Biochemische Zeitschrift.
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie.
Herausgegeben von
К. Buchner - Würzburg, Р. Ehrlich - Frankfurt a. М. Е. Hot-
meister-Straßburg і. Els., C. von Noorden-Wien, Е. Salkowski-
Berlin, N. Zuntz-Berlin
unter Mitwirkung von
И. Ascell-Catania, L, Aber, Вето, J. Bang-Lund, ©. Bertrand-Paris, A, Bickel- Berlin, F, Blumen-
thal-Berlin, A. Bonananl-Rom, F. Bottaszi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe i. B., A. Durlg-Wien,
F. Ehriich-Breslau, G. Embden-Frankturt a. Main, H. v. Euler-Stockholm, 8. Fierner-New
York, 8. Fränkel-Wien, В, Fround-Wien, U. Friedemann - Berlin, E. Friedmann - Berlin,
©. v. Fürtk-Wien, G. Galeetti-Neapel, Н. J, Hamburger-Groningen, A. Heftter-Berlin, V. Heart-
Paris, W. Houbner-Göttingen, В. Höber-Kiel, М, Jaceby-Berlin, R. Kobert-Rostock, И. Kums-
eawa-Tokio, F. Landell-Buenos Aires, L. Langstein-Berlin, Р. А. Levene-New York, L v.
Liebermann - Budapest, J, 1065 - Нот York, W. Lech. Berlin, A. Loowy- Berlin, A. Maguus-
` Levy-Berlin, 3. A. Mandel-New York, L, Marchlewski-Krakau, Р. Mayer-Karlsbad, 3. Meisen-
heimer- Berlin, L. Michaelis- Berlin, J. Mergenretk - Berlin, W. Мега - Berlin, W. Ostwald-
Leipzig, W. Paladin - St. Petersburg, W. Pauli-Wien, R. Pfelffer- Breslau, В. Р. Pick -Wien,
J. Pohl- Breslau, Ch. Porcher- Lyon, F. Rochmann - Breslau, Р. Rona- Berlin, S. Balaskia-
St. Petersburg, N. Bieber-St. Petersburg, М. Siegiried-Leipzig, 8. Р. L, Börensen-Kopenhagen,
К. Spire-Straßburg, E. H. Staerling-London, J. Bieklasa-Prag, W. Biraub-Freiburg i. B.,
А. Statzer-Königsberg L Pr. У. Tangi-Budapest, И. v. Tappeiner-München, И, Thoms- Berlia,
3. Traube-Charlottenburg, A. J. J. Vandeveldo-Gent, W. Wiechewski-Prag, A. Wehl-Danzig,
| J. Wohlgemuth-Berlin.
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin.
Dreiundfünfzigster Band.
Verlag von Julius Springer.
1913. ;,
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6.
351819
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1556
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Druck von Oscar Brandstetter іп Leipzig.
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Io "It то
Inhaltsverzeichnis.
Biren, Julius und Michael Pöläayi. Über die Anwendung des zweiten
Hauptsatzes der Thermodynamik auf Vorgänge im tierischen
Organismus .......... EE ee 8
Tangl, Р. Ein Calorimeter für kleine Tiere ...........
Таза, F. Calorimetrie der Nierenarbeit . . . . . . . .. ZS
Cserna, St. und G. Kelemen. Größe der Arbeit kranker Nieren —
Versär, Frits, Die Größe der Milzarbeit . . . . .
Hannemane, Karl. (München.) Zur Kenntnis des Einflusses des Groß-
hirns auf den Stoff- und Energieumsatz ......
Alexander, Frans G. und Stephan Cserna. Einfluß der Narkose auf ion
Gasweochsel des Сеһїтв...............
Bé, Paul, Weiterer Beitrag zur Kenntnis der Wirkung der Kohlen-
hydrate auf den Energieumsatz . . . ee ae e a nu
Чеге, F. und A. v. Fejee. Die Verbrennung von Traubenzucker im
Рапктеаздїабеевв.................,...
von Fejéæ, A. Einfluß des Schmelzpunktes nicht emulgierter Fette
auf die Geschwindigkeit ihrer Entleerung aus dem Magen . . .
Вођоауі, Н. Kolloidchemische Eiweißstudien ....,.....
Bebengt, Н. KRingfiguren in der gefrorenen Gelatine . . . .
Bereseller, L. Stalagmometrische Studien an kolloiden und krystal-
loiden Lösungen. I. . 2.2. 2 2 2 0 ee er een
Berezeller, L. Stalagmometrische Studien an kolloiden ала krystal-
loiden Lösungen. П.....................
Berczeller, L. und L. Csáki. Stalagmometrische Studien an kolloiden
und krystalloiden Lösungen. Ш...............
Grób, Julius. Wirkung des Eisengehaltes des Blutmehles auf den
Eisenumsatz der mit Blutmehl gefütterten Tiere . . .
Sieburg, В. Über das biologische Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotin-
BRUTO p- i ae ei ne ee wir
Seite
116
168
215
233
238
. 256
. 259
IV
Seite
SchleSmann, Arthur und Hans Murschhauser. Über den Einfluß der
vorangegangenen Ernährung auf den Stoffwechsel im Hunger . . 265
Scheunert, Arthur, Walter Grimmer und Peter Andryewsky. Studien über
die Topographie der Peroxydasen im Verdauungsschlauch und
über ihren Nachweis .................... 300
Michaelis, L. und Н. Pechstein. Untersuchungen über die Katalase
der Lebor u 320
Bhrenberg, Rudolf. Zur Lehre von der Gelstineanellangi in wässerigen
EOBUNGOH: -s a эж жазалы Eee эё пй na 356
Loeb, Jacques. Über die Anpassung von Fundulus an höhere Konzen-
Ebene оаа E E жй ёё at . 391
Neuberg, ©. und Joh. Kerb. Über zuckerfreie Hefegärungen. ХП.
Über die Vorgänge bei der Hefegärung ........... 406
Bertolini, А. Erwiderung auf Е. Salkowskis Mitteilung „Über die
. Wirkung der Antiseptica auf Toxine“. (Diese Zeitschrift 50, 483.) 420
Salkowski, Е. Bemerkungen zu der „Erwiderung“ von Bertolini. (Diese
Zeitschrift: 58,420)..................... 422
Hämäläinen, J. Synthetische ß-Glucoside der Terpenslkohole. ПІ. . 423
Grimmer, W. Beiträge zur Kenntnis der Fermente der Milchdrüse
und- der Milch: s-s w жж жок желке eh Ж 429
Galeotti, Є. Über die Kondensierung der Aminosäuren vermittelst des
‚ Formaldehyd . .. 2.2.2 2222020000. E 474
Stauber, B. Über Blutlipoide und Рһарооубое......... . 493
Sonntag, ©. Die „Methode von Gabriel Bertrand“ zur Zuekerbestiminung 501
Autorenverzeichnis . . . . . е ааа er EE 504
Über die Anwendung des zweiten Hauptsatzes der Thermo-
dynamik auf Vorgänge im tierischen Organismus.
Von í
Julius Báron und Michael Pólányi.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: F. Tangl.)
(Eingegangen am 5. Juni 1913.)
Schon lange steht die Frage nach der Möglichkeit der
Anwendung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik auf
Vorgänge im tierischen Organismus im Mittelpunkt einer inter-
essanten Debatte. Wir haben versucht, diese Frage im fol-
genden zu beantworten.
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik wird vollständig
ausgedrückt durch das Prinzip der Vermehrung der Entropie:
„Jeder in der Natur stattfindende physikalische und chemische
Prozeß verläuft in der Art, daß die Summe der Entropien
sämtlicher an dem Prozeß irgendwie beteiligten Körper ver-
größert wird.“ Eine andere Formulierung des zweiten Haupt-
satzes bezieht sich auf isotherme Vorgänge: Jeder in der Natur
stattfindende isotherme physikalische und chemische Prozeß
verläuft in der Art, daß die Summe der freien Energien sämt-
licher an dem Prozeß irgendwie beteiligten Körper vermindert
wird.
Da die Änderung der Entropie und freien Energie eines
Körpersystems durch den Anfangs- und Endzustand des Systems
bestimmt wird, müssen wir bei der Anwendung des zweiten
Hauptsatzes der Thermodynamik auf Vorgänge im tierischen
Organismus die Anfangs- und Endzustände aller Veränderungen
kennen, die innerhalb einer gewissen Zeitperiode durch die
Lebensfunktionen des Organismus bedingt ablaufen. Dann
können wir die Änderungen der Entropie bzw. freien Energie
Biochemische Zeitschrift Band 58. 1
2 J. Вёгоп und М. Pölänyi:
des Körpersystems berechnen und prüfen, ob sie den durch
den zweiten Hauptsatz gestellten Bedingungen Genüge leisten.
Die Veränderungen, die innerhalb einer genügend langen
Zeitperiode im Organismus und in seiner Umgebung ablaufen,
können wir im folgenden zusammenfassen: Der Organismus
nimmt Stoffe aus seiner Umgebung auf, assimiliert sie teil-
weise, teilweise verbrennt er sie und gibt die Verbrennungs-
produkte an die Umgebung ab. Der Organismus gibt an seine
Umgebung Wärme ab und leistet mechanische Arbeit gegen
äußere Kräfte.
Es ist nun wichtig, zu bemerken, daß wir all diese Ver-
änderungen physiologisch isotherm ablaufend denken können.
Der homoiotherme Organismus ist tatsächlich in seinen ver-
schiedenen Teilen kaum verschieden temperiert; obwohl kleinere
Temperaturschwankungen vorkommen, ist uns еіп meßbarer
Einfluß dieser auf die Vorgänge im Organismus nicht bekannt.
Die Veränderungen innerhalb des Organismus (Assimilation,
Verbrennung) verlaufen also auf isotherme Weise. Die Wärme-
abgabe an die Umgebung können wir durch einen ideal ein-
gerichteten, mit der Oberfläche des Organismus gleichtemperier-
ten Mechanismus isotherm geleistet denken.
Dadurch, daß wir all diese Veränderungen isotherm ver-
laufend denken können, haben wir einen wichtigen Vorteil bei
der Anwendung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
gewonnen. In diesem Falle geht nämlich der zweite Haupt-
satz in seine speziell auf isotherme Vorgänge anwendbare Form
über, in den Satz der freien Energie, der viel einfacher zu
handhaben ist als der allgemeinere Satz der Entropie,
Die Veränderung der freien Energie bei mechanischen
Prozessen sowie bei physikalischen und physikalisch-
chemischen Prozessen ist bei genauer Kenntnis der Anfangs-
und Endzustände ohne weiteres zu berechnen. Für mecha-
nische Prozesse besteht sie in der Berechnung der Veränderung
der mechanischen Energie, die ganz alltäglich ist. Als physi-
kalischen Prozeß hätten wir den Vorgang der isothermen
Wärmeabgabe zu betrachten. Dieser Vorgang selbst aber ver-
läuft ohne Änderung der freien Energie.
Für eine Durchrechnung eines physikalisch-chemischen
Prozesses haben wir ein Beispiel in der Berechnung der
Anwendg. des 2. Hauptsatzee d Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 3
osmotischen Nierenarbeit von Югевег!), Galeotti?) und von
Rhorer?).
Im Gegensatz hierzu ist die Größe der Veränderung der
freien Energie bei den chemischen Prozessen nicht aus
den Anfangs- und Endzuständen einfach zu berechnen, sondern
ев ist im allgemeinen hierzu noch die Kenntnis der Reaktions-
konstante nötig. Eine Ausnahme bilden nur elektrisch aus-
nützbare Reaktionen, die aber für den Organismus keine Be-
deutung haben. Die Reaktionskonstante zu bestimmen gelang
aber bisher nur bei einer einzigen Reaktion des Organismus,
nämlich bei der Oxyhämoglobindissoziation. Zwar ließe sich
mit Hilfe dieser Konstante die Abnahme der freien Energie
bei der Hämoglobin-Sauerstoffverbindung bestimmen, doch hat
eben diese Reaktion als Vermittelungsreaktion, wie leicht ein-
zusehen ist, keinen Einfluß auf die gesamte Veränderung der
freien Energie einer nicht zu kurzen Zeitperiode. Diese Lücke
unseres Wissens erklärt, warum eine quantitative Behandlung
des Organismus auf Grund des zweiten Hauptsatzes bisher
nicht möglich war. Diese Schwierigkeit haben wir im folgenden
durch die Anwendung des Nernstschen Wärmetheorems
zu umgehen versucht. Wie wir sehen werden, ist die Be-
stimmung der nötigen Reaktionskonstanten auf dem gewöhn-
lichen experimentellen Wege gar nicht möglich, so daß den
hier behandelten Fragen ohne das Nernstsche Wärmetheorem
auch in der Zukunft nicht hätte nähergetreten werden können.
Mußte auch die Größe der Veränderung der freien Energie bei den
wichtigen chemischen Reaktionen im Organismus bisher unbekannt bleiben,
so kann man doch in gewissen Fällen das Vorzeichen dieser Abnabme
bestimmen, oder wo dies nicht gelingt, wenigstens dieses Vorzeichen aus
der Wärmetönung der Reaktion mit einiger Wahrscheinlichkeit voraus-
Sicher bestimmen läßt sich das Vorzeichen nur, wenn die frag-
liche Reaktion auch außerhalb des Organismus freiwillig abläuft. In
letzterem Falle muß sie von einer Abnahme der freien Energie begleitet
werden, somit hat die Richtung des Verlaufes das negative Vorzeichen.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann auf Grund der Berthe-
lotschen Regel vorausgesagt werden, daß eine exotherme Reaktion frei-
willig ablaufen kann, also ein negatives Vorzeichen hat, hingegen eine
1) Dreser, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 29, 303, 1892.
1) Galeotti, Arch. f. Physiologie, Jahrg. 1902, S. 200.
De Rhorer, Arch. f. d. ges. Physiol. 109, 375, 1905.
1*
4 J. Вёгоп und М. Pölänyi:
endotherme ein positives. Was wir so über das Vorzeichen der Ände-
rung der freien Energie erfahren, genügt aber nicht zu einer Prüfung
des Satzes der freien Energie im Organismus, höchstens kann man auf
Grund dieser Kenntnis feststellen, daß es einzelne Fälle gibt, in denen
gegen den zweiten Hauptsatz nicht verstoßen wird. Namentlich kann ein
Organismus, in dem ausschließlich (auch außerhalb desselben) freiwillig
eintretende Reaktionen sich abspielen, gegen den Satz der freien Energie
sicher nicht verstoßen. Ähnlicherweise kann man es für wahrscheinlich
annehmen, daß ein Organismus, in dem ausschließlich exotherme Reaktionen
vor sich gehen, dem Satze der freien Energie nicht widerspricht. Sobald
aber irgendein unfreiwilliger Prozeß (z. B. mechanische Arbeit) eingetreten
ist, sagen uns unsere qualitativen Kenntnisse nichts mehr aus.
Das Nernstsche Wärmetheorem.
Wir benutzen hier den speziell auf chemische Reaktionen
bezogenen Ausdruck des Nernstschen Wärmetheorems. Die ge-
naue Formel konnten wir nicht anwenden, da die Temperatur-
kurve der spezifischen Wärme bei den untersuchten Substanzen
nicht bekannt ist. Wir wählten daher die „Annäherungs-
formel“ von Nernst!), die die diesbezüglichen Konstanten nicht
enthält.
Es sei
п,4, | п,4, |... Lëps, =, Al
+», 4, +... уа, |...
die Formel einer heterogenen Reaktion, an der alle drei
Aggregatzustände teilnehmen können. Dabei mögen A,, 4,
....4,, Ay .... Molekülarten bedeuten, die an der Reaktion
entweder in reiner kondensierter (fester oder flüssiger) Form
teilnehmen, oder wenn nicht, so in flüssigen Lösungen, deren
Sättigungskonzentration einen endlichen Wert besitzt, während
а Ban, Ou Q, .... alle anderen Molekülarten bezeichnen.
Die Koeffizienten я,, п, ....9,, п, .... und Pn Ma, EN
Se... bedeuten die Molekülzahl jener Molekülarten, an denen
sie stehen. Für diese Reaktion ist nach der Annäherungs-
formel
= — үт + Ху. 1,7510 T 4+ ХУС,
wo Q' die Wärmetönung der Reaktion ist bei konstantem Drucke
gemessen, 7’ die absolute Temperatur, Zy und Ze
1) Nernst, Theoretische Chemie, 7. Aufl., S. 744.
Anwendg. des 2. Haupteatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 5
Ху =>, —. ... 0, — ә, —
Х,0-=»,0, Lafe A — Ball —–....
bedeuten und —
k = pı "pel,
IM
pi рз"
ist.
Hier bedeuten О,, О„,...О,',О,'.... die „chemischen Kon-
stanten“ der Substanzen a,,@,,.-..-.0,,Q, .... die Nernst für
einige Substanzen bestimmt hat und die wir seiner Tabelle
entnehmen; während P,, P} --- -Pı Pa -... die partiellen
Gasdrucke der Substanzen а,, а, ....а,, 0, .... in Atmo-
sphären sind für den Fall, daß ein Gleichgewicht besteht, an
dem die übrigen Substanzen, die noch durch die Reaktion um-
gewandelt werden, bzw. entstehen (4,, 4,,.... Ay, Ay ....)
in festem Zustande teilnehmen). |
Hat man in dieser Weise log E bestimmt, so berechnet
sich die Veränderung der freien Energie, unter Voraussetzung
idealer Lösungen bei der obigen Reaktion folgendermaßen:
Nennen wir diese Veränderung A, so ist
А = 4,571 Т |- Zn log Å — log #— Zvlogp]|,
° %
und hier
с с, Ce ES бу,
Zn log —= n, log — п, 105 | .... — п, log —;,
с, Сл l с» Сз
— n, log =, —
91
Ху log р = у, log р, + у, log р, |... .— >, log p,
— у, log p — ....,
worin wieder c,, €, ....с,', с, die Konzentration der Substanzen
4,, А, ....4,, Ay .... in einer flüssigen Phase sind und
LEEREN » C die Sättigungskonzentrationen dieser Stoffe
in азаеп flüssigen Phase?).
1) Letztere Voraussetzung kann freilich nur dann gemacht werden,
wenn sie der Phasenregel wiederspricht.
1) Das Glied — Za log = — ist die Veränderung der freien Energie,
von der die Auflösung der — 4, Ze ...А,', Ae... in Lö
sungen der Konzentrationen e, Ca ... C, с... < begleitet "wird. Ist
keine flüssige Phase beteiligt, so fallen diese Glieder weg.
6 J. Вёгоп und М. Pólányi:
Setzen wir nun den Wert von 100 EH aus der Nernstschen
Formel ein, so ist
А= 4,571 T|—Zniog © — Zylogp+ 2» Lane? +20 |—Q
g
und
A +Q = 4,571 т|— Zn 106: — Zrlogp+ Zu 1,75l0g7”+2v0].
g
Wir wollen kurz bei letzterer Formel verweilen und be-
rechnen den maximalen und minimalen Wert der Größe
Arg
ZN ’
wo ZN =2|n|-+-|r| ist, also die absolute Zahl der Moleküle,
die an der Reaktion teilnehmen. Dies gelingt unter gewissen
Voraussetzungen und führt zum Ergebnisse, daß immer
16 800 > 48 — 16 8001) .....W
1) Das Berechnen gestaltet sich folgendermaßen. Es frägt sich
erstens, unter welchen Bedingungen ein Maximalwert der Größe
с
реч — — 7
44 e, ЖМИ he ep ti log T +0)|
ZN ZN
überhaupt existiert. Da ZN > Ze L Хв sein muß, so kommt es nur
darauf an, daß die Werte log S, log р, 1,75log T und O einen oberen
9
Wert haben sollen. Da diese Größen voneinander unabhängig sind, so
muß jede für sich einen oberen Wert haben, damit ihre Summe einen
oberen Wert habe. Wir fangen damit an, daß wir uns auf Reaktionen
beschränken, die nicht über 37° (— 810 Т) ablaufen. Dadurch ist der
obere Wert von 1,75 log Т festgesetzt:
Т <810,
1,75 log T < 4,36.
Der höchste bekannte C Wert, ist 3,6, und es liegen Gründe ver-
. sohiedener Art vor, die es sehr unwahrscheinlich machen, daß ein C-Wert
überhaupt viel größer sein kann. Wir können also setzen
0<s3,6.
Die Größen log — und log р erhalten ihre oberen Werte aus der
е
Forderung, daß с, с, und р meßbar sein müssen. Setzen wir als höchste
herstellbare Gasdrucke 10 000 Atm., als niedrigste, gut meßBbare Gas-
drucke 0,0001 Atm.; als höchste Konzentration einer (gesättigten) Lösung
Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 7
Hieraus folgt vor allem, daß im Falle, daß
Q
oder
О
ўў < 16800
ist, A und Q von entgegengesetztem Vorzeichen sind, d. h. die
Reaktion muß praktisch restlos in der exothermen Richtung
ablaufen. Aus der Nernstschen Annäherungsformel folgt also,
daß (bei einer Temperatur nicht viel höher als 37°) in diesem
Falle die Berthelotsche Regel uneingeschränkte Gel-
tung hat.
Da ferner
d 4 „©
sy — 16800 < — 5y < зуу} 16800
10 mal molar, als niedrigste, gut meßBbare Konzentration 0,0001 mal molar,
so ist
— 4<SIogpst
und
0>lgl>— 5.
= Е =
Daraus folgt nun, daß
5 |а| 2 Хао 2 — 51а
опа ú
— 11,96 Ziv| < >|»|(— log p+ 1,75 log T +0) < 11,96 lei
Daher ist
11,96 (|r| + >|з|)>— Хао + Х»(— log p + 1,75logT +0)
7
2 — 11,96(®|»| + Х|п)).
Da aber
ХН = Х|» +»),
so ist
11,96 EN > — En log + Ху (— log p + 1,75 log T +0) 2 — 11,96 5N.
Cg
Durch ZN dividiert und mit 4,571 T multipliziert
45717 = Inlog Z — Zv log p + Х» 1,75 log T + Da
EE De EE
16 800 > sy
> — 16 800.
Gleichzeitig folgt
16800> 2+ > 16 800
E- FN =
8 J. Báron und М. Pölänyi:
ist, so wird, wenn A sehr groß neben + 16800 ist, annähernd
— und annähernd ON = — A werden.
ZN 2N _
Letzteres Verhalten ist tatsächlich ganz allgemein bei
Reaktionen mit großen Wärmetönungen. So werden wir bei
den Verbrennungen von Fett, Eiweiß und Zucker sowie bei
der Fettsynthese aus Zucker finden, daB O von — A im Orga-
nismus um nicht mehr als 13%, verschieden ist. Dies
entspricht den hohen Werten, die hier hat; so ist z.B.
für die Verbrennung von Fett
e —
у == 42400.
Hingegen muß betont werden, daß im Falle, daß
Q
— 16800 < у < 16800
ist, weder von der Gültigkeit der Berthelotschen Regel, noch
von einer annähernden Gleichheit von Q und — 4 die Rede
sein kann. i
Die Ungleichung (1) kann man übrigens in gewissen Fällen
zur Berechnung der möglichen Grenzen der Veränderung der
freien Energie nützlich anwenden. In dem Nachfolgenden wird
sich hierfür noch ein Beispiel bieten.
Berechnung der Bilanz der Veränderungen der freien
Energie für einen speziellen Stoffwechselversuch.
Eine Bilanz der Veränderungen der freien Energie besteht
in der Berechnung der Summe der Abnahmen und der Zu-
nahmen der freien Energie im Organismus und in jenen Körpern,
an die der Organismus freie Energie abgibt bzw. von denen
er freie Energie aufnimmt. Entsprechend dem zweiten Haupt-
satze muß eine solche Bilanz immer negativ sein, d.h. die
Abnahmen der freien Energie müssen die Zunahmen
überwiegen.
Wir machen die Voraussetzung, daß alle Veränderungen
des Organismus während der untersuchten Periode, sowie alle
Veränderungen der Stoffe, die den Organismus während dieser
Zeit passiert haben, im Endergebnisse nichts anderes als Ver-
Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 9
brennung des Eiweißes, Fettes und Zuckers, sowie Fettbildung
aus Zucker sind. Außerdem kann der Organismus noch mecha-
nische Arbeit geleistet haben.
Die weiteren Voraussetzungen, die noch zur Durchführung
der Berechnungen notwendig sind, machen wir auf Grund der
Verhältnisse im menschlichen Organismus. Sie werden jeder
einzelnen Berechnung vorausgeschickt und beziehen sich auf
die Reaktionsgleichung, die Temperatur und die Anfangs- und
Endzustände.
a) Verbrennung des Traubenzuckers.
С,Н,.0, + 60, = 6 H,O + 6С0,.
Temperatur: 37°.
Anfangszustand: Fester Zucker und Sauerstoff von 150 mm
Spannung.
Endzustand: Kohlensäure von 40 mm Spannung und Wasser-
dampf von 20 mm Spannung.
Um eine unfruchtbare Diskussion der Werte dieser Gas-
spannungen und ihrer möglichen Ungenauigkeit zu vermeiden,
erwähnen wir nur, daß keine der berechneten Veränderungen
der freien Energie sich um mehr als 3°/, ändert, wenn man
sämtliche Spannungen auf ihren doppelten Wert erhöht. Mit
dieser Bemerkung möge auch darauf hingewiesen werden, daß
die hier berechneten Werte der freien Energie ohne merklichen
Fehler auf andere Organismen übertragen werden können, bei
denen die Anfangs- und Endkonzentrationen von jenen im
menschlichen Organismus verschieden sind. Auch Temperatur-
verschiedenheiten verhindern dies nicht, denn sie sind leicht
dem Umstande entsprechend zu korrigieren, daß die Ände-
rungen der freien Energie hier nahezu proportional der absoluten
Temperatur wachsen.
Die Wärmetönung der Reaktion ist 3740 cal. pro Gramm
Zucker, also für ein Mol gleich 673 200 cal.
Die chemischen Konstanten der Gase sind!)
Sauerstoff Со, = 2,8,
Kohlensäure Coco, == 3,2,
Wasserdampf Сн,о = 3,6.
1) Nernst, Le
10 J. Báron und М. Pölänyi:
Diese Data genügen, um aus der Nernstschen Annäherungs-
formel — A zu berechnen:
—4=@'—4,511 J— —Zylogp+ Ху 1,751087-}- Séi ;
g
Wir haben nur einzusetzen
Хп = 0,
Ху——6,
Т = 310,
40 150 20
Рсо, = 750°’ Ро, 760° Рн,0 = —єгу›
@' = 673200,
Хуб = — 24,
woraus sich
— A = 763400 cal.
ergibt. Auf 1 р umgesetzten Zucker berechnet
— a = 4,24 Cal.
also nur 13°/, verschieden von der auf 1 р Zucker berechne-
ten Wärmetönung
q = 3,74 Cal.
Um ein Beispiel für die Dimensionen der Reaktions-
konstanten der organischen Verbrennungen zu geben, wollen
wir hier auch diese Konstante berechnen; sie ergibt sich mit
Hilfe obiger Data aus
log Kr Du 1,755log T +- >>» ©
zu #==1.10-%#%,
Wäre also im Gleichgewicht die Tension des Wasserdampfes
auch 1 Atmosphäre, jene der Kohlensäure 1000 Atmosphären,
so wäre die Spannung des Sauerstoffes nach dieser Konstante
(E) berechnet im Gleichgewicht noch immer nur
ро, = У10 — 97 == 10-% Atm.
Es ist ohne weiteres klar, daß sich diese Spannung und
daher auch die Reaktionskonstante nicht direkt experimentell
bestimmen lassen. Da der extreme Wert der Reaktionskon-
stante bloß eine Folge der starken Wärmetönung ist, so läßt
sich dieses Ergebnis auf die übrigen Verbrennungen im Orga-
nismus verallgemeinern.
Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 11
b) Verbrennung von Fett (Tristearin).
UD Hall, + 81,5 О, = 57 СО, + 55 Н,О.
Anfangszustand: Festes Fett und Sauerstoff von 150 mm
Spannung.
Endzustand: Kohlensäure von 40 mm und Wasserdampf
von 18 mm Spannung.
Temperatur: 37°.
Die Wärmetönung berechnet sich aus der spez. Ver-
brennungswärme des Fettes, 9,5 Cal., zu
d == 8455000 cal.
Unsere Data sind also
Zn—=0, Ху — 30,5, T=310, £y0 == — 155,4.
Setzen wir all dies in den Ausdruck von — 4 ein, so er-
halten wir
— А = 9009000 cal.,
woraus sich die Abnahme der freien Energie, von der die Ver-
brennung von 1g Fett im Organismus begleitet wird, zu
—а@== 10,1 Cal.
ergibt, also sehr nahe gleich der Verbrennungswärme eines
Grammes Fett
q = 9,5 Cal.
c) Verbrennung von Eiweiß.
Die Verbrennung von 1 g Eiweiß im Organismus liefert
durchschnittlich 4,1 Cal. ij.
Eiweiß liefert durch seine Verbrennung im Organismus
zum größten Teil Kohlensäure, Wasser und Carbamid, zu einem
kleinen Teile setzt es sich in verschiedene organische und un-
organische Moleküle um, deren ganze Vielartigkeit schwerlich
in eine Reaktionsformel zu bringen wäre. Wir haben dies auch
nicht versucht, sondern teilen das Eiweißmolekül in zwei Teile,
1) Da dieser Wert ziemlich unsicher ist, so fügen wir hier die Be-
merkung ein, daß nach der Nernstschen Formel der Wert von A bei
gleicher Temperatur, Anfangs- und Endzuständen mit @ proportional
variiert, und zwar so, daß, wenn CO um einen Wert q vergrößert wird,
— A um den Wert d wächst. Es ist also leicht, — A jeder neuen Be-
stimmung von Q entsprechend zu korrigieren.
19 J. Bäron und М. Pölänyi:
von denen der eine sich in Kohlensäure, Carbamid und Wasser
umsetzt, der andere in andere Molekülarten.
Für den ersten Teil berechnen wir die Summe der Wärme-
tönung und Veränderung der freien Energie A, +Q; = = ent-
sprechend unserer speziellen Kenntnis der reagierenden Mole-
küle. Für den anderen Teil berechnen wir nur die möglichen
Grenzen von А, LO. entsprechend der Ungleichung (1), also
die Werte
х, L4, +Q; und 22 4,4-0,
Wie leicht abzuleiten, ist dann
т—@--2<4А<а-+{—0.... (2)
wodurch wir also eine obere und untere Grenze für die gesamte
Veränderung der freien Energie erhalten, von der die Eiweiß-
verbrennung im Organismus begleitet wird!).
Der Teil des Eiweißes, der sich nicht in Kohlensäure,
Wasser und Carbamid umsetzt, ist beim Menschen etwa ?/,,
der gesamten umgesetzten Eiweißmenge.. Wir können also
schreiben:
1 g Eiweiß -- a. O0, = b - CO, + c- H,O + d- CO(NH,)
| 0,1 g „andere Moleküle“.
Wir nehmen nun als durchschnittliche Zusammensetzung
jenes Eiweißanteiles, das in CO,, H,O und CO(NH,), umgesetzt
wird, 53°/, С, 7°/, Н, 17°], №, 239%, О. Dann schreibt sich
die Reaktionsformel dieses Anteils:
100 g Eiweiß + 4,54 О, = 0,6 CO(NH,), + 2,3 H,O + 3,81 CO,.
Anfangszustand: Festes Eiweiß und Sauerstoff von 150 mm
Spannung.
Endzustand: Kohlensäure von 40 mm Spannung, Wasser-
dampf von 18 mm Spannung und das Carbamid im Harn
1) Die Berechnung der Grenzen gestaltet sich folgendermaßen. Da
Q,' +Q; =Q die gesamte Reaktionswärme ist, so haben wir aus
4 +Q' + 4+ —-Y=4 + 4, = A
+4,49, —– @ = 4
А, LN = 4 EW — =.
Da z, < Aa HOF < Z
ist, so ist auch ze A LN = < =,
und endlich (+2, <A<zm = — 9.
Anwendg. des 2. Hauptsatzes d Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 13
gelöst, also zu einer Konzentration von etwa 2°/,. Tempe-
ratur 37°. Die Löslichkeit des Carbamids in Wasser bei 37°
berechnet sich aus der Löslichkeit bei 18° und der Lösungs-
wärme zu c,—=180g pro 100 д Wasser. Wir haben also:
с 2
з 10 с === 06 log ту — 0,6 log 90
9
27 = — 1,57
ХУС = — 7,8
А,-+Е0,'==4,511 т|—>в log а — 2y log p+ Ху 1,75 log т >»0|
g
А, +Q,’ = z = — 28660 cal.
Andererseits kann uns bezüglich der oberen Grenze der
Anzahl Moleküle, die aus jenen 11,1 g Eiweiß entstehen, die
sich nicht in CO,, H,O und CO(NH,), umsetzen, die Zusammen-
setzung und der osmotische Druck des Harnes Aufschluß geben,
da diese Moleküle zum allergrößten Teil den Organismus durch
diesen verlassen. Nach den Untersuchungen von Steyrer und
Bugarszky läßt sich berechnen‘), daß durchschnittlich auf
388 Mole Carbamid 19 Mole anderer organischer Harnbestand-
teile fallen. Da aus 111,1 g Eiweiß 0,6 Mole Carbamid ent-
stehen, so entstehen zugleich 0,029 Mole dieser anderen orga-
nischen Moleküle. Rechnen wir hierzu noch 1 g NH, auf die
Tagesmenge (durchschnittlich 0,388 Mole) Carbamid, so haben
wir auf 0,6 Mole Carbamid noch 0,09 Mole NH, — also im
ganzen 0,12 Mole „andere Moleküle“ auf 111,1 g Eiweiß. Ver-
zehnfachen wir diese Zahl, um sie mit aller Sicherheit als
obere Grenze der Anzahl jener Moleküle setzen zu können, die
außer CO,, H,O und CO(NH,), aus 111,1 g Eiweiß entstehen,
so haben wir
0< ZN <1,.
Beobachten wir ferner, daß alle diese Moleküle eine end-
liche Löslichkeit in Wasser besitzen?), so ist
у==0,
und daher A, +Q; == 4,571 (2 log z) ,
⸗
(907 1) Korányi, Richter, Physikalische Chemie und Medizin 1, 525,
з) Da NH, als Salz gelöst ist.
14 J. Вӧгоп und М. Pölänyi:
Da es sich um lauter entstehende Moleküle handelt, so ist
Zn negativ und gleich ZN, also
0>2n>— 1,2.
Da ferner, wie oben gezeigt wurde,
02208 >—5
ist, во wird 020, -+ А, 2 4,571 7.1,2 (— 5)
02>@, + 4, >> — 8500.
Gehen wir nun auf die Bezeichnungen der Ungleichung (2)
zurück, so haben wir
x == — 28660; x, = — 8500; 2, = 0;
Q = 111,1.4,1.100 = 455510.
Ра пип
+, — <А, -А, < а, 2—60
ist, во haben wir
— 492000 < А, + А, < — 484 000.
Wir nehmen den Mittelwert 488000 cal. an als die Ab-
nahme der freien Energie bei der Verbrennung von 111,1 g
Eiweiß im Organismus. Auf 1 g Eiweiß berechnet sich hieraus
— а == 4,4 Cal,
also wenig verschieden von
q = 4,1 сай,
der Wärmetönung derselben Reaktion.
d) Die Synthese von Fett aus Traubenzucker.
Wir nehmen an, daß das synthetische Fett ebensoviel C
enthält, als der zur Synthese verwendete Traubenzucker. Dann
schreibt sich die Reaktionsformel: `
19 C,H, „О, = 2 С,,Н,,,0, + 4 H,O + 49 0,.
Anfangszustand: Fester Zucker.
Endzustand: Festes Fett, Wasserdampf der Spannung von
18 mm, Sauerstoff der Spannung von 150 mm. Die Tempera-
tur ist 37°. Die Wärmetönung der Reaktion auf 1g in Fett
umgewandelten Zuckers ist
q = — 1,2 Cal,
also О == — 19-180. 1,2 . 1000 = — 4,120 000 cal.
Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 15
Wir haben also
KX = 0
Ху == — 53, Т = 31009
2 y0 = — 151,6.
Mit Hilfe dieser Daten erhalten wir
— А == — 3,520 000 cal.
und auf 1 g Zucker berechnet
— a = — 1,08 Cal,
also wenig verschieden von der auf 1 g Zucker berechneten
Wärmetönung
q = — 1,2 Cal.
e) Bilanz der Veränderungen der freien Energie.
Prüfung des zweiten Hauptsatzes.
Wir fassen unsere Berechnungsergebnisse mit den Wärme-
tönungen, die wir zu diesen Berechnungen benutzt haben, in
folgender Tabelle zusammen:
Veränderung
der freien
Energie
Cal.
Reaktion
Verbrennung d. Traubenzuckers
» n Fettes . . . .
n n Eiweißes . . . — 4,
Umsetzung von Traubenzucker
in Fett ......... + 1,03
Werden in einem speziellen Stoffwechselversuche
а g Traubenzucker verbrannt
В g Fett ”
у g Eiweiß n
ô g Traubenzucker in Fett umgesetzt
e g Cal. Arbeit geleistet, so fordert der zweite Hauptsatz,
daß die Summe der Abnahmen der freien Energie
Z — A = (a: 4,24 -+ f -10,1 + y: 4,4 — ô. 1,03 — e) Cal. > 0
sei.
Daß dies in jedem Falle zutreffen muß, ergibt sich un-
mittelbar aus der Bildung der Summe der gleichzeitigen Wärme-
abgabe.
16 J. Bäron und М. Pölänyi:
Sie ist
Z Q == (a-3,744 0-9,5 -{-у-4,1 —д.1,2 — г) Cal.
Hieraus ergibt sich
Z—A— IQ = [0 (4,24 — 3,74) + £ (10,1 — 9,5) + у (4,4 — 4,1)
1 ð (1,2 — 1,03) + e (1 — 1)] Cal.
Z—A— 0 = [e-0,5 + 8-0,6 + y-0,3 + ô- 0,17] Cal.
Letztere Summe gibt uns in Calorien an, um wie vieles
die gesamte Abnahme der freien Energie immer größer sein
muß als die Wärmeabgabe. Ihre sämtlichen Glieder sind po-
sitiv. Welches immer das Verhältnis der einzelnen Stoffwechsel-
vorgänge zueinander sei, immer muß also die gesamte Ab-
nahme der freien Energie größer sein als die Wärmeabgabe,
und es müßte in jedem Falle, in dem die gesamte Abnahme
der freien Energie kleiner als Null wäre, auch die Wärmeab-
gabe kleiner als Null sein. Dies ist aber im homoiothermen
tierischen Organismus offenbar ausgeschlossen.
Wir fassen dieses Ergebnis in den Worten zusammen, daß
die Stoffwechselvorgänge im menschlichen Organis-
mus, sowie in jedem anderen Organismus, dessen
Stoffwechselvorgänge ähnlich den menschlichen Stoff-
wechselvorgängen verlaufen, insbesondere bei denen
im wesentlichen nichts anderes, als Kohlenhydrat-,
Fett- und Eiweißverbrennung sowie Fettsynthese aus
Kohlenhydraten und Leistung von mechanischer Arbeit
vor sich geht, den zweiten Hauptsatz in jedem Falle
befriedigen, insofern sie nur nicht mit Wärmeaufnahme
(sondern Wärmeabgabe) arbeiten.
Zur Verhütung eines jeden Mißverständnisses soll hier
nochmals betont werden, daß dieses Ergebnis aus dem zweiten
Hauptsatze keineswegs im allgemeinen zu folgern ist, sondern
nur aus den speziellen Dimensionen der Abnahmen der
freien Energie der speziellen Vorgänge, um die es sich handelt.
Der zweite Hauptsatz hat hier nur über die Veränderungen
der freien Energie etwas zu sagen, und wenn wir diese Ver-
änderungen nicht kennen, so sagt uns der zweite Hauptsatz
gar nichts.
Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 17
Über eine Anwendung des zweiten Hauptsatzes im Organis-
mus. Der thermodynamische Nutzeffekt,
Da wir in den vorangegangenen Teilen dieser Arbeit die
Prüfung des zweiten Hauptsatzes am Organismus durchaus auf
Grund physiologischer Kenntnisse und Theorien vollzogen haben,
so können unsere Ergebnisse auch umgekehrt als eine Prüfung
dieser physiologischen Kenntnisse und Theorien gelten.
Auch läßt sich der zweite Hauptsatz für eine Kritik der
Theorie einzelner Vorgänge im Organismus verwerten. Die
Physiologie verbindet die chemischen und mechanischen Pro-
zesse im Organismus untereinander und setzt dann voraus, daß
eine Gruppe dieser Prozesse unabhängig von den übrigen Vor-
gängen abläuft.
So verbindet die Physiologie die Vermehrung der Ver-
brennungen, die auftritt, wenn der Organismus mechanische
Arbeit leistet, mit der geleisteten mechanischen Arbeit, indem
sie sagt, daB die mechanische Arbeit durch das Plus an Ver-
brennungen geleistet wird, das sie begleitet.
Für die Möglichkeit der Betrachtung solcher abgeschlossenen
Vorgangsgruppen bietet der zweite Hauptsatz eine notwendige
(aber nicht zureichende) Bedingung. Er fordert nämlich, daß
für die betrachtete Vorgangsgruppe
z—A>0
sein muß.
Die gesamte Veränderung der freien Energie 2—A setzt
sich immer aus Zunahmen und Abnahmen der freien Energie
zusammen. Da aber die Summe der Abnahmen die Summe
der Zunahmen immer übertreffen muß, so ist der Quotient der
Zunahmen in die Abnahmen immer kleiner als Eins. Diesen
Quotienten nennen wir den thermodynamischen Nutz-
effekt für die betreffende Gruppe der Veränderungen. Die
oben angegebene Bedingung können wir also auch so aus-
sprechen, daß die Möglichkeit einer abgeschlossenen Vorgangs-
gruppe dem zweiten Hauptsatze nicht widerspricht, wenn der
thermodynamische Nutzeffekt für die betrachtete Gruppe der
Veränderungen kleiner als Eins ist.
Der Begriff des thermodynamischen Nutzeffekts stützt sich
auf folgende Auffassung. Wie es schon für mechanische und
Biochemische Zeitschrift Band 58. 2
18 J. Вёгоп und M. Pölanyi:
physikalisch-chemische Prozesse (osmotische Nierenarbeit) ge-
schah, nehmen wir als Maß der unfreiwilligen Prozesse im
Organismus die Zunahme der freien Energie bei denselben
Prozessen. Dann erscheinen die unfreiwilligen Prozesse ver-
ursacht durch den Ablauf freiwilliger, mit Abnahme der freien
Energie verbundener Prozesse. Entsprechend dem zweiten
Hauptsatze ist die verbrauchte freie Energie bei natürlichen
Prozessen immer merklich größer als die dadurch erzielte Auf-
speicherung von freier Energie. Nur im idealen Grenzfalle,
wenn alle Vorgänge reversibel ablaufen, ist der Unterschied
Null. Verbrauchte und aufgespeicherte freie Energie wären
dann einander gleich und der oben definierte thermodynami-
sche Nutzeffekt gleich Eins. Der Wert des tatsächlich ge-
fundenen Nutzeffektes zeigt also den Grad an, in dem sich der
Ablauf der betreffenden Veränderungen der Reversibilität nähert,
also kurz den Grad ihrer Reversibilität.
Für die Größe dieses Quotienten ist auch bestimmend,
wie man die gesamte Veränderung in einzelne Vorgänge zer-
legt. Wie dies im allgemeinen zu geschehen hat, darüber zu
entscheiden haben wir nicht unternommen. Die Zerlegungen,
die wir in einzelnen Fällen weiter unten benutzt haben, fanden
wir in der physiologischen Chemie fertig vort).
a) Thermodynamischer Nutzeffekt der mechanischen
Arbeitsleistung.
Wir nehmen den häufigsten Fall, daß die mechanische
Arbeit auf Kosten einer Mehrverbrennung von Traubenzucker
geleistet wird. Der calorische Wert dieser Mehrverbrennung
beträgt bekanntlich zirka das Dreifache der mechanischen Arbeit.
Ist die durch Mehrverbrennung von zg Traubenzucker geleistete
mechanische Arbeit gleich m, dann ist, da der calorische Wert
der Verbrennung von zg Traubenzucker Q — 3,74 z Cal. ist,
dm
3,74
1) Es sei hier bemerkt, daß, wenn auch die Größe Æ des thermo-
dynamischen Nutzeffekts durch die Art der Zerlegung mit bedingt wird,
das Vorzeichen der Größe (1 — E) von der Art dieser Zerlegung un-
abhängig ist. Die oben angegebene Bedingung ist also, einerlei, wie die
Zerlegung erfolgt, immer eindeutig.
Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 19
Die Abnahme der freien Energie bei der Verbrennung von
2g Traubenzucker ist gleich z-4,24Cal. Der thermodynamische
Nutzeffekt ist daher
KE m __ 3,74
Za 3.4,24
374 4,24
Е== 0,99 < 1
Wie wir sehen, ist die vom zweiten Hauptsatz gestellte
Bedingung befriedigt, die Möglichkeit der betrachteten ab-
geschlossenen Vorgangsgruppe also vom zweiten Hauptsatz
nicht negiert.
Der Wert dieses thermodynamischen Nutzeffektes tritt
dem Werte der Quotienten
den .man gewöhnlich als „Wirkungsgrad“ oder „technischen
Wirkungsgrad“ der mechanischen Arbeit bezeichnet, sehr nahe.
Deswegen soll die prinzipielle Verschiedenheit der beiden Quo-
tienten ausdrücklich betont werden.
b) Thermodynamischer Nutzeffekt der Fettsynthese
aus Traubenzucker.
Um Fettsynthese aus Traubenzucker zu erzielen, muß man
den Organismus mit einem Überschuß an Kohlenhydraten
füttern. Nach den Versuchen von О. Kellner?) wird bei 1000 р
Mehrfütterung von Kohlenhydraten durchschnittlich 200 g Fett-
ansatz erzielt. Dies entspricht 384 g Traubenzucker (gleicher
C-Gehalt).
Es wird angenommen, daß die Verbrennung der übrigen
616 g die Synthese bewirkt. Die Abnahme der freien Energie bei
der Verbrennung von 616 g Traubenzucker beträgt 616. 4,24 Cal.,
die Zunahme der freien Energie bei der Umwandlung von 384 g
Traubenzucker in Fett 384-1,03 Cal Der thermodynamische
Nutzeffekt berechnet sich hieraus zu
p — 3841,03
= — = 0,152.
616. 4,24 0,1
1) О. Kellner, Die Ernährung дег landwirtschaftlichen Nutztiere.
1912. 8. 155.
ge
920 J. Báron und М. Pölanyi: Anwendung des 2. Hauptsatzes usw.
Da E <1 ist, gibt der zweite Hauptsatz die Möglichkeit
der betrachteten abgeschlossenen Vorgangsgruppe zu.
Zusammenfassung.
1. Die Kenntnis der Veränderungen der freien Energie im
Organismus kann nur auf Grund des Nernstschen Wärme-
theorems erlangt werden.
2. Es werden die Veränderungen der freien Energie, von
denen die einzelnen Stoffwechselvorgänge begleitet werden, für
den speziellen Fall eines Stoffwechselversuches berechnet. Die
Veränderungen der freien Energie bei den einzelnen Reaktionen
werden nahe gleich den Wärmetönungen gefunden. Auf Grund
dieser Beziehungen wird erwiesen, daß die Vorgänge im Orga-
nismus immer gemäß den vom zweiten Haupteatz gestellten
Bedingungen verlaufen, wenn nur der Organismus nicht mit
Wärmeaufnahme arbeitet.
3. Der Begriff des thermodynamischen Nutzeffektes "wird
eingeführt und für die Beurteilung der Theorien über ab-
geschlossene Vorgangsgruppan im Organismus als nützlich ge-
funden. Der thermodynamische Nutzeffekt der mechanischen
Arbeit und der Fettsynthese aus Traubenzucker wird berechnet
und die Zulässigkeit dieser Theorien vom Standpunkt des
zweiten Hauptsatzes erwiesen.
Ein Calorimeter für kleine Tiere.
Von
Е. Tangl.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.)
(Eingegangen am 5. Juni 1913.)
Mit 3 Figuren im Text.
Das Calorimeter, das im folgenden beschrieben wird, ist
nach demselben Prinzip gebaut, nach dem Chr. Bohr und
K. A. Hasselbalch ihr Calorimeter zur Bestimmung der Wärme-
produktion des Hühnerembryo konstruierten:?)
Die Wärmeproduktion wird auf thermoelektrischem Wege
gemessen, indem der Thermostrom, den die durch die tierische
Wärmeproduktion bedingte Temperaturerhöhung erzeugt, mittels
einer Wärmequelle kompensiert wird, in der eine genau ge-
messene Wärmemenge erzeugt wird.
Mein Calorimeter weicht vom Bohrschen, wie aus fol-
gender Beschreibung ersichtlich, außer den größeren Dimen-
sionen, hauptsächlich durch die Art der Wärmeisolierung des
Tierbehälters ab, die ich durch Verwendung der Dewarschen
Gefäße noch erhöht habe. Auch mußte die Versuchsmethodik
dem Umstande angepaßt werden, daß bei Tieren, die während
des Versuchs Bewegungen ausführen, eine so vollständige und
konstante Kompensation wie beim Hühnerei nicht möglich ist.
Beschreibung des Calorimeters.
Das Calorimeter selbst besteht aus 2 ganz gleichen äußerst
dünnwandigen (0,3 mm), innen geschwärzten Kupferzylindern,
deren lichter Querdurchmesser 110 mm und Höhe 210 mm be-
1) Chr. Bohr und K. A. Hasselbalch, Über die Wärmeprođuk-
tion und den Stoffwechsel des Embryo. Skandinav. Arch. f. Physiol.
14, 398, 1903.
- = Жане r.
29 F. Tangl:
trägt (s. Fig. 1,a, die einen schematischen horizontalen Quer-
schnitt darstellt). Vorn sind diese Zylinder auf einen schmalen
9—
|
чыл, ч
—
Ee MI YII Рр учен: AEN den bb ge FR ké Eegen Së
GE sch
aaa nm
ШЦ ТН
Messingring gelötet,dessen vordere Fläche sorgfältig planpoliert
ist, so daß eine Glasplatte (Б), nach Bestreichen der Ring-
Ein Calorimeter für kleine Tiere. 23
oberfläche mit etwas Vaselin, den Innenraum des Kupferzylinders
luftdicht abschließt. Zur Sicherung des luftdichten Abschlusses
wird diese Glasplatte durch je 4 Klemmschrauben festgehalten.
Die Kupferzylinder stecken in je einer Dewarschen Flasche
(Fig. 1, си. с) von ähnlicher zylindrischer Form, deren innerer
lichter Durchmesser 125 mm beträgt, so daß zwischen Zylinder
und Flasche ein Zwischenraum von 7,5 mm Durchmesser bleibt.
Mit ihrem vorderen Rande passen die Dewarschen Flaschen
in je eine kreisförmige Rinne einer 0,5 сю dicken Ebonitplatte
(d). Diese Rinne umgibt jene 2 kreisförmigen Ausschnitte der
Ebonitplatte, durch die die Kuferzylinder so gesteckt sind,
daß der obenerwähnte Messingring genau auf der vorderen
Seite der Ebonitplatte ruht. In diese Rinne werden die De-
warschen Flaschen durch ein Schraubengestell gepreßt und
fixiert, dessen vorderes Ende in die Ebonitplatte eingelassen
ist und dessen horizontaler Querast je einen Ebonitzylinder durch-
setzt (e), durch den der Zapfen der Dewarschen Flaschen ge-
steckt ist.
Die äußere Fläche der 2 Kupferzylinder ist blank
poliert, an 6 symmetrisch verteilten Punkten sind 1 mm
dicke Konstantandrähte angelötet, die je 2 Punkte der 2 Zy-
linder verbinden. (In der Abbildung sind nur 2 Paar Lötstellen
und eine (ў) Konstantanverbindung sichtbar.) Die Konstantan-
drähte sind vom Kupferzylinder isoliert zwischen diesem und
der Dewarschen Flasche und vorn in Rinnen der Ebonitplatte
gezogen. Von jedem Kupferzylinder führt је ein 1 mm dicker
angeschmolzener Kupferdraht (g und д) zum Galvanometer (h).
Wir benützen jetzt ein ausgezeichnetes, sehr empfindliches
Brocasches Galvanometer.
Zur weiteren Sicherung der Wärmeisolierung sind die De-
warschen Flaschen in einen blankpolierten Kupferkasten (k),
dessen vordere Wand durch eine Ebonitplatte (d) gebildet wird,
во eingesetzt, daß sie und die Kupferzylinder festgehalten wer-
den. Die Dimensionen dieses Kupferkastens betragen 350 ><
350 ><210 mm. Der von der Dewarschen Flasche freigelassene
Raum im Innern des Kupferkastens ist mit Korkabfällen aus-
gefüllt. Auf der oberen Fläche trägt dieser Kasten — (Calori-
meterkasten) — 2 Griffe, mittels deren er leicht in den Ther-
mostat gehoben bzw. aus demselben entfernt werden kann.
24 Е. Tangl:
Beide Calorimeterzylinder haben noch 2 Öffnungen: je
eine hinten und eine vorne; durch sie wird das Innere ventiliert.
Zur hinteren Öffnung führt die Kupferröhre (¢,), durch sie tritt
die Luft ein, während durch die vordere Öffnung und die
Röhre $, die Luft austritt. Diese Zu- und Ableitungsröhren
sind ebenfalls zwischen Kupferzylinder und Dewarschem Ge-
fäß gelagert; beide Röhren haben unmittelbar vor dem Kupfer-
zylinder eine Erweiterung ($,) zur Aufnahme eines Thermo-
Fig. 2.
meters, mit dem die Temperatur der ein- und austretenden Luft
gemessen wird.
Der ganze Calorimeterkasten befindet sich während des
Versuches in einem Thermostaten, dessen vertikalen Quer-
schnitt Fig. 2 zeigt.
Der Thermostat ist ein auf einem 88cm hohen Eisenge-
stell ruhender doppelwandiger Kasten aus verzinntem Eisen-
blech. Nur seine vordere Doppelwand (Fig. 1, A) ist aus Glas,
Ein Calorimeter für kleine Tiere. 25
damit man in das Innere sehen kann. Die Dimensionen sind
aus Fig. 2 ersichtlich.
Der mit Wasser ausgefüllte Raum (В) der Doppelwand ent-
hält noch in seinem unteren horizontalen Teile ein Rührwerk,
eine Flügelschraube (Fig. 2, C), deren vertikale Achse durch eine
Stopfbüchse durch den Boden des Kastens geführt und mittels
einer Schnurscheibe (О) von einem Elektromotor angetrieben
wird. — In das Wasser reichen auch noch der lange zylindri-
sche Teil eines Toluolregulators, der zur Konstanthaltung der
Temperatur des Wassers dient, wenn der Thermostat auf eine
bestimmte Temperatur geheizt werden soll, und ein Thermo-
meter.
Die obere Wand des Therinostaten ist so konstruiert, daß
nach dem Einsetzen des Calorimeterkastens der Thermostat-
raum auch von oben durch Wasser abgeschlossen werden kann.
Zu diesem Zwecke sind die äußere und innere Platte der oberen
Wand voneinander getrennt: Die äußere Platte (D) ist aus Alu-
minium und von außen mit Linoleum bedeckt und bildet einen
leicht abnehmbaren Deckel. Die innere Platte besteht aus
einer dicken Glasplatte (D’), die genau auf einen plangeschlif-
fenen Metallrahmen D, paßt, der auf den oberen Rand der
Innenplatte der senkrechten Doppelwand gelötet ist. Die plan-
gesechliffene Fläche des Metallrahmens wird mit Vaselin be-
strichen, bevor die Glasplatte aufgesetzt wird, wodurch der luft-
dichte Abschluß gesichert und leicht kontrolliert werden kann.
Um die Erhaltung der Temperaturkonstanz des Wasser-
mantels zu erleichtern, ist die äußere senkrechte Wand des
Thermostaten mit einer dicken Asbestplatte (Ё) und diese mit
Linoleum (F) bedeckt.
Die inneren lichten Durchmesser des Thermostaten sind
so gewählt, daß der eingesetzte Calorimeterkasten, der auf Holz-
klötzen (G) ruht, an allen Seiten noch mit einem 2—4 cm
breiten Luftmantel umgeben ist. Die isolierten Kupferdrähte
und die Kupferröhren, die vom Calorimeterzylinder kommen,
sind durch luftdicht eingesetzte Röhren durch die Wand des
Thermostaten nach außen geleitet.
Während des Versuches befindet sich in einem der Calori-
meterzylinder das Versuchstier, im anderen ein Rheostat, mit
dem die Wärmeproduktion des Tieres kompensiert wird.
26 Е. Таре]:
Dieser Rheostat (Fig. 1, D besteht aus einem spiralig ge-
wundenen 0,2mm dicken Konstantandraht in einem einfachen
Kupferdrahtgestell, dessen beide Enden gleichzeitig als Pole
dienen. Sie sind durch einen Kautschukpropfen (1 gesteckt,
der luftdicht in die kreisrunde Öffnung der dicken Glasplatte
paßt, die den Calorimeterzylinder nach vorn absperrt. An den
Polen sind Klemmschrauben zum Anschluß der Kupferkabel
(m), die zum Akkumulator bzw. zu einem Präzisionszeigergal-
‚vanometer (о) (Siemens u. Halske) führen. Mittels der letzteren
wird die Intensität des durch den Konstantanrheostaten ge-
schickten Heizstrom mit einer Genauigkeit von 0,1°/, gemessen.
Seine Stärke kann mit einem Regulierwiderstand (о) auf den
gewünschten Wert eingestellt werden.
Das Versuchstier kann natürlich nicht unmittelbar in
den Calorimeterzylinder gesteckt werden, es darf ja nicht
die Zylinderwand unmittelbar berühren, auch müssen die
Exkremente gesammelt werden. Es kommt zunächst in einen
Käfig, der als Einsatz in den Calorimeterzylinder paßt, nur
etwas kleiner ist, so daß ein Zwischenraum ihn von der Wand
des letzteren trennt. Fig. 3 zeigt diesen Käfig im vertikalen
Längsschnitt, wie er im Calorimeter-
zylinder (а) steckt (in Fig. 1 ist dieser
Käfig nicht abgebildet). In Fig. 3 sind
І die Querschnitte von 2 Ebonitrin-
gen, die den Käfig von der Zylinder-
wand isolieren und stützen. Die obe-
Ne ren ?/, (Fig. 3, II) des Кабрв be-
stehen aus einem feinen Kupferdrahtnetz, das untere Drittel
(III) aus dünnem, innen verzinntem Kupferblech. Das Tier
sitzt im Käfig auf einem verzinnten Kupferdrahtnetz (ГУ);
der Harn kann durch dieses in den unteren Teil III des Ка-
figs fließen, wo er unter Paraffinöl sich ansammelt. Vorn ist
der Käfig mit einer Glasplatte (У), die mit Klammern festge-
halten wird, abgeschlossen.
Ein ähnlicher Käfig ist auch im anderen Calorimeterzylinder,
in dem sich der Rheostat befindet. (Nicht abgebildet.)
Durch die obenerwähnten Röhren — Fig. 1, $, und $, —
wird im Versuche bloß jener Zylinder ventiliert, in dem sich
das Tier befindet. Die Röhren des anderen Calorimeterzylinders
Ein Calorimeter für kleine Tiere. 27
sind dicht verschlossen. Die Ventilation besorgt eine Wasser-
strahlluftpumpe oder eine größere Mariottesche Flasche oder
eine Zentrifugalpumpe (Fig. 1, p), je nach der Größe des Tieres.
Die in den Apparat eintretende Luft wird mit Natron-
kalk (Fig. 1, ғ) von der CO, und mit H,SO, (Fig. 1, 8) vom
Wasserdampf befreit und dann durch ein langes in das Wasser
der Thermostatwand versenktes schlangenförmiges Kupferrohr
geleitet, so daß es genau die Temperatur des Thermostaten
annimmt, bevor es in den Calorimeterzylinder tritt. Die aus
letzterem austretende Luft wird zunächst durch konz. H,SO, (t)
geleitet, dann mit Wasserdampf gesättigt (и) und durch zwei
Pettenkofersche Röhren mit Barytwasser geleitet (v) und mit
einer Gasuhr gemessen (w). |
Wie aus der Beschreibung ersichtlich, gehört dieses Calori-
meter in die Kategorie der Strahlungscalorimeter. Die an-
gegebenen Isolierungsvorrichtungen dienen zunächst dazu, die
zwei Zylinder gegeneinander möglichst vollständig zu isolieren,
damit sie einander nicht beeinflussen. Dann dienten sie auch
dazu, den Wärmeverlust durch Leitung und Strahlung mög-
lichst zu verringern, was die Empfindlichkeit erhöht. Voll-
ständig kann dies ja nicht sein, schon deshalb nicht, da ja die
vordere Wand nur aus einer Glasplatte besteht und die nicht
isolierten Metallteile einen Teil der Wärme ableiten. Außer
diesem Wege wird, da der Zylinder, in dem das Tier sich be-
findet, ventiliert wird, durch diese sowie mit dem Wasserdampf
auch Wärme entführt, deren Menge genau berechenbar ist, da
Menge und Temperaturveränderung der durchströmenden Luft
und die Menge des mitgeführten dampfförmigen Wassers ge-
messen werden. Dieser Anteil der Wärmeabgabe kann je nach
der Ventilationsgröße und ihrem Verhältnis zur Wärmeproduktion
namhaft sein. Jedenfalls muß die Ventilation so gewählt werden,
daß eine übermäßige Erwärmung der Luft nicht erfolge —
(höchstens 3 bis 4°C) und keine Kondensation von Wasser-
dampf eintrete.
Die starke Isolierung der Calorimeterzylinder erwies sich be-
sonders vorteilhaft in jenen Fällen, wo es sich — wie 2. В. bei
kleinen Kaltblütern, Würmern — um sehr kleine Wärmepro-
duktion handelt oder bei welchen eine ausgiebige Wasser-
verdampfung die Temperaturerhöhung kompensiert. Das ist
28 Е. Tangl:
verständlich, wenn man bedenkt, daß je vollständiger die
Wärmeisolierung ist, die durch eine gegebene Wärmemenge
erzeugte Temperaturerhöhung der Lötstellen desto größer wird.
Leistungsfähigkeit und Genauigkeit des Respirations-
Calorimeters.
1. Als Calorimeter.
Ich habe schon eingangs erwähnt, daß dieses Calorimeter
einer viel schwierigeren Aufgabe dienen mußte, als das Kom-
pensationscalorimeter von Bohr und Hasselbalch, dem es ја,
wie aus der Beschreibung ersichtlich, nachgebildet ist. Da
В. und H. in ihrem Calorimeter bloß Hühnereier bebrüteten,
so hatten sie es mit einer gleichmäßig, stetig wachsenden
Wärmeproduktion zu tun, während ich mit meinem Calorimeter
schnell und unregelmäßig wechselnde Wärmeproduktionen zu
messen hatte. Es war aber schon a priori ausgeschlossen, daß in
diesem Falle eine so vollständige Kompensation möglich sei, wie in
den Versuchen von B. und H., und zwar mußte die Kompen-
sation um so unvollständiger sein, je empfindlicher die Calori-
metereinrichtung war.
Die Eichung des Apparates mußte demnach so vorgenommen
werden, daß auch die Leistungsfähigkeit bei wechselnder Wärme-
produktion und bei unvollständiger, d. h. nur annähernder
Kompensation geprüft wurde.
Zunächst hatten wir uns davon zu überzeugen, ob die Wärme-
kapazität beider Calorimeterzylinder die gleiche war. Zu diesem
Zwecke wurde in beide Zylinder je ein Rheostat aus Kon-
stantandraht von etwa 45 Ohm Widerstand (der Widerstand
wurde genau bestimmt) genau so eingesetzt, wie er während
des Tierversuchs in dem einen Zylinder verwendet wird. Die
Zylinder kamen dann in den Thermostaten, und jeder Rheostat
wurde mit einem Akkumulator und Galvanometer unter
Einschaltung eines Regulierwiderstandes verbunden. Nachdem
berechnet wurde, welche Stromstärke nötig ist, um in beiden
Rheostaten die gleiche Wärmemenge zu erzeugen, wurde in
beiden der Strom geschlossen. Bei völliger Gleichheit beider
Zylinder durfte kein Thermostrom entstehen. Tatsächlich ergab
sich eine fast vollständige Gleichheit; nach der kleinen gefundenen
Ein Calorimeter für kleine Tiere. 29
Differenz berechnete sich die Wärmekapazität des rechten
Zylinders zu der des linken = 1 : 1,001. Diese Differenz konnte
vernachlässigt werden.
Die zweite Prüfung bestand darin, daß wir feststellten,
daß sowohl bei verschiedener Temperatur des Thermostaten,
als auch dann, wenn verschieden starke, doch in beiden Zylindern
gleiche Wärmeproduktion in dem Calorimeter stattfand, die
beiden Zylinder keinen Thermostrom gaben. Die Gleichheit
der Kapazität war aber bei verschiedener Erhitzung festgestellt.
Die Versuche, mit welchen dies festgestellt wurde, dauerten oft
mehrere Stunden. —
Damit war auch erwiesen, daß die Wärmeproduktion in
dem einen Zylinder tatsächlich mit der gleichen Wärmemenge
im anderen Zylinder kompensiert werden konnte.
Die Ausschläge des in dem Thermostromkreis geschalteten
Galvanometers bei unvollständiger Kompensation haben wir —
mit Rücksicht auf die im Tierversuche gegebenen Verhältnisse —
in zwei Richtungen eichen müssen: 1. Das Galvanometer kann
sich auf einen Ausschlag für längere Zeit unveränderlich ein-
stellen. Das ist der Fall, wenn die Temperaturdifferenz
zwischen den zwei Calorimeterzylindern für längere Zeit
konstant bleibt, d. h. die Wärmeproduktion auf der einen
Seite um einen für den gewählten Zeitraum konstanten Be-
trag von der der anderen Seite differiert und das Galvanometer
die nötige Zeit hatte, sich auf diese Differenz einzustellen.
2. Das Galvanometer verändert ständig seine Stellung innerhalb
eines gewissen Zeitraums, d. h. die Differenz der Wärme-
produktion in beiden Zylindern ist veränderlich resp. der
Galvanometer hat noch nicht seinen definitiven, der Tempera-
turdifferenz entsprechenden Ausschlag erreicht.
Аа 1. Die Eichung geschah so, daß in beiden Zylindern
bei verschiedenen Stromstärken (0,01 bis 0,1 Amp.) vollständig
kompensiert wurde, dann haben wir auf der einen Seite die
Stromstärke um einen bestimmten, genau gemessenen Betrag
(0,01 bis 0,02 Amp.) erhöht und dann gewartet, bis das Galvano-
meter sich auf einen Ausschlag eingestellt hat. Hieraus konnte
die Differenz in der Wärmeproduktion und der Calorienwert
des Galvanometerausschlags berechnet werden. Der in der
30 Е. Tangl:
folgenden Tabelle angeführte Versuch möge als Beispiel dieser
Eichung dienen. Es bedeuten:
W „,=— Widerstand des Rheostaten im rechten Zylinder = 45,10 Q
Т, == я n э » linken n = 44,50 Q
5 == Stromstärke im Rheostat des rechten Zylinders in Ampere
d == э э э э linken n э” n
С = Wärmeproduktion pro 30 Minuten in g/Cal.:
С, = rechts = 1,2 >< H. >< 0,239 >< 1800
= |1 mm Galv.-Ausschl.
50 | entspricht einer
E
0
Wärmeproduktion
pro 30 Minuten
g/Cal.
0,092
Ò è
F
d Oh. С, rE-
z
0,0350 0,089
0,0186 0,097
0,0190 | 0, 0,101
0,0603 | 0, 0,100
0,0127 | 0,0000 0,116
Mittel 0,099
gleich Calorienwert von 1 mm
Galvanometerausschlag
D. h. bei konstantem Galvanometerausschlag entspricht
1 mm Galvanometerausschlag einer Wärmeproduktion von
0,1 g-cal. pro 30 Minuten.
Аа 2. Die Eichung des Galvanometerausschlages bei ver-
änderlichem Galvanometerausschlag — also während langsamer
Schwingungen, wie sie in Tierversuchen vorkommen — wurde
so ausgeführt, daß zuerst in beiden Rheostaten die gleiche
Wärme erzeugt wurde: der Galvanometer stellt sich genau auf
О ein. Oder es wurde in dem einen Rheostaten um einen
konstanten Betrag mehr Wärme erzeugt und so lange ge-
wartet, bis der Galvanometerausschlag sich nicht mehr änderte.
Dann wurde die Stromstärke in dem einen Rheostaten ver-
ändert und der Ausschlag des Galvanometers notiert, den
er nach 30 Minuten erreichte und die entsprechende Wärme-
produktion, bzw. der calorische Wert des Galvanometerausschlages
berechnet. Natürlich haben wir die Stromstärke auf- und ab-
1) Bei 140 cm Skalenabstand.
Ein Calorimeter für kleine Tiere. 31
steigend verändert, so daß die Galvanometerausschläge nach
beiden Richtungen geeicht wurden. Ein Beispiel dieser Eichung
enthält folgende Tabelle, in welcher bedeuten:
$, = die ursprüngliche Stromstärke in Ampere,
5, == die veränderte Stromstärke, die zum 30-Minuten-Galvano-
meterausschlag fährte,
C, = die der Stromstärke $, entsprechende Wärmeproduktion,
g/Cal. pro 30 Minuten,
O = die der Stromstärke $, entsprechende Wärmeproduktion,
g/Cal. pro 30 Minuten.
Galvano- | 1 mm Galv.-Ausschl.
meteraus- | entspricht einer
c,—c, |schlagnach | Wärmeproduktion
30 Minuten) pro 30 Minuten
Mittel 0,195
Bei veränderlicher, d. h. bei, wie aus der Tabelle er-
sichtlich, mit verschiedener Geschwindigkeit schwingendem
Galvanometer — ist der calorische Wert von 1 mm Ausschlag
0,195 g/Cal. pro 30 Minuten.
Auf Grund dieser Eichungen konnten wir die Wärme-
produktion mit genügender Genauigkeit auch in unsern Tier-
versuchen berechnen, wenn auch zugegeben werden muß, daß
die eben beschriebene Eichung des Galvanometerausschlags nicht
vollständig den Wärmeproduktionsverhältnissen des Tierversuchs
entspricht. Doch muß man bedenken, daß ja der größte Teil
der Wärmeproduktion des Tiers genau kompensiert ist!) und
daß nur der nicht kompensierte Teil mit geringerer, aber immer-
hin genügender Genauigkeit aus den Galvanometerausschlägen
berechnet werden muß. Je vollständiger die Kompensation ist
(und diese ist um so vollständiger, je ruhiger das Tier sich
verhält), um so geringer wird der nicht kompensierte Teil der
1) Die Intensität des Kompensationsstromes wird mit einer Genauig-
keit von 0,1°/, gemessen.
32 F. Tangl:
Strahlungswärme sein. In unsern Versuchen schwankt der
letztere zwischen 5 bis 10°/, der gesamten Wärmeproduktion.
Daß übrigens die Eichung der Galvanometerausschläge — also
die Messung des nicht kompensierten Teils der Wärmeproduktion
— hinlänglich genau ist, geht aus folgendem Testversuch hervor,
in welchem absichtlich unvollständig kompensiert wurde, und
zwar bei der Messung einer sehr kleinen Wärmemenge.
Testversuche.
In beiden Calorimeterzylindern die obenerwähnten Rheo-
staten. Außerdem in dem rechten Zylinder in einem offenen
Schälchen 5 р dest. Wasser. Dieser Zylinder wird ventiliert,
gleichzeitig wird durch den Rheostat dieses Zylinders ein Strom
geschickt. Ist die Joulesche Wärme dieses Stromes genau so
groß wie Wärme, die zur Verdampfung des Wassers verbraucht
wird, kompensiert sie also letztere, so wird das Wärmegleich-
gewicht nicht gestört, das Galvanometer bleibt in der O- Lage,
Wird im Rheostaten mehr Wärme erzeugt, so gibt es einen
Galvanometerausschlag in —-Richtung, ist die Verdampfungs-
wärme größer, schlägt das Galvanometer in der andern (-+-) Rich-
tung aus. Die Kompensation wurde absichtlich so gewählt, daß
es in jedem Versuche zu einem Galvanometerausschlag kam,
die mit obigen Eichzahlen bewertet wurden. Am Schluß des
Versuchs wurde die Menge des Wassers wieder gewogen, um
die Menge des verdampften Wassers zu ermitteln. Als Ver-
dampfungswärme wurde pro 1 g Wasser 0,592 cal gerechnet.
Die Resultate von 3 solchen Testversuchen führe ich in
der folgenden Tabelle an.
ez © a) Dem | b) Dem |, , 4
Kä 58 GË = FT: z | Kompen- | Galvano- 85 & o
ZS 5 = S E в о = a © | sations- meter- |$ ЗЕ
Seil = Ё тео с’ g| strome |ausschlag| о 2 SS
Bil = с © E SS icht ei SS =
Ф б> ь ЗФ 8 entspricht еше =
> zZ "S < Wärmeproduktion |< ”
Std Set (a+b)
omo || с
417,7
323,2 0,0417 — 29
241,3 [0,0280 +2
berechnet: Mittel 327,4 gefunden: Mittel 325,6
Ein Calorimeter für kleine Tiere. 33
2. Als Respirationsapparat.
Außer auf Dichtigkeit, die mittels eines Manometers geprüft
wurde, beschränkte sich die Eichung auf die Feststellung der
Genauigkeit, mit der die CO,- und Wasserdampfbestimmungen
ausgeführt werden können.
CO, haben wir entweder aus Natriumbicarbonat entwickelt
oder aus einem kleinen Gasometer in den Apparat strömen
lassen; meist haben wir das erstere Verfahren angewendet, das
eine genauere Dosierung solcher kleiner Mengen zuläßt, wie sie
im Tierversuch vorkommen. Ventiliert wurde wie beim Ver-
such. Beispiel:
Co
Nummer 7 Н ш
des Versuchsj eingeführt gefunden
g
Differenz == — 0,840/,
Die Ermittelung der Genauigkeit, mit der die Wasserdampf-
produktion im Apparate bestimmt werden konnte, hatte deshalb
besonderes Interesse, weil es davon abhing, ob mit dem Apparate
der O,-Verbrauch mit genügender Zuverlässigkeit auf dem be-
kannten indirekten Wege berechnet werden kann oder nicht.
Wir stellten eine genau abgewogene Menge Wasser in einer
Glasschale in den Apparat und ventilierten mit der in den
Tierversuchen üblichen Geschwindigkeit. Natürlich war auch die
Temperatur die der Tierversuche. Nach mehreren Stunden
wurde der Versuch abgebrochen, das Wasser in der Schale
zurückgewogen. Die folgende Zusammenstellung enthält die
Ergebnisse dieser Versuche.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 3
34 F. Tangl:
— — —
Wasser
verdampft | wiedergefunden
O O со N OO сть с DD мч
ben
Mittel 1,206 | 1194
Differenz = — 1,0°/,
Wenn auch die Genauigkeit geringer ist als bei der CO,-
Bestimmung, ist sie doch so groß, daß sie die indirekte Be-
rechnung des O,-Verbrauchs zuläßt. Natürlich bleibt diese
Art der Bestimmung des O,-Verbrauchs an Genauigkeit und
Zuverlässigkeit hinter der direkten zurück.
Ausführung eines Versuches.
Nachdem das Calorimeter auf Dichtigkeit geprüft ist, die
Null-Lage des Galvanometers ermittelt und das Temperaturgleich-
gewicht festgestellt ist, wird das Tier in dem Köäfigeinsatz,
der mit dem Paraffinöl beschickt wurde, gewogen und in den
einen Calorimeterzylinder gesetzt. Dann wird die Ventilation und
auch gleichzeitig der Kompensationsstrom im Rheostaten des
zweiten Calorimeterzylinders in Gang gesetzt. Natürlich muß man
im voraus die annähernde Stärke dieses Kompensationstromes
berechnen, um eine möglichst rasche Kompensation zu erreichen.
Immerhin dauert es 1 bis 1'/, Stunden, bis die annähernde Kom-
pensation erreicht ist. Der Galvanometer wird alle 5 Minuten
abgelesen. Arbeitet man mit Kaltblütern, die stundenlang ruhig
sitzen, во ist ein so häufiges Ablesen, wenn einmal das Gleich-
gewicht erreicht ist, nicht nötig, es genügt '/, bis !/,stündiges.
Zur Berechnung der Wärmeproduktion werden nur jene Ab-
lesungen verwendet, die in eine Periode annähernder Kompen-
sation fallen. Die Dauer eines Versuches beträgt 10 bis 24 Stunden,
rechnet man die ersten 1 bis 1?/, Stunden, die zur Erreichung der
Ein Calorimeter für kleine Tiere. 35
Kompensation oder der optimalen Kompensation nötig sind, ab,
so kann die Wärmeproduktion für 8 bis 22 Stunden berechnet
werden.
Die Ventilationsgröße (Stand der Gasuhr), Temperatur der
in den Calorimeterzylinder ein- und austretenden Luft wird
1/ stündlich abgelesen. Da die Absorptionsgefäße nur am An-
fange und Ende des Versuches gewogen werden, so kann die
CO,-Produktion und die Wasserdampfabgabe — und somit auch
die durch Wasserverdampfung gebundene Wärmemenge — nur
für die gesamte Versuchszeit und nicht für einzelne Perioden
derselben berechnet werden.
Sofort nach Beendigung des Versuches wird das Tier samt
dem Käfigeinsatz wieder gewogen. Da die Wägungen des Körper-
gewichtes und aller Ausgaben mit großer Genauigkeit (0,01 р) aus-
geführt werden können und bei entsprechender Ventilation —
wie die Testversuche zeigten — keine Kondensation von Wasser-
dampf erfolgt, läßt sich die Berechnung des O,-Verbrauches
mit genügender Genauigkeit ausführen.
Mit dem Apparate wurden bisher schon zahlreiche Ver-
suche ausgeführt, und zwar an Ratten, Mäusen, Fröschen und
Blutegeln. In einigen der folgenden Arbeiten sind die Ergeb-
nisse einer Anzahl dieser Versuche mitgeteilt.
Zum Schlusse möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß die
ziemlich mühsamen, viel Umsicht und Geduld erfordernden
Prüfungen und Eichversuche von meinem langjährigen Mit-
arbeiter Herrn Dr. P. Häri mit großer Gewissenhaftigkeit aus-
geführt wurden, wofür ich ihm auch an dieser Stelle ganz
besonders danke.
3%
Calorimetrie der Nierenarbeit.
Von
Е. Tangl.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.)
(Eingegangen am 14. Juni 1913.)
Mit dem in vorstehender Mitteilung beschriebenen Calori-
meter habe ich versucht, die Größe der Nierenarbeit mittels
direkter Calorimetrie zu bestimmen. Bisher wurden die
Organarbeiten nur indirekt durch Ermittlung des Gaswechsels
gemessen, und zwar entweder mittels der ausgezeichneten Blut-
gasmethode Barcrofts oder mittels der Ausschaltungsmethode,
die in meinem Institute ausgearbeitet wurde. Nach letzterer
wird der Ausfall im respiratorischen Gaswechsel bestimmt, den
die Exstirpation eines Organs beim curarisierten Tiere erzeugt.
Ich habe nun diese Ausschaltungsmethode am nicht curari-
sierten Tiere in der Weise angewendet, daß ich unter möglichst
gleichen Versuchsbedingungen den gesamten Energieumsatz, die
Wärmeproduktion, beim unversehrten Tiere und dann nach der
Exstirpation der Nieren bestimmte. Nach demselben Prinzipe
wie beim Gaswechsel?!) kann der Ausfall im Energieumsatze
als Maß der Arbeit der Nieren angesehen werden. Diese Ver-
suche bilden also gewissermaßen eine Ergänzung der Respira-
tionsversuche, und zwar in mehreren Beziehungen. Zunächst
wird der Energieumsatz direkt gemessen, zweitens wird die
Ausschaltungsmethode ohne Curare angewendet, was wegen der
eventuellen Bedenken gegen die Curareversuche als eine nicht
unerwünschte Kontrolle dient, und drittens boten sie Gelegen-
heit, bei einer anderen Tierspezies die Nierenarbeit zu messen,
was wiederum für die vergleichende Physiologie Interesse hat.
D Tangl, diese Zeitschr. 34, 1, 1911.
F. Tangl: Calorimetrie der Nierenarbeit. 37
Die Versuche habe ich mit der eifrigen Mithilfe des Herrn
S. Cserna an weißen Ratten ausgeführt. Um möglichst gleich-
mäßige Versuchsbedingungen zu schaffen, wurden alle Versuche
an Tieren ausgeführt, die 24 Stunden lang vor dem Versuch
hungerten. Es sind also Versuche an Hungertieren. Um die
Größe des Ausfalles im Energieumsatz nach der Nierenexstir-
pation möglichst zuverlässig messen zu können, wurden mit
jedem Tiere 2 bis 3 Versuche vor der Operation gemacht.
Jeder Versuch dauerte 5 bis 10 Stunden. Dann wurden in
Äthernarkose beide Nieren aseptisch entfernt, die Wunde zu-
genäht und nach !/„ bis 1'/, Stunden die calorimetrischen
Versuche fortgesetzt. Leider vertragen die Ratten das Hungern
nicht sehr gut, auch scheinen sie gegen die Operation sehr
empfindlich zu sein. So habe ich von 5 Versuchsreihen 3 ver-
loren, weil die Tiere 2 bis 3 Stunden nach der Operation
während der Versuche eingingen, so daß ich eigentlich bloß
2 Versuchsreihen habe, die im folgenden mit den nötigen
Einzelheiten beschrieben sind.
Was die Methodik der calorimetrischen Versuche selbst
betrifft, so kann ich einfach auf meine voranstehende Mit-
teilung verweisen, wo sie ausführlich beschrieben ist.
Versuchsreihe 1.
Weiße Ratte У. Gewicht am 20. XI. 1911: 195,6 g. Ge-
wogen, nachdem das Tier das letzte Futter 24 Stunden vorher
verzehrt hatte.
1. Versuch im Respir.-Calorimeter am 20. XI. Dauer 10 Std.
2. » n э » 21. ХІ. n H »
Am 22. ХІ. уш. 11 Uhr: Exstirpation beider Nieren, 40 Min.
nachher Beginn des 3. Versuchs im Respir.-Calorimeter.
3. Versuch im Respir.-Calorimeter am 22. XI. Dauer 6,5 Std.,
4. я n n an demselb. Tage. Dauer
5,2 Std.
5 Min. nach Beendigung des Versuchs stirbt das Tier.
Das Tier verhielt sich während der 4 Versuche im Calori-
meter ganz ruhig. Auch im letzten Versuch nahm es bis zum
Schlusse die normale sitzende Stellung ein. Gewicht der ex-
stirpierten Nieren: 2,015 g.
38 F. Tangl:
Versuchsreihe П.
Weiße Ratte VI. Gewicht am 26.11.1912: 151,4 g. Letzte
Futteraufnahme 24 Stunden vor der Wägung.
1. Versuch im Respir.-Calorimeter am 26. П. Dauer 8 Std.
2. n л ng na 27.1. n 6,75»
3. n nm n » 98.П. n 6,50»
Am 29. II. vm. 10 Uhr 30 Min.: Exstirpation beider Nieren.
1:/, Std. später Beginn des 4. Versuchs.
4. Versuch im Respir.-Calorimeter am 29. П. Dauer 6 Std.
5. я » ” n»n 29.11. n 5»
Das Tier lebte noch 40 Std. nach Beendigung des 5. Ver-
suchs. Gewicht der exstirpierten Nieren: 1,385 р.
Die zahlenmäßigen Ergebnisse der Versuche enthalten die
folgenden Tabellen (S. 39).
In beiden Versuchsreihen führte die Nierenexstirpation zu
einer Abnahme des Gaswechsels und des Energieumsatzes. Wie
beim Hunde war der Ausfall in der CO,-Produktion größer als
der im O,-Verbrauch, so daß auch bei der Ratte der Кевріга-
tionsquotient stieg.
Die Abnahme des Stoff- und Energieumsatzes ist in den
Versuchen sehr verschieden. Von den zwei Versuchsreihen ist
die zweite zweifellos mit geringeren Fehlern behaftet als die
erste, da das Tier die Exstirpation besser vertrug, indem es
noch beinahe 2 Tage nach dem Versuche lebte. Der größere
Ausfall bei Ratte V nach der Nierenexstirpation muß entschieden
darauf zurückgeführt werden, daß das Tier in extremis war.
Dagegen sind bei Ratte VI die 2 Versuche nach der Nieren-
exstirpation ganz einwandfrei. Um nun aus dem Ausfall im
Energieumsatz auf die Größe der Nierenarbeit folgern zu können,
muß in Betracht gezogen werden, daß das Tier zur Zeit der
Nierenexstirpation ein kleineres Körpergewicht hatte als an den
Tagen vorher. Das mittlere Körpergewicht vor der Nieren-
exstirpation — Mittel aus den 3 Versuchen — ist 139,6 g,
nach der Exstirpation — Mittel aus den 3 Versuchen —
122,0 g. Nachmittags betrug der Energieumsatz vor der
Nierenexstirpation im Mittel 619 g-cal. pro Stunde und 100 g
619 >< 139,6
100 == 864 g-cal. für das ganze Tier,
Körpergewicht oder
39
Calorimetrie der Nierenarbeit.
[eg 8'0 = omg m ode (, — ‘Іва puodnusdun uorzwsueduwoy omp бер
‘8z Zunyyorg -+ om "ueg чәрппуәЎтунув uonssuodwoyioq owe gep ‘uedlez ZunyyoIy -— зәр ш HBB[UORSNEIEFOUIOUBATEH ө
(иөчгү өәрчәцәзвиздол orp ·в) Jouyoessq ‘uguo uolyssueduoy, зәЗгроевје[олат roq ләр ‘Beryossnesogowmousapey шәр sny (;
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6910 | 2250 | 0550 | Gest | 0660 | 20° | 99° | 912 | 66’ FL BE IST | 062 | TOR] 00°8 | wa ‚тот | 2161 1 "92 |Т
damsrena S| 6110 [6110 | ZETO | 8:891 | £080 | FOL | оТ STT | 22:918889 |820 | 0° SE | LIS ч в Sé
N р WUN (| LOTO | 2130 |6010 | 0021 |6880 | 8TT | PES | 821 | < 691162121 | T3 |S Le | 089 " ч Sé A
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НЕЗ 5 |"? 9 наван ët) 6] + oOo l
I 919991,
40 F. Tangl: Calorimetrie der Nierenarbeit.
122 >< 568
100
Wäre der Energieumsatz vor der Nierenexstirpation unbeein-
flußt geblieben, so müßte er (pro Stunde)
122 >< 6,19 = 755,2 g-cal. betragen,
. da er aber nur 693,0 » war,
so ist der Ausfall pro Stunde 62,2 g-cal.,
den die Exstirpation der Nieren erzeugte.
Der Energieumsatz — die Arbeit — der Nieren
beträgt demnach 62,2 g-cal. = 8,29, des gesamten
Energieumsatzes des Tieres.
Da das Gewicht der Nieren 1,385 g war, so berechnet sich
die Minutenarbeit pro 1 g Niere auf 0,75 g-cal.
Beim Hunde fielen nach meinen Versuchen vom gesamten
Energieumsatze 7,9°/, auf die Arbeit der Nieren, mithin ist
der Anteil der Niere am Energieumsatze bei der Ratte
derselbe wie beim Hunde.
Wenn ich auch ohne weiteres zugebe, daß eine größere
Anzahl von Versuchen erwünscht ist, so habe ich mich zur
Mitteilung dieser zwei Versuchsreihen deshalb entschlossen, weil
besonders die einwandfreie Versuchsreihe VI beweist, daß man
mittels der direkten Calorimetrie denselben Wert für
die Nierenarbeit erhält wie mittels der Blutgas-
methode Barcrofts und der Curaregaswechselmethode.
Auch sprechen diese Versuche dafür, daß die Nieren bei den
verschiedenen Säugetieren annähernd im gleichen Verhältnis
am Energieumsatz des Organismus beteiligt sind.
nach der Exstirpation 568 g-cal. bzw. == 693 а-са].
Größe der Arbeit kranker Nieren.
Experimentelle Untersuehungen.
Von
St. Cserna und G. Kelemen.
(Aus dem Institut für experimentelle Pathologie und physiologische
Chemie der Universität Budapest. Direktor: F. Tangl.)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Als Nierenarbeit bezeichnete F. Tangl!) jene Menge
chemischer Energie, die durch die Lebensäußerung der Nieren
in andere Energiearten verwandelt wird. Die Größe dieser
Arbeit hat er durch Messung des O,-Verbrauchs und der CO,-
Ausscheidung vor und nach der Ausschaltung der Niere ge-
messen und ausführlich begründet, daß unter den von ihm
gewählten Versuchsbedingungen der Ausfall im respiratorischen
Gaswechsel wirklich als Maß der Nierenarbeit gelten kann.
Bekanntlich stimmen seine Resultate sehr gut mit denen
Barcrofts und Brodies?) überein.
Е. Tangl hat bloß die Arbeit gesunder Nieren gemessen.
Die verschiedenen pathologischen Veränderungen der Nieren
verändern — wie allgemein bekannt — mehr oder weniger
die Funktion der Nieren, was in den Veränderungen der Menge
und Zusammensetzung des sezernierten Harnes zum Ausdruck
gelangt. Es konnte mit großer Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt
werden, daß die pathologischen Veränderungen der Nieren-
funktion auch den Energieumsatz in den Nieren nicht nur
qualitativ, sondern auch quantitativ beeinflussen. Daß in den
kranken Nieren der Energieumsatz verändert ist, beweisen die
von verschiedener Seite ermittelten, zuerst von A. v. Koränyi
aufgedeckten Veränderungen der sogenannten „osmotischen
1) Diese Zeitschr. 84, 1, 1911.
з) Journ. of Physiol. 82, 88, 1905 bis 1906.
49 St. Cserna und G. Kelemen:
Arbeit“ der Nieren, die aber, wie aus den Untersuchungen von
Barcroft, Brodie und Е. Tangl hervorgeht, nur einen ge-
ringen Teil der ganzen Nierenarbeit ausmacht. Aber auch die
Größe der Veränderung der osmotischen Nierenarbeit wurde
unseres Wissens noch nicht gemessen.
Auf Anregung des Herrn Prof. F. Tangl unternahmen
wir es unter seiner Leitung, die Arbeit kranker Nieren
nach demselben Prinzip zu messen, nach welchem Tangl die
Arbeit gesunder Nieren gemessen hat. Wir haben bei Hunden
in verschiedener Weise künstlich Nephritis erzeugt und, nachdem
sich diese voll entwickelt hat, mit ganz derselben Versuchs-
anordnung wie Tangl am curarisierten Tiere den respiratori-
schen Gaswechsel bestimmt. Dann wurden die Nieren exstir-
piert und der Gaswechsel abermals bestimmt. Der Ausfall im
Gaswechsel entspricht der Arbeit der kranken Nieren.
Da wir uns ganz genau an die von F. Tangl beschriebene
Versuchsanordnung und Methodik hielten, so können wir ein-
fach auf seine Beschreibung verweisen.
Die Erkrankung der Nieren erzeugten wir auf zwei Wegen:
a) durch Nierengifte (Schwermetallsalze, Cantharis),
b) durch eine kurzdauernde Unterdrückung des Nieren-
kreislaufes, wobei infolge Sauerstoffmangels Albuminurie und
die Symptome der Nephritis auftreten.
I. Durch Gifte erzeugte Nierenentzündung.
Von den Giften, durch deren Darreichung experimentelle
Nierenentzündung hervorgerufen werden kann, wurden uran-,
chrom- und cantharidinsaure Salze verwendet. Die Versuchs-
tiere wurden vorher in entsprechenden Stoffwechselkäfigen ge-
halten und die Tagesmenge und Zusammensetzung des normalen
Harnes bestimmt. Dann wurde, und zwar in sämtlichen Ver-
suchen auf subcutanem Wege, eine so große Dose des be-
treffenden Salzes verabreicht, daß die Niere bestimmt erkrankte.
Einige Tage hindurch wurde dann der Harn chemisch und
mikroskopisch untersucht und nachdem die Entzündung voll
entwickelt war, ließen wir das Tier 24 Stunden hungern und
führten nach vorausgegangener Curarisierung die Respirations-
versuche vor und nach der Exstirpation der Nieren aus. Die
Versuchsergebnisse waren die folgenden:
Größe der Arbeit kranker Nieren. 43
1. Uranylacetatvergiftung.
Hund 1, Gewicht 4570 р.
27. IX. Harn: normal, Eiweiß kaum in Spuren (mit Sulfo-
salicylsäure nach längerem Stehen leichte Trübung). Reaktion sauer.
7 Uhr abends subcutane Injektion von 2 ccm 0,4°/,iger Uranyl-
acetatlösung (= 8 mg Uranylacetat).
28. IX. Harn: Eiweiß nachweisbar (0,8°/,, [Esbach]). Zucker
nachweisbar. Aceton nicht vorhanden. Reaktion alkalisch. Zentrifugat:
minimaler graubrauner Niederschlag, bestehend aus normalen Form-
elementen. Keine Cylinder.
29. IX. Harn: Eiweiß nachweisbar (7,0%, [Esbach]). Zucker
nachweisbar (1,55°/, [Gärungsprobe]). Aceton nicht vorhanden. Reaktion
alkalisch. Sehr trüber Harn.
30.IX. und 1.X. Im Harne geht der Eiweißgehalt langsam zurück.
2.X. Gewicht 4100 g.
Harn: 5,5%, Eiweiß (Esbach). Zucker in Spuren.
11 Uhr 55 Min. vormittags Beginn der Respirationsversuche mit
Nierenexstirpation: Gewicht der Nieren 23,37 g.
Tabelle I.
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| 38,10
| — , DH € | `
91193 1513 51 3,10 | 2,26 |39,1 3800/135
312 357119 52” 2,98 | 2,14 |38,0 | 27,3 38,00); 35
‹ 1% wirs 43” 2,93 | 2,14 | 37,1 DI
37,81 1281 1һ 25’: Exstirpation der
37,85 Nieren.
1a 45°14 18”]1260| 2,61 | 2,05 | 32,9 | 25,8 [0,782
1248] 2,73 | 2,07 | 34,0 | 25,8 0,759]°
эһ 407113 54”l1234| 2,81 | 2,06 | 34,6 | 25,5 [0,735135
8% 45'113’ 581254] 2,68 | 2,02 | 33,6 | 25,3 [0,755]:
33,05
38,05
790138,07|., 4i
0,738 38.10 142
1230] 2,77 | 2,08 | 34,0 | 25,6 [0,750 902121125
1240| 2,64 | 2,06 | 32,8 | 25,5 [0,779 32121100
38.15
3293
© 0: m «л
4» 15/13 56”11235] 2,73 | 2,05 | 33,7 | 25,3 [0,750 132
8
10| 42 457114’ 26”|1226| 2,74 | 2,03 | 33,6 | 24,
11| 5% 307113" 57” 5
12) 6% 00/|13' 54”
13) 6° 30714' 09”
1226| 2,69 | 1,99 | 33,0 | 24,4 10,739 110
44 St. Свегпа und С. Kelemen:
Mikroskopischer Befund der Nieren +): Hochgradige hyaline Degene-
ration der geraden und gewundenen Harnkanälchen, die teilweise mit
fettig-hyalinen Cylindern gefüllt sind. Einige Glomeruli — in geringerem
Maße — auch hyalin verändert.
Hund 2, Gewicht 8100 g.
28.IX. Harn: Eiweiß in Spuren. Kein Zucker. Reaktion schwach
alkalisch.
10 Uhr vormitags: Subeutane Injektion von 0,5 ccm 0,4°/,iger Uranyl-
acetatlösung (= 2 mg Uranylacetat).
29.IX. Harn: Eiweiß in Spuren. Kein Zucker. Reaktion schwach sauer.
In den folgenden Tagen verschwindet das Eiweiß aus dem Harne.
7.X. Subcutane Injektion von 8 mg Uranylacetat.
11. X. Respirationsversuch mit Nierenexstirpation.
Harn: 300 com. Eiweiß nachweisbar. Zucker nachweisbar. Millon
schwach. Zentrifugat: spärlicher, graubrauner Niederschlag, wenige
Nierenepitheleylinder, viel rote Blutkörperchen.
Tabelle II.
— — Cat Aë) A Re
аю 3 |а ҖЕ БЕ A FE
ЯЯ 5 [55| 34 2518 © 2,5), м
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5 el іп der Ven- EK 22 Anmerkungen
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11195 057 8 09” |2214] 2,91 | 2,34 |643 | 51,8 [0,805 et? 135
211% 20| 8 25” |2218| 2,98 | 2,39 | 66,2 53,1 [0,802 + * 135
312% 40/| 8 05” |2266] 2,96 | 2,38 | 67,0 | 54,0 [0,806 10,20 135
— 40.15
a| 1 00| 737” |2292] — |2,86 | — 1540| — [40:051185
39,76
': Exsti ti
39,751120| "der Nie.
39,75
29 50' 8° 48” eg 2,62 |2,11 | 58,8 | 47,1 [0,808 ут
» 1071756” [22810251 | 2,05 |59,5 46,8 0,198 о ug
5| 1° 35’| 8° 03” 12242] 2,58 | 2,16 | 57,8 | 48,4 [0,838]:
6
7
8| 3° 35’ 8’ 21” |2244 2,60 | 2,08 | 58,3 | 46,8 [0,801]: 39, "01105
9| A8 007
10 4 30’
11| 52 10
8’ 17” |2277| 2,61 | 2,02 |59,5 | 46,0 [0,779]: 39, 10 105
gr 26” |2233] 2,77 | 2,00 |61,8 | 44,8 [0,724]: 39, oni 90
8’ 15” 12305] 2,82 | 1,95 | 65,1 | 45,0 [0,691]: 39, '95| 85
1) Die mikrotechnische Verarbeitung der Nieren verdanken wir Herrn
Dr. Béla Johann, Assistent am I. Path.-Anat. Inst. der Universität;
wir danken ihm auch an dieser Stelle für seine Bemühungen.
Größe der Arbeit kranker Nieren.
Körpergewicht 7100 g.
Gewicht der rechten Niere 15,68 g
17,37 n
n»n linken »
33,05 g
45
Mikroskopischer Befund der Nieren: Epithelien der gewundenen
Harnkanälchen stark gequollen. Hyaline Degenerationen in den geraden
Harnkanälchen.
12 Uhr 5 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche.
Hund 7, Gewicht 4220 g.
18.XI. Harn: 255 сот, normal.
Reaktion schwach sauer.
4 Uhr 30 Min.: Subcutane Injektion von 2,5 ccm 0,4°/,iger Uranyl-
acetatlösung (= 10 mg Uranylacetat).
20. ХІ. Harn (der letzten 2 Tage): 310 ccm. Reaktion stark
sauer. Eiweiß 1,8°/,, (Esbach). Zucker 1,40°, (Gärung). Zentrifugat:
Tabelle III.
s| o 5 ак
in дег Ven- =55|25] Anmerkungen
Aer Versuchs tilationsluft 5 Es *
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1[10® 55/1117 48”]1507 36,2 | 28,1 gief
gi 151117 261614 35,5 | 28,3 |0,796]37 14 `
au 3571117 15”[1635 36,3 | 29,1 [0,782 Шын g
411% SS: 101685 35,2 | 29,2 [0,822037] ]
5/12 40/107 56"|1687| 1,97 | 1,65 | 33,2 | 27,8 [0,з8 г] | 1#* 20: Aastirpation
e| 1» 05/117 07”]1668| 1,92 | 1,57 | 32,1 | 26,2 [0,316[57'%0
1| 1* 07117 10”J1599] 2,02 | 1,71 | 39,3 | 27,2 [о,845)32710
8| 18 55/1117 0571549] 2,06 | 1,78 | 32,0 | 27,5 [0,8615780
9) 2 15/117 26”J1608] 1,98 | 1,70 | 31,8 | 27,4 aen
10) 2 411 1271615] 1,97 | 1,64 | 31,8 | 26,5 saach
11| 32 05/110 2771618] 1,96 | 1,66 | 31,7 | 26,8 [0,5464
12) З* 25/117 1171602] 2,06 | 1,69 | 33,1 | 27,1 [0,8205764
13) 3» 45711” 20"[1599] 2,11 | 1,63 | 33,7 | 26,1 |0,776/27:00
46 St. Cserna апа G. Kelemen:
Spärlicher, grauweißer Niederschlag, einige gekörnte Cylinder, viele fettig
degenerierte Nierenepithelzellen, rote Blutkörperchen, Fetttröpfchen;
Calciumoxalat und Trippelphosphat.
21. ХІ. 10 Uhr 55 Min. vorm.: Beginn der Respirationsversuche.
Körpergewicht 4150 g.
Gewicht der rechten Niere 12,70 g
n n linken n 13,14 n
25,84 g
2. Vergiftung mit cantharidinsaurem Kali.
Hund 16, Gewicht 7250 g.
15. П. Harn: Kein Eiweiß, kein Zucker.
6 Uhr 15 Min.: Subcutane Injektion von 1,0 com einer 0,25°/,igen
ostharidinsauren Kaliumlösung.
16.П. Harn: 170 ccm. Spez. Gew. 1031 (t = 159%). Schwach alka-
lisch, trübe, nach HO klarer. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker.
Zentrifugat: reicher, grauweißer Niederschlag. Fetttröpfchen in sehr großer
Zahl, teilweise auf Cylindern, teilweise auf näher unbekannten Grund-
substanz.
17. П. Harn: 335 оош. Spez. Gew. 1019 (t = 159%). Schwach al-
kalisch, hellgelb, trübe. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker. Zentri-
fugat: weniger als am vorigen Tage, grauweiß, Fetttröpfchen wie am
vorigen Tage.
18. und 19. П. Harn: 340 ccm. Spez. Gew. 1019 (t = 15°). Schwach
sauer. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker. Zentrifugat: spärlicher,
grauer Niederschlag, weniger Fett als an den vorigen Tagen. Keine
Cylinder.
19. П. 6 Uhr 15 Min. abends: Suboutane Injektion von locm einer
0,5°/,igen cantharidinsauren Kaliumlösung.
20. П. Harn: 75 com. Spez. Gew. 1034 (= 15°). Stark sauer,
hellgelb, schwach trübe. Eiweiß in Spuren. Kein Zucker. Zentrifugat:
spärlicher grauer Niederschlag, Fetttröpfchen, viele runde Epithelzellen
und Leukocyten.
Darreichung von 300 eem einer 1°/,igen NaCl-Lösung mittels
Magensonde.
21. П. Harn: 255 com. Spez. Gew. 1016 (t= 15°). Sauer, hell-
gelb, schwach trübe. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker. Zentri-
fugat: spärlicher, grauer Niederschlag; sehr zahlreiche Fetttröpfchen,
viele Bakterien, einige fettig degenerierte Nierenepithelcylinder; Krystalle
von oxalsaurem Kalk.
22. П. Bis 9 Uhr vormittags 62ccm Harn: Eiweiß kaum in Spuren.
Zentrifugat: reichlicher weißer Niederschlag, einige Nierenepithelzellen,
einige Cylinder und zahlreiche Fetttröpfchen.
10 Uhr vormittags: Beginn der Respirationsversuche. Körper-
gewicht: 6750 g. Gewicht beider Nieren: 27,50 g.
Größe der Arbeit kranker Nieren. 47
Tabelle IV.
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5[115 15 7 20”
618% 00 ту 14” el 1,50 | 1,20 |48,9 18,2 07553750] 158 | stirpation. о
т|19% 257| 7' 08” |2756] 1,57 | 1,14 | 43,3 | 31,4 [0,725 7 ai 148
812 50| 7 04” [2759| 1,45 | 1,04 | 40,0 | 28,6 [0,715 u 051 188
9| 12 30| 7 06” [2707] 1,70 1,34 | 46,0 | 36,2 [0,787 3, zo] 148
10| 1% 55° 7° 17” [2749| 1,60 | 1,24 | 43,9 | 34,0 0,77530 50 160
|
Mikroskopischer Befund der Nieren: Stark geschrumpfte Corticalzone,
mit zahlreichen Blutungen. Die Bowmansche Kapsel der geschrumpften
Glomeruli größtenteils mit körniger Substanz gefüllt. Teilweise bemerk:
bare fettige Degeneration in den Tubuli recti.
Hund 17, Gewicht 6500 g.
19. II. 6 Uhr nachmittags: Harn schwach alkalisch.
20. П. Harn: 80 ccm. Spez. Gewicht. 1019 (t= 15%. Schwach
alkalisch, hellgelb. Kein Eiweiß, kein Zucker. Zentrifugat: spärlicher
grauweißer Niederschlag; Bakterien, wenig Fetttröpfchen.
Subcutane Injektion von 1,5 ccm einer 0,5°/,igen cantharidinsauren
Kaliumlösung.
21. П. Harn: 385 ccm. Spez. Gew. 1024 (t= 15°). Reaktion am-
photer, hellgelb. Kein Eiweiß, kein Zucker. Zentrifugat: spärlicher
graubrauner Niederschlag. Leukocyten, Blasenepithelien, hie und da
Nierenepithelien. Fetttröpfchen. Keine Cylinder.
22. П. Harn: 130 ccm. Spez. Gew. 1040 (t= 150). Reaktion
amphoter, hellgelb, schwach trübe. Eiweiß kaum in Spuren; kein Zucker.
Zentrifugat: spärlicher weißer Niederschlag, Leukocyten. Hie und da
Nierenepithelcylinder.
48 St. Cserna und С. Kelemen:
Tabelle V.
Anmerkungen
temvolum
ro Minute
Blutdruck
Ende d, Versuchs
Arterieller
Körpertempera-
tur am Anfang u
des Versuchs
©
©
B
Ф!
=
за
B
B
0/0 | °%
1 110% al 7’ 87" 125311 2,17 | 1,95
2 |11% 20| 6° 50” 12529] 2,20 | 1,96 | 55,7
AT 05/| 7’ 07” |2575] 2,18 | 1,92 | 56,2
H i d
4 |12 80/| 7° 21” |2547] 1,91 | 1,75 | 48,6 | 44,6 [0,917150 20 мо |394
5| 18 20| 7” 14” |2506] 1,85 | 1,72 | 46,4 | 43,0 [0,926
6| 18 407 7° 24” [2514] 1,93 | 1,75 | 48,5 | 44,0 [0,907].
1| 2% 05| 7 21” |2522) 1,68 | 1,63 | 42,3 | 41,0 10,970],
8| 25 25| 7’ 25” [2516] 1,72 | 1,69 | 43,4 | 42,6 0,982 150
23. П. Harn: 334 eem Spez. Gew. 1029 (= 15%). Beaktion
amphoter, hellgelb, schwach trübe. Eiweiß in Spuren; kein Zucker.
Zentrifugat: spärlicher grauweißer Niederschlag, viele Leukocyten, sehr
zahlreiche Fetttröpfchen, viele polygonale Epithelzellen. Keine Cylinder.
24. П. Harn: 250 ccm. Spez. Gew. 1023 (t= 15%). Eiweiß kaum
in Spuren; kein Zucker. Reaktion amphoter, hellgelb, trübe.
25. und 26. П. Harn: 370 ccm. Spez. Gew. 1031 (t = 15%). Stark
alkalisch, hellgelb, sehr trübe. Kein Eiweiß, kein Zucker. Zentrifugat:
spärlicher grauweißer Niederschlag; Kokken, ovale Epithelzellen.
27. П. Respirationsversuch. Körpergewicht 6000 g. Gewicht
beider Nieren 39,80 g.
Mikroskopischer Befund der Nieren: In der Corticalzone zahlreiche
Blutungen; Glomeruli geschrumpft; Bowmansche Kapsel größtenteils mit
körniger Substanz gefüllt; ein Teil der Tubuli recti fettig verändert.
3. Vergiftung mit Kaliumbichromat.
Hund 20, Gewicht 5000 g.
16. III. Harn: normal.
11 Uhr vormittags subcutan 5 ccm 1°/,ige Kaliumbichromatlösung
(= 0,05 g Kaliumbichromat) — ca. 10 mg pro kg.
600 com 1°/,iger NaCl mittels Magensonde.
17. und 18. ПІ. Harn: Eiweiß 2,5°%, (Esbach); kein Zucker.
Reaktion stark sauer.
Größe der Arbeit kranker Nieren. 49
Tabelle VI.
Anmerkungen
Arterieller
Blutdruck
Ende d. Versuchs
Körpertempera-
tur am Anfang u.
ц
Oe
B
B
1/10% LA 7’ 15”
21102 35’) Y 04”
3108 55’) Y 06”
411% 15| 8' 35”
11h 85’ Nierenex-
512% 00° 8 51” 12094 1,79 1,41 87,5 29,5 156 stirpation.
6/128 207 9 10” |2004] — | 1,50| — | 29,9 152
712% 40| 8 49” [2078] 1,86 | 1,54 | 38,6 | 31,9 168
8) 12 007) 8' 42” [2058] 1,86 | 1,58 | 38,2 | 32,5 [0,850 күк 162
9| 12 20| 9.06” [1995] 1,88 | 1,60 | 37,4 | 31,9 [0,852 Gë 152
10| 15 40| gr 45” |2057] 1,91 | 1,60 | 39,3 | 32,9 [0,836 Sat 144
11| 2 057 8.30” [21110 1,85 | 1,54 | 38,1 | 32,5 [0,858|22:00) 152
12| æ 357 gr 21” |1928] 2,01 | 1,65 | 38,7 | 31,7 [0,820 SEH 148
13| æ% 55/10" 14 |1926] 1,90 | 1,56 | 36,6 | 30,1 10,82
3]36,82 150
14) 3° 20| 8° 48” [1895] 1,93 | 1,53 36,629, 0,793
36,90
37,18
3724| 160
19. III. Einige Kubikzentimeter Harn, vermengt mit (erbrochenem)
Schleim.
10 Uhr 5 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche. Ge-
wicht 4850 g.
Während des Versuches wurden durch Katheter einige Kubikzenti-
meter einer milchigweißen Flüssigkeit aus der Blase entleert, die sich
unter Mikroskop als Eiter erwies.
Die Nieren: blutlos, leicht dekapsulierbar. Marksubstanz und
Rindensubstanz scharf geschieden, die Marksubstanz glänzend weiß mit
starker Linienzeichnung.
Gewicht beider Nieren 43,25 g.
Mikroskopischer Befund der Nieren: Glumeruli teilweise zerstört;
Tubuli an vielen Stellen in körnige Massen verwandelt.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 4
50 St. Cserna und С. Kelemen:
Hund 21, Gewicht 6000 g. (?)
16. ПІ Harn: normal.
11 Uhr vormittags: 5,5 ccm einer 1°/,igen Kaliumbichromatlösung
(= 0,055 g Kaliumbichromat) suboutan injiziert (= 9 mg (?) pro 1 kg
Körpergewicht).
18. ПІ. Bis 11 Uhr vormittags Harn: oa. 500 com (von 2 Tagen).
Eiweiß 1,5°/,, (Esbach). Kein Zucker.
Der Hund hat viel erbrochen; das Erbrochene vermengte sich mit
dem Harn, deshalb Sedimentuntersuchung unmöglich.
19. ПІ. Harn: 70 com. Eiweiß in Spuren. Kein Zuoker.
20. ПІ. Harn: 270 ccm. Reaktion amphoter. Eiweiß in Spuren.
Zentrifugat: reicher, gelbbrauner Niederschlag, Fetttröpfchen in großer
Menge, große flache Epithelzellen, Leukocyten.
21. III. Harn: einige Kubikzentimeter, stark vermengt mit Blut.
11 Uhr 10 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche mit
Nierenexstirpation.e Sektion: Nieren stark geschrumpft. Blase mit
blutigem Harn gefüllt.
Körpergewicht 5500 g.
Gewicht der Nieren 31,80 g.
Mikroskopischer Befund der Nieren: Randzone stark geschrumpft,
mit starken Bindegewebssträngen durchzogen. In den randstelligen Tubuli
Zellstruktur ganz verschwunden. In den Glomeruli häufig Blut. Tubuli
mit Körnchen und Zelldetritus gefüllt.
Tabelle VII.
Anmerkungen
Arterieller
E Blutdruck
ze
R
5 |125 50/10 39711937] 1,76 | 1,26 | 34,1 | 24,4 10,714 ı2h 30’ Nierenexstirpa-
6| 13 15/| 9° 2511931] 1,80 | 1,29 | 34,7 | 24,8 [0,715 Hon;
7] 18 35| Y 401901 1,72 | 1,18 | 32,6 | 22,4 [0,687
Hund 22, Körpergewicht 5000 g.
1912. 16. III. Harn: 360 ccm. Kein Zucker. Kein Eiweiß.
11 Uhr 15 Min. subcutane Injektion von 60 mg Kaliumbichromat
== 12 mg pro Kilogramm Körpergewicht.
17. III. Harn: 38 ccm, stark sauer. Kein Zucker. Kein Eiweiß.
Im Zentrifugate Fettkörnchen, ovale und polygonale Epithelien,
Leukocyten, hyaline und fettig degenerierte Cylinder.
Das Versuchstier erbricht das dargebotene Wasser.
Größe der Arbeit kranker Nieren. 51
e А © азд
Z An Dauer SE В EE Ех
Sg SIE “ЕНСЕ
32 Б ЕНЕ
5 in d. Venti- ICH Ё S Anmerkungen
5 2 pro Minute a a.S <@
д. lationsluft Н ы
des Versuchs [< EE
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С
1 1105 25/|8' 44”]2154 38,8 | 31,7 10,815[36,001125
2 |10 40| 87 46”: 38,1 | 30.3 [0,795|36,09[120
3 10 557 8 45” 31,1 | 31,6 [0,8599 ро]125
4 па 10| 8 45” 38,5 | 31,1 ema use
| DU
5 [125 107| 8” 45”]2161| 1,75 | 1,41 [37,8 | 30,6 [0,809 32001130] 115 30° Nierenexstirpa-
D tion.
6 |122 257 8° 45”]2158[1,81 | 1,43 | 38,9 | 30,7 [0,790 эуе! 185
7 |12 457) 8° 4572169] 1,81 | 1,44 |39,3 | 31,2 0,7953810125
8. 1* 05| 8 45"|2129[ 1,79 | 1,42 |38,1 | 30,3 |0,79636,22[130
18. ПІ. Harn: Einige Kubikzentimeter, schwach sauer, sehr trüb.
Kein Zucker. Eiweiß in starken Spuren.
Im Zentrifugate Fettkörnchen, Epithelzellen, hyaline und körnig
degenerierte Cylinder.
19. ПІ Harn: Einige Kubikzentimeter, sauer. Kein Zucker. Ei-
weiß in starken Spuren.
10 Uhr 25 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche. Kör-
pergewicht 4400 g. Gewicht der Nieren 18,40 g.
Mikroskopischer Befund der Nieren: Corticalzone geschrumpft. Tubuli
contorti zu homogenen Strängen verschwommen, größtenteils mit körnigen
Massen gefüllt. Zahlreiche Blutungen.
Hund 23, Körpergewicht 7000 g.
1913. 28. ПІ. Subcutane Injektion von 3,5 com einer 1°/,igen
Kaliumbichromatlösung (= 5 mg pro Kilogramm Körpergewicht).
29., 30. und 31. IH. Harn: 400 ccm, spezifisches Gewicht (bei 15°)
1022, hellgelb, wenig trüb, Reaktion amphoter. Eiweiß vorhanden (Es-
bach: 2,4°/,,). Zucker vorhanden.
Zentrifugat: wenig, graulich-weißes Sediment, in dem zahlreiche
körnig und fettig degenerierte Epithelien; Plattenepithelien; zahlreiche
Fettkörnchen. Keine Cylinder.
31. III. und 1. IV. Harn: 820 ccm, spezifisches Gewicht (bei 15°)
1023, hellgelb, sehr trüb; Reaktion schwach sauer. Eiweiß vorhanden
(Esbach 0,75°/,). Zucker vorhanden.
Zentrifugat: wenig, graulich-weißes Sediment; viele Epithelien;
viele Leukocyten; Fettkörnchen; rote Blutkörperchen; hyaline Cylinder;
Oxalsäure-Kalkkrystalle.
4*
52 St. Cserna und G. Kelemen:
Tabelle IX.
| An- я 2 ck L азд 54
2 | fang Dener 2
E wei 8 D
Je аа Уы. с TE ЕЕ Anmerkungen
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des Versuchs [< * Уд) G Së Gë
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1 |10 40| 7° 5573170] 2,12 | 1,83 | 67,2 58,2 |о,8653278120
2 10x 55| 7° 29”|3118| 2,24 | 1,86 | 69,9 | 57,9 [0,82837 80]120
3 112 20| 7° 16”]3110| 2,15 | 1,90 | 67,2 | 59,1 [0,879187 S8]120
4 |115 507 7° glaad 1,86 | 1,59 | 58,3 | 49,9 |o,85513760]100| 11 35” Nierenexstirps-
"т, 37,60 gie,
3760
3760/105
6 |12% 507 7 0473133] 1,92 | 1,67 | 60,3 | 52,3 |о,8в2|2720110
7| 1» 20 7 143140] 1,82 | 1,65 | 57,1 | 51,7 [0,905375 2100
5/12 207 6° 5913157] 1,84 | 1,63 | 58,2 | 51,4 [0,844
1. und 2. IV. Harn: 950 ccm, spezifisches Gewicht 1015 (bei 159),
hellgelb, schwach trüb; Reaktion sauer. Eiweiß vorhanden (Esbach
0,5°/ н). Zucker vorhanden.
Zentrifugat: wenig, grau-weißes Sediment; Zellendetritus.
3. IV. Respirationsversuch. Körpergewicht 7500 g. Gewicht beider
Nieren 40,00 g.
Ergebnisse.
Die oben beschriebenen Versuche müssen in zwei Gruppen
geteilt werden. Die eine Gruppe bilden jene, in denen durch
injiziertes Gift eine so schwere Nierenentzündung erzeugt wurde,
daß nicht nur ein hochgradig pathologischer Harn ausgeschieden
wurde, sondern auch die Harnsekretion außerordentlich redu-
ziert war, so daß nur einige Kubikzentimeter Harn täglich
sezerniert wurden. Es hat sich also auch eine hochgradige
Ischurie eingestellt. In diese Gruppe gehören die mit Kali-
bichromat vergifteten Hunde 20, 21 und 22.
Bei den übrigen Tieren hat sich wohl eine schwere Ne-
phritis entwickelt, doch mit genügender Harnsekretion, so daß
die ausgeschiedene Harnmenge nicht abnahm, nur zeigte der
Harn die typischen pathologischen Merkmale des nephritischen
Harnes. Die Nieren dieser Gruppe wiesen bei der Autopsie
Größe der Arbeit kranker Nieren. 53
nicht so schwere anatomische Veränderungen auf, wie bei den
Tieren der ersten Gruppe.
Wir wollen zunächst die Ergebnisse der zweiten Gruppe
besprechen.
Um den durch die Exstirpation der kranken Nieren be-
dingten Ausfall im Gaswechsel berechnen zu können, haben
wir — sowie Е. Tangl!) — aus den Werten vor und nach
der Exstirpation Mittelwerte gezogen und den Ausfall im 0,-
Verbrauch und in der CO,-Produktion auf die Mittelwerte vor
der Exstirpation bezogen.
Diese Mittelwerte baben wir in der folgenden Tabelle X
zusammengestellt, in der wir auch die von Е. Tangl!) ermittelten
Mittelwerte für normale Nieren aufgenommen haben.
Der Vergleich mit den Werten der gesunden Nieren zeigt,
daß die Ausschaltung der pathologisch funktionieren-
den Nieren sowohl im O,-Verbrauch als auch in der
CO,-Produktion des Organismus einen bedeutend grö-
Вегеп Ausfall bedingt. Daraus folgt weiterhin, daß die
Tabelle X.
Mittelwerte.
S = 8 won der | Nach der | CO, [Nach der Nierenaus-
SS [9.3] schaltung | schaltung О, schaltung Abnahme
GK Die Nierenerkrankun
+ SS 58 Ge ЧЕ E ы asch — der СО; wurde erzeugt ;
aS *28
5 Р р. 8 55 |95 |55 > d. Nieren- ee Жары durch
2:2 KG” | pro Minute | pro Minute| aus- To 7 йш. | o |
g сот | ccm | ccm | ccm schaltung ccm ? ccm’ S
1 Uranylacetat-Vergiftung
2 л n
7 А ” ”
16 |675049,3933,44[43,42:32,68|0,779 0,751 5,97 Cantharidinsaur. Kall-Vergiftg.
17 16000[55,61|49,39 45 ‚83\43,04[0, ‚8880, 940| 9,78 | 17,6
21 15500[37,26 23 890,7124 0,702 3.43 | 9.2 | 3.10 11,5 |Kaliumbichromat- Vergiftung
23 |7500|68,09|58;39158,47 0, 866] 9,62 и Я
ава 15870)50,06 40,47 0 лае 808| 6,63 | 12,8 al 4,68 |11,18
Mittel-
far aie [604051,9 |41,7 147,5 [89,5 fo,802l0,887] 4,4 |87 |22 | 5,1
normale
Niere 1)
1) Siebe: Tangl, Die Arbeit der Nieren usw. Diese Zeitschr. 84,
70, 1911.
54 St. Cserna und G. Kelemen:
krankhaft veränderte — entzündete — pathologischen Harn
absondernde Niere mehr O, verbraucht und mehr CO,
produziert als die gesunde Niere.
Im Durchschnitt ist der Gaswechsel der kranken Nieren
beinahe doppelt so groß, wie der der gesunden.
Tabelle XI enthält die Werte für den O,-Verbrauch und
die CO,-Produktion der Nieren, mit ihrem Gewicht und die auf
die Gewichteeinheit der Nieren bezogenen Werte des Gas-
wechsels.
Tabelle ХІ.
der Nieren
pro Minute
Der Gaswechsel der kranken Nieren unterscheidet sich
aber nicht nur der Größe nach vom normalen. Es gibt auch
qualitative Unterschiede, was aus dem Verhalten des respirato-
rischen Quotienten hervorgeht. Wohl wächst er auch nach der
Exstirpation der kranken Niere, aber nicht in dem Maße, wie
nach der Exstirpation der gesunden (Tabelle X). Die kranke
Niere produziert nämlich nicht nur relativ, sondern auch ab-
solut mehr CO, als die gesunde. Deshalb ist der Ausfall in
der CO,-Produktion nach der Exstirpation der kranken Niere
— im Verhältnis zum Ausfall im O,-Verbrauch — größer,
weshalb der RQ nicht so anwächst.
Wir können das als Beweis dafür ansehen, daß der Stoff-
wechsel der Nierensubstanz durch die Entzündung
auch qualitativ verändert wird.
Größe der Arbeit kranker Nieren. 55
Aus dem respirstorischen Quotienten und dem O,-Ver-
brauch kann man nach dem Vorgehen von Zuntz!) den Energie-
umsatz der Niere — also die Nierenarbeit berechnen:
O,-Verbrauch (pro Minute) vor der Ausschaltung der Nieren:
50,1 ccm, CO, _ 0,796;
О,
1 ccm О, bei diesem RQ = 4,874 cal. Energieumsatz;
O,-Verbrauch (pro Minute) nach der Ausschaltung der Nieren:
43,7 ccm, Со, == 0,808;
О,
1 ccm О, bei diesem RQ == 4,883 cal. Energieumsatz.
Also:
Energieumsatz vor der Ausschaltung
50,1 >< 4,874 — 244,18 cal. pro Minute;
Energieumsatz nach der Ausschaltung
43,7 >< 4,883 — 113,38 cal. pro Minute,
demnach Energieumsatz — Arbeit der
kranken Nieren. . . .. . . . . 80,8 cal. pro Minute,
was 12°/, des gesamten Energieumsatzes des Organismus be-
trägt, gegenüber 8°/, bei der gesunden Niere. Die Arbeit
der kranken Niere beträgt also rund Bical.pro Minute,
entgegen 20 са]. bei der gesunden.
Die Arbeit der kranken — entzündeten — Nieren
betrug demnach etwa um die Hälfte mehr als die Ar-
beit der gesunden Nieren.
Die Arbeit der kranken Nieren ist aber nur so lange er-
höht, als sie das pathologische Sekret in einer Menge liefern,
die von der normalen Harnmenge nicht um vieles abweicht.
Sind jedoch die pathologischen Veränderungen so weit vorge-
schritten, daß eine ausgesprochene Ischurie oder gar Anurie
entsteht, so ist der Gaswechsel somit auch der Energieumsatz
nicht größer, ja sogar bedeutend geringer als in gesunden
Nieren. Dies geht aus der 2. Gruppe der toxischen Nephritiden
hervor (Hunde 20 bis 23 — mit Chromatnephritis) — deren
Ergebnisse aber später zusammen mit jenen Versuchen be-
sprochen werden sollen, in welchen die Ischurie durch Gefäß-
unterbindung erzeugt wurde.
1) Zuntz und Loewy, Lehrbuch der Physiologie, 1909, S. 660.
56 St. Саегпа und О. Kelemen:
Il. Durch Unterbindung der Blutgefäße erzeugte Erkrankung
der Nieren.
Es ist eine bereits lange bekannte Tatsache!), daß Unter-
brechung des Blutstromes, selbst für kurze Zeit, die Nieren-
funktion verändert. Nach einer solchen Unterbrechung wird
kürzere oder längere Zeit hindurch anfangs wenig, dann aber
eiweiß- und bluthaltiger Harn ausgeschieden. Je nach der
Dauer der Zirkulationsunterbrechung kann der darauffolgende
pathologische Zustand mit allen Symptomen einer Nephritis
Minuten bis mehrere Tage anhalten.
Wir haben in unseren Versuchen die Blutgefäße beider
Nieren temporär unterbunden. Die Dauer der Ligatur betrug
21 bis 60 Minuten. Nach ihrer Lösung stellten sich immer
leichtere oder schwerere Funktionsstörungen der Nieren ein:
es wurde Nephritisharn ausgeschieden, auch trat in den Ver-
suchen mit längerer Ligatur Anurie auf. Unser Ziel war zu
bestimmen, welcher Ausfall die Ausschaltung (Exstirpation) der
auf diese Weise pathologisch veränderten Nieren im Gaswechsel
des Organismus bewirkt. Unsere Versuchsanordnung bot uns
aber eine günstige Gelegenheit, die Versuche Tangls zu wieder-
holen, zu welchem Zwecke wir bloß zu bestimmen hatten,
welche Wirkung die temporäre Ligatur der Nierengefäiße —
wodurch ja die Nieren aus dem Stoffwechsel des Organismus
ausgeschaltet wurden — auf den Gaswechsel hatte. So machten
wir gleichzeitig in jeder Versuchsreihe einen Kontrollversuch
an demselben Tiere.
Unsere Versuchseinrichtung war die folgende: Der Hund
wurde tracheotomisiert, curarisiert, so wie es Tangl beschrieb.
Um die Blutgefäße beider Nieren wurden Ligaturfäden gelegt,
doch nicht zugezogen. Wunde mit Klammern geschlossen. Das
Tier kam in den Thermostaten. Katheter in die Harnblase
eingeführt. (Zu einem Versuche in die Ureteren) Nun wurden
3 bis 4 Respirationsversuche ausgeführt. (N = Normalwerte.) Un-
mittelbar nach Beendigung der Respirationsversuche wurden
die Ligaturen um die Nierengefäße zugezogen und noch während
der Dauer der Ligatur 1 bis 2 Respirationsversuche ausgeführt
(L= Werte nach Ausschaltung der normalen Nieren). Die Diffe-
1) Cohnheim, Vorlesungen über allgem. Pathologie, 1882, II, S. 321.
Größe der Arbeit kranker Nieren. 57
renz N-L gibt den Ausfall im respirat. Gaswechsel, den die
Ausschaltung der gesunden Nieren verursacht. Nach dem
Lösen der Ligatur wurden wiederum Respirationsversuche aus-
geführt: die Veränderung im Gaswechsel zeigte die Wirkung
der nunmehr pathologisch funktionierenden Nieren. Es sollen
die in diesen Versuchen enthaltenen Werte mit P bezeichnet
werden. Dann wurden schließlich die Nieren exstirpiert, worauf
mit 3 bis 5 Respirationsversuchen die Versuchsreihe geschlossen
wurde. Nennen wir die Werte dieser letzten Respirationsver-
suche gleich Е, so gibt die Differenz P-E den Ausfall im Gas-
wechsel des Organismus, den die Ausschaltung der pathologisch
funktionierenden Nieren verursacht, also den Gaswechsel der
kranken Nieren.
Die Ergebnisse dieser Versuche zeigen die Tabellen XII
bis ХУШ.
Tabelle XII.
Nummer des Versuchstieres: 5. Körpergewicht: 5200 g.
Datum: 10. XL 1911.
Nr.
An-
fang
Dauer
in der Ven- Anmerkungen
tilationsluft
Arteriellar
Blutdruck
pro Minute
Atemvolum
u. Ende d. Vers.
des Versuchs
Körpertempera
O tur am Anfang
S
B
Diurese: von 1115’ bis
155’. Linke Niere:
4,9 ccm. Rechte Niere:
4,8 ccm. Diurese: von
1555’ bis 2555’. Linke
Niere: 0 ccm. Rechte
Niere: 0 ccm.
1112» 10
2112 30
8/12» 50
1è 10
8’ 00”
8007
8 00” 12144
800”
1555’: Unterbindung der
9
5| 2» 007 8/00” 1,54 | 1,22 | 32,3 | 25,6 10,791 Seier 501 ишене. Тиш
38.06 der Ligatur: 60 Min.
6 gp 25| 8 00” 1,56 | 1,24 | 39,9 | 26,1 [0,794|9®'06| 90
255°: Lö d. Unter-
25,5 0,777 eet: 62 Бадана. Bä zech
38 34 der Lösung —
1,57 | 1,20 | 32,7 | 24,9 |0,760]38°441 68] кь) Stunden hin-
28 36 Gewicht beider Nieren:
1,57 | 1,17 |32,5 | 24,2 [0,745 9814 58] 35,05 @.
| 29,
1,56 | 1,16 | 32,5 | 24,2 [0,742 Senf
7| 32 00| 8° 00” 12071
8! 3% 20| 8° 00” 12079
9} 3° 40| 8’ 00” 12064
10) 4% 10| 8° 00” 12088
1,58 | 1,23 | 32,8
58 St. Cserna und С. Kelemen:
Tabelle XIII.
Nummer des Versuchstieres: 6. Körpergewicht: 5000 g. Datum: 17. XI. 1911.
—
jag] s Ig FHR
Z & & e = б >{®'©
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z © EF £ E Anmerkungen
> ilationsluft | PTO Minute Ott
des Versuchs [|< мез
1/10è 45 11 3011539] 2,97 | 2,58 | 45,7 | 39,7 10,870 г 132
21118 05117 30°1591] 2,82 | 2,42 | 44,8 | 38,5 [0,859 37 601132
3111 257117 2071620] 2,81 | 2,35 | 45,5 | 38,2 [0,837|200139
37,66
| 2,35 | 44.5 | 37,9 |0,848]37°g3]134
12% 457/11’ 2871615] 2,64 | 2,16 | 42,7 | 37,8 |0,816|22:2
4125 10°11 05”]1609] 2,77
12535’: Unterbindung d.
Nierenarterien.
Dauer der Ligatur: 40 Mi-
nuten.
5
6) 18 057,117 39”1597 2,60 | 2,32 | 41,5 137,1 0,8950
1| 1а 30711, 33”
8| 1» 50117 32”
1598] 2,56 | 2,32
1586] 2,54 | 2,27
40,9 | 37,1 10,907
40,3 | 36,0 10,893
1515’: Lösung der Unter-
bindung.
2137,04 —
38,7 | 36,1 [0,932 3724 1321 2 к : Nierenexstirpa
оп.
Gewicht а. d
38,7 | 35,0 [0,904 Are IT земе
эг, Gewicht д. linken Niere:
40,9 | 34,7 |0,829]27-42]ı40] 15208. i Sa.: 38,05 g.
37,20
39,7 | 35,2 [0,864 37.16 140
37,04
39,1 | 32,8 [0,840 37.06 140
37,14
39,3 | 34,0 [0,845 37.16 13
Tabelle XIV.
Nummer des Versuchstieres: 9. Körpergewicht: 5500 р. Datum: 30. XI. 1911.
9) 2 357113’ 36”|1581| 2,45 | 2,28
А 3% 10 11° 351589] 2,43 | 2,20
11) 35 3011’ 291580] 2,59 | 2,20
19) 3% 5571117 84”]1566] 2,54 | 2,25
13) 4% 20711’ 28”]1605[ 2,43 | 2,05
we: д 2 „ыы
. ‚ оо © = A Se
д 543 z sios 925 ым
* P о з 8° a
— — pe а а T ‚ш ol“
in der Ven- 21585182] Anmerkungen
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des Versuchs d SB:
©
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1858 2,74 13,16 50,7 |40,0
ihe oho 38”
|
212% 20/117 03”
31% 10 35”
1841| 2,77
1836| 2,75
2,21 | 51,0 | 40,8
2,16 50,6 | зол
Größe der Arbeit kranker Nieren. 59
Tabelle XIV олда)
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ч = E “. 105 ag> 29
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З Р | tilationsluft | Pro Minute =] in
des Versuchs [< * SE
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„|88, 60 102°: Unterbindung der
— — ——
4| 1% 04110’ 27'|1811| 2,46 | 1,90 | 44,6 | 34,5 10,772 38.40 129] Nierengefäße
Dauer der Ligatur 25 Mi-
5| 1 | g 44"1808| 2,58 | 1,97 | 46,1 | 35,6 [0,762 38,40 129| nuten.
1è who 39”|[1846 20 |207 48,1 |38,2 |0,795|28:50|зә ымы = Unter.
e Se Gewicht 4 beider Nieren:
дь 10110 441816 Een 49,0 | 39,5 [0,805 30,6 8.
6
1 386013
8) æ% 307110” 10”]1831| 2,74 | 2,20 | 50,2 | 40,4 [0,804[2960|130
9) æ 55/10 30rlısıel 2,72
38, 60
„91138,65
2,12 |49,4 38,6 [0,781 38.68 122
10 4 30/10 06”1848| 2,82 | 2,17 | 52,2 | 40,1 [0,767 38,52 84
11| 4 55710” 4871819] 2,85 | 2,16 [51,8 | 39,2 о,756|2850| тә
Mikroskopischer Befund der Nieren: Capillaren geit: erweitert, mit Blut gefüllt.
Tabelle XV.
Nummer des Versuchstieres: 10. Körpergewicht: 7450 g. Datum: 11. XII. 1911.
in der Ven- Anmerkungen
tilationsluft
Atemvolum
pro Minute
Körpertempera-
tur am Anfang u
Ended. Versuchs
WE Arterieller
RBE Blutdruck
Q
38,30
38.301148
38,45
38,50
52,7 |0,826
54,5 [0,845
38,60
55,6 10,877 38.70 160
55,2 10,873]38,70]162
38,65
53,2 10,833 38.62 168
158
5 38,60 ' Unterbindung 4
6| 2 00| 8’ 10” 12278] 2,78 | 2,35 | 63,4 | 53,7 [0,846 38,60 148 — E SE
spirationsversuche wäh-
rend der Ligatur gingen
verloren. 15 50° Lösung
d. Unterbindung. Dauer
der Ligatur: 21”.
т 38,70 Harnfluß beginnt. H
7| 2a 25’) 8 33” [2254| 8,04 | 2,47 | 68,6 | 55,6 [0,811 38,80 148 E агп
60 St. Cserna und G. Kelemen:
` Tabelle XV (Fortsetzung).
Dauer
e ı ор
ЗЕЕ
in der Ven- Anmerkungen
tilationsluft | pro Minute
Ende d.Versuchs
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м 5
В Arterieller
В Blutdruck
©
Ф
ze!
Kei
8 63,0 | 50,8 [0,806 ++ 148
9 2,35 51,9 [0,826 dr 148
10 2,22 49,5 |0,765 6076 149
11 2,09 47,4 [0,753 SR 154
еөз Gewicht beider
13! 5200” 8” 30” [2202] 2,61 | 2,04 | 57,4 | 45,0 [0,783 eg EEE
12| 42 357 8 44” [9148] 2,59 | 1,89 | 55,6 | 41,7 [0,7312859] 60| ааз», Exstirpation der
Mikroskopischer Befund der Nieren: Capillare und Tubuli stark erweitert.
Tabelle ХУІ.
Nummer des Versuchstieres: 11. Körpergewicht: 6300 g.
Datum: 21. XII. 1911. |
Anmerkungen
in der Ven-
tilationsluft
Ende d. Versuchs
Körpertempera-
tur am Anfang u
В Аг{егїеПег
ә В Blutdruck
Я 8
55
—
о.
£
Ze
< E
оош
1| 3° 107 | 9° 10” [1996] 2,68
2| 3° 35’ | Y 04” [2023] 2,67
3| 42 10° | Y 04” 12029] 2,68
Ab 80’ Unterbindung der
Nierengef
4| 42 30 | Y 38” [1986| 2,54
5| 48 42° | 8’ 37” 11981] 2,44
5® 15° | 8' 58” [1974] 2,94 | 2,45 | 58,1 | 48,4 |o,33]30:02| 69] 4\55” Lösung der Unter-
bindung.
5» 35" | 9 39” |1967| 2,90 | 2,38 | 57,1 | 45,9 |0,808|2920| 74] Dauer der Ligatur: 25°.
39,30
KEE ’ H bsond be-
5% 557 | 9 49” [1942] 2,99 | 2,34 | 58,2 | 45,4 00,701 EC 78] Нагтаһвордегипа Nieren-
irpati 2 і.
ea 15° | 9' 28” |1962] 2,98 2,38 | 58,4 |46,6 Wan 92] weißnnitiger Нат. `
о о зо
Größe der Arbeit kranker Nieren. 61
Tabelle XVI (Fortsetzung).
| ы © Is ag ZS
kl eg Z RETIE
242 | а [з "EHER
| 29 = — FER gE
“^5
= in der Ven- THE Anmerkungen
> tilationsluft | PrO Minute = БЫ
des Versuchs |“ 2 SG Së SS
Ф!
m
*
10) m 00 | 9 18” [1940] 2,75 | 2,21 584 |425 VE н —
і 28 g.
11| 7» 30 | 9° 37” 54,1 |44,3 [0,818 39,26) 57| Das Versuchstier wird
getötet.
Mikroskopischer Befund der Nieren: Glomeruli geschrumpft? Innerhalb
der Bowmanschen Membran körnige Massen.
Tabelle XVII.
Nummer des Versuchstieres: 12. Körpergewicht 7000 g. Datum: 28. XII. 1911.
8 „а 2 „53
. G м о БО “a E
* з > 5 шоу
д 42| 38 2 |63 Abe
= зз < KEE KE
Mi
Е 8 |2| Anmerkungen
pro Minute 2а 2] 5
FE
5m mm
C Hg
12h 28' Unterbindung der
Nierengefäße. Dauer der
Ligatur: 25’.
6| 125 327 8’ 47”
71128 42/| 9 30”
b ‚|; = ' Unter-
8| 1» 10| gr 09” [2079[ 2,60 41,6 [0,769]3.°65]150 —— E
t
9) 12957 8 58” [2117| 2,49 41,2 [0,780 04; СУ euer nie
3 g 80 wieder eingestellt.
10) 1245| 9 25” [2126| 9,51 58,8 0,77112°°0[128
11) 2 gp 9 39” [|9182] 2,60 56,7 | 41,4 [0,730 Saa 126
, , ” ‹ d irpation.
12) 25 835| Y 11” [2110] 2,37 | 1,82 | 50,0 | 38,5 [0,770 38,50 —— —
13| 22557 9 11” [2097 2,44 | 1,85 | 51,1 | 38,8 [0,759 eh ою 2426
14| 3% 157 9 11” [2077 2,49 | 1,89 | 51,7 | 39,4 [0,762 EST
15] 3% 55/ Y 28” |2099] 2,54 | 1,90 | 53,4 | 39,9 [0,746.20
62 St. Cserna und G. Kelemen:
Tabelle XVIII.
Nummer der Versuchstieres: 15. Körpergewicht: 6200 g.
Datum: 20. II. 1912.
Anmerkungen
Körpertempera-
tur am Anfang u
Ended. Versuchs
Arterieller
Blutdruck
С
2441| 2,24 | 1,86 54,9 | 45,5
2451| 2,18 | 1,80 | 53,5
4| 12% 30| 7’ 55”
5| 125 43| 7’ 28”
124] 12Һһ 29° Unterbindung der
39,40 Nierengefäße. Dauer der
39,40 120 Ligatur: 21’.
44,1
6| 1220| 7’ 27” 12398] 2,16
7| 1» 40 7’ 42”
8| 25007] 8’ 13”
9| 22207 8' 04”
10] 2b 40| 8/06”
1,83
2415] 2,38 | 1,81
2393] 2,42 | 1,87
23761 2,50 | 1,90
2559] 2,39
51.8 | 43.9 10.848 39,30 132] 12h 50° Lösung der Unter-
| 7 Иж 2, bindung. Nach d. Lösen
57,5 | 43,8 EEN Re TE e уна eimeiß-
schieden.
39,20
57,9 | 44,7 10,773 39.20 130
59,5 | 45,2 |0.758[8920|119
61,2 | 48,9 [0,798[39:00|116
1,91
3b 10| 7’ 58” 123781 2,26 | 1,80 | 53,7 | 42,9
57,0 | 43,6
61,0
60,0
110] 8400’ Nierenexstirpation.
Gewicht beider Nieren:
12) 3» 30| or 49” |2369] 2,41 | 1,85 28,95 g.
18| 3% 55’| 8’ 12” [2885] 2,56 | 1,94
46,3 10,760
14| 4% 15’| 8° 18” 12393] 2,51 | 1,84 43,9 10,731];
Mikroskopischer Befund der Nieren: In den Glomeruli kleine
Blutungen.
Zunächst bestätigen unsere Versuche die Angaben Tangls
über die Größe des O,-Verbrauches und der CO,-Produk-
tion gesunder Nieren. Die Ligaturausschaltung der gesunden
Nieren ergab nämlich durchschnittlich folgenden Ausfall im
Gaswechsel:
Größe der Arbeit kranker Nieren. 63
Tabelle ХІХ.
~ Nummer | Ausfall in dem
des Versuches | O,-Verbrauch (°/,)
Mittel: 8,6
Die pathogene Wirkung der Ligatur offenbarte sich im
Gaswechsel nach der Lösung der Unterbindung in verschiedener
Weise, je nach ihrer Dauer. In den Versuchsreihen 5 und 6,
in denen die Gefäße 60 bzw. 40 Minuten unterbunden waren,
stieg der Gaswechsel nach der Lösung der Ligatur gar nicht, —
in beiden Versuchen war vollständige Anurie die Folge
der Ligatur. In den übrigen fünf Versuchen, in denen die
Ligatur von kürzerer Dauer war — höchstens 25 Minuten —,
stieg der Gaswechsel nach dem Lösen der Ligatur sehr bald
an und erreichte nach 20 bis 60 Minuten die Größe vor der
Ligatur. In diesen fünf Versuchen hat sich — mit Ausnahme des
Versuches 12 — nach der Ligatur Diurese eingestellt: es wurde
mehr oder weniger eiweißhaltiger Harn ausgeschieden. Nur
in Versuch 12 trat keine Diurese auf; leider versäumten wir
es bei der Sektion nachzusehen, ob die Harnblase Harn ent-
hielt und ob nicht etwa die Verlegung der Katheteröffnung
Harnmangel vortäuschte. Wir möchten deshalb aus diesem
Versuche keine weiteren Folgerungen ziehen. Sieht man von
diesen ab, so geht aus diesen Versuchen hervor, daß, wenn die
Ligatur durch ihre lange Dauer das Nierenparenchym so weit
veränderte, daß nach Wiederherstellung des Blutkreislaufes
keine Harnsekretion eintritt, der Gaswechsel der Nieren im
Gaswechsel des Organismus keine bemerkbare Veränderung er-
zeugt, also höchstens so gering ist, daß er mit unserer Methode
nicht mehr gemessen werden kann.
Schon diese Tatsache spricht dafür, daB der Gaswechsel
der anurischen Niere bedeutend geringer ist als der
der normal funktionierenden. Bewiesen wird dies durch
die Exstirpation der anurischen Nieren. In beiden Versuchen 5
und 6 hat die Exstirpation der anurischen Nieren einen be-
64 St. Cserna und G. Kelemen:
Tabelle ХХ.
Mittelwerte.
8 |= Ф Nach der
© GE: ausschaltung | ausschaltung Nierenausschaltung
= 15 6 — Abnahme
e di ak Ursache
86 IE 5 Sg о S nach] „des De der CO,- а
g 2 АРКЕ LB yor Ша©з) Verbrauchs | Ausgabe e
> ФО 9-2 0 Ого ; Erkrankung
А 4 SS GE: der Nieren- pro
m vn, з
РА ee 7 RE Sen Dien, D ` Aen TE ET ET Мір. | a,
= tung ccm
24,68 2)132,60%)| 25,84 %)l0,756 0,793 0,03|— 0,911 1,12|+ 4,53lunterbindungtürte
36,66 1139,41 | 34,64 |0,90010,869|- 1,19!— 2,93(— 2,02|— 5,51 Br”
бт ора? + 1.10.+ 2.991+ 2,041+ 6.99] Katiumbichromat
30,72 |0,818(0,797(+ 0,37/+ 0,96[— 0,48|— 1,53
| 30,60 [|0,817|0,821|+ 0,06| — kam — |
5200{32,63:)
5000[40,60:)
4850[36,79 |29,17 [37,89 | 31,21
4400[38,15 31,20 [38,52
Mittel |4860|37,04 [30,43 [37,10
deutend geringeren Ausfall im Gaswechsel des Organismus er-
zeugt als die Exstirpation der gesunden Niere. (Wir sehen
vom zweifelhaften Versuch 12 ab.)
Zu denselben Ergebnissen führte die Exstirpation der
Nieren, deren anurischer (bzw. hochgradig ischurischer) Zustand
durch Chromvergiftung erzeugt wurde (Versuch 20 und 22,
Tabelle VI und VIII. Wir haben sowohl für diese wie für
die Versuche 5 und 6 aus den Versuchen vor und nach der
Nierenexstirpation die Mittelwerte gezogen und daraus den
Ausfall im Gaswechsel gleich dem Gaswechsel der Nieren be-
rechnet (в. Tabelle ХХ).
Diese Zahlen beweisen zur Evidenz, daß die anurische
oder hochgradig ischurische Niere bedeutend weniger
О, verbraucht und CO, produziert als die normale,
ihre Arbeitsleistung ist also bedeutend geringer als
die der gesunden Niere.
Ganz anders verhält es sich mit den Nieren, in denen
die kürzer dauernde Ligatur keine so schweren Veränderungen
verursachte, daß es zur Anurie gekommen wäre.
In allen Versuchen begann gleich nach dem Lösen der
Ligatur der Gaswechsel zu steigen, um in einigen Minuten
oder einigen Stunden den Wert vor der Ligatur zu erreichen
1) Nach Lösung der Unterbindung.
2) Während der Unterbindung.
— mn
Größe der Arbeit kranker Nieren. 65
Tabelle XXI.
Mittelwerte.
= [э 8 | Vor d. Nieren-|Nach d. Nieren- co Nach der
5 [2.2 ausschaltung | ausschaltung - Nierenausschaltung
38 $ s] : : 0, Abnahme Ба
5S | е, за, 2а, 33 Së ————_—@. 0,-Ver] der O,- ч
ЕЁ St d'An S Ce dÉ e SÉ vor | nach brauchs Ausgabe *
ар МА”. S A 2 A © Е SS der Nieren- кыр °/ ко o REN
З Мір іп.
Е: g | ccm | eem | ccm | eem ausschaltung com | " (ccm i
10 {1450[64,20)/51,481)[56,54®)\48,33#)[0,801 1)0,757%)|7,66\11,93|8,15 |15,83ļUnterbindung eet
11 |6800]57,973)\46,61)]58,75*)43,594)[0,8083)\0,8104)[4,92| 7,2713,02| 6,47 ‚2
15 [6200|61,225)|48,915)]53,74°),42,92°)0,798)|0,798®)| 7,48 |12,20] 5,99 112,21 з ‚a
Mittel- kesdet 309 |48,70 [54,30 143,30 [0,801 0,788 Jean 10,50|5,70 11,50
normale 16040151,90 |41,70 [41,50 |39,50 [0,808 (0,837 |4,40 8,70|2,20| 5,10
Niere
oder noch zu übersteigen (в. Tab. XV, ХУІ, XVIII). Wenn
schon aus diesen Erfahrungen auf eine Erhöhung des Gas-
wechsels während der pathologischen Harnsekretion gefolgert
werden konnte, so geht das zweifellos aus dem Ausfall des
Gaswechsels hervor, den die Exstirpation dieser pathologisch
veränderten Nieren zur Folge hatte. Die Mittelwerte des Gas-
wechsels vor und nach der Nierenexstirpation enthält die Ta-
belle ХХІ.
Ebenso wie bei den durch Gifte erzeugten Nephritiden
sehen wir auch hier, daß der Ausfall im Gaswechsel des Or-
ganismus nach der Entfernung dieser kranken Nieren größer
ist als nach der Exstirpation der gesunden Nieren. Führt
also die Unterbrechung des Blutkreislaufs zur Ent-
wicklung einer Nephritis — ohne hochgradige Ischurie
oder gar Anurie —, so verbraucht die pathologisch
funktionierende Niere mehr О, und produziert mehr
CO, als die gesunde. Die Arbeitsleistung dieser kranken
Nieren ist größer als die der gesunden.
1) Berechnet aus Versuchen Nr. 6 bis 11.
2) Berechnet aus Versuchen Nr. 12, 13.
з) Berechnet aus Versuchen Nr. 6 bis 9.
t) Berechnet aus Versuchen Nr. 10, 11.
5) Berechnet aus Versuch Nr. 10.
6) Berechnet aus Versuch Nr. 11.
Biochemische Zeitschrift Band 53 5
66 St. Свегпа und С. Kelemen:
Sieht man nun, daß bei hochgradiger Ischurie oder Anurie
die Arbeitsleistung der kranken Niere bedeutend geringer wird,
so kann man weiter aussprechen: die erhöhte Arbeits-
leistung der kranken Niere hört auf, wenn die Menge
des produzierten pathologischen Harnes auf ein ge-
wisses Minimum gesunken ist. Wie groß dieses Minimum
ist, welche Rolle die Zusammensetzung des pathologischen
Harnes spielt, das müssen erst weitere Untersuchungen ent-
scheiden.
An dem erhöhten Gaswechsel der Niere, der unmittelbar
nach dem Lösen der Ligatur zu beobachten war, kommt sicher-
lich dem O,-Mangel, den die Ligatur erzeugte, eine wesentliche
Rolle zu. Das können wir aus den schönen Untersuchnngen
Е. Verzärs?) folgern, die bewiesen haben, daß O,-Mangel, er-
zeugt durch Abnahme des Blutsauerstoffes, den O,-Verbrauch
der Niere um 15 bis 59°/, steigert. Diese Steigerung glaubt
Verzär auf Reizwirkung von Zwischenprodukten des Stoff-
wechsels zurückführen zu können.
Solche Produkte dürften auch in unseren Versuchen nicht
nur an der Steigerung des Stoffwechsels, sondern auch an den
pathologischen Veränderungen der Niere nach dem Lösen der
Ligatur wesentlich beteiligt sein.
Die Steigerung des Gaswechsels, die wir bei den eben
besprochenen Nieren gleich nach dem Lösen der Ligatur
beobachtet haben, die sogar über den Gaswechsel vor der
Ligatur binausgehen kann, scheint aber außer durch die
größere Arbeit der pathologisch funktionierenden Niere, noch
durch andere Momente bedingt zu sein. Dafür sprechen
ganz besonders die Versuchsreihen 11 und 15 (Tabelle XVI
und XVIII).
Die Exstirpation der kranken Niere erzeugte nämlich in
diesen wie in den übrigen Versuchen einen bedeutend größeren
Ausfall im Gaswechsel, als die Ausschaltung der gesunden Nieren.
Trotz dieses größeren Ausfalls ist der Gaswechsel gleich bzw.
größer als der Gaswechsel mit funktionierenden gesunden Nieren.
So war:
1) Е. Verzär, The influence of lack of oxygen on tissue respira-
tion. Journ. of Physiol. 45, 39, 1912.
Größe der Arbeit kranker Nieren. 67
Nach Ausschaltung der
erkrankten Nieren
CO,-Aus-
scheidung
Normalversuche
CO,-Aus-
scheidung
pro Min.
O,-Verbrauch
pro Min.
Das kann nur so erklärt werden, daß nach dem Lösen
der Ligatur der Nierengefäße auch in anderen Organen
der Gaswechsel erhöht war. Es wird die Aufgabe weiterer
Versuche sein, den Mechanismus dieser sekundären Verände-
rung des Gesamtstoffwechsels aufzuklärcn und die Bedingungen
festzustellen, unter denen sie eintritt. Möglicherweise handelt
ев sich um die Wirkung von Zerfallsprodukten, die sich während
der Ligatur in der Nierensubstanz bilden und die sich nach
dem Lösen der Ligatur im Organismus verbreiten. Die Frage
dürfte für die Pathologie der Nierenkrankheiten von Bedeu-
tung sein.
Zum Schlusse möchten wir noch darauf hinweisen, daß
unsere Versuche auch Beweise gegen M. H. Fischers!) Ansäue-
rungstheorie der Nephritis ergeben. Durch die Anhäufung von
Säure, durch die damit erzeugte Schwellung der Niere soll Sauer-
stoffmangel in der Niere entstehen und so auch die Produktion
der CO, stören. Dem gegenüber haben unsere Versuche ergeben,
daß die nephritische Niere — falls keine hochgradige Ischurie
oder Anurie besteht — bedeutend mehr О, verbraucht und
nicht nur absolut, sondern auch relativ mehr CO, produziert
als die gesunde.
Die wesentlichsten Ergebnisse unserer Versuche können
wir in folgendem zusammenfassen:
1. Die Arbeit der kranken, funktionierenden Niere
ist größer als die der gesunden; dementsprechend ver-
braucht sie mehr О, und produziert mehr CO, als die
gesunde.
1) М. Н. Fischer, Die Nephritis.. Dresden 1912.
5%
68 St. Cserna und G. Kelemen: Größe der Arbeit kranker Nieren.
2. Nur bei hochgradiger Ischurie oder bei Anurie
ist der O,-Verbrauch und die CO,-Produktion in der
kranken Niere geringer als in der gesunden.
3. Bei erhöhter Arbeitsleistung produziert die
kranke Niere nicht nur absolut, sondern auch relativ
mehr CO, als die gesunde.
4. Nach Erkrankung des Nierenparenchyms — die
als Folge temporärer Zirkulationsunterbrechung ent-
steht — kann auch in den übrigen Organen der Gas-
wechsel gesteigert werden.
Die Größe der Milzarbeit.
Von
Fritz Verzär.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest
Direktor: F. Tangl.)
(Eingegangen am 5. Juni 1913.)
Mit 1 Figur im Text.
Um die Arbeit bzw. den Gaswechsel eines Organs zu be-
stimmen, können wir zwei verschiedene Methoden anwenden:
1. die Exstirpationsmethode Tangls!), 2. die Untersuchung des
Blutgaswechsels des Organs.
Nach der ersteren Methode wurde bisher von Tangl die
Arbeit der Nieren, von mir jene des portalen Leberkreislaufes*)
und des Pankreas?) bestimmt. Mit der zweiten Methode haben
besonders Barcroft*) und seine Mitarbeiter zahlreiche Unter-
suchungen ausgeführt.
Da die Lokalisation der Stoffwechselvorgänge von allge-
meinerem Interesse ist, wie das z. B. unlängst Zwaarde-
maker’) ausgeführt hat, so ist es von Interesse, diese Unter-
suchungen über die Atmung bzw. die Arbeit der einzelnen
Organe weiter auszudehnen, und es wurde deshalb der Gas-
wechsel der Milz, über welchen, wie es scheint, bisher keine
Angaben vorliegen, untersucht’).
1) Tangl, diese Zeitschr. 84, 1.
2) Verzär, diese Zeitschr. 84, 52.
з) Verzär, diese Zeitschr. 44, 201.
4) Barcroft, Ergebn. d. Physiol. 7, und im Journ. of Physiol.
5) Zwaardemaker, Ergebn. d Physiol. 1912, 620.
6) Eine zusammenfassende Darstellung des Milzstoffweohsels hat
Seemann in den Ergebn. d. Physiol. 8, I, 30 bis 43 gegeben.
10 F. Verzär:
Meine Versuche teilen sich in drei Gruppen:
1. Bestimmung der Respiration der Milz nach der Ех-
stirpationsmethode.
2. Blutgasuntersuchungen im Milzblut.
3. Der Einfluß von Kohlenhydratinjektionen auf den Gas-
wechsel entmilzter Tiere.
1. Einfluß der Milzexstirpation auf den Gaswechsel
des ganzen Organismus.
Diese Versuche wurden mit derselben Methodik ausgeführt
wie jene oben erwähnten Arbeiten über Niere, Leber und Pan-
kreas. Es kann deshalb auf dieselben verwiesen werden. Das
Wesen dieser Versuchsanordnung ist, daß am curarisierten Tier
während des Respirationsversuches das Organ exstirpiert wird,
um die hierdurch bedingte Änderung des Gaswechsels zu be-
obachten. Als Versuchstiere wurden Hunde benutzt, die 48 Stun-
den vor dem Versuch zuletzt gefüttert wurden.
Die Exstirpation der Milz ist technisch sehr einfach. Durch
einen kleinen Schnitt in der Linea alba läßt sie sich leicht
ohne jeden Blutverlust hervorholen. Dann wird ihr ganzer
Mesenteriumstiel mit sämtlichen Gefäßen unterbunden und
durchschnitten. Da es sich um kurze Versuche handelt, so
muß natürlich nicht aseptisch vorgegangen werden. Auch
während der Exstirpation bleibt das Tier im Thermostaten.
Die Versuche wurden auch hier eo ausgeführt, daß zuerst
der Gaswechsel des normalen Tieres in 3 bis 4 Versuchen be-
stimmt wurde Dann folgte die Milzexstirpation, und nun
wurden wieder Proben der Atmungsluft analysiert.
Wie aus den Versuchstabellen I bis IV, sowie aus der zu-
sammenfassenden Tabelle V hervorgeht, verändert sich der Gas-
wechsel nach der Milzexstirpation so gut wie gar nicht. Die
beobachteten Unterschiede liegen innerhalb der Fehlergrenzen
der Methode. Aus der zusammenfassenden Tabelle V ergibt
sich im Mittel von 4 Versuchsreihen eine geringe Abnahme des
O,-Verbrauches (0,7°/,) und der CO,-Produktion (1,0°/,). Es
sei aber nochmals betont, daß solche Schwankungen auch beim
normalen Tier vorkommen.
Der Stoffwechsel der Milz ist also so klein, daß er sich
mit der Exstirpationsmethode nicht messen läßt. Dieses Er-
Größe der Milzarbeit. 71
gebnis wird erst dann interessant, wenn wir es mit jenem ver-
gleichen, das wir nach der Exstirpation anderer Organe er-
hielten. So erhielt Tangl nach Exstirpation der Niere eine
Verminderung des O,-Verbrauches um 8,7°/,, ich nach Aus-
schaltung des portalen Leberkreislaufes eine Abnahme um 12°/,,
nach Exstirpation des Pankreas um 8°/,. Dabei ist das Ge-
wicht der Niere bzw. des Pankreas kaum verschieden von dem
der Milz. Es geht bereits hieraus hervor, daß der Milz ent-
sprechend diesem geringen Stoffwechsel auch nur eine geringe
Bedeutung für die Größe des Stoff- und Energieumsatzes zu-
kommen kann.
Tabelle I.
Nummer des Versuchstieres: 1. Körpergewicht: 7200 g.
Datum: 7.IX. 1910.
e * © л S г
Z ER Dauer = 5 ACH 54
E БЕ Sal SE
— — > = Ф e e * З
= in der Ven- de $ = Anmerkungen
2e tilationsluft | PTO Minute Бый, < E
des Versuchs | < * SER
mm
EM 17”
H 58”
7 82”
2 34’
>51’
3» 13’
Gegen 3" 20’ Exstirpation
10°%,iger Traubenzuk-
Bis 8h 80° 18 cem Harn
8' 29” | 1868 | 2,88 | 2,70 [53,86 48,82)0,906 53 90 143 | "enthaltend 126g Тева:
benzucker.
12 | 827’
|
4 | 35 407 | 77 34” 2,85 | 2,50 139 дег Milz. Gewicht der
Milz: 35 g.
5 | 42037 |g 14” 2,71 | 2,36 165
6 | 4226" | 7 51” 2,77 |9,59 139
7 | 42407 | 7° 40” 2,75 | 2,49 138
гоп 4550' bis 5h20” In-
5 09' | 77 41” 61,5257,04|0,927 = ech A0 "Tusion von — cem
уйк. 8°%,iger Lösung einer
9 | 6853| 9 117 66,56156,31[0,846, 0708| 140 ee?
Віз 8h0’ Harn,
10 | ™ 39 | 8° 39” | 1957 |3,28 | 2,86 [60,14 52,23|о,88|2971 146 enthaltend vr
EH benzucker.
ү b 50” bis 8420’ In-
11| 807 er 06” | 1993 | 2,94 | 2,67 [58,65151,52l0,880 3989) 148 |" fusion von 100 com
12 F. Verzär:
Tabelle П.
Nummer des Versuchstieres: 2. Körpergewicht: 5600 g.
Datum: 31. VIII. 1910.
;| An- e | TF
| fang ener) 5 ЕЕ zs
Дш HEE
Q
= о | іа der Ven- Е 8 в Anmerkungen
+ E | tilationsluft E r
des Versuchs | < 2‹ ыны am
cem С Imm H
1) 1> 40| 9 55”11694,4| 2,58 | 2,41 |43,65139,39|0,90
2| 2> 00 | 9’ 42”11703,3] 2,58
3| 2 17’ |10 24''1704,9] 2,62
4| æ% 45 |10 127169451 2,67 | 2,33 [45,24 \37,99[0,889 107 [мк к
5| 3b 40’ | 9'89”1780,0[ 2,71
6 8» 59 (IO 0511750,0] 2,44
ү ' bis 5' In-
da 32° | o 311766,4 2,93 | 2,94 |51,7250,48]0,9т6 SIS ар. га Ве
9870 einer 3°),igen Lösung
8| 5ь 42° | 9 20”11760,6| 2,55 | 2,61 |45,02|44,51]0,988 8861 von löslicher Stärke.
9| въ 28° | 9 011797,0] 2,62 | 2,50 J47,08143,38]0,921122°2%
38,05 Von 6h35’ bis 7h08’ In-
10| 6% 53° OI 43”|1732,1| 3,03 | 2,99 [52,47|50,39|0,960 38.03 168 fusion von 100 ccm
pis einer 10°%,igen Trau-
38,41 benzuckerlös
1172 38’ 112’ 181774,6] 2,77 | 2,67 |49,23/45,82]0,931 — —
|
Tabelle III.
Nummer des Versuchstieres: 3. Körpergewicht: 7700 g.
Datum: 28. ПІ. 1910.
|; © 23 33153 2 ag
СЕНЕ |2213: |]: 5$| ЕТ
“| А Sé RE ба | сЕ [е5 * SE
= СО, Ез) 53 Anmerk
Bo neor уа pro Minute Oe SE GE —
des Versuchs | 2 & | “20019 | <
com | 9, | % °C |mm Hg
— m
Größe der Milzarbeit. 13
Tabelle III (Fortsetzung).
u „
saj: FURE
И д 84% E В
5 gS 8 E Anmerkungen
K te AA a
des Versuchs ER un
m Hg
10h 08° Exstirpation der
Milz.
6 111% 09| 7” 38” [3046,2] 1,82
Von 11h 27’ bis 125 07’
Infusion von 200 cem
einer 3°/,igen Lösung
von löslicher Stärke.
38,35
38,50
38,60
38,76
38,86
38,86
7 |118 507 7° 07” |3025,4| 1,79 | 1,70 [54,03 48,95|0,906
8 [125 08/| 7’ 27” [8025,4] 1,96 | 1,81 [59,27 52,22|0,881
9 112% 41’) 7” 27” [2991,7 1,76 | 1,58 152,65/44,6710,848
Harn nach der Stärke-
infusion frei von Stärke
und Zucker,
Tabelle IV.
Nummer des Versuchstieres: 4. Körpergewicht: 8500 g.
Datum: 1.IV. 1913. Temperatur vor dem Versuch: 39,6°.
u “а | ‚2 A PS
sanj $ 5 5] |522] 8%
= A Eé SA | жые ZE
EK ZS Anmerkungen
pro Minute Sy <a
des Versuchs ZER
mm
Blutdruck während des
ganzen Versuches kon-
stant.
3 [11* 26/| Y 15” 13445,3] 2,25
4 [11> 55| Y 49” 13450,8] 2,15
’ Milzexstirpati
5 12% 24| 9 25” [3450,9] 2,20 | 1,95 [75,75 64,36)0,850140°72]| — | "Gewicht d міз: 28,58.
6 |12 sai 9 07” [3429,9| 2,16 | 1,94 [73,98163,52]o,859]405]| —
7| 12 17| Y 49” [3444,21 2,18 | 1,91 [75,05/62,93l0,838 äer —
sl 15 46| 9 04” |з3424,0| 2,23 | 1,89 [76,18\61,940,813 Р =
74 F. Verzär:
Tabelle V.
Veränderungen im respiratorischen Gaswechsel nach der Milzexstirpation.
O,-Verbrauch
CO,- Ausgabe
ы —
vor dor | nach der vor der |nach der
= Milzexstirpation | Veränderung | Milzezstirpation | Veränderung
d pro Minute pro Minute
com | сеш ccm | oli
+ 0,46 | + 0,90
1 — 0,97 | — 1,59 51,67
2 +087 | +198 39.04 |—0,19 |—048
3 — 136 | — 2,57 4143 | 2171-495
4 — 048 | — 0.64 6319 |+0271+043
Mittelwert | — 0,71 Mittelwert | — 1,03
2. Der Blutgaswechsel der Milz.
Die Bestimmung der Milzarbeit mit der Exstirpations-
methode führte nur zu dem Ergebnis, daß der Stoffwechsel
der Milz sehr gering gegenüber jenem anderer parenchymatöser
Organe sein muß. Genauere Werte waren von Blutgas-
bestimmungen zu erwarten.
Diese Versuche wurden wegen der relativ einfacheren
anatomischen Verhältnisse an Katzen ausgeführt. Es wurde
im allgemeinen die Barcroftsche Methodik der Blutgasunter-
suchung befolgt. Das Tier wurde mit Chloroform betäubt,
dann wurde Urethan subcutan injiziert, tracheotomiert, beide
Carotiden frei präpariert und in dieselben Kanülen eingebunden.
Von der einen Carotis aus wurde der Blutdruck gemessen, von
der anderen wurde das arterielle Blut zur Gasuntersuchung
entnommen. Ferner wurde auch in eine V. jugularis eine Kanüle
eingeführt zur Injektion von Hirudin. Sodann wurde ein
Bauchschnitt in der Mittellinie gemacht, die Milz hervorgeholt
und in mit lauwarmer physiologischer NaCl-Lösung getränkter
Watte umgeben.
Die Milz der Katze hat folgende Venenversorgung (siehe
die beiliegende Skizze).
Am oberen Pol der Milz gehen einige kleine Venen im
Mesenterium (Lig. gastro-lienale) zum Magen (a); am unteren
Pol sind mehrere Anastomosen zum Netz (b). Beide Gruppen
werden mit dem entsprechenden Stiel des Mesenteriums unter-
bunden und durchschnitten. Danach entleert sich das Milz-
Größe der Milzarbeit. 75
blut allem Anschein nach ungestört durch die beiden Haupt-
venen des Organs. Diese haben eine sehr konstante An-
ordnung. Die obere (c) bringt das Blut aus der oberen Spitze
der Milz, die untere (d) versorgt den größeren unteren Teil
der Milz und nimmt, ehe sie sich mit der oberen Vene ver-
einigt, gewöhnlich einige Venen aus dem Schwanz des Pankreas
auf (е). Es ist interessant, daB
diese beiden Venen, wie man
sich leicht überzeugen kann, zwei
ganz isolierte Gebiete des Organs
versehen. Unterbindet man näm-
lich eine dieser Venen, so ver-
färbt sich das entsprechende Ge-
biet sogleich, wird dunkelblau
und hebt sich in einer scharfen
Linie, etwa der fett gestrichelten Fig. 1.
Linie auf der Abbildung ent- |
sprechend, von dem normalen Milzteil ab. Der Unterschied
zwischen dem gestauten und dem normalen Milzgebiet ist so
groß, daß man die beiden Teile nach dem Tode ganz genau
voneinander trennen und ihr Gewicht bestimmen kann. Das
Verhältnis der beiden Venengebiete ist ziemlich konstant, wie
aus den folgenden Daten hervorgeht.
Tabelle VI.
Ver- пааша
er beiden
such] der oberen | der unteren Venengebiete
zueinander
5 1,96 6,07 8,03 1:3
6 0,82 4,18 5,00 1:5
7 1,60 -e 4,90 6,50 1:3
Demnach beträgt das Gebiet der oberen Milzvene etwa
11, bis !/, der ganzen Milz.
Diese genaue Abgrenzung in zwei isolierte Venengebiete
macht es möglich, daß man Milzblut gewinnen kann, ohne
dabei genötigt zu sein, den entsprechenden Teil der Milz auch
nur vorübergehend aus dem Kreislauf zu schalten.
16 Е. Verzär:
Ich verfuhr nun, um den Sauerstoffverbrauch der Milz zu
messen, 80, daß ich die eine der beiden Venen unterband und
in den zentralen Stumpf eine Kanüle einführte. Damit
wurde zwar der eine Teil der Milz aus dem Kreislauf aus-
geschaltet, der andere Teil behielt jedoch seine normale Zirku-
lation. Setzte man nun auf die gemeinsame Milzvene bei f eine
Aderklemme, so strömte das Milzblut rückwärts durch die
Kanüle heraus.
Seine Geschwindigkeit wurde nach Barcrofts Vorgehen
so gemessen, daß man es durch eine graduierte Pipette fließen
ließ und jeden !/,, ccm mit einem elektrischen Signal auf dem
Kymographion registrierte. Gleichzeitig wurde immer auch der
Blutdruck und die Zeit markiert.
Um die Blutgerinnung zu verhindern, wurde den Tieren
kurz vor Beginn des Versuches Hirudin (0,05 g pro Katze) intra-
venös, in etwa 20 ccm physiol. NaCl gelöst, injiziert. Es erwies
sich praktisch, dem Hirudin etwas Adrenalin hinzuzufügen, um
der anfänglichen Blutdrucksenkung durch das Hirudin vor-
zubeugen. Gleichzeitig mit dem Venenblut oder sofort danach
wurde 1 ccm arterielles Blut aus der Carotis entnommen und
die Differenz des Sauerstofigehaltes der beiden mit dem
Barcroftschen Differential-Blutgasapparat bestimmt.
Es wurden 3 Versuche mit insgesamt 6 Bestimmungen
ausgeführt. Das Ergebnis ist in der folgenden Tabelle wieder-
gegeben.
Tabelle VII.
Strömungs-
geschwindig-
keit durch den
untersuchten
Milzteil
O,-Verbrauch der
Milz Benutzter
pro 1 g/Min. Milzteil
Anmerkung
Versuch Nr.
5 { Oberer Teil
Gewicht 1,96 р
Unterer Teil
6 Gewicht 4,18 р
SchlechterBlutdruck.
7 Oberer Teil
| Gewicht 1,60 р
Mittel 0,050ccm О,
pro 1 g/Min.
Größe der Milzarbeit. 77
In Versuch 5 und 7 war die Kanüle in die untere (größere)
Vene eingeführt, und es wurde das Blut des Gebietes der
oberen Vene, also des kleineren Milzteiles, analysiert. In Ver-
such 6 war das Verhältnis umgekehrt; es wurde das Blut des
unteren größeren Milzteiles gewonnen. Alle Ergebnisse sind
pro Gramm und Minute berechnet. In den Versuchen 5 und 6
folgten die verschiedenen Bestimmungen in einem Zeit-
raume von etwa 5 Minuten. Auffallend ist die ziemlich große
Differenz in den einzelnen Bestimmungen, die in den Versuchen
mit gutem Blutdruck zwischen 0,018 bis 0,143 com O,-Verbrauch
pro Gramm und Minute schwanken. Bei ein und demselben
Tier gewonnene Werte sind allerdings ziemlich gleich, während
die Werte von verschiedenen Tieren stark voneinander ab-
weichen. Es muß auch bemerkt werden, daß die Werte einen
Parallelismus zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Sauer-
stoffverbrauch zeigen, ein Punkt, auf den ich hier nicht weiter
eingehen will‘). Inwiefern diese Unterschiede auf die sehr er-
heblichen Schwierigkeiten der Technik, insbesondere darauf
zurückzuführen sind, daß das Organ, aus der Bauchhöhle heraus-
gehoben und in feuchte Watte gewickelt, untersucht werden
muß, kann ich nicht bestimmen. Jedoch zeigen die gemessenen
Werte keine größeren Unterschiede, als auch sonst in Blutgas-
versuchen gefunden werden, und es ist deshalb die Berechnung
eines Mittelwertes gerechtfertigt. Im Mittel beträgt der 0,-
Verbrauch der Milz 0,050 ccm О, pro g/Min. Dieser Wert liegt
in der Größenordnung, die für die anurische Niere und die
ruhende Submaxillaris zuerst von Barcroft bestimmt wurde,
und übersteigt diesen sogar. Die Milz hat also einen Stoff-
wechsel, der der Größe nach dem der ruhenden par-
enchymatösen Organe entspricht.
Wie verhält sich dieses Resultat zu jenem der vorigen
Versuchsreihe? Das Gewicht der Milz der Versuchshunde betrug
1) Nach Burton-ÖOpitz (Arch. f. а. ges. Physiol. 129, 189, 1909)
fließen beim Hund durch 100 g Milz im Mittel pro Minute 58 eem
Blut. Die einzelnen Werte schwanken zwischen 25 bis 87 ccm. In
meinen Versuchen schwanken (abgesehen vom Versuch vom 6. III.) die
Werte zwischen 23 und 106 com und geben einen Mittelwert von 51 ccm
Blut für 100 g Milz. Meine Werte zeigen also eine gute Übereinstimmung
mit jenen. |
78 F. Verzär:
20 bis 30 д. Daraus berechnet sich mittels der durch Blut-
gasanalyse gefundenen Zahl (0,05 com pro g/Min.) ein О,-Уег-
brauch für die ganze Milz von 1 bis 1,5 ccm/Min. Dieser Wert
ist so klein, daß er an der Grenze der mit der Exstirpations-
methode bestimmbaren Differenzen liegt, und es ist deshalb
verständlich, daß nach der Exstirpation so gut wie keine Ver-
minderung des Sauerstoffverbrauches des ganzen Tieres zu be-
merken war. Indirekte und direkte Methode geben hier,
ebenso wie in Tangls Versuchen an der Niere, Werte
‘von derselben Größenordnung.
8. Einfluß von Kohlenhydratinfusion auf den Gaswechsel
entmilzter Tiere.
Den in der ersten Versuchsreihe erwähnten Tieren habe
ich, nachdem die Respiration nach der Milzexstirpation be-
stimmt worden war, ebenso wie in meinen früheren Versuchen
nach Leber- und Pankreasexstirpation Dextrose bzw. lösliche
Stärke intravenös infundiert.
Es schien nicht unmöglich, daß die Milz irgendeinen Ein-
fluß auf die Kohlenhydratverbrennung hat. Daran haben z.B.
besonders in einem Zusammenhang mit dem Pankreas, dessen
Fermente die Milz aktivieren sollten, verschiedene Autoren
(Schiff, Herzen u. a.) gedacht.
In Versuch 1, 2 und 3 wurde lösliche Stärke, in Versuch 1
und 2 später noch Dextrose intravenös injiziert. In allen Ver-
suchen stieg danach sogleich der respiratorische Quotient, zum
Zeichen, daß diese Kohlenhydrate verbrannt wurden. Die Ände-
rung der Respiration war dieselbe wie beim normalen Tier.
Ein Einfluß der Milzexstirpation auf die Verbrennung intra-
venös eingeführter Dextrose oder Amylum solubile war dem-
nach nicht zu konstatieren.
Zusammenfassung.
1. Exstirpiertt man die Milz curarisierter Hunde, so ist
keine Änderung des respiratorischen Gaswechsels zu bemerken,
höchstens läßt sich als Mittel von 4 Versuchen eine geringe
Abnahme des O,-Verbrauches um 0,7°/,, der CO,-Produktion
um 1,09! nachweisen. Jedoch liegen diese Werte so sehr an
Größe der Milzarbeit. 79
der Grenze der Leistungsfähigkeit der Methode, daß sich daraus
nur soviel folgern läßt, daß der Stoffwechsel der Milz sehr klein
sein muß.
" 2. Bei direkter Bestimmung des Blutgaswechsels der Milz
von Katzen ergab sich ein O,-Verbrauch im Mittel von 6 Be-
stimmungen an 3 Tieren von 0,05 ccm О, pro g und Min. Dieser
Wert entspricht der Größenordnung des in der ersten Versuchs-
reihe bestimmten Ausfallee.. Der Sauerstofiverbrauch der Milz
hat etwa dieselbe Größe wie jener der ruhenden Submaxillaris
oder der anurischen Niere in den Versuchen Barcrofts.
3. Intravenös injizierte Dextrose und lösliche Stärke wird
auch nach Milzexstirpation prompt verbrannt.
Zur Kenntnis des Einflusses des Großhirns auf den
Stoff- und Energieumsatz.
Von
Karl Hannemann (München).
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: Е. Tangl.)
(Eingegangen am 5. Juni 1913.)
L
„Haben gewisse Teile des Gehirns einen meßbaren Ein-
fluß auf die Größe des Stoffwechsels und kann man durch
Exstirpation von Gehirnabschnitten eine sichere, stets wieder-
kehrende Vermehrung oder Verminderung des Stoffumsatzes
nachweisen?“
So lautete meine Fragestellung zu den folgenden Versuchen,
die ich auf Anregung und unter der Leitung des Herrn Prof.
Franz Tangl im Herbst 1911 anstellte.
Meine Versuche habe ich an Fröschen angestellt, und
zwar an frisch im Herbste eingefangenen Exemplaren von
Rana esculenta.
Allgemeine Versuchsanordnung und Methodik,
Meine Versuchsanordnung war so getroffen, daß ich den Stoff-
umsatz durch direkte Bestimmung дев O,-Verbrauchs und der
CO,-Produktion messen konnte. Ich bestimmte an jedem Tiere
in mehreren Versuchen den Gaswechsel vor und nach der Ex-
stirpation gewisser Hirnteile. In 3 Versuchsreihen bestimmte
ich außerdem direkt die Wärmeproduktion vor und nach der
Gehirnoperation. Wie die Exstirpation der einzelnen Gehirn-
teile ausgeführt wurde, wird weiter unten bei den einzelnen
Versuchsgruppen beschrieben werden.
Karl Hannemann: Einfluß des Hirns auf Stoffi- und Energieumsatz. 81
Respirationsversuche.
Hier will ich ganz kurz die allgemeine Einrichtung meiner
Respirationsversuche beschreiben, soweit das zur Beurteilung
der Zuverlässigkeit meiner Untersuchungen notwendig ist.
Meine Versuchseinrichtung war, von einigen Modifikationen
abgesehen, dieselbe, die Р. Нагі!) bei seinen Fledermausver-
suchen angewendet hat.
Als Respirationskammer dienten in chemischen Laboratorien
gebräuchliche Exsiccatoren von 1!/, bis 2 1 Inhalt, mit einem
genau aufgeschliffenen, in der Mitte mit einer zur Aufnahme
eines Stopfens dienenden Öffnung (4 cm Durchmesser) versehenen
Deckel.
Über den unteren sonst zur Aufnahme von Chlorcalcium dienenden
Teil des Gefäßes kam ein weitmaschiges, verzinktes Drahtnetz, das dem
Versuchstier als Unterlage dienen und zu gleicher Zeit etwaigen Exkreten
ungehinderten Abfluß ermöglichen sollte. Die Öffnung im Exsicoator-
deckel wurde mit einem guten, 4fach durchbohrtem Gummistopfen ver-
schlossen und sorgfältig mit halbweichem Wachs gedichtet. Durch die
Bohrungen gingen: 1. ein kurzes Glasrohr zum Eintritt der Ventilations-
luft, 2. ein Austrittsrohr für die Ventilationsluft, das, bis zur halben
Höhe des Behälters gehend, in die Mitte eines ihm parallel laufenden
Glasrobres mündet. Die obere Öffnung dieser letzteren Röhre befindet
sich knapp unterhalb des Exsiocatordeckels, der untere Rohrschenkel
geht durch das weitmaschige Drahtnetz in den untersten Teil des
Exsiocators. Diese Einrichtung ermöglicht es, sowohl bei der Ventilation
vor Beginn des Versuches wie auch nach Beendigung bei der Entnahme
der zur Analyse benötigten Luftmenge die ganze Behälterluft, die ja
durch das Drahtnetz mit dem darauf sitzenden Versuchstier in zwei Hälften
getrennt wird, gründlich und gleichmäßig zu durchmischen. Dieses mit
der Mischvorrichtung versehene lange Ventilationsrohr ist knapp ober-
halb des Gummistopfens horizontal umgebogen, beide Glasröhren tragen
zum Verschluß kurze, dickwandige und enganschließende Gummischlauch-
stücke, die mittels Wachs und Draht gedichtet waren und durch Klemm-
schrauben stets an der gleichen Stelle verschlossen wurden. In die
3. Bohrung des Stopfens kam ein offenes Quecksilbermanometer, das
mit einer Millimeterskala versehen war, so daß auftretende Druckunter-
schiede direkt abgelesen werden konnten. Ein kurzes Thermometer mit
einer in Zehntelgrade geteilten Skala von 15° bis 25° füllte die 4. und
letzte Bohrung.
Zur Probe auf ihren hermetischen Verschluß wurde in den Be-
hältern ein negativer Druck von 50 mm Hg erzeugt; er war nach 3 Stunden
1) Р. Häri, Arch. f. d. ges. Physiol. 130, 112.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 6
82 Karl Hannemann:
unverändert. Jeder so vorbereitete Behälter wurde mittels destillierten
Wassers sorgfältig kalibriert. Die Kalibrierung ergab für meine 3 Ex-
siccatoren die folgenden Volumina:
I. — 2195 eem, II. = 2315 ccm, III. = 1678 ccm.
An 5 Fröschen stellte ich in Doppelversuchen das spezifische Ge-
wicht fest, das im Mittel 0,8 betrug. Mit dieser Konstante multipliziert
ergab sich aus dem mittleren Gewicht des vor und nach den Versuchen
gewogenen Tieres das mittlere Volumen des jeweiligen Versuchstieres.
Dies Tiervolumen zusammen mit Behälterfassungsraum und Innendruck
sowie mit der Innentemperatur und dem Barometerstand vor und nach
dem Versuch diente zur Berechnung des Behälter-Normalvolumens zu
Beginn und am Ende eines jeden Versuches Da ich nun, wie auch
Häri bei den bereits erwähnten Fledermausversuchen, mittels des
Zuntz-Geppertschen Apparates die prozentualen Veränderungen der
Behälterluft während der Dauer des Versuches bestimmen konnte, war
aus den beiden Normalvolumina eines jeden Versuches mit den ent-
eprechenden Prozentzahlen unschwer der gesamte Sauerstoffverbrauch,
wie auch die gesamte Produktion von Kohlensäure in einem gemessenen
Zeitabschnitt zu berechnen.
Die Handhabung des Apparates, die Gewinnung der zur Analyse
dienenden Luftmenge sowie die Berechnung der Versuche möchte ich
an Hand einer kurzen Schilderung des Versuchsganges beschreiben, den
ich bei allen Respirationsversuchen, die mit den obenerwähnten Арра-
raten ausgeführt wurden, durchweg einhielt:
Vor Beginn eines jeden Versuches wurde das Tier aus dem Frosch-
glas genommen, in dem es sich nachts über in wenig Wasser sitzend
aufgehalten hatte, und durch leichtes und vorsichtiges Drücken der in
der Blase befindliche Harn abgedrückt. Nun kam der Frosch in ein
verschließbares tariertes Wägeglas und es wurde sein Gewicht auf Zehntel-
gramm genau bestimmt. Hierauf wurde er in den gut ausgetrockneten
Exsiccator auf das Drahtnetz gesetzt uud der Behälter, nachdem noch
der untere Schenkel des langen Ventilationsrohres seitlich des Tieres
durch eine Drahtnetzmasche gesteckt war, sorgfältig durch Aufreiben
des mit einer Mischung von Wachs und Vaselin bestrichenen Deckels
verschlossen und mit 3 Schraubenklammern versichert. So hermetisch ab-
geschlossen wurde der Exsiccator mittels des kurzen Ventilationsrohres
an eine kleine, elektrisch betriebene Kreiselsaugpumpe angeschaltet,
während die lange mit der Mischvorrichtung versehene Lufteintrittsröhre
mit der Straßenluft verbunden wurde. Die Straßenluft mußte zur
Reinigung und Temperierung erst langsam zwei hintereinandergeschaltete
mit Wasser von Zimmertemperatur beschickte Gaswaschflaschen passieren,
trat alsdann durch das doppelschenklige Rohr an zwei weit auseinander
liegenden Stellen in den Tierbehälter ein, ventilierte diesen und trat
durch das kurze Rohr zur Saugpumpe aus. Die beiden Wasserpassagen
dienten dazu, die Behälterluft mit Wasser zu sättigen, so daß nachher
bei der Berechnung des Normalvolumens die der jeweiligen Innentempe-
rıtur entsprechende Wasserdampftension eingesetzt werden konnte.
Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 83
Bei dieser Art der Lufterneuerung konnte ich nach ca. einstündiger
Ventilationsdauer annehmen, daß die ganze Behälterluft gleichmäßig
die Zusammensetzung der konstanten Straßenluft hatte. Nun wurde
der Zeitpunkt notiert, die Klemmschrauben erst des Luftaustritte-, dann
des Lufteintritterohres geschlossen und die Behälterinnentemperatur sowie
der Barometerstand abgelesen. Das Manometerquecksilber stand bei
Beginn des Versuches auf + 0. So vorbereitet wurde der Exsiocator
in ein mit Wasser von Zimmertemperatur gefülltes großes Gefäß soweit
versenkt, daß sich der ganze Apparat unter Wasser befand und nur Thermo-
meter und Manometer darüber hervorragten.
Die im weiteren Verlaufe des Versuches eintretenden Veränderungen
des Manometerstandes waren, außer den in Rechnung zu setzenden
meist unbedeutenderen Einwirkungen durch Veränderung von Tempe-
ratur und Barometerstand, durch den respiratorischen Gaswechsel
hervorgerufen, der zu einem negativen Druck von — 0,5 bis — 17mm Hg
führte, verursacht durch das geringere Volumen der ausgeatmeten Kohlen-
säure im Verhältnis zum Volumen des eingeatmeten Sauerstoffs').
Die Beendigung des Versuches nach einer dem Gewichte des Ver-
suchsfrosches entsprechenden Zeitdauer und die Entnahme der Analysen-
luft geschah folgendermaßen:
Erst wurde wiederum Barometerstand, Innentemperatur sowie
Innendruck festgestellt, dann wurde die Behälterluft gründlich durch-
mischt und die benötigte Menge von 220 oom in eine Bürette über an-
gesäuertem Wasser abgesaugt. Das Durchmischen und die Probenahme
geschah nach den bereits oben erwähnten Angaben Häris mit gering-
fügigen Änderungen:
Die Dieulafoysche Spritze kam in ihre Teile zerlegt in die flache
Schale, die mit soviel schwach angesäuertem und durch etwas Lackmus
rot gefärbtem destilliertem Wasser gefüllt war, daß es die ganze Spritze
gut bedeckte. Nun wurden die Spritzenteile unter Wasser zusammen-
gefügt und die eine Mündung des Dreiweghahnes an eine Glasröhre ge-
schaltet, die an beiden Enden rechtwinklig abgebogen die Spritze der-
art mit dem langen Ventilationsrohr des Repirationsapparates verband,
daß die beiden Gummirohrverbindungsstücke sich völlig unter Wasser-
abschluß befanden. Die zweite Spritzenmündung wurde mit einem
Bürettengestell verbunden. Aus beiden Leitungen hatte ich selbstver-
ständlich vor ihrem Abschluß erst jegliche Luft durch angesäuertes
Wasser verdrängt und die freien Enden sorgfältig unter Wasser vereinigt.
Nunmehr wurde durch entsprechende Stellung des Dreiweghahnes
die Verbindung zwischen Behälter und Spritze hergestellt, dann die oben
erwähnten Daten abgelesen und die den Behälter verschließende Klemm-
1) Diese Druckabnahme diente zugleich als Maßstab der CO,-An-
sammlung im Tierbehälter und war mitentscheidend für die Dauer des
Versuches, die so gewählt wurde, daß die Konzentration der CO, in der
Bebälterluft etwa 1 bis 1,5°/,, nur in einigen Versuchen über 2°/,, in
2 Versuchen über 3°/, betrug.
6*
84 Karl Hannemann:
schraube geöffnet. Jetzt wurde die Spritze langsam mit Behälterluft
vollgesogen, dies Luftquantum wieder in den Behälter zurückgetrieben
und nach 5maligem Wiederholen dieser Ventilation durfte ich mit Rück-
sicht auf das Mischrohr annehmen, daß die Behälterluft gründlich durch-
mischt sei. Nun wurde wiederum der Zeitpunkt notiert, der Hahn um-
gestellt und die den Weg zur Bürette verschließende Klemmschraube ge-
lockert. Unter entsprechendem Senken der Niveaukugel und unter wieder-
holtem Umstellen des Dreiweghahnes füllte ich sodann die Bürette mit
der zur Analyse nötigen Luftmenge, die alsbald mittels des Zuntz-
Geppertschen Apparates in Doppelanalysen auf ihren prozentualen
Gehalt an Sauerstoff und Kohlensäure untersucht wurde.
Der unter starkem negativen Druck stehende Tierbehälter wurde
nach der Luftentnahme aus dem Wasser gehoben und entweder für
einen weiteren Versuch wieder 1 Stunde lang mit Straßenluft ventiliert
oder aber geöffnet, dann wurde das Versuchstier abermals gewogen und
für die Nacht in das mit etwas Wasser versehene Froschglas gebracht.
Das jeweilige Schlußnormalvolumen lieferte zusammen mit den aus
der Zuntz-Geppertschen Analyse erhaltenen Gasprozentwerten die
Größen für die gesamte Kohlensäureproduktion und den gesamten Sauer-
stoffverbrauch (Rubriken c und d der Tabellen), aus denen sich so-
dann der respirstorische Quotient berechnete. Das Normalvolumen zu
Beginn des Versuches (a) plus der produzierten Kohlensäuremenge (c)
minus der verbrauchten Menge Sauerstoff (d) gaben die Berechnungs-
größe (e) für das Schlußnormalvolumen, die zur Kontrolle der aus den
Schiußdaten gefundenen Versuchsgröße (b) des gleichen Schlußnormal-
volumens diente. Die plus- und minus-Differenzen zwischen b und е
baben gelegentlich einen groben Berechnungsfehler aufgedeckt und sind
in den Tabellen in Prozenten von b aufgeführt.
Calorimetrische Versuche.
In 3 Versuchsreihen habe ich mit dem in diesem Hefte
von Prof. Е. Tangl beschriebenen Calorimeter die Wärme-
produktion vor und nach der Exstirpation des Großhirns be-
stimmt. Ich verweise auf seine Beschreibung. Bemerken möchte
ich nur, daß in der 1. Versuchsreihe der Apparat mit getrockneter
Luft ventiliert wurde, wobei der größte Teil der produzierten
Wärme durch Wasserdampf gebunden wurde. Um die unnatürlich
groBe Wasserdampfabgabe zu verhüten, wurde in den übrigen
Versuchen mit Wasserdampf gesättigte Luft zur Ventilation
verwendet, oder während des Versuchs nicht ventiliertt. Nur
nach Schluß des Versuchs wurde die CO, ausventiliert.
Vor dem Versuch wurde der Frosch ausgedrückt, gewogen
und die Kloakentemperatur — ebenso auch am Ende des Ver-
suchs — auf Zehntelgrade genau gemessen.
Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 85
A. Totalexstirpation des Großhirns.
Meine erste Frage lautete: Läßt sich durch Gehirnexstir-
pation überhaupt eine sichere quantitative oder qualitative
Veränderung des Froschstoffwechsels nachweisen und liegt sie
außerhalb der Fehlergrenze und der täglichen Schwankungen?
Zur Beantwortung dienten 5 Respirationsversuchsreihen
und 3 Calorimeterversuchsreihen. Ich hatte außer diesen Ver-
suchsreihen noch drei andere, die aber mißglückten.
Hatte ich nach ungefähr 3 bis 4 Normalversuchen ent-
sprechend konstante Werte erhalten, so daß ich eine gute Ver-
gleichsbasis annehmen konnte, dann ging ich daran, den Tieren
in möglichst kurzer Operationsdauer und ohne größere Blut-
verluste das Gehirn zu exstirpieren. Hierbei ging ich folgender-
maßen vor:
Der Frosch wurde auf ein Froschbrettchen aufgebunden, nachdem
ich zuvor noch sein Gewicht festgestellt hatte. Um eventuelle Folgen
dieser Prozedur kontrollieren zu können, habe ich mehrere Tiere vor
einigen Normalversuchen eine halbe Stunde lang aufgebunden und keine
größeren als Tagesschwankungen feststellen können. Sodann wurde dem
sich meist sehr ruhig verhaltenden Tiere die Kopfhaut zwischen den
Augenkuppeln durch einen Längsschnitt са. 3 bis 4 cm weit gespalten
und ein Loch von ca. 5 mm Durchmesser in das Schädeldach trepaniert
und möglichst ohne Berührungen der Hirnmasse diese Öffnung mittels
einer feinen Knochenschere nach vorne und nach hinten so weit ver-
größert, daß das ganze Gehirn von den Lobi olfactorii bis einschließlich
der Cerebellarplatte gut sichtbar freilag. Etwa aufgetretene kleinere
Blutungen wurden vorsichtig abgetupft, dann das Gehirn mit einem feinen
scharfen Messerchen zwischen Cerebellum und der Medulla oblongata
rasch durchschnitten, möglichst ohne diese letztere zu verletzen. . Im
Augenblick der Durchtrennung trat jedesmal ein letzter gedehnter Quak-
ton auf und die Tiere nahmen jene schon von Sohrader!) beschriebene
zurückgebogene Kopfhaltung an, die die meisten auch bis zum Exitus
beibehielten. Im unmittelbaren Anschluß an die Durchschneidung wurde
das Gehirn beidseitig mit dem Messerchen vorsichtig von den anhängen-
den Hirnnerven, insbesondere von den starken Nervi optici losgelöst,
sodann die Lobi olfactorii an ihrer vorderen Grenze durchtrennt opd
die ganze Hirnmasse mit einem durchschnittlichen Gewicht von 0,150 g
mittels einer Pinzette unschwer herausgehoben. Die hierbei auftretende
Blutung, die im allgemeinen beim vorsichtigen Loslösen des Gehirns
ziemlich geringfügig war, wurde durch Tamponade mit steriler Gaze
meist nach kurzer Zeit zum Stehen gebracht. Nun wurden die Wund-
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 41, 75, 1887.
Karl Hannemann
86
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88 Karl Hannemann:
ränder der Haut durch Seidennaht vereinigt und das Tier alsdann vom
Operationsbretteben losgebunden und gewogen.
Die Körperhaltung nach der Operation unterschied sich von der
normaler Tiere vor allem durch die obenerwähnte Kopfhaltung, ferner
wurden die Gliedmaßen „unordentlich“ gehalten und z. B. ein weg-
gezogenes Bein nur unvollkommen angezogen. Der Quakreflex war ver-
schwunden und die Tiere blieben stumm. Auch von den Atembe-
wegungen war nichts mehr zu bemerken. Die Frösche hielten die Flanken
wie auch den Kehlsack eingezogen, und so boten sie, da auch die Augen
halb geschlossen waren, äußerlich ganz das Bild der Leblosigkeit. Das
Hellerwerden des Hauptpigments in der Dunkelheit war gesteigert, bei
einigen Tieren bis zu einer graugelben Färbung.
Bewegungsreflexe traten nach Beklopfen oder ruckweisem Ver-
schieben des Behälters auf. Wurden die operierten Frösche mit einem
spitzen Iustrumente berührt oder ein kräftiger Druck auf die Extremi-
täten ausgeübt, so machten sie einige unregelmäßige ziellose Kriech-
schritte nach verne, gleichviel woher die Veranlassung kam, und blieben
bald wieder mit halb angezogenen Hinterbeinen sitzen.
Nach der Operation kam eine Erholungspause von ein-
stündiger Dauer. Die alsdann beginnende Fortsetzung der
Respirations- bzw. Calorimeterversuche mit den operierten Tieren
zeigte als Folge dieser „Totalexstirpation“ des Gehirns in sämt-
lichen 8 Versuchsreihen eine überraschend große Steige-
rung des Gaswechsels und der damit parallel gehen-
den Wärmeabgabe.
Dies geht unzweideutig aus Tabelle I hervor, in welcher
diese Versuche mit allen Einzelheiten angeführt sind (S. 86, 87).
Bemerkt sei, daß ich darauf achtete, die Behältertempe-
ratur vor und nach den Eingriffen möglichst gleich zu erhalten,
da bekanntlich (Isserlin!) bei den Poikilothermen mit der
Außentemperatur auch der Stoffwechsel steigt. Mit Ausnahme
der Versuchsreihe 1 wächst die CO,-Produktion viel stärker wie
der O,-Verbrauch, der in einer Versuchsreihe (7) ganz unver-
ändert bleibt, dementsprechend wächst der RQ. Worauf das
ganz abweichende Ergebnis der Versuchsreihe 1 zurückzuführen
ist, kann ich nicht angeben. (Möglicherweise handelt es sich
um einen Versuchsfehler.)
Die Steigerung des Gaswechsels, die, wie aus der Versuchs-
anordnung hervorgeht, gleich nach der Exstirpation auftritt, ist
vorübergehend; am stärksten ist sie am Tage der Operation. Aber
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 90, 472.
Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 89
bereits am folgenden Tage ist eine Abnahme zu bemerken,
wenn auch noch bis zum 3. und 4. Tage besonders die CO,-
Produktion höhere Werte aufweist als vor der Gehirnexstirpation.
Freilich tritt eine Komplikation dadurch hinzu, daß meine Tiere
die Gehirnexstirpation höchstens 5 Tage überlebten, die meisten
gingen aber viel früher ein. Es dürfte also schwer zu ent-
scheiden sein, wieviel von der raschen Abnahme des Gaswechsels
auf Rechnung der prämortalen Abschwächung des Stoffwechsels
zu schreiben ist.
Zur Berechnung der Größe der Steigerung des Gaswechsels
habe ich für jede Versuchsreihe aus den Versuchen vor der
Gehirnexstirpation für die Stundenwerte des O,-Verbrauchs und
CO,-Ausgabe die Mittelwerte gezogen und die Veränderungen,
die der erste Versuch nach der Exstirpation ergab, auf diesen
Normalwert bezogen (s. Tabelle II).
Tabelle II.
Mittelwerte pro 1 Stunde.
Vor
der Operation
Nach
der Operation Veränderung
Versuch Nr.
9,21111,08
14,20|15,29
Der Umstand, daß die Steigerung des Gaswechsels gleich
nach der Exstirpation stattfand, widerlegt den eventuellen Ein-
wand, daß die Steigerung etwa die Folge einer Infektion wäre,
in welchem Falle sie an den folgenden Tagen auch nicht
zurückgehen dürfte. Um aber die Veränderung im Gaswechsel
als Folge der Entfernung des Großhirns selbst ansprechen zu
können, mußte noch entschieden werden, ob nicht etwa schon
die Trepanierung — die ohne Narkose ausgeführt wurde —
und die Freilegung des Hirnes zu einer Erhöhung des Gas-
wechsels führt. Dazu diente die Versuchsreihe 9. Die „Kontroll-
Karl Hannemann
90
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Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 91
operation“ wurde genau so ausgeführt wie die oben beschriebene
Exstirpation bis zu dem Augenblick der Trennung durch den
Schnitt. Das Tier wurde vernäht und nach der Erholungs-
pause wie alle übrigen Tiere in den Versuchsapparat verbracht,
wobei sich zeigte, daß der Stoffwechsel keine über die täglichen
Schwankungen hinausgehende Veränderung erlitten hatte. Die
am 30. IX. alsdann erfolgte Herausnahme des Vorder- bis Mittel-
hirns hatte nun eine Steigerung der Kohlensäureproduktion um
729, und des Sauerstoffverbrauches um 42°/,, sowie auch
eine beachtenswerte Erhöhung des Quotienten zur Folge.
Auch die Versuchsreihen 13 und 14, über die im nächsten
Abschnitt die Rede sein wird, sind solche Kontrollversuche.
Es ist demnach zweifellos, daß die Entfernung
des Großhirns — und nicht die vorbereitenden Ope-
rationen — zur Erhöhung des Gaswechsels führte.
Die vorstehende Tabelle III enthält die Daten der 3 Ver-
suchsreihen, in denen die Veränderung der Wärmeproduktion
nach der Entfernung des Großhirns (Vorder-, Zwischen- und
Mittelhirns) calorimetrisch bestimmt wurde.
Alle 3 Versuchsreihen beweisen in ausgezeichneter Über-
einstimmung untereinander und mit den oben besprochenen
Gaswechselvereuchen, daß die Wärmeproduktion — ebenso
wie der Gaswechsel — gleich nach der Großhirnexstir-
pation bedeutend ansteigt, aber bereits am darauffolgenden
Tage wieder sinkt. In einer Versuchsreihe (8) war die Wärme-
produktion am nächsten Tage unter den Wert vor der Ope-
ration gesunken, in den anderen zweien war sie noch immer
größer als vor der Operation. Berechnet man aus den Werten
vor der Operation die Mittel und bezieht auf diese die Er-
höhung der Wärmeproduktion nach der Operation, so ergibt sich:
Tabelle IV.
Mittelwerte pro 1 Stunde.
|
|
Versuchsreihe |
Veränderung
Nummer der
ccm ccm
49,41 | 7596 |+33,55|+ 7911 7,91 | 1125 |+334| +424
15 | 23,65 | 4921 |+25.561+108.1| 3,75 799 |4+354 +944
51,43 | 67,36 |+15,93|+ 31,01 9,10 12,40 |+3,30 | + 36,2
сл CO
>
992 Karl Hannemann:
Die Wärmeproduktion verändert sich ganz parallel mit
der CO,-Produktion, was aus der ziemlichen Konstanz des
Quotienten Kg hervorgeht.
CO,
Nicht unerwähnt möchte ich eine Beobachtung lassen, die
ich an zweien meiner Versuchstiere machte (Versuchsreihe 1
und 4). Bei beiden Tieren begann das Körpergewicht nach
der Operation zu steigen, so beim ersteren Frosche nach
4 Tagen bereits um nahezu 50°/,. Bei der Sektion fand ich
die Harnblase sehr stark ausgedehnt und prall mit Harn ge-
füllt. Ödeme waren nicht vorhanden, auch war im Blasenharn
kein Zucker, und Eiweiß nur in Spuren nachzuweisen. Die
Hirnexstirpation dürfte die reflektorische Entleerung der Harn-
blase gehemmt haben, wodurch das vom Tiere aufgenommene
Wasser nicht entleert wurde. Daher die Gewichtszunahme.
Warum diese Erscheinung in den anderen Versuchsreihen aus-
blieb, konnte ich nicht ermitteln.
B. Exstirpation der Großhirnhemisphären.
Durch weitere Versuche sollte nun festgestellt werden, wie
weit die einzelnen Abschnitte des Großhirns an der gefundenen
Erhöhung des Gaswechsels beteiligt sind. Zu diesem Zwecke
dienten 2 Gruppen von Versuchstieren: in der einen wurden
nur die Großhirnhemisphären (das Vorderhirn) exstirpiert, in der
anderen die Lobi optici (das Mittelhirn).
Die Großhirnhemisphären habe ich bei den Fröschen XIII
und XIV exstirpiert, nachdem ich am Tage zuvor an beiden
Tieren, so wie ich es oben bei Frosch IX beschrieb, je einen
Kontrollversuch ausführte, d.h. nach mehreren Normalversuchen
das Schädeldach trepanierte, ohne das Gehirn zu verletzen, und
nach dem Vernähen der Wunde einen Respirationsversuch aus-
führte. Erst am nächsten Tage wurden mit einem scharfen
Messerchen die beiden Großhirnhemisphären unter möglichster
Schonung der nachbarlichen Hirmabschnitte exstirpiert, die
Wunde vernäht und die Tiere nach der Erholungspause in
Versuch genommen.
Diese Frösche ohne Hemisphären sehen auf den ersten
Anblick aus wie normale Tiere, es bleiben die normalen Atem-
tz. 93
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Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Ene
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94 Karl Наппетапп:
bewegungen, und auch die Augen sind normal geöffnet. Ев
tritt jedoch eine übergroße Bewegungssucht in Erscheinung,
die Tiere kriechen und klettern immer umher, reagieren auf
den geringsten Reiz und zeigen eine allgemeine Unruhe. Die
sonst bei den Fröschen nach der Operation auftretende hellere
Hautfärbung fehlt, die Tiere ohne Hemisphären bleiben auf-
fallend dunkel.
In der Tabelle V (S.93) sehen wir als Folge der Hemisphären-
exstirpation in beiden Fällen erst eine bedeutende Erhöhung,
sowohl der Kohlensäureabgabe als auch des Sauerstoffverbrauchs,
also im Gegensatz zu den Versuchen mit Totalexstirpation
eine der CO,-Steigerung gleiche Steigerung des Sauerstoffs, so
daß hier der respiratorische Quotient nach der Operation nicht
wie bei den Versuchen mit Totalexstirpation ansteigt, sondern
annähernd gleich bleibt. Mittelwerte der Steigerung für die
beiden Versuchsreihen nach der Exstirpation der Hemisphären
enthält Tabelle VI.
Tabelle VI.
Mittelwerte pro 1 Stunde.
13| 3,91 | 6,62 0,595 | 7,87 |14,330,549 [+ 3,96 4 101,2 4 7,71 |+116,4|— 0,046
14] 4,50 | 7,08 [0,638 | 9,05 113,55 0,668 Lt 4,55 |+101,1/+ 6,47 |+ 91,4| 0,030
Diese Steigerung jedoch von ca. 100°/, sowohl beim Sauer-
stoff wie bei der Kohlensäure geht so rasch zurück, daß beim
Frosch XIII noch am Operationstag, bei Frosch XIV am Tage
nach der Operation die Werte bereits wieder als normal an-
zusprechen sind.
Die Normalwerte des Frosches XIII zeigen, wie ich hier
einfügen möchte, bemerkenswerte Tagesschwankungen: die am
Vormittag angestellten Versuche ergaben bedeutend höhere Werte
als die Nachmittagsversuche, besonders der Sauerstoffbedarf.
Da am Vormittag des auf die Hemisphärenexstirpation
folgenden Tages bei den beiden parallelen Versuchsreihen
95
eumsatz.
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Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Ene
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96 Karl Hannemann:
Kohlensäure- wie auch Sauerstoffwerte wieder normal geworden
waren, habe ich bei den Versuchstieren XIII und XIV im An-
schluß an die Versuche 10 die Hautnaht entfernt und nach
vorsichtiger Reinigung der Wunde von dem gebildeten Blut-
koagulum die beiden Lobi optici unter möglichster Schonung
der darunterliegenden Teile exstirpiert. Die Ergebnisse dieser
Nachoperation habe ich mit den Ergebnissen der Tabelle V in
der folgenden 3. Gruppe vereinigt.
C. Exstirpation der Lobi optici.
Im Gegensatz zur Hemisphärenexstirpation mit ihrem
gleichbleibenden respiratorischen Quotienten erhielt ich nach
Entfernung der Lobi optici eine große Steigerung der CO,-
Produktion und eine bedeutend geringere des O,-Verbrauchs,
so wie nach der Totalexstirpation des Großhirns. Außer den
Fröschen XIII und XIV habe ich noch 2 Versuchsreihen an
den Fröschen VI und XII, deren Daten die Tabelle VII
(S. 95) enthält.
Die Erhöhung des => a . Quotienten ist besonders bei
2
Frosch XII sehr groß, weil die Steigerung der CO,-Produktion
ganz besonders erheblich war. Die folgende Tabelle zeigt die
Größe der Steigerung des Gaswechsels, bezogen auf den Mittel-
wert vor der Operation.
Tabelle VIII.
Mittelwerte pro 1 Stunde.
Nach
der Operation
Vor
der Operation
Veränderung
Versuch Nr.
12| 5,18 | 8,89| 0,584[14,61 11,03/1,325 + 9,43 |4182
13| 3,91 | 6,62 0,595] 6,76| 7,83:0,863 |+ 2,85 |+ 72,
14| 4,50 | 7,08| 0,638] 7,72| 8,780,885 [+ 3,22 |+ 71,
Diskussion der Ergebnisse.
Überblicken wir meine Versuche, so stellt sich als wesent-
liches Ergebnis derselben die unzweifelhaft festgestellte
Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 97
Tatsache heraus, daß sowohl die Entfernung des ganzen
Großhirns (Vorder-, Zwischen- und Mittelhirn) als auch
nur der Großhirnhemisphären (Vorderhirn) oder nur der
Lobi optici (Mittelhirn) eine ganz bedeutende, einen bis
mehrere Tage anhaltende Erhöhung des Stoffwechsels
zur Folge hat. Es werden sowohl der O,-Verbrauch, als auch
die CO,-Produktion erhöht, doch ist — mit Ausnahme der
Hemisphärenversuche — die Erhöhung der СО, - Produktion
größer als die des O,-Verbrauchs.
Dieses auf den ersten Blick etwas überraschende Ergebnis
bietet indes keine Schwierigkeiten für die Erklärung. Längst
bekannt ist die hemmende Wirkung des Großhirns auf die
Reflextätigkeit des Organismus, wenn auch diese Wirkung jetzt
noch durchaus nicht einheitlich gedeutet wird!). Die ersten
eingehendsten Versuche am Frosch hat Setschenow’) an-
gestellt. Aus seinen bekannten Versuchen zog er den Schluß,
daß in den Thalami optici, in den Lobi optici und in dem
oberen Teile des Kopfmarkes besondere Hemmungszentren sind.
Wenn auch gegenwärtig nur wenige an die Existenz spezifischer
Hemmungszentren im Sinne Setschenows glauben dürften?),
so steht es doch fest, daß die Erntfernung des Großhirns über-
haupt eine Erhöhung der Reflextätigkeit zur Folge hat‘).
Es sind also die gesteigerte Reflextätigkeit und die
nach Entfernung des Großhirns zweifellos eintretende Erhöhung
des Muskeltonus die Ursache der Steigerung des Stoffwechsel».
Freilich ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn z. B.
ist das äußere Verhalten der Frösche nach der Totalexstirpation
des Großhirns ganz verschieden von dem der bloß der Hemi-
sphären oder der Lobi optici beraubten Frösche; die ersteren
sitzen ganz ruhig, machen keine Atembewegungen, während
die letzteren atmen, eventuell unruhig herumkriechen. Und
doch ist bei allen 3 Gruppen der Energieumsatz erhöhlt. Da
ist noch sehr vieles aufzuklären.
Von Wichtigkeit ist die Tatsache, daß diese Steigerung
1) Eckhard in Hermanns Handb. d Physiol. 2, П. Teil, 1879.
D Setschenow, Physiol. Stud. o d Hemmungsmechanik usw.
Berlin 1863.
EK Hering in Asher-Spiros Erg. d. Physiol. 1, II. Teil, S. 503, 1902.
4“) О. Langendorff, Arch. f. Physiol. 1891, 496.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 7
98 Karl Hannemann:
des Stoffwechsels vorübergehend ist. Das spricht entschieden
dafür, daß die Steigerung eine Reizwirkung ist und nicht etwa
die Folge des Ausfalls einer tonischen Wirkung. Ob und wie
weit diese Steigerung des Stoffwechsels zeitlich mit der Ver-
änderung der Reflexerregbarkeit zusammenhängt, darüber
geben meine Versuche keine Aufklärung, das müßten weitere
Untersuchungen klarstellen. Jedenfalls dürfte der von mir fest-
gestellten Tatsache der Steigerung des Energieumsatzes eine
wichtige Rolle zufallen bei der Theorie des Hemmungsmecha-
nismus bei der Reflextätigkeit; dazu sind aber noch zahlreiche
in verschiedener Richtung auszuführende Versuche notwendig.
Ich enthalte mich daher — eben in Ermangelung der nötigen
experimentellen Daten —, auf eine nähere Diskussion dieser
Frage einzugehen.
Hervorheben möchte ich aber, daß keinesfalls die Ver-
änderungen der Atembewegungen die Veränderung des Gas-
wechsels verursachen können. Das bewiesen besonders die
Versuche mit der Totalexstirpation des Großhirns: da hörten die
Atembewegungen, wie oben erwähnt wurde, ganz auf, bei den
übrigen nicht, und doch war in allen Versuchen der Gaswechsel
erhöht. Allerdings ist die Steigerung in den Versuchen mit
Totalexstirpation durchschnittlich geringer als in den übrigen
Versuchen. Diese Differenz kann teilweise wohl dem Ausfall
der Atembewegungen zugeschrieben werden.
Ebenso wichtig, aber noch weiterer Aufklärung bedürftig
sind die Differenzen in der Veränderung des Gaswechsels nach
der Exstirpation verschiedener Gehirnteile.. Diese Differenzen
sind nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Zur Ver-
anschaulichung dieser Differenzen habe ich auch für alle Ver-
suche je einer Gruppe die folgenden Durchschnittswerte berechnet.
Es verändert sich durchschnittlich:
— — —
dor EN -
8
Quotient
um
nach der Exstirpation des ganzen
Großhirns . .. 2.2 sss + 54 + 29 + 0,142
nach der Exstirpation der Großhirn-
hemisphäre. . . . 2.2 2.2... + 101 + 104 — 0,008
nach der Exstirpation der Lobi
Оро жд EEGEN + 101 + 21 | + 0,418
Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 99
Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß bereits
Goltz!) in seiner berühmten Arbeit über den großhirnlosen
Hund Beobachtungen mitteilt, aus denen er selbst auf eine Er-
höhung des Energieumsatzes folgert. Er sagt wörtlich: „Trotz-
dem das Tier einige Wochen nach der Operation die Fähigkeit,
dargereichtes Futter selbständig aufzunehmen, wieder erworben
hatte, magerte sein Hinterkörper, wie auf S. 586 berichtet,
trotz daraufhin gegebener überreichlicher Fütterung immer
mehr und mehr ab.“ Weiterhin auf S. 591: „Zweifellos ist
also der größte Teil der von dem Hunde aufgenommenen Nah-
rungsmassen verdaut worden. Wenn das Tier gleichwohl keine
Zunahme seines Körpergewichts zeigte, so mußte offenbar seine
Kraftausgabe eine außerordentliche sein.“ Ferner ver-
mutet Goltz, daß großhirnlose Hunde auch viel mehr Wärme
durch Strahlung und Leitung verlieren als normale Tiere. Die
Haut der großhirnlosen Hunde ist seinen Beobachtungen nach
in der Regel auffallend warm. Wie die Sektion zeigte, hatte
Goltz’ Hund auch einen beachtenswerten Teil der Vierhügel
eingebüßt.
Zusammenfassung.
1. Die Entfernung des ganzen Großhirns oder nur der
Großhirnhemisphären oder nur der Lobi optici (Mittelhirn) er-
zeugt beim Frosche eine bedeutende, einen bis mehrere Tage
anhaltende Erhöhung des Gaswechsels.
2. Es werden sowohl der O,-Verbrauch als auch die CO,-
Produktion erhöht, letztere — mit Ausnahme der Hemisphären-
exstirpation — stärker als der O,-Verbrauch.
3. Mit der Erhöhung des Gaswechsels ist eine Erhöhung
der Wärmeproduktion verbunden, was durch direkte Calori-
metrie nachgewiesen wurde.
1) Goltz, Arch. f. d. ges. Physiol. 51, 570.
Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns.
Von
Franz G. Alexander und Stephan Cserna.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: F. Tangl.)
(Eingegangen am 5. Juni 1913.)
Es wird allgemein angenommen, daß die narkotisierende
Wirkung gewisser Stoffe in einer Störung des Stoffwechsels der
narkotisierten Zellen besteht. Der Mechanismus dieser Störung
ist nicht bekannt. Daß eine solche Störung vorhanden ist,
zeigt das teilweise oder auch vollständige Aufhören gewisser
Organfunktionen, und daß diese Störung eine reversible Ver-
änderung ist, zeigt die Wiederkehr der gelähmten Funktionen
nach der Narkose. Am meisten entspricht dem Bilde der Nar-
kose eine Verminderung der Reaktionsgeschwindigkeit gewisser
mit den reduzierten oder ausgeschalteten Lebenserscheinungen
funktionell verbundenen Reaktionen. Bei der Verminderung
der Reaktionsgeschwindigkeit kann man zunächst an eine auf
antifermentativem Wege veränderte Reaktionsgeschwindigkeit
oder an die Verminderung der Konzentration der an der Re-
aktion teilnehmenden Stoffe denken.
Es sind Tatsachen bekannt, die darauf hinweisen, daß die
Oxydationsvorgänge während der Narkose gestört sind.
Die Untersuchungen von Max Verworn und seiner Schule?) zeigen,
daß das ermüdete und narkotisierte Rückenmark des Frosches den
Sauerstoff während der Narkose nicht, wie das ermüdete aber nicht
narkotisierte Organ, zur Erholung verwerten kann. Daraus zieht Ver-
worn den Schluß, daß das Wesen der Narkose die Unterdrückung der
1) Max Verworn, Ermüdung, Erschöpfung und Erholung der
nervösen Zentren des Rückenmarks. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol.
Abt., Suppl. 1900. — Н. Winterstein, Zur Kenntnis der Narkose.
Zeitschr. f. allg. Physiol. 1, 1902.
Franz С. Alexander u. Stephan Cserna: Einfluß der Narkose usw. 101
Fähigkeit Oxydationen auszuführen ist, und daß während der Narkose
der Stoffwechsel nur in einem anoxydativen Zerfall besteht. Da aber
hier keine quantitativen und gasanalytischen Untersuchungen vorliegen,
erfahren wir aus diesen Versuchen nicht die Wirkung der Narkotica auf
die Sauerstoffaufnahme und Oxydationsvorgänge, wenn sie auch auf die
Richtung dieser Wirkung Schlüsse erlauben.
Die Abnahme der ÖOxydationen oder exakter die Abnahme der
Reaktionsgeschwindigkeit der Oxydationen kann, wie schon erwähnt,
entweder durch antifermentative Prozesse!) (Lähmung der Wirkung von
Oxydasen) oder durch die Verminderung der Konzentration der an der Reak-
tion teilnehmenden oxydablen Stoffe?) bzw. des Sauerstoffes erklärt werden.
Die letztere Möglichkeit ist das Wesen der Theorie vonMansfeld?),
der auf die Übereinstimmung der Wirkung des Sauerstoffmangels und
der Narkotica aufmerksam machte und die Narkose durch die vermin-
derte Fähigkeit der Sauerstoffaufnahme der Lipoide erklärte.
Vor allem muß aber bewiesen werden, ob die Narkotica
wirklich den Gaswechsel des Zentralnervensystems
beeinflussen. Bei den erwähnten Erklärungsversuchen werden
Funktionslähmung und Abnahme der Oxydationen immer für
funktionell verbunden gehalten. Daß das prinzipiell nicht an-
genommen werden darf, zeigen die Untersuchungen von О.
Warburg‘). Er beobachtete eine funktionshemmende Wirkung
der Narkotica, die Hemmung der Furchungen von Eiern, ohne
eine gleichzeitige Wirkung auf den Sauerstoffverbrauch. Hier
sind also die Oxydationsvorgänge intakt geblieben und ein ganz
anderer Teil der Stoffwechselvorgänge gelähmt. Bei den roten
Blutzellen hat Warburg eine Verminderung der Sauerstoff-
aufnahme durch Narkotica beobachtet. Wenn man die große
1) Als solche muß auch eine durch die Narkotica verursachte Ver-
änderung der Strukturteile (Zelloberfläche) der Zellen aufgefaßt werden,
da О. Warburg zeigen konnte, daß die letzteren eine fermentähnliche
Wirkung auf die chemischen Vorgänge, an erster Stelle auf die Oxy-
dationen, haben. Wie die Zerstörung der Strukturteile, kann auch eine
Veränderung derselben wirken.
1) Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß in der Narkose die
Spaltungsprozesse, die zu oxydablen Stoffen führen, gehemmt werden.
In diesem Falle wäre die Abnahme der Oxydationen die sekundäre Folge
der Hemmung einer den Oxydationen vorangehenden Phase des Zell-
stoffwechsels.
з) Mansfeld, Narkose und Sauerstoffmangel. Arch. f. d ges.
Physiol. 129, 143.
4) O0. Warburg, Über die Oxydationen in lebenden Zellen. Zeitschr.
f. physiol. Chem. 66, 1910. — Ders., Über Beeinflussung der Oxy-
dationen in lebenden Zellen nach Versuchen an roten Blutkörperchen.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 69, 1910.
109 F. G. Alexander und St. Cserna:
Differenzierung der verschiedenen Zellen und Zellfunktionen,
also die großen Abweichungen in dem physikalisch-chemischen
Aufbau der verschiedenen Zellen bedenkt, so kann man keines-
falls eine einheitliche Wirkung der Narkotica auf diese erwarten.
Wenn man also unter „Narkose“ jede funktionshemmende Wir-
kung der Narkotica zusammenfaßt, so muß diese bei jedem
System für sich untersucht werden.
In den hier folgenden Untersuchungen wollten wir fest-
stellen, wie die Narkotica den Gaswechsel des Gehirns
beeinflussen. Wir verglichen den Gaswechsel des Hunde-
gehirns in der Narkose und im wachen Zustande. Zur Nar-
kose haben wir drei ganz verschiedene Typen von Narkotica
angewendet, und zwar: 1. Äthyläther, 2. Morphin, 3. MgSO,.
Versuchsanordnung und Methodik.
Den Gaswechsel des Gehirns haben wir in derselben Ver-
suchsanordnung bestimmt, die F. С. Alexander bereits an-
gewendet hat.
Die Hunde wurden in Äthernarkose operiert. Den tracheo-
tomierten Tieren banden wir eine Kanüle in eine Carotis zur
Messung des Blutdruckes, eine in eine Vena jugularis zur In-
fusion der Hirudinlösung und eine in eine Art. femoralis zur
Entnahme der Blutproben.
Die Blutproben wurden der Art. femoralis und dem Sinus
longitud. sup. entnommen. Die Art und Weise, wie wir das
Hirnblut diesem Sinus entnehmen, ist verschieden von der von
Hill und Nabarro?) befolgen. Um Gehirnblut zu gewinnen,
trepanierten sie das Schädeldach in der Gegend des Torcular
Herophili, durchstachen dieses und gewannen das Blut, indem
sie eine passende Röhre in das Trepanationsloch befestigten und
das ausströmende Blut direkt in die Gefäße der von ihnen benütz-
ten Gaspumpe leiteten. Selbstverständlich schließt diese Methode
eine Messung der Strömungsgeschwindigkeit aus, ohne deren
Kenntnis man aber aus dem Blutgasgehalt wenig folgern kann.
Auch wir trepanierten in der Gegend des Torcular Hero-
phili bzw. Sinus longitudinalis superior s. sagittalis. Zur Tre-
panation benützten wir teilweise mit Motor betriebene Kreis-
1) Hill and Nabarro, On the exchange of blood-gases in brain.
Journ. of Physiol. 18, 218, 1895.
Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 103
sägen, teilweise Handtrepane. Beide bewährten sich gleich
gut. Man muß eine ziemlich große Öffnung machen, um leicht
arbeiten zu können. Nach Herausheben des Knochenstückes
werden die Diplo&blutungen gestillt, was mit Tamponade fast
immer gelingt. Nun wird eine feine Glaskanüle (Arterienkanüle)
vorbereitet, ihr Ende mit einem Gummischlauche versehen und
mit Paraffinöl ausgefüllt. Das Paraffinöl wird durch Abklemmen
des Schlauches in der Kanüle gehalten, die durch einen kleinen
Schnitt in den Sinus eingeführt wird. Um einen großen Blut-
verlust zu verhindern, muß dies möglichst rasch geschehen.
Die Kanüle wird nun in dem Sinus festgebunden, indem man
mittels einer kleinen gekrümmten Nadel einen Faden um den
Sinus führt — was in der Fissura Palli leicht, ohne Be-
schädigung des Gehirns durchführbar ist.
Die Blutentnahme kann jetzt direkt in die kalibrierten
Pipetten erfolgen, wir müssen sie nur durch den Schlauch mit
der Kanüle verbinden und die Klammer entfernen. Die Mes-
sung der Strömungsgeschwindigkeit wurde nach Barcrofts Me-
thode gleichzeitig mit der Blutentnahme ausgeführt, indem wir
die Ausflußzeit pro 1 ccm bestimmten (Rennuhr, oder am Kymo-
graphion mit Hilfe der Jacquetschen Uhr). Natürlich achteten
wir sehr darauf, die Kanüle und die Pipette bei den Blutent-
nahmen immer in der gleichen Lage zu halten, was mit Sta-
tiven für Kanüle und Pipette leicht erreichbar war.
Bei den Blutentnahmen bekamen wir so — infolge starker
Verzweigung und Kommunikation des Gehirnsinus — immer
strömendes, frisches Blut, so daß wir aus den Blutproben
mit Recht auf den Blutgaswechsel des Gehirns schließen konnten.
Vor den Blutentnahmen muß selbstverständlich die Gerinnungs-
fähigkeit des Blutes durch Hirudin aufgehoben werden.
Nach der Operation wurde die Hirudinlösung (1°/,,), zu der
Adrenalin (0,1 ccm pro 1 kg Körpergewicht der 1°/ igen Lösung)
zugegeben wurde, infundiert. Das Adrenalin bewirkt, daß der
Blutdruck einige Minuten nach der Infusion auf den normalen
Wert zurückkehrt, so daß die blutdrucksenkende Wirkung des
Hirudins auch bei ganz schneller Infusion fast gar nicht zum
Ausdruck kam. Dann wurden die Narkose- und Wachversuche
nacheinander ausgeführt. Nach einer Blutentnahme aus dem
in tiefer Narkose befindlichen Tiere unterbrachen wir die Nar-
104 F. О. Alexander und St. Свегпа:
kose. Mit der nächsten Blutentnahme warteten wir, bis das
Tier vollständig erwachte. Nur wenn alle Reflexe und will-
kürlichen Bewegungen, die Aufmerksamkeit auf äußere Reize
(Pfiff usw.) ganz zurückgekehrt waren, entnahmen wir die mit
„wach“ bezeichneten Blutproben. Die Blutproben aus Art.
femoralis und Sinus saggitaliss. longitudinalis superior
wurden gleichzeitig entnommen und die Strömungsgeschwindig-
keit im Sinus nach Barcrofts Methode gemessen. Die Blutgas-
analysen haben wir mit dem Barcroftschen Differentialappa-
rate!) ausgeführt und immer nur die Differenzen des О,- und
CO,-Gehaltes — dem arteriellen und venösen Blute be-
stimmt.
1. Äthernarkose.
Tabelle І.
Nummer des Versuchstieres: 2. Körpergewicht: 6200 g.
Datum: 28. XI. 1912.
Nr.| Zeit
v
des Versuchs
ccm pro Min.
Strömungs-
‚geschwindigkeit
4,48 | 5,08 4,05 | 18,14 | 20,57
2,29 | 5,09 6,60 | 15,11 | 33,59
16,20 | 95,90] — | _
6,70 1108,87 [100,91 |
Tabelle П.
Nummer des Versuchstieres: 3. Körpergewicht: 6000 g.
Datum: 3. XII. 1912.
125 00’
4 [12° 30’
wach
n
Ai е D
2: Anderun
LÉI - ==
Nr.| Zeit | Art 140, |4C00,|85 E е ө E е8
Me S |g аё а
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_ дев Versuc Versuchs E д JA
0
1» 50 — 1,60 | 5,08 1,8 2,88 | 9,14 I__g926 | — 843
3 |2* 35’ | wach | 12,92 | 16,80 2 [41,34 | 53,76
4 |2 55| n» |16,64 1996 | 41 168,22 | 81,83
1) J. Barcroft, Differential Method of Blood-Gas Analysis. Journ.
of Physiol. 37, 1908.
Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 105
Tabelle III.
Nummer des Versuchstieres: 23. Körpergewicht: 7800 g.
Datum: 10. IV. 1913.
Arterieller
Blutdruck
12% 25°
12 45’
18 15
18 35’
1,94 12,90 | 38 30,1749,02 55.21 19,7
10,0
wach | 16,93 | 15,96 | 4,2 |71, me ‚03
n 14,88 8,7 165,41155,05
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die O,-Aufnahme
des Gehirns in Äthernarkose bedeutend, im Mittel um
77,2°/, abnimmt, die CO,-Ausgabe um 59,0°/,-
Diese prozentuelle Abnahme ist direkt aus den Versuchs-
daten zu berechnen. Wenn wir diese Abnahme mit a, die Ab-
nahme bzw. Zunahme des O,- und CO,-Gehaltes des venösen
Blutes in Prozenten gegen die arterielle mit AO, bzw. 4 CO,
und endlich die Strömungsgeschwindigkeit (in ccm pro Min.)
mit v bezeichnen, so ist
(4 О, Glesch — (4 О, V)nark. .100.
2
3
4
а ==
SS (4 О, V)wach
Wir wollen hier auf eine merkwürdige Tatsache aufmerk-
sam machen, und zwar auf die hohen Werte von AO, und
ACO,, die eine enorme Ausnützung des Blutes im Gehirn, trotz
seiner großen Blutversorgung, bedeuten.. Im Mittel fanden wir
für AO, in Sinusblut 16,2°/, (dieser Wert entspricht ganz dem
von Alexander!) gefundenen, und bei der Berechnung des
Mittelwertes haben wir auch seine Versuchsergebnisse benützt),
während diese bei allen anderen Organen bedeutend kleiner
sind. (Skelettmuskel: 10°, [Zuntz], Speicheldrüse: 4°],
[Chauveau und Kaufmann] usw.).
Die niedrigen Werte für AO, und ACO, in der Narkose
entsprechen ganz den von Hill und Nabarro?) gefundenen
1) F.G. Alexander, Untersuchungen über den Blutgaswechsel des
Gehirns. Diese Zeitschr. 44, 1912.
*) Hill and Nabarro, On the exchange of blood-gases in brain.
Journ. of Physiol. 18, 218, 1895.
106 Е. G. Alexander und St. Свегпа:
(— 3,42°/, für AO,, + 3,87°/, für ACO,), und hier finden wir
die Quelle ihrer irrtümlichen Folgerung auf eine geringe Oxy-
dation im Gehirn. Ihre Tiere waren narkotisiert! Wir müssen
das gerade entgegengesetzte Ergebnis von Alexander und
Révész!) noch einmal bestätigen, daß im Wachzustande der
Gaswechsel des Gehirns sehr bedeutend ist.
Die Abnahme der CO,-Produktion war in jeder Versuchs-
reihe kleiner als die der O,-Aufnahme. Das zeigt jedenfalls,
daß sich auch qualitativ der Stoffwechsel im Gehirn während
der Narkose verändert.
Die folgende Tabelle zeigt den spezifischen O,-Verbrauch pro
Minute verschiedener Organe auf 1 р Organgewicht berechnet.
Tabelle IV.
O,-Verbrauch der Organe in ccm pro Gramm und Minute.
Organ | Sauerstoffverbrauch | Nach Versuchsergebnissen von
Skelettmuskel Verzär
ae — Baroroft und Dixon
peicheldrüse . - Barcroft
Niere . ..... Barcoroft und Brodie
ЕУ Тап]
Gehirn . Alexander und Cserna
40, XxX m
*) Berechnet naoh der Formel 100 x G
wo m = Blutversorgung nach Jensen?) — 134,6 com pro 100 g Organ-
gewicht, pro Min.
@ = Gehirngewicht im Mittel = 60,8 g,
АО» = 16,2 (als Mittel aus allen Versuchen berechnet).
2. Morphinnarkose.
In dieser Versuchsreihe haben wir die Wirkung des Mor-
phins auf den Gaswechsel des Gehirns untersucht. Die Opera-
tion fand hier ebenfalls in Äthernarkose statt, dann wurde die
Narkose eingestellt und die Wachversuche ausgeführt. Nach-
dem wir die Morphinlösung (0,2°/,) in die Vena jugularis in-
fundierten, folgten die Narkoseversuche. Їп Versuchsreihe 8
(Tabelle VIII) haben wir die Wirkung des Äthers mit der des
Morphins verglichen, indem wir bei dem morphinisierten Tiere
die Narkose durch Äther verstärkten.
1) Alexander und Révész, Über den Einfluß optischer Reize
auf den Gaswechsel des Gehirns. Diese Zeitschr. 44, 1912.
2) Р. Jensen, Über die Blutversorgung des Gehirns. Arch. f. d.
ges. Physiol. 103, 171, 1904.
U
Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 107
Tabelle V.
Nummer des Versuchstieres: 7. Körpergewicht: 4800 g.
Datum: 7.1. 1913.
ed ы AN
. 8 x 8 ©
, SE > 1 =
Nr.| Zeit | Art | 40, |460, |55 S E
agaj О S Anmerkungen
Ska |> Së
des Versuchs + mmHg
6& 10’ intravenöse Injek-
tion von 0,085 g Mor-
phin. hydrochl.
6Ь 86’ intravenöse Injek-
tion von 0,024g Mor-
phin. hydrochl.
8,61| —
8,72| 6,16
4!17®4 | e 7,42| 6,14
5 |750, „ | 854| 6,66
Tabelle VI.
Nummer des Versuchstieres: 8. Körpergewicht: 5000 g.
Datum: 9. I. 1913.
ЕЕЕ ПБН ш т
m Anderung | » 4
№. Z | Art | 40, 400 т. с E
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— | j ИРЕНЕ; 8 „5° 543 52 Anmerkungen
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des Versuchs 016 i s dÉ о„ [mmHg
1 bn 08” wach
2 |118 55"! nark. | 18, 92 11 68 2 65 36, 88/80, 95] — 21,8!— 28,7 118 50° {п{гатепбве In-
| BER jektion von 0,04 g Mor-
phin. hydrochl.
Tabelle VII.
Nummer des Versuchstieres: 9. Körpergewicht: 5000 g.
Datum: 81.1. 1913.
2d Änderung | „ы
Er DENE E
| Zeit | A c >| a| za] ¿g| 2E
Nr i rt | 40, | 4C0, EH © 8 КЕР sàs EE Anmerkungen
| ран | Sj | däi Säi äs
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des Versuchs di gë "P 01; оу mmHg
1 [10% 427] wach | 15,48 | 10,46 | 6,0 |92,88162,76| — | — | во
à | j Be Se 55' 0,06 g Morphi
2 |118 20| nark. | 13,68 | 9,22 | 3,1 142,41j28,58| — 54,31— 54,4 | 45 ere 0.097 Morphin
intravenös injiziert.
3 |118 25 „ 15,19 | 10,15 2,4
4 |11% 35! „ | 11,78 | 740 | 23,6
36,45/24,36| — 60,7!— 61,1| 40
130,63119,24| — 65,9|— 69,3 | 40
108 Е. С. Alexander und St. Свегпа:
Tabelle VIII.
Nummer des Versuchstieres: 8. Körpergewicht: 5000 g. Datum: 9.1. 1913.
Nr.
ep O Ae о N m
Cornealrefex zurückge-
kehrt.
2d Änderung | ь м
Tia > E
Zeit Art 40, á CO, kb о С 55 , ES 25
> О | 58 2253| 845 Ў в Anmerkungen
Бай | “|x| 65| SSlas
des Versuchs 0, Pie Be 016 ° [mmHg
11» 08/| wach | 18,76 | 17,38 | 2,50 |46,90148,45| — | — | 70
11a 557|Morph.| 13,92 | 11,68 | 2,65 |36,88130,95| — 21,3) 28,7| 60 112.80” Intravenöse Tn-
Morph. phin. hydroch!. =
19% 25°], gbp 14,83 | 13,50 | 1,68 |24,91|22,68| – 46,81 47,81 45 [Schwache Äthernar-
+ Ath. kose.
1» 00/МогРЬ- 17,85 | 18,50 | 2,50 44,62146,25|- 48+ 6,4| 50
Morpb.
b gr, MOL = — Äth k bis
1* 25 + А. 10,16 | 11,82 | 0,67 | 6,80| 7,911 — 85,5[— 81,7] 45 п —* „е —
Мо h. гепехев.
дь 10 =. 15,44 | 15,64 | 1,90
[29,83 29,71| — ge 31,6
Das Ergebnis dieser Versuche war, daß der Gaswechsel des
Gehirns in Morphiumnarkose ebenfalls sinkt, aber nicht so stark
wie in der Äthernarkose. Die Abnahme ist im Mittel 57,2 °/, im
O,-Verbrauch, 60,9°/, in der CO,-Ausgabe. Besonders klar tritt die
stärkere Wirkung des Äthers in Versuchsreihe 8 (Tabelle УШ)
hervor, wo der Sauerstoffverbrauch des morphinisierten Gehirns
durch Äther noch um 25,5 °/, ber. 80,7 °/, herabgedrückt wurde.
Man sieht also, daß die Größe des Sauerstoffverbrauchs
und der Kohlensäureausgabe parallel mit der Tiefe der Narkose
gehen, und in der Morphinnarkose, wo der Cornealreflex noch
immer konstatierbar war, der Gaswechsel auch höher ist als
bei der Äthernarkose, mit der ein totaler Ausfall aller Reflexe
einhergeht. Aus diesen Untersuchungen ist es aber nicht zu
entscheiden, ob die geringere Abnahme des Gaswechsels bei
Morphinwirkung dadurch zu erklären ist, daß sich die Narkose
auf weniger Gehirnteile erstreckt als beim Äther, oder aber
einer weniger vollständigen Narkose der Gewebe zuzuschreiben
ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um beide
Ursachen, da bekanntlich die verschiedenen Narkotica sich ver-
schieden gegen die einzelnen Gehirnzentren verhalten und außer-
dem diese leichter oder schwerer narkotisierbar sind. Aus Ver-
suchsreihe 7 (Tab. V) sieht man auch, daß weitere Dosen von
Morphin den Gaswechsel tiefer herabsetzen und nur das Er-
Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 109
reichen der tödlichen Dosis die Konstatierung einer dem Äther
gleichstarken Wirkung verhindert (Versuch 9). (Tab. VII.)
Von einem Aufhören der Oxydationsvorgänge im Gehirn
kann natürlich weder in Äther- noch in Morphinnarkose die
Rede sein, nur von einer Hemmung dieser Vorgänge. Worin
diese Hemmung besteht, ist aus diesen Versuchen nicht zu er-
kennen. Bemerkenswert ist aber, daß die CO,-Produktion bei
Morphinwirkung stärker abnimmt als der O,-Verbrauch, also um-
gekehrt wie bei Ätherwirkung. Ohne diese Tatsache erklären
zu wollen, scheint uns durch sie die Folgerung begründet, daß
das Morphin anders, vielleicht nach einem ganz an-
deren Mechanismus, den Stoffwechsel der Zellen be-
einflußt wie der Äther. Wir wollen diesen Umstand be-
sonders hervorheben, da dieser bei jeder Theorie der Narkose
besonders in Betracht gezogen werden muß und stark gegen
eine einheitliche Erklärungsweise der Wirkung der verschiedenen
narkotisierenden Stoffe spricht. Wie vorher gezeigt, kann die
Hemmung des Stoffwechsels auf verschiedenen Wegen zustande-
kommen, und es ist z. B. auch möglich, daß in Morphinnarkose
die Oxydationen nicht vollständig verlaufen (daher die stärkere
Abnahme der CO,-Ausgabe), während in Äthernarkose die Oxy-
dationen zwar gehemmt, aber doch bis zu den Endprodukten
führen. Auch Spaltungsprozesse, die zu CO,-Bildung führen,
können verschieden beeinflußt sein.
8. MgSO,-Narkose.
Die Untersuchungen von Meltzer und Auer!) führten zu
dem Resultate, daß die intravenöse Infusion von MgSO, narko-
tisierend wirkt, und daß diese Wirkung durch CaCl,-Infusion
aufzuheben ist.
Zum Narkotisieren unserer Versuchstiere verwendeten wir
nach Vorschrift eine 3°/,ige Lösung (в/,) von MgSO,, die wir
langsam in eine Vena jugularis infundierten, bis die Tiere
in tiefe Narkose verfielen. An den in dieser Weise narko-
tisiertten Hunden führten wir ähnliche Versuche aus, wie in
Äther- und Morphinnarkose. In Versuchsreihe 23 (Tab. XIII)
weckten wir den narkotisierten Hund durch Infusion einer
1) S. J. Meltzer une J. Auer, Centralbl. f. Physiol. 21, 788 bis
189; 28, 349 bis 350.
110 Е. С. Alexander und St. Cserna:
0,75°/,igen Lösung von CaCl, wieder auf, um kontrollieren zu
können, ob dieser Zustand auch im Gaswechsel dem „Wach-
zustand“ vor der Narkose entspricht.
Tabelle IX.
Nummer des Versuchstieres: 15. Körpergewicht: 9000 g. Datum: 6. III. 1913.
gd Änderung | 5 м
Nr.| Zeit | Art | 40, |АСО, ER > | | 8| ës SE
BEE © 8 358 И | ES Anmerkungen
P SS |26 |268 |<
des Versuchs 0/0 = YA 0%), {mmHg
Von Oh 00’ Ыз en 15’
125 ccm n/,-MgSO,.
Künstliche Atmung.
60
2 Ы 25’ | nark. | 4,08 | 3,72 77 Ss 20,88 goe —
Tabelle X.
Nummer des Versuchstieres: 20. Körpergewicht: 5500 g. Datum: 2. IV. 1913.
ed Änderung | + =
Nr.| Zeit | Art | 40, 400 553 „| е | fE
я EEEE 2 228 TE- $ E Anmerkungen
© K ч © E © ёз < m
TE 6 X ов оз
des Versuchs %, s МА ° ImmHg
11h 80° bis 12h intra-
venöse Injektion von
120 ccm n/a- MgSO.
Künstliche Atmung.
74 {Künstliche Atmung.
2 |12® 10’) nark. 5,0 an an +123,2|+153,9] 60
0,5 | 5,32] 5,601— 77,3)— 66,0
Tabelle XI.
Nummer des Versuchstieres: 21. Körpergewicht: 6200 g. Datum: 5. IV. 1913.
3 1245| »
Anmerkungen
Arterieller
Blutdruck
Strömungs-
geschwindigkeit
in ccm pro Min.
v
40,0
75 | Von 11b 80' bis А Ba.
100 ccm 35/,-М
intravenös ее
Künstliche Atmung.
16, 22 17, ‚12 2, 0 32,42 32, ч + 87,7)+225,0
3 |19» om) nark.
е — Oh Hirudinei ritz.
и E са ee
5 112551 » 11,62 | 12,05 , 75 | Künstliche Atmung.
Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 111
Tabelle XII.
Nummer des Versuchstieres: 22. Körpergewicht: 7500 g. Datum: 7. ТУ. 1913.
Nr.| Zeit
des Versuchs
2
3
4
ar
128 25’| wach
12% 50’
3% 25’
22 30’
— — —
Art
n
n
40, |4CO
? A Anmerkungen
Strömungs-
geschwindigkeit
in ccm pro Min.
lo lo
9,73 | 8,75 9 58,38 52,50 93
18,50 | 14,16 | 4,1 |55,35/58,05 95
2% 00’) nark. | 20,40 | 19,96 | 2,0 40,8039,92] — 28,2| — 27,7] 70 [| Хор ih 08’ bis 1ь 50
чат о
1 в
15,81 114,201 04 | 612! seg 89,21 89,71 64 | Тш тарк Mee
dem Cornealrefl.) ver-
schwunden.
10,66 | 12,94 | 0,37 | 3,94| 4,69] — 93,0| — 91,5] 68 j2% 35° bis 3h 10° intra-
venöse Injektion von
100ccm einer 0,75°/,Igen
CaC1,-Lösung. Corneal-
reflex nur aufeiner Seite
auslösbar.
Das Versuchstier lebte
bis 4h 50°. Aufwecken
durch mehrere Infusio-
nen von CaCl, nicht
möglich. Der Tod er-
folgte nach wiederhol-
ten Injektionen (zirka
800 ccm 0,75°/,iger
Cal.
Tabelle XIII.
Nummer дег Versuchstieres: 23. Körpergewicht: 7800 g. Datum: 10. IV. 1913.
Nr.| Zeit
собо ra
Art
des Versuchs
2» 35’
2b 55
Зв 35’
nark.
40, | 4CO,
Anmerkungen
Strömungs-
Arterieller
Blutdruck
geschwindigkeit
in сеш pro Min.
v
Von 2b 05° bis 2h 80’
11,74 11,66 7 i { e ? intravenöse ` Injektion
von 90 ccm э/„-МдЗО,.
Cornealer Reflex ge-
schwächt, Reflexe feh-
len. Manchmal krampf-
hafte Zuckungen.
10,20 | 10,14 Reflexe nicht auslösbar.
? Cornealrefiex schwer
auslösbar.
wach | 10,91 | 9,24 | 6,0 |65,46|55,44 140 | Von 3» op bis 8h 25’
intravenöse Injektion
von 120 ccm 0,75 ®/ „iger
СаСі,. Кебехе kehren
— 0,8|—17, zurück. Bewegt sich
spontan, trinkt Wasser.
17,68| — 5,0 188,40 — 140 | Von за 45° bis 8» 55’
100 ccm Cola intra-
12,96 11,98 ` 8,8 49,25 45,52 140 Das Versucheiieh wird
| getötet.
112 F. G. Alexander und St. Cserna:
Tabelle XIV.
Nummer des Versuchstieres: 24. Körpergewicht: 5500 g.
Datum: 22. IV. 1913.
| 2 Änderung | км
40, |4СО т. К ¿j è ЗЕ
Nr.| Zeit | Art se |ә | à se [Б
S в S SE o 2 355 ^$ 85 Anmerkungen
ag | © | S о вера
des Versuchs о, | h = lb | % [mmHg
1 | 4% 50 | wach} 80 | 812| 6,4 151205197] — | — | 86
2 |4 54/1 n 110,24 |12,32| 4,0 |40,96\49,28| — | — | 86 Е | ‚
в |a so anf. d] 18,32 | 15,40 | 2,5 |к,војзв,50] – ол|— 23| зв ("26 ccm м,мзо, tn-
агк. travenös injiziert.
4 |6 05° | nark. | 18,60 | 18,48 | 0,4 | 7,44 7,39] — 83,8 - 85,4| 21 [уоп mm bis Баро
travenös injiziert.
Aus diesen Versuchen können wir feststellen, daß der Gas-
wechsel des Gehirns auch in MgSO,-Narkose stark herabsinkt
(der O,-Verbrauch im Mittel um 76,2°/„ die CO,-Produktion
74,7°|,). Dies ist der Fall in den Versuchsreihen 15, 22, 23
und 24 (Tab. IX, XII, XIII, XIV). In Versuchsreihe 20 (Tab. X)
sehen wir im ersten Narkoseversuch (10 Min. nach der Be-
endigung der Infusion) eine Zunahme dee O,-Verbrauchs um
123,2°/, und der CO,-Produktion um 153,9°/,. Bei der nächsten
Blutentnahme (35 Min. später) findet man schon wieder die üb-
liche Abnahme des Gaswechsels (77,3°/,, 68,0°/,) Während
dieser 35 Minuten also veränderte sich der O,-Verbrauch des
Gehirns um 180°/,! In den Versuchsreihen 22, 23 und 24
zeigt sich, daß in den ersten Narkoseversuchen, bei denen kurz
nach der Infusion die Blutproben entnommen wurden, der
Gaswechsel nur relativ wenig abnimmt (28,2 9/0, 24,1%/,, 0,19/,),
um später wieder ganz tief herabzusinken. Nur in Versuchs-
reihe 21 (Tab. XI) sehen wir den Gaswechsel nach der Infusion
enorm zunehmen (bis 155,6°/, des O,-Verbrauchs und 358,8°/,
der CO,-Produktion), ohne später herabzusinken.
Wir wollen hier bemerken, daß sowohl bei dieser wie
auch in Versuchsreihe 20 das Atemzentrum gelähmt war und
künstliche Atmung angewendet wurde.
Bevor wir für diese merkwürdigen Tatsachen eine Er-
klärung geben, wollen wir die folgenden Erscheinungen zu-
sammenfassen, die bei der MgSO,-Narkose festzustellen sind
Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 113
und größtenteils in den Tabellen IX bis XIV aufgezeichnet
eind.
1. In der MgSO,-Narkose verschwinden zuerst die Reflexe
der Extremitäten und erst später — manchmal überhaupt
nicht vollständig — der Cornealrefiex. Ganz am Anfang
treten aber klonische Krämpfe auf.
2. Der arterielle Blutdruck nimmt in der Mehrzahl der
Fälle ab. Die Blutströmungsgeschwindigkeit (im Gehirn) nimmt
trotzdem anfangs meistens zu, später aber immer ab. In
Versuchsreihe 21 (Tab. XI) wurde der Blutdruck um die Hälfte
kleiner, die Strömungsgeschwindigkeit aber zweimal so groß.
Hier folgt aber keine Abnahme der Geschwindigkeit, und auch
der Gaswechsel bleibt vergrößert. In Versuchsreihe 20 (Tab. X),
wo in dem ersten Narkoseversuch der Gaswechsel zunimmt,
wird die Strömungsgeschwindigkeit mehr als 3 mal so groß.
(Blutdruck sinkt ein wenig.)
3. Das Atemzentrum wird früh gelähmt, und diese Lähmung
ist nur bei äußerst langsamer Infusion zu vermeiden. In den
beiden Versuchen, wo der Gaswechsel des Gehirns während
der Narkose zunahm (Versuchsreihen 20 und 21), war das
Atemzentrum gelähmt und es wurde künstliche Ventilation an-
gewendet.
Aus diesen Tatsachen kann man sich etwa das folgende
Bild über den Verlauf der MgSO,-Narkose machen. |
Zuerst wird nach einem Excitationsstadium (Krämpfe)
des Rückenmark gelähmt (Ausfall der Extremitäten-
reflexe). In diesem Stadium sind die obersten Teile des
Zentralnervensystems noch nicht narkotisiert ev. in Excitation.
Cornealreflex zwar schwach, noch vorhanden. Bei schneller
Infusion wird dann das Atemzentrum und das Vasomotoren-
zentrum gelähmt. (Senkung des Blutdruckes, Аврһухіе.)
Das Gehirn ist in diesem Stadium entweder noch in Ex-
citation oder wenigstens noch nicht in tiefer Narkose, seine
Gefäße aktiv dilatiert. (Erhöhung oder Konstantbleiben
bzw. relativ geringe Veränderung des Gaswechsels,
Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit trotz der
Senkung des Blutdruckes.) Dann hört die Dilatation der
Gehirngefäße auf und erfolgt die Lähmung des Gehirns.
(Starke Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit ohne
Biochemische Zeitschrift Band 53. 8
114 . F. G. Alexander und St. Cserna:
Blutdrucksenkung, Abnahme des Gaswechsels) Bei
langsamer Infusion kann man die Lähmung des Atemzentrums
vermeiden. (Es ist also auch in diesem Falle der Reizzustand
des Gehirns, wie bei optischer Reizung?) mit einer aktiven Dila-
tation seiner Gefäße begleitet.)
In der MgSO,-Narkose sinkt die CO,-Produktion ähnlich
wie bei Äthernarkose, weniger als der O,-Verbrauch. Diese
Erscheinung zeigt sich aber hier viel geringer ausgeprägt, d. h.
eine qualitative Veränderung des Gaswechsels ist nicht sicher
konstatierbar. In dem Excitationsstadium steigt aber die
CO,-Produktion stärker als der O,-Verbrauch.
Wir wollen noch bemerken, daB die Wirkung des MgSO,
nach unserer Erfahrung nicht so einheitlich zu verlaufen scheint,
wie die des Äthers und Morphins.
Hauptsächlich ist die Dauer des Excitationsstadiums, die
beim Äther und Morphium ganz kurz ist, äußerst verschieden
bei den einzelnen Versuchstieren.
Веі der Aufhebung der Narkose durch CaCl,-In-
fusion (0,75°/,) steigt der Sauerstoffverbrauch des
Gehirns zur ursprünglichen Höhe wieder hinauf. (Ver-
suchsreihe 23, Tabelle XIII.)
Bei der Erklärung der narkotischen Wirkung von MgSO,
ist das Meyer-Overtonsche Prinzip der hohen Verteilungskoeffi-
zienten kaum anwendbar. Der hohe Lipoidgehalt der Nerven-
zellen wäre hier ja ein Umstand, der das Eindringen des Salzes
erschwerte. Das Nächstliegende ist an eine ähnliche Wirkung
zu denken, wie sie O. Warburg bei der Beeinflussung des Sauer-
stoffverbrauchs von Eiern durch NaOH beobachtet hat. Hier
wirkt NaOH enorm fördernd auf den Sauerstoffverbrauch, ohne
ins Zellinnere zu gelangen. MgSO, scheint eine ähnliche, aber
entgegengesetzte Wirkung zu haben, die durch CaCl, aufzu-
heben ist. Man müßte dann also mit Warburg annehmen,
daß die Zustandsänderungen der Zelloberfläehe die Oxydationen
im Zellinnern stark beeinflussen.
Als Endergebnis unserer Untersuchungen stellen wir fest,
daß in der Narkose der Gaswechsel des Gehirns stark
herabsinkt und mit der Tiefe der Narkose parallel
1) Alexander und Révész, Über den Einfluß optischer Reize
auf den CGiaswechsel des Gehirns. Diese Zeitschr. 44, 1912.
U ru 0 EC Ee Р "es
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Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirn». 115
geht. Es ist das wieder ein Beweis dafür, daß die
Größe des Sauerstoffverbrauchs des Gehirns von
seinem Tätigkeitszustande (Erregungszustande) ab-
hängt (Revesz und Alexander).
Zusammenfassung.
1. Der spezifische Gaswechsel des Gehirns ist sehr be-
deutend. Der O,-Verbrauch des Gehirns beträgt ungefähr
0,36 ccm pro Minute und pro Gramm Organgewicht.
2. In der Narkose sinkt der Gaswechsel des Gehirns
` stark herab (60 bis 90°/,) und geht mit der Tiefe der Narkose
parallel.
3. In der Äthernarkose sinkt die Kohlensäureausgabe
weniger als der O,-Verbrauch.
In der Morphinnarkose sinkt im Gegenteil die Kohlen-
säureausgabe stärker als der O,-Verbrauch.
4. In der Narkose wird demnach der Stoffwechsel auch
qualitativ verändert. Die Wirkungsweise der verschiedenen
Narkotica ist also nicht einheitlich, und dieser Umstand muß
bei jeder Theorie der Narkose berücksichtigt werden.
5. In der MgSO,-Narkose werden die höheren Zentren
des Nervensystems zuletzt gelähmt. Der Narkose geht oft ein
Excitationsstadium voran, in dem der Gaswechsel des Gehirns
steigt.
Diese Arbeit wurde auf Anregung und unter Leitung von
Herrn Prof. Franz Tangl ausgeführt.
ge
Weiterer Beitrag zur Kenntnis der Wirkung der
Kohlenhydrate auf den Energieumsatz.
von
Paul Häri.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: F. Tangl.)
(Eingegangen am 30. Mai 1913.)
In einer früheren Arbeit!) habe ich die Wirkung einer in
den Magen von hungernden Hunden eingegossenen Trauben-
zuckerlösung auf den Energieverbrauch sowohl durch Bestim-
mung des Sauerstoffverbrauches, als auch durch direkte calori-
metrische Bestimmung geprüft, und gefunden, daß der Trauben-
zucker, wie bereits früher von zahlreichen Autoren behauptet
wurde, tatsächlich eine sicher nachweisbare Steigerung der
Wärmeproduktion verursacht.
Da Heilner*) der Traubenzuckerlösung jedwede die Wärme-
produktian steigernde Wirkung abspricht, ob sie Kaninchen
per ов oder subcutan beigebracht wird, habe ich, da der Trauben-
zucker in allen meinen obenerwähnten Versuchen bloß per os ein-
geflößt wurde, nun in einer weiteren Reihe von Versuchen die
Wirkung subcutan eingeführten Traubenzuckers an
kleinen Säugern (Ratte, Maus) calorimetrisch geprüft.
Die Untersuchungen wurden in dem von Prof. Tangl kon-
struierten, in diesem Heft beschriebenen Respirations-Calori-
meter vorgenommen, und zwar so, daß einerseits die gesamte
von den Versuchstieren abgegebene Wärme direkt bestimmt
wurde, andererseits aus dem gesamten N- und C-Umsatz die
Wärmeproduktion berechnet werden konnte.
1) Zur Kenntnis des Einflusses der Kohlenhydrate auf die Energie-
umsätze. Diese Zeitschr. 44, 66.
*) Ernst Heilner, Die Wirkung des dem Tierkörper per ов und
suboutan zugeführten Traubenzuckers. Mit besonderer Berücksichtigung
der Verdauungsarbeit. Zeitschr. f. Biol. 48, 19#., 1906.
.-
Paul Нагі: Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 117
Zu den Versuchen wurden in zwei Versuchsreihen je eine
hungernde weiße Ratte, und zu zwei weiteren Versuchsreihen
eine regelmäßig und gleichmäßig gefütterte weiße Maus verwendet.
Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich bezüglich
aller Einzelheiten der Versuchseinrichtung und der Art der Be-
rechnung auf meine obenerwähnte Arbeit.
Hier sei nur folgendes bemerkt: Die Versuchsdauer betrug
durchschnittlich 8 bis 9 Stunden. Die Versuchstiere wurden am
Beginne und am Ende eines jeden Versuchs mitsamt dem
Behälter gewogen und so das Gewicht der Tiere und der De-
jekte berechnet. Die Körpertemperatur der Tiere wurde nicht
gemessen; daher bei der direkten calorimetrischen Messung der
Wärmeausgabe eine Korrektion nur für die im Laufe des Ver-
suches erfolgte Gewichtsveränderung angebracht werden konnte.
Ein irgendwie nennenswerter Fehler konnte hierdurch nicht
verursacht werden; denn einerseits habe ich mich an ähnlich
großen Ratten davon überzeugt, daß ihre Temperatur von 36°
nur um wenige Zehntel-Grade abzuweichen pflegt; andererseits
läßt sich (s. Tabelle I) leicht berechnen, daß auch größere Ver-
änderungen in der Körpertemperatur der Tiere die entsprechende
Korrektion nur um einen geringen Betrag verändern würden.
Bei den minimalen Harnmengen, die die Versuchstiere
entleerten, war an eine Bestimmung der im Harn enthaltenen
chemischen Energie nicht zu denken; dieselbe wurde annähernd
aus dem N-Gehalte des Harnes und dem willkürlich angenom-
menen Quotienten Cal:N—=?7 berechnet. Auch diesbezüglich
gilt das oben Gesagte.
Die Ergebnisse des an Ratten einerseits, und an einer
Maus andererseits ausgeführten Versuche werden, da jene mit
relativ sehr großen, diese mit kleineren Zuckermengen aus-
geführt wurden, gesondert besprochen und durch kurze, zu-
sammenfassende Tabellen im Text erläutert.
Die zu sämtlichen Versuchsreihen gehörenden General-
tabellen sind der Besprechung der Versuche vorangestellt. Und
zwar enthält: Tabelle I die allgemeinen Daten der Respirations-
versuche; Tabelle II die Daten für die Bestimmung der Wärme-
produktion (direkte Calorimetrie); Tabelle III, IV, V und VI
die Daten für die Berechnung der Wärmeproduktion aus dem
Stoffumsatz (indirekte Calorimetrie); Tabelle VII die CO,- und
Paul Häri
118
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1 өүөазут,
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 119
H,O-Ausgabe und O,-Aufnahme pro 24 Stunden und 1 kg
Körpergewicht.
Bezüglich aller auf die Körpergewichtseinheit berechneten
Daten sei bemerkt, daß ich bei dieser Reduktion nicht wie
üblich von dem „mittleren“ Körpergewicht (Mittelwert vom
Anfang und Ende des Versuchs) ausging, sondern jedesmal von
dem Gewicht am Beginne des betreffenden Versuchs. Ich war
hierzu gezwungen, da die Ratten I und II am Zuckertage einen
sehr bedeutenden Anteil des ihnen mit dem Traubenzucker
eingespritzten Wassers bis zum Ende dieses Versuchs nicht
wieder abgegeben hatten; daher das in der üblichen Weise er-
mittelte „mittlere Körpergewicht“ nicht das wirkliche Körper-
gewicht, sondern dieses plus Retentionswasser dargestellt hätte.
Tabelle II.
Wärmeproduktion pro 24 Stunden durch direkte Calorimetrie bestimmt.
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kg/Call kg/Cal kg/Cal |kg/Cal kg/Cal kg/Cal] kg/Cal
1| 171,52 [18,627 | 0,183 4,176 ‚85 6,
2162, ‚00 11,554 | 0,138 2,128 -
3156,28 [11,489 0,109 1,828 З
4 [47,04 111,253 | 0,136 3,087 ; j ‚1 | Zuckertag
2| 5170,36 12,827 | 0,107 2,715 115,649 0,235 15,414| 219,0
6163,38 [12,443 | 0,088 2,302 114,833 0,173 14,660 | 231,7
7153, ‚04 1)|11 ‚044 0,188 4,736 5,963 0,436 15,527 | 292,7 | Zuckertag
3] 8121, 7,331| 0,035 1,775 9,141 0,117 9,024 | 427,3
9 |29, Ze 7,318| 0,086 1,498 8,852 0,169 8,683 | 390,2
10722, ‚20 7,120| 0,029 1,309 8,458 0,132 8,326 | 375,0
11 21,63 H 8,207 | 0,039 1,421 9,666 0,215 9,451 | 446,9 | Zuckertag
12122,07 | 7,121| 0,049 1,319 8,489 0,078 8,411 | 381,1
4 |18 |22,10 | 7,883 | 0,038 1,315 9,236 0,111 9,125 | 412,9
14121,85 | 8,077 | 0,034 1,250 | 9,961 0,110 9,851 | 450,9
15 (21,78 1) 8,804) 0,041 1,265 [10,110 0,032 10,078 | 465,2 | 2искегбас
16 [22,17 | 8,382 | 0,042 1,207 9,681 0,128 9,508 | 428,9
1) Nach Abzug des Gewichtes der eingespritzten Traubenzucker-
lösung, d.i. 10,52 g in Versuchsreihen 1 und 2 und 2,08 g in Versuchs-
reihen 3 und 4.
Paul Häri
120
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III әпәче,
Versuchsreihe
Eë
Versuchs-Nr.
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 121
Tabelle IV.
Futter (Fattingers Hundefutter) in Versuchsreihe 3.
maen | In der täglich verzehrten“
Zusammensetzung Ration (= 3,43 g) enthalten
— —
Kohlenstoff ... 38,86 0/9 1,333 g
Stickstoff . .. . 3,20% 0,110 в
Energiegehalt . . | pro 1g 4225 Lac 14.492 kg/Cal
Kot in Seege 3 (lufttrocken) 2,65 g in 5 >< 24 Stunden.
In der auf 24 Stunden
Zusammensetzung berechneten Kotmenge
(= 0,53 g) enthalten
Kohlenstoff . . . 31,469, 0,167 g
Stickstoff . . . . 6,039/, 0,032 g
Energiegehalt . pro 1 g 3,230 kg/Cal 1,712 kg/Cal
Futter einen Hundefutter) in Versuchereihe 4.
In der täglich verzehrten
n Zusammensetzung p (= 8,38 g) enthalten
Kohlenstoff . . . 39,870, 1,348 g
Stickstoff . . . . 3,050], 0,103 g
Energiegehalt pro 1 р 4,236 kg/Cal 14,817 kg/Cal
Коё іп GEES 4 (lufttrocken) 2,43 g in 4 >< 24 Stunden.
In der auf 24 Stunden
Zusammensetzung berechneten Kotmenge
(= 0,51 g) enthalten
Tabelle V.
Stickstoff- und Kohlenstoff-Bilanz (in den Versuchsreihen 3 und 4).
Kohlenstoff pro 24 Stunden
5 Ausgaben Ri Einnahmen Ausgaben
е е U = eg
Е | A zu- | Bilanz | „8 |8885 Sal; 5.85) ZU- | Bilanz
im | im 8 |55254 яо | im | im eebe
sam AS 323% o sam-
E Harni Kot en 2 ЕЕЕ E Harn) Kot |s е5 men
g g 8 Е 8 g g g g g g g
0,110[0,064 | 0,032 0,096] + 0,014 [1,888| — |1,888]0,102|0,167| 0,773 | 1,042] + 0,291
0,110[0,064 10,032 0,096[ + 0,014 11,383] — 11,33310,102 10,167 | 0,747 1,0161 + 0,317
0,110|0,064|0,082|0,096|[ + 0,014 | 1,333] — |1,888/0,10210,167| 0,699 |0,968{ + 0,365
0,110[0,062 | 0,032 | 0,0941 + 0,016 11,333 0,079 |1,412|0,084 0,167 0,813 | 1,064] + 0,347
0,11010,073 [0,032 0,1051 + 0,005 | 1,833) — |1,333[0,099|0,167| 0,699 |0,9651 + 0,368
0,146 0,159 | 0,760 | 1,0651 + 0,283
0,146|0,159| 0,812 |1117| + 0,231
0,129 10,159 0,840 |1128] + 0,300
0,145 0,159] 0,793 |1,097| + 0,251
0,103 [0,088 | 0,024 10,112] — 0,009 [1,348| — |13
0,103 10,088 10,024 10,112] — 0,009 11,348] — |1,3
0,103 [0,071 10,024 [0,095| + 0,008 [1,348 | 0,080 |1,42
0,103 [0,068 0,024 | 0,092 + 0,011 [1,348] — |1,3
122 Paul Нёгі:
Tabelle VI.
Wärmeproduktion pro 24 Stunden, aus den Zersetzungen berechnet
Versuchsreihe
Versuchs-Nr
|
Körpergewicht
(Versuchsreihen 3 und 4).
Chemische Energie
n g| a a0
3312 су.
Sëiksglsë В| а | ъје ае t ат
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Kilogramm-Calorien
0,08710,318|14,492) — | — [0,4942,99410,448|1,712]| 8,844 1418,5
0,087/0,352[14,492! — | — [0,49413,309[0,448|1,712| 8,529 |383,3
0,08710,415[14,492) — | — [0,49413,901|0,44811,712| 7,937 |357,5
0,100/0,383]14,492|0,737
10,081 0,458|14,492| — 0,17514,301(0,51111,712| 7,793 |358,1
22,10 [0,056] — |0,406[14,317| — 0,316) — |3,81610,616/1,624| 8,577 388,1
21,85 [0,056] — 10,338]14,317| — 10,316 — |3,177!0,616|1,624| 9,220 |422,0
21,739] — 10,0500,356|14,31710,748| — |0,2823,3460,497 1,624] 9,316
22,17 | — 10,06910,279|14,317 — | — |0,390/2,623|0,47611,624]| 9,206 |415,3
Tabelle VII.
CO,- und H,0-Produktion und O,-Verbrauch pro 24 Stunden.
8 a А 5 Mit der Ven-
el .15s-= | Ми der Ven-| © . —
2 12 [85 | tilationsluft | 33 | tilationsluft
dE wo = | abgeführt A y
ok * > | in 24 Sta. |=
р 2 2 Я з d
léis"? S
76,31 | 98,70
64,71 | 55,08
65,95 | 54,76
105,49 [109,18
2 | 5| 70,36 | 4,795 | 4,590 68,15 | 65,23
6| 63,28 | 4,393 | 3,891 | 4,096 | 69,42 | 61,49
71 53,041) | 5,726 | 8,006 | 3,956 [107,96 150,95
1) Nach Abzug des Gewichtes der eingespritzten Traubenzucker-
lösung, d.i. 10,52 g in Versuchsreihen 1 und 2 und 2,08 g in Versuchs-
reihen 3 und 4.
*) Aus dem N-Gehalt und dem willkürlich angenommenen Quo
tienten (Cal: ЇЧ = 7) berechnet.
Bemer-
kungen
0,565/3,60010,434 11,712] 8,918 |412,5|Zuckertag
428,7|Zuckertag
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 123
*
A.o
Ф с: 5
ale -Jati tilationsluft | 3 oi
га еса K abgeführt pro & 2 В,
313 р 24504. u. к [2 2:5] Bemer-
o jo in 24 Std. 59.4
als > gc Kungen
БЕ RI
а z
* 3
137,96 1111,05
| Zuckertag
116,13 1101,04
, Zuckertag
2,906
1. Versuche an hungernden Ratten.
Versuchsreihe 1. Ratte I wurde eine Woche lang täglich,
zum letzten Male am 2. ІУ. 1911 mittags mit је 8 р Fattinger-
schen Hundefutters gefüttert und erhielt von da angefangen
während der ganzen Dauer der Versuche keine Nahrung.
Zunächst wurden am 3., 4. und 5. IV. drei Normalver-
suche gemacht. Am 6. ІУ. morgens erhielt das Tier 10 ccm
einer 15°/,igen Lösung von Traubenzucker (Merck) unter die
Rückenhaut gespritzt; es wurde gleich nach der Wägung in
den Respirationskasten eingesetzt, wo es bloß einige Minuten
lang Unruhe zeigte, dann aber bis zum Schluß des Versuchs
sich nicht unruhiger als in den Normalversuchen benahm. In
dem bis zum Schlusse dieses Versuchs entleerten Harn, der nur
mit Spülwasser stark (auf 55 ccm) verdünnt gesammelt werden
konnte, hatte das Tier 0,26°/, (durch Gärung bestimmt), und
0,32°/, (durch Polarisation bestimmt), im Durchschnitt 0,32°/,
== 0,15 а Traubenzucker entleert. Nach Schluß des Versuchs
war es vollkommen munter, wurde aber am nächsten Morgen
tot im Behälter gefunden.
Versuchsreihe 2. Ratte II wurde eine Woche lang mit
Fattingerschem Hundefutter gefüttert, erhielt dann während der
1) Nach Abzug des Gewichtes der eingespritzten Traubenzucker-
lösung, а. і. 10,52 g in Versuchsreihen 1 und 2 und 2,08 g in Versuchs-
reihen 3 und 4.
124 Paul Häri:
ganzen Dauer der Versuche keine Nahrung. Der Zuckerein
spritzung gingen zwei „Normalversuche“ am 19. und 20. IV.
voran; am 20.IV. morgens wurden dem Tiere 10 ccm einer
15 °/,igen Lösung von Traubenzucker (Merck) unter die Rücken-
haut gespritzt. Nach geringen Schmerzäußerungen von kurzer
Dauer war es während des ganzen Versuchs nicht unruhiger
als in den Normalversuchen. In dem mit Spülwasser verdünnten
Harn waren 0,03 g Traubenzucker enthalten.
Am Schlusse dieses Versuchs fraß das Tier gierig von
dem ihm vorgelegten Futter, und wurde am nächsten Morgen
tot im Behälter gefunden.
Das Körpergewicht. Auffallend ist die sehr bedeutende
Gewichtsabnahme der hungernden Ratten an den der Zucker-
einspritzung vorangehenden Tagen. Sie betrug bei
Ratte I Ratte II
vom 3.—4. ГУ. (24 Std.) 9,52g vom 19.—20. IV. (24 Std.) 7,08 g
n 4.—5. » ” 5,72 g » 20.—21. » ” 9,72 g
n 5.—6. » n 8,72 g —
Die Gewichtsabname betrug im Tagesdurchschnitt 7,65 g,
gleich 10,6°/, des Anfangsgewichts bei Ratte І und 8,40 g,
gleich 11,9°/, des Anfangsgewichts bei Ratte II.
Pembrey und Spriggs!) bestimmten den täglichen Ge-
wichtsverlust hungernder, 100 bis 200 g schwerer Ratten zu
5 bis 8°/, des Anfangsgewichts; daß ich höhere Werte erhielt,
rührt wohl daher, daß meine Versuche an jüngeren, nicht er-
wachsenen Tieren ausgeführt wurden.
Die CO,-Abgabe. Wie den Daten der Tabelle VII zu
entnehmen ist, erfährt die рег 24 Stunden berechnete CO,-Ab-
gabe durch die Zuckereinspritzung eine bedeutende Steigerung;
sie ist noch weit größer, wenn wir die 24-Stunden-Werte auf
1 kg Körpergewicht beziehen. In nachfolgender Tabelle VIII
habe ich den Mittelwert aus den sog. Normaltagen (vor der
Zucokereinspritzung) mit dem Wert vom Zuckertage verglichen
und die Steigerung berechnet. Sie betrug 52,9°/, in Versuchs-
reihe 1 und 56,9 °/, in Versuchsreihe 2.
1) M. S. Pembrey and Е. J. Spriggs, The influence of fasting
and feeding upon the respiratory and nitrogenous exchange. Journ. of
Physiol. 31, 320, 1907.
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 125
Tabelle УШ.
CO,-Produktion [Steigerung am
ro 24 Std. u.1kg| Zuckertage
Körpergewicht
g
Art дев Versuchs
An drei der Zuokereinsprit-
zung vorangehenden Tagen
en aus Versuch 1,
und 3) . . —
68,99
105,49
Am Zuokertag (Versuch 4) . 36,50 | 52,9
An zwei der Zuckereinsprit-
zung vorangehenden Tagen
OLK, жоу сезж. эё жуз 68,79
Am Zuckertag (Versuch 7) . 107,96
39,17 | 56,9
Das Verhalten der CO,-Produktion während der einzelnen
Perioden eines Versuchs wird weiter unten des näheren zu be-
sprechen sein.:
Der respiratorische Quotient. Obzwar eine direkte
Bestimmung des O,-Verbrauchs in meinen Versuchen nicht
vorgenommen wurde und in den Werten, die aus der Gewichts-
veränderung und den Ausgaben der Tiere berechnet wurden,
alle Fehler der übrigen Bestimmungen sich naturgemäß sum-
mieren mußten, glaube ich, daß die von mir ermittelten Quo-
tienten in Versuchsreihe 2, sowie auch in den später zu be-
sprechenden Versuchsreihen 3 und 4 annähernd richtig sind.
Die größte Fehlerquelle liegt bei diesen aus dem berechneten
O,-Verbrauch ermittelten Quotienten gewöhnlich in Mängeln
der Wasserbestimmung; es ist jedoch, wie aus der vorangehenden
Mitteilung des Prof. Tangl ersichtlich, die Wasserbestimmung
im benutzten Calorimeter eine recht genaue. Daher glaubte
ich den respiratorischen Quotienten in Versuchsreihe 2 um во
eher anführen zu sollen, als am Zuckertage eine recht deut-
liche Steigerung des Quotienten die stattgehabte Verbrennung
des Zuckers anzeigt.
(Bei Ratte I hat sich infolge ungenügender Ventilation
am Zuckertage Kondenswasser an den Wänden des Tierraumes
angesammelt, da ich auf die gewaltige Steigerung der Wasser-
dampfabgabe nicht gefaßt war. Der direkten Bestimmung der
Wärmeproduktion tat das Kondenswasser natürlich keinen Ab-
196 Paul Häri:
bruch, machte aber eine Berechnung des O,-Verbrauchs und
des respiratorischen Quotienten unmöglich.)
Bei Ratte II stieg der Quotient von 0,780 und 0,780 an
beiden Normaltagen auf 1,060 am Zuckertag, woraus eine aus-
giebige Zuckerverbrennung hervorgeht.
Die Wärmeproduktion. Tabelle II enthält die Werte,
die für die direkte Bestimmung der Wärmeproduktion erhalten
wurden, die Tabellen III, IV, V und VI die Daten, mittels
deren die Wärmeproduktion aus den Verbrennungen berechnet
wurde. In Tabelle IX sind die durch direkte Bestimmung und
durch Berechnung erhaltenen Werte auf die Körpergewichts-
einheit bezogen und miteinander verglichen.
Tabelle ІХ.
Wärmeproduktion | Die direkt bestimm
pro 24 Stunden und] Wärmeproduktion
Versuchs- | Versuchs- _1 kg Körpergewicht | ist größer (+) oder Be-
reihe | nummer kleiner (—) als die merkung
berechnete
Zuckertag
— 0,4
+ 3,8
— 17,
Zuckertag
Wir wollen zunächst die Werte miteinander vergleichen,
die an den der Zuckereinspritzung vorangehenden Tagen mittels
beider Methoden erhalten wurden.
Die Übereinstimmung kann keineswegs eine befriedigende
genannt werden. Die Unterschiede sind an manchen Versuchs-
tagen recht groß (bis zu 10,8°/,); betragen auch im Durch-
schnitt der Normaltage 3,6°/,.
Es ist jedoch zu bedenken, daß dem genauen Sammeln
und der genauen Analyse der Dejekte die sehr geringen
Mengen, um die es sich hier handelt, hinderlich im Wege
stehen. Es können an dieser Unstimmigkeit auch Momente
anderer Art beteiligt sein, wie etwa unvollkommene Ver-
brennungen unter Bildung intermediärer Produkte, wie solche
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 127
für den hungernden Warmblüter sicher festgestellt sind —
Vorgänge, die mit einer positiven Wärmetönung einhergehen,
daher bei der direkten Calorimetrie vollinhaltlich zur Geltung
kommen, während die dabei entstehenden Produkte nicht oder
nicht sofort zur Ausscheidung gelangen, daher bei der Be-
rechnung der Wärmeproduktion aus den Zersetzungsprodukten
in Wegfall kommen und hier ein bedeutendes Minus ver-
anlassen.
So ließe sich wenigstens bei Ratte I die gute Überein-
stimmung in Versuch 1 erklären, die zunehmende Unstimmig-
keit in Versuchen 2 und 3.
An den Zuckertagen war nach allem dem, was bereits
Zuntz hierüber veröffentlichte, und was ich in meiner ge-
nannten Arbeit ausführlich erörterte, eine Übereinstimmung
zwischen den für die Wärmeproduktion direkt erhaltenen und
den aus den Zersetzungen berechneten Werten am Hungertier
nicht zu erwarten.
Auffallend und nicht sicher zu begründen ist die Tatsache,
daß man an den Zuckertagen für die Wärmeproduktion durch
Berechnung aus den Zersetzungen einen höheren Wert erhält
als durch direkte calorimetrische Bestimmung. Und zwar auch
dann, wenn man den gesamten Traubenzucker als verbrannt
und bloß den in dem Traubenzucker nicht gedeckten Anteil
des Kohlenstofidefizits von verbranntem Fett herrührend be-
trachtet. Das Plus beträgt bei dieser Art der Berechnung
4,7°/, bei Ratte I und 17,2°/, bei Ratte II. Dieses Plus wird
noch weit größer, wenn wir, was für das Hungertier eigentlich
auch richtiger wäre, einen mehr oder minder großen Anteil des
Traubenzuckers als in Form von Glykogen abgelagert be-
trachten, also einen weit größeren Anteil des Kohlenstoff-
defizits von verbranntem Fett herrührend in Rechnung bringen.
In meinen erwähnten früheren Versuchen habe ich gezeigt, daß
die nach beiden Arten der Berechnung erhaltenen Minimal- und
Maximalwerte jeweils einen geringeren, resp. größeren Wert
für die Wärmeproduktion liefern, als durch direkte Calorimetrie
gefunden wird. Warum іп den jetzt besprochenen Versuchen
sogar die „Minimalwerte“ größer sind als die direkt erhaltenen,
kann ich nicht begründen. Möglicherweise hatten sich aus dem
eingespritzten Traubenzucker chemische Energie enthaltende
138 Paul Нёгі:
Zersetzungsprodukte in erheblichen Mengen gebildet, die ent-
weder im Körper blieben oder aber im Harn entleert wurden,
und deren Energiegehalt, da sie nicht bestimmt wurden, vom
Verbrennungswert der zersetzten Stoffe nicht abgezogen werden
konnten.
Ich habe die Berechnung der Wärmeproduktion aus den
Zersetzungen, die ja — wie erwähnt — am Zuckertage keine
verläßliche sein kann, hier angeführt, um zu zeigen, daß nicht
nur die direkte Calorimetrie eine Steigerung der Wärme-
produktion unter dem Einfluß der Zuckereinspritzung anzeigt
(wie unten ausführlich auseinandergesetzt werden wird), sondern
such die unter diesen Umständen unzuverlässige indirekte
Calorimetrie.
Aus den erwähnten Gründen sollen bei der nun folgenden
Besprechung der Veränderung in der Wärmeproduktion nach
der Zuckereinspritzung nur die durch direkte Calorimetrie er-
haltenen Werte berücksichtigt werden.
Wird in beiden Versuchsreihen das Mittel aus den pro 1 kg
und 24 Stunden berechneten Daten der „Normaltage“ mit den
Werten vom Zuckertag verglichen (Tabelle X), so ergibt sich
die sehr bedeutende Steigerung von 28,0°/, bei Ratte I und
29,9°/, bei Ratte II.
Tabelle X.
— mu
Art des Versuchs
An drei der Zuckereinsprit-
zung vorangehenden Tagen
ittelwert aus Versuch 1,
und 3) . —
An zwei der Zuckereinsprit-
zung vorangehenden Tagen
(Mittelwert aus Versuch 5
und. 6) .........
So überzeugend auch diese Daten auf eine intensive
Steigerung der Wärmeproduktion hinweisen, konnte doch der
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 129
Einwand erhoben werden, daß die Steigerung der Wärme-
produktion nicht von einer unmittelbaren physiologischen
Wirkung des Traubenzuckers auf den Energieverbrauch her-
rührt. So könnte z. B. eingewendet werden, daß die Steigerung
der Wärmeproduktion einer durch die Einspritzung verursachten
Unruhe der Tiere zuzuschreiben sei.
Zur Entkräftung dieses möglichen Einwandes dienen zu-
nächst die S. 123 mitgeteilten Daten, aus denen hervorgeht, daß
in dem Verhalten der Tiere an den Normal- und Zuckertagen
kein Unterschied wahrzunehmen war. Ferner mußte, wenn
eine solche Unruhe durch den Akt der Einspritzung selbst
verursacht wurde, dieselbe offenbar in den der Einspritzung
zunächst folgenden Stunden am beträchtlichsten sein. Dies-
bezüglich konnten meine Versuche über das Verhalten der CO,-
Ausgabe, die in kürzeren Perioden von je 2 bis 4stündiger
Dauer bestimmt wurde, besseren Aufschluß geben als die der
Wärmeproduktion selbst. Denn die durch Strahlung und Leitung
abgegebene Wärmemenge könnte wohl für jede Periode ge-
sondert berechnet werden, nicht so die im verdampften Wasser
abgegebene Wärme, da ich die Wassergabe nicht perioden-
weise bestimmt hatte.
In nachstehender Zusammenstellung (Tabelle XI) sind die
für jede einzelne Periode erhaltenen Werte der CO,-Produktion
auf je 1 Stunde und 1 kg Körpergewicht umgerechnet; sie sind
geeignet, den erwähnten Einwand vollständig zu entkräften.
Tabelle XI.
CO,-Produktion pro 1 Std. und 1 kg
Körpergewicht
Auf die Steigerung der CO,-Abgabe am Zuckertage will
ich hier, da sie bereits ausführlich besprochen war, nicht wieder
Biochemische Zeitschrift Band 58. 9
180 Paul Häri:
zurückkommen. Es sollen diese Ziffern nur zeigen, daß die
Steigerung im Stoffumsatze nicht von einer durch die Ein-
spritzung verursachten Unruhe der Tiere herrühren konnte, da
diese doch naturgemäß besonders in der ersten, der Einspritzung
folgenden Periode eine besonders starke Steigerung der CO,-Pro-
duktion hätte verursachen müssen.
Es hatte sich im Gegenteil in beiden Versuchsreihen er-
geben, daß die CO,-Produktion am Zuckertag in der 1. Periode
weit geringer war als in den nachfolgenden Perioden; während
die Normaltage dadurch ausgezeichnet waren, daß die CO,-Pro-
duktion in allen Perioden eine gleichmäßige blieb (Versuchs-
reihe 2), oder aber regellos innerhalb eines Versuchs bald in
einer früheren, bald in einer späteren Periode größer war (Ver-
suchsreihe 1), wie ja dies bei den kleinen beweglichen Tieren,
die abwechselnd bald schlummern, dann wieder in bekannter
Art sich mit den Pfoten säubern, nicht anders zu erwarten ist.
Zudem war auch in dem Verhalten der Werte für die
CO,-Produktion am Zuckertage in beiden Versuchsreihen eine
auffallende Übereinstimmung vorhanden: die CO,-Produktion
betrug 4,04 und 4,04 in der ersten, 4,63 und 4,82 g in der
zweiten Periode.
Ein zweiter, schwerer wiegender Einwand gegen die Be-
weiskraft der angeführten Versuche könnte aus den relativ
großen Mengen des eingespritzten Traubenzuckers — 28 resp.
32 pro 1 kg Körpergewicht — konstruiert werden. Man könnte
behaupten, daß es sich hier nicht um eine physiologische
Steigerung normaler Verbrennungsvorgänge, sondern um eine
förmliche Intoxikation handle, die, wie viele andere Intoxika-
tionen, vermehrten Stoff- resp. erhöhten Energie-Umsatz ver-
ursache.
К ӧвва!) wies bereits im Jahre 1899 in einer Reihe von
Versuchen nach, daß Rohrzucker, Hühnern in einer Menge von
1°/, des Körperwichts subcutan eingespritzt, die Tiere in der
Regel nach der ersten oder zweiten Injektion tötet.
„Kaninchen vertragen !/, bis 19%, des Körpergewichts
durch längere Zeit (2 bis 4 Wochen), ohne daß sich äußerlich
t) Julius v. Kössa, Beitrag zur Wirkung der Zuckerarten. Arch.
f. а. ges. Physiol. 75, 310, 1899.
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 131
Zeichen hochgradigen Übelbefindens bemerkbar machen ...“;
allerdings tritt rasche Abmagerung, vielfach Albuminurie, Blu-
tungen in der Magen- und Darmschleimhaut auf.
So blieben drei Kaninchen, denen je 0,5°/, ihres Körper-
gesichte an Rohrzucker eingespritzt wurden, gegen drei Wochen,
ein viertes aber, das 1,3°/, täglich erhielt, bloß vier Tage lang
am Leben. Zwei Hunde, die je 1°/, erhielten, starben nach
12 resp. 24 Stunden. Kössa hatte auch einige Versuche mit
Traubenzucker angestellt; da aber in diesen bloß Mengen von
0,05 bis 0,2°/, des Körpergewichts eingespritzt wurden, können
zu einem Vergleich mit meinen Versuchen nur die erstgenannten
Rohrzuckerversuche herangezogen werden. Ein solcher Ver-
gleich ist aber nicht ohne jeden Vorbehalt gestattet; denn der
Rohrzucker ist, parenteral eingeführt, nahezu unverbrennbar,
kann also längere Zeit hindurch in den Körpersäften kreisen
und seine giftige Wirkung ausüben; während der leicht ver-
brennende Traubenzucker, in ähnlicher Konzentration eingeführt,
wohl geringere toxische Wirkungen ausüben dürfte.
Nun erhielten aber die Ratten nahezu das Dreifache der
obenerwähnten stärksten Dosis, d. i. zirka 3°/, ihres Körper-
gewichts an Traubenzucker unter die Haut gespritzt, und da
muß man zum mindesten annehmen, daB die gefundene Steige-
rung der Wärmeproduktion teilweise der durch die große Zucker-
menge verursachten Intoxikation zuzuschreiben ist. Für diese
Annahme spricht der innerhalb 24 Stunden nach der Zucker-
einspritzung erfolgte Tod beider Tiere. Gegen sie spricht der
Umstand, daß in dem Habitus der Tiere während dee Ver-
suchs nichts wahrzunehmen war; was auf einem Intoxikations-
zustand hingewiesen hätte. Dagegen spricht auch, daß Ratte II
am Schlusse des Zuckerversuchs gierig Futter zu sich ge-
nommen hatte. Und schließlich ließe sich der Tod der Tiere
auch anders als durch eine Intoxikation ungezwungen erklären.
Während des protrahierten Hungerns nehmen nämlich die Tiere,
wie erwähnt, täglich um ca. 10°/, ihres Anfangsgewichtes ab. Wenn
wir für den letzten Lebenstag, an dem eine richtige Gewichts-
verlustbestimmung infolge der erwähnten Wasser-Retention
nicht zu denken war, eine ähnlich große Abnahme, wie an
den vorangehenden Tagen, annehmen, würde der Gesamt-
verlust am Ende des vierten Hungertages bei Ratte I 42,8°/,,
9%
132 | Paul Häri:
und am Ende des dritten Hungertages bei Ratte П 35,8°/, des
Anfangsgewichts betragen. Dieser sehr bedeutende Gewichte-
verlust konnte an sich bereits den Tod beider Tiere an dem der
Zuckereinspritzung folgenden Tage herbeiführen.
2. Versuche an der Maus.
Da es nach alledem wahrscheinlich ist, daß der Zustand
der Ratten infolge der großen Zuckermengen kein physiologischer
war, und die Steigerung der Wärmeproduktion teilweise der
Intoxikation zuzuschreiben ist, habe ich weiterhin Versuche an
einer gefütterten Maus angestellt und die Menge des pro 1 kg
Körpergewicht eingespritzten Traubenzuckers auf den dritten
Teil, d. i. 1°/, des Körpergewichts, bemessen. Das Tier wurde
gefüttert, da Mäuse protrahierten Hunger bekanntlich noch
schlechter als Ratten vertragen.
Versuchsreihe 3. Das Tier erhielt drei Tage lang je
ca. 3,5 g Fattingerschen Hundefutters; vom 6. III. 1911 an-
gefangen, an dem die Respirationsversuche begannen, je genau
abgewogen 3,43 д. — Am 9. III. erhielt ев 2 ccm einer 9,87°/ igen
Lösung von Traubenzucker (Merck) unter die Rückenhaut ge-
spritzt und wurde gleich darauf in den Respirationskasten ein-
gesetzt. — Das Tier verhielt sich während des ganzen Ver-
suchs wie in den vorhergehenden Normalversuchen. Der Harn
enthielt keinen Zucker. Am 10. ПІ. folgte wieder ein Normal-
versuch, und nach Abschluß desselben wurde das Tier bis zur
nächsten Versuchsreihe weitergefüttert.
Versuchsreihe 4. Obige Maus wurde vom 10. III. 1911
angefangen täglich mit je ca. 3,5 g Fattingerschen Hundefutters
gefüttert; vom 21. III. 1911 angefangen, an dem die Respira-
tionsversuche begannen, erhielt sie je genau abgewogen 3,38 g
des Hundefutters.
Am 23. III. wurden dem Tiere 2 ccm einer 10°/ igen Lösung
von Traubenzucker (Merck) unter die Rückenhaut gespritzt,
worauf es, in den Respirationskasten eingesetzt, sich dort wie
in anderen Versuchen verhielt. Der Harn hatte keinen Zucker
enthalten. Am nächsten Tag folgte ein „Normalversuch“; nach-
her wurde das Tier weitergefüttert und zu anderen Versuchen
verwendet.
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 133
In den Versuchsreihen 3 und 4 wurde die Menge des
Futters auf Grund vorangegangener Fütterungsversuche absicht-
lich so bemessen, daß der Körperbestand des Tieres möglichst
konstant erhalten blieb; es ist daher über das Verhalten des
Körpergewichtse nichts weiter zu berichten.
CO,-Ausgabe. Wenn wir ähnlich wie in Versuchsreihe 1
und 2 die mittlere CO,-Produktion aus allen Versuchen vor
und nach der Zuckereinspritzung berechnen und mit der vom
Zuckertage vergleichen, erhalten wir, wie aus nachstehender
Tabelle XII ersichtlich, eine der geringeren Zuckerdosis ent-
sprechend geringere Steigerung als in den Rattenversuchen,
und zwar 12,8°/, in Versuchsreihe 3 und 8,1°/, in Versuchs-
reihe 4.
Tabelle ХП.
Steigerung
am
Zuckertage
Art des Versuchs
Andreider Zuckereinspritzung
vorangehenden und einem
folgenden Tage (Mittelwert
aus Versuchen 8, 9, 10 u. 12)
Am Zuckertag (Versuch 11) .
An zwei der Zuckereinsprit-
zung vorangehenden und
einem folgenden Tage
(Mittelwert aus Versuch 18,
14 und 16) .......
Am Zucokertag (Versuch 15).
122,23
137,96
131,15
141,78
10,63 | 8,1
Der respiratorische Quotient stieg in Versuchsreihe 3
von 0,77, 0,89, 0,84 an den Normaltagen auf 0,89 am Zucker-
tag; in Versuchsreihe 4 von 0,77 und 0,79 auf 0,86, um am
darauffolgenden Normaltag wieder etwas abzufallen. Da die
Maus ein an Kohlenhydraten reiches Futter erhielt, ist der
Quotient an den Normaltagen ein auffallend niedriger zu nennen.
Es ist zwar richtig, daß das Tier an den Normaltagen 0,40 in
Versuchsreihe 3 resp. 0,55 g Eiweiß in Versuchsreihe 4 resor-
biert und zersetzt hatte, daher das Eiweiß, wie leicht zu be-
rechnen ist, zu 19,4 resp. 25,3°/, an dem gesamten Umsatz sich
134 Paul Häri:
beteiligte. Doch läßt sich nach Magnus-Levy!) auch für den
Fall einer so starken Beteiligung des Eiweißes ein höherer
Quotient berechnen.
Es mögen hieran Fehler bei der indirekten Bestimmung des
O,-Verbrauchs die Schuld haben, so daß ich hier nicht auf den
absoluten Wert, sondern auf die Steigerung der Quotienten am
Zuckertage das Gewicht legen möchte.
Die Wärmeproduktion. Was die Fehlerquellen der
Berechnung der Wärmeproduktion aus den Zersetzungen bei
der Besprechung der Versuchsreihen 1 und 2 anbetrifft, gilt
in höherem Maße für die Versuchsreihen 3 und 4. Die Schwierig-
heiten häuften sich auch dadurch, daß das Tier kleine Mengen
seines Futters verbröckelte, die dann schwer von den Dejekten
zu sondern und zu wägen waren. Ferner mußte in den geringen
Mengen Kot der N-, C- und Energiegehalt bestimmt werden;
auch war es technisch unmöglich, Fett und Kohlenhydrate im
Kot zu bestimmen. |
Die Daten der indirekten Calorimetrie (Tabelle XIII) seien
also eben nur angeführt, um die ungefähre Übereinstimmung
mit dem Ergebnis der direkten Calorimetrie zu zeigen.
Tabelle XIII.
Wärmeproduktion | Die direkt bestimm
pro 24 Stunden und| Wärmeproduktion
Versuchs- | Versuchs- _1 kg Körpergewicht e E e GC
i direkt einer (— ө
reihe nummer —— berechnet —
kg/Cal.
>
8 1
9 8
5 9
6 7 1Zucokörtag
0 9
388,1 ‚8 4
422,0 9 8
428,7 5 8 [|[2исКегбар
428,9 6 3
| 415,3
1) A. Magnus-Levy in Noordens Handb. d Pathol. d. Stoffw.
1, II. Aufl., S. 207, 1906.
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 135
Wenn wir die Veränderung der Wärmeproduktion am
Zuckertage ähnlich wie in Versuchsreihe 1 und 2 berechnen,
also den Mittelwert der Normaltage mit dem vom Zucokertage
vergleichen (Tabelle XIV), finden wir dieselbe um 13,2 resp.
8,0°/, gesteigert.
Tabelle XIV.
Wärmeproduktion | Steigerung
Ver- (direkt bestimmt) am
suchs- Art der Versuche pro 24 Std. u. 1 kg Zuck
reihe Körpergewicht океан :
kgICal.
An drei der Zuckereinsprit-
zung vorangehenden und
einem folgenden Tage (Mit-
telwert aus Versuchen 8,
9, 10 und 12). .....
Am Zuckertag (Versuch 11).
An zwei der Zuckereinsprit-
zung vorangehenden und
einem folgenden Tage (Mit-
telwert aus Versuchen 13,
Am Zuckertag (Versuch 15).
Infolge gewisser Schwankungen der Wärmeproduktion an
den Normaltagen stellen die für Steigerung am Zuckertage an-
geführten Zahlen gewissermaßen Minimalwerte dar; denn die
besonders hohen und aus der Reihe springenden Werte am
ersten Versuchstage in Versuchsreihe 3, sowie am zweiten Ver-
uchstage in Versuchsreihe 4 rücken den Mittelwert der Normal,
tage etwas in die Höhe. Die wirkliche Steigerung am Zucker-
tag ist also noch beträchtlicher, als dies aus obiger Berechnung
hervorgeht.
Hiervon abgesehen, ist diese Steigerung zwar weit ge-
ringer als in beiden Rattenversuchen, was ja bei der geringeren
Menge des eingespritzten Traubenzuckers auch zu erwarten
war. Jedoch ist diese geringe Steigerung um so eher be-
weisend, da die Bedenken, die gegen die Beweiskraft der Ver-
suche dort mit Recht erhoben werden könnten, hier gegen-
standslos sind.
136 Paul Hári:
Einerseits geht aus dem Verhalten der CO,-Produktion,
die periodenweise bestimmt wurde, ähnlich wie in Versuchs-
reihen 1 und 2 hervor, daß die stärkste Steigerung nicht auf
die erste, der Einspritzung unmittelbar folgende Periode fiel
(Tabelle XV); daher die vermehrte CO,-Bildung resp. Wärme-
produktion nicht der durch die Einspritzung selbst hervor-
gerufenen Unruhe zugeschrieben werden kann.
Tabelle XV.
CO,-Produktion pro 1 Std. und 1 kg
Körpergewicht
Der fernere Einwand, daß es sich um eine toxische
Wirkung des Traubenzuckers handeln könnte, ist hier von
selbst hinfällig; das Tier zeigte nicht die geringsten Zeichen
von Unbehagen oder verminderter FreßBlust; ist auch nach
Abschluß beider Versuchsreihen noch längere Zeit am Leben
geblieben.
Einer besonderen Besprechung bedarf noch der Anteil,
den Strahlung und Leitung einerseits und Wasserverdampfung
andererseits an der gesteigerten Wärmeabgabe an den Zucker-
tagen haben.
Wie aus Tabelle XVI ersichtlich, erfährt die durch Strah-
lung und Leitung abgegebene Wärmemenge in allen Versuchs-
reihen eine mäßige Steigerung von 9,9 bis 23,5°/,; die durch
Wasserverdampfung erfolgende eine sehr beträchtliche Steige-
rung von 53,6 resp. 137,9°/, bei den beiden Ratten und blieb
fast unverändert in den beiden Mäuseversuchen.
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 137
Tabelle XVI.
Wärmeabgabe pro 24 Stunden
und 1 kg Körpergewicht
193,6 42,0
239,2 |+ 45,6 |+ 23,5 | 64,5 |+ 22,5 | + 53,6
189,4 87,5
208,2 |+ 18,8 | + 9,9 [ 89,2 [+ 51,7 |+ 137,9
329,8 67,5
|381,0 [+51,2 |+ 15,5| 65,9 | —1,6 | — 2,4
Art
des Versuchs
Versuchsreihe
1 | Ап drei der Zuokerein-
spritzung vorangehen-
den Tagen (Mittelwert
aus Versuch 1, 2 u. 3) .
Am Zuckertag(Versuch 4)
2 | Ап zwei der Zuckerein-
spritzung vorangehen-
den Tagen (Mittelwert
aus Versuch 5 und 6)
Am Zuokertag (Versuch?)
3 [Ап drei der Zuckerein-
spritzung vorangehen-
den und einem folgen-
den Tag (Mittelwert
am Versuch 8, 9, 10
und 12) ......
AmZuckertag (Versuchl1)
4 |An zwei der Zuckerein-
spritzung vorangehen-
den und einem folgen-
den Tag (Mittelwert
am Versuch 13, 14а. 16) | 377,8 57,0
Am Zuckertag (Ver-
such 15) . ..... 406,8 | 29,5 | + 7,8 | 58,5 | +1,5 | + 2,6
(Es sei hier nochmals auf die bereits erwähnte Tatsache
hingewiesen, daß bei Ratte I am Zuckertage sich viel Kondens-
wasser niedergeschlagen hatte, das der Richtigkeit der direkten
Calorimetrie wohl keinen Abbruch tat, jedoch zur Folge hatte,
daß der Wert für die Wärmeabgabe durch Wasserverdampfung
geringer, als der Wirklichkeit entsprach, ausgefallen war.)
Der Unterschied zwischen den Ratten, die je 10 ccm, und
der Maus, die bloß 2 ccm der wässerigen Lösung eingespritzt
erhielt, ist zu auffallend, um verkannt zu werden oder um sie
einem Zufall zuzuschreiben.
188 Paul Нап:
Meines Erachtens gibt es da zwei Erklärungsmöglichkeiten.
Die eine wäre, daß, wie übrigens bekannt, durch Strahlung
und Leitung nur ein ziemlich engbegrenztes Plus an Wärme,
wenigstens bei unseren dichtpelzigen Tieren, abgegeben werden
kann; die noch übrige abzugebende Wärme aber nur durch
vermehrte Wasserverdampfung aus dem Tierkörper eliminiert
wird. Es würde daraus die große Steigerung der Wasserver-
dampfung bei Ratten I und II erklärt werden, deren Wärme-
produktion am Zuckertag um 28,0 resp. 29,9°/, gesteigert war;
ebenso auch das Ausbleiben jeglicher Steigerung der Wasser-
dampfausgabe bei der Maus, deren Wärmeproduktion am Zucker-
tag bloß um 13,2 resp. 8,0°/, gesteigert war, also um eine
Wärmemenge, deren sich die Maus durch Strahlung und Leitung
leicht entledigen konnte.
Die zweite Erklärung wäre, daß nicht die zwingende Not-
wendigkeit, Wärme in vermehrtem Wasserdampf abzugeben,
sondern umgekehrt, der große Wasserüberschuß bei den Ratten
und der weit kleinere bei der Maus, den primären Vorgang
darstellt.
Die Eliminierung eines Wasserüberschusses können die
Nieren besorgen, doch nur zu einem gewissen Anteil. Wenn
der Überschuß unterhalb der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit
bleibt, kommt es nicht zu einer vermehrten Wasserdampf-
abgabe durch die Lungen. Muß jedoch mehr Wasser abgegeben
werden, als durch die Nieren ausgeschieden werden kann, wird
dieses Plus durch die Lungen abgegeben. Die hierdurch er-
folgende bedeutende Abkühlung des Tieres muß dann eine ent-
sprechende Einschränkung der durch Strahlung und Leitung
erfolgenden Wärmeabgabe bedingen. Für diese Erklärungs-
möglichkeit spricht ein Vergleich des Verhaltens der flüssigen
Ausscheidungen?) der Tiere an den Normal- und Zuckertagen.
Ihr Gewicht, das wohl überwiegend aus Wasser bestand,
betrug in Versuchsreihe
І п ПІ IV
im Durchschnitt aller Normaltage 0,83 0,94 0,61 0,64 g
am Zuckertage . . . . . 2... 2,41 1,95 1,78 210g
1) die wohl hauptsächlich aus Wasser bestanden.
Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 139
demnach am Zuckertag ungefähr das Doppelte in Versuchs-
reihe 2 und das Dreifache in allen übrigen Versuchsreihen.
Die Maus konnte sich in Versuchsreihe 3 und 4 von
der ganzen Last des eingespritzten Wassers (2 ccm) durch die
Dejekte befreien; bei den Ratten hingegen genügte die auf das
2 bis 3fache gesteigerte Diurese nicht, um die absolut und
relativ größere Wassermenge abzuscheiden; bei ihnen mußte
diese bedeutende Steigerung der Wasserabgabe durch die
Lungen stattfinden.
Welche von den beiden Erklärungen die richtige ist, soll
zunächst dahingestellt bleiben.
Die Ergebnisse der besprochenen Versuche lassen sich kurz
folgendermaßen zusammenfassen:
1. Traubenzucker erzeugt in einer Menge von 10g
pro 1 kg Körpergewicht, in 10°/,iger Lösung einer ge-
fütterten Maus unter die Haut eingespritzt, eine Stei-
gerung der Wärmeproduktion um 8,0 bis 13,2°/,. In
einer Menge von 28 bis 32 g pro 1 kg Körpergewicht,
hungernden Ratten eingespritzt, beträgt die Steige-
rung 28,0 bis 29,9 °/,.
2. Die Steigerung durch große Mengen Trauben-
zucker (Rattenversuche) kann teilweise von der durch
den Zucker bedingten Intoxikation herrühren.
3. Die nach der Zuckereinspritzung in erhöhter
Menge produzierte Wärme wird, wenn relativ wenig
Wasser eingespritzt wird, ausschließlich durch Strah-
lung, wenn viel Wasser eingespritzt wird, zu einem
großen Anteil auch durch gesteigerte Wasserver-
dampfung abgegeben.
Gm ur — —
Die Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes.
Von
Е. Verzär und A. у. Fejér.
(Aus dem Institut für allgemeine Pathologie und physiologische Chemie
der Universität Budapest. Direktor: Е. Tangl.)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Einleitung. Literatur und Fragestellung.
In der Theorie des Pankreasdiabetes stehen sich bis zur
jüngsten Zeit zwei Ansichten schroff gegenüber. Die Zucker-
ausscheidung nach totaler Pankreasexstirpation wird von dem
einen Teil der Untersucher damit erklärt, daß die Verbrennung
der Kohlenhydrate vollkommen aufhört, während nach anderen
die Fähigkeit des Organismus, Kohlenhydrate zu verbrennen,
auch im Pankreasdiabetes nicht verschwindet, sondern eine
Überproduktion von Zucker ‚vorhanden ist, die zu Hyper-
glykämie und damit zur Zuckerausscheidung führt. Beide
Theorien sind sich jedoch gegenwärtig darüber einig, daß es
sich um den Ausfall einer inneren Sekretion des Pankreas
handelt.
Es ist überflüssig, hier auf die ganze riesenhafte Literatur dieses
Gebietes einzugehen, da diese Frage in letzter Zeit wiederholt Gegen-
stand von zusammenfassenden Darstellungen war, und wir verweisen des-
halb auf die vorzüglichen Referate von Biedl?) (1910), Gigon") (1912)
und Noorden’) (1912), die in den letzten Jahren das Ergebnis aus der
entsprechenden Literatur gezogen haben. Es wird genügen, wenn wir
zur Charakteristik der Frage die Ansichten dieser Autoren referieren
und ihre Befunde mit einigen inzwischen erschienenen Arbeiten ergänzen.
Biedi (1910) kommt nach Besprechung der verschiedenen Theorien
des Pankreasdiabetes zu dem Ergebnis (8. 891): „Die bis vor kurzem
1) Biedl, Innere Sekretion 1910, S. 884 bis 395.
7) Noorden, Die Zuckerkrankheit. Sechste vermehrte u. veränderte
Aufl. 1912, 8. 162 bis 163.
) Gigon, Erg. d Inn. Med. u. Kinderheilk. 9, 235, 1912.
Е. Verzär u. А. у. Fejér: Verbrennung von Traubenzucker usw. 141
fast allgemein akzeptierte Auffassung des Pankreasdiabetes, als eine
Stoffwechselstörung, die in der Hemmung der normalen Zuckerzerstörung
besteht, erhielt bisher nicht die notwendigen Stützen und verliert auch
demnach zunehmend an Geltung.“ „Die ältere Hypothese der ge-
steigerten Zuokerbildung wird wieder mehr in den Vordergrund gestellt
und unter Heranziehung neuer Argumente vielfach vertreten.“ Die zu-
erst von Chauveau und Kaufmann und anderen vertretene „Vor-
stellung, der zufolge die Pankreasfunktion in einer Hemmung der Zucker-
bildung bestehen dürfte, bildet die Basis der neueren Theorien.“ Weiter
fährt Віеа! fort (5. 393): „Unter Zugrundelegung unserer Kenntnisse
über den Angriffspunkt des Adrenalins gelangen wir somit zu der Vor-
stellung, daß das Pankreashormon auf jenen nervösen Apparat,
der die Zuokerbildung reguliert, einen hemmenden Einfluß
ausübt“ und „der Wegfall der Pankreastätigkeit entfernt die
normalen Hemmungen der Zuokerbildung?).“ Demnach vertritt
Biedl die Anschauung, daß der Pankreasdiabetes dadurch zustande
kommt, daß eine Überproduktion von Zucker stattfindet, während die
normale Zuckerverbrennung nicht gestört sein muß.
Sehr ausdrücklich wird derselbe Standpunkt von v. Noorden (1912)
verfochten. Dieser war früher Anhänger der Ansicht, daß im Diabetes
die Verbrennung des Zuckers vermindert ist. In der letzten Auflage
seines buches äußert er sich aber dahin, „daß die Theorie sich aber
kaum aufrechterhalten läßt, denn durch keinerlei Methode konnte bis-
her nachgewiesen werden, daß die Muskeln ihren Kraftwechsel mit
anderem Material als mit Kohlenhydrat zu decken vermögen“. Auch
er betont, daß die Ansicht, daß im Diabetes die Zuckerverbrennung
vermindert sei, unhaltbar ist, da dies nur „auf indirektem Wege zu be-
weisen versucht wurde, denn direkte Beweise lagen niemals vor“.
Er beruft sich dann auf die Versuche von Porges und Salomon,
nach denen nach Ausschaltung sämtlicher Bauchorgane sowohl beim nor-
malen als beim pankreasdiabetischen Tiere ein hoher RQ gefunden wird,
woraus er schließt, daß Kohlenhydrate verbrannt werden. Von diesen
Versuchen schreibt er, daß sie „die erste sichere experimentelle Stütze
sind, die erlaubt, zwischen den beiden alten Hypothesen verminderte
Zuckerzerstörung oder vermehrte Zuckerbildung zugunsten der letzteren
zu wählen“ (S. 162 bis 163).
Der eine von uns (Verzär) hat bereits früher darauf hingewiesen,
daß die Erklärung dieser Versuche, ebenso wie die von ihm gefundene
Erhöhung des RQ nach Eck-Queiroloscher Fistel nicht zu derartigen
Sohlüssen berechtigt, und daß deshalb auch durch diese Versuche noch
nicht die Frage der Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes gelöst ist?).
Der dritte Referent dieses Gegenstandes, Gigon, steht auf dem
entgegengesetzten Standpunkte. Er stellt die Frage auf: „Wird beim
1) Von mir gesperrt. |
D Siehe hierzu Verzär, diese Zeitschr. 34, 52 und 42, 201. —
Porges, ebenda 36, 842.
142 F. Verzär und А. e Fejer:
experimentellen totalen Pankreasdiabetes überhaupt noch Zucker im
Organismus auf normalem Wege verbraucht?“ und kommt zu dem
Schluß: „Eine Verwendung von Zucker scheint, nach vollständigem
Ausfall des . Pankreas, auch zur Deckung eines vermehrten Energie-
bedarfes nicht mehr möglich.“ Aus seiner Darstellung ist vor allem er-
sichtlich, daß alle Beweise einer Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes
durchaus anfechtbar sind. So ist die scheinbare Retention von per ов
eingeführtem Zucker, die Steigerung der Zuckerausscheidung durch
Adrenalin, Phlorizin, den Zuckerstich oder niedrige Temperatur auch
anders erklärbar, während das angebliche Fehlen einer Ketonurie und
die Verminderung der Zuckerausscheidung durch Muskelarbeit experi-
mentell widerlegt wurden. Andererseits muß aber auch zugegeben
werden, daß die zugunsten eines vollkommenen Fehlens der Zuckerver-
brennung angeführten Befunde Minkowskis: 1. Suboutan injizierter
Traubenzucker wird 'vollkommen ausgeschieden, 2. der Quotient = ist
konstant, auch nur auf ganz indirektem Wege die Frage beleuchten.
Eine direkte Messung des Zuckerverbrauchs im Diabetes
wurde erst in jüngster Zeit ausgeführt, und zwar am isolierten,
künstlich durchbluteten Herzen von pankreasdiabetischen Tieren.
E. Hamburger?) und J.Knowlton und E. H. Starling’) haben
gefunden, daß während das isolierte normale Herz einen be-
deutenden Zuckerverbrauch hat, derselbe beim pankreasdiabe-
tischen Herzen vollkommen fehlt?).
1) Мару. Огу. Arch. 12, 279 bis 283. Centralbl. f. Biochem. u.
Biophys. 18, 27, 1912.
2) Journ. of Physiol. 45, 146 bis 163, 1912.
з) Bereits nach Abschluß dieser Arbeit erschien eine Mitteilung
von Macleod und Pearce: „Über das Verschwinden der Glucose aus
dem Blut normaler und pankreasloser Hunde nach Entfernung der
Unterleibsorgane“ (Centralbl. f. Physiol. 26, Nr. 26). Nach den Autoren
„ist es klar, daß wenn die Hyperglykämie, die auf Entfernung der
Bauchspeicheldrüse folgt, ihren Grund in der Unfähigkeit der Muskeln,
Glucose zu verbrauchen, hat, der Zucker im Blute solcher diabetischer
Tiere nicht verschwinden sollte, bei denen die Unterleibsorgane (ein-
schließlich der Leber) entfernt worden sind.“ Bei einer experimentellen
Untersuchung dieser Frage fanden sie, daB die Prozentwerte des
Blutzuckers sowohl bei normalen als bei pankreasdiabetischen Hunden
im Laufe eines solches Versuches sanken. Im Gegensatz zu Knowlton
und Starling glauben sie deshalb, daß die Muskeln pankreasdiabetischer
Tiere Zucker verbrennen. Aus der vorläufigen Mitteilung der Verfasser
kann noch kein endgültiges Urteil über ihr Resultat gefällt werden, so
viel ist aber sicher, daß aus der Abnahme der Blutzuckerprozente
noch nicht auf Zuckerverbrauch der Muskeln geschlossen
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 143
Noch wichtiger aber ist, daß es Knowlton und Starling
gelang, diesen Zuckerverbrauch des Herzens wieder herzustellen,
wenn sie das Herz mit dem Blut eines normalen Tieres oder
mit Blut, zu dem ein saurer gekochter Pankreasextrakt hinzu-
gefügt war, durchströmten. Durch diese Untersuchung wurde
bewiesen, daß das Pankreas ein Sekret an das Blut ab-
gibt, das zum Zuckerverbrauch des Herzens durchaus nötig
ist und durch dessen Abwesenheit im pankreasdiabetischen
Tier die Zuckerverbrennung des Herzens vollkommen auf-
gehoben ist.
Es ist verlockend, dieses Ergebnis zu generalisieren und
damit die Frage der Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes
endgültig erledigt zu sehen. Da aber diese Versuche am іво-
lierten Herzen ausgeführt wurden, so konnte immerhin noch
daran gedacht werden, daß der ganze Organismus sich in
dieser prinzipiellen Frage anders verhält als das isolierte
Organ. So konnte an die folgenden Möglichkeiten gedacht
werden: 1. Wenn auch das Muskelsystem seine Fähigkeit ver-
loren haben sollte, Zucker zu verbrennen, so konnte immerhin
noch in anderen Organen — und besonders mußte man dabei
an die Leber denken — Zucker verbrannt werden. 2. Konnte
daran gedacht werden, daß entsprechend der von einzelnen
Autoren vertretenen Gifttheorie des Pankreasdiabetes in dem
diabetischen Blut, mit dem das Herz durchströmt wurde, eine,
die Zuckerverbrennung hemmende Substanz vorhanden ist, die
im Körper fortwährend durch irgendein Organ entgiftet wird.
Bei isolierter Durchströmung des Herzens mußte natürlich diese
entgiftende Wirkung fortfallen. Es erschien uns deshalb von
Wichtigkeit, am ganzen Tier zu untersuchen, ob im
Pankreasdiabetes noch Zucker verbrannt wird.
Die Untersuchung schließt sich direkt an die von Verzär')
bereits früher über diesen Gegenstand ausgeführte an.
werden kann, denn eine im Laufe des letalen Versuches even-
tuell eintretende Hydrämie wird denselben Erfolg haben!
Ferner haben die Autoren ihren Hunden Adrenalin infundiert, um den
Blutdruck zu erhöhen. Wir wissen aber nicht, ob diese im Kohlenhydrat-
stoffwechsel so wichtige Substanz bei solchen Untersuchungen indif-
ferent ist.
1) Verzär, diese Zeitschr. 44, 201.
144 Е. Verz&r und А. v. Fejér:
Methodik,
Es wäre freilich am schönsten, wenn man den Zucker-
verbrauch des ganzen Körpers ebenso direkt messen könnte,
wie den des isolierten Herzens in den obenerwähnten Ver-
suchen am isolierten Herz. Das ist aber natürlich nicht mög-
lich, denn das Verschwinden des Zuckers aus dem Blute bzw.
der Durchströmungsflüssigkeit könnte ebenso auch durch Aus-
scheidung durch die Nieren und Darm, Retention in den Ge-
webesäften, Glykogenbildung usw. hervorgerufen werden. Wir
müssen uns deshalb eines anderen Kriteriums der Zuckerver-
brennung bedienen. Ein solches ist die Änderung der Re-
spiration nach Zuckerzufuhr. Die Verbrennung des Zuckers
äußert sich bekanntlich in einer Steigerung des respiratorischen
Quotienten (RQ), die hauptsächlich durch eine Steigerung der
CO,-Produktion bewirkt wird. Diese Änderung der Respiration
gibt uns unter Einhaltung der genau gleichen Ver-
hältnisse mit der Sicherheit einer chemischen Reaktion an,
ob Zucker verbrannt wird.
Um aber diese vollkommen gleichen Verhältnisse ein-
zuhalten, müssen wir den Respirationsversuch mit ganz be-
sonderen Kautelen ausführen. Da Bewegungen des Tieres die
Respiration im hohem Grade ändern, müssen wir am durch
Curare immobilisierten Tier arbeiten. Die Wichtigkeit dieser
Vorsichtsmaßregel hat Tangl!) hervorgehoben, und wir berufen
uns auf die von ihm beschriebene Methodik der Respirations-
versuche und erwähnen hier nur, daß das Tier künstlich venti-
liert, bei konstanter Temperatur im Thermostaten gehalten
und die Respirationsgase nach der Methode von Zuntz-Gep-
pert bestimmt wurden.
Um die eventuellen Verschiedenheiten in der Resorption
auszuschalten, brachten wir den Zucker nicht in den Magen,
sondern führten ihn intravenös ein. Die Injektion des Zuckers
erfolgte in die У. jugularis. Injiziert wurde gewöhnlich eine
auf Körpertemperatur erwärmte 10°/ ige Dextroselösung іп
destilliertem Wasser. Die Injektion selbst dauerte immer 40 Mi-
nuten. Die Tiere erhielten pro Gramm und Minute die gleiche
Zuckerquantität. Die Injektion einer solchen Lösung wird von
1) Tangl, diese Zeitschr. 34, 1.
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 145
normalen wie von pankreaslosen Hunden, wie wir uns öfters
überzeugten, auch wiederholt ganz schadlos ausgehalten; von
einer etwaigen „giftigen Zuckerquantität“ kann in unseren
Versuchen also nicht die Rede sein. Andererseits mußten aber
große Zuckerquantitäten eingeführt werden, um möglicherweise
auch eine geringe Zuckerverbrennung noch zu konstatieren. In
einem Versuch (Nr. VIII) haben wir 5°/,ige Dextrose verwandt.
Wir haben auf diese Weise ein vollkommen immbobilisiertes,
gleich temperiertes, nur unter den willkürlich von uns ge-
änderten Versuchsbedingungen stehendes Versuchstier, das uns
eben deshalb absolut klare Vergleichswerte liefern kann. Die
Versuche wurden immer so ausgeführt, daß wir zuerst in 3
bis 4 Versuchen die normale Respiration bestimmten. Dann
folgte eine intravenöse Zuckerinjektion (Dextrose), und nun
wurde die Respiration sowohl während, als auch sogleich nach
Beendigung und dann in längeren Pausen noch Stunden lang
nach der Infusion untersucht.
Über die operative Behandlung unserer Tiere sei noch
folgendes angegeben: Unsere Versuchstiere waren Hunde von
ca. 6 bis 7 kg Gewicht. Die totale Pankreasexstirpation führten
wir in Morphiumäther-Narkose mit aseptischen Kautelen aus.
Die Entfernung des Pankreas wurde nach der Methode von
Нёдор in einer Sitzung ausgeführt‘), Ohne daß meist auch
nur ein einziges Gefäß unterbunden werden muß, wird das
ganze Pankreas in einem Stück mit den Fingern stumpf reißend
entfernt. Nur der Ausführungsgang wird unterbunden. Ent-
lang der Darmwand bleiben einzelne kleine Stückchen von
Pankreasgewebe zurück; diese werden nun sorgsam mit den
Fingern oder der anatomischen Pinzette entfernt. Nun wird
das Duodenum mit dem Mesenterium umschlungen und die
Blätter des letzteren durch 1 bis 2 Nähte vereinigt. Endlich
folgt die Naht der Bauchwand in 3 Etagen und später sorg-
fältige Wundbehandlung.
Zum Respirationsversuch wird das Tier ohne Narkose
tracheotomiert. Zur Messung des Blutdruckes während des Ver-
suchs, der uns ebenfalls eine Kontrolle ist, ob wir unter
gleichen Verhältnissen arbeiten, wird in die eine Carotis eine
1) Нёдоп, Arch. intern. de Physiol. 10, 350, 1911.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 10
146 Е. Verzár und А. у. Fejér:
Kanüle eingeführt. Ferner kommen Kanülen in beide Vv. ju-
gulares.. Durch die eine wird das Tier curarisiert, durch die
andere wird die Zuckerlösung injiziert.
Tabelle I.
Nummer des Versuchstieres: I. Körpergewicht: 5500 g. Datum: 16.1.1913.
ы
Z
— Dauer
ang
Anmerkungen
in der Ven-
tilationsluft
Körpertempera-
tur am Anfang u
Ende d. Versuchs
Atemvolum
В pro Minute
des Versuchs
©
о
6’ 58”
9' 38”
8’ 58” 12224
5/12 33’ 8° 38” 12152
38,
612% 50/ 8’ 34” 12152] 2,46 | 2,19 | 52,9 | 47,2 |0,892]38,10
47,8 10,868]38,00
55,1 Von 1210’ bis 12һ50'
134,5 ccm 10°/,ige Dex-
troselösung-Infusion.
о
Ф
8,28
7| 12 32’) 8° 32” [2156] 2,24 | 1,94 | 48,3 | 41,9 [0,867[38,28
38,20
8| 2% 08” 8° 03” 12233] 2,20 | 1,80 | 49,1 | 40,3 |0,819]38,32
| 38,30
9 3% 08" OI 26” 12201] 2,30 | 1,85 | 50,6 | 40,8 [0,806[38,32
38,30
Wird intravenös injizierte Dextrose vom pankreasdiabetischen
Tier verbrannt?
Wir führen vor allem als Beispiel einen Versuch an einem
normalen Tier an, um zu zeigen, wie sich die Wirkung einer
Zuckerinjektion mit der von uns geübten Methode äußert
(Tabelle D Das Tier erhielt pro Gramm und Minute ebenso-
viel Zucker, wie die Tiere in den folgenden Versuchen. Man
sieht, daß sogleich nach Beginn der Zuckerinjektion der RQ
bedeutend höher wird und längere Zeit auf dieser Höhe verweilt.
Verzär hat in seiner früheren Arbeit gezeigt, daß wenn
man 21/„ bis 3 Stunden (Versuch 4 und 5 jener Arbeit) nach der
totalen Pankreasexstirpation Dextrose intravenös injiziert der
RQ sogleich steigt. In dem einen Versuch stieg er von 0,864
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 147
auf 1,020, in dem anderen von 0,824 auf 0,899. Daraus geht
also hervor, daß auch nach Entfernung des Pankreas Zucker
im Organismus verbrannt wird. Es ließ sich daraus folgern,
daß das Pankreas selbst nicht vorhanden sein muß, damit
Zucker verbrennt, so daß eine Theorie wie die von Baldi,
nach welcher der Zucker das Pankreas passieren muß, um in
eine verbrennbare Gestalt zu gelangen, auszuschließen war.
Übrigens ließ sich derselbe Schluß schon daraus ziehen, daß
auch isolierte Organe einen Zuckerverbrauch haben. Der Ver-
such wurde aber dahin erklärt, daß entweder auch ohne Pan-
kreas die Zuckerverbrennung des Organismus vor sich geht, oder
daß bei diesen nur kurze Zeit nach der Exstirpation ausge-
führten Versuchen noch genügend Pankreashormon im Körper
vorhanden war, um die Verbrennung des injizierten Zuckers
möglich zu machen. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden
Möglichkeiten ließ sich damals nicht finden.
Wir haben nun ähnliche Versuche an Hunden ausgeführt,
deren Pankreas 2 bzw. 4 und 4 Tage vorher entfernt war
(Tabelle П). Wie aus der Generaltabelle (Tabelle IV) hervor-
geht und wie besonders die Betrachtung der entsprechenden
Versuchstabellen selbst ergibt, ist in allen 3 Versuchen ein
Ansteigen des RQ nach der Zuckerinjektion zu beobachten.
Bei Hund IX (2 Tage nach der totalen Exstirpation) stieg der
RQ von 0,774 auf 0,860. Die Erhöhung des RQ blieb also
kaum hinter jener zurück, welche die Injektion derselben Zuoker-
menge beim normalen Tier oder beim Tier, dessen Pankreas
erst vor 3 Stunden entfernt wurde, hervorruft. Von den Hunden
XIII und X, deren Pankreas seit 4 Tagen entfernt war, zeigte
Hund XIII keine, dagegen Hund X eine deutliche Erhöhung
des RQ, die als Erfolg der Zuckerinjektion eintrat und die be-
weist, daB dieses Tier noch Zucker verbrannt hat. Ob die
Zuckerverbrennung noch mit der gleichen Intensität ablief wie
beim normalen Tier, darüber wollen wir hier keine weiteren
Betrachtungen knüpfen, denn für unsere Frage genügt vorerst
die Feststellung, daß bei Tieren, deren Pankreas seit 4 Tagen
total exstirpiert ist, noch Zucker verbrannt wird.
Wir haben aber dann weitere Versuche an 12 Hunden
ausgeführt, und zwar längere Zeit, 5 bis 19 Tage nach der to-
talen Exstirpation des Pankreas. (Siehe Tabelle III, V, VI.)
10*
148 Е. Verzár und А. у. Fejer:
Tabelle II.
;| An- TEE
* fang Dauer He
FRE Anmerkungen
Sya
GET
des Versuchs
Nummer des Versuchstieres: IX. Körpergewicht: 4600 g.
Pankreasexstirpation: 5. XL 1912. Reepirationsversuch: 7. XI. 1912.
1| 9 26/11 51”11631] 2,27
2) A 53'111’ 5511651] 2,03
810% 15°11 0711644] 1,84
1,68
1,46
1,42
410% 44'111’ 4611652] 2,57
51118 07'111’ 51”116691 2,54
6[11% 307111’ 51”]1687| 2,36
71118 557/117 1811701] 2,40
2,17
2,15
2,03
1,98
38,20
38,25
38,12
38,15
38,13
38,02
36,71
37,68
38,25
38,11
37,81
37,67
37,75
37,95
37,1
88,5
30,2
27,4 10,739
24,1 10,713
23,4 10,774
42,4
42,4
39,8
40,8
35,8 }0,845
35,9 [0,846
34,8 [0,860
33,7 10,826
Von 10127’ bis 11»7'
180 ccm 10°), ige Dextrose-
Infusion.
Nummer des Versuchstieres: XIII. Körpergewicht: 9000 g.
Pankreasexstirpation: 17. ХП. 1912. Respirationsversuch: 21. XII. 1912.
7% 36'| 8’ 25126581 3,10
8» 00/10 0572636] 3,24
3| 8* 16’) Y 3312617} 3,51
2,19
2,22
2,36
DD ë m
4| 8% 467110 2072639] 3,71
A 9» 067 9’ 85726401 3,61
6| 9* 32| 9’ 3926051 3,78
710% 157 9° 08”[2720] 3,32
810% 58) 8’ 4312771] 3,12
2,61
2,60
2,65
2,28
2,10
39,55
39,59
39,59
39,34
40,00
40,00
40,40
40,38
40,33
40,43
40,68
40,80
40,65
40,60
40,40
40,32
82,4
85,4
91,9
58,2 [0,706
61,0 [0,714
63,9 10,696
97,9
95,3
98,4
90,2
86,5
68,9 [0,704
68,6 [0,720
69,0 [0,701
62,0 [0,688
58,2 (0,678
Von 8*26”' bis 9®06' 220 ccm
10°,, ige Dextrose-Infusion.
Nummer des Versuchstieres: X. Körpergewicht: 5600 g.
Pankreasexstirpation: 5. XI.
20131 2,03 | 1,50 1 40,8 | 80,2 [0,741
20451 2,03 | 1,38 | 41,6 | 28,3 10,680
110% 87710” 09
2/10 587 91
81118 217 981”
2,82 | 1,57 | 47,4 | 32,2 [0,676
1912.
38,74
38,69
38,52
38,44
38,68
38,90
Respirationsversuch: 9. XI. 1912.
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 149
Tabelle III.
|
|
|
|
|
|
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in der Ven-
‘3: ro Minute | О, | ёз 2
= Ё | tilationsluft | Р SIS og
des Versuchs |< 2. x a SEE
[ест | °/, | Dia | ccm | ccm °C
—
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Von 11®31’ bis 1211’
38,90 150 ccm 10°/,ige Dextrose-
„| 38,73 | Infusion.
2,50 | 1,98 | 51,9 | 41,1 |0,792
|
4111» 47’) 8’ 52”
|
51128 16’, 9’ 25”
2,29 | 1,73 vele
б 44 gr 24”|2091| 2,15 | 1,60 | 45,0 | 33,4 [0,742 ier:
7| a 38| go 25” 214 |1,57 44,1 | 32,4 [0,734 EC
Nummer des Versuchstieres: XXVIII. Körpergewicht: 5000 g.
Pankreasexstirpation: 24. I. 1913. Respirationsversuch: 29. I. 1913.
1| 6% 14’ 71,2
2| 6% 397 8’ 2712867] 2,51 | 1,87 | 71,9
61,6
— АЙ Keier 39,72 | "i0o/, ge Deztrose-Infuston.
5| 8007| gr 11” SE
6! 8% 397 8'54” Ss
7 #137 8'29” au?
81108 007 8° 13” Sc
Nummer des Versuchstieres: IV’. Körpergewicht: 6000 g.
Pankreaexstirpation: 3. VII. 1912. Respirationsversuch: 11. VII. 1912.
due 16'10' 041929] 3,10 | 2,20 | 59,8 | 42,4 [0,705] 37:85
olım 40| 8 15”12207| 2,65 2,05 | 58,4 | 45,3 [0,776 29097
3115 02| 8' 2772193] 2,80 | 2,08 | 61,4 | 45,6 [0,743] 20:00
аль 247) 9° 04”12159] 2,70 | 1,99 | 58,4 | 42,9 [0,734] 2997
h 39,68 hon’ har’
5/12 03| 8°407)2157] 2,62 | 2,02 | 56,5 | 43,6 10,772] Зу; ———
611m 27| 8' 29”|2088/ 2,71 | 2,10 | 56,6 | 43,8 KC Ee) лл
7/12 51’) 9’ 08”12004| 2,89 | 2,28 | 57,9 | 45,7 [0,789 en
8| 12 47, 8' 56”|1904| 2,94 | 2,27 | 56,0 | 43,2 [0,772 er
150
Е. Versär und А. у. Fejér:
Tabelle III (Fortsetzung).
des Versuchs
in der Ven-
tilationsluft
а 93
SE
g'g o
СО» | £ <>
pro Minute 0, gde
а =
oC
Anmerkungen
Nummer des Versuchstieres: V. Körpergewicht: 7000 g.
Pankreasexstirpation: 4. VII. 1912.
110% (el 9 2719211 3,62 | 2,66 | 69,5 | 51,1 10,734 SE
910% 34'| 8 55”]2016| 3,67 | 2,57
310®* 527) 9° 44”l1947] 3,69 | 2,69
alia 16°) 8° 53”f2062ą 3,58 | 2,65
5111» 59
612% 30’
7| 12.07
H 18 52
H 24 32
10 3% 29’
11) 4 34’
12| 5% 48’
2,58
2,41
2,54
2,56
2,77
2,49
2,51
2,59
39,20
74,0 | 51,7 10,699 39.25
71,8 | 52,4 [0,728| 39,80
39,40
78,8 | 54,6 [0,742] 3950
39,55
39,40
73,4 | 53,9 [0,788 39,40
89,45
72,7 | 52,4 [0,722 39,60
12,5 | 52,8 [0,721 20%
18,1 | 52,2 0,714 1010
79,1 | 54,8 [0,161 308
72,2 | 53,1 [0,134 St
71,8 | 51,5 10,722
40,10
75,9 | 55,5 10,781 40.30
Respirationsversuch: 13. VII. 1912.
Von 11%40° bis 1830,
185 eem 10®/, ige Dextrose-
lösung-Infusion.
Nummer des Versuchstieres: XXV. Körpergewicht: 6000 g.
Pankreasexstirpstion: 17. І. 1913. Respirationsversuch: 27. І. 1913.
1110% 3810 05”]8275] 2,20 | 1,45 | 72,0 | 47,4 [0,65
21118 017 9 58”|3276| 2,14 | 1,39
311» 817107 0273200] 2,14 | 1,34
ALS 06’) 9’ 4913247] 2,17 | 1,47
5112» 257 9 18"
19] 2,24 | 1,51
ai 1> 18710 25”18206] 2,21 | 1,43
ol 1 Aë) 9 51"|8218] 2,28 | 1,48
7 38,72
38,82
38,85
70,1 | 45,5 10,649 38.90
39,00
38,90
10,8 | 47,6 10,677] 38°90
38,95
72,2 | 48,6 10,674 39.00
39,15
10,8 | 45,9 10,848] 39°20
39,25
73,0 | 48,5 [0,666 39°30
Von 1145’ bis 19%25/, Infu-
sion von 146,7 cem 5P/,iger
Dextroselösung.
Verbrennung von Traubenzucker im Pankressdiabetes. 151
Diese Versuche zeigten nun mit großer Klarheit,
daß, wenn man längere Zeit (5 Tage) nach der Pan-
kreasexstirpation verstreichen läßt, die Zuckerver-
brennung vollkommen verschwindet. Aus der Betrach-
tung der Tabellen geht ganz eindeutig hervor, daß diese auf
der Höhe des Pankreasdiabetes befindlichen Tiere die Fähig-
keit, den injizierten Zucker zu verbrennen, vollkommen verloren
haben, im Gegensatz zu jenen Tieren, deren Pankreas höchstens
4 Tage vorher exstirpiert war, und die, wie wir sahen, Zucker
noch verbrennen konnten. Wir betonen noch einmal, daß alle
diese Tiere sich unter vollkommen gleichen Verhältnissen (Im-
mobilisierung, gleichmäßige Ventilation, konstante Temperatur,
guter Blutdruck) befanden, daß alle Tiere pro Gramm und
Minute dieselbe Zuckerquantität in gleicher Konzentration in-
jiziert erhielten (Ausnahmen sind besonders vermerkt!), und daß
wir also durchaus berechtigt sind, diese Tiere gegenseitig mit-
einander zu vergleichen. Ganz besonders möchten wir noch
hervorheben, daß diese Tiere, die sich längere Zeit nach der
totalen Exstirpation befanden, nicht etwa in einem elenden,
schwachen Zustand waren, sondern im Gegenteil sich sehr wohl
befanden und im Stall frei herumliefen. Die Wunden waren
gewöhnlich noch nicht vollkommen zugeheilt, wie das bei der
bekannten schweren Heilungstendenz der Wunden von Dia-
betikern bzw. im Pankreasdiabetes nicht anders zu erwarten
war. Es ist wohl fast überflüssig, noch besonders hervorzuheben,
daß wir uns selbstverständlich immer davon überzeugten, daß
unsere Hunde einen schweren Diabetes hatten‘), Was die
Lebensdauer unserer Hunde betrifft, so können wir darüber —
da die Tiere nacb dem Reepirationsversuch getötet werden
mußten — nur angeben, daß ein Hund, bei dem wir den Re-
spirationsversuch möglichst lange hinausschieben wollten, am
19. Tage einging. Dies entspricht der bekannten Lebensdauer
von Tieren nach totaler Pankreasexstirpation.
Wir kommen also zu dem Resultat, daß auf der
Höhe des Pankreasdiabetes der Körper die Fähigkeit,
zugeführten Zucker zu verbrennen, vollkommen ver-
loren hat, denn nach Injektion von sehr bedeutenden Quanti-
1) Es sei bier bemerkt, daß wir nicmals Ketonurie vermißten.
152 Е. Verzár und A. у. Fejer:
täten von Dextrose konnte gar keine Steigerung des RQ be-
obachtet werden.
In Tabelle IV haben wir alle unsere Versuche in der
Reihenfolge des Zeitraumes zwischen Pankreasexstirpation und
Respirationsversuch zusamengestellt. Man sieht, daß bis zum
4. Tag nach der Zuckerinfusion der RQ steigt. Vom 5. Tage
an ist keine Steigerung mehr zu beobachten, in manchen Fällen
sinkt der RQ, in anderen sind die Differenzen kleiner als 0,02,
was innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler liegt.
Tabelle IV.
| Höchsier геврїта-
Nummer Zeit nach | torischer Quotient
Nr. des Entfernung | __,. | _,., 1 Differenz
Versuchstieres |desPankreas| “OF | nach
der Zuckerinfusion
1
2 |№. 2 а. Arbeit | 21, Реасе
3 Verzärs CND
4
5 хш
6 A
7 XXVIII 5 Tage 0,815 0,765 į — 0,050
8 хп То» 0,842 0,842 0,000
9 IV 8 » 0,776 0,789 [+ 0,013
10 XLI 8 n 0,662 0,679 | + 0,017
11 XXXVII H n 0,755 0,680 | — 0,075
12 у 9 n 0,742 0,761 + 0,019
13 ХІХ 9» 0,711 0,718 | + 0,007
14 хху 10 e 0,657 0,677 | + 0,020
15 XXXIII 12 » 0,711 0,671 — 0,040
16 XXVI 13 e 0,733 0,688 | — 0,045
17 XLII 13 e 0,690 0,6841) | — 0,006 3)
18 XLIII 19 n 0,689 0,645 | — 0,044
Es könnte gegen unsere Versuche eingewendet werden, daß
wir durch das Curare und eventuell durch die hierdurch be-
wirkte Ausschaltung der Muskeln den Zuckergehalt so gestört
haben, daß unsere Versuche nicht auf das unvergiftete Tier
angewandt werden können.
Dieser Einwand ist hinfällig, denn wir brauchen nur auf
die vollkommen ungestörte Zuckerverbrennung der normalen
Tiere hinzuweisen, die ebenfalls curarisiert waren. Wir betonen
:) oder 0,766 (?).
т) oder 0,076 (?).
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 153
hier wieder, daß alle unsere Hunde sich auch in dieser Be-
ziehung unter vollkommen gleichen Verhältnissen befanden und
deshalb die Unterschiede in der Zuckerverbrennung nur auf
den Fortfall der Pankreasfunktion zu beziehen sind.
Besondere Erörterung erfordert die Tatsache, daß, wie wir
fanden, bis zu 4 Tagen nach der Injektion noch eine an In-
tensität wohl immer mehr abnehmende Zuckerverbrennung
zu bemerken ist. Wie ist das zu erklären? Es liegt wohl
am nächsten anzunehmen, wie das bereits früher getan wurde
(l.c.), daß nach der Pankreasexstirpation noch genügend inneres
Sekret (Hormon) übrig bleibt, um eine gewisse Zuckerver-
brennung einige Tage lang mögiich zu machen. Dieses ver-
schwindet nach und nach und am 5. Tag ist ев vollkommen
erschöpft. Es ist allerdings überraschend, daß dieses Hormon
die Pankreasexstirpation stets so lange überdauern soll. Die
Zuckerausscheidung beginnt bekanntlich schon wenige Stunden
nach der Exstirpation; es ist also das Hormon schon bald in
zu kleiner Quantität vorhanden, um eine Hyperglykämie durch
Förderung der Zuckerverbrennung zu verhindern. Nichtsdesto-
weniger bleibt davon bis zum 4. Tag etwas übrig.
Die zweite Möglichkeit, diesen Befund zu erklären, bildet
zugleich einen Einwand gegen die obige Erklärungsweise, den
wir uns selbst gemacht haben. Bei der totalen Pankreasexstir-
pation ist ев ja immerhin möglich, daß ganz kleine, stecknadel-
kopfgroße Inselchen von Pankreasgewebe an der Wand des
Duodenums haften bleiben. Wir zerstören dieselben immer
noch durch Zerreiben zwischen den Fingern. Bei der Sektion
ließen sich Überbleibsel nicht vorfinden, es wäre aber eventuell
denkbar, daß durch den Zerfall und die Aufsaugung dieser ge-
ringsten Pankreasreste doch noch etwas von jener Substanz in
das Blut gelangt, die zur Zuckerverbrennung nötig ist, und daß
die Aufsaugung dieser zerstörten Drüsenreste in den ersten
4 Tagen abläuft. Wir müssen aber gestehen, daß bei der großen
Genauigkeit, mit der wir die Drüse entfernten, uns diese Er-
klärungsweise höchst unwahrscheinlich erscheint und wir uns
deshalb für die erstere entscheiden.
Wir möchten auf diesen Befund, daß eine gewisse Zucker-
verbrennung im pankreasdiabetischen Tier noch bis zum 4. Tage
nach der Exstirpation vorhanden ist, noch besonders darum
154 Е. Verzár und А, у. Fejér:
aufmerksam machen, weil sich daraus vielleicht erklärt, warum
in manchen Versuchen von Knowlton und Starling sowohl,
wie in den neueren Versuchen von H. Maclean und I. Smed-
ley‘!) das Herz von pankreasdiabetischen Hunden noch etwas
Zucker verbraucht. Es handelt sich dabei immer um Tiere,
denen vor nicht mehr als 3 Tagen das Pankreas exstirpiert
worden ist und die deshalb — wie die letzteren Autoren mit
Recht vermuten — noch eine geringe Fähigkeit, Zucker zu ver-
brennen, haben.
Diese Versuche bieten aber auch noch in einer anderen
Richtung einen Beitrag zur allgemeinen Stoffwechselphysiologie.
Injiziert man einem normalen Tiere Zucker in den Magen oder
intravenös oder subcutan, so wird bekanntlich mit dem Steigen
des RQ, also dem Verhältnis der CO, Produktion zum O,-Ver-
brauch nicht nur die Menge der ausgeschiedenen CO, vermehrt,
sondern auch immer jene des verbrauchten Sauerstofis, als
Zeichen des erhöhten Energieumsatzes.
Bei den seit längerer Zeit pankreasdiabetischen Hunden
fehlte teilweise diese „spezifisch dynamische“ Wirkung des
Zuckers, bei anderen Fällen jedoch war sie vorhanden, trotz-
dem kein Zucker verbrannt wurde.
In einigen von unseren Versuchen ist nämlich nach der
Zuckerinjektion der RQ ganz konstant und gleichzeitig auch
der O,-Verbrauch unverändert (Hund У, IV, XIX, XXV, XXVIII,
XII, XXXIII). In anderen Versuchen dagegen (Hund XXXVII,
XLI, XXVI) erfolgte zwar keine Zuckerverbrennung, der RQ
blieb konstant, dagegen stieg nach der Zuckerverbrennung der
Sauerstoffverbrauch dennoch. Während die ersteren Versuche
auf einen innigen Zusammenhang zwischen spezifisch dynami-
scher Wirkung und der Verbrennung des Zuckers hinweisen,
zeigen umgekehrt die letzteren eine gewisse Unabhängigkeit dieser
beiden Prozesse insofern, als auch ohne Zuckerverbrennung eine
spezifisch dynamische Wirkung vorhanden sein kann.
Wir wollen hier noch auf eine andere allgemein physio-
logisch wichtige Tatsachehinweisen. Füreine wesentliche Quelle der
Muskelkraft wird der Traubenzucker angesehen. Nun hat zwar
Zuntz?) und seine Schule schon lange nachgewiesen, daß nicht
1) Journ. of Physiol. 45, 462 bis 469.
з) Zuntz, Oppenheimers Handb. d. Biochem. 4, 832.
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 155
nur Zucker, sondern ebenso Eiweiß und Fett zur Muskelarbeit
dienen können, andererseits herrscht aber immer noch die alte
Ansicht, daß der Zucker für die Muskelarbeit unentbehrlich
sei und gerade dieser Widerspruch zwischen der einerseits be-
haupteten großen Bedeutung des Zuckers und der angeblichen
Unverbrennbarkeit des Zuckers im Pankreasdiabetes hat Noor-
den und Porges und Salomon!) dazu bestimmt, Stellung gegen
die Theorie der Unverbrennbarkeit des Zuckers im Pankreas-
diabetes zu nehmen.
Nun ist aber bereits aus den Untersuchungen von Hambur-
бег") und Knowlton und Starling?) ersichtlich, daß der Herz-
muskel auch dann arbeiten kann, wenn er die Fähigkeit, Zucker
zu verbrennen, verloren hat. Aus unseren Versuchen geht das-
selbe für den ganzen Körper bzw. die Skelettmuskeln hervor.
Trotzdem der Körper unfähig war, zugeführten Zucker zu ver-
brennen, ließ sich dennoch keine Störung der Muskelbewegung
bei diesen Tieren konstatieren, wie das bekanntlich nach Pan-
kreasexstirpation nie der Fall ist.
Wir sehen deshalb in unseren Versuchen einen direkten
Beweis zugunsten der Zuntzschen Lehre. Ja es scheint sogar,
daß Dextrose zur Muskelarbeit überhaupt nicht unbedingt nötig
ist. Man könnte allerdings daran denken, daß der diabetische
Muskel zwar unfähig wird, Dextrose als solche zu verbrennen,
während er die Fähigkeit behält, aus Eiweiß sich Zucker zu
bilden und diesen Eiweißzucker als solchen zu verbrennen.
Die Möglichkeit eines derartigen Mechanismus können unsere
Versuche nicht ausschließen, jedoch liegt zur Stütze einer sol-
chen Hypothese bis jetzt kein Material vor, und es ist deshalb
gegenwärtig die Annahme, daß der Muskel Dextrose als
solche zur Arbeitsleistung nicht unbedingt nötig hat, be-
rechtigt.
Mit der Zuckerfrage hängt auch die Frage nach der Quelle
der Milchsäure bei der Muskelarbeit zusammen. Es scheint
ganz allgemein angenommen zu werden, daß die Milchsäure
des Muskels bei der Contraction aus dem Zucker entsteht.
Parnas und Baer haben sich hierüber unlängst so geäußert,
1) L о.
9 1. с.
3) 1. o.
156 Е. Verzár und А. у. Fejér.
daß „die Milchsäure als Hauptprodukt des intermediären Zucker-
abbaues im lebenden tierischen Organismus angesehen wird“!).
Es ist natürlich eine andere Frage, ob alle bei der Muskel-
contraction entstehende Milchsäure nur aus der Zuckerverbren-
nung stammt, da ja die Möglichkeit einer anderen Herkunft
gegeben ist. Unsere Versuche, nach denen Zucker nicht ver-
brannt wird, scheinen uns aber zu der Konsequenz Zu führen,
daß auch die Milchsäure des Muskels nicht allein aus dem
Zucker stammen kann, denn beim pankreasdiabetischen Tiere
ist die Zuckerverbrennung verschwunden, und nichtsdestoweniger
wird in den Muskeln bei der Arbeit Säure gebildet, wovon wir
uns selbst in einigen Vorversuchen überzeugen konnten. Ent-
weder entsteht also die Milchsäure nicht nur aus Dextrose,
oder aber es wäre denkbar, daß beim pankreasdiabetischen
Tiere ein Zuckerabbau bis zur Milchsäure vorhanden bliebe.
Eine weitere Verbrennung, insbesondere in der Ruhe, würde
fehlen. Bei der führenden Rolle, die gegenwärtig der Milch-
säure im Mechanismus der Muskelcontraction zugeschrieben
wird (z. B. Pauli), bedarf diese Frage noch weiterer eingehender
Untersuchung.
Versuche, die Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes
wieder herzustellen.
Wir haben auf die verschiedenste Weise versucht, den
pankreasdiabetischen Tieren die verlorene Fähigkeit, Zucker zu
verbrennen, wiederzugeben, bzw. den RQ zu erhöhen, was für
eine Zuckerverbrennung sprechen würde. Unsere Versuche
führten wir so aus, daß, nachdem wir uns davon überzeugt
hatten, daß nach Zuckerinjektion der RQ unverändert blieb,
wir 1. normales Blut infundierten oder 2. mit gekreuzter Zir-
kulstion aus einem anderen Hunde transfundierten, oder 3. Pan-
kreasblut, oder 4. „Pankreashormon“ (nach Knowlton und
Starling) infundierten.
Нёдоп?) hat soeben in einer ausführlichen Arbeit gezeigt,
daß es nicht gelingt, durch Infusion oder Transfusion von nor-
malem Blut den Pankreasdiabetes zum Verschwinden zu bringen
Die scheinbare Verminderung des Zuckers im Urin ist auf
1) Diese Zeitschr. 41, 887, 1912.
2) Hedon, Journ. intern. de Physiol. 13, 4 bis 53.
Verbrennung von Traubenzuoker im Pankreasdiabetes. 157
sekundäre Einflüsse des Eingriffe, Hemmung der Nierensekretion,
Blutverdünnung usw. zu beziehen. Nun wäre es ja immer-
hin möglich, daß eine geringe Zuckerverbrennung dennoch bei
Zuführung von normalem Blut eintritt, wenn auch dieselbe aus
dem Zuckergehalt des Urins schwer zu beurteilen wäre. Eine
solche Zuckerverbrennung müßte sich dann in einer Steigerung
des RQ äußern.
1. Blutinfusion.
Hund Nr. XIX erhielt am 9. Tage nach der totalen Pan-
kreasexstirpation eine Zuckerinfusion in die V. jugularis. Der
Zucker wurde nicht verbrannt. Hierauf erhielt das Tier eine
Infusion von 300 осш defibriniertem frischem Hundeblut (durch
Verbluten aus der Carotis gewonnen; injiziert in 10 Minuten).
Wie man sieht, ändert die Infusion weder die Quantität der
ausgeatmeten CO,, noch den O,-Verbrauch, und auch der RQ
bleibt vollkommen gleich. Dieser Versuch zeigt sehr über-
zeugend, daß durch normales Blut, das in einer so großen
Quantität dem Tiere injiziert wurde, daß es der eigenen Blut-
menge des Tieres entsprach, gar kein Zeichen von wieder-
gekehrter Zuckerverbrennung bemerkbar ist.
2. Bluttransfusion.
Nachdem wir die Zuckerverbrennung des pankreasdiabeti-
schen Tieres durch Injektion von Zuckerlösung untersucht
hatten, stellten wir eine gekreuzte Zirkulation zwischen einem
normalen und dem pankreasdiabetischen Hunde her, indem wir
je eine Carotis eines jeden Hundes mit je einer V. jugularis
des anderen mittels Glasröhren verbanden und in einem ge-
gebenen Moment die die Gefäße verschließenden Klemmen
öffneten. Hierauf ließen wir das Blut einige Minuten lang ge-
kreuzt durch beide Tiere zirkulieren. Während dieser Zeit
mußte natürlich der im Respirationsversuch befindliche diabeti-
sche, curarisierte Hund auch weiterhin künstlich ventiliert werden.
Wir führten zwei solche Versuche aus. Als Beispiel diene der
folgende:
Hund XII erhielt am 7. Tage nach der Pankreasexstir-
pation Zucker infundiert, den er nicht verbrannte. Darauf
wurde eine gekreuzte Zirkulation mit einem normalen Hund
für 5 Minuten hergestellt. Nach Beendigung derselben war die
158 Е. Verzár und А. у. Fejér:
Tabelle V.
in der Ven-
tilationsluft
Körpertempers-
turamAnfang u
Ende d. Versuchs
CH
Nummer des Versuchstieres: XIX. Körpergewicht: 8650 д. Pankreas-
exstirpation: 30. XII. 1912. BRespirationsversuch: 8. I. 1913
(um 17/13” 50”J1292] 3,40 | 2,31 | 44,0 | 29,8 [0,618] 27:59
21118 4513’ 4511826] 3,13 | 2,22 | 41,5 | 29,5 [0,711 Zon
3119 167 18° 411387] 3,24 | 2,10 | 44,9 | 29,1 [0,648 en
412% 507 18 27”lı832] 3,21 | 2,18 | 42,8 | 29,0 Jo,678] 37-62
37,50 | Von ın 10° bis ın 50
3% 44/14’ 18”11332] 3,38
5| 1 31/13 597|1323| 3,33 | 2,33 | 44,1 | 30,8 [0,699] $750 | "вә соъ зове Dex-
? troseinfusion.
6| 12 51/18 46”|1321 3,38 | 2,39 | 44,7 | 31,5 [0,705] 5201
1| æ 35714 01”J1817 er
ds 49” 37,37
8| 3 09/13 49”|1337 Ai
9
37,80 Von 4h 28’ bis 4h 35° 800 ccm
8745 Blutinfusion.
›
5» 12713’ 43”11292] 3,66 | 2,54 | 47,3 | 32,8 [0,698
9| 4% 42/12” 5711289] 3,17 | 2,18 | 40,9 | 28,1 [0,699
5* 46 113° 3411288] 3,48 | 2,41 | 44,8 | 31,1 [0,693
Dh 34'114’ 4411216] 3,31 | 2,23 | 40,2 | 27,1 10,675
Nummer des Versuchstieres: XII. Pankreasexstirpation: 14. XII. 1912.
Respirationsversuch: 21. XII. 1912.
111% 3471137 06”|2658] 2,28 | 1,70 | 60,6 | 45,2 |0,74 ar
2/12 00/12” 5572689] 2,29 | 1,84 | 61,7 | 49,5 |о,воо| 38,50
3125 26112 0712617] 2,22 | 1,87 | 58,1 | 48,9 [0,84 2205
4| 12 0371117 8272678) 2,33 | 1,88 | 62,4 50, [о,в06| TUTE Dextroseintusion.
5| 18 27'112’ 17”12654] 2,26 | 1,90 | 60,0 | 50,5 [0,842 Ben
6| 2% 117127 58”|2659| 2,26 | 1,84 | 60,0 | 49,0 [0,816
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 159
Tabelle V (Fortsetzung).
Dauer
Bea
А fang
Anmerkungen
Atemvolum
pro Minute
Ende d. Versuchs
К ӧгрегіетрега-
turamAnfang u
des Versuchs
©
Ф!
7| 25 89711 51”
8| 3% 13'12' 28”
2642] 2,34 | 1,83
9| A 4871137 34”12474| 2,15 | 1,63 | 53,1 | 40,2 0,759] 3855 |" Zeien aus normalen Hund.
10) 52 137/137 29” 12481] 2,24 | 1,74 | 55,7 | 43,2 [0,772 een
38,15
38,24
38,84
38,50
11| 5% 49/13’ 24”]2508] 2,17 | 1,68 | 54,3 | 42,1 [0,775
12) 6° 16/13’ 4412542] 2,19 | 1,66 | 55,6 | 42,2 10,759
Nummer des Versuchstieres: XXVI. Körpergewicht: 5750 g. Pankreas-
exstirpation: 21.1.1913. Respirationsversuch: 3. П. 1913.
(um 57°13” 43”12477] 2,86 | 2,06 | то, | 51,9 [0,733] 40:20
91115 21/1% 14”']2562| 2,79 | 1,87 | 71,5 | 47,9 [0,670 ото
31115 53°12 482546] 2,65 | 1,74 | 67,6 | 44,3 [0,656 рео
40,05 [Von 12һ 25” bis 11.05’ 140,6 cem
40,101 10 * Dextroselösung-
40,40
40,43
41125 47'112’ 20712549] 2,67 | 1,84
5| 12 09°12 5912592] 2,89 | 1,96
18 39/11’ 84”|2611[ 2,79 | 1,82
7| 2% 29/12 1412588] 2,58 | 1,72
З» 00713’ 10712595] 2,62 | 1,76
46,8 10,688
50,8 10,679
40,50
47,6 10,655 40.35
39,70
44,5 10,669 39.73
39,96
39,40 | Von 3h40 bis 3h52’ wurden
0,635 99 14| 90 eem defibriniertes Blut,
› aus der Vena pancreatica
45.7 l0 691 39,14 | eines normalen Hundes ge-
WR 39,50 | wonnen, in die V. lienalis
39,7 5 injiziert.
0,636 39 65
39,80
38,4 [0,728] 39°20
оо
Lt
9| 3% 4312” 26”[25838| 2,52
10| 4% 05°12 18”]2498| 2,65
11| 4 341127 81”]2528| 2,47
12| 5% 21'113’ 03”12454
Von 5551’ bis 5556’ intra-
39,7 10,690 eh косуы Injektion von28ccm
38.65 Pankresshormonlösung.
41,1 [0,7021 20°
38,58
18| 5% 57'113’ 2912530] 2,28 | 1,57 | 57,6
14| 6% 2414 21°]2478| 2,37 | 1,66 | 58,6
160 Е. Verzár und А. у. Fejér:
Menge der Atmungsgase gefallen, der RQ war nicht höher,
sondern eher niedriger. Die Zuckerverbrennung war also nicht
zurückgekehrt.
3. Pankreasblutinfusion.
In einer vorläufigen Mitteilung hat H$&don!) die wichtige
Tatsache mitgeteilt, daß durch Injektion des aus dem Pan-
kreas abfließenden venösen Biutes in das Gebiet der V.
portae die Zuckerausscheidung pankreasdiabetischer Tiere außer-
ordentlich sinkt. Bei Hund XXVI haben wir denselben Ver-
such ausgeführt. Dieses am 9. Tage nach der totalen Pankreas-
exstirpation untersuchte Tier verbrannte injizierten Zucker nicht.
Nach Injektion in die V. lienalis (portae) von 300 ccm aus der
V. pancreatica eines normalen Hundes abgeflossenem venösen
Blut blieb der RQ auf dem gleich niederen Wert wie während
des ganzen vorhergehenden Versuches. Der Zucker wurde also
auch hier nicht verbrannt. Nach diesem einzigen derartigen
Versuche müßten wir also folgern, daß auch Pankreasblut nicht
die Zuckerverbrennung wiederherstellen kann. Diesen Wider-
spruch mit dem Resultate von H&don sind wir nicht imstande
zu erklären. (Aus dem nach 2 Stunden eingetretenen etwas
höheren Quotienten in Probe 12 läßt sich wohl nichts folgern.)
Weitere Versuche müssen diese Frage noch klären.
Diese erfolglosen Versuche beweisen übrigens nichts gegen
die innersekretorische Theorie des Pankreasdiabetes, denn unser
negativer Erfolg kann durch verschiedene andere Gründe be-
dingt sein. So kann — um nur eine Möglichkeit zu erwähnen —
die dem ganzen Körper, aus dem das Pankreashormon voll-
kommen verschwunden ist, auf diese Weise zugeführte Menge
immer noch zu klein sein, um eine zur Zuckerverbrennung
genügende Konzentration zu erreichen.
4. Infusion von Pankreashormon.
Das meiste erhofften wir von jenen Versuchen, in denen
wir das nach Knowlton und Starling?) hergestellte Pankreas-
hormon (saures Dekokt eines Pankreas) intravenös injizierten.
Wir hielten uns an die Angaben dieser Autoren in bezug auf die
Herstellung des Hormons, nur benutzten wir 0,85°/ ige NaCl-
1) Zit. nach Gigon, 1. с. 8. 289.
9 1. o. S
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 161
Tabelle VI.
| An- 8 d Et ss |, H.
АТАН
E el tee
то u
des Versuchs | œ en g | SER
com| °/„ | 9%, | com | ccm ос
—— —
Nummer des Versuchstieres: XLI. Körpergewicht: 5700 g.
Pankreasexstirpation: 31. ПІ. 1918. Bespirationsversuch: 7. IV. 1913.
1 [10* 89| 9 08”3881| 1,72 | 1,14 | 58,2 | 88,5 [0,662 a
2 [11% OT 9 04”13328] 1,60 | 1,01 | 53,3 | 33,6 [0,680 —
37,86 | Von 11h30’ bis 19400’ 140 ccm
37 ‚80 a м Dextroselösung in
trav. on.
P 5’ bis I Or 140 10°
88,8 [0,684 SE Dextrose + ——
infusion.
8| 2 25'| 9 03” [3386] 1,78
9| 2 Sud e 20” |3341] 1,72 40,0 [0,695] 87:65
10) a 197] 9° 07” [8862] 1,74 87,6 0,643] 27:72
11| 32 bal or 09” [3326] 1,62 | 1,08 | 58,8 | 85,9 [0,66 о
12| 45 417] 9 02” |3851 1,62 | 1,00 | 54,2 | 33,5 [0,6181 37:60
Nummer des Versuchstieres: XXXIII. Körpergewicht: 4800 g.
Pankreasexstirpation: 7. П. 1913. Respirationsversuch: 1. III. 1913.
цала 1410/ 35”]288в| 1,85 | 1,82 | 58,5 | 38,0 [о,111| 3838
9111» 43110 26712911 1,91 | 1,27 |55,6 | 37,0 [0,665 en
Von 1920016123 40’ 117,5 com
10%, ige Dextroseinfusion.
3112 20/1117 1812911} 1,99
4112 42°|11’ 08”]2916| 1,91
5| 1% 19/110’ 32”29331 1,81
e| æ 32/110 49"|гэвт| 2,87 | 1,50 | 69,5 | 44,1 [о,в35| 38:20 | "Dererose + saure Hormon-
lösung-Infusion.
7| 2% 507110’ 3412972] 1,94 | 1,45 | 57,7 | 48,0 [0,746 38.00
Biochemische Zeitschrift Band 58. 11
162 Е. Verzär und А. у. Fejér:
Tabelle VI (Fortsetzung).
* o 2
5 K Ф PEF-
2 28 ае Е 5 SS:
ang | "e E Е 2 Е
+: SE
= gg Anmerkungen
3 2 pro Minute u S.S
des Versuchs |< * ЕЕ
ccm | ccm
H 4500710787”
IO 30”
2930] 1,84 | 1,26 | 53,8 | 36,9 [0,686].
A 547 35,0 [0,683| 27°
2855| 1,79 | 1,23 | 51,2
Nummer des Versuchstieres: XXXVII. Körpergewicht: 4400 g.
Pankreasexstirpation: 6. III. 1913. Respirationsversuch: 15. III. 1913.
1| s 49| 8 оигоо 1,51 | 1,14 | 48,8 | 33,1 [0,755] 39:83 | tier“
2| 4» 13 7’ 43”|2914| 1,64 | 1,14 | 47,8 | 33,1 [0,698 ENT
3| 44 41'| 8’ 18”{2891| 1,62 | 1,16 | 46,8 | 33,4 [0,714 —
38,90 | 108 cem 10°/,ige Dextrose-
38.82 lösung intravenös von Ab 50°
? bis 5h 80”.
A 5> 10| 7” 52”12890| 1,96 38,5 [0,680
5| 5a 30| 7 48”|9841| 1,99 37,3 [0,659 a:
6| 5a 57°) 7° 51”]2848| 1,86 34,8 [0,655 ec
7| въ 35| 8'11”|2793] 2,15 | 1,52 | 60,0 | 42,4 [0,708| 39,40 |1% sem, Mer, Бех!тоне-
39,40 travenös von 6h 15’ bis 6b 55”,
8| e 57°| 8' 37” le786| 2,04 | 1,49 | 56,8 | 41,5 [0,781] 925
9| тъ 27| 8 08”]e775| 1,96 | 1,42 | 54,4 | 39,3 [0,722] 9945
10| 7 587 8°03”]2757] 2,05 | 1,34 | 56,5 | 37,0 [0,653] 9040)
11/108 847 7" 46”|2884] 1,66 | 1,13 | 47,9 | 32,6 [0,681 SE
Nummer des Versuchstieres: XLIII. Körpergewicht: 5900 g.
Pankreasexstirpation: 3. IV. 1913. Respirationsversuch: 22. IV. 1913.
11118 857] 9 54”13049| 1,67 | 1,14 | 50,8 | 34,6 [0,681 Sr
21а 57710 32" 80510 1,65 | 1,14 | 50,4 | 34,8 [0,689] 27:50
dun 26'| 9 57”]sosı] 1,67 | 1,15 | 51,7 | 35,5 engl 37,72
37,80 | Von 12h 55° bis 1h 5° 90 ccm
3780 Hormonlösung-Infusion.
37 80 (Saure Lösung, entsprechend
5| 1* 28°) 9 45713060] 1,81 | 1,19 | 55,5 | 36,5 [0,657] 37°85 — —
4) 1» 06/10 1772992] 1,77 | 1,21 | 53,0 | 36,1 [0,681
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 163
Tabelle VI (Fortsetzung).
2 з © ГА SG. це
52| 28 58 |25 og TE
2 et — ВЕ ЕЕ. St SE 52 co Е
2 E
8 2 d tlo Ме рго Міпиќе | О GES Anmerkungen
2 k S
Deen ŽA tilationsluft S5 E
сеш | °/, | °/, | сет | ccm de
6| 25 35° [10/ 42”
dä Sgr |10 10”
8| an 45/ | 9/25”
9| 5» 55° 10 20”|2991| 1,94 | 1,24 | 58,0 | 37,2 [0,6421 37.70 1105,1 Dextroseldeung In-
’ uslon,
10| 6 15° |10 11”J2881] 1,95 | 1,25 | 58,0 | 37,2 [0,641] 5200
11 6 53° |11° 042801 1,87 | 1,21 | 52,4 | 33,8 [0,645 Бен
12| ™ 27 |117 26”]9748| 1,97 | 1,23 | 54,0 | 33,8 [0,626] 22, *
Nummer des Versuchstieres: XLII. Körpergewicht: 5600 р.
Pankreasexstirpation: 3. IV. 1913. Respirationsversuch: 16. IV. 1913.
1| 1> 00 |10 09”2988| 2,16 | 1,38 | 64,4 | 41,2 0,641 зоо
2| та 27° | 9 51”]8011| 2,05 | 1,41 | 61,6 | 42,5 [0,690 10.0
з| ла 56’ [10° 22”|3021| 2,05 | 1,39 | 61,9 | 42,1 [0,679 40,15
€ 2h td
al 87 | 948” 65,3 | 50,0 10,766] 39780 | einer les Dextrose
› ung-Infusion.
5| 25 587 | 9 48" 62,6 | 42,8 [0,684] 3985
40.12
40,15
613% 40 | 9 39” 61,4 | 39,4 10,642] 4019
; 39,95
7142 16/| 954 59,4 | 40,0 10,673] 3909
| 39,65
8| an 547 | 943 64,3 | 40,6 10,631] 5960
ү ’ bis 5b
9| 5» 30 | 9” 3973206] 2,12 | 1,39 | 68,0 | 44,6 [0,655] 3976 neutrale Hormonlösung.In-
on.
10) 5 58° | 9° 403139] 2,00 | 1,37 | 62,8 | 42,9 [0,683 30% SS
11| 6 36 | 9” 43”|3071| 2,02 | 1,83 | 61,9 | 40,8 [0,659 39 e
12| тъ 257 | 9 41]3044] 2,02 | 1,34 | 61,5 | 40,9 [0,664] 30 05
11*
164 F. Versär und А. v. Fejer:
Lösung statt Ringer-Lösung, weil uns der Einfluß der ersteren
auf die Respiration aus früheren Versuchen bekannt ist!). Nach
Zusatz desselben zu dem das diabetisch isolierte Herz nährenden
Blute sahen diese Autoren den Zuckerverbrauch des Herzens
wieder erscheinen. Allerdings haben sie dasselbe Ergebnis
auch mit Blut von einem normalen Tier erreicht, während
wir nach normalen Bluttransfusionen in das ganze Tier — wie
erwähnt — keine Erhöhung des RQ erhielten.
In zwei vorläufigen Versuchen hatten wir Tiere, an denen
schon längere Zeit gearbeitet wurde und die sich schon in
einem sehr schlechten Zustand befanden, d. h. deren Sauerstoff-
verbrauch im Sinken war, Hormoninjektionen gemacht. Diese
Tiere zeigten kein Steigen des RQ als Zeichen einer Zucker-
verbrennung, jedoch glauben wir hieraus keinen Schluß ziehen
zu können, da — wie gesagt — die Tiere nahe am Sterben waren.
Drei weitere Versuche (XXXIII, XXXVII, XLI) wurden dann
auf folgende Weise ausgeführt. Wir injizierten den Tieren zuerst,
ebenso wie in den bisherigen Versuchen, Dextrose, um uns da-
von zu überzeugen, daß dieselbe nicht verbrannt wird. Da
die Versuche am 8., 12. bzw. 9. Tage nach der Pankreasexzstir-
pation gemacht wurden, fand sich tatsächlich keine Erhöhung
des RQ. Nun wurde demselben Tiere nochmals die gleiche
Zuckerquantität in derselben Flüssigkeitsmenge injiziert, nur
wurde als Lösungsmittel „Hormonlösung“* benutzt, d.h. ein
ganz frisch, kurz vor der Injektion hergestellter Extrakt aus
einem ganzen Hundepankreas. Wenn also das „Hormon“ wirk-
sam war, во mußte diese Zuckerinjektion nun den RQ erhöhen.
Das Ergebnis dieser Versuche war nicht überzeugend ein-
deutig. Wenn man in allen drei Versuchen die letzten RQ
vor der Zucker-Hormoninjektion in Betracht zieht, so ist aller-
dings jedesmal der auf die Zuckerinjektion direkt folgende
Quotient deutlich höher als die Quotienten vor der Injektion.
Er steigt in Versuch XLI von 0,597 bis 0,695 CL 0,098), Ver-
such XXXIII von 0,671 bis 0,746 GL 0,075), Versuch XXXVII
von 0,655 bis 0,731 (+ 0,076).
Es ist jedenfalls auffallend, daß diese Erhöhung direkt
auf die Injektion erfolgte, während die Zuokerinjektion allein
sicher den RQ nicht erhöhte!
1) Verzär, diese Zeitschr. 34.
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 165
Es muß aber bemerkt werden, daß diese Erhöhung des
RQ nur dann zum Ausdruck kommt, wenn man zum Ver-
gleich nur den Versuch direkt vor der Zucker-Hormoninjektion
heranzieht. Zieht man aber aus dem Quotienten der letzteren
Versuche ein Mittel oder nimmt man gar den höchsten Quo-
tienten derselben, so ergibt ein Vergleich mit den Hormon-
versuchen kaum eine, oder höchstens eine ganz unbedeutende
Erhöhung des Quotienten. Demnach liefern diese Versuche
noch keinen genügenden Beweis dafür, daß das Hormon
die Verbrennung des injizierten Zuckers bewirkt.
Ein derartiger Schluß wäre um so mehr verfrüht, als die
sog. Hormonlösung noch eine ganz unbekannte Zusammen-
setzung hat und wir noch nicht wissen, welchen Einfluß die
verschiedenen in ihr enthaltenen Substanzen (z. B. Albumosen)
auf den respiratorischen Gaswechsel haben.
Von dem NaCl, mit dem die Kochsalzlösung injiziert war,
wissen wir, daß ев in dieser Konzentration keinen wesentlichen
Einfluß auf die Respiration hat,
Dagegen kann daran gedacht werden, daß nachdem die
Lösung vorschriftsgemäß schwach sauer sein soll, die mit der
Hormonlösung injizierte Säure aus dem Blut CO, frei macht
und dadurch eine Erhöhung des RQ bewirkt. Gegen diesen
Einwand spricht, daß unsere Lösungen sehr schwach, gegen
Lackmus eben nur merklich sauer waren, und daß nach Рогвев!)
erst viel größere Säurequantitäten eine ähnliche Steigerung des
RQ bewirken. Ferner ist diese relative Steigerung des RQ am
deutlichsten nach der Injektion und nicht während derselben,
also zu einer Zeit, als die injizierte geringe Säuremenge sicher-
lich bereits gebunden ist.
Um weiterhin diesem Einwande noch mehr zu begegnen,
haben wir in Versuch XLI die Zucker-Hormonlösung vor der
Injektion neutralisiert und sie so injiziert. Wie bereits er-
wähnt, verlief dieser Versuch aber ebenso wie die beiden
anderen, in denen die Hormonlösung schwach sauer war: die
Werte des RQ liegen etwas höher als die kurz vorher erhaltenen.
Gegen eine etwaige Säurewirkung in den soeben erwähnten
Versuchen, aber ebenso gegen eine Hormonwirkung spricht
ferner Versuch XLIII. Hier gingen wir von dem Gedanken aus,
1) Diese Zeitschr. 46, 1.
166 Е. Verzär und А. v. Fejér:
daß, wenn das Pankreashormon die Fähigkeit, Zucker zu ver-
brennen, dem diabetischen Organismus zurückgibt, sich das
auch dann äußern muß, wenn wir Hormonlösung allein, ohne
Zucker injizieren. Der pankreasdiabetische Organismus enthält
ja, wie die Hyperglykämie beweist, einen Überfluß an Zucker,
der verbrannt werden müßte, wenn das „Hormon“ wirksam
ist. Wie man jedoch sieht, hat diese schwach saure (ent-
sprechend sl, HC) Hormonlösung innerhalb vier Stunden den
RQ überhaupt nicht verändert, also sicherlich keine Zucker-
verbrennung hervorgerufen. Als dann noch Dextrose injiziert
wurde, bewirkte auch diese keine Erhöhung des RQ, zum
Zeichen, daß das Tier (am elften Tage nach der Pankreas-
exstirpation) den Zucker selbst nach vorheriger Hormoninjek-
tion nicht verbrannte.
Ebenso erfolglos verlief auch Versuch XLII, in dem wir
. ebenfalls Zucker und Hormonlösung getrennt injizierten, und zwar
zuerst den Zucker, um uns zu überzeugen, daß derselbe nicht
verbrannt wird. (In diesem Versuch ist während der Zucker-
injektion der Quotient hoch, dagegen sogleich nach der Zuoker-
injektion, wenn bei normalen Tieren die höchsten Quotienten
zu finden sind, bereits wieder niedrig. Wir glauben nicht, daß
aus dieser vereinzelt dastehenden Tatsache auf Zuckerverbren-
nung gefolgert werden kann.) Als dann diesem Tiere, dessen
Körper mit Zucker überschwemmt worden war, neutrali-
sierte Hormonlösung (ohne Zucker!) injiziert wurde, erhöhte
sich der Quotient ebenfalls nicht.
Gar keine Erhöhung des RQ war also in jenen Versuchen
vorhanden, in denen Zucker und Hormonlösung getrennt in-
jiziert wurden, während in den obenerwähnten drei Versuchen
mit gleichzeitiger Injektion von Zucker und Hormon eine nur
im Verhältnis zu den direkt vorangehenden Versuchen deut-
liche, aber kurze Erhöhung des RQ zu beobachten war.
Dieses Ergebnis ist keinesfalls ein genügender Beweis da-
für, daß durch das Pankreashormon, dem pankreasdiabetischen
Organismus die verlorene Fähigkeit, Zucker zu verbrennen,
wieder zurückgegeben werden kann.
Wir werden noch weitere Versuche über diesen Gegenstand
ausführen und wollen hier nur auf einige Möglichkeiten hin-
weisen, warum das Pankreashormon am isolierten Herzen wirk-
Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 167
sam ist, dagegen am ganzen Tier so gut wie keine oder höch-
stens eine sehr schwache Wirkung hat.
Es ist möglich, daß der aus einem Pankreas hergestellte
Extrakt wohl genügend Hormon für die Zuckerverbrennung
des isolierten Herzens, jedoch zu wenig für ein ganzes Tier
enthält.
Ferner ist es möglich, daß solche Substanzen, welche im
normalen Tier vom Pankreashormon entgiftet werden, im pan-
kreasdiabetischen Tier dermaßen angehäuft sind, daß die inji-
zierte Hormonmenge zu ihrer „Entgiftung“ nicht genügt.
Endlich haben Starling und Knowlton am arbeitenden
Herzmuskel gearbeitet, wir dagegen an Tieren, deren Muskeln
durch Curare immobilisiert waren.
Die Fortsetzung dieser Versuche in verschiedenen Rich-
tungen wird uns vielleicht diesen Fragen näher bringen.
Zusammenfassung.
1. Es wurde untersucht, ob intravenös injizierte Dextrose
beim Hunde nach totaler Exstirpation des Pankreas eine
Steigerung des RQ gibt, womit bewiesen wäre, daß der Zucker
verbrannt wird.
2. Bis zum 4. Tage nach der Exstirpation wird tatsächlich
noch Zucker verbrannt.
3. Später läßt sich beim pankreasdiabetischen Tier keine
Spur der Zuckerverbrennung mehr erkennen.
4. In manchen Fällen bewirkt bei den letzteren Tieren
die Dextroseinjektion eine Steigerung ‚des O,-Verbrauchs, bei
anderen dagegen nicht.
5. Mittels Bluttransfusion, Infusion von gewöhnlichem und
Blut aus dem Pankreas ließ sich keine Erhöhung des RQ, als
Zeichen einer wiedererlangten Zuckerverbrennung erreichen.
6. Auch die Injektion des nach Knowlton und Starling
hergestellten Pankreashormons hatte keine konstante und ein-
deutige Erhöhung des RQ zur Folge.
Einfluß des Schmelzpunktes nicht emulgierter Fette auf
die Geschwindigkeit ihrer Entleerung aus dem Magen.
Von
А. von Fejér.
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: Е. Tangl.)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Mit 1 Figur im Text.
І.
Daß die verschiedenen Fette den Magen mit verschiedener
Geschwindigkeit verlassen, zeigten Fr. Tangl und A. Erdélyi?)
Sie brachten mit einer Magensonde Fettemulsion von verschie-
dener Viscosität und verschiedenem Schmelzpunkt in den Magen
(Leinöl, Olivenöl, Schweinefett und Rinderfett); nach 3 bis 7,
30 und 60 bzw. 120 Minuten untersuchten sie den Magen-
inhalt, bestimmten auf diese Weise die in das Duodenum über-
getretene Fettmenge und fanden, daß stets am schnellsten sich
das Leinöl entleerte und dann in absteigender Reihe Olivenöl,
Schweinefett und Rinderfett.
Von diesen vier Fetten besitzt das Leinöl den niedrigsten
Schmelzpunkt und die kleinste Viscosität, das Rinderfett da-
gegen den höchsten Schmelzpunkt und die größte Viscosität-
Aus diesen Untersuchungen ging hervor, daß „die emul-
gierten, also fein verteilten Fette nach Maßgabe ihres Schmelz-
punktes und ihrer Viscosität den Magen mit verschiedener Ge-
schwindigkeit verlassen, und zwar um so langsamer, je höher
ihr Schmelzpunkt liegt und je größer ihre Viscosität ist“.
Da Tangl und Erde&lyis Versuche mit emulgierten
Fetten ausgeführt wurden, war es von Interesse, zu unter-
1) Fr. Tangl und A. Erdélyi, diese Zeitschr. 84, 94, 1911.
А. у. Fejer: Einfluß des Schmelzpunktes von Fetten usw. 169
suchen, ob die nicht emulgierten, dem Futter beige-
mengten Fette sich ähnlich verhalten. Diese Frage ist um во
wichtiger, als hauptsächlich nicht emulgiertes Fett verzehrt wird-
Vorliegende Untersuchungen führte ich auf Anregung und
unter Leitung des Herrn Prof. Tangl aus.
П. Versuchsanordnung.
Um immer gleiche Verhältnisse zu schaffen, mußte stets
das gleiche Futter verwendet werden. Zu diesem Zwecke schien
der Fattingersche Hundekuchen am günstigsten zu sein, von
dem ich größere Mengen (10 bis 15 kg) fein mahlen ließ. Der
Fettgehalt dieses Mehles betrug 3,26°/,, der Wassergehalt 6,94 °|,.
Es wurde zu jedem Versuche 50 g genommen und mit 7,5 bis
8 g des betreffenden Fettes in einer Reibschale sorgfältig ver-
rieben. Schweinefett und Rinderfett wurden durch vorsichtiges
Erwärmen in flüssigem Zustande beigemengt. Der Fettgehalt
des Gemenges betrug 9,0 bis 9,5 g; es gelangten also annähernd
solche Mengen Fett in den Magen, wie in den Versuchen Tang]
und Erde&lyis. Zu dem mit Fett verriebenen Fattingermehl
wurde dann noch 100 g Wasser hinzugefügt und der so er-
haltene Brei den Hunden verfüttert.
Die Tiere hungerten 2 bis 3 Tage vor dem Versuche und
um ihren Magen vollständig frei von Speiseresten zu bekommen,
wusch ich außerdem noch ihren Magen 24 Stunden vor dem
Versuchstage aus (mittels eines weiter unten zu schildernden
Verfahrens). Tangl und Erdélyi brachten ihre milchartige
Fettemulsion mit einer Magensonde ihren Hunden bei; das
war bei der dicken Konsistenz meines Versuchsfutters unmög-
lich; meine Versuchstiere verzehrten übrigens deri Brei ziem-
lich schnell, meist in 2 bis 3 Minuten. Die an der Porzellan-
schale klebenden Überreste wurden gewogen, der Fettgehalt
bestimmt, von der Gesamtmenge abgezogen und so das in
den Magen gelangte Fett bzw. Futter berechnet.
Zur Gewinnung des Mageninhaltes benutzte ich zuerst die
A.Müllersche Apomorphin-Methode, so wie Tangl und Erdélyi
in ihren Versuchen. Der Mageninhalt ließ sich aber so während
des Brechaktes ziemlich schwer quantitativ sammeln und die
Tiere gewöhnen sich auch in kurzer Zeit an das Apomorphin,
во daß dasselbe weiterhin wirkungslos wird. ~
170 А. v. Fejér:
Bei den meisten meiner Versuche verwendete ich eine
meinen Zwecken eher entsprechende Methode. Das Prinzip
derselben ist das Ausspülen des Magens durch einen konti-
nuierlichen Wasserstrom. Die eigentliche Magensonde (s. Figur)
besteht aus zwei ineinander geschobenen Gummischläuchen;
durch den inneren dünnwandigen (b) fließt das Spülwasser dem
Magen zu, durch den äußeren (a) wird der Mageninhalt in eine
mit einer Saugpumpe (g) verbundene Flasche (f) gesogen. Das
obere Ende der Magensonde ist mit einem doppelten Glasrohr
a == Magensonde (16 mm) Durchmesser.
b = Innerer dünnwandiger Gummischlauch.
c = Äußeres Glaarohr.
d — Inneres Glasrohr.
е = Trichter.
{== Kolben mit durchbohrtem Kork.
g == Wasserstrahl, Luftpumpe.
verbunden, дег dünnere Gummischlauch mit dem inneren Rohr (d)
und dieses mittels eines Schlauches mit einem Trichter (e), durch
den das Waschwasser in den Magen gegossen wird. Das dioke
Glasrohr steht mit der Saugflasche (f) in Verbindung. Das dem
Magen kontinuierlich zuströmende Wasser verhindert die
Aspiration der Magenschleimhaut an die Sondenöffnungen, wo-
durch auch keine Nekrosen zustande kommen können.
Ich mußte mich aber auch davon überzeugen, ob mit dieser
Methode der Magen quantitativ entleert wird. Dies geschah
Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d.Magen. 171
folgendermaßen. Das Tier bekam eine bekannte Menge Fett
einer Speise beigemengt; nach einer bestimmten Zeit wurde
sein Magen mit 3 bis 4 1 Wasser durchgespült, hierauf wurde
es sofort mit Chloroform getötet, der Magen an der Cardia und
am Pylorus abgebunden und vom Ösophagus und Duodenum
getrennt aus der Bauchhöhle gehoben. Dann wurde die Magen-
schleimhaut mit heißem Wasser gründlich abgespült, das Spül-
wasser mit Petroläther ausgeschüttelt und das Fett bestimmt.
Tabelle I zeigt die nach dem Magendurchspülen auf der
Magenschleimhaut haftengebliebene Fettmenge. Es ist daraus
zu sehen, daß diese Methode ein quantitatives Arbeiten ge-
stattet.
Nachdem der Mageninhalt in der mit der Saugpumpe ver-
bundenen Flasche gesammelt war, folgte das Aufarbeiten des-
selben. Ich goß das Ganze іп ein großes Porzellangefäß und
ließ es auf dem Wasserbade eindampfen und trocknete ев bis
zur Gewicbtskonstanz. Dann wurde es fein zerrieben und in
einem aliquoten Teile im Soxhletschen Extraktionsapparat mit
Petroläther von 60° Siedepunkt das Fett Stunden lang ex-
trahiert.
Tabelle I.
а Fett- Fett- | Auf der Schleim-
5 a 55| Fett | freies | Fett | freies | haut des Magens
® SC Futter Futter| blieben haften
Fett © = a Ee
© fettf rei
Kid vz [ous dom ke) ро ишш
e Min. °% g
Olivenöl... . 60 0
Schweinefett . 68 0
Schweinefett . 13 0
Rinderfett .. 60 0
Rinderfett .. 30 0
ПІ. Die Entleerung der Fette aus dem Magen.
Es ergibt sich aus meinen Versuchen (Tabelle II bis IV),
daB auch die nicht emulgierten, einem Futter bei-
gemengten Fette den Magen mit verschiedener Ge-
schwindigkeit verlassen. Am schnellsten entleert sich
das Olivenöl, um vieles langsamer das Schweinefett
und Rinderfett. |
172 | A. v. Fejer:
Tabelle П.
Versuche mit Olivenöl.
©
| Б
| 3
H ©
=
dÉ
g к 8 o
1 | XII | 9,04 | 43,4 | 3,78 | 46,0 | 10 [5,26 | 58,2 56,6 0 | —
2 | XII | 8,85 | 42,1 | 3,99 | 47,8 | 10 [4,86 |54,9 0 —
3 | VII | 7,96 | 28,2 | 3,29 | 29,4 | 35 [4,67 Sch 0 | — 17 H
4 | VIO | 8,80 | 39,9 | 8,74 | 450 I 35 |5,06 | 58,6 |158,7] 0 | —
5 | XI | 8,76 | 42,2 | 3,68 | 45,4 | 35 15,18 | 58,6 0|—
6 | у | 865 | 416 | 4,25 | 40,5 | 60 [4,40 |50,9 1,19| 2,2
7 | VI | 7,24 | 23,5 | 2,56 | 21,5 | 64 |4,68 64,6 lizo] 20 | 84 || g7
8 | УП | 7,86 | 82,0 | 3,58 | 29,2 | 61 [4,98 54,6 | | 2,7 | 8,51
9 [ххш| 9,16 | 45,0 | 3,87 | 36,1 | 63 [5,29 | 57,8 8,9 | 19,8
10 I 8,23 | 37,1 | 3,92 | 27,4 [119 [4,34 | 52,5 9,7 | 26,2
11 | п [| 7,82 | 33,3 | 3,25 | 14,5 |125 |4,57 | 58,4 8,9 |46,4
123| IV | 7,00 | 27,7 | 1,85 | 16,5 [120 [4,69 | 67,1 |159,9 [11,2 | 40,8 |435,6
13 | XIV | 8,96 | 41,4 | 3,28 | 25,0 [124 [5,68 | 63,4 16,4 | 39,6
14 | ХУІ | 8,18 | 354 | 8,41 | 26,5 1128 |4,72 | 58,1 8,8 | 24,9
Tabelle III.
Versuche mit Schweinefett.
Von dem
— рта fettfreien Futter
Darm über gingen in den
Darm über
Versuchstier
1] XXI | 9,34 | 45,1 | 7,37 | 47,1 10 [ 1,97 | —
2| XXII | 9,38 | 44,9 | 6,18 | 45,2 | 13 |3,20 341 |25,4] 0 | — |} 0
3| XXIII | 9,09 | 44,9 | 7,18 | 44,9 | 10 [1,91 |21, | —
4| XX 9,49 | 45,0 | 6,89 | 428 | 30 [2,60 | 27,4 2,7 | 61
5| ххту | 9.22 | 445 | 689 | 444 | 31 [2331253 \a6,5| oul 02/421
6 | XXIII | 9,29 | 45,0 | 6,81 | 46,2 | 35 [2,48 286,7 D | —
71 X 9,88 | 42,3 | 7,65 | 41,0 | 61 [2,18 | 22,2 1,3 | 2,9
9[ XXII | 9,30 | 44,6 | 6,48 | 42,3 | 60 [2,82 |30,3 I 2,3 | 5,2 i
10 | XXIV | 9,34 | 45,0 | 7,35 | 40,8 | 63 |1,99 | 21,8 ,2| 9,2
пр П 8,63 | 88,8 | 5,05 | 20,9 [185 [3,58 | 41,2 12,4 | 37,2
12] IX 8,77 | 41,6 | 5,69 | 30,8 [120 13,08 | 35,1 10,8 | 26,1
18] XIX | 9,17 | 45,1 | 5,48 | 80,9 [120 |3,69 | 40,2 | 441,4 | 14,2 | 81,5 | 231,2
14] XVIII | 9,37 | 45,2 | 4,88 | 28,0 1122 |4,49 | 47,9 17,2 | 38,0
15] XIX | 9,29 | 44,6 | 5,34 | 34,3 [120 | 3,95 | 42,5 10,3 | 23,0
1) Hund IV wurde nach dem Wiedergewinnen des Mageninhaltes
sofort mit Chloroform getötet und die an der Magenschleimhaut haften-
gebliebenen Futterreste auf Fett bzw. auf fettfreies Futter bestimmt und
dem Mageninhalte zugerechnet. |
Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d. Magen. 173
Tabelle IV.
Versuche mit Rinderfett.
Fett- Fett- |4 _
5 | Fett | freies | Fett | freies |? 55] Vom Fett — Futter
S Futter Butter ES 9] gingen in den А :
Ў Б angen indon in den
RS in den Magen | aus dem Magen |3 g Darm über
5 golangt wiedergewonnen E E
5 | Mittel Mittel
g g g g |Ма| g | 9 | % | 8 |° | ie
XII | 8,76 | 40,2 | 6,30 | 44,0 9 12,46 | 28,1 D |—
XV | 8,94 | 41,8 | 6,66 | 43,2 | 10 [2,28 95,5 1406,81] 0 | — |} 0
XVII | 9,86 | 44,6 | 7,21 | 45,0 | 13 | 2,65 | 26, 0 | —
XIV | 9,38 | 44,1 | 7,37 | 40,2 | 30 |2,01 |21,4 3,9| 8,8
XIV | 8,83 | 41,2 | 5,81 | 36,0 | 30 |3,02 5,2 | 12,8
XIII | 9,69 | 43,7 | 6,25 | 44,9 | 86 | 8,44 | 35,5 |598,8] — | — |; 9,3
XXVI | 9,46 | 44,9 | 6,92 | 38,3 | 35 | 2,54 | 26,9 6,6 | 14,6
XXVII; 9,29 | 43,8 | 6,88 | 43,3 | 30 [2,41 | 25,9 0,4| 1,0
XIV | 9,27 | 44,2 | 6,14 | 37,7 | 60 13,13 | 33,8 6,5 | 14,7
XXV | 9,18 | 43,5 | 6,61 | 41,0 | 64 |2,57 | 28,0 |432,8] 24| 5,6 (4111
XXVI | 9,50 | 45,0 | 6,03 | 39,1 | 60 | 3,47 | 36,5 5,9 | 13,1
ХІ 8,89 | 42,4 | 4,75 | 29,0 1120 [4,14 | 46,6 4 18,4 | 31,5 og 2
XXII | 9,41 | 45,0 | 5,64 | 32,9 [120 |3,77 |401 ’7112,1 | 26,8 '
Zwischen der Entleerung des Schweinefettes und Rinder-
fettes besteht kein Unterschied; es scheint im Gegenteil das
viscösere Rinderfett sich schneller aus dem Magen zu entleeren.
Als aber Fett allein, ohne irgendein beigemengtes Futter, in
den Magen gelangte (siehe weiter unten), verließ das Schweine-
fett schneller den Magen als das Rinderfett.
Ich fand also für die nicht emulgierten Fette dieselben
Gesetzmäßigkeiten wie Tangl und Erdelyi für die emul-
gierten, d. h. daß für die Geschwindigkeit ihrer Entleerung
aus dem Magen ihr Schmelzpunkt und ihre Viscosität be-
stimmend ist!).
Es bestehen aber auch interessante Verschiedenheiten in der
Art und Geschwindigkeit der Entleerung der emulgierten und
nicht emulgierten Fette. Ioh habe ja in meinen Versuchen
annähernd dieselben Fettmengen eingeführt wie Tangl und
Erdelyi, auch war die Zeitdauer ziemlich dieselbe Ein Ver-
gleich ist also zulässig.
1) Ol. oliv.: Schmelzpunkt 2,59, Viscosität bei 42° 38,7
Schweinefett: n 36,59%, ” n n 46,3
Rinderfett: n 428%, ” n n 495
Aus Tangl und Erdölyis Arbeit, Le
174 А. v. Fejer:
In der folgenden Tabelle V habe ich neben die Mittel-
werte der Tangl-Erde&lyischen Versuche die aus meinen Ver-
suchen gezogenen zusammengestellt.
Tabelle V.
In den Darm gingen über
Wie lange |von der Fett- ;
А vom nicht
war das Көң emulsion emulgierten dem fettfreien
Fu
(Tangl und
Erdelyi) Fett
Fett
— ı/, Stunde 0
Olivenöl ... d И 10
2 Stunden 86
Einige Min. 17 о 0
Я 1/1, Stunde 30 2 д
Schweinefett d 67 97 6
2 Stunden 82 41 81
Einige m 9 Si 0
; 1 Stunde 81 9
Rinderfett . . d Р 62 83 11
2 Stunden 80 43 | 29
Der Vergleich ergibt, daß nicht emulgiertes Fett in der
ersten Viertelstunde nach der Einverleibung schneller entleert
wird als emulgiertes, und zwar bei allen drei Fettarten, aber
bereits am Ende der ersten halben Stunde kehrt sich das
Verhältnis — mit Ausnahme des Olivenöles — um. Am Ende
der 1. Stunde und ebenso nach 2 Stunden ist vom emulgierten
Fett schon viel mehr in den Darm übergegangen als vom nicht
emulgierten. Also nur anfangs — gleich nach dem Ein-
gießen — gelangt vom nicht emulgierten Fett mehr
in den Darm, doch wird nicht emulgiertes, mit dem
Futterbrei vermischtes Fett bedeutend langsamer aus
dem Magen entleert als eine Fettemulsion. Während
vom emulgierten Fett nach 2 Stunden etwa */, bereits in den
Darm übergetreten sind, ist vom nicht emulgierten noch mehr
als die Hälfte im Magen.
Weiterhin ist beim emulgierten Fett nach 2 Stunden
der Unterschied in der Entleerungsgeschwindigkeit zwischen
den drei Fettarten fast ganz verschwunden, von allen
Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d. Magen. 175
dreien sind etwa */, in den Darm gelangt. Dagegen besteht
beim nicht emulgierten Fett auch noch nach 2 Stunden ein
Unterschied. |
Gegen diesen Vergleich meiner Versuche mit denen von
Tangl und Erdélyi läßt sich indes mancher gewichtige Ein-
wand erheben. Zunächst haben Tangl und Erdélyi bereits
3 bis 5 Minuten nach Einführung der Fettemulsion den Magen-
inhalt untersucht, ich in meinen Versuchen dagegen erst nach
10 Minuten. Es ist also wohl teilweise diesem Umstande zuzu-
schreiben, daß in meinen Versuchen in der Periede „einige
Minuten“ nach der Aufnahme mehr Fett aus dem Magen ver-
schwunden war. Jedenfalls bedingt aber nicht dieser Umstand
allein den großen Unterschied. Das gilt besonders für die Ver-
suche mit Schweine- und Rinderfett, die in den Versuchen von
Tangl und Erdélyi auf 32° bzw. 42° erwärmt eingegossen
wurden, die höhere Temperatur aber — wie diese Autoren
bewiesen — die Entleerung aus dem Magen begünstigte.
Trotzdem war in ihren Versuchen in den ersten Minuten
weniger in den Darm übergegangen als in meinen Ver-
suchen vom nicht emulgierten Fett, das nur Zimmertempe-
ratur hatte.
Wichtiger ist der Einwand, daß in Tangl und Erdelyis
Versuchen die Fettemulsion für sich eingegossen wurde, wäh-
rend in meinen Versuchen mit dem Fett auch der Fattinger-
brei verzehrt wurde. Man mußte also daran denken, daß
dieser Brei, mit dem das Fett vermischt war, den Unter-
schied zwischen emulgiertem und nicht emulgiertem Fett be-
dingt. Jedenfalls mußte entschieden werden, ob sich das
nicht emulgierte Fett allein — ohne Fattingerbreii —
ebenso verhält.
Zu diesem Zwecke verfütterte ich in 6 Versuchen reines
Fett ohne irgendeine Beimischung. Olivenöl wurde mit einer
Magensonde in den Magen gegossen, während Schweinefett und
Rinderfett von den Hunden spontan gefressen wurde. Nach-
dem das Fett 10 bzw. 120 Minuten in dem Magen war, wurden
die Tiere mit Chloroform getötet, der Magen an seinen beiden
Enden abgebunden, aus der Bauchhöhle gehoben, mit heißem
Wasser oft durchgespült und im Spülwasser durch Ausschütteln
mit Petroläther das Fett bestimmt.
116 А. v. Ке}:
Die Ergebnisse zeigt Tabelle VI.
Tabelle VI.
Olivenöl . . . .
Schweinefsett . . 12,9
Rinderfett . . . 11,2
Olivenöl. . . . 92,2
Schweinefett . . 21,7
Rinderfett . . . 19,6
Also auch hier dieselbe Reihenfolge in der Geschwindig-
keit der Entleerung wie beim emulgierten Fett. Gleichzeitig
ergeben sich aber bedeutende Unterschiede beim Vergleiche
mit den Mittelwerten der Tabelle V, d.h. der mit dem Fett
vermischte Futterbrei beeinflußt tatsächlich sehr
stark die Geschwindigkeit, mit der das Fett den
Magen verläßt.
Es stellte sich heraus, daß das Olivenöl ohne Beifutter
rascher aus dem Magen verschwindet. Nach 2 Stunden waren
bereits 92°/, in den Darm übergetreten, während mit Fattingerbrei
verfüttert in derselben Zeit bloß 60°/, in den Darm gelangten.
Beim Schweinefett und Rinderfett wirkte das Beifutter
gerade umgekehrt: es beschleunigte die Entleerung dieser Fette
aus dem Magen.
Daß die letzteren zwei Fette mit Futterbrei verfüttert
schneller in den Darm gelangen, dürfte darin seine Erklärung
finden, daß der mitverfütterte Brei die Magenbewegung und
die Sekretion des Magensaftes anregt. Beide Momente be-
günstigen die Entleerung des Mageninhaltes?). Diese beiden
Momente spielen bei den viscöseren Fetten eine größere Rolle
als beim Olivenöl, das leicht in den Darm überfließt. Es scheint
aber, daß die mechanischen Vorgänge nicht bloß darin be-
stehen, daß der Futterbrei bei der beschleunigten Entleerung
einfach auch mehr Fett mit sich reißt. Vergleicht man nämlich,
wieviel Fett und wieviel von der übrigen Trockensubstanz
1) So kann man auch die allgemein bekannte Erfahrung erklären,
daB das Brotessen bei stark fetthaltigen Speisen förderlich ist.
Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d.Magen. 177
gleichzeitig in den Darm gelangen, so stellt sich heraus (siehe
letzte Kolumne der Tabellen II bis IV), daß in den ersten
10 Minuten — als vom fettfreien Rest des Futterbreies noch
gar nichts in den Darm überging — vom Olivenöl 57°/,, vom
Schweinefett 25°/,, vom Rinderfett 27°/, bereits übergetreten
waren. Es ist dies um so bemerkenswerter, als das Fett, wie oben
erwähnt wurde, mit dem Fattingerbrei gründlich vermischt
wurde, bevor ich es dem Tiere vorgelegt habe. Es muß also
im Magen gleich im ersten Stadium der Magen-
verdauung eine Entmischung stattgefunden haben,
worauf das flüssige Olivenöl rascher, das viscösere Schweinefett
und Rinderfett langsamer in den Darm überfloß.
Während das Beifutter die Entleerung des Fettes aus dem
Magen fördert, hat das Fett selbst ja bekanntlich eine gerade
entgegengesetzte Wirkung auf Motilität und Sekretion des
Magens: beide werden durch das Fett verlangsamt!).
Diese hemmende Wirkung der Fette ist, wie es scheint,
auch eine Funktion ihrer Viscosität, wenigstens scheinen meine
Versuche dafür zu sprechen, daß das Olivenöl eine geringere
hemmende Wirkung hat wie das Schweinefett, und dieses eine
geringere wie das Rinderfett. Das geht daraus hervor, daß von
der fettfreien Trockensubstanz des Futters beim Olivenöl in
derselben Zeit mehr in den Darm überging als beim Schweine-
fett, und bei diesem mehr als beim Rinderfett. So gingen
vom fettfreien Teil des Futters in den Olivenölversuchen nach
2 Stunden 36°/,, in den Schweinefettversuchen 31°/,, in den
Rinderfettversuchen 29°/, in den Darm über (letzte Kolumne
der Tabellen II bis IV). Zur sicheren Entscheidung dieser Frage
sind noch weitere Versuche nötig. Vorderhand kann man nur
mit großer Wahrscheinlichkeit aussprechen, daß, je niedriger
der Schmelzpunkt und je geringer die Viscosität der Fette ist,
desto weniger die Funktion des Magens herabgesetzt wird.
Zusammenfassung.
1. Die nicht emulgierten Fette entleeren sich aus dem
Magen auch „nach Maßgabe ihres Schmelzpunktes und ihrer
Viscosität“, und zwar um so langsamer, je höher ihr Schmelz-
punkt liegt und je größer ihre Viscosität ist.
1) Zuntz-Loewy, Lehrb. d Physiol. d Menschen, 2. Aufl., 1913.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 12
178 А. у. Fejér: Einfluß des Schmelzpunktes von Fetten usw.
2. Die einem Futter beigemengten nicht emülgierten Fette
entleeren sich aus dem Magen langsamer als die Fettemulsionen.
Noch langsamer entleeren sich die Fette, wenn sie ohne Bei-
futter verzehrt werden. Eine Ausnahme scheinen die flüssigen
Fette (Olivenöl) zu bilden.
3. Die Entleerungsgeschwindigkeit des fettfreien Teiles der
Nahrung gestaltet sich je nach dem beigemengten Fette: die
weniger visoösen Fette hemmen die Entleerung weniger als
die visoösen.
4. Das einem Futterbrei beigemischte Fett entmischt sich
teilweise schon nach kurzer Zeit im Magen und wird für sich
in den Darm weiterbefördert.
Kolloidchemische Eiweißstudien.
Von
Н. Rohonyi.
EZ dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität zu Budapest.
Direktor: Е. Tangl.)
(Eingegangen am 5. Juni 1913.)
Mit 1 Figur im Text.
Inhalt:
I. Einige Enzym-Eiweißkomplexe.
II. Über das Paranuclein.
ПІ. Über „Plasteine“.
I. Über einige Enzym-Eiweißkomplexe.
Viele die Adsorption betreffende Versuche beweisen, daß
Grenzflächen Enzyme zu konzentrieren vermögen. Als solche
Grenzflächen wurden gewöhnlich Kaolin,Cellulosesuspensionen usw.
benutzt; von Lab, Pepsin und Trypsin ist es jedoch erwiesen,
daß dieselben durch Fibrin und auch durch andere koagulierte
Eiweißkörper aus ihren Lösungen mit ausgeschieden werden’).
Darüber, ob auch die kolloidalen Spaltungsprodukte der Eiweiß-
körper, die Albumosen und Peptone Enzyme adsorbieren, liegen
keine Versuche vor, doch wird es im allgemeinen angenommen,
daß auch hier Adsorptionsreaktionen stattfinden.
Der Enzymadsorption wirdim MechanismusderEnzymwirkung
eine große Bedeutung zugesprochen. Man pflegt anzunehmen,
daß ein Enzym, um seine Wirkung überhaupt entfalten zu
können, sich mit seinem Substrate vereinigen muß, und daß
diese Vereinigung in Formeiner Adsorptionsverbindung stattfindet.
Nach Bechhold liegt die Wichtigkeit der Enzymadsorption
1) Bechhold, Die Kolloide in Biologie und Medizin, S. 161.
Dresden 1912.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 13
180 Н. Rohonyi:
darin, daß durch sie ein Enzym in maximaler Konzentration
auf sein Substrat zu wirken kommt. Die Abhängigkeit der Re-
aktionsgeschwindigkeit von der Konzentration des Enzyms und
der gelösten Eiweißkörper wird durch die Annahme der Adsorp-
tionserscheinungen vereinfacht usw.
Diejenigen Versuche jedoch, die sich auf die Adsorption
der Enzyme durch Eiweißkörper beziehen, sind bloß mit ko-
agulierten Eiweißkörpern angestellt worden, und bestanden darin,
daß man möglichst fein verteilte Fibrin- oder Caseinsuspensionen
eine gewisse Zeitlang mit Enzymlösung durchschüttelte, wo-
durch man nach erfolgter Filtration die Verminderung der Akti-
vität der Enzymlösung konstatieren konnte. Die Adsorption
der Enzyme durch gelöste Eiweißkörper schließt Bayliss!)
aus der Tatsache, daß die Geschwindigkeit der Trypsinwirkung
eine logarithmische Funktion der Trypsinkonzentration ist, —
eine Beziehung, die eben bei Adsorptionserscheinungen häufig
ist. Den experimentellen Nachweis einer solchen Adsorption
fand ich jedoch nur bezüglich des Pepsin-Ovalbuminkomplexes
von A Меуег?), der unter diesem Namen den Niederschlag
beschrieben hat, der bei der Mischung einer reinen Pepsin- und
Ovalbuminlösung in bestimmten Verhältnissen entsteht.
Meine Untersuchungen hatten zunächst die Aufgabe, die
Wechselwirkung verschiedener Enzym- und Eiweißlösungen
daraufhin zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen
Reaktionsprodukte entstehen, die als Enzym-Eiweißkomplexe
aufgefaßt werden können und wie weit diese die Eigenschaften
der Adsorptionsverbindungen zeigen.
Ich erwähne zuerst die Tatsache, die die Grundlage meiner
Versuche bildete. Ich fand, daß bei einem gewissen Konzen-
trationsverhältnis gewisser Enzyme und Eiweißlösungen, und
bei einer gewissen H-Ionenkonzentration des Mediums ein Nieder-
schlag entsteht, der sowohl das Enzym, als auch das Eiweiß
enthält. Dabei werden die Enzym- und auch die Eiweißlösung
immer in solchen Konzentrationen usw. verwendet, daß in ge-
1) Proc. Roy. Soc. 84, Ser. В, 81, 1911. On adsorption as prelimi-
nary to chemical reaktion.
з) Compt. rend. Soc. Biol. 60, 542, 1906.
Kolloidchemische Eiweißstudien. 181
trenntem Zustande beide Lösungen ganz klar bleiben. In der
nachfolgenden Tabelle habe ich diejenigen Enzymeiweißkombina-
tionen, bei denen ich unter gewissen (später zu detaillierenden)
Verhältnissen einen Niederschlag beobachtete, mit +- bezeichnet,
mit — dagegen diejenigen Reaktionen, bei denen kein Nieder-
schlag entstand.
Pepsin |Papayotin олуш: Sa ur Trypsin
Acidalbumin .. .
Ovalbumin . . . .
Serumalbumin
Serumglobulin . .
Casein in saurer Lö-
+114 ++++
+++++ ++ 11
(III III
1111 III
(III
Die allgemeinen Bedingungen dieser Reaktionen, unter
denen diese Niederschlagsbildung erfolgt, sind die folgenden
1. dürfen die Enzym- und Eiweißlösungen keine
Salze gelöst enthalten oder höchstens sehr kleine Mengen.
Die untersuchten Komplexe sind nämlich zumeist in verdünnten
Salzlösungen löslich, und somit entsteht bei Gegenwart von
Salzen kein Niederschlag. Darum erweist es sich als zweck-
mäßig, dialysierte Lösungen zu verwenden; 2 bis 3 tägige Fisch-
blasendialyse genügt vollauf.
2. Man muß auf die H-Ionenkonzentration der
Lösung achten. Sämtliche in Frage stehenden komplexen Ver-
bindungen sind in destilliertem Wasser unlöslich, in verdünnten
Laugen, verdünnten oder stärkeren Säuren hingegen löslich.
Deswegen entstehen die Niederschläge bloß bei neutraler
Reaktion oder bei sehr kleiner Acidität. Doch muß der H-
Ionengehalt des Mediums schon darum berücksichtigt werden,
weil dessen Änderung unter Umständen in der Eiweißlösung
‚ (Casein, Globulin, Witte-Pepton) oder in der Enzymlösung (Pan-
kreatin Merck) selbst einen Niederschlag erzeugen kann. Des-
wegen darf nur jener Niederschlag als Eiweiß-Enzymkomplex
betrachtet werden, der bei einer Reaktion entsteht, bei der die
einzelnen Reagenzien selbst sich nicht verändern.
13*
182 Н. Коһопу::
3. Manche Komplexe lösen sich in dem Überschuß
des einen oder anderen Bestandteiles, wie wir noch
weiter unten sehen werden. In diesem Falle entsteht bloß
dann ein Niederschlag, wenn keiner der reagierenden Körper in
einer das Optimum beträchtlich übersteigenden Menge vor-
handen ist.
а) Pepsin-Ovalbumin.
Das Pepsin, das ich benutzt habe, war das Mercksche Prä-
parat Pepsin pur. in lamellis und das Grueblersche Präparat
Pepsin pur. sicc. Das erstere ist reiner, das letztere wirksamer.
Die 2°/,ige Lösung des Merckschen Pepsins ist etwas opak,
reagiert sauer, bei Erhitzung bleibt sie unverändert, sie gibt mit
Sulfosalicylsäure, Ferrocyankalium -|- Essigsäure keine Re-
aktionen; die Biuretreaktion ist negativ, die Millonsche ist
schwach positiv. Seine spezifische Leitfähigkeit nach einer Dia-
lyse war bei 22° 0,00075 rec. Ohmcm. Die 2°/ ige Lösung
des Grueblerschen Pepsins ist opak, von saurer Reaktion, bei
dem Erhitzen trübt sie sich stark; sie gibt die Proben mit
Sulfosalicylsäure oder Ferrocyankalium ~+- Essigsäure nicht; die
Biuretreaktion gibt sie wie die Albumosen, die Millonsche Re-
aktion ist positiv. Nach der Dialyse war ihre spezifische Leit-
fähigkeit bei 22° 0,00065 rec. Ohmem. Die Lösungen ver-
ändern sich bei der Verdünnung sowie bei dem Hinzufügen von
verdünnter Lauge oder Säure nicht.
Die Ovalbuminlösung habe ich aus nativem Eiweiß nach
10 facher Verdünnung und Filtrieren hergestellt, oder ich löste
Mercks „krystallisiertes* Ovalbumin auf. Die 1 bis 2°/,igen
dialysierten Lösungen sind rein, durchsichtig; bei Verdünnung
oder Hinzufügen von verdünnter Säure oder Lauge veränderten
sie sich nicht; ihre spezifische Leitfähigkeit war bei 22° 0,00036
rec. Ohmcm.
Die Lösungen sind am zweckmäßigsten so zu verdünnen,
daß das Ovalbumin 1°/,ig, das Pepsin 0,5°/ ig sei. Wenn wir
zu 50 ccm einer solchen Ovalbuminlösung 30 ccm Pepsinlösung
und 5 ccm sl, BO hinzufügen, so entsteht sofort ein starker
weißer Niederschlag, der sich in der Kälte in einigen Stunden
absetzt und filtrierbar ist. Der Niederschlag ist in destilliertem
Wasser unlöslich, in verdünnter Säure und Lauge, sowie in
verdünnten ROL, NaCl-, Na,SO,-Lösungen leicht löslich. Er
——— — —
Kolloidchemische Eiweißstudien. 183
gibt sämtliche Eiweißreaktionen; in verdünnter Säure aufgelöst
und 24 Stunden im Thermostaten bei 38° digeriert, gibt er
keine Eiweißreaktionen mehr, als Beweis, daß er Рервіп ent-
hält, das das Eiweiß verdaut hat. Wenn wir den in verdünnter
Salzsäure aufgelösten Niederschlag zu einer verdünnten, sauren
Caseinlösung hinzufügen und in den Thermostaten stellen, wird
nach Verlauf von 24 Stunden das Casein verdaut, und bei der
Neutralisation der Lösung entsteht kein Niederschlag.
Der Pepsin-Ovalbuminkomplex ist im Überschuß
des Ovalbumins etwas, in demjenigen des Pepsins gut
löslich, wie nachfolgender Versuch beweist:
а) 10 ccm 1°/,iges Ovalbumin + 2 eem sl, HO + A ccm
0,5°/ ,iges Pepsin + (30 — (12 + A) ccm destilliertes Wasser.
А = 0,30ccm . . opak
А = 100» . . trüb
А = 3,00 » . . Niederschlag
А = 500» . . maximaler Niederschlag
A = 10,00 » opak
== 18,00 » klar.
Gerade so verhält sich der Pepsin-Ovalbumin-
komplex gegenüber dem Säuregehalt der Lösung. Bei
einer gewissen H-Ionenkonzentration der Lösung bleibt er
gelöst, bei einer bestimmten größeren Konzentration fällt er
aus und bei einem noch größeren H-Ionengehalt löst er sich
wieder auf. Das H-Ion verhält sich also wie ein dritter Be-
standteil des Komplexes.
b) 15 ccm 1°/,iges Ovalbumin + 8 ccm 0,5°/,iges Pepsin
+ А ест sl, HO -+ 30 — (23 4 A) ccm destilliertes Wasser.
1. A = 0,30 ccm . . . klar, durchsichtig.
2. А==0,50 „ schwach opak.
3. A=1,0 „ starker Niederschlag.
4. A—=2,00 „ а ©
5. А = 3,50 „ wenig
6. A=450 „ klar, оова.
Man konnte daran daka daß die Bildung und Auflösung
des Niederschlages vielleicht mit einer Veränderung der Säure-
bindung einhergeht. Das müßte an entsprechenden Gestalts-
veränderungen der Säurebindungskurve ersichtlich werden. Dar-
184 Н. Rohonyi:
über suchte ich durch die Messung der elektrischen Leitfähig-
keit obiger Lösungen Aufschluß zu erhalten.
Die spezifischen Leitfähigkeiten bei 23,59 waren:
1. 0,000114 rec. Ohmcm, 4. 0,000733 rec. Ohmcm,
2. 0,000158 „ 5 5. 0,001489 „ с
3. 0,000305 „ ý 6. 0,001880 „ 2
Wenn wir diese Daten graphisch darstellen, erhalten wir
eine typische Verdünnungskurve, wie bei der graduellen Ver-
dünnung einer reinen, verdünnten Säure.
Die Abnahme der Leitfähigkeit verläuft vollkommen stetig
und gleichmäßig, und zwar ist sie bei kleineren Konzentrationen
verhältnismäßig stärker,
entsprechend dem größe-
ren Dissozistionsgrade der
Säure.
Daraus folgt, daß die
Säurebindung des Pepsin-
eiweißes unabhängig da-
von ist, ob dasselbe in
der Säure gelöst oder
darin als Niederschlag
suspendiert ist.
Weiterhin besagt
die Kurve, daß die
Fig. 1. Wirkung der Eiweiß-
körper, die elektri-
sche Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen zu vermin-
dern, nur von ihrer Menge abhängig ist, nicht aber
von der Größe der Oberfläche, die ihre Teilchen in
der Lösung einnehmen.
Die Pepsin-Ovalbuminreaktion ist dermaßen empfindlich, daß mit
ihrer Hilfe das Мегоквоһе Pepsin noch in einer 0,01°/,igen Lösung mit
Leichtigkeit nachweisbar ist. Da die Reaktion von dem im Magensaft
gelösten nativen Pepsin auch gegeben wird", schien es möglich, mit
der Ovalbuminlösung die Gegenwart und die Menge des Pepsins im
Magensafte festzustellen. Jedoch ist im Magensafte immer mehr oder
weniger Mucin vorhanden, und so mußte vor allem bestimmt werden,
1) А. Meyer (Compt. rend. 60, 542), der diese Reaktion zuerst be-
schreibt, verwendet ausschließlich Magensaft.
Kolloidchemische Eiweißstudien. 185
ob das Mucin die Reaktion nicht stört. Zu diesem Zwecke wurde aus
frischen Nabelschnüren mit schwach alkalischem destilliertem Wasser ein
Auszug gemacht, der reichliche Mengen von mit Essigsäure fällbarem
Mucin enthielt. In der so erhaltenen klaren, durchsichtigen, etwas zähen
Lösung entstand bei dem Hinzufügen von Ovalbumin selbst in großer
Verdünnung ein Niederschlag. Infolgedessen ist der Nachweis des Pepsins
in Gegenwart von Mucin durch die Entstehung des Mucin-Ovalbumin-
komplexes nicht verläßlich.
Wie schon erwähnt, ist der bei dem Hinzufügen von Pepsin
zu einer Ovalbumin-Säurelösung entstehende Niederschlag im
Überschusse des Pepsins löslich. Da der Niederschlag auch
im Falle eines Plus oder Minus an Säure löslich ist, war es
naheliegend, daran zu denken, daß die Lösung im Überschusse
des Pepsins dadurch zustande kommt, daß das Pepsin Säure
bindet. Tatsächlich war zu beobachten, daß, wenn man zu
einer Lösung, in der der bei Pepsinzusatz entstehende Nieder-
schlag durch weiteren Pepsinzusatz sich gerade auflöst, 1 bis
2 Tropfen sl, HO zufügt, der Niederschlag wieder entsteht.
Es scheint also, daß das Pepsin den Niederschlag da-
durch auflöste, daß es eine bestimmte Menge von
Säure neutralisierte. Ganz so einfach scheint jedoch die Sache
nicht zu sein, denn das geschieht bloß bei der Auflösung in
einem kleinen Pepsinüberschuß. Wenn man mehr als die zur
Auflösung unbedingt notwendige Menge von Pepsin zum Nieder-
schlag gibt, so entsteht dieser nicht wieder.
Die Reaktion wird in keiner Hinsicht durch die
"LL stündige Inaktivierung des Рервіпв bei 95 bis 100°
beeinflußt. Die entgegengesetzte Behauptung A. Meyers
kann ich mir nur dadurch erklären, дав der im Magensafte
des Hundes bei der Inaktivierung entstehende und von ihm
erwähnte Eiweißniederschlag das Pepsin aus der Lösung ent-
fernte und dadurch die Reaktion hinderte. In der 2°/,igen
Lösung des Merckschen Pepsins entsteht jedoch bei dereIn-
aktivierung gar kein Niederschlag; diese Pepsinlösung reagierte
nach der — sich als vollkommen erweisenden — Inaktivierung
mit der Ovalbuminlösung gerade so wie vor der Inaktivierung.
Das Grueblersche Pepsin koagulierte, wie schon früher
erwähnt, bei dem Erhitzen teilweise; dementsprechend ist die
Menge des durch Ovalbumin verursachten Niederschlages kleiner
wie vorher.
186 Н. Коһопу::
b) Pepsin-Serumalbumin.
Wenn man zu einem stark verdünnten und nach An-
säuerung mit Essigsäure abfiltrierten Hundeblutserum oder zu
einer schwach angesäuerten und filtrierten Lösung des Merck-
schen Serumalbumins eine Pepsinlösung tropfenweise hinzufügt,
entsteht sofort ein voluminöser Niederschlag, welcher Рервіп
und Serumalbumin enthält und sich in jeder seiner Eigen-
schaften dem Pepsin-Ovalbuminkomplex ähnlich verhält. Die
Lösung des Merckschen Pepsins ist gegen Serumalbumin ein
ähnlich empfindliches Reagens wie Sulfosalicylsäure; im 10000-
fach verdünnten Serum ist nach Hinzufügung von Pepsin eine
noch sehr gut bemerkbare Trübung wahrzunehmen.
c) Pepsin-Acidalbumin.
Ich erhitzte eine ca. 2°/ ige Ovalbuminlösung, die sl, HO
enthielt, 2 Stunden lang in einem Wasserbade von 80 bis 90°.
Nach dem Erkalten habe ich durch Neutralisation das Acid-
albumin ausgeschieden, filtriert, ausgewaschen und dann vom
Filter mit verdünnter Säure entfernt. Wenn man diese Acid-
albuminlösung 15 bis 20fach verdünnt und sodann zu 10 Teilen
1 Teil 1 bis 2°/,ige aktive oder inaktivierte Pepsinlösung zu-
setzt, entsteht sofort ein starker, sich schnell absetzender Nieder-
schlag. Der Niederschlag löst sich bei Zusatz von Salzsäure
oder verdünnter Salzlösung auf; im Überschusse des Pepsins
oder Acidalbumins ist er unlöslich. Läßt man den abfiltrierten,
mit destilliertem- Wasser gewaschenen und in verdünnter HCl
aufgelösten Niederschlag 24 Stunden bei 38° stehen, so erhält
man nunmehr eine sehr schwache Reaktion mit Sulfosalicyl-
säure. Der Niederschlag enthält also Pepsin.
а) Pepsin-Serumglobulin.
‘Den aus Hundeblutserum durch starkes Verdünnen und
Ansäuern mit Essigsäure gewonnenen Globulinniederschlag wusch
ich mit Wasser gut aus und löste ihn in verdünnter Salzsäure,
Diese salzsaure Globulinlösung kann man mit Wasser 4 bis
5&mal verdünnen, ohne daß Globulin sich abscheidet; bloß bei
der Neutralisierung der Säure durch Lauge entsteht ein Nieder-
schlag. Wenn man aber zur salzsauren Globulinlösung ein
paar Tropfen neutraler oder schwach saurer Pepsinlösung zu-
Kolloidchemische Eiweißstudien. 187
setzt, entsteht sofort ein starker Niederschlag, der sich als
aus Serumglobulin und Pepsin bestehend erweist.
DasSerumglobulin (und auch das Acidalbumin) ist in destillier-
tem Wasser an sich unlöslich; die ihnen entsprechende „isoelektri-
sche“ H-Ionenkonzentration dürfte demnach 1 >< 10? Gramm-
äquivalente pro 11 веіп. Durch Hinzufügen von Pepsin scheiden sich
aber diese Körper aus einer®/,, bis ”/ „HCl enthaltenden Lösung zu-
sammen mit dem Pepsin aus. Die Entstehung der Serumglobulin-
(und Acidalbumin-) Pepsinkomplexe kann man also so auffassen,
daß durch das Pepsin die isoelektrische Zone dieser Eiweiß-
körper stark nach der sauren Seite hin verschoben wird.
e) Pepsin-Casein.
In scha löste ich soviel Casein, bis die Lösung neutral
wurde (Lackmuspapier); zu der so erhaltenen Natriumcaseinat-
lösung gab ich sodann so viel ®/,-НС], bis das im Anfang sich
ausscheidende Casein wieder gelöst wurde. Eine solche saure
Caseinlösung kann man vielfach verdünnen, ohne daß sie sich
ändert; jedoch scheidet sich sofort ein Niederschlag ab, wenn
man einige Kubikzentimeter verdünnte Lauge oder 1 bis 2ccm
Pepsinlösung hinzufügt. Der letztere Niederschlag enthält Casein
und Pepsin, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn
man den Niederschlag, nachdem er filtriert und ausgewaschen
wurde, in verdünnter Salzsäure löst und in den Thermostaten
bei 38° stellt; man kann durch Neutralisieren fortschreitend
immer weniger Niederschlag erhalten.
Der Pepsin-Caseinkomplex ist im Überschusse des Pepsins un-
löslich und Let, sich nur im Überschusse des Caseins; ег löst sich in
verdünnten Salzlösungen. Durch thermische Inaktivierung des
Pepsins wird die Reaktion nicht beeinträchtigt, die Inaktivierung
hindert also die Bindung des Pepsins durch das Caseinmolekül nicht.
f) Pepsin-Albumose.
1/, bis 10°, ige wässerige, schwach angesäuerte Lösungen
von Witte-Pepton reagieren mit Pepsin nicht. Verdünnt man
jedoch die Peptonlösung stark, во daß sie höchstens 0,1°/, Pepton
enthält, so trübt sich die klare schwach angesäuerte Lösung
beim Zusatz von 1 bis 2 Tropfen Pepsinlösung. Ich vermutete,
daß die schwache Reaktion des Witte-Peptons seinem hohen
Salzgehalt zuzuschreiben ist. Diese Vermutung erwies sich als
188 Н. Rohonyi:
richtig; dialysiert man nämlich eine 5°/ ige Witte-Peptonlösung
48 Stunden hindurch in einer Fischblase gegen destilliertes
Wasser (spez. Leitfähigkeit am Ende bei 22° — 0,00069 rec.
Ohmcm), oder reinigt man das Pepton dadurch, daß man eine
konzentrierte Witte-Peptonlösung 3 bis 4mal mit Alkohol fällt
und nachher in destilliertem Wasser auflöst (spez. Leitfähigkeit
einer 3°/ igen Lösung bei 20° = 0,00035 rec. Ohmcm), so geben
die 2 bis 3°/,igen schwach angesäuerten Lösungen solchen
Peptons mit dem gleichen Volumen 2°/ iger Pepsinlösung einen
starken Niederschlag, der sich in 8 bis 10 Stunden absetzt.
Abfiltriert und gewaschen löst sich dieser Niederschlag in ver-
dünnter Salzsäure und gibt sämtliche Albumosereaktionen.
Setzt man zu der Lösung etwas Ovalbumin, so wird dieses bei
38° in 48 Stunden zersetzt; der Niederschlag besteht folglich
aus Albumose und Pepsin.
Der Pepsin-Albumosekomplex löst sich im Überschusse des
Pepsins als auch der Albumose, außerdem in stark saurer und
alkalischer und in wenig Salz enthaltenden Medien. Die durch
die Ammoniumsulfatmethode getrennten und sodann durch
Dialyse salzfrei gemachten primären und sekundären Albumosen
geben mit Pepsin auch jede für sich einen Niederschlag. Außer
diesen Fibrinosen (Witte-Pepton wird aus Fibrin dargestellt)
untersuchte ich auch die Lösung der peptischen Spaltprodukte
des Ovalbumins; diese reagieren mit Pepsin ganz analog.
Die Inaktivierung des Pepsins ändert an der Reaktion — wie
auch an den übrigen — gar nichts.
g) Albumin-Pepsin-Albumose.
In einem aktiven Pepsin-Eiweißsystem sind immer auch
Albumosen zugegen; so schien es denn von Interesse, dieses
System auch gesondert darzustellen. Ich fand, daß, unter Um-
ständen, wo bei Gegenwart von nur je zwei Komponenten gar
keine Änderung sich zeigte, dagegen sofort eine solche eintrat
(d. h. sich sofort ein Niederschlag bildete), wenn man die dritte
Komponente hinzufügte. Dies läßt sich so erklären, daß zu
den doppelten kolloidalen Komplexen noch eine dritte Kom-
ponente gebunden wird und daß, da dadurch die Stabilität des
ganzen Komplexes sich noch mehr vermindert, er sich abscheidet.
Im folgenden will ich zwei Beispiele anführen:
Kolloidohemische Eiweißstudien. 189
a) Acidalbumin-Pepsin-Albumose.
A. Lösung von Acidalbumin. Eine 2°/ 1де Ovalbumin-
lösung in */ HO kochte ich 2 Minuten und verdünnte sie
alsdann 5fach.
В. Lösung von Albumose. Ich gab zu 5 ccm 20°/,iges
Witte-Pepton 20 cem al, HO und 75 com destilliertes Wasser,
С. Eine 1,5°/,ige Pepsinlösung, sl, HO enthaltend.
D. 2,0, HCL
Diese Lösungen kombinierte ich in folgender Weise:
1. 5 ccm A-+0,5 ccm C+5 cem D —
5 » A-+5 n B-+05n н. карашса
5 a B+05 n»n C+5 » р etwas opak
5 » A+5 » В-|-0,5 „ C flockiger Niederschlag
der schnell absitzt.
m.
В Ovalbumin-Pepsin-Albumose
bei Gegenwart von (NH,),SO,.
. Eine 1°/,ige Ovalbuminlösung.
. Eine 20°/ ige Albumoselösung.
Eine 2°/ ige Pepsinlösung.
1. 10 ccm A-+0,5ccm B + 0,5 cem C
2. 10 » А +0,5 » В
3. 10 n А 0,5 » С
4. 10 » dest. Wasser -+ 0,5 cem B+0,5 cem С.
Außerdem fügte ich jedem 0,5 com pl, HCl bei. Dabei
blieben sie völlig rein und klar. Nun gab ich zu jedem 0,5 ccm
einer 5°/,igen (NH, ),SO,-Lösung. Daraufhin entstand in 1. ein
starker gelatinöser Niederschlag, 2. und 3. blieben ganz klar,
durchsichtig, während 4. etwas opak wurde.
Q y >
h) Papayotinkomplexe.
Das Mercksche pulverige Papayotin „vollkommen rein“
löst sich leicht mit basischer Reaktion. Mit verdünnten Säuren
verändert sich die Lösung nicht, koaguliert jedoch teilweise
beim Kochen. Ев gibt die Sulfosalicylsäure-, die Biuret- und
die Ferrocyankaliprobe wie die Albumosen. Es enthält viel
Calciumsalze. Seine verdünnte, dyalisierte. Lösung (spezifische
Leitfähigkeit 0,00060 гес. Ohmcem bei 20%), in der mit Oxal-
säure kein Calcium mehr nachzuweisen war, reagierte mit
190 Н. Rohonyi:
Serumalbumin, Serumglobulin, Caseinsäure und mit Albumosen
wie das Pepsin.
Die Komplexe von Serumalbumin und Albumose fallen
schon bei neutraler Reaktion aus. Von der Gegenwart des
Papayotins im Niederschlag überzeugte ich mich dadurch, daß
ich den Niederschlag filtrierte, mit Wasser auswusch, in
wenig Säure oder Lauge löste, und wenige Tropfen dieser
Lösung mit Milch versetzte und diese bei ca. 60 bis 70° stehen
ließ. Sie gerann in ein paar Minuten.
Außer den obengenannten reagiert das Papayotin auch
mit den Caseosen, den peptischen Spaltprodukten des Caseins.
Man gibt zu einer sauren Caseinlösung etwas Pepsin und di-
geriert bei 38°, bis alles Casein zersetzt ist. Fügt man dann
etwas Papayotinlösung hinzu, entsteht sofort ein voluminöser
Niederschlag. Dieser löst sich sowohl im Überschusse der
Caseoselösung, als der Papayotinlösung auf; verdünnte Säuren,
Laugen und Salzlösungen lösen ihn ebenfalls. Gerade so ver-
hält sich das Papayotin gegenüber den tryptischen Spaltpro-
dukten des Caseins.
Die Löslichkeit im Überschusse der Komponenten wird
durch folgende Versuche demonstriert:
Papayotin. Aus einer ca. 1°/,igen dialysierten Lösung
bereite ich mir durch Verdünnung resp. durch Einengung 0,5°/,,
1°/» 3°/, und 7°/ ige Lösungen.
Caseoselösung. Aus der Lösung der peptischen Pro-
dukte einer ca. 4°/,igen Caseinlösung bereite ich durch Ver-
dünnung resp. Einengung 0,5°/,, 1°/, 3°], und 7°/,ige Lö-
gungen.
1. Zu je 1 ccm der Papayotinlösungen gebe ich je 0,05 ccm
Caseoselösung.
Papayotin.
2. Zu 1 ccm Caseoselösung füge ich je 0,05 ccm Papa-
yotinlösung.
Kolloidohemische Eiweißstudien. 191
Савеове.
DAT, 1% 300 1°,
Das Papayotin reagiert auch mit Na-Caseinat. Gibt man
zu einer durch Neutralisation einer ®/ „„-NaOH-Lösung bereiteten
Na-Caseinatlösung das gleiche Volumen 1 bis 2°/ ige schwach
alkalische Papayotinlösung, so entsteht sofort ein starker flockiger
Niederschlag, der sich im Überschuß der Caseinlösung gut, im
Überschuß der Papayotinlösung etwas löst. Der Niederschlag
enthält Casein und Papayotin.
Falls man zur Na-Caseinatlösung weniger Papayotin hin-
zufügt als nötig ist, um die sofortige Bildung des Nieder-
schlages herbeizuführen, so entsteht der Niederschlag, wie
umstehende Daten beweisen, erst nach längerer Zeit (bei Ther-
mostatentemperatur, 38°).
Zu 5—5 ccm Caseinlösung, die durch Neutralisation einer
a/o -NaOH bereitet wurde, gab ich: 1. 0,05 ccm einer 10°/,igen,
2. 7°/ igen, 3. 5°/,igen, 4. 3°/,igen und 5. 0,5°/,igen Papa-
yotinlösung. Bei 1. entstand sofort ein Niederschlag, die
übrigen blieben klar. Beim Erwärmen auf 38° entstand
jedoch in 2. nach 2 Minuten ein Niederschlag. In den übrigen
Lösungen erschien der Niederschlag beim Erwärmen auf 38° in
3. nach 6 Minuten, in 4. nach 30 Minuten und in 5. nach
2 Stunden. Auf diese Erscheinung werde ich noch zurück-
kommen. Wenn ich die 5°/,ige Papayotinlösung !/, Stunde
lang kochte, so verhielt sich diese Lösung ganz wie die unauf-
gekochte.
i) Pankreatin- und Chymosinkomplexe.
Diese Enzyme bilden mit Caseinsäure komplexe Körper.
Das Pankreatin, das ich benutzte, war die Lösung des pulve-
risierten Merckschen Präparates. Als Chymosin fungierte der
Mercksche Liquor oder das Serum lactis parandum und Lab-
enzym. Wenn wir diese sauer reagierenden Lösungen zu einer salz-
sauren Caseinlösung hinzufügen, so entsteht sofort ein starker,
flockiger Niederschlag, in dem nach Filtration und Waschen
192 Н. Rohonyi:
Enzym wie Casein nachweisbar sind. Dieser Niederschlag ent-
steht auch, wenn wir die Enzymlösungen durch Kochen inak-
tiviert haben; folglich ist die Bildung des Niederschlages eine
von der Milchgerinnung unabhängige Erscheinung.
Allgemeine Bemerkungen.
Reaktionen der Kolloide mit anderen Kolloiden sind oft
beobachtete und genügend bekannte Erscheinungen der Kolloid-
chemie. In solchen Reaktionen der Suspensionskolloide
spielen bekanntlich ihre elektrischen Eigenschaften die Haupt-
rolle?); in entsprechender Menge zusammengebracht, werden
gie gegenseitig koaguliertt, wenn sie entgegengesetzte elek-
trische Ladungen haben. Die gegenseitige Ausflockung ist aber
nur dann eine totale, wenn ganz bestimmte gegenseitige Mengen-
verhältnisse eingehalten werden; ist diese optimale Konzen-
tration überschritten, entsteht kein Niederschlag, oder es wird
der schon gebildete Niederschlag aufgelöst?). Bei den hydro-
phylen Kolloiden bestimmt deren Ladung in viel geringerem
Maße das Eintreffen oder Ausbleiben einer Ausflockung; auch
sind diese elektrischen Ladungen viel weniger eindeutig®). Hin-
gegen findet sich eine Anzahl von Reaktionseigentümlichkeiten,
die die Einreihung dieser Reaktionen (beispielsweise der Im-
munkörperreaktionen) unter die Adsorptionsvorgänge begün-
stigen (Höber, Michaelis usw.).
Wir wollen in diesem Sinne die erwähnten Enzym-Ei-
weißkomplexe als Adsorptionsreaktionen auffassen. Chemische
und Adsorptionsvorgänge voneinander durch Verfolgen der
quantitativen Verhältnisse des Prozesses zu unterscheiden, stößt
im allgemeinen auf große Schwierigkeiten, außerdem waren
unsere Versuche noch besonders ungeeignet zur Prüfung dieser
Frage. So kann die Menge des Niederschlages — dessen
Trockensubstanz, N- usw. Gehalt uns zur Bestimmung der Ad-
sorptionisotherme als Grundlage hätte dienen können —, keines-
falls als Maßstab der Menge der entstandenen Adsorptions-
verbindung dienen. Der Niederschlag kann auch bloß ein Teil
der entstandenen Adsorptionsverbindung sein, deren Menge von
1) Linder und Picton, Journ. of Chem. Soc. 71, 572, 1897.
з) Biltz, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 37, 1095, 1904.
з) Bechhold, Münch. med. Wochenschr. 1907, Nr. 89.
Kolloidohemische Kiweißstudien. 193
der H-Ionen- und Salzkonzentration der Lösung, sowie von
der verhältnismäßigen Menge der Komponenten abhängig ist;
der andere Teil kann gelöst bleiben. Es ist sehr wohl mög-
lich, daß die Komplexbildung und die Ausflockung auch nicht
gemeinsame Bedingungen haben; infolgedessen besagt die Ent-
stehung resp. das Verschwinden des Niederschlages in der En-
zym-Eiweißlösung nur soviel, daß die Verbindung oder ein Teil
davon in einem Falle unlöslich wurde, im anderen Falle sich
auflöste.
Was den zeitlichen Verlauf dieser Reaktionen anbetrifft,
geht die Niederschlagsbildung, wie Adsorptionsprozesse im all-
gemeinen, in sehr kurzer Zeit, momentan vor sich. Wenn wir
auch in manchen Fällen, wie z. B. bei dem Komplexe Natrium-
caseinat-Papayotin beobachten können, daß sich der Nieder-
schlag erst nach längerer Zeit oder nur beim Erwärmen
bildet, во besagt das noch nicht, daß die Reaktion auch an
diese Bedingungen gebunden ist. Viel eher ist es wahrschein-
lich, daß der Komplex auch in diesem Falle momentan ent-
steht, und nur der Übergang aus dem gelösten in den unlös-
lichen Zustand erfordert längere Zeit und erhöhte Tempe-
ratur. Das will ich deshalb betonen, weil man — wie
wir es in dem Folgenden sehen werden — manche
Enzymniederschläge als Produkte der Enzymwirkung
aufgefaßt hat, einzig aus dem Grunde, weil sie in
längerer Zeit bei Brutofentemperatur entstanden sind.
Es ist leicht, sich davon zu überzeugen, daß diese Re-
aktionen reversibel sind. Zu diesem Zwecke ist z. В. der
Chymosin-Caseinkomplex gut geeignet. Wenn wir diesen Nieder-
schlag mehrmals nacheinander in verdünnter Salzsäure lösen
und nach dem Neutralisieren wieder ausfällen, so bemerken wir,
daß der Gehalt des in einer bestimmten Menge Salzsäure ge-
lösten Komplexes an Chymosin immer geringer wird. Der ur-
sprüngliche Niederschlag, in 50 ccm "/ ‚Salzsäure gelöst, ent-
hielt in einem Versuche so viel Chymosin, daß 1 ccm der
Lösung 10 ccm Milch bei 38° in einer Minute zum Gerinnen
brachten. Nach der zweiten und dritten Neutralisation und
Auflösung waren hierzu 2 resp. 6 Minuten erforderlich.
Wie wir gesehen haben, beeinträchtigt die thermische In-
aktivierung der untersuchten Enzyme die Bildung der Nieder-
194 Н. Rohonyi:
schläge gar nicht. Das heißt, wenn wir an der Auffassung
der Komplexe als Adsorptionsverbindungen festhalten — soviel,
daß die Adsorption des Enzyms an das Substrat und
die Wirkung des Enzyms zwei voneinander getrennte
Vorgänge sind, eine Beziehung, die schon mehrmals
vermutet wurde, ohne daß dafür genügende experi-
mentelle Belege erbracht worden віпаӣ!).
П. Über das Paranuclein.
1.
Wenn wir die Lösung eines Nucleoalbumins (Casein, Vitellin)
der Pepsinwirkung aussetzen, so können wir im Verlaufe von
2 bis 24 Stunden das Entstehen eines weißen, flockigen oder
gelatinösen Niederschlages beobachten. Der Niederschlag ist
in destilliertem Wasser und in verdünnten schwachen Säuren
unlöslich, in verdünnten Laugen hingegen löst er sich, um
beim Neutralisieren der Lösung wieder auszufallen, wobei er
jedoch in einem starken Säureüberschuß löslich ist. Die Xantho-
protein-, Millonsche, Adamkiewitzsche und die Biuret-Reaktion
gibt er ganz so wie die Eiweißkörper. Sein P-Gehalt variiert
zwischen 0,88 bis 6,86°/,?). Diese Variationen beruhen nicht
bloß darauf, daß verschiedene Autoren verschiedene Eiweiß-
(Casein-)Präparate und verschiedene Methoden zur Bestim-
mung des P-Gehaltes benutzt haben, sondern es fanden sich
bedeutende Unterschiede, je nachdem der P-Gehalt in dem
am Anfang oder am Ende der Verdauung vorhandenen Nieder-
schlage bestimmt wird.
Dieser Körper wurde Paranuclein genannt und allge-
mein als einheitlicher Körper, als erstes und noch eiweißartiges
Spaltprodukt des Caseins betrachtet. Robertson unterscheidet
zumindestens zwei Paranucleine, und der Niederschlag soll aus
1) W. M. Bayliss (Arch. de Soc. Biol. St. Petersburg 2, 261, 1905,
zit. bei Robertson, 1. с. 410) z. В. gelangte zu ähnlichen Schlüssen
durch die Beobachtung, daß die durch Erhitzen inaktivierte Lösung des
Pepsins die Leitfähigkeit einer Caseinlösung vermindert. Bayliss er-
klärte dies damit, daß die Inaktivierung bloß die „zymophore“ (ver-
dauende) Gruppe des Pepsins zerstört, dagegen die „haptophore“ Gruppe,
durch die sie sich an das Proteinmolekül anschließt, unverändert läßt.
1) Robertson, Die physik. Chemie d. Proteine. Dresden, Th. Stein-
kopf. 1912. S. 392.
Kolloidchemische Eiweißstudien. 195
dem Gemenge dieser Körper in wechselnden Verhältnissen be-
stehen: im Verlaufe der Hydrolyse soll zunächst ein Körper
von hohem P-Gehalt іп Form einer unlöslichen Verbindung
sich aus dem Casein abspalten, sodann soll sich aus dieser
Verbindung eine P-haltige Gruppe abscheiden und in Lösung
gehen, so daß der zurückbleibende Körper schon weniger P
enthält. Wie ich im ersten Teile dieser Arbeit 8. 187 er-
wähnte, verursacht das zu einer sauren Lösung des Caseins zu-
gefügte Pepein unter gewissen Umständen sofort die Bildung
eines Niederschlages. Zur sofortigen Bildung дев Niederschlages
ist ев vor allem nötig, daß eine zureichende Menge Pepsin zu-
gegen sei. Wenn wir weniger hinzufügen, so bleibt die Lösung
vorläufig ganz klar und der Niederschlag bildet sich erst in
längerer Zeit, und zwar bei erhöhter Temperatur schneller als
bei gewöhnlicher. Das zeigt uns folgende Versuchsreihe:
Zu je 20 ccm einer 1°/,igen sauren Caseinlösung gab ich
wechselnde Mengen einer 2°/,igen Pepsinlösung und brachte
durch Verdünnen mit destilliertem Wasser jede Lösung auf
25 com. Dann setzte ich je die Hälfte der Lösung auf
24 Stunden in den Thermostaten (38°), während ich die andere
Hälfte bei gewöhnlicher Temperatur stehen ließ und von Zeit
zu Zeit beobachtete, ob sich in beiden ein Niederschlag ge-
bildet hat.
Tabelle I.
Menge der
2°/,igen Pepsin-
lösung in 25 ccm
Zeit des Erscheinens des Niederschlages
beigewöhnlicher Temperatur bei 38°
1 sofort sofort
2 nach 3 Stunden 4, Stunde
3 n
4 3 Stunden
5 5 n
6 10 n
7 20 e
Wie wir sehen, ist die Zeit des Erscheinens des Nieder-
schlages von der Menge des Pepsins abhängig; ist diese zu-
reichend, so entsteht auch bei gewöhnlicher Temperatur sofort
ein Niederschlag. Es ist klar, daß dieser sofort erscheinende
Niederschlag von niemanden als ein Produkt der Pepsinwirkung
Biochemische Zeitschrift Band 58. 14
196 Н. Rohonyi:
betrachtet werden wird; dafür ist aber der їп den weniger
Pepsin enthaltenden Lösungen nach längerer Zeit bei er-
höhter Temperatur entstehende Niederschlag unzweifelhaft der
Körper, den man unter dem Namen Paranuclein beschrieben
hat. In ihren äußeren Eigenschaften, Löslichkeitsverhält-
nissen und in ihrem Verhalten gegen Eiweißreagenzien be-
kunden die zu verschiedenen Zeiten entstandenen Niederschläge
ganz dasselbe Verhalten. Nach den im I. Abschnitte be-
schriebenen Versuchen konnte ich annehmen, daß dieser Nieder-
schlag ein Pepsin-Caseinkomplex ist. Dafür sprach folgende
Erfahrung. Zunächst läßt sich dieses „Paranuclein“ auch
mit inaktiviertem Pepsin erzeugen. Als ich eine der in Tabelle I
angeführten Versuchsreihe ganz analoge Reihe mit inaktivier-
tem Pepsin ausführte, fand ich, daß sich in den Lösungen 1
und 2 sofort resp. nach einer Stunde ein Niederschlag bildete.
In den übrigen entstand aber selbst nach längerem Stehen bei
38° keine Veränderung. Daraus folgt, daß die Bildung der
Niederschläge in den Lösungen 3 bis 7 bei 38° der ersten
Versuchsreihe an die Pepsinwirkung gebunden ist. Diese kann
darin bestehen, daß sich aus dem Casein ein unlöslicher Körper
von der Natur der Eiweißstoffe abspaltet, — so wie das all-
gemein behauptet wird. Indessen kann diese Wirkung auch
darin bestehen, daß sich aus dem Casein durch Einwirkung
des Pepsins ein lösbarer Körper von der Art der Caseosen ab-
spaltet, die sich dann mit dem gleichfalls löslichen Casein unter
den Versuchsbedingungen zu einem unlöslichen Pepsin-Casein-
Caseose-Komplex vereinigt. Wenn dem so ist, ist die Ana-
logie des Niederschlages mit dem Casein-Pepsinniederschlag
verständlich, desgleichen auch, warum sich in den wenig in-
aktives Pepsin enthaltenden Caseinlösungen kein Niederschlag
bildet, da ja in diesen natürlich keine Caseosen erscheinen
können.
Im Sinne dieser Annahme wäre das Paranuclein nichts
anderes, als ein Casein-Pepsin-Caseose-Komplex, in dem
die Menge der einzelnen Bestandteile in weiten Grenzen
variieren kann. Wenn wir eine genügende Menge aktives
Pepsin zur Caseinlösung hinzufügen, so besteht der sich sofort
oder in kurzer Zeit bildende Niederschlag ausschließlich aus
Casein und Pepsin, wie wir das oben bewiesen haben. Falls
Kolloidchemische Eiweißstudien. 197
wenig aktives Pepsin zugegen ist, wird der Niederschlag erst
später erscheinen, wenn schon unter der Einwirkung des
Pepsins eine genügende Menge von Caseose abgespalten wurde.
Zum Schluß löst sich der ganze Niederschlag auf, wenn näm-
lich das ganze Casein hydrolisiert worden war, weil das Рервіп
die Caseosen nicht niederzuschlagen vermag. Wenn die Casein-
hydrolyse durch Säure und nicht durch Pepsin bewirkt wird,
so scheidet sich — wie wir wissen — auch ein Paranuclein-
niederschlag ab; dieser besteht in diesem Falle aus Casein und
Савеове.
Daß sich unter den hydrolytischen Spaltprodukten des
Caseins wirklich ein Körper befindet, der das Casein aus seiner
sauren Lösung auszufällen vermag, davon können wir uns
überzeugen, indem wir die Produkte einer vollständigen
Pepsin-, Trypsin-, Papayotin-, Säure- oder Lauge-
hydrolyse des Caseins in schwach saurer Lösung zu einer
sauren Caseinlösung geben. In diesem Falle entsteht immer
sofort ein starker flockiger Niederschlag, der sich vollkommen
wie die „Paranuclein“-Niederschläge verhält. Dieser Körper
erscheint folglich bei sämtlichen Caseinhydrolysen. Der Grund
dafür, daß der Paranucleinniederschlag nur bei der Pepsin-,
Papayotin- sowie der Säurehydrolyse beobachtet wurde, ist
der, daß diese Hydrolysen in saurer Lösung vor sich gehen,
was die Bedingung der Ausscheidung des Komplexes ist. Die
Trypsin-Caseinhydrolyse dagegen ist immer eine Natrium-
caseinathydrolyse in alkalischer oder neutraler Lösung; in dieser
kann die entstehende Caseose das Casein nicht ausfällen.
Im Verlaufe der Hydrolyse des Caseins entsteht also ein
Körper, der das noch unzersetzte Casein zu koagulieren vermag.
Zur Prüfung der Richtigkeit meiner Auffassung über Entstehung
und Zusammensetzung der „Paranuclein“-Niederschläge müßten
diese in ihre von mir angenommenen Bestandteile zerlegt, diese
identifiziert und möglichst genau quantitativ bestimmt werden.
Das ist aber bei diesen Adsorptionsverbindungen von wechseln-
der Zusammensetzung nur zum Teil möglich. Ich mußte
mich damit begnügen, daß ich im Niederschlage Casein (nach
Auflösen in Salzsäure durch Neutralisation fällbar) und Caseose
(durch Neutralisation nicht fällbar, Biuretreaktion gebend) nach-
wies und den P-Gehalt bestimmte, um ihn mit dem P-Gehalte
14°
198 H. Rohonyi:
des verwendeten Caseins zu vergleichen. Ich bestimmte 1. den
P-Gehalt des von mir benutzten Caseinpräparates, 2. den
P-Gehalt des während der Pepsin-Hydrolyse des Caseins ent-
stehenden Niederschlag, und 3. den P-Gehalt eines bei dem
Hinzufügen einer Caseoselösung zu der Caseinlösung sofort aus-
fallenden Casein-Caseosekomplexes.
1. Ich neutralisierte mit Hilfe der Schüttelmaschine eine
a/o- NaOH-Lösung mit Casein. Dann fällte ich das Casein mit
Essigsäure, wusch es nach der Filtration mit Wasser und AL
kohol-Äther gut aus und trocknete es über konz. H,SO,. Nach
der Neumannschen Methode verascht, enthält es (in 1,349 g
und in 0,804 g) im Mittel 1,70°/, P,O,. Ein anderer, gerade
во behandelter Niederschlag enthielt 1,64°/, Р,0,.
2. Zu 600 ccm saurer Caseinlösung, die durch Neutralisieren
von 50 сот */,„ NaOH mit Casein und Hinzufügen einer zum
Lösen des Niederschlag genügenden Menge von Salzsäure
bereitet wurde, gab ich 6ccm einer 15°/,igen Lösung von
Mercks Pepsin. 38° Thermostat, Toluol, in 15 Stunden viel
weißer Niederschlag, „Paranuclein“. Dieser wurde abfiltriert,
in Lauge gelöst, mit Essigsäure ausgefällt, zum Schlusse mit
Alkohol-Äther gewaschen, über konz. H,SO, getrocknet. P-Gehalt
(in 0,528 g und in 0,806 р) 2,1°/, Р,О,.
3. a) Eine saure Caseinlösung, ganz so bereitet wie in 2.
Bei Verdünnen und Hinzufügen von Säure unverändert.
b) Caseoselösung: Ich neutralisierte ®/„„-Тапде mit Casein
(1800 ccm), fügte 3 g in wenig Wasser gelöstes Pepsin zu.
Thermostat von 38°, Toluol. Nach 10 Tagen — ich fügte
noch zweimal је 2 g Pepsin zu — kochte ich die trübe Lösung
auf und filtrierte. Ich erhielt eine sauer reagierende, schwach
gelbe Lösung, die sich beim Verdünnen, Neutralisieren usw.
nicht verändert [Lösung b)).
Zu 500 ccm der Lösung a) gab ich 100 ccm dieser Lösung Б);
sofort starker caseinähnlicher Niederschlag. Im Filtrat entsteht
beim Neutralisieren kein Niederschlag, zum Zeichen, daß das
Casein quantitativ im Niederschlag vorhanden ist. Der Nieder-
schlag wurde wie die früheren behandelt. P-Gehalt (in 1,030 g
und in 0,999 р) 2,2°/, Р,О,. Parallele Analysen ergaben 2,1],
und 1,99°/, P,O,-
Wenn wir auch wenig Gewicht auf die gute Überein-
Kolloidchemische Eiweißstudien. 199
stimmung in dem P-Gehalt des Casein-Caseosekomplexes mit
dem des „Paranucleins“ legen, so ist es doch zweifellos, daß
der P-Gehalt des untersuchten Komplexes größer ist als der
des Савеіпв. Der gefundene P-Gehalt entspricht dann voll-
kommen der Annahme, daß der in meinen Versuchen ent-
standene Niederschlag einem „Paranuclein“ entspricht und ander-
seits wohl ein Casein-Caseosekomplex sein kann.
Ich muß noch erwähnen, daß die Bildung dieses Kom-
plexes ganz spezifisch ist, d. h. daß das Casein nur mit Caseosen,
aber weder mit den Albumosen des Witte-Peptons (Fibrin-
albumosen), noch mit den (peptischen) Spaltungsprodukten des
Ovalbumins in dieser Weise reagiert.
2.
Die Paranucleinsynthese Robertsons.
Die grundverschiedene Auffassung T. B. Robertsons über
die Bildung des Paranucleins erfordert bei der großen Wichtig-
keit der sehr interessanten und außerordentlich sorgfältigen
Untersuchungen dieses Autors eine eingehendere experimentell-
kritische Besprechung seiner Resultate.
Т. B. Robertson fand, als er zu den peptischen Hydrolyse-
produkten des Caseins so viel konzentrierte (ungefähr 15°/,) Gruebler-
sche Pepsinlösung gab, bis das so entstandene Gemisch wenigstens 1,5°],
Pepsin enthielt, daß in dieser Mischung nach 24 Stunden bei 36° ein
voluminöser, schwerer Niederschlag entstand, der sich durch die Analyse als
Paranuclein A erwies. Robertson faßte diese Erscheinung als enzy-
matische Synthese des Eiweißes auf. Seiner Meinung nach ist nämlich
das Paranuclein eins der primären und noch eiweißartigen Spaltungs-
produkte des Caseins; wenn also dieser Körper in der Lösung der Caseosen
durch Einwirkung des Pepsins auftrittt, so mußte sich dort eine Synthese
abgespielt haben.
Nach Robertson müssen die Caseosen dazu in konzentrierter
Lösung vorhanden sein, denn bei Zimmertemperatur oder bei 36° wäre
das Reaktionsgleichgewicht Paranuclein „> Caseosen stark nach links
verschoben. Da aber die Reaktion nach der rechten Seite hin endo-
thermisch ist, so wäre nach Robertson zu erwarten, daß sie bei höherer
Temperatur auch bei niedrigerer Caseosekonzentration nach links zu ver-
läuft. In der Tat fand auch Robertson, daß bei 65° in der ungefähr
3°, igen Lösung der Caseosen bei einem 0,75°/,igen Pepsingehalt in
24 Stunden ein Niederschlag entsteht, der in allen seinen Eigenschaften
(such in seinem P-Gehalt) dem Körper gleichkommt, der in der kon-
zentrierten Lösung bei 36° entsteht, und so auch dem Paranuclein A.
Den Umstand, daß Pepsin bei 65° nicht hydrolytisch wirkt, sondern
200 H. Rohonyi:
im Gegenteil rasch inaktiviert wird, erklärt Robertson damit, daß
„das aktive Agens bei der Reversion mit dem aktiven Agens der Hydro-
lyse nicht identisch ist“. Die Erklärung dafür, daß das Enzym bei der
Synthese in hoher Konzentration mitwirken muß, obschon die Hydrolyse
auch bei geringer Enzymkonzentration stattfindet, gibt Robertson in
folgendem: Bei der Hydrolyse besteht die Reaktion darin, daß das
Ferment, das die Elemente des Wassers in irgendwelcher lockeren Ver-
bindung enthält (НЕ, Е[ОН]), dieselben einem Eiweißradikale, —COHN—,
übergibt, wodurch eine „entwässerte Form“ des Enzyms entsteht (FF);
diese nimmt dann wiederholt die Elemente des Wassers auf, um sie so-
fort einem neueren COHN-Radikale zu übergeben; dadurch wirkt es
hydrolytisch. Die Synthese ist die Umkehrung des ganzen Prozesses.
Nun überwiegt in der wenig konzentrierten Enzymlösung die mit Wasser
verbundene Form des Enzyms; die konzentrierte Lösung verhält sich
umgekehrt.
Auf Grund des oben über die Zusammensetzung des „Para-
nucleins* Gesagten dürfte der im Robertsonschen Experi-
mente entstandene Niederschlag kein Paranuclein sein. Wenn wir
aber die Reaktionsbedingungen etwas eingehender beobachten,
wird der Gedanke nahegerückt, daß es sich hier vielleicht um
keine Synthese, sondern um die Bildung und Fällung eines neuen
Kolloidkomplexes handelt. Dafür spricht vor allem die Art
und Weise, wie die Reaktion durch die Mengen Чев Рервіпв
und der Caseosen beeinflußt wird. Solange sie nicht eine
gewisse Konzentration erreichen, entsteht überhaupt kein Nieder-
schlag, bei höherer Konzentration scheidet sich plötzlich ver-
hältnismäßig viel „Paranuclein“ aus der Lösung ab:
Robertsons Angaben!'):
„Paranuclein A“
Pepsinmenge produziert am Ende
in 100 сеш Lösung von 22 Stunden
25 ccm von 10°/, 296
20 „ ew 10% 210
15 » » 10%, 162
10 e п 10°), d
5 л n 10% 0
Für das Entstehen eines Kolloidkomplexes spricht u. a.
auch der Umstand, daß die Reaktion bei 65° schneller und
leichter (bei niedriger Konzentration) verläuft, also bei einer
Temperatur, die die meisten Enzymwirkungen unmöglich macht.
N) Robertson, l. с. S. 402.
Kolloidchemische Eiweißstudien. 201
Daß aus Pepsin und Albumosen ein in Form eines Nieder-
schlages darstellbarer Kolloidkomplex entstehen kann, das haben
wir oben beschrieben. Dieser Niederschlag entsteht sofort, wenn
Pepsin und Albumosen in geringer Konzentration anwesend
sind. Man konnte deshalb denken, daß vielleicht in Robert-
sons Versuchen der nämliche Körper entsteht, und seine lang-
same Fällung nur durch die hohe Konzentration der Kom-
ponenten, die große Viscosität der Lösung usw. bedingt ist.
Um die Reaktion von diesem Gesichtspunkte aus zu unter-
suchen, wiederholte ich vor allem Robertsons Experimente.
Ich fand, daß mit Grueblers Pepsin, Robertsons Vor-
schriften folgend, in der Caseoselösung ein Nieder-
schlag entsteht, der die von ihm beschriebenen Eigen-
schaften besitzt. Benutzte ich aber Mercks Pepsin, das
ein reineres und in seiner Wirkung kaum schwächeres Präparat
ist, so entstand kein „Paranuclein“, gleichviel welche Kon-
zentrationen verwendet wurden, weder bei 36° noch bei 65°.
Daraus wurde klar, daß die in Rede stehende Erscheinung
nicht an die Pepsinwirkung, sondern an irgendwelche Eigen-
tümlichkeit des Grueblerschen Pepsinpräparates gebunden ist.
Dieses Präparat unterscheidet sich hauptsächlich dadurch vom
anderen, daB es einen durch Hitze koagulierbaren Körper ent-
hält. Erwärmt man eine konzentrierte (10°/ ige) Lösung dieses
Pepsins zur Siedehitze, so entsteht darin sofort ein dichter
Niederschlag; eine dünnere (1 bis 2°/ ige) Lösung wird bei
90 bis 100° schwach opak. Löst man aber in einer Caseose-
lösung — die beim Kochen unverändert bleibt — 10°/, bzw.
1 bis 2°/, Pepsin, so wird in ersterem Falle die Menge des
Niederschlages viel größer sein, und auch im zweiten Falle
entsteht sofort ein bedeutender Niederschlag. Dies zeigt, daß
die Gegenwart von Caseose das Ausfällen des im Pepsinpräparat
enthaltenen eiweißartigen, koagulablen Körpers fördert. Löst
man diesen Niederschlag — den Eiweiß-Caseosekomplex —
nach vorherigem Filtrieren und Auswaschen in schwacher Lauge
oder Säure, so gibt er dieselben Reaktionen wie das bei 65°
während 22 Stunden entstandene „Paranuclein A“. Bei 65°
entsteht in einer reinen 2°/ igen (Grueblerschen) Pepsinlösung
kein Niederschlag, hingegen wird die Lösung in 1 bis 2 Stunden
орак. Löst man aber Pepsin bis zu 2°/, in einer 3 bis 4°/ igen
2023 H. Rohonyi:
Caseoselösung, so entsteht darin bei 65° in 1 bis 2 Stunden ein
Niederschlag (Paranuclein А). Nun muß man — bevor man
das als eine enzymatische Synthese betrachtet — daran denken,
ob es sich nicht um die eiweißkoagulierende Wirkung der
Caseose handelt, ähnlich der bei 90 bis 100° gefundenen. Zwei
Versuche sprechen entschieden dafür. Der eine ist der folgende:
Man erwärmt den einen Teil von 50 ccm einer ca. A7,
Caseose und 1,5°/, Grueblersches Pepsin enthaltenden Lösung
zur Siedehitze: sofortiger starker Niederschlag. Den anderen Teil
hält. man 24 Stunden bei 65°, worauf auch hier ein reichlicher
Niederschlag entsteht. Wenn man nun die Lösung. filtriert
und das Filtrat aufkocht, so bleibt es ganz klar. Das beweist,
daß der durch Hitze koagulable Körper nicht mehr in der
Lösung ist; er ist eben in dem Niederschlage, der durch Fil-
trieren von der Lösung getrennt wurde. |
Der andere Versuch geht von Robertsons Angabe aus,
daß das synthetische Pepsinferment durch höhere Temperatur
nicht zerstört wird; seine Wirkung ist ja bei 65° intensiver
als bei 38°. Erhitzt man eine Pepsinlösung für 1 bis 2 Minuten
auf 90 bis 100°, so dürfte dadurch seine Aktivität nicht ab-
genommen haben. In der Tat erzeugt eine 2 bis 3°/ ige Pepsin-
lösung — die durch solches Erhitzen opak geworden ist — in
der Caseoselösung auch nachher einen Niederschlag. Wenn
man aber eine konzentrierte (10 bis 15°/,ige) Pepsinlösung auf
90 bis 100° erhitzt (es bildet sich darin ein starker Nieder-
schlag), so erzeugt nunmehr die filtrierte Lösung bei keiner
Temperatur und in keiner Konzentration einen Niederschlag
in der Caseoselösung; es fehlt eben der dazu nötige koagulier-
bare Eiweißkörper.
Bezüglich des in der Caseoselösung bei 38° entstehenden
Niederschlags kann man beide Versuche mit demselben Re-
sultate wiederholen. Wir finden einerseits, daß in der vom
im Laufe von 24 Stunden gebildeten Niederschlage abfiltrierten
Lösung der koagulierbare Körper fehlt, anderseits, daß, wenn
dieser aus der Pepsinlösung vorher entfernt wird, dieselbe in
der konzentrierten Caseoselösung keinen Niederschlag zu er-
zeugen vermag. |
Allen diesen Tatsachen gegenüber dürfte dem Beweis
Robertsons für die Identität des Niederschlags mit dem Para-
Kolloidchemische Eiweißstudien. 203
nuclein A, nämlich daß der P-Gehalt beider Körper überein-
stimmend 1,51°/, P,O, ist, keine Bedeutung zukommen.
| Das „Paranuclein“ sowie der synthetische Körper sind
Caseose-Eiweißkomplexe, deren P-Gehalt größtenteils dem in
der Caseose enthaltenen P entstammt und übereinstimmen kann,
wenn beide Komplexe ungefähr die gleiche relative Menge
Caseose enthalten.
Auf Grund all dessen können wir behaupten, daß der
durch Einwirkung des Grueblerschen Pepsins in konzen-
trierter Caseoselösung bei 38°, in einer dünneren Lö-
sung bei 65° entstehende Niederschlag nicht das Pro-
dukt einer enzymatischen Synthese ist, sondern ein
aus Caseose und einem eiweißartigen Körper gebildeter
Kolloidkomplex. Dieser eiweißartige Körper koaguliert bei
100° sofort auch an und für sich, bei niedrigerer Temperatur
nur in Gegenwart von Caseose und nach längerer Zeit; die
Koagulation erfolgt um so rascher und bei um so niedrigerer
Temperatur, je konzentrierter die Caseoselösung ist.
HI. Über „Plasteine“.
Im Jahre 1866 fand Danilewsky, daß Labferment in
einer klaren Peptonlösung einen flockigen Niederschlag erzeugt.
Kurujeff sah dasselbe mit Papayotin, andere mit Pankreasextrakt,
nativem Magensaft und Autolysat von verschiedenen Organen. Die
meisten faßten den entstandenen Niederschlag als Eiweiß, die ganze Er-
scheinung als eine Synthese auf, andere (Levene, Oppenheimer,
Robertson) hielten die Plasteine für Albumosen. Nach Robertson’)
ist „Plasteinbildung keine Reversion von Proteinhydrolyse, wie einige
Autoren annehmen möchten, sondern eher eine Koagulation infolge teil-
weiser, durch die labgleiche Einwirkung von Fermenten auf gewisse
Albumosen oder Peptide verursachter Hydrolyse, wobei die letzteren die
Rolle spielen, die nach unserer bekannteren Erfahrung von Calcium-
caseinat ausgeübt wird“. Nach Oppenheimer’) ist es möglich, daß es `
sich um gar keine Enzymwirkung, sondern um eine einfache Ausflockungs-
erscheinung handelt.
Die Art und Weise der Plasteinbildung, so wie sie von
manchen Autoren beschrieben wird, hat manches, was für eine
Ausflockungserscheinung, für die Bildung eines Enzym-Albu-
mosekomplexes spricht. Einige neue Versuche, die ich zur
1) Physik. Chem. d. Proteine 8. 398.
9 Oppenheimer, Die Fermente 8. 281.
204 Н. Rohonyi:
Klärung dieser Frage angestellt habe, haben mich in dieser
Anschauung bekräftigt.
Die Reaktion besteht darin, daß in der sehr konzentrierten
(20 bis 30°/ igen) Albumoselösung auf Einwirkung einer (meistens
auch sehr konzentrierten) Enzymlösung bei 36° in einigen
Stunden ein Niederschlag entsteht. Der Niederschlag ist ein
albumoseartiger Körper, einige Reaktionen sprechen aber für
einen zusammengesetzteren Körper als die Albumose. In Ab-
schnitt I dieser Arbeit zeigte ich, daß das Pepsin und Papa-
yotin die Albumose in wässeriger Lösung unter gewissen Um-
ständen sofort, niederschlägt. Vielleicht ist das dieselbe Er-
scheinung wie die Plasteinbildung, und ist die Notwendigkeit
der längeren Zeit und höheren Temperatur durch die Kon-
zentrations- (und die Viscosität betreffenden) Unterschiede bedingt.
Als ich die Wirkung anderer Kolloide auf die Albumose-
lösung untersuchte, fand ich, daß die Albumose durch die ver-
schiedensten Kolloide leicht fällbar ist. Die Art und
Weise der Niederschlagsbildung ist manchmal ganz die der
Plasteinbildung; auch der Niederschlag entspricht in manchen
seiner Eigenschaften den Plasteinen.
Gibt man zu 20 ccm einer 25°/ igen Witte-Peptonlösung
5 ccm 10fach verdünnten Liquor ferri oxyd. dialys., so entsteht
sofort ein starker brauner Niederschlag. Gibt man zu der-
selben Menge der Albumoselösung 5 ccm unverdünnten oder
eine 100 fach verdünnte kolloide Eisenlösung, so ist äußerlich
keine Änderung wahrzunehmen. — Der filtrierte und gut aus-
gewaschene Niederschlag ist in destilliertem Wasser sowie in
Salzlösungen unlösbar, löst sich aber sehr leicht in wässeriger
Lauge, weniger leicht in einer wässerigen Salzsäurelösung; er
enthält Eisen und Albumose.
Geben wir zu 20 ccm einer 25°/ igen Witte-Peptonlösung
(die durch Essigsäure schwach angesäuert wurde), 5 oom einer
kolloidalen Kongoblaulösung?), so entsteht ein spärlicher, feiner,
1) Die Kongolösung wurde folgendermaßen bereitet: Man löst 1 g
Kongorot (Kahlbaum puriss.) in Wasser und fällt durch starke Salzsäure.
Der Niederschlag wird filtriert und mit Wasser ausgewaschen, bis er sich
zu lösen anfängt; dann wird er in einen Fischblasendialysator gebracht
und tagelang gegen destilliertes Wasser dialysiert. Das filtrierte Dia-
lysat ist eine tiefblaue, klare, kolloidale Lösung.
— 5 Se
Kolloidohemische Eiweißstudien. 205
blauer Niederschlag (das in saurem Medium sich niederschla-
gende Kongoblau). Erhitzen wir jetzt die Lösung auf 50 bis
60°, so löst sich der Niederschlag mit roter Farbe, die ganze
Lösung end rot und bleibt es auch nach dem Abkühlen. Bringen
wir nun die Lösung so (oder mit Salzeäure schwach angesäuert)
in einen 38°igen Thermostaten, so wird sie in einigen Stunden `
trübe und nach 15 bis 20 Stunden findet sich am Boden des
Gefäßes in großer Menge ein roter Niederschlag. Der Nieder-
schlag ist in destilliertem Wasser und schwacher Salzlösung
unlösbar, löst sich leicht in schwacher Säure und Lauge. In
der Lauge löst er sich mit roter Farbe, in der Säure in schönem
violetten Tone, und wird nur dann blau, wenn man konzen-
triertere Säure zusetzt, aber auch dann bleibt er in Lösung.
Im Niederschlag sind Kongo und Albumose nachweisbar).
Diese Versuche zeigen, daß man in einer konzentrier-
ten Albumoselösung mit einempositiv geladenen (Ferri-
hydroxyd) sowie mit einem negativ geladenen (Kongo-
1) W. Bayliss fand (On adsorption as preliminary to chemical re-
action. Proc. Roy. Soc. 84, 81, 1911), als er zu kolloidem Kongoblau
kolloide Basen (Aluminiumhydroxyd usw.) gab, daß ein blauer Nieder-
schlag entsteht, der filtriert und bei 38 bis 40° in Wasser suspendiert
in einigen Stunden, bei höherer Temperatur sehr bald rot wird. Er hält
den blauen Niederschlag für einen Kolloidkomplex, den roten gelösten
Körper aber für ein Salz (Aluminium- usw. Salz) der Kongosäure. Ich
fand, als ісЬ zur Lösung des Kongoblaus bei neutraler oder nicht sehr
saurer Reaktion (bis sl, HOD hydrophile Kolloide (Witte-Peptonlösung,
Ovalbumin, Pepsin) gab, daß der blaue Niederschlag bei 60 bis 70° sehr
bald und auch bei 33 bis 40° in einigen Stunden rot wird. Auch scheidet
sioh der größte Teil des roten Körpers, wie wir schon sahen, später aus
der Lösung; offenbar handelt es sich um Komplexe des Kongos und der
anderen Kolloide. Aus dem Farbenumschlag folgt also keineswegs, daß
aus der Adsorptionsverbindung eine chemische Verbindung wird. Es
scheint, daß in neutralem oder schwach saurem Medium sämtliche Kol-
loidkomplexe des Kongoblaus rot sind; der Niederschlag ist anfangs des-
wegen blau, weil die anwesenden Hydrogenionen das Kongo in Form
der unlöslichen Kongosäure fällen, das Entstehen des Komplexes aber
erst langsam erfolgt. Mit der Zeit (bei höherer Temperatur schneller)
adsorbiert dann die Albumose die Kongosäure, und Lösung und Nieder-
schlag färben sich rot. Die Kolloidkomplexze des Kongos färben also
bei noch ausgesprochen saurer Reaktion die Lösung rot, und das ist der
Grund, warum man in Gegenwart von Eiweiß usw. mit Kongotitration
keine richtigen Resultate erhalten kann.
206 Н. Коһопу::
blau) Kolloide gleich leicht einen Niederschlag er-
zeugen kann. Diese Niederschläge geben die Reaktion der
Albumose; sie sind in destilliertem Wasser sowie in schwachen
Salzlösungen unlösbar, lösen sich leicht in schwacher Lauge
und in einer etwas konzentrierteren Säurelösung, — gerade so
wie die Plasteine. Sogar die Art des Entstehens des Nieder-
schlages war (beim Kongo) der Plasteinbildung ganz ähnlich:
die Lösung war, als ich sie in den Thermostaten stellte, ganz
klar, die Bildung des Niederschlags nahm erst nach Stunden
ihren Anfang.
Wenn auch diese Analogien unsere Annahme sehr wahr-
scheinlich machen, so sprechen doch einige andere Tatsachen
dagegen. Vor allem, daß die Hitzekoagulierung das Pepsin
auch seiner plasteinbildenden Fähigkeit beraubt, obzwar es da-
durch, wie ich in dem vorangehenden Abschnitt zeigte,
nicht seine Fähigkeit, die Albumosen aus ihren wässerigen
Lösungen zu präcipitieren, verliert, Eine weitere Schwierig-
keit, das „Plastein“ als einen Pepsin-Albumosenkomplex zu
identifizieren und so den bindenden Beweis für die Richtig-
keit meiner Annahme zu erbringen, liegt in der Bestimmung
der Komponenten und in der Deutung der analytischen Daten.
Allerdings im Kongo-Albumose- oder Ferrihydroxyd-Albumose-
komplex ist die Gegenwart von Kongo bzw. Eisen schon durch
die Farbe des Niederschlags erkenntlich, dagegen kann das
im „Plastein“ event. vorhandene Enzym nur dann nachge-
wiesen werden, wenn es in aktiver Form anwesend ist. Filtriert und
wäscht man den durch die Einwirkung des Pepsins entstandenen
Niederschlag so lange mit destilliertem Wasser, bis das Wasch-
wasser noch die Albumosereaktion gibt, und löst dann den
Niederschlag in Salzsäure, so kann man mittels gekochten Ei-
weißes noch aktives Pepsin finden. Die Pepsinwirkung, die
man so erhält, ist allerdings eine sehr schwache; die gekochten
Eiweißstücke lösen sich nicht einmal in 24 Stunden vollständig
auf, doch muß man bedenken, daß die vorhandene Albumose
die Pepsinwirkung hemmt. Andererseits ist eine andere
Deutung nicht auszuschließen: es ist möglich, daß dieser
Niederschlag durch Enzymwirkung des Pepsins entsteht und
daß das Pepsin erst sekundär während seiner Fällung aus der
Lösung mitgerissen wird. Das Auswaschen mit destilliertem
Kolloidchemische Eiweißstudien. 207
Wasser mag auch in diesem Falle zur vollständigen Entfernung
des Enzyms nicht genügen.
Löst man das Plastein in Salzsäure und fällt es wieder
durch Neutralisation, so enthält dasselbe nach zweimaliger
Wiederholung dieser Prozedur kein aktives Pepsin mehr. Da
wir aber das gleiche auch bei der Reversibilität der Komplex-
bildung fanden, so ist auch diese Tatsache nicht zur Ent-
scheidung dieser Frage zu gebrauchen.
Welche von beiden Deutungen die richtige ist, kann auch
nicht durch die Bestimmung des Enzymgehaltes der Lösung
vor und nach der Plasteinbildung leicht entschieden werden.
Denn eobald der Plasteinniederschlag entsteht, kann ja durch
nachträgliche Adsorption ein Teil des Enzyms aus der Lösung
mitgerissen werden. Das Chymosin erzeugt, wenn es in ge-
nügender Konzentration vorhanden ist, keinen Niederschlag in
der Albumoselösung, sondern gelatiniert diese. Wir können
so den Labgehalt einer noch halbwegs flüssigen Lösung mit
dem der ursprünglichen Lösung vergleichen, wenn dieselben
Mengen beider zu einer bestimmten Quantität Milch gegeben
werden, und die Zeit bestimmt wird, die beide zur Gerinnung
der Milch gebrauchen. Ich gebrauchte die Mercksche „Lab-
essenz“ zu einem Teil in der ursprünglichen Konzentration (L),
zu einem anderen Teil — bei Zimmertemperatur auf den
fünften Teil ihres Volumens eingedampft — in fünffacher
Konzentration (5 L) Ich säuerte die 25°/ ige Witte-Pepton-
Lösung mit Essigsäure an.
1. 10 ccm Witte-Pepton-Lösung + 0,20 ccm L
2. 10 n ” n +2,00 » L
3. 10 » n n +0,20 e 51
4. 10 » м n +1,00 e 51
Nach Mischen und Durchschütteln fand ich, daß je
0,5 ccm der einzelnen Lösungen bei 40° 10 ccm ungekochte
Milch in folgender Zeit zur vollständigen Gerinnung brachten
(во daß es nicht möglich war, die Eprouvette umzukehren):
1. 21 Minuten,
2. 2 D
3. 1 Minute 55 Sekunden,
4. 30 Sekunden.
208 Н. Rohonyi:
Danach stellte ich die Lösungen in einen 38°igen Ther-
mostaten. Nach 20 Stunden war Lösung 1 unverändert, Lösung 2
trüb, dickflüssig, Lösung 3 trüb, dickflüssig, Lösung 4 trüb,
vollständig gelatiniert, verflüssigt sich jedoch beim Schütteln.
Bei mit den vorigen vollständig identischen Bedingungen waren
die zur Gerinnung der Milch nötigen Zeiten wie folgt:
1. 20 Minuten,
2. 3 n 10 Sekunden,
3. 2 ” 5 я
4. 0 э 55 э
Aus diesen Daten ist ersichtlich, daß, wenn das Lab-
enzym in solcher Konzentration in der Albumoselösung an-
wesend ist, es zu keiner Plasteinbildung kommt und seine wirk-
same Masse bei 38° in 20 Minuten im großen und ganzen un-
verändert ist; verläuft aber eine Plasteinbildung in der Lösung,
so verschwindet ungefähr die Hälfte.
Dieser Versuch scheint wieder dafür zu sprechen, daß das
Plastein ein Enzym-Albumosekomplex ist. Der Einwand ist
aber auch hier am Platze, daß das auf Wirkung des Labes in
der Lösung entstandene Gel das Lab nachträglich adsorbicrt hat.
Wenn es uns nach allem wegen der methodischen Schwierig-
keiten nicht gelungen ist, die Richtigkeit unserer Behauptung
bez. der Plasteine über alle Zweifel zu stellen, so haben wir
wenigstens die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß man, wenn
man mit konzentrierten Enzymlösungen arbeitet, mit den
kolloiden Eigenschaften der Enzyme als kolloide Körper immer
rechnen тиў.
Zusammenfassung.
1. Die Lösungen proteolytischer Enzyme besitzen die
Eigenschaft, in gewissen Eiweiß- und Albumoselösungen unter
gewissen Bedingungen einen Niederschlag zu erzeugen, der als
eine komplexe Verbindung von Enzym und Eiweiß betrachtet
wird. Es werden mehrere solche Reaktionen beschrieben und
die Bedingungen ihres Zustandekommens ermittelt.
2. Diese Reaktionen verlaufen auch nach Inaktivierung
des Enzyms in der gleichen Weise.
3. Die durch Leitfähigkeitsmessungen gewonnene Säure-
bindungskurve einer Eiweißlösung erfährt in ihrer Stetigkeit
Kolloidchemische Eiweißstudien. 209
keinerlei Unterbrechung, wenn inzwischen in der Lösung ein
Eiweißniederschlag entsteht, oder der gebildete Niederschlag
gelöst wird. Die Säurebindung hängt also bloß von der absoluten
Menge des Eiweißes ab, nicht aber von dessen Oberfläche.
4. Vom Paranuclein wird gezeigt, daß letzteres kein
hydrolytisches Produkt, sondern ein Casein - Caseose- Komplex
darstellt.
5. Von dem Paranuclein А (Т. В. Robertsons) wird er-
wiesen, daß dieses eine komplexe Verbindung von einer Caseose
und einem im Grüblerschen Pepsin enthaltenen eiweißartigen
Körper ist.
6. Es wird wahrscheinlich gemacht, daß die sog. „Pla-
steine“ komplexe Albumose-Enzym-Verbindungen darstellen.
Ringfiguren in der gefrorenen Gelatine.
Von
H. Rohonyi.
Aus dem Physiologisch-ohemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: Fr. Tangl.)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Mit 1 Tafel.
Ambronn war der erste, der beim Gefrieren einer dünnen,
auf eine Glasplatte gegossenen Gelatineschicht das Erscheinen
schöner Eisblumen von veränderlicher Form beobachtete. Diese
Erscheinung wurde später eingehender von Molisch!) unter-
sucht, der für sie die Erklärung gab, daß von den ausfrierenden
Eiskrystallen die Gelatine zur Seite gedrängt wird und so die
mannigfaltigen Formen zustande kämen. Liesegang, von dem
mehrere Aufsätze über diese Erscheinung herrühren, stellt sich
dieselbe als Ergebnis folgender Prozesse vor?): „An einer Stelle
bildet sich ein kleiner Eiskrystall. Er hat die Tendenz sich
zu vergrößern und zieht Wasser aus der Umgebung an sich.
Dabei wird die benachbarte Gelatine entwässert. Es bildet sich
also in der Umgebung des Krystalls eine wasserfreie oder
wasserarme Gelatinelage, und diese hindert die weitere Wasser-
zufuhr und stört das normale Weiterwachsen des Krystalls.
Setzt ein plötzlicher sehr starker Frost ein, so bilden sich un-
zählige Krystallisationszentren, von denen jedes außerordentlich
klein bleibt und von denen jedes mit einer vollkommen ge-
schlossenen Hülle von trockener Gelatine umgeben ist. Веі
1) Untersuchungen über das Erfrieren der Pflanzen. Jena 1891.
*) Über die Formung der Gelatine durch Salzniederschläge und
Krystalle. Kolloid-Zeitschr. 1, 364. Dort auch: Formung von Gelen duroh
Krystalle. Deformation von Gallerten durch Gefrieren.
Biochemische Zeitschrift Band 53. Tafel I.
Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3.
Rohonvi. Verlag von Julius Springer in Berlin.
Н. Rohonyi: Ringfiguren in gefrorener Gelatine. 211
langsamerem Gefrieren ist die Hüllenbildung nicht an allen
Stellen so vollkommen, sondern der Krystall hat noch Gelegen-
heit, nach der einen oder anderen Richtung weiter zu wachsen...“
Ich möchte hier über eine besondere, unter Einhaltung
einer gewissen Versuchsanordnung jedesmal herstellbare Form
dieser Gelatineeisblumen berichten, die dadurch, daß sie einer
anderen bekannten Erscheinung bei der Gelatine unverkennbar
analog ist, über den Mechanismus jener Erscheinung weit be-
stimmtere Annahmen gestattet.
Ich machte die Beobachtung, daB man an Stelle schöner
zweig-, flechten- oder dendritenartiger Gebilde meistens aus kon-
zentrischen Ringen bestehende Formen erhält, wenn man den
Versuch auf folgende Weise anstellt: Ein Reagensglas wird mit
einer 2 bis 5°/ igen Gelatinelösung (käuflicher Gelatine) gefüllt,
hierauf umgekehrt und der Inhalt so weit ausgegossen, daß nur
auf der Wand eine dünne Schicht zurückbleibt. Hierauf wird
der Zylinder in eine — 8° bis — 10°ige Kältemischung gestellt
und 1 bis 2 Minuten darin gehalten, indem man ihn inzwischen
einige Male auf eine Sekunde heraushebt, um das Gefrieren
konstatieren zu können. Sobald es eingetreten ist, ist es rat-
sam, das Glas in ein 1° bis 2°iges Bad zu stellen, aus dem
man es dann — indem es nach einiger Zeit wieder für ein
paar Minuten eingetaucht wird — zeitweilig herausheben und
die Erscheinung so ohne die Gefahr des Verschwindens beob-
achten kann. (In der ursprünglichen Kältemischung verschwin-
det oft die Zeichnung schon nach wenigen Minuten, da die
Gelatineschicht nach einiger Zeit gänzlich gefriert, bei Zimmer-
temperatur aber durch das Schmelzen der Gelatine das Bild
ebenfalls verwischt wird) Wie aus beistehenden Figuren er-
sichtlich, wird die Wand des Zylinders durch ein System kon-
zentrischer Ringe bedeckt, solcherart, daß ein Zentrum von
einer Schar einander regelmäßig folgender dunkler und heller
Ringe umgeben ist, die nach außen an Breite immer zunehmen.
Die Ringe haben an verschiedenen Präparaten eine verschiedene
Dicke. Die hellen Ringe werden, wie schon mit bloem Auge
zu erkennen ist, von feinen nadelförmigen Eiskrystallen ge-
bildet, die mit ihrer Längsachse parallel den Radien der Ringe
stehen. Die dunkleren bestehen aus der erstarrten, durch Aus-
frieren von Eis konzentrierter gewordenen Gelatinelösung.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 15
212 Н. Воһолу::
Ich konnte ferner feststellen, daß die Erscheinung am
sichersten hervorgerufen wird, wenn die Gelatinelösung auf
irgendeine Art (z.B. durch Erwärmen oder Kochen !/, bis 1 Stunde
lang mit Säure, oder '/,stündige Einwirkung von Trypsin) hydro-
lysiert wird. Die beiden ersten Figuren wurden aus einer
2,5°/ Leen, 1 Stunde lang in einem Wasserbade von 80° ge-
haltenen Gelatinelösung gewonnen (Fig. 1 und 2). Die dritte
(Fig. 3) entstand aus einer 5°/ igen Lösung, die 1 Stunde bei
38° mit Trypsin behandelt wurde und bei einer Temperatur
von + 1° bis 2° erstarrt ist. Es scheint auch, daß die Dicke
der Ringe vom Grad der hydrolytischen Spaltung (von der
Konzentration der Gelatosen) abhängt und mit zunehmender
Spaltung abnimmt. |
Schon die Form von Ringen, noch mehr aber die Be-
dingungen ihres Zustandekommens, lassen unabweisbar einen
Zusammenhang dieser mit der sog. Liesegangschen Diffusions-
erscheinung erkennen. Diese wird, wie Liesegang berichtet!),
bei folgendem Versuch beobachtet. Man löst in einer (zweck-
mäßig mehr oder weniger hydrolysierten) Gelatinelösung Kalium-
bichromat, schüttet dann eine dünne Schicht der Lösung auf
eine Glasplatte, worauf man sie erstarren läßt. Wenn nun in
die Mitte der Platte ein Tropfen Silbernitrat gegeben wird,
so erscheint nach einiger Zeit um das zentrale Silberchromat
herum der Niederschlag von Silberchromat in einem System
von konzentrischen Ringen. Zwischen zwei Ringen ist immer
eine ringförmige Schicht niederschlagfreier Gelatine. Die Liese-
gangschen Ringe sind den von mir beobachteten Gefrierfiguren
ganz und gar ähnlich.
Es liegt auf der Hand, daß man unter solchen Umständen
eine einheitliche Erklärung für beide Erscheinungen sucht. Die
einfachste Erklärung der Liesegangschen Erscheinungen wurde
von W. Ostwald?) gegeben, die im allgemeinen angenommen
wurde, obwohl sie gewisse Einzelheiten nicht erklärt (Bechhold).
W. Ostwalds Erklärung ist folgende:
„Unter den übersättigten Lösungen gibt es solche, die sich
beim Ausschluß von Keimen unter bestimmten Bedingungen
1) Über die Bedeutung дег hydrolytischen Spaltung der Gelatine
für die Schichtenbildung dee Silberchromats. Koll. Zeitschr. 2, 70.
1) Ostwald, Lehrb. d. allgem. Chem. П, 2, 778.
Ringfiguren in gefrorener Gelatine. 213
anscheinend unbegrenzt lange aufbewahren lassen, ohne jemals
freiwillig die feste Phase zu bilden. Solche Lösungen sollen
metastabile heißen.“ ... „Durch die Diffusion des Silbersalzes
in die chromathaltige Gelatine bildet sich in der Gelatine bald
eine Lösung, die in bezug auf Silbersalze übersättigt ist. Der
Niederschlag erfolgt aber nicht sofort, sondern erst, nachdem
die metastabile Grenze überschritten ist. Dies geschieht natür-
lich gleichzeitig in einem Kreise, der mit dem Tropfenkreise
konzentrisch ist. An den entstandenen Niederschlag lagert sich
das Silberchromat, in bezug auf welche die Umgebung des Ringes
übersättigt ist, und verstärkt ihn; dies dauert so lange, bis das lös-
liche Chromat aus der Nähe entfernt und in den Niederschlag
gegangen ist. Alsdann wandert das Silbersalz über den Ring
hinaus, übersättigt ein neues ferner liegendes, kreisförmiges
Gebiet, und der gleiche Vorgang wiederholt sich.“
Die Gefrierringe kann man auch auf Grund dieser Theorie
erklären. Die Gelatinelösung ist überall unter ihren Gefrier-
punkt gekühlt. Das Gefrieren des Eises wird an einem
Punkte eingeleitet, der hierfür die günstigsten Bedingungen be-
sitzt. Die diesem Punkte benachbarten Stellen werden rings-
herum durch das Ausfrieren von Wasser immer konzentrierter,
bis die Konzentration einen solchen Grad erreicht, daB bei ge-
gebener Temperatur (entweder durch die innigere Bindung von
Wasser oder durch Sinken des Gefrierpunktes) kein Eis mehr
ausfriert. Außerhalb dieser Zone breitet sich der Gefrierprozeß
weiter aus, und es entsteht im Bereiche eines entfernter lie-
genden, weniger konzentrierten Ringes abermals eine Schicht
von Eiskrystallen. Der folgende Ring besteht dann wieder
aus konzentrierter Gelatine usw. Die Frage des Weiterschreitens
des Ausfrierprozesses bzw. wieso das Einimpfen der entfernteren
Eisschichten durch die scheinbar kein Eis enthaltende Gelatine-
schicht hindurch geschehen konnte, kann beantwortet werden,
wenn man diese scheinbar eisfreie Schicht mittels einer Lupe
betrachtet; man kann dann auch in dieser radiär angeordnete
Eisnadeln erkennen.
Wie ersichtlich, unterscheidet sich diese Erklärung von der
Liesegangschen kaum in etwas anderem, als darin, daß in
ihr ein einziges Krystallisationszentrum angenommen wird. In
der Tat ordnen sich die von mir unter der mitgeteilten An-
15*
214 | Н. Rohonyi:
ordnung beobachteten Ringe um ein einziges Zentrum ап. So-
bald das Gefrieren an einem Punkte in Gang kam, breitet
ев sich während einer Sekunde über das Ganze aus; es ist
sehr wenig Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß während
dieser kurzen Zeit auch die Metastabilität anderer Punkte ver-
schwinden sollte.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß das ringförmige
Gefrieren nicht eine speziale Form der ohnehin so mannig-
faltigen Gelatineeisfiguren ist, sondern ihre allgemeine Form,
und die Gestalten jener zweigförmigen und anderen Figuren-
formation, ebenso wie auch die Liesegangschen Ringe all-
gemeine Formen unter gewissen Bedingungen unregelmäßiger
Diffusionsvorgänge sind. Dabei ist nicht nur die Hydratation,
sondern auch die vollkommene Gleichmäßigkeit der Unter-
kühlung von Wichtigkeit. Nimmt man die Ostwaldsche Theorie
an, so gelangt man zu der interessanten Folgerung, daß der
metastabile Zustand, gleichwie ob er durch Unterkühlung
in den Gefrierversuchen oder durch Übersättigung in Liese-
gangs Versuchen erzeugt wird, zu der gleichen Erscheinung
führt. In diesem Sinne stützen meine Versuche die Ostwald-
sche Theorie der Liesegangschen Figuren. |
Stalagmometrische Studien an kolloiden und
krystalloiden Lösungen.
1. Mitteilung.
Von
L. Berczeller.
Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: Е. Tang].)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Inhalt:
I. Beziehung zwischen Oberflächenspannung und Hitzekoagulation der
Eiweißlösungen.
П. Oberflächenspannung von Albumoselösungen.
I. Beziehung zwischen Oberflächenspannung und Hitze-
koagulation der EiweißBlösungen.
1.
Die als „koaguliertes Eiweiß“, „Acidalbumine“ und „Alkali-
albuminate“ bezeichneten Körper sind durchaus ungenügend
definierte Verbindungen, deren bisher aufgedeckte Eigenschaften
nicht ausreichen, ihre näheren Beziehungen zueinander fest-
zustellen. Und doch ist es sehr wichtig, diese Beziehungen zu
erforschen, weil alle diese Verbindungen bei der Hydrolyse
entstehen, und dieser Vorgang bekanntlich eine der wichtigsten
physiologisch-chemischen Reaktionen ist. Auch darf man hoffen,
daß die Erkenntnis dieser Beziehungen einen tieferen Einblick
in den Mechanismus der Hydrolyse ermöglichen wird.
Nach den neueren Untersuchungen über die Hitze-
koagulation der Eiweißkörper wird bei diesem Vor-
gange die Eiweißlösung aus einer hydrophilen Kolloidlösung
in eine lyophobe verwandelt [Michaelis?). Diese Versuche
1) Michaelis, diese Zeitschr. 24, 79.
216 L. Berozeller:
wurden mit solohen Eiweißlösungen angestellt, die во wenig
Salz enthielten, daß beim Erhitzen keine Flockung eintrat,
sondern das Eiweiß gelöst blieb. Während nun das nicht
koagulierte Eiweiß nur aus sehr konzentrierten Salzlösungen
sich ausscheidet, fällt das koagulierte schon auf Zusatz von
ganz wenig Salz aus seiner Lösung, wie die kolloiden Metall--
lösungen.
| Die Untersuchungen von Sörensen und Jürgensen!),
andrerseits von Quagliariello?) haben bewiesen, daß bei der
Hitzekoagulation das Vermögen des Eiweißes, Säuren zu binden,
steigt, da die H--Ionenkonzentration der Lösung abnimmt.
Aus dieser Beobachtung zogen Sörensen und Jürgensen
den Schluß, daß die Hitzekoagulation der Proteine kein ein-
facher physikalischer Vorgang sein kann.
Chick und Martin?) fassen die Hitzekoagulation als eine
Reaktion des Eiweißes mit Wasser auf, das durch Säuren
beschleunigt wird.
Es sei hier erwähnt, daß auch andere Koagulationen der
Eiweißkörper auf einer Reaktion mit Wasser beruhen. Die
Fibrinbildung und die Caseinausscheidung aus der Milch durch
Labwirkung geschehen auch mit Wasseraufnahme.
Diesen zwei letzteren Beobachtungen verleiht der Umstand
ein besonderes Interesse, daß bei der Umwandlung der Eiweiß-
körper in Albumosen ganz ähnliche Erscheinungen beobachtet
werden können. Auch diese Reaktion ist eine Reaktion zwischen
dem Eiweiß. und Wasser (Hydrolyse), und das Säurebindungs-
vermögen der Albumosen ist viel größer als das der Eiweiß-
körper. Diese Erscheinung wurde schon von sehr vielen
Forschern mit den verschiedensten Methoden bei den Eiweiß-
körpern und Albumosen beobachtet. Ich will da von den
älteren Untersuchungen nur die von Herth‘) und Paal’) er-
wähnen, die das Eiweiß bzw. die Albumose aus einer Säure-
lösung ausflockten und die in der Lösung gebliebene Säure
bestimmten. Diese Ergebnisse bestätigten die neueren Unter-
1) Sörensen und Jürgensen, diese Zeitschr. 81, 397.
9 Quagliariello, diese Zeitschr. 45, 157.
D Chiok und Martin, Journ. of Physiol. 40, 404.
*) Herth, Monatsh. f. Chem. 5; Zeitschr. f. physiol. Chem. 1.
5) Paal, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27.
Stalegmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. І. 217
suchungen von Rohonyi!), der die Menge der gebundenen
Säure durch Messung der H-Ionenkonzentration bestimmte.
Da die erwähnten zwei Erscheinungen, nämlich die Wasser-
aufnahme und die Säurebindung, sich bei diesen zwei Vorgängen,
der Hitzekoagulation des Eiweißes und der Umwandlung des
Eiweißes in Albumosen, ganz parallel verlaufen, schien es nicht
uninteressant, die Veränderung anderer Eigenschaften bei diesen
Vorgängen zu vergleichen.
Die bereite vor langer Zeit ausgeführten Untersuchungen
Traubes?) zeigten, daß die Albumosen die Oberflächenspannung
des Wassers viel stärker erniedrigen als die Eiweißkörper?).
Wenn auch die neueren Untersuchungen von Michaelis
und Rona‘) dagegen sprechen, daß das eine charakteristische
Eigenschaft der Albumosen- und Peptonlösungen ist, schien es
doch geboten, diese Eigenschaft auch bei der Hitzekoagulation
zu verfolgen“). Es schien auch schon deswegen wichtig, diese
Frage näher zu untersuchen, da man, wie schon vorher bemerkt
wurde, die Hitzekoagulation der Eiweißkörper als Umwandlung
eines hydrophilen kolloiden Zustandes in einen hydrophoben
aufgefaßt hat, und andrerseits aber die hydrophoben Kolloide
die Oberflächenspannung des Lösungsmittels nicht beeinflussen.
2.
Wenn man solche Eiweißlösungen, die so wenig Salz ent-
halten, daß sie beim Aufkochen nicht koagulieren, aufkocht,
nimmt die Oberflächenspannung der Lösung stark ab.
Meine Messungen wurden mit dem Traubeschen Stalagmo-
meter bei Zimmertemperatur ausgeführt. Die Lösungen wurden
beim Aufkochen manchmal stark getrübt, aber das störte das
Messen nicht.
1) Rohonyi, diese Zeitschr. 44, 165.
D Traube, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 19, 1871.
5) Bottazzi hat in einer neueren Abhandlung darauf hingewiesen,
daß einige Eiweißkörper die Oberflächenspannung des Wassers stärker
erniedrigen. Diese Oberflächenspannungsverminderung ist aber stets
kleiner als die der Albumosen. Die näheren Daten über das Verhalten
verschiedener Eiweißkörper werde ich an anderer Stelle besprechen.
*) Michaelis und Копа, diese Zeitschr. 41, 165.
5) Über die Oberflächenspannung der Albumoselösungen handelt
der 2. Teil dieser Mitteilung.
218 | L. Berereller:
Die Ergebnisse meiner Untersuchungen sind in der folgen-
den Tabelle zusammengefaßt.
Tabelle I.
Die Oberflächenspannung von densturierten und
nioht denaturierten Eiweißlösungen.
Tropfenzahl des Wassers: 43,8.
Tropfenzahl
der Eiweißlösung
1°/,iges Ovalbumin Merck I . .
л n n II e o
n n (nativ). . .
я Serumalbumin (Merck) .
* э
Serum 1:10 verdünnt ....
Dem Ergebnisse dieser Versuche kommt auch eine gewisse
theoretische Bedeutung zu, indem es beweist, daß das auf-
gekochte, aber nicht ausgefällte Eiweiß sich nicht einfach wie
ein lyophobes Kolloid verhält, wie ев Michaelis und Копа?)
angenommen haben, da diese Kolloide die Oberflächenspannung
nicht beeinflussen, sondern daß hier gewisse „chemische“ Pro-
zesse mitgewirkt haben.
Allerdings geben das auch Michaelis und Rona zu, zu
welcher Annahme sie die schon erwähnten Versuche von
Sörensen und Jürgensen?) veranlaßten, nach denen die
H'-Ionenkonzentration der Eiweißlösungen sich beim Aufkochen
vermindert. Die Verminderung der Öberflächenspannung der
Lösungen legt den Gedanken nahe, daß in denselben gewisse
Veränderungen stattfinden, welche ähnlich denjenigen sind, die
bei der Albumosenbildung stattfinden, und doch findet keine
Albumosenbildung statt. Das hebe ich deshalb hervor, weil
man daran denken könnte, daß, nachdem minimale Mengen
oberflächenaktiver Substanzen die Öberflächenspannung des
Wassers stark herabsetzen, es denkbar wäre, daß bei meinen
Versuchen durch eine Säure- oder Laugenhydrolyse Albumosen
in geringen Mengen entstanden wären. Dagegen spricht nun
1) Michaelis und Rona, Le
*) Sörensen und Jürgensen, 1. с.
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. L 219
die folgende Beobachtung, die ich an den aufgekochten Eiweiß-
lösungen machte: Läßt man nämlich diese längere Zeit stehen,
so verschwindet die erzeugte Herabsetzung der Ober-
flächenspannung, wie das aus der folgenden Tabelle er-
sichtlich ist.
Tabelle П.
Die Veränderung der Oberflächenspannung der durch Hitze
denaturierten Eiweißlösung.
Tropfenzahl der Lösung
ünnt
1°/,iges Serumalbumin (Merck) .
In den aufgekochten und dann längere Zeit stehenden
Eiweißlösungen finden also anhaltende Veränderungen statt,
die bisher nicht bekannt waren').
Warum steigt nun wieder nach einiger Zeit die Oberflächen-
spannung in den aufgekockten Eiweißlösungen ?
Dieselbe Erscheinung findet man in Alkaloidlösungen, die
man mit Lauge versetzt?) Auch die Lauge erzeugt in der
Alkaloidsalzlösung zunächst eine Herabsetzung der Oberflächen-
spannung. Diese Wirkung hört aber mit der Zeit auf, und
meistens wird gleichzeitig ein Niederschlag gebildet. Das wird
damit erklärt, daß die Lauge die Ausscheidung des Alkaloids
in kolloidalem Zustande bewirkt. Die so entstehenden kleinen
Teilchen setzen die Oberflächenspannung herab; beim weiteren
Stehen (oder beim Aufkochen) ballen sich diese Teilchen zu
größeren zusammen, damit hört aber die Erniedrigung der
Öberflächenspannung auf.
Wie es scheint, findet derselbe Vorgang auch in der auf-
gekochten Eiweißlösung statt. Dafür spricht auch die mit der
1) Diese eben erwähnte Erscheinung hängt zweifellos mit dem be-
kannten Vorgang bei der Eiweißfälluug zusammen, daß nämlich die
Hitzekoagulation der Eiweißkörper nicht momentan stattfindet.
) J. Traube, diese Zeitschr. 42. — S. Berczeller und Csáki,
dieser Band II. Mitteilung.
220 L. Berozeller:
Zeit entstehende Trübung der Lösungen; es kommt auch vor, daß
die Lösungen nach einiger Zeit einen Niederschlag ausscheiden.
Die eben besprochenen Ergebnisse weisen auf einen inter-
essanten Zusammenhang mit den Befunden von L. Lieber-
mann!) und J. Traube?) über das „Inaktivieren“ des Serums
hin. v. Liebermann hat nämlich nachgewiesen, daß bei dem
„Inaktivieren“ des Blutserums die OH’-Ionenkonzentration
wächst, so wie ев später Sörensen und Jürgensen und
Quagliariello auch bei der Hitzekoagulation gefunden haben.
Andererseits hat Traube nachgewiesen, daß bei dem In-
aktivieren die Oberflächenspannung der Lösung kleiner wird,
aber diese Verminderung der Oberflächenspannung nicht kon-
stant bleibt, sondern mit der Zeit ‚verschwindet. Dasselbe
konnte ich bei Eiweißlösungen beobachten.
Die große Übereinstimmung der Versuche macht es zum
mindesten wahrscheinlich, daß schon beim Inaktivieren dieselbe
„chemische“ Veränderung stattfindet wie bei der Hitzekoagula-
tion der Eiweißkörper.
IL Oberflächenspannung von Albumosenlösungen.
1:
Untersuchungen von Michaelis und Копа?) ergaben, daß
bei Einwirkung von Trypsin und Pepsin auf Eiweiß die Ober-
flächenspannung der Lösung sich sehr wenig verändert, bei Säure-
und Laugehydrolyse aber stark vermindert wird. Michaelis
und Rona nehmen an, daß bei letzteren Lösungen die Ver-
minderung der Oberflächenspannung nicht von den entstandenen
Albumosen, sondern von anderen bei der Hydrolyse entstehen-
den Nebenprodukten bedingt sei. Über die Natur dieser Neben-
produkte äußern sie nichte Näheres, sie erwähnen, bloß immer
einen Geruch nach Aceton bemerkt zu haben.
Lange vorher hat bereits J. Traube) angegeben, daß,
wenn man Eiweißlösungen mit wenig Säure oder Lauge kocht, die
Oberflächenspannung schon stark herabgesetzt wird. Das konnte
auch ich durch eigene Versuche in vollem Maße bestätigen.
- 1) Liebermann, diese Zeitschr. 4, 29.
?) J. Traube, diese Zeitschr. 10, 386.
D Michaelis und Копа, 1 o.
*) Traube, Ber. d. Deutsch. chem. Оез. 19, 1871.
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 991
Meine erste Untersuchungsreihe, die gewissermaßen eine
Weiterführung der Michaelis-Ronaschen Versuche ist, bezieht
sich auf die Frage, wie die Oberflächenspannung der
Albumosenlösung durch Trypsin und Pepsin verändert
wird.
Benutzt habe ich käufliches Witte-Pepton und Grübler-
sches Pepton.
Zunächst stellte sich heraus, daß das Witte-Pepton bei
gleicher Konzentration die Oberflächenspannung des Wassers
viel stärker herabsetzt als das Grübler-Pepton. Als Beispiel
diene der in Tabelle III angeführte Versuch.
Tabelle III.
50 ост dest. Wasser
+0 + 0 48,8
+ 1 сот 19/,ісе Witte-Peptonlögg. + 1 сот 1°/,ige Grübler-Peptonlösg.| 44,0
+ 2 » т » + 2 » n n 44,6
+ 3 „ ” n + Bes n n 45,6
+4n n n + 4 » n n 46,2
+5 n n n + Bn * n 48,0
+10 e n n +10 » n n 49,2
+20 n n n +30 e n n 51,8
+30 e n n +40 e n n 52,0
Diese meine Befunde stimmen mit denen von Traube?)
überein. Er fand, daß die durch Pepsineinwirkung ent-
standenen Albumosen die Oberflächenspannung des Wassers
stark erniedrigen. Seine Zahlen sind die folgenden.
Pepton- Pepton Pepton
gehalt der І П
Lösung
7 Tropfenzahl der Lösung
0,01 48°] i —
0,02 53 —
0,05 58®/, 511],
0,10 591/ 521
0,20 611/ 541/
0,50 64'/, 58
0,90 — 601
1,00 611], =
1) J Traube, L с.
222 L. Berozeller:
a) Versuche mit Trypsin.
Aus käuflichem wirksamen Merckschen Trypsin wurde eine
1°/,ige wässerige Lösung bereitet und zu verschiedenen genau
abgemessenen Mengen (1 bis 30 cem) je 50 ccm Pepton bzw.
Albumoselösung zugesetzt. Als Kontrolle wurden stets die-
selben Mengen der Trypsinlösung zu 50 ccm dest. Wassers zu-
gesetzt. Die Messung der Oberflächenspannung habe ich gleich
nach dem Vermischen der Lösungen vorgenommen, so daß bis
zur Beendigung der ersten Messung ungefähr 3 Minuten ver-
gingen.
Dieselbe Menge der Peptonlösungen setzt die
Oberflächenspannung einer 1°/,igen Trypsinlösung
viel weniger herab wie die des destillierten Wassers.
Als Belege mögen je eine Versuchsreihe mit Witte- bzw.
Grübler-Pepton dienen.
Tabelle IV.
Trypsin + Witte-Pepton.
Tropfen- Tropfen-
50 com dest. Wasser zahl der 50 осш 1°/,ige Trypeinlösung zahl der
Lösung Lösung
+ 0 44,0 + 0 48,8
+ Leem 20/,ісе Witte-Peptonlösg. 41,4 + Leem 2°/„їде Witte-Peptonlösg. | 48,8
+ 2» ” n 50,4 + 2 n n n 44,6
+ H a n э 51,6 + 8 p n n 44,8
+ A n H ” 52,2 +4 na n ” 44,8
+5 n я ” 52,6 + 5 » n n 44,8
+10 » э n 58,2 +15 n n » 48,4
+20 n э n 54,4
Tabelle V.
Trypsin + Grübler-Pepton.
50 com dest. Wasser
+0 +0
+ 600m 1°/,ige Grübler-Peptonlögg. + 6ccm 1°/„1де Grübler-Peptonlösg.| 45,8
+10 » n » +10 n n n 46,2
+30 n 9 ” +30 n n n 46,6
+40 n я ” +40 n n n 47,2
Warum setzen die Albumosen bei Gegenwart von Trypsin
die Oberflächenspannung weniger herab?
Stalagmometr. Studien an kolloid. п. krystalloiden Lösungen. I. 223
Der erste Gedanke ist, daß das Trypsin durch seine
hydrolysierende Wirkung das verursacht. DaB die Oberflächen-
wirkung des Trypsins in so kurzer Zeit sehr deutlich wird,
macht es wahrscheinlich, daß noch andere Veränderungen eine
Rolle spielen. Diese beinahe momentane Wirkung des Trypsins
zeigt, daB es mit der oberflächenaktiven Substanz der Albumose-
lösung sehr heftig reagiert, was wieder als Beweis dafür gelten
kann, daß diese Substanz mit den Eiweißkörpern nahe ver-
wandt sein muß, da nach unseren heutigen Kenntniasen nur
Eiweißstoffe mit Trypsin spezifisch reagieren.
Die Oberflächenspannung einer Albumose- Tryp-
sinlösung ist nicht konstant: sie wächst fortwährend.
Bei Zusatz größerer Mengen von Trypsin habe ich die stetige
Zunahme der Oberflächenspannung schon während der Zeit des
Messens, also im Zeitraume von ca. 3 bis 3'/, Minuten, be-
obachten können, was sich darin kundgab, daß die Tropfen-
zahl fortwährend abnahm.
Die Beweise liefern die Tabellen VI bis VIII.
Die Erhöhung der Oberflächenspannung ist im Anfang am
größten und verläuft schnell — dann lange fortdauernd lang-
sam. Веі dieser zweiten Phase kommt der Hydrolyse der
Albumosen zweifellos eine Rolle zu. Da nun das Trypsin
die Albumosen hydrolysiert und dieser Vorgang mit
Erhöhung der Oberflächenspannung einhergeht, so ist
es unzweifelhaft, daß die Albumosen und nicht erst
andere bei der Hydrolyse aus Eiweiß entstandene
Nebenprodukte ursprünglich —d.h. vor dem Zusetzen
des Trypsins — die Oberflächenspannung des Wassers
herabsetzten.
Tabelle VL
Trypsin+ Witte-Pepton.
Tropfenzahl nach
1%/,ige Trypsinlösung
d e
10» 1%, »
224 L. Berozeller:
Tabelle VII.
Witte-Pepton + Trypsin.
Tropfenzahl der wässerigen 1°/,igen Witte-Pepton-Lösung: 57,6.
Tropfenzahl der Lösung
10 oom 1°/,iges en
+0,1 бш. 1°/,iges Trypsin 57,4 56,4 51,8 48,6
10 eem 1°/,iges Witte-Pepton
+ 0,2 com 1 ° iges Trypsin 57,4 52,6 50,0 47,8
10 com 1°/ Gg Witte- Pepton
10 eem 1°/ iges Witte-Pepton
+ 0,8 al 1°/,iges Trypsin 56,8 49,8 48,2 45,8
10 eem 1°/ iges Witte-Pepton
+15 eem 19/„1дев Trypsin 55,4 48,8 41,2 44,8
10 com 1°/,iges Witte-Pepton
+ 2,5 com 1°/,iges Trypsin 54,4 47,2 46,0 44,6
10 com 1°), iges Witte-Pepton 54,6 46,6 45,4 444
+ 5 оош 1°/,iges Trypsin
Tabelle VIII.
Witte-Pepton + Trypsin.
Tropfenzahl der Witte-Pepton-Lösung: 55,6.
Tropfenzahl der Lösung
SE | 275 Min. | 12 Bea.
er 55,4 52,0 49,6
+0,2 00m 1ejsiges уураа | 554 51,2 48,2
Ку ге ме Кош 55,4 50,8 412
nn | ма | ам | а
+ 15 * үү och? 54,6 15,4 54
ren | ыз | on | aw
10 ccm Witte-Pepton 58,8 46,2 44,8
+ 5 ccm 1°/„їдев Trypsin
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 225
Der eben geschilderte zeitliche Verlauf der Steigerung der
Oberflächenspannung könnte damit erklärt werden, daß das
Trypsin mit der Albumose eine sehr lockere Verbindung ein-
geht, die im Gegensatz zur freien Albumose die Oberflächen-
spannung nicht herabsetzt. Mit dieser Annahme könnte auch
der obenerwähnte Befund von Michaelis und Rona bei der
Trypsinverdauung erklärt werden. Eine ganz ähnliche Erschei-
nung fanden übrigens Michaelis und Rona selbst bei der
Einwirkung von Eiweiß auf die Oberflächenspannung von Seifen-
lösung, die sie ebenfalls mit der Entstehung von lockerer Ver-
bindung erklären: Die Seifen vermindern nämlich die Ober-
flächenspannung des Wassers sehr stark, in Serum aufgelöst
ist dagegen die Erniedrigung der ÜOberflächenspannung nur
sehr gering. Außerdem findet ja die Ansicht, daß Kataly-
satoren mit ihrem Substrat lockere Verbindungen eingehen,
wofür auch die in diesem Hefte publizierten Untersuchungen
Rohonyis?) neue Beweise erbringen, immer mehr Anhänger.
Ich trachtete nun weitere Beweise dafür zu erbringen, daß
die allmähliche Erhöhung der Oberflächenspannung der Tryp-
sin-Albumose-Lösungen tatsächlich auf der hydrolysierenden
Einwirkung des ersteren auf die Albumose beruht.
Zunächst konnte ich beweisen, daß Faktoren, die die
hydrolysierende Wirkung des Trypsins beschleunigen, auch
das Ansteigen der Oberflächenspannung beschleunigen; ent-
gegengesetzt wirken diejenigen, die die Trypsinwirkung ver-
langsamen oder hemmen. So verlangamen bzw. hemmen
Säuren in entsprechender Konzentration die Trypsinwirkung;
die parallel verlaufende Wirkung auf die Erhöhung der Ober-
flächenspannung zeigen die Versuche, die in der folgenden
Tabelle IX angeführt sind.
Ist die Oberflächenwirkung der Trypsinhydrolyse zuzu-
schreiben, so muß sie bei inaktiviertem Trypsin ausbleiben.
Ich habe deshalb einige Versuche mit durch Hitze inakti-
viertem Trypsin angestellt. Gar so einfach waren aber diese
Versuche nicht.
Das Mercksche Trypsinpräparat, das ich benutzte, war
nämlich stark eiweißhaltig, koagulierte beim Aufkochen seiner
1) Siehe 8. 179 dieses Bandes.
226 L. Berozeller:
Tabelle IX.
Die Wirkung von Säure auf die Veränderung der Oberflächenspannung
von Witte-Pepton 4 Trypsinmischungen.
Tropfenzahl der Lösung
sofort ach nach nach
125 Min. | 485 Min. | 12 Std.
10 ccm Witte-Pepton
+ 5 ccm 1°/,iges
10 ccm 1°/„їдев шоно
+ 5 ccm 1°/,iges Trypsin
+10 Tropfen BC?
10 com 1°/,i iges Witte-Pepton
+5 eem 1°/,igee Trypsin
+50 Tropfen slk HCl
Lösung, wobei die Oberflächenspannung stark sank (siehe den
ersten Teil dieser Mitteilung). Das Koagulieren und die Herab-
setzung der OÖberflächenspannung blieb jedoch aus, wenn die
Trypsinlösung vor dem Aufkochen 12 Stunden im Thermostaten
stand: das Trypsin hat eben das Eiweiß verdaut. Siehe
Tabelle X.
Tabelle X.
Oberflächenspannung in aktiven und denaturierten
Trypsinlösungen.
Tropfenzahl Tropfenzahl
der Lösung der Lösung
1°/, Тгурвіп,
sofort gemessen
1°], A.
18 Std. im Therm.
gestanden
19%, В.
13 Std. im Eissohrank
Wenn solche nach Verdauung inaktivierten Trypsinlösungen
mit Albumosen versetzt wurden, haben die Albumosen (und
Peptone) die Oberflächenspannung der Lösung weniger ver-
mindert als die des destillierten Wassers. Also fällt auch die
Wirkung des denaturierten Trypsins in derselben Richtung wie
die des aktiven. Aber diese Wirkung ist viel kleiner als die
des aktiven. (Siehe Tabellen XI und XII.)
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 227
Tabelle XL
— —
S |За а Е = g ög
E © ё | © 50 ccm e Ф
N |= 50 сет N |м" x g N |м
50 ccm я 95 1%/ ige Trypsin- d 8 "я | 1°/1ре Trypsin- | & © r
dest. Wasser 5, (Ep ° йом Р = Ше lösung, e |88
о S d 8 о = d aufgekocht о | d
н IG н а =н Іа
+0 +0 44,4 +0
+ 1 cem 1°/,iges -+ 1 ccm 446 + 1 cem 0,8
Witte-Pepton Witte-Pepton ; Witte-Pepton 08
+2 ccm 1°/,iges +2 ccm 454 + 2 eem
Witte-Pepton Witte-Pepton Witte-Pepton 08
+ 3 ccm 1°/,iges + 3 сот 456 + 3 ccm |
Witte-Pepton Witte-Pepton ? Witte-Pepton
Tabelle XII.
5 ccm 5 com
= = =
Ф ч Ф о ~
278] 159/,іре Trypsin- EF 19/,іве Trypsinlösung, 5.9
E lösung Р aufgekocht Р
Еч Ei Ei
+0 +0 44,2] + 0 46,2
+ Leem Witte-Pepton + 1 сот Witte-Pepton 46,6 | + 1 ccm Witte-Pepton| 51,8
+2 n n +2 n ғ 4781 +2 n n 58,6
+3 n n +3 n r 486+ 3 » n 54,6
+5 e » +5 n » 496|+ 5 n ” 54,8
+10 e 5 +10 n n 52,6
Dasselbe Ergebnis habe ich erhalten, als ich meine Ver-
suche mit inaktivierten, aber nicht verdauten Trypsinlösungen
anstellte.e Die Oberflächenspannung dieser Lösungen ist, wie
schon vorher bemerkt wurde, kleiner als die der nicht inakti-
vierten Lösungen und wird ebenfalls nicht so stark durch die
Albumosen vermindert als die des Wassers.
b) Versuche mit Pepsin.
Es wurden dieselben Versuche wie mit Trypsin angestellt.
Sie führten zu einem gleichlautenden Ergebnis.
Ganz wie das Trypsin schwächt das Pepsin die die Ober-
flächenspannung herabsetzende Wirkung der Albumosen (bzw.
Peptone) ab, d h. dieselbe Albumosenmenge setzt die Ober-
flächenspannung des destillierten Wassers stärker herab als die
einer Pepsinlösung (s. Tabellen XIII und XIV).
Biochemische Zeitschrift Band 53. 16
298 L. Berozeller:
Tabelle XIII.
Grübler-Pepton + Pepsin.
50 com ОЕ ‚ 50 сот ` piia
dest. Wasser zahl 1°/1де Pepsinlösung | zahl
com 1°/,iges Pepton
n n
46,6
50,8
Tabelle XIV.
Pepsin 4 Witte-Pepton.
а D
ek? 50 ccm $ а
St 20/ ige Pepsinlösung E $
ы
+0 43 0 44,2
+ Leem 2°/ ,iges Witte-Pepton | 47 1 оош 2°/ iges Witte-Pepton | 46,6
+2 n » n 50 2» n n 49,0
+8 n n n 51, 8 n n n 49,8
+4 n n n 52, 4 e n n 50,6
Während die Oberflächenspannung einer Trypsin-Albumosen-
lösung, wie wir oben sahen, allmählich anwächst infolge der
hydrolysierenden Wirkung des Trypsins, ist diese fortschreitende
Erhöhung in den Pepsin-Albumosenlösungen anfangs kaum be-
merkbar und später auch nur sehr gering, weil das Pepsin
— im Gegensatze zum Trypsin — das Witte-Pepton kaum
hydrolysiert. Als Beispiel в. Tabellen XV und XVI.
Tabelle XV.
Witte-Pepton 4 Pepsin (Merck).
has Tropfenzahl der Lösung
1°/ iges Witte-Pepton nach | nach | nach | nach | nach
sofort os, gra |19 868 |25 864.87 864.96 Std.
+ 0,1 сеш 1°/,iges Pepsin’) | 56,4 | 56,4 | 55,6 | 56,0 | 55,4 | 55,0
+05 n e n 56,6 | 56,8 | 55,8 | 56,0 | 55,8 | 54,8
+10» a » 56,4 | 56,6 | 56,0 | 56,2 | 56,4 | 54,8
+30 n»n e n 56,2 | 56,4 | 55,4 | 56,2 | 55,8 | 54,4
+50 n»n e n 55,8 | 56,4 | 55,2 | 55,4 | 55,2 | 54,4
1) 1°/,iges Pepsin wurde in */,„-НС1 gelöst.
Stalsgmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 229
Tabelle ХУІ.
Witte-Pepton 4 Pepsin (Grübler).
Tropfenzahl der Lösung
start nach | nach | nach | nach | nach
8 Std. [19 Std.|25 Std.|40 Std.|96 Std.
10 eem
1 /iges Witte-Pepton
Diese Versuche beweisen also, daß in Gegenwart von Trypsin
und Pepsin die Albumosen die Oberflächenspannung der Lösung
nicht so stark erniedrigen, als wenn diese Enzyme nicht vor-
handen sind. Weiterhin, daß die hydrolysierende Wirkung zu
einer fortschreitenden Erhöhung der Oberflächenspannung führt.
Da die bisher mitgeteilten Versuche von Albumosen bzw.
Peptonen ausgingen, habe ich, um vom Anfangsstadium der
Hydrolyse auszugehen, eine größere Anzahl von Versuchen mit
pulverisiertem Globulin (Merck), Fibrin (Merck, gereinigt) und
koaguliertem Ovalbumin angestellt. Beispiele sind in den
Tabellen XVII und XVIII angeführt.
Tabelle XVII.
a)
2,5 g Fibrin (Merck)
+ 15 com 1°/,igee Trypsin
2,5 g Globulin (Merck)
+ 40 com 1°/,iges Trypsin
2,5 g Globulin
+ 40 ccm dest. Wasser
1) 10/, iges Pepsin wurde in */,„-НС1 gelöst.
16*
230 L. ВеготеПег:
0)
Tropfenzahl der Lösung
2,5 g koaguliertes Ovalbumin 524
+ 40 g 1° igo Trypeinlösung i
Tabelle XVIII.
a)
en der Lösung
nach
11/, Std.
nach | nach
sofort 5 Sta. 16у, Std.
d wéi
2,5 g koaguliertes Ovalbumin 488
+ 20 com 1°/,iges Pepsin (Merck) К
b)
Tropfenzahl der Lösung
2,5 g Globulin (Merck)
+20 ccm 1°/,igee Pepsin (Merck) 44,8 47,2 46,6
0)
nach
61], Std.
nach
5 Std.
2,5 g Fibrin (Merck)
+ 20 ccm 19), iges Pepsin (Merok)
Es ergab sich, daß bei der Pepsin- und Trypsinhydrolyse
dieser Eiweißkörper anfangs — wohl parallel mit der Albumosen-
bildung — die Oberflächenspannung ziemlich stark ab-
nimmt (besonders beim Fibrin-Trypsin.. Später nahm dann
die Oberflächenspannung in einigen Versuchen wieder zu, so wie
das oben bei den Albumoseversuchen angegeben wurde.
Hauptergebnisse meiner Versuche.
1. Beim Aufkochen solcher salzarmer Eiweißlösungen, die
nicht koagulieren, wird die Oberflächenspannung stark herab-
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. 1. 231
gesetzt. Läßt man solche Lösungen längere Zeit stehen, so
verschwindet diese Herabsetzung der Oberflächenspannung wieder.
Die Erscheinung kann mit Veränderungen der Teilchengröße er-
klärt werden.
2. Albumosen (Witte- und Grübler-Pepton) setzen die Ober-
flächenspannung des Wassers herab. Das Witte-Pepton wirkt
stärker als das Grübler-Pepton.
3. Albumosen (Peptone) setzen die Oberflächenspannung
einer Trypsinlösung weniger herab als die des destillierten
Wassers. Die Öberflächenspannung der Albumose - Тгурвіп-
lösungen ist nicht konstant; sie wächst stetig, anfangs schneller,
dann langsamer. Das Trypein scheint mit den Albumosen eine
lockere Verbindung einzugehen, die dann hydrolysiert wird.
4. Pepsin wirkt ähnlich wie das Trypsin.
5. Bei der Trypein- und Pepsinhydrolyse verschiedener
Eiweißkörper wird parallel mit der Albumosenbildung die Ober-
flächenspannung ziemlich stark herabgesetzt.
Stalagmometrische Studien an kolloiden und
krystalloiden Lösungen.
П. Mitteilung.
Von
L. Berczeller.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: Е. Tangl.)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Über die Oberflächenspannung der Caseinlösungen.
In den letzten Jahren hat man die physikalisch-chemischen
Eigenschaften der Milch wiederholt untersucht. Es schien da-
her interessant zu untersuchen, auf welche Bestandteile der
Milch und in welchem Maße einige dieser Eigenschaften zurück-
zuführen sind.
I.
Die Oberflächenspannung der Milch ist bedeutend
geringer als die des Wassers. Die Untersuchungen von
Bottazzi!) haben gezeigt, daß das Casein in Laugen gelöst
die Oberflächenspannung des Wassers stark verändert. Er hat
auch nachgewiesen, daB das Casein von Merck und Kahlbaum
auch in neutralem Wasser sich löst. Auch diese Lösungen
erniedrigen die Oberflächenspannung stark. Diese Wirkung
schreibt Bottazzi Verunreinigungen zu; denn nach wieder-
holtem Waschen des Caseins mit Wasser verringert sich diese
Wirkung.
Dieselbe Erscheinung konnte ich auch nachweisen. Da-
gegen habe ich aber mit mehreren solchen Caseinsorten ge-
arbeitet, welche die Oberflächenspannung des Wassers, wenn
sie mit neutralem Wasser digeriert wurden, nicht beeinflußten,
1) Bottazzi, Rend. R. Асо. d. Lincei 1912, 365.
L. Berozeller: Stalagmometr. Studien an kolloiden usw. Lösungen. П. 233
was Bottazzi nicht gelungen ist. Ich habe meine Versuche
mit von Herrn Prof. Е. Tangl dargestellten Caseinpräparaten
angestellt, die zur Bestimmung der elementaren Zusammen-
setzung und Verbrennungswärme der verschiedenen Caseinsorten
dienten‘). Dieselben wurden, wie aus der Beschreibung Tangls
hervorgeht, mit ganz besonderer Sorgfalt rein dargestellt. Den
sehr großen Unterschied in der Verminderung der Oberflächen-
spannung bei gereinigten und nicht genügend gereinigten Caseinen
zeigt sehr schön die folgende Tabelle.
Tabelle L
Gereinigte und nicht gereinigte Caseine.
Tropfenzahl des destillierten Wassers: 43,8.
бамі Tropfenzahl
Meine Versuche habe ich in der Weise eingerichtet, daß
das Casein lange Zeit (1 bis 2 Stunden) mit Wasser im Schüttel-
apparat geschüttelt wurde. Die Versuche selbst stellte ich bei
Zimmertemperatur an, und zwar stets mit dem Traubeschen
Stalagmometer. Die lange Zeit dauernde Lösung war deswegen
wichtig, da bekanntlich bei Kolloiden die Lösung sehr langsam
erfolgt, wohl hauptsächlich deshalb, weil die Substanz vom
Wasser nicht benetzt wird. Unsere gereinigten Caseine be-
einflussen die Oberflächenspannung des Wassers nicht, während
sie vom in derselben Weise behandelten Merckschen Präparate
erheblich erniedrigt wird.
- Da bei den Eiweißkörpern die Bestimmung der Reinheit
der Präparate schwierig ist, so dürfte die von mir festgestellte
Tatsache, daß die ganz besonders sorgfältig gereinigten Casein-
präparate die Oberflächenspannung des Wassers nicht beeinflussen,
zur Bestimmung der Reinheit des Caseins verwendet werden.
Allerdings können Verunreinigungen, die die Oberflächen-
spannung unbeeınflußt lassen — 2. В. Salze, unlösliche Sus-
pensoide — auf diese Weise nicht erkannt werden.
1) Tangl, Arch. f. а. ges. Physiol. 121, 534.
234 L. Bercozeller:
Beim Kochen lösen sich auch diese ganz reinen Casein-
präparate, die in kaltem Wasser unlöslich sind. In diesem
gelösten Zustande verringern sie dann in ziemlich bedeutendem
Maße die Oberflächenspannung des Wassers, wie das aus nach-
stehender Tabelle ersichtlich ist: Beim Aufkochen verändert
sich auch das Aussehen der Lösungen: sie opalescieren ein
wenig und schäumen stark.
Tabelle П.
Gereinigte Caseine.
Tropfenzahl der Lösung
Weitere 5 Min. lang gekocht . . . . .
48 Std. lang im Eisschrank gestanden .
In dieser Eigenschaft ist das Casein der Stärke und der
Gelatine sehr ähnlich. Es ist bekannt, daß beide Substanzen
in kaltem Wasser fast unlöslich sind. Lange Zeit hindurch
war ев strittig, ob sie in kaltem Wasser überhaupt löslich sind.
Das Casein unterscheidet sich aber darin von der Stärke und
Gelatine, daß es auch in heißem Wasser sehr wenig löslich
ist. Dagegen weicht es, wie die übrigen Kolloide, von den
Krystalloiden darin ab, daß mit letzteren sowohl durch Lösen
in kaltem als auch in warmem Wasser derselbe Gleichgewichte-
zustand erreicht werden kann, was beim Casein nicht der Fall
ist. Denn während bei 20° sich vom Casein nichts löst, bleibt
beim Abkühlen einer aufgekochten Caseinlösung auf 20° ein
gewisser Teil gelöst. Dieser bleibt auch weiterhin gelöst, fällt
also nicht, wie das bei übersättigten Krystalloidlösungen der
Fall ist, beim längeren Stehen spontan aus.
Bei der Lösung des Caseins in heißem Wasser tritt aller
Wahrscheinlichkeit nach gleichzeitig Hydrolyse ein. Das steht
in gutem Einklange mit den Untersuchungen von Robertson!).
!) Robertson, Journ. of Biolog. Chem. 2, 217.
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. П. 935
Auch Hammarsten!) hat in einer anderen Versuchseinrichtung
ähnliche Beobachtungen gemacht.
II.
In den folgenden Versuchen prüfte ich, in welchem Maße
das Casein die Oberflächenspannung in wässerigen
Lösungen von Säuren und Laugen verändert.
In beiden Lösungen wird die Oberflächenspannung
stark vermindert.
Diese Eigenschaft des Caseins, die Oberflächenspannung so
stark zu vermindern, unterscheidet es wesentlich von den Albu-
minen, deren Wirkung eine viel geringere ist. Das zeigt Tabelle III,
in die ich auch die Zahlen aufgenommen habe, die ich mit Ge-
latine und Albumoselösungen (Witte-Pepton) erhalten habe.
Tabelle III.
Die Oberflächenspannung | Tropfenzahl
von 1°/,igen Lösungen von: | der Lösung
8
Ovalbumin (Merck) . . . . 43,8
Ovalbumin ege С" 44,0
Serumalbumin (Merck). . . 44,3
50,4
57,2
Gelatine (gereinigt) - . . .
Witte-Pepton (Albumose
Casein (*/,-КОН gelöst) . . 53,6
Casein (2/„-HC1 gelöst). . .| 55,4
Tatsächlich geht aus Tabelle III hervor, daß das Casein
in seiner Wirkung auf die Oberflächenspannung den Albumosen
und der Gelatine viel näher steht als den Albuminen. Auch in
manchen Fällungsreaktionen sind diese 3 Substanzen einander
viel ähnlicher als den Albuminen (Hitzekoagulation, Fällung mit
Sulfosalicylsäure).
Aus dieser Zusammenstellung geht auch hervor, daß den
verschiedenen Eiweißkörpern im allgemeinen nicht die gleiche
Wirkung auf die Oberflächenspannung zukommt. Es gibt Ei-
weißkörper, die die Oberflächenspannung des Wassers stärker,
und solche, die sie weniger stark herabsetzen °). Ä
1) Hammarsten, Zeitschr. f. phys. Chem. 2, 217.
2) Nach Iscoovesco (Compt. rend. Soc. Biol. 62, II, 622, 1906) soll
das Ovalbumin die Oberflächenspannung des Wassers sogar erhöhen.
Ich habe — allerdings mit nicht reinen Ovalbuminlösungen — nie eine
Oberflächenspannungserhöhung beobachtet.
236 L. Berozeller:
Da ich das Casein stets in Laugen und Säuren löste, geht
aus den mitgeteilten Versuchen nicht hervor, welchen Einfluß
die Säuren und Laugen selbst auf die Oberflächenspannung
der Caseinlösung haben. Um dies festzustellen, habe ich
die Versuche in der Weise angestellt, daß ich saure und
alkalische Caseinlösungen mit "/,,-Säure bzw. ®/ ọ- Lauge ver-
dünnte, und als Kontrolle ebensolche Verdünnungen der Casein-
lösungen mit destilliertem Wasser gemessen habe (siehe Ta-
belle IV und V).
Tabelle IV.
Die Wirkung von КОН auf Caseinlösungen.
Zu Beem einer !/,°/,igen | Тгорѓеп- | 5 com einer 1/,%/, igen in | Tropfen-
їп */,„-КОН gelösten Büffel- | zahl der | /,,-КОН gelösten Büffel-| zahl der
caseinlösung gegeben:
0 ccm dest. Wasser
n n - 52,2
In - ~ 1
2, г n 2 e n - 51,8
3n - ” 3 n H - 51,4
4 » - n d n - - 51,6
5» - ” 5 л - - 51,0
10 e n n 10 e - r 50,4
Tabelle V.
Die Wirkung von НСІ auf Caseinlösungen.
5 ecm einer mit Büffel- | Tropfen-
der | casein gesättigten */„-HÜClI-| zahl der
Lösung Lösung versetzt mit: | Lösung
+
+1 „ ö 47,4 +1 „ Caseinlösung 51,2
+2 n n 50,4 +2 n = 52,6
+3 n n 51,2 +3 n - 58,0
+4 n r 52,2 +4 s» ” 58,6
+6 n n 53,0 +6 n - 54,6
Vergleicht man die Oberflächenspannung der mit Wasser
verdünnten Caseinlösungen mit der Oberflächenspannung der
mit Säure bzw. mit Lauge erhaltenen Lösungen, die das Casein
in derselben Konzentration enthalten (je eine horizontale Reihe
in den 2 Tabellen), so sieht man, daß der Unterschied bei
den Lösungen mit höherer Säure- bzw. Laugenkonzentration
größer ist, d. h. in konzentrierterer Säure- bzw. Laugenlösung
setzt das Casein die Oberflächenspannung stärker herab als in
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. II. 237
dünneren. Dieses Verhalten läßt sich gut mit Traubes!) Er-
fahrung erklären, daß nämlich bei vielen kolloiden Systemen,
die die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen, die Ober-
flächenspannung bereits vor der sichtbaren Flockung wächst,
um bei der vollständigen Ausflockung die des Wassers zu er-
reichen. Je weniger Säure oder Lauge die Caseinlösung ent-
hält, um so näher steht das Casein der Ausflockung, was mit
der Vergrößerung der Teilchen und der damit verbundenen
Erhöhung der Oberflächenspannung einhergeht. Ist die Kon-
zentration der Säure bzw. Lauge gleich Null, bleibt überhaupt
kein Casein in Lösung.
Übrigens verhalten sich die Seifen den Laugen gegenüber
ganz so wie das Casein. Daß die Viscosität der Seifen- und
Caseinlösung sich dabei parallel verändert, haben schon La-
queur und Sackur?) gefunden, und Bottazzi?) beobachtete,
daß ein sehr geringer Zusatz von Lauge die ÖOberflächenspan-
nung der Natriumoleatlösung stark herabsetzt, was ich in
eigenen Versuchen bestätigen konnte,
Die Hauptergebnisse meiner Versuche sind die folgenden:
1. Das reine Casein beeinflußt die Oberflächenspannung
des Wassers nicht merklich. Schon durch Kochen verändert
es sich so, daß die Oberflächenspannung des Wassers erniedrigt
wird. Wahrscheinlich wird es dabei hydrolysiert.
2. In Säuren und Laugen gelöst, erniedrigt das Casein die
Oberflächenspannung ziemlich stark. Je konzentrierter die Säure
bzw. Lauge ist, um so stärker ist die Wirkung.
1) Kolloidohemische Beihefte 1912.
1) Beiträge z. ohem. Physiol. u. Pathol. 8, 197.
D Bottazzi, Rend. R. Асс. d Lincei 1912, 365.
Stalagmometrische Studien an kolloiden und
krystalloiden Lösungen.
III. Mitteilung.
Von
L. Berczeller und L. Csäki.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.
Direktor: Е. Tangl.)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Wirkung von Laugen auf die Oberflächenspannung
der Alkaloidsalzlösungen.
І.
Die Untersuchungen Traubes!) haben ergeben, daß Zusatz
von Na,CO, die Oberflächenspannung der Alkaloidsalzlösungen
stark vermindert. Es ist bekannt, daß diese Lösungen viel
giftiger sind als diejenigen, die Na,CO, nicht enthalten’).
Traube erklärt die Erscheinung damit, daß die frei
gewordene Alkaloidbase, die gelöst bleibt, diese Wirkung aus-
übt. Er untersuchte den Zustand der Alkaloide in den Lösungen
nicht eingehender, da für ihn nur die Erscheinung Interesse
hatte, daß mit der Verminderung der Oberflächenspannung
die Giftwirkung sich verstärkt.
Unsere Aufgabe war, den Zustand der Alkaloide in diesen
Lösungen zu untersuchen und damit Traubes Untersuchungen
zu ergänzen.
Wir gingen von einem Versuche Traubes aus, den er
nur nebenbei erwähnt. Er machte in einem Versuche die Er-
fahrung, daß in einer mit Na,CO, versetzten Alkaloidlösung
1) Diese Zeitschr. 42, 470. |
з) Die entsprechende Literatur siehe іп der zitierten Arbeit von
Traube. Wir möchten nur bemerken, daß die erwähnte Erscheinung,
daß nämlich Alkaloidsalzlösungen nach Zusatz von Lauge giftiger sind,
schon Overton bekannt war (Overton, Studien über die Narkose, 8.11).
Er erklärt diese Erscheinung damit, daß die Alkaloide in Fett viel
leichter löslich sind als ihre Salze und daher in die Zelle besser ein
dringen können. Wir erwähnen Overtons Beobachtung und deren Er-
klärung nicht deshalb, als würden wir letztere für richtig halten.
L. Berozeller u. Csáki: Stalagmometr. Stud. an koll. usw. Lösungen. III. 239
die Oberflächenspannung der Lösung mit der Zeit wuchs
und damit die Giftigkeit der Lösung abnahm. Traube betont,
daß diese Wirkung nicht etwa durch die Ausscheidung dee
Alkaloids entstehen konnte, da in seinen Lösungen kein Nieder-
schlag sichtbar wurde. Andererseits ist es den Ärzten allgemein be-
kannt, daß man die Alkaloide in basischen Lösungen nicht verordnen
darf, weil sie sich entweder zersetzen oder sich aus der Lösung aus-
scheiden. Diese Veränderungen erfolgen nur nach einer gewissen
Zeit. Um so interessanter ist die Entdeckung Traubes, daß nach
Zusatz von Lauge zu Alkaloidlösungen die Oberflächenspannung
verringert wird und gleichzeitig die Giftigkeit der Lösungen steigt.
Zunächst haben wir die Untersuchungen Traubes damit
ergänzt, daß wir die Wirkung verschiedener Laugen auf
Alkaloidlösungen untersuchten. Traube benutzte Na,CO,
und einige schwache Basen, weil er nach Möglichkeit den physio-
logischen ähnliche Verhältnisse schaffen wollte. Wir benutzten
starke Laugen (КОН, NaOH, Ba(OH),), da ев für uns wichtig
war, mit möglichst einfachen chemischen Systemen zu arbeiten.
Wie aus den folgenden Tabellen ersichtlich ist, ver-
ringern auch diese Basen in starkem Maße die Ober-
flächenspannung der Alkaloidlösungen.
Tabelle I.
A. Alkaloide + */,„-КОН.
: : : : : Tropfen-
0,33°/,ige Atropinsulfat- 2 10,83°/,ige en ТАМ der
Lösung
50 oom Lösung 50 oom Lösung
+ 0 Tropfen sl BO + 0 Tropfen "KOH | <<
50 com Lösung 50 com Lösung 459
+ 25 Tropfen a). KOH + 25 Tropfen ы КОН ‚
50 com Lösung 458
+ 50 Tropfen a/o- КОН e
Tropfen-
zahl der
0,33], ige Сосаіп-НС1-
Lösung Lösung
0,33°/,ige Physostigmin-
HCI-Lösung
5 com Lösung 5 com Lösung
+ 0 Tropfen sl КОН | 446 | +0 Tropfen °" КОН | 9
ó com Lösung 562 5 ост Lösung 504
+ 5 Tropfen */ KOH ; + 5 Tropfen */,,-КОН "
64,4 5 сот Lösun 514
5 ccm Lösung g
+ 15 Tropfen sl, KOR + 10 Tropfen */,„-КОН
240 L. ВеговеПег und L. Csáki:
B. Alkaloide -+ */,,-МаОнН.
0,88°/„1де Atropi 0,88°/, Pil
Bi ai Ke, Droge | ÈS Y
233
50 com Lösung 42
+0 Tropfen ag
50 com Lösung 44,4
+0 — SE
50 со
+25 Toplan" sl ed
5 com Lösun
+0 Tropfen sde Bag 446
50 ос 5 com Lösun
+ 25 Tropfen Se nl 454 +6 Tropfen */,„.Na0H| 590
` 50 оош Lösung 459
+ 50 Tropfen °/,,-М№ „NaOH !
com Lösung 54,0
+50 — МОН ?
С. Alkaloide + konz. NH,-Lösung (28°/,).
0,83°/,ige Cocain-HCl-Lösung ал
5 oom Lösung + 0 Tropfen МН,ОН . . | 44,8
5 ew D +5 n NH,OH с 64,4
D Alkaloide + */,„„-Ва(ҤО),.
0,889/,ige ei зше he Р — Song der
Lösung
ung 50 com Lösun
+ 0 Tropfen */,,Ba(OH), +0 Tropfen Ван),
50 com Lösung 50 ocm Lösung
+20 Tropfen °/,,-Ва(ОН), + 10 Tropfen */,,-Ва(ОН), 47,6
50 com Lösung 50 com Lösung 498
+ 25 Tropfen °/,,-Ва(ОнН), + 25 Tropfen °/,,-Ва(ОН), ?
tee
+ 50 Tropfen */,,-Be(OH),
50 com Lösung
+ 100 Tropfen */,„-Ва(ОН),
Die zweite Frage betrifft die Rolle des Lösungsmittele.
Zeigt sich diese Wirkung auch in anderen als wässerigen Lö-
sungen?!
Zu diesem Zwecke haben wir alkoholische Lösungen
der Alkaloidsalze mit Lauge versetzt und dabei gefunden,
daß die Oberflächenspannung überhaupt nicht be-
einflußt wurde. Die Alkaloidbasen selbst sind in Alkohol
leicht löslich. Diese Beobachtung beweist allerdings nicht ein-
deutig, daß die Herabsetzung der Oberflächenspannung in ein-
fachem Zusammenhange mit der Löslichkeit wäre, da die Ober-
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. Ш. 241
flächenspannung des Alkohols geringer ist als die des Wassers,
daher Zusatz von oberflächenaktiven Stoffen die Oberflächen-
spannung des Alkohols weniger vermindern wird als die des
Wassers.
In den folgenden Tabellen II und III sind einige dies-
bezügliche Daten angegeben.
Tabelle II.
Alkoholische Alkaloidsalzlösungen +- */, „alkoholische
KOH-Lösung.
an der alkoholischen Kalilauge: 55,5.
| ТТ, Ianni TT To
Atropinsulfat Ch 3 Cocainchlorid Da 3 Pilocarpinchlorid Б 3
ЁЗ E ER
1/,00-Lösung | 57,0 50 com !/,oe-Lögung | 56,5 | 50 eem tọ- Lösung | 56,1
Tropfen еп", КОН 57,1 [+ 25 Tropfen en »/, „КОН 56,3 |+ 10 Tropfen a „КОН 56,2
» Se KOR | 56,9 [+100 „ "/,,-КОН| 56,5 |+ 50 я "/,,-КОН | 56,1
п >o KOH] 56,3 | +200 » "/,,-КОН | 56,1 [+100 „ » KOR 56,1
Tabelle Ш.
50 com °/,,-КОН (alkoh.)
+ 10 Tropfen !/,„-Atropin
+50 nn }/,оо-Аёгоріп
+100 » 1/,0-Atropin
In den weiteren Versuchen untersuchten wir den zeit-
lichen Verlauf der Abnahme der Oberflächenspan-
nung der mit Lauge versetzten Alkaloidlösungen.
Die Oberflächenspannung herabsetzende Wirkung der Lauge
verschwindet im Laufe von 24 bis 72 Stunden; in den mit
Na,CO, versetzten Lösungen etwas langsamer als in den mit
freier Lauge versetzten.
Dagegen erfolgt die Zunahme der Öberflächenspannung
beim Kochen der Lösung schneller als bei Zimmertemperatur,
während sie bei 09 noch langsamer ist. Innerhalb 24 Stunden
erreicht aber die Oberflächenspannung auch bei 0° ihren An-
fangswert.
Die eben besprochenen Versuche sind in Tabelle IV und V
zusammengestellt.
242 І. Berozeller und L. Csáki:
Tabelle IV.
Atropinsulfatlösung + */,,- КОН.
Sofort | Nach | Nach
gemessen | 36 Std. | 90 Std.
0,33 %/,iges Atropinsulfat + 10 Tropfen*/,„ KOH
0,33 °/ ,iges » +15 » "/,,-КОН 18,6
0,83°/, iges n +20 »ь »/„„-КОН 72,6
0,33 %/ ,iges » +25 sa */„„-КОН 11,8
Tabelle V.
Alkaloidlösungen + ”/,„-КОН.
А Tropfen-
Zusatz Zeit zahl Anmerkung
Atropinsulfat 0,33°/ ‚ige Lösung
0 sofort 69,8
-+ 25Tropfen ?/ -KOH л 82,6
+25 » a/o KOH |nach 15 Min.| 73,0 | 15Minuten lang am kochen-
den Wasserbade gehalten
(Probe A)
+25 н »/ o KOH |nach 62 804. | 74,4 | Im Eisschrank gehalten
(Probe B)
+25 n „ROH nach 7 Tagen 70,4 | Probe A
+25 n alo KOH] n 4 n 71,4 Probe B
Die Proben wurden bei
+25 н io KOH] n 4 n 71,0 :
+25 n» a he KOH n 8 n 71,2 Zimmertemperatur auf-
bewahrt
Cooainhydroohlorid 0,33°/,ige Lösung
0 — 71,4
+ 25 Tropfen sl, RO 90,0
+25 » aj KOH nach 15 Min. 74,0 | 12 Minuten lang am kochen-
den Wasserbade gehalten
(Probe A)
+25 » alo KOH |расћ 48Std.| 71,4 | Im Eisschrank gehalten
(Probe B)
+25 » a/o KOH Inach гава 71,6 | Probe А
+25 » %/,-КОН| sa 9 71,6 Probe В
е Die Proben wurden bei
+25 пя "КОН „ 8 » e Zimmertemperatur auf-
+ 25 ” Se КОН э 9 n 10,8 bewahrt
Physostigminhydrochlorid 0,33°/,ige Lösung
0 71,8
+ 25 Tropfen */,,-КОН 77,6
+25 a "/,,-КОН | пасћ 15 Міп. | 77,6 | 15Minuten lang am kochen-
den Wasserbade gehalten
(Probe A)
+25 a %"/,,-КОН naoh 48 864. | 80,2 | Im Eisschrank gehalten
(Probe B)
+25 » %/,,- КОН Inach 7 Tagen| 75,4 | Probe A
+25 » ®/oKOH| »1 » 78,0 Probe B |
+25 » экон| » 8 n 72,0 E Proben wurden bei
к Zimmertemperatur auf-
+25 n „КОН » 9 » | 720 bewahrt
Stalagmometr. Studien an kolloid. п. krystalloiden Lösungen. III. 243
Auffallend ist es, daß Cocain, das auf Zusatz von Lauge
leichter ausfällt als Atropin, eine größere Oberflächenspannungs-
erniedrigung verursacht, und daß beim Pilocarpin, das in
Wasser leichter löslich ist als diese beiden, fast keine Ober-
flächenspannungserniedrigung eintritt. In konzentrierteren Lö-
sungen von Pilocarpin konnte Traube allerdings eine sehr
unbedeutende Herabsetzung der Öberflächenspannung wahr-
nehmen.
Diese Versuche machen es wahrscheinlich, daß dennoch
die Fällung der Alkaloide an dieser Erscheinung beteiligt
ist, obwohl Traube das nicht zugibt. In dem Versuche mit
Physostigmin überzeugten wir uns unmittelbar davon, daß, so-
bald sich die Oberflächenspannung vergrößert, ein Niederschlag
sichtbar wird. Daß wir in unseren übrigen Versuchen, ebenso
wie Traube, keinen Niederschlag bemerken konnten, dürfte
daran liegen, daß es sich beim Niederschlag um ganz kleine
Mengen handelt. Wir arbeiteten mit 1:300 verdünnten Alkaloid-
lösungen, davon nahmen wir 50 ccm == са. 0,17 g Alkaloid;
dazu gaben wir 10 Tropfen al, p KOH, was ungefähr 3,5 mg
КОН = са. 12 mg Cocain entspricht. Wenn wir nun an-
nehmen, daß die Lauge eine äquivalente Menge des Alkaloides
Cocain aus der Lösung freimacht, und daß die Alkaloide in
Wasser etwas löslich sind, ist es offenbar, daß der Nieder-
schlag nur sehr minimal sein kann.
Daß tatsächlich nur eine minimale Menge des Alkaloid-
salzes mit der Lauge reagiert, wird dadurch bewiesen, daß,
wenn man nach einiger Zeit, als die Oberflächenspannung sich
wieder vergrößert hat, der Lösung von neuem Lauge zusetzt,
die Oberflächenspannung von neuem vermindert wird.
Wir können uns den Vorgang auf das einfachste so erklären,
daß die Alkaloide in übersättigter Lösung die Oberflächenspan-
nung stärker vermindern, und daß mit ihrer Ausscheidung die
Oberflächenspannung wieder zunimmt.
Diese Annahme wird durch W eins?) Untersuchungen direkt
unterstützt. Er hat nämlich gefunden, daß frisch gefällte
Alkaloide im Wasser übersättigte Lösungen bilden, aus denen
im Laufe der Zeit die Alkaloide sich ausscheiden.
1) Wein, Dissertation 1911.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 17
244 L. Berczeller und L. Csáki:
Das Ausfällen der Alkaloide geschieht in diesen Versuchen
in derselben Weise, wie z.B. beim BaSO,. Bei beiden erfolgt
die vollständige Ausscheidung nicht auf einmal, sondern lang-
sam nach einiger Zeit. Beim Erwärmen fällt der Niederschlag
schneller aus. Erklären läßt sich das in folgender Weise:
Die Alkaloidlösung ist eine kolloide Lösung, deren kleine
Teilchen sich beim Erwärmen zu größeren Teilchen vereinigen,
die den sichtbaren Niederschlag bilden. Diese Vereinigung der
Teilchen wird durch die Erwärmung dadurch vergrößert, daß
die Bewegung der Teilchen erheblich beschleunigt und damit
ihr Zusammenstoßen begünstigt wirdt). '
Das Morphin und auch noch andere Glieder der Morphin-
reihe (z. B. Apomorphin) verhalten sich anders wie die hier
untersuchten Alkaloide Wie schon Traube bemerkt hat, er-
niedrigen sie auf Zusatz von Lauge nicht die Oberflächen-
spannung des Wassers. Traube will diese Erscheinung damit
erklären, daß das Morphin stärker mit der Säure verbunden
sei, und durch Na,CO, nicht freigemacht wird. Diese Erklärung
können wir aber nicht annehmen, denn in Morphinsalzlösungen
scheidet sich das Morphin auf Na,CO, ebenso wie auf Laugen-
zusatz aus. Während bei den oben erwähnten Alkaloiden bei
Laugenzusatz eine Erniedrigung der ÖOberflächenspannung ein-
tritt, konnte beim Morphin und Apomorphin weder vor noch
nach dem Erscheinen des Niederschlags eine solche beobachtet
werden. Auf weiteren Zusatz von Lauge zur Apomorphin-
lösung löst sich dieser Niederschlag, wobei die Oberflächen-
spannung noch größer wird als die des Wassers. Dabei färbt
sich die Lösung grün.
Dieses Verhalten dieser beiden Alkaloide ist um so be-
merkenswerter, als auch diese so wie die übrigen Alkaloide
die Neigung haben, übersättigte Lösungen zu bilden. (S. Weine
Beobachtung vom Morphin.)
1) Ich muß hier bemerken, daß bei dem Versetzen der Physostigmin-
lösung mit Lauge noch andere Vorgänge mitspielen dürften, denn nach
Verlauf einiger Zeit färbt sich die Lösung intensiv rot. Die Rotfärbung
erfolgt bei höherer Temperatur schneller. Physostigmin unterscheidet sich
auch darin von den übrigen untersuchten Alkaloiden, daß seine nach
Zusatz von Lauge verminderte Oberflächenspannung nur sehr langsam
wächst.
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. II. 945
Diese Erfahrung spricht dafür, daß bei der Oberflächen-
wirkung der Alkaloide auch deren chemische Konstruktion eine
Rolle spielt, was auch mit den physiologischen Beobachtungen
in gutem Einklange steht.
So hat Overton die Tatsache, daß das Morphin viel lang-
samer wirkt, damit erklären wollen, daß es langsamer in die
Zellen diffundiert als die übrigen Alkaloide. Die Schwierigkeit,
die diese Erklärung darin findet, daß das Morphin als kleineres
Molekül eigentlich schneller diffundiert, ist umgangen, wenn
man die größere Wirksamkeit der übrigen Alkaloide damit er-
klärt, daß sie stärker adsorbiert werden als das Morphin, so
wie es die Traubesche Theorie voraussetzt.
П.
Dieselben Erscheinungen, die Traube bei den Alkaloiden
fand, beobachteten wir bei Natriumsalicylat. Es ist bekannt,
daß die keimtötende Eigenschaft der Salicylsäuse stärker ist,
als die ihres Natriumsalzes. Unsere Experimente haben ergeben,
daß bei der Abspaltung der Salicylsäure in der Lösung des
Salzes die Oberflächenspannung ebenso abnimmt wie bei der
Abscheidung der Alkaloide aus ihren Salzen, nur wird die
Salicylsäure durch Säuren, die Alkaloide durch Laugen aus
ihren Lösungen in Freiheit gesetzt.
Tabelle VI.
; А Tropfenzahl
Natriumsalicylat der Lösung
5ocm 1°/,ige Lösung von
Natriumsalicylat . . . . 44,6
+ 10 Tropfen °/,-Н,80, . . 48,6
+ 20 n "/.-Н,80, . . 52,6
+ 22 » /.-Н.,80,1) - 54,6
nach 1 Stunde . . . .. . 48,6
a 4Stundn ..... 47,8
n 12 E E E 46,6
-<
Das Natriumsalicylat vermindert in 1°/ iger Lösung in
geringem Maße die Oberflächenspannung. Auf Zusatz von
Säuren sinkt die Oberflächenspannung in bedeutendem Maße.
1) Die Salioylsäure wird aus der Lösung ausgeschieden.
17*
246 L. Berczeller und L. Csáki:
Diese Herabsetzung der Oberflächenspannung ist viel größer
als bei Sättigung des Wassers mit Salicylsäure, doch bleibt sie
nicht unverändert.
Tabelle VII.
Salicylsäure.
— — —⸗
Tropfenzahl
der Lösung
Gesättigte wässerige Lösung
der Salicylsäure. . . . 45,6
+5 Tropfen ®/,-H,S0O, . . 46,0
+15 n Se HSO, . .|* 45,8
Wir haben es nämlich mit einer übersättigten Lösung zu
tun, und in dem Maße, wie sich die Salicylsäure ausscheidet,
wächst die Oberflächenspannung der Lösung und erreicht die
der gesättigten wässerigen Salicylsäurelösung.
Diese Erscheinung können wir am einfachsten mit der
Entstehung einer kolloiden Lösung erklären. Bevor
sich die Teilchen so weit vergrößern, daß ein sichtbarer
Niederschlag entsteht, wird die Öberflächenspannung stark
vermindert; ist dagegen der Niederschlag sichtbar, ver-
größert sie sich. Es ist dieselbe Erscheinung, die wir bei
den Alkaloiden, und Traube schon in manchen anderen Fällen
gefunden hat.
ID.
Der Zweck unserer weiteren Untersuchungen war, die Ad-
sorptionsverhältnisse bei diesen nicht stabilen, die Ober-
flächenspannung stark vermindernden Lösungen der Alka-
loide zu untersuchen.
Nach der Freundlichschen Theorie wäre zu erwarten,
daß, nachdem diese Lösungen die Oberflächenspannung stark
herabsetzen, sie in großem Maße adsorbiert würden. Würde
a diese Annahme sich bestätigen, so wäre das eine starke Stütze
für Traubes Auffassung von der Aufnahme dieser Substanzen
durch die Zellen, wofür die Meyer-Overtonsche Theorie keine
Erklärung bietet. Auch hat bereits Traube nachgewiesen, daB
(unter den oben angegebenen Verhältnissen) diese Substanzen
sich ebenso verhalten wie die indifferenten Narkotica, indem
sie die Oberflächenspannung des Wassers stark vermindern.
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. ПІ. 947
Für mich galt es nun, wie gesagt, die Adsorption dieser
Substanzen zu prüfen.
Ich habe bei den Untersuchungen der Adsorptions-
erscheinungen am meisten Kohle benutzt, außerdem Ver-
suche mit Stärke, koaguliertem Eiweiß, CaCO, MgSiO,
und BaSO, angestellt. Als es sich nämlich herausstellte,
daß die Alkaloide von den verschiedenen Substanzen in ver-
schiedener Menge adsorbiert werden, bot es ein besonderes
Interesse, die Rolle der chemischen Beschaffenheit des Adsorbens
zu ermitteln. |
In meinen Versuchen habe ich immer 2,5 р des Adsorbens
und 10 ccm Alkaloidlösung, die mit 5 Tropfen ®/ „KOH ver-
setzt waren, benutzt. (Die 5 Tropfen Lauge setzten selbst in
derselben Alkaloidlösung die Oberflächenspannung nicht immer
mit demselben Betrage herab. Das dürfte darin seine Er-
klärung finden, daß das Abmessen von 5 Tropfen ziemlich
ungenau ist, die Oberflächenspannung aber auf die geringste
Konzentrationsänderung der Lauge mit großer Veränderung
reagiert.)
Das Adsorbens habe ich mit der Lösung in einem mit
gut eingeschliffenem Stöpsel versehenen Glase 100 bis 150 mal
geschüttelt, dann die Lösung durch Filterpapier filtriert. Durch
besondere Versuche habe ich mich überzeugt, daß durch das
Filtrieren allein die Oberflächenspannung der Alkaloidlösungen
nicht verändert wird 1).
In den Kontrollversuchen mußte festgestellt werden,
ob das Adsorbens nicht solche Stoffe abgibt, die die Ober-
flächenspannung der Alkaloidlösungen beeinflussen. (Naheliegend
war, daran zu denken, daß sie vielleicht minimale Mengen
Lauge oder Säure abgeben könnten.) Zu diesem Zwecke habe
ich 2,5 g Adsorbens mit 10 ccm dest. Wasser geschüttelt; 5 cem
des Filtrates wurden mit 5 ccm Alkaloidlösung vermischt und
die Oberflächenspannung dieser Lösung mit der Oberflächen-
spannung einer Mischung von 5 ccm dest. Wasser mit 5 ccm
Alkaloidlösung verglichen. Wie nötig diese Prüfung war, be-
weisen am besten die Versuche mit Kohle: das Filtrat des mit
1) Die Lösungen mußten filtriert werden, da die Versuche möglichst
schnell durchgeführt werden sollten, da sich aus früheren Versuchen
ergab, daß beim längeren Stehen die Oberflächenspannung sich verändert.
248 L. Berczeller und L. Csáki:
der Kohle geschüttelten Wassers setzte die Oberflächenspannung
der Alkaloidlösung herab (wahrscheinlich enthielt die Kohle
Lauge minimal beigemengt).
Es sei aber gleich bemerkt, daß dieses Verhalten der Kohle
meine Adsorptionsversuche gar nicht störte, ja sogar einen Be-
weis a fortiori zuläßt, da die Oberflächenspannung der mit
Lauge versetzten Alkaloidlösung nach dem Schütteln mit Kohle
stieg. Eine Störung wäre nur dann eingetreten, wenn die
Adsorbentien Säure abgegeben und dadurch die Oberflächen-
spannung erhöht hätten. Aber das war bei keinem der Adsor-
bentien der Fall.
Von den zahlenmäßigen Ergebnissen meiner zahlreichen
Versuche habe ich einige in der folgenden Tabelle angeführt.
Die übrigen, der Raumersparnis wegen nicht angeführten Ver-
suche stimmen mit diesen ganz überein.
1. Zunächst ergibt sich, daß ein und dasselbe Adsorbens die
verschiedenen Alkaloide nicht mit gleicher Stärke
adsorbiert: am stärksten wird Cocain adsorbiert, Atropin
schon weniger und am wenigsten Physostigmin.
Tabelle VIII.
Die Adsorption von Alkaloiden.
A. Adsorbens: Kohle (Blutkohle: Merok).
, Tropfen-
0,339, Cocainhydrochlorid zahl der Bemerkungen
Lösung
10 ccm Cocainlösung
+ 12 Tropfen */,,-КОН
10 ccm der mit Lauge ver-
setzten Lösung wurden mit
von der Kohle abfiltrierte Lösung
2,5 g Kohle geschüttelt.
5 ccm 0,33°/,ige Cocain-HCI-
Lösung + 6 Tropfen */,„-КОН
+ 5 com dest. Wasser 56,4
5 оош 0,33°/,ige Сосаір-НС1- 640
Lösung + 6 Tropfen sl KOR
+ 5 ccm von der Kohle abfil- 63.4
triertes dest. Wasser ;
10 ccm 0,33°/,ige Сосаіп-НСІ-
Lösung + 12 Tropfen °/,,-КОН
Durch ein gehärtetes Filter
abfiltriert
10 ccm dest. Wasser wurden
mit 2,5 g Kohle geschüttelt.
Kontrollversuch, der beweist,
daß das Filter nicht merk-
lich adsorbiert.
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. III. 249
Tabelle VIII (Fortsetzung).
Tropfen-
0,33°/, Cocainhydrochlorid zahl der Bemerkungen
Lösung
10 сот 0,33°/,ige Сосаіп-НС1-
ösung
+ 10 Tropfen */,„-КОН
5 com von der Kohle abfiltrierte
Lösung
+ 5 Tropfen °/,,- КОН
+10 n a, 0 КОН
0,33°/,ige Atropinsulfatlösung
10 eem 0,33°/ ige Atropin-H,SO,-
10 com der mit Lauge ver-
setzten Lösung wurden mit
2,5 g Kohle geschüttelt.
Lösung 44,2
+ 10 Tropfen */,„-КОН 55,8
von der Kohle abfiltrierte Lösung | 46,4 Wie in Adsorptionsversuchen
mit Cocain.
5 ccm 0,33°/,ige Atropinsulfat- 55.0
lösung + 5 Tropfen */,„-КОН 4
+ 5 com dest. Wasser 51,0
5 com 0,33°/ ‚ige Atropinsulfat-
lösung + 5 Tropfen a/o KOH 54,6
+ 5 ccm von der Kohle abfil- 535 10 com dest. Wasser wurden
triertes dest. Wasser ; mit 2,5g Kohle geschüttelt.
5 ccm 0,33°/,ige Atropin-H,SO,-
Lösung + 5 ccm dest. Wasser 51,0
+ 5 Tropfen ^/,„-КОН
Durch ein gehärtetes Filter 51.0
abfiltriert ?
10 com 0,83°/„1де Atropin-H,SO,- 518
Lösung + 5 Tropfen */,„-КОН ;
{ 5 Wie in Adsorptionsversuchen
von der Kohle abfiltrierte Lösung | 46,2 mit Cocain.
0,33%) ,ige Physostigmin-HCI-
Lösung
10 com Phys.-Lösung 45,8
+ 10 Tropfen sl, -KOH 52,2
von der Kohle abfiltrierte Lösung | 47,4 Wie in Adsorptionsversuchen
mit Cooain.
5 оош Phys.-Lösung + 5 Tropfen | £04
a) 107
+ 5 com dest. Wasser 49,2
Л n Wie in Adsorptionsversuchen
von der Kohle abfiltrierte Lösung | 45,4 mit Cooai
250 L. Berezeller und L. Csáki:
Tabelle IX.
Die Adsorption von Alkaloiden.
B. Adsorbens: Stärke (Weizenstärke).
0,33°/,ige Cocainhydrochlorid- | Tropfen-
y
zahl der Bemerkungen
аё Lösung
10 ccm Cocainlösung 44,8
+ 10 Tropfen %/,,-КОН 61,8
н А 2,5 g Stärke + 10 сот der
779 —— Fe чене 50,8 vorigen Lösung (тїї Lauge
g da versetzt wurden geschüttelt.
+ 10 Tropfen sl, КОН 64,4
5 ccm Cocain-HCl-Lösung 612
+ 5 Tropfen "/,„-КОН f
+5 ccm dest. Wasser 55,0
2,5 g Stärke + 10 ccm der
vorigen Lösung (mit Lauge
versetzt)wurden geschüttelt.
von der Stärke abfiltrierte Lösung | 46,3
5 com Сосаіп-НСІ + 5 Tropfen
a/o KOH + 5 ccm dest. Wasser
5 com Сосаіп-НСІ + 5 Tropfen
a/o КОН + 5 ccm mit Stärke 55,2
gesch. dest. Wasser
2,5 g Stärke wurden mit
10 ccm dest. Wasser ge-
schüttelt.
0,33 °/ ige Atropin-H,SO,-Lösung
10 eem Atropinlösung 44,6
+ 10 Tropfen nl, KOH 56,0
von der Stärke abfiltrierte Lösung | 48,2 1|2,5g Stärke+10cem Lösung.
5 ccm 0,33 "ige Atropin-H,SO,-| 44 6
ösung ý
+ 5 Tropfen °/,,-КОН 55,6
+ 5 ccm dest. Wasser 51,6
von der Stärke abfiltrierte Lösung | 44,8 [2,5 р Stärke+10ccm Lösung.
5 ccm dest. Wasser
+ 5 ccm Atropinsulfatlösung 52,0
+ 5 Tropfen ^/,„-КОН
5 com von der Stärke abfiltriertes
Wasser + 5 com Atropinlösung 51,8 |2,5 gStärke-+10 ccm Lösung.
+ 5 Tropfen /,,-КОН
0,33%) ,ige Physostigmin-HCl-
Lösun
g
5 com Phys.-Lösung 46,0
+ 5 Tropfen °/,,-КОН 51,0
von der Stärke abfiltrierte Lösung | 45,8 |2,5 g Stärke + 10 com Lösung.
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. ПІ. 251
Tabelle IX (Fortsetzung).
Tropfen-
0,33°/,ige Physostigmin-HC]- | zah]
Lösung h F Bemerkungen
10 ccm Phys. Lösung
+ 10 Tropfen "/,„-КОН
von der Stärke abfiltrierte Lösung 2,5 g Stärke + 10 ccm Lösung.
5 com Phys.-Lösung + 5 Tropfen | 494
a/o KOH + 5 com dest. Wasser 3
5 com Phys.-Lösung + 5 Tropfen | 496
a/o KOH + 5 ccm abfiltr. Lösung ›
10 ccm dest. Wasser + 2,5 g
Stärke.
Tabelle X.
Die Adsorption von Alkaloiden.
С. Adsorbens: CaCO,.
Tropfen-
0,33°/,ige Cocain-HCl- Lösung | zahl der Bemerkungen
Lösung
10 com Cocainlösung
+ 8 Tropfen "/,„-КОН
10 com der mit Lauge ver-
setzten Lösung wurde mit
von der СаСО, abfiltrierte Lösung.
2,5 g CaCO, geschüttelt.
5 ccm Cocain-HCl-Lösung 44,8
+ 5 com mit СаСО, gesätt. Wasser | 45,0 Das Wasser wurde mit CaCO,
kalt gesättigt.
5 eem Cocain-HCl-Lösung 44,8
44,8 Das Wasser wurde mit CaCO,
+ 5 ccm mit СаСО, gesätt. Wasser warm gesättigt.
Cocainlösung 44,8
mit CaCO, geschüttelt 49,0 |2,5 g CaCO, + 10ccm Lösung.
0,33°/,ige Atropin-H,SO,-Lösung
10 eem Lösung 44,8
+ 10 Tropfen "/,„-КОН 55,4
von der СаСО, abfiltrierte Lösung | 55,8 1|2,5gCaCO, + 10сош Lösung.
0,33%/,ige Physostigmin-HCl-
——
ung
10 сош Lösung 45,0
+ 10 Tropfen sl, KOH 51,0
2,5 g СаСО, + 10 com der
von der СаСО, abfiltrierte Lösung | 51,0 vorigen Lösung
252 І. Berozeller und L. Csáki:
Tabelle XI.
Adsorption von Alkaloiden.
D. Adsorbens: Talcum (größtenteils Magn. silicat.).
Tropfen-
0,33°/,ige Cocain-HCl-Lösung | zahl der Bemerkungen
Lösung
10 com Lösung 44,8
+5 Tropfen */,„-КОН 57,0
von dem Talcum abfiltrierte 529 2,5 g Talcum + 10 сст
Lösung ’ Lösung
10 ccm dest. Wasser 56.8
+5 Tropfen °/,,-КОН 4
5 сот dest. Wasser +5 ccm
vom Talcum abf. dest. Wasser 57,2
+5 Tropfen °/,,-КОН
0,33°/,ige Atropin-H,SO,-
Lösung
10 ccm Lösung 45,0
+6 Tropfen sl, -KOH 54,4
von dem Talcum abfiltrierte 50.0 2,5 g Talcum +10 eem
Lösung ? Lösung
0,33°/,ige Physostigmin - HCI-
Lösung
10 com Lösung 45,0
+6 Tropfen °/,,-КОН 51,2
von dem Talcum abfiltrierte 498 2,5 g Talcum + 10 осш
Lösung ; Lösung
Tabelle XII.
Adsorption von Alkaloiden.
Е. Adsorbens: BaSO,.
Tropfen-
0,33°/,ige Cocain-HCl-Lösung | zahl der
Lösung
Bemerkungen
10 com Lösung
+6 Tropfen °/,,-КОН
von der BaSO, abfiltrierte
Lösung 2,5 g BaSO, + 10 com Lösung
10 ccm dest. Wasser
+5 Tropfen "/,„-КОН
5 com dest. Wasser +5 ccm von
BaSO, abfiltr. dest. Wasser
+5 Tropfen */,,-КОН
10 ccm dest. Wasser wurden
mit2,5g BaSO, geschüttelt
Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. III. 253
Tabelle XII (Fortsetzung).
Bemerkungen
0,33°/,ige Atropinsulfat- en
Lösung ‚| zehl der
Lösung
10 сот Lösung
+6 Tropfen °/ -KOH
von der Ва80, abfiltrierte
Lösung 10 ccm Lösung + 2,5 g BaSO,
0,33%/,ige Physostigmin-HCl-
Lösung
10 eem Lösung 45,0
+5 Tropfen "*/,„-КОН 50,0
von der Ва80, — 494 2,5 g BaSO, + 10 com Lösung
Tabelle XIII.
Adsorption von Alkaloiden.
Е. Adsorbens: Durch Hitze koaguliertes Eiereiweiß.
Tropfen-
0,33°/,ige Cocain-HCl-Lösung | zahl der Bemerkungen
Lösung
10 ccm Lösung
+5 Tropfen °/,,-КОН
von dem Eiweiß abfiltrierte
Lösung
10 осш dest. Wasser
+5 Tropfen °/,,-КОН
5 ccm dest. Wasser +5 ccm von
Eiweiß abfiltr. Wasser
+5 Tropfen °/,,-КОН
0,33°/,ige Atropin H,SO,-
Lösung
10 com Lösung
+5 Tropfen */,„-КОН
von dem Eiweiß abfiltrierte
Lösung
0,33°/,ige Physostigmin-HCI-
Lösung
10 com Lösung
+5 Tropfen ?/ -KOH
von dem Eiweiß abfiltrierte
Lösung
2,5 g Eiweiß +10 com
Lösung
10 com dest. Wasser + 2,5 g
Eiweiß
2,5 g Eiweiß + 10 oom
Lösung
2,5 g Eiweiß + 10 com
Lösung
254 L. Berozeller und L. Csáki:
Von den drei erwähnten Alkaloiden scheidet sich Cocain
auf Zusatz von Laugen am leichtesten aus der Lösung, und
bei diesem ist auch die größte Oberflächenspannungserniedrigung
auf Zusatz von Lauge zu beobachten. Dem Cocain folgt in
der oberflächenspannungserniedrigenden Wirkung das Atropin
und dann das Physostigmin.
Die Verschiedenheit in der Adsorbierbarkeit scheint auch
mit anderen Eigenschaften der Alkaloide in Beziehung zu
stehen, so daß es lohnend erscheint, diese Untersuchungen auch
auf andere Alkaloide auszudehnen.
2. Die verschiedenen Adsorbentien wirken auch
auf ein und dasselbe Alkaloid sehr verschieden.
Kohle und Stärke adsorbieren am stärksten, etwas weniger
BaSO, und MgSiO, am wenigsten CaCO, Es hat also die
basische oder saure Natur des Adsorbens bei der Ad-
sorption einen bedeutenden Einfluß. Stärke und Ei-
weiß verhalten sich in diesen und auch in anderen Reaktionen
wie sehr schwache Säuren, sie adsorbieren dementsprechend
sehr stark die basischen Alkaloide. Das CaCO, reagiert
immer alkalisch, deshalb adsorbiert es am wenigsten die
Alkaloide.
Aus diesen Versuchen können wir auch mit großer Wahr-
scheinlichkeit folgern, welche Stoffe im Organismus mit den
Alkaloiden reagieren werden, und wie diese Reaktion statt-
finden wird. In erster Reihe kommen als schwache Säuren
Albumin und Lecithin in Betracht. Natürlich wird diese
Reaktion im Organismus nicht ganz so verlaufen wie in
meinen Versuchen, da das Verhalten des Albumins in der
Lösung anders ist als bei meinen Versuchen. Auch die
höhere Temperatur im Körper wird gewiß von Einfluß
sein, da bei höherer Temperatur die Adsorption im all-
gemeinen langsamer erfolgt, und andererseits die Alkaloide
bei höherer Temperatur leichter aus ihrer Lösung fallen, wie
wir das nachgewiesen haben, was die Adsorption wahrscheinlich
beschleunigt ?).
1) Wären die Versuche bei Körpertemperatur ausgeführt worden,
hätte diese Frage entschieden werden können, das verhinderte aber die
Schwierigkeit der Versuchseinrichtungen, denn bei dieser Temperatur
fallen die Alkaloide sehr leicht aus ihrer Lösungen.
Stalagmometr. Studien an kolloid. и. krystalloiden Lösungen. III. 255
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen sind:
1. Es werden die Beobachtungen von Traube über die
Oberflächenspannungsveränderung der Alkaloidsalzlösungen be-
stätigt und in manchen Punkten erweitert.
2. Die Oberflächenspannungserniedrigung auf Laugenzusatz
verschwindet mit der Zeit. Es werden die näheren Verhält-
nisse (Einfluß der Temperatur, der chemischen Natur der ver-
schiedenen Alkaloide dabei) untersucht.
3. Es wird versucht, das verschiedene Verhalten von Mor-
phin (und Apomorphin) mit ihren pharmakologischen Wirkungen
in Zusammenhang zu bringen.
4. Es wird ein ähnlicher Vorgang bei salicylsaurem Natron
beschrieben, was dazu beiträgt, den Chemismus des Vorgangs
zu erklären.
5. Es werden die Adsorptionsverhältnisse mit verschiedenen
Adsorbentien untersucht.
Wirkung des Eisengehaltes des Blutmehles auf den
Eisenumsatz der mit Blutmehl gefütterten Tiere.
Von
Julius Gröh.
(Aus der Königl. ungar. tierphysiologischen Versuchsstation in Budapest.
| Vorstand: Е. Tangl.)
(Eingegangen ат 14. Juni 1913.)
Unter den künstlichen Futtermitteln ist das Blutmehl zu
den wichtigsten zu zählen, es enthält ja dessen Trockensubstanz
96°/, Eiweiß. Demgemäß verbreitet sich auch die Verfütterung
desselben immer mehr und mehr. Es wird meistens gemischt
mit anderen Futtermitteln, neuerdings mit Kleie zu Knödeln
geformt und getrocknet („Lukullus“) verabreicht.
Die Bedeutung dieses Futtermittels brachte es mit sich, daß
damit an der kgl. ung. Versuchsanstalt für Tierphysiologie und
Futtermittellehre Versuche angestellt wurden!). Diese Ausnüt-
zungsversuche wurden an zwei Yorkshire-Schweinen ausgeführt.
In Verbindung mit diesen Versuchen untersuchte ich auf
Anregung des Herrn Prof. Dr. Tangl, welchen Einfluß der
Eisengehalt des Blutmehls — herstammend vom Eisen-
gehalt des Bluthämoglobins — auf den Eisenumsatz der
Versuchstiere hat. Bekanntlich ist es unmöglich auf Grund der
üblichen Ausnützungsversuche, überdie Resorption des Eisens eisen-
haltiger Futtermittel ein klares Bild zu erhalten. Eine Er-
klärung hierfür finden wir in der Tatsache, daß ein großer
Teil des im Dünndarm resorbierten Eisens nicht auf dem ge-
wöhnlichen Wege, wie dies für andere resorbierte, aber nicht
angesetzte Aschenbestandteile gilt, durch die Nieren, sondern
hauptsächlich im Dickdarm ausgeschieden und daher mit dem
1) A. Zaitschek, Über das Blutmehl. Landw. Jahrbücher 1908.
d. Gröh: Wirkung des Eisenblutmehls auf den Fe-Umsatz usw. 257
Kote entleert wird). Es kann daher durch einfache Aus-
nützungsversuche kein Verdauungskoeffizient des Eisens be-
stimmt werden. Es war dies auch nicht meine Absicht, sondern .
es sollte nur ermittelt werden, in welcher Weise die im Ver-
gleich zu anderen Futtermitteln sehr große Eisenmenge, die
bei Blutmehlverfütterung vom Tier aufgenommen wird, den
Eisenumsatz der Tiere beeinflußt.
Was die Einzelheiten der Versuchsanordnung anbelangt,
verweise ich auf die bereits zitierte Arbeit und bemerke bloß
folgendes:
Als Versuchstiere dienten zwei junge Yorkshire-Schweine
(Nr. 12 und 13), deren Körpergewicht zu Beginn der Blutmehl-
periode 79 bzw. 63 kg. war. Das Körpergewicht der Tiere
nahm während des ganzen Versuchs ständig zu. Da Blutmehl
für sich an Schweine nicht verfüttert werden kann, zerfielen
die Versuche in zwei Perioden, und zwar: Maisperiode und
Mais + Blutmehlperiode. Während der Maisperiode betrug die ·
tägliche Ration des Schweines Nr. 12 2 kg, die des anderen
1,5 kg Maisschrot. Der eigentliche Versuch begann beim
Schweine Nr. 12 nach 18 tägiger Verfütterung und dauerte
8 Tage lang; beim anderen Schweine begann er nach 8 tägiger
Verfütterung und dauerte 10 Tage lang.
Der Versuchsperiode Mais + Blutmehl ging je eine 21 tägige
Vorfütterung voran. Der Versuch selbst dauerte je 10 Tage. Jedes
Tier erhielt täglich 1300 р Maisschrot und 200 g Blutmehl.
An jedem Versuchstage wurde ein genauer proportionaler
. Teil des Kotes abgewogen und getrocknet. Am Schlusse der Ver-
suchsperiode wurden sämtliche Proben vereinigt und gemahlen.
Ähnlicherweise wurde täglich auch ein proportionaler Teil des
Harnes in eine große Sammelflasche gebracht.
Für jeden Versuch bestimmte ich bei beiden Schweinen
das im Futter aufgenommene gesamte Eisen, als auch das im
Harn und Kot abgegebene Eisen. Als analytische Bestimmungs-
methode erwies sich im vorliegenden Falle, da stets Calcium,
Magnesium und Phosphor zugegen sind, als beste Methode, die
gravimetrische Bestimmung als Ferriphosphat?). Ich verfuhr
D Asher u. Spiro, Ergebn. d. Physiol. 5, 1—2, 698, 1906.
*) Hoppe-Seyler-Tierfelder, Chemische Analyse VII. Aufl.
8. 401.
258 J.Gröh: Wirkung des Eisenblutmehls auf den Fe-Umsatz usw.
kurz folgendermaßen: Die Asche des Materials wurde mit Salz-
säure zwecks Entfernung der Kieselsäure mehrmals mit konz.
Salzsäure eingedampft und endlich mit verdünnter Salzsäure
aufgelöst und filtriert. Zum Filtrat gab ich einige Kubikzenti-
meter Na,HPO, und machte die Lösung ammoniakalisch. Da
weder das Blutmehl noch Mais, Kot und Harn Aluminium
enthalten, verblieb nach Zusatz von Essigsäure im Nieder-
schlag bloß Ferriphosphat, das nach Filtrieren und Glühen zur
Wägung gebracht wurde.
Bei Verfütterung reinen Maises gestaltete sich der Eisen-
ansatz folgendermaßen:
Schwein Nr. 12 Schwein Nr. 13
Aufnahme mit dem täglichen
Mais . . 2.22 202. 0,425 g Fe 0,323 р Fe
Ausgabe im täglichen Kot . 0,451» n 0,305 n »
n я n Harn nur Spuren
Bilanz: — 0,026 g Fe -+ 0,018 g Fe
Während der Maisperiode befanden sich demnach die
Tiere — innerhalb der Versuchsfehler — im Eisengleich-
gewicht.
Nach Abschluß dieser Periode wurde die tägliche Mais-
portion auf 1,3 kg pro Tier herabgesetzt und je 200 g Blutmehl
täglich hinzugefügt. Nach dreiwöchentlicher Verfütterung be-
gann die Versuchsperiode, Sammlung des Kotes, Harnes usw.
Der Eisenumsatz gestaltete sich jetzt folgendermaßen:
Schwein Nr. 12 Schwein Nr. 13
Tägliche Aufnahme im Mais 0,283 g Fe 0,283 g Кө
n ” » Blut-
mehl. . .... 1,206» » 1,206» »
” Aufnahme insgesamt 1,489 » » 1,489 » »
n Ausgabe im Kot . 1,483» n 1,509» »
n n n Ham . nur Spuren
Bilanz: +0,006 Pe —.0,020 g Fe
Aus obigen Daten folgt also, daß die Versuchstiere trotz
der großen Eisenaufnahme im Eisengleichgewicht blieben.
Über das biologische Verhalten der
p-Chlor-m-Kreosotinsäure.
Von
E. Sieburg. Я
(Aus dem Institut für Pharmakologie und physiologische Chemie der
Universität zu Rostock.)
(Eingegangen am 18. Juni 1913.)
Der Anlaß zu nachstehender kleinen Studie bildete eine
Anfrage von chemisch-industrieller Seite her, ob einer klinischen
Prüfung des in Frage stehenden Präparates vom toxikologischen
Standpunkte aus Bedenken entgegenständen, und ob solche
ev. einen Zweck hätte, d. h. ob therapeutisch brauchbare Eigen-
schaften vorauszusehen wären.
Die p-Chlor-m-Kreosotinsäure
ОН (1)
OH (2)
сн, CR, o
“р (5)
ist chemisch ein Homologon дег Salicylsäure. Als solche gibt
sie denn auch die für diese bekannten Reaktionen: Rotfärbung
beim Erwärmen mit Millons Reagens, Violettfärbung mit
Eisenchlorid, noch in einer Verdünnung 1:30000 deutlich, die
aber durch freie Mineralsäure und freies Alkali verhindert bzw.
zum Verschwinden gebracht wird; endlich Fällbarkeit durch
Bromwasser bis zu einer Grenzkonzentration 1:15000.
Über die physiologischen Eigenschaften von Kreosotin-
säuren berichtet Demme?). Im Vergleich mit der Salicylsäure
fand er o-Kreosotinsäure als die physiologisch wirksamste,
1) Demme, Ber. des Kinderspitals Bern 1888, 49. Zitiert nach
S. Fränkel, Arzneimittelsynthese, 8. 529. Berlin 1912.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 18
260 Е. Sieburg:
therapeutisch aber nicht verwertbar, da sie nach verhältnis-
mäßig kleinen Gaben eine Lähmung des Herzmuskels verur-
sacht. p-Kreosotinsäure ist zwar wirksam und wird vom
Organismus gut vertragen, steht aber bezüglich ihres quantita-
tiven Effektes weit hinter der Salicylsäure zurück. m-Kreosotin-
säure ist als ganz unwirksam anzusehen.
Wie P. Ehrlich und H. Bechhold!) fanden, erhöht die
Einführung von Halogen, besonders von Chlor in den Kern
von Benzolderivaten deren antiseptische Kraft in erheblicher
Weise. | |
Eine sehr einfache und handliche Methode, diese Eigen-
schaft festzustellen, hat R. Kobert егвоппеп?). Die normale
frische Kuhmilch des Handels enthält unter ihrer normalen
Bakterienflora Stämme von Mikroben, die die Fähigkeit haben,
zu reduzieren, u. a. aus zugesetztem Schwefelpulver Schwefel-
wasserstoff zu bilden. Diese Eigenschaft läßt sich bequem als
Indicator für das Leben und den Stoffwechsel dieser Mikroben-
arten benutzen. Werden sie durch Zusatz von Stoffen (Anti-
septica) abgetötet oder in ihrer Entwicklung gehemmt, so bleibt
natürlich die H,S-Entwicklung aus.
Die Technik besteht darin, daß in gleich weite Reagens-
gläser 5 ccm frische Kuhmilch gegeben und eine Messerspitze
von fein zerriebenem Sulfur depuratum zugesetzt wird. Dann
werden fallende Mengen: 5, 4, 3, 2 und 1 ccm einer wässerigen
Lösung der zu prüfenden Substanz von bestimmter Konzen-
tration eingebracht, mit Wasser, wo nötig, auf 10 ccm aufgefüllt
und gut durchgeschüttelt. In die Öffnung der Gläser wird je
ein mit Bleiscetat getränkter Filtrierpapierstreifen eingebracht
und durch einen die Öffnung verschließenden Wattebausch fest-
gehalten. Die so beschickten Gläser kommen in den Thermo-
staten bei 38° und bleiben 24 Stunden darin. Von Zeit zu
Zeit werden die Gläser sanft bewegt, um zu verhindern, daß
die an der Oberfläche angesammelte Rahmschicht den ev. sich
gebildet habenden H,S in der Milch zurückhält und so einen
1) P. Ehrlich und Н. Beohhold, Zeitschr. f. physiol. Chem. 47,
178, 1906.
т) Siehe Ausführliches hierüber u. a. bei К. Geinitz, Vergleichende
Versuche über die narkotischen und desinfizierenden Wirkungen der gang-
barsten ätherischen Öle und deren wirksame Bestandteile. Rostock 1912.
Biologisches Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotinsäure. 961
Kontakt desselben mit dem Bleipapier unmöglich macht. Nach
24 Stunden wird der Versuch abgebrochen und nachgesehen,
wo eben noch eine Dunkelfärbung des Bleipapiers eingetreten,
und bei welcher Konzentration des Antisepticums sie eben
ausgeblieben ist. Letztere gilt als Grenzkonzentration.
Auf diese Weise fand sich, daß das p-chlor-m-kreosotin-
saure Natrium die Entwicklung von H, S noch in einer Ver-
dünnung von 1:950 hintanhielt. Wie Geinitz (1. с.) feststellt,
liegt die analoge Grenzkonzentration für Phenol bei 1:160 und
für salioylsaures Natrium bei 1:33,3. Hiernach wirkt das
p-chlor-m-kreosotinsaure Natrium sechsmal stärker
desinfizierend als Phenol und etwa 30 mal stärker als
salicylsaures Natrium. — Die freie Säure eignet sich
ebensowenig wie die Salicylsäure zu diesen Versuchen wegen
ihrer geringen Löslichkeit in Wasser.
Weiter wurde festgestellt, daß das p-chlor-m-kreosotinsaure
Natrium auch auf für den Menschen unter Umständen pathogene
Bakterien abtötend oder entwicklungshemmend wirkte. Als
Beispiel hierfür wurden gewählt Bouillonkulturen von Strepto-
kokkenstämmen, Staphylokokkenstämmen, Typhus,
Paratyphus A, Paratyphus B, Gärtner und Coli. In
sterile Röhrchen wurden je 5 ccm frischen sterilen Menschen-
harns gegeben, dazu 5 ccm der 0,4°/ igen Lösung unserer Sub-
stanz nebst einer Öse der betr. Mikrobenkultur. Als Kontrollen
dienten Gläser mit Harn und Mikroben, die statt der desinfi-
zierenden Flüssigkeiten 5 ccm sterilen Wassers zugesetzt erhielten.
Nach 48stündigem Verweilen im Brutschrank waren die Kon-
trollen, die kein Desinficiens enthielten, trübe und faulig,
während der Inhalt der anderen Röhrchen klar geblieben war.
Aus diesem Versuch geht hervor, daß das p-chlor-m-kreo-
sitinsaure Natrium in vitro bei der gewählten Ver-
dünnung 1:500 auf die genannten Mikroben stark
entwicklungshemmend wirkt.
Nach Ehrlich und Bechhold (l. с.) bewirkt bei manchen
Phenolderivaten der Eintritt von Halogen in den Kern nicht
nur einen höheren antiseptischen Effekt, sondern steigert auch
deren Giftigkeit.
Die Verfütterung von be der Substanz zeigte bei einem
mittelschweren Hunde keine Erscheinungen. In einem
18”
262 E. Sieburg:
Selbstversuch mit 2 g Substanz war das Wohlbefinden
ungestört; Reizerscheinungen von seiten des Magen-Darm-
Traktus fehlten, ebenso jede Gefäßerweiterung, wie man das
von einem Präparat, das chemisch der Salicylsäure so nahe
steht, vielleicht vermuten könnte.
Nach allen Erfahrungen werden Benzoloxycarbonsäuren
vom Organismus entweder unverändert oder gepaart ausge-
schieden. Die am häufigsten anzutrefienden Paarlinge sind
Schwefelsäure, Glucuronsäure und Glykokoll. In vorliegendem
Falle gab der neutralisiertte Harn die Eisenchloridreaktion
nicht, wohl aber, nachdem er einige Zeit mit Mineralsäure
gekocht und dann neutralisiert war. Reduktionsvermögen war
vor und nach dem Zerkochen nicht vorhanden. Hieraus geht
hervor, daß unsere Verbindung nicht unverändert im
Harn erscheint, aber auch nicht in Paarung mit Glu-
curonsäure.
Um die Art der Paarung festzustellen, wurden zu gleicher
Zeit 4 Versuchspersonen je 2 g der Säure per os verabfolgt
und während der Versuchsdauer von ca. 36 Stunden durch
reichliche Flüssigkeitszufuhr die Diurese gesteigert. Die inner-
halb dieser Zeit gesammelten Harnmengen, die in keinem Falle
die unveränderte Substanz enthielten, wurden nach dem Neu-
tralisieren vereint auf dem Wasserbade bis zur Breikonsistenz
eingedunstet und dann mit Alkohol aufgenommen. Der stark
eingeengte alkoholische Auszug wurde in viel Wasser einge-
gossen, das mit Phosphorsäure angesäuert war. Allmählich
bildete sich hierin ein weißer mikrokrystallinischer Bodensatz,
der abfiltriert, mit Wasser ausgewaschen und wiederholt aus
Ätheralkohol umkrystallisiert wurde. Der Rückstand bildete
schöne, etwa 5 bis 10 mm lange atlasglänzende prismatische
Säulen, die oberhalb 200° unter Zersetzung schmolzen. Die
isolierte Menge betrug rund 0,9 g. Der Körper war frei von
Asche und Stickstoff, dagegen chlor- und schwefelhaltig.
Gefunden: Cl == 13,459/,; S = 11,78°|,.
Es dürfte hiernach eine Paarung der p-Chlor-m-Kreoso-
tinsäure mit Schwefelsäure vorliegen.
Zur Sicherstellung wurde versucht, diese vom Organismus
gebildete Substanz außerhalb des Körpers darzustellen. Hierzu
Biologisches Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotinsäure, 263
wurde die Methode von E. Baumann!) — etwas modifiziert —
benutzt, durch deren Anwendung er eine ganze Reihe solcher
„Ätherschwefelsäuren* synthetisch darstellte. 10 g p-chlor-
m-kreosotinsaures Natrium wurden mit 4 g Kaliumhydroxyd
unter schwachem Erwärmen in möglichst wenig Wasser ge-
löst und nach und nach unter beständigem Schütteln und zeit-
weiligem Erwärmen 9 g gepulvertes Kaliumpyrosulfat zugesetzt.
Nach einigen Stunden wurde die Masse mit reichlichen Mengen
starken Alkohols extrahiert, dieser Auszug auf ein geringes Vo-
lumen eingeengt und in mit Phosphorsäure angesäuertes Wasser
gegossen. Die ausgeschiedenen Krystallmassen wurden erst mit
Wasser ausgewaschen und nach dem Abtrocknen mit Äther,
worin sich die die unveränderte p-Chlor-m-Kreosotinsäure sehr
viel leichter löst, als die mit Schwefelsäure gepaarte, Die
aus Alkoholäther umkrystallisierten Massen zeigten
dasselbe Äußere wie die aus dem Harn isolierten, Die
Ausbeute betrug 1,6 g.
Gefunden: Cl = 13,38°/,; S= 12,149/,.
Für eine p-Chlor-m-Kreosotinschwefelsäure:
OH
Z 0--50,—0H
СН, он, `
wird verlangt: СІ = 13,30°/,; S = 12,03°|,.
Hieraus dürfte mit Sicherheit hervorgehen, daß die im
Organismus gebildete und die synthetisch hergestellte
Substanz identisch sind. Beim Menschen wird also die
p-Chlor-m-Kreosotinsäure in Form einer Ätherschwefelsäure
ausgeschieden.
Als Stätte einer solchen Paarung wird allgemein an erster
Stelle die Leber angenommen.
Neuerdings wird jedoch der Hauptanteil dieses Organs an
der Bildung solcher gepaarten Säuren von Е. Lade?) be-
stritten, da er an Hunden nach völliger Ausschaltung der Leber
keine Verminderung der Ätherschwefelsäuren fand. Er ver-
mutet, daß die Möglichkeit zu dieser Synthese überall im
Körper, vornehmlich aber wohl im Darm besteht.
1) Е. Baumann, Zeitschr. f. physiol Chem. 2, 835, 1878/79. |
1 Е. Lade, Zeitschr. f. physiol. Chem. 79, 327, 1912.
264 E.Sieburg: Biologisches Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotinsäure.
Über die unmittelbaren Vorstufen der Schwefelsäure-
komponente, d. h. des schwefelhaltigen Komplexes, der sich an
die Hydroxyle der Phenole unter eventueller Oxydation oder
einer Art Anhydridbildung anlagert, herrschen noch Unklar-
heiten. S. Tauber!) erzielte bei experimentellen Phenolver-
giftungen, bei denen er antidotarisch die verschiedensten an-
organischen und organischen Schwefelverbindungen versuchte,
nur mit Sulfiten einen gewissen begrenzten entgiftenden Ef-
fekt. Folgernd schließt er, daß die Bildung der Äetherschwefel-
säuren durch Paarung von Phenolen mit Sulfiten unter gleich-
zeitiger Oxydation erfolgt.
Eine ganz frische grob zermahlene Hammelleber wurde
mit reichlich Blut desselben Tieres in schwach sodaalkalischer
physiologischer Kochsalzlösung, die äquimolekulare Mengen
p-chlor-m-kreosotinsaures Natrium und Natriumsulfit enthielt,
unter ständiger Sauerstoffdurchströmung ca. 10 Stunden bei
Körpertemperatur gehalten. Es ließ sich darauf aber keine
Spur der erwarteten Ätherschwefelsäure nachweisen.
Anhangsweise sei bemerkt, daß der schön krystallisierende
Aoetylester der p-Chlor-m-Kreosotinsäure, der durch Eisenchlorid
nicht gefärbt wird, durch Enzyme: Bierhefe, Trypsin, Taka-
Diastase, Kaninchenpankreas und Kaninchenleber in ganz
kurzer Zeit gespalten wird, so daß sich die unveresterte Säure
nunmehr durch Eisenchlorid nachweisen läßt.
Untersuchungen über weitere Derivate dieser Chlorkreoso-
tinsäure sind im Gange.
1) 8. Tauber, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 86, 197, 1895.
Über den Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf
den Stoffwechsel im Hunger.
Von
Arthur Schloßmann und Hans Murschhauser.
(Aus der Akademischen Kinderklinik in Düsseldorf.)
(Eingegangen am 7. Juni 1913.)
Schon bei unseren ersten Versuchen, den Gasstoffwechsel
nüchterner Kinder zu verfolgen, fielen uns merkwürdige Diffe-
renzen in bezug auf den respiratorischen Quotienten auf, die
wir uns nicht recht erklären konnten. Wenn 18 bis 24 Stunden
seit der letzten Nahrungsaufnahme vergangen sind und die
Versuchsobjekte sich während der Beobachtungszeit ganz ruhig
verhalten, so ist nur eine minimale Zersetzung von Glykogen
zu gewärtigen; die Leistungen des Organismus im Grundumsatz
werden vielmehr durch Abbau von Eiweiß und Fett bestritten.
Betrachten wir den Versuch von Zuntz!) am hungernden
Menschen, so sehen wir, daß am 2. bis 7. Hungertage der re-
spiratorische Quotient immer zwischen 0,75 und 0,74 schwankt,
also innerhalb sehr enger Grenzen. Der hungernde Mensch zeigt
sich eben als „Fleischfresser“ und weist den typischen Wert
des reinen Fleischfressers.. Der respiratorische Quotient von
0,75 besagt uns, daß wenig Kohlenhydrat verbraucht worden
ist und daß Eiweiß und Fett mit ihren theoretischen Werten
von 0,809 bzw. 0,707 an seiner Gestaltung mitgewirkt haben.
Als wir nun unsere ersten Bestimmungen des Grundumsatzes
beim Säugling zusammenstellten, waren wir erstaunt, ganz
wesentliche Unterschiede in der Höhe der respiratorischen
Quotienten zu finden, obschon doch die Versuchsbedingungen
ganz die gleichen waren. Es schwankten die Werte bei den
1) Zuntz und Loewy, Lehrbuch der Physiologie des Menschen.
1. Aufl. 1909, 8. 665.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 19
266 A. Schloßmann und Н. Murschhauser:
damals von uns mitgeteilten Versuchen zwischen 0,856 und
0,73. Bei einem respiratorischen Quotienten von 0,85 muß
natürlich eine erhebliche Menge von Glykogen abgebaut wor-
den sein. Das Kind, das diesen Wert zeigte, hatte sich aber
keineswegs mehr bewegt als das Kind mit dem niedrigen Quo-
tienten. Wir verweisen in bezug auf die Einzelheiten der Ver-
suche auf die genauen Protokolle, die wir seinerzeit unserer
Veröffentlichung!) beigegeben haben, und führen nur die re-
spiratorischen Quotienten nochmals auf:
Kind Simons, respiratorischer Quotient 0,847 bzw. 0,824
» Развірер, ý = 0,856 „ 0,832
„ Lübbert, Ў | e 073 „ 0,76
Aus den erläuternden Bemerkungen über die Art der
Kinder ersehen wir, daß Simons ausdrücklich als fettarm,
Passipen als sehr fettarm, Lübbert dagegen als auffallend fettes
Kind bezeichnet wurden. Simons und Passipen waren in der
den Versuchen vorausgehenden Zeit unnatürlich, und zwar mit
fettarmen, kohlenhydratreichen Mischungen, nämlich vorzugs-
weise Buttermilch, ernährt worden, dahingegen Lübbert ein
Brustkind. Die beiden magern Säuglinge haben im Hunger-
versuche hohe respiratorische Quotienten, das fette Kind einen
niederen, einmal sogar einen sehr niederen!
Aus den Erwägungen über die Gründe dieser merkwürdigen
Tatsache heraus kamen wir auf den Gedanken, ob und in
welchem Maße eine vorausgegangene einseitige oder doch mehr
oder weniger einseitige Ernährung ihren Einfluß auf den Stoff-
abbau im Hunger ausübt. Zur Beantwortung der aufgeworfenen
Frage mußten wir uns natürlich des Tierversuchs bedienen. Um
recht eindeutige Ausschläge zu erhalten, ließen wir die Versuchs-
hunde, die wir hierbei benutzten, zunächst 16 Tage völlig hun-
gern, um sie ihre Glykogen- und Fettvorräte nach Möglichkeit
aufzehren zu lassen. Sodann wurden die Tiere wieder aufge-
füttert, und zwar ganz einseitig:
Hund I mit Pferdefleisch und Speck,
n П mit etwas magerem Fleisch und Reis,
» ПІ erst mit Fisch und dann mit magerem Fleisch.
1) Schloßmann und Murschhauser, Grundumsatz und Nahrungs-
bedarf des Säuglings. Diese Zeitschr. 26, 14ff.
— *
—— ——
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 267
Hund I sollte also der Typus eines vorwiegend durch Fett-
zersetzung seinen Kraftbedarf deckenden Tieres werden, Hund П
auf die rapide Zersetzung von Kohlenhydrat trainiert werden,
und Hund III als eigentlicher Fleischfresser im engeren Sinne
des Wortes auf den Eiweißabbau eingestellt werden. Die Ver-
suche wurden von Dr. med. vet. Kleinert?) ausgeführt, der aus-
führlich über Technik und Ergebnisse berichtet hat. Die er-
haltenen Befunde waren überaus interessant.
In Kürze zusammengezogen ergab sich folgendes:
Tabelle I.
О,-
СО,-
Ver- Produktion | Verbrauch in 5 Sta.
pro Std. | pro Std. abeolute
und kg und kg Menge
1 1
Hund I (Fetthund).
Ursprüngliches Gewicht: 11,2 kg.
Nach 16tägigem Hungern:
| 817 | оез | ово | ол | 14828 | 19,8
wieder aufgefüttert, alsdann 24 Stunden gehungert
1 10,61 0,519 0,769 0,674 27,534 40,848
2 | 10,45 0,521 0,795 0,656 27,259 41,533
8 | 10,48 0,518 0,718 0,726 27,014 87,189
Hund II (Reishund).
Ursprüngliches Gewicht: 9,25 kg.
Nach 16tägigem Hungern:
| 672 | 0,389 | 0494 | 0788 | 13,079 | 16,590
wieder aufgefüttert, alsdann 24 Stunden gehungert
1 9,29 0,557 0,700 0,796 25,882 92,517
2 9,62 0,542 0,638 0,849 26,058 30,681
3 I 10,10 0,543 0,615 0,892 27,450 80,770
Hund III (Eiweißhund).
Ursprüngliches Gewicht: 10,25 kg.
Nach 16tägigem Hungern:
| 830 | 0376 | 0,489 | 0,767 | 15,589 | 20,809
wieder aufgefüttert, alsdann 24 Stunden gehungert
1 | 10,75 0,398 0,501 0,793 21,387 26,964
2 | 10,62 0,409 0,521 0,784 21,706 27,688
3 | 10,63 0,391 0,515 0,759 20,786 27,375
1) Kleinert, Über den Einfluß einseitiger Mast auf die Zusammen-
setzung des Körpers und auf den respiratorischen Stoffwechsel bei spä-
terem Hungern. Zeitschr. f. Biol. 61, 1913.
19*
268 A. Schloßmann апа Н. Murschhauser:
Es wurde also jeder Hund auf circa ?/„ seines Gewichts
heruntergehungert, dann ein Versuch, und zwar immer am
16. Hungertage, angestellt, und nun die Tiere wieder annähernd
auf ihr ursprüngliches Gewicht aufgefüttertt. Dann ließ man
sie 24 Stunden hungern, um Nüchternwerte zu bekommen, und
untersuchte wieder. Sodann wurden sie wieder einige Tage
wie bisher gefüttert und die Versuche noch ein oder zweimal
jeweils nach 24 stündigem Hungern wiederholt.
Fassen wir die Resultate ins Auge, so fällt zunächst die
enorme Differenz zwischen den respiratorischen Quotienten bei
Hund I und Hund II auf. Während der Fetthund Werte von
0,656 bis 0,726 aufweist, hat der Reishund solche von 0,796
bis 0,892.
Es ist also bei letzterem trotz des 24 stündigen Hungerns
ein so hoher Quotient, wenigstens in zweien der Versuche, vor-
handen, daß erhebliche Mengen Glykogen verbrannt worden
sein müssen, um uns seine Entstehung zu erklären. Dabei
steigt der respiratorische Quotient bei diesem Tiere mit dem
Anwachsen des Gewichts. Bei dem Fetthund liegen aber die re-
spiratorischen Quotienten 2 mal sogar ganz wesentlich unter
dem theoretischen Fettverbrennungswerte. Nun hat das Tier ja
sicherlich erhebliche Mengen Eiweiß zersetzt, wohl eine wenn
vielleicht nur geringe Menge Glykogen, und doch dieser niedrige
Wert.
Wenden wir uns zunächst der Frage zu, wie es wohl zu
erklären ist, daß die drei Hunde, die verschieden aufgefüttert
worden waren, so offensichtliche Unterschiede in den respira-
torischen Quotienten zeigen, auch nachdem sie 24 Stunden
gehungert haben. Von der Hand zu weisen ist dabei der Ge-
danke, daß die vorausgegangene Nahrungsaufnahme noch direkt
ihren Einfluß ausgeübt habe. Man nimmt ja allgemein an, daß
schon nach 12 bis 14 Stunden die Einwirkung der Ernährung
auf den Gasstoffwechsel vollendet ist, daß wir es dann mit
Nüchternwerten zu tun haben. Da wir aber 24 Stunden nach
dem Beginn des Versuchs gewartet haben, und diese eich über
die 25. bis 29. Stunde nach der letzten Mahlzeit erstrecken, so
können wir wohl nach dieser Richtung völlig beruhigt sein.
Die zweite Möglichkeit wäre die, daß die wochenlang voran-
gegangene einseitige Ernährung zu einer Überschwemmung des
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 269
Organismus einseitig mit eben den Substanzen geführt habe,
die bei der Ernährung verwendet worden sind, daß also sofort
greifbare Mengen von Glykogen oder von Fett vorhanden sind,
die nun im Hunger abgebaut werden. Der Fetthund hätte
z. B. in der Leber viel Fett, der Reishund viel Glykogen, und
diese ohne weiteres zur Verfügung stehenden Vorräte würden
sich beim Abbau zunächst in den Vordergrund drängen. Einer
derartigen Annahme stehen aber doch Bedenken gegenüber.
Zunächst führt doch auch eine Mästung mit Kohlenhydrat zur
starken Fettbildung. Umgekehrt finden wir selbst bei glykogen-
freigemachten Tieren wieder eine Glykogenbildung selbst bei
Meidung der Darreichung von Kohlenhydraten, sei es nun, daß
die Glykogenbildung aus Fett oder aus Eiweiß erfolgt!)?); ев
steht also immer Fett und Glykogen außer dem Eiweiß zur
Verbrennung zur Verfügung. Die Verschiedenheit der гевріга-
torischen Quotienten, die doch auf eine fast elektive Verbren-
nung von Fett im einen, und Kohlenhydraten im anderen Falle
hinweisen, läßt sich so nicht erklären.
Viel wahrscheinlicher will es uns erscheinen, daß wir hier
einen Anpassungsvorgang vor uns haben. Geraume Zeiten
hindurch ist dem Tiere eine einseitige Nahrung geboten worden,
ев hat sich daran gewöhnt, seine Lebensvorgänge durch Zer-
setzung dieser speziellen Nahrung, die ihm zur Verfügung stand,
sich abspielen zu lassen. Im Hunger greift das Tier nun ge-
wohnheitsmäßig auf das zurück, was es bisher aus dem Ge-
reichten verbrannte. Es sondert also etwa besonders reichlich
das Ferment ab, mit Hilfe dessen Reserveglykogen für den Ver-
brauch vorbereitet wird, oder im anderen Falle wieder das
Ferment, durch das Fett aus den Depots zum Verbrauch frei-
gemacht wird. Die Gewöhnung während der Mast hat zur
einseitigen Zersetzung einer bestimmten Komponente
desKörperbestandes auch im Nüchternzustande geführt.
Akzeptieren wir diese letztere Erklärung, so müssen wir
uns aber auch die Frage vorlegen, wie die abnorm niedrigen
respiratorischen Quotienten bei dem Fetthunde zu deuten sind.
1) Rolly, Über die Neubildung von Glykogen bei glykogenfreien
und auf Karenz gesetzten Kaninchen. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 88.
9 Pflüger und Junkersdorf, Über die Muttersubstanzens des
Glykogens, Arch. f. d ges. Physiol. 181.
270 A. Schloßmann und H. Murschhauser:
Daß der Reishund einen hohen Wert zeigt, ist ohne weiteres
verständlich. Neben Kohlenhydrat hat er natürlich Eiweiß,
ev. auch gewisse Mengen Fett zersetzt: als Durchschnitt aus
dem Verhalten von CO, zu O in der Verbrennung der drei
Substanzen kommen wir auf 0,8 bis 0,9. Ebensowenig gibt der
respiratorische Quotient des Eiweißhundes zu Erwägungen An-
laß: hier ist eben in erster Linie Eiweiß neben Fett und auch
wieder Spuren von Glykogen abgebaut worden, und auch hier
sind die Durchschnittswerte, die sich im respiratorischen Quo-
tienten zeigen, ganz verständlich. Absurd erscheint es nur zu-
nächst, daß der Fetthund einen respiratorischen Wert zeigt, der
bis 0,656 heruntergeht. Trotzdem also hier doch auch Glykogen,
wenn auch in sehr geringer Menge, verbrannt worden ist, ganz
sicher aber Eiweiß in nicht unerheblichem Maße, liegt der respira-
torische Quotient unter dem theoretischen Werte, der sich für
die Fettverbrennung rechnerisch ermitteln läßt. Es muß somit
entweder die CO,-Ausscheidung durch die Respiration herab-
gesetzt oder die O-Aufnahme aus irgendwelchem Grunde in die
Höhe gegangen sein.
Respiratorische Quotienten, die unter dem Fettwert, also
unter 0,71 liegen, sind durchaus nichts Seltenes. Zuntz und
Lehmann!) fanden z. B. bei dem Hungerkünstler Cetti ge-
legentlich einen resp. Quotienten von 0,68, bei Breithaupt sogar
bis 0,63.
Welche Möglichkeiten sind nun in Betracht zu ziehen, um
die Entstehung dieser niedrigen Werte zu erklären? Man könnte
zunächst annehmen, daß Kohlenstoff auf andere Weise als durch
die Ausatmung von CO, den Körper verläßt, und das ist ja in der
Tat beim Hunger der Fall. Wir wissen, daß nicht unerhebliche
Mengen von Kohlenstoff den Körper in der Atemluft und im
Harn als Aceton und ß-Oxybuttersäure verlassen. Hierdurch
wird auf die respiratorischen Quotienten erniedrigend eingewirkt.
Die Bedeutung dieses Vorganges entspricht aber nicht unserem
Befunde, denn dann müßte bei dem Eiweißhunde genau die-
gelbe Herabsetzung des respiratorischen Quotienten, ja sogar
noch eine erheblichere statthaben. Aus Versuchen von Maignon
1) Zuntz und Lehmann, Untersuchungen an zwei hungernden
Menschen. Virchows Archiv 181, Suppl.-Heft 23, 1913.
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 271
und Moraud?) ergibt sich z. В. geradezu als Ergänzung des
_ hier Erörterten, daß Hunde, die mit gekochtem Fleisch ernährt
wurden, beträchtlichere Mengen Aceton ausscheiden als solche,
die Speck erhielten.
Wenn also die Ausscheidung von Aceton und ß-Oxybutter-
säure im Sinne einer Herabsetzung des respiratorischen Quo-
tienten wirkt, so kann der Einfluß dieses Vorganges doch sicher
nicht so stark sein, um gerade beim Fetthund die niederen
Werte zu erklären.
Der Einfluß, den die Ausscheidung von Aceton und f-Oxybutter-
säure auf den respiratorischen Quotienten ausüben, ergibt sich aus fol-
genden Zahlen:
Jedes Gramm Aceton, das der Körper ausscheidet, vermindert die
CO,-Ausscheidung durch die Lunge um 1,162] СО,, und vermindert den
O-Verbrauch um 1,544 1. Der respiratorische Quotient, der sich hieraus
‚ergibt, ist 0,75.
Jedes Gramm f-Oxybuttersäure vermindert die CO,-Ausscheidung
um 0,8635 1 CO,, und die O-Aufnahme um 0,9689 1 O,. Der sich hier-
aus ergebende respiratorische Quotient ist 0,891.
Es wird also bei der Ausscheidung von Aceton beim fettzersetzenden
Hunde der respiratorische Quotient sinken, noch viel erheblicher wird
er bei der Ausscheidung von ß-Oxybuttersäure sinken. Kennt man die
Menge des ausgeschiedenen Acetons und der ausgeschiedenen f-Oxy-
buttersäure, so kann man mit Hilfe der hier angegebenen Zahlen die
Beeinflussung, die dem respiratorischen Quotienten im einzelnen Falle
zufallen muß, leicht berechnen. Leider fehlt uns in den hier be-
sprochenen Versuchen die Bestimmung der ß-Oxybuttersäure wie des
Acetons.
Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, daß wir eine O-Auf-
speicherung im Organismus, also Oxydationsvorgänge haben,
die an dem besonders niederen respiratorischen Quotienten die
Schuld tragen.
Diese Erklärung geben auch Zuntz und Lehmann in
ihren oben erwähnten Versuchen an den Hungerkünstlern; die
niederen respiratorischen Quotienten werden auf eine О-Аш-
speicherung im Organismus zurückgeführt, die auf eine Bildung
und Anhäufung von Kohlenhydraten im Organismus hinweisen;
das so gebildete Kohlenhydrat dient dann als Material zur Er-
zeugung von Muskelarbeit.
1) Maignon et Moraud, Étude comparative du pouvoir céto-
gòne de la viando et de la graisse chez le ohien. Soc. Biol. 71,
705, 1911.
272 A. Schloßmann und H. Murschhauser:
Gegen diese Anschauung von Zuntz und Lehmann er-
hebt Jaquet!) Bedenken, indem er meint, daß die erzwungene
absolute Muskelruhe leicht eine Verflachung der Atmung zur
Folge hat; іп der Tat zeigt sich, daß die Atemgröße von Breit-
haupt von 14000 cbm auf 6700 cbm in der Rückenlage sank.
Aber all diese Einwände kommen bei unseren Hunden
nicht in Betracht, da ja unsere Versuche 5 Stunden
Dauer hatten und unsere Werte das Gesamtergeb-
nis des Gasstoffwechsels in diesen 5 Stunden wieder-
geben.
Unsere Hunde haben sich im allgemeinen sehr gut be-
nommen. Tiere, die sich ungeberdig zeigen und die durch
Beweglichkeit die Versuche hätten beeinflussen können, haben
wir ausgeschieden. Wir hätten noch eine Reihe von anderen,
teilweise parallel verlaufenden Untersuchungen anführen können;
die Zahlen, die sich aber aus diesen Versuchen ergaben, sind
gar nicht erst berechnet worden, weil es sich dabei um Tiere
handelte, die sich eben nicht zur Ruhe zwingen ließen. Wenn
unter den drei Versuchshunden übrigens in bezug auf die völlige
Wahrung der Ruhe während der Versuche ein Unterschied be-
steht, so war der Eiweißhund der musterhafteste, der Fetthund
noch der relativ beweglichste.
Wir können uns also auf Grund unserer Untersuchung der
Meinung von Zuntz und Lehmann anschließen, daß eine
O-Speicherung im Organismus unseres Fetthundes in ganz er-
heblichem Maße stattgefunden hat. Infolge seiner einseitigen
Ernährung dürfte das Tier dauernd genötigt gewesen sein, durch
Oxydationsprozesse im Körper die Glykogenmengen herzustellen,
die es zu seinen Muskelleistungen mit verbraucht. Gewohn-
heitsmäßig darauf eingestellt, Kohlenhydrate aus anderen Be-
standteilen der Nahrung herzustellen, hat das Tier auch nach
24stündigem Hungern an dieser seiner Tätigkeit festgehalten
und dabei Glykogen auf Kosten seiner anderen Körperbestand-
teile gebildet.
1) Jaquet, Der respiratorische Gaswechsel. Ergebn. d. Physiol.,
2. Jahrg., 1. Abt., S. 457. — Hier findet sich die Literatur über den
ganzen Gegenstand vortrefilich zusammengestellt und verarbeitet. Wir
zitieren im allgemeinen nur Arbeiten, die nach dieser Zusammenstellung
erschienen sind (1903).
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 273
Die Frage, ob das Eiweiß des Körpers oder das Fett für
die Glykogenbildung herangezogen worden sind, soll dabei völlig
unerörtert gelassen werden.
Der bisherige Gang unserer Untersuchung hat also
ergeben, daß auch nach Ausschaltung der direkten
Einwirkung vorausgegangenerMahlzeiten sich der Ein-
flußeiner vorausgegangenen einseitigen Mast insofern
geltend macht,alsauchim Hungerdiejenigen Nährstoffe
für die Leistungen des Körpers herangezogen werden,
an deren Abbau sich der Organismus gewöhnt hatte.
Die Tatsache ist an und für sich durchaus nicht befremdlich;
sie reiht sich ähnlichen Beobachtungen an, die z. B. darauf
hinweisen, daß bei gewohnheitsmäßiger Luxuskonsumption über-
haupt auch im Beginn des Hungerns der Stoffwechsel größer
ist, als bei vorausgegangener genügender, aber doch knapper
Zufuhr. In der Literatur finden wir allerdings nur eine ein-
zige?) Arbeit, die sich mit diesen Dingen beschäftigt, aber auch
nicht auf den Umsatz im eigentlichen Hunger eingeht, nämlich
die Arbeit der drei Amerikaner Benedict, Emmes und Riche.
Benedict, Emmes und Riche gingen bei ihren Versuchen во
vor, daß den Versuchsobjekten eine Mahlzeit mit viel oder wenig Kohlen-
hydraten am vorhergehenden Abend verabreicht wurde. 12 Stunden
darauf begannen die Untersuchungen, die sich auf CO,-Ausscheidung und
O-Verbrauch erstreckten. Die Untersucher gingen dabei von der An-
nahme aus, die sich aus den bisher vorliegenden Versuchen an hun-
gernden Menschen ergibt, daß nämlich der Umsatz in den zwei ersten
Versuchstagen noch nicht konstant ist, daß die Gleichmäßigkeit in der
Zersetzung sich vielmehr erst am dritten Hungertage einstellt. Bei den
hier beschriebenen Versuchen war die Hauptaufgabe, den Einfluß voran-
gegangener Mahlzeiten auf den Stoffwechsel 12 Stunden später zu er-
mitteln. Der respiratorische Quotient ist dann einmal höher, einmal
niedriger. Immerhin ergab sich doch, zumal bei Darreichung von großen
Mengen Kohlenhydrat (300 g und auch mehr), daß im allgemeinen der
reepiratorische Quotient dann höher war, als nach einer kohlenhydrat-
armen Mahlzeit. Die Gesetzmäßigkeit dabei ist aber keine bindende.
So ist in Tabelle III bei einem Versuchsobjekt nach kohlenhydratreicher
Mahlzeit der respiratorische Quotient 0,85, bei einer anderen Versuchs-
person nach kohlenhydratarmer Mahlzeit ebenfalls 0,85! Ein und die-
selbe Versuchsperson hat einmal nach hoher und einmal nach geringer
1) Вепөдісё, Emmes and Riche, The influence of proceeding
diet on the respiratory quotient after active digestion has ceased. Amer.
Journ. of Physiol. 27, 383 bis 405.
274 A, Schloßmann und Н. Murschhauser:
Kohlenhydratfütterung resp. Quotienten, die ziemlich gleich sind, 0,85 bzw.
0,84 usw. Die amerikanischen Autoren sind in ihren Schlüssen daher auch
sehr vorsichtig, zumal eins ihrer Versuchsobjekte gar keine Tendenz zeigte,
den respiratorischen Quotienten zu erniedrigen. Demgegenüber wies
eine Versuchsperson von Magnus-Lev у!) die Tendenz auf, trotz Ver-
fütterung von Kohlenhydraten auf einem niedrigen respiratorischen Quo-
tienten zu verharren. Alle diese Absonderlichkeiten scheinen erklär-
licher, wenn man unsere Versuche nach unseren Ideen deutet.
Die vorausgehend beschriebenen Untersuchungen ließen es
uns wünschenswert erscheinen, durch weitere Beobachtung der
Versuchstiere festzustellen, wie sich bei andauernder Nahrungs-
entziehung der Abbau der Körpersubstanz vollzieht. Das Pro-
gramm für die neue Untersuchungsreihe lautete also: Die
drei Hunde I, II und III werden wieder in völlige Nahrungs-
karenz gesetzt und nun in bestimmten Perioden, nämlich nach
24 Stunden, nach 2 >< 24 Stunden, nach 4 >< 24 Stunden,
nach 7 oder 8 >< 24 Stunden, nach 12 >< 24 Stunden und nach
.16 >< 24 Stunden des Hungerns immer wieder ein 5 stündiger
Respirationsversuch vorgenommen. Da nicht alle Versucbe
zugleich begonnen werden konnten, werden die Tiere bis
zum Beginn der neuen Versuchsreihe natürlich einseitig wie
bisher ernährt, der Fetthund mit Fett und Fleisch, der Reis-
hund mit Reis und Fleisch und der Fleischhund nur mit
Fleisch.
Das übersichtliche Resultat dieser Versuche ergibt Tabelle П.
Auch in dieser Versuchsreihe fällt uns sofort auf, daß die
respiratorischen Quotienten des Fetthundes auffallend niedrig
sind. Sie schwankten’zwischen 0,724 am 7. Tage des Hungerns
und 0,729 am 2. Tage, erreichen aber niemals 0,73! Umge-
kehrt schwanken die Werte beim Reishund zwischen 0,744 und
0,783. Während der Fetthund nach i6tägigem Fasten einen
fast idealen Fettquotienten hat, nämlich 0,728, hat der Reis-
hund einen solchen von 0,762. Die Werte beim Eiweißhund
stehen wieder gerade in der Mitte und sind richtige Eiweiß-
quotienten (Schwankungen zwischen 0,744 und 0,759). Am
16. Tage des Hungerns ist der Wert beim Eiweißhund 0,744.
Interessant sind auch die Gewichtsabnahmen der drei Hunde,
für die wir ja gute Vergleichswerte in der ersten 16 tägigen
Hungerperiode besitzen.
1) Arch. f. Physiol. 1894, 25.
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 275
Tabelle IL
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32 |2125 |85 | ©3
1 1 |@ 1 1
Hund I (Fetthund).
Ursprüngliches Gewicht: 11,2 kg.
Aufgefüttert mit Fett, alsdann gehungert.
1><24 | 10,28 | 0,488 | 0,869 | 0,728 | 25,090 | 34,484 | 0,5256 | 0,1051
2><24 | 10,00 | 0,479 | 0,657 | 0,729 | 23,974 | 32,858] 0,3049 | 0,0610
4><24| 9.82 | 0.455 | 0,626 | 0,727 | 22.363 | 30,757 | 0,2990 | 0,0598
7><24| 9,36 | 0,418 | 0,577 | 0,724 | 19,570 | 27,000] 0,3029 | 0,0606
12><24| 8,82 | 0,371 | 0,512 | 0,725 | 16,362 | 22,578] 0,4800 | 0,0960
16><24| 8,39 | 0,394 | 0,541 | 0,728 | 16,532 | 22,706 | 0,4268 | 0,0854 2)
Hund II (Kohlenhydrathund).
Ursprüngliches Gewicht: 9,25 kg.
Aufgefüttert mit Kohlenhydrat, alsdann gehungert.
26 | 10,050| 0,359 | 0,458 | 0,783 | 18,029 | 23,011 | 0,5452 | 0,10908
2><24| 9,550| 0,365 | 0,488 | 0,748 | 17,412 | 23,290 | 2,5933) | 0,10800 3
4><24 | 9,060| 0,353 | 0,464 | 0,761 | 16,018 | 21,041] — —
8><24 | 8,850| 0,373 | 0,501 | 0,744 | 15,589 | 20,943
13>x<24 | 7,670) 0,332 | 0,438 | 0,758 | 12,759 | 16,817
16><24 | 7,220 0,341 | 0,448 | 0,762 | 12,333 | 16,195
Hund III (Eiweißhund)
Ursprüngliches Gewicht: 10,25 kg.
Aufgefüttert mit Fleisch, alsdann gehungert.
1><24 | 10,63 | 0,391 | 0,515 | 0,759 | 20,786 | 27,375
2><24 | 10,41 | 0,372 | 0,498 | 0,748 | 19,396 | 25,912
4><24 | 9,95 | 0,358 | 0,487 | 0,735 | 17,817 | 24,249
8><24| 9,50 | 0, 0,457 | 0,744 | 16,167 | 21,728
12><24| 8,95 | 0,346 | 0,463 | 0,748 | 15,508 | 20,731
16><24 |] 8,50 | 0,343 | 0,461 | 0,744 | 14,575 | 19,600
Es nahmen ab bei:
16 tägigem Fasten 16 tägigem Fasten
nach gemischter nach Ernährung
Ernährung mit
Hund I 27,1%, Fett 18,4%,
e U 97,4%, Reis 28,29,
» Ш 19,0°/, Fleisch 20,0%),
1) Der C-Gehalt betrug pro Stunde 0,0758 g, also C:N=1:1,12.
2) C: N = 1 : 1,20, С pro Stunde: 0,5905 g.
з) C: N = 1 : 1,86, C pro Stunde: 0,0792 g.
1) In 24 Standen, und zwar von der 48. bis 72. Stunde.
276 A. Schloßmann und H. Murschhauser:
Während Hund II und III nach der einseitigen Ernährung
mit Reis oder Eiweiß genau so abnehmen wie bei gewöhnlicher
gemischter Ernährung, hatte sich Hund I eine solidere, dem
Hunger besser widerstehende Körperzusammensetzung durch die
Fettkost angeeignet. Hier ist die Abnahme in der zweiten
Hungerperiode nur zwei Drittel von der in der ersten Periode
beobachteten. Der einseitig mit Fett gemästete Hund nimmt
also viel langsamer ab als Hunde, die sich freiwillig die Nah-
rung aussuchen, oder als solche, die mit Kohlenhydrat oder mit
Eiweiß gemästet wurden. Der Fetthund schont offensichtlich
sein Eiweiß; das Fett bewährt sich als guter Eiweißsparer.
Leider verfügen wir beim Reishund und Eiweißhund nicht durch-
gehend über die N-Ausscheidungszahlen wie beim Fetthund.
Für den Reishund stehen uns nur für die beiden ersten Ver-
suche im Respirationsapparate entsprechende N-Bestimmungen
zur Verfügung. Dagegen konnten wir den Eiweißabbau beim
Fetthund in jedem Versuche mit verfolgen.
Es ergab sich dabei folgendes:
Tabelle III.
Der Eiweißabbau des Hundes I im Hunger.
er Hund zersetzte
; р
Der Hund schied pro Kilogramm
Dauer | per Hund schied
— в [aus pro Stunde N | 08 Pro Kilogramm und Stunde Eiweiß
und Stunde N (N >< 6,25)
Für den Reishund II lauten die entsprechenden Werte:
Tabelle IV.
Der Hund schied |Per Hund zersetzte
Daner Der Hund schied pro Kilogramm
des aus pro Kilogramm —
aus pro Stunde N und Stunde Eiweiß
und Stunde N (N >< 6,25)
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 277
Während sich also unser Fetthund, nachdem die ersten
30 Stunden des Hungerns vorüber sind, auf eine minimale Ei-
weißzersetzung einstellt, baut der Reishund auch nach 48 Stunden
noch erhebliche Eiweißmengen mehr ab; der Eiweißumsatz ist
hier nicht niedriger, sondern sogar auf das Kilogramm Gewicht
berechnet größer geworden.
Auf einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen unseren
Versuchshunden sei dabei ausdrücklich hingewiesen. Unser Reis-
hund zeigt nämlich in bezug auf seinen Gasstoffwechsel diejenigen
Verhältnisse, die nach dem in der Literatur niedergelegten zu
erwarten sind. CO,-Ausscheidung und O,-Verbrauch stellen sich
schon nach 24 Stunden auf ein gewisses Maß ein und bleiben
pro Kilogramm Tier bis zum 16. Hungertage gleich (siehe
Tabelle II auf S. 275). Während CO,-Produktion des Tieres
insgesamt nach 16tägigem Hunger um 31,6°/, und der O-Ver-
brauch um 29,6°/, gegenüber den Werten nach den ersten
24 Stunden des Hungerns gesunken ist, sind die Differenzen pro
Kilogramm Tier minimal und unbeachtlich; sie betragen 5 °/,
bei der CO, und 2,2°/, beim Sauerstoff. Ganz anders verhält
sich der Fetthund. Hier betragen die Abnahmen der absoluten
CO,- und O,-Mengen je 34,1 °/,, aber pro Kilogramm Tier ist
zwischen dem Versuch nach 24stündigem Hunger und dem
nach 16tägigem Hunger ein Unterschied von etwas über 19°/,.
Der Gaswechsel bei diesem Tier hat also nicht nach 24 Stunden
sein Minimum erreicht, sondern sinkt, und zwar kontinuierlich,
bis zum 12. Hungertage ab.
Das einseitig mit Fett gemästete Tier unterscheidet
sich also von den bisher beobachteten Versuchstieren
dadurch, daß sein Sauerstoffwechsel langsam absinkt.
Mit dem Moment, da der Gasstoffwechsel sein Minimum erreicht
hat, beginnt auch die stärkere Inanspruchnahme des Eiweiß-
bestandes. Das Tier hat also zunächst dadurch sein Eiweiß
zu schützen gewußt, daß der Gasstoffwechsel auf immer gerin-
сеге Intensität — pro Kilogramm Tier — gebracht wurde.
Erst als ein Minimum erreicht war, wird das Eiweiß in erheb-
licherem Maße angegriffen.
Wir sind nun in der Lage, für den Fetthund den gesamten
Stoffumsatz zu verfolgen, indem wir aus den von uns ermit-
telten Zahlen, respiratorischem Quotienten, N des Harns, СО,-
278 A. Sohbloßmann und Н. Murschhauser:
Produktion und O-Verbrauch nach den Zuntzschen Formeln
die Zersetzungsvorgänge konstruieren.
Tabelle V.
Hund I (Fetthund) zersetat
Aus den Zahlen für den Stoffumsatz ergibt sich folgende Energie-
bilanz für den Fetthund während der Hungerperiode.
Tabelle VI.
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 279
Nachdem das Tier Von den zersetzten Calorien stammten also
gehungert hatte aus Fett aus Olykogen aus Eiweiß
Std. vi 0 wv 0
Im Gegensatz hierzu ergeben sich für den Reishund, soweit wir
bei diesem den Abbau verfolgen können, folgende Werte:
Tabelle VII.
Hund II (Reishund) zersetzte:
Nachdem das Tier
gehungert hatte
Std.
1>< 24 1,520 1,120 0,10908
2 >< 24 1,840 0,432 0,10800
Pro Kilogramm Gewicht
1x 24 0,151 0,111 0,06800
2 x 24 | 0,192 | 0,045 | 0,07070
Von der umgesetzten Energie bei Hund II stammen:
on асаа — aus Fett jausGlykogen| aus Eiweiß
Sta. Std. Cal. Cal. Cal.
1x 24 19,175 14,136 4,592 0,447
2 x 24 19,326 17,112 1,771 0,443
Pro Kilogramm Tier
1>< 24 2,138 1,404 0,455 0,279
2>< 24 2,260 1,786 0,184 0,290
Von den zersetzten Calorien stammten also:
Ger Raster aus Fott | aus Glykogen aus Eiweiß
Std. 0 A 0 e 0 lo
1 >< 24 65,58 21,84 13,08
2 x 24 79,06 8,14 12,80
Leider können wir den Reishund nicht weiter verfolgen,
es ergibt sich aber aus der Höhe des respiratorischen Quo-
tienten bis nach dem 16. Hungertage, daß von diesem Tiere
280 A. Schloßmann und Н. Murschhauser:
andauernd noch nicht ganz unbeträchtliche Mengen Glykogen
zersetzt sein müssen. Wir sind jetzt dabei, bei zwei Hunden,
die mit verschiedenen Kohlenhydraten aufgefüttert worden sind,
die entsprechenden Werte vollständig zu ermitteln. Aus den
hier vorliegenden Zahlen ergibt sich aber schon, daß die ein-
seitige Mast lange nachdem die Einwirkung der Fütterung an
und für sich ausgeschlossen ist, wenn wir also schon Nüchtern-
werte zu gewärtigen haben, ihren Einfluß weiterhin auf den
Körperabbau ausübt. Der mit Fett gemästete Hund ist an
den Abbau, an die Verbrennung von Fett gewöhnt; auch er
hat natürlich gewisse Glykogenvorräte zur Verfügung, auch er
zersetzt etwas Glykogen, doch sind die Mengen sehr gering.
Ja, am 13. Tage ist zeitweise der Glykogenvorrat aufgebraucht
und es muß Eiweiß vikariierend dafür eintreten. Am 16. Tage
ist endlich wieder eine kleine Menge Glykogen zur Verfügung.
Im strikten Gegensatz dazu deckt der mit Reis aufgezogene
Hund auch noch nach 26stündigem Fasten in den nächsten
Stunden ein Fünftel seiner Calorien durch Glykogenverbren-
nung. Auch nach 48stündigem Fasten haben wir über 8°/,
der Calorien aus Glykogenzersetzung gedeckt, immer noch dop-
pelt so viel, als bei dem Fetthund.
Aus dem Gesagten ergibt sich:
1. Die Höhe des respiratorischen Quotienten beim Men-
schen und beim Tier ist auch im Nüchtern- und Hungerzustande
abhängig von den Nährstoffen, die vorzugsweise am Aufbau
des Körpers beteiligt waren.
2. Der Einfluß einseitiger Fütterung ist auch dann noch
deutlich nachweisbar, wenn die direkte Einwirkung der letzten
Mahlzeit längst ausgeschaltet ist.
3. Einseitig genährte oder gemästete Individuen stellen bei
Nahrungsentziehung den Abbau im Körper entsprechend den
Verbrennungsvorgängen in der vorausgegangenen Zeit der Mast
ein. Durch einseitige Mast gewöhnt sich der Organismus daran,
mehr oder weniger Glykogen oder mehr oder weniger Fett zu
verbrennen.
4. Der respiratorische Quotient nähert sich bei einseitig an
Fettnahrung gewöhnten Tieren auch im Nüchternzustande dem
theoretischen Fettquotienten, bei dem einseitig mit Kohlenhydrat
gemästeten Tiere dem theoretischen Kohlenhydratquotienten.
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 281
5. Bei länger andauerndem Hunger zeigt sich der Einfluß
vorangegangener Fettmast länger als der Einfluß vorangegan-
gener Kohlenhydratmast, da die Glykogenvorräte eben rascher
bei starker Inanspruchnahme zu Ende gehen. Immerhin deckt
der an Fettnahrung gewöhnte Hund noch in den ersten 5 Stun-
den des 5. Hungertages seinen Stoffwechsel fast genau in der
Art wie am 2. Hungertage, daß etwa 90°/, der Calorien auf
Fettzersetzung und etwa 3°/, der Calorien auf Glykogenzer-
setzung kommen. Dahingegen stammen bei dem an Kohlen-
hydrat gewöhnten Hund am 2. Hungertage 21°/, der Calo-
rien aus Glykogen und nur 65°/, aus Fett, in den ersten
5 Stunden des 3. Hungertages 79°, aus Fett und nur 8°/,
aus Glykogen. Trotz des Abfalles überragt aber hier immer
noch die Glykogenzersetzung die beim Fetthund um mehr als
das Doppelte.
6. Durch die Art der Ernährung kann man also über die
Zeit hinaus, in der Bestandteile der Nahrung direkt auf den
respiratorischen Stoffwechsel einwirken, den Körper zur höheren
Fettzerlegung oder zur höheren Glykogenzerlegung „trainieren“,
Protokolle. 3
Versuch vom 3. І. 13.
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter ca. 8 Jahre.
Gewicht Dauer 8
vorher des Versuchs Ernährung
10,28 kg 5 Std. 24 Std. nach der
letzten Fettmablzeit
Anfangswerte: Temp. 21,1°; Bar. korr. 759,7; Manometer -+ 0,04;
Thermobar. — 0,06; Hygr. 51.
Endwerte: Temperatur 20,4°; Bar. korr. 759,7; — -+ 5,00;
Thermobar. — 0,07; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . ‚ 197,800 1 bei 21,1° und 750,82 mm Hg = 181,244 1
Endvolumen . . . 197,8001 » 21,1° » 746,97 » » = 180,435 1
Analysen '
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis
СО, = 0,07%, 0,519, СО, = 0,089,
О, = 20,869/, 19,58%, О, = 96,21%],
N, == 79,079], 79,969, М№, = 8,719
100,005, 100,00°/, 100,00°/,
1) Ein Teil der Protokolle ist in der Arbeit von Kleinert (Zeitschr.
f. Biol. 61, 1913) veröffentlicht und bleibt daher hier fort.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 20
282 A. Schloßmann und H. Murschhauser:
i Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . . . . . . . . 87,8071
Nachher >» e...» o. › o 85,289]
2,568 1
Anfangsgewicht des Gasometers — 33,275 kg bei 109,32 Thermobarom.
Endgewicht » я == 69,405 n » 109,21 э
zugeführt = 33,121 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, іп О, = 1,2291
» » CO, » О, = 0,0261
dazu 2,568 1
Nettosauerstoffverbrauch 34,434 1 — 49,206 р.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde — 0,669 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,1271 Aus Lauge. . . . . . = 24,297 1 CO,
Nachher e .. 0,9201 Gesamtkohlensäureprod. = 25,0% 1
0,793 1 == 49,162 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,488 1
Respirstorischer Quotient . . . . . . . = 0,728
Stickstoffbilenz.
= Vorher vorhanden. . 143,8101 N, aus О, (8,71%) . .= 1,2291
Nachher э e e 144,276 1
0,966 1 Differenz. . . . . . = — 0,263 1
Versuch vom 4. І. 13.
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter са. 8 Jahre.
Gewicht Dauer 8
vorher des Versuchs Ernährung
10,0 kg 5 Std. 2>< 24 Std. nach der
letzten Fettnahrung
Anfangswerte: Temp. 19,8%; Bar. korr. 762,7; Manometer -+ 0,04;
Thermobar. — 0,08; Hygr. 52.
Endwerte: Temperatur 19,99; Bar. korr. 762,3; Manometer + 4,93;
Thermobar. -+ 2,68; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 198,075 1 bei 19,8° und 753,88 mm Hg = 183,170 1
Endvolumen . . . 198,075 1 n 19,89 » 747,65 » n = 181,661 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis
СО, = 0,07%, 0,559, СО, = 0,08%,
О, = 20,869, 19,07°/, О, = 96,21 °/
N, = 79,07, 80,389], N, = 8,71 °%
100,00°/,, 100,00 °/, 100,009),
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 283
Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . . . . . . . . 88,209 1
Nachher э e ae oo o o o o 84,6421
8,567 1
Anfangsgewicht des Gasometers — 46,945 kg bei 108,75 Thermobarom.
Endgewichtt n n == 79,990 » n 108,65 »
zugeführt — 80,445 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, іп О, = 1,130 1
я л e » О, = 0,0241
dazu 8,567 1
Nettosauerstoffverbrauch 32,858 1 — 46,958 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,657 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,1281 Aus Lauge. . . . . . = 28,108 1 CO,
Nachher n ‚ . 0,9991 _Gesamtkohlensäureprod. — 28,974 1
0,8711 = 46,975 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,479 1
Respirsatorischer Quotient . . . . . . . = 0,729
Stiokstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . 144,8331 N, aus О, (8,719/,) . . = 1,1801
Nachher » e o 146,020 1
1,1871 Differenz. .. . . . = + 0,057 1
Versuch vom 6б. 1. 13.
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter ca. 3 Jahre.
Gewicht Dauer
vorher des Versuchs Ernährung
9,820 kg 5 Std. 4 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,0%; Bar. korr. 764,0; Manometer -+ 0,06;
Thermobar. — 0,02; Hygr. 47.
Endwerte: Temperatur 20,1%; Bar. korr. 762,8; Manometer -|- 4,10;
Thermobar. -+ 0,37; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 198,255 1 bei 21,09 und 755,39 mm Hg = 182,952 1
Endvolumen . . . 198,2551 » 21,09 wv 1750,23 » » = 181,708 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07%, ‚ 0,48%, СО, = 0,08°/,
О, = 20,869, 19,36°/, О, = %,21°/,
N, = 79,07 lo 80,16°/, М„= 8,71 Wb
100,00%/, 100,00 °/,, 100,00°/,
Sauerstoffbilanez.
Vorher vorhanden . . . . . . . ə . 88,164 1
Nachher нь ә... .... ‚ 35,178 1
2,986 1
20%
284 A. Sobloßmann und Н. Murschhauser:
Anfangsgewicht des Gasometers — 41,050 kg bei 108,46 Thermobarom.
Endgewicht n n == 72,805 » » 108,42
zugeführt == 28,865 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in О, = 1,0711
sn » CO, » О, = 0,0281
dazu 2,986 1
Nettosauerstoffverbrauch 30,757 1 = 43,952 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,626 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden . . 0,1281 Aus Lauge. . .. . . = 21,619 1 СО,
Nachher n . . 0,8721 Gesamtkohlensäureprod. — 22,363 1
0,744 1 == 43,819 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,455 1
Respiratorischer Quotient . . . . . . . = 0,727
Stiokstoffbilanae.
Vorher vorhanden . . 144,6601 N, aus О, (3,71%) . . = 10711
Nachher » e . 145,653 1
0,993 1 Differenz. . . . . . = — 0,018 1
Versuch vom 9.1 13.
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter ca. 3 Jahre.
Gewicht Dauer =
vorher des Versuchs Ernährung
9,36 kg 5 Std. 7 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,0%; Ваг. korr. 764,1; Manometer -+ 0,08;
Tbermobar. — 0,03; Heer. 40.
Endwerte: Temperatur 20,4%; Bar. korr. 763,6; Manometer -+ 6,45;
Thermobar. 40,15; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 199,215 1 bei 21,0° und 756,81 mm Hg = 184,183 1
Endvolumen . . . 199,215 1 » 21,00 » 75260 » » == 183,158 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07%, 0,459/, СО, = 0,089,
О, = 20,86 °/, 19,38°/, О, = 96,21 °/,
N, = 79,07 °% 80,17°/, М„== 3,71°],
100,00°/, 100,00°/, 100,00°,,
Sauerstoffbilane.
Vorher vorhanden. . . . . . 2... 88,420 1
Nachher . A оо ө ө э ө о o е 35,496 1
2,924 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 985
Anfangsgewicht des Gasometers
Endgewicht
== 46,250 kg bei 108,67 Thermobarom.
== 13,385 » 108,55
zugeführt — 25,023 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in О, = 0,928 1
н » CO, я О, = 0,0201
dazu 2,924 1
Nettosauerstoffverbrauoh 26,999 1 = 88,588 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,577 1.
Kohlensäurebilane.
Vorher vorhanden. . 0,1291 Aus Lauge. . . . . . = 18,8751 СО,
Nachher n . . 0,8241 Gesamtkohlensäureprod. = 19,570 1
0,695 1 == 88,346 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde —0,4181
Reepiratorischer Quotient . . . . . . . = 0,724
Stickstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . 145,6831 М, aus О, (3,71°/,) . . = 0,9281
Nachher n . . 146,838 1
1,205 1 Differenz. ..... = + 0,2771
Versuch vom 14. I. 13.
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter са. 8 Jahre.
Gewicht Dauer
vorher des Versuchs Ernährung
8,820 kg 5 Std. 12 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,1%; Bar. korr. 758,2; Manometer + 0,12;
Thermobar. — 0,09; Hygr. 46.
Endwerte: Temperatur 20.00: Bar. korr. 756,6; Manometer -+ 6,20;
Thermobar. + 0,58; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 199,755 1 bei 21,1° und 749,86 mm Hg == 182,926 1
746,42 » == 182,086 1
Endvolumen . . . 199,755 In 21,19 n n
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07°%), 0,41%, СО, = 0,089,
О, = 20,86 9%, 19,849], О, = %,21°],
N, = 79,07°/ 79,759], N, = 8,71 WË
100,00°/, 100,00°/, 100,009/,
Bauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . . . . » . 88,158 1
Nachher ьн ...... e . • 36,1261
286 A. Schloßmann und H. Murschhauser:
Anfangsgewiobt des Gasometers — 52,760 kg bei 109,79 Thermobarom.
Endgewicht n я == 76,190 » » 110,02 D
zugeführt — 21,355 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in О, = 0,7921
» » CO, » О, = 0,0171
dazu 2,082 1
Nettosauerstoffverbrauch 22,578 1==82,268 р.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,512 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,1281 Aus Lauge. . . . . . = 15,748 1 СО,
Nachher » .. 0,747 1 Gesamtkohlensäureprod. = 16,862 1
0,619 1 = 32,060 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,871 1
Respirstorischer Quotient . . . . . . . = 0,725
Stiokstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . 144,6401 М, aus О, (8,71%) . . = 0,7921
Nachher я .. 145,2181
0,573 1 Differenz. . . . . . = — 0,219 1
Versuch vom 18. І. 13.
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter са. 8 Jahre.
Gewicht Dauer
vorher des Versuchs Ernährung
8,39 kg 5 Std. 16 >< 24 Std. nüchtern
Anfengswerte: Temp. 21,19; Bar. korr. 750,4; Manometer +0,11;
Тһегтођаг. +- 0,02; Heger, 48.
Endwerte: Temperatur 20,2°; Bar. korr. 751,8; Manometer + 6,25;
Thermobar. — 1,52; Hygr. 100.
Anfengsvolumen . . 200,185 1 bei 21,1° und 741,56 mm Hg = 181,286 1
Endvolumen . . . 200,1851 » 21,19 » 740,57 n n = 181,046 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofls
СО, = 0,07% 0,4790 СО, = 0,08°/,
О, = 20,86 °/, 19,91%, О, = 96,219,
N, = 79,079], 79,62%], N, = 371%
100,00 °/, 100,00], 100,009/,
Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . . . . . . . . 87,8161
Nachher n e.s. o o 36,046 1
1,770 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 287
Anfangsgewicht des Gasometers — 56,620 kg bei 110,91 Thermobarom.
Endgewicht я я == 80,700 » » 110,75 n
zugeführt == 21,760 l bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in O, = 0,8071
n в vs O, = 0,0171
dazu 1,770 1
Nettosauerstoffverbrauch 22,706 1 = 32,447 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,541 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorber vorhanden. . 0,1271 Aus Lauge. . . . . . = 15,808 1 СО,
Маоһһег » e . 0,8511 Gesamtkohlensäureprod. = 16,532 1
0,724 1 == 32,394 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,394 1
Respiratorischer Quotient e o ө е о ө ө — 0,728
Stiokstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . 143,343 1 N, aus О, (3,71%) . . = 0,8071
Nachher n ‚ . 144,149 1
‚ 0,806 1 Differenz. . . . . . = — 0,001 1
Versuch vom 31. III. 13.
Versuchsobjekt: Hund II (Kohlenhydrathund). Alter ca. 5 Jahre.
Gewicht Gewicht Dauer a
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung
10,05 kg 790 g 5 Std. 26 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,1°; Bar. korr. 751,4; Manometer 4 0,11;
Thermobar. -+ 0,09; Hygr. 56.
Endwerte: Temperatur 19,9%; Ваг. korr. 751,4; Manometer -+ 7,84;
Thermobar. — 1,58; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 197,785 1 bei 21,19 und 741,00 mm Hg = 178,985 1
Endvolumen . . . 197,7851 n 21,19 n 748,52 a » = 179,550 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07%, 0,43%), СО, = 0,10%,
a == 20,869/, 20,169/, О, = 98,41%,
N, = 79,07, 79,419], N, = 6,49%,
10000, 100,009, 100,007),
Sauerstoffbilanez.
Vorher vorhanden . . . . . e 87,3261
Nachher. » e... o o o o 36,1971
1,129 1
288 A. Schloßmann und Н. Murschhauser:
Anfangsgewicht des Gasometers — 53,945 kg bei 110,88 Thermobarom.,
Endgewicht D n == 79,870 a » 110,82 э
zugeführt == 28,425 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab М№ іп О, = 1,5201
sn » CO,» O, = 0,0231
dazu 1,129 1
Nettosauerstoffverbrauch 23,011 1 = 82,888 g.
Bauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,458 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,125 1 Aus Lauge . . . . . . = 17,8821 СО,
Nachher ” . . 0,7721 Gesamtkohlensäureprod. — 18,029 1
0,647 1 == 35,327 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde == 0,359 1
Respiratorischer Quotient . . . . . . . = 0,788
Stiokstoffbilane.
Vorher vorhanden. . 141,4841 N, aus О, (6,49°%,) . .= 1,5201
Nachher n . . 142,581 1
1,097 1 Differenz. .. . . . = — 0,428 1
Versuch vom 1. IV. 13.
Versuchsobjekt: Hund II (Kohlenhydrathund). Alter ca. 5 Jahre.
Gewicht Gewicht Dauer Е
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung
9,55 kg 790 g 5 Std. 3 Min. 2 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 19,1°; Bar. korr. 755,8; Manometer -+ 0,12;
Thermobar. + 0,06; Heer 61.
Endwerte: Temperatur 19,3°; Bar. korr. 756,2; Manometer -+ 4,28;
Thermobar. + 2,21; Heer. 100.
Anfangsvolumen . . 198,235 1 bei 19,1% und 745,86 mm Hg == 181,808 1
Endvolumen . . . 198,235 1 » 19,19 „ 741,17 » » = 180,658 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07%), 0,559, СО, = 0,10°),
О, = 20,869, 19,18%, О, = 93,419,
М№, = 79,07 0/0 80,279/, N, = 6,49°],
100,00°], 100,00°/, 100,00°/,
Sauerstoffbilansz.
Vorher vorhanden . . . . . . ww 87,9251
Nachher n оао о o 84,6511
8,274 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 289
Anfangsgewicht des Gasometers — 53,770 kg bei 110,02 Thermobarom.
Endgewicht я » == 77,570 n » 109,88 n .
zugeführt — 21,678 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N,in О, = 1,4071
» » CO, » О, = 0,0221
dazu 8,274 1
Nettosauerstoffverbrauch 23,523 1 == 33,614 g.
23,290 1 in 5 Stunden.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,488 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,1271 Aus Lange . . . . . . = 16,7191 СО,
Nachher я e ,. 0,9941 Gesamtkohlensäureprod. — 17,586 1
0,8671 Ја 5 Stunden. . ... == 17,412 1 СО,
== 34,118 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,865 1
Respiratorischer Quotient „..... . = 0,748
Stickstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . 143,7531 N, aus О, (6,49°%/,) . . = 1,4071
Nachher n ‚ . 145,0181
` 1,260 1 Differenz .. . . . = — 0,147 1
Versuch vom 3. IV. 13.
Versuchsobjekt: Hund II (Kohlenhydrathund). Alter ca. 5 Jahre.
Gewicht Gewicht Dauer А
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung
9,06 kg 790 g 5 Std. 4 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 17,09; Bar. korr. 760,5; Manometer -+ 0,07;
Thermobar. + 0,05; Heer. 56.
Endwerte: Temperatur 19,2°; Ваг. korr. 758,8; Manometer + 5,00;
Thermobar. -+ 7,88; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 198,725 1 bei 17,09 und 752,45 mm Hg = 185,200 1
Endvolumen . . . 198,725 1 » 17,0 » 74110 » » = 182,405 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07%, 0,890/, СО, = 0,10%,
О, = 20,869/, 18,99), О, = 98,41 °/,
N, == 79,07%, 80,620], N, = 6,499],
100,00°/, 100,00 °/, 100,00°/,
Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . . . . . „ . 38,6381
Nachher в . e. > o o o o 834,688 1
8,995 1
290 A. Schloßmann апа Н. Murschhauser:
Anfangsgewicht des Gasometers =— 41,850 kg bei 108,14 Thermobarom.
Endgewicht a » == 61,590 » » 108,45 2
: zugeführt = 18,248 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, іп О, = 1,1841
» a СО, » О, = 0,0181
dazu 3,995 1
Nettosauerstoffverbrauch 21,041 1 = 80,068 g,
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde — 0,464 1.
Kobhlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,1301 Aus Lauge . . . . . . = 15,4871 СО,
Nachher n . . 0,711 1 Gesamtkohlensäureprod. = 16,018 1
0,581 1 + = 81,386 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,853 1
Respiratorischer Quotient „ . . . . . . = 0,761
Stickstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . 146,436 1 N, aus О, (6,499/,) . . = 1,1841
Naohher D е ө 147,052 1 |
0,616 1 Differenz . . . . . = — 0,568 1
Versuch vom 7. ІУ. 13.
Versuchsobjekt: Hund П (Kohlenhydrathund). Alter са. 5 Jahre.
Gewicht Gewicht Dauer 2
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung
8,35 kg 790 g 5 Std. 8 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 18,8°; Bar. korr. 747,4; Manometer + 0,11;
Thermobar. +4 0,14; Heer, 54.
Endwerte: Temperatur 18,99; Bar. korr. 748,5; Manometer -+ 4,18;
Thermobar. + 0,59; Hygr. 100. |
Anfangsvolumen „ . 199,435 1 bei 18,89 und 738,68 mm Hg = 181,325 1
Endvolumen . . . 199,485 1 n 18,8% „ 734,80 n я» «= 180,371 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis
СО, = 0,07%, 0,289, СО, = 0,10%,
О, = 20,86, 19,699, О, = 98,419,
N, = 79,079 80,039), N, = 6,49%],
100,00", 100,009), 700,009,
‚Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . . e.. . . 87,8241
Nachher. .» narka ee 85,516 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 291
Anfangsgewicht des Gasometers = 49,110 kg bei 110,25 Thermobarom.
Endgewicht R я == 71,060 » » 110,07 »
zugeführt — 19,950 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N,inO, = 1,2951
» » СО, » O, = 0,0201
dazu 2,808 1
Nettosauerstoffverbrauch 20,948 1 = 29,927 а.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,501 1.
Kohlensäurebilanz,
Vorher vorhanden. . 0,1271 Aus Lauge , . . . . . = 15,211 1 CO,
Nachher ` e ‚ . 0,5051 Gesamtkohlensäureprod. = 15,589 1
0,378 1 == 30,546 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,378 1
Respiratorischer Quotient „,.... . = 0,744
Stiokstoffbileanz.
Vorher vorhanden e o 148,873 l N, aus О, (6,49 oj 0) e е = 1 ‚295 1
Nachher в e „ 144,350 1
0,977 1 Differenz . . . . .= — 0,3181
Versuch vom 12. IV. 13.
Versuchsobjekt: Hund П (Kohlenhydrathund). Alter са. 5 Jahre.
Gewicht Gewicht Dauer
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung
7,670 kg 790 g | 5 Std. 13 >< 24 Std. nüchtern
rte: Temp. 20,7%; Bar. korr. 743,2; Manometer 4 0,10;
Thermobar. +4 0,15; Heer, 40.
Endwerte: Temperatur 19,7°: Bar. korr. 751,4; Manometer -+ 10,50;
Thermobar. — 3,60; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 200,115 1 bei 20,7° und 740,9 mm Hg = 181,288 1
Endvolumen . . . . 200,115 1 » 20,79 » 745,2 » » = 182,365 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07% 0,35%), СО, = 0,10%,
о, == 20,86 0/ 0 20,33 °| 0 о, == 98,419] 0
N, = 79,079, 79,829, № == 6,499,
100,00°/, 100,00 %/, 100,00,
Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden ...„. oe e » 37,8161
Nachher ` n e e. ө o о ө ө 87,075 1
0,741 1
292 . А. Schloßmann und Н. Murschhauser:
Anfangsgewicht des Gasometers == 50,300 kg bei 110,95 Thermobarom.
Endgewicht n n = 69,320 n n 110,41 n
zugeführt — 17,210 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab М„їп О, = 1,1171
nn a n” О, = 0,0171
дыш A9 1.
Nettosauerstoffverbrauch 16,817 1 = 24,032 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,488 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden . . 0,1271 Aus Lauge . . . . . . = 12,248 1 СО,
Nachher e . . 0,688 1 Gesamtkohlensäureprod. = 12,759 1
0,5111 == 25,001 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,382 1
Respiratorischer Quotient „..... . = 0,758
Stiokstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . 148,340 1 N, aus О, (6,49%,). . = 11171
Nachher a . e 144,650 1 |
1,8101 Differenz e .= | 0,193 1
Versuch vom 15. IV. 13.
Versuchsobjekt: Hund П (Kohlenhydrathund). Alter са. 5 Jahre.
Gewicht Gewicht Dauer >
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung
7,220 kg 790 g 5 Std. 16 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,00; Bar. korr. 761,0; Manometer + 0,13;
Thermobar. + 0,09; Heer, 42.
Endwerte: Temperatur 19,8°; Ваг. korr. 759,8; Manometer -} 7,98;
Thermobar. — 0,52; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 200,565 1 bei 21,09 und 753,27 mm Hg == 184,565 1
Endvolumen . . . 200,5651 » 21,09 » 1752,30 » » = 184,828 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft dee Sauerstofis
СО, = 0,07%, 0,209, СО, = 0,10%,
О, = 20,86%, 20,15%, О, = 93,419,
N, = 79,079/, 79,659/, N, = 6,499],
100,00, 100,00 9, 100,009,
Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden „. e xx o . 38,5001
Nachher > +» >. 2. 2 0... o o 87,1421
1,358 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 293
Anfangsgewicht des Gasometers — 54,360 kg bei 109,24 Thermobarom.
Endgewicht n n == 71,690 » a 109,32 n
zugeführt == 15,884 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in О, = 1,0311
я =» CO, » О, = 0,0161
dazu 1,358 1
Nettosauerstoffverbrauch 16,195 1 = 23,143 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,448 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,1291 Aus Lauge . . . . . . = 12,093 1 СО,
Nachher e e . 0,3691 Gesamtkohlensäureprod. == 12,333 1
0,240 1 == 24,166 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,341 1
Respirstorischer Quotiept . . . . e . . == 0,762
Stiokstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . 145,9331 N, aus О, (6,49%). . = 1,0811
Nachher n ə o 146,813 1 2 |
0,880 1 Differenz . .. . . = — 01511
Versuch vom 10.1. 13.
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter oa. 9 Jahre.
Gewicht Dauer =
vorher des Versuchs Ernährung
10,63 kg 5 Std. 1 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,0°; Bar. korr. 762,8; Manometer + 0,10;
Thermobar. — 0,03; Нурт. 39.
Endwerte: Temperatur 20,19; Bar. korr. 762,4; Manometer -+ 6,15;
Thermobar. — 0,55; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 197,945 1 bei 21,09 und 755,72 mm Hg = 182,750 1
Endvolumen . . . 197,945 1 » 21,09 » 752,00 2 » = 181,850 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis
СО, == 0,07%, 0,589, СО, == 0,08%,
О, = 20,869/, 19,32°/, О, = 96,21 °/,
N, = 79,07%, 80,109, №, == 8,71 lo
100,00 °/, 100,00°/, 100,00°,,
Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . . . . . . . 38,1221
Nachher 85,188 1
2,989 1
994 A. Schloßmann und Н. Murschhauser:
Anfangsgewicht des Gasometers = 48,350 kg bei 108,71 Thermobarom.
Endgewicht я я == 75,860 » » 108,68 »
zugeführt — 25,346 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in О, = 0,9401
» э» CO, » О, = 0,0201
dazu 2,989 1
Nettosauerstoffverbrauoh 27,375 1 = 89,118 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,515 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. . 0,1281 Aus Lauge . . . .. . „== 19,859 1 ОО,
Nachher э ‚ . 1,0551 Gesamtkohlensäureprod. == 20,786 1
0,927 1 == 40,129 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,391 1
Respirstorischer Quotient . . . . . . . = 0,759
Stickstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . 144,501 М, aus О, (8,71°/,) . .
Nachher e ‚ . 145,660 1
1,1601 Differenz .... .==--0,2201
0,940 1
Versuch vom 11.1. 13.
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter oa. 9 Jahre.
Gewicht Dauer S
vorher des Versuchs Ernährung
10,41 kg 5 Std. 2>< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,2°; Ваг. korr. 760,8; Manometer -+ 0,11;
Thermobar. — 0,06; Hygr. 86.
Endwerte: Temperatur 20,8°; Bar. Zei 758,4; Manometer + 5,40;
Thermobar. + 1,68; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . „ 198,165 1 bei 21,2° und 754,24 mm Hg = 182,465 1
Endvolumen . . . 198,165 1 » 21,29 „ 74622 » » = 180,525 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Bauerstoffs
СО, = 0,07%, 0,49°/, СО, = 0,08°/,
О, = 20,86%, 18,850, О, == 96,21 °%
N, = 79,07%, 80,66%, М№, == 8,71%,
100,00°%/, 100,00°/, 100,00°%/,
Sauerstoffbilanz.
Vorher vorhanden . . . 38,062 1
Nachher » ‚ . + 84,029 1
4,033 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 295
Anfangsgewicht des Gasometers = 51,745 kg bei 109,23 Thermobarom.
Endgewicht п я == 76,570 я » 109,45 я
zugeführt — 22,741 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, іп О, = 0,844 1 |
H » CO,» О, = 0,0181
dazu 4,0881
Nettosauerstoffverbrauch 25,912 1 = 87,028 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,498 1.
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden . . 0,1281 Aus Lauge . . . . . . ==18,640 1 CO,
Nachher n . + 0,8841 Gesamtkohlensäureprod. == 19,396 1
0,756 1 == 38,005 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde == 0,872 1
Respirstorischer Quotient . . . . .. ‚ == 0,748.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 144,273 1 N, aus О, (8,719) . . = 0,844 1
Nachher я e . 145,613 1
1,340 1 Differenz. . . . . . = -|- 0,496 1.
Versuch vom 13.1. 13.
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter oa. 9 Jahre.
Gewicht Dauer 2
vorher des Versuchs Ernährung
9,95 kg 5 Std. 4 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,9°; Bar. korr. 755,7; Manometer +0,10;
Thermobar. — 0,07; Hygr. 48.
Endwerte: Temperatur 20,5°; Bar. korr. 756,6; Manometer -+ 5,58;
Thermobar. — 4,45; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 198,625 1 bei 21,9° und 746,51 mg Hg = 180,586 1
Endvolumen . . . . 198,625 1 » 21,9% » 747,83 » » == 180,906 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, = 0,07% 0,56°%/, СО, = 0,08°],
О, = 20,86%, 19,90%], О, == 96,21 °/,
N, = 79,07%, 79,549], N, = 3,71%
100,009, 100,00, 100,00 9),
Sauerstoffbilane.
Vorher vorhanden . . . 87,670 1
Nachher я . . + 36,000 1
1,670 1
996 A. Schloßmann und Н. Murschhauser:
Anfangswioht des Gasometers = 52,640 kg bei 110,86 Thermobarom.
Endgewicht n n = 78,500 я » 110,40 я
zugeführt == 23,469 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in O,= 0,8711
я » СО, a О, = 0,019 1
дата 1,670 1
Nettosauerstoffverbrauch 24,249 1 = 34,652 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,487 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden . . 0,1261 Aus Lauge. . . . . ‚ . = 16,9301 CO,
Nachher n . . 1,013 1 Gesamtkohlensäureprod. . = 17,817 1
0,887 1 = 34,911 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,858 1.
Respiratorischer Quotient. . . . . . . = 0,7385.
Stiokstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . 142,7901 N, aus О, (3,719/,). . = 0,8711
Nachher n e e ө 143,899 1
11091 Differenz .... . =-+0,2821
Versuch vom 17. I. 13.
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter ca. 9 Jahre.
Gewicht Dauer
vorher des Versuchs Emährung
9,50 kg 5 Std. 8>< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 22,0°; Bar. korr. 747,2; Manometer -|- 0,11;
Thermobar. 4 0,10; Heer. 51.
Endwerte: Temperatur 20,4°; Bar. korr. 747,1; Manometer -+ 4,35;
Thermobar. — 2,70; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 199,075 1 bei 22,0° und 738,21 mm Hg = 178,915 1
Endvolumen . . . . 199,075 1 » 22,09 » 73645 п » = 178,490 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
со, == 0,07 °| 0 0,89°/, со, == 0,08 °%
О, = 20,86°/, 19,98°/, О, = 96,21°/,
N, = 79,07%, 79,639], N, = 3,71%,
100,00°/, 100,009, 100,00°/,
Sauerstoffbilenz.
Vorher vorhanden . . . 87,322 1
Nachher n e e . 35,662 1
1,660 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 297
Anfangsgewicht des Gasometers — 53,195 kg bei 111,42 Thermobarom.
Endgewicht n л = 76,390 n»n » 111,34 я
zugeführt — 20,859 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, іп О, = 0,774 1
n n»n СО, » О, = 0,0171
dazu 1,660 1
Nettosauerstoffverbrauch 21,728 1 = 31,050 р.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,457 1.
Kohlensäurebilanz.
Vorher vorhanden. .... 0,1251 Aus Lauge.. . . . . == 15,496 1 CO,
Nachher n . . . 0,696 1 Gesamtkohlensäureprod. = 16,167 1
0,5711 = 31,678 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,340 1
Respiratorischer Quotient . . . . . . . == 0,744.
Stiokstoffbilanz.
Vorher vorhanden. . . 141,468 1 N, aus О, (3,71%/,) . . = 0,7741
Nachher » . . . 142,132 1
0,6641 Differenz... . . . . = — 0,1101.
Versuch vom 21.1. 13.
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter ca. 9 Jahre.
Gewicht Dauer "
vorher des Versuchs Ernährung
8,95 kg 5 Std. 12 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 20,0°; Ваг. korr. 736,2; Manometer -+ 0,08;
Thermobar. + 0,01; Hygr. 55.
Endwerte: Temperatur 20,0°; Bar. korr. 739,7; Manometer + 2,00;
Thermobar. — 1,79; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 199,625 1 bei 20,0° und 726,70 mm Hg = 177,821 1
Endvolumen . . . . 199,025 1 » 20,09 „ 72259 n» n = 176,283 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffis
СО, = 0,07°], 0,489, СО, = 0,089,
О, = 20,869, 19,389, О, = 96,219,
N, = 79,07%, 80,149, № = 3,71%,
100,00°/, 100,009, 100,009,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . . 37,094 1
Nachher n» . . . 84,168 1
2,931 1
Biochemische Zeitschrift Band 53. 21
298 A. Schioßmann und Н. Murschhauser:
Anfangsgewicht des Gasometers = 46,375 kg bei 112,61 Thermobarom.
Endgewicht ” a == 67,115 » » 111,92 D
zugeführt = 18,508 1 bei 0° und 750 mm Hg
davon ab N, in О, = 0,686 1
n у СО, » О, = 0,0151
dazu 2,931 1
Nettosauerstoffverbrauch 20,731 1 = 29,624 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,463 1.
Kohlensäurebilane:
Vorher vorhanden. . . 0,1241 Aus Lauge. . . . . „= 14,786 1 СО,
Nachher » ‚ . „ 0,846 1 Gesamtkohlensäureprod. — 15,508 1
0,722 1 == 30,386 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde == 0,846 1.
Respiratorischer Quotient . . e . . . . = 0,748.
Stiokstoffbilane:
Vorher vorhanden . . . 140,608 1 N, aus О, (8,71%/,). . = 0,684 1
Nachher я e . . 141,274 1
0,671 1 Differenz . . . . . = — 0,0131
Versuch vom 25. І. 13.
Versuchsobjekt: Hund Ш (Eiweißhund). Alter са. 9 Jahre.
Gewicht Dauer
vorher des Versuchs Ernährung
8,50 kg 5 Std. 16 >< 24 Std. nüchtern
Anfangswerte: Temp. 21,8°; Bar. korr. 751,1; Manometer 40,11;
Thermobar. + 0,06; Hygr. 51.
Endwerte: Temperatur 21,7°; Bar. korr. 751,8; Manometer -|- 3,43;
Thermobar. — 0,58; Hygr. 100.
Anfangsvolumen . . 200,075 1 bei 21,8° und 741,26 mm Hg = 180,678 1
Endvolumen . . . . 200,0751 n 21,89 » 735,81 » я» = 179,855 1
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs
СО, == 0,07% 0,329, СО, = 0,089/,
О, = 20,86%, 19,699, О, = 96,21 °/,
N, = 79,079, 79,999/, О, = 38,710,
100,00 °%/, 100,00°/, 100,009,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . . 37,689 1
Nachher n , . . 85,315 1
2,874 1
Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 299
Anfangsgewicht des Gasometers == 61,450 kg bei 111,04 Thermobarom.
Endgewioht в » = 81,280 » » 110,88 я
zugeführt = 17,904 1 bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in О, = 0,664 1
» » CO,» О, = 0,0141
dazu 2,8741
Nettosauerstoffverbrauch 19,600 1 = 28,009 g.
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,461 1.
Kohlensäurebilans:
Vorher vorhanden . . . 0,126 1 Aus Lauge . e « . e . = 14,1271 СО,
Nachher » ‚ . „ 0,574 1 Gesamtkohlensäureprod. = 14,575 1
0,448 1 == 28,558 g
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,343 1.
Respiratorischer Quotient . o . • • » = 0,744.
Sticokstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . 142,8631 М, aus О, (8,71%/,). „= 0,664 1
Nachher e ө ө 143,466 1
0,608 1 Differenz .....=—0,061 1
21*
Studien über die Topographie der Peroxydasen im
Verdauungsschlauch und über ihren Nachweis.
Së Von
Arthur Scheunert, Walter Grimmer und Peter Andryewsky.
(Aus dem Physiologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule
zu Dresden.)
(Eingegangen am 12. Juni 1913.)
Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiten über
das oxydierende Vermögen verschiedener Gewebe des Tier-
körpers veröffentlicht worden sind, ist man merkwürdigerweise
über das Vorkommen solcher Fermente in den Schleimhäuten
und Sekreten des Verdauungstraktus der höheren Tiere fast
gar nicht unterrichtet. Das ist um so auffälliger, als der Oxy-
dasegehalt des Speichels schon seit langem bekannt ist!) und
auch in Extrakten von Speicheldrüsen solche Fermente auf-
gefunden worden sind?), und ferner bei Wirbellosen ebenfalls
zahlreiche Untersuchungen in dieser Richtung vorliegen’).
Es erschien uns deshalb geboten, bei einigen Haustier-
arten in dieser Richtung Versuche anzustellen. Nachdem Vor-
versuche, in verschiedenen reinen Fistelsekreten oxydierende
Fermente nachzuweisen, negative Ergebnisse gehabt hatten,
richteten wir unser Augenmerk auf die Schleimhäute und
einige Drüsen des Verdauungsschlauches, und zwar ge-
langten außer den Speicheldrüsen noch die Tonsillen, in einigen
Fällen auch die Leber zur Verarbeitung. Auf Pankreas ver-
zichteten wir.
1) Schönbein, Poggendorfs Annal. 75, 351, 1848. — Carnot, Compt.
rend. Soc. Biol. 48, 552, 1896.
2) Slowzoff, Über die Oxydasen des Tierkörpers. Diss. St. Peters-
burg 1899 (russisch). — Sieber, zit. nach Malys Jahresber. 32, 944, 1903.
3) Literatur vgl. bei Battelli und Stern, „Die Oxydationsfermente“
in: Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. 12, 159, 232, 1912.
A.Scheunert, W. Grimmer u. Р. Andryewsky: Topographie usw. 301
Eine Entscheidung der Frage, ob in den untersuchten
Organen sog. echte Oxydasen oder Peroxydasen enthalten
seien, haben wir nicht versucht. Einmal muß berücksichtigt
werden, daß die Beantwortung dieser Frage an dem Umstande
scheitern mußte, daß unser Material mit absoluter Sicherheit nie-
mals völlig bis auf die letzten Spuren blutfrei zu erhalten war.
Andererseits existiert ein derart prinzipieller Unterschied nach
der nicht unbegründeten Anschauung von Bach und Chodat!)
zwischen den beiden Fermenttypen überhaupt nicht. Ver-
schiedene eigene Erfahrungen, die wir beim Aufsuchen einer
zum einwandfreien Nachweise einer fermentativen Oxydation
geeigneten Reaktion machten, scheinen auch uns für die Be-
rechtigung einer solchen Annahme zu sprechen. Wir be-
trachten also die von uns gefundenen Oxydations-
erscheinungen als die Wirkung von Peroxydasen, zu-
mal das von uns gewählte Reagens ein ausgesprochenes Per-
oxydasereagens ist.
Methodik des Nachweises der Peroxydasen.
Hinsichtlich der Methodik sei folgendes vorausgeschickt
Die zu oxydierende Substanz mußte verschiedenen An-
forderungen genügen:
1. Sie mußte bei einfacher Ausführung in rascher und
unzweideutiger Weise eine stattgehabte Oxydation erkennen
lassen. Diese Forderung wurde durch den Umstand diktiert,
daß wir genötigt waren, zwecks vergleichender Untersuchungen
stets auf einmal größere Versuchsserien anzustellen, deren Re-
sultate bei einer komplizierten und vor allem zeitraubenden
Technik leicht getrübt werden konnten.
2. Durch Blut, das dank seines Hämoglobingehaltes be-
kanntlich ähnliche Wirkung entfaltet, durfte diese Reaktion
keinesfalls ausgelöst: werden.
Die erste Anforderung läßt sich ohne weiteres erfüllen.
Wir besitzen in einer großen Zahl von aromatischen, leicht
oxydablen Substanzen vorzügliche Reagenzien, die eine Oxy-
dation durch das Auftreten mehr oder minder ausgesprochener
Farbenreaktionen erkennen lassen.
. 1) Bach und Chodat, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 36, 600, 1903.
— Chodat und Bach, ebenda 86, 606, 1903.
302 A. Scheunert, W. Grimmer опа Р. Andryewsky:
Viel größer ist die Unsicherheit hinsichtlich des zweiten
Punktes, wie auch aus den zahlreichen Widersprüchen ver-
schiedener Autoren hervorgeht.
In erster Linie kam das klassische Reagens, die Guajac-
tinktur, in Frage, das bis in die neuere Zeit den ersten Platz
unter den Oxydase- und Peroxydasereagenzien behauptete.
Erst seit kurzem sind Stimmen gegen die Verwendbarkeit der
Guajactinktur zum Nachweise oxydierender Fermente іп tieri-
schen Geweben laut geworden!), die nicht mit Unrecht darauf
hinweisen, daß auch Blut bei Gegenwart von Superoxyden
Oxydationserscheinungen in der Tinktur auslöst, so daß irrige
Schlüsse hinsichtlich oxydierender Substanzen fermentativer
Natur leicht möglich sind. Auch der Umstand, daß Blut auch
nach dem Erhitzen noch eine Oxydation auslöst, ein Ferment
aber nicht, kann nicht vor Irrtümern schützen, denn es ist
sehr leicht denkbar, daß, besonders wenn in den zu unter-
suchenden Extrakten nur sehr geringe Blutmengen enthalten
sind, das Hämoglobin, das die Oxydation bewirkt, von koagu-
lierendem Eiweiß eingeschlossen und so der direkten Berührung
mit dem oxydablen Bestandteile der Guajactinktur entzogen
wird?). Diese Einwände müssen aber schließlich für alle Sub-
stanzen, die nur bei Gegenwart von Superoxyden oxydiert
werden, Geltung behalten.
Wir sahen uns infolgedessen veranlaßt, zu versuchen, ob
sich mit Hilfe von Guajactinktur nicht doch ein Nachweis
oxydierender Fermente ermöglichen läßt. Blut bewirkt be-
kanntlich, und davon haben wir uns mehrfach beim Blute von
Rind, Schaf, Pferd, Schwein, Hund, Kaninchen überzeugt, nur
bei Gegenwart eines Superoxyds (altes Terpentinöl, Wasser-
stoffsuperoxyd usw.) eine Blaufärbung, während andere einwand-
frei blutfreie Substrate (Milch) oft auch, besonders bei An-
wendung älterer Guajactinkturen, ohne Zusatz von Super-
oxyden wirksam sind. Gegenüber roher Milch unwirksame
Guajactinkturen lassen sich leicht in brauchbare Tinkturen
überführen, wenn man zu 100 ccm 5°/,iger alkoholischer Harz-
1) v.Czyhlarz und e Fürth, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol.
10, 358, 1907 — Battelli und Stern, diese Zeitschr. 46, 317, 1912. —
Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. 3. Aufl. 1909.
De Czyhlarz und у. Fürth, |. с.
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 303
tinktur (aus Harz nach Entfernung der oberflächlichen Schicht
frisch bereitet) 3 bis 5 Tropfen (= 0,1 bis 0,2 ccm) 3°/,igen
Wasserstoffsuperoxyds fügt!). Solche Tinkturen entfalten eine
außerordentliche Wirksamkeit gegenüber roher Milch, nicht
aber gegenüber Blut. Bei Blut tritt erst nach dem Zu-
satze von Terpentinöl eine Reaktion auf?) Größere Mengen
von Wasserstoffsuperoxyd sind unter allen Umständen zu ver-
meiden, da einerseis die Intensität der fermentativen Oxydation
darunter leidet, andererseits Gefahr vorhanden ist, daß eine
ev. Reaktion auch durch Blut hervorgerufen sein könnte. Die
in nachstehender Tabelle niedergelegten Resultate eines in
dieser Richtung unternommenen Versuchs erläutern das eben
Gesagte.
0,5 com Gusjactinktur, enthaltend
in 100 com
о|1][|з [|5 | 8 | 10
Tropfen H,O, (3%/,ісе Lösung)
2ccm Milch . ..... ++
2ccm Submaxillarextrakt +
2 ccm verd. Blut (1:500 H,O) +?
An weiteren Reagenzien benutzten wir Rothenfußers
Reagens (1 Teil Paraphenylendiaminchlorhydrat in 15 Teilen
H,O + 2 Teile Guajacol, kryst. in 135 Teilen 96°/,igen Alko-
hols) und die von Battelli und Stern?) angegebene Jod-
kaliumstärke. In beiden Fällen konnten wir keine ein-
deutigen Resultate erhalten, da beide Reagenzien auch durch
Blut oxydiert werden und aus Jodwasserstofisäure durch Wasser-
stoffsuperoxyd bzw. Äthylhydroperoxyd schon spontan Jod frei-
gemacht wird. Wir haben die mit diesen Regenzien erhaltenen
Resultate zwar mit in unsere Tabellen aufgenommen, möchten
aber ausdrücklich betonen, daß wir sie in keiner Weise als
maßgebend betrachten. Wir geben sie gewissermaßen nur zur
1) Über die Verwendbarkeit von wasserstoffsuperoxydhaltiger Guajac-
tinktur bei der Milchuntersuchung berichtet schon Sohern, Berl. Tier-
ärztl. Wochenschr. 1911, Nr. 48.
*) Eine in demselben Sinne wirksame Tinktur liefert auch die Firma
Hauptner-Berlin, die wir mehrfach geprüft und anfangs auch benutzt
baben, über deren Herstellung uns aber nichts bekannt ist.
H Battelli und Stern, diese Zeitschr. 18, 44, 1907.
304 A. Scheunert, W. Grimmer und P. Andryewsky:
Illustration der Unsicherheit und daher Unbrauchbarkeit dieser
Methoden für die vorliegenden Zwecke wieder.
Da es uns sehr wünschenswert erschien, unsere Resultate
möglichst auch mit einer quantitativen Methode zu verfolgen,
versuchten wir, uns das von Battelli und Stern vorgeschlagene
Verfahren der Ameisensäurezersetzung!) dienstbar zu machen.
Wir verfuhren dazu zunächst mit unseren Extrakten genau
nach Vorschrift der genannten Autoren und wichen von dieser
nur insofern ab, als wir die gebildete CO, titrimetrisch im
vorgelegten Barytwasser ermittelten. Zahlreiche solche Ver-
suche verliefen aber völlig negativ. Dies veranlaßte
uns, unter genauer Befolgung der Vorschriften auch Leberbrei
verschiedener Tierarten, mit dem die genannten Autoren
vielfach gearbeitet haben, heranzuziehen. Sehr zahlreiche Ver-
suche ergaben auch hiermit anfänglich überhaupt keine Re-
sultate, erst in jüngster Zeit erhielten wir, ohne die Gründe
hierfür erkennen zu können, eindeutige Resultate im Sinne
von Battelli und Stern.
Hierdurch ermutigt, versuchten wir die Methodik auch für
unsere Extrakte brauchbar zu gestalten und hielten es dazu,
dem Beispiel von Battelli und Stern folgend, für erforderlich,
zunächst die Optima der Säurekonzentration für die Wirkung
der Guajacperoxydase in unseren Extrakten festzustellen. Diesen
Versuchen dienten ausschließlich Submaxillarextrakte des Rindes,
von denen wir је 2ccm mit 2 ccm Wasser oder Säure ver-
schiedener Konzentration auf 4 ccm auffüllten und dann mit
је 0,5 ccm Guajactinktur versetzten. Die Versuchsanordnung
und die erhaltenen Resultate sind aus nachstehender Tabelle
ersichtlich.
Wir sehen, daß es zwar gelingt, durch Zusatz von Salz-
säure die Reaktionsfähigkeit einiger Extrakte gegenüber Guajac-
tinktur zu steigern, daß diese Säuremengen aber ganz minimale
sind. Bereits eine Konzentration von höchstens 0,1°/, Salz-
säure hebt in der größten Zahl der Fälle die Reaktion voll-
kommen auf, in einem einzigen Falle steigt das Aciditäts-
maximum auf 0,11°/, HCl, ist aber immer noch bei weitem
niedriger als die von Battelli und Stern angegebenen Säure-
1) Battelli und Stern, Le
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 305
konzentrationen bei der Oxydation der Ameisensäure durch
Gewebe. Wir müssen allerdings berücksichtigen, daß wir Ge-
webe und Extrakte nicht ohne weiteres identifizieren können
und daß die ersteren sicher ein größeres Säurebindungsvermögen
besitzen als die letzteren.
Tabelle I.
Reaktionsausfall in Submaxillardrüsen-
extrakt von
2 | 2,00 | 0,00 | 0,00 + | ++ + + ++
2 1,95 0,05 0,01 + оа ++ ++ —
2 | 190 | 010 | 008 | ++ » ++ ышы `
2 1,85 0,15 0,04 + n ++ n n
2 1,80 0,20 0,05 + n + ” n
2 | 175 | 025 [006 | + | + — + +
2 | 170 | 0,30 | 0,08 | =] + — e +
2 | 165 | 0,35 | 0,09 | — | ++ |, ?
2 | 1,60 | 0,40 | 010 | — + n _ —
2 1155 | 0,45 | 01 | — + n — _
2 | 150 | 050 | 018 | — = n _ —
2 |1,5 | 0,75 | 019 | - = a | - —
Zeichenerklärung. Es bedeuten: — keine; + schwache; + deut-
liche; ++ starke; +++ sehr starke Guajacreaktion.
Wir versuchten nun mit Hilfe der für unsere Extrakte
ermittelten Säureoptima eine Ameisensäurezersetzung zu er-
halten. Wir setzten dazu je 50 ccm Submaxillarextrakte der
Rinder П, III, У mit je 100 ccm Calciumformiatlösung an
und brachten die Gemische auf die für die Guajactinktur
günstige Reaktion von 0,06°/, (Rind П), 0,02°/, (Rind III)
und 0,01°/, (Rind У) HCl. Diese Versuche verliefen aber
völlig negativ. Wir konnten ebensowenig eine Oxydation
beobachten wie bei einer höheren Säurekonzentration von
0,3%) ,-
Durch weitere Versuche mit Leber und Niere von Rind
und Pferd stellten wir fest, daß weder diese Gewebe selbst
noch die daraus hergestellten Extrakte imstande waren, unsere
aktive Guajactinktur zu oxydieren, während die ersteren eine
ziemlich weitgehende Zersetzung der Ameisensäure bewirkten.
Wir benutzten in allen Fällen 30 g Brei bei einer Acidität
von 0,2°/, Salzsäure. Die Ergebnisse sind folgende:
306 A. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewaky:
Gebildete CO,-Menge
Leber vom Pferd. . . . 17,2 mg
Niere » no a... 26,4 »
Leber » Rind. . . . 58,1 »
Меге » no e.. . 18,2 np
Auf Grund der vorliegend geschilderten Versuche können
wir uns der Ansicht von Battelli und Stern, daß es sich
bei der Oxydation von Ameisensäure einerseits, von Guajac-
tinktur andererseits, um Wirkungen desselben Fermentes han-
delt, nicht anschließen, denn
1. konnten wir mit Drüsen- und Schleimhautextrakten,
die positive; Peroxydasereaktion zeigten, keine Oxyda-
tion der Ameisensäure bewirken;
2. konnten wir umgekehrt in Geweben und deren Ex-
trakten (Leber, Niere), die Ameisensäure zu oxydieren ver-
mögen, keine Guajacperoxydase nachweisen.
Tabelle П.
Submaxillarextrakt Rind VI Submaxillarextrakt Rind VII
0 8 Й g
Reaktion gegen 5 |Я Reaktion gegen 2
Datum Ze EER 56 ЕЕ
89 8 E| Gunjaool |Jodkalium| 2 | SZ $ 5| Guajacol |Jodkalium|s FF
р Ё EK allein T allein + Eë" E ck allein T allein Fia
53 HO, H,0,| 3 |н |55 H,O, H,O, $
25.17.01 -ı+| -|+|-I|+|+|-|+|-|+|i-| +|+
26.IV. i+|i+|-|+|-|+|+|+| +|-|+]|-|+]|+
27.17. | +|+|-|+|-|+|+ | +|+|-|+])-|+]|)+
28.17. I+|+| -| +! -| +|+|*+| +r|--| +|-|+!|+
29.IV. I+| +| - | +|-|+| + Téik kl tik
80.17.91 +|+|-|+|-|+| + | + | MECH EE AE
8. V. + Гор И Е Р a a О De a е же шш Ковш
10. V ок]. ne ж Ee же, яз. Беке Косшы Үш aa | “же |
17.V ak ls ЕЕ zl se КЕН: +!—|—— Is LI — Il sl Ah
Über die Natur der oxydierenden Agenzien läßt sich vor-
läufig nichts sagen. Nach Battelli und Stern werden sie
durch eine kurz andauernde Digestion mit Trypsin nicht zer-
stört, ein Umstand, der gegen die Eiweißnatur des Fermentes
zu sprechen scheint. Unsere eigenen Versuche ergaben eine
1) Gleich nach erfolgter Prüfung erfolgte die Verdauung mit Pan-
kreatin.
2?) An diesem Tage wurden die Extrakte mit dem gleichen Volumen
Wasser versetzt.
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 307
große, aber keine völlige Resistenz gegen Trypsin. Zum Ver-
suche dienten die hochgradig wirksamen Submaxillarextrakte
von zwei Rindern, die, mit Pankreatin versetzt, längere Zeit
bei Bruttemperatur belassen wurden. Das Verhalten derselben
ist aus vorstehender Tabelle II ersichtlich.
Es ergibt sich daraus, daß die Guajacreaktion selbst nach
einer 16tägigen Verdauung mit Trypsin noch bestehen blieb,
erst nach dieser Zeit verschwand sie. Die übrigen Reaktionen
(mit Guajacol und Jodkaliumstärke) wurden etwas früher unter-
drückt, bei Rind VI war nach 14 Tagen die Reaktion noch
positiv, bei Rind VII um dieselbe Zeit bereits negativ. Wir
haben es demnach bei den Guajactinktur und Guajacol sowie
Jodwasserstoff oxydierenden Substanzen mit Substraten zu tun,
die von Trypsin, wenn auch schwer, angreifbar sind.
Über das Vorkommen von Peroxydasen im Verdauungstrakt.
1. Versuchsanordnung.
Bei unseren Versuchen wurden stets die ganz frischen,
meistens noch lebenswarmen, von geschlachteten Tieren stam-
menden Organe benutzt, die wir in folgender Weise präparierten:
Nach genügender Säuberung der Eingeweide mit Leitungs-
wasser wurde die drüsenhaltige Partie der Schleimhaut, die
Lamina propria (glandularis) des betreffenden Organs möglichst
rein von den darunterliegenden Teilen abpräpariert bzw. ab-
zupräparieren gesucht. In einigen Fällen gelang es, die Propria
vollkommen isoliert zu gewinnen, in anderen war es dagegen
nicht möglich, dieselbe von der Muscularis mucosae und der
Submucosa vollständig abzutrennen (z. B. beim Dünndarm
von Hund und Schwein, und beim Dickdarm vom Rind). Alle
sichtbaren Blutgefäße der an der Schleimhaut verbleibenden
Reste wurden in diesem Falle sorgfältig entfernt.
Die Drüsen (Speicheldrüsen) sowie die Tonsillen und Lymph-
knoten präparierten wir so, daß sie möglichst frei von Blut-
gefäßen, Nerven und Bindegewebe waren, zerstückelten sie dann
mit der Schere und wuschen diese Teile, wie auch die in der
geschilderten Art abpräparierte Mucosa des Verdauungstraktus -
häufig in physiologischer Kochsalzlösung, um sie völlig von
etwaigen Blutresten zu befreien. Hierauf wurden sie möglichst
fein gehackt.
308 A. Scheunert, W. Grimmer und P. Andryewsky:
Der so hergestellte Brei wurde dann mit der doppelten
Gewichtsmenge physiologischer Kochsalzlösung unter Zusatz von
Toluol bei Zimmertemperatur im Dunkeln ca. 20 bis 30 Stunden
stehen gelassen.
Die Extrakte stellten schwachgelbliche, eiweißreiche Flüssig-
keiten dar, die besonders bei den Submaxillar- und Sub-
lingualspeicheldrüsen und einigen Teilen des Verdauungstraktus
infolge der Anwesenheit größerer Mengen von Schleim eine
sehr zähe Konsistenz aufwiesen. Die weitere Aufbewahrung
der Extrakte geschah unter Toluol bei Zimmertemperatur im
Dunkeln. Zahlreiche Versuche haben gezeigt, daß solche Ex-
trakte die unverminderte Oxydationsfähigkeit mindestens 3 bis
4 Wochen behalten. Nach 2 bis 3 Monaten verschwindet diese
Fähigkeit vollständig.
Zur Untersuchung auf Guajacperoxydase verwendeten
wir је 2 ccm der Extrakte und 0,5 ccm Guajactinktur, die
Prüfung mit Rothenfußerschem Reagens wurde in der gleichen
Extraktmenge mit 3 Tropfen Rothenfußerschem Reagens und
3 Tropfen Äthylhydroperoxyd (0,1°/,) ausgeführt; bei der Prü-
fung mit Jodkaliumstärke folgten wir den Angaben von
Battelli und Stern.
2. Versuchsergebnisse. |
Unsere Untersuchungen erstreckten sich auf Omnivoren,
Herbivoren und Carnivoren.
Als Vertreter der Omnivoren verwendeten wir das
Schwein. Die Resultate sind in Tabelle III zusammengestellt.
Es sei nochmals dazu bemerkt, daß wir den Hauptwert den
mit Guajactinktur erhaltenen Resultaten beimessen, während
wir den mit den anderen Reagenzien gewonnenen Ausschlägen
nur eine Bedeutung als Kontrolle zuerkennen.
Die folgende Tabelle III zeigt, daß bei den beiden zur Unter-
suchung herangezogenen Tieren die Guajacprobe eine recht gute
Übereinstimmung ergab. Widersprechende Resultate ergab nur
die Untersuchung der Parotiden, deren Extrakte bei Schwein I
gar keine, bei Schwein II hingegen eine rasche und starke
Bläuung der Guajactinktur bewirkten. Die Ursache dieses
Unterschiedes vermögen wir nicht zu erklären. Er war jeden-
falls vorhanden und bestand nicht nur gegenüber der Guajac-
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 309
tinktur, sondern auch den beiden Kontrollreagenzien gegen-
über. Wir haben zur Erklärung noch die Parotiden einiger
anderer Tiere untersucht und dabei gefunden, daß bei weiteren
drei Tieren die Reaktion mit Guajactinktur positiv ausge-
fallen ist.
Tabelle III
| Schwein.
Extrakte von Schwein I Schwein II
© rt , а С т Ог
8 4. г». Bis г»
SEA TIE
og Kal Ek Kai
= (2 Ss
Reagenzien Reagenzien
-+
Submaxillarisdrüsen . . . .| +
Sublingualisdrüsen . . . . . +++
Oesophagusschleimhaut .
Cardiadrüsenschleimhaut . . | +
--
+
+
rt
--
+
Ре. 4
+
+
+++ 1
+
Fundusdrüsenschleimhaut . .
Pylorusdrüsenschleimhaut
Duodenalschleimhaut
Jejunalschleimhaut e
Ileumschleimhaut . . . . .
Caecalschleimhaut . . . . .
Colonschleimhaut . ....
Rectalschleimhaut . . . . .
RA BC we 8 ee A
EEE FT
FENISTIL IT
FIRE RA
Se RK EA EE)
ERT Lé AE?
Zeichenerklärung: +++ sehr stark positiv; ++ stark positiv;
+ deutlich positiv; + schwache, aber deutliche Reaktion; 4 schwache,
zweifelhafte Reaktion; — negativ; (—) nach +-Zeichen rasche Entfärbung.
Diese Zeichen beziehen sich auf alle Tabellen.
Wir können somit als Regel annehmen, daß der Parotis-
extrakt des Schweines eine Guajactinktur stark oxydierende
Substanz enthält.
Submaxillar- und Sublingualextrakte verhielten sich
bei den beiden Tieren übereinstimmend und gaben durchweg
positive Reaktionen. Bezüglich der Sublinguales ist zu be-
merken, daß wir bei diesen Drüsen bekanntlich zwei durch
ihren anatomischen Bau charakterisierte Drüsen, die Gl. sub-
lingual. polystomatica und Gl. sublingual. monostomatica unter-
scheiden. Diese wurden bei einem Schwein getrennt verarbeitet
und extrahiert: beide Extrakte gaben übereinstimmend stark
positive Reaktionen.
310 A. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewsky:
Sehr interessant ist das Verhalten der Magenschleim-
hautextrakte des Schweine. Die Cardiadrüsen führende
Schleimhautpartie des Magens enthält nach diesen Befunden
Guajactinktur oxydierende Fermente; die anderen, Fundus-
und Pylorusdrüsen führenden Schleimhautzonen hingegen
nicht. Wir haben noch bei acht weiteren Tieren Cardia-
drüsenschleimhautextrakte hergestellt, und nur in einem Falle
einen negativen Ausfall der Guajacprobe erhalten. Dieser Befund
ist besonders deshalb von Interesse, weil über die Funktionen der
Cardiadrüsen durch Untersuchungen aus unserem Institut be-
kannt ist, daß sie ein pepsin- und salzsäurefreies alkalisches
Sekret, das eine Diastase enthält, absondern. Das Sekret der
Cardiadrüsen ist also ganz anders zusammengesetzt als der von
den übrigen Drüsen der Magenschleimhaut abgesonderte Magen-
saft. Es werden demnach in ihnen auch andere Vorgänge ab-
laufen, die die Anwesenheit eines oxydierenden Ferments in
der Cardisadrüsenschleimhaut und seine Abwesenheit in der
übrigen Magenschleimhaut erklären. Da die Cardiadrüsen-
schleimhaut sehr reich an Lymphknötchen ist, glaubten wir
auch das Vorhandensein des oxydierenden Ferments auf diese
zurückführen zu müssen. Diese Auffassung ließ sich aber, wie
weiter unten ausführlich belegt werden soll, nicht bestätigen.
Von der Schleimhaut des Darmes äußerten nur die
Extrakte der Schleimhaut von Jejunum und Ileum oxydierende
Wirkung auf Guajactinktur. Auch dieses Verhalten wurde mehr-
fach kontrolliert. Unter 6 Tieren fiel bei einem die Guajac-
tinkturreaktion im Jejunalextrakte negativ aus.
Auf Grund der zahlreichen, bei verschiedenen Individuen
erhaltenen übereinstimmenden positiven Reaktionen mit Guajac-
tinktur in Extrakten ganz bestimmter Schleimhautabschnitte
ist es wohl als sicher anzunehmen, daß hier keine Zufalls-
erscheinung vorliegt, sondern in der Tat in diesen Schleim-
häuten Peroxydasen vorhanden sind.
Andererseits zeigten die Ergebnisse der Untersuchungen mit Rothen-
fuBerschem Reagens und Jodkaliumstärkekleister nicht immer überein-
stimmende Resultate. Beide Reaktionen sind, wie schon in der Ein-
leitung erwähnt, sehr unsicher und können offenbar außer von Peroxydasen
auch von anderen Substanzen hervorgerufen werden. Hierauf weist auch
bei der Rothenfußerschen Reaktion die Tatsache hin, daß sie häufig
in gekochten Extrakten positiv verläuft.
Topographie d. Регохудавеп im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 311
Bei der Besprechung des Verhaltens der Cardiadrüsenschleimhaut
gegen Guajactinktur war schon auf den Reichtum dieser Schleimhaut
an Lymphknötchen hingewiesen worden. Auch von der Darmschleim-
haut des Schweines ist bekannt, daß sie reichlich Lymphfollikel enthält.
Ganz besonders reich an oytoblastischem Gewebe sind aber die distalen
Darmabschnitte. Hier liegen gerade beim Schwein besonders mächtige
Peyersche Platten‘). Es lag infolgedessen nahe, das Iymphadenoide Ge-
webe mit dem Vorhandensein von Peroxydasen in Verbindung zu bringen,
dieses um so mehr, als das Iymphadenoide Gewebe Leukooyten produziert
und Leukocyten oxydierende Fermente, wie seit langem bekannt ist,
enthalten.
Portier’, Vitali, Е. Meyer‘), Brandenburg?) u. a. baben
unzweideutig nachgewiesen, daß Leukooyten Quajactinktur direkt ohne
Zusatz eines Peroxyds, also ebenso wie unsere Extrakte, zu bläuen ver-
mögen.
Wir haben deshalb in der Richtung Versuche angestellt,
die zeigen sollten, ob die von uns beobachtete Oxydation der
Guajactinktur etwa durch die in der Schleimhaut des Ver-
dauungstraktus vorhandenen Iymphadenoiden Gewebe, die ја
auch Leukocyten enthalten, hervorgerufen werden.
Die Ergebnisse dieser Versuche sind, wie vorausgeschickt
sei, durchweg so verlaufen, daß wir das cytoblastische Gewebe
der untersuchten Schleimhäute nicht als Träger der beobach-
teten oxydierenden Substanz anzusehen vermögen.
Wir stellten zunächst von Mesenteriallymphknoten
und von den Tonsillen (vgl. Tabelle III) Extrakte her. Diese
Extrakte vermochten Guajactinktur nicht zu bläuen. Bezüglich
der Mesenteriallymphknoten hatte das schon Schultze®) fest-
gestellt.
1) May, Vgl. anatomische Untersuchungen der Lymphfollikel-
apparate des Darmes der Haussäugetiere. Diss. Dresden/Gießen 1903.
N) Portier, Oxydation du sang des mammifères. Compt. rend.
Soc. Biol. 50, 452, 1898.
з) Vitali, Über ein oxydierendes Ferment im Eiter. R. Acad. delle
бо. di Bologna 1901; zitiert nach Referat i. Jahresber. f. Tierchem.
81, 877.
t) Е. Meyer, Beiträge zur Leukooytenfrage. Münch. med. Wochen-
schr. 1908, 1489. — Über die oytodiagnostische Bedeutung der Guajac-
reaktion. Ebenda 1904, 1578.
5) Brandenburg, Über die Reaktion der Leukocyten auf die
Guasjactinktur. Münch. med. Wochenschr. 1900, 183.
6) Sohultze, Oxydasenreaktionen an Gewebsschnitten. Zieglers
Beiträge 45, 127, 1909.
312 А. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewsky:
Ferner wurden aus der Schleimhaut von Jejunum und
Ileum des Schweines die Peyerschen Platten herauspräpariert
und diese gesondert von der übrigen Schleimhaut extrahiert.
Bei der vergleichenden Prüfung dieser Extrakte mit denen der
übrigen Schleimhaut derselben Darmabschnitte zeigte sich dann,
daß ein Unterschied zwischen der Schnelligkeit und Intensität
der Bläuung nicht bestand. Die Extrakte aus an cytoblasti-
schem Gewebe armer Schleimhaut verhielten sich genau so, wie
die Extrakte aus den Peyerschen Platten.
Endlich ist zu bemerken, daß die stark oxydierend wirkenden
Extrakte, besonders von Speicheldrüsen, die sehr arm an cyto-
blastischem Gewebe sind, im Gegensatz zu den an Leukocyten
reichen Schleimhäuten der Endabschnitte des Darmes, die Guajac-
tinktur nicht zu bläuen vermögen, die Guajactinktur ausge-
Sprochen stark bläuen. Die oxydierende Wirkung der
Magendarmschleimhautextrakte ist also nicht auf die
Anwesenheit Iymphatischer Gewebe oder von Lympho-
cyten zurückzuführen, vielmehr müssen wir unsere Ansicht
dahin aussprechen, daß die Schleimhäute an sich eine
Guajacperoxydase enthalten.
Als Vertreter der Herbivoren haben wir Pferd, Rind
und Schaf zu unseren Untersuchungen herangezogen und wollen
zunächst die an Pferden gewonnenen Ergebnisse hier besprechen.
Die an zwei Tieren gewonnenen Ergebnisse sind in der Tabelle IV
geordnet.
Die bei beiden Tieren mit Hilfe der Guajacreaktion
gewonnenen Ergebnisse stimmten in durchaus befriedigender
Weise überein. Sie sind insofern interessant, als eine deutliche
Reaktion nur in den Extrakten der Sublingualdrüsen kon-
statiert werden konnte. Die Extrakte von Fundusdrüsen und
Jejunalschleimhaut bewirkten zwar zunächst eine geringfügige
Bläuung der Guajactinktur, der aber binnen kurzem eine
Entfärbung folgte. Im übrigen aber verhielten sich, wie
aus der Tabelle ersichtlich ist, die Extrakte sämtliche
Schleimhautpartien negativ. Es besteht also keinerlei Über-
einstimmung mit den Ergebnissen, die wir bei der Unter-
suchung des Verdauungsapparates des Schweines erhalten
hatten.
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 313
Tabelle IV.
Pferd.
Parotisdrüsen `... e ex sl — [+++
Submaxillardrüsen . . . . .I — ++
Sublingualdrüsen . . . . . + ++
Oesophagusschleimhaut . .| — —
Pars oesophagea des Magens | — +
Fundusdrüsenschleimhaut . . |с (—) Y +++
Pylorusdrüsenschleimhaut . | — ++
Duodenalschleimhaut . A +
Jejunalschleimhaut . +
Deumschleimhaut . . +
Caecalschleimhaut . . . . . +++
Colonschleimhaut ..... — +
+
+++
4
Lober е е о e ° е ° ° І ; —
tr
III ı a I I IHII+I 1 I
жаяа афф
ганына фа
Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle III, 8. 309.
Im Gegensatz zur Guajacreaktion hatten die Reaktionen
mit Rothenfußerschem Reagens und mit Jodstärke weit öfter
positive Ergebnisse, die aber, wie ebenfalls die Tabelle zeigt,
bei den beiden Tieren durchaus nicht parallel verliefen. Es
ergibt sich hieraus zweierlei, erstens die Unsicherheit dieser
Reaktion überhaupt, deren Ausfall offenbar von unkontrollier-
baren Faktoren weitgehend beeinflußt wird, zweitens, daß diese
Reaktionen von Substanzen bewirkt werden, die nicht mit
denjenigen, die die Guajacbläuung hervorrufen, iden-
tisch sind. Besonders die Unsicherheit dieser Reaktionen be-
stärkte uns immer mehr in der Ansicht, daB weder die Rothen-
fußersche noch die Jodstärkereaktion geeignet sind, entschei-
dende Auskünfte über das Vorkommen oxydierender Fermente
in tierischen Geweben oder deren Extrakten zu geben.
Als Vertreter der wiederkäuenden Herbivoren
wurden Rind und Schaf zur Untersuchung herangezogen.
1) (—) schnelle Entbläuung.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 22
314 A. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewaky:
Die Ergebnisse der Versuche am Rinde finden sich in
Tabelle V.
Tabelle V.
Rind.
Rothen-
fußer
Jodstärke
Reagenzien
Tonsillen . . ....... —
Parotisdrüsen . . . . . . . —
Submaxillarisdrüsen . . . . | +++
Sublingualisdrüsen . . . . . +
Oesophagusschleimhaut . . . | —
Psalterschleimhaut . . . . . —
Fundusdrüsenschleimhaut . . | +++
Pylorusdrüsenschleimhaut . | +++
Duodenalschleimhaut . . . .| +
Jejunalschleimhaut. . .. .I ++
Deumschleimhaut . . . . . | +++
Caecalschleimhaut . . . . . —
Colonschleimhaut . . . . . +
Rectalschleimhaut . . . . .| —
Leber ° ө ө е е э оо ө е ө е
+++
+++
+
+
+
++
+++!
їл! ПЕТЕ 1
жагана +!
+|
Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle ПТ, S. 809.
Im Gegensatz zum Pferd findet sich beim Rinde viel
häufiger ein positiver Ausfall der Guajacreaktion, die zum
Teil, und zwar in Extrakten von Submaxillaris-, Pylorus-
drüsen-, Jejunal- und Ileumschleimhäuten, außerordent-
lich kräftig war. Unterschiede bestehen bei den beiden ver-
wendeten Individuen nur bezüglich der Extrakte der Parotis-
und der Fundusdrüsenschleimhaut. Bezüglich der Parotis
haben wir an drei anderen Tieren Kontrollen angestellt, die
ergaben, daß in keinem Falle eine Oxydationswirkung eintrat.
Wir müssen demnach auf Grund der beobachteten vier nega-
tiven Fälle, denen nur ein positiver Fall gegenübersteht,
annehmen, daß ebenso wie beim Pferde auch beim Rinde die
Parotidenextrakte in der Regel keine Peroxydasen enthalten.
Bezüglich der Fundusdrüsenschleimhaut möchten wir
auf den Widerspruch der beiden Resultate wenig Wert legen,
da die Fundus- und Pylorusdrüsenschleimhaut allmählich in-
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 315
einander übergehen, und zwar durch eine makroskopisch schwer
erkennbare Übergangs- (Intermediär-) zone, die sowohl Fundus-
als Pylorusdrüsen enthält. Es ist nicht ausgeschlossen, daß
diese Intermediärzone mit zur Fundusschleimhaut gelangt und
-mit dieser extrahiert worden ist, so daß Fundusdrüsenextrakt
noch Extrakt aus Pylorusdrüsen enthielt.
Was die Rothenfußersche und die Jodstärkereaktion
anlangt, so sehen wir auch beim Rind, daß der Ausfall der-
selben durchaus nicht konstant ist und auch nicht mit dem
der Guajacreaktion übereinstimmt. Wir haben im Gegenteil
bei starker Guajacreaktion oft schwache oder negative Rothen-
fußersche und Jodstärkereaktion und umgekehrt. Interessant ist,
daß auch Leberextrakt keine Gusjacbläuung hervorzurufen
imstande war.
Als weiteren Vertreter der Wiederkäuer wählten wir das
Schaf.
Tabelle VI.
Schaf.
Extrakte von Schaf I Schaf II
' © ` ©
ЧЕЧЕ |ан | 1Д 3
Eé Е а
35 |а 13 [55 |а | 3
Reagenzien Reagenzien
Tonsillen ......... _ + — | — + Ма
Parotisdrüsen . . . . . . . — ++ + — 4 +
Submaxillardrüsen . . . . . — + + = + =
Sublingualdrüsen ..... + — + + — +
Oesophagusschleimhaut . . _ + + _ _ +
Psalterschleimhaut . . . . . _ _ _ = =: =
Fundusschleimhaut gel F — _ _ — =
Pylorusschleimhaut . . . .I ++ — _ + = z
Duodenalschleimhaut . . . . {| + _ — == — =
Jejunalschleimhaut. . . . . +++ 1 — — | +++ 1 — =
Deumschleimhaut `... ++! ze = [+++ — =
Caecalschleimhaut . . . . . + _ — + = _
Colonschleimhaut . . . . . +++ | — _ + = _
Rectalschleimhaut . . . . . — — — — _ —
Leber: o Ze # жа ж ж жез — — —
Serum .......... — — _ _ —
Blut а.а... = + — — +
Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle III, S. 309.
Die hierbei erhaltenen Resultate stimmen mit denen beim
Rinde durchaus überein, nur in einem Punkte ergab sich eine
22%
316 А. Soheunert, W. Grim mer und Р. Andryewsky:
Differenz, insofern als die Submaxillarextrakte des Schafes
keine Reaktion gegen Guajactinktur zeigten, während diese beim
Rinde außerordentlich wirksam waren. Der Parotidenextrakt
des Schafes war unwirksam. Der Sublingualextrakt ver-
hielt sich dem des Rindes entsprechend. Von der Magen-
schleimhaut gab die Fundusportion beim ersten Tiere eine
sehr schwache Reaktion. Zwischen der Pylorusdrüsenschleim-
haut und den Schleimhäuten des Darmes bestanden bezüglich
der sonst positiv verlaufenden Reaktionen graduelle Unter-
schiede von den Befunden beim Rinde. Nur der Duodenal-
extrakt verhielt sich insofern anders, als derselbe bei Schaf II
überhaupt negativ reagierte.
Tabelle VII.
Hund.
Extrakte von Hund I
TO EE —
Parotisdrüsen . „ . . . é +++
Submaxillardrüsen . . . . . —
Sublingualdrüsen ..... +
Oesophagusschleimhaut . . .| +
+
+
4-
117171
I+II]
Fundusschleimhaut `, . . . .
Fundus muscularis. . . ..
Pylorusschleimhaut ....
Duodenalschleimhaut. . . .
Jejunalschleimhaut . . . ..
Ileumschleimhaut .....
Caecalschleimhaut . . . . .
Colonschleimhaut .....
Rectalschleimhaut . . .. .
eme, u kA e жэ
жанне +++ ++
tere
IE
++ 1 ҥ+1]+1{
атта 1
Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle III, 8. 309.
Auffällig ist ferner, daß die Rothenfußersche und die
Jodstärkereaktion bei den zwei untersuchten Wiederkäuer-
arten gar nicht übereinstimmten, indem beide beim Schaf meist
negativ verliefen. Auch eine Übereinstimmung der Ergebnisse
dieser Reaktionen mit denen der Guajacprobe bestand nicht. Es
deutet dies unseres Erachtens wieder darauf hin, daß zwischen
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihrNachweis. 317
den Bestandteilen der Extrakte, die die Gujacreaktion, die
Rothenfußersche und die Jodstärkereaktion hervorrufen, keine
Übereinstimmung besteht, sondern, daß für jede der drei Reak-
tionen verschiedene Ursachen vorliegen.
Als Vertreter der Carnivoren untersuchten wir den
Verdauungsapparat des Hundes in der gleichen Weise.
Übereinstimmend mit den Resultaten Slowzoffs war hier
in den Parotidenextrakten ein überaus starkes Gujactink-
tur oxydierendes Ferment enthalten. Die Submaxillaris-
drüsenextrakte reagierten hingegen negativ, während Sublin-
gualisdrüsenextrakte wie bei den anderen Tieren wieder
positive Reaktionen ergaben. Von Interesse ist, daß sich bei
einem Hund der Extrakt der oesophagealen Schleimhaut
als peroxydasehaltig erwies. Eine Erklärung dieser vielleicht
auffälligen Tatsache ist wohl darin zu erblicken, daß
die Oesophagusschleimhaut des Hundes reich an Drüsen ist,
die des Pferdes und der Wiederkäuer aber frei davon sind,
während die des Schweines nur in der Anfangshälfte Drüsen
und cytoblastisches Gewebe enthält. Die Magenschleimhaut
enthielt kein oxydierendes Ferment, hingegen war ein solches
in der gesamten Dünndarmschleimhaut aufzufinden. Durch-
weg war in dieser die Reaktion aber nicht so stark wie irf der
Parotis und den entsprechenden Extrakten der Wiederkäuer.
Die Dickdarmschleimhautextrakte reagierten negativ bis auf
die Caecalschleimhaut von Hund I, die eine schwach positive
Reaktion zeigte.
Die Ergebnisse der mit den beiden anderen Reagenzien
angestellten Versuche zeigen hier besonders auffällig durchaus
keine Übereinstimmung. Weder ergeben die Befunde unter-
einander und mit der Guajacreaktion noch bei den beiden In-
dividuen eine Übereinstimmung.
Zusammenfassung der Resultate.
Die im vorstehenden geschilderten Versuche haben folgende
Ergebnisse gehabt:
1. Es gelingt mit Guajactinktur ein gut brauchbares
Peroxydasereagens herzustellen, wenn man zu 100 ccm
frischer inaktiver Tinktur 0,1—0,2 ccm 3°/ ige Wasserstoff-
superoxydlösung hinzufügt. Eine solche Mischung (aktive
318 А. Scheunert, W. Grimmer апа Р. Andryewsky:
Guajactinktur) gibt mit peroxydasehaltigen Gewebsextrakten
und blutfreien Flüssigkeiten (Milch, Speichel) eine sofortige
Bläuung. Blut hingegen bewirkt keine Oxydation. Diese er-
folgt mit Blut erst dann, wenn größere Mengen Wasserstoff-
superoxyd oder andere Superoxydlösungen (Äthylhydroperoxyd,
Terpentinöl) zugesetzt werden.
2. Die Reaktionen nach Rothenfußer und diejenigen
mit Jodstärkekleister geben Resultate, die weder bei ein-
zelnen Individuen derselben Art untereinander, noch mit der
gleichzeitig angestellten Guajacreaktion übereinstimmen. Schon
infolge der Unsicherheit der Resultate sind diese Res-
genzien zum Nachweis oxydierender Fermente in Gewebs-
extrakten nicht geeignet, außerdem wird ihr Ausfall schein-
bar von Substanzen bewirkt und beeinflußt, die nicht mit
den eine positive Guajacreaktion hervorrufenden
Substanzen identisch sind.
3. Mit Hilfe der Guajactinktur konnten wir folgendes
feststellen:
a) Die Extrakte von Tonsillen enthalten keine Per-
oxydase. |
b) Die Speicheldrüsen verhalten sich bezüglich des Ge-
haltes an oxydierenden Fermenten bei den einzelnen Tier-
arten verschieden: Bei sämtlichen Tieren sind die Sublin-
gualdrüsen sehr reich an Peroxydase, während die Submaxillar-
drüsen von Pferd, Schaf und Hund gar keine, die des Schweines
nur geringe, die des Rindes hingegen sehr große Mengen dieser
Fermente enthalten. Die Parotiden von Pferd, Rind und Schaf
enthalten keine Peroxydase, während diejenigen von Schwein
und Hund ein sehr stark wirkendes Ferment enthalten.
c) Die Extrakte cutaner Schleimhäute des Verdauungs-
apparates sind bei allen Tieren frei von Peroxydasen.
d Die Magenschleimhaut verhält sich verschieden.
Beim Hund enthält dieselbe überhaupt keine Guajactinktur
bläuenden Fermente; beim Schwein ist dies nur bei der Cardia-
drüsen · führenden Region der Fall; beim Pferd ist nur die
Schleimhaut der Fundusdrüsenregion befähigt, eine schwache
Guajactinkturbläuung hervorzurufen; beim Schaf und Rind hin-
gegen liegen die Verhältnisse nicht so klar, doch ist sicher,
daß die Pylorusdrüsenschleimhaut eine Peroxydase enthält.
Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 319
e) Die Darmschleimhaut verhält sich bei den ein-
zelnen Tieren außerordentlich verschieden:
a) Im Dünndarm enthält die Duodenalschleimhaut beim
Pferd und Schwein keine Peroxydase; beim Rind, Schaf und
Hund dürfte hingegen eine solche vorhanden sein, doch ist
ihre Wirksamkeit nur unbedeutend. Die Schleimhaut von
Jejunum und Пешт ist mit Ausnahme des Pferdes, bei dem
nur in einem Falle durch Jejunalschleimhaut eine vorüber-
gehende undeutliche Bläuung erzielt werden konnte, peroxy-
dasehaltig. Besonders energisch ist die Wirkung dieses Fer-
mentes bei Wiederkäuern. Es scheint danach, als ob die
distalen Dünndarmabschnitte reicher an Peroxydase als die
proximalen seien.
В Bezüglich des Enddarmes bestehen charakte-
ristische Unterschiede, und zwar ist die Rectalschleimhaut
bei allen Tieren durchweg frei von oxydierenden Fermenten.
Caecal- und Colonschleimhaut enthalten nur bei den Wieder-
käuern solche, während beim Schwein, Pferd und Hund die
Anwesenheit dieser Fermente mit Sicherheit nicht festgestellt
werden konnte,
f) Leberextrakte (Pferd, Rind, Schaf) waren durch-
weg frei von Guajactinktur bläuenden Substanzen.
4. Die Oxydation der Ameisensäure wird allem An-
scheine nach nicht durch dieselben Substanzen bewirkt,
die aktive Guajactinktur zu bläuen vermögen, da ver-
schiedene Gewebe und Extrakte entweder die eine oder die
andere, nicht aber beide Reaktionen zusamen zeigten.
5. Die Gusjacperoxydasen der Submaxillardrüsen
des Rindes besitzen eine große, aber keine vollkommene
Resistenz gegen Trypsin. Nach einer 2 bis 3wöchigen Di-
gestionsdauer ging die oxydierende Fähigkeit der aus diesen
Drüsen hergestellten Extrakte verloren.
Untersuchungen über die Katalase der Leber.
Von
L. Michaelis und H. Pechstein.
(Eingegangen am 1. Juni 1913.)
Mit 39 Figuren im Text.
Für das Studium der Kinetik der Fermente muß man
heute die Berücksichtigung der Wasserstoffionenkonzentration
als unbedingt notwendig hinstellen. Die ersten dieser Bedingung
genügenden Arbeiten sind eigentlich die von Sörensen?), denen
sich die von L. Michaelis und Н. Davidsohn?)®), Kurt
Меуег?), P. Rona’), Palitzsch und Wallbaum®), Н. David-
sohn’) anschlossen. Sörensen hat in seiner ersten Arbeit
zunächst einmal diesen Einfluß rein empirisch beobachtet, ohne
seinen ursächlichen Zusammenhang ergründen zu wollen, und
wählte als Versuchsobjekt das Invertin, die Katalase und das
Pepsin. Inzwischen ist die innere Ursache dieser H-Ionen-
wirkung von L. Michaelis und H.Davidsohn?) für das Invertin
aufgeklärt worden, und es erwies sich, daß die dort entwickelten
Anschauungen auf einige Fermente glatt übertragbar waren
[Trypsin®), Lipase’)]. Das Gemeinschaftliche an allen diesen Fer-
menten ist ein außerordentlich großer Einfluß der Wasserstoff-
ionenkonzentration und ein verschwindend kleiner sämtlicher
anderen bisher untersuchten Ionenarten. Daraus konnte der
Schluß gezogen und auch experimentell bestätigt werden, daß
1) І. Р. L. Sörensen, diese Zeitschr. 21, 131, 1909.
з) L. Michaelis und Н. Davidsohn, diese Zeitschr. 85, 386, 1911.
3) L. Michaelis und H.Davidsohn, diese Zeitschr. 86, 280, 1911.
¢ Kurt Meyer, diese Zeitschr. 22, 274, 1911.
5) Р. Копа, diese Zeitschr. 88, 413, 1911.
6) S. Palitzsch und L. Е. Walbum, diese Zeitschr. 47, 1, 1912.
) H. Davidsohn, diese Zeitschr. 45, 284, 1912.
L. Michaelis und Н. Pechstein: Katalase der Leber. 321
ein Ferment ein Elektrolyt ist und seine Wirksamkeit nur an
einem seiner elektrolytischen Dissoziationsprodukte resp. seinem
undissoziierten Anteile haftet.
Es war nun zu erwarten, daß diese Befunde nicht bei
allen Fermenten in gleicher Weise streng zutreffen würden,
weil die notwendigen Bedingungen, wie z. B. vor allem die
Vorbedingung, daß die Reaktion sich im homogenen System
abspielt, nicht für alle Fermente zu erwarten sind. Als ein
solches Ferment, für welches die bisher entwickelten Gesetze
einer gewissen Modifikation bedürfen, fanden wir die Katalase.
Sörensen hat, nachdem wir unsere Theorie der Einwirkung
der Wasserstoflionen auf die Fermente entwickelt hatten, ver-
sucht, seine früheren Versuche dieser Theorie einzuordnen, und
ist scheinbar zu einer vollständigen Bestätigung dieser Theorie
auch für die Katalase gelangt, wobei er sich allerdings selbst
bewußt war, daß die nicht ad hoc angestellten Versuche doch
in manchen Punkten noch Unklarheiten bestehen ließen. Unsere
eigentliche Absicht war ursprünglich, die von Sörensen noch
als fehlend bezeichnete Bestimmung des isoelektrischen Punktes,
sowie einige andere noch fehlende Daten als Ergänzung seiner
Arbeit hinzuzufügen. Bei dieser Arbeit zeigte sich jedoch, daß
die Verhältnisse bei der Katalase unter gewissen Umständen
komplizierter lagen und viel eingehendere Untersuchungen er-
forderten, als wir uns vorgenommen hatten.
Bevor wir die Verhältnisse näher erkannt hatten, litten die
Versuche, solange sie nach dem Schema der Invertinarbeit an-
gestellt wurden, an einer unerklärbaren Irreproduzierbarkeit.
Nicht etwa, daß Parallelversuche an sich nicht reproduzierbar
gewesen wären, aber Bedingungen, die sich für das Invertin
als ganz gleichwertig erwiesen, z. B. gleiche H-Ionenkonzentration
durch Phosphate, Acetate usw., bewirkten die divergentesten
Resultate. Andererseits erwies sich eine andere Befürchtung für
die Irreproduzierbarkeit, die wir auf Grund der Untersuchung
von Waentig und Steche!®) hegten, als unbegründet. Diese
Autoren hatten beschrieben, daß der bei der Katalyse des Wasser-
stoffsuperoxydes freigewordene molekulare Sauerstoff durch seine
1) Percy Waentig und Otto Steche, Zeitschr. f. physiol. Chem.
a) 72, 226, 1911; b) 76, 177, 1911; c) 79, 446, 1912; d) 83, 315, 1913.
322 L. Michaelis und Н. Pechstein:
Adsorption an die Fermentteilchen hemmend auf die Katalyse
wirke. Daher erhielten sie verschiedene Resultate, je nachdem
sie den bei der Reaktion entstehenden Sauerstoff durch Schütteln
entfernten oder nicht. Wäre dies wirklich der Fall gewesen,
so hätte es die größten Schwierigkeiten gemacht, irgendeinen
Versuch zu reproduzieren; denn das Entweichen des entwickelten
Sauerstoffes hängt von во vielen ‚unkontrollierbaren Bedingungen
ab, wie Staubgehalt, Eiweißgehalt, Beschaffenheit der Gefäßwände,
Temperatur, geringsten Erschütterungen usw., daß man unmög-
lich hätte bestimmen können, wieviel von diesem hemmenden
Körper, dem Sauerstoff, im Einzelfall noch in Lösung war, und
wieviel nicht.
Nun können wir aber die Angaben von Waentig und
Steche für unsere Versuchsanordnung nicht bestätigen. Wir
erhielten in Versuchen, in denen der ganze entwickelte Sauerstoff
in übersättigter Lösung blieb, und andererseits in Versuchen,
in denen er durch Schütteln teilweise oder durch einen Wasser-
віоЁвігот gänzlich entfernt wurde, stets übereinstimmende Re-
sultate. Ohne vorläufig auf die Frage einzugehen, ob Sauerstoff
überhaupt eine Wirkung auf den Ablauf des Prozesses hat,
können wir jedenfalls sagen, daß die Reproduzierbarkeit
unserer Versuche durch verschiedenen Gehalt an gelöstem
Sauerstoff nicht gestört wird.
Die Ursache der vorher erwähnten Unstimmigkeit erkannten
wir in der Anwesenheit der Salze. Wir haben in der Katalase
ein Ferment vor uns, dessen Wirkung nicht nur von der Kon-
zentration der Wasserstoffionen allein, sondern auch von anderen
Ionen abhängt. Hierdurch aber war der Untersuchungsweg ge-
geben. Um die reine Wirkung der Wasserstoffionen zu erkennen,
mußte man die Wirkung der als Regulatoren für die Wasser-
stoffionenkonzentration notwendigen Salze möglichst ausschalten,
und um die Salzwirkung zu untersuchen, mußte man die Wasser-
stoffionenkonzentration für verschiedenen Salzgehalt resp. für
verschiedene Salze konstant halten. Aber nicht einmal insofern
ließ sich der Arbeiteplan der Invertinarbeit auf die Katalase
übertragen, als die dort und an vielen anderen Fermenten fest-
gestellte „Zeitumsatzregel“ für die Katalase keine strenge Gel-
tung hat.
Katalase der Leber. 323
1. Die Zeitumsatzregel für die Katalase.
In der älteren Zeit der Fermentforschung wurde sehr häufig
der Fehler gemacht, daß man die in einer bestimmten Zeit er-
reichten Umsätze als Funktion der Fermentmenge darstellen
wollte. Diese Funktionen sind meist sehr kompliziert und un-
überblickbar. Der einfachere Weg ist vielmehr der, die zur
Erreichung eines bestimmten Umsatzes notwendige Zeit als
Funktion der Fermentmenge darzustellen. Die Notwendigkeit
dieser Betrachtung ist besonders von Вгейір!) klargelegt worden.
Es ergab sich theoretisch das Gesetz, daß die zur Erreichung eines
bestimmten Umsatzes notwendige Zeit der Fermentmenge umge-
kehrt proportional ist. Der Umsatz hängt außer von der Zeit ge-
wöhnlich auch noch von vielen anderen Dingen ab; insbesondere
von der Anfangsmenge des Substrates, von der Wasserstoff-
ionenkonzentration, von der Temperatur, von der ursprünglichen
Anwesenheit irgendwelcher hemmender Substanzen usw. Halten
wir aber alle Bedingungen bis auf die Fermentmenge konstant,
so läßt sich dieses Gesetz am einfachsten in folgende Regel
kleiden: ®.t— f(x), wobei Ф die Fermentmenge, t die Zeit
und f(x) irgendeine für den betreffenden Katalysator cha-
rakteristische Funktion ist, z. B. für die Katalyse des Rohr-
zuckers durch Salzsäure ist f(x) == k In у für das Invertin
ist fe) =т= + пш ——
beschriebene Bedeutung haben.
Es erwies sich nun, daß für die Katalase dieses Gesetz nicht
zutrifft, d.h. die zur Erreichung gleicher Umsätze notwendige
Zeit ist der Katalasemenge nicht genau umgekehrt propor-
tional, sondern die doppelte Katalasemenge braucht weniger
als die halbe Zeit, in Übereinstimmung mit der früheren .
Angabe von Senter). Die Versuche wurden in der Weise
usw., wobei m und п die in der Arbeit?)
1) Bredig, in Asher-Spiro’s Ergebn. d. Physiol., Bd. 1.
DL Michaelis und М. Menten, diese Zeitschr. 49, 333, 1913.
5) Georgo Senter, Zeitschr. f. physikal. Chem. 44, 257; 51, 673
(übrigens nicht bestätigt durch Waentig und Steche, Zeitschr. f.
physiol. Chem. 79, 446). Da aber diese Autoren alle ihre Versuche
ohne exakte Festlegung der Wasserstoffionenkonzentration gemacht haben,
und der Einfluß der Kohlensäure aus der Luft mangels von Regulatoren
unberechenbar und variabel ist, bedürfen diese Angaben alle der Revision.
324 L. Michaelis und Н. Pechstein:
angestellt, daß innerhalb einer Versuchsreihe die ganze Be-
schaffenheit der Flüssigkeit konstant gehalten wurde, d. h. das
Gesamtvolumen, die Wasserstoffsuperoxydmengen, die H-Ionen-
konzentration, der Salzgehalt des Puffergemisches, und nur
die Fermentmenge wurde variiert. In geeigneten Abständen
wurden Proben entnommen, durch Schwefelsäurezusatz unter-
brochen und mit Kaliumpermanganat titriert. Derartige Ver-
suchsreihen wurden nun einerseits für verschiedene Mengen
Ferment, andererseits für verschiedene Wasserstoffsuperoxyd-
mengen durchgeführt. Als Katalasepräparat benutzten wir einen
genau nach den Angaben von Sörensen hergestellten Preßsaft
aus Kalbsleber. In konzentrierter Lösung hergestellt, setzte
dieser allmählich einen Niederschlag ab, der mehrmals abfiltriert
wurde, schwächte sich aber in seiner Wirkung über Monate
nicht wesentlich ab. Als Ausgangslösung für jede Versuchsreihe
benutzten wir meist eine 50000fache Verdünnung dieser Ori-
ginallösung, die nun je nach den Versuchsbedingungen weiter
verdünnt wurde. Die H-Ionenkonzentration wurde jedesmal
elektrometrisch bestimmt. Da nun in H,O,-haltigen Lösungen
eine elektrometrische Bestimmung nicht möglich ist wegen der
am Platin stattfindenden katalytischen Zersetzung des Wasser-
stoffsuperoxydes, wurde stets eine Probe der Flüssigkeit vor
dem H,O,-Zusatz oder eine parallel ohne Wasserstoffsuperoxyd
angesetzte Flüssigkeit zur elektrometrischen Bestimmung be-
nutzt. Als Wasserstoffsuperoxyd benutzten wir Perhydrol von
Merck und wandten es gewöhnlich in einer Verdünnung von
1:1000 an. Die Proben, je 25 ccm, wurden durch reichlichen
Zusatz von verdünnter Schwefelsäure unterbrochen und sofort
mit Kaliumpermanganat in pl, oder ®/ „Lösung titriert. Sämt-
jiche Versuche wurden bei Zimmertemperatur von 17 bis 18°C
angesetzt, eine eventuelle spontane Zersetzung der Wasserstoff-
superoxydlösung durch Kontrollen beobachtet; sie trat übrigens
Besonders läßt sich gar nicht kontrollieren, inwieweit bei den
Schüttelversuchen von Waentig und Steche Aufnahme und Abgabe
von CO, mitgespielt haben. Regulatorfreie Lösungen können je nach
dem CO,-Austausch gegen die Umgebung in ihrer [Н`] zwischen 10-*
und über 10-° variieren! Den Einfluß der CO, haben Waentig und
Steche übrigens durchaus erkannt (lb), hatten aber noch nicht die
Mittel, ihn auszuschalten oder in Rechnung zu ziehen.
Katalase der Leber. 395
fast nie in merkbarer Weise während der verhältnismäßig kurzen
Versuchszeiten in Erscheinung. Die angeführten Konzentrationen
erwiesen sich als die günstigsten, um bei möglichst kleinen
Versuchsfehlern möglichst deutliche Umsätze zu erhalten. Relativ
zu große H,0O,-Mengen sind deshalb ungeeignet, weil sie die
Fermentwirkung nach kurzer Zeit ganz zum Stillstand bringen,
worauf wir später noch zu sprechen kommen werden. Größere
Fermentmengen sind ungeeignet, weil die Wirkung so schnell
von statten geht, daß während der Entnahme mit der Pipette
eine merkliche Zersetzung stattfindet. Andere Methoden als
die Titration mit Kaliumpermanganat, die gasanalytischen Me-
thoden zur Bestimmung des entwickelten Sauerstoffes, sind unter
allen Umständen unbrauchbar. Man hat es durchaus nicht in der
Hand, ob und wieweit der entwickelte Sauerstoff entweicht. Es
kann vorkommen, daß in zwei vollkommen parallelen Versuchen
in dem einen sich reichliche Sauerstoffblasen entwickeln und in
dem anderen ohne Umschütteln nicht eine einzige. Trotzdem gibt
die Permanganatmethode hier in beiden Proben gleiche Resultate.
Wir geben unsere Resultate nur graphisch wieder. Die
einzelnen Beobachtungspunkte sind mit möglichst großer Exakt-
heit eingetragen, so daB die Diagramme direkt als Protokolle
angesehen werden dürfen.
In den folgenden Koordinatensystemen ist jedesmal die
Zeit als Abscisse, der Umsatz in Kubikzentimetern sl. oder %/,,-
Kaliumpermanganatlösung als Ordinate eingetragen. Die jedesmal
angegebene Fermentverdünnung bezieht sich immer auf die erste
der zusammengehörigen Kurven, die folgenden Kurven stellen
dann graphisch die Wirksamkeit dieser Fermentlösung in dem
ebenfalls überall angegebenen Verdünnungsverhältnisse dar. Die
Fermentlösung 1 ist unsere Stammlösung, d. h. der Leberpreß-
saft, dessen wirkliche Konzentration an Katalase wir natürlich
nicht kennen. Von diesen, vor jedem Versuche hergestellten
Verdünnungen wurden dann stets 50 ccm mit 100 bis 125 ccm
Wasserstoffsuperoxydlösung in der ebenfalls jedesmal angegebe-
nen Verdünnung zusammengetan, so daß also die endgültige
Katalasekonzentration noch auf ein Drittel verringert wurde.
Als Einheitskurve ist diejenige bezeichnet, deren Umsatz-
werte der Berechnung des später noch zu besprechenden Ex-
ponenten zugrunde liegen. Die an den Kurven eingetragenen
326 L. Michaelis und Н. Pechstein:
Zahlen bedeuten die Größe dieses Verdünnungsexponenten in
bezug' auf die Einheitskurve.
Wir haben z. В. in Kurve 1 bei einem Umsatz von 1,6 com
Permanganatlösung folgende Werte für die einzelnen Zeiten: 10,21,
H,O,-Lösung 1: 1000.
Die Fermentmengen der 4 Kurven verhalten sich
wie 1: 1,5-1: 1,5-3: 1,53.
Fermentkonzentration der ersten Kurve 2:50 000.
Regulator: Aoetatgemisch.
[H] = LR. 10".
Natriumacetatgebalt */,,.
32 und 551). Da die
erste Kurve als Ein-
heit der Berechnung
gelten soll, so erhalten
wir, durch den Zeit-
wert dieser Kurve
dividiert, die Zahlen
1:2,1:8,2:5,5. Da
die Verdünnung nun
nach dem Ansatze des
Versuches sich wie
1 : 1,57? : 1,573 : 1,57?
verhält, so müßten
die entsprechenden
Zeiten nach der ge-
wöhnlichen Zeitum-
satzregel sich wie
1:1,5:1,5°:1,5° ver-
halten, oder, was
dasselbe ist, wie
1:1,5:2,25:3,38. Wir
sehen aber, daß diese
Zahlen keineswegs mit
den gefundenen über-
einstimmen, sondern
größer sind. Diejenige
Zahl nun, mit der die
berechnetenWerte po-
tenziert werden müs-
sen, um die gefun-
denen zu ergeben, ist der in den Kurven eingetragene Ехроперё.!)
1) Diese Zahlen bedeuten Millimeter auf den (unverkleinerten)
Originalzeichnungen.
2?) Derselbe ist an den Kurven überall versehentlich mit einem
Minuszeichen versehen.
Katalase der Leber. 327
Da dieser im Laufe des Umsatzes nicht konstant ist, so sind
an verschiedenen Stellen der Kurven diese Exponenten be-
sonders ermittelt und an verschiedenen Stellen der Kurven
einzeln angeschrieben.
Das allgemeine Ergebnis dieser Versuche ist zunächst das,
daß die gewöhnliche Zeitumsatzregel nicht genau gilt. Wir können
aber empirisch mit brauchbarer Annäherung folgende Beziehung
aufstellen: g? -t =f = Dieser Exponent п schwankt, wenn wir
voneinigen offenbar
mit Fehlern behaf-
teten Versuchen ab-
sehen, überhaupt
nur zwischen 1,05
und 2,3 und dürfte
durchschnittlich
1,35 betragen. Die
Schwankungen des
Exponenten stehen
nicht sicher in einer
Beziehung zur ab-
soluten Ferment-
menge. Wir können
höchstens sagen,
daß häufig bei sehr
kleinen absoluten
Fermentmengen
der Exponent unter
dem Durchschnitt, —
S g. 2.
Bei roae uber dem __ -H,0,-Lösung 1: 1000.
Durchschnitt ist, Fermentmengen 1:2-1:2-*:2-3.
aber nicht so regel- Fermentkonzentr. der ersten Kurve 2:50000.
mäßig und deutlich, Acetatgemisch. [H] = 1,0.10—.
Natriumacetat */„.
daß wir Fehler-
quellen sicher ausschließen können. Wir variierten die Fer-
mentmengen zwischen ЕЕ und io — 000° (hiervon im Ver-
such 50ccm auf 150 Flüssigkeit), und in diesem Bereich trat
sicher eine größere, gröbere Verschiedenheit des Exponenten
nicht auf. Mit etwas größerer Sicherheit können wir wohl
398 L. Michaelis und Н. Pechstein:
sagen, daß der Exponent innerhalb einer Versuchsreihe mit der
Zeit ein wenig größer wird. Wenn wir z.B. in 2 Fermentlösungen,
deren Gehalt sich wie 2:1 verhält, die zur Erreichung eines be-
stimmten Umsatzes notwendigen Zeiten vergleichen, so verhalten
sie sich z. B. wie 1:212, wenn wir die zur Erreichung eines
größeren Umsatzes erforderlichen Zeiten vergleichen, so ver-
halten sie sich wie 1:2! usw. Wenn wir mit mittleren
Umsätzen arbeiten, können wir ohne größeren Fehler einen
mittleren Exponenten von 1,35 anwenden. Wenn also ceteris
paribus die zur Erreichung eines bestimmten Umsatzes erforder-
lichen Zeiten in zwei verschiedenen Fermentlösungen sich wie
1:a verhalten, so verhalten sich die in ihnen enthaltenen
1
Fermentmengen wie Laus,
H,O,-Lösung 2: 1000.
Fermentmengen 1:372: 3-2: 3—8,
Fermentkonzentration der ersten Kurve 1: 50000.
Acetatgemisch. [H] = 3,6. 10-23
Natriumacetat ®”/ so-
Die Regel ist eine rein empirische, etwa so, wie man auch
die Adsorptionsieotherme in eine ähnliche, rein empirische Regel
gekleidet hat. Das eigentliche derselben zugrunde liegende
Gesetz können wir bisher nicht durchschauen. Man könnte
vielleicht an folgende Möglichkeiten denken:
Katalase der Leber. 329
1. Es könnte auf Adsorptionserscheinungen beruhen. Wir
arbeiteten mit außerordentlich verdünnten Substanzlösungen, und
es wäre nun möglich gewesen, daß die Gefäßwände einen meß-
baren Teil des Fermentes adsorbierten. Dann hätten wir aus
verdünnteren Lösungen durch die Adsorption relativ mehr Fer-
ment verlieren müssen und dies hätte zur Erklärung des Ex-
ponentialgesetzes genügt. Diese Vermutung bestätigte sich aber
experimentellnicht;
denn wenn wir die
Oberfläche unserer
Gefäßwand durch
Hinzufügung von
30 Glasperlen be-
trächtlich vergrö-
Berten, veränderte
sich die Wirkung
nicht.
Eine 2. Möglich-
keit wäre in der
kolloidalen Natur
des Fermentes ge-
wesen. Man könnte
meinen, ein Teil des
Fermentes sei in
echter Lösung, ein
Teil in Suspension,
und nun könnte sich
das Gleichgewicht
zwischen beiden mit
der Verdünnung
ändern. Nehmen
wir z. B. an, daß
die Wirksamkeit дев
Fermentes je nach
seinem Dispersitäts-
grad sich ändert und
Fig. 4.
H,0,-Lösung 4: 1000,
Fermentmengen 1:8—1:8—%#:8—%:8—&.
Fermentkonzentr. der ersten Kurve 1:50000.
Acetatgemisch. [H] = 3,6 -10*,
Natriumaoetat pl,
dieser von der Konzentration abhängig ist, so würde das zu der
Folgerung führen, daß die Wirksamkeit des Fermentes seiner Kon-
zentration nicht genau proportional zu sein braucht. Wir halten
Biochemische Zeitschrift Band 53. 23
330 L. Michaelis und Н. Pechstein:
diese Erklärung nicht gerade für wahrscheinlich, weil sich diese
Erscheinung am Invertin und besonders am Trypsin hätte doch
wohl ebenfalls zeigen müssen.
Eine 3. Möglichkeit ist folgende: Nehmen wir an, daß das
Ferment ф durch Zusammentritt zweier Körper a und b ent-
steht, so daß eine chemische Reaktion vorliegt: а |5 < 0,
oder, was dasselbe ist, nehmen wir an, daß das Ferment hydro-
Fig. 5.
H,0,-Lösung 1 : 1000.
Fermentmengen 1: 1,5-21: 1,579: 1,573: 1,5—4.
Fermentkonzentr. der ersten Kurve 4: 50000.
Acetatgemisch. [Н ] = 3,6- 10-8.
Natriumacetat ?/ 50-
lytisch in zwei Kom-
ponenten spaltbar ist,
so sind zwei Grenz-
fälle zu unterschei-
den. Entweder ist
die Affinität von a zu
b sehr groß, d. h. es
wäre praktisch keine
Hydrolyse des Fer-
mentes vorhanden
> und die Konzentra-
tion der wirksamen
Fermentmenge wäre
gleich der der ge-
samten. Oder die
Affinität ist sehr
klein; dann wäre die
Konzentration der
wirksamen Ferment-
menge proportional
dem Quadrat der
gesamten Ferment-
menge. Hat die Affi-
nität eine mittlere
Größe, so muß die
wirksame Ferment-
menge einer zwar
nicht dauernd, aber
doch innerhalb eines
gewissen Intervalles einigermaßen konstant bleibenden, zwischen
der 1. und 2. gelegenen Potenz der Gesamtfermentmenge pro-
portional sein. Es ist uns allerdings der experimentelle Nach-
Katalase der Leber. 331
weis einer solchen hydrolytischen Fermentspaltung bisher nicht
gelungen, doch würde die Annahme, daß ein Ferment durch
Zusammentritt zweier an sich unwirksamer Körper entsteht,
im Bereich der Möglichkeit liegen. Was gegen die Richtigkeit
dieser Annahme spricht, ist folgender Umstand: Wenn man
irgendwelche zwei beliebigen Kurven, die den Umsatz verschie-
dener Fermentmengen bei gleicher H-Ionen- und Wasserstoff-
superoxydkonzentration darstellen, vergleicht, so findet man, daß
die umgesetzte Menge mit fortschreitender Zeit einem immer
größer werdenden Exponenten proportional ist. Die für das
Augenmaß am regelmäßigsten verlaufenden Kurven scheinen
darauf hinzudeuten, daß ganz zu Anfang des Versuches der
Exponent nahezu gleich 1 ist, d. h. daß für den allerersten An-
H,0,-Lösung 1: 1000.
Fermentmengen 1 : 1,5-1: 1,572: 1,5-3: 1,5—4,
Fermentkonzentration der ersten Kurve 1: 62500.
Acetatgemisch. [H] = 3,6- 10-8.
Natriumacetat Sa,
fang die gewöhnliche Zeitumsatzregel gültig wäre. Nach etwa
5 bis 15 Minuten pflegt dann der Exponent den Wert 1,3 bis
1,5 erreicht zu haben und weiterhin besonders bei den Kurven
mit großer Umsatzgeschwindigkeit noch höher, manchmal bis
zu 2 zu steigen. Ein solches Verhalten ist auf Grund der vor-
her gemachten Annahme nicht vorauszusehen und wir müssen
deshalb noch zu einer anderen Erklärungsmöglichkeit greifen.
4. Möglichkeit. Diese hängt mit der Beobachtung zu-
sammen, daß das Ferment während seiner Wirkung allmählich
23*
382 L. Michaelis und Н. Pechstein:
zerstört wird. Zwar glauben wir nicht, daß es der molekulare
Sauerstoff ist, der das Ferment schädigt, denn Versuche, bei
‚denen der ganze entwickelte Sauerstoff in übersättigter Lösung
blieb, und andere, bei denen er durch Schütteln teilweise entfernt
wurde, ferner Versuche mit ständiger Wasserstoffdurchströmung
verliefen untereinander so gleich, daß wir überhaupt keinen
sicheren Einfluß des molekularen Sauerstoffes bemerken konnten.
А. Ferment-Wasserstoffsuperoxydlösung, während der Ver-
suchszeit ständig durch einen Wasserstoffstrom durchgerührt.
B. Dieselbe Lösung in zugekorkter Flasche. Entnahmen
möglichst ohne Erschütterung des Gefäßes.
In beiden Gefäßen dieselbe H-Ionenkonzentration, festge-
legt durch ein Essigsäure-Acetatgemisch.
Verbrauch von 25ocm des Gemisches an °/,, Kaliumpermanganat.
sofort 5 Min. 11 Min. 18 Min. | 28 Min.
A 6,82 5,06 8,75 2,70 1,72
B 6.82 5.02 3.73 2.67 1,80
О und D. Andere untereinander gleiche Gemische. С
ständig geschüttelt, D in Ruhe.
Verbrauch von 25 com an °/,, Kaliumpermanganat.
| sofort | nach 10 Min. | nach 25 Min.
С 6,90 6,40 5,67
D 6,85 6,37 5,72
Trotzdem zeigte es sich, daß ein Ferment, nachdem es
eine gewisse Menge Wasserstoffsuperoxyd zersetzt hat, in seiner
Wirkung abgeschwächt ist. Wenn man nämlich nach voll-
ständigem Ablauf der Zersetzung neues Wasserstoffsuperoxyd zu-
setzt, во erweist es sich, daß ein Teil des Fermentes zugrunde
gegangen ist, während an sich unter gleichen Bedingungen durch
ЪоВев Stehen während mehrerer Stunden das Ferment in seiner
Wirksamkeit nicht abgeschwächt wird.
Kurve (Fig. 7).
А 100ccm H,O,-Lösung + 50ccm Wasser -|- 50ccm For-
mentlösung. Sofort titriert.
р! 50 сеш H,O,-Lösung +- 50 ccm Fermentlösung.
В 50ccm Wasser + 50ccm Fermentlösung.
Katalase der Leber. 333
Die H-Ionenkonzentration ist in allen dieselbe, durch ein
Essigsäure-Acetatgemisch festgelegt.
С, D und B stehen 2 Stunden, während der Zeit іп С und
D das zugesetzte Wasserstoffisuperoxyd vollständig zersetzt wird.
D hierauf kräftig geschüttelt und zu allen drei Lösungen je
100ccm derselben H,O, — zugesetzt. Während der er-
neuten Zersetzung wird
durch D und B ein Wasser-
stoffstrom durchgeleitet.
Es zeigt sich also aus
den Kurven, daß das Ste-
hen in verdünnter Lösung,
wenigstens für geraume
Zeit nicht schädlich ist,
vgl. Aund B. Ebenso übt
der durchgeleitete Wasser-
stoffstrom keinen Einfluß
aus.
О und D zeigen je-
doch eine deutliche Ab-
schwächung in ihrer Wir-
kung durch die vorherige
Zersetzung; denn die
zweite, graphisch darge-
stellte Zersetzung findet in
der gleichen Zusammen- Fig. 7.
setzung der Flüssigkeiten Abszisse: Zeit in Minuten.
Ordinate: Menge des versetzten H,O,
in com ®/,,-Permanganat.
statt wie die erste bei A
und В.
Es ergibt sich ferner wieder, daß das Schütteln, sowie die
Rührwirkung durch den Wasserstoffstrom keinen Einfluß auf
die Wirksamkeit des Ferments ausüben; eher ist ja sogar die
Kurve D in ihrer Wirkung etwas schlechter gegenüber С.
Daß der durchgeleitete Wasserstoffstrom wirklich allen ge-
lösten Sauerstoff aus einer Lösung entfernt, zeigte eine Oxy-
hämoglobinlösung, die bei der Behandlung unter ganz gleichen
Bedingungen in wenigen Minuten vollständig reduziert wurde
(spektroskopisch nachgewiesen).
Wurden sehr große Mengen von Wasserstoffsuperoxyd zu-
334 L. Michaelis und H. Pechstein:
gegeben, so trat die Schädigung so schnell ein, daß nach we-
nigen Minuten die Zersetzung zum Stillstand kam. Auch hier
wurde die Wirkung, selbst durch lebhaftes Schütteln, nicht
wieder hergestellt, was man nach der Adsorptionstheorie von
Waentig und Steche zu erwarten gehabt hätte. Wir können
das in dem Sinne deuten, daß das Wasserstoffsuperoxyd selbst
resp. der bei der Zersetzung frei werdende, atomistische Sauer-
stoff das Ferment zerstört. Das Gesetz, nach dem diese Zer-
störung geschieht, können wir vorläufig nicht angeben, es ist
jedenfalls so denkbar, daß es uns die Abweichungen von der
Zeitumsatzregel erklären könnte, wenn nämlich ceteris paribus
die relative Zerstörung des Ferments in verdünnteren Ferment-
lösungen größer ist als in konzentrierteren. Wir neigen am meisten
zu dieser Erklärung der gefundenen Abweichung. Es ist viel-
leicht im teleologischen Sinne unwahrscheinlich, daß ein Fer-
ment durch die von ihm hervorgerufene Katalyse gleichzeitig
zerstört werden sollte (wenn es nicht überhaupt das Wasser-
stoffsuperoxyd selbst ist, das die Zerstörung hervorruft). Wir
müssen aber bedenken, daß unsere Versuchsbedingungen ganz
künstliche sind; denn im lebenden Organismus ist es ja sicher
nicht die Funktion der Katalase, Wasserstoffsuperoxyd zu zer-
setzen.
Mit diesen Untersuchungen ist die Frage nach der Zeit-
umsatzregel für die Katalase durchaus nicht erschöpft. Für uns
genügen aber diese Angaben, weil sie uns in den Stand setzen,
aus dem Reaktionsablauf die relative, wirksame Fermentmenge
mit genügender Genauigkeit zu erschließen, und das genügt
uns zur Durchführung der in dieser Arbeit weiterhin zu stellenden
Aufgaben.
2. Der isoelektrische Punkt der Katalase.
Da es in Anbetracht der früheren Versuche auf jeden Fall
zunächst von Wichtigkeit war, den isoelektrischen Punkt zu
kennen, so bestimmten wir zunächst diesen. Es zeigte sich,
daß er mit großer Genauigkeit feststellbar ist. Da später an-
geführte Versuche auf eine besondere Bedeutung der Salze
hinweisen werden, führten wir diese Versuche bei verschiedenem
Salzgehalte aus. (®/,„, Phos Phi 8. die Tab.) Als Regulator
dienten Acetatgemische. Es ergab sich, daß der isoelektrische
Katalase der Leber. 335
Punkt der Katalase, wie auch bei anderen Ampholyten, vom
Salzgehalt der Lösung unabhängig ist und nur von der H-Ionen-
konzentration abhängt.
Wanderung der Katalase im elektrischen Stromfelde:
Elektrometr.
Messung der
Н -Іопеп-
konzentration | anod. | kathod.
Definitiver Wanderung
—
111111
+++++++++F
о оза ет доро
+++++++++ ++
+
Die Lage des isoelektrischen Punktes ergibt sich demnach
aus dem geometrischen Mittel von 3,09-10”° und 6,03. 10?
= 4,31 . 107°, sein Logarithmus = — 5,37. Der Salzgehalt hat
keinen erkennbaren Einfluß, da schon bei [H’]=2-10”® eine
entschieden anodische Wanderung stattfindet, mochte der Salz-
gehalt al, oder ®/,., sein, und bei 5 bis 6.107 eine ent-
schieden kathodische Wanderung bei denselben Variationen des
Salzgehaltes.
8. Der Einfluß дег H-Ionenkonzentration.
Um den Einfluß der H-Ionenkonzentration zu studieren,
mußten wir diese durch Salzpuffergemische festlegen. Nun
zeigten aber, worauf wir später noch zurückkommen werden,
die Salze ebenfalls einen großen Einfluß auf die Wirksamkeit
der Katalase. Da dieser Einfluß sich aber erst bei einer
Konzentration von Sa oder höher wesentlich bemerkbar
macht, so arbeiteten wir, wenn wir die Konzentrationen unter
San hielten, mit praktisch salzfreien Lösungen und konnten
so den reinen Einfluß der H-Ionenkonzentration studieren.
336 L. Michaelis und H. Pechstein:
Als Puffergemische dienten im wesentlichen Essigsäure-Acetat-
gemische und nur zur Vervollständigung der Kurven im alka-
lischen Gebiete Phosphat- und Karbonatgemische. Der Salz-
gehalt war innerhalb der einzelnen Versuche selbstverständlich
konstant, meist ®/„„. Die Carbonatgemische hatten des besseren
Regulationsvermögens wegen einen Salzgehalt von ®/,,. Die
Versuche ergaben folgendes Resultat:
Bei den folgenden Kurvenscharen ist jedesmal wieder die
Zeit als Abszisse, als Ordinate der Umsatz in Kubikzentimetern
D/o oder Dia Kaliumpermanganatlösung eingetragen. Die an
den einzelnen Kurven angegebenen Zahlen bedeuten den Loga-
rithmus der Wasserstoffionenkonzentration; die Konzentration
der zugesetzten Wasserstoffsuperoxyd- und Fermentlösung,
also nicht die, die nach der Mischung beider bestand, ist unter
jedem Diagramm angegeben.
Fig. 8. Fig. 9.
Fermentlösung 1:50000. Fermentlösung 2: 50000.
H,0,-Lösung 1: 1000. H,0,-Lösung 1 : 1000.
Acetatgemische. Acetatgemische
Definitiver Gehalt an Natriumacetat überall */„„,. Natriumacetat Bloc.
Katalase der Leber. 337
Fig. 10. Fig. 11.
Fermentlösung 3 : 50000. Fermentlösung 1: 50000.
H,0,-Lösung 1: 1000. H,0,-Lösung 8: 1000.
Acetatgemische. Acetatgemische.
Natriumacetat ®/,00- Natriumacetat */,o-
Jetzt besteht nun unsere Aufgabe darin, festzustellen, welcher
Bruchteil des Fermentes bei einer bestimmten H-Ionenkonzentra-
tion in wirksamer Form vorhanden ist. Bei Fermenten, bei denen
die einfache Zeitumsatzregel gilt, ist die Aufgabe dadurch gelöst,
daß man die Zeiten gleichen Umsatzes miteinander vergleicht.
Die Zeiten sind dann der wirksamen Fermentmenge umgekehrt
proportional. Im Falle der Katalase war dies nach dem früher
Angeführten nicht möglich. Hier mußte jeder einzelne Versuch
geeicht werden. Dies geschah auf folgende Weise: Der Ver-
such mit optimaler Wasserstoffionenkonzentration wurde in
einer zum Hauptversuch parallel gehenden Reihe derart wieder-
338 L. Michaelis und H. Pechstein:
Fig. 12.
Fermentlösung 2:50000.
H,0,-Lösung 1: 1000.
Acetatgemische.
Natriumacetat ° /,„„.
а Fig. 13. b
Fermentlösung 1 : 50000.
H,0,-Lösung 1 : 1000.
Acetatgemische.
Natriumacetat */,,,.
Katalase der Leber. 339
a Fig. 14. b Fig. 15.
Fermentlösung 1 : 50000. Fermentlösung 1 : 50000.
H,O,-Lösung 1: 1000. H,O,-Lösung 1: 1000.
Phosphatgemische. Gemische von Natriumbicarbonat
Gesamtphosphorsäure überall sl, und Natriumcarbonat.
Natriumgehalt überall zi
holt, daß erstens die gleiche Fermentmenge wie im Hauptver-
such, zweitens die halbe Menge usw. angesetzt wurde. So
wurde durch graphische Interpolation für jede Fermentkon-
zentration bei optimaler Wasserstoffionenkonzentration die ihr
zukommende Umsatzgeschwindigkeit empirisch festgestellt. Durch
Aufeinanderlegen dieser Eichungs- und der anderen Kurve, die
die Wirkung bei wechselnder H-Ionenkonzentration, aber kon-
stanter Fermentmenge darstellt, wurde der bei jeder beliebigen
H-Ionenkonzentration wirksame Anteil des Gesamtfermentes
durch graphische Interpolation ermittelt.
In dem folgenden Koordinatensysteme (Fig. 16) sind die
Wirkungskurven bei verschiedener H-Ionenkonzentration und bei
verschiedener Verdünnung der optimalen H-Ionenkonzentration
zur Veranschaulichung des eben Gesagten gemeinsam einge-
340 L. Michaelis und Н. Pechstein:
zeichnet. Es ist selbsverständlich, daß wir uns vorher davon
überzeugt hatten, ob die betreffende H-Ionenkonzentration
wirklich ein Optimum für die Katalasewirkung bei dem je-
weiligen Salzgehalt bedeutete. Praktisch die gleichen Werte
erhielten wir auch, wenn wir die nach der Zeitumsatzregel be-
stimmten Werte mit einem Wurzelexponenten von 1,35 berech-
neten. Die folgenden
Kurven sind jedoch
sämtlich durch Ei-
chung gewonnen.
Wenn wir jetzt in
einem Koordinaten-
system, auf dessen
Abszisse der Loga-
rithmus der H-Ionen-
konzentration einge-
N tragen ist, die auf die
y angeführte Weise be-
rechneten, relativen
| b р Werte der wirksamen
H М Fermentmengen als
Ordinate eintragen,
wobei der optimale
Wert als Einheit der
Ordinate gesetzt ist,
so bekommen wir fol-
Fig. 16.
Fermentlösung der (von oben gerechnet) ge nde Bilder (Fig. 17
1., 2., 3., 5. Kurve 1:50000. Verdünnung- bis 23). Die Kurven
verhältnis der 1. zur 4. zur 6. zur 7. Kurve mit einem Salzgehalt
EE
zu einer Kurve ver-
einigt. Die Kurven mit einem Salzgehalt von pi... sind für
sich allein behandelt aus einem Grunde, auf den wir später
noch zu sprechen kommen werden.
Wenn wir nun im Sinne unserer früheren Arbeiten die
Beziehung dieser Kurven zur Dissoziation unseres Elektrolyten
deuten wollen, müssen wir die Lage des isoelektrischen Punktes
berücksichtigen. Diese ist nun, wie man aus der Fig. 24 ersieht,
so gelegen, daß er ziemlich dicht vor dem überhaupt erreichbaren
E
8
=
Katalase der Leber. 341
5 4s -6
Tig.23. Berechnet aus Fig. 12 mit Ergänzung durch einen nicht protokollierten Versuch.
L. Michaelis und Н. Pechstein:
| -45
Fig. 24.
Vereinigte Kurve aus Fig. 17 bis 21 (d. h. den Versuchen mit
a/s- Natriumacetat).
Maximum der Wirkung gelegen ist. Im Sinne der elektrolytischen
Dissoziation ist die einfachste Erklärung die, daß die Kationen
unwirksam sind, dagegen, da die Wirkung auch jenseits des
isoelektrischen Punkts nicht abnimmt, sondern zunächst noch
ein wenig ansteigt, die unelektrischen Teile und die Anionen
gleich wirksam sind. Wenn es wahr ist, daß das Absteigen
der Kurve auf dem Auftreten von Kationen beruht, so muß
der Gang dieser Kurve einer Dissoziationskurve entsprechen,
deren Säurendissoziationskonstante K aus der halben Höhe
gefunden werden kann. Diese Dissoziationskonstante finden
wir demnach == 2,88. 10-75. (Ihr Logarithmus — 4,54.)
Wenn wir hiernach eine Dissoziationskurve konstruieren
2 , wobei о den Dissoziationsrest,
ır
[H]
K die Dissoziationskonstante und [H] die Wasserstoffionenkon-
zentration bedeutet), so erhalten wir diejenige Kurve, die in
den Figuren 17 bis 24 ausgezogen ist. Diese Kurve fügt sich
der Beobachtung innerhalb der erlaubten Fehlergrenzen an.
(nach der Formel о =
Wenn wir nun noch einmal die Wirksamkeit des Fermentes
bei wechselnder H-Ionenkonzentration betrachten, so ergibt
sich folgendes: Bei stark saurer Reaktion, bis herab zu etwa
Katalase бег Leber. 343
1073, ist das gesamte Ferment als Kation vorhanden und da-
her gänzlich unwirksam. Bei sinkender Acidität treten dann
neben den Kationen auch einige unelektrische Teile auf, bei
10454 ist gerade die Hälfte des Fermentes Kation und die
andere Hälfte unelektrisch, und hier haben wir die halbe
Wirksamkeit. Im isoelektrischen Punkte sind überwiegend
neutrale Teilchen und noch eine kleine Menge von Anionen
und Kationen, und, da die letzteren unwirksam sind, so
folgt daraus, daß das Optimum fast, aber noch nicht
ganz erreicht ist. Bei weiterer Verminderung der H-Ionen-
konzentration verschwinden schließlich die Kationen gänz-
lich, und das ganze Ferment ist in wirksamer Form, d. h.
unelektrisch -++ Anion oder weiterhin nur als Anion ent-
halten. Das erreichte Optimum hält sich auf dieser Höhe, so
weit wir es untersuchten, bis zu einer H-Ionenkonzentration
von mindestens 10-9.
Unsere Ergebnisse weichen also ziemlich erheblich von
dem Befunde Sörensens ab, der eine halbe Wirksamkeit bei
== — 5,2, ein Optimum bei са. — 7 und darauf ein ziemlich
schnelles Absinken der Kurve beobachtet hatte. Was zu-
nächst die Verschiebung unseres Optimums nach der sauren
Seite anbetrifft, so glaubten wir zunächst, daß es seinen
Grund in der Temperaturdifferenz zwischen Sörensens Ver-
suchen bei 0° und unseren bei 18° hätte. Ein diesbezüg-
licher Versuch bestätigte unsere Vermutung nicht (s. Kurve 14),
Wir erhielten in 2 Parallelversuchen von 0° und 20° in einem
Bereiche von — 6,34 bis — 7,61 keine Verschiebung dee Op-
timums, und zwar lag die beste Wirksamkeit in beiden Ver-
suchen bei —6,34 und nahm nur wenig, eigentlich fast
innerhalb der Fehlerquellen liegend, nach der alkalischen
Seite zu ab. Diese Kurven ergeben aber noch ein anderes
interessantes Resultat. Es bestätigt sich nämlich die Angabe
von Senter, daß die Geschwindigkeit der Katalasewirkung
von der Temperatur nur sehr wenig abhängig sei. In unseren
Versuchen unterscheiden sich die Anfangsgeschwindigkeit bei 0°
und bei 18° kaum um 10°/, voneinander, wohl ein in der
chemischen Kinetik einzig dastehender Fall
In einem 2. Versuche, dessen H-Ionenkonzentration wir
mit Carbonatgemischen regulierten, hielt sich das Optimum bis
344 L. Michaelis und Н. Pechstein:
herunter zu einer Wasserstoffionenkonzentration von 3,2. 10!
(Fig. 15). Wir können uns das schnelle Absteigen der Kurve
Sörensens vorläufig nur auf folgende Weise erklären. Wie wir
in einem späteren Abschnitte unserer Arbeit noch zeigen werden,
üben die Salze, und zwar ihr Anion, selbst in verhältnismäßig
niederen Konzentrationen einen großen hemmenden Einfluß
auf die Wirksamkeit der Katalase aus; und es wäre nun denk-
bar, daß das zweiwertige Anion der Phosphorsäure, das ja
nach der alkalischen Seite zu in den Regulatorgemischen immer
mehr überwiegt, einen stärker hemmenden Einfluß ausübt.
Auch bei uns machte sich in dem Versuche mit Phosphaten, die
übrigens in noch niedrigerer Konzentration wie von Sörensen
angewandt waren, vor allem bei 0° eine sicher schon außer-
halb der Fehlerquellen liegende Abnahme der Wirksamkeit bei
— 7,61 bemerkbar (Fig. 14).
Es erhebt sich nun die Frage, wenn wir annehmen, daß
die einzelnen elektrolytischen Dissoziationsprodukte eines Fer-
mentes eine verschiedene Wirksamkeit haben, wie es da zu
erklären ist, daß das Kation und die unelektrischen Teile
gleiche Wirksamkeit haben können. Diese Erscheinung deutet
offenbar darauf hin, daß die Beladung oder Nichtbeladung mit
Elektrizität nicht das eigentlich ursächliche Moment der Wirk-
samkeit ist, sondern eine damit im Zusammenhang stehende
chemische Konstitutionsänderuug. Hierfür haben wir in der Farb-
stoffchemie reichliche Analogien. Bei vielen Farbstoffen hängt
die Farbnuance von der H-Ionenkonzentration ab. Während
man nun anfänglich wohl der Meinung war, daß diese Farben-
änderung direkt darauf beruhe, daß z. B. das Phenolphthalein
eine andere Farbe habe als sein Ion, hat sich, besonders durch
die Untersuchungen von Hantzsch eine andere Auffassung
als richtig herausgestellt. Das Phenolphthalein existiert in
zwei tautomeren Modifikationen, einer farblosen laktoiden Form
und in einer roten chinoiden Form. Die Ionen leiten sich
nur von der einen, der chinoiden Form ab. Daher ist das
Auftreten von Phenolphthaleinionen stets begleitet von einer
Umwandlung in die gefärbte rote Modifikation. Es ist also
nicht die Beladung mit Elektrizität, die dem Phenolphthalein
die rote Farbe erteilt, sondern eine chemische Konstitutions-
änderung. So kann es auch hier sein, daß die unelektri-
Katalase der Leber. 345
schen Teile und die Anionen die gleiche Konstitution haben,
daß dagegen bei der Bildung der Kationen eine chemische
Umlagerung eintritt. Die Analogie zum Phenolphthalein ist,
wie man sieht, nicht vollkommen. Es soll nur an einem solchen
Beispiel in Erinnerung gebracht werden, daß die Eigenschaften
eines Ions nicht immer direkt auf seiner elektrischen Ladung,
sondern auf chemisch konstitutiven Eigenschaften beruhen.
. Die Wirkung verschiedener Wasserstoffionenkonzentrationen
wäre demnach gar keine elektrische Wirkung, sondern nur
eine durch die Bildung unelektrischer Teilchen resp. von Kat-
ionen hervorgerufene tautomere Umlagerung.
4. Die Wirkung der Salze.
Wie bereits erwähnt wurde, zeichnet sich die Katalase
dadurch aus, daß ihre Wirksamkeit außer von den Wasserstoff-
ionen auch von den Neutralsalzen in einer verhältnismäßig nie-
deren Konzentration beeinflußt wird. Der Einfluß der Salze
offenbarte sich uns durch folgende Versuchsanordnung. Wenn
wir die Wirksamkeit des Fermentes als Funktion der H-Ionen-
konzentration darstellten, so erhielten wir so lange überein-
stimmende Kurven, als der Salzgehalt einen gewissen Betrag
nicht überstieg. Die im vorigen Kapitel beschriebene Wirkung
der H-Ionen gibt das beschriebene Bild, wenn der Gehalt an
Natriumacetat ®/ œo nicht überschreitet. Die bei einem Acetat-
gehalt von al, gewonnenen Kurven fügen sich diesem Bilde
vielleicht noch innerhalb der Fehlerquellen ein. Bei höherem
Salzgehalt aber schien der Einfluß der H-Ionenkonzentration
ein anderer zu sein. Wenn wir z. B. nach dem früher be-
schriebenen Schema die Versuche wiederholten, aber bei einem
Natriumacetatgehalt von ?/,, oder "®/,„, so erhielten wir fol-
gende Bilder!).
1) Die Titration in Gemischen mit reichlichem Aoetatgehalt ist nicht
mehr ganz so scharf wie in fast acetatfreien Gemischen, weil Acetate
durch Permanganat auch allmählich oxydiert werden. Die Geschwindig-
keit dieser Reaktion ist aber in der Kälte gegenüber der Reaktion des
Permanganats gegen H,O, so gering, daß man den Endpunkt der Н,О,-
Titration selbst bei höherem Acetatgehalt genügend scharf erkennen kann,
wenn man nur die sofortige Entfärbung des Permanganats gelten läßt.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 24
346 L. Michaelis und Н. Pechstein:
Fig. 25 bis 27.
Fermentlösung 1: 50000.
H,O,-Lösung 1: 1000.
Aoetatgemische.
Natriumaoetat */,,.
Die erhaltenen Bilder passen sich ebenfalls dem Verlaufe einer
Dissoziationskurve annähernd an, und wir würden unbefangen
aus Fig. 31 bzw. 29 den Schluß ziehen, daß die Dissoziations-
konstanten unseres Fermentes den Wert 10-53 resp. 1057 hätten,
und mithin gegen den salzfreien Versuch um ca. drei Viertel bis
eine ganze Zehnerpotenz verschoben wären. Nun ist es zwar
bekannt (Arrhenius, Euler), daß die Dissoziationskonstanten
schwacher Säuren in salzreichen Lösungen etwas verändert
werden, jedoch war diese Änderung immer nur minimal, und
eine Deutung in diesem Sinne wenig wahrscheinlich. Hinzu
kommt noch, daß die experimentelle Bestimmung des isoelek-
trischen Punktes in
salzreichen Lösungen
keinerleiAbweichung
gegen die in salz-
armen Lösungen er-
gab. Eine so starke
Änderung der Disso-
ziationskonstanten
wäre aber nur durch
eine Änderung der
ganzen chemischen
Konstitution der Ka-
talase, z. B. infolge
einer Verbindung mit
dem Salze, zu erklä-
ren, und es ist wenig
wahrscheinlich, daß
dieser neu entstan-
dene Körper densel-
ben isoelektrischen
Punkt haben sollte.
Dieser neue Körper
hätte außerdem fol-
gende widerspruchs-
volle Eigenschaft:
Seine Säuredissozia-
tionskonstante wäre
Katalase der Leber. 347
Fermentlösung 2: 50000.
H,O,-Lösung 1: 1000.
Acetatgemische.
Natriumacetat */,,.
Fig. 29.
Scoheinbare Dissoziationskurve, zusammengestellt aus den Versuchen
Fig. 25 bis 28, mit */ „-Aoetatgehalt.
24%
348 L. Michaelis und Н. Peohstein:
10758 resp. 105”, und sein isoelektrischer Punkt hätte den da-
mit fast identischen Wert von 10-527, Es ist aber nicht möglich,
daß der isoelektrische Punkt und eine der Dissoziationskonstanten
eines Ampholyten so
dicht beieinander lie-
gen. Wir haben also
kein Recht, die erhal-
tenen Kurven ohne
weiteres als Dissozie-
tionskurven zu deuten.
Ferner kommt aber
hinzu, daß die Wirkung
der Salze nicht einfach
eine Verschiebung der
3 | Wirkungskurve nach
Fig. 30. der alkalischen Seite
КО! — bedeutet, sondern daß
Aostatgemische. | das erreichbare Opti-
Natriumaoetat ®/,. mum bei Salzgegen-
Scheinbare Dissoziationskurve, zusammengestellt aus Fig. 30
(mit Salzgehalt */,,).
wart immer gegen das überhaupt erreichbare Optimum ohne
Salze zurückbleibt. Die Wirkung der Salze besteht also auf alle
Fälle zunächst einmal in einer Hemmung. Es ist aber nicht
ohne weiteres möglich, durch diese Hemmung die Verschiebung
zu erklären. Nehmen wir z.B. an, daß die Salzwirkung darin be-
steht, daß sie jedesmal die Hälfte des vorhandenen Fermentes
unwirksam macht, so würden wir die folgenden Kurven (Fig. 32):
А, die salzfreie, В, die salzreiche, erhalten.
349
Fig. 32.
Theoretisch konstruierte Wirkungskurve.
А unter der Annahme, daß die wirksamen Bestandteile nicht gehemmt
werden; B unter der Annahme, daß von den wirksamen Bestandteilen
je die Hälfte in Beschlag gelegt wird.
Aus ihnen geht hervor,
daß sich die halbe Höhe
nicht verschieben kann, und
mithin der Wert der Disso-
ziationskonstanten derselbe
bleibt. Eine einfache Hem-
mung konnte also die Ver-
schiebung unserer Kurve
nicht erklären. Es folgt
aus unseren Versuchen mit
Sicherheit, daß die rela-
tive Hemmung einer be-
stimmten Salzmenge ver-
schieden groß ist, je nach
der herrschenden H-Ionen-
konzentration.
Ein Versuch zur Deu-
tung wäre folgender: Die
Neutralsalze hemmen nur
die Wirkung der unelek-
trischen Teile, während sie
die Wirkung der Ionen fast
unbeeinflußt lassen. Da-
60
Fig. 33.1)
Verschiedene relative Hemmung durch
steigenden Salzgehalt bei 3 verschie-
denen H'-Konzentrationen.
1) Bei sehr hohem Gehalt an Natriumacetat (*/,; bemerkbar, wenn
auch praktisch nicht störend sogar schon bei */,,) ist der Umschlag beim
Titrieren nicht mehr scharf, weil Acetat ebenfalls, wenn auch viel lang
samer als H,O,, das Permanganat reduziert.
350 L. Michaelis und Н. Pechstein:
durch wäre zu erklären, daß bei stärker alkalischer Re-
aktion, wo nur Anionen noch vorhanden sind, die Hemmung
sehr gering ist, daß dagegen im isoelektrischen Punkte, wo
fast nur unelektrische Teile vorhanden sind, durch immer ge-
steigerten Salzzusatz die Wirkung fast völlig unterdrückt wird,
während sie ohne Salz hier schon fast maximal ist (в. Fig. 37).
Verschiedene relative Hemmung durch steigenden Salzgehalt bei
3 anderen (höheren) H'-Konzentrationen.
Wir können zurzeit eine andere Möglichkeit für die ganzen
Salzerscheinungen nicht finden. Kurz zusammengefaßt wäre
also das Verhalten der Katalase folgendes: In sehr salzarmen
Lösungen wirken die unelektrischen Teile und die Anionen in
gleicher Weise, Salze machen die unelektrischen Teile mehr
oder weniger unwirksam, haben aber keinen nennenswerten
Einfluß auf die Wirksamkeit der Anionen. Daher kommt es,
daß die hemmende Wirkung der Salze je nach dem Dissozia-
tionszustand des Fermentes, daher also auch je nach der Wasser-
stoffionenkonzentration verschieden ist.
Es stellen daher die Wirkungskurven des Fermentes bei
höherem Salzgehalte überhaupt keine Dissoziationekurven dar,
und ihre halbe Höhe mithin auch keine Dissoziationskonstante.
1) Vgl. Fußnote 8. 349.
Katalase der Leber. 351
Fig. 35.
Wirkung der Katalase im isoelektrischen Punkt (d. h. log [H] = — 5,37)
bei verschiedenem Gehalt an Natriumacetat.
Fig. 36.
Wirkung der Katalase im isoelektrischen Punkt bei steigendem Zusatz
von CINa. log [Н] überall = — 5,37, hergestellt durch ein Acetat-
gemisch mit Natriumacetat Pl,
352 L. Michaelis und Н. Pechstein:
Dies ist nur in ganz salzarmen Lösungen der Fal. Wenn wir
die Wirkungskurven bei verschiedenem Salzgehalte in einem
einzigen Koordinatensysteme darstellen, so erhalten wir fol-
gende Kurvenschar (Fig. шз
Fig. 37.
Wirkungskurven der Katalase in ihrer Abhängigkeit von der Wasserstoff-
ionenkonzentration und dem Salz{Natriumacetat-)Gehalt. Die Kurve Slkag
ist als praktisch salzfrei, also nur abhängig von der [Н] zu betrachten.
Diese Figur wurde erhalten, indem das Verhältnis der bei ver-
schiedenem Salzgehalte überhaupt erreichbaren Maxima in Parallel-
versuchen (Fig. 38) ermittelt wurde. Ä
Wir haben hier offenbar wieder
ein neues Beispiel für die rätselhafte
Neutralsalzwirkung, die sich bisher in
folgendem gezeigt hatte!): Einfluß
auf die Inversionsgeschwindigkeit der
Saccharose durch die H-Ionen, Ein-
#08 auf die Verseifungsgeschwindig-
keit der Ester durch Laugen, auf
die katalytische Zersetzung des Di-
azoessigesters durch Säuren; Einfluß
auf die Resistenz der roten Blut-
körperchen in anisotonischen Lö-
| Fig. 38.
sungen, Einfluß der Salze auf die Vergleich der bei zl, Sle
Flockungsgeschwindigkeit von Ei- und */,-Acetatgehalt über-
NL: E . А haupt erreichbaren Optima.
weißkörpern in ihrem isoelektrischen Die Zeiten gleicher Umsätze
Punkte und die damit in Zusam- verhalten sich durchschnitt-
menhang stehende Asymmetrie der lich etwa wie De: 20/,: Ja.
1) Vgl. darüber Höber, Physikalische Chemie der Zelle und Gewebe.
Katalase der Leber. 353
Reihe usw. In allen diesen Versuchen zeigte es sich, soweit
es überhaupt untersucht ist, daB die Wirkung entweder allein
an den Kationen oder allein an den Anionen dieser Salze hängt.
Die Reihenfolge der Wirksamkeit dieser Anionen oder Kationen ist
überall die gleiche, 4
die Richtung dieser
Reihe bald in einem,
bald im anderen
Sinne Die Rich-
tung dieser Reihe
kann sogar für ein
und dasselbe Objekt
umgekehrt werden,
wie Höber für die
Fällung der Eiweiß-
körper insaurer und
alkalischer Lösung
fand.
So war auch bei
der von uns be-
obachteten Wir-
kung der Salze die
Fragestellung sofort
gegeben, ob die
Anionen oder die
Kationen hemmend
wirkten, und in wel-
er ш." Einfluß d Be | — uf die Wi
à er verschiedenen a e Wir-
Wir haben anter: -kang dèr Katalnss im isoelektrischon Punkt.
sonst gleichen Be- log [Н] = — 5,37, hergestellt durch Acetat-
dingungen folgende gemisch mit einem Gehalt an Natriumacetat
Salze untersucht: von ?/o Die angeschriebenen Salze alle in
der Konzentration Sa
Die Sulfate von Na-
trium und Magnesium, die Chloride von Natrium, Calcium und
Magnesium, Natriumacetat und Nitrat (Fig. 39).
Wir sehen aus den Kurven, daß es bei der Hemmung
auf das Kation fast nicht ankommt, denn namentlich die Chloride
von Na, 1/, Ca und !/, Mg haben so gut wie identische Wir-
kung. Ausschlaggebend ist vielmehr das Anion und zwar in
354 L. Michaelis und Н. Pechstein:
folgender Reihenfolge: SO, < СІ < Acet. <NO,. Die Reihen-
folge ist ungefähr die auch bei anderen Erscheinungen beob-
achtete, vielleicht mit Ausnahme des Acetate. Auf den ex-
zeptionell hemmenden Einfluß des Nitrates kommen wir an
späterer Stelle noch einmal zu sprechen.
Der hemmende Einfluß auf die Wirksamkeit der Katalase
scheint uns nun keine neue Erscheinung der Neutralsalze zu
bieten, sondern auf andere, bekannte zurückführbar zu sein.
Wir glauben nämlich die Wirkung der Salze auf eine Zustands-
änderung der unelektrischen Teile der Katalase zurückführen
zu dürfen. Bei allen Ampholyten besteht bekanntlich im iso-
elektrischen Punkte ein Ionenminimum, und für den Fall, daß
die unelektrischen Teile schwer löslich sind, ein Löslichkeits-
minimum, das bei colloiden Körpern sich als Flockungsoptimum
äußert, wenn anders der Körper durch Änderung der H-Ionen-
konzentration allein ausflockbar івё!). Diese Ausflockung im iso-
elektrischen Punkte wird nun durch die Neutralsalze bei einigen
Körpern begünstigt, bei anderen gehemmt, ohne daß dadurch
das Flockungsoptimum, bezogen auf die H-Ionenkonzentration,
verschoben wird. Die Wirkung der Salze besteht also, kurz
gesagt, in einem Einfluß auf den Zustand der colloidalen Lö-
sung der unelektrischen Teile. Nehmen wir nun solche Ver-
hältnisse für die Katalase an, so können wir die Wirkung der
Salze durch die Annahme erklären, daß sie die Dispersität der
unelektrischen Teile der Katalase verringern und dadurch ihre
Wirkung herabsetzen. Das in unseren Versuchen mit extrem
verdünnten Fermentlösungen (Ocem */, ооо Біз !/, оодоо аш
150 bis 175 ccm Flüssigkeit) eine sichtbare Flockung nicht ein-
zutreten brauchte, ist nicht weiter verwunderlich. Dahin zie-
lende Versuche durch Aufstellung der üblichen Flockungsreihen
verliefen, übrigens selbst bei Salzzusatz, negativ. Doch spricht
. dies keineswegs gegen unsere Annahme, da eine Dispersitäts-
änderung keinesfalls zu einer Ausflockung führen muß.
Hier müssen wir aber noch einmal auf die Nitrate zu sprechen
kommen, deren hohes Hemmungsvermögen schon Senter (L с.)
erkannt hat. Diese flockten nämlich aus den Fermentstamm-
1) Vgl. darüber L. Michaelis, Die allgemeine Bedeutung der
H'-Konzentration für die Biologie. Handb. d. Biochem. von Oppen-
heimer, Nachtragsband (1913).
Katalase der Leber. 355
lösungen in energischer Weise einen anderen Körper als die Kata-
lase aus, dessen Flockungsoptimum bei einer ziemlich hohen
H-Ionenkonzentration, bei са. 10°* lag, dessen Flockungsbereich
sich aber ziemlich weit nach der Seite der abnehmenden Acidität
zu erstreckte bis in den Bereich des isoelektrischen Punktes der
Katalase. Die extrem hemmende Wirkung der Nitrate ist also
wohl so zu erklären, daß sie nicht nur die Dispersität der un-
elektrischen Teile der Katalase am stärksten beeinflussen, sondern
daß sie aus der Lösung noch einen anderen Körper ausflocken,
der dabei einen Teil der Katalase adsorbiert und mit sich reißt,
Als besonders auffälligen Nebenbefund möchten wir also hierbei
hervorheben, daß in unseren Leberpreßsäften ein Körper vor-
handen ist, der in einer bisher wohl noch nicht beschriebenen
Weise bei schwach saurer Reaktion gerade durch Nitrate in
einer ganz auffälligen Weise geflockt wird.
Zusammenfassung.
Die Katalase ist ein Ampholyt mit einer Säurendissozia-
tionskonstanten von 2,88-10”° und einem isoelektrischen Punkt
von 4,31.10-% Die katalytische Wirksamkeit auf Wasserstoff-
superoxyd kommt in gleicher Weise den Anionen und den un-
elektrischen Teilchen zu, dagegen sind die Kationen unwirksam.
Neutralsalze hemmen die Wirkung der unelektrischen
Teilchen bedeutend, die der Anionen kaum. Das hemmende
Agens der Neutralsalze sind ihre Anionen, und zwar in der
Reihenfolge SO, < СІ < Acet. < NO,
Aus der verschiedenen Wirksamkeit auf die unelektrischen
Teile und die Anionen erklärt sich, daß der hemmende Ein-
fluß der Salze bei verschiedener Wasserstoffionenkonzentration
verschieden ist.
Die gewöhnliche Zeitumsatzregel ist für die Katalase nicht
streng anwendbar, vielmehr ist die Zeit, die zur Erreichung
eines bestimmten Umsatzes notwendig ist, einer bestimmten
Potenz der Fermentmenge umgekehrt proportional, deren Ex-
ponent während der Einwirkung allmählich zu wachsen scheint.
Das Ferment wird während seiner Wirkung auf Wasser-
stoffsuperoxyd allmählich geschwächt, jedoch nicht durch den
schon entstandenen molekularen, gelösten Sauerstoff.
Zur Lehre von der Gelatinequellung in wässerigen
Lösungen.
Von
Rudolf Ehrenberg.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Göttingen.)
(Eingegangen am 4. Juni 1913.)
Mit 8 Figuren im Text.
Seit den grundlegenden Arbeiten Е. Hofmeisters über
die Aufnahme resp. Abgabe von Wasser und wässerigen Lösungen
durch Gelatinestücke ist von zahlreichen Forschern — Spiro,
Pauli, Wo. Ostwald, v.Schröder, М.Н. Fischer u. a —
weiteres Material zur Lösung dieses wichtigen Problems ег-
bracht worden. In dem folgenden soll auf die Quellung
trockener oder hochkonzentrierter Gelatine in Wasser und auf
den Mechanismus dieses Vorgangs nicht eingegangen werden,
dieser ist von Katz!) neuerdings bearbeitet und der Theorie
der konzentrierten Lösungen untergeordnet worden. Es handelt
sich für uns nur um die Frage der Beeinflussung der Quellung
durch gelöste Stoffe bei einer bereits wasserreichen Gelatine,
Wir gehen dabei von der Anschauung aus, daß eine Identität
der Mechanismen beider Vorgänge — der reinen Quellung und
der in Lösungen — in dem Sinne etwa, daß der gelöste Stoff
den immer gleicherweise verlaufenden Quellungsvorgang nur
katalytisch beeinflußte, nicht besteht.
Im ganzen ergibt sich aus der vorliegenden Literatur etwa
folgendes Bild des Einflusses gelöster Stoffe auf die Gelatine-
quellung:
Am stärksten quellungsfördernd (die Quellung immer ge-
gemessen an der Gewichtszunahme) wirken Säuren und Alkalien,
1) Nernst-Festschrift.
R. Ehrenberg: Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 357
und zwar die verschiedenen Säuren und Basen verschieden
stark, sowohl in Abhängigkeit von ihrer „Stärke“ als auch von
individuellen Verschiedenheiten, zugehörig dem Säure- resp.
Basenradikal. Die einzelnen Radikale lassen sich in einer be-
stimmten, bei den Salzen wiederkehrenden Reihenfolge der
Wirkung anordnen.
Dabei wirken Säuren im ganzen stärker als Basen, und
auch die Konzentrationen der Lösungen sind von Bedeutung der-
gestalt, daß bis zu einer gewissen — in jedem Falle besonderen —
Konzentration die Wirkung ansteigt, um dann bei weiterer
Konzentration wieder abzunehmen.
Das gleiche Bild der Abhängigkeit der Wirkung von der
Konzentration zeigen auch die Salzlösungen: die Kurven, die
den Konzentrationen die entsprechenden Quellungsgrade zu-
ordnen, gehen alle durch ein Maximum. Die verschiedenen
Salze zeigen, untereinander verglichen, verschiedene quellungs-
fördernde resp. -hemmende Wirkungen, und zwar ordnen sich
dabei Kationen wie Anionen in der Anordnung der „Iytotropen“
Reihe; die Anionen sind von größerer Bedeutung für den Effekt
als die Kationen.
Auf der Seite der Quellungsförderung stehen in dieser
Reihe die Halogenide, Rhodanide, dann weiter Nitrate, auf der
Seite der Hemmung stehen die Sulfate, Acetate, Citrate; von den
Kationen stehen entsprechend auf der einen Seite die Alkalien
auf der anderen die mehrwertigen Metalle.
Als weitere wesentliche Beeinflussung ergibt sich, daß der
Zusatz von neutralen Elektrolyten zu den Säure- resp. Alkali-
lösungen deren quellungsfördernde Wirkung hemmt, und zwar
wiederum in dem Grade der Iytotropen Stellung, so daß die
auf der Sulfatseite stehenden Anionen am stärksten hemmen,
und entsprechend die mehrwertigen Kationen.
Die Nichtelektrolyte wirken viel schwächer auf die Quellung
in Wasser und in Säuren und Basen ein, ein geringer Ein-
fluß in verschiedener Richtung (hydroxylreiche Stoffe ver-
halten sich wie die Anionen der Sulfatgruppe) ist vorhanden.
Eine Erklärung dieser verschiedenen Einflüsse und ihrer
Regelmäßigkeit ist auf dem Boden der Molekularkinetik noch
nicht gegeben worden; viele Forscher, besonders J. Traube,
deuten dieselben vielmehr als Argumente gegen die van’t
358 R. Ehrenberg:
Hoffsche Lösungstheorie und schreiben die verschiedenen Wir-
kungen spezifischen Eigenschaften der betreffenden Ionen zu,
sie sprechen von einer Erhöhung des Quellungsdruckes, und
allgemeiner von dem spezifischen Haftdrucke der einzelnen
Ionen. Dieser spezifische Haftdruck wird dann auch bei den
anderen Erscheinungen innerhalb der Kolloidchemie, die den
Typus der Jetotropen Reihe ebenfalls hervortreten lassen (es
sei nur an die Erhaltung und Ausfällung kolloidaler Lösungen
durch Elektrolyte erinnert), zur Erklärung eingeführt.
Hier kann auf diese Anschauungen nicht weiter eingegangen
werden, man wird aber doch sagen müssen, daß mit solchen Be-
griffen wie „Haftdruck“ so lange nicht viel gewonnen ist, als es
nicht gelingt, kinetische Vorstellungen damit zu verbinden, die
zu den quantitativ darstellbaren Molekularvorgängen überleiten.
Die nachfolgend mitgeteilten Untersuchungen sind ent-
standen im Anschluß an Quellungsversuche mit tierischen Ge-
weben; bei der Frage der Erklärung der Wasserbindung von
Geweben auf Grund der Tatsachen des Gallertquellungsver-
suches war mir aufgefallen, daß in der vorliegenden Literatur
die Versuche an Gelatine und anderen Gallerten fast durchweg
mit äquimolekularen und nicht isosmotischen Elektrolytlösungen
angestellt waren. Dieser Umstand ist wohl dadurch bedingt,
daß die Ansicht, es könne sich nur um „spezifische“ Erschei-
nungen und nicht um allgemein-molekulare Vorgänge im Sinne
der van’t Hoffschen Theorie handeln, von vornherein fest-
stand. Weiter fiel mir auf, daß — abgesehen von den Ver-
suchen mit Säuren und Alkalien — zumeist mit relativ recht
hoch konzentrierten Lösungen gearbeitet war, auch dieses findet
seine Erklärung wohl in dem gleichen Grunde.
Ich wiederholte deshalb an verschieden konzentrierten
Gelatineplatten die Quellungsversuche unter Anwendung von
Lösungen, deren Gefrierpunktserniedrigungen ungefähr der von
Körpersäften entsprachen und die demnach untereinander
einigermaßen gleich waren, absolute Gleichheit wurde nicht
erstrebt, sondern jeweils die Gefrierpunkte bestimmt und ver-
gleichsweise in Betracht gezogen'). Dabei zeigte sich nun, daß
1) Ich verfuhr so, daß ich durch die jeweilige Abweichung von der
völligen Isosmie einen etwaigen Fehler überkorrigierte, d. h. die wirk-
samere Lösung gegenüber der weniger wirksamen schwächte.
So -
Gelatinequellung їп wässerigen Lösungen. 359
die lyotrope Reihe in dem Sinne, in dem sie bisher maß-
gebend gefunden war (auch von mir mit konzentrierteren Lö-
sungen), bei diesen Konzentrationen nicht wiederkehrte, sondern
daß sich eine Abhängigkeit der Wirkungsreihe von den ange-
wandten Konzentrationsbereichen zeigte. Веі den niedrigen
Konzentrationen mit Gefrierpunkten um —0,5° kehrte sich
Fig. 1.
die Reihe annähernd geradezu um?), d.h. die Gelatine quoll
jetzt in Sulfatlösungen stärker als іп Chloridlösungen (в. z. В.
Tab. I und II und die Kurven dazu). In CaCl, war die Quellung
ebenfalls stärker als in den
Alkalichloriden?). Aus diesen
Tafeln und den Kurven ist
auch zu ersehen, daß bei
diesen Konzentrationen die
herabdrückende Wirkung der
Salze gegenüber der Säure-
quellung sich in derselben
Reihenfolge äußert, in der die
Salze allein fördernd wirken,
diese Reihenfolge der Hem-
mungswirkungen bleibt aber
— im Gegensatz zu der Rei-
4
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Stunden
Fig. 2.
1) In Tab. I und II ist die CaCl,-Lösung konzentrierter als die Alkali-
chloride, aber das Verhältnis blieb das gleiche bei einer schwächeren
(0,07n) CaCl,-Lösung.
"e Höber (Hofm. Beitr. 11, 35) findet gleiches bei der Fällung
des Hühnereiweißes.
360 R. Ehrenberg:
henfolge der fördernden Wirkungen der Salze allein — bei
Steigerung der Konzentration bestehen.
In den Tabellen sind außerdem die Änderungen der Ge-
frierpunkte der Lösungen — umgerechnet auf gleiche Gelatine-
und Lösungsmengen — zu sehen; es ergibt sich, daß aus den
Chloridlösungen allgemein mehr Moleküle (resp. Ionen) ver-
schwinden, d.h. in die Gelatine gehen als aus den Sulfat-
lösungen, auch die Harnstofflösung verliert relativ viel Mole-
küle, sie befördert dabei
SIIIITTTT Te» ebenfalls die Quellung
| / und wirkt in dieser Kon-
zentration der Säurequel-
lung, allerdings sehr viel
schwächer als die Salze
entgegen. Die HCl-haltige
Sulfatlösung verringerte
ihre Gefrierpunktsernied-
rigung erheblich mehr als
die reine,
Um zu sehen, bei
m, сеч welchen Konzentrationen
“as, deeg sich das Verhältnis der
fördernden Wirkung von
Sulfat und Chlorid um-
kehrt, verglich ich ver-
schiedene Konzentratio-
nen, ein solcher Versuch
а" ist in Tab. III und der
Fig. 8. entsprechenden Kurve
verzeichnet; man ent-
nimmt, daß bei 0,1п und 0,2n das Sulfat noch überwiegt, bei
0,4 bleibt es bereits erheblich zurück und bei 0,6n wirkt ев
schon entquellend.
Da aus diesen Tatsachen ein Einfluß der Konzentration
auf die Stellung des Ions in der Wirkungsreihe hervorging,
schien es untersuchenswert, wie die Quellung stattfindet, wenn
die Gelatine gleich mit Zusatz gelöster Bestandteile angesetzt
wird; ein solcher Versuch ist auf Tab. IV verzeichnet. Es
wurde einmal ein Elektrolyt (0,15n NaCl-Lösung) und dann
SS ES ERR RR RS RRE
МЕСА
анача иЕаЕБ иии
КЕ О EE
ОЕ ОЕ
ЕОМ
ЖЕЕ Б ШЗ ЧЕШИ рО БЇ ОС
ЙЕ БЕ БЕ ШЕ УЛТ ЕБ БЕ ЖЕ ШҮ БЕ ЖШ] ЫС
ГГА EE
0з яв
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 361
ein Nichtleiter (0,2n Dextrose) zum Ansetzen der 20°/, івеп
Gelatine verwendet.
Hervorgehoben sei daraus: Die NaCl-Gelatine quillt im
allgemeinen erheblich stärker als die Zuckergelatine, die
beiden einzigen Fälle wo letztere stärker quoll, waren: 1. in
Sal, wo sich die hemmende Wirkung des Kochsalzes in
der Gelatine geltend machte, und 2. bemerkenswerterweise die
Quellung іп 0,3n-Dextroselösung, sowie in Pottasche?).
Weiter zeigt sich, daß die дю
Kochsalzgelatine in Kalium % |I|] || | keck
und Natriumsulfatlösungen 7 -
sehr bedeutend viel stärker W
quilt als in den Chlorid- ” =
lösungen (der Unterschied ist E
noch viel größer als bei der W
Wassergelatine), die Dextrose-
gelatine verhält sich dagegen „4
umgekehrt. ke
Gefrierpunktsbestimmung, EF
Leitfähigkeitsmessung und
Analyse ergaben ein Auswan-
dern der gelösten Moleküle
aus der Gelatine. Die bisherigen w
Ergebnisse machten die Vor-
stellung, daß es sich bei der 2
quellungsfördernden Wirkung
allgemein um eine Reaktion
zwischen dem Elektrolytteil- Fig. 4.
chen und dem Gelatineteilchen
(welcher Art auch immer) handele, nicht wahrscheinlicher, sie
legten vielmehr nahe, doch an einer Art molekularkinetischer
Wirkung zu denken.
Um nun zu sehen, ob sich Hindeutungen auf eine Wirk-
samkeit des „Gefälles“ finden ließen, machte ich folgenden
Versuch: ich ließ Gelatine in Lösungen quellen, bis die Quellungs-
kurve, die anfangs steiler ansteigt, zu dem flachen Teile über-
gegangen war, und brachte die Stücke dann in reines Wasser.
а pe GC иша SR
N
NT М
ааа мю
_ МАМ М
Ee таа шин а
и НН ШШ
1) Bei der Pottasche handelt es sich wohl um Quellung in alka-
lischer Lösung, die durch das Salz gehemmt wird.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 25
362 R. Ehrenberg:
Es ergab sich das überraschende Resultat, daß die Stücke, die
aus Säuren- oder Alkalilösungen kamen, tatsächlich in dem
Wasser sehr erheblich viel stärker weiterquollen, als wenn sie
in der Lösung belassen oder in frische Lösung der gleichen
Art gebracht wurden. Dabei gingen, wie sich aus der Mole-
kularbestimmung der Lösungen, sowie aus Titrationen ergab,
Teile des vorher aufgenommenen Elektrolyten in die Lösung.
(Tab. V mit Kurve, VI, XIV, XV mit Kurve, XVIII.)
In den Salzlösungen war
diese Erscheinung nicht so
deutlich, immerhin zeigte sie
sich doch auch in einigen
Fällen (Tab. VI Na,SO,-Lö-
sungen), und auch nach der
Quellung in konzentrierteren
Chloridlösungen quollen die
Stücke nachher im Wasser
erheblich stärker weiter, als
der reinen Gelatinewasserquel-
lung entspricht (Tab. XIV).
Diese Erscheinung könnte
also, ganz oberflächlich be-
trachtet, den Gedanken an
einen gewöhnlichen osmoti-
schen Vorgang erwecken; daß
sie so einfach nicht ist, zeigt
5° &, „2 — ganz abgesehen von der
Fig. 5. Unmöglichkeit, beide Phasen
des Prozesses, die in der Elek-
trolytlösung und die in Wasser, osmotisch zu verstehen — ein
genaueres Eingehen.
Einmal ersieht man schon aus den angeführten Tabellen,
daß in den Salzversuchen erheblich mehr Teilchen aus der
Gelatine in das Wasser gehen als bei der Säure — was ja
auch der sehr viel größeren Konzentration der verwendeten
Salzlösungen entspricht —, weiterhin ist bekanntlich die Diffu-
sionsgeschwindigkeit der Säure erheblich größer als die des
Salzes, der osmotische Ausgleich müßte also bei der säure-
gequollenen Gelatine unter geringerer Wasserbewegung möglich
E йөк!
КИЮ ШИШ RES ИКИ ИШГЕ И БН
SSES ЕЕЕ ЮБИ
ашаа а
=
T
8
гое аа ааа
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 363
sein als bei der salzgequollenen. Man könnte vielleicht fragen,
ob auch der Übergang zwischen Wasser und Gelatine für die
Säure so leicht bleibt; in Tab. VIII!) und IX habe ich die Ge-
schwindigkeit der Säureverarmung der Lösung während der
Quellung titrimetrisch bestimmt, die Kurve zu Tab. IX zeigt, daß
der HCI-Gehalt der Lösung abnimmt entsprechend einer Kurve,
die ein recht vollkommenes Gegenstück der Quellungskurve ist.
Ф
р WEE ee bës
Eine einfach-osmotische Deutung ist also unangebracht,
dagegen schien mir der Einfluß des „Gefälles“ in irgendeiner
Form sehr diskutabel, man beachte dazu noch einmal die Kurve
zu Tab. IX, die in ihren ersten Kurventeilen sehr gut als Ge-
fällefunktion zu deuten wäre.
Dabei sieht man aber auch gleich, daß das Gefälle
— rein theoretisch — sich während des Quellungsganges um-
kehren muß, die Säurekonzentration in der Außenflüssigkeit
wird schließlich so gering, daß die Konzentration im Volumen
der Gelatine beträchtlich größer sein muß, trotzdem bleibt aber
die Quellung in der einen Richtung bestehen, und wenn die"
Gelatine in reines Wasser überführt wird, setzt unter Säure-
austritt eine sehr große Steigerung der Quellung ein.
Anschließend hieran sei zunächst darauf hingewiesen, daß,
wie schon früher bekannt (M. H. Fischer), Stoffe, die im gleich-
1) Tab. VIII, Versuche mit trockener Gelatine sind — auch wegen
der geringeren titrierten Flüssigkeitsmengen — weniger verwertbar.
25%
364 R. Ehrenberg:
zeitigen Einwirken einen Antagonismus zeigen — Säure und
Salz, Säure und Alkali — auch im Nacheinander der Anwen-
dung diesen Gegensatz ergeben (Tab. V, VII, X, XIII).
Eine naheliegende Frage war nun, ob sich ein solcher
Einfluß des Gefälles auch nachweisen ließe, wenn gleich bei
der Bereitung der Gelatine eine bestimmte Konzentration ge-
löster Stoffe in der Gelatine erzeugt wurde, d. h. wenn dieselbe
mit Lösungen statt mit reinem Wasser angesetzt war.
Es sei dazu bemerkt, daß die Erscheinungen an diesen
Gelatinestücken nicht notwendig mit denen identifiziert zu werden
brauchen, die bei resp. nach der Elektrolytaufnahme während
der Quellung beobachtet waren. Die Erhitzung der Gelatine
auf ca. 70°, die feine Verteilung von Gelatine und gelöstem
Stoff in der heißen, flüssigen Auflösung, das Fehlen einer
„Struktur“ während der Salzaufnahme, all dieses sind wesent-
lich andere Bedingungen als im Quellungsversuch. Wir wollen
nun die Erscheinungen an solcher Gelatine betrachten.
Einen Versuch erwähnten wir schon, den von Tab. V, wir
sahen, daß die Gelatine den mit ihr aufgelösten Stoff sehr wohl
abgeben kann, und daß ferner dieser Stoff bei der Quellung
mitwirkt im ganzen in demselben Sinne, wie wenn er in der
Außenlösung wäre.
In Tab. VII sind Versuche mit 3 Arten von Gelatine unter-
einander verglichen: Gelatine in al, a: НСІ, solche in pl. a: NaOH
und Wassergelatine.
Es ergibt sich: in Wasser quellen die beiden ersten Arten
mehr als die Neutralgelatine, sie geben dabei etwas von der
Säure resp. Base an die Außenflüssigkeit ab. |
In ®/,oo-HCI quillt die Säuregelatine am stärksten, dann
folgt die Neutralgelatine und endlich die basische, dabei ist
die Lösung, welche die Basengelatine umgab, nachher am
schwächsten sauer, es folgt die um die Säuregelatine, und am
sauersten ist die um die Neutralgelatine (titrationssauer!), kryo-
skopisch zeigt merkwürdigerweise die Neutralgelatine die größte
Molekülabgabe, dann die basische, am wenigsten die saure.
In diesem Falle tritt also ein Einfluß des Gefälles höch-
stens in den kryoskopischen Daten hervor.
In ?/ io- NaOH quilt die Basengelatine am meisten, dann
die Neutralgelatine und endlich die saure, also auch hier wohl
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 365
ein Einfluß der Antagonismen, aber gar keiner des Gefälles, ja
es zeigen sogar die Gelatinearten, die — theoretisch — kein
Gefälle gegen die betreffenden Lösungen haben, eine Verstärkung
der Quellung gegenüber der Neutralgelatine. Man hat also hier
das Bild der „spezifischen“ Wirkung der Stoffe im Innern der
Gelatine, gleichgültig wie sie dort hinein gekommen sind.
In den Lösungen von Kochsalz und Glaubersalz quillt
die Basengelatine stärker als die beiden anderen Arten, die
saure am schwächsten, alle aber stärker als in reinem Wasser.
Die saure und neutrale Gelatine quellen in Sulfat mehr als in
Chlorid, die basische umgekehrt. In allen Fällen sind aber die
Außenlösungen nachher konzentrierter als am Anfang, eine ins
Gewicht fallende Verdunstung war dabei zwar nicht völlig aus-
geschlossen, aber doch tunlichst herabgedrückt.
Entsprechende Versuche sind in Tab. X und XIII verzeich-
net, hier wurde 20°/,ige Gelatine verwendet, die mit ®/ , und
Saar: НСІ, ferner mit Un und !/„n-Na0l, sowie mit
Wasser angesetzt war. Die Erscheinungen sind nicht ganz
gleichmäßig, es macht sich
eben hier, wie mehrfach auch
in früheren Untersuchungen,
der Einfluß der Unmöglich-
keit absolut gleichartiger Vor-
behandlung geltend: immerhin
sind einige Regelmäßigkeiten
deutlich erkennbar.
Zunächst war in diesen
Fällen die Quellung in Sale
und ”/ioọ- HCl bei der HCI-
Gelatine nicht stärker, son-
dern schwächer als bei der
Neutralgelatine; erheblich
schwächer quoll nur die stark _
kochsalzhaltige Gelatine. Се егетин
In reinem Wasser quoll Fig. 7.
(Tab. XIII Kurve) die pl a
НС1-Сејабпе etwas mehr als die neutrale, die Kochsalzgelatinen
quollen erheblich mehr als die beiden ersteren. In Versuch
Tab. X quillt allerdings die ®2/ „-HCl-Gelatine in Wasser sogar
|||, Д7
! E RE
366 В. Ehrenberg:
etwas weniger als die neutrale, wir werden aber sehen, daß
dies ein Ausnahmefall war, beruhend anscheinend auf dem
Alter der Gelatine seit der Ansetzung. Man bekommt nämlich
den Eindruck, als ob die Gelatine die Eigenschaften, die ihr
die mitangesetzte Säure verleiht, bei längerer Aufbewahrung
wieder einbüßt; vielleicht kommen aber auch kleine Unter-
schiede bei der Herstellung in Betracht.
Bei der Quellung in Kochsalzlösungen quoll die konzen-
triertere Kochsalzgelatine am stärksten, und zwar abnehmend
stark in konzentrierter, schwächerer Kochsalzlösung und reinem
Wasser; also auch hier im Gegensatz zu den Unterschieden
des Gefälles.
Um einen deutlicheren Einblick in den Einfluß des Ge-
fälles bei der Quellung in Salzlösungen zu erhalten, habe ich
Gelatine einmal mit Kochsalzlösungen verschiedener Konzen-
tration, dann mit solchen von Glaubersalz angesetzt und diese
Gelatinearten in Lösungen desselben Salzes quellen lassen.
Dabei ließ ich jede Gelatineart in einer schwächer konzen-
trierten, einer gleich starken und einer stärkeren Lösung quellen.
Das Resultat war bei der Kochsalzgelatine gleichartig und
sehr überraschend: es quoll nämlich jede Gelatine am stärksten
in der gleich konzentrierten Lösung, schwächer also sowohl in
der schwächeren als in der stärkeren.
Das ist ein deutlicher Einfluß des Konzentrationsgefälles,
aber ein solcher, wie ihn unsere osmotischen Vorstellungen zu-
nächst rätselhaft erscheinen lassen. (Tab. XI.)
Bei der Sulfatgelatine waren die Erscheinungen nicht ganz
einheitlich, annähernd regelmäßig ließ sich ersehen, daß die
Gelatine in der schwächeren Sulfatlösung am stärksten quoll,
aber in der Tabelle sieht man auch hiervon eine Ausnahme
(allerdings in einem Versuche, der auch sonstige Atypien zeigt,
also vielleicht Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung erfahren
hatte).
Auffallen muß aber noch, daß die Sulfatgelatine (und zwar
erheblich) in Sulfatlösungen von solcher Konzentration quillt,
wie sie gegenüber der reinen Gelatine schon Hemmung und
Entquellung bewirkt. Dies letztere weist wiederum deutlich
auf einen bestimmenden Einfluß des Gefälles hin, denn es ist
nicht einzusehen, wie sich bei verschiedener „Heranbringung“
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 367
des Sulfations etwa die „spezifische“ Wirkung an der Gelatine
ändern sollte.
Die Änderungen der elektrischen Leitfähigkeit in den Koch-
salzlösungen gehen dabei im ganzen mit dem Gefälle, das Leit-
vermögen nimmt wohl in allen Fällen zu, aber entgegen
dem osmotischen Gefälle weniger als mit ihm.
Bei den Sulfatlösungen dagegen ist die Zunahme des Leit-
vermögens (absolut) in der jeweiligen konzentrierteren Lösung
im allgemeinen eher stärker als in der schwächeren.
Ich verglich nun weiter den Einfluß des Gefälles bei meh-
reren Gelatinearten und in verschiedenen Lösungen.
Zunächst Neutralgelatine (Tab. XIV):
Es zeigte sich wieder nach 3 stündiger Quellung in al, HO
eine mehr als doppelt so starke Weiterquellung in Wasser ver-
glichen mit der Weiterquellung in der alten Lösung. Wurde
nun nach dem Wasser wieder frische HCl-Lösung verwendet,
so trat kaum noch Quellung ein, während die in der Säure
verbliebene Gelatine, in frische Säure überführt, ohne Steigerung
langsam weiterquoll.
Dabei nahm die erstere Gelatine bei dem erneuten Auf-
enthalt in Säure noch ziemlich viel Säureteilchen auf, die letz-
tere Gelatine fast gar keine mehr.
Wir haben hier also eine neue Erscheinung: die abermalige
Anwendung des ersten Gefälles wirkt nicht weiter quellungs-
fördernd, sondern hemmend.
Ganz analoge Erscheinungen zeigen sich in der ?/ „NaOH,
auch hier wieder starkes Weiterquellen in Wasser, danach fast
völliges Sistieren der Quellung in der frischen NaOH trotz
gleichzeitiger beträchtlicher Alkaliverarmung der Lösung.
In der ”/i oo HCl-Lösung dagegen bleibt in diesem Falle
— also nach 3 stündigem Aufenthalt in der Säure — die Weiter-
quellung in Wasser etwas gegenüber der weiteren Säurequellung
des Parallelversuches zurück und steigt nach der Überführung
in frische Säure wieder — in beiden Fällen — stark an. —
Das Gefälle ist bei diesen Versuchen ja erheblich geringer als
bei den obigen, die Erscheinung ähnelt hier mehr derjenigen
in Salzlösungen.
Von den Salzlösungen nämlich zeigt nur die 7°/,ige Sul-
fatlösung ein verstärktes Weiterquellen in Wasser gegenüber
368 R. Ehrenberg:
dem Parallelversuch, diese Lösung hat еіп A von etwa 0,6
bis 0,65°.
Bei den anderen Salzlösungen (n- und ?/,,- NaCl,
3,5°/, Na,SO,) quillt das in der Lösung belassene Stück stärker
weiter, aber immerhin quellen auch die in Wasser überführten
Stücke erheblich mehr als reine Gelatine, die von Anfang an
in Wasser quoll.
Der Gang der Leitfähigkeitsänderungen ist, wie zu er-
warten; die ?/, n-Chloridlösungen geben mehr Teilchen an die
Gelatine ab als die Sulfat-
lösungen, und entsprechend
steigt nachher die Leitfähig-
keit des Wassers im Chlorid-
versuch ca. 3 mal mehr als im
Sulfatversuch und damit auch
relativ zu den Ausgangsleit-
fähigkeiten mehr.
Die Versuche in Tab. XV
(в. Kurve dazu, die Zahlen
entsprechen denVersuchsnum-
mern in Tab. XV) zeigen wie-
der einen sehr charakteristi-
schen Einfluß des Gefälles.
Zum Vergleich sind in die
KurventafeldieKurven zu den
Versuchen, die mit Neutral-
EZ лж. gelatine in den beiden Säure-
Fig. 8. lösungskonzentrationen ange-
stellt waren, eingezeichnet.
Aus den Kurven ersieht man folgendes: am stärksten ist
die Quellung von al, HO Gelatine in ”/ oo- HCl mit nach-
folgender Überführung in Wasser, danach kommt die Quellung
nur in Wasser und dann diejenige nur in ®/, ọọ- HCl.
Weiter: Neutralgelatine quillt in ?®/, „HCl mehr als
Säuregelatine, Neutralgelatine quillt in ?/ „HCl verschwindend
wenig gegenüber ?/, ,-HCI-Gelatine (Gefälle!).
Und schließlich quillt wieder die Säuregelatine aus ”/ o-
НСІ in Wasser überführt bedeutend stärker weiter.
In den Salzversuchen ergibt sich der alte Befund.
bebe ||| ||| | |
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 369
Aus den Untersuchungen der Lösungen sei hervorgehoben: die
Säuregelatine von Nr. 1 gibt sehr beträchtliche Säuremengen an
das Wasser ab, ebenso immer noch recht viel die von Nr. 5. Aus
a/o HCl nimmt sie in 20 Stunden nur recht wenig auf, bei Er-
neuerung der sauren Außenlösung gibt sie sogar nochmals ab.
Aus der sl, œo- HCl nimmt die Säuregelatine immer noch
relativ beträchtliche Mengen Säure auf, wenn auch viel weniger
als die Neutralgelatine in Tab. XIV.
In dem Versuch von Tab. ХУІ quillt umgekehrt *®/,„,-НС1-
Gelatine in °/,,-НСІ erheblich mehr als in ®/,„-НС1], in Wasser
quillt sie nicht sehr viel mehr als reine Gelatine.
In Kochsalz- und Glaubersalzlösungen zeigt sie das Ver-
halten reiner Wassergelatine, d. h. nicht den Typus der Säure-
hemmung.
Ebenso zeigt auf Tab. ХУІ der Versuch: „Na,SO,-Gelatine
in Säure“ mehr die Säure- als die Salzwirkung. Sulfat-Gela-
tine quillt ferner in gleich konzentriertem Sulfat mehr als in
Chlorid.
Immerhin ist hier sowie bei der normalen NaCl-Gelatine
(Tab. ХУШ) die Salzhemmung doch etwas vorhanden (vgl.
Tab. XIV).
Die Kochsalzgelatine quillt im übrigen in der gleich kon-
zentrierten Kochsalzlösung am stärksten, in Wasser erheblich
mehr als reine Gelatine, in Harnstofflösung etwa wie in Wasser.
Harnstoffgelatine (Tab. XIX) quillt in Säure mehr als reine
Gelatine, in Harnstofflösung mehr als in Wasser, in den Salz-
lösungen wie zu erwarten.
Endlich sei noch ein Versuch angeführt (Tab. XX), der
über den Einfluß des Alters der verschiedenen Gelatinen Mate-
rial erbringen sollte. |
Die Quellung von =; -НС-Сејабйпе in Wasser war nach 3,
nach 16 und nach 25 Stunden ungefähr die gleiche, ebenso die
Abgabe von Elektrolyten.
Dagegen nahm die Quellung іп sl, HCl-Lösung nach 25
Stunden etwas ab, und entsprechend nahm die Gelatine dann
auch weniger aus der Säure an solcher auf.
Die ?/ oo- HCl-Gelatine quoll anscheinend in den späteren
Versuchen etwas mehr, die Neutralgelatine in Wasser weniger,
in Säure vielleicht etwas mehr.
370 R. Ehrenberg:
Im ganzen war ein deutlicher Einfluß des Alterns in
diesen Zeiten noch nicht zu erweisen.
Fassen wir für die Diskussion dieser Versuche die Tat-
sachen noch einmal zusammen:
1. Die Wirkungsreihe der Elektrolyte bei der Gelatine-
quellung ist abhängig von den Konzentrationsbereichen.
2. Mit der Gelatine aufgelöste Salze, Säuren oder Basen
wirken im selben Sinne, wie wenn sie in der Außenlösung
wären, sie diffundieren dabei hinaus.
Für den Einfluß des „Gefälles“:
1. Gelatine, die in Säure oder Base gequollen ist, quillt
danach in reinem Wasser bedeutend verstärkt weiter.
2. ®/,„-НС1-Се!айпе quillt in Wasser etwas mehr als Neu-
tralgelatine, al, HOL Gelatine bedeutend mehr.
Bei 1. und 2. gehen entsprechend verschieden große Men-
gen von Säure und Base in das Wasser.
3. al, cHOL- Gelatine quillt in al, HCl mehr als in ®/, „HCl.
2/ 00-HClI-Gelatine quillt in al, HO mehr als in ®/,„-НС].
n| o-HCl-Gelatine quillt in ®/ „HCl weniger als in Wasser.
n/ o HCl-Gelatine quillt in al, HO weniger als Neutral-
gelatine und als ?/ „-HCl-Gelatine. |
4. Natriumsulfatgelatine quillt im allgemeinen in der schwä-
cher konzentrierten Lösung dieses Salzes mehr als in der gleich
oder der höher konzentrierten.
Nicht im gleichen Sinne des Gefälles deutbar:
1. ?/ oo HCl-Gelatine quilt in Si, HU) meist etwas stärker
als Neutralgelatine, gelegentlich allerdings auch schwächer.
2. Kochsalzgelatine quillt — abgesehen von dem Fall sehr
viel größerer Konzentration in der Außenlösung — in gleich
konzentrierter Kochsalzlösung stärker als in der nächstschwä-
cheren und der nächststärkeren.
Bei der Besprechung dieser Ergebnisse will ich mich kurz
fassen, weil der Versuch einer detaillierteren Theorie doch ver-
früht wäre.
Ich glaube, man wird mehrere gleichzeitig verlaufende
Vorgänge annehmen müssen, von denen je nach den Ver-
suchsbedingungen bald der eine, bald der andre überwiegt.
Daß eine Erklärung nach einfachen osmotischen Prinzipien,
d. h. die Annahme einer osmotischen Zelle, nicht ausreicht,
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 371
wurde schon oben dargelegt und ist evident; immerhin ist ein
„Teilvorgang“ rein osmotischer Natur nicht ausgeschlossen.
Während z. B. das starke Weiterquellen der säuregequollenen
Gelatine in Wasser nicht so einfach verständlich ist, könnte das
Ausbleiben weiterer Quellung in der 2. Säureperiode mit Ein-
diffusion der Säuremoleküle rein osmotisch sein.
Wenn man die in der 2. Gruppe zusammengefaßten Vor-
gänge betrachtet, wird man aber doch genötigt, das Gelatine-
stück hierbei als ein System zu betrachten, d. h. von der Vor-
stellung einer Wirkung zwischen Gelatineteilchen und Elektro-
lytteilchen zu der einer Abhängigkeit der Gelatine als Ganzem
von der Elektrolytwanderung überzugehen.
Es lag nun nahe, an einen elektrischen Vorgang zu
denken, und ich habe in einer großen Zahl von Versuchen, zu
denen das oben Mitgeteilte nur die Basis bilden sollte, danach
gefahndet. Ich benutzte als Arbeitshypothese die Vorstellung,
daß es sich bei der Wasserbewegung um einen elektro-endos-
motischen Prozeß handele, ich faßte danach das Galetinestück
als einen von einer polarisierbaren Membran umgebenen Raum
auf und dachte mir, daß die erforderliche — im elektro-endos-
motischen Systeme außen angelegte — elektromotorische Kraft
durch Diffusionspotentialdifferenzen oder Membranpotentialdiffe-
renzen an der Grenze Gelatine-Wasser geliefert würde. Girard
hat in seinen Versuchen gezeigt, daß die Gelatine tatsächlich
die Rolle des Capillarbündels der klassischen Elektro-endosmose
übernehmen kann, leider fand ich aber über spezifische Ände-
rungen der Ionenbeweglichkeiten in Gelatine gegen Wasser kein
Material vor.
Ich untersuchte in vielen Versuchen mit der Poggen-
dorffschen Methode die Potentialdifferenzen zwischen Gelatine
und den verschiedenen Lösungen; dabei verwandte ich ver-
schiedene Elektroden, einmal schmolz ich Platinelektroden in
die Gelatine ein, dann legte ich Kalomelelektroden an Gelatine
und Lösung an, in anderen Fällen schaltete ich die Gelatine
als Ganzes zwischen die verschiedenen Flüssigkeiten ein und
maß so deren Potentialdifferenz, um zu sehen, ob das Kon-
zentrationspotential sich durch die Gelatinezwischenschaltung
geändert hätte. Das war auch der Fall, und auch bei anderer
Anordnung fand ich Potentialsprünge, aber die waren so klein
372 В. Ehrenberg:
und unregelmäßig; wahrscheinlich hatte ich auch noch durch
die Versuchsanordnung bedingte Polarisationsstellen darin, jeden-
falls ist das Material noch nicht zur Mitteilung geeignet.
Umgekehrt legte ich auch außen Potentialdifferenzen an,
nachdem ich die Leitfähigkeit der Gelatine durch Bereitung in
entsprechenden Salzlösungen erhöht hatte; bei schwächeren
Stromquellen sah ich keine eindeutige Wirkung, bei starken trat
Elektrolyse und Auflösung der Gelatine ein.
Ich nahm an, daß bei den schwächeren Strömen (Poten-
tialdifferenz bis zu 40 Volt) sogleich durch Polarisation der
Effekt verhindert werde (ich konnte auch im Amperemeter
keinen Strom nachweisen) und schaltete deshalb eine ziemlich
langsame Unterbrechung ein: alles ohne Erfolg.
Tabelle 1.
10°/, Gelatineblöcke in Aqu. dest.
Е sel oE 2 9 g 5%
Sep 23 Во Sé? Зое BC zf
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O | 0 10,0302|0,605 1. 8,78 g 7. 10,80 g
3 | 9 0,0325 in 25 ccm Ringe in 25 ccm Саі,
18,5 [11,10,03290,524 0,0923 "ou 265 in H,O 0,326 in H,O
0 10 |0,0302l0,561 2. 12,22 Reaktion am
8 6,9 in 25 ccm Vo Schluß wie bei 6,
13,5 | 4,9|0,02910,458 0.0843 "o, 369 in H,O nr —
SCHWAC . REg.
0 |0 [0,030210,527 3. 11,25 g Roela an S
3 166 in 25 cem KCl 1 Tr. sl Kaf
13,5 | 9,00,0282|0,433|0,0834| 0,339 in H,O gegen
0 |0 [0,0302!0,496 4. 10,818 2 Tr. %/, HCI
3 | 7,3 іп 25 ccm Na,SO,
13,5 |11,9/0,0334!0,444!0,0403| 0,326 in H,O || 0 | 0 |0,0802|0,77 8. 10,90 di
| 3 | 6,1 OI in 75 ccm Ca
Art men E а — [05880230 | +10 ecm Ur
(2) | 0,329 in
13,5 | 5,8/0,0306!0,685|0,128 0, 269 g in H,O Bonn
о |0 0,03020,702 6. 8,728 Schluß в. bei 7.
3 | 7,2 in 15 ccm Ur
13,5 Web 0,0307'0,590'0,128 [+ De о | о |оозоә| 0 9. 855 8
Reaktion am Ende 3 8,8 Kee in 25 ccm
| geg.Ronols, neutral-—|| 13,5 | 2,310,0267/0,02110,0245ј Ааа. dest.
| | alk. 1 Tr. n/,..Na — 0,258 in H,O
2 Tr. n/i HC
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 373
Ich schließe nun aus diesen Versuchen aber nicht auf eine
Unfruchtbarkeit der elektrischen Hypothese, sondern werde die
Versuche mit variierter Methodik fortsetzen; Zweck der vor-
liegenden Mitteilung war, der Übertragung der Tatsachen der
Gelatinequellung auf biologische Prozesse neues Material zu
liefern. Es sei beispielsweise darauf hingewiesen, daß die
Quellungstheorie der Muskelkontraktion sich die Frage vorzu-
legen hat, ob sie nicht besser mit der Vorstellung arbeitet, daß
die Quellung durch Säureaustritt statt -eintritt an der quel-
lenden Faser bedingt sei; sie käme dabei mit der Annahme
nur einer Richtung der Säurewanderung aus.
Tabelle II.
10°/, Gelatineblöcke in Aqu. dest.
|
a КЕКЕ" g salos "Te cuy
1342 EIER Zeg A8 zëel fe) Bäi
PERHERE EREECHEN
SE SE SER | um SÉ 58 ‚ка| ым "о
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о |0 10,0280) 0 0 Н 7. 7,54 g in
1540”) 2,5 1540’ N 25 com CaCl,
16% | 7.810,022410,021/— 0,0315] Aqu. dest.
To 0, 0280 0,678 8. 7,10 g in
о | 0 |0,0280.0,003 1240| 6,3 25 осш CaCl,
16.5 119310,01760,024— о,0381 17% 11,40,02920,563| 0,162 rien" BD
| са. 9,5 com =
0,04 d -NaOH
| D 10
1235 2; [0,028010,527 0 [о [0,02800,794 9. 5,92 g in
16,5% 12,7|0,0258/0,455|+ 0,0916 12407) 5,7 25 com Urea
175 | 2'310,0266'0,713| 0,1368
о [о |o,o280l0,517 In 0 0, 028010,763 10. 6,56
140’ 6,7 40’ 25 com Urea
16,55 | 8,9 0,0250[0,442'+ 0,0932] 1 cem "/,,-НСІ || 17° оў Уо, 0199:0,683! 0,122 | + 1 com HCI
| o [о [0,028010,418 11. 6,00 g in
Ee 505 25 vom NESO 1540] 7,8 b 25 com NaCNS
4 b
16,5» [17,4 \0,0296|0 а 0,0750 17% 118,810,023010,895| 0,0299 1. en ok saner)
| 1 9
о | o [0,0280/0,506 ae pre en
1885' 5,6 25 com Na SOJ] 17һ | 8,010,024910,391| 0,0278 |+1 сош"/,,-НСІ
24
16,5®| 7,2/0,0318/0,430; 0,1002]++1ссш^/,„-НОС!
ee 10 ccm =
| 10 com = 0,09 Si, NaOH
0,11 %/,,-№а | | Hydrolyse!
374 R. Ehrenberg:
Tabelle III.
— — — — —— — — — — — — — EE EE м —
Anordnung Anordnung
—
5,92 g 185 304 47,8 | ‚Außenschicht 8,63 g 186 201 46,9 | Außenschicht
20°/,ige Gelatine — 200/ ige Gelatine re
in 25 ccm h , Innenschicht in 25 ccm 29 00° 11 8 Innenschicht
0,1 n-Na,SO, 29 00 13,0 in 1g feuchtes 0,1 n-NaCl in 18 feuchtes
0,1408 g trocknes 0,1255 g trocknes
e A ee
5,50 g 18° 304 48,9 209 ige Gelatine Se
20°/,ige Gelatine |298 00°) 12,9 in 25 ccm Quellung.
in 25 ccm 14400 118 0,2 n-NaCl Joo 007 12,8| їп 0.4697 g
Trocken-Subst.
0,2 n-Na,SO, 445 00 15,2 | 0,0464 g Asche,
5,45 д 185 30’
20°) ige Gelatine 29% 00’
in 25 ccm 44% 00’
0, 0422 g Asche
0,4 n-Na,SO,
in 25 ccm
0,4 n-NaCl
5,28 g 18° 30'— 9,8 4,94 һ on
А 2 7 g 18° 304 46,1
20 Чо ae 29 00'|— 1,0 Den 20°],ige Gelatine E dé 18,0
44% 00+ 8,8 in 25 ccm ‚
н a М / 0, 6 n-N аС1
— e 00.21, 5 кыо Fre,
0,6 n-NaCl 17% 00° 14,0 0,4 n-Na,SO, |172 004 3,8
24 007 11 9 24 00'|— 5,9
Tabelle IV.
Arabische Ziffern = NaCl-Gelatine. 20°/,ige Gelatine in 0,15 n-NaCl.
Römische Ziffern — Dextrose-Gelatine. 20°/,ige Gelatine in 0,2 n-Dextrose.
Spezifische
Leitfähigkeit
Anordnung
. 6,20 g
NaCl-Gel. іп 25 ccm
H,O
I. 4,92 g
Dextr.-Gel. in 25 ccm
H,O
2
2. 5,89 g
NaCl-Gel. in 25ocm | 455 |+ 52 0,460 0,0085
0,1 n-NaCl
II. 5,14 g
Dextr. Gel, in25ccemi 45% d 50,5
Йй 0065 | Zuoker +
0,1n-NaCl K
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 375
Tabelle IV (Fortsetzung).
Spezifische
Leitfähigkeit | Varia
3, 492g |
NaCl-Gel.in25ccm | 45% |+ 72 0,585 . 10,0182
0,1 n-BaCl, |
III. 5,44 g
Dextr.-Gel.in?25ccm| 45° |+ 62,5 0,560 Zucker +
0,1 n-BaCl,
4. 6,45 g
NaCl-Gel. in 05 ccm | 455 + 45 o 480 o ‚0082
0,1 n-NaNO,
IV. 5,52 g
Dextr.-Gel.in25ccm| 458 |+ 53,5 0,450 0,0061
0,1n-NaNO, |
5. 4,94 р |
NaCl-Gel. in 25 сеш | 45° |+ 97,5] 0,451 | 0,556 | 0,0124!0,0140
0,1 п-К,80,
5,23 g
se ‘Gel. in 25 оош 45b А 50 [0,451 | 0,518 10, nu 0,0115 | Zucker +
0,1 KSO,
6. 5,80 g
NaCl-Gel. in 95 сот | 45° |+ 83,5 0,555
0,1 п-№а,-80,
VI. 5,42 g
Dextr.-Gel.i ш > ccm] 45b u 45 0,504 0,0094
0,1 Na,SO
NaCl- G in mE ccm | 458 |4100 [0,490 | 0,601 10, Er K 0124
0,1n-K,CO,
УП. 3,80 g
Dextr. ке in25oom 455 1+107 10,490 | 0,575 1 0,011910,0110
NaCl- SCH A G ccm | 45% |+ 63 | 0,025 | 0,160 [0,00260,0035
See H
ҮШ. 3,42 g
Dextr.-Gel. in25 сеш] 45% ны 0,025 | 0,090 10, ES | ‚0012
un
NaCl- Пе: ОЕ ccm | 45° |+ 33 0,000 10,0020
0,3 n-Dextrose
ІХ. 3,58 g
Dextr.-Gel. in 25 com 45° Lt 36,6 0,756 | 0,000 10,0006
0,3 n-Dextrose
376 R. Ehrenberg:
Tabelle V.
Anordnung Anordnung
3,88 g 4,59 g 4 30| 15,7
10°/,ige Gelatine | 1% 00’) 12,1 10°/,ige Gelatine 172 50| 18,1
in 25 ccm 1° 15 54 in 25 ccm 7 25) 7,5
a/o- HCI 1230| 5,4 NaCl + Urea, |16 35) 10,6 |2 лв дє
145 00" 32,2 Lösung ist für Bug
in 25 ост H,O | 1% 45| 32,5 0,15 n-NaCl,
ze ал. 6 0071 438 für Urea 2,59/,,
A = 1,327
4,15 в 48 107+ 80,9 | > ein wenig ab-
10°/,іве Gelatine | 5 007, 948] GrPröckelt
4 Std. in 25 ccm| ть 15/|_ 5,1
Saa НС, 1* 20... 5,3
8,80 g 18
10° ‚ige Gelatine 17° 20 23,
in 25 ccm 7 25 6
11
dann in 25 ccm |145 304. 55 0.15 n-Na,SO sauer
0,15 n-Na,SO, | 7 15/4 5,1 ——
3,16 4b 90714 13,3 3,15 e
10°/,ige Gelatine 10°/,ige Gelatine [16% 45’
in 25 ccm 7 30’
0,15 n-NaCl коше к 1), n-NaCl 16’ 30’ reag. sauer
a/o- N8
3,69 g 5ь 00'|+ 20,3
10° igo Gelatine 17° 204 23,9
in 25 com 72 25 7,0
0,11 n-Na,SO, |16° 35) 11,4
5a 304 22,7
3,80 g
10°/,ige Gelatine [17° 00° 27,3
in 25 ccm 7a 15’ 6,7
0,2 n-NaCNS }16% 307 14,2 | sauer
sauer, 10 ccm
= 0,12 ao- Na
4,00 g
10°/,іре бене аЛ oza ооо Acker d 99 Eh 95
4 Std. in 25 ccm Je 10е нде Gelatine 172 00”
НО аат но |1710
ann 25 ccm Осст=0,10 Sien
? "wi der 1 SC
H,O п. 18 Std. |
5а 80/+ 20,7
4,52 g 100 / FH — 17% 10 б 29,0
109[,ige Gelatine | тк 10/— 4,6 | тешен ap, | im 012m [тоу 76
Be rt [мушкш һе ты
1007 р a
dann in 25 ccm 148 30 — 2,9 in neutral. Verh.
"io NaOH | myvi 1,5 (Michaelis)
165 404 6,0
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen.
Tabelle VL
377
3,85 g 50°/,ige
Gelatinein25com
в/\»- HCl, in der
achon Gelatine
4 Stunden
gequollen hat
4,71 в
50 °/,ige Gelatine
in 25 ccm H,O
DEE ж же ET ла о жа ж тсз з лез
8,56 g
50 lo ige Gelatine
in 25 cem
0,15 n-Na,S0,
Burn бл езж TG TT соб»
v» ++ жж а, жс жал» в» зз» в тез EEN
frisch H,Ö
4,05 g
50°/,ige Gelatine
in 25 ccm
0,15 n-NaCl
DEET EE ET TTT
DEET 244
in frisch H,O
3,27 g 50°/,ige
Gelatine і. 25 ccm
eho HO —
DT re ee ren ee
3,60 g 50° ige
Gelatine i i.25 ccm
16° 00’
7a 25
16% 30’
24% 15
248 15’
488 00’
DEET
16° 30’
24: 00’
DEET
16% 30’
24a 00
gaer
16° 00”
7a 20’
165 00’
72 20’
De E
оозе, зз, зә»
frisch МаОН
—
tauchte nicht
mehr ganz ein
Biochemische Zeitschrift Band 53.
Varia
s8 5b 10
Бове Gelatine |18% 00’
in 25 ed 24h 00/ —
1, n-Na,S 24» 00’ Beginn ‹
48% 00' größerer Kon-
glomerate.
(6) >
—
nicht ganz ein.
3,89 g 50°/ 1де
Gelatinei. 25ccm
Маон ү р
“зз о б» жес ова rennen ооо е
іп 25 ccm
0,15 п-КС1
DD ООС ЕО ТЕГЕ
zurück in alte | 7% 00°
"wieder in in BO 17 00 991
3,15 g 6° 00 2
50%/,ige Gelatine 172 807 3
6% 30’
17° 00°
24% 00’
-M „у, еу» уа, TEE EE
48» 00’
26
378 R. Ehrenberg:
Tabelle VII.
Säuregelatine,
Gelatineblock,
10 g Gelatine auf
100 ccm d" 165 10
24° 00| 8,2| 0,021
in 25 ccm H,O
Basengelatine,
10 g Gelatine
auf 100 ccm
5,1
in 25 cem H,O |>
4,46 р Säure-
gelatine in
25 сет °/,„-НС1 | 48 10/|38,
Dh 10’ 49,
10 ccm
—1,03®/,, NaOH
fr
0,096 | 0,052 5 сет Viel gelöst und zer-
— 0,14 = J1o-Na bröckelt.
10 ccm
= 1,08% /,,-МаОН
4,69 р Basen-
gelatine іп
25 ccm nl, HCl
о4ъ 00178 0,095 10 com
— 0,21 */„„-Ма
4,83 р Neutral-| 0 0 | 0,030 | 0,050 10 сет
gelatine in 88 20/|71,2 == 1,08 */,,-М№а
25 com */,„-НС1| 3° 50725,5
17° 0041,4
24% 80'|11,8 0,146 | 0,099 5 сет
| = 0,15 °/,,-М№а
Zerbrochen, etwas ver-
loren.
4,52 g 0,031 | 0,030 10 com | Flüssigkeit sofort röt-
Säuregelatine | 3° ү, 24. 6 0, 022 = 0,97 */,„-НС] ө
(mit Rosolsäure) | 4% 107] 7,5 ü geg CU ei
in 25 сеш |16®00]23, ‚3| 0,018 | 0,095 | 0,072 10 ccm Nach 1 Std. —
"NaOH 124 101189 0,015 = 005 lebt) hen gob. "7 7
"dann in H ‚0,
Nach 24 Std. Rötung
der Flüssigkeit viel
geringer, Block ganz
gelb.
dies reagiert
nachher schwach
+
бв 40’124,5| 0,012
alkalisch
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 379
Tabelle VII (Fortsetzung).
E
©
>
Anordnung k- Titration
Е
nn d
5,15 g о | о 0,031 | 0,030 10 ccm Flüssigkeit sofort ge-
Basengelatine | 3% 15/|32,8 es MT SLL) То» ‚SEE VER
(mit Rosolsäure) | 4% 00711,2 "е рима ее
іп 25 ccm 165 45128,2
"aer NaOH 124 00”|19,0 0,015 | 0,090 | 0,058 10 eem Flüssigkeit bleibt
== 0,11 */,,-НСІ stark gerötet, Block
? 10 innen hell, außen
| (Kanten) stark rot.
5,20 g 0 | о | 0,030 | 0,030 10 com
Neutralgelatine | 3® 20725,9 == 0,97 3/ -HCI
in 25 ccm 3° 507] 7,1
a/o- NaOH [17® 00721,0
24% 30'| 18,8 0,069 | 0,038 10 eem
| == 0,04 */,,-НСЇ
4,54 g 0 0 | 0,031 | 0,560
Säuregelatine | 3° 10711,4 0,028
in 25 ccm Ah 00’ 6,4 |
0,15 n-NaCl [16% 15’[16,1| 0,025
24% 10]18,9| 0,024 | 0,575 | 0,017
4,20 g
Basengelatine
in 25 ccm
0,15 n-NaCl
4,80 g 0 0 | 0,030 | 0,560
Neutralgelatine | 3° 25| 12,9| 0,029
in 25 ccm 38 457] 9,2 |
0,15 n-NaCl 117% 007]18,5| 0,026
24 30/|15,0 0,024 | 0,587 | 0,028
5,07 g 0 0 | 0,031 | 0,503
Säuregelatine | 3° 10412,8 0,026
in 25 ccm 4b 007] 6,3
0,11 n-Na,SO, 116° 207117,2| 0,024
24% 10’|16,0| 0,023 | 0,535 | 0,032
4,36 g 0,503 Die Gelatineblöcke, die
E in NaSO, gelegen
Basengelatine haben, verringern
in 25 сет ihr Gewicht auf der
Mohrschen Wage
0.515 schneller als die
А NaCl-Blöcke.
0,11 n-Na,SO,
5,40 0 0 | 0,030 | 0,503
Neutralgelatine | 3° 30113,7 | 0,034
in 25 ccm 3b 45'| 7,0
0,11 n-Na,SO, [17® 00719,5 0,031
24ь 30’116,3| 0,030 |
dann in H,O | 5 00] 4,4 |
H,O erneuert [16° 45/7] 3,1 |
26*
886 - 86 6 odunsort әшәш Ysuos ‘“Zunsojout 19219/,'/, шоо DH „Б
u от әш 38 о[әш%[әр) t jo li ОТ 199 HO®N ЮН
`әзпәвәлп® ләр (og (вМ-°'/„ 2) == Zunsoppungepor) 0ә819/,°/; "вә ләшә шәә (])
Sau шә 2931, чәр }чцәїцәвләл NONFISSEN] y Upu NZ ләшә NZ дипво[әшұв[әұ) ләшә 29807,
HO®N- In ОН'[«
| 'Р38 I og |
| wm Gg +
| (сє'в1—601) | чәосрш (00°1 = wə 01) | (0103—01) | Wo0 cz ш
OH, DH II, um с PAS L { "огу с 'PISZ
00° == шоо 01 | 00:0 =W 01| +8LI 3 out 05 0 = шоо O'T | 070 = woo O'I 8/81 3 1071
шоо 95 en
2 | i / пияр ‘W CZ
S ? (30 = 90 01) | (gr ST <— 0'1) а (180 = шоо 00) | (8685 +——01°1) | ч pg say
E IOH-" I OH u sw, {| ew, mm ST 'PIS <
Ё с\т = шоо GL | 6[°0= шоо с“, 9181 yı=wo, | 1910 = «00 } 89% 3011
e шоо с, пәўвлә
= (171—660) (gg‘0z +— 660) [чәр nz шәә gg
DOT, IOH-""/u шоо cz ш doit BN- "u 'PIS I YN
00‘ == un (I | 810 == Un QI ПРІ Ppas 3 3 6:0 || 00 = шоо 01 | 80 = w (I L993 'PIS с 3 e60
(LEZI—OLT) | (ep0 = шоо 0р), (1991—01) шоо $6
OTI, ЮН-""/% шоо cz ш uN-"/u BN-"/u ш Junone
00% = шоо (I | 250 == Wd (I #201 PIS I Z Orar || ZI=Uung | 150 == шоо 9 2991 |035 ı 301
ont d 1931], 7
199813791094 I, ксы, рвлЗвЗипәпбу 192 1әҶ213әлоәҷу, чоне, | рвлЯвЗипүәпбу "92
HO®N-"/u ш OH /. ш
SS пәшшопәЭвпвдләч пәзә иәпәрәгцәѕләд цо®п otgioäetopugt IUII,
со ee
ТПА Oqe L
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 381
Tabelle IX.
10°/,igd Gelatine in je 25 cem sl HCl verschieden lange Zeit.
10 eem sl, HCl = 1,03 °/,,-МаОН.
Titration be-
rechnet auf
10 g u. 25 ccm
Zeit С h
ewichts- zunahme Titration
und
Gewicht
1 Std. 1,97 23,1 10 com = 0,51 °/,,-М№ә | 10 ост = 0,43
8,52 g |
2 Std. 2,79 35,8 10 ccm ==0,87*/,„-Ма | 10 ccm = 0,29
7,80 g 2. Titration
(5 ccm = 0,20 2/,,-№а)
4 Std 3,17 37,4 10 ccm = 0,19*/,„-Ма | 10 com = 0,16
8,49 g (5 ccm = 0,09 elo №)
6 Std. 8,98 50,4 10 com = 0,17 */,„-Ма | 10 com = 0,18
7,89 g (5 сот = 0,07 °/,,-№а)
161), Std. 4,55 59,1 10 com = 0,14 з /,,-№Ма | 10 eem = 0,11
7,70 g (eem = 0,07 */,„-Ма)
Tabelle X.
Gelatine A == 20°/, Gelatine in sl HO) Gelatine C — 20°/, Gelatine in ма
n В = 20°/, » » ®/,-NaCl n р = 20°, n n
— Spezifische без | Spezifische
е- | Leitfähigkeit e- | Leitfähigkeit
Anordnung map | bie EE
lo
4,25 g 8» 40/|+ 35,0 2,58 g 8% 40/|+ 74,0
A іа H,O [16° 00/5 34,4|0,000 oam Bin H,O [165 001+ 54,0 [0,000 (0,0113
ern I Пы
C in H,O |165 00714 88,0 | 0,000 |0,0036
4,61 g ; i
A in 25 cem | 8% 40'|+103,5 | 0,02550,0225 || B in 25 com | 8% 40/|+ 89,2 | 0,02550,0382
һенс II IT `, "шын le cal en
4,95 g 275g | I 7
C in 25 ccm | 8° 40’|4-122,0 | 0,0255|0,0310 1 D in 25 com | & 40 +199,0 | 0,0255|0,0335
a/o- НСІ sl. НО
4,39 g — 2,17 g
Мый" emp eso оогоо В ра fer oof
сш Sem = zk 7 — D Б 16 00 0,0905
‚8 А
^а 25 баш t ool 35 ` 0,0069 0,0159 вш бев e 0252
GE МЫНЫ имана ШЕ ЖЕ НЫЗЫ Мамы мнне
сий 23 em 16 KOR 304 EN D, in 25 eem he Ин 338 oonsol.1oo
382
R. Ehrenberg:
Gelatine A — 20°/, Gelatine іп 0,1 n-NaCl Gelatine Р = 20°/, Gelatine іп 0,1 n-Na,SO,
н sn 0,2 я
n n 0,4 n
* n 0,6 n
N = Stickstoff in den Lösungen nachher (Kjeldahl).
„ В — 20%,
н С 205,
„ Р“ = 20%,
6,05 g 18%
Tabelle XI.
n n 0,2 ” ” Q == 20°/,
n n 0,4 я n R = 20°),
"06 e „ 8 = 209,
+ 24,0 10,000 6,50 g
Р in 25 com
cessos essessosses -o —. ...--. Mer rer ee er ee er
15%
26%
54 3)
+ 54,5
+ 23,2
+157
+ 15,
ы
0,0049| in
5 ccm
0,0067 04 093 Е
+184 10,0080 —
+ 13,5 5 ос
+ 18,8 0,0112 0,048 g
+ 25,4 |0,0049
+ 14,2
— 11,2 (0,0075
+ 15,9 [0,0080
+ 26,6
0,0116 |.
0,0156
+ 81,4
— 1,9 0,0180 |
+ 34,8 [0,0080 |
+ 14,0
+ 13,7 0, 0137
ә
+ 30,9
+ 13,9
+ 12,9
0,0156
0,0204
in
5 ccm
0,044 с
ILL N ernennen er ee anne.
А in 25 ccm
О
6, 89 g 18%
А іп 25 ccm | 26%
Ginet) | 54%)
6,88 в 185
A in 25 ccm 26h
0,2 n-NaCl 54а
6,17 g 18%
В in 25 com 26b
0,1 n-NaCl 545
— — SS
B in 25 com 26%
0, 2 п-МаСі 548
6,42 g 188
В іп 25 ccm 26%
0,4 п-МаС] 543
6,44 g 183
С in 25 сот 26%
H 2 n-NaCl 54a
6, 87 g 18%
С in 25 ccm 26%
0,4 n-NaCl 54b
5,80 g
0,4 n-NaCl
+ 28,9 10,0065 in 6,68 g
ec 5 ccm Р in 25 ccm
— 0,5 10, 0093 0, 059 g 0, 1 п-Ма,8О,
+18,80,0123| in 6,43 g
+ 11,2 5 ccm P in 25 ccm
+ 2,3 10,0146 |0, 043 || 0,2 п-№а,80,
+ 35,4 [0,0065 | in 6,67 g
+ 145 Beem || Q іп 25 com
+ 9,2 0,0106 |0, 050 || 0, 1 n-Na,SO,
+ 38,9 |0,0123] 6,33 g ‚ 15,
+ 13,9 Q in 25 ccm
+ 9,2 0,0158 0, 2 n-Na,S0,
+ 36,4 |0, 0299 | 6 ‚36 g
+ 20,0 Q in 25 ccm
+ 12,5 |0,0261 0,4 n-Na,SO,
+ 35,0 10,0123 6,95 g
+ 12,0 R in 25 ccm
+ 72 10,0200 0,2 о-№,80,
+ 43,5 [0,0222 | in 6,82 g
+ 22,3 50 R in 25 ccm
+ 14,5 10,0276 |0, 060; Eu 0,4 п-М№а,80,
40,8 10,0825 | in 6,97 g
6 5 соп H R in 25 ccm
0,044 el 0,6 n-Na,SO,
+ 27,4 10,0214 in
+ 11,8 5 com
+ 14,2 |0,0265 0,046 g
+ 23,0 |0,0156
+17,6
+ 16,4 0,0215
DE Ze ze zer ze u ar rar zer зз» з u ze ne ee a жк өе НЭ сэ жеө э, ч э ө жое жузу ee с с жө ы ө ә + + э за өя Er жс боз ез уа я + МЕС О жо ж э бз э за жез жуаз б + бз өз жже EE EE ET е,» n
6.77 g
D in 25 com
0,6 n-NaCl
6,68 g
D in 25 com
0,6 n-Na,SO,
1) Weich.
6,42 g
S in 25 ccm
0,4 n-Na,S0,
+ 2 — 6,58 g
+ 17,8 S in 25 ccm
+ 16,6 10,0445 0,6 n-Na,SO,
6,42 g
+ ag р S іп 25 ccm
+ 11,5 |0,0302 | 0,6 n-NaCl
з) Etwas gebröckelt.
+ 23,4 0,0214
+ 16,4
+ 12,5 0,0295
+ 33,5 [0,0325
+ 13,4
+ 19,8 ‚0,0425
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen.
Tabelle XII.
80°/, Gelatine in 0,1 n-NaNO,.
383
in 25 com e М Na-Tartrat 762 0,0128
Te ги fee
in 25 — së E + 88,5 0,808 0,0027
in 25 оош 85 0, Urea | 29 [+45 | 1,090 0,0035
Tabelle XIII.
Gelatine A = 20°/, Gel. in Ss BOL
n В 209%, n
» ®/,-МаС] n
Gelatine С == 20°/„ Gel. in */,„-МаС1
D = 20°/„ »
„ H,O.
ai ol 28,2 [0,0044 0,0018 || B бшш
ei Al 96:5 [0,0044 [0,0029 E
| DK St 28.7 [0,0885 0,0810|| В ës
МА т + E ah ),0835 зз вз рп Be
oi ovl 290 [0.0106 0,0106} B Les
E P . — 107 кайа»
ka ash Н 35 ck 0,0106 воо 0180|| р E on |;
3,68 g
m 40/14 21,3
22a golt, 13,9 [00000 (0,0014
оооооооофое ` ve
m 40| 46,0
озь oyla 18.1 100044 [0,0145
Ver N с» езе ж е ез EE б» EEE TEL Sera ern rem EE TEE VN е з +з зезетет» ез зс вс «з »зззе®е ее өз зө»о узу. -a
Т» 45’ —
T 40’14+ 47,0 0,0885
23» 00+ 27,5 0,090
22» 00’
7а 40+ 34,0 l0 0108
28» 0014 22,8 | 0,0231
оь 004.194
Т> 45'{+ 26,4
23a ООН. 23,0 | 0,0000] 0,0158
DEZENT LEET TTT 1 nor or er «+. er ET V —
7% 45'[+ 15,5
222 00 14,4
d 0,0011
384 R. Ehrenberg:
Tabelle XIV.
Spezifische
Leitfähigkeit
4,33 g
20°/, H,O-Gelatine 10 ccm = 7,2 eem
in 25 cem ®/, „HCl a/o NaOH
TTT TT LT EEE ET TTT TTT TTT REECH TTT CEET ECG EC TELE
a/o NaOH
BET CEET LTE ELLE ELLE CLLK
їп — 0,039 |0,0310 | 10 com = 7,7 ccm
10 a/o- NaOH
4,52 g 10 ccm — 7,38 ccm
H,O-Gelatine in A
25 ccm sl, „HCl 0,039 10,0290 1 NaOH
in erneuten 25 сеш | an am lues Ia neg Ja neen) An a ara me |
о CHCI 0,039 (0,0380
10 ccm = 9,69 ccm
a/o NaOH
9,978
H,O-Gelatine in 10 cem = 0,25 ccm
25 cem „нї | | | ata aaa RE ое A
dann in 25 оош H,O | 13° 00’ | + 36,0 0,0009 | 10 ccm = 0,05 ccm
a/o- NaO
en ee
0,004 10,0013
a HO 004 o
5,07 g u
H,O-Gelatine in 10 an ccm
25 ccm "/„-НС] 10
у ar I ЖОЛ ЕТИН. WE E WEE
sl. HO 0,004 ooois
5,02 g
H,O-Gelatine in
25 com nl, Na)
ir en
in 25 com H,O | 13% 00
4,57 р
H,O-Gelatine in
25 com sl, Na 0,084 10,0780
DT LTE ET EEE LE EEE KEELT EEE EEE ET ET ne
in 25 com H,O 10,0170
2,49 g
H,O-Gelatine in
25 com */,-МаС1
sr оеоовевовесоооаоов оосо ов еовававоваво о gege ооо ео овооевеоооо er is ES EIERE ERR зезозәФ»э®Фә»зэзФФэез ет RE RER ege Ee өозойозооәзвзазевззөзэазеззззо» з, ефе -o
in 25 ccm H,O 0,0014
2,83 р
H,O-Gelatine in
25 ccm 2 /,,-М№аСі
0,0103
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 385
Tabelle XIV (Fortsetzung).
Spezifische
Anordnung Leitfähigkeit Titration
2,58 g
H,O-Gelatine in
25 com 3,5 °/, ige
М№а,80,
Re DE BE an Zu zu Ze ze ZU Zu Zu Ze Ze Ze ze Zu зол» зз зая зона» «бее С ET er э зө б са зө те ажа, , э тө өе ө о ee э зе ж зө ж об а= о зб ae ze EEE EEE *
in 25 com H,O
2,50 g
H,O-Gelatine in
25 ccm 3,5 °/, ige + 14,8 10,0178/0,0180
Na,SO,
2,42 р
H,O-Gelatine in
25 ccm 7 /,ige
Na,SO,
in 25 ccm H,O 18° 00’
2,44 g
H,O-Gelatine in
25 ccm 7 °/,ige
Ba
212 00’
4
3,22 g
H,O-Gelatine in 10 cem = 6,65 ccm
25 ccm ?/,, NaOH Sie HCl
—2—
er ET ER IT ВО ОООО э ө ө өз уе зав ООО
in 25 ccm frischer __
a/ „NaOH 0,0098 } 10 ош че ccm
3,02 g
H,O-Gelatine in
25 ccm ?/, „NaOH
TER LT TE EEE TEE ET IE ET TE ET ET ET nen
in 25 ccm frischer 10 ccm = 7,5 ccm
| selen) бопе |19 «ао
Tabelle XV
1 Spezifische
Anordnung Zeit Ände- _ Titration
1. 3,81 g
20%) ige de?
Gelatine 2 in 25 ccm
"e
— -2—2
dann 25 ccm H,O ° 0062 | 10 ccm = 1,46 ccm
a/ „NaOH
1) Gelatine dieser Versuche erst seit 3 жш erstarrt.
386 R. Ehrenberg:
Tabelle XV (Fortsetzung).
Spezifische
Leitfähigkeit
vorher|nachh.
Anordnung Titration
.HCHGelstine in| 2 40
a/ o- HCI- o in =
frische sl BO | 5 00 0,0390 0,0410 | 10 ост = 10,41 оош
a/ „NaOH
3. 4,00 g -
a/ o- HCl-Gelatine in| 2 15’ 0,0040/0,0033 | 10 eem = 0,5 com
25 com ^/,„-НС1 a/o NaOH
dann = о осш | 17 30 | + 254,0 0,0013 | 10 eem = 0,34 cem
2 a/o- NaOH
4. 3,64
дь 15° |+ 118,0
чево Gelatine) in | ут 30° | + 176,0 | 0,0040'0,0032 | 10 com = 0,8 eem
com ®/,-Н 2/ „NaOH
5. 3,13 g
d in | 20? 00° | + 329,0 | 0 ке 0,0012 | 10 ccm = 0,24 сот
25 com H,O a/o- NaO H
6. 3,43 g
215 00 | + 42,5
а | -НС:Оеівеіпе іп ,
a 1 Rat? 18 00’ | + 14,5 |0,08400,0800
1. 2,99 g ,
212 00 | + 91,0
wi -HCI-Gelatine i ın ,
99 сот a/ -NaCl 1800| + 9, 4 0,0108 0,0114
8. 2,76 g
vi НС: бев ніпе і in | 21° 00 | + 58,0
25 ccm 3,5 %,іве | 18° 00 | + 12,8 0,0178'0,0186
N
2,50,
Tabelle XVI.
an Spezifische
Anordnung © | Leitfähigkeit Titration
rung
уогһег|паоһһ.
3,47 g 20°/,ige
a/ o0- HCl-Gelatine :)
in 25 com */,„-НС1]
5a 15 [| +89,0
16% 30 | + 56,0 | 0,004 [0,0017 | 10 com = 0,21 ост
OH
1) Gelatine schon mehrere Tage erstarrt.
Gelatinequellang in wässerigen Lösungen. 387
Tabelle XVI (Fortsetzung).
Gew.- | Spezifische
Anordnung Zeit Ände- Leitfähigkeit
rung I.
Di,
+ 106,0
16° 30’ | + 89,0 | 0,039 |0,035
— + 31,5 1 0,000 |0,0010
2,48 д
a/ ioo HCl-Gelatine
in 25 com ®/, „HCl 10 ccm = 8,78 ccm
a/o- NaOH
3,18 g
Hl BCL Gelatine
in 25 com H,O 10 cem = са. 0,1 eem
в 0-МаОН
3,12 g
la HCl-Gelatine +43,5 0,0106
in 25 com ®/ ¿NaCl
2,92 g
Se HCI-Gelatine in | 213 30° | + 58,01 0,0178|0,0177
25 ccm 3,5°/, NaSO, |
Tabelle XVII.
— — — — — — — —
Spezifische
Ände- | Leitfähigkeit Titration
vorherinachh.
— — — — — — — —
— —— ————— nn ———
3,00 e 20°,
3,59, Na,SO,-Gelat.| 35 45 | + ЕЯ 6
in 25 com Zeil 165 00° | + 36,4 | 0,004 |0,0038
го; Gs + 44,5
in 25 GC Rn
NaSO’ ы
ы g 235 00° | +53,5 [0,0178 020
25 ccm 3 50, Na,SO,
3,5%,
Na,S0,. “Gelatine + 47,5 | 0,031 [0,0335
in 25 oom, т Na,SO,
Na,s0 ‚Odin 23% 00° | + 48,5 | 0,0103 А 0128
іп 25 com */,„-МаС!
388 R. Ehrenberg:
Tabelle ХУШ.
Spezifische
Anordnung і Ände- Leitfähigkeit Titration
vorherinachh.
2,66 g
20%, "Gelatine
in®/, Na angesetzt
іп 25 ccm °/,-НО
en nee TE Le ET een
аш е. + 73,5 —J— EN
3% 15' | + 37,5
18° 00° | + 54,0 | 0,004 [0,0108
‚*/ı-Na0l-Gelatine 8% 10° | + 27,0
in 25 0 ccm ®/ NaCl | 18° 00 | +55, 0
2,70 g
ат -МаС1- Gelatine 21% 00’ | + 81,0
in 25 ccm ?/,-NaCl | 20° 00 | + 16, 3 | 0,084 |0,088
Хаббл 21? 00 | + 58,5 [0,01080,022
in 25 ccm pl Nat)
3,60 g
n/,-NaCl-Gelatine 21» 00° | + 50,5
іп 25 сеш 2,5°/, Urea | 20° 00’ Н 18,0 | 0,000 *
3,48 g
2 /.-МаС1-Сејайпе іп | 21% 00 | + 60,0
25 ест 3,5°/, NaSO, | 18° 30 | + 12, ,4 [0,01 d 0,0275
+ 53,0
3 10° | +39,0 [0,004 !0,0104| 10 com = 0,44 ccm
2,69 g
2/ -NaCl-Gelatine
in 25 cem ”/ o HCl
2,70 g
0,084
3,32 g
a’ -NaCl-Gelatine | 21% 00’
in 25 cem H,O 185 30’
53,
+ 8,7 [0,000 be
Tabelle XIX.
Spezifische
Leitfähigkeit
Anordnung Titration
vorher! nachh.
209%,
290%, Urea-Gelatine
3,19 g in 25 ccm
Bloe H
10 eem
= 0,18 */,„-МаОН
Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. ` 389
Tabelle XIX (Fortsetzung).
Gew.- Spezifische
Ande- | Leitfähigkeit Titration
МА vorher] nachh.
Lt + 35,0 } 0,000 |0,0010
== + 38,8 10,0103. оти
+ 43,0 |0, — 0,0180
Anordnung
2,5°/, Urea-Gelatine
3,27 g in 25 com
2,59, Urea
2,5°/, Urea-Gelatine
3,12 g in 25 ccm
a/o- NaCl
2,5°/, Urea-Gelatine
3,17 g іп 25 ccm
3,5%, Na,SO,
Tabelle ХХ.
20°/, Gelatine von ®/,o-, Blog und */„-НС] bereitet, verschieden lange Zeit
nach der Bereitung benutzt.
— —— —— —— — — — ———— In mn
Spezifische
Ände- Leitfähigkeit
Anordnung Titration
vorher!nachh.
3,69 в =
a „HOCH -Gelatine SECH Fer an
in 25 eem H,O 10-8
— a u эллез E
Le НО: Gelatine 16> 007] 9» 30’) + 140,0| 0,000 10,0016 то oo
in 25ccm H,O
ERE Der 2,68 g Я . —
Si, HClI-Gelatine | 25° 30 140 00 4 163,0] 0,000
іп 23ccm H,O
0,0014
3,788
le HCl-Gelatine | 2% 45'[13* 00| + 232,0] 0,004 [0,0034 | 500m — 032 cem
in 25ccm °/,,у- НСІ I10-Na
ee E E
vi BO Gelatine [16% 007 9+ 30/1. 239,0] 0,004 kee оош 0,38 com
А lho NaOH
in 25сош °/,„-НС] |
=з ann Ge E E e denen
la CL Gelatine 25% 30| 14* 007] + 182,0| 0,004 ву „NaOH
ір 25ccm sl, HUT
390 R. Ehrenberg: Gelatinequellung in wässerigen Lösungen.
Tabelle XX (Fortsetzung).
Gew.- | Spezifische | ``
Ände- | Leitfähigkeit
Titration
3,208
2/ .0-HCI-Gelatine] 2* 45/|13° 00|4+ 21,2| 0,0000 0,0009
іп 25 eem H,O
. EE EEN E EE DT ET EE TTT TTT НАНО ENEE
|
3,27 g —
SL oo- HCl-Gelatine 0,0010 Heem R 2 ccm
in 25ccm H,O | ho-Na
2,28 g
a/ oo- HCl-Gelatine} 25° 30’
in 25 ccm H,O
16% 007] 9% 30’) + 20,8
14» 00| 25,0, 0,0008
3,05 6 *
» Le HCl-Gelatino| 2 45718» 00714 114,0] 0,004 (0,0016 |? Ton ош
in 25 com ?/ a HO 1078
Sg т-с бк TETERE en EE EE СЕ жс ж жж ж, ж С „жб ООЖ ӨО Э TEE TEE EE TEEN DEE EEN
8,47 @ =
a/o- HCl-Gelatine 5 0 = АТ + ccm
in 25ccm ?/, НСІ 10
Sa a ee
a/ oo- HOI-Gelatine | 25* 30 14% 00’
in 25 cem ?/ o- HCI
8,10 g
H,O-Gelatine
165 00| 9° 201 115,0] 0,004 0,0017
5 cem = 0,11 cem
a/o -NaOH
+ 154,0] 0,004 |0,0018
2% 45’ 13° 001 28,6| 0,000 0,0008
N ee EELER
Reagiert neutral
h £
16209 gegen Rosolsäure
4,55 8
H,O-Gelatine 9b 30’
іп 25 cem H,O
3,22 g
H,O-Gelatine + 17,2] 0,000 10,0009
in 25 cem H,O
H,O-Gelatine on Apr
іп 25ccm sl, HO
+ 185
0,000
0,0010
25% 30°] 14% 00’
4,43
8
H,O-Gelatine [16 00] 9% 30’) 77,5
2,81
H,O-Gelatine
іп 25 cem sl, НС
256 30" 14 00°|+ 139,0
= —
Über die Anpassung уоп Fundulus an höhere
Konzentrationen.
Von
Jacques Loeb.
(Aus dem Rockefeller Institute for Medical Research, New York.)
(Eingegangen am 28. Mai 1913.)
I.
1. Unter Anpassung versteht man bekanntlich die Tat-
sache, daß die Änderung der Lebensbedingungen eines Or-
ganismus dessen Struktur oder Konstitution in dem Sinne
ändert, daB er die neuen Lebensbedingungen besser erträgt.
Versuche über die Anpassung an höhere Temperaturen
und an höhere Konzentrationen der umgebenden Lösungen
haben ergeben, daß diese Anpassung nur oder besser dann
stattfindet, wenn die Änderung der Konzentration oder der
Temperatur allmählich erfolgt, während eine rasche Änderung
zum Tode führt.
Bei Versuchen, die Loeb und Wasteneys!) über die
Anpassung von Fundulus an höhere Temperaturen jüngst ver-
öffentlichten, machten sie die Beobachtung, daß dieser Fisch
eine höhere Temperatur ertragen kann, wenn er in M/,-Lösung
von NaCl + KCI + CaCl, ist, als wenn er in einer niedrigeren
Konzentration, etwa ®/,,, ist; obwohl die Fische bei gewöhn-
licher Temperatur beliebig lange in einer solchen Lösung leben.
Das legte den Gedanken nahe, daß vielleicht eine Änderung der
Permeabilität der Kiemen des Fisches bei diesen Anpassungs-
erscheinungen im Spiele sei. Das regte uns dazu an, Versuche
über die Anpassung derselben Fische an höhere Konzentrationen
` anzustellen. Diese Versuche waren um so mehr von Interesse,
als Fundulus in weiten Grenzen von der Konzentration des um-
gebenden Mediums unabhängig ist und es deshalb von Interesse
war, zu sehen, wie weit die Anpassung an höhere Konzentra-
tionen bei diesem Tier getrieben werden kann.
1) Loeb und Wasteneys, Journ. experim. Zool. 21, 543, 1912.
392 J. Loeb:
Eine Zusammenstellung der Literatur über die Anpassung
von Organismen an höhere Konzentrationen findet sich in einer
Arbeit von Derpnogchecki Dernoscheck hat unter der
Leitung von Wo. Ostwald Versuche an Daphnien angestellt
und ist zu dem Schluß gekommen, daß für die Tatsachen der
Anpassung an höhere Konzentrationen eine rein osmotische
Erklärung unzureichend ist, und daß die Erfahrungen über
antagonistische Salzwirkungen mit zu berücksichtigen sind. Wir
werden sehen, daß unsere Erfahrungen diesen Schluß unterstützen.
2. Die Frage, die wir beantworten wollten, war in erster
Linie, wie es kommt, daß die rasche Änderung einer Lebens-
bedingung (z. B. Temperatur, Konzentration der umgebenden
Lösung) den Tod eines Organismus herbeiführt, während eine
langsamere Änderung derselben Lebensbedingung um denselben
Betrag ohne Schaden ertragen wird.
Wir untersuchten den Mechanismus der Anpassung dieser
Fische an höhere Konzentrationen. Bei der Einfachheit der
Versuche dürfen wir die Resultate wohl in aller Kürze mit-
teilen. Jeder der hier mitgeteilten Versuche ist sehr oft
wiederholt worden.
Eine Mischung von NaCl -+ KCI Col, in dem Verhältnis
in dem diese Salze im Seewasser enthalten sind, bezeichnen
wir als künstliches Seewasser. Die zu den Versuchen be-
nutzten Fische, die natürlicherweise im Seewasser leben, waren
weniger als 1 Jahr alt. Je 4 Fische wurden in eine Reihe
zylindrischer Gefäße mit је 500 ccm Lösung gebracht. Für
jeden Anpassungsversuch wurden 100 oder mehr Fische benutzt.
П.
3. Bringen wir Fische aus natürlichem Seewasser in künst-
liches Seewasser höherer Konzentration, so finden wir, daß die-
selben in wenigen Stunden sterben, wenn die Konzentration !°/, m
oder höher ist; daß sie aber in ?/„ m und darunter leben können.
Man kann aber alle Fische іп !°/,m dauernd am Leben er-
halten, wenn man folgendermaßen verfährt. Die Fische werden
іп 500ccm ml künstliches Seewasser gebracht, dem man nach
folgenden Intervallen folgende Mengen von 2'/,m künstliches
Seewässer zufügt:
1) Dernoscheck, Arch. f. d. ges. Physiol. 148, 303, 1911.
Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 393
Nach 24 Stunden 50 ccm 2!/, m künstliches Seewasser
nach weiteren 24 ” 50 e 2!,n э ”
” ” 24 n 25 » 21, n ” ”
n n 24 э 25 n 21|» n n
Läßt man die Verdunstung unberücksichtigt, so ist jetzt
die Lösung ungefähr m. Von hier können die Fische ohne
Schaden in eine 1°), m-Lösung von NaCl + ROL CaCl, ge-
bracht werden. Sie bleiben in einer solchen Lösung dauernd
(beobachtet über 1 Monat) am Leben; sie sind also nunmehr
an eine Konzentration „angepaßt“, in der sie bei plötzlicher
Übertragung in wenigen Stunden sterben.
Bei dem angegebenen Verfahren bleiben praktisch alle
Fische am Leben. Steigert man die Konzentration rascher, во
sterben eine Reihe von Fischen im Laufe der Anpassung, und
um so mehr je rascher die Konzentrationssteigerung.
4. Bringt man Fische in der vorhin angegebenen Weise
allmählich in eine m-Lösung und läßt man sie in dieser Lösung
so nimmt die Konzentration der Lösung durch Verdunstung
sehr langsam zu. Man kann nun prüfen, bis zu welcher Kon-
zentration die Fische am Leben bleiben. Die Fische starben
rasch ab, als das spezifische Gewicht der Lösung 1,0644 überstiege
Das würde also etwas höher als '?/, m-NaCl + KCI -+ CaCl, sein.
Wir dürfen wohl sagen, daß die Fische an eine Lösung von
künstlichem Seewasser, die höher ist als '?/,m, nicht mehr
durch die von uns gewählte Methode angepaßt werden können.
Vermutlich ist die maximale Grenze noch etwas niedriger.
5. Wenn man Fische in der in 3. beschriebenen Weise
vorbehandelt und sie in der m-Lösung stehen läßt, so nimmt
die Konzentration der letzteren durch Verdunstung langsam
zu. Es läßt sich zeigen, daß zunächst mit Zunahme der Kon-
zentration auch die Widerstandsfähigkeit der Fische gegen
höhere Konzentrationen zunimmt.
Eine Partie Fische war vom 24. III. bis 28. IIL, eine zweite
vom 3. IV. bis 7. IV. auf m-NaCl -+ КС1 -+ CaCl, gebracht worden.
Am 8. IV. war das spezifische Gewicht der Lösung der ersten
Gruppe 1,0586 (also Konzentration etwas höher als !0/, m), und
das der zweiten Gruppe 1,0439 (also Konzentration etwas höher
als °/ m). Je 4 Fische jeder Gruppe wurden dann in 500 ccm
10/ le MB 1gs 15/ m künstliches Seewasser gebracht
Biochemische Zeitschrift Band 53. 27
394 J. Loeb:
und ihre Lebensdauer bestimmt. Es zeigte sich, daß die Fische,
die in !°/),m gewesen waren, erheblich resistenter waren als
die Fische, die in ®/),m gewesen waren. Tabelle I gibt die
Zahl der überlebenden Fische nach 24 Stunden.
Tabelle L
Zahl der nach 24 Stunden überlebenden Fische in
че. Ж | ч | aa oh:
Seewasser
Angepaßt 10 |
an а
KOREA
Die auf 10 |, т angepaßten Fische blieben in 11 /, m längere Zeit
am Leben; die = 8 1 mangepaßten blieben nur in 1°/, m am Leben.
Zur Kontrolle waren gleichzeitig Fische direkt aus See-
wasser in dieselben Lösungen gebracht worden. In 3 Stunden
waren alle tot; auch die in !°/,m.
Ein zweites umfassenderes Beispiel möge noch angeführt
werden. Eine größere Zahl von Fischen wurde am 5. III. in
verschiedene Lösungen gebracht, deren Konzentrationen ver-
schieden rasch erhöht wurden, so daß am 18. III. je eine Zahl
von Fischen in folgenden Lösungen vorhanden war: m/,, */,m,
sj та, 20/6 m, lem und !/, m-NaCl -+ KCI -+ CaCl. Diese
Fische wurden in folgende Lösungen gebracht: 1%/,, 11/„, 1%/,,
18/ und 1t/ m. Tabelle II gibt die Zahl der überlebenden
Fische nach 48 Stunden. Je vier Fische in einem Gefäß.
Tabelle П.
РЕТ Zahl der überlebenden Fische nach 48 Stunden in
й |
а 307:
wa F Se ч» T 5
NaCl -+ KCI + Call,
—
——
# CO со со
0
0
0
0
0
8
A СО бо O O
d CO с» сос»
3 Tage später waren alle Fische ір 1#/„ und ?*/, m tot und die
in 1?/, m starben den folgenden Tag. Am längsten lebten die Fische,
die in PL m gewesen und іп !°/,m gebracht waren.
Wir dürfen darausschließen, дав іе günstige Veränderung, die
dasWesender Anpassung ausmacht, mit zunehmender Erhöhungder
Konzentration zunimmt; bis die Grenzkonzentration erreicht wird.
Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 395
6. Fundulus kann ohne Schaden aus Seewasser in sehr
niedrige Konzentrationen und auch in Süßwasser übertragen
werden. Es war von Interesse zu ermitteln, ob Fische, die
mehrere Wochen in ?°/, m-NaCl+ KCI -+ CaCl, gelebt haben,
diese Immunität gegen sehr verdünnte Lösungen noch besitzen.
Das ist der Fall. Fische, die mehrere Wochen in 201. m-See-
wasser gelebt haben, können unmittelbar und ohne Schaden
іп ™®/ o- NaCl -+ KCI + GaCl, übertragen werden. Sie leben be-
liebig lange in dieser Lösung. Auch wenn sie in gewöhnliches
Wasserleitungswasser übertragen werden, so leben sie darin
ebenso lange und ebenso gut, wie die aus Seewasser über-
tragenen. Durch Anpassung an höhere Konzentrationen wird
also die Toleranz gegen niedere Konzentrationen von Fundulus
nicht beeinträchtigt.
7. Diese Beobachtungen sowie unsere früheren Erfa en
über die Anpassung dieser Fische an höhere Temperaturen
legten den Gedanken nahe, zu untersuchen, ob die Anpassung
an höhere Konzentrationen irreversibel sei. Zu dem Zweck
wurden Fische erst an 1°/, m-Seewasser angepaßt und dann in
normales oder verdünntes Seewasser zurückgebracht, um zu
sehen, ob sie die erworbene Anpassung wieder verlieren würden.
Diese Versuche ergaben, daß die Anpassung längere Zeit er-
halten bleibt. Die Konzentration des Seewassers wurde wie
gewöhnlich langsam auf m erhöht, und 4 Tage später wurde
die Hälfte der angepaßten Fische in ®/,-Seewasser gebracht.
Am folgenden Tage wurden je 4 Fische der beiden Partien
in 22/6, 13/„ und !*/, m-Seewasser gebracht. Die Fische, die
einen Tag in der m/,-Lösung gewesen waren, lebten ebenso
lange in den ??/,, 1#/„ und **/, m-Lösungen, wie die Fische,
die direkt aus der m-Lösung genommen wurden; d. h. es dauerte
über 3 Tage, bis alle Fische in den ??/, bis !*/, m-Lösungen
tot waren. Bringt man nicht angepaßte Fische aus normalem
Seewasser in diese Lösungen, so sterben sie alle in wenigen
(2 bis 4) Stunden.
Dieser Versuch beweist auch des weitern, daß, wenn die
Tiere einmal an eine hohe Konzentration angepaßt sind, sie
ohne Schaden den plötzlichen Wechsel aus niederer in hohe
Konzentration und umgekehrt ertragen.
Der rasche Wechsel von niederer auf hohe (!P/, m-)
27%
396 J. Loeb:
Konzentration ist nur für nicht angepaßte Organismen
schädlich.
8. Bei der weiteren Fortsetzung dieser Versuche ergab sich
nun, daß, wenn für höhere Konzentration angepaßte Tiere in
Lösungen niederer Konzentration zurückgebracht werden, doch
allmählich eine Abschwächung der erworbenen Anpassung für
höhere Konzentration eintritt, die sich versuchsmäßig nach-
weisen läßt. Es scheint ferner, daß diese Abschwächung
um so rascher erfolgt, je niedriger die Konzentration ist, in
welche die Fische nach der erworbenen Anpassung zurück-
gebracht werden. Der folgende Versuch möge als Beispiel
dienen.
Eine größere Partie von Fischen wurde in der gewöhn-
lichen Weise vom 1. ІУ. bis 4. IV. an m-NaCl-+ KCI -+ CaCl,
angepaßt. Am 12.IV. wurden diese Fische in folgende drei
Lösungen verteilt: ®@/,,-, 2/,- und ®/,-NaCl + RO CaCl,. Nach
2, 4 und 7 Tagen wurden je 2 Fische aus jeder dieser Lö-
sungen in ?°/, m-NaCl +- KCI -4 CaCl, gebracht, um zu sehen,
ob sie noch in dieser Lösung zu leben vermögen. Zur Kon-
trolle wurden jedesmal auch 2 nicht angepaßte Fische aus
normalem Seewasser in diese konzentrierten Lösungen gebracht.
Tabelle III.
Zahl der überlebenden Fische in 1°/„ m-Seewasser
Nach Fische für :0/, т adaptiert, aber 2 Tage in | Nicht
WI | Die: | Hie — ` | Fische adaptierte
|
NaCl + KCI -+ CaCl, Fische
Zahl der überlebenden Fische іп !0/, m-Seewasser
Tabelle IV.
Nach Fische für !%/,m adaptiert, aber 4 Tage in Nicht
wl 80° | SI 87 | wl CR
NaCl + KCI + Саб,
Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 397
Tabelle V.
Zahl der überlebenden Fische in ?%/, m-Seewasser
Fische für !°/,m adaptiert, aber 7 Tage in Nicht
Pla | mj- | mj adaptierte
NaCl +- KCI + CaCl, Fische
Nach
6 Stunden 2 2 2 0
2 Tagen 0 2 ] 0
3 n 0 0 0 0
Das Resultat ist völlig eindeutig: Auch nach 7 tägigem
Aufenthalt der Fische in der verdünnten Lösung ist noch eine
deutliche Resistenz gegen die 1°/, m-Lösung vorhanden; denn
die nicht vorbehandelten Tiere sterben in dieser Lösung in
weniger als 6 Stunden, während die vorbehandelten Tiere alle
länger leben. Es ist ferner deutlich, daß die Adaptierung in
m/o- NaCl + KCI -+ CaCl, rascher abgeschwächt wird als in
m/,- und ™/ -Lösungen derselben Salze. Daß aber auch bei
den Fischen, die in die ®/,- und m/,-Lösungen gebracht waren,
eine deutliche Abnahme der Resistenz gegen hohe Konzen-
trationen eintrat, ist dadurch bewiesen, daß die einmal an
10) m angepaßten Fische in dieser Lösung beliebig lange am
Leben bleiben, wenn man sie dauernd in dieser Lösung läßt.
9. Es wurden Versuche angestellt, um zu ermitteln, ob
schon eine Abnahme der Widerstandsfähigkeit zu bemerken
ist, wenn man die an 1°/„ m adaptierten Fische nur auf
3 Stunden in eine verdünnte Lösung bringt. Es stellte sich
heraus, daß, wenn adaptierte Fische auf 3 Stunden in eine
m/.-Lösung von NaCl -+ KCl -+ CaCl, gebracht werden, keine
Spur einer Abnahme der Anpassung wahrnehmbar ist.
ПІ.
10. Die theoretischen Erwägungen, zu denen die bisher
erwähnten Versuche führten, legten den Gedanken nahe, zu
untersuchen, ob Fische, die für höhere Konzentrationen (!°/, m)
von NaCl -+ KCI -+ CaCl, angepaßt sind, damit auch für höhere
Konzentrationen solcher Salzlösungen angepaßt sind, die in
viel niedrigerer Konzentration schädlich wirken als NaCl + КО
—-CaCl,. Zunächst wurden reine NaCl-Lösungen untersucht.
Fische, die an künstliches Seewasser so weit angepaßt waren,
daß sie beliebig lange in 1°/, m-NaCl--KC1--CaCl, lebten,
398 J. Loeb:
wurden in ®/,, ?/, und ®/, m-NaCl gebracht, um festzustellen,
ob sie in diesen Lösungen länger leben als Fische, die direkt
aus normalem Seewasser genommen werden. Ehe die Fische
in die NaCl-Lösungen gebracht wurden, wurden sie zweimal
in m/ -NaCl-Lösung gewaschen; d.h. sie wurden frei von See-
wasser (mittels eines Porzellantrichters) in eine ®/,-NaCl-Lösung
gebracht, in der sie 15 Minuten blieben, und dann in eine
zweite m/,-NaCl-Lösung ebenfalls auf 15 Minuten gebracht.
Das war nötig, um das äußerlich am Fisch haftende CaCl,
loszuwerden, da ja geringe Mengen von CaCl, bereits entgiftend
auf NaCl wirken.
Die Versuche ergaben das Resultat, daß die für höhere
Konzentrationen von NaCl- KCl--CaCl, angepaßten Tiere
auch in höheren Konzentrationen von reinen NaCl-Lösungen
etwas länger leben als die nicht angepaßten Tiere.
Die ursprüngliche Zahl der Fische, die in jede der Lö-
sungen gebracht wurden, betrug 4. Die Fische waren auf
®/, m-Seewasser gebracht worden und blieben in dieser Lösung
4 Tage. Dann wurden sie in ®/,, ?/, und ®/, m-NaCl gebracht.
Zur Kontrolle wurden gleichzeitig nicht vorbehandelte Fische
in reine NaCl-Lösungen derselben Konzentrationen gebracht.
Die letzteren Fische waren in 2 Stunden alle tot. Das Ver-
halten der anderen wird in Tabelle VI erwähnt.
Tabelle VI.
Zahl der überlebenden, auf !0/, m-See-
wasser adaptierten Fische in
4 Stunden 4 | 4 3
1 Tage 4 | 2 0
2 Тареп 3 | 1 0
3 n 3 | 0 0
Während also die nicht angepaßten Fische in /, m-NaCl
in 2 Stunden starben, überlebten die auf !%/, m angepaßten
Fische in dieser Lösung mehr als 3 Tage.
In einem zweiten Falle waren Fische in 4 Tagen auf
8 1» m-NaCl +- KCI -+ CaCl, gebracht worden und 2 Tage später
der NaCl-Lösung ausgesetzt worden. Tabelle VII gibt die Zahl
der angepaßten Tiere, die in den verschiedenen Lösungen über-
lebten.
Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 399
Tabelle VII.
Zahl der überlebenden, auf 8’, m-See-
Nach wasser adaptierten Fische in
| 7 m-NaCl
4 Stunden 4 4 3
1 Tage 8 2 1
2 Тареп 2 1 0
Die zur Kontrolle in dieselben Lösungen gebrachten nicht
vorbehandelten Fische starben alle in weniger als 4 Stunden.
Diese Versuche wurden oft mit demselben Erfolg wiederholt.
Wir dürfen also sagen, daß die für Seewasser höherer Kon-
zentrationen angepaßten Fische länger in reinen NaCl-Lösungen
höherer Konzentrationen leben als die nicht angepaßten Fische.
11. Die früheren Versuche des Verfassers hatten gezeigt,
daß in reinen NaCl-Lösungen von ml, oder noch geringerer
Konzentration Fundulus beliebig lange leben kann, daß aber
eine ml -NaCl-Lösung schon als giftig angesehen werden muß,
da die Fische hier nach einiger Zeit sterben. Es fragte
sich nun, ob die an 1°/, m-Seewasser angepaßten Fische auch
in m/,- oder =/,-NaCl-Lösungen länger leben als die nicht an-
gepaßten. Diese Versuche des Verfassers haben zu keinem
entscheidenden Resultat geführt.
12. Ich versuchte nun, ob auf noch anderem Wege eine
Anpassung der Fische an höhere Konzentrationen von NaCl
möglich sei. Die Versuche über die Entgiftung von NaCl durch
CaCl, bei Fundulus legten den Gedanken nahe, daß die größere
Widerstandsfähigkeit angepaßter Fische gegen reine NaCl-
Lösungen vielleicht dadurch bedingt sei, daß dieselben einen
stärkeren Niederschlag eines unlöslichen Calciumsalzes an ihrer
Oberfläche besitzen. Um diese Ansicht zu prüfen, wurde der
Versuch gemacht, Fische gegen reine NaCl-Lösungen durch
Vorbehandlung mit CaCl, widerstandsfähiger zu machen. Es
wurden deshalb Fische aus Seewasser in Schalen mit 500 ccm
m/ -NaCl +- KCI -+ CaCl, gebracht, dem noch 10 ccm 2!/, m-
CaCl, zugesetzt wurden. Die absolute molekulare Konzentration
dieser Lösung war also nur ungefähr '/,, der Calciumgehalt
war aber ungefähr 6mal so groß wie der des Seewassers.
Die Fische waren vor dem Versuch 2 Tage in dieser
Lösung gewesen. Ihre Widerstandsfähigkeit gegen °/,, ’/, und
400 J. Loeb:
SL m-NaCl wurde mit derjenigen verglichen, welche Fische be-
saßen, die an !0/. m-Seewasser adaptiert waren. Gleichzeitig
wurde auch ein Kontrollversuch mit nicht adaptierten Fischen
angestellt. Die letzteren waren nach 6 Stnnden alle tot. In
jede Lösung wurden 4 Fische gebracht.
Tabelle VIII.
Zahl der überlebenden
Fische in
la | "a |*/, m-NaCl
Nach
Vorbehandelt mit Ca!)
n в o! m-Seewasser
a
10/, m-Seewasser
Ca
10/, m-Seewasser
а,
10/, m-Seewasser
333333
339339393
Aus diesem Versuch geht hervor, daß Vorbehandlung mit
Ca etwas Schutz gegen höhere Konzentration von NaCl ver-
leiht, daß aber der Schutz durch die Vorbehandlung mit
10/, m-Seewasser merklich größer ist.
13. Es wurde dann der Versuch gemacht, ob es möglich
sei, Fische dadurch gegen höhere Konzentrationen von reinen
NaCl-Lösungen zu immunisieren, daß man sie mit reinen NaCl-
Lösungen behandelte Man spricht ja in gewissen Fällen von
einer „Gewöhnung an Gifte“, und es wurde der Versuch ge-
macht, ob diese „Gewöhnung“ auch für Salze bestehe. Es
wurden deshalb Fische längere Zeit in eine =/, und ™/, reine
NaCl-Lösung gebracht und dann ihre Widerstandsfähigkeit gegen
Da, "le und °/,m mit derjenigen der nicht vorbehandelten
Fische verglichen. Es trat in keinem Falle durch die Vor-
behandlung mit reinen NaCl-Lösungen eine Erhöhung der Wider-
standskraft gegen NaCl-Lösungen höherer Konzentrationen ein,
sondern eher das Gegenteil?).
1) Alle Fische wurden erst durch zweimaliges Waschen in ®/,-NaC]
von allen Spuren von Ca befreit, welche die Oberfläche oder die Kiemen
benetzten.
*) Nebenbei sei auch bemerkt, daß es nicht gelang, durch Vor-
behandlung der Fische mit CaCl,-Lösungen niedriger Konzentration die-
selben an höhere Konzentrationen von CaCl, anzupassen.
Anpassung уоп Fundulus an höhere Konzentrationen. 401
14. Dieser Versuch wurde in folgender Weise abgeändert.
Fische wurden, wie am Eingang dieses Aufsatzes geschildert
wurde, allmählich vom 12. П. bis 16. П. in eine m-Lösung von
NaCl -+ KCI -+ CaCl, gebracht. Aus dieser Lösung wurde ein
Teil derselben an den darauf folgenden Tagen in Lösungen
mit zunehmend höherem NaCl-Gehalt, aber demselben osmoti-
schen Druck gebracht, nämlich:
am 17. II.: in 100 ccm 2!/, m-NaCl +- 100 ccm 21/, m-NaCl
-+ KCI -+ CaCl, + 300 ccm HO,
am 18. II.: іп 150ccm 2?/, m-NaCl -+ 50 сеш 21, m-NaCl
-+ KC1-+ CaCl, - 300 ccm H,O,
am 19. II.: in 175 ccm 2'/,m-NaCl-- 25ccm 21/, m-NaCl
-+ KCI -+ CaCl, + 300 ccm H,O.
Es wurde nun untersucht, ob diese Tiere eine höhere Wider-
standskraft gegen °/,, "Lk und °/, m-NaCl-Lösung besaßen, als
Fische desselben Versuchs, die dauernd in der °/, m-Lösung
geblieben waren. Das war nicht der Fall, wie folgende Tabelle
zeigt. Je 4 Fische wurden in eine Lösung gebracht.
Tabelle ІХ.
Zahl der überlebenden
Fische in
Aus °/, m-Seewass
5 Stunden » 175 oem —— ccm NaCl+KCI+CaCl,
n es m- wass
1 Tage „ 175 com —— com МаС1+ КС1+СабС1,
"үз vom Na01+25 com NaCl +KC1+CaCl,
Die zur Kontrolle ohne Vorbehandlung direkt aus nor-
malem Seewasser іп ®/,, ?/„ und °/,m-NaCl gebrachten Fische
starben in 5 Stunden.
Dieser und ähnliche Versuche beweisen, daß Erhöhung des
NaCl-Gehaltes in der ®/, m-Lösung die Widerstandskraft der
Fische gegen reine NaCl-Lösungen herabsetzt.
Aus diesen und ähnlichen Versuchen müssen wir schließen,
daß es nicht gelingt, durch Vorbehandlung mit NaCl die Wider-
standskraft der Fische gegen NaCl-Lösungen zu erhöhen. Eine
„Gewöhnung“ der Fische an reines NaCl fand also nicht statt.
15. Es wurden Versuche angestellt, ob Fische, die bis auf
409 J. Loeb:
m-Seewasser gebracht waren, auch gegen höhere Konzentra-
tionen von Na,SO, widerstandsfähiger seien als nicht angepaßte
Fische. Die Konzentration reiner Na,SO,-Lösung, die Fische
ertragen können, schwankt etwas, im allgemeinen aber sterben
sie rasch in Lösungen, die ml, Na SO, übersteigen. Fundulus,
die seit 2 Wochen auf "71. m-Seewasser angepaßt waren, wurden
in reine Lösungen von Na,SO, verschiedener Konzentration
übertragen, und gleichzeitig nicht angepaßte Fische in dieselben
Lösungen. Die Fische wurden erst zweimal in =/,,-Na,SO, ge-
‘waschen, ehe sie in die Lösungen gebracht wurden.
Tabelle X.
Zahl der überlebenden Fische in
Angepaßt
Nicht angepaßt
Angepaßt
Nicht angepaßt
Am nächsten Tage starben aber auch die angepaßten
Fische. Eine Wiederholung des Versuchs bestätigte das Re-
sultat.
Es zeigt sich also, daß Fische, die für Seewasser von hö-
herer Konzentration angepaßt sind, auch damit eine erhöhte
Widerstandskraft gegen höhere Konzentrationen von Na SO,
besitzen. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die ab-
soluten Konzentrationen von Na,SO,, die in diesem Versuche
in Anwendung kamen, geringer sind als die des Seewassers.
Es kann sich also nicht in diesem Versuche um eine
Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen etwaigen
Wasserverlust von seiten des Fisches handeln.
16. Schließlich wurden auch noch Versuche über den Wider-
stand von adaptierten und nicht adaptierten Fundulus gegen
höhere Konzentrationen von NaNO, angestellt. NaNO, ist
erheblich giftiger als Na,SO,, und um mit höheren Konzentra-
tionen von NaNO, arbeiten zu können, wurde es zum Teil mit
NaCl + KCI -+ CaCl, entgiftet, d h. NaNO, wurde in ®/,-Lö-
sungen dieser letzteren drei Salze anstatt in destilliertem Wasser
gelöst. Tabelle XI gibt ein Beispiel Fische, die seit einer
Woche ап 1°/, m-Seewasser angepaßt waren, wurden mit nicht
Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 403
angepaßten Fischen verglichen. Je 4 Fische wurden in eine
Lösung gebracht.
Tabelle XI.
Zahl der überlebenden Fische in
Nach | 15 | 20 | 25 | зо | 35 | 40 | 45
21/1. m-NaNO, in 500 сеш ®/,-Seewasser
3 3 Angepaßt
2 Tagen 1 0 Nicht angepaßt
4 1 1 Angepaßt
ў 0 0 Nicht angepaßt
6 0 0 Angepaßt
Р 0 0
Nicht angepaßt
Wie man sieht, sind die angepaßten Fische widerstands-
fähiger gegen die höheren Konzentrationen von NaNO, als die
nicht angepaßten. In einer früheren Arbeit haben wir gezeigt,
daß die Fische in NaNO, bald Vergiftungserscheinungen zeigen
und auf der Seite oder dem Rücken liegen. Diese Symptome
treten bei den angepaßten Tieren ebenso früh ein wie bei den `
nicht angepaßten Tieren.
Dieser Versuch wurde mehrfach mit demselben Resultat
wiederholt.
Theoretische Bemerkungen.
Wenn wir Fundulus plötzlich aus normalem Seewasser in
10/ m künstliches Seewasser bringen, so sterben die Fische in
wenigen Stunden. Erhöhen wir aber die Konzentration des
Seewassers nur langsam, so leben sie beliebig lange und ohne
Schaden zu leiden in Seewasser. Da ich im vorigen Sommer
beobachtet habe, daß Eier von Fundulus in !°/, m, ja selbst in
11/ m-Seewasser noch ausschlüpfen können, so dürfen wir sagen,
daß solche Fische dauernd in !°/, m-Seewasser werden leben
können.
Wie sollen wir es uns vorstellen, daß eine langsame Er-
höhung der Konzentration die Tiere nicht schädigt, während
eine plötzliche Erhöhung die Tiere tötet? Das wird klar, wenn
wir annehmen, daß die Erhöhung der Konzentration des See-
wassers zwei verschiedene Wirkungen ausübt, eine schädigende
und eine modifizierende oder reparierende; und wenn wir zwei-
tens annehmen, daß die reparierende oder modifizierende re-
lativ langsam erfolgt, während die schädigende Wirkung um
404 J. Loeb:
so rascher erfolgt und um so stärker ist, je größer der Kon-
zentrationsunterschied. Erfolgt nun die Erhöhung der Kon-
zentration langsam, so kann die modifizierende oder reparie-
rende Wirkung mit der schädigenden Schritt halten, oder rich-
tiger, die Ausbesserung des kleinen Schadens, den die langsame
Konzentrationserhöhung bewirkt, kann stattfinden, ehe der
Schaden dem Tiere gefährlich wird. Findet aber plötzlich eine
sehr hohe Konzentrationserhöhung statt, so ist die Schädigung
so stark, daß das Tier stirbt, ehe die reparierende Wirkung
Zeit hat, den ganzen Schaden auszubessern.
Über die Natur der schädigenden Wirkung der höheren
Konzentration können wir nichts aussagen. Beobachtungen
an Seeigeleiern zeigen, daß jede Salzlösung zerstörend (cytoly-
tisch) wirkt, wenn sie nur eine genügende Konzentration er-
reicht. Diese Konzentration ist für physiologisch-äquilibrierte
Lösungen höher als für nicht äquilibrierte. Noch weniger wissen
wir über die Natur der reparierenden Wirkung. Am einfachsten
wäre es, anzunehmen, daß die Salze mit der Oberflächenlamelle
des Fisches (der Kiemen) chemisch reagieren und dabei die
Widerstandskraft dieser Lamelle ändern; NaCl L KCI -+ CaCl,-
üben eine Art „gerbende Wirkung“ aus, die nur langsam re-
versibel ist, und diese Gerbung ist um so gründlicher, je höher
innerhalb gewisser Grenzen die Konzentration der Lösung.
Lösungen von höherer Konzentration als ??/, m schädigen unter
allen Umständen. Ist die Oberflächenlamelle einmal mit 1°/, m-
Seewasser gegerbt, so erträgt der Fisch eine plötzliche Über-
tragung aus H,O in !%/,m-Seewasser und umgekehrt ohne
Schaden.
In diesem Zustande ist der Fisch auch etwas widerstands-
fähiger gegen reine Lösungen von NaCl, NaNO, und Na,SO,
und vermutlich viele andere schädliche Salze.
Von großer Bedeutung für alle Theorien der Anpassung
ist die Tatsache, daß auch im letzteren Falle die Widerstands-
fähigkeit gegen höhere Konzentrationen nur wenig erhöht werden
kann, daß also die Anpassungsfähigkeit sehr beschränkt ist.
Zusammenfassung der Resultate.
1. Es wird gezeigt, daß, wenn man Fundulus aus Seewasser
plötzlich in 201. m-Seewasser bringt, der Fisch in wenigen Stun-
Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 405
den stirbt. Bringt man ihn aber im Laufe von 2 oder 3 Tagen
allmählich in ?°/, m-Seewasser, so kann der Fisch dauernd in
der Lösung leben.
2. Diese Anpassung beruht auf einer nur langsam rever-
siblen Änderung. Denn wenn der angepaßte Fisch in Seewasser
oder verdünntes Seewasser zurückgebracht wird, so behält er
seine Anpassung eine Reihe von Tagen. Er kann innerhalb
dieser Zeit ohne jeden Schaden jederzeit plötzlich aus sehr
verdünnten Lösungen in 1°/„ m-Seewasser gebracht werden und
umgekehrt.
3. Ist ein Fisch einmal für "21. m-Seewasser angepaßt, so
ist gleichzeitig auch seine Widerstandsfähigkeit gegen Lösungen
von Na,SO,, NaNO, und NaCl erhöht. Da die beiden ersteren
Lösungen in niedrigerer Konzentration angewendet werden wie
das Seewasser, so kann es sich nicht um eine Anpassung an
„Wasserverlust“* handeln.
4. Während es möglich ist, durch Erhöhung der Kon-
zentration von NaCl + KCI + CaCl, den Widerstand der Fische
gegen eine reine NaCl-Lösung zu erhöhen, gelingt das gleiche
nicht durch eine Vorbehandlung mit einer reinen NaCl-Lösung.
Wohl aber gelingt eine wenn auch geringere Widerstands-
erhöhung gegen eine reine NaCl-Lösung durch eine Vorbehand-
lung der Fische mit Calciumchlorid.
5. Diese Tatsachen weisen darauf hin, daß der Anpassung
möglicherweise eine „Gerbung“ der Oberfläche des Tieres durch
die höhere Konzentration der Salze des Seewassers, besonders
des Calciums, zugrunde liegt.
Über zuckerfreie Hefegärungen. ХП.
Über die Vorgänge bei der Hefegärung').
Von
C. Neuberg und Joh. Kerb.
(Aus der chemischen Abteilung des Tierphysiolog. Instituts der Kgl.
Landwirtschaftlichen Hochschule, Berlin.)
Das Studium der alkoholischen Gärung ist von jeher aufs
engste mit den Interessen der Chemiker und Biologen verknüpft.
103 Jahre sind vergangen, seitdem der Altmeister Gay Lussac
im Prinzip die noch heute gültige Gärungsgleichung ge-
funden hat:
COH
|
НСОН
|
Gert 200 2 *
нбон u dë CH,OH.
non
Lo op
Niemandem aber, der im Wechsel der Zeiten sich їп das
Gärungsproblem vertieft hat, ist es zweifelhaft geblieben, daß
unmöglich das Traubenzuckermolekül zu den Trümmern Alkohol
und Kohlensäure einfach einstürzen kann. Sind doch die
Reste, die die Endprodukte charakterisieren, Kohlensäure- und
Äthylgruppe, im Zuckermolekül nicht präformiert.
Es hat sich daher die Überzeugung befestigt, daß eine
Zwischenstufe des Zuckerabbaues oder mehrere existieren müssen.
1) Vorgetragen in der Sitzung der Deutschen chem. Ges. in Berlin
am 9. Juni 1913; vgl. den Auszug in den Ber. d. Deutsch. chem. Ges.
46, 2225, 1913.
С. Neuberg und J. Kerb: Zucokerfreie Hefegärungen. XII. 407
Zahlreiche Theorien des Zuckerzerfalles sind aufgestellt und
wieder verlassen worden, da keine einzige den Tatsachen ge-
recht geworden und zugleich experimentell bestätigt ist.
Nun besteht die Möglichkeit, daß Zwischenprodukte in
dem Maße wie sie gebildet werden, alsbald wieder verschwinden,
d. h. daß sie besonders schnell umgesetzt werden. Daher ist
es zweifelhaft, ob es gelingen wird, sie aus gärenden Zucker-
lösungen abzufangen. Es müssen jedoch diese Zwischenprodukte
von Hefe weiter verarbeitet werden können, daher bleibt zur-
zeit als aussichtsvollerer Weg das Bestreben, Substanzen aus-
findig zu machen, die definierte Abbauprodukte des
Zuckers sind, ein kleineres Molekül als Glucose be-
sitzen und von Hefe leicht und glatt angegriffen
werden.
Chemische wie biologische Tatsachen sind es gewesen, die
den Weg in die Dreikohlenstoffreihe wiesen als die
Richtung, in der man auf Zwischenprodukte fahnden mußte).
Emil Fischers bekannte Synthese der Hexosen aus
den Triosen, die Umwandlung aller 6-Kohlenstoff-Zucker und
vieler Kohlenhydrate anderer Reihen durch Alkali in Milch-
säure, die Bildung eben dieser Milchsäure bei bakteriellen
Zerlegungen zahlreicher Kohlenhydrate, ihre Anhäufung im
Tierkörper bei Sauerstoffmangel, ihre Entstehung als erstes
Produkt der sogenannten Gilykolyse, der glatte Aufbau
von Traubenzucker im Tierkörper aus Glycerin und Gly-
cerose sind Tatsachen, die beredt für die Bedeutsamkeit
der Dreikohlenstoff-Reihe für den Zuckerab- wie -aufbau
sprechen.
Diese Fülle einzelner Befunde hat jedoch den Kardinal-
punkt des Gärungsproblems, die Entstehungsweise von
Äthylalkohol und Kohlensäure, der Lösung nicht zugeführt.
Hierzu reichten auch die Fortschritte nicht aus, die auf dem
engeren Gebiete der Gärungschemie selbst errungen sind, wie
der Sieg der Traubeschen Enzymtheorie und die glückliche
1) Die gesamte Literatur, die wegen ihres großen Umfangs im
folgenden nicht angegeben wird, findet sich kritisch zusammengestellt
bei C. Neuberg, „Der Zuckerumsatz der Zelle“ in Oppenheimers Handb.
d. Biochemie, Ergänzungsband, 1918, und bei C. Neuberg, Monographie.
Jena 1913, bei Gustav Fischer.
408 С. Neuberg und J. Kerb:
Loslösung der zuckervergärenden Zymase von den lebenden
Zellen durch Buchner.
Die Enträtselung der unbefriedigenden Endgleichung ist
nicht erfolgt.
Auch die bedeutsame Entdeckung Iwanoffs, daß der
Zucker vor seiner Vergärung an Phosphorsäure gebunden wird,
und die hierauf sich gründende Lehre, daß eigentlich gar nicht
der Zucker, sondern ein Zuckerphosphorsäureester zer-
fällt, berührt die Frage nach dem eigentlichen Zwischenprodukt
nicht direkt. An dieser Sachlage ändert auch nichts die Erkenntnis,
daß die Dreikohlenstoff-Zucker, Glycerinaldehyd und Dioxy-
aceton, durch Hefe, wenn auch nicht besonders glatt, vergoren
werden. Diese Vergärung, die Emil Fischer und Tafel an
der Glycerose entdeckt und die an deren Komponenten Glycerin-
aldehyd und Dioxyaceton Bertrand, Buchner und Meisen-
heimer sowie v. Lebedew bestätigt haben, ist keineswegs
mit allen Heferassen zu erzielen, die Hexosen zum Zerfall
bringen. Manche Autoren (Harden und Young, Slator)
nehmen überdies an, daß die Vergärung nur durch eine vor-
hergehende Polymerisation zur Hexose zustande kommt. Man
kann auch sagen, die Triosen gären unter Umständen, nicht
weil sie Zwischenprodukte sind, sondern weil auch aus ihnen
das eigentliche Zerfallsprodukt hervorgehen kann. Wie dem
auch sei, auf alle Fälle handelt es sich nur um eine Ver-
schiebung der Frage aus der Reihe C, in die Reihe C,. Nicht
die Auflösung der Aldolbindung zwischen dem 3. und dem
4. Kohlenstoffatom der Hexosen bietet nach den vorauf-
gegangenen Darlegungen dem Verständnis Schwierigkeiten. Diese
stellen sich erst ein bei der experimentellen Herleitung der
Gruppen CO, und C,H, aus den Gebilden
CH,OH.(CHOH)..CHO bzw. H(CHOH),.CO.CH,OH,
einerlei, mag x den Wert 1 oder 4 haben.
Man darf es daher wohl als einen Fortschritt betrachten,
daß durch die Arbeiten Neubergs und seiner Mitarbeiter aus
den letzten 3 Jahren endlich eine Säure ermittelt ist, die
— ohne eigentlich zu den Zuckern zu gehören — aus gär-
fähigen Kohlenhydraten hervorgehen kann, und mit Hefe
ebenso leicht und schnell in Gärung gerät wie der Trauben-
Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 409
zucker selbst. Diese Substanz fanden wir in der Brenztrauben-
säure. Wohl niemand hätte dieser ehrwürdigen Verbindung
solch heimliche revolutionäre Gärungsneigungen zugetraut.
Die Gärung der Brenztraubensäure ist vor 2 Jahren als
Vorlesungsversuch beschrieben').
Ergänzend bemerken wir, daB man dieses Phänomen einem
größeren Kreise noch bequemer in folgender Weise demon-
strieren kann:
Man bringt in einen Literkolben 200 g Preßhefe
und gießt 500 com 1°/,ige Brenztraubensäure darauf.
Man schüttelt um, setzt einen Gummistopfen auf,
durch dessen Durchbohrung ein oben ausgezogenes
Glasrohr bis fast auf den Boden des Kolbens führt.
Beim Eintauchen in ein Wasserbad von 40° schleudert
die stürmisch entwickelte Kohlensäure die Flüssigkeit
wie einen Springbrunnen nach wenigen Augenblicken
heraus.
Als Produkte dieser außerordentlich glatt verlaufenden
Gärung erhält man, wie Neuberg und Karczag vor Jahren
bewiesen haben, Kohlensäure und Acetaldehyd:
СН, .СО.СООН = СО, + CH,.COH.
Damit scheint zunächst die Schwierigkeit überwunden, die
Bildung von Kohlensäure bei der Gärung zu erklären. Веі
der Struktur des Traubenzuckers ist eine direkte Abspaltung von
Kohlendioxyd unmöglich. Nur aus einer Carbonsäure kann
Kohlensäure auf dem Wege der Decarboxylierung so leicht in
Freiheit gesetzt werden, wie es beim Gärungsakt geschieht!
In der Brenztraubensäure ist die erste Säure bekannt
geworden, die durch lebende Hefe und durch Hefen-
fermente (в. S. 411) in wirklich glatter Weise unter
Bildung von CO, vergoren wird.
Auch das zweite von uns aufgefundene Produkt der Ver-
gärung, der Acetaldehyd, steht — wie wir mehrfach betont
haben — in näherer Beziehung zum Äthylalkohol als irgend-
eine Substanz, die jemals mit dem Gärungsproblem in Ver-
bindung gebracht worden ist.
1) С. Neuberg und L. Karczag, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 44,
2477, 1911.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 28
410 С. Neuberg und J. Kerb:
Es erhebt sich nun die Frage: Wie kann Brenztrauben-
säure aus Glucose hervorgehen?
Beide Substanzen sind in mehrfacher Weise verknüpft.
Alle Wege, die von der Glucosereihe in die С,-Кеіће gehen,
führen auch zur Brenztraubensäure.
Für die Milchsäure, dem erwähnten Produkt chemischer und
biologischer Zuckerumsetzungen, ist diese Beziehung ohne weiteres er-
sichtlich: Brenztraubensäure ist das erste und einfachste Oxydations-
produkt der Milchsäure:
CH,.CHOH.COOH —— CH, со. СООН.
Will man den Zerfall durch Aldolauflösung über den Glycerin-
aldehyd leiten, so vermittelt die zugehörige Säure, die Glycerin-
säure, den Zusammenhang, indem bekanntlich Erlenmeyer ihre
Überführung in Brenztraubensäure durch einfache Wasserabspaltung
gelehrt hat:
CH,OH . CHOH . COOH — Н,0 = en. СОН . СООН.
Eine andere wichtige Verbindung stellt das Methylglyoxal her.
Nach Versuchen von Pinkus liefert der Traubenzucker beim Erwärmen
mit Alkalihydroxyd Methylglyoxal. Ähnlich wirken nach Feststellungen
von Oertel Soda, Natriumbikarbonat, Dinatriumphosphat, Borax und
Natriumacetat. Das bekannte Schema von Wohl, dem wir die folgende
einfachste Form geben möchten
CHO CHO CHO
HoH он бон „Сон
онн Сй їн — бн,
HCOH = nom
нбон он бон
nm н бн,
veranschaulicht diesen Übergang. Brenztraubensäure ist aber nichts
anderes als die Säure des Methylglyoxals.
Chemisch ist also der Zusammenhang von Brenztrauben-
säure mit dem Traubenzucker begründet. Biologisch kommt
diese Beziehung in der glatten Vergärbarkeit der Säure und
in ihrer relativen Ungiftigkeit zum Ausdruck. Es ist höchst
erstaunlich, wieviel von der außerordentlich starken Brenz-
traubensäure die Hefe vertragen kann. Sie wie ihr Umwand-
lungsprodukt Acetaldehyd gelten sonst als schwere Protoplasma-
gifte. Immerhin haben beide Substanzen nicht die physiologi-
sche Indifferenz einer Zuckerlösung. Man muß es daher als
Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 411
ein treffliches Ergebnis bezeichnen, daß wir 40°/, der theore-
tisch möglichen Menge Acetaldehyd isolieren konnten’).
Für die biologische Bedeutung der Brenztraubensäure-
gärung spricht auch der Umstand, daß diese bekanntlich durch
pyrogene Prozesse gewonnene und außerordentlich beständige
Substanz durch das Hefeferment in wenigen Minuten, ја
selbst Sekunden, in Kohlensäure und Acetaldehyd ge-
spalten wird. Hinsichtlich solcher Zerfallsbedingungen ver-
hält sich also die Brenztraubensäure genau wie Zucker!
Von einem wirklichen Zwischenprodukt muß man ferner
verlangen, daß ев von den verschiedensten Varietäten
der Hefen umgesetzt wird.
Durch das große Entgegenkommen des Herrn Geheimrat
Delbrück ist es uns möglich gewesen, 8 obergärige und 5
untergärige Bier- wie Branntweinhefen zu prüfen, und wir
wollen mit besonderem Dank an dieser Stelle betonen, daß nur
die reichliche Unterstützung mit vortreffllichem Hefematerial,
die uns Direktor und Beamte des Instituts für Gärungsgewerbe
gewährt haben, diese jahrelangen Untersuchungen ermöglicht hat.
Tatsächlich greifen alle diese 13 Reinzuchthefen sowie
5 Weinhefen, die wir der Königl. Preuß. Lehranstalt zu
Geisenheim verdanken, in gleicher Weise die Brenztrauben-
säure an.
Ferner muß ein Zwischenprodukt der alkoholischen Gärung
gleich dem Traubenzucker auch durch leblose Hefe und
Hefenfermente vergärbar sein.
Sowohl Trockenhefen, Aceton-Dauerhefen, (Zymin)
Hefenpreßsaft wie Lebedewscher Macerationssaft
spalten die Brenztraubensäure?).
Die Vergärung der Brenztraubensäure hat sich
somit als ein echter enzymatischer Vorgang erwiesen.
Das Ferment haben Neuberg und Karczag wegen seiner
augenfälligsten Wirkung, der Abspaltung von Kohlensäure,
Carboxylase genannt. Den Vorgang selbst kann man zweck-
mäßig als zuckerfreie Hefengärung bezeichnen, da hier
ein Fall vorliegt, wo ein Nichtzuckerstoff typisch von Hefe
zerlegt wird.
1) Diese Zeitschr. 47, 405, 1912.
з) Diese Zeitschr. 81, 170; 39, 323; 86, 60, 68, 76; 87, 176; 51, 128.
28*
412 С. Neuberg und J. Kerb:
Von besonderem Interesse mußte es nun sein, die Gärung
der Brenztraubensäure so zu leiten, daß statt des Acetaldehyds
der um zwei Wasserstoffatome reichere Äthylalkohol entstand.
In welcher Weise Brenztraubensäure aus Zucker hervor-
gehen mag, sei es über die Milchsäure, sei es über den Glycerin-
aldehyd, веі ев über das Methylglyoxal, auf alle Fälle enthält
die Brenztraubensäure = С,Н,О, zwei Wasserstoffatome weniger
als ein halbes Hexosenmolekül = C,H,O,.
Es lag zunächst der Gedanke nicht fern, daß bei der Um-
wandlung des Zuckers in die Brenztraubensäure ein diesem
Oxydationsprodukt entsprechendes Reduktionsprodukt gebildet
wird.
Nachdem die Cannizzarosche Reaktion als ein physio-
logischer Prozeß erkannt worden ist, lag es nahe, anzunehmen,
daß wie die tierische Zelle auch die pflanzliche zur Katalysierung
der Cannizzaroschen Umlagerung befähigt sei. Nimmt man den
aus verschiedenen Gründen nicht unwahrscheinlichen Abbauweg
über das Methylglyoxal an, so gelangt man zu folgender
Formulierung:
CH,.CO.COH Н, CH,.CO.CH,OH bzw. CH,.CHOH.COH
CH,.00.C0H Ò СН, .СО.СООН,
d. h. es könnte neben Brenztraubensäure Acetol oder der
isomere Milchsäurealdehyd entstehen, und man könnte sich
vorstellen, daß die gemeinsame Vergärung dieser Substanzen mit
Brenztraubensäure glatt Äthylalkohol und Kohlensäure liefert.
Die notwendigen großen Mengen Brenztraubenalkohol und
Milchsäurealdehyd sind etwas schwierig zu beschaffen; wir haben
deshalb unsere Aufmerksamkeit zunächst einem anderen Körper
der Dreikohlenstoff-Reihe zugewandt, der auch in gewissem Sinne
ein Reduktionsprodukt des Methylglyoxals darstellt, nämlich
dem Glycerin’):
CH, : COH . COH -+ H,0 + H, = CH,OH . CHOH . CH,OH.
Schon vor mehr als Jahresfrist haben wir in Laboratoriums-
versuchen gefunden?), daß bei der gemeinschaftlichen Vergärung
von Brenztraubensäure und Glycerin in der Tat beträchtliche
1) Bezüglich des Übergangs von Glycerin in Acetol siehe У. Meyer
und Jacobson, Lehrbuch, 1, II, 156, 1909.
”C.Neuberg und J. Kerb, Zeitschr. f. Gärungsphyjsiol. 1, 114, 1912.
Zuckerfreie Hefegärungen. ХП. 413
Mengen von Äthylalkohol gebildet werden. Die Wiederholung
dieser Versuche im großen schien uns nun so wichtig, daß wir
uns zur Anstellung von Gärversuchen mit bedeutenden Mengen
Brenztraubensäure entschlossen haben. Da man zweckmäßig
nur in 1°/,igen Lösungen arbeitet, so kommt man bei Ver-
wendung von 1 kg Brenztraubensäure ohne weiteres auf 100 1
Flüssigkeit. Die gleich zu erwähnenden notwendigen Kontrollen
ergaben 3 weitere Hektoliter, also Flüssigkeitsmengen, auf deren
Verarbeitung unser Laboratorium nicht eingerichtet ist. Hier
war es wieder Herr Geheimrat Delbrück, der uns durch die
Überlassung der im Wasserbade heizbaren Gärbottiche und
schönen Destillationsapparate seines Instituts die Ausführung
unserer Versuche ermöglicht hat, während uns die Chemische
Fabrik auf Aktien, vorm. E. Schering, in liberaler Weise durch
Überlassung von Brenztraubensäure gefördert hat.
Wir haben 4 Versuche angestellt, wobei uns folgende Über-
legungen leiteten:
1. Die benutzte Hefe mußte eine möglichst geringe
Selbstgärung bei möglichst hoher Gärenergie besitzen. Diesen
Anforderungen entsprach nach unseren Erfahrungen am besten
die Reinzuchthefe II des Instituts für Gärungsgewerbe.
2. Es mußte die Alkoholmenge bestimmt werden, die
durch die unvermeidliche Selbstverzuckerung des Hefe-
glykogens entsteht.
3. Es mußte der Einfluß ermittelt werden, den ein Zu-
satz von Glycerin wie Brenztraubensäure, beide allein,
auf die Selbstgärung ausüben und
4. mußte die Menge des präformierten Alkohols bekannt
sein, den die Hefe nach unseren Erfahrungen stets einschließt.
Die Resultate sind in folgender Tabelle zusammengestellt.
Wir bemerken dazu, daß die verwendete Hefe in einem Würze-
ansatz gezüchtet war, also als völlig gleichmäßig gelten kann.
Sofort | Gärdauer 4 Tage, Temp. 28°.
1021 H,0102 1 H,01101 1 H,O |1011 H,O [1001 H,O
22k g Hefej22kg Hefe 1,1 kg Gly- |1 kg Brenz- | 1 kg Brztrbs.
| cerin traubeng. 1,1 n Glycerin
22 n Hefe |22 » Hefe |22 » Hefe
Alkohol | 170g | 2088 | 26618 | 489g 626,1 g
414 . C. Neuberg und J. Kerb:
Diese Zahlen zeigen ohne weiteres, daß bei der gemein-
schaftlichen Vergärung von Brenztraubensäure und Glycerin
eine sehr beträchtliche Menge von Alkohol gebildet wird, die
weit das durch Selbstgärung entstandene Quantum übertrifft.
Diese Ergebnisse bestätigen vollkommen unsere früheren Ver-
suche im kleinen, auch entspricht das Verhältnis der erhaltenen
Alkoholmengen recht annähernd den damaligen Resultaten.
Bemerkenswert ist der Befund, daß bei der Vergärung von
Brenztraubensäure allein ebenfalls unzweifelhaft Alkohol
entsteht. Diese Bildung kommt naturgemäß bei Versuchen im
kleinen nicht so deutlich zum Ausdruck.
Dieser Umstand läßt es nun durchaus möglich erscheinen,
daß die Wirkung des Glycerins überhaupt nur eine indirekte
ist, indem es in irgendeiner Weise die der Hefe eigene Re-
duktionskraft erhöht; bekannt ist ja die enzymkonservierende
Kraft des Glycerins.
In Wirklichkeit dürften die Zahlen für den aus Brenztrauben-
säure gebildeten Alkohol noch etwas höher zu veranschlagen
sein, und zwar aus folgendem Grunde:
Wir haben in allen Fällen den Alkohol nach den üb-
lichen Methoden der anreichernden Destillation!) abgeschieden.
1) Um Wiederholungen zu vermeiden, wollen wir nur die (sich an die
bekannte Methodik der Spiritusgewinnung anschließende) Aufarbeitung
des Hauptversuchs beschreiben: Von dem Gärgut, das bei der 4tägigen
Digestion von 1,0 kg Brenztraubensäure, 1,1 kg Glycerin, 100 1 Leitungs-
wasser und 22 kg Hefe gebildet war, wurden vorsichtig 40 1 abgetrieben.
Von diesen wurden 33,33 І, das sind 5/, der Gesamtmenge, verarbeitet.
Durch fortgesetzte Destillationen wurden diese 33,33 1 auf 16,8 und 6 1
gebracht. Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß bei: Behandlung
von wässerigem Acetaldehyd mit Fehlingscher Mischung kein Äthyl-
alkohol gebildet wird, wurden die 6 1 Enddestillat in 2 Portionen zu 31
mit je 2 1 konz. Fehlingscher Lösung 20 Stunden in Jenenserkolben am
Rückflußkühler gekocht. Nach dem Erkalten wurden aus jedem Kolben
8 1 abdestilliert und das Übergegangene in Kupfergefäßen mit je 300 g
Silberoxyd 8 Stunden im Sieden belassen. Nach dieser Zeit fielen die
Aldehydproben negativ aus, während die Destillate nach Behandlung
mit Fehlingscher Mischung allein noch aldehydhaltig gewesen waren.
Durch erneute Destillation der 6 1 wurden 2,5 1 Spiritus vom spez. Gew.
0,97055 erhalten = 20,87 Сез.-°/. Die Gesamtmenge entstandenen Al-
kohols ergibt sich daraus zu 20,87.25.6/, — 626,1 р. Durch Sättigen
mit Kaliumcarbonat, Abhebern und Trocknung über frisch geglühten
Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 415
Dabei zeigte sich, daß die aus Brenztraubensäure gewonnenen
Destillate natürlicherweise emen sehr viel stärkeren Aldehyd-
gehalt aufwiesen, als die Destillate von Hefe allein, bzw.
Hefe -+ Glycerin, die nur jene geringen Mengen von Aldehyd ent-
hielten, wie sie bekanntlich bei jeder normalen Gärung auftreten.
Die größeren Quantitäten Aldehyd haben wir zunächst versucht,
mit Alkali und Fehlingscher Mischung zu entfernen. Dies ge-
lang jedoch nur bis zu einem gewissen Grade, und wir haben
kein anderes einfaches Verfahren zur völligen Vernichtung des
restierenden Aldehyds ausfindig machen können, als das Kochen
und Abdestillieren über frisch gefälltem Silberoxyd!).
Dabei wird wohl auch etwas Alkohol zerstört. Wir haben
jedoch diesen Verlust in Kauf genommen, um zu einem ein-
wandfreien Sprit zu gelangen. Die uns aus unserem Haupt-
versuch nach verschiedenen Manipulationen übrig gebliebene
Menge 95°/,igen Alkohols stellt die erste größere Menge Spiri-
tus (ca. !/, 1) dar, der durch einen Gärakt aus einem Nicht-
zuckerstoff gewonnen ist. І
Die Spiritusindustrie braucht noch keinerlei Beunruhigung über
diese Konkurrenz zu empfinden. Denn unter Zugrundelegung des Kahl-
baumschen Preises für Brenztraubensäure stellen sich die Kosten für 1 kg
dieses Alkohols auf genau 275 Mark, ungerechnet aller Aufwendungen
für Hefe und Verarbeitung.
Der Gedanke, daß in der Hefe selbst gelegene Faktoren
die Reduktion des Acetaldehyds zu Äthylalkohol zuwege
bringen, ist durchaus nicht unerhört. Wir wollen hier nicht
im einzelnen auf die hierüber von uns?) sowie von Palladin,
v. Lebedew und Kostytschew entwickelten Anschauungen
eingehen und nur auf die erste fundamentale Beobachtung von
Lintner und v. Liebig (1911) hinweisen, derzufolge Hefe
Furfurol nahezu quantitativ zu Furfuralkohol hydrieren kann.
Der Vorgang der zuckerfreien Hefegärung ist nun keines-
wegs auf die Gärfähigkeit der Brenztraubensäure beschränkt,
l i
Ätzkalk erhielten wir ohne Schwierigkeit fast 500 ост 95°/ igen
Alkohols.
1) Siehe Anmerk. S. 414.
з) C. Neuberg und Joh. Kerb, Zeitschr. f. Gärungsphysiol. 1,
116, 1912; vgl. auch C. Neuberg und H. Steenbook, diese Zeitschr.
52, 494, 1913.
416 С. Neuberg und J. Kerb:
vielmehr läßt sich die Analogie mit der Gärung der wahren
Kohlenhydrate noch weiter treiben,
In ähnlicher Weise wie niedere und höhere Homologe
sowie Stereoisomere des Traubenzuckers der alkoholischen
Gärung fähig sind, werden auch homologe a-Ketosäuren
von Hefe umgesetzt. Genauer untersucht haben wir bisher die
Verhältnisse bei der Oxalessigsäure und bei der а-Кефбо-
buttersäure.
Die Oxalessigsäure zerfällt durch Hefe ganz analog der
Brenztraubensäure in Acetaldehyd und 2 Moleküle Kohlen-
säure, entsprechend der Gleichung:
COOH.CH,.C0.COOH = 2 СО, -++ CH,.COH.
Nun existieren von der Oxalessigsäure zwei віегеоівотеге
Formen, die man als Oxyfumarsäure und Oxymaleinsäure
erkannt hat. Die Salze der Oxalessigsäure leiten sich dagegen
von der Ketoform ab. Die drei Gebilde
COOH COOH COOH
но н co
оно бон бн,
боон боон соон
stehen zueinander etwa im Verhältnis von Traubenzucker,
Mannose und Fructose Genau wie diese 3 Kohlenhydrate
fand Paul Mayer im hiesigen Laboratorium die 3 Oxalessig-
säuren zur zuckerfreien Gärung mit Hefe befähigt.
Eine andere interessante Substanz der 3-Kohlenstoff-Reihe,
die alte Willsche Oxybrenztraubensäure, gärt mit Hefe,
wenn auch unvollkommen. Sie liefert nach der Gleichung:
CH, ,OH.CO.COOH = СО, -+ CH,0OH.COH
Glykolaldehyd. Da letzterer der einfachste Zucker ist, liegt
hier ein wohl einzig dastehendes Paradoxon vor, daß durch
einen Gärakt Zucker gebildet statt zerstört wird.
Die erwähnte @-Ketobuttersäure, CH,.CH,.CO.COOH,
schließt sich in ihrem Verhalten eng an die Brenztraubensäure
ап. Sie zerfällt mit Hefe und Hefefermenten fast noch vehe-
menter als die Brenztraubensäure. Neben CO, fanden wir zu-
nächst Propionaldehyd. Allein die Ausbeute an Propion-
aldehyd war im Verhältnis zur Kohlensäureentwicklung gering.
Zuckerfreie Hefegärungen. XII. | 417
Es mußte also noch ein anderes Produkt entstehen. Wir
konnten auch dieses fassen und als Propylakohol identi-
fizieren').
Wir wollen nebenbei bemerken, daß sich uns zur Abscheidung
kleiner Mengen von Alkohol außerordentlich das Naphthylisocyanat
bewährt hat, das z. B. mit dem Propylalkohol das schön krystallisierende
Naphthylurethan, C,,H,.NH.COOC,H,, liefert. |
Auch in diesem Falle offenbart sich die Fähigkeit der
Hefe, Aldehyde zu reduzieren. Diese Beobachtungen sind uns
Veranlassung gewesen zu ausgedehnten Versuchen über das Ver-
halten verschiedener Aldehyde zu Hefen. Das Ergebnis war ein
überraschendes, indem es sich nach Versuchen mit Herrn Steen-
bock und Herrn Ohta zeigte, daß zugesetzter Isobutylaldehyd
sowie Valeraldehyd mit großer Leichtigkeit in die entsprechen-
den Alkohole übergeführt werden. Valeraldehyd lieferte so 85°/,
der möglichen Menge Amylalkohol. Darin darf man weitere
Beweise dafür erblicken, daß sich die Alkoholbildung ganz
allgemein über die Stufe der Aldehyde?) vollziehen kann.
Auch sonst verdienen diese Reduktionsprozesse Beachtung.
Denn oxydative Leistungen der Zelle, die sich in letzter Linie
auf Kosten des atmosphärischen Sauerstoffs vollziehen, sind
vielfach bekannt, während die Kenntnis neuer Reduktions-
prozesse recht wünschenswert ist.
Nachdem die Entstehung von Äthylalkohol aus einem
Nichtzuckerstoff sichergestellt und somit ein neues Argument
zugunsten der Auffassung gewonnen war, daß die Brenztrauben-
säure ein intermediäres Produkt des Zuckerabbaus sein könne,
war es notwendig, über die Stellung der Carboxylase im
System der zuckerspaltenden Fermente Klarheit zu
schaffen. Alle Enzympräparate, die Zucker umsetzen, vergären
auch Brenztraubensäure; d.h. wo Zymase zugegen ist, findet
sich auch Carboxylase. Den ersten Unterschied zwischen beiden
Fermenten fanden Neuberg und Karczag vor 2 Jahren durch
die Feststellung, daß frische Hefen bei Gegenwart von Chloro-
1) Erscheint demnächst ausführlich in dieser Zeitschrift.
2) Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Spuren von Acetaldehyd
und Homologen, die bei allen Gärungen auftreten, solche Reste sind.
Zwingend sind jedoch die bisher für diese Anschauung angeführten Tat-
sachen nicht. (Siehe Neuberg und Kerb, diese Zeitschr. 48, 494, 1912.)
418 С. Neuberg und J. Kerb:
form zwar brenztraubensaure Salze, nicht aber Zucker vergären.
Denn bekanntlich hebt dieses Antisepticum die Wirkung der
lebenden Hefen auf Zucker vollständig auf. Seither ist es nun
Neuberg und Rosenthal gelungen, eine ganze Reihe unterschied-
licher Merkmale zwischen Carboxylase und Zymase aufzufinden.
Für Hefepreßsaft hatte vor Jahren schon Buchner fest-
gestellt, daß er beim Lagern, Erwärmen oder Dialysieren seine
Wirksamkeit auf Zucker veriert Wir fanden nun, daß der
treffliche Hefemacerationssaft nach у. Lebedeff, der auf
51° erwärmt wurde, oder dialysiert ist, oder beim Lagern wohl in-
folge Wirksamkeit des in ihm enthaltenen tryptischen Fermentas
gärunwirksam auf Traubenzucker oder Saccharose geworden ist,
Brenztraubensäure noch spaltet. Einen weiteren wesentlichen
Unterschied in der Wirkung der Carboxylase und Zymase fanden
wir in den zeitlichen Verhältnissen. Während 2. В. die
Vergärung der Brenztraubensäure durchschnittlich in 5 Sekunden
einsetzte, kam die Vergärung von Glucoselösung auch mit unse-
rem frischen Macerationssaft erst in etwa 3 Stunden in Gang.
Rund 2000 mal schneller kann also Kohlensäure aus Brenztrauben-
säure als aus Zucker entwickelt werden!). Dieser Umstand weist
darauf hin, daß offenbar zunächst ein Ferment einsetzt, das aus
den C,-Zuckern C,-Körper erzeugt und dazu eben Zeit braucht.
Was sich bei vielen biologischen Prozessen offenbart hat,
scheint sich nun auch für die Zuckerspaltung zu ergeben:
Der Zuckerabbau erfolgt in Stufenreaktionen. Jenen
Carboxylasepräparaten, die nur auf Brenztraubensäure einwirken,
fehlen die Agenzien, die Hexosen zur Dreikohlenstoffreihe abbauen
bzw. zu Brenztraubensäure umformen. Alle Phasen des Ab-
baus, die vor der Brenztraubensäuregärung liegen, sind
im weitesten Sinne des Wortes Hydrolysen und Umlage-
rungen, bewirkt durch Abspaltung und Aufnahme von
H,O. Der wesentliche Vorgang ist die Zerreißung der
Kohlenstoffkette, die zu C,- und C,-Körpern, in letzter
Linie zu CO, und Äthylalkohol, führt. Der einzige biologische
Prozeß dieser Art, den wir bisher kennen, ist die Spaltung der
Brenztraubensäure durch die Carboxylase. Es ist im höchsten Maße
unwahrscheinlich, daß die Carboxylase in allen Hefevarietäten
1) Diese Zahlen sind aus direkten rohen Beobachtungen gewonnen;
vielleicht ist die Differenz noch viel größer.
Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 419
lediglich als „Zufallsenzym“ auftreten sollte. Alles spricht dafür,
daß die Carboxylase ein Glied in dem Fermentsystem bildet, das
wir bisher unter dem Begriff Zymase zusammengefaßt haben.
Noch ganz kurz sei erwähnt, daß die Carboxylase auch
in höheren Pflanzen gefunden ist, in den Samen von Erbsen,
Bohnen und Lupinen. Das Ferment dieser Provenienz spaltet
gleichfalls Brenztraubensäure in Kohlendioxyd und Acetaldehyd.
Nach den Untersuchungen der letzten Zeit nimmt Brenz-
traubensäure auch im Kohlenhydratstoffwechsel des
Tieres eine zentrale Stellung ein.
Auf einen Punkt möchten wir noch die Aufmerksamkeit
lenken, der von hohem Interesse für die Kenntnis der Regu-
lationsmechanismen der Zelle zu sein scheint. Der Übergang
des neutralen Zuckers, der nach den Untersuchungen von
Michaelis und Rona als eine äußerst schwache Säure mit
der Dissoziationskonstante 6,6-101? aufgefaßt werden kann,
in Brenztraubensäure (Dissoziationskonstante 5,6 · 10-1) bzw. die
nahe verwandte Milchsäure (Dissoziationskonstante 1,38 - 10%)
bedeutet eine gewaltige Produktion von H-Ionen. Es ist nun
höchst interessant, daß bei der Vergärung von brenztrauben-
sauren Alkalien kohlensaures Kalium gebildet wird:
2CH,.C0.COOK + H,O =2CH,.COH -+ СО, + К,СО,.
Es liegt hier, wenn man so sagen darf, der erste Fall
vor, wo auf enzymatischem Wege fixes Alkali in Frei-
heit gesetzt wird. Die Carboxylase kann also durch einfache
Loslösung von Kohlensäure aus neutralen Substanzen mit er-
heblicher Schnelligkeit Alkalicarbonat bilden. Es ist klar, daß
ein solcher Prozeß als Regulationsbetrieb der Zelle eine große
Bedeutung haben kann.
So mannigfache Einzelheiten über den Mechanismus des
Zuckerabbaus bekannt geworden sind, es kann kein Zweifel
sein, daß von einer restlosen Aufklärung dieser Vorgänge keine
Rede ist. Insbesondere scheint es das Schicksal der alkoholi-
schen Gärung zu sein, daß dieser der Menschheit seit Jahr-
tausenden vertraute Prozeß die Einzelheiten seiner Eigenart
nur jeweils nach langen Etappen verrät. Man darf vielleicht
die Hoffnung hegen, daß die Beobachtungen über die zucker-
freien Hefegärungen eine neue Periode einleiten.
Erwiderung auf E. Salkowskis Mitteilung „Über die
Wirkung der Antiseptica auf Toxine“.
(Diese Zeitschr. 50, 483.)
Von
A. Bertolini.
(Eingegangen am 16. Juni 1913.)
In seinem im 50. Band dieser Zeitschrift Seite 483 erschienenen
Aufsatze, bezugnehmend auf meine im 48. Band, Seite 448 veröffent-
lichte Arbeit „Über die das Diphtherietoxin entgiftende Wirkung der
autolysierenden Leber“, scheint E. Salkowski zu glauben, daß seine
15 Jahre zurückliegenden und in der Berl. klin. Wochenschr. 1898 er-
schienenen Versuche mir entgangen sind, weil ich in meiner Arbeit sie
nicht zitiert habe. Jene interessanten und wichtigen Mitteilungen von
Salkowski wurden aber nicht erwähnt, weil ioh in dieser Zeitschrift
möglichst nur den experimentellen Teil, ohne Literaturangabe, veröffent-
lichen wollte; die komplette Arbeit mit der ganzen betreffenden Literatur
wird in der „Clinica medica italiana“ bald erscheinen (sie ist seit No-
vember 1912 eingegangen), und in jener sind die Mitteilungen Sal-
kowskis angegeben. Ich möchte aber dabei bemerken, daß ich, da ich
die Rolle erfahren wollte, die der Leber bei der Zerstörung des Diphtherie-
toxins zukommt, wenn man Leber, Toxin und Antisepticum mischt, und
da es aus den Versuchen Salkowskis mir bekannt war, daß verschie-
dene Antiseptica (Salicylaldehyd, Formalin, Phenol, Chloroform) eine zer-
störende Wirkung auf Diphtherietoxin auszuüben imstande sind, gerade
auf diese Versuche mich stützend, in meinen Versuchen Toluol als Anti-
septicum gebrauchte. Bekannterweise ist Toluol bei Eisschrank- und
Zimmertemperatur vollständig wirkungslos auf Diphterietoxin. In seiner
1898 erschienenen Arbeit gebrauchte Salkowski selbst in einer Ver-
suchsreihe das unter Toluol ihm von Ehrlich übergebene Diphtherie-
toxin — (Toluoldiphtherietoxin); bei Körpertemperatur stellte ich selbst
bei früheren Versuchen fest, daß Diphtherietoxin auch nach einem Auf-
enthalte von 4 Tagen im Brutschrank bei 37° von Toluol durchaus nicht
angegriffen wurde: eine tödliche Einheit des einen Teils desselben Diph-
therietoxins bestand nach dieser Zeitdauer bei 37° aus derselben Menge
wie ein anderer im Eisschrank aufbewahrter Teil.
A. Bertolini: Erwiderung. 421
Der Widerspruch, den Salkowski zwischen meinen und seinen
Beobachtungen zu sehen scheint (in meinen dauernd bei neutraler Re-
aktion erhaltenen Mischungen blieb die Giftigkeit des Diphtherietoxins
unverändert; nach den Beobachtungen Salkowskis über die Wirksam-
keit der Antiseptica allein hätte die zerstörende Wirkung des Anti-
septicums in die Erscheinung treten müssen), fällt also vollständig fort,
da ich einerseits mit Alkalizusatz die zerstörende Wirkung der H-Ionen
verhinderte, und sioh anderseits Toluol zweifellos und vollständig wir-
kungslos zeigt.
Was den Vorschlag von Е. Salkowski anbetrifft, den Mechanismus
der Zerstörung des Diphtherietoxins durch die von ihm angewandten
Antisepticis zu erforschen, so nehme ich mir vor, meinem hochverehrten
früheren Lehrer, Prof. Е. Salkowski, für seine technischen Indicationen
dankend, neue Versuche anzustellen, um zu erforschen, ob ein soloher
Mechanismus, der kompliziert und für die verschiedenen angewandten
Körper verschieden erscheint, nicht in einer viel einfacheren Weise zu
erklären sei; das heißt, daß die Zerstörung von dem H-Ionengehalt, in
derselben Weise wie für die Autolyse der Leber, abhängt, wo weder lös-
lichen Oxydationsfermenten nooh oxydierenden Eigenschaften der Zellen
oder Katalasen oder anderen die auf Diphtherietoxin zerstörende Wir-
kung zukommt.
Bemerkungen zu der „Erwiderung“ von Bertolini
(diese Zeitschr. 58, 420).
Von
E. Salkowski.
(Eingegangen am 24. Juni 1913.)
Allerdings habe ich angenommen, daß Bertolini meine Mitteilung
über die Wirkung дег Antiseptica auf Diphtherietoxine in der Вегі. klin.
Wochenschr. nicht gekannt habe. Diese Annahme scheint mir auch durch-
aus berechtigt gewesen zu sein. Ich habe untersucht, wie sich Diphtherie-
toxin verhält, wenn man es mit Leber und einem Antisepticum zusammen
digeriert. Bertolini hat u. a. dieselben Mischungen angesetzt, nur war sein
Antisepticum ein anderes. Da liegt es nun in der Tat, wenn sich Differenzen
n der Deutung der Befunde herausstellen, sehr nahe, ja ich möchte
beinahe sagen, es ist selbstverständlich, daß man zu dieser Differenz
Stellung nimmt. Bertolini hat das nicht getan, daraus schloß ich, daß
er meine Mitteilung nicht gekannt habe und erinnerte an dieselbe.
Bertolini teilt jetzt mit, daß er auf meine Ausführungen in einer
Arbeit eingegangen sei, die in der Clinica italiana erscheinen werde, und
daß er in der Biochem. Zeitschr. nur seine experimentellen Ergebnisse
möglichst ohne Literaturangaben habe veröffentlichen wollen. Einige
Literaturangaben hat Bertolini doch machen müssen, und meiner An-
sicht nach hätte er gut daran getan, auch meine Mitteilung zu berück-
sichtigen, um so mehr, als die Mehrzahl der deutschen Leser von seiner
Arbeit in der Clinica italiana nicht direkt Kenntnis nehmen werden;
mindestens wäre ein Hinweis darauf, daB er meine in gewisser Be-
ziehung abweichenden Ergebnisse in der Clinica italiana besprechen
werde, angebracht gewesen, denn das konnte ich doch nicht wissen.
Nun findet sich aber in dieser „Erwiderung“ noch eine neue be-
merkenswerte Angabe.
Ich hatte gesagt: „Es ist wohl möglich, daß dieses Antisepticum
(nämlich Toluol) auf Diphtherietoxin nicht zerstörend wirkt.“ Natürlich
habe ich gemeint bei Körpertemperatur. Aus seiner Erwiderung geht
hervor, daß er diesen Versuch bereits gemacht und sich überzeugt hat,
daß in der Tat Diphtherietoxin auch bei 4tägiger Digestion bei Körper-
temperatur von Toluol nicht angegriffen wird. Vorauszusehen war das
nicht bestimmt, wie Bertolini annimmt, wenn er mich daran erinnert,
daß ich ja selbst mit Toluol konserviertes Diphtherietoxin angewendet
hätte: Konservierung bei niedriger Temperatur beweist noch nicht Resi-
stenz bei Körpertemperatur.
Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß es mir durchaus fern-
gelegen hat, Bertolini „anzugreifen“, um so weniger, daß seine Arbeit
zu sehr bemerkenswerten Ergebnissen geführt hat; ich bedauere, wenn
Bertolini diesen Eindruck erhalten hat. Ich habe auch Bertolini
keinen Vorwurf daraus gemacht, daß ihm meine Arbeit, wie ich annahm,
entgangen ist, im Gegenteil, ich habe das sehr erklärlich gefunden. An-
dererseits ist es jedoch durchaus verständlich, daß wenn jemand in einer
Frage gearbeitet hat, er zu einer denselben Gegenstand behandelnden oder
ihn berührenden Arbeit, wie ich es getan habe, Stellung nimmt.
Synthetische $-Glucoside der Terpenalkohole. III’).
Von
J. Hämäläinen.
(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Helsingfors.)
(Eingegangen am 25. Mai 1913.)
Über «-Santenol- und Camphenhydratglucosid.
Wenn man Santen bzw. Camphen nach der Reaktion von
Bertram und Wahlbaum behandelt, gelangt man zu a-San-
tenol bzw. Camphenhydrat?). Beide sind gesättigt, jenes ist
ein sekundärer, dieses dagegen ein tertiärer Alkohol.
Das «-Santenol reagiert nicht besonders schwer mit Aceto-
bromglucose bei Gegenwart von Silbercarbonat unter Bildung
von «-Santenol-Tetraacetyl-glucosid. Das Camphenhydrat liefert
dagegen schlechte Ausbeuten. In diesem Falle mußte man
Acetobromglucose und Silbercarbonat in die absolut-ätherische
Lösung des Alkohols portionsweise eintragen, um zu faßbaren
Resultaten zu gelangen. Das «-Santenolglucosid zeichnet sich
u.a. dadurch aus, daß es sehr empfindlich gegen Emulsin ist:
in einigen Stunden wird es bei 37° durch Emulsin völlig ge-
spalten.
a-Santenol-tetraacetyl-d-glucosid.
C,C,,0.C,H,O, (COCH,), -
In die Lösung von 34 g «a-Santenol (opt. inaktiv.) in
150 ccm absoluten Äthers wurden 20 g Acetobromglucose und
15 g frisch dargestelltes, mit Alkohol und Äther getrocknetes
1) Frühere Mitteilungen: Diese Zeitschr. 49, 398 und 50, 209, 1913.
з) ©. Aschan. Öfvers. Finsk. Vetensk. Soc. Förh. 1910 bis 1911.
A. Nr. 8, 12. Annal. d Chem. 17, 383, 1911.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 29
494 J. Hämäläinen:
Silbercarbonat eingetragen. Nach 6tägigem Schütteln auf der
Maschine bei Zimmertemperatur wurde die trübe Lösung durch
doppeltes Filter filtriert. Nach dem Verjagen des Äthers er-
starrte der Rückstand krystallinisch. Derselbe wurde so lange
im Dampfstrom destilliert, bis kein Öl mehr überging. Der
nichtflüchtige, bräunliche, zähe Rest erstarrte allmählich zu
einer bröckligen Masse, die abfiltriert und in Aceton gelöst
wurde Beim spontanen Verdunsten der Lösung blieb der
Acetylkörper in farblosen Nadeln zurück. Zur völligen Reini-
gung wurde die Substanz aus siedendem, verdünntem Alkohol
umkrystallisiert. Ausbeute an exsiccatortrockener, analysen-
reiner Substanz 6,5 g oder auf die angewandte Menge der
Acetobromgluoose berechnet 28,5°/, der Theorie.
0,2410 g Substanz gaben 0,5185 g CO, und 0,1497g H,O.
Ber. für C,,H,,0,0 (470,272): Gef.:
С = 58,69%, 58,68 9/,
H= 17,29%, 6,95 °,
Das Tetrascetylglucosid bildet lange, glänzende, ziemlich
derbe Nadeln, schmilzt bei 135,5 bis 137° (korr.) zu einer farb-
losen Flüssigkeit, löst sich sehr leicht in Aceton, Chloroform
und Benzol, leicht in Essigester, ziemlich leicht in Äther und
Methylalkohol, schwerer in Äthylalkohol, sehr schwer in kochen-
dem Wasser und gar nicht in Petroläther.
a-Santenol-d-glucosid.
СН, ,0.С,Н,,0,.
Zur Abspaltung der Acetylgruppen wurden 4 р Tetraacetyl-
glucosid, in 75 ccm Alkohol gelöst, in die Lösung von 16 g
reinem, wasserhaltigem Bariumhydroxyl unter Umrühren por-
tionsweise eingetragen. Hierbei fiel der Acetylkörper milchig
aus. Die trübe Lösung wurde unter zeitweiligem Schütteln bei
ca. 60° gehalten. Nach 10 Stunden war alles in Lösung ge-
gangen. In die warme Flüssigkeit wurde Kohlensäure so lange
eingeleitet, bis das Bariumcarbonat sich gut absetzte. Der
Niederschlag wurde abfiltriert, mit Alkohol gewaschen und die
vereinigten Filtrate im Vakuum zur Trockne verdampft. Der
feste Rückstand wurde mit absolutem Alkohol ausgekocht und
das Filtrat wiederum unter vermindertem Druck eingeengt.
Synthetische $-Gluooside der Terpenalkohole. Ш. 425
Hierbei blieb das Glucosid in farblosen Krystallen zurück.
Zur völligen Reinigung wurde es in siedendem Essigäther ge-
löst und nach Zugabe von Ligroin bis zur leichten Trübung
stark abgekühlt, wodurch es in Nadeln herauskam. Ausbeute
an reiner Substanz 2,52 g oder 92,6°/, der Theorie.
| Zur Analyse wurde das Glucosid im Vakuum bei 56° zur
Gewichtskonstanz getrocknet.
0,1339 g Substanz gaben 0,2917 g CO, und 0,1034g H,O.
Ber. für С,,Н„,О, (302,208): Gef.:
С == 59,56 9%, 59,41 0),
H= 8,7%, 8,64 9%,
Zur optischen Bestimmung wurde das wasserfreie Glucoeid
in absolutem Alkohol gelöst. Substanz: 0,1553 g; Gesamt-
gewicht der Lösung: 8,7989 g; dl, = 0,7997; p= 1,7650;
1=1 dem; a = — 0,63° (bei 20° und Na-Licht)
[a]. = — 44,63°.
Das wasserfreie Glucosid krystallisiert in feinen, farblosen,
sehr bitter schmeckenden Nadeln, schmilzt bei 122,5 bis 125,59
(korr.) zu einer farblosen Flüssigkeit, löst sich sehr leicht in
Wasser, Methyl- und Äthylalkohol, leicht in Aceton, Chloro-
form, Essigester und Äther, schwer in Benzol, gar nicht in
Petroläther.
Beim spontanen Verdunsten der wässerigen Lösung scheidet
sich das Glucosid mit Krystallwasser aus. Das wasserhaltige
Glucosid bildet feine, glänzende Nadeln, schmilzt bei 96,5 bis
100° (korr.) unter Aufschäumen zu einer farblosen Flüssigkeit
und verliert, im Vakuumexsiccator aufbewahrt, schon bei Zimmer-
temperatur in einigen Tagen ziemlich vollständig sein Krystall-
wasser.
Von siedenden, verdünnten Mineralsäuren wird es rasch
hydrolysiert, ebenso durch Emulsin: 0,085 д wasserfreies Gluco-
вій, in 10 ccm Wasser gelöst, wurden mit 0,085 g Emulsin
und einigen Tropfen Chloroform bei 37° aufbewahrt. Nach
8 Stunden ergab die Titration mit Fehlingscher Lösung 0,05 g
Glucose, während 0,0507 g entstehen konnten. Das entspricht
99°/, der Theorie.
29*
426 J. Hämäläinen:
Camphenhydrat-tetraacetyl-d-glucosid.
C,0H,,0.0,H,0 (COCH,), .
38 g Camphenhydrat, in 100 com absoluten Äthers gelöst,
wurden mit insgesamt 25,5 g Acetobromglucose und 17 g Silber-
carbonat, die in 4 je etwa gleichgroßen Portionen jeden dritten
Tag eingetragen wurden, bei Zimmertemperatur auf der Ma-
schine geschüttelt. Der in obiger Weise isolierte Acetylkörper
wurde aus siedendem, verdünntem Alkohol umkrystallisiert.
Ausbeute an exsiccatortrockener, analysenreiner Substanz 5,2 g
oder auf die angewandte Menge der Acetobromglucose be-
rechnet 17,3°/, der Theorie.
0,1120 g Substanz gaben 0,2449g CO, und 0,0763g H,O.
Ber. für О,,Н,,О,, (484,288): Gef.:
C= 59,47 9%, 59,63 9,
H= 1,499, 7,62],
Das Tetraacetylglucosid bildet lange, farblose, biegsame
Nadeln, schmilzt bei 115 bis 117° (korr.) zu einer farblosen
Flüssigkeit, löst sich sehr leicht in Aceton, Chloroform, Essig-
ester und Benzol, leicht in Äther, ziemlich leicht in Methyl-
alkohol, schwerer in Äthylalkohol, sehr schwer in Wasser und
gar nicht in Petroläther.
Camphenhydrat-d-glucosid.
С,Н,,О j C,H, ,0,.
2,6 g Tetraacetylglucosid, in 30 ccm Alkohol gelöst, wur-
den in die Lösung von 8g Bariumhydroxyd in 120 ccm Wasser
eingetragen. Nach 12stündigem Aufbewahren bei 50 bis 60°
war alles in Lösung gegangen. Die durch Kohlensäure vom
Baryt befreite Lösung wurde im Vakuum zur Trockne ver-
dampft und der Rückstand mit abs. Alkohol ausgekocht. Das
Filtrat hinterließ nach dem Verjagen des Alkohols unter ver-
mindertem Druck ein farbloses Öl, das bald krystallinisch er-
starrte. Zur Reinigung wurde das Glucosid in siedendem Essig-
ester gelöst und nach Zugabe von Ligroin bis zur leichten
Trübung durch starkes Abkühlen wieder ausgeschieden. Aus-
beute an reiner Substanz 1,5g oder 83,6%/, der Theorie.
Synthetische $-Glucoside der Terpenalkohole. III. 427
0,1281 g Substanz (bei 8 mm und 75° getr.) gaben
0,2851g CO, und 0,1022g H,O.
Ber. für CB, (316,224): Gef.:
C= 60,72°], 60,709,
Н = 8,93%, 8,939],
Zur optischen Bestimmung wurde das wasserfreie Glucosid
in absolutem Alkohol gelöst. Substanz: 0,2326 g; Gesamt-
gewicht der Lösung 8,7661 р; р = 0,2326; 4%°], = 0,8017;
== — 0,65° (bei 20° und Na-Licht)
[a] 2° = — 30,56°.
. Das wasserfreie Glucosid bildet feine, farblose, biegsame,
sehr bitter schmeckende Nadeln, sintert gegen 90° (korr.) und
schmilzt bei 96,5 bis 102,5° (korr.) zu einer farblosen Flüssig-
keit. Es löst sich leicht in Wasser, Aceton, Chloroform, Essig-
ester, Äther, Methyl- und Äthylalkohol, schwer in Benzol und
gar nicht in Petroläther.
Von verdünnten Mineralsäuren wird das Glucosid in der
Siedehitze rasch gespalten. Emulsin wirkt langsamer: 0,0733 g
Glucosid wurden in 10 ccm Wasser gelöst und mit 0,07 g Emulsin
nebst einigen Tropfen Chloroform versetzt. Nach 2tägigem
Stehen im Brutraum ergab die Titration 0,011 g Glucose, d. h.
27°/, der Theorie.
Das angewandte «-Santenol und Camphenhydrat verdanke
ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. О. Aschan.
Bei der Ausführung der Versuche wurde ich von Herrn stud.
chem. K. A. Stählberg auf das beste unterstützt.
Nachtrag zu meiner Arbeit: Glucoside mit olefinischen und
monocyclischen Aglykonen').
Leider war es mir entgangen, daß das von mir beschrie-
bene Cyclohexanolglucosid schon vor etwa 2 Jahren vonE.Fischer
und Helferich?) dargestellt worden ist. Meine Resultate stim-
men mit den Angaben der genannten Forscher gut überein,
wie diese Zusammenstellung zeigt:
1) Diese Zeitschr. 49, 402, 1913.
9 Annal. d. Chem. 888, 74, 1911.
428 J.Hämäläinen: Synthetische $-Gluooside der Terpenalkohole. ПГ
Cyclohexanoltetraacetyl-d-glucosid Cyclohexanol-d-glucosid
Schmelzpunkt [0] 1° Schmelzpunkt [ва]
Fischeru. Helferich 120-121° —29,41° 133—137? (korr.) — 41,55
(korr.) (wäss. Leg.)
Hämäläinen. . . 119-1200 — 133-135° (korr.) — 42,52%
(korr.) (Alk.-Lag.)
Betreffend die Löslichkeitsverhältnisse dieser beiden Ver-
bindungen stehen die Angaben von E. Fischer und Helferich
mit den meinigen in guter Übereinstimmung. Nur die Spalt-
barkeit des Glucosids durch Emulsin wird von den genannten
Autoren zu 70°/, angegeben, während ich 29°/, gefunden hatte,
was ja auf verschiedene Wirksamkeit der Enzympräparate zu-
rückzuführen ist.
Beiträge zur Kenntnis der Fermente der Milchdrüse und
der Milch.
Von
W. Grimmer.
(Aus der physiologisch-ohemischen Versuchsstation der Kgl. Tierärztlichen
Hochschule zu Dresden.)
(Eingegangen am 12. Juni 1913.)
Unsere Kenntnisse über das Vorkommen von Fermenten
in der Milch sind erst neueren Datums.
Wir finden zwar auch in der älteren Literatur einige wenige Arbeiten
über Fermentwirkungen in der Milch. So fand z. В. Böchamp') im
Jahre 1883 das stärkespaltende Vermögen der Frauenmilch, das Bouchut?)
im Jahre 1885 bestätigte, und schon 1881 beschreibt Arnold®) die Eigen-
schaft der rohen Kuhmilch, Guajactinktur bei Anwesenheit von Wasser-
stoffsuperoxyd zu bläuen. Eine intensive Bearbeitung dieses Themas be-
ginnt aber erst um die Jahrhundertwende. In sehr kurzer Zeit ist seit-
dem eine Fülle von Arbeiten veröffentlicht worden, die ein reiches Tat-
sachenmaterial zutage gefördert haben. Mit diesen zugleich aber ist auch
eine Fülle der widerstreitendsten Ansichten entstanden, die in der Natur
der Sache begründet sind. In erster Linie erhoben sich Meinungsver-
schiedenheiten über den originären Ursprung dieser Stoffe, die, auf Grund
ihrer Eigenschaft, nach dem Erhitzen der Milch keine Reaktion mehr
auszulösen, meist ohne weiteres als Fermente angesprochen wurden. Diese
Differenzen sind verständlich, wenn man bedenkt, daß wohl kaum ein
anderes Sekret des tierischen Körpers einer Infektionsgefahr in dem
Maße ausgesetzt ist wie die Milch, so daß es nur äußerst selten gelingt,
der Milchdrüse eine vollkommen sterile Milch zu entnehmen. In der
Zitze befindet sich bekanntlich stets ein Bakterienpfropfen, der von von
außen eingedrungenen Mikroorganismen herrührt. Die Schwierigkeit hat
vielfach dazu geführt, indirekte Methoden der Herkunftsbestimmung der
1) Böchamp, Compt. rend. 96, 1508, 1883.
©) Bouchut, Hygiène de la premiere enfance. Paris 1885; zitiert
nach Raudnitz in Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. 2, 1903.
з) Arnold, Arch. d. Pharm. 219, 41, 1881.
430 W. Grimmer:
Milochenzyme anzuwenden, deren gebräuchlichste lange Zeit die war, daß
man sterilisierte Milch mit den verschiedenen normaliter in der Milch
vorkommenden Bakterienarten impfte und die hierbei entstehenden
Enzyme beobachtete. Diese Methode liefert nur bedingt richtige Werte,
nämlich dann, wenn die Bakterien irgendein Enzym, das in der Milch
vorkommt, nicht produzieren. Im anderen Falle ist eine Entscheidung
nicht möglich gewesen. Infolge dieser Schwierigkeiten hat es großer
Arbeit bedurft, um unsere jetzigen EE über den Ursprung
der Fermente zu fundieren.
Dafür wurden nun in neuerer Zeit vielfach Zweifel an der Ferment-
natur dieses oder jenes Enzyms, z. B. der Salolase, der Aldehydkatalase
(Perhydridase) usw. laut, die sich darauf gründen, daß es möglich ist,
die Reaktionen, die man bisher einem Fermente zuschrieb, auch durch
chemische Agenzien herbeizuführen, und durch Stoffe und unter Ver-
hältnissen auszulösen, die sich vielfach auch in der Milch wiederfinden,
z. B. die Verseifung des Salols durch schwache Alkalien.
Unter diesen Umständen erschien es mir nicht unzweck-
mäßig, bei meinen Versuchen über die Natur der Milchfermente
nicht die Milch in den Vordergrund zu stellen, sondern in erster
Linie in dem Organ selbst, das die Milch produziert, nach diesen
Fermenten zu fahnden.
Derartige Untersuchungen sind bisher nur in ganz geringer Zahl
ausgeführt worden und verfolgen zum Teil auch einen ganz anderen
Zweck, indem sie in erster Linie die Entstehung der typischen Milch-
bestandteile, Casein und Milchzucker, die sich ja im ganzen tierischen
Organismus nicht wiederfinden, zu erklären bezwecken. Es sei an die
älteren Untersuchungen von Dähnhardt!) und Thierfelder*) erinnert,
die in den Milchdrüsen ein Ferment vermuteten, das imstande sei, Al-
bumin in Casein umzuwandeln. Thierfelder sucht auch den Milch-
zucker als das Produkt eines Fermentes hinzustellen. Aus neuerer Zeit
datieren die Arbeiten von Basch?), Hildebrandt‘) und Borrino?).
Der erstere versuchte ohne Erfolg, die Komponenten des Milchzuckers,
Dextrose und Galaktose, mit Hilfe eines möglicherweise in den Milch-
drüsen enthaltenen Fermentes zu kuppeln. Hildebrand fand, daß bei
der Autodigestion von Milchdrüsenbrei eine weitgehende Proteolyse vor
sich geht, die bei lactierenden Drüsen weitaus intensiver ist als in nicht-
milchenden Drüsen. Borrino endlich konnte in den milchenden Drüsen
des Rindes eine Nuclease nachweisen, die in den nichtmilchenden Drüsen
1) Dähnhardt, Arch. f. d. ges. Physiol. 8, 587, 1870.
2) Thierfelder, Arch. f. а. ges. Physiol. 82, 619, 1884.
з) Basch, Ergebn. d Physiol. 2, 1903.
4) Hildebrandt, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 5, 463, 1904.
5) Borrino, Revista di clin. реа. 1911.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 431
fehlte. Die Arbeiten von Rosell!) und Slowzoff?) berühren das Vor-
kommen von Fermenten in der Milchdrüse nur ganz kurz.
Die vorliegende Arbeit bezweckt in erster Linie, festzu-
stellen, ob die Enzyme, soweit sie in der Milch gefunden wurden,
auch in der lactierenden Milchdrüse enthalten sind, anderer-
seits suchte ich die Unterschiede kennen zu lernen, die zwischen
der tätigen und der ruhenden Drüse hinsichtlich ihres Ferment-
gehaltes bestehen, da die eventuell vorhandenen Differenzen
Schlüsse gestatten könnten auf die Funktion der lactierenden
Drüsen und die Entstehung der verschiedenen Milcharten. Zur
Untersuchung gelangten die Drüsen von Rind, Schaf, Schwein
und Pferd, die nach Entfernung von Fett und Bindegewebe
sowie aller sichtbaren Blutgefäße mittels des Hackmessers in
einen Brei verwandelt wurden. Anfangs stellte ich aus diesen
durch Extraktion mit der doppelten Gewichtsmenge Glycerin
Glycerinextrakte her, hielt es aber später für zweckmäßiger,
Preßsäfte und Kochsalzextrakte herzustellen, die gegenüber den
Glycerinextrakten zwar den Nachteil hatten, sehr viel eiweiß-
reicher zu sein als diese, dafür andererseits den Vorteil boten,
daß sie leichter dialysiert werden konnten und besser aussalz-
bar waren. Ein Teil des Drüsenbreies wurde in vielen Fällen
zur Bereitung von Autodigestionsextrakten verwendet, indem
der in der doppelten Gewichtsmenge physiologischer Kochsalz-
lösung verteilte Drüsenbrei mit Toluol geschüttelt und unter
häufigem Ersatz desselben 3 Monate bei Bruttemperatur auf-
bewahrt wurden. Die Extrakte wurden auf das Vorkommen
folgender Fermente geprüft: Protease, Ereptase, Mono-
butyrase, Amylase, Salolase, Peroxydase. In den oben-
erwähnten Glycerinextrakten erfolgte weiterhin еше Prüfung
auf Aldehydkatalase, Reduktase und Hydrogenase. Ein
kleiner Teil der von mir erhaltenen Resultate ist bereits früher
an wenig zugänglicher Stelle publiziert worden), aus diesem
1) Rosell, Nachweis und Verbreitung intracellulärer Fermente.
Diss. Straßburg. 1901.
1) Slowzoff, Über die Oxydasen des Tierkörpers. Diss. St. Peters-
burg (russisch). 1899.
®© Grimmer, Festschr. f. Otto Wallach, Göttingen 1909, S. 452.
Milchwirtschaftl. Centralbl. 1909, 243; 1911, 395; 1909, 165.
432 W. Grimmer:
Grunde habe ich einige der damals erhaltenen Untersuchungs-
ergebnisse auch an dieser Stelle eingehender besprochen.
Der Nachweis der Fermente erfolgte in folgender Weise:
Das proteolytische Ferment konnte lediglich an den Ver-
änderungen erkannt werden, die durch die Autodigestion be-
dingt wurden, da keiner der von mir geprüften Extrakte im-
stande war, innerhalb kurzer Zeit Eiweiß anderer Art (Fibrin,
Hühnereiweiß, Gelatine) deutlich wahrnehmbar anzugreifen. Zur
Prüfung auf peptolytisches Ferment (Ereptase) wurden die
Extrakte und Preßsäfte mit dem gleichen Volumen einer
50°/ igen Lösung von Seidenpepton versetzt, von dem Abder-
halden gezeigt hatte, daß es sich infolge seines hohen Gehaltes
an Tyrosin vorzüglich zum Nachweise peptolytischer Fermente
eignet, da das bei der Spaltung auftretende Tyrosin wegen
seiner Schwerlöslichkeit sofort ausfällt. Monobutyrase er-
kannte ich dadurch, daß je 2 ccm der Extrakte mit 5 ccm
einer gesättigten Monobutyrinlösung unter Toluol 15 Stunden
lang in den Brutschrank gestellt wurden, nachdem ich bei einer
anderen Probe die Anfangsacidität festgestellt hatte. Durch
Verwendung erhitzter Extrakte wurde mehrfach eine Kontrolle
ausgeübt. Auf Amylase prüfte ich mit Stärkekleister, indem
ich је 2 ccm der Extrakte mit 10 ccm eines 1°/,igen Stärke-
kleisters und Toluol versetzte und die Gemische ebenfalls
15 Stunden lang bei Bruttemperatur beließ. Da viele Extrakte
gegenüber Fehlingscher Lösung Reduktionserscheinungen zeigten,
so konnte bei diesen diese Reaktion natürlich nicht als Kriterium
für eine stattgehabte Verzuckerung gelten, ich benutzte daher
das Verhalten des Digestionsgemisches gegen Jod, um einen
Stärkeabbau zu erkennen. Bei der Verwendung von dialysierten
Extrakten und von Eiweißfällungsfraktionen derselben (mit
Magnesium- und Ammoniumsulfat) wurde stets darauf geachtet,
daß diese Fehlingsche Lösung nicht reduzierten, also keine irgend-
wie nachweisbaren Zuckermengen enthielten. Der Nachweis
einer Salol spaltenden Wirkung erfolgte durch Zusatz von
Eisenchlorid zu dem 15 Stunden bei 37° gehaltenem Gemisch
von Extrakt und Salol. Violettfärbung zeigt die Spaltung des
Salols in seine Komponenten, Phenol und Salicylsäure, an. Be-
züglich des Peroxydasenachweises sei auf das dieses Ferment
behandelnde Kapitel verwiesen.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 433
I. Proteasen.
Der erste, der auf ein Oasein bildendes Ferment in der Milchdrüse
fahndete, war Dähnhardt!), der indessen nicht nach Abbauprodukten
der autodigerierten Milchdrüse suchte, sondern mit Hilfe von Milch-
drüsenextrakten des Meerschweinchens Eieralbumin in Casein umwandeln
wollte. Ähnliche Untersuchungen mit Kaninchenmilchdrüsen und Ka-
ninchenblutserum stellte Thierfelder”) an. Beide glaubten auf Grund
ihrer Resultate nachgewiesen zu haben, daß das von ihnen zu den Drüsen-
extrakten zugesetzte Albumin in Casein umgewandelt worden sei. Dähn-
hardt vermutete dies auf Grund der Erscheinung, daß er eine mit Essig-
säure fällbare Substanz erhielt, die sich in Alkalien wieder löste. Thier-
felder machte die Beobachtung, daß bei der gemeinsamen Autodigestion
von Milchdrüsenbrei und Blutserum eine größere Menge Stickstoff in den
Extrakten enthalten war, als wenn beide Substanzen getrennt vonein-
ander digeriert wurden. Die Frage, ob in der Milchdrüse proteolytische
Fermente enthalten sind, die Eiweiß zu niedermolekularen Substanzen
abzubauen vermögen, beantworten diese Autoren ebensowenig wie Basch?),
der glaubte, durch Kuppelung der Milchdrüsennuocleinsäure mit Rinder-
blutserum Casein zu erhalten. Der erste, der nach solchen spaltenden
Fermenten suchte, war Hildebrandt‘), der milchende und nicht-
milchende Drüsen vom Rind und der Frau der Autodigestion unterwarf
und in allen einen deutlichen Abbau von Eiweiß feststellen konnte, der
in den lactierenden Drüsen ungleich umfangreicher war als in den nicht-
milchenden. Aus den Extrakten der letzteren konnte mit Essigsäure ein
Niederschlag gefällt werden, der in Alkalien wieder löslich war, der
jedoch bei der gleichen Behandlung eines von einer laotierenden Drüse
stammenden Autodigestionsextraktes nicht mehr erhalten werden konnte.
Während in den Extrakten der nichtmilchenden Drüsen hitzekoagulable
und durch Ammoniumsulfat fällbare Substanzen in reichlicher Menge
nachweisbar waren, war dies in den Extrakten der milchenden Drüsen
nicht mehr der Fall. Diese zeigten auch eine viel schwächere Biuretreaktion
als der der nichtmilchenden Drüsen. Des weiteren fand Hildebrandt
bei den milchenden Drüsen eine größere Menge gelösten Stickstoffs als
bei den nichtmilchenden Drüsen. Dieser Unterschied konnte dadurch,
daß die letzteren bei schwach saurer Reaktion zur Autodigestion an-
gesetzt wurden, ausgeglichen werden. Pferde- und Rinderblutserum
wurden von dem Fermente nicht angegriffen.
Die hier zitierten Arbeiten können die Frage nach dem Vorkommen
proteolytischer Fermente in der Milch nicht beantworten, immerhin
sind sie deshalb von großem Werte, weil die eventuelle Anwesenheit
einer Protease, die nichtbakteriellen Ursprungs ist, in der Milch das Vor-
handensein einer solchen in der lactierenden Drüse zur Voraussetzung hat.
1) Dähnhardt, 1. о.
1) Thierfelder, Le
5) Basch, L o.
4) Hildebrandt, 1. с.
434 W. Grimmer:
In der Milch selbst glaubten Babcock und Russel!) ein proteo-
lytisches Ferment nachgewiesen zu haben. Sie fanden, daß angeblich
steril aufgefangene und sofort mit Antisepticis versetzte Kuhmilch im
Verlaufe von 8 Monaten eine Zunahme des gelösten, durch Essigsäure
nicht fällbaren Stickstoffs von 25°/, bis auf 73°/, des Gesamtstickstoffs
erfuhr. Ein solches Ferment fanden sie weiterhin auch in Büffel-,
Schaf-, Ziegen-, Pferde-, Esel- und Frauenmilch. v. Freuden-
reich*®), Jensen?), Spolverini*), Vandevelde’) und Hippius®) be-
stätigten diese Befunde, konnten sich aber, mit Ausnahme von Vande-
velde und Spolverini, nicht dazu entschließen, diese Erscheinung auf
die Wirkung einer originären, nicht bakteriellen Protease zurückzuführen.
Die Untersuchungen anderer Autoren wie Friedjung und Hecht’),
Moro’) und Zaitscheck?°) lassen das Vorkommen eines proteolytischen
Fermentes in der Milch zum mindesten zweifelhaft erscheinen.
Die negativen Befunde der letztgenannten Autoren sprechen mit
größerer Wahrscheinlichkeit für das Fehlen proteolytischer Enzyme als
die positiven Befunde der anderen für das Vorhandensein solcher Fer-
mente. Es muß stets berücksichtigt werden, daß selbst unter asepti-
schen Kautelen die Gewinnung einer vollständig keimfreien Milch fast
immer Glückssache ist, und daß durch die Antiseptica, die Baboook
und Russel verwendeten, Benzol und Äther, keine sichere Sterilisierung
erreicht werden kann. Bei der Verwendung des als Antisepticum un-
gleich wirksameren Formalins fanden v. Freudenreich und Jensen
јә auch nur eine sehr geringe Zunahme des durch Essigsäure nicht fäll-
baren Stickstoffs in der Milch.
Meine Untersuchungen in dieser Richtung konnten nur
den Zweck haben, etwas Näheres über die Funktion der Milch-
drüse in lactierendem Zustande zu erfahren. Dazu war es aber
auch nötig, nichtmilchende Drüsen zum Vergleiche heranzu-
ziehen. Der Umstand, daß wir im Casein einen von der Milch-
drüse gebildeten Eiweißkörper haben, der sich sonst in keinem
anderen tierischen Sekrete vorfindet, fordert geradezu zu der
Annahme heraus, daß die lactierende Drüse ein proteolytisches
1) Babcock und Russel, Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 6,
17, 1900.
N v.Freudenreich, Centralbl.f. Bakteriol. u. Parasitenk. 6, 332, 1900.
з) Jensen, Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 6, 734, 1900.
“) Spolverini, Revue d’Hygiöne et de med. infantile 1, 8, 1902.
5) Vandevelde, de Waele und Sugg, Beiträge z. chem. —
п. Pathol. 5, 571, 1904.
6) Hippius, Jahrb. f. Kinderheilk. 61, 865, 1905.
) Friedjung und Hecht, Arch. f. Kinderheilk. 87, 177, 346, 1903.
8) Moro, Jahrb. f. Kinderheilk. 56, 392, 1902.
°) Zaitsoheck, Arch. f. d. ges. Physiol. 104, 539, 1904.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 435
Ferment enthält, das eine sehr mächtige Wirksamkeit besitzen
muß, da es den Zellen der Milchdrüse aus den Eiweißkörpern
die Bausteine liefern muß, die zum Aufbau des Caseins nötig
sind.
Bei der Prüfung der mir zur Verfügung stehenden Glycerin-
extrakte auf das Vorkommen eines proteolytischen Fermentes
fand ich in Übereinstimmung mit Hildebrandt, daß zu den-
selben hinzugefügtes Eiweiß — koaguliertes Hühnereiweiß,
Fibrin und Gelatine in Form Mettscher Röhrchen — weder
bei der normalen schwach-sauren Reaktion der Glycerinextrakte,
noch bei alkalischer Reaktion (0,1°/ ige Na,CO,), noch bei salz-
saurer Reaktion (0,2°/ ige Salzsäure) angegriffen wird. Auch
die Kochsalzextrakte und Preßsäfte der Milchdrüsen von Rind,
Schaf, Schwein und Pferd vermochten weder Fibrin noch
Hühnereiweiß zu verdauen. Ich war also ebenfalls, wenn ich
eine proteolytische Wirksamkeit feststellen wollte, auf die Auto-
digestion der Milchdrüsen angewiesen, bei denen nach Abbau-
produkten des Eiweißes gesucht werden mußte.
In den Preßsäften und Kochsalzextrakten der nicht auto-
digerierten Drüsen aller Tiere waren sehr reichliche Mengen
durch Essigsäure fällbarer Substanzen vorhanden, in vielen
derselben war die Ausscheidung eine so starke, daß die Masse
breiartig erstarrte. Die Biuretprobe fiel in ihnen allen sehr
stark positiv aus; wurden die Extrakte schwach angesäuert
und erhitzt, so fielen sämtliche Eiweißsubstanzen aus. Die
Filtrate hiervon gaben keine Biuretreaktion mehr, durch Gerb-
säure konnte ich in diesen keine Fällung mehr hervorrufen,
Albumosen und Peptone waren in den frischen Extrakten und
Preßsäften der Drüsen somit nicht vorhanden. Die Auto-
digestionsextrakte waren in der Weise hergestellt worden, daß
der Milchdrüsenbrei mit der doppelten Gewichtsmenge physio-
logischer Kochsalzlösung unter Toluol 3 Monate im Brutschranke
gehalten und nach dieser Zeit filtriert wurde. Das Verhalten
der Filtrate ist aus Tabelle I ersichtlich. Wir sehen, daß die
Autodigestionsextrakte der nichtmilchenden Drüsen eine sehr
starke Biuretreaktion geben, die auch nach dem Erhitzen der-
selben unter Zusatz von Essigsäure noch vorhanden ist und
weiterhin im Filtrat der mit Ammoniumsulfat gesättigten Ex-
trakte auftritt. Nach der Dialyse der Autodigestionsextrakte
W. Grimmer:
436
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Fermente der Milchdrüse und der Milch. 437
trat die Biuretreaktion nur noch sehr schwach auf, entsprechend
dem geringen Gehalte der beim Erhitzen mit Essigsäure fäll-
baren, nicht dialysablen Eiweißkörper. Im Dialysat hingegen
waren die herausdiffundierten Biuretkörper nachweisbar. Bei
den milchenden Drüsen hingegen war die Biuretreaktion
der Extrakte entweder vollständig verschwunden oder trat nur
noch in ganz geringem Maße ein; die Menge der hitzekoagu-
lablen und durch Ammoniumsulfat fällbaren Substanzen war
eine außerordentlich geringe geworden, es trat zunächst stets
nur eine Trübung auf, die erst nach mehrtägigem Stehen in
eine sehr geringe Flockenbildung sich verdichtete. In den
milchenden Drüsen war also offenbar, ebenso wie Hildebrandt
das gefunden hatte, der Eiweißabbau ein viel energischerer
gewesen als in den nichtmilchenden Drüsen. In dieser An-
nahme werden wir durch das Verhalten der Autodigestions-
extrakte gegenüber Essigsäure bestärkt. Die Extrakte der
nichtmilchenden Drüsen gaben eine noch immer sehr starke
Fällung, während in den Autodigestionsextrakten der milchenden
Drüsen nur noch eine ganz schwache Trübung erzielt werden
konnte. Die Natur der mit Essigsäure ausfallenden Substanz
wurde nicht näher untersucht, festgestellt wurde lediglich, daß
sie durch verdünnte Natronlauge wieder in Lösung geht.
Hildebrandt gibt an, daß diese Substanz phosphorfrei ist,
also nicht Nuclein oder Nucleinsäure vorstellt.
Der prägnanteste Unterschied gibt sich aber in der Trypto-
phanreektion zu erkennen. Sämtliche einwandfrei nicht-
milchenden Drüsen spalten bei der Autodigestion kein Trypto-
phan ab, nur bei einer Drüse (Kuh 8) war dies in sehr ge-
ringem Maße der Fall. Веі dieser Drüse läßt sich aber nicht
mit Bestimmtheit sagen, ob sie als nichtmilchende Drüse gelten
kann, da sowohl der Preßsaft als auch der Kochsalzextrakt
der Drüse dieses Tieres eine, wenn auch nur schwache, Per-
oxydasereaktion (s. dort) gab, welche die übrigen nichtmilchen-
den Drüsen nicht geben. Es läßt sich vermuten, daß diese
Drüsen entweder in einem Vorbereitungsstadium der Lactation
standen oder daB das Tier seine Lactation nahezu beendet
hatte. Makroskopisch konnte eine Milchbildung jedenfalls aber
nicht mehr wahrgenommen werden. In den autolysierten Ex-
trakten der milchenden Drüsen hingegen war stets eine
438 W. Grimmer:
deutliche Tryptophanreaktion erkennbar. Hildebrandt gibt
an, daß er in den Autodigestionsextrakten der nichtmilchenden
Drüsen auch Leucin und Tyrosin gefunden habe, daB also
auch hier ein Abbau bis zu einfachen Aminosäuren statt--
gefunden habe. Aus diesem Verhalten ließ sich vielleicht ver-
muten, daß in den Eiweißkörpern der nichtmilchenden Drüsen
kein Tryptophan enthalten ist, eine Vermutung, die sich aller-
dings zu keiner bestimmten Behauptung verdichten kann, da
nach Mandel?) das Milchdrüsennucleoproteid tryptophanhaltig
ist und auch Serumeiweiß, dessen Vorhandensein in den Drüsen-
extrakten wir wohl kaum bezweifeln können, Tryptophan als
Baustein besitzt. Andererseits ließ sich vermuten, daß das
proteolytische Ferment der nichtmilchenden Drüse nicht im-
stande ist, Tryptophan aus den Eiweißkörpern abzuspalten.
Ich versetzte daher die fein zerhackte Milchdrüse einer nicht-
milchenden Kuh zu einem Teile mit Kochsalzlösung allein, zu
einem anderen mit Kochsalzlösung und Pankreatin, und unter-
warf beide Portionen einer 3monatigen Digestionsdauer. Nach
dieser Zeit wurde in beiden Proben die Tryptophanreaktion
mit Bromwasser ausgeführt. Der nur mit Kochsalzlösung di-
gerierte Anteil der Drüse gab, wie nach den bisherigen Re-
sultaten nicht anders zu erwarten war, keine Tryptophan-
reaktion, diese trat aber äußerst intensiv in dem mit Pan-
kreatin digerierten Anteile der Drüse auf. Das Fehlen des
Tryptophans in den Extrakten der nichtmilchenden Drüsen ist
somit nicht auf die Abwesenheit eines tryptophanhaltigen
Eiweißkörpers in der nichtmilchenden Drüse, sondern darauf
zurückzuführen, daß das proteolytische Ferment der nicht-
milchenden Drüse nicht imstande ist, aus den Eiweißkörpern
Tryptophan abzuspalten. Aus der Arbeit von Hildebrandt
geht nicht mit Sicherheit hervor, ob die von ihm verwendeten
Milchdrüsen vollkommen ruhten oder sich vielleicht in einem
derartigen Stadium befanden wie die von mir beobachtete
Drüse von Kuh 8, die ja ebenfalls eine, wenn auch nur
schwache, so doch deutliche Tryptophanreaktion gab. Anderer-
seits ist daran zu denken, daß das in den nichtmilchenden
Drüsen enthaltene proteolytische Ferment zur Gruppe der auch
1) Mandel, diese Zeitschr. 23, 245, 1909.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 439
in anderen Organen, z. B. in der Leber, gefundenen auto-
lytischen Fermente gerechnet werden könnte, die nach zahl-
reichen Beobachtungen wohl Tyrosin und Leucin, nicht aber
Tryptophan aus den von ihnen angreifbaren Eiweißkörpern
abspalten. Aus diesem Grunde erschien es mir notwendig, den
Hildebrandtschen Befund zu kontrollieren und nachzuprüfen,
ob in den tryptophanfreien Autolysaten der nichtmilchenden
Drüsen andere Aminosäuren vorhanden seien. In dem Um-
fange, wie dies wünschenswert wäre, habe ich leider wegen
der allzu geringen Menge des mir zur Verfügung stehenden
Materials die Untersuchung nicht durchführen können, doch
sind neue Versuche in dieser Richtung mit entsprechend großen
Mengen Drüsensubstanz bereits im Gange.
Zur Verfügung standen mir ca. 50 bis 100 ccm auto-
lytische Extrakte von zwei nichtmilchenden Kühen und einer
milchenden Kuh. In keinem derselben konnte ich mit Sicher-
heit Tyrosin nachweisen, nur in einem Falle war es mir mög-
lich, eine sehr geringe Substanzmenge zu erhalten, die sich in
Wasser sehr schwer, leichter nach Zusatz von etwas Ammoniak
löste und nach dem Verjagen desselben durch die Siedehitze
und beim Erkalten der Lösung wieder abschied, ein Verhalten,
das für das Vorhandensein von Tyrosin zu sprechen scheint.
Hingegen konnte ich in allen drei Fällen Glykokoll und Leucin
erhalten, die durch ihre Löslichkeit, ihre Krystallform und
durch die Analyse des Kupfersalzes identifiziert wurden. Außer-
dem erhielt ich sehr geringe Mengen durch Phosphorwolfram-
säure fällbarer, sehr stark alkalisch reagierender Substanzen,
deren Reindarstellung infolge der sehr geringen Mengen mir
nicht möglich war. Immerhin erscheint dieser Befund hin-
reichend, um auf das Auftreten auch von Diaminosäuren
bei der Autolyse sowohl milchender wie nichtmilchender Drüsen
schließen zu dürfen.
Ob in der nichtmilchenden Drüse ein anderes Ferment
enthalten ist als in der milchenden, oder ob etwa die herr-
schenden Reaktionsverhältnisse diese Differenzen verursachten,
läßt sich nicht ohne weiteres sagen. Nach Hildebrandt be-
schleunigt eine schwach saure Reaktion die Autodigestion der
nichtmilchenden Drüsen ganz bedeutend, sie kann dann, ge-
messen an der Menge des löslichen Stickstoffs, die Digestion
Biochemische Zeitschrift Band 53. 30
440 W. Grimmer:
der lactierenden Drüsen ganz erheblich überschreiten. Bei der
Autodigestion der milchenden Drüsen ist es sehr leicht denk-
bar, daß hier eine saure Reaktion eintritt, die der Wirksam-
keit des Fermentes förderlich wäre. Zur Klärung dieser
Verhältnisse setzte ich von der nichtmilchenden Drüse einer
Kuh 3 Portionen mit physiologischer Kochsalzlösung an,
derart, daß die eine neutral reagierte, die zweite 0,1°/,
Salzsäure, die dritte 0,1°/, Natriumbicarbonat enthielt. Die
Dauer der Digestion betrug wieder 3 Monate. Das Salz-
säure-Autodigestionsprodukt gab keine Fällung mit Essigsäure
und beim Erhitzen, einen nur geringen Niederschlag bei der
Sättigung mit Ammoniumsulfat und eine sehr schwache Biuret-
reaktion, die im Filtrate des erhitzten Extraktes ausblieb, und
keine Tryptophanreaktion. Der neutrale Extrakt verhielt sich
ganz so wie bereits geschildert wurde, der Bicarbonatextrakt
enthielt sehr reichliche Mengen durch Essigsäure und beim
Erhitzen fällbarer Substanzen, ergab weiterhin die Biuret-
reaktion; das Filtrat vom hitzekoagulierten Eiweiß hingegen
gab diese Reaktion nicht mehr. Durch Sättigung des Extraktes
mit Ammoniumsulfat fielen reichliche Mengen Eiweiß, das
Filtrat hiervon zeigte die Biuretreaktion ebenfalls nicht mehr,
Tryptophan war nicht nachweisbar. Das völlige Fehlen von
Digestionsprodukten sowohl im salzsauren wie im alkalischen
Extrakte läßt nur die Deutung zu, daß das proteolytische
Ferment durch 0,1°/,ige Salzsäure wie durch 0,1°/,ige Bi-
carbonatlösung an seiner Wirkung verhindert wird. Es ist,
nach den Beobachtungen von Hildebrandt zu urteilen, nicht
ausgeschlossen, daß andere Säuren, z. B. Essigsäure oder Milch-
säure, eine günstigere Wirkung auf das Ferment ausüben,
wenngleich berücksichtigt werden muß, daß die Nucleoproteide,
Nucleine und Nucleinsäuren, die ja wesentlichen Anteil an der
Entstehung der Abbauprodukte zu haben scheinen, durch Säuren
gefällt und dadurch für das Ferment möglicherweise schwerer
angreifbar werden. Lediglich auf Grund der hier geschilderten
Versuche liegen jedenfalls noch keine Gründe vor, anzunehmen,
daß das proteolytische Ferment der ruhenden und das der
tätigen Milchdrüse miteinander identisch sind; das der letzteren
ist dadurch charakterisiert, daß es imstande ist, aus den Eiweiß-
körpern der Milchdrüse Tryptophan abzuspalten, während das
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 441
Ferment der nichtmilchenden Drüsen einen Abbau dieser Eiweiß-
körper hauptsächlich bis zu Albumosen und Peptonen bewirkt,
in geringerem Maße auch zu Aminosäuren, wie Glykokoll,
Leucin und vielleicht auch Tyrosin, keinesfalls aber Tryptophan
abzuspalten vermag. Auf andere Eiweißkörper — Hühner-
eiweiß, Fibrin, Gelatine — erstrecken die Fermente ihre Tätig-
keit nicht.
П. Ereptasen.
Die Spaltung von Polypeptiden durch Milch wird bisher nur in
zwei Arbeiten erwähnt, in der von Wohlgemuth und Strich!) und
von Warfield®). Die genannten Autoren benutzten zu ihren Versuchen
Glycyltryptophan, das durch die bekannte Tryptophanreaktion einen
einwandfreien und sehr leicht ausführbaren Nachweis einer Spaltung in
seine Komponenten gestattet. Warfield beschränkte sich in seinen
Untersuchungen auf Frauenmilch, während Wohlgemuth und Strich
außerdem Kuh-, Ziegen-, Hunde-, Kaninchen- und Meerschweinchenmilch
in den Kreis ihrer Untersuchungen zogen. In allen der genannten Milch-
arten wurde das Gilycyltryptophan spaltende Ferment gefunden, am
stärksten in Frauen- und Kaninchenmilch. Gegen höhere Temperaturen
ist das Ferment außerordentlich empfindlich, beim Erhitzen der Milch
auf 75 bis 80° wird ев nach Warfield vernichtet, während es durch
14stündiges Erwärmen der Milch auf 74,5° nioht abgetötet wird.
Nach den im vorausgehenden Abschnitte geschilderten
Untersuchungen konnte es nicht unwahrscheinlich sein, daß
auch in der Milchdrüse eine Spaltung von höhermolekularen
Abbauprodukten der Eiweißkörper, z. B. von Polypeptiden und
Peptonen, erfolgt, das Auftreten von Aminosäuren in den Auto-
digestionsextrakten spricht sogar sehr dafür. Als zu spaltendes
Mittel wählte ich das von Abderhalden empfohlene Seiden-
pepton, das infolge seines hohen Gehaltes an Tyrosin als Bau-
stein zum Nachweise peptolytischer Fermente sehr geeignet
erscheint. Ein Blick auf Tabelle II lehrt uns, daß in der Tat
die Extrakte und Preßsäfte aller von mir untersuchten Drüsen
befähigt sind, aus Seidenpepton Tyrosin abzuspalten. Dieses
Vermögen erstreckt sich auch auf die autolytischen Kochsalz-
extrakte, die mit einer einzigen Ausnahme (Pferd 1), wenn
such nur in sehr geringem Maße, aus dem Seidenpepton
1) Wohlgemuth und Strich, Sitzungsber. d. Kgl. Preuß. Akad.
d. Wissensch. 1910, 8. 56.
*) Warfield, Journ. of med. research. 25, 235, 1911.
30*
442 W. Grimmer:
Tyrosin abspalteten. Das Ferment ist weder durch Magnesium-
sulfat noch durch Halbsättigung mit Ammoniumsulfat fällbar,
erst durch vollständige Sättigung mit Ammoniumsulfat wird
es aus seinen Lösungen ausgeschieden.
Tabelle II.
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytisches Kochsalzextrakt
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E E Saee] $ 5 | аа а $
1. Nicht-
milchende Tiere.
Kuh 1 +
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n 7 +
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ER [е E Lë
» 10 + EN == = + +
» 11 ++ ++
Schaf 1 ttj +
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n 4 + | —
» 5 ++ | +
n 6 ++ [1-1 - || +
СЕВ | | ++ Е ЕЗ ЕЗ З Е =] Карсы
Pferd 1 | + |+ | |
2. Milchende
Tiere.
Kuh 3 +/+| +| +
n 4 н + KH + - | +
n 5 + +
“ка| | HEI EEE |
n 8 + EFT FR PET TE EIER
en | | | карето
n 3 +|+|-|-|+|=+
еа? |+ ab | | | I+|+|-|-Ie®l#t
Zeichenerklärung: +++ nach 15 Stunden reichliche Tyrosin-
abscheidung; ++ nach 15 Stunden geringe Tyrosinabscheidung, die später
stärker wird; + nach 24 Stunden geringe Tyrosinabscheidung; + nach
48 Stunden geringe Abscheidung von Tyrosin; — nach 48 Stunden keine
Tyrosinabscheidung.
Fermente der Milohdrüse und der Milch. 443
Auffällig ist, daß die dialysierten Preßsäfte und Kochsalz-
extrakte ein sehr viel schwächeres Spaltungsvermögen besitzen
als die nicht dialysierten. Es scheint, als ob der durch die
Dialyse bis auf ein Minimum reduzierte Salzgehalt und die
dadurch veränderte Reaktion auf die Stärke der Ferment-
wirkung von Einfluß seien. Nicht anders läßt sich auch die
geringe Wirksamkeit der durch Ammoniumsulfat erhaltenen
Fällung nach dem Wiederlösen und Dialysieren erklären. Es
ist auffällig, daß die Wirksamkeit der letzteren fast stets in
der gleichen Intensität verläuft wie die der dialysierten Ex-
trakte.
Ob wir es hier mit einem besonderen Fermente zu tun
haben, das von dem proteolytischen Ferment, das eingangs
erwähnt wurde, verschieden ist, oder ob die Spaltung des
Seidenpeptons durch das proteolytische Ferment der Drüsen
bewirkt wurde, ist schwer zu entscheiden. Der Umstand, daß
das Vorhandensein proteolytischer Elemente in der Milch zum
mindesten zweifelhaft ist, während peptolytische Fermente nach
den Befunden von Wohlgemuth und Strich und von War-
field sicher vorzukommen scheinen, läßt die erstgenannte Auf-
fassung nicht ungerechtfertigt erscheinen, andererseits muß be-
rücksichtigt werden, daß nach den bisherigen Untersuchungen
anderer Autoren die autolytischen Fermente der verschiedenen
Organe eine rein spezifische Tätigkeit auszuüben scheinen; so
fand z.B. Jacoby), daß das proteolytische Ferment der Leber
nicht imstande ist, die Eiweißkörper der Lunge zu spalten,
während die aus diesen entstandenen Albumosen weiter ge-
spalten wurden. Wir könnten uns also denken, daß in der
Milch ein proteolytisches Ferment enthalten ist, das zwar im-
stande ist, die nativen Eiweißkörper der Milchdrüse zu spalten,
nicht aber die aus den Abbauprodukten wiederentstandenen
Eiweißkörper der Milch oder sonstige fremde Eiweißkörper,
wie Fibrin, Gelatine usw., das aber imstande ist, einmal ent-
standene Albumosen und Peptone weiter abzubauen. Dieses
Ferment würde also in seiner Wirkung etwa dem Erepsin des
Darmsaftes vergleichbar sein, das an nativen Eiweißkörpern
nur Proteine und das Casein, im übrigen aber die Albumosen
1) Jacoby, Beiträge ғ. chem. Physiol. u. Pathol. 8, 446, 1903.
444 W. Grimmer:
und Peptone einer großen Anzahl anderer Eiweißkörper, die
in nativem Zustande durch das Erepsin nicht spaltbar sind,
zu spalten vermag.
Andererseits muß aber berücksichtigt werden, daß das
durch die Milch spaltbare Polypeptid — Glycyltryptophan —
eine ganz andere Substanz ist als das Seidenpepton, das durch
die Extrakte sowohl der milchenden wie auch der nichtmilchen-
den Drüsen aller untersuchten Tierarten gespalten wird, und
daß die Abspaltung von Tryptophan gerade das Charakteri-
stikum eines Fermentes der lactierenden Drüsen ist. Wir
müssen also auch die Möglichkeit, die vielleicht die größere
Wahrscheinlichkeit für sich hat, in Betracht ziehen, daß die
von mir beobachtete Abspaltung von Tyrosin aus Seidenpepton
gar nicht der Wirksamkeit eines besonderen peptolytischen
Fermentes zuzuschreiben ist, sondern der des proteolytischen
Fermentes. Wenn es mir auch nicht gelang, unter den Abbau-
produkten der Eiweißkörper der autolysierten Milchdrüsen
Tyrosin nachzuweisen, so ist es doch im Hinblick auf die Be-
funde von Hildebrandt immerhin sehr wahrscheinlich, daß
dieses gebildet wurde. Der Umstand, daß gerade in den Auto-
lysaten der lactierenden Drüsen, in denen Tryptophan nach-
weisbar war, nur noch ganz geringe Mengen von Albumosen
und Peptonen enthalten waren, scheint mit großer Wahrschein-
lichkeit dafür zu sprechen, daß nicht das Tyrosin abspaltende,
sondern das Tryptophan abspaltende Ferment das peptolytische
ist. Wir würden dann zu dem Schlusse kommen, daß die
proteolytischen Fermente in den tätigen und ruhenden Drüsen
vielleicht die gleichen sind, während die lactierenden Drüsen
noch ein spezifisches peptolytisches Ferment enthalten, das be-
fähigt ist, aus den höheren Abbauprodukten der Eiweißkörper,
den Albumosen und Peptonen, Tryptophan abzuspalten. Die
endgültige Entscheidung dieser Frage muß weiteren Forschungen
vorbehalten bleiben.
ПІ, Monobutyrinase.
Ein Monobutyrin spaltendes Ferment wurde von Marfan!) in
Kuh- und Frauenmilch, von Luzzatti und Biolchini®) in der Milch
1) Marfan und Gillet, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1, 57, 1902.
2) Luzzattti und Biolchini, 216. п. Raudnitz in Asher-Spiro
Ergebn. d. Physiol. 2, 1903.
Fermente der Milohdrüse und der Milch. 445
von Frau, Kuh, Ziege, Esel und Hund nachgewiesen. Gillet", der
sich des näheren mit dieser Eigenschaft der Milch beschäftigte, gibt an,
daß das Ferment bei 65° abgetötet wird und nicht dialysabel ist. Durch
Alkalien wird seine Wirksamkeit erhöht, durch Säuren sowie Salzlösungen
geschwächt.
Bei der allgemeinen Verbreitung, die die Monobutyrinase
im tierischen Organismus besitzt, war es nicht anders zu er-
warten, als daB sie sich auch in der Milchdrüse vorfinden
würde. Leider muß auf die ganz einwandfreie Beantwortung
der Frage, ob die von mir in den Milchdrüsenextrakten ge-
fundene Monobutyrinase ein der Milch originäres Enzym ist
oder nicht, verzichtet werden, da auch Blut Monobutyrin zu
spalten imstande ist und es so gut wie unmöglich ist, ein so
stark durchblutetes Organ, wie die Milchdrüse vorstellt, voll-
kommen blutfrei zu erhalten. Immerhin darf bei der sehr ge-
ringen Wirksamkeit des Blutes, und in Anbetracht des Um-
standes, daß der Blutgehalt der untersuchten Extrakte nur
ein außerordentlich geringer war, geschlossen werden, daß im
vorliegenden Falle ein großer Teil der Spaltung des Butter-
säureglycerinesters auf Rechnung eines von der Milchdrüse ge-
bildeten Fermentes zu setzen ist.
Besondere Gesetzmäßigkeiten in dem Gehalte der ver-
schiedenen Milchdrüsen an Ferment existieren nicht. Wir
finden beispielsweise in den Preßsäften der nicht milchenden
Drüsen vom Rinde sehr hohe Säurewerte, 2. В. 3,9 ccm al
Buttersäure bei Kuh 2 neben sehr niedrigen, wie 0,3 ccm al,
Buttersäure bei Kuh 11. In den Kochsalzextrakten sind die
erhaltenen Werte fast ausnahmslos sehr viel niedriger als in
den Preßsäften, eine Erscheinung, die wohl auf Kosten des
Kochsalzgehaltes der Extrakte zu setzen ist, da nach Gillet
Salze auch in geringen Konzentrationen die Wirksamkeit des
Fermentes herabsetzen.
Diese hemmende Wirkung hätte sich durch die Ent-
fernung der Salze mittels Dialyse beseitigen lassen, es muß
indessen berücksichtigt werden, daß hierbei auch die die Spal-
tung fördernde alkalische Reaktion verschwindet, so daß eine
sehr wesentliche Erhöhung der Spaltung in den dialysierten
Säften und Extrakten kaum zu erwarten war. Bei der Prü-
1) Gillet, Journ. de Physiol. et Pathol. gen. 4, 439,1902; 5, 503, 1903,
446 W. Grimmer:
Tabelle III
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytischer Kochsalzextrakt
Milchdrüse pel ` Le pp > | Le pel apl s
; Ч ‚ С „# \ — 20|
S | | ШЕЛЛИ, |5 ШШДЕ:
er ez = чады äs
1. Nichtmil-
ohenden Tieren.
Kuh 1 1,80 | 0,60 | 0,40
n 2 8,90 | 0,80 | 0,90 | 0,40 | 0,00 | 0,05 | 0,20 | 0,20 | 0,65 | 0,10 | 0,00 | 0,00 | 0,15 | 0,20
„ 6 0,70 | 0,15 | 0,05 | 0,00 | 0,15 | 0,15
» 7 0,80
„ 8 _ 10,90) 0,40 10,20 0,45 | 0,10 | 0,00 | 0,00 | 0,10 | 0,10
e 9 0,50 0,30 | 0,20
„ 10 0,40 0,40 0,00 | 0,00 | 0,20 | 0,15
» 11 0,30 0,75
Schaf 1 0,20 | 0,25
n 2 1,00 | 0,60
n 8 0,90 | 0,20
n 4 0,70 | 0,20
n 5 0,65 | 0,30
» 6 0,90 | 0,55 | 0,10 | 0,05 | 0,30 | 0,80
Schwein 1 | | [|0,55 |0,80 |0,15 |0,20 |0,50 |0,40|0,20|030| | | |
Schaf 7 0,75 | 0,60 | 0,10 | 0,10 | 0,40 | 0,35
n 8 0,80 | 0,50 | 0,05 | 0,10 | 0,35 | 0,30 | 0,70 ! 0,20 | 0,00 | 0,00 | 0,15 | 0,20
Schwein 2 4,95 | 0,80 | 0,90 | 0,60 | 0,05 | 0,10 | 0,40 | 0,40
s $ 0,50 | 0,40 | 0,00 | 0,15 | 0,45 | 0,30
Pferd 2 |0,45 |0,20 | 0,40 | 0,80 | 0,15| 0,00 | 0,10 | 0,20 | 0,15
Die Zahlen bedeuten die Zunahme der Acidität, ausgedrückt in
com ®/,, NaOH während der l5stündigen Digestionsdauer іп 5 оош des
Extraktes.
fung ergab sich nun, daß die Dialyse in den meisten Fällen
einen ganz enormen Abfall der Wirksamkeit des Fermentes
zur Folge hatte, so daß es in einzelnen Fällen gewagt er-
scheint, überhaupt von einer Fermentwirkung zu sprechen.
Nur in einigen Fällen hat keine wesentliche Abnahme der
Fermentwirkung der dialysierten Substrate gegenüber den
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 447
nicht dialysierten stattgefunden, in einem Falle (Kochsalz-
extrakt von Schwein 1) machte sich sogar eine Erhöhung der
Wirksamkeit bemerkbar. Es sei hierbei darauf hingewiesen,
daß in den dialysierten Extrakten der Einwand hinfällig wird,
der für die nichtdialysierten ev. erhoben werden könnte, daß,
besonders bei den zuckerhaltigen Extrakten und Preßsäften der
milchenden Drüsen eine Zunahme in der Acidität auch auf
Rechnung einer Milchsäurebildung gesetzt werden könne, denn
die dialysierten Säfte uud Extrakte zeigten keine Zuckerreak-
tion mehr.
Die Fällungsgrenzen des Fermentes sind nicht sehr scharf
ausgeprägt. In einigen Extrakten finden wir bereits bei der
Magnesiumsulfatsättigung und bei der Halbsättigung mit Am-
moniumsulfat eine geringe Fällung des Fermentes, in der Haupt-
sache aber geht ев erst bei vollständiger Fällung mit Ammonium-
sulfat in den Niederschlag über, wie auch aus den Zahlenwerten
derjenigen Fraktionen ersichtlich ist, die durch Sättigung der
halbgesättigten Filtrate mit Ammoniumsulfat erhalten wurden.
Bei der Autodigestion der Extrakte wird das Ferment
nicht zerstört, wenngleich die für die dialysierten Autolysate
erhaltenen Werte mit einer Ausnahme sehr niedrige sind, во
daß sie nahe an die Fehlergrenze heranrücken. Die Fällungs-
verhältnisse sind hier die gleichen wie bei den nicht digerierten
Kochsalzextrakten.
IV. Amylase.
Über das Vorkommen amylolytischer Fermente liegen nur relativ
spärliche Angaben vor. B6öchamp') fand ein solches im Jahre 1883
in Frauenmilch, ein Befund, der von Мого*), Spolverini®), Zait-
scheck®), Hippius) und anderen später bestätigt wurde. Nach
Bechamp sollte das Ferment in Kuhmilch fehlen, nach Spolverini
auch in Ziegenmilch, während es in Hunde- und Schweinemilch, aller-
dings in erheblich geringerer Menge als in der Frauenmilch, ebenfalls
enthalten ist. Zaitscheok hingegen fand in allen von ihm unter-
suchten Milcharten — Frauen-, Esel-, Stuten-, Kuh-, Ziegen- und Büffel-
milch — eine Amylase, keine der genannten Milcharten zeichnete sich
1) Вёсһатр, Compt. rend. 96, 1508, 1883.
3) Мого, Jahrb. f. Kinderheilk. 56, 392, 1902.
TI Spolverini, Rev. d’hygiene et de med. infant. 1, 3, 1902.
4) Zaitscheck, Arch. f. а. ges. Physiol. 104, 539, 1904.
D Hippius. Jahrb. f. Kinderheilk. 61, 365, 1905.
448 W. Grimmer:
vor den anderen durch einen besonders hohen Gehalt an diesem Fer-
ment aus. Koning?) fand es ebenfalls in Kuhmilch und arbeitete eine
sinnreiche Methode zur quantitativen Bestimmung seiner Menge aus.
Er fügt zu je 10 com Milch steigende Mengen einer 1°/,igen Lösung
von löslicher Stärke (0,05ccm, 0,1 сот usw.) und setzt nach 30 Minuten
eine Jodjodkaliumlösung zu dem Gemisch. Nach dieser Methode fand
Koning in der zuerst ermolkenen Milch mehr Diastase als in der zu-
letzt ermolkenen. Spolverini sieht auch in der Diastase ein Exkre-
tionsprodukt des Organismus, seine mit Eiern, Milch und rohem Kuh-
pankreas gefütterte Ziege lieferte nach 1'/,monatlicher Ernährung mit
dieser Kost eine Milch, die Stärke zu Егуёһгодехігіп abbaute. Auf
diesen Befund ist indessen jetzt kein allzu großer Wert mehr zu legen,
seit die neueren Arbeiten von Zaitsoheck das Vorkommen eines diasta-
tischen Fermentes in allen von ihm untersuchten Milcharten erwiesen
haben.
In der Milchdrüse selbst hat man meines Wissens noch nicht nach
einem saccharifizierenden Fermente gesucht, obgleich dies sehr nahe ge-
legen hätte, nachdem B&öchamp*®), Herz?) und andere auf das Vor-
kommen höhermolekularer Kohlenhydrate von dextrinartigem Charakter
in der Milch aufmerksam gemacht hatten. Nur Basch‘) hatte ver-
sucht, mit Hilfe von Milchdrüsenextrakten Traubenzucker und Galaktose
miteinander zu Milchzucker zu verbinden. Ein positiver Ausfall dieses
Versuches hätte nach unserer heutigen Anschauung von der Reversibilität
auch der fermentativen Wirkungen auf das Vorhandensein eines Fer-
mentes schließen lassen, das befähigt ist, höhermolekulare Kohlenhydrate
abzubauen.
Meine Untersuchungen an den Milchdrüsen stellte ich in
der Weise an, daß ich je 2 ccm der Preßsäfte und Extrakte
mit 10 ccm einer 1°/ igen Stärkelösung versetzte, kräftig mit
Toluol schüttelte und die Gemische ca. 15 Stunden im Brut-
schranke beließ. Nach dieser Zeit wurden die Digestions-
gemische teils mit Jodjodkalium, teils mit Fehlingscher Lösung
geprüft. Es ist ohne weiteres klar, daß das letzte Verfahren
bei den Extrakten und Preßsäften der milchenden Drüsen, die
stets zuckerhaltig waren, keine eindeutigen Resultate zu geben
vermag, auch eine quantitative Bestimmung hätte meines Er-
achtens keinen Erfolg versprochen, da mit der Möglichkeit
gerechnet werden mußte, daß der Milchzucker bei der Di-
gestion eine Spaltung durch eine Lactase hätte erleiden können,
1) Koning, Milchwirtschaftl. Zentralbl. 8, 41, 1907.
°?) B&ohamp, Bull. Soc. Chim. 6, 82.
8) Herz, Chem.-Zeitg. 16, 1594. |
4) Basch, Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. 2, 1903.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 449
wodurch natürlich eine Steigerung der Reduktionskraft bedingt
worden wäre, in allen diesen Fällen konnte lediglich die Prü-
fung mit Jodjodkalium Aufschluß über einen eventuellen Stärke-
abbau geben. Deshalb wurden in Kontrolluntersuchungen alle
verwendeten Preßsäfte und Extrakte gegen täglich mehrfach
gewechseltes destilliertes Wasser bis zur völligen Zuckerfreiheit
dialysiert, ein Verfahren, das bei der Verwendung von Dialysier-
hülsen von Schleicher und Schüll ca. 10 bis 14 Tage in An-
spruch nahm. Einen Nachteil hat das Verfahren zweifellos.
Wir wissen, daß die Neutralsalze der Alkalien, insbesondere
Chlornatrium und schwach alkalische Salze, z. B. Phosphate,
die Amylolyse in ganz bedeutendem Maße zu fördern imstande
sind. Indessen glaubte ich von einem Zusatze solcher Salze
absehen zu können, da mir zunächst weniger daran lag, die
Reaktion quantitativ zu verfolgen, als vielmehr das Vorhanden-
sein eines stärkespaltenden Fermentes festzustellen und die
dialysierten Extrakte sowie die verschiedenen Fällungen im
ganzen durchaus eindeutige Resultate ergaben. Prägnante
Unterschiede zwischen milchenden und nichtmilchenden Drüsen
ergaben sich beim Schafe, wie aus Tabelle IV ersichtlich ist.
Die nichtmilchenden Drüsen dieser Tiere waren bis auf
einen Fall, in dem ein Preßsaft Stärke in geringem Maße ab-
zubauen vermochte, frei von einem amylolytischen Enzym,
während bei zwei Milchschafen ein deutlicher Stärkeabbau zu
verzeichnen war, was sich sowohl durch die Jodfärbung (Violett-
färbung), wie auch durch die Reduktionsfähigkeit gegenüber
Fehlingscher Lösung zu erkennen gab. Beim Rinde liegen die
Verhältnisse wesentlich anders. Hier besitzen die Drüsen der
nicht milchenden Tiere fast ausnahmslos ein zum Teil sehr
stark wirkendes amylolytisches Ferment, wie aus der Jod-
reaktion hervorging. In allen Fällen trat nach Zusatz von
Jodjodkalium eine rote bis rotviolette Färbung auf, die nach
Zusatz gesteigerter Mengen allerdings, da nicht alle Stärke an-
gegriffen worden war, in Blau überging. In einem Falle (Preß-
saft von Kuh 11) trat sogar eine reine Gelbfärbung, die von
Jod herrührte, auf. Auffälligerweise konnte bei der Probe mit
Fehlingscher Lösung niemals eine erhebliche Reduktionsfähigkeit
erhalten werden, die gebildeten Zuckermengen waren stets nur
sehr geringe. Ob hier vorzugsweise eine Spaltung in nicht-
450 W. Grimmer:
Tabelle IV.
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytischer Kochsalzextrakt
E E el ым, eel pT E e| ol e BR
SI | ЕЕ ЗЫ к аза ШЕ ы
3) ааа ааа з
1. Nicht-
milchendeTiere:
Kuh 1 LE AER
n 2 SEA EAR + Bu Жш шш зше ш рс
" 6 +|+|+|+р+|+
л 7 ++ | ++
-8 |++р++ HHH ++ |+ | | +
з 9 +| + ++ | ++
n 10 + +++ [рар —-
» 1l ++ + | +
Н |
s 2 + |+
n 8 2 9
— + |+
в 5 ger
n 6 м киы we BR LEERE Ин
Sohweia 1 | | нн + || | | |
Pferd 1 |+| + |+|] | | l-l- |
2. Milchende
Tiere:
Kuh 8 +|-|—-|+ J = l-l-
n 4 - | +|I+|+|+|+ +
n Š T+ E:
=з | BPR -Ile
n 8 +/i+|i+|+|/+|-1I-|+|+|+|+]|]-
+ ee
„ 3 IH) HH +++ |+ | —
кезг ee | I [| [=|+[+[+|+[-
Zeichenerklärung: + mit Jodjodkali Blauviolettfärbung, + Rot-
violettfärbung, ++ Rotfärbung, +++ keine Färbung.
reduzierenden Substanzen stattgefunden hatte oder ob der ge-
bildete Zucker weiter verarbeitet wurde, konnte nicht einwand-
frei festgestellt werden. Ich dachte zunächst an die Bildung
von Milchsäure, die sich durch das Uffelmannsche Reagens
sowie durch eine Zunahme der Acidität hätte bemerkbar machen
müssen; die hierüber angestellten Versuche lassen aber keinen
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 451
bestimmten Schluß in dieser Richtung zu., Wohl erhielt ich
in vielen Fällen nach Zusatz von Uffelmannschem Reagens
zu dem Digestionsgemisch eine Gelbfärbung, diese war aber
von sehr geringer Intensität und entsprach auch einer nur sehr
geringen Aciditätezunahme, meist nur von 0,05 bis 0,10 ccm in
Б ccm des Digestionsgemisches, also Differenzen, die innerhalb
der Fehlerquellen zu suchen sind.
In den milchenden Drüsen des Rindes ging der Abbau der
Stärke, nach der Jodreaktion zu urteilen, in viel geringerem
Maße vor sich. Hier wurde eine reine Rotfärbung (Erythro-
dextrin) niemals beobachtet, die Farbentöne schwankten immer
zwischen Rotviolett und Blauviolett. Wohl aber konnte hier
eine sehr viel deutlichere Kupferoxydulbildung in den dialy-
sierten Extrakten und Preßsäften sowie in den Fällungen nach-
gewiesen werden. Es sei hier nochmals ausdrücklich betont,
daß die dialysierten Substrate vollkommen zuckerfrei waren
und gegen Fehlingsche Lösung keinerlei Reduktionserscheinungen
zeigten.
Während nun die Drüsen von Schaf und Rind eine im
allgemeinen nur schwache amylolytische Fähigkeit entfalten,
ist die stärkeabbauende Wirkung beim Schweine und beim Pferde
eine ganz ausgesprochene. Der Kochsalzextrakt der Drüse eines
nichtmilchenden Schweines baute die vorgelegte Stärke fast voll-
ständig ab, auch nach der Dialyse; mit Jod war das Vorhanden-
sein dextrinartiger Substanzen nicht mehr nachweisbar. Beim
milchenden Schweine war eine derart intensive Wirkung nicht
vorhanden, aber auch hier erfolgte der Abbau in sehr energischer
Weise bis zu Erythrodextrin. Bei allen Tieren wurde auch
Fehlingsche Lösung sehr stark reduziert. Ganz analoge Ver-
hältnisse haben wir beim Pferde. Hier scheint indes das mil-
chende Tier das stärkere amylolytische Vermögen zu besitzen.
In den durch Autolyse gewonnenen Extrakten finden wir
bei zwei nichtmilchenden Drüsen des Rindes eine sehr viel
stärkere Amylolyse als in den frischen Preßsäften, während bei
einem Rinde, dessen Preßsaft und Kochsalzextrakt nur eine
sehr schwache amylolytische Fähigkeit entwickelte, das stärke-
spaltende Vermögen nach der Autolyse vollkommen verloren
gegangen war. In den milchenden Drüsen des Rindes hatte
das amylolytische Vermögen ebenfalls stark abgenommen bzw.
459 W. Grimmer:
war verloren gegangen. Веі den nichtmilchenden Drüsen
des Schafes war ein direkter Vergleich nicht möglich, doch
dürfen wir hier die amylolytische Fähigkeit der autolytischen
Extrakte wohl vernachlässigen. Bei der milchenden Drüse eines
Schafes ergab sich, daß nach der Dialyse der autolytische Ex-
trakt eine deutliche Wirksamkeit auch in bezug auf die Re-
duktionsfähigkeit gegenüber Fehlingscher Lösung erlangte, wäh-
rend das nicht dialysierte Autolysat ein vollkommen negatives
Resultat zeitigte.
Beim Schweine beobachten wir im Autolysat der nicht-
milchenden Drüse eine Abnahme des Stärkeabbauvermögens,
beim milchenden Tiere ergab sich, wie schon beim Schafe, nach
der Dialyse eine deutliche Zunahme der Amylolyse. Das gleiche
war bei der lactierenden Drüse des Pferdes zu beobachten.
Es scheint, als ob bei der Autolyse der Drüsensubstanz Stoffe
gebildet werden, die die Wirkung des Ferments zu beeinträch-
tigen vermögen und nach deren Entfernung bei der Dialyse
das Ferment seine volle Wirksamkeit auszuüben vermag.
Bezüglich der Fällungsverhältnisse fand ich, daß die Amy-
lase bei sämtlichen Tierarten durch Sättigung mit Magnesium-
sulfat und Halbsättigung mit Ammoniumsulfat gefällt wird; in
dem daraus erhaltenen Filtrat lassen sich durch Ganzsättigung
mit Ammoniumsulfat höchstens noch Spuren des Ferments
nachweisen.
У. Salolase.
Das salolspaltende Vermögen von Frauen- und Eselmilch wurde von
Noböcourt und Merklen!) entdeckt, von Luzzatti und Biolohini?),
Moro®), Spolverini*) und Hippius’), neuerdings von Usener°) be-
stätigt. Auch Hundemilch besitzt diese Eigenschaft, während sie in den
Milcharten der Wiederkäuer vermißt wird Nur Vandevelde”) hat
auch in Kuhmilch Salolase gefunden, und Spolverini konnte sie in
Ziegenmilch beobachten, wenn das Tier mit Malzkeimen gefüttert wurde.
1) Nob6court und Merklen, Compt. rend. Soo. Biol. 58, 148, 1901.
N) Luzzatti und Biolchini, zit. п. Raudnitz in Asher-Spiro,
Ergebn. d. Physiol. 2, 1903.
3) Мого, Jahrb. f. Kinderheilk. 56, 392, 1902.
1t) Spolverini, Rev. d’hyg. et de med. inf. 1, 8, 1902.
6) Hippius, Jahrb. f. Kinderheilk. 61, 365, 1905.
6) Usener, Zeitschr. f. Kinderheilk. 5, 431, 1912.
”) Vandevelde, zit. п. Raudnitz, Die Arbeiten auf dem Gebiete
der Milchwissenschaft usw. Monatsschr. f Kinderbeilk. 7, Heft 7, 1908.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 453
Tabelle V.
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytischer Kochsalzextrakt
Milchdrüse | | = g |; sl „7
von р Бр | б Rest BE, og Rest
gaj азаа bien |40 я] © VNE
1. Nichtmil-
chenden Tieren.
Kuh 1 ++
sg 2 HH + — + +++ — |+ -L
n е +++|8рши|+++|+++|8$риг
a
» 8 +++ +++ + |+ | ++ |Spur
» 9 +++
» 10 Spur| ++ | ++ Spur
a 11
Schaf 1
n 2
„ 3 + ++
n 4 ++ EA
» 5
n 6 ae СИН DE +++|Spur
a
Schwein 1 |а |+ + |+ | + |Spur| + Jr
|
Tieren.
a, vi
Schaf 7 4414461 + |4614
„ 8 +++ +++
Schwein 2 | + HH
Spur
+ рваны ы
en
+ 44 + Hee —
Мей? ball | | | нн = нчы Spur
Zeichenerklärung: tiefintensivo Dunkelviolettfärbung, ++ durch-
scheinende Violettfärbung, + Hellviolettfärbung.
Nach Untersuchungen von Moro ist die die Reaktion in der Frauen-
milch auslösende Substanz thermostabil, kann also nicht zu den Fer-
menten gerechnet werden, wie dies vorher von Nob&court und Merklen
getan worden war. Bönoit!) konnte erst durch 15 Minuten langes Er-
hitzen der Frauenmilch auf 115° ihre salolspaltende Wirkung zum Ver-
schwinden bringen.
1) Benoit, zit. п. Raudnitz, Die Arbeiten usw. Monatsschr. f.
Kinderheilk. 2, Heft 12, 1904.
454 W. Grimmer:
In striktem Gegensatze hierzu gibt Hippius an, daß die Salolase
der Frauenmilch bereits beim Erwärmen auf 55 bis 60° deutlich ge-
schwächt, beim Erwärmen auf 65° nahezu vollständig vernichtet wird.
Desmoulidres') faßt die salolspaltende Wirkung als eine durch die
alkalisch reagierenden Aschenbestandteile der genannten Milcharten be-
dingte Verseifung auf und stützt diese Annahme durch Versuche: Eine
Sodalösung von derselben Alkalinität wie der der Frauenmilch war im-
stande, Salol zu spalten, ebenso eine gegen Lackmus neutralisierte Lösung
von 1,5 g sekundärem Natriumphosphat, 1 g Citronensäure, 50 g Milch-
zucker im Liter. Als Miele und Willen?) Kuhmilch alkalisierten,
fanden sie auch in dieser Salolspaltung und vertreten infolgedessen eben-
falls den Standpunkt, daß hier eine durch die Alkalinität bedingte Ver-
seifung vorliegt.
Die von mir mit Hunde- und Schweinemilch vorgenom-
menen Prüfungen ergaben in beiden das Vorkommen von Salo-
lasen. Ebenso wurde sie in sehr stark wirkendem Maße in
Preßsäften, Kochsalzextrakten und autolytischen Extrakten der
Milchdrüsen von Rind, Schaf, Schwein und Pferd (Tabelle V),
sowie in den Gilycerinextrakten von milchenden und nicht-
milchenden Drüsen von Schaf, Ziege, Schwein und Pferd, sowie
in den nichtmilchenden Drüsen des Rindes gefunden, während
sie auffälligerweise in den Glycerinextrakten der milchenden
Drüsen dieses Tieres (3 Fälle) fehlte. In sämtlichen wirksamen
Extrakten konnte die salolspaltende Eigenschaft durch Erhitzen
zerstört werden, ein Umstand, der dafür spricht, daß wir es
hier mit fermentativen Vorgängen zu tun haben. Diese An-
schauung erhält eine wesentliche Stütze durch die Reaktions-
verhältnisse der Glycerinextrakte gegenüber Phenolphthalein
und Lackmus. Keiner der genannten Extrakte reagierte näm-
lich alkalisch, sondern ziemlich intensiv sauer, wie nachfolgende
Zusammenstellung zeigt. (S. Tabelle VI.)
Wesentlich anders lagen die Verhältnisse bei den Koch-
salzextrakten und Preßsäften. Hier war ebenfalls in der Regel
eine gegen Phenolphthalein saure, gegen Lackmus aber alkalische
bis höchstens neutrale Reaktion vorhanden (Tabelle VII).
Diese Unterschiede in der Reaktion lassen sich meines
Erachtens nur durch den verschiedenen Dissoziationsgrad der
Salze in den Glycerinextrakten einerseits, den Kochsalzextrakten
andererseits erklären. Daß immerhin die gegen Lackmus be-
1) Desmoulidres, Journ. de Pharm. et de Chim. 17, 252, 1903.
2) Miele und Willen, Compt. rend. 137, 135, 1903.
Fermente der Milcohdrüse und der Milch. 455
Tabelle VI.
Angewandte | Verbrauchte oom2/, Na
Extrakt-
Tabelle УП.
Kuh 1 (Kochsalzextrakt) . . 5 1,2 H,SO,
Kuh 2 (Kochsalzextrakt) . . 5 02 e
Kuh 2 (autol. Extrakt). . . 5 09 n
Kuh 3 (Kochsalzextrakt) . . 5 80 n»
Kuh 3 (autol. Extrakt). . . 5 08 n
Schaf 1 (Kochsalzextrakt).. . 5 19 e
Schwein 1 (Kochsalzextrakt) 5 1,15 e
Schwein 1 (autol. Extrakt). . 5 17 e
usw.
stehende alkalische Reaktion kaum die Salolspaltung hervor-
rufen kann, ergibt sich daraus, daß die gekochten Extrakte,
die ausnahmslos unwirksam waren, eine gegenüber den rohen
Extrakten kaum veränderte, in den meisten Fällen sogar um
ein geringes erhöhte alkalische Reaktion zeigten. Ich versuchte
nunmehr, die alkalische Reaktion dadurch auszuschalten, daß
ich die Extrakte gegen Lackmus neutralisierte, erhielt aber
hierbei keine eindeutigen Resultate. In den meisten Fällen
ging die Intensität der Reaktion stark zurück, in einigen schwand
1) In diesen Drüsenextrakten war keine Salolase enthalten.
Biochemische Zeitschrift Band 53. 31
456 W. Grimmer:
sie vollkommen und nur in wenigen blieb sie in unveränderter
Stärke bestehen. Dieses Verhalten scheint ja nun dafür zu
sprechen, daß die Alkalinität doch die Ursache der Salolspaltung
gewesen sei; dann hätte man aber erwarten dürfen, daß bei
erneuter Alkalisierung die Reaktion wieder auftreten würde,
was jedoch nicht der Fall war. Wir können diese Ausfalls-
erscheinungen aber ebensogut mit Denaturierungsvorgängen er-
klären, wie sie uns aus der Eiweißchemie zur Genüge bekannt
sind. Diese lassen sich aber vermeiden, wenn man einen an-
deren Weg, die die Reaktion beeinflussenden Salze zu ent-
fernen, einschlägt, die Dialyse. In der Tat besaßen die dialy-
sierten Extrakte, die entweder vollkommen neutral oder nur
noch ganz schwach alkalisch reagierten,. noch immer die Fähig-
keit, Salol zu spalten, im vollsten Umfange, teilweise sogar in
verstärktem Maße. Beim Erhitzen wurde dieses Vermögen
vollkommen zerstört.
Hiermit dürfte der Beweis erbracht sein, daB im vor-
liegenden Falle die Zerlegung des Salols nicht auf die
Alkalinität der Substrate, sondern auf ein Ferment
zurückzuführen ist, das seine Wirksamkeit sowohl bei
gegen Lackmus schwach alkalischer Reaktion, wie wir
sie in den natürlichen Gewebssäften und Extrakten
vorfinden, wie auch bei neutraler Reaktion aus-
üben kann.
Die Salolase ist aus ihren Lösungen durch vollständige
Sättigung mit Magnesiumsulfat nicht vollständig fällbar, wohl
aber wird sie durch Halbsättigung mit Ammoniumsulfat aus
ihren Lösungen fast vollständig mit niedergerissen. In den
halbgesättigten Filtraten sind höchstens noch Spuren des Fer-
ments vorhanden, die durch vollständige Sättigung ausgesalzen
werden können. Das durch Halbsättigung gefällte Ferment
geht mit Wasser leicht wieder in Lösung. Im Dialysat, das
stets vollkommen neutral reagierte, wurde regelmäßig eine Salol-
spaltung beobachtet, die sich hinsichtlich ihrer Intensität nicht
oder nur in geringem Maße von der Ausgangsflüssigkeit unter-
schied.
In den Extrakten der autolysierten Milchdrüsen fand sich
die Salolase ebenfalls vor; vielfach allerdings war das Spaltungs-
vermögen nicht sehr hervortretend. Diese Erscheinung hat
Fermente der Milchdrüse. und der Milch. 457
ihren Grund allem Anscheine nach in einer Hemmung, die von
bei der Autodigestion entstandenen dialysablen Substanzen her-
rührt. Nach der Dialyse der Extrakte trat in diesen Fällen
das Spaltungsvermögen wieder sehr viel stärker in Erscheinung.
Die Fällungsverhältnisse hatten sich auch bei den autodigerierten
Extrakten nicht wesentlich verändert; die Hauptmenge des
Ferments fiel bei der Halbsättigung mit Ammoniumsulfat aus,
während die Sättigung mit Magnesiumsulfat keine oder nur
eine ungenügende Fällung bewirkte.
VI. Peroxydase.
Die oxydierende Eigenschaft der Kuhmilch auf Guajactinktur bei
Gegenwart eines Peroxyds (Wasserstoffsuperoxyd, Terpentinöl usw.) wurde
im Jahre 1881 durch Arnold!) bekannt. Auch Schaf- und Ziegenmilch
besitzen diese Eigenschaft, während den sogenannten Albuminmiloharten,
Frauen-, Hunde-, Esel-, Stuten- und Schweinemilch, diese Fähigkeit ab-
geht. Hier findet sich eine derartige Substanz nach Angaben von
Raudnitz°) und Rullmann°®) nur im Colostrum und in der gegen
Ende der Lactation sezernierten Milch. Daß diese Milcharten nun voll-
kommen frei von oxydierenden Substanzen sind, darf hieraus nicht ge-
schlossen werden; für die Frauenmilch muß auf Grund der Angaben von
Raudnitz®), Kollo®), Graziani’), Schellhase®);, Kastle und
Porch), Marfan und Weill-Hall&®), die teils mit Guajacol, teils mit
Paraphenylendiamin arbeiteten, als sicher angenommen werden, daß auch
sie ein oxydierendes Prinzip enthält, das allerdings nicht auf Guajac-
tinktur wirkt. Graziani fand weiterhin еіп Paraphenylendiamin oxy-
dierendes Agens in Pferde-, Esel- und Hundemilch, ich selbst in Hunde-
und Schweinemilch, während ich eine Guajactinktur bläuende Substanz
nur ein einziges Mal in dem 5 Tage vor der Geburt abgesonderten Sekret
eines Hundes nachweisen konnte.
Daß das oxydierende Prinzip der Milch ein Ferment sei, ist lange
Jahre angesichts der Tatsache, daß es beim Erhitzen, sowie durch einige
Fermentgifte, z. В. Wasserstoffisuperoxyd, Blausäure, Rhodankalium ver-
nichtet wird, als feststehend angesehen worden, ebenso, daß es ein origi-
näres Produkt der Milchdrüse und nicht ein bakterielles Enzym dar-
stellt. Eine Ausnahmestellung zu dem letzten Punkte nimmt nur Spol-
2) Arnold, Arch. d. Pharmakol. 219, 41, 1881.
2) Raudnitz, Centralbl. f. Physiol. 1898, Heft 24.
3) Rullmann, Zeitschr. f. Nahrungs- u. Genußmittel 7, 81, 1904.
“) Kollo, Pharm. Post 86, 741, 1903. |
5) Graziani, Giornale della К. Soc. Ital. d Igiene 20, Nr. 4, 1907.
6) Sohellhase, Berliner tierärztl. Wochenschr. 1908, 723.
7) Kastle und Porch, Journ. of Biolog. Chem. 4, 801, 1908.
6) Marfan und Weill-Hall&, Compt. rend. Soc. Biol. 69, 396, 1910.
31*
458 W. Grimmer:
verini!) ein, der alle Milchfermente als Exkretionsprodukte des tieri-
sohen Körpers ansieht und die Ansicht verficht, daß die Milohperoxydase
der Herbivoren aus dem Futter stamme und vom Organismus durch die
lactierende Drüse abgeschieden werde, da es ihm angeblich gelungen
war, von einer Ziege, nachdem sie auf animalische Kost gesetzt worden
war, eine peroxydasefreie Milch zu erhalten. Diese Beobachtung kann
nicht ohne weiteres als beweiskräftig angesehen werden. Die Veränderung
in der Nahrung des Tieres — Milch, Eier, Fleisch — ist eine so ein-
schneidende, und diese Nahrung selbst so wenig den natürlichen Be-
dürfnissen dieses Tieres angepaßt, daß Funktionsstörungen aller Organe,
auch der Milohdrüse, leicht die Folge davon sein können. Wie leicht solche
abnormen Verhältnisse die Eigenschaften der Milch verändern können,
zeigen folgende von mir gemachte Beobachtungen. Im Versuchsstalle
unseres Instituts steht eine Ziege, die seit mehr als 6 Jahren ununter-
brochen Milch gibt, in der ich, trotzdem das Tier reichliche Heugaben
erhält, im Verlaufe des letzten Jahres mehrfach vergebens nach einer
Peroxydase suchte). Bei der Untersuchung der Milch einer thyreoid-
ektomierten Ziege, also ebenfalls eines Tieres, das an schweren Funk-
tionsstörungen litt, konnte ich eine nur sehr unbedeutende und später
keine Peroxydasereaktion mehr beobachten. Die Ansicht Spolverinis
hat sich auch Orla Jensen?) zu eigen gemacht.
Erst in neuerer Zeit sind Zweifel an der Fermentnatur der Per-
oxydase der Kuhmilch laut geworden, nachdem die oxydierende Wirk-
samkeit des Blutes von v. Fürth auf das Hämoglobin, dessen Wirk-
samkeit durch das Erhitzen nicht zerstört wird, zurückgeführt worden
war, und seit von verschiedenen Autoren, so z. В. von Alsberg‘),
Sarthory°) auf das Oxydationsvermögen verschiedener anorganischer
Salze aufmerksam gemacht worden war. Auch Wolf£®) berichtet über
eine große Zahl von teils komplexen Eisensalzen, die befähigt sind,
Oxydationserscheinungen auszulösen. Die ersten, die die Fermentnatur
der Milchperoxydase bezweifelten, waren Bordas und Touplain"),
die dem Casein die oxydierende Wirkung zuschreiben. Nach J. Meyer?)
sowohl wie auch nach Sarthou?) und Nikolas!") ist diese Auffassung
1) Spolverini, Rev. d’hygiöne et de med. infant. 1904, Nr. 2.
*) Das Tier hat während dieser ganzen Zeit niemals geworfen.
3) Orla Jensen, Centralbl. f. Bakt. u, Parasitenk. II, 18, 211,
1907.
t4) Alsberg, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Suppl.-Bd.
1908, 39.
6) Sarthory, Compt. rend. Soo. Biol. 70, 700, 1911.
6) Wolff, Thöse de Paris 1910.
) Bordas und Touplain,t Compt. rend. 148, 1057, 1909.
5) J. Meyer, Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 84, Heft 1,
1910.
9%) Sarthou, Journ. Pharm. Chim. (7), 1, 113.
10) Nikolas, Bull. Soc. Chem. de France 9, 266, 1911.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 459
durchaus nicht haltbar, Bordas und Touplain waren zu ihrer irrigen
Ansicht dadurch gekommen, daß sie für ihre Peroxydasereaktionen ein
10 bis 12°/,iges Weasserstoffsuperoxyd verwendeten, das allein schon
imstande war, Paraphenylendiaminlösungen langsam zu oxydieren. Neuer-
dings haben Hesse und Коорег!) mit ziemlicher Energie den Stand-
punkt vertreten, daß Mineralbestandteile der Milch die Ursache der
Oxydationserscheinungen sind.
Meine in dieser Richtung mit Kuh-, Ziegen- und Schaf-
milch angestellten Versuche, die den Zweck verfolgten, die
Natur des oxydierenden Prinzips dieser Milcharten zu er-
kennen, können diese Anschauungen nicht stützen. Die Nach-
prüfung des Befundes von Raudnitz, nach. dem die Kuhmilch-
peroxydase durch Ganzsättigung mit Magnesiumsulfst oder
Halbsättigung mit Ammoniumsulfat fällbar ist, ergab, daß diese
Annahme nicht zutrifft. Meine an Lab- und Bleiserum ange-
stellten Versuche ergaben vielmehr, daß hierbei eine Fällung
des Fermentes nicht stattfindet, daß also die Kuhmilchper-
oxydase, wenn sie überhaupt zu den Milcheiweißkörpern in
Beziehungen steht, mit der Globulinfraktion nicht in solche
gebracht werden kann. Hingegen wird das oxydierende Agens
durch alle Reagenzien gefällt, von denen auch Milchalbumin
gefällt wird.
Um größere Mengen an Substanz zu erhalten, versuchte
ich zunächst nach dem Vorbilde von Waentig?) aus dem
Serum die Eiweißkörper und mit ihnen das Ferment durch
Alkohol zu fällen. Dieses Verfahren erwies sich aber bei
größeren Flüssigkeitsmengen als undurchführbar, da innerhalb
kurzer Zeit das gefällte Eiweiß denaturiert und gleichzeitig das
Ferment vernichtet wurde. Nur bei geringen Flüssigkeitsquanten,
die innerhalb weniger Minuten nach dem Zusatze des Alkohols
filtriert werden konnten, gelang es, bei nachfolgender Behand-
lung mit Wasser das Ferment teilweise in Lösung zu bringen,
wobei stets auch Albumin gelöst wurde. Es zeigte sich also
hier wie überhaupt ein weitgehender Parallelismus zwischen
Milchalbumin und dem oxydierenden Prinzip der Milch. Ver-
suche, den schädigenden Einfluß des Äthylalkohols dadurch zu
1) Hesse und Kooper, Zeitschr. f. Nahrungs- u. Genußmittel
21, 385, 1911.
2%) Waentig, Arbeiten а. d. Kaiserlichen Gesundheitsamte 26,
464, 1907.
460 de W. Grimmer:
vermeiden, daß ich an seiner Stelle Methylalkohol oder Aceton
verwendete, ergaben immer das gleiche Resultat, daß nämlich,
sobald das gefällte Eiweiß denaturiert, d. h. vollkommen un-
‚löslich gemacht worden war, auch die Oxydationsfähigkeit ver-
schwand, während andererseits noch Milchalbumin gelöst wurde,
so lange sich eine Oxydationswirkung der Lösung gegenüber
Guajactinktur und Paraphenylendiamin-Guajacol (Rothenfußers
Reagens) bemerkbar machte. Dieser Befund steht im Gegen-
satze zu dem von Waentig, der auch nach der vollständigen
Denaturierung des Milchalbumins durch sehr stark verdünnte
Essigsäure eine Lösung der Peroxydase erzielen. konnte. Um
die Zerstörung des Fermentes zu vermeiden, wandte ich später-
hin nur noch die Fällung mit Ammoniumsulfat an, das einer-
seits keine Schädigung des Fermentes bewirkte und mir an-
dererseits die Möglichkeit zu bieten schien, durch spontan ent-
stehende indifferente Niederschläge Ferment und Eiweißkörper
voneinander zu trennen. Diese Hoffnung hat sich allerdings
nicht erfüllt, meine Versuche, in einer Ammoniumsulfat ent-
haltenden Milchalbuminlösung durch Zusatz von Bleiacetat,
Calciumchlorid oder Bariumchlorid, ebenso durch Schütteln
einer solchen Lösung mit Kohle das Ferment von dem Eiweiß
zu trennen, verliefen stets егређпівіов. Auch durch Fällung
mit Uranylacetat, einem vielfach mit Erfolg angewendeten Ver-
fahren, konnte eine Trennung nicht erzielt werden.
Bei pflanzlichen Oxydasen, die gegen chemische Einflüsse
sehr viel widerstandsfähiger zu sein scheinen als die tierischen,
konnte van der Haar eine Eliminierung des Eiweißes dadurch
erhalten, daß er die eiweißhaltigen Fermentlösungen bis zum
Koagulationspunkt des Eiweißes erhitzte; bei der Milchperoxy-
dase war das Verfahren nicht anwendbar, sobald das Eiweiß
anfing zu koagulieren, ging stets auch die Oxydationsfähigkeit
der Lösung zurück und erreichte den 0-Punkt, wenn alles Ei-
weiß geronnen war. Schließlich sei noch eine Beobachtung
erwähnt, die gleichfalls die Parallelität der Peroxydase und
‘des Milchalbumins erweist. Wenn ich sehr konzentrierte Albu-
min-Fermentlösungen zum Zwecke der Konservierung mit
Chloroform versetzte, so entstand sehr bald ein immer reich-
licher werdender Niederschlag von denaturiertem Eiweiß, gleich-
zeitig ging die Peroxydasereaktion in auffälliger Weise zurück.
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 461
Wurde von dem Niederschlage abfiltriert und das vollkommen
klare Filtrat erneut mit Chloroform versetzt, so wiederholte
sich die Erscheinung, bis schließlich die Peroxydasereaktion
vollständig verschwunden und das Milchalbumin gänzlich dena-
turiert war.
Einen letzten Versuch zur Isolierung des Fermentes machte
ich, indem ich die durch Dialyse nach Möglichkeit von Am-
moniumsulfat befreite Albuminlösung der peptischen und tryp-
tischen Verdauung unterwarf. Die letztere ließ ich bei voll-
kommen neutraler Reaktion vor sich gehen, die peptische Ver-
dauung hingegen in einer 0,02°/ igen Salzsäure. Eine höhere
Säurekonzentration durfte ich nicht wählen, da hierdurch die
Wirksamkeit des oxydierenden Fermentes erheblich beeinträch-
tigt wurde, andererseits schien mir diese Konzentration hin-
reichend, da Fibrin, wenn auch langsam, in einer solchen
Lösung von Pepsin verdaut wurde. Nach 24stündiger Digestion
hatten indessen die Albuminlösungen ihre oxydierenden Eigen-
schaften vollkommen verloren, die proteolytischen Fermente
hatten also die Peroxydase zerstört.
Mit diesen Versuchen fallen auch die Bestrebungen, die
oxydierende Wirkung der Wiederkäuermiich — meine an
Ziegen- und Schafmilch angestellten Versuche stimmten voll-
kommen mit denen bei Kuhmilch überein — auf anorganische
Substanzen zurückzuführen. Insbesondere stellte ich durch
weitere Versuche fest, daß die gegen einige Indicatoren (Lack-
mus, Helianthin) alkalische Reaktion der Milch nicht die Ur-
sache ihrer Oxydationsfähigkeit sein kann. 100 ccm normale
Kuhmilch besitzen eine Alkalinität von rund 35 ccm ?/ -Schwefel-
säure, die wohl fast ausschließlich auf Rechnung primärer und
sekundärer Phosphate zu setzen ist. Die letzteren fallen bei
der Labgerinnung der Milch mit aus, so daß Labserum bereits
eine erheblich niedrigere Alkalinität (12 bis 15 com al -Schwefel-
säure) hat. Bei der Fällung mit Ammoniumsulfat werden nun
auch die primären Phosphate eliminiert, sei es, daß sie in Lö-
sung bleiben, sei es, daß sie in Sulfate übergeführt werden.
In der Tat zeigten mit Ammoniumsulfat mehrfach umgefällte
Milchalbuminlösungen, die auf dasselbe Volumen gebracht
wurden, wie die angewandte Serummenge betrug, nur noch
eine ganz geringe Alkalinität (0,4 com al, -Schwefelsäure), der
462 W. Grimmer:
Aschengehalt der Albuminlösung betrug nur noch 0,01°/,, die
beiden Werte waren somit bis auf den 80. Teil derjenigen der
Milch herabgesunken, die Intensität der Peroxydasereaktion
jedoch war vollkommen unverändert geblieben, während Al-
kalien in dieser Verdünnung keine bemerkenswerte Reaktion
mehr hervorzurufen vermögen.
Es ergibt sich somit aus den vorliegenden Versuchen, daß
die oxydierende Wirkung der rohen Milch nicht durch an-
organische Katalysatoren, insbesondere nicht durch ihre alka-
lische Reaktion bedingt werden kann, da die von mir erhal-
tenen Albuminlösungen im Vergleiche zum Ausgangsmaterial
— Milch bzw. Serum — so aschenarm waren, daß diese ge-
ringe Menge praktisch vernachlässigt werden kann. Vielmehr
deuten alle meine Untersuchungsergebnisse darauf hin, daß
Milchalbumin selbst der Träger der Peroxydasewirkung ist.
Dafür sprechen die gleichen Fällungsverhältnisse sowie der Um-
stand, daß jede tiefer greifende Veränderung des Milchalbumins
eine zerstörende Wirkung der oxydierenden Eigenschaften zur
Folge hat, wie dies bei der Denaturierung des Albumins durch
Äthyl- und Methylalkohol, Aceton und Chloroform sowie bei dem
peptischen und tryptischen Abbau des Eiweißes zum Ausdruck kam.
Es war nun von vornherein zu erwarten, daß das oxy-
dierende Ferment sich auch in den lactierenden Drüsen der
Wiederkäuer vorfinden würde, ungewiß dagegen, ob es in den
nichtmilchenden Drüsen derselben Tiere und in den Drüsen
derjenigen Tierarten, deren Milch keine so ausgesprochene oxy-
dierende Wirkung besitzt, enthalten ist. Bei diesen Unter-
suchungen müssen wir uns die Schwierigkeiten vergegenwärtigen,
die dem einwandfreien Nachweise eines oxydierenden Fer-
mentes in den Drüsenextrakten wie in Gewebsextrakten über-
haupt entgegenstehen. Die früher gehegte Anschauung, daß
im Blute ein oxydierendes Ferment enthalten sei, kann als
endgültig widerlegt betrachtet werden; als den Träger der oxy-
dierenden Wirkung haben Moitessier?), Lesser?),v.Fürth und
v.Czyhlarz®) das Hämoglobin erkannt, das auch nach dem Er-
1) Moitessier, Compt. rend. Soc. Biol. 57, 878, 1904.
9) Lenger, Zeitschr. f. Biol. 49, 571.
) v. Czyhlarz und у. Fürth, Beiträge z. chem. Physiol. u.
Pathol. 10, 358, 1907.
Fermente дег Milchdrüse und der Milch. 463
hitzen seiner Lösungen sowie des Blutes eine unverminderte
Reaktion gibt. Im Bilutserum selbst aber ist, wie die ge-
nannten Autoren schon erwähnten, und wie ich mich selbst
mehrfach überzeugen konnte, kein oxydierendes Agens ent-
halten.
Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist nun in der
neueren Literatur die Guajactinktur als Mittel zum Nachweise
oxydierender Substanzen, die nicht aus dem Blute stammen,
durchaus verworfen worden, und man hat andere Reaktionen
vorgeschlagen, die nicht durch das Blut bedingt werden. So
empfehlen v. Czyhlarz und v. Fürth die Oxydation von
Jodwasserstoffsäure bei Anwesenheit eines Peroxydes, die wohl
durch ein Ferment, nicht aber durch das Blut bewirkt werden
soll, während Battelli und Stern!) auch dieses Verfahren
als nicht einwandfrei anerkennen können und die Oxydation
verschiedener organischer Säuren (Ameisensäure, Äpfelsäure,
Bernsteinsäure, Citronensäure) als den Ausdruck einer fermen-
tativen Wirkung betrachten. Gelegentlich ähnlicher Versuche
wie der vorliegenden aus unserem Institute ergab sich, daß
sich weder die Oxydation von Jodwasserstoff noch die von
Ameisensäure in der von Battelli und Stern geübten Aus-
führungsform zur Beantwortung der Frage nach der Ferment-
natur der oxydierenden Eigenschaften der Milch und der Milch-
drüse eignen, während sich die uns zur Verfügung stehende
Guajactinktur als ein sehr brauchbares Mittel hierfür erwies.
Wir konnten nämlich feststellen, daß das Blut der verschie-
densten Tierarten (Rind, Schaf, Schwein, Pferd, Hund, Ka-
ninchen) nicht imstande war, diese Guajactinktur für sich allein
zu bläuen, sondern stets nur in Gegenwart eines stark wirken-
den Peroxydes, als welches Wasserstoffsuperoxyd in 0,2 bis
0,3°/ iger Lösung, da dieses durch die Blutkatalase geradezu
explosionsartig zersetzt wird, nicht in Frage kommen kann.
Als wirksam erwiesen sich nur konzentriertes (3°/,ірев) Wasser-
stoffsuperoxyd und solche Peroxyde, die von der Katalase nicht
angegriffen werden, z. B. altes Terpentinöl oder Äthylhydro-
peroxyd. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß in der
1) Battelli und Stern, diese Zeitschr. 18, 44, 1908; ebenda 81,
478, 1911.
464 W. Grimmer:
Milch eine Oxydation der Gusjactinktur vielfach bereite bei
Abwesenheit eines der genannten Peroxyde vor sich geht (das
dann bereits in der Guajactinktur enthaltene Peroxyd, das hier
als Sauerstoffträger fungiert und dessen Existenz ich nachwies,
indem ich Guajactinktur mit der 5 bis 6fachen Menge Wasser
versetzte, die entstandene Emulsion mehrfach mit Äther aus-
schüttelte und den wässerigen Rückstand mit Jodkalium und
etwas Schwefelsäure versetzte, ist nach den vorliegenden Unter-
suchungen nicht imstande, mit Blut eine Reaktion hervorzu-
rufen) konnte angenommen werden, daß eine spontan eintretende
Blaufärbung nach dem Zusatze einer solchen Tinktur zu einem
Extrakte auf die Anwesenheit eines oxydierenden Fermentes
zurückzuführen ist, besonders wenn es gelang, durch Erhitzen
der Extrakte diese Reaktion zu unterdrücken. Daß nicht etwa
geringe Blutmengen die Oxydation bewirkten, ging sowohl aus
der obenerwähnten Wahrnehmung hervor, sowie auch daraus,
daß ein Zusatz von Blut zu unwirksamen Extrakten in einer
solchen Menge, daß die Art der Färbung derselben eine ganz
unverkennbare war und in keinem Verhältnisse zu der der von
mir sonst benutzten Extrakte stand, keine Blaufärbung der
Guajactinktur hervorzurufen vermochte. Das war immer erst
der Fall nach Zusatz eines der stärker wirkenden Peroxyde.
Die Verwendung des bei der Milchuntersuchung so vor-
züglich wirkenden Rothenfußerschen Reagenses verbot sich aus
dem Grunde, weil auch Blut dasselbe zu oxydieren vermag.
Wenn bei der Herstellung meiner Extrakte auch peinlichst
darauf geachtet wurde, daß die Drüsen möglichst entblutet
waren und größere Blutgefäße stets vor der Verarbeitung der
Drüsen beseitigt wurden, so war es doch immerhin nicht mög-
lich, die Anwesenheit von Blut in den Extrakten vollkommen
zu vermeiden.
Die ersten meiner Versuche, die an Glycerinextrakten von
Pferd, Rind, Schaf, Ziege und Schwein in der Weise ausgeführt
wurden, daß ich die Extrakte zu sterilisierter Milch hinzufügte
und dann die Reagenzien (Guajactinktur-Wasserstoffsuperoxyd
bzw. Paraphenylendiamin - Wasserstoffsuperoxyd), veranlaßten
mich seinerzeit zu dem Schlusse, daß in den durch einfache
Giycerinextraktion erhaltenen Extrakten keine Peroxydase ent-
halten веі, daB diese vielmehr erst dann auftritt, wenn der
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 465
bereite mit Glycerin extrahierte Drüsenbrei mit Quarzsand ver-
rieben und von neuem extrahiert wurde. Dieser Schluß ist,
wie meine späteren Untersuchungen zeigten, nicht haltbar.
Denn es stand mir damals zunächst nur eine Guajactinktur
zur Verfügung, die auch bei Milch nur unter Mitwirkung von
Wasserstoffisuperoxyd reagierte, in dieser Hinsicht also keine
Unterscheidung zwischen Blut und Ferment gestattete; weiter-
hin aber verwandte ich ein Peroxyd, das durch die in den
Drüsenextrakten enthaltene Katalase zerstört wurde. Ев ist
deshalb sehr leicht erklärlich, daß ich in den zuerst gewonnenen
Extrakten keine Peroxydasereaktion erhielt. Daß ich bei der
zweiten Extraktion positive Resultate erzielte, kann wohl da-
durch erklärt werden, daß in diesen Extrakten bei weitem
weniger Katalase enthalten war, so daß nun das Wasserstoff-
superoxyd auch zu Oxydationszwecken verwendet werden konnte.
Bei meinen späteren mit Kochsalzextrakten und Preßsäften
ausgeführten Versuchen stand mir eine Guajactinktur zur Ver-
fügung, die gegen Milch, also ein blutfreies Substrat, ohne den
Zusatz eines Peroxydes wirksam war, während sie gegen Blut,
wie schon erwähnt, nur bei Gegenwart eines stark wirkenden
Peroxydes reagierte. Die nunmehr erhaltenen Resultate dürfen
somit als durchaus einwandfrei bezeichnet werden. Als Kon-
trollprobe, der indessen kein Wert beigemessen werden kann,
wurde die Rothenfußersche Reaktion angestellt, wobei ich
das Wasserstoffsuperoxyd durch 0,1°/,iges Äthylhydroperoxyd
ersetzte, das vor dem ersteren den Vorzug hat, durch die in
den tierischen Geweben enthaltene Katalase nicht zersetzt zu
werden. Bei den lactierenden Drüsen von 3 Kühen und
2 Schafen trat mit Guajactinktur prompt eine intensive Reaktion
ein, wobei ein Unterschied in der Intensität zwischen Drei.
säften und Kochsalzextrakten nicht zu konstatieren war, während
bei den lactierenden Drüsen zweier Schweine und eines Pferdes
sowie den nichtmilchenden Drüsen von 7 Kühen, 6 Schafen,
. 1 Schwein und 1 Pferd keine Guajacbläuung beobachtet
werden konnte. In einigen dieser Fälle konnte nach Zusatz von
Äthylhydroperoxyd eine mehr oder weniger intensive Bläuung
hervorgerufen werden, während bei Anwendung erhitzter
Extrakte diese Erscheinung nicht mehr oder nur in sehr ge-
ringem Maße auftrat. Ich will es dahingestellt sein lassen, ob
466 W. Grimmer:
wir es hier mit einer Reaktion des Blutes oder anderer Sub-
stanzen zu tun haben, wichtig für die Beantwortung der Frage,
ob in diesen Drüsen ein der Milchperoxydase analog wirkendes
Ferment enthalten ist oder nicht, ist diese Erscheinung jeden-
falls nicht.
Die in den lactierenden Drüsen von Rind und Schaf vor-
handene Peroxydase zeigt eine weitgehende Übereinstimmung
in ihren Eigenschaften mit denen der Milchperoxydase. Sie
iet nicht dialysierbar, wird nicht durch Ganzsättigung mit
Magnesiumsulfat oder Halbsättigung mit Ammoniumsulfat ge-
fällt, sondern erst durch vollständige Sättigung mit diesem
Salze. In den Autodigestionsextrakten wurde sie in keinem
Falle mehr angetroffen, sie wird also bei der Autodigestion
ebenso zerstört wie die Milchperoxydase bei der Verdauung
durch Pepsin oder Trypsin.
Wesentlich anders verhielten sich die Extrakte gegen
Rothenfußersches Reagens unter Verwendung von Äthyl-
hydroperoxyd. Sämtliche Extrakte ohne Ausnahme, auch die
von der Autodigestion herrührenden, gaben eine mehr oder
weniger intensive Reaktion, die bei der Mehrzahl der Fälle,
und zwar bei sämtlichen Autodigestionen auch nach dem
Kochen erhalten blieb. Daraus, daß bei einigen Extrakten
nach dem Erhitzen die Reaktion ausblieb, zu schließen, daß
wir in diesen Fällen eine Fermentwirkung haben, ist verfehlt.
Denn diese Extrakte oder Preßsäfte gaben, abgesehen von
denen aus milchenden Drüsen, in rohem Zustande die Reaktion
nur sehr schwach, und die dazu gehörenden autodigerierten
Extrakte gaben die Reaktion auch nach dem Erhitzen. Diese
Erscheinung ist dadurch zu erklären, daß in den Preßsäften
und Kochsalzextrakten das Hämoglobin beim Erhitzen von dem
sehr reichlich niederfallenden Eiweißniederschlag umhüllt und
so seiner Wirkung entzogen wurde, während in den auto-
digerierten Extrakten infolge des Abbaues des Eiweißes beim
Erhitzen nur noch sehr geringe Mengen koagulablen Eiweißes
vorhanden waren, die dem Hämoglobin oder dessen wirksamen
Abbauprodukten nicht mehr hinderlich sein konnten. Bemerkt
sei, daß auch in allen diesen Fällen das Verhalten des oxy-
dierenden Agens gegen Dialyse, Magnesium- und Ammonium-
sulfat das gleiche war wie bei der echten Peroxydase, ent-
Fermente der Milchdrüse und der Miloh. 467
sprechend den Fällungsverhältnissen des Hämoglobins, und daß
die gegen Rothenfußersches Reagens wirksamen Preßsäfte
und Extrakte, wenn die Reaktion nicht sehr schwach war,
auch auf den Zusatz von Guajactinktur + Terpentinöl reagierten.
Diese Beobachtungen nahmen mir leider die Möglichkeit,
festzustellen, ob in den lactierenden Drüsen von Pferd und
Schwein ein oxydierendes Prinzip enthalten ist, das fermen-
tativer Natur ist und nicht das Hämoglobin als Ursache hat,
und weiterhin, ob ein derartiges Ferment auch in den übrigen
milchenden und nichtmilchenden Drüsen enthalten ist. Gleich-
zeitig konnte auch die Frage nicht geklärt werden, ob das
Gusjactinktur bläuende Ferment und das Paraphenylendiamin
oxydierende Agens identisch sind oder nicht. Der Umstand,
daß bei den Wiederkäuermilcharten beide Reaktionen stets
nebeneinander und hinsichtlich ihrer Intensität, abgesehen von
den Grenzfällen bei der Verdünnung, stets nahezu proportional
verlaufen, und daß es bisher nicht gelungen ist zwei Fraktionen
darzustellen, von denen die eine ausschließlich Guajactinktur,
die andere ausschließlich Paraphenylendiamin zu oxydieren
imstande ist, läßt sich das erstere vermuten. Der Umstand,
daß die Milcharten von Mensch, Pferd, Esel, Hund und Schwein
zwar Paraphenylendiamin, nicht aber Guajactinktur oxydieren,
lassen die zweite Möglichkeit nicht ausgeschlossen erscheinen,
wenn man nicht, was schließlich auch möglich ist, kon-
stitutionelle Differenzen in den Fermenten der verschiedenen
Milcharten annehmen will.
Die wesentlichsten Ergebnisse der vorliegenden Unter-
suchungen über die Peroxydasen in der Milch lassen sich
folgendermaßen zusammenfassen:
Die Guajactinktur oxydierenden Eigenschaften der Milch
von Rind, Schaf und Ziege sind nicht auf die Wirkung an-
organischer Katalysatoren zurückzuführen, sie sind vielmehr
fermentativer Natur. Das Ferment muß als ein originäres,
von der Milchdrüse selbst produziertes aufgefaßt werden, das
erst dann gebildet wird, wenn die Milchdrüse zu sezernieren
beginnt. In der nichtmilchenden Drüse ist keine Guajactinktur
bläuende Substanz enthalten. In den Milchdrüsen von Pferd
und Schwein fehlt dieses Ferment, ebenso in der Milch von
Schwein und Hund. In diesen Milcharten ist nur ein Para-
468 ` W. Grimmer:
phenylendiamin oxydierendes Ferment enthalten, das beim Er-
hitzen der Milch zerstört wird. Ein solches findet sich auch
in der Milch der Wiederkäuer. Die Feststellung dieses Ferments
in den Milchdrüsen der von mir untersuchten Tiere scheiterte
daran, daß auch Hämoglobin, sowohl in rohem wie in erhitztem
Zustande, Paraphenylendiamin bei Anwesenheit eines Peroxydes
zu oxydieren imstande ist, und daß dieses die gleichen Fällunge-
verhältnisse besitzt wie die Milchperoxydase.
Zusammenfassung und Schlußbetrachtungen.
Die vorstehend geschilderten Untersuchungen hatten, wie
einleitend bemerkt, in erster Linie den Zweck, Näheres über
die Herkunft einiger Milchenzyme zu erfahren, andererseits
konnte es nicht ausbleiben, daß bei den vergleichenden Studien
über die Fermente der milchenden und der nichtmilchenden
Drüse auch das Problem der Milchbildung berührt wird. Nach
dieser Richtung hin sind die Resultate der vorliegenden Arbeit
als die Basis zu betrachten, auf der weitere Versuche auf-
zubauen sind, die uns die Funktionen der lactierenden Drüse
in umfangreicherem Maße, als dies bisher möglich war, kennen
lehren sollen.
Bisher wurden folgende Resultate gezeitigt:
1. Sowohl in der tätigen wie in der ruhenden Milchdrüse
sind proteolytische Fermente vorhanden, die anscheinend nur
die Eiweißkörper der Milchdrüse selbst, nicht aber andere
Eiweißkörper (Fibrin, Gelatine, Hühnereiweiß) abzubauen ver-
mögen. Als Spaltungsprodukte der in den Kuhmilchdrüsen
tätigen Fermente konnten sicher Glykokoll und Leucin, sowie
zur Gruppe der Aminosäuren gehörige Substanzen, deren
Identifizierung wegen der allzu geringen Menge nicht möglich
war, festgestellt werden. Ob auch Tyrosin gebildet’ wurde, ist
mit Sicherheit nicht festzustellen gewesen.
Die proteolytischen Fermente der tätigen und ruhenden
Milchdrüsen aller untersuchten Tierarten unterschieden sich
dadurch voneinander, daß unter den Abbauprodukten der Eiweiß-
körper der lactierenden Drüsen stets Tryptophan auftrat, das
in den Autodigestionsextrakten der ruhenden Drüsen niemals
nachweisbar war. -
Dieser Befund läßt zweifellos wichtige Schlüsse auf die
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 469
Funktion der tätigen Milchdrüse zu. Das in der ruhenden
Drüse enthaltene proteolytische Ferment wird, wie auch die
autolytischen Fermente anderer Organe, wohl lediglich die
Aufgabe haben, den Zellstoffwechsel der Drüse zu bewerk-
stelligen, wozu eine Abspaltung von Tryptophan aus dem mit
dem Bilutstrome zugeführten Körpereiweiß, ebenso wie dies
nach Beobachtungen von Biondi?) bei der Leber der Fall ist,
nicht nötig ist. Die lactierende Drüse hingegen, die ja einen
Eiweißkörper — Casein — produziert, der im ganzen tierischen
Organismus außer in der Milchdrüse bzw. der Milch nicht wieder
vorkommt, braucht ein Enzym, das auf die Synthese desselben
eingestellt ist und das zu diesem Zwecke sich die Bausteine
verschaffen muß, die zum Aufbau des Caseins nötig sind. Wir
werden vielleicht nicht fehlgehen, wenn wir die Annahme,
zu der uns die umfassenden Arbeiten Abderhaldens ver-
anlassen können, daß nämlich der Organismus das dem Körper
zugeführte Nahrungseiweiß, um es in Körpereiweiß umzuwandeln,
vollständig in seine Bausteine zerlege, sinngemäß auch auf die
Umwandlung von Körpereiweiß in Milcheiweiß ausdehnen. Da-
für spricht auch der Umstand, daß, während in den Auto-
digestionsextrakten der nichtmilchenden Drüsen noch reichliche
Mengen von die Biuretreaktion gebenden Substanzen, die sich
zum Teil durch Ammoniumsulfat fällen ließen, vorhanden
waren, in den Autolysaten der lactierenden Drüsen derartige
Substanzen (Albumosen und Peptone) nur noch in ganz geringem
Maße oder gar nicht mehr auftraten.
2. Die Preßsäfte, Kochsalzextrakte und Autolysate der
milchenden und nichtmilchenden Drüsen sind befähigt, aus
Seidenpepton Tyrosin abzuspalten. Es muß vorläufig un-
entschieden bleiben, ob diese Spaltung auf die proteolytischen
Fermente der Drüsen, also diejenigen Fermente, die natives
Eiweiß abzubauen vermögen, zurückzuführen ist, oder ob ein
besonderes Ferment, das nur Peptone und Polypeptide spaltet,
nach der Art des Erepsins den Abbau bewirkt. Wenn wir
uns vergegenwärtigen, daß das Vorkommen proteolytischer
Fermente originären Ursprungs in den verschiedenen Milcharten
durchaus nicht als bewiesen angesehen werden kann, und daß
1) Biondi, Virchows Archiv 144, 343, 1896.
470 W. Grimmer:
andrerseits die peptolytischen Fermente, die Wohlgemuth und
Strich und Warfield in verschiedenen Milcharten fanden und
die aus Polypeptiden Tryptophan abzuspalten vermögen, aller
Weahrscheinlichkeit nach als originäre Fermente anzusprechen
sind — dieser Schluß erscheint infolge des Auftretens von
Tryptophan in den Autolysaten der lactierenden Drüsen ge-
rechtfertigt —, so kann wohl angenommen werden, daß auch
das peptolytische Ferment der Milchdrüse nicht identisch ist
mit dem proteolytischen Ferment. Da die obenerwähnten
Autoren die Spaltung von Gilycyltryptophan durch Milch be-
obachteten, so läßt sich die Möglichkeit nicht von der Hand
weisen, daß die Abspaltung von Tyrosin aus Seidenpepton
durch die Extrakte der ruhenden und tätigen Drüsen dem
autolytischen Fermente zuzuschreiben ist, während ein be-
sonderes peptolytisches Ferment der tätigen Milchdrüsen die
Abspaltung von Tryptophan aus Polypeptiden bewirkt.
Seine größte Wirksamkeit entfaltet das seidenpepton-
spaltende Ferment in den nicht weiter behandelten Preßsäften
und Extrakten. Durch Autolyse der Drüsen, sowie durch
Dialyse der fermenthaltigen Lösungen wird seine Wirksamkeit
erheblich geschwächt.
3. Die tätige und die ruhende Milchdrüse der von mir
untersuchten Tierarten enthalten ein monobutyrinspaltendes
Ferment, dessen Wirksamkeit durch die Dialyse erheblich
herabgesetzt wird. Das Vorkommen eines solchen Fermentes
in der Milch ist somit auf sein Vorhandensein in der Milch-
drüse zurückzuführen.
4. Die Milchdrüsen von Pferd und Schwein besitzen so-
wohl in lactierendem wie in ruhendem Zustande in hohem
Maße die Fähigkeit, Stärke abzubauen. Beim Rinde erwiesen
sich die ruhenden Drüsen in höherem Maße befähigt, Stärke-
kleister abzubauen als die tätigen. Die ruhenden Drüsen des
Schafes besaßen keine bemerkenswerte amylolytische Wirksam-
keit. Da die erhaltenen Resultate nicht eindeutig verlaufen,
lassen sie vorläufig auch keine Schlüsse über die Entstehung
des Milchzuckers zu. Sie gestatten lediglich den Schluß, daß
die in den verschiedenen Milcharten enthaltene Amylase als ein
originäres Ferment angesprochen werden muß.
5. Sämtliche von mir untersuchten Preßsäfte und Koch-
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 471
salzextrakte besaßen in hohem Maße die Fähigkeit, Salol zu
spalten. Dieses salolspaltende Vermögen der Milchdrüsen muß
als eine rein fermentative Wirkung aufgefaßt werden, es kann
nicht, wie verschiedene Autoren, die es hinsichtlich der gleichen
Eigenschaft der alkalisch reagierenden Milcharten versuchten,
durch eine infolge der natürlichen Alkalescenz der Medien be-
dingte Verseifung, die ohne Mitwirkung von organischen Kata-
lysatoren verläuft, erklärt werden. Gegen diese Auffassung
spricht zunächst der Umstand, daß es mir gelang, durch Dialyse
die gegen Lackmus alkalische Reaktion der Extrakte zum Ver-
schwinden zu bringen, ohne daß hierbei die Fähigkeit derselben,
Salol zu spalten, verloren gegangen wäre. Durch Erhitzen der
erhaltenen neutralen Lösungen wurde weiterhin die Salolase
zerstört, ebenso wie in den Extrakten und Preßsäften selbst,
‚ohne daß in diesen die Alkalinität in wesentlichem Maße ver-
ändert worden wäre. Schließlich ist das salolspaltende Agens
durch Ammoniumsulfat fällbar und läßt sich durch Behandlung
des Niederschlages mit Wasser wieder in Lösung bringen.
6. Die Guajacperoxydase konnte nur in den lactierenden
Drüsen der Wiederkäuer gefunden werden, in allen anderen
Drüsen fehlte віе Der Umstand, daß auch Blut eine große
Zahl von Peroxydasereaktionen gibt, z. B. mit Paraphenylen-
diamin bzw. Rothenfußerschem Reagens, Jodstärke usw., und
‚daß die Gewinnung von blutfreien Drüsenextrakten so gut wie
unmöglich ist, gestattete nicht die Beantwortung der Frage, ob
in allen untersuchten Drüsen auch ein diese Agenzien oxy-
dierendes Enzym enthalten ist, oder ob es beispielsweise in
den nichtmilchenden Drüsen fehlt. Daß ein solches Ferment
in den lactierenden Drüsen enthalten ist, läßt sich indirekt
auf Grund der Tatsache wohl behaupten, daß die Milch von
Frau, Pferd, Esel, Schwein und Hund ein Paraphenylendiamin
oxydierendes Ferment enthält. Es ist anzunehmen, daß die
Guajacperoxydase und die Paraphenylendiaminperoxydase der
'Wiederkäuermilcharten nicht miteinander identisch sind, da
man sonst erwarten müßte, daß auch in den übrigen Milch-
arten, die zum Teil Paraphenylendiamin sehr energisch oxy-
dieren, z. B. der Schweinemilch, eine Parallelität beider Oxy-
‚dationserscheinungen beobachtet werden müßte, die aber tat-
sächlich nicht besteht.
Biochemische Zeitschrift Band 58. 32
472 W. Grimmer:
Die Annahme, daß das oxydierende Prinzip der ver-
schiedenen Milcharten kein Ferment sei, hat auf Grund unserer
bisherigen Kenntnisse und der vorliegenden Untersuchungen
über die Eigenschaften desselben keine Stütze erhalten können,
insbesondere ist die zeitweise geäußerte Anschauung, daß die
alkalisch reagierenden Stoffe der Milch die Oxydationswirkung
bedingten, als völlig unzutreffend zu verwerfen.
Welche Bedeutung ist nun dem Vorkommen von Fermenten
іп den verschiedenen Milcharten beizumessen? Verschiedentlich
hat man versucht, die vielfach beobachtete ungünstige Wirkung
erhitzter Milch auf das Wohlbefinden und die Entwicklung
menschlicher und tierischer Säuglinge auf das Fehlen der in
der rohen Milch enthaltenen Fermente zurückzuführen. Hin-
sichtlich eines eventuell in der Milch enthaltenen proteolytischen
Fermentes sind Zweifel darüber wohl nicht unangebracht, denn
die proteolytische Wirksamkeit der Milch ist, wenn überhaupt
vorhanden, eine so geringe, daß sie zur Unterstützung der Ver-
dauungsvorgänge im Magendarmkanal der Säuglinge kaum in
Betracht kommen kann. Welche Bedeutung der in der Milch
enthaltenen Amylase für die Verdauung zukommen soll, ist
überhaupt nicht einzusehen, da die Milch ja eine stärkefreie
Nahrung vorstellt, auch den oxydierenden Fermenten muß jede
Bedeutung für die Mitwirkung bei der Verdauung abgesprochen
werden, um so mehr als sie ja, wenigstens was die Guajac-
peroxydase anlangt, durch so geringe Säurekonzentrationen, wie
sie im Magensafte enthalten sind, bereits abgetötet werden.
Für die Milch selbst werden die in ihr enthaltenen
Fermente also kaum eine tiefergehende Bedeutung besitzen,
wir können sie wohl als Produkte der Milchdrüse betrachten,
die sie benötigte, um die Milch zu bilden, schwerlich aber als
Produkte, die dem zu ernährenden Säugling zugute kommen
sollen. Die Bedeutung der proteolytischen Fermente, besonders
der lactierenden Drüsen, liegt klar auf der Hand, sie dienen
ganz offenbar dazu, das Körpereiweiß in die typischen Milch-
eiweißkörper überzuführen. Auch über den Zweck des uns als
Guajacperoxydase bekannten Fermentes der Wiederkäuermilch-
arten scheinen Vermutungen nicht unangebracht. Es ist eine
ganz auffällige Tatsache, daß gerade die Milcharten der Wieder-
Fermente der Milchdrüse und der Milch. 473
käuer, die ja die Guajacperoxydase enthalten, ein Fett besitzen,
das außerordentlich reich an niedermolekularen Fettsäuren ist,
während das guajacperoxydasefreie Colostrum derselben Tier-
arten ein Fett mit einer sehr viel geringeren Menge an nieder-
molekularen Fettsäuren besitzt, ebenso wie die Milcharten der
anderen Tiere und des Menschen. Es ist dies zunächst nur
eine Hypothese, die durch keinerlei experimentelles Material
über eine Wirkung der oxydierenden Fermente nach dieser
Richtung hin gestützt ist, eine Hypothese aber, die durch
die erwähnten Tatsachen nicht ganz unbegründet erscheint
und als Arbeitshypothese zweifellos Berechtigung hat. Unter-
suchungen über diesen Gegenstand sind beabsichtigt.
Ob andere Fermente, die sich sowohl in der milchenden
Drüse wie auch in der nichtmilchenden vorfinden, und die wir
auch in anderen Milcharten antreffen — Amylase, Salolase —,
für die Milchbildung von Bedeutung sind, oder ob wir sie
lediglich als Exkretionsprodukte beim Zerfall der Zellen zu
betrachten haben, läßt sich schwierig sagen. Der Amylase läßt
sich vielleicht noch eine Bedeutung für die Milchzuckerbildung
zuschreiben, welche, muß vorläufig noch dahingestellt bleiben.
32%
Über die Kondensierung der Aminosäuren vermittelst
des Formaldehyds. |
Von
С. Galeotti.
(Institut für Allgemeine Pathologie der K. Universität Neapel.)
(Eingegangen am 12. Juni 1913.)
Mit 1 Figur im Text.
Wie bekannt, treten die Aldehyde und insbesondere der
Formaldehyd leicht in Reaktion mit Stoffen, die die Gruppe NH
oder die Gruppe NH, enthalten, und infolge der polymeri-
sierenden Neigungen des Aldehyds bilden sich häufig kompli-
zierte Körper, in denen sich verschiedene Moleküle miteinander
verbinden.
Als Typus dieser Stoffe will ich das Urotropin (Hexamethylen-
tetramin) erwähnen, das durch die Einwirkung des polymerisierten
Aldehyds auf Ammoniak entsteht.
Mit den primären Aminen bilden sich Verbindungen der allgemeinon
Formel RN CH, OH (Henry!), und Sachs?) sagt, in jedem Falle, in
dem eine Imidogruppe in dem in Verbindung tretender Körper ent-
halten веі, müsse eine Kondensierung der Gruppe N.CH,.OH eintreten.
Verschiedene Verbindungen mit den primären und sekundären
Aminen wurden studiert von Kolotow®), Brochet und Gambier‘t),
Duden und Soharf?), Franchimont und van Erp®), Ehrenberg?)
1) Henry, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 26, 934, 1893; 28, 851,
924, 1895; Compt. rend. de l’Acad. d Be 120, 837, 1895.
2) Saohs, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 81, 3230, 1898.
з) Kolotow, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 18, 611, 1885.
1) Brochet, Cambier, Compt. rend. de l’Acad. d. Sc. 120, 449, 1895.
5) Duden, Scharf, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 28, 936, 1895.
6) Franchimont, van Erp, Reo. d. travaux chimiques des
Pays-Bas 15, 169, 1896.
) Ehrenberg, Journ. f. prakt. Chem. 86, 118. 1887.
С. Galeotti: Kondensierung d. Aminosäuren verm. Formaldehyd. 475.
usw., mit den Säureamiden von Reich!), Einhorn?) und von vielen
anderen.
Über den Einfluß des Formaldehyds auf das Kreatin und das
Kreatinin schrieb Jaffe®), der eine Verbindung erhielt, deren wahr-
scheinliche Formel
N.CH,.OH
GR CH,.OH
N N. (CH), .CH,CO
ist und die er Dioxymethylenkreatinin nannte.
Die Kombinationen mit der Harnsäure wurden von Weber und-
Tollens‘) studiert, die ein Krystallprodukt erhielten, das sich aus der
Hinzufügung eines Moleküls Harnsäure zu zwei Molekülen Formaldehyd
ergab, und eine nicht krystallisierbare Verbindung, die bis zu vier oder
fünf Molekülen Formaldehyd enthält. Aus jüngster Zeit datiert eine
Arbeit von Schittenhelm?°) über dasselbe Thema.
Was die Aminosäuren anbelangt, muß ich vor allem bemerken,
daß die Verbindungen des Benzaldehyds mit dem Glykokoll von Curtius
und Lederer®), Plöchl?) und namentlich von Erlenmeyer®), der
darüber eine Reihe von Arbeiten veröffentlichte, studiert wurden. Dieser
Autor sagt, das Glykokoli besitze ein beträchtliches Kondensations-
vermögen und könne deshalb mit den Aldehyden zur Zusammensetzung
anderer Aminosäuren dienen.
So erhielt er das Phenylserin
C,H,—CHOH—CHNH,— COOH
und gedachte auch das Serin aus dem Glykokoll und dem Formaldehyd
zu erhalten, was ihm aber nicht gelang.
Wohl bekannt ist die Schiffsche®) Reaktion, zwischen den
Lösungen von Aminosäuren und Formaldehyd, da diese Reaktion von
neuem große Verwendung als Titriermittel des Aminstiokstoffes (Sörensen)
gefunden hat. Schiff beschäftigte sich insbesondere mit dem Studium
der Eigenschaften der erwähnten Mischungen und verweilte nicht lange
bei den Krystallverbindungen, die man aus diesen Mischungen erhalten
kann, indem man sie bei mittlerer Temperatur verdunsten läßt. Immer-
1) Reich, Monatsh. а. Chem. 25, 933, 1904.
2) Einhorn, Liebigs Аппа]. 848, 207, 1905. In dieser Arbeit und
in der von Reich findet sich eine reichhaltige Literatur über das Thema.
з) Jaffe, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 85, 2896, 1902.
4) Weber und Tollens, Liebigs Аппа]. 299, 340, 1898.
5) Schittenhelm, Münch. med. Wochenschr. 1912, 2377.
6) Curtius und Lederer, Ber. а. Deutsch. chem. Ges. 19, 2462, 1886.
7) Plöchl, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 16, 2815, 1883.
в) Erlenmeyer, Liebigs Annal. 887 u. 838, 205, 1905. — Erlen-
meyer und Stoop, ebenda 887 u. 888, 236, 1905.
D Schiff, Liebigs Annal. 810, 25, 1900; 819, 59, 1901; 825, 348, 1902.
476 G. Galeotti:
hin erhielt er auf diese Weise einige Methylenverbindungen. Von diesen
führe ich hier das Methylenalanin an, das er gewann, indem er eine
Lösung von Alanin und Formaldehyd einen oder zwei Tage lang auf
Schwefelsäure einwirken ließ. Die den Rückstand bildende Krystall-
masse war in Wasser sehr leicht löslich und von saurer Reaktion. Die
Konstitutionsformel dieser Substanz erwies sich als
N.CH,
OH.
Schiff erhielt, ebenfalls als Krystalle, Dimethylenasparagin und
Monomethylenasparagin. Er bemerkt jedoch, damit die Krystalli-
sation eintrete, dürfe man die Mischungen von Asparagin und Formaldehyd
nicht über 50° oder 60° erwärmen, sonst werde die Flüssigkeit gelb, er-
lange ein sirupartiges Aussehen und krystallisiere nicht mehr.
In neuester Zeit erhielt Homer!) ein Kondensationsprodukt, in-
dem er eine Tryptophanlösung mit Formalin mischte und verschiedene
Stunden lang auf 38° erwärmte. Die Lösung ist von hellgelber Farbe.
Aus ihr setzen sich Krystalle ab, die in Wasser und Alkohol nicht
sehr löslich, unlöslich in verschiedenen Feettlösungsmitteln sind. Die auf
höhere Temperatur erwärmte Substanz wird von dunklerer gelber Farbe.
Aus der Elementaranalyse ergab sich für ein im luftleeren Raum
getrooknetes Präparat: im Mittel
С 57,28%, Н 6,48°/„, N 10,80°%,,
entsprechend der Formel
С..Н,.0,М,.2Н,0,
für ein zwischen 110 und 130° getrooknetes Präparat im Mittel
С 61,28°/„, Н 6,359, N 11,68°%,,
entsprechend der Formel
С,.Н,.0,М,.Н,0.
Im Verlauf weiterer Untersuchungen mit den Aminosäuren?)
habe ich einige Tatsachen gefunden, die auf die Verbindungen
zwischen diesen Stoffen und dem Formaldehyd Bezug haben.
Ich verwendete die folgenden Aminosäuren:
Glykokoll,
Alanin,
Leucin,
Asparaginsäure,
Phenylalanin,
Tyrosin,
1) Homer, The bioohem. Journ. 7, 102, 1903.
1) Die ersten Resultate dieser Untersuohungen wurden von mir der
Italienischen Chemischen Gesellschaft (Sektion Neapel) in den Sitzungen
om 9. Juni 1912 und 28. Mai 1913 mitgeteilt.
CH,.CH
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 477
die mir von der Firma Kahlbaum geliefert wurden. Der Form-
aldehyd wurde durch Destillation des gewöhnlichen Formalins
erhalten.
Verbindungen des Glykokolls und des Formaldehyds. |
Die zusammen mit Formalin erwärmte Glykokollösung
nimmt allmählich eine hellgelbe Färbung an, die jedoch in
6 oder 8 Stunden zuletzt rotgelb wird. Bringt man die Flüssig-
keit zur Trockne und setzt Wasser zu, so gelingt es durch
wiederholte Operationen den freien Formaldehyd vollständig
zu entfernen, und man erhält auf diese Weise eine klebrige,
hygroskopische, in Wasser sehr lösliche braune Masse. Die
intensiv gefärbten wässerigen Lösungen werden auf keine Weise
durch Tierkohle entfärbt.
Aus den wässerigen Lösungen wird das Produkt mit abso-
lutem Alkohol, in dem es fast unlöslich ist, gefällt. Bei dieser
Fällung bilden sich zuerst leichte Flocken, die dann rasch zu-
sammenkleben und in Gestalt einer braunen Masse den Wänden
und dem Boden des Gefäßes anhaften, während der Alkohol
klar und farblos bleibt oder leicht gelb gefärbt ist. Wieder-
holt man die Manipulation, so gelingt es auf diese Weise, ein
verhältnismäßig reines Produkt zu erhalten. Ich will gleich
bemerken, daß es mir auf keine Weise gelungen ist, eine
Krystallisation dieser Substanzen zu erhalten, weder aus den
wässerigen Lösungen, die ich in der Kälte oder Wärme oder
im luftleeren Raum verdunsten ließ, noch aus anderen Lösungs-
mitteln; übrigens ist die Substanz in den gewöhnlichen Lösungs-
mitteln, außer im Wasser, unlöslich.
Die wässerigen Lösungen haben eine deutlich saure Reak-
tion. Sie ergeben keinen Niederschlag nach Zusatz von Alkalien
(Soda, Baryt oder Ammoniak) oder verdünnten oder konzen-
trierten Säuren. Mit den Alkalien werden gewiß Salze erzeugt,
aber auch diese krystallisieren nicht. Die aus der Fällung mit
Alkohol erhaltene Substanz hat zuerst ein harzartiges Aussehen
und ist sehr hygroskopisch und zerfließbar. Auf 100° erhitzt,
schäumt sie und verliert allmählich den Alkohol und das
Wasser, mit dem sie durchtränkt war. Trocknet man sie im
Vakuum bei 100 bis 105° in Anwesenheit von Calciumchlorid,
so gelingt es, sie auf konstantes Gewicht zu bringen.
478 | G. Galeotti:
Bestimmung des Sohmelzpunktes.
Diese Bestimmung läßt sich nur in geschlossenen Capillaren
ausführen. Zu diesem Zwecke zieht man Capillaren aus gewöhn-
lichen Probierröhren und trennt zuerst die Capillare nicht von
. dem breiten Teil der Röhre, so daß man eine Art Trichter
erhält. In diesen wirft man rasch einige Schüppchen der Sub-
stanz, die einem zuerst bei konstantem Gewicht getrockneten
kleinen Gefäß entnommen sind, dann bringt man sogleich die
Capillare in den Brutschrank bei 100° und evakuiert den
Raum in Anwesenheit von CaCl,. Nach 24stündigem Verweilen
wurde die Capillare rasch aus dem Brutschrank genommen
und über der Lampe geschlossen. Diese Operationen sind nötig
in Anbetracht der großen Hygroskopizität der Substanz, weil
die Absorption von Wasser, auch nur in geringer Menge, den
Schmelzpunkt sehr verändert.
Als Mittel verschiedener Bestimmungen kann ich das
Resultat angeben, daß die trockene Substanz bei 150° teigig
wird und bei 164° völlig schmilzt. Bei noch höherer Tem-
peratur wird sie schaumig.
Bestimmung des Molekulargewichtes.
Verschiedenen Teilen der bis zu konstantem Gewicht ge-
trockneten Substanz wurde Wasser zugesetzt und dessen Menge
durch Abwiegen bestimmt. In den verschiedenen Lösungen
werden dann die kryoskopischen Bestimmungen ausgeführt.
Ich erhielt folgende Zahlen:
Zusammen-
der Substanz | дев Wassers —
11,784
11,670 9,74
Aus anderen Bestimmungen, die bei geringeren Konzen-
trationen gemacht wurden, ergaben sich mir für das Molekular-
gewicht kleinere Werte, was dem Umstand zugeschrieben werden
kann, daß die Substanz gewiß eine elektrolytische Dissoziation
erfährt. Berücksichtigt man die bei konzentrierteren Lösungen
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 479
gemachten Bestimmungen, d. h. die vier letzten Zahlen der
letzten Kolumne in der vorstehenden Tabelle, so erhält man
als Molekulargewicht 288.
Chemische Eigenschaften.
Eine sehr wichtige chemische Veränderung, die das Gly-
kokoll erleidet, wenn es sich in der Wärme mit dem Form-
aldehyd verbindet, ist die, welche die Eisenschaften seines Amin-
stickstoffes betrifft. Es ist bekannt, daß der Aminstickstoff der
Aminosäuren unter Einwirkung der salpetrigen Säure sich in
Gestalt von gasförmigem Stickstoff frei macht. Man erhält
nämlich die Reaktion
RNH, + HNO, = ROH + H,O +N,.
Ich konnte konstatieren, daß die Reaktion, während sie
bei dem eben mit dem Formaldehyd vereinigten Glykokoll ein-
tritt, nicht mehr eintritt, wenn es lange und in der Wärme
mit dem Formaldehyd behandelt worden ist. Die Reaktion
läßt sich quantitativ mit der Methode und dem Apparat von
v. Slyke gut studieren.
Zunächst wollte ich mir Gewißheit darüber verschaffen,
daß nicht einfach ein Stickstoffverlust eintritt, weshalb ich
folgendermaßen verfuhr.
1 g Glykokoll wurde in 100 g Wasser gelöst; 10 ccm der
Lösung dienten zur Bestimmung des Aminstickstoffes. Weiteren
10 ccm wurde Formaldehyd zugesetzt und die Bestimmung des
Aminstickstoffes wiederholt. Der Rückstand der Lösung (80 ccm)
wurde genau gewogen, dann wurden 25 ccm Formaldehyd zu-
gesetzt, im Wasserbad 8 Stunden lang erwärmt, verdunsten
gelassen und die Lösung wieder auf das Anfangsgewicht ge-
bracht. Веі 10 ccm wurde der Aminstickstoff bestimmt und
bei weiteren 10 ccm der Stickstoff, nach der Kjeldahlschen
Methode. Ich erhielt die folgenden Werte:
10 сот Glykokollösung, Aminstickstoff . . . . . 0,0137 g
10 » Gilykokollösung mit Zusatz desFormaldehyds,
Aminstickstoff . . . 2 2 2000. . 0,0124 р
10 » Gilykokollösung mit Formaldehyd nach 8stün-
diger Erwärmung, Aminstickstoff . . . 0,0004 g
10 » derselben Lösung, mit der Kjeldahlschen
Methode behandelt, N. . . . . . . . 0,0126 g.
480 G. Galeotti:
Aus diesen Bestimmungen ersieht man, daß in der Wärme
bei der Verbindung des Glykokolls mit dem Formaldehyd
kein Stickstoffverlust eintritt, sondern nur eine derartige Mole-
kularveränderung, daß der Stickstoff nicht mehr auf die
v. 51у кевсһе Reaktion reagiert.
Das Verschwinden dieser Reaktion hält gleichen Schritt
mit dem Braunwerden der Lösung, und man kann sogar auf
diese Weise die Geschwindigkeit der Reaktion bestimmen.
Zu diesem Zweck machte ich folgenden Versuch:
Ungefähr 1 g Glykokoll wurde in 75 ccm Wasser ge-
löst; dann wurden 25 ccm Formalinlösung zugesetzt. Von
dieser Lösung nahm ich 10 ccm und bestimmte darin sofort
den Aminstickstoff. Hierauf wog ich den Rückstand, brachte
ihn eine Stunde lang ins Wasserbad unter Rückflußkühlung,
stellte dann genau das Anfangsgewicht wieder her und nahm
davon 10 ccm. In diesen bestimmte ich .den Aminstickstoff,
wog dann den Rückstand von neuem, brachte ihn wieder
ins Wasserbad, stellte das Anfangsgewicht wieder her und
wiederholte die Bestimmung. Auf diese Weise erhielt ich die
folgenden Werte des in 10 ccm der Lösung enthaltenen Amin-
stickstoffes:
Zeit Aminstickstoff in 10 com der Lösung
0 0,0143 g
1 Stunde 0,0067 g
5 Stunden 0,0046 g
10 Stunden 0,0037 g
23 Stunden 0,0012 g
Die Flüssigkeit wurde zur Trookne
gebracht, die Substanz mehrere
Stunden lang auf 100 bis 105° er-
hitzt und dann bis zum Anfangs-
gewicht wieder aufgelöst. 0,0004 g
Mit diesen Werten wurde die Kurve der Figur 1 kon-
struiert, von der man annehmen kann, daß sie die Art und
Weise darstellt, wie die Reaktion der Kondensierung des Glyko-
kolls mit dem Formaldehyd verläuft. Wie man sieht, wird
die Reaktion erst vollständig, wenn das Präparat zur Trockne
gebracht und mehrere Stunden lang bei einer Temperatur von
100° oder etwas darüber erhitzt wird.
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 481
Fig. 1. Geschwindigkeitskurve der Reaktion zwischen Glykokoll
und Formaldehyd.
Weitere chemische Eigenschaften der Verbindung Glykokoll-
Formaldehyd:
Aus konzentrierten Lösungen fällt sie nach Zusatz von absolutem
Alkohol oder Aceton aus. — Sie ist unlöslich in Äther,
die wässerige Lösung gibt keine Niederschläge nach Zusatz
von Alkalien oder Säuren (Essig-, Schwefel-, Salz-, Salpeter-
säure, mögen sie verdünnt oder konzentriert sein),
mit Phosphorwolframsäure reichlicher käsiger Niederschlag,
mit Molybdänsäure: kein Niederschlag,
mit Gerbsäure: Niederschlag,
mit Pikrinsäure: Niederschlag,
mit Kupfersulfat: erbsengrüne Färbung ohne Niederschlag. Keine
Veränderung nach Zusatz von NaOH und bei Erwärmung
keine Reduktion,
mit Silbernitrat entsteht kein Niederschlag, auch nicht nach
Zusatz von Ammoniak; bei Erwärmung bräunt sich die
Flüssigkeit,
mit Nickelsulfat: kein Niederschlag,
mit Sublimat: Niederschlag,
mit Bleiacetat: Niederschlag,
mit Eisenchlorid: kein Niederschlag,
482 G. Galeotti:
mit Goldchlorid : Niederschlag, der sich in Alkohol löst,
mit Kaliumchromat: dunkle Färbung,
mit Ferrocyankalium: braune Färbung,
mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung: kein Niederschlag,
Diazoreaktion, gelbliche Färbung.
Suspendiert man in der Flüssigkeit etwas frisch bereitetes
Kupferhydroxyd so löst sie eine gewisse Kupfermenge und man
erhält eine klare, glänzende Flüssigkeit, die malachitgrün ge-
färbt ist. Behandelt man diese Flüssigkeit mit viel absolutem
Alkohol, so entsteht ein reichlicher Niederschlag, während der
Alkohol grün oder blau gefärbt bleibt.
Elementaranalyse der Substanz.
Die mittels aufeinder folgender Fällungen mit Alkohol ge-
reinigte Verbindung Glykokoll-Formaldehyd wird zum Trocknen
in die gewöhnlichen Porzellanschiffichen und auf konstantes
Gewicht gebracht, indem man sie 8 bis 10 Tage in einem
Calciumchlorid-Exsiccator hält, der bei 100° erhalten und in
dem Vacuum hergestellt wird. Man muß Sorge dafür tragen,
daß das Schiffchen aus dem Wägegläschen in die Verbrennungs-
röhre so schnell übergeht, daß sie kein Wasser aus der atmo-
sphärischen Luft absorbiert. Das Mittel aus drei untereinander
gut übereinstimmenden Analysen war:
С 50,6°/, Н oan,
Bei anderen Proben bestimmte ich den Stickstoff nach der
Kjeldahlschen Methode und erhielt als Mittel aus vier Be-
stimmungen
N 14,19%.
Mithin läßt sich die prozentuale Zusammensetzung der
Substanz folgendermaßen feststellen:
C = 50,6, Н = 7,3, N = 14,1, O = 28,0.
Zieht man das Molekulargewicht in Betracht, das als Mittel
aus verschiedenen Bestimmungen 288 ergab, so kann man der
Substanz die Formel |
C.H,,0,N;
zuerkennen, die der prozentualen Zusammensetzung
С = 50,2, H=7,3, N = 14,6, О = 27,9
entspricht.
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 483
Ich will hier nicht die Wahrscheinlichkeit der Konstitutions-
formel erörtern, sondern nur bemerken, daß es mir wahrschein-
lich erscheint, daß die von mir studierte Verbindung aus der
Vereinigung von drei Molekülen Glykokoll mit sechs Molekülen
Formaldehyd resultiert, mit Wasserverlust und unter Bildung
уоп CO,!). Die Reaktion ließe sich folgendermaßen darstellen:
30,H,0,N + 8CH,0 = C,H, 0,N,+2C0,+5H,0.
Diese Hypothese muß aber mit allem Vorbehalt formuliert
werden, und ich behalte mir vor, auf diese Frage zurückzukommen,
Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß unter anderen Be-
dingungen die Kondensierung mit einer geringeren Anzahl von
Molekülen eintritt. Und da es sich um nicht krystallisierte
Stoffe handelt, kann man einer absoluten Konstanz in der Zu-
sammensetzung des Produktes nicht sicher sein.
Die Kupferverbindung des Glykokollformaldehydproduktes
erhält man sehr leicht, wenn man in letzterem frisch hergestelltes
Kupferoxyd auflöst. Dieses Oxyd wird mit einer Ammoniak-
lösung von Kupferacetat bereitet, der man Ätzsoda zusetzt.
Das Präcipitat wird lange gewaschen.
Es ist nötig, der Lösung der Glykokoll-Formaldehyd-Ver-
bindung einen Überschuß von Kupferhydrat, der dann durch
die Filtration entfernt wird, zuzusetzen. So erhält man eine
schöne klare Flüssigkeit von malachitgrüner Färbung. Diese
Flüssigkeit ergibt die Reaktion des Cu-Ions, ändert aber ihre
Färbung nicht in Blau nach Ammoniakzusatz. Aus ihr wird
die Substanz mit absolutem Alkohol gefällt und kann durch
&Aufeinanderfolgende Fällungen gereinigt werden. Die Substanz
wird zur Trockne bis zu konstantem Gewicht gebracht.
In einigen Teilen dieser Substanz habe ich den Stickstoff
nach der Kjeldahlschen Methode und das Kupfer nach der
elektrolytischen Methode bestimmt. Für diese zweite Analyse
werden 0,2 g=0,25 g Substanz mit Salpetersäure oxydiert.
Dann läßt man die Säure verdunsten und wandelt durch Er-
hitzen das Nitrat іп Kupferoxyd um. Dieses wird in H,SO,
‚gelöst und die verdünnte Lösung in einer Platinkapsel der
Elektrolyse unterzogen.
1) In der Tat bildet sich bei der Reaktion eine nicht unbedeutende
Menge CO,. |
484 С. Galeotti:
Als Mittel von vier Bestimmungen erhielt ich
N 11,95°/, Cu 15,8°/,.
Weist man der Gilykokoll-Formaldehyd-Verbindung die
Formel
Cs H,, О, N,
zu und nimmt an, daß zwei H-Atome darin durch ein Cu-Atom
ersetzt sind, so erhält man die Formel
Gel, UR, Cu,
N 12,05°/„ Cu 18,10%,
die
entspricht.
Obwohl die hinsichtlich des Prozentsatzes des Cu berech-
neten und gefundenen Werte keine genügende Übereinstimmung
zeigen, so gestatten sie doch keine andere Hypothese als die,
daß ein Cu-Atom sich mit einem Molekül der Glykokoll-For-
maldehyd-Verbindung kombiniert. Wahrscheinlich treten bei
der elektrischen Bestimmung des Kupfers Verluste ein, die zu
vermeiden mir nicht gelungen ist.
Verbindung des Alanins mit Formaldehyd.
Ich verwendete ein inaktives a-Alanin von Kahlbaum.
100 ccm einer 2°/,igen Alaninlösung setzte ich 20 com 30°/, (geg
Formaldehyd zu. Die Flüssigkeit brachte ich in einen lang-
halsigen Kolben 8 Stunden lang ins Wasserbad bei 100°. Dann
goß ich sie in eine Schale und ließ sie verdunsten, setzte Wasser
hinzu und ließ wieder verdunsten, bis die Reaktionen auf freien
Formaldehyd nicht mehr eintraten. Auf diese Weise erhielt ich
eine braune, hygroskopische, in Wasser sehr lösliche Masse.
10 ccm der 2°/ igen Alaninlösung ergeben mit der van
Siykeschen Methode
0,0930 g N.
Ein entsprechendes Volumen der Lösung der Alaninver-
bindung mit dem Formaldehyd ergab
0,0003 g N.
Die Lösung ist so stark gefärbt, daß es nicht möglich ist zu
konstatieren, ob sie Rotationsvermögen besitzt. Sie hat saure
Reaktion.
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 485
Die Substanz erscheint nach Verdunstung des Wassers
und nachdem sie zur Trockne gebracht ist, wie eine glas-
artige, durchsichtige, gelbbraune Masse, die bis auf hohe Tem-
peraturen erhitzt, schmilzt und schäumt.
Nach der Fällung mit Alkohol kann man, wenn man ver-
hindert, daß die Substanz Wasser absorbiert, durch vollständiges
Austrocknen ein hellgelbes Pulver erhalten.
Chemische Eigenschaften:
Mit Alkali oder verdünnten Säuren erfolgt kein Niederschlag;
mit absolutem Alkohol oder mit Aceton flockiger Niederschlag;
unlöslich in Äther;
mit Molybdänsäure: Niederschlag;
mit Phosphorwolframsäure, Pikrin-, Gerbsäure: reichlicher Nieder-
schlag;
mit Kaliumchromat: in der Wärme, Bräunung;
mit Ferrocyankalium: in der Wärme, gelber Niederschlag;
mit Kupfersulfat: kein Niederschlag, nach Zusatz von NaOH
in der Wärme brauner Niederschlag, aber keine Reduktion;
mit ammoniakalischem Silbernitrat: leichte Bräunung;
mit Sublimat: leichter Niederschlag;
mit Eisenchlorid: Bräunung;
mit Goldchlorid: Niederschlag, der sich in Alkohol löst; Diazo-
reaktion — gelbrote Färbung;
mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung erfolgt Niederschlag.
Die Lösung dieser Substanz löst Kupferhydroxyd und man
erhält so eine schöne malachitgrüne Flüssigkeit. Sie löst auch
Nickelhydroxyd und man erhält dann eine gelbe Lösung.
Diese Lösungen fallen nach Zusatz von absolutem Alko-
hol aus.
Verbindungen des Leucins mit Formaldehyd.
Auch das Leucin, das ich verwendete, war inaktiv. Ich
machte eine 2°/ ige Lösung davon. Diese wurde mit 30°/ (gem
Formaldehyd gemischt und 8 Stunden lang bei 100° gehalten.
Sie wurde wie gewöhnlich vom Überschuß an Formaldehyd
befreit und zur Trockne gebracht. Der Rückstand ist ein
nicht sehr hygroskopischer gelber Teig. Er löst sich leicht
im Wasser mit hellgelber Farbe. Aus letzterer fallen wenige
486 С. Galeotti:
mikroskopische kleine Krystalle in Gestalt rhomboider Täfelchen
aus. Nach zwei Monaten war die Krystallisation der in einem
mit einer Glasglocke bedeckten Becher aufbewahrten Flüssigkeit
sehr wenig fortgeschritten. Läßt man die Flüssigkeit rasch ver-
dunsten, so erfolgt keine Krystallbildung, und man erhält letz-
tere auch nicht aus wässerig alkoholischen Lösungen. Die Lösung
hat saure Reaktion. Mit der у. Slyke schen Methode tritt keine
Stickstoffentwicklung ein.
Chemische Eigenschaften:
Die Substanz ist in Alkohol und Aceton löslich, fällt aber aus
diesen Lösungen nach Ätherzusatz aus;
mit Alkalien und verdünnten Säuren erfolgen keine Nieder-
schläge;
mit BaCl,: geringer Niederschlag;
mit Ferrocyankalium tritt Bräunung ein;
mit Molybdänsäure: Niederschlag;
mit Phosphorwolfram-, Gerb-, Pikrinsäure: reichlicher Nieder-
schlag;
mit Kupfersulfat: erbsengrüne Färbung. Nach Zusatz von
NaOH erfolgt ein malachitgrüner Niederschlag. Bei Er-
hitzung tritt keine Reduktion ein;
mit Silbernitrat: brauner Niederschlag;
mit Sublimat: reichlicher, flockiger Niederschlag;
mit Eisenchlorid: Präcipitat und violett-braune Färbung;
mit Goldchlorid: flockiger Niederschlag, der sich in Alkohol löst;
Diazoreaktion, gelbrote Färbung;
mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung: pulveriger, rosafarbiger
Niederschlag.
Die Lösung dieser Verbindung löst Kupferhydroxyd und
Nickelhydroxyd. Im ersteren Falle erhält man eine dunkel-
grün gefärbte Flüssigkeit, im zweiten eine Flüssigkeit von gelber
Färbung. '
Verbindung der Asparaginsäure mit Formaldehyd.
_ 100 ccm Lösung von 2°/ iger Asparaginsäure setze ich
25 com 30°/, Formaldehyd zu, das Gemisch wurde 8 Stunden
lang im Wasserbad erwärmt. Die Lösung wird dunkelgelb.
Tre — в 5 о
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 487
10 com der Asparaginsäurelösung ergeben mit der van
Siykeschen Methode 0,0213 g N; nach 8 stündiger Behandlung
in der Wärme mit Formalin 0,0040 g N. Nach der Ver-
dunstung erhalte ich wie gewöhnlich eine dunkelgelbe, hygro-
вкорівсһе Masse.
Chemische Eigenschaften:
Die Asparaginsäure-Formaldehyd-Verbindung fällt nicht mit
Alkalien oder mit verdünnten oder konzentrierten starken
Säuren aus;
mit Alkohol oder Aoeton: flockiger Niederschlag;
in Äther ist sie unlöslich;
mit Molybdänsäure: leichter Niederschlag;
mit Phosphorwolframsäure, Pikrin-, Gerbsäure: reichlicher ge-
latinöser Niederschlag; |
mit Kupfersulfat: erbsengrüne Färbung, die nach Zusatz von
NaOH sich nicht ändert. Bei Erhitzung keine Reduktion;
mit ammoniakalischem Silbernitrat: Bräunung;
mit Sublimat und Bleiacetat: Niederschlag;
mit Goldchlorid: Niederschlag, der sich in Alkohol nicht löst;
Diazoreaktion, rote Färbung;
mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung: flockiger, reichlicher
Niederschlag.
Die zum Experiment dienende — löst Kupferhydroxyd
wenig, indem sie sich erbsengrün färbt.
Verbindung des Tyrosins mit Formaldehyd.
1 g krystallisiertes Tyrosin wird in 50 g Wasser suspendiert.
Der größte Teil des Stoffes bleibt ungelöst, auch wenn die
Flüssigkeit bis zum Sieden erhitzt wird. Ich setze 25 ccm
40°/,iges Formalin hinzu. Indem ich fortfahre, im Wasserbad
zu erhitzen, löst sich das Tyrosin zuletzt vollständig, während
die Flüssigkeit sich allmählich immer gelber färbt. Ich bringe
sie zur Trockne und setze zu wiederholten Malen Wasser
hinzu, bis der ganze freie Formaldehyd verdunstet ist; auf
diese Weise erhalte ich eine harzige, klebrige Masse von dunkel-
gelber Farbe. Diese Masse löst sich fast ganz in siedendem
Wasser (50 bis 70 ccm), fällt aber bei der Abkühlung in Gestalt
von Flocken wieder aus, die sich dann zusammenballen und
Biochemische Zeitschrift Band 53. 33
488 G. Galeotti:
wieder klebrige gelbe Massen bilden. Die Lösung ist neutral
gegen Lackmuspapier. Die Substanz ist unlöslich in Äther,
Aceton und Äthylalkohol. Aus der wässerigen warmen Lösung
fällt sie in Flocken nach Zusatz von Äthylalkohol aus; diese
Flocken kleben nicht zusammen, wie es bei den anderen schon
beschriebenen Verbindungen der Fall ist.
Die Verbindung ist sehr löslich in Alkalien, auch wenn
sie sehr verdünnt sind, und sowohl in Soda als in Baryt und
Ammoniak, und die ein klares Aussehen zeigenden Lösungen
haben eine sehr ausgesprochene grünlichgelbe Färbung. Wenn man
ansäuert, fällt die Substanz in Flocken aus, die sich von neuem
lösen, wenn man wieder neutralisiert. Die mit Baryt bereitete
Lösung zeigt keine Niederschläge, wenn man CO, hindurchleitet.
Behandelt man die Lösung mit der у. 51у кевсһеп Methode, во
findet keine Entwicklung von N, statt. In konzentrierter
Schwefelsäure löst sie sich mit rotbrauner Färbung. In einiger-
maßen konzentrierter Salpetersäure löst sie sich in der Wärme,
fällt aber bei Abkühlung wieder aus. Alkalisiert man alsdann mit
Ätzsoda, so nimmt die Flüssigkeit eine orangengelbe Färbung an.
Weitere chemische Eigenschaften:
Mit chromsaurem Na in der Wärme tritt braune Färbung ein;
mit Ferrocyankalium: rötliche Färbung, die Flüssigkeit wird trüb;
mit Phosphorwolframsäure entsteht ein käsiger Niederschlag;
mit Pikrin- oder Gerbsäure: dichter Niederschlag;
mit Kupfersulfat: malachitgrüne Färbung; mit NaOH in der
Wärme tritt keine Reduktion ein;
mit ammoniakalischem Silbernitrat: leichte Bräunung;
mit Sublimat: reichlicher Niederschlag;
mit Bleiacetat: reichlicher Niederschlag;
mit Eisenchlorid: dunkelviolette Färbung. Es tritt also etwas
Ähnliches ein wie bei der Piriaschen Reaktion;
mit Goldchlorid: Niederschlag, der sich in Alkohol löst;
die Diazoreaktion tritt ein mit kirschroter Färbung;
mit dem Deniges-Mörnerschen Reagens in der Wärme tritt
rosa oder rote Färbung ein;
mit dem Millonschen Reagens tritt rote Färbung ein;
mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung erfolgt ein геіоШісһег
flockiger rosagefärbter Niederschlag.
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 489
Die Lösung löst wenig Kupferhydroxyd und man erhält
dabei eine gelb-grünliche Flüssigkeit.
Verbindung des Phenylalanins mit Formaldehyd.
Das (inaktive) Phenylalanin, wie ich es verwendet habe,
ist in kaltem Wasser und in Alkohol wenig löslich. Ungefähr
2 g der Substanz in Gestalt von Blättchen werden in 100 eem
Wasser suspendiert. Beim Erhitzen trat noch keine Lösung der
Substanz ein. Es wurden 25 com 30°/, Formaldehydlösung hinzu-
gesetzt, wobei sich in der Wärme das Phenylalanin allmählich
löst, während die Flüssigkeit gelb wird. Nach ca. 10 Stunden
lasse ich die Lösung abkühlen, wobei eine braune, klebrige
Masse ausfällt. Einige Partikelchen dieser Substanz in Ge-
stalt von öligen Tropfen schwimmen an der Oberfläche der
Flüssigkeit.
Diese Substanz ist sehr leicht löslich in absolutem Alkohol
und in Aceton, unlöslich in Äther.
Sie löst sich gut in den Alkalien (Soda, Baryt, Ammoniak)
und fällt aus diesen bei Ansäuerung wieder aus. Sie löst sich
in konzentrierter Schwefel- oder Salpetersäure.
Weitere chemische Eigenschaften:
Mit chromsaurem Na: gelber, starker Niederschlag;
mit Phosphorwolfram- oder Gerb- oder Pikrinsäure: voluminöser
Niederschlag;
mit Kupfersulfat: hellgrüner Niederschlag, der infolge Alkali-
sierung mit Soda dunkelgrün wird. In der Wärme tritt
keine Reduktion ein;
mit Silbernitrat: reichlicher Niederschlag, der sich in Ammoniak
löst;
mit Sublimat und Bleiacetat: reichlicher Niederschlag;
mit Eisenchlorid: reichlicher gelb-grünlicher Niederschlag;
mit Goldchlorid: reichlicher Niederschlag, der sich in Alko-
hol löst;
Diazoreaktion: rote Färbung;
mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung: flockiger Niederschlag.
Die Lösung löst Kupferhydroxyd nicht.
33%
490 G. Galeotti:
Schlußfolgerungen.
1. Erhitzt man die Aminosäuren lange mit Formaldehyd,
so erhält man Verbindungen, die chemische Eigenschaften be-
sitzen, die verschieden von denen der reinen Aminosäuren und
auch verschieden von denen der frischen Mischungen von
Lösungen von Aminosäuren und Formol sind.
Man erhält zuerst gelbe oder gelbrote Lösungen, die keine
Tendenz zur Krystallisierung haben. Der Rückstand ist stets
eine amorphe, hygroskopische Masse, die jedoch getrocknet und
im leeren Raum über Calciumchlorid bei 100 bis 110° auf kon-
stantes Gewicht gebracht werden kann.
2. Die wichtigsten chemischen Eigenschaften dieser Ver-
bindungen sind:
die Lösungen sind im allgemeinen sauer;
mit verdünnten Alkalien entsteht kein Niederschlag, mit ver-
dünnten Säuren fällt nur die Verbindung des Tyrosins aus;
in Alkohol oder Aceton sind unlöslich die Glykokoll-, Alanin-,
Asparaginsäure- und Tyrosinverbindungen, löslich die Leu-
cin- und Phenylalaninverbindungen. Alle sind unlöslich in
Äther;
mit Phosphorwolframsäure, mit Pikrinsäure und mit Gerbsäure
ergeben sie voluminöse Niederschläge;
sie fallen mit den Salzen der Schwermetalle (Sublimat, Blei-
` acetat) aus. Die Präcipitate, die man stets mit dem Gold-
chlorid erhält, haben die Eigentümlichkeit, daß sie sich in
Alkohol lösen;
sie reduzieren Kupfersalze in alkalischer Lösung nicht, es tritt
eine grüne oder dunkelgrüne Färbung ein;
sie fallen infolge Sättigung mit Ammoniumsulfat aus;
sie zeigen die Diazoreaktion mit gelbroter oder kirschroter
Färbung;
sie lösen Kupferhydroxyd (und einige Verbindungen, auch
Nickelhydroxyd), und auf diese Weise erhält man glänzende,
malachitgrün gefärbte Раве кенев, die nach Zusatz von
Alkohol ausfallen.
3. Bei den Verbindungen aller von mir studierten Amino-
säuren mit Formaldehyd tritt die у. Slykesche Reaktion nicht
mehr ein, d.h. man erhält keinen freien Stickstoff durch Ein-
Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 491
wirkung von Salpetrigeäure. Diese Erscheinung, die einer intra-
molekularen Veränderung des Aminstickstoffes entspricht, hält
in ihrem weiteren Verlauf gleichen Schritt mit dem Fort-
schreiten der Reaktion. Mithin kann man bei Verwendung der
v.Siykeschen Methode die Kurve der Reaktion aufzeichnen.
4. Die Verbindung des Glykokolls mit dem Formaldehyd,
die von mir eingehender studiert wurde, hat folgende Eigen-
schaften:
sie schmilzt bei 164°;
sie hat ein Molekulargewicht (in konzentrierten Lösungen)
von 288;
sie hat die molekulare Zusammensetzung
C= 50,6, Н = 7,3, N=141, 0=38,3,
und entspricht wahrscheinlich der Formel
С, Н,,0,М,.
5. Wenn man diese letzten mit dem Glykokoll erhaltenen
Resultate berücksichtigt und bedenkt, daß auch die anderen
Aminosäuren sich auf gleiche Weise verhalten, kann man die
Behauptung aufstellen, daß die Reaktion, die langsam und in
der Wärme zwischen den Aminosäuren und dem Formaldehyd
eintritt, eine Kondensierung einiger Moleküle von Aminosäuren
ist, die durch Formaldehydreste vereinigt worden sind. Bezüg-
lich des Glykokolls würde man eben die Kondensierung von
3 Molekülen Aminosäure erhalten. Es ist jedoch wahrscheinlich,
daß unter anderen Bedingungen die Kondensierung einer größeren
oder geringeren Zahl von Molekülen eintritt.
6. Diese Überlegung, die Daten der prozentualen Zusammen-
setzung und des Molekulargewichtes der Glykokollverbindung,
die obenerwähnten Reaktionen und insbesondere die mit der
Phosphorwolframsäure, der Gerb- und Pikrinsäure mit den
Salzen der Schwermetalle, mit dem Ammoniumsulfat in ge-
sättigter Lösung, lassen den Gedanken an eine Ähnlichkeit
zwischen den von mir studierten Verbindungen und den Poly-
peptiden entstehen.
7. Kurz, es scheint mir, daß man mit allem Vorbehalt die
Behauptung aufstellen kann, daß die polymerisierenden und
kondensierenden Funktionen, die der Formaldehyd besitzt und
durch die nunmehr bewiesen ist, daß in den Pflanzen syn-
492 G. Galeotti: Kondensierung der Aminosäuren verm. Formaldehyd.
thetische Vorgänge eintreten, die zu den Kohlenhydraten führen,
auch für die Aminosäuren Geltung haben könnten, und daß
deshalb auf diese Weise beim Chemismus der lebenden Orga-
nismen der Formaldehyd auch die stickstoffhaltigen Stoffe auf
dem Wege zur Synthese der Eiweißkörper führen könnte.
Ich hatte die vorliegende Arbeit schon beendet, als ich
das Heft 1/2 (Bd. 51) dieser Zeitschr. zu Gesicht bekam, in dem
sich ein Artikel von W. Loeb über die Methylierung des Glyko-
kolls mittels Formaldehyds befindet.
Die von diesem Autor dargelegten experimentellen Resul-
tate decken sich zum Teil mit den meinen, zum Teil unter-
scheiden sie sich einigermaßen davon.
Auch Loeb hat gefunden, daß man, wenn man eine
Lösung von Gilykokoll mit Formalin erhitzt, eine dunkelgelbe
oder rote Flüssigkeit erhält, die nach Verdunstung einen sirup-
artigen Rückstand hinterläßt, der in Alkohol wenig löslich ist
und nicht krystallisiert. Nach Loeb kann man aus ihm noch
freien N, mit der v. 51у кевсһеп Methode erhalten.
Dieser Unterschied von meinen Resultaten erklärt sich
dadurch, daß Loeb die Reaktion nicht zu Ende geführt hat,
weil sie, wie es scheint, nur 2?/, Stunden gedauert hat. In
dieser Hinsicht möge man meine Kurve auf S. 481 einer
Prüfung unterziehen. Ferner sagt Loeb, mit der Salzsäure ver-
laufe die Reaktion auf verschiedene Weise und man erhalte
alsdann eine Krystallmasse, die die у. Siykesche Reaktion
nicht mehr ergebe und aus Dichlorhydrat des Methylendiglyko-
kolls bestehe. Am Schlusse behauptet dieser Autor, durch Ein-
wirkung des Formaldehyds trete Methylierang des Glykokolls
ein und dies liefere eine experimentelle Basis für die Hypothese,
daß auch bei den Vorgängen in der Natur der Formaldehyd
als Methylierungsmittel wirke.
Wie ich oben auseinandergesetzt habe, glaube ich, daß
eher als zwei Glykokollmoleküle sich drei kondensieren. Diese
Meinungsverschiedenheit läßt sich dadurch erklären, daß wahr-
scheinlich die Kondensierungsreaktion nur dann vollständig
wird, wenn die Substanz auf hohe Temperatur erhitzt und zur
Trockne gebracht wird.
Über Blutlipoide und Phagocytose.
Von
B. Stuber.
(Aus der Medizinischen Klinik zu Freiburg i. Br.)
(Eingegangen am 14. Juni 1913.)
Nachdem wir in unserer früheren Arbeit?) die Bedeutung
der Lipoide, im speziellen des Cholesterins und Lecithins für
die Phagocytose klargelegt hatten, schien es uns von In-
teresse, auch die Wirkung der Cholesterinester näher kennen
zu lernen.
Es kamen der Ölsäure- und Palmitinsäureester des Chole-
sterins zur Verwendung. Beide liefern haltbare Emulsionen,
wenn sie in heißem Aceton gelöst tropfenweise unter starkem
Schütteln in heißes Wasser eingetragen werden. Es wurden
0,5°/,ige Emulsionen verwandt. Die Methode der Wertbe-
stimmung der Phagocytose und die Technik der Versuche
waren genau dieselben, wie sie in unserer früheren Arbeit an-
gegeben sind.
Als Lecithin gebrauchten wir das Lecithinum ovo purissimum
und ein Cerebrosid’?).
Die Mengen der eingespritzten Emulsionen betrugen durch-
schnittlich 30 ccm.
Wir geben im folgenden die Versuchsprotokolle wieder.
1) Siehe diese Zeitschr. 51, 3, 211, 1913.
*) Die Firma Blattmann & Co. in Waedenswil war во liebens-
würdig, uns zwei garantiert ganz frisch dargestellte Präparate zur Ver-
fügung zu stellen. Das eine war reines Eierlecithin, das andere Gehirn-
lecithin. Letzteres enthält Galaktose, dürfte deshalb wohl mit einem Cere-
brosid identisch sein. Beide Präparate wirkten dem freien Cholesterin
gegenüber genau, wie es in unserer früheren Publikation beschrieben
wurde.
494 В. Stuber:
Wir beginnen mit den in-vitro-Versuchen mit Cholesterin-
palmitinsäureester. Es wurden jedesmal 0,1 ccm 0,5°/, ige
Esteremulsion dem Blutgemische zugefügt.
Tabelle XV.
Versuchs- Phagocytärer Index | Phagooytärer Index
en Blut mitCholesterin- | Kontroliblut ohne
tinsäureester Lipoidzusatz
nummer
Es ergibt sich also genau wie beim freien Cholesterin eine
starke Herabsetzung des phagocytären Vermögens der Leuko-
cyten durch den Palmitinsäureester des Cholesterins, durch-
schnittlich um 65 bis 75°/>
Wir gingen nun in derselben Weise vor wie früher und
prüften den Einfluß eines Gemisches von 0,1 com 0,5°/,igen
Palmitinsäureester des Cholesterins und 0,1 ccm 1°/,iger Le-
cithinemulsion.
Tabelle XVI.
Versuchs- | Phagooytärer Index — rg
Lipoidzusatz
nummer | Ester -+ Lecithin
Wir finden in obiger Tabelle die volle Wirkung des Pal-
mitinsäureesters auf die Phagocytose, eine Beeinträchtigung
derselben um durchschnittlich 70°. Das Lecithin war, im
Gegensatz zu den früher mitgeteilten Versuchen mit freiem
Cholesterin, ohne jeden Einfluß. Weitere Versuche mit in-
aktiviertem Lecithin erübrigten sich dadurch von selbst.
Die Tierversuche wurden ebenfalls wieder an Katzen
"ausgeführt. Wir spritzten 20 bis 30 com 0,5°/ ige Palmitin-
säureesteremulsion in die Jugularis. Vor und eine halbe Stunde
nach erfolgter Injektion wurde jedesmal aus der Carotis Blut
zur Indexbestimmung entnommen.
Blutlipoide und Phagocytose. 495
Tabelle XVII.
Tierversuche mit Cholesterinpalmitinsäureester.
Phagocytärer Index | Injizierte | Phagocytärer Index
Blut vor der Blut !/, Stunde nach
der Injektion
Auch hier finden wir, genau wie im Reagensglasversuch,
eine intensive Schädigung der Phagocytose um 70 bis 80°/,.
Von kombinierten Versuchen von Palmitinsäureester zusammen
mit Lecithin glaubten wir im Tierexperiment absehen zu können,
da wir ja schon in unseren obigen in vitro angestellten Ver-
suchen ein negatives Resultat erhalten hatten. Wir suchten
nun die Wirkungsdauer des Palmitinsäureesters festzustellen.
Wir spritzten zwei Katzen je 20 ccm Esteremulsion ein und
entnahmen nach 24 und 48 Stunden Blut zur Indexbestimmung.
Die Versuche mißlangen jedoch, da jedesmal die Gerinnungs-
zeit des Blutes derartig herabgesetzt war, daß es sofort nach
Entnahme aus dem Blutgefäß koagulierte.e Auch ein erhöhter
Natriumcitratzusatz schützte nicht davor, wenn wir nicht eine
derartig starke Konzentration anwenden wollten, daß dadurch
auch die Phagocytose geschädigt worden wäre. Das Blut der
Tiere. vor der Injektion zeigte ganz normale Gerinnungszeiten,
so daß diese Herabsetzung wohl nur auf den Palmitinsäureester
ursächlich bezogen werden kann.
Dieselbe Versuchsreihe stellten wir nun mit dem Ölsäure-
ester des Cholesterins an. Wir stießen hierbei jedoch auf
wesentliche Schwierigkeiten, da der Ölsäureester die Blut-
gerinnungszeit noch in weit stärkerem Maße herabsetzte als
der Palmitinsäureester. Im Tierversuche gerann das Blut
spontan beim Öffnen der Arterie, so daß es unmöglich war, in
vivo weiter zu arbeiten. Aber auch bei unseren Reagensglas-
versuchen trat nach Zufügen weniger Tropfen 0,5°/,igen Chole-
sterinölsäureesters trotz erhöhten Natriumcitratzusatzes Ge-
rinnung ein. Wir glaubten auf diese Befunde speziell hinweisen
zu müssen, da ja gerade in neuester Zeit von Bordet und
496 В. Stuber:
Delange?) ein in Toluol, Petroläther usw. leicht, in Aceton
aber schwer löslicher Lipoidkörper als ursächliches Moment für
die Blutgerinnung angesprochen wurde. Also ein Körper, der
in seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften mit den
obigen Cholesterinestern übereinstimmt. Wir sind zurzeit mit
diesbezüglichen Untersuchungen beschäftigt und werden bald
darüber ausführlicher berichten. Daß in unseren Versuchen
diese Veränderung der Blutgerinnungszeit auf das Zufügen der
Ester zu beziehen war, ergab sich aus den normalen Gerinnungs-
zeiten des Blutes vor der Einspritzung. Vermutlich dürfte die
Wirkung auf die Fettsäurekomponenten zurückzuführen sein.
Es erklärt sich dann auch die erst längere Zeit nach der In-
jektion eintretende Erhöhung der Blutgerinnungsfähigkeit beim
Palmitinsäureester, wenn man einen zeitlich verschiedenen
Abbau beider Esterarten im Organismus annimmt. Beim Öl-
säureester tritt die Wirkuhg beinahe sofort ein.
Kehren wir nun zu unseren Phagooytoseversuchen mit dem
Cholesterinölsäureester zurück, so verzichteten wir aus den oben
genannten Umständen auf die Tierversuche ganz. Zu unseren
in-vitro- Versuchen benützten wir defibriniertee Blut vom
Menschen und von Katzen. Wir überzeugten uns zunächst, daß
das Defibrinieren keinerlei Einfluß auf die Phagocytose ausübt,
wir benützten zu dieser Prüfung nochmals den Palmitinsäure-
ester und erhielten mit defibriniertem Blute genau dieselben
Werte wie früher mit nichdefibriniertem Blute. Es wurde wieder
jedesmal 0,1 com 0,5°/,ige Esteremulsion bei jedem Versuche
dem Blutgemische zugefügt.
Tabelle ХУШ.
Versuche in vitro mit Cholesterinölsäureester 0,5°/,.
Versuche. каар суш Index | Phagocytärer Index
nummer Blut mit Kontrollblut ohne
Esterzusatz Lipoidzusatz
67 0,61 1,44
68 0,67 1,40
69 0,64 1,48
1) J. Bordet u. L. Delange, Betrachtungen über die Rolle der
Blutlipoide bei der Blutgerinnung. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol.
71, 4, 1918.
Blutlipoide und Phagocytose. 497
Wir entnehmen hieraus, daß auch der Ölsäureester intensiv
auf die vitalen Funktionen der Leukocyten einwirkt, indem er
eine Herabsetzung der Phagocytose um ca. 55°/, bedingt. Er
wirkt aber schwächer als der Palmitinsäureester.
Auch in den Kombinationsversuchen mit Lecithin zeigte
der Ölsäureester dasselbe Verhalten wie oben. Die Quantität
der zugefügten Emulsionen war dieselbe wie in den früheren
Versuchen.
Tabelle XIX.
Versuche in vitro Cholesterinölsäureester + Lecithin.
Phagocytärer Index | Phagocytärer Index
Versuchs- Blut mit Kontrollblut ohne
Lipoidzusatz Lipoidzusatz
nummer
Das Lecithin ist also ohne jeden Einfluß auf die phago-
cytosehemmende Wirkung des Ölsäureesters.
Nach den Untersuchungen von Abderhalden, le Count
und Hausmann wissen wir, daß für die antitoxische Wirkung
des Cholesterins die Hydroxylgruppe desselben verantwortlich
gemacht werden muß. Wir haben nun auch Versuche mit
Cholesterylacetat und Cholesterylbenzoat angestellt. Beide
lassen sich in derselben Weise wie die Fettsäureester gut
emulgieren. Sie wurden in derselben Konzentration wie letztere
angewandt.
Tabelle XX.
Versuche in vitro mit Cholesterylbenzoat 0,5°/,.
Phagocytärer Index | Phagocytärer Index
Versuchs- Blut mit Kontrollblut ohne
Lipoidzusatz
nummer
498 В. Stuber:
Tabelle XXI.
Versuche in vitro mit Cholesterylacetat 0,5°/,.
Versuchs- Phagocytärer Index | Phagocytärer Index
Blut mit Kontrollblut ohne
пише Lipoidzusatz Zusatz
80 1,44 1,41
81 1,40 1,88
Wie aus beiden Tabellen ersichtlich, übt sowohl das Chole-
sterylbenzoat als auch das Cholesterylacetat keinerlei Wirkung
auf die Phagocytose aus. In beiden Körpern ist die Hydroxyl-
gruppe des Cholesterins durch Substitution verändert. Es muß
als auch für das Zustandekommen der phagocytosehemmenden
Wirkung des Cholesterins das Vorhandensein seiner Hydroxyl-
gruppe als Bedingung erachtet werden. Wir haben weiterhin
noch einige Versuche mit dem eingangs erwähnten Gehirn-
phosphatid, wahrscheinlich ein Cerebrosid, angestellt. Wir
vermengten es in gleicher Konzentration und Menge mit
Cholesterin.
Tabelle XXII.
Versuche in vitro mit Cholesterin 4 Cerebrosid.
Phagocytärer Index | Phagocytärer Index
Versuchs- Blut mit Kontrollblut ohne
— Lipoidzusatz Zusatz
Wir sehen auch hier eine ähnlich neutralisierende Wirkung
der hemmenden Wirkung des freien Cholesterins durch Cerebrosid
wie durch Lecithin.
Zur Theorie der Phagocytose.
Vergegenwärtigen wir uns nochmals das Gesamtresultat
unserer Untersuchungen, so konnten wir in unserer früheren
Arbeit nachweisen, daß das freie Cholesterin schon in kleinen
Mengen die Phagocytose fast völlig hemmt. Wir konnten ferner
zeigen, daß diese Hemmung durch Zufügen einer Lecithinemulsion,
wenn dieser Zusatz von Lecithin zum Cholesterin quantitativ
im Verhältnis 2:1 erfolgt, völlig aufgehoben werden kann,
Blutlipoide und Phagooytose. 499
indem das Lecithin das Cholesterin bindet und neutralisiert.
Durch kurzes Erhitzen auf ca. 70° wird jedoch das Lecithin
zersetzt, es wird inaktiviert, so daß es nicht mehr fähig ist,
das Cholesterin zu binden und dessen biologische Wirkung auf-
zuheben. Es ist uns fernerhin gelungen, Tiere durch Lecithin
auf kurze Zeit gegen die phagocytosehemmende Wirkung
des freien Cholesterins unempfänglich zu machen, zu immuni-
sieren. In den vorliegenden Zeilen konnten wir nun noch die
intensiv phagocytosehemmende Wirkung des Ölsäure- und
Palmitinsäureesters des Cholesterins nachweisen. Wir konnten
zeigen, daß diese hemmende Wirkung der Cholesterinester
durch Lecithin nicht neutralisierbar ist. Weiterhin konnte
erwiesen werden, daß das Cholesterin durch Substitution
seiner Hydroxylgruppe wirkungslos wird. Wir müssen so die
Hydroxylgruppe des Cholesterins als Hauptfaktor für die Be-
einflussung der vitalen Äußerungen der Leukocyten geltend
machen. Es scheint uns damit auch wahrscheinlich, daß die
Wirkung der Fettsäureester des Cholesterins nur auf die Fett-
säurekomponenten zu beziehen ist, spielen ja letztere auch
sonst in der Immunitätschemie eine bedeutende Rolle. Nicht
uninteressant erscheint uns die umgekehrte Proportionalität
zwischen Phagocytosehemmung und Herabsetzung der Blut-
gerinnungsfähigkeit als Funktion der Cholesterinester, indem
der stärker phagocytosehemmende Ester die Blutgerinnungs-
fähigkeit weniger vermindert, und umgekehrt. Wir müssen
ferner auf Grund unserer Untersuchungen annehmen, daß die
Bindung des Cholesterins mit Lecithin in des ersteren Hydroxyl-
gruppe stattfindet und so die für unsere Frage wichtigste
Gruppe des Cholesterinmoleküls wirkungslos verankert.
Wenn wir diese Resultate überblicken und bedenken, daß
es sich bei all diesen intensiv die Lebensäußerungen der Leuko-
cyten beeinflussenden chemischen Individuen um Körper handelt,
die normal im Organismus vorkommen, die schon unter nor-
malen, noch mehr aber unter pathologischen Verhältnissen
solchen quantitativen Schwankungen unterworfeu sind, wie wir
sie hier im Experiment nachgeahmt haben, so wird man ihre
führende Rolle in dem wechselvollen Bilde der Phagocytose
nicht abstreiten können. Es fällt dann auch eine weitere Beziehung
der Lipoide zu einigen ihrer chemischen Natur nach noch
500 В. Stuber: Blutlipoide und Phagocytose.
hypothetischen Körpern des Serums auf, nämlich den von
Wright postulierten Opsoninen des Normalserums. Es geht
aus unseren Versuchen hervor, daß sich die von Wright fest-
gelegten biologischen Charaktere der Normalopsonine durch
qualitativ und quantitativ wechselnden Lipoidzusatz zum Serum
unschwer experimentell hervorrufen lassen. Wir hätten die-
selben Verhältnisse noch für die Immunsera nachzuweisen, wir
sind zurzeit noch damit beschäftigt. Aber auch heute schon
glauben wir uns auf Grund unserer Untersuchungen dazu be-
rechtigt, den Opsoninen einen Lipoidcharakter zuzuerkennen.
Es erscheint uns fraglich, ob man im Sinne Wrights für die
so vielfach wechselnden Bilder in den Lebensäußerungen der
Leukocyten immer spezifische Substanzen des Serums annehmen
kann. Es erscheint uns auf Grund unserer Experimente weit
plausibler, das quantitative Verhältnis der einzelnen Lipoide ·
zueinander hierfür verantwortlich zu machen. Wobei zu be-
denken ist, daß eine einseitige Vermehrung einer Lipoidsubstanz
uns noch nichts sagt, solange wir nicht auch über die quanti-
tativen Verhältnisse der übrigen Serumlipoide orientiert sind,
denn es ist klar, daß z. B. eine Vermehrung des freien Chole-
sterins, wenn eine analoge Zunahme der Phosphatide statt-
findet, in ihrem Effekt auf die vitalen Äußerungen der Leuko-
cyten unter Umständen gleich Null sein kann, wie wir in
unseren obigen Untersuchungen gezeigt haben; ganz anders
verhält es sich darnach aber mit den Estern des Cholesterins.
Wir sehen also, wie auf Grund solcher quantitativer Änderung
der Serumlipoide in ihrer Gesamtheit, also des Serumlipoid-
spiegels, die mannigfachsten Kombinationen denkbar sind, und
wir können uns so auch sehr gut die so labilen Funktions-
zustände der Leukocyten erklären. Vielleicht repräsentiert во
der Begriff der Opsonine gar nichts einheitlich Substantielles,
sondern ist nur der relativ faßbare Ausdruck der biologischen
Reaktionsmöglichkeiten zwischen Lipoiden der Zelle und des
Serums, so daß man sich einen gewissen Lipoidtonus vorstellen
kann, dem die serumumspülte Zelle untersteht, und dessen
sichtbarer biologischer Effekt bei den Leukocyten in der Phago-
cytose zutage tritt.
Die „Methode von Gabriel Bertrand“ zur Zucker-
bestimmung.
Von
G. Sonntag.
(Eingegangen am 28. Mai 1913.)
M. Rosenblatt empfiehlt in seiner Arbeit „Über die
quantitative Bestimmung von Glucose bei Gegenwart von
fremden Stoffen nach der analytischen Methode von Gabriel
Bertrand“ ein Verfahren zur Bestimmung des beim Kochen
von Zuckerlösung mit alkalischer Kupfer-Tartratlösung erhaltenen
Kupferoxyduls, das auf der Reduktion von Ferrisulfat durch
das Kupferoxydul und Titration des entstandenen Ferrosulfats
mit Permanganatlösung beruht!).. Er bezeichnet das Verfahren
nach einer im Jahre 1906 erschienenen Arbeit von Gabriel
Bertrand?) als „Bertrandsche Methode“. Unter gleichem Namen
ist es auch in das Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden
(1910, 2, 181) aufgenommen.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß dem Ver-
fahren diese Bezeichnung nicht zukommt.
Im Jahre 1903 habe ich eine kleine Abhandlung „Ver-
suche über Zuckerbestimmungen“?) veröffentlicht, in der mit-
geteilt wird, daß das Prinzip der Methode schon im Jahre 1852
von Schwarz zur Kupferbestimmung und im Jahre 1873 zu-
erst von Mohr für die Bestimmung des Traubenzuckers an-
gewandt und seitdem von mehreren Forschern ihren Versuchen
1) M. Rosenblatt, diese Zeitschr. 48, 478, 1912.
DH Bertrand, Bull. Soo. Chim. de France 85, 1285, 1906.
з) G. Sonntag, Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 19, 447, 1908
(Referate: Chem. Zentralbl. 1, 998, 1903; Zeitschr. f. Unters. а. Nahrungs-
u. Genußmittel 7, 285, 1904).
502 О. Sonntag:
zugrunde gelegt worden ist (Literatur daselbst?) — Eigene
Versuche haben damals die Brauchbarkeit des Verfahrens in
einer von mir vorgeschlagenen Ausführungsweise gezeigt, die
folgende ist:
Das Kupferoxydul wird in einem Porzellan-Siebtiegel (Gooch-
Tiegel) über Asbestfilter gesammelt, wobei die im Erlenmeyer-
Kolben zurückbleibenden Reste mit kaltem Wasser leicht und
sicher übergespült werden können, und im Tiegel mit kochen-
dem Wasser gut ausgewaschen. Dann wird das Asbestfilter
mit dem Niederschlag aus dem Tiegel genommen, in eine Flasche
mit Glasstöpsel gebracht, der Tiegel mit Wasser nachgespült
und die Flasche einige Sekunden kräftig geschüttelt, wodurch
Asbest und Kupferoxydul fein verteilt werden. Hierauf werden
50 ccm einer Lösung von 50 р Ferriammonsulfat und 50 ccm
konzentrierter Schwefelsäure in 1 1 hinzugefügt, und zwar
werden diese, da an den Wandungen des Siebtiegels meist
kleine Mengen von Kupferoxydul hartnäckig haften, über den
Tiegel, der in einem Trichter auf die Flasche aufgesetzt wird,
ausgegossen. Das fein verteilte Kupferoxydul löst sich beim
Umschwenken schnell vollständig auf; es entsteht eine hell-
grüne Lösung, in der nur der Asbest umherschwimmt und die
nun sofort mit '/,„,-Permanganatlösung titriert wird.
G. Bertrand verfährt im wesentlichen ebenso, nur benutzt
er statt eines Siebtiegels ein Filterröhrchen, statt der Ferri-
ammonsulfatlösung eine Ferrisulfatlösung mit höherem Schwefel-
säuregehalt. Diese Abweichungen stellen keine Verbesserungen
dar. Das Asbestfilter läßt sich im Siebtiegel jedesmal sehr
leicht und schnell herstellen, die Flüssigkeit filtriert auch bei
schwachem Saugen schnell hindurch und das auf dem Filter
gesammelte Kupferoxydul läßt sich leichter mit heißem Wasser
vollständig auswaschen, als beim Dekantieren, das von Bertrand
empfohlen wird zur Vermeidung eines Zusammenballens des
Kupferoxyduls im Filterröhrchen, wodurch es dem Aufgelöst-
werden Widerstand entgegensetzt. In der Tat kommt dies vor
und hat zu dem Verfahren geführt, daß das Kupferoxydul
1) Von С. Bertrand (8а. а. О.) selbst werden außer Mohr noch
aufgeführt Wolff: Ann. et Rev. de chim. analyt. 1905 und Gatin:
Recherches anatom. et chim. sur la germination des palmiers. Thöse de
Paris 1906.
Die „Methode von С. Bertrand“ zur Zuckerbestimmung. 503
durch Schütteln fein verteilt wird; dann löst es sich ohne Er-
wärmen leicht auf, und die Lösung braucht zudem nicht mehr
filtriert und damit unnötigerweise der Luft ausgesetzt zu werden.
Zur sicheren Vermeidung der Oxydation des Ferrosalzes durch
den Sauerstoff der Luft habe ich ferner empfohlen, in das
Schüttelgefäß vorher und während des Auflösens Kohlensäure
einzuleiten, was in der angegebenen Weise keinerlei Umständ-
lichkeit mit sich bringt. Daß, wie bei allen derartigen Be-
stimmungen, luftfreies Wasser angewendet und daß die Ferri-
salzlösung auf etwaige Reduktionsfähigkeit gegen Permanganat
geprüft wird, ist wohl selbstverständlich. — Ferriammonsulfat
ist als gut krystallisierendes und daher leicht rein zu erhaltendes
Salz nach Mohrs Empfehlung dem Ferrisulfat vorzuziehen,
ein höherer Schwefelsäuregehalt der Lösung ist überflüssig.
Nach allem ist es nicht berechtigt, dieses längst vor
G. Bertrand bekannte und angewandte, von mir durch im
Jahre 1903 veröffentlichte Untersuchungen eingehend geprüfte
und ausgearbeitete Verfahren auf Grund der Bertrandschen
Veröffentlichung aus dem Jahre 1906 als die „Bertrandsche
Methode“ zu bezeichnen.
Biochemische Zeitschrift Bend 53. 34
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