
16. Dreser, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 32, 1893.
Lett e EE E ët E eg
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 379
Tabelle I.
Hündin Nr. 3. Diät: Brot 450 g; destill. Wasser 1000 ccm; — 3 8-
—F Eë Faeoes Harn Di ee iz | R
Seel s
a |a J = 128 E e 2 e| : 2
E dg La enge | 3 Ae SS gQ 9 s|: ja Käy
S I133|5 (ge- NIleIls|8|s3 N- A E |S "BE zS
z 35 trock- S Le S | 8<| Bilans ; = Eisıs 215%
s8133 | ne) ar o a G ID [945195
SE | SI z
ef: Sg Igigleeniëigël |8| 8 memg
Sk 1946, ed 0,0274, Mn 8,883 8 | 24
á í -+ > |
58,4 |2,494/0,831 9705,04215,873 + 0,179 4,217 9.037 7| 2
720 5,039|5,870+ 0,1824,185| 8,968 7|
Mittelwert 6 052] | [0,831] 1,092]5,923+ 0,129|4,182| 8,962| 7| 22| 82,1 0,14
6.-7. |E33# 6,052 760 6,722]7,506 — 1,454 5,549 11,891| 33 | 99| 82,5 |0,49
1.8. |E532| n 910 6,135 —— 12.092| 31 | 92| 91,4 0,51
K v Bee =
3.0. [5327 » || 123,37/4,705 0,784] 9906,897]6.681 0,629 5,110110,967 32 | 97 86.7 0,54
wALRÉCE -, 730 5,05415,838 +0,2144, 122| 8,833 27 | 80| 81,5 0,53
11.12.1038] ` — 0,385/4,707110,087| 7| 21) 83,2 0,12
T [0,784] 5, 67916, 463|— 0,411/4,858|10,410| 27 | 81| 85,5 [0,48
12.-13. 850|5,26516,064!— 0,012/4,594| 9,845| 14 | 41| 87,2 |0,26
13.-14. 5,167[5,966/+ 0,086,4,352| 9,326 12 | 36| 84,2 |0,23
14.-15. 900 5,014]5,883.+ 0,169|3,867 8,287] 12| 36| 77,1 10,24
15.-16. 830 5,03615.835 + 0,217:4,102| 8,791) 7 | 21| 83,3 \0,14
5,138]5,937 + 0,11514,220) 9,063] 11 | 33] 82,3 |0,24
16.17.1333 om | 930/7,624]8,214/— 2,162/6,823|14,620| 37 |112] 89,4 |0,49
17.-18. $88 |, | 980 7.202|7,792— 1,740 6,739/14,441| 49 |149| 93,5 |0,68
18-19. [2285| „ 740 6,007|6,597 — 0,547 5,599 11,993| 56 |167| 93,2 0,93
19.20. 13,==| „ |l110,17514,720l0,500 610 5,004|5,594 + 0,458 4,683 10,040 61 |183| 93,5 11,21
20.-21. ek 3 815 4,102]4,692 + 1 ‚360 3, zis 7,111 30 | 90! 80,8 10,73
21.-22.|"5= | „ 910 4,532/5,122 + 0,930 3,950 8,251 25 | 75 86,9 \0,55
22.23.4182 |. 670 4,914/5,504 aen 9,344] 8| 23| 88,7 0,16
—— |, 840 4,900!5,490|+ 0,562/4,110| 8,808) 16 | 49| 83,8 [0,33
| 15,5356, 125, — 0,073]4,93510,580| 35 |106| 89,1 10,63
24.-25 6,052 6,011|+ 0,041/4,219| 9,039] 11 | 34| 80,6 0,26
25.-26 = 48,34 2, 850 5,00015,780/+ 0,272|3,870| 8,292 23| 77,4 |0,16
26.-27 Š 730 5,107]5, 8,743 24| 74,8 19,16
Mittelwert 16,052 ' 10,780] 15,112]0,892.+0,160,4,056| 8,691| 9| 27| 79,3 0,16
27.-28.|#_- 516,052 KW 870/5,099]5,960|+ 0,092|4,330| 9,278] 9| 26| 81,0 |0,18
28.20.1852 el „ 830/5,13015,991 + 0,06114,370| 9,364 8| 25 85,5 0,16
29.-30.155%°| „ | 740 5,11615,977 4 0,075 4,114| 8,815] 7| 23| 90,4 0,14
— Saz 97,32 $, wart ‚861 | | | |
8 90 +
1. Dez. HSS E| „ | 69015,139]6,000 + 0,052 4,119) 8,825] 8| 25 30,1 0,16
1..2. [53 | | 790 5,195]6,056|— 0,004 14,221] 9,044 8| 25| 81,2 0,15
Mittelwert 16059] | 10,861l 15,135[5,906/+ 0,05614,231] 9,066 8] 251 82,3 10,16
380 G. Izar:
Tabelle I (Fortsetzung).
H | F Ham |. Z
g —— I Sr së E AE s| 8
Mengo | |8|g|* |a 303l kgk
F 2 SIS list 3 [3< — —35
< S Eis
A g g g | g lemig |g g | g Imgimg S
| 6,052 24| 76,0 10,16
. „ [$ 54,6102,525/0,841| 910 20| 78,2 |0,14
, x 17| 81,4 (0,14
Mittelwert |6,052 Im 20| 78,5 0,14
+ E 860|5,897[6,646|— 0,594|4,605| 9,868] 9| 27| 78,0 |0,15
Pesa 980/6,220|6,969— 0,917/4,774|10,230| 13 | 39| 76,4 |0,21
Emay 900 6,08215,831|+ 0,2214,107/10,065| 10 | 30| 80,7 |0,20
. 8x 5,604|+ 0,4483,730| 7,893| 10 | 30] 76,7 |0,21
Bas 36| 90,0 |0,25
10.-11.[; 3 32| 91,8 [0,21
Mittelwert |6, '5,409|6,158;— 0,106:4,474| 9,687| 11 | 32) 82,7 10,20
11.-12. 715i5,250|5,967'+ 0,085|4,560| 9,772] 9| 27| 86,7 [0,15
„13. 41,17 |2,160/0,717| 91015,1115,828.+ 0,2244,044| 8,536| 6| 19| 79,1 0,12
830|5,163|5,870)+ 0,18214,212| 8,975) 6| 17| 81,7 |0,12
14.-15.13 | 1100\8,560l6,383!_ 0,331/4,632| 9,926] 19 | 87! 83,3 0,4
16.16. 73.13 |3.293'0.823] 970/6,10716,930|— 0,87814,958| 9,627| 50 |150| 81,2 (0,82
16.-17 840 5,8656,678|— 0,626.5,448|11,675| 52 |157| 93,0 10,88
17.-18. |$ 8
Mittelwert |6,05
930|5,960|6,783|— 0,731|4,268| 9,146] 23 | 68| 71,6 |0,39
15,870]6,693:— 0,641.4,827|10,345| 38 !115| 82,2 10,66
18.-19. 6,062 81016,11118,727|4 0,32514,156| 8,906] 20 | 61 81,3 0.39
19.-20. j 790'4,829|5,445 + 0,607/3,780| 8,070| 31 | 92! 78,3 10,64
20.-21. ; 850 4,27014,886 + 1,166,3,389| 7,260) 25 | 75! 79,3 0,50
21.-22. ý 990 5,251|5,867:-+ 0,185 4,015) 8,604! 29 | 86! 76,4 0,55
22.23 i 1100/4,661|5,277'+ 0,77513,660| 7,821| 6| 19] 78,3 013
à n 900 5,111[6,727 + 0,325 3,914| 8,386, 17 | 50] 76,5 0.
24..26 n [f 9%81917,39010,616| 970'4,95615,572 + 0,48013,707| 7,9431 13 | 41| 74,7 0.26
25.-26 S 700/5,15315,769 + 0,283:3,931| 8,423| 10 | 29! 76.2 10,19
26.-27 i 850:5,040)6,650)+ 0,396/4,066| 8,712| 7| 21| 80.6 0,4
27.-28 ä 845 5,167|5,783 + 0,269)4,223| 9,050 7| 21| 81,7 0,14
28.-29 $ 915/5,063|5,679 + 0,37314,043| 8,536, 8| 24| 79.8 0,16
29.-30 s 990/5,044|5,660 + 0,392|4,185| 8968| 8| 25; 82,9 '0,16
Mittelwert |6,052 |4,97115,587|+ 0,465;3,921] 8,401| 15 | 45| 78,8 |0,30
e
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 381
Tabelle I (Fortsetzung).
Quotient
(NU : N)x 100
Behandlung und
Bemerkungen
lg ze
30.-31.| Ss 870 5,035]5,912|+ 0,140 4,370, 9,364| 20 | 59| 86,7 10,40
Ma Des PDD
Tik 850/5,293|6,170 — 0,118 4,038! 8,526| 16 | 47| 76,2 |0,30
EF 910/5,095|5,972 + 0,080 4,342| 9,304| 27 | 82| 85,2 |0,53
FEE 955 5,167j6,044|+ 0,008,4,380| 9,386| 12 | 36| 84,7 10,23
Mittelwert 6,05 Tr 0,877| 16,147[6,024+ 0,028,4,282| 9,175] 19 | 56| 83,2 10,37
3.4. 600/5,06315,855|+ 0,197]4,198] 8,994| 10 | 31] 82,9 |0,20
— 800 5.02115 .813+ 0.239 4.090| 8764| 16 | 49 81.4 0.32
5.-6; | 730|5.098|5.890 + 0.162 4.112| 8.810 13 | 38| 80.6 0.26
6.7. 850/517615 968 + 0.084.4.270| 9.149! 7| 22! 82.5 |014
7.-8. 179,914 6,335.0,792| 9155.1935 985+ 0.067 4.310! 9235| 10! 3183.0 [0.19
8.-9. 9255.0145 806+ 0246 4117 8823| 6| 19| 82.1 [0.12
9.-10. 870,5,12715,919 + 0,133 4,284| 9,179| 9| 27| 83,5 0,18
10.-11. 940 5.079|5.871.+0.1814.209| 9043 6| 18| 82.8 0.12
S 1,140 5,197 — 26 | 79| 82,4 0,41
‚6,582 0 1,421 5,713 12,242 31 | 94 86,8 0,47
6,054 Ee 0,893 5,117|10,965| 28 | 83| 84,5 [0,46
‚5,448|6,339 —— 10,318 18 | 53| 88,3 |0,33
16,096|6,897|— 0,935|5,210111,165| 26 | 77| 85,4 [0,48
1200 6,301[7,192
990
1000
990
|
74,8 |3,564/0,891
15.-16. 850|4,645|5,436+ 0,616|4,009| 8,590]| 14 | 41| 86,3 |0,30
16.-17. 730 5,209|6,000 + 0,052 4,119| 8,825 14 | 42 79,0 0,27
17.-18. BO" e zeck, Zeg Aë d e N Be, | Së e
18.-19. 137,26 15,537 0,791| 870 4,844|5,635 + 04174. 100 8,786| 19 | 59| 84,6 0,39
19.-20. 920 4,605|5,396 + 0,65613,870| 8,295 9| 26 84,0 0,20
en 21 990 5,128]5,919 + 0,133 EH 9,241 17| 52 84,2 0,33
21.-2 850|5,091|5,882+ 0,17014,091) 8,770| 9| 26| 80,3 [0,18
2
DU [4,920/8,711/+ 0,34114,084| 8,750] 14 | 42| 83,0 0,28
t
22.-23.|E s2 6,082 | | 715 5,027(5,807 + 0,245/4,019 8,611) 25 | 75] 79,9 0,50
Se © ri | | |
23.-24. | 2 820 5,072]5,852 + 0,200/4,114| 8,815 30 | 91 81,2 0,59
` ag) ” IN 64,12 3,1210,7800 3 H | | |
4.2.0302 „ | | | 890/5,048]5,828 + 0,2244,219 9,039] 39 |118| 79,8 0,77
“Ho: |
gau, | 090 5,1055,885-+ 0,167/4,087| 9,258] 19 58| 80,0 (0,38
Mittelwert 6,052] ' 10,780) 15,063]5,843.+ 0,2094,108| 8,802| 28 | 85| 81,1 0,55
382 G. Izar:
Tabelle I (Fortsetzung).
)
2 F Faeces Ham | z Z
5 K E o Es Zi vw 1 P £ SI 8
g Fei Menge 3 o R + 8 E ao n = =g
SE. (ge- w| |g N- SIS x3 x
3 9% | | trock- a 4 S 3 EE Bilanz Í: 33 EISE
A g| 2 = zZ al 5 bi * D te
A Z =
7 g 8 Icm| 8 g g g jmgimg Ba:
Jan: |
26.-27. 1100/5, 176]5,974|+ 0,0784, 380 9,386) 13 | 39, 84,6 :0,25
27.-28. | 431001200 ulm keC 0104.78 8.963] 18 54; 82,8 10,36
28.-29. 8,764| 11 34 82,5 ‚0,22
Mittelwert |6, a |0,798] e —— om 195!4, 506 9,033: 14 | 12; 83,1 '0,28
29.-30 R ‚123 0,071/4,719|10,102| 35 |106| 88,8 ‘0,66
30.-31 920 5,313]6,123!— 0,071 4.680 10,029 50 |151| 88,1 0.94
31. Jan
bis
1. Febr 970 5,421]6,231/— 0, 17914, 830 10,352; 47 |140| 89,1 10,87
LS 1000|5,198|6,008 + 0,044/4,474| 9,587| 47 |142| 86,0 10,90
Mittelwert |6, 05 5,31116,121j— 0,069 4,676|10,020| 45 |135 88,0 ‚0,85
|
2.-3. 6,052 | 1100:4,798]5,648!+ 0,404:3,870| 8,295: 40 121 80,6 0,88
3.4. i 970'4,312]6,162|+ 0,890 3,613, 7,742, 21 | 63 83,8 0,49
4.-5. á 890 5,335|6,185 + 0,133 4,419, 9,459| 32 | 95| 82,8 oe
6. , 930 6, 176|6,026+ 0,026 4, 070; 8,681, 22| 67| 78,6 0,48
Ei $ 930|5,016|5,866 + 0,186,4,127| 8,606/ 28 | 84| 82,2 |0,56
8. i 790:5,15616,006 + 0,046 4214| 8,990 24| 71| 81,7
Bi , 1 8169 |11,060,0,850| 850 5,107|6,957'+ 0,095|4,130' 8,850 14 | 43! 80,8 ‚0,27
A0. 8 830 5,084|5,934j+ 0,118:4,089) 8,760; 22| 66| 80,4 |0,48
10.11. e 910/5,019|5 ‚869 + 0,183 4,119. 8,825| 12 | 37| 82,0 0,
11.-12. á 870/5,016|5,966 + 0,086|4,219| 9,039; 14| 41| 84,1
12.-13. í 930 5.156|6 ‚006+ 0,048,4,113| 8,810) 10 | 30; 79,7 0,19
13.-14. i ‚820 + 0.232'4,005| 8,582) 6| 19: 81,7 (0,12
14.-15. i 850/5,068|5,918 + 0,134!4,117 9 | 27| 81.2 10,18
8,223.
Tabelle II.
Hündin Nr.4. Diät: Brot 500 g; destill. Wasser 1000 com; Kochsalz 4 g.
i
ER
Je 28.8
e +
FIE A2?
38 = dE
Sg A Hee
AR SI z
a 18 |
1300,5,718[6,452 + 0,273'4,528 9,704
6. 1100'5,938]8,673/+ 0,062 3 E 713048
5.-6. | 5,938|6,673/+ 0,052/4,844|10,381| 26 | 79 | 81,5 0,
6.-7. 72,59 '3,66910,734 — | — 4450| 9,536 20 oi
7.-8. 9.481 24 | 71 | 95,8 0,41
4,466 9,671) 26 | 79 —
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 383
Tabelle II (Fortsetzung).
— ——— E — — EE — — — — — EEE
Kal Z
EG —373333
3 Ek 5 SS ege
9.-10.|3_ x
EE
10.-11. ETL
ch
11.-12. SC
ERD RK 1400 5,79216,614+ 0,111l4,338| 9,206 38 |114| 74,9 10,65
ERT SE 1200 5,202|6,024!+ 0,701'3,917! 8.204 29 | 87| 75,3 (0,55
6,725
Mittelwert 10,822] [5,831]6,663/+ 0,0724,623| 9,700] 41 ]124| 75,5 |0,70
14.-15. 6,725 130016,318]7,042!— 0,317|4,717|10,113| 47 |141| 74,6 |0,74
15.-16. 5 1300|5,960 6,684 + 0,041/5,181/11.103! 30 | 90] 86,9 |0,50
16.-17. „n Je 64,771/3,619.0,724|1300,5.8136,537:+ 0,188|4,844,10,381! 36 107 83,3 !0,61
17.-18. — | 1200,6,065|6.789|— 0.06415.054; 10,831 A 97: 83,3 10,66
18.-19. 990/5,897|6,621|+ 0,104|4,580| 9,814| 27 | 81| 77,6 [0,45
eg 1550:7,160]8,03 |— 1,306|6,492 ën 52 |157| 90,6 [0,72
20.21 € 1250 6,142]7,113 — 0,388 5,650|12,107, 77 233 91,9 |1,28
21.-22. SER d 94,510/4,35210,871|1320/5,307|6,178. + 0,547/4,465| 9,568 71 214 84,1 1, 33
22.-23. |. EN 1175 5,876|6,747 — 0,022 4,760110,200' 85 1255! 81,0 |1,44
23.246” S 1100:5.265[8,136|+ 0,589 4,170] 8,936 34 |101| 79,2 10,64
10,871] 18,990]6,860|— 0,136,5,107|10,943| 64 |192| 85,2 11,09
1155/6.602|6,3151+ 0,410:4,834 10,358! 35 106 86.2 |0,62
119,997|3,665 0,713|1300'5,792]6,505 + 0,220 4,243| 9,091| 36 109; 73,2 |0,62
1200 5,813/6,526'+ 0,199 4,327| 9,271! 29 | 88| 74,4 (0,47
— | — ——— | — | m, | ——— | —
15,723|6,436]+ 0,289 4,622) 9,608] 33 | 98 | 79,0 10,67
| | | Kasär,
000|6,0446,905|— 0,18015,521,11,830| 52 1155, 91,3 \0,86
peur
43,815 2,584
0,861|1200 6,48617 ,347|— 0,622 — 44 132| 81,4 0,67
A | 1380/6,002!6,863|— 0,1385,054 10,831| 17 | 52| 84,2 [0,28
Mittelwert |6,725| | [0,861] |6,177[7,038|— 0,313'5,280]11,314| 38 |113. 85,4 |0,61
384 G. Izar:
Tabelle II (Fortsetzung).
age EH
y Z
3 IE) 2 £
gd 333737—
5 D 3 2325
= RS
g ee
£ SE
)
lio — 0,30
27 | 83| 68,3 0,40
13306 21316.000 0, gie 791112,409
110,056 4,122.0,687| 350 6 2066 803 — 0,168 5,017I10,750! 33 '100 83.2 * 54
1000 5.623/6, 310|+ 0,415 4,528 9,704
1230:5, 834 6, 521+0 2044, 422| 9 416 CH Ei 75,8 0,37
1300/5 518|6,243|+ 0,4824212 9.026 28 | 84 76,3 '0,50
6,87916,666 + 0,159,4,794/10,272| 26 | 78 81,5 0,44
E
&
: 2
©
Gel
et
©
“ul
Ni?
I
©
Cp
ed
x
|
14005,73316 4874 — goe 35 |105| 73,4 *
p
10.-11. [8 së
E Pa
>
11.-12. 2 55,030 12,262)0,754]1270'5,660l6,414|+ 0,311/4,422| 9,476 31 | 92 78,1 [0,54
Sr
so
1210,5,870)6,624+ 0,101 31 | 92 ‚0,52
18,754|6,508:+ 0,217|4,317| 9,249| 32 ı 96 | 75,0 10,55
13.-14. 1800|6,00218,807|— 0,08215,170:11,079| 32 96 | 86,1 10,83
14.-15. 1380 6.00216 8071 0.082 5, 170/11.079 25 | 75 | 86.1 ‚0,41
15.-16. 090 6,002]6,807'— 0.082/5. 093 10.913 19 | 58 aan 0'31
16.-17. 1040155811638614 0. 3394,170 8,936| 21 | 62 | 74,8 ‚0,37
17.-18. 185,62 |7,243 0,806[1180:5,897|6.702)+ 0,023 4,482| 9,604 33 | 98 | 76,0 d
18.-19. 1520 5,45916,2864 +0,461| — | — |28|84| — 0,51
19.-20. 1210 5,53916,3441+ 0,381| — | 9,026 23 |70| — o Al
20.-21. 1030 5,750]6,555 + 0,170/4,412| 9,454. 31 | 93 | 76,6 [0,53
21..22 1200:5.9096,714|+ 0,01114,402| 9,433] 28 | 84 | 74,5 10.47
Mittelwert 6,728 55, 79316598 +0,12 598 + 0,127]4,630, 0,030]27] 80] 80,0 0,46
Pr 7,393|— 0,668|5,344 111,450 39 |116! 82,0 0,59
KI
-J
&
43,090 2, 631 0. 87711400 5,855]6,732|— 0,00714,212| 9,026: 39 |119| 71,9 |0,66
eem HuCl. "lioo
3
. V. 9 Uhr morg.
intravenös
= 20 mg Hg
wi 307|6,184|+ 0,541|4,044| 8 e 45 |135| 76.0 |0.67
5,592]6,769._ 0,044 4,533) 8,717] 41 |123; 76,8 :0,60
25.-26 1260 5,93916,638)+ 0,087|4,844110,381| 37 |110] 81,5 0,62
26.-27 1335 6,314|7.013'— 0 28815, 04 10,808! 37 1110| 79,8 10,58
27.-28 1470'5,561|6.260'+ 0, 465 4,233| 9 on) 61 |152; 76,1 :0,57
28.-29 1370 6,171/6,870)— 0,165,5,138.11,009| 31 | 92; 83.2 10,50
29.-30 — | — |40 120) — | —
30.-31. 164,52 16,990 0,699 1000 12916,828/- 0, Ae 27011, an 23 a 85,9 0.37
b.i.Jun! 10,478 21 | 62 85,0 0.38
1.-2. 1200 5,582]6,281 ‚er 317 10,489! 24 | 74; 77,5 10,43
2.-3. 27| 80
3.-4. 15505,815 SE d au 4,424| 9,485| 32 | 97| 76.0 oan
Mittelwert 16,725
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 385
Tabelle II (Fortsetzung).
Y Faeces Harn | Z
EC TEIGE
wg | 5 | Menge |g8|* |s2 2| $ 31313 xx
34 = ge- | N e gai glissa, N- 3 Alga
gu | | trook- © | 3 |82| Bi 5 s EIS
ER em z 8 m mi E
Sag g Leen! g |g g | g mm |) ~
Juni 18. Dë |
4.-5. Fr x 6,725 | 7,225|— 0,500|4,908'10,516' 26 | 77 | 76,6 040
Di
GT KM
6.-6. Esch „ |} 62,080 |2,48610,822|1500 67074 0,018.4,733|10,142| 32 | 96 | 80,4 [0,54
©
Sa ed
S Es
6.-7. |; S] „ 7,112 — 0,387/4,969|10,649| 26 | 77 | 79,0 |0,41
Mittelwert 16,725 8,192]7,014|— 0,289|4,870'10,435| 28 | 83 | 78,6 [0,46
7.-8. 6,725 SOEN 6,108[6,836 — 0.111:5,090!10,907| 20 ! 60 | 83,3 |0,32
8.-9. 1500 5.840|6,568 + 0,1574, 443| 9,521| 27 | 82 | 76,0 |0,46
3 67,266 |3,643/0,728/1610 5,848 6.576 z 01494536! 9721| 24 | 73 | 77.5 0.41
10.-11
1l.
Vi
gie | |
12.-13.]#5= 6,725 140015,960[6,800:— 0,175 5,475111,732| 64 |193| 91,8 0,10
EIER
Ds
13. 14 18391, | 71,613 |2,520 0,8401490|5,706|6,546.+ 0,179.4,769'10,218| 78 234 83,5 0,13
= E38
E SS
W-18laezäëi , 1510 5.909|6,749— 0,024|4,942\10.591| 91 273 83.6 [0,15
Mittelwert 16,725 IO _:5,55816,698:+ 0,027 5,062.10,847| 78 233 86,4 [0,12
15.-16. 16,725 | 1670'5,848|6,587|+ 0, 138 4,77410,229| 25 | 75! 79,7 |0,42
16.-17. f 1200 5 5,897|6,636/+ 0 en 4.802|10.290 41 |122! 81,4 |0,69
17.-18. $ — 4, 77110221 29| 88! — | —
18.-19 „ | 91,770 |6,173.0,739 1200 6.108/6,847|— 0,1225 221 618| 18 | 55| 95,1 [0,29
19.-20. $ 1610;5, 10,323 24| 73| 84,1 [041
20.-21. ý 1940 5 75616.495|+ 0230/5 054 10.831! 39 |117! 87.8 |0,67
21.-22. n 1400/5,686|6,425j+ 0,3004.422, 9,476 22 | 65| 77,7 0,38
Mittelwert 10,725 0,139) ,6,854|6,693|+ 0,132,4,860:10,426] 28 | 85 | 83,1 10,47
EE
22.-23. RER 1840 6,037|6,754.— 0,029'5,370|10,507| 35 106 91,1 |0,59
SE
23.-24. ep 6,107(6,824 5,294!11,343| 55 |165! 86,6 |0,90
55
>28
24..25.|5j25 1430 6,476|7,193|— 6,672.12,155| 40 a 87,5 |0,61
"Mittelwert 16,725 16,207]6,024) 0,190 5,445 7 43 ‚130; 71,610,
25.-26. 6,725 1540 6,848]7,452|— 13,059| 21 | 62] 89,0 |0,30
26.-27. S 1175 6,932|7,536.— 0,81116,782114,533 19 | 56| 97,8 |0,27
27.-28. f 1320 6,7657, ‚369|— 0,644,5,917112,678| 43 |130| 87,4 [0,63
28.-29. $ 1150.5,160|5,764+ 0,961/4,414| 9,458 29 | 87| 85,5 0,56
29.-30 „ [$ 157,14 |4,830.0,604|1200 5,519|6,123|+ 0,60214,219| 9,039| 25 | 74| 76,4 0,45
30. Juni
b. 1.Juli S 1140 5,760|6,364'+ 0,361/4,832|10,354| 30 | 91| 83,8 |0,52
1.-2. 1150:6,054[6,658 + 0,067 5,017|10,750| 29 | 86| 82,8 |0,47
2.-3. 970 5,865/6,469| + 0,256 4,319 9,253| 24 | 74| 70,6 0,40
Mittelwert 16,725 0,604 0,1131]6,717)+ 0,008/5,199| 11,139; 27 | 82 | 85,0 |0,
386 G. Izar:
Tabelle III.
Hündin Nr. 5. Diät: Brot 350 g; dest. Wasser 800 com; Kochsalz 2 g.
= 2 2
28 3 2|.8
g |88 218 xx
3 53% SIS ere
Ek ei Se es
April
27.-28. 4,707. 610'3,791|4,464 + 0,243]1,966| 4,213| 25 | 75| 51,8 10,66
28.-29. , — + 0,2011,685 3,611|22| 67| 43,9 0,59
SEH > 68,962:2,692!0,673| 740 3,9594 632 4 0,075 1,938| 4,153] 24 | 74| 48,9 0,61
1. Mal 700'3,79114 w 0,24312,050| 4,393! 21 | 64! 54,0 Ka
Mittelwert 4,707 | 10,673] 13,84314,516+ 0,191j1,900| 4,090; 23 | 70] 49,6 :0,60
F- 800'4,52815,153'— 0,446'2,527| 5,414. 58 |173] 55,8 |1,31
SC
EPER 3,229: 6,918! 56 |166! 80,7 11,40
a 3
ee. 70014,14214,767|— 0,060'2,822! 6,086! 50 |150! 68,1 *
Ei:
et
&
2
®
4
E
“Xa
el"
I
| 10,625| 14,22414,849— 0,142]2,850| 6,125| 55 |164| 67,6 |1,30
680 4,28215,028;— 0,321;2,797| 5,992| 11 | 34| 65,3 0,26
700 3,53814,284|4 0,4231,825| 3,910| 32 | 95] 51,5 10,90
| 91014,17014,916/— 0,209 2.966] 6,327| 35 |106! 71,1 10,84
75,176,4,476/0,746| 850 4,131|4,877|— 0,170 2,514 5,182] — | — | 61,5 | —
860 3,791|4,537 + 0,170.1,386| 3,970| 13 | 38! 36,5 0,34
900:4,001|4,747|— 0,040.1,966| 4.213| 22 | 66| 49.1 10,55
— 3,985|4,731|— 0,024.2,248| 4,817| 38 |113; 61,4 10,95
| 32,399/1,874:0,625| 60014,001 0,081
10.-11.18 g 4,707 600|3,74914,390|+ 0,317/2,106! 4,513|27 | 81] 53,7 !0,72
SH?
11.-12. PET S 34,240 1,923|0,641| 800:3,58014,221|+ 0,486'2,948| 6,315| 31 | 94| 82,3 |0,87
99-8
>o si |
12.-13. Sar 660'3,78714,428!+ 0,279) — | — |23| 70! — 10.61
13,706|4,346 + 0,361;2,527| 5,414| 27 | 82; 68,2 0,73
13.-14 700j4,14214,809|+ 0,102/2,246]| 4,813| 31 | 94; 64,1 0,8
14.-15 3,731) 34 103 48,6 '0
15.-16. 750 3.861 4,528 +0.1791.944| 4164| 19 | 56 50,3 Ken
16.-17. 4,213 19 | 57, 52,6 0,51
17.-18. 106,94 [6,006 0,667| 680 3,650|4,317 + 0,390.2.246 4,813) 17 | 50, 61,5 0,47
18.-19. 720 3,650|4,317,+ 0,390 2,246 4,813| 24 | 73! 61,5 '0,66
19.-20. 730 3,972|4,639'+ 0,068 2,246| 4,813| 28 | 85' 61,5 0.70
20.21. 670 3,65014,317 + 0,390 1,938. 4,151| 20 60) 53,1 0,55
810 3,650|4.317'+ 0,390/1,966| 4,213| 26 | 78' 53,8 0,71
13,76614,433.+ 0,274]2,062| 4,418 24| 73| 54,7 0,61
Mittelwert |4,707
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 387
Tabelle III (Fortsetzung).
rg ei
g A
38 È s| 8
$ 388 dë:
5 is 3 213
FE E S ZSZ
& 8 es LG
TA Si 2
ra mg
ES u 4,707 5,977 35 |104| 65,8 0,83
gag
kb oa Pë
Geff - 4,573! 50 |150] 48,4 1,13
A
a s 2 1,03
5,226] 41 |122] 60,3 |1,00
25.-28. 660|3.580]4,233/+ 0,474|2,134| 4,573| 26 | 79] 59,6 |0,73
26.-27. 810 3,931 1.584 4 0,123/2,246| 4,813] 34 1101| 57,1 |0,86
27.-28. 850 4,28214,935|- 0,228|2,808| 4,515| 28 | 84| 65,5 [0,65
28.-29. 620|4,22614,879|— 0,172/2,425| 5,197! 28 | 84| 57,3 |0,66
29.-30. 7104,2264,879!- 0,172)2,668| 5,718! 32 | 97| 63,1 0,76
30.-31. Zee e E EE ee e
31. Mai
bis
6003,72114, 374 4 0,333|1,614| 3,451| 25 | 74| 44,3 |0,67
600|3,44014,093|+ 0,614/1,598| 3,425| 28 | 85| 46,4 0,81
69013,510|4,163|+ 0,54411,780| 3,815| 26 | 79; 51,9 [0,74
'3,661]4,517)+ 0,1902,196| 4,706] 28 | 85| 56,8 |0,72
a g 14,707 730|4,33114,894|— 0,187|2,948| 6,315! 23 | 71| 68,0 063
S Së
8 Ka e
F ai 2 800/4,650|5,213'— 0,506 2,808| 6,018| 22 | 65| 60,3 |0,47
O mO
EEE
A- 800|4,02914,592|+ 0,115/2,864| 6,137| 22 | 67| 71,1 [0,55
| 10,568] |4,337|4,900— 0,193|2,873| 6,167|22| 67| 66,2 0,51
7.8. 1010|3,707|4,285|+ 0,412|1,933| 4,142| 25 | 74] 52,1 |0,67
8-9 770 3,1693.747 + 0,96011,727| 3,701| 32 | 95| 55,3 11.13.
9.-10. 51,308|2,939/0,588| 540|3,29913,837 + 0,820 1,587| 3,401) 24 | 72| 48,1 10,73
10.-11. 750:3,798[4,386 + 0,321|1,808! 3,874| 26 | 78| 47,6 0,68
11.-12, 650|3.84214.430|+ 0,277|1,946| 4,170| 26 | 78| 50,6 |0,68
Mittelwert 14,7 10,588) |3,561|4,149;+ 0,558]1,800| 3,857| 26 | 79| 50,5 |73,0
12. 13. 383 [4,707 1070!3,65814,373|+ 0,334|2,026| 4,343| 30 | 90| 69,7 |0,82
EEE
13..14. [5 SCH „ |} 22,89 |2,14510,715| 670/3,8064,520.+ 0,18711,968| 4,213] 54 |161| 51,6 11,35
14. 15. à23 * 5903,87814, 63034 0,114|1,825| 3,921] 60 |181| 47,0 |1,5%
Mittelwert 14,707] | 0,716) 13,780]4,405|+ 0,212]1,930| 4,166] 48 |144| 61,3 11,26
388 G. Izar:
Tabelle III (Fortsetzung).
rg
ES s| 2
Pi o Mja u
SE S VIE x
ck: S EIS
He 045,95
Ë- ba CG
Sé “|
oct 142|4,745 — 0,038/2,303| 4,935| 14 | 42, 55,6 0,34
1015/4,401|5,004|— 0,29712,780 5,968| 18 | 55: 69,4 |0.45
830) > an 31| 94) —
4,212l4,815 — 0,108'2,527| 5,415| 37 |110] 60,0 10,88
EE 800.3 7211924 4 0,383 2.688 6.718|27 | 82| 71,7 10,73
860 3,791|4,394 + 0,313]1,996 4.277\21| 64 51,8 10,56
700|3,959|4,562|+ 0,145:2,085| 4,468] 22 | 66: 52,6 0.56
10,603] _14,038j4,641j+ 0,066|2,393; 5,126 24 | 73| 59,2 ;0,59
22.-23. 3 F E vm 1230,3,760 4,400|+ 0,307|1,902| 4,076 27 | 82) 50,7 0,72
FE
23.-24. = 535 * 68,17 |1,95010,650| 680 3, 86114, 53114 0,19611,685! 3,611| 32 96 43,6 10,83
24. 25.3 2 770.4,72115,371/— 0, 664 2, 2461 4,813| 56 168| 47,6 |1,18
4,111[4,761/— 0,054|1,944| 4,162| 38 |115| 47,6 10,93
920/4,601|5,175|— 0,468]1,966| 4,213] 50 |151; 42,7 11,08
930/4,580/5,164|— 0,447/2,527| 5,415| 34 |102. 55,1 '0,74
796 4,980|5,554 — 0,847 2,527| 5,415] 42 1126 63,4 0,84
1,966| 4,213| 21 | 61 56,0 0,60
85014,299|4.873|— 0,166.2,106| 4513| 24 | 73: 48,9 0,56
000,3,79114.365 + 0,342 1,908 4213| 21 | 63 51,8 0.55
630/3,51014,084! 1685| 3.611125 | 74| 48.0 0.
14,098[4,672 + 0,036 ,2,088| 4,475) 37 |102; 54,8 0,90
620 5,313|6,041|— 1,33418,246| 6,956] 57 |172 61,1 11,07
|
T 5,540/— 0,833|3,246| 6,956 37 112 67,4 WOU
730j3,412]4,140'+ 0,567|2,324| 4,980| 31 | 92; 68,1 m
700,3,510|4,084'+ 0,623|1,966| 4,213' 82 E 56,0 2,23
5 mg Hg
Occm Hg-Hydrosol
3.VII. 9 Uhr morgens
1
cht stabil. intrav.
Mittelwert 14,707 RK _14,51216,240/— 0,633:2,938| 6,206] 42 1125] 65,1 10,93
6.-7. 4,707 — 0,084/3,017| 6,465] 34 |101 72,5 0, s1
7.-8. R 690 3.791|4,403 Geng 5616| 49 Dag 70.4 (E
8.9. S 850'4:001|4,613!+ 0,0942,312| 4,955| 27 | 83: 57.7 0.67
9.-10. ” je 59,79113,672 0,612] 740 3/67814.290 + 0.4172 GC 4.445 14 | 43 56,3 '0.38
10.-11. ,, | 810} — — Bon 4,288 23 | 70, — | —
11-12. ` 870 3,86814,4804 0,22711.849| 3.963 24 | 73! 47.8 0.62
Mittelwert 4,707] 13.899|4,511;+ 0,196 2,320] 4,972) 20 | 86 59.5 0,75
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 389
Tabelle III (Fortsetzung).
Ki Faeces Harn ' 2 Z
SR Z | - 1%
Z E ;
BEA E RSE IE HN:
$ 15% | | trock- N ER 82 Bilanz > S
aal g 8 8 8 Icem| 8 g 8 g mgm
Juli
12.-13. $ a 4707 750 14,97015,489 — 0,782|3,145| 6,740| 48 |145| 63,2 |0,96
EHI
13.14. [3582| „ Jr 30,217/1,657/0,519] 840,6,79116,310.- 1,603]3,700] 8,122) 71 |212| 65,4 |1,25
Wi
m
14.-15.|5e® | „ 630 4,721|5,240,— 0,533|3,413| 7,314| 36 |109] 72,3 10,76
Mittelwert 14,707 | _10,510/ [6,161j6,680,— 0,973,3,440| 7,301| 52 |155| 68,8 |1,00
16.16. 670|3,159[3,629|+ 1,07812,319| 4,970] 39 |117] 73,4 |1,23
16.-17. 43013,6504,120|+ 0,587'2,814| 6,030| 31 | 92| 77,1 10,95
17.-18. 6603,86114,331'+ 0,376.2,117| 4,637| 28 | 84| 54,8 |0,74
18.-19. 660 3,650|4,120)+ 0,5x7 2,011! 4,310) 19| 58| 55,1 10,52
19.-20. 620 3,721|4,191/+ 0,516 1,715 3,675| 22 | 65| 72,9 |0,59
20.-21 710,3,678|4,148|+ 0,559/1,994| 4,273! 26 | 79! 54,2 [0,70
710,3,777|4,247 + 0,460|2,003| 4,292| 27 | 81| 53,0 |0,71
Mittelwert |4,707 13,642|4,112+ 0,505.2,130| 4,534] 27 | 82| 63,6 10,74
5 „[6707 | 900|4,159]4,772]— 0,065|2,470| 5,293] 33 n 59,4 10,79
ir „ [N 27,31 |1,830'0,813] 600.4,370l4,983|- 0,27612,5643] 5,150 33 | 99| 56,8 [0,75
EU | BR ,827'— 0,120|2,613| 6,600' 27 | 80| 60,6 |0,64
Mittelwert 14,707] | 0,613] |4,248]4,861i— 0,164 2,512) 5,418] 31 | 93, 59,9 |0,73
25.-26. 14,707 630'4,009|4,558!+ 0,149|2,314| 4,959| 38 |114] 57,7 |0,94
28.-27. 8 540 4,20814,757|— 00509 003 4,292| 39 |117| 47,6 ‚0,92
27.-28. : 690|3,714|4,263|+ 0,44411,638| 3,510] 27 81 43,1 |0,72
28.-29. iR 680,3,79114,340/+ 0,3671,945| 4,168) 43 |129| 50,4 1,13
29.-30. „ Ir 79,84 |3,8430,549| 715.4,40914,958|— 0,251/2,544| 5,452! 19 | 57| 57,7 ‚0,43
30.-31. 820 3,31213,861 goe wg 4,213| 34 1102| 59,4 |1,02
31. Juli
— , 650|3,749|4.298|+ 0,409'2,108| 4,513! 24 | 72) 56,1 10. 64
Mittelwert |4,707] | 10,549
Biochemische Zeitschrift Band 22. 26
390 G. Izar:
Tabelle IV.
Hündin Nr. 3.
Dauer Ge- Ge- Ge- Ge- "e;
der samt- |samt-| samt- | samt- samt- | samt-
Periode| Ge- [N-Ein-|N im | N im |N-Aus- Un | UN 8| S
in | wicht | fuhr | Kot | Harn | fuhr | RL SS dä
Tagen Bilanz + — x x
nıns|ın|Nn UN | UN | SlslSls
pro die | pro die | pro die | pro die pro die | pro die +i IP
a g g g g g g mg
3
; 18,156 2,494 15.276 17,770|+ 0,386|12,547| 21
Vorperiode |3. Nov.116,200| Gos20,831| 5,092] 5.923] + 0,128] 4,182] 7 | 81] 14
pa He (Versuchs-| 6 36,312|4,705 34,074 38,779|- 2,467|29,149| 162
de) | periode |6.-12. [16,990] 6'05210,784| 5,679| 6.463] - 0,111] 4,858 27 | 855 | 0,48
nicht sta- ) Nach- 4 24.208 3,196.20,55223,748|+ 0,460|16,915| 44
bilisiert | periode |12.-16.116630| 6'0520.799 5.138, 5.937|+ 0.115] 4.229 11 | 823 024
Hetto (Versuchs-| 8 48,416 4,720 44,280 49,000|— 0,584139,482| 360
dsg, | periode |16..24.[16:100| 6.052 .0,590 5,535; 6,125|-0.073| 4,935) 35 | 891 | 963
stabili- | Nach- 3 18,156 2,342 15,336 17,678|+ 0.478|12,169| 27
siert | periode [24..27.115;900| oosgo 2e0 5.112 5892+ 0.160] 4056! 9 | 793 | 0,16
Versuchs- | 5 30,260/4,304 25,675 29,979|+ 0.281j21,154| 40
Hyrgol, | periode |27; Nov-|15,880 6'052 0, pan 5.135 5.996|+ 0,056] 4231| 8 | 873 |016
geringe |
Dosis | Nach- | 3 be oaen — 625 15,276 17,801|+ 0,365112,006| 21 | 785 014
periode | 2.-5. |15. we) '841| 5.092 5.933 0.119| 4.002 7 |785|%
Versuchs- | 6 36,312.4,494 32,454 36,948|— 0,636126,698| 66
Hyreol, | periode | 5.11. 16,230| 6.052.0,749 5 409 6,158|- 0,106] 4,474| 11 82,7 | 0,20
8 e
Doni Nach- | 3 18,156 2,150/15,513 17,663|+ 0,493|12,816| 21
ms | periode |11.-14.[15:900| g05210,717| 5.171) 5880| +0,164| 4272] 7 | 826/014
ersuchs- 24.208 3,293 23,480 26,673|— 2,465|19,307| 152
Del, | periode |14.18 15,830] 60520823 5.870 egal 0,641| 4827|) 38 | 8%? | 9,66
8 e
Dosis | Nach- | 12 | e 110|72,624/7,390 59,656 67,046|+ 5,578]47,059| 180 | „gg 03
periode |18.-30 6.052 0,616 4,971, 5587+ 0408 3,921] 15 | ‘991%
Versuchs-| 4 24,208 3,508 20,590 24,098|+ 0,110|17,130| 76
HgCle, | periode |30; Dez{16,340 6'052 0,877, 5,147 6.0244 0.028] 4282| 19 | 892 | 997
geringe
Dosis | Nach- | 8 48,416 6,335 40.771/47,106|+ 1,310133,590| 80
periode | 3.-11.|15810| 60520792 5.096 5888+ 0.164] 4198) 10 | 32:3 | 020
Versuchs- 4 24,208 3,564 — — 3,741|20,841| 84
Det), | periode |11.-15 15,900) 6'052 0.891 6 096, 6,897|— 0,935] 5,2101 26 | 554 0,43
starko
Dosi Nach- | 7 42,364 5,537 29,522 35,059|+ 7.305|28,586| 98
“U periode Ia al) 6,052 0,701, 4,020 Ain 0,941] aosa) 14 | 990/078
|
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 391
Tabelle IV (Fortsetzung).
Ge-
samt- |samt-
24,208 3,121 20,252 23,373|+ 0,835|16,439
26*
ersuchs- 112
Bech, | periode |? Zo BT) 6,052,0,780 5,063, 5,843|+ 0,209] 4,108 28 | 9110,56
SC p Nach- 3 fig 100/181562394| 5,176/17,570|+ 0,586|12,648| 42 83,1 | 0,28
periode [26.-29. | > 6,052 0,798 GH 5,857|+ 0,195] 4,206| 14
ersuchs-| # "pe ec bi Ces 18,703 180
HgCh,, | periode Er šan 16,00 | 6,052\0,810| 5,311, 6,121|- 0,069] 4,676 45 | 880 |085
ne Nach- | 13 Jus 990|78,676 11,050 65,313/76,363|+ 2,313 53,105 247 | 13038
periode | 2.-15. UN ,052/0,850| 5,024 5,874|+ 0,178| 4,085) 19 dei i
Tabelle V.
Hündin Nr. 4.
Ge- | Ge- Ge- -
samt- |samt-| samt- -
N-Ein-| N im! N im | N-Aus-
fuhr | Kot | Harn
Fame
pro die | prodie | pro die | pro die
g 8 g |
u 7- E — — |
33,625 3,669 29,090 32,759|-+ 0,866[22,700 120
— Am x 6,725 0,734 5818 6,552|+ 0,173 4,540 24
Hg-Hy- (Versuchs-| 5 Le „09[33,625.4,112129,155.33,267|+ 0,358|22,615| 205
drosol, | periode | 9.-14.|°”” | 6,725 0,822| 5,831| 6,653|+ 0,072] 4,523| 41
nicht sta- ) Nach- 5 23 000|33,625 3,619 30,045 33,664|— 0,039]24,375| 170
bilisiert | periode |14.-19.|”” | 6,725 0,724) 6,009 6,733|— 0,008| 4,875! 34
Hg-Hy- ersuchs-| 5 23.100 33,625 4,352 29,950 34,302|— 0,677|25,535| 320
J periode |19..24.|°° | 6,725.0,871| 5,990 6,860|— 0,136 5,107 64
stabili- | Nach- | 5 Jos 600022. 625 3,565 28,615 32,180|+ 1,445|22,610 165
siert periode |24.-29. |” 6,725 0,713 5,725| 6,436|-+ 0,289] 4,522) 33
ersuchs-| 3 20,175 2,584 18,531 /21,115[- 0,490|15,840| 114
Deh, | periodo kA 23,500) 6,725 0,861 6,177, 7,038|— 0,313] 5,280 38
|
Dosis | Nach- | 6 ee „09140,350 4,122 35,274 39,396|+ 0,954|28,764| 156
periode | 4.-10.|°” N 5,879) 6,566|+ 0,159] 4,794 26
|
ersuchs-| 3 20,175 2,262 17,262|19,5241+ 0,651[12,951 96
Hei, | periode |10..13.|7%000 6.725 0.754 5,754 6,508|+ 0,217] 4,317] 32
Doss | Nach- | 9 Leg 100160,525 7,243 52,137 59,330|+ 1,145|41,751| 243
periode |13.-22. |>= | 6,725 0,805, 5,793, 6,598|+ 0,127] 4,639| 27
392 G. Izar:
Tabelle V (Fortsetzung).
——— —— — —— — — — ———— ——— — — — ———————————————————————
Ge- Ge
Dauer Ge- Ge- Ge- Ge- F
der samt- |samt-| samt- | samt- eg samt- e e
Periode) Ge- |N-Ein-|N im| N im | N-Aus- UN | UN = 2
in wicht fuhr | Kot | Harn fuhr N- X X
Tagen veel Bis) A — z *
N N|ı N N UN | UN Le Le had
A pro die | pro die | pro die | pro die pro die | pro die
uani e g g g g g mg
3 j
Versuchs- 20,175 2,631 17,676 20,307|— 0,132|13,599| 123
HgCl, | periode | rn Mail22,80 | 6,725 0,877| 5,892 6,769-0,044| 4.533] Au | 768 | 0,68
|
— Nach- | 10 67,250 6,990 59,070 66, 0604 1,190|47,700| 320
periode |25; Mai) 6,725 0,699 omg 6606+ 0.119] 4,7701 32 | 8970,54
ersuchs-| 3 20,175 2,466 18,576 21,042] 0,867|14,610| 84
Hyreol, | periode | 4.-7. |7999 6,725 0,822 6,192 7,014|-0,289] 4,870) 28 | 7S6 | 0,45
StAaTKe |
Dosis | Nach- | 5 33,625 3,643 29,555 33,198|+ 0,427] 3,955| 125
© | periode | 7.12.7700] 6,725 81,0 | 0,42
0,728 — 6,639|+ 0,086] 4,791| 25
Hg-Thio- [Versuchs- | 3 20,175.2,520 17,574 20,094|+ 0,081[15,186| 234
Zog periode |12.-15. 22,900| 6725 0,840 6,858) 6,698|+ 0,027] 5,062) 78 86,4 | 0,13
e |
eringe ? | |
gering Nach 3 Wë 23,100 47,075 5,173 40,978 46,151|+ 0,924|34,062| 196 83,1 | 0,47
Dosis | periode 6,725 0,739, 5,854) 6,593|+ 0,132] 4,866 28
Thio- [Versuchs-| 3 20.175 2,150|18,621 20,771|— 0,596|16,335| 129
—— periode |22..25. |7000 6,725 0,717 6.207. 6.924|- 0.199] 5,445) 43 | 716 | 0,69
starke Nach- 53,800 4,830 48,904 53,734|+ 0,066|41,682| 216
8
Dosis | periode |25; Jr 6,795 0,604 6,113) 6,717|+ 0,008] 5,190) 27 | 501944
Tabelle VI.
Hündin Nr. 5.
18,828 2,692 15,374 18,066|+ 0,762] 7,639
INS 3,843 4,516|+ 0,191} 1,909
14,121/1,874 12,671 14,546|— 0,426| 8,578
= periode — 4224 4,849|— 0. 1421 2,859
e |
Dosis Nach- 22,242 4,475 23,913 32,389|— 0,144|13,486 61.4 | 0.95
periode 4,707 0,746 3,985 4,731|— 0,024| 2,248
ersuchs-| 3 14,121 11,923 11,116 13,039|+ 1,083] 5,054 73
Dei, | periode |10.13. 4.707 0,641 zw 4.346|+ 0,361| 2,527 0,
e l
SDosis | Nach- | 9 |10.900142363 6,006 33,893 39,893]+ 2,48618,540 WK
periode |13.-22.| > | 4,707 0,667 3,766 4,433|+ 0,274] 2,062 >
Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 393
Tabelle VI (Fortsetzung).
Ge- Ge-
Gelee er samt- | samt-
Periode| Ge- [N-Ein-|N im| N im |N-Aus- un UN] 2|3
— wicht | fuhr | Kot | Harn | fuhr — — 7
N N N N UN | UN Aa] lb
pro die | pro die | pro die | pro die pro die | pro die
Daiam| kg e g g g g mg i
3 | |
ersuchs- 14,121 2,265 12,432 14,497|— 0,375| 4,920) 122
l» j periode 22. Mai [10,400] 47070755. 4077| 4.832|— 0.125| 2460) 41 | 693 | 4,00
Dee Nach- 47,070 6,528 30,916 36,140|+ 1,900|17,273| 227
periode |25: Mai |11,100| 4'70710,653| 3,864| 4,517|+ 0,190] 2196| 28 | 588 |072
Versuchs-| 3 14,121/1,689 13,000 14,699|- 0,579| 8,620| 67
Hyrgol, | periode | 4.-7. 10,800] 4’707.0.563| 4,337, 4.900|- 0.193] 2873) 22 | 662 | 9,61
starko
Dosis | Nach- | 5 23,535,2,939 17,805.20,765|-+ 2,790| 9,001| 133
periode | 7.-12.]19200| 4,70710,588 3.561, 4,149|+ 0,558| 1,8001 26 | 995 | 7,30
Ho-Thio- [Versuchs- 3 14,121)2,145 11,341/13,486|+ 0,636] 5,817] 144
Zeg riode Ha 1 19600] 47070715 3.780 44951+0212 1939! 48 | 513] 1,26
sulfat, pe
geringe 1 Nach- | 7 32,949 4,221 24,226 26,844|+ 0,462|14,359! 170
Dosis | periode [15..22. 10800 4707 0,603| 4,038| 4,641|+ 0,066] 2393) 24 | 592 | 969
-Thio- [Versuchs-| 3 14,121 1,950 12,332|14,282]— 0,162] 5,833| 115
er periode |22,.25. 19900] 4'707 0.650! 4.111 4.7611 0.054] 1,944 38 | 476 |093
starke Nach- 8 37,656 4,590 32,781 37,393|+ 0,280|16,709| 299
Dosis | periode 125, Junij10,700| 4'707 0,574] 4,098 4,672|+ 0,035] 2,088] 37 | 548 | 990
pe, (Versuchs-| 3 14,121 2,185 13,537|15,721|- 1,599] 8,816| 125
periode | 3,.6. [11100] 470710728 4,512) 5.240|-0,533| 2,938 42 | 651 |093
nicht sta- | Nach- 6 28,242 3,672 19,497 22,557|+ 1,176|13,923| 171
bilisiert | periode | 6.-12.|1%900| 4'707 0012 3,899) 4.5114 0.196] 2,320) 29 | 995 | 975
Ho-Hv. (Versuchs-| 3 14,12111,557 15,482 17,039|- 2,919|10,348| 155
E | periode |12..15. [9700| 4,70710,519 5,161| 5,680] 0,975| 3,4491 52 | 668 | 1,00
stabili- Nach- 7 32,948|3,291 25,496 28,786|+ 4,165[14,973| 192 š
siert riode |15..22, 19900] 47070,470| 3,642 4,112]+ 0,595| 2,139, 27 | 636 |074
pe
Versuchs- | 3 14,121 1,839 12,743 16,582] 0,462] 7,626) 93
En j periode |22.-25. ui 4.707 0,613 4,248 4,861|— 0,154] 2,542, 31 | 9991073
3 6 |
Dosis Nach- | 7 32,948 3,843 27,19231,035|+ 1,918|14,517) 224
periode |25. zu [10,500 4,707 0,549) 3,884 4,433|+ 0,274| 2,074 32 53,4 | 0,82
b.1.Aug.
Schnelligkeit der Absorption des Strychnins in
Gegenwart von Kolloiden.
Von
J. Simon.
(Aus dem Pharmakologischen Institut der Kgl. Universität Parma.)
(Eingegangen am 28. September 1909.)
Mit 1 Figur im Text.
I.
In der Absicht, den Einfluß der Kolloide auf die Absorp-
tion der Arzneimittel zu studieren, habe ich als Arzneimittel
Strychnin gewählt, welches eine sehr charakteristische und aktive
Wirkung in kleinen Dosen hat und eine große Genauigkeit in
den Untersuchungen erlaubt.
Es ist allgemein bekannt, daß einige Substanzen mit den Kolloiden
chemische Verbindungen eingehen, man weiß auch sehr wohl, daß in diesem
Falle die Absorption der ersteren Hindernissen begegnet, und daraus kann
man für den Gebrauch von Gegengiften Nutzen ziehen. Über diesen
Punkt ist es also nicht nötig, neue Untersuchungen anzustellen, und ich
beabsichtige mich auch nicht damit zu befassen.
Andere Substanzen dagegen gehen keine chemischen Verbindungen
mit den Kolloiden ein, aber es steht fest, daß zwischen Kolloiden und
Arzneimitteln Adsorptionserscheinungen eintreten können, und es wird
ebenfalls zugegeben, daß die große Viscosität der Kolloide der Bewegung
der Moleküle und der Ionen im Wege steht.
Ich habe mir nun vorgenommen zu untersuchen, ob die
Kolloide aus diesen physikalisch-chemischen Gründen imstande
sind, die Absorption der Arzneimittel aufzuhalten, unter denen
ich aus den obengenannten Ursachen das Strychnin gewählt habe.
Dieses Studium erscheint mir sehr angebracht, da die wenigen
Angaben, die man hierüber in der Literatur findet, einander
J. Simon: Absorption v. Strychnin in Gegenwart v. Kolloiden. 395
widersprechen,!) und da der Zweifel nicht ausgeschlossen ist,
daß ungeeignete experimentale Bedingungen frühere Forscher
gehindert haben, genaue Resultate zu erzielen.
Zum Beispiel habe ich in meinen z. T. noch schwebenden
Untersuchungen über den Einfluß der sauren und alkalischen
Reaktion des die Arzneimittel enthaltenden Mediums auf die
Schnelligkeit der Absorption derselben gefunden, daß die Reak-
tion des Mediums eine sehr große Bedeutung hat — und ich
werde dies noch im Laufe dieser Arbeit beweisen, wenn es sioh
darum handelt, die Arzneimittel auf peritonealem Wege oder
subcutan einzuführen.
Nun hat sich niemand bisher damit beschäftigt, und es
ist daher augenscheinlich, daß die Versuche auf suboutanem
Wege mit kolloidalen sauren oder alkalischen Lösungen, die in
der Literatur bekannt sind (ich kenne keinen Versuch auf peri-
toneslem Wege), in hohem Maße ihren Wert verlieren.
Hinsichtlich der per os ausgeführten Versuche lohnt es
sich zu beachten, daß es schwer ist, den Einfluß des Kolloids
von dem Einfluß des Verdauungsprozesses zu unterscheiden,
wenn man mit Kolloiden im Verdauungstrakt experimentiert.
Der Verdauungsprozeß hält die Absorption an und für sich
und auch noch dadurch auf, daß er die absondernde Tätigkeit
der Verdauungsdrüsen verändert. Gerude deshalb scheint für
solche Art Untersuchungen dieser Weg von allen vielleicht der
ungeeignetste zu sein.
II.
1. Experimentelles.
Ich gebrauchte immer Frösche und bei jeder Serie von Versuchen
Tiere, welche an demselben Orte und am gleichen Tage gefangen waren;
ihr Gewicht schwankte zwischen 15 und 25 g. Diesen spritzte ich auf
peritoneslem oder subcutanem Wege in ihrem Körpergewicht entsprechen-
den Quantitäten Lösungen (in Wasser oder kolloidem Medium) von
Strychninum muriaticum zu 0,02°/, ein. Die eingespritzte Quantität war
1) H. Tappeiner, Über die Wirkung der Muoislaginosa. Archiv
intern. de Pharmacod. et de Therapie 10, 1902. — A.R. Hatoher, The
effect of colloids in diminishing the toxicity of strychnine. Amer. Journ:
of Pharmacy 74, 1902. — R. Luzzatto, Intorno all’influenza dei oolloidi
sull’ assorbimento dei farmaci. Archivio di Fisiologia 2, 1905, 3, 1906;
4, 1906.
396 J. Simon:
beständig 1 com auf je 20g des Frosches: die in Anwendung gebrachten
Kolloide waren Eiweiß, trocknes Eialbumin Merck, lösbare Stärke Kahl-
baum, Gelatine, Gummi arabioum.
Die Einspritzungsflüssigkeit wurde nie erwärmt. Die Temperatur
der Atmosphäre schwankte zwischen 16 und 20°.
Immer überzeugte ich mich von der Güte der Froschgruppe, über
die ich verfügte, mittels einer Reihe von Versuchen mit einer wässrigen
Strychninlösung, und ich machte keinen Gebrauch von den Tieren,
wenn die Maximalzeit des Auftretens das Doppelte der Minimalzeit über-
schritt.
Gleich nach der Einspritzung wurde der Frosch unter eine Glas-
glooke in wenig beleuchteter Umgebung gesetzt, dann schlug ich alle
10 Sekunden leicht auf den Tisch, worauf sich das Tier befand, bis es
in Krampf verfiel. Durch diese in gleichen Zwischenräumen wiederholten
Reizmittel suchte ich genau den Augenblick festzustellen, in welchem die
absorbierte Strychninquantität die mindestgenügende war, um den Grad
der Reflexreizbarkeit zu bewirken, die geeignet ist, den Stryohninkrampf
bervorzurufen. Alle meine Versuche beruhen daher auf der geringsten den
Krampf hervorrufenden Dosis.
2. Versuche auf peritonealem Wege.
a) Eialbumin. Ich habe schon oben bemerkt, daB es
mir nach im Gange befindlichen Untersuchungen feststeht, daß
die saure oder alkalische Reaktion des Mediums einen sehr
großen Einfluß auf die peritoneale Absorption der Arzneimittel
hat. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, über die ich mir vor-
behalte, ausführlicher in einer späteren Mitteilung zu be-
richten, beschränke ich mich für den Augenblick darauf, zu
bemerken, daß die saure Reaktion die peritoneale Absorption
des Strychnins aufhält, während die alkalische Reaktion sie be-
schleunigt.
Die Versuche mit Eiweiß sind in Tabelle I, Reihe A, zusammen-
gestellt. Das Eiweiß wurde gehörig geschüttelt, dann durch Leinwand
filtriert. Wie aus der Tabelle hervorgeht, erscheint durch Einspritzung
von Strychnin, das in Gegenwart von Eiweiß bis zum Verhältnis von
60°/, aufgelöst war, der Krampf schneller als durch Einspritzung einer
einfachen wässrigen Strychninlösung aber die Beschleunigung wird mit
dem Wachsen der Eiweißmenge immer geringer, bis mit 96°/, Eiweiß
eine Verzögerung erscheint, die jedoch sehr gering ist. Diese Resultate
sind wahrscheinlich der gleichzeitigen Wirkung zweier Faktoren zuzu-
schreiben: einerseits der alkalischen Reaktion des Mediums, welches da-
nach strebt, den Krampf schneller hervorzurufen, andererseits der Gegen-
wart des Kolloids, das vielleicht dahin wirkt, ihn aufzuhalten, und das,
wie es scheint, ein leichtes Übergewicht erhält, wenn es sehr konzentriert
Absorption von Strychnin in Gegenwart von Kolloiden. 397
ist. Daraus kann man schließen, daß das Eiweiß nur in sehr starker
Konzentration die peritoneale Absorption des Strychnins in unbedeuten-
der Weise aufhält.
Wie aus Tabelle I, Reihe B, hervorgeht, verursacht trocknes Ei-
albumin Merck, welches in schwacher Konzentration neutral ist, eine
sehr geringe Verspätung des Krampfes.
Tabelle I.
Erscheinen
: des Strych-
Reihe ninkrampfes | Be-
des nach Min. | ziehung
Weg Ser EA
schnittsza ==
suche von 5 Ver-
suchen)
b) Stärke. Auch mit Stärke habe ich zwei Serien Ver-
suche angestellt. In einer Serie habe ich mich der im Handel
befindlichen alkalischen Stärke bedient.
Ohne die Versuche hier wiederzugeben, beschränke ioh mich darauf
zu bemerken, daß beim Gebrauch von Stärkelösungen zu 1, 2, 2,5%,
1) Zur Bestimmung der inneren Reibung diente mir der heute wohl
gebräuchlichste, von Ostwald konstruierte Apparat. Die Messungen
wurden im Thermostaten, der eine konstante Temperatur von 16° zeigte,
vorgenommen, und zwar mit dem Chronoskop, das Fünftelsekunden ab-
zulesen gestattete. Die Berechnung der relativen inneren Reibung der
Eialbuminlösung und der anderen zu Versuchen verwendeten Lösungen
geschah nach der bekannten Formel
TFT’
wo a das spezifische Gewicht der in Versuch genommenen Lösung auf
Wasser von 16° bezogen ist, # die Durchlaufszeit der Lösung in Sekunden,
8 das spezifische Gewicht des Wassers bei 16° gleich 1 und 7’ die Durch-
laufszeit des Wassers bei 16° bedeutet.
2) $ in dieser Formel gibt die Erscheinungszeit des Krampfes mit
wässrigen Stryohninlösungen an; € bezeichnet hingegen die entsprechende
Zeit a kolloidalen Lösungen. Wenn = 1 ist, so hat man: t: =1:z,
oder: CH
398 J. Simon:
der Krampfanfall schneller erscheint, so daß die Beziehung £ (wenn man
£ — 1 setzt) bzw. 0,70 — 0,74 — 0,91 wurde. Wenn ich dagegen die voll-
kommen neutrale lösliche Stärke Kahlbaum gebrauchte, so erhielt ich
eine mäßige Verzögerung. Aus Tabelle II erhellt in der Tat, daß 5°/, ige
lösliche Stärke die Absorption des Strychnins aufhält und daß die Ver-
zögerung mit Lösungen zu 18,6°/, größer wird, aber es ist fast dasselbe,
sei es daß die Viscosität der Lösung relativ niedrig oder sehr stark ist.
Tabelle II.
BR Viscosität von 16° Be-
* EE ziehung
Ver- Nach dem | relative ť
suchs Zubereiten | innere | schnittszahl Ge
Rei- von 4 Ver-
suchen)
c) Gummi arabicum. Da die wässrige Lösung des Gummi
arabicum, wie bekannt, eine saure Reaktion hat, so habe ich
zwei Serien von Versuchen angestellt. Bei der ersten habe ich
die saure und bei der zweiten eine neutralisierte Lösung ge-
braucht.
Die bei der 1. Serie (Tab. III) erzielten Resultate beweisen, daß
der Krampf beim Einspritzen von Strychnin in nicht neutralisierter
Gummilösung mit sehr großer Verspätung erscheint, die mit Zunahme
der Quantität des Kolloids immer größer wird; die Resultate der 2. Serie
(Tab. IV) beweisen, daß man auch mit neutraler Lösung eine starke
Verzögerung im Erscheinen des Anfalles erhält, aber daß dieselbe viel
geringer ist als die mit sauren Lösungen.
Aber da das Gummi, wie wohl bekannt ist, viel Kalk enthält, und
Untersuchungen von Zanda!) und von Flamini?) gezeigt haben, daß
in Tieren, die mit Kalk behandelt werden, der Strychninkrampf weniger
schnell erscheint als in Normaltieren, so entstand der Zweifel, ob nicht
die von mir beobachtete Verzögerung im Erscheinen des Krampfes von
dem im Gummi enthaltenen Kalk abhinge. Daher habe ich in den
Lymphsack des Rückens verschiedener Froschserien CaCl, in viel größeren
Mengen eingepritzt, als im Gummi enthalten ist, und nach 1 Stunde,
als die durch den Kalk hervorgerufenen charakteristischen Symptome
2) G. B. Zanda, Azione dei metalli alcalino-terrosi per iniezione
lombare. Archivio di Farmacologia a Terapeutica 10, 1902.
2) M. Flamini, L’azione del calcio contro alcuni veleni oonvulsivanti.
Rivista di Clinica Pediatrica, anno 4, 1907.
Absorption von Stryohnin in Gegenwart von Kolloiden. 399
aufgetreten waren, spritzte ich das Stryohnin in die Bauchhöhle ein.
Bei diesen Bedingungen sah ich, daß der Krampf mit einer kleinen Ver-
spätung erscheint, die nicht mit der durch Gummi erzielten vergleichbar
ist. Während dies einerseits mit den von Zanda und von Flamini
beobachteten Tatsachen übereinstimmt, beweist es andrerseits, daß die
durch das Gummi bewirkte Verspätung in der Absorption des Strychnins
nicht dem darin befindlichen Kalk zugeschrieben werden kann.
Tabelle III.
Lösungen
enthaltend °/, relative
` Gummi innere
Strychninum| arabicum Reibung
muriaticum | nioht neu-
tralisiert
10
20
28
38,5
Tabelle IV.
Lösungen
Strychnin-
enthaltend ° 0 relative Kies n. Beziehung
E Gummi innere |Min. (Durch.
tralisiert | (£ 16°) |4 Versuchen)
1 0,02 = | 1 Ai 3%" 1
2 0,02 1 1,45 5'7" 1,10
3 0.02 5 3,28 5’ 20” 1,14
4 0,02 10 6,31 5’ 51” 1,25
5 0,02 | 20 21,06 SI BI 1,73
6 002 ; 30 88,32 Y 30” 2,04
7 om | 40 273,55 117 25” 2.45
d Gelatine (Gallerte). Da die Gelatine sauer ist, so
führte ich auch hier zwei Serien von Versuchen aus. Bei der
ersten bediente ich mich der Lösungen von saurer, bei der
zweiten von neutralisierter Gelatine.
In der ersten Serie (Tab. VA) bemerkte ioh, daß der Strychnin-
krampf mit großer Verspätung eintritt, in der zweiten hingegen (Tab. V B)
war die Verspätung viel geringer und unbedeutender. Daraus geht her-
vor, daß die Gelatine in den von mir gebrauchten Konzentrationen
den Krampf in unbedeutender Weise aufhält.
In andern Versuchen, die ich der Kürze halber nicht aufzähle,
habe ich gesehen, daß die saure Gelatine fast in derselben Weise den
Anfall aufhält, sei es 1 Stunde, nachdem die Lösung gemacht ist, d.h.
400 J. Simon:
wenn sie wenig viscos ist, sei es nach vielen Stunden, d. h. wenn die
Viscosität sehr hoch ist. 2)
Tabelle V.
Lösungen
enthaltend °/,
Erscheinen des
Strychnin-
krampfes nach [Beziehung
des relative | X
Strychni- i Minuten (Durch-
Ver- ——— Reibung schnittezahl Ä
suchs | suchs | muriati- (é 16°) von t
5 Versuchen)
cum
A P Al 1
i Ur Al 2,05
S 11’ 20” 1,99
B 3'18” 1
g DE 1,22
, 3' 56” 1,19
3. Versuche auf subcutanem Wege.
Bei diesen Versuchen habe ich mich nur neutraler Lö-
sungen bedient, denn die saure oder alkalische Reaktion des
Mediums bringt, wie ich vorher sagte, bemerkenswerte Unter-
schiede in der Schnelligkeit der Absorption des Strychnins hervor.
Aus der kurzen Serie von Versuchen, die ich anführe, ergeben
sich Befunde, die mit den auf peritonealem Wege angestellten Versuchen
vollständig übereinstimmen.
Das Eialbumin und die Gelatine verursachen eine kleine Ver-
sögerung, welche mit löslicher Stärke zu 18,6°/, bemerkenswert zu
werden beginnt und die mit 40°/,igem Gummi arabioum wirklich stark
wird (Tab. VI).
Tabelle VI.
Lösungen
enthaltend °/,
Strychnin-
relative krampfes n. Beziehung
innere Min. (Durch-
Reibung | schnittezahl
von
1) Dieses viscosimetrische Verhalten der Gelatine ist schon von
Schroeder bemerkt und beobachtet worden. (P. v. Schroeder,
Über Erstarrungs- und Quellungserscheinungen von Gelatine. Zeitschr.
f. physikal. Chem. 45, 1. Heft, 1903.)
Absorption von Strychnin in Gegenwart von Kolloiden. 401
IH.
Ich habe in der folgenden Tabelle die erhaltenen Resul-
tate zusammengestellt, die ich erhielt, wenn ich auf suboutanem
oder peritonealem Wege Strychninum muriaticum in Gegenwart
von vollständig neutralen Kolloiden einspritzte.
Tabelle VII.
Kolloid-Lösungen Beziehung —
gebrauchtes Kolloid
Gummi arabicum
Gelatine
Eialbumin (Merck)
lösliche Stärke
Gummi arabicum
lösliche Stärke
Gummi arabicum
Aus dieser Tabelle ersieht man, daß es für einige Kolloide,
wie Gelatine und Eialbumin, nur möglich ist, mit schwacher
Konzentration zu experimentieren, und deshalb kann ein all-
gemeiner Vergleich nur für sehr kleine Dosen angestellt werden;
da aber für kleine Dosen die Wirkung sehr gering ist, so fehlen
uns die Grundlagen, um den Einfluß der chemischen Natur des
Kolloids zu beweisen.
Für das Gummi und die lösliche Stärke, die wir mit
hohen Konzentrationen erproben konnten, scheint es, daß
die verzögernde Wirkung, wenn man sich nur an die rein
wägbaren Beziehungen hält, größer für das erstere als für die
letztere ist.
Außerdem steht die Verzögerung im Erscheinen des Strych-
ninkrampfes, welche durch das Gummi, und wie es scheint auch
durch die Stärke bewirkt wird, in einem bestimmten Verhältnis
zu der Menge des Kolloids, was klar aus der beigefügten Figur
hervorgeht, in welcher die Zahlen auf der Abszissenachse den
Prozentsatz des Kolloids, und die auf der Ordinatenachse den
402 J.Simon: Absorption v. Strychnin in Gegenwart v. Kolloiden.
t a
Werten der Tabelle VII für die Beziehung T bei den Ein-
spritzungen in die Bauchhöhle entsprechen, die mit Strychninlösun-
gen in Gegenwart von Stärke (S) und Gummi (G) erhalten wurden.
Was die Ursache der Verzögerung in der Absorption des
Strychnins anbetrifft, so wird dazu wahrscheinlich die Visoositãt
der Lösungen beitragen ;
aber aus meinen Unter-
suchungen geht nicht
hervor, daß zwischen
In der Tat verur-
sachen lösbare Stärke
ve dë und Gelatine, wie wir
oben sahen, eine fast
identische Verspätung,
sei es, daß sie die
gleiche relative Viscosi-
tät haben, sei es, daß die Viscosität, da sie danach streben, zu
gelatinieren, sehr groB wird; die Kurve der Viscosität des
Gummi arabicums steigt viel schneller als die der Verzögerung
im Erscheinen des Krampfes. Es scheint demnach, daß die
Verspätung in der Absorption des Strychnins zum größten Teil
der Absorption, die das Kolloid gegen das Arzneimittel ausübt,
zugeschrieben werden muß.
Unsere Schlüsse sind daher folgende:
1. Die Kolloide Gummi arabicum, Gelatine, Ei-
albumin, lösliche Stärke verzögern in kleinen Mengen
unbedeutend die peritoneale und subcutane Ab-
sorption des Strychnins.
2. Mit der Quantitätszunahme des Kolloids in der
Lösung (wenn dies möglich ist) wird die Verzögerung
in der peritonealen und subcutanen Adsorption des
Strychnins meßbar und zuweilen bedeutend und scheint
ım Verhältnis zu der Quantität des Kolloids zu stehen.
2,5
š den beiden Erscheinun-
Ba gen eine direkte und
Et konstante Beziehung be-
N steht.
Q
13
[1 0
Monzentration der Molloide
Fig. 1.
Weitere Untersuchungen über den bakteriellen Abbau
primärer Eiweißspaltprodukte.
Von
Walther Brasch.
(Aus der 1. medizinischen Klinik der Universität München.)
(Eingegangen am 30. September 1909.)
In einer vor kurzer Zeit erschienenen Veröffentlichung!)
hatte ich mitgeteilt, daß der Bacillus putrificus Bienstock auf
primäre Eiweißspaltprodukte qualitativ dieselbe Einwirkung hat
wie die Fäulnis. Durch Untersuchungen, die an Glutaminsäure
angestellt wurden, hatte sich ergeben, daß Reinkulturen des
Bacillus putrificus am gleichen C-Atom dieser Säure CO, und NH,
abspalten und damit dieselben Veränderungen hervorrufen, die
früher Neuberg und ich?) bei Fäulnisversuchen mit der Glut-
aminsäure festgestellt hatten. Daß die Ausbeuten an der so ent-
standenen Buttersäure bei Verwendung von Reinkulturen ge-
ringer waren als bei Anwendung des Fäulnisgemisches, war
nach älteren Erfahrungen durchaus zu erwarten gewesen. In-
zwischen habe ich mehrere andere Aminosäuren den gleichen
Versuchsbedingungen unterzogen, und über die dabei erhaltenen
Resultate möchte ich kurz berichten. Die Versuchsanordnung
war dieselbe, wie ich sie in der ersten Veröffentlichung mit-
geteilt habe.
Abbau der Asparaginsäure.
Schon einige Zeit, bevor die Untersuchungen von Bor-
chardt?) sowie von Neuberg und Cappezzuoli*) erschienen,
1) Diese Zeitschr. 18, 380, 1909.
2) Diese Zeitschr. 13, 299, 1908.
3) Borchardt, Zeitschr. f. physiol. Chem. 59, 46, 1909.
t) Neuberg und Cappezzuoli, diese Zeitschr. 18, 424, 1909.
404 W. Brasch:
hatte ich begonnen, die Asparaginsäure durch Fäulnislösung
abzubauen, ein Versuch, der nach den Ergebnissen, die Neu-
berg und ich mit Glutaminsäure erhalten hatten, ein analoges
Resultat versprach, dessen Veröffentlichung ich aber aus ver-
schiedenen Gründen noch etwas verschoben hatte.
5 g Asparaginsäure (Kahlbaum) wurden in 500 com Wasser
gelöst, dann mit Fäulnislösung versetzt und mit Soda alkalisch
gemacht. Nach vierwöchigem Stehen im Brutschrank wurde
abdestilliert und das stark saure Destillat mit 81 com ?/, „Alkali
neutralisiert. Ich erhielt 0,907 g reines Silbersalz.
0,1778 g Substanz ergaben . 0,1063 g Ag
Berechnet für C,H,0,Ag: Ag 59,67°/,
Gefunden Ag. . . . , 659,78°/,.
Der Rückstand wurde im Kutscher-Steudelschen Ather-
extraktionsapparat ausgeäthert, der Äther verdunstet, der Rück-
stand mit Wasser aufgenommen, filtriert und auf dem Wasser-
bade eingedampft. Es blieben im Rückstande sehr reichliche
Krystalle, über 2 Dezigramm, sie bildeten feine prismatische
Nädelchen, zeigten den Schmelzpunkt 184° und gaben deutliche
Pyrrolreaktion. Sie bestanden also wohl aus Bernsteinsäure.
Weitere 5 g Asparaginsäure wurden mit dem Bacillus putri-
ficus unter den früher geschilderten Versuchsbedingungen an-
gesetzt und ebenfalls 4 Wochen im Brutschrank stehen gelassen.
In dem Destillat konnte Ameisensäure nachgewiesen werden,
es trat nämlich beim Kochen der mit Silberoxyd behandelten
Flüssigkeit eine erhebliche Schwarzfärbung auf. Die Menge des
erhaltenen rein weißen Silbersalzes betrug 0,57 g.
0,2141 g Substanz ergaben. . . . 0,1275g Ag
Gefunden Ag . . . . 2 2 2.0. 59,55°/,
Berechnet für C,H,0,Ag; Ag... . 59,67°/,
Es war also auch hier Propionsäure in relativ großen
Mengen entstanden. Aus dem Ätherextrakt des Rückstandes
konnte Bernsteinsäure gewonnen werden, die genau so wie die
bei der Fäulnis erhaltene nachgewiesen wurde.
Ebenso wie Brasch und Neuberg hat auch Borchardt
bei der Glutaminsäurefäulnis vergeblich nach der lediglich des-
amidierten Säure gesucht. Bei dem bakteriellen Abbau der
Asparaginsäure scheint hingegen als Zwischenprodukt regelmäßig
Bernsteinsäure aufzutreten.
Bakterieller Abbau primärer Eiweißspaltprodukte. 405
Abbau des Serins.
Das Verhalten der primären Eiweißspaltprodukte bei der
Fäulnis ist in einer großen Zahl von Untersuchungen geprüft
und für. die Mehrzahl der genannten Körper festgestellt worden.
Die übereinstimmenden Resultate zeigten, daß die Veränderungen
der untersuchten Aminosäuren durch Fäulnis in Desamidierung
und Kohlensäureabspaltung bestehen. Unter den wenigen, die
isoliert noch nicht der Fäulnis ausgesetzt worden sind, befinden
sich die Oxyaminosäuren, und ich unternahm es deshalb, das
Serin, die Oxyaminopropionsäure, der Fäulnis zu unterwerfen. Die
Aminosäure wurde zu diesem Zweck synthetisch nach der von
Leuchs und Geiger?) angegebenen Methode dargestellt. Dann
wurden 5g in ca. !/, 1 Wasser mit Fäulnislösung?) versetzt und
ca. 4 Wochen lang in den Brutschrank gestellt. Es wurde
dann in der gleichen Weise, wie früher angegeben, verfahren,
und ich erhielt, nachdem die in geringen Mengen vorhandene
Ameisensäure zerstört worden war, 0,135g eines rein weißen
Silbersalzes.
0,1051 g Substanz ergaben . 0,0629 g Ag
Berechnet für C,H,O,Ag: Ag. 59,67°/,
Gefunden Ag. . . .... 69,86°/,
Bei einem zweiten, völlig gleichartig angestellten Versuche
erhielt ich 0,1308 g Silbersalz.
0,1036 g Substanz ergaben. . . 0,0623 g Ag
Gefunden Ag . . . 2. 2 2... 60,11°/,
Es entstand also aus der Oxyaminosäure bei der Fäulnis
die einfache Fettsäure, es findet also Desamidierung und Reduk-
tion der Hydroxylgruppe in der f-Stellung statt.
CH,OH CH,
| |
CHNH, — CH,
| |
COOH COOH
Es wäre nun auch zu erwarten gewesen, daß nur einer der
beiden Prozesse, nur die Desamidierung, stattgefunden hätte. In
diesem Falle wäre die Hydrakrylsäure
CH,0OH
|
CH,
COOH
1) Leuchs und Geiger, Ber. d. Deutsch. ohem. Ges. 39, 2644, 1906.
2) Salkowski, Practicum, 3. Aufl., 1906, S. 227.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 27
406 W. Brasch:
entstanden, jedoch war im Ätherauszuge des Rückstandes und
im Ätherauszug eines vorher nicht erhitzten Teiles der Flüssig-
keit die Anwesenheit einer Säure nicht festzustellen.
Ein dem angeführten gleicher Versuch wurde nun auch
mit einer Reinkultur von Bacillus putrificus unter denselben
Versuchsbedingungen angestellt, unter denen ich die Glutamin-
säure der Einwirkung des genannten Bacteriums früher aus-
gesetzt habe. Bei 4 g angewandter Substanz erhielt ich neben
kleinen Mengen Ameisensäure 0,16l g eines Silbersalzes,
von dem
0,1128 g Substanz. . . 0,0678 g Ag ergaben.
Gefunden Ag. ... . 60,11°/,.
Bei einem zweiten Versuche erhielt ich 0,164 g Silbersalz.
0,0936 g Substanz ergaben. . . 0,0561 g Ag
Gefunden Ag . . .. 2... 69,93°/,.
Auch in diesem Versuch konnte Ameisensäure nachge-
wiesen werden.
Es zeigt sich also bei der Verwendung von Reinkulturen
derselbe Vorgang wie bei Anwendung der in der Fäulnislösung
vorhandenen Mischkulturen.
Abbau des Tyrosins.
l] g Tyrosin (Kahlbaum) wurde in 11 Nährflüssigkeit gelöst,
mit Bacillus putrifious geimpft und 6 Wochen im Brutschrank ge-
halten. Bei der Destillation ergab sich ein schwach saures Destillat
mit Geruch nach niederen Fettsäuren, jedoch gelang es nicht, ein
Silbersalz rein darzustellen. Zur Untersuchung auf p-Oxyphenyl-
äthylamin wurde der Destillationsrückstand mit Alkohol mehr-
fach aufgenommen, die Alkoholauszüge eingedampft, der Rück-
stand in Aceton aufgelöst, die Lösung verdunstet, sodann mit
Essigäther erschöpft. Bei der Behandlung mit Benzoylchlorid
und Natronlauge entstand jedoch keine unlösliche Verbindung,
so daß auf Entstehung von p-Oxyphenyläthylamin nicht zu
schließen ist.
Der Rückstand, der beim Ausschütteln mit Essigäther ver-
blieb, wurde mit Äther aufgenommen, dann die ätherische
Lösung mit Sodalösung im Scheidetrichter wiederholt durch-
geschüttelt, um ev. vorhandene Säuren und Phenole zu trennen.
Bakterieller Abbau primärer Eiweißspaltprodukte. 407
Die ätherische Lösung wurde verdunstet, es hinterblieb je-
doch kein Rückstand, was die Bildung von Phenol und
Kresolen ausgeschlossen erscheinen läßt. Dann wurde die Soda-
lösung angesäuert, mit Äther ausgeschüttelt, der Ather ver-
dunstet; es schieden sich strahlenförmige Krystalldrusen aus.
Schmelzpunkt 126°. Mit Millons Reagens erfolgte schon in der
Kälte deutliche Rotfärbung, mit neutralem Bleiacetat entstand
keine Trübung, ein deutlicher weißer Niederschlag jedoch mit
basischem Bleiacetat. Wir dürfen also annehmen, daß beim
Abbau die p-Oxyphenylpropionsäure gebildet worden ist.
Es entstand also aus
OH OH
2
|
— Kg
CH, — CH,
l |
CHNH, CH,
| |
COOH . COOH
Demnach hat der Bacillus putrificus nur die Seitenkette
angegriffen, und zwar in derselben Weise, wie er die ent-
sprechende Fettsäure verändert (s. ol Dieses Verhalten ent-
spricht den Erfahrungen, die Baumann?) bei der Fäulnis
des Tyrosins gemacht hat. Es fand sich bei kurz dauernder
Fäulnis mit frischem Pankreas in offener Flasche ebenfalls
p-Oxyphenylpropionsäure, während Weyl?) bei Verwendung von
Kloakenschlamm vorwiegend Phenole, d. h. Phenol und p-Kresol
entstehen sah. Zweifellos führt das Zusammenwirken ver-
schiedener Bakterienarten zu energischerem und weitgehenderem
Abbau als eine Reinkultur. Baumann hatte nun weiter ge-
funden, daß bei der Fäulnis der p-Oxyphenylpropionsäure der
Abbau an der Seitenkette weitergeht und über p-Oxyphenyl-
essigsäure zum p-Kresol führt. Beim Abbau des Tyrosins mit
Bacillus putrificus konnte ich die Bildung von p-Oxyphenyl-
essigsäure nicht feststellen, da der Schmelzpunkt auf eine reine
einheitliche Substanz schließen läßt.
1) Baumann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 12, 1450, 1878.
2) Weyl, Zeitschr. f. physiol. Chem. 3, 312, 1879.
27°
408 W. Brasch: Bakterieller Abbau primärer Eiweißepaltprodukte.
Abbau einiger anderer Aminosäuren.
Bei meinen Untersuchungen über das Verhalten der Glut-
aminsäure unter dem Einfluß von Reinkulturen hatte ich mitgeteilt,
daß der Bacillus putrificus im wesentlichen dieselben Verände-
rungen an Aminosäuren hervorruft, wie sie bei der Fäulnis ent-
stehen. Es war demnach zu erwarten, daß er bei den Mono-
aminosäuren lediglich eine Desamidierung bewirken würde. An
einigen Aminosäuren der Fettreihe fand ich diese Veränderung
bestätigt. So wird aus Glykokoll Essigsäure.
0,0655 g Substanz ergaben. . . 0,0417 g Ag
Berechnet für Essigsäure: Ag . 63,16°/,
Gefunden Ag . . 2 2.2... 63,66°/,.
Aus Alanin (Kahlbaum) wird Propionsäure.
0,1092 g Substanz ergaben. . . 0,0653 g Ag
Berechnet für Propionsäure: Ag 59,67°/,
Gefunden Ag . . . 2.2.2... 69,79°/,.
Aminobuttersäure (Kahlbaum) wird zu Buttersäure
abgebaut.
0,0666 g Substanz ergaben. . . 0,0310 g Ag
Berechnet für Buttersäure: Ag . 55,38°/,
Gefunden Ag . . ...... 55,12°/,
Erwiderung.
Von
W. Ruhland.
In seiner Abhandlung über die Durchlässigkeit der Zellen für Farb-
stoffe!) hat Höber denjenigen Teil meiner Arbeiten über die Plasma-
permeabilität®), welcher das gleiche Thema behandelt, einer eingehenden
kritischen Nachprüfung unterzogen. Ich gestatte mir zu den Punkten,
in denen zwischen Höber und mir Differenzen bestehen, folgende kurze
Bemerkungen: 1. Der von mir als besonders wichtig erachtete Befund,
daß der stark lipoidlösliche Sulfosäurefarbstoff Wollviolett S nicht in
die Zelle aufgenommen wird, wird von Höber deshalb nicht als beweis-
kräftig anerkannt, weil der Farbstoff von den Leberzellen des Frosches
entfärbt wird. Man kann doch aber diesen Einwand nicht auf die zahl-
losen Fälle übertragen, wo sicherlich nicht die mindeste Entfärbung durch
die Zelle, ja nicht einmal, wie bei vielen andern Farbstoffen durch
Speicherung in der Cellulosemembran stattfindet. So wird z. B. die
äußerst schwach gefärbte Lösung von 1:1000000 selbst bei tagelanger
Anwesenheit einer großen Menge von Spirogyrafäden nicht im mindesten
entfärbt. Ich lege daher nach wie vor auf das diosmotische Verhalten
des Wollvioletts besonderen Nachdruck. 2. Die von mir hervorgehobene
Tatsache, daß das stark lipoidlösliche Rhodamin B nur überaus lang-
sam eindringt, hat Höber durch den Hinweis zu entkräften versucht,
daß der Farbstoff mit Gerbsäure schwerer als andere niederfällt. Es ist
klar, daß dieser Einwand für die zahlreichen Fälle, wo der ausfällende
Körper gar nicht Gerbstoff ist, resp. wo, wie auch mit anderen Farb-
stoffen diffuse Speicherungen entstehen, hinfällig wird. 3. Das schnell ein-
dringende, aber sehr schwer lipoidlösliche Malachitgrün soll wegen seiner
Giftigkeit unbrauchbar sein. Ich hatte auf die Giftigkeit bereits selbst
hingewiesen (S. 20, Anm.); es ist alsdann eben nötig, zu ganz verdünnten
Lösungen zu greifen, welche das von mir behauptete Verhalten einwand-
frei erkennen lassen. 4. Von dem lipoidlöslichen Nachtblau hatte ich
auf S. 776 nur behauptet, daß es in die von mir geprüften Objekte,
1) Diese Zeitschr. 20, 56.
2) Jahrb. f. wiss. Botan. 46, 1, 1908; Ber. d. Deutsch. botan. Ges.
26, 772, 1909.
410 W. Ruhland: Erwiderung.
insbesondere in Spirogyra nicht eindringe, was ich durchaus aufrecht
erhalten muß. Gegen die Lipoidtheorie aber hatte ich diese Verbindung
gar nioht ins Treffen geführt.
Auf weitere kleinere Differenzpunkte kann ich hier der Kürze wegen
nioht eingehen. Viel wichtiger ist, daß Höber die große Mehrzahl meiner
Einwände gegen die Lipoidtheorie als berechtigt anerkennt und daß er,
der doch, wie Overton, gerade in dem Verhalten der Farbstoffe eine
der stärksten, wohl die stärkste Stütze der Lipoidtheorie gesehen hatte,
sich zu dem Eingeständnis veraulaßt sieht, daß andere Beziehungen dem
diosmotischen Verhalten der Farbstoffe besser entsprechen als die
Overtonsche Theorie!
Die neuen Ausführungen Höbers über „physiologische“ und „phy-
sikalische‘‘ Permeabilität bedaure ich, mir ebensowenig wie seine früheren
über den gleichen Gegenstand zu eigen machen zu können. Ich muß
vielmehr nach wie vor in dieser Scheidung eine der Lipoidtheorie zu-
liebe ersonnene Hilfskonstruktion erblioken, da bisher nirgends der Nach-
weis dafür erbracht ist, daß der Zelle fettlöslichen Stoffen, also z. B.
auch der wichtigen Kohlensäure gegenüber regulatorische Funktionen
abgehen.
Bezüglich der Lipoidtheorie muß ich nach dem Gesagten bei dem
Standpunkt verharren, daß sie mit unseren Erfahrungen über die Dios-
mose der Farbstoffe, der anorganischen Salze usw. im Widerspruch steht
und deshalb aufzugeben ist. Letzteres dürfte auf pflanzenphysiologischem
Gebiet bereite geschehen sein.!)
1) VgL z. B. Jost in Zeitschr. f. Botan. 1, 362, 1909 und Vor-
lesungen über Pflanzenpbysiologie, 2. Aufl. — Pfeffer, Pflanzenphysio-
logie, 2. Aufl., 2, 342,
Über Kephalin.
(Vorläufige Mitteilung.)
Von
Jakob Parnas.
(Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut zu Straßburg.)
(Eingegangen am 4. Oktober 1906.)
I.
Als Kephalin bezeichnet man den phosphorhaltigen Bestand-
teil des Gehirns, welcher in Ather löslich, in Alkohol unlöslich
ist. Es sei dabei von vornherein bemerkt, daß es sich vorläufig
um eine Substanz mit mangelhaften Garantien der Einheitlich-
keit handelt; es läßt sich auch nicht sagen, ob das Kephalin
eine „Gruppe‘‘ von ähnlichen Verbindungen, oder einen Körper
mit anhaftenden Verunreinigungen und Zersetzungsprodukten
darstellt.
Das Kephalin ist von Thudichum!) entdeckt und genau
studiert worden; später haben es Koch", Cousin?) und Falk*)
zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht.
Thudichum, dem wir die meisten Angaben über das
Kephalin verdanken, stellte seine Präparate aus gehärtetem
und getrooknetem Gehirn dar; das Kephalin wurde mit Ather
extrahiert und aus der ätherischen Lösung durch Alkohol ge-
fällt. Zur Entfernung der Aschebestandteile wurde es in wässe-
riger Lösung mit Salzsäure behandelt; schließlich wurde es
1) Die chemische Konstitution des Gehirns des Menschen und der
Tiere 1901, S. 127 f.
2) Zeitschr. f. phys.Chem. 36, 134, 1902 und 37, 184, 1903.
3) Journ. de Pharm. et de Chim. 24, 101, 1906.
4) Diese Zeitschr. 18, 153, 1908 und 16, 187, 1909.
412 J. Parnas:
durch Hühnereiweiß niedergerissen oder in Tierkohle absorbiert
und daraus durch heißen Alkohol ausgezogen.
Thudichum analysierte das Kephalin frei und in Form
des Chlorcadmiumsalzes, ferner einige Oxydationsprodukte des
Kephalins. Er fand die Zusammensetzung entsprechend der
Formel C ,H,,0,,NP; durch Hydrolyse erhielt er als letzte
Spaltungsprodukte Gilycerinphosphorsäure, Stearinsäure und
Homologe, Ölsäure (die er nicht als solche erkannte), eine ölige
Säure, der er die Formel C,,H,,O, zuschreibt, die Kephalin-
säure; als Basen fand er Neurin (d. h. Cholin), Methyloxäthyl-
amin, Oxäthylamin. Er hielt das Kephalin für ein Lecithin,
„in dem die Ölsäure durch eine besondere, im Tierkörper nur
in der Nervensubstanz, in Pflanzen gar nicht vorkommende
Säure, die Kephalinsäure‘“, ersetzt ist; die Kephalinsäure soll
dem Kephalin seine charakteristischen Eigenschaften verleihen.
Koch stellte das Kephalin wie Thudichum her, aber
ohne die Reinigung durch Salzsäure; er fand in der Analyse
erheblich geringere Werte für Stickstoff und Phosphor, das Ver-
hältnis beider Elemente aber war das gleiche wie bei Thudichum.
Auf Grund einer Analyse stellte er für diesen komplizierten Körper
die Formel eines Dioxystearylmonomethyllecithins auf; später
erkannte er, daß das Kephalin eine ungesättigte Fettsäure ent-
hält, da es Brom entfärbt.!) Durch N-Methylbestimmung stellte
Koch fest, daß das Kephalin auf jedes Stickstoffatom ein
Methyl enthält.
Wesentliche Aufklärungen brachte die Arbeit von Cousin;
dieser Forscher fand bei der durch Hydrolyse gewonnenen
flüssigen Säure eine hohe Jodzahl neben einer geringen Acetyl-
zahl und schloß daraus, sowie aus Analysen, daß die Kephalin-
säure keine Oxysäure, sondern eine doppelt ungesättigte Säure
der Linolsäurereihe sei. Seine Darstellungsmethode und seine
Phosphor- und Stickstoffanalysen entsprachen denen von Thu-
dichum und Koch. Leider fehlen in seinen Publikationen
die genaueren Beschreibungen der erhaltenen Produkte, sowie ana-
lytische Daten und Belege.
1) Leider hat sich das Dioxystearylmonomethyllecithin schon in der
Literatur eingebürgert. Vgl. Abderhalden, Lehrb. d. physiol. Chem.
2. Aufl, 1909, S. 149.
Über Kephalin. 413
Falk stellte das Kephalin mittels eines komplizierteren Ver-
fahrens sowohl aus Gehirn, als auch aus peripheren Nerven
dar; im „Nervenkephalin‘“ fand er: P:N = 1:1; dagegen im
Hirnkephalin: P:N = 1:2 Er versuchte die „Kephalinsäure‘
durch Oxydation mit Permanganat in ein oharakteristisches De-
rivat überzuführen und erhielt dabei eine bei 122° schmelzende
Säure, der er auf Grund einer mit sehr wenig Substanz aus-
geführten Analyse mit Vorbehalt die Formel C,,H,,O, zuschrieb.
II.
Ich stellte Kephalinpräparate dar durch Extraktion von
gehärtetem, sorgfältig getrocknetem Gehirn mit leichtsiedendem
Benzin. Der in der Kälte erhaltene Extrakt enthält alles
Cholesterin, Kephalin, Lecithin, erhebliche Mengen von Cere-
brosiden, Myelin und wenig anderer noch nicht definierter
Phosphatide. Von dem Cholesterin und den Phosphatiden
trenne ich das Kephalin durch Fällen mit Alkohol, von bei-
gemengtem Cerebrosid durch Ausziehen mit wenig sehr kaltem
Ather, worin Cerebroside sehr schwer löslich sind.
Benzin ziehe ich als Extraktionsmittel dem Ather vor,
weil es weniger von den dunklen Zersetzungsprodukten in Lö-
sung bringt, trockener und auch billiger ist; die angeblich
oxydierenden Wirkungen des Äthers kommen gar nicht in
Frage.!)
Zu den Eigenschaften des Kephalins, die von den auf-
gezählten Forschern angegeben worden sind, ist folgendes nach-
zutragen:
Kephalin ist ein farbloser, fester Körper; deutliche Krystalle
konnte ich niemals beobachten; aus sehr kalten ätherischen
Lösungen scheidet sich das Kephalin in Globuliten, doppel-
brechend, aber ohne erkennbare Struktur, ab.
1) Diese Ansicht ist zuerst von Thudichum (l. c. S. 131 und 149)
geäußert, neuerdings auch von S. Fränkel (diese Zeitschr. 19, 264, 1909)
vertreten worden. Wie weit der von den genannten Forschern angewandte
Äther verunreinigt war, kann ich nicht beurteilen; an dem in Deutsch-
land käuflichen, gewöhnlichen Äther ist keine Spur oxydierender Wir-
kungen zu beobachten, Natürlich oxydieren sich ungesättigte Körper
in verdünnter Lösung bei Luftzutritt leichter als in festem Zustand;
Auch dem in Äther enthaltenem Hydroperoxyd läßt sich die Bräunung
von Kephalinpräparaten nicht zuschreiben (Thudichum): Durch Behand-
lung mit Peroxyd in Äther werden braune Kcphalinlösungen farblos.
414 J. Parnas:
Trockenes Kephalin ist im dunklen Vakuumexsikkator
monatelang unverändert haltbar.?)
In wasserfreiem Äther ist es unlöslich; in Ather, der 1°/,
Wasser enthält, löst es sich in allen Verhältnissen.
Aus wässerigen Lösungen läßt sich gequollenes Kephalin
abzentrifugieren.
Die Lösungen in Benzol und in Ather sind ausgesprochen
kolloidal; selbst bei hohen Konzentrationen bewirkt Kephalin
keine Siedepunktserhöhung in diesen Lösungsmitteln; die Mole-
küle sind weitgehend assoziiert.
Als Aschebestandteile des Kephalins habe ich Ammoniak,
Kalk und Kali gefunden, auch spurenweise Magnesia, niemals
aber Eisen und Kupfer.?)
Die oft zu beobachtende Fluorescenz des Kephalins hängt
mit der Verunreinigung durch Salze des ersten Abbauproduktes
zusammen. Durch Ausschütteln einer ätherischen Kephalin-
lösung mit Salzsäure kann man die Fluorescenz beseitigen; sie
kehrt wieder zurück, wenn man die ausgewaschene ätherische
Lösung mit wenig Kalkwasser durchschüttelt.
Den Schmelzpunkt des Kephalins, auf den vorläufig noch
kein Wert zu legen ist, fand ich bei 174°; bei 185° erfolgte
Zersetzung.
Bei einem so kompliziert gebauten Körper, wie es das
Kephalin ist, haben Kohlenstoff- und Wasserstoffbestimmungen
keinen ausschlaggebenden Wert; dagegen ist das stöchiometrische
Verhältnis von Stickstoff und Phosphor genau bestimmbar und
konstant. Die zum Teil einander widersprechenden analyti-
schen Resultate derjenigen Forscher, die bisher das Kephalin
bearbeitet haben, sind oben zusammengestellt worden. Zur
Kritik dieser Ergebnisse sei bemerkt:
Das Kephalin ist nach zwei Richtungen hin zersetzlich;
erstens wird bei Luftzutritt die darin enthaltene ungesättigte
Säure oxydiert, zweitens wird durch Wasser, Säuren, Alkali
das stickstoffhaltige Radikal und ein Teil der gesättigten Fett-
säure abgespalten.
Diese zweite Zersetzung kann zu großen analytischen
Fehlern führen; ihr Produkt ist eine vierbasische Säure. Er-
1) In Gegensatz zu einer Beobachtung von Falk, co. S. 190.
2) Thudichum, Lo S. 130.
Über Kephalin. 415
folgt die partielle Hydrolyse nicht im isolierten Kephalin, son-
dern schon in der rohen Gehirnmasse, so sättigt sich die Säure
mit Kalk, Kali und besonders mit dem in zersetztem Gehirn
reichlich vorhandenen Ammoniak. Dann findet man leicht zu
hohe Stickstoffwerte.
Eine andere Fehlerquelle liegt in der Verunreinigung des
Kephalins durch Cerebroside, von welchen es nicht leicht zu
trennen ist.
Die Präparate von Thudichum waren sehr stark oxydiert, was
auch aus den Spaltungsprodukten hervorgeht; sie enthielten sicher keinen
salzartig gebundenen Stickstoff, hatten aber vielleicht einen Teil der Fett-
säure abgespalten.
Die Darstellungsmethode von Cousin und von Kooh würde salz-
artige Verunreinigungen nicht ausschließen, indessen weisen die Analysen
dieser Forscher nicht auf solche hin.
Falk ging von einem Gehirnmaterial aus, das sehr weitgehend zer-
setzt sein mußte!); es ist in seinen Präparaten, die braun und stark
fluorescierend waren, ein hoher Gehalt an salzartig gebundenem Stiokstoff
wohl anzunehmen. Auch Cerebroside scheinen nicht ausgeschlossen zu
sein, der absolut niedrige Phosphorgehalt deutet auf diese Verunreinigung
besonders hin.
Ich habe in Präparaten, die aus frischem Kalbshirn durch
Lösungsmittel bereitet, vollkommen farblos und geruchlos waren,
das Verhältnis P:N gleich 1 gefunden.
Dasselbe Resultat erhielt ich an guten Präparaten aus
Menschenhirn.
In ranzigen, aus schlechtem Gehirnmaterial erhaltenen
Präparaten schwankte das Verhältnis P:N zwischen 1:1,3 und
1:1,5; nach der von Thudichum angegebenen Reinigung durch
Wasser und Salzsäure oder durch Ausschütteln der ätherischen
Lösung mit sehr verdünnter Säure steigt das Verhältnis P:N
gleich auf 1.
Eine Reihe von Präparaten, die hartnäckig Cerebroside
zurückhielten, wies ebenfalls einen sehr hohen Stickstofigehalt
und sehr niedrigen Phosphorgehalt auf. Nach der Entfernung
der Cerebroside fand ich normale Werte.
Es scheint mir durch diese analytischen Befunde in Über-
einstimmung mit Thudichum, Cousin und Koch die Formel
eines Monoaminophosphatides für die Hauptmasse des Gehirn-
1) Auf Gilasplatten gestriohener, bei 50° getrockneter Gehirnbrei.
416 J. Parnas:
kephalins gesichert. Von Falk wurde übrigens für Nerven-
kephalin dasselbe Verhältnis von P:N gefunden.
Durch 12stündige Hydrolyse mit Baryt bei 120° wird das
Kephalin gespalten in Stearinsäure, Basen und eine phosphor-
haltige, vierbasische Säure, deren Barytsalz ätherlöslich ist und
der Formel C,,H,,0,.PBa, entspricht. Ein saures Natronsalz
ist leicht wasserlöslich; die Lösung der neutralen oder basischen
Seife erstarrt selbst in großer Verdünnung zu einer Gallerte.
Es fehlt den Natronseifen die Erscheinung leichter Aussalzbar-
keit, die das „kephalinsaure Natron‘ auszeichnet.
Das Auftreten dieser vierbasischen phosphorhaltigen Säure
in einer Ausbeute von 50°/, des Kephalins zeigt deutlich, daß
die vermutete Analogie zwischen dem Bau des Kephalins und
dem des Lecithins nicht besteht.
Weitere Hydrolyse mit Natronlauge lieferte die ungesättigte
Säure des Kephalins, die „Kephalinsäure‘ oder ‚„Kephalinlinol-
säure“‘, als gelbes Öl in einer Ausbeute von 18°/, des Kepha-
lins. Sie wurde in ihren Methylester übergeführt und dieser
durch Destillation im Vakuum gereinigt. Der bei 188° und
vermindertem Druck übergegangene Teil bildet ein ‚wasserhelles,
an der Luft gelblich werdendes Öl von spez. Gewicht D33
gleich 0,8816. Die Elementaranalyse lieferte Werte, die genau
auf die Formel C H,O; stimmten. Bei einer Hydrierung nach
dem unten beschriebenen Verfahren nimmt der Ester 108°/, der
für obige Formel geforderten Wasserstoffmenge auf und geht
dabei in Stearinsäuremethylester vom Schmelzpunkt 37° über.
Durch Verseifung erhielt ich daraus Stearinsäure vom Schmelz-
punkt 69°. Eine Molekulargewichtsbestimmung bestätigte die
einfache Formel C,,H,,0;-
Der Kephalinsäureester nimmt leicht ein Molekül Sauer-
‚stoff auf.
Durch Verseifung erhielt ich aus dem Ester die freie
Kephalinsäure als schwach gelbliche Flüssigkeit !), die gegen — 8°
erstarrt und bei — 4° wieder schmilzt. Im Vakuum unter l mm
Druck ging die Säure konstant bei 205° über; das Destillat
war anscheinend ein Gemisch der freien Säure mit einem iso-
meren Lakton.
1) Die „pastöse, gelatinöse Masse“ von Falk (l. c. S. 193) ist nicht
die freie Säure, sondern eine zähe Emulsion derselben mit Wasser.
Über Kephalin. 417
Analysen ergaben die Formel OH, Al: die Hydrierung
führte unter Aufnahme von 104,8°/, der berechneten Wasser-
stoffmenge zu Stearinsäure vom Schmelzpunkt 68°.
Das charakteristische Baryumsalz erhielt ich krystallinisch ;
seine Formel ist Ba(C,„H,,0,),-
Das Natronsalz C,,H,,0,Na wird in wässeriger Lösung
erhalten, wenn man ätherische Kephalinsäure mit wässerigem
Alkali ausschüttelt; durch kleine Mengen Kochsalz oder Natrium-
sulfat wird es irreversibel ausgesalzen. Die ausgesalzene Seife
ist leicht ätherlöslich; es kann aus ihr nur über die freie Säure
eine wässerige Seifenlösung hergestellt werden.
Die Säure und die Salze oxydieren sich wie der Ester
leicht an der Luft; die Salze zeigen die charakteristischen Lös-
lichkeitsverhältnisse der Linolate: sie sind in Äther, Chloroform,
Benzin und Benzol leicht löslich.
Aus den beschriebenen Eigenschaften der ‚„Kephalinsäure“
geht hervor, daß sie der Leinölsäure sehr nahesteht, vielleicht
mit ihr identisch ist. Die Identität läßt sich nur wahrschein-
lich machen, nicht exakt feststellen, da unsere Kenntnis der
Linolsäure noch sehr mangelhaft ist; nach neueren Forschungen
über die Linolensäure‘) erscheint es überhaupt zweifelhaft, ob
eine reine, einheitliche Linolsäure jemals dargestellt worden ist.
Es stehen indessen Untersuchungen über Linolsäure von sehr
maßgebender Seite bevor?); vor der weiteren Untersuchung
der schwer zugänglichen ‚„Kephalinsäure‘‘ möchte ich jene ab-
warten.
Es bleibt natürlich noch dahingestellt, ob die „Kephalin-
säure“ einheitlich oder ein Gemisch Stereoisomerer ist.
Die Kephalinlinolsäure wurde in einer Ausbeute von 18°/,
des Kephalins gefunden; wenn man den erheblichen Betrag
der oxydierten Säure dazurechnet, die sich durch Luftsauerstoff
gebildet hat, so muß man die Kephalinlinolsäure als die Haupt-
fettsäure des Kephalins neben Stearinsäure betrachten,
Schon Cousin hat erkannt, daß die charakteristische Säure
des Kephalins eine doppelt ungesättigte Fettsäure ist; auch im
1) Erdmann und Bedford, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 1324.
2) Fußnote bei Erdmann, Bedford und Raspe, Ber. d. Deutsch.
chem. Ges. 42, 1334 weist darauf hin, daß bei C. Harries über Linol-
säure gearbeitet wird.
418 J. Parnas:
Lecithin!) fand er Fettsäuren, die ätherlösliche Barytsalze und
eine Jodzahl 130 bis 150 liefern. Durch Oxydation dieser
Fettsäuren mit Permanganat erhielt er Dioxystearinsäure und
Tetraoxystearinsäure. Die Angaben dieses überaus zuverlässigen
Forschers machen es sicher, daß die ungesättigten Fettsäuren
des Lecithins aus Eigelb zum großen Teil aus einer Linolsäure
bestehen.
Wenn nun die Lecithinlinolsäure und die Kephalinlinol-
säure identisch wären, was wohl anzunehmen ist, so wäre da-
durch die Ansicht von Thudichum, daß die ‚spezifische‘
Fettsäure dem Kephalin seine charakteristischen Eigenschaften
verleiht, unhaltbar geworden.
Nach meiner Ansicht handelt es sich im Kephalin um
einen vom Lecithin verschieden konstruierten Körper. Es wären
allerdings auch nach der üblichen Lecithinformel erhebliche
Verschiedenheiten zu erwarten, die dadurch bedingt wären, daß
Lecithin durch seine Ammoniumbase Cholin und eine freie
Säurevalenz den Charakter eines Betains erhält, dagegen Ke-
phalin mit seiner Monomethylbase einer Amidosäure zu ver-
gleichen wäre. Gegen eine Analogie mit Lecithin spricht die
Bildung einer phosphorhaltigen, vierbasischen Säure beim Abbau,
und der Umstand, daß die Kephalinlinolsäure im Gegensatz
zu der Stearinsäure so auffallend fest mit der Phosphorsäure
verbunden ist. Schließlich scheint mir die Glycerinphosphor-
säure nicht mit genügender Sicherheit als Bestandteil des Ke-
phalins festgestellt zu sein. Über alle diese Fragen werden
weitere Studien eine Aufklärung bringen.
Die Kephalinlinolsäure ist nicht die einzige Säure, die man
im Kephalin findet. Sowohl aus den ätherlöslichen, als auch
den unlöslichen Barytseifen kann man durch heißen Alkohol
eine geringe Menge (aus 70 g Kephalin 0,6 g) Barytsalz mit
19,16°/, Ba ausziehen; die Seife fällt beim Abkühlen des Alko-
hols aus und ist wahrscheinlich ölsaurer Baryt.
Die hohen ‚Wasserstoffzahlen‘‘ der Kephalinsäure und ihrer
Ester sprechen für einen geringen Gehalt an 3fach ungesättigter
Säure; bei einer Bromierung des rohen Methylesters erhielt ich
einen in Benzin unlöslichen bromierten Ester, der 6 Bromatome
1) Cousin, Compt. rend. 137.
Über Kephalin. 419
enthielt, in einer Ausbeute von 6°/, der Gesamtmenge. Dieses
Hexabromid schmolz indessen höher als der Hexabromstearin-
säuremethylester (178° statt 153°).
Wenn man rohe Kephalinsäure der Kalischmelze bei 260°
unterwirft, so erhält man neben viel unveränderter Kephalin-
säure in einer Ausbeute von 16 bis 18°/, eine Säure vom
Schmelzpunkt 33°, deren Zusammensetzung durch Analyse,
Molekulargewichtsbestimmung und Jodzahl als OH. O, fest-
gestellt wurde. Durch Destillation geht sie in ein Anhydrid
vom Schmelzpunkt 13° und der Zusammensetzung C,,H,,O, über.
Dieses neue Isomere der Ölsäure ist vielleicht ein Spaltungs-
produkt einer homologen Kephalinsäure von der Zusammen-
setzung C,,H,,0,. Für die Annahme einer partiellen Hydrierung
der Kephalinsäure in der Kalischmelze fehlt es vorläufig an
Analogie. Die Frage nach der Beziehung dieser Säure zum
Kephalin und der Kephalinlinolsäure bleibt somit offen.
Ähnlich verhält es sich auch mit dem Körper vom Schmelz-
punkt 122°, den Falk?) als Produkt der Oxydation mit
alkalischom Chamäleon erhielt. Ich habe diesen Körper mit
dem Schmelzpunkt 121° in geringer Ausbeute erhalten, in der
Analyse aber um 2 Weasserstoffatome weniger gefunden als
Falk. Die Säure entfärbt Brom nicht. Die Enstehung und
Natur dieser Säure bleibt noch unerklärt. Ihre Zusammen-
setzung und ihr Schmelzpunkt entsprechen der von Krafft
und Grosjean?) aus Cetenbromid hergestellten Tetradecylbern-
steinsäure COOH
GAR
CH,
COOH;
jedoch ist eine Identität keineswegs erwiesen.
| III.
Experimentelles.
1. Vorbehandlung des Gehirnmaterials.
Frisches Gehirn wird auf der Schlemmühle mit Aceton
fein zermahlen und mit dem 3fachen Gewicht Aceton 10 Tage
1) Diese Zeitschr. 16, 193, 194, 1909.
2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 23, 2355.
420 J. Parnas:
lang gehärtet; das gehärtete Material wird koliert, abgepreßt
und im Luftstrom bei 30° innerhalb 1 Stunde getrocknet.
Hellbraune, harte, geruchlose, linsengroße Klümpchen; aus
10 Gehirnen von erwachsenen Menschen 1,8 bis 2 kg Trocken-
substanz.
2. Die trookene Masse wird auf einer Schlemmühle mit
leicht siedendem Petroläther (30 bis 60°) zu einem unfühlbaren
Mehl zerrieben und mit dem fachen Gewicht desselben
Lösungsmittels 1 Tag lang auf der Maschine geschüttelt. Naoh
Absetzen und Abgießen des Extraktes wird neues Lösungs-
mittel zur wiederholten Extraktion hinzugefügt. Durch Zentri-
fugieren trennt man den Extrakt vom Rückstand. Durch die
Abkühlung während des Zentrifugierens scheidet sich gewöhnlich
eine große Menge der bei 20° in Lösung gegangenen Cere-
broside ab.
Die Benzinlösung ist schwach gelblich gefärbt, klar; durch
weitere Extraktion mit kochendem Benzin bei 30° erhält man
einen farblosen Extrakt, der nicht mehr viel Phosphatide aber
große Mengen Cerebroside enthält.
Die vereinigten Extrakte enthalten alles Cholesterin, Ke-
phalin, Lecithin, große Mengen Cerebron und vielleicht auch
andere Cerebroside, Myelin und andere nicht definierte Phos-
phatide.
3. Die vereinigten Extrakte aus 2 kg trockenem Gehirn
werden von 10 Litern auf 3 Liter eingedampft; solange die
Temperatur 50° nicht übersteigt, unter gewöhnlichem, dann
unter vermindertem Druck. Es werden 100 ccm des bei 30°
übergegangenen Benzins hinzugefügt und die Flüssigkeit durch
schnelles Absaugen auf etwa — 20° abgekühlt, wodurch große
Mengen Cerebrosid abgeschieden werden, 3)
Die davon abgegossene klare Lösung wird unter ver-
mindertem Druck weiter auf 800 ccm abdestilliert und mit
1!/, 1 absoluten Alkohols gefällt, der feste weiße Niederschlag
1) 8. Fränkel (diese Zeitschr. 19, 261, 1909) gibt an, das Cere-
brosid, welches mit Kephalin in Petroläther geht, sei verschieden von
allen bekannten Cerebrosiden, und stellt darüber weitere Mitteilung in
Aussicht. Demgegenüber möchte ich betonen, daß ich aus demselben
Rohcerebrosid nach Tierfelders Vorschrift (Zeitschr. f. physiol. Chem.
49, 286, 1906) in 60°/, Ausbeute Cerebron gewonnen habe.
Über Kephalin, 421
abgesaugt, mit Alkohol gewaschen, in */, 1 leicht siedenden
Petroläthers (30 bis 50°) aufgelöst und wieder mit 1'/,1 Alko-
hol gefällt. Dann wird abgesaugt, gewaschen und im Vakuum-
exsiccator getrocknet. 136 g.
Nach 10- bis l4tägigem Verweilen im Exsiocator wird das
Kephalin fein pulverisiert und mit dem 5fachen Gewichte kalten
Athers geschüttelt; dann läßt man die Lösung, vom Rückstand
abzentrifugiert, gut verschlossen im Eis 24 Stunden lang stehen.
Nach nochmaligem Zentrifugieren fällt man die ätherische
Lösung mit Alkohol. Ausbeute 106 g.
In einigen Fällen reinigte ich das erhaltene Kephalin durch
Auflösen in der 200fachen Menge Äther und Ausschütteln der
ätherischen Lösung mit verdünnter Salzsäure, bis kein Kalk
mehr in der Salzsäure nachzuweisen war. Zuerst wurde öfters
mit Wasser, dann mit sehr verdünntem Soda und wieder mit
Wasser gewaschen. Die ätherische Lösung wurde eingeengt,
mit Alkohol gefällt und getrocknet.
In der wässerigen Lösung war viel Calcium, sehr wenig
Magnesium, Kalium und Natrium, eine erhebliche Menge Am-
moniak nachzuweisen.
3. Die vereinigten petroläther-alkoholischen Lösungen wurden
im Vakuum auf 2 l eingeengt und mit alkoholischem, basischem
Bleiacetat gefällt. Ein kleiner Teil des Niederschlages löste
sich in Ather; er bestand wohl aus Kephalinblei. Der unlösliche
Teil war bis auf einen geringen Rückstand in Benzol löslich
und bestand wahrscheinlich aus Thudichums Myelinblei.
Aus dem Filtrat wurde durch Schwefelwasserstoff das Blei,
der Schwefelwasserstoff durch Kohlensäure entfernt; dann wurde
das Lecithin als Chlorcadmiumsalz gefällt, in Benzol gelöst
und mit Alkohol wieder gefällt.
Nachdem überschüssiges Cadmium durch Schwefelwasser-
stoff entfernt war, wurde die Lösung neutralisiert und stark
eingeengt. Man erhält daraus das Rohcholesterin, das nach Um-
krystallisieren aus Aceton bei 138°, nach wiederholtem Um-
krystallisieren aus Alkohol bei 142° schmilzt.
Aus 2 kg trockenem Gehirn, entsprechend 10 Menschen-
gehirnen, erhielt ich 180 g Rohcholesterin; der Rückstand der
Benzinextraktion enthielt kein Cholesterin.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 28
422 J. Parnas:
4. Aus folgenden Versuchen geht die leichte Verseifbarkeit
des Kephalins hervor.
Es wurde eine Lösung von 1 g Kephalin in 250 com Wasser
mit ®/ oo- Natronlauge titriert.
a) 25 com verbrauchen . . . ..... eo... 653 com ?/,o- NaOH
25 „ Se nach 3 Tagen bei 18° . 625 „ * F
2 „ * „ 6 Stunden bei 400 7,55 ,„ e e
25 nm T) TT 6 IT np 80° 11,65 TT „ nu
b) Zu derselben Menge Lösung wurden einmal B com, das anderemal
10 com Soe Hait, hinzugefügt; nach 4 Stunden bei 18% verbrauchte
Probe 1 11,15 com Sea - NaOH
pn 2 17,25 „ ” sp
das ist für Versuch 1 um 0,85, für Versuch 2 um Leem mehr als ur-
sprünglich.
c) Macht man die Kephalinlösung mit Alkali oder Soda alkalisch,
so verschwindet die alkalische Reaktion sehr schnell.
Kephalin wird also in Gegenwart von Wasser, durch
Wärme, durch Säure und verdünntes Alkali leicht zersetzt;
man sieht daraus, wie unzweckmäßig es ist, die rohe, alkalische
Gehirnmasse hohen Temperaturen auszusetzen.!)
Die Phosphorbestimmungen wurden nach Neumann, die
Stickstoffbestimmungen nach Kjeldahl ausgeführt.
5. I. Ein Präparat aus frischem Kalbshirn, durch Lösungs-
mittel dargestellt.
0,2532 g verbrauchen 17,45 ocm °/,-NaOH (log T = 0,00848)
entsprechend 3,89°/, P
0,3918 g S 495 — ”/io-HeSO, entsprechend 1,77%, N
P:N=1:1,01.
II. Präparat aus Menschenlirn verschiedener Darstellung,
ohne Reinigung durch Säure.
1. 0,2703 g verbrauchen 18,56 com ”/,-NaOH (T wie oben) entepr. 3,87 °/ P
2. 0,2635 g j 18,05 ww » og ) » 3,86°/⁄P
3. 0,2602 g ge 11,86 8 ze. 38 A e ) » 3,87% P
4. 0,1982 g ge IIT e: Je se "E em ) ww 3,90% P
1. 0,4480 g verbrauchen 5,85 cem ?/1o-HaSO, entsprechend 1,83°/ N
2. 0,4381 g ep 5,50 — » e wë 1,76°/, N
3. 0,3478 g F 4,75 u» » 2 Ge 1,91°/, N
4. 0,2490 g a 3,25 „ » S e 1,830/, N
1) S. Fränkel (l. oc.) empfiehlt ein Trocknen des Gehirnbreiee bei
100° und gibt an, daß durch dieses Verfahren „die wesentlichsten Sub-
stanzen nicht alteriert werden“. Ich kann dem nioht beistimmen.
Über Kephalin. 423
1. N:P = 1,04
2. N:P = 1,00
3. N:P = 1,08
4. N:P = 1,03
III. Ein aus ranzigem Gehirn gewonnenes Präparat, durch
Lösungsmittel dargestellt:
0,2110 g verbrauchen 12,64 oom ?/,- NaOH (T wie oben) entspr. 3,38°%/, P
0,4398 g M 72 u Yo-HSO kl » I) » 22AN
N:P = 1,49.
Dasselbe nach Thudichum mit Salzsäure gereinigt:
0,2730 g verbrauchen 21,65 com ?/3-NaOH (T wie oben) d. h. 4,47°/, P
0,31562 g S 4,6 „ "hoH SO » )dh. 1,98%, N
| N:P = 1,00.
IV. Verschiedene cerebrosidhaltige Präparate hatten einen
Phosphorgehalt von 2,65 bis 3,22°/, und einen Stickstoffgehalt
von 1,94 bis 2,56°/,. Nach Beseitigung von Cerebrosiden und
ev. Reinigung mit Salzeäure wurden Präparate erhalten, die
normale Werte zeigten.
6. 80 g Kephalin werden in 11 Wasser aufgelöst und
unter Rühren mit 500 g Barythydrat in 3 1 heißen Wassers
gefällt; der Niederschlag samt der Lösung werden 18 Stunden
lang im Autoklaven bei 110° erhitzt.!) Die erkalteten krystal-
linischen Seifen werden abgesaugt, gewaschen, in wenig Wasser
suspendiert und ausgeäthert.
Der Rückstand besteht aus farblosen Barytsalzen, aus
welchen sich durch Kochen mit Alkohol wenig ölsaures Barium
ausziehen läßt. Mit Salzsäure zersetzt und aus Alkohol um-
krystallisiert, liefern die Seifen eine farblose Fettsäure vom
Schmelzpunkt 59 bis 60°; durch Umkrystallisieren aus Alkohol
läßt sich der Schmelzpunkt bis auf 68° bringen. Ausbeute nach
der ersten Krystallisation: 22 g. Phosphorfrei.
Das ätherlösliche Barytsalz wird aus Ather mit Alkohol
gefällt und getrocknet. Ausbeute 42 g. Stickstofffrei.
Analyse: C und H durch Verbrennen im Kupferschifichen
mit Bichromat. Eine Probe wurde nach Carius verbrannt,
1) Thudichum kocht 5 Stunden mit Baryt, Falk 12 bis 16 Stunden;
nach dieser Zeit soll die Kephalinsäure frei von Phosphor sein. Ich konnte
bei wiederholten Versuchen selbst nach 50stündigem Kochen mit Baryt
keine phosphorfreie Kephalinsäure erhalten.
28*
424 J. Parnas:
Baryt mit Schwefelsäure gefällt, im Filtrat Phosphor nach
Neumann bestimmt.
0,1579 g geben 0,2205 g CO, und 0,0869 g H,O,
0,5932 g geben 0,3375 g BaSO, und verbrauchen 37,80 Six Nah.
Gefunden: 38,090/, C; 6,3%, H; 33,5%, Ba; 3,52°/, P,
Berechnet für CsrHs,OjoBa,P: 38,420/, C, 6,33°%/, H, 32,60°/, Ba,
3,67°/, P.
Das phosphorhaltige Barytsalz ist leicht löslich in Ather,
Benzol, Chloroform, Benzin; unlöslich in Alkohol, Aceton, Essig-
äther. In seinen physikalischen Eigenschaften erinnert es voll-
ständig an kephalinsaures Barium.
40 g des Barytsalzes werden mit 500 g Äther in Lösung gebracht
und mit 20°/, Salzsäure ausgeschüttelt, bis kein Baryt mehr ausgezogen
wird. Das saure Waschwasser wurde mit Schwefelsäure gefällt; erhalten
22,7 g Bariumsulfat, entsprechend 33,5°/, Ba.
Durch Ausschütteln mit Säure verliert die ätherische Lösung
ihre ursprüngliche, starke Fluorescenz.
Die ätherische Lösung wurde mit 46 com normaler Natron-
lauge in 500 com Wasser ausgeschüttelt; die phosphorhaltige
Säure ging vollständig über.
20 com der wässerigen Lösung wurden stark alkalisch ge-
macht und mit Bariumchlorid gefällt; das ätherlösliche Salz
aus Äther mit Alkohol gefällt.
0,3207 g verbrauchen 22,1 com °/,-NaOH und geben 0,1834 g BaSO,,
entsprechend 3,81°/, P und 33,66°/, Ba übereinstimmend mit der vor-
herigen Analyse.
Die dünnflüssige, wässerige Lösung des Mononatriumsalzes
wird auf Zusatz weiterer Mengen Natronlauge immer zäher und
schließlich beim Auffüllen auf das 4fache der ursprünglichen
Menge zähflüssig, fadenziehend, gelatinös. Durch Kochsalz wird
weder das saure noch das basische Salz ausgesalzen.
7. Die Natronseife wird mit 50 g Natronhydrat in 21 Wasser
20 Stunden lang im Autoklaven auf 110° erhitzt. Nach dieser
Zeit erweist sich eine Probe leicht aussalzbar, ätherlöslich und
frei von organischem Phosphor.
Die kalte Lösung wird mit 500 ccm gesättigter Natrium-
sulfatlösung ausgesalzen, schwach alkalisch ausgeäthert, die
ätherische Lösung mit Salzsäure gespalten, gewaschen, mit viel
Natriumsulfat getrocknet, der Äther im Kohlensäurestrom ab-
destilliert. Es hinterblieben 15 g eines gelben Öles.
Über Kephalin. 425
Davon werden 12g in Methylalkohol (80 g) gelöst, auf 40°
erwärmt und 5g Schwefelsäure in 20 g Methylalkohol hinzu-
gefüg. Nach einigen Minuten fällt der Ester als braunes
Öl aus.
Der wie gewöhnlich isolierte Ester wurde im Vakuum
destilliert;?) es ging die Hauptmenge bei ca. 0 mm von 188
bis 190° über. Eine Probe zwischen 190 und 205° wurde be-
sonders aufgefangen, wegen ihrer kleinen Menge jedoch nicht
untersucht. Es hinterblieb ein schmieriger Rückstand.
Fraktion 188 bis 190°. Schwach gelbliche, klare Flüssig-
keit, bei — 20° noch flüssig.
Analyse: 0,1177 g gaben 0,3340 g CO, und 0,1236 g H,O,
entsprechend 77,40°/, C und 11,75°/ H,
berechnet für C,5H3,40, 77,47°/, C und 11,65°/, H.
Molekulargewicht: 0,1484 g in 20 com Eisessig bewirken eine
Siedepunktserhöhung von 0,06°.
(K — 25,3), Molekulargewicht gefunden 296,
berechnet 294.
Frisch destillierter Ester wurde bei 40° zur Konstanz im
Sauerstoffstrom gehalten. 0,2053 g nehmen 0,0204 g an Gewicht
zu, entsprechend 29,2 g auf ein Molekül.
Der Ester wurde mit alkoholische Natronlauge verseift, mit
Wasser versetzt, mit Natriumsulfat ausgesalzen, ausgeäthert, in
Ather mit Salzsäure zersetzt, mit Na,SO, getrocknet und der
Ather im Kohlensäurestrom verdampft. Es hinterbleibt ein
gelbes Öl.
Die Säure ist im Vakuum nicht unzersetzt flüchtig; es
geht bei 0 mm?) und 205° die Hauptmenge über als fast farb-
loses Öl, aus dem Nadeln auskrystallisieren.
Analyse: 0,1670 g geben 0,1747 g H,O und 0,4720 g CO,
entsprechend 11,70%, H und 77,08%, C,
berechnet für Ces, 11,51°/ H und 77,06°/, C.
1) Das Vakuum wurde mit einer Gaede-Pumpe erzeugt und mit
einem gewöhnlichen Manometer 0 mm gemessen. Da mir kein Hoch-
vakuum-Manometer zur Verfügung stand, haben die Angaben der Siede-
punkte nicht den Wert von Konstanten.
2) Siehe oben.
426 J. Parnas:
Nur die Hälfte des Destillates löste sich in Alkali; es be-
stand offenbar aus freier Kephalinsäure und einem isomeren
Lacton.
Die Kephalinsäure wurde aus dem Destillat über das
Barytsalz isoliert. Gelbliches Öl, bei — 8° erstarrend, wurde
bei -+ 4° wieder flüssig.
Analyse: 0,1038 g geben 0,2929 g CO, und 0,1070g H,O,
entsprechend 77,03°/, C und 11,54%, H,
berechnet für CisHs202 77,06%, C und 11,51°/, H.
AÄquivalentgewicht: 0,1687 g Substanz verbrauchen 5,8 com
Sie Na.
Gefunden 291, berechnet Oe Data = 284.
Barytsalz: Es wird gewonnen durch Fällen der Alkaliseife
mit Chlorbarium, Ausäthern, Fällen mit Alkohol und Krystalli-
sieren aus Ätheralkohol. Mikroskopisch dicke, rhombische
Täfelchen. Farblos. Löslich in Ather, Benzin, Benzol, Chloro-
form.
Analyse: Einer ätherischen Lösung wird durch Schütteln
mit verdünnter Salzsäure Barium entzogen.
0,8497 g liefern 0,2785 g BaSO,, entsprechend 19,29°/, Ba,
berechnet für Bai, elle 19,29°/, Ba.
Natronsalz. Aus der Seifenlösung durch Natıiumsulfat aus-
gesalzen, der Niederschlag ausgeäthert, mit Aceton abgeschieden.
Harzige, feste braune Masse, löslich in Chloroform, Ather, Al-
kohol, unlöslich in Aceton.
0,2208 g liefern 0,0482 g Na,SO,, entsprechend 7,07°/, Na,
berechnet für C,,„H,,0,Na 7,62°/, Na.
Silbersalz, Kupfersalz, Bleisalz, Kalksalz wurden erhalten
aus der Seifenlösung mit den entsprechenden Metallsalzen.
Alle unlöslich in Wasser, löslich in Ather.
8. Hydrierung der Kephalinsäure.
Über die Anzahl der Doppelbindungen in einem Körper
kann man schon durch die Elementaranalyse Aufschluß erhalten;
sicherer und genauer ist jedoch die Methode, gesättigte An-
lagerungsprodukte darzustellen und die Zahl der angelagerten
Atome oder Radikale zu bestimmen. Als solche kommen haupt-
sächlich in Betracht: Halogene, Hydroxyl (durch Permanganat
angelagert), Ozon.
Bei ungesättigten Säuren und ihren Derivaten wird am
häufigsten die bequeme Bestimmung der Jodzahl nach e Häbl
Über Kephalin. 427
oder in einer der vielen Modifikationen benutzt. Diese ist für
Ölsäure und ihre Glyceride ausgearbeitet und auf diesem Ge-
biete, d. h. in der technischen Fettanalyse, von größter Be
deutung. |
Sie versagt dagegen vollkommen überall da, wo sich nega-
tive Reste in der Nähe der Doppelbindung befinden; so lagern
Fumar- und Maleinsäure kein Jod an,!) Crotonsäure nur 8°/,,?)
Zimmtsäure?) 33°/,. Ihr Nachteil liegt ferner darin, daß sie
zu einem Gemisch undefinierter Produkte führt und eine Identi-
fizierung des Reaktionsproduktes unmöglich macht. Bei Säuren
mit mehreren Doppelbindungen können „sterische Hinderungen“
eintreten*) und Substitutionsbeeinflussungen zustande kommen.
Es ist durchaus nicht ratsam, bei Körpern unbekannter Struktur
auf die Jodzahl größeren Wert zu Jegen D
Erdmann und Bedford (l. c.) haben in ihrer sehr schönen
Arbeit über Linolsäure gezeigt, daß diese Säure in zwei Formen
auftritt, die genau die gleiche Konstitution haben, von denen
eine 6 Atome Brom, die andere nur 4 addiert. Die Zahl
der Doppelbindungen bestimmten sie durch Bestimmung der
katalytisch angelagerten Wasserstoffmenge; sie erwies sich in
beiden Säuren als die gleiche.
Erdmann und Bedford stellten den Begriff „Weasser-
stoffzahl‘‘ auf, d. h. derjenigen Menge Wasserstoff in Gramm,
die von 100 g der ungesättigten Substanz angelagert wird.
Wasserstoff ist nun ein ideales Additionsreagens; er wirkt
unter keinen Umständen substituierend, sterische Hinderungen
sind ausgeschlossen, die Addition führt zu den bestdefinierten
Reaktionsprodukten. Durch die Arbeiten von Sabatier und
Senderens®), Erdmann und Bedford, und vor allem die
von Fokin’) und Willstätter und Mayer?) besitzen wir
1) Lewkowitsch, Analysis of oils. II. Edit. S. 176.
2) Gomberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, 1890 1902.
3) Fulda, Monatsh. f. Chem. 20, 711, 1899.
ee 4) Erdmann und Bedford, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 1333,
5) So z. B. Ivar Bang, Ergebnisse d Physiol. 6, 157.
6) Ann. ohim. phys. [8] 4, 319, 1906.
7) Russisch 38, 419, 1906; 39, 607, 1907; Chem.-Zeitg. 32, 922, 1008.
8) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 1475, 1908.
428 J. Parnas:
Katalysatoren, die eine glatte Addition von Wasserstoff an
Doppelbindungen ermöglichen.
Erdmann und Bedford!) tropften die ungesättigte Kub-
stanz auf Nickelbimsstein in Wasserstoflatmosphäre; die Sub-
stanz war gewogen, der eingeführte Wasserstoff gemessen, der
überschüssige zu Wasser verbrannt und gewogen. Die Methode
liefert ausgezeichnete Resultate, erfordert aber eine sebr kompli-
zierte Apparatur und große Substanzmengen. Erdmann arbeitet
mit 5 bis 10 g Substanz und 181 Wasserstoff.
Ich benutzte eine Methode, bei der die Wasserstoffanlagerung
durch Palladium bewirkt wurde; die verbrauchte Gasmenge,
wurde eudiometrisch gemessen.?)
Palladiumschwarz ziehe ich dem Platin vor, weil es leicht
darzustellen, sehr wirksam ist und keine Neigung hat, als Orga-
nosol in Lösung zu gehen. Durch Verwendung einer großen
Menge des Katalysators und durch starkes Schütteln des Re-
aktionsgefäßes kann man die Reduktion so schnell verlaufen
lassen, wie dies bei einer gasvolumetrischen Bestimmung er-
wünscht ist. Mit 3 g Palladium konnte ich in einer halben
Stunde eine Grammdoppelbindung reduzieren.
Man läßt das Palladiumschwarz unter Äther sich mit Wasser-
stoff sättigen und liest das Gasvolumen ab; dann fügt man die
1) Kurz skizziert bei Erdmann und Bedford, Ber. d. Deutsch.
chem. Ges. 42, 1325; genau bei Bedford, Dissertation, Halle a. S., 1906.
Genau referiert bei Hans Meyer, Analyse und Konstitutionsbestimmung,
2. Aufl., 1909, S. 956.
2) Eine ähnliche Versuchsanordnung bei E. Paal und J. Gerum
(Ber. 41, 813, 2273, 1908), sowie E. Paal und K. Roth (Ber. 41, 2283,
1908) in ihren schönen Arbeiten über katalytische Reduktionen mit
kolloidalem Palladiumwasserstoff in Albumosenlösungen. Diese Forscher
reduzierten präparativ aromatische und aliphatische Säuren, Ölsäure und
ungesättigte Fette; durch Beobachtung der verbrauchten Wasserstoff-
menge verglichen mit der ursprünglichen Jodzahl verfolgten sie den Re-
aktionsverlauf. Der präparativ-technisch sicherlich sehr wertvollen Re-
aktion von Paal zog ich die quantitative Ausarbeitung der katalytischen
Reduktion nach Fokin und nach Willstätter und Meyer vor. Wenig-
stens für höhere Fettsäuren eignet sich das Verfahren von Paal nicht;
das Arbeiten in wässerigen Lösungen, die Beimischung von Albumosen,
das vorzeitige Ausfallen der gesättigten Reaktionsprodukte, welche das
Palladium samt Schutzkolloid niederreißen, gestatten die Verwertung der
Paalschen Methode für quantitative Bestimmungen nicht.
Über Kephalin. 429
Substanz in ätherischer Lösung hinzu, läßt nach vollendeter
Reduktion wieder Sättigung des Palladiums eintreten und läßt
bei gleicher Temperatur wie zuvor ab. Die korrigierte Differenz
ergibt die verbrauchte Wasserstoffmenge.
Der Apparat läßt sich aus Teilen zusammenstellen, die in jedem
Laboratorium vorhanden sind.
Das Palladiumschwarz erhält man, indem man eine Lösung von 5g
Palladiumchlorid in 100 ccm Wasser mit 20 ocom 15°/, Natronlauge und
portionsweise 10 ccm Formaldehyd (40°/,) reduziert. Das Palladium wird
an der Zentrifuge mit Wasser ausgewaschen und im Vakuum getrocknet.
Durch öfteren Gebrauch wird es immer feinpulvriger und büßt an Wirk-
samkeit nichts ein, wenn man dafür sorgt, daß es nicht an der Luft
erglüht.
Ein Liebigscher Kaliapparat ist mit 3 g Palladiumschwarz be-
schickt. Das eine Zuleitungsrohr ist senkrecht aufgebogen und trägt
einen seitlichen Ansatz; durch die obere Öffnung tritt ein gut befestigter,
kleiner Tropftrichter ein. Der seitliche Ansatz sowie das andere Zu-
leitungsrohr sind durch Schläuche mit den oberen Hähnen zweier Azoto-
meter verbunden; einer von den Schläuchen ist durch einen Dreiweghahn
unterbrochen, der das Verbinden des ganzen Apparates mit einer Luft-
pumpe ermöglicht. Der Kaliapparat ist so an einer kräftigen Schüttel-
maschine befestigt, daß er nach seiner Querrichtung geschüttelt wird.
Man evakuiert den Apparat (die Azotometer sind mit Quecksilber
gefüllt und geschlossen) und füllt ihn von den Azotometern aus dreimal
mit reinem, trooknem Wasserstoff; man läßt dann bei tiefgestellter Birne
etwas Äther in das Absorptionsgefäß einlaufen und schüttelt bei etwa
10 mm Hg Überdruck so lange, bis sich das Gasvolumen nicht mehr ver-
ringert. Von Zeit zu Zeit treibt man das Gas durch den Kaliapparat
hin und zurück.
Bleibt das Volumen bei starkem Schütteln während 5 Minuten
konstant, was gewöhnlich nach 30 Minuten eintritt, so ist das Palladium
gesättigt und die Dichtigkeit des Apparates erwiesen.
Man läßt das Palladium sioh zu Boden senken, eine ätherische
Lösung der gewogenen Substanzmenge einlaufen, schließt die Azotumeter
ab und liest in beiden das Volumen ab. Dann schüttelt man zur Kon-
stanz und liest wieder ab, womöglioh bei der gleichen Temperatur.
Die abgelesene Differenz wird auf 760 mm und 0° reduziert und
auf Gewichtseinheiten umgerechnet.
Die anzuwendende Substanzmenge hängt von der Molekulargröße
und der Zahl der Doppelbindungen ab. Die Azotometer enthalten zu-
sammen 240 com. Le Ölsäure oder 0,5 g Linolsäure verbrauchen das
bequem ablesbare Volumen von 70 com.
Die Methode hat den Vorteil genauer Bestimmung des Wasserstoffs
bei geringen Substanzmengen.
430 J. Parnas:
Der verwendete Äther muß durch Natrium oder Wasserstoff von
Sauerstoff freigemacht sein.
Als Beispiel sei die Reduktion von Ölsäure und Ölsäure-
äthylester angeführt.
L 0,8512 g Ölsäure verbrauchen bei 20° und 746 mm 73,4 ocm,
entsprechend 0,00605 g Wasserstoff, der Wasserstoffzahl 0,7093.
Theoretisch berechnet 0,7140.
Es wurde verbraucht 99,34°/, der theoretischen Menge.
Die erhaltene Stearinsäure schmilzt bei 68,5%; sie entfärbt Brom
nicht. Aus Alkohol umkrystallisiert: Schmelzp. 70°.
II. 1,2372 g Ölsäureäthylester verbrauchen bei 742 mm und 23°
98,6 com Wasserstoff, entsprechend 0,007 985 g, der Wasserstoffzahl 0,6606;
theoretisch berechnet 0,8495.
Es wurde also verbraucht 101,7°/, der Theorie.
Schmelzp. des hydrierten Esters: 33,50.
Hydrierung der Kephalinsäure:
0,3788 g verbrauchten bei 22° und 740 mm 70,7 com H, d. h.
0,00571 g Wasserstoff.
Die Wasserstoffzahl beträgt also 1,507, berechnet für Oe Daat 1,438.
Es wurde gefunden 104,8°/, der Theorie.
Durch Verdunsten des Athers erhielt ich Stearinsäure vom
Schmelzp. 64°, durch Umkrystallisieren aus Alkohol stieg der
Schmelzp. auf 69°.
Analyse eines Präparates, das bei einer präparativen Re-
duktion mit Palladium und Wasserstoff erhalten wurde (aus
Alkohol krystallisiert):
0,1145 g lieferten 0,3188 g CO, und 0,1269 g H,O,
entsprechend 75,94°/, C und 12,40°/, H,
berechnet für Che Daat: 75,99%, C und 12,76%, H.
Hydrierung des Kephalinsäuremethylesters:
0,5294 g Ester verbrauchen bei 18° und 752 mm 94,3 ccm H, ent-
sprechend 0,007793 g Wasserstoff.
Gefunden die Wasserstoffzahl 1,472, berechnet für Ce Haal 1,370,
also 107,5°/, der Theorie.
Schmelzp. des Rückstandes der ätherischen Lösung 37°;
mit alkoholischem Kali verseift: Stearinsäure vom Schmelz-
punkt 69°.
9. Kalischmelze der rohen Kephalinsäure.
Rohe, nicht destillierte Kephalinsäure wird in ihr Natron-
salz übergeführt und davon 5 g mit 30 g Kali während ?/, Stunde
auf 260° erhitzt. Die Seife löst sich nicht in Kali, man unter-
stützt die Reaktion durch fortwährendes Durchkneten.
Über Kephalin. 431
Die Seifenmasse wird aus dem geschmolzenen Kali heraus-
gehoben, in Wasser gelöst, mit Kochsalz ausgesalzen, der Nieder-
schlag abfiltriert und gewaschen; dann wird er mit Äther ex-
trahiert. Kephalinsaures Natron geht in den Äther. Der Rück-
stand wird mit Säure zersetzt, ausgeäthert, nach Abdestillieren
des Äthers in alkoholischer Lösung mit Tierkohle gekocht. Nach
Verdampfen des Alkohols hinterbleibt eine feste, farblose Säure
in der Ausbeute von 0,8g bis 0,9g. Sie entfärbt Brom.
Die Säure krystallisiert in Nadeln, ihr Schmelzpunkt liegt
bei 33°.
Es wurde das Silbersalz analysiert: `
0,2005 g geben 0,4062 g CO,, 0,1520 g H,O und 0,0561 g Ag,
entsprechend 55,25°/, C, 8,48°%/, H und 27,98°/, Ag.
Berechnet für CB Ag: 55,50°%/, C, 8,540/, H, 27,73°/, Ag.
Molekulargewicht (ebullioskopisch in Eisessig).
2005 g Substanz in 20 cem Eisessig (bei 16° spez. Gew. 1,0543,
Konst. = 25,3) geben eine Erhöhung von 0,085°.
Molekulargewicht daraus berechnet: 283 anstatt 282.
Beim Destillieren unter 30 mm Druck und bei 255 bis 260°
geht die Säure über, aber unter veränderten Eigenschaften;
das Destillat ist ein Anhydrid. Farblose Flüssigkeit; Schmelz-
punkt + 13°. Krystallisiert in flachen Nadeln.
Jodzahl: 0,1852 g verbrauchen 11,6 ccm 2/,,„-Thiosulfat
(log T = 0,00669) entsprechend der Jodzahl 80.
Analyse: 0,1464 geben 0,4250 g CO, und 0,1586 g H,O,
entsprechend 79,17°/, C und 12,12°/, H.
Daraus berechnet: Cı8Hs2,801,48,
abgerundet: CısHssOı,s oder CseH660s, isomer mit Ol-
säureanhydrid.
Das Anhydrid ist neutral; es gibt mit Resorcin ein Flu-
orescin.
10. Der rohe Methylester der Kephalinsäure wurde in
Chloroform so lange mit Brom versetzt, bis keine Entfärbung
mehr eintrat. Durch Zusatz von Petroläther zu der farblosen
Lösung fiel ein Körper aus, der den Schmelzpunkt 178° und
folgende Zusammensetzung hatte: g
0,1384 g geben 0,2096 g AgBr, entsprechend 64,45°/, Br,
berechnet für Ce ae Dro 62,39°%/, Br.
432 J. Parnas: Ueber Kephalin.
11. Das Oxydationsprodukt der rohen Kephalinsäure nach
Falk’). Schmelzp. 121°. In Nadeln krystallisiert.
0,0907 g geben 0,2282 g CO, und 0,0907 g H,O,
entsprechend 68,62°,, C und 11,19°/⁄ H,
berechnet für C,sHz40, 68,35°/, C und 10, 830/, H.
12. Das alkohollösliche Barytsalz aus der Hydrolyse des
Kephalins, phosphorfrei. In heißem Alkohol (100 Teile) voll-
ständig löslich, in der Kälte in Körnchen ausfallend. Aus
80 g Kephalin 0,6 g.
0,2866 g geben 0,0933 g BaSO,,
entsprechend 19,16°/,.
1) Diese Zeitschr. 16, 194, 1909.
Zur Kenntnis der Kohlensäurebildung im Organbrei.
Von
Olav Hanssen, Christiania.
(Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut in Straßburg.)
(Eingegangen am 4. Oktober 1909.)
I.
Der Gaswechsel zerkleinerter Organe ist mehrfach Gegen-
stand der Untersuchung gewesen. Daß frisch entnommene Ge-
webe auch nach dem Zerkleinern noch Sauerstoff aufnehmen
und Kohlenstoff abgeben, ist von P. Bert!), Gröhant und
Quinquaud?) sowie von Tissot?) nachgewiesen. Lussana*)
zeigte, daß die Oberfläche der zerkleinerten Gewebsmasse einen
maßgebenden Einfluß auf die Größe des Gaswechsels ausübt.
Battelli und Stern?) haben dann in einer Reihe wichtiger
Arbeiten die Bedingungen des Gaswechsels eingehender studiert.
Um die Sauerstoffaufnahme und die Kohlensäureabgabe voll-
ständiger zu gestalten, bedienten sie sich bei ihren Versuchen
einer Schüttelvorrichtung.
Von ihren Ergebnissen seien nachstehende hervorgehoben.)
1) Leçons sur la physiologie de la respiration, Leg. III, IV. 1870;
2) Compt. rend. 106, 1439; Compt. rend. Soc. de Biol. 1890, 29
bis 30.
3) Arch. de physiol. norm. et pathol. 1894, 838; 1895, 469 u. 641.
4) Archivio de fisiol. 2, 445. 1905; 3, 113. 1906.
5) Compt. rend. Soc. Biol. 60, 1679. 1906; Journal de physiol. et
de pathol. générale 9, 1, 34, 227, 410, 737. 1907.
e) Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1908
abgebrochen. Die seitdem erschienenen einschlägigen Arbeiten sind daher
nicht berücksichtigt, und sollen bei der zu erwartenden Fortsetzung der
Untersuchung ihre Würdigung finden. Dies gilt insbesondere von der
Untersuchung F. Lussanas über den Einfluß von Aminosäuren und
434 O. Hanssen:
Der Gaswechsel der einzelnen Organe zeigt überhaupt große
Schwankungen. Er ist unmittelbar nach Entnahme am größten,
nimmt dann rasch ab. Das Temperaturoptimum liegt für
Organe von Säugetieren und Vögeln bei 40°. Bei Erhöhung
auf 48° ist schon starke Abnahme erkennbar, bei noch höheren
Temperaturen (z. B. nach 10 Minuten langem Erhitzen auf
75 bis 90°) erlischt die Gewebeatmung ganz. Andererseits geht
sie bei Erniedrigung der Temperatur herab, ist aber noch bei
11° deutlich vorhanden.
In reinem Sauerstoff ist der Gaswechsel lebhafter als in
Luft. Zusatz von Blut oder Hämoglobinlösung begünstigt ihn
viel mehr als Zufügung von Wasser oder physiologischer Koch-
salzlösung. Serum besitzt eine hemmende Wirkung.
Während des einzelnen Versuches ist der Gaswechsel im
Anfang am lehhaftesten. Die Sauerstoffaufnahme wird auf die
Dauer weniger geschädigt als die Kohlensäureabgabe. Zusatz
von Wasser und hypotonischer Kochsalzlösung ist von annähernd
gleichem Einfluß wie der von isotonischer Kochsalzlösung. Hin-
gegen hemmen hypertonische Lösungen stark.
Bei Verwendung von Blut ist Zusatz von wenig Alkali
oder Säure ohne Einfluß; stärkerer Zusatz hemmt. Bei Ver-
wendung von blutfreien Medien erweist sich eine schwach alka-
lische Flüssigkeit (z. B. 0,5°/ ige Sodalösung oder eine amphotere
Natriumphosphatlösung, 0,8 bis 1,4 g P,O, auf 1 Liter), als günstig.
Von körperfremden Stoffen erniedrigen Chloroform, Äther,
Chloral stärker als Alkohol und Aceton. Blausäure und arsenige
Säure hemmen schon in sehr niedrigen Konzentrationen, während
Arsensäure vergleichsweise wenig wirksam ist.
Frischer Muskelbrei mit Wasser gewaschen und durch Leinen
gepreßt gibt einen Rückstand und ein Filtrat, die für sich
beide nur geringen Gaswechsel aufweisen. Der ausgewaschene
Organbrei (Muskeln, Leber, Niere, Gehirn) kann jedoch durch
Zufügung von Extrakt aus Muskeln (besonders Zwerchfell) zu
beträchtlicher Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe an-
geregt werden.
Polypeptiden auf den Gaswechsel isolierter Gewebe (Archivio di fisiol.
6, 269). Es sei nur im Hinblick auf die von mir zum Schluß mitgeteilte
Versuchsreihe erwähnt, daß Lussana in keinem Falle eine Steigerung
der Kohlensäurebildung beobachtet hat.
Kohlensäurebildung im Organbrei. 435
II.
Die nachstehenden auf Anregung von Prof. Hofmeister
ausgeführten Untersuchungen hatten ursprünglich die Aufgabe,
die Verbrennbarkeit organischer Stoffe durch überlebendes Ge-
webe zu untersuchen. Als Endziel schwebte uns vor, die un-
mittelbaren Vorstufen der Kohlensäure zu ermitteln.
Diese Fragestellung ergab sich aus nachstehender Erwägung:
Bei dem vitalen Oxydationsvorgang gehen Sauerstoffaufnahme
und Kohlensäureabspaltung nicht einfach parallel. Buttersäure
z. B. oxydiert sich zu Oxybuttersäure und Acetessigsäure, ohne
daß Kohlensäure abgegeben wird, dann aber zerfällt die Acet-
essigsäure, ohne daß Sauerstoffaufnahme erfolgt, zu Aceton und
Kohlensäure. In dem intermediären Stoffwechsel dürfte die
Kombination von Oxydationen, Synthesen und Spaltungen eine
überaus wechselnde sein; immer aber erscheint die Kohlen-
säureabspaltung als letztes Glied einer Reihe von Vorgängen,
und die Zahl der Stoffe, die die CO,-Gruppe abgeben, muß
den übrigen Zwischenstufen gegenüber eine beschränkte sein.
Es erschien von vornherein nicht unwahrscheinlich, daß die un-
mittelbaren Vorstufen der Kohlensäure in ähnlicher Weise durch
Organbrei zu CO,-Abspaltung gebracht werden können, wie dies
durch L. Pollak!) für den Zerfall der Acetessigsäure zu Aceton
und Kohlensäure nachgewiesen ist.
Es sei von vornherein bemerkt, daß es mir nicht vergönnt
war, diese Vorstufen der Kohlensäure auf dem eingeschlagenen
Wege sicherzustellen. Dementsprechend haben die nachstehend
mitgeteilten Versuche vorwiegend methodisches Interesse.
Im Hinblick auf die gestellte Aufgabe konnte ich mich
auf die Bestimmung der im Gewebebrei entstehenden Kohlen-
säure beschränken. Dabei mußte eine Fehlerquelle vermieden
werden, die den bisher ausgeführten Untersuchungen über Ge-
websatmung anhaftet. Die Gewebe und das sie durchströmende
Blut enthalten vorgebildete Kohlensäure, deren Menge natur-
gemäß wechselt. Nun tritt, wie bekannt, im überlebenden
Gewebe bald Säuerung ein; bei mechanischer Zertrümmerung
ist sie, wie im hiesigen Laboratorium wiederholt festgestellt
wurde, sehr beträchtlich. Es kommt dabei zu einer Abgabe
1) Beiträge z. chem. Physiol u. Pathol. 10, 232.
436 O. Hanssen:
von mehr oder weniger erheblichen Mengen von Kohlensäure,
die von vorgebildeten Carbonaten, nicht aber von den Kohlen-
säurevorstufen herstammen, und daher das Urteil über die Größe
der Kohlensäurebildung unsicher machen.!)
Um diese Fehlerquelle auszuschalten, wurden daher in
meinen Versuchen stets Kontrollversuche ausgeführt, in denen
der Gehalt vorgebildeter Kohlensäure bestimmt wurde.
Die von mir benutzte Technik unterscheidet sich überdies
von jener meiner Vorgänger dadurch, daß ich die Kohlensäure
mit Hilfe eines Luftstroms austrieb, in Barytwasser auffing und
durch Titration bestimmte.
Vier dickwandige, ca. 500 com fassende Kolben, die auf einem
Stativ passend befestigt waren, dienten zur Aufnahme des Organbreies
und der Zusatzflüssigkeit. Sie tauchten in ein auf 40° erwärmtes ge-
räumiges Wasserbad und wurden durch einen Motor sehr energisch ge-
schüttelt. Als Zusatzflüssigkeit diente, wo nicht ausdrücklich anderes
bemerkt ist, physiologische (0,9°%/,ige) Kochsalzlösung in einer Menge
von 150 ccm.
Durch die Flaschen wurde in langsamem Strome sorgfältig von
Kohlensäure befreite Luft gesaugt; diese ging dann durch Pettenkofer-
sche Röhren, die ca. 300 ccm 0,7°/,ige Barytlösung enthielten. Schütteln
und Luftdurchleiten dauerten gewöhnlich 2 Stunden, dann wurde mit
Hilfe eines Trichterrohrs dem Organbrei portionsweise Säure (gewöhn-
lich 10°/,ige Citronensäure) zugesetzt, um die gebundene Kohlensäure
auszutreiben, und das Luftdurchsaugen noch 11/, bis 2 Stunden fort-
gesetzt.
Die verwendeten Organe wurden meist ganz frisch vom nahen
Schlachthof bezogen. In einzelnen Versuchen wurden solche eben ge-
töteter Hunde benutzt. Wo nichts anderes bemerkt ist, wurden sie so-
fort mit der Fleischhackmaschine zerkleinert und kamen in Mengen von
30 bis 100 g zur Verwendung.
Die Barytlösung wurde nach Abschluß des Versuchs in Zylinder
überführt und nach dem Absitzen mit Oxalsäure unter Verwendung von
Phenolphthalein als Indicator austitriert.
Kontrollversuche mit gewogenen Mengen Natriumcarbonat ergaben,
daß die Kohlensäurebestimmung unter den gewählten Bedingungen mit
genügender Schärfe erfolgt. Es wurden 98 bis 100°/, wiedergefunden.
1) Battelli und Stern haben diese Schwierigkeit erkannt. Sie
vermuten, daB die ungewöhnlich hohen Kohlensäurewerte in einigen Ver-
suchen auf diese Fehlerquelle zu beziehen sind. Inwieweit die Genauig-
keit ihrer Kohlensäurezahlen und des davon abhängigen Respirations-
quotienten durch die Vernachlässigung dieser Fehlerquelle beeinträchtigt
wird, läßt sich zunächst nicht zahlenmäßig beurteilen. Das gleiche gilt
von den Versuchen Lussanas.
Kohlensäurebildung im Organbrei. 437
Zur Prüfung der allgemeinen Bedingungen der Kohlen-
säurebildung wurde eine Reihe von Vorversuchen ausgeführt.
1. Einfluß des Schüttelns. Die Notwendigkeit ener-
gischen Schüttelns mit Luft ergab sich sofort aus der Be-
obachtung, daß bei Unterlassung desselben die Kohlennsäure-
bildung fehlte oder sehr gering blieb.
Tabelle I.
COs
Org Gewicht Kontoll- Hau Dif
an ewicht ontroll- Haupt- g
versuch!) versuch ferenz
| g mg mg mg CO,
Ohne Schütteln Pferdeleber 100 77,9 75,9 — 20
n n n 100 58,8 e 59.2 + 0,4
Mit. „ Sohweineleber 100 30,3 1104 + 80,1
, S 50 240 165,0 + 141,0
Hundeleber 50 23,4 48,0 + 24,6
2. Einfluß der Zerkleinerung. Proben desselben Organs
in gleichem Gewichte wurden teils mit der Schere, teils mit
der Fleischhackmaschine zerkleinert, teils mit Quarzsand in der
Reibschale verrieben.
Die Kohlensäurebildung war nach Zerkleinerung mit der
Fleischhackmaschine am größten, nach Keesen mit Quarz-
sand am geringsten.
Tabelle II.
50 g Schweineleber.
AE 2 ` Verrieben mit
leischhack- Quarzsand u.
Schere maschine Quarzsand “y agnesia
Versuch 1: CO, mg 100,8 168 71,4 —
we. EE Ae. Aë 54,6 76,2 47,8 —
J — 132,0 76,0 —
99 4: LE) 99 — 16, 2 47, 8 53 NI
Aus diesem Ergebnis läßt sich jedoch nicht schließen, daß
die Kohlensäurebildung durch das Intaktsein der Zellen bedingt
ist, denn die Zermalmung führt rasch zur Säurebildung, die
hemmend wirken kann. Indes wurde in einem Versuch (4)
durch Magnesiazusatz die Herabsetzung nicht vermieden.
In einem gelegentlichen Versuche ergab der Preßsaft der
Leber (mit Buchners Presse gewonnen) nur sehr geringe
Kohlensäurebildung.
1) Bestimmung der vorgebildeten CO, in einer möglichst gleichen
Parallelprobe, der gleich im Beginn Säure zugesetzt wird.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 29
438 O. Hansen:
3. Einfluß von Säuren, Alkalien und Giften. Gegen-
über freiem Alkali und freier Mineralsäure erwies sich das
Lebergewebe als sehr empfindlich. Von Giften hob ein Zusatz
von 2°/, Phenol die CO,-Bildung nahezu auf, während 1°/,
Saponin, 1°/,, Sublimat, 2°/,, Chininchlorhydrat und Äther
nur eine Herabsetzung hervorbrachten. Zusatz von 1°/,, Mor-
phin zu Gehirnbrei war ohne erkennbare Wirkung.
Tabelle III.
Ge- Kontroll- Haupt- p;
Vers.-Nr. Organ wich Zusatz versuch versuch ons
g mg CO, mg CO, "P"
l. Schweineleber 40 0,9°/, NaCl 34,8 76,8 420
sp 40 Se -NaOH — 35,6 + 1,2
TT i 40 a/a0 S NaOH Weg 35,2 + 0,4
2. 5 40 09%, NaCl 14,5 405 +26,0
„ 40 Si NH. — 16,0 + 1,5
me 40 a/o NH, — 14,5 00
3. F 40 0,90/, NaCl 22 60 -+ 38
S 40 ` Slse-H-BO, — 36 414
Tabelle IV.
Ge- Kontroll- Haupt-
Vers.-Nr. Organ wicht Zusatz versuch versuch Differenz
g mg CO, mg CO, mg CO,
l. Schweineleber 50 0,9 NaCl 25 176,5 —+-161,5
ge 50 0,1°/, Saponin — 150,5 --135,5
e 50 2°, Phenol — 41 4-19
2; i 50 0,9 NaCl 39 96,6 — 57,6
Ge 50 01%, Bel, — 69 + 30,0
Së 50 AÄtherwasser — 66 + 27,0
3. e 50 0,9 NaCl 45,6 68,5 -+ 229
H 50 0,2°/, Chinin HCl — 60,6 + 150
J 59 0,1% » — 67,2 -+ 216
4. Einfluß der Aufbewahrung. Im Eisschrank ge-
haltene Organe behielten ihre Fähigkeit, Kohlensäure zu bilden,
überraschend lange; doch war eine Abschwächung unverkennbar.
Tabelle V.
Zeit der Unter- Ge- troll- —
Vers.-Nr. suchung nach Organ wicht So — Differenz
Entnahme g mgCO, mg CO, "8 Co
1. sofort Schweineleber 40 31,8 63,0 — 31,2
nach 1 Tag ʻi 40 30,0 64,5 -+ 34,5
nach 3 Tagen a 40 20,8 49,0 + 28.2
2. sofort Schweinsgehirn 50 21,0 105 =- 79,5
nach 4 Tagen * 50 46,0 108,0 -+ 62.0:
Kohlensäurebildung im Organbrei. 439
Bei der von mir gewählten Versuchsanordnung (Körper-
temperatur und reichliche Luftzufuhr) nimmt die Kohlensäure-
bildung während des Versuches rasch ab, wie aus folgendem
Versuche hervorgeht, wo die Menge der abgegebenen Kohlen-
säure in mehreren Zeitabschnitten bestimmt wurde.
70 g zerkleinerte Schweineleber im Wasserbad bei 40° geschüttelt,
gab ab:
in der ersten halben Stunde. ... . 49,8 mg CO,
» „ Zweiten „ EE 316 „» »
a » dritten , — E E 228 u.»
» „ Vierten „ Re Aë Zë Aë 198 — »
„ einer weiteren Stunde . . . .. . 246 — »
„ zwei = Stunden. . .... 186 an
Kontrollversuch (Zusatz von Säure im
Beginn des Versuches) . . . . . 120 „ »
Faßt man die Ergebnisse meiner Versuche zusammen, so
ergibt sich, daß die Kohlensäurebildung in den Organen, wie
auch Battelli und Stern gefunden haben, sehr bedeutende
Schwankungen aufweist.
Berechnet man die bei Verwendung von physiologischer
Kochsalzlösung erhaltene Kohlensäure nach Abzug der im
Kontrollversuch ermittelten präformierten auf 100 g Organ
pro Stunde, so ergibt sich folgendes:
Tierart Organ és em
Schwein Leber 67,6
nm „ 151,5
e „ 68,7
o ei 141,6
J j . 95,6
s e 133,0
d 9 52,5
j e 38,0
a; de 126,0
e = 46,5
5 Milz 51,0
2 Lunge 62,5
o x Muskel 148,0
e ` Gehirn 79,5
Katze Dünndarm 21,0
Die erhaltenen Kohlensäuremengen sind erheblich niedriger
als die von Battelli und Stern (bei Anwendung von Blut
als Zusatzflüssigkeit) erhaltenen, aber auch niedriger als die
29*
440 O. Hanssen:
Werte, welche die Genannten bei Verwendung von Kochsalz-
lösung erhielten. Sie fanden für 100 g Leber, Gehirn, Niere,
Lunge bei Anwendung von physiologischer Kochsalzlösung eine
Abgabe von 58,2 com = ca. 114 mg. Dieser Unterschied -dürfte
sich daraus erklären, daß Battelli und Stern die präformierte
Kohlensäuremenge nicht bestimmen und daß durch die post-
mortale Säuerung während des Versuches ein nicht unbeträcht-
licher Teil dieses präformierten Anteils freigemacht wird.
Da ein erheblicher Teil meiner Versuche mit Leber an-
gestellt ist, so sei bemerkt, daß der Glykogengehalt der Leber
anscheinend keinen Einfluß auf die Menge der abgespaltenen
Kohlensäure ausübt. Die Leber eines Hundes, der 8 Tage ge-
fastet hatte, sowie die eines Hundes nach Phloridzinzufuhr, bei
dem Glykosurie und „Acetonurie‘‘ eingetreten war, zeigten keine
verminderte Kohlensäurebildung.
II.
Die mitgeteilten Versuche beweisen, daß der Organbrei
Substanzen enthält, die unter den eingehaltenen Bedingungen
ganz zu Kohlensäure oxydiert werden oder doch CO, abspalten.
Um die Natur dieser Vorstufen der Kohlensäure aufzuklären,
habe ich eine Anzahl leicht verbrennlicher Verbindungen der
Fettreihe zu frischem Leberbrei gebracht in der Hoffnung,
durch diesen Zusatz die Kohlensäurebildung zu steigern.
Die nebenstehende Tabelle gibt einen Überblick über meine
Ergebnisse.
Da nach meinen Erfahrungen wegen der Ungleichheit des
Organmaterials Differenzen zwischen 2 Parallelproben bis zu
10 mg CO, auch bei Einhaltung möglichst gleicher Bedingungen
nicht ganz sicher zu vermeiden sind, so können jene Substanzen,
die zu keiner größeren Differenz in der Kohlensäurebildung
führten, nicht als unmittelbare Kohlensäurebildner angesehen
werden. Dahin gehören Versuch 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11,
14, 15, 19, 20, 21. i
Ob dem geringen Plus beim Natriumlactat (Vers. 3 und 4)
Gewicht beizulegen ist, muß offen bleiben. Hingegen war in
Vers. 12 f-oxybuttersaures Natron ausgesprochen wirksam, und
ich kann dieses Ergebnis trotz anderweitiger negativer Kontroll-
versuche (Vers. 14 und 15) nicht für zufällig ansehen, weil die-
Kohlensäurebildung im Organbrei. 441
selbe Leber 24 Stunden später (Vers. 13) immer noch eine aus-
gesprochene CO,-Bildung aus dem gleichen Salze bewirkte.
t | 3 Ss Ze
g | | SE GE
E Zugesetzte Substanz | g Organ 8 Inüssigkeit S E cd Sch renz
Z -ia EF la EE ig
N Hoe [m
1|Glyoxylsaures Ammon 0,20 | Schweineleber | 40 Ve tie 64,5 62
2 Glykokoll 0,205 > 50 8 — | 92,4| 96,6) + 4,2
3| Milchsaures Natron | 0,40 ; 29 el — [121,8/133,3| + 11,5
4 S = 0,40 Hundeleber | 60 |f Lösung |— [166,2 177,0 + 10,8
5 x Ammon 0,27 | Schweineleber | 40 ia eaa 31,8| 63 66,6 Es 3.6
6 S Natron 0,25 m 40 3 31,8] 63 | 63,6 + 0,6
7 Ammon | 0.308 4 A0 „ 125,8] 63 | 58,2|— 48
8| Glykols. Natron 0,2975 m | 50 t 165,6| 954| — 70.2
9 „ Ammon 0,20 u | 40 4 25.2101 7| 99,61 — 21
10 0.20 A | 30 X 77 | 708|— Lë
11 Brenztraubens. Natron 0,28 p ‚100 S — [216 1224 |+ 8,0
12]#-oxybutters. Natron | 0,245 | 40 k 33,6] 88,51122,4| + 33,9
(inaktiv) | |
13 2 = 0,259 > 40 n — | 83,2[]105 |+ 21,8
14 o Ammon 0,218 40 á 74,4| 73,2|— 1,2
15 „ 10,198 Hundeleber | 30 A 72 | 71,4|— 0,6
16 | Isovalerians. Ammon | '0,3048| Schweineleber | 40 24.6i130,8| 83,2] — 47,6
17 d ` 1023 * 40 x 30,3|131,7| 89,1| — 42,6
18 = = 0,36 P 40 A 30,31131,7] 78,9] — 52,8
19 0,195 s 40 S 25,81 63 | 62,41 — 0,6
20| Glutamins. Ammon | 0,212 s 40 A 35,4| 66,9] 66,9| — 0,0
21 = P 0,3725 3 40 e 34,0] 66,0] 65,41 — 0,6
22 Malons. Natron 0,30 Rindsleber |100| Blut+ | — [205,8192,6| — 13, 2
| phys. NaCl-
| Lösung
Auf der anderen Seite zeigen einzelne Verbindungen aus-
gesprochen hemmende Wirkung, so das Natronzalz der Malon-
säure und Glycolsäure (Vers. 8 und 22) und das Ammonsalz der
Isovaleriansäure (Vers. 16 bis 18).
Daß die Glyoxylsäure, die erfahrungsgemäß im Gewebe-
brei rasch verschwindet, keine Steigerung der Kohlensäure-
abgabe bewirkt, bestätigt die Anschauung Granstroems!), daß
dieses Verschwinden nicht durch Oxydation bedingt ist.
1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 132.
Über den Kalkgehalt der Frauenmilch.
Von
Dr. med. Hunaeus.
(Aus der Akademischen Klinik für Kinderheilkunde zu Düsseldorf.)
(Eingegangen am 5. Oktober 1909.)
Die Frage nach der Ätiologie der Rachitis und ihren Be-
_ ziehungen zum Kalkstoffwechsel bildet noch immer den Gegen-
stand lebhaftester Erörterungen. Gerade das Vorkommen rachi-
tischer Veränderungen bei Brustkindern hat neuerdings wieder
einige Autoren veranlaßt, in ihren Publikationen der Vermutung
Raum zu geben, daß der als „Rachitis‘‘ bezeichnete Knochen-
prozeß sich auf Basis eines mangelnden Kalkgehaltes der Nahrung
entwickeln könne. Da es für den Pädiater, der in der Mutter-
milch das vollkommenste und beste Nahrungsmittel für den
Säugling zu sehen gewohnt ist, etwas Befremdliches hat, diese
als causa peccans beschuldigt zu sehen, habe ich, unterstützt
von Herrn Dr. Engel in Düsseldorf, versucht, über den Kalk-
gehalt der Frauenmilch nähere Aufschlüsse zu verschaffen, da
die zurzeit vorliegenden Analysen nur gering an Zahl sind und
mir infolgedessen eine genügende Unterlage zur Beurteilung
dieser Frage nicht zu bieten schienen.
Methodik.
Die quantitative Bestimmung des Calciums der Milch er-
folgte in der Weise, daß nach vorausgegangener Zerstörung der
organischen Stoffe durch vorsichtige Veraschung das Calcium in
essigsaurer Lösung als Oxalat gefällt und die an Kalk ge-
bundene Oxalsäure durch Titration mit Kaliumpermanganat be-
stimmt wurde.
Selbstredend wurden nur die Resultate gut stimmender
Doppelanalysen verwertet.
Hunaeus: Kalkgehalt der Frauenmilch. 443
Mit Rücksicht auf die wechselnde Zusammensetzung der
Frauenmilch in den verschiedenen Phasen der Brustentleerung
innerhalb eines Tages war es zunächst nötig zu prüfen, ob die
bei der Fettanalyse gültigen strengen Gesetze für die Gewin-
nung der Milchproben auch bei der Erlangung von Milchproben
für Kalkanalysen befolgt werden müssen.
Daher wurde geprüft, ob
a) Unterschiede in der Anfangs- und Endmilch,
b) Unterschiede in der Morgen- und Abendmilch bezüglich
des Kalkgehaltes bestehen.
Tabelle I. e
Prozentualer Kalkgehalt der Anfangs- und Endmilch von 6 Ammen
bei einer Brustentleerung.
Amme K., 22 J., I para 0,0471
Amme N., 191/, J., I para 0,0446
Amme v. G., 19 J., I para 0,0389
Amme Fr., 21 J., I para 0,0424
Amme KI., 21 J., I para 0,0345
Amme Ko., 22 J., I para 0,0450
Tabelle II.
Prozentualer Kalkgehalt der Morgen- und Abendmilch von 5 Ammen.
Nationale | Morgenmilch | Abendmilch
Amme Kl, 21 J., I para
Amme v. G., 19 J., I para
Amme Fr., 21 J., I para 0,0433 0,0446
Amme Gr., 21!/, J., I para 0,0426 0,0421
Amme K., 22 J., I para 0,0460 0,0460
Ein Blick auf die Tabellen läßt klar erkennen, daß zwischen
Anfangs- und Endmilch einer Mahlzeit gesetzmäßige Unterschiede
bestehen insofern, als der Kalkgehalt der Anfangsmilch einen
höheren CaO-Wert aufweist als der der Endmilch. Bei der
Sekretion des Fettes ist es bekanntlich gerade umgekehrt. Ob
sich die erstere Tatesche nun dadurch erklärt, daß im Beginn
der Brustentleerung die Drüse viel Plasma und wenig Fett,
am Ende derselben weniger Plasma und dafür reichlicher Fett
444 Hunaeus:
sezerniert, oder ob, wie Engel!) andeutet, bei sehr starker
Fettsekretion die Absonderung der übrigen Milchbestandteile
leiden kann, lasse ich dahingestellt.
Auch bei der Morgen- und Abendmilch zeigten sich ge-
ringe, wenn auch nicht gesetzmäßige Differenzen. Jedenfalls
wurde, da sich Unterschiede zwischen Anfangs- und Endmilch
sowie Morgen- und Abendmilch ergeben hatten, für meine
Untersuchungen die Mischmilch wie bei der Fettbestimmung
gesammelt — gleiche Portionen von jeder Brust vor und nach
dem Anlegen bei jeder Mahlzeit —, um so eine gleichmäßige
Milchmischung zu erzielen. Durch die Analysen der Tages-
mischmilch wurden die folgenden Fragen bearbeitet:
1. Existieren individuelle Unterschiede des Kalkgehaltes
der Milch?
2. Ist der Kalkgehalt bei derselben Frau ein konstanter?
3. Verändert sich der Kalkgehalt bei derselben Frau inner-
halb der Lactation?
Tabelle III.
Progentualer Kalkgehalt der Milch von 12 Ammen im 1. Lactationsmonat.
Nationale CaO
Amme E., 22 J., J.-Nr. 1136, I para 12 Tage post partum | 0,0333
Amme A., 20 J., J.-Nr. 1025, I para
Amme Ko., 22 J., J.-Nr. 1238, I para 0,0383
Amme K., 22 J., J.-Nr. 1000, I para 0,0414
Amme Kr., 24 J., J.-Nr. 1183, I para 0,0415
Amme H., 25 J., J.-Nr. 1042, I para 0,0441
Amme F., 19 J., J.-Nr. 1185, I para 0,0471
Amme N., 221/, J., J.-Nr. 1102, I para 0,0474
Amme v. G., 19 J., J.-Nr. 1102, I para 0,0475
Amme N., 191/, J., J.-Nr. 1201, I para 0,0482
Amme W., 21 J., J.-Nr. 1199, II para 0,0508
Amme K., 22 J., I para 0,0518
In der vorstehenden Tabelle habe ich zur Beleuchtung der
ersten Frage nur Milohen aus dem ersten Lactationsmonat zu-
sammengestellt, weil sich mir im Laufe der Untersuchungen er-
gab, daß die individuellen Schwankungen während der Lacte-
tion immer gleich bleiben und weil ich aus dem ersten Monat
über die größte Zahl von Analysen verfüge. Differenzen sind
1} Engel, Milchwirtschaftliches Centralblatt 1907, Heft 9, 8. 4.
Kalkgehalt der Frauenmilch. 445
vorhanden und zwar sind sie so groß, daß die Werte von der Amme
mit dem niedrigsten CaO-Gehalt und der mit dem höchsten —
0,0333 und 0,0518 — um 0,0185, d. i. 34,7°/, des Höchstwertes,
differieren. Besonders wichtig erscheint mir der Hinweis darauf,
daß die drei zuerst angeführten Ammen einen Kalkgehalt haben,
der beträchtlich unter dem Mittelwert — 0,0440 — steht, und
daß es unter Berücksichtigung der großen individuellen Kon-
stanz des Kalkgehaltes der Milch — siehe Tabelle IVa und b
— ziemlich sicher scheint, daß diese Frauen auch im weiteren
Verlaufe der Lactation eine kalkarme Milch produzieren. So-
mit wäre die Tatsache gesichert, daß es Frauen mit
kalkarmer und solche mit kalkreicher Milch gibt.
Hiermit eröffnet sich die Möglichkeit, daß auch die Entwicklung
der Kinder hierdurch beeinflußt werden könnte.
Die Beantwortung der zweiten Frage ergibt sich aus den
Tabellen IVa und IVb, die an der Gleichheit der Kalkwerte
bei derselben Frau an mehreren aufeinander folgenden Tagen
deutlich die große Konstanz des Milchkalkes innerhalb kleinerer
Zeitabschnitte erkennen lassen — die Differenzen bewegen sich
nur in Bruchteilen von Milligrammen — eine Tatsache, auf
der fußend wir experimentell den Einfluß irgendwelcher Um-
stände auf den Kalkgehalt der Milch prüfen und beobachten können.
Tabelle IVa.
Amme Keiter.
Datum Tagesmilchmenge Fett CaO-Gehalt
com KU %o
Tabelle IVb.
Amme Klein. J.-Nr. 1044. 21 J. alt.
Tagesmilchmenge Fett | CaO-Gehalt
Datum
com | Jo | Dia
6. August 09 2115 385 0,0363
1: x 2500 3,7 0,0367
8. = 2050 3,4 0,0363
448 Hunaeus:
Diese individuelle Konstanz hält während der ganzen Lac-
tation an, nur daß sich mit dem Fortschreiten derselben eine
langsame, nicht sehr beträchtliche Abnahme des Kalkgehaltes
konstatieren läßt. Eine Verschiedenheit in dem Maße der Kalk-
verminderung bei kalkreichen und kalkarmen Ammen, vielleicht
in dem Sinne, daß bei den ersteren eine gesteigerte, bei den
letzteren eine solche mäßigeren Grades erfolgte, läßt sich aus
den vorliegenden Befunden nicht ersehen. Höchstens bei der
Amme Kl. (Tabelle V), die einen niederen Kalkgehalt der Milch
hat, könnte man ein langsames Sinken des Kalkwertes kon-
statieren,
Tabelle V.
Prozentualer Kalkgehalt der Frauenmilch bei 7 Ammen im Ablauf der
Lactation.
2 ; Laotations- | CaO-Gehalt | Differenz
Nationale Honat ei, Se
bere e
Amme N., 191/, J., J.-Nr. 1201 l. 0,0482 |
2. | 0,0466 1,6
Amme Fr., 21 J., J.-Nr. 1208 2. 0,0444
3. 0,0432 1,2
Amme v. G., 19 J., J.-Nr. 1102 l. 0,0475
3. 0,0410 6,5
4. 0,0381 3,1
Amme K., 22 J., J.-Nr. 1078 l. 0,0518
3. 0,0486 3,2
d. 0,0465 2,1
Amme K., 20 J., J.-Nr. 906 d. 0,0425
6. 0,0402 2,3
6. 0,0378 2,4
Amme Kl, 21 J., J.-Nr. 1044 3. 0,0379
5. 0,0372 0,7
7. 0,0367 0,5
Amme Gr., 21!/, J., J.-Nr. 725 7. 0,0452
10. 0,0423 2,9
Wenn ich in Kürze die Ergebnisse der vorliegenden Ana-
lysen zusammenfasse, so ergibt sich, daß im Kalkgehalt der
Frauenmilch erstens starke individuelle Verschiedenheiten
vorkommen, daß zweitens bei jeder einzelnen Frau der Milchkalk
eine sehr konstante Größe hat. Es gibt kalkreiche und kalk-
arme Milchen. Ferner zeigt sich, daß im Laufe der Lactation
eine mäßige Abnahme des Kalkgehaltes erfolgt. Betont
muß jedoch werden, daß die individuellen Differenzen bei weitem
am größten sind. Hierin dürfte auch die klinische Bedeutung
Kalkgehalt der Frauenmilch. 447
des ganzen Problems liegen, insofern als die Möglichkeit einer
pathologischen Entwickelung der Kinder von kalkarmen Frauen
nicht ausgeschlossen erscheint. Das letzte Wort in dieser Frage
wird jedoch die Klinik zu sprechen haben, und wir werden
darum bestrebt sein, auch die fraglichen Kinder weiterhin zu
beobachten.
Fütterungsversuche.
Nachdem sich ergeben hatte, daß man in einer Reihe auf-
einander folgender Tage fast total übereinstimmende Werte für
den Milchkalk erhält, war die Möglichkeit gegeben, Fütterungs-
versuche zu machen. Denn nun ist es statthaft, Ausschläge
auch geringeren Grades mit Sicherheit auf die einwirkenden Ein-
flüsse zu beziehen.
Angeregt durch die Versuche Dibbelts, durch Kalk-
zufütterung in Form anorganischer oder organischer Kalk-
präparate eine Erhöhung des Kalkgehaltes der Frauenmilch zu
erzielen, gab ich einzelnen Ammen Kalk in Form von Calcium
phosphoricum und Calcium lacticum in der Menge, daß genau
l g CaO pro die dem Organismus zugeführt wurde.
Im Vorversuch wurde der CaO-Gehalt der Tagesmischmilch
erst einige Tage bei gewöhnlicher Kost bestimmt und dann
das Kalkpräparat gegeben. Gleichzeitig wurden die während
des Tages gelieferten Milchmengen und der Fettgehalt der Misch-
milch der betr. Amme genau registriert, um ein Urteil über
diese beiden Faktoren und ihren eventuellen Zusammenhang
mit der uns speziell beschäftigenden Frage zu gewinnen.
Tabelle Vi.
Kalkfütterungsversuch mit phosphorsaurem Kalk an der Amme Keiter.
Fett CaO-Gehalt
0 ec 0/ 0
Datum Tagesmilchmenge
448 Hunaeus:
Tabelle VI (Fortsetzung.)
Fett CaO-Gehalt
Am 18. Juli versehentlich kein Kalk gegeben!
19. Juli 1635 4,8 0,0384
20. „ 1430 5 0,0375
21.6; 1395 4,5 0,0375
2. p, 1690 4,8 ‚0,0378
Versuch 1. Amme Reiter. 20 J. I para im 6. Lactationsmonat.
Tabelle VII.
Kalkfütterungsversuoh mit phosphorsaurem Kalk an der Amme Klein.
Datum Tagesmilchmenge Fett CaO- Gehalt
com %, "ie
6. August 09 2115 3,5 0,0363
Ze e 2500 3,7 0,0367
8. y 2050 3,4 0,0363
Vom 9. Aug. ab tägl. Beigabe von 3 g Calc. phosphoric.
10. August 2215 3,5 | 0,0363
11. „ 2030 3,4 0,0365
12. „ 2200 | 3,4 0,0365
13. „ 2060 3,0 0,0368
LA. „ 2230 3,3 0,0385
Versuch 2. Amme Klein. 21 J. I para im 5. Lactationsmonsat.
Tabelle VIII.
Kalkfütterungsversuch mit Calcium lactivum an der Amme Koch.
Datum zum Teäëecel run Teo 5 Ven EE CaO- Seng
21. August 09 2270 0,0486
22: s 2175 11 0, ‚0487
23. „ 2090 4,4 0,0482
Seit 23. August mittags tägl. 5,5 g Calc. lactio. in Himbeer-
limonade
24. August 2110 4,5 0,0485
>. `y 2015 6,3 0,0474
2. Septbr. 2090 4,2 0,0471
10. „ 2055 4,6 0,0465
Versuch 3. Amme Koch. 22 J. I para Ende des 3. Laotations-
monats.
Kalkgehalt der Frauenmilch. 449
‚ Tabelle IX.
_ Kalkfütterungsversuch mit Caloium lactioum an der Amme Klein. ` mit Calcium lacticum an der Amme Klein.
Datum "ëm Pr ZC E REECH KS ec CaO- —
26. August 09 0,0387
2. p £i 0, 0374
Vom 28. August morgens ee g Calo. laotio. in 1 1 Milch.
29. August 2390 ° 3,5 0,0377
30 SÉ 2260 3,8 0,0377
at p 2560 3,7 0,0374
4. Septbr. (nach 8 Tagen) 1695 3,5 0,0365
Versuch 4. Amme Klein. 21 J. I para im Beginn des 6. Lactations-
monate.
Die Versuche mit Zufütterung von organischen und anorga-
nischen Kalksalzen haben, wie aus den vorstehenden Tabellen VI
bis IX ersichtlich, keine größeren Ausschläge ergeben. Diese waren
auch von vornherein kaum zu erwarten, da die mit der gewöhnlichen
Kost zugeführten Kalkmengen den Cat) Bedarf stets über-
schreiten, besonders bei Individuen, die wie die Ammen unserer
Klinik täglich mehrere Liter Milch — der kalkreichsten Nahrung,
die wir kennen — zu sich nehmen.
Auffällig ist sogar, daß in den Fällen, wo der Kalkgehalt
der Milch sich änderte (bes. Tabelle VI), es meist im Sinne
einer Abnahme war. Im Falle der Amme Keiter war diese
Verminderung offenbar größer, als der physiologischen Lacta-
tionsabnahme entspricht.
Es wurde weiter der Versuch gemacht, durch Änderung
der Lösungsverhältnisse im Darm, durch Zufügung von Salz-
säure in größeren Dosen auf die Resorption und Ausscheidung
des Kalkes Einfluß auszuüben. Wir gaben einer Amme (v. G.)
7 Tage lang täglich 1 g Acidum hydrochloricum pro die, welche
in 3 Gläser Himbeerlimonade verteilt, gern genommen wurde,
und "beobachteten, daß der am 3. September 09 0,0410 CaO
betragende Kalkgehalt am 10. September auf 0,0360 CaO ge-
sunken war.
Dieser eine Versuch gestattet keine besondere Deutung.
Besonders wichtig schien uns ein letzter Versuch mit Ent-
ziehung des Kalkes in der Nahrung, weil erfahrungsgemäß von
allen alimentären Einflüssen der der Unterernährung die sicherste
Einwirkung auf die Zusammensetzung der Milch gibt.
450 Hunaeus:
Wir entzogen auf die Dauer von 8 Tagen einer Amme, die
nachweislich außer der gewöhnlichen gemischten Kost täglich
etwa 3 bis 3'/,1 Milch zu sich nahm, die Kuhmilch gänzlich
und suchten durch tägliche regelmäßige Kalkbestimmungen in
der Mischmilch, eventuelle Ausschläge festzustellen. Auch dieser
Versuch gab aber ein negatives Resultat. Der Kalkgehalt der
Milch nahm nicht ab.
Tabelle X.
Kalkentziehungsversuch an der Amme v. G.
Datum Tagesmilchmenge Fett CaO-Gehalt
com "ie "e
26.Septbr.09 2240 3,7 0,0378
Vom 27. September ab wird Kuhmilch entzogen und statt
dessen Himbeerlimonade als Getränk gegeben.
27. Septbr. 2105 3,9 0,0376
28., 2140 39 0.0377
2. > 2240 43 0.0377
SR — 2170 41 0,0376
Als Gesamtresümee ergibt sich aus den vorliegenden Unter-
suchungen, daß der individuelle Kalkgehalt so konstant und
zäh von jeder Frau festgehalten wird, daß Fütterungsversuche
keine nennenswerten Einflüsse ausüben können.
Wir zweifeln nicht, daß bei hochgradiger Unterernährung
auch der Kalkgehalt ebenso leiden kann wie auch sonst die
Qualität und Quantität der Milch. Befunde an solchen schlecht
genährten Individuen liegen noch nicht vor.
Literatur.
Aron und Sebauer, Untersuchungen über die Bedeutung der
Kalksalze für den wachsenden Organismus. Diese Zeitschr. 8, 1, 1908.
Aron, Kalkbedarf und Kalkaufnahme beim Säugling und die Be-
deutung des Kalkes für die Ätiologie der Rachitis. Diese Zeitschr. 12,
28, 1908.
Birk, Untersuchungen über den Einfluß des Phosphorlebertrans
auf den Mineralstoffwechsel gesunder und rachitischer Säuglinge.
Monatsschr. f. Kinderheilk. 7, Nr. 8, 1908.
Czerny und Keller, Des Kindes Ernährung. Handbuch, Teil I.
Dibbelt, Die Pathogenese der Rachitis, Arbeiten auf dem Ge-
biete der pathol. Anatomie und Bakteriologie aus dem pathol. - anatom.
Institut zu Tübingen 6, Heft 3, 1908.
Kalkgehalt der Frauenmilch. 451
Engel, Die Frauenmilch aus dem „Handbuch der Milohkunde“
von Sommerfeld. Wiesbaden 1909.
L. F. Meyer, Ernährungsstörungen und Salzstoffwechsel beim
Säugling in „Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 1“.
— —, Mineralstoffwechsel im frühen Kindesalter. Medizin. Klinik
1909, Nr. 16.
Kassowitz, Rachitis. Jahrb. f. Kinderheilk. 69, Heft 3.
Orgler, Bemerkungen zur Arbeit von Aron und Sebauer. Diese
Zeitschr. 10, 236, 1908.
Pfeiffer, Die Zusammensetzung der menschlichen Milch bei Ra-
chitis der Säuglinge. Jahrb. f. Kinderheilk. 24.
Schloßmann, Zur Frage der natürlichen Säuglingsernährung.
Arch. f. Kinderheilk. 30.
Schabad, Die Behandlung der Rachitis mit Lebertran, Phosphor
und Kalk. Zeitschr. f. klin. Med. 68, Heft 1 u. 2.
—, Der Kalk in der Pathologie der Rachitis, Berl. klin. Wochen-
schr. 1909, Nr. 18.
Stöltzner, Die Stellung des Kalkes in der Pathologie der Ra-
cobitis. Jahrb. f. Kinderheilk. 50.
—, „Rachitis“ im Pfaundler-SchloBmannsohen Handbuch der
Kinderheilkunde.
Wieland, Über sogenannte angeborene und über frühzeitig er-
worbene Rachitis. Jahrb. f. Kinderheilk. 67, Heft 4.
—, Klinische Untersuchungen über Frührachitis. Deutsche med.
Wochenschr. 1908, Nr. 36.
Versuche über Fütterung mit lipoidfreier Nahrung.
Von
_ Wilhelm Stepp, Gießen.
(Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut in Straßburg.)
(Eingegangen am 6. Oktober 1909.)
I.
Trotz der stetig wachsenden Erkenntnis der biologischen
Bedeutung der Zellipoide!) ist das Problem, ob der Tierkörper
diese Stoffe selbst bildet oder die Fähigkeit dieser Synthese
der Pflanze allein zukommt, experimentell noch kaum in An-
griff genommen worden. |
Die Methodik für die Lösung dieser Frage ist vorgezeichnet
durch den Weg, auf welchem man sich über die Unentbehr-
lichkeit anderer Bestandteile der Nahrung, z. B. der Salze,
des Eiweißes und seiner Spaltungsprodukte Aufschluß zu
verschaffen suchte. Auf dem Wege des Fütterungsversuches
mußte sich entscheiden lassen, ob ein Tier mit einer lipoid-
freien Nahrung am Leben erhalten werden kann oder nicht.
Für die Herstellung einer lipoidfreien Nahrung gab es
zwei Möglichkeiten. Einmal konnte man eine solche aus reinen
Nahrungsstoffen und Salzen künstlich zusammensetzen, was
jedoch seine schwerwiegenden Bedenken hat. Da wir nämlich
keineswegs alle für die Erhaltung des Lebens notwendigen Stoffe
kennen, so hätte, im Falle sich die Nahrung als ungenügend
erwies, immer noch die Möglichkeit vorgelegen, daß nicht der
Mangel an Lipoiden, sondern an einer andern unbekannten Sub-
stanz den Tod der Tiere veranlaßt hatte. Weit übersichtlicher
mußten die Verhältnisse liegen, wenn man von einer Nahrung
1) Mangels einer exakten Definition sei bemerkt, daß im nach-
folgenden unter Lipoiden die durch Alkohol, Ather, Chloroform extra-
hierbaren Zellbestandteile unter Ausschluß der Fette, also hauptsächlich
Cholesterine, Lecithine und Cerebroside zu verstehen sind.
W. Stepp: Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 453
susging, die erfahrungsgemäß zureichend, aber vorher von
Lipoiden befreit war. Bei den besonderen physikalischen Eigen-
schaften der Lipoide, d. h. ihrer relativ leichten Löslichkeit
in organischen Lösungsmitteln wie Alkohol, Ather usw. bot es
keine Schwierigkeiten, ein zu derartigen Fütterungsversuchen
durchaus geeignetes Futter zu bereiten.
Bei Benützung der Extraktionsmethode für die Herstellung
einer lipoidfreien Nahrung war zu bedenken, daß gleichzeitig
mit den Lipoiden auch die Glyceride der Fettsäuren in Lösung
gehen würden, und daß somit eine mit Alkohol und Äther er-
schöpfte Nahrung auch vollkommen fettfrei ist.
Einwandsfreie Fütterungsversuche mit vollkommen fett-
freier Nahrung konnte ich außer denen von Lum mert?) in
der Literatur nicht finden.
Lummert wollte die Frage entscheiden, ob man mit vollkommen
fettfreier Nahrung Fettmast erzielen könnte. Interesse für unsere Frage
beanspruchen nur seine Fütterungsversuche an Enten. Die beiden Ver-
suchstiere wurden durch Hungern bzw. Fütterung mit geringen Futter-
mengen erheblich in ihrem Gewicht reduziert (Tier I von 2150 auf 1490 g),
dann wurden sie mit durch Äther entfettetem Sohrotmehl und Reisstärke,
das eine Tier außerdem noch mit Casein und Fruchtzucker ernährt.
Geschlachtet wurden sie, „als keine weitere Gewichtszunahme mehr ein-
trat“. Das war bei dem einen Tier, bei dem während der Fütterung
noch einmal eine Stägige Hungerperiode eingeschaltet war, nach 21, bei
dem andern nach 24 Tagen der Fall. Das eine Tier hatte sein Anfangs-
gewicht um diese Zeit wieder erreicht, das andere nicht. Fettmast war trotz
reichlichster Fütterung bei keinem der beiden Tiere zu erzielen gewesen.
Wie man sieht, liegen hier Versuche vor, bei denen aus
der Nahrung wohl mit dem Fett gleichzeitig die Hauptmenge
der Lipoide extrahiert worden war.
An dieser Stelle möge noch einer Reihe von Fütterungs-
versuchen mit zum Teil künstlich zusammengesetzter Nahrung
gedacht werden, in denen möglicherweise die Lipoide wenigstens
zum Teil gefehlt haben. Hierher gehören die Luninschen?)
Versuche, in denen sich eine Mischung von Casein, Fett, Zucker
und Salzen als unzureichend erwies, Mäuse am Leben zu er-
halten. Ferner fütterten Falta und Noeggerath?) Ratten
1) Lummert, Pflügers Archiv 71, 1898.
2) Lunin, Zeitschr. f. physiol. Chem. 5, 1881.
3) Falta und Noeggerath, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol.
7, 1906.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 30
454 W. Stepp:
mit verschiedenen Nahrungsgemischen, welche bestanden aus
je einem der nachstehenden Eiweißkörper (Ovalbumin. puriss.
pulv., Casein puriss. [Hammarsten], Albumin aus Blut, Fibrin.
pulv. aus Blut, Hämoglobin, Blutglobulin) sowie „gereinigtem‘“
Schweinefett, Stärke, Traubenzucker und einem anorganischen
Salzgemisch. In einem Versuch wurde einem Gemisch sämtlicher
Eiweißkörper mit Amylum, Dextrose, Salzen noch Cholesterin
und Lecithin hinzugefügt.
Mit keinem dieser Nahrungsgemische konnten die Tiere
auf die Dauer am Leben erhalten werden, am längsten lebten
die Tiere mit der letzterwähnten Nahrung. Sowohl bei der
Versuchsanordnung von Lunin, wie auch bei der von Falta und
Noeggerath ist an die Möglichkeit zu denken, daß der Mangel
an irgendwelchen Lipoiden in der Nahrung die Ursache war,
daß die Tiere nicht am Leben erhalten werden konnten.
Gegen diese Schlußfolgerung würde auch nicht der letzte
Versuch mit Cholesterin- und Lecithinzusatz sprechen, denn es
ist ganz wohl denkbar, daß in diesem Versuch andere wichtige
Lipoidstoffe gefehlt haben.
Während die nachstehend angeführten Versuche bereits im
Gange waren, wurde mir eine Notiz von Röhmann?!) bekannt,
worin er kurz berichtet, daß er Mäuse dauernd mit einer lecithin-
freien Nahrung am Leben erhalten habe, ja daß dieselben sogar
Junge zur Welt gebracht hätten, welche sich bei dieser Nahrung
weiter vermehrten.?)
II.
Versuchsanordnung.
Als Versuchstiere erschienen aus verschiedenen Gründen
weiße Mäuße am zweckmäßigsten. Als zur Extraktion geeignetes
Futtermittel wurde Brot gewählt, da man Mäuse vorzüglich
mit ausschließlicher Brotnahrung ernähren kann. Das Brot
wurde aus reinem Weizenmchl mit Milch gebacken, mehrere
Tage im Brutschrank getrocknet, zerschrotet und portionsweise
in einem großen Soxhletapparat je etwa 12 Stunden mit 95°/,
Alkohol und Äther extrahiert. Zur völligen Entfernung des Athers
1) Röhmann, Lehrb. d. Biochemie. S. 109, 1908; Allgem. med.
Centralbl. 1908, Nr. 9.
2) Die Nahrung bestand aus Vitellin. Casein, Hühnereiweiß, Mar-
garine, verzuckerter Weizenstärke, Traubenzucker und Salzen.
Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 455
erwies es sich als notwendig, das Brot nach dem Trocknen in
Wasser einzuweichen. Aus dem gequollenen Brot ließ ich dann
der Äther mitsamt dem Wasser bei 40° im Luftstrom ver-
dunsten. Ein Verlust von Salzen aus dem Brot war bei dieser
Aufschwemmung in Wasser völlig ausgeschlossen.!) Nach dem
Trocknen war das Brot völlig geruchlos und hatte einen wenig
ausgeprägten, aber nicht unangenehmen, jedenfalls durchaus
nicht an Äther erinnernden Geschmack.
Die zu den Versuchen verwandten Mäuse von einem mitt-
leren Durchschnittsgewicht von 15g wurden zu je 6 Stück
in großen Glasstandgefäßen gehalten, deren Boden mit einer
dicken Lage entfetteter Watte bedeckt war. Die Gefäße wurden
täglich gründlich gereinigt, die Watte erneuert. Futter und
Brunnenwasser erhielten die Tiere täglich frisch in Glasschalen.
III.
Versuche.
Versuchsreihe A. (Mit Alkohol-Äther extrahiertes Brot.)
Versuch 1.
Hauptversuch.
6 ausgewachsene Mäuse wurden unter den oben erwähnten Be-
dingungen mit extrahiertem Brot gefüttert. Sämtliche 6 Tiere starben
und zwar:
l nach 16 Tagen,
Low 2 „
3 LU 23 LI)
1 LU 29 29
Aus den Versuchsprotokollen möge bemerkt werden, daß die Tiere
während der ersten 14 Tage vollkommen munter waren und das dar-
gereichte Brot gierig fraßen. Verminderte Freßlust und sonstige Er-
scheinungen, wie geringere Regsamkeit usw. trat bei den einzelnen Tieren
meist erst wenige Tage vor dem Exitus auf. Sobald sich bei einem Tiere
derartige Symptome zeigten, wurde es isoliert.
Kontrollversuch.
Um dem Einwand zu begegnen, daß die Tiere nicht an
dem Mangel der extrahierten Substanzen zugrunde gegangen
seien, sondern daran, daß durch die Einwirkung der Extrak-
tionsmittel im Brote selbst eine Veränderung vor sich gegangen
1) Auf die bei der Extraktion mit 95°/,igem Alkohol eintretenden
Salzverluste wird später einzugehen sein. ]
30*
456 W. Stepp:
sei, die es zur Ernährung untauglich machte, habe ich gleich-
zeitig noch einen Kontrollversuch durchgeführt, in dem 6 Mäuse
mit alkoholätherextrahiertem Brot gefüttert wurden, dem nach-
träglich der Extrakt wieder zugesetzt worden wear."
Die Tiere waren mit Ausnahme einer Maus, die aus unbekannten
Gründen bereits nach 14 Tagen verendete, noch am 30. Tage vollkommen
munter, also zu einer Zeit, wo sämtliche Tiere des Hauptversuches be-
reits gestorben waren.
Versuch 2.
Einen weiteren Versuch unter vollkommen gleichen Be-
dingungen stellte ich an 6 Mäusen desselben Wurfs an. Das
Alter der Tiere betrug ca. 8 Wochen.
Nachdem die Tiere vom Muttertier getrennt worden waren und
ich mich durch Fütterung mit gewöhnlichem Brot überzeugt hatte, daß
die Tiere selbständig fressen konnten, wurde zum Versuch geschritten.
3 Tiere wurden mit alkoholätherextrahiertem Brot, 3 Tiere mit
demselben Brot +4 nachträglichem Extraktzusatz gefüttert.
Alle 3 mit dem extrahierten Brot gefütterten Tiere gingen ein und
zwar:
1 nach 21 Tagen?)
2 „ 3 „
Die 3 Kontrolltiere waren noch 42 Tage naoh Beginn des Versuchs
vollkommen munter. Der Versuch wurde dann abgebrochen.
Zu diesem zweiten Versuch möge noch bemerkt werden, daß die
Tiere stets regelmäßig gewogen wurden, daß sich aber durchaus kein be-
stimmter Typus in der Gewichtskurve erkennen ließ. Nur in den letzten
Tagen vor dem Tode nahm das Körpergewicht stets ab. Ebenso wie die Tiere
des ersten Versuchs hatten die des zweiten in den ersten Wochen mit
großer Gier gefressen, dann begann die Freßlust ein wenig nachzulassen.
Alle verendeten Tiere wurden möglichst sofort nach dem Tode
seziert. Irgendwelche pathologisch-anatomischen Veränderungen konnten
nicht gefunden werden.
Die Tatsache, daß sämtliche 9 Tiere, welche mit alkohol-
äther-extrahiertem Brot gefüttert wurden, eingingen, und zwar
die ausgewachsenen Tiere erheblich früher als die jungen, im
starken Wachstum begriffenen Tiere, zeigt, daß das alkohol-
1) Der eingeengte, dunkelbraun gefärbte alkoholische Extrakt wurde
mit dem ebenfalls eingeengten ätherischen Extrakt vereinigt, mit Wasser
emulgiert, die Emulsion mit der in einer größeren Menge Wassers auf-
geschwemmten Brotportion vereinigt, das Ganze im Luftstrom bei ca. 40°
zur Trockne gebracht. So war die Garantie gegeben, daß die wieder
zugesetzten Extraktstoffe auch gleichmäßig im Brot verteilt waren.
2) Das relativ früh gestorbene Tier war erheblich kleiner als die
Geschwistertiere,
Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 457
äther extrahierte Brot zur Ernährung unzureichend war. Denn
die zweite Möglichkeit, daß das Brot durch die Alkoholäther-
Extraktion toxische Eigenschaften angenommen hätte, wird durch
den Kontrollversuch beseitigt, bei dem die Tiere, mit Ausnahme
eines, das aus unbekannten Gründen frühzeitig starb, alle am
Leben blieben.
Man könnte in diesem Versuchsergebnis einen Gegensatz
finden zu dem schon erwähnten Versuche Lummerts, der
zwei Enten je 21 und 24 Tage mit äther-extrahiertem Schrot-
mehl ohne Schaden fütterte. Wenn man jedoch überlegt, daß
Mäuse bei ihrem geringen Gewicht nur einen sehr geringen
Vorrat an alkoholäther-löslichen Stoffen, dabei aber wegen
ihrer verhältnismäßig großen Oberfläche einen regeren Stoff-
wechsel als Enten haben müssen, so wird man nicht erwarten,
daß die Störungen, die bei lipoidfreier Nahrung bei Mäusen
nach etwa 3 Wochen auftreten, sich um etwa dieselbe Zeit
auch bei Enten, die etwa das 120- bis 150fache wiegen, geltend
machen müßten. `
Hingegen sind bei der Verwertung der Resultate zwei andere
Bedenken ernstlich zu erwägen.
Genaue Stoffwechseluntersuchungen sind an Mäusen nicht
ausführbar. Infolgedessen wird die Entscheidung der Frage, ob die
Ernährung einer Maus eine ausreichende ist, schwierig sein, be-
sonders schwierig, wenn der exakte Nachweis gefordert wird,
daß die zugeführte Calorienmenge eine genügende war. Ich
glaube jedoch, diesem Bedenken kein Gewicht beilegen zu müssen,
da ich mich überzeugt habe, daß die mit extrahiertem Brot
gefütterten Tiere in ihrer Freßlust, wenigstens in den ersten
Wochen, den Kontrolltieren nicht im entferntesten nachstanden.
Daß in den letzten Tagen vor dem Tode die Freßlust nach-
läßt, scheint mir vielmehr der Ausdruck einer bereits vor-
handenen krankhaften Störung zu sein. Übrigens habe ich voll-
ständige Verweigerung der Nahrung nur in den letzten Stunden
vor dem Tode beobachtet.
Ein weiteres schwer wiegendes Bedenken ist folgendes: Bei
der stundenlangen Extraktion des Brotes mit 95°/,igem Alkohol
gehen kleine Mengen von Salzen in Lösung. So könnte daran
gedacht werden, daß die Tiere an Salzmangel zugrunde ge-
gangen seien. Dieser Salzmangel könnte sich naturgemäß nur
458 W. Stepp:
auf die in Alkohol etwas löslichen Salze, vor allem Chloride
und Alkalien beziehen.
Die Untersuchung der Asche des extrahierten Brotes ergab
die Anwesenheit von Chloriden. Von völligem Salzmangel kann
daher keine Rede sein. Doch hielt ich es für wünschenswert,
einen den Einwand des Salzmangels berücksichtigenden Versuch
auszuführen, nämlich mit extrahiertem Brot, dem nachträglich
die Salze wieder zugesetzt waren. Der Versuch erwies sich
leider aus besonderen Gründen — er war mit chloroform-extra-
hiertem Brot angestellt — nicht voll beweiskräftig. Immer-
hin sprechen meine Versuche dafür, daß das völlige Fehlen
der alkohol-ätherlöslichen Substanzen (Lipoide +
Fette) in der Nahrung von Mäusen auf die Dauer
nicht vertragen wird.
Versuchsreihe B.
(Mit Alkohol-Äther-Chloroform extrahiertes Brot.)
In einer weiteren Reihe von Versuchen wurde ein Brot
verfüttert, das nach Extraktion mit Alkohol und Ather noch
einer Extraktion mit Chloroform unterworfen worden war.!)
Versuch 3.
6 Mäuse wurden mit alkohol-äther-chloroform-extrahiertem Brot
gefüttert. Sämtliche Tiere gingen ein, und zwar:
l nach 13 Tagen,
3 (IL 21 LÉI
l s 2 y
1 39 23 LA
Versuch 3a.
In Berücksichtigung des oben erwähnten Einwandes des Mangels
von Salzen wurde an 6 Mäuse ein Brot verfüttert, das die bei der Ex-
traktion in Lösung gegangenen Salze wieder zugesetzt erhalten hatte.?)
Sämtliche Tiere gingen ein, und zwar:
Be nn WW
1) Da trotz tagelangem Trocknen des extrahierten Brotes bei 100°
die Anwesenheit von Chloroformspuren zwar nicht durch den Geruch,
wohl aber noch deutlich beim Kauen zu erkennen war, wurde das extra-
hierte Brot ebenso wie bei den anderen Versuchen nochmals in Wasser
eingeweicht, das Wasser durch Verdunsten verjagt. Auf diese Weise
gelang es mit Leichtigkeit, die letzten Spuren des Chloroforms zu ent-
fernen.
32) Die vereinigten Extrakte wurden verascht, der Rückstand in
Wasser gelöst und filtriert. Diese Lösung schmeckte schwach salzig und
Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 459
l nach 6 Tagen (interourrent?),
KE o E 5%
l „ 16 5;
l >» IBB ,
1.19 ,
l o A ,
Es sei hier ausdrücklich auf die fast vollkommene Über-
einstimmung dieses Versuchs mit dem vorigen hingewiesen. Der
Zusatz der Salze vermochte den Verlauf des Versuchs nicht zu
beeinflussen.
Versuch 3b.
6 Mäuse wurden mit alkohol-äther-chloroform-extrahiertem Brot +
nachträglichem Extraktzusatz gefüttert.
Auffallenderweise gingen nun auch diese Tiere ein, wenn auch be-
züglich der Zeitdauer gegenüber den Versuchen ohne Extraktzusatz eine
Differenz bestand. Die Tiere starben:
l nach 18 Tagen,
2 » I9 „
1.20 „
ln 2 „
l 99 44 LI
Die Versuche dieser zweiten Reihe waren eigentlich nur
angestellt als Erweiterung und Ergänzung der ersten Serie.
Eine Extraktion mit Chloroform im Anschluß an eine vorher-
gegangene mit Alkohol und Äther sollte die letzten etwa noch
nicht in Lösung gegangenen Lipoide (Cerebroside) entfernen.
Während die Versuche mit extrahiertem Brot und mit ex-
trahiertem Brot + Salzzusatz der ersten Versuchsreihe entsprechen
fiel der Kontrollversuch mit extrahiertem Brot -+ nachträglichem
Extraktzusatz ganz unerwartet aus. Auch diese Tiere gingen
ein, allerdings zum Teil erheblich später als die der beiden
anderen Versuche. Da die einzige Abweichung der Versuchs-
reihe B von der Versuchsreihe A die eingeschaltete Chloroform-
extraktion war, so mußte in einer Einwirkung des Chloroforms
auf die extrahierten Stoffe oder auf das Brot selbst die Er-
klärung zu suchen sein. Entweder hatte das Chloroform unent-
behrliche Nährstoffe des Brotes zur Ernährung untauglich ge-
zeigte eine Spur alkalischer Reaktion. Sie wurde der in Wasser aufge-
schwemmten Brotportion zugesetzt, das Wasser sodann verjagt und das
Brot getrocknet. Auf diese Weise war eine gleichmäßige Verteilung der
Salze im Brot erreicht.
460 W. Stepp: Fütterung mit lipoidfreier Nahrung.
macht, oder es war dabei ein giftig wirkender, nicht flüchtiger
Stoff entstanden.
Der Befund ist an sich nicht geeignet, das Ergebnis der
Versuchsreihe A abzuschwächen. Doch hat er leider die Prüfung
des oben angedeuteten Bedenkens — daß vielleicht im alkohol-
äther-extrahierten Brot dem Salzmangel eine Rolle an dem
Tod der Tiere zufällt — vereitelt.
Ein diesen Punkt endgültig klarstellender Versuch soll in
einer späteren Arbeit gebracht werden.
IV.
Wenn die mitgeteilten Tatsachen dafür sprechen, daß irgend-
welohe mit Alkohol und Ather extrahierbaren Bestandteile des
Milchbrotes für Mäuse unentbehrlich sind, daß somit der Maus-
organismus nicht befähigt ist, sie aus den sonst in der Nahrung
enthaltenen Bestandteilen — Eiweiß, Kohlenhydraten usw. —
selbst zu bereiten, so ist damit über die Natur dieser Bestand-
teile noch nichts ausgesagt. Nach der üblichen Bezeichnung fallen
sie unter die Rubrik „Lipoide“. Es ist aber nicht ersichtlich,
ob dabei eines der bekannten Lipoide eine besondere Rolle spielt.
Nur daß es sich nicht um das Lecithin handeln dürfte, geht
wohl aus den schon erwähnten Versuchen von Röhmann
hervor. Es wird also an andere Körper zu denken sein. Es
wäre aber auch noch zu erwägen, ob nicht eine, wenn auch
sehr geringe Menge von Fett in der Nahrung für den normalen
Verlauf der Ernährungsvorgänge unentbehrlich ist. Unter-
suchungen, welche sich mit diesem Gegenstand, sowie mit
weiteren sich anschließenden physiologischen Fragen befassen,
sind bereits in Angriff genommen.
Zur biologischen Bedeutung des Leecithins.
(IV. Mitteilung)
Über den Gehalt des Blutes bei Polycythaemia rubra megalo-
splenica an Phosphor und Eisen in Lipoidform.
Von
W. Glikin.
(Aus dem Tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hoch-
schule zu Berlin.)
(Eingegangen am 10. Oktober 1909.)
A. Loewy?) hat in einem Falle von Polyoythaemia rubra
im Blute eines Mannes in zwei verschiedenen Proben 115,6 mg
Fe und 125,0 mg Fe pro 100 ccm Blut gefunden — im Mittel
also 120,3 mg Fe pro 100 ccm. Bei näherer Betrachtung dieses
weit von der Grenze der Norm liegenden Befundes drängt sich
die Frage von selbst auf, ob die anderen Bestandteile des
polycythämischen Blutes dem Eisengehalt parallel gehen, d.h.
ob deren Gehalt sich ebenfalls höher gestaltet, wie der des
Eisens.. Da das Lecithin als primärer Zellbestandteil betrachtet
wird, so muß sein Gehalt bei einer Vermehrung der Zellen,
in diesem Falle der Blutzellen, entsprechend höher sein. Ich
habe mein Augenmerk zunächst dem Fett-, Lecithin-, Lipoid-
eisen- und Phosphorgehalt zugewendet.
Bezüglich der Methodik der Fettbestimmung im Blute bin
ich hier wie bei Milch und anderen Flüssigkeiten in der Weise
vorgegangen, daß ich das Blut mit mit verdünnter Salzsäure ge-
kochtem, sorgfältig ausgewaschenem und dann geglühtem See-
sand in einer Porzellanschale verrieben, und dann auf dem Sandbade
1) Berlin. klin. Wochenschr. Nr. 30, 1909. Das Blut stammt von
einem Kranken der Senatorschen Klinik.
462 W. Glikin:
unter Ööfterem Umrühren bei gelinder Wärme zur Trockne ein-
gedampft habe. (Das Umrühren darf nicht unterlassen werden,
sonst bildet sich beim Eintrocknen ein Coagulum, das sich
dann sehr schwer verreiben läßt.) Die trockne Masse wird
dann im Mörser zerrieben und im Soxhletapparat mit Alkohol
und Chloroform bis zur vollständigen Erschöpfung extrahiert,
d. h. bis frisch aufgegossenes Extraktionsmittel sich nicht mehr
färbt. Die vereinigten alkoholischen und Chloroformauszüge
werden verdunstet, der Rückstand mit Petroleumäther auf-
genommen, filtriert und nach dem Verdunsten des Äthers und
Trocknen bei 100°C gewogen.
Die Phosphor- und Eisenbestimmungen habe ich nach dem
Neumannschen Verfahren ausgeführt.
Die Analysen gaben folgende Resultate:
I. 65 ccm einer Blutprobe gaben:
1. 0,6660 g = 1,025°/, resp. 10,25g Fett in 1000 ccm.
2. 0,02989 g = 0,04598°/, P,O, Lipoidphosphor = 0,5226°/,
resp. 5,2260g Lecithin in 1000 com.
3. 0,00484 g Fe — 0,01064°/, resp. 0,1064 g Fe,O, „Lipoid-
eisen‘ in 1000 ccm.
Gesamtphosphor Zneë AR . > 1,7650g P,O, in 1000 ccm
Gesamteisen KEE 3 1,7857 g Pe, 1000 ,,
II. 40 com einer anderen Blutprobe gaben:
1. 0,3300 g = 0,825°/, resp. 8,25 g Fett in 1000 ccm.
2. 0,01777 g = 0,04435°/, P,O, Lipoidphosphor = 0,5041 °/,
resp. 5,0410g Lecithin in 1000 ccm.
3. 9,00396 g Fe = 0,01319°/, resp. 0,1319 g Fe,O, (,Lipoid-
eisen‘) in 1000 ccm.
Gesamtphosphor | 2,391g P,O, in 1000 ccm
“ Gesamteisen 2... 2069g Fe,O, „ 1000 ,
Auf die Resultate der Fettbestimmungen kann ich nicht
näher eingehen, da mir die Nahrung, die der Patient vor dem
Aderlaß zu sich genommen hat, unbekannt ist. Daß der Fett-
gehalt des Blutes von der Art der Nahrung abhängt, braucht
keiner besonderen Erläuterung.
Bezüglich des Lecithingehaltes liegen keine direkten Be-
stimmungen vor und wir müssen unsere Resultate vorläufig
Biologische Bedeutung des Lecithins. IV. 463
mit den im Blute verschiedener Säugetiere gefundenen Werten
vergleichen. Das Blut der Säugetiere dürfte nicht wesentlich
von dem der Menschen verschieden sein. Abderhalden!) fand
bei Säugetieren einen Lecithingehalt, der zwischen 2 und 3g
pro 1000 g liegt, während der von mir gefundene über 5 g be-
trägt, d. h. der Lecithingehalt nimmt im polycythämischen Blut
um etwa das Doppelte zu. Somit bestätigt sich in diesem Falle
die Annahme, daß bei einer Vermehrung der Zellen der Lecithin-
gehalt entsprechend höher ist.
Ähnlich gestaltet sich die Zunahme des Phosphor- und,
wie bereits erwähnt, des Gesamt-Eisengehaltes; wir konstatieren
hier etwa eine dreifache Zunahme. Bunge fand im normalen
Blute eines Mannes 0,9350 g P,O, in 1000g, der von mir er-
haltene Wert beträgt in der ersten Probe 1,7650 g, in der zweiten
2,391 g PO, pro 1000 ccm. Der von Bunge angegebene Eisen-
wert beträgt 0,7400g Fe,O, in 1000g, während ich 1,7857g in
der einen und 2,069g in der anderen Probe gefunden habe.
Ferner ermittelte ich den Eisengehalt im Fette dieses Blutes
und fand in der einen Probe 0,1064g Fe,O, und in der anderen
0,1319 g Fe,O, (Lipoideisen).. Vergleichen wir diese Werte
mit dem Gesamteisengehalt, so sehen wir, daß der Lipoid-
eisengehalt 6°/, des Gesamteisengehaltes ausmacht — ein Wert,
der nicht zu unterschätzen ist, weder qualitativ noch quanti-
tativ. Die Tatsache, daß das im Blutfett und somit in den
Lipoiden des Blutes enthaltene Eisen bis jetzt unbekannt
war und auf andere Verbindungen verteilt wurde, legt die An-
nahme nahe, daß man bei Berücksichtigung des Lipoideisens
zu einer ganz anderen Verteilung des Eisens im Blute gelangen
und somit möglicherweise auch ein ganz anderes Bild über die
Zusammensetzung des Blutes erhalten würde.
Untersuchungen im normalen Blut, sowie in dem des
Kranken nach dieser Richtung hin sind bereits begonnen.
1) Lehrbuch d. physiol. Chemie.
Zur Kenntnis des Hämopyrrols. IL"
Von
Z. Leyko und L. Marchlewski.
(Vorgelegt der Akademie der Wissenschaften zu Krakau.)
(Eingegangen am 13. Oktober 1909.)
In den vorhergehenden Abhandlungen über Hämopyrrol hat
der eine von uns mit Goldmann, Hetper, Buraczewski,
Mostowski und Retinger*) gezeigt, daß Hämopyrrol leicht
mit Diazoniumsalzen reagiert, hierbei ausgezeichnet krystalli-
sierende Farbstoffe liefernd. Als Hauptprodukt wird ein Körper
gebildet, dem die Formel (Produkt D:
(C,H,.N,.C,H,,N-C,H,:N,)HCl
zuerteilt wurde. Außer dieser Substanz bildet sich vorüber-
gehend eine Verbindung, die wir als das Monoazoderivat auf-
fassen, sodann ein prächtig krystallisierendes Produkt mit dem
Schmelzpunkt 268° (Produkt II) und schließlich zwei andere
nur in sehr kleinen Mengen einmal beobachtete Produkte (III
und IV).
In der vorliegenden Mitteilung sind wir in der Lage, über
Produkt II genauer zu berichten.
Produkt II.
Dasselbe hatten wir bis vor kurzem nur in geringen Mengen
zur Verfügung. Es war daher unmöglich zu entscheiden,
welcher empirischen Formel es entspricht. Wir sind jetzt in
der Lage diese Lücke auszufüllen.
1) Die erste Abhandlung dieser Serie erschien in dieser Zeitschr.
10, 437, 1908.
2) Zunammenstellung der Literatur findet sich in L. Marchlewski:
Die Chemie der Chlorophylle und ihre Beziehung zur Blutfarbstoff-
chemie, Braunschweig 1909.
Z. Leyko u. L. Marchlewski: Zur Kenntnis des Hämopyrrols. 1I. 465
Eine Anzahl von Versuchen überzeugte uns, daß die besten
Ausbeuten des Produktes II unter folgenden Umständen erzielt
werden:
5 g Hämin werden in 100 g Eisessig suspendiert, 100 g
Jodwasserstoffsäure (spez. Gew. 1,96) zugefügt, die Mischung
auf ein kochendes Wasserbad gesetzt und nach und nach 8 g
Jodphosphonium zugesetzt. Die Reduktion soll nicht länger
als 30 Minuten dauern.
Die Mischung wird nun mit 500 ccm Wasser versetzt, die
Säuren vollständig neutralisiert und unter Einleitung von
Kohlensäure das gebildete Hämopyrrol abdestilliert. Das wässe-
rige Destillat wird mit 750 com Äther ausgeschüttelt und mit
einer mittlerweile hergestellten Diazobenzollösung vermischt.
Letztere wurde erhalten, indem 50 com %/,-salzsauren Anilins
wie üblich diazotiert wurde; die Diazolösung entbielt ein Mol-
Salzsäure im Üerschluß. Das Schütteln der ätherischen Lösung
mit der Diazolösung dauerte ?/, Stunde. Nach dieser Zeit
wurde die saure Lösung abgetrennt und die ätherische der
Krystallisation überlassen. Die nach längerem Stehen ab-
geschiedenen Krystalle wurden sodann der folgenden Behand-
lung unterworfen. Nach dem Abtrennen der Mutterlauge wurden
die Krystalle zunächst in der Kälte mit Chloroform erschöpft.
Das Lösungsmittel nahm hierbei eine blau-violette Farbe an.
Auf dem Filter blieb Produkt I, welches in Chloroform schwer
löslich ist. Produkt II befand sich in der Lösung. Um es kry-
stallisiert zu erhalten, wurde die Chloroformlösung stark kon-
zentriert und sodann mit dem zweifachen Volum Alkohol ver-
setzt. Hierbei entstand ein prächtiger, glitzernder, krystallini-
scher Niederschlag, der abfiltriert und noch zweimal aus einem
Gemisch von Chloroform und Alkohol umkrystallisiert wurde.
Wählt man hierzu ein Gemisch, in welchem die Menge des
Chloroforms nicht so bedeutend wie oben angegeben im Ver-
hältnis zum Alkohol zurücktritt, dann erfolgt die Krystallisation
langsam, und man erhält wohl ausgebildete Krystalle des rhom-
bischen Systems,!) welche ziemlich scharf bei 268° schmelzen.
Für die Analyse wurde das gepulverte Produkt bei 110°
bis zum konstanten Gewicht getrocknet:
1) Vgl. diese Zeitschr. 10. 447, 1908.
466 Z. Leyko und L. Marchlewski:
1. 0,1213 g gaben 0,3017 g CO, und 0,0744 g H,O
entsprechend 68,51°/, C und 6,86°/, H,
2. 0,1060 g gaben 0,2668 g CO, und 0,0646 g H,O
entsprechend 68,65°/, C und 6,82°/, H,
3. 0,1051 g gaben 16,0 ccm N bei t= 16°, b =— 743,8 mm
entsprechend 17,28°/, N,
4. 0,1102 g gaben 16,8 ccm N bei t= 16°, = 749 mm
entsprechend N = 17,42°/,,
0,1608 g gaben 0,0472 g AgCl
entsprechend 7,26°/, Cl.
Aus den mitgeteilten Werten berechnet sich die folgende
Formel:
Sp
Ber. für Cas H33N6Cl Gef. im Mittel
dë d
C: 68,70 68,56
H: 6,81 6,84
N: 17,22 17,35
Cl: 7,27 7,26
100,00 100,01
Die Substanz ist also chlorhaltig, ein Ergebnis, welches
der eine von uns auch mit Retinger für nicht ausgeschlossen
hielt, was aber damals aus Mangel an Substanz nicht sicher
gestellt werden konnte. Damals erhielten wir 68,39°/, C,
6,57°/, H und 17,80°/, N, also Werte, welche von dem obigen
nicht wesentlich verschieden sind.
Bezüglich der Eigenschaften des Produktes II sei folgen-
des bemerkt:
Es krystallisiert im rhombischen System. Den früher ge-
machten Angaben von Morozewicoz haben wir nichts hinzu-
zufügen. In größeren Mengen erscheint das Produkt als metal-
lisch glänzende Schuppen von rotvioletter Farbe. Am leichtesten
löst es sich in Chloroform, schwer in Alkohol und Äther. Unter
dem Einfluß von Alkalien wird die Substanz leicht verändert.
Die Reaktion verläuft in zwei Hauptstadien, auf die wir noch
zu sprechen kommen werden.
Die Chloroformlösung verursacht, wie bereits früher be-
schrieben, zwei Absorptionsbänder, die nicht scharf begrenzt sind.
Besonders stark ist die Absorption des Ultrarots und des
äußersten Rotes sowie des Violettes und Ultraviolettes.
Zur Kenntnis des Hämopyrrols. II. 467
Sorgfältige photographische Aufnahmen haben die Anwesen-
heit von drei Absorptionsbändern im stärker gebrochenen Spek-
trumteil ergeben, von denen das am stärksten gebrochene aller-
dings sehr schwach und verwaschen ist. Wir photographierten
eine Lösung, die entstand, indem 10 ccm einer Chloroformlösung,
welche im Liter 0,2 g Substanz enthält, mit 90 ccm Äther ver-
dünnt wurden.
Schichtendicke Band III Band II Band I
7,5 mm 399,0—407,0 uu 421,5—425,0 uu
10,0 „ 397,0—408,0 „ 418,5—426,0 „
12,5 „ 377,0—390,5 un 395,0—409,5 „ 417,5—427,5 „
15,0 „ 394,5—410,5 „ 416,0—429,0 „
17,5 p _ 393,5—411,0 „ 414,0—430,5 „
Die sog. Endabsorption beginnt bei der 17,5-mm-Schicht
bei etwa 340 uu. Endlich wurde auch der Extinktionskoeffizient
im Apparate von Martens-König bestimmt, und zwar für
Na-Licht. Die angewandte Lösung enthält 0,1 g in 1000 com
Chloroform; zur Untersuchung gelangte eine l-mm-Schicht.
E = 3,83.
Unter dem EinfluB von Wasserstoff in statu nascendi
werden die ursprünglichen blauvioletten Lösungen des Farb-
stoffs nahezu entfärbt. Zunächst bemerkt man einen fleisch-
farbigen Ton, welcher schließlich einem gelblichen Platz macht.
Besonders interessant ist das Verhalten des Farbstoffs zu
Alkalien. Wird seine Chloroformlösung mit alkoholischem Kali
versetzt so schlägt die Farbe sehr bald in Grün und dann in Orange
um, und die ursprüngliche Farbe kann durch Säurezusatz nicht
mehr hergestellt werden. Der gebildete Farbstoff ist in Äther
leicht löslich, verursacht aber gar keine oharakteristische Ab-
sorptionen. Ammoniak wirkt schwächer; auch hier wird nach
einiger Zeit die ursprüngliche blauviolette Farbe in eine grüne
und eine orange umgewandelt. Der Farbstoff des Endstadiums
kann krystallisiert erhalten werden, aber bis jetzt waren wir
nicht in der Lage eine größere Menge desselben herzustellen.
Da die genannten Alkalien den Farbstoff wie ersichtlich
zu stark angreifen, und es uns daran lag, den Charakter des
durch die Analyse angezeigten Chloratoms aufzuklären, versuch-
ten wir das Chlor durch Natriumacetat zu eliminieren ; das ge-
lingt in der Tat wie folgende Versuche zeigen. Wird die
468 Z. Leyko und L. Marchlewski:
Chloroformlösung des Farbstoffs mit einer methylalkoholischen
Lösung von Natriumacetat versetzt, so wird die Farbe ganz
bedeutend blauer. Versetzt man nun das Gemisch mit Wasser
und extrahiert mit Ather, so erhält man eine rein dunkelblaue
Lösung, welche im durchfallenden Lichte rot erscheint. Das
Spektrum dieser Lösung ist im sichtbaren Teil durch ein Band
ausgezeichnet, dessen Lage je nach der Konzentration durch
die folgenden Wellenlängen charakterisiert wird:
Konzentration B Konzentration C
(2Vol.A-++-1 Vol. Äther) | (2 Vol. B-+1 Vol. Äther)
653,5—539,5 uu 644,0— 558,0 uu | 536,5—568,0 uu
Diese Werte charakterisieren das Spektrum des freien Farb-
stoffs, was daraus folgt, daß, wenn man die obige ätherische
Lösung mit HCl-haltigem Ather versetzt, der Farbton violett
wird und im Spektrum zwei Bänder erscheinen, welche dieselbe
Lage einnehmen, welche für die Bänder des ursprünglichen
Farbstoffs charakteristisch sind.
Was die Natur des Produktes II anbelangt, so sprechen
die angeführten Analysenwerte sowie die Erkenntnis, daß das
Chloratom durch gelinde Alkaliwirkung entfernt und durch
Salzsäure wieder angelagert werden kann, dafür, daß man es mit
einem Körper von folgender Zusammensetzung zu tun hat:
(CH, — N; — C,H,,N — Dean, N — N,C,H,)H C
wonach derselbe als Chlorhydrat einer Kombination zweier
Moleküle des Monoazofarbstoffs des Hämopyrrols anzusehen ist.
Dieses Resultat ist aus zweierlei Gründen wichtig. Erstens
könnte dasselbe als neuer Beweis angesehen werden, daß
Hämopyrrol die Zusammensetzung C,H,,N und nicht C,H, ,N
besitzt. Zweitens, daß Hämopyrrol als Gemisch zweier Körper
aufzufassen wäre, von denen der eine C,H,,N den Disazofarb-
stoff, dessen Chlorhydrat bei 233° schmilzt, liefert, und der
andere etwa ein Dihämopyrrol C,H,,N— C,H, ,N ist, welcher
Produkt II gibt.
Die bis jetzt im hiesigen Laboratorium ausgeführten Unter-
suchungen sprechen aber für die Annahme, daß Produkt II
als Repräsentant einer Klasse von Pyrrolabkömmlingen an-
zusehen ist, welche bis jetzt nicht beobachtet wurden und welche
Konzentration A
Zur Kenntnis des Hämopyrrols. II. - 469
entstehen, wenn zwei Moleküle eines Pyrrolmonoazofarbstoffs
auf eine noch aufzuklärende Art miteinander verknüpft werden.
Wie ich mit Robel an anderer Stelle zeigen werde liefert
nämlich a,-ß,-Dimethylpyrrol mit Benzoldiazoniumchlorid unter
gewissen Bedingungen einen Farbstoff von der Zusammen-
setzung:
(C,H, — N, — CGH,N — C,H,N — N, — C,H, )HCI
welcher dem Hämopyrrol-Produkt II in allen Details ähnlich
ist. Unsere Absicht ist, Produkt II noch weiter zu untersuchen,
und zwar seine Bildung in Abhängigkeit von verschiedenen
Reduktionsarten des Hämins und seine Umwandlungsprodukte
unter dem Einfluß von Alkalien und Natriumascetat. 2
Endlich sei noch bemerkt, daß bei der jetzt angewandten
Reduktionsweise des Hämins aus 60 g folgende Anabolen er-
halten wurden:
Produkt I: 2,27 g,
„ I: 1,58g,
Analysen des Produktes I liefernten Werte, welche mit den früher
erhaltenen übereinstimmen.
0,1022 g gaben 0,2460 g CO, und 0,0625 g Ze
entsprechend 65,65°/, C und 6,85°/, H,
0,1009 g gaben 17,1ccm N bei t= 20 und 741,1 mm
entsprechend 18,74°/, N
Die Formel C oHe N,Cl verlangt 65,25°/, C, 8,03°/, H H und
19,08°/, N
Anhang.
Vor einiger Zeit publizierte Piloty?!) eine Abhandlung
über den Blutfarbstoff, welche Küster”) veranlaßte, einige nur
zu billigende Äußerungen zu machen. Küster kennzeichnet
die Art, wie Piloty die diesbezüglichen früheren Arbeiten zur
Wiedergabe bringt, und mit welcher Hartnäckigkeit er bereits von
anderen Geleistetes mit Schweigen übergeht. Diese Art „wirkt
unerfreulich, weil sie den Genuß an der Sache und die reine
Freude am Erkennen und an wissenschaftlicher Arbeit trübt“.
Es wäre gut, wenn diejenigen Forscher die jetzt, nachdem die
1) Liebigs Annalen 366, 237, 1909.
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 61, 164, 1909.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 31
470 Z. Leyko u. L. Marchlewski: Zur Kenntnis des Hämopyrrola. II.
allergrößten Schwierigkeiten in der Chlorophyll- und Blutfarb-
stofforschung überwunden sind, nachdem das Herumtappen im
Dunkeln aufgehört hat, an dieselben Probleme treten — und
die Erfahrungen ihrer Vorgänger ausnutzen, sich des obigen
Satzes wohl bewußt bleiben. Ob Küster selbst niemals, nicht
bez. des sachlichen Inhalts seiner Arbeiten, aber bez. der Art,
dieselben dem Leser vorzulegen, zu kritisieren war, lasse ich
dahingestellt.
Aber noch in einer anderen Richtung ist ein Vorwurf gegen
Piloty zu erheben: er beschreibt den Stand der bisherigen
Forschung direkt unrichtig. Piloty irrt, indem er behauptet,
aus Küsters Arbeiten folge, Hämopyrrol wäre ß,-ß,-Methyl-n-
Propylpyrrol. Dies folgt auch nicht aus Pilotys eigenen
Arbeiten, welche überdies keinen Beweis enthalten, daß Hämo-
pyrrol überhaupt ein Pyrrolhomologes ist. Daher ist es befrem-
dend, daß ihm die Tatsache unbekannt blieb, daß Hämopyrrol
mit Diazoniumsalzen zu reagieren vermag. Dem nur flüchtigen
Studium der einschlägigen Literatur ist wohl auch der Umstand
zuzuschreiben, daß Piloty die Geschichte der Entdeckung der
chem. Verwandtschaft des Blut- und Blattfarbstoffs ganz falsch
wiedergiebt. Nenckis Abhandlung!) ist ihm offenbar unbe-
kannt geblieben.
1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 29, 2877, 1896.
Über den Energieverbrauch bei der Atemarbeit.
Von
Felix Reach und Ferdinand Röder.
(Aus dem Physiologischen Institut der k. k. Hochschule für Bodenkultur
in Wien.)
(Eingegangen am 14. Oktober 1909.)
Die Größe des Energieverbrauchs, den die Tätigkeit der
Atemmuskulatur verursacht, ist in mehrfacher Beziehung von
Interesse. Bei Versuchen am ruhenden Organismus ist dieser
Teil des Energieverbrauches sowie der durch die Herzarbeit
verursachte als „Leistungszuwachs‘‘ aufzufassen, so daß erst
der Rest als wahrer ‚Grundumsatz‘?!) zu betrachten ist. Noch
wesentlicher als für unsere Erkenntnis für die Vorgänge am
ruhenden Organismus ist die Abschätzung des auf die Atemarbeit
entfallenden Stoffwechsels für die Beurteilung der Ergebnisse
von am arbeitenden Menschen oder Tiere ausgeführten Stoff-
wechselversuchen. Denn es ist wünschenswert, den Nutzeffekt
der belebten Maschine möglichst rein abschätzen zu können,
d. h. eine bestimmte, meßbare äußere Arbeit ausschließlich mit
jenem Energieverbrauch vergleichen zu können, der auf die
Kontraktion der arbeitenden Muskeln entfällt. Da aber erhöhte
Muskeltätigkeit irgendwelcher Art stets auch mit erhöhter
Atemtätigkeit verbunden ist, so kann jener Forderung nur
dann vollständig Genüge geleistet werden, wenn man von dem
gefundenen Arbeitsverbrauch nebst dem Ruheverbrauch auch
den Verbrauch für gesteigerte Atemtätigkeit abzieht.
Es ist denn auch die Atemarbeit und der ihr zugehörige
Stoffwechselanteil schon wiederholt Gegenstand von Unter-
1) Naoh der Terminologie von Magnus-Levy im Handb. d, Pathol.
d. Stoffw. von C. v. Noorden 1, 215.
31*
472 F. Reach und F. Röder:
suchungen gewesen. Von den Versuchen, die äußere Arbeit
der Atemtätigkeit nach mechanischen Prinzipien zu bestimmen,
wie dies Hutchinson, Donders und Fick unternommen
haben, können wir wohl absehen. Einerseits ist eine derartige
Berechnung immer sehr unsicher, andererseits ist es auch kaum
möglich, bei einer solchen Arbeit, wie es die des Atmens ist,
einen Schluß von der Größe der äußeren Arbeit auf den Energie-
verbrauch zu machen, weil es sich hier um eine komplizierte
Verbindung von dynamischer und statischer Tätigkeit handelt,
wie Zuntz und Hagemann hervorgehoben haben.
Über die Messung des mit der Atemarbeit verbundenen
Stoffumsatzes selbst liegen ebenfalls Berichte in der Literatur
vor. Zur Vornahme einer solchen Messung ist es nötig bei
sonst gleich bleibenden Umständen, die Atemgröße zu variieren.
Zwei Wege sind zu diesem Zwecke beschritten worden. Teils
hat man dadurch, daß man der Inspirationsluft eine merkbare
Menge von CO, zusetzte, das Atemzentrum gereizt und so
erhöhte Respirationstätigkeit hervorgerufen, teils hat man den
Umsatz bei willkürlich verstärkter Atmung untersucht. A. Loe wyż?)
hat beide Wege betreten und keinen wesentlichen Unterschied
darin gefunden, ob die Atmung willkürlich oder durch CO,-
Zufuhr erhöht war. |
Bei Besprechung der Resultate verschiedener Autoren brauchen
wir die älteren Versuche von Vierordt, Lossen, Panum und Berg
nur kurz zu erwähnen. Diese Autoren untersuchten die CO,- Ausscheidung
von Menschen, die abwechselnd kurze Zeit normal und verstärkt atmeten.
Die CO,-Ausscheidung steht schon im allgemeinen als Maß des Energie-
umsatzes hinter dem O,-Verbrauoh zurück, und insbesondere gilt dies
für Versuche dieser Art, aus Gründen, auf die wir noch zurückkommen
werden. Überdies hat, seitdem jene Versuche angestellt worden sind,
die Methodik der Respirstionsversuche auch wesentliche Fortschritte
gemacht.
Eingehende Versuche über die uns hier beschäftigende Frage hat
Speck ausgeführt.2) Er findet, daß im Durchschnitt auf 11 Mehr-
ventilation 10 ccm Mehrverbrauch von Sauerstoff entfällt. Zuntz und
Hagemann?) sehen sich veranlaßt, an Specks Ergebnissen eine Kor-
rektur vorzunehmen. Bei Speck schließen sich nämlich die Perioden
verstärkter Atmung mit Probenahme häufig unmittelbar an Perioden
1) Verhdl. d Berl. physiol. Ges. 1891.
2) Physiologie des menschlichen Atmens, Leipzig 1892.
3) Landwirtschaftl. Jahrb. 27, 1898, Ergänzungsbd. 3.
Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 473
normaler Atmung an. Ein Teil des aus der Inspirationsluft verschwin-
denden Sauerstoffes ist aber nicht auf Mehrverbrauch, sondern auf Än-
derung in der Zusammensetzung der Residualluft zu beziehen. Zuntz
und Hagemann korrigieren deshalb die obige Zahl Specks auf 6ccm Oe
pro Liter Mehrventilation.
A. Loowy!) findet den O,-Verbrauch pro Liter exspirierter Luft
zwischen 3 und 7 ccm. Bei einzelnen Individuen jedooh noch viel höher,
so daß nach diesem Forscher bei einer Atemgröße von ca. 18 bis 20 1
pro Minute der aus der erhöhten Atemtätigkeit herrührende Mehrver-
brauch an O, bis 40°/, des Gesamtsauerstoffverbrauchs ausmachen kann.
Zuntz und Hagemann haben bei ihren umfassenden Forschungen
über den Stoffwechsel des Pferdes auch die Atemarbeit in den Kreis
ihrer Untersuchungen gezogen. Die vertiefte Atmung war durch Kohlen-
dioxyd hervorgerufen. Die für den Liter mehr ausgeatmeter Luft ge-
fundene Größe schwankt innerhalb sehr weiter Grenzen, ohne jedoch
jenen Wert zu erreichen, der sich aus Speoks Versuohen am Menschen
(auch bei Anbringung der oben erwähnten Korrektur) ergibt. Zuntz
und Hagemann suchten die gesetzmäßige Abhängigkeit des Mehr-
verbrauches von der Mehrventilation dadurch genauer zu präzisieren, daß
sie ihre Resultate auf eine Formel 2. Grades und eine solche 3. Grades
brachten. Wenn y den Mehrverbrauch an O, und x die Mehrventilation
bedeutet, so erwies sich, wie oben erwähnt, die Größe z in ihren Ver-
suchen nicht als Konstante. Der Mehrverbrauch ist also keine lineare
Funktion der Mehrventilation. Zuntz und Hagemann nahmen des-
halb als Ausdruck jener Gesetzmäßigkeit die Formel: y = ax -4-b z3
oder die Formel: y=ax-+br?-+.cz? an und berechneten nach der
Methode der kleinsten Quadrate für jede dieser beiden Formeln die
Koeffizienten a, b und c. Es zeigte sich aber, daß die nach diesen
Formeln berechneten einzelnen Werte mit den direkt gefundenen sehr
wenig übereinstimmten. Es kann also in keiner dieser beiden Formeln
ein sehr adäquater mathematischer Ausdruck für die Abhängigkeit des
Mehrverbrauchs von der Mehrventilation gesehen werden. Wir erwähnen
diese Berechnungen hier deshalb eingehender, weil wir in dieser Mit-
teilung über ähnliche Berechnungen auf Grund eigener Versuche be-
richten. Zuntz und Hagemann heben überdies hervor, daß der Atem-
typus für die Größe des Verbrauches wesentlich von Einfluß sein dürfte.
Sie sagen diesbezüglich: „Wir haben vorher schon ausgeführt, daß bei
wachsender Atemtiefe der Energieverbrauch für die Einheit geatmeter
Luft wachsen muß, dagegen ist nicht abzusehen, daß ein solches Wachsen
zustande komme, wenn die Atemgröße allein durch Zunahme der Fre-
quenz sich erhöht.“2) Ihre Tiere atmeten sehr unregelmäßig, und daraus
erklären sich wohl zum Teil die Differenzen in ihren Resultaten. Aus
alledem ist wohl ersichtlich, daß zur Aufklärung der ganzen Frage Ver-
ı)l.c.
2) Lo S. 368.
474 F. Reach und F. Röder:
suche nötig sind, die außer der Mehrventilation auch den Atemtypus
berücksichtigen.
In neuester Zeit haben Bormstein und v. Gartzen?) Selbst-
versuche über den Stoffverbrauch bei modifizierter Atmung im Zunts-
schen Laboratorium ausgeführt. Ihre Werte schwanken einigermaßen;
beispielsweise verbrauchte B. pro Liter Mehrventilation zwischen 11,5 und
30,9 kleine Calorien. Im Mittel finden sie diese Größe für B. zu 23 und
für G. zu 31.
Der Versuchsplan der hier zu berichtenden Versuche ist
folgender: Die Größe des Stoffumsatzes sollte eruiert werden
bei normaler Atmung und bei gesteigerter Atmung, wobei diese
Steigerung des pro Minute geatmeten Volumens das eine Mal
die Folge erhöhter Frequenz der Atemzüge, das andere Mal
die Folge größerer Tiefe der einzelnen Atemzüge war. Ursprüng-
lich bestand die Absicht diese Versuche auf mehrere Versuchs-
personen auszudehnen. Äußere Umstände veranlaßten una je-
doch, die Versuchsreihe schon abzubrechen, obzwar nur Ver-
suche an einem von uns (Reach) vorlagen. Sämtliche Ver-
suche sind in nüchternem Zustande bei vorsätzlicher Muskel-
ruhe ausgeführt. Die Versuchsperson lag auf einem Liegestuhl
und atmete mittels eines Mundstücks und zweier Ventile, so
daß die Inspirationsluft aus dem Freien kam, während die
Exspirationsluft durch die Gasuhr strich, wie das die Zuntz-
sohe Methode der Respirationsmessung erfordert. Die Anzahl
der Respirationen stellte die Versuchsperson durch Zählen fest.
Jedem Versuche ging mindestens 5 Minuten Voratmung in
gleichem Atemtypus voraus. Der Versuch, die Atemgeschwindig-
keit nach dem Takte des Metronoms zu regeln, wurde bald
aufgegeben. Die Probenahme dauerte bei modifizierter Atmung
oa. 5 Minuten, bei normaler Atmung ca. 10 Minuten. Die Ven-
tile hatten die von Durig?) angegebene Form; die Absorption
des Sauerstoffs geschah mit der von Durig?) in die Stoffwechsel-
methodik eingeführten alkalischen Natriumhydrosulfitlösung.
Hinsichtlich der Berechnung der Versuche muß auf einen
Punkt näher eingegangen werden. Die Messung des Stoffwechsels
durch die Analyse der während kurzer Perioden exspirierten
Luft hat zur Voraussetzung, daß die in der Lungenluft, in dem
Blute und in der Gewebsflüssigkeit aufgestapelte Menge von
1) Pfügers Archiv f. d. ges. Physiol. 109.
2) Diese Zeitschr. 4, 65, 1907.
Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 475
O, und CO, am Anfange und am Ende der Probenahme die-
selbe sei. Wir nehmen an, daß jener inspirierte Sauerstoff,
der in der Exspirationsluft nicht wieder erscheint, zu den
vitalen Verbrennungen gedient habe, und daß das Kohlendioxyd,
mit dem sich die Luft bei der Atmung beladen hat, den Ver-
brennungen entstammt, die während der Versuchszeit vor sich
gehen. Eine andere, etwa physikalische, Retention von Sauer-
stoff während der Versuchsperiorde würde eine Fehlerquelle
bilden, ebenso Kohlendioxydmengen, die aus dem Körper in
vermehrter Menge abgegeben werden, ohne erhöhten Oxydations-
prozessen zu entsprechen.
Derartige Fehlerquellen müssen um so mehr in die Wag-
schale fallen, je kürzer die einzelnen Versuchsperioden sind;
also bei Versuchen nach der Zuntzschen Methodik überhaupt
und insbesondere bei derartigen Versuchen mit willkürlich
modifiziertem Atemtypus, die ihrer Natur nach in vielen Fällen
nur einige Minuten dauern können. Die Veränderung des Atem-
typus bringt aber direkt eine Veränderung der Exspirationsluft
mit sich, die nur daher rührt, daß die Lungenluft und der
Organismus ihren Gehalt an Sauerstoff und Kohlendioxyd ändern.
Das nähere Verhalten der im Körper aufgespeicherten Gase bei
Veränderung des Atemtypus, oder was für uns hier auf das
gleiche herauskommt, bei Veränderungen in der Zusammen-
setzung der inspirierten Luft, hat Durig') eingehend studiert,
und seine Resultate zeigen gerade, zu wie weitgehenden Fehl-
schlüssen diese Fehlerquelle führen kann. Aus seinen Unter-
suchungen, auf die wir im übrigen verweisen, geht nun hervor,
daß sich der Sauerstoffgehalt der Lungenluft und des Organis-
mus nach etwa 3 Minuten den veränderten Respirationsverhält-
nissen angepaßt hat, während das beim Kohlendioxyd länger
dauert. Es kann also etwa nach dieser Zeit wohl das O,-Defizit,
nicht aber der CO,-Zuwachs als Maß des Stoffwechsels dienen.
Zu ähnlichem Resultate kommenauch Bornsteinund v. Gartzen.
In diesen Verhältnissen liegt der Grund dafür, warum
Versuche mit willkürlich modifiziertem Atemtypus, in denen
nur die CO,-Ausscheidung gemessen wird, keine verläßliohen
Resultate für die uns hier beschäftigende Frage geben, worauf
1) Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1903, Suppl., S. 209.
476 F. Reach und F. Röder:
wir eingangs kurz hingewiesen haben. Auch die schon oben
erwähnte Korrektur wurde deshalb von Zuntz und Hagemann
an Specks Resultaten angebracht, weil letzterer diesen Ver-
hältnissen nicht Rechnung trug.
Tabelle I.
Normalversuche.
Energie-
umsatz proj Abweichung
R. Q. | Minute in
8,08 0,362 | 223,0 |0,764| 1,060 |+0,015
7,62 0,448 | 216,6 |0,843| 1,051 Log
7,15 0,392 | 222,6 |0,780 | 1,066 Luut
7,89 0,429 | 223,5 |0,787 | 1,067
(7,27) | (0,365) | (199,5) (0,861)! (0,970)
7,68 0,378 | 209,0 !0,830 | 1011 0,0034
8,33 0,408 | 209,8 |0,911 | 1,036 0,0009
7,06 0,388 | 217,3 |0,776| 1,037 0,0008
7,48 0,410 | 212,0 |0,839| 1,028 0,0016
mitta (8) 7,66 | 0,02 | 216,7 | | 1,0445
BEINE Sum
In den hier berichteten Versuchen wurde stets eine ‚‚Vor-
atmung‘ von ca. 5 Minuten ausgeführt. Es ist mitbin, wie
oben ausgeführt, nur der O,-Wert bei den Versuchen mit
modifizierter Atmung zu verwerten. Daß sich der Organismus
hinsichtlich des CO,-Gehaltes noch nicht auf den neuen Atem-
typus eingestellt hatte, zeigte sich dadurch, daß der respira-
torische Quotient sehr groß, meist größer als 1, war. Es ist
nun ein wesentlicher Vorteil der von Zuntz eingeführten
Methodik und Berechnungsart der Gaswechselversuche, daß
auf Grund des respiratorischen Quotienten der Energiewert des
Verbrauchten O, geschätzt wird. In den hier berichteten Ver-
suchen begann die Versuchsreihe jeden Tag mit einem Normal-
versuch, in dem die Versuchsperson zwanglos durch den Apparat
atmete. Hierauf folgten die Versuche mit modifizierter At-
mung. Es war daber an jedem Tage für die Versuche, die
etwa 2 bis 3 Stunden in Anspruch nahmen, durch den ersten
Versuch ein brauchbarer respiratorischer Quotient gegeben, der
auch zur Berechnung der weiteren Versuche dieses Tages diente.
Die Berechnung des Energiewertes aus den Daten des Re-
Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 477
spirationsversuches war im übrigen ganz die von Zuntz ein-
geführte. !)
Die Resultate der Versuche sind in der am Schlusse an-
gefügten Generaltabelle mitgeteilt. Die vorhergehende Tabelle I
gibt eine Übersicht der Normalversuche. Sieht man von dem
Versuche Nr. 17 ab, der bei den weiteren Berechnungen ver-
nachlässigt wurde, so zeigt die Reihe ziemlich gute Überein-
stimmung und normale Werte.
Tabelle II.
Sauerstoffverbrauch in den Versuchen mit verstärkter Atmung
(nach dem Minutenvolum und der Atemtiefe geordnet).
HI. IV.
temtiefe von
mehr als 1,8 1
Liter pro| O, ccm |Liter pro) O, eem {Liter pro] O, eem |Liter pro| O, com
temzug|pro Min.|Atemzug|pro Min LAtemzugpro Min.|Atemzug|pro Min.
18 | 12,3 | 0,210 | 220
(34) | (15,7) |(0,216)| (262)
9 | 16 29
ILLL]
&
GC
2
|
| (Ss
111111111
|
EL
to
as
©
8 | 17,3 —
14 | 17,5 | 0,312 | 254
21 | 18,1 — —
31 | 18,15] 0,239 | 247
24 | 18.7 | 0,228 | 243
29 | 21,0 | 0,205 | 203
pó
<-
BE
IRIIIT TI 81
©
aJ
-J
©
béi
Ss,
>
©
CO
©
©
bei
00
—
aJ
11111111131161
və
pas
Vë
feel
-
=
111818
Ev ©
Su | ma
Zei ` Gi
DD
a)
pd
bei bei
S51111
pt
|
22
11113311161
CR
—
(0,973)| (838
= 1,512 | 327
1,978
1,584
I ŠŠS] ||
0,594
0,809
DAS)
J 3$
wm
pt
1111111111141
I1111111111
1111113111
1,322 | 816
or
bech
|
| 1115| 3 |
Über den Einfluß modifizierter Atmung auf den Sauer-
stoffverbrauch gibt zunächst Tabelle II Aufschluß. Die Modi-
1) Siehe beispielsweise Magnus-Levy im Handb. d. Pathol. d.
Stoffw. von C. v. Noorden. 1, 203fl.
478 F. Beach und F. Röder:
fikation der Atmung war, wie schon erwähnt, eine zweifache.
Das höhere Minutenvolumen war teils durch Vermehrung, teils
durch Vertiefung der Atemzüge hervorgerufen. Von selbst
ergaben sich dabei noch vielfache Übergänge. Einige Lücken
wurden dadurch ausgefüllt, daß in einer längeren Vorperiode
die Atmung so lange modifiziert wurde, bis ein bestimmter
Typus erreicht war. Um die Wirkung der beiden Faktoren,
Vertiefung und Beschleunigung, zu zeigen, sind in Tabelle II
die Versuche nach doppeltem Prinzip geordnet. In vertikaler
Richtung folgen die Versuche nach steigendem Minutenvo-
lumen aufeinander. In die vier Hauptkolonnen, die auf die
Angabe des Minutenvolumens folgen, sind die Versuche je nach
der Atemtiefe eingetragen. In der ersten Kolonne sind nur
jene Versuche aufgenommen, in welchen pro Atemzug weniger
als 400 ccm (unreduziert) ausgeatmet wurden. Die zweite
Hauptkolonne enthält die Versuche mit der Atemtiefe 400 bis
850 ccm, die dritte zwischen 850 und 1300 ccm, die vierte
mit mehr als 1300 com. Jede dieser Hauptkolonnen zerfällt
wiederum in zwei Teile. Die erste gibt die Atemtiefe an,
die zweite zeigt fettgedruckt den pro Minute verbrauchten
Sauerstoff.
Die Betrachtung dieser Tabelle läßt erkennen, daß die zur
Verstärkung der Atmung nötige Energie nicht bloß eine Funktion
dieser Verstärkung ist, sondern daß sie auch wesentlich vom
Atemtypus beeinflußt wird. Die Zahlen für den Sauerstoff-
verbrauch wachsen in unserer Tabelle II nicht nur von oben
nach unten (also mit dem Minutenvolumen), sondern auch von
links nach rechts (also bei gleichbleibendem Minutenvolumen
auch mit der Atemtiefe). Selbstverständlich gibt es dabei
einige größere und kleinere Abweichungen bei einzelnen Ver-
suchen. Ist das schon bei derartigen physiologischen Ver-
suchen überhaupt kaum vermeidlich, so muß man hier be-
denken, daß es auch nicht ganz leicht ist, eine einmal ge-
wählte, willkürliche Modifikation der Atmung durch mehrere
Minuten vollkommen gleichmäßig durchzuführen. Die Versuche
Nr. 9 und 34, deren abweichende Resultate in Tabelle II be-
sonders auffallen, haben wir ebenso wie den eben schon er-
wähnten Normalversuch Nr. 17 für die nunmehr zu besprechen-
den weiteren Berechnungen nicht verwendet.
Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 479
Wir haben uns bemüht, für die Abhängigkeit des Energie-
verbrauchs von der Atmung einen mathematischen Ausdruck
zu finden, was, wie schon erwähnt, auch Zuntz und Hage-
mann anstrebten. Die hier mitgeteilten Versuche bieten den
Vorteil, daß unsere Formeln auch den Einfluß des Atemtypus
ausdrücken können.
Wenn wir zunächst diese Abhängigkeit des Energiever-
brauchs von der Atemtiefe außer acht lassen und den Energie-
verbrauch pro Minute ausschließlich als lineare Funktion des
Minutenvolums ansehen, so erhalten wir die Formel:
8s = Á + Bv.
(Dabei bedeutet s die während einer Minute entwickelte Energie
und v das Volumen der in der gleichen Zeit ausgeatmeten
Menge). Diese Art der Auffassung ermöglicht den Vergleich
unserer Resultate mit denen früherer Autoren und illustriert
außerdem im Zusammenhang mit einer Berechnungsart, die
auch die Atemtiefe berücksichtigt, den Unterschied in der Ge-
nauigkeit der Abschätzung der auf die Atmung entfallenden
Energie nach beiden Arten.
Die einfachste Art der Mitberücksichtigung der Atemtiefe
ist die, daß der Energieverbrauch (s) gleichzeitig als lineare
Funktion des Minutenvolums (v) und der Atemtiefe (t) auf-
gefaßt wird. Dies entspricht also der Formel: 8 = A + Bv + Ci.
Dadurch, daß wir nun die 33 Einzelbeobachtungen, die uns
nach Weglassung der oben erwähnten Versuche Nr. 9, 17 und
34 übrig bleiben, nach der Methode der kleinsten Quadrate
auf die genannten zwei Formeln ausglichen, nahmen diese
folgende Gestalt an:
s = 0,915 + 0,0177 v, (Formel I)
s — 0,879 + 0,0105 v + 0,226 1. (Formel II)
Tabelle III zeigt nun das Ergebnis dieser Berechnungen.
Bei jedem Versuche ist außer der Atemtiefe und dem Minuten-
volumen zuerst der aus den analytischen Daten in üblicher
Weise berechnete Energiewert als „gefunden“ angegeben. Hierauf
folgen die nach den beiden Formeln berechneten Werte jedes-
mal mit der Abweichung des Gefundenen vom Berechneten.
Die Reihenfolge der Versuche ist nach steigender Atemtiefe
geordnet. Die Tabelle läßt nun sofort erkennen, daß bei der
Formel I am Anfange der betreffenden Vertikalkolonnen lauter
480 F. Reach und F. Röder:
Tabelle III.
Energieverbrauch pro Minute in großen Calorien (nach der
Atemtiefe geordnet).
0, 05
0,210 12,26 | 1,070
0,228 18,74 | 1,175
| 20,97 | 1,005
0,229 | 16,11 S 1,199 0,009
0,237 16,12 | 1,113 | 1,200 0.087
0,239 | 18,15 1179 1,235 —0,056
0,242 16,54 | 1,140 | 1.207 —0,067
0,312 | 17,57 | 1,216 1,216 —0,009
0,362 | 8,08 1.060 | 1,057 0,003
0,378 | 7,68 1011 | 1,050 0,039] 1,014 0,003
0,388 | 7.06 1,037 | 1.042 -0.005| 1.042 0,005
0,392 7,15 | 1,066 1,041 |+40,025 1,044 |40,022
0,402 24,95 1253 1,355 —0,102| 1,233 |4-0,020
0,408 7,48 | 1,036 | 1.062 0.025] 1,059 0,023
0,410 7,48 | 1,028 | 1,047 140,049 1,051 0,023
0,429 7,89 | 1,067 | 1,054 40,013 1,060 |+0,007
0,448 7,62 1.051 1,051 —0,002| 1,061 0,010
0,466 25,15 | 1,341 | 1,359 0,018] 1,250 Loo)
0,594 30,13 | 1,427 | 1,447 0,020) 1,331 Loge
0,770 | 18.08 | 1082 1234 -0152| 1244 —0,162
0,809 | 20,10 | 1,101 | 1,270 —0,169| 1,274 —0,173
0,809 32,94 | 1,308 , 1,496 —0,193| 1,409 —0,106
1,115 | 39,46 1,679 1,611 Lopes 1,547 |+40,132
1,200 17,28 | 1,292 | 1,220 |+0,072 1,332 —0,040
1,240 16,53 1,228 1,206 |+40,022 1,334 —0,106
1,246 22,13 1,319 1,305 |+0,014 1,394 0,075
1,322 38,08 | 1,512 1,587 0.075] 1,579 —0,067
1,505 | 24,88 1,572 | 1,354 |+0,218 1,482 |+0,090
1,512 28,12 1,590 | 1,411 |+0,179 1,518 Logg
1,584 28,84 1,593 1.424 |+0,169 1,542 Loop)
1,624 21,64 | 1,506 | 1,297 |+0,209 1,475 |+0,031
3| 1,799 16,28 1,526 | 1,202 |40,324 1,458 |+0,068
1,978 | 28,22 | 1,587 | 1,413 |+0,174 1,624 0,037
Summe der Abweichungen . . „ |+1,492 —1,485 +0,981 —0,975
Durchschnittliche Abweichung . . +0,0903 +0,0593
Mittlere Abweichung der einzelnen!
Beobachtung p e +0,1283 +0,0791
negative Abweichungen sind, am Ende lauter positive. Wir
sehen also auch hier bestätigt, daß es abgesehen von der Ab-
hängigkeit vom Minutenvolumen auch eine solche von der
Atemtiefe gibt, und zwar in dem Sinne, daß Vertiefung der
Atmung auch abgesehen von der dadurch hervorgebrachten
Energieverbrauch bei der Atemarbeit, 481
Vergrößerung des Minutenvolumens eine Vermehrung des
Energieverbrauchs zur Folge hat. Wir haben ferner in der
Tabelle III auch je zwei nach den Regeln der Fehlerausgleichungs-
rechnung gefundenen Genauigkeitsmaße angegeben und zwar
Si;
den ‚durchschnittlichen Fehler“ wu) und den ‚‚mittleren Feh-
5 (33
ler“ Ee (Dabei bedeutet å die einzelne Abweichung, n
die Zahl der Einzelbeobachtungen, also in unserem Falle 33,
und u die Zahl der durch die Ausgleichsrechnung ermittelten
Unbekannten, also in unserem Falle bei Formel I: 2 und bei
Formel II: 3.) Auch der Vergleich dieser Werte zeigt die
große Überlegenheit der Formel II über die Formel I, also
mit anderen Worten, die Wichtigkeit der Berücksichtigung der
Atemtiefe bei Abschätzung des auf die Atemarbeit entfallenden
Energieverbrauchs.
Wir haben uns weiterhin bemüht, ähnlich wie Zuntz und
Hagemann dies taten, durch kompliziertere Formeln einen
mehr adäquaten Ausdruck für die in Rede stehende Abhängig-
keit zu finden. Wir kamen so unter anderen (bei Verwendung
von abgekürzten Zahlen) noch zu folgenden Formeln:
s —= 1,008 4 0,006 v + 0,00017 v? — 0,14 t + 0,18 1%,
— 0,869 + 0,024 v + 0,561 — 0,135 V vt,
8 = 0,764 + 0,0031 z + 0,0057 tz - 0,354 1.
(In der zuletzt genannten Formel bedeutet z die Zahl der
Respirationen pro Minute, iz also dasselbe wie in den früheren
Versuchen v.)
Wir haben uns jedoch davon überzeugt, daß durch diese
komplizierteren Formeln keine wesentlich bessere Überein-
stimmung zwischen dem Gefundenen und dem Berechneten er-
reicht wird. Das Ergebnis dieser Betrachtungen läßt sich daher
dahin zusammenfassen, daß wir die Formel II vorläufig als
den besten Ausdruck für die Abhängigkeit der Energieentwick-
lung von der Atemarbeit ansehen müssen. Wenn wir dieser
Formel zu jeder der gefundenen Zahlen auch noch ihren
„mittleren Fehler“ als Fehlergrenze hinzufügen, so nimmt sie
folgende Form an:
s = 0,879 + 0,034 + (0,0105 + 0,0018) v -+ (0,226 + 0,030) t.
482 F. Reach und F. Röder:
Wir sind uns bei Aufstellung dieser Formel bewußt, daß sie nur
einen relativen Wert haben kann; denn einerseits ist sie nur an einer
einzigen Versuchsperson gewonnen, andererseits ist das ihr zugrunde
liegende Versuchsmaterial noch kein sehr reichliches. Zur Aufstellung
einer genaueren Formel würde es noch zahlreicher Versuche bedürfen.
Das ist um so mehr der Fall, als in derartigen Versuchen sich einige un-
regelmäßige Schwenkunpgen nicht vermeiden lassen. Es ist natürlich
möglich, daß die Formel für ein kleines Gebiet des untersuchten Argu-
mentintervalles weniger paßt als für den übrigen "Tel. Das würde sich
darin ausdrücken, daß in diesem Gebiete die Differenzen zwischen den
gefundenen und den berechneten Werten besonders groß ausfallen würden.
In unserem Falle überschreitet diese Differenz 6mal die Größe 0,1 Ca-
lorien. Davon 2mal nur sehr wenig (0,106). Die übrigen 4 Fälle wollen
wir etwas genauer betrachten. 2 Fälle stellen Extreme vor. Im Ver-
suche Nr. 16 haben wir das größte in unserer Versuchsreihe überhaupt
erreichte Minutenvolum (39,5 1). Der gefundene Wert ist hier um 0,132
Calorien (7,9°/, des Gefundenen) größer als der berechnete. Im Ver-
suche Nr. 29 haben wir die kleinste erreichte Atemtiefe (0,205 I pro
Atemzug). Der gefundene Wert ist um 0,141 Calorien (14,1°/,) kleiner
als der berechnete. In diesem Versuche wurde die besonders große An-
zahl 102,5 Atemzüge pro Minute festgestellt. Diese beiden Abweichungen
deuten also nur darauf hin, daß besonders starke Änderungen in der
Art zu atmen vielleicht stärkere Ausschläge hervorrufen, als die Formel
angibt. Was den zuletzt genannten Versuch anlangt, ist zu bemerken,
daß es der einzige Versuch mit modifizierter Atmung ist, in dem Sauer-
stoffverbrauch und Energieentwioklung kleiner sind als im Durchschnitt
der Normalversuche. Diejenigen Versuche, die diesem Falle hinsichtlich
des Atemtypus am nächsten kommen (s. Tabelle II), das sind solche,
in denen die Atemtiefe kleiner ist als bei natürlichem Atmen, und das
Minutenvolum zwischen 12 und 21] liegt, zeigen alle annähernd den
gleichen Energieverbrauch wie in der Norm. Damit stimmen die nach
der Formel berechneten Werte ziemlich gut überein. In 6 von den
weiteren 7 hierher gehörigen Versuchen ist der gefundene Wert noch
etwas höher als der berechnete, und im 7. ist die Differenz sehr gering,
(— 0,004). Es kann also aus der Abweichung des Versuches Nr. 29 nicht
darauf geschlossen werden, daß etwa die entwickelte Formel (II) für
diese Versuche mit geringer Atemtiefe und mäßig erhöhtem Minuten-
volum weniger passe als für die Gesamtheit der Versuche. Von den vier
Experimenten mit besonders großer Differenz zwischen gefundenem und
berechnetem Werte bleiben mithin noch zwei zu erwähnen übrig. Es
sind dies die Versuche Nr. 21 und 25, bei welchen diese Differenz dem
absoluten Werte nach ihr Maximum erreicht (—0,162 und — 0,173 oder
10,5 und 10,6°/,). Diese 2 Versuche zeigen, wie aus Tabelle II ersicht-
lich, den gleichen Atemtypus. Das Minutenvolum ist hier mäßig erhöht,
ungefähr ebenso wie bei den eben erwähnten 8 Versuchen, dıe Atemtiefe
aber im Gegensatz zu jenen Versuchen etwas größer als bei natürlichem
Atmen. Da für diesen Atemtypus keine weiteren Versuche vorliegen, so
Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 483
bleibt immerhin die Möglichkeit offen, daß bei diesem Minutenvolum
die Steigerung der Atemtiefe nicht jene Wirkung hat, die ihr unsere
Formel zusprioht. Sieht man von diesen 2 Versuchen und von dem Ver-
suche Nr. 29 mit mehr als 100 Atemzügen pro Minute ab, so ist bei
unseren Untersuchungen die besprochene Differenz zwischen berechnetem
und gefundenem Werte stets kleiner als 90/ des gefundenen Gesamt-
energieverbrauchs, und zwar fast immer bedeutend kleiner.
Das erste Glied unserer Formel II (0,879) stellt jenen
Energieverbrauch dar, der sich ergibt, wenn v und ? gleich O
werden. Die Differenz zwischen diesem Werte und dem Mittel-
werte aus den Normalversuchen, d.i. 1,0445, stellt mithin den
auf die Atemarbeit bei vollständiger Ruhe und ungezwungenem
Atmen entfallenden Verbrauch vor. Er beträgt, wie man sieht,
ungefähr 15,5°/,.
Zum Vergleiche unserer Werte mit denen früherer Autoren
eignet sich nach dem Gesagten hauptsächlich die Formel I,
weil die früheren Autoren den durch die Atemarbeit hervor-
gerufenen Energieverbrauch stets nur als Funktion der ge-
atmeten Luftmenge betrachteten. Die Formel I besagt also,
daß auf 1 1 mehr geatmeter Luft 19,7 kleine Calorien entfallen.
Wir wollen diesen Wert mit einigen früher gefundenen ver-
gleichen. Bornstein und v. Gartzen finden auch für den-
jenigen von ihnen, der den geringeren Verbrauch hatte (B),
23 Calorien. Bei Loewy schwankt der pro Liter mehr ver-
brauchte Sauerstoff in der Mehrzahl der Fälle zwischen 3 und
7 ccm, was etwa einem Energieverbrauch von 13 bis 31 kleinen
Calorien entspricht. Unser Wert fällt, wie man sieht, inner-
halb dieser allerdings recht weiten Grenzen. Ziemlich gut
stimmt unser Wert mit dem von Zuntz und Hagemann!)
am Pferde gefundenen überein. Ihr Pferd III verbrauchte im
Mittel von 10 Versuchen mit verstärkter Atmung pro Liter mehr
ausgeatmeter Luft 3,62 com Sauerstoff mehr, wobei die ein-
zelnen Versuchswerte allerdings ziemlich voneinander abweichen.
Nimmt man einen durchschnittlichen respiratorischen Quotienten
von 0,800 an, so entspricht das einem Energieverbrauch von
17,4 Calorien.
Aus unseren Befunden hinsichtlich der Wirkung der Atem-
tiefe geht hervor, daß eine bestimmte Vermehrung der ge-
atmeten Luftmenge mit weniger Energiesufwand vor sich geht,
1) l. o. S. 366.
484 F. Reach und F. Röder:
wenn die Frequenz der Atemzüge erhöht wird, als wenn ihre
Tiefe zunimmt. Wenn die Steigerung der Atmung unwillkür-
lich erfolgt, wie beispielsweise bei der Arbeit, so kommt es
aber für das Resultat der Atemtätigkeit nicht darauf an, daß
ein bestimmtes Luftquantum eingezogen wird, sondern darauf,
daß dem Blute in der Lunge die Möglichkeit geboten wird, das
vermehrte Kohlendioxyd möglichst rasch abzuscheiden und den
mangelnden Sauerstoff möglichst rasch zu ersetzen. Hierfür
ist es aber keineswegs gleichgültig, ob eine Vermehrung des
geatmeten Luftvolumens auch mit Vertiefung der Atemzüge
einhergeht oder nicht. Die Inspiration führt nicht zu einer
vollständigen Erneuerung der Lungenluft, sondern nur zu einer
Vermischung des inspirierten Gases mit der Residualluft und der
Reserveluft, die CO,-reicher und O,-ärmer sind als die atmo-
sphärische Luft. Je öfter und je flacher respiriert wird, um ein
gewisses Minutenvolum zu erzielen, um so tiefer sinkt die O,-
Tension und um so höher steigt die CO,-Tension in den Lungen-
alveolen an, um so ungünstiger ist also die Zusammensetzung
der Lungenluft. Bei geringerer Atemtiefe ist daher ein größeres
Minutenvolum dazu nötig, denjenigen CO,- und O,-Gehalt in
den Alveolen zu bewirken, der sich bei tieferem Atmen (das
gleiche Atembedürfnis vorausgesetzt) schon bei kleinerem Mi-
nutenvolum einstellen muß. l
Zur Dlustration des Gesagten diene Tabelle IV, aus der
die Zusammensetzung der Alveolenluft bei unseren Versuchen
ersichtlich ist. Die Berechnung geschah nach A. Loewy?) unter
der Annahme eines schädlichen Raumes von 140 ccm. Die An-
ordnung der Tabelle ist die gleiche wie die der Tabelle II; doch
sind hier auch die Normalversuche eingetragen, aber die Ver-
suche Nr. 9, 17 und 34 weggelassen (s. oben). Nach dem früher
Gesagten müssen wir unser Augenmerk hauptsächlich den Sauer-
stoffwerten zuwenden. Bei den Normalversuchen schwankt
naturgemäß die Atemtiefe nur sehr wenig; trotzdem sehen wir
den Sauerstoffgehalt der Alveolenluft in deutlicher Abhängigkeit
nicht nur von dem Minutenvolum, sondern auch von der Atem-
tiefe. Das gleiche Verhalten zeigen die Versuche mit Ver-
mehrung der Atemtiefe bis zu 211. Von da ab tritt der Einfluß
1) Pflügers Archiv 58, 416, 1894.
Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 485
Tabelle IV.
O,- und CO,-Gehalt der Lungenluft (Versuche nach dem Mi-
nutenvolum und der Atemtiefe geordnet).
BEBRABISESSHI ELTAC-
STEET
12
L IL wm IV
Versuche mit einerj Versuche mit einer| Versuche mit einer| Versuche mit einer
Mi- Atemtiefe bis zu | Atemtiefe zwisch. | Atemtiefe zwisch. | Atemtiefe von
nuten- 0,40 1 0,40 und 0,85 I | 0,85 und 1,80 1 | mehr als 1,801 | Np
Tn EE, WEE, DEE A
re Os |CO; oa O3 |CO; ete 0, |CO; Kär De Oh
Di /o fiel tat fie" Yfiaı) fie" fal ail o |o
7,1 10,388115,87 4,14) — — | = —
7,15 {0,392 15, 034, 160 — — — ls H
75 | — | — | — [0,410 116,24 — | — 1—13
761 — | — | — [0,448|16,44 — | — 213
7,7 0378 16,25 3,081 — — — 1-12
71981 — | — — [0,429|16,46:3, — | — — 113
8,1 0 362 16,1113,891| — | — — — | — 1211
83 |} — | — | — 10,408|16,73|3,93 — | — 1-13
12,3 0,21015,13|4,86 — 6
16,1 0,220 16,7513,301 — | — — lU — | — | — | — | — | —] 19
16,1 10,237117,181321| — | — ls — | — | — | — | — | — I 2%
16,3 | — | — | — — | — | — | — | — | — [1,799118,592,36|1 36
16,5 | — | — | — | — | — | — 11,240118,9312,43]| — | — | — I 27
16,5 10,242117,382,855| — | — | —| — — | — | —]| 23
17,3 | — | — | — | — | — | — [1,200 18,842,777] — | — | — 8
17,5 10,312118,1612,21| — | — |; — | — | — | — | — | — — 114
181 | — | — | — 10,770119,182,1711 — | — | — | — | — | — I 21
18,5 10,239/17,41/3,17] — | — | —| — | — | — 1 — | — — 31
18,7 10,228 17,472,685] — | — — — | — sl — — -| 4
20,11 — | — | — [0,809 19,3111,96] — | — | — | — | — —1 25
21,0 10,205'16,9:12,68] — | — | — | — | — | — | — | — | — I 2%
21,6 | — | — | — | — | — | — | — | — | — [1,624 19,08'2,22| 35
221 | — | — | — | — | — — [1,246 19,272,008] — | — | — 4
2491 — | — | — | — | — | — | — | — | — [1,505 19,23 2,05] 2
250 | — | — | — 10,402 19,141,985] — | — |! — | — | — | —- I Lë
2501 — | — — 10,466 19,181,885] — | — | — | — | — — J 1
Sal | — | — | — | — | — | — | — | — — [1,512119,4111,81 5
28,2 | — | — | — | — | — | — | — | — — [1,978|19,3912,06| 32
28,8 | — | — | — | — | — | — | — | — | — [1,584119,48 11,74] 28
30,11 — | — | — [0,594119,4811,74 — | — | — | — | — | — 6
32,9 | — | — — 10,809119,7211,60| — | — | — | — | — — 15
38,0 | — | — | — | — | — | — — | — — [1,31219,8811,21]| 10
39,5 |} — | — | — | — | — — 11,115119,751,34 — | — | —]| 16
der Atemtiefe nicht mehr deutlich hervor. Die Erklärung
dafür liegt wohl darin, daß sich die Alveolenluft, je mehr die
Atmung über das Bedürfnis forciert wird, in ihrer Zusammen-
setzung der Inspirationsluft nähert; um so weniger können
daher hier die feineren Unterschiede, die durch den Atemtypus
bedingt sind, zum Ausdruck kommen.
Biochemische Zeitschrift Band 22. 32
Normalversuche
486 F. Reach und F. Röder:
Die Zusammensetzung der Alveolenluft bestimmt aber in
erster Linie den Gasgehalt des Blutes. (Wir sehen hier von
der von Bohr angenummenen Gassekretion in der Lunge ab.)
Der Gasgehalt des arteriellen Blutes aber ist, wie wir wissen,
das hauptsächlichste Moment, nach dem das Nervensystem die
Atmung auf das genaueste reguliert. Es wäre demnach un-
richtig, aus unseren Versuchen zu folgern, daß die Befriedigung
eines erhöhten Atembedürfnisses durch Beschleunigung der Atem-
züge ökonomischer erfolge als durch Vertiefung. Überdies konnte
in unseren Versuchen durch maximale Atembeschleunigung
(102,53 Atemzüge in der Minute) nur ein Minutenvolum von 21 |
(Versuch Nr. 29) erreicht werden. In der Tat wissen wir, daß
bei unwillkürlicher Steigerung der Atemtätigkeit, beispielsweise
bei der Arbeit, stets sowohl die Zahl als auch die Tiefe der
Atemzüge wächst.
Der aus Tabelle IV ersichtliche CO,-Gehalt der Lungenluft
kann zur Beurteilung einer anderen Frage herangezogen werden.
Unsere Versuche gaben nämlich zu einer merkwürdigen Beob-
achtung Veranlassung, die wir noch nicht erwähnt haben.
Zwischen den Versuchen mit vertiefter und jenen mit be-
schleunigter Atmung machte sich ein überraschender Unter-
schied hinsichtlich der subjektiven Gefühle geltend. Gegen
Schluß der Versuche mit forcierter Atemtiefe traten auffallende,
unangenehme Empfindungen auf, die in Schwindel, dem Ge-
fühle des Ameisenlaufens in den Extremitäten und im Gesichte
(besonders an der Stelle, wo die Nasenklemme saß), ferner in
tonischen Krämpfen in der Hand bestanden. Diese Zustände
hielten manchmal einige Minuten nach Schluß der Versuche an.
Gleichzeitig zeigte sich ein auffallend kleiner, fast nicht tast-
barer Puls. Merkwürdigerweise findet sich in der Literatur
sehr wenig über derartige Erscheinungen. Es bemerken zwar
mehrere Versuchsansteller, daß sich die willkürlich modifizierte
Atmung nicht lange durchführen läßt, ohne jedoch darauf
näher einzugehen. Speck'), der die Atmung in zahlreichen
Selbstversuchen studierte und in dem sich selbst auferlegten
Zwange sehr weit ging, bemerkt nebenbei, daß am Ende eines
Versuches (Nr. 441), in dem das forcierte Atmen mit Aufbieten
1) L e. S. 25.
Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 487
aller Energie 221. Minuten fortgesetzt wurde, der Kopf so ein-
genommen war, daß ein halb bewußtloser Zustand eintrat.
In jüngster Zeit hat Yandell Henderson!) hervorgehoben,
daß vertiefte Atmung zum Shock führen kann. Er erwähnt,
daß schon die Vedanta vertiefte Atmung als ein Mittel angibt,
um die Herztätigkeit zu ändern, um Unempfindlichkeit gegen
Schmerz, ja selbst Bewußtlosigkeit hervorzurufen und seelische
Exaltation und Halluzinationen zu verursachen. Henderson
führt den ganzen Erscheinungskomplex auf Akapnie, d. h.
Mangel an CO, im Organismus, zurück. Für diese Annahme
kann man in unseren Versuchen eine Bestätigung suchen. Sie
müßte sich bei Tabelle IV darin ausdrücken, daß die Versuche
mit vertiefter Atmung wesentlich geringere CO,-Werte auf-
weisen als die Versuche mit beschleunigter Atmung. Denn die
abnormen Sensationen traten stets in den Versuchen mit ver-
tiefter Atmung auf und fehlten in den Versuchen mit be-
schleunigter Atmung. Die Tabelle zeigt jedoch diesen scharfen
Unterschied im CO,-Gehalt der Lungenluft bei den beiden
Gruppen von Versuchen nicht. Während beispielsweise bei
Nr. 36, 27, 8, 35, 4 und 28 trotz der vermehrten Atemtiefe
der Kohlendioxyd-Gehalt größer als 2°/, ist, sinkt er bei Nr. 25,
12 und 11 unter diese Größe, obzwar das Versuche mit ver-
minderter Atemtiefe sind. Die Versuche sprechen also nicht
für die erwähnte Anschauung Hendersons, und man wird die
Ursache für die abnormen Erscheinungen bei vertiefter At-
mung, die Speck und wir am Menschen, Henderson am Tiere
beobachteten, wohl auf andere Ursachen zurückführen müssen.
Möglicherweise ist es der Widerstand gegen die Regulierung
der Atembewegungen, die diese Erscheinung mit sich bringt.
Wir müssen aber betonen, daß unsere Resultate, sofern sie sich
auf diese Erscheinungen beziehen, nur ein Nebenergebnis unserer
Arbeit sind, da die Versuche, die wir speziell in dieser Rich-
tung anzustellen beabsichtigten, bisher unausgeführt geblie-
ben sind.
1) The Amer. Journ. of Physiol. 21, 126, 1908.
32*
488 F. Reach u. F. Röder: Energieverbrauch bei der Atemarbeit.
Atemvolum
pro Min. in |
beob- | redu-
achtet! ziert
15. IV. 09| 8,08! 7,22
Wa EE
Or ol 762| 6,79
x
el
<
©
pt
~J
wé
—
En
ER
E
Ai
21
28,84 | 25.82
20,97 | 18,76
09| 7,06 | 6,41
18,15 | 16,46
28,22 | 25,59
09] 7,48| 6,71
15,69 | 14,07
21,64 | 19,38
16,28 | 14,67
ll.
13.
(a :
a aa Q a Q333 A⸗ aa éi, 3 a a "ia a a A a a a a
S
Ca
S
ER
©
—
SERESESIENSENSB
Generaltabelle.
Respi-
ratio- Atem-
nen | tiefe
wë
En Gu
—83328328
penne
bei fei
Ce
Kä
-J Vë, Eu sl CD 00 Fei
—
888
be
358
Co Wa bei aJ QO
Spro
53388
40,7 | 0,81
20,4| 0,41 | 18,17
pæd
Dei
o
copor m
Ss
pt
©
CP
pi
ps
Ka
o
———0
Senes
Een
—
x
Pomem
SZEN
e
3288285
Fa ba KO O det ID
P
Beitrag zur Kenntnis des Nucleoproteids der Milz.
Von
T. Sato aus Tokio.
(Aus der Chemischen Abteilung des Pathologischen Instituts der
Universität zu Berlin.)
(Eingegangen am 19. Oktober 1909.)
Nachdem das Nucleoproteid der Leber ein Objekt gründ-
licher Untersuchungen geworden war, lenkte auch dasjenige
der Milz die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich. Da das
Nucleoproteid vielfach nicht als eine einheitliche Verbindung
aufgefaßt wird, so empfiehlt es sich, Präparate verschiedener
Darstellung und namentlich solche aus verschiedenen Organen
vergleichend zu untersuchen. Nun habe ich auf Anregung und
Leitung des Herrn Prof. Salkowski einige Untersuchungen
über das Nucleoproteid der Rindermilz vorgenommen, die ich
im folgenden mitteilen möchte.
1. Darstellung.
Die Darstellung der Substanz aus der Rindermilz geschah
nach der Methode, wie sie Hammarsten?) und nach ihm
Wohlgemuth?) in seiner Arbeit über das Nucleoproteid der
Leber, und Capezzuoli?) über das der Milz beschrieben hatte.
Die ganze Milz eines Rindes wurde möglichst von der binde-
gewebigen Kapsel befreit, mit destillioertem Wasser wiederholt gewaschen,
fein zerhackt, gewogen und mit 1,5 bis 2 l destillierten Wassers 15 Minuten
lang gekocht, eine halbe bis eine volle Stunde stehen gelassen, durch
Filtrierpapier filtriert, und mit warmem, destilliertemWasser nachgewaschen.
1) Hammarsten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 19, 19.
2) Wohlgemuth, Ebenda 37, 475. `
3) Capezzuoli, Ebenda 60, 10.
490 T. Sato:
Das Filtrieren mußte mitunter wiederholt werden, da das erste Filtrat
nicht ganz klar war. Die Anwendung eines Leinwandfilters ist nicht zu
empfehlen, weil die Geschwindigkeit der Filtration dadurch keineswegs
vergrößert und die nachträgliche Filtration durch Filtrierpapier nicht
erleichtert wird.
Das klare Filtrat wurde gemessen, vorsichtig mit Essigsäure (30°/, ig)
angesäuert, solange sich noch ein Niederschlag bildete. Am nächsten
Tage wurde die obere klare Schicht nochmals durch Zusatz von ein pear
Tropfen Essigsäure geprüft, ob wirklich kein Niederschlag mehr entstand.
Nun wird die Flüssigkeit filtriert, was viel rascher vor sich geht als das
erstemal, der Rückstand, das Nucleoproteid, mehrmals mit destilliertem
Wasser gewaschen, dann durch längere und wiederholte Behandlung mit
Alkohol absolut und Äther entwässert und entfettet. Das ätherfeuchte
Präparat wurde zwischen Filtrierpapierlagen abgedrückt, dann in der
Reibschale unter Vermeidung von Andrücken trocken gerieben. So dar-
gestellt, bildete das Nuoleoproteid ein staubfeines, schwach gelblich ge-
färbtes, leicht stäubendes Pulver. Nur das stärker eisenhaltige Präparat
aus Milz I war leicht bräunlich gefärbt.
Der einmal gekochte Milzrückstand wurde nochmals mit 1,5 bis 2 1
destillierten Wassers 15 Minuten lang gekocht und weiter genau wie das
erstemal behandelt. Dabei war aber die Filtration bedeutend schwerer,
und die Quantität des gewonnenen Nucleoproteids viel geringer. Das bei
der zweiten Abkochung erhaltene Nucleoproteid war fast weiß.
Die Ausbeute an Nucleoproteid läßt sich aus folgender
Tabelle ersehen.
Tabelle I.
Gewicht der
zerhackten
Milz
Gewioht des Nucleoproteides
1. Abkochung 2. Abkochung| Summe
Prozentgehalt
an
Nucoleoproteid
2,0766 | 0,7406
2,0852 0,9366
Aus der Tabelle ergibt sich, daß die Rindermilz etwas
mehr Nucleoproteid enthält als die Rinderleber, denn die Leber
von l kg liefert nach Wohlgemuth?) durchnittlich 3 bis 4g
Nucleoproteid.
Bei der Darstellung wurden noch folgende zwei Fragen
berührt:
a) Läßt sich die Ausbeute durch des Eindampfen
des wässerigen Extraktes vergrößern?
DL e
Zur Kenntnis des Nucieoproteids der Milz. 491
Um festzustellen, ob etwa das Eindampfen des wässerigen
Auszuges der gekochten Milz vor dem Essigsäurezusatz einen
günstigen Einfluß auf die Größe der Ausbeute ausüben könnte,
wurde bei der Milz IV das Filtrat der ersten Abkochung samt
dem Waschwasser in zwei gleiche Teile (je 650 ccm) geteilt,
dem ersten direkt, dem zweiten nach dem Eindampfen bis
ca. 100 ccm die Essigsäure zugesetzt. Aus dem ersten Teile
wurden 1,0965 und aus dem zweiten 0,9887 g Nucleoproteid
gewonnen.
Das Eindampfen des wässerigen Auszuges vor dem Essig-
säurezusatz hat also keine günstige Wirkung bezüglich der
Ausbeute.
b) Wie groß muß der Zusatz von Essigsäure sein?
Die bei der Fällung des Nucleoproteides nötige Menge der
Essigsäure hat Hammarsten (l. c.) für das Pankreas-Nucleo-
proteid auf 5 bis 10°/,,, Capezzuoli (Lol auf etwa 10 com
30°/,ige Essigsäure zu etwa 2 l geschätzt. Wie in der folgen-
den Tabelle ersichtlich, ist diese Menge ziemlich variabel, sie
schwankt nämlich zwischen 0,4 und 1,15 Volumprozent einer
30°/,igen Essigsäure. In einem Falle, wo das Filtrat zunächst
bis 100 ccm eingedampft wurde, waren sogar 6,5 Volumprozent
Essigsäure erforderlich. Ferner war bei der zweiten Abkochung
regelmäßig weniger Essigsäure nötig als bei der ersten.
Die Wirkung der Essigsäure beansprucht eine gewisse Zeit.
Das Stehenlassen bis zum nächsten Tage empfiehlt sich also
nicht allein mit Rücksicht auf die vollständigere Senkung des
Niederschlages.
Die Menge der Essigsäure scheint nicht ausschließlich von
der Menge des wässerigen Auszuges, sondern vielmehr von dem
Gehalt desselben an Nucleoproteid abhängig zu sein. Demnach
ist ein bestimmtes prozentuales Verhältnis von Essigsäure zu
Filtrat, wonach alles Nucleoproteid in dem letzteren vollständig
ausgefällt werden kann, nicht festzusetzen.
492 T. Sato:
Tabelle II.
Menge des Nötiges Quantum Gewonnenes
Auszuges von 30°/,iger Essig- Nucleoproteid
säure e
D
(]
n S= lo
8,0 „ —=0,755%
on 7 —0uge | 30423
90 „ =—0,900°/, | 2,0766
ao " —éenes | 0,7408 328172
7,5 com = 0,536°/
4,0 0
H 3,5466
1 7,5 1,0965
, IV 6,5 o | 0,9887 1 3,0218
2 950 85 > —=0,89801, | 0,9366
Die Ziffern 1 und 2 bedeuten die erste und zweite Ab-
kochung. Bei der Milz IV ist die Hälfte a) des Auszugs der
ersten Abkochung wie sonst behandelt, dagegen die andere
Hälfte b) zunächst bis auf 100 ccm eingedampft und dann mit
Essigsäure angesäuert, wie oben erwähnt.
\
2. Bindung des Eisens.
Salkowski hat (Zeitschr. £f. physiol. Chem. 59, 19) darauf
hingewiesen, daß der Eisengehalt der Nucleoproteide der Leber
großen Schwankungen unterworfen ist und daß das Eisen im
Nucleoproteid äußerst looker gebunden ist. Da die Frage, ob
das Eisen im Milz-Nucleoproteid sich ebenso verhält, nicht ohne
Interesse ist, so habe ich mit meinen Präparaten einige Unter-
suchungen in dieser Richtung ausgeführt.
Zunächst ist hervorzuheben, daß meine Präparate bedeutend
ärmer an Eisen sind als die von Capezzuoli. Das Eisen
wurde nach dem Schmelzen der Substanz mit Salpetermischung
in üblicher Weise als Ferriphosphat bestimmt.
Für die Milz I und Milz II, bei welchen Nucleoproteide
erster und zweiter Abkochung vereinigt wurden, fand ich den
Eisengehalt — 0,80 resp. 0,34°/,. Auch für die Nucleoproteide der
zweiten Abkochung der Milz III und Milz IV waren die Werte
ebenso niedrig, nämlich 0,31 und 0,15°/,.
Zur Kenntnis des Nucleoproteids der Milz. 493
Tabelle III.
Eisengehalt
1. Abkochung | 2. Abkoohung
"ie "ie
Capezzuolische Präparate 1,48—2,00 | 0,41—0,97
I 0,80
Meine Präparate. . . Lë 0,84 0,31
IV | 0,15
Ich hebe die Tatsache des geringen Eisengehaltes deshalb
hervor, weil sie möglicherweise für das Verhalten des Nucleo-
proteids zu Alkalien von Bedeutung ist.
In einer größeren Anzahl von Versuchen wurde die Frage
untersucht, ob sich das Eisen des Milznucleoproteids ebenso
leicht durch schwache Natriumcarbonatlösung abspalten läßt,
wie dies E.Salkowski für das Lebernucleoproteid angegeben hat.
Das war nicht der Fall. Es gelang auch bei Steigerung der
Stärke der Natriumcarbonatlösung bis auf 1°/, und Verlängerung
der Kochdauer bis 30 Minuten nicht, das Eisen vollständig abzu-
spalten: das durch Fällung der alkalischen, von Ferrihydrat ab-
filtrierten Lösung mit Essigsäure erhaltene Nucleoproteid erwiessich
vielmehr noch eisenhaltig, und aus demselben konnte durch Kochen
mit der alkalischen Lösung (Na,CO,) aufs neue eine gewisse Quan-
tität Eisen als Ferrihydrat abgespalten werden. Dieses Ferri-
hydrat erwies sich übrigens stets schwach phosphorsäurehaltig.
Dagegen wurden diese Reste vom Eisen durch Erwärmen mit
salzsäurehaltigem Wasser (1°/, HCl) gelöst. Die Lösungen gaben
Eisenreaktion und enthielten Phosphorsäure. Wurden sie mit
Ammoniak alkalisiert und mit Magnesiamischung gefällt, so
war das durch Abfiltrieren des Niederschlages, Auswaschen
und Glühen erhaltene Magnesiumpyrophosphat stets rötlich
gefärbt und eisenhaltig.
Sehr bemerkenswert ist ein abweichendes Verhalten der
sehr schwach eisenhaltigen Nucleoproteide der zweiten Milz-
abkochung. Diese gaben beim Kochen der Lösung mit Na,CO,
überhaupt keine Ausscheidung von Ferrihydroxyd; es
trat nur eine leichte Trübung ein, die kein Eisen enthielt.
494 T. Sato: Zur Kenntnis des Nucleoproteids der Milz.
Das aus dem Filtrat durch Essigsäure gefällte Nucleoproteid
erwies sich eisenhaltig; ob der Gehalt ganz unverändert war,
ist allerdings nicht untersucht.
Es scheint demnach, als ob das Eisen in dem Nucleo-
proteid der Milz in zwei Formen vorhanden ist, einer festeren
und einer lockerer gebundenen und daß in den eisenärmeren
Präparaten die locker gebundene Form überhaupt fehlt.
Das Verhalten des Milznucleoproteids zu Eisenreagenzien
stimmte mit den von E. Salkowski für das Lebernucleoproteid
gemachten Angaben überein.
Vergleichung des Hämoglobins einiger Weichtiere mit
dem der Wirbeltiere.
Von
Raffaele Paladino.
(Aus der Chemischen Abteilung der Zoologischen Station und dem
Physiologisch-chemischen Institut der Universität zu Neapel.)
(Eingegangen am 18. Oktober 1909.)
Mit 3 Figuren im Text.
Im Verlaufe vorhergegangener Untersuchungen über die
Farbstoffe der Seetiere hatte ich mehrmals Gelegenheit zu be-
obachten, daß das Hämoglobin bei einigen Klassen der wirbel-
losen Tiere weit verbreitet, dagegen in den Mollusken sehr
selten anzutreffen ist; man würde nämlich irren, wenn man
jede rote Substanz im Blute der letzteren für Hämoglobin an-
sehen würde.
Zur Bekräftigung dieser Tatsache brauche ich nur an Cuenöt zu
erinnern, der bei Untersuchung des rötlichen Blutes aus dem Herzen
der Aplysia depilans einen roten Eiweißkörper fand, welcher sich vom
Hämoglobin unterschied, bei Einleiten von Sauerstoff sich nicht ver-
änderte und zwischen 58 und 70° C coagulierte.
Aus früheren, über die Farbstoffe der Weichtiere angestellten Unter-
suchungen geht hervor, daß das Hämoglobin mit Sicherheit nur im Blute
eines Gasteropoden — Planorbis corneus — sowie in einigen Schnecken
nachgewiesen ist. Lankester stellte in der Tat fest, daß das Blut des
Planorbis corneus Hämoglobin enthält, denn im Gegensatz zum Blute
anderer Gasteropoden reagiert das Blut des Planorbis mit Guajactinktur.
Sorby zweifelte jedoch, daB dieser Farbstoff dem Hämnglobin der
Wirbeltiere gleichzustellen wäre; er gibt an, die Absorptionsstreifen
lägen dem Blau näher und die Zersetzung des Farbstoffes beim Erhitzen
geschähe früher (bei ungefähr 45 bis 49° C), als dies beim Hämoglobin
der Wirbeltiere der Fall ist.
Krukenberg beobachtete, daß das Hämoglobin des Planorbis
corneus erst bei 60° C gerinnt und daß sein Absorptionsspektrum mit
dem des gewöhnlichen Hämoglobins identisch ist.
496 R. Paladino:
Maly und Mac Munn gelang es, aus diesem Hämoglobin Hämin-
krystalle zu gewinnen. Nach diesen Forschern ergab das Hämoglobin
des Planorbis corneus bei Sättigung mit Kochsalz und Magnesiumsulfat
einen Niederschlag. Essigsäure verursachte eine braune Färbung, gab
aber keinen Niederschlag. Während sich indes das Hämoglobin des
Planorbis oorneus im Blutplasma gelöst findet, ist das Hämoglobin der
anderen Weichtiere an die Blutkörperchen gebunden.
Zweck dieser Arbeit war nun, festzustellen, ob die rote
Substanz im Blute einiger von mir untersuchter Mollusken
wirkliches Hämoglobin ist und ob dieselbe in diesem Falle
mit dem Hämoglobin der Wirbeltiere identisch ist oder nicht.
Die von mir in erster Reihe herangezogenen Weichtiere sind
Cardita sulcata, Pectunculus glycimeris, Capsa fragi-
lis, Tellina planata und Solen legumen.
Wenn man eine Cardita sulcata, einen Pectunculus oder
ein ähnliches Weichtier rasch öffnet, bemerkt man vor allem
eine Ansammlung roter Flüssigkeit, die das Blut dieser Tiere
darstellt. Die rote Flüssigkeit, die ich jedesmal sammelte, war
je nach den auszuführenden Versuchen aus einer mehr oder
weniger großen Anzahl von Mollusken gewonnen worden; die
Versuche führte ich parallel mit identischen Untersuchungen
des Blutes eines dem Versuchstier am nächsten stehenden
(Seylliium) und eines ihm entfernter stehenden Wirbeltieres
(Hund) aus; außerdem diente mir eine 1°/,ige reine Hämo-
globinlösung als Kontrolle. Anfangs bediente ich mich immer
gleichstarker Lösungen von Molluskenblut, Scylliumblut, Hunde-
blut und 1°/,igen reinen Hämoglobins, die ich in vier ganz
gleiche Eprouvetten tat, und ging hierauf an die verschie-
denen spektroskopischen und chemischen Versuche; in Fort-
setzung deren fand ich es dann für meinen Zweck genügend, nur
das Weichtierblut und das Blut des demselben nächststehenden
Wirbeltiers (Scyllium) miteinander zu vergleichen, da ich fest-
gestellt hatte, daß zwischen dem Scylliumblut, dem Hundeblut
und der 1°/,igen Hämoglobinlösung kein Unterschied bemerk-
bar war. Von den fünf oben erwähnten Mollusken zog ich
die Cardita sulcata vor, da sie reicher an Blut ist als die an-
deren und ich von ihr eine größere Anzahl zur Verfügung hatte.
Ich begann mit einer vergleichenden Untersuchung, indem
ich aus einer gewissen Anzahl Cardita sulcata ungefähr 50 g
des trüben Blutes sammelte, das ich sofort in zum Zentrifugieren
Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 497
geeignete Gläser tat, um es von allen fremden Stoffen zu
reinigen. Das nunmehr klare Blut goß ich in einen Zylinder
und beobachtete vor allem die Farbe; sie war braunrot, also
nicht so hellrot, wie die des Scyllium- oder die des Hunde-
blutes, welch letzteres ich schon vorher zum Vergleich ge-
sammelt hatte. Die Reaktion war alkalisch; das spezifische
Gewicht fand ich zu 1030. Die mikroskopische Untersuchung
eines Tropfens ergab das Vorhandensein eines Plasmas, in
dem die Blutkörperchen suspendiert waren. Was die Ge-
rinnung des Blutes der Mollusken, wie Cardita sulcata, Pectun-
culus, Capsa fragilis usw. betrifft, so geht dieselbe nicht
spontan vor sich. Wenn man Alkohol hinzufügt, so bemerkt
man anfangs keinen Niederschlag, aber durch wiederholtes
Mischen kommt ein Gerinnen zustande; das Gerinnsel sammelt
sich an der Oberfläche, während die Flüssigkeit leicht gelb-
lich gefärbt zurückbleibt. Hinzufügen eines Alkali, z. B.
Ammoniak, macht das Blut dicker und die Färbung heller.
Atzkali dagegen läßt das Blut sofort gerinnen. Mineralische
Säuren, wie Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure, dem Blute
in sehr geringer Menge hinzugefügt, bewirken einen Niederschlag,
indem sie das Pigment verändern.
Um den Einfluß der Wärme zu studieren, tat ich in drei
enge, dünnwandige Glasröhren — ähnlich denen, wie man sie
zur Bestimmung des Schmelzpunktes einer Substanz anwendet
— gleiche Mengen Blut der Cardita oder Pectunculus oder
Capsa fragilis, dann von Scyllium oder Hund, und ferner von
reiner Hämoglobinlösung. Die drei Röhren wurden an .der
Kugel des Thermometers befestigt, und zwar so, daß die Böden
der Röhren auf dem gleichen Niveau mit dem Boden der
Thermometerkugel standen. Das Ganze tat ich dann in ein
Ölbad und erhitzte langsam. So oft ich dieses Verfahren wieder-
holte, fand ich stets, daß das Blut der Cardita oder Pectun-
culus oder Capsa fragilis bei 60°C zu gerinnen anfing ebenso
wie das des Scylliums oder des Hundes und wie Hämoglobin-
lösung, woraus hervorgeht, daß, was die Gerinnungstemperatur
angeht, das Weichtierblut sich wie andere Arten Blut verhält.
Um ferner den Einfluß einer konstanten Temperatur auf
das Hämoglobin der Weichtiere und der Wirbeltiere zu bestimmen,
bediente ich mich eines auf 40° C eingestellten Thermostaten.
498 R. Paladino:
In diesen tat ich zwei Röhren, eine mit Cardita-, die andere
mit Scylliumblut. Nach einigen Stunden zeigten beide Lösungen,
außer einer Veränderung in der Färbung, das Spektrum des
Methämoglobins.. Das Blut von Cardita sulcata, Pectunculus,
Capsa fragilis, Solen legumen ergibt unter dem Einflusse einer
sehr hohen Temperatur ein flockiges Gerinnsel. Läßt man den
Niederschlag entweder von selbst oder durch Zentrifugieren
sich absetzen, so scheidet sich eine Flüssigkeit ab, die die-
selbe Farbe wie Blut hat, nur etwas heller ist, so als ob das
Blut verdünnt wäre. Im Spektroskop zeigt sie die Streifen
nicht mehr, die vor der Einwirkung der Wärme zu sehen
waren. Bei ziemlich 100° C unterliegt der Farbstoff des Mol-
luskenblutes denselben Veränderungen wie das Oxyhämoglobin,
das, wie bekannt, allein oder mit Säure oder Alkali erhitzt,
sich in Hämatin und Eiweiß scheidet.
Einige Tropfen Blut von Cardita sulcata, Pectunculus,
Capsa fragilis usw. in eine Mischung aus altem Terpentinöl
und frischer Guajaotinktur gegossen, geben eine Färbung, die
erst grün ist, dann blaugrün und endlich blau wird. Wenige
Tropfen des Blutes der obenerwähnten Weichtiere zeigen Eisen-
und Stickstofireaktion, genau wie eine reine Hämoglobinlösung,
cder wie Scyllium- oder Hundeblut.
Spektroskopisches Verhalten.
Zu diesem Zwecke bediente ich mich eines kleinen Brown-
ngschen Spektroskops, sowie des großen, dreiarmigen Modells.
Eci den einzelnen Versuchen hatte ich zur Kontrolle eine
1°/,ige Hämoglobinlösung, deren Intensität der Färbung einiger-
mafen mit der des betreflenden Blutes übereinstimmen mußte.
Dieses stellte ich übrigens leicht durch Vergleich der Ab-
sorptionsstufen fest, d. h. ob dieselben bei gleicher Dicke der
Blutschicht, bzw. der 1°/ igen Hämoglobinlösung gleich breit
und gleich intensiv wären. Durch Vergleich einer Blutlösung von
Cardita sulcata, Pectunculus, Capsa fragilis, mit einer gleich-
farbigen reinen Hämoglobinlösung, sowie einer Lösung von
Scylliium- und Hundeblut, habe ich mich überzeugt, daß die
verschiedenen Spektren keinerlei Unterschiede untereinander auf-
wiesen. Der Blutfarbstoff' der von mir geprüften Weichtiere
Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 499
hat also ein Absorptionsspektrum, das mit dem des Hämo-
globins der Vergleichstiere (Scyllium, Hund) gleichwertig ist.
Nach Feststellung dieser ersten Tatsache habe ich die Ein-
wirkung der verschiedenen Reagenzien, wie Alkalien, Säuren,
reduzierende und oxydierende Substanzen, sowie die des Vakuums,
C D E
Oxyhämo-
globin (von
Scylliium)
Oxzyhämo-
globin (von
Cardita sul-
cata,Pectun-
cuins giyci-
meris, Capsa
fragilis,
Fig. 1.
der Fäulnis usw. auf das Weichtierblut studiert. Der Einfach-
heit wegen bemerke ich gleich hier, daß ich bei diesen Ver-
suchen allemal die Kontrolle mit Hämoglobinlösungen (Soyllium,
Hund) ausführte, welche dieselbe Färbung hatten wie das in
Rede stehende Weichtierblut und in gleicher Schicht und
Quantität vorhanden waren wie jene.
Prüfung der Einwirkung von ÄAtzkali. Ich stelle
drei Lösungen von gleicher Farbenintensität her, eine aus dem
Blute der Cardita sulcata, eine aus Scoylliumblut und die dritte
aus Hundeblut; alle drei weisen die beiden Streifen a und £
des Oxyhämoglobins auf. Einer jeden dieser Lösungen füge
ich nun einige Tropfen verdünnten Atzkalis hinzu, und jetzt
geht die Farbe des Scyllium- und des Hundeblutes sofort in
Gelb über, während das Blut der Cardita keinerlei Farbenver-
änderung aufweist; nur bildet sich hier ein leichter flockiger
Niederschlag. Während jedoch das Scyllium- und Hundeblut
seine Streifen verloren hat, zeigt das Carditablut noch immer
das Oxyhämoglobinspektrum, welches auch noch nach 24 Stun-
den, wenngleich abgeschwächt, anhält. Unter dem Einflusse
des ÄAtzkali verhalten sich die Lösungen also verschieden ; das
Hämoglobin der Weichtiere ist gegen Ätzkali widerstands-
fähiger.
500 R. Paladino:
Prüfung der Einwirkung der Weinsäure. Ich be-
reite drei gleichfarbige Lösungen, die Streifen von gleicher
Breite aufweisen, also von Cardita sulcata, von Scoyllium und
vom Hunde. Hierzu gieße ich nur zwei Tropfen Weinsäure:
Das Carditablut verändert seine Färbung nicht und zeigt den
Streifen des sauren Hämatins; das Scyllium- und das Hunde-
blut wird augenblicklich gelblich und zeigt keine Streifen.
Also dieselbe Menge Weinsäure, die das Weichtierhämoglobin
sofort zersetzt und saures Hämatin bildet, bringt bei dem
Soyllium- und dem Hundeblut erst nach 48 Stunden dieselbe
Reduktion hervor. |
Zu gleichen Mengen Blutlösungen von Cardita, von Soyllium
und von Hund füge ich gleiche Mengen einer vor kurzem her-
gestellten Ferricyankaliumlösung. Ich bemerke bei allen drei
Lösungen einen Streifen im Rot, das Blut nimmt eine gelb-
bräunliche Färbung an. Dies steht in Übereinstimmung mit
der Beobachtung Jaederholms!),, daß, wenn man einer
Hämoglobinlösung Ferricyankalium zufügt, sich eine Braun-
färbung ergibt und sioh Methämoglobin bildet. — Zu den
gleichen Bilutlösungen fügte ich nun gleiche Mengen Ferro-
cyankalium: die Lösungen ändern ihre Farbe nicht, und das
Spektrum des Oxyhämoglobins bleibt bestehen. Am nächsten
Tage beobachtete ich neuerdings und finde bei Cardita sulcata den
Streifen im Rot zwischen 7!/, und 8, während das Grün, das
Blau und das Violett absorbiert sind. Im Blut des Soylliums
und des Hundes ist am folgenden Tage keinerlei Veränderung
eingetreten; bei der Lösung, der ich Ferrocyankalium hinzu-
gefügt hatte, ist das Oxyhämoglobinspektrum vom Tage
vorher verschwunden, und es bleibt nur das des Hämo-
globins. Also, das Ferricyankalium verändert das Oxyhämo-
globin sofort in Methämoglobin, während das Ferrooyankalium
den Blutfarbstoff der Weichtiere und der Wirbeltiere langsam
reduziert.
Ich behandle nun eine Blutlösung von Cardita sulcata
und von Scyllium, welche gleiche Farbenintensität und gleiche
Konzentration haben, mit gleichen Mengen Ammoniumsulfid: Das
Spektrum des Oxyhämoglobins ist aus dem Scylliumblut ver-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 8, 186, 1883.
Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 501
schwunden, und an Stelle der beiden Streifen o und 4 sehe ich
den breiten Hämoglobinstreifen. Der Luft ausgesetzt und
wiederholt geschüttelt, erscheinen die beiden Oxyhämoglobin-
streifen von neuem. — Dagegen zeigt das Weichtierblut unter
dem Einfluß des Ammoniumsulfids das Spektrum des Hämo-
chromogens. Das Hämoglobin der Weichtiere verhält sich also
unter der Einwirkung einer reduzierenden Substanz, wie z. B.
Ammoniumsulfit nicht wie das der Wirbeltiere, sondern unter-
liegt einer bedeutenderen Reduktion.
Zwei Lösungen, eine von Cardita-, die andere von Soyllium-
blut, die von gleicher Färbung sind und unter dem Spektroskop
zwei gleichartige Streifen ergeben, werden in zwei Glasröhren
von gleichem Durchmesser getan und auf lange Zeit dem Vakuum
ausgesetzt, und zudem noch auf 38 bis 40° C erhitzt. Während
der Einwirkung des Vakuums beobachtete ich von Zeit zu Zeit
die Glasröhren unter dem Spektroskop; dabei bemerkte ich,
daß, während die Sceylliumblutlösung selbst unter dem Einfluß
der Wärme lange Zeit zur Reduzierung brauchte, ehe sich der
Hämoglobinstreifen zeigte, das Weichtierblut schneller reduziert
wurde und somit eine geringere Widerstandsfähigkeit gegen
das Vakuum aufwies. Zwischen dem Oxyhämoglobin der
Weichtiere und dem der Wirbeltiere besteht also ein Unter-
schied in der Widerstandsfähigkeit gegen die Reduktion.
Um die Wirkung des Kohlenoxyds zu prüfen, wird, wie
bei den vorhergehenden Versuchen in zwei Röhren von gleichem
Durchmesser das Weichtierblut und das Wirbeltierblut, die
dasselbe Absorptionsspektrum (des Oxyhämoglobins) aufwiesen,
getan. Durch die beiden Röhren ließ ich dann gleichzeitig
ungefähr 8 Minuten langsam Kohlenoxyd strömen. (Das
Kohlenoxyd hatte ich durch Einwirkung von reiner Schwefel-
säure auf Oxalsäure — 30 g Oxalsäure und 180 g Schwefel-
säure — erhalten; es wurde gereinigt, indem ich es durch
Kalilauge strömen ließ.)
Die Weichtierhämoglobinlösung nahm bei der Einwirkung
des Kohlenoxyds eine hochrote Färbung an, und gleichzeitig
modifizierte sich das Oxyhämoglobinspektrum. Bei der Wirbel-
tieroxyhämoglobinlösung war, um zur Modifizierung des Spek-
trums zu gelangen, nicht nur eine längere Einwirkung des
Kohlenoxyds, sondern auch eine Abkühlung nötig; auf diese
Biochemische Zeitschrift Band 22. 33
502 R. Paladino:
Weise finde ich nach einem Tage in beiden Lösungen die
Streifen des Kohlenoxydhämoglobins.
Zur Prüfung der Fäulniseinwirkung wurden Lösungen
von reinem Cardita- und Scylliumblut 10 bis 11 Tage lang in
Eprouvetten bei 14 bis 15° C gehalten; nach diesem Zeitpunkt
zeigten sich identische Veränderungen in Farbe, Klarheit so-
wie hinsichtlich der spektroskopischen Eigenheiten. Man be-
merkte Reduktion des Oxyhämoglobins zu Hämoglobin und die
Bildung von Methämoglobin.
Weitere Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit oder
Veränderlichkeit des Hämoglobins der genannten Weichtiere.
Die meisten der vorher angegebenen Versuche hatten
mich überzeugt, daß das Hämoglobin meiner Weichtiere im
allgemeinen eine verschiedene Widerstandsfähigkeit gegen die
Reagenzien aufwies. Da nach Körber und Krüger die
Streifen a und 8 des Oxyhämoglobins des Blutes der ver-
schiedenen Tiere in ungleichen Zeiträumen verschwinden, sobald
gleiche Quanten von Oxyhämoglobinlösung mit gleichen Mengen
ebenso konzentrierter Essigsäure oder Kalilauge behandelt
werden,!) habe ich den Blutfarbstoff meiner Weichtiere erst
mit einer 10°/,igen Essigsäurelösung und dann mit einer
10°/,igen Kalilauge geprüft, indem ich mich dabei nach den
Angaben Körbers und Krügers richtete. Die Ergebnisse
sind wie folgt ausgefallen :
Ich tue in zwei Eprouvetten von gleichem Durchmesser
gleiche Mengen von Weichtierblut (Cardita sulcata) und Wirbel-
tierblut (Scyllium). Beide Lösungen zeigen das gleiche
Spektrum, d. h. das des Oxyhämoglobins. Ich füge nun zu
beiden Eprouvetten eine gleiche Menge 10°/,iger Essigsäure
(10 Tropfen). Wiederholte Beobachtung zeigt, daß das Spek-
trum des Oxyhämoglobins beim Scylliumblut erst nach
25 Minuten verschwindet, während dasselbe beim Carditablut
schon nach 13 Minuten verschwindet, dafür aber das des
Hämochromogens sich zeigt. Daraus geht klar hervor, daß
1) Körber, Über Differenzen des Blutfarbstoffes. Inaugural-Dis-
sertation, 1866. — Krüger, Über die ungleiche Resistenz des Blutfarb-
stoffs verschiedener Tiere gegen zersetzende Agenzien. Zeitschr. f. Biol.
24, 318, 338, 1888.
Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 503
der Farbstoff des Weichtierblutes kürzere Zeit als der des
Scylliumblutes widersteht und daher leichter der Veränderung
unterworfen ist. Außerdem erhält das Scylliumblut sich fort-
während klar und durchsichtig, indem es nur seine Färbung
von Hellrot in Rotgelb ändert. Dagegen trübt sich das Car-
ditablut bei Zugabe von Essigsäure und zeigt die obenerwähnten
Veränderungen.
Auf ganz gleiche Weise verfahre ich, um die Widerstands-
fähigkeit meiner Lösungen gegen eine 10°/,ige Kalilauge fest-
zustellen. Ich tue wiederum in zwei Eprouvetten gleiche
Mengen von Weichtier- und von Wirbeltierblut. Beide Lösungen
zeigen das Oxyhämoglobinspektrum mit gleich breiten Streifen.
Die Färbung des Scylliumblutes verändert sich bei Hinzufügung
von nur 2 Tropfen 10°/ iger Kalilauge sofort von Rot in Grün-
gelb und zeigt keine Streifen; das Carditablut dagegen behält
in diesem Falle seine ursprüngliche Färbung; es zeigt sich hier
Beginn eines flockigen Niederschlages, und das Oxyhämo-
globinspektrum verschwindet erst beim Zugießen von 10 Tropfen
Kalilauge. Daraus geht hervor, daß umgekehrt wie bei der
Essigsäure, das Hämoglobin der Weichtiere den Alkalien besser
widersteht als das der Wirbeltiere.
Versuche über die Krystallisation des Hämoglobins der er-
wähnten Weichtiere.
Das Hämoglobin der Weichtiere — Cardita sulcata, Pec-
tunculus glycimeris, Capsa fragilis, Tellina planata, Solen le-
gumen — ist krystallisierbar, wenngleich viel schwieriger als
das der Wirbeltiere. Die Mittel, zu denen man gewöhnlich
greift, um das Oxyhämoglobin der verschiedenen Blutarten im
Krystallzustande zu erhalten — Behandlung des Blutes mit
Ather und Alkohol, Verfaulenlassen in geschlossenen Röhren
usw. —, gaben mir anfangs keine günstigen Resultate, was mich
zu der Annahme veranlaßte, daß das Blut dieser Tiere überhaupt
nicht krystallisierbar sei, um so mehr als niemand bisher,
soviel mir bekannt ist, das Krystallisieren desselben versucht
hatte. Durch ein höchst einfaches Mittel, durch langsames
und spontanes Verdampfen, ist es mir jedoch nach einem sehr
langen Zeitraum (6 bis 7 Monaten) gelungen, charakteristische
33*
504 R. Paladino:
Krystalle zu erhalten, die in Gestalt den schon aus anderen
Blutarten gewonnenen gleichen. Die Bereitung der Hämin-
krystalle ist leicht und auf dem gewöhnlichen Wege zu er-
reichen. Die große Schwierigkeit jedoch, das krystallisierte
Hämoglobin in zufriedenstellender Reinheit und genügender
Häminkrystalle (von Cardita sulcata, Häminkrystalle (von Cardita sulcata,
Pectunculus giycimeris, Capsa fragilis, Solen Pectunoulus giycimeris)
legumen, Tellina planata)
Fig. 2. Fig. 3.
Menge zu gewinnen, hat mich verhindert, die chemische Zu-
sammensetzung festzustellen. Doch genügen die obenerwähnten
Versuche und das spektroskopische Verhalten, das mit dem
der anderen Arten von Hämoglobin übereinstimmt, um die große
Analogie des von mir studierten Hämoglobins mit dem Hämo-
globin der Wirbeltiere zu betonen.
Zusammenfassung.
Aus dem vergleichenden Studium über den Blutfarbstoff
dieser wirbellosen Seetiere und dem der zum Vergleiche ge-
wählten Wirbeltiere geht folgendes hervor:
I. Es ist zweifellos, daß der rote Blutfarbstoff der Weich-
tiere — Cardita sulcata, Pectunculus glycimeris, Capea fragilis,
Solen legumen, Tellina planata, und anderer ähnlicher —
echtes Hämoglobin ist.
II. Dies Hämoglobin ist dem des Scylliums und des Hundes
analog, aber nicht identisch mit demselben. Es weicht von
letzterem im allgemeinen ab: durch sein Verhalten zu einigen
Reagenzien, und zwar durch die verschiedene Widerstandsfähig-
Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 8505
keit, die es dem Einflusse der Alkalien und Säuren, dem Am-
moniumsulfid und dem Vakuum gegenüber besitzt. Es ist
außerdem leichter veränderlich unter der Einwirkung 10°/,iger
Essigsäure, weniger jedoch unter dem Einflusse 10°/,iger Kali-
lauge; endlich ist es auch schwerer krystallisierbar.
Literatur.
Ermann, Wahrnehmungen über das Blut der Mollusken. Abh. d.
k. Akad. d. Wissensch. Berlin, 1816—1817, 199 bis 218.
Sorby, On the evolution of Haemoglobin. Quart. Journ. of micros.
science 16, 77 bis 85, 1876.
Lankaster, Über das Vorkommen von Hämoglobin in den Mus-
keln der Mollusken usw. Pflügers Archiv 4, 315 bis 320, 1871.
Griesbach, Über das Blut acephaler Mollusken. Verhdl. d. Ges.
Deutsch. Naturf. u. Ärzte 63, 1896.
Griffiths, On the Blood of the Invertebrate. Proc. Roy. of Edin-
burg 18, 1890 bis 1891.
Witting, Über das Blut einiger Mollusken. Zeitschr. f. prakt. Chem.
78, 121, 1858.
Schloßberger, Über das Blut der Cephalopoden. Annal. d Chem:
u. Pharmakol. 1857, 86 bis 91.
Harleß, Über das blaue Blut einiger wirbelloser Tiere und dessen
Kupfergehalt. Müllers Archiv 1847.
M. Nenoki und N. Sieber, Untersuchungen über den Bilutfarb-
stoff. Arch. f. experim. Pathol. 18, 401, 1884.
Hoppe-Seyler, Über die chem. u. opt. Eigenschaften des Blut-
farbstofis. Virchows Archiv 29, 233, 1804.
l Jederholm, Untersuch. über d. Blutfarbstoff. Zeitschr. f. Biol.
13, 206, 1877.
Laidlaw, Observations on blood pigments. Journ. of Physiol. 81,
464, 1904.
Eppinger, Untersuchungen über den Blutfarbstoff. Dissertation;
München 1907.
M. Nenoki u. Zaleski, Untersuch. über d. Blutfarbstoff. Zeitschr.
f. physiol. Chem. 30, 384, 1900.
Marchlewski u. S. Mostowski, Zur Kenntnis des Blutfarbstoffs.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 51, 464, 1907.
Autorenverzeichnis.
— — ——
Backman, E. Louis und J.
Runnström. Physikalisch-ohe-
mische Faktoren bei der Em-
bryonalentwicklung. S. 290.
Brasch, Walther. Weitere Unter-
suchungen über den bakteriellen
Abbau primärer Eiweißspaltpro-
dukte. S. 401.
Buglia, G. Hängt die Resorption
von der Oberflächenspannung der
` resorbierten Flüssigkeit ab? S. 1.
Burri, R. und Ths. Nußbaumer.
Über Oberflächenspannungs- und
Viscositätsbestimmungen beiKuh-
milch unter Verwendung des
Traubeschen Stalagmometers.
S. 90.
Cominotti, Luigi. Über das Vor-
handensein der Pentosen im Harne
des Menschen und der Tiere.
8. 106.
Dietrich, M. Über phosphorhal-
tige C'aseinpeptone. S. 120.
Frey, Walther und Alfred Gi-
gon. Über quantitative Bestim-
mung des Aminosäuren-N im
Harne mittels Formoltitrierung.
S. 309.
Gigon, Alfred, siehe Frey und
Gigon.
Glikin, W. Zur biologischen Be-
deutung des Lecithins. IV. S. 461.
Hanssen, Olav. Zur Kenntnis
der Kohlensäurebildung im Organ-
brei. 8. 333.
Higuchi, Sigeji. Zur Kenntnis
des Fibrinenzyms der Placenta.
8. 337.
— — Ein Beitrag zur chemischen
Zusammensetzung der Placenta.
S. 341.
— — siehe Löb und Higuchi.
Hunaeus. Über den Kalkgehalt
der Frauenmilch. S. 442,
Ibrabim, J. Trypsinogen und
Enterokinase beim menschlichen
Neugeborenen und Embryo. S. 24.
Irvine, James Colquhoun.
Uber die Verwendung lierter
Zucker zur Bestimmung der Kon-
stitution von Disacchariden und
Glucosiden. 8. 367.
Izar, Guido. Über den Einfluß
einiger Quecksilberverbindungen
auf den Stoffwechsel. S. 371.
Krauß, Ludwig. Die Jodsäure-
reaktion des Adrenalins. S. 131.
Krogb, Mentz L. v. Ein Versuch
zur Stöchiometrie der Hämolyse.
S. 132,
— — Über die Reversibilität der
Hämolyse. S. 345.
Leimdörfer, Alfred. Über die
Gasspannung in der Lunge, bei
der zwingend ein neuer Atemzug
ausgelöst wird. S. 45.
Leyko, Z. und L. Marchlewski.
Zur Kenntnis des Hämopyrrols. II.
S. 464.
Löb, Walther. Zur Kenntnis der
Zuckerspaltungen. VL S. 103.
— — und Sigeji Higuchi. Zur
a. der Placentaenzyme.
. 316.
Marchlewski, L. siehe Leyko und
Marchleweki.
Moruzzi, Giovanni. Untersuchun>
gen über die Gelatinierung dee
Eiweißes. 8. 232.
Nußbaumer, Ths., siehe Burri
und Nußbaumer.
Oguro, Y. Über eine Methode
zum quantitativen Nachweis des
Antipepsins im Serum. S. 266.
— — Über die Wirkung des Pepsins
bei niederen Temperaturen. S. 278.
Paladino, Raffaele. Vergleichung
des Hämoglobins einiger Weich-
Autorenverzeichnis.
tiere mit dem der Wirbeltiere.
S. 495.
Parnas, Jakob. Über Kephalin.
S. 411.
Poggenpohl, S. von. Über die
Bindungsweise hämolytischer Am-
boceptoren. 8. 64.
Reach, Felix und Ferdinand
Röder. Über den Energiever-
brauch bei der Atemarbeit. S. 471.
Reichel, Heinrich. Zur Theorie
der Desinfektion. I. S. 149.
Röder, Ferdinand, siehe Reach
und Röder.
Ruhland, W. Erwiderung. S. 409.
Runnström, J., siehe Backman
und Runnström.
Sato, T. Beitrag zur Kenntnis
des Nucleoproteids der Milz.
8. 489.
Schloß, Ernst. Zur en
Wirkung der Salze. IL S. 283.
507
Schütz, Julius. Über den Ein-
fluß der Pepsin- und Salzsäure-
mengen auf die Intensität der
Verdauung, speziell bei Abwesen-
heit „freier“ Salzsäure. S. 33.
Simon, J. Schnelligkeit der Ab-
sorption des Strychnins in Gegen-
wart von Kolloiden. S. 394.
Sörensen, S. P. L. Ergänzung zu
derAbhandlung: Enzymstudien ft:
Uber die Messung und die Be-
deutung der Wasserstoffionen-
konzentration bei enzymatischen
Prozessen. 8. 352.
Stepp, Wilhelm. Versuche über
Fütterung mit lipoidfreier Nah-
rung. S. 452.
Stookhausen, J. Beitrag zur
Kenntnis der chemischen Zu-
sammensetzung des Hundekör-
pers. 8. 244.
Yoshimoto, 8. Beitrag zur
— der Krebsgeschwülste.
. 299.
DUE AS STAMPED BELOW
4 days prior to due date
FEB 2 4 2006
books to NRLF
e Renewals and recharges may be made
(510)642-6753
e 1-year loans may be recharged by bringing
ALL BOOKS MAY BE RECALLED AFTER 7 DAYS
e 2-month loans may be renewed by calling
>
E
=
Q
<
LL.
>
SS
<
OC
D
ee
—
<
2
O
O
LL
cr
zZ
OC
LL
I
=
SS
O
2
RETURN TO the circulation desk of any
University of California Library
Bldg. 400, Richmond Field Station
University of California
Richmond, CA 94804-4698
DD20 12M 1-05
IA
mamaa
—ñ—
* * —
_ x WE:
⁊
| e~ E —
On = — ne urn‘ =K - S
% 4
~ $ GE, e EE, — Ae `~
nun H —