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Full text of "Biochemische Zeitschrift 22.1909"

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Biochemische Zeitschrift. 
Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie. 


Herausgegeben von 


E. Buchner-Breslau, P. Ehrlich-Frankfurt a. M., F. Hofmeister- 
Straßburg i. E., C. von Noorden-Wien, E. Salkowski - Berlin, 
N. Zuntz-Berlin | 


unter Mitwirkung von 


L. Asher-Bern, J. Bang-Lund, G. Bertrand-Paris, A. Biokel-Berlin, F. Blumenthal-Berlin, 
Chr. Bohr-Kopenhagen, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, 6. Bredig-Heidelberg, A, 
Durig-Wien, F. Ehrlich-Breslau, O. Embden-Frankfurt a. Main, 8. Flexner-New York, 8. 
Fränkel- Wien, E. Freund-Wien, U. Friedemaan-Berlin, E. Friedmann-Berlin, O.v. Fürth» 
Wien, @. @aleoetti-Neapel, H. J. Hamburger-Groningen, A, Heffter-Berlin, V. Henrt-Paris, 
W. Heubner - Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby-Berlin, R. Kobert-Rostock, M. 
—— F. Landolf-Buenos-Aires, L. Langstein-Berlin, P. A. Levene-NewYork, 

ven Liebermann-Budapest, J. Loeb-Berkeley, W. Leeb-Berlin, A. Loewy-Berlin, A.Mag- 
aus-Levy-Berlin, J. A. Mandel-New York, L. Marehlewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, 
3. Meisenheimer-Berlin, L. Michaselis-Berlin, J. Morgenroth-Berlin, W. Nernst-Berlin, W. 
Ostwald - Leipzig, W. Palladin - St. Petersburg, W. Pauli» Wien, R. Pfeiffer » Breslau, 
E. P. Piok-Wien, J. Pohl- Prag, Ch. Poreher-Lyon, F. Roehmann-Breslau, P. Rons- Berlin, 
8. Balaskin-St. Petersburg, N. Sieber-St. Petersburg, M. Biegfried-Leipzig, Zd. H. Skraup- 
Wien, 8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K. Spiro-Straßburg, E. H. Btarling-London, PF. 
Tangl-Budapest, H. v. Tappeiner-München, H. Thems-Berlin, J. Traube-Charlottenburg, 

A. J. d Vandevelde-Gent. A. Wohl-Danzig, Je Wohlgemuth-Berlin. 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin. 


Zweiundzwanzigster Band. 





Berlin. 
Verlag von Julius Springer. 
1909. 


UNIVERSITY OF CALIFORNIA 


LIBRARY 


COLLEGE OF AGRICULTURE 
DAVIS 


Druck von Oscar Brandstetter, Leipzig. 


) 
. 
4 
Ze 


Le 


Inhaltsverzeichnis. 


Buglia, ©. Hängt die Resorption von der Oberflächenspenwung Ae "` 
resorbierten Flüssigkeit ab? . ....... EEEE 
Ibrahim, J. Trypsinogen und Enterokinase beim menschlichen Neu- 
geborenen und Embryo. . . .. 2: seven. 
 Sehätz, Julius. Über den Einfluß der Pepsin- und Salskeremengen 
auf die Intensität der Verdauung, speziell bei Abwesenheit „treisr“ 
Balzssure..... 253 2 we ren 
Leimäörier, Alfred. Über die Gasspannung in der Lunge, bei der 
zwingend ein neuer Atemzug ausgelöst wird . . . . 2.2... 
Poggenpohl, 8. von. Über die Bindungsweise hämolytischer Ambo- 
Gëptoren `, eene e e a E ap e 
Burri, R. und Ths. Nußbanmer. Über Oberflächenspannungs- und 
Viscoositätebestimmungen bei Kuhmilch unter Verwendung des 
Traubeschen Stelagmometers . . . . 2. 2 22er e 00. 
Löb, Walther. Zur Kenntnis der Zuokerspaltungn. VL . . . . . 
Ceminotti, Luigi. Über das Vorhandensein der Pentosen im Herne 
des Menschen und der Tiere . . . . 2. 22 2 ee ee rn. 
Dietrich, M. Über phosphorhaltige Caseinpeptone . . . . . . . - 
Krauß, Ludwig. Die Jodsäurereaktion des Adrmalins . . . . . . 
Krogh, Mentz L. v. Ein Versuch zur Stöchiometrie der Hämolyse. 
Reichel, Heinrich. Zur Theorie der Desinfektion. I. . . ..... 
Reichel, Heinrich. Zur Theorie der Desinfektion. II. . . . 
Berichtigung . e e 2.2 ea a 
Reichel, Heinrieh. Zur Theorie der Desinfektion. IH. . .. .. . 
Moruzzi, Giovanni. Untersuchungen über die Gelatinierung des Ei- 
See. Loi an er E een Re ee 
Stoekhausen, J. Beitrag zur Kenntnis der ohemischen Zusammen- 
setzung des Hundekörpers . . .. » 22220 .. DEEN 
Oguro, Y. Uber eine Methode zum quantitativen Nachweis des 
Antipepsins im Serum . ... 2 2 on er ee ern. 
Oguro,Y. Über die Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen. 
Schloß, Ernst, Zur biologischen Wirkung der Salze. IL .. .. . 
Backman, E. Louis und J. Runnström. Physikalisch-chemische Fak- 
toren bei der Embryonalentwicklung . . . . . 2». 2.2.20. 
Yoshimoto, 8. Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwälste . . . . . 


G18 TI 


Frey, Walther und Alfred Gigon. Über quantitative Bestimmung des 
Aminosäuren-N im Harne mittels Formoltitrierung . . . 
Löb, Walther und Shigeji Higuchi. Zur Kenntnis der Piscentaenzyine. 
Higuchi, Shigejl. Zur Kenntnis des Fibrinenzyms der Placenta 
Higuchi, Shigeji. Ein Beitrag zur chemischen Zusammensetzung 
dér Placenta u: a nr. tr ae A A ee A a 
Krogh, von Mentz L. Über die Reversibilität der Hämolyse.. . . . 
Sürensen, 8. P. L. Ergänzung zu der Abhandlung: Enzymstudien II. 
Über die Messung und die Bedeutung der Wasserstoffionen- 
konzentration bei enzymatischen Prozessen. . . . .2.... 
Irvine, James Colquhoun. Über die Verwendung alkylierter Zucker zur 
Bestimmung der Konstitution von Disacchariden und Glucosiden 
izar, Guido. Über den Einfluß einiger nn auf 
den Stoffwechsel : . . 2. 2 2.0 De rn ren 
Simon, J. Schnelligkeit der Absorption des Strychnins in Gegenwart 
von Kolloiden . 2... 58.0.8 as Eu u aa ae 
Brasch, Walther. Weitere Untersuchungen über den bakteriellen Ab- 


bau primärer Eiweißspaltprodukte . . . 2. 2 2222 2 220. 
Rubland, W. Erwiderung . .. 2 2 2 se es ss e n. Fr 
Parnas, Jakob. Über Kephalin.. . . s.. 22.2 22 2 2 2 2 0. S 


Hanssen, Olav. Zur Kenntnis der Kohlensäurebildung im Organbrei 
Hunaeus. Über den Kalkgehalt der Frauenmilch ......... 
Stepp, Wilhelm. Versuche über Fütterung mit lipoidfreier Nahrung 
Glikin, W. Zur biologischen Bedeutung des Lecithins. (IV.Mitteilung) 
Leyko, Z. und Marchlewski, L. Zur Kenntnis des Hämopyrrols II. 
Reach, Felix und Röder, Ferdinand. Über den Energieverbrauch bei 

der Atemarbeit . . 2 2: 00 0m ern en i 
Sato, T. Beitrag zur Kenntnis des Nuoleoproteids der Milz. .. . 
Paladino, Raffaele. Vergleichung des Hämoglobins einiger Weichtiere 

mit dem der Wirbeltiere . . . . 2 222 22200. — 


. 309 


316 


. 337 


f 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung der 
resorbierten Flüssigkeit ab? 


Von 
G. Buglia. 
(Aus dem physiologischen Institut der kgl. Universität zu Neapel.) 


(Eingegangen am 19. August 1909.) 
Mit 10 Figuren im Text. 


I. Ziel der Untersuchung. 


In den letzten Jahren wurde die Aufmerksamkeit der 
Physiologen auf die Erscheinungen der Oberflächenspannung 
gelenkt, welche bei der Resorption in der Darmschlinge als 
einer der wichtigsten der physikalisch-chemischen Faktoren er- 
kannt wurde. Die Substanzen, welche teils mit Galle gemischt, 
teils durch den Verdauungstrakt aus Proteinen und Fetten ge- 
bildet, in die Darmschlinge gelangen, haben die Fähigkeit, die 
Oberflächenspannung des Wassers, des gewöhnlichen Lösungs- 
mittels, zu erniedrigen; nach Traube!) und Billard?) ist diese 
Oberflächenspannungserniedrigung der wesentlichste Faktor, 
‚welcher das Eindringen des Darminhaltes in die Zellen ver- 
ursacht. 

Leider wurde die Traubesche Theorie, welche auf den 
allgemeinen Gesetzen der Resorptionserscheinungen beruht, durch 
die experimentellen Arbeiten einiger Autoren nicht bestätigt, 
weshalb ich es für angebracht hielt, mich in der vorliegenden 
Arbeit mit dieser Frage zu beschäftigen. 


1) J. Traube, Der Oberflächendruck und seine Bedeutung im Or- 
ganismus. Arch. f. d. gesam. Physiol. 105, 559, 572, 1904. 
2) G. Billard, Influence de sels biliaires et des savons sur l’ab- 
sorption intestinale. C. R. Soc. Biol. 60, 1056, 1057, 1906. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 1 


2 G. Buglia: 


Meine Aufgabe war, den Einfluß der Oberflächenspannung der 
Flüssigkeiten auf die Resorption in der Darmschlinge zu unter- 
suchen. Die Experimente wurden deshalb zweckmäßig so ein- 
geleitet, daß ein bestimmtes Volum physiologischer Kochsalz- 
lösung in eine Dünndarmschlinge eingeführt und aus dieser nach 
einer bestimmten Zeit entfernt wurde; durch Ausmessen dieser 
Flüssigkeitsmenge wurde dann die resorbierte Menge bestimmt. 
Sodann wurden unter ähnlichen Bedingungen Experimente ange- 
stellt, wobei jedoch die zur Resorption bestimmte Menge der phy- 
siologischen Kochsalzlösung eine Substanz beigemischt enthielt, 
welche ihre Oberflächenspannung erniedrigte. Es wurden auch 
Versuche mit einer Witte-Peptonlösung angestellt und der 
resorbierte Anteil durch die Kjeldahlsche Stickstoffbestim- 
mungsmethode ermittelt. Bevor ich jedoch die diesbezüglichen 
Resultate mitteile, möchte ich einige Bestimmungen anführen, 
welche ich ‚in vitro“ angestellt habe, um die Variationen der 
Oberflächenspannung einiger Lösungen (Wasser, 10°/,ige Pepton- 
lösung) kennen zu lernen, nachdem bestimmte Mengen verschie- 
dener Substanzen hinzugefügt wurden. Dadurch konnte ich 
also gleichzeitig feststellen, welche Lösung ich am zweckmäßig- 
sten bei den Experimenten ‚in vivo" benutzen würde. 


II. Experimente „in vitro“. 


Experimentelle Technik. 


Zu der Peptonlösung (10°/,ig) wurden folgende Substanzen hinzu- 
gefügt: Natriumtaurocholat, Natriumglykocholat, Galle, Seife und Athyl- 
alkohol Bei der Herstellung der zu untersuchenden Flüssigkeit ging ich 
von einer Lösung der Substanzen von bekanntem Gehalte aus und ver- 
dünnte dann diese mit Wasser oder Peptonlösung auf die gewünschte 
Konzentration, und zwar immer auf ein Volum von 10ccm. Sodann 
wurde die Oberflächenspannung der Lösungen in dem Fano-Meyerschen 
Apparat bestimmt.!) Statt der berechneten absoluten Oberflächen- 
spannung möchte ich die abgelesene Niveaudifferenz im Manometer mit- 
teilen, da diese über die Variationen der Oberflächenspannung auch eine 
exakte Rechenschaft gibt; die Messungen wurden immer in derselben 
Capillare ausgeführt. 

In vielen Versuchen habe ioh das spezifische Gewicht der Lö- 
sungen im Ostwald-Sprengelschen Pyknometer bestimmt. 


1) G. Fano und M. Mayer, Sulla tensione superficiale del siero 
di sangue, Archivio di Fisiologia 4, 165, 177, 1907. 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 3 


Die Daten sind in ein Koordinatensystem eingetragen und zwar 
auf die Ordinate: die abgelesene Niveaudifferenz im Manometer (t) und 
das spezifische Gewicht (s) der Flüssigkeit; auf die Abszisse: die Quan- 
tität der Substanz in Gramm, welche in 100 ccm Wasser oder Pepton- 
lösung enthalten war, außerdem das Volumen der Ausgangsflüssigkeit, 
welche dann mit Wasser oder Peptonlösung auf 10 ccm aufgefüllt wurde. 


A. Versuche mit wässerigen Lösungen. 





Versuch 1. 
2. IH. 09. Temperatur = 24° C. H,0 -+ Natriumglykocholat 
(Kahlbaum). 
Gemisch Niveau- 
Natrium- Spez. | differenz 







Bemerkungen 








schwach opalescent 


n 
n 


or 


soo 
S Stage one 


opalescent 


n 


- 


klar 


Spe 


Versuch 2. 
3. III. 09. Temperatur = 24°C. H,O -+ Natriumglykocholat. 











Niveau- 
Spez. differenz 
Gew. | im Mano- 
bei meter 
240 C in mm 
T=38,5°C 
— 31,1 
1,0192 31,1 
— 31,1 
1,0102 31,1 
— 30,5 
— 31.0 
| 1,0000 | 535 


Die Kurve, welche die abgelesenen Niveaudifferenzen und die 
Quantität des in 100 com H,O gelösten Giykocholats wiedergibt, 
zeigt, daß die Konzentration des Natriumoholats bei 0,35°/, das 

1* 


4 G. Buglie: 


Optimum aufweist, da die Oberflächenspannung sodann mit abnehmender 
Konzentration ansteigt, um endlich die Oberflächenspannung des Wassers 
zu erreichen, in höheren Konzentrationen wie 0,35°/, dagegen bei 
einem Werte von 1,2°/, das Maximum erreicht. Mengen über 1,2°/, 
bewirken nur eine unwesentliche Erhöhung der Oberflächenspannung, 
so daß diese bis zu einer 2°/,igen Lösung voneinander gar nicht dif- 
ferieren. Diese Erscheinungen werden nicht von entsprechenden Ver- 
änderungen der Dichte begleitet, vielmehr treten physikalische Differenzen 
auf. Eine 0,35 °/ ige Lösung des Glykocholats, welche also die niedrigste 
Oberflächenspannung besitzt, zeigt die stärkste Opalescenz, während diese 
mit steigender Konzentration verschwindet und bei 1,2°/, bis 1,5°/, ganz 
aufgehoben wird. 

















Versuch 3. 
4. III. 09. Temperatur = 23°C. H,;0-- Natriumtaurocholat 
(Kahlbaum). 
Gemisch Ge. | Niveau- 
Natrium-| misches | Spez. — 
no jtaurocho-|enthalten| Bemerkungen ` Gew. e en 
2 latlösung |Natrium- | bei meter 
J | 23°C | inmm 
eem | cem lat in g EK GE Ke 38,5°C 
— | 10.0 1,0 | schwach opalescent H ‚0016 26,2 
2.0 | 8,0 0,8 a 26,2 
4,0 | 6,0 0,6 3 L 0008 25,7 
6,0 :; 40 0,4 | opalescent 27,0 
8,0 | 2,0 02 S 1,0002 30,0 
9.0 Lo | or | ` 33,5 
9,5 | 0,5 0,05 S l ‚0000 41,5 
98 |} 02 0,02 : 50,0 
10,0 ' — SS klar 1 0000 53,0 
Versuch 4. 


6. ITI. 09. Temperatur = 23°C. H,O — Natriumtaurocholat. 


Gemisch 100 ccm 

















— cl des Ge- | Niveau- 
GT) misches | a 
aurocno- , = 

H,O latlösung —— Bemerkungen | beı ‚meter 
0 23°C in mm 
S lo u Wi a 
em ccm EE — E 
— 1.100 klar ' 10102 262 
4,0 6,0 : x | 26,2 
60 40 | S 10041 | 262 
100 — e g i | 1,0000 | 53,0 


Natriumtaurocholat erniedrigt die Oberflächenspannung des Wassers 
noch erheblicher als das Glykocholat. Vergleicht man aber die zwei 
Kurven, so bemerkt man, daß die zugesetzte Menge des Taurocholats, 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 5 


70007 A 





7005-1 30 


0 0,5 10 3,0 


1,5 
Natriumglycocholot ër % 
Kurve 1. 


d 
1015 


7010 


W05 





7000- 20 75 30 
Watriumtaurocholat ër % f 


Kurve 2. 


6 G. Buglia: 


welche das Maximum der Erniedrigung hervorruft, erheblich größer ist 
als die des Glykocholats, jenes liegt bei 0,6°/,, dieses bei 0,35°%/,. An- 
dererseits sieht man beim Vergleich der Kurven, daß die Kurve des 
Taurocholats viel langsamer ansteigt, so daß die Oberflächenspannung 
einer 2°/,igen Lösung erheblich niedriger liegt als die des Glykocholats 
bei gleicher Konzentration. Ebenso wie das Glykocholat, zeigt auch das 
Taurocholat keine gleichzeitige Veränderungen des spezifischen Gewichtes, 
vielmehr weist auch diese stärkere oder leichtere Opaleszenz auf. 


Versuch 5. 


7. UL 1909. Temperatur = 22°C. H,O Rindergalle aus der 
Gallenblase. 













0,0 27,1 
8,0 27,1 
7,0 27,6 
6,0 27,6 
5,0 27,5 
3,0 30,0 
I.0 36, 


EN 
Kä 
E Fei 


Die Galle erniedrigt am 
erheblichsten die Oberflächen- 
spannung in einer Mischung 
von 8 ocm Galle -+ 2 ccm H,O. 

Die Oberflächenspannung 
dieser verdünnten Galle ist 
gleich der unverdünnter, nor- 
maler Galle. Mit Zunehmen 
der Verdünnung wächst auch 
die Oberflächenspannung. Die 
Kurve, welche die Oberflächen- 
spannung der Galle in ver- 
schiedenen Verdünnungen dar- 
stellt, zeigt jedoch nicht die 

Eigentümlichkeiten, welche 
das Glykocholat und Tauro- 
cholat (dies jedoch in ge- 
ringrem Grade) aufwiesen. 
Sie erreicht kein Minimum, um dann mit zunehmender Konzentration 
aufzusteigen. Ferner unterscheidet sich die Galle von den gallensauren 
Salzen dadurch, daß sie bei der Verdünnung mit Wasser keine physika- 





Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 7 


lischen Veränderungen erleidet, Opalesoenz tritt nicht auf, die Lösung 
bleibt immer klar. 
Versuch 6, 
8. III. 09. Temperatur = 17°C. H,O -+ Natriumseife, 













r T — — 
es Gemisches im ometer 
H,0 ee enthalten Natrium- in mm 
RB. /o seife in g T—-370C 








com 
= 1,0 | 
4,0 0,6 | 23,0 
60 0,4 23,5 
8,0 0,2 24,3 
9,0 1 0,1 26,2 
9,5 0, 0,05 | 30,7 
99 0, 0,01 37,0 
10,0 — — 53, 


d 
1000 


0,950 


0,700 


2 
WI TE SH 3 A 1 gëf 
o 





5 Li 
Nafriumsejfelösung 1% cem 0630- Dese 7 e e 3 3 1 0 hlam ' 


10 
Aethylalkohol cem 
Kurve 4. Kurve 5. 


Die Natriumseife, welche zur Untersuchung diente, habe ich aus 
der gewöhnlichen Seife von Marsiglia durch Aussalzen gereinigt und dar- 
gestellt. Es wurde sodann lg in 100 ccm Wasser gelöst. Wie man aus 
der Kurve ersieht, erniedrigt diese die Oberflächenspannung des Wassers 
viel erheblicher als die gallensauren Salze oder die Galle in entsprechendem 
Verhältnis. 


8 G. Buglie: 










Versuch 7. 
9. III. 09. Temperatur — 18°C. H,O + Äthylalkohol 97°. 
u Gemisch 5 Se P 
' pez. Gew. im Manometer 
H,O Athyl l ; 
2 ylalkoho bei 180°C in mm 


T = 38,5° C 








Von den bisher studierten Substanzen erniedrigt Methylalkohol die 
Oberflächenspannung des Wassers am stärksten. Das spezifische Gewicht 
variiert im gleichen Sinne mit der Oberflächenspannung. 


Versuch 8. 
13. III. 09. Temperatur = 16°C. H,O- Witte-Pepton. 


Niveau- | 
differenz 


d 
1035 
1030 


7075 


7005 


ee 76543 2710 





“__ r 5 K4 
DIT CS 5 2 7 0hlam Nolrumgigcocholaflösung 5 % cem 
0 


1000 - 25 


5 7 
Pepfonlösung 10% am 
Kurve 6. Kurve 7. 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 9 


Pepton Witte erniedrigt die Oberflächenspannung des Wassers auch 
in relativ kleinen Mengen sehr erheblich, wie die Eiweißsubstanzen im 
allgemeinen. — Wie aus der Kurve ersichtlich ist, sind die Variationen 
bis 3%), am ausgesprochensten, während die Werte der Oberflächen- 
spannung zwischen 3 bis 10°/, ziemlich konstant bleiben. Das spezifische 
Gewicht steigt aber mit zunehmender Menge des gelösten Peptons. 


B. Versuche mit Pepton (Witte) - Lösung. 
10g Pepton (Witte) in warmem Wasser gelöst. 


Versuch 1. 
17. III. 09. Temperatur — 20°C. Peptonlösung + Natriumglykocholat. 














100 com des Ge- Niveau- 
Gemisch misches differenz 
enthalten in g Spez. im 
— — — Gew. S 
Pepton- | Natrium- en bei — 
lösung |giykocho- Natrium- 22°C | in mm 


100 ho Wer Pepton giyko- 


cholat 






— klar 











3,0 stark opalescent 28,0 
80 S 5 25,3 
9,0 8 pi 24,4 
9,5 f S 25,3 
10,0 kalt filtriert 29,5 


Die mit Natriumglykocholat versetzte Peptonlösung zeigt eine er- 
hebliche Erniedrigung der Oberflächenspannung, und zwar in relativ viel 
geringeren Mengen, als dies beim destillierten Wasser der Fall war. 
Natriumglykocholat im destillierten Wasser erreicht nie die Oberflächen- 
spannung einer Natriumglykocholat-Peptonlösung. Dieses Gemisch erreicht 
in mittleren Konzentrationen den niedrigsten Wert der Oberflächen- 
spannung, jedoch ist die Menge der Substanz größer als diejenige, welche 
im Wasser die maximale Erniedrigung hervorruft. Die aufgezeichnete 
Kurve zeigt eine ähnliche Richtung wie die wässerige Glykocholatlösung, 
d.h. mit zunehmender Konzentration sinkt die Erniedrigung vom An- 
fange an, um dann bis zur Oberflächenspannung der reinen Peptonlösung 
anzusteigen. Die Variationen der Oberflächenspannung sind von physi- 
kalischen Erscheinungen begleitet: die Lösung trübt sich mehr oder 
minder mit der Konzentration. 


Das spezifische Gewicht der Peptonlösung nimmt mit zunchmender 
Menge des Glykocholats fast proportional ab. 


10 G. Buglia: 


Versuch 2. 
20. III. 09. Temperatur — 16°C. Peptonlösung + Natriumtaurocholat. 











Gemisch misches differenz 
enthalten in g im 
Bemerkungen Mano- 






Pepton- | Natrium- 
lös taurocho- 





stark opalescent 











9,0 g , 244 
9,5 opalescent 26,0 
10,0 klar (kalt-filtriert) |1,0286) 30,0 





Die Schwankungen der Oberflächenspannung des Wassers, welche 
durch Zusatz von Natriumglykocholat resp. Taurocholat verursacht werden, 
treten noch charakteristischer hervor, wenn gleichzeitig Pepton zugegen 
ist. Hier werden die Unterschiede zwischen Glykocholat und Taurocholat 
noch ausgeprägter; die Kurve des Glykocholats weicht nicht nur bezüg- 
lich der geringeren Menge, welohe die maximale Oberflächenspannungs- 
erniedrigung hervorruft, von der Kurve des Taurocholats ab, sondern 
auch bezüglich des oharakteristischen Ansteigens. 


Versuch 3. 
24. III. 09. Temperatur — 180°C. Peptonlösung 4 Natriumseife. 


— nn EE — — TT— — EE 


misohes 
enthalten in g 





— 5,0 |opalescent (filtriert) | 1,0107 






20 | 40 , f 

40 | 30 . 2 

60 | 20 : i 19,9 

80 | 10 n ; 1,0170 23,5 

90 | 05 i g 27,1 
100 | — | klar (filtriert) be 30,5 





Auch Seifenlösung erniedrigt die Oberflächenspannung der Pepton- 
lösung erheblich, die dazu nötige Menge ist jedoch geringer als diejenige, 
welche die Oberflächenspannung des reinen Wassers am bedeutendsten 
erniedrigt. 


7- 30 


15 






Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 11 





BIETE ra s F > A ei 1000 2 a 
S S o v * 
Natriumtssrocholafiösung Zë cem 


Kurve 8; 








Versuch 4. 


ZPEEERENENEN 
35 


T 
J 
ËU 








IE 16 5 433 10 


8 10 
Natriemseffefösung 5% cem 
Kurve 9. 


27. III. 09, Temperatur — 210°C. Peptonlösung +4 Athylalkohol 97°. 








10,0 


| 
Bemerkungen F 


klar 
flockiger Niederschlag; das Fil- 

trierte ist opalescent 

do. 
reichlicher flockiger Nieder- 
schlag; das Filtrierte ist opa- 
lescent 

flockiger Niederschlag; das Fil- 
trierte ist opalescent 

opalescent 

klar (filtriert) 


npes- 


Niveau- 

differenz 

im Mano- 
meter 


bei 250C ear 


0,7946 
0,8700 


0,9193 
0,9672 


0,9980 





1,0122 
1,0274 


T=38,5°C 


17,5 


19,5 
22,5 


28,5 
28,5 
28,0 
30,0 


Die Kurve, welche die Oberflächenspannungen eines Peptonlösung- 
Alkoholgemisches in verschiedenen Konzentrationen darstellt, weicht von 
der Kurve der wässerigen Alkohollösung wesentlich ab, jene erreicht 
zweimal einen maximalen Wert; im Anfange ist das Ansteigen weniger 
ausgeprägt, und man beobachtet nach Zufügen geringer Quantitäten 
Alkohol eine bleibende Opalescenz der Peptonlösung. Übersteigt die zu- 


gesetzte Menge Alkohol 20°/, (in der 


10°/,igen Peptonlösung), so 


wendet sich die Kurve nach unten. Es entstehen sodann immer reich- 
lichere Niederschläge, bis endlich sämtliches Pepton niedergeschlagen wird. 


12 G. Buglie: 


Die Tabelle und die Kurve beweisen, daß die Oberflächenspannung 
des Wassers sowie der 10°/,igen Peptonlösung am stärksten durch Alkohol 
erniedrigt wird. 

Aus den vorstehenden „Experimenten in vitro“ geht her- 
vor, daß die Variationen der Oberflächenspannung, als Funk- 

tionenderKonzentration, nicht 

050- A für alle Substanzen die glei- 
E i chen sind. Dieselbe Substanz 

35 N erniedrigt nicht im gleichen 

| | HP Maße die Oberflächenspann- 

1020 30 ung des Wassers und die der 
Peptonlösung. Im allgemeinen 

| nimmt die Oberflächenspann- 

| ung mit zunehmender Sub- 


LN, , 
ETITA | stanzmenge ab, jedoch nicht 
\ | IL proportional. In einigen Fällen 


j ap (gallensaure Salze) entspricht 

\ » das Maximum der Erniedri- 

TU" oos whaa Kung nicht der höchsten Kon- 

— E E zentration des Lösungsge- 

Attıyalkohol am misches. In diesen Fällen 

Kurve 10. beobachtet man Präcipita- 

tionsphänomene, welche je- 

doch verschwinden, sobald die Konzentration der Lösung und 
damit die Oberflächenspannung erhöht werden. 

Es handelt sich in diesen Fällen — welche höchstwahr- 
scheinlich infolge von Dissoziations- oder hydrolytischen Prozessen 
auftreten — um ähnliche Erscheinungen, welche beim Blut- 
serum zu beobachten sind, wenn man Mineralsäuren in ver- 
schiedenen Konzentrationen hinzusetzt.!) 


25 






1010-7 20 — 





UL Experimente „in vivo“. 
1. Versuche mit physiologischer Kochsalzlösung an einer 
isolierten Dünndarmschlinge. 
Experimentelle Technik. 


Man isoliert die Dünndarmschlinge, ohne diese vom Mesenterium 
abzutrennen und vermeidet so gut wie möglich die Störung der Blut- 


1) G. Buglia, Veränderungen der Oberflächenspannung des Blut- 
serums unter dem Einfluß von verschiedenen Elektrolyten. Diese Zeitschr. 
11, 4, 311, 1908. 


Hängt die Resorption von der Öberflächenspannung ab? 13 


zirkulation. In diese Darmschlinge wird dann die Flüssigkeit von 37°C 
eingefüllt, die man nach einer bestimmten konstanten Zeit entfernt und 
bestimmt die absorbierte Menge durch Volummessung oder, falls es er- 
forderlich ist, durch Bestimmung der Stickstoffmenge in der eingefüllten 
und entfernten Flüssigkeit. Man kann dieselbe Dünndarmschlinge zur 
öfteren Wiederholung des Versuches benutzen, wobei man aber dafür 
Sorge zu tragen hat, daß diese mit physiologischer Kochsalzlösung von 
37° C sorgfältig ausgespült wird. 

Während des Experiments wird die Dünndarmschlinge in der Bauch- 
höhle gelassen. 


Versuch 1. 


16. III. 09. Zimmertemp. = 15° C. 

Hund von 8500 g Gew.; hungert seit 8 Stunden. 

Isoliertes Darmstück 40 cm lang; Entfernung vom Pylorus 45 cm. 
Um 10 Uhr 49 Minuten werden 30 com 0,9 °/,ige Kochsalzlösung 


54 


LE 


eingeführt. 

wird die Lösung entfernt. Vol. = 15,3 ccm. 
werden 30 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung + 
0,075 g Natriumtaurocholat eingeführt. 
wird die Lösung entfernt. Vol. = 22,0ccm. 
werden 30 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung ein- 
geführt. 

wird die Lösung entfernt. Vol. — 19,0 cem. 








In den Darm 


eingeführte 


Lösung 





Oberflächenspan- 





1. ]:NaCl 0,9% 
2. |NaC10,9%/,-1 
Natrium- 
. taurooholat | 
3. 1. NaCl 0,9°/ | 


12 
12 


12 
12 


12 


g: 


Niveaudifferenz 





nung der einge- 
oe | führten Lösun 


Do 

































D Kal u U 
3257 555737675,3588 
25 On |BM 64 hage > 
525335338 wA ng 335 e 
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Ssstslen- 280% ae E 

EEE SE 
33 = SIACH ck PO S G 
u Zr — Kësse A288 — Tea einen SE 

37 | 15 | 15,3 | 14,9 
> 0.1201 99 
19,0 11,0 

| | 


Versuch 2. 


17. III. 09. Zimmertemp. — 14°C. 

Hund von 7000 g Gew.; hungert seit 12 Stunden. 

Isoliertes Darmstück 60 cm lang; Entfernung vom Pylorus 50 cm. 
Um. 11 Uhr 47 Minuten werden 50 ccm 0,9 %/, ige NaCl-Lösung ein- 


3? 


99 


geführt. 

wird die Lösung entfernt. Vol. == 37 com. 
„werden 50 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung -- 

0,035 g Natriumtaurocholat eingeführt. 

wird die Lösung entfernt. Vol. = 36,8 ccm. 

werden 50 com 0,9 0/ ige NaCl-Lösung ein- 

geführt. 

wird die Lösung entfernt. Vol. — 38,5 ccm. 


14 G. Buglia: 
















































































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s| Eo ESSES IA TB 
SH» go, 28” EE 338 £ 
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5 | 388 1398335 Zäëaiefel Ë 
F aS FEERPE SPDLZER 3 
= e gen RB Asg Gë 
1. | NaCl 0,9°%/ 63 15 37,0 | 13,0 
2. |Nac10,99,1] 34 à 368 | 132 
Natrium- 
taurocholat | 
3. | NaCl 0,9°,, 53,5 a | 38,5 | 11,5 
Versuch 3. 
21. IH.09. Zimmertemp. = 15°C. 
Hund von 11000 g Gew.; hungert seit 6 Stunden. 
Isoliertes Darmstück 35 om lang; Entfernung vom Pylorus 40 cm. 
Um 10 Uhr 3 Minuten werden 30 ocm 0,9°/,ige NaCl-Lösung ein- 
geführt. 
„ 10 „ 18 = wird die Lösung entfernt. Vol. — 25,5 ocm. 
„ 10 „ 21 e werden 24 ccm 0,9°/,ige NaCl-Lösung + 
6 com frische Rindergalle eingeführt. 
„ 10 „ 36 F wird die Lösung entfernt. Vol. — 28,5 com. 
„ 10 „ 44 ge werden 30 com 0,9°; „ige NaCl-Lösung ein- 
geführt. 
„ 10 „ 59 de wird die Lösung entfernt. Vol. — 29,0 eem. 
Au eg e Di = 
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A 333353 333 375 E EZ li 5 
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es 
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Es folgt einwandfrei aus diesen Experimenten, daB die Resorption 
der physiologischen Kochsalzlösung im Darme nicht erhöht wird, wenn 
man ihre Oberflächenspannung erniedrigt, sei es durch Zusatz von gallen- 
sauren Salzen, sei es durch Rindergalle. 


2. Versuche mit Witte-Peptonlösung. 
Man isoliert in der gleichen Weise, wie früher angegeben, 
zwei Darmschlingen. In die eine wird Witte-Peptonlösung 
eingebracht, in die zweite Peptonlösung und eine bestimmte 


Lé 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 15 


Quantität Natriumtaurocholat. Nach 15 Minuten werden die 
Lösungen aus dem Darme entfernt und in einer Portion der 
Stickstoff nach der Kjeldahlschen Methode bestimmt. Die 
Differenz zwischen dem Stickstoffgehalte vor und nach der Ent- 
fernung der Lösung ergibt die resorbierte Quantität Pepton. 
Um Versuchsfehler so gut wie möglich zu vermeiden, habe ich 
die Darmstücke nach dem Experiment herausgenommen, sorg- 
fältigst gereinigt, gewaschen und gewogen und reduzierte sodann 
die resorbierte Peptonmenge auf 1 g des benutzten Darmes. 


Versuch 1. 
10. II. 09. Temp. = 13°C. 

Hund von 7,050 g Gew.; hungert seit 5 Stunden. In die eine 
Darmschlinge (A) (27 em lang; Entfernung vom Pylorus 44 cm) werden 
25 com Peptonlösung eingeführt (5 g Pepton, 100 ccm physiol. Kochsalz- 
lösung in der Wärme gelöst, dann auf ca. 37° abgekühlt); in die andere 
(B) (30 cm lang; Entfernung vom Pylorus 71 cm) Peptonlösung -+ Natrium- 
taurocholat (5g Pepton in 100 com physiol. Kochsalzlösung in der Wärme 
gelöst, sodann 1 g Natriumtaurocholat hinzugesetzt, warm filtriert und 
auf etwa 370 C abgekühlt). 

Die Flüssigkeiten werden aus dem Darme nach 15 Min. entfernt, 
mit physiol. Kochsalzlösung reichlich nachgewaschen und das Waschwasser 
mit der ursprünglichen Lösung gemischt und zwecks Entfernung der 
etwa vorhandenen Eiweißsubstanzen aufgekocht und filtriert. 

Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug: 

Aus der Darmschlinge A — 288 com 



































Hi II „ B = 241 nn 

Gewicht ,, * A= 40g 

DI „ an B= 4 nm 
— CET 1%... 28 Ka m + e wee & 
g af 3 33330 Gab ag |  |$SE 
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3.553080 58.» I 8305 025 28 E Lë ef 
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=: EE- S > 33 lesg "Il S D E 
2 sg GO ECKE 
k Peptonlösung 25 get A 30,2 01715 15 | 0,1290 0,0425, 0,1062 
Ö k 0 473/,” 25,3 0,1785 is | 0,1336 0,0449 0,0998 

| 
taurocholat | 
Versuch 2. 


20. I.09. Zimmertemp. = 14° C. 


In diesem Versuche und den zwei nachfolgenden wurden die Darm- 
schlingen ausgeschnitten, sodann mit der zu untersuchenden Flüssigkeit 


16 G. Buglia: 


gefüllt und in einer Flasche mit 200 cem physiol. Kochsalzlösung bei 36° 
im Thermostaten stehen gelassen. 
Hund von 6000 g Gew.; hungert seit 10 Stunden. Das Tier wird 
durch Verbluten getötet und vom Darme werden drei Stücke ausgeschnitten. 
Das erste Stück (A), welches vom Pylorus 15 cm entfernt war, 
wurde mit 24 ccm Peptonlösung gefüllt (5 g Pepton in 100 ccm physiol. 
Kochsalzlösung in der Wärme gelöst); das zweite Stück (B) mit 24 ccm 
Peptonlösung + Natriumtaurocholat (5 g Pepton in 100 com Wasser in 
der Wärme gelöst), sodann 1 g Natriumtaurocholat hinzugefügt und 
warm abfiltriert; das dritte (C) mit 24 ccm Peptonlösung wie bei A. 
Nach 1 Uhr 10 Minuten werden die Lösungen aus dem Darme 
entfernt, mit physiol. Kochsalzlösung gut nachgewaschen, die Flüssig- 
keiten vereinigt, sodann gekocht und filtriert wie beim Versuch 1. 
Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug: 
Aus dem Darm A— 200 ccm 
nn d 9 B = 212 nn 
o ko O=); 
Gewicht des Darmes A = 34 g 
» » on B=40, 































nm „ an C= 30 „ 
K 8 a gz: (A, sp, Ela g 3 ee |» i 
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Si "Ze aanp amn aws Sa gana Ee | A 
K oB "ob BEE edit Ss 
AB >g | 3 Zeëebieë ëss ez | 
1. [Peptonlösung| 24 |0 441; "| 302 0,1646 70 | 0,1557 (0,0089 
2. [Peptonlösung| „ |0 472/5” 25,3 0,1713 8 | 0,1543 0,0170 
-+ Natrium- | | | | 
taurocholat | | | 
Peptonlösung| ,„ 10441,” 302 10,166 „| 0,1534 0,0112 


Versuch 3. 
10. IV.09. Zimmertemp. = 13°C. 

Hund von 5500 g Gew.; hungert seit 15 Stunden; 

Das Tier wird durch Verbluten getötet und vom Darme werden vier 
Stücke ausgeschnitten. 

Das erste Stück (A), welches vom Pylorus 20 cm entfernt war, 
wurde mit 25 ccm Peptonlösung + Natriumglykocholat gefüllt (5 g 
Pepton in 100 ccm warmem Wasser gelöst, sodann 1 g Natriumglyko- 
cholat hinzugefügt und warm abfiltriert); das zweite Stück wurde 
mit 25 ccm Peptonlösung gefüllt (hergestellt durch Lösen von 5 g Pepton 
in 100 ccm Wasser in der Wärme). 

Nach 1 Stunde werden die Lösungen aus dem Darme entfernt, mit 
physiol. Kochsalzlösung gut nachgespült, die Flüssigkeiten vereinigt, so- 
dann gekocht und filtriert wie in den Experimenten I und II. 


wl 
f 


| Berechn. Menge | 


Se |Pepton, von 100g 


| Darm resorbiert 


so 
DD g 


CN 


0,0373 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 17 


Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug 
Aus dem Darm A = 200 ccm 


























B= 465 „ 

Gewicht des Darmes A — 30 g 

LEI 38 kW B= 26 „ 
P 4352383 Baf |3g SE 
E 3 EE 5558 438 Rn 
= t CEEE- E Wg | wd B, So E W GK 
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g 39535888 8593 KEE 58 
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A ©: Ep Se 83553 38 F 
> ga, eléëë 353 av Dé 






















eptonlösung 
-+ Natrium- 
glykocholat 

nlösung 


© 
kel 
Na, 
EA 
Or 
© 


‚1232 0,0203 0,0676 


0,1354 hard 0,0446 


Versuch 4. 


25. IV. 09. Zimmertemp. = 16°C, 

Hund von 8160 g Gew.; hungert seit 10 Stunden. 

Das Tier wird durch Verbluten getötet und von seinem Darme 
werden drei Stücke ausgeschnitten. 

In das erste Stück (A), welches vom Pylorus 25 om entfernt war, 
wurden 25 ccm Peptonlösung eingefüllt (5 g Pepton und 100 com physiol. 
Kochsalzlösung in der Wärme gelöst); in das zweite Stück (B) wurden 
25 ccm Peptonlösung -+ Natriumseife eingefüllt (5 g Pepton in 100 ccm 
physiol. Kochsalzlösung in der Wärme gelöst, sodann 0,5 Natriumseife 
hinzugefügt und warm abfiltriert); in das dritte Stück (C) dieselbe 
Flüssigkeit wie bei A. 

Nach 30 Minuten werden die Lösungen aus dem Darme entfernt, 
mit physiol Köchsalzlösung gut nachgespült, die Flüssigkeiten vereinigt 
aufgekocht und filtriert wie bei den Experimenten 1, 2, 3. 

Das Volum der gekochten und filtrierten Flüssigkeit betrug: 

Aus dem Darme A = 310 com 
LU) 39 39 B= 275 LÉI 
C=340 , 
Gewicht des Darmes A — 45 g 
LA LI LA B= — 40 33 
np nm nm C= 35 „ 





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Biochemische Zeitschrift Band 22. 2 


18 G. Buglie: ` 


Diese Experimente, welche mit Peptonlösung teils an der Darm- 
schlinge in situ, teils an ausgeschnittenen Darmstüoken ausgeführt wurden, 
beweisen also nicht, daß die Resorption der Peptonlösung erleichtert 
wird, falls ihre Oberflächenspannung durch Substanzen erniedrigt wird. 


3. Versuche mit physiologischer Kochsalzlösung (0,9°/,) an 
einer Thiry-Vellaschen Darmschlinge. 


Zum Schluß möchte ich Experimente mitteilen, die an 
einem Hunde mit Darmfistel ausgeführt. wurden. Das Tier 
(Hund von 15650 g Gewicht) wurde am 27. März nach der 
Thiry-Vellaschen Methode operiert. Die Dünndarmschlinge, 
etwa 20 cm lang, wurde mit der Abdominalwand vernäht; die 
Entfernung vom Pylorus betrug 20 cm. Die Wunde heilt in 
ziemlich kurzer Zeit, so daß ich das Tier schon nach 25 Tagen 
benutzen konnte. 


Experimentelle Technik. 


In die Öffnungen der Abdominalwand wurden etwa 3 om lange, 
in der Mitte verjüngte Glasröhren eingeführt. Die Dioke der Röhrchen 
war so berechnet, daß diese an der verengten Stelle durch die Fistel- 
öffnung verschlossen wurden. Das eine Röhrchen, welches in die Abdo- 
minalöffnung führte, wurde mit einem Gummischlauch verbunden und 
dieser durch eine Klemme verschlossen. Das vordere Röhrchen wurde 
mit einem T-Rohr verbunden, welches einerseits mit einer Bürette, 
andererseits mit einem Gummischlauch und Klemme verbunden war. 
In dieser Anordnung wird nun ein gemessenes Volum der zu unter- 
suchenden Flüssigkeit in den Darm eingefüllt und nach 15 Minuten aus 
diesem entfernt, und das Volum bestimmt. Um die Flüssigkeit aus der 
Darmschlinge so gut wie möglich zu entfernen, bläst man schwach in 
den angebrachten Gummischlauch, welcher mit dem T-Rohr und dadurch 
mit der Darmschlinge kommuniziert. 


In den Vorversuchen habe ich beobachtet, daß die eingefüllte und 
sofort entfernte Flüssigkeit konstant etwa l com an Volum abnahm, 
höchstwahrscheinlich deshalb, weil dieser an der Darmmuskulatur ad- 
härierte. Da ich jedoch immer dieselbe Darmschlinge benutzte, so fielen 
doch die Volummessungen mit ziemlicher Genauigkeit aus, und somit 
war die Bestimmung des resorbierten Volums mit keinem merklichen 
Fehler behaftet. 


19 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 


Versuch 1. 
19. IV. 09. Temp. 19°C. Hund hungert seit 12 Std. 


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Versuch 2. 
22. IV. 09. Temp. 19°C. Hund hungert seit 11 Std. 


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Versuch 3. 
24. IV. 09. Temp. 19°C. Hund hungert seit 12 Std. 


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G. Buglia: 


Versuch 4. 
26. IV. 09. Temp. 21°C. Hund hungert seit 24 Std. 





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29. IV. 09. Temp. 20°C. Hund hungert seit 10 Std. 


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1. V. 09. Temp. 20°C. Hund hungert seit 12 Std. 





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21 


Versuch 7. 


Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 
17. V. 09. Temp. 22°C. Hund hungert seit 10 Std. 













































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G. Buglia: 


22 


Resor- 
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Versuch 10. 
24. V. 09. Temp. 220C. Hund hungert seit 10 Std. 





Jg 


Natriumseife 


Versuch 1l. 
6. V.09. Temp. 24°C. Hund von 14520 g Gew. hungert seit 9 Std. 





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NaCl-Lösung 
) 80 ccm 
Lösung 

Biel 90 ccm 
+ Athylalkohol 


WAR 


tbylalkohcl 
(97°) 20 ccm 
NaCl- 


(0,9 
(97°) 10 ocm 


NaCl 0,99,, 
AA 








A 
2 


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Versuch 12. 
4. V. 09. Temp. 17°C. Hund hungert seit 10 Std. 





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NaCl O90i, 
NaCl-Lösung 
(0,9 Jul 90 ccm 

ylalkohol 
(97 °) 10 com 
NaCl 0,9%, 


* At 





Hängt die Resorption von der Oberflächenspannung ab? 23 
Versuch 13. 














8. V. 09. Temp. 18°C. Hund hungert seit 11 Std. 
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1. | Na 0,9%, 63,5 18 | 15 15 8,0 | 7,0 
2. ” 99 ) 9 99 ap 10,0 5,0 
3. NaCi-Lö | | 
4, (0,90 0) 95 com 38,0 | nm TT | „ ie E 
5. + At ylalkohol 9 93 DI zg 75 75 
(97 0) Room „ | „ | nm | „ ` D 
6. NaCl 0,9%, 63,5 en a a m 9,5 5,5 
7. A „1% 150180 | 70 


Diese Experimente stimmen mit den vorigen überein und 
beweisen, daß die Resorption der physiologischen Kochsalz- 
lösung im Darme nicht erleichtert wird, falls man ihre Ober- 
fächenspannung durch gallensaure Salze oder Galle, Seife, Al- 
kohol erniedrigt, sei es, daß diese Substanzen in ganz kleinen 
oder in relativ großen Quantitäten zugesetzt werden, welch 
letztere dann die maximale Erniedrigung der Oberflächenspannung 
hervorrufen. In diesen Fällen beobachtet man, daß die 
Menge der entfernten die Menge der ursprünglichen eingeführten 
Flüssigkeit übertrifft, was höchstwahrscheinlich damit zusammen- 
hängt, daß diese Substanzen (Seife, Alkohol) eine lokale Reizung 
des Darmes bewirken, wodurch die Sekretion des Darmsaftes 
begünstigt wird. 

Meine Resultate stehen also mit der Traubeschen 
Theorie nicht im Einklang: sie stehen aber mit Töröks!) 
Versuche im Einklang vollkommen. Dieser Autor studierte 
die Resorption einer Kochsalzlösung im Dünndarme in ver- 
schiedenen Konzentrationen und fand, daß die Resorption er- 
schwert wird, wenn man zu der Lösung Öl oder Gummi hin- 
zufügt, welche also deren Oberflächenspannung erniedrigen. 





1) B. Török, Die Bedeutung der Oberflächenspannung bei den 
Resorptionsvorgängen. Centralbl. f. Physiol. 20, 206, 209, 1906. 


Trypsinogen und Enterokinase beim menschlichen 
Neugeborenen und Embryo. 


Von 
J. Ibrahim. 


(Aus dem Gisela-Kinderspital in München.) 
(Eingegangen am 24. August 1909.) 


Das Pankreas menschlicher Neugeborener und Foeten ist 
bereits mehrfach auf die Anwesenheit von Trypsin untersucht 
worden. Die ersten positiven Befunde erhoben Hammarsten!) 
und Zweifel?) im Jahre 1874 bei neugeborenen Kindern. 

Langendorff’) gelang der Nachweis bei drei Foeten, deren 
jüngster im Beginne des 5. Foetalmonats stand. Er vermißte 
das Ferment bei zwei Embryonen aus dem Ende des 4. bzw. 
Anfang des 5. Monats, aber auch bei einem älteren Foetus 
aus dem Anfang des 6. Monats. 

Vermißt wurde das Ferment ferner in neuerer Zeit von 
Jaeggy“) bei zwei menschlichen Foeten; der eine stand im 
6. Monat (30 cm lang), der andere sogar im 9. Monat (2200 g). 

Die bisherigen Untersuchungen ließen die Tatsache un- 
berücksichtigt, daß das Trypsin in der Bauchspeicheldrüse zum 
großen Teil oder ganz als inaktives Zymogen enthalten ist; die 
Überführung in aktives Ferment wird der bekannten Entdeckung 
von Pawlow zufolge durch ein anderes Ferment, die Entero- 


1) O. Hammarsten, Beiträge zur Anat. u. Physiol. als Festgabe 
für Carl Ludwig, 1874. (Zit. nach F. Krüger, Die Verdauungs- 
fermente beim Embryo u. Neugeborenen. Wiesbaden 1891, 8. 48). 

D Zweifel, Untersuchungen über den Verdauungsapparat der Neu- 
geborenen, Berlin 1874, S. 35ff. 

3) O. Langendorff, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1879. Physiol. Abt. 
S. 105ff. 

AE Jaeggy, Centralbl. f£. Gyn. 1907, 1061. 


J. Ibrahim: Trypsinogen u. Enterokinase b. Neugeborenen u. Embryo. 25 


kinase, bewirkt, welches sich in der Dünndarmschleimhaut und 
im Dünndarmsekret findet. 


Ich habe in einer Reihe von Untersuchungen den Nach- 
weis führen können, daß auch beim menschlichen Embryo die 
Dünndarmschleimhaut Enterokinase enthält, und daß beim 
Foetus das Trypsin als Zymogen im Pankreas enthalten ist. 


Zum Nachweis der Kinase verfuhr ich in Anlehnung an eine von 
Hekma!) angewandte Methode folgendermaßen: Ich zerkleinerte Schweine- 
pankreas, dasich den Tieren unmittelbar nach der Schlachtung entnommen 
und sofort auf Eis in das Laboratorium gebracht hatte, mit Schere und 
Wiegemesser, verrieb die Drüse im Mörser mit Quarzsand unter all- 
mählichem Zusatz von wenig destilliertem Wasser, bzw. 2°/,iger Fluor- 
natriumlösung zu einem feinen gleichmäßigen Brei und gewann duroh 
Kolieren einen sämigen, graurötlichen Saft, der inaktives Trypsinogen 
enthielt. 8 bis 15 Tropfen davon wurden sofort mit 10 oom des zu 
prüfenden Dünndarmextraktes gut vermischt und die Wirkung auf 
Mettsche Kiweißröhrohen bei 37° im Brutschrank untersucht. Alle 
Lösungen wurden auf einen Gehalt von 2°/, Fluornatrium gebracht, wo- 
durch nach Hekma?) jede Bakterienwirkung am sichersten vermieden 
wird.3) Stets wurden Kontrollen von den Darmextrakten allein sowie 
vom Pankreaspreßsaft allein (mit 10 com 2°/ iger Fluornatriumlösung) auf- 
gestellt. Während die Darmextrakte allein niemals auf die Eiweiß- 
röhrohen einwirkten, erwies sich mehrmals der Schweinepankreaspreßsaft 
trotz raschester Verarbeitung als nicht völlig inaktiv, wodurch die be- 
treffende Versuchsreihe natürlich unbrauchbar wurde. Ich hatte den 
Eindruck, als wenn die Drüse jüngerer Tiere zur Gewinnung reinen 
Zymogens eher geeignet ist als die älterer Tiere. Vermutlich würden 
hungernde Tiere sich für diesen Zweck besonders eignen. 

Die Darmextrakte gewann ich von Neugeborenen oder Foeten, denen 
ioh (mit einer Ausnahme) innerhalb der ersten 15 Stunden nach der Ge- 
burt dem Darm entnommen hatte. Der Darm wurde vor der Entnahme 
abgebunden, zur Verarbeitung wurde er in mehrere gleiche Teile geteilt, 
und der Inhalt sorgfältig ausgestreift; die Schleimhaut des aufgeschnittenen 
Darmes wurde mit einem stumpfen Skalpell abgeschabt und mit Quarzsand 
und wenig destilliertem Wasser gründlich zerrieben, mit der 10- bis 20fachen 
Menge 2°/, igem Fluornatrium oder Wasser und mitreichlichem Toluolzusatz 
bei Zimmertemperatur aufgehoben. Zum Versuch diente in der Regel der 
unfiltrierte Extrakt, der seine Wirksamkeit, wie sich später erwies, viele 
Wochen beibehielt. Bei den kleinsten Foeten wurde der ausgestreifte 


1) E. Hekma, Arch. f. Physiol. 1904, 346. 

2) a. a O. 

3) Eine Zerstörung der Enterokinase durch den 2°/,igen Fluor- 
natriumgehalt, die J. M. Hamill (Journ. of Physiol. 33, 483) gesehen 
haben will, erfolgte nicht, wie die positiven Resultate beweisen. 


26 J. Ibrahim: 


Dünndarm in toto verrieben, da das Abschaben der Schleimhaut untun- 
lich erschien. 

Der Inhalt der einzelnen Darmabschnitte wurde mehrfach in der 
gleichen Weise untersucht. 

Die Mettschen Röhrchen zeigten, in Übereinstimmung mit 
Hekmas!) Angaben in allen positiven Fällen einen durchscheinenden 
Kegel an den angedauten Enden der Eiweißsäulchen. Gemessen wurde 
mit Nonius und Lupenvergrößerung der Abstand von der Spitze des 
Kegels bis zum freien Rande des Röhrchens. Es wurden stets 4 Messungen 
(2 Röhrchen) vorgenommen, die gut übereinstimmende Resultate ergaben; 
die seitliche Abbiegung der Kegelspitze bedingte mitunter kleine Ab- 
weichungen. In den Tabellen sind die Mittelwerte aus den 4 Messungen 





























angeführt. 
Tabelle I. 
— teg RE — 
o | Datum Ver- |d - 
Ausgangs- | Ver ver 
a ` eg des Versuchsanordnung —— En 
E material J— | säule 
a | Std. S d Dm 
ılFrühgeburt vom! 20. VI. 08 TDünndarmachleimh. een 201], | 0,3 
19. VL 08, 2 Std. e II + ` |» 1,85 
gelebt, 2130 g, e I allein we 0 
46cm;29cmT.U., S IL. b * 0 
seziert 2°/, Std. Schweinepankreas e | 2 0 
post mort. | 
Frühgeburt vom! 20. VI. 08 |Dünndarmschleimh. I + Schweinepankreas 201/,| 1,7 
19. VI. 08, 4 Std. e II + : |. 1 0,26 
gelebt, 2320 g, - I allein | 4 0 
48cm;33cm T.U., e H ; e 0 
seziert 1?/, Std. Schweinepankreas e ka o 
post mort. | | | 
3[Neugeborenes v.| 4. VII. 08 |Dünndarmschleimh. I + Schweinepankreas 24 | 11 
3. VII. 08, 2770 g, II + ` „ 0,6 
49cm;33cmT.U., Dünndarminhalt I + 8 | * 1,5 
seziert 11Std.post Dünndarmschleimh. I allein * d 
mort, KR ai y e 0 
Dünndarminhalt L. 5 P 0 
Schweinepankreas d mr 0,5 
7. VII. 08 |Dünndarmschleimh. I+Schweinepankreas 26 | 0,3 
50 | 0,7 
8 II + 3 26 | Spur 
50 | 0,35 
Dünndarminhalt II+ P 26 | 0,2 
| | 50 | 0,65 
| Dünndarmschleimh. I allein d | 0 
| n D | 1 d 
| Dünndarminhalt IT , a LI 
| ‚Schweinepankreas > — | 0 


1) a. a. O., S. 361. 


Trypsinogen u. Enterokinase beim Neugeborenen u. Embryo. 27 






| Länge 


5 Datum | Ver- der ver- 
suchs-| dauten 

d des Versuchsanordnung dauer | Eiweiß- 

2 Versuches — 















Std. mm 


eugeborenes v.| 11. VII. 08 Dünndarmschleimh. I+Schweinepankreas 489) 0,5 
10.VII.08,3300g, e II + 0 





























540m; 35cmT.U., + III + z D 0,7 
seziert 131/, Std. Dünndarminhalt I+ e H 0,4 
post mort. TI + 3 * 0,3 
Dünndarmschleimh. I allein $ 0 
I , > 0 
, II „ 7 d 
Dünndarminhalt I „ * d 
o EE: — H d 
Schweinepankreas e N 0 
18 VAL 08 a200 vom! 20. VII. 08 Dünndarmschleimh. A + Schweinepankreas 49 | 0,05 
* d d 0,25 
sun: 21cmT. d Dünndarminhalt I+ H 2 0,3 
rt 131/2 Std. nm H4 „ d 0,4 
` Post. mort. | Dickdarminhalt + a a LP 
 Donndarmschleimbh. I allein 5 0 
„ II nm d d 
Dünndarminhalt Tr = 0 
„ II di „ 0 
‚Dickdarminhalt i k 0 
‚Schweinepankreas „| Spur 
ageburt vom 31. VII. 08 Dünndarminhalt + Schweinepankreas 29 | Spur 
20. VII. 08, 400 g, | 53 | g 
30 cm; 18cmT.U., 5 allein o. cb "H 
seziert 141/, Std Schweinepankreas ,, a: 
post mort. | | 
geburt vom 7. VIII. 08 Dünndarmschleimh. + Schweinepankreas | 47 | Spur 
6. VIII 08, 390 g, Dünndarminhalt + 2 ka NS 
27 cm; seziert ‚Dünndarmschleimh. allein H 0 
311/ Std. post Dünndarminhalt nr aD 
mort. Schweinepankreas G Sek 1: 
* + Dünndarmschleimh. | 
von Nr. 4 (zur Kontrolle) ae AS 
8/Foetus vom 18.23. VIII. 08 Dünndarm + Schweinepankreas | 566 | 0 
VIII. 08, 150 g, '‚Darminhalt + — „O (Spur?) 
Zem: 14cmT.U., Sohweinepankreas allein (Ze 0 
seziert 6Std. post | + Dünndarmschleimh. | 24 | 0,7 
mort. von Nr. 4 (als Kontrolle) 56 2,1 
geburt vom 23. VIII. 08 Dünndarm + Schweinepankreas | 24 0 
IT. 08,800 g, | 56 | 0,15 
3lem; ;21 emt, U., — -+ $ 24 | 0,1 
seziert 15 Std. 56 | 1,4 
post mort. Dünndarm allein e, ` K 28 
'Darminhalt ,, l d 
'Schweinepankreas allein d 
10 bn EN vom 23. VIII. 08 Darminhalt + Schweinepankreas (Séi DÄ 
19.VIIL 08,780g, Lë i Aa 
3lem;21cmT.U,, | * alloin kb. d 
seziert 15 Std. Schweinepankreas allein (rei 0 


post mort, 


1) Davon 18 Stunden bei Zimmertemperatur. 


28 J. Ibrahim: 


Es zeigte sich, daß nicht nur bei ausgetragenen, sondern 
auch bei frühgeborenen Kindern die Extrakte der Dünndarm- 
schleimhaut einen merklich aktivierenden Einfluß auf das 
Zymogen des Schweinepankreas ausübten. Selbst bei kleinen 
Foeten von 390 und 400 g war dieser Einfluß noch nachweisbar, 
während er beim kleinsten untersuchten Foetus von 150 g Ge- 
wicht und 20 cm Länge (Tabelle Nr. 8) fehlte, bzw. nicht mit 
Sicherheit erkannt werden konnte. 

5mal wurde der obere und untere Dünndarmabschnitt 
getrennt untersucht. 2mal schien der obere, 3mal der untere 
Abschnitt wirksamer zu sein. 

Wie sich aus der Tabelle ergibt, besitzt auch der Darm- 
inhalt, und zwar sowohl der des Dünndarms wie auch das im 
Dickdarm enthaltene Meconium aktivierende Kraft. Im Darm- 
inhalt des Neugeborenen und Foetus findet sich zwar ein 
proteolytisches Ferment, wie Schild’) zuerst an Gelatineplatten 
und Ed. Müller?) mit Hilfe der Blutserumplatte dartun konnte. 
Auch ich konnte das Ferment in gleicher Weise regelmäßig 
nachweisen. Doch zeigte sich, daß die angewandten 10- bis 
20 fachen Meconiumverdünnungen auf die Mettschen Eiweiß- 
röhrchen keine verdauende Wirkung entfalteten, so daß die 
Proben auf Enterokinase dadurch nicht beeinträchtigt wurden. 

Auch die Schleimhaut des Dickdarmes habe ich mehrfach 
auf Enterokinasegehalt geprüft. Ich erhielt stets mehr oder 
minder wirksame Extrakte, und zwar nicht nur aus dem Blind- 
darm, sondern auch aus tiefer gelegenen Teilen. Es wäre 
möglich, daß durch anhaftendes Meconium, das gerade im 
Dickdarm schwer durch Auswaschen ganz zu entfernen ist, 
ein Fermentgehalt der Schleimhaut vorgetäuscht wurde, der 
in Wirklichkeit nicht vorhanden war. Da diese Fehlerquelle 
nicht in allen Fällen berücksichtigt wurde, verzichte ich auf 
eine zahlenmäßige Wiedergabe der Versuchsergebnisse, möchte 
aber betonen, daß ich auch bei sehr gründlichem Abspülen 
unter der Wasserleitung mit Zuhilfenahme von Daumen und 
Zeigefinger, mehrmals positive Resultate erhielt.?) 


1) W.Schild, Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. 19, 118, 1895. 

2) E. Müller, Arch. f. klin. Med. 92, 209, 1908. 

3) Auch Hekma (a. a. O., S. 348) fand regelmäßig die Extrakte 
der Dickdarmschleimhaut (bei Schwein und Katze) kinasehaltig. 


Trypsinogen u. Enterokinase beim Neugeborenen u. Embryo. 29 


Zum Nachweise des Trypsinogens bzw. des Trypsins 
bediente ich mich der Müller-Joohmannschen Serumplatte?), 
die für meinen Zweck besonders geeignet erschien, da sie bei 
geringstem Materialverbrauch ein rasches und steriles Arbeiten 
gestattet und auch noch sehr geringe Mengen aktiven Fermentes 
deutlich erkennen läßt. 

Die Bauchspeicheldrüse wurde mit Messer und Schere zerkleinert 
und im Mörser mit Quarzsand und wenig destilliertem Wasser zu einem 
feinen Brei zerrieben. Von diesem Brei wurden je 2 Tropfen auf eine 
Serumplatte ohne sonstigen Zusatz aufgetragen, 2 Tropfen wurden mit 
etwa der gleichen Menge enterokinasehaltigen Dünndarmextraktes eines 
Neugeborenen versetzt; als Kontrolle dienten 2 Tropfen des gleichen 
Dünndarmextraktes ohne weiteren Zusatz. Die Platte kam in einen 
Thermostaten, dessen Temperatur auf 55 bis 57° eingestellt war. Duroh- 
sichtigwerden, Verflüssigung und Dellenbildung bewies das Vorhanden- 
sein aktiven Trypsins.. Auch bei dieser Versuchsanordnung zeigten die 
Dünndarmextrakte allein keine tryptischen Eigenschaften. 


Tabelle II. 


i A Versuchs- Be wt 
Nr Ausgangsmaterial — KE dauer a Er 
22 











1|Frühgeburt vom 19.| 19. VI. 08 | Pankreasbrei allein | | GH 
VL 08, 2130g, 46cm; | | | 
29 cm T. U., seziert | 
23/4 Std. post mort. | 

2|Frühgeburt vom 19.| 19. VI. 08 | Pankreasbrei allein | 22 : Ø 
VI. 08, 2320g, 480m; | 
33 cm T. U., seziert | | 
1°/, Std. post mort. ; | | 

3 ee som. 10. VII. 08 | Pankreasbrei allein) 4 | © 

IL 08, 3300 g, | x o 24 + 
54 cm; 35 cm T. U, | |: + En- | 

seziert 131/, Std. poe '  terokinase vom 

mort. | 4. VIL 08 4 + 

Ä Enterokinase allein | 24 | CG 

4 |Frühgeburt vom 18. 18. VII. 08 | Pankreasbrei allein | 24 ı © 
VIL 08, 820g, 360m; S En- 
21 cm T. U., seziert| terokinase vom | 

131/, Std. post mort. 10. VII. 08 2 | Es 

| Enterokinase allein | 24 | © 

5|Neugeborenes vom |20. VII. 08 | Pankreasbrei allen, 24 | Ø 
20. VIL 08, 3450 g, -+ En- | 
52 om; seziert terokinase vom | 

73/4 Std. post mort. | 10. VII. 08 3 4- 

Enterokinase allein | 24 | (Z 








1) E. Müller und G. Jochmann, Münch. med. Wochenschr. 
1906, Nr. 29. 


J. Ibrahim: 


Tabelle II (Fortsetzung). 





Nr.| Ausgangsmaterial 


6 


10 


11 


12 


Datum des 
Versuches 


Versuchsanordnung 


Frühgeburt vom 20.| 20. VII. 08 | Pankreasbrei allein 
VII. 08, 400g, 30cm; u -+ En- 
18 cm T. U., seziert terokinase vom 


141/2 Std. post mort. 10. VII. 08 > 
Enterokinase allein 


Frühgeburt vom 6.| 6. VIII. 08 | Pankreasbrei allein 
VIII. oe 4308. 270m; Ge + En- 
20 cm T. U., seziert terokinase vom 
103/, Std. post mort. 10. VII. 08 

l Enterokinase allein 
Frühgeburt vom 6.| 6. VIII. 08 | Pankreasbrei allein 
VIII. 08, 390 g,270m; * + En- 
seziert 311/, Std. post terokinase vom 


mort. 10. VII. 08 
Enterokinase allein 


Säugling v.6Wochen, | 6. VIII. 08 | Pankreasbrei allein 
Brustkind, an Ek- 


lampsie ł am 6. VIII. i + En- 
08, seziert 5Std. post terokinase vom 
mort. 10. VII. 08 


Enterokinase allein 


Frühgeburt vom 12. 12. VIII. 08 | Pankreasbrei allein 
VIII. 08, 2050 g, j -+ En- 
47 cm; 31 om T. U., terokinase vom 
seziert 10 Std. post 10. VII. 08 
mort. Enterokinase allein 
Foetus vom 18. VIII. | 18. VIII. 08 | Pankreasbrei allein 
08, 150 g, 20 cm; i + En- 
14 cm T. U., seziert terokinase vom 


6 Std. post mort. 10. VII. 08 
Enterokinase allein 


Frühgeburt vom 19. | 19. VIII. 08 | Pankreasbrei allein 

| VIII. 08,780g, 31cm; Se + En- 

21 cm T. U., seziert terokinase vom 
15 Std. post mort. | 10. VII. 08 


| Enterokinase allein 


Versuchs- 
— 


24 


1/2 
24 


H 











— 


TOOF OOF QOr 


Es zeigte sich, daß bei der angewandten Versuchsanordnung 
fast durchweg mit dem Pankreasbrei allein negative Resultate 
erzielt wurden, daß hingegen auch bei kleineren Foeten der 
Pankreasbrei die Serumplatte verdaute, wenn das Trypsinogen 
durch Enterokinasezusatz in wirksame Form übergeführt worden 
war. Die negativen Befunde von Jaeggy dürften sich wohl 
durch diese Feststellung leicht erklären lassen. 
auch mit sehr frischem Material, bei dem eine Aktivierung 


Er arbeitete 


Trypsinogen u. Enterokinase beim Neugeborenen u. Embryo. 31 


durch Bakterien, die sonst ja leicht eintreten kann, noch nicht 
erfolgt war. 

Bei einem Neugeborenen (Nr. 3) und einem 6 Wochen 
alten Säugling (Nr. 9) war neben dem Zymogen auch aktives 
Trypsin zu konstatieren; bei einem anderen Neugeborenen (Nr. 5) 
wurde letzteres vermißt. 

Der jüngste Foetus, bei dem sich das Ferment eben nach- 
weisen ließ (Nr. 11), war 150 g schwer und 20 cm lang; es 
entspricht das etwa dem 4. Foetalmonat. Das Trypsinogen 
gehört somit jedenfalls zu den ersten Verdauungsfermenten, 
die sich beim menschlichen Embryo einstellen. Die Probe auf 
Enterokinase war bei dem gleichen Foetus fraglich geblieben. 

Es sei hier kurz angefügt, was über die anderen proteo- 
lytischen Verdauungsfermente beim menschlichen Embryo be- 
kannt ist. 

Pepsin wurde von Zweifel!) bei einem 4monatigen 
Foetus vermißt, ebenso auch von Langendorff?) bei einem 
Foetus aus dem 3. Monat; dagegen konnte der gleiche Autor 
das Ferment vom 4. Foetalmonat an regelmäßig (in 7 Fällen) 
nachweisen. 

Über das Erepsin liegen mehrere Mitteilungen vor. O. Cohn- 
heim?) selbst hatte das Ferment schon beim Neugeborenen 
nachweisen können. Jaeggy*) fand es sowohl‘ bei 2 reifen 
Neugeborenen, als auch bei 4 frühgeborenen Kindern in der 
Dünndarmschleimhaut. Das jüngste Kind stammte aus dem 
5. Monat (25 cm Länge), bei einem 14 cm langen Foetus 
(4. Monat) fehlte das Erepsin. Analoge Befunde erhoben 
Langstein und Soldin’). Sie fanden Erepsin bei einem früh- 
geborenen Kind von 1570 g (7. Monat), vermißten es dagegen 
bei einem 4?/, Monate alten Foetus (24 cm Länge). 

Daß auch der Darminhalt des Neugeborenen Erepsin ent- 
hält, ist durch Schoenberner®) kürzlich ermittelt worden. 


1) Zweifel, a. a. O., S. 35. 

2) O. Langendorff, a. a. O., S. 106 ff. 

3) Laut mündlicher Mitteilung. 

DE Jaeggy, a a. O. 

5) L. Langstein und M. Soldin, Jahrb. f. Kinderheilk. 67, 9, 1908. 

DR Schoenberner, Zur Kenntnis der Meconiumfermente. J. D., 
München 1909. 


32 Ibrahim: Trypsinogen u. Enterokinase b. Neugeborenen u. Embryo. 


Ausder Gesamtheit der bisher vorliegenden Unter- 
suchungen geht hervor, daß die proteolytischen Ver- 
dauungsfermente in den Verdauungsdrüsen beim 
menschlichen Embryo fast gleichzeitig sich einstellen, 
und zwar ist zuerst das Pepsin (Anfang des 4. Mo- 
nats), dann bald nacheinander das Trypsin (4. Mo- 
nat) und das Erepsin (5. Monat) nachweisbar. Die 
Enterokinase erscheint kurz nach, möglicherweise so- 
gar gleichzeitig mit dem Trypsinogen. 


Über den Einfluß der Pepsin- und Salzsäuremengen auf 
die Intensität der Verdauung, speziell bei Abwesenheit 
„freier“ Salzsäure. 


Von 
Julius Schütz, Wien-Marienbad. 


(Aus dem pathologisch-chemischen Laboratorium der k. k. Kranken- 
anstalt „Budolf-Stiftung“ zu Wien.) 


(Eingegangen am 25. August 1909.) 


Von klinisch-diagnostischen Gesichtspunkten ausgehend, 
habe ich in zwei früheren Mitteilungen!) gezeigt, daß auch bei 
beträchtlichem Salzsäuredefizit eine Pepsinverdauung möglich 
ist und daß diese Verdauung desto intensiver verläuft, je mehr 
Gesamtsalzsäure vorhanden ist. In praktischer Beziehung er- 
Möglichte diese Feststellung, neben dem Ewald-Boasschen 
Probefrühstück und in Ergänzung desselben, Milch als Probe- 
Nahrung zu verwenden, ein Verfahren, welches zum Teil 
bereite zu diagnostisch brauchbaren Ergebnissen?) geführt hat, 
und mit dessen möglichst quantitativer Ausarbeitung ich der- 
zeit beschäftigt bin. Konnte demnach die Frage, soweit sie 
eıne Basis für rein diagnostische Überlegungen abgab, zum 
größten Teil als abgeschlossen betrachtet werden, so blieben doch 
Si Physiologischer, bzw. biochemischer Hinsicht eine ganze Reihe 
von Fragestellungen offen. Es wird dies verständlich, wenn 
man sich vor Augen hält, daß der überwiegend größte Teil der 
Untersuchungen — wenn nicht gar alle —, welche den Einfluß 
SP ©psin- und Salzsäuremengen auf die Intensität der Ver- 
dauung zum Vorwurfe hatten, stets, oder doch in erster Linie 
— — 


| > Wiener med. Wochenschr. 1906 u. Wiener klin. Woohenschr. 1907. 


achr N Kongr. f. inn. Med. in Wien 1908 und Wiener med. Wochen- 


Biochemische Zeitschrift Band 22. 3 


34 J. Schütz: 


nur die Menge der „freien“, d. h. überschüssigen Salzsäure be- 
rücksichtigten. Durch die Feststellung nun, daß bereits weit 
unterhalb des Sättigungspunktes!) Pepsinverdauung nachweis- 
bar wird, erhob sich die Forderung, die ganze oben erwähnte 
Frage in der Weise zu revidieren, daß man ganz kleine Mengen 
(gebundener) Salzsäure zum Ausgangspunkt nähme und den Ver- 
dauungseffekt mit demjenigen bei Anwesenheit steigender Salz- 
säuremengen vergliche. In der vorhergehenden Mitteilung war 
ich dieser Frage bereits nahegetreten und zu dem oben er- 
wäbnten Ergebnis gelangt, daß unterhalb des Sättigungspunktes 
die Intensität der Verdauung mit steigenden Salzsäuremengen 
größer wird. Von irgendwelcher genaueren mathematischen 
Charakterisierung mußte damals abgesehen werden, weil, wie 
daselbst ausführlich auseinandergesetzt wurde, die Volhardsche 
Methode bei der von mir gewählten Versuchsanordnung nicht aus- 
reichte. Es war daher nötig, die Untersuchungen mit der zwar 
umständlichen, jedoch quantitativ-analytisch völlig eindeutigen 
Methode des nicht koagulablen N zu wiederholen und zu er- 
weitern. Es sei zunächst eine Serie der Versuche wiedergegeben. 


Versuchsreihe 1. 


Als Versuchsmaterial diente ausschließlioh frisches Eierklar. Kleine 
Kochkölbchen wurden mit je 10 com Eierklar, wechselnden Mengen 
Sie HOI) und mit je 1 com einer Lösung von 5 g Pepsinum purissimum 
(Grübler) in 250 ccm "/,.-HCl beschickt und mit destilliertem Wasser 
auf 50 com aufgefüllt. Die Kölbohen blieben dann 12 bis 14 Stunden 
im Thermostaten, wurden dann mit N-freier 0,6°/ iger Kochsalzlösung 
(weil nach meiner Beobachtung bei Verwendung von destilliertem Wasser 
jedenfalls wegen der zu geringen Salzkonzentration die Koagulation 
manchmal mißlingt) in Porzellanschalen übergespült und bei sehr schwach 
essigsaurer Reaktion durch Aufkochen enteiweißt. Im Filtrat wurde der 
Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt und von dem erhaltenen Wert der- 
jenige abgezogen, der sich für nicht koagulablen N in den Kontrollproben, 


1) Unter Sättigungspunkt einer Eiweißlösung gegenüber Salzsäure 
ist hier — in Übereinstimmung mit der allgemein üblichen Bezeichnung — 
derjenige Gehalt einer Eiweißlösung an Salzsäure verstanden, bei welchem 
noch keine freie Salzsäure nachweisbar ist, aber ein selbst minimaler weiterer 
Zusatz von Salzsäure positive Reaktion auf freie Salzsäure zur Folge hat. 

2) Da Eierklar gegen Phenolphthalein alkalisch reagiert, so wurde 
diese Alkalescenz stets durch Zusatz von je lccm°/,o-HCl auf 1000m Eierklar 
abgestumpft. In den Zahlen für die verwendeten DCL Mengen ist dieser 
eine Kubikzentimeter Sie HU nioht inbegriffen. 


Einfluß d Pepsin- u. Salzsäuremengen auf d. Intensität. d. Verdauung. 35 


d.h. ohne Pepsinzusatz ergeben hatte. Der erhaltene Wert gibt die 
Menge des verdauten N (bzw. Eiweißes) an. Die erhaltenen Zahlen ver- 
stehen sich nach Abzug des N-Wertes für die Pepsin- HCl- Lösung 
(= 3,0 mg pro Kubikzentimeter) und bilden das Mittel aus zwei Parallel- 
versuchen. Das HCl-Bindungsvermögen wurde gegen Kongopapier be- 
stimmt. Über das Verhältnis der angegebenen Werte gegenüber den 
durch die Methylacetatmethode gewonnenen siehe unten. 


Versuch 1. 
Dauer: 6 Stunden bei 37°. 
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com (Kongo Spur).!) 


— mana | Reeg HCI —— — ai | Verla 








10 — — ad 500 |1,9—=fast0 

10 6.0 1,0 7 o ad 50,0 8,9 

10 13,0 Lü 14.0 ad 50,0 32,0 
Versuch 2. 


Dauer: 20 Stunden bei 37°. 
HClI-Bindungsvermögen: 14 com (Kongo-Spur). 


Eierklar ve BO Popsin- -HCI Ka — — 
com Ben... 
— 






































10 | 10 1,9—fast0 
10 Sa | 1,0 Es e Ss 7,2 
10 80 | 1,0 9,0 ad 50 |. 362 
Versuch 3. 
Dauer: 16 Stunden bei 38 bis 40°. 
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com (Kongo Spur). 
Eierklar he HO | Pepin. HO | Gesamt-HC1| A ua dest, | VerdautN 
ccm com ccm ccm mg 
10 2,5 1,0 3,5 ad an | 40 
10 6,0 1,0 7,0 ad 50 16,0 
10 13,0 1,0 14,0 ad 50 46,7 
Versuch 4. 
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°, 
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com (Kongo Spur). 
Eierklar | ste HO) | Pepsin-HC1 — Aqua dest, | Verdaut N 
ccm ccm ccm ccm mg 
10 5,0 10 | 60 ad 50 15,0 
10 11,0 10 | 120 ad 50 42,0 
10 35,0 10 | 360 ad 50 144,0 








1) scil: 10 cem Eierklarlösung binden 16 ccm Pie HOL wobei als 


Endreaktion eine spurweise Bläuung von Kongopapier angenommen wurde. 
3% 


36 J. Schütz: 


Versuch 5. 
Dauer: 14 Stunden bei 37 bis 40°. 
HCI-Bindungsvermögen: 13,0 com (Kongo Spur), 18,0 ccm deutlich. 


Eierklar del Pepsin-HOl — Aqua dest, | VerdautN 
com com com oom mg 





10 4,0 1,0 5,0 ad 100 28 
10 9,0 1,0 10,0 ad 100 21,0 
10 19,0 1,0 20,0 ad 100 91,0 





Aus obigen Versuchen geht folgendes hervor: 

1. In Bestätigung früherer (in der 2. Mitteilung publizierter) 
Versuche, daß unterhalb des Sättigungspunktes die Intensität 
der Verdauung desto größer wird, je mehr Salzsäure vorhanden ist. 

2. Das Optimum der Pepsinverdauung liegt oberhalb des 
HCI-Sättigungspunktes (s. u.). 

3. Die Intensität der Pepsinverdauung ist nicht in einfacher 
Proportion von den Salzsäuremengen abhängig, sondern zeigt 
einen schnelleren Anstieg als diese — beim Eiereiweiß un- 
gefähr dem Quadrat der Salzsäuremengen entsprechend. 


Versuchsreihe 2. 

Um zu prüfen, wie weit bei gleichbleibendem HCl-Gehalt 
die Intensität der Pepsinverdauung von den relativen Pepsin- 
konzentrationen abhängig ist, bzw. ob das Quadratwurzel- 
gesetz (E. Schütz, Borissow, Verf. u. a.) der Pepsin- 
wirkung auch unterhalb des HCI-Sättigungspunktes gilt, 
wurden folgende Versuche angestellt. 

Versuch 6. 
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis A0°. 
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 com Sie HL (Kongo Spur). 























Eierklar | */,o-HCl | Pepsin-HCl | Gesamt HO | Aqua dest. | Verdaut N 
ccm com ccm | ccm | ad 50 | mg 
10 80 | 10 | 9,0 | 50 21.5 
10 50 © 40 9,0 50 37,7 
10 o | 930 | 90 ` 50 | 38,0 
Versuch 7. 


Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°. 
HCl-Bindungsvermögen: 14,0 cem Se HOI (Kongo Spur). 


Eierklar | nie HO 














Pepsin-HC] — Aqua dest. Verdaut N 
ccm com | ccm | com I ad 100 mg 
10 ' 80 | 10 9,0 | 0: 215 
10 50 | 40 9,0 50 | 255 
10 o au Ion | 5 | 190 


Einfluß d. Pepsin- u. Salzseäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 37 


Versuch 8. 
Dauer: 20 Stunden bei 38 bis 40°. 
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 ocm Se HO (Kongo Spur). 


Ee 
Eierklar | ste HO) | Pepsin-HCl | Gesamt-HC1| Aqua dest. | Verdaut N 
ccm ccm ccm com ad 50 mg 














10 8,9 0,1 9,0 50 6,5 
10 8,6 0,4 9,0 50 15,7 
10 8,1 0,9 9,0 50 24,7 


In diesen drei Versuchen lieB sich einigemal das Quadratwurzel- 
gesetz erkennen, jedoch nicht in jener Schärfe, wie dies bei einem Salz- 
säureüberschuß der Fall ist. Was den Grund dieses Unterschiedes aus- 
macht, ob er tatsächlich eine Eigenschaft des Pepeins selbst ist oder 
nur von gewissen Eigentümlichkeiten der verwendeten Eiweißkörper 
abhängt, ließe sich erst auf Grund ausgedehnter Versuchsreihen ent- 
scheiden. Jedenfalls fordern diese Versuche dazu auf, den Einfluß der 
relativen Pepeinmengen auf die Verdauung auch unterhalb des Sättigungs- 
punktes zu untersuchen, bevor sich ganz verallgemeinernde Schlüsse 
ziehen lassen. | 

Auf jeden Fall gehen aus der Versuchsreihe 2 in Zusammen- 
hang mit Versuchsreihe 1 folgende Tatsachen hervor: 

1. Der relative Anstieg der Verdauungsintensität bei Steige- 
rung der DCL Mengen und gleichbleibender Pepsinmenge ist 
weitaus größer als der relative Anstieg der Verdauungsintensität 
bei Steigerung der Pepsinmengen und gleichbleibenden HCl- 
Mengen. 

2. Pepsin und Salzsäure können sich innerhalb gewisser 
Grenzen vertreten,!) doch hat ceteris paribus eine relative 
Steigerung der Salzsäuremenge einen weitaus größeren Einfluß 
auf die Verdauungsintensität als eine Steigerung der Pepsinmenge. 

3. Diese Erscheinungen treten besonders unterhalb des 
Sättigungspunktes klar zutage. 

Um zu prüfen, ob für den Umfang der Verdauung die 
Konzentration oder die absolute Menge der DO in Be- 
tracht kommt — eine Frage, der sich nur dann mit Erfolg 
näher treten läßt, wenn man mit Salzsäuremengen unterhalb 
des Sättigungspunktes arbeitet — wurde folgende Versuchsreihe 
angestellt. 


1) Diese Tatsache gewinnt an biologischer Bedeutung, wenn man 
sie mit dem kürzlich von Kudo (diese Zeitschr. 16) auf anderem Wege 
erhobenen Befunde vergleicht, wonach bei großer Quantität des Magen- 
saftes der Pepsingehalt geringer ist und umgekehrt. 


38 J. Schütz: 


Versuchsreihe 3. 


Versuch 9. 
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°. 
HCI-Bindungsvermögen: 15 com Sie HO (Kongo Spur). 
Änderung der Konzentration des Pepsins und der Salzsäure bei 
gleichbleibender absoluter Menge. 


Eierklar | ale HO | Pepsin-HCl | Gesamt-HCl Aqua dest. Verdaut N 
com ccm com | cem mg 








10 9,0 1,0 10,0 50 20,0 
10 9,0 1,0 10,0 25 27,0 
10 9,0 1,0 | 10,0 100 18,0 


Versuch 10. 
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°. | 
HCI-Bindungsvermögen: 13,0 ccm Sie HO (Kongo Spur). 
Änderung der HCI-Konzentration bei gleichbleibender absoluter 
Menge und gleichbleibender Pepsinkonzentration. 








Eierklar | Ste HO | Pepsin-HCl | Gesamt-HCI | Aqua dest. — 
ccm ccm ccm | com | mg 
10 9,0 10 | 100 ad 50 21,5 
10,0 ad 100 21,0 
10,0 19,5 





Versuch 11. 
Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°. 
HCI-Bindungsvermögen: 16,0 ccm (Kongo Spur). 
Gleichbleibende Pepsinkonzentration. 
Einerseits Änderung der HCl-Konzentration, andererseits der 
HO. Menge 


Eierklar | si HO | Pepsin-HCl | Gesamt HO Aqua dest. Verdaut N 
com ccm ccm com mg 





10 8,0 20 100. ad 100 21,0 

10 9,5 0,5 10,0 ad 25 22,5 

10 | 140 1,0 15,0 ad 50 44,0 
Versuch 12. 


Dauer: 13 Stunden bei 38 bis 40°. 

HCl-Bindungsvermögen: 14,0 ccm (Kongo Spur). 

Anderung der HCl- und Pepsinkonzentration bei gleichbleibender 
absoluter Menge. 


Einfluß d. Pepsin- u. Salzszäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 39 


Eierklar | ste BO 
ccm ccm 





Pepein-HC1 |Gesamt-HO1| 4 aus dest. | Verdaut N 
ccm com | j mg 





Es geht aus dieser Versuchsreihe demnach hervor, daß 
bei Verdauung von Eierklarlösungen, deren HCl-Gehalt 
‚noch tief unterhalb des Optimums liegt, die Konzen- 
tration des HCl um auf das mindestens Vierfache ver- 
mindert werden kann, ohne daß sich ein Einfluß auf 
die Verdauungsintensität nachweisen läßt, während 


Änderungen der absoluten HO Mengen — wie oben 
gezeigt — von tiefgreifendem Einflusse sind. 
Schlußfolgerungen. 


Die in dieser und den früheren Arbeiten mitgeteilten Ver- 
suche lassen es möglich erscheinen, bezüglich der Rolle der 
H-Ionen bei der Pepsinverdauung eine gewisse einheitliche Auf- 
fassung zu gewinnen. 

Als nunmehr endgültig festgestellte Tatsache kann der Satz 
gelten: 

„zum Zustandekommen der Pepsinverdauung ist 
die Anwesenheit von H-Ionen nicht notwendig.“ 

Indem ich bezüglich der Literatur auf meine beiden früheren 
Mitteilungen — wo diese ausführlich berücksichtigt ist — ver- 
weise, muß ich nur kurz auf eine Arbeit Albert Müllers 
(Arch. f. klin. Med. 1908) eingehen, welcher zu dem Resultat 
gelangt, daß ‚die Pepsinverdauung der Eiweißkörper nur von 
dem wahren Säuregehalt, der H-Ionenkonzentration abhängig ist‘. 

Dies ist aus folgenden Gründen nicht richtig: 

l. geht aus Müllers eigenen Versuchen — in teilweiser 
Bestätigung meiner früheren Versuche — das direkte Gegen- 
teil hervor; 

2. widerspricht es der üblichen Nomenklatur, von H-Ionen 
zu sprechen, wenn es sich um an Eiweiß gebundene Salzsäure 
handelt; 


40 J. Schütz: 


3. bestimmt genannter Autor die H-Ionenkonzentration 
seiner Eiweiß-HCl-Lösungen nicht direkt, sondern stellt ent- 
sprechende Alanin-HCl-Lösungen her und überträgt die mit 
Alaninlösungen erhaltenen Resultate ohne weiteres und ganz 
willkürlich auf die Eiweißlösungen, ein Vorgang, dessen absolute 
Unzulässigkeit wohl außerhalb jeder Diskussion steht; 

4. sind diejenigen Versuche Müllers (wie von mir bereits 
in der vorigen Mitteilung auseinandergesetzt), welche mit sus- 
pendiertem Fibrin angestellt wurden — die mit Casein- und 
Eiweißlösungen stellen nichts anderes als die Bestätigung meiner 
Versuche dar —, überhaupt nicht für das Studium des pri- ` 
mären Einflusses der HCl auf die Eiweißverdauung geeignet, 
sondern sind in ihren Resultaten von dem Einfluß der Acidität, 
der elektrischen Ladung usw. auf die Verteilung des Pepsins 
IN. Jacoby!), L. Michaelis?)] abhängig, ebenso von den Ver- 
teilungsgesetzen der HCl zwischen verschiedenen Eiweißkörpern 
[O.Cohnheim?), Spiro und Pemsel*) u. a.]. 

Ein Einwand, den Müller gegen meine Versuche macht, 
besteht nicht zu Recht. Er wendet nämlich ein, es hätte sich 
bei einigen meiner Versuche in der vorigen Mitteilung’) nicht um 
freie Salzsäure, sondern um HCl-Defizite gehandelt, weil zur 
Bestimmung des HCIl-Sättigungspunktes Kongopapier verwendet 
wurde. Abgesehen davon, daß ich die Berechtigung dieses 
Verfahrens daselbst ausführlich diskutiert habe — welchen Um- 
stand Müller, nebenbei gesagt, zu erwähnen für überflüssig 
zu erachten scheint —, zeigen die gleich mitzuteilenden Ver- 
suche, daß das Kongopapier zur Bestimmung der Salz- 
säure-Eiweiß-Sättigungsgrenze beim Studium der 
Pepsinverdauung sehr geeignet ist. 


Versuchsreihe 4. 


Die Versuche wurden im Prinzip nach F. A. Hofmann®) 
bzw. Ostwald®) angestellt. 


1) M. Jacoby, diese Zeitschr. 1, 2, 4. 

2) L. Michaelis, diese Zeitschr. 16. 

3) O.Cohnheim, Zeitschr. f. Biol. 35. 

4) Spiro und Pemsel, Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 

5) Wiener klin. Wochenschr. 1907. 

D Zit. nach Hamburger, Osmotischer Druck u. Ionenlehre usw. 


Einfluß d. Pepsin- u. Salzseäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 41 


Versuch 13. 
Caseinlösung nach Volhard. Dauer: 13 Stunden bei 409. 
HCI-Bindungsvermögen (auf 20 ccm) Kongo Spur: 18,0, Kongo 
schwach positiv: 19,0, Kongo deutlich: 20,0. 


Aciditätszunahme 
Casein Methylacetat Blo) Aa. dest.) /,.-NaOH 


lösung Tse HO 





ccm ccm 
20 25 d 
0 3,0 10,0 
0 1,0 10,0 
0 7,0 10,0 
20 25,0 10,0 


Demnach HCI-Bindungsvermögen — 25 — (7 — 8) = 17 — 18. 


Versuch 14. 
Caseinlösung nach Volbard. Dauer: 12 Stunden bei 37°. 
HClI-Bindungsvermögen (Kongo Spur): 16: 20. 







Casein- Aciditätszunahme 
lös a Jia: HC Methylacetat 5 d 0 n h ji NaOH 
' ccm ccm 


Demnach HCI-Bindungsvermögen — 25 — (8 — 9) = 16 — 17. 


l Versuch 15. 
Caseinlösung nach Volhard. Dauer: 20 Stunden bei 38°, 
HCl-Bindungsvermögen (Kongo Spur): 17,0: 20,0. 











Casein- | Aciditätszunahme 
lösung | ste HO | Methylacetat Bi | Aq, dest.) ` siwe Raf 
00m com ccm 

10,0 ad 60 3,3 

10.0 ad 60 11.5 

10.0 ad 60 24.0 

10.0 ad 60 211 

ad 60 o 


Demnach HCI-Bindungsvermögen — 25 — (8 — 9) = 16 — 17. 


Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß das Kongopapier 
bei Casein-Salzsäurelösungen fast genau den Punkt angibt, 
welcher dem Auftreten mittels der Methylacetatmethode nach- 


42 J. Schütz: 


weisbarer H-Ionen entspricht.!) Die Günsburgsche Reaktion, 
die für klinische Zwecke sehr verwendbar erscheint, ist bei 
Verdauungsversuchen im Reagensglas jedoch nicht zweckmäßig, 
weil sie das Bindungsvermögen der Eiweißkörper gegenüber 
Salzsäure in eingedampften, d. i. hochkonzentrierten Lösungen 
anzeigt, wobei im Vergleich zur ursprünglichen Konzentration 
bekanntlich ganz andere Werte erhalten werden. 


Die Kongoreaktion jedoch wird bei derjenigen Konzentration 
vorgenommen, bei welcher auch die Verdauung selbst verläuft, 
spiegelt daher die tatsächlichen Verhältnisse wider und ist 
demnach zur Bestimmung des HCl-Bindungsvermögens von 
Eiweißkörpern bei Pepsinverdauungsversuchen vorzuziehen. 


Zur Bedeutung der H-Ionen für die Pepsinverdauung 
zurückkehrend, sei nun folgendes bemerkt. Wenn auch nun- 
mehr bewiesen ist, daß ihre Anwesenheit hierzu nicht nötig 
ist, so könnten doch unsere Versuche, aus denen hervorgeht, 
daß das Optimum der Verdauung jenseits des Sättigungspunktes 
liegt, der Ansicht Raum lassen, der freien HCl komme noch 
eine bestimmte Rolle bei der Pepsinverdauung zu. Die Frage 
ließe sich ziemlich eindeutig lösen, wenn man verfolgen könnte, 
wie sich die Verdauungskurve an dem Sättigungspunkte ver- 
hält. Dies ist jedoch schwer möglich, weil sich der Sätti- 
gängspunkt vom ersten Moment der Verdauung an — 
sobald nämlich Eiweißabbauprodukte auftreten — stetig und 
recht schnell verschiebt. 


Indem ich mir vorbehalte, diese Frage seinerzeit einer 
weiteren experimentellen Bearbeitung und Diskussion zu unter- 
ziehen, sei es mir gestattet, hier eine Hypothese bezüglich 
der Rolle der freien HCl auszusprechen, die vielleicht — wenn 
auch nur rein heuristisch — es ermöglicht, die Frage von der 
Bedeutung der H-Ionen (der ‚freien HCl“) für die Pepsin- 


1) Bei analog angestellten Versuchen mit Eierklarlösungen zeigte 
sich eine gewisse Divergenz der Kongowerte im Vergleich mit dem Me- 
thylacetat (höchstens 3 bis 5 com Die Nal entsprechend), doch 
ist diese Divergenz nicht auf Rechnung der Kongomethode zu setzen, 
sondern hat ihren Grund darin, daß HCl im Laufe des Versuches lang- 
sam neutralisiert wird (wahrscheinlich durch die Carbonate). Auf jeden 
Fall übersteigt der Wert von 19 ccm Die HO in Versuch XVIII 
meiner vorigen Mitteilung die angegebenen Fehlergrenzen bei weitem, 


Einfluß d. Pepsin- u. Salzsäuremengen auf d. Intensität d. Verdauung. 43 


verdauung von einem einheitlichen Gesichtspunkt betrachten 
zu können. 

Die Hypothese findet ihre induktive Basis in den grund- 
legenden Untersuchungen von O. Cohnheim (l. c.) sowie Spiro 
und Pemsel u. a., aus denen sich schließen läßt, daß die Salzsäure, 
die mit Eiweiß verbunden ist, diesem wieder entrissen werden 
kann, wenn gleichzeitig tiefer stehende Eiweißabbauprodukte 
vorhanden sind. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß 
die im Laufe der Pepsinverdauung auftretenden Abbauprodukte 
dem nativen Eiweiß die Salzsäure ganz oder zum Teil entreißen 
und es daher der Verdauung unzugänglich machen. Es ist im 
Lichte dieser Auffassung klar, daß eine Eiweißlösung, die gerade 
mit HCl gesättigt ist, noch nicht optimal verdaut werden wird, 
da die sofort mit dem Einsetzen der Verdauung entstehenden 
Albumosen und Peptone mit dem nativen Eiweiß in Konkurrenz 
treten, diesem die Salzsäure zum Teil entreißen und einen Teil 
desselben der Verdauung unzugänglich machen. Ist dagegen 
ein genügender Überschuß von HCl vorhanden, so wird dieser 
in Beschlag genommen, so daß die mit dem nativen Eiweiß 
bereits verbundene HCl nicht erst in Anspruch genommen zu 
werden braucht. Wenn auch in Wirklichkeit der Vorgang ein 
komplizierterer sein dürfte, so hat dieses Schema viel Wahr- 
scheinlichkeit für sich — zumindest lassen sich die bisher be- 
kannten Tatsachen damit gut in Einklang bringen. 

Die Rolle der H-Ionen (, freien‘ Salzsäure) würde 
demnach einfach darin bestehen, die nativen Eiweiß- 
körper vor ihren Abbauprodukten im Konkurrenz- 
kampf um die Salzsäure zu schützen. 

Es ließe sich vielleicht auch folgender allgemeine Satz 
formulieren: 

„Wenn in einem Verdauungsgemisch native Eiweißkörper 
neben anderen HCl-bindenden Substanzen vorhanden sind, so 
werden erstere um so intensiver verdaut werden, je günstiger 
sich der Verteilungsquotient der Salzsäure zwischen ihnen und 
den anderen HCl-bindenden Substanzen für sie (d. i. die nativen 
Eiweißkörper) stellt.“ 

Bezüglich Anwendung dieses Satzes auf verschiedene spezielle 
Fälle (geronnenes Eiweiß usw.) sowie bezüglich des Einflusses 
überschüssiger (,freier“) HCl auf den Verteilungsquotienten — 


44  J.Schütz: Einfluß der Pepsin- und Salzsäuremengen usw. 


auf welchen Punkt sich m. E. die ganze Frage von der 
Bedeutung der freien HCl in letzter Linie zuspitzt — 
müssen weitere Untersuchungen angestellt werden. 


Ergebnisse. 


Wie bereits früher für Casein nachgewiesen, kommt auch 
in Eierklarlösungen kräftige Pepsinverdauung bei einem be- 
trächtlichen Salzsäuredefizit zustande. 

Die Anwesenheit von H-Ionen ist für die Pepsinverdauung 
nicht notwendig. 

Die Pepsinverdauung beginnt bereits bei einem sehr geringen 
Gehalt von (an Eiweiß gebundener) Salzsäure. 

Die Intensität der Pepsinverdauung steigt bei Eierklar- 
lösungen mit der Menge der Salzsäure, jedoch handelt es sich 
hierbei nicht um eine einfache Proportionalität, sondern die 
Intensität der Pepsinverdauung von Eierklarlösungen scheint 
innerhalb gewisser Grenzen ungefähr dem Quadrat der Salz- 
säuremengen zu entsprechen. 

Für die Intensität der Pepsinverdauung von Eierklar- 
lösungen ist in erster Linie nicht die relative Konzen- 
tration, sondern die absolute Menge der Salzsäure maß- 
gebend. 

Salzsäure und Pepsin können sich innerhalb gewisser Grenzen 
vertreten, doch hat die Salzsäure ceteris paribus einen weitaus 
stärkeren Einfluß auf die Intensität der Pepsinverdauung. 

Das Quadratwurzelgesetz der Pepsinwirkung scheint auch 
bei Abwesenheit freier Salzsäure zu gelten. 

Die Rolle der überschüssigen (,‚freien‘‘) Salzsäure dürfte 
in erster Linie darin bestehen, daß sie die nativen Eiweißkörper 
vor der Losreißung der an sie verketteten Salzsäure seitens der im 
Laufe der Verdauung entstandenen Eiweißabbauprodukte schützt, 
demnach nichts als eine Art Reservevorrat darstellt. 


Über die Gasspannung in der Lunge, bei der zwingend 
ein neuer Atemzug ausgelöst wird. 


Von 


Alfred Leimdörfer. 


(Aus dem physiologischen Institut der Hoohschule für Bodenkultur 
in Wien.) 


(Eingegangen am 23. August 1909.) 
Mit 2 Figuren im Text. 


Einleitung. 


Geppert und N. Zuntz?) haben durch ihre Versuche den Beweis 
erbracht, daß das Blut der Träger der Atemreize ist. Unter normalen 
Bedingungen bildet nach den Untersuchungen von N. Zuntz und 
A. Loewy?) die Kohlensäure den Atemreiz, während nur hochgradige 
Verminderung des Sauerstoffgehaltes in der Atemluft erregend aufs 
Respirstionszentrum wirkt. Zu demselben Resultate kommen Haldane 
und Priestley?). Doch während Geppert und Zuntz speziell für die 
Zeit der Muskelarbeit die im tätigen Muskel gebildeten intermediären 
Stoffwechselprodukte als Atemreiz annehmen, reguliert nach Haldane 
und Priestley auoh während gewöhnlicher Muskelarbeit die Kohlen- 
säure die Atmung. 

Bei Sauerstoffmangel ist nach Haldane und Poulton‘) der 
Kohlensäurereiz der vorherrschende; der Sauerstoffmangel selbst wirkt 
niobt direkt, sondern, wie es besonders Boycott und Haldane?) dar- 
legen, die bei Sauerstoffmangel entstehenden intermediären Stoffwechsel 
produkte bilden die Atemreize. Pflüger‘) weist schon auf die Be- 
deutung solcher Stoffe bei Sauerstoffmangel hin, indem er sagt: „Mut- 
maßlich wirkt der Mangel an Sauerstoff deshalb so positiv giftig, weil 


1) Pflügers Archiv 42. 

2) Arch. f. Anat. u. Physyol., Physiol. Abt. 1897. 
3) Journ. of Physiol. 32. 

t) Journ. of Physiol. 37. 

H Journ. of Physiol. 37. 

D Pflügers Archiv 1. 


46 A, Leimdörfer: 


er eine Anhäufung der sich fortwährend im Körper bildenden, leicht 
oxydierbaren Stoffe zur Folge hat, welche das respiratorische Zentral- 
organ in der Medulla oblongata und viele motorische Ganglienzellen 
heftig erregen.“ 

Diese Stoffe sind nach Lehmann, Hoppe-Seyler) u. a. orga- 
nische Säuren. In Zusammenhang mit dieser Tatsache steht der Befund 
Galeottis), daß in sauerstoffarmer Luft und im Hochgebirge, in ver- 
dünnter, also ebenfalls sauerstoffarmer Luft, eine Abnahme der Blut- 
alkalesceenz zustande kommt. Nach N. Zuntz?) reagiert das Atem- 
zentrum sehr fein auf diese Blutreize. Wir hätten deshalb nach Zuntz 
in der verstärkten Atmung des ruhenden Menschen das feinste Reagens, 
daß irgendwo im Körper Sauerstoffmangel besteht. Von diesem Gesichts- 
punkt aus sei die bei Anämie und Chlorose, im Hochgebirge oder in der 
verdünnten Luft abnorm starke Atmung zu verstehen. 

Ebenso wie Haldane und seine Mitarbeiter schließen Hill und 
Flaok?) aus ihren Versuchen, daß die normale Atmung durch den Kohlen- 
säuregehalt der Alveolarluft geregelt wird, dagegen spielt nach ihnen in 
Fällen von behinderter Oxydation des Blutes die verringerte Sauerstoff- 
tension eine größere Rolle. Sie kommen zu diesem Schlusse durch Ver- 
suche, aus denen sich ergab, daß nach möglichst langem Atemanhalten der 
alveolare Sauerstoffprozentgehalt tiefer sinkt, als der Kohlensäureprozent- 
gehalt ansteigt. Scot t3), welcher ebenfalls Versuche überdie Regulation der 
Atmung ausführte, fand ebenso, wie es sich bei den früher erwähnten 
Versuchen gezeigt hat, daß das Respirationszentrum durch geringe Mengen 
von Kohlensäure oder durch starke Verminderung des Sauerstofles in 
der Einatmungsluft erregt werden könne. 

Um einen Beitrag zur Frage naoh der Bedeutung der alveolaren 
Kohlensäure- und Sauerstofftension zu liefern, wurden die folgenden Ver- 


suche ausgeführt. 
Es wurde nach verschieden tiefer Einatmung von atmosphärischer 


Luft, in anderen Versuchen von Gasgemischen, der Atem so lange an- 
gehalten, bis gebieterisch der Zwang eintrat, auszuatmen. Dann wurde 
die exspirierte Luft behufs Festsetzung der Alveolartensionen analysiert. 


Versuche mit atmosphärischer Luft. 


Nach möglichst kräftiger Exspiration wurde durch einen 
Zweiweghahn (H) bei F atmosphärische Luft eingeatmet. Der 
Mund befand sich, um Röhrenatmung möglichst auszuschließen, 
ganz nahe am Hahn. Es wurde ein Kautschukmundstück mit 
Einbeißlappen verwendet. Hierauf wurde der Hahn umgedreht 
und stand nun mit einem Kautschuksack (K) in Verbindung. 


1) Aroh. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. Suppl. 1905, N. Zuntz, 
Sitzungsberichte. 

2) Journ. of Physiol. 37. 

3) Journ. of Physiol. 37. 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 47 


Der Atem wurde so lange als irgend möglich angehalten, 
dann maximal in den Sack ausgeatmet und der Hahn sofort 
wieder umgedreht. Die Dauer des Atemanhaltens wurde nicht 
bestimmt, weil dies durch die Art der Methodik — es mußte 
zweimal der Hahn umgelegt werden — nicht möglich war, die 
Bestimmung hätte auch wenig Zweck 
gehabt, weil der Sauerstoffverbrauch 
in den einzelnen Versuchen ein wech- 
selnder war, indem bereits die ver- 
schieden starken Inspirationen, abge- 
sehen von den sonstigen Handgriffen, 
die der Versuch erforderte, verschiedene 
Muskeltätigkeit erforderten. Es befand 
sich nun die exspirierte Luft luftdicht 
abgeschlossen im Kautschuksack, wo 
sie vorerst durchgemischt wurde. Das Fig. 1. 

die Verbindung zwischen Hahn und 

Sack herstellende Rohr hatte eine durch einen Hahn ver- 
schließbare Abzweigung (A), welche zu einer Durigschen Meß- 
flasche!) führte, um das Volumen der exspirierten Luft be- 
stimmen zu können. Durch Einschaltung eines 7T-Stückes (T) 
in die zur Flasche führende Leitung war es möglich, aus einer 
capillaren Abzweigung in Sammelröhren Proben der exspirierten 
Luft aufzufangen, welche im Zuntz-Geppertschen Analysen- 
apparat?) analysiert wurden. Bei den Analysen wurde zur Ab- 
sorption des Sauerstoffs Natriumhydrosuliit?) angewendet, welches 
in kurzer Zeit verläßliche Resultate lieferte und bei den Ver- 
suchen mit sauerstoffreichen Gasgemischen überhaupt nur zur 
Verwendung gelangen konnte, um brauchbare Resultate zu 
erhalten. 

Um die alveolaren Kohlensäure- und Sauerstoff-Tensionen bei 
den Versuchen mit atmosphärischer Luft und bei den anderen 
Versuchen beurteilen zu können, war es notwendig, zuerst die 
alveolare Tension unter normalen Verhältnissen bei ruhiger 
Atmung kennen zu lernen. Zu diesem Zwecke wurden Ruhe- 
Respirationsversuche ausgeführt. Tabelle I gibt hierüber Aufschluß. 





1) Arch; f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. Suppl 1903, S. 262. 
2) Magnus-Levy, Pflügers Archiv 55. 
3) A. Durig, diese Zeitschr., 4, Heft 1, 1907. 


48 A. Leimdörfer: 


Tabelle I. 





alv. °l CO, | alv. fa O: |alv.CO,Te | alv. O,Te 


3,98) 5,16 0,765 | 688,9 4,99 14,71 34,62 101,9 
3,68! 4,78 | 0,763 | 568,4 4,88 14,89 33,84 103,2 
3,54; 4,52 | 0,777 | 573,6 4,69 15,21 32,50 105,4 


Mitta 8,78| 4,82 | 0,768 | 605,8 | 4,85 | 14,95 | 83,65 | 103,5 
°/ CO, bezeichnet den Prozentgehalt der exspirierten Luft an 
Kohlensäure, O, Def. das Sauerstofidefizit, R.Q.denrespiratorischen 
Quotienten, V T37) das auf 37° berechnete, nicht reduzierte Atem- 
volumen pro Atemzug, alv. °/, CO, den alveolaren Prozentgehalt an 
Kohlensäure, alv. °/, O, den an Sauerstoff, alv. CO, Te die alveolare 
Kohlensäuretension, alv. O, Te die alveolare Sauerstofftension. 
Die folgende Tabelle II enthält die Versuche über Atem- 
anhalten nach verschieden tiefer Inspiration aus freier Luft. 
Die Versuche sind nach steigendem Atemvolumen angeführt. 
Tabelle II. 




















wie: 2095| 5,83 | 8,22 | 0,657 | 6,24 | 12,14 | 43,18 | 83,91 
2499| 5,46 | 7,82 | 0,694 | 5,78 | 13,17 | 39,84 | 90,66 
2534 5,38 | 7,56 | 0,705 | 569 | 13,40 | 39,59 | 93,17 
2592; 6,01 | 8,66 | 0,689 | 6,35 | 12,31 | 44,09 | 85,52 
2753) 5,68 | 7,88 | 0,717 | 5,99 | 13,12 | 41,69 | 91,36 
2785 5,36 | 7,80 | 0,684 | 565 | 13,25 | 39,23 | 91,98 

Mic, 2633| 5,58 | 7,94 | 0,608 | 5,89 | 13,05 | 40,898 | 90,54 
2843| 5,92 | 8,56 | 0,688 | 6,23 | 12,51 | 43,22 | 86,81 
2848, 5,71 | 8,74 | 0,650 | 6,01 | 12,40 | 42,02 | 86,69 
2921| 5,14 | 7,40 | 0,691 | 5,40 | 13,66 | 37,58 | 95,04 
2987| 5,58 | 7,62 | 0,728 | 5,85 | 13,38 | 40,17 | 91,77 
3000| 5,90 | 8,25 | 0,712 | 6,06 | 12,79 | 42,41 | 87,70 
3099, 5,64 | 7,66 | 0,732 | 5,91 | 13,35 | 41,03 | 92,70 
3218; 5,53 | 6,95 | 0,789 | 5,78 | 13,97 | 40,16 | 97,03 

Misie: 2988| 5,63 | 7,88 | 0,718 | 5,89 | 18,15 | 40,94 | 91,11 
3325 5,66 | 8,01 | 0,703 | 5,91 | 13,99 | 41,13 | 97,43 
3417 5,53 | 7,69 | 0,715 | 5,77 | 13,38 | 39,80 | 92,28 
3488| 5,14 | 6,79 | 0,763 | 5,35 | 14,21 | 37,20 | 98,73 
3514| 5,81 | 7,55 | 0,765 | 605 | 13,44 | 42,24 | 93,83 
3525| 5,91 | 7,71 | 0,763 | 6,15 | 13,29 | 42,72 | 92,21 
3885: 5,65 | 6,96 | 0,808 | 5,87 | 13,98 | 40,72 | 97,03 

wii. 3526. 5,62 | 7,45 | 0,751 | 5,85 | 13,71 | 40,63 | 95,25 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 49 


Wie aus dem Vergleich von Tabelle II mit Tabelle I her- 
vorgeht, war in allen Versuchen sowohl die Kohlensäuretension 
gestiegen als auch die Sauerstofftension gefallen. Stets war die 
Sauerstofftension stärker gefallen, als die Kohlensäuretension ge- 
stiegen war. Übersichtlich werden diese Verhältnisse in der 
folgenden Hilfstabelle, in welcher eine Zusammenstellung der 
Mittelwerte von Tabelle I und II enthalten ist. 


Mittelwerte von Tabelle I. (Ruheversuche.) 


V(Tu) | %/,C0, | O, Det. | R.Q Iaiv.°/.c0,| alv. °/, lais GO, Te | atv. O, Te 


0,768 | 4,85 | 14,95 | 33,65 





Mittelwerte von Tabelle II. 
(Versuche mit Anhalten des Atems.) 
Mite 2095| 5,83 | 882 | 0,657 | 6,24 | 12,14 | 43,18 | 83,91 
Mate 2633| 5,58 | 7,94 | 0,698 | 5,89 | 13,05 | 40,88 | 90,54 
Mitte 2988| 5,63 | 7,88 | 0,713 | 5,89 | 13,15 | 40,94 | 91,11 
Mitte, 8526| 5,62 | 7,45 | 0,751 | 5,85 | 13,71 | 40,63 | 95,25 


Hill und Flack?!) kamen bei ihren Versuchen, wie schon 
erwähnt, ebenfalls zu dem Resultat, daß nach Atemanhalten 
die Sauerstofftension bzw. der Sauerstoffprozentgehalt in der Lunge 
stärker sinkt, als die Kohlensäurewerte ansteigen, und sie 
schließen daraus, daß der Zeitpunkt, zu dem man gezwungen 
ist, den Atemstillstand zu unterbrechen, mehr von der Sauer- 
stofftension als von der Kohlensäuretension in der Lunge ab- 
hängig ist. Man wäre vielleicht geneigt, das Gegenteil anzu- 
nehmen. Durch Versuche von N. Zuntz und A. Loewy?), 
Haldane und Priestley?) und anderen wissen wir, daß das 
Respirationszentrum selbst auf sehr geringe Kohlensäuremengen 
in der Einatmungsluft in heftiger Weise reagiert, während erst 
recht beträchtliche Sauerstoffverminderung eine Erregung im 
Atemzentrum erzeugt. Dieses ist für den Kohlensäurereiz 
weit empfindlicher als für den Reiz des Sauerstoffmangels. In- 
folgedessen würde ein geringes Ansteigen der Kohlensäure- 


1) L. co. S. 46. 
2) Lo S. 45. \ 
3) L O. 8. 45. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 4 


50 A. Leimdörfer: 


tension gleichwertig, wenn nicht einflußreicher als ein starkes 
Fallen der Sauerstofftension sein. 

Außerdem weisen die Kohlensäuretensionen bei den Ver- 
suchen von Tabelle II trotz verschiedener Atemvolumina viel 
kleinere Schwankungen als die Sauerstofftensionen auf, was 
darauf hindeutet, daß das Atemzentrum auf kleinere absolute 
Änderungen in der Kohlensäuretension antwortet als in der 
Sauerstofftension, daß es also für erstere empfindlicher ist als 
für letztere. Relativ betrachtet ist das Steigen der Kohlen- 
säuretension allerdings viel bedeutender als das Fallen der 
Sauerstofftension, denn die CO,-Tension stieg um rund 23°/,, 
während die O,-Tension um weniger als 15°/, absank. 

Aus der verschiedenen Änderung der Kohlensäure- und 
Sauerstofftension gegenüber den Versuchen bei normaler Atmung, 
ebenso aus den niedrigen respiratorischen Quotienten ist der 
Schluß noch zulässig, daß die Sauerstoffaufnahme rascher vor 
sich gegangen ist als die Kohlensäureausscheidung, worunter 
nicht die Produktion gemeint ist. 

"Vergleicht man die Versuche von Tabelle II untereinander, 
so findet man, daß die respiratorischen Quotienten mit dem 
Steigen der Atemvolumina wachsen. Dieses Steigen der respi- 
ratorischen Quotienten ist, da die Sauerstoffaufnahme bei größer 
werdendem Atemvolum nicht geringer, sondern größer wird, 
durch stärkere Kohlensäureausscheidung bedingt. 

Dieses Verhalten kann seine Erklärung in folgender Weise 
finden: Bei einem großen Atemvolumen herrscht in der Lunge 
anfangs eine niedrigere Kohlensäurespannung und höhere Sauer- 
stoffspannung, wodurch das Ansteigen der Kohlensäuretension 
bis zu jenem Schwellenwert, bei welchem eine Exspiration ein- 
treten muß, längere Zeit erfordert als bei einem kleinen Atem- 
volumen. Sauerstoffverbrauch und Kohlensäureproduktion werden 
während dieser längeren Zeit im selben Verhältnis gewesen 
sein wie in anderen Versuchen; dagegen wird aber eine größere 
Menge von Kohlensäure aus den Geweben in die Lunge ab- 
strömen können, da wegen des verschieden großen Absorptions- 
koeffizienten von Kohlensäure und Sauerstoff (ersterer 0,57, 
letzterer 0,024 für Wasser) an eine Ausschwemmung von Kohlen- 
säure gedacht werden muß, der keine analoge Retention von 
Sauerstoff gegenübersteht. 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 5l 


Bohr!) veröffentlichte von Halberstadt an Kaninchen 
ausgeführte Versuche, in denen die rechte und linke Lunge 
durch Einführung einer Kanüle in jeden Bronchus separat 
ventiliert und der Gaswechsel jeder Lunge für sich untersucht 
wurde. Es zeigte sich, daß in der stärker ventilierten Lunge 
der Gaswechsel steigt, die Kohlensäureausscheidung aber stärker 
als die Sauerstoffaufnahme. Auch hier steigen demnach die 
respiratorischen Quotienten. Nach Bohr sind ‚diese Änderungen 
des Gaswechsels zunächst einer inzitierenden Wirkung der Ver- 
mehrung der Atemgröße auf die Zellenarbeit zuzuschreiben; 
einigen Einfluß üben vielleicht auch die geänderten Bedingungen 
der Diffusion besonders hinsichtlich der Kohlensäure.“ Demnach 
ist jedenfalls auch an eine Verschiebung des respiratorischen 
Quotienten durch den Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäure- 
produktion des Lungengewebes selbst zu denken. Auch die 
Vergrößerung der Atemtiefe an und für sich ist als wirk- 
samer Faktor in Betracht zu ziehen, da „bei ruhiger, nor- 
maler Atmung nicht alle Teile der Lunge entfaltet werden, 
manche direkt luftarm bleiben, und doch wird das Blut die 
Capillaren, die die Septa dieser Partien durchsetzen, in reichem 
Maße durchfließen“. ‚Bei Vertiefung der Atemzüge werden 
auch früher nicht ventilierte Lungenabschnitte der Arterialisation 
zugänglich gemacht“ (Durig?). 

Wie viel dies für ein Verschwinden von Sauerstoff bedeutet, 
illustriert schön ein Versuch von Geppert und Zuntz?) an 
einem Hunde, der durch Aufspritzen von heißem Wasser auf 
den Rücken zu tiefen Atemzügen angeregt wurde und bei dem 
der Prozentgehalt an Sauerstoff im Blute um 2°/, stieg. 


Versuche mit verschiedenen Gasgemischen. 


Das Gasgemenge wurde in einer 50 l fassenden Flasche (F) 
hergestellt, die mit Wasser gefüllt und in welche aus einer 
Kohlensäure, Stickstoff oder Sauerstoff enthaltenden Bombe 
durch Hinaustreiben von Wasser Gas und atmosphärische 
Luft in verschiedenen Quantitäten je nach Bedarf eingelassen 


1) Nagels Handb. d. Physiol. d. Mensch. 1905, S. 174. 
Le S. 47, Note 1. 
3) L c. S. 45. 

A5 


52 A. Leimdörfer; 


wurde. Durch kräftiges Schütteln der Flasche sollte ein mög- 
lichst homogenes Gasgemenge hergestellt und die Flüssigkeit 
mit dem Gas gesättigt werden. Die Gasflasche war mit einem 
Kautschuksack (K,) in Verbindung gesetzt, in welchen Portionen 
des Gasgemenges aus der Gasflasche übergetrieben wurden, um 
dort als Inspirationsgas aufgefangen zu werden. Von der 
Leitung (A) zu diesem Sack zweigte ein capillares Rohr (T) 





Fig. 2. 


ab, um dem Kautschuksack Gasmengen zwecks Analysierung 
des zu inspirierenden Gases entnehmen zu können. Außerdem 
bewerkstelligte eine zweite, weite Abzweigung (B) die Verbindung 
mit dem Zweiweghahn, welcher auch in den Versuchen mit 
atmosphärischer Luft in Verwendung stand, und durch den 
das Gasgemenge leicht inspiriert werden konnte. Von diesem 
Hahn setzte sich eine Leitung zu einem zweiten Kautschuk- 
sack (K,) fort, um das exspirierte Gas auffangen und dann messen 
zu können. Dieser Teil der Vorrichtung war derselbe wie bei 
den Versuchen mit atmosphärischer Luft. 


Versuche mit Kohlensäuregemischen. 


In allen Versuchen erscheint die alveolare Sauerstofftension 
nur in geringem Grade gegenüber den Versuchen bei atmo- 
sphärischer Luft verändert, als Ausdruck dessen, daß die Kohlen- 
säurevermehrung in der Einatmungsluft ausschlaggebend für 
die Zeit des Atemstillstandes war. Dies bewirkt schon eine 
geringe Zunahme des CO,-Gehaltes im Inspirationsgemisch. Im 
Einklang damit stehen die bereits angeführten Versuchsergebnisse 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 53 


Tabelle III. 


Die Versuche sind nach steigendem Kohlensäuregehalt im Inspirationsgas 
unter Berücksichtigung der Größe des eingeatmeten Volums angeführt. 








Inspirationsgas 





alv. alv. alv 


Hate) 9/0 O3 









99,59 
14,01 | 34,60 | 96,95 








ted ” n 
4,06 | 30,86 |20,11 | 152,84 13,73 | 35,75 | 95,30 
n i R 14,09 | 35,19 | 93,50 
i ý , 13,90 | 33,66 | 96,43 
6,32 | 48,03 | 19,64 | 149,26 13,46 | 38,77 | 93,55 
i i 2 R 14,29 | 40,56 | 99,09 
744 | 56,54 |19,44 | 147,74 14,26 | 41,52 | 98,90 
; i S 14,05 | 43,76 | 97,38 
r S 13,82 | 44,89 | 92,55 
, i - 14,02 | 44,64 | 97,17 
8 £ g 13,82 | 43,87 | 95,44 


144,78 14,10 | 44,40 | 97,88 


13,84 | 47,09 | 95,99 


n n n n. 

30,54 | 232,10 | 14,57 | 110,73 13,88 | 67,79 | 95,07 
* | n n ” 14,28 74,69 99,09 
n n n n 13,99 | 75,75 | 97,01 
» n n n 14,15 | 68,99 | 97,20 


von Zuntz und Loewy!) und anderen. In geringen Mengen 
wirkt die Kohlensäure erregend aufs Atemzentrum, in großen 
Mengen narkotisierend. Bei einer gewissen Höhe des Partial- 
drucks wird Kohlensäure unzweifelhaft ausgiebig retiniert oder 
bei noch größerem Kohlensäuregehalt aufgenommen. In den 
vorliegenden Versuchen war am Schlusse der Exspiration vor 
Beginn der Inspiration noch Gas von 4,85°/, CO,-Gehalt in 
der Lunge (siehe Tab. I); da wir die Residualluft mit rund 
1000 ccm annehmen können, so mußte durch Zumischung eines 
Volums von 2011 bzw. 2376 com Gas von 6,32°/, CO,-Gehalt 
mit der Inspiration (siehe den 6. und 7. Versuch in Tab. III) 
bereits am Beginne des Atemanhaltens ein Gasgemenge von 
5,8 bzw. 5,9°/, CO,-Gehalt in der Lunge vorhanden gewesen 
sein, dies entspricht also gerade dem Prozentgehalt bei Aus- 
führung der Exspiration am Schlusse des Atemanhaltens, so 
daß die ganze Menge der während des Atemstillstandes pro- 


1) L c. S. 45. 


54 A. Leimdörfer: 


duzierten Kohlensäure retiniert worden ist. In den folgenden 
Versuchen mit 7,44°/, CO, im Inspirationsgemisch ist der CO,- 
Gehalt der Alveolarluft zu Beginn des Versuches bereits mit 
6,6 bzw. 6,8°/, anzusetzen, repräsentiert also einen höheren 
Wert als denjenigen, welchen das Gas am Schlusse des Atem- 
anhaltens aufwies, weshalb also nicht nur eine Menge, die der 
während des Versuches gebildeten Kohlensäure entspricht, re- 
tiniert worden, sondern auch noch aus dem Inspirationsgemisch 
CO, zur Resorption gelangt sein muß. | 

Bohr!) veröffentlicht auch bezüglich der Kohlensäure- 
atmung Versuche von Halberstadt an Kaninchen, wobei die 
eine Lunge atmosphärische Luft, die andere ein kohlensäure- 
haltiges Gasgemenge atmete; in der kohlensäureatmenden Lunge 
war die Kohlensäureausscheidung herabgesetzt; erreichte der 
Partialdruck der Kohlensäure eine gewisse Größe, wurde Kohlen- 
säure aufgenommen; die Grenze, an welcher Kohlensäure weder 
ausgeschieden noch aufgenommen wurde, liegt beim Kaninchen 
beim Gehalt der Einatmungsluft . von ungefähr 15,5°/, CO, 
(117,8 mm Partialdruck), wenn eine Lunge atmosphärische Luft, 
die andere ein kohlensäurehaltiges Gasgemenge von demselben 
Sauerstoffgehalt einatmet. In meinen Versuchen lag demnach 
diese Grenze bei einem viel niedrigeren Druck. 

Bei ungefähr 30°/, CO, machte sich schon die narkotische 
Wirkung der Kohlensäure geltend und forderte sofortige Ex- 
spiration. 

Hill und Flack?) finden bei ihren Tierversuchen, daß 
über 30°/, kohlensäurehaltige Gasgemische einen narkotischen 
Effekt haben. Nach A. Loewy?) liegt die narkotische Wirkung 
erst bei 40°/,, bei noch höheren Prozenten ist die Kohlensäure 
irrespirabel wegen Glottisverschlusses, und es tritt Erstickung ein. 

In den ersten Versuchen von Tabelle III, in welchen das 
Inspirationsgas einen Kohlensäuregehalt von 2,41°/, und 4,06°/, 
hatte, ist die alveolare Kohlensäuretension viel niedriger als bei 
den Versuchen mit Atmung aus freier Luft, die in Tabelle II 
angeführt sind, wo die alveolare Kohlensäuretension um 40 mm 
schwankt. Man sollte erwarten, daß auch in den Versuchen 


1) 1. o. S. 5l. 
2) Lo S. 46. 
3) Handb. d. Biochemie v. Oppenheimer 4. 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 65 


von Tabelle III die. Kohlensäuretension diese Höhe erreichen 
kann, zumal da kohlensäurereiche Gemische inspiriert wurden. 
Wäre dies der Fall, könnte man annehmen, daß nur die Kohlen- 
säuretension den Zeitpunkt der Unterbrechung des Atemstill- 
standes bestimmt. Dies trifft aber nicht ein. Es besteht daher 
die Notwendigkeit, noch eine andere Ursache für dieses Ver- 
halten verantwortlich zu machen. Es wurde wahrscheinlich 
auch in diesen Fällen schon Kohlensäure retiniert, besonders 
da wir durch die schon erwähnten Versuche von Halberstadt 
wissen, daß in der kohlensäureatmenden Lunge die Kohlensäure- 
ausscheidung herabgesetzt ist — dies war schon bei niedrigem 
Partialdruck in der Einatmungsluft z. B. 1,5°/, CO, der Fall. 
Es mußte daher schon von Beginn des Atemanhaltens an im 
Blute eine höhere CO,-Spannung herrschen. Die retinierte 
Kohlensäure wirkte gleich als stärkerer Reiz aufs Atemzentrum 
und es wurde, so wie beim Reflex-Schwefelsäure-Frosch durch 
Summation von stärkeren Reizen die Reflexe rascher ausgelöst 
werden, durch Summation der stärkeren Kohlensäurereize die 
Zeit des Atemstillstandes verkürzt; hierbei konnte die alveo- 
lare Kohlensäuretension nicht jene Höhe erreichen wie bei den Luft- 
versuchen. Bei den höheren Kohlensäureprozenten im Inspira- 
tionsgas steigt natürlich die Kohlensäuretension in der Lunge 
stark an. 

Man kann sich die eben besprochenen Verhältnisse auch 
noch auf eine andere Art erklären. Es ist insbesondere durch 
die Untersuchungen von Bohr!) bekannt, daß mit dem Steigen 
der Kohlensäuretension im Blute die Sättigungsfähigkeit des 
Hämoglobins mit Sauerstoff abnimmt, anderseits die Dissoziation 
des Oxyhämoglobins zunimmt. Ist in der Atemluft die Kohlen- 
säuremenge vermehrt, wird auch im Blute die Kohlensäuremenge 
indirekt zunächst durch Verminderung der Kohlensäureaus- 
scheidung größer werden. So ist die Möglichkeit gegeben, 
daß die Wirkung der Kohlensäure auf die Sauerstoffbindung 
des Hämoglobins in Kraft trat. Die Folge davon war, daß 
früher Sauerstoffmangel im Blute zustande kommen konnte als 
unter gewöhnlichen Bedingungen, welcher die Zeit des Atem- 
stillstandes verkürzte. 


1)1.o. 8. 51. 


56 A. Leimdörfer: 


Es würde dann die Summe von CO,-Reiz und dem Reiz 
durch Mangel an Sauerstoff (Oxydationszwischenstufen) die Ur- 
sache für die Auslösung des unabweislichen Bedürfnisses zu 
atmen gewesen sein. Diese Annahme ist aber bei den vorliegenden 
Versuchen darum nicht wahrscheinlich, weil die Höhe der alveo- 
laren Kohlensäuretension von jener der alveolaren Sauerstoff- 
tension, die in den Versuchen von Tabelle III bestand, nicht 
merklich beeinflußt wurde. 

Es wäre nun zu entscheiden, wieso die CO,-Tensionen, die 
wesentlich über der Höhe der normalen CO,-Tension liegen, 
zustande kommen konnten, wenn sich bereits bei nicht absonder- 
lich hohem Kohlensäuregehalt in der Inspirationsluft der Zwang 
zum Atmen einstellt. Hierbei handelt es sich unzweifelhaft 
darum, daß der Reflex einige Zeit willkürlich gehemmt werden 
kann, und daß während dieser Zeit bei hohem Kohlensäure- 
gehalt der Inspirationsluft Kohlensäure in den Körper auf- 
genommen wird, die sich auf das Blut und die Gewebsflüssig- 
keit (durch Absorption) verteilt. Je höher die CO,-Tension im 
Inspirationsgemisch ist, um so größer muß die restierende 
Spannung in den Alveolen zur Zeit der Auslösung des er- 
zwungenen Atemzuges sein. Es ist begreiflich, daß bei 
größerer Atemtiefe auch die CO,-Tension in der Alveole höher 
bleiben muß als dann, wenn nur wenig von dem stark CO,- 
haltigen Gemisch inspiriert wurde, was man in den Versuchen 
mit 6,32, 7,44 und 9,35°/, CO, in Tabelle III sieht, bei denen 
ein Zusammenhang zwischen Atemvolum und CO,-Tension un- 
verkennbar ist. Bei 30,54°/, CO, im Inspirationsgemisch ist 
wegen der Höhe des Reizes, der sofort den neuen Atemzug 
erzwingt, dieses Verhältnis natürlich verwischt, ebenso wie dies 
bei der Einatmung nur wenig CO,-haltender Gemische nicht 
zu erwarten ist. 


Versuche mit Stickstoffgemischen. 


In diesen Versuchen hält sich der Mittelwert der Kohlen- 
säuretension in der Lunge niedriger als bei den Versuchen 
mit atmosphärischer Luft (Tab. II). Die Verminderung des 
Sauerstoffprozentgehaltes der Atemluft verringert die Zeit des 
Atemstillstandes, wirkt direkt oder indirekt als Atemreiz, indem 
Sauerstoffmangel eintritt. Dieser kommt dadurch zustande, 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 57 


daß das Hämoglobin wegen des niedrigen Sauerstoffdruckes in 
der Einatmungsluft nicht genügend mit Sauerstoff gesättigt 
wird; während der kürzeren Zeit wird auch weniger CO, ge- 
bildet, und es bleibt daher die CO,-Tension niedriger, immerhin 
wird sie aber während des Atemanhaltens doch noch so hoch, 
daß die Sättigungsfähigkeit des Hämoglobins mit Sauerstoff 
noch eine weitere Einbuße erleidet, indem die Dissoziation des 
Oxyhämoglobins ansteigt. Eine Analogie zu diesem Verhalten 
liefert die Beobachtung Mossos!); derselbe findet die Zeit des 
Atemanhaltens kürzer in der verdünnten, also sauerstoff- 
ärmeren Luft. 
Tabelle IV. 


Die Reihenfolge der Versuche richtet sich nach dem steigenden Stick- 
stoffgehalt der Einatmungsluft. | 









alv. alv. alv. 


alv. 
Ten, o COs | ai Oe | C0,Te | 0,Te 









13,30 33,79 92,60 
13,15 35,88 91,80 
12,52 34,32 87,17 
12,52 36,78 87,16 


á 8 13,55 29,95 94,60 
SN 13,07 35,20 90,79 
10,27 | 13,07 36,44 91,17 
g S 4,37 12,66 30,51 88,37 

Zu ww 4,99 11,95 34,79 83,32 

u 4,88 12,08 33,65 84,17 
on 5,27 11,47 36,32 79,08 

S | 4 5,53 12,31 38,30 85,16 

S 5,15 11,59 35,69 80,33 

fb Es 5,01 1121 | 34,79 | 77,77 

a E 6,11 11,89 35,21 82,00 
Bombenstickstoff 4,74 5,46 32,83 37,79 
r 4,97 6,66 34,52 46,21 


Mit dem Fallen der Sauerstoffspannung in der Atemluft 
geht natürlich Hand in Hand ein Sinken der alveolaren Sauerstoff- 
tension, wobei diese in den Versuchen mit stark herabgesetztem 
Sauerstoffgehalt im Inspirationsgas höher ist ale der Teildruck in 
diesem, wofür die Erklärung in der Residualluft zu suchen ist. 

In allen Versuchen, selbst wenn reiner Stickstoff geatmet 
wurde, änderte sich die Kohlensäuretension nicht bedeutend. 


1) Centralbl. f. Physiol. 1904, S. 569. 


58 A. Leimdörfer. 


Dies spricht dafür, daß der Sauerstoffmangel zwar als Atem- 
reiz wirkt, aber nur in schwachem Ausmaße, zur Unterstützung 
des Kohlensäurereizes, der nicht seine normale Höhe zu er- 
reichen braucht. Der hauptsächlichste Atemreiz ist aber die 
Kohlensäure. 

Übereinstimmend damit sind die Versuchsergebnisse von 
Haldane und Poulton?), welche konstatieren, daß der vor- 
nehmste Atemreiz die Kohlensäure ist, während Sauerstoffmangel 
nur den Reizwert der Kohlensäure alteriert. Während besonders 
nach den Darlegungen von Boycott und Haldane?) der 
Sauerstoffmangel nicht direkt wirkt, sondern nur die sich bei 
Sauerstoffmangel bildenden Zwischenprodukte des Stoffwechsels, 
wäre anzunehmen, daß bei den vorliegenden Versuchen der 
Sauerstoffmangel selbst direkt wirkt, indem wohl nicht genügend 
Zeit zur Bildung solcher Stoffe vorhanden war. Eine Stütze 
findet diese Annahme in Versuchen Scotts’) mit sauerstoff- 
armen Gasgemengen, welcher dabei Dyspnoe nach sehr kurzer 
Zeit, ungefähr !/, Minute, auftreten sah und deshalb schwer 
an die Anhäufung von intermediären Stoffwechselprodukten in 
der kurzen Zeit glauben kann. 

Die Bedeutung des Sauerstoffmangels erhellt gut aus Ver- 
suchen von Haldane und Poulton; es wurde sauerstoffarme 
Luft geatmet, und bei einem alveolaren Kohlensäureprozent, 
bei welchem sonst Apnoe entstehe würde, trat Dyspnoe ein. 

Im Hochgebirge, also in der verdünnten, sauerstoffarmen 
Luft, trat nach Durig*) die Wirkung des Sauerstoffmangels 
dadurch zutage, daß die alveolare Kohlensäuretension, welche 
in der Ebene in feiner Weise die Atmung reguliert, um so mehr 
absank, je größer die Meereshöhe war, in der er die Marsch- 
versuche ausführte; es konnte deshalb die Kohlensäure bei der 
Arbeit im Hochgebirge allein nicht jener Faktor gewesen sein, 
welcher die Vertiefung der Atemzüge auslöste, sondern in den 
Folgen der fortschreitenden Verminderung des Sauerstoffdruckes 
wären weitere Komponenten zu suchen, deren Wirkung hier in 
Betracht gekommen ist. Während also in der Ebene der CO,- 


1) 1. o. S. 45. 
2) lL o. S. 45. 
3) I. c. S. 46. 
4) Pflügers Archiv 113. 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 59 


Reiz das fast ausschließlich Ausschlaggebende war, trat im Hoch- 
gebirge bei großem 0,-Verbrauch die Wirkung des 0,- 
Mangels infolge des Entstehens reichlicherer Zwischenprodukte 
deutlich hervor. Im selben Sinne sprechen die Ergebnisse von 
Haldane und Poulton für den vorherrschenden Einfluß der 
Kohlensäure. Apnoe, erzeugt durch künstliche, abnorm starke 
Atmung, verschwindet nicht, bis die alveolare Kohlensäuretension 
den Schwellenwert erreicht hat; erst wenn der Sauerstoffdruck 
in der Lunge so niedrig ist, daß die durch den Sauerstoffmangel 
erzeugten Stoffwechselprodukte die Kohlensäurewirkung ver- 
stärken, verschwindet die Apnoe, bevor die alveolare CO,-Tension 
den Schwellenwert erreicht hat. 

Auch Versuche von Mosso?!) besagen dasselbe. Es zeigte 
sich, daß sowohl nach tiefer Sauerstoffatmung als auch nach 
ausgiebiger Ventilation mit atmosphärischer Luft oder mit reinem 
Wasserstoff Apnoe eintrat. Bei Einatmung von CO,-haltigen 
Gemischen war dies nicht der Fall. Die Versuche Aggazzottis 
haben ferner erwiesen, daß Menschen und Affen unter ver- 
mindertem Luftdruck, auch wenn reichlich Sauerstoff zugeführt 
wird, viel eher geschädigt werden, wenn das zugeführte Gas 
nicht hinreichende Mengen CO, enthält, um eine entsprechend 
kräftige Ventilation auszulösen. 

Interessant und bedeutungsvoll hinsichtlich der Frage der 
Wirkung des Sauerstoffmangels sind Versuchsergebnisse von 
Yandell Henderson.?) Dieser forschte nach der Ursache 
des Choks, welcher oft während Operationen bei offener 
Pleurahöhle, wobei nach dem Überdruck- bzw. Unterdruck- 
verfahren nach Sauerbruch-Brauer geatmet wird, entsteht; 
er machte die Beobachtung, daß dieser Chok durch Akapnie, 
also durch eine Verminderung des Kohlensäuregehaltes im Blute 
und in den Geweben hervorgerufen werde. Henderson konnte 
künstlich durch starke Ventilation der Lunge, unter denselben 
Umständen wie bei den angeführten Operationen, Akapnie und 
als Folge Chok erzeugen; es stellte sich zuerst Tachykardie, 
dann Sinken des Blutdrucks und Herzstillstand ein, das Tier 
ging zugrunde, ohne die geringste Atemanstrengung gemacht 
zu haben, wobei doch unzweifelhaft Sauerstoffmangel bestand. 


1) Centralbl. f. Physiol. 1903, S. 793. 
2) American Journ, of Physiol. 21, 1908. 


60 A. Leimdörtfer: 


Henderson schließt daraus, daß der Sauerstoffmangel kein 
Atemreiz ist, er lähmt mehr. Anschließend daran wäre eine 
Beobachtung von Friedländer und Herter?) erwähnenswert, 
welche fanden, daß bei länger andauerndem Sauerstoffmangel 
die Erregbarkeit der Centra allmählich sinkt, so daß die im 
Blute vorhandenen reizenden Stoffe wenig Effekt haben. Wird 
dann wieder sauerstoffreiche Luft zugeführt, so reagiert nun das 
Atemzentrum heftig auf dieim Blutezirkulierenden reizenden Stoffe. 

Außerdem waren schon früher Versuche von Zuntz und 
anderen ausgeführt, in denen das Atemzentrum schon durch 
geringe Vermehrung der Kohlensäure in der Einatmungsluft stark 
erregt wird, während große Schwankungen im Sauerstoffgehalt der 
Atemluft, so von 12 bis 60°/,, ohne großen Einfluß blieben. 

Die Atemtiefe zeigt sich in den Versuchen von Ta- 
belle IV von nicht besonderer Bedeutung; in den Versuchen 
mit 10,27°/, O, im Inspirationsgas und kleinerem Atemvolumen 
ist die alveolare Sauerstofftension höher als in den entsprechenden 
Versuchen mit großer Atemtiefe, was wohl darauf zurückzuführen 
ist, daß bei geringer Atemtiefe früher Sauerstoffmangel eintrat 
und früher exspiriert werden mußte. 


Versuche mit Sauerstoffgemischen. 
Tabelle V. 





Inspirationsgas 


CM 











V rar, \alv.°/,CO,|alv. %/, O, als. CO,Te! alv. OTe 














59,46 491,90 40,60 140,1 
59,46 491,90 6, 20,91 43,66 145,9 
59,46 491,90 5,66 18,77 39,50 130,9 
59,46 491,90 6,91 27,89 48,06 193,9 
59,46 491,90 7,64 29,82 63,29 207,8 
69,46 491,90 6,94 29,06 48,24 202,1 
69,46 491,90 6,79 29,11 47,51 203,6 
59,46 491,90 7,49 29,47 52,07 204,8 
59,46 491,90 6,89 28,53 48,17 199,4 
Bombensauerstoff 7,42 31,01 62,06 217,5 





1) l. c. S. 46. 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 61 


Die alveolare Kohlensäuretension ist in den Versuchen von 
Tabelle V bedeutend gestiegen gegenüber den Versuchen bei 
Einatmung von atmosphärischer Luft, die Sauerstoffspannung 
natürlich auch. Bei den Beobachtungen, in denen die Atem- 
tiefe eine geringe war und bei 59,46°/, O, in der Einatmungs- 
luft, ist die Kohlensäure- und Sauerstofftension in der Lunge 
niedriger als in den anderen Versuchen, weil hier das kleine 
Atemvolumen zur Geltung kommt; die Sauerstofftension ist 
trotzdem beträchtlich höher als bei den Versuchen in freier 
Luft. In den Versuchen mit geringer Atemtiefe bei reiner 
Sauerstoffatmung zeigt erstere nur auf die alveolare Sauerstoff- 
tension im Sinne einer Herabsetzung derselben einen Einfluß. 
Es findet im allgemeinen eine erheblich größere Sauerstoffauf- 
nahme statt als unter gewöhnlichen Umständen, wie es sich 
aus der Betrachtung der alveolaren Sauerstoffspannung und des 
Sauerstoffdruckes in der Atemluft ergibt. Dieser Mehraufnahme 
entspricht aber kein Mehrverbrauch, da besonders durch die 
Untersuchungen von Durig!) nachgewiesen wurde, daß bei er- 
höhtem Partialdruck des Sauerstoffs ein Mehrverbrauch nicht 
zustande kommt, daß der Sauerstoffverbrauch innerhalb weiter 
Grenzen von der Sauerstoffzufuhr unabhängig ist, wie es zuerst 
von Pflüger?) ausgesprochen wurde. Die erhöhte alveolare 
Kohlensäuretension kann also nicht die Folge eines vermehrten 
Sauerstoffverbrauchs sein, sondern es konnte die Kohlensäure- 
tension in der Lunge zu einer größeren Höhe ansteigen, mußte 
es vielmehr, weil eine höhere Sauerstofispannung in der Lunge 
bestand. Es ist der Schwellenwert der Reizwirkung der Kohlen- 
säure in die Höhe gerückt; doch zeigen die Werte der Kohlen- 
säuretensionen trotz sehr verschiedenem Sauerstoffgehalt im 
Inspirationsgas keine großen Schwankungen, was darauf hin- 
weist, daß der Höhe der Sauerstoffspannung in der Lunge, 
wenn sie einmal eine gewisse Größe überschritten hat, keine 
erhebliche Bedeutung beizulegen ist, und daß der Kohlensäure- 
reiz vorherrschend und ausschlaggebend ist. Aus der erhöhten 
Kohlensäuretension kann man auf die längere Dauer des Atem- 
stillstandes schließen. Auch Hill und Flack?) finden bei ihren 


1) L. c. 8. 47. 
2) Pflügers Archiv 10. 
3) L o. S. 46. 


62 A. Leimdörfer: 


Versuchen, daß nach Einatmung von reinem Sauerstoff die Zeit 
des Atemanhaltens stark erhöht ist; nach vorhergehenden drei 
Atemzügen aus reinem Sauerstoff ist sie fast dreimal so lang 
als unter gewöhnlichen Bedingungen; dabei ist die Kohlensäure- 
menge in der Lunge stark vermehrt. ° 


Ebenso ist in Versuchen von Haldane und Poulton?) 
die Apnoe nach vorheriger Sauerstoffatmung von längerer Dauer 
und die Kohlensäuretension erhöht. 


Es fragt sich nun, worauf diese Erscheinung beruhen kann. 
Es wäre natürlich am naheliegendsten, an den Wegfall des 
Reizes des Sauerstoffmangels zu denken. Dazu ist man jedoch 
nicht berechtigt. Denn nach der Bohrschen Dissoziations- 
kurve?) ist noch bei einer Spannung von 100 mm Hg und be- 
trächtlicher Kohlensäuretension die Sättigung des Hämoglobins 
mit Sauerstoff fast eine vollständige. Es kann also ein An- 
steigen der Sauerstoffspannung in der Lunge von 100 auf 193 mm, 
und noch weniger ein solches von 193 auf 357 mm das An- 
wachsen der alveolaren Kohlensäurespannung darum veranlaßt 
haben, weildieSättigungdes Hämoglobins mit Sauerstoff eine höhere 
geworden und der Reiz des Sauerstoffmangels weggefallen wäre. 
Es ist möglich, daß darum, weil das Blutplasma und dadurch 
auch die Gewebsflüssigkeit entsprechend dem Absorptionskoeffi- 
zienten reichlicher Sauerstoff erhielt und die Gewebe, vor allem 
das Atemzentrum im Zustande besserer Sauerstoffversorgung 
bzw. höheren Sauerstofigehaltes sich befanden, diese für den 
Kohlensäurereiz weniger empfindlich waren. So ließe es sich er- 
klären, daß die Auslösung eines Atemzuges zu einem späteren 
Zeitpunkt erfolgt, als wenn das Hämoglobin zwar mit Sauer- 
stoff gesättigt, der Sauerstoffgehalt des Plasmas und der Gewebe 
aber kein übernormaler ist. 


Auch aus diesen Versuchen folgt demnach, daß der Sauer- 
stoff resp. der Sauerstoffmangel eine gewisse, wenn auch der 
Kohlensäure untergeordnete Bedeutung für den Atmungsvorgang 
haben; Sauerstoffmangel und Kohlensäurereiz zusammen wirken 
erregend aufs Atemzentrum, doch nicht in gleichem Maße 
und gleicher Weise. 


1) 1. o. S. 45. 
2) l o. S. 51. 


Über die Gasspannung in der Lunge usw. 63 


Der Kohlensäurereiz kann auch allein wirken, doch findet er 
unter Umständen im Reiz des Sauerstoffmangels (dessen Folgen) eine 
Unterstützung, so daß er nicht die Höhe erreichen muß, damit ein 
Atemzug erzwungen wird, wie wenn er allein wirkt. Der Sauerstoff- 
mangel macht anscheinend die Zellen des Respirationszentrums für 
den Kohlensäurereiz empfindlicher. Doch ist dies nicht eine ihm 
speziell zukommende Eigenschaft, sondern auch unter anderen 
Bedingungen trifft dies ein; so beobachteten Beddard, Pem- 
brey und Spriggo‘), daB im Coma diabeticum das Atem- 
zentrum durch die gesteigerte Acidität des Blutes — bei Sauer- 
stoffmangel besteht auch, wie schon erwähnt wurde, eine Ab- 
nahme der Alkaleszenz des Blutes — für den Kohlensäurereiz 
empfindlicher ist. 

Der Sauerstoffmangel kann allein nicht wirken, wie es sich 
herausstellt, wenn dafür gesorgt wird, daß der Kohlensäurereiz 
entfällt; er bestimmt nur die Höhe, in welcher die Kohlensäure 
regulierend und ausschlaggebend wirken soll. 


1) Journ. of Physiol. 37; 


Über die Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 
Von 


S. von Poggenpohl, St. Petersburg. 


(Aus der bakteriologisohen Abteilung des Pathologischen Instituts 
der Universität Berlin. 


(Eingegangen am 24. August 1909.) 


Wenn auch ein Teil der fundamentalen Gesetze, welche 
die Entstehung, die Wirkung und das gesamte Verhalten der 
komplexen Cytotoxine beherrschen, durch das Studium der prak- 
tisch wichtigsten Repräsentanten dieser Klasse, der Bakteriolysine, 
erkannt worden ist, wenn weiterhin die Erkenntnis der großen 
Mannigfaltigkeit dieses Gebietes uns weite Ausblicke eröffnet 
hat, so haben wir doch erst der wissenschaftlichen Bearbeitung 
der spezifischen Hämolysine die gründlichste Vertiefung 
unserer Kenntnisse zu verdanken. Es unterliegt nach zahl- 
reichen Erfahrungen keinem Zweifel, daß es gestattet ist, vom 
Verhalten der Hämolysine Schlüsse zu ziehen auf das Verhalten 
der übrigen Cytotoxine. Für sehr viele Fragen können nur auf 
diese Weise befriedigende Antworten gefunden werden, ermög- 
licht durch die Einfachheit der Methodik bei den Hämolysin- 
untersuchungen, die weitgehende Variabilität der Versuchs- 
bedingungen und die Eindeutigkeit und Klarheit der im Reagens- 
glasversuch erhaltenen Resultate. So sehr infolgedessen gerade 
das Studium der spezifischen Hämolysine die Arbeit vieler 
Forscher in Anspruch genommen hat, so sind wir doch noch 
weit davon entfernt, die Gesetze ausreichend zu kennen, welche 
dieses Teilgebiet und damit auch größere Gebiete der Immuni- 
tätslehre beherrschen. Die theoretische und praktische Be- 
deutung desselben ist sicherlich groß genug, um ein immer 
weiteres Eindringen zu rechtfertigen. 


S. v. Poggenpohl: Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 65 


Es ist hier nicht der Ort, des näheren auf die Tatsachen 
und Theorien einzugehen, die sich auf die Wirkungsweise der 
komplexen Cytotoxine, speziell der Hämolysine beziehen, um so 
weniger, als dieses Gebiet durch H. Sachs!) mehrfach eine vor- 
treffliche, leicht zugängliche Darstellung erfahren hat. 

Die Versuche, die wir im folgenden beschreiben wollen, beziehen 
sich auf die Bindung immunisatorisch erzeugterhämolyti- 
scher Amboceptorenanrote Blutkörperchen. Bekanntlich 
ist diese Bindung die Vorbedingung für die Verankerung und 
Wirkung der Komplemente. Die Beziehungen dieser letzteren zu 
den Amboceptoren resp. den Blutkörperchen, in deren Auffassung 
wir dem Vorgang von Ehrlich und Morgenroth folgen, kommen 
für die vorliegenden Versuche unmittelbar nicht in Frage. 

Wir sind uns darüber klar, daß unsere Studien keineswegs 
erschöpfend sein können, und daß die immunisatorisch ge- 
bildeten Amboceptoren, die bis jetzt bekannt sind, in ihrem 
Verhalten nicht die einzigen Typen dieser Körperklasse repräsen- 
tieren müssen. Hat doch besonders das Studium der normalen 
hämolytischen Amboceptoren ergeben, daß hier einzelne Ver- 
treter in vielen Stücken als physiologische Analoga der hämoly- 
tischen Immunkörper zu betrachten sind, während wieder andere 
in ihren Bindungseigenschaften erheblich abweichen, indem ihre 
Verwandtschaft zu den Blutkörperchen sich nur in Gegenwart 
des Komplements zeigt (Ehrlich und Sachs). Wie groß auf 
diesem Gebiete die Variationsbreite ist, lehren am besten die 
hämolytischen Amboceptoren, welche nach den wichtigen Unter- 
suchungen von Donath und Landsteiner bei der paroxys- 
malen Hämoglobinurie auftreten; bekanntlich treten dieselben 
bei Körpertemperatur, im Gegensatz zu allen bekannten Reak- 
tionen auf dem Gebiete der Antikörper und Antigene, mit den 
Receptoren der Blutkörperchen überhaupt nicht in Reaktion 
und werden nur innerhalb niedriger Temperaturen gebunden. 

Bemerkenswert ist übrigens, daß, abgesehen von diesem 
paradoxen Fall, über das Verhalten der Amboceptorbindung bei 
verschiedenen Temperaturen fast nichts bekannt ist. 


1) H. Sachs, Die Hämolysine.e Lubarsch - Ostertags Ergeb- 
nisse 7, 1902 und Sonderabdruck, ferner 11, 1907 und Sonderabdruck, 
endlich in Kraus-Levaditi, Handbuch der Technik und Methodik der 
Immunitätsforschung 2, 1909. 

Biochemische Zeitschrift Band 22. 5 


66 S. v. Poggenpobl: 


Was die quantitativen Verhältnisse der Bindung der 
Amboceptoren an die roten Blutkörperchen betrifft, so sind 
schon von Ehrlioh und Morgenroth?) einige Fälle beschrieben, 
welche zeigen, daß hier die weitestgehenden Verschiedenheiten 
in Frage kommen. Einerseits gibt es Amboceptoren, von denen 
nur eine lösende Dosis gebunden wird (Amboceptor einer mit 
Hammelblut resp. Hundeblut vorbehandelten Ziege); anderseits 
sind wiederum Amboceptoren zu beobachten, von denen ein 
großes Multiplum der lösenden Dosis von den Blutkörperchen 
aufgenommen werden kann (mit Ochsenblut resp. Ziegenblut 
vorbehandelte Kaninchen). Späterhin hat Arrhenius?) mit 
Morgenroth einige weitere Versuche über die quantitativen 
Bindungsverhältnisse der hämolytischen Amboceptoren angestellt. 
Die Zahl der bis jetzt vorliegenden Beobachtungen ist eine viel 
zu geringe, um irgendwie eine Einteilung treffen oder Verall- 
gemeinerungen aufstellen zu können; es wird hierzu noch die 
Ergänzung durch sehr zahlreiche weitere Versuche nötig sein. 
Zu einer gewissen Erweiterung und Vertiefung unserer Kennt- 
nisse sollen die folgenden Versuche beitragen, welche ich auf 
Veranlassung und mit Unterstützung von Prof. Morgenroth’?) 
angestellt habe. 

Wir stellten uns folgende hämolytischen Amboceptoren her: 
vier verschiedene Amboceptoren von Kaninchen, welche mit 
Ziegenblut behandelt wurden, einen Amboceptor eines mit 
Ochsenblut immunisierten Kaninchens, ferner je einen Ambo- 
ceptor einer mit Ochsenblut resp. Kaninchenblut vorbehandelten 
Ziege. Außerdem wurde ein normaler Amboceptor des Ziegen- 
serums untersucht, der auf Kaninchenblut wirkt und durch 
normales Kaninchenserum aktiviert wird. 

Die Immunisierung der Tiere wurde nach den bekannten 
Prinzipien durchgeführt, indem wir die Kaninchen intravenös 
oder intraperitoneal, die Ziegen intraperitoneal oder subcutan 
injizierten. Die intraperitoneale Injektion von Kaninchenblut 
wird von den Ziegen schlecht vertragen. Wir verloren zwei 
Tiere unmittelbar nach einer Injektion, ohne daß bakteriologisch 


1) Berl. klin. Wochenschr. 1890, Nr. 22 und 1901, Nr. 10. 

2) S. Arrhenius, Immunochemie, 1907. 

3) Die Kosten der Versuche wurden zum Teil aus Mitteln bestritten, 
die Prof. Morgenroth von der Gräfin Bose - Stiftung bewilligt wurden. 


Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 67 


eine Infektion nachzuweisen war. Bei subcutaner Injektion 
konnten wir ohne Schwierigkeit immunisieren. Alle Sera wurden 
durch halbstündiges Erwärmen auf 55 bis 56° in sterilen Reagens- 
röhrchen inaktiviert und in diesen im Eisschrank aufbewahrt. 
Die hämolytische Wirkung der Amboceptoren wurde stets durch 
Einstellung nach bekannten Prinzipien kontrolliert. Es wurde 
hierbei kein Wert auf eine feinere Abstufung gelegt, die nur 
bei einer weit subtileren Anordnung der Bindungsversuche Sinn 
hätte. Hier kam es auf Feststellung zunächst allgemeiner Prin- 
zipien und der Größenordnung der Vorgänge an. Die auf diese 
Weise festgestellte lösende Dosis des Amboceptors diente als Ein. 
heit für die Bindungsversuche. Bei diesen wurden zu einer kon- 
stanten Menge einer 5°/, igen Aufschwemmung der gewaschenen 
Blutkörperchen wechselnde Mengen des Amboceptors gefügt; ein 
Röhrchen ohne Amboceptor diente als Kontrolle. Überall wurde 
durch Auffüllen mit 0,85°/ iger Kochsalzlösung gleiches Volum her- 
gestellt. Die Röhrchen blieben dann eine bestimmte Zeit bei kon- 
stanter Temperatur unter häufigem Umschütteln, hierauf wurde 
zentrifugiert, die Flüssigkeit wurde sorgfältig von dem Sediment 
abgegossen und dann jeder Anteil besonders untersucht. Die Sedi- 
mente wurden von neuem in Kochsalzlösung aufgeschwemmt, zu 
den Abgüssen wurde von neuem Blutkörperohenaufschwemmung 
zugesetzt, hierauf überall Komplement zugefügt und endlich die 
eingetretene Hämolyse nach zweistündigem Verweilen bei 37° 
und Sedimentieren im Eisschrank bis zum folgenden Tag be- 
urteilt. In der Kontrolle darf weder das Sediment noch der 
Abguß mehr als Spuren von Hämolyse zeigen. Variiert wurde 
die Menge des Amboceptors, ferner die Bindungszeit und die 
Temperatur. 

Zunächst wurden Amboceptoren von mit Ziegenblut vor- 
behandelten Kaninchen (Ziegen-Kaninchen) untersucht. 


Versuch 1. 


Bindung des Ambooceptors während !/, Stunde bei ver- 
schiedenen Temperaturen. 

Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm. 

2.-K. Amboceptor v. 16. III. 


Amboceptormengen 
L 0,1 !/)0o = 1><lösende Dosis, 
2 03 „= 3x , w  Gesamtvolum = 3 ccm. 


bg 


68 S. v. Poggenpohl: 


3. 0,1 1/iọ —=10><lösende Dosis, Gesamtvolum = 3 ccm. 
4 0 Kontrolle 
Bindung !/, Stunde im Wasserbad. 
A. bei 0°; B. bei 20°; C. bei 37°. 
Zentrifugiert 2 Minuten. 
Die Sedimente in Kochsalzlösung gewaschen und in 3 oom auf- 
geschwemmt; davon je 1,5 com + Meerschweinchenserum 0,1. 
Die Abgüsse: 1,5 com des Abgusses + 1 com Ziegenblut 50/ + 0,1 
Meerschweinchen-Serum. 
A, B. C. 
Sediment Abguß Sediment Abguß Sediment Abguß 


L komplett Spur 1. komplett Spur L komglett Spur 
2. së mäßig 2 Pr Spur 2, Ge Spur 
3 Br komplett 3. = mäßig 3. er wenig 
4 0 0 4. fast O fast O 4. Spürchen 0 


Der Versuch zeigt, daß nach einer halben Stunde bei den 
drei angewandten Temperaturen die einfache lösende Dosis des 
Amboceptors gebunden ist. Bei einem größeren Multiplum der- 
selben, dem zehnfachen, tritt jedoch eine deutliche Differenz 
hervor, indem bei 37° der gesamte Amboceptor bis auf einen 
geringen Rest gebunden ist, bei 20° die Bindung etwas weniger 
vollständig ist, während bei 0° noch mindestens eine lösende 
Dosis im Abguß verbleibt. Es weist dieses Verhalten schon 
darauf hin, daß der zeitliche Ablauf der Reaktion bei 
höherer Temperatur ein schnellerer ist, vor allem aber 
auch darauf, daß bei geeigneter Versuchsanordnung 
die Möglichkeit gegeben ist, diesen Ablauf messend 
zu verfolgen. DaB die Menge des gebundenen Ambo- 
ceptors bei konstanter Temperatur mit der Bindungs- 
zeit steigt, geht aus dem folgenden Versuch 2 hervor. Hier 
ersieht man, daß bei möglichst raschem Abzentrifugieren auch 
die einfache lösende Dosis noch nicht vollständig gebunden ist 
und daß auch die Bindung der Multipla noch mit der Zeit 
fortschreitet. 


Versuch 2. 


Bindung des Amboceptors bei 20° während versohie- 
dener Zeit. 
Ziegenblut 5°/,, 1 >< gewaschen, überall je 2 cem. 
2.-K. Amboceptor v. 16. III. 
Amboceptormengen 
l. O01 tio 1xL D. 
2. 03 „= 3x1l D. 


Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 69 
3. 0,1 t/o =10 x1. D. 


40 Kontrolle ` 
Bindung bei 20°; A sofort. 
i B während 90 Min. 
A. ; B. 
Sediment Abguß Sediment Abguß 
l. komplett mäßig l. komplett Spürchen 
2 e fast komplett 2. Spur 
3. — komplett 3. mäßig stark 
4. Spur fast 0 4. Spürchen fast 0 


Die Versuche zeigen zugleich, daß in diesem Falle die Blut- 
körperchen imstande sind, mindestens 10 lösende Dosen des 
Amboceptors aufzunehmen. Wir lassen nun Versuche mit einem 
zweiten Amboceptor derselben Art folgen. | 


Versuch 3. 
Bindung des Amboceptors während !/, Stunde bei ver- 
schiedenen Temperaturen. 
Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm. 
Amboceptor Z.-K. v. 15. V. 
Amboceptormengen 
L . 0,5 io = 1x1. D. 
2. 0,15 21/0 = 3x1. D. 
A 05 „ =10xID. 


4 0 Kontrolle 
Bindung während 1 Stunde. 
A. bei 0°; B. bei 37°. 
A. B. 
Sediment Abguß Sediment Abguß 
L fast komplett Spur L komplett Spur 
. 2. komplett wenig 2. E —— 
3. Do komplett 3. F wenig 
4. Spur fast 0 4. Spur fast 0 


Die Differenzen der Bindung bei verschiedenen Tempe- 
raturen sind auch bei diesem Amboceptor in derselben Weise 
ausgeprägt wie in Versuch 1. Daß die hier erhaltenen Re- 
sultate der Ausdruck für den zeitlichen Verlauf der Reaktion 
sind, illustriert besonders gut der folgende Versuch 4. Beim 
sofortigen Abzentrifugieren ist zwar überall eine komplett 
lösende Dosis des Amboceptors gebunden, es bleibt aber von 
dem 8fachen, l2fachen und l6fachen der lösenden Dosis noch 
mindestens eine lösende Dosis beim sofortigen Abzentrifugieren 
im Abguß, während nach Verlauf von 30 Minuten auch die 
Bindung der 16fachen löslichen Dosis beinahe erfolgt ist. 


70 S. v. Poggenpohl: 
Versuch 4. 


Bindung des Amboceptors bei 20° während verschie- 
dener Zeiten. 


Ziegenblut 5°/, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm. 
2.-K. Amboceptor v. 15. V. 


Amboceptormengen 
L 0,5 tio = 1x LD. 
d 0,1 1/io = 2 x L D. 
3. 2 „ = 4x LD, 
4 04 „ = 8x ID. 
56 06 „ =12x 1D. 
6. 08 „ =16x LD 
1. 0 Kontrolle 
Bindung bei 20° 
A sofort; B 30 Min. 
A, B. 
Sediment Abguß Sediment Abguß 
1. komplett wenig L komplett Spürchen 
2. Ui mäßig 2 ” OI 
8. > . stark 3. J Spur 
4. ve komplett 4. e 3 
5. 9 5. „ wenig 
6 ” M 6. IA 99 
7. 0 0 7. 0 0 


Die beiden untersuchten Amboceptoren dieser Gruppe ver- 
halten sich offenbar in bezug auf ihre Bindung an die Blut- 
körperchen, wenigstens in den Hauptzügen, gleichartig. Es 
wurde, um dies mit Sicherheit festzustellen, noch ein weiterer 
Bindungsversuch ausgeführt, in welchem beide Amboceptoren 
gleichzeitig geprüft wurden, und zwar so, daß stets die ent- 
sprechenden Multipla der lösenden Dosis beider Amboceptoren, 
was Zeit und Temperatur betrifft, in der gleichen Weise be- 
handelt wurden. Wie der Versuch 5 zeigt, ist eine sehr gute 
Übereinstimmung vorhanden. Bei Zusatz des l6fachen der 
lösenden Dosis werden mehr als 15 lösende Dosen gebunden. 
Auch zwischen den übrigen entsprechenden Werten der Tabelle 
herrscht gute Übereinstimmung. 


Versuch 5. 
Ziegenblut gie? 1 >< gewaschen, überall je 2 com. 
B. 
Z.-K. — 16. UL 2.-K. Amboceptor v. 15. V. 
Amboceptormengen Amboceptormengen 

1. 0,1 1LD. 1. 0,5 !/,o = 1 xL D. 
2. 02 „ = 2xlD. 2. 01 ss 2xl D. 
3. 04 „ = 4xl D. 3. 02 „ = Aal D. 
4. 06 „ = 8xl D. 4. 04 „= 8xlL D. 
5. 0,8 = 12 xL D. 6. 06 „ =12=L D. 
6. 0,16 Yo = 16 x1. D. 6. 0,8 1/io = 16 =L D. 
7. 0 Kontrolle 7. 0 Kontrolle 


Bindung 1/3 Stunde bei 20°. 


Bindungsweise hämolytischer .Ambooeptoren. 71 


A. B. 

Sediment Abguß Sediment Abguß 
L komplett fast 0 1. komplett fast O 
2. pg ” 0 2. 99 „ 
3. e Spur A * Spur 
4. Ge wenig 4. Sé wenig 
5. = stark | 5 mäßig stark 
6. e fast komplett 6 Kë sehr m 
7. 0 0 ; 0 


Daß diese Übereinstimmung in der „Avidität‘‘ der beiden 
Amboceptoren nicht etwa einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit 
entspricht, die für alle Amboceptoren dieser Gruppe gilt, ergab 
sich aus der Prüfung eines weiteren Amboceptors (vom 22. V.), 
die in analoger Weise wie der vorige Versuch unter den gleichen 
Kautelen vorgenommen wurde. Es wurden gleichzeitig der an 
zweiter Stelle untersuchte Amboceptor mit dem neuen Ambo- 
ceptor untersucht. Während bei dem ersteren von 16 lösenden 
Dosen mehr als 15 gebunden wurden, blieb bei Anwendung 
von 20 lösenden Dosen mindestens eine übrig; bei dem zweiten 
Amboceptor dagegen wurden selbst noch 60 lösende Dosen 
bis auf einen geringen Rest gebunden. Der Ausfall des Ver- 
suches ist um so eklatanter, als die absoluten Werte bei beiden 
Amboceptoren übereinstimmen. 


Versuch 6. 
Ziegenblut 5°/, 1>< gewaschen, überall je 2com. 
A. B. 
2.-K. Amboceptor v. 15. V. Z. K. Amboceptor v. 22, V. 
Ambooceptormengen t 

l. 0,2 Las A Ge L D. 

2. 04 „ = 8x1. D 

3. 8 „ =16x<LD. 

4. 0,1 dÉ = 20 x Ll D. 

5. 2 „ =40xLD 

6 03 „ =0Xx<ID 

7. 0 Kontrolle 

Bindung ?/, Stunden bei 37°. 
A. B. 
Sediment Abguß Sediment Abguß 
l. komplett Spürchen 1. komplett Spürchen 
2. S fast komplett 2. 5 H 
3. Ui L H 8. ! 39 wenig 
S e komplett 4. „ mäßig 
kW pn „ 5. „ Wa 

6. x W: 6. ji fast komplett 
7. Spürchen Spürchen 7. Spürchen Spürchen 


12 8. v. Poggenpohl: 


Der Einfluß der Temperatur auf den Ablauf der 
Reaktion auch bei diesem Amboceptor, der dem schon be- 
schriebenen analog ist, ist aus folgendem Versuch zu ersehen. 


Versuch 7. 


Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, je 2com. 
2.-K. Ambooeptor v. 22. Vs 
Amboceptormengen 


L 05 Yo 1x<LD 
2 0,1 1/0 = 2xLD 
A 02 „ = 4xLD 
4 0,4 zs 8xLD 
6. 06 „ =12xI1lD 
6 0,8 „ =16xLD 
7. 0 Kontrolle 


Bindung ?/, Stunden. 
A bei 0°; B bei 37°, 


A. B. 

Sediment Abguß Sediment Abguß 
l. komplett Spur 1. komplett Spürchen 
2 ” E 2 IA LI: 
3. Si wenig 3. ep om 
4. nn mäßig 4. SÉ Spur 
5 D 29 fast komple tt 5 99 38 
6 e komplett 6 ve op 
7 0 Spürchen 7. 0 Spürchen 


Ein vierter Amboceptor, der aber nicht in exakt ver- 
gleichender Weise geprüft wurde, scheint nach dem folgenden 
Versuch eher eine geringere Avidität zu besitzen, indem nach 
ı/, Stunde bei 37° von 8 lösenden Dosen noch fast eine frei 
geblieben ist. 

Versuch 8. 

Ziegenblut 8°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 com. Z.-K.-Amboceptor 
vom 14. VII. 
Amboceptormengen 

l. 0,51/100 = 1 L D. 
2. Olho =2x L D. 
3. 021/00 =4x L D. 


5. Kontrolle 
Bindung 1/, Stunde 
A. bei 0%; B. bei 37°. 
| A. | B. | 
Sediment Abguß . Sediment Abguß 
1. komplett Spur l. komplett Spürchen 
2- ff wenig 2. Se Spur 
3: ge fast komplett 3. ep 
& 4. fast komplett 


5. Spürchen "Spürchen 5. Spürchen fast 0 


Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 73 


Fassen wir die Versuchsresultate dieser ersten Gruppe 
(Ziegen-Kaninchen-Amboceptor) zusammen, so können wir die- 
selben folgendermaßen ausdrlicken: 

L Die Reaktion der Bindung des Amboceptors an 
die Blutkörperchen beginnt fast sogleich nach Zusatz 
des Amboceptors; ihr weiterer Verlauf ist von Zeit 
und Temperatur abhängig, inder Weise, daßin gleichen 
Zeiten um so mehr Amboceptor gebunden wird, je höher 
die Temperatur ist (Vergleich zwischen 0° und 37°), 
während bei ein und derselben Temperatur die Bindung 
des Ambooceptors mit der Zeit fortschreitet. 

2. Verschiedene Ambooeptoren derselben Art haben 
verschiedenartige Avidität den Blutkörperchen gegen- 
über. Unter gleichartigen Bedingungen kann die 
Menge des gebundenen Amboceptors in weiten Grenzen 
schwanken. Diese Differenzen der Avidität sind nicht 
abhängig von der absoluten Wirkung der Amboceptoren; 
man findet Am’boceptoren, die bei gleichartiger hämo- 
lytischer Wirkung verschiedene Avidität besitzen 
(Amboceptoren vom 15. V. und 22. V.), andererseits solche, 
die bei verschiedener hämolytischer Wirkung gleiche 
Avidität besitzen (Amboceptoren vom 16. III. und 15. V.). 

Auch bei einem Amboceptor!), der von einem mit Ochsen- 
blut behandelten Kaninchen stammte, ist der Einfluß der Zeit 
auf die Bindung in .klarer Weise zu ersehen, wie der folgende 
Versuch 9 zeigt, der nach dem Vorausgegangenen keiner be- 
sonderen Erläuterung bedarf. Er zeigt in seinem Endergebnis, 
daß nach 1/, Stunde bei 20° von 3 lösenden Dosen mehr als 
2, und von 10 mehr als 9 gebunden sind, während bei sofortiger 
Abtrennung des Sediments selbst von der einfach lösenden 
Dosis noch ein erheblicher Anteil frei ist. 


1) Bei Benutzung von Ochsenblut wandten wir als Komplement 
das Serum von jungen Meerschweinchen von 250 g an, da das Serum 
ausgewachsener Meerschweinchen sehr häufig erhebliche Mengen eines 
Amboceptors für Ochsenblut besitzt und infolgedessen stark hämo- 
lytisch wirkt. l 


714 S. v. Poggenpohl: 
Versuch 9. 


Bindung des Amboceptors bei 20° während verschiedener Zeit. 
Ochsenblut 5°/„ 1>< gewaschen, überall je 2 com. O.-K.-Ambo- 
oeptor vom 3. VI 
Amboceptormengen 
L 02,0 1x L D. 
2 0,6l = 3x Ll D. 
3. 0210 =10x 1l. D. 
4. 0 Kontrolle 
Bindung bei 20°. 
A sofort; B während !/, Stunde. 


A. B. 
Sediment Abguß Sediment Abguß 
1. komplett stark 1. komplett Spur 
2. j komplett 2. N mäßig 
8. j 7A 3. e fast komplett 
4. Spürchen Spürchen 4. Spürchen Spürchen 


Daß auch hier in ähnlicher Weise wie bei der vorigen 
Gruppe bei gleichen Zeiten die Temperatur von Einfluß ist, 
zeigt der folgende Versuch 10. 


Versuch 10. 


Bindung des Amboceptors während fe Stunde bei 
verschiedenen Temperaturen. 
Oobsenblut Bäi, 1>< gewaschen, je 2 ocm. O.-K.-Amboceptor 
vom 3. VI. 


Amboceptormengen 
L 02,0 1x L D 
2. Oëibhoazss 3x L D. 
A 0,1!/o = 5x L D. 
4. 0210 = 10 x< L D. 
5. ` 0,4!/io = 20 x LD 
6. 0 Kontrolle 


Bindung 1/, Stunde 
A bei 0°; B bei 37°. 


A. B. 

Sediment Abguß Sediment Abguß 
1. komplett mäßig 1. komplett wenig 
2. Ge fast komplett 2: u mäßig stark 
3; er i 2 3. ~ fast komplett 
4. Se komplett 4. ʻi 2 i 
5 ý o ? 5. Ka komplett 
6 0 0 6. 0 0 


Es verhält sich also offenbar dieser Ochsen-Kaninchen-Ambo- 
ceptor im wesentlichen wie die Ziegen-Kaninchen-Amboceptoren. 


Bindungsweise hämolytischer - Ambooeptoren. 75 


Die Bindungsversuche mit dem Amboceptor einer 
mit Ochsenblut behandelten Ziege ergaben folgende 
Resultate: Der Amboceptor, den wir zunächst zu unseren 
Versuchen (vom 29. V.) verwendeten, war, nach kurzer Immu- 
nisierung gewonnen, außerordentlich schwach, so daß die lösende 
Dosis für 2 com 5°/,iges Ochsenblut 1,4 ccm des unverdünnten 
Serums betrug, bei Verwendung von normalem Ziegen- 
serum zur Aktivierung. Das Verhalten dieses schwach wirk- 
samen Amboceptors ist insofern außerordentlich bemerkenswert, 
als es offenbar eine Mittelstellung einnimmt und sich stark 
dem Verhalten gewisser normaler Amboceptoren nähert. Aus 
den beiden folgenden Versuchen 11 und 12 ist zu ersehen, 
daß nach ?/, Stunde bei 0° und bei 37° von der einfach 
lösenden Dosis nur ein geringer Bruchteil gebunden ist, während 
bei 37° von der 3fachen lösenden Dosis eine gebunden ist. 
Selbst nach 4 Stunden bei 37° haben die Blutkörperchen von 
einer lösenden Dosis noch nicht alles aufgenommen, während 
doch bei Gegenwart von Komplement in derselben Zeit eine 
vollkommene Bindung und Hämolyse erfolgt sein müßte. 


Versuch 11. 


Bindung des Ambooeptors während !/, Stunde bei 
verschiedenen Temperaturen. 
Oohsenblut 5°%/,, 2>< gewaschen, je 2 com. O.-Z.-Amboceptor 
vom 29. V. 
Amboceptormengen 
141), = 1x l. D. 
421/, = 3x LD 
8,41/, = 6x L D. 
0 Kontrolle 
Bindung !/, Stunde 
A. bei 0°; B. bei 37°. 
Zentrifugiert 2’. Zur weiteren Behandlung wird die Hälfte der 
Sedimente und der Abgüsse genommen; als Komplement: normales 
Ziegenserum aktiv 0,5 dom. 


a PP 


A. B. 
Sediment Abguß Sediment Abgu8 
l. Spur fast komplett 1. wenig fast komplett 
2. fast komplett komplett 2. komplett komplett 
3. H LU LA 3. A) 29 
4. 0 0 4. 0 0 


76 S. v. Poggenpohl: 


Versuch 12. 
Ochsenblut 5°/,, 2>< gewaschen, überall je 2 com O.-Z.-Amboceptor 
vom 29. V., inaktiv. 
Amboceptormengen 

l. 141, = 1x l D. 

2. 2,81 =2x l D. 

3. 4,21/, — 3x L D, 

4. 0 Kontrolle 
Bindung bei 37° 

A. während 1/3, Stunde; B. während 4 Stunden. 
Weiter wie in Versuch 11. 


A. B. 

Sediment Abguß Sediment Abguß 
1 Spur stark L stark ` mäßig stark 
2. stark komplett 2. fast komplett fast komplett 
3. fast komplett e 3. » > e ke 
4. 0 0 4. 0 0 


Bei einer weiteren Steigerung der hämolytischen Wirkung 
des Amboceptors im Verlauf der Immunisierung gewannen wir 
den Eindruck einer Aviditätssteigerung. Die Versuche 
konnten jedoch aus äußeren Gründen nicht beendet werden; 
die Frage hat durch P. Th. Müller!) eine vortreffliche Be- 
arbeitung erfahren, aus der sich die Aviditätssteigerung im 
Verlaufe der Immunisierung ergibt. 

Auch die Bindung eines Amboceptors einer mit Kaninchen- 
blut vorbehandelten Ziege ist, wie der folgende Versuch 13 
zeigt, bei konstanter Zeit von der Temperatur ab- 
hängig. | 

| Versuch 13. 
Kaninchenblut 5°/,, 1 < gewaschen, überall je 2 ccm. Kaninchen- 


Ziegen-Amboceptor vom 7. VII. Komplement: Meerschweinchen- 
serum 0,1. 


Amboceptormengen 
l. 0,510 = 1x 1 D. 
2. OI =2x l. D. 
3. 0,151/, = SE LD 
4. 0,2/1 = 4x LD 
5. Kontrolle 


-Bindung 1 Stunde 
A. bei 0°; B. bei 37% 


A. B. 
Sediment Abguß Sediment Abguß 
L fast komplett mäßig 1. komplett Spur 
2. komplett stark 2. H wenig 
3. e 5 3. e mäßig 
4 H komplett 4 z fast komplett 
5. Spürchen fast 0 5. fast 0 fast 0° 


1) Arch. f. Hygiene 54. 


Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 17 


Wir lassen nun noch einen Versuch folgen, welcher die 
Bindungsweise eines normalen Amboceptors zeigt. Benutzt 
wurde Kaninchenblut, als Amboceptor diente durch '/,stündiges 
Erwärmen auf 56° inaktiviertes Ziegenserum, welches durch 
Kaninchenserum (0,5) aktiviert wurde. Wie der Versuch er- 
kennen läßt, erfolgt hier die Bindung der lösenden Dosis ziem- 
lich rasch, doch werden offenbar auch nach längerer Zeit von 
3 lösenden Dosen nicht mehr als 2 gebunden. 


Versuch 14. 


Kaninchenblut 85°/, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm. Normal- 
Ziegenserum, inaktiv. 

Serummengen 

l. 1,01, = 1x l. D. 

2. 2,01/ = 2x l. D. 

3. 3,0Y, = 3x l. D. 

4. 0 Kontrolle 

Bindung bei 37° 
A. während !/, Stunde; B. während 2 Stunden. 


A. B. 

Sediment Abguß - Sediment Abguß 
1. komplett fast 0 1. komplett fast 0 
2. en fast komplett 2, ae wenig 
3. 5 komplett 3. 5 komplett 
4. 0 0 4. fast 0 fast 0 


Vergleichen wir das Verhalten der von Kaninchen und 
von Ziegen gewonnenen Amboceptoren, so hat es den Anschein, 
als ob die Avidität der ersteren im allgemeinen eine stärkere 
wäre als die der letzteren. Doch bedarf es zur sicheren Fest- 
stellung dieser Tatsache noch einer Ausdehnung der Versuche 
auf mehrere Blutarten und auf eine größere Anzahl von Ambo- 
ceptoren verschiedener Stärke. Es wird sich dann auch 
ergeben, ob unsere, auf diese Versuche basierte Ver- 
mutung richtig ist, daß das Hauptmoment, welches 
den Habitus des Amboceptors bestimmt, nicht in der 
Blutart, diezur Immunisierung benutzt wurde, sondern 
in der Spezies des immunisierten Tieres liegt. 

Im Hinblick auf das von Ehrlich und Morgenroth ein- 
geführte Prinzip von der Pluralität der Receptoren taucht die 
prinzipiell wichtige Frage auf, ob für gleichsinnig gerichtete 
Amboceptoren, die von verschiedenen Tierspezies stammen, 


78 S. v. Poggenpohl: 


dieselben Receptoren der Blutkörperchen in Frage kommen 
oder nicht. Wir haben einige Versuche zur Entscheidung 
dieser Frage ausgeführt, und zwar unter Verwendung der beiden 
auf Ochsenblut wirkenden Amboceptoren, deren einer vom 
Kaninchen, der andere von der Ziege stammte. Der folgende 
Versuch zeigt ein eindeutiges Resultat, 


Versuch 15. 


4 Reagensröhrchen: Überall je 1,0 Ochsenblut 5°/,, 1>< gewaschen 
-+ 1,0!/,0 O.-2.-Amboceptor, inaktiv, vom 6. VI. (4 lösende Dosen). Nach 
1/,stündiger Bindung im Brutschrank bei 37° werden die Röhrchen 
zentrifugiert und die Abgüsse in bekannter Weise auf Ambooeptorgehalt 
geprüft. (Resultat: überall komplett.) Die Sedimente werden in Koch- 
salzlösung gewaschen und in 1 ocm aufgeschwemmt. Mit diesen Sedi- 
menten wird schließlich der folgende Bindungsversuch aufgestellt: 

Sediment (vorbehandelte Blutkörperchen), überall je 1 com. Ochsen- 
Kaninchen-Amboceptor vom 3. VI., inaktiv. 


Amboceptormengen 
L 02/0 — L 1. D 
2. 0,61/0 =2 Xx LD 
d Ollo =4x l D. 
4. 0210 =8x l D. 
Bindung !/, Stunde bei 37°. 


Sediment Abguß 
1. komplett 1. komplett 
2. LÉI 2. „ 

3. LE 3 LA 
4. „ 4 IT 
Kontrolle. 


Normales Oohsenblut 5°/,, 2 >< gewaschen, überall je 1 cem Ochsen- 
Kaninohen-Amboceptor vom 3. VI., inaktiv. 
Ambooceptormengen 
L 0,251, 0 — L l. D. 
2. 05,0 =2x l. D. 
3. 01!/o) =4x L D. 
4. 021, =8x l D. 


5. 0 ` Kontrolle 
Bindung !/, Stunde bei 37°. 

Sediment Abguß 
L komplett L mäßig 
2 „ 2. stark 
3. a 3. fast komplett 
4 Wd 4. 28 „ 
5 d 5. 0 


Bindungsweise hämolytischer Ambooceptoren. 79 


Der Versuch zeigt, daß die Blutkörperchen nach vorheriger 
Behandlung mit dem Amboceptor der Ochsen-Ziege ihre Fähig- 
keit verlieren, den Amboceptor des Ochsen-Kaninchens zu 
binden, welcher von den zur Kontrolle verwendeten Blut- 
körperchen in reichlichem Maße gebunden wird. Ein Versuch 
im umgekehrten Sinne ergab dasselbe Resultat. Wir lassen 
denselben folgen. 


Versuch 16. 
1. Ochsenblut Bäi, 1>< gew. 1 ccm + 0,51/,, O.-K.-Amboc. 
vom 3. VI., inaktiv (20 x 1. DA 
2. Ochsenblut Bäi, 1>< gew. 1 com + 0,51/,0 O.-K.-Amboc. 
vom 3. VL, inaktiv 
3. Ochsenblut 5°/, 1 < gew. 1 com 0,51/,. O.-K.-Amboc. 
vom 3. VL, inaktiv 


4. Ochsenblut 5°, 1>< gew. 1 cem + 0,51/,. O.-K.-Amboc, 
vom 3. VL, inaktiv 


Bindung 1/ Stunde bei 37° 
Abguß: komplett. 


l. Sediment + 0,11/1ọ O.-2.-Amboc. vom 6. VI. inaktiv (=1> l. D.) 


2. 9 + 0,21/10 do. (= 2x l. D.) 
3. » 4 0.4 1/ do. (= 4 >x< L D.) 
4. ai + 0,81/,0 do. (= 8 >X< l. D.) 


— — — — — — — — — 
Bindung !/, Stunde bei 37°. 
Sediment: komplett. 


Kontrolle 
(0.-Bl. + O.-Z.-Amboc.) 
Sediment Abguß 

Abguß 1. komplett 1. Spur Kuppe 
l. mäßig stark 2. sn s nm „ 
2. komplett 3. yi 3. mäßig star 
3. wë 4. S 4. komplett 
4. * 6. fast O 6. fast 0 


Die beiden folgenden Versuche (17 und 18) ergänzen die 
eben beschriebenen, indem sie zeigen, daß die Bindung der 
hier benutzten Amboceptoren in analoger Weise gehemmt wird, 
wenn vorher die gleichartigen Amboceptoren von den Blut- 
körperchen gebunden sind. 


80 S. v. Poggenpohl: 


Versuch 17. 
l. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. Leem --1,01/,. O.-2.-Amboc. 
vom 6. VI. inaktiv (=10x].D.) 
2. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. 1 oom--1,01/,, O.-Z.-Amboc. 
vom 6. VI. inaktiv 


3. Ochsenblut 5°/, 1L><gew. 1 com + Lite O.-2.-Amboc. 
vom 6. VI. inaktiv 


4. Ochsenblut a l x gew. 1 com + 1,01/,, O.-Z.-Amboc. 
vom 6. VI. inaktiv 
Bindung 1/ Stunde bei 37°. 
Abguß: komplett. 


1. Sediment : Lho 0.-Z.-Amboc. vom 6. VI. inaktiv (= 1 Xxl. D.) 
2. do. (=2 xl. D.) 
3. * 10% do. —=4x<]1.D.) 
4. wm +0,8 do. = 8 xl. D.) 


Bindung !/, Stunde bei 37°. 
Sediment: komplett. 


Kontrolle 
Abguß Sediment Abguß 
1. mäßig 1. komplett 1. Spur K. 
2, stark 2. 99 e y TI 
3. komplett 3. — 3 mäßig stark 
4. e 4. © 4. komplett 
6. fast O 5. fast 0 
Versuch 18. 
l. Ochsenblut SL 1>x<gew. l cem + 0,51/,, O.-K.-Amboc. 
m 3. VL inaktiv (=2%0 x1. D.) 


2. DEET 5%, 1 x< gew. 1 com — 0,5!/,. O.-K.-Amboc. 
vom 3. VI. inaktiv 


3. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. Leem + 0,51/,, O.-K.-Amboo. 
vom 3. VI. inaktiv 


4. Ochsenblut 5°/, 1 x< gew. Leem --0,51/,, O.-K.-Amboc. 
vom 3. VI. inaktiv 


Bindung !/, Stunde bei 37°. 
Abguß: komplett. 


l. S Los O-K-Amboc. vom 3. VI. inaktiv (=1 l. D.) 
2. sn Gei Mäe do. —2xl D.) 
3. 0 do. (=4x[J1.D.) 
4. 0,2 Aë do. (=8 xL D.) 
EE 
Bindung !/, Stunde bei 37°. 
Sediment: komplett. 
Kontrolle 
Abguß Sediment Abguß 

1. komplett 1. komplett L mäßig 

2» 2. u 2. stark 

3. ge 3. e 3. fast komplett 

4. * 4. — 4. komplett 

5. d 5. 0 


Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 81 


Es muß also angenommen werden, daß die Re- 
ceptoren, deren Funktion die Bindung der beiden 
vom Kaninchen und von der Ziege stammenden Ambo- 
ceptoren ist, identisch sind. Es können offenbar dieselben 
Receptoren, wenn man die Amboceptormengen in der einzigen 
uns zu Gebote stehenden biologischen Einheit, in lösenden 
Dosen ausdrückt, von verschiedenen Amboceptoren eine ver- 
schieden große Zahl von Einheiten binden. Es ergibt sich 
hieraus, daß diese Einheit uns nicht, wie man hätte annehmen 
können, irgendeinen Aufschluß über die absolute Menge der in 
einem Serum vorhandenen Amboceptoren gibt. Wenn wir die 
absolute hämolytische Wirkung zweier verschiedener Sera mit- 
einander vergleichen und finden, daß dieselben im Verhältnis 
von 1:10 stehen, so ist damit noch keineswegs gesagt, daß 
das eine Serum die zehnfache Menge eines Amboceptors ent- 
hält. Die Verhältnisse, die hier vorliegen, sind offenbar weit 
komplizierterer Natur, und es sind für dieselben die Aviditäts- 
unterschiede der verschiedenen Amboceptortypen wohl mit maß- 
gebend. 

Wir haben analoge Versuche, die in demselben Sinne der 
gegenseitigen „Sperrung‘‘ ausgefallen sind, noch mit anderen 
Kombinationen angestellt, und zwar mit Amboceptor Ziegen- 
kaninchen-Ochsenkaninchen und umgekehrt (Öchsenblut), sowie 
mit Ziegenkaninchen und Öchsenziege (Ochsenblut). 


II. 


Ebenso wie auf dem Gebiete der Physiologie, speziell der 
Physiologie der Ernährung und den hiermit zusammenhängenden 
Gebieten der Pathologie, zunächst das Interesse sich den orga- 
nischen Nährstoffen, den Eiweißkörpern, Fetten und Kohlen- 
hydraten zuwandte und erst später die wichtige Rolle der Salze 
im Haushalt des Organismus erkannt wurde, so wandte sich 
auch die Immunitätsforschung zunächst dem Studium der spezi- 
fischen Immunsubstanzen und der Bedingungen ihrer Entstehung 
und Wirkung zu, bevor sie den Einfluß des Mediums und speziell 
der Salze desselben auf die hier in Frage kommenden Vorgänge 
zu untersuchen begann. | 

An vereinzelten interessanten Beobachtungen auf diesem 


Gebiete fehlte es nicht. Es sei hier nur an den wichtigen Be- 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 6 


82 S. v. Poggenpohl: 


fund Buchners?) erinnert, daß die baktericide Wirkung des 
Serums in salzfreiem oder salzarmem Medium ausbleibt, ein Be- 
fund, der später durch die unter Morgenroths Leitung mit 
hämolytischen Sera angestellten Versuche von Ferrata?) eine 
Erklärung fand. Später trat in einigen Untersuchungen be- 
sonders der hemmende Einfluß höherer Salzkonzentration auf 
die Wirkung der komplexen Hämolysine hervor, so in Versuchen 
von Nolf’), der feststellte. daß Salze der Alkalien (NaCl, KJ 
und KNO,) in konzentrierteren Lösungen, Salze der alkalischen 
Erden in starken Verdünnungen die Hämolyse hemmen. Ahn- 
liche Beobachtungen hat Markl*) angestellt, der auch die 
Hemmung durch phosphorsaure Salze feststellte. Hektoen 
und Ruediger°) unterscheiden zwischen zwei Gruppen von 
Salzen, von denen die einen (NaCl, ROL LiCl) in isotonischen 
Lösungen ohne Einfluß sind, während die anderen (Salze alka- 
lischer Erden) schon in geringerer Konzentration die Hämolyse 
hemmen. Ehrlich und Sachs’) benutzten die Hemmung der 
Hämolyse durch Salze für die Trennung von Amboceptor und 
Komplement, nachdem sie festgestellt hatten, daß die Vereini- 
gung von Amboceptor und Komplement durch höhere Salz- 
konzentration gehindert wird. Die Ursachen, welche dem Ein- 
fluß der Salze auf die Hämolyse zugrunde liegen, sind noch 
unbekannt und eine Klärung der Verhältnisse ist wohl auch 
nicht zu erwarten, bis nicht umfangreichere Versuche vorliegen. 

Über die Bindung der Amboceptoren bei Gegenwart ver- 
schiedener Salze liegen noch kaum ausgedehnte quantitative 
Beobachtungen vor. Ich habe deshalb eine Anzahl Versuche 
angestellt, um über einige hierhergehörige Punkte Aufklärung 
zu erhalten. 

Es wurden Lösungen verwendet, welche, auf bekannte 
Weise berechnet, mit der gewöhnlich verwendeten 0,85°/,igen 
Kochsalzlösung isotonisch waren. In 11 destilliertem Wasser 
wurden entsprechende Mengen des betreffenden Salzes (von 


1) Buchner, Arch. f. Hygiene 10, 1890 und 17, 1892. 

2) Ferrata, Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 13. 

3) Nolf, Annales de l’Inst. Pasteur 14, Nr. 10, 1900. 

4) Markl, Zeitschr. f. Hygiene 39, 1902. 

5) Hektoen und Ruediger, Journ. of infect. diseases 1, 1904. 
6) Ehrlioh und Sachs, Berl. klin. Wochenschr. 1902, Nr. 21. 


Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 83 


C. A. F. Kahlbaum bezogen) gelöst. Die hämolytischen Ver- 
suche wurden in der üblichen Weise angestellt, gleichzeitig ver- 
gleichende Versuche mit 0,85°/,iger Kochsalzlösung. 


Es zeigte sich zunächst, daß die Hämolyse durch spezi- 
fische Hämolysine in isotonischen Lösungen von RO ganz 
erheblich begünstigt wird, eine Beobachtung, die auch schon 
von Ferrata gemacht worden ist. Die folgenden Versuche 
demonstrieren, daß bei konstanter Komplementmenge und 
wechselndem Amboceptorgehalt die Hälfte bis ein Drittel der- 
jenigen Amboceptormenge, welche in 0,85°/, iger Kochsalzlösung 
komplette Hämolyse hervorbringt, ausreicht, um in 1,1°/,iger 
Kaliumchloridlösung vollständige Hämolyse herbeizuführen. 


Versuch |. 


Ziegenblut 5°/,, l œ< gewaschen, überall je 1 oom. 

Ziegen-Kaninchen-Amboceptor vom 22.V. 

Meerschweinchen-Serum aktiv, überall je 0,1 ocm. 

A. Verdünnung des Blutes und Ambooceptors in 1,1°/,iger KCl- 
Lösung. 

B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 0,75°/ iger NaCl- 
Lösung. 


Amboceptormengen A B 

1. 1,0 1/100 komplett komplett 
2, 0,5 „ ” 

3. 0,35 > Be 

4. 0,25 S P 

5. 0,15 i stark 
6. 1,01/1000 Ge mäßig 
7. 0,5 ' fast komplett wenig 
8. 0,25 stark ai 

9. Blut -+ Komplement Spur Spürchen 

10. Blut allein 0 0 
Versuch 2. 


Ochsenblut Bäi, 1>< gewaschen, je 1 ccm. 

Ochsen-Kaninohen-Amboceptor inaktiv, vom 3. VI. 

Jung. Meerschweinchen-Serum aktiv, überall je 0,1 com. 

A. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 1,1°/,iger KCI- 
Lösung. 

B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 0,85 °/, iger NaCl- 
Lösung. 

Gë 


84 S. v. Poggenpohl: 


Amboceptormengen A. B. 
1. 1,01/,000 komplett komplett 
2. 0,5 m ve 
3. 0,25 » nm 
4, 1,02/,0000 ji stark 
5. stark wenig 
6. Blut + Komplement Spur Spürchen 
7. Blut allein 0 0 

Versuch 3. 


Kaninchenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 1 com. 
Ziegen-Kaninchen-Amboceptor vom 1. VIL 
Meerschweinchen-Serum je 0,1 com. 

A. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 1,1°/,iger KCl- 
B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 0,85 %/, iger NaCl- 


Amboceptormengen A. B. 

L 1,0!/;0 | komplett komplett 
2. 0,85 i5 j 

3. 0,75 va ze 

4. 0,6 vn fast komplett 
5. 0,5 „ ” sn 
6. 0,25 — stark 
7. 1,01/,00 stark mäßig 
8. A mäßig wenig 
9. 0,25 wenig o 
10. 0,1 Spürchen Spur 
11. Blut 4 Komplement 0 0 
12. Blut allein 0 0 


Gänzlich ähnlich, quantitativ noch ausgeprägter, verhält 
sich KBr, wie der folgende Versuch zeigt, gegenüber dem NaBr. 


Versuch 4. 

Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, je l ccm. 

Ziegen-Kaninohen-Amboceptor vom 22. V., inaktiv. 

Meerschweinchen-Serum aktiv, je 0,1 com. 

A. Verdünnung des Blutes upd Ambooeptors in 1,73 °/,iger KBr- 
Lösung. 

B. Verdünnung des Blutes und Amboceptors in 1,5 °/, iger NaBr- 
Lösung. 


Amboceptormengen A. B. 

l. 0,5 1/100 komplett komplett 
2. 0,25 * 
3. 1,01/1000 J stark 
4. 0,75 de E 
5. 0,5 > e mäßig 
6. 0,25 stark wenig 
7: 1,0%/ 0000 wenig Spürchen 
8. 0,5 sp 0 
9. 0,25 Spur " 

10. Blut + Komplement 0 0 

11. Blut allein 0 0 


Bindungsweise hämolytischer Amboceptoren. 85 


Es kommt also offenbar Halogensalzen des Kaliums gegenüber 
dem Natriumsalz eine begünstigende Wirkung der Hämolyse in den 
untersuchten Fällen zu. Ganz entsprechend verhält sich das 
Lithiumchlorid, was besonders aus dem zuerst untersuchten 
Fall, in dem das Serum einer mit Kaninchenblut vorbehan- 
delten Ziege benutzt wurde, hervorgeht. 


Versuch 5. 
Kaninchenblut, 5°/,, 1 >< gewaschen, überall je 1 com. 
Kaninchen-Ziegen-Amboceptor vom 1. VIL, inaktiv. 
Meerschweinchenserum aktiv, überall je 0,1 ccm. 
A. Verdünnung des Blutes und Ambooeptors in 0,62°/ iger LiC1-Lös. 


B. sp „ sp II 0,85°/ iger NaCl- ” 
Ambooeptormengen. A. B. 

L 1,01/10 komplett komplett 
2. 0,7510  . » „ 
3. 0,61/ı0 se fast komplett 
4, 0,51/10 nm nm 
5. 0,35 1/10 j stark 
6. 0,25 1/10 5 = 
7. . 1,01/,00 ss mäßig 
8. 0,51/,00 fast komplett wenig 
9. ] 0,25 =. 100 sp ” 

10. O,11/,00 mäßig Spur 

11. Blut -+ Komplement fast 0 0 

12. Blut allein 0 0 

Versuch 6: 


Ziegenblut, 2>< gewaschen, 5°; , überall je 1 oom. 
Ziegen-Kaninchen-Ambooeptor vom 14. VIL, inaktiv. 
Meerschweinchenserum aktiv, überall je 0,1 com. 

A. Verdünnung des Blutes und Ambooeptors in 0,62°/,iger LiCl-Lös. 


B. OT TT „ e OI 0,85 ° 0 iger N all. ” 
E E EE e À B. 
1. 0,51/,00 komplett komplett 
2 d 35 wl 100 H ” 
3. 0,25 1/100 e 5 
4. 0,15 1/100 se stark 
5. 1,0 1/10090 fast komplett mäßig 
6. 0,75'/1000 stark wenig 
1. 0,5 1/1000 mäßig Spur 
8. 0,35 zi 1000 ” ” 
9. 0,25 21/1000 wenig Spürchen 
10. 0,1 2/1000 Spur z a 
11. Blut + Komplement Spürchen d 
12. Blut allein 0 0 


86 8. v. Poggenpohl: 


Die hemmende Wirkung der Chloride der alkalischen 
Erden ist aus dem folgenden Versuch zu ersehen. 


Versuch 7. 


Ziegenblut 60/» 1 œ< gewaschen, in 0,85°/,iger NaCl-Lösung, überall 
je 1 com. 

Ziegen-Kaninchen-Ambooeptor vom 22. V., inaktiv, in 0,85°/, iger 
NaCl-Lösung, überall je 0,51/,00- 

Meerschweinchenserum aktiv, überall je 0,1 ccm. 

A. Steigende Mengen von 1,39°/,iger MgCl,-Lösung. 


B. m Se „ 1,62%/ iger CaCl,- ` — 
C. i j „ 3,03°/,iger BaCl- „ 
Fallende Mengen Steigende Mengen 
von 0,85°/,iger des betreffenden A. B. C. 
NaCl-Lösung Salzes 
l 2,0 d komplett komplett komplett 
2 1,75 0,25 ` de ab Spur 
3 1,5 0,5 * f. Komplott 0 
4 1,25 0,75 j stark 0 
5. 1,0 1,0 f. komplett wenig 0 
6. 0,75 1,25 stark F 0 
7 0,5 15 - Spur Spur 0 
8 0,25 1,75 Spürchen Spürchen 0 
9 0 2,0 ” Sp 0 
10. Blut allein 2,5 0 0 0 


Bei Zusatz steigender Mengen der Lösungen, welche äqui- 
molekular, also unter sich vergleichbar sind, zeigt sich, daß die 
hemmende Wirkung mit dem Atomgewicht ansteigt, indem das 
Magnesiumsalz am schwächsten, das Bariumsalz am stärksten 
hemmt und das Calciumsalz eine Mittelstellung einnimmt. 

Inwieweit besonders bei der begünstigenden Wirkung 
eine Beeinflussung der Bindung des Amboceptors in Betracht 
kommt, ist bis jetzt noch nicht untersucht worden, und wir 
haben deshalb Versuche angestellt, deren Technik den im vorigen 
Abschnitt beschriebenen entspricht. Die Versuche lassen er- 
kennen, daß in Lösungen von KCl und LiCl die Bindung der 
Amboceptoren eine geringere ist als in der entsprechenden 
Kochsalzlösung. 

Versuch 8. 
Bindung des Amboceptors in isotonischer KCI-Lösung. 
A: B. 
Verdünnung des Blutes und Ambo- Verdünnung des Blutes und Ambo- 
ceptors in 1,1°/, iger KCl-Lösung. ceptors in 0,85°/,iger NaCl-Lösung. 


Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 87 


Ziegenblut 5°/,, 1 >< gewaschen, je 2 com. 
Ziegen-Kaninchen-Amboceptor vom 22. V., inaktiv. 
Ambooeptormengen Amboceptormengen 


L 041,0, 2x L D. 1 O1!/o= 2x 1. D 
2. 164,0 = 8x L D. 2. 04A!/o = 4x L D. 
3. 0,641/,, = 32x L D. 3. 161/00 =32x L D. 
4 0 Kontrolle 4. Kontrolle 
Bindung !/, Stunde bei 37°. 
A. B. 
Sediment Abguß Sediment Abguß 
1. komplett L wenig 1. komplett 1. Spürchen 
2. H 2. fast komplett 2. e 2. wenig 
3. Mr 3. komplett 3. e 3. stark 
4. Spürchen 4.  Spürchen 4. Spürchen 4. Spürchen 
Versuch 9. 
Bindung des Amboceptors in isotonischer KCl-Lösung. 
A, B 


Verdünnung des Blutes und Ambo- Verdünnung des Blutes und Ambo- 

ceptors in 1,1°/,iger KCI-Lösung. ceptors in 0,85°/,iger NaCl-Lösung. 
Ochsenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 ccm. 
Ochsen-Kaninchen-Ambooeptor vom 3. VI. (inaktiv). 

Amboceptormengen Amboceptormengen 


1. 02, oo = 1x L D 1. 0,5100 = 1x L D. 
2. 0.61/00 = 3X 1l. D. 2. 0,15!/,o = 3x L D. 
3. 02/0 = 10x l. D. 3. 0,5!/ioo =10x L D. 
4. 0,41/i00 =20 x L D. 4 101, =20x LD 
50 Kontrolle 5. 0 Kontrolle 
Bindung !/, Stunde bei 37°. 
A. B. 

Sediment Abguß Sediment Abguß 
1. komplett L stark 1. komplett L mäßig 
2, e 2. fast komplett 2. EES 2. stark 
3. e 3. komplett 3. * 3. fast Komplett 
4. 4. 4., 4. komplett 
6. Spürchen 5. Spürcken 5. Spürchen 5.  Spürchen 


Versuch 10. 
Bindung des Amboceptors in isotonischer LiCl-Lösung. 
A. | B. 
Verdünnung des Blutes und Ambo- Verdünnung des Blutes und Ambo- 
ceptors in 0,62°/ iger LiCl-Lösung. ceptors in 0,85°/,iger NaCl-Lösung. 
Ziegenblut 5°/,, 1>< gewaschen, überall je 2 com. 
Ziegen-Kaninchen Amboceptor vom 14. VIL, inaktiv. 


88 S. v. Poggenpohl: 


Amboceptormengen Ambooceptormengen 
1. 031 = 1x Ll D. 1. Ohio 1x L D. 
2. 0,121/ = 4X L D. 2. 0,2!/o = 4x l D 
3. 0,2410 = 8x l. D. 3. Gäile = 8x L D. 
4. 0,48!/0=16x LD. d 0,8!/i0 = 16 x L D. 
5. 0,961/10 = 32 x l. D. 5. 0,16%/, =32 x l. D. 
6. 0 Kontrolle 6 0 Kontrolle 
Bindung !/, Stunde bei 37°. 
A o B. 

Sediment Abguß Sediment Abguß 
1. komplett 1 Spur l komplett 1. Spürchen 
2. nm 2. TT 2. TT 2 WI 
3. * 3 wenig 3. F 3 Spur 
4. j 4. fast komplett 4. j 4. mäßig 
5. 2 6. komplett 5. Se 5. fast komplett 
6. Spürchen 6. 0 6. Spürchen 6. 0 


Es kann also die verstärkende Wirkung des Kalium- und 
Lithiumsalzes nicht auf eine Erhöhung der Avidität des Ambo- 
ceptors zurückgeführt werden, sondern die Bindungsversuche 
weisen im Gegenteil auf eine Verringerung derselben hin. 


Daß auch in den hemmenden Lösungen der Salze der alka- 
lischen Erden die Bindung statthat, zeigt der folgende Versuch. 


Versuch 1l. 


In jedes der vier Reagensröhrchen wird zugefügt: unverdünntes 
Ziegenblut überall je 0,1 ccm + 0,74/]00 Ambooeptor. Ziegen-Kaninchen 
vom 22. V. (inaktiv) mit 2com folgender Lösung verdünnt: 

1. 0,85°/,ige NaCl-Lösung. 
2. 1,39°%/,ige Meis „ 
3. 1,62%/,ige CaC,- „. 
4. 3,03°/,ige BaCl- „, 

In eine zweite Reihe von Reagensröhrchen, die zur Kontrolle dienen, 
wird überall je 0,1 com unverdünntes Z,-Blut und je 2 oom derselben 
Lösungen (ohne Amboceptor) zugefügt. 

Alle Röhrchen nach 1, stündigem Stehen im Brutschrank bei 37 
werden zentrifugiert; die Sedimente werden mehrmals in physiologischer 
Kochsalzlösung durchgewaschen und in 2 ccm aufgeschwemmt, dazu wird 
0,1 com Meerschweinchenserum (aktiv) zugefügt. Nach 2 stündigem Stehen 
im Brutschrank wird das folgende Resultat notiert: 


Versuchsreihe Kontrollreihe 
1. überall komplett 1l. fast 0 
2. ee LO 2. LA 9 
3 99 LE 3. 9? 
4 H 38 4. LEI 99 


Bindungsweise hämolytischer Ambooeptoren. 89 


Ein weiterer quantitativ durchgeführter Bindungsversuch 
zeigte, daß auch die einfach lösende Dosis des Amboceptors 
(festgestellt in Kochsalzlösung) aus isotonischen Lösungen von 
Magnesium-, Calcium- und Bariumohlorid von den Blutkörperchen 
gebunden wird. Die hemmende Wirkung der Salze der alka- 
lischen Erden dürfte also wohl auf einer Beeinflussung des 
Komplements beruhen, und zwar wird dasselbe offenbar nicht 
zerstört, sondern nur unwirksam. Denn verdünnt man eine 
derartige Lösung, in der das Komplement durch Zusatz eines 
hemmenden Salzes gerade ausgeschaltet ist, mit Kochsalzlösung, 
so tritt die Wirkung desselben wieder hervor, ähnlich wie in 
den Versuchen von Ehrlich und Sachs, mit stärkeren Koch- 
salzlösungen. Wir dürfen aus diesen Versuchen wohl schließen, 
daß es sich bei den hier beschriebenen Wirkungen der Salze, 
sowohl den begünstigenden wie den hemmenden, nicht um Ein- 
wirkungen auf die Amboceptorbindung handelt, sondern daß in 
dem einen Fall die Komplementwirkung begünstigt, in dem 
anderen geschädigt wird. Ob auch hier eine Art Antagonismus 
der Salze festgestellt werden kann, wie z. B. in den bekannten 
Untersuchungen von J. Loeb, das müssen erst weitere Ver- 
suche lehren. 


Über Oberflächenspannungs- und Viscositäts- 
bestimmungen bei Kuhmilch unter Verwendung des 
Traubeschen Stalagmometers. 


Von | 
R. Burri und Ths. Nußbaumer. 


(Aus der schweiz. milohwirtschaftlichen und bakteriologischen Versuchs- 
anstalt Bern- Liebefeld.) 


(Eingegangen am 30. August 1909.) 


In neuerer Zeit macht sich das Bestreben geltend, zur 
Untersuchung und Beurteilung von Blut, Harn, Milch usw. 
mehr als es bisher geschehen ist, die physikalischen Methoden 
heranzuziehen. Für Kuhmilch hat C. Schnorf!) vor einiger 
Zeit zunächst bezüglich der Verwendbarkeit von Leitfähigkeits-, 
Gefrierpunktserniedrigungs- und refraktometrischen Messungen 
Grundlegendes mitgeteilt. Angeregt durch verschiedene Publi- 
kationen von J. Traube unternahmen wir es, die Oberflächen- 
spannungsverhältnisse der Kuhmilch einer näheren Verfolgung 
zu unterziehen, wobei das vom genannten Autor angegebene 
Stalagmometer zur Verwendung kam. Das Prinzip und die 
Handhabung des Apparates setzen wir als bekannt voraus. 

Nach Beginn unserer Untersuchungen ist eine Arbeit von B. Kobler®2) 
erschienen, die sich mit Untersuchungen über Viscosität und Oberflächen- 
spannung der Kuhmilch befaßt, also den unsrigen ähnliche Ziele verfolgt. 
Kobler hat die Bestimmungen über Oberflächenspannung nach einer 
eigenen, unter H. Zanggers Leitung ausgearbeiteten Methode ausgeführt, 
während er für die Viscositätsbestimmungen das Heßsche .Viscosimeter 
benutzte. Schon aus diesem Grunde schien es wünschenswert, unsere 
begonnene Arbeit fortzusetzen, denn die auf verschiedenen Wegen er- 


1) C. Schnorf, Neue physikalisch-ohemische Untersuchungen der 
Milch. Zürich 1908. 
2) B. Kobler, Dissert. Zürich 1908, 


R. Burri u. Ths. Nußbaumer: Oberflächenspannungs- usw.-bestimm. 91 


haltenen Ergebnisse konnten sich nicht nur gegenseitig ergänzen, sondern 
sie mußten auch geeignet sein, das Urteil über die benutzten Arbeits- 
verfahren abzuklären. Unsere Versuche auch auf die Viscosität aus- 
zudehnen, war um so naheliegender, als der Traubesche Apparat, der 
in seinem Bau dem Ostwaldschen Viscosimeter entspricht, sowohl für 
Bestimmungen der Oberflächenspannung, als der Viscosität geeignet 
sein soll. 

Unsere Versuche beanspruchen übrigens aus dem Grunde 
noch ein besonderes Interesse, weil wir bei den Messungen, die 
im allgemeinen bei genau 20° vorgenommen wurden, dem Ein- 
fluß der Temperatur, welcher die Milch vor der Untersuchung 
ausgesetzt war, besondere Berücksichtigung schenkten. 


Dieses Moment, das sich für die Ergebnisse der Oberflächenspannungs- 
bestimmungen von außerordentlicher Tragweite erwiesen hat, ist von 
Kobler sozusagen nicht berücksichtigt worden. 


Zu der von uns befolgten Arbeitsweise sei kurz folgendes bemerkt: 
Die Versuche sind mit dem Stalagmometer Nr. II (von C. Gerhardt in 
Bonn bezogen; Tropfenzahl für Wasser bei 15° C — 59,15) ausgeführt 
worden. Der Apparat war im Innern eines durchsichtigen Wasserbehälters 
montiert, dessen Inhalt auf die Temperatur von 20° C eingestellt war. 
Eine besondere Vorrichtung zur Regulierung des auf der Versuchsflüssig- 
keit lastenden Druckes wurde nicht angebracht, indem bei Anwendung 
des genannten Stalagmometers auf Milch die in einer bestimmten Zeit 
fallende Tropfenzahl die gewünschten Verhältnisse nicht überschritt. 
Ein großer Teil der Versuche ist mit der Milch einer einzelnen Kuh 
durchgeführt, ein kleiner Teil mit einer Mischmilch von 40 Kühen. Die 
Milch wurde unmittelbar oder bald nach dem Melken noch warm durch 
eine dünne Watteschicht filtriert, um gröbere Verunreinigungen, die die 
Capillaren des Stalagmometers hätten verstopfen können, zurückzuhalten. 
Eine nennenswerte Beeinflussung der Milch, wie sie bei langsam ver- 
laufender Filtration durch Filtrierpapier zu befürchten ist, mußte so aus- 
geschlossen erscheinen. Zur genauen Feststellung der Auslaufzeiten diente 
selbstverständlich ein arretierbares Chronometer. Die Resultate sind bei 
den einzelnen Versuchen so ausgedrückt, daß bezüglich der Viscosität 
der nach Ostwald!) berechnete, auf destilliertes Wasser von 20° be- 
zogene Koeffizient für die relative innere Reibung angegeben wurde, 
während die bei der Oberflächenspannung aufgeführten Zahlen direkt die 
ermittelte Tropfenzahl bedeuten, Zwischen letzterer und der oapillaren 
Steighöhe einer Flüssigkeit bestehen einfache Beziehungen, so daß die 
vorliegenden Tropfenzahlen durch Umrechnung auch einen Ausdruck für 
die Oberflächenspannung liefern können. Die in den folgenden Versuchen 
für Viscosität und Tropfenzahl angegebenen Werte sind das Mittel von 
Doppelbestimmungen. Wenn die Ausflußzeiten um mehr als eine Sekunde 


1) W. Ostwald, Grundriß der allg. Chemie. Leipzig 1909, S. 99. 


92 R. Burri und Ths. Nußbaumer: 


differierten, so wurde eine dritte und ev. eine vierte Bestimmung aus- 
geführt. 

Zwischen den einzelnen Bestimmungen fand immer eine vollkommene 
Reinigung des Apparates in der Weise statt, daß zuerst mit warmer, 
10°/,iger Sodalösung, dann mit destilliertem Wasser, Alkohol und Äther 
gespült und zuletzt trockene Luft durohgeleitet wurde. 


Das Stalagmometer als Viscosimeter. 


Um zu sehen, in wieweit die mit dem Stalagmometer für 
die Viscosität erhaltenen Werte mit den nach andern Methoden 
erlangten übereinstimmen, wurden einige vergleichende Versuche 
mit dem von Kobler (l. c.) benutzten Viscosimeter nach 
W. Heß ausgeführt. | 


Versuch 1. 
Morgenmilch der Kuh „Gais“. Die Versuche sind bei 20° und bei 30° 
ausgeführt. 

temperatur jim Viscosimeter —— (Stalagmometer) berechnet 

1,88 1,899 

20° 1,89 1,901 
1 1,88 ES GE 1,892 — 

1,79 1,776 

30° 1,75 1,745 

1,75 1.756 








Die bei den betreffenden Temperaturen erhaltenen Werte 
stimmen sonach für die benützten Methoden wie auch unter 
sich in befriedigender Weise überein. | 


Veränderung von Viscosität und Oberflächenspannung bei 
Milch, welche konstant bei 20° aufbewahrt wird. 


Schon bei den ersten Versuchen hatten wir den Eindruck 
bekommen, daß Viscosität und Oberflächenspannung der Milch 
auch bei verhältnismäßig kurzer Aufbewahrungszeit sich ändern. 

Um Sinn und Intensität dieser Änderung zu ermitteln, 
empfahl es sich zunächst, eine Serie von Untersuchungen bei 
ein und derselben Milch, die unmittelbar nach dem Melken auf 
eine bestimmte mittlere Temperatur gebracht war, in gleich- 
mäßigen Zeitintervallen vorzunehmen. 


Oberflächenspannungs- u. Viscositätebestimmungen bei Kuhmilch. 93 


Versuch 2. 
Morgenmilch der Kuh „Gais“ vom 16. III. 1909. 


Zeit der Untersuchung | Tropfenzehl | Viscosität 








Versuch 3. 
Morgenmilch der Kuh ‚„Gais“ vom 17. III. 1909. 





Zeit der Untersuchung | Tropfenzal |  Viscosität 





7? morgens 
N, 
LD vg 

1% nachmittags 
di em 

5 LA) 

Ti nm 





Nach diesen beiden Versuchen scheint also im Verlauf von 
12 Stunden die Oberflächenspannung merklich abzunehmen, 
während die Viscosität um ein geringes steigt. 

Da die Versuchsmilch die ganze Zeit im offenen Kolben 
gestanden hatte, war in einem weiteren Versuche zu unter- 
suchen, ob bezüglich der Viscositätszunahme vielleicht die Ver- 
dunstung bzw. die Konzentrationszunahme der Milch eine Rolle 
spielen konnte. 


Versuch 4. 


Die Milch derselben Kuh wurde sofort nach dem Melken 
filtriert, gut gemischt, auf zwei je 11 fassende konische Kolben 
verteilt und im Wasserbade bei 20° aufgestellt. Die Kolben 
wurden’ zunächst etwa Ui, Stunde stehen gelassen, damit sich 
der Gasaustausch ungehindert vollziehen konnte. Um 8 Uhr 
morgens wurden bei der Untersuchung für beide Kolben über- 
einstimmende Werte gefunden. Der eine der Kolben wurde 
nun mit einem Gummistopfen gut verschlossen, um die Ver- 
dunstung zu verhindern, und nach weiteren 8 Stunden wurde 
die Milch wieder untersucht. 


94 R. Burri und Ths. Nußbaumer: 


u nn | Tropfenzahl 





` Visoosität 


Ah abends im offenen Kolben | 82,5 IM 1,918 
4 abends im verschlossenen Kolben | 82,3 | 1,917 E 


Nach diesen Versuchen zu schließen, hat also die Ver- 
dunstung der bei 20° gehaltenen Milchprobe keinen wesentlichen 
Anteil an der beobachteten Zunahme der Viscosität gehabt. 


Einfluß der Kühlung der Milch auf ihre Viscosität 
und Oberflächenspannung. 


Gewisse Unregelmäßigkeiten in den Befunden für die Werte 
der Oberflächenspannung haben es uns nahe gelegt, den Auf- 
bewahrungstemperaturen der Versuchsmilch besondere Beachtung 
zu schenken. Zunächst sollte ein und dieselbe Milch bei ver- 
schiedenen Temperaturen einige Zeit aufbewahrt und dann ver- 
gleichend geprüft werden. 


Versuch 5. 

11 Milch der Kuh ‚Gais‘ wurde unmittelbar nach dem 
Melken in drei Teile a, b und o geteilt, wie unten angegeben 
aufbewahrt und zu Anfang und Ende der Versuchszeit auf 
Viscosität und Öberflächenspannung untersucht. Die Unter- 
suchungen selbst sind sämtlich bei 20° ausgeführt. 







8. b. C. 
Zeit der Untersuchung | dm, Wasser, Im Biel Zum 





aufgestellt | aufgestellt | gebracht 
Tropfenzahl 81,3 — — 
Te morgens | Visaosität 1,847 | - |. — 
ee en Lunch | = rel — 
: Tropfenzahl 83,2 | 87,2 85,8 
4—6 nachmittags | Yisgosität | 1,8986 | 1,898 | 1,888 
Ganz ähnliche Resultate ergab der folgende 
Versuch 6. 


Zeit der Untersuchung 


ro fenzahl 
7° morgens { Tropfen 
(rengen Së, 82,6 pS 87,0 E 86.8 


Viscosität 





4—61/, nachmittags{ 


Oberflächenspannungs- u. Viscositätsbestimmungen bei Kuhmilch. 95 


Diese Versuche bestätigen zunächst für die Aufbewahrungs- 
temperatur von 20° die schon früher erwähnte merkliche Ab- 
nahme der ÖOberflächenspannung einerseits, die geringe, aber 
doch deutliche Zunahme der Viscosität andererseits. In die 
Augen springend ist nun aber die ganz beträchtliche Zunahme 
der Tropfenzahl, also Abnahme der Oberflächenspannung bei 
Milch, die kühl gehalten war, während die Viscosität durch 
Kühlung anscheinend nicht wesentlich beeinflußt worden ist. 
Es mußte nun von Interesse sein, den zeitlichen Verlauf der 
betreffenden Anderung bei verschiedenen Temperaturen etwas 
näher zu verfolgen. 


Versuch 7. 


Die Morgenmilch der Kuh ‚Gais‘ wurde kurz nach dem 
Melken untersucht, ein Teil der Probe zur Kontrolle bei 20° 
aufgestellt und die Hauptmenge in einem Gemisch von Schnee 
und Wasser den ganzen Tag gekühlt. Alle zwei Stunden wurde 
von der gekühlten Milch eine kleine Menge entnommen, auf 
20° temperiert und untersucht. 





Im Wasserbad bei 20° 
gehalten 


Tropfenzahl | Viscosität 












1,891 


Bei ganz gleicher Anordnung und mit gleichem Ergebnis 
wurde auch die Morgenmilch einer Kuh , Nelli“ untersucht. 





Im Wasserbad bei 200 


Im Schmelzwasser gekühlt gehalten 


Tropfenzahl | Viscosität 





96 R. Burri und Ths. Nußbaumer: 


Versuch 8. 


In diesem Falle wurde die Milch von Geert nicht im 
Schmelzwasser, sondern nur im fließenden Leitungswasser bei 
ungefähr 10° gekühlt. 


Im Wasser von 10° ant. | Im Wasserbad bei 200 
Zeit der bewahrt aufbewahrt 


Tropfenzahl | Visoosität 





Die Versuche 7 und 8 zeigen deutlich, daß die bedeutende 
Verminderung der Oberflächenspannung als Folge der Auf- 
bewahrung der Versuchsmilch bei niedrigen Temperaturen nicht 
das Ergebnis eines langsam verlaufenden, auf die ganze Ver- 
suchsdauer sich erstreckenden Prozesses ist, sondern daß der 
Endwert, den wir nach 12 Stunden feststellen können, in an- 
nähernd derselben Größe schon nach zwei Stunden, vielleicht 
schon früher, erreicht ist. Bemerkenswert ist ferner, daß die 
Wirkung der Kühlung auf die Oberflächenspannung ungefähr 
dieselbe ist, ob wir als Kühltemperatur 0° oder 10° anwenden. 
Diese Tatsache geht nicht nur aus dem Vergleich von Versuch 
7 und 8 hervor, sondern wurde noch durch besondere Versuchs- 
reihen, die hier nicht aufgeführt sind, erhärtet. Was die Vis- 
cosität anbetrifft, so ist ein ähnlicher Einfluß als Folge der 
Milchkühlung nicht vorhanden. Ähnlich wie bei 20°, nimmt 
auch bei 10° und bei 0° die Ausflußzeit unbedeutend zu und 
zwar bei niedrigen Temperaturen durchschnittlich in etwas ge- 
ringerem Maße als bei 20°. 

Da wir vermuteten, daß durch die Kühlung ein eigen- 
tümlicher labiler Zustand der Milch geschaffen würde, der viel- 
leicht durch nachträgliche längere Aufbewahrung der Proben 
bei 20° wieder rückgängig gemacht werden konnte, haben wir 
im folgenden Versuch, wie die Tabelle zeigt, eine anfängliche 
Kühlperiode mit einer nachfolgenden Erwärmungsperiode (20°) 
kombiniert. 


Oberflächenspannungs- u. Viscositätsbestimmungen bei Kuhmilch. 97 


Versuch 9. 


Die Abendmilch der Kuh ‚Gais‘ wurde in frischem Zu- 
stande untersucht und die Probe in verschiedene Portionen 
geteilt. Diese wurden verschieden lange gekühlt, bzw. ausge- 
froren und nachher bis am folgenden Morgen in das Wasser- 
bad von 20° gestellt. Die Untersuchung wurde also erst an 
der mindestens 12 Stunden alten Milch vorgenommen. 

Untersuchung kurz nach dem Melken: 

Tropfenzahl Visoosität 
81,6 1,940 


Untersuchung 12 Stunden später: 
Tropfenzahl Viscosltät 


a) Die ganze Zeit bei 20° gehalten. . . . . 2... 83,0 1,986 
b) 1 Std. bei 10° gekühlt, nachher bei 20° gehalten 88,0 1,972 
c) 4 „ 9 100 „ ” „ 20° d 87,6 1,968 
d) Ausgefroren und sofort „ Ge GER ` 87,0 1,9857 
e) 48Std. ausgefroren und PR » 2° „ 88,2 1,950 


Die nachträgliche Aufstellung bei 20° hat somit die Wir- 
kung der vorhergehenden, mehr oder weniger langen Kühlung 
nicht rückgängig gemacht. In einem folgenden ähnlichen Ver- 
such wurde mit noch kürzeren Kühlperioden begonnen. 


Versuch 10. 


Untersuchung kurz nach dem Melken: 
Tropfenzahl Visoosität 
81,0 1,942 


Untersuchung 12 Stunden später: 
Tropfenzahl Viscosität 


a) Die ganze Zeit bei 20° gehalten. . . . 2... 83,0 1,990 
b) 1/, Std. bei 10° gekühlt, nachher bei 20° gehalten 86,6 1,993 
c) 1/2 9 99 10° ” UI UL 20° OU 88,0 2,005 
d) l „ ,„ 10° j RR „ 20° A 88,6 1,982 
ei 4 „ „ 109 a S „ 20° 5 90,2 1,980 
f) Ausgefroren und sofort F „ 20° m 89,6 1,983 
g) 4 Std. ausgefroren und Sé „ 20° M 89,8 1,975 


Wie besonders aus dem Versuch 10 hervorgeht, genügt 
schon eine sehr mäßige Kühlung der Milch OCI, Stunde bei 10°), 
um die Oberflächenspannung merklich herabzusetzen; um aber 
den überhaupt möglichen Grenzwert zu erreichen, muß die 
genannte Temperatur immerhin '/, bis 1 Stunde wirken. 

Von Interesse schien es uns ferner, zu untersuchen, ob 


das Verweilen der Milch bei Körperwärme, also in dem Zustande, 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 7 


98 R. Burri und Ths. Nußbaumer: 


wie er unmittelbar nach dem Melken besteht, an den bisher 
ermittelten Verhältnissen etwas ändern könne. Von mehreren 
diesbezüglichen Versuchen sei der folgende 


Versuch 11 


erwähnt. Selbstverständlich wurden für die höhere Temperatur 
nur Zeiten gewählt, in denen eine sekundäre Beeinflussung der 
Viscositäts- und Oberflächenspannungswerte durch Bakterien- 
tätigkeit ausgeschlossen erscheinen mußte. 

Die Abendmilch der Kuh ‚‚Gais‘‘ wurde wie gewöhnlich frisch 
untersucht, die entnommene Probe in 2 Teile a und b geteilt und 
der eine davon 1 Stunde lang, der andere 2 Stunden lang im 
Wasserbade von 37° gelassen. Nachher wurde die gut umge- 
schüttelte Milch von a und b auf je 3 Fläschchen I, II und III 
verteilt. Je eines von diesen wurde durch eine Mischung von 
Schnee und Salz zum Gefrieren gebracht, je ein zweites in 
fließendes Wasser von 10° gestellt und das dritte in einem 
Wasserbade von 20° gehalten. Die 3 Fläschchenpaare ver- 
blieben dann bei den betreffenden Temperaturen bis zum 
folgenden Morgen. Zur Kontrolle wurde auch eine Probe der 
ursprünglichen Milch dauernd bei 20° gehalten, hatte also weder 
unter dem Einflusse einer längeren Einwirkung der Blutwärme, 
noch unter dem einer eigentlichen Kühlung gestanden. 

Untersuchung kurz nach dem Melken: 

Tropfenzahl Visoosität 
80,8 1,914 
Untersuchung 12 Stunden später: 
Probe a: anfänglich 1 Std. bei 37° gehalten, dann 


I II III 
susgefroren Wasser von 10°C von 20°C" 
Tropfenzehl: 87,4 86,2 83,0 
Viscosität: 1,943 1,963 1,966 
Probe b: anfänglich 2 Std. bei 37° gehalten, dann 
I II III 
man yimfiedenden "BE 
Tropfenzahl: 87,4 87,8 83,0 
Viscosität: 1,941 1,957 1,965 
Kontrollprobe: dauernd bei 20° gehalten: 
Tropfenzahl. ... . 83,2 


Viscoaität ..... 1,974 


Oberflächenspannungs- u. Viscositätebestimmungen bei Kuhmilch. 99 


Der Umstand, daß die Milch vor der Kühlung 1 oder 
2 Stunden bei Körperwärme gehalten wurde, ist somit ohne 
nachweisbaren Einfluß auf die durch die Kühlung hervorgerufene 
Depression der Oberflächenspannung geblieben. Diese Tatsache 
im Zusammenhange mit der früher hervorgehobenen, daß nach 
der Kühlung vorgenommenes mehrstündiges Erwärmen auf 20° 
ebenfalls ohne merkbaren Einfluß blieb, macht es äußerst wahr- 
scheinlich, daß es zur Erzielung der fraglichen Depression der 
Oberflächenspannung nur darauf ankommt, daß überhaupt 
gekühlt wird, und daß es belanglos ist, ob vor oder nach oder 
vor und nach der Kühlungsperiode eine Erwärmungsperiode 
zur Wirkung gelangt, wenn nur die Kühlung ein gewisses Maß 
erreicht, das etwa der halbstündigen Einwirkung einer Tem- 
peratur von 10°C entspricht. An dieser Stelle sei übrigens 
erwähnt, daß wir in besonderen Versuchen nach vorausgegangener 
Kühlung die Milch 1 und 2 Stunden bei Körperwärme hielten, 
ohne daß die infolge der Kühlung hoch gestiegenen Tropfen- 
zahlen beeinflußt wurden. 


Versuch 12. 


Bei diesem Versuche wurden zwischen Wärmeperioden (20°) 
Kühlperioden (10°) von verschieden langer Dauer eingeschaltet 
und die dabei erhaltenen Werte mit jenen bei durchgehender 
Erwärmung und durchgehender Kühlung in Vergleich gestellt. 
Versuchsdauer 8 Uhr morgens bis 4 Uhr nachmittags. 

Untersuchung kurz nach dem Melken: 

Tropfenzahl Viscosität 
82,0 1,929 

Untersuchung 8 Stunden später: 

Tropfenzahl Viscosität 


Von 10%5 bis 1115 bei 100 gekühlt 87,2 1,949 
sg 12% sp 200 II zg TI? 86,8 1,944 
zg 800 „ 400 „ zg ” 86,8 1,958 
„ 80 „ 430 „ 20° gewärmt 83,0 1,958 


Dieses Ergebnis entspricht ganz dem, was oben gesagt 
wurde und bedarf keiner weiteren Erörterung. Im gleichen 
Sinne sind auch weitere, ‚hier nicht mitgeteilte Versuche aus- 
gefallen. 

Nachdem die bisherigen Versuche sozusagen ausschließlich 


mit der Milch einer bestimmten Kuh ausgeführt worden waren, 
7* 


100 R. Burri und Ths. Nußbaumer:; 


schien es wünschenswert, die Gültigkeit der Ergebnisse auch 
für sog. Mischmilch, d. h. für das gemischte Gemelk einer 
größeren Zahl von Kühen darzutun. Die diesbezüglichen Ver- 
suche haben der Erwartung vollkommen entsprochen. Als Bei- 
spiel sei das folgende herausgegriffen. 


Versuch 13. 

Eine Probe einer Mischmilch von 40 Kühen wurde in zwei 
Portionen geteilt und davon die eine im Wasserbade von 20°, 
die andere im fließenden Wasser von 10° von morgens 8 Uhr 
bis abends 5 Uhr aufbewahrt. In den in der Tabelle ange- 
gebenen Zeiten wurden Oberflächenspannungs- und Viscositäte- 
bestimmungen ausgeführt. 





Zeit der Bei 20° aufbewahrt Bei 10° aufbewahrt 
Untersuchung | Tropfenzahl | Viscosität | Tropfenzahl | Viscosität 
8% morgens 
11> JI 
25 nachm 





1,911 


Ein Blick auf diese Tabelle läßt ohne weiteres eine Über- 
einstimmung mit den Erscheinungen erkennen, die uns bezüglich 
des Einflusses der Kühlung der Milch auf die Oberflächen- 
spannung und Viscosität schon bei den ersten Versuchen ent- 
gegengetreten sind und die wir zusammenfassend in folgenden 
Schlußsätzen niederlegen möchten. 


Zusammenfassung. 


1. Normale Kuhmilch erleidet, sich selbst überlassen, in 
den ersten 12 Stunden nach dem Melken, also zu einer Zeit, 
in der eine wesentliche chemische Veränderung durch Bakterien- 
wirkung als ausgeschlossen gelten kann, eine merkbare Abnahme 
der Oberflächenspannung und eine geringe aber deutliche Zu- 
nahme der Viscosität. 

2. Die Abkühlung der Milch äußert sich nicht in gleicher 
Weise auf Oberflächenspannung und Viscosität. Während bei 
einer Milch, deren Temperatur nicht unter %0° sinkt, die Ober- 
flächenspannung nur in bescheidenem Maße zurückgeht, genügt 
schon die halbstündige Einwirkung einer Temperatur von 10°, 


Oberflächenspannungs- u. Viscositätsbestimmungen bei Kuhmilch. 101 


um eine auffallend kräftige Depression zu erzeugen. Die Ober- 
flächenspannung erreicht unter diesen Verhältnissen einen mini- 
malen Grenzwert, wie er auch nach Kühlung der Milch auf 0° 
oder nach eigentlichem Gefrieren der Milch festgestellt werden 
kann. Im Gegensatz zu dieser großen Empfindlichkeit der 
Oberflächenspannung gegenüber geringfügigen Kühlwirkungen 
zeigen die Viscositätswerte keine deutliche Abhängigkeit von 
einer stattgefundenen kürzeren oder längeren Kühlung der Milch. 

3. Die infolge einer genügenden Kühlung der Milch auf- 
getretene Eigentümlichkeit der letzteren, einen gegenüber frisch 
gemolkener Milch bedeutend verminderten Wert für die Ober- 
flächenspannung aufzuweisen, ist durch nachträgliches Erwärmen 
der Milch auf Temperaturen bis zu 37° nicht rückgängig zu 
machen. Es gehen somit gewisse Bestandteile der Milch unter 
dem Einfluß der Kühlung von einem labilen in einen stabilen 


Zustand über. 

Schlußbemerkungen: Der im vorliegenden behandelte eigen- 
tümlioche Zusammenhang zwischen der Oberflächenspannung einer Milch- 
probe und ihrer Aufbewahrungstemperatur muß selbstverständlich berück- 
sichtigt werden, soweit überhaupt Oberflächenspannungsbestimmungen 
bei Milch zur Anwendung kommen. Da man vielfach über die Vor- 
behandlung einer zu Versuchszweoken dienenden Milch nicht unterrichtet 
ist, empfiehlt es sich, Messungen nur vorzunehmen, nachdem man die Milch 
während einer Stunde auf ungefähr 10° gekühlt und so den stabilen Zu- 
stand hervorgerufen hat, der einen minimalen Grenzwert der Oberflächen- 
spannung bedingt. Selbetverständlich hat die hier behandelte Erscheinung 
auch ihre praktische Seite, indem durch eine Oberflächenspannungs- 
bestimmung vor und nach der lIstündigen Kühlung auf einfache Weise er- 
mittelt werden kann, ob die Milch schon vorher gekühlt war oder nicht. Im 
ersten Falle werden die beiden erhaltenen Werte ungefähr zusammen- 
fallen, im letzteren Falle wird eine oharakteristische Differenz auftreten; 

Bei dieser Gelegenheit möchten wir unserer Meinung dahin Ausdruck 
geben, daß für praktische, bzw. klinische und molkereitechnische Zwecke 
das Stalagmometer als einfacher und zuverlässiger Apparat für Ober- 
flächenspannungs- und Viscositätsbestimmungen vorzügliche Dienste 
leisten kann. 

Was die Ursache betrifft, welche der hier im Vordergrund stehen- 
den Erscheinung zugrunde liegt, so dürfte es sehr wahrscheinlich sein, 
daß der beim Abkühlen der Milch erfolgende Übergang der Fettkügelchen 
vom flüssigen in den festen Zustand das ausschlaggebende Moment dar- 
stell. W. Fleischmann!) hat vor nicht langer Zeit an Hand von 
Bestimmungen der spezifischen Wärme der Milch den Schluß abgeleitet, 


1) W. Fleischmann, Journ. f. Landwirtsch. 50, 33, 1902. 


102 R. Burri u. Ths. Nußbaumer: Oberfläochenspannungs- usw. -bestimm. 


daß beim Aufbewahren der Milch bei gewöhnlichen Wärmegraden (12 
bis 20°) ein proportional der Zeit sich vergrößernder Teil des Fettes der 
Fettkügelchen erstarrt. Fleischmann (l. c. S. 69) sagt: „Weiter ist es 
wahrscheinlich, daß das Fett nicht mit der Hartnäckigkeit, die man 
übrigens bei der überaus feinen Verteilung erwarten sollte, auch bei 
Wärmegraden zwischen O und 30° im flüssigen Zustande verharrt, son- 
dern daß es bei diesen Wärmegraden leicht fest wird, um so leichter, 
je tiefer die Temperaturen sind.“ 

Welche weiteren physikalischen Vorgänge nun die Zustandsänderung 
des Fettes in der Milch begleiten, bleibt noch aufzuklären. Vermutlich 
spielen sich die Prozesse, welche die bedeutende Herabsetzung der Ober- 
flächenspannung im Gefolge haben, in den Grenzflächen zwischen Fett- 
kügelchen und umgebender Flüssigkeit ab. Vielleicht gelingt es, künst- 
lich ein Dispersoid herzustellen, das als Modell des komplizierten Systems, 
wie es durch die Milch dargestellt wird, dienen kann und die in Frage 
stehende Oberflächenspannungsänderung einer Flüssigkeit durch Über- 
führung eines in letzterer enthaltenen Emulsoids in ein Suspensoid nach- 
zuahmen gestattet. 


Zur Kenntnis der Zuckerspaltungen. 


VI. Mitteilung. 
Die elektrolytische Reduktion des Traubenzuckers. 
Von 
Walther Löb. | 
(Aus der chemischen Abteilung des Rudolf -Virchow - Krankenhauses 
in Berlin.) 
(Eingegangen am 29: August 1909.) 


In der Mitteilung ‚Die Elektrolyse des Traubenzuckers“ 
(Zur Kenntnis der Zuckerspaltungen, III!) habe ich für die an 
einer Bleianode auftretenden Oxydationsvorgänge folgende Auf- 
fassung gewählt: 

_ Glucose Pentose Formaldehyd 
c v.l ——> Deels CH,O 


IN AN AN 


Gel, as Cs H08 C,H, Dh Oe Ha, HCOOH CO, u. CO 


Gluconsäure Zucker- Arabonsäure Trioxy- Ameisen- 
säure glutar- autre 
säure 


Als primären Prozeß betrachtete ich also den Zerfall des 
Traubenzuckers, als sekundären die Oxydation zu den Säuren. 

Es lag nahe, anzunehmen, daß das Auftreten einer Pentose 
und des Formaldehyds einem Oxydationsvorgang zuzuschreiben 
ist. Für die von mir bereits entwickelten Anschauungen über 
die Umkehrbarkeit der Zuckersynthese?) aus Formaldehyd und 
für die in der nächsten Mitteilung begründeten theoretischen 
Vorstellungen war es mir wesentlich, direkt experimentell nach- 
zuweisen, daß die oxydativen Vorgänge an der Anode lediglich 





1) Diese Zeitschr. 17, 132, 1909. 
2) Diese Zeitschr. 20, 516, 1909. 





104 W. Löb: 


ein zwischen Zucker und seinen Spaltprodukten C,H,,O, und 
CH,O bestehendes Gleichgewicht stören und dadurch eine An- 
reicherung an Pentose und Formaldehyd veranlassen, die natür- 
lich teilweise, ebenso wie der Traubenzucker, dem Angriff des 
Sauerstoffs unterliegen. Bei den Versuchen über die Elektro- 
lyse der Glucose war der Anodenraum von dem Kathodenraum, 
der nur verdünnte Schwefelsäure enthielt, getrennt. Ich be- 
schloß deshalb, die Verhältnisse umzukehren und zu prüfen, 
ob nicht bei der kathodischen Behandlung des Zuckers der 
Wasserstoff, ebenso wie vorher der Sauerstoff, als Störer dieses 
Gleichgewichtes fungieren und eine Anreicherung an Pentose 
und Formaldehyd veranlassen könne. Die Versuche gaben ein 
sicheres, positives Resultat. 

Die elektrolytische Reduktion des Traubenzuckers in ver- 
dünnter Schwefelsäure unter Anwendung eines Diaphragmas 
führt nach den Angaben von O’Brien Gunn!) relativ glatt zu 
Mannit. Wenn auch Pentose — Formaldehyd ist äußerst schwer 
reduzierbar — dem Angriff des Wasserstoffs ausgesetzt wurde, so 
war bei ihrer geringen Konzentration vorauszusehen, daß die 
Reaktionsgeschwindigkeit zwischen ihr und Wasserstoff weit 
hinter der zwischen letzterem und Traubenzucker zurückbleiben 
würde, so daß trotz des Fehlens irgendwelcher Beobachtungen 
nach dieser Richtung hin ein Erfolg, Pentose und Formaldehyd 
zu fassen, nicht ausgeschlossen schien. 

Ich führte die Elektrolyse in folgender Weise aus: 

20 g Traubenzuoker, in 100 com 5°/,iger Schwefelsäure gelöst, 
wurden in einen sorgfältig gereinigten Thonzylinder gebracht, der durch 
einen dreifach durchbohrten Gummistopfen verschlossen wurde. Die 
Lösungsverhältnisse waren also die gleichen wie bei der elektrolytischen 
Oxydation des Zuckers. Durch zwei Durchbohrungen wurde die Kathode, 
eine dauernd von kaltem Wasser durchtsrömte Bleischlange mit etwa 
20 qcm wirksamer Oberfläche, geführt. Sie war sorgfältig nach Tafels?) 
Vorschrift präpariert. Besonderer Wert ist darauf zu legen, daß die 
Oberfläche vor Beginn des Versuches keine Spur Bleioxyd oder Blei- 
superoxyd enthält. Man erreicht dies leicht durch längere kathodische 
Polarisation in reiner verdünnter Schwefelsäure unmittelbar vor dem Ver- 
such. Der Thonzylinder wurde in ein weiteres GlasgefäßB mit 5°/,iger 
Schwefelsäure gestellt, das die Platinanode aufnahm. Die Stromstärke 
betrug 1 Amp., die Spannung 4 bis 5 Volt, die Dauer 20 bis 24 Stunden. 


1) D. R. P. Nr. 140318 (23. V. 1900). 
2) Zeitschr. f. physikal. Chem. 84, 187, 1900. 


Zur Kenntnis der Zuckerspaltungen. VI. 105 


Die wasserklare Lösung, die einen eigenartigen, ganz schwach an 
Acro!ein erinnernden Geruch besaß, wurde in der Kälte mit Calcium- 
carbonat neutralisiert und der Wasserdampfdestillation unterworfen. Das 
neutrale Destillat zeigt alle Formaldehydreaktionen schwach, aber deut- 
lich ausgeprägt. Der Gehalt wurde jodometrisch ermittelt. Er ist weit 
geringer als bei der elektrolytischen Oxydation und betrug in drei 
unter den angegebenen Bedingungen ausgeführten Versuchen 0,0097 g, 
0,0027 g und 0,005g Formaldehyd. Ein Teil des Destillates, mit Ben- 
zoylchlorid auf Alkohol untersucht, gab ein negatives Resultat. 

Der Destillationsrückstand, Kalksalze, Zucker und Mannit ent- 
haltend, wurde im Vakuum zur Trockene gebracht. Die nur in äußerst 
geringer Menge vorhandenen Calciumsalze, hauptsächlioh Caloiumsulfat, 
blieben bei dem Auskochen mit Alkohol ungelöst zurück. Das nach dem 
Filtrieren der Lösung und dem Verdunsten des Alkohols zurückbleibende 
Gemisch von Zucker und Mannit (9,5g, 10,7g, 10,9g in den drei er- 
wähnten Versuchen) wurde in verschiedener Weise bearbeitet. 

Zur Prüfung auf die Gegenwart von Pentose ließ ich die wässerige 
Lösung des alkoholischen Extraktes mit Hefe vergären. Nach Filtra- 
tion und Behandlung mit kolloidaler Eisenlösung zur Entfernung von 
aus der Hefe stammenden Eiweiß bzw. Albumosen und abermaliger Fil- 
tration trat die Bialsche Pentosenreaktion mit aller Schärfe auf. Durch 
Phenylhydrazinacetat fiel nach kurzem Stehen auf dem Wasserbad ein 
in heißem Wasser leicht lösliches Osazon aus, das nach der Krystalli- 
sation bei 169° unter Zersetzung schmolz. Nach nochmaliger Krystalli- 
sation stieg der Schmelzpunkt auf 170 bis 172%. Derselbe stimmt, 
ebenso wie das mikroskopische Bild, mit Schmelzpunkt und Aussehen 
des bei der elektrischen Oxydation erhältlichen Pentosazons, das zum 
Vergleich besonders dargestellt wurde, überein. Die Menge der Pentose 
wurde mittels der Tollensschen Furfuroldestillation aus dem erhält- 
lichen Phloroglucid als Arabinose berechnet. Die Ausbeuten betrugen in 
den drei erwähnten Versuchen 0,15g, 0,17g, 0,17g. Die Prüfung auf 
Dioxyaceton mit Methylphenylhydrazin fiel negativ aus. 

Vor kurzem hat Neuberg!) die Elektrolyse der d-Glucose in rein 
wässeriger Lösung ausgeführt und das Auftreten von Formaldehyd nicht 
beobachtet. Da in seiner Anordnung ohne Diaphragma oxydierende und 
reduzierende Einflüsse sich geltend machen, beide aber der Bildung von 
Formaldehyd günstig sind, so wiederholte ich den Versuch in der von 
Neuberg gegebenen Anordnung. Nach 18 Stunden wurde der Versuch 
abgebrochen, die Flüssigkeit mit Calciumoarbonat neutralisiert und der 
Wasserdampfdestillation unterworfen. Das Destillat zeigte alle Form- 
aldehydreaktionen ausgeprägt. Die Menge wurde nicht festgestellt. 

Aus den geschilderten Versuchen geht mit Sicherheit hervor, daß 
die Zuokerspaltung in Formaldehyd und Pentose in saurer Lösung auch 
unter dem Einfluß des reduzierenden Wasserstoffs stattfindet. 


1) Diese Zeitschr. 17, 288, 1909. 


Über das Vorhandensein der Pentosen im Harne des 
Menschen und der Tiere. 


Über die Ausnützung der Pentosen im tierischen Organismus. 
Von 
Luigi Cominotti. 


(Aus dem Laboratorium für experimentelle Physiologie der kgl. tier- 
ärztlichen Hochschule in Mailand.) 


(Eingegangen am 1. September 1909.) 


Auf den hohen Pentosengehalt der Vegetabilien haben 
Tollens, Schulze, Menozzi und Appiani die Aufmerksamkeit 
gelenkt. 

Den Befunden Menozzis und Appianis über unsere Futter- 
sorten können wir jene Scurtis und De Platos?!) hinzufügen, 
welche für die süditalienischen Heusorten unter 54 geprüften 
Mustern durchschnittlich einen Pentosanengehalt von 15,19°/, 
festgestellt haben. Nach diesen Resultaten nehmen die gras- 
fressenden Tiere mit ihrer täglichen Nahrung eine große Quantität 
von Pentosanen zu sich, und es erhebt sich sofort die doppelte 
Frage, ob und in welchem Maße die Pentosane der Nahrung 
im Magendarmkanal resorbiert und vom ES ausgenutzt 
werden. 

Stone und Jones?) fanden diesbezüglich bei Schafen eine Resorption 
der Heupentosane zwischen 44 und 71°/,. 

Jones®), welcher Kaninchen mit Weizenkleie und Kornmehl 
fütterte, fand, daß diese Tiere die im Futter enthaltenen Pentosane zu 
68,93 bis 82,48°/, resorbierten. 


1) Stazioni sperimentali Agrarie italiane 41, 333, 1908. 

2) Centralbl. f£. Agriculturchemie 1893, 777; nach Agricultur. Science, 
7, 6, 1893. 

3) Chem. Centralbl. 1892, 566; nach American Chem. Journ. 14. 


L. Cominotti: Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 107 


Weiske!) fand bei Ziegenböcken und Kaninchen bei Heu- und 
Haferfütterung eine Resorption der Pentosane zu 85°/, und bei letzteren 
von 53,8 °/,. 

Verwickelter war die Frage bezüglich des Verhaltens der Pentosen 
im Organismus; die Resultate, zu welchen die verschiedenen Forscher 
gelangt sind, stimmen nicht überein, Nach Ebstein?) verwertet der 
menschliche Organismus diese Zuckersorten gar nicht. Nach Genuß von 
25 Gramm Arabinose oder Xylose soll der gesamte eingenommene 
Zucker unverändert ausgeschieden werden. Aber spätere Forschungen 
führten zur Annahme, daß die Pentosen zur Bildung von Glykogen 
beitragen. 

Salkowski?®) hat bei Kaninchen konstatieren können, daß die 
Pentosen direkt oder indirekt die Entstehung von Glykogen veranlassen. 
Cremert) hat festgestellt, daß Arabinose, Xylose und Rhamnose Gly- 
kogenbildung nicht nur bei den Kaninchen und Schafen, sondern auch 
beim Menschen bewirken, so daß er zu einer Schlußfolgerung gelangt, 
welche jener Ebsteins gerade entgegengesetzt ist. 

Hingegen bekämpfte Frentzel5) diese Resultate Cremers, indem 
er Ebstein zustimmte, daß die Pentosen im Organismus kein Glykogen 
liefern. Weitere Versuche über die Ausnutzung von Pentosen haben 
Neuberg und Wohlgemuth®) mit den verschiedenen Raumformen 
der Arabinosen angestellt. 


. Nach dem Gesagten ist es klar, daß die Frage nach der 
Bedeutung der Pentosen für die Ernährung noch uner- 
ledigt ist. Deshalb schien es mir, daß eine Untersuchung auf 
Pentosen im Urin unserer großen Haustiere, welche wegen 
der Qualität ihrer Nahrung täglich ein großes Quantum 
resorbierbarer Pentosane zu sich nehmen, vielleicht einen nütz- 
lichen Hinweis auf das Verhalten der Pentosen im Organismus 
ergeben könnte. Wenn die resorbierbaren Pentosen so wie Pento- 
sane vom Organismus nicht verwertet würden, so müßten sie 
sämtlich oder nahezu vollständig im Harn wieder auftreten. 

Salkowski und Jastrowitz’) waren die ersten, welche 
im Harn des Menschen Pentosen auffanden; sie erkannten 
diese Ausscheidung als eine pathologische Erscheinung, welche 
sie Pentosurie nannten. Mit dieser Pentosurie als Stoffwechsel- 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 20, 489, 1895. 

2) Centralbl. f. med. Wiss. 1893, 577. 

2) Centralbl. f. med. Wiss. 1893, 193. 

4) Zeitschr. f. Biol. 24, 484. 

8) Arch. f. d ges. Physiol. 56, 273. 

6) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 34, 1745, 1909. 
7) Centralbl. f£. med. Wiss. 1892, 337. 


108 L. Cominotti: 


anomalie hat sich weiter Neuberg!) beschäftigt. Pentosurie 
bei einem Fall von Cocainismus ist in der Folge von Luzzatto?) 
genauer studiert worden; dieser Verfasser hat auch die Natur 
der Pentose in seinem Falle festgestellt. 

Eine kürzlich erschienene Arbeit Funaros?) sucht das stän- 
dige Vorhandensein von Pentosen im Harn des gesunden Menschen 
zu beweisen. Aber Funaro hat sich nur auf eine einfache 
qualitative Reaktion beschränkt, welche überdies nicht immer 
deutlich ist, und seine Schlußfolgerung bedarf daher einer 
Bestätigung. 

Infolge dieser Resultate beim Menschen habe ich es für 
angezeigt gefunden, eine Fahndung auf Pentosen nicht nur im 
Harne unserer großen Haustiere, sondern auch in jenem des 
Menschen, des Hundes, der Schweine und der Schafe, also bei 
Fleischfressern, Grasfressern und Omnivoren vorzunehmen. Für 
meinen Zweck war natürlich eine bloße qualitative Feststellung 
nicht genügend; ich war daher gezwungen, eine Methode zu 
wählen, welche die quantitative Analyse der im Harn befind- 
lichen Pentosen ermöglichte. Die beste Methode erschien mir 
das in geeigneter Weise abgeänderte Verfahren von Tollens 
zu sein, weil die Phloroglucidmethode geeignet ist, auch 
minimale Quantitäten Pentosen festzustellen. 

Es ist bekannt, daß im Harn, besonders in jenem der 
grasfressenden Tiere Glucuronsäure enthalten ist, welche gleich 
den Pentosen die Eigenschaft besitzt, bei der Destillation 
Salzsäure-Furfurol zu bilden. In unserem Falle war es daher 
nötig, vor der Bestimmung der Pentosen die Glucuronsäure 
aus dem Harn zu entfernen. Zu diesem Behufe wurde ein 
von Salkowski und Neuberg‘) benutztes Verfahren an- 
gewandt, welches auf einer Fällung mit Bleizucker, Filtration, 
Erwärmung und erneuter Fällung mit Bleisubacetat beruht. 
Auf diese Weise wird die Glucuronsäure in Form von unlös- 
lichem basischem Bleiglukurunat abgetrennt, während die Pentosen 


1) Ber. d Deutsch. chem. Ges. 82, 2395, 1899. 

2) a) Festschr. f. P. Albertoni, 1901, S. 27; b) Archivio di Farma- 
cologia sperim. e Scienze affini 1, 1902; c) Zeitschr. f. d. ges. Biochem. 
6, Heft 1/2, 87, 1902. 

3) Archivio di Farmacologia sperim. e Scienze affini 6, 401, 1907. 

t) Zeitschr. f. physiol. Chem. 36, 264, 1902. 


Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 109 


in das Filtrat übergehen. Aus diesem entfernt man dann das 
Übermaß an Blei vermittels Schwefelwasserstoff' und durch 
Erwärmen des Filtrates in einem Wasserbade entfernt man das 
Übermaß von HR. wobei die Flüssigkeit auf das gewünschte 
Volumen eingeengt wird. 

Nach dieser Behandlung des Filtrates überzeugte ich mich, 
ob keine Glucuronsäure mehr darin enthalten war. Zu diesem 
Behufe habe ich 5 Liter Rinderharn auf dem Wasserbade 
auf 500 ccm konzentriert und dann zuerst kalt mit Bleizucker 
und dann warm mit Bleisubacetat gefällt; dann habe ich das 
erhaltene Filtrat durch Einleiten von Schwefelwasserstoff von 
überschüssigem Blei befreit und in der Wärme den Überschuß 
von H,S entfernt. Die Prüfung auf Glucuronsäure in dem 
Filtrate verlief negativ. Der durch normales Bleiacetat er- 
haltene Niederschlag wurde nach den Angaben von P. Mayer 
und Neuberg!) behandelt, und es gelang mir, die Glucuronsäure 
als Bromphenylhydrazinverbindung abzuscheiden. 

Das nach Anwendung der Methode vonSalkowskiundNeu- 
berg erhaltene Filtrat wurde auf dem Wasserbade eingeengt und 
dann nach Tollens mit Salzsäure destilliert. Zur Destillation ist nie- 
mals ein kleineres Quantum als 100 ccm des Filtrats verwendet 
worden. Wenn etwa die Hälfte der Flüssigkeit destilliert war, 
wurde ein der ursprünglichen Lösung gleiches Quantum ver- 
dünnter Salzsäure (D =— 1060) zugefügt und die Destillation 
wieder fortgesetzt. Diese neue Zugabe von Säure war not- 
wendig, weil das Furfurol erst im Verlaufe dieser zweiten 
Destillation im Destillate allmählich verschwand. 

Weiter wurde festgestellt, daß, wenn zu einem gewissen 
Zeitpunkt der Destillation eine weitere Menge Säure hinzugefügt 
wurde, diese die Reaktion begünstigte und gewissermaßen be- 
schleunigte. Beim wiederholten Prüfen des Destillates habe 
ich bemerkt, daß die intensivste, durch die bekannten Färbungen 
mit ÖOrcin, Phloroglucin, Anilin- sowie Xylidinacetat er- 
sichtlich gemachte Reaktion nach dem erneuten Zusatz von 
HO stattfand. Sobald die obenerwähnten Reaktionen mit dem 
Destillate gänzlich ausblieben, habe ich natürlich zu destillieren 
aufgehört. Grund?) rät, das Destillat zu filtrieren, bevor man 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 29, 256, 1900. 
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 111, 1902. 


110 L. Cominotti: 


das Phloroglucin zugibt, um die Bildung eines Häutchens an 
der Oberfläche der Flüssigkeit zu vermeiden; diesen Umstand 
habe auch ich Gelegenheit gehabt, wahrzunehmen; deshalb 
wurde das Destillat vor Zusatz des Phloroglucins filtriert. Das 
Phloroglucin war in einigen Kubikzentimetern Salzsäure auf- 
gelöst. Die Flüssigkeit nahm mehr oder weniger rasch eine 
citronengelbe Färbung an, welche allmählich dunkler wurde, 
bis sie eine braungrüne Farbe aufwies. Die Intensität der 
Färbung und die Geschwindigkeit des Überganges von der 
einen zur anderen, stand immer im Verhältnis zu der im Destillat 
enthaltenen Quantität von Furfurol und somit zu der im Harn 
enthaltenen Menge Pentosen. 

Wie bereits erwähnt, wurde die Flüssigkeit 24 Stunden 
stehen gelassen und das ausgefallene Phloroglucid dann ge- 
sammelt, getrocknet und gewogen. 

Ich habe diese Methode durch einen Versuch mit reiner 
Arabinose kontrolliert. Ich destillierte 0,10 g Arabinose mit 
HCl (D==1,12), und als das Destillat 30 ccm erreicht hatte, 
ließ ich in den Destillationskolben weitere 30 ccm HCl vom 
selben spez. Gewicht einfließen. Ich erhielt bei einer Probe 
0,086 g Phloroglucid, bei einer zweiten Probe 0,096 g Phloro- 
glucid. 

Wenn man daraus die Arabinose nach den Tabellen 
Kröbers berechnet, so findet man 


bei der ersten Probe 0,1007 g Arabinose, 
»n ew Zweiten „ 0,1061 g j 


Dies Resultat beweist nicht nur die Zuverlässigkeit der 
Methode, sondern zeigt auch, daß man, ohne Verluste zu be- 
fürchten, den Phloroglucidniederschlag auf einem schwedischen 
Filter sammeln kann, ohne zu dem von Tollens vorgeschriebenen 
Asbestfilter Zuflucht zu nehmen. 

Nachdem Schöndorff!) gezeigt hat, daß im Harn des Menschen 
stets kleine Quantitäten Zucker vorhanden sind, habe ich geprüft, ob 
sich bei der Destillation des Harns mit HCl aus den kleinen Quanti- 
täten Glucose, welohe im Harn enthalten sein könnte, Furfurol bilden 
kann. Gleich anderen Autoren habe ich mich überzeugt, daß aus solch 
geringen Mengen Traubenzucker keine nachweisbare Menge Furfurol ent- 
steht. 


1) Arch. f. d. ges. Physiol. 121, 572, 1908. 


Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 111 


Tabelle I. 












Quantität 


des bei der Im analys. 


Harne vor- 









Gattung d.Tieres, In 1000 ccm Harn gefunden: 


von welchem 
Pento- 

















Pferd 1 500 0,0150 | 0,0300 | 0,0182 | 0,0358 |0,0316 
„2 500 0,0155 | 0,0310 | 0,0188 | 0,0368 0,0324 
„ 3 500 0,0540 | 0,1080 | 0,0588 | 0,1143 (0,1006 
„4 500 0,0476 | 0,0952 | 0,0520 | 0,1012 0,0891 
„5 500 0,0298 | 0,0596 | 0,0333 | 0,0650 0087 _ 

Durchschnitt 0,0648 | 0,0362 | 0,0706 0,0622 

Rind 1 (Stier) 300 0,163 | 0,5100| 0,2664 | 0,5141 0,4545') 
„ 2 (Kuh) 350 0,021 | 0,0600 | 0,0338 | 0,0660 ;0,0581 
er d e 500 0,032 | 0,0640 | 0,0359 | 0,0700 |0,0617 
„4, 500 0,040 I 0,0800 | 0,0442 | 0,0861 0,0758 
„ 5 (Kalb) 500 0,043 | 0,0860 | 0,0474 | 0,0922 |0,0812 
„6 „ 500 0,028 | 0,0560 | 0,0318 | 0,0620 [0,0546 
ST y - 500 0,036 | 0,0720 | 0,0401 | 0,0781 10,0688 
„8, 500 0,032 | 0,0620 | 0,0359 | 0,0700 |0,0617 

Durchschnitt?) 0,0688 | 0,0384 | 0,0749 |0,0666 

Schaf 1 138 0,0020 | 0,0590 | 0,0333 | 0,0650 10,0573 
„ 20 80 0,0038 | 0,0480 | 0,0276 | 0,0539 [0,0475 
„3 123 0,0070 | 0,0570 | 0,0323 | 0,0620 |0,0564 
„n 4 160 0,0100 | 0,0620 | 0,0349 | 0,0680 0,0599 

Durchschnitt 0,0505 | 0,0320 | 0,0622 0,0503 

Schwein 1 265 0,0667 | 0,2520 | 0,1333 | 0,2582 .0,2272°) 
„2 370 0,0470 | 0,1270 | 0,0686 | 0,1334 |0,1174 
„ 3 425 0,0430 | 0,1000 | 0,0546 | 0,1063 0,0935 
„n 4 296 0,0315 | 0,1060 | 0,0577 | 0,1123 0,0988 
n 54 285 0,0175 | 0,0610 | 0,0344 | 0,0670 ‘0,0590 

Durchschnitt 5) 0,0985 | 0,0538 | 0,1047 0,0922 


1) Das nach Fällung mit normalem Bleiacetat und Bleisubacetat 
erhaltene Harnfiltrat gab eine intensive Farbenreaktionen auf Pentosen. 
Ich babe die Feststellung der Pentosen im Harn dieses Tieres nicht 
wiederholen können und kann daher nicht sagen, ob diese starke Aus- 
scheidung von Pentosen mit dem Harn zufällig war, oder ob es sich um 
eine mit der beim Menschen beschriebenen, analogen wirklichen Pentosurie 
gehandelt hat. — *) Bei der Durchschnittsberechnung habe ioh die Werte 
der im Stierharn gefundenen Pentosen nicht berücksichtigt, da sie sehr 
hoch waren und den Zweifel aufkommen ließen, ob man es mit einer 
anomalen Elimination von Pentosen durch den Harn zu tun habe. — 
3) Intensive Farbenreaktionen auf Pentosen schon im Filtrate nach Fällung 
mit Bleizuoker und Bleisubacetat. — *) Die Schweine waren während der 
Mästung fast ausschließlich mit vegetabilischen Substanzen und besonders 
mit Klumpenlein, welcher nach der Analyse von Menozzi und Appiani 
sehr reich an Pentosanen ist, gefüttert worden. — 5) Bei der Durch- 
schnittsberechnung habe ich die beim ersten Schweine erhaltenen Werte 
aus den früber angegebenen Gründen weggelassen. 


112 L. Cominotti: 


Die Quantitäten von Furfurol, Pentosen und Pentosanen 
sind mit Hilfe der Tabellen Kröbers berechnet worden. 

Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß mehrere Male in 
dem nach Salkowski und Neuberg vorbehandelten Filtrat 
die Farbenreaktionen der Pentosen ganz oder beinahe fehlten, 
während bei der späteren Destillation mit Salzsäure das De- 
stillat starke Reaktionen zeigte und mit Phloroglucin beim 
Stehen nicht unbeträchtlich Phloroglucid lieferte, welches ge- 
sammelt und gewogen werden konnte. 

Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, als er die An- 
nahme bestärkt, daß sich im Harn die Pentosen gebunden, und 
zwar als Ureide vorfinden können, und daß bei der Destilla- 
tion mit HCI die Verbindung zerfällt und eine Entstehung von 
Furfurol stattfindet.!) 

Dem Filtrat ist ein gleiches Volumen von HCl von der 
Dichte = 1,12 zugefügt worden, weil bei Zusatz von HCl vom 
spez. Gewicht 1,06 die Mischung ein bedeutend geringeres spez. 
Gewicht als 1,06 angenommen hätte, welches von allen Autoren 
als erforderlich bezeichnet wird. 

Aus dieser Tabelle geht hervor, daß der geprüfte Harn 
Pentosen enthielt. Die Durchschnittsdaten zeigen, daß die 
Pentosenausscheidung bei den Schweinen am größten war; dann 
folgen Rind, Pferd und endlich das Schaf. 

Bei den Schweinen schwankte die Pentosenmenge zwischen 
0,0670 g und 0,1334 g für 1000 ccm Harn, doch fanden sich 
sogar beim ersten Schweine 0,2582 g in 1000 com vor, Schwer 
zu entscheiden ist, ob es sich um eine eventuelle Zunahme der 
Pentosen oder gar um eine wirkliche Pentosurie gehandelt hat, 
Ich konnte den Harn dieses Tieres nur ein einziges Mal prüfen, 
da es sich um Harn handelte, welcher gleich nach Schlachtung 
des Tieres aus der Blase entnommen war. 

Bei den Rindern schwankte die Pentosenmenge zwischen 
0,066 g und 0,0922 g für je 1000ccm Harn; bei den Pferden 
zwischen 0,0358 und 0,1143 g "ln bei den Schafen zwischen 
0,0539 und 0,068 im Liter. 

Es war noch festzustellen, ob bei diesen Tieren die Aus- 


1) Siehe bei Neuberg, Ergebn. d. Phys. 3, I. Abt., 373, 1904 und 
P. Mayer, dieso Zeitschr. 17, 145, 1909. 


Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 113 


scheidung der Pentosen durch den Harn von der Gattung der 
an Pentosanen mehr oder weniger reichen Vegetabilien abhing. 

Es schien mir daher angebracht, die Untersuchung auf den 
Harn des Hundes und des Menschen auszudehnen. Von Hunde- 
harn sind drei Proben geprüft worden, und die Tiere, von 
welchen derselbe stammte, waren seit längerer Zeit mit Brühe 
und Brot ernährt worden; von menschlichem Urin wurden zehn 
Proben verwendet, die von mir stammten oder mir vom Leiter 
und Studenten des Laboratoriums zur Verfügung gestellt waren. 
P. nahm in jenen Tagen vorwiegend eine Fleischdiät, F. Ge- 
müsekost, ich und die anderen gemischte Nahrung. 

Die Resultate sind in nachfolgender Tabelle (II) zusammen- 
gestellt. 












































Tabelle II. 
I sot Quantum des! Quant d — = A * 
On zur Bestim. | Quantum des in Gem Harn gefunden 
Mensch, von Ae A mung der kreie A z5 i le, | sl zw 
welchem der Pr Pentosen ver- er ES og 4898| 48 
Harn Nahrung | wendeten |suthaltenen | S S| 53| 8| 22 
stammte Harnes —— = = 
ZELT CC j inom — BEN Br 
Hund 1 Brot und Brühe 385 [Unschätzbare | 
Spuren | 
e 3 7 700 Unschätzbare | 
Spuren 
8 be 500 0,019 0,038 0, 0224 0,0439 0,0386 
„ 3(2.Vers.) e a 0,018 0,036 0,0214 o ‚0418 0,0368 
P. Fleischdiät e Unschätzbare 
Spuren | 
0,004 0,008 0,0068 0,0134 0,0118 





| 
„ d n | 
| 











| | 
0,0205 10,041 0,02400,0469 0,0413 





B. Gemischte Diät S 
C Š e 0,0090 |0,018.0,0120 0,0235 0,0204 
- * e 0,0110 10,022 0,0140 0,0276 0,0243 
G. e | u 0,0220 |0,044.0,0255 0,0499 0,0440 
e e | * 0,0150 0,030.0,0182.0,0358 0, 0315 
Durchschnittl. | | 0,031.0,01870,0367 0,0323 
Resultate!) | | | | 
F. Vorwiegend.a. go⸗ z ! 0,030 |0,060.0,0338 0,066 0,0581 
kochtenKräutern | | | | 
` į bestehende Diät | | | 
e Vorwiegend a. ge- o 0,029 0,058 0,0328 0,064 0,0564 
kochtenKräutern! | | | 
| bestehende Diät | | 


1) Die Durchsohnittsziffern sind nur aus den Werten meines Rame 
und desjenigen meiner Kollegen gebildet worden, welche gleich mir eine 
gemischte Diät erhalten hatten. 

Biochemische Zeitschrift Band 22. 8 


114 L. Cominotti: 


Aus den angeführten Zahlen geht deutlich hervor, daß im 
Harn des Menschen und des Hundes die Pentosen 
fehlen können; jedoch in der Mehrzahl der Fälle findet man 
Quantitäten, welche zwischen 0,0134 dog ad minimum und 0,066 g 
ad maximum pro 1000ccm Harn schwanken. Erwähnenswert ist der 
Umstand, daß gerade im Harn P.s, welcher sich vorwiegend mit 
Fleisch genährt hatte, in drei Versuchen zweimal die Pentosen 
fast völlig fehlten, während der Harn der Versuchsperson P., 
welche sich fast ausschließlich von Gemüse genährt hatte, das 
größte Quantum von 0,066 g pro 1000 com Harn ergab. 

Im Harn der Hunde befanden sich ebenfalls manchmal 
nur unbedeutende Spuren von Pentosen und zwei andere Male 
0,0439 g resp. 0,0418 g im Liter. 

Wenn man nun berücksichtigt: 

1. daß der Harn der Pflanzenfresser stets Pentosen ent- 
hielt und gewöhnlich in größerer Menge als der des Hundes 
und des Menschen, l 

2. daß im Harn der mit Brot gefütterten Hunde, d. h. 
mit einem vegetabilischen, aber von pentosenhaltiger Rohfaser 
freien Nahrungsstoffe, zuweilen die Pentosen fehlten, 

3. daß im Harn des Menschen in den Fällen mit über- 
wiegender Fleischkost die Pentosen auf unbedeutende Spuren 
beschränkt waren, und daß auch bei gemischter Diät das Pen- 
tosenquantum beim Menschen gewiß kleiner war als im Harn 
von ausschließlich oder fast ausschließlich mit vegetabilischen, 
an Pentosanen reichen Substanzen ernährter Tiere, so kann 
man schließen, daß 

Schwein, Rind, Pferd und Schaf stets Pentosen 
mit dem Harn eliminieren, und zwar in größerer 
Quantität als Hunde und Menschen, eben darum, weil 
sie mit vegetabilischen, an Rohfasern und mithin an 
Pentosanen reichen Substanzen ernährt werden. 

Wenn man aber die Quantität der im Harn vorgefundenen 
Pentosen mit jener der eingeführten Pentosane vergleicht, so 
bemerkt man, daß dieselbe (mit Ausnahme vielleicht des 
Schweines 1 und des Rindes 1) sehr klein ist; man muß so- 
mit zugeben, daß ein großer Teil der als Pentosane 
eingeführten Pentosen vom Organismus verwertet 
wird. 


Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 115 


Weitere Untersuchungen, welche ich auszuführen beab- 
sichtige, werden feststellen können, auf welche Weise die Pen- 
tosane ausgenutzt werden und ob sie, wie es wahrscheinlich ist, 
die Bildung von Glykogen veranlassen. 

Wir haben gesehen, daß im Harn des Menschen bei Fleisch- 
diät die Pentosen verschwinden können. Grund!) fand nun 
in den Muskeln 0,021 g Pentosen pro 100 g, eine Quantität, 
welche über den fast gänzlichen Mangel an Pentosen im Harn 
der Versuchsperson Aufschluß geben kann; diese hatte am Tage, 
an welchem der Harn gesammelt worden ist, vorwiegend Muskel- 
fleisch gegessen. Aber auch die Drüsenorgane und besonders 
das Pankreas enthalten nach Grund!) sowie Bendix und 
Ebstein?) bedeutend größere Quantitäten Pentosen als die 
Muskeln. 

Diese Drüsenorgane könnten im Stoffwechsel Pentosen ab- 
geben; deshalb könnte ihr Vorhandensein im Harn nicht nur 
durch die Nahrung bedingt sein, sondern auch einen endogenen 
Ursprung haben. Dagegen kann aber sofort der Einwurf gemacht 
werden, daß gerade bei der Ernährung mit Fleisch die Pentosen 
die Neigung haben, aus dem Harn zu verschwinden, und dieser 
Umstand wäre genügend, in den beschriebenen Fällen den endo- 
genen Ursprung der im Harn enthaltenen Pentosen auszuschließen. 
Freilich muß man berücksichtigen, daß bei normalen Ernährungs- 
zuständen am Gesamtauswechsel die Nahrung?) den größten 
Anteil hat und die Organe und Gewebo des Körpers nur einen 
kleinen. Anders könnten die Verhältnisse beim Hunger liegen, 
wo der Organismus auf Kosten der eigenen Bestandteile lebt, 
und zu einem gewissen Zeitabschnitt der Hungerperiode könnten 
die Pentosen im Harne vorhanden sein. In einem solchen Falle 
müßte man zugeben, daß dieselben aus den Organen und Ge- 
weben stammen. 

Um festzustellen, ob diese Annahme richtig sei, habe ich 
eine Reihe Untersuchungen an einem Pferde angestellt, welches 
ich 8 Tage fasten ließ; Wasser wurde gewaltsam zugeführt, 
wenn das Tier es verweigerte. Täglich habe ich den 24stün- 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 111, 1902. 
2) Erwähnt von Röhmann, Biochemie, 1908, S. 123. 
2) Rubner, Die Quelle der tierischen Wärme. Zeitschr. f. Biol. 
30, 73, 1894. 
8* 


116 L. Cominotti: 


digen Harn gesammelt, und vom Gemisch desselben entnahm 
ich 500 com für die Analyse. Zu Beginn des Experimentes wog 
das Tier 220 kg; der Ernährungszustand war sehr mangelhaft. 
Die Resultate sind in folgender Tabelle angeführt. 


Tabelle III. 




















Zustand | Bestimmung der |m —— 
des Pentosen verwen- |" Pe ehe 
Tieres deten Harnes in |p lorogluei 


in com 


Nahrung!) 500 0,0296 0,0592; 0,0333| 0,0650 0,0573 
alkalische Reaktion 

1.Fasten?) 500 0,0119 0,0239! 0,0150! 0,0294| 0,0260 
alkalische Reaktion 

DE a 500 0,0049 0,0098; 0,0077| 0,0152! 0,0134 
neutrale Reaktion 

3... 500 Es fehlt der 


e Niederschlag von 
saure Reaktion Phloroglucid 


4. „ 500 0,0080 0,0160! 0,0109| 0,0215! 0,0189 
saure Reaktion 

5. „ 500 0,0090 0,0180| 0,0120| 0,0235; 0,0207 
saure Reaktion 

6. „ 500 0,0120 0,0240| 0,0151| 0,0296| 0,0260 
saure Reaktion l 

1,5 500 0,0056 0,0100: 0,0078| 0,0154! 0,0136 
saure Reaktion 

8. y 500 0,0040 0,0080; 0,0068, 0,0134\ 0,0118 
saure Reaktion 

1. Wieder- 500 0,0170 0,0340| 0,0203| 0,0398] 0,0350 

ernährung| neutrale Reaktion l 

2. Wieder- 500 0,0210 0,0420 0,0245; 0,0479, 0,0422 

ernähr.?) | alkalische Reaktion i 

3. Wieder- 500 0,0290 0,05401 0,0307) 0,0699! 0,0528 


ernährung| alkalische Reaktion | 


1) Die bei diesem Pferde gefundenen Werte sind fast identisch mit 
jenen der ersten Tabelle unter der Rubrik Pferd 5. Es handelt sich 
um dasselbe, gleichartig ernährte Tier, dessen Harn zweimal analysiert 
worden ist, und zwar einige Tage vor dem Fasten und den Tag vor der 
Inanition. 

2) Das Fasten dauerte 8 Tage, vom 17. bis zum 24. Februar. 
Das Pferd wog zu Beginn der Inanition 220 kg, am Ende 190 kg. Es 
verlor somit in 8 Tagen 30 kg seines Gewichtes, d. h. 13,63°/,; 

3) Am ersten Tage der Wiederernährung bekam das Pferd nur 
2 kg Heu, in den darauffolgenden Tagen die gewöhnliche Ration zu 
fressen, 


Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 117 


Aus den Resultaten dieses Experimentes geht hervor, daß 
wir während des Fastens zwei soharf abgegrenzte Zeitabschnitte 
gehabt haben: die erste Periode von 3 Tagen, während welcher 
die. Pentosen im Harn bis zum gänzlichen Verschwinden ab- 
nahmen, und die zweite von fünf Tagen, während welcher 
im Harn sich kleine, aber wägbare Quantitäten Pentosen wieder 
vorfanden. 

Auffallend ist der Umstand, daß die am 4. Inanationstage 
im Harn wieder aufgetretenen Pentosen am 5. und 6. Tage zu- 
nahmen, um am vorletzten und letzten Fasttage wieder abzu- 
nehmen. Aus der Tabelle geht überdies hervor, daß die Pen- 
tosen im Harn bedeutend zunahmen, sobald das Pferd wieder 
mit Heu gefüttert worden war. 

Es ist einleuchtend, daß die Pentosen nicht gleich mit dem 
Beginn der Inanition aus dem Harn verschwunden sind, weil 
die vorangegangene Ernährung ihre Wirkung noch bemerkbar 
machen mußte, und es nicht wahrscheinlich ist, daß der Darm 
des Tieres zu Beginn des Fastens von ii voll- 
kommen leer gewesen sein soll.. 

Man kann dann nicht umhin, das Wiederauftreten der 
Pentosen im Harn zu einem gewissen Zeitabschnitte der Inani- 
tion mit dem verschiedenen Verbrauch der Körpergewebe beim 
Fortschreiten der Inanition in Verbindung zu bringen. Der 
Ernährungszustand des Pferdes zu Beginn des Hungerns er- 
klärt uns sogar das Wiederauftreten der Pentosen in einem so 
wenig vorgeschrittenen Zeitabschnitt der Inanition. Es handelte 
sich um ein mageres Tier mit spärlichem Paniculum Adiposum, 
welches in einer Woche 30 kg seines Gewichtes verlor. Es hat 
wohl bald seinen ungenügenden Vorrat an Fett verbraucht und 
die Organe und Gewebe angreifen müssen, welche, wie wir ge- 
sehen haben, große Quantitäten Pentosen enthalten. Man muß 
somit das Wiederauftreten der Pentosen im Harn während der 
Inanition hauptsächlich mit dem Verbrauch der Organe in Ver- 
bindung bringen. 

Salkowski"!) ernährte zwei Hunde mit gekochtem Pankreas, 
dennoch war der Harn frei von Pentose. Man muß also annehmen, 
daß entweder bei der Inanition die Drüsengewebe einen gründ- 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 27, 507. 


118 L. Cominotti: 


licheren Zerfall erleiden, als wenn sie als Futter einverleibt werden, 
oder daß der Umsatz der Pentose liefernden Nuoleoproteide 
sich beim Pferde und Hunde verschieden vollzieht. Weitere 
Untersuchungen werden vielleicht die Frage klären können. 

Der Befund größerer Quantitäten von Pentosen im Harn 
des 4., 5. und 6. Tages im Gegensatz zu dem Harne des 7. und 
8. Tages kann mit dem Umstand in Verbindung gebracht werden, 
daß mit der Verlängerung der Inanition das hungernde Tier den 
Verbrauch der eigenen Gewebe progressiv beschränkte und 
sämtliche Funktionen (Zirkulation, Atmung usw.) bis zu einem 
gewissen Stadium immer mehr verlangsamt hat. Deshalb wird 
die Quantität der die Gewebe bildenden Stoffe, welche abgegeben 
wurden, in einer vorgerückten Zeitperiode kleiner sein. 

Man kann aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu- 
geben, daß mit der Dauer des Fastens die bei dem Zer- 
falle der Gewebe frei gewordenen Pentosen, welche sich 
besonders in den Drüsenelementen finden, vielleicht in 
größerer Quantität ausgenutzt worden sind, besonders vom 
Herzen, welches nicht nur sehr wenig von seinem Gewicht, 
selbst bei vorgerücktester Inanition, verliert, sondern auch, wie 
Jensen!) für den Hund gezeigt hat, noch einen normalen Ge- 
halt an Glykogen besitzt zu einer Zeit des Hungerns, wo die 
Muskeln, z. B. des Beines, nur ?/,, oder ?!/,, der normalen Quan- 
tität von Glykogen haben. 

Endlich bestätigt die rasche Zunahme der Pentosen im 
Harne der wieder mit Heu gefütterten Tiere das früher Ge- 
sagte, daß nämlich bei normalen Ernährungszuständen die Quan- 
tität der im Harne befindlichen Pentosen in besonderer Beziehung 
zur Ernährung steht. 


Allgemeine SchluBfolgerungen. 


Aus den angeführten Experimenten kann man schließen: 

l. Die Herbivoren und die Schweine scheiden bei reich- 
licher Ernährung beständig mit dem Harne Pentosen aus, aber 
nurin sehr kleiner Quantität im Vergleich zu der mit der Nahrung 
in Form von Pentosanen eingeführten Menge. 


1) Jensen, Über den Glykogenstoffwechsel des Herzens. Zeitschr. 
f. physiol. Chem. 35, 514, 1902. 


Pentosen im Harne und Ausnützung der Pentosen. 119 


2. Der größte Teil der Nahrungspentosane wird vom Orga- 
nismus verwertet. 

3. Im Harne des mit Brot und Fleischbrühe ernährten 
Hundes und des Menschen bei vorwiegender Fleischdiät können 
Pentosen fehlen. Diese fehlen niemals im Harne des Menschen 
bei gemischter Nahrung, finden sich hier aber gewöhnlich in 
kleinerer Quantität als im Harne der grasfressenden Tiere. 

4. Beim fastenden Pferde verschwinden die Pentosen aus 
dem Harne während der ersten Inanationsperiode, um dann 
bei fortdauerndem Hungern wieder in sehr kleiner Quantität auf- 
zutreten. 

5. Das Wiedererscheinen der Pentosen im Harne des 
hungernden Pferdes zu einer gewissen Zeitperiode des Hungerns 
steht wahrscheinlich mit dem Zerfalle Pentose enthaltender 
Organe in Verbindung. 


Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 
Von 
M. Dietrich, Moskau. 
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Straßburg.) 
(Eingegangen am 20. September 1909.) 


I. 


Im Jahre 1901 hat E. Salkowski!) aus den löslichen 
Produkten der peptischen Caseinverdauung eine phosphorhaltige 
Substanz in Form des Eisensalzes dargestellt, die er als den 
phosphorhaltigen Komplex des Caseinmoleküls ansprach und 
als Paranucleinsäure des Caseins bezeichnete. Die Substanz 
spaltete sehr leicht Phosphorsäure ab, gab die Biuret-, aber 
nicht die Adamkiewiczsche Reaktion und hatte nach Ent- 
fernung des Eisens die Zusammensetzung C 42,73°/,, H 7,03°/,, 
N 13,40°/,, P 4,18°/,. Ihrem Verhalten Ammonsulfat gegen- 
über war die Substanz den Albumosen zuzuzählen. ` 

Vor etwa zwei Jahren hat dann A. Reh*) im hiesigen 
Institut mit Hilfe der Uranfällung aus dem Gemisch der 
Verdauungsprodukte des Caseins eine noch phosphorreichere 
Säure isoliert, die zwar Biuret- und Millonsche Reaktion, 
aber weder Molischs noch Hopkins’ Probe gab und bei oft- 
maliger Darstellung als Uranylverbindung eine nahezu konstante 
Zusammensetzung aufwies (im Mittel C 24,14°/,, H 3,91°/.. 
N 7,78°/,, P 4,30°/,, U 33,25°/,, was auf uranylfreie Substanz 
bezogen einen P-Gehalt von 6,9°/, bedeutet). Diese „Polypeptid- 
phosphorsäure‘‘ des Caseins, wie sie Reh zunächst bezeichnete, 
konnte danach als ein noch kleineres Bruchstück des Casein- 


1) Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 32, 245. 
2) Reh, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 1. Vgl. hier die 
ältere Literatur. 


M. Dietrich: Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 121 


moleküls angesehen werden, als Salkowskis Paranucleinssäure. 
Die Hydrolyse ergab jedoch eine unerwartet große Anzahl von 
Spaltungsprodukten, so daß Reh zu dem Schlusse kam, ent- 
weder sei das Molekül der untersuchten Polypeptidphosphor- 
säure nicht viel kleiner als jenes des Caseins selbst, oder aber 
sie sei noch ein Gemenge mehrerer gleichartig gebauter phosphor- 
haltiger Säuren. 

Bei Fortführung seiner Untersuchungen hat Reh die 
letztere Annahme zutreffend gefunden. Durch Abänderung der 
Darstellungsbedingungen gelang es ihm, zu noch phosphor- 
reicheren Abbauprodukten des Caseins zu gelangen, die nicht 
mehr Albumosen-, sondern Peptoncharakter aufwiesen. Reh wird 
über diese Versuche später selbst berichten, so daß ich auf sie nur 
insoweit eingehe, als sie zu der vorliegenden Untersuchung 
direkt in Beziehung stehen. Unter den von Reh dargestellten 
Produkten erschien nämlich ein Kalksalz dadurch besonders 
interessant, daß es, wie Hofmeister entdeckte, beim Sieden der 
sehr verdünnten Lösung eine flimmernde Trübung gab, die durch 
die Ausscheidungfeinster mikroskopischer Nädelchen veranlaßt war. 

Da die Substanz im übrigen den Charakter eines Peptons 
zeigte, erschien deren Untersuchung dringend wünschenswert, 
und Prof. Hofmeister war im Einverständnis mit Dr. Reh 
so freundlich mir diese Aufgabe zu übertragen. 

Das mir übergebene rohe Kalksalz war ein zartes Pulver 
von graugelber Farbe, leicht löslich in kaltem Wasser, unlöslich 
in Alkohol, Ather, Aceton. | 

Durch konzentrierte Mineralsäuren (nicht aber durch Essig- 
säure), leichter noch durch verdünnte Alkalien wurde es unter 
Phosphorsäureabspaltung zersetzt. 

Beim Kochen der wässerigen, sehr verdünnten Lösung 
(1:300 bis 400) fiel ein Kalksalz in Form mikroskopisch kleiner 
Nädelchen aus. Konzentriertere Lösungen gaben dagegen beim 
Aufkochen einen gallertigen Niederschlag, in dem mikroskopisch 
Nädelchen nur ausnahmsweise erkennbar waren. 

Meine nächste Aufgabe war es, die in dem Rohpräparat 
enthaltenen phosphorhaltigen Verbindungen zu trennen und zu 
charakterisieren. In der mir zur Verfügung stehenden Zeit 
konnte ich diese Aufgabe nur zum Teile erledigen, zumal da 
auch die Menge des Ausgangsmaterials nur eine beschränkte war. 


122 M. Dietrich: 


Im Interesse der übersichtlichen Darstellung sei gleich von 
vornherein bemerkt, daß sich das rohe Kalksalz als ein Ge- 
menge von mindestens vier verschiedenen Kalksalzen erwies, 
aus denen die entsprechenden phosphorhaltigen Säuren dar- 
gestellt werden konnten. Da alle diese Säuren die Biuret- 
reaktion gaben, dabei aber nicht durch Ammonsulfat fällbar 
waren, so sind sie als Verbindungen von peptonartigen Poly- 
peptiden mit Phosphorsäure anzusprechen, die vorläufig auf 
Grund der älteren Namengebung als Caseonphosphorsäuren be- 
zeichnet werden können. 

Da es während der Arbeit mit diesen Säuren von größtem 
Belang war, festzustellen, ob nicht durch die eingeschlagene 
chemische Behandlung eine Abspaltung der Phosphorsäure ver- 
anlaßt wird, so sei hier von vornherein auf die Schwierigkeiten 
aufmerksam gemacht, denen die Prüfung auf Phosphorsäure 
beim Arbeiten mit den so leicht zersetzlichen Caseonphosphor- 
säuren zumeist unterliegt. 

Die Prüfung mit molybdänsaurem Ammon in salpetersaurer 
Lösung ist natürlich nicht statthaft. Aber auch die Tripel- 
phosphatprobe konnte nur unter Vermeidung eines irgend er- 
heblichen Ammoniakzusatzes Verwendung finden, da Ammoniak 
bei Anwesenheit von Magnesis schon in der Kälte Phosphor- 
säure abspaltete. Ich habe, wenn ich diese Probe benutzte, 
stets das Ammoniak nur bis zum Eintritt einer sehr schwach 
alkalischen Reaktion zugefügt, wodurch allerdings die Probe merk- 
lich an Empfindlichkeit einbüßt. Am zuverlässigsten erwies sich 
die Prüfung mit Chlorcaleium in neutraler oder schwach 
ammoniakalischer Lösung. Unter diesen Bedingungen erfolgte 
die Abspaltung der Phosphorsäure in der Kälte nicht, wenigstens 
nicht in der ersten Zeit, während, wie Kontrollversuche zeigten, 
zu der Lösung des Präparats zugesetztes Natriumphosphat 
auch in kleinsten Mengen zur Ausscheidung von Calciumphos- 
phat führte. 


II. Versuche zur Trennung der Caseonphosphorsäuren. 


Die oben hervorgehobene Eigenschaft des gelösten rohen 
Kalksalzes, sich in verdünnter Lösung zum Teil krystallinisch 
abzuscheiden, schien eine wertvolle Handhabe zur Isolierung 


Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 123 


eines gut charakterisierten Produkts zu bieten. Leider erwies 
sich dieser Weg nicht als gangbar, da infolge der notwendigen 
großen Verdünnung die Ausbeute an dem beim Kochen aus- 
fallenden Salz sehr spärlich war. 

Ebenso gelang es mir nicht, durch Behandlung des Roh- 
präparats mit Oxalsäure und nachträgliche Fällung mit Alkohol 
oder Aceton zu besser charakterisierten Produkten zu kommen, 
die entkalkte Lösung gab mit viel Alkohol oder Aceton nur 
eine geringe flockige Fällung. Auch der Versuch, die alkoholische 
Lösung als solche oder nach Überführung in das Kalksalz 
durch Eindunsten im Exsiccator zur Krystallisation zu bringen, 
schlug fehl. 

Hingegen erwies sich das nachsteliende Verfahren als brauch- 
bar. Zunächst wurde die konzentrierte Lösung des rohen Kalksalzes 
zum Kochen erhitzt, wobei sich ein großer Teil der vorhandenen 
Kalksalze als in der Hitze unlöslicher Niederschlag (A) ab- 
schied, dann wurden einerseits aus dem Niederschlag, anderer- 
seits aus dem Filtrat (B) die phosphorhaltigen Komponenten 
als Metallsalze isoliert. 


A. Die beim Kochen ausfallenden Kalksalze. 


Das Ausgangsmaterial wurde in einer möglichst geringen 
Menge destillierten Wassers bei Zimmertemperatur unter Ver- 
reiben in einer Reibschale gelöst, die erhaltene klare aber 
dunkelbraune Lösung mit dem fünf- bis sechsfachen Volum 
destillierten Wassers verdünnt, und nun in Kolben aus Jenaer 
Glas zum Sieden gebracht. Sobald die Flüssigkeit zu kochen 
begann, erfolgte die einer Eiweißkoagulation vergleichbare 
Ausscheidung der Kalksalze. Der breiartige Niederschlag wurde 
nach 10 Minuten langem Sieden auf einem heizbaren Trichter 
ebfiltriert, in einer Reibschale mit viel destilliertem Wasser 
verrieben — wobei nur sehr wenig in Lösung ging — wieder- 
um 10 bis 20 Minuten lang gekocht, filtriert und diese Prozedur 
dreimal wiederholt. 

Sämtliche Filtrate wurden vereinigt und in weiter unten 
angegebener Weise behandelt (B). l 

Der gereinigte Niederschlag der ausgefallenen Kalksalze 
stellte eine kleisterartige, dicke Masse von gelbbrauner Farbe 
dar. Er wurde in einer möglichst geringen Menge Essigsäure 


d 


124 M. Dietrich: 


aufgelöst, wobei ein kleiner Anteil ungelöst zurückblieb, und 
die klar filtrierte dunkelbraune Lösung mit Ammoniak vor- 
sichtig bis zu amphoterer Reaktion neutralisiert. Dabei wurde 
die Flüssigkeit opalescent wie eine kolloidale Lösung und ging 
auch in dieser Form durchs Filter. Die Biuretreaktion war sehr 
intensiv, anorganische Phosphorsäure nicht nachzuweisen. Lö- 
sungen von Eisenammoniakalaun, Manganchlorid, Aluminum- 
sulfat, Chromalaun, Zinksulfat, Silbernitrat, Mercurinitrat, Sub- 
limat, Kupfersulfat, Kupferacetat und Bleiacetat fällten mehr 
oder weniger reichliche amorphe Niederschläge. Mit Nickelsulfat 
wurde nur eine leichte Trübung erhalten, Kobaltnitrat fällte 
überhaupt nicht. 

Von den mit Schwermetallen erhaltenen Niederschlägen 
war der mit Zinksalzen erhaltene merklich geringer als der 
Kupferniederschlag und dieser wieder geringer als der Blei- 
niederschlag. Ich benutzte dieses Verhalten zur weiteren 
Fraktionierung in folgender Weise: 

Die mit Essigsäure hergestellte und «dann wieder neutrali- 
sierte Lösung der Kalksalze wurde mit einer gesättigten Lösung 
von Kupferacetat unter Vermeidung eines größeren Überschusses 
ausgefällt, der amorphe blaue Niederschlag (a) auf der Zentri- 
fuge mit Wasser bis zum Verschwinden der Kalkreaktion ge- 
waschen, dann in Wasser suspendiert und mit Schwefelwasser- 
stoff zerlegt. Da die so erhaltene Substanz die durch Zink- 
salze fällbare Säure enthielt, wurde die von Schwefelkupfer 
und Schwefelwasserstoff befreite Lösung mit Ammoniak neu- 
tralisiert und mit Zinkacetat in geringem Überschuß ausgefällt. 
Aus dem mit Hilfe der Zentrifuge gewaschenen, dann mit 
Schwefelwasserstoff zerlegten Niederschlag wurde nach Ent- 
fernen des Schwefelzinks und Schwefelwasserstofis eine hellgelbe, 
klare, intensiv saure Lösung erhalten, die starke Biuretreaktion 
und eine sehr schwache Millonsche Probe gab und frei von 
anorganischer Phosphorsäure war. 

Diese Fraktion (I) gab nach Überführen in das Calcium- 
salz die oben erwähnte krystallinische Ausscheidung beim Kochen. 

Das Filtrat vom Zinkniederschlag wurde mit Schwefel- 
wasserstoff von Zink befreit und die klare, leicht gelb gefärbte, 
sauer reagierende Lösung nach Neutralisation mit Ammoniak 
durch Zusatz von Kupferacetat ausgefällt. Der spärliche 


Über phosphorhaltige Caseinpeptone, 125 


flockige Niederschlag von blauer Farbe wurde in oben be- 
schriebener Weise gewaschen, mit Schwefelwasserstoff zerlegt 
und lieferte so eine klare, leicht gelbliche, sauer reagierende 
Lösung (Fraktion II), die deutliche Biuretreaktion, aber keine 
Millonsche Probe und keine Reaktion auf anorganische Phos- 
phorsäure aufwies. 

Das Filtrat vom Kupferniederschlag gab keine Biuretreaktion mehr, 
gab auch nach Entfernung des Kupfers und Neutralisation mit Ferri-, 
Uranyl- und Bleisalzen keinen Niederschlag, 

Das Filtrat vom ersten Kupferniederschlag (a) wurde von 
Kupfer mit Schwefelwasserstoff befreit und nach Vertreiben 
des Schwefelwasserstoffs und Neutralisation mit einer 10°/,igen 
Lösung von Bleiacetat ausgefällt. Der flockige, weiße Nieder- 
schlag lieferte nach dem Auswaschen und Zerlegen eine kaum 
gefärbte klare saure Flüssigkeit, die keine freie Phosphorsäure 
enthielt und keine Millonsche Probe, wohl aber deutliche 
Biuretreaktion gab (Fraktion III). 

Um mich über das Verhalten der gebundenen Phosphor- 
säure in den Fraktionen I bis III zu unterrichten, stellte ich 
mit ihnen die Tripelphosphatprobe, aber diesmal unter reich- 
lichem Zusatz von Ammoniak an. Dabei ergab nur Fraktion I 
nach längerem Schütteln leichte Trübung, während II und III 
klar blieben. 

Auch nach dem Kochen mit Ammoniak gab nur I einen 
geringen Tripelphoshatniederschlag. Ebenso lieferte nur I 
nach längerem Kochen mit Salpetersäure einen typischen Nieder- 
schlag mit Ammoniummolybdat, während II und III bei 
gleicher Behandlung nur eine leichte Trübung von gelber Farbe 
gaben. Es hatte danach den Anschein, als ob nur Fraktion I 
(die zinkfällbare Fraktion) Phosphorsäure enthielte. Nach Zer- 
störung mit Neumannschem Säuregemisch lieferten jedoch alle 
drei Fraktionen einen typischen Niederschlag vom Ammonium- 
phosphormolybdat, die erste Fraktion allerdings am reichlichsten. 
Es enthielten somit alle drei Fraktionen organisch gebundenen 
Phosphor, nur war er in der II. und III. Fraktion bedeutend 
fester gebunden. 

Es war des besseren Vergleichs halber beabsichtigt, aus 
allen Fraktionen die Uranylverbindung herzustellen und der 
Analyse zuzuführen. Bei Untersuchung der gereinigten Frak- 


126 M. Dietrich: 


tionen ergab sich überraschenderweise, daß bloß Fraktion 1 
durch Uranylacetat aus essigsaurer Lösung gefällt wurde, während 
Fraktion III einen kaum wahrnehmbaren, Fraktion II selbst 
bei stundenlangem Stehen gar keinen Niederschlag gab. 


Es wurden daher Fraktion I und II neuerdings durch 
Fällung mit Kupferacetat in das Kupfersalz, die III. Fraktion 
mit Bleiacetat in das Bleisalz übergeführt. Über die mit den 
gut ausgewaschenen und getrockneten Substanzen ausgeführten 
Analysen wird weiter unten im Zusammenhange berichtet werden. 


B. Das durch Kochen nicht fällbare Kalksalz. 


Das oben beschriebene Filtrat B, welches intensive Biuret- 
reaktion aufwies, aber auch etwas freie Phosphorsäure enthielt, 
wurde eingedampft und die dunkelgelbe Flüssigkeit mit einem 
geringen Überschuß von Uranylacetat gefällt. Der reichlich aus- 
fallende, flockige, gelbe Niederschlag wurde auf der Zentrifuge 
bis zum Verschwinden der Kalkreaktion gewaschen, dann mit 
Ferrocyanwasserstoff von Uran befreit. 

Behufs Darstellung des Ferrocyanwasserstoffs wurde eine bei Zimmer- 
temperatur gesättigte Lösung von gelbem Blutlaugensalz mit dem gleichen 
Volum rauchender Salzsäure versetzt, der ausgefallene weiße krystallinische 
Niederschlag abfiltriert, an der Luft getrocknet, wobei etwas Blaufärbung 
eintrat, dann in absolutem Alkohol gelöst und mittels Äther gefällt. 
Der ausgefallene schneeweiße Niederschlag wurde mehrere Male mit Äther 
gewaschen, dann rasch im Exsiccator zur Trockene gebracht. Das so 
erhaltene Präparat enthält keine Spur von Berlinerblau und ist, an 
trockener Stelle aufbewahrt, gut haltbar. Bei Zutritt von Feuchtigkeit 
und in wässeriger Lösung zersetzt es sich rasch unter Blaufärbung. Die 
trockene Säure ist daher erst unmittelbar vor dem Gebrauch aufzulösen. 

Bei der Zerlegung des Uranylniederschlages verfuhr ich 
wie folgt: Der Niederschlag wurde in Wasser verteilt und nun 
tropfenweise die Lösung von Ferrocyanwasserstoff hinzugefügt. 
Nach jedem Zusatz wurde kräftig gerührt, dann einerseits ein 
Tropfen der Flüssigkeit, andererseits ein Tropfen Eisenchlorid- 
lösung nebeneinander auf ein Stück Filterpapier gebracht. Das 
Auftreten einer blauen Färbung an der Berührungsstelle der 
beiden sich &ausbreitenden Tropfen ließ den geringsten Uber- 
schuß an Ferrocyanwasserstoff erkennen. War diese Endreaktion 
eingetreten, so filtrierte ich den dunkelbraunen Niederschlag 
der Uranylferrocyan-Verbindung ab. Dabei erwies sich zur 


Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 127 


Erlangung klarer Filtrate ein Zusatz von Kieselgur höchst 
förderlich. 

Das vollkommen klare und farblose Filtrat wurde von einem 
geringfügigen Überschuß an Ferrocyanwasserstoff durch vorsich- 
tigen Zusatz von Kupferacetat befreit. Auch hier diente die eben 
erwähnte Tüpfelmethode zur Bestimmung des Endpunktes. Dann 
wurde von dem ausgefallenen Ferrocyankupfer abfiltriert und 
die vorhandene Orthophosphorsäure, deren Anwesenheit in oben 
angegebener Weise mit Calciumchlorid und Magnesiumsalz leicht 
zu erkennen war, nach Neutralisieren mit Ammoniak durch 
vorsichtigen Zusatz von Kalkwasser ausgefällt. 

Die so erhaltene Lösung (Fraktion IV) zeigte keine Millon- 
sche wohl aber Biuretreaktion, spaltete bei kurzem Kochen mit 
Ammoniak keine Phosphorsäure ab, enthielt aber, wie die Be- 
handlung mit Neumanns Säuregemisch lehrte, reichlich Phos- 
phor. Die Bindung der Phosphorsäure ist somit auch in dieser 
Fraktion sehr fest. 

Von Metallsalzeen wurde Fraktion IV am besten durch 
Bleiacetat und in zweiter Reihe durch Kupfersalze gefällt. 
Chrom- und Tonerdesalze gaben geringe Trübung, ebenso Ferri- 
salz, das bei längerem Stehen zur Abscheidung eines geringen 
flockigen Niederschlags führte. Zink-, Mangan-, Kobalt-, Nickel- 
salze fällten nicht. 

Behufs Analyse wurde die IV. Fraktion durch Kupferacetat 
aus neutraler Lösung gefällt, der Niederschlag gewaschen, mit 
Schwefelwasserstoff zerlegt und die Säure im Filtrat nochmals 
ins Kupfersalz übergeführt, dieses dann sorgfältig ausgewaschen 
und getrocknet. 

Das Filtrat vom Kupfersalz der IV. Fraktion enthielt keinen 
Phosphor mehr und gab nur noch geringe Biuretreaktion. 

Es war somit möglich, in den Fraktionen I bis IV sämtliche 
phosphorhaltige Verbindungen der Rohpräparate zu gewinnen. 


III. Stickstoff- und Phosphorgehalt der Fraktionen I bis IV. 


Für die Beurteilung der Frage, ob die isolierten Fraktionen 
in der Tat verschiedenen chemischen Individuen entsprechen, 
empfahl sich die Bestimmung des Verhältnisses von N zu P 
mehr als eine Bestimmung des Kohlenstoffs oder des Metalls. 





128 d M. Dietrich: 


Ich habe mich daher in Anbetracht der mir zur Verfügung 
stehenden geringen Substanzmengen auf Stickstoff- und Phosphor- 
bestimmungen beschränkt. 

Die Stickstoffbestimmungen wurden nach Kjeldahl, die 
Phosphorbestimmungen nach Neumann ausgeführt. Letzteres 
Verfahren habe ich in der von Reh benutzten Modifikation 
angewendet. Da sich jedoch herausgestellt hatte, daß Asbest 
beim Kochen mit Lauge geringe Mengen Alkali neutralisieren 
kann, habe ich es vermieden, die Asbestlage zum Phosphor- 
molybdatniederschlag in den Kolben zu bringen, sondern sie 
nur im Goochschen Tiegel mit al, -Lauge übergossen und 
dann mit Wasser bis zum Verschwinden der alkalischen Re- 
aktion ausgewasohen. Dabei war die Einrichtung so getroffen, 
daß Lauge und Waschwasser direkt in den Kolben mit dem 
Rest des Molybdatniederschlages flossen. Die Bestimmung wurde 
dann unter Verwendung von al, Lounge in üblicher Weise zu 
Ende geführt. 

Nachstehend seien die Ergebnisse der Bestimmungen (Mittel 
von Doppelanalysen) mitgeteilt. Zur besseren Übersicht sind 
in der Tabelle die wichtigsten Merkmale der einzelnen Frak- 
tionen mit angeführt. 


























1 
l 
l 
1 


g | 
3| Kalksalz Durch Spaltet | N| P | n.p 
G boim Sieden Uranyisniz |x Kupfersalz | Zin an. H,PO, ab dä 
EN — — |/o| loj 
I falle aus fällbar fällbar fällbar leicht 4,5110, a 1,00: 
II ge Gs nicht fällb. ap nicht fällb, — 5,74,1 3,07: 
III kaum fällb. nicht fällb., J 4,53 En 2,59: 
IV fällt nicht aus fällbar fällbar — 6 ‚83,88! 3,87: 
IV. 


Wie aus obiger Tabelle ersichtlich, sind die isolierten 
Fraktionen nicht bloß in ihren Eigenschaften, sondern auch in 
ihrer Zusammensetzung verschieden. Von größtem Interesse 
ist die besonders phosphorreiche Fraktion I, die überdies auch 
quantitativ am stärksten vertreten war. Bemerkenswert ist ferner, 
daß die Fraktion IV in ihrem N: P-Verhältnis der Polypeptid- 
phosphorsäure von Reh (4:1) sehr nahe steht. 


Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 129 


Es wäre verfrüht, über die Beziehungen dieser Verbindungen 
zueinander Vermutungen auszusprechen. Dies wird erst nach 
genauerer Feststellung ihrer Individualität und ihres Baues 
möglich sein. Immerhin wird in betreff der als Fraktion I 
erhaltenen Säure, die in ihrem Kupfersalz nicht weniger als 
10°/, Phosphor enthält, die Vermutung gestattet sein, daß es 
sich hier um eine relativ einfache Verbindung handelt. Das 
Verhältnis von N zu P wie 1:1 ließ sogar daran denken, daß 
hier die Verbindung einer Monaminosäure mit Phosphorsäure 
vorliege. Diese Vorstellung wurde jedoch bald durch einen 
orientierenden Spaltungsversuch widerlegt. 

Eine relativ geringe Menge (einige Gramm) der aus dem 
Zinksalz dargestellten Caseonphosphorsäure wurde mit 20°/ iger 
Schwefelsäure 6 Stunden auf dem Wasserbade erwärmt. Die 
leicht gelbliche Flüssigkeit wurde dann auf einen Schwefelsäure- 
gehalt von 5°/, verdünnt und mit Phosphorwolframsäure aus- 
gefällt. Der erhaltene, in kochendem Wasser großenteils lös- 
liche Niederschlag wurde ausgewaschen, dann in üblicher Weise 
mit Baryt zerlegt und lieferte bei entsprechender Behandlung 
schließlich eine alkalisch reagierende Lösung, die mit Pikrin- 
säure einen in Wasser schwer, in Alkohol gar nicht löslichen 
Niederschlag gab, der in Tröpfchen ausfiel, sich aber später in 
Sphaerite umwandelte. 

Aus dem Filtrat vom Phosphorwolframsäureniederschlag 
wurde die Phosphorwolframsäure, Schwefelsäure und Phosphor- 
säure mit Barythydrat entfernt, dann der Barytüberschuß mit 
Kohlensäure beseitigt und die eingedampfte barythaltige Lösung 
mit Alkohol gefällt. Aus dem ausgefällten Barytsalz ließ sich 
nach Entfernen des Baryts durch Übersättigen mit trockenem 
Chlorwasserstoff eine  Krystallisation von dem Aussehen des 
Glutaminsäurechlorhydrats erhalten. Der in Alkohol lösliche 
Teil wurde zur Trockene gebracht und mit absolutem Alkohol 
erschöpft. Der in Lösung gegangene Anteil konnte in ein 
dunkelblaues Kupfersalz übergeführt werden, das den eigentüm- 
lichen Geruch des Prolin-Kupfers darbot und bei Erwärmung 
mit Natron fichtenspanrötende Dämpfe entwickelte. Da die 
spärlichen Reste der Verarbeitung immer noch beim Kochen 
mit Kupfercarbonat eine dunkelblaue Lösung gaben, so besteht 
die Möglichkeit, daß noch weitere Aminosäuren vorhanden waren. 

Biochemische Zeitschrift Band 22. H 


130 M. Dietrich: Über phosphorhaltige Caseinpeptone. 


Bei der geringen Menge der zur Hydrolyse verwendeten Sub- 
stanz konnten nur diese qualitativen Versuche ausgeführt werden. 
Sie weisen auf Lysin, Prolin und Glutaminsäure hin. Wichtiger 
als dieser Fingerzeig ist aber die unzweifelhafte Tatsache, daß 
die untersuchte Substanz immer noch mehrere Aminosäuren, 
und zwar Diamino- und Monsminosäuren abspaltet, somit 
immer noch einen ziemlich komplizierten Bau aufweist. Danach 
ist die Paranucleinsäure des Caseins so wenig wie die echten 
Nuoleinsäuren ein einfaches Derivat der Orthophosphersäure. 


Die Jodsäurereaktion des Adrenalins. 


Von 
Ludwig Krauß. 
(Aus dem Katharinenhospital in Stuttgart.) 
(Eingegangen am 3. September 1909.) 


In Band 18, S. 40 dieser Zeitschr. beschreiben 8. Fränkel 
und R. Allers eine Reaktion des Adrenalins mit Jodsäure, 
über die von mir schon im vorigen Jahre in der Apotheker- 
Zeitung 1908, 701 berichtet wurde. 

Ich prüfte das Verhalten des reinen synthetischen Supra- 
renins gegenüber einer Anzahl von Reagentien, unter anderem 
auch gegen Jodsäure. Bezüglich der letzteren konnte ich fol- 
gendes konstatieren: „Löst man eine geringe Menge Jodsäure 
in wenig Wasser, setzt etwas Chloroform und eine Spur Supra- 
renin (oder einige Tropfen der Lösung 1:1000) zu, so wird mo- 
mentan Jod freigemacht und das Chloroform färbt sich rosa. 
Läßt man die Probe nun einige Zeit stehen, so verschwindet 
die Rosafärbung der Chloroformlösung allmählich, und die über- 
stehende wässerige Flüssigkeit nimmt eine dauernde, schön 
rosarote Färbung an.“ 

Durch diese Versuchsanordnung ist zugleich auch nach- 
gewiesen, daß bei der Einwirkung von Adrenalin auf Jodsäure 
tatsächlich primär Jod freigemacht wird. Die Tatsache der 
Jodabscheidung wird jedoch von Fränkel und Allers be- 
stritten, sie konnten in keinem Stadium der Reaktion Jod 
nachweisen. Der Nachweis von Jod gelingt jedoch, abgesehen. 
von obiger Versuchsanorıdnung, auch auf folgende Weise sehr 
leicht: Mischt man einige Tropfen Jodsäurelösung 1:20 mit 
einigen Tropfen Adrenalinlösung 1: 1000 und setzt einige Tropfen 
Stärkelösung zu, so tritt die oharakteristische Blaufärbung ein, 
welche die Anwesenheit freien Jods beweist. 

Es muß jedoch zugegeben werden, daß die Ausführung 
der Reaktion in der Hitze, wie sie Fränkel und Allers vor- 
schlagen, eine bedeutend intensivere Färbung liefert, wodurch 
gleichzeitig auch eine höhere Empfindlichkeit erreicht wird. 


9% 


Ein Versuch zur Stöchiometrie der Hämolyse. 
Von 
Mentz L. v. Krogh. 
(Aus dem Laboratorium des städtischen Krankenhauses in Christiania.) 
Mit 3 Figuren im Text. 
(Eingegangen am 30. September 1909.) 


Die physikalisch-chemische Forschung hat während der 
letzten Jahre angefangen, eine immer größere Rolle in der 
Biologie und der Immunitätsforschung zu spielen. 

Es sind speziell die Beziehungen zwischen Toxin und 
Antitoxin, die behandelt worden sind. Die Hämolyse ist in 
dieser Beziehung weniger herangezogen worden. Außer einigen 
Arbeiten von Arrhenius habe ich darüber nur die Arbeiten von 
Manwaring und Henri auffinden können. Von diesen Forschern 
hat nur Arrhenius die einfache Hämolyse mittels Natronlauge 
bearbeitet, die beiden anderen haben sich mit komplexer Immun- 
hämolysine und deren Derivaten beschäftigt. 

Soweit ich es beurteilen kann, hat keiner von diesen 
Forschern sichere Schlüsse über die Natur der Hämolyse machen 
können. (Henris Abhandlung ist mir nur im Referat zu- 
gänglich gewesen.) 

Durch Abänderungen der Untersuchungstechnik und speziell 
durch Untersuchungen über die Inkubationszeit ist es mir ge- 
lungen, einigermaßen tiefer in das Problem der Hämolyse ein- 
dringen zu können. 


Methodik. 


Zunächst mußte eine einigermaßen sichere Methodik für die Er- 
mittelung der Reaktionsgeschwindigkeit ausgarbeitet werden. 

Zuerst wurde versucht, durch Abkühlung auf 0° die Geschwindig- 
keit so langsam zu gestalten, daß man ohne weiteres die Blutkörperchen 


Mentz L. v. Krogh: Stöchiometrie der Hämolyse. . 133 


der freiwilligen Sedimentierung überlassen könnte. Dies ist nicht ge- 
lungen, Zwar ist bei den komplexen Hämolysinen die Reaktions- 
geschwindigkeit eine sehr langsame geworden, aber die Reaktion ist doch 
so weit fortgeschritten, daß die Resultate ganz verwischt worden sind. 
Ich habe dann die Blutkörperohen schleunigst abzentrifugieren müssen. 
Die Technik ist im speziellen die folgende. 

Herstellung der angewandten Lösungen. 

Die Blutkörperchen (immer vom Pferde genommen) werden in 
0,80/,iger NaCl-Lösung aufgeschwemmt. Sodann werden sie 2mal mit 
einer solchen Lösung gewaschen und aus dem der Zentrifuge entnom- 
menen recht dickflüssigen Brei wird eine 5°/,ige Aufschwemmung dar- 
gestellt. 

Dieser Aufschwemmung habe ich in sämtlichen Versuchen ein 
gleich großes Volumen von dem hämolytischen Agens zugesetzt. Dessen 
Menge wurde mittels größerer oder geringerer Verdünnung abgestuft. 
Das hämolytische Agens ist immer in 0,8°/,iger Kochsalzlösung auf- 
gelöst gewesen. 

Es ist auf diese Weise leicht, osmotische Änderungen auszuschließen, 
und es ist auch möglich gewesen, die Ergebnisse coolorimetrisch mit- 
einander zu vergleichen. 

Temperatur. 

Die meisten Versuche sind bei Zimmertemperatur (17 bis 20°) ge- 
macht; da sie nicht allzu lange dauern (1/, bis Di Stunden), sind etwaige 
Temperaturschwankungen des Raumes außer acht gelassen worden. 

Die Reversibilitätsversuche mittels Natronlauge sind teils bei 
Zimmertemperatur, teils bei 8° (die Temperatur mittels flüssigen Lei- 
tungswassers konstant gehalten), teils bei 0° (in Eiswasser gekühlt) an- 
gestellt worden. Bei den niedrigeren Temperaturen sind immer die 
Reaktionsflüssigkeiten vor Anfang des Versuches auf die gewünschten 
Temperaturen gebracht worden. 

Zentrifugieren. 

Zur Sedimentierung der Blutkörperchen ist eine Zentrifuge mit 
etwa 3000 bis 4000 Umdrehungen pro Minute angewandt worden. Die 
Zentrifuge wird von einem elektrischen Motor getrieben; Um die oben 
genannte Geschwindigkeit zu erreichen, ist nur eine Zeit von !/, Minute 
nötig; während 15 Sekunden wird diese Geschwindigkeit beibehalten ; 
dann wird der Strom ausgeschaltet und die Zentrifuge schnell gebremst, 
das Glas mit der nun klaren, mehr oder weniger rotgefärbten Flüssig- 
keit herausgenommen und die Flüssigkeit abgegossen; dieser letzte Vor- 
gang nimmt etwa 15 Sekunden in Anspruch, so daß die ganze Zeit, die 
zum Zentrifugieren nötig ist, etwa 1 Minute beträgt. Als Reaktionszeit 
wird der Zeitpunkt angegeben, bei dem die Flüssigkeit von dem Blut- 
körperchensediment abgegossen wird. Dieser Zeitpunkt ist allerdings 
nicht absolut korrekt; da er aber bei allen Versuchen derselbe ist, be- 
trägt die Abweichung nur eine Parallelverschiebung sämtlicher Werte. 

In die Zentrifuge werden immer 2 ocm der Mischung gebracht. 


134 Mentz L. v. Krogh: 


Titrieren der gewonnenen Werte. 

Die auf diese Weise gewonnenen Flüssigkeiten werden jetzt colori- 
metrisch titriert. Zu diesem Zwecke wird zunächst eine Testlösung her- 
gestellt, und zwar in der Weise, daß von der ursprünglichen Blutkörperchen- 
aufschwemmung l com abgemessen und mit Leem Wasser versetzt wird. 
Durch den verminderten osmotischen Druck platzen die Blutkörperchen 
und geben ihr Hämoglobin an die Flüssigkeit ab, und zwar ent- 
hält die so gewonnene Flüssigkeit genau ebensoviel Hämoglobin wie die 
zu prüfende Blutkörperchenaufschwemmung mit hämolytischem Agens, wenn 
alles Hämoglobin in die Flüssigkeit übergetreten ist. Diese Testlösung wird 
nun mit der Yfaohen Menge Kochsalzlösung verdünnt, so daß die Lösung 
jetzt dieselbe Farbe hat wie eine Lösung, in der !/,, der Blutkörperchen 
gelöst sind. Ist nun die zu prüfende Lösung im Vergleich mit Wasser 
(oder um kleinste Lichtbrechungsdifferenzen zu vermeiden, mit Koch- 
salzlösung) noch farblos, so wird die Hämolyse gleich O gesetzt. Ist sie zwar 
gefärbt aber heller als die Testlösung, so wird einfach der Titer gleich 
„Spur‘‘ gesetzt und der Grad jugiert. Ist sie gleich der Testlösung, so hat 
sie den Titer 0,1. Ist sie endlich dunkler als diese, so wird zu locm der 
gehärteten Lösung so viel Wasser (oder Kochsalzlösung) durch eine Bürette 
zugesetzt, bis sie genau dieselbe Farbe wie die Testlösung hat. Die 
Menge Kochsalzlösung in Kubikzentimeter, die man zusetzen muß, um 
diese Nuance zu erreichen, um 1 vermehrt, gibt dann den gesuchten 
Titer in Zehntel an, wenn die vollständige Hämolyse gleich 1 gesetzt wird. 


Vergleich der Resultate. 


Der Vergleich der gewonnenen Resultste ist durchweg in der 
Form von Kurven gemacht worden. Solche lassen sich besser als 
Tabellen miteinander vergleichen, und die unvermeidlichen Ungenauig- 
keiten lassen sich weit besser überblicken und in vielen Fällen aus- 
schalten. Man kann auf diese Weise auch eine mißlungene Versuchs- 
reihe als solche erkennen und ausschalten. 

Es hat sich gezeigt, daß meistens die Resultate miteinander recht 
genau übereinstimmen. Zuweilen sind jedoch mehr oder weniger große 
Unregelmäßigkeiten aufgetreten, deren Ursache noch nicht aufzuklären war. 


a) Die Hämolyse durch Natronlauge. 


Die Natronlauge wurde in verschiedenen Konzentrationen 
angewandt, und zwar von 0,05n bis 0,005n. Die Konzentration 
von 0,05 n läßt bei 20° einen sehr schnellen Fortschritt der 
Hämolyse erkennen und nicht nur die Stromata der Blut- 
körperchen, sondern auch das Hämoglobin werden schnell an- 
gegriffen, indem sich bald nach Vollendung der Hämolyse 
dunkles Hämatin bildet; schon bei 0,03 dauert dies viel länger, 
und bei 0,02 behält die hämolytische Flüssigkeit noch nach 


Stöchiometrie der Hämolyse. 135 


mehreren Stunden ihre rote Farbe; bei 0,01 n läuft die Hämo- 
lyse sehr langsam ab. Deswegen ist diese Konzentration die 
schwächste, die zur Herstellung der Geschwindigkeitskurven 
angewandt wird. 








Die Kurve 1 gibt eine Reihe von Versuchen über den 
Verlauf der Reaktion wider. Jede einzelne Kurve gibt eine be- 
stimmte Konzentration der Natronlauge an. 

Es ergibt sich zunächst, daß bei jeder Konzentration eine 
gewisse Zeit verstreicht, in der keine Hämolyse wahrzunehmen 
ist; dann erst setzt sie mehr oder weniger plötzlich ein. Die 
Kurve ist jedoch im Anfang schematisiert; es ist natürlich nicht 
gelungen, einen so scharfen Knick jemals zu beobachten. Viel- 
mehr wickelt sich die Kurve konvex gegen die Abszisse ab. 
Diese Abwicklung scheint jedoch meistens sehr schnell zu ver- 
laufen und kann oft nicht wahrgenommen werden. 

Die Länge der Inkubationszeit wächst mit absteigender 
Konzentration der Natronlauge, jedoch in keinem einfachen 
Verhältnis. Man muß, um die Kurve mathematisch be- 
rechnen zu können, die Inkubationszeit ausschalten, indem man 
den gegen die Abszisse konkaven Kurventeil in der Richtung 
der Abszisse verlängert und als Nullpunkt der Zeit den 
Kreuzungspunkt dieser extrapolierten Länge mit der Abszisse 
betrachtet. 

Es wird zwar durch diesen Vorgang ein nicht unbedeutender, 
willkürlicher Faktor hineinkommen, aber wie ersichtlich werden 
wird, sind doch die Resultate dermaßen eindeutig, daß man 
gezwungen ist, anzunehmen, daß diese willkürliche Extrapolation 
keine wesentliche Rolle spielt. Die Kurve wird so eingezeichnet, 


136 Mentz L. v. Krogh: 


daß sie sämtliche gefundenen Punkte kreuzt, und von dem durch 

die Extrapolation gefundenen Nullpunkt der Zeit zu dieser 

Kurve werden die Zeiten für jedes Zehntel der Hämol 

interpoliert. 
Die in dieser Weise gefundenen Werte?) sind. 





Hämolyse Zeit in Minuten bei Konzentration der Natronlauge von 
Grad 0,0100 n 0,0143 n 0,0167 n 0,0200 n 
z ee L E EE 











0,1 2,7 0,8 0,5 0,4 
02 5,6, 1,6 1,3 0,9 
0,3 9,0 2,7 2,0 1,4 
0,4 12,8 3,7 2,8 2,0 
0,5 16,8 5,4 3,6 3,0 
0,6 21,6 7,4 4,6 3,5 
0,7 26,0 9,4 5,7 42 
0,8 37,0 10,4 7,3 5,0 
0,9 50,0 | 14 9,9 EN 


Zunächst muß man nun versuchen, die Ordnung der 
Reaktion, d. h. die Zahl der beteiligten Moleküle ausfindig 


zu machen. 
Man untersucht dazu das Verhältnis der Konzentration zu der 
Zeit, in der ein bestimmter gemeinsamer Bruchteil der Hämolyse er- 
reicht wird. Aus den gefundenen großen Unterschied zwischen den 
Zeiten kann man schließen, daß die Reaktionen erster und zweiter 
Ordnung ausgeschlossen sind. 
Wenn ich nun die Reaktion dritter Ordnung versuche, so ergibt sich: 
0,01002 — 0,01 n = 1-10 
0,0143? — 1/739 n = 2-10-4 
0,01672 = Lien n = 3-10—4 
0,02002 — 1/59 n = 4- 10—4 
Die Quadrate der verschiedenen Konzentrationen verhalten sioh somit 
ungefähr wie 1:2:3:4. 
lmal 16,8 = 16,8 
2mal 5,4 = 10,8 
3mal 3,6 = 10,8 
4mal 3,0 = 12,0 
Die Übereinstimmung ist zwar keine ausgezeichnete, aber dooh 
eine hinreichend gute, um für weitere Berechnungen zugrunde gelegt zu 


werden. Die Differentialformel für die Reaktion dritter Ordnung lautet: 
Ss — k(a— z) (b—2)2. 


æ ist hier der Grad der Hämolyse, und da dieser immer in Bruch- 


1) Der Nullpunkt ist gleich dem bei der endlichen Berechnung 
gefundenen. 


Stöchiometrie der Hämolyse. 137 


teilen der anwesenden Menge Hämoglobin ausgedrückt ist, ist a der in 
der Formel der Menge der Blutkörperchen und bedeutet gleich 1. 

b ist die in Äquivalenteinheiten ausgedrückte Menge der Natron- 
lauge, und da die Natronlauge nur eine Valens besitzt, müssen 2 Mole- 
küle NaOH an der Reaktion beteiligt sein, wenn diese dritter Ordnung 
sein soll. Deswegen ist b— x in die zweite Potenz erhoben. T ist die 
Zeit, k die Reaktionskonstantee Man kann nun versuchen, aus der 
Differentialgleichung eine Annäherung des Wertes b ausfindig zu machen, 
indem man den Differentialquotienten ohne weiteres gleich dem Quotienten 
irgend eines korrespondierenden Wertes für x und T setzt, 


also 7 = k(1— z) (b— x)? oder 


LOT á 
r z (1—2) 6— z) 
und da k für alle Werte für z und T konstant ist, 
1 T T, 
= A (1 — z) (b — z,)? = = (1— z3) (b— z3)? 


Hieraus ergibt sich 
km. Val lx 
b— 2, za(1 — 21) Tı 
woraus sich b berechnen läßt. 

Diese Formel wird nur auf der Kurve von 0,01 n NaOH in Kurve 1 
angewandt. 

Nun ergibt sich, daß man auf diese Weise sehr wechselnde Werte 
von b findet, die von 0,1 bis 1 q’ variieren; alle diese Werte sind aber 
negativ, indem der Wert unter dem Wurzelzeichen kleiner als 1 wird, 
wenn z, kleiner als z} genommen wird. 

Wenn aber statt 

b—ı, b+ z 


geschrieben wird, bekommt man positive Werte von b. 

Dies würde in der Differentialformel entsprechen: 

= = k(a— zx) (b-+ r)®. 

Die chemische Bedeutung einer solchen Differentialformel ist, daß 
durch die Bindung von b an das Blutkörperchen ein Stoff erzeugt wird, 
der eine katalytische Beschleunigung der Reaktion bewirkt. Solche 
Reaktionen sind in der organischen Chemie nicht allzu selten. 

Wenn diese Differentialformel integriert und die Integrationskon- 
stante weggeschafit wird, bekommt man die Integralformel 








(a+5)2k T—m +) . x(e—b) 


b(a— ` bis 
oder indem man den Tatsachen entsprechend a= 1 setzt 


SS? b+z . x(l—b) 
(1 + b)? kT = ln nai bei 


138 Mentz L. v. Krogh: 


Wenn ich nun mittels dieser Formel die Kurve von 0,01 n NaOH 
berechne, ergibt sioh, wenn ich b= 6 setze und mittels der Konstante 
dieser einzelnen Formel [also (a-}b)?k der ganzen Formel] gleich 
0,0520 setze 


z= T gefunden T berechnet 
0,1 2,7 2,61 

02 5,6 4,8 

0,3 9 8,7 

0,4 12,8 12,8 

0,5 16,8 16,3 

0,6 21 22.6 

07 26 27,5 

0,8 37 35,7 

09 50 499 


Die Übereinstimmung ist also eine sehr gute und fällt durchaus 
innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler; (a L AE ist also gleioh 0,0520. 

a ist gleich 1 und die Berechnung hat b — 6 ergeben, die Konstante 
muß also einen Wert haben, der 49mal kleiner ist, also 0,001063. Ver- 
suche ich nun aber mittels dieser Konstanten auch die Kurven von 
0,0143, 0,0167 und 0,0200 zu berechnen, so ergibt sich, daß die ent- 
sprechenden Konstanten Werte von T geben, die überhaupt keinen Ver- 
gleich mit den gefundenen Werten gestatten, indem die Werte der Zeit 
viel zu klein werden, weil die Konstante zu klein wird. 

Die Sache liegt so, daß das Verhältnis zwischen den Zeiten der 
Kurve für 0,01 n NaOH und den anderen Kurven in der Wirklichkeit 
ein viel größeres ist, als den Werten von NaOH entsprechen würde. 

Wenn man von jedem Betrag der Natronlauge 0,0040 n subtrahiert, 
erhält man folgende Zahlen: 


Ursprüngliche Menge 


der Natronlauge 
0,0100 n 0,0143 0,0167 0,0200 
0 0,0040n „0,0040 0,0040 _0,0040 
0,0060 n 0,0103 0,0127 0,0160 
ee! b=6 16,3 137 16 
(a + b)? k = 0,0520 0,1360 0,2000 0,3280 
z T gef. T ber. T gef. T ber. Tgeof. T ber. Tgef. T ber. 

0,1 2,7 2,61 0,8 0,9 0,5 0,5 0,4 0,4 
0,2 5,8 4,8 1,6 1,9 1,3 1,3 kr 0,8 
0,3 9,0 8,7 2,7 3,0 2 2,0 1,4 1,2 
0,4 12,8 12,2 3,7 4,3 2,8 2,9 2,0 1,7 
0,5 16,8 16,3 5,4 5,7 3,6 3,8 3 2,4 
0,6 21,6 22,3 7,4 7,6 4,6 5,0 3,5 3,0 
0,7 26.0 27,5 9,4 9,8 5,7 6,5 4,2 4,2 
0,8 37,0 35,6 10,4 13,0 7,3 8,1 5 5,6 
0,9 50,0 49,9 11,4 17,5 9,9 12,2 7,9 


In der Kurve 1 sind die berechneten Werte als Kurven aus- 
gezogen, die tatsächlich gefundenen sind als kleine Kreise eingezeichnet. 


Stöchiometrie der Hämolyse. 139 


Die Übereinstimmung ist eine recht gute, wenn man die 
Unsicherheit in der Zeitbestimmung und die nicht sehr 
genaue colorimetrische Bestimmung des Hämolysegrades be- 
denkt. 

Doch zeigt es sich, daß vom Hämolysegrad 0,8 an bei 
den stärkeren Konzentrationen von NaOH die Hämolyse erheb- 
lich schneller abläuft, als die Formel es zuläßt, und nicht den 
asymtotischen Verlauf zeigt, den man eigentlich hätte erwarten 
müssen. 

Um das Zulässige der Subtraktion von 0,40 von der 
Natronlauge zu erklären, möchte ich noch folgendes bemerken. 

Die Subtraktion kann augenscheinlich nur dann berechtigt 
sein, wenn das bestimmte Quantum von 0,0040 n NaOH zu- 
nächst an irgend einem Bestandteil der gleichen Menge der 
5°/,igen Blutkörperchenemulsion gebunden wird. Theoretisch 
läßt sich vieles zugunsten dieser Annahme anführen, obwohl 
der praktische Versuch, der dies beweisen müßte, sich ziemlich 
schwierig gestalten würde. Es möge deshalb zunächst ausgeführt 
werden, daß schon Arrhenius eine solche Bindung von NaOH, 
die keinen Teil an der Hämolyse nimmt, konstatiert hat. 

Man konnte sich zunächst denken, daß irgend ein Be- 
standteil des Blutkörperchenstromata eine große Affinität zu der 
Natronlauge besitze, daß aber diese Verbindung ohne Bedeutung 
für die Hämolyse sei. Diese Annahme ist wohl nicht aus- 
zuschließen, scheint mir aber nicht sehr wahrscheinlich zu sein. 
Ich möchte vielmehr annehmen, daß es Reste des Serum- 
eiweißes sind, die für diese Erscheinung verantwortlich sind. 
Entweder liegt die Sache ganz einfach so, daß das zweimalige 
Waschen nicht hinreichend gewesen ist, um das Serumeiweiß 
zu entfernen, oder man kann sich denken, daß die Blut- 
körperchen, die als feste Phasen in dem eiweißhaltigen Serum 
zu betrachten sind, die umgebenden Eiweißteilchen absorbieren 
und sich so mit einer Haut von Eiweiß umhüllen, die zunächst 
von der Natronlauge durchbrochen werden muß, damit diese 
in das Blutkörperchen dringen und daselbst Hämolyse bewirken 
kann. Wäre dies der Fall, so würden sehr viele Waschungen 
nötig sein, um diese Eiweißmembran zu beseitigen. 

Es liegen auch Beobachtungen in diesem Sinne vor, da 
Atkins fand, daß in gut gewaschenen Blutkörperchen öfters 


140 Mentz L. v. Krogh: 


spontane Agglutination stattfindet, die durch heftiges Schütteln 
zwar zu lösen ist, aber dann Hämolyse hervorruft. Wahrschein- 
lich ist diese Beobachtung so aufzufassen, daß das Eiweiß des 
Serums als Schutzkolloid den Blutkörperchen gegenüber auftritt, 
und daß, wenn dieses mechanisch entfernt wird, sich die Blutkör- 
perchen nicht mehr in Suspension halten können, sondern in 
größeren Klumpen ausfallen. Das gebildete Alkalialbuminat kann 
dagegen die Rolle als Schutzkolloid übernehmen, denn eine Ag- 
glutination tritt bei der Hämolyse mittels Natronlauge in den 
von mir angewandten Konzentrationen nicht auf; Acidalbuminat 
dagegen, das durch Salzsäure gebildet wird, kann nicht als Schutz- 
kolloid wirken, denn Salzsäure agglutiniert die Blutkörperchen 
rasch und vollständig. 

Wenn man dagegen einen großen Überschuß von Alkali 
anwendet, so werden die Blutkörperchen für eine kurze Zeit 
agglutiniert, bevor sie vollständig aufgelöst werden. Alkalialbu- 
minat, das mit einem großen Überschuß von Alkali gebildet 
wird, ist ja auch ein viel leichter lösliches und viel weiter 
zersetztes Gebilde als ein mit wenig Alkali gebildetes. 

Man kann nun auch die Bindung der Natronlauge an die 
Blutkörperchen untersuchen, wenn man das Blutkörperchen- 
sediment nach dem in dem technischen Abschnitt beschrie- 
benen Verfahren behandelt. 

Es hat sich nun herausgestellt, daß die Kurve, die man 
auf diese Weise erhält, mit der Hämolysekurve durchaus analog 
ist. Sie folgt der hämolysischen Kurve genau parallel in einem 
größeren oder kleineren Abstand, der mit der Konzentration 
der Natronlauge und Temperatur schwankt. 

Man ist also nach dem oben Gesagten berechtigt anzu- 
nehmen, daß die Hämolyse durch Natronlauge eine chemische 
Bindung zwischen den Hydroxylionen der Natronlauge einer- 
seits und irgend einem Bestandteil des Blutkörperchens anderer- 


seits ist, die der Formel entspricht: BC, 


Das Resultat dieser Bindung ist die Bildung eines lös- 
lichen Stoffes, der das Hämoglobin ohne weiteres in die Flüssig- 
keit heraustreten läßt. 


Stöchiometrie der Hämolyse. 141 


b) Hämolyse durch hämolytisches Serum. 


Das Serum wurde gewonnen durch Einspritzung von ge- 
waschenen Pferdeblutkörperchen in die Bauchhöhle eines 
Kaninchens. Es wurde bei 56° !/, bis 1 Stunde erhitzt, um 
das in demselben befindliche Komplement zu beseitigen; als 
Komplement wurde frisches Meerschweinchenserum benutzt, 
und zwar in verschieden abgestuften Mengen. 


Die Versuche ergaben zunächst die Tatsache, daß es ohne 
Bedeutung für die Reaktionsgeschwindigkeit ist, ob Ambo- 
ceptor und Komplement nacheinander oder zur selben Zeit mit 
den Blutkörperchen gemischt werden. Deswegen ist immer 
eine Mischung von Amboceptor und Komplement den Blut- 
körperchen zugesetzt worden. 


Im übrigen ist die Technik dieselbe wie früher. 


Versuche, die Geschwindigkeit der Bindung von Blut- 
körperchen und Amboceptor zu erforschen, sind sämtlich ge- 
scheitert. Die Bindung erfolgt so schnell, daß in den 1 bis 
2 Minuten, die zum Zentrifugieren nötig sind, der Amboceptor 
mehr oder weniger vollständig an das Blutkörperchen gebunden 
ist, und es ist niemals gelungen, eine charakteristische Kurve 
zu erhalten. 


Ganz anders liegt die Sache, wenn die Bindung des Kom- 
plements und die Hämolyse untersucht werden. Die Bindung 
geht hier bedeutend langsamer vor sich und kann sehr gut ver- 
folgt werden. Die Kurve verändert sich, wie gesagt, nicht merk- 
lich, wenn Amboceptor, Komplement und Blutkörperchen in 
verschiedener Reihenfolge gemischt werden. 


Geradeso wie bei der Hämolyse mit Natronlauge ist auch 
bei der durch hämolytisches Serum eine Incubationszeit vor- 
handen, die mit der Konzentration des Komplements schwankt. 
(Die Mengen des Amboceptors und der Blutkörperchen sind 
konstant gehalten.) Auch hier ist es nicht möglich gewesen, 
einfache Relationen zwischen der Länge der Inkubationszeit und 
dem Komplementgehalt der Flüssigkeit zu ermitteln. 

Deshalb ist auch hier die Kurve von dem Wendepunkt 
ab gegen die Abszisse extrapoliert worden und der Kreuzungs- 
punkt ist als Nullpunkt der Zeit betrachtet. (Kurve 2.) 


142 Mentz L. v. Krogh: 


Es hat sich auch hier gezeigt, daß die Reaktions- 
geschwindigkeit mit dem Gehalt der Flüssigkeit an Blut- 
körperchen schwankt, und daß somit eine Reaktion erster Ord- 
nung auszuschließen ist. 


Aol. Zecm 





Fig. 2. 


Nun hat aber Henri gefunden, daß die Gleichung erster 
Ordnung, auf die Kurve angewandt, recht gute Konstanten 
gibt. Dies ist auch der Fall. Aber dennoch kann die Gleichung 
nicht erster Ordnung sein, denn die Konstanten wollen sich 
in kein einfaches Verhältnis zu der Konzentration des Kom- 
plements bringen lassen, und die Änderung der Reaktions- 
geschwindigkeit zugleich mit der Blutkörperchenkonzentration 
ist auch ein deutliches Zeichen in derselben Richtung. 

Um die Molekülzahl zu bestimmen, werden zunächst die 
korrespondierenden Zeiten eines bestimmten Hämolysegrades 
untersucht. 


Komplementgehbalt. 
Hämolysegrad 3. 2. 1,5. 
0,3 2,4 Min. (4,8) 3,86 Min. (4,8) 56 Min. 
0,4 3,6 „ (7,2) 5,0 „ (6,4) 68 „ 
0,5 4,8 zg 9,6) 1,2 „ (9,6) 8,1 ” 
0,6 6,4 , (12,8) 9,8 ,„ (12,8) 11,1 „ 
0,7 8,0 , (16,0) 11,0 ,„ (14,6) 13,9 „ 
0,8 9,8 „ (19,6) 13,0 „ (17,3) 173 „ 
0,9 12,4 „ (24,8) 15,8 „ (21) 234 » 


Ich habe in Parenthese die Zahlen gesetzt, die das Pro- 
dukt von Komplementgehalt und Zeit darstellen. Es zeigt sich, 
daß für jeden Grad der Hämolyse diese Zahlen annähernd 
konstant sind! 

Die Zeit ist also umgekehrt proportional der ersten Po- 
tenz der Konzentration. Die Reaktion ist von der zweiten 
Ordnung. 


Stöchiometrie der Hämolyse. 143 


Um nun die Sache genauer zu berechnen, wird zunächst die Diffe- 
rentialformel untersucht: 


ZE — kla— 2) — 2) oder 
-y —hla— z)(b— z), woraus sich ergibt 


b— 2 _ sTla— zl 
b— ŭa zT,(a—z) 

Gerade wie die bimolekulare Formel für NaOH gibt auch diese 
Formel negative Werte für B. Man muß also auch hier eine Be- 
schleunigung der Reaktion durch die gebrachten Reaktionsprodukte an- 
nehmen und die Formel aufstellen : 

ER = k(a— al + z), 
was integriert und nach Fortschaffung der Integrationskonstante gibt: 


tm oder das 





b(a — x) 
"ov +e 


Wenn ich nun diese Formel auf die Kurven in Kurve 2 anwende, 
ist die Übereinstimmung, wie gezeigt, eine sehr gute. Der gestreckte 
Verlauf der bimolekularen Kurven tritt auch in der Reaktion deutlich 
hervor. Auch das Verhältnis der Reaktionskonstante entspricht der 
Gleichung. 

















Zum Vergleich gebe ich in Kurve 3 denselben Versuch nach der 
monomolekularen Formel berechnet. Für den Versuch mit der kleinsten 
Komplementmenge ist die Übereinstimmung keine schlechte, und man 
muß gestehen, daß die Übereinstimmungen sich innerhalb der möglichen 
Versuchsfehler bewegen. 

Für die Kurve mit 2ccm Kpl. ist die Übereinstimmung schon 
eine viel schlechtere und läßt sich schwerlich durch die Versuchsfehler 
erklären. Die Konstante ist auch hier die theoretisch richtige, nämlich 
der Konzentration proportional. 


144 Mentz L. v. Krogh: 


Der dritte Versuch läßt sich dagegen nicht in Übereinstimmung mit 
der Theorie unter den monomolekularen Reaktionsverlauf bringen; ent- 
weder muß man der Konstanten oder dem Reaktionsverlaufe so stark 
Gewalt antun, daß die ganze Sache ohne jeden Sinn wird. 

Auch läßt sich schwer die Annahme einer monomolekularen Bin- 
dung durch die biologischen Tatsachen erklären. 

Sehr eigentümlich ist es nun, daß die Hämolyse durch Na- 
tronlauge 2 Moleküle NaOH beansprucht, während die Hämo- 
lyse durch hämolytisches Serum nur 1 Molekül nötig hat. Nun 
könnte man es sich zwar so vorstellen, daß das Komplement 
zwei Valenzen besitzt, die gesättigt werden sollen; dann bleibt 
für den Amboceptor keine Stelle mehr frei, und es ist auch 
nicht sehr wahrscheinlich, daß das Komplement geradeso wie 
Natronlauge auf die Blutkörperchen wirken soll. 

Man muß nun die Tatsache ins Auge fassen, daß das 
Blutkörperchen zunächst durch den Amboceptor präpariert 
werden muß, wenn es das Komplement binden soll, um nach- 
her aufgelöst zu werden. 

Ich möchte mir diese Tatsache so vorstellen, daß es in 
dem Blutkörperchenstroma ein Molekül gibt, das etwa wie 
Athylen H,C — CH, eine doppelte Bindung besitzt. 

Wenn nun Äthylen mit einem Stoffe mit starker Affinität 
versetzt wird, zum Beispiel mit Chlor, so wird die doppelte 
Bindung gesprengt, und es wird Athylendichlorid 

SZ? 
Ci Cl 

gebildet. Die Natronlauge wirkt meiner Anschauungsweise nach 
ungefähr in ähnlicher Weise auf die Blutkörperchen. Sie zer- 
sprengt die doppelte Bindung, so daß zwei Affinitäten frei werden, 
die dann beide mit NaOH gesättigt werden. Diese Verbindung 
(BI +2NaOH), oder vielmehr BI+ (OH), — denn in den an- 
gewandten Verdünnungen ist die Natronlauge praktisch voll- 
ständig dissoziiert — ist löslich, und das Blutkörperchen wird in 
der Natronlauge gerade wie ein Eiweißpartikelchen oder ein 
Fibrincoagulum gelöst. 

Das Komplement besitzt aber keine hinreichende Affinität, 
um mit dem Blutkörperchen in Verbindung zu treten. Es kann 
nämlich die Doppelbindung nicht zersprengen, sondern der Weg 
muß ihm erst gebahnt werden und die Affinität in Freiheit 


Stöchiometrie der Hämolyse. 145 


gesetzt werden. Damit es eine Verbindung mit dem Blut- 
körperchen eingehen kann. 

Dar Amboceptor dagegen bildet keine lösliche Verbindung 
mit dem Blutkörperchen, kann somit allein keine Hämolyse zu- 
stande bringen. Seine Affinität zu dem Blutkörperchen ist 
aber eine sehr große (er wird auch äußerst schnell gebunden), 
und zwar groß genug zur Zersprengung der Doppelbindung in 
dem Blutkörperchen. Das Blutkörperchen, das von den Ambo- 
ceptoren besetzt ist, hat also die Schutzwirkung gegen das Kom- 
plement verloren, so daß es jetzt freie Affinitäten genug be- 
sitzt, um an das Komplement gebunden und nachher davon 
befreit zu werden. 

Ich könnte dies auch durch eine Formel ausdrücken: 


5 /Amboceptor 


Komplement 


Diese Anschauungsweise erklärt es auch, weshalb die Ambo- 
ceptoren und die Blutkörperchen in keinem stöchiometrischen 
Verhältnis gebunden werden. Die Ambooeptoren lösen eben nur 
die Doppelbindungen, wo sie sie finden. Diese Doppelbindungen 
können ja in viel größerer Menge vorhanden sein, als zur 
Bildung der kompletten Hämolyse der Komplement- Blut- 
körperchenverbindung nötig ist. Je mehr solche gelösten Doppel- 
bindungen nun vorhanden sind, desto schneller geht die Re- 
aktion vor sich; je mehr von dem Amboceptor zugesetzt wird, 
desto schneller verläuft auch die Reaktion. 

Der Amboceptor ist somit kein eigentlicher Amboceptor, 
da er nach dieser Anschauungsweise überhaupt nicht in direkte 
Verbindung mit dem Komplement tritt. Seine Spezifität wird 
aber durch diese Theorie wenn nicht erklärt, so doch in ihrer 
Notwendigkeit angedeutet. Denn eine sehr genaue Anpassung 
muß ja nötig sein, um in die komplizierten Moleküle des Blut- 
körperchens einzudringen. Dagegen wird eine solche Anpassung 
nicht nötig sein, um die freie Affinität zu sättigen, weswegen 
auch eine Spezifität des Komplementes nicht nötig ist. 

Die Bildung des Amboceptors durch die Immunisierung 
wird auch nach Ehrlichs Seitenkettentheorie stattfinden. Der 
Receptor wird von dem Molekularkomplex, der die Doppel- 


bindung enthält, gebildet, muß aber zunächst durch den Ambo- 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 10 


146 Mentz L. v. Krogh: 


ceptor fertig gemacht werden, um in Funktion treten zu 
können. 

Ein Phänomen, das sich durch die hier skizzierte Theorie 
besser als durch die früheren erklären läßt, ist das Neisser- 
Wechsbergsche, das darin besteht, daß sehr große Mengen 
von Amboceptor die Hämolyse hemmen, statt sie zu be- 
schleunigen. Bei der Hämolyse ist das Phänomen nur sehr 
selten beobachtet worden. Ich habe es einmal beobachtet, 
als frisch gewonnenes Immunserum in t/o- Verdünnung nur 
geringe Hämolyse verursachte, dagegen in 1/4- bis !/soe- Ver- 
dünnung die Blutkörperchen komplett in Lösung brachte. Auch 
Arrhenius gibt einen derartigen Fall an. 

Ich stelle mir die Sache so vor, daß der Amboceptor, 
wenn er in gewissem Überschuß vorhanden ist, die beiden 
Affinitäten des Blutkörperchenreceptoren besetzen kann. Dann 
behindert er das Komplement, so daß dieses nicht an den Re- 
ceptor herankommen kann; folglich kann keine Hämolyse statt- 
finden. 

Ich glaube voraussagen zu können, daß die komplizierten 
Phänomene der Hämolyse durch diese Auffassungsweise etwas 
geklärt werden können. 

Somit ist die physikalische Chemie der Hämolyse kein so 
hoffnungsloses Durcheinander, wie es Manwaring am Schlusse 
seiner Abhandlungen ausspricht. Sie liefert vielmehr recht 
beachtenswerte Ergebnisse und kann, wenn gewisse Kautelen 
gegeben sind, recht eindeutige Resultate liefern. Ich glaube, 
daß die unsicheren Ergebnisse, die auf diesem Wege gewonnen 
sind, wenigstens teilweise daher rühren, daß man Endresultate 
statt Geschwindigkeiten berücksichtigt hat. Die hämolytischen 
Prozesse klingen in den schwächeren Konzentrationen des hä- 
molytischen Agens allmählich asymptotisch ab und es können 
vielfach Stunden, ja Tage verlaufen, ohne daß die Reaktion 
abgeschlossen wird. Allmählich geht sie dann in die spontane 
Zersetzung der Blutkörperchen über und entzieht sich so der 
näheren Beobachtung. 

Dies ist ja auch sehr natürlich, wenn man bedenkt, daß 
nach der Differentialformel der Reaktionsgeschwindigkeit 

dr 


Jı  ka—2)(b-+ sf oder =kla— z) (b + z) 


Stöchiometrie der Hämolyse. 147 


die Reaktion durch die Bildung der Reaktionsprodukte be- 
schleunigt wird. Die Kurven zeigen, daß in der ersten Zeit 
der Reaktion die Kurve einen fast geradlinigen Verlauf nimmt, 
um nachher umzubiegen und asymptotisch weiter zu gehen. 
Wenn nun die Reaktion so langsam sich abwickelt, daB die 
Kurve sehr schräg gegen die Abszisse ihren Weg nimmt, wird 
sie fast geradlinig verlaufen, und wenn erst die Inkubations- 
zeit zu Ende ist, wird sie beinahe proportional mit der Zeit 
zunehmen. Dies kann man auch beobachten, wenn man 
eine solche Reaktion, die z. B. durch schwache Natronlauge 
hervorgerufen ist, durch Erwärmen beschleunigt. Man be- 
kommt dann, selbst wenn die Hämolyse nach Stunden schein- 
bar stillgestanden hat, eine erhebliche Beschleunigung derselben, 
ein sicherer Beweis dafür, daß das Gleichgewicht noch nicht 
erreicht ist. 

Schließlich möchte ich noch einer etwaigen Einwendung 
begegnen, der nämlich, daß die hier beobachteten Kurven gar 
nicht Kurven der chemischen Reaktionen seien, sondern nur ein 
Maß für die Geschwindigkeit sind, mit welcher die Natron- 
lauge bzw. das Komplement in die Blutkörperchen hinein- 
diffundiert. 

Gegen eine solche Einwendung läßt sich folgendes er- 
wiedern: 

Erstens die Gesetzmäßigkeit der Kurven. Die Diffusions- 
kurven verlaufen nach einer einfachen monomolekularen 


Formel: 


dr 
gı ke), 


während die hier gegebenen Kurven der Formel der tri- oder 
bimolekularen Reaktion folgen. 

Zweitens hat Arrhenius gefunden, daß die Temperatur- 
schwankungen der Geschwindigkeit dem Gesetz für chemische 
Reaktionen folgen und nicht dem Diffusionsgesetze. 

Drittens sind die Blutkörperchen so klein und haben im 
Verhältnis zu ihrer Masse eine so kolossale Oberfläche, daß die 
Diffusion bis in die Mitte des ca. 1 „ dicken Blutkörperchens 
kaum eine meßbare Zeit beanspruchen würde, besonders da es 
sich außerdem teilweise um Hydroxylionen handelt, deren Dif- 


fusionsgeschwindigkeit überall eine besonders große ist. 
10* 


148 Mentz L. v. Krogh: Stöchiometrie der Hämolyse. 


Noch mehr spricht aber gegen diese Auffassung das Er- 
gebnis meiner Versuche über die Reversibilität der hämolyti- 
schen Prozesse, die später mitgeteilt werden sollen. 

Ob aber die von mir gefundenen Gesetzmäßigkeiten nur bei 
der Kombination Pferdeblutkörperchen-Kaninohenserum Geltung 
haben oder ob ihnen vielleicht eine allgemeinere Geltung zu- 
kommt, muß vorläufig dahingestellt werden. 


Literatur. 


Arrhenius, Immunochemie. Leipzig 1907. 
Asher-Spiro, Ergebnisse der Physiologie 8, 1908; 
Henri, Compt. rend. de la Société biologique 1908. 
Manwaring, Centralbl. f. Bakt. 40, 42 und 43. 
Atkins, Zeitschr. f. Immunitätsforschung 1. 


Zur Theorie der Desinfektion. 


I. Abhandlung. 
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 


Von 


Heinrich Reichel. 
(Aus dem Hygienischen Institute der k. k. Universität in Wien.) 
Mit 1 Kurvenfigur im Text. 
Einleitung. 


Trotz der ausgedehnten praktischen Anwendung der Des- 
infektion in Chirurgie und Seuchenbekämpfung, ist das wesent- 
liche Verständnis der zugrunde liegenden Vorgänge noch wenig 
vorgeschritten. Die wichtigsten diesbezüglichen Arbeiten — 
von Scheurlen (1,2), Spiro (2, 3, 4), Paul und Krönig (5) — 
liegen heute um mehr als ein Jahrzehnt zurück, ohne daß es 
ihnen gelungen wäre, das so erfolgreich aufgenommene Thema 
in Diskussion zu erhalten. Und doch ist die Frage nach den 
zureichenden Bedingungen des Zelltodes unstreitig eines der 
Grundprobleme aller Biologie und Medizin. Auf die künstliche 
Herstellung der Bedingungen des Lebens haben wir bis auf 
weiteres verzichtet, und diese Beschränkung hat sich heuristisch 
ebenso bewährt, wie in anderen Wissenschaften der Satz von der 
Konstanz der Elemente und von der Unmöglichkeit eines Perpe- 
tuum mobile. Die künstliche Aufhebung der Lebensbedingung 
im wissenschaftlichen Versuch bildet aber ein wichtiges Mittel 
zu ihrer Erkennung und Beschreibung, welche immer die wert- 
vollste Grundlage für die Möglichkeit ihrer Beeinflussung 
bleiben wird. ` 

Es gibt nun kaum ein besseres Objekt, die Naturgeschichte 
des Todes direkt zu studieren, als jene einzelligen Lebewesen, 


150 H. Reichel: 


die Bakterien, deren Tötung wir im Interesse unserer eigenen 
Lebenserhaltung anstreben. Denn, während eine beobachtete 
Bewegungshemmung noch keineswegs den Tod einer Zelle be- 
weist, während eine tiefergehende Strukturstörung für denselben 
nicht erforderlich ist, und die wirksamen Prinzipien der che- 
mischen Lebenstätigkeit, die Fermente, immer mehr als vom 
Leben trennbar erkannt werden, bleibt das bei den Einzellern 
feststellbare Fehlen der Fähigkeit, sich unter dazu geeigneten 
Bedingungen fortzupflanzen, ein entscheidendes Kriterium des 
eingetretenen Todes. Schon die praktische Bedeutung der Ver- 
suche über Desinfektionswirkung verlangt aber, daß der Beweis 
hierfür mit aller erreichbaren Genauigkeit erbracht werde: eine 
ausreichende Anzahl von Rassen oder Stämmen der untersuchten 
Bakterienart, eine enorme Anzahl von Individuen derselben, 
und eine Häufung gleichartiger Versuche sollen die Wahrschein- 
lichkeit der tötenden Wirkung zu praktischer Sicherheit er- 
heben; die Vermeidung oder Beseitigung wachstumhemmender 
Substanzen, die Einhaltung der als am günstigsten bekannten Fort- 
pflanzungsbedingungen und die weitestgehende Sicherung durch 
Kontrollversuche müssen Täuschungen vermeiden helfen. Um- 
gekehrt könnte aber auch die genauere Kenntnis der Vorgänge 
und Bedingungen nicht ohne entscheidende Wirkung für Rich- 
tung und Maß der praktischen Desinfektionsbestrebungen 
bleiben, wie ja schon in vielen Fragen erst die wissenschaft- 
liche Durchdringung die Befreiung von roher Empirie der Metho- 
dik gebracht hat. 

Manche der bekanntesten tödlichen Einflüsse bieten dem 
Verständnis -allerdings keine besondere Schwierigkeit: mecha- 
nische Zertrümmerung, thermische Lebensvernichtung durch die 
irreversible Zustandsänderung der Eiweißkoagulation, dann auch 
einschneidende chemische Wirkungen wie Spaltung oder Bin- 
dung der Eiweißkörper und anderer lebenswichtiger Stoffe. 
Weniger klar sind die tödlichen Wirkungen, die an Quellungs- 
und Entquellungsvorgänge geknüpft sind, wie sie unter dem Ein- 
fluß von Änderungen des osmotischen Druckes, durch Zusammen- 
wirken von Druck-, Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnissen, 
aber auch durch die sogenannten mechanischen Affinitäten chemi- 
scher Stoffe zustande kommen können. Die Giftwirkung zahlreicher 
körperfremder Substanzen beruht auf einer Störung unentbehr- 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. L 151 


licher chemischer Lebenstätigkeiten, wie Atmung und Ernährung, 
auf welchem Gebiete wichtige Erkenntnisfortschritte, z. B. 
Jacques Loebs Ergebnisse, in unserer Zeit gemacht wurden 
und noch zu hoffen sind. Auch können chemische und physi- 
kalische Momente einander wesentlich in ihrer tötenden Wir- 
kung beeinflussen, was nur zum Teil auf bekannte Gesetzmäßig- 
keiten, z. B. den Einfluß der Temperatur auf den Ablauf 
chemischer Reaktionen zurückgeführt werden kann. 

Die Bedingungen des Zelltodes können demnach auch bloß 
für chemische Agenzien betrachtet noch sehr verschiedenartig 
sein, so daß der Versuch einer einheitlichen Erklärung — wie 
ein solcher für andere physiologische Wirkungen chemischer 
Stoffe möglich ist und beispielsweise in der bekannten Narkose- 
theorie von Overton und Meyer tatsächlich bereits vorliegt — 
für unsere Verhältnisse aussichtslos erscheint. Immerhin ist 
eine Einteilung in zwei große Gruppen möglich: auf der einen 
Seite müssen irreversibleZustandsänderungen verschiedenster 
Art bei einer bestimmten Grenze ihres Ablaufes die Lebens- 
möglichkeit aufheben, auf der anderen Seite können reversible 
Gleichgewichtszustände bei einer bestimmten Grenze ihrer 
Werte auf verschiedene — direkte oder indirekte Weise — 
das Aufhören des Lebens bedingen. 

Es tut also not, im einzelnen Falle den wesentlichen Vor- 
gang zu kennen, um seine treibende Kraft eben für diesen 
Fall als Desinfektionskraft zu definieren. Es ist klar, daß es 
unter diesen Umständen mehr einem vagen Vergleiche als einer 
mathematischen Beziehung entspricht, die Desinfektionskraft 
verschiedener Agenzien zueinander in ein Verhältnis zu setzen, 
wobei meist gleiche Kraft bei Abtötung in gleicher Zeit an- 
genommen wird. 

Im einzelnen betrachtet erscheint nun die Wirkungsweise 
der Mehrzahl unserer gebräuchlichsten chemischen Desinfektions- 
mittel als recht ungeklärt. Die Wirkung giftiger Salze — wie 
HgCl, — konnte von den eingangs genannten Autoren (2, 5) 
mit großer Wahrscheinlichkeit auf deren elektrolytische Disso- 
ziation, und somit auf echte chemische Reaktionen zurück- 
geführt werden. Dieser Fall wäre demnach zu der ersten der 
genannten Gruppen zu zählen, denn die starke Affinität zwischen 
Hg-Ion und den Eiweißkörpern muß zu einer — praktisch — 


152 H. Reichel: 


irreversiblen Reaktion führen, deren Produkte eine weitere 
Lebensfähigkeit offenbar nicht besitzen. Später hat Clark (6) 
gefunden, daß sehr geringe NaCl-Konzentrationen die Wirksam- 
keit von HgCl, nicht — wie größere durch Ionisationsrück- 
drängung — abschwächen, sondern verstärken, was er auf ein 
hypothetisches Ion HgCl,” bezieht. 

Jedenfalls könnte aber als Maß der Desinfektionskraft hier 
nur die aktive Masse der wirksamen Ionen gelten, und nicht 
der neuerdings von Madsen und Nejmann(7) aus den Ver- 
suchen Pauls und Krönigs (5) hierfür errechnete Begriff der 
„Desinfektionsgeschwindigkeit‘‘, als welche dort die Zahl der in 
der Zeiteinheit getöteten Keime erscheint. Die Tatsache dieses 
nur allmählichen Abnehmens der Anzahl lebensfähiger Keime 
kann nur auf individuellen Resistenzunterschieden oder auf un- 
gleichmäßiger Verteilung der Keime in der Flüssigkeit beruhen. 
In beiden Fällen erscheinen aber die zeitlich aufeinanderfolgenden 
Abtötungsvorgänge nicht gleichartig, wodurch die Anwendbar- 
keit einer Betrachtung des Gesamtvorganges als stetige Zeit- 
funktion ausgeschlossen ist. 

Als Desinfektionsvorgang darf für theoretische Erörterungen 
nur die Abtötung aller gleichmäßig verteilten,!) maximal resi- 
stenten Individuen gelten, so daß weder eine zeitliche Gliederung 
des Prozesses — wie sie die genannten Autoren versuchen — 
noch eine quantitative Abstufung seiner Endwirkung möglich 
erscheint. Eine zeitliche Gliederung des Prozesses wäre nur 
denkbar, wenn die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens 
eines lebenden Keimes mit der wirksamen Masse des Desinfiziens 
nicht für alle Keime gleichgroß wäre, was in einer homogenen 
Flüssigkeit nur für Teilchen von kommensurabler Zahl und 
Größe, wie zwei Molekülarten, nicht aber für Keime und Mole- 
küle zutreffen kann. 

Auch in der Richtung quantitativ abgestufter Wirkung 
liegen Versuche vor, die zwar interessante Analogien darbieten, 
aber keinesfalls eine Identifizierung mit der echten — tötenden — 
Desinfektionswirkung gestatten. So hat Bial(8) bei Unter- 


1) Für die praktische Anwendung der Desinfektion muß such noch 
die ungleiohmäßige Verteilung berücksichtigt werden, da diese auch in 
der Natur zweifellos vorkommt (Schüder, Zeitschr. f. Hygiene 89, 
879, 1901). 


Die Desinfektionswirkung dee Phenols. I. 153 


suchung über die Hefegärhemmung der Säuren tatsächlich einen 
Parallelismus der Wirkung mit den H-Ionen festgestellt. Auch 
hier wirken Neutralsalze entsprechend ihrem Einfluß auf die 
H-Ionendissoziation, wobei jedoch wieder NaCl die bemerkens- 
werte Ausnahme macht, die Wirkung von HCl zu verstärken, 
was als katalytische Wirkung der Cl- auf die H-Ionen auf- 
gefaßt wird. 

Maillard (9), der den EinfluB von Cu-Ionen auf die 
Wachstumsfähigkeit von Schimmelkulturen untersuchte, trachtet 
den sonst möglicherweise störenden Einfluß der Geschwindigkeit 
der Diffussion des Giftes in die Zelle durch Beobachtung nach 
langer Zeit (5 Wochen) zu vermeiden und findet so einen aus- 
gesprochenen Parallelismus zwischen steigendem Cu-Gehalt und 
fallendem Gewicht der Kultur. 

Der Wirkungsweise des Phenols, des chemisch einfachsten 
und historisch ältesten Vertreters einer großen Gruppe des- 
infizierender Stoffe, wurde zuerst von Rob. Koch Interesse 
entgegengebracht. Nachdem derselbe (10) die überraschend ge- 
ringe Wirksamkeit öliger und alkoholischer Phenollösungen fest- 
gestellt hatte, untersuchten auf seine Anregung Wolffhügel 
und v. Knorre (11) das Verhalten öliger und wässeriger Carbol- 
lösungen gegenüber reinem Wasser bzw. Öl. Es ergab sich, 
daß der Gehalt des Wassers an Phenol nach 24 Stunden immer 
weit geringer war ala der des Öles, und es läßt sich aus den 
Versuchen folgern, daß der Phenolaustausch vom Wasser zum 
Öl rascher erfolgte als vom Öl zum Wasser, da in jenem Falle 
ein übereinstimmender Gleichgewichtszustand bei verschiedenen 
Phenolgehalten zu erreichen war, in diesem — binnen 24Stunden — 
nicht. Die Autoren erblicken in diesen Feststellungen keine 
befriedigende Aufklärung der Unwirksamkeit des Phenols, so- 
lange das Verhalten der Mikroorganismen selbst unbekannt ist. 
Sie glauben aber auch schließen zu sollen, daß ‚die Berechnung 
der Teilungskoeffizienten keine klare Vorstellung hinsichlich des 
Einflusses der Flüssigkeitsmengen auf die Verteilung geben 
kann“. 

Von den späteren Untersuchern wurde in der Tatsache 
der starken Beeinflußbarkeit der Phenolwirkung durch Zusätze 
der Angelpunkt ihrer Erklärung erkannt. Als erster hat 
Scheurlen (1) auf die Steigerung der Phenolwirkung durch 


154 H. Reiohel: 


NaCl] hingewiesen und gleichzeitig die wichtige quantitative Fest- 
stellung beigebracht, daß eine 1°/,ige Phenollösung, die so viel 
NaCl enthält, als ohne Trübung möglich ist, ‚fast ebenso‘ wirk- 
sam sei als konzentrierte Phenollösung. Den ersten Erklärungs- 
versuch durch die Annahme einer Änderung der Hydratwasser- 
bindung ließ der Autor in seiner Arbeit mit Spiro(2) fallen, 
der vielmehr die Analogie zu den Aussalzungserscheinungen hervor- 
hob und den nicht chemisch-ionalen, sondern ‚mechanisch‘‘-mole- 
kularen Charakter dieser Desinfektionswirkung betonte. In- 
zwischen waren durch Beckmann (12), dann auch durch Paul 
und Krönig(5) die wesentlichen Tatsachen bestätigt worden, 
ohne daß eine Erklärung versucht worden wäre. Weyland (13) 
kam zu gleichem Ergebnis, erblickte aber eine Erklärung in 
der angeblich mit diesen und fast allen Desinfektionswirkungen 
parallel gehenden Eiweißfällung; nur sollen manche Fällungs- 
mittel nicht wirken können, weil sie nicht einzudringen ver- 
mögen. Römer(14) schloß sich dieser Auffassung an und 
bringt als Stütze einen Versuch, in dem Vorbehandlung der 
Keime mit NaCl den Effekt noch zu erhöhen scheint, woraus 
auf Schädigung der Hüllen durch das NaCl geschlossen wird. 
Spiro und Bruns(3) können eine solche Nachwirkung von 
NaCl nicht finden; sie weisen jene Erklärung zurück und bringen 
wesentliche Stützen für die früher von Spiro(4) im Rahmen 
verwandter Erscheinungen ausführlich begründete Auffassung 
bei, daß es die Lösungsverhältnisse, insbesondere die Verschie- 
bung der Verteilungsgleichgewichte der Phenolkörper seien, welche 
die Veränderung der Desinfektionskraft durch Zusätze be- 
herrschen. So wird Brenzkatechin durch NaCl nicht, wohl aber 
durch Na,SO, und (NH,),SO, sowohl ausgesalzen als auch in 
seiner desinfektorischen Wirkung verstärkt. Harnstoff und Gly- 
cerin sind auf Phenol in beiden Richtungen wirkungslos, die 
Salze NaCl, KCl, NaBr, NaJ, NaNO, ordnen sich nach beiden 
Wirkungen in dieselbe Reihenfolge (Lyotropie, Einfluß auf den 
Binnendruck des Lösungsmittels'). Alkohol, der selbst ein besseres 
Lösungsmittel als Wasser für Phenol vorstellt, vermindert die 
Desinfektionskraft. | 

In der dargelegten Auffassung Spiros von der Art der 
Wirksamkeit der Phenole ist zunächst die Annahme von all- 


1) S. a H. Freundlich, Capillarchemie. Leipzig 1909. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 155 


gemein biologischem Interesse, daß überhaupt Verteilungsgleich- 
gewichte — die ja andere Lebenszustände wie die Narkose vor- 
wiegend zu beherrschen scheinen — auch als maßgebende Be- 
dingungen des Zelltodes auftreten können. Freilich könnte nach 
den bisherigen Feststellungen auch angenommen werden, daß 
jene Bedingung hier eine mehr indirekte sei, daß z. B. die Ver- 
schiebung der Löslichkeitsverhältnisse die Permeabilität der 
etwa fettartigen Plasmahülle, und nicht die endliche Wirkung 
im Plasma beeinflusse, wo dann wohl wieder chemische oder 
koagulierende Wirkungen als maßgebend gedacht werden dürfen. 
Für die Narkosewirkung lassen sich solche Einwände durch die 
Reversibilität des Vorganges widerlegen, wobei höchstens noch 
die Mitwirksamkeit schwacher chemischer Affinitäten nicht aus- 
zuschließen wäre, die aber — wie Spiro gezeigt hat — von 
den Lösungsaffinitäten überhaupt kaum scharf zu trennen sein 
dürften. Bei dem Prozeß des Zelltodes kann aber eine Um- 
kehrung des Prozesses der Natur der Sache nach nicht zur Be- 
obachtung gelangen, so daß die Vorstellung indirekterer Wirkung 
von Verteilungsgleichgewichten hier wohl noch zu Recht besteht. 

Immerhin ist aber auch die gegenteilige Annahme einer direk- 
teren Wirksamkeit durchaus möglich. Die tötenden Stoffe können 
auch im Plasma als gelöst gedacht werden, und wenn auch 
dann dieser Zustand selbst reversibel sein müßte, so kann doch 
seine Persistenz durch eine gewisse Zeit den Zelltod durch Aus- 
lösung anderer, irreversibler Vorgänge wie bei der Eiweißkoagu- 
lation oder durch Hemmung lebenswichtiger Funktionen, in letzter 
Linie wohl durch Fermentlähmung, bedingen. 

Eine Entscheidung dieser Alternative erscheint durch ge- 
naues Studium der in Betracht kommenden Wechselwirkungen 
zwischen dem Desinfiziens und den Körpersubstanzen möglich. 
Auch ergibt sich die Konsequenz, daß im Falle irreversibler 
Verankerung des desinfizierenden Stoffes am Plasma derselbe 
seine Wirkung in jeder Konzentration, nur in verschiedener 
Zeit entfalten, daß er sich im Falle eines reversiblen Lösungs- 
gleichgewichtes unterhalb einer bestimmten Konzentration als 
unwirksam erweisen müßte. Danach kann also auch der Aus- 
fall entsprechender Desinfektionsversuche die eine oder die 
andere Annahme stützen, und so zur wesentlichen Charakteri- 
sierung der einzelnen desinfizierenden Stoffe beitragen. 


156 H. Reichel: 


In praktischer Hinsicht müßte die Möglichkeit einer Ver- 
stärkung und die Gefahr einer Schwächung der Desinfektions- 
wirkung durch leicht übersehbare Veränderungen des Lösungs- 
gefüges von großer Bedeutung sein. Doch wäre für eine 
Verwertung solcher Feststellungen gerade deren quantitativer 
Charakter von Bedeutung; in dieser Richtung sind bisher 
nur wenige und aufeinander nicht bezogene Tatsachen bekannt, 
während sich die wichtigsten Angaben auf qualitative Ver- 
änderung der Wirkung, mit einigen Anhaltspunkten zu deren 
schätzungsweisem Vergleiche, sowie auf stufenweise Ordnung 
der Wirkungsintensität verschiedener Stoffe — worauf sich ja 
such die genannte Narkosetheorie aufbaut — beschränken. 

Die vorliegenden Untersuchungen hatten zur Aufgabe, zu- 
nächst einen umschriebenen Komplex solcher Erscheinungen: 
die Beeinflussung der Phenolwirkung durch Kochsalz, einem 
eingehenderen Studium zu unterwerfen. Es sollten die Gleich- 
gewichtsbeziehungen und wenn nötig die Reaktionen aller dabei 
in Betracht kommenden chemischen Stoffe: Eiweiß, Fett, Phenol, 
Wasser und Kochsalz, verfolgt und deren Gesetzmäßigkeiten 
mit denjenigen verglichen werden, welche in davon unabhängigen 
Versuchsreihen aus der Desinfektionswirkung verschiedener 
Phenol-Kochsalzlösungen abzuleiten waren. 

Es erschien dabei zweckmäßig, in den Bereich der che- 
mischen Untersuchungen hauptsächlich — nach dem Vorgange 
Hofmeisters in der Untersuchung der Salze und Eiweißgele, 
sowie Meyers in den Narkosearbeiten — einfache Vertreter 
der Körperstoffe heranzuziehen, daneben aber zur Sicherung der 
Schlußfolgerungen auch die genuinen Leibessubstanzen selbst so- 
wie fettähnliche Stoffe des Körpers vergleichsweise zu berück- 
sichtigen. 


Die Phenolverteilung zwischen Öl und Wasser und ihre 
Beeinflussung durch NaCl. 


l. 


Die ersten Versuche galten der Frage, ob sich Phenol 
zwischen Wasser und Öl nach konstantem Faktor verteile, be- 
ziehungsweise wie groß dieser Faktor sei. 


Als Arbeitsmaterial wurden zunächst 2 1 besten Olivenöls beschafft, 
das auf seine wesentlichen Merkmale geprüft, und fortan in einer dicht 


Dio Desinfektionswirkung des Phenols. I. 167 


schließenden Flasche liohtgeschützt aufbewahrt wurde. Als Phenol 
diente das Kahlbaumsche Präparat. Bestimmte Mengen des Öles 
wurden mit ebensolcher wässeriger Phenollösung in trockenen Glasstöpsel- 
flaschen zusammengebracht und während 24 stündigen Stehens wiederholt 
_ heftig geschüttelt. Der größte Teil der wässerigen Phase war sodann 
durch einstündiges Zentrifugieren, Herauspipettieren und Filtrieren von 
Öl zu befreien, ein aliquoter Teil auf seinen Phenolgehalt zu untersuchen. 
Die sämtlichen Phenolanalysen geschahen nach der Methode Koppe- 
schars, bei der aus einer genauen Bromatlösung auf Zusatz von über- 
schüssigem Bromid und HCl eine Br-Lösung bestimmten Gehaltes ent- 
steht, von der nun 6 Äquivalente mit einem Mol Phenol zu Tribrom- 
phenol und HBr reagieren. Der Br-Überschuß wurde mittels JK in 
eine äquivalente J-Menge übergeführt und mit Thiosulfat titriert. 

Ich bediente mich °/,.- Lösungen, die für Br durch Abwägen 
von 2,5162 g (—=!/, Mol. Gew.) NaBrO, für einen Liter herzu- 
stellen sind, wozu dann rund 1/,, des Volumens an 10°), iger NaBr- 
Lösung kommen muß. Ein Kubikzentimeter verbrauchter °/,.-Br-Lösung 
entspricht sodann 1,5675 mg (= 1/ Mol. Gew.) wasserfreien Phenols oder 
1,7177 mg des einfachen Hydrats (2(C,H,0) L HO Die Reaktion 
zwischen Br und Phenol erfordert einige Zeit (etwa 15 Min.) und ein luft- 
dicht geschlossenes Gefäß (Glasstöpselflasche mit Paraffin abgeschlossen), 
wobei noch zu beachten ist, daß der über der Flüssigkeit befindliche 
Luftraum nicht zu groß, die Br-Konzentration der Lösung nicht zu hooh 
sein darf, wenn in Betracht fallende Br- und J-Verluste vermieden werden 
sollen. 

Zunächst wurde festgestellt, daß bei der geschilderten Mani- 
pulation mit Öl aus diesem keine meßbaren Mengen mit Brom 
resgierender Stoffe in das Wasser in Lösung übergehen, bzw. 
mechanisch darin zurückbleiben. Es war also auf diese Weise 
möglich, durch Titration der wässerigen Lösung vor und nach 
dem Schütteln — unter der Voraussetzung gleichgebliebenen 
Volums — die an das Öl abgegebene Phenolmenge zu erfahren 
und unter Berücksichtigung des Ölvolums den Teilungsfaktor 
für die ins Gleichgewicht gebrachten Phasen als Verhältnis der 
Volumkonzentrationen zu berechnen. Diese letzteren (g/ccm) 
müssen aus theoretischen Gründen für die Betrachtung von 
Verteilungsvorgängen ausschließlich Anwendung finden, wenn 
die Gesetzmäßigkeiten dieser Erscheinungen durch Analogie, 
ja Identifizierung der Lösungszustände mit dem Gaszustande 
verstanden werden sollen, was in immer weiter gehendem Maße 
der Fall ist. 

Die dargelegte Berechnung der Teilungsfaktoren gestaltet 
sich jedoch nur dann einfach, wenn die Volumina beider Phasen 


158 H. Reichel: 


als während des Verteilungsvorganges konstant betrachtet werden, 
was nur in gewisser Annäherung zutrifft. Sobald es sich um höher 
konzentrierte Lösungen handelt, gehen die hierdurch bedingten 
Fehler weit über die sonst erreichbare Genauigkeit hinaus, so 
daß eine allgemeine Berücksichtigung dieser Verhältnisse geboten 
erschien. 

Am einfachsten würde sich die Vermeidung dieser Schwierigkeit ge- 
stalten, wenn eine direkte volumetrische Bestimmung des Phenols auch 
in der öligen Phase durchgeführt werden könnte, da dann das Verhält- 
nis der gefundenen Konzentrationen auch schon den gesuchten Volum- 
teilungsfaktor vorstellen würd. Nun ist eine Titration des Phenols 
im Öl zwar tatsächlich möglich, doch ist auch hier nur mittels Wägung 
eine hinreichend genaue Abmessung des Öles durchführbar, so daß zu- 
nächst wieder nur die Gewichtskonzentration des Phenols im Öle erhalten 
wird und die Kenntnis des spezifischen Gewichts der Ölphase, das seiner- 
seits offenbar von dem Phenolgehalte stark beeinflußt wird, erforderlich 
bleibt. Die Methode, die im folgenden für die Entscheidung mancher 
Fragen angewendet und dort näher beschrieben wird, gestaltet sich zu- 
dem einigermaßen kompliziert und zeitraubend, letzteres schon durch 
die nur bei langem Stehen der Proben erreichbare Klärung des mit 
wässerigen Lösungen geschüttelten Öles. Die Genauigkeit ihrer Resul- 
tate bleibt endlich eben infolge der Kompliziertheit hinter der der Titra- 
tion in wässeriger Lösung zurück. Zu alledem war diese unmittelbare 
Bestimmung des Teilungsfaktors zwar hier bei Öl, nicht aber bei den 
anderen später in Betracht zu ziehenden Substanzen durchführbar. Aus 
allen diesen Gründen empfahl sich die Methode nicht zur allgemeinen 
Durchführung auch in diesen Versuchen. 

Sollten aber bei der Berechnung des Phenols im Öl aug der Differenz 
der beiden Bestimmungen in der wässerigen Lösung die feinen Volum- 
verteilungen berücksichtigt werden, so war vor allem der Einfluß des 
Phenolgehaltes auf das spezifische Gewicht wässeriger und öliger Lösungen 
zu bestimmen. 

Wöässerige Lösungen erfahren bekanntlich im allgemeinen 
eine sog. Kontraktion, d. h. ihr Volum ist kleiner als die Summe 
der Volumina der Komponenten. Das geht so weit, daß sehr 
geringe Mengen gelöster Stoffe das Volumen der Lösung sogar 
absolut geringer gestalten als das des leeren Lösungsmittels war, 
was beweist, daß sich auch dieses — nicht nur der gelöste 
Stoff — an dem Volumverlust beteiligt. Eine einfache Gesetz- 
mäßigkeit ist für solche Vorgänge meines Wissens nicht fest- 
gestellt, weshalb es hier nötig ist, sich mit geordneten Einzel- 
erfahrungen zu behelfen. Über die Beziehungen zwischen spez. 
Gewicht und Gehalt von wässerigen Phenollösungen konnte ich 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. L 169 


in der Literatur Angaben nicht finden. Meine diesbezüglichen 
Feststellungen sind in der folgenden Tabelle (I) wiedergegeben. 


Tabelle I. 
ı | 2 | a | A | 5 
es S F 
s Phenol Spezifisches Gewicht bei 17,5°C 
r. g/100 com berechnet 
gemessen empirisch |ohne Kontraktion 





Die gesuchten spez. Gewichtswerte ergeben sich, wie ein 
Vergleich der Stäbe 3 und 4 lehrt, in guter Annäherung nach 
der empirischen Formel 

Spez. Gew.pn.-Lös. — Spez. Gew.wasser — 0,087 X< Phenol g/ccm, 
während die unter der Annahme der Addition der Volumina 
berechneten Werte des Stabes 5 die starke Kontraktion der 


Lösungen hervortreten lassen. 

Als spez. Gewicht des Phenols bei Zimmertemperatur ist Lan- 
dolts Wert, jedoch bezogen auf Wasser von 4°C, also 1,070 (anstatt 
1,072) angenommen. Die spez. Gewichtsbestimmungen wurden hier mit 
der Mohr-Westphalschen Wage vorgenommen. 

Um den Einfluß des Phenolgehaltes auf das spez. Gewicht 
von Öl festzustellen, wurden zunächst beide Stoffe in trockenem 
Zustand zusammengebracht und die Lösungen auf ihr spez. Ge- 
wicht geprüft. Es ergab sich in einem solchen Versuche für 
17,5°C 0,9391. Aus dem Gewichtsverhältnis der Stoffe Phenol:Öl 
— 21,011°/, und dem spez. Gewicht des Öles, das mit 0,9143 
für die gleiche Temperatur zu bestimmen war, läßt sich unter 
der Annahme einfacher Addition der Volumina ein spez. Ge- 
wicht von 0,9380 berechnen. In einem anderen solchen Ver- 
suche war für ein Verhältnis Phenol: Öl = 6,18°/, das gefundene 
spez. Gewicht 0,9222, das berechnete 0,9217. Die Überein- 
stimmung ist zwar keine sehr weitgehende, doch läßt sich aus 
dem Vergleich mit gleich hohen Phenolkonzentrationen in Wasser 
auf eine sicher weit geringere Kontraktionswirkung schließen, 
so daß in erster Annäherung für die Folge das Volum von Öl- 
Phenolmischungen als Summe der Volumina der Bestandteile 
angenommen werden durfte. 


160 H. Reichel: 


Die eben angeführten Versuche wurden gleichzeitig dazu benutzt, 
um die Brauchbarkeit von Phenoltitrationen mttels Br-Lösung in Öl fest- 
zustellen. Aus dem Gesamt-Br-Verbrauch b einer gewogenen öligen Phenol- 
lösung a läßt sich bei festgelegtem Br-Bindungsvermögen des Öles (in 
unserem Falle 65,73 ocom ?/1ọ) die für das Phenol verbrauchte Br-Menge 
bzw. mit Berücksichtigung des Äquivalentgewichtes des Phenols (15,675) 
die Phenolmenge x selbst und die Ölmenge y leicht berechnen: 


1000 b — 65,73 a 
L y = — X; 2. Ltr 83y=b; = 


In den genannten zwei Versuchen ergab sioh auf diese Weise das 
Verhältnis Phenol: Öl als 21,07 und 6,22°/,, was mit den obigen, durch 
Wägung gewonnen Zahlen ausreichend übereinstimmt, so daß die Methode 
im folgenden als verwendbar betrachtet werden darf. Bei ihrer Aus- 
führung empfiehlt es sich, das in die Flasche gewogene Öl — ebenso 
wie das bei der auch sonst völlig analogen Jodzahlbestimmung der Fette 
üblich ist — vor Zufügung wässeriger Flüssigkeiten in etwas Chloroform 
zu lösen. Die langsamere Reaktion zwischen Öl und Br erfordert min- 
destens zweistündiges Stehen der Probe und wiederholtes Schütteln vor 
der Titration. Natürlich muß hier die Abdichtung der Flasche besonders 
sorgfältig geschehen. 

Mit Hilfe dieser Methode war es, wie erwähnt auch möglich, 
eine direktere Bestimmung der Teilungsfaktoren zu unternehmen, 
doch erschien das aus den genannten Gründen im allgemeinen 
unzweckmäßig, und wurde nur in einigen wenigen Versuchen 
zur Kontrolle der indirekten Bestimmung aus der Differenz der 
Phenolgehalte im Wasser vor und nach Schütteln mit Öl durch- 
geführt. 

Wichtiger erschien die weitere Möglichkeit, auf diese Weise 
die Löslichkeit des Phenols in Öl direkt zu bestimmen, um 
sein Verhältnis zur Wasserlöslichkeit des Phenols mit dem 
Teilungsfaktor vergleichen zu können. Die beiden Verhältnis- 
zahlen sollten ja auf Grund theoretischer Erwägungen über- 
einstimmen, und daß sie es nicht immer tun, hat schon 
zu mannigfachen Erörterungen Anlaß gegeben und zur Fest- 
stellung scheinbarer Ausnahmen des Teilungsprinzipes geführt. 

Eine gesättigte Lösung von Phenolkrystallen in Öl ergab 
nun nach jener Methode titriert einen Phenolgehalt von 31,1°/, 
Phenol g/ccm für 17,5°C. Die Löslichkeit des Phenols in 
Wasser wurde durch eine Reihe von Titrationen bei verschiedenen 
Temperaturen gesättigter Lösungen festgelegt:') 


1) Die Zahlen stimmen mit sonst häufig angegebenen nicht über- 
ein. Landolt-Börnstein sowie Dammer geben für Zimmertemperatur 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 161 


Temperatur °C: — 1,5 -+11,8 -+16,0 -+20,8 -+ 32,6 

Phenolgehalt gesättigter 
Lösungen °/, gleem 6,92 17,53 7,75 8,00 8,66 

Daraus ergibt sich durch Interpolation für 17,5°C eine 
Löslichkeit von 7,83°/,, somit ein Verhältnis der Löslichkeiten 
in Öl und Wasser von 3,97. 

Demgegenüber zeigte nun schon die erste Näherungs- 
berechnung der beschriebenen Verteilungsversuche einen wesent- 
lich größeren Wert — zwischen 5 und 6 — als Teilungsfaktor zu- 
gunsten des Öles. Es war naheliegend, die Ursache der Abweichung 
in der Anwesenheit des Wassers bei der Verteilung zu suchen. 

Versuche ergaben zunächst, daß mit Wasser geschütteltes 
reines Öl und ebenso dieses selbst im Exsiccator offenstehend 
an Gewicht nichts verliert. Phenolhaltiges Öl, das schon früher 
bei Wägungen als hygroskopisch aufgefallen war, nimmt aus 
feuchter Luft nicht unbeträchtliche Mengen Wassers auf, die 
im Exsiccator wieder rasch und anscheinend vollständig abgegeben 
werden. Diese Verhältnisse sind jedoch wegen der gleichzeitigen 
Phenolverdunstung nicht ganz einfach zu überblicken. Jeden- 
falls ist aber diese in Dampfform aufnehmbare Wassermenge 
bei gleicher Phenolkonzentration eine weit geringere als eine 
andere, die aus wässerigen Lösungen beim Schütteln gleichzeitig 
mit dem Phenol in das Öl übergeht. Diese letztere beträgt, 
wie Trocknung im Exsicoator lehrt, bei verschiedenen Phenol- 
konzentrationen regelmäßig etwa 10°/, des Phenols. Für ge- 
nauere Messung sind auch hier noch die störenden Einflüsse 
der Phenolverdunstung zu groß bzw. zu wenig genau in Rech- 
nung zu stellen. Es unterliegt aber schon nach den genannten 
Feststellungen keinem Zweifel, daß der aus dem Wasser in das 
Öl übergehende Körper nicht das wasserfreie Phenol, sondern 
das einfache Phenolhydrat (2C,H,OH--H,O) ist, welches 
9,674°/, g/g Wasser: Phenol enthält. 


6,670/, g/g Phenol:Wasser, was der Vorschrift der deutschen Pharma- 
kopöoe für die Löslichkeit des Phenols 1:15 entspricht. Alexejew 
(D. B. Ch. G. 10, 18, 1876) hat noch niedrigere Werte angegeben. Der Wert 
der englischen Pharmakopöe, die strengere Anforderungen an die Rein- 
heit der Präparate stellt (1:12 bei 15,5°C), stimmt mit den obigen Daten 
sehr gut, die Angabe Rothmunds (Zeitschr. f. physik. Chem. 26, 433, 
1898) gut überein. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 11 


162 H. Reichel: 


Die Löslichkeit dieses Stoffes kann aber natürlich eine ganz 
andere als die des wasserfreien Körpers sein.!) In der Tat zeigte 
ein Öl, das bei Wassergegenwart mit Phenol gesättigt wurde, 
einen Gehalt von 44,34°/, g/ccm Phenol, also eine wesentlich 
höhere Löslichkeit als im trockenen Zustande. 

Die besprochene Titrationsmethode ist natürlich auch auf die Be- 
stimmung des Hydrates ohne weiteres anwendbar, wenn dessen Äqui- 
valentgewicht (17,177) an Stelle desjenigen des Phenols in die Formeln 
_ eingeführt wird. 

Auch auf anderem Wege ist die größere Löslichkeit des Hydrats 
wenigstens qualitativ zu zeigen: in Wassergegenwart mit Phenol ge- 
sättigtes Öl, das mehrere Tage hindurch im Exsiccator gehalten wurde, er- 
weist sich als übersättigte Lösung, da ein in die klare Flüssigkeit ge- 
worfener Phenolkrystall sofort weitere Krystallisation und in weniger als 
einer Minute Erstarren der Lösung zur Folge hat. Mit trooken ge- 
sättigtem Öl fällt der Versuch völlig negativ aus. 


Die Verhältniszahl der Löslichkeiten des Phenols in Öl 
und Wasser bei gleichzeitiger Gegenwart der drei Stoffe müßte 
also für Zimmertemperatur 44,34:7,83 = 5,66 betragen, was mit 
der aus den Verteilungsversuchen zunächst gewonnenen Nähe- 
rungszahl gut übereinstimmt. Es wird im folgenden noch zu 
erörtern sein, inwiefern diese beiden Quotienten tatsächlich zu- 
sammenfallen und zusammenfallen können. 

Für die genaue Berechnung der Teilungsversuche war nun 
vor allem festzustellen, ob die für Lösung von Phenol in Öl 
angenommene einfache Addition der Volumina auch für Phenol- 
hydrat Geltung besitze. Nimmt man das spez. Gewicht dieses 
Stoffes nach der österreichischen Pharmakopöe mit 1,0685 an, 
so ergibt sich für die gesättigte Lösung aus den Titrations- 
werten ein spez. Gewicht von 0,9851 bei 17,5°C, während die 
direkte Bestimmung den Wert 0,9855 lieferte. Die Überein- 
stimmung ist also hier sogar eine bessere als in den für trockenes 
Phenol früher angeführten Versuchen, und wir dürfen danach 
in Anbetracht der hohen Phenolkonzentration dieses Versuches 
die Annahme einfacher Addition als eine völlig ausreichend 
genaue Darstellung der Volumbeziehungen betrachten. 


1) Spiro (Physik; Chemie der Zelle Oppenheimers Handb. d. 
Biochem. 2, 32, 1909) erörtert die einschlägigen Verhältnisse und gibt als 
Beispiel Beobachtungen über den Einfluß der Wassergegenwart auf die 
Löslichkeit von Acetanilid in ätherischen Phasen. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 163 


Ferner war aber die Tatsache, daß das Hydrat des Phenols 
in das Öl übergehe, selbst nicht ohne Belang für die in Rech- 
nung zu setzenden Volumina. Derjenige Anteil des Wassers, 
welcher mit dem Phenol die wässerige Phase verläßt, mußte 
für die Volumberechnung dieser Phase von dem Gesamtwasser 
als Korrekturwert in Abzug gebracht werden. Diese Korrektur 
erwies sich allerdings für die Mehrzahl der im folgenden dar- 
gelegten Versuche als belanglos. Doch erschien es um so wich- 
tiger, sie überall dort anzubringen, wo sie das nicht war. 

Die Berechnung gestaltete sich also wie folgt: 


Gegeben erscheinen: Die Ausgangsvolumina der Phasen vor ihrer 
Berührung: Av und Ov, ersteres durch Pipettenmessung, letzteres durch 
Wägung und spez. Gewichtsbestimmung des Öles, ferner Ausgangs- und End- 
oder Gleichgewichtskonzentration der wässerigen Phase an Phenol g/ccm, 
Ap/ccm und Ep/ccm durch Titration. Mit Hilfe der genannten Fest- 
stellungen war ferner das spez. Gewicht der beiden wässerigen Flüssig- 
keiten (nach Tabelle I bzw. der daraus abgeleiteten empirischen Formel) 
As und Es aus Ap/com und Ep/ccm, endlich das Volum von Ölphenol- 
gemischen als Summe des Öl- und des Phenolhydratvolumens zu be- 
rechnen. Gesucht war zunächst die Volumkonzentration des Phenols in 
der öligen End-(Gleichgewichts-)Phase, deren Verhältnis zu Ep/com eben 
dann den Teilungsfaktor vorstellen sollte. Dazu war bei den bekannten 
Volumbeziehungen nur die ins Öl gehende Phenolmenge, diese wieder 
als Differenz der Ausgangs- und Endphenolmenge in der wässerigen Phase 
zu bestimmen. Erstere war als Av. Ap/ oom gegeben, letztere auf Grund 
folgender Überlegungen zu berechnen: Das Gesamtwasser des Systems 
beträgt Av (As— Ap/ccm), das Endwasser der wässerigen Phase um 
0,0957 Av (Ap/com — Ep/ocm), d. h. das Hydratwasser des ans Öl ver- 
lorenen Phenols weniger. In dieser Korrekturgröße darf natürlich die 
betreffende Phenolmenge ohne weiteres als der erste Näherungsausdruck 
dafür, also unter Vernachlässigung aller Volumverschiebungen auftreten. 
Das Verhältnis Phenol: Wasser in der wässerigen Endphase ergibt eine 
einfache Überlegung als Ep/com:(Es — Ep/ccm), und das Produkt dieses 
Verhältnisses und jener Differenz Av (As — Ap/ccm) — 0,0957 Av (Ap/ccm 
— Ep/ccm) muß die gesuchte Phenolmenge der wässerigen Endphase 
vorstellen. 


Aus alledem folgt die Phenolmenge im Öl als: 


Ph. — Av (Ap/ccm Es — Ep/com As) + 0,0957 Ep/com (Ap/ccm —Ep/com) 
— Es — Ep/ccm 
Diese Menge als Hydrat beträgt dann 1,0957 Ph, und das Öl- 
phasenvolum 
| 1,0957 Ph, _ ; 
Op, = Ov + (Loes ` Ov -+ 1,0256 Ph. 


LI? 





164 H. Reichel: 


Sonach ist die Volumkonzentration in Öl 


Ph,/com = dë i 1,0256) 
und der Teilungsfaktor selbst: 


r-(2) =1 ‚| Ep/oom Lër + 1,0258) | 


O Ov 
slë =l ‚| Epfoom (2x) 
Es — Ep/ccm 
` (Ap/ccm Es — Ep/com As) 0,0957 Ep/ocm (Ap/ccem — Ep/cem) E 1,0256 
Die folgende Tabelle II gibt nun fünf auf diese Weise an- 
gestellte und berechnete Verteilungsversuche wieder: 


oder 






















Tabelle II. 
ı | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 
Volum- 
Versuchs- | Volumina der Aus- ee Sei — ccm | verteilungs- 
reihe |gangsphasen in ccm ge faktor 
Ausgangs- | End- ten 
Nr. ölig | wässerig phase des Öles 





Die Nummern des Stabes 1 beziehen sich auf die zeitlich aufein- 
ander folgenden, im Zusammenhang angestellten Reihen solcher und ver- 
wandter Versuche, in Übereinstimmung mit der Numerierung der 
nächsten Tabelle. In den Reihen 1 bis 5 war die Ölmenge nicht jedes- 
mal gewogen, sondern durch Eichung einer Pipette festgelegt worden. 
Das aus der in vertikaler Stellung fixierten Pipette binnen 3 Minuten 
ausflioßende und austropfende Öl betrug 23,38 g, also 24,48 com. In den 
späteren Versuchsreihen wurde die Ölmenge durchwegs wesentlich kleiner 
gewählt und jedesmal durch Wägung bestimmt. 

Die Versuche ergaben einen ausreichend konstanten Wert 
des Verteilungsfaktors von Phenol zwischen Öl und Wasser, im 
Mittel 5,58. Diese Tatsache beweist, daß das Phenol sich auch 
im Öl, ebenso wie im Wasser in einfacher, echter Lösung be- 
findet, und ferner, daß diesem Stoffe in beiden Phasen derselbe 
molekulare Aggregationszustand zukommt. Wäre das nicht 
der Fall, d. h. wäre die Anzahl der zu einem Molekül ver- 
einigten Phenolgruppen in beiden Lösungsmitteln nicht dieselbe, 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 165 


so müßte der Teilungsfaktor einen ausgesprochenen Gang zeigen, 
der dann durch Anbringung konstanter, dem Aggregations- 
verhältnis entsprechenden Exponenten zu kompensieren wäre 


A 
E — Konstanz, wenn im ersten Lösungsmittel n-fache Kom- 


plexe von Molekülen im Vergleiche mit dem zweiten vorliegen). 
Es ist also anzunehmen, daß auch im Wasser wie im Öle 
mindestens 2 Phenolmoleküle durch ein Hydratwassermolekül, 
jedenfalls aber in beiden Stoffen gleich viel solche zu einem 
Aggregate vereinigt sind. l 

Die festgestellte Zahl stimmt auch mit derjenigen gut 
überein, welche Wolffhügel und v. Knorre (11) beim Zu- 
sammenbringen von öliger Phenollösung mit Wasser erhielten 
und die im Mittel 5,48 betrug. Daß unsere Zahlen mit dem 
umgekehrten Vorgange erzielt wurden, beweist wieder, daß es 
sich um ein echtes Gleichgewicht handelt, und daß das ab- 
weichende Ergebnis jener Autoren bei solcher Arbeitsweise — 
wie sie ja selbst vermuten — auf Unvollständigkeit des Pro- 
zesses beruht hat. 


Zur Kontrolle des Ergebnisses wurden nunmehr auch direkte 
‚Bestimmungen des Teilungsfaktors in der angegebenen Weise 
vorgenommen. Irgendwelche Mengen von Öl, Wasser und Phenol, 
in dicht schließenden Flaschen gemengt, wurden bis zur Er- 
reichung des Gleichgewichtes und völligen Trennung der Phasen 
dort belassen. In beiden Phasen war sodann unabhängig von- 
einander der Phenolgehalt festzustellen. In einem solchen Ver- 
suche ergab sich z. B. im Öl 30,073°/, Phenol g/com, im Wasser 
5,224°/,. Das Teilungsverhältnis 5,76 zugunsten des Öles ent- 
spricht leidlich den indirekt ermittelten Werten der Tabelle II. 
In einem anderen Versuche wurde so viel Phenol zugefügt, daß 
ein Überschuß davon bleiben und eine dritte Phase bilden 
mußte. Nun war, wie bereits oben angeführt, die Volum- 
konzentration im Öl 44,34°/,, die im Wasser jedoch 7,44°/, 
anstatt der Sättigungskonzentration von 7,83°/,, die erwartet 
wurde. Der Teilungsfaktor wird danach für den Sättigungs- 
punkt nicht ganz unwesentlich größer, er beträgt 5,96. Der 
scheinbare Widerspruch zur Gleichgewichtslehre, die für 2 mit 
einem dritten Stoffe gesättigte, also mit diesen im Gleichgewicht 
befindliche Phasen ebenfalls das Bestehen von Gleichgewicht 


166 H. Reichel: 


verlangt, erklärt sich auf einfache Weise. Die Phenolphase ist 
nicht dieselbe, ob sie mit Wasser allein oder auch mit Öl in 
Beziehung steht, sie löst zweifellos selbst Öl in sich auf und 
erniedrigt damit nach allgemein gültigen Grundsätzen ihren 
Lösungsdruck für das Wasser. Die gefundene Abweichung hätte 
sich danach erwarten lassen. Es darf angenommen werden, 
daß auch die Löslichkeit des Hydrates im Öl größer als 44,34°/, 
ausfallen würde, wenn nur dieses, nicht auch das Wasser, im 
Überschuß zugegen wäre, denn die Phenolhydratphase löst, 
wenigstens solange Öl nicht dabei ist, beträchtliche Mengen 
Wassers. 

Für unsere Zwecke genügt jedoch hier die Tatsache eines 
in weiten Grenzen ausreichend konstanten Teilungsfaktors, den 
auch die indirekte — rechnerisch zwar kompliziertere, experi- 
mentell jedoch vorteilhaftere — Bestimmungsmethode zu er- 


mitteln gestattet. 
2 


Die nächsten Versuche sollten den Einfluß zahlenmäßig 
festlegen, welchen die Gegenwart von Kochsalz im zweiphasigen 


System: Wasser — Öl — Phenol ausübt. 

Die Ausführung der Versuche war der eben beschriebenen völlig 
analog, nur kamen wässerige Phenol-Kochsalzlösungen anstatt der reinen 
Phenollösungen zur Anwendung. 

Die Feststellung der NaCl-Konzentration geschah durchweg mittels 
der Mohrschen Titrationsmethode, neben der nur einige wenige Gewichts- 
analysen des Chlors zur Kontrolle durchgeführt wurden. Als maßgebend 
für die Beeinflussung des Verteilungsverhältnisses des Phenols war natur- 
gemäß die Kochsalzkonzentration der Endphase zu betrachten. 

Durch einfache Versuche konnte erwiesen werden, daß eine Koch- 
salzlösung ihren Gehalt durch Schütteln mit Öl nicht verändert, daß 
also NaCl als in Öl praktisch unlöslich aufgefaßt werden darf, demnach 
im folgenden nur die NaCl-Konzentrationen der wässerigen Phasen zu 
berücksichtigen sind. Gleichwohl durfte der Gehalt an NaCl für die 
Ausgangs- und Endphase eines Verteilungsversuches nicht als identisch 
angenommen werden, da die Volumverschiebungen durch die stattfindende 
Phenolentziehung dafür in Betracht kommen. Für die Ausgangslösungen 
war aber die Feststellung dieses Gehaltes (Ak/ccm) für die Berechnung 
der Wassermengen erforderlich, und nachdem die — eigentlich gesuchte — 
NaCl-Konzentration der Endphase (Ek/ccm) durch die der Ausgangsphase 
und die beiden Phenolkonzentrationen eindeutig bestimmt sein mußte, 
wurde dieselbe durch Rechnung ermittelt und nicht durch Messung 
(Titration) festgestellt, um nicht zwei einander notwendig um die Ver- 
suchsfehler widersprechende Daten in die Berechnungen einzuführen. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 167 


Für diese war nun zunächst der Einfluß kombinierter Phenol-NaCl- 
Gehalte auf das spezifische Gewicht wässeriger Lösungen zu studieren. 
Die Abhängigkeit des spezifischen Gewichts reiner NaCl-Lösungen von 
ihrem Gehalte erscheint durch die bekannte Tabelle v. Gerlachs aus- 
reichend festgelegt; nur war es nötig, die Werte derselben aus g/g Koch- 
salz/Gesamtgewioht in g/com umzurechnen. 


Stellt man Lösungen gleichen Kochsalz-Volumgehaltes, aber ver- 
schiedenen Phenolgehaltes her, so findet man — und zwar auch bei sehr 
verschiedenen Werten für beiderlei Konzentrationen — die frühere für 
wässerige Lösungen empirisch abgeleitete Regel durchaus bestätigt, so- 
bald nur anstatt des spezifischen Wassergewichtes dasjenige der phenol- 
freien Salzlösung eingesetzt wird, welches aber seinerseits aus der um- 
gerechneten v. Gerlachschen Tabelle (bequemer aus deren graphischer 
Darstellung) durch Interpolation entnommen werden kann. Ein Beispiel 
eines solchen Versuches möge genügen: 2 Meßkolben zu je 100 ccm 
: werden mit je 25 ocm konzentrierter Koohsalzlösung, der eine auch mit 
25 com konzentrierter Phenollösung beschickt und bis zur Marke mit Wasser 
gefüllt. Es ergeben sich 7,84°/,ige NaCl-Lösungen, deren eine auch 
1,96°/, Phenol enthält. Die spezifischen Gewichte sind 1,0541 und 1,0558. 
Die Differenz 0,0017, dividiert durch den Phenolgehalt, beträgt — wie in 
Tab. I — 0,087. 

Nach diesem Schema läßt sich ohne weiteres bei bekanntem Koch- 
salz- und Phenolgehalt, also für die wässerige Ausgangslösung, das spe- 
zifische Gewicht finden: As — Sp. G.Sp. G.ax/ccem + Ak/com + 0,087 Ap/com. 

Anders liegt die Frage nach diesem Werte für die Endlösung, weil 
hier die Kochsalzkonzentration von vornherein nicht gegeben ersoheint. 
Bekannt, bzw. berechenbar ist hier das Verhältnis NaCl : (NaCl -+ End- 
wasser), und zwar ist das Gesamtkochsalz für Ausgangs- und Endlösung 
gleichmäßig mit Av >x< Ak/com, das Endwasser +- Kochsalz als Gesamt- 
wasser + Kochsalz, also Ae (As — Ap/cem), vermindert um das Hydrat- 
wasser des an dasÖl verlorenen Phenols, also 0,0957 Av (Ap/com — Ep/ccm) 
anzunehmen, so daß jenes Verhältnis NaCl: NaCl + Ew = Ak/com: [(As 
— Ap/ccm) — 0,0967 (Ap/oom — Ep/com)] wird. 

Eine einfache Berechnung lehrt nun, wie sich für jeden beliebigen 
Fall kombinierter Phenol- und Kochsalzkonzentrationen das spezifische 
Gewioht zu demjenigen einer reinen Kochsalzlösung von gleichem Ver- 
hältnis NaCl: (NaCl L Wasser) verhält. Z. B.: Das spezifische Gewicht 
einer Lë, g/com Kochsalz und 1°/, g/com Phenol enthaltenden Lösung 
beträgt: Sp. G. Sp. G.ı7,,, ai, = 1°/o 10/0 = 1,00724 + 0,087-0,01==1,00811, 
wobei der Wert für die 1°/,ige Kochsalzlösung aus der umgerechneten 
v. Gerlachschen Tabelle stammt. Das Verhältnis NaCl: (NaCl +4 Wasser) 
ist hier mit 1,00194°/, g/g zu berechnen, was nach der nicht um- 
gerechneten Tabelle einem spez. Gewicht von 1,00732 entspricht. 

Die Differenz beträgt 0,00079, also 0,079 für die Einheit des Phenol- 
gehaltes. Der letztere Wert erweist sich bei fortgesetzten analogen Be- 
rechnungen als völlig konstant, solange nicht der NaCl-; sondern nur 


168 H. Reichel: 


der Phenolgehalt wechselt: Es ergibt sich auf diese Weise die folgende 
Reihe von Konstanten für verschiedene NaCl-Gehalte: 


Zuwachs des spezifischen Gewichtes pro 
NaCl %/, gjoom Phenolgehalt — k — 
0 + 0.087 
1 + 0,079 
5 + 0,053 
10 + 0,025 
20 Kë 0,028 
30 — 0,083 


Für den Wert 0 des NaCl-Gehaltee muß natürlich die Konstante 
mit derjenigen der empirischen Gleichung zusammenfallen, oberhalb einer 
gewissen Grenze desselben wird sie negativ, weil hier die Salzlösung 
wesentlich dichter als das reine Phenolhydrat ist. 

Das spezifische Gewicht der Endlösung ist demnach in folgender 
Weise zu berechnen: NaCl : (NaCl + Endwasser) wird aus den gegebenen 
Maßzahlen nach der gegebenen Formel bereohnet, der entsprechende 
spez. Gewichtswert in v. Gerlachs Tabelle gesucht und durch Addition 
des Produktes k >< Ep/com auf den Phenolgehalt korrigiert. Zur Auf- 
suchung des jeweiligen k-Wertes in vorstehender Tabelle bzw. in ihrer gra- 
phischen Darstellung kann, nachdem Ek/ccm vorläufig noch unbekannt ist, 
unbedenklich der AusgangskochsalzgehaltAk/ccm verwendet werden, da beide 
Zehlen für die Ermittelung dieses Korrekturwertes ausreichend ähnlich 
sein müssen. In eine Formel gebracht lautet dann diese Anweisung: 

Es = Sp. G. = Sp. G. NaCı/(Nac1 + Ew) + KaAx/ccm - Ep/com 
NaCl/(NaCl + Ew)+k Ak/com - Ep/com. 

Daraus ergibt sich dann ohne Schwierigkeit der NaCl-Gebalt der 
Endlösung Ek/com, weloher als die unabhängige Variable der ganzen 
Versuchsreihe zu betrachten ist: 

Es — Ep/cem = (NaCl 4- Ew)/com 
und [NaCl: (NaCl + Ew)] >< (NaCl + Ew)/ccm = Ek/oom 
= Ak/com (Es — Ep/com): [(As — Ap/cocm) — 0,0957 (Ap/oom — Ep/oom)]. 

Für die eigentliche Verteilungsberechnung wäre es nun, abgesehen 
von der Einführung entsprechender spez. Gewichtswerte, noch nötig bei 
der Größe der pro Kubikzentimeter anzunehmenden Wassermengen in 
Ausgangs- und Endlösung auch das Kochsalz in Reohnung zu bringen, 
d. h. anstatt (As— Ap/com) und (Es— Ep/ccm) hier durchwegs (As 
— Ap/cem — Ak/ccm) und (Es — Ep/ccm — Ek/com) einzusetzen. Führt 
man jedoch diese Operation unter entsprechender Verwertung des obigen 
Ek/com-Wertes durch, so ergibt sich als Resultat einiger algebraischer 
Operationen derselbe Ausdruck, wie er oben für den Teilungsfaktor NaCl- 
freier Phasen entwickelt wurde, der also die Kochsalzwerte überhaupt 
nicht enthält. Es ist dies als ein umständlicher Beweis der einfachen, 
ja fast selbstverständlichen Tatsache aufzufassen, daß sich der Einfluß 
des Kochsalzes auf die Volumverhältnisse der Phasen in den spez. Ge- 
wichtsverhältnissen erschöpfend, d.h. vollständig und eindeutig aus- 
spricht. Wir sind demnach in der Lage, hier nach demselben Rechen- 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 169 


schema wie bei den Versuchen der Tabelle III vorzugehen, sobald nur 
die spezifischen Gewiohtswerte und die maßgebende Kochsalzkonzentration 
(Ek/com) — nach den genannten Prinzipien — festgelegt sind. 

Die Tabelle III umfaßt alle Versuche, welche über die 
Phenolverteilung zwischen Wasser und Öl bei Kochsalzgegen- 
wart gemacht wurden. 


Tabelle III. 
ıle|s|«:|s:s|e || se 
Volumina der Beat?) Gehalte 


0 







Phenolgehalte 
vi 


Ak/ccm | Ek/ccom 


2 | 24,48 | 25,00 | 0,9065 | 0,1069 | 4,914 | 4,960 | 842 | 8,30 
ai „ „ | 1986 | 0,2490 | 2,428 | 2471 | 701 | 924 
„ | 25,58 | 1,986 | 0,2207 | 4,856 | 4,943 | 822 | 7,85 
» 128,00 | 1,986 | 0,1469 | 9,712 | 9,906 | 12,54 | 8,18 
Al, „ | 1986 | 0,1925 | 7284 | 7416| 935 | 6,97 
9 „ | 0,993 | 0,0580 | 14,568 | 14,561 | 14,70 | 6,66 
g „ | 1,706 | 0,0743 | 19,31 | 19,63 | 20,88 | 6,73 
É „ | 0,768 | 0,0148 | 30,89 | 31,14 | 50,78 | 7,09 
sl „ „ 14933 | 0,5284 | 4,661 | 4870| 802 | 7,45 
n „ | 3278 | 0,2696 | 9,448 | 9,747 | 11,06 | 6,92 
g „ 1 2270 | 0,1333 | 14,51 | 14,85 | 1602 | 7,10 
i $ 1,629 | 0,0728 | 19,65 | 19,86 | 21,45 | 6,75 
g „ 1 0,7333 | 0,0144 | 30,89 | 31,13 | 50,75 | 7,19 
6 | 0,8835 |20,7215| 0,8164 | 0,2298 | 29,61 | 29,79 | 52,57 | 7,53 
7 | 3,145 | 20,00 | 4,764 | 1,997 | 5,028 | 5174| 7,37 | 5,39 
2863 | „ | 3398 | 1215 | 9.484 | 9,696 | 10,98 | 6,99 
2,381 „ | 2194 | 0,6620 | 15,60 | 15,75 | 16,92 | 7,06 
1,487 g 1,469 | 0,4745 | 2106 | 2127 | 2489 | 7,03 
1,658 i 1,041 | 0,2430 | 26,98 | 27,20 | 36,18 | 6,88 
1.259 „ | 0,7367 | 0,1649 | 30,60 | 30,78 | 50,46 | 7,16 


Die Nummern der Versuchsreihen bezeichnen wieder die zeitliche 
Aufeinanderfolge, bzw. gleichzeitige Anstellung der hier und in Tabelle II 
wiedergegebenen Einzelversuche. In den Reihen 1 bis 5 waren die Tem- 
peraturen nicht genau beachtet worden, was dann in den Reihen 6 und 7 
durchgeführt wurde. In der Berechnung der ersteren ist, wo erforderlich, 
die mittlere Zimmertemperatur von 17,50 C eingesetzt. Die hier- 
durch entstehenden Fehler können zwar keine sehr bedeutenden sein, 
doch möchte in Anbetracht derselben die Genauigkeit der Berechnung 
überflüssig erscheinen. Diese wurde trotzdem auch hier in der ange- 
gebenen Weise durchgeführt, einmal weil es eher mehr Mühe gekostet 
hätte nach verschiedenen Schemen als nach ein und demselben zu 


170 H. Reichel: 


rechnen, dann aber auch um die Vergleichbarkeit ihrer Resultate mit 
den übrigen tunliohst groß zu gestalten, was durch Ausschaltung wenig- 
stens aller bekannten Fehlerquellen der Rechnung immerhin gefördert 
werden konnte. In den genaueren Versuchsreihen 6 und 7 wurden außer- 
dem auch wesentlich kleinere und wechselnde Ölmengen gewählt, um 
trotz der mit dem NaCl-Gehalt fortschreitend schlechteren Löslichkeit 
des Phenols in Öl, unter Beibehaltung der geschilderten Methodik, mög- 
liohst differente Endzustände innerhalb der Versuchsreihe und noch genau 
titrierbare Phenolgehalte in der wässerigen Endphase zu erreichen. 

Die Tabellenwerte der Kolonnen 2 bis 6 stellen voneinander 
unabhängig gewonnene Maßzahlen, die der Kolonnen 7 bis 9 
daraus nach den dargelegten Grundsätzen und mit den an- 
geführten Hilfsuntersuchungen abgeleitete Rechenresultate vor. 
Die Abhängigkeit des Volumteilungsfaktors (Stab 8) von dem 
Kochsalzgehalte (Stab 7) festzustellen, war die Aufgabe dieser 
Versuche. Die erwartete Steigerung des Faktors mit der NaCl- 
Konzentration fällt in allen Versuchsreihen ohne weiteres in 
die Augen. Während nach dem früher dargelegten (Tabelle II) 
reines Wasser immerhin imstande ist, einer gleich großen Öl- 
phase gegenüber mehr als !/, einer gegebenen Phenolquantität 
für sich zu behalten, vermag eine 10°/,ige NaCl-Lösung in 
gleicher Lage nur rund ?/,„, gesättigte NaCl-Lösung sogar nur 
Za an sich zu reißen. 

Aus einer kurvenmäßigen Betrachtung der zusammen- 
gehörigen Werte beider Variabeln ergibt sich als vermutlich 
zutreffende Beschreibung der Abhängigkeit eine Gleichung der 
Form: 

Fnacı = Fo >< ek X Ek/cem, 

d. h. gleiche — in arithmetischer Progression wachsende — 
NaCl-Konzentrationssteigungen scheinen verhältnismäßig gleiche, 
geometrisch wachsende Erhöhungen des Teilungsfaktors zu be- 
dingen. Setzt man in dieser Formel als F,, den Teilungsfaktor 
des Öles gegenüber reinem Wasser, die Mittelzahl aus den obigen 
Versuchen 5,58, als Fn.a und Ep/com die jeweilig korrespon- 
dierenden Werte der Tabelle III, so erhält man die Werte des 
Stabes 9 als 


p — 2,303 (log Fyacı — log Fo) 


Ep/ccm 
Die Werte zeigen untereinander eine ausreichende Überein- 
stimmung. Die Zahlen für die ersten 2 Versuchsreihen liegen 


171 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 








N 
A 


í — Geh, SR 


| - S S 3 S 
PR 7777.77. 777 BOSSO © A0 rk 





35 


Wall-Geholt % etc 


20 
. Die im Zusammenhange gewonnenen Werte sind durch 








30 


35 


Kurvenbild 1 


Linien verbunden. 


172 H. Reichel: 


zwar nicht unwesentlich höher als die später gewonnenen, sie 
zeigen auch stärkere Schwankungen. Es prägt sich hierin wohl 
hauptsächlich die noch mangelnde Übung in der Versuchs- 
anstellung aus. Schon die Reihen 4 und 5 ergeben — trotz 
fehlender Temperaturkontrolle — durchweg Werte, die sowohl 
einander als auch der Mittelzahl aller Reihen recht nahe liegen. 
Die Reihe 7 weist neben einem ersichtlich — aber aus un- 
bekannter Ursache — falschen Wert durchweg sehr nahe über- 
einstimmende Zahlen auf. Das arithmetische Mittel aller Werte 
beträgt 7,32; die Hälfte derselben (10) variiert nur in einem 
Spielraum von 0,28, und deren Mittel beträgt 7,03, welche Zahl 
als wahrscheinlichst richtiger Wert angenommen werden soll. 
Ein ‚Gang‘ der Konstante kann mit weitgehender Annäherung 
ausgeschlossen werden, wie die Betrachtung der Kurven, be- 
sonders aber extrem gelegener Wertpaare — wie des ersten 
und vierten Versuches der 4., des zweiten und sechsten Ver- 
suches der 7. Reihe — ergibt. 

Wir haben demnach in der obigen Gleichung eine hin- 
reichend genaue Beschreibung aller Gleichgewichts- 
zustände in 2-phasigen — die gasförmige Phase darf hier 
vernachlässigt werden — Öl-Wasser-Phenol-Kochsalz- 
Systemen gewonnen, die wir in der Folge einerseits zum 
Vergleich der Verhältnisse anderer Substanzen heranziehen, 
anderseits zu den Gesetzmäßigkeiten physiologischer, besonders 
desinfizierender Wirkungen in Beziehung setzen dürfen. 


3. 


Zur theoretischen Erklärung der hiermit festgestellten Ab- 
hängigkeitsform können wieder vor allem die Löslichkeite- 
verhältnisse herangezogen werden. Die Löslichkeitsbeeinflussung 
durch Lösungsgenossen war wiederholt der Gegenstand eingehen- 
der physikalisch-chemischer Untersuchungen.!) Als erster hat 
Setschenow (15) für die Abhängigkeit der CO,-Absorption 
durch Salzlösungen von deren Konzentration die Beziehung 

L=L, ze e kä 
aufgestellt, in der L und L, die beeinflußte und unbeeinflußte 
Löslichkeit, n die Konzentration des störenden Lösungsgenossen 


1) Siehe V.Rothmund, Löslichkeit und Löslichkeitebeeinflussung. 
Bredigs Handb. d angew. phys. Chem. 7. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 173 


bedeutet. Rothmund und Wilsmore (16) haben aus thermo- 
dynamischen Erwägungen die Notwendigkeit gegenseitiger Be- 
einflussung in der allgemeinen Form 


kuk 
In7=Ih- 


abgeleitet, die auch Nernst (17) aus theoretischen Gründen 
hierfür aufgestellt hat. Hier bezeichnen L und 1 die Löslich- 
keiten der beiden einander beeinflussenden, L, und l, die der- 
selben, aber unbeeinflußten Stoffe. 

Wie ersichtlich, decken sich diese Gleichungen mit unserer 
festgestellten Beziehung der Teilungsfaktoren, wenn die einfache 
Annahme zutrifft, daß sich beeinflußte und nicht beeinflußte 
Faktoren umgekehrt wie die bezüglichen Löslichkeiten verhalten: 

Fo: Fnac = Leo: Lo. 

Diese Annahme hat aber wieder zur Voraussetzung, daß 
sich die Faktoren auch als Verhältniszahl der Löslichkeiten des 
Phenols in beiden Phasen berechnen lassen, was nach dem 
früher dargelegten wenigstens für die NaCl-freien Phasen, zwar 
nicht genau, doch in erster Näherung der Fall ist. Die Löslich- 
keit des Phenols in der Ölphase dürfte sich durch NaCl-Gegen- 
wart wenig ändern, da dieser Stoff weder wie erwähnt in das 
Öl, noch auch, wie besondere qualitative Versuche lehrten, in 
die flüssige Phenolhydratphase eindringt. 

In mehreren Versuchsreihen über die Löslichkeit des Phenols 
in verschiedenen NaCl-Lösungen sollte das Bestehen der ver- 
muteten Gesetzmäßigkeit geprüft werden. Die Tabelle IV gibt 
dieselbe wider, entsprechend ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge. 
Es handelt sich hier teils um Ausgangslösungen der in Ta- 
belle III wiedergegebenen Versuche, teils um eigens zu diesem 
Zwecke angestellte Beobachtungen. In den Reihen 1 und 2 
fehlte noch die in den späteren durchgeführte Temperatur- 
kontrolle; jene wurde wieder bei der Berechnung auf 17,5°, 
diese entsprechend den obigen Feststellungen auf die jeweilig 
bestimmten Zimmertemperaturen bezogen. Die Werte der 
Kolonne 4 ergeben sich hier als 


— 2,302 (log L, — log Lxacı) 


— — — — — 


NaCi/com 


174 H. Reichel: 


Tabelle IV. 


ı | 2 | 3 | 4 
be | NaCl-Gehalt oi, 





Phenolgehalt °/, Konstante 
g/ccm k 


g/com 


N 
Cp 
GC 





Wie ersichtlich sind die k-Werte hier im allgemeinen von sehr 
ähnlicher Größe wie in Tabelle III, was bedeutet, daß die vermutete 
Beziehung auf die Löslichkeitsverhältnisse in erster Annäherung 
tatsächlich zutrifft. Genauere Betrachtung (s. Kurvenbild 1, ge- 
strichelte Linien) lehrt jedoch, daß die Werte der Tabelle IV durch- 
weg etwas, zum Teil wesentlich höher als die der Tabelle III (aus- 
gezogene Linien) sind, sowie daß ein ausgesprochener Gang der 
ersteren mit dem Kochsalzgehalte besteht, in dem Sinne, daß den 
niedrigen solchen die höheren k-Werte entsprechen. Dies be- 
deutet, daß erstens die Löslichkeitserniedrigung des Phenols 
durch Kochsalz im allgemeinen eine etwas größere ist, als man 
nach den Verteilungsverhältnissen erwarten dürfte, daß zweitens 
niedrige Kochsalzgehalte im Vergleich mit höheren eine noch 
stärkere Löslichkeitserniedrigung bedingen, als dies in der an- 
geführten Gesetzmäßigkeit ausgesprochen erscheint, die für 
solche Beziehungen von den genannten Autoren aufgestellt 
wurde. Wollte man — was übrigens Nernst sowie Roth- 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 175 


mund und Wilsmore tatsächlich tun — das Teilungsverhält- 
nis selbst als maßgebend für die Berechnung der Löslichkeiten 
betrachten, so wäre das eben dargelegte allerdings als eine volle 
Bestätigung der Regel Setschenows für die Löslichkeitsbeein- 
flussung durch Lösungsgenossen zu betrachten. 

Eine zureichende Erklärung des abweichenden Verhaltens 
von Verteilung und Löslichkeit kann hier nicht versucht werden 
und würde über den Zweck dieser Arbeit hinausgehen. Es sei 
nur daran erinnert, daß auch für NaCl-freie Lösungen das Lös- 
lichkeitsverhältnis dem Teilungsverhältnis nicht genau entsprach, 
da sich die Wasserlöslichkeit des Phenols im Verteilungsversuche 
anders, und zwar niedriger als im Versuche ohne Ölgegenwart 
ergab. Diese Verschiebung des genannten Faktors zugunsten 
des Öls für den Phenolsättigungszustand, die dort durch den 
mutmaßlichen Ölgehalt der Phenolphase erklärt wurde, findet 
sich nun hier bei den Kochsalzversuchen in noch ausge- 
sprochenerem Maße und verhältnismäßig um so ausgesprochener, 
je weniger NaCl vorhanden ist. Auch hierfür dürfte die Qualität 
der dritten Phase — des Phenolhydrates — maßgebend sein, 
die zwar, wie erwähnt, kein NaCl, wohl aber sehr wahrschein- 
lich je nach dem NaClI-Gehalt der wässerigen Phase sehr ver- 
schiedene Wassermengen aufnimmt und damit ihren Lösungs- 
druck für beide andern Phasen verschiebt. So könnte die 
beobachtete Abweichung z. B. dahin gedeutet werden, daß bei 
abnehmendem Wassergehalte der Phenolhydratphase die Ol- 
löslichkeit dieses Stoffes — wie schon oben vermutet — zu- 
nimmt, und daß schon geringe NaCl-Gehalte der wässerigen Phase 
einen nennenswerten Wassergehalt der Phenolphase nicht dulden, 
welche Wirkung dann durch Erhöhung des NaCl-Gehaltes nicht 
mehr stark, wahrscheinlich bis zur völligen Wasserfreiheit in der 
Nachbarschaft konzentrierter NaCl-Lösung gesteigert werden kann. 

Jedenfalls sind aber diese komplizierteren Verhältnisse 
phenolgesättigter Phasen für den Gegenstand der vorliegenden 
Untersuchung ohne tieferen Belang, da es sich sowohl in den 
zu betrachtenden chemischen als auch in den späteren bakterio- 
logischen Versuchen nach der Natur der Anordnung immer nur 
um nicht gesättigte Phenollösungen handeln kann, deren Gleich- 
gewichtsbeziehungen sich nach den vorstehenden Feststellungen 
als einfach überblickbar erwiesen haben. 


176 H. Reichel: Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 


4. 


Anhangsweise wurden einige orientierende Versuche über 
die Frage unternommen, ob das hier festgestellte Verhalten des 
Olivenöles mit demjenigen solcher fettartiger Stoffe im allge- 
meinen übereinstimmt, die in der lebenden Zelle als integrierende 
Bestandteile vorkommen. Als deren Repräsentant wurde das 
Cholesterin gewählt. Eine einfache Überlegung lehrt, daß im 
Falle eines wesentlich abweichenden Verhaltens dieses Stoffes 
jeder nennenswerte Zusatz desselben zum Öl den konstanten 
Teilungsfaktor verändern, bzw. einen solchen — bei chemischer 
Bindung des Phenols — überhaupt nicht auftreten lassen würde. 
Allerdings löst sich Cholesterin bei Zimmertemperatur in Öl 
nicht leicht. Eine 3,69°/, g/ccm Cholesterin enthaltende Phase 
zeigte mit gesättigter Phenollösung geschüttelt einen Teilungs- 
faktor von 5,72, bei Gegenwart von 10°/, g/ccm NaCl einen 
solchen von 10,73, also völlig übereinstimmende Werte mit den 
an reinem Öl gewonnenen. Um auch bei höherer Cholesterin- 
konzentration einen Versuch anstellen zu können, mußte bei 
hoher Temperatur, als die 100°C gewählt wurde, gearbeitet 
werden. Hier war aber sodann auch eine neuerliche Kontrolle 
des Faktors für reines Öl erforderlich. Es ergab sich für dieses 
ein Teilungsverhältnis von 3,81, für 18°/, g/ccm Cholesterin 
führendes Öl ein solches von 4,00, also wieder eine sehr nahe 
Übereinstimmung, welche im Vereine mit der oben genannten 
die Verwendung des Olivenöles als Stellvertreter der Fettstoffe 
des Zelleibes gerechtfertigt erscheinen läßt. 


Zur Theorie der Desinfektion. 


I. Abhandlung. 
Die Desinfektionswirkung des Phenols. I. 


Von 
Heinrich Reichel. 
(Aus dem Hygienischen Institute der k. k. Universität in Wien.) 
Mit 3 Kurvenfiguren im Text. 
1. Fortsetzung. 


Über das gegenseitige Verhalten von Phenol und Eiweiß 
und seine Beeinflussung durch die Gegenwart von NaCl 


l. 


Nach allgemeinen Gleichgewichtsgrundsätzen muß eine für 
das Verhalten zweier Phasen gültige Beziehung auch für jede 
andere Phase gelten, die überhaupt mit diesen betreffenden 
Stoffen in ein analoges Lösungsgleichgewicht gebracht werden 
kann, d. h. für jede, die nicht einer der beteiligten Kom- 
ponenten gegenüber ein sehr abweichendes Verhalten — z. B. 
unbegrenzte Mischbarkeit, Polymerisation, chemische Bindung — 
aufweist. 

Der lebende Zelleib darf aber heute gewiß!) als ein mehr- 
phasiges System betrachtet werden, in dem gelöste und ge- 
quollene Kolloidsubstanzen, feste Stoffe und ölige Bestandteile 
eine äußerst innige, aber wohl nach strengen Notwendigkeiten 
geordnete Vermengung eingehen. So nehmen viele Autoren an, 
daß eine ölige Phase als Grenzschicht sowohl nach außen als 
auch zwischen eiweißreicheren und -ärmeren wässerigen Phasen 
besteht und zur Beherrschung der selektiven Eigentümlichkeiten 


1) Spiro, Physikalische Chemie der Zelle. Oppenheimers 
Handb. d. Biochem. 2, 1, 1909. 
Bioehemische Zeitschrift Band 22. 12 


178 H. Reichel: 


der einzelnen Bestandteile dient. Jedenfalls spielen aber ölige 
Phasen auch in Form von Emulsionen eine wichtige Rolle. 
Bei der bekannten großen Wasserlöslichkeit wichtiger fettartiger 
Körperstoffe darf vielleicht die Unterscheidung öliger und wässe- 
riger Phasen im Protoplasma als nicht scharf durchführbar gelten. 
Immerhin müssen wir aber als den Schauplatz oder Träger der 
eigentlichen Lebensprozesse eine eiweißreiche, wasserhaltige Phase 
annehmen. 

Soll nun die Verteilung eines Stoffes zwischen mehreren 
Phasen zur Erklärung im weiteren Sinne physiologischer Er- 
scheinungen — wie Narkose und Tod — herangezogen werden, 
so darf zwar die alleinige Betrachtung der öligen Zellbestand- 
teile nach dem Vorausgeschickten als eine erlaübte Verein- 
fachung gelten, weil wenigstens aus übereinstimmenden Abhängig- 
keiten für Verteilungszustände und Wirkungen ohne weiteres 
auf die Anwendbarkeit der ersteren auch auf alle anderen 
Phasen des Zelleibes geschlossen werden kann. Freilich darf 
bei fehlender Übereinstimmung der Bedingnisse aus einem solchen 
Versuchsmateriale nicht ein Fehlen der Wirksamkeit abgeleitet 
werden, weil eben die Möglichkeit andersartiger Wirkung in 
den verschiedenen Phasen vorliegt. Z. B. könnte die Geschwindig- 
keit der Permeabilität eines Stoffes durch die Verteilung be- 
herrscht sein, während seine Wirkung auf die Lebensprozesse 
davon nicht abhängt. 

Es erschien also für diesen Fall, und als kontrollierende 
Bestätigung auch für jeden Fall erwünscht, die eiweißreiche 
Phase analogen physikalisch-chemischen Untersuchungen zu 
unterziehen wie die ölige. Es war aber nach dem Gesagten 
damit nicht etwa die Frage zu entscheiden, ob die ölige oder 
die Eiweißphase die für die physiologische Wirkung maßgebende 
Speicherung des Phenols bedinge, sondern bloß die, ob beide 
Arten von Phasen — also alle, die im Zelleib wohl in Be- 
tracht kommen — das überhaupt, bzw. ob sie esnach dem- 
selben Gesetze tun. Für solche Versuche konnte natives Ei- 
weiß wegen der Schwierigkeit der Herstellung zweier trennbarer 
Phasen zunächst nicht gewählt werden. Der Verwendung ko- 
agulierter Eiweißstoffe stand kein Bedenken entgegen, sobald 
eine wesentliche Veränderung des chemischen Verhaltens gegen- 
über Phenol bei dem Vorgang der Gelbildung ausgeschlossen 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 179 


werden konnte. Der Vergleich mit der lebenden Zelle bezieht 
sich ja eben auf die zweiphasige Anordnung, nicht auf den 
besonderen Quellungs- oder Lösungszustand der Eiweißstoffe, 
der übrigens im lebenden Plasma weder genau bekannt ist, 
noch einfach und einheitlich sein dürfte. Auch Leimgele, wie 
sie von Hofmeister (18, 19) und Spiro (20) für verwandte 
Zwecke benutzt wurden, wären ein brauchbares Material für 
solche Versuche gewesen. Ich benutzte ausschließlich hitze- 
koagulierte Eiweißgele, und zwar — der Bequemlichkeit wegen 
und in Anbetracht des mehr orientierenden als genauen Charak- 
ters dieser Versuche — Eiklar und Pferdeserum. Das frisch 
koagulierte Gel wurde rasch in leidlich regelmäßige Stücke, 
meist dünne Scheiben geschnitten und vor Austrocknung ge- 
schützt. Die Abmessung für die einzelnen Versuche erfolgte 
durch Wägung. 

Was nun zunächst das allgemeine gegenseitige Verhalten 
von Phenol und gelöstem, bzw. in Solzustand befindlichem Ei- 
weiß anlangt, so findet sich nicht selten (12, 13) die Behaup- 
tung einer koagulierenden Wirkung vertreten. Insofern dieses 
Wort im Sinne einer irreversiblen Umwandlung eines Sols in 
ein Gel gebraucht wird, erscheint aber diese Auffassung nicht 
gerechtfertigt. Zwar bewirkt — wie Spiro (20) feststellt — 
0,6°/, Phenol in Eiweißlösungen eine Trübung, die bei 1,8°/, 
zu dicken weißen Niederschlägen anwächst. Ein bestehender 
Niederschlag kann aber durch neuen Zusatz von Eiweißlösung 
wieder in Lösung gebracht werden; der Fällungsvorgang ist 
also reversibel, so wie die Alkohol- und Salzfällung der Eiweiß- 
körper. Andererseits besitzt verflüssigtes Phenol ein beträcht- 
liches Eiweißlösungsvermögen; bringt man Eiweißlösung (Serum) 
mit genug wasserfreiem Phenol zusammen, so entsteht nach 
anfänglicher Trübung der Flüssigkeit bald eine klare Lösung, 
die nun auch, ohne äußerliche Veränderungen zu erfahren, ge- 
kocht werden kann. Aber auch im Zustand milchweißer Trü- 
bung sehr phenolreicher, eiweißhaltiger Gemenge kann durch 
mäßiges Erwärmen klare Lösung erzielt werden, die sich dann 
beim Abkühlen wieder trübt. Diese Tatsachen sind wohl am 
einfachsten dahin aufzufassen, daß sich Phenol und Eiweiß mit 
großer Intensität lösen und daß die scheinbare Fällung auf der 


Abscheidung einer zweiten flüssigen, an Phenol und Eiweiß 
12* 


180 H. Reichel: 


reichen Phase beruht. Ganz ähnliche Erscheinungen, auf die 
Spiro am genannten Orte aufmerksam macht, ergeben sich 
auch zwischen anderen aromatischen Alkoholen und Eiweiß, 
nur geht bei deren im Vergleich zum Phenol höherer Wasser- 
löslichkeit die Zone der Fällung kontinuierlich in die der Lösung 
des Eiweißes über. Spiro schließt aus der schweren Auswasch- 
barkeit desselben aus Niederschlägen, die in Resorcin-Eiweiß- 
lösungen mittels AÄthylalkohols gefällt werden, auf das Bestehen 
von Molekularverbindungen, die allerdings durch Kochen mit 
Wasser wieder leicht zu trennen sind. Doch erscheint auch 
die Annahme echter Lösung, die zwischen Eiweiß und Resorcin 
(ebenso Brenzkatechin, Pyrogallol) um vielmal intensiver als 
zwischen Eiweiß und Wasser sein müßte, nach diesen Tatsachen 
nicht ausschließbar. Vielleicht sind beide Fälle in Wirklichkeit 
nicht streng zu scheiden. 

Jedenfalls bleibt das ganze Phenol einer Lösung auch bei 
Gegenwart von Eiweißstoffen mit der Br-Titrationsmethode be- 
stimmbar, wie wiederholte Versuche lehrten. Es ist dabei nur 
erforderlich, das Br-Bindungsvermögen der zugefügten Eiweiß- 
lösung zu kennen bzw. zu bestimmen. 1 ccm Pferdeserum 
bindet in mehreren Versuchen recht nahe 4,82 ccm al, Brom- 
lösung; der Br-Verbrauch von Serum-Phenol-Gemischen setzt 
sich additiv aus diesem und dem Verbrauch des Phenols zu- 
sammen. Fällt man das Eiweiß eines solchen Gemisches 
mit (NH,),SO,, so findet sich die Phenolkomponente der Br- 
Bindung in Filtrat + Waschlösung, die Serumkomponente im 
wiedergelösten Niederschlag. Die Eiweißstoffe halten also das 
Phenol nicht fest, und die Brombindung des Serums scheint am 
Eiweiß zu haften. Auch hitzekoaguliertes Serum gibt an wässe- 
rige Lösungen Br-bindende Substanzen nicht ab. Dagegen 
lehrten schon ungefähre Vorversuche, daß Eiklarcoagula die Kon- 
zentration von Phenollösungen mehr herabsetzen, als ihrem 
Volumen entsprach, und daß sie herausgenommen, an Wasser 
relativ viel Phenol abgaben. Der scharfe Gleichgewichtscharakter 
dieser Eiweißgel-Phenol-Bindung war aber auch durch exakte 
Reversibilitätsversuche zu erbringen. In einigen der quantite- 
tiven Versuche, die zur Feststellung der Teilungsverhältnisse 
dienten, wurde das durch wiederholte Wässerung der Serum- 
Coagulum-Scheiben aus diesen ausziehbare Phenol bestimmt und 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 181 


durch eine Bilanzrechnung festgestellt, daß alles zum Versuch 

verwendete Phenol auf diese Weise mit ausreichender Genauig- 

keit wiedergefunden werden konnte. So ergaben die zwei Ver- 

suche der Reihe 4 in Tabelle VII folgende Werte: g Phenol: 
l. 2. 


angewendet . . . 0,3756 1,5134 
wiedergefunden . . 0,3754 1,5091 

Die sechs Versuche der Reihe 12 ergaben ähnlich gute 
Übereinstimmung. 

Schon jene Vorversuche ergaben aber, daB diese Gleich- 
gewichte nicht durch einen Adsorptionsvorgang wesentlich 
bedingt sein können, da die pro Gramm Coagulum gebundenen 
Mengen mit steigendem Phenolgehalte nicht ab, sondern zu- 
nahmen. Es muß also zur Erklärung der Erscheinung ein 
Lösungsgleichgewicht angenommen werden. 


2. 


Erscheint es auch nach dem Vorausgehenden berechtigt, 
von einer Lösung des Phenols in koaguliertem Eiweiß, von einer 
Verteilung des Phenols zwischen Eiweiß und Wasser zu sprechen, 
so ist es trotzdem nicht möglich, eine entsprechende Verteilungs- 
rechnung auszuführen, solange nicht entschieden ist, welches 
Volum als das der Eiweißphase zu gelten hat. Das Volumen 
der Eiweißscheiben selbst verändert sich während des Verteilungs- 
vorganges nicht unbeträchtlich, je nach der Konzentration der 
wässerigen Lösung. Ihr Volumen im Gleichgewichtszustande ist 
zwar durch Wägung und Bestimmung des spezifischen Gewichtes 
oder durch tunlichst exakte Abmessung der wässerigen Endphase 
mit ziemlicher Genauigkeit bestimmbar, doch wäre von vorn- 
herein eine Übereinstimmung von Teilungsfaktoren nicht zu er- 
warten, wenn die Volumkonzentration des Geles an Eiweiß in 
jedem Versuche eine verschiedene ist. Eine Beziehung der ge- 
bundenen Phenolmenge auf das Gewicht des Ausgangscoagulums 
erscheint untunlich, weil Gewichtsteilungsfaktoren im allgemeinen 
ein richtiges Bild der Verhältnisse nicht geben können und 
weil in unserem Falle die angestrebte Vergleichung mit den 
Ergebnissen der Ölteilungsversuche dadurch unmöglich geworden 
wäre. 


182 H. Reichel: 


Eine ähnliche Schwierigkeit war in der Beurteilung der maß- 
gebenden NaCl-Konzentration gelegen: das Salz dringt ja — im 
Gegensatz zu seinem Verhalten zum Öl — in das Eiweiß- 
coagulum ein, so daß an eine Beeinflussung der Lösungsaffini- 
täten beider Lösungsmittel zum Phenol zu denken war, wobei 
wieder das Volumen zweifelhaft sein mußte, auf welches die 
eingedrungene Salzmenge etwa zu beziehen war. Hier konnte 
nur eine nähere Betrachtung der möglichen und tatsächlichen 
Quellungsverhältnisse Aufschluß bringen. 

Von den drei durch Hofmeister (18) klargelegten Arten 
von Quellungswasser organischer Gele war zunächst das capil- 
lare Imbibitionswasser für unseren Fall in Betracht zu ziehen, 
da das Coagulum als ein gewiß zum Teil offenes Maschen- 
und Netzwerk aufzufassen ist. Es war klar, daß dieser Anteil 
der im Coagulum befindlichen Lösung im wesentlichen mit der 
äußeren Phase in Phenol- und Salzgehalt übereinstimmen muß 
und für eine rationelle Verteilungsberechnung zu dieser und 
nicht zur Eiweißphase gerechnet werden sollte. 

Endosmotische Imbibitions- bzw. Schrumpfungsvorgänge 
kamen von vornherein nicht als wahrscheinlich in Betracht, da 
die Existenz abgeschlossener Flüssigkeitsrräume (Waben) im 
Hitzecoagulum kaum anzunehmen sein dürfte. 

Solche Vorgänge würden eine zweite, von der äußeren ab- 
weichende wässerige Phase bedingen, welche in emulsionartiger 
Form im Eiweißgel befindlich zu denken wäre, wodurch die 
Betrachtung der Verteilungsverhältnisse sehr wesentlich kom- 
pliziert werden würde. Allerdings wäre für einen solohen Gleich- 
gewichtszustand auch noch eine völlige Impermeabilität des Gels 
für einen der Lösungsstoffe erforderlich, und eine solche könnte 
schon nach den Vorversuchen nicht für das Phenol, sondern 
nur für das NaCl in Frage kommen. 

Das echte Quellungs- oder molekulare Imbibitionswasser 
endlich ist offenbar allein als in der Eiweißphase gelöst, also 
für deren Volumen und sonstige Eigenschaften maßgebend zu 
betrachten. 

Zur Berechnung der Teilungsfaktoren war es also nötig, 
den Anteil dieser drei Arten von Quellungswasser am Wasser- 
gehalt unserer Eiweißcoagula zu bestimmen, oder doch über 
denselben brauchbare Annahmen zu machen. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 183 


Zunächst konnte die Mitbeteililgung endosmotischer Quel- 
lungsvorgänge durch die einfache Feststellung mit Sicherheit 
ausgeschlossen werden, daß unsere Serumcoagula ihren natür- 
lichen Cl-Gehalt an wässerige Lösungen vollständig abgeben. 
Dies wurde an einem Teile der später anzuführenden Phenol- 
verteilungsversuche, uud zwar den 10 Versuchen der Reihen 2 
und 3 der Tabelle VII, sowie auch ohne Phenolgegenwart im 
ersten Versuche der Tabelle VI durch Ci-Titrationen der vorher 
Cl-freien wässerigen Phasen festgestellt. Der Gehalt des Aus- 
gangsserums berechnet sich danach mit 0,55 bis 0,60°/, NaCl, 
was den für Pferdeserum in der Literatur vorliegenden Daten (21) 
gut entspricht. 

Zur Ermittlung der Mengenverhältnisse von capillarem und 
molekularem Quellungswasser im Coagulum sollten Versuche 
dienen, in denen bestimmt wurde, wie sich der NaCl-Gehalt 
einer gemessenen Lösung durch Einbringen gewogener Mengen 
des Coagulums ändere. Auf die dabei stattfindenden Volum- 
und Gewichtsverschiebungen des letzteren selbst wurde zunächst 
nicht geachtet. Wenn nun in solchen Versuchen aus dem 
spezifischen Gewicht, dem Kochsalzgehalt und dem Volumen 
der Ausgangslösung, dem Gewicht, dem Wasser und dem Koch- 
salzgehalt des Coagulums das Verhältnis des gesamten vor- 
handenen NaCl zum gesamten Wasser gebildet wurde, so ergab 
sich eine nahe übereinstimmende Zahl, wie sie aus spezifischem 
Gewicht und NaCl-Gehalt der Endlösung für das tatsächliche 
Verhältnis NaCl: Wasser in der Lösung zu finden war. Als 
Beispiel solcher Untersuchungen mögen die zwei Versuche der 
Tabelle V dienen. Der Wassergehalt des Coagulums war hier 
mit 90,43°/, bestimmt worden. 

Tabelle V. 
| 4 | 5 


NaCl-Gehalt 
Die g/oom 





1 2,1213 10 4,94 4,18 4,29 4,24 
2 2,5719 10 31,36 25,90 28,08 28,46 


184 H. Reichel: 


Das Ergebnis würde — vorausgesetzt, daß die Genauigkeit als 
genügend zu betrachten ist — besagen, daß sich das ganze Wasser 
des Coagulums gleichmäßig an der Verdünnung der damit in Be- 
rührung tretenden NaCl-Lösung beteiligt, das Eiweiß selbst aber 
kein NaCl in irgendwelcher Weise bindet. Jedenfalls muß aber der 
weitaus üherwiegende Anteil des Quellungswassers an der Lösung 
des Kochsalzes teilnehmen und ein wesentlicher Salzverlust der 
Lösung durch Bindung an das Eiweißgel kann ausgeschlossen 
werden. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt Hofmeister (19) 
in seinen bekannten Untersuchungen über das Verhalten von 
Leimplatten in Salzlösungen. Der Salzgehalt der die Leim- 
scheiben durchtränkenden Lösung ist im Gleichgewichtszustande 
ebenso hoch oder nur wenig niedriger als der der Außenflüssig- 
keit. Es erscheint nicht unberechtigt, die Erreichung eines 
solchen Zustandes als das gemeinsame Ziel sehr mannigfaltiger 
Quellungs-, Schrumpfungs- und Selektionsvorgänge an den Scheiben 
in verschiedenen Salzlösungen aufzufassen. 

Die einfachste erklärende Vorstellung wäre gewiß die, daß 
eine — wenigstens bei Salzgegenwart — äußerst wasserarme 
Eiweißphase salzfrei bleibt, und durch ihre Oberflächenentwick- 
lung ein gewisses Lösungsquantum capillar zu tragen vermag, 
oder daß unter solchen Umständen der molekulare neben 
dem capillaren Imbibitionsvorgang quantitativ vernachlässig- 
bar sei. Der häufig bei Hofmeisters Versuchen etwas niedriger 
liegende Salzgehalt der Innenlösung könnte danach für einen 
in diesen Fällen schon in Betracht kommenden Gehalt der Ei- 
weißphase an echtem — salzfreiem — Quellungswasser verwertet 
werden. 

Bemerkenswerterweise erscheint dort der Grad der Über- 
einstimmung von Innen- und Außenlösung abhängig von der 
Natur des verwendeten Salzes (Lyotropie, s. S. 154, Anm.) und 
für kein anderes Salz so vollkommen als für Kochsalz. Daß 
für andere Gele auch weit größere Abweichungen in demselben 
Sinne zwischen Außen- und Innenlösung bestehen können, geht 
aus den Untersuchungen Spiros (20) über die Zusammen- 
setzung ausgesalzener Eiweiß- und Leimphasen hervor. Die 
Genese der Gele und vor allem die wasseranziehende Kraft der 
Salze dürfen dafür als ausschlaggebend gedacht werden. 

Auch Pauli (22) unterscheidet einen überwiegenden locker 


Die Desinfektionswirkung des Phenols, II. 185 


und einen sehr kleinen fest gebundenen Teil des Imbibitions- 
wassers organischer Kolloide, wovon er den ersten als eigent- 
liches Quellungswasser bezeichnet, den letzteren mit dem hygro- 
skopisch ersetzbaren Wasser identifiziert. Es wäre denkbar, 
daß der Grad der Leichtigkeit der Reversion eines Gelbildungs- 
vorganges von der Menge dieses fester an das Kolloid ge- 
ketteten Wassers abhängt. Danach möchte die entwickelte 
Vorstellung einer trockenen, mit Lösung capillar imbibierten 
Kolloidphase für unsere irreversiblen Hitzecoagula vielleicht am 
nächsten, und wohl auch ohne Salzgegenwart in ähnlicher Weise 
zutreffend sein. Die Vernachlässigung des molekularen Quel- 
lungswassers und die Annahme wirklicher Salzfreiheit der Kolloid- 
Trockenphase bietet aber die einfachsten Grundlagen für eine 
exakte Verteilungsberechnung, welche noch dazu in allen wesent- 
lichen Punkten mit denen bei der Öl-Wasser-Verteilung über- 
einstimmen, so daß unter diesen Annahmen eine völlig analoge 
Berechnungsweise Platz greifen kann.) 

Jede andere mögliche Deutung der obigen Tatsachen 
müßte von der Vorstellung ausgehen, daß die Eiweißphase eine 
der äußeren und capillar-imbibierten Phase sehr ähnliche Lösung 
als echte Quellungsflüssigkeit in sich aufnehme. Berechnungs- 
grundlagen für eine Volumverteilung scheinen auf diesem Wege 
nicht auffindbar, es wäre denn, daß die capillare Imbibition 
als überhaupt vernachlässigbar gedacht werden dürfte. Jeden- 
falls erscheint aber die andere Auffassungsweise für unseren Fall 
plausibler und — mindestens heuristisch — besser verwertbar 
als diese. 

Ein genaues Studium der bezüglichen Vorgänge war aber 
erwünscht, um die Widerspruchsfreiheit der gemachten Annahmen 
zu sichern. Es wurden zu dem Zwecke in den Rahmen einer 
größeren Reihe von Phenolverteilungsversuchen auch einige reine 
Salzversuche einbezogen und alle einer besonders exakten Be- 
obschtung auch hinsichtlich der Quellungsverhältnisse unter- 





1) Die Vorstellung von einer echten Lösung in einer trockenen, 
also festen Phase darf bei der ausgedehnten und erfolgreichen Anwendung 
des Begriffes der festen Lösung in physikalischer Chemie und Technik 
nicht befremden. Übrigens dürfte für trockene Kolloide ein amorpher 

&gregatzustand anzunehmen sein, der ja dem flüssigen in mancher Rich- 
tung näher steht als dem festen; 


186 H. Reichel: 


zogen. Die dabei für die Phenolverteilung gewonnenen Resultate 
finden sich in Tabelle VII, 12 wiedergegeben, während das Ver- 
halten der Eiweißscheiben in Tabelle VI zusammengefaßt er- 
scheint. 

Die Stäbe 2 und 3 geben die Phenol- und Salzgehalte der wässe- 
rigen Gleichgewichtephase konform mit den Daten der Tabelle VII, 12. 
Die geringen Salzgehalte der Endlösungen 1, 5, 8 und 10 stammen aus 
dem Coagulum. Ein Drittel dieser geringen Salzmenge, welche auch 
für die anderen Versuche berücksichtigt wurde, ist nicht als NaCl 
zu betrachten und ist in die Berechnung von Stab 4 und 5 nicht ein- 
bezogen. 

Es zeigt sich zunächst, daß hier die Übereinstimmung zwischen 
dem berechneten und dem gefundenen Verhältnis NaCl: Wasser 
(Stab 4 und 5) eine sehr weitgehende ist. Die geringen Ab- 
weichungen charakterisieren sich schon durch ihre Verteilung 
nach oben und unten als zufällige Fehler. Die obige Schluß- 
folgerung, daß durch die Gegenwart der Eiweißphase der Lösung 
weder Salz noch Wasser in meßbaren Mengen einseitig entzogen 
werde, ist damit voll zu bestätigen. 

Zur Kontrolle der Quellungsverhältnisse wurde das Volumen der 
wässerigen Endphase durch Pipettenmessung tunlichst genau bestimmt, 
Trotz aller Vorsicht kann diese Methode freilich im Vergleich mit den 
übrigen Maßzahlen der Versuche nur recht ungenaue Werte liefern, 
die aber für einen allgemeinen Überblick der herrschenden Beziehungen 
ausreichend sind. Den daraus abgeleiteten Zahlen der Stäbe 7 bis 13 
kommt aber infolgedessen durchweg nur der Charakter von Näherungs- 
zahlen zu. 

Es ergibt sich ferner, daß eine sichere Veränderung des 
Volums der wässerigen Phase in den zwei ersten Versuchen nicht 
beobachtet werden konnte, während dasselbe in allen folgenden 
zugenommen hatte (Stab 6). 

Die Volumvermehrung der freien Lösung wurde direkt als Volum- 
verminderung des Coagulums betrachtet und als prozentische Abnahme 
(Stab 7) wiedergegeben. Damit erscheinen allerdings die stattgehabten 
Verschiebungen der Lösungskontraktion in beiden Phasen vernachlässigt, 
was aber im Zusammenhang mit der geringen Genauigkeit der Daten 
berechtigt ist. 

Die entsprechende Abnahme der Coagula (Stab 7) erscheint 
unter dem Einflusse des Salzes weit geringer als unter dem des 
Phenols. Reine NaCl-Lösung verursacht selbst in einer Kon- 
zentration von 25°/, g/ccm erst 13°/, Volumverlust, während 
eine fast salzfreie Phenollösung schon bei 2,7°/, g/ccm einen 


187 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 























GE L'88 SLL 0810 | ZELO |9810 ol 
SÉ gé Log go 698°9 | L06ʻ9 | 159‘9 6 
9977 626 118 ZETO | EETO | E6T'O 8 
GES > 16 ON SEU rg Log) L 
*691 Log 0‘88 9639 |3639 | Z619 9 
FU Ot Se 0'16 1910 |0910 | LEZO 9 
9°901 SES * 
L ont 6 68 £ 
E Lë ‘16 S 
SE Leg I 
(ewou 3'46) | (wwıou z'eo) BE GER e 
a 1I0X | '‘3eoopug qomman ay 
aoalououa Zooopez Ay woo/woo fl | cseqd 
Jop sne wo0/3 Die mool? "ie 2/3 °)o sunpn3eog | -pug 
mool 94, swnfndeog) | swnin3eog səp 10p 
opggd BEES sop 10403 ap Zuniepug |wnjoA 
-USXOOLL aop — “T9888 M — -umjoA 
yeganga dek) sT SIAS) 
mn jJalalu|l a | œ e | : [>o]? 
/s10E'0 = eyosy erspuy 
*/809'0 = Dad 


TL Lëgrog = Neyadıasse M Honger woo OT yu wnnBeogy He mgo 
TA OABL 


188 H. Reichel: 


Verlust von 19°/,, bei 5,1°/, einen solchen von 53°/, des Volums 
bedingt. Kombinierte Lösungen von Salz und Phenol befördern 
die Schrumpfung weit mehr als eine einfache Superposition 
beider Einzelwirkungen erwarten ließe. 

Die Gewichtsverhältnisse ließen sich annähernd berechnen, indem 
die Summe aller anwesenden Lösungsstoffe (Wasser, Salz, Phenol) 
um das Gewicht der freien Lösung — als spezifisches Gewicht >< Volum 
— vermindert und um das Eiweißtrockengewicht vermehrt wurde. Als 
solches wurde — unter Vernachlässigung der übrigen organischen Serum- 
bestandteile — der Trockenrückstand des Coagulums nach Abzug der 
Salze aufgenommen. 

Die prozentische Gewichtsänderung (Stab 8) der Coagula 
verhält sich in allem der Volumänderung sehr ähnlich, mit 
der einen Ausnahme, daß reine Salzlösungen überhaupt keinen 
nennenswerten Gewichtsverlust — bei mittlerer Konzentration 
sogar einen geringen Gewichtsgewinn — hervortreten lassen. 

Es liegt nahe, diese Ergebnisse dahin zu deuten, daß im 
Coagulum zunächst ein gewisser Raum für imbibierte Außen- 
lösung zur Verfügung steht, der bei steigendem Salzgehalt sich 
zunächst mit dem gleichen Volum der immer schwereren Lösung 
füllt, daß aber bald die maximale Gewichtstragkraft des Co- 
agulums erreicht wird, die sich dann unter entsprechend fort- 
schreitender Volumverminderung auch bis zu hohem Salzgehalte 
hinauf in fast unverminderter Stärke betätigt. Dagegen scheint 
das Phenol von vornherein diese Tragkraft des Coagulums zu 
beeinträchtigen, und es scheint hierin von dem allein wirkungs- 
losen Salz wesentlich unterstützt zu werden. Die Tatsachen 
bekräftigen also die oben entwickelte Vorstellung, daß das Salz 
mit dem Eiweiß nicht direkt in Beziehung tritt. Das Phenol 
tut das aber offenbar in hohem und bei Salzgegenwart in noch 
vermehrtem Maße, was die in Frage stehende Vermutung über 
die Phenollösung durch Eiweiß und die analoge Beeinflussung 
derselben durch NaCl wie beim Öl — vorläufig qualitativ — 
bestätigt. 

Die in mittleren reinen Salzlösungen anscheinend erhöhte Trag- 
fähigkeit des Coagulums könnte mit der von Hofmeister (19) beob- 
achteten erhöhten Quellbarkeit von Leimscheiben in ebensolchen Salz- 
lösungen in Zusammenhang gebracht werden. Die Steigerung ist aber dort 
eine bei weitem größere als in dem vorliegenden Versuche. Ihr entspricht 
eine Erhöhung des Wassergehaltes, die hier fehlt (Stab 9). Die Möglichkeit 
einer echten Tragkrafterhöhung dürfte von der Elastizität, und damit 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 189 


von der Vorgeschichte des Gels abhängen. Das Hitzecoagulum vermag 
wohl infolge geringer Elastizität in schwachen Lösungen seine Tragkraft, 
nicht völlig auszunutzen und damit muß diese geringer erscheinen. Jeden- 
falls sprechen aber Erhöhungen derselben überhaupt nicht wie ausgeprägte 
Erniedrigungen für eine intensivere Lösungsbeziehung zwischen Gel und 
Lösungsstoff. 

Der Volumgehalt des Coagulums an Wasser (Stab 9) konnte 
aus der Differenz des angewendeten Gesamtwassers und des 
freien Wassers berechnet werden. Dasselbe nimmt auch in 
reinen Salzlösungen mit steigendem Gehalt ständig ab, was 
schon nach dem Verhalten des Volumens zu vermuten war. 
In gleicher Weise‘ wurde der Gehalt an Lösungsstoffen im 
Coagulum ermittelt und im Verhältnis zum Volumen desselben 
(Stab 10) sowie zum Gewicht des Trockeneiweißes (Stab 12) 
wiedergegeben. Die letztere Reihe zeigt für die reinen Salz- 
lösungen — entsprechend dem Verhalten der Gesamtgewichte — 
nahezu Konstanz, die erstere einen ziemlich gleichmäßigen 
Anstieg. | 

Die Zahlen der phenolhaltigen Reihen weisen überall das 
schon beim Volum erörterte Verhalten auf. Ein quantitatives 
Erfassen dieses letzteren war nach dem Gesagten durch eine 
Beziehung auf den Phenolgehalt der wässerigen Lösung nicht 
möglich, viel eher von einer solchen auf den Phenolgehalt des 
Coagulums selbst zu erwarten. 

Die Phenolkonzentrationen auf die Lösungsstoffe im Coagulum so- 
wobl als auch auf dieses selbst berechnet, waren ja wesentlich größer 
als die der freien Lösung, und selbst wieder vom Salzgehalt der letzteren 
abhängig. Doch ergaben auch diese Größen, als unabhängige Variable 
betrachtet, keine einfach überblickbaren Verhältnisse der einzelnen Zu- 
stände; d. h. Größe, Gewicht, Wasser- und Lösungsgehalt der Coagula 
sind auch von diesen Werten nicht einfach abhängig. Dies war jedoch 
auch nicht anders zu erwarten, da eine gleichmäßige Verteilung des 
am Coagulum haftenden Phenols über die imbibierte Lösung oder über 
das ganze Coagulum als äußerst unwahrscheinlich gelten muß. 

Schon nach dem bisher Entwickelten muß aber die Vor- 
stellung als die plausibelste bezeichnet werden, daß die imbibierte 
Lösung gleichen Phenolgehalt wie die Außenlösung besitze, 
während der Rest des am Coagulum gebundenen Phenols als 
im Eiweiß, und zwar im annähernd wasserfreien Eiweiß, gelöst 
zu betrachten sei. Eine rationelle Beziehung war danach am 
ehesten zwischen den genannten Quellungszuständen und der 


190 H. Reichel: | 


— allerdings hypothetischen — Volumkonzentration des Phenols 
in der wasserfreien Eiweißphase zu erhoffen. 


Jene Zustände waren für diese Berechnungsweise nicht anders als 
für die bisherigen einzusetzen, mit Ausnahme der Lösungsgehalte der 
Coagula, welche um den Teil des Phenols vermindert werden mußten, 
der als an das Trockeneiweiß gebunden zu betrachten war. Dieser 
Korrekturwert war leicht aus dem Verhältnis Phenol:Wasser in der 
wässerigen Endphase und dem Wassergehalte der Coagula zu schätzen 
und in Anrechnung zu bringen. Die Stäbe 11 und 13 enthalten die ent- 
sprechend korrigierten Werte, d. h. also die mutmaßlichen Mengen der 
mit der Außenlösung übereinstimmenden Lösung im Coagulum. 

Der Phenolgehalt der Eiweißtrockenphase dagegen wäre auf diesem 
Wege nur sehr ungenau berechenbar gewesen. Auf Grund der wiederholt 
erörterten, hier auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfenden Annahme wurde 
jedoch dieser Wert im Rahmen der unten darzulegenden .Phenolver- 
teilungsrechnung unabhängig von den Volummessungen der wässerigen 
Endphase — also wesentlich genauer — ermittelt, und er kann dem- 
nach hier ohne weiteres als unabhängige Variable Anwendung finden. 
Diese Volumberechnung ist naturgemäß von den genannten Hypothesen 
über die Art des Gelzustandes unserer Coagula nicht unabhängig. Als 
Eiweißtrockenvolumen wird die Differenz des Gesamtvolumens und des 
Lösungsvolumens des Ausgangscoagulum angenommen. Es ergibt sich 
bei Serum — Coagulum im Mittel als 6,4°/,, in unserem Falle 6,318°/, des 
Ausgangsgewichtes im Kubikzentimetern. Daß bei vielen Quellungsvor- 
gängen starke Kontraktion nachgewiesen wurde, beweist nichts gegen 
die Stichhaltigkeit dieser Annahme, da es nach dem Gesagten zweifellos 
Gele gibt, für die sie nicht oder nicht so gut wie für unsere Hitze- 
coagula zutrifft. Das aus der Lösung verschwundene Phenol wird seinem 
Hydratvolum nach zu dieser Trockenphase addiert, wobei das Verhalten 
des Phenols zum Öl auch hier als gültig vorausgesetzt ist. 


Stab 14 enthält die entsprechenden aus der Verteilungs- 
berechnung entnommenen Werte dieser Trockenphasenkonzen- 
tration. Während nun Volum, Gewicht, Wasser- und Lösungs- 
gehalt pro Gramm Trockeneiweiß, auch als Funktion dieser 
Variabeln betrachtet, einheitliche Beziehungen der Werte bei 
graphischer Betrachtung nicht hervortreten lassen, ist dies für 
die auf das Coagulumvolumen bezogenen Wasser- und Lösungs- 
gehalte tatsächlich in einem Maße der Fall, das für so un- 
sichere Zahlenwerte als ausreichend bezeichnet werden darf. 
Die graphische Darstellung dieser Abhängigkeit zeigt, besonders 
deutlich für die Volumwassergehalte (Kurvenbild 2), eine ein- 
fache Summierung der Wirkungen des Salzgehaltes der wässe- 
rigen und des Phenolgehaltes der trockenen Phase. Die Be- 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 191 


ziehungen lassen sich in diesem Falle — natürlich nur in grober 
Annäherung — dahin ausdrücken, daß die Wassergehaltsabnahme, 
welche das Coagulum in einer Salzlösung durch das Auftreten 
des Phenols erfährt, der 1,5. Potenz des Phenolgehaltes der 
Trockenphase proportional sei. Der annähernde Parallelismus 
der 3 ausgezogenen Kurven- 


züge, welche die Werte gleichen III] 
Salzgehaltes verbinden, läßt er- | pe 


kennen, daß damit der Einfluß 






oe aks Noaguhuns E g/m 


EENEG ur ae 700 SE 
714 
| IR 
| | IR | 
— | | d | 
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I — | Lee CL ; 
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| | S | | 
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| EEE | | N | 
| | i j | i 
| | | | | 
| | | | | | 
| | | | 
wl Abesohgehalt der Trocken % Aë BA La olgehal der Ir hase Wen! 
50 50 


” 20 30 40 
u Nall-Gehal der wässer Phase % gem 
5 10 15 20 25 


Kurvenbild 2. Kurvenbild 3. 


des Salzes in phenolhaltigen Lösungen recht erschöpfend aus- 
gedrückt ist. Ähnlich verhalten sich die Kurven des Lösungs- 
gehaltes (Kurvenbild 3), deren Betrachtung vielleicht von theo- 
retischen Gesichtspunkten aus richtiger wäre. Sie sind durch 
"eine formal gleichartige Beziehung auszudrücken, in der sich 
die Exponenten dem Werte 2, d. h. die Kurven der Parabel- 
form nähern. Doch ist im einzelnen hier die Übereinstimmung 
eine minder gute, besonders zeigt der NaCl-reichste Wert einen 
noch immer zu großen Lösungsverlust. Die gestrichelten Linien 
der Kurvenbilder zeigen das Verhalten des Coagulums in 
phenolfreien Salzlösungen. | 

Die Tatsache, daß sich die Beziehungen dieser Werte ein- 
fach überblickbar gestalten, darf immerhin für die Richtigkeit 


e, Aë 30 40 
x----« Mall -Gehalt der wässer Phose Vo gf/cem 
5 10 15 20 


25 


192 H. Reichel: 


oder doch Brauchbarkeit der zugrunde liegenden Annahmen 


verwertet werden. 
3. 


Die auf diesen Grundlagen aufbauende Verteilungsberechnung 
selbst erstreckt sich auf 40 Einzelversuche, die in 12 Reihen 
gruppiert mit Serumcoagulum durchgeführt wurden und deren 
wesentliche Daten und Ergebnisse in Tabelle VII geordnet 


erscheinen. 

Die durch Messungen im einzelnen Falle ermittelten Werte sind 
von den als Mittel aus anderen Versuchen angenommenen oder aus 
bereits wiedergegebenen Daten durch reine Rechenoperationen gewonnenen 
Zahlen durch den Druck unterschieden. 

Die Nummern des 1. Stabes kennzeichnen die zeitliche Reihenfolge 
der angestellten Untersuchungsreihen. Die Temperatur (Stab 2) wurde 
in den anfänglichen Versuchen nicht genau kontrolliert und ist für 
diese mit 17,50 C angenommen, später wurde sie innerhalb der einzelnen 
Reihen teils absichtlich stark variiert, teils bei 17,5 oder 15° C konstant 
erhalten. Stab 3 bis 7 gibt die für die Berechnung wesentlichen Daten 
über das verwendete Coagulum. Der Wassergehalt wurde für die 
Reihen 1, 11 und 12 bestimmt, bei den übrigen als Mittel der drei Be- 
funde angesetzt. Der Salzgehalt des Serums wurde in den Versuchs- 
reihen 2, 3 und 12 kontrolliert, sonst mit 0,90°/,, davon 0,60°/, NaCl 
angenommen. Das spezifische Gewicht des Coagulums ist in der 
L Reihe mittels des Pyknometers, in der 2. mit der Mischmethode ge- 
prüft, in den Reihen 11 und 12 aus dem Vergleich des Wassergehaltes 
mit dem Coagulum der Reihe 1 berechnet, sonst mit 1,0321 als Mittel- 
wert angenommen. Der Wert für Trockeneiweißvolum pro Gramm Aus- 
gangscoagulum (Stab 7) ergibt sich aus den jeweiligen spez. Gewichts-, 
Wasser- und Salzgehaltswerten in der dargelegten Weise. Der Meßfchler 
des wässerigen Ausgangsvolumen (Stab 8) konnte nach wiederholten 
Eichungen der benutzten Pipetten nur einen Bruchteil von 0,01 com 
betragen. Die Phenol- und Kochsalzwerte wurden in der für die Ölver- 
suche beschriebenen Weise durch Titration ermittelt. Filtration der 
Endphase war auch hier nötig, um Br-Verlust durch mitgerissene 
Coagulumstückchen zu vermeiden. In den angegebenen Gleichgewichts- 
Salzgehalten (Stab 12) sind durchweg auch die anderen Salze des 
Serums als NaCl mitgerechnet, da der Unterschied ihrer Wirkung auf 
die Verteilung nur einen geringeren Fehler als ihre Vernachlässigung 
bedingen kann. Ihre Menge ist überall als die Hälfte (21) der festge- 
stellten oder angenommenen Serumkochsalzmenge eingesetzt. In den 
Reihen mit Salzzusatz wurde bei 11 und 12 der NaCl-Endgehalt der 
wässerigen Phase ebenfalls bestimmt und mit dem der Ausgangsphase 
zu einer Kontrolirechnung der NaCl-Verteilung benutzt, deren Ergebnis 
für Reihe 12 in Tabelle VI wiedergegeben wurden, für Reihe 11 ähnlich 
gut übereinstimmende Werte ergab. In den Reihen 9 und 10 wurde 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 193 


Tabelle VII. 
je|s|=]j5|e I7]|s|s |o|n|m|n|u 




























$ 8 E Phenolgehalt N SL Gehalt Volumver- 
JE aplat Cl air 
F S d Ge- = g 5 3o Trocken- 
S 2 wi 3 ze g S eiweiß 
F s g 3 P EE S Wasser 
> =S js 
Nr. 


3,48921 90,434| 0,90 | 1,0313| 6,2631 20,00| 2,003 | 1,570 
4,2231 n n „ nm „ 7,563 | 5,258 


4,6651| 90,347| 0,90 | 1,0320| 6,3181 ,, | 0,9854| 0,7459 







3,6982) „ S R „ | „ 11964 |1,538 | — 
3,8773 „ S 8 „ | „ 14665 |3,388 | — 
3,571 n n n `j » „ 7,561 | 5,439 — 
7,0915| 90,277) „ |1,0321 6,3801, |0,5262| 0,3550} — 
3212] „ S S „ 1» 10,9893| 0,8227] — 
1,9073 n n ”„ „ „ 1,891 — 
8,5548 ,„ S S ” |? 13,606 12,087 | — 
8,5970 „ $ Bi „ | „ 14545 |2,642 | — 
1,6392 n n d 1) „ 7,308 | 4,226 
9,2846) „ 10,90) „ „ | » (1878 | 1,120 

7,6393) „ 8 e „1 » 17567 46711 — 
11,0467| „ P e , LU, 17593 |3,749 | — 
11,9581 9 n E 39 19 7,593 3,642 — 
6,7939 n n 19 „ 99 0,471 0,33 — 
6,8123 n ” IN „ „ 0,941 0,6513 — 
6,7122): „ 5 „ | „ 11882 |1,340 | — 


0,941 | 0,3934] — 


1,878 | 1,064 
1,878 | 1,078 
7,148 | 3,575 
7,148 | 3,661 


0,7903! 0,2425| 28,67 | 17,256|28,44| 8,46 


1,256 | 0,7695| 4,740! 3,754|10,67| 8,01 
1,306 | 0,7367| 10,483! 8,074|14,70| 8,34 
1,232 | 0,5985| 19,19 | 14,618125,34| 9,07 
0,7695| 0,3272| 30,24 | 25,013|56,62\ 9,77 


1,345 | 0,8198] 5,266! 4,147| 9,47| 7,07 
7,68 
1,371 0, 6101] 21, ‚06 16, 266 24, 53| 8,38 
0,7141| 0,2878 30, ‚10 | 22,673|37,58| 7,64 


1,938 | 1,295 
3,877 | 2,687 
7,573 | 5,097 
1,868 | 1,136 ; , 5 
1,786 |0,9933| 16,31 | 13,197]22,94| 9,07 
3,621 | 2,217 


Biochemische Zeitschrift Band 22. 13 


194 H. Reichel: 


die Berechnung nach ganz analogen Prinzipien wie bei den Ölversuchen 
durchgeführt. Dabei waren die Gesamt-Salz- und Wassermengen um 
die aus dem Coagulum stammenden Mengen zu vermehren; für 
die nur bei einigen Versuchen überhaupt in Betracht fallende Korrektur 
auf das verlorene Phenolhydratwasser durfte die annähernd verlorene 
Phenolmenge als Differenz des Gesamtphenols (Av >x< Ap/ccm) und des 
Produktes des Endphenolgehaltes mit der Summe von Ausgangsvolum 
und Coagulumwassergewicht — anstatt des Coagulumlösungsvolums — 
also: Ep/ocm (Av--Cw/g Cg) angesetzt werden. 

Diese beiden gleichen Korrekturrechnungen waren als erschöpfender 
Ausdruck der gegenüber den Ölversuchen geänderten Bedingungen auch 
in die Berechnung der Teilungsfaktoren einzuführen, die sich naturgemäß 
wieder nach einem für salzhaltige und salzfreie (bzw. -arme) Versuche 
formal übereinstimmenden Schema, hier: 


Trockeneiweiß 
F (= — ) = Ep/cem 
Tv/g-Cg Es— Ep/ccm 
E BB EC HR + 1,0258 


(Ap/ccm - Es — Ep/com - As) — Ep/com - — (Cw/g + Ck/g) + 


-+ 0,0957 Ep/com (Ap/ccm — Ep/cem — Ep/cem-Cw/g-Cg/Av) 
gestalten ließ. 






Reduzierter Tulungsfahlor - 


6 5 
Phenolgehe# % gës 
x Versuche mit NaCl-Zusatz. o Versuche ohne NaCl-Zusatz, daneben die NaCl-Gehalte 
in °/,g/ccm, im Zusammenhang gewonnene Werte sind verbunden. 


Kurvenbild 4. 


Ein Überblick über die Ergebnisse dieser Rechnung 
(Stab 13) lehrt zunächst für die Versuche ohne Salzzusatz im 
großen und ganzen das Zutreffen einer Übereinstimmung der 
Teilungswerte für verschiedene Phenolgehalte der Lösung. Bei 
genauerer Betrachtung, die besonders durch die graphische 
Darstellung (Kurvenbild 4) erleichtert wird, ist allerdings eine 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 195 


gewisse Abhängigkeit der Werte von dem innerhalb der einzelnen 
Reihen ansteigenden Phenolgehalt nicht zu verkennen, Die 
13 Teilungswerte in Lösungen, die über 2°/, Phenol enthalten, 
erweisen sich als ausreichend konstant; ihr Mittel beträgt 9,75, 
die Zerstreuung der Einzelwerte um dasselbe ist ziemlich 
symmetrisch nach oben und unten gruppiert, die Abweichung 
beträgt im Maximum 1,24, im Mittel 0,41. Demgegenüber 
zeigen die Werte der Versuche mit schwächeren Lösungen einen 
deutlichen Gang mit dem Phenolgehalte, und zwar in der 
Weise, daß sich dieselben von rund 7,0 bei der schwächsten 
untersuchten Konzentration (etwa 0,3°/, Phenol) mit deren 
Ansteigen zu dem obigen Konstanzwerte allmählich erheben. 
Einzelne Versuchsreihen (6 und 12) weisen dabei noch niedrigere, 
aber ebenfalls regelmäßig ansteigende Zahlen auf. 

Diese Befunde sind wohl am einfachsten dahin aufzufassen, 
daß eine echte Verteilung des Phenols zwischen Eiweiß und 
Wasser in dem angenommenen Sinne tatsächlich besteht, daß 
aber die gemachten Annahmen in schwachen Phenollösungen 
weniger genau zutreffen als in stärkeren. Oberhalb eines 
Phenolgehaltes von 2°/, ist demnach die Eiweißphase in auch 
für diese Betrachtung ausreichender Annäherung als wasserfrei 
zu betrachten, während bei geringeren Gehalten noch kleine 
Wassermengen im Eiweiß gelöst sein dürften, die zwar nicht 
für die Berechnung der Kochsalzverteilung, wohl aber für die 
weitaus schärfere der Phenolverteilung ins Gewicht fallen. Ob 
damit das wahre Volum der Eiweißphase als größer oder 
kleiner als es für die Berechnung angenommen wurde, gedacht 
werden muß, ist nicht mit völliger Sicherheit zu entscheiden, 
weil die hier jedenfalls beträchtlichen Kontraktionsverhältnisse 
unbekannt sind. Rodewald (23) hat bewiesen, daß gequollene 
Stärke ein absolut kleineres Volumen als getrocknete einnehmen 
könne. Immerhin wird für eine relativ stärkere Wasserauf- 
nahme, wie sie in unserem Falle vorliegen dürfte, eine absolute 
Vergrößerung der gesammten Phase anzunehmen sein, so daß 
sich bei Kenntnis und Berücksichtigung der tatsächlichen Ver- 
hältnisse der Teilungsfaktor für diese phenolärmeren Versuche 
noch weiter erniedrigen würde. 

Es ist dann aus den dargelegten Ergebnissen zu schließen, 


daß das Eiweiß ein um so schlechteres Lösungsmittel des 
13* 


196 H. Reichel: 


Phenols vorstellt, je mehr echtes Quellungswasser es enthält, 
daß aber das Phenol selbst dieses letztere nach Maßgabe seiner 
Konzentration zu verdrängen imstande ist. Die Erklärungs- 
weise steht in Analogie zu der Vorstellung, daß eine Phenol- 
hydratphase durch die Gegenwart von Öl Wasser verliere, 
welche im Vorausgehenden zum Verständnis der dort beobach- 
teten Löslichkeitsverschiebungen herangezogen wurde. 

Als weiteres nicht unwichtiges Ergebnis läßt sich aus den 
Versuchen 5 und 8 ableiten, daß der Einfluß der Temperatur 
auf die Verteilung ein geringer sei. Alle diese Versuche weisen 
aber in der Richtung einer leichten Verschiebung der Verteilung 
zugunsten des Wassers bei steigender Temperatur, wie ja 
auch für Öl bei 100° C ein wesentlich niedrigerer Faktor zu 
beobachten war. 

Was nun den Einfluß des Salzgehaltes betrifit, so ist der 
starke Ausschlag in der erwarteten Richtung einer Verschiebung 
der Teilungsfaktoren zugunsten der Eiweißphase auf den ersten 
Blick zu erkennen. Einer quantitativen Auswertung in der 
für die Ölversuche geübten Form stand aber das Bedenken 
gegenüber, daß hier der Annahme eines mittleren Normal- 
teilungswertes nach dem Dargelegten eine starke Willkürlichkeit 
angehaftet hätte, um so. mehr, als der Phenolgehalt der Gleich- 
gewichtsphase in allen Salzversuchen — eben infolge der Ver- 
schiebung des Teilungsfaktors — niedrig, in fast allen kleiner 
als 2°/,, war. Aus diesem Grunde wurde der umgekehrte Gang 
der Rechnung eingeschlagen, d. h. es wurde in der an den 
Ölversuchen bestätigten Beziehung: 

Faacı — F, . ex «Ek/cem, 
das k mit dem dort ermittelten Werte von 7,03 angenommen 
und der zu jedem Versuche gehörige F,-Wert, der Normal- 
faktor, bestimmt. Die Bestätigung der Gesetzmäßigkeit mußte 
sich so daraus ergeben, daß die auf Salzfreiheit der Lösung 
reduzierten Werte mit den ohne Salzzusatz gewonnenen über- 
einstimmen sollten. 

Dabei war nun aber auch der geringe Salzgehalt dieser 
letzteren nicht mehr zu vernachlässigen und leicht zu berück- 
sichtigen, indem dieselbe Methode der Reduktion auf Salz- 
freiheit an allen Versuchen gleichmäßig durchgeführt und der 
Vergleich an den so gewonnenen Werten angestellt wurde 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. II. 197 


(Stab 14). Wie ein Blick lehrt, hat das Verfahren für die 
Werte der salzarmen Versuche lediglich die Bedeutung einer 
geringfügigen Korrektur, während die Zahlen der Salzversuche 
damit sowohl untereinander als auch mit den ersteren eine weit- 
gehende Annäherung erfahren. Der Mittelwert der 13 konstanten 
Normalversuche (über 2°/, Phenol in der Lösung) lautet nun- 
mehr 9,59, die maximale Abweichung 1,21, die mittlere 0,32, 
die Art der Zerstreuung der Werte erfährt keine Veränderung. 

Die reduzierten Teilungswerte der Salzversuche lassen, wie 
das Kurvenbild am einfachsten zeigt, die oben festgestellte 
Abhängigkeit vom Phenolgehalte nur insoweit erkennen, als die 
einzige bei mehr als 2°/, Phenol gewonnene Zahl auch die 
höchste ist und unter den phenolarmen Proben den minder 
salzreichen immer besonders niedrige Teilungswerte zukommen. 
Diejenigen der salzreichen Lösungen liegen aber meist dem 
genannten Normalmittelwert nahe. Es darf danach im Sinne der 
obigen Erklärung angenommen werden, daß das Salz nur in 
recht hohen Konzentrationen eine annähernd so vollständige 
Entwässerung der Eiweißphase bewirkt wie das Phenol schon 
in recht geringen, was mit dem erörterten Verhalten des Ge- 
samtquellungswassers des Coagulums völlig übereinstimmt. 

Der Mittelwert aller reduzierten Faktoren der 13 Salzver- 
suche ergibt sich mit 8,50, die maximale Abweichung als 1,7, 
die mittlere 0,75, die Zerstreuung der Werte ist eine ziemlich 
gleichmäßige. Sowohl der geringere Mittelwert als auch die 
größeren Schwankungen sind nach dem Gesagten durchaus 
verständlich. Die letzteren dürften größtenteils auf tatsächlichen 
Unterschieden des Gehaltes an molekularem Quellungswasser 
beruhen, welche vielleicht durch ähnliche exaktere Feststellungen 
in ihrer Gesetzmäßigkeit überblickbar werden könnten. 

Jedenfalls beweist aber der vorliegende Grad von Über- 
einstimmung den im wesentlichen gleichartigen Einfluß der 
Salzgegenwart auf die Phenolverteilung zwischen Wasser und 
einer Eiweißphase wie zwischen Wasser und Öl. 

Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen stützen wieder ihrer- 
seits durch ihre verhältnismäßige Einfachheit und ihre Über- 
einstimmung mit der Erwartung die Brauchbarkeit bzw. die 
Richtigkeit der über die Natur des vorliegenden Gelzustandes 
gemachten Annahmen. 


198 H. Reichel: 


4. 


Anhangsweise wurden ähnliche Untersuchungsreihen auch 
mit Bakterienmassenkulturen als eiweißreiche Phase durch- 
geführt. Damit sollte einerseits der Versuch gemacht werden, 
doch auch noch das native Eiweiß des Zellleibes auf sein 
chemisches Verhalten zum Phenol im zweiphasigem System zu 
prüfen, andrerseits schien es gerade im Hinblick auf die zu 
suchende Beziehung dieses Verhaltens zur Desinfektionskraft 
erwünscht, die gewonnenen Vorstellungen über den physikalisch- 
chemischen Ablauf der Vorgänge an Bakterienleibern selbst be- 
stätigt zu sehen. 


Es wurden zu dem Zwecke Massenkulturen von Bacterium pyo- 
cyaneum auf der Oberfläche sterilisierter Kartoffelscheiben angelegt 
und in feuchter Kammer etwa 10 Tage bei 37° C gehalten. Darauf 
wurden die üppigen Kulturrasen, die eine halbfeste, schleimig zähe 
Masse vorstellten, abgestreift und vereinigt. Diese Masse war nunmehr 
in ganz gleicher Weise, wie sonst die Serum-Coagula zu den Teilungs- 
versuchen heranzuziehen, nachdem ihr spezifisches Gewicht mittels der 
Mischmethode, ihr Wasser- und Eiweißgehalt durch Trocknung ermittelt 
war. Die Trennung der Phasen sollte durch Abzentrifugieren der durch 
das Schütteln aufgewirbelten, fast gleichmäßig in der Lösung verteilten 
Bakterienleiber geschehen. Dabei ergaben sich Schwierigkeiten, die eine 
genauere reohnerische Behandlung dieser Versuche sehr erschwerten, zum 
Teil unmöglich machten. 

In den salzfreien Versuchen war eine Klärung durch Zentrifugieren 
nur sehr unvollkommen erreichbar, Um einen Überblick über die Menge 
der suspendiert gebliebenen Bakterienmasse zu gewinnen, wurden Proben 
der wässerigen Gleichgewichtsphase getrocknet, was ergab, daß bei der 
Mischung von rund 0,3 g Bakterienmasse mit 4,0 ccm Wasser fast die 
Hälfte, bei rund 1,0 g mit 10 ccm sogar 7/iọ der Bakteriensubstanz sich 
noch in der Lösung befanden. Dieses Ergebnis wollte jedoch zu der 
Intensität der Trübung im Verhältnis zur abzentrifugierten Masse keines- 
wegs stimmen, so daß außer der mangelhaften Sedimentierung auch 
echte — oder kolloidale — Lösung eines wesentlichen Anteiles der Bak- 
teriensubstanz anzunehmen war. Gesetzmäßige Beziehungen dieses Lösungs- 
vorganges ließen sich nicht erkennen. 

Die Berechnung, welohe der Vergleichbarkeit halber in derselben 
Weise wie für die Coagulumversuche nur mit einigen weiteren Ver- 
nachlässigungen — z. B. des Hydratwassers, des Salzgehaltes der Bak- 
terien und der Kontraktionsvorgänge — durchgeführt werden sollte, war 
hierdurch für diese Versuche fast illusorisch gemacht. Es konnte zwar 
das Br-Bindungsvermögen der Bakterienmasse bestimmt und für die 
Berechnung der Phenoltitration der Endlösung in Anrechnung gebracht 
werden, doch gestatteten die oft nur geringen Reste der übrig gebliebenen 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. IL 199 


Bakterienmasse keine genügend sichere Volumberechnung. Es ergaben 
sich äußerst schwankende Werte des Teilungsfaktors, die beispielsweise 
in einer Versuchsreihe 9,8, 6,1, 18,1 lauteten. Immerhin ist auch hieraus 
die Richtung einer weitaus höheren Löslichkeit des Phenols im Bak- 
terieneiweiß als im Wasser zu erkennen, die mit derjenigen im Serum- 
eiweiß wenigstens der Größenordnung nach übereinstimmt. 

Etwas günstiger lagen die Verhältnisse bei den Salzversuchen. Hier 
konnte leicht eine klare und farblose Lösung gewonnen werden. In den 
ersten der 2 Versuchsreihen, die nur aus je 2 Einzelversuchen bestanden, 
wurde das Zurückbleiben von Bakteriensubstanz in der wässerigen 
Lösung aus diesem Grunde überhaupt vernachlässigt, was jedoch, wie 
eine Nachprüfung im 2. Versuche lehrte, keineswegs angeht. Hier be- 
fanden sich trotz völliger Klarheit bei 10 com Lösung und 0,6 com Bak- 
terienmasse etwa 1/ der letzteren in Lösung. Die Berechnung des 1. Ver- 
suches ist deshalb mit unbekannten Fehlern behaftet. Sie ergab 18,4 
und 22,6 als Teilungsfaktoren für rund 5 und 10°/, Kochsalzgehalt, was 
auf Salzfreiheit reduzierten Faktoren von 12,0 und 7,4 entspricht. 


Tabelle VII. 
ıl|l.2|s:s/l:| s:s | ss | Is 
Phenolgehalt Gehalt der] yojumver- 


0 wässerigen : 
* E | nen 










der wässerigen 
terien- Aus- Tr — substanz 
— substanz 


Die gi com 


0.6320 | 10,00 12,150 1,772 | 5,598 0,48 24.62 | 1440 14,40 
0,5567 | 10,00 | 1,087 |0,7879| 11,23 0,40 48.50 | 14,16 


Die 2., nach dem Gesagten allein tunlich exakte Ver- 
suchsreihe mit Phenolsalzlösungen (Tabelle VIII) ergab als 
Faktoren 24,62 und 48,50 für 5,59 und 11,23°/, NaCl-Gehalt. 
Dies entspricht den reduzierten Faktoren 14,4 und 14,2. Dürfte 
man aus dieser — wohl nur zufällig so guten — Übereinstimmung 
Schlüsse ziehen, so wäre das Bakterieneiweiß als noch besseres 
Phenollösungsmittel als das Serumeiweiß zu betrachten. Viel- 
leicht könnten ähnliche exakte Feststellungen zu einer ratio- 
nellen Grundlage der ‚inneren Antisepsis‘‘ führen. 

Jedenfalls erscheint durch die dargelegten Versuchsergebnisse 
das Verhalten des Bakterienleibes zum Phenol als wesentlich 
gleichartig mit dem der Serumcoagula erwiesen. Auch hier findet 
eine echte Lösungsverteilung statt, deren Gleichgewicht 
durch Salzgegenwart in typischer Weise zu verschieben ist. 





Berichtigung. 


Band 21 8. 116 4. Zeile von unten: 


P. Großer, Berl. klin. Wochenscohr. 1909, 595 statt Münch. med. 
Wochenschr. 1908. 


Band 21 S. 533 20. Zeile von unten: 
statt Allochlorophyli zu lesen Alkachlorophyli, 
ebenso auf S. 546 Zeile 13 und Zeile 24 von oben. 


Zur Theorie der Desinfektion. 
I. Abhandlung. 
Die Desinfektionswirkung des Phenols. IH. 


* Von 
Heinrich Reichel. 
(Aus dem Hygienischen Institute der k. k. Universität in Wien.) 
Mit 3 Kurvenfiguren im Text. 
2. Fortsetzung und Schluß. 


Die desinfizierende Wirkung des Phenols und ihre 
Beeinflussung durch NaCl. 


l. 


Die Frage, ob die im vorstehenden dargelegten Beziehungen 
des Phenols zu den Körpersubstanzen tatsächlich für seine 
tötende Wirkung maßgebend seien, war aus den bisher über 
diese Wirkung vorliegenden Tatsachen nicht exakt zu ent- 
scheiden. Die eingangs genannten Arbeiten, die sich mit der 
Phenolwirkung und deren Alteration durch Salzgegenwart be- 
fassen, begnügen sich meist mit der Feststellung starker quali- 
tativer Wirkungssteigerung einer bestimmten Phenolkonzentra- 
tion durch das Salz. Ein quantitativer Vergleich solcher Be- 
funde ist aber so lange unmöglich, als nicht die gegenseitige 
Abhängigkeit von wirksamer Konzentration und Zeitdauer bis 
zur erfolgten Wirkung festleet, Ein solcher Vergleich hätte 
also zunächst von der Feststellung auszugehen, welche ver- 
schiedenen Phenolgehalte mit und ohne bestimmten Salzgehalt 
gleiche Wirkung ausüben. Die Erwartung, daß diese Kon- 
zentrationsgefüge dieselben sein müßten, welche nach dem Vor- 
ausgehenden in anderen, damit ins Gleichgewicht gesetzten 
Phasen gleiche Phenolgehalte bedingen, schließt die Annahme 


in sich, daß der bei der Verteilung des Phenols zwischen Lösung 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 14 


202 H. Reichel: 


und Bakterienleib eintretende Konzentrationsverlust für die 
Lösung vernachlässigbar gering sei. Bei der relativen Klein- 
heit der Bakterienphase im gebräuchlichen Desinfektionsver- 
such trifft das wohl auch mit ausreichender Genauigkeit zu, 
wie ja auch die allgemein herrschende Lehre dahin geht, daß 
Phenolkörper bei der Desinfektionswirkung ihre Konzentration 
nicht verändern. Unter dieser Voraussetzung würde die Be- 
stätigung jener Erwartung bedeuten, daß der Phenolgehalt der 
Bakterienphase selbst die Wirkung eindeutig bestimme. 

Solche Feststellungen liegen nur in ganz ungenügendem 
Maße vor. Scheurlens (1l) erste Angabe, daß phenolgesättigte 
Salzlösungen ähnlich wirksam seien wie salzfreie gesättigte 
Phenollösung, könnte als die einfachste, allerdings recht vage 
Bestätigung der obigen Annahme betrachtet werden. Denn es 
ist klar, daß alle phenolgesättigten wässerigen Phasen, die sehr 
verschiedenen Phenolgehalt aufweisen, auch gesättigten Phasen 
der Bakteriensubstanz entsprechen müssen, die sehr ähnliche 
— wenn auch gerade nach den Erfahrungen über gesättigte 
Lösungen nicht gleiche — Konzentration besitzen. Andere 
Feststellungen jener Autoren widersprechen unseren Annahmen 
nicht, wenn sie auch zu ihrer quantitativen Bestätigung nicht 
heranziehbar sind. Die Entscheidung war also in neuen Ver- 
suchen anzustreben. 


Zunächst wurde die Frage so gestellt, ob Konzentrations- 
gemische von Phenol und NaCl, welche nach der gefundenen 
Gesetzmäßigkeit einen gleichen inneren Phenolgehalt der Körper- 
substanzphasen bedingen, auch tatsächlich gleiche desinfizierende 
Wirkung entfalten. 


Die Höhe soloher Konzentrationen war nach dem Vorausgehenden 
aus der Gleichung: 


Ph /comy, a= Ph/oom e_ 703 NaCl/ccm 


zu entnehmen, sobald irgendwelche Zahlen für die salzfreie Vergleichs- 
lösung (Ph/ccm) und für die heranzuziehenden Salzgehalte (NaCl/ccm) 
eingesetzt waren. Auf diesem Wege wurde die Zusammensetzung von 
Lösungen berechnet, die mit 1°/,iger Phenollösung bei 5, 10, 15 und 
20°/, NaCl übereinstimmende Wirkung hätten entfalten müssen. Die 
für 10 com Gesamtvolum entfallenden Stoffe wurden auf 6,5 com gebracht 
und zu 3,5 ccm einer dichten Bakterienaufschwemmung zufließen ge- 
lassen. Als Bakterien kamen Typhusbacillen und Staphylokokken zur 
Anwendung. Die Herstellung der Aufschwemmung geschah durch Ab- 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. IL 203 


spülen von Schrägagarkulturen mittels sterilen Wassers, die bei Typhus- 
bacillen einen, bei Staphylokokken zwei Tage alt waren. Die Abschwem, 
mung wurde durch Leinwand koliert. Für eine Serie gleichzeitig ange- 
stellter Versuche wurden die Kolate gemengt; jedem Versuch — also 
je 3,5 com Ausbeute — entsprach dabei ein Kulturröhrchen. Nach der 
Mischung von Desinfiziens und Aufschwemmung wurde mittels einer 
kleinen — und zwar immer derselben — Platinöse in den bestimmten 
Zeitintervallen in 100cm steriler Bouillon überimpft, die dann mindestens 
8 Tage hindurch bei 37° C gehalten und beobachtet wurden. Die 
Methodik war auch in allen später anzuführenden Desinfektionsversuchen 
wesentlich dieselbe, nur wurde in den ausgedehnteren Reihen das Gesamt- 
volum der einzelnen Versuchslösungen auf 5 ccm, das der Aufschwem- 
mung auf 1,8 com — also einem halben Kulturröhrchen entsprechend — 
reduziert. Ein störender Einfluß einer durch die Mitübertragung von 
Desinfiziens bedingten Entwicklungshemmung kann ausgeschlossen werden, 
da gerade dem Phenol eine solche Wirkung, wenigstens in den in Be- 
tracht kommenden Verdünnungen, überhaupt nicht zukommt (10). Natur- 
gemäß sind nur solche Versuche als untereinander vergleichbar zu be- 
trachten, welohe gemeinsam, d. h. gleichzeitig mit identischem Bakterien- 
material angestellt sind. 


Tabelle IX. 
Versuche mit Typhusbacillen. 
EE 


N Phenoll NaCl Zeit in Minuten 
r. 














OWN 
1 [100 sera fee 
0,70 sI-|I-|-|i-|-|-|I-|-;,-|- 
0,50: pio paete 2 el ee ee E 
GC Er CR E EE KEES Se S 
"CC 20 EE RE EE E E ER ER EE E 
2 | 1,00 +|+| +! +|+!|!+1|I-|-|-|- 
10,80 sI-|-|-j-|!I-|-!-|-|-|- 
0,75 5sI+| -| -|-|-|-i-|-|-|- 
0,70 Eee ee ae 
3 | 1,100 +|+|+|-|!-| — — — — — 
AIR + +| —. — — — — — — — 
0975| 5 I +! . . — — — — — — — 
4 | 1,90 Eu EE een es 
0,70 Ss I+|+|+|-|+|)-|-|-|-|- 
0,65 5 I|+| +, —... — — — — — — — 
0,60 sI+| + | +! + | + | +|I +1 + + | + 





Die ersten der oben dargelegten Versuche sind mit ihrem 
Ergebnis in Tabelle IX 1 und X 2 und 3 wiedergegeben. Das 


Verhältnis der Konzentration von Phenol und Salz gestaltet 
14* 


204 H. Reichel: 


sich durch Zufall sehr einfach überbliokbar. Die Größe der 
Konstanten unserer Gleichung bedingt, daß dem Werte von 
10°/, NaCl recht genau die Hälfte desjenigen Phenolgehaltes 
entspricht, der damit in salzfreier Lösung verglichen werden 
soll. Der Form der Beziehung gemäß entspricht sodann 5°/, 
NaCl 1/V2= 0,7, 20°/, NaCl !/, des salzfreien Phenolgehaltes. 


Tabelle X. 
Versuche mit Staphylokokken. 









Zeit in Minuten 





Nr. 

1 į 1,00 + + — + = — al = 
0,70| 5 + | + = + + +++ — 
0,50 | 10 + | |+ + + + + +++ + 

2 11,00 ze er = ie = BEN Ee E | 
0,70| 5 Pass S = = EERE 
0,50 | 10 zira S _ u Bas 
0,351] 15 — + = = Zeg REN BE 

3 [1,00 z Se — 
0,701 5 + Sg = ll 
0,50 | 10 + — |-/+.+ 
0,35 | 15 = - (Ui Il + 

4 [1,00 ++ lara ri | | 
os| 5 OG) Li | | 
0,80] BM I+H-+[-1-| I-1-|- | är? 

5 |1,00 ++ (+++ +++ | | 
077| 5 HR zë Col: | 
0,74| 5 ++ H+ It | 








In den Reihen 1 der Tabelle IX und 2 der Tabelle X 
waren die verwendeten Bakterienstämme zu wenig resistent, als 
daß ein exakter Vergleich des Ergebnisses möglich wäre. Die 
drei ersten Gemische wirken allerdings gleichmäßig, aber durch- 
wegs schon vor der zuerst untersuchten Zeit (1 bzw. 5 Minuten) 
abtötend. Der letzte Versuch ergibt in beiden Reihen eine 
etwas spätere Wirkung (nach 3 bzw. 5 Minuten). In den 
Reihen 1 und 3 der Tabelle X waren die Staphylokokken 
wiederum eher zu resistent, indem sie dreimal bis zur zuletzt 
untersuchten Zeit am Leben blieben. Doch ergibt sich in beiden 
Versuchsreihen eine vergleichsweise raschere Wirkung der phenol- 
reichen, salzärmeren Lösungen, so daß eine Bestätigung der 
obigen Annahmen aus all diesen Versuchen nicht abgeleitet 
werden kann. Immerhin waren wenigstens im Versuche X 1 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 205 


die sicheren Unterschiede in der Wirkung so sehr verschieden 
phenolhaltiger Lösungen nicht groß. Dabei erscheinen die bei 
Desinfektionsversuchen immer zu beobachtenden Unregelmäßig- 
keiten, Sprünge der Wirkung, gerade in diesen Versuchsreihen 
so stark vertreten, daß sie jedenfalls auch nicht für eine Wider- 
legung der Annahme wesentlich übereinstimmender Wirkung 
als ausreichend zu betrachten sind. 

Um nun auch über den Grad der Genauigkeit solcher Ver- 
suche ein Urteil zu gewinnen, wurden die nächsten Reihen 
(Tabelle IX 2 bis 4, Tabelle X 4 und 5) mit der etwas ge- 
änderten Fragestellung durchgeführt, welober Phenolgehalt bei 
Gegenwart einer bestimmten Salzmenge (5°/, NaCl) mit 1°/, 
Phenol in salzfreier Lösung gleich wirksam sei. Dabei ergibt 
sich das folgende: Konzentrationen über 0,70°/, Phenol mit 
BIL, NaCl wirken durchweg, nämlich bei 0,90, 0,80, 0,77, 0,75 
und 0,74°/, stärker, d. h. rascher als reine 1°/,ige Phenol- 
lösung, 0,70°/, Phenol mit 5°/, NaCl wirkt in drei Versuchen 
sehr ähnlich, aber immer etwas stärker als 1°/, Phenol, 0,675 
und 0,65°/, verhalten sich ebenso, und erst 0,60°/, wirkt mit 
5°/, NaCl deutlich schwächer als 1°/, Phenol allein. 

Dieser Befund läßt unsere Annahme allerdings in gröbster 
Annäherung als zutreffend erscheinen, doch sind die dabei 
möglichen Abweichungen zu groß, um hierin eine ausreichende 
Bestätigung derselben zu erblicken. Im Gegensatz zu den zuerst be- 
sprochenen Versuchen weisen die hier beobachteten Wirkungs»- 
differenzen eher auf eine stärkere als auf eine schwächere Des- 
infektionskraft der salzhaltigen Lösungen im Vergleich zur Er- 
wartung nach der zu prüfenden Gesetzmäßigkeit hin. Wenn 
such diesem Ergebnisse im Hinblick auf die etwas größere 
Regelmäßigkeit des Ausfalles der Versuchsreihen eine gewisse 
Bedeutung beigemessen werden darf, so kann dieselbe doch auch 
in dieser Richtung keineswegs als entscheidend gelten, da ee 
such hier an widersprechenden Ergebnissen nicht fehlt, die die 
Genauigkeit der gemachten Feststellungen sehr gering erscheinen 
lassen. 

Es erschien nun vor allem zur Ausschaltung von Zufällig- 
keiten nötig, die Zahl der vergleichbaren, d. h. im Zusammen- 
hang angestellten Versuche wesentlich zu vermehren. Dazu ge- 
sellte sich die Überlegung, daß auch eine einwandfreie Beob- 


206 H. Reichel: 


Tabelle 
Versuch mit 








Zeit in Minuten 






















































































| (al Lol | | 
-|+| | | | 
Er 
+| -+l#+1l-1--- 
+ 
See EE E | 
+ Be LU 
+ r > | 
+ [+ + | 
| | 
| 
del" er | 
+ [+ + 
| | 
| a 
WW 
at U e a e ann 
CR. (des en 14 
bd | | 
ARER TT 
| | | Mu Kai | | 





achtung von Abweichungen in der Wirksamkeit der für die 
Phenolverteilung gleichwertigen Lösungen bei der bisherigen 
Versuchsanordnung keinen Beweis gegen die eindeutige Ab- 
hängigkeit der Abtötungswirkung von der Erreichung einer 
bestimmten Innenkonzentration hätte abgeben können. Es ist 
durchaus denkbar, ja selbst wahrscheinlich, daß die Geschwindig- 
keit, mit der dieser maßgebende Zustand erreicht wird, nicht 
allein von der überhaupt erreichbaren, d. h. der Gleichgewichts- 
konzentration abhängt, sondern daß sich auch andere Einflüsse 
darauf geltend machen, etwa die sehr ungleiche Phenoldichte 
in der Lösung in der Richtung langsamerer Diffusion in den 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 207 


XI. 
Typhusbacillen. 





Zeit in Stunden 
20801120]165] 3 | 4 | 7 | 8 |24|48|72|4|5|6|7]|8]|9]|10|12|14|16|18|20|22| 24 







Zeit in Tagen 








Hi 


Ju) 


| 

| 

| 

E 

i | 
+++ ra +++ + +l+ j++ 

+ ++1+ lk e + ALL Pë 
salzhaltigen Gemischen oder ein unbekannter Einfluß des Salzes 
selbst auf die Diffusibilität der Phasengrenzschichte. Eine 
Vermeidung solcher auf den zeitlichen Ablauf der Aufnahme 
des Phenols vielleicht sehr ausschlaggebender Einflüsse war nur 
bei einer Beobachtung der Desinfektion in sehr langer — theo- 
retisch unendlich langer — Zeit zu erwarten. Sollten unsere 
Vorstellungen über das Wesen der Phenoldesinfektion zutreffen, 
so mußte ja für Bakterien von übereinstimmender Resistenz, 
d. h. Provenienz, eine ganz bestimmte eben desinfizierende 
Phenolinnenkonzentration existieren, die mit einer ebenso be- 
stimmten Phenolkonzentration der Lösung durch die Verteilungs- 





208 H, Reichel: 
Tabelle XI. 





2 | 3 | 4 | 5:5 Je| 7 I|s| 9 


Zeitdauer == Z (Min.) 


ATT- ECET 


Tötende Phenolkonzentrationen °/, g/com 





ohne NaCl | mit 2,5%, NaCl | mit 5%/, NaCl | mit 10%/, NaCl 
100-Ph/com | 100- Ph/comyaci 
berechnet berechnet 
aus aus < ~ 
L in * 2 
E gefunden |z | g gefunden e gefunden gefunden 
; s (inter- |! 8 5 | (inter- 3 (inter-- | © | (inter- 
S N poliert) 3 a = | poliert) poliert) k- poliert) 
ZS S CDI F 3 
Ng Fi re E: 
© 
1,210 |1,200— 1,015 |0,750--0,90010,852|0,700--0,75010,599 —0,579 
1,054 11,030—1,2001 0,884 |0,675--0,7500,743|0,600--0,70010,514|0,450—0,537 
0,922 10,900-0,950| 0,774  10,600--0,70010,649|0,575—0,600|0,457\0,440—0,750 
0,780 10,788—0,833| 0,654 |0,575-0,594|0,549 0,500—0,544|0,386|0,407—0,425 


0,693 |0,719--0,730| 0,581 |0,533—0,565/0,488|0,436—0,450|0,343|0,3540,383 
0,619 10,639--0,665| 0,519 10,450--0,50810,436 0,391—0,429|0,317|0,298—0,300 
0,582 10,592-0,600| 0,488 |0,440--0,450|0,41010,346—0,40710,288|0,294—0,299 
0,526 10,545--0,570| 0,441 |0,409--0,44210,370|0,299--0,343|0,261|0,283—0,295 
0,479 10,450-0,510| 0,402 |0,347—0,416|0,337\0,297—0,299|0,237|0,261--0,286 
0,439 10,433—0,4461 0,368 |0,300-0,370|0,309|0,292—0,295[0,217|0,217—0,270 
0,372 10,308-0,392| 0,311 0,300- 0,262 0,261—0,270|0,184 —0,150 


regel eindeutig verknüpft ist. Diese Lösungskonzentration an 
Phenol bewirkt die Abtötung — natürlich immer unter der 
Voraussetzung der Vernachlässigbarkeit des Phenolverlustes — 
in unendlich, praktisch sehr ferner Zeit, und diese Konzentra- 
tion kann mit den ebenfalls erst in sehr ferner Zeit wirksamen 
Phenolsalzgemischen einwandfrei daraufhin verglichen werden, 
ob sie alle der Forderung unserer Annahme gleicher Wirksam- 
keit für die Verteilung entsprechen. Aus der Betrachtung von 
in näheren Zeitpunkten gleich wirksamen Mischungen und dem 
Vergleiche mit dem Ergebnis bei ferneren Zeitpunkten könnten 
sodann auch Schlüsse auf die Abhängigkeit der Diffusions- 
vorgänge von den oder jenen Umständen gewonnen werden. 
Der nächste Komplex vergleichbarer Versuchsreihen wurde 
demgemäß so angelegt, daß regelmäßig abgestufte Phenolkon- 
zentrationen sowohl für sich allein als auch mit 2,5, 5 und 
10°/, NaGl-Zusatz auf ihre desinfektorische Wirkung geprüft 
wurden. Das unmittelbare Ergebnis bildet den Inhalt der 


209 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 




















Phemolgehalf % g/cem 


Kurvenbild 1; 


210 H. Reichel: 


Tabelle X1. Als Bakterienmaterial dienten Typhusbacillen. Die 
Überimpfung aus den jeweilig überlebenden Proben erstreckte 
sich auf 24 Tage, nach welcher Zeit die Keime in den phenol- 
freien Kontrollproben der Gruppen 1 bis 3 noch lebten, während 
sie in der entsprechenden Probe der Gruppe 4 zwischen dem 
20. und 22. Tage abgestorben waren. Die an sich bemerkens- 
werte Tatsache einer so hohen Resistenz von Typhusbacillen 
gegen immerhin stark konzentrierte Salzlösungen lehrt für unsere 
Beobachtung jedenfalls, daß eine direkte Schädigung der Bakte- 
rien durch die Salzkonzentration bei der Beurteilung der übrigen 
Versuchsergebnisse vernachlässigt werden darf. 

Auch die niedrigste angewandte Phenolkonzentration er- 
weist sich in den Versuchsgruppen 1 und 2 als auch in sehr 
langer Zeit wirkungslos, was unserer Annahme über die Art der 
Phenolwirkung durchaus entspricht. Der Ausfall der übrigen 
Einzelreihen gestaltete sich, wie die fast nirgends unterbrochene 
Reihe der Zeichen für Wachstum und Sterilität der überimpften 
Proben lehrt, ziemlich regelmäßig. Das wesentliche Ergebnis 
jeder Reihe bildet die Lage und Größe des Zeitintervalls zwischen 
der letzten angewachsenen und der nächsten nicht angewach- 
senen Probe. Diese beiden Grenzpunkte, welche die minimale 
und die maximale Resistenz der Bakterien für die betreffende 
Konzentration bedeuten, sind im Kurvenblatt 1. durchwegs ver- 
zeichnet und durch unausgezogene Linien — die maximale 
und minimale Resistenzkurve — verbunden. Die graphische 
Betrachtung erleichtert den Überblick der Ergebnisse solcher 
Versuche ganz wesentlich. Allerdings konnte aus Platzrück- 
sichten nur ein Teil der Kurven — bis zu 4 Stunden — dort 
wiedergegeben werden, doch erscheint die Lage der wenigen 
restlichen Kurvenpunkte durch die Verlängerungsrichtung der 
Linien angedeutet. 

Die gelegentliche Größe der Intervalle, welche ein starkes Aus- 
einanderklaffen der beiden Resistenzkurven mit sich bringt, beruht auf 
ungeeigneter Wahl der Überimpfungszeitpunkte im Desinfektionsversuch. 
In jedem einzelnen solchen wurde gestrebt, die größte Zahl der Über- 
impfungen um jenen Zeitpunkt zu gruppieren, der für die Abtötung zu 
gewärtigen war, der aber in nicht allen Fällen gut getroffen erscheint. 

Die Erprobung unserer Gesetzmäßigkeit an diesem Tat- 
sachenmateriale hätte nun in der Frage zu bestehen, ob die in 
einem gleichen und möglichst fernen Zeitpunkt wirksamen Phenol- 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 211 


gehalte zueinander in jenem Verhältnisse stehen, das nach der 
NaCl-Beeinflussung des Teilungsverhältnisses zu erwarten ist. 
Naturgemäß lassen sich solche Phenolwerte größtenteils nur 
durch Interpolierung zwischen tatsächlich erhobenen Zahlen und 
auch wieder nur als Intervall zwischen dem minimalen und 
maximalen Werte gewinnen. 


Weil aber einerseits für die zeitlich fernsten der überhaupt 
zum Vergleich heranziehbaren Werte die Genauigkeit aus nahe- 
liegenden Gründen nur mehr eine geringe sein konnte, weil 
andererseits eine analoge Betrachtung näherer, ja selbst tunlich 
naher Zeitpunkte zur Beurteilung der Diffusionsbeziehungen 
auch an und für sich erforderlich war, wurde die beschriebene 
Ermittlung der maximalen und minimalen Phenolwerte für eine 
willkürlich gewählte Reihe von Zeitpunkten systematisch durch- 
geführt, wobei als kürzeste und längste in Betracht ziehbare 
Zeit !/, Minute und 19 Stunden angenommen wurden. Die Er- 
gebnisse dieser Interpolation der Phenolwerte finden sich für 
die 4 Kurven dieser Versuche in den Stäben 3, 5, 7 und 9 
der Tabelle XII zahlenmäßig wiedergegeben. Die Lage und 
Größe dieser Intervalle läßt sich wieder am leichtesten, und 
zwar auch für jeden anderen Zeitpunkt, in den graphischen 
Darstellungen überblicken. 


Die oben angeführte, durch Zufall besonders einfache 
numerische Beziehung der Phenolgehalte von Gemischen, die 
für die Verteilung gleichwertig erscheinen, läßt das allgemeine 
Zutreffen unserer Gesetzmäßigkeit schon aus diesem Vergleiche 
einzelner Phenolintervallgruppen erkennen. Danach ist der 
Phenolwert für die 10°/,ige NaCl-Lösung als die Hälfte, der 
für 5°/,ige NaCl-Lösung als 0,70 (= 1/Y2) und für 2,5°/,ige 
NaCl-Lösung als 0,84 (=1 IV des salzfreien Wertes zu er- 
warten. An der Hand der graphischen Darstellung läßt sich 
leicht überblicken, daß wenigstens im größten Teile der Kurven 
Punkte, welche diese Forderungen erfüllen, in die entsprechen- 
den, manchmal recht engen Intervalle passen oder doch ihnen 
naheliegen. In gewissen Gebieten trifft allerdings die Regel 
für eine oder die andere der 4 Versuchsgruppen nicht aus- 
reichend zu, doch zeigen sich solche Abweichungen durchwegs 
als von ungeeigneten Einzelheiten der Versuchsanordnung, wie 


212 H. Reichel: 


langen Zeitintervallen und Fehlen geeigneter Versuchsreihen 
mit enger abgestuften Phenolgehalten, abhängig. 

Immerhin haftet dieser Art der Beobachtungsweise noch 
eine gewisse Willkür an: die verglichenen Phenolwertegruppen 
für die einzelnen Zeitpunkte werden dabei nicht aufeinander 
bezogen, sondern an jeder Stelle nach den gegebenen Inter- 
vallen frei gewählt, wie sie gerade am besten passen. Zweifel- 
los stellen aber die wahren Abtötungszeitpunkte eine stetige 
Funktion des Phenolgehaltes vor, d. h. die einzelnen Phenol- 
werte jeder der 4 Versuchsgruppen dürfen und sollen aufein- 
ander bezogen werden. Würde man für eine Reihe von Zeit- 
punkten nach obiger Regel zusammenpassende Phenolwerte 
suchen und dann die Punkte gleichen Salzgehaltes zu Ideal- 
kurven verbinden, so wären damit die zufälligen Unstimmig- 
keiten der salzfreien Kurve auf alle anderen Idealkurven über- 
tragen, wodurch deren Vergleichbarkeit mit den gefundenen 
Maximal- und Minimalkurven, die mit eigenen Ungenauigkeiten 
behaftet sind, nur leiden könnte. 

Es galt also vor allem, eine zureichende Beschreibung des 
Verlaufes der salzfreien Idealkurve in Form einer stetigen 
Funktion von Phenolwert und Zeit zu finden, aus der sodann 
durch die entsprechende Umrechnung der zu betrachtenden 
Punkte die übrigen Idealkurven leicht zu berechnen sein mußten. 

Es war nach der Sachlage klar, daß die allgemeine Form 
einer solchen Kurve eine hyperbelähnliche sein mußte, d. h. 
daß ein Produkt irgendwelcher Funktionen der beiden Variabeln 
als konstant zu erwarten war. Diese Forderung ergibt sich 
aus der Überlegung, daß die Zeitdauer der Wirksamkeit keinen 
endlichen Anfangs- oder Schlußpunkt haben kann, also nach 
beiden Richtungen einen stetigen Übergang zu unendlich großen 
bzw. kleinen Werten zeigen wird, mit anderen Worten, daß 
beide Äste der Kurve asymptotisch zu den Achsen oder zu 
Parallelen derselben verlaufen müssen. Während nun die Zeit- 
werte selbst als Faktoren dieses Produktes anzusehen waren, 
weil sie sich mit wachsendem Phenolgehalt der Konzentrations- 
achse beliebig nähern, war von den Konzentrationswerten sowohl 
nach dem Verhalten der Kurven als auch nach den mehrfach 
erwähnten Vorstellungen über die Art der Phenolwirkung ein 
gewisser konstanter Grenzwert in Abzug zu bringen, der eben 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 213 


als die in unendlicher Zeit wirksame Konzentration zu be- 
trachten ist. Die genauere Form der Kurve war endlich durch 
einen konstanten Exponenten eines der beiden Faktoren zu 
beschreiben. Die allgemeine Form der Kurve lautete demnach: 
Z. (Ph/com — a)? = k, 

worin die Bedeutung der 3 Konstanten aus dem Vorstehenden 
erhellt. Als Einheiten wurden Minuten und g/com gewählt. 

Aus der Lage des zeitlich fernsten verwendbaren Wertes 
kann in einfacher Weise auf die Größe a und in Zusammenhalt 
mit zwei anderen zeitlich näheren gut definierten Werten auf 
die Größe des Exponenten geschlossen werden. Als gut definiert 
ist ein Wert zu betrachten, dessen Intervall zwischen Maximum 
und Minimum klein und mit seinen Nachbarn verglichen nicht 
extrem gelegen ist. Zur Ermittlung der Konstanten wird zu- 
nächst der Phenolwert des fernsten Punktes als a eingesetzt 
und der n-Wert aus der Gleichsetzung der zwei anderen Pro- 
dukte als 

SE log Z, — log Z, 
log (Ph/com, — a) — log (Ph/cem, — a)’ 


die Zahl k in erster Annäherung als der Wert eben jener gleich- 
gesetzten Produkte gefunden. Damit läßt sich für den fernsten 
Punkt der Wert a genauer berechnen, der — nur wenig kleiner 
als zuerst angenommen — nunmehr in die Berechnung aller 
Einzelwerte eingeführt werden darf. Die Größe des n-Wertes 
ist für die Form der Kurve nicht von so einschneidender Be- 
deutung, daß es gerechtfertigt wäre, ihn anders denn als ein- 
fache ganze Zahl bzw. für andere Fälle vielleicht als einfachen 
Bruch einzuführen. Selbstverständliich kann und muß diese 
Berechnung für die maximalen und minimalen Zeitwerte getrennt 
durchgeführt werden. Aus dem Ergebnisse sind unter Berück- 
sichtigung der Übereinstimmung der Nachbarwerte die zweck- 
mäßig zu wählenden Konstanzzahlen zu ermitteln. Zur Unter- 
stützung dieser Rechenoperation erscheint die graphische Be- 
trachtungsweise nahezu unentbehrlich. 

Auf solche Weise ergibt sich für unsere Funktion als 
&Wert 0,23°/, Phenol, als n-Wert 4. Die Einsetzung dieser 
Zahlen gestattet nun, den k-Wert für jeden einzelnen der im 
Versuch gegebenen Grenzpunkte zu berechnen. Aber nicht alle 


214 H. Reichel: 


so erhaltenen Zahlen erscheinen gleichwertig. Bei sehr kurzen 
Zeiten wird die Konstante schon durch geringfügige Unregel- 
mäßigkeiten, die gerade dort häufig sind, stark beeinflußt, bei 
sehr langen sind die Intervalle zu groß, um einen Schluß auf 
den wahrscheinlichsten Wert zu gestatten. Von den 7 Punkt- 
paaren unseres Versuches eignen sich immerhin 4 — das zweite 
bis fünfte — zur Ermittlung eines solchen Idealwertes, der sich 
mit 4,6-10° berechnet. Daß die so gewonnene Gleichung: 


Z- (Ph/com — 0,0023) ¢ — 4,6- 10—° 


eine zureichende Beschreibung der festgestellten Tatsachen vor- 
stellt, läßt sich wiederum am einfachsten aus dem Kurvenbilde, 
wo sie als ausgezogene Linie gezeichnet erscheint, entnehmen. 
Zahlenmäßig erhellt diese Übereinstimmung aus dem Vergleiche 
der Stäbe 2 und 3 der Tabelle XII, wo für die willkürliche 
Reihe von Zeitpunkten die idealen neben den gefundenen bzw. 
interpolierten Phenolwerten verzeichnet sind. 


Auf die allgemeine Bedeutung dieser Desinfektionskurve 
wird im folgenden noch zurückzukommen sein. Hier soll sie 
zunächst nur als Grundlage eines rationellen Vergleiches der 
salzfreien und salzhaltigen Versuchslösungen in ihrer desinfek- 
torischen Wirksamkeit dienen. 


Die salzbeeinflußten Idealkurven waren aus dieser Funktion 
und der bekannten Verteilungsbeziehung, und zwar am ein- 
fachsten durch Umrechnung der einzelnen in Betracht zu 
ziehenden Kurvenpunkte nach der Form 


7,03 
2,303 
zu gewinnen, was in Stab 4, 6 und 8 der Tabelle XII durch- 


geführt und in den ausgezogenen Linien des Kurvenbildes dar- 
gestellt erscheint. 


Ph/ccmyacı = Num · (log Ph/cem — NaCl/cem) 


Die erreichbar exakte Vergleichung der Tatsachen mit der 
Erwartung beschränkt sich nunmehr auf den Vergleich der 
berechneten und interpolierten Zahlenreihen bzw. der ent- 
sprechenden Kurvenlinien. Eine Extrapolierung der in wirklich 
unendlich langer Zeit tötenden, d. h. der eben überhaupt nicht 
mehr wirksamen Konzentration verbietet sich praktisch durch 
die geringe Genauigkeit, womit sie durchführbar erscheint. Es 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 215 


bleibt also festzustellen, inwiefern die Gesetzmäßigkeit für die 
beobachteten endlichen Zeitpunkte zutrifft. 

Die schon im vorhergehenden im großen und ganzen be- 
merkte Übereinstimmung läßt sich an der Hand dieser Be- 
trachtungsweise dahin bestätigen, daß für die längeren Zeit- 
werte, — etwa von 1 Stunde aufwärts, — die berechneten und 
gefundenen Werte ausreichend zusammenfallen. Einige Aus- 
nahmen hiervon sind, wie schon oben erwähnt wurde, ersicht- 
lich in unzweckmäßigen Einzelheiten der Versuchsanordnung 
begründet, die anderen dütfen als zufällige Fehler der Kompli- 
ziertheit des Tatsachenmaterials zugute gehalten werden. 

Das gleiche Maß von Übereinstimmung kommt aber auch 
den übrigen, zeitlich näheren bis nächsten Werten der für 
10°/, NaCl-Gehalt berechneten und beobachteten Kurven zu. 
Hingegen tritt eine ausgesprochene Abweichung von Rechnung 
und Befund für die kürzeren Zeiten bei 5 und 2,5°/, NaCl her- 
vor, u. z. in dem Sinne, daß die gleich wirksamen Konzen- 
trationen niedriger als berechnet sind, oder m. a. W. daß die 
hinsichtlich der Verteilung gleichwertigen Konzentrationen bei 
Salzgegenwart rascher wirken. Diese Beobachtung deckt sich 
mit dem in den vorausgehenden Versuchen allerdings mit ge- 
ringerer Zuverlässigkeit erhobenen Befunde, wo sich bei 5°/, NaCl 
in ebenfalls kurzen Zeiten 0,70°/, Phenol noch eben als stärker 
und erst 0,60°/, als deutlich schwächer erwies als reine 1°/,ige 
Phenollösung. Diese Tatsache darf also als ausreichend bestätigt 
gelten. 

In einem nächsten Versuche wurde eine im wesentlichen 
gleichartige Anordnung und Berechnung zur Bestätigung der 
gewonnenen Ergebnisse durchgeführt. Die Abstufungen des 
Phenolgehaltes, sowie Lage und Größe der Überimpfungsinter- 
valle konnten nunmehr zum Teil zweckmäßiger gewählt, die 
Resultate damit zu einer weitergehenden Übereinstimmung ge- 
bracht werden. Es wurden Lösungen mit 10 und 20°/, NaCl 
mit salzfreien Phenollösungen in ihrer Wirkung auf Typhus- 
bazillen verglichen. Die Resistenz des Stammes gegenüber den 
phenolfreien Kontrollösungen wurde durch 6 Tage festgestellt 
— eine für 20°/, NaCl wiederum bemerkenswerte Widerstands- 
fähigkeit. Die Ergebnisse der Versuchsreihen und Berechnungen 
sind in den Tabellen XIII und XIV, sowie im Kurvenblatte 2 


216 H. Reichel: 


Tabelle 
Versuch mit 


H 


‚[PhenollNaCı- kA Fabel Ee KE EE EK SE Sai aa a d o Be 
Er 0 ECHO CHECK a e 58 
fo fe bm m jm j| A 


S Sta 


ss22pee> 


10 J2 — — — 


to 
2 








E 
= 
+++++1| | 


in völlig analoger Weise wie beim vorigen Versuch wieder- 
gegeben. Die überhaupt zum Vergleich heranziehbaren Werte 
erstreckten sich hier über 29 Stunden (als Mittelwert der letzten 
in allen 3 Gruppen vorliegenden Beobachtungszeiten 17 und 
41 Stunden). Die gegenseitige Lage ließ auch hier das all- 
gemeine Zutreffen der erwarteten Verhältnisse ohne weiteres 
schätzungsweise überblicken: die Phenolwerte der 10°/, igen NaCl- 
Kurve waren wieder rund halb, die der 20°/,igen Kurve rund 


XIII. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 217 


Typhusbacillen. 


T 





ETA SS DZ as 


— 









































ak lelea tehiel -| 

+ PETRS —|—|— | 

oa DE BE i a I ae | 

+ | + + +++ | 

1-1 FO Mk 
1 gail 

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AN + ei JE LC ae), Jet | 
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| | | | | | | | 

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| zen = sche gt 
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de H EEN | 
Lf] Ft SI? Ela In W 
BEIZZEZZIEZZTE HERHHHHHHAFIR 


!/, so groß als die der salzfreien. Die Berechnung der letzteren 
ergab hier die Beziehung: 
Z.(Ph/ccm — 0,0023)* = 6,0. 1072, 

welche die beobachteten Tatsachen, wie das Kurvenbild und 
ein Vergleich der Zahlenreihen (Tabelle XV, Stab 2 und 3) 
lehrt, in ausreichender, ja in recht guter Weise beschreibt. Zur 
Ermittelung der Konstante 6,0.10-° waren 8 Punktpaare von 
den 11 gewonnenen, u. z. das 2. bis 9. verwendbar. 


Ein genauer Vergleich der berechneten und beobachteten 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 15 


218 H. Reichel: 

Tabelle XIV. 
| 2 3 | 4 | ss |e] 37 
Tötende Phenolkonzentrationen °/, g/com 


ohne NaCl mit 10°/, NaCl | mit 200/, NaCl 
100. Ph/oom 100- Ph/ccmyacı 









berechnet aus 
Ph/comy.cı 
— Num (log Ph/ccem 









rechnet wie 4 


0,490--0,500I0,31 er 
0 470-0, 480:0,272 0,264—0,300 











0.224-0.232|0,122.0,130-0,149 
0,150--0,200|0,11110,100--0,146 
0,100-0,150/0 ‚09710, 089-0, 132 
0,092--0,125;0,0900,080-0,118 
Werte der beiden Salzreihen zeigt im ganzen Kurvenverlaufe 
eine genügende Übereinstimmung, die im allgemeinen besser 
als im vorausgehenden Versuche zu nennen ist. Nur die späteren 
Zeitpunkte der 10°/,-NaCl-Kurve zeigen hier eine gewisse Ab- 
weichung im Sinne einer vergleichsweise zu starken Wirksam- 
keit der betreffenden Lösungen, die wohl als Ausdruck zufälliger 
Störung des Versuchsergebnisses aufgefaßt werden muß. Eine 
nennenswerte Abweichung für kurze Zeiten ist hier bei 
20°/, NaCl nicht zu beobachten, sie erscheint auch bei 10°/, 
ebensowenig wie im vorigen Versuche ausgeprägt, höchstens 
für ganz kurze Zeiten — unter 5 Minuten — angedeutet. 

Ein weiterer analoger Versuch wurde mit Staphylokokken 
durchgeführt. Er erscheint in den Tabellen XV und XVI, so- 
wie im Kurvenblatt 3 wiedergegeben und dargestellt. Die Phenol- 
konzentrationen wurden hier in großen Sprüngen variiert, da 
es nur auf eine allgemeine Bestätigung der festgestellten Über- 
einstimmung ankam. Aus demselben Grunde wurden nur zwei 
Gruppen von Versuchsreihen: ohne Salz und mit 10°/, NaCl 


219 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 


Ca 
BE 


13 33 


ET 


Phenolgehalt % gjccm. 





Kurvenbild 2. 


15* 


220 H. Reichel: 


Tabelle 
Versuch mit 





angelegt. Die Resistenz der Stämme in den Kontrollösungen 
wurde 4 Tage hindurch beobachtet. Der überhaupt vergleichbare 
Zeitraum erstreckte sich bis auf 8 Stunden; für die Salzkurve 
fehlen schon nach 1 Stunde die Maximalwerte, die aber nach 
der Sachlage den minimalen nur sehr benachbart sein könnten. 
Wieder lehrt schon ein Blick die recht weitgehende Überein- 
stimmung unserer Gesetzmäßigkeit mit der Beobachtung: die 
Salzkurve weist durchweg recht nahe die halben Phenolwerte 
der salzfreien Linie auf. Die zureichende Beschreibung der 
letzteren als stetige Funktion lautet hier: 
2. (Ph/com — 0,0045)* = 45,5- 10— °, 

wobei die Konstante 45,5 aus 3 Punktpaaren von den 6 be- 
obachteten, u. z. aus dem 3. bis 5. zu ermitteln war. 

Die Übereinstimmung der berechneten Idealkurven mit den 
aufgenommenen Beobachtungen ist auch hier eine genügende. 
Natürlich macht sich hier wieder die gedrängte Versuchs- 
anordnung stellenweise in weiterem Auseinanderklaffen der maxi- 
malen und minimalen Beobachtungswerte geltend. 

Die Ergebnisse der dargelegten Desinfektionsversuche sind 
die folgenden: Die nach längerer Zeit (etwa von 1 Stunde an) 
wirksamen Gemische von Phenol und NaCl bestätigen durch- 
wegs — die NaCl reicheren Mischungen (etwa über 10°/,) be- 
stätigen auch bei kürzerer Wirkungsdauer die Annahme — daß 
gleiche Wirksamkeit mit gleichem Einflusse auf die 
Innenphenolkonzentration einer damit im Gleich- 


Die Desinfektionswirkung des Phenol. III. 221 


AN, Ke 
Staphylokokken. 





gewicht befindlichen salzfreien Phase eindeutig ver- 
knüpft sei. Man darf hieraus schließen, daß die Erreichung 
einer bestimmten Lösungskonzentration an Phenol in der 
Körpersubstanz der Bakterien eine zureichende Be- 
dingung des Zelltodes vorstellt, ferner daß die Diffusions- 
geschwindigkeit des Phenols in den Bakterienleib für die ge- 
nannten Lösungen durch die erreichbare Innenkonzentration an 
Phenol wesentlich allein bestimmt wird. 


Tabelle XVI. 


a 


ı | 2 | 3 | 4 | 

Tötende Phenolkonzentrationen g/com 
mit 10°/, NaCl 

700. een Nolan — 



























sr E TRE EA berechnet aus 
F Z. — gefundon ER red ee gefunden 
0,0045)* (interpoliert) 7,03 (interpoliert) 
= 45,5. 10—9 3903 NaCl/com) 














1,590— 1,632 0,750—0,921 













5 1,342— 1,491 0,709— 0,735 
10 1,258— 1,315 0,605—0,684 
30 1,133—1,226 0,450 — 0,605 
IN 0,975 ! 1,020— 1,050 0,448—0,450 
di 0,830 0,750—0,921 —0,439 
8a 0, 7162 0,726—0,750 — 0,426 





222 ` H. Reichel: 


Das abweichende Verhalten der relativ salzärmeren, in 
weniger als 1 Stunde wirksamen Lösungen muß dahin gedeutet 
werden, daß sich hier eine Erhöhung der Diffusionsgeschwindig- 
keit gegenüber den salzfreien Vergleichsversuchen bemerkbar 
macht. Die geringere Phenoldichte dieser Lösung würde eher 
eine gewisse Verzögerung der Diffusion erwarten lassen, so wie 
z. B. die Geschwindigkeit der Weasserdampfaufnahme eines 
trookenen Gases nicht nur von seinem Sättigungsdefizit, son- 
dern auch von der Größe der Verdunstungsfläche abhängt. Der 
Vergleich trifft allerdings nicht völlig zu, da in unserem Falle 
nicht die Berührungsfläche des Bakterienkörpers mit der Phenol- 
lösung, sondern die Zahl der Phenolmoleküle in dieser Fläche 
kleiner ist. Vielleicht ist diese Zahl immer noch so groß, daß 
sie für die Geschwindigkeit der Aufnahme außer Betracht fällt. 
Jedenfalls bedarf aber eine Diffusionsbeschleunigung unter solchen 
Umständen einer besonderen Erklärung, die wohl in Anbetracht 
ihres Auftretens gerade in verdünnten Salzlösungen in einer 
Wirkung der Ionen auf die Diffusibilität der Grenzschicht bis auf 
weiteres erblickt werden könnte. Auch in den salzreichen Ver- 
suchen mag eine solche Wirkung vielleicht vorliegen, und von 
einer umgekehrten Diffusionsbeeinflussung durch die Abnahme 
der Phenoldichte verdeckt werden, bzw. diese selbst verdecken. 


Endlich beweist das allgemeine Zutreffen jener Verteilungs- 
beziehungen auf die Verhältnisse der Desinfektionswirkung 
besser als die spärlichen physikalisch-chemischen Feststellungen 
an Bakterienleibern die Richtigkeit unserer Annahme, daß das 
Phenol auch mit nativem Eiweiß in einfache Lösungsbeziehungen 
tritt. Vielleicht könnte allerdings die hypothetische, durch 
Phenol bewirkte Wasserverdrängung aus der Eiweißphase mit 
dem wesentlichen Substrat irreversibler Denaturierungen, wie 
der Hitzekoagulation, zusammenfallen. Man müßte nur annehmen, 
daß es sich auch hierbei — wenigstens primär — nicht um 
chemische Vorgänge, sondern um eine Entmischung zweier 
Phasen handelt, wie sie Spiro (20) für die Aussalzungsfällung 
als maßgebend erwiesen hat. 


2. 


Auf ein weiteres für die Fragestellung der vorliegenden 
Untersuchung nebensächliches, jedoch von anderen Gesichts- 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 




















2,9 


= 
Phenolgehzt Yo gjccm 


7,9 


77 


Kurvenbild 3. 


224 H. Reichel: 


punkten nicht unwichtig erscheinendes Ergebnis der dargelegten 
Desinfektionsversuche sei hier in kurzem aufmerksam gemacht: 
Die Aufsuchung einer die Beziehung zwischen Konzentration 
des Desinfiziens und der Zeitdauer bis zur erfolgten Abtötung 
beschreibenden Funktion geschah hier nur zum Zwecke der 
Ermöglichung eines besseren Vergleiches zwischen den Wirkungen 
salzfreier und salzhaltiger Lösungen. Solchen Desinfektions- 
kurven kommt jedoch zweifellos auch ein allgemeiner und sicher- 
lich auch praktischer Wert zu. 

Erstlich kann immer nur eine tunlich lückenlos vergleichbare 
Reihe von Grenzpunkten der Wirkung gestatten, die Anwend- 
barkeit eines Desinfiziens im allgemeinen und die zweckent- 
sprechende Methode seiner Anwendung im besonderen Falle zu 
beurteilen, und der Ersatz einer solchen Stufenreihe durch eine 
stetige, leicht überblickbare Abhängigkeitsbeziehung müßte dieses 
Urteil erleichtern und verschärfen. 

Ferner sind aber die Form und die numerischen Kon- 
stanten einer solchen Desinfektionsgleichung als wichtige Charak- 
teristika teils der Art der Desinfektionswirkung, teils der zu 
desinfizierenden Bakterienart und der zum Versuch heran- 
gezogenen Bakterienrasse zu betrachten. 

Die allgemeine Form der Gleichung, welche ja in unserem 
Falle aus der angenommenen und in eben diesen Versuchen 
erwiesenen Wirkungsweise der Phenolkörper hergeleitet wurde, 
ist zweifellos für eben diese Gruppe desinfizierender Stoffe 
charakteristisch. Die spezielle Form, d. h. die Größe des kon- 
stanten Exponenten scheint nach den obigen Feststellungen 
dem Phenol gegenüber allen Bakterien zuzukommen, da sie 
sioh für so verschiedenartige Keime wie Typhusbazillen und 
Staphylokokken gleich ergibt. 

Daß andersartigen, desinfizierenden Substanzen auch ganz 
andere Formen der Desinfektionsgleichung entsprechen, läßt sich 
an meinen älteren Versuchsergebnissen über die H,O,-Des- 
infektion (24) bestätigen. Die dort wiedergegebenen Werte fügen 
sich in recht vollkommener Weise einer Funktion 

Z.°H,O,/com = konst. ein, 
deren Form schon darauf schließen läßt, daß hier eine Speicherung 
des Desinfiziens bei der tötenden Wirkung keine Rolle spielen 
kann, und daß die Erstrebung kurzer Wirkungen wegen der 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 225 


hierzu nötigen Konzentrationserhöhung unzweckmäßig, hingegen 
langfristige Desinfektion wegen der geringen erforderlichen Mengen 
zweckmäßig erscheint, welche Feststellung eben das wesent- 
liche Ergebnis jener Untersuchungen war. Es wäre gewiß von 
Interesse, die Form der Desinfektionskurven aller gebräuch- 
lichsten Mittel zu kennen und für neue Mittel festzustellen. 
Vielleicht könnte in manchen Fällen die Form der empirisch 
gewonnenen Kurve die wesentliche Art der Wirkung eines Mittels 
aufklären. 

Die beiden übrigen Konstanzzahlen unserer Gleichung sind 
als Resistenzgrößen, d. h. Charakteristika des Verhaltens der 
Bakterien gegenüber diesem Desinfiziens zu betrachten. Die 
Größe a bedeutet sinngemäß das absolute Resistenzmaß einer 
Bakterienart, d. h. diejenige Konzentration, welche eben keine 
Abtötungswirkung mehr hervorbringt. 

Die Größe ist nach ihrem Ursprunge aus einer Extra- 
polation mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet, doch sind 
Fehler derselben für die übrigen Werte der Funktion, besonders 
für ihre Übereinstimmung mit der großen Mehrzahl der empirisch 
festgestellten Punkte von geringerem Einfluß. Die Größe dürfte 
in einer spezifischen Affinität der Bakteriensubstanz zum Des- 
infiziens begründet sein. Es muß danach als wahrscheinlich 
gelten, daß sie innerhalb einer Bakterienart als konstant an- 
gesehen werden darf. Für unsere Versuche trifft das jedenfalls 
zu, indem sich für die Berechnung der zwei Typhusversuche 
ohne Schwierigkeit die gleiche Zahl hierfür annehmen ließ, 
während sie für Staphylokokken gleich in der doppelten Größe 
auftrat. 

Praktisch wichtiger erscheint das zweite Resistenzmaß der 
Gleichung, die konstante k. Alle bisher üblichen Angaben über 
die Widerstandsfähigkeit von bestimmten Keimen gegen be- 
stimmte Desinfizienten sind ja zeitlicher Natur. Gewöhnlich 
wird zur Charakterisierung der zum Versuche herangezogenen 
Bakterien der Zeitpunkt der Abtötung derselben durch 1°/, 
Carbolsäure, 1°/, Formaldehyd oder strömenden Dampf von 
100°0 angegeben. Halten sich die Kontrollversuche nicht an 
diese konventionellen Dosen der Desinfizientien, so erscheint 
heute ein Vergleich der Widerstandsfähigkeiten der von ver- 
schiedenen Autoren oder in verschiedenen Versuchsreihen an- 


226 H. Reichel: 


gewendeten Testbakterien undurchführbar. Bei Kenntnis der 
Desinfektionskurve eines Mittels kann aber — vorausgesetzt, 
daß sich die übrigen Konstanten tatsächlich als von den Re- 
sistenzschwankungen einer Bakterienart unabhängig erweisen 
werden — aus jedem Wertpaare Zeit und Konzentration die 
Konstante k und damit jedes andere Wertpaar berechnet werden. 
Vielleicht erweist es sich als zweckmäßig, die Größe k selbst 
als direktes Maß der zeitlichen Resistenz zu definieren, da hier- 
mit ein von den zufälligen Versuchsdimensionen unabhängiger 
Wert, gewissermaßen eine Eigenschaft der zu oharakterisierenden 
Bakterienrasse im Verhältnis zum bestimmten Desinfektions- 
mittel gewonnen wäre. 

Auch die üblichen Wertangaben desinfizierender Stoffe 
scheinen einer Reform bedürftig, und mit Hilfe der Desinfek- 
tionskurven zugänglich. Soweit sich solche nicht auf ungeord- 
nete und höchstens qualitativ vergleichbare Resistenzangaben 
beschränken, geben sie häufig als Carbolsäurekoeffizienten die 
Verhältniszahl jener Konzentrationen des Carbols und des Des- 
infiziens, meist für 1°/ ige Carbollösung, wieder, welche gleiche 
Wirksamkeit entfalten. Daß dieses Maß für verschiedene Test- 
bakterienarten verschieden ausfällt, bedeutet keine Fehler, da 
sich hierin zweifellos die verschiedenen Affinitäten der Leibes- 
substanzen zu den Desinfizientien ausdrücken, die volle Be- 
achtung verdienen. 

Es ist aber klar, daß diese Zahl nur in dem Falle ein für 
alle Konzentrationen und Zeiten gültiges Maß einer bestimmten 
Desinfektionswirkung sein könnte, wenn die Desinfektionskurve 
des verglichenen Mittels mit derjenigen der Carbolsäure formal 
übereinstimmt, eine dieser ähnlichen Kurve vorstellt. Das wird 
in den seltensten Fällen, vielleicht nicht einmal bei anderen 
Phenolkörpern ausreichend zutreffen, und schon bei einiger- 
maßen fremdartigen Kurven verschiebt sich diese Verhält- 
niszahl auch für wenig geänderte Konzentrationen sehr wesent- 
lich. Kurven, wie die des Phenols und des Wasserstoffsuper- 
oxyds müssen sich noch innerhalb der Konzentration ihrer 
praktischen Verwendbarkeit überschneiden, z. B. für Typhus- 
bazillen etwa bei 0,5°/, und 2 Stunden, so daß ein Carbol- 
koeffizient für diese Konzentration — 1 für jede höhere weit 
kleiner, und für jede tiefere weit größer wäre. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. IIL 227 


Es geht daraus hervor, daß nur bei Kenntnis der Des- 
infektionskurve eines Mittels eine Aussage über seine Wirksam- 
keit oder über die Resistenz einer Bakterienrasse aus Einzel- 
daten überhaupt möglich ist, und daß erst bei vergleichbarer 
Feststellung der Kurven für ein bekanntes und ein unbekanntes 
Desinfektionsmittel Verwendbarkeit, Vorzüge und Nachteile des 
letzteren in übersichtlicher Weise beurteilt werden können. Nur 
in dem — wohl seltenen — Falle geometrischer Ähnlichkeit 
der Kurven zweier Mittel läßt sich ein allgemein gültiger Wert- 
koeffizient derselben berechnen. 


Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtungen. 


Die im vorstehenden dargelegten Untersuchungen haben 
gelehrt, daß Öl, koaguliertes Eiweiß und in analoger Weise 
Cholesterin und die gesamte Körpersubstanz von Bakterien mit 
Phenol einfache, aberdurchwegs intensive Lösungsbeziehungen 
eingehen. Auch das Verhalten der nativen, gelösten Eiweiß- 
stoffe zum Phenol läßt sich auf Grund solcher Beziehungen 
verstehen, ohne die Annahme tiefer greifender, chemischer Ein- 
wirkungen nötig zu machen. Das Verhalten der genannten 
Phasen wird im Gleichgewichtszustande mit wässerigen Lösungen 
für die Lösung von einfachem Phenolhydrat (2 Phenol + 1H,O) 
durch die einfachste Form des Verteilungssatzes beherrscht. 
Temperaturerhöhung bedingt eine geringe Verschiebung des 
Teilungsverhältnisses zugunsten der wässerigen Phase. Mit 
steigendem Kochsalzgehalt der Lösung verschiebt sich das 
Teilungsverhältnis zugunsten der nicht wässerigen Phasen nach 
einer für alle identischen, einfachen, auch sonst für Löslichkeits- 
beeinflussung bestätigten Beziehung. Für die Beeinflussung der 
Phenollöslichkeit wässeriger Phasen durch Kochsalz trifft diese 
Beziehung allerdings nicht völlig zu, doch können auch die 
Sättigungswerte nicht in allen Fällen als adäquates Maß der 
eich im Teilungsverhältnis ausdrückenden Lösungsaffinitäten 
gelten. 

Das Ergebnis der Versuche an Eiweißgelen (Hitzecoagula) 
läßt den Gehalt derselben an molekularem Imbibitionswasser 
als von vornherein gering erscheinen. Derselbe wird offenbar 
durch Gegenwart von 2°/, Phenol in salzfreier Lösung, bei 
Salzgegenwart schon bei geringerer Phenolkonzentration, praktisch 


228 H. Reichel: 


zum Verschwinden gebracht. Typische Abweichungen von Tei- 
lungsfaktoren könnten vielleicht bei entsprechender Verfeinerung 
der Methodik auch in anderen Fragen zur Feststellung des Gehaltes 
von Gelen an echtem Quellungswasser verwertet werden. 

Der Gehalt der Gele an capillar imbibierter Lösung zeigt 
starke Ausschläge je nach der Zusammensetzung der wässerigen 
Phase. Während sich NaCl allein selbst in hohen Konzen- 
trationen diesbezüglich wenig wirksam erweist, bedingt Phenol 
schon in geringen Konzentrationen ausgesprochene Entquellung, 
die bei Salzgegenwart noch wesentlich verstärkt ist. Die ca- 
pillare Quellung läßt sich in erster Annäherung als eine ein- 
fache Funktion des Phenolgehaltes der salz- und wasserfrei 
gedachten Eiweißphase darstellen. 

Die Vorstellung völliger Salzfreiheit der Eiweißphase hat 
sich in den vorliegenden Versuchen durchweg bestätigt, und 
— durch das einfache Ergebnis der darauf begründeten Be- 
rechnungen — gut bewährt. Sollte sie auch auf lebende eiweiß- 
reiche Phasen übertragbar sein, so könnte diesen die Eigen- 
schaft der Semipermeabilität zugesprochen werden, als deren 
Träger man bisher vielfach ölige Phasen heranziehen zu müssen 
glaubte. Die Richtung der osmotischen Wasserbewegung würde 
dann mehr auf der räumlichen Anordnung als auf chemischen 
Unterschieden der Phasen im lebenden Körper beruhen, welche 
Unterschiede allerdings die Entstehung der Konzentrations- 
gefälle, also der treibenden Kräfte dieser Bewegung nach dem 
Teilungsprinzip, beherrschen [s. Spiro (4)]. 

In den letzten Jahren wurden von mehreren Seiten Tat- 
sachen vorgebracht, die für die Möglichkeit einer eiweißartigen 
Plasmahülle oder gegen das allgemeine Vorkommen lipoider 
Grenzschichten an und in den Zellen sprechen So konnte 
Bechhold (25) nachweisen, daß eine in einem Gelatinegel er- 
zeugte Niederschlagsmembran die Salzdiffusion völlig hemmt, 
obwohl die Gerüstsubstanz des Gels auch innerhalb der Mem- 
bran intakt ist. Andererseits wiesen Moor und Roaf (26) die 
hohe Durchlässigkeit von Lipoidmembran für Salze nach. 
Robertson (27) findet endlich den Lipoidteilungskoeffizienten 
nicht als maßgebend für die Aufnahme von Farbstoffen in die 
Zelle, und führt auch andere Gründe für die Proteinnatur der 
Plasmahaut an. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. IIL 229 


Die Tatsache, daß osmotische Quellungsvorgänge beim 
lebenden Plasma eine große Rolle spielen, während sie beim. 
Eiweißgel zu fehlen scheinen, dürfte danach vielleicht mit der 
Existenz und dem Fehlen abgeschlossener Flüssigkeitsräume — 
einer wabigen Struktur — ausreichend erklärbar werden. 

Endlich hat das Ergebnis der Desinfektionsversuche er- 
wiesen, daß die Wirksamkeit von Lösungen in längeren Zeiten 
von eben jenen auf physikalisch-chemischem Wege festgestellten 
Verteilungsbeziehungen eindeutig abhängt. Danach muß der 
Zelltod als durch die Erreichung einer bestimmten Phenol- 
lösungskonzentration in den Körpersubstanzphasen der Bakterien 
bedingt gedacht werden, womit unsere Hauptfrage, die den 
Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchungen bildet, in be- 
jahendem Sinne entschieden ist. 

Die Abweichungen, welche die Wirksamkeit in kürzeren 
Zeiten bei relativ salzärmeren Lösungen zeigt, lassen auf eine 
Diffusionsbeschleunigung durch das Salz, vielleicht eine Ionen- 
Wirkung schließen. Auch darf der bekannte förderliche Tempe- 
ratureinfluß auf die Desinfektionswirkung des Phenols einer 
Diffusionsbeschleunigung nach der erwähnten gegenteiligen Ab- 
hängigkeit des Teilungsverhältnisses zugeschrieben werden. Doch 
könnte auch eine Wärmekatalyse chemischer, mit dem Lebens- 
prozess näher verknüpfter Vorgänge, etwa im Sinne einer be- 
schleunigten Autolyse, eine gesteigerte Empfindlichkeit des 
Plasmas zur Erklärung herangezogen werden. 

Eine noch tiefer greifende Erforschung des in Rede stehen- 
den Abtötungsphänomens hätte sich wohl mit eben diesen, dem 
Lebensprozesse nahe stehenden Vorgängen, zunächst den fermen- 
tativen in ihrer Beziehung zum wirksamen Stoffe, zu befassen. 
Vielleicht liegt es am nächsten, an eine Lähmung solcher lebens- 
wichtiger Zellvorgänge zu denken. Vielleicht kann die im groben 
Umriß festgelegte Beziehung zwischen der Innenkonzentration 
der Körperphasen und ihrer Quellung als Wegweiser dienen, 
insofern das Leben damit an eine gewisse capillare Tragfähig- 
keit von Quellungslösung geknüpft erscheint, die ihrerseits 
wieder mit einem bestimmten Mindestmaß molekularer Quellung 
in Beziehung stehen dürfte. 

Diese Tatsachen weisen auf einen gewissen Zusammenhang 
der Wirkung der Phenolkörper mit jener anderer tötenden - 


230 H. Reichel: 


Agenzien hin, die, wie trockene Hitze, Hitzekoagulation, und 
wobl in ähnlicher Weise strömender Dampf, auf einer radikalen 
Wasserentziehung aus dieser eiweißreichen Körperphase beruhen 
dürften. Vielleicht brauchen die beiden zuletzt entwickelten 
Vorstellungen einer Fermentlähmung einerseits, einer Entziehung 
des lebensnotwendigen Wassers andererseits einander nicht zu 
widersprechen. Denn nach Carlsons (28) Untersuchungen 
scheinen sehr viele wichtige Reaktionen, besonders fast alle 
fermentativen, mit der Gegenwart eines in besonderer Weise 
gebundenen, dadurch zum Zerfall in seine Bestandteile neigen- 
den Wassermoleküls wesentlich zusammenhängen. 

In praktischer Hinsicht scheint aus den vorliegenden Tat- 
sachen die Notwendigkeit hervorzugehen, für Desinfektionsmittel, 
deren wirksame Bestandteile der Gruppe der Phenolkörper an- 
gehören, das Teilungsverhältnis dieser Stoffe für den Körper- 
substanzen ähnliche Phasen, wie Öl oder Eiweißcoagula, zu 
messen und bei Beurteilung ihres zu erwartenden Wertes zu 
vergleichen. Die Methode könnte gewiß auch zur Aufsuchung 
sussichtsreicher Zusammensetzungen der zur Desinfektion heran- 
zuziehenden Lösungen dienlich sein. Feinere Unterschiede der 
Teilungsverhältnisse für verschiedene Materialien, z. B. Bakterien 
und Körpereiweiß, könnten eine rationelle Grundlage für die 
Bestrebungen der sogenannten inneren Antisepsis abgeben. 

Endlich sei noch auf die dargelegte, für alle Desinfektions- 
mittel sicher große Bedeutung der Desinfektionskurven bzw. 
Gleichungen hingewiesen. 

Es besteht die Absicht, den vorstehenden Untersuchungen 
in den angedeuteten Richtungen eine Erweiterung und Fort- 
setzung zu geben: 1. Es soll eine größere Anzahl wirksamer 
Agenzien — chemischer und physikalischer Natur — in den 
Bereich der Betrachtung gezogen werden. 2. Es soll versucht 
werden, deren Wirkung auf die einzelnen Komponenten der 
Lebenstätigkeit der Zelle zu analysieren. 


Die Desinfektionswirkung des Phenols. III. 231 


Literatur. 


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f. Hygiene 61, 49, 1908. Ä 

25. Beohold und Ziegler, Zeitschr. f. physikal. Chem. 56, 105, 1906.. 

26. Moor und Raaf, Biochem. Journ. 2, 69, 1906. 

27. T. B. Robertson, Journ. of Biol. Chemie 4, 1, 1908. 

28. Carlson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 55, 260, 1908. 


Untersuchungen über die Gelatinierung des Eiweißes. 


I. Mitteilung. 
Von 
Giovanni Moruzzi. 

(Aus dem Histologisch -Chemischen Laboratorium der allgemeinen 
Medizinischen Klinik an der Universität zu Parma.) 
(Eingegangen am 1; September 1909.) 

Mit 1 Figur im Text. 


Gelatinierung durch Salzsäure. 


Die Eigenschaft der Säurealbuminate und der Alkalialbu- 
minate unter bestimmten Umständen zu gelatinieren, ist für 
die Physiologie und die Pathologie vom höchsten Interesse, um 
so mehr, wenn wir nicht die echten, eigentlichen Gelatinen in 
Betracht ziehen, sondern diejenigen Anfangsmodifikationen, 
welche der Gelatinierung vorangehen, d.h. die Zunahme der 
Werte der innern Reibung, welche an einen Hydratationsprozeß 
gebunden zu sein scheinen (Pauli?). 


Die geringe Konzentration der H- und OH-Ionen, die nötig 
ist, damit diese Anfangsmodifikationen eintreten, läßt vermuten, 
daß such in den Organismen derartige Zustandsänderungen der 
Kolloide stattfinden können, und daß dieser Mechanismus bei 
der Regulierung des Wassers in den Geweben in die Erscheinung 
tritt (Pauli?). Es gibt besondere, krankhafte Zustände, in welchen 
die Eiweißstoffe der pathologischen Produkte ein gelatinöses 
Aussehen annehmen, wie in den Gallertkrebsen, in den Cysten 
mit gallertartigem Inhalt, in den katarrhalischen Entzündungs- 


1) Wolfgang Pauli und Hans Handowsky,. Untersuchungen 
über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. Diese Zeitschr. 
18, 3., 4. u. 5. Heft, 1909. 

2) L o. 


G. Moruzzi: Gelatinierung dee Eiweißes. 233 


prozessen des Dünndarms, in welchen der Schleim das Aus- 
sehen von durchsichtigen, runden Klümpchen annimmt, in ge- 
wissen Nierenveränderungen, bei welchen die Cylinder gänzlich 
das Aussehen von Gelatine haben (hyaline Cylinder). 

Das Studium der Eiweiß-Gelatine gewinnt in Anbetracht 
dessen ein hohes biologisches Interesse. 

Wie bekannt, wird die Natur der Erscheinung der Gela- 
tinierung dadurch charakterisiert, daß eine kolloide Flüssigkeit 
unter bestimmten Bedingungen ihre flüssige Beschaffenheit ver- 
liert und sich in eine halbflüssige oder halbfeste Masse um- 
wandelt, die Gelatine genannt wird. 

Diejenigen kolloidalen Lösungen, die nach der Gelatinie- 
rung die Fähigkeit besitzen, wieder flüssig zu werden, nennt 
man reversibel, die, welche sie nicht besitzen, irreversibel. 

Die reversiblen Kolloide gelatinieren, wenn die Temperatur 
sinkt, die irreversiblen, wenn die Temperatur steigt. 


Wirft man einen Blick auf die Literatur über die Eiweiß- 
Gelatinen, so bemerkt man, daß die meisten Forscher sich mit 
dem Mechanismus der Erscheinung beschäftigt haben, indem sie 
die Stoffe studierten, die aus dem Organismus direkt gelatinös 
gewonnen werden (Knochengelatine, Agar, Hausenblase usw.) ; 
wenige dagegen haben die Erscheinung studiert, indem sie die- 
selbe künstlich in den Stoffen erzeugten, die an und für sich 
keine Neigung zum Gelatinieren haben. 


Die Forscher, welche sich mit der Wirkung der Säuren 
und Basen auf Eiweiß, d. h. mit den Acidalbuminen und 
den Alkalialbuminaten beschäftigten, beobachteten zuerst, daß 
in den konzentrierten Eiweißlösungen das Hinzufügen von Säuren 
oder Alkalien eine Gelatine erzeugt, die alle Abstufungen zwischen 
dem hellen, glasartigen, durchsichtigen Aussehen und der weißen 
Opalisierung darstellen kann. 

Dieser Gelatine gaben sie die Namen Acidalbumin bzw. 
Alkalialbuminat. 

Die ersten, welche diese Erscheinung feststellten, waren, wie 
Cohnheim in seiner Abhandlung!) ausführt: Lieberkühn?), Magen- 


1) Cohnheim, Chemie der Eiweißkörper. Braunschweig 1904. 
2) N. Lieberkühn, Arch. f. anat. Physiol. u. wissenschaftl. Med. 
1848, 285 bis 323. Aus Cohnheims Abhandl. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 16 


234 G. Moruzzi: 


die!), Johnson?) und schließlich Rollet?) und sein Schüler Zoth®#), 
wie auch unter der Leitung von Alexander Schüts Kieseritzky®) 
und Rosenbergs’). 

Die größere oder geringere Durchsichtigkeit dieser Gelatine und die 
größere oder geringere Festigkeit hängt von der Konzentration der Säure 
oder des Alkalis und von dem Gehalt der Flüssigkeit an unorganischen, 
neutralen Salzen ab, wie Rollet und Joth sowie auch Rosenberg 
und Kieseritzky bewiesen haben. 

Im allgemeinen ist für die Bildung der Gelatine eine größere Kon- 
zentration von Säuren als von Alkalien nötig, eine sehr starke Kon- 
zentration der ersteren ergibt nicht Gelatine, sondern einen Nieder- 
schlag, während die Alkalien bei starken Konzentationen eine nicht sehr 
feste Gelatine geben, die bei einem Überschuß sich wieder verflüssigt. 

Kieseritzky und Rosenberg, die ganz besonders den Einfluß 
der Salze studiert haben, beobachteten, daß die sehr verlängerte Dialyse 
dem Eiweiß die Eigenschaft, durch den Einfluß der Säuren und der Al- 
kalien zu gelatinieren, entzieht, und daß sowohl die Zeit, in der die Er 
scheinung eintritt, als auch die Konsistenz der Gelatine von der Gegen- 
wart der Salze abhängt, und daß die Gelatine desto durchsichtiger er- 
scheint und desto weniger Festigkeit aufweist, je geringer der Salzgehalt 
derselben ist. 

Für das Acidalbumin sind geringere Mengen Salze erforderlich ala 
für die Alkalialbuminate. Die Wärme beschleunigt die Erscheinung und 
macht die Gelatine fester. 

In einer interessanten Arbeit über die Gelatinierung des mit Hilfe 
von Säuren der Essigreihe dialysierten Eiereiweißes hat Zoja?) beobachtet, 
daß diese Säuren in den Eiweißlösungen eine Veränderung der Werte 
der Abflußzeit bewirken, welche in bezug auf die Funktion der Säuren- 
menge graphisch einen der elektrischen Leitfähigkeit analogen Verlauf 
hat, d. h. anfangs ein von Säure zu Säure wechselndes Maximum dar- 
stellt, dann abnimmt. 

Diese Zunahme der Zähigkeit bei gleicher molekularer Säurekon- 
zentration ist um so stärker, je größer das Dissoziationsvermögen der 
angewandten Säure ist, und die Kurve wird steil für alle Säuren in Über- 


1) Magendie, Lecons sur le sang. Paris 1836, S. 170. 

2) Johnson, Journ. Chem. Soc. N. S. 12, 734. Aus Cohn« 
heims Abhandl. 

3) A. Rollet, Sitzungsbericht d. Wiener Akad. Math. natur. Kl. 
Abteil. III, 84, 322, 1881. Aus Cohnheims Abhandl. 

4) Zoth, ibid. 100, 140, 1891. Aus Cohnheims Abhandl. 

6) W. Kieseritzky, Die Gerinnung des Faserstoffes, Alkalialbu- 
minats und Acidalbumins. Dissertat. Dorpat 1882. 

6) A. Rosenberg, Dissertat; Dorpat 1883. 

7) L. Zoja, Physikalische chemische Untersuchungen der Reak- 
tionen zwischen Eiereiweiß und Essigsäure. Zeitschr. f. Chem. u, Ind, 
der Kolloide 3, 1908. 


Gelatinierung des Eiweißes. 235 


einstimmung mit dem niedersteigenden Aste der Kurve der elek- 
trischen Leitfähigkeit derselben, wenn nämlich der nicht dissoziierte Teil 
zunimmt. 


Die Salze üben eine beschleunigende Wirkung auf das Phänomen 
aus, welohe Wirkung ihren Kationen zuzuschreiben ist. 


Zoja meint, daß es sich um eine ionische, durch die Hydrogenionen 
hervorgerufene Erscheinung handele, und daß ein doppeltes Gleich- 
gewicht bestehe zwischen dem dissoziierten und dem nicht dissoziierten 
Teile der Säure und zwischen dieser und den kolloiden Partikeln. 

Es war von Bedeutung, die Untersuchungen auf die 
Mineralsalze auszudehnen, für welche vorauszusehen war, daß 
die Erscheinung wegen ihres großen Trennungsvermögens bei 
sehr geringen Konzentrationen auftreten würde, weswegen auch 
genaue Bestimmungen des Gefrierpunktes der angewandten 
Lösungen möglich gewesen wären. Diese Bestimmungen konnte 
Zoja nicht anstellen wegen der starken Säurekonzentrationen, 
welche er zwecks Studiums des Phänomens gebrauchen mußte. 


Die in meinen Versuchen angewandte Mineralsäure war 
Salzsäure. Ich erforschte das Verhalten des A und des elek- 
trischen Leitvermögens an Mischungen, in welchen das Gesamt- 
volumen sowohl wie die Mengen Eiweiß und Salzsäure be- 
ständig veränderlich waren, und an anderen, in welchen die 
Eiweißlösung durch ein gleiches Volumen destilliertes Wasser 
ersetzt war. Das Sinken des Gefrierpunktes wurde mit einem 
in !/ioọ Grade eingeteilten Beckmannschen Thermometer fest- 
gestellt. 


Das spezifische elektrische Leitvermögen wurde bei einer 
Temperatur von 25°C mit der Kohlrausch-Methode fest- 
gestellt. 


Das in allen Versuchen gebrauchte Eiereiweiß dialysierte 
21 Tage lang in fließendem Wasser und in weiteren 8 Tagen 
in destilliertem Wasser, das alle 24 Stunden 2 bis 3mal ge- 
wechselt wurde, so daß nach der Dialyse seine elektrische Leit- 
fähigkeit bei 35°C K 3% °T" = 55 und das 4 = 0,002 betrug; 
während der Zeit, in welcher die Experimente ausgeführt 
wurden, wurde es bei niedriger Temperatur unter Toluol auf- 
bewahrt. Der Prozentsatz an darin enthaltenem Eiweiß be- 
trug nach der Dialyse 47,50°/,, und nach der bei der Be- 


reitung der Mischung erfahrenen Verdünnung 31,66°/,. 
16* 


236 G. Moruzzi: 


Mittels der in der Tabelle I und II gesammelten Daten 
wurde die Kurve aufgestellt. Für alle Mischungen wurde die- 
selbe 75 bis 85°/, ige Salzsäurelösung angewandt. 


Tabelle I. 





Nummer d. Reihen- 
folge d. Mischungen 






ccm HO com 5 eem 0,00 0,692 | 22694 |2,762lstark. Niederschl.; 
es wird zur Aus- 
führ. der Bestim- 
mungen zentrifu- 
giert u. dekantiert 


[> 


» » |» 45 | „ 0,5 |o,028 | 18452 |2,433| starker Niederschl. 
a »n |n & |» 1 1055| 15747 208 „ 9 
a wl 3 Ia 2 [o6] sn —| „ e 
„25 | „ 2,5 | 0,347 | 9625,27 |1,192] gelatinöser „, 
3 


GO si CD CH Va Gabi 
s 


» o» | » 1,50| „ 3,50] 0,209 | 5765,57 |0,700| während der Be- 
und klar, nach drei 
Stunden milchi 
Gelatine 
OI y | » 1,25 , 3,75 0,175 | 4561,33 10,540| klar; nach einer 
| i Stunde gelatiniert 
nach 24 Stunden, 
| den opalescent 
10 | a | sé: 2 „ 4 10,138 | 3414,34 | — | klar, gelatiniert 
| nach 15 Stunden 
1l | » „| » 0,75 we 4,25| 0,103 | 2287,42 |0,272| klar, gelatiniert 
| nach 9 Tagen 
12 | ww | , 0,50) „ 4,50| 0,069 | 1071,40 0,135 klar, flüssig 
13 np nm ”„ 0,40 „ 4,60 0,055 633,20 0,084 TT n” 
14 e nm | » 0,25) „ 4,751 0,035 | 287 0,047 ve » 
15 | ww | vw DIN „ 8,00] 0,000 68,98 10,002 ge 2 


Wie aus den Tabellen I und II und aus der Kurve 
hervorgeht, werden die Werte des A der albuminösen Salz- 
lösungen, verglichen mit denen der wässerigen Salzsäurelösungen, 
in einer ersten Strecke, und gerade eben von der normalen Konzen- 
tration bis zur Konzentration 0,055 n durch zwei im Winkel di- 
vergierende gerade Linien mit dem Gipfel bei Null dargestellt; 
von 0,055 n bis 0,554 n nehmen sie den Verlauf zweier paral- 
leler gerader Linien, und zwischen 0,554 n und 0,692 n berühren 


Gelatinierung des Eiweißes. 237 


die Werte des A der albuminösen diejenigen der wässerigen 
Salzsäurelösungen und überragen sie dann. 


Tabelle II. 











1 com5 eem 10 — 2,712 | — 0,050 
2 ; 0,623 — 2,392 | — 0,040 
3 0,564 — 2,192 | -+ 0,110 
4 0,416 — 1,582 — 
5 0,347 | 1574,47 | 1,307 0,115 
6 0,278 — 1,037 0,111 
7 0,244 | 8448,46 | 0,922 0,110 
8 0,209 | 7455,32 | 0,817 0,117 
9 0,175 | 6385,87 | 0,652 0,112 
10 0,138 | 5070,92 | 0,482 — 
11 0,103 | 3936,86 | 0,387 0,115 
12 0,069 | 2770,65 | 0,245 0,110 
13 0,055 | 2346,55 | 0,197 0,113 
14 0,041 | 1708,39 | 0,132 


Die ausgezeichneten Versuche Paulis!) geben eine befriedigende 
Erklärung über dieses bemerkenswerte anfängliche Sinken der Werte des 4; 
deswegen halte ich es für angebracht, dieselben hier kurz wiederzugeben. 

Dieser Verfasser hat in einer Arbeit Nachforschungen über den 
Einfluß der Salzsäure und des Natriumhydrats auf die innere Reibung 
des dialysierten Eiweißes angestellt. 

Die als in Funktion betrachteten Werte der innern Reibung der 
Säure- und der Basenkonzentration nehmen zu, bis sie ein Maximum 
erreichen, wonach sie abnehmen. 

Pauli deutet dieses Ergebnis nach Laqueur und Sackur?) als 
eine Umbildung des neutralen Eiweißes in Albuminione, die positiv bei 
Zufügung von Säure, negativ bei Zufügung von Base sind; wenn die 
Werte der innern Reibung abnehmen, so bildet sich nach Paulis An- 
nahme durch einen Rückgang des Dissoziationsphänomens aus dem sauren 
Chloralbumin neutrales Chloralbumin. 

In einer zweiten Arbeit gibt er der aufgestellten Hypothese eine 
breite Grundlage, indem er eine Reihe von Experimenten angibt, die 
sioh alle mit derselben decken. 


1) W. Pauli, Zeitschr. f. Chem. u. Ind. der Kolloide. — Kolloid- 
chemische Studien am Eiweiß 8. — W. Pauli und H. Handowsky,l.o. 
D Beiträge z. chem. Physiol u. Pathol. 3, 193, 1903. 


238 G. Moruzzi: 


1. Die elektrische Leitfähigkeit und die innere Reibung nehmen ab, 
wenn dem dialysierten Eiweiß, dem man Salzsäure in soloher Menge zu- 
setzte, daß die innere Reibung den Höchstwert nicht überstiegen hat, 
neutrale Salze hinzugefügt werden. 


3800 


Erklärungen der Symbole: 


a) K35105 der albuminösen 





Salzsäurelösung. 
74.000 - 1900 b) A der albuminösen Salz- 
säurelösung. 
— ol A der wässerigen Salzsäure- 
lösung. 
10 000-1 1000 
d) K% ?°—5 der wässerigen 
8000- 800 Salzsäurelösung. 
6000- 600 
400071 400 
2000-4 200 
al. 
- , OE 03 Ge 050 059 
ew " Wen Normalität der Säure 
Fig. 1. 


2. Die freien H-Ionen nehmen beim Zufügen von Salzen starker 
Säuren zu. 

3. Das dialysierte Eiweiß verliert bei dem ersten Zusatz von Säure 
die Eigentümlichkeit, durch Alkohol zu gerinnen; bei den nachfolgenden 
Zusätzen gewinnt es dieselbe wieder. 

Das Vermögen des Eiweißes, durch Zusatz einer Säure eine positive 
elektrische Ladung zu erwerben, ist nach Paulis Meinung den Amino- 
säuren der Proteinmoleküle zuzuschreiben und träte nach der folgenden 
Gleichung ein: 


H H 
NH,< NH,< 

RC OH | a= RC Cl | B0. 
COOH COOH 


Gelatinierung des Eiweißes. 239 


Die Verminderung des elektrischen Leitvermögens durch Zusatz 
von neutralen Salzen käme darum zustande, weil sich in der Amidosäure 
starke Anionen und Kationen finden, deren Neigungen zum Ionisieren 
fast im Gleichgewicht sind; deswegen bildet sich ein neutrales Molekül, 
das die Zahl der freien H-Ionen vermehrt. 

R <a NR. 
COOH COON: 

Die innere Reibung nähme durch einen Hydratationsprozeß des 
elektrisch geladenen Eiweißes zu, durch einen Entwässerungsprozeß des 
Eiweißes ab, das seine elektrische Ladung verliert, um neutrales Eiweiß 
zu werden. 

Diese Ansicht werde durch die Tatsache gestützt, daß sowohl das 
Säureeiweiß als auch das Alkalialbumin den entwässernden Agenzien (Alko- 
hol, Wärme) gegenüber widerstehen, während das neutrale Eiweiß koa- 
guliert wird. 

Auch bei den flüssigen Gelatinen wurde von Schröder!) beob- 
achtet, daß durch Zusatz von Salzsäure die innere Reibung zunimmt, 
bis dieselbe ein Maximum erreicht, das mit der Säurekonzentration zu- 
sammenfällt (0,015 n), für welche auch Pauli den höchsten Wert der 
innern Reibung feststellte. 

Lillie?) nahm mit seinem Osmometer Messungen über den osmotischen 
Druck vor und konnte durch progressiven Zusatz von Salzsäure in den 
Gelatinen eine Zunahme des osmotischen Druckes bis zur Konzentration 
0,003 n nachweisen. 

Deshalb hält Pauli es für unzweifelhaft, daß die von Lillie beob- 
achteten Druckzunahmen mit den von ihm angenommenen starken Hy- 
dratationen der Albuminionen gleichzustellen seien. 

Die Abnahme der Werte der innern Reibung, die als eine Rück- 
gangserscheinung der Dissoziation und der nachfolgenden Bildung von 
neutralem Chloralbumin gedeutet wird, wird durch die Experimente von 
Scohorr?) bestätigt, welcher, indem er sich auf die besondere Eigen- 
schaft des Alkohols, das neutrale Eiweiß zu koagulieren und das saure 
Eiweiß gelöst zu lassen, stützte, feststellen konnte, daß das dialysierte 
Eiweiß durch den allmählichen Zusatz von Salzsäure anfangs die Eigen- 
schaft verliert, dem Alkohol gegenüber zu gerinnen; es gewinnt diese 
Eigenschaft jedoch bei weiteren Zusätzen von Alkohol nach und nach 
wieder. 

Im Lichte dieser Untersuchungen betrachtet, kann man 
unschwer die starken, von mir in den albuminösen Salzmischungen®) 
angetroffenen Senkungen des A so deuten, daß sie zum klein- 


sten Teil der minderen Dissoziation der Salzsäure, wegen der 


Na NO, = R -+ HNO,. 


1) Zeitschr. f. physikal. Chem. 66, 129. 

2) American. Journ. of Physiol. 20, 127. 

3) Diese Zeitschr. 13, 173, 1908. 

4) A. Aumanski, Zeitsohr. f. physikal. Chem. 60, 553. 


240 G. Moruzzi: 


Anwesenheit des Eiweiß - Kolloids, zuzuschreiben sind, zum 
größten Teil jedoch der Verbindung der Salzsäure mit dem 
Eiweiß. 

Nach Paulis Ansicht entspricht der höchste Wert der 
innern Reibung der Konzentration 0,016 n; bei der Konzentration 
0,05 n war die Herabsetzung der Werte der innern Reibung 
so stark, daß sie beinahe die Werte des neutralen Eiweißes 
erreichten. 

Da nun sowohl die Bildung des sauren Eiweißes, als auch 
das Neutralwerden desselben an eine Entziehung von Ionen 
von seiten des Eiweißes gebunden ist, so muß deshalb das A 
beständig sinken, bis alles Eiweiß neutrales Chloralbumin ge- 
worden ist. 

Die größte Entfernung der Werte des A der albuminösen 
von denen der wässerigen Salzmischungen trat bei meinen Ex- 
perimenten bei der Säurekonzentration 0,055 n ein, bei der in 
entsprechender Weise Pauli die stärkste Senkung der innern 
Reibungswerte beobachtete. 

Von der Konzentration 0,055 n bis zurKonzentration 0,554 n 
bleibt der Unterschied A— 4’ beinahe unverändert; daher muß 
angenommen werden, daß entweder die Salzsäure mit dem Chlor- 
albumin keine Verbindung mehr eingeht, oder daß sie mit dem- 
selben eine Verbindung bildet, die ebenso dissoziierbar ist, wie 
die Salzsäure. Bei dem aber, was wir bis heute über den physi- 
kalisch-chemischen Zustand der in Lösung befindlichen Körper 
wissen, läßt sich eine komplexere und dissoziierbare Verbindung 
kaum denken; deswegen halten wir uns an die erstere 
Hypothese. | = 

Ich erwähne hier von neuem, daß die Gelatinierung zwischen 
0,103n und 0,244 eintritt; auf diese Erwägung werde ich 
zurückkommen müssen, wenn ich über die Ergebnisse der 
Werte des A und Ki, —6 berichte, die in einer und derselben 
Lösung zu verschiedenen Zeiten festgesellt wurden. 

Von 0,554 n bis 0,692 n werden die Unterschiede A — 4’ 
negativ, man muß daher annehmen, daß sich entweder eine 
größere Anzahl oder dissoziierbarere Moleküle gebildet haben. 

Die Lösung der Bindung zwischen der Salzsäure und dem 
Eiweiß könnte zum Teil dieses Ergebnis erklären; Feststellungen 
über den Gehalt an Chlor des sich bei diesen Säurekonzen- 


Gelatinierung des Eiweißes. 241 


trationen bildenden eiweißartigen Niederschlags können erklären, 
inwieweit diese Hypothese auf Wahrheit beruht. 

Wenn wir nun die elektrische Leitfähigkeit der albu- 
minösen und der wässerigen Salzsäurelösungen vergleichen, so 
sehen wir, daß die Werte der ersteren — beim Ausgang von 
einem fast gemeinsamen Punkte (Null) — divergieren und den 
schon anläßlich des A erwähnten Winkel bilden. Dann nehmen 
sie bis zur Konzentration 0,244 n einen leicht divergierenden 
geradlinigen Verlauf; nach dieser Konzentration steigen die 
Werte der Leitfähigkeit der wässerigen Salzsäurelösungen bei 
krummlinigem Verlauf rasch an; die Werte der Leitfähigkeit 
der eiweißhaltigen Salzsäurelösungen dagegen behalten ihren 
geradlinigen Verlauf bis zur Konzentration 0,623 n bei, nach 
welcher sie rasch ansteigen und dazu neigen, einen den Werten 
der Leitfähigkeit der wässerigen Salzsäurelösungen gleichartigen 
Fortgang zu nehmen. 

Die anfängliche Divergenz der eiweißhaltigen Salzsäure- 
lösungen findet ihre Erklärung in den nämlichen, anläßlich der 
Werte des A erwähnten Tatsachen. In der Folge ist die Di- 
vergenz kaum wahrnehmbar, sie wird stärker nach der Kon- 
zentration 0,244 n, wenn die A-Werte parallel verlaufen. Hier 
wird die Divergenz folgerichtig nicht durch ein Faktum der 
verminderten Dissoziation, sondern durch ein Hindernis für die 
Bewegung der Ionen bedingt. 

Außerdem stellte ich mir die Aufgabe, zu untersuchen, 
welche Modifikationen in der Viscosität und in der elektri- 
schen Leitfähigkeit während des Gelatinierens in einer zum 
Gelatinieren neigenden Lösung vorkämen; daher verfolgte ich 
im richtigen Zeitpunkt das Verhalten dieser beiden physikalsch- 
chemischen Konstanten in einer und derselben Lösung. 

Die Daten dieses Experimentes sind auf der folgenden 
Tabelle zusammengestellt. 

Wie aus den darin zusammengestellten Ergebnissen hervor- 
geht, nimmt die Viscosität zuerst allmählich, dann schneller zu, 
bis sie einen Wert œ erreicht. Die Leitfähigkeit und das 4 da- 
gegen erhalten sich unverändert. 

Es ist zu beachten, daß die Bildung des Niederschlags 
innerhalb der Gelatine gar keinen Einfluß weder auf die elek- 
trische Leitfähigkeit, noch auf das A hat; wir müssen daher 


242 G. Moruzzi: 


Tabelle III. 












Eiereiweiß 9,70 Vissosimeter 
com 9,70 hatte eine Ab- 
HClzu2,55°/, 9,70 flußzeit für das 
12 com 9,70 H,O 
Normalität 9,70 a 25 C von 49” 
der Säure 9,70 u. (ue 
= 0,018 9,70 
9,70 
9,70 
9,70 
9,70 
9,70 opalescierend 
gelatiniert 
milohige Gelatine 


annehmen, daß die Modifikationen, welche diese beiden physi- 
kalischen Konstanten erleiden, in den ersten Augenblicken, wenn 
die Mischung bereitet wird und dieselbe noch klar ist, zustande 
kommen; die nachfolgenden Erscheinungen sind weder ionische 


noch molekulare, sondern vielleicht Hydratationen des Kolloids. 

Nach Hardys!) Dafürhalten besteht der Gelatinierungsvorgang in 
einer festen und in einer flüssigen Phase. Die feste Phase ist eine feste 
Lösung des Lösungsmittels im Kolloid; die flüssige Lösung ist eine Lö- 
sung des Kolloids im Lösungsmittel. 

Nach Lewites?) Meinung wäre die Gelatinierung der Krystallisierung 
gleich, weil sie zu demselben Ergebnis führt wie diese, nämlich zu der 
Trennung der festen Substanz aus der Lösung; sie unterscheidet sich von 
ihr nur durch die Tatsache, daß bei der Gelatinierung der Stoff sich im 
amorphen Zustand trennt, bei der Krystallisierung im krystallischen. 

Paulis angeführte Untersuchungen, welche die innerhalb der Kol- 
loidlösungen vor der Gelstinierung eintretenden Modifikationen von ver- 
schiedenen Gesichtspunkten aus in Angriff nehmen, verdienen weiter- 
geführt zu werden, und zwar müßten besonders die Salzsäurekonzentra- 
tionen, in welchen das Eiweiß gelatiniert, in Betracht gezogen werden. 

Die von Pauli aufgestellte Hypothese, daß die Zunahme der an 
die Hydratation der Kolloidpartikel gebundenen Werte der innern Reibung 
durch die elektrische Ladung verursacht seien, erklärt nicht das Verhalten 
der Werte des 4 in den Mischungen, in welchen das Eiweiß gelatiniert, 
denn die Logik führt uns dazu, anzunehmen, daß die Gelatinierung ein- 
tritt, wenn das Chloralbumin neutral geworden ist. 

1) Hardy, Zeitschr. f. physikal, Chem. 33, 1900. 


2) Lewites, Beiträge zur Kenntnis des Gelatinierungsvorgangs. 
Koll. Zeitschr. 2, 101 bis 208, 277, 1907/08. 


Gelatinierung des Eiweißes. 243 


Eine Tatsache ist noch bei dem Studium der Gelatinierung 
des Eiweißes durch die Salzsäure in Betracht zu ziehen: 
die Langsamkeit, mit welcher sich diese Erscheinung vollzieht, 
während die Essigsäure, welche so viel weniger dissoziierbar ist, 
augenblicklich die Gelatine erzeugt. Wenn man dafür sorgt, zu den 
eiweißhaltigen Salzsäuremischungen zwischen 0,035 n und 0,0138 n 
ein wenig Alkohol hinzuzutun, so erlangt man auch unter diesen 
Umständen die sofortige Gelatinierung der Flüssigkeit. 

Weitere Untersuchungen werden feststellen können, welchen 
Anteil an dieser Beschleunigung die Verbindungen der Essig- 
säure (Rudorf!) und die des Alkohols (Abegg*) mit dem 
Wasser haben. 


1) G. Rudorf, Zeitschr. f. pbysikal Chem. 48, 243, 291, 1903. 
Zur Kenntnis der Leitfähigkeiten und innern Reibungen. 

2) R. Abegg, Versuch einer Theorie der Valenz und der Moleku- 
larverbindungen. Christiania Vidensk. Selsk. Schrifter 1902 Nr. 12. 


Beitrag zur Kenntnis der chemischen Zusammensetzung 
des Hundekörpers.') 


Von 


J. Stockhausen. 


(Aus dem zootechnischen Institut der Königlichen Landwirtschaftlichen 
Hochschule in Berlin.) 


(Eingegangen am 28. August 1909.) 


Um den Einfluß der Nahrung auf die chemische Zusammen- 
setzung der N-haltigen Trockensubstanz des Tierkörpers — 
speziell den Einfluß auf das Verhältnis von N:C in der N- 
haltigen Trockensubstanz — zu studieren, wurden 4 Hunde in 
Versuch genommen. 

In einer älteren und in einer jüngeren Gruppe von je 
2 Hunden wurde das eine Tier mit Pt-reichem®) (Fleisch), das 
andere Tier mit Pt-armem Futter (Reis) ernährt. 

Unmittelbar nach Beendigung der Fütterungsperioden 
wurden die Tiere getötet und in ihre einzelnen Organe zerlegt. 


Die Schlachtresultate. 


Die hier angewandte Methode der Berechnung der Schlacht- 
resultate ist diejenige C. Voits in seinem Aufsatz „Gewichte 
eines wohlgenährten und eines hungernden Hundes‘ (Zeitschr. 
f. Biol. 80, 513 ff., 1894). 


1) Auszug aus der Inaugural-Dissertation „Untersuchungen über die 
stoffliche Zusammensetzung des Tierkörpers bei proteinreicher und bei pro- 
teinarmer Ernährung“, der Philosophischen Fakultät der Königlichen 
Albertus-Universität in Königsberg i. Pr. vorgelegt von J. Stookhausen 
aus Berlin. Berlin 1909. 

2) Pt = Protein. 


J. Stookhausen: Chem. Zusammensetzung des Hundekörpers. 245 
(Schlachtresultate.) 



















Reis-1) 
hund I 


Fleisch-!) 


Bezeichnung der Organe hund I 








Muskulatur und Knochen 
(Schlachtgewicht) . . . . 
Haut... 3 4.0.00 8 0 
Abgelassenes Blut . . . . . 
Gehirn, Rückenmark u. Augen 
Herz und Lunge. .. . 


Niere. : 2:0: 0 2-20 4% 


Abgelöstes Fett . . . . 







Galle: ee 3 Deeg, Ze 
Kot oca ee a 
Summa: 
Lebendgewicht: 
Differenz: — 
Der Schlachtverlust beträgt in Pro- 
zenten des Lebendgewichts: 1,40 0,82 0,38 
Abgelöste Muskeln... . . 7854,50 | 6392,00 | 3327,00 | 3912,50 
Reine Knochen . ..... 2215,50 | 1908,00 973,00 | 1262,50 
Schlachtgewicht: | 10070,00 | 8300,00 | 4200,00 | 5175,00 





Knochen . . Proz. des 23,17 24,40 
Das Gewicht der ( Schlacht- 

Muskulatur . | gewichts 76,83 | 75,60 
Lebendgewicht, g . . . . . 7920,00 | 8350,00 


Knochen . . | Proz. des 
Das Gewicht der f Lebend- 


12,29 15,12 


Muskulatur . j gewichts 40,74 | 46,86 
Knochen, g ... sses. 973,0 1262,5 
Fett, e... 830,0 | 373,0 
Galle, $... 8,0 10,0 
Kot, g.......... 125,0 | 104,0 


Summa: g | 3003,30 | 2349,0 | 1936,0! 1749,5 
Lebendgewicht: g | 14920,00 | 12700,00 | 7920,0 | 8350,0 


1) Erklärung siehe Anm. weiter unten. 


246 J. Stockhausen: 


(Schlachtresultate. Fortsetzung.) 


Bezeichnung der Organe hund I | hund I | hund II | hund II 
D E LS 8 g 


Lebendgewicht min. (Knoche 
— Fett -+ Galle 4 Kot) = 
Muskulatur--Eingeweide,g | 11916,70 | 10351,00 | 5984,00 | 6600,50 

Gewichte der Muskulatur, g 7854,50 | 6392,00 | 3227,00 | 3912,50 


Gewichte der Eingeweide, g. | 4062,20 | 3959,00 | 2757,00 | 2688,00 
Muskulatur 4 Eingeweide, g . | 11916,70 | 10351,00 | 5948,00 | 6600,50 


Reis- — Reis- | Fleisch- 











Davon in Proz. Muskulatur 65,91 61,75 63,93 69,27 
2 »  » Eingeweide 34,09 38,25 46,07 40,73 
Gewicht der Eingeweide in | 
Proz. des Lebendgewichts 27,23 31,17 SEN 32,19 
Gewicht des Fettgewebes in | | 
Proz. des Lebendgewichts 4,46 1,75 10,48 4,47 
Gewichte der Eingeweide der | 
vier Hunde, g. . . . 4062,20 | 3959,00 | 2688,00 
Von dem Gewicht der Ein- | | 
geweide entfallen in Pro- | | 
zenten auf: 
F 9 8 8 gu Ee 8,55 
De ar are 0,63 
1" `" NEE E — 1,69 
Magen, Darm und Harnblase 13,45 
Herz und Lunge. .... . 5,97 
Ausgelaufenes Blut 20,79 
Haut und Haare ..... 44,73 
Gehirn, Rückenmark u. Augen 3,57 
Schlachtverlust . . .... 0,62 





Im Hinblick auf das eingangs genannte Ziel der Unter- 
suchungen wurde das gesamte, sorgfältig konservierte Material 
analysiert. 


Die Untersuchungsergebnisse. 


a) Die analytischen Befunde bezüglich der einzelnen 
Organe. 


Die Analysenresultate sind in den Tabellen I bis VII niedergelegt. 
Zur Untersuchung kamen Muskulatur, Knochen, Haut, Blut, Herz 
und Lunge, Leber, Milz, Niere sowie Magen und Darm. Das Zentral- 
nervensystem (Gehirn und Rückenmark) und das Fettgewebe wurden 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 247 


nicht in die analytischen Untersuchungen mit hineingezogen, weil die 
stoflliche Zusammensetzung der Nervensubstanz wohl weniger einer Be- 
einflußung durch die Ernährung, unter Berücksichtigung der durch die 
Versuchsanstellung gegebenen Bedingungen, ausgesetzt sein dürfte, ferner 
auch weil bei ihrer Verarbeitung ebenso wie bei derjenigen des Fett- 
gewebes Schwierigkeiten entstehen, vor allem aber die Arbeiten nicht. 
zu sehr ausgedehnt werden sollten und konnten. 

Die Analysen erstrecken sich auf den Trockensubstanz-, Asche-, 
Fett-, Glykogen-, N- und C-Gehalt der oben aufgezählten Organe. 


Besprechung der direkten Befunde: 





Tabelle 1. 
Trockensubstanzgehalt!) in Prozenten der frischen Substanz. 
Gru A? Gru B2 
Geste ppe AT ppe B*) 
RI FI RII | FH 
Muskulatur (einschl. Fett) . | 33,26 33,38 39,89 36,11 
Knochen ........x 67,65 66,27 64,90 68,33 
Haut... 02.2 2 2.2.0 2% 57,09 46,43 73,11 60,60 
Bum, u Ze E Sie eo aa 22,003) 21,95 24,40 20,32 
Herz und Lunge ...... 24,74 26,56 30,51 29,02. 
Leber 4.8: sra act soa 30,33 34,10 31,42 29,39 
Mihe wë enea e 25,71 25,31 28,13 24,60 
Niere .. 2 23,89 27,80 29,88 25,37 
Magen und Darm. ..... 21,49 — 4) 31,57 27,16 


Der Trockensubstanzgehalt ist im allgemeinen bei Gruppe B: 
ein höherer als bei Gruppe A. Eine deutliche Ausnahme hier- 
von machten allein die Knochen, welche bei den wachsenden 
Hunden W.-haltiger®) sind als die der alten Hunde. Innerhalb 
der Gruppen A und B neigen die stark mit Kohlenhydraten. 
gefütterten Tiere zu einem höheren Trebst.-Geh. als die anderen. 


1) Abgekürzt: Trebet.-Geh. 

2) Gruppe A ist die Gruppe der ausgewachsenen Hunde, darin be- 
deutet „R I“ den Reishund und P: den Fleischhund; Gruppe B ist 
die Gruppe der wachsenden Hunde, darin bedeutet „R II“ den Reishund 
und PU den Fleischhund. 

3) Das Präparat war infolge Eindringens von Bakterien nicht ganz 
einwandfrei. 

4) Zahl fehlt, da das Glasgefäß während des Sterilisierens platzte 
und sein Inhalt auslief. 

6) W. — Wasser. 


248 J. Stockhausen: 


Das ist durchweg der Fall bei den wachsenden Hunden. Gruppe A 
zeigt in dieser Beziehung nicht die gleiche Regelmäßigkeit: 
Herz und Lunge, Leber und Niere des Reishundes I haben einen 
höheren W.-Geh. als diese Organe des Fleischhundes. Die Zahl 
für das Blut des Reishundes I konnte nicht ganz einwandfrei 
ermittelt werden und ist deshalb auf 22°/, korrigiert worden. 

Vergleicht man noch die Pt.-arm!) bzw. die Pt.-reich er- 
nährten Hunde untereinander, so sieht man, daß Reishund II 
in allen Organen mit Ausnahme der Knochen einen höheren 
(teilweise erheblich höheren) Trsbst.-Geh. besitzt als der aus- 
gewachsene Reishund I. Dasselbe Verhältnis findet man be- 
züglich Muskulatur, Haut sowie Herz und Lunge bei den 
Fleischhunden ; dagegen verhalten sich die übrigen Organe 
(Blut, Knochen, Leber, Milz und Niere) gerade umgekehrt: 
Der W.-Gehalt ist hier bei dem jüngeren Tiere ein größerer als 
bei dem susgewachsenen. 


Tabelle II. 


Aschegehalt in Prozenten der Trockensubstanz. 


En | ` Geeppei | GmpeB 
RI FI R II | FI 





Abgesehen von den Knochen, hat die Milz den höchsten 
Aschegehalt, der nur bei Fleischhund II von den Zahlen der 
anderen Hunde stark abweicht. Ein Vergleich der Gruppen A 
und B lehrt, daß sich beide im Aschegehalt gerade umgekehrt 


1) Pt. — Protein. 

2) Die Zahl 6,18°/, ist unsicher; of. Tab. I. 

3) Die Zahl 7,41°/, ist unsicher, weil unter Fettabzug berechnet, 
cf. Tab. III. 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 249 


verhalten wie im Trebst.-Gehalt nach Tabelle I. Der Asche- 
gehalt ist bei den ausgewachsenen Hunden fast durchweg ein 
höherer als bei den entsprechenden Organen der wachsenden 
Hunde. Eine Ausnahme macht das Blut: Die Zahlen für die 
wachsenden Hunde sind teilweise höher als bei dem ausge- 
wachsenen Hunde, cf. Gruppe B mit FI. Die Erklärung für 
diese Erscheinung liegt in den Zahlen der Tabelle III (s. oi 
die den Fettgehalt der Organe wiedergibt. Wie wir weiter 
unten sehen werden, ist der prozentische Fettgehalt in allen 
Organen der jungen wachsenden Hunde ein höherer als bei den 
ausgewachsenen Hunden, folglich muß der Aschegehalt ihrer 
Organe ein niedrigerer als der der ausgewachsenen Hunde sein. 

Stellt man die Werte der Reishunde nebeneinander, so er- 
gibt sich, daß Reishund I höhere Aschezahlen aufweist als Reis- 
hund II — mit Ausnahme der Milz. Von den Fleischhunden hat 
Fleischhund I höheren Aschegehalt in seinen Organen als Fleisch- 
hund II — mit Ausnahme des Blutes. 

Die Analysen ergaben also, daß die jungen wachsenden 
Hunde in der Trebst. fast aller Organe einen geringeren Asche- 
gehalt besitzen als die ausgewachsenen Tiere. 


Tabelle III. 


Fettgehalt in Prozenten der aschefreien Trookensubstanz. 


Gruppe A Gruppe B ` 
Organe se AT 
RI FI RII FI 





Leber 





Aus Tabelle III ergibt sich mit Regelmäßigkeit, daß der 
wachsende Reishund ebenso. wie der wachsende Fleischhund 
dem in gleicher Weise ernährten ausgewachsenen Tiere gegen- 


1) Die Analysen gingen verloren. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 17 


250 J. Stockhausen: 


über an Fettgehalt der aschefreien Trockensubstanz überlegen 
ist; der Unterschied ist noch am geringsten bei den Knochen 
und im Blute. 


Tabelle IV. 


Glykogengehalt in Prozenten der aschefreien, entfetteten 


Trockensubstanz. 
u Gruppe A Gruppe B 
Organe E VE NEE 
RI FI RII FII 
2,78 0,69 
30,46 








2,76 


Die Untersuchung auf Glykogen beschränkte sich auf diejenigen 
Organe, welche erfahrungsgemäß den höchsten Gehalt daran aufweisen, 
nämlich Leber und Muskulatur, und welche auch ihrer Masse nach den 
weit überwiegenden Teil des ganzen Glykogens im Tierkörper enthalten 
müssen. Auch lieferten einige Organe so wenig Material zum analysieren, 
daß die Analyse des Glykogens neben den anderen Untersuchungen 
nicht mehr mit genügender Sicherheit hätte ausgeführt werden 
können. 


Der mit Reis gefütterte Hund enthält sowohl in Gruppe A 
als auch in Gruppe B in Leber und Muskulatur bedeutend 
mehr Glykogen als der entsprechende Fleischhund. Reishund I 
hat in der Muskulatur mehr Glykogen abgelagert als Reis- 
hund II; dagegen in der Leber weniger als der junge Hund. 
Die Fleischhunde, bei denen die Unterschiede nicht so große 
sind als bei den vorigen, verhalten sich gerade umgekehrt: 
Der alte Fleischhund hat in der Leber mehr, in den Muskeln 
weniger Glykogen abgesetzt als der wachsende Fleischhund. 

Aus den vorstehend mitgeteilten Tabellen ergibt sich 
folgender Gehalt der frischen Muskulatur an: 














Tabelle V. 
— — — 
Ee lo | gé Co Ca 
Se 12,25 | 1110 20,66 15,91 
Glykogen . 2.2.2.2... 1,50 0,12 0,48 0,13 
Asche >, 2.) 3. 2,00 0 0.8 1,02 1,15 1,07 1,05 
N-halt. Substanz . ..... 18,49 21,97 17,68 19,02 
Wasser 2 2 en 66,74 | 66,62 | 60,11 | 6389 


Die fettfreie Substanz enthielt: 
Wasser . 2 22 2 e’ na ae | 760 | 74,1 | 757 | 75,8 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 251 


Tabelle VI. 


N-Gehalt in Prozenten der aschefreien, entfetteten, glykogen- 
freien Trockensubstanz. 


Gruppe A Se B 
Organe 
RI | FI | Ru | FU H ` 


Knochen 











Niere — 2 91 ee e 





Eine Steigerung des N-Gehaltes in der fett-, asche-, glykogen- 
freien Trockensubstanz aller Organe der Pt.-reich gefütterten 
Hunde hat nicht stattgefunden, wie diese Tabelle zeigt. 


In der Gruppe A enthalten drei Organe des Fleisch- 
hundes I etwas mehr N als dieselben Organe des Reishundes I, 
nämlich die Muskulatur, die Leber und die Niere, während 
bei Haut, Herz und Lunge, Milz, Magen und Darm das Um- 
gekehrte der Fall ist. Die Differenz im N-Gehalt der Knochen 
kann als unerheblich angesehen werden. 


In der Gruppe B enthält der Fleischhund II in vier 
Organen etwas mehr N, nämlich in Muskulatur, Haut, Herz 
und Leber, dagegen zeigen die anderen Organe (Blut, Knochen, 
Milz, Niere, Magen und Darm) des Reishundes II höheren 
N-Gehalt. Auch in dieser Gruppe (B) sind die Unterschiede 
für die Muskulatur und Leber beträchtlichere. 


Der Vergleich der Tiere in den Gruppen A und B unter- 
einander deutet darauf hin, daß die Pt.-reich gefütterten 
Hunde in Muskeln und Leber einen höheren, dagegen in Milz, 
Magen und Darm (Gruppe A) einen niedrigeren N-Gehalt be- 
sitzen als die Pt.-arm ernährten Tiere. 


Bei den anderen Organen schwanken die Zahlen ganz 
unregelmäßig; bald hat der Reishund, bald der Fleischhund 


einen höheren N-Gehalt. 
17* 


252 J. Stockhausen: 


Tabelle VII. 


C-Gehalt in Prozenten der aschefreien, entfetteten, glykogen- 
freien Trockensubstanz. 





Niere 





Auch der C-Gehalt der asche-, fett-, glykogenfreien Trocken- 
substanz läßt ebenso wie der N-Gehalt keine Regelmäßigkeit 
erkennen. Für die Muskulatur ergab sich: Fleischhund I hat 
höheren C-Gehalt als Reishund I, während Fleischhund II einen 
niedrigeren C-Gehalt als Reishund II hat. 


Die Haut wie Herz und Lunge sind bei den Pt.-reich 
ernährten Tieren C-reicher als bei den kohlenhydratreich ernährten 
Tieren. Der Vergleich der Gruppe A mit B zeigt, daß be- 
züglich der anderen Organe (Knochen, Leber, Milz, Niere, 
Magen und Darm) Unregelmäßigkeiten vorherrschen. 

In Gruppe A haben Knochen, Haut, Milz, Niere und 
Magen-Darm des Pt.-reich gefütterten Hundes einen höheren 
C-Gehalt als dieselben Organe des Reishundes; umgekehrt ver- 
hält sich in dieser Gruppe nur die Leber. 

Bei den jungen Tieren ist es gerade die Leber des Fleisch- 
hundes, die einen höheren C-Gehalt besitzt als die Leber des 
Reishundes, während bei den Knochen, Niere und Milz wieder 
gerade das Gegenteil der Fall ist. 

Es sind also bei der Mehrzahl der Organe auch bezüglich 
des C beträchtliche Schwankungen zu beobachten. 

In der folgenden Tabelle VIII ist aus den in Tabelle VI 


und VII zusammengestellten Zahlen das Verhältnis von N:C 
berechnet. 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 253 


Tabelle VIII. 
Das Verhältnis von N:C in der N-haltigen Substanz. 


Oriini Gruppe A Gruppe B j 
RI FI RII FII 


In dem aschefreien, entfetteten, glykogenfreien Trsbst.-Rest verhält 
sich die Menge des N zur Menge des C wie 1 zu 


Muskulatur. . ......’. 3,38 3,36 3,41 3,33 
Knoohen . . 2.2.2020. 3,22 3,38 3,16 3,33 
Hant 0.0.4000. a A 2,78 2,96 2,96 2,92 
3,80 2,88 3,71 3,89 
Herz und Lunge . .... . 3,66 4,50 4,01 4,09 

ET TEE 3,77 3,48 3,77 3,97 
Mile. a. Sonia E 3,40 3,64 3,32 3,51 
Niere 10 u e ee 3,48 3,45 2,96 ‚22 
Magen und Darm. . .. . . 3,25 3,59 5,05 3,59 


Auch hier ist kein gleichmäßiges Verhalten zu erkennen. 

Die Organe der Pt.-reich ernährten Hunde zeigen in beiden 
Reihen bei Knochen, Herz, Lunge und Milz ein etwas weiteres 
Verhältnis von N:C wie die Reishunde. Nur bei der Musku- 
latur ist das Verhältnis stets enger bei den Pt.-reich ernährten 
Tieren. Die Verhältniszahlen für die anderen Organe, also für 
Blut,Haut, Leber, Niere und Magen — Darm, sind stetsschwankend. 
Der Vergleich der älteren Hunde untereinander lehrt, daß 
das N-C-Verhältnis ein engeres ist für den Fleischhund in der 
Muskulatur, Leber und Niere, während es in den anderen 
Organen weiter ist, nämlich in Haut, Knochen, Herz — Lunge, 
Milz und Magen — Darm; dies ist die Mehrzahl der Organe. 

In Gruppe B haben Muskulatur und Haut des Fleisch- 
hundes II ein engeres N-C-Verhältnis, während Knochen, Blut, 
Herz — Lunge, Leber, Milz und Niere dieses Hundes (F II) ein 
weiteres N-C-Verhältnis besitzen als die entsprechenden Organe 
des Reishundes II. — Magen und Darm müssen hier aus der 
Besprechung ausgeschaltet werden, da Analysenfehler vorliegen. 

Demnach enthält der asche-, fett-, glykogenfreie Trebst.-Rest 
der Pt.-arm ernährten Hunde in der Mehrzahl der Organe mehr 
N im Verhältnis zum C als der N-halt. Rest der Pt.-reich ge- 
fütterten Tiere. 

Es entsteht nun die Frage, ob etwa N in denjenigen 
Organen aufgespeichert wird, in deren N-halt. Substanz sich das 
N-C-Verhältnis verengte. 


254 J. Stockhausen: 


Die Versuche scheinen der Vermutung Kassowitz’, die 
Leber sei vor anderen drüsigen Organen in hervorragendem 
Maße an einer N-Retention beteiligt, nicht zu widersprechen. Der 
N-Gehalt der Leber ist bei den Fleischhunden höher als bei den 
Reishunden (cf. Tab. VI, S. 251), und das N-C-Verhältnis ist 
in der Leber des Fleischhundes I ein engeres als in der Leber 
des Reishundes I (cf. Tab. VIII, S. 253). — Die hier gefundenen 
Unterschiede scheinen allerdings zunächst nicht groß genug, 
um für allgemeine Stoffwechseluntersuchungen als bedeutend 
zu gelten. 

Die anderen von mir gesondert untersuchten drüsigen 
Organe weisen im Grunde keine wesentlichen Unterschiede auf, 
welche als Folge des Einflusses eines hohen oder niederen 
N-Umsatzes auf die Zusammensetzung des sog. N-halt. Restes 
der Organe anzusehen wären. 

Vergleichen wir den prozentualen N-Gehalt der Muskulatur 
(cf. Tab. VI, S. 251), so sehen wir, daß er bei den beiden 
Fleischhunden ein höherer ist als bei den Reishunden. Ferner 
stehen N und C in der N-halt. Sbst. der Muskulatur bei beiden 
Fleischhunden in einem engeren Verhältnis als bei den Reis- 
hunden. — Im übrigen lassen die Ergebnissc der Untersuchung 
sowohl bezüglich des N-Gehaltes als auch des N-C-Verhältnisses 
keine Regelmäßigkeiten erkennen. 

Die nicht unbeträchtlichen Schwankungen in der Zusammen- 
setzung der Organe lenken zu der Vermutung hin, ihre Ur- 
sache bestände in erheblichen individuellen Eigentümlichkeiten 
der Versuchstiere. 

Die Schwankungen in der Zusammensetzung können zu 
angeborenen oder Rasse-Eigenschaften in Beziehung stehen; 
eher aber wäre vielleicht noch die Wirkung einer Verschieden- 
heit der Ernährung und Haltung in der ersten Jugendzeit als 
Entstehungsursache für die Zusammensetzungsschwankungen 
anzunehmen. Eine Erörterung gerade dieser Faktoren ist hier 
nicht am Platze; es muß die Konstatierung der gefundenen 
Unterschiede genügen. Der Einfluß genannter Faktoren scheint 
so bedeutend zu sein, daß die Wirkung einer Pt.-reichen oder 
Pt.-schwachen Fütterung dadurch vollständig verdeckt oder 
kompensiert werden kann, jedenfalls nicht von ausschlaggebender 
Bedeutung zu sein scheint. 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 255 


Es soll nun die Zusammensetzung der Tiere in absoluten 
Zahlen gezeigt werden. 


b) Die Zusammensetzung der ganzen Tiere. 


Aus den Tabellen I bis VII kann in Verbindung mit den 
bei der Schlachtung gewonnenen Gewichten die Zusammen- 
setzung der Versuchstiere in absoluten Zahlen, soweit die 
einzelnen Organe einer speziellen Analyse unterzogen wurden, 
berechnet werden. | 

Die so ermittelten Zahlen für die Zusammensetzung der vier Ver- 
suchstiere sind übersichtlich in den Tabellen IX, X, XI und XII zu- 
sammengestellt (S. 256). Jede Tabelle ist in 7 Stäbe eingeteilt und 
enthält das Gewicht der frischen Organe (1), der Trockensubstanz (2), 
des Wassers (3), des Fettes (4), des N-halt. Restes [d. h. der aschefreien, 
entfetteten, (eventuell) glykogenfreien, N-halt. Trsbst.] (5), sowie das 
Gewicht des im N-halt. Rest enthaltenen N (6) und C (7). 

Diese Gewichte sind für die folgenden 9 Organe berechnet: 
l. Muskulatur, 2. Knochen, 3. Haut, 4. Blut, 5. Herz — Lunge, 6. Leber, 
7. Milz, 8. Niere, 9. Magen — Darm. 

Man erhält das Lebendgewicht eines Versuchstieres noch nicht 
durch Addition der Frischgewichte oben genannter Organe; die Summe 
letzterer muß vielmehr noch ergänzt werden durch eine die Gewichte 
von Gehirn, Galle, Fettgewebe, Darminhalt und Schlachtverlust um- 
fassende Zahl. Sie ist hier in den Tabellen „Restgewicht‘“ benannt. 
Rechnet man dieses Restgewicht obiger Summe hinzu, dann erst erhält 
man das Lebendgewicht des Hundes. Gehirn, Galle und Fettgewebe 
sind im einzelnen nicht untersucht und bleiben in Zukunft unbeachtet, 


Berechnung charakteristischer Unterschiede in der 
Zusammensetzung der Tiere. 


a) Fott- und Wasserverteilung. 


Es soll nun im folgenden auf Grund der bisher mitgeteilten 
analytischen Resultate unter Zusammenfassung der Mittelzahlen 
.von sämtlichen untersuchten Organen der Tiere auf deutliche 
Unterschiede in ihrer Zusammensetzung hingewiesen und erwogen 
werden, inwieweit die verschiedene Ernährung dafür verantwort- 
lich gemacht werden könnte. 

Zunächst die Unterschiede im Fett- und Wassergehalt: 

Die Zahlen der Tabelle I (Trockensubstanzgehalt) sowie 
der letzten 4 Tabellen (IX, X, XI, XII) lassen die Frage ent- 
stehen, wie der fast allen Organen der jungen Hunde eigen- 


256 J. Stockhausen: 


Tabellen IX—XIL Gesamtzusammensetzung der 4 Versuchshunde. 





ı|5|e|7 
N-halt. Rest 












Gesamt- | davon N | davon C 









Tabelle IX. Reishund I. 

















Muskulatur 1854,5]2612,40'5242,10 | 962,22 11452,25| 217,11| 732,81 
ochen . | 22155/149880! 716.70 | 255,67 | 658.03| 8197| 263.65 
Haut... ... 1654.6| 944.56 709.94 | 382.52 | 538,331 9345| 260.02 
Blut ..... 9235| 203.17 720,33 | 1,906: 188,71] 28,311 106,77 
Herz — Lunge . | 2664| 65.91 200.49 | 11963; 50,57] 7,62) 27,89 
Leber. . . . 131.33) 291,67 | 11829) 7761) 10.85) 40,92 
Miz ..... 864 24 0,670 7.10: 1,09) 3,69 
Niere... .. 683| 1631| 5199| 2476| 1260, 1.87] 650 
n — Darm 122.00 445.70 | 24.067| 9192 45.87 
Restgewicht . . — — 
Leb.-Gew., Sa.: 114920,016603,128403,88 |1653,32112077,12| 456,41j1488,12 
Tabelle X. Fleischhund I. 
Muskulatur . . | 6392,0/2069,8014324,220| 690,540'1301,18 199,99| 666,85 
Knochen . . . | 1908.011264.40| 643.600| 226,840, 47565) 6963| 235.64 
Haut... .. 973,5| 452.00 521,500) 172,050| 266,30! 4479| 132.64 
Blut |] 1615.0| 364,4811260,520 2,922) 336,78] 64,59| 186,87 
Herz — Lunge . | 2260| 60,03] 165,974| 10,343 45,63 621) 27,90 
Leber... .. 290.0] 98,891 191.110 6071| 8177| 1226! 4265 
Miz ..... 40.0} 1012| 29876) 1050| 812| 117|) 426 
Niere... .. 81.01 1418! 36822) 2221) 1090) 166) 85,73 


Magen — Darm | 456,0| 102,60| 363,400) 20,920) 75,93| 10,87) 39,17 














12700,0|4426,50|7527,022|1132,966,2602,26| 411,17j1340,71 
Tabelle XI. Reishund I. 


Muskulatur 3227,011287,3011939,700| 684,270) 552,73] 83,52| 284,60 
Knochen 973.0| 631,47; 341,530 127,000 222,77| 34,44| 108,74 
Haut . . 1265,0| 924,85| 340,150| 545,210: 361,62 60,99; 180,19 
Blut ..... 447,0] 109,07| 337,930; 1,270; 103,11] 15,64| 658,05 
Herz — Lunge 218,0] 66,51] 151,489) 24,141) 39,40) 5,32); 21,35 
Leber... . » 260,01 81,69) 178,308) 17,204| 42,50; 5,67| 21,35 
UE re 14, 3,94| 10,062) 0751| 276 0,45) 1,49 
Niere. .... 26, 7,771 18,232 2252| 499 0,87) 2,58 
Magen — Darm 362.0 114,28 247,720; 49,087) 60,38 8,04 40,59 
Restgewicht 1128,0 — — — — — — 
Leb.-Gew., Sa.: | 7920,0|3226,88|3565,121|1451,185]1390,16| 214,94| 718,94 


Tabelle XII. Fleischhund IL 
Muskulatur , . | 3912,5 1412,82 2499,680| 622,340| 744,19) 114,91| 382,36 
Knochen . . . | 1262,5] 736,42 526,080 154.970 277153) 40,57| 135,07 
Haut... ... 1190,0) 721,13! 468.870, 430,350) 279,10° 49,71] 139,94 
Blut . . . . | 5530| 112,37) 440,630 1,620) 105,41) 15,87) 61,65 
Herz — Lunge . | 159,0] 46,14 112,858; 15,364) 28,51 410| 16,77 


Leber. . . . .| 230,0| 67,60, 162.403) 6.248; 55,73] 7,50| 29,77 
Miz ..... DO 4,18 12,818; 0,672) 325 0,48; 1,68 
Niere. .... 45,01 11,42 33,584] 2976| 7866| 1,18| 3,78 
Magen — Darm | 367,0] 99,68| 267,322| 30,635: 63,48; 8 84 31,73 
Restgewicht . . | 614, | | 





Leb.-Gew., Sa.: | 8350,0]32 EG 2451265, STE Ser 313,10) 5072, 75 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 257 


tümlich hohe Trsbst.-Geh., der wesentlich von demjenigen der 
Organe der älteren Hunde abweicht, zu erklären ist. Ein Ver- 
gleich der Tabelle I (S. 247) mit Tabelle III (S. 249) läßt die 
Vermutung einer Beziehung zwischen dem Wasser- und dem 
Fettgehalt der Organe entstehen. In der Tabelle XIII sind 
die Gesamtgewichte der untersuchten Organe der 4 Versuchs- 
tiere zum Vergleich nebeneinander gestellt. 





Tabelle XIII. 

I 3 4668 
Gesamtgewicht der unter- Von 100 S „„|Fettfreie Masse 
suchten Organe Gew.-T. FE d. untersuchten 
S ——| untersuchter |e Ze) Organe frisch 

5] Versuchstier |. S ` | Darin sind enthalten | frischer Or- |; = 
kel Zeie Cem KC Leen 
Mile u EE 
5 Sbst, Wasser) Fett |Wasser | Fett 8 Gewicht 8 SP 


lo 8 "ie 


AU Reishund I. . I4007, 0 6603, 12 8403, 88 1663, 321 60,00 29,51|/12 353,68| 68,03 
Fleischhund I. [11951 5 4426, 50 7527, 02 1130, 96| 62, ‚48 25,55110 820,54 69,56 


Reishund II . | 6792,0.3226,88|3565,12 1606,06| 52,49 | 23, ol 5 340,81| 66,55 
Fleischhund II | 7736 .013211,76 4524,24 1265,17| 58,48 | 16,35 |39,89| 6 470,83 71,55 


g g g g > | % 










Stab 5 der Tabelle zeigt, wieviel Gew.-T.!) Wasser auf 
100 Gew.-T. der untersuchten Organe kommen, und aus den 
Stäben 6 und 7 ist ersichtlich, wieviel Gew.-T. Fett auf 
100 Gew.-T. der untersuchten Organe — im frischen Zustande 
und in der Trsbst. — entfallen. Die Zahlenreihen der Stäbe 5 
und 6 zeigen schon deutlich, wie der höhere W.-Geh. dem 
niedrigeren Fettgeh. der Organe entspricht und umgekehrt. 
Weiter zeigen die Stäbe 6 und 7, daß die Gruppe B einen 
bedeutend höheren Gesamt-Fettgeh. besitzt als Gruppe A. Dieser 
Beobachtung entspricht auch wieder in Kolonne 5 der höhere 
W.-Geh. der Gruppe A gegenüber B. Die Differenz im Fettgeh. 
ist zwischen den beiden Gruppen eine bedeutend höhere als 
innerhalb jeder Gruppe; die jungen Hunde haben einen größeren 
Teil der dargebotenen Nährstoffe zum Ansatz von Fett ver- 





1) Gewichtsteile = Gew.-T. 


258 J. Stockhausen: 


wendet — soweit das Fett nicht vor der Versuchsfütterung 
vorhanden war — als die ausgewachsenen Hunde. Sicher ist, 
daß die Reishunde mehr Fett ansetzen konnten als die Fleisch- 
hunde. 

Nach Abzug der absoluten Fettmenge vom Gesamtgewicht 
der untersuchten Organe bleibt die Menge der fettfreien, frischen 
Substanz, cf. Stab 8. Der prozentische Anteil des Wassers 
an der fettfr. frischen Substanz ist in Stab 9 angegeben. Es 
sind — wie daraus ersichtlich — zwischen den Gruppen A 
und B keine charakteristischen Unterschiede vorhanden; zu 
bemerken ist aber auch hier, daß der W.-Geh. der Organe 
insofern zu der Ernährungsweise der Hunde in Beziehung zu 
stehen scheint, als er bei den Pt.-reich gefütterten Tieren 
höher ist als bei den Reishunden. Die Differenz zwischen 
Fleischhund und Reishund ist in der Gruppe B größer als in 
der Gruppe A. 


b) Gehalt an N-haltiger Substanz bei den 4 Versuchs- 
tieren. 


Von besonderem Interesse ist es ferner, das Verhalten der 
N-halt. Sbst. im Tierkörper zu verfolgen. 

Zu diesem Zwecke wurde der prozentische Gehalt der 
untersuchten Organe an N-halt. Sbst. und der prozentische 
Gehalt der N-halt Sbst. an N und C berechnet. Die Ergeb- 
nisse sind in Tabelle XIV zusammengestellt. 


Tabelle XIV. 


| 5 6 


Versuchstier J N-halt. Rest u 
P S H von 100 Gew.-T. 

SE Geng N-balt. Rest sind 

0 — 

Reishund I. . 15,331 | 49,985 
Fleischhund I. 15,800 , 51,622 
Reishund II . 15462 | 51,717 


Fleischhund . 15,535 | 51,299 





Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 259 


Es ergibt sich aus der Berechnung: Der Anteil der N-halt. 
Sbst. an der Zusammensetzung der Organe ist in der Gruppe A 
höher als in der Gruppe B, dabei ist in Gruppe A der W.-Geh. 
höher, der Fettgeh. aber bedeutend niedriger als in Gruppe B. 
Der Gehalt an N-halt. Sbst. und an Wasser gehen also parallel. 
In Gruppe B nimmt das Fett einen so großen Prozentsatz der 
Trebst. in Anspruch, daß dadurch der Gehalt an N-halt. Sbst. 
unter denjenigen der Gruppe A heruntergedrückt wird, obgleich 
diese (letztere) einen niedrigeren Trsbst.-Geh. besitzt (s. a. Ta- 
belle XV). 

In der Gruppe A ist dieselbe Beziehung zwischen N-halt. 
Sbst. und W.-Geh. zu sehen. Mit der N-halt. Sbst. steigt die 
Menge des Wassers in der Gesamtmasse der Organe. 

In der Gruppe B ist das nicht der Fall, sondern die Menge 
der N-halt. Sbst. nimmt etwas ab, während der W.-Geh. sich 
vermehrt. Die Differenz ist in beiden Gruppen gering. Sie 
beträgt in Gruppe A —-0,52°/, zugunsten von Fleischhund I, 
in Gruppe B — 0,24°/, zuungunsten von Fleischhund II. 

Der teilweise große und bei den 4 Hunden stark schwan- 
kende Fettgeh. der Organe stört den Vergleich zwischen W.-Geh. 
und N-halt. Sbst. Um dem zu begegnen, wurde das Fett in 
Abzug gebracht und nunmehr der Gehalt der fettfreien, frischen 
Sbst. an Wasser und an N-halt. Sbst. festgestellt wie folgt: 


Tabelle XV. 


Frischgewioht der untersuchten Organe, 
abzügl. Fett 


in 100Gew.-T. istent- 






—————— in 100 Gew.-T. ist 







Absolutes 











Gewicht |halt. an N-halt. Restienthalt. an Wasser 
Sen 8 % 7 o 
A { Reishund I. .| 12353,68 24,10 68.03 
Fleischhund I . | 10 820,54 24,05 69,56 
Reishund I . 5340,81 26,03 66,55 
Fleischhund II 6470,83 24,18 71,55 


Hiernach erscheint die Zusammensetzung der Tierkörper 
weniger schwankend in der Gruppe A; hier beträgt die Differenz 
ìm der N-halt. Sbst. nur 0,05°/,, im W.-Geh. 1,53°/,. Gruppe B 
weist größere Unterschiede auf, nämlich 1,85°/, in der N-halt. 

Sbst. und 5,00°/, im W.-Geh.; dies ist durch den hohen W.-Geh. 
von Fleischhund II bedingt. 


260 J. Stockhausen: 


c) Verteilung der N-haltigen Substanz auf die Einzel- 

organe in Prozenten der Gesamtmenge; Verteilung 

ihres N- und C-Gehalts. Berechnung der mittleren 
Verhältnisse von N:C in den ganzen Tierkörpern. 


Möglicherweise könnte die Verteilung der N-halt. Sbst. im 
Tierkörper von Einfluß auf das Resultat dieser Untersuchungen 
sein, so daß vielleicht noch ein anderer Einblick in die Wir- 
kung der Ernährungsweise auf die stoffliche Zusammensetzung 
des Tierkörpers zu gewinnen ist, wenn der Verbleib der N-halt. 
Sbst. sowie des N und C in den einzelnen Organen geprüft wird. 

In Tabelle XVI ist der prozentuale Anteil der einzelnen 
untersuchten Organe an der Gesamtmenge der N-halt. Sbst. 
berechnet. 

Tabelle XVI. 


Von 100 Gewichtsteilen der N-haltigen Substanz im Tierkörper entfallen 
auf die genannten Organe: 


Organe RI FI RII FII 





Tabelle XVII zeigt die prozentuale Verteilung des gesamten 
N auf die einzelnen Organe. 


Tabelle XVII. 


Von 100 Gewichtsteilen des N in der N-haltigen Substanz entfallen auf 
die genannten Organe: 


FI RII 





Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 261 


Aus Tabelle XVIII ist die Verteilung des C in der N-haltigen 
Substanz auf die Organe ersichtlich. 


Tabelle XVIII. 


Von 100 Gewichtsteilen C in der N-haltigen Substanz entfallen auf die 
genannten Organe: 


Organe | RI | FI | RII | FII 


39,59 | 47,63 
15,12 | 16,83 
2506 | 17,48 
8,07 7,68 
2,97 2,09 
2,97 3,71 
0.21 0,21 
0,36 0,47 
5,65 3,95 





Tabelle XVI zeigt, daß die N-halt. Sbst. sich in über- 
wiegender Menge auf Muskulatur, Knochen und Haut verteilt. 

Diese Organe weisen dabei allerdings ganz beträchtliche 
Gehaltsunterschiede zwischen den vier Versuchstieren auf. Die 
Knochen besitzen noch den gleichmäßigsten Gehalt an N-halt. 
Sbst. Dagegen sind sehr große Differenzen bei Muskulatur 
und Haut wahrnehmbar. 

Auf Blut, Herz und Lunge, Magen und Darm kommt ein 
bedeutend geringerer prozentualer Anteil an N-halt. Sbst., 
wobei allerdings auch noch größere Unterschiede zwischen den 
Organen bestehen. 

Von den drüsigen Organen — Leber, Milz und Niere — 
hat die Leber den größten Anteil an N-halt. Sbst., der nicht 
sehr zwischen den vier Versuchstieren schwankt. 

Die Fleischhunde haben in diesen Organen einen höheren 
prozentualen Gehalt als die Reishunde. 

Aus den Tabellen XVII und XVIII ist zu erkennen, daß 
die in der Masse überwiegenden Organe (Muskeln, Haut und 
Xnochen) die weitaus größere Menge des N bzw. C in sich 
bergen. Unter den drüsigen Organen kommt auch der Leber 
der Hauptanteil an N und C zu. — Die Verschiedenheiten der 
Organe in ihrem Gehalt an N bzw. C entsprechen, wie leicht 
verständlich, den Veränderungen des Gehaltes an N-halt. Sbst. 


262 J. Stockhausen: 


Die bevorzugte Verteilung der N-halt. Sbst., des N und 
des C auf einige Organe kommt noch stärker in nachstehender 
Tabelle XIX zum Ausdruck. 


Tabelle XIX. 
iıjejsļ|ajs|eļ7|sj|ofojun]|. 


| Fleischhund I | Reishund II | Fleischhund II 







































































Reishund I Reis d f 
ES EES Ge , le IO era log les... 
Eg Ang Te | personell Gg Ang os Kg ngl Teig 
Organe | we% ERRE Zrz SES 853 ZECHES ER “283.5 82% 
ZSA | VÉS | wen |SS us | uca [E88 382 Sea SES 
Zedl ed Sedlësc 333 | sde 528| Zëdliedl Bed ss 
eebe E28 822 Ee E 221823 828 1204 322802 
Ss äis S Sa] pa Ssa ssa] Ss s52|85z| 5Sz2|354185z 

SS — 
un 1.293.24.615 50.00 7,685 25,626 39,76 | 47,56 7,343 24,435 
Knochen 2,753! 8,856|18.28| 2,676! 9,055| 16,02! 2,477| 7,822| 17,73! 2,593! 8,631 
Haut 3130 8,734|10.23j 1,721| 5,097| 26,01| 4,387/12,961| 17,84, 3,177| 8,943 
Blut. 0,951| 3,586112,94| 2,482| 7,143| 7,42, 1,125 4,176) 6,74! 1,014! 3,940 
0,256| 0,937| 1,75. 0,238] 1,072] 2,83! 0,383. 1,536] 1,82, 0,262 1,071 
Leber 0,364| 1,374| 3,14 0,471| 1,639| 3,06 0.408! 1,536] 3,56! 0,479' 1,902 
Mis 0,036 0,124] 0,31| 0,045| 0,164| 0,20 0,032] 0,107| 0,21] 0,031) 0,108 
Niere 0,063) 0,218] 0,42) 0,064| 0,220] 0,36] 0,063; 0,185 0,49; 0,075 0,242 
an 3,09| 0,475| 1,541| 2,92) 0,418] 1,505| 4,34) 0,578| 2,92 * 0,565, 2,028 





Summa |100,00.15,330/49,985|99 99: 15,800 51,521|100,00 15,460 51,715|100,01|15,539:51,300 
I | H l ] 


Tabelle XIX führt in den Stäben 1, 4, 7 und 10 zum 
Vergleich mit den Zahlen der anderen Stäbe nochmals die 
Verteilung der N-halt. Sbst. auf die Organe wie in Ta- 
belle XVI. 

Die Stäbe 2, 5, 8 und 11 bringen die Verteilung des N 
und die Stäbe 3, 6, 9 und 12 die Verteilung des C, der in 
nebenstehenden Mengen der N-halt. Sbst. enthalten ist, zum 
Ausdruck. In diesen letzteren Kolonnen zeigt sich deutlich 
der Unterschied in der Verteilung des N bzw. C auf die Mus- 
kulatur, Knochen, Haut und Haare, Blut und Leber einer- 
seits — und die übrigen Organe (Milz, Niere, Herz und Lunge, 
sowie Magen und Darm) andererseits, — Die Schwankungen 
bewegen sich auch hier natürlich ganz den Veränderungen im 
Gehalt an N-halt. Sbst. entsprechend. 

Aus der Summazeile am Ende der Tabelle XIX kann das 
N:C-Verhältnis in der N-halt. Sbst. berechnet werden. Die 
Endzahlen der Kolonnen 2 und 3, 5 und 6, 8 und 9, 11 und 12 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 263 


sind dieselben wie die Zahlen der Tabelle XIV, Kolonnen 5 
und OI 
Sie geben an, wieviel Gew.-T. N bzw. C in 100 Gew.-T. 
der N-halt. Sbst. des ganzen Tieres enthalten sind. 
Das N-C-Verhältnis in der N-halt. Sbst. des ganzen Tieres 
beträgt in: | 
Gruppe A 
bei Reishund I —1:3,261 
„ Fleischhund I = 1 : 3,261 


Gruppe B 
bei Reishund II ==1: 3,345 
‚„ Fleischhund II = 1: 3,302 


Demnach haben die ausgewachsenen Hunde ein engeres 
N-C-Verhältnis als die jungen wachsenden Hunde in der 
N-halt. Sbst. 

Für die Pt-arm ernährten Hunde sind die Verhältnisse 
1:3,261 und 1:3,345, i. M. also 1:3,303 gefunden worden. 

Bei den Fleischhunden stehen N und C der N-halt. Sbst. 
in den Verhältnissen 1:3,261 und 1:3,302, woraus sich ein 
mittleres Verhältnis von 1: 3,2815 berechnen läßt. 

Das N-C-Verhältnis ist also bei den Pt-reich gefütterten 
Fleischhunden ein engeres als bei den Pt-arm ernährten Reis- 
hunden. 


d) Anreicherung an N-haltiger Substanz in Muskeln 
und Leber durch proteinreiche Ernährung. 


Es ist vielleicht nicht uninteressant, zu prüfen, in welchem 
Grade eine Anreicherung an N-halt. Sbst. in Muskulatur und Leber 
bei beiden Fleischhunden etwa stattgefunden hat; die Leber 
mag hier mit in Betracht gezogen sein, da sie, wie einleitend 
bemerkt wurde, auch dazu dienen soll, retinierten N aufzunehmen. 

In Tabelle XX ist der prozentische Anteil der N-halt. 
Sbst. an der ‚„Tr.-Sbst. minus Fett“ berechnet. (Die Schwan- 


1) Die Zahlen der Tabelle XIX sind nicht aus den Angaben der 
Tabelle XIV, Kol. 5 u. 6, hervorgegangen, vielmehr wurden sie auf 
Grund der Tabellen IX bis XII bzw. XVI bis XVIII berechnet; des- 
halb stimmen auch die Endsummen nicht ganz genau mit Tabelle XIV 
überein, vielmehr haben sich kleine Differenzen in der dritten Dezimal- 
stelle gebildet. 


264 


Tabelle XX. 


Fleischhund I 








Reishund II 
Wasser-, fettfreie Masse 





Raid RH 


Fleischhund II 


Wasser-, fettfreie Masse 





, fettfreie Masse 


Wasser-, fettfreie Masse 





ihr Ge- 


gewicht] Anteil |! 





ihr Ge- 


Organe 


J. Stockhausen: 


790,48 





samt- 


N-halt. | gewicht 


Sbst. 
Die 


g 
594,03 


der 





1379,26 [1301,18] 94,34 





88,00 


64,943 





U 


2 





5 


samt 
gewicht 
8 
1650,18 








Muskulatur 










61,352 


d'S ba ZS Ai 8 = 
S n z 

Schr Ee Si Z 

m Z, | Ca 3 
p- | 
< > | N Q 
KE GC 9 
< a N 
D wO ` si 
Gd (De 





81,77| 88,094 | 64,486 


92,819 


25 
61 


i 


Leber . 


kungen im Fett- und 
Wassergehalt der Organe 
sind schon oben konstatiert 
worden; um Vergleiche 
besser anstellen zu können, 
sind diese Substanzen des- 
halb hier und in der näch- 
sten Tabelle ausgeschaltet.) 

Diese eventuelle Anrei- 
cherung müßte natürlich 
umgekehrt den früher mit- 
geteilten Zahlen für Asche 
und Glykogen parallel 
gehen; die Befunde bestä- 
tigen die Annahme für den 
Glykogengehalt, nicht aber 
für den Aschegehalt. 

Bezüglich der Muskulatur 
ergibt sich aus Tabelle XX, 
daß die beiden Fleischhunde 
hierin mehr N-halt. Sbst. 
ansammelten als die Reis- 
hunde, ferner, daß Reis- 
hund II mehr N-halt. Sbst. 
angesammelt hat als Reis- 
hund I; Fleischhund II 
enthält dagegen 0,195°/, 
N-halt. Sbst. weniger als 
Fleischhund I. 

Auch in der Leber haben 
die Fleischhunde mehr N- 
halt. Sbst. angesammelt als 
die Reishunde; ferner be- 
sitzt Reishund II gegenüber 
Reishund I und Fleisch- 
hund II gegenüber Fleisch- 
hund I höheren prozen- 
tualen Gehalt an N-halt. 
Sbst. 


Chemische Zusammensetzung des Hundekörpers. 265 


Fleischhund I hat also nicht nur pro 100g Muskeln 
0,3648g N retiniert, sondern auch noch dem prozentualen Ge- 
halt an N-halt. Sbst. gegenüber Reishund I beträchtlich ver- 
mehrt. 

Fleischhund II dagegen konnte nur in der Muskulatur pro 
100 g 0,349 g pro N retinieren und zugleich den prozentualen 
Gehalt an N-halt. Sbst. um ein Geringes vermehren. 

Das N-C-Verhältnis ist in der Leber des Fleischhundes I 
enger als in der des Reishundes I. Da derselbe Vorgang bei 
Fleischhund II und Reishund II nicht beobachtet wurde, (cfr. 
Tab. VIII, 8.253) so mag die Leber von dieser Betrachtung über- 
haupt ausgeschlossen bleiben. 


el Anreicherung an fettfreier Fleisch-Trockensubstanz. 

Da der N der Nahrung nicht nur zur Anreicherung der 
N-halt. Sbst. mit elementarem N, und zur Vermehrung der 
N-halt. Sbst. dienen kann, sondern auch zur Vermehrung der 
Masse der Muskulatur, so ist in Tabelle XXI die Anreicherung 
von fettfreier Muskel-Trockenmasse berechnet worden. 


Tabelle XXI. 





— Wasser-, fettfreie Masse 
der Muskulatur 






















Wasser-, fett- E pr 
freie Masse ihr prozent. 
der Anteil an der 
Versuchstier untersuchten | ihr Gesamt- | Wasser-, fett- 


freien Masse 
der untersuch- 
ten Organe 


"ie 


Organe gewicht 

















en 3949,80 1650,18 


— 3295,54 1379,26 41,851 
Reishund I ..... 1620,82 594,03 36,657 
Fleischhund II .... 1946,59 790,48 40,608 


Tabelle XXI zeigt, daßdie Fleischhundeeinen höherenProzent - 
satz von wasser- und fettfreier Muskulatur besitzen als die Reis- 
hunde. Weiter ist zu ersehen, daß die Differenz in der Gruppe der 
wachsenden Hunde eine bedeutend größere, nämlich (40,608 minus 
36,057) — 3,951 °/,, als bei den ausgewachsenen Hunden (41,851 
minus 41,778) = 0,073°/, ist. Die hier vorgelegten Unterschiede 
sind gering, beachtenswert höchstens bei den wachsenden Hunden. 


Biochemische Zeitschrift Band 22. IS 


Über eine Methode zum quantitativen Nachweis des 
Antipepsins im Serum. 
Von 
Y. Oguro aus Saga (Japan). 
(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses Moabit 
in Berlin.) 
(Eingegangen am 14. September 1909.) 


Während man bereits über brauchbare Methoden verfügt, 
um die Antikörper des Trypsins und des Labs qualitativ nach- 
zuweisen und besonders auch quantitativ zu bestimmen, ist 
man über den Antikörper des Pepsins weit weniger unter- 
richtet. Mehrere Autoren haben im Pferdeserum Antipepsin 
nachgewiesen. Jedoch scheint es sich im allgemeinen nur um 
sehr geringe Hemmungswirkungen gehandelt zu haben. 


Von älteren Angaben sind Schnappauf!) und Hahn?) zu er- 
wähnen, in neuerer Zeit fand z. B. E. Zunz?) das Serum nur wenig 
hemmend für das Pepsin. H. Saohs*) erzielte bei der Gans durch 
wiederholte Pepsininjektionen einen deutlichen Antipepsingehalt des Se- 
rums, das er bei normalen Gänsen kaum antipeptisch wirksam fand. 
M. Jacoby®) und J. Morgenroth®) haben dann mit Pepsin beladene 
Fibrinflocken in Serum gebracht und erst nach Entfernung des Serums 
Säure zugefügt. Bei einer derartigen Anordnung kann man eine sehr 
deutliche Antipepsinwirkung des Serums feststellen, so daß beide Autoren 
einem ausgesprochenen Parallelismus zwischen Antipepsin und Antilab 
begegneten.?) 


1) Dissertation, Rostock 1888. 

2) Berl. klin. Wochenschr. 1897. 

3) Bull. de l’academie Roy. de Medicine de Belg. 1905. 

*) Fortschritte der Medizin. 1902. 

5) Diese Zeitschr. 2, 3, 1906. 

6) Berl. klin. Wochenschr. 1909, 758. 

7) J. Cantacuzöne und C. Jonescu-Meihaiesti in Bukarest 
(Soo. de Biol. 1908, 273) haben ebenfalls in Bestätigung der Angaben 
von Jacoby die Bedeutung der neutralen Reaktion für das Zustande- 
kommen der Antipepsinwirkung beobachtet. 


Y. Oguro: Methode zum quant. Nachweis dee Antipepeins. 267 


Es ist anzunehmen, daß die schwankenden Angaben in 
der Methodik begründet sind. Die Resultate von Jacoby und 
Morgenroth weisen ja darauf hin, daß nur bei bestimmtem 
Vorgehen die vollkommene Antipepsinwirkung manifest wird. 
Besonders aber galt es, ein Verfahren auszuarbeiten, welches 
den wahren Antipepsinwert des Serums bequem und genau 
bestimmt. Ein solches Verfahren wird auch für die Pathologie 
Interesse gewinnen und vielleicht diagnostische und prognostische 
Aufschlüsse in Fällen gestatten, in denen die Bestimmung 
anderer Serumbestandteile versagt. Ich werde nunmehr über 
meine Versuche, die ich unter Leitung von Herrn Professor 
Jacoby ausgeführt habe, berichten. 


Es schien zunächst notwendig, das Antipepsin auf das 
Pepsin vor Zufügung der Säure einwirken zu lassen, 
und es war zu versuchen, ob nicht ähnlich, wie bei 
der Einwirkung von Antitoxinen auf Toxine bei ge- 
nügend langer und intensiver Reaktion das mit Anti- 
pepsin vorbehandelte Pepsin auch ohne Entfernung 
des Antipepsins in Gegenwart von Säure wirksam 
bleibt. Diese Fragestellung wurde durch folgenden Versuch 
geprüft. 


Versuch 1. 


0,5 com einer 0,1°/,igen Pepsinlösung (Grübler) werden mit 
4,0ccm einer fünffach verdünnten Menge (mit 0,85°/ iger Kochsalz- 
lösung) Pferdeserum versetzt, und 30 Minuten lang in den Brut- 
schrank gebracht. Danach werden 0,öcom einer #/, ,-Salz- 
säure und ein kleines Stück (ca. bohnengroß) von Carminfibrin- 
flocken (Grübler) zugesetzt und wieder in den Brutschrank 
zur Digestion gebracht. | | 

Als Kontrolle habe ich an Stelle des Serums 0,85°/,ige 
Kochsalzlösung benutzt. 

Für diese Versuche habe ich aus dem Grunde Carmin- 
fibrinflocken benutzt, weil selbst ganz minimale Verdauung 
durch Rötung und Trübung der Flüssigkeit ganz leicht und 
genau beobachtet werden kann. 


18" 


268 Y. Oguro: 
Tabelle I. 





gen, nn — 















Pepsin- | Pferde- 







Car- Nach | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach 
lösung | serum min- 20 
(1:1000)| (1:5) Abrin- Std 
locken ` 


keine | keine | keine | keine | keine | keine | keine 
Rö- | Rö- | Rö- | Rö- | Rö- | Rö- | Rö- 
tung | tung | tung | tung | tung | tung | tung 
u. Trü- |u. Trü-|u. Trü-'u. Trü-|u. Trü-|u. Trü-|u. Trü- 
bung | bung | bung | bung | bung | bung | bung 





5.10 vie | Carmin- | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach | Nach Nach 
en Koch: | sale | Aue | 10 | 30 | 1 2 6 | 10| % 
ung | Fais | saure | focken | Min. | Min. | Std. | Std. | Std. | Std. | Std. 











Aus diesem Versuch kann man ersehen, daß während eines 
halbstündigen Aufenthaltes des Gemisches von Pepsin 
und Pferdeserum im Brutschrank das Pepsin durch die 
Einwirkung des Antipepsins im Serum inaktiviert wird, und 
daß nach dieser Vorbehandlung die Salzsäure nicht mehr die 
Demonstration der Antipepsinwirkung beeinträchtigt. 

Ferner ist aus der Tabelle (Kontrolle b) ersichtlich, daß 
die benutzte Pepsin-Salzsäure durchaus imstande ist, die in 
Frage kommende Menge Fibrin vollkommen zu verdauen. 

Daß die Vorbehandlung des Pepsins und Serums — halb- 
stündiger Aufenthalt des Gemisches von Pepsin und Serum im 
Brutschrank ohne Säure — zur Darstellung der Antipepsin- 
wirkung notwendig ist, kann man aus nachstehendem Versuch 
ersehen. 


Versuch 2. 


Pepsinlösung, Serum, Salzsäure und Carminfibrinflocken 
gleichzeitig zugesetzt. 

Hier hat also die Gegenwart von Serum die Verdauung 
der Fibrinflocken nur eine kurze Dauer verzögert. Wahrschein- 
lich hindert die Gegenwart der Salzsäure die Antipepsinwirkung 
und schädigt das Antipepsin selbst, bevor es auf das Pepsin 
einwirken kann. Auf diese direkte Schädigung der Antikörper 


Methode" zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 269 


(Antilab) durch die Säure hat bereits Morgenroth in seinem 
Vortrage hingewiesen. 

Der nächste Versuch, bei dem nach der von Jacoby und 
Morgenroth gewählten Anordnung verfahren wurde, lehrt, 
daß nicht etwa die Fixierung des Pepsins an Fibrin bei Brut- 
schranktemperatur seine Wirksamkeit herabsetzt. 
























Tabelle II. 
E_ 
8: Nach | Nach | Nach | Nach 
p= 1 Std. | 11/3 Std. | 2 Std. | 5 Std. 
Ce 
com 








deutlich 
etwas rot | gerötet 


s) und trüb! und 










fibrinflocken 


/1o- Salzsäure 
Carmin- 





stark rot 







e ziemlich | u, trüb, | etwas | Aocken 

3 | etwas | deutlich | Fibrin- |mehr fort-| yoll- 

A | gerötet rot flocken go- ständig 

x u. trü etwas |schritten | yerdaut 
| verdaut 





Das Ferment wird auch bei dieser Methodik nur unwirk- 
sam, wenn es unter dem Einfluß des Serums steht. Versuche, 
wie Versuch 3, bei denen das Serum nach Erfüllung seiner 
Leistung vor Beginn der Fermentwirkung entfernt wird, be- 
geitigen auch den Einwand, daß die Serumwirkung nur da- 
durch zustande kommt, daß das Pepsin mehr Eiweiß als in 
der Kontrolle zu verdauen hat. | 


Versuch 3. 


a) 1. Eintauchen von einem bohnengroßen Stück der 
Carminfibrinflocken in ein Gemisch von 0,5ccm einer 0,1°/,igen 


270 Y. Oguros 


Pepsinlösung 4 4,0 ccm fünffach verdünnten Serums, welches 
30 Minuten im Brutschrank gewesen war. 

2. Carminfibrinflocken werden gut gewaschen. 

3. Gewaschene Carminfibrinflocken 4 2,0 ccm einer 
0,85°/ igen Kochsalzlösung +- 0,5 ccm einer */ ,„-Salzeäure. In 
den Brutschrank gebracht. Nach mehrstündigem, ja sogar nach 
24stündigem Aufenthalt im Brutschrank tritt keine Rötung 
und Trübung der Flüssigkeit, d. h. keine Verdauung ein. 

b) Kontrolle. 1. Eintauchen von einem bohnengroßen Stück 
der Carminfibrinflocken in ein Gemisch von 0,5 ccm einer 0,1°/,igen 
Pepsinlösung 4 4,0 com einer 0,85°/,igen Kochsalzlösung ; darauf 
Aufenthalt von 30 Minuten im Brutschrank. 

2. Carminfibrinflocken werden gut gewaschen. 

3. Diese Carminfibrinflocken +- 2,0 com einer 0,85°/,igen 
Kochsalzlösung -+ 0,5 ccm einer "/ „-Salzsäure werden in den 
Brutschrank gebracht. 

Nach 30 Minuten tritt schon eine deutliche Rötung und 
Trübung der Flüssigkeit und nach 2 Stunden eine vollständige 
Verdauung ein. 

Endlich muß man den Einwand ausschließen, daß etwa die 
gebrauchten Carminfibrinflocken sich gegen Pferdeserum eigentüm- 
lich verhalten; deshalb habe ich statt Carminfibrinflocken 2,0 ccm 
von 0,2°/,iger Ricinlösung und 2,0 ccm von 5°/,iger Gelatine- 
lösung angewendet. Bei ersterer tritt keine Aufhellung, bei 
letzterer auch keine Verflüssigung ein. Also kann ich mit 
Sicherheit konstatieren, daß das Pferdeserum im allgemeinen 
gegen peptische Eiweißverdauung stark hemmend wirkt. 

Die so ermittelten Beziehungen zwischen Serum und Pepsin 
benutzte ich zur Grenzbestimmung des Antipepsins im Serum. 


Versuch 4. 


Eine Reihe von Reagensgläschen wurden mit 0,4 com von 
0,1°/,iger Pepsinlösung und einer aufsteigenden Menge (von 0,1 
bis 1,0ccm) von zehnfach verdünntem Pferdeserum versetzt und 
mit 0,85°/ iger Kochsalzlösung auf 2,4 ccm aufgefüllt und dann 
30 Minuten lang in den Brutofen gebracht. Danach wurden 
jedem Gläschen bohnengroße Carminfibrinflocken und 0,5 ccm 
2/ 0.Salzsäure zugesetzt und wieder in den Brutofen gebracht. 


Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 271 


Tabelle III. 












meistenteils 
verdaut 


noch mehr vollständig 
fortgeschritt. verdaut 


ziemlich rot | deutlich rot 










ái E und trüb |u. mäßig trüb und trüb 
ý keine Rötung 
E und Trübung ” ” 
2 keine Rötung 
” E und Trübung ” 
S etwas rot 
& 
© 


| keine Rötung 


Versuch mit 10fach verdünntem Kaninchenserum. 


Tabelle IV. 








peg 
8133128 
3: S E Nach 
= & 8 
= F 4 Std. 
Š WEI 
com 
0410 2,0 0,5 deutlich rot, | stark rot und mehr | vollständig 
etwas trüb trüb EES SS verdaut 
meistenteils 
verdaut 
39 i 0,1 1,9 „ a 93 ng * sn 
„ |o2lı8| „| e ý h H 
„ |0,3|1,7| „ | S |keine Rötung mäßig rot und ER stark rot und 
g trüb trüb 
UI 0,4 1,6 „ LE) schwach rot 99 sn 
sw II 15| 2 5 keine Rötung | etwas rot und * 
trub 
„ 106/14] „|8 e H * Genie rot 
0,7 1,3 sn IT en keine Rötung | Spur Rötung 
nm 0,8 1,2 „ IT „ » keine Rötung 
„ |10|10 


„ „ II | an „ 


272 Y. Oguro: 


Versuch mit 10fach verdünntem Menschenserum (Kl. Diagn. : 
Epileptiforme Krämpfe). 

















Tabelle V. 

Gu | sl o 
er PR: ei 
= 5.88 : i g 
Æ IE E 3%| Nach Nach Nach Nach 
20283 A EE] 30Min | 1Std | 25Std. | 4 Sta. 
= Ris: Ea 

ccm * 


deutlich rot | mehr rot und 


noch mehr vollständig 
und trüb trüb 


fortgeschritten verdaut 


ù * meistenteils 
| verdaut 











= trüb | „ an „ 
” n | S keine Rötung | schwach rot, | deutlich rot | sehr dentlich 
D mäßig trüb und trüb rot und trüb 
sw TOSTIO ; E * bißchen rot | schwach rot DI 
s FER) LI -i | 8 n keine Rötung | keine Rötung weer 2 und 
’ = e | D | g D | D | D | keine Rötung 
n D d n | nm D n | 7 
nm GE e ” | nm n ” | Hi 
” 10 10 nm ” ” | ” | „ 
DW U ’ nm | ” n | n 1) 





Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Nephritiker. 


Tabelle VI. 








ges Säi 
> Ki = 8 
SSleclëslal, 
83 5815 E E Nach 
EES Ain 4 Std 
E ez 288 e 
= A u = 

m | ccm S 


0,40 2,0 | 0,5 deutlich ge- | mehr rot und | fast vollstän- | Fibrinflocken 
rötet und ge- trüb dig verdaut | spurlos ver- 
trübt daut 
OL ER j ziemlich rot | deutlich rot | deutlich rot | mäßig ver- 
= und trüb und trüb daut 
n | 02/18| „ 5p [keine Rötung | etwas rot n IT 
e CRL EE - S e keine Rötung | etwas rot — und 
„oalıs),„ 4| „ i S 
ropisi Ta 3 keino Rötung | etwas ot und 
& 
D GC S D o D ” D keine Rötung 
DI ? 3 n n ” D n 
n 0,8 1,2 n n n ” n 
n 0,9 1,1 n n n ” kad 
” 1,0 1,0 n n n n n 


Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 273 


Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Urämiker. 
Tabelle VII. 





| 
| 


















: = .| o 

Sal E ag, 

D ci = om : 

SIS PE SÄCK Nach | Nach | Naoh 
2. | Géi = | 

RT| E ER EE: l Std. 2Std. | 4Std. 
Du N SCH 7 

com |ccmjiccm' ccm 




















| deutl. gerötet,, Verdauung Fibrinfl. mel- | Fibrinfl. spur- 
i | | | Fibrin etwas menr ort stenteils verd. los Mai 
| i verdau geschritten schwunden 
„ :01:19, keine Rötung | etwas rot zieml. deutlich) deutlich rot 
| HD ia | rot u. trüb und trüb 
„n DS. Lë A x keine Rötung a S 
P OB DT aE Deet = 
„04116 „| 8 S e | n etwas rot 
A | 05 15 „18 A 2 keine Rötung | Spur Rötung 
| l ' ; 
n | 0,6 | 1,4 | n d n Ä n | n n 
n |10,7|1,3 |o» S S | 5 keine Rötung 
„ .0,8 | 1,2 |» n | n d n 
a Lsekszzzz 
* 1,0 1,0 n n n „ n 


Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Uteruscarcinom. 


Tabelle VIII. 














GU E .| 2 

SS = SS 3 8 R 

Zi gi S S| Nach Nach Nach Nach 
Sen 337 a ae 
aT ; SEI? ER 30 Min. 1 Std. 2 Std. 4 Std. 
Da W zi = 5 

ccm som cn = 














04 0 | 20 05 stark rot, Fibrinfl. |mehr verdaut vollständig 
| deutlich trüb | meistentells verdaut 
| , | verdaut 
» 01:19 | 5 keine Rötung etwas rot und'zieml. deutlich stark rot und 
| tr . rot und trüb , trüb, etwas 
| | a | | verdaut 
» '02| 18: „ g, a keine Rötung etwas rot mäßig getrübt 
| ! EI | ( und gerötet 
„n 10,3117 „ 3 | š | keine Rötung í Spur Rötung 
| | 8 | und Trübung 
n iÍ 0,4 1,6 i n 8 n m „ keine Rötung 
n | 0,5 1,5 | n & n n | „ n 
n 0,6 1,4 in H n | nm | 19 | n 
n 0,7 1,3 n OI | n W | n 
n Gë e n | n | OI „ | n 
n | ? , | n |! n ' bi * ” 
„ 11010), | TE R u u: 


274 Y. Oguro: 


Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Carc. Sig- 


moideae. 
Tabelle IX. 





| 
| 


































KE al £ 
— © 
Ẹ ge E 3 a G 
8 2 SECH Ë z +d 
cHe 83% 33 Nach Nach Nach 
° sr E 
Ge B 28% ag 1 Std. 2 Std. 4 Std 
D © en |Q La 
TC Mel Kale 
ccm | cem | cem com 
5 deutlich rot | stark rot, |mehr verdaut | Fibrinfl. spur- 
und trüb mäßig verdaut los verdaut 
mäßig rot D | D meist verdaut 
= deutlich rot | e 8 
und trüb | 
keine Rötung | etwas rot | deutlich rot e 
und trüb 
keine Rötung sehr stark rot 
8 kj und trüb 
e Spur Trübungjetwas rot und 
x trüb 
m e keine Rötung | keine Rötung 
n n ” n 
n D n n 
n n n n 
n n n n 


Versuch mit 10fach verdünntem Serum vom Magencarcinom. 





Tabelle X. 
— — 
E g 
séi EE 
cl E 
E 38 
= E 
ocm 2 
0,4 0 2,0 0,5 deutlich rot |Fibrinfl.mäßig'meist verdaut| vollständig 
und trüb verdaut verdaut 
Tal 110) g ziemlich rot | deutlich rot |zieml. verdaut fast vollständ. 
= und trüb und trüb verdaut 
” 0,2 1,8 * nm n n 
a NOSI Li keine Rötung | etwas rot | deutlich rot P 
„10,4 |1,6 S “ keine Rötung | bißchen rot jetwas E- und 
„05/1151 „!|3 8 ? keine Rötung i 
0,6 | 1,4 8 n keine Rötung 
or, VE 3 N > 
n 0,8 1,2 n n n n m 
D 0,9 1,1 n n n n n 
D 1,0 1,0 n n n D n 


Statt Carminfibrinflocken habe ich entsprechende Versuche 
mit Ricin und Gelatine gemacht und kam hierbei zu gleichem Er- 


Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 275 


folge. Hier möchte ich nur beispielsweise die Versuche mit 
dem Serum vom Magencarcinom bringen. 


Tabelle XI. Ricinprobe. 








> F 
= 885 8 
San 38 Nach 
SE 
F ER K Ch 4 Std. 
. = 
ccm m|ccm|iccm 













© 


⸗ 













1,0 
0 66 
” |02|08|. 
- 0307|, 
„n 1|04|06| „ deutl. getrübt mäßig getrübt bißch. getrübt N 
n 0,5 0,5 n ” „ getrübt etwas trüb 
” 0,6 0,4 n nm n getrübt 
” 0, 0,3 ” n n * 
n 0,8 0,2 n n n n D 
-losloı| > d ù e é 
n 1,0 0 n D n n ID 





Tabelle XII. Gelatineprobe mit dem Serum vom Urämiker. 


Resultate nach dem 






_ Pepsin- Serum 0,85 %/,ige a/, 0-Salz- 50%/,ige 


lösung (1:10) Kochsalz- — Gelatine- Aufenthalt zuerst 6 Sta. 
(1: 1000) lösung ieung VS Hess und, daan 


ccm ccm ccm ccm 











bi 


- 


© 





© 
* 


flüssig 


halbflüssig 
weich geronnen 


n 








EI 


n 


fest geronnen 


a 2 2 2 a a a 2 2 3 





2 2 2 "3 2 2 3 23 3 2 
3333333 33 


Wenn Carminfibrin resp. Ricin, resp. Gelatine, Serum, Pepsin 
und Salzsäure gleichzeitig zugesetzt werden, so bemerkt man 
eine etwaige Verzögerung der Verdauung, aber schließlich 
tritt eine Verdauung nach einigen Stunden ein, wie folgende 
Tabelle zeigt. Man erhält also mit dem neuen Verfahren viel 
größere Ausschläge als mit den früheren Methoden. Es wird 
sich daher auch empfehlen, die Immunisierungsversuche mit 


276 Y. Oguro: 


Pepsin, die durch H. Sachs angebahnt sind, wieder aufzu- 
nehmen. Denn es ist möglich, daß man heute viel bessere 
Erfolge erzielt. 


Versuch mit dem Serum vom Urämiker. 
Tabelle XIII. 












28 CC 
25318 SS Nach 
eo dë ( 9:8 





n 
n 
n 
n 
n 


fast klar 





0,4 | 0,6 n a? 
AO) 
0,4 0,7 aufgeheilt Trübung 
0, 4 0,8 0,2 0, 5 2,0 schwach bißchen fast klar 


n getrübt 


Spur 
— trub Trübung 


trüb 
Mit meiner eben beschriebenen ziemlich einfachen und 
leicht ausführbaren Methode kann ich also das Antipepsin im 
Serum des Menschen und der Tiere qualitativ sowie quantitativ 
sicher und fein nachweisen. Zugleich habe ich in Überein- 
stimmung mit Jacoby und Morgenroth bewiesen, daß das 
Antipepsin im Serum bei Anwendung eines zweckmäßigen Ver- 
fahrens nicht so unwesentlich ist, wie einige Autoren behaupten, 
sondern daß es sogar ziemlich bedeutend zu sein scheint. 


Die vorliegenden Tabellen haben gezeigt, daß Antipepsin 
beim Pferdeserum etwas stärker als beim Kaninchenserum ist und 
daß dasselbe beim Menschen, und zwar beim erkrankten, in 
den von uns untersuchten Fällen im großen und ganzen beinahe 
konstant zu sein scheint. 


Bisher bin ich nicht imstande, vorauszusehen, ob eine 
bemerkenswerte Vermehrung oder Verminderung des Antipepsins 
bei verschiedenen besonderen Erkrankungen eintritt, oder ob es 
immer gleichwertig bleibt, wie es bei einigen meiner Untersuchungen 
der Fall ist. Erst nach zahlreichen, eingehenden und statisti- 


Methode zum quantitativen Nachweis des Antipepsins. 277 


schen Untersuchungen wird man vielleicht ein interessantes, 
wichtiges Resultat erreichen. 

Der Zweck dieser Arbeit war, zu zeigen, wie man einfach 
und sicher Antipepsin im Serum nachweisen kann. Die Unter- 
suchung einiger Krankheitsfälle sollte nur als Beispiel dienen. 
Ich hoffe, später nach noch eingehenderen Forschungen bei 
verschiedenen Krankheitsfällen, besonders bei Magenleiden, 
namentlich Magenkrebs, Gelegenheit zu haben, über das Ver- 
halten des Serum-Antipepsins zu berichten. 

Was nun die Auswahl der Methoden — Carminfibrin-, 
Ricin- und Gelatineprobe — bei quantitativer Bestimmung 
anbetrifft, so ziehe ich die Carminfibrinflocken- und die Ricin- 
probe vor, weil man bei ersterer die scharfe Grenze des Ver- 
dauungsvorganges ganz exakt und genau abmessen, bei letzterer 
alles quantitativ genau ausführen kann, auch eine ziemlich feine 
Grenze erhält und die beiden Methoden ohne Umstände saus- 
zuführen sind. Die Gelatineprobe ist auch quantitativ und 
ziemlich leicht ausführbar. Sie gibt auch eine ziemlich scharfe 
Abgrenzung, aber sie ist etwas zeitraubender und etwas um- 
ständlicher. 


Über die Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen. 
Von 
Y. Oguro aus Saga (Japan). 
(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses Moabit 
in Berlin.) 
(Eingegangen am 14. September 1909.) 


J. P. Pawlow und Parastschuk!) sowie M. Jacoby °?) 
haben festgestellt, daß bei 42 bis 44° eine parallele Abschwächung 
der Lab- und Pepsinwirkung eintritt, während bei 50 bis 51° 
sehr schnell beide Wirkungen aufgehoben werden. Ferner ist 
bekannt, daß die eigentliche Labwirkung bereits bei 8° erkenn- 
bar ist. Hierauf beruht ja die fast allgemein angewandte 
Morgenrothsche Methode der Labprüfung. Wenn nun auch 
natürlich schon bekannt ist, daß auch das Pepsin bei Tempera- 
turen, welche unter der Brutschranktemperatur liegen, Wirkungen 
entfalten kann, so schien doch eine eingehendere Untersuchung 
dieser Seite der Frage in Hinblick auf die Beziehungen der Lab- 
wirkung und der Pepsinwirkung von Interesse. Für diese Ver- 
suche ist die Ricinmethode sehr geeignet, da Herr Professor 
Jacoby, auf dessen Anregung ich diese Untersuchung aus- 
geführt habe, sich schon früher davon überzeugt hat, daß man 
auf diese Weise direkt im Eisschrank die Pepsinwirkung er- 
kennen kann. 

Die Pepsinprüfungen wurden nach den im hiesigen Labo- 
ratorium ausgearbeiteten Vorschriften von Solms?) durchgeführt; 
nur verwandte ich 0,2°/ ige anstatt 1°/,iger Ricinaufschwem- 
mungen. Bei allen Versuchen wurde immer zunächst das Pepsin 
und alle Lösungen sowie die Versuchsgläser auf die betreffende 
Temperatur erwärmt oder abgekühlt und dann nach dem Zu- 
sammenmischen während der Versuchsdauer bei der Temperatur 
erhalten. Z.B. wurden für die Versuche bei 0° die einzelnen 
Lösungen und Reagensgläser zunächst 15 Minuten in Eiswasser 
getaucht, die Lösungen schnell mittels Pipetten in die vor- 
geküblten Reagensgläser eingegossen und während der ganzen 
Versuchsdauer in Eiswasser auf 0° gehalten. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 1904. 


2) Diese Zeitschr. 1, 1906. 
3) Zeitschr. f. klin. Med. 64, 1907. 


Y. Oguro: Wirkung des Depeing bei niederen Temperaturen. 279 


Stets wurden 2 com Ricin (?/,..) und 0,5 ccm ®#/, „Salzsäure be- 
nutzt und mit Wasser die gleiche Verdünnung und dasselbe Volu- 
men (4,5ccm) hergestellt. Um Raum zu ersparen, habe ich das in 
der Tabelle nicht besonders vermerkt. Versuche, welche nur 
in einer Tabelle geschildert werden, geben ein Beispiel von 
mehreren gleichsinnig ausgefallenen Versuchen wieder. 


Tabelle I. Bei 38°. 








Pepsin- 
lösung Nach Nach Nach Nach Nach 

(1:1000) |5 Minuten! 10 Minuten | 20 Minuten |30 Minuten | 50 Minuten 
com 












getrübt getrübt getrübt | getrübt 
ein bißchen |SpurTrübung| Spur Trü- | fast klar 
getrübt bung 
klar klar 









getrübt | getrübt 














schwach i Spur Trü- i 
getrübt | bißchen = bung klar 
etrübt S 
0,1 ein inahe = fast klar klar 
bißchen klar g 
gotrübt R 
0,2 : R RE a a 
0,3 Spur Trü- 99 R= nm nm 
bun = 
0,4 bein © 99 E as ” ”„ 
SS 
0,5 $ 8 
0,6 is 
0, + ”„ 
0,8 S „ 
el „ 


280 Y. Oguro: 
Tabelle III. Bei 8°. 











Nach 
2 Stunden | 3 Stunden 











getrübt getrübt getrübt | getrübt 
schwach | schwach ge- | schwach ge- | ein bißchen! ein bißchen 
getrübt trübt trübt getrübt getrübt 
Pr etwas getrübt| Spur Trüb. | Spur Trüb. 
S ein bißchen ein bißchen d F 
getrübt getrübt e SG 
ein 4 Ge klar beinahe klar 
bißchen 
getrübt 
Se SpurTrübung fast klar F klar 
38 LI 99 [2 99 
beinahe | fast klar Se Zä e 
klar S 


„ TT | TT „ TE 


Tabelle IV. Bei 5°. 


1 Stunde | 11/, Std. |2 Stunden 





Pepsinlösung | 
(1:1000) ccm 




























0 | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt 
0,05 IS Lë © S schwach | schwach | etwas ge- ein 
SIE getrübt | getrübt trübt | bißchen 
SIS | getrübt 
0,1 I2 5 PR ein = = ein Spur Trü- 
Ss e e 
Dla bißchen bißchen bung 
e Lë laufgohollt getrũbt 
02 l3 „| pur ein deutlich ein |Spur Trü-| beinahe 
%4 o| bißchen aufgehellt | bißchen | bung klar 
& jaufgehellt e getrübt 
Tabelle V. Bei 0°. 

Pepsin- p 
lösung Nach Nach Nach Nach Nach 
(1:1000) |1 Stunde | 11/, Std. ’ Stunden'3 Stunden 8 Stunden; 24 Std. 

ccm 









0 E | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt 
0,05 e S nur ein m sg o Spur Trü-| fast klar 
e P bißchen 2% BE 8,3 bung 
F zu $ aufgehellt!| "e & or E 
an 2 
, D = | E S S fast klar klar 


Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen. 281 


Tabelle VI. Bei 0°. 





Pepsin- 
lösung Nach Nach Nach Nach Nach Nach 
(1: :1000) 1 Stunde | 11], Std. |2 Stunden 3 Stunden 8 Stunden 24 Std. 


0 getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt | getrübt 

0,08 A = ein schwach |nuretwas| beinahe 
Sy FH bißchen | getrübt | getrübt klar 
3% 3 aufgehellt 

0,1 g a5 2 2 = beinahe klar 


Tabelle VII. Bei 0°. 









getrübt | getrübt 
Spur Trü-| fast klar 


Es findet also auch bei 8°, 5° und — was besonders be- 
merkenswert ist — auch bei 0° eine Ricinaufhellung statt, die 
man wohl ohne weiteres auf eine Pepsinwirkung beziehen darf. 
Daß bei niederer Temperatur die Wirkung langsamer eintritt, 
ist nicht verwunderlich. Die Feststellung der Wirkung bei 
Temperaturen von 8° und darunter ist zunächst für die Pepsin- 
Labfrage von Bedeutung. Aber auch abgesehen davon ist die 
Wirkung bei 0° eine interessante Tatsache. Möglicherweise be- 
schränkt sich diese auffallende Unabhängigkeit des Zustandoe- 
kommens der Pepsinwirkung von der Temperatur nur auf die 
Ricin- und ihr nahestehende Reaktionen. Die Erklärung hierfür 
würde nicht sehr schwer sein. Man müßte annehmen, daß 
die Veränderung der anderen Eiweißkörper an und für sich eine 
höhere Temperatur erfordert, so daß die katalytische Beschleu- 
nigung durch das peptische Ferment auch erst bei höheren Tem- 
peraturen deutlich werden kann. Im Gegensatz dazu würde 


bei der Ricingruppe die Eiweißumbildung und daher auch die 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 19 


282 Y. Oguro: Wirkung des Pepsins bei niederen Temperaturen. 


fermentative Beeinflussung durch Pepsin schon bei sehr niederen 
Temperaturen möglich sein. 

Erweist sich diese Auffassung bei weiteren Versuchen als 
berechtigt, so würde man zu dem Ergebnis gelangen, daß unter 
Umständen maßgebender ist, bei welcher Temperatur das Sub- 
strat sich umbilden kann, als bei welcher das Ferment die 
Wirkung katalytisch beeinflußt. Auf jeden Fall aber weisen 
die Ergebnisse dieser Arbeit darauf hin, daß man diese beiden 
Faktoren stets getrennt betrachten muß. 


Zur biologischen Wirkung der Salze. 
II. Mitteilung. 


Einfluß der Salze auf den Stoffwechsel und die Beziehung der 
Stoffwechselvorgänge zu den klinischen Symptomen. 


Von 
Ernst Schloß. 
(Aus dem Großen Friedrichs-Waisenhaus der Stadt Berlin, Rummelsburg.) 


(Eingegangen am 21. September 1909.) 


In der ersten Mitteilung!) wurde über einige Symptome 
— von denen die Störung des Wärmegleichgewichte das auf- 
fälligste war — berichtet, die beim Säugling durch die Dar- 
reichung bestimmter Salze hervorgerufen werden. Wenn dabei 
auch mancherlei widersprechende Resultate vorlagen, so konnte 
doch zwischen pharmakologischer Wirkung und Art der ver- 
wendeten Salze eine gesetzmäßige Beziehung statuiert werden, 
wonach die zweiwertigen zu den einwertigen — oder doch 
wenigstens die Ca-Verbindungen zu den Na- und K-Verbindungen 
in einem antagonistischen Gegensatz standen. 

War schon diese Beziehung für den Einfluß auf die Körper- 
temperatur nicht in allen Fällen nachweisbar, — mußte doch z. B. 
für die K-Verbindungen eine Hilfshypothese aufgestellt werden, 
die sich aber späterhin vollauf bestätigte —, so fügten sich andere 
Symptome, so die durch die Salze hervorgerufenen, oft recht 
erheblichen Gewichtsschwankungen, diesem Rahmen nur sehr 
ungenau ein, so daß ihre Bedeutung nur erwähnt, aber noch 
keine Regel für das scheinbar widersprechende Verhalten ge- 
geben werden konnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit mußte 
sich diese bei den Stoffwechseluntersuchungen ergeben, die zur 


1) Diese Zeitschr. 18, 15, 1909. 
19* 


284 E. Schloß: 


Klarlegung der durch die Salze hervorgerufenen Funktions- 
störungen in Angriff genommen waren. 


Über diese soll nun hier kurz berichtet werden; die aus- 
führliche Darstellung erscheint demnächst. 


Die Versuche sollten einmal ganz grob die Tatsache der 
Stoffwechselbeeinflussung zeigen, dann aber so gründlich wie 
nur möglich dem allmählichen Eintreten und Verschwinden dieser 
Vorgänge, die parallel mit den klinischen Erscheinungen verlaufen, 
nachspüren. Für erstere Absicht reichte die übliche Technik der 
Stoffwechseluntersuchungen (Zusammenfassung von größeren 
Zeitabschnitten) aus; für die letzteren, weit wiohtigeren Zwecke 
mußte eine andere Methode eintreten — die Untersuchung des 
Stoffumsatzes in vierstündigen Perioden, ein Verfahren, dessen 
Berechtigung a. a. O. dargetan wird. Aus dieser Versuchs- 
anordnung und der erforderlichen großen Anzahl der Versuche 
(zwölf im ganzen) ergab sich die Notwendigkeit, auf Gesamt- 
stoffwechselversuche zu verzichten und sich mit der Ermittlung 
einzelner Komponenten zu begnügen. Es wurden also nur der 
Wasser-, Stickstoff- und Halogenumsatz bestimmt, was für die 
erste Orientierung völlig ausreichte. 


Was nun die Ergebnisse meiner Versuche anlangt, so möchte 
ich zunächst betonen, daß sich die Vorgänge wohl kaum im 
organischen Stoffwechsel abspielen mögen und dieser nur sekundär 
von der Salzwirkung in Mitleidenschaft gezogen werden dürfte. 


Für den N-Stoffwechsel ist dies in acht verschiedenen Fällen mit 
kleinen und großen Dosen aller in Betracht kommenden Salze wohl ein- 
wandfrei erwiesen. Weder wurde die Resorption gestört oooh wurde die 
Retention in dem einen oder anderen Sinne beeinflußt; nur bei starker 
Wasserverhaltung war auch eine deutlichere Zurückhaltung von N durch 
die vierstündliche Untersuchung der Ausscheidung nachweisbar, und auch 
die glich sich sofort wieder aus. Besonders wichtig ist, daB auch für das 
Chlornatrium in sechs Fällen niemals eine direkte Einwirkung auf den 
N-Stoffwechsel konstatiert werden konnte. 


Eine Bestimmung des Fett- und Kohlenhydratumsatzes ist, wie 
oben erwähnt, in meinen Versuchen nicht gemacht worden; trotzdem 
möchte ich eine Mitbeteiligung dieser Komponenten für wenig wahr- 
scheinlich halten, da die Erscheinungen so schnell wieder schwanden und 
besonders die Gewiohtsschwankungen sich sofort wieder ausgliohen. Da- 
für spricht auch die Tatsache, daß die Gewichtskurve in den Fällen, 
wo die Rückbildung der Erscheinungen abgewartet wurde, genau den aus 
der N-Retention erwarteten Verlauf nahm. 


Zur biologischen Wirkung der Salze. II. 285 


Demnach müssen wir die Hauptveränderungen im anorga- 
nischen Stoffwechsel erwarten, und da finden wir auch einige 
Unterlagen für die Verschiedenheit in der Wirkung der 
Salze, obwohl auch hier die Untersuchung nur fragmentarisch 
blieb. 

In der Hauptsache waren meine Bemühungen darauf ge- 
richtet, das Schicksal der eingeführten Salze zu erforschen. Als 
Maßstab hierfür diente mir das leichter bestimmbare Halogen, 
und wenn damit auch nur ein Faktor ermittelt wurde, so ge- 
stattet sein Verhalten doch wohl die Schlüsse zu ziehen, wie 
sie hier nun folgen. Die Resorptionsgeschwindigkeit konnte 
nicht direkt ermittelt werden, doch scheint die Verschiedenheit 
darin bei den verwendeten Salzen kaum wesentlich zu sein, da 
der Eintritt der Reaktion bei fast allen Salzen mit beinahe mathe- 
matischer Gleichmäßigkeit erfolgte. Auch die Resorptionsgröße 
scheint in wohl allen Fällen die gleiche gewesen zu sein, näm- 
lich eine fast totale, wie aus meinen Analysen hervorgeht. Da- 
gegen verläuft die Ausfuhr der Salze (resp. des einen Anteils) 
sehr verschieden schnell, und die Feststellung dieser Tatsachen 
ist wohl das wichtigste Ergebnis meiner Untersuchungen. Die 
Ausscheidung des Anions richtet sich danach ganz nach der 
Art des mit ihm verbundengewesenen Kations. Die Salze bilden 
somit, was die Geschwindigkeit der Ausscheidung angeht, eine 
Reihe, bei der NaCl und KCl die Endglieder sind; dazwischen 
gruppieren sich die anderen Salze ein. Beim NaCl beginnt die 
Ausscheidung langsam und erstreckt sich in geringer Höhe über 
längere Zeit, meist 1 bis 2 Tage, um dann langsam abzufallen; 
beim KCl haben wir sofort einsetzende stürmische Ausschei- 
dung, die in kürzester Zeit alles eingeführte Salz herausschafft. 
Das CaCl, nimmt eine Mittelstellung ein; hier setzt die Aus- 
scheidung auch langsam ein, verläuft aber dann viel schneller 
als beim NaCl. Über die genaue Stellung der anderen Salze 
in der Reihe möchte ich nichts Sicheres sagen, da meine 
Ausscheidungskurven doch nicht zahlreich genug sind und von 
verschiedenen Individuen stammen. Denn auch hier spielen 
die individuellen Verhältnisse, besonders aber das Alter eine 
sehr wichtige Rolle. Alle diese Feststellungen gelten nur für 
den jüngeren Säugling, beim älteren Kind (jenseits des 3. Lebens- 
monats) verläuft, wie es scheint, die Ausscheidung aller Salze 


286 E. Schloß: 


viel schneller. Die leicht zersetzlichen Verbindungen (Carbo- 
nate, Acetate usw.) des Natriums halten, wie es scheint, Chlor 
zurück, während diese Verbindungen mit K und Ca dem Körper 
Chlor entziehen.!) 


Als interessanten Nebenbefund möchte ich noch erwähnen, 
daß in einzelnen Fällen das eingeführte Salz, besonders das 
NaCl, als Reiz dergestalt wirkte, daß nicht nur die eingeführte 
Menge, sondern auch noch ein Überschuß vom eigenen Körper 
abgegeben wurde, so daß eine geringe Demineralisation mit 
entsprechenden klinischen Symptomen auftrat; also analoge 
Vorgänge, wie sie in der Säuglingsdiätetik öfters beobachtet 
werden und auch in der allgemeinen Pathologie (Immunitäts- 
lehre) bekannt sind. 


Die eben mitgeteilten Tatsachen der verschiedenen Salz- 
ausfuhr lassen schon a priori vermuten, daß wir hier auch den 
Grund für die Gewichtsschwankungen haben werden, da doch 
notwendigerweise eine starke Salzretention eine entsprechende 
Wasserretention und umgekehrt eine schnelle Salzausfuhr eine 
vermehrte Wasserabgabe zur Folge haben müsse. Und in der 
Tat finden wir einen gewissen Parallelismus dieser Vorgänge; 
aber sonderbarerweise nicht immer. In seltenen Fällen finden 
wir auch das Gegenteil, so plötzlich einsetzende starke Wasser- 
ausschwemmung, wenn das betreffende Salz schon fast völlig 
den Körper verlassen hat. Die Gewichts- resp. Wasserschwan- 
kungen bieten überhaupt recht komplizierte Verhältnisse dar, 
so daß es ziemlich schwer ist, Klarheit hinein zu bringen. 


Sie kommen zum weitaus größten Teil durch Schwankungen 
der Urinsekretion, weniger durch Änderung der Perspiration zu- 
stande, und zwar scheint der Einfluß der letzteren bei der Re- 
tention noch ins Gewicht zu fallen, bei der vermehrten Ausfuhr 
aber eher im entgegengesetzten Sinne zu wirken, wie aus einem 
Versuche mit vierstündlicher Berechnung der Perspiration her- 
vorgeht. 


1) Hier ist Gelegenheit, einen sinnstörenden Druckfehler zu ver- 
bessern, der sich in der ersten Mitteilung bei Besprechung der Kalium- 
salze eingeschlichen hat. Seite 19, Zeile 4 von unten muß es statt: „be- 
stimmten Verbindungen“ — „weniger festen Verbindungen“ heißen, wo- 
durch der ganze Satz seinen richtigen Sinn erhält. 


Zur biologischen Wirkung der Salze. II. 287 


Zur Ergänzung meiner Stoffwechselversuche, die zu wenig zahlreich 
sind, um die Beziehungen aller in Betracht kommenden Salze zum Wasser- 
haushalt zu ermitteln, mußte noch eine Methode zu Hilfe genommen 
werden, die in viel bequemerer Weise gestattet, diese Frage zu stu- 
dieren; diese findet sich in den häufigen, hier stets vierstündlichen 
Wägungen direkt vor den in denselben regelmäßigen Zwischenräumen 
gereichten Mahlzeiten; — die täglichen Wägungen geben, besonders bei 
großen Dosen und bei Berücksichtigung der Ausfuhrverhältnisse in ein- 
zelnen Fällen, ebenfalls sichere Resultate, sind aber für unsere Zwecke 
zu ungenau. 

Ausgehend von der Tatsache, daB 0,5 bis 0,75g NaCl in allen 
Fällen beim jungen Säugling einen Gewichtsanstieg von 60 bis 120 g 
oder, was sicherer ist, eine Verschiebung des Gewichtsniveaus (das Mittel 
aus den sechs Wägungen) um mindestens 40 bis 100 g hervorrufen 
— eine Verschiebung, die bei knapper Nahrung absolut eindeutig ist —, 
wurden die verschiedenen Salze in knappster Dosierung bezüglich ihres 
Einflusses auf das Körpergewicht geprüft. 

Das Resultat meiner zahlreichen Versuche über die Beein- 
fiussung des Wasserstoffwechsels ist kurz folgendes: 

Alle drei in Betracht kommenden Metalle machen Wasser- 
retention. Von den Natriumverbindungen das Chlorid stets 
und am stärksten, das NaBr ähnlich, aber nicht so intensiv, 
das Jodid noch geringer ; bei den beiden letzteren aber bei Gaben 
von 1,2 bis 1,5 g in einzelnen Fällen ganz einwandfreie Wirkungen. 

Von den K-Verbindungen macht das Chlorid zunächst 
meist Wasserausschwemmung, dann aber deutliche Retention, 
so daß in vielen Fällen ein deutlicher Gewichtsanstieg resultiert, 
auch hier folgt das Bromid und dann wohl das Jodid. 

Das CaCl, macht zunächst Retention, dann folgt bei 
größeren Dosen starke Wasserausfuhr. 

Die Nicht-Halogen-Verbindungen dieser Metalle folgen zum 
Teil ihrer Gruppe, doch machen sich hei ihnen auch wohl 
andere, durch ihre erleichterten Umsetzungen hervorgerufene 
Wirkungen bemerkbar. 

Bei größerer Dosierung tritt bei sämtlichen Verbindungen, 
mit Ausnahme des NaCl, früher oder später Gewichtsverlust 
resp. Wasserabgabe ein. 

Dieses scheinbar widersprechende Verhalten läßt sich wohl am ein- 
fachsten erklären, wenn man folgende Auffassung zugrunde legt: 

Die Wasserretention ist wohl hauptsächlich eine allgemeine Ionen- 
wirkung der Salze, indem dadurch die molekulare Konzentration der 
Säfte erhöht und daher Wasser zurückgehalten wird, 


288 E. Schloß: 


Diese Wirkung wird aber bei den relativ giftigen K- und Ca-Salzen 
dadurch paralysiert, daß der größte Teil des eingeführten Salzes mit 
enteprechendem Lösungswasser möglichst schnell ausgeschieden wird, der 
Rest kann noch eine Retention machen; bei größeren Dosen tritt aber 
noch das Gegenteil ein; nur das relativ ungiftige NaCl wird noch in 
größeren Dosen toleriert. 


Neben dieser allgemeinen Ionenwirkung ist noch eine spe- 
zifische möglich, die auch hier einen Antagonismus der Ca-Ver- 
bindungen zu den anderen begründen würde, wie er für die 
anderen klinischen Symptome ja zweifellos besteht. 

Die verechiedene Höhe der Dosierung, besonders bei den 
Na-Verbindungen, braucht nicht auf den relativ geringeren Ge- 
halt an Na bei den Br- und J-Verbindungen bezogen zu werden, 
sondern kann ebenso gut mit der Verminderung des osmo- 
tischen Druckes desselben Salzquantums von NaBr und NaJ 
(in ihren Lösungen) gegenüber dem NaCl erklärt werden. 

Daraus ergibt sich auch von selbst die überragende prak- 
tische Bedeutung des NaCl als Oedembildner, da es hohe os- 
motische Konzentration seiner Lösungen mit relativer Ungiftig- 
keit vereint; daneben käme das CaCl, als wirksamster Anta- 
gonist auch praktisch in Betracht. 

Es erhebt sich nun die Frage, ob man imstande ist, aus 
den gefundenen Tatsachen eine Erklärung für das pharma- 
kologische Verhalten der Salze zu geben. Wenn man diese 
Frage so allgemein betrachtet, wird man vielleicht meinen, sie 
bejahen zu können. Wir finden in den obigen Feststellungen 
ein überraschendes Zusammenfallen von Salz- resp. Wasser- 
retention und Fieber einerseits — von Salz- resp. Wasseraus- 
schwemmung und Untertemperatur andererseits, daß man an 
einen ätiologischen Zusammenhang denken könnte, der sich 
ungefähr so formulieren ließe: „Plötzlich eintretende starke 
Salz- oder Wasserbindung führt zu Fieber, plötzlich erfolgende 
starke Wasser- oder Salzentziehung macht Untertemperatur.“ 

Wir fänden dann erklärt, warum die Na-Verbindungen, 
besonders das Chlorid, so stark temperaturerhöhend wirken 
und warum bei deren Ausscheidung oft Untertemperaturen 
auftreten; ferner warum die K-Verbindungen relativ unwirksam 
sind, das Fieber meist spät kommt und die Untertemperaturen 
häufiger auftreten; wir verständen auch das den Untertemperaturen 
öfters vorausgehende Fieber bei den Ca-Verbindungen. 


Zur biologischen Wirkung der Salze. II. 289 


Nimmt man aber spezielle Fälle an, so wird dieser Kausalnexus 
entschieden undeutlicher. Ich habe, um diese Vergleichung zu erleichtern, 
den vierstündlichen Stoffwechselablauf mit den wichtigsten klinischen 
Daten kurvenmäßig zusammengefaßt, und da zeigt sich wohl in einer 
Reihe von Fällen dieser Parallelismus, aber es finden sich daneben viele 
einzelne Abweichungen, daß man doch zögert, sich mit dieser Erklärung 
ganz zufrieden zu geben. 

Und damit wäre immerhin auch erst ein Schritt in der 
Erkenntnis der Salzwirkung getan; das Zustandekommen der 
Störung des Wärmegleiohgewichts wäre dann noch weiter eine 
offene Frage. Eine zentrale Ursache anzunehmen, liegt kein 
Grund vor und hieße die Schwierigkeit ohne Grund zurück- 
schieben; sie mit den gewöhnlichen Fiebertheorien erklären zu 
wollen, ist kaum angängig. 

Ich glaube, auch hier läßt sich auf rein physikalisch- 
chemischer Grundlage eine Erklärung finden, und will in der 
nächsten Mitteilung des näheren darauf einzugehen versuchen. 


Physikalisch-chemische Faktoren bei der Embryonal- 
entwicklung. 


Der osmotische Druck bei der Entwicklung von Rana 
temporaria. 


Vorläufige Mitteilung. 
Von 
E. Louis Backman und J. Runnström. 


(Aus der anatomischen Abteilung des Karolinischen Institutes, Stockholm.) 
(Eingegangen am 22. September 1909.) 


Wie die Zellenlehre die Grundlage für die morphologische 
Forschung ist, so muß sich auch das Studium der physikalisch- 
chemischen Faktoren bei den Lebenserscheinungen auf die cellu- 
lären Vorgänge richten. 

Ein physikalisch-chemischer Faktor von wichtiger Be- 
deutung für das Zellenleben im allgemeinen ist der osmotische 
Druck. Kleinere Schwankungen desselben können zwar von 
der Zelle ertragen werden, ohne daß ihre Funktionsfähigkeit 
geschädigt wird; im allgemeinen kann man jedoch sagen, daß 
bei Tieren die Zellen, um am Leben zu bleiben, Isotonie 
des in dem Organismus befindlichen Mediums mit ihrer eigenen 
Substanz und in vielen Fällen auch eine solche mit der des 
äußeren Mediums verlangen. 

Ein hypertonisches Medium verursacht eine Schrump- 
fung der Zelle infolge Weasserentziehung, bzw. eventuales 
Hineindiffundieren der diffusiblen Stoffe, die in stärkerer Kon- 
zentration in der Umgebung als in der Zelle vorhanden sind. 
Daneben werden sowohl durch die Wasserentziehung und die 
dadurch hervorgerufene Vergrößerung der osmotischen Kon- 
zentration in der Zelle als durch das Hineindiffundieren von 
Krystalloiden die Lösungsverhältnisse der in der Zelle vorhan- 


E. L. Backman u. H. Runnström: Physikal.-chemische Faktoren usw. 291 


denen Kolloide, der Sole, verändert. Durch die Bildung von 
Gelen und Gallerten werden Krystalloide durch Adsorption oder 
evtl. durch Eingehen in die Gallerte in fester Lösungsform mit 
niedergerissen, und infolgedessen wird bei Überschreitung eines 
gewissen Maßes die Lebensfähigkeit der Zelle vernichtet. 

Ähnlich sind die Ergebnisse bei einem Medium, das hypo- 
tonisch im Verhältnis zu der Zelle ist; durch Aufnahme von 
Wasser in die Zelle und durch die Abnahme der Konzentration 
von cellulären Krystalloiden, die teils durch die Wasseraufnahme, 
teils durch eventuelles Hinausdiffundieren hervorgerufen wird, wird 
die Wirkung hinsichtlich des Verhältnisses der cellulären Kol- 
loide der Hauptsache nach die gleiche, wie wir sie als Folge 
der Hypertonie der Umgebung schilderten. Hinsichtlich der 
Krystalloide wird eine absolute Abnahme der Konzentration 
erreicht. Eine Zelle, die sich in einem hypotonischen Medium 
befunden hat, muß folglich einen geringeren osmotischen Druck 
zeigen. Die Konzentrationsveränderung der Krystalloide ruft 
zudem, wie erwähnt, eine Gel- und Gallertumwandlung der 
Sole hervor, die der Lebensfähigkeit der Zelle verhängnisvoll 
werden kann. Geschieht der Austritt der Krystalloide nicht 
schnell genug, so kann eine Zersprengung der Zelle durch den 
Wassereintritt bewirkt werden, was wohl öfters die Ursache 
des Todes der Zelle in einem hypotonischen Medium ist. 


Diejenigen Tiere, deren Zellen in der oben geschilderten 
Weise für Veränderungen des osmotischen Druckes des Me- 
diums empfindlich sind und die also mit diesem isotonisch 
sein müssen, sind von Höber poikilosmotisch genannt worden. 
Bei der Ausgleichung des osmotischen Druckes zwischen der 
Zelle und dem umgebenden Medium verhält sich die Haut- 
schicht der Zelle nicht wie eine permeable Membran, sondern 
sie hat eine auslesende Fähigkeit hinsichtlich der hineindiffun- 
dierenden Salze, welche zum Teil durch die verschiedene Löslichkeit 
derselben in der Hautschicht bedingt wird. Mehrfach dürften os- 
motisch wirksame Umsatzprodukte zum Gleichgewicht beitragen. 
So wird nach Baglioni?) bei Selachiern Harnstoff in der Körper- 


1) S. Baglioni, Einige Daten zur Kenntnis der quantitativen Zu- 
sammensetzung verschiedener Körperflüssigkeiten von Seetieren (Fischen 
und einigen Wirbellosen). Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 50, 1906. 


292 E. L. Backman und H Runnström: 


flüssigkeit und in dem Blute zurückgehalten, so daß diese einen 
Gehalt von ca. 2°/, Harnstoff haben. In diesem Falle und in 
ähnlichen muß man vielleicht von einer regulativen Fähigkeit 
der Zelle bzw. des Organismus sprechen, die gegen die giftige 
Einwirkung zu starker Konzentrationen von gewissen Salzen, 
zum Beispiel von NaCl, schützt. 

Diejenigen Tiere dagegen, die einen konstanten, von dem 
Medium unabhängigen, osmotischen Druck besitzen, sind von 
Höber!) homoiosmotisch genannt. Die untenstehende Tabelle 
zeigt den osmotischen Druck von Körperflüssigkeit und Blut- 


serum verschiedener Tierspezies. 
A Untersucher 


Coelenterata: Alcyonium palmatum — 2,1960 Bottazi 
Echinodermata: Asteropecten aurantiacus — 2,312 5 
Vermes: Sipunculus nudus — 2,31 e 
Crustacea: Maja squinado — 2,36 2 
Selachii: Torpedo marmorata — 2,26 i 
Teleostii : Cerna gigus — 1,035 m 
Box Salpa — 0,82 bis — 0,88 „ 
Amphibia : Salamandre maculata — 0,479 Höber 
Rana esculenta — 0,465 D 
Reptilia : Emys europea — 0,475 sé 
Thalossochelys caretta — 0,61 Bottazi 
Mammalia: Ovis aries — 0,619 Hamburger 
Lepus cuniculus — 0,592 Ge 
Felis domestica — 0,638 RR 
Canis familiaris — 0,571 Ge 
Homo sapiens — 0,526 PR 


Aus der Tabelle sieht man, daß die untersuchten Teleos- 
tier, die Meeresbewohner sind, einen osmotischen Druck haben, 
der niedriger ist als derjenige der vor ihnen in der Tabelle ge- 
nannten Tiere und auch niedriger als derjenige des Seewassers. 
Sie scheinen also unabhängig vom osmotischen Drucke des 
Mediums zu sein. Andererseits zeigt der Aal beim Versetzen aus 
Seewasser in Süßwasser eine bedeutende Abnahme des osmoti- 
schen Druckes um etwa 30 bis 40°/, Der Aal bleibt jedoch 
heterotonisch im Verhältnis zum Medium, und zwar hyper- 
tonisch. Wenn man diese Angaben verallgemeinern darf, so ist 
der osmotische Druck der Teleostier verschieden von dem des 


1) R.Höber, Physikalische Chemie der Zelle u. der Gewebe. Leip- 
zig 1906. 


Physikalisch-chemische Faktoren bei der Entwicklung usw. 293 


Mediums, jedoch gewissen Schwankungen unterworfen, und zwar 
bewegen sich dieselben in der gleichen Richtung, wie die des 
Druckes im Medium, aber innerhalb engerer Grenzen. Man kann 
also sagen, daß sie auf dem Übergange zwischen Poikilosmose 
und Homoiosmose stehen. Die autoregulatorischen Vorgänge, 
die das Vermögen, den osmotischen Druck bei konstantem 
Niveau zu erhalten, bedingen, treten ausgeprägt erst bei den 
Landtieren auf, und diese haben auch unter sich einen sehr 
übereinstimmenden osmotischen Druck. 
o * 
* 


Seit einiger Zeit sind wir mit Untersuchungen über den 
Einfluß verschiedener Lösungen auf die embryonale und larvale 
Entwicklung von Rana temporaria beschäftigt. Diese Unter- 
suchungsreihe ist noch nicht vollständig abgeschlossen, aber die 
Beobachtungen, die wir dabei gemacht haben, ebenso wie einige 
Angaben der Literatur haben uns zu einer jene Versuche ver- 
vollständigenden Untersuchung über den osmotischen Druck des 
Froscheies und des Froschembryos auf verschiedenen Stufen der 
Entwicklung geführt. In großen Zügen kann man sagen, daß 
eine Lösung von der Konzentration äq.-m./3 von unorga- 
nischen Salzen (in Leitungswasser) nicht die Erreichung des 
Gastrulastadiums erlaubt. Die Konzentration äq.-m./5 gibt 
eine verspätete und in verschiedenen Hinsichten abnorme Ent- 
wicklung, äq.-m./10 dagegen eine normale, jedoch ein wenig 
verspätete.e. In der Konzentration äq.-m./50 dagegen ist die 
Entwicklungsdauer völlig die normale. Es war auch nicht 
möglich, eine physiologische Entwicklung für den Frosch in 
Göthlins Salzlösung zu erhalten. Die Entwicklung war näm- 
lich auch hier bedeutend verspätet und hörte vollständig in 7 
bis 8 Tagen auf, trotzdem die Salzlösung Göthlins nicht nur 
isotonisch mit dem Serum des Frosches ist, sondern auch NaCl, 
KOL CaCl, und NaHCO, in demselben Verhältnisse wie dieses 
enthält. Ihre Zusammensetzung ist nämlich die folgende: 


NaCl 0,65°/, 
KO 0,01°/, 
CaCl, 0,0065°/, 
NaHCO, 0,10°/, 
Aqua dest. 


294 E. L. Backman und H. Runnström: 


Auch mit 3/, Aqua dest. verdünnt, zeigte sie sioh nicht 
als ein geeignetes Medium. Die Entwicklung war immer be- 
deutend verspätet. 

Aqua destillata ist dagegen ein für das Froschei geeignetes 
Medium. Die Entwicklung findet hier in einer völlig normalen 
Weise statt, nur mit einer unbedeutenden Verlangsamung. 
Die Embryonen haben fast die Metamorphose erreicht. 

Da, wie aus dem Gesagten hervorgeht, die Lösungen von 
äq.-m./50 sich als die Entwicklung nicht verlangsamend zeigten, 
während dagegen die Göthlinsche Lösung "In, äq.-m./lO und 
Aqua dest. dieselbe verspäteten, war es offenbar, daß das be- 
fruchtete Froschei, ebenso wie die früheren Embryonalstufen, 
ein bedeutend niedrigeres A als das entwickelte Tier haben muß, 
das aber höher als Aqua dest., niedriger als Göthlin/4 und 
äq.-m./10 ist. Wahrscheinlich würde es in der Nähe von 4 für 
äq.-m./50 liegen. 

Um eine genauere Auffassung von dem osmotischen Drucke in 
dem Froschei und den Embryonen zu erhalten, haben wir eine Reihe 
Gefrierpunktsbestimmungen an solchen in einigen verschiedenen Ent- 
wicklungsstufen mittels des Beokmannschen Gefrierpunktsbestimmungs- 
apparates gemacht. Außerdem haben wir den Gefrierpunkt von dem 
Wasser des Tümpels, wo die Frösche und die Eier gefangen worden 
sind, von dem Wasserleitungswasser, von verschiedenen Lösungen und 
endlich von den Gallerthüllen bestimmt. 

An den Eiern, Embryonen und den Gallerthüllen wurden die Be- 
stimmungen drei- bis viermal und regelmäßig an verschiedenen Partien 
gemacht; mit dem Wasser und den Lösungen wurden 2 bis 3 Bestimmungen 
angestellt. Die Ziffern in der Tabelle sind Durchschnittszahlen. Bei 


jeder Bestimmung wurde etwa 1/0 unterkühlt. Die Versuchsfehler be- 
laufen sich auf 0,00 bis 0,020. 


A 
Fertige Ovarialeier . .. . 2.2.2.2. — 0,480 (1) 
Ungefurchte, befruchtete Eier . ... . — 0,0450 (2) 
Embryonen, 5 Tage alt . . . . 2.2... — 0,230 (3) 


Kaulquappen, 20 bis 25 Tage alt. . . . — 0,405° (4) 
Serum des gewachsenen metamorphosierten 


Frosches . . . 2. 2 22 2 eeso — 0,4650 (5) 
Gallerthüllen . . . 2: 2 2 2 2 20020 —0,015° (6) 
Wasser des Tümpels, aus dem die Eier ge- 

holt wurden . . . 2 22220. —0,06° (7) 
Wasserleitungswasser . . . . 2.202 .. — 0,015° (8) 
äg.-m./50-NaCl Lösung. . . . 2... —0,05° (9) 
äqg.-m./3-NaCl Lösung . . . . . -....—0,61° (10) 


Lösung von Göthlin ......... — 0,445° (11) 


Physikalisch-chemische Faktoren bei der Entwicklung usw. 295 


Die ungefurchten Eier wurden von den Hüllen bis auf die Dotter- 
membran befreit. Hierbei kann sich natürlich eine Fehlerquelle ergeben 
dadurch, daß möglicherweise an dieser Gallerte haften bleibt, die bei der 
Bestimmung ein zu hohes A für die Eier verursachen würde. Eine 
leichte Überlegung an Hand der Angaben der Tabelle über das A der 
Gallerte beweist jedoch, daß diese Fehlerquelle die Resultate nicht be- 
trächtlich beeinflussen kann. Die Embryonen von 5 Tagen wurden so- 
wohl von der Gallerthülle als von der Dottermembran befreit. Die also 
von den Hüllen befreiten Eier und Embryonen wurden während 30 bis 
40 Minuten zerstoßen und zerpreßt. Hierbei ist Anlaß zur Entstehung 
einer anderen Fehlerquelle gegeben, die sich jedoch in entgegengesetzter 
Richtung bemerkbar macht, nämlich die von postmortalen Zersetzungen, 
der Autolyse. Diese dürfte jedoch während einer so kurzen Zeit nicht 
besonders beträchtlich sein, wozu noch kommt, daß der Teil der Masse, 
der zu den übrigen A-Bestimmungen einer Serie benutzt war, während 
jeder Bestimmung in Eis eingebettet wurde. Die Veränderungen, die 
durch autolytische Vorgänge hervorgerufen werden, gehen jedenfalls in 
der Richtung, daß von größeren Molekülkomplexen kleinere gebildet 
werden, mit anderen Worten, daB die osmotischen Konzentrationsgrade 
der Masse vergrößert und folglich ihr Gefrierpunkt erniedrigt wird. 
Die postmortale Autolyse dürfte also dahin wirken, daß die A der Be- 
stimmungen 1, 3 und 4 ein wenig zu niedrig sind, während sie dagegen 
in der Bestimmung 2 vielleicht die dort schon vorhandene Fehlerquelle 
neutralisiert. 


Unsere A-Bestimmungen bestätigen völlig die Betrach- 
tungen bezüglich des osmotischen Druckes des Froscheies, zu 
denen wir durch das Studium der Entwicklung desselben in 
verschiedenen Konzentrationsgreden von Krystalloiden und in 
Aqua destillata veranlaßt wurden. Wie aus den Bestimmungen 
2 und 9 zu ersehen ist, liegt dieser Druck wirklich in der Nähe 
von dem von äq.-m./50-NaCl. 


Die Tabelle zeigt, daß das befruchtete aber noch 
ungefurchte Froschei einen osmotischen Druck zeigt, 
der nur "le von dem des ausgewachsenen Frosches und 
dem des Ovarialeies ist. Man sieht auch, daß jener Druck 
in einer einleuchtenden Weise mit dem des Mediums überein- 
stimmt, in das die Eier gelegt sind (Bestimmung 7), schwach, 
hypertonisch dagegen im Verhältnis zu der Gallerhülle (Be- 
stimmung 6) ist. Im Laufe der Entwicklung steigert sich der- 
osmotische Druck wieder und der Embryo von 5 Tagen besitzt. 
schon ein A, das etwa 50°/, von der Größe desselben bei dem 
metamorphosierten Tier und folglich stark hypertonisch im. 


296 E. L. Backman und H. Runnström: 


Verhältnis zum Medium ist. Bei Embryonen von 25 bis 30 Tagen 
ist der Druck nur unbedeutend niedriger als derjenige des 
metamorphosierten Tieres. 


* * 
* 


Es drängt sich daher die Frage auf: Welche Faktoren 
haben die Erniedrigung des osmotischen Druckes in dem Ova- 
rialei bis auf den im befruchteten, ungefurchten Ei von uns 
konstatierten Wert bewirken können? 

A priori dürfte man von der Eventualität absehen können, 
daß das Ei während der Passage durch den Eileiter durch ‚einen 
inneren Trieb“ seinen osmotischen Druck, z. B. durch eine 
Gel- und Gallertbildung, erniedrigen konnte. Dazu fehlt jeder 
bekannte physikalische oder chemische Faktor. Wenn die Eier 
gelegt sind, befinden sie sich in einem hypotonischen Medium. 
Die Wirkung der Hypotonie haben wir schon auseinander- 
zusetzen versucht. Wir sehen, daß die Zelle dadurch einen 
erniedrigten osmotischen Druck erhält. Die Frage ist nun, 
ob diese Erklärung für den vorhandenen Fall genügt. Kann, 
mit anderen Worten, die Verdünnung durch Wasseraufnahme 
bzw. Auswanderunng der Krystalloide eine 10fache Erniedrigung 
des osmotischen Druckes bewirken? Der Frosch ist während 
der Embryonalentwicklung bezüglich der wichtigen, anorgani- 
schen Ionen auf seine eigenen Vorräte angewiesen, was durch 
die Lebensfähigkeit des Froscheies in aqua destillata bewiesen 
wird. Wenn man zudem bedenkt, daß diese Ionen in be- 
stimmten Konzentrationen vorhanden sein müssen, muß ein 
Hinausdiffundieren auch in geringen Mengen höchst unwahr- 
scheinlich sein. Der anderen der beiden Alternativen muß man 
mehr Rücksicht widmen. Tatsächlich quillt das Froschei beim 
Ablegen zufolge Wasseraufnahme auf. Diese Quellung genügt 
jedoch nicht allein, die beobachtete Erniedrigung des osmotischen 
Druckes zu erklären, da in solchem Falle das Ei das 8- bis 
10fache Volumen gegen das ursprünglich vorhandene erhalten 
müßte. Es ist schon a priori unwahrscheinlich, daß die Zelle 
eine so starke Ausspannung erfahren könnte; die Beobachtung 
bestätigt nun, daß die Volumzunahme bei der Quellung einen 
weit niedrigeren Wert hat. 


Physikalisoh-chemische Faktoren bei der Entwicklung. 297 


Es scheint folglich nur die Möglichkeit übrig zu bleiben, 
daß die Erniedrigung des osmotischen Druckes zum größten 
Teil durch eine Zustandsänderung der Kolloide in der Eizelle, 
durch eine Gel- und Gallertbildung, wobei die Krystalloide ad- 
sorbiert werden, hervorgerufen wird. Es bietet sich uns also jetzt 
die Aufgabe, einen Faktor herauszufinden, der einen solchen 
Vorgang verursachen könnte. Wir haben dabei vielleicht mit 
der Möglichkeit zu rechnen, daß die Veränderung des Mediums 
die Ursache ist. An anderer Stelle haben wir schon auf diese 
Möglichkeit hingewiesen (Seite 1). Es ist jedoch schwer an- 
zunehmen, daß das Ei nach einem so heftigen Eingriffe noch 
das Vermögen haben sollte, sich selbst zu restituieren, Da 
vorläufig noch Anhaltspunkte fehlen, so kann man sich über 
diese Sache noch nicht definitiv äußern. 

Die letzte Erklärungsmöglichkeit sehen wir in dem Be- 
fruchtungsmomente. Wir gehen dabei von der Voraussetzung 
aus, daß die Befruchtung diejenige Zustandsänderung der Kol- 
loide mit folgender Adsorption der Krystalloide möglicherweise 
hervorrufen könnte, die man nach obigem als einen physiolo- 
gischen Erstarrungsprozeß der Eizelle bezeichnen könnte — ev. 
durch die Veränderung des Mediums unterstützt, die ja ohnehin 
durch die Wasseraufnahme des Eies einen Teil der Herab- 
setzung des osmotischen Druckes verursacht. Wir hoffen 
durch fortgesetzte und erweiterte Untersuchungen sowohl beim 
Frosche als auch bei anderen Tieren über diese schwierigen 
Fragen Licht verbreiten zu können. 

Das Sınken des osmotischen Druckes ist reversibel, was 
durch die biophysikalischen und biochemischen Vorgänge, die 
mit der Entwicklung verbunden sind, veranlaßt wird. Nach 
unserer Auffassungsweise muß die Erhöhung des osmotischen 
Druckes wenigstens teilweise von der Entbindung der Krystal- 
loide verursacht sein. Dazu tritt die Zersetzung des Dotter- 
materials zu osmotisch wirksameren Vereinigungen. 

Wir haben im vorhergehenden das Verhalten des os- 
motischen Druckes bei verschiedenen Tieren behandelt und 
dabei gesehen, daß man poikilosmotische und homoiosmotische 
Tiere unterscheiden kann. Wir haben auch gesehen, daß die 
Teleostier in einem Übergangszustand zwischen diesen beiden 


Gruppen stehen. Aus unserer Untersuchung geht jetzt hervor, 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 20 


298 E. L. Backman u. H Runnström: Physikal-chemische Faktoren usw. 


daß der Frosch während seiner ersten Entwicklungsstufen mög- 
licherweise als relativ poikilosmotisch anzusehen ist, d. h. einen 
osmotischen Druck zeigt, der mit dem der Umgebung überein- 
stimmt. 5 Tage alte Embryonen sind jedoch schon ausgeprägt 
homoiosmotisch — wenn man damit nur das Vermögen aus- 
drückt, den eigenen osmotischen Druck verschieden von dem 
der Umgebung zu halten, 

Der osmotische Druck ist aber in stetiger Zu- 
nahme, und bei Kaulquappen von 25 bis 30 Tagen ist der 
osmotische Druck fast der des metamorphosierten Tieres. Den 
biogenetischen Satz auf diesen Fall zu beziehen, wäre wohl 
nur eine Redensart. Vielmehr haben wir hier einen autoregu- 
latorischen Prozeß von lebenswichtiger Bedeutung vor uns, 
dessen physikalisch-chemische Bedingungen nicht unerforschbar 
sein dürften. 


Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwälste. 


Von 
S. Yoshimoto aus Tokio (Japan). 


(Aus dem Institut für Krebsforschung und der chemischen Abteilung 
des Pathologischen Instituts der Universität zu Berlin.) 


(Eingegangen am 24. September 1909.) 


Die Chemie der Krebsgeschwülste und der Stoffwechsel 
der Krebskranken sind schon vielfach bearbeitet worden, ohne 
daß indessen in allen Punkten Übereinstimmung erzielt 
worden wäre. 

Der erste, der die chemische Zusammensetzung von Krebs- 
geschwülsten studierte, war Petry!). Als konstanten Befund hob er 
eine ansehnliche Vermehrung der Nucleoproteide hervor. Dieselben be- 
trugen etwa 50°/, des Gesamteiweißes, während dieser Wert in der 
Mamma, dem Sitz der Geschwülste, unter 30°/, ausmachte. Petry 
bezog diese Vermehrung auf den Kernreichtum des üppig wuchernden 
Gewebes. Im Gegensatz dazu fand er Sarkome sehr arm an Nucleo- 
proteiden. Er beobachtete auch schon die Autolyse der Carcinome. 

Neuberg und Ascher?) und gleichzeitig und unabhängig davon 
Blumenthal und Wolff?) fanden im Krebsgewebe ein proteolytisches 
Ferment, welches als heterolytisches auf das Eiweiß anderer Gewebe 
einwirkt. Blumenthal ist der Meinung, daß dieses Ferment, ebenso 
wie das autolytische, wahrscheinlich intracellulär ist und nur bei regem 
Stoffwechsel im Krebsgewebe frei wird. Daher sei anzunehmen, daß es 
bei derben, abgeschlossenen Careinomen nicht in die Zirkulation gerate, 
sondern nur bei weichen Tumoren. Es liegt nahe, die Krebskachexie 
mit diesem Ferment, das auch nach Art eines Toxins wirken könnte, 
in Verbindung zu bringen, indessen sind Beweise dafür noch nicht ge- 
liefert. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 27, 398. 
2) Arbeiten aus dem pathologischen Institut zu Berlin 1906, 593. 
3) Zeitschr. f. klin. Med. 16. 

20* 


300 S. Yoshimoto: 


Man könnte wohl als Wirkung eines solchen Fermentes die be- 
deutenden Abweichungen des Stickstoff-Stoffwechsels ansehen, welche 
nach den wichtigen Beobachtungen von Friedrich Müller®), die übrigens 
schon lange vor den erwähnten Autolysenversuchen gemacht sind, 
bei Krebskranken bestehen. Pe Müller fand, daß die Stickstoff- 
ausscheidung bei Krebskranken stets größer war als die Stickstoffeinfuhr, 
so daß es trotz reichlicher Ernährung nicht gelang, die Schwelle des 
Stiokstoffgleichgewichts zu erreichen. Allein es zeigte sich, daß dieses 
Verhalten nicht konstant und etwa typisch ist für den Stoffwechsel des 
Krebskranken. Blumenthal!) konnte sogar bei einem Mammascarcinom 
einen erheblichen Stickstoffansatz erzielen. Blumenthal ist daher der 
Ansicht, daß es ein spezifisches, von der Krebszelle abgesondertes Toxin, 
welches einen vermehrten Eiweißzerfall und damit Kachexie bewirkt, 
nicht gibt. Er bezieht diese vielmehr auf die verminderte Nahrungs- 
aufnahme und die sekundäre Erkrankung von solchen Organen, welche 
für den Stoffwechsel von Wichtigkeit sind, sowie auf vermehrte bakterielle 
Prozesse. 

Anderseits konnten Gärtig?) und Klemperer?) in ihren Stoff- 
weohselversuchen an Krebskranken die Beobachtungen von Fr. Müller 
bestätigen. | 

Durch die Güte von Exzellenz von Leyden, für die ich auch an 
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche, bot sich mir Ge- 
legenheit, Autolysenversuche an Krebsgeschwülsten anzustellen. Auch 
Herrn Dr. Brahn bin ich für die Überlassung mehrerer von ihm an- 
gesetzter Versuche zu Dank verpflichtet. Die anatomische Diagnose 
der Tumoren ist durch Herrn Prof. Beitzke sichergestellt. 

Im ganzen habe ich 9 metastatische Leberkrebse und ein 
Mammacarcinom untersucht. Zu Kontrollversuchen dienten 


3 gesunde Lebern und eine Mamma. 


Allgemeine Versuchsanordnung. 


Die Tumoren wurden möglichst kurze Zeit nach dem Tode 
aus den Organen herauspräpariert. Das gelingt in den Fällen, 
in welchen die Krebsgeschwülste derb und von der Umgebung 
mehr oder weniger scharf abgegrenzt sind — das ist meistens 
der Fall — ohne Schwierigkeit, während bei weicheren Tumoren 
die Abgrenzung allerdings nicht so scharf zu machen ist. 

Die Tumoren wurden fein zerhackt, 100 g des Breies mit 
1 1 gesättigten Chloroformwassers in ein breithalsiges Glas- 
stöpselgefäß gebracht und 72 Stunden im Thermostaten bei 

1) Festschrift für E. Salkowski. 1904, S. 75. 


2) Inaugural-Dissertation Berlin, 1890. 
3) Charite-Annalen 16. 


Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwülste. 301 


39° digeriert. Nachdem behufs Kontrolle bezüglich der An- 
wesenheit von Bakterien eine Impfung auf Nährgelatine statt- 
gefunden hatte, wurden die Flaschen entleert, die Autolysen- 
flüssigkeit aufgekocht und nach völligem Erkalten im Meß- 
zylinder auf 1 1l (einschließlich der festen Substanz) aufgefüllt, 
alsdann durch ein trocknes Filter filtriert. 800 com dieses 
Filtrates wurden auf dem Wasserbad auf weniger als 400 ccm 
eingedampft. Nach dem Erkalten füllte man sie wiederum auf 
400 ccm auf und filtrierte durch ein trocknes Filter. So wurde 
eine von koagulierbaren Eiweißkörpern freie verdünnte Lösung 
erhalten. 

Um eine Vorstellung von dem Gehalt dieser Lösung an 
Monoaminosäuren, Albumosen und Purinbasen zu erhalten, 
wurde das von E. Salkowski angegebene, zuerst von 
Drjewezki!), später vielfach im hiesigen Laboratorium u. a. 
auch von mir?) in früheren Versuchen angewendete Verfahren 
benutzt. Man erhält dabei durch die Analyse: 

1. Gesamtstickstoff, 2. Monaminosäurenstickstoff?), 3. Albu- 
mosenstickstoff, 4. Purinbasenstickstoff. 

Die Differenz zwischen Gesamtstickstoff und der Summe 
von 2, 3 und 4 ergibt den Stickstoff von Diaminosäuren 4 
Peptonen + Ammoniak. 

Im einzelnen wurde folgendermaßen verfahren: 

1. Gesamt-N. — In 20 ccm der Lösung unter Anwendung von 
Quecksilberoxyd nach Kjeldahl doppelt ausgeführt. 

2. Monoaminosäurenstickstoff: 50 ccm der Lösung mit 5 com Salz- 
säure von 1,124 D angesäuert, mit 10°/,iger Phosphorwolframsäure 
völlig ausgefällt, die Mischung auf 100 ccm (samt Niederschlag) auf- 
gefüllt, durch ein trooknes Filter filtriert, vom Filtrat 20 com zur Be- 
stimmung des Stickstoffes nach Kjeldahl. 

3. Albumosenstickstoff: 50 ccm mit l com verdünnter Schwefel- 
säure angesäuert, mit gepulvertem Zinksulfat gesättigt nach Baumann 
und Bömer. Das Gemisch nach den Angaben von E. Rosenberg*) 
24 Stunden lang stehen gelassen, filtriert, der Niederschlag mit angeräuerter 


1) Diese Zeitschr. 1, 229, 1906. 

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 58, 341, 1909. 

3) Dieser Ausdruck ist hier, wie in den früheren Arbeiten in dieser 
Richtung, nur in dem Sinne gebraucht, daß in dieser Kategorie die 
Monoaminosäuren sehr überwiegen; es fällt darunter auch Harnstoff 
und Allantoin, wenn vorhanden. 

4) Zeitschr. f. klin. Med. 76, 1. 


302 S. Yoshimoto: 


Zinksulfatlösung gut ausgewaschen und trocknen gelassen, dann im 
Kjeldahlkolben mit Schwefelsäure erhitzt. Diese Erhitzung läßt sich 
gut zu Ende führen. 

4. Purinbasenstickstoff: 100 com wurden mit Ammoniak leicht al- 
kalisiertt, von den ausgeschiedenen Phosphaten abfiltriert und naoh- 
gewaschen, das Filtrat unter weiteren Zusatz von Ammoniak mit 3°/,iger 
ammoniakalischer Silbernitratlösung gefällt. Nach 10 bis 12stündigem 
Stehen im Dunkeln wurde abfiltriert, der Niederschlag mit ammonia- 
kalischem Wasser so lange ausgewaschen, bis im Waschwasser keine 
Silberreaktion mehr vorhanden ist, trocknen gelassen und dann samt 
Filter kjeldahlisiert, 

Drei gesunde Lebern (1 bis 3) und zwei Krebslebern (4 und 8) 
wurden genau nach dieser Angabe untersucht. 

In den übrigen Versuchen, wo das Material nicht genügend wan 
wurde der Caroinomgewebsbrei immer in gewissen Bruchteilen der Vor- 
schriften genommen, 


Tabelle I. 
Autolyse der gesunden Leber. 










Chloro- 
S F: ere Spaltungsprodukte % 
si ‚© 


— Autolyseflüssigkeit 





L Gesamt-N 4,536 
2. re ee 2,480 54,68 
3. Albumosen- 0,944 20,81 
l 100 1000 4. Purinbasen-N 0,672 14,82 
5. Diaminosäuren-, | 
Pepton- und NH,-N 0,440 9,71 
. Gesamt-N 4,760 
. Monoaminosäuren-N 2,632 55,30 
. Albumosen-N 0,963 20,24 
. Purinbasen-N 0.560 11,77 


. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N| 0,6051 12,71 


1 
2 
2 100 | 1000 dë 
5 
l. Gesamt-N 6,1521 
2. Monoaminosäuren-N 2,8560 65,44 
3. Albumosen-N 1,0531 20,44 
3 100 1000 4. Purinbasen-N 0,8960 17,39 
5. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N 1,1181 12,13 
1. Gesamt-N 4,8160 
2. Monoaminosäuren-N 2,6560 55,14 
Mittelzahlen der Versuche] |3. Albumosen-N 0,9871 20,48 
1 bis 3 4. Purinbasen-N 0,7091 14,71 
5. Diaminosäuren-, 


| 
| 

In den nachfolgenden vier Versuchen (4 bis 7) wurden zwei 
Mischungen aus ein und derselben Krebsleber hergestellt, nämlich in 


Pepton- und NH,-N| 0,7111 | 14,97 


Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwülste. 


303 


der Mischung A ein Geschwulstanteil, in der Mischung B ein anschei- 
nend normaler Anteil derselben Leber. 
Die Ergebnisse sind in der Tabelle II zusammengestellt. 


Tabelle II. 
Autolyse der Krebsleber. 








5 50 |500 
6 20 |200 
7 50 1500 


Mittelzahl der vier 
Versuche 6 bis 7 


Beim Betrachten der Tabelle II 


E, 

33 Leber- 23 
y E| brei ER 
E ö 
cc 


l. 
2 
3 
4. 
5. 


m ppm Dër 


Sa Do DO pes 


Or e GO DO t 


Spaltungsprodukte 
des Eiweißes in der 
Autolyseflüssigkeit 









Gesamt-N 


. Monoaminosäuren-N 
. Albumosen-N 


Purinbasen-N 
Diaminosäuren-, 

Pepton- und NH,-N 
Gesamt-N 


. Monoaminosäuren-N 
. Albumosen-N 


Purinbasen-N 


. Diaminosäuren-, 


Pepton- und NH,-N 


Gesamt-N 
Monoaminosäuren-N 


. Albumosen-N 


Purinbasen-N 


. Diaminosäuren-, 


Pepton- und NH,-N 


Gesamt-N 
Monoaminosäuren-N 


. Albumosen-N 


Purinbasen-N 
Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N 


Gesamt-N 
Monoaminosäuren-N 
Albumosen-N 
Purinbasen-N 
Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N 


2,0104 


6,0480 1) 


2,6880 
0,9856 
0,1568 


2,2176 


7,2320 
3,5273 
1,3906 
0,3856 


1,9014 


26,29 


1,2872 


sieht man sofort 


Normalanteil 
derselb.Krebsleb. 





die 


beiden bemerkenswerten Tatsachen, nämlich, daß die beiden 
Gesamtstickstoffmengen in A und B bei jedem Versuche (aus- 


1) Dieser zu kleine Wert wird wahrscheinlich ein technischer Fehler 
sein, er ist bei der Bildung der Mittelzahlen nicht berücksichtigt, 


304 S. Yoshimoto: 


genommen Versuch 7 A) ganz gleich oder fast ganz gleich sind 
und daß die Abbauprodukte bei jedem Versuche (ihrer Stick- 
stoffimenge nach) fast immer in derselben Reihenfolge stehen, 
nämlich Monoaminosäurenstickstoff; Diaminosäuren 4 Pepton + 
Ammoniakstickstoff; Albumosenstickstoff und Purinbasenstick- 
stoff. Aus beiden vorliegenden Tabellen habe ich Tabelle III 
kombiniert. 
Tabelle III. 














Krebsleber, Mittelzahl der vier — EE 







V h 
Spaltungsprodukte 3 en 5 Vene 
des l Augenscheinlich 
Eiweißes in der Auto- ne normaler Anteil 
lysenflüssigkeit derselb. Leber = 
NingauflkgNingauflkgiN ing auf 1 kg 
p Leber berechn. | Leber berechn. | Leber berechnet 
1. Gesamt-N 7,2320 4,8160 
2. Monoaminosäuren-N 3,5273 2,6560 
3. Albumosen-N 1,3906 0,9866 
4. Purinbasen-N 0,3856 0,7086 
5. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N 1,9014 1,2872 0,7211 
A B 
Gesamt-N o 1,5020; er 1,5350. 


Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß der Eiweißzerfall 
sowohl bei Geschwulstanteilen als auch den augenscheinlich nor- 
malen Anteilen einer Krebsleber im Vergleich zur gesunden 
auffallend gesteigert ist: 7,2320; 7,3920 gegen 4,8160 N. 

Es ist also entweder der Gehalt der carcinomatösen Leber 
an proteolytischem Ferment an sich ein erhöhter — und zwar 
sowohl in den Geschwulstteilen selbst, als auch in den schein- 
bar gesunden Partien — oder die Carcinomleber produziert einen 
die Autolyse steigernden Körper; wir kennen ja derartige Körper, 
z. B. Säuren, selbst Kohlensäure. 

Ferner ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Zerfalls- 
produkte zwischen den Geschwulstknoten selbst und an- 
soheinend normalen Partien. In den Geschwulstknoten selbst 
ist der durch die Autolyse erhaltene Anteil des Albumosen-N 
geringer, der Anteil des Diaminosäuren- usw. N vermehrt. Dies 
entspricht einem gesteigerten Zerfall. Im Gegensatz dazu ist 
auffallenderweise der Purinbasen-N vermindert. Dies kann ent- 


Beitrag zur Chemie der Krebsgesohwülste. 305 


Tabelle IV. 
Autolyse der Krebsleber (bei verschiedenen Digestionsdauern). 


















5 © N in g 
SS Dauer der Spaltungsprodukte | uf l1 kg! o 
F wasser | Digestion des Eiweißes in der Leber be- lo 
Ze Autolyseflüssigkeit int 
il. Gesamt-N 7,1600 
2. Monoaminosäuren-N | 3,2200 | 44,98 
3. Albumosen-N 1,0048 | 14,04 
4. Purinbasen-N 0,1120 | 1,56 
5. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N| 2,7232 | 38,04 
1. Gesamt-N 10,080 ') 
2. Monoaminosäuren-N | 5,0455 | 50,06 
3. Albumosen-N 2,5088 | 25,67 
4. Purinbasen-N 0,488 4,44 
5. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N| 1,9777 | 19,62 
L Gesamt-N 7,8400 
2. Monoaminosäuren-N | 3,8080 | 48,46 
3. Albumosen-N 1,6128 | 20,57 
4. Purinbasen-N 0,4480 | 5,72 
6. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N| 1,9712 | 25,14 
1. Gesamt-N 9,0720 
2. Monoaminosäuren-N | 4,3680 | 48,15 
3. Albumosen-N 1,5680 | 19,40 
"1/4. Purinbasen-N 0,4480 | 4,94 
56. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N 2,6880 | 29,64 
L Gesamt-N 8,2880 
2. Monoaminosäuren-N | 4,0320 | 48,64 
3. Albumosen-N 2,0168 | 24,32 
" Vë, Purinbasen-N 0,3584 | 4,32 
6. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N| 1,8716 | 27,58 
l. Gesamt-N 
2. Monoaminosäuren-N 48,06 
Mittelzahlen der Versuche )!3. Albumosen-N 20,80 
8 bis 12 4. Purinbasen-N 4,19 
6. Diaminosäuren-, 
Pepton- und NH,-N 27,00 


weder davon herrühren, daß die Quantität der Nucleoproteide, 
im Gegensatz zu Petry, vermindert ist oder davon, daß die 
Geschwulstknoten eine geringere Quantität von Nuclease ent- 
hält. In späteren Versuchen wird auf diesen Punkt zu achten 
sein. Auch aus den scheinbar normalen Anteilen der Krebs- 


1) Bei diesem Versuche betrug die Temperatur des Brutschrankes 
42 bis 46°. 


306 S. Yoshimoto: 


leber wurde weniger Purinbasen-N erhalten als aus gesunder 
Leber. Übrigens scheint der Gehalt an Nucleoproteiden nicht 
notwendig mit dem Kernreichtum parallel zu gehen. Fand doch 
auch Petry in einem sehr kernreichen Sarkom sehr wenig 
Nucleoproteid. 

Weiterhin verarbeitete ich die Autolysemischungen von 
5Carcinomlebern, die von Herrn Dr. Brahn, damaligen chemischen 
Assistenten am Krebsinstitut, angesetzt und mir freundlichst über- 
assen waren. Die Zeitdauer der Autolyse war verschieden, 
meistens sehr lang. Die Verarbeitung geschah wie früher. Bei 
der Verschiedenheit der Digestionsdauer ist ein Vergleich der 
absoluten Zahlen nicht zulässig, ein Vergleich der Prozentzahlen 
für die Spaltungsprodukte scheint mir dagegen berechtigt zu sein. 

Es sei hier noch eine kombinierte Tabelle wiedergegeben, 
in der die Stickstoffverteilung bei einer autolytischen Eiweiß- 
spaltung der Krebsgewebe im Vergleich zu dem normalen Ge- 
webe zusammengestellt ist. 


Tabelle V. 


Prozentige Mittelzahlen aus je 4 Versuchen bei A und B, 
aus 5 Versuchen bei C und aus 3 Versuchen bei D. 





Krebsleber 









Gesch wulst- 
anteil bei ver- 


Spaltungsprodukte des 
Eiweißes in der Autolyse- 
flüssigkeit 


Augenscheinlich | 
normaler Anteil 






Ge- 
schwulst- 


. Gesamt-N ..... 


1 100,00 
2. Monoaminosäuren-N . 48,06 65,15 
3. Albumosen-N ... . 26,89 20,80 20,48 
4. Purinbasen-N. ... 8,53 4,19 14,71 
5. Diaminosäuren-, Pep- 

ton- und NH,-N 17,42 27,00 14,97 


Wenn man einen Blick auf die Tabelle V wirft, so ersieht 
man, daß die Zahlen in Rubrik A, B und C bei Krebsgeweben 
einander ziemlich nahe sind und daß diese Zahlen im Vergleich 
mit den entsprechenden in Rubrik D bei der gesunden Leber 
im großen und ganzen bezüglich des Monoaminosäurenstickstoffs 
und Albumosenstickstoffs einander ziemlich nahe sind, der 
Purinbasenstickstoff dagegen bei dem Carcinomgewebe entschieden 
geringer, der Diaminosäuren- usw. Stickstoff entschieden höher ist. 


Beitrag zur Chemie der Krebsgeschwülste. 307 


Zwei Versuche (einer mit Carcinommamma, ein anderer 
mit gesunder Mamma) wurden in ganz derselben Weise wie 
vorher angestellt. Man sieht das Resultat in der Tabelle VI. 













Tabelle VI. 
Krebsmamma. 
Nummer! Mamma- an ~ | Spaltungsprodukte Í 
der Ver- ma: des Eiweißes in der 


wasser 


SEH Autolyseflüssigkeit 





. Monoaminosäuren-N 
. Albumosen-N 

. Purinbasen-N 

. Diaminosäuren-, 

| Pepton- und NH,-N 


Gesunde Mamma. 


. Gesamt-N 2,0160 
. Monoaminosäuren-N | 1,0080 | 50,00 
. Albumosen-N 0,473 23,49 
. Purinbasen-N 0,2240 | 11,11 
. Diaminosäuren-, 

Pepton- und NH,-N| 0,3240 | 14,97 


Gesamt-N der Krebsmamma 5,0400 
Gesamt-N der gesunden Mamma 2,0160 ` 


13 


GE 






ke 
Ka 
08 
© 
S 
ER Va, GG Ri ki 


Was den Mammakrebs betrifft, so kann man aus zwei ver- 
einzelten Versuchen natürlich keinen bindenden Schluß ziehen, 
indessen weisen doch die beiden Gesamtstickstoffmengen (5,0400 
gegen 2,0160) entschieden darauf hin, daß der Eiweißzerfall bei der 
Carcinommamma ebenso wie bei der Carcinomleber viel stärker 
ist als bei der gesunden Mamma, wie auch Petry Lo angibt. 
Was die Stickstoffverteilung anbelangt, so ergibt sich kein großer 
Unterschied zwischen den beiden Versuchen 13 und 14 (Krebs- 
und gesunde Mammagewebe), mit anderen Worten: bei der Auto, 
lyse der Carcinommamma und der gesunden Mamma geht der 
proteolytische Prozeß nur quantitativ bedeutend verschieden, 
qualitativ ziemlich in gleicher Weise vor sich. 


Zusammenfassung. 


1. Die proteolytische Fermentwirkung bei der Autolyse 
des Geschwulstanteils einer Carcinomleber ist viel stärker als 
die der gesunden Leber (7,2320 N gegen 4,8160; siehe Tabelle III). 


308 S. Yoshimoto: Beitrag zur Chemie der Krebegeschwülste. 


2. Diese Steigerung der proteolytischen Fermentwirkung 
bei einer Autolyse gilt bei Mammakrebs ebenso wie bei Leberkrebs, 
sogar bei ersterem relativ viel stärker (5,04 gegen 2,016; 
siehe Tabelle VI). 

3. Diese Steigerung der proteolytischen Fermentwirkung 
bei der Autolyse des Krebsgewebes bezieht sich nicht nur auf die 
Geschwulstmasse selbst, sondern auch auf die anscheinend 
normalen Anteile derselben Leber. Sie beruht entweder auf 
einem von dem Carcinom produzierten, die Autolyse steigernden 
Giftstoff, der sich auch in die noch gesunden Partien ausbreitet, 
oder auf abnorm hohem Gehalt an Ferment. 

4. Die Verteilung des Stickstoffs in der Autolyseflüssigkeit 
differiert beim Lebercarcinom gegenüber dem normalen Gewebe 
namentlich in 2 Punkten: Der Purinbasenstickstoff ist bei der 
Carcinomleber gegenüber der normalen Leber vermindert, der 
Stickstoff von Diaminosäuren, Ammoniak und Pepton vermehrt 
(siehe Tabelle V). 


Über quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N 
im Harne mittels Formoltitrierung. 
Von 
Walther Frey und Alfred Gigon. 
(Aus der Medizin. Klinik zu Basel.) 


(Eingegangen am 24. September 1909.) 


1. Da wir für fortlaufende Untersuchungen am Kranken- 
bett eine bequeme Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne 
brauchten, versuchten wir, wie es bereits Ronchöse!) und 
Soerensen?) getan haben, eine Methode auszuarbeiten, aus- 
gehend von den Angaben von Schiff?). Letzterer wies nach, 
daß der Formaldehyd mit den Ammoniumsalzen Hexamethylen- 
tetramin, mit den Aminosäuren Methylenverbindungen bildet. 
Die Säurekomponente der letzteren kommt dann zur Geltung und 
kann mittels Alkali titriert werden. Diese Formolwirkung suchte 
Ronchöse bei NH,-Bestimmungen im Harne zu verwerten; 
infolge der Anwesenheit der Aminosäuren haftet aber dieser 
Methode ein Fehler an, den Ronchöse selbst auf 2 bis 4°/, 
schätzt. Soerensen will mit der Formoltitrierung eine quanti- 
tative Messung proteolytischer Spaltungen gefunden haben. 
Wir hatten nun bereits einige Versuche zur Bestimmung 
des NH,- und Aminosäuren-N im Harne mittels Formoltitrie- 
rung angestellt, als die Arbeit von Henriques*) erschien. 


1) Ronchèse, Sur le dosage de ’ammoniaque. Compt. rend. Soo. 
Biol. 1, 867, 1907 und Méthodes de dosage de quelques composés azotés. 
Inaug.-Diss., Paris 1908. 

2) Soerensen, Enzymstudien, Diese Zeitschr. 7, 45, 1907. 

3) Schiff, Trennung von Amin- und Säurefunktion mittels Form- 
aldehyd. Annalen der Chemie 319, 59 u. 287, 1900 und 325, 348, 1902. 

4) Henriques, Über quantitative Bestimmung der Aminosäuren 
im Harne. Zeitschr. f. physiol Chem. 60, 1, 1909. 


310 W. Frey und A. Gigon: 


Wir glauben uns aber doch berechtigt, auch unsere Unter- 
suchungen mitzuteilen, da wir einige abweichende Ergebnisse 
zu verzeichnen haben. 

Wir hatten uns als Aufgabe gestellt, in der gleichen Lösung 
Ammoniak- und Aminosäuren-N zu titrieren; wir gingen davon 
aus, daß gewisse Indicatoren, z. B. Rosolsäure, Lackmus, die 
durch Aminosäuren bedingte Acidität nicht angeben, während 
Phenolphthalein gegen dieselbe empfindlich ist, und hofften in 
diesem Unterschied ein Mittel zu besitzen, um den Amino-N 
neben dem NH,-N mittels Formol titrieren zu können. Unsere 
Versuche ergaben aber, daß eine genaue Bestimmung damit 
nicht erzielt werden kann. Wir versuchten dann, in einer 
Ammoniumsalze haltigen Flüssigkeit den Amino-N zu bestimmen 
und gingen folgendermaßen vor. 

2. Es wurden wässerige oder leicht alkalische Lösungen 
von bestimmtem Gehalte an Ammonsulfat, Glykokoll, Alanin 
und anderen untersuchten Substanzen hergestellt. Diese vor- 
erst neutralisierten Lösungen wurden mit neutralisierter Form- 
aldehydlösung versetzt. Trat dabei eine Acidität auf, so wurde 
die Flüssigkeit mit ?”/ -NaOH titriert. Ein Vergleich zwischen 
dem erhaltenen und dem berechneten Wert gestattete, die ent- 
sprechenden Schlußfolgerungen zu ziehen. Auf Grund der Über- 
legungen von Soerensen und von Ronchere haben wir so- 
wohl zur Neutralisation als bei der Endtitrierung Phenolphtha- 
lein als Indicator angewandt und der sauer gewordenen Lösung 
Alkali bis zur rot-violetten Farbe zugesetzt (drittes Stadium 
Soerensens). Wir erhielten damit aber etwas zu geringe Werte. 
Genauere Resultate gab folgende Versuchsanordnung. 

3. Eine Probe der zu untersuchenden Lösung wurde, wenn 
sie nicht bereits alkalisch war, mit einem geringen Überschuß 
von Natronlauge oder Baryt alkalisch gemacht und mit ?/,-Salz- 
säure und Rosolsäure als Indicator genau neutralisiert; es war 
dabei mehr Säure zur Neutralisierung erforderlich, als bei der 
Anwendung von Phenolphthalein.!) Die gefundene Säuremenge 
wurde einer zweiten, genau gleichen Probe hinzugefügt, neutra- 
lisiertes Formol in Überschuß zugegeben und die daraufhin ein- 


1) Die Lösungen wurden alkalisch gemacht, weil man bei den Harn- 
titrationen mit Vorteil von alkalischer Reaktion ausgeht. 


Quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne usw. 311 


getretene Acidität mit ?/,-NaOH und Phenolphthalein als Indi- 
cator genau bis zur rot-violetten Farbe titriert. Das Phe- 
nolphthalein hat sich für Harnuntersuchungen besser bewährt 
als das von Soerensen empfohlene Thymolphthalein. Der 
kürzlich von Malfatti?) gegen die Anwendung von zwei ver- 
schiedenen Indicatoren erhobene Einwand besteht hier nicht 
zu Recht; die Aciditätsgrenze bei den zwei Titrationen wird in 
diesem Falle durch verschiedene Körper bedingt, das erstemal 
durch die schwach sauer reagierenden Aminosäuren, das zweite- 
mal durch ihre Methylenverbindungen, welche bedeutend stärker 
saure Eigenschaften besitzen. Zur Titration verwendeten wir 
n/ -Lösungen; der Farbenumschlag ist dabei schärfer als mit 
a/ 0 Lösungen. Baryt als Titrierflüssigkeit hat vor der Natron- 
lauge keine wesentlichen Vorteile, dagegen aber manche 
Nachteile. 

Die Ergebnisse Soerensens mittels seiner Formolmethode 
können wir bestätigen; außerdem haben wir einige von ihm 
nicht geprüfte Körper untersucht. Einfache Lösungen von 
Ammonsulfat, Glykokoll, Alanin, Leucin, Phenylalanin, Aspara- 
ginsäure lassen sich mittels der Formolmethode genau titrieren. 

Tyrosin ergibt, wie Soerensen bereits beobachtete, einen 
zu hohen Wert; dagegen läßt sich merkwürdigerweise das Glycyl- 
tyrosin glatt wie eine einbasische Säure titrieren. 

Während das Guanin (als Aminooxypurin) sich auch titrieren 
läßt, verhält sich Xanthin als Dioxypurin völlig indifferent 
gegenüber Formolzusatz; ebenso Kreatin, Kreatinin, Harnstoff, 
Harnsäure, Hippursäure, Phenol. 

4. Die Wirkung des Formaldehyds wurde nun bei Lö- 
sungen geprüft, welche Ammonsulfat und Aminosäuren zugleich 
enthielten. Da konnten wir nun aber gleich bemerken, daß 
eine Formoltitrierung zur Bestimmung des Aminosäuren-N in 
Gegenwart von NH,, also Verhältnisse, wie sie im Harne vor- 
liegen, keine genauen Werte liefert; die zur Titration gebrauchte 
Menge al, NaOH ist geringer, als es dem berechneten Säuregrad 
entspricht. Wie aus dem experimentellen Teile ersichtlich ist, trifft 


1) Malfatti, Die Formoltitration der Aminosäuren im Harne. 
Zeitschr. f. physiol. Chem. 61, 499, 1909. Unsere Versuche waren schon 
abgeschlossen, als die Arbeit von Malfatti erschien. 


312 W. Frey und A. Gigon: 


dies vor allem bei Verwendung von Glykokoll zu’); geringere 
Fehler erhält man mit Phenylalanin, Alanin, Asparaginsäure. 
Tyrosin, welches allein zu hohe Werte gibt, läßt sich hingegen 
mit Ammoniumsalzen gemischt, fast genau titrieren. Da man 
nun gerade mit Glykokoll im Harne selbst zu rechnen hat,?) ist 
diese Bestimmungsweise eben unzulässig. 

6. Die Ammoniumsulfat und Aminosäuren enthaltenden 
Lösungen wurden nun folgendermaßen behandelt: Das Ammoniak 
wird mittels der von Spiro) angegebenen Modifikation der 
Folinschen Methode bestimmt und dabei ausgetrieben, die 
zurückbleibende Flüssigkeit filtriert und das Filtrat für die 
Formoltitrierung verwendet. Nach diesem Vorgang erhielten 
wir exakte Werte. Hierauf führten wir auch Bestimmungen 
im Harne aus, mit oder ohne Aminosäurenzusatz und kamen 
zu ganz befriedigenden Resultaten. 


Methode zur Aminosäurenbestimmung im Harne. 


25 oder 50 com Harn werden in einem hohen, schmalen Stand- 
gefäß mit 10 bis 20 ccm einer gesättigten Barytlösung und 
10 bis 15 ccm Alkohol versetzt. Das Ammoniak wird nach 
Spiros Vorschrift durch einen kräftigen Luftstrom ausgetrieben, 
in 2/,o-H,SO, aufgefangen und bestimmt. Nach Ablauf von 
etwa 3 bis 4 Stunden fängt die Flüssigkeit an zu schäumen, 
ein Beweis dafür, daß der Alkohol zum größten Teil entfernt 
ist; zur völligen Austreibung des Ammoniaks genügen schon 
2 Stunden. Die im Standgefäß zurückgebliebene Lösung wird 
quantitativ in einen Meßkolben herübergespült und auf 100 ccm, 
wenn nötig 200 com, mit dest. Wasser aufgefüllt. Das Spül- 
wasser braucht vorher nicht frisch gekocht zu sein. Nach 


1) Diese Lösungen geben die Biuretreaktion nicht; dies spricht gegen 
die Annahme, daß bei der Reaktion Glycinimid sich gebildet haben könnte. 
(Fischer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, 1095, 1902. — Schiff, 
Annal. d. Chem. 319.) 

2) Embden und Marx, Über das Glykokoll des normalen Harnes. 
Beiträge z. ohem. Physiol. u. Pathol. 11, 308, 1908. — Abderhalden 
und Schittenhelm, Über den Gehalt des normalen Menschenharns an 
Aminosäuren. Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, 340, 1906. 

3) Spiro, Zur Methodik der Ammoniak- und Harmmstoffbestimmungen 
im Harne. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 481, 1907. 


Quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne usw, 313 


gründlichem Durchschütteln läßt man die Lösung kurze Zeit 
stehen, bis der Niederschlag sich gesetzt hat, und filtriert. Vom 
klaren Filtrat werden je zwei Proben von 40ccm resp. 90 ccm 
entnommen. Die erste Probe, die mit einigen Tropfen einer 
alkoholischen Rosolsäurelösung versetzt wird, dient zur Be- 
stimmung der für die Neutralisierung nötigen Menge »/,-HCl. 

Der Umschlag ist am deutlichsten erkennbar, wenn zuerst 
ein geringer Überschuß von Säure zugegeben wird, und man 
dann mit ?/ NaOH zurücktitriert, bis 1 Tropfen Lauge wieder 
eine rote Farbennuance hervorruft. Der zweiten Probe wird 
diese nun bekannte Menge sl, HO zugesetzt und dann 10 com 
einer 40°/,igen, mit Phenolphthalein und NaOH neutralisierten 
Formollösung hinzugefügt. Die wieder sauer gewordene Flüssig- 
keit titriert man mit Phenolphthalein und 2/,-NaOH bis zu rot- 
violetter Farbe. Die gebrauchten com "/,-NaOH geben durch 
eine einfache Berechnung die Menge des Aminosäuren-N an. 

Etwas genauer ist es noch, wenn man das erhaltene 
Resultat mit einer Kontrollprobe von Aq. dest. +- Formol 
vergleicht. | 

Die Formollösung muß vor jedem Versuch wieder genau 
neutralisiert werden. 


Experimenteller Teil. 


Der Raumersparnis wegen geben wir nur vereinzelte unserer 
Bestimmungen wieder. Sie wurden alle meist mehrfach mit 
dem gleichen Resultat ausgeführt. Unsere ersten Unter- 
suchungen lassen wir weg, da sie kein befriedigendes Ergebnis 
hatten. 

ad 2. Die mit einer Pipette abgemessene Lösung von 
bekanntem Substanzgehalt!) wird in einen kleinen Erlen- 
meyer-Kolben gebracht, genau neutralisiert (Phenolphthalein) 


1) Ammonsulfat, Glykokoll, Hippursäure, Asparaginsäure sind Prä- 
parate von Kahlbaum. — Kreatin, Guanin stammen von Merok. — 
Alanin, Leucin, Phenylalanin, Tyrosin, Glyoyl-l-tyrosin wurden von dem 
einen von uns nach den von Fischer und seinen Mitarbeitern ange- 
gebenen Methoden dargestellt. Dieselben Präparate wurden schon von 
Abderhalden und Gigon angewendet. Zeitschr. f. physiol. Chem. 
53, 251, 1907. — Xanthin wurde uns freundlichst von Dr. Bloch zur 


Verfügung gestellt. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 21 


314 W. Frey und A, Gigon: 


und mit 10 ccm neutralem Formol versetzt. — Kontrolle: ent- 
sprechende Menge Aq. dest. -++ 10 eem Formol —+ Phenol- 
phthalein. 


com ?/,-Na0H 
berechnet erhalten 
20 ccm */,„.Ammonsulfatlösung . . 20,0 19,7 Spur rosa 
19,75 rot 
19,80 rot-violett 
30, , e A . . 30,0 29,5 erhalten durch Titra- 
40 e e = . . 40,0 39,5 tion bis zu rot- vio- 
letter Farbe 
10 „ sw Glykokolllösung . . . . 5,0 4,35 
20 p a» P . . . . . 10,0 9,7 
20 >» ` — .... 15,0 14,2 


ad 3. 2 Proben: erste Probe in alkalischer Lösung mit 
Rosolsäure und sl, HO neutralisiert (= x ccm al, Nal: zweite 
Probe 4 x ccm al, HO + 10 ccm Formol neutr. mit Phenol- 
phthalein titriert. 


ccm ®/,-Na0H 
berechnet erhalten 
10 cem ®/,,Ammonsulfat!). ....2.2.. 10,0 10,0 
20 — e ge e pad ée aea eem, 200 19,95 
5 „ Glykokoll ... 2.220. 20%% 2,5 2,5 
10 ;.- 5 K auaa a a a 5,0 4,90 
20 p » EE 10,0 10,0 
30, , A 15,0 14,7 
5 „ = Alanin ar a Se 2,5 2,6 
10 „ Alanin (= 38,228 mg) . . ..... 2,14 2,15 
20 „ ax (ERBE) nee er 4,06 4,0 
20 „ Leucin (36,7 mg). .. . 2.222 . 1,30 1,25 
5 „ Phenylalanin (1%, alk.) ...... 1,51 1,45 
5 „ Asparaginsäure (1°/, alk.) ..... 1,80 1,90 
10 „ ENEE EE 3,59 3,50 Fehler 
6 „ Tyrosinlösung (0,2624 °/, alk.). . . . 0,36 0,50 Lola 
10 „ 2 F J 02 0,85 -+0,13 
20 „ = Ge am ee... 14 1,70 -+0,26 
10 „ Giyeyl-I-tyrosin 0,5% . . 2.2... 1,04 1,0 
25 „ A 2,6 2,55 
10 „ Guanin (60,4 mg) alk. ....... 2,0 1,95 


10 eem alkal. Xanthinlösung (°’°2%/,,) nachträglich neu- 
tralisiert, gibt mit Formolzusatz keine Veränderung der Reak- 
tion; wie Xanthin verhalten sich Harnsäure, Hippursäure, 
Kreatin, Harnstoff, Carbolsäure. 

ad 4. Bestimmungsmethode wie bei 3. 


1) Ebenfalls gute Resultate erhält man mit Chlorammonium. 


Quantitative Bestimmung des Aminosäuren-N im Harne usw. 315 
ccm ®/,-Na0OH 
berechnet erhalten 
20 ccm */),-Ammonsulfat 4 10 »/,.„-Glykokoll 25,0 22,9 
BG, e Ss +20 „ * 15,0 13,9 
40 „  „ Schwefelsäure 10 „ Se 25,0 25,2 Fehler 
10 „ e Ammonsulfat 4 10 com Alaninlösg. 12,1 11,6 —05 
5a ës er +10 „ Leucinlösg. 5,65 6,55 
5n e » + 5 „ Asparin 
säurelösgg. 6,8 6,45 — 0,35 
5n» >» e +10 „ Tyrosinlösg. 5,5 5.5 
D g j +20 „ F 6,0 6,95 
5 n n „ + 30 D „ 6,5 6,60 
l0» ,„ 2 + & „ Phenylalanin- 
lösg. 1°/, 11,5 10,9 — 0,6 
10 a y H +10 „ Se 13,0 11,8 —12 
10 „ e m +20 „ ge 16,06 13,7 — 2,36 
l0, , sg +10 „ Glyoyl- 
tyrosin 11,0 10,5 —05 
10 „ Guaninlösg. 
n 9 ”„ BE n Xanthin S 7,0 6,6 — 0,4 
BD, ew Glykokoll —+ 5 „ "/ıo-Alanin 5,0 4,95 
10 „ Phenylalanin 6,5 4,6 
ad 5. NH, Aa 


ccm Ze H,SO, chu 


be- be- 
röchnet halten rechnet halten 
10 ccm ?/19-Ammonsulfat + 15ocm */,0-Gly- 
Kokölla ua... 20,0 20,0 7,5 7,6 
10 e Ammonsulfat410ccm Alanin- 
lösung .. 2.2 2 220. 20,0 20,0 114 11,4 
10 „ o Ammonsulfat + 10ccm Aspara- 
ginsäure LI . 2. 2 2 2.2. A 20,7 3,59 3,62 
5 „ ew Ammonsulfat+ 10ccm Phenyl- 
alanin „2-00 00% 10,0 9,8 3,03 3,00 
+30comLeucin . 
5, „ Ammonsulfat d +10 „ Alani 10,0 9,0 2,21 2,25 
Aminosäure in cem °/,-Na0OH 
Harn-+ Aminosäure 
Harn allein berechnet erhalten 
25 ccm Harn- 10com®/o-Glykokoll . . . 3,0 8,0 8,0 
10 „ „n + 15 „ Alaninlösg 1,15 3,22 3,2 
30 „ Leucin H 0 91 
10 „ „ + 10 „ Alanin ee ‚75 ‚96 ‚12 
20 „ „ + 25 „ Lecin ...... 1,50 2,17 2,12 
56 „ Ammonsulfat | 
25 „ n + 10 „ ?oAlenin .... 0,50 10,5 10,0 
10 „ „ Glykokoll 


21* 


Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 
‚Von 
Walther Löb und Shigeji Higuchi. 


(Aus der bioohemischen Abteilung des Rudolf-Virohow -Krankenhauses 
zu Berlin.) 


(Eingegangen am 26. September 1909.) 


Bei der Bedeutung, welche die Placenta für das Gedeihen 
des Foetus und den Stoffwechsel zwischen ihm und dem mütter- 
lichen Organismus besitzt, ist es verständlich, daß der Auf- 
klärung ihrer Funktionen eingehende wissenschaftliche Arbeit 
gewidmet worden ist. Im Anschluß an die Entwicklung der En- 
zymchemie ist zumal in der letzten Zeit versucht worden, durch 
chemische Methodik die Rollen der einzelnen, in der Placenta 
wirksamen Enzyme zu erkennen. Eine solche Untersuchung 
ist durch die drüsige Beschaffenheit des Organs in Analogie 
zu andern drüsigen, enzymreichen Organen besonders geboten 
und von mehreren Forschern ausgeführt worden. Von dem 
Plane ausgehend, die einzelnen Enzyme bzw. ihre Wirkungen 
auf chemischem Wege voneinander zu trennen, mußten wir 
zuerst die bisherigen Angaben, die sich zum Teil widersprechen, 
einer eingehenden und einwandfreien Prüfung unterziehen. Sie 
hat einen größeren Umfang angenommen, als wir zuerst beab- 
sichtigten, und eine Reihe neuer Resultate ergeben, so daß sie 
als Grundlage für die eben erwähnte speziellere chemische Auf- 
gabe angesehen werden kann. Derselben paßten wir insofern 
sogleich die Methodik unserer Versuche an, als wir die letz- 
teren stets mit frischem Placentabrei und einem nach der noch 
zu beschreibenden Methode gewonnenen, trocknen Placenta- 
pulver ausführten. Die Bearbeitung des frischen Placenta- 
breis machte für uns die gesonderte Prüfung von Preßsaft der 


W. Löb u. S. Higuchi: Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 317 


Placenta oder ihrem Glycerinextrakt unnötig, da in dem Organ- 
brei zweifellos sämtliche Placentaenzyme, die in den Preßsaft 
oder den Extrakt gelangen können, vorhanden sind. 

Aus den Befunden mit dem trocknen Placentapulver ge- 
wannen wir einerseits ein Bild über die Widerstandsfähigkeit 
der einzelnen Enzymarten gegenüber chemischen Eingriffen, 
andererseits bedeuteten sie einen Schritt auf dem Wege, die 
Enzymwirkungen durch chemische Trennungsmethoden vonein- 
ander zu scheiden. 

Die Enzyme, auf deren Gegenwart wir Placentabrei und 
Placentapulver untersuchten, sind die folgenden: | 

Katalasen und Oxydasen, Kohlenhydrat-, Eiweiß-, 
Fettspaltende Enzyme, Urease, Desamidase. Unsere 
Versuche, die Tätigkeit synthetisch wirkender Enzyme festzu- 
stellen, verliefen resultatlos. 

Deshalb wollen wir schon hier kurz bemerken, daß wir 
vergeblich die Synthese der Hippursäure aus Glykokoll und 
Benzoesäure einerseits und, nach den Angaben von Abelou 
und Ribaut!), aus Glykokoll und Benzylalkohol andererseits 
versucht haben. 

In einer zweiten Mitteilung wird Higuchi noch über den 
Nachweis eines Fibrin- und Labenzyms in der Placenta be- 
richten. An dieser Stelle sei eine Beobachtung erwähnt, die 
für die Aufgabe der Enzymtrennung Interesse verdient. Aus 
dem alkoholischen Extrakt der blutfreien Placenta lassen sich 
durch alkoholische Mangan- und Eisenchlorürlösungen mehr 
oder weniger aktive Niederschläge erzielen. Die Manganfällung 
besitzt ein deutliches hämolytisches Vermögen, das den 
Eisenfällungen abgeht. 

Bezüglich der prinzipiellen Anordnung ist noch folgendes 
zu erwähnen: 

Es ist wahrscheinlich, worauf Higuchi?) schon früher 
hingewiesen hat, daß das die Placenta durchströmende Blut 
in seinem Enzymgehalt von dem normalen Blut abweicht und 
in seinen Enzymwirkungen im Zusammenhang mit den Wir- 
kungen der Placenta steht. Es wird also zweifellos eine Unter- 
suchung des Placentablutes auf seine Enzyme sowohl für sich 


1) Malen Tierchemie 80, 977, 1900. 
D Diese Zeitschr. 15, 95, 1908. 


318 W. Löb und 8. Higuchi: 


als auch im Zusammenwirken mit den Placentsenzymen zur 
Klärung der Frage erforderlich sein. Für unsere Aufgabe aber 
war es wesentlich, um zunächst ein klares Bild über die 
Funktionsmöglichkeiten der Placenta zu gewinnen und die 
Untersuchung nicht vorzeitig zu komplizieren, das Blut voll- 
ständig auszuschließen. Wir verkennen dabei nicht, daß 
das Blut auch ohne Rücksicht auf seine eigenen Enzyme ledig- 
lich als „Medium“ für die Placentaenzyme von großer Be- 
deutung sein kann. In einzelnen Versuchen haben wir, um 
der Rolle des Blutes als Reaktionsmedium nahe zu kommen, 
mit Lösungen, die etwa die Blutalkalescenz besaßen, gearbeitet, 
und bei der Prüfung auf Urease und Desamidase auch das 
Placentablut berücksichtigt. 


Experimenteller Teil. 


A. Herstellung von Placentabrei. 


Die normalen Placenten, von denen für die vorliegende 
Untersuchung über 130 verbraucht wurden, 311 gelangten un- 
mittelbar nach der Geburt, unter Beobachtung peinlichster 
Sterilität, in sterilen Schalen zur Bearbeitung. Sie wurden so- 
fort mit steriler 0,9°/ iger Koochsalzlösung, der 1 Vol.-°/, Toluol 
zugesetzt war, überschichtet und unter der Flüssigkeit von 
Nabelschnur, Eihäuten und den an der Oberfläche anhaftenden 
Blutcoagula befreit. Sodann brachten wir die Placenten unter 
fortwährender Spülung mit Toluolkochsalzlösung durch eine 
sterilisierte Fleischhackmaschine und mischten den resultierenden 
Brei in einer großen, starkwandigen Glasflasche mit etwa der 
fünffachen Menge der Toluolkochsalzlösung. Durchschnittlich 
lieferte eine Placenta 300 ccm Brei, auf den 1500 ccm der 
Lösung verwandt wurden. Zur Entfernung des trotz des 
Waschens noch vorhandenen Blutes, dessen Gegenwart sich 
durch die typischen Blutreaktionen verriet, schüttelten wir 
den Brei viermal je ca. 30 Minuten auf der Schüttelmaschine 


1) Herrn Prof. Koblanck, dem dirigierenden Arzt der gynäkolo- 
gischen Abteilung des Krankenhauses, möchten wir auch an dieser Stelle 
unsern herzlichen Dank aussprechen für das Interesse an unserer Arbeit, 
das er durch wertvolle Anregung und durch die bereitwillige Überlassung 
des Materials bekundete. 


Zur Kenntnis der Placentsenzyme. 319 


mit nach jedesmaliger Schüttelung erneuerter Toluolkochsalz- 
lösung. Bei den zwischen den einzelnen Schüttelungen statt- 
findenden Filtrationen durch ein feines Sieb wurden kleine, 
noch vorhandene Blutcoagula sorgfältig mit der Pinzette 
mechanisch entfernt. Nach dieser Behandlung zeigte der Brei 
eine nahezu weiße Farbe. 

Von diesem so möglichst blutfrei gemachten Brei wurden 
sofort nach beendigter Bearbeitung, nachdem er auf dem Sieb 
durch Aufdrücken mittels Spatels von der anhaftenden Toluol- 
kochsalzlösung, die fast wasserklar ablief, befreit war, 50 g abge- 
wogen und verwandt, so daß die Versuche stets wenige Stunden 
nach der Geburt der Placenta angesetzt waren. Altere Pla- 
centen wurden nicht gebraucht, weil keine Sicherheit gegen 
das Auftreten autolytischer Vorgänge besteht und, wie die Ver- 
suche zeigten, bei auch nur kurze Zeit aufbewahrten Placenten 
(z. B. von Nachtgeburten) eine vollständige Befreiung von Blut 
unausführbar wurde. 

Für die einzelnen Versuche wurden stets 50 g Placenta- 
brei (ungefähr 50ccm) mit wechselnden Mengen 0,9°/ iger 
Kochsalzlösung unter Zusatz von 1 Vol.-°/, Toluol (auf das Vo- 
lumen der ganzen Mischung bezogen) und der zur Unter- 
suchung gewählten Substanz mit etwa 3g reinem Quarzsand 
in einer Porzellanreibschale gründlich zu einem möglichst 
homogenen Brei zerrieben und in einem geeigneten Gefäß bei 
Bruttemperatur während bestimmter Zeiten in den Thermo- 
staten gebracht. 

Diese Vorbehandlung blieb bei den einzelnen Versuchen 
die gleiche, so daß ihre jedesmalige Beschreibung in der Mit- 
teilung der Resultate unterbleiben kann. 


B. Herstellung von Placentapulver. 


Zur Darstellung des blutfreien Placentapulvers wurde der 
durch die Hackmaschine getriebene, nach den obigen Angaben 
behandelte Brei viermal mit Toluolkochsalzlösung und zweimal 
mit Toluolwasser (1 Vol.-°/,) in der Schüttelmaschine je eine 
halbe Stunde geschüttelt. Im Gegensatz zu dem bei der Ge- 
winnung des Placentabreies benutzten Verfahren, bei welchem 
alle Prozeduren bei Zimmertemperatur vorgenommen wurden, 
erwies es sich bei der sehr mühevollen Darstellung des Pulvers 


320 W. Löb und S. Higuchi: 


als notwendig, alle diese Schüttelungen mit eiskalten Flüssig- 
keiten in Eispackung vorzunehmen. Der nach jeder Schüttelung 
auf dem Sieb abgepreßte und von Blutcoagula mechanisch 
mittels der Pinzette befreite Brei wurde nach der letzten 
Schüttelung mit Toluoleiswasser und dem Abpressen von letz- 
terem in einer starkwandigen Glasflasche mit 11 gewöhnlichem 
Alkohol (für eine Placenta) übergossen und bei Zimmertempe- 
ratur 6 Stunden auf der Maschine geschüttelt. (Die Zeit, z. B. 
nachts, während welcher der Schüttelapparat nicht arbeitete, 
wurde nicht in Rechnung gebracht.) Sodann wurde nach 
der Filtration der Alkohol durch Aceton ersetzt und diese 
Mischung gleichfalls 6 Stunden geschüttelt. Die nunmehr 
nahezu weiße, vom Aceton filtrierte Substanz unterwarfen 
warfen wir schließlich einer etwa 3 Stunden währenden Ex- 
traktion mit Äther im Soxhlet. Der Rückstand wurde nach 
dem Trocknen im Vakuum über Schwefelsäure bei gewöhn- 
licher Temperatur sorgfältig mit dem Mörser zerrieben und 
durch ein feines Sieb (Universalsieb Nr. 5) gebracht. Das durch- 
gesiebte nahezu weiße Pulver, das frei von Blut ist, kam in 
abgewogenen Mengen, suspendiert in Toluolwasser, zum Ver- 
suche. 

Bezüglich der allgemeinen Anordnung der Versuche sei 
noch erwähnt, daß stets unter Zusatz von 1 Vol.-°/, Toluol ge- 
arbeitet wurde, da nach S. Higuchis!) Prüfung der Antiseptica 
diese Menge für 48 Stunden eine sichere Sterilität gewähr- 
leistet. Bei länger dauernder Digerierung wurde täglich 
0,1 Vol.-°/, Toluol — bezogen auf die Gesamtmenge der Ver- 
suchsflüssigkeit — hinzugefügt. 


Versuche. 


1. Katalase und Oxydase, 


Bekanntlich enthält Blut Katalasen und Oxydasen, so daß bei der 
Prüfung der Placentaenzyme nur solche Substanz verwendet werden 
durfte, die sich ohemisch und spektroskopisch als vollkommen blut- und 
hämoglobinfrei erwies. 

Zu dem Zweck wurde der nach der mitgeteilten Vorschrift er- 
haltene Placentabrei noch mehrmals mit der Toluol-Kochsalzlösung gründ- 
lich ausgewaschen. 


1) Diese Zeitschr. 17, 21, 1909. 


Zur Kenntnis der Placentsenzyme. 321 


Der frische, weiße, blutfreie Placentabrei. zersetzt eine H,O,-Lösung 
momentan unter Schaumbildung, die aber etwas geringer ist als die 
durch bluthaltige Placentastückchen erzeugte. 

Auch das Plaoentapulver zersetzt unter ziemlich lebhafter Gasent- 
wicklung H,O,, so daß wir den Wirkungswert der in ihm enthaltenen 
Katalasen bzw. Oxydasen in dem von Löb!) angegebenen Druckapparat 
zur Wertbestimmung der Katalasen messen konnten. In 10ccm 3vol.- 
0/,iger H,O,-Lösung erzeugten 0,04 g Pulver in 2 Stunden einen Maximal- 
druck von 8,3 bis 8,5 mm Quecksilber. 

Die positiven Angaben von Charrin und Goupil®), Savaré 3) 
und Ferroni*) über das Vorkommen von Oxydasen in der Placenta 
können wir bestätigen. Sowohl Brei wie Pulver rufen sofortige Bläuung 
der Wasserstoffperoxydlösung in Gegenwart von Guajao oder essigsaurem 
Benzidin hervor. 

Die Oxydasenreaktion des Placentapulvers wird durch dreistündiges 
Trocknen bei 100° nicht zerstört, wohl aber die Katalasenreaktion. Nach 
zwölfstündigem Trocknen bei 100° tritt auch die erstere nicht mehr auf. 
Kochen des Pulvers mit Wasser vernichtet nach 5 Minuten die H,0,- 
zersetzenden Enzyme, während Kochen mit Alkohol nur die Katalase 
unwirksam macht. 

Bezüglich der Isolierung der Katalasen bemerken wir nur, daß 
auch der im Vakuum getrocknete Alkoholextrakt des blutfreien Placenta- 
breis, der bei der Darstellung des trocknen Pulvers gewonnen wird, so- 
wie die aus dem Alkoholextrakt durch alkoholisches Manganchlorür ent- 
stehende Fällung die Zersetzung von Wasserstoffperoxyd herbeiführen. 

Kocht man Placentabrei mit Wasser 10 Minuten über freiem Feuer, 
so hat der Filterrückstand der Abkochung sein katalytisches Vermögen 
gegenüber der H,O,-Lösung verloren, während die Bläuung nach Zusatz 
von Guajao oder Benzidin die Wirksamkeit von Oxydasen noch anzeigt. 


Die Placenta enthält also — frei von Blut — im frischen 
und trocknen Zustand Katalasen und Oxydasen. Dieselben 
bleiben bei der wiederholten Vorbehandlung mit Kochsalzlösung 
bzw. Wasser in der Organsubstanz, so daß sie derselben ent- 
weder sehr fest anhaften oder in Wasser schwer löslich sind. 

Die Katalasen werden von Alkohol leicht aufgenommen 
und lassen sich mittels Manganchlorürs in Form manganhaltiger 
Niederschläge aus der alkoholischen Lösung ausfällen. Diese 
Fällungen zeigen, wie bereits erwähnt, hämolytische Eigen- 
schaften. 


1) Diese Zeitschr 18, 339, 1908, 

2) Compt. rend. 142, 595, 1903. 

3) Beiträge zur chem. Physiol. u. Pathol. 9, 141, 1907. 
t) Jahresber. f. Geburtsh. u, Gynäkol. 20, 617, 1906, 


322 W. Löb und S. Higuchi: 


2. Kohlenhydrate abbauende Enzyme. 
a) Diastatische Enzyme. 
I. Spaltung der Stärke. 


Das Vorhandensein eines diastatischen Enzyms in der 
Placenta ist bereits von einer ganzen Reihe von Forschern 
— Cramer undLochhead!), Charrin und Goupil’), Nattan- 
Larrier und Fioaiꝰ) Liepmann und Bergell*t), Savaré’) — 
festgestellt worden. Wir konnten auch in mehreren Versuchs- 
anordnungen mit frischem Brei und trocknem Pulver die posi- 


tiven Resultate bestätigen. 

Wir verfuhren dabei in der Weise, daß wir Pulver und Brei in den 
aus den Tabellen ersichtliohen Mengenverhältnissen mit 0,5°/,iger Stärke- 
lösung 24 Stunden im Brutschrank digerierten und gleichzeitig Kontroll- 
versuche, einmal unter Ersatz der Stärkelösung durch Wasser, dann bei 
Fehlen der Placentasubstanz gleichzeitig unter gleichen Bedingungen 
machten. Die Zuckerbildung ließ sich polarimetrisch mit Sicherheit 
konstatieren. Trotzdem wurde auch das Reduktionsvermögen gegen 
Fehlingsche Lösung quantitativ ermittelt; bei den Versuchen mit Brei 
wurde lediglich die letztere Bestimmung ausgeführt. 

Die Verarbeitung zur Polarisation geschah hier, ebenso wie in allen 
späteren Fällen, in denen nichts besonders erwähnt ist, in der folgenden 
Weise: 

15 com der filtrierten Reaktionslösung wurden nach beendigtem Ver- 
such in ein Maßkölbchen von 25 ocm pipettiert, und nach dem Vorschlag 
von Michaelis und Rona®) mit etwa 5 ccm kolloidaler Eisenhydrodxyd- 
lösung und einigen Tropfen einer 10°/,igen Magnesiumsulfatlösung versetzt 
und mit destilliertem Wasser auf 25 com aufgefüllt. Das wasserklare 
Filtrat gelangte in einem 9,47 cm langen Rohr, das bei unserem auf 
1/1000 genau ablesbaren Halbschattenapparat im Drehungswert sogleich 
die Hälfte des Prozentgehaltes an Traubenzucker angibt, zur Polarisation. 
Bei der Eindeutigkeit der Resultate beschränken wir uns auf die Wieder- 
gabe der direkt abgelesenen Daten. 

Für die Reduktionsversuche verwandten wir bei Anwendung des 
Pulvers 40 ccm des Filtrates und versetzten es mit 5 com der kolloidalen 
Eisenhydroxydlösung und l ccm der Magnesiumsulfatlösung. 20 ccm 
des wasserklaren Filtrates wurden mit 40 com Fehlingscher Lösung 
6 Minuten über freiem Feuer gekocht und das ausgeschiedene Kupfer- 
oxydul im Tiegelfilter über Asbest in der üblichen Weise ausgewaschen, 


1) Journ. of Physiol. 34, 24, 1906. 

2) Compt. rend. soc. biol. 142, 595, 1906. 

3) Bioch. Centralbl. 7, 398, 1909. 

4) Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 46. 

5) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 141, 1907. 
6) Diese Zeitschr. 7, 329; 13, 121; 14, 476, 1908. 


Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 323 


bei 110° im Toluolbad bis zum konstanten Gewicht getrooknet und ge- 
wogen. 

Bei den mit Placentabrei ausgeführten Versuchen ermöglichte die 
größere Flüssigkeitsmenge die Verarbeitung eines größeren Volumens des 
Filtrats. 100 com desselben befreiten wir mit 20 ccm Eisenhydroxyd- 
lösung und 2 ccm Magnesiumsulfatlösung vom Eiweiß und benutzten 
20 com des Filtrats zur Bestimmung des Reduktionswertes in der eben 
geschilderten Weise. 

In den Tabellen sind die Wägungsresultate ohne weitere Umrechnung 
angegeben. Dieselbe erübrigt sich bei der Eindeutigkeit der Resultate 
und dem Umstand, daß es uns zunächst nicht auf die Feststellung von 
Reaktionsgeschwindigkeiten ankam. 

Die für die analytische Bearbeitung nicht benutzten Reste der 
Filtrate wurden zur weiteren qualitativen Sicherstellung der Resultate 
zur Darstellung der Osazone benutzt. Je 20 com der Filtrate versetzten wir 
mit 0,5 g Phenylhydrazinchlorhydrat und 1 g Natriumaoetat, filtrierten nach 
der Lösung und erwärmten die Proben genau 1 Stunde im siedenden 
Wasserbade. Nach der Abkühlung gab die Osazonbildung ein deut- 
liches, auch quantitativ abschätzbares Bild für die diastatische Wirk- 
samkeit. 

Alle Versuche wurden stets in genau gleicher Weise doppelt ange- 
stellt und ausgeführt. Die Daten der Tabelle I geben vier voneinander 
unabhängige Versuchsreihen wieder. 


Tabelle I. 


Nr. | Zusammensetzung der Mischung | Polarisationswerte in Grad 


0,5°/, ige Stärkelösung 50 ccm | 0,25 | 0,23 | 0,28 | 0,25 
Pulver 0,5g 













Toluol 0,5 com 

2. Aq. dest. 50 ccm 0,00 
Pulver 0,5g 
Toluol 0,5 ccm 

3. 


0,5°/, ige Stärkelösung 50 com 
Toluol 0 





n 


Tabelle II. 





Nr. | Zusammensetzung der Mischung | CuO ing | Osszonbildg. 















1. | 0,5°%,ige Stärkelösung 50 eem 0,0306 | reichlich 
Pulver 0,5 g 0,0304 | 5 
Toluol 0,5 ccm 

2. Aq. dest. 50 ccm 0,0024 Spur 
Pulver 0,5g 0,0022 
Toluol 0,5 ccm 

3. 0,5%/,ige Stärkelösung 50 ocm 0,0020 nichts 
Toluol 05 „ 0,0024 = 


324 W. Löb und S. Higuchi: 
Tabelle III. 





Nr. Zusammensetzung der Mischung Cu¿0 in g | Osazonbildg. 


l. Brei reichlich 
0,5°/,ige Stärkelösung x 
0,9°/,ige NaCl-Lösung 
Toluol 


2. Brei Spur 
0,9°%/,ige NaCl-Lösung 5 
Toluol 

3. 0,5°/,ige Stärkelösung nichts 
0,9°/,ige NaCl-Lösung 200 Š 
Toluol 





Aus. den Versuchsergebnissen, die keiner weiteren Er- 
läuterung bedürfen, geht das Vorhandensein eines Stärke 
hydrolisierenden Enzymes im blutfreien Placentabrei und im 
blutfreien Pulver unzweideutig hervor. 


II. Spaltung von Glykogen. 


Higuchi!) hat vor kurzem in der Placenta die Gegen- 
wart von Glykogen, die von mehreren anderen Autoren bereits 
beobachtet worden ist, bestätigt. Bei der Rolle des Glykogens 
als des Reservematerials für Kohlenhydrate, die durch seine 
Spaltung entstehen, ist es wahrscheinlich, daß ein Organ, das 
Glykogen enthält, auch das diastatische Enzym besitzt, um es 
als Zucker für den Organismus nutzbar zu machen. Die bis- 
herigen Angaben über das Vorkommen eines glykogenspaltenden 
Enzyms in der Placenta lauten widersprechend. Cramer und 
Lochhead?) fanden positive, Savar6°) negative Resultate. 

Nach dem Nachweis des stärkespaltenden Enzyms konnte 
aber mit Sicherheit geschlossen werden, daß das Glykogen 
gleichfalls hydrolysiert werden würde, da nach Musculus’ 
und v. Mehrings*) Versuchen die Diastasen sich gegenüber Stärke 
und Glykogen gleich verhalten. Doch schien es uns wegen der 


1) Diese Zeitschr. 15, 95, 1908. 

23) Moscati, Zeitschr. f. physiol. Chem. 53, 386, 1907. — Bot- 
tazzi, Biochem. Centralbl. 2, 568, 1904. — Cramer und Lochhead, 
Journ. of Physiol. 34, 24, 1906. 

3) Beiträge z. chem. Physiol u. Pathol. 9, 141, 1907. 

¢) Zeitschr. f. physiol. Chem. 2, 403, 1879. 


Zur Kenntnis der Plaoentaenzyme. 325 


Verschiedenheit der bisherigen Resultate wünschenswert, durch 


den direkten Versuch den Nachweis der Glykogenspaltung zu 
bringen. 

Die Prüfung, die genau nach den für die Stärkespaltung gegebenen 
Vorschriften ausgeführt wurde, erstreckte sich auf die Bestimmung des 
Reduktionsvermögens und die Osazondarstellung. Die Ergebnisse be- 
weisen unzweideutig das Vorhandensein eines Glykogen hydrolysierenden 
Enzyms, gleichzeitig auch die früheren Angaben über das Vorkommen 
von Glykogen in der Placenta. Dasselbe geht aus dem gegenüber den 
pulver- und breifreien Kontrollproben erhöhten Reduktionsvermögen und 
der Menge des erhältliohen Osazons — Erscheinungen, die auch bei den in 
den Tabellen II und III mitgeteilten Versuchen über die Stärkespaltung 
beobachtet wurden — hervor. Glykogen sowie die es zerlegende Dia- 
stase, die mit der Stärkediastase identisch sein dürfte, sind nicht nur im 
Brei, sondern auch im trockenen Placentapulver zugegen. 


Tabelle IV. 
Nr. | Zusammensetzung der Mischung Ouest) in g | Osazonbildg. 





Glykogen reichlich 





ver On n 
Aq. dest. 50 ccm 
Toluol 0,5 „ 

2. Pulver 0,5 g 0,0022 wenig 
Aq. dest. 50 cem 0,0028 ö 
Toluol 05 „ 

3. Glykogen 0,28 0,0012 nichts 
Ag. dest. 50 com 0,0014 P 
Toluol 05 „ 

Tabelle V. 
Nr. | Zusammensetzung der Mischung | CwO in g | Osazonbildg. 

l. Brei 50 g 0,0124 reichlich 
Glykogen 0,2 „ 0,0138 e 
0,9°/,ige NaCl-Lösung 200 ccm 
Toluol 2,5 „ 

2. Brei 50 g 0,0028 wenig 
0,9%/,ige NaCl-Lösung 200 com 0,0020 5 
Toluol 2,5 „ 

3. Glykogen 0,2 g 0,0016 nichts 
0,9°/ige NaCl-Lösung 250 ocm 0,0022 a 
Toluol 25 „ 


326 W. Löb und S. Higuchi: 


b) Spaltung des Inulins (Inulase). 


Das Inulin gehört zu den schwer spaltbaren Kohlen- 
hydraten, wie die Untersuchungen von Komanos?), Richaud?), 
Portier und Bierry?) u. a. zeigen. Enzymwirkungen auf 
Inulin hat Kobert*) bei wirbellosen Tieren festgestellt. Unsere 
Versuche zeigten uns, daß auch die Placenta eine Inulase ent- 
hält, daß es aber nicht gelingt, dieselbe in wirksamer Form 
in das trockene Placentapulver überzuführen. Eine größere 
Anzahl von Versuchen, in denen wir das Pulver wiederholt bei 
wechselnder Zeitdauer einwirken ließen, gaben stets übereinstim- 
mend negative Resultate. Bei Anwendung des Placentabreies 
erhielten wir regelmäßig eine beträchtliche Erhöhung des Re- 
duktionsvermögens. Die Osazonprobe gab uns das gleiche posi- 
tive Ergebnis. 

Die Technik der Ausführung blieb die bei den diastatischen Ver- 
suchen geübte; nur mußte wegen der Schwerspaltbarkeit des Inulins die 
Einwirkungsdauer, um sichere Resultate zu gewinnen, auf 3 und 4 Tage 
ausgedehnt werden. Jedoch wurde in den letzten 24 Stunden eine Zu- 


nahme der Spaltung nicht mehr beobachtet. Die Erhöhung der Ver- 
suchsdauer war auch durch die Schwerlöslichkeit des Inulins geboten. 


Tabelle VI. 








Zusammensetzung 
der 
Mischung 



















Brei 50 g stets 
Inulin Ka reich- 
0,9°/,ige NaCl-Lösung 200 ccm lich 
Toluol 2,5 „ 

2. | Brei 50 g 0,0022, 0,0020] 0,0024 0,0018] stets 
0,9%/,igeNaCl-Lösung 200 ccm Spu- 
Toluol 2,5 „ ren 

3. | Inulin lg 
0,90/ igo NaCl-Lösung 250 ccm nichts 
Toluol 25 „ 


1) Über die Verdauung des Inulins und seine Verwendung beim 
Diabetes mellitus. Dissert., Straßburg 1875. 

2) Compt. rend. soc. biol. 52, 416, 1900. 

3) Compt. rend. soc. biol. 53, 810, 1901. 

t) Pflügers Archiv. 99, 116, 1903. 


Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 327 


c) Invertase. 
Die Angaben über das Vorkommen einer Invertase in der 
Placenta rühren von Liepmann und Bergell!), Savare*®) 
und Raineri’) her. Alle lauten übereinstimmend negativ. 


Tabelle VII. 








Zusammen- 






Co in g und Osazonbildung 







Nr.| setzang de — — er — — 
Misohung nach 2 Tagen | nach 3 Tagen | nach 4 Tagen 







Brei 50 g]0,0232| reichlich | 0,0174 reichlich | 0,0130! reichlich - 

Rohrzucker 1g|0,0152 0,01 

0,9°/,ige NaCl- 
Lösung 200 com 

Toluol 25 „ 







Wir konnten in zahlreichen Versuchen mit stets dem 
gleichen Resultat nachweisen, daß im Placentabrei eine In- 
vertase wirksam ist, während sie im trockenen Pulver fehlt. 
Auf die Wiedergabe der negativen Versuche, die durchgängig 
keine Erhöhung des Reduktionsvermögens gegenüber den Kon- 
trollversuchen ergaben, verzichten wir. Bei den mit Brei aus- 
geführten Versuchen haben wir uns auf die Mitteilung der 
direkt gefundenen Kupferoxydulmengen ohne Umrechnung auf 
die Gesamtmenge der Mischung begnügt, da dieselbe zur Ent- 
scheidung der hier vorliegenden Frage ausreicht. Die Daten 
sind um so mehr beweisend, als beim Kochen der Kontroll- 
lösungen mit Fehlingscher Lösung aus nicht erkannten Gründen 
geringe Mengen eines unlöslichen blauen Kupferhydroxyds aus- 
fielen, die sich mit ?/, 1 heißen Wassers nicht auswaschen ließen. 
Wir haben ihre Menge durch einen besonderen Versuch zu 
etwa 0,001 g festgestellt, so daß das Reduktionsvermögen der 


1) Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 46. 


2) Lo 
3) Biochem. Centralbl. 4, 428, 1906. 


328 W. Löb und S. Higuchi: 


mit Brei behandelten Rohrzuckerlösung gegenüber sowohl der brei- 
freien als auch der rohrzuckerfreien, aber Brei enthaltenden Flüssig- 
keit etwa um das 8fache gestiegen ist. Außerdem konnten wir 
durch die Osazonprobe mit Sicherheit in allen Versuchen das 
Vorhandensein einer Invertase im Placentabrei feststellen. 

Bezüglich der in der letzten Horizontalreihe der Tabelle angegebenen 
Kupferoxydulmengen bemerken wir, daß der von Kahlbaum bezogene 
Rohrzucker Spuren von Substanzen enthielt, die Fehlingsche Lösung 
reduzierten. 


d) Spaltung des Milchzuokers (Lactase). 


Liepmann und Bergell!) glauben aus dem Auftreten eines 
in heißem Wasser schwer löslichen Osazons nach der Einwirkung 
eines Placentabreies auf verdünnte Milchzuckerlösung aufdie Gegen- 
wart eines nicht sehr starken, wie Lactase wirkenden Enzyms 
schließen zu müssen. Nach unseren Versuchen ist weder im 
blutfreien Placentabrei noch im Pulver eine Lactase vorhanden. 

Wir konnten mit Sicherheit nachweisen, daß die Polarisationswerte 
der Mischungen nach den längere und wechselnde Zeiten durchgeführten 
Digerierungen keine Änderung erleiden, vorausgesetzt, daß man das 
Schwinden der Multirotation der Milchzuckerlösung bis zum konstanten 
Endwert abgewartet hat. Diese negativen Ergebnisse wurden durch 
Gärungsversuche bestätigt. Es entsteht kein Zucker, der nach Ent- 
eiweißung der Versuchsmischung durch äußerst wirksame Hefenreinzucht 
zur alkoholischen Gärung zu bringen ist. Die Versuche mit den durch 
Kochen unwirksam gemachten Placentastoffen verliefen genau so, wie die 
mit dem frischen Brei bzw. dem Pulver angestellten. 


e) Das glykolytische Enzym. 

Die Feststellung der Gegenwart oder des Fehlens eines 
glykolytischen Enzyms, das Hexosen zum Verschwinden bringt, 
bietet besonderes Interesse. Santi und Acconci?®), Raineri’) 
und Mirto®) fanden keine Anzeichen für sein Vorhandensein, 
während Liepmann und Bergell°) zu der Annahme seines Vor- 
kommens in der Placenta neigen. 

Da unsere Versuche mit Pulver und Brei sichere negative 
Resultate gaben, so sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß 


1) Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 46. 
2) Biochem. Centralbl. 3, 192, 1908. 

3) Biochem. Centralbl. 4, 428, 1906. 

4) Nach Angabe von Savare, l. o. 

6) Lo 


Zur Kenntnis der Plaoentaenzyme. 329 


ein vollständiges Bild über die Tätigkeit der Placenta nur bei 
gleichzeitiger Berücksichtigung des Placentablutes, der in ihm 
vorhandenen Enzyme und des durch das Blut geschaffenen 
Mediums für die Placentaenzyme gewinnbar ist. Jedoch ist es 
experimentell notwendig, das Zusammenwirken der äußerst 
komplizierten Funktionen zunächst nach Möglichkeit zu ver- 
meiden und ihre experimentell sicher definierbaren Bestandteile 
gesondert zu prüfen. 

Nachdem die Versuche mit Placentapulver und Trauben- 
zucker vollkommen negative Resultate ergeben hatten, ver- 
suchten wir, ob durch Änderung des Mediums durch Zusatz 
einer der Blutalkalesceenz entsprechenden Menge Alkali, oder, 
um oxydative Zerstörung des Zuckers herbeizuführen, durch Zu- 
gabe von Wasserstoffperoxyd mit und ohne Alkali sich ein 
sicheres Ergebnis konstatieren ließ. Das war nicht der Fall. 
Da außerdem der eine von uns (Löb!) durch besondere Ver- 
suche gefunden hatte, daß selbst ganz verdünnte Alkalien 
(3°/,.) Traubenzucker weitgehend zu spalten vermögen, mußten 
die letzterwähnten Versuche bis zur Klarstellung der rein 
chemischen Verhältnisse zurückgestellt werden. 

Wir haben deshalb die Versuche mit Placentabrei ohne 
Zusatz von Alkalien und Wasserstoffperoxyd ausgeführt und 
konnten unter diesen Bedingungen mit Sicherheit das Fehlen 
eines glykolytischen Enzyms feststellen. 

50 g Placentabrei wurden mit 2,5 g Traubenzucker in 200 com 
0,9%/ iger Koohsalzlösung unter Zugabe von 2,5 ccm Toluol 6 Stunden 
bei Zimmertemperatur gelassen. Sodann wurde ein Teil der Flüssigkeit 
filtriert, 25 com des Filtrates durch 10 com kolloidaler Eisenhydroxyd- 
lösung und 1l com 10°/, iger Magnesiumsulfatlösung enteiweißt, auf 50 ccm 
aufgefüllt und von dem Filtrat 20 com zur Bestimmung des Reduktions- 
wertes in der geschilderten Weise verwandt. Den noch im Versuchs- 
gefäß verbleibenden Rest der Mischung ließen wir nun bestimmte Zeiten 
(s. d. Tabelle) im Thermostaten bei 37,5° digerieren und ermittelten die 
Kupferoxydulmenge genau so, wie vor der Digestion. In allen Fällen 
fanden wir nach Beendigung der Versuche eine geringe Zunahme des 
Kupferoxyduls, die mit großer Wahrscheinlichkeit — wofür auch die 
Größe der Zunahme spricht — auf die hydrolytische Spaltung des in der 
Placenta vorhandenen Glykogens zurückzuführen ist. Da auch die 
Polarisation der enteiweißten Lösung, die zur Bestimmung des Reduk- 
tionsvermögens diente, keinerlei Abnahme des Traubenzuckergehaltes er- 


1) Diese Zeitschr. 20, 516, 1909. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 22 


330 W. Löb und 8. Higuchi: 


kennen ließ, so müssen wir schließen, daß ebensowenig, wie im trockenen 
Plaoentapulver, im blutfreien, frischen Placentabrei ein glykolytisches 
Enzym unter den gewählten Bedingungen wirksam ist. 
Die Resultate mehrerer Versuche geben wir in der folgenden 
Tabelle: 
Tabelle VII. 


Dauer der Digestion: 


























. [Vor der Digestion] 0,1966/0,27| 0,1918/0,24| 0,1910|0,26| 0,20480,25| 0,2152 0,25 
Nachd.Digestion| 0,2040)0,25| 0,1932,0,25| 0,1984,0,25| 0,2116.0,25] 0,221810,26 
Differenz . . . +0.0074| |4+0,0014| 14+0,0074 L-0008 |+ 0,0066 
TorderDigestion| 0,2218 ,0,26| 0,2142:0,28| 0,2210]0,27| 0,211110,25] 0,208610,28 

-[Nachd.Digestion| 0,2294.0,27| 0.2200!0,30| 0,22440,27| 0,2194/0,25| 0,2156 0,27 
Differenz . . . 1+0,0076| Looss |4+0,0034 1|40,0083| 00070 
Vorder Digestion 0,2388.0,30| 0,24180,31| 024010.30] 0,23500,28 

- [Nach d. Digestion 0,2440 0,29] 0,2504,0,20| 0,2492/0,28| 0,2384 0,29 
Differenz . . . +0,0052| |+0,0086, Loes {+ 0,0034 











Ebenso fielen alle Versuche über ein auf Lävulose glyko- 
lytisch wirksames Enzym negativ aus, ein Ergebnis, das bei 
der bekannten, weit leichteren Angreifbarkeit der Lävulose im 
Vergleich zur Dextrose nicht ohne weiteres vorauszusehen war. 

Fassen wir die Ergebnisse über die Kohlenhydrate ab- 
bauenden Enzyme der Placenta kurz zusammen, so können wir 
folgendes feststellen: 

1. Eine Stärke und Glykogen hydrolysierende 
Diastase ist sowohl im trocknen Placentapulver als 
auch im frischen, blutfreien Placentabrei sicher vor- 
handen. 

2. Eine Spaltung des Inulins (Inulase) konnten 
wir mit Sicherheit mit Placentabrei, nicht aber mit 
dem Placentapulver erzielen. 

3. Eine Invertase ist im Placentabrei vorhanden, 
nicht im Pulver. 

4. Ein Milchzucker invertierendes Enzym ist im 
Placentapulver und Placentabrei nicht vorhanden. 

5. Ein glykolytisches (Dextrose oder Lävulose zer- 
störendes) Enzym ließ sich weder im Placentabrei 
noch im Pulver nachweisen. 


Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 331 


8. Fettspaltende Enzyme (Lipasen). 


Auch die Angaben über das Vorkommen einer Lipase in 
der Placenta sind widersprechend.. Nattam-Larrier und 
Ficai!) und Savar6*) behaupten ihre Gegenwart, Raineri’) 
sowie Liepmann und Bergell*) bestreiten sie. 

Zur Prüfung wurde Butter in Äther gebracht und die klare ätherische 
Schioht getrocknet. Von dem noch flüssigen Butterfett brachten wir 
2 ccm mit 1l g Placentapulver und 0,5 ccm Wasser im Reagensglas zu- 
sammen, verrieben die Mischung mittels Glasstabes und setzten 
einige Tropfen Toluol zu. Nach 24 bis 48 stündiger Digestion bei 37,5 
wurde die neutrale Mischung zunächst mit Äther extrahiert. Das nach 
Verdunsten des Äthers zurückbleibende Fett erteilte beim Schütteln 
mit Wasser demselben keine saure Reaktion. Auch die Ausätherung 
der vom Neutralfett befreiten, mit Salzsäure angesäuerten Mischung 
lieferte keine Spur einer Fettsäure, 


Ebenso negativ verliefen die Versuche mit frischem Pla- 
centabrei, von dem 50 g mit 10 ccm Butter, 200 ccm Kochsalz- 
lösung und 2,5 ccm Toluol 1 bis 2 Tage digeriert wurden. Die 
Prüfung auf Fettsäuren war die gleiche wie bei Verwendung 
des Pulvers. 

Wir müssen also schließen, daß weder im Pulver 
noch im Placentabrei eine Lipase enthalten ist. 


4. Eiweißspaltende Enzyme. 


Auch über die wichtige Frage, ob in der Placenta proteo- 
lytische Enzyme sind, haben die bisherigen Untersuchungen 
keine sichere Entscheidung gebracht. Liepmann und Bergell, 
Raineri, Savar& und Ascori°) behaupten ihre Gegenwart 
ebenso sicher, wie Charrin und Goupil, Nattan-Larrier 
und Ficai, Cramer und Lochhead’) sie bestreiten. 

Wir haben Pulver und Brei auf den Gehalt an peptisch 
wirkendem Enzym — Spaltung von Albuminen zu Albumosen —, 
an tryptisch wirkendem Enzym — Spaltung von Pepton zu 
Tyrosin — und auf Erepsinwirkung geprüft. 


1) l. c. 

2) ]. c. 

3) Biochem. Centralbl. 4, 428, 1906. 

4) l. o 

D Centralbl. f. Physiol. 16, 124, 1903. 

è) Die hier nioht bezeichneten Literaturstellen sind bereits erwähnt. 
22” 


332 W. Löb und 8. Higuchi: 


Zum Nachweis der Pepsinwirkung benutzten wir nur das Pulver, 
da der positive Ausfall der Versuche eine Wiederholung mit Placentabrei 
überflüssig machte. Als Eiweißkörper diente uns reinstes Casein, das 
wir in den in der Tabelle angegebenen Mengenverhältnissen in vier Ver- 
suchsreihen mit den Kontrollproben 24 Stunden bei 37° der Einwirkung 
des Pulvers aussetzten. 

Nach beendigter Digestion reagierte das Filtrat des Hauptversuches 
stets deutlich sauer, 10 com gebrauchten zur Neutralisation 0,5 ccm 
Se NaOH Das Filtrat des caseinfreien Versuches war neutral, während 
das der ohne Placentapulver angesetzten Probe für 10 oom nur 0,05 ocm 
2/)0-NaOH verlangte. Das erste Filtrat zeigte nach 10facher Verdünnung 
ausgeprägte, die beiden anderen Filtrate in gleicher Verdünnung kaum 
merkliche Biuretreaktion. Zur quantitativen Bestimmung wurden je 
10 com der Filtrate nach Kjeldahl auf den Gehalt an gelösten Stick- 
stoffverbindungen geprüft. Die Resultate zeigt die folgende Tabelle, in 
welcher die durch das Ammoniak verbrauchte */,,„-Schwefelsäure direkt 
angegeben ist. 








Tabelle IX. 
N Zusammensetzung Verbrauchte 2/ 0. BAR, 
ge der Mischung com 
—— ne —— — E EE Sn = 

| | 

l. 8,0 8,3 i 78 7,9 
0,5 com | 
Pulver 0,5g | 

2. Aq. dest. 50 ccm 1,0 0,8 ' 0,9 0,8 
Toluol 0,5 eem | 
Casein 0,5 g | 

3. Aq. dest. 50 ccm 1,1 1,0 1,1 1,2 





Toluol 0,5 eem 


Durch diese Versuche ist die peptische Wirksamkeit der 
Placenta erwiesen, ein Ergebnis, das mit der Angabe von 
Ascoriübereinstimmt, dergefunden hat, daß blutfreie Placenta am 
stärksten in saurer Lösung proteolytisch wirksam sei. Auch seine 
weiteren Beobachtungen, daß in neutraler Lösung eine Eiweiß- 
spaltung nur in geringem Umfange, in alkalischer Lösung kaum 
stattfindet, entsprechen den folgenden Resultaten unserer Ver- 
suche. 

Zur Feststellung einer tryptischen Wirkung verwandten 
wir die Bildung von Tyrosin aus Wittepepton. Da Versuche 
mit dem Placentapulver nicht zum Ziele führten, beschränken 
wir uns auf die Wiedergabe der mit Placentabrei ausgeführten 
Prüfungen. 





Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 333 


50 g Placentabrei wurden mit 2 g Wittepepton in 100 ccm 0,9°/, iger 
Kochsalzlösung unter Zusatz von 1,5 ccm Toluol gleichzeitig mit einer 
ebenso zusammengesetzten Kontrollprobe, aber ohne Pepton, in den 
Thermostat bei 37,50 gestellt. 

Nach 24 Stunden wurden beide Proben in genau gleicher Weise 
behandelt. Nach der Filtration fällten wir durch Aufkochen unter Zusatz 
einiger Tropfen Essigsäure, filtrierten, fügten Bleiessig bis zur vollendeten 
Fällung hinzu und befreiten das Filtrat mittels Schwefelwasserstoffs vom 
gelösten Blei. Das klare Filtrat vom Bleisulid wurde auf ein kleines 
Volumen eingedampft und 24 Stunden bei Eistemperatur aufbewahrt. 

Der unter Zusatz von Pepton ausgeführte Versuch lieferte eine 
reichliche Krystallisation von Tyrosin, dessen Identität durch seine Eigen- 
schaften sichergestellt wurde, während die Kontrollprobe nur eine sehr 
geringe Tyrosinabscheidung ergab. Dieselbe ist nach den Versuchen von 
Bassow!) auf isogene Bildung durch Autolyse, welche außer Albumosen 
und Purinbasen auch Tyrosin und Leucin erzeugt, zurückzuführen. 

Die Wirkung eines Erepsins, das durch sein peptonspalten- 
des Vermögen in alkalischer Lösung ausgezeichnet ist, hat 
Savaré in der Placenta beobachtet, während Cramer und 
Lochhead nach gründlicher Prüfung die Gegenwart eines 
solchen Enzyms bestreiten. Wir haben, uns Savarés Angaben 
anschließend, nach der Vorschrift von Jacoby?) und Rosell’) 
die Erepsinlösung dargestellt, konnten aber mit Pulver und 
vollständig blutfreiem Brei nur die negativen Ergebnisse von 
Cramer und Lochhead bestätigen. Wir verfuhren in der 


folgenden Weise: 

300 g des sorgfältig vom Blut befreiten Placentabreies (aus einer 
Placenta) wurden mit 300 ccm 0,9°/,iger Kochsalzlösung in einem Por- 
zellanmörser mit Quarzsand innig zu einer gleichmäßig feinen Emulsion 
verrieben. Nach 2stündigem Schütteln auf der Maschine wurde der Brei 
durch ein Koliertuch gepreßt und die abgelaufene, noch trübe Flüssig- 
keit durch Filtrieren mittels Faltenfilters geklärt. Nach 12stündigem 
Stehen im Kühlraum fällten wir die nochmals filtrierte Lösung mit Uran- 
acetat durch tropfenweisen Zusatz, solange noch ein Niederschlag ent- 
stand. Der letztere wurde auf einem glatten Filter durch ganz all- 
mähliche Zugabe von 150 com einer 0,2°/,igen Sodalösung gelöst und 
das abtropfende Filtrat nach 12stündigem Stehen nochmals filtriert. 
100 ocm des Filtrates wurden in der folgenden Weise zu den Versuchen 
benutzt, die nicht nur nach Savar&s Angabe auf 12 Stunden, sondern 
auf 24 Stunden ausgedehnt wurden. 50 com versetzten wir mit 1 com 


1) Arch. f. Gynäkologie 76, 162, 1905. 

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 135, 1900. 

3) Über Nachweis u. Verbreitung intraoellulärer Fermente. Disser- 
tation, Straßburg 1901; 


334 W. Löb und S. Higuchi: 


einer 1°/,igen Wittepeptonlösung, verteilten sie gleichmäßig auf 5 Reagens- 
gläser, die in den Thermostaten bei 37,5° gebracht wurden. Die restieren- 
den 50 com wurden gleichfalls auf 5 Reagensgläser verteilt, aber ohne 
Zusatz der 1°/,igen Peptonlösung. 

Im Laufe der 24stündigen Versuchsdauer entnahmen wir in ge- 
eigneten Intervallen je ein Reagensglas dem Thermostaten, fügten be- 
stimmte Volumina konzentrierter Natronlauge und sehr verdünnter 
Kupfersulfatlösung hinzu und stellten gleichzeitig in je einem der Reagens- 
gläser, welche die peptonfreie Flüssigkeit enthielten, in genau derselben 
Weise die Biuretreaktion an, nachdem unmittelbar vorher die ent- 
sprechende Menge Wittepepton — d. h. für jedes Reagensglas 0,2 ccm 
der 1°/,igen Lösung — zugesetzt war. Der so ermöglichte unmittelbare 
Vergleich der Intensität der Biuretreaktionen in der Versuchsflüssigkeit 
und den Kontrollösungen, in denen die ganze Menge des Peptons unver- 
ändert zugegen sein mußte, ließ während der ganzen Versuchsdauer 
keine Spur einer Erepsinwirkung erkennen. In allen Fällen war die 
Intensität der Biuretreaktion genau die gleiche. 

Zusammenfassend läßt sich daher über die eiweißspaltenden 
Enzyme der Placenta sagen, daß solche vonder Wirkungs- 
form des Pepsins im Pulver und im frischen Brei ent- 
halten sind, daß im letzteren ein das Eiweiß bis zum 
Tyrosin abbauendes Enzym wirksam ist, während 
irgend ein Anzeichen für die Gegenwart eines Enzyms 
vom Typus des Erepsins im blutfreien Brei nicht be- - 
obachtet werden konnte. 


5. Urease und Desamidase. 


Savar6!) gibt an, in der Placenta ein aus Aminover- 
bindungen Ammoniak abspaltendes Enzym gefunden zu haben. 
Er verwandte zu seinen Versuchen Glykokoll, Asparagin und 
Glykosaminchlorhydrat und bestimmte nach 10- bis 30tägiger 
Digestion die Menge des gebildeten Ammoniaks. Wir haben 
unsere Versuche unter Anwendung von Harnstoff und Glykokoll 
mit vollständig blutfreiem und mit bluthaltigem Placenta- 
brei 3 bis 7 Tage durchgeführt unter besonderer Kontrolle der 
vollständigen Sterilität der Mischung. 

Um diese zu erreichen, war außer dem ersten Zusatz von Toluol 
beim Ansetzen der Versuche ein täglich zu erneuernder Zusatz von je 


Ale Vol.-Prozent der Mischung an Toluol erforderlich. So gelang es, bei 
der täglich vorgenommenen Prüfung eines Tropfens des Gemisches auf 


1) 1. ©. 


Zur Kenntnis der Plaoentaenzyme. 335 


Bouillonagar nach 3tägigem Verweilen im Brutschrank ein vollständiges 
Ausbleiben einer Bakterienentwicklung zu erzielen. 

Bei Anwendung des blutfreien Breies setzten wir 150 oom 
0,9%/,iger Kochsalzlösung zu. Die bluthaltige Placenta wurde für die 
zweite Versuchsreihe nioht gewaschen, sondern nach dem Abpräparieren 
der Eihäute durch die sterilisierte Fleischhackmaschine getrieben und 
sogleich zum Versuche verwandt. Wir wählten in diesem einen Falle 
die Gegenwart des Blutes, um jedes Auswasohen der Placenta und den 
Einwurf zu vermeiden, daß die vielleicht leicht lösliche Urease bzw. 
Desamidase durch die Entblutungsprozesse entfernt worden ist. Der 
bluthaltige Placentabrei wurde mit 250 com dor Kochsalzlösung im Ver- 
such angesetzt. 

Nach Beendigung der Digerierung filtrierten wir die mit blutfreiem 
Brei angesetzten Mischungen, versetzten 100 oom des Filtrates mit 25 oom 
kolloidaler Eisenhydroxydlösung und 2 com Magnesiumsulfatlösung, fil- 
trierten abermals und wählten 50 com des klaren Filtrates zur Analyse; 
Nach Zusatz von noch 50 com Wasser und 2 g Magnesia usta wurde bei 
15 mm Quecksilberdruck aus einem Wasserbad von 43° bis zur Trockne 
destilliert und im Destillat das Ammoniak bestimmt. 

Die Analysen bei den mit bluthaltigem Brei ausgeführten Versuchen 
wurden genau in der gleichen Weise ausgeführt: Nur gelangten ent- 
sprechend der größeren Menge Kochsalzlösung 200 ocm des ersten Fil- 
trates zur Enteiweißung und 100 ccm des klaren Filtrates zur Destillation. 

Die Ammoniakbestimmungen wurden für je einen Tag der beiden 
Versuchsreihen nach der Schloesingschen!) Methode mit genau den 
gleichen Resultaten wiederholt. 


Tabelle X. 


Versuche mit blutfreiem Brei. 





com ?/,0-H,SO, verbraucht zur 
Neutralisation des Ammoniaks nach 


3 Tag.|4 Tag.|5 Tag.| 6 Tag.|7 Tag. 











Nr. 






Brei 50 g 
0,90/ igo NaCl-Lösung 150 com 


08 | 08 
Toluol 2 com 
Brei e 50 g 
Harnsto A g 

á 0,90/,ige NaCl-Lösung 150 com 08 | 0,9 
Toluol 2 ccm 
Brei 50 g 

3 Glykokoll 0,5 g Ge oi 


0,9%/,ige NaCl-Lösung 150 ccm 
Toluol 2 com 





1) Fränkel, Descriptive Biochemie, S. 572. 


336 W. Löb u. S. Higuchi: Zur Kenntnis der Placentaenzyme. 


Tabelle XI. 
Versuche mit bluthaltigem Brei. 


cem ?/,0-H,S0O,, verbraucht zur 
Neutralisation des Ammoniaks nach 


3 Tag.|4 Tag. 5 Tag.| 6 Tag.| 7 Tag. 















Brei g 
0,9%, i ige NaCl-Lösung 250 ccm 
Toluol 3 ocm 


Brei 50 g 
Harnstoff 0,5g 
0,9°/ ige NaCl-Lösung 250 ccm 
Toluol 3 oom 


Brei 50g 
Glykokoll 0,5g 
0,9%/,ige NaCl-Lösung 250 ccm 
Toluol 3 ccm 
Aus den Ergebnissen dieser Versuche und der Kontroll- 
proben glauben wir schließen zu müssen, daß die bakterien- 
freie Placenta weder eine Urease noch eine Desami- 
dase enthält. 


Zusammenfassung. 


Die blutfreie Placenta enthält im frischen und im 
trocknen Zustande Katalase und Oxydase sowie Stärke 
und Glykogen spaltende Diastase. 

Inulase und Invertase sind hingegen nur im 
frischen Placentabrei wirksam, nicht im trocknen 
Pulver. Lactase, glykolytische und lipolytische En- 
zyme sind im frischen Brei und im trooknen Pulver 
nicht vorhanden. Enzyme von der Wirkungsart des 
Pepsins sind im Brei und im Pulver, solche, die Eiweiß 
bis zum Tyrosin abbauen, nur im ersteren enthalten, 
während Enzyme vom Typus des Erepsins, der Urease 
und Desamidase fehlen. 


Zur Kenntnis des Fibrinenzyms der Placenta. 


Von 
Shigeji Higuchi. 


(Aus der biochemischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses 
zu Berlin.) 


(Eingegangen am 26. September 1909.) 


Die Zunahme des Fibrins im mütterlichen Blute während 
der Schwangerschaft ist seit längerer Zeit!) bekannt. Vor 
kurzem hat Arneth?) die Leukocytenvermehrung (Hyperleuko- 
cytose) bestätigt. Als Bottazzi?) einem Kaninchen Nucleo- 
proteid der Placenta injizierte, trat Blutgerinnung ein. Im 
Zusammenhang mit diesen Befunden hat man zur Pathogenese 
der Eklampsie eine Blutgerinnung erregende Substanz heran- 
gezogen, zumal seit Sohmorl*) bei der Sektion zahlreicher 
Eklampsieleichen stets multiple Thrombose gefunden hat. Eine 
bedeutende Vermehrung an Fibrinogen im eklampsischen Blut 
hat neuerdings Dienst’) nachgewiesen; Lewinski’) glaubt 
während der Gravidität eine regelmäßige Steigerung des 
Fibrinogengehaltes annehmen zu müssen. Alle diese Be- 
obachtungen und Anschauungen legen es nahe, die Placenta 
selbst im normalen und pathologischen Zustand auf die Gegen- 
wart eines Fibrinenzyms zu untersuchen. Die Ergebnisse von 


1) Winkel, Handbuch der Geburtshilfe 1, 1. Hälfte, S. 341. 

3) Arch. f. Gynäkol. 74, 143. 

3) Biochem. Centralbl. 2, 568, 1904. 

4) Verhdl. d. Deutsch. Ges. f. Gynäk. 1901, 303 und Centralbl. 
f. Gynäk. 1905, 129. 

5) Arch. f. Gynäk. 86, 314, 1908. 

D Pflügers Archiv 100, 611, 1903. 


338 8. Higuchi: 


Savar6!), der diese Prüfung mit positivem Resultat ausgeführt 
hat, besitzen nach seinen eigenen Angaben nur relativen Wert, 
da der wichtige Umstand, daß die Placenta vollständig blutfrei 
sein muß, nicht genügend berücksichtigt wurde. 

Ich habe deshalb mit dem Placentapulver und dem voll- 
ständig blutfreien Placentabrei, die nach den Vorschriften von 
Löb und Higuchi?) gewonnen waren, Versuche über die 
Wirkung eines Fibrinenzyms angestellt und auch das Placenta- 


blut gesondert in den Kreis der Untersuchung gezogen. 

Die Gerinnungsversuche wurden an einer aus Pferdeblut gewonnenen 
Fibrinogenlösung angestellt. Zur Herstellung dieser Lösung habe ich 
gleiche Mengen von Oxalatplasma des Pferdeblutes und gesättigter Koch- 
salzlösung gemischt, das ausgeschiedene Fibrinogen in 0,8°%/,iger NaCl- 
Lösung gelöst, durch das gleiche Volum gesättigter Kochsalzlösung wieder 
ausgeschieden und diese Auflösung und Fällung viermal wiederholt. 

Das schließlich erhaltene Fibrinogen war rein weiß. Nach dem 
Abpressen zwischen Fließpapier stellte ioh für die Gerinnungsversuche 
eine etwa 10°/,ige Fibrinogenlösung in 0,8°/,iger NaCl-Lösung her. 

Sie zeigt geringe Opalescenz und gerinnt innerhalb 48 Stunden 
bei 37,5° weder allein noch nach Vermischung mit je 1 bis 2 g Glas- 
pulver, Asbest oder Kieselgur. 

Setzt man aber zu 10 com der Lösung 2 com Serum von Placenta- 
blut und 2 Tropfen Chlorcalcium-Lösung, so ist nach 10 bis 15 Min. 
vollständige Gerinnung eingetreten. Diese Beobachtung zeigt, daß man 
der Entfernung des Blutes bei der Herstellung des Plaoentapulvers und 
des Plaoentabreis die größte Sorgfalt zuwenden muß. 

Meine Resultate, die alle bei Bruttemperatur gewonnen wurden, 
sind die folgenden: 

1. Mischt man 10 ccm der Fibrinogenlösung mit 0,1 dee blut- 
freien Placentapulvers, so tritt nach 30 bis 60 Minuten — die aus ver- 
schiedenen Plaoenten gewonnenen Pulver beanspruchen etwas verschiedene 
Dauer — Gerinnung ein; nach 1 bis 2 Stunden ist die Mischung voll- 
ständig koaguliert. Beim Eintritt der Gerinnung zieben sich deutlich 
sichtbare feine Fäden von den einzelnen Pulverpartikelchen aus durch 
die Flüssigkeit. 

2. 0,02 g Pulver rufen nach 3 bis 4 Stunden in 10 com Fibrinogen- 
lösung noch Gerinnung hervor. 

3. Wurden 10 g Pulver mit 100 oom Wasser oder 100 ccm 0,9°%/, iger 
NaCl-Lösung 2 Stunden geschüttelt, so erzeugen die Filtrate (10 ccm 
Filtrat + 10 ccm Fibrinogenlösung) nach 2 bis 3 Stunden Gerinnung der 
Fibrinogenlösung. Jedoch zeigten sich die auf dem Filter bleibenden 
Rückstände ebenso wirksam wie die Filtrate. 


1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 141, 1907. 
2) Diese Zeitschr, 22, 316, 1909. 


Fibrinenzym der Placenta. 339 


Das Fibrinenzym läßt sich also mit Wasser und physiologischer 
Kochsalzlösung extrahieren, jedoch haftet es dem Pulver so fest an, daß 
die in den Versuchen erreichte Extraktion sehr unvollständig ist. 

4. Wird das Placentapulver 3 Stunden bei 100° getrocknet, oder 
5 Minuten mit Wasser über freiem Feuer gekocht, so verliert es seine 
Gerinnung erregende Wirkung. 

5. Erwärmt man bei der Darstellung des Plaoentapulvers den Brei 
mit Alkohol auf dem Wasserbad, statt ihn mit Alkohol von gewöhn- 
licher Temperatur zu schütteln,!) so resultiert ein wirkungsloses Pulver. 

6. Ebenso besitzt Pulver, das durch Trocknen der direkt zer- 
kleinerten Placenta bei niederer Temperatur hergestellt ist, also Blut 
und Extraktivstoffe enthält, nach dem Kochen mit Alkohol auf dem 
Wasserbad keine Wirkung. °?) 

7. Vollständig blutfreier, frischer Placentabrei (2 g auf 10 com 
Fibrinogenlösung) erzeugt nach 1 bis 2 Stunden Gerinnung. 

Die geringste Spur Blut besohleunigt den Prozeß un- 
gemein. 

8. Durch Kochen des Plaoentabreis mit Wasser (5 Minuten) wird 
das Fibrinenzym zerstört. 

9. Die aus Eklampsie- und Luesplacenten hergestellten Präparate 
verhalten sich bezüglich der Gerinnung erzeugenden Eigenschaft und 
ihrer Zerstörung genau so wie die aus normalen Placenten gewonnenen 
Präparate. 

10. Schließlich verwandte ich die nach 3stündigem Sohütteln 
von 10 g Pulver mit 0,9°/,iger Kochsalzlösung und nach zweimaliger 
Filtration gewonnene, noch etwas trübe, das Fibrinenzym enthaltende 
Flüssigkeit zu einigen Tierversuchen. Ein Kaninchen (2700 g), dem 
35 ccm des Filtrates ganz langsam — eine wesentliche Versuchs- 
bedingung — in die Ohrenrandvene mittels Spritze injiziert wurden, blieb 
ganz gesund. Das Resultat war dasselbe, als einem Kaninchen (2620 g) 
35 com des in gleicher Weise aus Eklampsieplacentapulver hergestellten 
Filtrates und 3 Tage später 25 com eines aus Luesplacentapulver ge- 
wonnenen Filtrates injiziert wurden. 


Zusammenfassend muß ich aus meinen Versuchen schließen, 
daß die Placenta ein Fibrinenzym enthält, das sich mit Wasser 
und physiologischer Kochsalzlösung, wenn auch unvollkommen, 
extrahieren läßt, das noch im trocknen Zustand stark wirksam 
und gegen höhere Temperatur und heißen Alkohol sehr empfind- 
lich ist, und ferner, daß bezüglich des Fibrinenzyms zwischen 


1) Diese Zeitschr. 22, 319, 1909. 
2) Dieses Pulver hatte zu den in dieser Zeitschr. 15, 95, 1908, 
veröffentlichten Aschenanalysen gedient. 


340 S. Higuchi: Fibrinenzym der Placenta. 


normalen, Eklampsie- und Luesplacenten kein Unterschied 
besteht. 

Beiläufig möchte ich an dieser Stelle erwähnen, daß der 
frische, blutfreie Placentabrei (normal) in frischer Kuhmilch 
(1 g Brei auf 10 ccm Milch) unter Zusatz von 1 Tropfen 
JO, (ger Sodalösung in 2 bis 3 Stunden bei 37° Gerinnung 
hervorruft. Diese Labwirkung läßt sich aber mit dem Pulver 
(0,1 g auf 10 com Milch) in 24 Stunden nicht erzielen. 


Ein Beitrag zur chemischen Zusammensetzung der 
Placenta. 


II. Mitteilung. 
Aschenbestandteile. 


Von 
Shigeji Higuchi. 
(Aus der biochemischen Abteilung des Virchow-Krankenhauses zu Berlin.) 
(Eingegangen am 12. Oktober 1909.) 


1. Einleitung und Analysenmethoden. 


Nach dem Abschluß der in meiner ersten!) Mitteilung ver- 
öffentlichten Placentaanalysen fand ich alsbald in der chemischen 
Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses zu Berlin Ge- 
legenheit, die gleichen Placentapulver, welche den bereits publi- 
zierten Analysen gedient hatten, auf ihre Aschenbestandteile 
genauer zu untersuchen. 

Eine Untersuchung der Placentaasche hat Gaube?) mit 
dem Resultat ausgeführt, daß er in den Placenten nach der 
Geburt von Mädchen alle Bestandteile erhöht fand. 

Ich führte die Analysen an 7 verschiedenen, lufttrockenen Placenta- 
pulvern aus. 

a) Kalium und Natrium. In einer Platinschale wurde eine 
größere Menge des Pulvers vorsichtig bis zur Beendigung der Rauch- 
entwicklung verkohlt, der Rückstand mehrmals mit heißem Wasser ex- 
trahiert und das Ungelöste abfiltriert. Den Filterrückstand glühte ich 
sodann für sich über dem Gebläse, bis er frei von schwarzen Partikelchen 
erschien, fügte nach dem Erkalten das Filtrat hinzu, dampfte auf dem 
Wasserbade zur Trookne ein und glühte nach längerem Verweilen des 
Schaleninbalts im Dampftrockenschrank, bis die Asche rein weiß erschien. 


1) Diese Zeitschr. 15, 95, 1908. 
3) Malys Tierchemie 31, 582, 1901. 


342 8. Higuchi: 


In ihr wurde nach der Vorschrift in Fränkels „Descriptiver Biochemie“ 1) 
zunächst die Summe von NaCl und KCI ermittelt, sodann letzteres in 
das Plistinchloriddoppelsalz übergeführt und dessen Gewicht festgestellt. 

b) Caloium und Magnesium. Nach der Veraschung des Pulvers 
führte ich das als oxalsaures Salz gefällte Can durch Glühen in CaO 
über. Das Magnesium wurde im Filtrat des oxalsauren Calciums als 
phosphorsaure Ammoniakmagnesia gefällt und in bekannter Weise als 


pyrophosphorsaures Mg gewogen. 
ol Eisen. Zu seiner Bestimmung wurde das Pulver zunächst 


nach Neumanns Säuregemischverfahren verbrannt. Nach dem Ver- 
dünnen mit der 3fachen Menge Wasser und dem Verjagen der salpeter- 
sauren Dämpfe füllte ich die Flüssigkeit im Meßkolben auf 150 com mit 
Wasser auf. Von dieser Lösung wurden genau 20 ccm mit1°/,iger Natronlauge 
neutralisiert, 5 com 5°/,ige Natriumpyrophosphatlösung hinzugefügt und 
die Flüssigkeit im Maßkölbchen mit Wasser auf 100 ccm gebracht. Zu 
dieser Lösung setze ich 3 Tropfen einer 5°/,igen Tanninlösung in 50°/,igen 
Alkohol. Die entstehende Färbung wurde im Duboscgschen Colorimeter 
gegen die einer Vergleichslösung mit bekanntem Eisengehalt ausgewertet. 
Zur Herstellung der letzteren diente eine reine Eisenchloridlösung, die 
im Liter 0,1 g Fe enthielt. 1 ccm (0,0001 g Fe) derselben wurde mit 
94 com Wasser und 5 com der Natriumpyrophosphatlösung auf genau 
100 com gebracht und, wie oben, mit 3 Tropfen der Tanninlösung versetzt. 


2. Resultate. 


Die Resultate der Analysen habe ich tabellarisch zusammen- 
gestellt unter der gleichen Bezeichnung der Pulver, wie in meiner 
ersten Mitteilung. Außer der Angabe des Prozentgehaltes an 
Aschenbestandteilen in den frischen Placenten, deren Gewichte 
ich vor der Herstellung der Pulver bereits ermittelt hatte, gebe 
ich auch die Umrechnung auf die trockenen Pulver, um die 
Beziehung der einzelnen anorganischen Substanzen zur Gesamt- 
menge der festen Substanzen zum Ausdruck zu bringen. 

Die in der Tabelle niedergelegten Daten lassen folgende 
Schlüsse zu: 

1. Die Placentaasche enthält am reichlichsten Na, ihm 
folgen in abnehmender Menge: Ca, K, Fe und Mg. Der Gehalt 
an letzterem ist regelmäßig der niedrigste. 

2. Die mit Kochsalzlösung gewaschenen Placenten zeigen 
eine Abnahme sämtlicher Aschebestandteile; nur verursacht 
diese Prozedur natürlich keine Abnahme an Na. 


1) Descriptive Biochemie 1907, 508. 
2) Ibid. S. 510, 518. 















"Lotto 


GOSO 0 | 2£80ʻ0 | ZELOO 





















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2 69F0°1 LELO | ErsL’o | ZZE8‘0 | 96080 | ETILO | 0189°0 | 6LIL‘O | 89690 | F6zL‘0 SN 

$ 9EIT'O SIGLO | 980730 | 13270 | FELL’O 60830 | LELTO | EL9T0 | EI9TO | 9261'0 KI 

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8 oo OO | TO Ou 02°%9 | org | 09'8L | 08'99 In | 009 | oo | 26°09 | 3 ‘samda sop pyon 

d 81000 21100 | GO E010°0 | SETOO 6ETO‘O | EFI00 | 23100 oA 

a 6800°0 £600°0 LO10'0 | 6800°0 | 2200'0 | 0800°0 | &L00 0 | 6L00°0 3N vyuo] ge 
1810°0 r780°0 68800 | 28200 | 88100 | 8L10%0 981000 91300 Wi 

Ges Co SIE zesto | ozero | mag lost | ezoro | st — 

ꝛcecooo  rrru0 | 9620°0 | geng | LL20'0 | reg 

3 508 | Cor | DEL 09€ | 88% 3 vquoouvld UHF "p FyoLaar) 

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puv3soqueyosy) 8}uaoeLT aop ZunzIosuswwesnz 
SIIgugl, 


344 S. Higuchi: Beitrag zur chem. Zusammensetzung d. Placenta. IL 


3. K, Na, Ca, Mg sind bei weiblichen Foeten in der 
Placenta reichlicher vorhanden als bei männlichem, während 
Fe gerade in der entgegengesetzten Richtung Unterschiede zeigt. 
Die verschiedenen Placenten zeigen in ihren Daten unerhebliche 
Schwankungen. 

4. Nur das Calcium zeigt größere Unterschiede. Bei den 
Placenten von Ehara und mehr noch von Ishii beträgt der 
Ca-Gehalt ein mehrfaches gegenüber den in den andern Placenten 
gefundenen. Es handelt sich in diesen Fällen um verschiedene 
Grade von Kalkablagerung im Placentargewebe, die von Ishii!) 
bereits makroskopisch bei gleichzeitiger erheblicher Fibrin- 
ablagerung festgestellt worden ist. 

6. Während der Mittelwert des Eisengehaltes sämtlicher 
nicht gewaschenen Placenten nach der Überführung in Pulver- 
form 0,071°/, ist, erniedrigt sich dieser Wert durch Auswaschen 
im trocknen Pulver auf 0,0136°/,. Wahrscheinlich entepricht 
diese Differenz dem Eisengehalt des ausgewaschenen Blutes. 


1) Vgl. diese Zeitschr. 15, 98, 1908, Tabelle I. 


Über die Reversibilität der Hämolyse. 


Von 
Mentz L. von Krogh. 
(Aus dem Laboratorium des städtischen Krankenhauses in Christiania.) 
(Eingegangen am 1. Oktober 1909.) 
Mit 4 Figuren im Text. 


Es ist vielfach darüber gestritten worden, ob die Bin- 
dungen zwischen denjenigen Stoffen, die bei den Immunisierungs- 
prozessen gebildet werden, reversibel sind oder nicht. 

Wie an anderer Stelle erwähnt!), geht der Hämolyse eine 
Bindung von Natronlauge bzw. Komplement voraus, und es 
lag daher nahe, zu untersuchen, ob diese Bindung auch mittels 
geeigneter Stoffe zu lösen sei. 

Ich habe deswegen die Natronlauge durch die äquivalente 
Menge Salzsäure, das Komplement durch einen Überschuß von 
Antikomplement neutralisiert. Diese neutralisierenden Sub- 
stanzen sind zu verschiedenen Zeitpunkten während der In- 
kubationszeit zugesetzt worden. 

Es hat sich hier ein recht durchgreifender Unterschied 
zwischen der Hämolyse durch Natronlauge und der der am- 
boceptorbeladenen Blutkörperchen durch Komplement gezeigt. 

a) Beeinflussung der Hämolyse durch Natronlauge 
mittels während der Inkubationszeit zugesetzter 
Salzsäure. 

Um nun die Inkubationszeit und die Affinitäten abstufen 
zu können, sind Versuche bei verschiedenen Temperaturen aus- 
geführt worden, indem sowohl bei 0° als bei 8° und 20° ge- 
arbeitet worden ist, Einen durchgreifenden Unterschied der 
Prozesse bei den verschiedenen Temperaturen gibt es zwar 
nicht, die Verhältnisse sind aber quantitativ recht verschieden. 


1) Diese Zeitschr. 22, 132, 1909. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 23 


346 Mentz L. von Krogh: 


Behandlung des Blutkörperchensediments. 


Zur Anstellung entsprechender Versuche wird, wenn das 
Blutkörperchensediment in den Zentrifugengläsern von der Flüssig- 
keit geschieden ist!), die Flüssigkeit möglichst von den Wänden 
des Glases abgetrocknet. Dann wird die entsprechende Menge 
Kochsalzlösung (2 com) zugegossen, und es wird untersucht, ob 
und im Falle eines positiven Ergebnisses wie weit die Blut- 
körperchen jetzt hämolysiert werden, indem das Verhältnis der 
Affinitäten sich gegenseitig verschoben hat. 

Die Affinität zwischen Salzsäure und Natronlauge oder 
vielmehr zwischen den H- und OH-Ionen ist bei allen Tempe- 
raturen eine sehr große und wird in einem Temperaturintervall 
von 10° bis 20° nicht allzusehr schwanken; dagegen ist die Af- 
finität der OH-Ionen zu den Blutkörperchen in weitgehendem 
Maße von der Temperatur abhängig und ein Vergleich der 
Kurven bei den verschiedenen Temperaturen gibt auch dieser 
Tatsache einen sehr deutlichen Ausdruck, indem die Kurve 
bei 0° viel flacher verläuft, als die Kurven bei 8° und bei 20°. 
Man sollte also erwarten, daß der Einfluß der OH-Ionen ein 
viel ausgeprägterer bei 0° als bei 20° sei. | 


-H 
E 
TE 
B 
ES 


a 


E 
EES? 
el 
Kap 
SE 
SE 
— 


~y R ZER 





Fig. 1. 


Dies ist auch der Fall. Zunächst soll die Kurve bei 8° 
zugrunde gelegt werden, denn bei dieser Temperatur läßt sich 
die Sachlage am besten überblioken (Kurve 1). Wenn hier 


1) v.Krogh, Zur Stöchiometrie der Hämolyse. Diese Zeitschr. 1. c; 


Über die Reversibilität der Hämolyse. 347 


Salzsäure nahe dem Ende der Inkubationszeit zugesetzt wird, 
wird die Geschwindigkeit der Hämolyse sehr erheblich be- 
schleunigt. Nach dieser Zeit sind hinreichend Hydroxylionen 
an die Blutkörperchen gebunden, um sie komplett aufzulösen, 
und die Einwirkung der Salzsäure wird im Innern der Blut- 
körperchen sehr heftige Diffusionsströme hervorbringen, die 
wahrscheinlich in analoger Weise wie die Diffusionströme in hypo- 
isotonischer Salzlösung die Blutkörperchen zum Platzen bringen. 
Auch werden schon während der Inkubationszeit die Blut- 
körperchen durch die Einwirkung der OH Ionen so geschädigt ` 
sein, daß sie viel leichter platzen als sonst. Inwiefern diese 
beiden Moınente oder nur eines sich hier geltend machen, wird 
dahinstehen müssen. 

Je früher ich nun die Salzsäure in der Inkubationszeit 
hinzufüge, desto weniger steil wird die Geschwindigkeitskurve 
verlaufen; sie wird sich aber immer erheblich vor der normalen 
Kurve halten. Sie läuft aber jetzt nicht (wenigstens nicht 
während mehrerer Stunden) bis zur kompletten Hämolyse hin- 
auf, sondern macht bei irgendeinem Bruchteil derselben Halt, 
und zwar ist dieser Bruchteil um so kleiner, je früher die 
Salzsäure zugesetzt wird. Schließlich hört die Hämolyse ganz 
auf; die Flüssigkeit bleibt noch nach mehreren Stunden farblos. 

Wenn ich aber den auf diese Weise erreichten Hämolyse- 
grad mit demjenigen vergleiche, der in der Bindungskurve der 
OH-Ionen dem Zeitpunkte entspricht, wo die Salzsäure zu- 
gesetzt wird, so zeigt sich, daß tatsächlich in der verstrichenen 
Zeit viel mehr OH-Ionen an die Blutkörperchen gebunden 
sind, als dem schließlich erreichten Hämolysegrad entsprechen. 
Die Salzsäure muß also die Bindung zwischen den Blutkörperchen 
und den Hydroxylionen gelöst haben und diese Bindung 
somit eine reversible sein. Ja, wenn die Bindung nicht 
eine sehr ausgiebige ist, kann sie ganz rückgängig werden, ohne 
daß die Blutkörperchen dadurch allzusehr geschädigt werden. 

Wenn die Salzsäure hinreichend früh zugesetzt wird und 
die Bindung also keine zu vollständige ist, kann man durch Unter- 
suchung des Blutkörperchensedimentes die Lösung der Hydroxyl- 
ionen direkt verfolgen. Es zeigt sich, daß während der ersten 
zwei Minuten die Bindung der normalen Kurve gemäß weiter- 
geht, dann biegt sie um und läuft schräg gegen die Abszisse, 

93% 


348 Mentz L. von Krogh: 


um sich dem schließliochen Wert der endlich erreichten Hämolyse 
zu nähern. Bei den Versuchen, wo die Salzsäure so früh 
zugesetzt wurde, daß keine Hämolyse zustande kam, konnte 
ich anfänglich durch sofortiges Zentrifugieren noch die OH- 
Ionen an die Blutkörperchen gebunden finden, indem ich durch 
Zusetzen von Kochsalzlösung noch eine geringe Hämolyse zu- 
stande bringen konnte, die allmählich abnahm, um schließlich 
ganz zu verschwinden. 





7,0 
ee e 
08 ENEE WEE EEE 
07 BRUNS DEE RER 
0,6 Bere DEE DEE SERGE 
05 BEE EE E DE 
0,4 a — Ee | 
ES E E EE DEENEN 
EE EE 
E EE EE EE 

— EE EE —— 
5 70 75 30 25 30 
Fig. 2. 

Es mag uoch erwähnt werden, daß auch hier eine deutliche 
Inkubationszeit wahrzunehmen ist, nachdem die Salzsäure zu- 
gesetzt wird, die aber meistens ziemlich konstant ist und 1 bis 2 Mi- 
nuten beträgt. Nach dieser Inkubationszeit fängt dieHämolyse an. 

70 

ae BE E E EE | 

ap EE EE EE 

a EE — 

Se EN 

0,51 4 E 

az i — E 
0 DT — J. ed 

o 5 10 20 35 30 


Fig. 3. 


Vielleicht mag man diese Inkubationszeit als ein Maß für die 
‚Diffusionsgeschwindigkeit der H-Ionen in die Blutkörperchen 
hinein betrachten. Wenn wir jetzt die Kurven betrachten, die bei 
0° bzw. 20° gewonnen sind, werden wir sehen, daß bei 0° (Kurve 2) 
die Reversibilität eine viel ausgeprägtere ist und die Bindung 


Über die Reversibilität der Hämolyse. 349 


der OH-Ionen in einem viel späteren Stadium der Inkubations- 
zeit rückgängig gemacht werden kann als bei 8°. Bei 20° 
(Kurve-3) ist das Entgegengesetzte der Fall; hier ist die Re- 
versibilität eine kleinere und die Salzsäure muß früher zugesetzt 
werden, um die Bindung ganz rückgängig zu machen. 

b) Einwirkung von Antikomplement auf die Hämo- 
lyse der amboceptorbeladenen Blutkörperchen durch 
Komplement. | | 

Um nun zu untersuchen, in wiefern die Wirkung der er- 
zeugten Immunstoffe analog derjenigen einer Säure auf eine 
Base ist, wurde versucht, ob man dieselbe Wirkung auf das 
Komplement durch ein Antikomplement erhalten könnte. 

Das Antikomplement wurde erzeugt, indem man einem 
Kaninchen Komplement, d. h. frisches Meerschweinchenblut 
intraperitonal einverleibte. Das von diesem Kaninchen erhaltene 
Serum wurde, um das in demselben anwesende Komplement zu 
zerstören, eine halbe Stunde auf 56° erhitzt. Das so erhaltene 
Serum hemmte in einer Menge von 3 ccm vollständig die Hämo- 
lyse, die von Leem Komplement erzeugt wurde. Dieses Ver- 
hältnis zwischen Komplement und Antikomplement wurde dann 
auch in den Versuchen benutzt. 

Zunächst wurde auch hier die Bindungskurve während der 
Inkubationszeit untersucht und ebenso die Kurve der Hämo- 
lyse bei einer passenden Konzentration, die die Hämolyse weder 
zu schnell, noch zu langsam verlaufen ließ. 

Es wurden 10 ccm 5°/,iger Blutkörperchenaufschwemmung 
angewandt, 0,15 ccm hämolytisches Serum und soviel 0,8°/,ige 
Kochsalzlösung, daß die Mischung 16 ccm enthielt. Am An- 
fang des Versuches wurde nun Leem Komplement zugesetzt 
und dann in verschiedenen Serien zu verschiedenen Zeiten wäh- 
rend der Inkubationszeit 3 com Antikomplementserum zugefügt, 
so daB das Gesamtvolum 20 ccm betrug. 

Es zeigte sich nun (Kurve 4), daß es nicht gelang, die Bindung 
des Komplementes rückgängig zu machen, da die Hämolyse 
schließlich immer wenigstens den Betrag erreichte, dem die 
Bindung des Komplementes an die Blutkörperhen zu gegebenem 
Zeitpunkt entsprach. Ungefähr diesem Werte näherte die Hämo- 
lyse sich anfänglich schnell, später immer langsamer, um schließ- 
lich einigermaßen asymptotisch zu verlaufen. Aber auch hier 


350 Mentz L. von Krogh: 


wird die Hämolyse schneller verlaufen als bei dem normalen, 
ungestörten Verlauf der Reaktion. Die Bindung des Kom- 
plementes nach Hinzufügen des Antikomplements verläuft in 





einer geraden Linie parallel zu der Abszisse, und verursacht 
nicht die Biegung nach abwärts, die sie mit NaOH und HCl 
machte. 

Es ist also nicht gelungen, hier eine Reversibilität zu 
beobachten. 

Auch hier kann man aber schließen, daß das Antikomplement- 
serum in irgendeiner Beziehung zu dem Komplement stehen 
muß und daß nicht das Komplement nur EES aus der 
Flüssigkeit entfernt wird. 

Man erhält natürlich bei der Mischung von Komplement 
und Antikomplement einen Niederschlag, indem bei der Ein- 
verleibung des Meerschweinchenblutes in das Kaninchen auch 
Präcipitine gebildet werden und man konnte denken, daß das 
Komplement ganz einfach mechanisch mitgerissen wurde. Dies 
scheint nicht der Fall zu sein, denn das Antikomplement greift 
doch in das Mechanische der Hämolyse hinein. 

Ehrlich hat bekanntlich angenommen, daß das Anti- 
komplement sich direkt mit dem Komplement verbinde und 
sich so der oytophilen (oder nach seiner Anschauung amboceptoro- 
philen) Gruppe bemächtige, so daß das Komplement sich nicht 
mehr mit der Amboceptor-Blutkörperchenverbindung verbinden 
kann. Dies mag richtig sein und die Beschleunigung des Ver- 
laufes der Hämolyse kann durch Diffusionsströmungen herbei- 
geführt werden, indem die Bindung von Komplement und Anti- 
komplement wenigstens teilweise innerhalb des Blutkörperchens 


Über die Reversibilität der Hämolyse. 351 


sich vollstreckt. Es scheint so zu sein, daß die Diffusions- 
geschwindigkeiten sowohl des Komplementes, als der H- und 
OH-Ionen sehr große sind, indem die Blutkörperchen sowohl 
für Ionen als für Komplement durchlässig sind. 

Weitere Schlüsse über die Natur der hämolytischen Pro- 
zesse aus den KReversionsversuchen zu ziehen, scheint mir 
nicht zulässig zu sein. Vielleicht wird es gelingen, durch ein 
kräftiges Antikomplement auch die Bindung des Komplementes 
reversibel zu machen. Irgend etwas Sicheres in dieser Be- 
ziehung vorauszusagen, scheint mir jetzt noch nicht zulässig 
zu sein. Auch wäre es wünschenswert, durch weitere Versuche 
mit anderen hämolytisch wirksamen Substanzen zu untersuchen, 
wie sich die Reaktionsgeschwindigkeiten und somit die stöchio- 
metrischen Verhältnisse der Bindungen gestalten. Vielleicht 
wird es so gelingen, die hämolysierenden Substanzen gemäß 
ihres chemischen Verhaltens in Gruppen zu teilen. Zu der- 
artigen Versuchen hat mir bis jetzt die Zeit gefehlt. 


Ergänzung zu der Abhandlung: Enzymstudien U: 
Über die Messung und die Bedeutung der Wasserstoff- 
ionenkonzentration bei enzymatischen Prozessen. 


Von 


S. P. L. Sörensen. 
(Aus dem Carlsberg-Laboratorium, Kopenhagen.) 
(Eingegangen am 20. Oktober 1909.) 


In einer früheren Abhandlung?) mit obenstehendem Titel 
habe ich eine Reihe Standardlösungen beschrieben, die durch 
Vermischen in passenden Verhältnissen gute Vergleichsflüssig- 
keiten für die colorimetrische Messung der Wasserstoffionen- 
konzentration liefern. Unter diesen Standardlösungen befindet 
sich auch eine ?/,, mol. Lösung eines sekundären Natriumphos- 
phats von der Zusammensetzung Na,HPO,, 2H,O. 

Die hinsichtlich der Reinheit dieses Salzes gestellten Anforderungen 
sind die folgenden (L o. S. 171): 

a) Das Salz muß in Wasser klar löslich sein und darf weder Sulfat 
noch Chlorid enthalten. 

b) Beim Trocknen während 24 Stunden bei 100° und 20 bis 30 mm 
Druck und bei nachfolgendem vorsichtigen Glühen bis zur Gewichtskonstenz 
soll der gesamte Gewichtsverlust 25,28 + 0,1°/, betragen. Für die Probe 
werden etwa 5 g angewandt. 

Eine direkte Prüfung auf einen Gehalt an primärem oder normalem 
Natriumphosphat ist nicht vorgeschrieben. Es mag aber hinzugefügt 
werden, daß alle von uns während der Ausführung oben erwähnter Arbeit 
benutzten Präparate des Salzes in wässeriger Lösung mit Phenolphthalein 
einen schwachen, aber doch deutlichen rosa Farbton gaben, wie man ihn 
gewöhnlich als oharakteristisch für das reine sekundäre Salz ansieht. Bei 
einigen in letzter Zeit ausgeführten Untersuchungen hat es sich indessen 
gezeigt, daß das als rein betrachtete sekundäre Natriumphosphat noch 
3 bis 4°/, primäres Salz enthält, wovon es durch ein- oder zweimaliges 
Umkrystallisieren befreit werden kann. Die wässerige Lösung eines 


1) Diese Zeitschr. 21, 131, 1909, 


8S. P. L. Sörensen: Ergänzung zu Enzymstudien; II. 353 


auf diese Weise gereinigten Salzes gibt mit Phenolphthalein (siehe die 
unten erwähnte Probe) eine stark rote Farbe. Da nun das Salz sich 
selbst nach wiederholten Umkrystallisationen stets gleich verhält, darf 
man es wohl als rein betrachten. | 

Es würde selbstverständlioh nichte im Wege sein, ein sekundäres 
Natriumphosphat, das primäres Salz enthält, als Standardstoff zu be- 
nutzen, wenn nur der Gehalt an primärem Phosphat leicht zu definieren 
und zu bestimmen ist und bei allen Präparaten der gleiche bleibt. Bei 
allen von uns früher benutzten Präparaten ist dieses der Fall gewesen, 
da dieselben in wässeriger Lösung mit Phenolphthalein immer die 
gleiche schwache rosa Farbe gegeben haben.!) Andererseits ist es aber 
sehr wenig zufriedenstellend, eine unreine Substanz als Standardstoff zu 
benutzen, wozu noch kommt, daß die Darstellung derselben mit einer 
Unsicherheit behaftet ist, welche ganz ausgeschlossen wird, wenn man 
sich eines reinen Stoffes bedient, indem in letzterem Falle die Umkrystal- 
lisationen nicht zu oft vorgenommen werden brauchen. Ich habe es da- 
her für richtig angesehen, das unreine sekundäre Natriumphosphat durch 
das reine Salz zu ersetzen, obwohl dieses die Unannehmlichkeit mit sich 
bringt, daß die Phosphatkurve auf der Hauptkurventafel in entsprechender 
Weise korrigiert werden muß. 

Es ist selbstverständlich notwendig, daß man einigermaßen leicht 
prüfen kann, ob das sekundäre Phosphat auch in der hier in Rede 
stehenden Beziehung rein ist, oder ob es primäres oder normales 
Phosphat in nachweisbarer Menge enthält. Außer den oben erwähnten 
Anforderungen wird daher die folgende Prüfung hinsichtlich der Reinheit 
des sekundären Phosphats vorzunehmen sein. 


1,2 g des Salzes werden in einem mit kohlensäurefreier Luft ge- 
füllten 100 ccem-Kolben in ausgekochtem Wasser gelöst, wonach mit 
Wasser bis zu der Marke nachgefüllt wird. Aus dieser Lösung werden 
3mal je 1Ocom und außerdem die folgenden Boratmischungen in Reagenz- 
gläser (siehe die Hauptabhandlung S. 177 und 202) abgemessen: 


8 Borat + HO 
How +» 

10 „ 

9 „ + NaOH 
8 TI -+ „ 


Jeder dieser Lösungen werden 5 Tropfen Phenolphthaleinlösung 
(0,5 g Phenolphthalein in 500 ocm Alkohol -+ 500 ccm Wasser) zugesetzt. 
Die Lösungen des sekundären Phosphats müssen dadurch eine rote Farbe 
von ähnlicher Stärke wie die der Vergleichslösung „10 Borat“ annehmen, 
und jedenfalls müssen die Phosphatlösungen sich zwischen ‚9 Borat + HCl“: 


1) Auch die käuflichen, reinen, chlorid- und sulfatfreien Präparate 
von krystallisiertem, sekundärem Natriumphosphat, die wir in den 
Händen gehabt haben, gaben mit Phenolphthalein immer eine schwache 
rosa, nie eine starke rote Farbe. 


354 8. P. L. Sörensen: 


und „9 Borat + NaOH“ einordnen lassen. Wird darauf einer der Phos- 
phatlösungen 1 Tropfen ®/,.-.NaOH und einer anderen 1 Tropfen Sie HO 
zugesetzt, dann muß die erstere stärker rot als „8 Borat -+ NaOH“, die 
zweite schwächer rot als „8 Borat + HCI“ erscheinen. 

Unter diesen Umständen lag es nahe, zu untersuchen, ob nicht 
auch das andere als Standardstoff benutzte Phosphat, das primäre Ka- 
liumphosphat, sich durch weitere Krystallisationen in noch reinerem Zu- 
stande gewinnen ließe. Es hat sich aber gezeigt, daß das von uns 
bisher benutzte primäre Kaliumphosphat als rein betrachtet werden muß. 
Andererseits ist es uns indes begegnet, daß wir bei elektrometrischer 
Messung von Lösungen primärer Phosphate, an deren Reinheit zu zweifeln 
wir keinen Grund haben, Werte bekommen haben, die um einige Millivolt 
von dem in der Hauptabhandlung für „reines primären Phosphat“ an- 
geführten Wert (xz — 0,5990; 1l. o. 8. 175) abweichen. Ich halte es dem- 
nach für angebracht, die Phosphatkurve auf der Strecke von „reinem 
primärem Phosphat“ bis zu „0,25 sek. + 9,75 prim.“ zu punktieren, ganz 
wie es sonst überall auf der Hauptkurventafel geschehen ist, wenn die 
Kurven parallel oder beinahe parallel mit der Abezissenachse verlaufen. 
Ferner habe ich es zweckmäßig gefunden, eine entsprechende Reinbheits- 
probe für das primäre Phosphat, wie die für das sekundäre Salz oben 
erwähnte, vorzuschreiben. 


0,9 g primäres Kaliumphosphat werden, wie oben beschrieben, in 
ausgekochtem Wasser gelöst und die Lösung bis auf 100 com verdünnt. 
Als Vergleichsflüssigkeiten werden 

6 — 7 — 7,5 — 8 — 9 Citrat -+ HCI!) 

benutzt. Zu diesen Lösungen sowie zu 10 ccm der Phosphatlösung 
werden je 10 Tropfen der Indicatorlösung gesetzt (0,1g des Natriumsalzes 
des p-Benzolsulfonsäure-azo-«-naphthylamin in 600 ccm Alkohol -+ 400 oom 
Wasser gelöst; Indicator Nr. 12 in dem Indicatorverzeichnis, Lo 8.253). 
Die Phosphatlösung muß in betreff der Farbennuance in der Nähe von 
„1,5 Citrat 4 HCl“ und in jedem Falle zwischen ,,7“ und „8 Citrat + HCI‘ 
liegen, während ein Zusatz von 1 Tropfen ?/,„-NaOH bzw. Sie HO die 
Farbennuance der Phosphatlösung deutlich und scharf außerhalb dieser 
Grenzen verschieben muß. 2) 


1) Diese Zeitschr. 21, 176 und 205, 1909. 

2) Vom rein theoretischen Gesichtspunkte aus betrachtet ist es 
selbstverständlich nicht einwandfrei, Vergleichsflüssigkeiten einer Standard- 
lösung — die selbst vielleicht mit Fehlern behaftet sein kann — zu be- 
nutzen, um die Reinheit eines anderen Standardstoffes zu kontrollieren. 
Wenn ich dessenungeachtet vorgeschrieben habe, die Borat- bzw. die 
Citratmischungen bei den oben erwähnten Prüfungen der Phosphate zu 
benutzen, liegt der Grund darin, daß es sich in diesen speziellen Fällen 
um solche Borat- oder Citratmischungen handelt, welche beinahe 
senkrecht verlaufenden Kurvenanteilen entsprechen, so daß kleine Mengen 
Verunreinigungen in der Borat- bzw. Citratlösung hier ganz belanglos sind. 


Ergänrong zu Enrymstudien. IL 366 


Die früher unter | Die unter Be- 
Benutzung von autzung von 

unreinemsek.ireinem Phos- 
Phosphat ge- phat gefun- 

tundenen Werte 


Zusammensetzung der Phosphatmischung 


10 com sek. Phosphat 


975, „ — 
9 


Sp LO 


em prim. im Phosphat 


GER 
— 


il EN 
EN 
S s 
S s 


SErmestooieesg 
++rtr+r++rrtr+trrtr+rr++. 
on 


eege NAAR Gët 


sp 
"CS 
fat 





Es wurden aus reinen Phosphaten, die nicht nur den 
früheren, sondern auch den in der vorliegenden Abhandlung 
vorgeschriebenen Anforderungen entsprachen, auf die in der 
Hauptabhandlung (l. c. 8. 167) angegebene Weise Standard- 
lösungen dargestellt. Es wurden benutzt 3 Standardlösungen 
von verschiedenen Proben primären Phosphates (2 Proben von 
GA F. Kahlbaum, Berlin, und eine im hiesigen Laboratorium 
umkrystallisierte Probe) und ebenso 3 Lösungen von verschie- 
denen Proben sekundären Phosphates (2 Proben von G.A.F.Kahl- 
baum und ein 3mal umkrystallisiertes Kahlbaumsches Prä- 
parat). Mischungen dieser Standardlösungen wurden auf die 
in der Hauptabhandlung (l. o. S. 150 und 173) angegebene Weise 
von 8. Palitzsch elektrometrisch gemessen. Die Ergebnisse, 
welche eine gute gegenseitige Übereinstimmung zeigten, sind in 
der obigen Tabelle zusammengestellt; dieselbe enthält des 
Vergleiches wegen außerdem die früher unter Benutzung von 
unreinem sekundären Phosphat gefundenen Werte. 

Es wird leicht sein, mittels der in der letzten Kolonne der 
Tabelle mit fettem Druck angeführten Werte für pe, die not- 


356 8. P, L. Sörensen: Ergänzung zu Enzymstudien. II. 


wendige Änderung der Phosphatkurve auf der Hauptkurven- 
tafel vorzunehmen, so daß diese Kurve einen Verlauf bekommt, 
der den reinen von C. A. F. Kahlbaum zu beziehenden Phos- 
phaten entspricht. Die Einklammerung der 2 ersten und der 
2 letzten Werte für pe, bedeutet, daß die Kurve von ‚reinem 
primärem Phosphat“ bis zu „0,25 sek.“ und von reinem „sekun- 
därem Phosphat“ bis zu „9,75 sek.“ punktiert werden muß.!) 

Es geht aus der Tabelle sowie auch aus der geänderten 
Phosphatkurve hervor, daß der Unterschied zwischen den alten 
und den neuen Werten nur für die am stärksten alkalischen 
Phosphatmischangen von praktischer Bedeutung ist. Für alle 
Mischungen bei und in der Nähe von dem Neutralpunkt ist 
der gefundene Unterschied ganz geringfügig und überdies bald 
positiv, bald negativ; wir haben daher für eine ganze Kurven- 
strecke die alten Werte beibehalten. 

Ferner haben wir die Gelegenheit benutzt, um uns neue 
Proben der übrigen Standardstoffe (Glykokoll, Citronensäure 
und Borsäure) von O. A. F. Kahlbaum zu verschaffen, und 
wir haben teils die Reinheit derselben kontrolliert, teils die 
daraus hergestellten Standardlösungen elektrometrisch gemessen. 
In betreff dieser Stoffe haben wir vollständige Übereinstimmung 
mit dem früher in der Hauptabhandlung Angeführten gefunden. 

Schließlich möchte ich nur noch darauf aufmerksam machen, 
daß alle in der Hauptabhandlung behandelten Fragen — z. B. 
die Genauigkeit und die Anwendbarkeit der elektrometrischen 
bzw. der colorimetrischen Methode unter verschiedenen Um- 
ständen, sowie auch die angeführten Beispiele von der Be- 
deutung der Wasserstoffionenkonzentration bei enzymatischen 
Spaltungen — selbstverständlich durch diese kleine Änderung der 
Phosphatkurve, von der hier die Rede gewesen ist, nicht berührt 
werden. 


1) Jedem Exemplar der im Handel erhältlichen Hauptkurventafeln. 
wird ein Abdruck dieser Ergänzung beigegeben. 


Über die Verwendung alkylierter Zucker zur Bestimmung 
der Konstitution von Disacchariden und Glucosiden. 
Von 
James Colquhoun Irvine. 


(Aus dem Chemischen Institut der Universität St. Andrews, Schottland.) 
(Eingegangen am 30. September 1909.) 


Die Chemie der einfachen Zucker, d. h. der Monosaccharide, 
ist jetzt durch die vereinten Anstrengungen der Chemiker, 
Physiker und Biologen ein gut erforschtes Gebiet, und die 
Änderungen und Fortschritte, welche unsere Anschauungen 
über die Struktur reduzierender Zucker erfahren haben, sind 
auf direkt experimentellem Wege gewonnen. So ist bei der 
Glucose durch Acetylierung unschwer der Gehalt an Hydroxyl- 
resten ermittelt und die Gegenwart einer leicht oxydierbaren 
Gruppe oder Gruppen durch die Einwirkung von Brom bzw. 
Phenylhydrazin festgestellt worden, und die Untersuchung der 
Multarotation hat die Existenz und die Eigenschaften leicht 
veränderlicher stereoisomerer Formen ergeben. Das auf diese 
Weise erhaltene Resultat ist so klar und vollständig, daß heute 
fast nur eine Meinung über die Struktur dieser Zucker herrscht. 

Wenn wir dagegen zur Konstitutionserforschung der Glu- 
coside und Disaccharide übergehen, der Verbindungen, welche 
dem biologischen Chemiker besonders nahe liegen, so wird die 
Sicherheit weit geringer, und es besteht eine größere Zweideutig- 
keit in betreff der experimentellen Feststellung der Struktur. 
Bei einem typischen Glucosid fehlen z. B. Reduktionsvermögen, 
Multarotation und Verbindungsfähigkeit mit Phenylhydrazin 
gänzlich, und dasselbe ist der Fall bei Disacchariden vom Typus 
des Rohrzuckers. 

Ein negatives Resultat dieser Art ist meistens nur für die 


Tatsache von Bedeutung, daß die reduzierende Zuckergruppe 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 24 


358 J. C. Irvine: 


substituiert ist, und so kommt es, daß in vielen Fällen die 
Struktur dieser Verbindungen lediglich aus theoretischen Betrach- 
tungen gefolgert ist. Ungeachtet der Schwierigkeit des Problems 
ist es jedoch klar, daß viel für den zukünftigen Fortschritt in 
der biochemischen Erforschung der Zuckerarten von der voll- 
ständigen Aufklärung der Struktur der Disaccharide und der 
Glucoside mittels experimenteller Methoden abhängt. Nur wenn 
diese Bedingung erfüllt ist, können Synthesen auf diesem Ge- 
biete der Zuckerreihe systematisch und mit Sicherheit aus- 
geführt werden. 

In folgender Mitteilung wird gezeigt, wie auf Grund der 
in diesem Laboratorium während der letzten zehn Jahre aus- 
geführten Arbeiten über die Zuckergruppe durch Anwendung 
der Alkylierung von Zuckern viele Probleme über die 
Struktur der Kohlenhydratverbindungen erfolgreich erforscht 
werden können. 

Wenn man in erster Reihe die Struktur der Glucoside in 
Betracht zieht, so besteht die einzige jetzt gebräuchliche Me- 
thode der Erforschung darin, die durch Hydrolyse mittels Säuren 
oder durch Enzyme gewonnenen Produkte zu untersuchen. Diese 
ist insofern unvollständig, als dabei an sich nur wenig Angaben 
über die Bindung des Zuckers gewonnen werden. Als Hindernis 
erweist sich auch noch, daß die hydrolytischen Produkte in 
einigen Fällen während des Vorgangs tiefen, sekundären Ver- 
änderungen unterliegen, und so können die Resultate unklar, 
ja sogar irreführend sein. Das so gewonnene Ergebnis ist nur 
in sehr wenigen Beispielen durch eine synthetische Daıstellung 
des Glucosids ergänzt worden. 

Die vollständige Struktur eines Glucosids wird bestimmt 
a) durch die Aufklärung der Natur des zugrunde liegenden 
Zuckers und der Substanz, mit der er verbunden ist, b) durch 
die Feststellung der Raumform (a- oder ß-Glucosid) und c) durch 
die Erkenntnis der Bindung des Zuckers innerhalb des Moleküls. 
Der erste dieser Faktoren wird bei den natürlichen und künst- 
lichen Glucosiden durch Hydrolyse bzw. Synthese bestimmt; 
der zweite wird durch auswählende Hydrolyse mit Hilfe von 
Enzymen ermittelt, aber über die Bindung des Zuckers kann 
nur die Darstellung von Derivaten und deren Hydrolyse etwas 
aussagen. Gerade zu diesem Zwecke kann nun die Alkylierung 


Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disaochariden u. Glucosiden. 359 


des Zuckers Anwendung finden. Dank der großen Beständig- 
keit der Alkyloxyd-Gruppen sind sekundäre Veränderungen 
während der Hydrolyse in weitestem Maße ausgeschlossen, und 
die reinen hydrolytischen Spaltungsprodukte können so isoliert 
werden. Außerdem hat die Alkylierung eine ausgesprochene 
Wirkung auf die Flüchtigkeit der Zuckerderivate, daher können 
diese alkylierten Verbindungen im Vakuum unverändert destil- 
liert werden, und die große Schwierigkeit, welche die Abtrennung 
von Zuckerderivaten bietet, ist auf ein Minimum beschränkt. 
Wir geben jetzt einen Umriß der experimentellen Methoden 
des Alkylierungsprozesses und wählen als Beispiel das einfachste 
Glucosid, nämlich E. Fischers künstliches «-Methyl-Glucosid. 


Konstitution künstlicher Glucoside. 


E. Fischer erteilt in seiner Arbeit über diese Verbindung 

ihr folgende Formel: 
CH,0H.CHOH.CH.CHOH.CHOH.CHOCH,,, 

und es wird sich zeigen, daß diese Formel experimentell be- 
stätigt werden kann und daß ferner die natürlichen Glucoside 
den gleichen Typus aufweisen. Der einzig bekannte Prozeß, 
der imstande ist, eine vollständige Alkylierung des Zucker- 
moleküls zu bewirken, ist der zuerst von Thomas Purdie an- 
gewandte, nämlich, die vereinte Einwirkung von trockenem 
Silberoxyd und Alkyljodiden. Soweit die Zucker in Betracht 
kommen, ist der Alkylierungsprozeß bis jetzt auf die Verwen- 
dung von Jodmethyl beschränkt gewesen, und so sind methylierte 
Zucker die einzigen bekannten Verbindungen dieser Form. Die 
Methode hat sich bis jetzt in jedem angewandten Falle als 
erfolgreich erwiesen und die Resultate sind vollkommen gleich- 
mäßig. Wenn z. B. «-Methylglucosid in Methylalkohol auf- 
gelöst und mit Silberoxyd sowie Jodmethyl zusammengebracht 
wird, so findet eine kräftige Reaktion statt und hierbei treten 
Methylgruppen in die Hydroxylreste ein. Das Ergebnis ist eine 
bewegliche, stark lichtbrechende Flüssigkeit (Siedep. 148 bis 150° 
unter 13 mm), die sich als Tetramethyl-a-methylglucosid 
erwiesen hat. Nach Fischers Formel für die Muttersubstanz 
kann ihr vorläufig die Struktur 





24° 


360 J. C. Irvine: 


CH,OCH,.CHOCH,.CH.CHOCH,.CHOH,.CHOCH, 
zuerteilt werden. | O | 


Die Verbindung ist dem Tetra-acetylmethyl-glucosid analog, 
aber sie weicht von ihm in der Hinsicht ab, daß bei der Hydro- 
lyse nur die Glucosidbindung gespalten wird und daß das 
Produkt daher eine Tetramethyl-glucose ist. Diese Verbindung 
hat sich als sehr wertvoll erwiesen; sie krystallisiert in prächtigen 
Nadeln, die in Wasser und auch in Äther, Alkohol und Benzol 
und überhaupt in organischen Solventien leicht löslich sind. Der 
hauptsächliche Vorteil der Verbindung besteht darin, daß mit 
Ausnahme der unsubstituierten reduzierenden Gruppe alle 
Hydroxylgruppen methyliert worden sind. Die besonders 
charakteristischen Zuokerreaktionen bleiben so erhalten, während 
viele der unklaren, sekundären Veränderungen, die vom Vor- 
handensein einer Anzahl reaktionsfähiger Hydroxylgruppen her- 
rühren und das Arbeiten mit gewöhnlichen Zuckern erschweren, 
hier gänzlich fehlen. Tetramethyl-glucose kann so verarbeitet und 
in sehr kleinen Mengen zurückgewonnen werden, sie kann un- 
verändert im Vakuum destilliert und kann vermittels Äther 
aus nicht alkylierten Zuckern extrahiert werden. 


Ihre wichtigste Reaktion vom Standpunkt der Konstitutions- 
forschung ist indessen ihr Verhalten gegen oxydierende Agenzien. 
Das damit gewonnene Produkt enthält noch vier OCH,-Gruppen 
und besitzt alle charakteristischen Eigenschaften eines y-Lactons: 
es ist deshalb Tetramethyl-gluconsäurelacton. Dieses Verhalten 
im Verein mit der Tatsache, daß Tetramethyl-glucose in gut 
definierten, multarotatorischen a- und ß-Formen, welche erheb- 
liche Multarotation in allen Lösungsmitteln zeigen, gewonnen 
werden kann, gibt den vollständigen Beweis für die y-Oxyd- 
Struktur des Zuckers, dessen Formel folgende ist: 

CH,OCH, .CHOCH,.CH.CHOCH,.CHOCH,.CHOH 
PE y OAA 

Es folgt daraus, daß Tetramethyl-methyl-glucosid dieselben 
Bindungen aufweisen muß, und so wird Fischers Formel für 
das Methylglucosid bestätigt. Die oben erwähnten Reaktionen 
können also folgendermaßen formuliert werden: 





Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disacchariden u. Glucosiden. 361 

! emt 
aaa ) ; CHO:CH, 2) Be Ei 
(Hom Z CHOCH, s noca, e oon. 


mg N Äeocn, N Äeocn, Se Äeocn, 


N — eck "el 
CH (Methylierung) H (Hydrolyse) CH (Oxydation) CH 
OH HOCH, HOCH, noca, 
| | 
e op CH,OCH, CH,OCH, CHOCH, 


Eine vergleichende Versuchsreihe mit Fischers f-Methyl- 
glucosid ergab ähnliche Resultate; es wurde Tetramethyl-ß- 
methylglucosid (Schmelzpunkt 40 bis 41°) gewonnen, welches 
wiederum dieselbe oben erwähnte krystallinische Tetramethyl- 
glucose bei der Hydrolyse ergab. 

Die vorhergehenden Resultate zeigen deutlich, daß, wenn 
Glucose mit Alkoholen zu künstlichen Glucosiden zusammentritt, . 
die letzteren die y-Oxyd-Struktur besitzen. Ähnliche Experimente 
wurden mit den ‚‚Glucosiden‘‘ von Mannose, Galaktose, Fructose, 
Arabinose und Rhamnose mit genau denselben Ergebnissen 
durchgeführt. 


Konstitution natürlicher Glucoside. 


Nach den in dem typischen Fall von Salicin erhaltenen 
Resultaten zu urteilen, scheinen die natürlichen Glucoside den 
künstlichen analog konstituiert zu sein. Jenes Glucosid ergab bei 
der Alkylierung ein Pentamethyl-salicin (Schmelzpunkt 62 bis 63°), 
und dieses liefert bei der Hydrolyse dieselbe Form der Tetra- 
methyl-glucose, wie aus Tetramethyl-methyl-glucosid entsteht. 
Die Hydrolyse wurde in diesem Fall indirekt ausgeführt; das 
alkylierte Salicin wurde der Hydrolyse und gleichzeitiger Kon- 
densation mit Methylalkahol unterworfen, indem es in methyl- 
alkoholischer Lösung mit einer Spur Salzsäure erhitzt wurde. 
Das wichtigste Produkt dieser Reaktion war ein Gemisch von 
stereoisomeren Tetramethyl-methylglucosiden, welche nach dem 
Kochen mit wässeriger Salzsäure Tetramethyl-glucose ergaben. 


1) Bezeichnet die durch Hydrolyse entfernbare glucosidische Methyl- 
Gruppe. 


362 J. C. Irvine: 


.22 


CH.O.C,H,.CH,OH OH. 0. CHi, CHOCH, 


.-—5 


OH SS — 


| 
* 
on CHOCH, 
OH 
Salicin Pentamethyl-salioin 
CH.O.CH, — 
OCH, Es Vë, 
O 
oon. CHOCH, 
N | — | 
CH CH 
oon, oon, 
OCH, bo op. 
Tetramethyl-gluoose 


Das oben erwähnte Resultat wurde durch synthetische 
Versuche gestützt, zu welchen das Reaktionsvermögen und die 
verschiedenartige Löslichkeit der Tetramethyl-glucose verwertet 
wurde. In Benzol, das überschüssiges Saligenin und wenig 
Salzsäure enthielt, fand eine Kondensation des Zuckers und 
des Phenols statt, und es entstand eine Mischung von Ver- 
bindungen, deren eine das y-Oxyd-Saligenin-tetramethyl-glucosid 
war. Nach der Methylierung mittels der Silberoxyd-Reaktion 
ergab dieses wiederum dasselbe krystallisiertte Pentamethyl- 
salicin, das aus Salicin direkt gewonnen wurde, und bestätigte 
so die Struktur des zugrunde liegenden Glucosids.. Diese Re- 
aktionen seien im folgenden im Hinblick auf die mögliche 
Verwendung von alkylierten Zuckern zu Synthesen zusammen- 


gestellt: CH,OH CH,OH CH,OCH, 


9.0. CH un CH- ei CH 0. 


\ J, £ bes x J e cnoca, u 
SÉ p Ki S Ze 


— > 


H 
| | 
CHOCH, CHOCH, ÖHOCH, 
H,OCH, Le on, BOCH, 


(Durch Kondensation) (Durch Alkylierung) 


Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disacohariden u. Glucosiden. 363 


Konstitution stickstoffhaltiger Zuckerabkömmlinge. 

Die Kondensierung der Zucker mit Aminobasen ist ein 
Problem von bedeutender Wichtigkeit in der Biochemie und sie 
wird gewöhnlich als eine von der Glucosidbildung abweichende 
angesehen, da hierbei der Zucker als Aldehyd reagieren soll. Es 
ist indessen nachzuweisen, daß diese Ansicht nicht ganz richtig 
ist; in dieser Hinsicht ist die Untersuchung alkylierter Zucker 
sehr wertvoll, da sie scharf zwischen aldehydischen und y-Oxyd- 
zuckerderivaten zu unterscheiden ermöglicht. Ganz allgemein 
bestehen bei der Kondensation von Glucose mit einem Amin 
R — NH, zwei Möglichkeiten: 

1. Aldehydkondensation. 


CHÖH,N.R CH:N.R 
es | 
CHOH CHOH 
| 
CHOH CHOH 
l KR — | (A) 
HOH CHOH 
| 
CHOH CHOH 
Lo op Ze op 
2. y»-Oxydkondensation. 
CH OH HNH. R CH.NH.R 


Es CHOH N nen 
SE Ze (B) 

on HOH 

CH,OH dn. on 


Die angenommenen Verbindungen A und B sind isomer, 
sie müßten aber verschiedene Produkte bei der Methylierung 
und nachfolgenden Hydrolyse geben. 

C 


H:NR CH:NR CHO 

dnon CHOCH, CHOCH, 

D on ĊHOCH, (enen, 
CHOH — HOCH, — CHOCH, 

dmon CHOCH, HOCH, 


| 
CH,OH H,OCH, H,OCH, 


364 J. C. Irvine: 


CH-NH.R CH.NH.R CHOH 
dn A 4} 
OH e CHOCH, FG HOCH, 
d op SS Logoen, d (moca, 
| — | _— 
(B) CH \CH CH 
CH | dH 
OH CHOCH, OCH, 
| 
(HoH CH,OCH, H,OCH, 
(Durch Methylierung) (Durch Hydrolyse) 


Der ersten Möglichkeit entsprechend hätte sich ein penta- 
methyliertes Derivat gebildet, welches Pentamethylglucose bei 
der Hydrolyse ergeben würde, während die zweite Formulierung 
unter gleichen Bedingungen als Endprodukt nur Tetramethyl- 
glucose liefern würde. 


Diese Reaktion wurde nun auf das Glucoseanilid ange- 
wandt, derzufolge es zum y-Oxyd-Typus, und nicht — wie man 
früher annahm — zum Aldehyd-Typus gehört. So ergibt Glu- 
coseanilid bei vollständiger Methylierung ein Tetramethylglu- 
coseanilid (v. Schmelzp. 135°). Die Verbindung ist einer weiteren 
Methylierung nicht fähig, ist ist mit dem aus Tetramethylglucose 
gebildeten Anilid identisch, und gibt bei der Hydrolyse Tetra- 
methylglucose. Glucoseanilid ist daher ein y„-Oxyd, das eine den 
Glucosiden ähnliche Struktur besitzt, das sich aber von ihnen 
dadurch unterscheidet, daß Stickstoff an Stelle von Sauerstoff 
Zucker und Paarling verbindet. 

CH,OH.CHOH .CH.CHOH.CHOH.CH.NH.C,H.- 
— 

Augenscheinlich sind Glucose-p-toluid, Glucose-p-phenetidid 
und Glucose--naphthylamid ähnlich konstituiert, wenn auch 
in den erwähnten Fällen der direkte Beweis nicht vorliegt. 
Gluoosoxim verhält sich bei der Alkylierung wie ein y-Oxyd, 
aber anderen Reagenzien gegenüber als ein wahres Oxim. 


Man kann so die ganze Frage der Kondensation der 
Zucker mit Aminoverbindungen in einem neuen Licht ansehen. 
Die untersuchten Beispiele zeigen, daß der Kondensations- 
mechanismus in etlichen Fällen die übliche Glucosidbindung auf- 
weist, und das ist schließlich auch bei unseren Ansichten vom 
Bau der Glucoproteine zu berücksichtigen. 








Verw. alkyl. Zucker z. Best. d Konstit. v. Disacchariden u. Gluoosiden. 365 


Verbindungen von Zuckern mit Ketonen. 


Die Bildung von Derivaten dieser Art bildet ein be- 
sonders schwieriges Kapitel der Glucosidchemie, da die Keton- 
gruppe mit dem Zuckerrest an wenigstens zwei Stellen ver- 
knüpft ist, die beide erst bestimmt werden müssen, bevor die 
Natur des Produktes sicher festgestellt ist. Durch den Methy- 
lierungsprozeß müssen ersichtlich alle die im Zuckerrest ver- 
bliebenen freien Hydroxylgruppen methyliert werden, und durch 
Hydrolyse des Endproduktes kann die Keton-gruppe oder Gruppen 
entfernt werden, wobei ein alkylierter Zucker zurückbleibt. Die 
Zahl und Stellung seiner Alkyloxydgruppen kann dann be- 
stimmt werden, und man erhält so alle notwendigen Daten. Um 
einen besonderen Fall als Beispiel zu nehmen, so sei daran 
erinnert, daß Fructose eine gut definierte Diacetonverbindung 
bildet. 

Diese ist erfolgreich methyliert worden und hat Monomethyl- 
fructose-diaceton (Schmelzp. 115°) ergeben, woraus nach der 
Hydrolyse mit verdünnter Säure Monomethylfructose gewonnen 
wird. Augenscheinlich kann diese Methylgruppe eine der sechs 
verschiedenen Stellungen in dem Zuckermoleküle einnehmen. 
Diese seien mit (a), (b), (c), (d), (e) und (£f) in folgender Weise 
bezeichnet: 


CH,OH..... (a) 

S bon n E (b) 

f Loop DEE (c) 

N CHOH NE (d) 
eh 

NCH....... (e) 

Cp op ee (f) 


Die in Frage kommende alkylierte Fructose ist ein redu- 
zierender Zucker und zeigt Multarotation, demnach kann die 
Alkylgruppe nicht in Positionen (b) oder (e) stehen. Außer- 
dem ergibt der Zucker ein Monomethylglucosazon, so daß 
die Alkylgruppe nicht in Stelle (a) oder (b) sein kann. 
Endlich ergibt der Zucker bei Oxydation a-ß-Dihydroxy-y- 
methoxy-buttersäure, die nicht imstande ist, ein Lacton zu 
bilden. Dieses bestimmt schließlich die Position der Methyl- 


366 J. C. Irvine: 


gruppe, welche die Stellung (f) einnehmen muß. Die Formel 
für Monomethyl-fructose lautet daher: 
CH,OCH,.CH.CHOH.CHOH.COH.CH,OH 
E 
woraus als Struktur für Fructose-di-aceton sich die Formel 


CH CH, CH CH 
., NZ 3 


o No o "o 





CH,OH.CH . CH. dn b. da, 
ee 
ergibt. 
Purdie und Young haben ähnliche Beobachtungen bez. 


der Struktur von Acetonrhamnosid ausgeführt. 


Konstitution der Disaccharide. 


Wie bekannt ist, kann die Verkettung von zwei Zucker- 
resten unter Bildung eines Disaccharides in doppelter Weise 
stattfinden. Entweder können die reduzierenden Gruppen der 
beiden beteiligten Zucker an der Reaktion teilnehmen und eine 
nicht reduzierende Verbindung geben, oder eine reduzierende 
Gruppe kann frei bleiben und so ein reduzierendes Disaccharid 
bilden. Einfache Beispiele dieser beiden Typen liegen im Rohr- 
zucker, bzw. in der Maltose vor. Die genaue Struktur solcher 
Verbindungen ist im Verlaufe der Entwickelung der Zucker- 
chemie Gegenstand ausgedehnter Forschungen gewesen, die aber 
meist auf Betrachtungen über die Art der inneren Verknüpfung 
der Zuckerreste beschränkt geblieben sind. Die von Fischer 
vorgeschlagenen Formeln haben sich jedoch als ein außerordent- 
lich befriedigender Ausdruck der Tatsachen erwiesen, und sind 
durch die Untersuchung der metbhylierten Disaccharide bestätigt 
worden. 

Es hat sich zum Beispiel herausgestellt, daß Rohrzucker 
die normale Alkylierung durch die Silberoxyd-Jodmethyl-Be- 
handlung erfährt, keine Hydrolyse oder Oxydation erleidet und 
als Endprodukt eine flüchtige Flüssigkeit, Octamethyl-rohr- 
zucker, liefert. Durch Hydrolyse mittels verdünnter Mineral- 
säuren wird er in ein äquimolekulares Gemisch von Tetra- 


Verw. alkyl. Zuoker z. Best. d. Konstit. v. Disacchariden u. Glucosiden. 367 


methylglucose und Tetramethylfructose verwandelt, entsprechend 
dem Schema: 


Pa Tetramethylglucose 
Rohrzucker — Octamethyl-rohrzucker 


N Tetramethylfructose 
Es entsteht dabei dieselbe krystallinsche Tetramethylglucose 
wie bei der Hydrolyse von Tetramethyl-methyl-glucosid, und das 
ist ein Beweis für die Richtigkeit der einen Hälfte der 
Fischerschen Formel. Der Glucoserest ist daher im Rohr- 
zucker in der y-Oxydform vorhanden, und die Verkettung mit 
dem Fructoseteil des Moleküls findet in folgender Weise statt: 
ER 


i 

CH CH 

| | 
CHOH CH OH 
| 

CH,OH 


Bei der Maltose gestaltet sich das Problem schwieriger, 
da die reduzierende Gruppe durch das Silberoxyd oxydiert 
wurde und nachher durch das Alkylierungsgemisch Methy- 
lierung eintrat. Bei der Hydrolyse entstand jedoch Tetra- 
methylglucose in krystallinischem Zustande, so daß die nicht 
reduzierende Hälfte des Maltosemoleküls einen Glucoserest in 
der y-Oxydform enthält. 

Dieses ist eine Bestätigung für die Fischersche Formel 
und zeigt wiederum, daß die Bildung der Disaccharide in 
der Zuckergruppe der der Glucoside völlig entspricht. 


Synthese von Disacchariden. 


Die Versuche über die Kondensation der Zuckerarten mit ein- 
ander sind durch den Umstand erheblich erschwert, daß Wasser 
und Alkohol allein in praxi als Lösungsmittel in Betracht kommen; 
hingegen lösen sich die metbylierten Zucker leicht in nicht 
hydroxylhaltigen Flüssigkeiten auf, so daß jede Reaktion mit 
dem Lösungsmittel ausgeschlossen ist; daher findet unter dem 
Einflusse eines Katalysators Selbstkondensation der Zucker 


368 J. C. Irvine: 


statt. Dieser Versuch ist mit Tetramethylglucose ausgeführt 
worden, die in 0,25°/, Chlorwasserstoff enthaltendem Benzol 
aufgelöst war; dabei entstand ein nicht reduzierendes Di- 
saccharid. Dieses scheint die erste erfolgreiche Synthese eines 
Disaccharids vom Typus des Rohrzuckers auf chemischem Wege 
zu sein und erbringt den Beweis für die Bildungsmöglichkeit 
solcher Verbindungen. (Siehe Fischer und Delbrück, Ber. 42, 
2776.) 

Die vorliegende Mitteilung ist geschrieben worden, um biolo- 
gischen Chemikern und andern, die ein Interesse für die Struktur- 
forschung und Synthesen in der Zuckerreihe haben, den Wert 
der Alkylierungsmethode bei solchen Arbeiten klar zu machen, 
und hoffenlich wird die Silberoxyd-Reaktion in Zukunft für 
die Entwickelung dieses Zweiges der biologischen Chemie von 
Bedeutung sein. Da die experimentellen Einzelheiten bezüglich 
der Ausführung der Methylierung von Kohlenhydraten in den 
Veröffentlichungen zu finden sind, die am Ende dieser Arbeit 
zusammengestellt sind, so sei zum Schluß nur eine allgemeine 
theoretische Übersicht über die Anwendbarkeit des Verfahrens 
gegeben. 

Wenn die zu untersuchende Verbindung mit dem allgemeinen 
Ausdruck Z. G. bezeichnet wird, wo Z==ein Zuckerrest und 
G = die Gruppe ist, mit welcher er kondensiert ist, so werden 
bei vollständiger Alkylierung alle freien Hydroxylgruppen der 
Verbindung methyliert. 

Eine Bestimmung der OCH,-Gruppen des Produktes nach 
Zeisel ergibt sofort die in der ursprünglichen Verbindung vor- 
handene Anzahl von Hydroxylgruppen. Die methylierte Ver- 
bindung wird jetzt vermittels verdünnter Säure hydrolysiert, 
und ergibt im Minimum zwei Produkte, die wir mit Z, und G, 
bezeichnen können, in welchem von beiden der Methoxylgehalt 
bestimmt ist. Dies zeigt die Verteilung der Gesamtzahl von 
Hydroxylgruppen zwischen Z und G an, und schließlich wird 
durch die Ermittlung der Stellung der Methoxylgruppen in 
jedem Rest vollständige Klarheit über die Struktur der Mutter- 
substanz geschaffen. Das obenerwähnte Schema führt zur Ge- 
wißheit darüber, ob ein Zuckerderivat y-Oxyd- oder Aldehyd- 
Typus aufweist. Da die wichtigsten alkylierten Zucker nun dar- 
gestellt und ihre Konstanten festgelegt sind, so ist die tat- 


Verw. alkyl. Zucker z. Best. d. Konstit. v. Disaochariden u. Glucosiden. 369 


sächliche Erkennung aller solcher Verbindungen, die gewöhnlich 
vorkommen, wohl möglich. 

Die folgende Zusammenstellung enthält Angaben über die 
wichtigsten alkylierten Zucker und deren Charakterisierung: 

Tetramethylglucose. Krystallisiert in Nadeln. Schmelz- 
punkt 88 bis 89°. Multarotation in wässeriger Lösung [ap] = 
+ 100,8° — 88,3°. 

Tetramethylgalactose. Flüssigkeit, Siedepunkt 172°unter 
13 mm Druck. Bleibende spezifische Drehung im Wasser — 
—-109,5°. Identifizierbar durch Verwandlung in Tetramethyl-P- 
methyl-galactosid. Schmelzpunkt 44 bis 45°, spezifische Drehung 
in Athylalkohol — 20,9°. 

Tetramethylmannose. Flüssigkeit, Siedepunkt 187° 
bis 189° unter 19 mm Druck. Spezifische Drehung in Methyl- 
alkohol + 17,2°. Wird durch Überführung in Tetramethyl- 
«-methylmannosid identifiziert. Schmelzpunkt 37 bis 38°. 

Tetramethylfructose. Krystallisiert in viereckigen 
Tafeln vom Schmelzpunkt 98 bis 99°. Spezifische Drehung 
in Athylalkohol — 86,7°. 

Trimethylrhamnose. Flüssigkeit, Siedepunkt 151 bis 
155° unter 15 mm Druck. Spezifische Drehung in Wasser 
+ 25,4°. Hydrazon schmilzt bei 126 bis 128°. 

Dimethylrhamnose. Hydrazon schmilzt bei 159 bis 
160°. | 

Trimethylarabinose. Flüssigkeit, Siedepunkt 148 bis 
152° unter 19 mm Druck. Spezifische Drehung in Methylalkohol 
+ 102,7°. Charakterisiertt durch Umwandlung in Trimethyl- 
«-methylarabinosid vom Schmelzpunkt 43 bis 45°. 

Monomethylfructose. Krystallisiert in Tafeln vom 
Schmelzpunkt 122 bis 123°. Das Osazon schmilzt bei 142 
bis 144°. 

Die allgemeinen Prinzipien, die bei diesen Untersuchungen 
zur Anwendung gekommen sind, hat Thomas Purdie auf- 
gestellt. 


Literaturangaben über alkylierte Zucker. 


l. Purdie und Irvine, The alkylation of sugars. Trans. Chem. 
Soc. 83, 1021. 

2. Purdie und Irvine, The stereoisomerio tetramethyl methyl- 
glucosides and tetramethyl glucose. Trans. Chem. Soc. 85, 1049. 


370 J. C. Irvine: Über die Verwendung alkylierter Zucker usw. 


3. Irvine und Cameron, The alkylation of galactose. Trans. 
Chem. Soc. 85, 1071. 

4. Purdie und Irvine, Synthesis from glucose of an octamethyl- 
ated disaccharide; methylation of sucrose and maltose. Trans. Chem. 
Soo. 87, 1049. 

5. Irvine und Cameron, A contribution to the study of alkylated 
glucosides. Trans. Chem. Soc. 87, 900. 

6. Irvine und Moodie, The alkylation of mannose. Trans. Chem. 
Soc. 87, 1462. 

7. Irvine und Rose, The constitution of salicin; synthesis of 
pentamethyl salicin. Trans. Chem. Soo. 89, 814. 

8. Purdie und Rose, The alkylation of l-arabinose. Trans. Chem. 
Soc. 89, 1204. 

9. Purdie und Young, The alkylation of rhamnose. Trans. Chem. 
Soc. 89, 1994. 

10. Purdie und Paul, The alkylation of d-fruotose. Trans. Chem. 
Soc. 91, 289. 

IL Irvine und Moodie, The addition of alkyl halides to alkylated 
sugars and glucosides. Trans. Chem. Soc. 89, 1578. 

12. Irvine und Moodie, Derivatives of tetramethyl glucose. Trans. 
Chem. Soc. 93, 95. 

13. Irvine und Gilmour, The constitution of glucose derivatives. 
Trans. Chem. Soc. 98, 1429. 

14. Irvine und Hynd, Monomethyl laevulose. and its derivatives. 
Trans. Chem. Soc. 95, 1220. 

15. Irvine und Gihman. Constitution of glucose derivatives. 
Part. II. Trans. Chem. Soc. 95, 1545. 


Über den Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf 
den Stoffwechsel. 


Von 


Guido Izar. 


(Aus dem Institut für spezielle Pathologie innerer Krankheiten der 
Kgl. Universität zu Pavia.) 


(Eingegangen am 27. September 1909.) 


Die Wirkung des Quecksilbers auf den Stickstoffumsatz 
bildete den Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, aber die 
ausgeführten Versuche sind mit wenigen Ausnahmen eher darauf 
gerichtet, das Verhalten des Stoffwechsels bei akuter!) oder 
chronischer?) Quecksilbervergiftung zu ergründen oder die Wir- 
kung zu studieren, die das Quecksilber auf den Stoffwechsel 
der Syphilitiker?) ausübt, nicht aber darauf, an normalen Wesen 
das Verhalten des Stoffwechsels bei Anwendung von kleinen, noch 
nicht toxischen Quecksilberdosen festzustellen. Die einzigen 
Arbeiten, die wir über den Gegenstand besitzen, jene von 
V. Böck (1) und Noöl Paton (2) über Hunde, gelangen zu 
geradezu entgegengesetzten Resultaten. 

Diese Gegensätze und der Wunsch, die Wirkung des Hy- 
drosols und der Quecksilbersalze auf den lebenden Organismus, 
wie es schon hinsichtlich der Autolyse geschehen ist, einander 


1) Die Literatur über den Gegenstand findet sich in den Arbeiten 
von Jablonowski (Inaug.-Dissert., Berlin 1885), von Schroeder (In- 
aug.-Dissert, Würzburg 1893) und von Guttenberg und Gurber 
(Münch. med. Wochenschr. 1895, 141). 

2) Die einschlägige Literatur findet man in den Arbeiten von 
H. Sohlesinger (Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1880/81, 
Nr. 13) und v. Mering (ibidem 1878, Nr. 8). 

3) Über die betreffende Literatur cf. Radaeli (L> sperimen- 
tale 1900). 


372 G. Izar: 


gegenüberzustellen, bewogen mich, den mit verschiedenen Silber- 
präparaten ausgeführten (3) Versuchen analoge mit den Queck- 
silberverbindungen an die Seite zu stellen. 


Zur Ausführung dieser Untersuchungen verwendete ich Hunde, 
deren ständige und ausschließliche Diät in mit Kochsalzwasser gekochtem 
Brot bestand. Was die übrigen Einzelheiten der Technik anbelangt und 
die bei der Dosierung des Stiokstoffs in der Nahrung, in den Faeces und 
im Harne in Anwendung gekommene, so verweise ich auf die oben er- 
wähnte Arbeit (3). | 

Die der Prüfung unterzogenen Quecksilberverbindungen waren: 
HgCl,, Hyrgol, HgCl, Quecksilberthiosulfat, stabilisiertes und nicht sta- 
bilisiertes Hydrosol. Um die erhaltenen Resultate einander gegenüber- 
stellen zu können, verwendete ich bei den Salzverbindungen und Hyr- 
gol?) Lösungen von gleichem Metallgehalte2); beim Hydrosol, dargestellt 
nach der Stodelschen Methode (4), bediente ich mich folgenden Kunst- 
griffes: Ich stellte jedesmal das Hydrosol in einer möglichst starken Kon- 
zentration her, bestimmte gleich den Metallgehalt nach der Methode von 
Rebiödre (5)?) und verdünnte die Flüssigkeit mit Aqu. dest. (oder mit 
einer Lösung von 0,03°/,iger Gelatine in Aqu. deet), je nachdem das 
Hydrosol stabilisiert war oder nicht), bis ich ein Hydrosol von dem- 
selben Quecksilbergehalt wie die Salzlösungen erhielt. Die Injektionen 
wurden in die Jugularvene vorgenommen; die injizierte Flüssigkeitsmenge 
betrug stets 10 com. 


$ ké 
% 


Wie aus den angeführten Tabellen hervorgeht, 
weist die Einwirkung auf den Stickstoffumsatz im 
allgemeinen für alle geprüften Quecksilberverbin- 
dungen denselben Typus auf. Alle in Frage stehenden 
Präparate steigern den Stickstoffumsatz, indem sie 
an den der Einführung in die Zirkulation folgenden 
Tagen eine mehr oder weniger beträchtliche Ver- 
mehrung des Harnstickstoffs veranlassen. Der Stick- 
stoffgehalt der Faeces bleibt dagegen fast unver- 
ändert. 


1) Das verwendete Hyrgol-Präparat (Merok) enthielt 75°/, Hg 
[Hönel gibt ein wenig differierende Zahlen an (73 bis 80°/,)]. 

2) Die Lösungen der verschiedenen Salze wurden mit Aqu. dest. 
angefertigt; Kalomel wurde in Olivenöl im Verhältnis 1: 100 suspendiert 
und mit H,O emulgiert. 

3) Die von Rebidre vorgeschlagene Methode gab befriedigende 
Resultate; die Kontrollproben mit den Gewichtsmethoden und der volumi- 
metrischen Methode lieferten nur wenig verschiedene Daten. 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 373 


Die Ergebnisse dieser Versuche decken sich mit denen, die 
Noöl Paton erzielte, als er an Hunden das Verhalten des 
Stoffwechsels bei fortgesetzter Anwendung kleiner Dosen von 
Hg, sei es in Form von Sublimat oder Einreibungen, prüfte. 
Aber auch die Untersuchungen an Syphilitikern von v. Böck 
[über die Versuche am Hunde, die Loewi (6) zitiert, konnte 
ich keinen genaueren bibliographischen Hinweis finden] führen 
nicht zu abweichenden Ergebnissen, trotzdem die vom Autor 
gezogenen Schlüsse entgegengesetzt sind. In der Tat lehrt ein 
Blick auf die von diesem Autor erhaltenen Werte, daß bei 
einem der behandelten Versuchstiere die Stiokstoffbilanz an den 
ersten 3 Versuchstagen von 0,1l auf 1,35 g Defizit im ganzen 
gesunken ist, was auf einer größeren Elimination von Stick- 
stoff durch den Urin beruht, die dann in der folgenden Zeit, 
genau so, wie ich es beobachten konnte, durch eine Stickstoff- 
retention, ebenfalls auf Kosten des Harnstickstoffs, ausgeglichen 
wird. Bei dem andern Versuchstiere weichen die von v. Böck 
erhaltenen Werte ein wenig von den berichteten ab. 

Wenn wir dazu übergehen, im einzelnen das Verhalten 
von Harnstoff und Harnsäure zu untersuchen, finden wir, daß 
euch auf die Ausscheidung dieser einzelnen Stoffe 
die herangezogenen Quecksilberverbindungen einen 
fast gleichen Einfluß ausüben, indem sie in der Mehr- 
zahl der Fälle eine beträchtliche relative und absolute Ver- 
mehrung der täglich durch den Harn ausgeschiedenen 


Mengen von Harnstoff und Harnsäure hervorrufen. 

In diesem Punkte sind die Ansichten der Autoren etwas verschieden: 
Während nämlich Noöl Paton (2) beim Hunde, Vajda (7), Ram- 
bach (8), Jakovleff (9) bei Syphilitikern eine Vermehrung des Harn- 
stoffs finden, stellen v. Böck (1), Poehl (10), Radaeli (11) bei Sy- 
philitikern, Schlesinger (12) bei Hunden, die fortgesetzt mit kleinen 
Dosen behandelt wurden, statt dessen eine Verminderung fest. 

Auch hinsichtlich der Wirkung des Quecksilbers auf den Nuclein- 
Stoffwechsel kommen die wenigen Autoren, die sich damit beschäftigten 
(v. Böck, Vajda, Noöl Paton) zu widersprechenden Ergebnissen; aber 
diese Widersprüche sind wie beim Harnstoff wahrscheinlich der von den 
verschiedenen Autoren angewandten nicht immer genügend exakten 
Technik zuzuschreiben; 

Aus unseren Versuchen geht hervor, daß der Harnstoff 
sich infolge der Injektion von wenigen Milligrammen 


Quecksilber parallel dem Gesamtstickstoff vermehrt; 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 25 


374 G. Izar: 


nachdem ein Maximum am 2. bis 3. Tage erreicht ist, ver- 
mindert sich die Menge an den folgenden Tagen, bis sie normale 
oder subnormale Werte erreicht. 

Schwankungen parallel denen des Harnstoffs be- 
merkt man auch im Verhalten der Harnsäure; aber 
in diesem Falle verteilt sich die Vermehrung auf eine 
größere Anzahl von Tagen und erscheint oft nach 
Aufhören des Versuchs wieder, wenn das Tier auf dem 
Boden des Ausgleichs wieder angelangt ist. 

Wenn wir die Ergebnisse dieser Experimente mit dem 
Quecksilber denen gegenüberstellen, die wir bei früheren Unter- 
suchungen über die Wirkung des Silbers auf den Stoffwechsel 
erhielten, so ergibt sich, daß der Einfluß dieser beiden Metalle 
auf den Stickstoffumsatz ähnlich ist. 

Diese Analogien reihen sich denjenigen an, die beim Studium 
des Einflusses, den einerseits Hydrosole, andererseits Metallsalze 
auf die Autolyse ausüben, zutage getreten sind. 


$ + 
* 


Wenn auch die Wirkung der verschiedenen Hg-Präparate 
auf den Stoffwechsel als im wesentlichen gleichartig erscheint, 
bestehen doch zwischen den einzelnen in den Versuch ein- 
bezogenen Verbindungen gewisse Verschiedenheiten, sei es be- 
züglich ihrer Aktivität, sei es in ihrer Wirkung auf die Stick- 
stoffschlacken. 

Während tatsächlich wenige Milligramme Quecksilberhydro- 
sol genügen, um eine bemerkenswerte Vermehrung sowohl des 
Gesamtstickstoffs im Urin als auch des Harnstofis und der 
Harnsäure (die beträchtlich gesteigerte Werte erreicht) hervor- 
zurufen, sind etwas größere Dosen der verschiedenen Salz- 
präparate nötig, um dasselbe Ergebnis zu erzielen. Analoge, 
noch deutlichere quantitative Unterschiede waren bereits von 
uns auch für das Hydrosol und die Salze des Silbers (3) fest- 
gestellt worden; um sie zu erklären, wurde die Hypothese auf- 
gestellt, daß sich die Wirkung auf den Stoffwechsel auf das 
metallische Ion beziehe und daß die Differenzen zwischen den 
verschiedenen Präparaten zu der größeren oder geringeren 
Leichtigkeit, mit der die Ionen in Freiheit gesetzt wurden, in 
Beziehung ständen. 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 375 


Wenn die Kenntnisse, die wir über die Zusammensetzung 
des elektrisch dargestellten kolloiden Ag besitzen, uns erlaubten 
zu vermuten, daß die Unterschiede zwischen Kolloid und Salzen 
von dem Umstande abhängen, daß die Ag,O-Partikelchen, die 
immer im elektrisch gewonnenen Silberhydrosol gegenwärtig 
sind, sich langsam und allmählich lösen und dissoziieren, sind 
ähnliche Annahmen, die sich auch für das Quecksilber auf- 
drängen, zurzeit nicht erlaubt, weil unsere Kenntnisse über die 
Zusammensetzung dieses Hydrosols ungenügend sind. 

Eine bemerkenswerte Differenz besteht ferner zwischen 
dem Silber- und Quecksilberkolloid in der Art und Weise, wie 
sich die nicht stabilisierten Hydrosole dieser beiden Metalle 
verhalten. 

Wie seinerzeit nachgewiesen wurde, erweist sich das nicht 
stabilisierte Silberhydrosol als völlig unwirksam sowohl auf den 
Stoffwechsel im allgemeinen als auch auf die Verteilung der 
Stickstoffschlacken. Dagegen ist die Wirkung des entsprechenden 
Quecksilberhydrosols nur etwas weniger deutlich als die des 
stabilisierten Hydrosols.. Die Injektionen von gleichen Mengen 
von Hg, sei es in der Form des stabilisierten oder nicht sta- 
bilisierten Hydrosols, rufen eine fast gleiche Vermehrung des 
Gesamtstickstoffs im Urin und des abgesonderten Harnstofis 
und der Harnsäure hervor; nur scheint diese letztere etwas 
mehr von dem stabilisierten Hydrosol beeinflußt zu sein. 

Vielleicht hängen die Unterschiede in der Wirkungskraft 
zwischen dem stabilisierten und dem nicht stabilisierten Hy- 
drosol des Silbers im Gegensatz zu den gleichmäßigen Resultaten, 
die das stabilisierte und nicht stabilisierte Quecksilberhydrosol 
ergeben, von dem Umstande ab, daß der Grad der Stabilität 
der beiden Kolloide — wenn sie auch auf dieselbe Art stabili- 
siert sind — ein sehr verschiedener ist: das Silberhydrosol ist 
sehr stabil und läßt sich gut aufbewahren, das des Queck- 
silbers ändert sich auch im stabilisierten Zustande schnell. Man 
versteht also, wie zwischen der Wirkung des stabilisierten und 
nicht stabilisierten Silberhydrosols beträchtliche Verschieden- 
heiten auftreten können, die sich dagegen zwischen den beiden 
Hydrosolen des Quecksilbers nicht beobachten lassen. Mit 
diesen Anschauungen harmoniert auch die Tatsache gut, daß 
die quantitativen Differenzen in der Wirkungskraft des stabili- 

25% 


376 G. Izar: 


sierten Hydrosols und der Salze des Silbers geringer als die 
zwischen dem Hydrosol und den Salzen des Quecksilbers sind. 

Unter den verschiedenen zur Anwendung gelangten Salzen 
erweisen sich Sublimat!) und Kalomel in den Mengen von 
l mg Hg pro Kilogramm Versuchstier wirksam: in solcher Dose 
steigern sie den Stickstoffumsatz und rufen eine bemerkens- 
werte Vermehrung des Harnstoffs und der Harnsäure hervor. 
Das Hyrgol veranlaßt eine Vermehrung des Gesamtsticksoffs im 
Urin und des Harnstoffs nur in etwas stärkeren Dosen (1,5 mg 
pro Kilogramm Tier); auf den Nucleinstoffwechsel übt es keinen 
Einfluß aus.?) 

Was die Intensität der Wirkung anbetrifft, so ist diese 
beim Sublimat schnell und ausgiebig; weniger aktiv ist das 
Hyrgol und noch weniger das Kalomel; was die Dauer dieser 
Wirkungskraft angeht, so besitzen Sublimat und Hyrgol nur 
eine vorübergehende, flüchtige, während Kalomel einen lange 
anhaltenden Einfluß ausübt, der sich auf eine Reihe von 4 bis 
5 Tagen ausdehnt und den man noch nach längerer Zeit in 
Form von vorübergehend gesteigerter Absonderung von Stick- 
stoff im Urin und von seinen Verbindungen wahrnehmen kann. 

Die Wirkungskraft des Quecksilberthiosulfats ist derartig 
von der der anderen Hg-Verbindungen verschieden, daß wir 
es für richtig gehalten haben, es getrennt von diesen zu be- 
handeln. Injiziert in gleichen Mengen (nach dem Metallgehalt) 
wie die aktiven Dosen des Sublimats, rief das Thiosulfat bei 
einem der Hunde (Nr. 4) keine Veränderungen im Gesamtstick- 
stoffgehalt des Urins, sondern nur eine beträchtliche Ver- 
mehrung der Menge der ausgeschiedenen Harnsäure hervor; bei 
Hund Nr. 5 dagegen veranlaßte dieselbe Menge von Thiosulfat 
eine deutlich bemerkbare Vermehrung des Gesamtstickstoffs, 


des Harnstoffs und der Harnsäure schon drei Tage nach der 
Injektion. 


1) Es muß hinzugefügt werden, daß nicht alle Versuchstiere in 
gleichem Maße auf die Injektion von gleichen Dosen Sublimat reagierten. 
Diese individuellen Verschiedenheiten können vielleicht z. T. die Unter- 
schiede in den von den Autoren beschriebenen Ergebnissen erklären. 

2) Das Verhalten des Hyrgols ermöglicht keinerlei Erklärung, zumal 


die Kenntnisse, die wir von der Zusammensetzung dieser Substanz be- 
sitzen, spärlich sind. 


Einfluß einiger Queoksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 377 


Zur weiteren Beweisführung wiederholte ich das Experi- 
ment mit stärkeren Dosen (2 mg Hg pro Kilogramm Tier) und 
konnte in diesem Falle bei allen beiden Hunden feststellen, daß 
die Vermehrung des Gesamt-N und der einzelnen Schlacken im 
Harn nicht an dem der Injektion folgenden Tage erfolgt, wie 
wir es bei den Injektionen der anderen Quecksilberverbindungen 
sahen, sondern sich erst 3 bis 4 Tage später einstellt und eine 
beträchtliche Zeit anhält. Dieses Verhalten des Quecksilber- 
thiosulfats, auf das schon Sabbatani (15) aufmerksam machte, 
als er die Giftigkeit einiger Metallsalze mit Bezug auf die Dis- 
sozistion studierte, wird nach diesem Autor der Tatsache 
zugeschrieben, daß das Salzmolekül in den Lösungen dieser 
Verbindungen nicht in einfache Ionen, sondern in komplexe 
Ionen dissoziiert, so daß sich die Ionenwirkung des Quecksilbers 
(welcher seine charakteristischen pharmakologischen und toxischen 
Eigenschaften zukommen) nur offenbaren kann, wenn der Ionen- 
komplex sich durch Absonderung des Säureradikals in Gestalt 
des Kalium- oder Natriumsalzes gespalten hat. Diese An- 
schauungen erklären auch die früheren Versuche von Dreser (16), 
der bereits bemerkt hatte, daß die toxische Wirkung des Queck- 
silberthiosulfats viel geringer ist als die der andern orga- 
nischen Verbindungen des Quecksilbers und daß man bei An- 
wendung gesteigerter Dosen dieses Salzes keine akute, sondern 
eher eine subakute Vergiftung erhält. 


Ferner ist in der Wirkungsweise des Thiosulfats die sehr be- 
trächtliche Vermehrung der Harnsäure beachtenswert, die auf 
Zablen steigt, wie sie nur durch den Einfluß des Hydrosols er- 
reicht wurden. 


Die Tatsachen, die aus diesen Versuchen hervorgehen, lassen 
sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: 


1. Quecksilber, direkt in den Kreislauf einge- 
führt, sei es in Form des Hydrosols oder von Salz, 
beschleunigt in ausgesprochener Weise den Stickstoff- 
umsatz, indem es seine Menge im Urin bedeutend ver- 
mehrt. 


2. Um gleich starke Wirkung zu erreichen, sind 
größere Dosen von Sublimat, Kalomel, Hyrgol, Mer- 
curithiosulfat als von Hydrosol nötig. 


378 G. Izar: 


3. Es besteht kein Unterschied in der Wirkung 
des nicht stabilisierten und des stabilisierten Kolloids. 


4. Parallel der Vermehrung des Gesamtstiokstoffs 
vermehren sich auch Harnstoff und Harnsäure. 


Literatur. 


H. v. Böok, Zeitschr. f. Biol. 5, 393, 1869. 

Noël Paton, Journ. of Anat. and Physiol. 1886—1887. 

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12. Schlesinger, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmak. 13, 1880/81. 
13. G. Izar, diese Zeitschr. 17, 1909. 

14. L. Preti, Hoppe-Seylers Zeitschr. 58, 60. 

15. Sabbatani, Archiv. di Psich. Antrop. orimin. e Med. leg, 25, 1904. 
16. Dreser, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 32, 1893. 


Lett e EE E ët E eg 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 379 











































Tabelle I. 
Hündin Nr. 3. Diät: Brot 450 g; destill. Wasser 1000 ccm; — 3 8- 
—F Eë Faeoes Harn Di ee iz | R 
Seel s 
a |a J = 128 E e 2 e| : 2 
E dg La enge | 3 Ae SS gQ 9 s|: ja Käy 
S I133|5 (ge- NIleIls|8|s3 N- A E |S "BE zS 
z 35 trock- S Le S | 8<| Bilans ; = Eisıs 215% 
s8133 | ne) ar o a  G ID [945195 
SE | SI z 
ef: Sg Igigleeniëigël |8| 8 memg 
Sk 1946, ed 0,0274, Mn 8,883 8 | 24 
á í -+ > | 
58,4 |2,494/0,831 9705,04215,873 + 0,179 4,217 9.037 7| 2 
720 5,039|5,870+ 0,1824,185| 8,968 7| 
Mittelwert 6 052] | [0,831] 1,092]5,923+ 0,129|4,182| 8,962| 7| 22| 82,1 0,14 





















































6.-7. |E33# 6,052 760 6,722]7,506 — 1,454 5,549 11,891| 33 | 99| 82,5 |0,49 
1.8. |E532| n 910 6,135 —— 12.092| 31 | 92| 91,4 0,51 
K v Bee = 

3.0. [5327 » || 123,37/4,705 0,784] 9906,897]6.681 0,629 5,110110,967 32 | 97 86.7 0,54 
wALRÉCE -, 730 5,05415,838 +0,2144, 122| 8,833 27 | 80| 81,5 0,53 
11.12.1038] ` — 0,385/4,707110,087| 7| 21) 83,2 0,12 























T [0,784] 5, 67916, 463|— 0,411/4,858|10,410| 27 | 81| 85,5 [0,48 



















12.-13. 850|5,26516,064!— 0,012/4,594| 9,845| 14 | 41| 87,2 |0,26 
13.-14. 5,167[5,966/+ 0,086,4,352| 9,326 12 | 36| 84,2 |0,23 
14.-15. 900 5,014]5,883.+ 0,169|3,867 8,287] 12| 36| 77,1 10,24 
15.-16. 830 5,03615.835 + 0,217:4,102| 8,791) 7 | 21| 83,3 \0,14 


5,138]5,937 + 0,11514,220) 9,063] 11 | 33] 82,3 |0,24 


































16.17.1333 om | 930/7,624]8,214/— 2,162/6,823|14,620| 37 |112] 89,4 |0,49 
17.-18. $88 |, | 980 7.202|7,792— 1,740 6,739/14,441| 49 |149| 93,5 |0,68 
18-19. [2285| „ 740 6,007|6,597 — 0,547 5,599 11,993| 56 |167| 93,2 0,93 
19.20. 13,==| „ |l110,17514,720l0,500 610 5,004|5,594 + 0,458 4,683 10,040 61 |183| 93,5 11,21 
20.-21. ek 3 815 4,102]4,692 + 1 ‚360 3, zis 7,111 30 | 90! 80,8 10,73 
21.-22.|"5= | „ 910 4,532/5,122 + 0,930 3,950 8,251 25 | 75 86,9 \0,55 
22.23.4182 |. 670 4,914/5,504 aen 9,344] 8| 23| 88,7 0,16 
—— |, 840 4,900!5,490|+ 0,562/4,110| 8,808) 16 | 49| 83,8 [0,33 





| 15,5356, 125, — 0,073]4,93510,580| 35 |106| 89,1 10,63 











24.-25 6,052 6,011|+ 0,041/4,219| 9,039] 11 | 34| 80,6 0,26 
25.-26 = 48,34 2, 850 5,00015,780/+ 0,272|3,870| 8,292 23| 77,4 |0,16 
26.-27 Š 730 5,107]5, 8,743 24| 74,8 19,16 
























































Mittelwert 16,052 ' 10,780] 15,112]0,892.+0,160,4,056| 8,691| 9| 27| 79,3 0,16 





27.-28.|#_- 516,052 KW 870/5,099]5,960|+ 0,092|4,330| 9,278] 9| 26| 81,0 |0,18 
28.20.1852 el „ 830/5,13015,991 + 0,06114,370| 9,364 8| 25 85,5 0,16 
29.-30.155%°| „ | 740 5,11615,977 4 0,075 4,114| 8,815] 7| 23| 90,4 0,14 
— Saz 97,32 $, wart ‚861 | | | | 

8 90 + 
1. Dez. HSS E| „ | 69015,139]6,000 + 0,052 4,119) 8,825] 8| 25 30,1 0,16 
1..2. [53 | | 790 5,195]6,056|— 0,004 14,221] 9,044 8| 25| 81,2 0,15 


Mittelwert 16059] | 10,861l 15,135[5,906/+ 0,05614,231] 9,066 8] 251 82,3 10,16 


380 G. Izar: 
Tabelle I (Fortsetzung). 












H | F Ham |. Z 
g —— I Sr së E AE s| 8 
Mengo | |8|g|* |a 303l kgk 
F 2 SIS list 3 [3< — —35 
< S Eis 
A g g g | g lemig |g g | g Imgimg S 
| 6,052 24| 76,0 10,16 
. „ [$ 54,6102,525/0,841| 910 20| 78,2 |0,14 
, x 17| 81,4 (0,14 
Mittelwert |6,052 Im 20| 78,5 0,14 






























+ E 860|5,897[6,646|— 0,594|4,605| 9,868] 9| 27| 78,0 |0,15 
Pesa 980/6,220|6,969— 0,917/4,774|10,230| 13 | 39| 76,4 |0,21 
Emay 900 6,08215,831|+ 0,2214,107/10,065| 10 | 30| 80,7 |0,20 

. 8x 5,604|+ 0,4483,730| 7,893| 10 | 30] 76,7 |0,21 
Bas 36| 90,0 |0,25 
10.-11.[; 3 32| 91,8 [0,21 
Mittelwert |6, '5,409|6,158;— 0,106:4,474| 9,687| 11 | 32) 82,7 10,20 
11.-12. 715i5,250|5,967'+ 0,085|4,560| 9,772] 9| 27| 86,7 [0,15 
„13. 41,17 |2,160/0,717| 91015,1115,828.+ 0,2244,044| 8,536| 6| 19| 79,1 0,12 
830|5,163|5,870)+ 0,18214,212| 8,975) 6| 17| 81,7 |0,12 
























14.-15.13 | 1100\8,560l6,383!_ 0,331/4,632| 9,926] 19 | 87! 83,3 0,4 
16.16. 73.13 |3.293'0.823] 970/6,10716,930|— 0,87814,958| 9,627| 50 |150| 81,2 (0,82 
16.-17 840 5,8656,678|— 0,626.5,448|11,675| 52 |157| 93,0 10,88 





17.-18. |$ 8 
Mittelwert |6,05 





930|5,960|6,783|— 0,731|4,268| 9,146] 23 | 68| 71,6 |0,39 
15,870]6,693:— 0,641.4,827|10,345| 38 !115| 82,2 10,66 
































18.-19. 6,062 81016,11118,727|4 0,32514,156| 8,906] 20 | 61 81,3 0.39 
19.-20. j 790'4,829|5,445 + 0,607/3,780| 8,070| 31 | 92! 78,3 10,64 
20.-21. ; 850 4,27014,886 + 1,166,3,389| 7,260) 25 | 75! 79,3 0,50 
21.-22. ý 990 5,251|5,867:-+ 0,185 4,015) 8,604! 29 | 86! 76,4 0,55 
22.23 i 1100/4,661|5,277'+ 0,77513,660| 7,821| 6| 19] 78,3 013 
à n 900 5,111[6,727 + 0,325 3,914| 8,386, 17 | 50] 76,5 0. 
24..26 n [f 9%81917,39010,616| 970'4,95615,572 + 0,48013,707| 7,9431 13 | 41| 74,7 0.26 
25.-26 S 700/5,15315,769 + 0,283:3,931| 8,423| 10 | 29! 76.2 10,19 
26.-27 i 850:5,040)6,650)+ 0,396/4,066| 8,712| 7| 21| 80.6 0,4 
27.-28 ä 845 5,167|5,783 + 0,269)4,223| 9,050 7| 21| 81,7 0,14 
28.-29 $ 915/5,063|5,679 + 0,37314,043| 8,536, 8| 24| 79.8 0,16 
29.-30 s 990/5,044|5,660 + 0,392|4,185| 8968| 8| 25; 82,9 '0,16 





Mittelwert |6,052 |4,97115,587|+ 0,465;3,921] 8,401| 15 | 45| 78,8 |0,30 


e 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 381 


Tabelle I (Fortsetzung). 













Quotient 


(NU : N)x 100 


Behandlung und 
Bemerkungen 


















lg ze 
30.-31.| Ss 870 5,035]5,912|+ 0,140 4,370, 9,364| 20 | 59| 86,7 10,40 
Ma Des PDD 
Tik 850/5,293|6,170 — 0,118 4,038! 8,526| 16 | 47| 76,2 |0,30 
EF 910/5,095|5,972 + 0,080 4,342| 9,304| 27 | 82| 85,2 |0,53 
FEE 955 5,167j6,044|+ 0,008,4,380| 9,386| 12 | 36| 84,7 10,23 

















Mittelwert 6,05 Tr 0,877| 16,147[6,024+ 0,028,4,282| 9,175] 19 | 56| 83,2 10,37 
3.4. 600/5,06315,855|+ 0,197]4,198] 8,994| 10 | 31] 82,9 |0,20 
— 800 5.02115 .813+ 0.239 4.090| 8764| 16 | 49 81.4 0.32 
5.-6; | 730|5.098|5.890 + 0.162 4.112| 8.810 13 | 38| 80.6 0.26 
6.7. 850/517615 968 + 0.084.4.270| 9.149! 7| 22! 82.5 |014 
7.-8. 179,914 6,335.0,792| 9155.1935 985+ 0.067 4.310! 9235| 10! 3183.0 [0.19 
8.-9. 9255.0145 806+ 0246 4117 8823| 6| 19| 82.1 [0.12 
9.-10. 870,5,12715,919 + 0,133 4,284| 9,179| 9| 27| 83,5 0,18 
10.-11. 940 5.079|5.871.+0.1814.209| 9043 6| 18| 82.8 0.12 

















S 1,140 5,197 — 26 | 79| 82,4 0,41 


‚6,582 0 1,421 5,713 12,242 31 | 94 86,8 0,47 


6,054 Ee 0,893 5,117|10,965| 28 | 83| 84,5 [0,46 


‚5,448|6,339 —— 10,318 18 | 53| 88,3 |0,33 
16,096|6,897|— 0,935|5,210111,165| 26 | 77| 85,4 [0,48 


1200 6,301[7,192 

990 
1000 
990 









| 


74,8 |3,564/0,891 




















15.-16. 850|4,645|5,436+ 0,616|4,009| 8,590]| 14 | 41| 86,3 |0,30 
16.-17. 730 5,209|6,000 + 0,052 4,119| 8,825 14 | 42 79,0 0,27 
17.-18. BO" e zeck, Zeg Aë d e N Be, | Së e 
18.-19. 137,26 15,537 0,791| 870 4,844|5,635 + 04174. 100 8,786| 19 | 59| 84,6 0,39 
19.-20. 920 4,605|5,396 + 0,65613,870| 8,295 9| 26 84,0 0,20 
en 21 990 5,128]5,919 + 0,133 EH 9,241 17| 52 84,2 0,33 
21.-2 850|5,091|5,882+ 0,17014,091) 8,770| 9| 26| 80,3 [0,18 








2 





DU [4,920/8,711/+ 0,34114,084| 8,750] 14 | 42| 83,0 0,28 


t 





22.-23.|E s2 6,082 | | 715 5,027(5,807 + 0,245/4,019 8,611) 25 | 75] 79,9 0,50 
Se © ri | | | 
23.-24. | 2 820 5,072]5,852 + 0,200/4,114| 8,815 30 | 91 81,2 0,59 
` ag) ” IN 64,12 3,1210,7800 3 H | | | 
4.2.0302 „ | | | 890/5,048]5,828 + 0,2244,219 9,039] 39 |118| 79,8 0,77 
“Ho: | 
gau, | 090 5,1055,885-+ 0,167/4,087| 9,258] 19 58| 80,0 (0,38 


Mittelwert 6,052] ' 10,780) 15,063]5,843.+ 0,2094,108| 8,802| 28 | 85| 81,1 0,55 


382 G. Izar: 
Tabelle I (Fortsetzung). 





) 























2 F Faeces Ham | z Z 
5 K E o Es Zi vw 1 P £ SI 8 
g Fei Menge 3 o R + 8 E ao n = =g 
SE. (ge- w| |g N- SIS x3 x 
3 9% | | trock- a 4 S 3 EE Bilanz Í: 33 EISE 
A g| 2 = zZ al 5 bi * D te 
A Z = 
7 g 8 Icm| 8 g g g jmgimg Ba: 
Jan: | 
26.-27. 1100/5, 176]5,974|+ 0,0784, 380 9,386) 13 | 39, 84,6 :0,25 
27.-28. | 431001200 ulm keC 0104.78 8.963] 18 54; 82,8 10,36 
28.-29. 8,764| 11 34 82,5 ‚0,22 
Mittelwert |6, a |0,798] e —— om 195!4, 506 9,033: 14 | 12; 83,1 '0,28 
29.-30 R ‚123 0,071/4,719|10,102| 35 |106| 88,8 ‘0,66 
30.-31 920 5,313]6,123!— 0,071 4.680 10,029 50 |151| 88,1 0.94 
31. Jan 
bis 
1. Febr 970 5,421]6,231/— 0, 17914, 830 10,352; 47 |140| 89,1 10,87 
LS 1000|5,198|6,008 + 0,044/4,474| 9,587| 47 |142| 86,0 10,90 






Mittelwert |6, 05 5,31116,121j— 0,069 4,676|10,020| 45 |135 88,0 ‚0,85 





















































| 

2.-3. 6,052 | 1100:4,798]5,648!+ 0,404:3,870| 8,295: 40 121 80,6 0,88 
3.4. i 970'4,312]6,162|+ 0,890 3,613, 7,742, 21 | 63 83,8 0,49 
4.-5. á 890 5,335|6,185 + 0,133 4,419, 9,459| 32 | 95| 82,8 oe 
6. , 930 6, 176|6,026+ 0,026 4, 070; 8,681, 22| 67| 78,6 0,48 
Ei $ 930|5,016|5,866 + 0,186,4,127| 8,606/ 28 | 84| 82,2 |0,56 

8. i 790:5,15616,006 + 0,046 4214| 8,990 24| 71| 81,7 
Bi , 1 8169 |11,060,0,850| 850 5,107|6,957'+ 0,095|4,130' 8,850 14 | 43! 80,8 ‚0,27 
A0. 8 830 5,084|5,934j+ 0,118:4,089) 8,760; 22| 66| 80,4 |0,48 
10.11. e 910/5,019|5 ‚869 + 0,183 4,119. 8,825| 12 | 37| 82,0 0, 

11.-12. á 870/5,016|5,966 + 0,086|4,219| 9,039; 14| 41| 84,1 
12.-13. í 930 5.156|6 ‚006+ 0,048,4,113| 8,810) 10 | 30; 79,7 0,19 
13.-14. i ‚820 + 0.232'4,005| 8,582) 6| 19: 81,7 (0,12 
14.-15. i 850/5,068|5,918 + 0,134!4,117 9 | 27| 81.2 10,18 








8,223. 


Tabelle II. 
Hündin Nr.4. Diät: Brot 500 g; destill. Wasser 1000 com; Kochsalz 4 g. 





i 










ER 
Je 28.8 
e + 
FIE A2? 
38 = dE 
Sg A Hee 
AR SI z 
a 18 | 








1300,5,718[6,452 + 0,273'4,528 9,704 




























6. 1100'5,938]8,673/+ 0,062 3 E 713048 
5.-6. | 5,938|6,673/+ 0,052/4,844|10,381| 26 | 79 | 81,5 0, 
6.-7. 72,59 '3,66910,734 — | — 4450| 9,536 20 oi 

7.-8. 9.481 24 | 71 | 95,8 0,41 


4,466 9,671) 26 | 79 — 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 383 


Tabelle II (Fortsetzung). 


— ——— E — — EE — — — — — EEE 


















Kal Z 
EG —373333 
3 Ek 5 SS ege 



















9.-10.|3_ x 
EE 
10.-11. ETL 
ch 
11.-12. SC 
ERD RK 1400 5,79216,614+ 0,111l4,338| 9,206 38 |114| 74,9 10,65 
ERT SE 1200 5,202|6,024!+ 0,701'3,917! 8.204 29 | 87| 75,3 (0,55 











6,725 






















Mittelwert 10,822] [5,831]6,663/+ 0,0724,623| 9,700] 41 ]124| 75,5 |0,70 
14.-15. 6,725 130016,318]7,042!— 0,317|4,717|10,113| 47 |141| 74,6 |0,74 
15.-16. 5 1300|5,960 6,684 + 0,041/5,181/11.103! 30 | 90] 86,9 |0,50 
16.-17. „n Je 64,771/3,619.0,724|1300,5.8136,537:+ 0,188|4,844,10,381! 36 107 83,3 !0,61 
17.-18. — | 1200,6,065|6.789|— 0.06415.054; 10,831 A 97: 83,3 10,66 
18.-19. 990/5,897|6,621|+ 0,104|4,580| 9,814| 27 | 81| 77,6 [0,45 
































eg 1550:7,160]8,03 |— 1,306|6,492 ën 52 |157| 90,6 [0,72 
20.21 € 1250 6,142]7,113 — 0,388 5,650|12,107, 77 233 91,9 |1,28 
21.-22. SER d 94,510/4,35210,871|1320/5,307|6,178. + 0,547/4,465| 9,568 71 214 84,1 1, 33 
22.-23. |. EN 1175 5,876|6,747 — 0,022 4,760110,200' 85 1255! 81,0 |1,44 
23.246” S 1100:5.265[8,136|+ 0,589 4,170] 8,936 34 |101| 79,2 10,64 





10,871] 18,990]6,860|— 0,136,5,107|10,943| 64 |192| 85,2 11,09 





1155/6.602|6,3151+ 0,410:4,834 10,358! 35 106 86.2 |0,62 
119,997|3,665 0,713|1300'5,792]6,505 + 0,220 4,243| 9,091| 36 109; 73,2 |0,62 
1200 5,813/6,526'+ 0,199 4,327| 9,271! 29 | 88| 74,4 (0,47 


— | — ——— |  — | m, |  ——— | — 











15,723|6,436]+ 0,289 4,622) 9,608] 33 | 98 | 79,0 10,67 







| | | Kasär, 
000|6,0446,905|— 0,18015,521,11,830| 52 1155, 91,3 \0,86 


peur 





43,815 2,584 








0,861|1200 6,48617 ,347|— 0,622 — 44 132| 81,4 0,67 





A | 1380/6,002!6,863|— 0,1385,054 10,831| 17 | 52| 84,2 [0,28 
Mittelwert |6,725| | [0,861] |6,177[7,038|— 0,313'5,280]11,314| 38 |113. 85,4 |0,61 





384 G. Izar: 
Tabelle II (Fortsetzung). 


age EH 










y Z 

3 IE) 2 £ 
gd 333737— 
5 D 3 2325 
= RS 
g ee 
£ SE 
























) 
lio — 0,30 
27 | 83| 68,3 0,40 


13306 21316.000 0, gie 791112,409 
110,056 4,122.0,687| 350 6 2066 803 — 0,168 5,017I10,750! 33 '100 83.2 * 54 


1000 5.623/6, 310|+ 0,415 4,528 9,704 


1230:5, 834 6, 521+0 2044, 422| 9 416 CH Ei 75,8 0,37 
1300/5 518|6,243|+ 0,4824212 9.026 28 | 84 76,3 '0,50 


6,87916,666 + 0,159,4,794/10,272| 26 | 78 81,5 0,44 








E 
& 
: 2 
© 
Gel 
et 
© 
“ul 
Ni? 
I 
© 
Cp 
ed 
x 


| 
14005,73316 4874 — goe 35 |105| 73,4 * 







p 
10.-11. [8 së 
E Pa 
> 
11.-12. 2 55,030 12,262)0,754]1270'5,660l6,414|+ 0,311/4,422| 9,476 31 | 92 78,1 [0,54 
Sr 
so 


1210,5,870)6,624+ 0,101 31 | 92 ‚0,52 
18,754|6,508:+ 0,217|4,317| 9,249| 32 ı 96 | 75,0 10,55 














13.-14. 1800|6,00218,807|— 0,08215,170:11,079| 32 96 | 86,1 10,83 
14.-15. 1380 6.00216 8071 0.082 5, 170/11.079 25 | 75 | 86.1 ‚0,41 
15.-16. 090 6,002]6,807'— 0.082/5. 093 10.913 19 | 58 aan 0'31 
16.-17. 1040155811638614 0. 3394,170 8,936| 21 | 62 | 74,8 ‚0,37 
17.-18. 185,62 |7,243 0,806[1180:5,897|6.702)+ 0,023 4,482| 9,604 33 | 98 | 76,0 d 
18.-19. 1520 5,45916,2864 +0,461| — | — |28|84| — 0,51 
19.-20. 1210 5,53916,3441+ 0,381| — | 9,026 23 |70| — o Al 
20.-21. 1030 5,750]6,555 + 0,170/4,412| 9,454. 31 | 93 | 76,6 [0,53 

21..22 1200:5.9096,714|+ 0,01114,402| 9,433] 28 | 84 | 74,5 10.47 















Mittelwert 6,728 55, 79316598 +0,12 598 + 0,127]4,630, 0,030]27] 80] 80,0 0,46 


Pr 7,393|— 0,668|5,344 111,450 39 |116! 82,0 0,59 


KI 
-J 
& 


43,090 2, 631 0. 87711400 5,855]6,732|— 0,00714,212| 9,026: 39 |119| 71,9 |0,66 


eem HuCl. "lioo 
3 


. V. 9 Uhr morg. 
intravenös 
= 20 mg Hg 


wi 307|6,184|+ 0,541|4,044| 8 e 45 |135| 76.0 |0.67 
5,592]6,769._ 0,044 4,533) 8,717] 41 |123; 76,8 :0,60 























25.-26 1260 5,93916,638)+ 0,087|4,844110,381| 37 |110] 81,5 0,62 
26.-27 1335 6,314|7.013'— 0 28815, 04 10,808! 37 1110| 79,8 10,58 
27.-28 1470'5,561|6.260'+ 0, 465 4,233| 9 on) 61 |152; 76,1 :0,57 
28.-29 1370 6,171/6,870)— 0,165,5,138.11,009| 31 | 92; 83.2 10,50 
29.-30 — | — |40 120) — | — 
30.-31. 164,52 16,990 0,699 1000 12916,828/- 0, Ae 27011, an 23 a 85,9 0.37 
b.i.Jun! 10,478 21 | 62 85,0 0.38 

1.-2. 1200 5,582]6,281 ‚er 317 10,489! 24 | 74; 77,5 10,43 
2.-3. 27| 80 

3.-4. 15505,815 SE d au 4,424| 9,485| 32 | 97| 76.0 oan 


Mittelwert 16,725 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 385 


Tabelle II (Fortsetzung). 




























































































Y Faeces Harn | Z 
EC TEIGE 
wg | 5 | Menge |g8|* |s2 2| $ 31313 xx 
34 = ge- | N e gai glissa, N- 3 Alga 
gu | | trook- © | 3 |82| Bi 5 s EIS 
ER em z 8 m mi E 
Sag g Leen! g |g g | g mm |) ~ 
Juni 18. Dë | 
4.-5. Fr x 6,725 | 7,225|— 0,500|4,908'10,516' 26 | 77 | 76,6 040 
Di 
GT KM 
6.-6. Esch „ |} 62,080 |2,48610,822|1500 67074 0,018.4,733|10,142| 32 | 96 | 80,4 [0,54 
© 
Sa ed 
S Es 
6.-7. |; S] „ 7,112 — 0,387/4,969|10,649| 26 | 77 | 79,0 |0,41 
Mittelwert 16,725 8,192]7,014|— 0,289|4,870'10,435| 28 | 83 | 78,6 [0,46 
7.-8. 6,725 SOEN 6,108[6,836 — 0.111:5,090!10,907| 20 ! 60 | 83,3 |0,32 
8.-9. 1500 5.840|6,568 + 0,1574, 443| 9,521| 27 | 82 | 76,0 |0,46 
3 67,266 |3,643/0,728/1610 5,848 6.576 z 01494536! 9721| 24 | 73 | 77.5 0.41 
10.-11 
1l. 
Vi 
gie | | 
12.-13.]#5= 6,725 140015,960[6,800:— 0,175 5,475111,732| 64 |193| 91,8 0,10 
EIER 
Ds 
13. 14 18391, | 71,613 |2,520 0,8401490|5,706|6,546.+ 0,179.4,769'10,218| 78 234 83,5 0,13 
= E38 
E SS 
W-18laezäëi , 1510 5.909|6,749— 0,024|4,942\10.591| 91 273 83.6 [0,15 
Mittelwert 16,725 IO _:5,55816,698:+ 0,027 5,062.10,847| 78 233 86,4 [0,12 
15.-16. 16,725 | 1670'5,848|6,587|+ 0, 138 4,77410,229| 25 | 75! 79,7 |0,42 
16.-17. f 1200 5 5,897|6,636/+ 0 en 4.802|10.290 41 |122! 81,4 |0,69 
17.-18. $ — 4, 77110221 29| 88! — | — 
18.-19 „ | 91,770 |6,173.0,739 1200 6.108/6,847|— 0,1225 221 618| 18 | 55| 95,1 [0,29 
19.-20. $ 1610;5, 10,323 24| 73| 84,1 [041 
20.-21. ý 1940 5 75616.495|+ 0230/5 054 10.831! 39 |117! 87.8 |0,67 
21.-22. n 1400/5,686|6,425j+ 0,3004.422, 9,476 22 | 65| 77,7 0,38 
Mittelwert 10,725 0,139) ,6,854|6,693|+ 0,132,4,860:10,426] 28 | 85 | 83,1 10,47 
EE 
22.-23. RER 1840 6,037|6,754.— 0,029'5,370|10,507| 35 106 91,1 |0,59 
SE 
23.-24. ep 6,107(6,824 5,294!11,343| 55 |165! 86,6 |0,90 
55 
>28 
24..25.|5j25 1430 6,476|7,193|— 6,672.12,155| 40 a 87,5 |0,61 
"Mittelwert 16,725 16,207]6,024) 0,190 5,445 7 43 ‚130; 71,610, 
25.-26. 6,725 1540 6,848]7,452|— 13,059| 21 | 62] 89,0 |0,30 
26.-27. S 1175 6,932|7,536.— 0,81116,782114,533 19 | 56| 97,8 |0,27 
27.-28. f 1320 6,7657, ‚369|— 0,644,5,917112,678| 43 |130| 87,4 [0,63 
28.-29. $ 1150.5,160|5,764+ 0,961/4,414| 9,458 29 | 87| 85,5 0,56 
29.-30 „ [$ 157,14 |4,830.0,604|1200 5,519|6,123|+ 0,60214,219| 9,039| 25 | 74| 76,4 0,45 
30. Juni 
b. 1.Juli S 1140 5,760|6,364'+ 0,361/4,832|10,354| 30 | 91| 83,8 |0,52 
1.-2. 1150:6,054[6,658 + 0,067 5,017|10,750| 29 | 86| 82,8 |0,47 
2.-3. 970 5,865/6,469| + 0,256 4,319 9,253| 24 | 74| 70,6 0,40 


Mittelwert 16,725 0,604 0,1131]6,717)+ 0,008/5,199| 11,139; 27 | 82 | 85,0 |0, 


386 G. Izar: 


Tabelle III. 
Hündin Nr. 5. Diät: Brot 350 g; dest. Wasser 800 com; Kochsalz 2 g. 






























= 2 2 
28 3 2|.8 
g |88 218 xx 
3 53% SIS ere 
Ek ei Se es 
April 
27.-28. 4,707. 610'3,791|4,464 + 0,243]1,966| 4,213| 25 | 75| 51,8 10,66 
28.-29. , — + 0,2011,685 3,611|22| 67| 43,9 0,59 
SEH > 68,962:2,692!0,673| 740 3,9594 632 4 0,075 1,938| 4,153] 24 | 74| 48,9 0,61 
1. Mal 700'3,79114 w 0,24312,050| 4,393! 21 | 64! 54,0 Ka 








Mittelwert 4,707 | 10,673] 13,84314,516+ 0,191j1,900| 4,090; 23 | 70] 49,6 :0,60 














F- 800'4,52815,153'— 0,446'2,527| 5,414. 58 |173] 55,8 |1,31 
SC 
EPER 3,229: 6,918! 56 |166! 80,7 11,40 
a 3 
ee. 70014,14214,767|— 0,060'2,822! 6,086! 50 |150! 68,1 * 








Ei: 
et 
& 
2 

® 

4 
E 
“Xa 
el" 
I 


| 10,625| 14,22414,849— 0,142]2,850| 6,125| 55 |164| 67,6 |1,30 


680 4,28215,028;— 0,321;2,797| 5,992| 11 | 34| 65,3 0,26 
700 3,53814,284|4 0,4231,825| 3,910| 32 | 95] 51,5 10,90 

| 91014,17014,916/— 0,209 2.966] 6,327| 35 |106! 71,1 10,84 
75,176,4,476/0,746| 850 4,131|4,877|— 0,170 2,514 5,182] — | — | 61,5 | — 
860 3,791|4,537 + 0,170.1,386| 3,970| 13 | 38! 36,5 0,34 
900:4,001|4,747|— 0,040.1,966| 4.213| 22 | 66| 49.1 10,55 


— 3,985|4,731|— 0,024.2,248| 4,817| 38 |113; 61,4 10,95 


| 32,399/1,874:0,625| 60014,001 0,081 





























10.-11.18 g 4,707 600|3,74914,390|+ 0,317/2,106! 4,513|27 | 81] 53,7 !0,72 
SH? 

11.-12. PET S 34,240 1,923|0,641| 800:3,58014,221|+ 0,486'2,948| 6,315| 31 | 94| 82,3 |0,87 
99-8 
>o si | 

12.-13. Sar 660'3,78714,428!+ 0,279) — | — |23| 70! — 10.61 


13,706|4,346 + 0,361;2,527| 5,414| 27 | 82; 68,2 0,73 
































13.-14 700j4,14214,809|+ 0,102/2,246]| 4,813| 31 | 94; 64,1 0,8 
14.-15 3,731) 34 103 48,6 '0 

15.-16. 750 3.861 4,528 +0.1791.944| 4164| 19 | 56 50,3 Ken 
16.-17. 4,213 19 | 57, 52,6 0,51 
17.-18. 106,94 [6,006 0,667| 680 3,650|4,317 + 0,390.2.246 4,813) 17 | 50, 61,5 0,47 
18.-19. 720 3,650|4,317,+ 0,390 2,246 4,813| 24 | 73! 61,5 '0,66 
19.-20. 730 3,972|4,639'+ 0,068 2,246| 4,813| 28 | 85' 61,5 0.70 
20.21. 670 3,65014,317 + 0,390 1,938. 4,151| 20 60) 53,1 0,55 


810 3,650|4.317'+ 0,390/1,966| 4,213| 26 | 78' 53,8 0,71 
13,76614,433.+ 0,274]2,062| 4,418 24| 73| 54,7 0,61 






Mittelwert |4,707 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 387 
Tabelle III (Fortsetzung). 














rg ei 

g A 
38 È s| 8 
$ 388 dë: 
5 is 3 213 
FE E S ZSZ 
& 8 es LG 
TA Si 2 
ra mg 






















ES u 4,707 5,977 35 |104| 65,8 0,83 
gag 

kb oa Pë 

Geff - 4,573! 50 |150] 48,4 1,13 
A 

a s 2 1,03 


5,226] 41 |122] 60,3 |1,00 








25.-28. 660|3.580]4,233/+ 0,474|2,134| 4,573| 26 | 79] 59,6 |0,73 
26.-27. 810 3,931 1.584 4 0,123/2,246| 4,813] 34 1101| 57,1 |0,86 
27.-28. 850 4,28214,935|- 0,228|2,808| 4,515| 28 | 84| 65,5 [0,65 
28.-29. 620|4,22614,879|— 0,172/2,425| 5,197! 28 | 84| 57,3 |0,66 
29.-30. 7104,2264,879!- 0,172)2,668| 5,718! 32 | 97| 63,1 0,76 
30.-31. Zee e E EE ee e 
31. Mai 
bis 


6003,72114, 374 4 0,333|1,614| 3,451| 25 | 74| 44,3 |0,67 
600|3,44014,093|+ 0,614/1,598| 3,425| 28 | 85| 46,4 0,81 


69013,510|4,163|+ 0,54411,780| 3,815| 26 | 79; 51,9 [0,74 
'3,661]4,517)+ 0,1902,196| 4,706] 28 | 85| 56,8 |0,72 













a g 14,707 730|4,33114,894|— 0,187|2,948| 6,315! 23 | 71| 68,0 063 

S Së 

8 Ka e 

F ai 2 800/4,650|5,213'— 0,506 2,808| 6,018| 22 | 65| 60,3 |0,47 
O mO 

EEE 

A- 800|4,02914,592|+ 0,115/2,864| 6,137| 22 | 67| 71,1 [0,55 









| 10,568]  |4,337|4,900— 0,193|2,873| 6,167|22| 67| 66,2 0,51 
















7.8. 1010|3,707|4,285|+ 0,412|1,933| 4,142| 25 | 74] 52,1 |0,67 
8-9 770 3,1693.747 + 0,96011,727| 3,701| 32 | 95| 55,3 11.13. 
9.-10. 51,308|2,939/0,588| 540|3,29913,837 + 0,820 1,587| 3,401) 24 | 72| 48,1 10,73 
10.-11. 750:3,798[4,386 + 0,321|1,808! 3,874| 26 | 78| 47,6 0,68 
11.-12, 650|3.84214.430|+ 0,277|1,946| 4,170| 26 | 78| 50,6 |0,68 








Mittelwert 14,7 10,588)  |3,561|4,149;+ 0,558]1,800| 3,857| 26 | 79| 50,5 |73,0 





12. 13. 383 [4,707 1070!3,65814,373|+ 0,334|2,026| 4,343| 30 | 90| 69,7 |0,82 
EEE 

13..14. [5 SCH „ |} 22,89 |2,14510,715| 670/3,8064,520.+ 0,18711,968| 4,213] 54 |161| 51,6 11,35 

14. 15. à23 * 5903,87814, 63034 0,114|1,825| 3,921] 60 |181| 47,0 |1,5% 


Mittelwert 14,707] | 0,716) 13,780]4,405|+ 0,212]1,930| 4,166] 48 |144| 61,3 11,26 


388 G. Izar: 


Tabelle III (Fortsetzung). 








rg 

ES s| 2 
Pi o Mja u 
SE S VIE x 
ck: S EIS 
He 045,95 
Ë- ba CG 
Sé “| 





oct 142|4,745 — 0,038/2,303| 4,935| 14 | 42, 55,6 0,34 
1015/4,401|5,004|— 0,29712,780 5,968| 18 | 55: 69,4 |0.45 

830) > an 31| 94) — 
4,212l4,815 — 0,108'2,527| 5,415| 37 |110] 60,0 10,88 
EE 800.3 7211924 4 0,383 2.688 6.718|27 | 82| 71,7 10,73 
860 3,791|4,394 + 0,313]1,996 4.277\21| 64 51,8 10,56 
700|3,959|4,562|+ 0,145:2,085| 4,468] 22 | 66: 52,6 0.56 


10,603] _14,038j4,641j+ 0,066|2,393; 5,126 24 | 73| 59,2 ;0,59 


















22.-23. 3 F E vm 1230,3,760 4,400|+ 0,307|1,902| 4,076 27 | 82) 50,7 0,72 
FE 

23.-24. = 535 * 68,17 |1,95010,650| 680 3, 86114, 53114 0,19611,685! 3,611| 32 96 43,6 10,83 

24. 25.3 2 770.4,72115,371/— 0, 664 2, 2461 4,813| 56 168| 47,6 |1,18 


4,111[4,761/— 0,054|1,944| 4,162| 38 |115| 47,6 10,93 


920/4,601|5,175|— 0,468]1,966| 4,213] 50 |151; 42,7 11,08 
930/4,580/5,164|— 0,447/2,527| 5,415| 34 |102. 55,1 '0,74 
796 4,980|5,554 — 0,847 2,527| 5,415] 42 1126 63,4 0,84 
1,966| 4,213| 21 | 61 56,0 0,60 
85014,299|4.873|— 0,166.2,106| 4513| 24 | 73: 48,9 0,56 








000,3,79114.365 + 0,342 1,908 4213| 21 | 63 51,8 0.55 
630/3,51014,084! 1685| 3.611125 | 74| 48.0 0. 


14,098[4,672 + 0,036 ,2,088| 4,475) 37 |102; 54,8 0,90 
620 5,313|6,041|— 1,33418,246| 6,956] 57 |172 61,1 11,07 


| 


T 5,540/— 0,833|3,246| 6,956 37 112 67,4 WOU 


730j3,412]4,140'+ 0,567|2,324| 4,980| 31 | 92; 68,1 m 


700,3,510|4,084'+ 0,623|1,966| 4,213' 82 E 56,0 2,23 
























5 mg Hg 


Occm Hg-Hydrosol 


3.VII. 9 Uhr morgens 
1 
cht stabil. intrav. 























Mittelwert 14,707 RK _14,51216,240/— 0,633:2,938| 6,206] 42 1125] 65,1 10,93 
6.-7. 4,707 — 0,084/3,017| 6,465] 34 |101 72,5 0, s1 
7.-8. R 690 3.791|4,403 Geng 5616| 49 Dag 70.4 (E 
8.9. S 850'4:001|4,613!+ 0,0942,312| 4,955| 27 | 83: 57.7 0.67 
9.-10. ” je 59,79113,672 0,612] 740 3/67814.290 + 0.4172 GC 4.445 14 | 43 56,3 '0.38 

10.-11. ,, | 810} — — Bon 4,288 23 | 70, — | — 
11-12. ` 870 3,86814,4804 0,22711.849| 3.963 24 | 73! 47.8 0.62 








Mittelwert 4,707] 13.899|4,511;+ 0,196 2,320] 4,972) 20 | 86 59.5 0,75 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 389 
Tabelle III (Fortsetzung). 



























Ki Faeces Harn ' 2 Z 
SR Z | - 1% 
Z E ; 
BEA E RSE IE HN: 
$ 15% | | trock- N ER 82 Bilanz > S 
aal g 8 8 8 Icem| 8 g 8 g mgm 
Juli 
12.-13. $ a 4707 750 14,97015,489 — 0,782|3,145| 6,740| 48 |145| 63,2 |0,96 
EHI 
13.14. [3582| „ Jr 30,217/1,657/0,519] 840,6,79116,310.- 1,603]3,700] 8,122) 71 |212| 65,4 |1,25 
Wi 
m 
14.-15.|5e® | „ 630 4,721|5,240,— 0,533|3,413| 7,314| 36 |109] 72,3 10,76 
Mittelwert 14,707 | _10,510/ [6,161j6,680,— 0,973,3,440| 7,301| 52 |155| 68,8 |1,00 
16.16. 670|3,159[3,629|+ 1,07812,319| 4,970] 39 |117] 73,4 |1,23 
16.-17. 43013,6504,120|+ 0,587'2,814| 6,030| 31 | 92| 77,1 10,95 
17.-18. 6603,86114,331'+ 0,376.2,117| 4,637| 28 | 84| 54,8 |0,74 
18.-19. 660 3,650|4,120)+ 0,5x7 2,011! 4,310) 19| 58| 55,1 10,52 
19.-20. 620 3,721|4,191/+ 0,516 1,715 3,675| 22 | 65| 72,9 |0,59 
20.-21 710,3,678|4,148|+ 0,559/1,994| 4,273! 26 | 79! 54,2 [0,70 





710,3,777|4,247 + 0,460|2,003| 4,292| 27 | 81| 53,0 |0,71 





















Mittelwert |4,707 13,642|4,112+ 0,505.2,130| 4,534] 27 | 82| 63,6 10,74 
5 „[6707 | 900|4,159]4,772]— 0,065|2,470| 5,293] 33 n 59,4 10,79 
ir „ [N 27,31 |1,830'0,813] 600.4,370l4,983|- 0,27612,5643] 5,150 33 | 99| 56,8 [0,75 
EU | BR ,827'— 0,120|2,613| 6,600' 27 | 80| 60,6 |0,64 

























Mittelwert 14,707] | 0,613] |4,248]4,861i— 0,164 2,512) 5,418] 31 | 93, 59,9 |0,73 
25.-26. 14,707 630'4,009|4,558!+ 0,149|2,314| 4,959| 38 |114] 57,7 |0,94 
28.-27. 8 540 4,20814,757|— 00509 003 4,292| 39 |117| 47,6 ‚0,92 
27.-28. : 690|3,714|4,263|+ 0,44411,638| 3,510] 27 81 43,1 |0,72 
28.-29. iR 680,3,79114,340/+ 0,3671,945| 4,168) 43 |129| 50,4 1,13 
29.-30. „ Ir 79,84 |3,8430,549| 715.4,40914,958|— 0,251/2,544| 5,452! 19 | 57| 57,7 ‚0,43 
30.-31. 820 3,31213,861 goe wg 4,213| 34 1102| 59,4 |1,02 
31. Juli 
— , 650|3,749|4.298|+ 0,409'2,108| 4,513! 24 | 72) 56,1 10. 64 














Mittelwert |4,707] | 10,549 


Biochemische Zeitschrift Band 22. 26 












































390 G. Izar: 
Tabelle IV. 
Hündin Nr. 3. 
Dauer Ge- Ge- Ge- Ge- "e; 
der samt- |samt-| samt- | samt- samt- | samt- 
Periode| Ge- [N-Ein-|N im | N im |N-Aus- Un | UN 8| S 
in | wicht | fuhr | Kot | Harn | fuhr | RL SS dä 
Tagen Bilanz + — x x 
nıns|ın|Nn UN | UN | SlslSls 
pro die | pro die | pro die | pro die pro die | pro die +i IP 
a g g g g g g mg 
3 
; 18,156 2,494 15.276 17,770|+ 0,386|12,547| 21 
Vorperiode |3. Nov.116,200| Gos20,831| 5,092] 5.923] + 0,128] 4,182] 7 | 81] 14 
pa He (Versuchs-| 6 36,312|4,705 34,074 38,779|- 2,467|29,149| 162 
de) | periode |6.-12. [16,990] 6'05210,784| 5,679| 6.463] - 0,111] 4,858 27 | 855 | 0,48 
nicht sta- ) Nach- 4 24.208 3,196.20,55223,748|+ 0,460|16,915| 44 
bilisiert | periode |12.-16.116630| 6'0520.799 5.138, 5.937|+ 0.115] 4.229 11 | 823 024 
Hetto (Versuchs-| 8 48,416 4,720 44,280 49,000|— 0,584139,482| 360 
dsg, | periode |16..24.[16:100| 6.052 .0,590 5,535; 6,125|-0.073| 4,935) 35 | 891 | 963 
stabili- | Nach- 3 18,156 2,342 15,336 17,678|+ 0.478|12,169| 27 
siert | periode [24..27.115;900| oosgo 2e0 5.112 5892+ 0.160] 4056! 9 | 793 | 0,16 
Versuchs- | 5 30,260/4,304 25,675 29,979|+ 0.281j21,154| 40 
Hyrgol, | periode |27; Nov-|15,880 6'052 0, pan 5.135 5.996|+ 0,056] 4231| 8 | 873 |016 
geringe | 
Dosis | Nach- | 3 be oaen — 625 15,276 17,801|+ 0,365112,006| 21 | 785 014 
periode | 2.-5. |15. we) '841| 5.092 5.933 0.119| 4.002 7 |785|% 
Versuchs- | 6 36,312.4,494 32,454 36,948|— 0,636126,698| 66 
Hyreol, | periode | 5.11. 16,230| 6.052.0,749 5 409  6,158|- 0,106] 4,474| 11 82,7 | 0,20 
8 e 
Doni Nach- | 3 18,156 2,150/15,513 17,663|+ 0,493|12,816| 21 
ms | periode |11.-14.[15:900| g05210,717| 5.171) 5880| +0,164| 4272] 7 | 826/014 
ersuchs- 24.208 3,293 23,480 26,673|— 2,465|19,307| 152 
Del, | periode |14.18 15,830] 60520823 5.870 egal 0,641| 4827|) 38 | 8%? | 9,66 
8 e 
Dosis | Nach- | 12 | e 110|72,624/7,390 59,656 67,046|+ 5,578]47,059| 180 | „gg 03 
periode |18.-30 6.052 0,616 4,971, 5587+ 0408 3,921] 15 | ‘991% 
Versuchs-| 4 24,208 3,508 20,590 24,098|+ 0,110|17,130| 76 
HgCle, | periode |30; Dez{16,340 6'052 0,877, 5,147 6.0244 0.028] 4282| 19 | 892 | 997 
geringe 
Dosis | Nach- | 8 48,416 6,335 40.771/47,106|+ 1,310133,590| 80 
periode | 3.-11.|15810| 60520792 5.096 5888+ 0.164] 4198) 10 | 32:3 | 020 
Versuchs- 4 24,208 3,564 — — 3,741|20,841| 84 
Det), | periode |11.-15 15,900) 6'052 0.891 6 096, 6,897|— 0,935] 5,2101 26 | 554 0,43 
starko 
Dosi Nach- | 7 42,364 5,537 29,522 35,059|+ 7.305|28,586| 98 
“U periode Ia al) 6,052 0,701, 4,020 Ain 0,941] aosa) 14 | 990/078 
| 


Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 391 








Tabelle IV (Fortsetzung). 





Ge- 
samt- |samt- 


24,208 3,121 20,252 23,373|+ 0,835|16,439 












































26* 















ersuchs- 112 
Bech, | periode |? Zo BT) 6,052,0,780 5,063, 5,843|+ 0,209] 4,108 28 | 9110,56 
SC p Nach- 3 fig 100/181562394| 5,176/17,570|+ 0,586|12,648| 42 83,1 | 0,28 
periode [26.-29. | > 6,052 0,798 GH 5,857|+ 0,195] 4,206| 14 
ersuchs-| # "pe ec bi Ces 18,703 180 
HgCh,, | periode Er šan 16,00 | 6,052\0,810| 5,311, 6,121|- 0,069] 4,676 45 | 880 |085 
ne Nach- | 13 Jus 990|78,676 11,050 65,313/76,363|+ 2,313 53,105 247 | 13038 
periode | 2.-15. UN ,052/0,850| 5,024 5,874|+ 0,178| 4,085) 19 dei i 
Tabelle V. 
Hündin Nr. 4. 
Ge- | Ge- Ge- - 
samt- |samt-| samt- - 
N-Ein-| N im! N im | N-Aus- 
fuhr | Kot | Harn 
Fame 
pro die | prodie | pro die | pro die 
g 8 g | 
u 7- E — — | 
33,625 3,669 29,090 32,759|-+ 0,866[22,700 120 
— Am x 6,725 0,734 5818 6,552|+ 0,173 4,540 24 
Hg-Hy- (Versuchs-| 5 Le „09[33,625.4,112129,155.33,267|+ 0,358|22,615| 205 
drosol, | periode | 9.-14.|°”” | 6,725 0,822| 5,831| 6,653|+ 0,072] 4,523| 41 
nicht sta- ) Nach- 5 23 000|33,625 3,619 30,045 33,664|— 0,039]24,375| 170 
bilisiert | periode |14.-19.|”” | 6,725 0,724) 6,009 6,733|— 0,008| 4,875! 34 
Hg-Hy- ersuchs-| 5 23.100 33,625 4,352 29,950 34,302|— 0,677|25,535| 320 
J periode |19..24.|°° | 6,725.0,871| 5,990 6,860|— 0,136 5,107 64 
stabili- | Nach- | 5 Jos 600022. 625 3,565 28,615 32,180|+ 1,445|22,610 165 
siert periode |24.-29. |” 6,725 0,713 5,725| 6,436|-+ 0,289] 4,522) 33 
ersuchs-| 3 20,175 2,584 18,531 /21,115[- 0,490|15,840| 114 
Deh, | periodo kA 23,500) 6,725 0,861 6,177, 7,038|— 0,313] 5,280 38 
| 
Dosis | Nach- | 6 ee „09140,350 4,122 35,274 39,396|+ 0,954|28,764| 156 
periode | 4.-10.|°” N 5,879) 6,566|+ 0,159] 4,794 26 
| 
ersuchs-| 3 20,175 2,262 17,262|19,5241+ 0,651[12,951 96 
Hei, | periode |10..13.|7%000 6.725 0.754 5,754 6,508|+ 0,217] 4,317] 32 
Doss | Nach- | 9 Leg 100160,525 7,243 52,137 59,330|+ 1,145|41,751| 243 
periode |13.-22. |>= | 6,725 0,805, 5,793, 6,598|+ 0,127] 4,639| 27 


392 G. Izar: 
Tabelle V (Fortsetzung). 


——— —— — —— — — — ———— ——— — — — ——————————————————————— 




















Ge- Ge 

Dauer Ge- Ge- Ge- Ge- F 

der samt- |samt-| samt- | samt- eg samt- e e 
Periode) Ge- |N-Ein-|N im| N im | N-Aus- UN | UN = 2 

in wicht fuhr | Kot | Harn fuhr N- X X 
Tagen veel Bis) A — z * 

N N|ı N N UN | UN Le Le had 
A pro die | pro die | pro die | pro die pro die | pro die 

uani e g g g g g mg 


3 j 
Versuchs- 20,175 2,631 17,676 20,307|— 0,132|13,599| 123 
HgCl, | periode | rn Mail22,80 | 6,725 0,877| 5,892 6,769-0,044| 4.533] Au | 768 | 0,68 


| 
— Nach- | 10 67,250 6,990 59,070 66, 0604 1,190|47,700| 320 
periode |25; Mai) 6,725 0,699 omg 6606+ 0.119] 4,7701 32 | 8970,54 











ersuchs-| 3 20,175 2,466 18,576 21,042] 0,867|14,610| 84 
Hyreol, | periode | 4.-7. |7999 6,725 0,822 6,192 7,014|-0,289] 4,870) 28 | 7S6 | 0,45 
StAaTKe | 
Dosis | Nach- | 5 33,625 3,643 29,555 33,198|+ 0,427] 3,955| 125 
© | periode | 7.12.7700] 6,725 81,0 | 0,42 


0,728 — 6,639|+ 0,086] 4,791| 25 





Hg-Thio- [Versuchs- | 3 20,175.2,520 17,574 20,094|+ 0,081[15,186| 234 
Zog periode |12.-15. 22,900| 6725 0,840 6,858) 6,698|+ 0,027] 5,062) 78 86,4 | 0,13 


e | 
eringe ? | | 
gering Nach 3 Wë 23,100 47,075 5,173 40,978 46,151|+ 0,924|34,062| 196 83,1 | 0,47 


Dosis | periode 6,725 0,739, 5,854) 6,593|+ 0,132] 4,866 28 


Thio- [Versuchs-| 3 20.175 2,150|18,621 20,771|— 0,596|16,335| 129 
—— periode |22..25. |7000 6,725 0,717 6.207. 6.924|- 0.199] 5,445) 43 | 716 | 0,69 


starke Nach- 53,800 4,830 48,904 53,734|+ 0,066|41,682| 216 





8 

Dosis | periode |25; Jr 6,795 0,604 6,113) 6,717|+ 0,008] 5,190) 27 | 501944 
Tabelle VI. 
Hündin Nr. 5. 











18,828 2,692 15,374 18,066|+ 0,762] 7,639 


INS 3,843 4,516|+ 0,191} 1,909 
14,121/1,874 12,671 14,546|— 0,426| 8,578 

































= periode — 4224 4,849|— 0. 1421 2,859 

e | 

Dosis Nach- 22,242 4,475 23,913 32,389|— 0,144|13,486 61.4 | 0.95 
periode 4,707 0,746 3,985 4,731|— 0,024| 2,248 
ersuchs-| 3 14,121 11,923 11,116 13,039|+ 1,083] 5,054 73 

Dei, | periode |10.13. 4.707 0,641 zw 4.346|+ 0,361| 2,527 0, 

e l 

SDosis | Nach- | 9 |10.900142363 6,006 33,893 39,893]+ 2,48618,540 WK 

periode |13.-22.| > | 4,707 0,667 3,766 4,433|+ 0,274] 2,062 > 





























Einfluß einiger Quecksilberverbindungen auf den Stoffwechsel. 393 
Tabelle VI (Fortsetzung). 
Ge- Ge- 
Gelee er samt- | samt- 
Periode| Ge- [N-Ein-|N im| N im |N-Aus- un UN] 2|3 
— wicht | fuhr | Kot | Harn | fuhr — — 7 
N N N N UN | UN Aa] lb 
pro die | pro die | pro die | pro die pro die | pro die 
Daiam| kg e g g g g mg i 
3 | | 
ersuchs- 14,121 2,265 12,432 14,497|— 0,375| 4,920) 122 
l» j periode 22. Mai [10,400] 47070755. 4077| 4.832|— 0.125| 2460) 41 | 693 | 4,00 
Dee Nach- 47,070 6,528 30,916 36,140|+ 1,900|17,273| 227 
periode |25: Mai |11,100| 4'70710,653| 3,864| 4,517|+ 0,190] 2196| 28 | 588 |072 
Versuchs-| 3 14,121/1,689 13,000 14,699|- 0,579| 8,620| 67 
Hyrgol, | periode | 4.-7. 10,800] 4’707.0.563| 4,337, 4.900|- 0.193] 2873) 22 | 662 | 9,61 
starko 
Dosis | Nach- | 5 23,535,2,939 17,805.20,765|-+ 2,790| 9,001| 133 
periode | 7.-12.]19200| 4,70710,588 3.561, 4,149|+ 0,558| 1,8001 26 | 995 | 7,30 
Ho-Thio- [Versuchs- 3 14,121)2,145 11,341/13,486|+ 0,636] 5,817] 144 
Zeg riode Ha 1 19600] 47070715 3.780 44951+0212 1939! 48 | 513] 1,26 
sulfat, pe 
geringe 1 Nach- | 7 32,949 4,221 24,226 26,844|+ 0,462|14,359! 170 
Dosis | periode [15..22. 10800 4707 0,603| 4,038| 4,641|+ 0,066] 2393) 24 | 592 | 969 
-Thio- [Versuchs-| 3 14,121 1,950 12,332|14,282]— 0,162] 5,833| 115 
er periode |22,.25. 19900] 4'707 0.650! 4.111 4.7611 0.054] 1,944 38 | 476 |093 
starke Nach- 8 37,656 4,590 32,781 37,393|+ 0,280|16,709| 299 
Dosis | periode 125, Junij10,700| 4'707 0,574] 4,098 4,672|+ 0,035] 2,088] 37 | 548 | 990 
pe, (Versuchs-| 3 14,121 2,185 13,537|15,721|- 1,599] 8,816| 125 
periode | 3,.6. [11100] 470710728 4,512) 5.240|-0,533| 2,938 42 | 651 |093 
nicht sta- | Nach- 6 28,242 3,672 19,497 22,557|+ 1,176|13,923| 171 
bilisiert | periode | 6.-12.|1%900| 4'707 0012 3,899) 4.5114 0.196] 2,320) 29 | 995 | 975 
Ho-Hv. (Versuchs-| 3 14,12111,557 15,482 17,039|- 2,919|10,348| 155 
E | periode |12..15. [9700| 4,70710,519 5,161| 5,680] 0,975| 3,4491 52 | 668 | 1,00 
stabili- Nach- 7 32,948|3,291 25,496 28,786|+ 4,165[14,973| 192 š 
siert riode |15..22, 19900] 47070,470| 3,642 4,112]+ 0,595| 2,139, 27 | 636 |074 
pe 
Versuchs- | 3 14,121 1,839 12,743 16,582] 0,462] 7,626) 93 
En j periode |22.-25. ui 4.707 0,613 4,248 4,861|— 0,154] 2,542, 31 | 9991073 
3 6 | 
Dosis Nach- | 7 32,948 3,843 27,19231,035|+ 1,918|14,517) 224 
periode |25. zu [10,500 4,707 0,549) 3,884 4,433|+ 0,274| 2,074 32 53,4 | 0,82 


b.1.Aug. 


Schnelligkeit der Absorption des Strychnins in 
Gegenwart von Kolloiden. 


Von 


J. Simon. 


(Aus dem Pharmakologischen Institut der Kgl. Universität Parma.) 
(Eingegangen am 28. September 1909.) 


Mit 1 Figur im Text. 


I. 


In der Absicht, den Einfluß der Kolloide auf die Absorp- 
tion der Arzneimittel zu studieren, habe ich als Arzneimittel 
Strychnin gewählt, welches eine sehr charakteristische und aktive 
Wirkung in kleinen Dosen hat und eine große Genauigkeit in 
den Untersuchungen erlaubt. 

Es ist allgemein bekannt, daß einige Substanzen mit den Kolloiden 
chemische Verbindungen eingehen, man weiß auch sehr wohl, daß in diesem 
Falle die Absorption der ersteren Hindernissen begegnet, und daraus kann 
man für den Gebrauch von Gegengiften Nutzen ziehen. Über diesen 
Punkt ist es also nicht nötig, neue Untersuchungen anzustellen, und ich 
beabsichtige mich auch nicht damit zu befassen. 

Andere Substanzen dagegen gehen keine chemischen Verbindungen 
mit den Kolloiden ein, aber es steht fest, daß zwischen Kolloiden und 
Arzneimitteln Adsorptionserscheinungen eintreten können, und es wird 
ebenfalls zugegeben, daß die große Viscosität der Kolloide der Bewegung 
der Moleküle und der Ionen im Wege steht. 

Ich habe mir nun vorgenommen zu untersuchen, ob die 
Kolloide aus diesen physikalisch-chemischen Gründen imstande 
sind, die Absorption der Arzneimittel aufzuhalten, unter denen 
ich aus den obengenannten Ursachen das Strychnin gewählt habe. 

Dieses Studium erscheint mir sehr angebracht, da die wenigen 
Angaben, die man hierüber in der Literatur findet, einander 


J. Simon: Absorption v. Strychnin in Gegenwart v. Kolloiden. 395 


widersprechen,!) und da der Zweifel nicht ausgeschlossen ist, 
daß ungeeignete experimentale Bedingungen frühere Forscher 
gehindert haben, genaue Resultate zu erzielen. 

Zum Beispiel habe ich in meinen z. T. noch schwebenden 
Untersuchungen über den Einfluß der sauren und alkalischen 
Reaktion des die Arzneimittel enthaltenden Mediums auf die 
Schnelligkeit der Absorption derselben gefunden, daß die Reak- 
tion des Mediums eine sehr große Bedeutung hat — und ich 
werde dies noch im Laufe dieser Arbeit beweisen, wenn es sioh 
darum handelt, die Arzneimittel auf peritonealem Wege oder 
subcutan einzuführen. 

Nun hat sich niemand bisher damit beschäftigt, und es 
ist daher augenscheinlich, daß die Versuche auf suboutanem 
Wege mit kolloidalen sauren oder alkalischen Lösungen, die in 
der Literatur bekannt sind (ich kenne keinen Versuch auf peri- 
toneslem Wege), in hohem Maße ihren Wert verlieren. 

Hinsichtlich der per os ausgeführten Versuche lohnt es 
sich zu beachten, daß es schwer ist, den Einfluß des Kolloids 
von dem Einfluß des Verdauungsprozesses zu unterscheiden, 
wenn man mit Kolloiden im Verdauungstrakt experimentiert. 
Der Verdauungsprozeß hält die Absorption an und für sich 
und auch noch dadurch auf, daß er die absondernde Tätigkeit 
der Verdauungsdrüsen verändert. Gerude deshalb scheint für 
solche Art Untersuchungen dieser Weg von allen vielleicht der 
ungeeignetste zu sein. 


II. 


1. Experimentelles. 


Ich gebrauchte immer Frösche und bei jeder Serie von Versuchen 
Tiere, welche an demselben Orte und am gleichen Tage gefangen waren; 
ihr Gewicht schwankte zwischen 15 und 25 g. Diesen spritzte ich auf 
peritoneslem oder subcutanem Wege in ihrem Körpergewicht entsprechen- 
den Quantitäten Lösungen (in Wasser oder kolloidem Medium) von 
Strychninum muriaticum zu 0,02°/, ein. Die eingespritzte Quantität war 


1) H. Tappeiner, Über die Wirkung der Muoislaginosa. Archiv 
intern. de Pharmacod. et de Therapie 10, 1902. — A.R. Hatoher, The 
effect of colloids in diminishing the toxicity of strychnine. Amer. Journ: 
of Pharmacy 74, 1902. — R. Luzzatto, Intorno all’influenza dei oolloidi 
sull’ assorbimento dei farmaci. Archivio di Fisiologia 2, 1905, 3, 1906; 
4, 1906. 


396 J. Simon: 


beständig 1 com auf je 20g des Frosches: die in Anwendung gebrachten 
Kolloide waren Eiweiß, trocknes Eialbumin Merck, lösbare Stärke Kahl- 
baum, Gelatine, Gummi arabioum. 

Die Einspritzungsflüssigkeit wurde nie erwärmt. Die Temperatur 
der Atmosphäre schwankte zwischen 16 und 20°. 

Immer überzeugte ich mich von der Güte der Froschgruppe, über 
die ich verfügte, mittels einer Reihe von Versuchen mit einer wässrigen 
Strychninlösung, und ich machte keinen Gebrauch von den Tieren, 
wenn die Maximalzeit des Auftretens das Doppelte der Minimalzeit über- 
schritt. 

Gleich nach der Einspritzung wurde der Frosch unter eine Glas- 
glooke in wenig beleuchteter Umgebung gesetzt, dann schlug ich alle 
10 Sekunden leicht auf den Tisch, worauf sich das Tier befand, bis es 
in Krampf verfiel. Durch diese in gleichen Zwischenräumen wiederholten 
Reizmittel suchte ich genau den Augenblick festzustellen, in welchem die 
absorbierte Strychninquantität die mindestgenügende war, um den Grad 
der Reflexreizbarkeit zu bewirken, die geeignet ist, den Stryohninkrampf 
bervorzurufen. Alle meine Versuche beruhen daher auf der geringsten den 
Krampf hervorrufenden Dosis. 


2. Versuche auf peritonealem Wege. 


a) Eialbumin. Ich habe schon oben bemerkt, daB es 
mir nach im Gange befindlichen Untersuchungen feststeht, daß 
die saure oder alkalische Reaktion des Mediums einen sehr 
großen Einfluß auf die peritoneale Absorption der Arzneimittel 
hat. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, über die ich mir vor- 
behalte, ausführlicher in einer späteren Mitteilung zu be- 
richten, beschränke ich mich für den Augenblick darauf, zu 
bemerken, daß die saure Reaktion die peritoneale Absorption 
des Strychnins aufhält, während die alkalische Reaktion sie be- 
schleunigt. 

Die Versuche mit Eiweiß sind in Tabelle I, Reihe A, zusammen- 
gestellt. Das Eiweiß wurde gehörig geschüttelt, dann durch Leinwand 
filtriert. Wie aus der Tabelle hervorgeht, erscheint durch Einspritzung 
von Strychnin, das in Gegenwart von Eiweiß bis zum Verhältnis von 
60°/, aufgelöst war, der Krampf schneller als durch Einspritzung einer 
einfachen wässrigen Strychninlösung aber die Beschleunigung wird mit 
dem Wachsen der Eiweißmenge immer geringer, bis mit 96°/, Eiweiß 
eine Verzögerung erscheint, die jedoch sehr gering ist. Diese Resultate 
sind wahrscheinlich der gleichzeitigen Wirkung zweier Faktoren zuzu- 
schreiben: einerseits der alkalischen Reaktion des Mediums, welches da- 
nach strebt, den Krampf schneller hervorzurufen, andererseits der Gegen- 
wart des Kolloids, das vielleicht dahin wirkt, ihn aufzuhalten, und das, 
wie es scheint, ein leichtes Übergewicht erhält, wenn es sehr konzentriert 


Absorption von Strychnin in Gegenwart von Kolloiden. 397 


ist. Daraus kann man schließen, daß das Eiweiß nur in sehr starker 
Konzentration die peritoneale Absorption des Strychnins in unbedeuten- 
der Weise aufhält. 

Wie aus Tabelle I, Reihe B, hervorgeht, verursacht trocknes Ei- 
albumin Merck, welches in schwacher Konzentration neutral ist, eine 
sehr geringe Verspätung des Krampfes. 











Tabelle I. 
Erscheinen 
: des Strych- 

Reihe ninkrampfes | Be- 
des nach Min. | ziehung 
Weg Ser EA 

schnittsza == 
suche von 5 Ver- 







suchen) 





b) Stärke. Auch mit Stärke habe ich zwei Serien Ver- 
suche angestellt. In einer Serie habe ich mich der im Handel 
befindlichen alkalischen Stärke bedient. 

Ohne die Versuche hier wiederzugeben, beschränke ioh mich darauf 
zu bemerken, daß beim Gebrauch von Stärkelösungen zu 1, 2, 2,5%, 


1) Zur Bestimmung der inneren Reibung diente mir der heute wohl 
gebräuchlichste, von Ostwald konstruierte Apparat. Die Messungen 
wurden im Thermostaten, der eine konstante Temperatur von 16° zeigte, 
vorgenommen, und zwar mit dem Chronoskop, das Fünftelsekunden ab- 
zulesen gestattete. Die Berechnung der relativen inneren Reibung der 
Eialbuminlösung und der anderen zu Versuchen verwendeten Lösungen 
geschah nach der bekannten Formel 


TFT’ 

wo a das spezifische Gewicht der in Versuch genommenen Lösung auf 
Wasser von 16° bezogen ist, # die Durchlaufszeit der Lösung in Sekunden, 
8 das spezifische Gewicht des Wassers bei 16° gleich 1 und 7’ die Durch- 
laufszeit des Wassers bei 16° bedeutet. 

2) $ in dieser Formel gibt die Erscheinungszeit des Krampfes mit 
wässrigen Stryohninlösungen an; € bezeichnet hingegen die entsprechende 
Zeit a kolloidalen Lösungen. Wenn = 1 ist, so hat man: t: =1:z, 


oder: CH 


398 J. Simon: 


der Krampfanfall schneller erscheint, so daß die Beziehung £ (wenn man 


£ — 1 setzt) bzw. 0,70 — 0,74 — 0,91 wurde. Wenn ich dagegen die voll- 
kommen neutrale lösliche Stärke Kahlbaum gebrauchte, so erhielt ich 
eine mäßige Verzögerung. Aus Tabelle II erhellt in der Tat, daß 5°/, ige 
lösliche Stärke die Absorption des Strychnins aufhält und daß die Ver- 
zögerung mit Lösungen zu 18,6°/, größer wird, aber es ist fast dasselbe, 
sei es daß die Viscosität der Lösung relativ niedrig oder sehr stark ist. 


Tabelle II. 


















BR Viscosität von 16° Be- 
* EE ziehung 
Ver- Nach dem | relative ť 
suchs Zubereiten | innere | schnittszahl Ge 


Rei- von 4 Ver- 


suchen) 


c) Gummi arabicum. Da die wässrige Lösung des Gummi 
arabicum, wie bekannt, eine saure Reaktion hat, so habe ich 
zwei Serien von Versuchen angestellt. Bei der ersten habe ich 
die saure und bei der zweiten eine neutralisierte Lösung ge- 


braucht. 

Die bei der 1. Serie (Tab. III) erzielten Resultate beweisen, daß 
der Krampf beim Einspritzen von Strychnin in nicht neutralisierter 
Gummilösung mit sehr großer Verspätung erscheint, die mit Zunahme 
der Quantität des Kolloids immer größer wird; die Resultate der 2. Serie 
(Tab. IV) beweisen, daß man auch mit neutraler Lösung eine starke 
Verzögerung im Erscheinen des Anfalles erhält, aber daß dieselbe viel 
geringer ist als die mit sauren Lösungen. 

Aber da das Gummi, wie wohl bekannt ist, viel Kalk enthält, und 
Untersuchungen von Zanda!) und von Flamini?) gezeigt haben, daß 
in Tieren, die mit Kalk behandelt werden, der Strychninkrampf weniger 
schnell erscheint als in Normaltieren, so entstand der Zweifel, ob nicht 
die von mir beobachtete Verzögerung im Erscheinen des Krampfes von 
dem im Gummi enthaltenen Kalk abhinge. Daher habe ich in den 
Lymphsack des Rückens verschiedener Froschserien CaCl, in viel größeren 
Mengen eingepritzt, als im Gummi enthalten ist, und nach 1 Stunde, 
als die durch den Kalk hervorgerufenen charakteristischen Symptome 


2) G. B. Zanda, Azione dei metalli alcalino-terrosi per iniezione 
lombare. Archivio di Farmacologia a Terapeutica 10, 1902. 

2) M. Flamini, L’azione del calcio contro alcuni veleni oonvulsivanti. 
Rivista di Clinica Pediatrica, anno 4, 1907. 


Absorption von Stryohnin in Gegenwart von Kolloiden. 399 


aufgetreten waren, spritzte ich das Stryohnin in die Bauchhöhle ein. 
Bei diesen Bedingungen sah ich, daß der Krampf mit einer kleinen Ver- 
spätung erscheint, die nicht mit der durch Gummi erzielten vergleichbar 
ist. Während dies einerseits mit den von Zanda und von Flamini 
beobachteten Tatsachen übereinstimmt, beweist es andrerseits, daß die 
durch das Gummi bewirkte Verspätung in der Absorption des Strychnins 
nicht dem darin befindlichen Kalk zugeschrieben werden kann. 


Tabelle III. 
Lösungen 


enthaltend °/, relative 


` Gummi innere 
Strychninum| arabicum Reibung 


muriaticum | nioht neu- 





tralisiert 
10 
20 
28 
38,5 
Tabelle IV. 
Lösungen 
Strychnin- 
enthaltend ° 0 relative Kies n. Beziehung 
E Gummi innere |Min. (Durch. 
tralisiert | (£ 16°) |4 Versuchen) 
1 0,02 = | 1 Ai 3%" 1 
2 0,02 1 1,45 5'7" 1,10 
3 0.02 5 3,28 5’ 20” 1,14 
4 0,02 10 6,31 5’ 51” 1,25 
5 0,02 | 20 21,06 SI BI 1,73 
6 002 ; 30 88,32 Y 30” 2,04 
7 om | 40 273,55 117 25” 2.45 


d Gelatine (Gallerte). Da die Gelatine sauer ist, so 
führte ich auch hier zwei Serien von Versuchen aus. Bei der 
ersten bediente ich mich der Lösungen von saurer, bei der 


zweiten von neutralisierter Gelatine. 

In der ersten Serie (Tab. VA) bemerkte ioh, daß der Strychnin- 
krampf mit großer Verspätung eintritt, in der zweiten hingegen (Tab. V B) 
war die Verspätung viel geringer und unbedeutender. Daraus geht her- 
vor, daß die Gelatine in den von mir gebrauchten Konzentrationen 
den Krampf in unbedeutender Weise aufhält. 

In andern Versuchen, die ich der Kürze halber nicht aufzähle, 
habe ich gesehen, daß die saure Gelatine fast in derselben Weise den 
Anfall aufhält, sei es 1 Stunde, nachdem die Lösung gemacht ist, d.h. 


400 J. Simon: 


wenn sie wenig viscos ist, sei es nach vielen Stunden, d. h. wenn die 
Viscosität sehr hoch ist. 2) 
Tabelle V. 


Lösungen 
enthaltend °/, 





Erscheinen des 
Strychnin- 
krampfes nach [Beziehung 
























des relative | X 

Strychni- i Minuten (Durch- 
Ver- ——— Reibung schnittezahl Ä 
suchs | suchs | muriati- (é 16°) von t 





5 Versuchen) 






cum 










A P Al 1 
i Ur Al 2,05 
S 11’ 20” 1,99 
B 3'18” 1 
g DE 1,22 
, 3' 56” 1,19 


3. Versuche auf subcutanem Wege. 


Bei diesen Versuchen habe ich mich nur neutraler Lö- 
sungen bedient, denn die saure oder alkalische Reaktion des 
Mediums bringt, wie ich vorher sagte, bemerkenswerte Unter- 


schiede in der Schnelligkeit der Absorption des Strychnins hervor. 

Aus der kurzen Serie von Versuchen, die ich anführe, ergeben 
sich Befunde, die mit den auf peritonealem Wege angestellten Versuchen 
vollständig übereinstimmen. 

Das Eialbumin und die Gelatine verursachen eine kleine Ver- 
sögerung, welche mit löslicher Stärke zu 18,6°/, bemerkenswert zu 
werden beginnt und die mit 40°/,igem Gummi arabioum wirklich stark 
wird (Tab. VI). 

Tabelle VI. 













Lösungen 
enthaltend °/, 





Strychnin- 

relative krampfes n. Beziehung 
innere Min. (Durch- 
Reibung | schnittezahl 
von 


1) Dieses viscosimetrische Verhalten der Gelatine ist schon von 
Schroeder bemerkt und beobachtet worden. (P. v. Schroeder, 
Über Erstarrungs- und Quellungserscheinungen von Gelatine. Zeitschr. 
f. physikal. Chem. 45, 1. Heft, 1903.) 


Absorption von Strychnin in Gegenwart von Kolloiden. 401 


IH. 

Ich habe in der folgenden Tabelle die erhaltenen Resul- 
tate zusammengestellt, die ich erhielt, wenn ich auf suboutanem 
oder peritonealem Wege Strychninum muriaticum in Gegenwart 
von vollständig neutralen Kolloiden einspritzte. 


Tabelle VII. 





Kolloid-Lösungen Beziehung — 
gebrauchtes Kolloid 


Gummi arabicum 
Gelatine 


Eialbumin (Merck) 
lösliche Stärke 
Gummi arabicum 


lösliche Stärke 
Gummi arabicum 





Aus dieser Tabelle ersieht man, daß es für einige Kolloide, 
wie Gelatine und Eialbumin, nur möglich ist, mit schwacher 
Konzentration zu experimentieren, und deshalb kann ein all- 
gemeiner Vergleich nur für sehr kleine Dosen angestellt werden; 
da aber für kleine Dosen die Wirkung sehr gering ist, so fehlen 
uns die Grundlagen, um den Einfluß der chemischen Natur des 
Kolloids zu beweisen. 

Für das Gummi und die lösliche Stärke, die wir mit 
hohen Konzentrationen erproben konnten, scheint es, daß 
die verzögernde Wirkung, wenn man sich nur an die rein 
wägbaren Beziehungen hält, größer für das erstere als für die 
letztere ist. 

Außerdem steht die Verzögerung im Erscheinen des Strych- 
ninkrampfes, welche durch das Gummi, und wie es scheint auch 
durch die Stärke bewirkt wird, in einem bestimmten Verhältnis 
zu der Menge des Kolloids, was klar aus der beigefügten Figur 
hervorgeht, in welcher die Zahlen auf der Abszissenachse den 
Prozentsatz des Kolloids, und die auf der Ordinatenachse den 


402 J.Simon: Absorption v. Strychnin in Gegenwart v. Kolloiden. 


t a 
Werten der Tabelle VII für die Beziehung T bei den Ein- 


spritzungen in die Bauchhöhle entsprechen, die mit Strychninlösun- 
gen in Gegenwart von Stärke (S) und Gummi (G) erhalten wurden. 

Was die Ursache der Verzögerung in der Absorption des 
Strychnins anbetrifft, so wird dazu wahrscheinlich die Visoositãt 
der Lösungen beitragen ; 
aber aus meinen Unter- 
suchungen geht nicht 
hervor, daß zwischen 






In der Tat verur- 
sachen lösbare Stärke 
ve dë und Gelatine, wie wir 
oben sahen, eine fast 
identische Verspätung, 
sei es, daß sie die 
gleiche relative Viscosi- 
tät haben, sei es, daß die Viscosität, da sie danach streben, zu 
gelatinieren, sehr groB wird; die Kurve der Viscosität des 
Gummi arabicums steigt viel schneller als die der Verzögerung 
im Erscheinen des Krampfes. Es scheint demnach, daß die 
Verspätung in der Absorption des Strychnins zum größten Teil 
der Absorption, die das Kolloid gegen das Arzneimittel ausübt, 
zugeschrieben werden muß. 

Unsere Schlüsse sind daher folgende: 

1. Die Kolloide Gummi arabicum, Gelatine, Ei- 
albumin, lösliche Stärke verzögern in kleinen Mengen 
unbedeutend die peritoneale und subcutane Ab- 
sorption des Strychnins. 

2. Mit der Quantitätszunahme des Kolloids in der 
Lösung (wenn dies möglich ist) wird die Verzögerung 
in der peritonealen und subcutanen Adsorption des 
Strychnins meßbar und zuweilen bedeutend und scheint 
ım Verhältnis zu der Quantität des Kolloids zu stehen. 


2,5 
š den beiden Erscheinun- 
Ba gen eine direkte und 
Et konstante Beziehung be- 
N steht. 
Q 

13 


[1 0 
Monzentration der Molloide 
Fig. 1. 


Weitere Untersuchungen über den bakteriellen Abbau 
primärer Eiweißspaltprodukte. 
Von 


Walther Brasch. 
(Aus der 1. medizinischen Klinik der Universität München.) 
(Eingegangen am 30. September 1909.) 


In einer vor kurzer Zeit erschienenen Veröffentlichung!) 
hatte ich mitgeteilt, daß der Bacillus putrificus Bienstock auf 
primäre Eiweißspaltprodukte qualitativ dieselbe Einwirkung hat 
wie die Fäulnis. Durch Untersuchungen, die an Glutaminsäure 
angestellt wurden, hatte sich ergeben, daß Reinkulturen des 
Bacillus putrificus am gleichen C-Atom dieser Säure CO, und NH, 
abspalten und damit dieselben Veränderungen hervorrufen, die 
früher Neuberg und ich?) bei Fäulnisversuchen mit der Glut- 
aminsäure festgestellt hatten. Daß die Ausbeuten an der so ent- 
standenen Buttersäure bei Verwendung von Reinkulturen ge- 
ringer waren als bei Anwendung des Fäulnisgemisches, war 
nach älteren Erfahrungen durchaus zu erwarten gewesen. In- 
zwischen habe ich mehrere andere Aminosäuren den gleichen 
Versuchsbedingungen unterzogen, und über die dabei erhaltenen 
Resultate möchte ich kurz berichten. Die Versuchsanordnung 
war dieselbe, wie ich sie in der ersten Veröffentlichung mit- 
geteilt habe. 


Abbau der Asparaginsäure. 


Schon einige Zeit, bevor die Untersuchungen von Bor- 
chardt?) sowie von Neuberg und Cappezzuoli*) erschienen, 


1) Diese Zeitschr. 18, 380, 1909. 

2) Diese Zeitschr. 13, 299, 1908. 

3) Borchardt, Zeitschr. f. physiol. Chem. 59, 46, 1909. 

t) Neuberg und Cappezzuoli, diese Zeitschr. 18, 424, 1909. 


404 W. Brasch: 


hatte ich begonnen, die Asparaginsäure durch Fäulnislösung 
abzubauen, ein Versuch, der nach den Ergebnissen, die Neu- 
berg und ich mit Glutaminsäure erhalten hatten, ein analoges 
Resultat versprach, dessen Veröffentlichung ich aber aus ver- 
schiedenen Gründen noch etwas verschoben hatte. 

5 g Asparaginsäure (Kahlbaum) wurden in 500 com Wasser 
gelöst, dann mit Fäulnislösung versetzt und mit Soda alkalisch 
gemacht. Nach vierwöchigem Stehen im Brutschrank wurde 
abdestilliert und das stark saure Destillat mit 81 com ?/, „Alkali 
neutralisiert. Ich erhielt 0,907 g reines Silbersalz. 


0,1778 g Substanz ergaben . 0,1063 g Ag 
Berechnet für C,H,0,Ag: Ag 59,67°/, 
Gefunden Ag. . . . , 659,78°/,. 


Der Rückstand wurde im Kutscher-Steudelschen Ather- 
extraktionsapparat ausgeäthert, der Äther verdunstet, der Rück- 
stand mit Wasser aufgenommen, filtriert und auf dem Wasser- 
bade eingedampft. Es blieben im Rückstande sehr reichliche 
Krystalle, über 2 Dezigramm, sie bildeten feine prismatische 
Nädelchen, zeigten den Schmelzpunkt 184° und gaben deutliche 
Pyrrolreaktion. Sie bestanden also wohl aus Bernsteinsäure. 

Weitere 5 g Asparaginsäure wurden mit dem Bacillus putri- 
ficus unter den früher geschilderten Versuchsbedingungen an- 
gesetzt und ebenfalls 4 Wochen im Brutschrank stehen gelassen. 
In dem Destillat konnte Ameisensäure nachgewiesen werden, 
es trat nämlich beim Kochen der mit Silberoxyd behandelten 
Flüssigkeit eine erhebliche Schwarzfärbung auf. Die Menge des 
erhaltenen rein weißen Silbersalzes betrug 0,57 g. 


0,2141 g Substanz ergaben. . . . 0,1275g Ag 
Gefunden Ag . . . . 2 2 2.0. 59,55°/, 
Berechnet für C,H,0,Ag; Ag... . 59,67°/, 


Es war also auch hier Propionsäure in relativ großen 
Mengen entstanden. Aus dem Ätherextrakt des Rückstandes 
konnte Bernsteinsäure gewonnen werden, die genau so wie die 
bei der Fäulnis erhaltene nachgewiesen wurde. 

Ebenso wie Brasch und Neuberg hat auch Borchardt 
bei der Glutaminsäurefäulnis vergeblich nach der lediglich des- 
amidierten Säure gesucht. Bei dem bakteriellen Abbau der 
Asparaginsäure scheint hingegen als Zwischenprodukt regelmäßig 
Bernsteinsäure aufzutreten. 


Bakterieller Abbau primärer Eiweißspaltprodukte. 405 


Abbau des Serins. 


Das Verhalten der primären Eiweißspaltprodukte bei der 
Fäulnis ist in einer großen Zahl von Untersuchungen geprüft 
und für. die Mehrzahl der genannten Körper festgestellt worden. 
Die übereinstimmenden Resultate zeigten, daß die Veränderungen 
der untersuchten Aminosäuren durch Fäulnis in Desamidierung 
und Kohlensäureabspaltung bestehen. Unter den wenigen, die 
isoliert noch nicht der Fäulnis ausgesetzt worden sind, befinden 
sich die Oxyaminosäuren, und ich unternahm es deshalb, das 
Serin, die Oxyaminopropionsäure, der Fäulnis zu unterwerfen. Die 
Aminosäure wurde zu diesem Zweck synthetisch nach der von 
Leuchs und Geiger?) angegebenen Methode dargestellt. Dann 
wurden 5g in ca. !/, 1 Wasser mit Fäulnislösung?) versetzt und 
ca. 4 Wochen lang in den Brutschrank gestellt. Es wurde 
dann in der gleichen Weise, wie früher angegeben, verfahren, 
und ich erhielt, nachdem die in geringen Mengen vorhandene 
Ameisensäure zerstört worden war, 0,135g eines rein weißen 
Silbersalzes. 

0,1051 g Substanz ergaben . 0,0629 g Ag 
Berechnet für C,H,O,Ag: Ag. 59,67°/, 
Gefunden Ag. . . .... 69,86°/, 

Bei einem zweiten, völlig gleichartig angestellten Versuche 

erhielt ich 0,1308 g Silbersalz. 


0,1036 g Substanz ergaben. . . 0,0623 g Ag 
Gefunden Ag . . . 2. 2 2... 60,11°/, 


Es entstand also aus der Oxyaminosäure bei der Fäulnis 
die einfache Fettsäure, es findet also Desamidierung und Reduk- 
tion der Hydroxylgruppe in der f-Stellung statt. 


CH,OH CH, 

| | 
CHNH, — CH, 

| | 
COOH COOH 


Es wäre nun auch zu erwarten gewesen, daß nur einer der 
beiden Prozesse, nur die Desamidierung, stattgefunden hätte. In 
diesem Falle wäre die Hydrakrylsäure 

CH,0OH 
| 

CH, 
COOH 


1) Leuchs und Geiger, Ber. d. Deutsch. ohem. Ges. 39, 2644, 1906. 
2) Salkowski, Practicum, 3. Aufl., 1906, S. 227. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 27 


406 W. Brasch: 


entstanden, jedoch war im Ätherauszuge des Rückstandes und 
im Ätherauszug eines vorher nicht erhitzten Teiles der Flüssig- 
keit die Anwesenheit einer Säure nicht festzustellen. 

Ein dem angeführten gleicher Versuch wurde nun auch 
mit einer Reinkultur von Bacillus putrificus unter denselben 
Versuchsbedingungen angestellt, unter denen ich die Glutamin- 
säure der Einwirkung des genannten Bacteriums früher aus- 
gesetzt habe. Bei 4 g angewandter Substanz erhielt ich neben 
kleinen Mengen Ameisensäure 0,16l g eines Silbersalzes, 
von dem 

0,1128 g Substanz. . . 0,0678 g Ag ergaben. 
Gefunden Ag. ... . 60,11°/,. 

Bei einem zweiten Versuche erhielt ich 0,164 g Silbersalz. 
0,0936 g Substanz ergaben. . . 0,0561 g Ag 
Gefunden Ag . . .. 2... 69,93°/,. 

Auch in diesem Versuch konnte Ameisensäure nachge- 

wiesen werden. 

Es zeigt sich also bei der Verwendung von Reinkulturen 
derselbe Vorgang wie bei Anwendung der in der Fäulnislösung 
vorhandenen Mischkulturen. 


Abbau des Tyrosins. 


l] g Tyrosin (Kahlbaum) wurde in 11 Nährflüssigkeit gelöst, 
mit Bacillus putrifious geimpft und 6 Wochen im Brutschrank ge- 
halten. Bei der Destillation ergab sich ein schwach saures Destillat 
mit Geruch nach niederen Fettsäuren, jedoch gelang es nicht, ein 
Silbersalz rein darzustellen. Zur Untersuchung auf p-Oxyphenyl- 
äthylamin wurde der Destillationsrückstand mit Alkohol mehr- 
fach aufgenommen, die Alkoholauszüge eingedampft, der Rück- 
stand in Aceton aufgelöst, die Lösung verdunstet, sodann mit 
Essigäther erschöpft. Bei der Behandlung mit Benzoylchlorid 
und Natronlauge entstand jedoch keine unlösliche Verbindung, 
so daß auf Entstehung von p-Oxyphenyläthylamin nicht zu 
schließen ist. 

Der Rückstand, der beim Ausschütteln mit Essigäther ver- 
blieb, wurde mit Äther aufgenommen, dann die ätherische 
Lösung mit Sodalösung im Scheidetrichter wiederholt durch- 
geschüttelt, um ev. vorhandene Säuren und Phenole zu trennen. 


Bakterieller Abbau primärer Eiweißspaltprodukte. 407 


Die ätherische Lösung wurde verdunstet, es hinterblieb je- 
doch kein Rückstand, was die Bildung von Phenol und 
Kresolen ausgeschlossen erscheinen läßt. Dann wurde die Soda- 
lösung angesäuert, mit Äther ausgeschüttelt, der Ather ver- 
dunstet; es schieden sich strahlenförmige Krystalldrusen aus. 
Schmelzpunkt 126°. Mit Millons Reagens erfolgte schon in der 
Kälte deutliche Rotfärbung, mit neutralem Bleiacetat entstand 
keine Trübung, ein deutlicher weißer Niederschlag jedoch mit 
basischem Bleiacetat. Wir dürfen also annehmen, daß beim 
Abbau die p-Oxyphenylpropionsäure gebildet worden ist. 
Es entstand also aus 


OH OH 
2 
| 
— Kg 
CH, — CH, 
l | 
CHNH, CH, 
| | 
COOH . COOH 


Demnach hat der Bacillus putrificus nur die Seitenkette 
angegriffen, und zwar in derselben Weise, wie er die ent- 
sprechende Fettsäure verändert (s. ol Dieses Verhalten ent- 
spricht den Erfahrungen, die Baumann?) bei der Fäulnis 
des Tyrosins gemacht hat. Es fand sich bei kurz dauernder 
Fäulnis mit frischem Pankreas in offener Flasche ebenfalls 
p-Oxyphenylpropionsäure, während Weyl?) bei Verwendung von 
Kloakenschlamm vorwiegend Phenole, d. h. Phenol und p-Kresol 
entstehen sah. Zweifellos führt das Zusammenwirken ver- 
schiedener Bakterienarten zu energischerem und weitgehenderem 
Abbau als eine Reinkultur. Baumann hatte nun weiter ge- 
funden, daß bei der Fäulnis der p-Oxyphenylpropionsäure der 
Abbau an der Seitenkette weitergeht und über p-Oxyphenyl- 
essigsäure zum p-Kresol führt. Beim Abbau des Tyrosins mit 
Bacillus putrificus konnte ich die Bildung von p-Oxyphenyl- 
essigsäure nicht feststellen, da der Schmelzpunkt auf eine reine 
einheitliche Substanz schließen läßt. 


1) Baumann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 12, 1450, 1878. 
2) Weyl, Zeitschr. f. physiol. Chem. 3, 312, 1879. 
27° 


408 W. Brasch: Bakterieller Abbau primärer Eiweißepaltprodukte. 


Abbau einiger anderer Aminosäuren. 


Bei meinen Untersuchungen über das Verhalten der Glut- 
aminsäure unter dem Einfluß von Reinkulturen hatte ich mitgeteilt, 
daß der Bacillus putrificus im wesentlichen dieselben Verände- 
rungen an Aminosäuren hervorruft, wie sie bei der Fäulnis ent- 
stehen. Es war demnach zu erwarten, daß er bei den Mono- 
aminosäuren lediglich eine Desamidierung bewirken würde. An 
einigen Aminosäuren der Fettreihe fand ich diese Veränderung 
bestätigt. So wird aus Glykokoll Essigsäure. 

0,0655 g Substanz ergaben. . . 0,0417 g Ag 
Berechnet für Essigsäure: Ag . 63,16°/, 
Gefunden Ag . . 2 2.2... 63,66°/,. 

Aus Alanin (Kahlbaum) wird Propionsäure. 

0,1092 g Substanz ergaben. . . 0,0653 g Ag 
Berechnet für Propionsäure: Ag 59,67°/, 
Gefunden Ag . . . 2.2.2... 69,79°/,. 

Aminobuttersäure (Kahlbaum) wird zu Buttersäure 
abgebaut. 

0,0666 g Substanz ergaben. . . 0,0310 g Ag 
Berechnet für Buttersäure: Ag . 55,38°/, 
Gefunden Ag . . ...... 55,12°/, 


Erwiderung. 
Von 


W. Ruhland. 


In seiner Abhandlung über die Durchlässigkeit der Zellen für Farb- 
stoffe!) hat Höber denjenigen Teil meiner Arbeiten über die Plasma- 
permeabilität®), welcher das gleiche Thema behandelt, einer eingehenden 
kritischen Nachprüfung unterzogen. Ich gestatte mir zu den Punkten, 
in denen zwischen Höber und mir Differenzen bestehen, folgende kurze 
Bemerkungen: 1. Der von mir als besonders wichtig erachtete Befund, 
daß der stark lipoidlösliche Sulfosäurefarbstoff Wollviolett S nicht in 
die Zelle aufgenommen wird, wird von Höber deshalb nicht als beweis- 
kräftig anerkannt, weil der Farbstoff von den Leberzellen des Frosches 
entfärbt wird. Man kann doch aber diesen Einwand nicht auf die zahl- 
losen Fälle übertragen, wo sicherlich nicht die mindeste Entfärbung durch 
die Zelle, ja nicht einmal, wie bei vielen andern Farbstoffen durch 
Speicherung in der Cellulosemembran stattfindet. So wird z. B. die 
äußerst schwach gefärbte Lösung von 1:1000000 selbst bei tagelanger 
Anwesenheit einer großen Menge von Spirogyrafäden nicht im mindesten 
entfärbt. Ich lege daher nach wie vor auf das diosmotische Verhalten 
des Wollvioletts besonderen Nachdruck. 2. Die von mir hervorgehobene 
Tatsache, daß das stark lipoidlösliche Rhodamin B nur überaus lang- 
sam eindringt, hat Höber durch den Hinweis zu entkräften versucht, 
daß der Farbstoff mit Gerbsäure schwerer als andere niederfällt. Es ist 
klar, daß dieser Einwand für die zahlreichen Fälle, wo der ausfällende 
Körper gar nicht Gerbstoff ist, resp. wo, wie auch mit anderen Farb- 
stoffen diffuse Speicherungen entstehen, hinfällig wird. 3. Das schnell ein- 
dringende, aber sehr schwer lipoidlösliche Malachitgrün soll wegen seiner 
Giftigkeit unbrauchbar sein. Ich hatte auf die Giftigkeit bereits selbst 
hingewiesen (S. 20, Anm.); es ist alsdann eben nötig, zu ganz verdünnten 
Lösungen zu greifen, welche das von mir behauptete Verhalten einwand- 
frei erkennen lassen. 4. Von dem lipoidlöslichen Nachtblau hatte ich 
auf S. 776 nur behauptet, daß es in die von mir geprüften Objekte, 


1) Diese Zeitschr. 20, 56. 
2) Jahrb. f. wiss. Botan. 46, 1, 1908; Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 
26, 772, 1909. 


410 W. Ruhland: Erwiderung. 


insbesondere in Spirogyra nicht eindringe, was ich durchaus aufrecht 
erhalten muß. Gegen die Lipoidtheorie aber hatte ich diese Verbindung 
gar nioht ins Treffen geführt. 

Auf weitere kleinere Differenzpunkte kann ich hier der Kürze wegen 
nioht eingehen. Viel wichtiger ist, daß Höber die große Mehrzahl meiner 
Einwände gegen die Lipoidtheorie als berechtigt anerkennt und daß er, 
der doch, wie Overton, gerade in dem Verhalten der Farbstoffe eine 
der stärksten, wohl die stärkste Stütze der Lipoidtheorie gesehen hatte, 
sich zu dem Eingeständnis veraulaßt sieht, daß andere Beziehungen dem 
diosmotischen Verhalten der Farbstoffe besser entsprechen als die 
Overtonsche Theorie! 

Die neuen Ausführungen Höbers über „physiologische“ und „phy- 
sikalische‘‘ Permeabilität bedaure ich, mir ebensowenig wie seine früheren 
über den gleichen Gegenstand zu eigen machen zu können. Ich muß 
vielmehr nach wie vor in dieser Scheidung eine der Lipoidtheorie zu- 
liebe ersonnene Hilfskonstruktion erblioken, da bisher nirgends der Nach- 
weis dafür erbracht ist, daß der Zelle fettlöslichen Stoffen, also z. B. 
auch der wichtigen Kohlensäure gegenüber regulatorische Funktionen 
abgehen. 

Bezüglich der Lipoidtheorie muß ich nach dem Gesagten bei dem 
Standpunkt verharren, daß sie mit unseren Erfahrungen über die Dios- 
mose der Farbstoffe, der anorganischen Salze usw. im Widerspruch steht 
und deshalb aufzugeben ist. Letzteres dürfte auf pflanzenphysiologischem 
Gebiet bereite geschehen sein.!) 


1) VgL z. B. Jost in Zeitschr. f. Botan. 1, 362, 1909 und Vor- 
lesungen über Pflanzenpbysiologie, 2. Aufl. — Pfeffer, Pflanzenphysio- 
logie, 2. Aufl., 2, 342, 


Über Kephalin. 
(Vorläufige Mitteilung.) 


Von 
Jakob Parnas. 
(Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut zu Straßburg.) 
(Eingegangen am 4. Oktober 1906.) 


I. 


Als Kephalin bezeichnet man den phosphorhaltigen Bestand- 
teil des Gehirns, welcher in Ather löslich, in Alkohol unlöslich 
ist. Es sei dabei von vornherein bemerkt, daß es sich vorläufig 
um eine Substanz mit mangelhaften Garantien der Einheitlich- 
keit handelt; es läßt sich auch nicht sagen, ob das Kephalin 
eine „Gruppe‘‘ von ähnlichen Verbindungen, oder einen Körper 
mit anhaftenden Verunreinigungen und Zersetzungsprodukten 
darstellt. 

Das Kephalin ist von Thudichum!) entdeckt und genau 
studiert worden; später haben es Koch", Cousin?) und Falk*) 
zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht. 

Thudichum, dem wir die meisten Angaben über das 
Kephalin verdanken, stellte seine Präparate aus gehärtetem 
und getrooknetem Gehirn dar; das Kephalin wurde mit Ather 
extrahiert und aus der ätherischen Lösung durch Alkohol ge- 
fällt. Zur Entfernung der Aschebestandteile wurde es in wässe- 
riger Lösung mit Salzsäure behandelt; schließlich wurde es 


1) Die chemische Konstitution des Gehirns des Menschen und der 
Tiere 1901, S. 127 f. 

2) Zeitschr. f. phys.Chem. 36, 134, 1902 und 37, 184, 1903. 

3) Journ. de Pharm. et de Chim. 24, 101, 1906. 

4) Diese Zeitschr. 18, 153, 1908 und 16, 187, 1909. 


412 J. Parnas: 


durch Hühnereiweiß niedergerissen oder in Tierkohle absorbiert 
und daraus durch heißen Alkohol ausgezogen. 


Thudichum analysierte das Kephalin frei und in Form 
des Chlorcadmiumsalzes, ferner einige Oxydationsprodukte des 
Kephalins. Er fand die Zusammensetzung entsprechend der 
Formel C ,H,,0,,NP; durch Hydrolyse erhielt er als letzte 
Spaltungsprodukte Gilycerinphosphorsäure, Stearinsäure und 
Homologe, Ölsäure (die er nicht als solche erkannte), eine ölige 
Säure, der er die Formel C,,H,,O, zuschreibt, die Kephalin- 
säure; als Basen fand er Neurin (d. h. Cholin), Methyloxäthyl- 
amin, Oxäthylamin. Er hielt das Kephalin für ein Lecithin, 
„in dem die Ölsäure durch eine besondere, im Tierkörper nur 
in der Nervensubstanz, in Pflanzen gar nicht vorkommende 
Säure, die Kephalinsäure‘“, ersetzt ist; die Kephalinsäure soll 
dem Kephalin seine charakteristischen Eigenschaften verleihen. 

Koch stellte das Kephalin wie Thudichum her, aber 
ohne die Reinigung durch Salzsäure; er fand in der Analyse 
erheblich geringere Werte für Stickstoff und Phosphor, das Ver- 
hältnis beider Elemente aber war das gleiche wie bei Thudichum. 
Auf Grund einer Analyse stellte er für diesen komplizierten Körper 
die Formel eines Dioxystearylmonomethyllecithins auf; später 
erkannte er, daß das Kephalin eine ungesättigte Fettsäure ent- 
hält, da es Brom entfärbt.!) Durch N-Methylbestimmung stellte 
Koch fest, daß das Kephalin auf jedes Stickstoffatom ein 
Methyl enthält. 


Wesentliche Aufklärungen brachte die Arbeit von Cousin; 
dieser Forscher fand bei der durch Hydrolyse gewonnenen 
flüssigen Säure eine hohe Jodzahl neben einer geringen Acetyl- 
zahl und schloß daraus, sowie aus Analysen, daß die Kephalin- 
säure keine Oxysäure, sondern eine doppelt ungesättigte Säure 
der Linolsäurereihe sei. Seine Darstellungsmethode und seine 
Phosphor- und Stickstoffanalysen entsprachen denen von Thu- 
dichum und Koch. Leider fehlen in seinen Publikationen 
die genaueren Beschreibungen der erhaltenen Produkte, sowie ana- 
lytische Daten und Belege. 


1) Leider hat sich das Dioxystearylmonomethyllecithin schon in der 
Literatur eingebürgert. Vgl. Abderhalden, Lehrb. d. physiol. Chem. 
2. Aufl, 1909, S. 149. 


Über Kephalin. 413 


Falk stellte das Kephalin mittels eines komplizierteren Ver- 
fahrens sowohl aus Gehirn, als auch aus peripheren Nerven 
dar; im „Nervenkephalin‘“ fand er: P:N = 1:1; dagegen im 
Hirnkephalin: P:N = 1:2 Er versuchte die „Kephalinsäure‘ 
durch Oxydation mit Permanganat in ein oharakteristisches De- 
rivat überzuführen und erhielt dabei eine bei 122° schmelzende 
Säure, der er auf Grund einer mit sehr wenig Substanz aus- 
geführten Analyse mit Vorbehalt die Formel C,,H,,O, zuschrieb. 


II. 

Ich stellte Kephalinpräparate dar durch Extraktion von 
gehärtetem, sorgfältig getrocknetem Gehirn mit leichtsiedendem 
Benzin. Der in der Kälte erhaltene Extrakt enthält alles 
Cholesterin, Kephalin, Lecithin, erhebliche Mengen von Cere- 
brosiden, Myelin und wenig anderer noch nicht definierter 
Phosphatide. Von dem Cholesterin und den Phosphatiden 
trenne ich das Kephalin durch Fällen mit Alkohol, von bei- 
gemengtem Cerebrosid durch Ausziehen mit wenig sehr kaltem 
Ather, worin Cerebroside sehr schwer löslich sind. 

Benzin ziehe ich als Extraktionsmittel dem Ather vor, 
weil es weniger von den dunklen Zersetzungsprodukten in Lö- 
sung bringt, trockener und auch billiger ist; die angeblich 
oxydierenden Wirkungen des Äthers kommen gar nicht in 
Frage.!) 

Zu den Eigenschaften des Kephalins, die von den auf- 
gezählten Forschern angegeben worden sind, ist folgendes nach- 
zutragen: 

Kephalin ist ein farbloser, fester Körper; deutliche Krystalle 
konnte ich niemals beobachten; aus sehr kalten ätherischen 
Lösungen scheidet sich das Kephalin in Globuliten, doppel- 
brechend, aber ohne erkennbare Struktur, ab. 


1) Diese Ansicht ist zuerst von Thudichum (l. c. S. 131 und 149) 
geäußert, neuerdings auch von S. Fränkel (diese Zeitschr. 19, 264, 1909) 
vertreten worden. Wie weit der von den genannten Forschern angewandte 
Äther verunreinigt war, kann ich nicht beurteilen; an dem in Deutsch- 
land käuflichen, gewöhnlichen Äther ist keine Spur oxydierender Wir- 
kungen zu beobachten, Natürlich oxydieren sich ungesättigte Körper 
in verdünnter Lösung bei Luftzutritt leichter als in festem Zustand; 
Auch dem in Äther enthaltenem Hydroperoxyd läßt sich die Bräunung 
von Kephalinpräparaten nicht zuschreiben (Thudichum): Durch Behand- 
lung mit Peroxyd in Äther werden braune Kcphalinlösungen farblos. 


414 J. Parnas: 


Trockenes Kephalin ist im dunklen Vakuumexsikkator 
monatelang unverändert haltbar.?) 

In wasserfreiem Äther ist es unlöslich; in Ather, der 1°/, 
Wasser enthält, löst es sich in allen Verhältnissen. 

Aus wässerigen Lösungen läßt sich gequollenes Kephalin 
abzentrifugieren. 

Die Lösungen in Benzol und in Ather sind ausgesprochen 
kolloidal; selbst bei hohen Konzentrationen bewirkt Kephalin 
keine Siedepunktserhöhung in diesen Lösungsmitteln; die Mole- 
küle sind weitgehend assoziiert. 

Als Aschebestandteile des Kephalins habe ich Ammoniak, 
Kalk und Kali gefunden, auch spurenweise Magnesia, niemals 
aber Eisen und Kupfer.?) 

Die oft zu beobachtende Fluorescenz des Kephalins hängt 
mit der Verunreinigung durch Salze des ersten Abbauproduktes 
zusammen. Durch Ausschütteln einer ätherischen Kephalin- 
lösung mit Salzsäure kann man die Fluorescenz beseitigen; sie 
kehrt wieder zurück, wenn man die ausgewaschene ätherische 
Lösung mit wenig Kalkwasser durchschüttelt. 

Den Schmelzpunkt des Kephalins, auf den vorläufig noch 
kein Wert zu legen ist, fand ich bei 174°; bei 185° erfolgte 
Zersetzung. 

Bei einem so kompliziert gebauten Körper, wie es das 
Kephalin ist, haben Kohlenstoff- und Wasserstoffbestimmungen 
keinen ausschlaggebenden Wert; dagegen ist das stöchiometrische 
Verhältnis von Stickstoff und Phosphor genau bestimmbar und 
konstant. Die zum Teil einander widersprechenden analyti- 
schen Resultate derjenigen Forscher, die bisher das Kephalin 
bearbeitet haben, sind oben zusammengestellt worden. Zur 
Kritik dieser Ergebnisse sei bemerkt: 

Das Kephalin ist nach zwei Richtungen hin zersetzlich; 
erstens wird bei Luftzutritt die darin enthaltene ungesättigte 
Säure oxydiert, zweitens wird durch Wasser, Säuren, Alkali 
das stickstoffhaltige Radikal und ein Teil der gesättigten Fett- 
säure abgespalten. 

Diese zweite Zersetzung kann zu großen analytischen 
Fehlern führen; ihr Produkt ist eine vierbasische Säure. Er- 


1) In Gegensatz zu einer Beobachtung von Falk, co. S. 190. 
2) Thudichum, Lo S. 130. 


Über Kephalin. 415 


folgt die partielle Hydrolyse nicht im isolierten Kephalin, son- 
dern schon in der rohen Gehirnmasse, so sättigt sich die Säure 
mit Kalk, Kali und besonders mit dem in zersetztem Gehirn 
reichlich vorhandenen Ammoniak. Dann findet man leicht zu 
hohe Stickstoffwerte. 

Eine andere Fehlerquelle liegt in der Verunreinigung des 
Kephalins durch Cerebroside, von welchen es nicht leicht zu 
trennen ist. 

Die Präparate von Thudichum waren sehr stark oxydiert, was 
auch aus den Spaltungsprodukten hervorgeht; sie enthielten sicher keinen 
salzartig gebundenen Stickstoff, hatten aber vielleicht einen Teil der Fett- 
säure abgespalten. 

Die Darstellungsmethode von Cousin und von Kooh würde salz- 
artige Verunreinigungen nicht ausschließen, indessen weisen die Analysen 
dieser Forscher nicht auf solche hin. 

Falk ging von einem Gehirnmaterial aus, das sehr weitgehend zer- 
setzt sein mußte!); es ist in seinen Präparaten, die braun und stark 
fluorescierend waren, ein hoher Gehalt an salzartig gebundenem Stiokstoff 
wohl anzunehmen. Auch Cerebroside scheinen nicht ausgeschlossen zu 
sein, der absolut niedrige Phosphorgehalt deutet auf diese Verunreinigung 
besonders hin. 

Ich habe in Präparaten, die aus frischem Kalbshirn durch 
Lösungsmittel bereitet, vollkommen farblos und geruchlos waren, 
das Verhältnis P:N gleich 1 gefunden. 

Dasselbe Resultat erhielt ich an guten Präparaten aus 
Menschenhirn. 

In ranzigen, aus schlechtem Gehirnmaterial erhaltenen 
Präparaten schwankte das Verhältnis P:N zwischen 1:1,3 und 
1:1,5; nach der von Thudichum angegebenen Reinigung durch 
Wasser und Salzsäure oder durch Ausschütteln der ätherischen 
Lösung mit sehr verdünnter Säure steigt das Verhältnis P:N 
gleich auf 1. 

Eine Reihe von Präparaten, die hartnäckig Cerebroside 
zurückhielten, wies ebenfalls einen sehr hohen Stickstofigehalt 
und sehr niedrigen Phosphorgehalt auf. Nach der Entfernung 
der Cerebroside fand ich normale Werte. 

Es scheint mir durch diese analytischen Befunde in Über- 
einstimmung mit Thudichum, Cousin und Koch die Formel 
eines Monoaminophosphatides für die Hauptmasse des Gehirn- 


1) Auf Gilasplatten gestriohener, bei 50° getrockneter Gehirnbrei. 


416 J. Parnas: 


kephalins gesichert. Von Falk wurde übrigens für Nerven- 
kephalin dasselbe Verhältnis von P:N gefunden. 

Durch 12stündige Hydrolyse mit Baryt bei 120° wird das 
Kephalin gespalten in Stearinsäure, Basen und eine phosphor- 
haltige, vierbasische Säure, deren Barytsalz ätherlöslich ist und 
der Formel C,,H,,0,.PBa, entspricht. Ein saures Natronsalz 
ist leicht wasserlöslich; die Lösung der neutralen oder basischen 
Seife erstarrt selbst in großer Verdünnung zu einer Gallerte. 
Es fehlt den Natronseifen die Erscheinung leichter Aussalzbar- 
keit, die das „kephalinsaure Natron‘ auszeichnet. 

Das Auftreten dieser vierbasischen phosphorhaltigen Säure 
in einer Ausbeute von 50°/, des Kephalins zeigt deutlich, daß 
die vermutete Analogie zwischen dem Bau des Kephalins und 
dem des Lecithins nicht besteht. 

Weitere Hydrolyse mit Natronlauge lieferte die ungesättigte 
Säure des Kephalins, die „Kephalinsäure‘ oder ‚„Kephalinlinol- 
säure“‘, als gelbes Öl in einer Ausbeute von 18°/, des Kepha- 
lins. Sie wurde in ihren Methylester übergeführt und dieser 
durch Destillation im Vakuum gereinigt. Der bei 188° und 
vermindertem Druck übergegangene Teil bildet ein ‚wasserhelles, 
an der Luft gelblich werdendes Öl von spez. Gewicht D33 
gleich 0,8816. Die Elementaranalyse lieferte Werte, die genau 
auf die Formel C H,O; stimmten. Bei einer Hydrierung nach 
dem unten beschriebenen Verfahren nimmt der Ester 108°/, der 
für obige Formel geforderten Wasserstoffmenge auf und geht 
dabei in Stearinsäuremethylester vom Schmelzpunkt 37° über. 
Durch Verseifung erhielt ich daraus Stearinsäure vom Schmelz- 
punkt 69°. Eine Molekulargewichtsbestimmung bestätigte die 
einfache Formel C,,H,,0;- 

Der Kephalinsäureester nimmt leicht ein Molekül Sauer- 
‚stoff auf. 

Durch Verseifung erhielt ich aus dem Ester die freie 
Kephalinsäure als schwach gelbliche Flüssigkeit !), die gegen — 8° 
erstarrt und bei — 4° wieder schmilzt. Im Vakuum unter l mm 
Druck ging die Säure konstant bei 205° über; das Destillat 
war anscheinend ein Gemisch der freien Säure mit einem iso- 
meren Lakton. 


1) Die „pastöse, gelatinöse Masse“ von Falk (l. c. S. 193) ist nicht 
die freie Säure, sondern eine zähe Emulsion derselben mit Wasser. 


Über Kephalin. 417 


Analysen ergaben die Formel OH, Al: die Hydrierung 
führte unter Aufnahme von 104,8°/, der berechneten Wasser- 
stoffmenge zu Stearinsäure vom Schmelzpunkt 68°. 

Das charakteristische Baryumsalz erhielt ich krystallinisch ; 
seine Formel ist Ba(C,„H,,0,),- 

Das Natronsalz C,,H,,0,Na wird in wässeriger Lösung 
erhalten, wenn man ätherische Kephalinsäure mit wässerigem 
Alkali ausschüttelt; durch kleine Mengen Kochsalz oder Natrium- 
sulfat wird es irreversibel ausgesalzen. Die ausgesalzene Seife 
ist leicht ätherlöslich; es kann aus ihr nur über die freie Säure 
eine wässerige Seifenlösung hergestellt werden. 

Die Säure und die Salze oxydieren sich wie der Ester 
leicht an der Luft; die Salze zeigen die charakteristischen Lös- 
lichkeitsverhältnisse der Linolate: sie sind in Äther, Chloroform, 
Benzin und Benzol leicht löslich. 

Aus den beschriebenen Eigenschaften der ‚„Kephalinsäure“ 
geht hervor, daß sie der Leinölsäure sehr nahesteht, vielleicht 
mit ihr identisch ist. Die Identität läßt sich nur wahrschein- 
lich machen, nicht exakt feststellen, da unsere Kenntnis der 
Linolsäure noch sehr mangelhaft ist; nach neueren Forschungen 
über die Linolensäure‘) erscheint es überhaupt zweifelhaft, ob 
eine reine, einheitliche Linolsäure jemals dargestellt worden ist. 
Es stehen indessen Untersuchungen über Linolsäure von sehr 
maßgebender Seite bevor?); vor der weiteren Untersuchung 
der schwer zugänglichen ‚„Kephalinsäure‘‘ möchte ich jene ab- 
warten. 

Es bleibt natürlich noch dahingestellt, ob die „Kephalin- 
säure“ einheitlich oder ein Gemisch Stereoisomerer ist. 

Die Kephalinlinolsäure wurde in einer Ausbeute von 18°/, 
des Kephalins gefunden; wenn man den erheblichen Betrag 
der oxydierten Säure dazurechnet, die sich durch Luftsauerstoff 
gebildet hat, so muß man die Kephalinlinolsäure als die Haupt- 
fettsäure des Kephalins neben Stearinsäure betrachten, 

Schon Cousin hat erkannt, daß die charakteristische Säure 
des Kephalins eine doppelt ungesättigte Fettsäure ist; auch im 


1) Erdmann und Bedford, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 1324. 

2) Fußnote bei Erdmann, Bedford und Raspe, Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. 42, 1334 weist darauf hin, daß bei C. Harries über Linol- 
säure gearbeitet wird. 


418 J. Parnas: 


Lecithin!) fand er Fettsäuren, die ätherlösliche Barytsalze und 
eine Jodzahl 130 bis 150 liefern. Durch Oxydation dieser 
Fettsäuren mit Permanganat erhielt er Dioxystearinsäure und 
Tetraoxystearinsäure. Die Angaben dieses überaus zuverlässigen 
Forschers machen es sicher, daß die ungesättigten Fettsäuren 
des Lecithins aus Eigelb zum großen Teil aus einer Linolsäure 
bestehen. 

Wenn nun die Lecithinlinolsäure und die Kephalinlinol- 
säure identisch wären, was wohl anzunehmen ist, so wäre da- 
durch die Ansicht von Thudichum, daß die ‚spezifische‘ 
Fettsäure dem Kephalin seine charakteristischen Eigenschaften 
verleiht, unhaltbar geworden. 

Nach meiner Ansicht handelt es sich im Kephalin um 
einen vom Lecithin verschieden konstruierten Körper. Es wären 
allerdings auch nach der üblichen Lecithinformel erhebliche 
Verschiedenheiten zu erwarten, die dadurch bedingt wären, daß 
Lecithin durch seine Ammoniumbase Cholin und eine freie 
Säurevalenz den Charakter eines Betains erhält, dagegen Ke- 
phalin mit seiner Monomethylbase einer Amidosäure zu ver- 
gleichen wäre. Gegen eine Analogie mit Lecithin spricht die 
Bildung einer phosphorhaltigen, vierbasischen Säure beim Abbau, 
und der Umstand, daß die Kephalinlinolsäure im Gegensatz 
zu der Stearinsäure so auffallend fest mit der Phosphorsäure 
verbunden ist. Schließlich scheint mir die Glycerinphosphor- 
säure nicht mit genügender Sicherheit als Bestandteil des Ke- 
phalins festgestellt zu sein. Über alle diese Fragen werden 
weitere Studien eine Aufklärung bringen. 

Die Kephalinlinolsäure ist nicht die einzige Säure, die man 
im Kephalin findet. Sowohl aus den ätherlöslichen, als auch 
den unlöslichen Barytseifen kann man durch heißen Alkohol 
eine geringe Menge (aus 70 g Kephalin 0,6 g) Barytsalz mit 
19,16°/, Ba ausziehen; die Seife fällt beim Abkühlen des Alko- 
hols aus und ist wahrscheinlich ölsaurer Baryt. 

Die hohen ‚Wasserstoffzahlen‘‘ der Kephalinsäure und ihrer 
Ester sprechen für einen geringen Gehalt an 3fach ungesättigter 
Säure; bei einer Bromierung des rohen Methylesters erhielt ich 
einen in Benzin unlöslichen bromierten Ester, der 6 Bromatome 


1) Cousin, Compt. rend. 137. 


Über Kephalin. 419 


enthielt, in einer Ausbeute von 6°/, der Gesamtmenge. Dieses 
Hexabromid schmolz indessen höher als der Hexabromstearin- 
säuremethylester (178° statt 153°). 

Wenn man rohe Kephalinsäure der Kalischmelze bei 260° 
unterwirft, so erhält man neben viel unveränderter Kephalin- 
säure in einer Ausbeute von 16 bis 18°/, eine Säure vom 
Schmelzpunkt 33°, deren Zusammensetzung durch Analyse, 
Molekulargewichtsbestimmung und Jodzahl als OH. O, fest- 
gestellt wurde. Durch Destillation geht sie in ein Anhydrid 
vom Schmelzpunkt 13° und der Zusammensetzung C,,H,,O, über. 

Dieses neue Isomere der Ölsäure ist vielleicht ein Spaltungs- 
produkt einer homologen Kephalinsäure von der Zusammen- 
setzung C,,H,,0,. Für die Annahme einer partiellen Hydrierung 
der Kephalinsäure in der Kalischmelze fehlt es vorläufig an 
Analogie. Die Frage nach der Beziehung dieser Säure zum 
Kephalin und der Kephalinlinolsäure bleibt somit offen. 

Ähnlich verhält es sich auch mit dem Körper vom Schmelz- 
punkt 122°, den Falk?) als Produkt der Oxydation mit 
alkalischom Chamäleon erhielt. Ich habe diesen Körper mit 
dem Schmelzpunkt 121° in geringer Ausbeute erhalten, in der 
Analyse aber um 2 Weasserstoffatome weniger gefunden als 
Falk. Die Säure entfärbt Brom nicht. Die Enstehung und 
Natur dieser Säure bleibt noch unerklärt. Ihre Zusammen- 
setzung und ihr Schmelzpunkt entsprechen der von Krafft 
und Grosjean?) aus Cetenbromid hergestellten Tetradecylbern- 
steinsäure COOH 

GAR 
CH, 


COOH; 
jedoch ist eine Identität keineswegs erwiesen. 
| III. 
Experimentelles. 
1. Vorbehandlung des Gehirnmaterials. 
Frisches Gehirn wird auf der Schlemmühle mit Aceton 
fein zermahlen und mit dem 3fachen Gewicht Aceton 10 Tage 


1) Diese Zeitschr. 16, 193, 194, 1909. 
2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 23, 2355. 


420 J. Parnas: 


lang gehärtet; das gehärtete Material wird koliert, abgepreßt 
und im Luftstrom bei 30° innerhalb 1 Stunde getrocknet. 
Hellbraune, harte, geruchlose, linsengroße Klümpchen; aus 
10 Gehirnen von erwachsenen Menschen 1,8 bis 2 kg Trocken- 
substanz. 

2. Die trookene Masse wird auf einer Schlemmühle mit 
leicht siedendem Petroläther (30 bis 60°) zu einem unfühlbaren 
Mehl zerrieben und mit dem fachen Gewicht desselben 
Lösungsmittels 1 Tag lang auf der Maschine geschüttelt. Naoh 
Absetzen und Abgießen des Extraktes wird neues Lösungs- 
mittel zur wiederholten Extraktion hinzugefügt. Durch Zentri- 
fugieren trennt man den Extrakt vom Rückstand. Durch die 
Abkühlung während des Zentrifugierens scheidet sich gewöhnlich 
eine große Menge der bei 20° in Lösung gegangenen Cere- 
broside ab. 

Die Benzinlösung ist schwach gelblich gefärbt, klar; durch 
weitere Extraktion mit kochendem Benzin bei 30° erhält man 
einen farblosen Extrakt, der nicht mehr viel Phosphatide aber 
große Mengen Cerebroside enthält. 

Die vereinigten Extrakte enthalten alles Cholesterin, Ke- 
phalin, Lecithin, große Mengen Cerebron und vielleicht auch 
andere Cerebroside, Myelin und andere nicht definierte Phos- 
phatide. 

3. Die vereinigten Extrakte aus 2 kg trockenem Gehirn 
werden von 10 Litern auf 3 Liter eingedampft; solange die 
Temperatur 50° nicht übersteigt, unter gewöhnlichem, dann 
unter vermindertem Druck. Es werden 100 ccm des bei 30° 
übergegangenen Benzins hinzugefügt und die Flüssigkeit durch 
schnelles Absaugen auf etwa — 20° abgekühlt, wodurch große 
Mengen Cerebrosid abgeschieden werden, 3) 

Die davon abgegossene klare Lösung wird unter ver- 
mindertem Druck weiter auf 800 ccm abdestilliert und mit 
1!/, 1 absoluten Alkohols gefällt, der feste weiße Niederschlag 


1) 8. Fränkel (diese Zeitschr. 19, 261, 1909) gibt an, das Cere- 
brosid, welches mit Kephalin in Petroläther geht, sei verschieden von 
allen bekannten Cerebrosiden, und stellt darüber weitere Mitteilung in 
Aussicht. Demgegenüber möchte ich betonen, daß ich aus demselben 
Rohcerebrosid nach Tierfelders Vorschrift (Zeitschr. f. physiol. Chem. 
49, 286, 1906) in 60°/, Ausbeute Cerebron gewonnen habe. 


Über Kephalin, 421 


abgesaugt, mit Alkohol gewaschen, in */, 1 leicht siedenden 
Petroläthers (30 bis 50°) aufgelöst und wieder mit 1'/,1 Alko- 
hol gefällt. Dann wird abgesaugt, gewaschen und im Vakuum- 
exsiccator getrocknet. 136 g. 


Nach 10- bis l4tägigem Verweilen im Exsiocator wird das 
Kephalin fein pulverisiert und mit dem 5fachen Gewichte kalten 
Athers geschüttelt; dann läßt man die Lösung, vom Rückstand 
abzentrifugiert, gut verschlossen im Eis 24 Stunden lang stehen. 
Nach nochmaligem Zentrifugieren fällt man die ätherische 
Lösung mit Alkohol. Ausbeute 106 g. 


In einigen Fällen reinigte ich das erhaltene Kephalin durch 
Auflösen in der 200fachen Menge Äther und Ausschütteln der 
ätherischen Lösung mit verdünnter Salzsäure, bis kein Kalk 
mehr in der Salzsäure nachzuweisen war. Zuerst wurde öfters 
mit Wasser, dann mit sehr verdünntem Soda und wieder mit 
Wasser gewaschen. Die ätherische Lösung wurde eingeengt, 
mit Alkohol gefällt und getrocknet. 


In der wässerigen Lösung war viel Calcium, sehr wenig 
Magnesium, Kalium und Natrium, eine erhebliche Menge Am- 
moniak nachzuweisen. 


3. Die vereinigten petroläther-alkoholischen Lösungen wurden 
im Vakuum auf 2 l eingeengt und mit alkoholischem, basischem 
Bleiacetat gefällt. Ein kleiner Teil des Niederschlages löste 
sich in Ather; er bestand wohl aus Kephalinblei. Der unlösliche 
Teil war bis auf einen geringen Rückstand in Benzol löslich 
und bestand wahrscheinlich aus Thudichums Myelinblei. 


Aus dem Filtrat wurde durch Schwefelwasserstoff das Blei, 
der Schwefelwasserstoff durch Kohlensäure entfernt; dann wurde 
das Lecithin als Chlorcadmiumsalz gefällt, in Benzol gelöst 
und mit Alkohol wieder gefällt. 

Nachdem überschüssiges Cadmium durch Schwefelwasser- 
stoff entfernt war, wurde die Lösung neutralisiert und stark 
eingeengt. Man erhält daraus das Rohcholesterin, das nach Um- 
krystallisieren aus Aceton bei 138°, nach wiederholtem Um- 
krystallisieren aus Alkohol bei 142° schmilzt. 

Aus 2 kg trockenem Gehirn, entsprechend 10 Menschen- 
gehirnen, erhielt ich 180 g Rohcholesterin; der Rückstand der 


Benzinextraktion enthielt kein Cholesterin. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 28 


422 J. Parnas: 


4. Aus folgenden Versuchen geht die leichte Verseifbarkeit 
des Kephalins hervor. 

Es wurde eine Lösung von 1 g Kephalin in 250 com Wasser 
mit ®/ oo- Natronlauge titriert. 


a) 25 com verbrauchen . . . ..... eo... 653 com ?/,o- NaOH 
25 „ Se nach 3 Tagen bei 18° . 625 „ * F 
2 „ * „ 6 Stunden bei 400 7,55 ,„ e e 
25 nm T) TT 6 IT np 80° 11,65 TT „ nu 


b) Zu derselben Menge Lösung wurden einmal B com, das anderemal 
10 com Soe Hait, hinzugefügt; nach 4 Stunden bei 18% verbrauchte 
Probe 1 11,15 com Sea - NaOH 
pn 2 17,25 „ ” sp 
das ist für Versuch 1 um 0,85, für Versuch 2 um Leem mehr als ur- 


sprünglich. 

c) Macht man die Kephalinlösung mit Alkali oder Soda alkalisch, 
so verschwindet die alkalische Reaktion sehr schnell. 

Kephalin wird also in Gegenwart von Wasser, durch 
Wärme, durch Säure und verdünntes Alkali leicht zersetzt; 
man sieht daraus, wie unzweckmäßig es ist, die rohe, alkalische 
Gehirnmasse hohen Temperaturen auszusetzen.!) 

Die Phosphorbestimmungen wurden nach Neumann, die 
Stickstoffbestimmungen nach Kjeldahl ausgeführt. 

5. I. Ein Präparat aus frischem Kalbshirn, durch Lösungs- 
mittel dargestellt. 

0,2532 g verbrauchen 17,45 ocm °/,-NaOH (log T = 0,00848) 
entsprechend 3,89°/, P 
0,3918 g S 495 —  ”/io-HeSO, entsprechend 1,77%, N 
P:N=1:1,01. 

II. Präparat aus Menschenlirn verschiedener Darstellung, 
ohne Reinigung durch Säure. 

1. 0,2703 g verbrauchen 18,56 com ”/,-NaOH (T wie oben) entepr. 3,87 °/ P 


2. 0,2635 g j 18,05 ww » og ) »  3,86°/⁄P 

3. 0,2602 g ge 11,86 8 ze. 38 A e ) » 3,87% P 

4. 0,1982 g ge IIT e: Je se "E em ) ww 3,90% P 
1. 0,4480 g verbrauchen 5,85 cem ?/1o-HaSO, entsprechend 1,83°/ N 
2. 0,4381 g ep 5,50 — » e wë 1,76°/, N 
3. 0,3478 g F 4,75 u» » 2 Ge 1,91°/, N 
4. 0,2490 g a 3,25 „ » S e 1,830/, N 


1) S. Fränkel (l. oc.) empfiehlt ein Trocknen des Gehirnbreiee bei 
100° und gibt an, daß durch dieses Verfahren „die wesentlichsten Sub- 
stanzen nicht alteriert werden“. Ich kann dem nioht beistimmen. 


Über Kephalin. 423 


1. N:P = 1,04 
2. N:P = 1,00 
3. N:P = 1,08 
4. N:P = 1,03 


III. Ein aus ranzigem Gehirn gewonnenes Präparat, durch 
Lösungsmittel dargestellt: 

0,2110 g verbrauchen 12,64 oom ?/,- NaOH (T wie oben) entspr. 3,38°%/, P 
0,4398 g M 72 u Yo-HSO kl » I) » 22AN 
N:P = 1,49. 

Dasselbe nach Thudichum mit Salzsäure gereinigt: 
0,2730 g verbrauchen 21,65 com ?/3-NaOH (T wie oben) d. h. 4,47°/, P 
0,31562 g S 4,6 „ "hoH SO »  )dh. 1,98%, N 

| N:P = 1,00. 

IV. Verschiedene cerebrosidhaltige Präparate hatten einen 
Phosphorgehalt von 2,65 bis 3,22°/, und einen Stickstoffgehalt 
von 1,94 bis 2,56°/,. Nach Beseitigung von Cerebrosiden und 
ev. Reinigung mit Salzeäure wurden Präparate erhalten, die 
normale Werte zeigten. 

6. 80 g Kephalin werden in 11 Wasser aufgelöst und 
unter Rühren mit 500 g Barythydrat in 3 1 heißen Wassers 
gefällt; der Niederschlag samt der Lösung werden 18 Stunden 
lang im Autoklaven bei 110° erhitzt.!) Die erkalteten krystal- 
linischen Seifen werden abgesaugt, gewaschen, in wenig Wasser 
suspendiert und ausgeäthert. 

Der Rückstand besteht aus farblosen Barytsalzen, aus 
welchen sich durch Kochen mit Alkohol wenig ölsaures Barium 
ausziehen läßt. Mit Salzsäure zersetzt und aus Alkohol um- 
krystallisiert, liefern die Seifen eine farblose Fettsäure vom 
Schmelzpunkt 59 bis 60°; durch Umkrystallisieren aus Alkohol 
läßt sich der Schmelzpunkt bis auf 68° bringen. Ausbeute nach 
der ersten Krystallisation: 22 g. Phosphorfrei. 

Das ätherlösliche Barytsalz wird aus Ather mit Alkohol 
gefällt und getrocknet. Ausbeute 42 g. Stickstofffrei. 

Analyse: C und H durch Verbrennen im Kupferschifichen 
mit Bichromat. Eine Probe wurde nach Carius verbrannt, 


1) Thudichum kocht 5 Stunden mit Baryt, Falk 12 bis 16 Stunden; 
nach dieser Zeit soll die Kephalinsäure frei von Phosphor sein. Ich konnte 
bei wiederholten Versuchen selbst nach 50stündigem Kochen mit Baryt 
keine phosphorfreie Kephalinsäure erhalten. 

28* 


424 J. Parnas: 


Baryt mit Schwefelsäure gefällt, im Filtrat Phosphor nach 
Neumann bestimmt. 

0,1579 g geben 0,2205 g CO, und 0,0869 g H,O, 

0,5932 g geben 0,3375 g BaSO, und verbrauchen 37,80 Six Nah. 

Gefunden: 38,090/, C; 6,3%, H; 33,5%, Ba; 3,52°/, P, 

Berechnet für CsrHs,OjoBa,P: 38,420/, C, 6,33°%/, H, 32,60°/, Ba, 
3,67°/, P. 

Das phosphorhaltige Barytsalz ist leicht löslich in Ather, 
Benzol, Chloroform, Benzin; unlöslich in Alkohol, Aceton, Essig- 
äther. In seinen physikalischen Eigenschaften erinnert es voll- 
ständig an kephalinsaures Barium. 

40 g des Barytsalzes werden mit 500 g Äther in Lösung gebracht 
und mit 20°/, Salzsäure ausgeschüttelt, bis kein Baryt mehr ausgezogen 
wird. Das saure Waschwasser wurde mit Schwefelsäure gefällt; erhalten 
22,7 g Bariumsulfat, entsprechend 33,5°/, Ba. 

Durch Ausschütteln mit Säure verliert die ätherische Lösung 
ihre ursprüngliche, starke Fluorescenz. 

Die ätherische Lösung wurde mit 46 com normaler Natron- 
lauge in 500 com Wasser ausgeschüttelt; die phosphorhaltige 
Säure ging vollständig über. 

20 com der wässerigen Lösung wurden stark alkalisch ge- 
macht und mit Bariumchlorid gefällt; das ätherlösliche Salz 
aus Äther mit Alkohol gefällt. 

0,3207 g verbrauchen 22,1 com °/,-NaOH und geben 0,1834 g BaSO,, 
entsprechend 3,81°/, P und 33,66°/, Ba übereinstimmend mit der vor- 
herigen Analyse. 

Die dünnflüssige, wässerige Lösung des Mononatriumsalzes 
wird auf Zusatz weiterer Mengen Natronlauge immer zäher und 
schließlich beim Auffüllen auf das 4fache der ursprünglichen 
Menge zähflüssig, fadenziehend, gelatinös. Durch Kochsalz wird 
weder das saure noch das basische Salz ausgesalzen. 

7. Die Natronseife wird mit 50 g Natronhydrat in 21 Wasser 
20 Stunden lang im Autoklaven auf 110° erhitzt. Nach dieser 
Zeit erweist sich eine Probe leicht aussalzbar, ätherlöslich und 
frei von organischem Phosphor. 

Die kalte Lösung wird mit 500 ccm gesättigter Natrium- 
sulfatlösung ausgesalzen, schwach alkalisch ausgeäthert, die 
ätherische Lösung mit Salzsäure gespalten, gewaschen, mit viel 
Natriumsulfat getrocknet, der Äther im Kohlensäurestrom ab- 
destilliert. Es hinterblieben 15 g eines gelben Öles. 


Über Kephalin. 425 


Davon werden 12g in Methylalkohol (80 g) gelöst, auf 40° 
erwärmt und 5g Schwefelsäure in 20 g Methylalkohol hinzu- 
gefüg. Nach einigen Minuten fällt der Ester als braunes 
Öl aus. 

Der wie gewöhnlich isolierte Ester wurde im Vakuum 
destilliert;?) es ging die Hauptmenge bei ca. 0 mm von 188 
bis 190° über. Eine Probe zwischen 190 und 205° wurde be- 
sonders aufgefangen, wegen ihrer kleinen Menge jedoch nicht 
untersucht. Es hinterblieb ein schmieriger Rückstand. 


Fraktion 188 bis 190°. Schwach gelbliche, klare Flüssig- 
keit, bei — 20° noch flüssig. 


Analyse: 0,1177 g gaben 0,3340 g CO, und 0,1236 g H,O, 
entsprechend 77,40°/, C und 11,75°/ H, 
berechnet für C,5H3,40, 77,47°/, C und 11,65°/, H. 
Molekulargewicht: 0,1484 g in 20 com Eisessig bewirken eine 
Siedepunktserhöhung von 0,06°. 
(K — 25,3), Molekulargewicht gefunden 296, 
berechnet 294. 
Frisch destillierter Ester wurde bei 40° zur Konstanz im 
Sauerstoffstrom gehalten. 0,2053 g nehmen 0,0204 g an Gewicht 
zu, entsprechend 29,2 g auf ein Molekül. 


Der Ester wurde mit alkoholische Natronlauge verseift, mit 
Wasser versetzt, mit Natriumsulfat ausgesalzen, ausgeäthert, in 
Ather mit Salzsäure zersetzt, mit Na,SO, getrocknet und der 
Ather im Kohlensäurestrom verdampft. Es hinterbleibt ein 
gelbes Öl. 


Die Säure ist im Vakuum nicht unzersetzt flüchtig; es 
geht bei 0 mm?) und 205° die Hauptmenge über als fast farb- 
loses Öl, aus dem Nadeln auskrystallisieren. 

Analyse: 0,1670 g geben 0,1747 g H,O und 0,4720 g CO, 

entsprechend 11,70%, H und 77,08%, C, 
berechnet für Ces, 11,51°/ H und 77,06°/, C. 


1) Das Vakuum wurde mit einer Gaede-Pumpe erzeugt und mit 
einem gewöhnlichen Manometer 0 mm gemessen. Da mir kein Hoch- 
vakuum-Manometer zur Verfügung stand, haben die Angaben der Siede- 
punkte nicht den Wert von Konstanten. 

2) Siehe oben. 


426 J. Parnas: 


Nur die Hälfte des Destillates löste sich in Alkali; es be- 
stand offenbar aus freier Kephalinsäure und einem isomeren 
Lacton. 

Die Kephalinsäure wurde aus dem Destillat über das 
Barytsalz isoliert. Gelbliches Öl, bei — 8° erstarrend, wurde 
bei -+ 4° wieder flüssig. 

Analyse: 0,1038 g geben 0,2929 g CO, und 0,1070g H,O, 

entsprechend 77,03°/, C und 11,54%, H, 
berechnet für CisHs202 77,06%, C und 11,51°/, H. 

AÄquivalentgewicht: 0,1687 g Substanz verbrauchen 5,8 com 
Sie Na. 

Gefunden 291, berechnet Oe Data = 284. 

Barytsalz: Es wird gewonnen durch Fällen der Alkaliseife 
mit Chlorbarium, Ausäthern, Fällen mit Alkohol und Krystalli- 
sieren aus Ätheralkohol. Mikroskopisch dicke, rhombische 
Täfelchen. Farblos. Löslich in Ather, Benzin, Benzol, Chloro- 
form. 
Analyse: Einer ätherischen Lösung wird durch Schütteln 
mit verdünnter Salzsäure Barium entzogen. 

0,8497 g liefern 0,2785 g BaSO,, entsprechend 19,29°/, Ba, 

berechnet für Bai, elle 19,29°/, Ba. 

Natronsalz. Aus der Seifenlösung durch Natıiumsulfat aus- 
gesalzen, der Niederschlag ausgeäthert, mit Aceton abgeschieden. 
Harzige, feste braune Masse, löslich in Chloroform, Ather, Al- 
kohol, unlöslich in Aceton. 

0,2208 g liefern 0,0482 g Na,SO,, entsprechend 7,07°/, Na, 

berechnet für C,,„H,,0,Na 7,62°/, Na. 

Silbersalz, Kupfersalz, Bleisalz, Kalksalz wurden erhalten 
aus der Seifenlösung mit den entsprechenden Metallsalzen. 
Alle unlöslich in Wasser, löslich in Ather. 

8. Hydrierung der Kephalinsäure. 

Über die Anzahl der Doppelbindungen in einem Körper 
kann man schon durch die Elementaranalyse Aufschluß erhalten; 
sicherer und genauer ist jedoch die Methode, gesättigte An- 
lagerungsprodukte darzustellen und die Zahl der angelagerten 
Atome oder Radikale zu bestimmen. Als solche kommen haupt- 
sächlich in Betracht: Halogene, Hydroxyl (durch Permanganat 
angelagert), Ozon. 

Bei ungesättigten Säuren und ihren Derivaten wird am 
häufigsten die bequeme Bestimmung der Jodzahl nach e Häbl 


Über Kephalin. 427 


oder in einer der vielen Modifikationen benutzt. Diese ist für 
Ölsäure und ihre Glyceride ausgearbeitet und auf diesem Ge- 
biete, d. h. in der technischen Fettanalyse, von größter Be 
deutung. | 

Sie versagt dagegen vollkommen überall da, wo sich nega- 
tive Reste in der Nähe der Doppelbindung befinden; so lagern 
Fumar- und Maleinsäure kein Jod an,!) Crotonsäure nur 8°/,,?) 
Zimmtsäure?) 33°/,. Ihr Nachteil liegt ferner darin, daß sie 
zu einem Gemisch undefinierter Produkte führt und eine Identi- 
fizierung des Reaktionsproduktes unmöglich macht. Bei Säuren 
mit mehreren Doppelbindungen können „sterische Hinderungen“ 
eintreten*) und Substitutionsbeeinflussungen zustande kommen. 
Es ist durchaus nicht ratsam, bei Körpern unbekannter Struktur 
auf die Jodzahl größeren Wert zu Jegen D 

Erdmann und Bedford (l. c.) haben in ihrer sehr schönen 
Arbeit über Linolsäure gezeigt, daß diese Säure in zwei Formen 
auftritt, die genau die gleiche Konstitution haben, von denen 
eine 6 Atome Brom, die andere nur 4 addiert. Die Zahl 
der Doppelbindungen bestimmten sie durch Bestimmung der 
katalytisch angelagerten Wasserstoffmenge; sie erwies sich in 
beiden Säuren als die gleiche. 

Erdmann und Bedford stellten den Begriff „Weasser- 
stoffzahl‘‘ auf, d. h. derjenigen Menge Wasserstoff in Gramm, 
die von 100 g der ungesättigten Substanz angelagert wird. 


Wasserstoff ist nun ein ideales Additionsreagens; er wirkt 
unter keinen Umständen substituierend, sterische Hinderungen 
sind ausgeschlossen, die Addition führt zu den bestdefinierten 
Reaktionsprodukten. Durch die Arbeiten von Sabatier und 
Senderens®), Erdmann und Bedford, und vor allem die 
von Fokin’) und Willstätter und Mayer?) besitzen wir 


1) Lewkowitsch, Analysis of oils. II. Edit. S. 176. 
2) Gomberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, 1890 1902. 
3) Fulda, Monatsh. f. Chem. 20, 711, 1899. 
ee 4) Erdmann und Bedford, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 1333, 
5) So z. B. Ivar Bang, Ergebnisse d Physiol. 6, 157. 
6) Ann. ohim. phys. [8] 4, 319, 1906. 
7) Russisch 38, 419, 1906; 39, 607, 1907; Chem.-Zeitg. 32, 922, 1008. 
8) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 1475, 1908. 


428 J. Parnas: 


Katalysatoren, die eine glatte Addition von Wasserstoff an 
Doppelbindungen ermöglichen. 

Erdmann und Bedford!) tropften die ungesättigte Kub- 
stanz auf Nickelbimsstein in Wasserstoflatmosphäre; die Sub- 
stanz war gewogen, der eingeführte Wasserstoff gemessen, der 
überschüssige zu Wasser verbrannt und gewogen. Die Methode 
liefert ausgezeichnete Resultate, erfordert aber eine sebr kompli- 
zierte Apparatur und große Substanzmengen. Erdmann arbeitet 
mit 5 bis 10 g Substanz und 181 Wasserstoff. 

Ich benutzte eine Methode, bei der die Wasserstoffanlagerung 
durch Palladium bewirkt wurde; die verbrauchte Gasmenge, 
wurde eudiometrisch gemessen.?) 

Palladiumschwarz ziehe ich dem Platin vor, weil es leicht 
darzustellen, sehr wirksam ist und keine Neigung hat, als Orga- 
nosol in Lösung zu gehen. Durch Verwendung einer großen 
Menge des Katalysators und durch starkes Schütteln des Re- 
aktionsgefäßes kann man die Reduktion so schnell verlaufen 
lassen, wie dies bei einer gasvolumetrischen Bestimmung er- 
wünscht ist. Mit 3 g Palladium konnte ich in einer halben 
Stunde eine Grammdoppelbindung reduzieren. 

Man läßt das Palladiumschwarz unter Äther sich mit Wasser- 
stoff sättigen und liest das Gasvolumen ab; dann fügt man die 


1) Kurz skizziert bei Erdmann und Bedford, Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. 42, 1325; genau bei Bedford, Dissertation, Halle a. S., 1906. 
Genau referiert bei Hans Meyer, Analyse und Konstitutionsbestimmung, 
2. Aufl., 1909, S. 956. 

2) Eine ähnliche Versuchsanordnung bei E. Paal und J. Gerum 
(Ber. 41, 813, 2273, 1908), sowie E. Paal und K. Roth (Ber. 41, 2283, 
1908) in ihren schönen Arbeiten über katalytische Reduktionen mit 
kolloidalem Palladiumwasserstoff in Albumosenlösungen. Diese Forscher 
reduzierten präparativ aromatische und aliphatische Säuren, Ölsäure und 
ungesättigte Fette; durch Beobachtung der verbrauchten Wasserstoff- 
menge verglichen mit der ursprünglichen Jodzahl verfolgten sie den Re- 
aktionsverlauf. Der präparativ-technisch sicherlich sehr wertvollen Re- 
aktion von Paal zog ich die quantitative Ausarbeitung der katalytischen 
Reduktion nach Fokin und nach Willstätter und Meyer vor. Wenig- 
stens für höhere Fettsäuren eignet sich das Verfahren von Paal nicht; 
das Arbeiten in wässerigen Lösungen, die Beimischung von Albumosen, 
das vorzeitige Ausfallen der gesättigten Reaktionsprodukte, welche das 
Palladium samt Schutzkolloid niederreißen, gestatten die Verwertung der 
Paalschen Methode für quantitative Bestimmungen nicht. 


Über Kephalin. 429 


Substanz in ätherischer Lösung hinzu, läßt nach vollendeter 
Reduktion wieder Sättigung des Palladiums eintreten und läßt 
bei gleicher Temperatur wie zuvor ab. Die korrigierte Differenz 
ergibt die verbrauchte Wasserstoffmenge. 


Der Apparat läßt sich aus Teilen zusammenstellen, die in jedem 
Laboratorium vorhanden sind. 


Das Palladiumschwarz erhält man, indem man eine Lösung von 5g 
Palladiumchlorid in 100 ccm Wasser mit 20 ocom 15°/, Natronlauge und 
portionsweise 10 ccm Formaldehyd (40°/,) reduziert. Das Palladium wird 
an der Zentrifuge mit Wasser ausgewaschen und im Vakuum getrocknet. 
Durch öfteren Gebrauch wird es immer feinpulvriger und büßt an Wirk- 
samkeit nichts ein, wenn man dafür sorgt, daß es nicht an der Luft 
erglüht. 

Ein Liebigscher Kaliapparat ist mit 3 g Palladiumschwarz be- 
schickt. Das eine Zuleitungsrohr ist senkrecht aufgebogen und trägt 
einen seitlichen Ansatz; durch die obere Öffnung tritt ein gut befestigter, 
kleiner Tropftrichter ein. Der seitliche Ansatz sowie das andere Zu- 
leitungsrohr sind durch Schläuche mit den oberen Hähnen zweier Azoto- 
meter verbunden; einer von den Schläuchen ist durch einen Dreiweghahn 
unterbrochen, der das Verbinden des ganzen Apparates mit einer Luft- 
pumpe ermöglicht. Der Kaliapparat ist so an einer kräftigen Schüttel- 
maschine befestigt, daß er nach seiner Querrichtung geschüttelt wird. 

Man evakuiert den Apparat (die Azotometer sind mit Quecksilber 
gefüllt und geschlossen) und füllt ihn von den Azotometern aus dreimal 
mit reinem, trooknem Wasserstoff; man läßt dann bei tiefgestellter Birne 
etwas Äther in das Absorptionsgefäß einlaufen und schüttelt bei etwa 
10 mm Hg Überdruck so lange, bis sich das Gasvolumen nicht mehr ver- 
ringert. Von Zeit zu Zeit treibt man das Gas durch den Kaliapparat 
hin und zurück. 

Bleibt das Volumen bei starkem Schütteln während 5 Minuten 
konstant, was gewöhnlich nach 30 Minuten eintritt, so ist das Palladium 
gesättigt und die Dichtigkeit des Apparates erwiesen. 

Man läßt das Palladium sioh zu Boden senken, eine ätherische 
Lösung der gewogenen Substanzmenge einlaufen, schließt die Azotumeter 
ab und liest in beiden das Volumen ab. Dann schüttelt man zur Kon- 
stanz und liest wieder ab, womöglioh bei der gleichen Temperatur. 

Die abgelesene Differenz wird auf 760 mm und 0° reduziert und 
auf Gewichtseinheiten umgerechnet. 

Die anzuwendende Substanzmenge hängt von der Molekulargröße 
und der Zahl der Doppelbindungen ab. Die Azotometer enthalten zu- 
sammen 240 com. Le Ölsäure oder 0,5 g Linolsäure verbrauchen das 
bequem ablesbare Volumen von 70 com. 

Die Methode hat den Vorteil genauer Bestimmung des Wasserstoffs 
bei geringen Substanzmengen. 


430 J. Parnas: 


Der verwendete Äther muß durch Natrium oder Wasserstoff von 
Sauerstoff freigemacht sein. 

Als Beispiel sei die Reduktion von Ölsäure und Ölsäure- 
äthylester angeführt. 

L 0,8512 g Ölsäure verbrauchen bei 20° und 746 mm 73,4 ocm, 
entsprechend 0,00605 g Wasserstoff, der Wasserstoffzahl 0,7093. 

Theoretisch berechnet 0,7140. 

Es wurde verbraucht 99,34°/, der theoretischen Menge. 

Die erhaltene Stearinsäure schmilzt bei 68,5%; sie entfärbt Brom 
nicht. Aus Alkohol umkrystallisiert: Schmelzp. 70°. 

II. 1,2372 g Ölsäureäthylester verbrauchen bei 742 mm und 23° 
98,6 com Wasserstoff, entsprechend 0,007 985 g, der Wasserstoffzahl 0,6606; 
theoretisch berechnet 0,8495. 

Es wurde also verbraucht 101,7°/, der Theorie. 

Schmelzp. des hydrierten Esters: 33,50. 

Hydrierung der Kephalinsäure: 

0,3788 g verbrauchten bei 22° und 740 mm 70,7 com H, d. h. 
0,00571 g Wasserstoff. 

Die Wasserstoffzahl beträgt also 1,507, berechnet für Oe Daat 1,438. 

Es wurde gefunden 104,8°/, der Theorie. 

Durch Verdunsten des Athers erhielt ich Stearinsäure vom 
Schmelzp. 64°, durch Umkrystallisieren aus Alkohol stieg der 
Schmelzp. auf 69°. 

Analyse eines Präparates, das bei einer präparativen Re- 
duktion mit Palladium und Wasserstoff erhalten wurde (aus 
Alkohol krystallisiert): 

0,1145 g lieferten 0,3188 g CO, und 0,1269 g H,O, 

entsprechend 75,94°/, C und 12,40°/, H, 

berechnet für Che Daat: 75,99%, C und 12,76%, H. 

Hydrierung des Kephalinsäuremethylesters: 

0,5294 g Ester verbrauchen bei 18° und 752 mm 94,3 ccm H, ent- 
sprechend 0,007793 g Wasserstoff. 

Gefunden die Wasserstoffzahl 1,472, berechnet für Ce Haal 1,370, 
also 107,5°/, der Theorie. 

Schmelzp. des Rückstandes der ätherischen Lösung 37°; 
mit alkoholischem Kali verseift: Stearinsäure vom Schmelz- 
punkt 69°. 

9. Kalischmelze der rohen Kephalinsäure. 

Rohe, nicht destillierte Kephalinsäure wird in ihr Natron- 
salz übergeführt und davon 5 g mit 30 g Kali während ?/, Stunde 
auf 260° erhitzt. Die Seife löst sich nicht in Kali, man unter- 
stützt die Reaktion durch fortwährendes Durchkneten. 


Über Kephalin. 431 


Die Seifenmasse wird aus dem geschmolzenen Kali heraus- 
gehoben, in Wasser gelöst, mit Kochsalz ausgesalzen, der Nieder- 
schlag abfiltriert und gewaschen; dann wird er mit Äther ex- 
trahiert. Kephalinsaures Natron geht in den Äther. Der Rück- 
stand wird mit Säure zersetzt, ausgeäthert, nach Abdestillieren 
des Äthers in alkoholischer Lösung mit Tierkohle gekocht. Nach 
Verdampfen des Alkohols hinterbleibt eine feste, farblose Säure 
in der Ausbeute von 0,8g bis 0,9g. Sie entfärbt Brom. 

Die Säure krystallisiert in Nadeln, ihr Schmelzpunkt liegt 
bei 33°. 

Es wurde das Silbersalz analysiert: ` 
0,2005 g geben 0,4062 g CO,, 0,1520 g H,O und 0,0561 g Ag, 
entsprechend 55,25°/, C, 8,48°%/, H und 27,98°/, Ag. 

Berechnet für CB Ag: 55,50°%/, C, 8,540/, H, 27,73°/, Ag. 

Molekulargewicht (ebullioskopisch in Eisessig). 


2005 g Substanz in 20 cem Eisessig (bei 16° spez. Gew. 1,0543, 
Konst. = 25,3) geben eine Erhöhung von 0,085°. 


Molekulargewicht daraus berechnet: 283 anstatt 282. 


Beim Destillieren unter 30 mm Druck und bei 255 bis 260° 
geht die Säure über, aber unter veränderten Eigenschaften; 
das Destillat ist ein Anhydrid. Farblose Flüssigkeit; Schmelz- 
punkt + 13°. Krystallisiert in flachen Nadeln. 


Jodzahl: 0,1852 g verbrauchen 11,6 ccm 2/,,„-Thiosulfat 
(log T = 0,00669) entsprechend der Jodzahl 80. 
Analyse: 0,1464 geben 0,4250 g CO, und 0,1586 g H,O, 
entsprechend 79,17°/, C und 12,12°/, H. 
Daraus berechnet: Cı8Hs2,801,48, 
abgerundet: CısHssOı,s oder CseH660s, isomer mit Ol- 
säureanhydrid. 
Das Anhydrid ist neutral; es gibt mit Resorcin ein Flu- 
orescin. 


10. Der rohe Methylester der Kephalinsäure wurde in 
Chloroform so lange mit Brom versetzt, bis keine Entfärbung 
mehr eintrat. Durch Zusatz von Petroläther zu der farblosen 
Lösung fiel ein Körper aus, der den Schmelzpunkt 178° und 


folgende Zusammensetzung hatte: g 


0,1384 g geben 0,2096 g AgBr, entsprechend 64,45°/, Br, 
berechnet für Ce ae Dro 62,39°%/, Br. 


432 J. Parnas: Ueber Kephalin. 


11. Das Oxydationsprodukt der rohen Kephalinsäure nach 
Falk’). Schmelzp. 121°. In Nadeln krystallisiert. 

0,0907 g geben 0,2282 g CO, und 0,0907 g H,O, 

entsprechend 68,62°,, C und 11,19°/⁄ H, 
berechnet für C,sHz40, 68,35°/, C und 10, 830/, H. 

12. Das alkohollösliche Barytsalz aus der Hydrolyse des 
Kephalins, phosphorfrei. In heißem Alkohol (100 Teile) voll- 
ständig löslich, in der Kälte in Körnchen ausfallend. Aus 
80 g Kephalin 0,6 g. 

0,2866 g geben 0,0933 g BaSO,, 
entsprechend 19,16°/,. 


1) Diese Zeitschr. 16, 194, 1909. 


Zur Kenntnis der Kohlensäurebildung im Organbrei. 
Von 
Olav Hanssen, Christiania. 
(Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut in Straßburg.) 
(Eingegangen am 4. Oktober 1909.) 


I. 


Der Gaswechsel zerkleinerter Organe ist mehrfach Gegen- 
stand der Untersuchung gewesen. Daß frisch entnommene Ge- 
webe auch nach dem Zerkleinern noch Sauerstoff aufnehmen 
und Kohlenstoff abgeben, ist von P. Bert!), Gröhant und 
Quinquaud?) sowie von Tissot?) nachgewiesen. Lussana*) 
zeigte, daß die Oberfläche der zerkleinerten Gewebsmasse einen 
maßgebenden Einfluß auf die Größe des Gaswechsels ausübt. 
Battelli und Stern?) haben dann in einer Reihe wichtiger 
Arbeiten die Bedingungen des Gaswechsels eingehender studiert. 
Um die Sauerstoffaufnahme und die Kohlensäureabgabe voll- 
ständiger zu gestalten, bedienten sie sich bei ihren Versuchen 
einer Schüttelvorrichtung. 

Von ihren Ergebnissen seien nachstehende hervorgehoben.) 


1) Leçons sur la physiologie de la respiration, Leg. III, IV. 1870; 

2) Compt. rend. 106, 1439; Compt. rend. Soc. de Biol. 1890, 29 
bis 30. 

3) Arch. de physiol. norm. et pathol. 1894, 838; 1895, 469 u. 641. 

4) Archivio de fisiol. 2, 445. 1905; 3, 113. 1906. 

5) Compt. rend. Soc. Biol. 60, 1679. 1906; Journal de physiol. et 
de pathol. générale 9, 1, 34, 227, 410, 737. 1907. 

e) Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1908 
abgebrochen. Die seitdem erschienenen einschlägigen Arbeiten sind daher 
nicht berücksichtigt, und sollen bei der zu erwartenden Fortsetzung der 
Untersuchung ihre Würdigung finden. Dies gilt insbesondere von der 
Untersuchung F. Lussanas über den Einfluß von Aminosäuren und 


434 O. Hanssen: 


Der Gaswechsel der einzelnen Organe zeigt überhaupt große 
Schwankungen. Er ist unmittelbar nach Entnahme am größten, 
nimmt dann rasch ab. Das Temperaturoptimum liegt für 
Organe von Säugetieren und Vögeln bei 40°. Bei Erhöhung 
auf 48° ist schon starke Abnahme erkennbar, bei noch höheren 
Temperaturen (z. B. nach 10 Minuten langem Erhitzen auf 
75 bis 90°) erlischt die Gewebeatmung ganz. Andererseits geht 
sie bei Erniedrigung der Temperatur herab, ist aber noch bei 
11° deutlich vorhanden. 

In reinem Sauerstoff ist der Gaswechsel lebhafter als in 
Luft. Zusatz von Blut oder Hämoglobinlösung begünstigt ihn 
viel mehr als Zufügung von Wasser oder physiologischer Koch- 
salzlösung. Serum besitzt eine hemmende Wirkung. 

Während des einzelnen Versuches ist der Gaswechsel im 
Anfang am lehhaftesten. Die Sauerstoffaufnahme wird auf die 
Dauer weniger geschädigt als die Kohlensäureabgabe. Zusatz 
von Wasser und hypotonischer Kochsalzlösung ist von annähernd 
gleichem Einfluß wie der von isotonischer Kochsalzlösung. Hin- 
gegen hemmen hypertonische Lösungen stark. 

Bei Verwendung von Blut ist Zusatz von wenig Alkali 
oder Säure ohne Einfluß; stärkerer Zusatz hemmt. Bei Ver- 
wendung von blutfreien Medien erweist sich eine schwach alka- 
lische Flüssigkeit (z. B. 0,5°/ ige Sodalösung oder eine amphotere 
Natriumphosphatlösung, 0,8 bis 1,4 g P,O, auf 1 Liter), als günstig. 

Von körperfremden Stoffen erniedrigen Chloroform, Äther, 
Chloral stärker als Alkohol und Aceton. Blausäure und arsenige 
Säure hemmen schon in sehr niedrigen Konzentrationen, während 
Arsensäure vergleichsweise wenig wirksam ist. 

Frischer Muskelbrei mit Wasser gewaschen und durch Leinen 
gepreßt gibt einen Rückstand und ein Filtrat, die für sich 
beide nur geringen Gaswechsel aufweisen. Der ausgewaschene 
Organbrei (Muskeln, Leber, Niere, Gehirn) kann jedoch durch 
Zufügung von Extrakt aus Muskeln (besonders Zwerchfell) zu 
beträchtlicher Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe an- 
geregt werden. 


Polypeptiden auf den Gaswechsel isolierter Gewebe (Archivio di fisiol. 
6, 269). Es sei nur im Hinblick auf die von mir zum Schluß mitgeteilte 
Versuchsreihe erwähnt, daß Lussana in keinem Falle eine Steigerung 
der Kohlensäurebildung beobachtet hat. 


Kohlensäurebildung im Organbrei. 435 


II. 


Die nachstehenden auf Anregung von Prof. Hofmeister 
ausgeführten Untersuchungen hatten ursprünglich die Aufgabe, 
die Verbrennbarkeit organischer Stoffe durch überlebendes Ge- 
webe zu untersuchen. Als Endziel schwebte uns vor, die un- 
mittelbaren Vorstufen der Kohlensäure zu ermitteln. 

Diese Fragestellung ergab sich aus nachstehender Erwägung: 
Bei dem vitalen Oxydationsvorgang gehen Sauerstoffaufnahme 
und Kohlensäureabspaltung nicht einfach parallel. Buttersäure 
z. B. oxydiert sich zu Oxybuttersäure und Acetessigsäure, ohne 
daß Kohlensäure abgegeben wird, dann aber zerfällt die Acet- 
essigsäure, ohne daß Sauerstoffaufnahme erfolgt, zu Aceton und 
Kohlensäure. In dem intermediären Stoffwechsel dürfte die 
Kombination von Oxydationen, Synthesen und Spaltungen eine 
überaus wechselnde sein; immer aber erscheint die Kohlen- 
säureabspaltung als letztes Glied einer Reihe von Vorgängen, 
und die Zahl der Stoffe, die die CO,-Gruppe abgeben, muß 
den übrigen Zwischenstufen gegenüber eine beschränkte sein. 
Es erschien von vornherein nicht unwahrscheinlich, daß die un- 
mittelbaren Vorstufen der Kohlensäure in ähnlicher Weise durch 
Organbrei zu CO,-Abspaltung gebracht werden können, wie dies 
durch L. Pollak!) für den Zerfall der Acetessigsäure zu Aceton 
und Kohlensäure nachgewiesen ist. 

Es sei von vornherein bemerkt, daß es mir nicht vergönnt 
war, diese Vorstufen der Kohlensäure auf dem eingeschlagenen 
Wege sicherzustellen. Dementsprechend haben die nachstehend 
mitgeteilten Versuche vorwiegend methodisches Interesse. 

Im Hinblick auf die gestellte Aufgabe konnte ich mich 
auf die Bestimmung der im Gewebebrei entstehenden Kohlen- 
säure beschränken. Dabei mußte eine Fehlerquelle vermieden 
werden, die den bisher ausgeführten Untersuchungen über Ge- 
websatmung anhaftet. Die Gewebe und das sie durchströmende 
Blut enthalten vorgebildete Kohlensäure, deren Menge natur- 
gemäß wechselt. Nun tritt, wie bekannt, im überlebenden 
Gewebe bald Säuerung ein; bei mechanischer Zertrümmerung 
ist sie, wie im hiesigen Laboratorium wiederholt festgestellt 
wurde, sehr beträchtlich. Es kommt dabei zu einer Abgabe 


1) Beiträge z. chem. Physiol u. Pathol. 10, 232. 


436 O. Hanssen: 


von mehr oder weniger erheblichen Mengen von Kohlensäure, 
die von vorgebildeten Carbonaten, nicht aber von den Kohlen- 
säurevorstufen herstammen, und daher das Urteil über die Größe 
der Kohlensäurebildung unsicher machen.!) 

Um diese Fehlerquelle auszuschalten, wurden daher in 
meinen Versuchen stets Kontrollversuche ausgeführt, in denen 
der Gehalt vorgebildeter Kohlensäure bestimmt wurde. 

Die von mir benutzte Technik unterscheidet sich überdies 
von jener meiner Vorgänger dadurch, daß ich die Kohlensäure 
mit Hilfe eines Luftstroms austrieb, in Barytwasser auffing und 
durch Titration bestimmte. 

Vier dickwandige, ca. 500 com fassende Kolben, die auf einem 
Stativ passend befestigt waren, dienten zur Aufnahme des Organbreies 
und der Zusatzflüssigkeit. Sie tauchten in ein auf 40° erwärmtes ge- 
räumiges Wasserbad und wurden durch einen Motor sehr energisch ge- 
schüttelt. Als Zusatzflüssigkeit diente, wo nicht ausdrücklich anderes 
bemerkt ist, physiologische (0,9°%/,ige) Kochsalzlösung in einer Menge 
von 150 ccm. 

Durch die Flaschen wurde in langsamem Strome sorgfältig von 
Kohlensäure befreite Luft gesaugt; diese ging dann durch Pettenkofer- 
sche Röhren, die ca. 300 ccm 0,7°/,ige Barytlösung enthielten. Schütteln 
und Luftdurchleiten dauerten gewöhnlich 2 Stunden, dann wurde mit 
Hilfe eines Trichterrohrs dem Organbrei portionsweise Säure (gewöhn- 
lich 10°/,ige Citronensäure) zugesetzt, um die gebundene Kohlensäure 
auszutreiben, und das Luftdurchsaugen noch 11/, bis 2 Stunden fort- 
gesetzt. 

Die verwendeten Organe wurden meist ganz frisch vom nahen 
Schlachthof bezogen. In einzelnen Versuchen wurden solche eben ge- 
töteter Hunde benutzt. Wo nichts anderes bemerkt ist, wurden sie so- 
fort mit der Fleischhackmaschine zerkleinert und kamen in Mengen von 
30 bis 100 g zur Verwendung. 

Die Barytlösung wurde nach Abschluß des Versuchs in Zylinder 
überführt und nach dem Absitzen mit Oxalsäure unter Verwendung von 
Phenolphthalein als Indicator austitriert. 

Kontrollversuche mit gewogenen Mengen Natriumcarbonat ergaben, 
daß die Kohlensäurebestimmung unter den gewählten Bedingungen mit 
genügender Schärfe erfolgt. Es wurden 98 bis 100°/, wiedergefunden. 


1) Battelli und Stern haben diese Schwierigkeit erkannt. Sie 
vermuten, daB die ungewöhnlich hohen Kohlensäurewerte in einigen Ver- 
suchen auf diese Fehlerquelle zu beziehen sind. Inwieweit die Genauig- 
keit ihrer Kohlensäurezahlen und des davon abhängigen Respirations- 
quotienten durch die Vernachlässigung dieser Fehlerquelle beeinträchtigt 
wird, läßt sich zunächst nicht zahlenmäßig beurteilen. Das gleiche gilt 
von den Versuchen Lussanas. 


Kohlensäurebildung im Organbrei. 437 


Zur Prüfung der allgemeinen Bedingungen der Kohlen- 
säurebildung wurde eine Reihe von Vorversuchen ausgeführt. 

1. Einfluß des Schüttelns. Die Notwendigkeit ener- 
gischen Schüttelns mit Luft ergab sich sofort aus der Be- 
obachtung, daß bei Unterlassung desselben die Kohlennsäure- 
bildung fehlte oder sehr gering blieb. 


Tabelle I. 


COs 

Org Gewicht Kontoll- Hau Dif 

an ewicht ontroll- Haupt- g 
versuch!) versuch ferenz 
| g mg mg mg CO, 
Ohne Schütteln Pferdeleber 100 77,9 75,9 — 20 
n n n 100 58,8 e 59.2 + 0,4 
Mit. „  Sohweineleber 100 30,3 1104 + 80,1 
, S 50 240 165,0 + 141,0 
Hundeleber 50 23,4 48,0 + 24,6 


2. Einfluß der Zerkleinerung. Proben desselben Organs 
in gleichem Gewichte wurden teils mit der Schere, teils mit 
der Fleischhackmaschine zerkleinert, teils mit Quarzsand in der 
Reibschale verrieben. 

Die Kohlensäurebildung war nach Zerkleinerung mit der 
Fleischhackmaschine am größten, nach Keesen mit Quarz- 
sand am geringsten. 


Tabelle II. 
50 g Schweineleber. 
AE 2 ` Verrieben mit 
leischhack- Quarzsand u. 
Schere maschine  Quarzsand “y agnesia 
Versuch 1: CO, mg 100,8 168 71,4 — 

we. EE Ae. Aë 54,6 76,2 47,8 — 
J — 132,0 76,0 — 
99 4: LE) 99 — 16, 2 47, 8 53 NI 


Aus diesem Ergebnis läßt sich jedoch nicht schließen, daß 
die Kohlensäurebildung durch das Intaktsein der Zellen bedingt 
ist, denn die Zermalmung führt rasch zur Säurebildung, die 
hemmend wirken kann. Indes wurde in einem Versuch (4) 
durch Magnesiazusatz die Herabsetzung nicht vermieden. 

In einem gelegentlichen Versuche ergab der Preßsaft der 
Leber (mit Buchners Presse gewonnen) nur sehr geringe 
Kohlensäurebildung. 

1) Bestimmung der vorgebildeten CO, in einer möglichst gleichen 


Parallelprobe, der gleich im Beginn Säure zugesetzt wird. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 29 


438 O. Hansen: 


3. Einfluß von Säuren, Alkalien und Giften. Gegen- 
über freiem Alkali und freier Mineralsäure erwies sich das 
Lebergewebe als sehr empfindlich. Von Giften hob ein Zusatz 
von 2°/, Phenol die CO,-Bildung nahezu auf, während 1°/, 
Saponin, 1°/,, Sublimat, 2°/,, Chininchlorhydrat und Äther 
nur eine Herabsetzung hervorbrachten. Zusatz von 1°/,, Mor- 
phin zu Gehirnbrei war ohne erkennbare Wirkung. 


Tabelle III. 
Ge- Kontroll- Haupt- p; 
Vers.-Nr. Organ wich Zusatz versuch versuch ons 
g mg CO, mg CO, "P" 
l. Schweineleber 40 0,9°/, NaCl 34,8 76,8 420 
sp 40 Se -NaOH — 35,6 + 1,2 
TT i 40 a/a0 S NaOH Weg 35,2 + 0,4 
2. 5 40 09%, NaCl 14,5 405 +26,0 
„ 40 Si NH. — 16,0 + 1,5 
me 40 a/o NH, — 14,5 00 
3. F 40 0,90/, NaCl 22 60 -+ 38 
S 40 ` Slse-H-BO, — 36 414 
Tabelle IV. 
Ge- Kontroll- Haupt- 
Vers.-Nr. Organ wicht Zusatz versuch versuch Differenz 


g mg CO, mg CO, mg CO, 
l. Schweineleber 50 0,9 NaCl 25 176,5 —+-161,5 


ge 50 0,1°/, Saponin — 150,5 --135,5 
e 50 2°, Phenol — 41 4-19 

2; i 50 0,9 NaCl 39 96,6 — 57,6 
Ge 50 01%, Bel, — 69 + 30,0 
Së 50  AÄtherwasser — 66 + 27,0 

3. e 50 0,9 NaCl 45,6 68,5 -+ 229 
H 50 0,2°/, Chinin HCl — 60,6 + 150 
J 59 0,1% » — 67,2 -+ 216 


4. Einfluß der Aufbewahrung. Im Eisschrank ge- 
haltene Organe behielten ihre Fähigkeit, Kohlensäure zu bilden, 
überraschend lange; doch war eine Abschwächung unverkennbar. 


Tabelle V. 
Zeit der Unter- Ge- troll- — 

Vers.-Nr. suchung nach Organ wicht So — Differenz 
Entnahme g mgCO, mg CO, "8 Co 

1. sofort Schweineleber 40 31,8 63,0 — 31,2 

nach 1 Tag ʻi 40 30,0 64,5 -+ 34,5 

nach 3 Tagen a 40 20,8 49,0 + 28.2 

2. sofort  Schweinsgehirn 50 21,0 105 =- 79,5 


nach 4 Tagen * 50 46,0 108,0 -+ 62.0: 


Kohlensäurebildung im Organbrei. 439 


Bei der von mir gewählten Versuchsanordnung (Körper- 
temperatur und reichliche Luftzufuhr) nimmt die Kohlensäure- 
bildung während des Versuches rasch ab, wie aus folgendem 
Versuche hervorgeht, wo die Menge der abgegebenen Kohlen- 
säure in mehreren Zeitabschnitten bestimmt wurde. 


70 g zerkleinerte Schweineleber im Wasserbad bei 40° geschüttelt, 
gab ab: 


in der ersten halben Stunde. ... . 49,8 mg CO, 
» „ Zweiten „ EE 316 „» » 
a » dritten , — E E 228 u.» 
» „ Vierten „ Re Aë Zë Aë 198 — » 
„ einer weiteren Stunde . . . .. . 246 — » 
„ zwei = Stunden. . .... 186 an 
Kontrollversuch (Zusatz von Säure im 

Beginn des Versuches) . . . . . 120 „ » 


Faßt man die Ergebnisse meiner Versuche zusammen, so 
ergibt sich, daß die Kohlensäurebildung in den Organen, wie 
auch Battelli und Stern gefunden haben, sehr bedeutende 
Schwankungen aufweist. 

Berechnet man die bei Verwendung von physiologischer 
Kochsalzlösung erhaltene Kohlensäure nach Abzug der im 
Kontrollversuch ermittelten präformierten auf 100 g Organ 
pro Stunde, so ergibt sich folgendes: 


Tierart Organ és em 

Schwein Leber 67,6 
nm „ 151,5 
e „ 68,7 
o ei 141,6 
J j . 95,6 
s e 133,0 
d 9 52,5 
j e 38,0 
a; de 126,0 
e = 46,5 
5 Milz 51,0 
2 Lunge 62,5 
o x Muskel 148,0 
e ` Gehirn 79,5 

Katze Dünndarm 21,0 


Die erhaltenen Kohlensäuremengen sind erheblich niedriger 
als die von Battelli und Stern (bei Anwendung von Blut 


als Zusatzflüssigkeit) erhaltenen, aber auch niedriger als die 
29* 


440 O. Hanssen: 


Werte, welche die Genannten bei Verwendung von Kochsalz- 
lösung erhielten. Sie fanden für 100 g Leber, Gehirn, Niere, 
Lunge bei Anwendung von physiologischer Kochsalzlösung eine 
Abgabe von 58,2 com = ca. 114 mg. Dieser Unterschied -dürfte 
sich daraus erklären, daß Battelli und Stern die präformierte 
Kohlensäuremenge nicht bestimmen und daß durch die post- 
mortale Säuerung während des Versuches ein nicht unbeträcht- 
licher Teil dieses präformierten Anteils freigemacht wird. 

Da ein erheblicher Teil meiner Versuche mit Leber an- 
gestellt ist, so sei bemerkt, daß der Glykogengehalt der Leber 
anscheinend keinen Einfluß auf die Menge der abgespaltenen 
Kohlensäure ausübt. Die Leber eines Hundes, der 8 Tage ge- 
fastet hatte, sowie die eines Hundes nach Phloridzinzufuhr, bei 
dem Glykosurie und „Acetonurie‘‘ eingetreten war, zeigten keine 
verminderte Kohlensäurebildung. 


II. 


Die mitgeteilten Versuche beweisen, daß der Organbrei 
Substanzen enthält, die unter den eingehaltenen Bedingungen 
ganz zu Kohlensäure oxydiert werden oder doch CO, abspalten. 
Um die Natur dieser Vorstufen der Kohlensäure aufzuklären, 
habe ich eine Anzahl leicht verbrennlicher Verbindungen der 
Fettreihe zu frischem Leberbrei gebracht in der Hoffnung, 
durch diesen Zusatz die Kohlensäurebildung zu steigern. 

Die nebenstehende Tabelle gibt einen Überblick über meine 
Ergebnisse. 

Da nach meinen Erfahrungen wegen der Ungleichheit des 
Organmaterials Differenzen zwischen 2 Parallelproben bis zu 
10 mg CO, auch bei Einhaltung möglichst gleicher Bedingungen 
nicht ganz sicher zu vermeiden sind, so können jene Substanzen, 
die zu keiner größeren Differenz in der Kohlensäurebildung 
führten, nicht als unmittelbare Kohlensäurebildner angesehen 
werden. Dahin gehören Versuch 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 
14, 15, 19, 20, 21. i 

Ob dem geringen Plus beim Natriumlactat (Vers. 3 und 4) 
Gewicht beizulegen ist, muß offen bleiben. Hingegen war in 
Vers. 12 f-oxybuttersaures Natron ausgesprochen wirksam, und 
ich kann dieses Ergebnis trotz anderweitiger negativer Kontroll- 
versuche (Vers. 14 und 15) nicht für zufällig ansehen, weil die- 


Kohlensäurebildung im Organbrei. 441 


selbe Leber 24 Stunden später (Vers. 13) immer noch eine aus- 
gesprochene CO,-Bildung aus dem gleichen Salze bewirkte. 




















t | 3 Ss Ze 

g | | SE GE 
E Zugesetzte Substanz | g Organ 8 Inüssigkeit S E cd Sch renz 
Z -ia EF la EE ig 

N Hoe [m 

1|Glyoxylsaures Ammon 0,20 | Schweineleber | 40 Ve tie 64,5 62 

2 Glykokoll 0,205 > 50 8 — | 92,4| 96,6) + 4,2 

3| Milchsaures Natron | 0,40 ; 29 el — [121,8/133,3| + 11,5 

4 S = 0,40 Hundeleber | 60 |f Lösung |— [166,2 177,0 + 10,8 

5 x Ammon 0,27 | Schweineleber | 40 ia eaa 31,8| 63 66,6 Es 3.6 

6 S Natron 0,25 m 40 3 31,8] 63 | 63,6 + 0,6 

7 Ammon | 0.308 4 A0 „ 125,8] 63 | 58,2|— 48 

8| Glykols. Natron 0,2975 m | 50 t 165,6| 954| — 70.2 

9 „ Ammon 0,20 u | 40 4 25.2101 7| 99,61 — 21 
10 0.20 A | 30 X 77 | 708|— Lë 
11 Brenztraubens. Natron 0,28 p ‚100 S — [216 1224 |+ 8,0 
12]#-oxybutters. Natron | 0,245 | 40 k 33,6] 88,51122,4| + 33,9 

(inaktiv) | | 
13 2 = 0,259 > 40 n — | 83,2[]105 |+ 21,8 
14 o Ammon 0,218 40 á 74,4| 73,2|— 1,2 
15 „ 10,198 Hundeleber | 30 A 72 | 71,4|— 0,6 
16 | Isovalerians. Ammon | '0,3048| Schweineleber | 40 24.6i130,8| 83,2] — 47,6 
17 d ` 1023 * 40 x 30,3|131,7| 89,1| — 42,6 
18 = = 0,36 P 40 A 30,31131,7] 78,9] — 52,8 
19 0,195 s 40 S 25,81 63 | 62,41 — 0,6 
20| Glutamins. Ammon | 0,212 s 40 A 35,4| 66,9] 66,9| — 0,0 
21 = P 0,3725 3 40 e 34,0] 66,0] 65,41 — 0,6 
22 Malons. Natron 0,30 Rindsleber |100| Blut+ | — [205,8192,6| — 13, 2 
| phys. NaCl- 
| Lösung 


Auf der anderen Seite zeigen einzelne Verbindungen aus- 
gesprochen hemmende Wirkung, so das Natronzalz der Malon- 
säure und Glycolsäure (Vers. 8 und 22) und das Ammonsalz der 
Isovaleriansäure (Vers. 16 bis 18). 

Daß die Glyoxylsäure, die erfahrungsgemäß im Gewebe- 
brei rasch verschwindet, keine Steigerung der Kohlensäure- 
abgabe bewirkt, bestätigt die Anschauung Granstroems!), daß 
dieses Verschwinden nicht durch Oxydation bedingt ist. 


1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 132. 


Über den Kalkgehalt der Frauenmilch. 
Von 
Dr. med. Hunaeus. 
(Aus der Akademischen Klinik für Kinderheilkunde zu Düsseldorf.) 
(Eingegangen am 5. Oktober 1909.) 


Die Frage nach der Ätiologie der Rachitis und ihren Be- 
_ ziehungen zum Kalkstoffwechsel bildet noch immer den Gegen- 
stand lebhaftester Erörterungen. Gerade das Vorkommen rachi- 
tischer Veränderungen bei Brustkindern hat neuerdings wieder 
einige Autoren veranlaßt, in ihren Publikationen der Vermutung 
Raum zu geben, daß der als „Rachitis‘‘ bezeichnete Knochen- 
prozeß sich auf Basis eines mangelnden Kalkgehaltes der Nahrung 
entwickeln könne. Da es für den Pädiater, der in der Mutter- 
milch das vollkommenste und beste Nahrungsmittel für den 
Säugling zu sehen gewohnt ist, etwas Befremdliches hat, diese 
als causa peccans beschuldigt zu sehen, habe ich, unterstützt 
von Herrn Dr. Engel in Düsseldorf, versucht, über den Kalk- 
gehalt der Frauenmilch nähere Aufschlüsse zu verschaffen, da 
die zurzeit vorliegenden Analysen nur gering an Zahl sind und 
mir infolgedessen eine genügende Unterlage zur Beurteilung 
dieser Frage nicht zu bieten schienen. 


Methodik. 


Die quantitative Bestimmung des Calciums der Milch er- 
folgte in der Weise, daß nach vorausgegangener Zerstörung der 
organischen Stoffe durch vorsichtige Veraschung das Calcium in 
essigsaurer Lösung als Oxalat gefällt und die an Kalk ge- 
bundene Oxalsäure durch Titration mit Kaliumpermanganat be- 
stimmt wurde. 

Selbstredend wurden nur die Resultate gut stimmender 
Doppelanalysen verwertet. 


Hunaeus: Kalkgehalt der Frauenmilch. 443 


Mit Rücksicht auf die wechselnde Zusammensetzung der 
Frauenmilch in den verschiedenen Phasen der Brustentleerung 
innerhalb eines Tages war es zunächst nötig zu prüfen, ob die 
bei der Fettanalyse gültigen strengen Gesetze für die Gewin- 
nung der Milchproben auch bei der Erlangung von Milchproben 
für Kalkanalysen befolgt werden müssen. 

Daher wurde geprüft, ob 

a) Unterschiede in der Anfangs- und Endmilch, 

b) Unterschiede in der Morgen- und Abendmilch bezüglich 
des Kalkgehaltes bestehen. 


Tabelle I. e 


Prozentualer Kalkgehalt der Anfangs- und Endmilch von 6 Ammen 
bei einer Brustentleerung. 


Amme K., 22 J., I para 0,0471 
Amme N., 191/, J., I para 0,0446 
Amme v. G., 19 J., I para 0,0389 
Amme Fr., 21 J., I para 0,0424 
Amme KI., 21 J., I para 0,0345 
Amme Ko., 22 J., I para 0,0450 





Tabelle II. 
Prozentualer Kalkgehalt der Morgen- und Abendmilch von 5 Ammen. 


Nationale | Morgenmilch | Abendmilch 


Amme Kl, 21 J., I para 
Amme v. G., 19 J., I para 





Amme Fr., 21 J., I para 0,0433 0,0446 
Amme Gr., 21!/, J., I para 0,0426 0,0421 
Amme K., 22 J., I para 0,0460 0,0460 


Ein Blick auf die Tabellen läßt klar erkennen, daß zwischen 
Anfangs- und Endmilch einer Mahlzeit gesetzmäßige Unterschiede 
bestehen insofern, als der Kalkgehalt der Anfangsmilch einen 
höheren CaO-Wert aufweist als der der Endmilch. Bei der 
Sekretion des Fettes ist es bekanntlich gerade umgekehrt. Ob 
sich die erstere Tatesche nun dadurch erklärt, daß im Beginn 
der Brustentleerung die Drüse viel Plasma und wenig Fett, 
am Ende derselben weniger Plasma und dafür reichlicher Fett 


444 Hunaeus: 


sezerniert, oder ob, wie Engel!) andeutet, bei sehr starker 
Fettsekretion die Absonderung der übrigen Milchbestandteile 
leiden kann, lasse ich dahingestellt. 

Auch bei der Morgen- und Abendmilch zeigten sich ge- 
ringe, wenn auch nicht gesetzmäßige Differenzen. Jedenfalls 
wurde, da sich Unterschiede zwischen Anfangs- und Endmilch 
sowie Morgen- und Abendmilch ergeben hatten, für meine 
Untersuchungen die Mischmilch wie bei der Fettbestimmung 
gesammelt — gleiche Portionen von jeder Brust vor und nach 
dem Anlegen bei jeder Mahlzeit —, um so eine gleichmäßige 
Milchmischung zu erzielen. Durch die Analysen der Tages- 
mischmilch wurden die folgenden Fragen bearbeitet: 

1. Existieren individuelle Unterschiede des Kalkgehaltes 
der Milch? 

2. Ist der Kalkgehalt bei derselben Frau ein konstanter? 

3. Verändert sich der Kalkgehalt bei derselben Frau inner- 
halb der Lactation? 


Tabelle III. 
Progentualer Kalkgehalt der Milch von 12 Ammen im 1. Lactationsmonat. 





Nationale CaO 


Amme E., 22 J., J.-Nr. 1136, I para 12 Tage post partum | 0,0333 
Amme A., 20 J., J.-Nr. 1025, I para 







Amme Ko., 22 J., J.-Nr. 1238, I para 0,0383 
Amme K., 22 J., J.-Nr. 1000, I para 0,0414 
Amme Kr., 24 J., J.-Nr. 1183, I para 0,0415 
Amme H., 25 J., J.-Nr. 1042, I para 0,0441 
Amme F., 19 J., J.-Nr. 1185, I para 0,0471 
Amme N., 221/, J., J.-Nr. 1102, I para 0,0474 
Amme v. G., 19 J., J.-Nr. 1102, I para 0,0475 
Amme N., 191/, J., J.-Nr. 1201, I para 0,0482 
Amme W., 21 J., J.-Nr. 1199, II para 0,0508 
Amme K., 22 J., I para 0,0518 


In der vorstehenden Tabelle habe ich zur Beleuchtung der 
ersten Frage nur Milohen aus dem ersten Lactationsmonat zu- 
sammengestellt, weil sich mir im Laufe der Untersuchungen er- 
gab, daß die individuellen Schwankungen während der Lacte- 
tion immer gleich bleiben und weil ich aus dem ersten Monat 
über die größte Zahl von Analysen verfüge. Differenzen sind 


1} Engel, Milchwirtschaftliches Centralblatt 1907, Heft 9, 8. 4. 


Kalkgehalt der Frauenmilch. 445 


vorhanden und zwar sind sie so groß, daß die Werte von der Amme 
mit dem niedrigsten CaO-Gehalt und der mit dem höchsten — 
0,0333 und 0,0518 — um 0,0185, d. i. 34,7°/, des Höchstwertes, 
differieren. Besonders wichtig erscheint mir der Hinweis darauf, 
daß die drei zuerst angeführten Ammen einen Kalkgehalt haben, 
der beträchtlich unter dem Mittelwert — 0,0440 — steht, und 
daß es unter Berücksichtigung der großen individuellen Kon- 
stanz des Kalkgehaltes der Milch — siehe Tabelle IVa und b 
— ziemlich sicher scheint, daß diese Frauen auch im weiteren 
Verlaufe der Lactation eine kalkarme Milch produzieren. So- 
mit wäre die Tatsache gesichert, daß es Frauen mit 
kalkarmer und solche mit kalkreicher Milch gibt. 
Hiermit eröffnet sich die Möglichkeit, daß auch die Entwicklung 
der Kinder hierdurch beeinflußt werden könnte. 

Die Beantwortung der zweiten Frage ergibt sich aus den 
Tabellen IVa und IVb, die an der Gleichheit der Kalkwerte 
bei derselben Frau an mehreren aufeinander folgenden Tagen 
deutlich die große Konstanz des Milchkalkes innerhalb kleinerer 
Zeitabschnitte erkennen lassen — die Differenzen bewegen sich 
nur in Bruchteilen von Milligrammen — eine Tatsache, auf 
der fußend wir experimentell den Einfluß irgendwelcher Um- 
stände auf den Kalkgehalt der Milch prüfen und beobachten können. 


Tabelle IVa. 
Amme Keiter. 


Datum Tagesmilchmenge Fett CaO-Gehalt 
com KU %o 





Tabelle IVb. 
Amme Klein. J.-Nr. 1044. 21 J. alt. 


Tagesmilchmenge Fett | CaO-Gehalt 
Datum 
com | Jo | Dia 
6. August 09 2115 385 0,0363 
1: x 2500 3,7 0,0367 
8. = 2050 3,4 0,0363 





448 Hunaeus: 


Diese individuelle Konstanz hält während der ganzen Lac- 
tation an, nur daß sich mit dem Fortschreiten derselben eine 
langsame, nicht sehr beträchtliche Abnahme des Kalkgehaltes 
konstatieren läßt. Eine Verschiedenheit in dem Maße der Kalk- 
verminderung bei kalkreichen und kalkarmen Ammen, vielleicht 
in dem Sinne, daß bei den ersteren eine gesteigerte, bei den 
letzteren eine solche mäßigeren Grades erfolgte, läßt sich aus 
den vorliegenden Befunden nicht ersehen. Höchstens bei der 
Amme Kl. (Tabelle V), die einen niederen Kalkgehalt der Milch 
hat, könnte man ein langsames Sinken des Kalkwertes kon- 
statieren, 


Tabelle V. 
Prozentualer Kalkgehalt der Frauenmilch bei 7 Ammen im Ablauf der 
Lactation. 
2 ; Laotations- | CaO-Gehalt | Differenz 
Nationale Honat ei, Se 





bere e 





Amme N., 191/, J., J.-Nr. 1201 l. 0,0482 | 

2. | 0,0466 1,6 
Amme Fr., 21 J., J.-Nr. 1208 2. 0,0444 

3. 0,0432 1,2 
Amme v. G., 19 J., J.-Nr. 1102 l. 0,0475 

3. 0,0410 6,5 

4. 0,0381 3,1 
Amme K., 22 J., J.-Nr. 1078 l. 0,0518 

3. 0,0486 3,2 

d. 0,0465 2,1 
Amme K., 20 J., J.-Nr. 906 d. 0,0425 

6. 0,0402 2,3 

6. 0,0378 2,4 
Amme Kl, 21 J., J.-Nr. 1044 3. 0,0379 

5. 0,0372 0,7 

7. 0,0367 0,5 
Amme Gr., 21!/, J., J.-Nr. 725 7. 0,0452 

10. 0,0423 2,9 


Wenn ich in Kürze die Ergebnisse der vorliegenden Ana- 
lysen zusammenfasse, so ergibt sich, daß im Kalkgehalt der 
Frauenmilch erstens starke individuelle Verschiedenheiten 
vorkommen, daß zweitens bei jeder einzelnen Frau der Milchkalk 
eine sehr konstante Größe hat. Es gibt kalkreiche und kalk- 
arme Milchen. Ferner zeigt sich, daß im Laufe der Lactation 
eine mäßige Abnahme des Kalkgehaltes erfolgt. Betont 
muß jedoch werden, daß die individuellen Differenzen bei weitem 
am größten sind. Hierin dürfte auch die klinische Bedeutung 


Kalkgehalt der Frauenmilch. 447 


des ganzen Problems liegen, insofern als die Möglichkeit einer 
pathologischen Entwickelung der Kinder von kalkarmen Frauen 
nicht ausgeschlossen erscheint. Das letzte Wort in dieser Frage 
wird jedoch die Klinik zu sprechen haben, und wir werden 
darum bestrebt sein, auch die fraglichen Kinder weiterhin zu 
beobachten. 


Fütterungsversuche. 


Nachdem sich ergeben hatte, daß man in einer Reihe auf- 
einander folgender Tage fast total übereinstimmende Werte für 
den Milchkalk erhält, war die Möglichkeit gegeben, Fütterungs- 
versuche zu machen. Denn nun ist es statthaft, Ausschläge 
auch geringeren Grades mit Sicherheit auf die einwirkenden Ein- 
flüsse zu beziehen. 

Angeregt durch die Versuche Dibbelts, durch Kalk- 
zufütterung in Form anorganischer oder organischer Kalk- 
präparate eine Erhöhung des Kalkgehaltes der Frauenmilch zu 
erzielen, gab ich einzelnen Ammen Kalk in Form von Calcium 
phosphoricum und Calcium lacticum in der Menge, daß genau 
l g CaO pro die dem Organismus zugeführt wurde. 

Im Vorversuch wurde der CaO-Gehalt der Tagesmischmilch 
erst einige Tage bei gewöhnlicher Kost bestimmt und dann 
das Kalkpräparat gegeben. Gleichzeitig wurden die während 
des Tages gelieferten Milchmengen und der Fettgehalt der Misch- 
milch der betr. Amme genau registriert, um ein Urteil über 
diese beiden Faktoren und ihren eventuellen Zusammenhang 
mit der uns speziell beschäftigenden Frage zu gewinnen. 


Tabelle Vi. 
Kalkfütterungsversuch mit phosphorsaurem Kalk an der Amme Keiter. 


Fett CaO-Gehalt 


0 ec 0/ 0 


Datum Tagesmilchmenge 








448 Hunaeus: 


Tabelle VI (Fortsetzung.) 





Fett CaO-Gehalt 








Am 18. Juli versehentlich kein Kalk gegeben! 


19. Juli 1635 4,8 0,0384 
20. „ 1430 5 0,0375 
21.6; 1395 4,5 0,0375 
2. p, 1690 4,8 ‚0,0378 


Versuch 1. Amme Reiter. 20 J. I para im 6. Lactationsmonat. 


Tabelle VII. 


Kalkfütterungsversuoh mit phosphorsaurem Kalk an der Amme Klein. 














Datum Tagesmilchmenge Fett CaO- Gehalt 
com %, "ie 

6. August 09 2115 3,5 0,0363 
Ze e 2500 3,7 0,0367 
8. y 2050 3,4 0,0363 
Vom 9. Aug. ab tägl. Beigabe von 3 g Calc. phosphoric. 
10. August 2215 3,5 | 0,0363 
11. „ 2030 3,4 0,0365 
12. „ 2200 | 3,4 0,0365 
13. „ 2060 3,0 0,0368 
LA. „ 2230 3,3 0,0385 


Versuch 2. Amme Klein. 21 J. I para im 5. Lactationsmonsat. 


Tabelle VIII. 
Kalkfütterungsversuch mit Calcium lactivum an der Amme Koch. 


Datum zum Teäëecel run Teo 5 Ven EE CaO- Seng 
21. August 09 2270 0,0486 
22: s 2175 11 0, ‚0487 
23. „ 2090 4,4 0,0482 


Seit 23. August mittags tägl. 5,5 g Calc. lactio. in Himbeer- 





limonade 
24. August 2110 4,5 0,0485 
>. `y 2015 6,3 0,0474 
2. Septbr. 2090 4,2 0,0471 
10. „ 2055 4,6 0,0465 


Versuch 3. Amme Koch. 22 J. I para Ende des 3. Laotations- 
monats. 


Kalkgehalt der Frauenmilch. 449 


‚ Tabelle IX. 
_ Kalkfütterungsversuch mit Caloium lactioum an der Amme Klein. ` mit Calcium lacticum an der Amme Klein. 


Datum "ëm Pr ZC E REECH KS ec CaO- — 
26. August 09 0,0387 
2. p £i 0, 0374 


Vom 28. August morgens ee g Calo. laotio. in 1 1 Milch. 





29. August 2390 ° 3,5 0,0377 
30 SÉ 2260 3,8 0,0377 
at p 2560 3,7 0,0374 
4. Septbr. (nach 8 Tagen) 1695 3,5 0,0365 


Versuch 4. Amme Klein. 21 J. I para im Beginn des 6. Lactations- 
monate. 


Die Versuche mit Zufütterung von organischen und anorga- 
nischen Kalksalzen haben, wie aus den vorstehenden Tabellen VI 
bis IX ersichtlich, keine größeren Ausschläge ergeben. Diese waren 
auch von vornherein kaum zu erwarten, da die mit der gewöhnlichen 
Kost zugeführten Kalkmengen den Cat) Bedarf stets über- 
schreiten, besonders bei Individuen, die wie die Ammen unserer 
Klinik täglich mehrere Liter Milch — der kalkreichsten Nahrung, 
die wir kennen — zu sich nehmen. 

Auffällig ist sogar, daß in den Fällen, wo der Kalkgehalt 
der Milch sich änderte (bes. Tabelle VI), es meist im Sinne 
einer Abnahme war. Im Falle der Amme Keiter war diese 
Verminderung offenbar größer, als der physiologischen Lacta- 
tionsabnahme entspricht. 

Es wurde weiter der Versuch gemacht, durch Änderung 
der Lösungsverhältnisse im Darm, durch Zufügung von Salz- 
säure in größeren Dosen auf die Resorption und Ausscheidung 
des Kalkes Einfluß auszuüben. Wir gaben einer Amme (v. G.) 
7 Tage lang täglich 1 g Acidum hydrochloricum pro die, welche 
in 3 Gläser Himbeerlimonade verteilt, gern genommen wurde, 
und "beobachteten, daß der am 3. September 09 0,0410 CaO 
betragende Kalkgehalt am 10. September auf 0,0360 CaO ge- 
sunken war. 

Dieser eine Versuch gestattet keine besondere Deutung. 

Besonders wichtig schien uns ein letzter Versuch mit Ent- 
ziehung des Kalkes in der Nahrung, weil erfahrungsgemäß von 
allen alimentären Einflüssen der der Unterernährung die sicherste 
Einwirkung auf die Zusammensetzung der Milch gibt. 


450 Hunaeus: 


Wir entzogen auf die Dauer von 8 Tagen einer Amme, die 
nachweislich außer der gewöhnlichen gemischten Kost täglich 
etwa 3 bis 3'/,1 Milch zu sich nahm, die Kuhmilch gänzlich 
und suchten durch tägliche regelmäßige Kalkbestimmungen in 
der Mischmilch, eventuelle Ausschläge festzustellen. Auch dieser 
Versuch gab aber ein negatives Resultat. Der Kalkgehalt der 
Milch nahm nicht ab. 


Tabelle X. 
Kalkentziehungsversuch an der Amme v. G. 


Datum Tagesmilchmenge Fett CaO-Gehalt 
com "ie "e 


26.Septbr.09 2240 3,7 0,0378 


Vom 27. September ab wird Kuhmilch entzogen und statt 
dessen Himbeerlimonade als Getränk gegeben. 





27. Septbr. 2105 3,9 0,0376 
28., 2140 39 0.0377 
2. > 2240 43 0.0377 
SR — 2170 41 0,0376 


Als Gesamtresümee ergibt sich aus den vorliegenden Unter- 
suchungen, daß der individuelle Kalkgehalt so konstant und 
zäh von jeder Frau festgehalten wird, daß Fütterungsversuche 
keine nennenswerten Einflüsse ausüben können. 

Wir zweifeln nicht, daß bei hochgradiger Unterernährung 
auch der Kalkgehalt ebenso leiden kann wie auch sonst die 
Qualität und Quantität der Milch. Befunde an solchen schlecht 
genährten Individuen liegen noch nicht vor. 


Literatur. 


Aron und Sebauer, Untersuchungen über die Bedeutung der 
Kalksalze für den wachsenden Organismus. Diese Zeitschr. 8, 1, 1908. 

Aron, Kalkbedarf und Kalkaufnahme beim Säugling und die Be- 
deutung des Kalkes für die Ätiologie der Rachitis. Diese Zeitschr. 12, 
28, 1908. 

Birk, Untersuchungen über den Einfluß des Phosphorlebertrans 
auf den Mineralstoffwechsel gesunder und rachitischer Säuglinge. 
Monatsschr. f. Kinderheilk. 7, Nr. 8, 1908. 

Czerny und Keller, Des Kindes Ernährung. Handbuch, Teil I. 

Dibbelt, Die Pathogenese der Rachitis, Arbeiten auf dem Ge- 
biete der pathol. Anatomie und Bakteriologie aus dem pathol. - anatom. 
Institut zu Tübingen 6, Heft 3, 1908. 


Kalkgehalt der Frauenmilch. 451 


Engel, Die Frauenmilch aus dem „Handbuch der Milohkunde“ 
von Sommerfeld. Wiesbaden 1909. 

L. F. Meyer, Ernährungsstörungen und Salzstoffwechsel beim 
Säugling in „Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 1“. 

— —, Mineralstoffwechsel im frühen Kindesalter. Medizin. Klinik 
1909, Nr. 16. 

Kassowitz, Rachitis. Jahrb. f. Kinderheilk. 69, Heft 3. 

Orgler, Bemerkungen zur Arbeit von Aron und Sebauer. Diese 
Zeitschr. 10, 236, 1908. 

Pfeiffer, Die Zusammensetzung der menschlichen Milch bei Ra- 
chitis der Säuglinge. Jahrb. f. Kinderheilk. 24. 

Schloßmann, Zur Frage der natürlichen Säuglingsernährung. 
Arch. f. Kinderheilk. 30. 

Schabad, Die Behandlung der Rachitis mit Lebertran, Phosphor 
und Kalk. Zeitschr. f. klin. Med. 68, Heft 1 u. 2. 

—, Der Kalk in der Pathologie der Rachitis, Berl. klin. Wochen- 
schr. 1909, Nr. 18. 

Stöltzner, Die Stellung des Kalkes in der Pathologie der Ra- 
cobitis. Jahrb. f. Kinderheilk. 50. 

—, „Rachitis“ im Pfaundler-SchloBmannsohen Handbuch der 
Kinderheilkunde. 

Wieland, Über sogenannte angeborene und über frühzeitig er- 
worbene Rachitis. Jahrb. f. Kinderheilk. 67, Heft 4. 

—, Klinische Untersuchungen über Frührachitis. Deutsche med. 
Wochenschr. 1908, Nr. 36. 


Versuche über Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 


Von 
_ Wilhelm Stepp, Gießen. 
(Aus dem Physiologisch-Chemischen Institut in Straßburg.) 
(Eingegangen am 6. Oktober 1909.) 


I. 


Trotz der stetig wachsenden Erkenntnis der biologischen 
Bedeutung der Zellipoide!) ist das Problem, ob der Tierkörper 
diese Stoffe selbst bildet oder die Fähigkeit dieser Synthese 
der Pflanze allein zukommt, experimentell noch kaum in An- 
griff genommen worden. | 

Die Methodik für die Lösung dieser Frage ist vorgezeichnet 
durch den Weg, auf welchem man sich über die Unentbehr- 
lichkeit anderer Bestandteile der Nahrung, z. B. der Salze, 
des Eiweißes und seiner Spaltungsprodukte Aufschluß zu 
verschaffen suchte. Auf dem Wege des Fütterungsversuches 
mußte sich entscheiden lassen, ob ein Tier mit einer lipoid- 
freien Nahrung am Leben erhalten werden kann oder nicht. 

Für die Herstellung einer lipoidfreien Nahrung gab es 
zwei Möglichkeiten. Einmal konnte man eine solche aus reinen 
Nahrungsstoffen und Salzen künstlich zusammensetzen, was 
jedoch seine schwerwiegenden Bedenken hat. Da wir nämlich 
keineswegs alle für die Erhaltung des Lebens notwendigen Stoffe 
kennen, so hätte, im Falle sich die Nahrung als ungenügend 
erwies, immer noch die Möglichkeit vorgelegen, daß nicht der 
Mangel an Lipoiden, sondern an einer andern unbekannten Sub- 
stanz den Tod der Tiere veranlaßt hatte. Weit übersichtlicher 
mußten die Verhältnisse liegen, wenn man von einer Nahrung 


1) Mangels einer exakten Definition sei bemerkt, daß im nach- 
folgenden unter Lipoiden die durch Alkohol, Ather, Chloroform extra- 
hierbaren Zellbestandteile unter Ausschluß der Fette, also hauptsächlich 
Cholesterine, Lecithine und Cerebroside zu verstehen sind. 


W. Stepp: Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 453 


susging, die erfahrungsgemäß zureichend, aber vorher von 
Lipoiden befreit war. Bei den besonderen physikalischen Eigen- 
schaften der Lipoide, d. h. ihrer relativ leichten Löslichkeit 
in organischen Lösungsmitteln wie Alkohol, Ather usw. bot es 
keine Schwierigkeiten, ein zu derartigen Fütterungsversuchen 
durchaus geeignetes Futter zu bereiten. 

Bei Benützung der Extraktionsmethode für die Herstellung 
einer lipoidfreien Nahrung war zu bedenken, daß gleichzeitig 
mit den Lipoiden auch die Glyceride der Fettsäuren in Lösung 
gehen würden, und daß somit eine mit Alkohol und Äther er- 
schöpfte Nahrung auch vollkommen fettfrei ist. 

Einwandsfreie Fütterungsversuche mit vollkommen fett- 
freier Nahrung konnte ich außer denen von Lum mert?) in 
der Literatur nicht finden. 

Lummert wollte die Frage entscheiden, ob man mit vollkommen 
fettfreier Nahrung Fettmast erzielen könnte. Interesse für unsere Frage 
beanspruchen nur seine Fütterungsversuche an Enten. Die beiden Ver- 
suchstiere wurden durch Hungern bzw. Fütterung mit geringen Futter- 
mengen erheblich in ihrem Gewicht reduziert (Tier I von 2150 auf 1490 g), 
dann wurden sie mit durch Äther entfettetem Sohrotmehl und Reisstärke, 
das eine Tier außerdem noch mit Casein und Fruchtzucker ernährt. 
Geschlachtet wurden sie, „als keine weitere Gewichtszunahme mehr ein- 
trat“. Das war bei dem einen Tier, bei dem während der Fütterung 
noch einmal eine Stägige Hungerperiode eingeschaltet war, nach 21, bei 
dem andern nach 24 Tagen der Fall. Das eine Tier hatte sein Anfangs- 
gewicht um diese Zeit wieder erreicht, das andere nicht. Fettmast war trotz 
reichlichster Fütterung bei keinem der beiden Tiere zu erzielen gewesen. 

Wie man sieht, liegen hier Versuche vor, bei denen aus 
der Nahrung wohl mit dem Fett gleichzeitig die Hauptmenge 
der Lipoide extrahiert worden war. 

An dieser Stelle möge noch einer Reihe von Fütterungs- 
versuchen mit zum Teil künstlich zusammengesetzter Nahrung 
gedacht werden, in denen möglicherweise die Lipoide wenigstens 
zum Teil gefehlt haben. Hierher gehören die Luninschen?) 
Versuche, in denen sich eine Mischung von Casein, Fett, Zucker 
und Salzen als unzureichend erwies, Mäuse am Leben zu er- 
halten. Ferner fütterten Falta und Noeggerath?) Ratten 


1) Lummert, Pflügers Archiv 71, 1898. 
2) Lunin, Zeitschr. f. physiol. Chem. 5, 1881. 
3) Falta und Noeggerath, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
7, 1906. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 30 


454 W. Stepp: 


mit verschiedenen Nahrungsgemischen, welche bestanden aus 
je einem der nachstehenden Eiweißkörper (Ovalbumin. puriss. 
pulv., Casein puriss. [Hammarsten], Albumin aus Blut, Fibrin. 
pulv. aus Blut, Hämoglobin, Blutglobulin) sowie „gereinigtem‘“ 
Schweinefett, Stärke, Traubenzucker und einem anorganischen 
Salzgemisch. In einem Versuch wurde einem Gemisch sämtlicher 
Eiweißkörper mit Amylum, Dextrose, Salzen noch Cholesterin 
und Lecithin hinzugefügt. 

Mit keinem dieser Nahrungsgemische konnten die Tiere 
auf die Dauer am Leben erhalten werden, am längsten lebten 
die Tiere mit der letzterwähnten Nahrung. Sowohl bei der 
Versuchsanordnung von Lunin, wie auch bei der von Falta und 
Noeggerath ist an die Möglichkeit zu denken, daß der Mangel 
an irgendwelchen Lipoiden in der Nahrung die Ursache war, 
daß die Tiere nicht am Leben erhalten werden konnten. 

Gegen diese Schlußfolgerung würde auch nicht der letzte 
Versuch mit Cholesterin- und Lecithinzusatz sprechen, denn es 
ist ganz wohl denkbar, daß in diesem Versuch andere wichtige 
Lipoidstoffe gefehlt haben. 

Während die nachstehend angeführten Versuche bereits im 
Gange waren, wurde mir eine Notiz von Röhmann?!) bekannt, 
worin er kurz berichtet, daß er Mäuse dauernd mit einer lecithin- 
freien Nahrung am Leben erhalten habe, ja daß dieselben sogar 
Junge zur Welt gebracht hätten, welche sich bei dieser Nahrung 
weiter vermehrten.?) 

II. 
Versuchsanordnung. 


Als Versuchstiere erschienen aus verschiedenen Gründen 
weiße Mäuße am zweckmäßigsten. Als zur Extraktion geeignetes 
Futtermittel wurde Brot gewählt, da man Mäuse vorzüglich 
mit ausschließlicher Brotnahrung ernähren kann. Das Brot 
wurde aus reinem Weizenmchl mit Milch gebacken, mehrere 
Tage im Brutschrank getrocknet, zerschrotet und portionsweise 
in einem großen Soxhletapparat je etwa 12 Stunden mit 95°/, 
Alkohol und Äther extrahiert. Zur völligen Entfernung des Athers 

1) Röhmann, Lehrb. d. Biochemie. S. 109, 1908; Allgem. med. 
Centralbl. 1908, Nr. 9. 


2) Die Nahrung bestand aus Vitellin. Casein, Hühnereiweiß, Mar- 
garine, verzuckerter Weizenstärke, Traubenzucker und Salzen. 


Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 455 


erwies es sich als notwendig, das Brot nach dem Trocknen in 
Wasser einzuweichen. Aus dem gequollenen Brot ließ ich dann 
der Äther mitsamt dem Wasser bei 40° im Luftstrom ver- 
dunsten. Ein Verlust von Salzen aus dem Brot war bei dieser 
Aufschwemmung in Wasser völlig ausgeschlossen.!) Nach dem 
Trocknen war das Brot völlig geruchlos und hatte einen wenig 
ausgeprägten, aber nicht unangenehmen, jedenfalls durchaus 
nicht an Äther erinnernden Geschmack. 

Die zu den Versuchen verwandten Mäuse von einem mitt- 
leren Durchschnittsgewicht von 15g wurden zu je 6 Stück 
in großen Glasstandgefäßen gehalten, deren Boden mit einer 
dicken Lage entfetteter Watte bedeckt war. Die Gefäße wurden 
täglich gründlich gereinigt, die Watte erneuert. Futter und 
Brunnenwasser erhielten die Tiere täglich frisch in Glasschalen. 


III. 
Versuche. 
Versuchsreihe A. (Mit Alkohol-Äther extrahiertes Brot.) 
Versuch 1. 
Hauptversuch. 


6 ausgewachsene Mäuse wurden unter den oben erwähnten Be- 
dingungen mit extrahiertem Brot gefüttert. Sämtliche 6 Tiere starben 


und zwar: 
l nach 16 Tagen, 


Low 2 „ 
3 LU 23 LI) 
1 LU 29 29 


Aus den Versuchsprotokollen möge bemerkt werden, daß die Tiere 
während der ersten 14 Tage vollkommen munter waren und das dar- 
gereichte Brot gierig fraßen. Verminderte Freßlust und sonstige Er- 
scheinungen, wie geringere Regsamkeit usw. trat bei den einzelnen Tieren 
meist erst wenige Tage vor dem Exitus auf. Sobald sich bei einem Tiere 
derartige Symptome zeigten, wurde es isoliert. 


Kontrollversuch. 


Um dem Einwand zu begegnen, daß die Tiere nicht an 
dem Mangel der extrahierten Substanzen zugrunde gegangen 
seien, sondern daran, daß durch die Einwirkung der Extrak- 
tionsmittel im Brote selbst eine Veränderung vor sich gegangen 


1) Auf die bei der Extraktion mit 95°/,igem Alkohol eintretenden 
Salzverluste wird später einzugehen sein. ] 
30* 


456 W. Stepp: 


sei, die es zur Ernährung untauglich machte, habe ich gleich- 
zeitig noch einen Kontrollversuch durchgeführt, in dem 6 Mäuse 
mit alkoholätherextrahiertem Brot gefüttert wurden, dem nach- 
träglich der Extrakt wieder zugesetzt worden wear." 

Die Tiere waren mit Ausnahme einer Maus, die aus unbekannten 
Gründen bereits nach 14 Tagen verendete, noch am 30. Tage vollkommen 
munter, also zu einer Zeit, wo sämtliche Tiere des Hauptversuches be- 
reits gestorben waren. 

Versuch 2. 

Einen weiteren Versuch unter vollkommen gleichen Be- 
dingungen stellte ich an 6 Mäusen desselben Wurfs an. Das 
Alter der Tiere betrug ca. 8 Wochen. 

Nachdem die Tiere vom Muttertier getrennt worden waren und 
ich mich durch Fütterung mit gewöhnlichem Brot überzeugt hatte, daß 
die Tiere selbständig fressen konnten, wurde zum Versuch geschritten. 

3 Tiere wurden mit alkoholätherextrahiertem Brot, 3 Tiere mit 
demselben Brot +4 nachträglichem Extraktzusatz gefüttert. 

Alle 3 mit dem extrahierten Brot gefütterten Tiere gingen ein und 
zwar: 

1 nach 21 Tagen?) 
2 „ 3 „ 

Die 3 Kontrolltiere waren noch 42 Tage naoh Beginn des Versuchs 
vollkommen munter. Der Versuch wurde dann abgebrochen. 

Zu diesem zweiten Versuch möge noch bemerkt werden, daß die 
Tiere stets regelmäßig gewogen wurden, daß sich aber durchaus kein be- 
stimmter Typus in der Gewichtskurve erkennen ließ. Nur in den letzten 
Tagen vor dem Tode nahm das Körpergewicht stets ab. Ebenso wie die Tiere 
des ersten Versuchs hatten die des zweiten in den ersten Wochen mit 
großer Gier gefressen, dann begann die Freßlust ein wenig nachzulassen. 

Alle verendeten Tiere wurden möglichst sofort nach dem Tode 
seziert. Irgendwelche pathologisch-anatomischen Veränderungen konnten 
nicht gefunden werden. 

Die Tatsache, daß sämtliche 9 Tiere, welche mit alkohol- 
äther-extrahiertem Brot gefüttert wurden, eingingen, und zwar 
die ausgewachsenen Tiere erheblich früher als die jungen, im 
starken Wachstum begriffenen Tiere, zeigt, daß das alkohol- 


1) Der eingeengte, dunkelbraun gefärbte alkoholische Extrakt wurde 
mit dem ebenfalls eingeengten ätherischen Extrakt vereinigt, mit Wasser 
emulgiert, die Emulsion mit der in einer größeren Menge Wassers auf- 
geschwemmten Brotportion vereinigt, das Ganze im Luftstrom bei ca. 40° 
zur Trockne gebracht. So war die Garantie gegeben, daß die wieder 
zugesetzten Extraktstoffe auch gleichmäßig im Brot verteilt waren. 


2) Das relativ früh gestorbene Tier war erheblich kleiner als die 
Geschwistertiere, 


Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 457 


äther extrahierte Brot zur Ernährung unzureichend war. Denn 
die zweite Möglichkeit, daß das Brot durch die Alkoholäther- 
Extraktion toxische Eigenschaften angenommen hätte, wird durch 
den Kontrollversuch beseitigt, bei dem die Tiere, mit Ausnahme 
eines, das aus unbekannten Gründen frühzeitig starb, alle am 
Leben blieben. 

Man könnte in diesem Versuchsergebnis einen Gegensatz 
finden zu dem schon erwähnten Versuche Lummerts, der 
zwei Enten je 21 und 24 Tage mit äther-extrahiertem Schrot- 
mehl ohne Schaden fütterte. Wenn man jedoch überlegt, daß 
Mäuse bei ihrem geringen Gewicht nur einen sehr geringen 
Vorrat an alkoholäther-löslichen Stoffen, dabei aber wegen 
ihrer verhältnismäßig großen Oberfläche einen regeren Stoff- 
wechsel als Enten haben müssen, so wird man nicht erwarten, 
daß die Störungen, die bei lipoidfreier Nahrung bei Mäusen 
nach etwa 3 Wochen auftreten, sich um etwa dieselbe Zeit 
auch bei Enten, die etwa das 120- bis 150fache wiegen, geltend 
machen müßten. ` 

Hingegen sind bei der Verwertung der Resultate zwei andere 
Bedenken ernstlich zu erwägen. 

Genaue Stoffwechseluntersuchungen sind an Mäusen nicht 
ausführbar. Infolgedessen wird die Entscheidung der Frage, ob die 
Ernährung einer Maus eine ausreichende ist, schwierig sein, be- 
sonders schwierig, wenn der exakte Nachweis gefordert wird, 
daß die zugeführte Calorienmenge eine genügende war. Ich 
glaube jedoch, diesem Bedenken kein Gewicht beilegen zu müssen, 
da ich mich überzeugt habe, daß die mit extrahiertem Brot 
gefütterten Tiere in ihrer Freßlust, wenigstens in den ersten 
Wochen, den Kontrolltieren nicht im entferntesten nachstanden. 
Daß in den letzten Tagen vor dem Tode die Freßlust nach- 
läßt, scheint mir vielmehr der Ausdruck einer bereits vor- 
handenen krankhaften Störung zu sein. Übrigens habe ich voll- 
ständige Verweigerung der Nahrung nur in den letzten Stunden 
vor dem Tode beobachtet. 

Ein weiteres schwer wiegendes Bedenken ist folgendes: Bei 
der stundenlangen Extraktion des Brotes mit 95°/,igem Alkohol 
gehen kleine Mengen von Salzen in Lösung. So könnte daran 
gedacht werden, daß die Tiere an Salzmangel zugrunde ge- 
gangen seien. Dieser Salzmangel könnte sich naturgemäß nur 


458 W. Stepp: 


auf die in Alkohol etwas löslichen Salze, vor allem Chloride 
und Alkalien beziehen. 

Die Untersuchung der Asche des extrahierten Brotes ergab 
die Anwesenheit von Chloriden. Von völligem Salzmangel kann 
daher keine Rede sein. Doch hielt ich es für wünschenswert, 
einen den Einwand des Salzmangels berücksichtigenden Versuch 
auszuführen, nämlich mit extrahiertem Brot, dem nachträglich 
die Salze wieder zugesetzt waren. Der Versuch erwies sich 
leider aus besonderen Gründen — er war mit chloroform-extra- 
hiertem Brot angestellt — nicht voll beweiskräftig. Immer- 
hin sprechen meine Versuche dafür, daß das völlige Fehlen 
der alkohol-ätherlöslichen Substanzen (Lipoide + 
Fette) in der Nahrung von Mäusen auf die Dauer 
nicht vertragen wird. 


Versuchsreihe B. 
(Mit Alkohol-Äther-Chloroform extrahiertes Brot.) 

In einer weiteren Reihe von Versuchen wurde ein Brot 
verfüttert, das nach Extraktion mit Alkohol und Ather noch 
einer Extraktion mit Chloroform unterworfen worden war.!) 

Versuch 3. 


6 Mäuse wurden mit alkohol-äther-chloroform-extrahiertem Brot 
gefüttert. Sämtliche Tiere gingen ein, und zwar: 


l nach 13 Tagen, 


3 (IL 21 LÉI 
l s 2 y 
1 39 23 LA 


Versuch 3a. 


In Berücksichtigung des oben erwähnten Einwandes des Mangels 
von Salzen wurde an 6 Mäuse ein Brot verfüttert, das die bei der Ex- 
traktion in Lösung gegangenen Salze wieder zugesetzt erhalten hatte.?) 
Sämtliche Tiere gingen ein, und zwar: 
Be nn WW 

1) Da trotz tagelangem Trocknen des extrahierten Brotes bei 100° 
die Anwesenheit von Chloroformspuren zwar nicht durch den Geruch, 
wohl aber noch deutlich beim Kauen zu erkennen war, wurde das extra- 
hierte Brot ebenso wie bei den anderen Versuchen nochmals in Wasser 
eingeweicht, das Wasser durch Verdunsten verjagt. Auf diese Weise 
gelang es mit Leichtigkeit, die letzten Spuren des Chloroforms zu ent- 
fernen. 

32) Die vereinigten Extrakte wurden verascht, der Rückstand in 
Wasser gelöst und filtriert. Diese Lösung schmeckte schwach salzig und 


Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 459 


l nach 6 Tagen (interourrent?), 
KE o E 5% 
l „ 16 5; 
l >» IBB , 
1.19 , 
l o A , 


Es sei hier ausdrücklich auf die fast vollkommene Über- 
einstimmung dieses Versuchs mit dem vorigen hingewiesen. Der 
Zusatz der Salze vermochte den Verlauf des Versuchs nicht zu 
beeinflussen. 


Versuch 3b. 

6 Mäuse wurden mit alkohol-äther-chloroform-extrahiertem Brot + 
nachträglichem Extraktzusatz gefüttert. 

Auffallenderweise gingen nun auch diese Tiere ein, wenn auch be- 
züglich der Zeitdauer gegenüber den Versuchen ohne Extraktzusatz eine 
Differenz bestand. Die Tiere starben: 


l nach 18 Tagen, 


2 » I9 „ 
1.20 „ 
ln 2 „ 
l 99 44 LI 


Die Versuche dieser zweiten Reihe waren eigentlich nur 
angestellt als Erweiterung und Ergänzung der ersten Serie. 
Eine Extraktion mit Chloroform im Anschluß an eine vorher- 
gegangene mit Alkohol und Äther sollte die letzten etwa noch 
nicht in Lösung gegangenen Lipoide (Cerebroside) entfernen. 

Während die Versuche mit extrahiertem Brot und mit ex- 
trahiertem Brot + Salzzusatz der ersten Versuchsreihe entsprechen 
fiel der Kontrollversuch mit extrahiertem Brot -+ nachträglichem 
Extraktzusatz ganz unerwartet aus. Auch diese Tiere gingen 
ein, allerdings zum Teil erheblich später als die der beiden 
anderen Versuche. Da die einzige Abweichung der Versuchs- 
reihe B von der Versuchsreihe A die eingeschaltete Chloroform- 
extraktion war, so mußte in einer Einwirkung des Chloroforms 
auf die extrahierten Stoffe oder auf das Brot selbst die Er- 
klärung zu suchen sein. Entweder hatte das Chloroform unent- 
behrliche Nährstoffe des Brotes zur Ernährung untauglich ge- 


zeigte eine Spur alkalischer Reaktion. Sie wurde der in Wasser aufge- 
schwemmten Brotportion zugesetzt, das Wasser sodann verjagt und das 
Brot getrocknet. Auf diese Weise war eine gleichmäßige Verteilung der 
Salze im Brot erreicht. 


460 W. Stepp: Fütterung mit lipoidfreier Nahrung. 


macht, oder es war dabei ein giftig wirkender, nicht flüchtiger 
Stoff entstanden. 

Der Befund ist an sich nicht geeignet, das Ergebnis der 
Versuchsreihe A abzuschwächen. Doch hat er leider die Prüfung 
des oben angedeuteten Bedenkens — daß vielleicht im alkohol- 
äther-extrahierten Brot dem Salzmangel eine Rolle an dem 
Tod der Tiere zufällt — vereitelt. 

Ein diesen Punkt endgültig klarstellender Versuch soll in 
einer späteren Arbeit gebracht werden. 


IV. 


Wenn die mitgeteilten Tatsachen dafür sprechen, daß irgend- 
welohe mit Alkohol und Ather extrahierbaren Bestandteile des 
Milchbrotes für Mäuse unentbehrlich sind, daß somit der Maus- 
organismus nicht befähigt ist, sie aus den sonst in der Nahrung 
enthaltenen Bestandteilen — Eiweiß, Kohlenhydraten usw. — 
selbst zu bereiten, so ist damit über die Natur dieser Bestand- 
teile noch nichts ausgesagt. Nach der üblichen Bezeichnung fallen 
sie unter die Rubrik „Lipoide“. Es ist aber nicht ersichtlich, 
ob dabei eines der bekannten Lipoide eine besondere Rolle spielt. 
Nur daß es sich nicht um das Lecithin handeln dürfte, geht 
wohl aus den schon erwähnten Versuchen von Röhmann 
hervor. Es wird also an andere Körper zu denken sein. Es 
wäre aber auch noch zu erwägen, ob nicht eine, wenn auch 
sehr geringe Menge von Fett in der Nahrung für den normalen 
Verlauf der Ernährungsvorgänge unentbehrlich ist. Unter- 
suchungen, welche sich mit diesem Gegenstand, sowie mit 
weiteren sich anschließenden physiologischen Fragen befassen, 
sind bereits in Angriff genommen. 


Zur biologischen Bedeutung des Leecithins. 


(IV. Mitteilung) 


Über den Gehalt des Blutes bei Polycythaemia rubra megalo- 
splenica an Phosphor und Eisen in Lipoidform. 


Von 
W. Glikin. 


(Aus dem Tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hoch- 
schule zu Berlin.) 


(Eingegangen am 10. Oktober 1909.) 


A. Loewy?) hat in einem Falle von Polyoythaemia rubra 
im Blute eines Mannes in zwei verschiedenen Proben 115,6 mg 
Fe und 125,0 mg Fe pro 100 ccm Blut gefunden — im Mittel 
also 120,3 mg Fe pro 100 ccm. Bei näherer Betrachtung dieses 
weit von der Grenze der Norm liegenden Befundes drängt sich 
die Frage von selbst auf, ob die anderen Bestandteile des 
polycythämischen Blutes dem Eisengehalt parallel gehen, d.h. 
ob deren Gehalt sich ebenfalls höher gestaltet, wie der des 
Eisens.. Da das Lecithin als primärer Zellbestandteil betrachtet 
wird, so muß sein Gehalt bei einer Vermehrung der Zellen, 
in diesem Falle der Blutzellen, entsprechend höher sein. Ich 
habe mein Augenmerk zunächst dem Fett-, Lecithin-, Lipoid- 
eisen- und Phosphorgehalt zugewendet. 

Bezüglich der Methodik der Fettbestimmung im Blute bin 
ich hier wie bei Milch und anderen Flüssigkeiten in der Weise 
vorgegangen, daß ich das Blut mit mit verdünnter Salzsäure ge- 
kochtem, sorgfältig ausgewaschenem und dann geglühtem See- 
sand in einer Porzellanschale verrieben, und dann auf dem Sandbade 


1) Berlin. klin. Wochenschr. Nr. 30, 1909. Das Blut stammt von 
einem Kranken der Senatorschen Klinik. 


462 W. Glikin: 


unter Ööfterem Umrühren bei gelinder Wärme zur Trockne ein- 
gedampft habe. (Das Umrühren darf nicht unterlassen werden, 
sonst bildet sich beim Eintrocknen ein Coagulum, das sich 
dann sehr schwer verreiben läßt.) Die trockne Masse wird 
dann im Mörser zerrieben und im Soxhletapparat mit Alkohol 
und Chloroform bis zur vollständigen Erschöpfung extrahiert, 
d. h. bis frisch aufgegossenes Extraktionsmittel sich nicht mehr 
färbt. Die vereinigten alkoholischen und Chloroformauszüge 
werden verdunstet, der Rückstand mit Petroleumäther auf- 
genommen, filtriert und nach dem Verdunsten des Äthers und 
Trocknen bei 100°C gewogen. 

Die Phosphor- und Eisenbestimmungen habe ich nach dem 
Neumannschen Verfahren ausgeführt. 

Die Analysen gaben folgende Resultate: 


I. 65 ccm einer Blutprobe gaben: 

1. 0,6660 g = 1,025°/, resp. 10,25g Fett in 1000 ccm. 

2. 0,02989 g = 0,04598°/, P,O, Lipoidphosphor = 0,5226°/, 
resp. 5,2260g Lecithin in 1000 com. 

3. 0,00484 g Fe — 0,01064°/, resp. 0,1064 g Fe,O, „Lipoid- 
eisen‘ in 1000 ccm. 
Gesamtphosphor Zneë AR . > 1,7650g P,O, in 1000 ccm 
Gesamteisen KEE 3 1,7857 g Pe, 1000 ,, 


II. 40 com einer anderen Blutprobe gaben: 

1. 0,3300 g = 0,825°/, resp. 8,25 g Fett in 1000 ccm. 

2. 0,01777 g = 0,04435°/, P,O, Lipoidphosphor = 0,5041 °/, 
resp. 5,0410g Lecithin in 1000 ccm. 

3. 9,00396 g Fe = 0,01319°/, resp. 0,1319 g Fe,O, (,Lipoid- 
eisen‘) in 1000 ccm. 

Gesamtphosphor | 2,391g P,O, in 1000 ccm 

“ Gesamteisen 2... 2069g Fe,O, „ 1000 , 

Auf die Resultate der Fettbestimmungen kann ich nicht 
näher eingehen, da mir die Nahrung, die der Patient vor dem 
Aderlaß zu sich genommen hat, unbekannt ist. Daß der Fett- 
gehalt des Blutes von der Art der Nahrung abhängt, braucht 
keiner besonderen Erläuterung. 

Bezüglich des Lecithingehaltes liegen keine direkten Be- 
stimmungen vor und wir müssen unsere Resultate vorläufig 


Biologische Bedeutung des Lecithins. IV. 463 


mit den im Blute verschiedener Säugetiere gefundenen Werten 
vergleichen. Das Blut der Säugetiere dürfte nicht wesentlich 
von dem der Menschen verschieden sein. Abderhalden!) fand 
bei Säugetieren einen Lecithingehalt, der zwischen 2 und 3g 
pro 1000 g liegt, während der von mir gefundene über 5 g be- 
trägt, d. h. der Lecithingehalt nimmt im polycythämischen Blut 
um etwa das Doppelte zu. Somit bestätigt sich in diesem Falle 
die Annahme, daß bei einer Vermehrung der Zellen der Lecithin- 
gehalt entsprechend höher ist. 

Ähnlich gestaltet sich die Zunahme des Phosphor- und, 
wie bereits erwähnt, des Gesamt-Eisengehaltes; wir konstatieren 
hier etwa eine dreifache Zunahme. Bunge fand im normalen 
Blute eines Mannes 0,9350 g P,O, in 1000g, der von mir er- 
haltene Wert beträgt in der ersten Probe 1,7650 g, in der zweiten 
2,391 g PO, pro 1000 ccm. Der von Bunge angegebene Eisen- 
wert beträgt 0,7400g Fe,O, in 1000g, während ich 1,7857g in 
der einen und 2,069g in der anderen Probe gefunden habe. 

Ferner ermittelte ich den Eisengehalt im Fette dieses Blutes 
und fand in der einen Probe 0,1064g Fe,O, und in der anderen 
0,1319 g Fe,O, (Lipoideisen).. Vergleichen wir diese Werte 
mit dem Gesamteisengehalt, so sehen wir, daß der Lipoid- 
eisengehalt 6°/, des Gesamteisengehaltes ausmacht — ein Wert, 
der nicht zu unterschätzen ist, weder qualitativ noch quanti- 
tativ. Die Tatsache, daß das im Blutfett und somit in den 
Lipoiden des Blutes enthaltene Eisen bis jetzt unbekannt 
war und auf andere Verbindungen verteilt wurde, legt die An- 
nahme nahe, daß man bei Berücksichtigung des Lipoideisens 
zu einer ganz anderen Verteilung des Eisens im Blute gelangen 
und somit möglicherweise auch ein ganz anderes Bild über die 
Zusammensetzung des Blutes erhalten würde. 

Untersuchungen im normalen Blut, sowie in dem des 
Kranken nach dieser Richtung hin sind bereits begonnen. 


1) Lehrbuch d. physiol. Chemie. 


Zur Kenntnis des Hämopyrrols. IL" 


Von 
Z. Leyko und L. Marchlewski. 
(Vorgelegt der Akademie der Wissenschaften zu Krakau.) 
(Eingegangen am 13. Oktober 1909.) 


In den vorhergehenden Abhandlungen über Hämopyrrol hat 
der eine von uns mit Goldmann, Hetper, Buraczewski, 
Mostowski und Retinger*) gezeigt, daß Hämopyrrol leicht 
mit Diazoniumsalzen reagiert, hierbei ausgezeichnet krystalli- 
sierende Farbstoffe liefernd. Als Hauptprodukt wird ein Körper 
gebildet, dem die Formel (Produkt D: 

(C,H,.N,.C,H,,N-C,H,:N,)HCl 
zuerteilt wurde. Außer dieser Substanz bildet sich vorüber- 
gehend eine Verbindung, die wir als das Monoazoderivat auf- 
fassen, sodann ein prächtig krystallisierendes Produkt mit dem 
Schmelzpunkt 268° (Produkt II) und schließlich zwei andere 
nur in sehr kleinen Mengen einmal beobachtete Produkte (III 
und IV). 

In der vorliegenden Mitteilung sind wir in der Lage, über 
Produkt II genauer zu berichten. 


Produkt II. 


Dasselbe hatten wir bis vor kurzem nur in geringen Mengen 
zur Verfügung. Es war daher unmöglich zu entscheiden, 
welcher empirischen Formel es entspricht. Wir sind jetzt in 
der Lage diese Lücke auszufüllen. 


1) Die erste Abhandlung dieser Serie erschien in dieser Zeitschr. 
10, 437, 1908. 

2) Zunammenstellung der Literatur findet sich in L. Marchlewski: 
Die Chemie der Chlorophylle und ihre Beziehung zur Blutfarbstoff- 
chemie, Braunschweig 1909. 


Z. Leyko u. L. Marchlewski: Zur Kenntnis des Hämopyrrols. 1I. 465 


Eine Anzahl von Versuchen überzeugte uns, daß die besten 
Ausbeuten des Produktes II unter folgenden Umständen erzielt 
werden: 

5 g Hämin werden in 100 g Eisessig suspendiert, 100 g 
Jodwasserstoffsäure (spez. Gew. 1,96) zugefügt, die Mischung 
auf ein kochendes Wasserbad gesetzt und nach und nach 8 g 
Jodphosphonium zugesetzt. Die Reduktion soll nicht länger 
als 30 Minuten dauern. 

Die Mischung wird nun mit 500 ccm Wasser versetzt, die 
Säuren vollständig neutralisiert und unter Einleitung von 
Kohlensäure das gebildete Hämopyrrol abdestilliert. Das wässe- 
rige Destillat wird mit 750 com Äther ausgeschüttelt und mit 
einer mittlerweile hergestellten Diazobenzollösung vermischt. 
Letztere wurde erhalten, indem 50 com %/,-salzsauren Anilins 
wie üblich diazotiert wurde; die Diazolösung entbielt ein Mol- 
Salzsäure im Üerschluß. Das Schütteln der ätherischen Lösung 
mit der Diazolösung dauerte ?/, Stunde. Nach dieser Zeit 
wurde die saure Lösung abgetrennt und die ätherische der 
Krystallisation überlassen. Die nach längerem Stehen ab- 
geschiedenen Krystalle wurden sodann der folgenden Behand- 
lung unterworfen. Nach dem Abtrennen der Mutterlauge wurden 
die Krystalle zunächst in der Kälte mit Chloroform erschöpft. 
Das Lösungsmittel nahm hierbei eine blau-violette Farbe an. 
Auf dem Filter blieb Produkt I, welches in Chloroform schwer 
löslich ist. Produkt II befand sich in der Lösung. Um es kry- 
stallisiert zu erhalten, wurde die Chloroformlösung stark kon- 
zentriert und sodann mit dem zweifachen Volum Alkohol ver- 
setzt. Hierbei entstand ein prächtiger, glitzernder, krystallini- 
scher Niederschlag, der abfiltriert und noch zweimal aus einem 
Gemisch von Chloroform und Alkohol umkrystallisiert wurde. 
Wählt man hierzu ein Gemisch, in welchem die Menge des 
Chloroforms nicht so bedeutend wie oben angegeben im Ver- 
hältnis zum Alkohol zurücktritt, dann erfolgt die Krystallisation 
langsam, und man erhält wohl ausgebildete Krystalle des rhom- 
bischen Systems,!) welche ziemlich scharf bei 268° schmelzen. 

Für die Analyse wurde das gepulverte Produkt bei 110° 
bis zum konstanten Gewicht getrocknet: 


1) Vgl. diese Zeitschr. 10. 447, 1908. 


466 Z. Leyko und L. Marchlewski: 


1. 0,1213 g gaben 0,3017 g CO, und 0,0744 g H,O 
entsprechend 68,51°/, C und 6,86°/, H, 
2. 0,1060 g gaben 0,2668 g CO, und 0,0646 g H,O 
entsprechend 68,65°/, C und 6,82°/, H, 
3. 0,1051 g gaben 16,0 ccm N bei t= 16°, b =— 743,8 mm 
entsprechend 17,28°/, N, 
4. 0,1102 g gaben 16,8 ccm N bei t= 16°, = 749 mm 
entsprechend N = 17,42°/,, 
0,1608 g gaben 0,0472 g AgCl 
entsprechend 7,26°/, Cl. 


Aus den mitgeteilten Werten berechnet sich die folgende 
Formel: 


Sp 


Ber. für Cas H33N6Cl Gef. im Mittel 
dë d 
C: 68,70 68,56 
H: 6,81 6,84 
N: 17,22 17,35 
Cl: 7,27 7,26 
100,00 100,01 


Die Substanz ist also chlorhaltig, ein Ergebnis, welches 
der eine von uns auch mit Retinger für nicht ausgeschlossen 
hielt, was aber damals aus Mangel an Substanz nicht sicher 
gestellt werden konnte. Damals erhielten wir 68,39°/, C, 
6,57°/, H und 17,80°/, N, also Werte, welche von dem obigen 
nicht wesentlich verschieden sind. 

Bezüglich der Eigenschaften des Produktes II sei folgen- 
des bemerkt: 

Es krystallisiert im rhombischen System. Den früher ge- 
machten Angaben von Morozewicoz haben wir nichts hinzu- 
zufügen. In größeren Mengen erscheint das Produkt als metal- 
lisch glänzende Schuppen von rotvioletter Farbe. Am leichtesten 
löst es sich in Chloroform, schwer in Alkohol und Äther. Unter 
dem Einfluß von Alkalien wird die Substanz leicht verändert. 
Die Reaktion verläuft in zwei Hauptstadien, auf die wir noch 
zu sprechen kommen werden. 

Die Chloroformlösung verursacht, wie bereits früher be- 
schrieben, zwei Absorptionsbänder, die nicht scharf begrenzt sind. 
Besonders stark ist die Absorption des Ultrarots und des 
äußersten Rotes sowie des Violettes und Ultraviolettes. 


Zur Kenntnis des Hämopyrrols. II. 467 


Sorgfältige photographische Aufnahmen haben die Anwesen- 
heit von drei Absorptionsbändern im stärker gebrochenen Spek- 
trumteil ergeben, von denen das am stärksten gebrochene aller- 
dings sehr schwach und verwaschen ist. Wir photographierten 
eine Lösung, die entstand, indem 10 ccm einer Chloroformlösung, 
welche im Liter 0,2 g Substanz enthält, mit 90 ccm Äther ver- 
dünnt wurden. 


Schichtendicke Band III Band II Band I 
7,5 mm 399,0—407,0 uu 421,5—425,0 uu 
10,0 „ 397,0—408,0 „ 418,5—426,0 „ 
12,5 „  377,0—390,5 un 395,0—409,5 „ 417,5—427,5 „ 
15,0 „ 394,5—410,5 „ 416,0—429,0 „ 
17,5 p _ 393,5—411,0 „ 414,0—430,5 „ 


Die sog. Endabsorption beginnt bei der 17,5-mm-Schicht 
bei etwa 340 uu. Endlich wurde auch der Extinktionskoeffizient 
im Apparate von Martens-König bestimmt, und zwar für 
Na-Licht. Die angewandte Lösung enthält 0,1 g in 1000 com 
Chloroform; zur Untersuchung gelangte eine l-mm-Schicht. 
E = 3,83. 

Unter dem EinfluB von Wasserstoff in statu nascendi 
werden die ursprünglichen blauvioletten Lösungen des Farb- 
stoffs nahezu entfärbt. Zunächst bemerkt man einen fleisch- 
farbigen Ton, welcher schließlich einem gelblichen Platz macht. 


Besonders interessant ist das Verhalten des Farbstoffs zu 
Alkalien. Wird seine Chloroformlösung mit alkoholischem Kali 
versetzt so schlägt die Farbe sehr bald in Grün und dann in Orange 
um, und die ursprüngliche Farbe kann durch Säurezusatz nicht 
mehr hergestellt werden. Der gebildete Farbstoff ist in Äther 
leicht löslich, verursacht aber gar keine oharakteristische Ab- 
sorptionen. Ammoniak wirkt schwächer; auch hier wird nach 
einiger Zeit die ursprüngliche blauviolette Farbe in eine grüne 
und eine orange umgewandelt. Der Farbstoff des Endstadiums 
kann krystallisiert erhalten werden, aber bis jetzt waren wir 
nicht in der Lage eine größere Menge desselben herzustellen. 


Da die genannten Alkalien den Farbstoff wie ersichtlich 
zu stark angreifen, und es uns daran lag, den Charakter des 
durch die Analyse angezeigten Chloratoms aufzuklären, versuch- 
ten wir das Chlor durch Natriumacetat zu eliminieren ; das ge- 
lingt in der Tat wie folgende Versuche zeigen. Wird die 


468 Z. Leyko und L. Marchlewski: 


Chloroformlösung des Farbstoffs mit einer methylalkoholischen 
Lösung von Natriumacetat versetzt, so wird die Farbe ganz 
bedeutend blauer. Versetzt man nun das Gemisch mit Wasser 
und extrahiert mit Ather, so erhält man eine rein dunkelblaue 
Lösung, welche im durchfallenden Lichte rot erscheint. Das 
Spektrum dieser Lösung ist im sichtbaren Teil durch ein Band 
ausgezeichnet, dessen Lage je nach der Konzentration durch 
die folgenden Wellenlängen charakterisiert wird: 





Konzentration B Konzentration C 
(2Vol.A-++-1 Vol. Äther) | (2 Vol. B-+1 Vol. Äther) 


653,5—539,5 uu 644,0— 558,0 uu | 536,5—568,0 uu 


Diese Werte charakterisieren das Spektrum des freien Farb- 
stoffs, was daraus folgt, daß, wenn man die obige ätherische 
Lösung mit HCl-haltigem Ather versetzt, der Farbton violett 
wird und im Spektrum zwei Bänder erscheinen, welche dieselbe 
Lage einnehmen, welche für die Bänder des ursprünglichen 
Farbstoffs charakteristisch sind. 

Was die Natur des Produktes II anbelangt, so sprechen 
die angeführten Analysenwerte sowie die Erkenntnis, daß das 
Chloratom durch gelinde Alkaliwirkung entfernt und durch 
Salzsäure wieder angelagert werden kann, dafür, daß man es mit 
einem Körper von folgender Zusammensetzung zu tun hat: 

(CH, — N; — C,H,,N — Dean, N — N,C,H,)H C 
wonach derselbe als Chlorhydrat einer Kombination zweier 
Moleküle des Monoazofarbstoffs des Hämopyrrols anzusehen ist. 

Dieses Resultat ist aus zweierlei Gründen wichtig. Erstens 
könnte dasselbe als neuer Beweis angesehen werden, daß 
Hämopyrrol die Zusammensetzung C,H,,N und nicht C,H, ,N 
besitzt. Zweitens, daß Hämopyrrol als Gemisch zweier Körper 
aufzufassen wäre, von denen der eine C,H,,N den Disazofarb- 
stoff, dessen Chlorhydrat bei 233° schmilzt, liefert, und der 
andere etwa ein Dihämopyrrol C,H,,N— C,H, ,N ist, welcher 
Produkt II gibt. 

Die bis jetzt im hiesigen Laboratorium ausgeführten Unter- 
suchungen sprechen aber für die Annahme, daß Produkt II 
als Repräsentant einer Klasse von Pyrrolabkömmlingen an- 
zusehen ist, welche bis jetzt nicht beobachtet wurden und welche 


Konzentration A 


Zur Kenntnis des Hämopyrrols. II. - 469 


entstehen, wenn zwei Moleküle eines Pyrrolmonoazofarbstoffs 
auf eine noch aufzuklärende Art miteinander verknüpft werden. 
Wie ich mit Robel an anderer Stelle zeigen werde liefert 
nämlich a,-ß,-Dimethylpyrrol mit Benzoldiazoniumchlorid unter 
gewissen Bedingungen einen Farbstoff von der Zusammen- 
setzung: 

(C,H, — N, — CGH,N — C,H,N — N, — C,H, )HCI 
welcher dem Hämopyrrol-Produkt II in allen Details ähnlich 
ist. Unsere Absicht ist, Produkt II noch weiter zu untersuchen, 
und zwar seine Bildung in Abhängigkeit von verschiedenen 
Reduktionsarten des Hämins und seine Umwandlungsprodukte 
unter dem Einfluß von Alkalien und Natriumascetat. 2 

Endlich sei noch bemerkt, daß bei der jetzt angewandten 
Reduktionsweise des Hämins aus 60 g folgende Anabolen er- 
halten wurden: 

Produkt I: 2,27 g, 
„ I: 1,58g, 
Analysen des Produktes I liefernten Werte, welche mit den früher 
erhaltenen übereinstimmen. 
0,1022 g gaben 0,2460 g CO, und 0,0625 g Ze 
entsprechend 65,65°/, C und 6,85°/, H, 
0,1009 g gaben 17,1ccm N bei t= 20 und 741,1 mm 
entsprechend 18,74°/, N 

Die Formel C oHe N,Cl verlangt 65,25°/, C, 8,03°/, H H und 

19,08°/, N 


Anhang. 


Vor einiger Zeit publizierte Piloty?!) eine Abhandlung 
über den Blutfarbstoff, welche Küster”) veranlaßte, einige nur 
zu billigende Äußerungen zu machen. Küster kennzeichnet 
die Art, wie Piloty die diesbezüglichen früheren Arbeiten zur 
Wiedergabe bringt, und mit welcher Hartnäckigkeit er bereits von 
anderen Geleistetes mit Schweigen übergeht. Diese Art „wirkt 
unerfreulich, weil sie den Genuß an der Sache und die reine 
Freude am Erkennen und an wissenschaftlicher Arbeit trübt“. 
Es wäre gut, wenn diejenigen Forscher die jetzt, nachdem die 


1) Liebigs Annalen 366, 237, 1909. 
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 61, 164, 1909. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 31 


470 Z. Leyko u. L. Marchlewski: Zur Kenntnis des Hämopyrrola. II. 


allergrößten Schwierigkeiten in der Chlorophyll- und Blutfarb- 
stofforschung überwunden sind, nachdem das Herumtappen im 
Dunkeln aufgehört hat, an dieselben Probleme treten — und 
die Erfahrungen ihrer Vorgänger ausnutzen, sich des obigen 
Satzes wohl bewußt bleiben. Ob Küster selbst niemals, nicht 
bez. des sachlichen Inhalts seiner Arbeiten, aber bez. der Art, 
dieselben dem Leser vorzulegen, zu kritisieren war, lasse ich 
dahingestellt. 

Aber noch in einer anderen Richtung ist ein Vorwurf gegen 
Piloty zu erheben: er beschreibt den Stand der bisherigen 
Forschung direkt unrichtig. Piloty irrt, indem er behauptet, 
aus Küsters Arbeiten folge, Hämopyrrol wäre ß,-ß,-Methyl-n- 
Propylpyrrol. Dies folgt auch nicht aus Pilotys eigenen 
Arbeiten, welche überdies keinen Beweis enthalten, daß Hämo- 
pyrrol überhaupt ein Pyrrolhomologes ist. Daher ist es befrem- 
dend, daß ihm die Tatsache unbekannt blieb, daß Hämopyrrol 
mit Diazoniumsalzen zu reagieren vermag. Dem nur flüchtigen 
Studium der einschlägigen Literatur ist wohl auch der Umstand 
zuzuschreiben, daß Piloty die Geschichte der Entdeckung der 
chem. Verwandtschaft des Blut- und Blattfarbstoffs ganz falsch 
wiedergiebt. Nenckis Abhandlung!) ist ihm offenbar unbe- 
kannt geblieben. 


1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 29, 2877, 1896. 


Über den Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 
Von 


Felix Reach und Ferdinand Röder. 


(Aus dem Physiologischen Institut der k. k. Hochschule für Bodenkultur 
in Wien.) 


(Eingegangen am 14. Oktober 1909.) 


Die Größe des Energieverbrauchs, den die Tätigkeit der 
Atemmuskulatur verursacht, ist in mehrfacher Beziehung von 
Interesse. Bei Versuchen am ruhenden Organismus ist dieser 
Teil des Energieverbrauches sowie der durch die Herzarbeit 
verursachte als „Leistungszuwachs‘‘ aufzufassen, so daß erst 
der Rest als wahrer ‚Grundumsatz‘?!) zu betrachten ist. Noch 
wesentlicher als für unsere Erkenntnis für die Vorgänge am 
ruhenden Organismus ist die Abschätzung des auf die Atemarbeit 
entfallenden Stoffwechsels für die Beurteilung der Ergebnisse 
von am arbeitenden Menschen oder Tiere ausgeführten Stoff- 
wechselversuchen. Denn es ist wünschenswert, den Nutzeffekt 
der belebten Maschine möglichst rein abschätzen zu können, 
d. h. eine bestimmte, meßbare äußere Arbeit ausschließlich mit 
jenem Energieverbrauch vergleichen zu können, der auf die 
Kontraktion der arbeitenden Muskeln entfällt. Da aber erhöhte 
Muskeltätigkeit irgendwelcher Art stets auch mit erhöhter 
Atemtätigkeit verbunden ist, so kann jener Forderung nur 
dann vollständig Genüge geleistet werden, wenn man von dem 
gefundenen Arbeitsverbrauch nebst dem Ruheverbrauch auch 
den Verbrauch für gesteigerte Atemtätigkeit abzieht. 

Es ist denn auch die Atemarbeit und der ihr zugehörige 
Stoffwechselanteil schon wiederholt Gegenstand von Unter- 


1) Naoh der Terminologie von Magnus-Levy im Handb. d, Pathol. 
d. Stoffw. von C. v. Noorden 1, 215. 
31* 


472 F. Reach und F. Röder: 


suchungen gewesen. Von den Versuchen, die äußere Arbeit 
der Atemtätigkeit nach mechanischen Prinzipien zu bestimmen, 
wie dies Hutchinson, Donders und Fick unternommen 
haben, können wir wohl absehen. Einerseits ist eine derartige 
Berechnung immer sehr unsicher, andererseits ist es auch kaum 
möglich, bei einer solchen Arbeit, wie es die des Atmens ist, 
einen Schluß von der Größe der äußeren Arbeit auf den Energie- 
verbrauch zu machen, weil es sich hier um eine komplizierte 
Verbindung von dynamischer und statischer Tätigkeit handelt, 
wie Zuntz und Hagemann hervorgehoben haben. 

Über die Messung des mit der Atemarbeit verbundenen 
Stoffumsatzes selbst liegen ebenfalls Berichte in der Literatur 
vor. Zur Vornahme einer solchen Messung ist es nötig bei 
sonst gleich bleibenden Umständen, die Atemgröße zu variieren. 
Zwei Wege sind zu diesem Zwecke beschritten worden. Teils 
hat man dadurch, daß man der Inspirationsluft eine merkbare 
Menge von CO, zusetzte, das Atemzentrum gereizt und so 
erhöhte Respirationstätigkeit hervorgerufen, teils hat man den 
Umsatz bei willkürlich verstärkter Atmung untersucht. A. Loe wyż?) 
hat beide Wege betreten und keinen wesentlichen Unterschied 
darin gefunden, ob die Atmung willkürlich oder durch CO,- 
Zufuhr erhöht war. | 

Bei Besprechung der Resultate verschiedener Autoren brauchen 
wir die älteren Versuche von Vierordt, Lossen, Panum und Berg 
nur kurz zu erwähnen. Diese Autoren untersuchten die CO,- Ausscheidung 
von Menschen, die abwechselnd kurze Zeit normal und verstärkt atmeten. 
Die CO,-Ausscheidung steht schon im allgemeinen als Maß des Energie- 
umsatzes hinter dem O,-Verbrauoh zurück, und insbesondere gilt dies 
für Versuche dieser Art, aus Gründen, auf die wir noch zurückkommen 
werden. Überdies hat, seitdem jene Versuche angestellt worden sind, 
die Methodik der Respirstionsversuche auch wesentliche Fortschritte 
gemacht. 

Eingehende Versuche über die uns hier beschäftigende Frage hat 
Speck ausgeführt.2) Er findet, daß im Durchschnitt auf 11 Mehr- 
ventilation 10 ccm Mehrverbrauch von Sauerstoff entfällt. Zuntz und 
Hagemann?) sehen sich veranlaßt, an Specks Ergebnissen eine Kor- 
rektur vorzunehmen. Bei Speck schließen sich nämlich die Perioden 
verstärkter Atmung mit Probenahme häufig unmittelbar an Perioden 


1) Verhdl. d Berl. physiol. Ges. 1891. 
2) Physiologie des menschlichen Atmens, Leipzig 1892. 
3) Landwirtschaftl. Jahrb. 27, 1898, Ergänzungsbd. 3. 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 473 


normaler Atmung an. Ein Teil des aus der Inspirationsluft verschwin- 
denden Sauerstoffes ist aber nicht auf Mehrverbrauch, sondern auf Än- 
derung in der Zusammensetzung der Residualluft zu beziehen. Zuntz 
und Hagemann korrigieren deshalb die obige Zahl Specks auf 6ccm Oe 
pro Liter Mehrventilation. 

A. Loowy!) findet den O,-Verbrauch pro Liter exspirierter Luft 
zwischen 3 und 7 ccm. Bei einzelnen Individuen jedooh noch viel höher, 
so daß nach diesem Forscher bei einer Atemgröße von ca. 18 bis 20 1 
pro Minute der aus der erhöhten Atemtätigkeit herrührende Mehrver- 
brauch an O, bis 40°/, des Gesamtsauerstoffverbrauchs ausmachen kann. 

Zuntz und Hagemann haben bei ihren umfassenden Forschungen 
über den Stoffwechsel des Pferdes auch die Atemarbeit in den Kreis 
ihrer Untersuchungen gezogen. Die vertiefte Atmung war durch Kohlen- 
dioxyd hervorgerufen. Die für den Liter mehr ausgeatmeter Luft ge- 
fundene Größe schwankt innerhalb sehr weiter Grenzen, ohne jedoch 
jenen Wert zu erreichen, der sich aus Speoks Versuohen am Menschen 
(auch bei Anbringung der oben erwähnten Korrektur) ergibt. Zuntz 
und Hagemann suchten die gesetzmäßige Abhängigkeit des Mehr- 
verbrauches von der Mehrventilation dadurch genauer zu präzisieren, daß 
sie ihre Resultate auf eine Formel 2. Grades und eine solche 3. Grades 
brachten. Wenn y den Mehrverbrauch an O, und x die Mehrventilation 


bedeutet, so erwies sich, wie oben erwähnt, die Größe z in ihren Ver- 


suchen nicht als Konstante. Der Mehrverbrauch ist also keine lineare 
Funktion der Mehrventilation. Zuntz und Hagemann nahmen des- 
halb als Ausdruck jener Gesetzmäßigkeit die Formel: y = ax -4-b z3 
oder die Formel: y=ax-+br?-+.cz? an und berechneten nach der 
Methode der kleinsten Quadrate für jede dieser beiden Formeln die 
Koeffizienten a, b und c. Es zeigte sich aber, daß die nach diesen 
Formeln berechneten einzelnen Werte mit den direkt gefundenen sehr 
wenig übereinstimmten. Es kann also in keiner dieser beiden Formeln 
ein sehr adäquater mathematischer Ausdruck für die Abhängigkeit des 
Mehrverbrauchs von der Mehrventilation gesehen werden. Wir erwähnen 
diese Berechnungen hier deshalb eingehender, weil wir in dieser Mit- 
teilung über ähnliche Berechnungen auf Grund eigener Versuche be- 
richten. Zuntz und Hagemann heben überdies hervor, daß der Atem- 
typus für die Größe des Verbrauches wesentlich von Einfluß sein dürfte. 
Sie sagen diesbezüglich: „Wir haben vorher schon ausgeführt, daß bei 
wachsender Atemtiefe der Energieverbrauch für die Einheit geatmeter 
Luft wachsen muß, dagegen ist nicht abzusehen, daß ein solches Wachsen 
zustande komme, wenn die Atemgröße allein durch Zunahme der Fre- 
quenz sich erhöht.“2) Ihre Tiere atmeten sehr unregelmäßig, und daraus 
erklären sich wohl zum Teil die Differenzen in ihren Resultaten. Aus 
alledem ist wohl ersichtlich, daß zur Aufklärung der ganzen Frage Ver- 


ı)l.c. 
2) Lo S. 368. 


474 F. Reach und F. Röder: 


suche nötig sind, die außer der Mehrventilation auch den Atemtypus 
berücksichtigen. 

In neuester Zeit haben Bormstein und v. Gartzen?) Selbst- 
versuche über den Stoffverbrauch bei modifizierter Atmung im Zunts- 
schen Laboratorium ausgeführt. Ihre Werte schwanken einigermaßen; 
beispielsweise verbrauchte B. pro Liter Mehrventilation zwischen 11,5 und 
30,9 kleine Calorien. Im Mittel finden sie diese Größe für B. zu 23 und 
für G. zu 31. 


Der Versuchsplan der hier zu berichtenden Versuche ist 
folgender: Die Größe des Stoffumsatzes sollte eruiert werden 
bei normaler Atmung und bei gesteigerter Atmung, wobei diese 
Steigerung des pro Minute geatmeten Volumens das eine Mal 
die Folge erhöhter Frequenz der Atemzüge, das andere Mal 
die Folge größerer Tiefe der einzelnen Atemzüge war. Ursprüng- 
lich bestand die Absicht diese Versuche auf mehrere Versuchs- 
personen auszudehnen. Äußere Umstände veranlaßten una je- 
doch, die Versuchsreihe schon abzubrechen, obzwar nur Ver- 
suche an einem von uns (Reach) vorlagen. Sämtliche Ver- 
suche sind in nüchternem Zustande bei vorsätzlicher Muskel- 
ruhe ausgeführt. Die Versuchsperson lag auf einem Liegestuhl 
und atmete mittels eines Mundstücks und zweier Ventile, so 
daß die Inspirationsluft aus dem Freien kam, während die 
Exspirationsluft durch die Gasuhr strich, wie das die Zuntz- 
sohe Methode der Respirationsmessung erfordert. Die Anzahl 
der Respirationen stellte die Versuchsperson durch Zählen fest. 
Jedem Versuche ging mindestens 5 Minuten Voratmung in 
gleichem Atemtypus voraus. Der Versuch, die Atemgeschwindig- 
keit nach dem Takte des Metronoms zu regeln, wurde bald 
aufgegeben. Die Probenahme dauerte bei modifizierter Atmung 
oa. 5 Minuten, bei normaler Atmung ca. 10 Minuten. Die Ven- 
tile hatten die von Durig?) angegebene Form; die Absorption 
des Sauerstoffs geschah mit der von Durig?) in die Stoffwechsel- 
methodik eingeführten alkalischen Natriumhydrosulfitlösung. 

Hinsichtlich der Berechnung der Versuche muß auf einen 
Punkt näher eingegangen werden. Die Messung des Stoffwechsels 
durch die Analyse der während kurzer Perioden exspirierten 
Luft hat zur Voraussetzung, daß die in der Lungenluft, in dem 
Blute und in der Gewebsflüssigkeit aufgestapelte Menge von 





1) Pfügers Archiv f. d. ges. Physiol. 109. 
2) Diese Zeitschr. 4, 65, 1907. 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 475 


O, und CO, am Anfange und am Ende der Probenahme die- 
selbe sei. Wir nehmen an, daß jener inspirierte Sauerstoff, 
der in der Exspirationsluft nicht wieder erscheint, zu den 
vitalen Verbrennungen gedient habe, und daß das Kohlendioxyd, 
mit dem sich die Luft bei der Atmung beladen hat, den Ver- 
brennungen entstammt, die während der Versuchszeit vor sich 
gehen. Eine andere, etwa physikalische, Retention von Sauer- 
stoff während der Versuchsperiorde würde eine Fehlerquelle 
bilden, ebenso Kohlendioxydmengen, die aus dem Körper in 
vermehrter Menge abgegeben werden, ohne erhöhten Oxydations- 
prozessen zu entsprechen. 

Derartige Fehlerquellen müssen um so mehr in die Wag- 
schale fallen, je kürzer die einzelnen Versuchsperioden sind; 
also bei Versuchen nach der Zuntzschen Methodik überhaupt 
und insbesondere bei derartigen Versuchen mit willkürlich 
modifiziertem Atemtypus, die ihrer Natur nach in vielen Fällen 
nur einige Minuten dauern können. Die Veränderung des Atem- 
typus bringt aber direkt eine Veränderung der Exspirationsluft 
mit sich, die nur daher rührt, daß die Lungenluft und der 
Organismus ihren Gehalt an Sauerstoff und Kohlendioxyd ändern. 
Das nähere Verhalten der im Körper aufgespeicherten Gase bei 
Veränderung des Atemtypus, oder was für uns hier auf das 
gleiche herauskommt, bei Veränderungen in der Zusammen- 
setzung der inspirierten Luft, hat Durig') eingehend studiert, 
und seine Resultate zeigen gerade, zu wie weitgehenden Fehl- 
schlüssen diese Fehlerquelle führen kann. Aus seinen Unter- 
suchungen, auf die wir im übrigen verweisen, geht nun hervor, 
daß sich der Sauerstoffgehalt der Lungenluft und des Organis- 
mus nach etwa 3 Minuten den veränderten Respirationsverhält- 
nissen angepaßt hat, während das beim Kohlendioxyd länger 
dauert. Es kann also etwa nach dieser Zeit wohl das O,-Defizit, 
nicht aber der CO,-Zuwachs als Maß des Stoffwechsels dienen. 
Zu ähnlichem Resultate kommenauch Bornsteinund v. Gartzen. 

In diesen Verhältnissen liegt der Grund dafür, warum 
Versuche mit willkürlich modifiziertem Atemtypus, in denen 
nur die CO,-Ausscheidung gemessen wird, keine verläßliohen 
Resultate für die uns hier beschäftigende Frage geben, worauf 


1) Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1903, Suppl., S. 209. 


476 F. Reach und F. Röder: 


wir eingangs kurz hingewiesen haben. Auch die schon oben 
erwähnte Korrektur wurde deshalb von Zuntz und Hagemann 
an Specks Resultaten angebracht, weil letzterer diesen Ver- 
hältnissen nicht Rechnung trug. 


Tabelle I. 
Normalversuche. 







Energie- 
umsatz proj Abweichung 
R. Q. | Minute in 





8,08 0,362 | 223,0 |0,764| 1,060 |+0,015 
7,62 0,448 | 216,6 |0,843| 1,051 Log 

7,15 0,392 | 222,6 |0,780 | 1,066 Luut 

7,89 0,429 | 223,5 |0,787 | 1,067 

(7,27) | (0,365) | (199,5) (0,861)! (0,970) 

7,68 0,378 | 209,0 !0,830 | 1011 0,0034 
8,33 0,408 | 209,8 |0,911 | 1,036 0,0009 
7,06 0,388 | 217,3 |0,776| 1,037 0,0008 
7,48 0,410 | 212,0 |0,839| 1,028 0,0016 


mitta (8) 7,66 | 0,02 | 216,7 | | 1,0445 


BEINE Sum 


In den hier berichteten Versuchen wurde stets eine ‚‚Vor- 
atmung‘ von ca. 5 Minuten ausgeführt. Es ist mitbin, wie 
oben ausgeführt, nur der O,-Wert bei den Versuchen mit 
modifizierter Atmung zu verwerten. Daß sich der Organismus 
hinsichtlich des CO,-Gehaltes noch nicht auf den neuen Atem- 
typus eingestellt hatte, zeigte sich dadurch, daß der respira- 
torische Quotient sehr groß, meist größer als 1, war. Es ist 
nun ein wesentlicher Vorteil der von Zuntz eingeführten 
Methodik und Berechnungsart der Gaswechselversuche, daß 
auf Grund des respiratorischen Quotienten der Energiewert des 
Verbrauchten O, geschätzt wird. In den hier berichteten Ver- 
suchen begann die Versuchsreihe jeden Tag mit einem Normal- 
versuch, in dem die Versuchsperson zwanglos durch den Apparat 
atmete. Hierauf folgten die Versuche mit modifizierter At- 
mung. Es war daber an jedem Tage für die Versuche, die 
etwa 2 bis 3 Stunden in Anspruch nahmen, durch den ersten 
Versuch ein brauchbarer respiratorischer Quotient gegeben, der 
auch zur Berechnung der weiteren Versuche dieses Tages diente. 
Die Berechnung des Energiewertes aus den Daten des Re- 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 477 


spirationsversuches war im übrigen ganz die von Zuntz ein- 
geführte. !) 

Die Resultate der Versuche sind in der am Schlusse an- 
gefügten Generaltabelle mitgeteilt. Die vorhergehende Tabelle I 
gibt eine Übersicht der Normalversuche. Sieht man von dem 
Versuche Nr. 17 ab, der bei den weiteren Berechnungen ver- 
nachlässigt wurde, so zeigt die Reihe ziemlich gute Überein- 
stimmung und normale Werte. 


Tabelle II. 
Sauerstoffverbrauch in den Versuchen mit verstärkter Atmung 
(nach dem Minutenvolum und der Atemtiefe geordnet). 





HI. IV. 








temtiefe von 
mehr als 1,8 1 


Liter pro| O, ccm |Liter pro) O, eem {Liter pro] O, eem |Liter pro| O, com 
temzug|pro Min.|Atemzug|pro Min LAtemzugpro Min.|Atemzug|pro Min. 





18 | 12,3 | 0,210 | 220 
(34) | (15,7) |(0,216)| (262) 
9 | 16 29 


ILLL] 


& 
GC 
2 
| 
| (Ss 
111111111 
| 


EL 


to 
as 
© 


8 | 17,3 — 
14 | 17,5 | 0,312 | 254 
21 | 18,1 — — 
31 | 18,15] 0,239 | 247 
24 | 18.7 | 0,228 | 243 


29 | 21,0 | 0,205 | 203 


pó 
<- 


BE 
IRIIIT TI 81 


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S51111 
pt 
| 


22 
11113311161 
CR 


— 


(0,973)| (838 

= 1,512 | 327 
1,978 
1,584 


I ŠŠS] || 


0,594 
0,809 


DAS) 
J 3$ 
wm 


pt 

1111111111141 

I1111111111 
1111113111 


1,322 | 816 


or 
bech 


| 
| 1115| 3 | 
Über den Einfluß modifizierter Atmung auf den Sauer- 
stoffverbrauch gibt zunächst Tabelle II Aufschluß. Die Modi- 


1) Siehe beispielsweise Magnus-Levy im Handb. d. Pathol. d. 
Stoffw. von C. v. Noorden. 1, 203fl. 


478 F. Beach und F. Röder: 


fikation der Atmung war, wie schon erwähnt, eine zweifache. 
Das höhere Minutenvolumen war teils durch Vermehrung, teils 
durch Vertiefung der Atemzüge hervorgerufen. Von selbst 
ergaben sich dabei noch vielfache Übergänge. Einige Lücken 
wurden dadurch ausgefüllt, daß in einer längeren Vorperiode 
die Atmung so lange modifiziert wurde, bis ein bestimmter 
Typus erreicht war. Um die Wirkung der beiden Faktoren, 
Vertiefung und Beschleunigung, zu zeigen, sind in Tabelle II 
die Versuche nach doppeltem Prinzip geordnet. In vertikaler 
Richtung folgen die Versuche nach steigendem Minutenvo- 
lumen aufeinander. In die vier Hauptkolonnen, die auf die 
Angabe des Minutenvolumens folgen, sind die Versuche je nach 
der Atemtiefe eingetragen. In der ersten Kolonne sind nur 
jene Versuche aufgenommen, in welchen pro Atemzug weniger 
als 400 ccm (unreduziert) ausgeatmet wurden. Die zweite 
Hauptkolonne enthält die Versuche mit der Atemtiefe 400 bis 
850 ccm, die dritte zwischen 850 und 1300 ccm, die vierte 
mit mehr als 1300 com. Jede dieser Hauptkolonnen zerfällt 
wiederum in zwei Teile. Die erste gibt die Atemtiefe an, 
die zweite zeigt fettgedruckt den pro Minute verbrauchten 
Sauerstoff. 

Die Betrachtung dieser Tabelle läßt erkennen, daß die zur 
Verstärkung der Atmung nötige Energie nicht bloß eine Funktion 
dieser Verstärkung ist, sondern daß sie auch wesentlich vom 
Atemtypus beeinflußt wird. Die Zahlen für den Sauerstoff- 
verbrauch wachsen in unserer Tabelle II nicht nur von oben 
nach unten (also mit dem Minutenvolumen), sondern auch von 
links nach rechts (also bei gleichbleibendem Minutenvolumen 
auch mit der Atemtiefe). Selbstverständlich gibt es dabei 
einige größere und kleinere Abweichungen bei einzelnen Ver- 
suchen. Ist das schon bei derartigen physiologischen Ver- 
suchen überhaupt kaum vermeidlich, so muß man hier be- 
denken, daß es auch nicht ganz leicht ist, eine einmal ge- 
wählte, willkürliche Modifikation der Atmung durch mehrere 
Minuten vollkommen gleichmäßig durchzuführen. Die Versuche 
Nr. 9 und 34, deren abweichende Resultate in Tabelle II be- 
sonders auffallen, haben wir ebenso wie den eben schon er- 
wähnten Normalversuch Nr. 17 für die nunmehr zu besprechen- 
den weiteren Berechnungen nicht verwendet. 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 479 


Wir haben uns bemüht, für die Abhängigkeit des Energie- 
verbrauchs von der Atmung einen mathematischen Ausdruck 
zu finden, was, wie schon erwähnt, auch Zuntz und Hage- 
mann anstrebten. Die hier mitgeteilten Versuche bieten den 
Vorteil, daß unsere Formeln auch den Einfluß des Atemtypus 
ausdrücken können. 

Wenn wir zunächst diese Abhängigkeit des Energiever- 
brauchs von der Atemtiefe außer acht lassen und den Energie- 
verbrauch pro Minute ausschließlich als lineare Funktion des 
Minutenvolums ansehen, so erhalten wir die Formel: 

8s = Á + Bv. 

(Dabei bedeutet s die während einer Minute entwickelte Energie 
und v das Volumen der in der gleichen Zeit ausgeatmeten 
Menge). Diese Art der Auffassung ermöglicht den Vergleich 
unserer Resultate mit denen früherer Autoren und illustriert 
außerdem im Zusammenhang mit einer Berechnungsart, die 
auch die Atemtiefe berücksichtigt, den Unterschied in der Ge- 
nauigkeit der Abschätzung der auf die Atmung entfallenden 
Energie nach beiden Arten. 

Die einfachste Art der Mitberücksichtigung der Atemtiefe 
ist die, daß der Energieverbrauch (s) gleichzeitig als lineare 
Funktion des Minutenvolums (v) und der Atemtiefe (t) auf- 
gefaßt wird. Dies entspricht also der Formel: 8 = A + Bv + Ci. 
Dadurch, daß wir nun die 33 Einzelbeobachtungen, die uns 
nach Weglassung der oben erwähnten Versuche Nr. 9, 17 und 
34 übrig bleiben, nach der Methode der kleinsten Quadrate 
auf die genannten zwei Formeln ausglichen, nahmen diese 
folgende Gestalt an: 

s = 0,915 + 0,0177 v, (Formel I) 
s — 0,879 + 0,0105 v + 0,226 1. (Formel II) 

Tabelle III zeigt nun das Ergebnis dieser Berechnungen. 
Bei jedem Versuche ist außer der Atemtiefe und dem Minuten- 
volumen zuerst der aus den analytischen Daten in üblicher 
Weise berechnete Energiewert als „gefunden“ angegeben. Hierauf 
folgen die nach den beiden Formeln berechneten Werte jedes- 
mal mit der Abweichung des Gefundenen vom Berechneten. 
Die Reihenfolge der Versuche ist nach steigender Atemtiefe 
geordnet. Die Tabelle läßt nun sofort erkennen, daß bei der 
Formel I am Anfange der betreffenden Vertikalkolonnen lauter 


480 F. Reach und F. Röder: 


Tabelle III. 


Energieverbrauch pro Minute in großen Calorien (nach der 
Atemtiefe geordnet). 












0, 05 
0,210 12,26 | 1,070 
0,228 18,74 | 1,175 


| 20,97 | 1,005 











0,229 | 16,11 S 1,199 0,009 
0,237 16,12 | 1,113 | 1,200 0.087 
0,239 | 18,15 1179 1,235 —0,056 
0,242 16,54 | 1,140 | 1.207 —0,067 
0,312 | 17,57 | 1,216 1,216 —0,009 
0,362 | 8,08 1.060 | 1,057 0,003 
0,378 | 7,68 1011 | 1,050 0,039] 1,014 0,003 
0,388 | 7.06 1,037 | 1.042 -0.005| 1.042 0,005 
0,392 7,15 | 1,066 1,041 |+40,025 1,044 |40,022 
0,402 24,95 1253 1,355 —0,102| 1,233 |4-0,020 
0,408 7,48 | 1,036 | 1.062 0.025] 1,059 0,023 
0,410 7,48 | 1,028 | 1,047 140,049 1,051 0,023 
0,429 7,89 | 1,067 | 1,054 40,013 1,060 |+0,007 
0,448 7,62 1.051 1,051 —0,002| 1,061 0,010 
0,466 25,15 | 1,341 | 1,359 0,018] 1,250 Loo) 
0,594 30,13 | 1,427 | 1,447 0,020) 1,331 Loge 
0,770 | 18.08 | 1082 1234 -0152| 1244 —0,162 
0,809 | 20,10 | 1,101 | 1,270 —0,169| 1,274 —0,173 
0,809 32,94 | 1,308 , 1,496 —0,193| 1,409 —0,106 
1,115 | 39,46 1,679 1,611 Lopes 1,547 |+40,132 
1,200 17,28 | 1,292 | 1,220 |+0,072 1,332 —0,040 
1,240 16,53 1,228 1,206 |+40,022 1,334 —0,106 
1,246 22,13 1,319 1,305 |+0,014 1,394 0,075 
1,322 38,08 | 1,512 1,587 0.075] 1,579 —0,067 
1,505 | 24,88 1,572 | 1,354 |+0,218 1,482 |+0,090 
1,512 28,12 1,590 | 1,411 |+0,179 1,518 Logg 
1,584 28,84 1,593 1.424 |+0,169 1,542 Loop) 
1,624 21,64 | 1,506 | 1,297 |+0,209 1,475 |+0,031 
3| 1,799 16,28 1,526 | 1,202 |40,324 1,458 |+0,068 
1,978 | 28,22 | 1,587 | 1,413 |+0,174 1,624 0,037 
Summe der Abweichungen . . „ |+1,492 —1,485 +0,981 —0,975 
Durchschnittliche Abweichung . . +0,0903 +0,0593 
Mittlere Abweichung der einzelnen! 
Beobachtung p e +0,1283 +0,0791 


negative Abweichungen sind, am Ende lauter positive. Wir 
sehen also auch hier bestätigt, daß es abgesehen von der Ab- 
hängigkeit vom Minutenvolumen auch eine solche von der 
Atemtiefe gibt, und zwar in dem Sinne, daß Vertiefung der 
Atmung auch abgesehen von der dadurch hervorgebrachten 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit, 481 


Vergrößerung des Minutenvolumens eine Vermehrung des 
Energieverbrauchs zur Folge hat. Wir haben ferner in der 
Tabelle III auch je zwei nach den Regeln der Fehlerausgleichungs- 
rechnung gefundenen Genauigkeitsmaße angegeben und zwar 


Si; 
den ‚durchschnittlichen Fehler“ wu) und den ‚‚mittleren Feh- 


5 (33 
ler“ Ee (Dabei bedeutet å die einzelne Abweichung, n 


die Zahl der Einzelbeobachtungen, also in unserem Falle 33, 
und u die Zahl der durch die Ausgleichsrechnung ermittelten 
Unbekannten, also in unserem Falle bei Formel I: 2 und bei 
Formel II: 3.) Auch der Vergleich dieser Werte zeigt die 
große Überlegenheit der Formel II über die Formel I, also 
mit anderen Worten, die Wichtigkeit der Berücksichtigung der 
Atemtiefe bei Abschätzung des auf die Atemarbeit entfallenden 
Energieverbrauchs. 

Wir haben uns weiterhin bemüht, ähnlich wie Zuntz und 
Hagemann dies taten, durch kompliziertere Formeln einen 
mehr adäquaten Ausdruck für die in Rede stehende Abhängig- 
keit zu finden. Wir kamen so unter anderen (bei Verwendung 
von abgekürzten Zahlen) noch zu folgenden Formeln: 


s —= 1,008 4 0,006 v + 0,00017 v? — 0,14 t + 0,18 1%, 
— 0,869 + 0,024 v + 0,561 — 0,135 V vt, 
8 = 0,764 + 0,0031 z + 0,0057 tz - 0,354 1. 


(In der zuletzt genannten Formel bedeutet z die Zahl der 
Respirationen pro Minute, iz also dasselbe wie in den früheren 
Versuchen v.) 

Wir haben uns jedoch davon überzeugt, daß durch diese 
komplizierteren Formeln keine wesentlich bessere Überein- 
stimmung zwischen dem Gefundenen und dem Berechneten er- 
reicht wird. Das Ergebnis dieser Betrachtungen läßt sich daher 
dahin zusammenfassen, daß wir die Formel II vorläufig als 
den besten Ausdruck für die Abhängigkeit der Energieentwick- 
lung von der Atemarbeit ansehen müssen. Wenn wir dieser 
Formel zu jeder der gefundenen Zahlen auch noch ihren 
„mittleren Fehler“ als Fehlergrenze hinzufügen, so nimmt sie 
folgende Form an: 


s = 0,879 + 0,034 + (0,0105 + 0,0018) v -+ (0,226 + 0,030) t. 


482 F. Reach und F. Röder: 


Wir sind uns bei Aufstellung dieser Formel bewußt, daß sie nur 
einen relativen Wert haben kann; denn einerseits ist sie nur an einer 
einzigen Versuchsperson gewonnen, andererseits ist das ihr zugrunde 
liegende Versuchsmaterial noch kein sehr reichliches. Zur Aufstellung 
einer genaueren Formel würde es noch zahlreicher Versuche bedürfen. 
Das ist um so mehr der Fall, als in derartigen Versuchen sich einige un- 
regelmäßige Schwenkunpgen nicht vermeiden lassen. Es ist natürlich 
möglich, daß die Formel für ein kleines Gebiet des untersuchten Argu- 
mentintervalles weniger paßt als für den übrigen "Tel. Das würde sich 
darin ausdrücken, daß in diesem Gebiete die Differenzen zwischen den 
gefundenen und den berechneten Werten besonders groß ausfallen würden. 
In unserem Falle überschreitet diese Differenz 6mal die Größe 0,1 Ca- 
lorien. Davon 2mal nur sehr wenig (0,106). Die übrigen 4 Fälle wollen 
wir etwas genauer betrachten. 2 Fälle stellen Extreme vor. Im Ver- 
suche Nr. 16 haben wir das größte in unserer Versuchsreihe überhaupt 
erreichte Minutenvolum (39,5 1). Der gefundene Wert ist hier um 0,132 
Calorien (7,9°/, des Gefundenen) größer als der berechnete. Im Ver- 
suche Nr. 29 haben wir die kleinste erreichte Atemtiefe (0,205 I pro 
Atemzug). Der gefundene Wert ist um 0,141 Calorien (14,1°/,) kleiner 
als der berechnete. In diesem Versuche wurde die besonders große An- 
zahl 102,5 Atemzüge pro Minute festgestellt. Diese beiden Abweichungen 
deuten also nur darauf hin, daß besonders starke Änderungen in der 
Art zu atmen vielleicht stärkere Ausschläge hervorrufen, als die Formel 
angibt. Was den zuletzt genannten Versuch anlangt, ist zu bemerken, 
daß es der einzige Versuch mit modifizierter Atmung ist, in dem Sauer- 
stoffverbrauch und Energieentwioklung kleiner sind als im Durchschnitt 
der Normalversuche. Diejenigen Versuche, die diesem Falle hinsichtlich 
des Atemtypus am nächsten kommen (s. Tabelle II), das sind solche, 
in denen die Atemtiefe kleiner ist als bei natürlichem Atmen, und das 
Minutenvolum zwischen 12 und 21] liegt, zeigen alle annähernd den 
gleichen Energieverbrauch wie in der Norm. Damit stimmen die nach 
der Formel berechneten Werte ziemlich gut überein. In 6 von den 
weiteren 7 hierher gehörigen Versuchen ist der gefundene Wert noch 
etwas höher als der berechnete, und im 7. ist die Differenz sehr gering, 
(— 0,004). Es kann also aus der Abweichung des Versuches Nr. 29 nicht 
darauf geschlossen werden, daß etwa die entwickelte Formel (II) für 
diese Versuche mit geringer Atemtiefe und mäßig erhöhtem Minuten- 
volum weniger passe als für die Gesamtheit der Versuche. Von den vier 
Experimenten mit besonders großer Differenz zwischen gefundenem und 
berechnetem Werte bleiben mithin noch zwei zu erwähnen übrig. Es 
sind dies die Versuche Nr. 21 und 25, bei welchen diese Differenz dem 
absoluten Werte nach ihr Maximum erreicht (—0,162 und — 0,173 oder 
10,5 und 10,6°/,). Diese 2 Versuche zeigen, wie aus Tabelle II ersicht- 
lich, den gleichen Atemtypus. Das Minutenvolum ist hier mäßig erhöht, 
ungefähr ebenso wie bei den eben erwähnten 8 Versuchen, dıe Atemtiefe 
aber im Gegensatz zu jenen Versuchen etwas größer als bei natürlichem 
Atmen. Da für diesen Atemtypus keine weiteren Versuche vorliegen, so 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 483 


bleibt immerhin die Möglichkeit offen, daß bei diesem Minutenvolum 
die Steigerung der Atemtiefe nicht jene Wirkung hat, die ihr unsere 
Formel zusprioht. Sieht man von diesen 2 Versuchen und von dem Ver- 
suche Nr. 29 mit mehr als 100 Atemzügen pro Minute ab, so ist bei 
unseren Untersuchungen die besprochene Differenz zwischen berechnetem 
und gefundenem Werte stets kleiner als 90/ des gefundenen Gesamt- 
energieverbrauchs, und zwar fast immer bedeutend kleiner. 


Das erste Glied unserer Formel II (0,879) stellt jenen 
Energieverbrauch dar, der sich ergibt, wenn v und ? gleich O 
werden. Die Differenz zwischen diesem Werte und dem Mittel- 
werte aus den Normalversuchen, d.i. 1,0445, stellt mithin den 
auf die Atemarbeit bei vollständiger Ruhe und ungezwungenem 
Atmen entfallenden Verbrauch vor. Er beträgt, wie man sieht, 
ungefähr 15,5°/,. 

Zum Vergleiche unserer Werte mit denen früherer Autoren 
eignet sich nach dem Gesagten hauptsächlich die Formel I, 
weil die früheren Autoren den durch die Atemarbeit hervor- 
gerufenen Energieverbrauch stets nur als Funktion der ge- 
atmeten Luftmenge betrachteten. Die Formel I besagt also, 
daß auf 1 1 mehr geatmeter Luft 19,7 kleine Calorien entfallen. 
Wir wollen diesen Wert mit einigen früher gefundenen ver- 
gleichen. Bornstein und v. Gartzen finden auch für den- 
jenigen von ihnen, der den geringeren Verbrauch hatte (B), 
23 Calorien. Bei Loewy schwankt der pro Liter mehr ver- 
brauchte Sauerstoff in der Mehrzahl der Fälle zwischen 3 und 
7 ccm, was etwa einem Energieverbrauch von 13 bis 31 kleinen 
Calorien entspricht. Unser Wert fällt, wie man sieht, inner- 
halb dieser allerdings recht weiten Grenzen. Ziemlich gut 
stimmt unser Wert mit dem von Zuntz und Hagemann!) 
am Pferde gefundenen überein. Ihr Pferd III verbrauchte im 
Mittel von 10 Versuchen mit verstärkter Atmung pro Liter mehr 
ausgeatmeter Luft 3,62 com Sauerstoff mehr, wobei die ein- 
zelnen Versuchswerte allerdings ziemlich voneinander abweichen. 
Nimmt man einen durchschnittlichen respiratorischen Quotienten 
von 0,800 an, so entspricht das einem Energieverbrauch von 
17,4 Calorien. 

Aus unseren Befunden hinsichtlich der Wirkung der Atem- 
tiefe geht hervor, daß eine bestimmte Vermehrung der ge- 
atmeten Luftmenge mit weniger Energiesufwand vor sich geht, 


1) l. o. S. 366. 


484 F. Reach und F. Röder: 


wenn die Frequenz der Atemzüge erhöht wird, als wenn ihre 
Tiefe zunimmt. Wenn die Steigerung der Atmung unwillkür- 
lich erfolgt, wie beispielsweise bei der Arbeit, so kommt es 
aber für das Resultat der Atemtätigkeit nicht darauf an, daß 
ein bestimmtes Luftquantum eingezogen wird, sondern darauf, 
daß dem Blute in der Lunge die Möglichkeit geboten wird, das 
vermehrte Kohlendioxyd möglichst rasch abzuscheiden und den 
mangelnden Sauerstoff möglichst rasch zu ersetzen. Hierfür 
ist es aber keineswegs gleichgültig, ob eine Vermehrung des 
geatmeten Luftvolumens auch mit Vertiefung der Atemzüge 
einhergeht oder nicht. Die Inspiration führt nicht zu einer 
vollständigen Erneuerung der Lungenluft, sondern nur zu einer 
Vermischung des inspirierten Gases mit der Residualluft und der 
Reserveluft, die CO,-reicher und O,-ärmer sind als die atmo- 
sphärische Luft. Je öfter und je flacher respiriert wird, um ein 
gewisses Minutenvolum zu erzielen, um so tiefer sinkt die O,- 
Tension und um so höher steigt die CO,-Tension in den Lungen- 
alveolen an, um so ungünstiger ist also die Zusammensetzung 
der Lungenluft. Bei geringerer Atemtiefe ist daher ein größeres 
Minutenvolum dazu nötig, denjenigen CO,- und O,-Gehalt in 
den Alveolen zu bewirken, der sich bei tieferem Atmen (das 
gleiche Atembedürfnis vorausgesetzt) schon bei kleinerem Mi- 
nutenvolum einstellen muß. l 

Zur Dlustration des Gesagten diene Tabelle IV, aus der 
die Zusammensetzung der Alveolenluft bei unseren Versuchen 
ersichtlich ist. Die Berechnung geschah nach A. Loewy?) unter 
der Annahme eines schädlichen Raumes von 140 ccm. Die An- 
ordnung der Tabelle ist die gleiche wie die der Tabelle II; doch 
sind hier auch die Normalversuche eingetragen, aber die Ver- 
suche Nr. 9, 17 und 34 weggelassen (s. oben). Nach dem früher 
Gesagten müssen wir unser Augenmerk hauptsächlich den Sauer- 
stoffwerten zuwenden. Bei den Normalversuchen schwankt 
naturgemäß die Atemtiefe nur sehr wenig; trotzdem sehen wir 
den Sauerstoffgehalt der Alveolenluft in deutlicher Abhängigkeit 
nicht nur von dem Minutenvolum, sondern auch von der Atem- 
tiefe. Das gleiche Verhalten zeigen die Versuche mit Ver- 
mehrung der Atemtiefe bis zu 211. Von da ab tritt der Einfluß 


1) Pflügers Archiv 58, 416, 1894. 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 485 


Tabelle IV. 


O,- und CO,-Gehalt der Lungenluft (Versuche nach dem Mi- 
nutenvolum und der Atemtiefe geordnet). 





BEBRABISESSHI ELTAC- 


STEET 


12 


L IL wm IV 


Versuche mit einerj Versuche mit einer| Versuche mit einer| Versuche mit einer 
Mi- Atemtiefe bis zu | Atemtiefe zwisch. | Atemtiefe zwisch. | Atemtiefe von 
















nuten- 0,40 1 0,40 und 0,85 I | 0,85 und 1,80 1 | mehr als 1,801 | Np 
Tn EE, WEE, DEE A 

re Os |CO; oa O3 |CO; ete 0, |CO; Kär De Oh 

Di /o fiel tat fie" Yfiaı) fie" fal ail o |o 
7,1 10,388115,87 4,14) — — | = — 
7,15 {0,392 15, 034, 160 — — — ls H 
75 | — | — | — [0,410 116,24 — | — 1—13 
761 — | — | — [0,448|16,44 — | — 213 
7,7 0378 16,25 3,081 — — — 1-12 
71981 — | — — [0,429|16,46:3, — | — — 113 
8,1 0 362 16,1113,891| — | — — — | — 1211 
83 |} — | — | — 10,408|16,73|3,93 — | — 1-13 
12,3 0,21015,13|4,86 — 6 
16,1 0,220 16,7513,301 — | — — lU — | — | — | — | — | —] 19 
16,1 10,237117,181321| — | — ls — | — | — | — | — | — I 2% 
16,3 | — | — | — — | — | — | — | — | — [1,799118,592,36|1 36 
16,5 | — | — | — | — | — | — 11,240118,9312,43]| — | — | — I 27 
16,5 10,242117,382,855| — | — | —| — — | — | —]| 23 
17,3 | — | — | — | — | — | — [1,200 18,842,777] — | — | — 8 
17,5 10,312118,1612,21| — | — |; — | — | — | — | — | — — 114 
181 | — | — | — 10,770119,182,1711 — | — | — | — | — | — I 21 
18,5 10,239/17,41/3,17] — | — | —| — | — | — 1 — | — — 31 
18,7 10,228 17,472,685] — | — — — | — sl — — -| 4 
20,11 — | — | — [0,809 19,3111,96] — | — | — | — | — —1 25 
21,0 10,205'16,9:12,68] — | — | — | — | — | — | — | — | — I 2% 
21,6 | — | — | — | — | — | — | — | — | — [1,624 19,08'2,22| 35 
221 | — | — | — | — | — — [1,246 19,272,008] — | — | — 4 
2491 — | — | — | — | — | — | — | — | — [1,505 19,23 2,05] 2 
250 | — | — | — 10,402 19,141,985] — | — |! — | — | — | —- I Lë 
2501 — | — — 10,466 19,181,885] — | — | — | — | — — J 1 
Sal | — | — | — | — | — | — | — | — — [1,512119,4111,81 5 
28,2 | — | — | — | — | — | — | — | — — [1,978|19,3912,06| 32 
28,8 | — | — | — | — | — | — | — | — | — [1,584119,48 11,74] 28 
30,11 — | — | — [0,594119,4811,74 — | — | — | — | — | — 6 
32,9 | — | — — 10,809119,7211,60| — | — | — | — | — — 15 
38,0 | — | — | — | — | — | — — | — — [1,31219,8811,21]| 10 
39,5 |} — | — | — | — | — — 11,115119,751,34 — | — | —]| 16 


der Atemtiefe nicht mehr deutlich hervor. Die Erklärung 
dafür liegt wohl darin, daß sich die Alveolenluft, je mehr die 
Atmung über das Bedürfnis forciert wird, in ihrer Zusammen- 
setzung der Inspirationsluft nähert; um so weniger können 
daher hier die feineren Unterschiede, die durch den Atemtypus 


bedingt sind, zum Ausdruck kommen. 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 32 


Normalversuche 


486 F. Reach und F. Röder: 


Die Zusammensetzung der Alveolenluft bestimmt aber in 
erster Linie den Gasgehalt des Blutes. (Wir sehen hier von 
der von Bohr angenummenen Gassekretion in der Lunge ab.) 
Der Gasgehalt des arteriellen Blutes aber ist, wie wir wissen, 
das hauptsächlichste Moment, nach dem das Nervensystem die 
Atmung auf das genaueste reguliert. Es wäre demnach un- 
richtig, aus unseren Versuchen zu folgern, daß die Befriedigung 
eines erhöhten Atembedürfnisses durch Beschleunigung der Atem- 
züge ökonomischer erfolge als durch Vertiefung. Überdies konnte 
in unseren Versuchen durch maximale Atembeschleunigung 
(102,53 Atemzüge in der Minute) nur ein Minutenvolum von 21 | 
(Versuch Nr. 29) erreicht werden. In der Tat wissen wir, daß 
bei unwillkürlicher Steigerung der Atemtätigkeit, beispielsweise 
bei der Arbeit, stets sowohl die Zahl als auch die Tiefe der 
Atemzüge wächst. 

Der aus Tabelle IV ersichtliche CO,-Gehalt der Lungenluft 
kann zur Beurteilung einer anderen Frage herangezogen werden. 
Unsere Versuche gaben nämlich zu einer merkwürdigen Beob- 
achtung Veranlassung, die wir noch nicht erwähnt haben. 
Zwischen den Versuchen mit vertiefter und jenen mit be- 
schleunigter Atmung machte sich ein überraschender Unter- 
schied hinsichtlich der subjektiven Gefühle geltend. Gegen 
Schluß der Versuche mit forcierter Atemtiefe traten auffallende, 
unangenehme Empfindungen auf, die in Schwindel, dem Ge- 
fühle des Ameisenlaufens in den Extremitäten und im Gesichte 
(besonders an der Stelle, wo die Nasenklemme saß), ferner in 
tonischen Krämpfen in der Hand bestanden. Diese Zustände 
hielten manchmal einige Minuten nach Schluß der Versuche an. 
Gleichzeitig zeigte sich ein auffallend kleiner, fast nicht tast- 
barer Puls. Merkwürdigerweise findet sich in der Literatur 
sehr wenig über derartige Erscheinungen. Es bemerken zwar 
mehrere Versuchsansteller, daß sich die willkürlich modifizierte 
Atmung nicht lange durchführen läßt, ohne jedoch darauf 
näher einzugehen. Speck'), der die Atmung in zahlreichen 
Selbstversuchen studierte und in dem sich selbst auferlegten 
Zwange sehr weit ging, bemerkt nebenbei, daß am Ende eines 
Versuches (Nr. 441), in dem das forcierte Atmen mit Aufbieten 


1) L e. S. 25. 


Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 487 


aller Energie 221. Minuten fortgesetzt wurde, der Kopf so ein- 
genommen war, daß ein halb bewußtloser Zustand eintrat. 
In jüngster Zeit hat Yandell Henderson!) hervorgehoben, 
daß vertiefte Atmung zum Shock führen kann. Er erwähnt, 
daß schon die Vedanta vertiefte Atmung als ein Mittel angibt, 
um die Herztätigkeit zu ändern, um Unempfindlichkeit gegen 
Schmerz, ja selbst Bewußtlosigkeit hervorzurufen und seelische 
Exaltation und Halluzinationen zu verursachen. Henderson 
führt den ganzen Erscheinungskomplex auf Akapnie, d. h. 
Mangel an CO, im Organismus, zurück. Für diese Annahme 
kann man in unseren Versuchen eine Bestätigung suchen. Sie 
müßte sich bei Tabelle IV darin ausdrücken, daß die Versuche 
mit vertiefter Atmung wesentlich geringere CO,-Werte auf- 
weisen als die Versuche mit beschleunigter Atmung. Denn die 
abnormen Sensationen traten stets in den Versuchen mit ver- 
tiefter Atmung auf und fehlten in den Versuchen mit be- 
schleunigter Atmung. Die Tabelle zeigt jedoch diesen scharfen 
Unterschied im CO,-Gehalt der Lungenluft bei den beiden 
Gruppen von Versuchen nicht. Während beispielsweise bei 
Nr. 36, 27, 8, 35, 4 und 28 trotz der vermehrten Atemtiefe 
der Kohlendioxyd-Gehalt größer als 2°/, ist, sinkt er bei Nr. 25, 
12 und 11 unter diese Größe, obzwar das Versuche mit ver- 
minderter Atemtiefe sind. Die Versuche sprechen also nicht 
für die erwähnte Anschauung Hendersons, und man wird die 
Ursache für die abnormen Erscheinungen bei vertiefter At- 
mung, die Speck und wir am Menschen, Henderson am Tiere 
beobachteten, wohl auf andere Ursachen zurückführen müssen. 
Möglicherweise ist es der Widerstand gegen die Regulierung 
der Atembewegungen, die diese Erscheinung mit sich bringt. 
Wir müssen aber betonen, daß unsere Resultate, sofern sie sich 
auf diese Erscheinungen beziehen, nur ein Nebenergebnis unserer 
Arbeit sind, da die Versuche, die wir speziell in dieser Rich- 
tung anzustellen beabsichtigten, bisher unausgeführt geblie- 
ben sind. 


1) The Amer. Journ. of Physiol. 21, 126, 1908. 


32* 


488 F. Reach u. F. Röder: Energieverbrauch bei der Atemarbeit. 





Atemvolum 
pro Min. in | 


beob- | redu- 
achtet! ziert 


15. IV. 09| 8,08! 7,22 
Wa EE 
Or ol 762| 6,79 


x 
el 
< 
© 
pt 
~J 
wé 
— 
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E 
Ai 


21 


28,84 | 25.82 
20,97 | 18,76 
09| 7,06 | 6,41 
18,15 | 16,46 
28,22 | 25,59 
09] 7,48| 6,71 
15,69 | 14,07 
21,64 | 19,38 
16,28 | 14,67 


ll. 


13. 


(a : 
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SERESESIENSENSB 


Generaltabelle. 


Respi- 
ratio- Atem- 
nen | tiefe 


wë 


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—83328328 


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Co Wa bei aJ QO 
Spro 
53388 


40,7 | 0,81 


20,4| 0,41 | 18,17 


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P 


Beitrag zur Kenntnis des Nucleoproteids der Milz. 
Von 


T. Sato aus Tokio. 


(Aus der Chemischen Abteilung des Pathologischen Instituts der 
Universität zu Berlin.) 


(Eingegangen am 19. Oktober 1909.) 


Nachdem das Nucleoproteid der Leber ein Objekt gründ- 
licher Untersuchungen geworden war, lenkte auch dasjenige 
der Milz die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich. Da das 
Nucleoproteid vielfach nicht als eine einheitliche Verbindung 
aufgefaßt wird, so empfiehlt es sich, Präparate verschiedener 
Darstellung und namentlich solche aus verschiedenen Organen 
vergleichend zu untersuchen. Nun habe ich auf Anregung und 
Leitung des Herrn Prof. Salkowski einige Untersuchungen 
über das Nucleoproteid der Rindermilz vorgenommen, die ich 
im folgenden mitteilen möchte. 


1. Darstellung. 


Die Darstellung der Substanz aus der Rindermilz geschah 
nach der Methode, wie sie Hammarsten?) und nach ihm 
Wohlgemuth?) in seiner Arbeit über das Nucleoproteid der 


Leber, und Capezzuoli?) über das der Milz beschrieben hatte. 

Die ganze Milz eines Rindes wurde möglichst von der binde- 
gewebigen Kapsel befreit, mit destillioertem Wasser wiederholt gewaschen, 
fein zerhackt, gewogen und mit 1,5 bis 2 l destillierten Wassers 15 Minuten 
lang gekocht, eine halbe bis eine volle Stunde stehen gelassen, durch 
Filtrierpapier filtriert, und mit warmem, destilliertemWasser nachgewaschen. 


1) Hammarsten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 19, 19. 
2) Wohlgemuth, Ebenda 37, 475. ` 
3) Capezzuoli, Ebenda 60, 10. 


490 T. Sato: 


Das Filtrieren mußte mitunter wiederholt werden, da das erste Filtrat 
nicht ganz klar war. Die Anwendung eines Leinwandfilters ist nicht zu 
empfehlen, weil die Geschwindigkeit der Filtration dadurch keineswegs 
vergrößert und die nachträgliche Filtration durch Filtrierpapier nicht 
erleichtert wird. 

Das klare Filtrat wurde gemessen, vorsichtig mit Essigsäure (30°/, ig) 
angesäuert, solange sich noch ein Niederschlag bildete. Am nächsten 
Tage wurde die obere klare Schicht nochmals durch Zusatz von ein pear 
Tropfen Essigsäure geprüft, ob wirklich kein Niederschlag mehr entstand. 
Nun wird die Flüssigkeit filtriert, was viel rascher vor sich geht als das 
erstemal, der Rückstand, das Nucleoproteid, mehrmals mit destilliertem 
Wasser gewaschen, dann durch längere und wiederholte Behandlung mit 
Alkohol absolut und Äther entwässert und entfettet. Das ätherfeuchte 
Präparat wurde zwischen Filtrierpapierlagen abgedrückt, dann in der 
Reibschale unter Vermeidung von Andrücken trocken gerieben. So dar- 
gestellt, bildete das Nuoleoproteid ein staubfeines, schwach gelblich ge- 
färbtes, leicht stäubendes Pulver. Nur das stärker eisenhaltige Präparat 
aus Milz I war leicht bräunlich gefärbt. 

Der einmal gekochte Milzrückstand wurde nochmals mit 1,5 bis 2 1 
destillierten Wassers 15 Minuten lang gekocht und weiter genau wie das 
erstemal behandelt. Dabei war aber die Filtration bedeutend schwerer, 
und die Quantität des gewonnenen Nucleoproteids viel geringer. Das bei 
der zweiten Abkochung erhaltene Nucleoproteid war fast weiß. 

Die Ausbeute an Nucleoproteid läßt sich aus folgender 


Tabelle ersehen. 
Tabelle I. 


Gewicht der 
zerhackten 
Milz 












Gewioht des Nucleoproteides 
1. Abkochung 2. Abkochung| Summe 










Prozentgehalt 
an 
Nucoleoproteid 






2,0766 | 0,7406 
2,0852 0,9366 

Aus der Tabelle ergibt sich, daß die Rindermilz etwas 
mehr Nucleoproteid enthält als die Rinderleber, denn die Leber 
von l kg liefert nach Wohlgemuth?) durchnittlich 3 bis 4g 
Nucleoproteid. 

Bei der Darstellung wurden noch folgende zwei Fragen 
berührt: 

a) Läßt sich die Ausbeute durch des Eindampfen 
des wässerigen Extraktes vergrößern? 


DL e 


Zur Kenntnis des Nucieoproteids der Milz. 491 


Um festzustellen, ob etwa das Eindampfen des wässerigen 
Auszuges der gekochten Milz vor dem Essigsäurezusatz einen 
günstigen Einfluß auf die Größe der Ausbeute ausüben könnte, 
wurde bei der Milz IV das Filtrat der ersten Abkochung samt 
dem Waschwasser in zwei gleiche Teile (je 650 ccm) geteilt, 
dem ersten direkt, dem zweiten nach dem Eindampfen bis 
ca. 100 ccm die Essigsäure zugesetzt. Aus dem ersten Teile 
wurden 1,0965 und aus dem zweiten 0,9887 g Nucleoproteid 
gewonnen. 

Das Eindampfen des wässerigen Auszuges vor dem Essig- 
säurezusatz hat also keine günstige Wirkung bezüglich der 
Ausbeute. 

b) Wie groß muß der Zusatz von Essigsäure sein? 

Die bei der Fällung des Nucleoproteides nötige Menge der 
Essigsäure hat Hammarsten (l. c.) für das Pankreas-Nucleo- 
proteid auf 5 bis 10°/,,, Capezzuoli (Lol auf etwa 10 com 
30°/,ige Essigsäure zu etwa 2 l geschätzt. Wie in der folgen- 
den Tabelle ersichtlich, ist diese Menge ziemlich variabel, sie 
schwankt nämlich zwischen 0,4 und 1,15 Volumprozent einer 
30°/,igen Essigsäure. In einem Falle, wo das Filtrat zunächst 
bis 100 ccm eingedampft wurde, waren sogar 6,5 Volumprozent 
Essigsäure erforderlich. Ferner war bei der zweiten Abkochung 
regelmäßig weniger Essigsäure nötig als bei der ersten. 

Die Wirkung der Essigsäure beansprucht eine gewisse Zeit. 
Das Stehenlassen bis zum nächsten Tage empfiehlt sich also 
nicht allein mit Rücksicht auf die vollständigere Senkung des 
Niederschlages. 

Die Menge der Essigsäure scheint nicht ausschließlich von 
der Menge des wässerigen Auszuges, sondern vielmehr von dem 
Gehalt desselben an Nucleoproteid abhängig zu sein. Demnach 
ist ein bestimmtes prozentuales Verhältnis von Essigsäure zu 
Filtrat, wonach alles Nucleoproteid in dem letzteren vollständig 
ausgefällt werden kann, nicht festzusetzen. 


492 T. Sato: 


Tabelle II. 





Menge des Nötiges Quantum Gewonnenes 
Auszuges von 30°/,iger Essig- Nucleoproteid 
säure e 


D 


(] 

n S= lo 
8,0 „ —=0,755% 
on 7 —0uge | 30423 


90 „ =—0,900°/, | 2,0766 
ao " —éenes | 0,7408 328172 


7,5 com = 0,536°/ 
4,0 0 


H 3,5466 





1 7,5 1,0965 
, IV 6,5 o | 0,9887 1 3,0218 
2 950 85 > —=0,89801, | 0,9366 


Die Ziffern 1 und 2 bedeuten die erste und zweite Ab- 
kochung. Bei der Milz IV ist die Hälfte a) des Auszugs der 
ersten Abkochung wie sonst behandelt, dagegen die andere 
Hälfte b) zunächst bis auf 100 ccm eingedampft und dann mit 
Essigsäure angesäuert, wie oben erwähnt. 


\ 


2. Bindung des Eisens. 


Salkowski hat (Zeitschr. £f. physiol. Chem. 59, 19) darauf 
hingewiesen, daß der Eisengehalt der Nucleoproteide der Leber 
großen Schwankungen unterworfen ist und daß das Eisen im 
Nucleoproteid äußerst looker gebunden ist. Da die Frage, ob 
das Eisen im Milz-Nucleoproteid sich ebenso verhält, nicht ohne 
Interesse ist, so habe ich mit meinen Präparaten einige Unter- 
suchungen in dieser Richtung ausgeführt. 


Zunächst ist hervorzuheben, daß meine Präparate bedeutend 
ärmer an Eisen sind als die von Capezzuoli. Das Eisen 
wurde nach dem Schmelzen der Substanz mit Salpetermischung 
in üblicher Weise als Ferriphosphat bestimmt. 


Für die Milz I und Milz II, bei welchen Nucleoproteide 
erster und zweiter Abkochung vereinigt wurden, fand ich den 
Eisengehalt — 0,80 resp. 0,34°/,. Auch für die Nucleoproteide der 
zweiten Abkochung der Milz III und Milz IV waren die Werte 
ebenso niedrig, nämlich 0,31 und 0,15°/,. 


Zur Kenntnis des Nucleoproteids der Milz. 493 


Tabelle III. 


Eisengehalt 


1. Abkochung | 2. Abkoohung 
"ie "ie 












Capezzuolische Präparate 1,48—2,00 | 0,41—0,97 
I 0,80 
Meine Präparate. . . Lë 0,84 0,31 
IV | 0,15 


Ich hebe die Tatsache des geringen Eisengehaltes deshalb 
hervor, weil sie möglicherweise für das Verhalten des Nucleo- 
proteids zu Alkalien von Bedeutung ist. 


In einer größeren Anzahl von Versuchen wurde die Frage 
untersucht, ob sich das Eisen des Milznucleoproteids ebenso 
leicht durch schwache Natriumcarbonatlösung abspalten läßt, 
wie dies E.Salkowski für das Lebernucleoproteid angegeben hat. 


Das war nicht der Fall. Es gelang auch bei Steigerung der 
Stärke der Natriumcarbonatlösung bis auf 1°/, und Verlängerung 
der Kochdauer bis 30 Minuten nicht, das Eisen vollständig abzu- 
spalten: das durch Fällung der alkalischen, von Ferrihydrat ab- 
filtrierten Lösung mit Essigsäure erhaltene Nucleoproteid erwiessich 
vielmehr noch eisenhaltig, und aus demselben konnte durch Kochen 
mit der alkalischen Lösung (Na,CO,) aufs neue eine gewisse Quan- 
tität Eisen als Ferrihydrat abgespalten werden. Dieses Ferri- 
hydrat erwies sich übrigens stets schwach phosphorsäurehaltig. 
Dagegen wurden diese Reste vom Eisen durch Erwärmen mit 
salzsäurehaltigem Wasser (1°/, HCl) gelöst. Die Lösungen gaben 
Eisenreaktion und enthielten Phosphorsäure. Wurden sie mit 
Ammoniak alkalisiert und mit Magnesiamischung gefällt, so 
war das durch Abfiltrieren des Niederschlages, Auswaschen 
und Glühen erhaltene Magnesiumpyrophosphat stets rötlich 
gefärbt und eisenhaltig. 


Sehr bemerkenswert ist ein abweichendes Verhalten der 
sehr schwach eisenhaltigen Nucleoproteide der zweiten Milz- 
abkochung. Diese gaben beim Kochen der Lösung mit Na,CO, 
überhaupt keine Ausscheidung von Ferrihydroxyd; es 
trat nur eine leichte Trübung ein, die kein Eisen enthielt. 


494 T. Sato: Zur Kenntnis des Nucleoproteids der Milz. 


Das aus dem Filtrat durch Essigsäure gefällte Nucleoproteid 
erwies sich eisenhaltig; ob der Gehalt ganz unverändert war, 
ist allerdings nicht untersucht. 

Es scheint demnach, als ob das Eisen in dem Nucleo- 
proteid der Milz in zwei Formen vorhanden ist, einer festeren 
und einer lockerer gebundenen und daß in den eisenärmeren 
Präparaten die locker gebundene Form überhaupt fehlt. 

Das Verhalten des Milznucleoproteids zu Eisenreagenzien 
stimmte mit den von E. Salkowski für das Lebernucleoproteid 
gemachten Angaben überein. 


Vergleichung des Hämoglobins einiger Weichtiere mit 
dem der Wirbeltiere. 


Von 
Raffaele Paladino. 


(Aus der Chemischen Abteilung der Zoologischen Station und dem 
Physiologisch-chemischen Institut der Universität zu Neapel.) 


(Eingegangen am 18. Oktober 1909.) 
Mit 3 Figuren im Text. 


Im Verlaufe vorhergegangener Untersuchungen über die 
Farbstoffe der Seetiere hatte ich mehrmals Gelegenheit zu be- 
obachten, daß das Hämoglobin bei einigen Klassen der wirbel- 
losen Tiere weit verbreitet, dagegen in den Mollusken sehr 
selten anzutreffen ist; man würde nämlich irren, wenn man 
jede rote Substanz im Blute der letzteren für Hämoglobin an- 
sehen würde. 


Zur Bekräftigung dieser Tatsache brauche ich nur an Cuenöt zu 
erinnern, der bei Untersuchung des rötlichen Blutes aus dem Herzen 
der Aplysia depilans einen roten Eiweißkörper fand, welcher sich vom 
Hämoglobin unterschied, bei Einleiten von Sauerstoff sich nicht ver- 
änderte und zwischen 58 und 70° C coagulierte. 

Aus früheren, über die Farbstoffe der Weichtiere angestellten Unter- 
suchungen geht hervor, daß das Hämoglobin mit Sicherheit nur im Blute 
eines Gasteropoden — Planorbis corneus — sowie in einigen Schnecken 
nachgewiesen ist. Lankester stellte in der Tat fest, daß das Blut des 
Planorbis corneus Hämoglobin enthält, denn im Gegensatz zum Blute 
anderer Gasteropoden reagiert das Blut des Planorbis mit Guajactinktur. 
Sorby zweifelte jedoch, daB dieser Farbstoff dem Hämnglobin der 
Wirbeltiere gleichzustellen wäre; er gibt an, die Absorptionsstreifen 
lägen dem Blau näher und die Zersetzung des Farbstoffes beim Erhitzen 
geschähe früher (bei ungefähr 45 bis 49° C), als dies beim Hämoglobin 
der Wirbeltiere der Fall ist. 

Krukenberg beobachtete, daß das Hämoglobin des Planorbis 
corneus erst bei 60° C gerinnt und daß sein Absorptionsspektrum mit 
dem des gewöhnlichen Hämoglobins identisch ist. 


496 R. Paladino: 


Maly und Mac Munn gelang es, aus diesem Hämoglobin Hämin- 
krystalle zu gewinnen. Nach diesen Forschern ergab das Hämoglobin 
des Planorbis corneus bei Sättigung mit Kochsalz und Magnesiumsulfat 
einen Niederschlag. Essigsäure verursachte eine braune Färbung, gab 
aber keinen Niederschlag. Während sich indes das Hämoglobin des 
Planorbis oorneus im Blutplasma gelöst findet, ist das Hämoglobin der 
anderen Weichtiere an die Blutkörperchen gebunden. 

Zweck dieser Arbeit war nun, festzustellen, ob die rote 
Substanz im Blute einiger von mir untersuchter Mollusken 
wirkliches Hämoglobin ist und ob dieselbe in diesem Falle 
mit dem Hämoglobin der Wirbeltiere identisch ist oder nicht. 
Die von mir in erster Reihe herangezogenen Weichtiere sind 
Cardita sulcata, Pectunculus glycimeris, Capsa fragi- 
lis, Tellina planata und Solen legumen. 

Wenn man eine Cardita sulcata, einen Pectunculus oder 
ein ähnliches Weichtier rasch öffnet, bemerkt man vor allem 
eine Ansammlung roter Flüssigkeit, die das Blut dieser Tiere 
darstellt. Die rote Flüssigkeit, die ich jedesmal sammelte, war 
je nach den auszuführenden Versuchen aus einer mehr oder 
weniger großen Anzahl von Mollusken gewonnen worden; die 
Versuche führte ich parallel mit identischen Untersuchungen 
des Blutes eines dem Versuchstier am nächsten stehenden 
(Seylliium) und eines ihm entfernter stehenden Wirbeltieres 
(Hund) aus; außerdem diente mir eine 1°/,ige reine Hämo- 
globinlösung als Kontrolle. Anfangs bediente ich mich immer 
gleichstarker Lösungen von Molluskenblut, Scylliumblut, Hunde- 
blut und 1°/,igen reinen Hämoglobins, die ich in vier ganz 
gleiche Eprouvetten tat, und ging hierauf an die verschie- 
denen spektroskopischen und chemischen Versuche; in Fort- 
setzung deren fand ich es dann für meinen Zweck genügend, nur 
das Weichtierblut und das Blut des demselben nächststehenden 
Wirbeltiers (Scyllium) miteinander zu vergleichen, da ich fest- 
gestellt hatte, daß zwischen dem Scylliumblut, dem Hundeblut 
und der 1°/,igen Hämoglobinlösung kein Unterschied bemerk- 
bar war. Von den fünf oben erwähnten Mollusken zog ich 
die Cardita sulcata vor, da sie reicher an Blut ist als die an- 
deren und ich von ihr eine größere Anzahl zur Verfügung hatte. 

Ich begann mit einer vergleichenden Untersuchung, indem 
ich aus einer gewissen Anzahl Cardita sulcata ungefähr 50 g 
des trüben Blutes sammelte, das ich sofort in zum Zentrifugieren 


Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 497 


geeignete Gläser tat, um es von allen fremden Stoffen zu 
reinigen. Das nunmehr klare Blut goß ich in einen Zylinder 
und beobachtete vor allem die Farbe; sie war braunrot, also 
nicht so hellrot, wie die des Scyllium- oder die des Hunde- 
blutes, welch letzteres ich schon vorher zum Vergleich ge- 
sammelt hatte. Die Reaktion war alkalisch; das spezifische 
Gewicht fand ich zu 1030. Die mikroskopische Untersuchung 
eines Tropfens ergab das Vorhandensein eines Plasmas, in 
dem die Blutkörperchen suspendiert waren. Was die Ge- 
rinnung des Blutes der Mollusken, wie Cardita sulcata, Pectun- 
culus, Capsa fragilis usw. betrifft, so geht dieselbe nicht 
spontan vor sich. Wenn man Alkohol hinzufügt, so bemerkt 
man anfangs keinen Niederschlag, aber durch wiederholtes 
Mischen kommt ein Gerinnen zustande; das Gerinnsel sammelt 
sich an der Oberfläche, während die Flüssigkeit leicht gelb- 
lich gefärbt zurückbleibt. Hinzufügen eines Alkali, z. B. 
Ammoniak, macht das Blut dicker und die Färbung heller. 
Atzkali dagegen läßt das Blut sofort gerinnen. Mineralische 
Säuren, wie Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure, dem Blute 
in sehr geringer Menge hinzugefügt, bewirken einen Niederschlag, 
indem sie das Pigment verändern. 

Um den Einfluß der Wärme zu studieren, tat ich in drei 
enge, dünnwandige Glasröhren — ähnlich denen, wie man sie 
zur Bestimmung des Schmelzpunktes einer Substanz anwendet 
— gleiche Mengen Blut der Cardita oder Pectunculus oder 
Capsa fragilis, dann von Scyllium oder Hund, und ferner von 
reiner Hämoglobinlösung. Die drei Röhren wurden an .der 
Kugel des Thermometers befestigt, und zwar so, daß die Böden 
der Röhren auf dem gleichen Niveau mit dem Boden der 
Thermometerkugel standen. Das Ganze tat ich dann in ein 
Ölbad und erhitzte langsam. So oft ich dieses Verfahren wieder- 
holte, fand ich stets, daß das Blut der Cardita oder Pectun- 
culus oder Capsa fragilis bei 60°C zu gerinnen anfing ebenso 
wie das des Scylliums oder des Hundes und wie Hämoglobin- 
lösung, woraus hervorgeht, daß, was die Gerinnungstemperatur 
angeht, das Weichtierblut sich wie andere Arten Blut verhält. 

Um ferner den Einfluß einer konstanten Temperatur auf 
das Hämoglobin der Weichtiere und der Wirbeltiere zu bestimmen, 
bediente ich mich eines auf 40° C eingestellten Thermostaten. 


498 R. Paladino: 


In diesen tat ich zwei Röhren, eine mit Cardita-, die andere 
mit Scylliumblut. Nach einigen Stunden zeigten beide Lösungen, 
außer einer Veränderung in der Färbung, das Spektrum des 
Methämoglobins.. Das Blut von Cardita sulcata, Pectunculus, 
Capsa fragilis, Solen legumen ergibt unter dem Einflusse einer 
sehr hohen Temperatur ein flockiges Gerinnsel. Läßt man den 
Niederschlag entweder von selbst oder durch Zentrifugieren 
sich absetzen, so scheidet sich eine Flüssigkeit ab, die die- 
selbe Farbe wie Blut hat, nur etwas heller ist, so als ob das 
Blut verdünnt wäre. Im Spektroskop zeigt sie die Streifen 
nicht mehr, die vor der Einwirkung der Wärme zu sehen 
waren. Bei ziemlich 100° C unterliegt der Farbstoff des Mol- 
luskenblutes denselben Veränderungen wie das Oxyhämoglobin, 
das, wie bekannt, allein oder mit Säure oder Alkali erhitzt, 
sich in Hämatin und Eiweiß scheidet. 

Einige Tropfen Blut von Cardita sulcata, Pectunculus, 
Capsa fragilis usw. in eine Mischung aus altem Terpentinöl 
und frischer Guajaotinktur gegossen, geben eine Färbung, die 
erst grün ist, dann blaugrün und endlich blau wird. Wenige 
Tropfen des Blutes der obenerwähnten Weichtiere zeigen Eisen- 
und Stickstofireaktion, genau wie eine reine Hämoglobinlösung, 
cder wie Scyllium- oder Hundeblut. 


Spektroskopisches Verhalten. 


Zu diesem Zwecke bediente ich mich eines kleinen Brown- 
ngschen Spektroskops, sowie des großen, dreiarmigen Modells. 
Eci den einzelnen Versuchen hatte ich zur Kontrolle eine 
1°/,ige Hämoglobinlösung, deren Intensität der Färbung einiger- 
mafen mit der des betreflenden Blutes übereinstimmen mußte. 
Dieses stellte ich übrigens leicht durch Vergleich der Ab- 
sorptionsstufen fest, d. h. ob dieselben bei gleicher Dicke der 
Blutschicht, bzw. der 1°/ igen Hämoglobinlösung gleich breit 
und gleich intensiv wären. Durch Vergleich einer Blutlösung von 
Cardita sulcata, Pectunculus, Capsa fragilis, mit einer gleich- 
farbigen reinen Hämoglobinlösung, sowie einer Lösung von 
Scylliium- und Hundeblut, habe ich mich überzeugt, daß die 
verschiedenen Spektren keinerlei Unterschiede untereinander auf- 
wiesen. Der Blutfarbstoff' der von mir geprüften Weichtiere 


Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 499 


hat also ein Absorptionsspektrum, das mit dem des Hämo- 
globins der Vergleichstiere (Scyllium, Hund) gleichwertig ist. 
Nach Feststellung dieser ersten Tatsache habe ich die Ein- 
wirkung der verschiedenen Reagenzien, wie Alkalien, Säuren, 
reduzierende und oxydierende Substanzen, sowie die des Vakuums, 


C D E 


Oxyhämo- 
globin (von 
Scylliium) 


Oxzyhämo- 


globin (von 
Cardita sul- 
cata,Pectun- 
cuins giyci- 


meris, Capsa 
fragilis, 
Fig. 1. 


der Fäulnis usw. auf das Weichtierblut studiert. Der Einfach- 
heit wegen bemerke ich gleich hier, daß ich bei diesen Ver- 
suchen allemal die Kontrolle mit Hämoglobinlösungen (Soyllium, 
Hund) ausführte, welche dieselbe Färbung hatten wie das in 
Rede stehende Weichtierblut und in gleicher Schicht und 
Quantität vorhanden waren wie jene. 


Prüfung der Einwirkung von ÄAtzkali. Ich stelle 
drei Lösungen von gleicher Farbenintensität her, eine aus dem 
Blute der Cardita sulcata, eine aus Scoylliumblut und die dritte 
aus Hundeblut; alle drei weisen die beiden Streifen a und £ 
des Oxyhämoglobins auf. Einer jeden dieser Lösungen füge 
ich nun einige Tropfen verdünnten Atzkalis hinzu, und jetzt 
geht die Farbe des Scyllium- und des Hundeblutes sofort in 
Gelb über, während das Blut der Cardita keinerlei Farbenver- 
änderung aufweist; nur bildet sich hier ein leichter flockiger 
Niederschlag. Während jedoch das Scyllium- und Hundeblut 
seine Streifen verloren hat, zeigt das Carditablut noch immer 
das Oxyhämoglobinspektrum, welches auch noch nach 24 Stun- 
den, wenngleich abgeschwächt, anhält. Unter dem Einflusse 
des ÄAtzkali verhalten sich die Lösungen also verschieden ; das 
Hämoglobin der Weichtiere ist gegen Ätzkali widerstands- 
fähiger. 


500 R. Paladino: 


Prüfung der Einwirkung der Weinsäure. Ich be- 
reite drei gleichfarbige Lösungen, die Streifen von gleicher 
Breite aufweisen, also von Cardita sulcata, von Scoyllium und 
vom Hunde. Hierzu gieße ich nur zwei Tropfen Weinsäure: 
Das Carditablut verändert seine Färbung nicht und zeigt den 
Streifen des sauren Hämatins; das Scyllium- und das Hunde- 
blut wird augenblicklich gelblich und zeigt keine Streifen. 
Also dieselbe Menge Weinsäure, die das Weichtierhämoglobin 
sofort zersetzt und saures Hämatin bildet, bringt bei dem 
Soyllium- und dem Hundeblut erst nach 48 Stunden dieselbe 
Reduktion hervor. | 

Zu gleichen Mengen Blutlösungen von Cardita, von Soyllium 
und von Hund füge ich gleiche Mengen einer vor kurzem her- 
gestellten Ferricyankaliumlösung. Ich bemerke bei allen drei 
Lösungen einen Streifen im Rot, das Blut nimmt eine gelb- 
bräunliche Färbung an. Dies steht in Übereinstimmung mit 
der Beobachtung Jaederholms!),, daß, wenn man einer 
Hämoglobinlösung Ferricyankalium zufügt, sich eine Braun- 
färbung ergibt und sioh Methämoglobin bildet. — Zu den 
gleichen Bilutlösungen fügte ich nun gleiche Mengen Ferro- 
cyankalium: die Lösungen ändern ihre Farbe nicht, und das 
Spektrum des Oxyhämoglobins bleibt bestehen. Am nächsten 
Tage beobachtete ich neuerdings und finde bei Cardita sulcata den 
Streifen im Rot zwischen 7!/, und 8, während das Grün, das 
Blau und das Violett absorbiert sind. Im Blut des Soylliums 
und des Hundes ist am folgenden Tage keinerlei Veränderung 
eingetreten; bei der Lösung, der ich Ferrocyankalium hinzu- 
gefügt hatte, ist das Oxyhämoglobinspektrum vom Tage 
vorher verschwunden, und es bleibt nur das des Hämo- 
globins. Also, das Ferricyankalium verändert das Oxyhämo- 
globin sofort in Methämoglobin, während das Ferrooyankalium 
den Blutfarbstoff der Weichtiere und der Wirbeltiere langsam 
reduziert. 

Ich behandle nun eine Blutlösung von Cardita sulcata 
und von Scyllium, welche gleiche Farbenintensität und gleiche 
Konzentration haben, mit gleichen Mengen Ammoniumsulfid: Das 
Spektrum des Oxyhämoglobins ist aus dem Scylliumblut ver- 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 8, 186, 1883. 


Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 501 


schwunden, und an Stelle der beiden Streifen o und 4 sehe ich 
den breiten Hämoglobinstreifen. Der Luft ausgesetzt und 
wiederholt geschüttelt, erscheinen die beiden Oxyhämoglobin- 
streifen von neuem. — Dagegen zeigt das Weichtierblut unter 
dem Einfluß des Ammoniumsulfids das Spektrum des Hämo- 
chromogens. Das Hämoglobin der Weichtiere verhält sich also 
unter der Einwirkung einer reduzierenden Substanz, wie z. B. 
Ammoniumsulfit nicht wie das der Wirbeltiere, sondern unter- 
liegt einer bedeutenderen Reduktion. 

Zwei Lösungen, eine von Cardita-, die andere von Soyllium- 
blut, die von gleicher Färbung sind und unter dem Spektroskop 
zwei gleichartige Streifen ergeben, werden in zwei Glasröhren 
von gleichem Durchmesser getan und auf lange Zeit dem Vakuum 
ausgesetzt, und zudem noch auf 38 bis 40° C erhitzt. Während 
der Einwirkung des Vakuums beobachtete ich von Zeit zu Zeit 
die Glasröhren unter dem Spektroskop; dabei bemerkte ich, 
daß, während die Sceylliumblutlösung selbst unter dem Einfluß 
der Wärme lange Zeit zur Reduzierung brauchte, ehe sich der 
Hämoglobinstreifen zeigte, das Weichtierblut schneller reduziert 
wurde und somit eine geringere Widerstandsfähigkeit gegen 
das Vakuum aufwies. Zwischen dem Oxyhämoglobin der 
Weichtiere und dem der Wirbeltiere besteht also ein Unter- 
schied in der Widerstandsfähigkeit gegen die Reduktion. 

Um die Wirkung des Kohlenoxyds zu prüfen, wird, wie 
bei den vorhergehenden Versuchen in zwei Röhren von gleichem 
Durchmesser das Weichtierblut und das Wirbeltierblut, die 
dasselbe Absorptionsspektrum (des Oxyhämoglobins) aufwiesen, 
getan. Durch die beiden Röhren ließ ich dann gleichzeitig 
ungefähr 8 Minuten langsam Kohlenoxyd strömen. (Das 
Kohlenoxyd hatte ich durch Einwirkung von reiner Schwefel- 
säure auf Oxalsäure — 30 g Oxalsäure und 180 g Schwefel- 
säure — erhalten; es wurde gereinigt, indem ich es durch 
Kalilauge strömen ließ.) 

Die Weichtierhämoglobinlösung nahm bei der Einwirkung 
des Kohlenoxyds eine hochrote Färbung an, und gleichzeitig 
modifizierte sich das Oxyhämoglobinspektrum. Bei der Wirbel- 
tieroxyhämoglobinlösung war, um zur Modifizierung des Spek- 
trums zu gelangen, nicht nur eine längere Einwirkung des 


Kohlenoxyds, sondern auch eine Abkühlung nötig; auf diese 
Biochemische Zeitschrift Band 22. 33 


502 R. Paladino: 


Weise finde ich nach einem Tage in beiden Lösungen die 
Streifen des Kohlenoxydhämoglobins. 

Zur Prüfung der Fäulniseinwirkung wurden Lösungen 
von reinem Cardita- und Scylliumblut 10 bis 11 Tage lang in 
Eprouvetten bei 14 bis 15° C gehalten; nach diesem Zeitpunkt 
zeigten sich identische Veränderungen in Farbe, Klarheit so- 
wie hinsichtlich der spektroskopischen Eigenheiten. Man be- 
merkte Reduktion des Oxyhämoglobins zu Hämoglobin und die 
Bildung von Methämoglobin. 


Weitere Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit oder 
Veränderlichkeit des Hämoglobins der genannten Weichtiere. 


Die meisten der vorher angegebenen Versuche hatten 
mich überzeugt, daß das Hämoglobin meiner Weichtiere im 
allgemeinen eine verschiedene Widerstandsfähigkeit gegen die 
Reagenzien aufwies. Da nach Körber und Krüger die 
Streifen a und 8 des Oxyhämoglobins des Blutes der ver- 
schiedenen Tiere in ungleichen Zeiträumen verschwinden, sobald 
gleiche Quanten von Oxyhämoglobinlösung mit gleichen Mengen 
ebenso konzentrierter Essigsäure oder Kalilauge behandelt 
werden,!) habe ich den Blutfarbstoff meiner Weichtiere erst 
mit einer 10°/,igen Essigsäurelösung und dann mit einer 
10°/,igen Kalilauge geprüft, indem ich mich dabei nach den 
Angaben Körbers und Krügers richtete. Die Ergebnisse 
sind wie folgt ausgefallen : 

Ich tue in zwei Eprouvetten von gleichem Durchmesser 
gleiche Mengen von Weichtierblut (Cardita sulcata) und Wirbel- 
tierblut (Scyllium). Beide Lösungen zeigen das gleiche 
Spektrum, d. h. das des Oxyhämoglobins. Ich füge nun zu 
beiden Eprouvetten eine gleiche Menge 10°/,iger Essigsäure 
(10 Tropfen). Wiederholte Beobachtung zeigt, daß das Spek- 
trum des Oxyhämoglobins beim Scylliumblut erst nach 
25 Minuten verschwindet, während dasselbe beim Carditablut 
schon nach 13 Minuten verschwindet, dafür aber das des 
Hämochromogens sich zeigt. Daraus geht klar hervor, daß 


1) Körber, Über Differenzen des Blutfarbstoffes. Inaugural-Dis- 
sertation, 1866. — Krüger, Über die ungleiche Resistenz des Blutfarb- 
stoffs verschiedener Tiere gegen zersetzende Agenzien. Zeitschr. f. Biol. 
24, 318, 338, 1888. 


Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 503 


der Farbstoff des Weichtierblutes kürzere Zeit als der des 
Scylliumblutes widersteht und daher leichter der Veränderung 
unterworfen ist. Außerdem erhält das Scylliumblut sich fort- 
während klar und durchsichtig, indem es nur seine Färbung 
von Hellrot in Rotgelb ändert. Dagegen trübt sich das Car- 
ditablut bei Zugabe von Essigsäure und zeigt die obenerwähnten 
Veränderungen. 

Auf ganz gleiche Weise verfahre ich, um die Widerstands- 
fähigkeit meiner Lösungen gegen eine 10°/,ige Kalilauge fest- 
zustellen. Ich tue wiederum in zwei Eprouvetten gleiche 
Mengen von Weichtier- und von Wirbeltierblut. Beide Lösungen 
zeigen das Oxyhämoglobinspektrum mit gleich breiten Streifen. 
Die Färbung des Scylliumblutes verändert sich bei Hinzufügung 
von nur 2 Tropfen 10°/ iger Kalilauge sofort von Rot in Grün- 
gelb und zeigt keine Streifen; das Carditablut dagegen behält 
in diesem Falle seine ursprüngliche Färbung; es zeigt sich hier 
Beginn eines flockigen Niederschlages, und das Oxyhämo- 
globinspektrum verschwindet erst beim Zugießen von 10 Tropfen 
Kalilauge. Daraus geht hervor, daß umgekehrt wie bei der 
Essigsäure, das Hämoglobin der Weichtiere den Alkalien besser 
widersteht als das der Wirbeltiere. 


Versuche über die Krystallisation des Hämoglobins der er- 
wähnten Weichtiere. 


Das Hämoglobin der Weichtiere — Cardita sulcata, Pec- 
tunculus glycimeris, Capsa fragilis, Tellina planata, Solen le- 
gumen — ist krystallisierbar, wenngleich viel schwieriger als 
das der Wirbeltiere. Die Mittel, zu denen man gewöhnlich 
greift, um das Oxyhämoglobin der verschiedenen Blutarten im 
Krystallzustande zu erhalten — Behandlung des Blutes mit 
Ather und Alkohol, Verfaulenlassen in geschlossenen Röhren 
usw. —, gaben mir anfangs keine günstigen Resultate, was mich 
zu der Annahme veranlaßte, daß das Blut dieser Tiere überhaupt 
nicht krystallisierbar sei, um so mehr als niemand bisher, 
soviel mir bekannt ist, das Krystallisieren desselben versucht 
hatte. Durch ein höchst einfaches Mittel, durch langsames 
und spontanes Verdampfen, ist es mir jedoch nach einem sehr 
langen Zeitraum (6 bis 7 Monaten) gelungen, charakteristische 

33* 


504 R. Paladino: 


Krystalle zu erhalten, die in Gestalt den schon aus anderen 
Blutarten gewonnenen gleichen. Die Bereitung der Hämin- 
krystalle ist leicht und auf dem gewöhnlichen Wege zu er- 
reichen. Die große Schwierigkeit jedoch, das krystallisierte 
Hämoglobin in zufriedenstellender Reinheit und genügender 





Häminkrystalle (von Cardita sulcata, Häminkrystalle (von Cardita sulcata, 
Pectunculus giycimeris, Capsa fragilis, Solen Pectunoulus giycimeris) 
legumen, Tellina planata) 
Fig. 2. Fig. 3. 


Menge zu gewinnen, hat mich verhindert, die chemische Zu- 
sammensetzung festzustellen. Doch genügen die obenerwähnten 
Versuche und das spektroskopische Verhalten, das mit dem 
der anderen Arten von Hämoglobin übereinstimmt, um die große 
Analogie des von mir studierten Hämoglobins mit dem Hämo- 
globin der Wirbeltiere zu betonen. 


Zusammenfassung. 


Aus dem vergleichenden Studium über den Blutfarbstoff 
dieser wirbellosen Seetiere und dem der zum Vergleiche ge- 
wählten Wirbeltiere geht folgendes hervor: 

I. Es ist zweifellos, daß der rote Blutfarbstoff der Weich- 
tiere — Cardita sulcata, Pectunculus glycimeris, Capea fragilis, 
Solen legumen, Tellina planata, und anderer ähnlicher — 
echtes Hämoglobin ist. 

II. Dies Hämoglobin ist dem des Scylliums und des Hundes 
analog, aber nicht identisch mit demselben. Es weicht von 
letzterem im allgemeinen ab: durch sein Verhalten zu einigen 
Reagenzien, und zwar durch die verschiedene Widerstandsfähig- 


Vergleichung des Hämoglobins einiger Weich- u. Wirbeltiere. 8505 


keit, die es dem Einflusse der Alkalien und Säuren, dem Am- 
moniumsulfid und dem Vakuum gegenüber besitzt. Es ist 
außerdem leichter veränderlich unter der Einwirkung 10°/,iger 
Essigsäure, weniger jedoch unter dem Einflusse 10°/,iger Kali- 
lauge; endlich ist es auch schwerer krystallisierbar. 


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. 299. 


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