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Full text of "Biochemische Zeitschrift 53.1913"

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Biochemische Zeitschrift. 


Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie. 


Herausgegeben von 
К. Buchner - Würzburg, Р. Ehrlich - Frankfurt a. М. Е. Hot- 
meister-Straßburg і. Els., C. von Noorden-Wien, Е. Salkowski- 


Berlin, N. Zuntz-Berlin 
unter Mitwirkung von 
И. Ascell-Catania, L, Aber, Вето, J. Bang-Lund, ©. Bertrand-Paris, A, Bickel- Berlin, F, Blumen- 
thal-Berlin, A. Bonananl-Rom, F. Bottaszi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe i. B., A. Durlg-Wien, 
F. Ehriich-Breslau, G. Embden-Frankturt a. Main, H. v. Euler-Stockholm, 8. Fierner-New 
York, 8. Fränkel-Wien, В, Fround-Wien, U. Friedemann - Berlin, E. Friedmann - Berlin, 
©. v. Fürtk-Wien, G. Galeetti-Neapel, Н. J, Hamburger-Groningen, A. Heftter-Berlin, V. Heart- 
Paris, W. Houbner-Göttingen, В. Höber-Kiel, М, Jaceby-Berlin, R. Kobert-Rostock, И. Kums- 
eawa-Tokio, F. Landell-Buenos Aires, L. Langstein-Berlin, Р. А. Levene-New York, L v. 
Liebermann - Budapest, J, 1065 - Нот York, W. Lech. Berlin, A. Loowy- Berlin, A. Maguus- 
` Levy-Berlin, 3. A. Mandel-New York, L, Marchlewski-Krakau, Р. Mayer-Karlsbad, 3. Meisen- 
heimer- Berlin, L. Michaelis- Berlin, J. Mergenretk - Berlin, W. Мега - Berlin, W. Ostwald- 
Leipzig, W. Paladin - St. Petersburg, W. Pauli-Wien, R. Pfelffer- Breslau, В. Р. Pick -Wien, 
J. Pohl- Breslau, Ch. Porcher- Lyon, F. Rochmann - Breslau, Р. Rona- Berlin, S. Balaskia- 
St. Petersburg, N. Bieber-St. Petersburg, М. Siegiried-Leipzig, 8. Р. L, Börensen-Kopenhagen, 
К. Spire-Straßburg, E. H. Staerling-London, J. Bieklasa-Prag, W. Biraub-Freiburg i. B., 
А. Statzer-Königsberg L Pr. У. Tangi-Budapest, И. v. Tappeiner-München, И, Thoms- Berlia, 
3. Traube-Charlottenburg, A. J. J. Vandeveldo-Gent, W. Wiechewski-Prag, A. Wehl-Danzig, 
| J. Wohlgemuth-Berlin. 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin. 


Dreiundfünfzigster Band. 





Verlag von Julius Springer. 
1913. ;, 


aN 
6. 





351819 
(АХ? 5О\ 
1556 


м. 9 х 


Druck von Oscar Brandstetter іп Leipzig. 


( 
une КАИ) (тз; у. 


45 + e nn 


Io "It то 


Inhaltsverzeichnis. 


Biren, Julius und Michael Pöläayi. Über die Anwendung des zweiten 
Hauptsatzes der Thermodynamik auf Vorgänge im tierischen 
Organismus .......... EE ee 8 

Tangl, Р. Ein Calorimeter für kleine Tiere ........... 

Таза, F. Calorimetrie der Nierenarbeit . . . . . . . .. ZS 

Cserna, St. und G. Kelemen. Größe der Arbeit kranker Nieren — 

Versär, Frits, Die Größe der Milzarbeit . . . . . 

Hannemane, Karl. (München.) Zur Kenntnis des Einflusses des Groß- 
hirns auf den Stoff- und Energieumsatz ...... 

Alexander, Frans G. und Stephan Cserna. Einfluß der Narkose auf ion 
Gasweochsel des Сеһїтв............... 

Bé, Paul, Weiterer Beitrag zur Kenntnis der Wirkung der Kohlen- 
hydrate auf den Energieumsatz . . . ee ae e a nu 

Чеге, F. und A. v. Fejee. Die Verbrennung von Traubenzucker im 
Рапктеаздїабеевв.................,... 

von Fejéæ, A. Einfluß des Schmelzpunktes nicht emulgierter Fette 
auf die Geschwindigkeit ihrer Entleerung aus dem Magen . . . 

Вођоауі, Н. Kolloidchemische Eiweißstudien ....,..... 

Bebengt, Н. KRingfiguren in der gefrorenen Gelatine . . . . 

Bereseller, L. Stalagmometrische Studien an kolloiden und krystal- 


loiden Lösungen. I. . 2.2. 2 2 2 0 ee er een 
Berezeller, L. Stalagmometrische Studien an kolloiden ала krystal- 


loiden Lösungen. П..................... 
Berczeller, L. und L. Csáki. Stalagmometrische Studien an kolloiden 


und krystalloiden Lösungen. Ш............... 
Grób, Julius. Wirkung des Eisengehaltes des Blutmehles auf den 
Eisenumsatz der mit Blutmehl gefütterten Tiere . . . 
Sieburg, В. Über das biologische Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotin- 
BRUTO p- i ae ei ne ee wir 


Seite 


116 


168 


215 


233 


238 


. 256 


. 259 


IV 
Seite 


SchleSmann, Arthur und Hans Murschhauser. Über den Einfluß der 
vorangegangenen Ernährung auf den Stoffwechsel im Hunger . . 265 
Scheunert, Arthur, Walter Grimmer und Peter Andryewsky. Studien über 
die Topographie der Peroxydasen im Verdauungsschlauch und 


über ihren Nachweis .................... 300 
Michaelis, L. und Н. Pechstein. Untersuchungen über die Katalase 

der Lebor u 320 
Bhrenberg, Rudolf. Zur Lehre von der Gelstineanellangi in wässerigen 

EOBUNGOH: -s a эж жазалы Eee эё пй na 356 
Loeb, Jacques. Über die Anpassung von Fundulus an höhere Konzen- 

Ebene оаа E E жй ёё at . 391 
Neuberg, ©. und Joh. Kerb. Über zuckerfreie Hefegärungen. ХП. 

Über die Vorgänge bei der Hefegärung ........... 406 


Bertolini, А. Erwiderung auf Е. Salkowskis Mitteilung „Über die 
. Wirkung der Antiseptica auf Toxine“. (Diese Zeitschrift 50, 483.) 420 

Salkowski, Е. Bemerkungen zu der „Erwiderung“ von Bertolini. (Diese 
Zeitschrift: 58,420)..................... 422 
Hämäläinen, J. Synthetische ß-Glucoside der Terpenslkohole. ПІ. . 423 

Grimmer, W. Beiträge zur Kenntnis der Fermente der Milchdrüse 


und- der Milch: s-s w жж жок желке eh Ж 429 
Galeotti, Є. Über die Kondensierung der Aminosäuren vermittelst des 
‚ Formaldehyd . .. 2.2.2 2222020000. E 474 
Stauber, B. Über Blutlipoide und Рһарооубое......... . 493 


Sonntag, ©. Die „Methode von Gabriel Bertrand“ zur Zuekerbestiminung 501 
Autorenverzeichnis . . . . . е ааа er EE 504 


Über die Anwendung des zweiten Hauptsatzes der Thermo- 
dynamik auf Vorgänge im tierischen Organismus. 
Von í 
Julius Báron und Michael Pólányi. 


(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: F. Tangl.) 


(Eingegangen am 5. Juni 1913.) 


Schon lange steht die Frage nach der Möglichkeit der 
Anwendung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik auf 
Vorgänge im tierischen Organismus im Mittelpunkt einer inter- 
essanten Debatte. Wir haben versucht, diese Frage im fol- 
genden zu beantworten. 

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik wird vollständig 
ausgedrückt durch das Prinzip der Vermehrung der Entropie: 
„Jeder in der Natur stattfindende physikalische und chemische 
Prozeß verläuft in der Art, daß die Summe der Entropien 
sämtlicher an dem Prozeß irgendwie beteiligten Körper ver- 
größert wird.“ Eine andere Formulierung des zweiten Haupt- 
satzes bezieht sich auf isotherme Vorgänge: Jeder in der Natur 
stattfindende isotherme physikalische und chemische Prozeß 
verläuft in der Art, daß die Summe der freien Energien sämt- 
licher an dem Prozeß irgendwie beteiligten Körper vermindert 
wird. 

Da die Änderung der Entropie und freien Energie eines 
Körpersystems durch den Anfangs- und Endzustand des Systems 
bestimmt wird, müssen wir bei der Anwendung des zweiten 
Hauptsatzes der Thermodynamik auf Vorgänge im tierischen 
Organismus die Anfangs- und Endzustände aller Veränderungen 
kennen, die innerhalb einer gewissen Zeitperiode durch die 
Lebensfunktionen des Organismus bedingt ablaufen. Dann 


können wir die Änderungen der Entropie bzw. freien Energie 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 1 


2 J. Вёгоп und М. Pölänyi: 


des Körpersystems berechnen und prüfen, ob sie den durch 
den zweiten Hauptsatz gestellten Bedingungen Genüge leisten. 

Die Veränderungen, die innerhalb einer genügend langen 
Zeitperiode im Organismus und in seiner Umgebung ablaufen, 
können wir im folgenden zusammenfassen: Der Organismus 
nimmt Stoffe aus seiner Umgebung auf, assimiliert sie teil- 
weise, teilweise verbrennt er sie und gibt die Verbrennungs- 
produkte an die Umgebung ab. Der Organismus gibt an seine 
Umgebung Wärme ab und leistet mechanische Arbeit gegen 
äußere Kräfte. 

Es ist nun wichtig, zu bemerken, daß wir all diese Ver- 
änderungen physiologisch isotherm ablaufend denken können. 
Der homoiotherme Organismus ist tatsächlich in seinen ver- 
schiedenen Teilen kaum verschieden temperiert; obwohl kleinere 
Temperaturschwankungen vorkommen, ist uns еіп meßbarer 
Einfluß dieser auf die Vorgänge im Organismus nicht bekannt. 
Die Veränderungen innerhalb des Organismus (Assimilation, 
Verbrennung) verlaufen also auf isotherme Weise. Die Wärme- 
abgabe an die Umgebung können wir durch einen ideal ein- 
gerichteten, mit der Oberfläche des Organismus gleichtemperier- 
ten Mechanismus isotherm geleistet denken. 

Dadurch, daß wir all diese Veränderungen isotherm ver- 
laufend denken können, haben wir einen wichtigen Vorteil bei 
der Anwendung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik 
gewonnen. In diesem Falle geht nämlich der zweite Haupt- 
satz in seine speziell auf isotherme Vorgänge anwendbare Form 
über, in den Satz der freien Energie, der viel einfacher zu 
handhaben ist als der allgemeinere Satz der Entropie, 

Die Veränderung der freien Energie bei mechanischen 
Prozessen sowie bei physikalischen und physikalisch- 
chemischen Prozessen ist bei genauer Kenntnis der Anfangs- 
und Endzustände ohne weiteres zu berechnen. Für mecha- 
nische Prozesse besteht sie in der Berechnung der Veränderung 
der mechanischen Energie, die ganz alltäglich ist. Als physi- 
kalischen Prozeß hätten wir den Vorgang der isothermen 
Wärmeabgabe zu betrachten. Dieser Vorgang selbst aber ver- 
läuft ohne Änderung der freien Energie. 

Für eine Durchrechnung eines physikalisch-chemischen 
Prozesses haben wir ein Beispiel in der Berechnung der 


Anwendg. des 2. Hauptsatzee d Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 3 


osmotischen Nierenarbeit von Югевег!), Galeotti?) und von 
Rhorer?). 

Im Gegensatz hierzu ist die Größe der Veränderung der 
freien Energie bei den chemischen Prozessen nicht aus 
den Anfangs- und Endzuständen einfach zu berechnen, sondern 
ев ist im allgemeinen hierzu noch die Kenntnis der Reaktions- 
konstante nötig. Eine Ausnahme bilden nur elektrisch aus- 
nützbare Reaktionen, die aber für den Organismus keine Be- 
deutung haben. Die Reaktionskonstante zu bestimmen gelang 
aber bisher nur bei einer einzigen Reaktion des Organismus, 
nämlich bei der Oxyhämoglobindissoziation. Zwar ließe sich 
mit Hilfe dieser Konstante die Abnahme der freien Energie 
bei der Hämoglobin-Sauerstoffverbindung bestimmen, doch hat 
eben diese Reaktion als Vermittelungsreaktion, wie leicht ein- 
zusehen ist, keinen Einfluß auf die gesamte Veränderung der 
freien Energie einer nicht zu kurzen Zeitperiode. Diese Lücke 
unseres Wissens erklärt, warum eine quantitative Behandlung 
des Organismus auf Grund des zweiten Hauptsatzes bisher 
nicht möglich war. Diese Schwierigkeit haben wir im folgenden 
durch die Anwendung des Nernstschen Wärmetheorems 
zu umgehen versucht. Wie wir sehen werden, ist die Be- 
stimmung der nötigen Reaktionskonstanten auf dem gewöhn- 
lichen experimentellen Wege gar nicht möglich, so daß den 
hier behandelten Fragen ohne das Nernstsche Wärmetheorem 
auch in der Zukunft nicht hätte nähergetreten werden können. 

Mußte auch die Größe der Veränderung der freien Energie bei den 
wichtigen chemischen Reaktionen im Organismus bisher unbekannt bleiben, 
so kann man doch in gewissen Fällen das Vorzeichen dieser Abnabme 


bestimmen, oder wo dies nicht gelingt, wenigstens dieses Vorzeichen aus 
der Wärmetönung der Reaktion mit einiger Wahrscheinlichkeit voraus- 


Sicher bestimmen läßt sich das Vorzeichen nur, wenn die frag- 
liche Reaktion auch außerhalb des Organismus freiwillig abläuft. In 
letzterem Falle muß sie von einer Abnahme der freien Energie begleitet 
werden, somit hat die Richtung des Verlaufes das negative Vorzeichen. 

Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann auf Grund der Berthe- 
lotschen Regel vorausgesagt werden, daß eine exotherme Reaktion frei- 
willig ablaufen kann, also ein negatives Vorzeichen hat, hingegen eine 


1) Dreser, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 29, 303, 1892. 
1) Galeotti, Arch. f. Physiologie, Jahrg. 1902, S. 200. 
De Rhorer, Arch. f. d. ges. Physiol. 109, 375, 1905. 

1* 


4 J. Вёгоп und М. Pölänyi: 


endotherme ein positives. Was wir so über das Vorzeichen der Ände- 
rung der freien Energie erfahren, genügt aber nicht zu einer Prüfung 
des Satzes der freien Energie im Organismus, höchstens kann man auf 
Grund dieser Kenntnis feststellen, daß es einzelne Fälle gibt, in denen 
gegen den zweiten Hauptsatz nicht verstoßen wird. Namentlich kann ein 
Organismus, in dem ausschließlich (auch außerhalb desselben) freiwillig 
eintretende Reaktionen sich abspielen, gegen den Satz der freien Energie 
sicher nicht verstoßen. Ähnlicherweise kann man es für wahrscheinlich 
annehmen, daß ein Organismus, in dem ausschließlich exotherme Reaktionen 
vor sich gehen, dem Satze der freien Energie nicht widerspricht. Sobald 
aber irgendein unfreiwilliger Prozeß (z. B. mechanische Arbeit) eingetreten 
ist, sagen uns unsere qualitativen Kenntnisse nichts mehr aus. 


Das Nernstsche Wärmetheorem. 


Wir benutzen hier den speziell auf chemische Reaktionen 
bezogenen Ausdruck des Nernstschen Wärmetheorems. Die ge- 
naue Formel konnten wir nicht anwenden, da die Temperatur- 
kurve der spezifischen Wärme bei den untersuchten Substanzen 
nicht bekannt ist. Wir wählten daher die „Annäherungs- 
formel“ von Nernst!), die die diesbezüglichen Konstanten nicht 
enthält. 

Es sei 

п,4, | п,4, |... Lëps, =, Al 
+», 4, +... уа, |... 

die Formel einer heterogenen Reaktion, an der alle drei 
Aggregatzustände teilnehmen können. Dabei mögen A,, 4, 
....4,, Ay .... Molekülarten bedeuten, die an der Reaktion 
entweder in reiner kondensierter (fester oder flüssiger) Form 
teilnehmen, oder wenn nicht, so in flüssigen Lösungen, deren 
Sättigungskonzentration einen endlichen Wert besitzt, während 
а Ban, Ou Q, .... alle anderen Molekülarten bezeichnen. 
Die Koeffizienten я,, п, ....9,, п, .... und Pn Ma, EN 
Se... bedeuten die Molekülzahl jener Molekülarten, an denen 
sie stehen. Für diese Reaktion ist nach der Annäherungs- 
formel 

= — үт + Ху. 1,7510 T 4+ ХУС, 
wo Q' die Wärmetönung der Reaktion ist bei konstantem Drucke 
gemessen, 7’ die absolute Temperatur, Zy und Ze 


1) Nernst, Theoretische Chemie, 7. Aufl., S. 744. 


Anwendg. des 2. Haupteatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 5 


Ху =>, —. ... 0, — ә, — 
Х,0-=»,0, Lafe A — Ball —–.... 
bedeuten und — 
k = pı "pel, 


IM 


pi рз" 
ist. 

Hier bedeuten О,, О„,...О,',О,'.... die „chemischen Kon- 
stanten“ der Substanzen a,,@,,.-..-.0,,Q, .... die Nernst für 
einige Substanzen bestimmt hat und die wir seiner Tabelle 
entnehmen; während P,, P} --- -Pı Pa -... die partiellen 
Gasdrucke der Substanzen а,, а, ....а,, 0, .... in Atmo- 
sphären sind für den Fall, daß ein Gleichgewicht besteht, an 
dem die übrigen Substanzen, die noch durch die Reaktion um- 
gewandelt werden, bzw. entstehen (4,, 4,,.... Ay, Ay ....) 
in festem Zustande teilnehmen). | 

Hat man in dieser Weise log E bestimmt, so berechnet 
sich die Veränderung der freien Energie, unter Voraussetzung 
idealer Lösungen bei der obigen Reaktion folgendermaßen: 

Nennen wir diese Veränderung A, so ist 


А = 4,571 Т |- Zn log Å — log #— Zvlogp]|, 
° % 
und hier 


с с, Ce ES бу, 
Zn log —= n, log — п, 105 | .... — п, log —;, 
с, Сл l с» Сз 
— n, log =, — 
91 
Ху log р = у, log р, + у, log р, |... .— >, log p, 
— у, log p — ...., 
worin wieder c,, €, ....с,', с, die Konzentration der Substanzen 
4,, А, ....4,, Ay .... in einer flüssigen Phase sind und 
LEEREN » C die Sättigungskonzentrationen dieser Stoffe 


in азаеп flüssigen Phase?). 


1) Letztere Voraussetzung kann freilich nur dann gemacht werden, 
wenn sie der Phasenregel wiederspricht. 


1) Das Glied — Za log = — ist die Veränderung der freien Energie, 


von der die Auflösung der — 4, Ze ...А,', Ae... in Lö 
sungen der Konzentrationen e, Ca ... C, с... < begleitet "wird. Ist 
keine flüssige Phase beteiligt, so fallen diese Glieder weg. 


6 J. Вёгоп und М. Pólányi: 


Setzen wir nun den Wert von 100 EH aus der Nernstschen 
Formel ein, so ist 
А= 4,571 T|—Zniog © — Zylogp+ 2» Lane? +20 |—Q 
g 
und 


A +Q = 4,571 т|— Zn 106: — Zrlogp+ Zu 1,75l0g7”+2v0]. 
g 


Wir wollen kurz bei letzterer Formel verweilen und be- 
rechnen den maximalen und minimalen Wert der Größe 


Arg 
ZN ’ 
wo ZN =2|n|-+-|r| ist, also die absolute Zahl der Moleküle, 


die an der Reaktion teilnehmen. Dies gelingt unter gewissen 
Voraussetzungen und führt zum Ergebnisse, daß immer 


16 800 > 48 — 16 8001) .....W 





1) Das Berechnen gestaltet sich folgendermaßen. Es frägt sich 
erstens, unter welchen Bedingungen ein Maximalwert der Größe 


с 
реч — — 7 
44 e, ЖМИ he ep ti log T +0)| 


ZN ZN 
überhaupt existiert. Da ZN > Ze L Хв sein muß, so kommt es nur 
darauf an, daß die Werte log S, log р, 1,75log T und O einen oberen 


9 
Wert haben sollen. Da diese Größen voneinander unabhängig sind, so 
muß jede für sich einen oberen Wert haben, damit ihre Summe einen 
oberen Wert habe. Wir fangen damit an, daß wir uns auf Reaktionen 
beschränken, die nicht über 37° (— 810 Т) ablaufen. Dadurch ist der 
obere Wert von 1,75 log Т festgesetzt: 
Т <810, 
1,75 log T < 4,36. 
Der höchste bekannte C Wert, ist 3,6, und es liegen Gründe ver- 
. sohiedener Art vor, die es sehr unwahrscheinlich machen, daß ein C-Wert 
überhaupt viel größer sein kann. Wir können also setzen 


0<s3,6. 
Die Größen log — und log р erhalten ihre oberen Werte aus der 
е 





Forderung, daß с, с, und р meßbar sein müssen. Setzen wir als höchste 
herstellbare Gasdrucke 10 000 Atm., als niedrigste, gut meßBbare Gas- 
drucke 0,0001 Atm.; als höchste Konzentration einer (gesättigten) Lösung 


Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 7 


Hieraus folgt vor allem, daß im Falle, daß 


Q 
oder 
О 
ўў < 16800 


ist, A und Q von entgegengesetztem Vorzeichen sind, d. h. die 
Reaktion muß praktisch restlos in der exothermen Richtung 
ablaufen. Aus der Nernstschen Annäherungsformel folgt also, 
daß (bei einer Temperatur nicht viel höher als 37°) in diesem 
Falle die Berthelotsche Regel uneingeschränkte Gel- 
tung hat. 

Da ferner 


d 4 „© 
sy — 16800 < — 5y < зуу} 16800 


10 mal molar, als niedrigste, gut meßBbare Konzentration 0,0001 mal molar, 
so ist 


— 4<SIogpst 
und 
0>lgl>— 5. 
= Е = 
Daraus folgt nun, daß 
5 |а| 2 Хао 2 — 51а 
опа ú 


— 11,96 Ziv| < >|»|(— log p+ 1,75 log T +0) < 11,96 lei 
Daher ist 
11,96 (|r| + >|з|)>— Хао + Х»(— log p + 1,75logT +0) 
7 


2 — 11,96(®|»| + Х|п)). 
Da aber 
ХН = Х|» +»), 
so ist 


11,96 EN > — En log + Ху (— log p + 1,75 log T +0) 2 — 11,96 5N. 


Cg 
Durch ZN dividiert und mit 4,571 T multipliziert 
45717 = Inlog Z — Zv log p + Х» 1,75 log T + Da 
EE De EE 
16 800 > sy 
> — 16 800. 
Gleichzeitig folgt 
16800> 2+ > 16 800 
E- FN = 


8 J. Báron und М. Pölänyi: 


ist, so wird, wenn A sehr groß neben + 16800 ist, annähernd 
— und annähernd ON = — A werden. 

ZN 2N _ 
Letzteres Verhalten ist tatsächlich ganz allgemein bei 
Reaktionen mit großen Wärmetönungen. So werden wir bei 
den Verbrennungen von Fett, Eiweiß und Zucker sowie bei 
der Fettsynthese aus Zucker finden, daB O von — A im Orga- 
nismus um nicht mehr als 13%, verschieden ist. Dies 


entspricht den hohen Werten, die hier hat; so ist z.B. 


für die Verbrennung von Fett 


e — 
у == 42400. 


Hingegen muß betont werden, daß im Falle, daß 


Q 
— 16800 < у < 16800 

ist, weder von der Gültigkeit der Berthelotschen Regel, noch 
von einer annähernden Gleichheit von Q und — 4 die Rede 
sein kann. i 

Die Ungleichung (1) kann man übrigens in gewissen Fällen 
zur Berechnung der möglichen Grenzen der Veränderung der 
freien Energie nützlich anwenden. In dem Nachfolgenden wird 
sich hierfür noch ein Beispiel bieten. 


Berechnung der Bilanz der Veränderungen der freien 
Energie für einen speziellen Stoffwechselversuch. 


Eine Bilanz der Veränderungen der freien Energie besteht 
in der Berechnung der Summe der Abnahmen und der Zu- 
nahmen der freien Energie im Organismus und in jenen Körpern, 
an die der Organismus freie Energie abgibt bzw. von denen 
er freie Energie aufnimmt. Entsprechend dem zweiten Haupt- 
satze muß eine solche Bilanz immer negativ sein, d.h. die 
Abnahmen der freien Energie müssen die Zunahmen 
überwiegen. 

Wir machen die Voraussetzung, daß alle Veränderungen 
des Organismus während der untersuchten Periode, sowie alle 
Veränderungen der Stoffe, die den Organismus während dieser 
Zeit passiert haben, im Endergebnisse nichts anderes als Ver- 


Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 9 


brennung des Eiweißes, Fettes und Zuckers, sowie Fettbildung 
aus Zucker sind. Außerdem kann der Organismus noch mecha- 
nische Arbeit geleistet haben. 

Die weiteren Voraussetzungen, die noch zur Durchführung 
der Berechnungen notwendig sind, machen wir auf Grund der 
Verhältnisse im menschlichen Organismus. Sie werden jeder 
einzelnen Berechnung vorausgeschickt und beziehen sich auf 
die Reaktionsgleichung, die Temperatur und die Anfangs- und 
Endzustände. 


a) Verbrennung des Traubenzuckers. 
С,Н,.0, + 60, = 6 H,O + 6С0,. 

Temperatur: 37°. 

Anfangszustand: Fester Zucker und Sauerstoff von 150 mm 
Spannung. 

Endzustand: Kohlensäure von 40 mm Spannung und Wasser- 
dampf von 20 mm Spannung. 

Um eine unfruchtbare Diskussion der Werte dieser Gas- 
spannungen und ihrer möglichen Ungenauigkeit zu vermeiden, 
erwähnen wir nur, daß keine der berechneten Veränderungen 
der freien Energie sich um mehr als 3°/, ändert, wenn man 
sämtliche Spannungen auf ihren doppelten Wert erhöht. Mit 
dieser Bemerkung möge auch darauf hingewiesen werden, daß 
die hier berechneten Werte der freien Energie ohne merklichen 
Fehler auf andere Organismen übertragen werden können, bei 
denen die Anfangs- und Endkonzentrationen von jenen im 
menschlichen Organismus verschieden sind. Auch Temperatur- 
verschiedenheiten verhindern dies nicht, denn sie sind leicht 
dem Umstande entsprechend zu korrigieren, daß die Ände- 
rungen der freien Energie hier nahezu proportional der absoluten 
Temperatur wachsen. 

Die Wärmetönung der Reaktion ist 3740 cal. pro Gramm 
Zucker, also für ein Mol gleich 673 200 cal. 

Die chemischen Konstanten der Gase sind!) 

Sauerstoff Со, = 2,8, 
Kohlensäure Coco, == 3,2, 
Wasserdampf Сн,о = 3,6. 


1) Nernst, Le 


10 J. Báron und М. Pölänyi: 


Diese Data genügen, um aus der Nernstschen Annäherungs- 
formel — A zu berechnen: 


—4=@'—4,511 J— —Zylogp+ Ху 1,751087-}- Séi ; 
g 


Wir haben nur einzusetzen 
Хп = 0, 
Ху——6, 
Т = 310, 
40 150 20 
Рсо, = 750°’ Ро, 760° Рн,0 = —єгу› 
@' = 673200, 
Хуб = — 24, 
woraus sich 
— A = 763400 cal. 
ergibt. Auf 1 р umgesetzten Zucker berechnet 
— a = 4,24 Cal. 
also nur 13°/, verschieden von der auf 1 р Zucker berechne- 
ten Wärmetönung 
q = 3,74 Cal. 

Um ein Beispiel für die Dimensionen der Reaktions- 
konstanten der organischen Verbrennungen zu geben, wollen 
wir hier auch diese Konstante berechnen; sie ergibt sich mit 
Hilfe obiger Data aus 

log Kr Du 1,755log T +- >>» © 
zu #==1.10-%#%, 


Wäre also im Gleichgewicht die Tension des Wasserdampfes 
auch 1 Atmosphäre, jene der Kohlensäure 1000 Atmosphären, 
so wäre die Spannung des Sauerstoffes nach dieser Konstante 
(E) berechnet im Gleichgewicht noch immer nur 

ро, = У10 — 97 == 10-% Atm. 

Es ist ohne weiteres klar, daß sich diese Spannung und 
daher auch die Reaktionskonstante nicht direkt experimentell 
bestimmen lassen. Da der extreme Wert der Reaktionskon- 
stante bloß eine Folge der starken Wärmetönung ist, so läßt 
sich dieses Ergebnis auf die übrigen Verbrennungen im Orga- 
nismus verallgemeinern. 


Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 11 


b) Verbrennung von Fett (Tristearin). 
UD Hall, + 81,5 О, = 57 СО, + 55 Н,О. 
Anfangszustand: Festes Fett und Sauerstoff von 150 mm 
Spannung. 
Endzustand: Kohlensäure von 40 mm und Wasserdampf 
von 18 mm Spannung. 
Temperatur: 37°. 
Die Wärmetönung berechnet sich aus der spez. Ver- 
brennungswärme des Fettes, 9,5 Cal., zu 


d == 8455000 cal. 


Unsere Data sind also 
Zn—=0, Ху — 30,5, T=310, £y0 == — 155,4. 


Setzen wir all dies in den Ausdruck von — 4 ein, so er- 
halten wir 
— А = 9009000 cal., 


woraus sich die Abnahme der freien Energie, von der die Ver- 
brennung von 1g Fett im Organismus begleitet wird, zu 
—а@== 10,1 Cal. 


ergibt, also sehr nahe gleich der Verbrennungswärme eines 


Grammes Fett 
q = 9,5 Cal. 


c) Verbrennung von Eiweiß. 


Die Verbrennung von 1 g Eiweiß im Organismus liefert 
durchschnittlich 4,1 Cal. ij. 

Eiweiß liefert durch seine Verbrennung im Organismus 
zum größten Teil Kohlensäure, Wasser und Carbamid, zu einem 
kleinen Teile setzt es sich in verschiedene organische und un- 
organische Moleküle um, deren ganze Vielartigkeit schwerlich 
in eine Reaktionsformel zu bringen wäre. Wir haben dies auch 
nicht versucht, sondern teilen das Eiweißmolekül in zwei Teile, 


1) Da dieser Wert ziemlich unsicher ist, so fügen wir hier die Be- 
merkung ein, daß nach der Nernstschen Formel der Wert von A bei 
gleicher Temperatur, Anfangs- und Endzuständen mit @ proportional 
variiert, und zwar so, daß, wenn CO um einen Wert q vergrößert wird, 
— A um den Wert d wächst. Es ist also leicht, — A jeder neuen Be- 
stimmung von Q entsprechend zu korrigieren. 


19 J. Bäron und М. Pölänyi: 


von denen der eine sich in Kohlensäure, Carbamid und Wasser 
umsetzt, der andere in andere Molekülarten. 

Für den ersten Teil berechnen wir die Summe der Wärme- 
tönung und Veränderung der freien Energie A, +Q; = = ent- 
sprechend unserer speziellen Kenntnis der reagierenden Mole- 
küle. Für den anderen Teil berechnen wir nur die möglichen 
Grenzen von А, LO. entsprechend der Ungleichung (1), also 


die Werte 
х, L4, +Q; und 22 4,4-0, 
Wie leicht abzuleiten, ist dann 
т—@--2<4А<а-+{—0.... (2) 
wodurch wir also eine obere und untere Grenze für die gesamte 
Veränderung der freien Energie erhalten, von der die Eiweiß- 
verbrennung im Organismus begleitet wird!). 

Der Teil des Eiweißes, der sich nicht in Kohlensäure, 
Wasser und Carbamid umsetzt, ist beim Menschen etwa ?/,, 
der gesamten umgesetzten Eiweißmenge.. Wir können also 
schreiben: 

1 g Eiweiß -- a. O0, = b - CO, + c- H,O + d- CO(NH,) 
| 0,1 g „andere Moleküle“. 

Wir nehmen nun als durchschnittliche Zusammensetzung 
jenes Eiweißanteiles, das in CO,, H,O und CO(NH,), umgesetzt 
wird, 53°/, С, 7°/, Н, 17°], №, 239%, О. Dann schreibt sich 
die Reaktionsformel dieses Anteils: 

100 g Eiweiß + 4,54 О, = 0,6 CO(NH,), + 2,3 H,O + 3,81 CO,. 

Anfangszustand: Festes Eiweiß und Sauerstoff von 150 mm 
Spannung. 

Endzustand: Kohlensäure von 40 mm Spannung, Wasser- 
dampf von 18 mm Spannung und das Carbamid im Harn 


1) Die Berechnung der Grenzen gestaltet sich folgendermaßen. Da 

Q,' +Q; =Q die gesamte Reaktionswärme ist, so haben wir aus 
4 +Q' + 4+ —-Y=4 + 4, = A 
+4,49, —– @ = 4 
А, LN = 4 EW — =. 

Da z, < Aa HOF < Z 
ist, so ist auch ze A LN = < =, 
und endlich (+2, <A<zm = — 9. 


Anwendg. des 2. Hauptsatzes d Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 13 


gelöst, also zu einer Konzentration von etwa 2°/,. Tempe- 
ratur 37°. Die Löslichkeit des Carbamids in Wasser bei 37° 
berechnet sich aus der Löslichkeit bei 18° und der Lösungs- 
wärme zu c,—=180g pro 100 д Wasser. Wir haben also: 


с 2 
з 10 с === 06 log ту — 0,6 log 90 


9 
27 = — 1,57 
ХУС = — 7,8 


А,-+Е0,'==4,511 т|—>в log а — 2y log p+ Ху 1,75 log т >»0| 
g 


А, +Q,’ = z = — 28660 cal. 


Andererseits kann uns bezüglich der oberen Grenze der 
Anzahl Moleküle, die aus jenen 11,1 g Eiweiß entstehen, die 
sich nicht in CO,, H,O und CO(NH,), umsetzen, die Zusammen- 
setzung und der osmotische Druck des Harnes Aufschluß geben, 
da diese Moleküle zum allergrößten Teil den Organismus durch 
diesen verlassen. Nach den Untersuchungen von Steyrer und 
Bugarszky läßt sich berechnen‘), daß durchschnittlich auf 
388 Mole Carbamid 19 Mole anderer organischer Harnbestand- 
teile fallen. Da aus 111,1 g Eiweiß 0,6 Mole Carbamid ent- 
stehen, so entstehen zugleich 0,029 Mole dieser anderen orga- 
nischen Moleküle. Rechnen wir hierzu noch 1 g NH, auf die 
Tagesmenge (durchschnittlich 0,388 Mole) Carbamid, so haben 
wir auf 0,6 Mole Carbamid noch 0,09 Mole NH, — also im 
ganzen 0,12 Mole „andere Moleküle“ auf 111,1 g Eiweiß. Ver- 
zehnfachen wir diese Zahl, um sie mit aller Sicherheit als 
obere Grenze der Anzahl jener Moleküle setzen zu können, die 
außer CO,, H,O und CO(NH,), aus 111,1 g Eiweiß entstehen, 
so haben wir 

0< ZN <1,. 

Beobachten wir ferner, daß alle diese Moleküle eine end- 

liche Löslichkeit in Wasser besitzen?), so ist 


у==0, 
und daher A, +Q; == 4,571 (2 log z) , 
⸗ 


(907 1) Korányi, Richter, Physikalische Chemie und Medizin 1, 525, 
з) Da NH, als Salz gelöst ist. 


14 J. Вӧгоп und М. Pölänyi: 


Da es sich um lauter entstehende Moleküle handelt, so ist 
Zn negativ und gleich ZN, also 


0>2n>— 1,2. 
Da ferner, wie oben gezeigt wurde, 
02208 >—5 
ist, во wird 020, -+ А, 2 4,571 7.1,2 (— 5) 
02>@, + 4, >> — 8500. 


Gehen wir nun auf die Bezeichnungen der Ungleichung (2) 

zurück, so haben wir 
x == — 28660; x, = — 8500; 2, = 0; 
Q = 111,1.4,1.100 = 455510. 
Ра пип 
+, — <А, -А, < а, 2—60 
ist, во haben wir 
— 492000 < А, + А, < — 484 000. 
Wir nehmen den Mittelwert 488000 cal. an als die Ab- 


nahme der freien Energie bei der Verbrennung von 111,1 g 
Eiweiß im Organismus. Auf 1 g Eiweiß berechnet sich hieraus 


— а == 4,4 Cal, 
also wenig verschieden von 
q = 4,1 сай, 


der Wärmetönung derselben Reaktion. 


d) Die Synthese von Fett aus Traubenzucker. 
Wir nehmen an, daß das synthetische Fett ebensoviel C 
enthält, als der zur Synthese verwendete Traubenzucker. Dann 
schreibt sich die Reaktionsformel: ` 
19 C,H, „О, = 2 С,,Н,,,0, + 4 H,O + 49 0,. 
Anfangszustand: Fester Zucker. 
Endzustand: Festes Fett, Wasserdampf der Spannung von 
18 mm, Sauerstoff der Spannung von 150 mm. Die Tempera- 
tur ist 37°. Die Wärmetönung der Reaktion auf 1g in Fett 
umgewandelten Zuckers ist 
q = — 1,2 Cal, 
also О == — 19-180. 1,2 . 1000 = — 4,120 000 cal. 


Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 15 
Wir haben also 
KX = 0 
Ху == — 53, Т = 31009 
2 y0 = — 151,6. 
Mit Hilfe dieser Daten erhalten wir 
— А == — 3,520 000 cal. 
und auf 1 g Zucker berechnet 
— a = — 1,08 Cal, 
also wenig verschieden von der auf 1 g Zucker berechneten 
Wärmetönung 
q = — 1,2 Cal. 


e) Bilanz der Veränderungen der freien Energie. 
Prüfung des zweiten Hauptsatzes. 
Wir fassen unsere Berechnungsergebnisse mit den Wärme- 
tönungen, die wir zu diesen Berechnungen benutzt haben, in 
folgender Tabelle zusammen: 





Veränderung 
der freien 
Energie 
Cal. 








Reaktion 


Verbrennung d. Traubenzuckers 


» n Fettes . . . . 
n n Eiweißes . . . — 4, 
Umsetzung von Traubenzucker 
in Fett ......... + 1,03 


Werden in einem speziellen Stoffwechselversuche 


а g Traubenzucker verbrannt 

В g Fett ” 

у g Eiweiß n 

ô g Traubenzucker in Fett umgesetzt 

e g Cal. Arbeit geleistet, so fordert der zweite Hauptsatz, 
daß die Summe der Abnahmen der freien Energie 

Z — A = (a: 4,24 -+ f -10,1 + y: 4,4 — ô. 1,03 — e) Cal. > 0 

sei. 

Daß dies in jedem Falle zutreffen muß, ergibt sich un- 
mittelbar aus der Bildung der Summe der gleichzeitigen Wärme- 
abgabe. 


16 J. Bäron und М. Pölänyi: 
Sie ist 
Z Q == (a-3,744 0-9,5 -{-у-4,1 —д.1,2 — г) Cal. 
Hieraus ergibt sich 


Z—A— IQ = [0 (4,24 — 3,74) + £ (10,1 — 9,5) + у (4,4 — 4,1) 
1 ð (1,2 — 1,03) + e (1 — 1)] Cal. 


Z—A— 0 = [e-0,5 + 8-0,6 + y-0,3 + ô- 0,17] Cal. 


Letztere Summe gibt uns in Calorien an, um wie vieles 
die gesamte Abnahme der freien Energie immer größer sein 
muß als die Wärmeabgabe. Ihre sämtlichen Glieder sind po- 
sitiv. Welches immer das Verhältnis der einzelnen Stoffwechsel- 
vorgänge zueinander sei, immer muß also die gesamte Ab- 
nahme der freien Energie größer sein als die Wärmeabgabe, 
und es müßte in jedem Falle, in dem die gesamte Abnahme 
der freien Energie kleiner als Null wäre, auch die Wärmeab- 
gabe kleiner als Null sein. Dies ist aber im homoiothermen 
tierischen Organismus offenbar ausgeschlossen. 

Wir fassen dieses Ergebnis in den Worten zusammen, daß 
die Stoffwechselvorgänge im menschlichen Organis- 
mus, sowie in jedem anderen Organismus, dessen 
Stoffwechselvorgänge ähnlich den menschlichen Stoff- 
wechselvorgängen verlaufen, insbesondere bei denen 
im wesentlichen nichts anderes, als Kohlenhydrat-, 
Fett- und Eiweißverbrennung sowie Fettsynthese aus 
Kohlenhydraten und Leistung von mechanischer Arbeit 
vor sich geht, den zweiten Hauptsatz in jedem Falle 
befriedigen, insofern sie nur nicht mit Wärmeaufnahme 
(sondern Wärmeabgabe) arbeiten. 

Zur Verhütung eines jeden Mißverständnisses soll hier 
nochmals betont werden, daß dieses Ergebnis aus dem zweiten 
Hauptsatze keineswegs im allgemeinen zu folgern ist, sondern 
nur aus den speziellen Dimensionen der Abnahmen der 
freien Energie der speziellen Vorgänge, um die es sich handelt. 
Der zweite Hauptsatz hat hier nur über die Veränderungen 
der freien Energie etwas zu sagen, und wenn wir diese Ver- 
änderungen nicht kennen, so sagt uns der zweite Hauptsatz 
gar nichts. 


Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 17 


Über eine Anwendung des zweiten Hauptsatzes im Organis- 
mus. Der thermodynamische Nutzeffekt, 


Da wir in den vorangegangenen Teilen dieser Arbeit die 
Prüfung des zweiten Hauptsatzes am Organismus durchaus auf 
Grund physiologischer Kenntnisse und Theorien vollzogen haben, 
so können unsere Ergebnisse auch umgekehrt als eine Prüfung 
dieser physiologischen Kenntnisse und Theorien gelten. 

Auch läßt sich der zweite Hauptsatz für eine Kritik der 
Theorie einzelner Vorgänge im Organismus verwerten. Die 
Physiologie verbindet die chemischen und mechanischen Pro- 
zesse im Organismus untereinander und setzt dann voraus, daß 
eine Gruppe dieser Prozesse unabhängig von den übrigen Vor- 
gängen abläuft. 

So verbindet die Physiologie die Vermehrung der Ver- 
brennungen, die auftritt, wenn der Organismus mechanische 
Arbeit leistet, mit der geleisteten mechanischen Arbeit, indem 
sie sagt, daB die mechanische Arbeit durch das Plus an Ver- 
brennungen geleistet wird, das sie begleitet. 

Für die Möglichkeit der Betrachtung solcher abgeschlossenen 
Vorgangsgruppen bietet der zweite Hauptsatz eine notwendige 
(aber nicht zureichende) Bedingung. Er fordert nämlich, daß 
für die betrachtete Vorgangsgruppe 


z—A>0 
sein muß. 

Die gesamte Veränderung der freien Energie 2—A setzt 
sich immer aus Zunahmen und Abnahmen der freien Energie 
zusammen. Da aber die Summe der Abnahmen die Summe 
der Zunahmen immer übertreffen muß, so ist der Quotient der 
Zunahmen in die Abnahmen immer kleiner als Eins. Diesen 
Quotienten nennen wir den thermodynamischen Nutz- 
effekt für die betreffende Gruppe der Veränderungen. Die 
oben angegebene Bedingung können wir also auch so aus- 
sprechen, daß die Möglichkeit einer abgeschlossenen Vorgangs- 
gruppe dem zweiten Hauptsatze nicht widerspricht, wenn der 
thermodynamische Nutzeffekt für die betrachtete Gruppe der 
Veränderungen kleiner als Eins ist. 

Der Begriff des thermodynamischen Nutzeffekts stützt sich 


auf folgende Auffassung. Wie es schon für mechanische und 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 2 


18 J. Вёгоп und M. Pölanyi: 


physikalisch-chemische Prozesse (osmotische Nierenarbeit) ge- 
schah, nehmen wir als Maß der unfreiwilligen Prozesse im 
Organismus die Zunahme der freien Energie bei denselben 
Prozessen. Dann erscheinen die unfreiwilligen Prozesse ver- 
ursacht durch den Ablauf freiwilliger, mit Abnahme der freien 
Energie verbundener Prozesse. Entsprechend dem zweiten 
Hauptsatze ist die verbrauchte freie Energie bei natürlichen 
Prozessen immer merklich größer als die dadurch erzielte Auf- 
speicherung von freier Energie. Nur im idealen Grenzfalle, 
wenn alle Vorgänge reversibel ablaufen, ist der Unterschied 
Null. Verbrauchte und aufgespeicherte freie Energie wären 
dann einander gleich und der oben definierte thermodynami- 
sche Nutzeffekt gleich Eins. Der Wert des tatsächlich ge- 
fundenen Nutzeffektes zeigt also den Grad an, in dem sich der 
Ablauf der betreffenden Veränderungen der Reversibilität nähert, 
also kurz den Grad ihrer Reversibilität. 

Für die Größe dieses Quotienten ist auch bestimmend, 
wie man die gesamte Veränderung in einzelne Vorgänge zer- 
legt. Wie dies im allgemeinen zu geschehen hat, darüber zu 
entscheiden haben wir nicht unternommen. Die Zerlegungen, 
die wir in einzelnen Fällen weiter unten benutzt haben, fanden 
wir in der physiologischen Chemie fertig vort). 


a) Thermodynamischer Nutzeffekt der mechanischen 
Arbeitsleistung. 


Wir nehmen den häufigsten Fall, daß die mechanische 
Arbeit auf Kosten einer Mehrverbrennung von Traubenzucker 
geleistet wird. Der calorische Wert dieser Mehrverbrennung 
beträgt bekanntlich zirka das Dreifache der mechanischen Arbeit. 
Ist die durch Mehrverbrennung von zg Traubenzucker geleistete 
mechanische Arbeit gleich m, dann ist, da der calorische Wert 
der Verbrennung von zg Traubenzucker Q — 3,74 z Cal. ist, 

dm 
3,74 


1) Es sei hier bemerkt, daß, wenn auch die Größe Æ des thermo- 
dynamischen Nutzeffekts durch die Art der Zerlegung mit bedingt wird, 
das Vorzeichen der Größe (1 — E) von der Art dieser Zerlegung un- 
abhängig ist. Die oben angegebene Bedingung ist also, einerlei, wie die 
Zerlegung erfolgt, immer eindeutig. 


Anwendg. des 2. Hauptsatzes d. Thermodynamik auf biolog. Vorgänge. 19 


Die Abnahme der freien Energie bei der Verbrennung von 
2g Traubenzucker ist gleich z-4,24Cal. Der thermodynamische 
Nutzeffekt ist daher 


KE m __ 3,74 
Za 3.4,24 
374 4,24 
Е== 0,99 < 1 


Wie wir sehen, ist die vom zweiten Hauptsatz gestellte 
Bedingung befriedigt, die Möglichkeit der betrachteten ab- 
geschlossenen Vorgangsgruppe also vom zweiten Hauptsatz 
nicht negiert. 

Der Wert dieses thermodynamischen Nutzeffektes tritt 
dem Werte der Quotienten 


den .man gewöhnlich als „Wirkungsgrad“ oder „technischen 
Wirkungsgrad“ der mechanischen Arbeit bezeichnet, sehr nahe. 
Deswegen soll die prinzipielle Verschiedenheit der beiden Quo- 
tienten ausdrücklich betont werden. 


b) Thermodynamischer Nutzeffekt der Fettsynthese 
aus Traubenzucker. 


Um Fettsynthese aus Traubenzucker zu erzielen, muß man 
den Organismus mit einem Überschuß an Kohlenhydraten 
füttern. Nach den Versuchen von О. Kellner?) wird bei 1000 р 
Mehrfütterung von Kohlenhydraten durchschnittlich 200 g Fett- 
ansatz erzielt. Dies entspricht 384 g Traubenzucker (gleicher 
C-Gehalt). 

Es wird angenommen, daß die Verbrennung der übrigen 
616 g die Synthese bewirkt. Die Abnahme der freien Energie bei 
der Verbrennung von 616 g Traubenzucker beträgt 616. 4,24 Cal., 
die Zunahme der freien Energie bei der Umwandlung von 384 g 
Traubenzucker in Fett 384-1,03 Cal Der thermodynamische 
Nutzeffekt berechnet sich hieraus zu 

p — 3841,03 


= — = 0,152. 
616. 4,24 0,1 
1) О. Kellner, Die Ernährung дег landwirtschaftlichen Nutztiere. 
1912. 8. 155. 
ge 


920 J. Báron und М. Pölanyi: Anwendung des 2. Hauptsatzes usw. 


Da E <1 ist, gibt der zweite Hauptsatz die Möglichkeit 
der betrachteten abgeschlossenen Vorgangsgruppe zu. 


Zusammenfassung. 


1. Die Kenntnis der Veränderungen der freien Energie im 
Organismus kann nur auf Grund des Nernstschen Wärme- 
theorems erlangt werden. 

2. Es werden die Veränderungen der freien Energie, von 
denen die einzelnen Stoffwechselvorgänge begleitet werden, für 
den speziellen Fall eines Stoffwechselversuches berechnet. Die 
Veränderungen der freien Energie bei den einzelnen Reaktionen 
werden nahe gleich den Wärmetönungen gefunden. Auf Grund 
dieser Beziehungen wird erwiesen, daß die Vorgänge im Orga- 
nismus immer gemäß den vom zweiten Haupteatz gestellten 
Bedingungen verlaufen, wenn nur der Organismus nicht mit 
Wärmeaufnahme arbeitet. 

3. Der Begriff des thermodynamischen Nutzeffektes "wird 
eingeführt und für die Beurteilung der Theorien über ab- 
geschlossene Vorgangsgruppan im Organismus als nützlich ge- 
funden. Der thermodynamische Nutzeffekt der mechanischen 
Arbeit und der Fettsynthese aus Traubenzucker wird berechnet 
und die Zulässigkeit dieser Theorien vom Standpunkt des 
zweiten Hauptsatzes erwiesen. 


Ein Calorimeter für kleine Tiere. 
Von 
Е. Tangl. 
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.) 
(Eingegangen am 5. Juni 1913.) 
Mit 3 Figuren im Text. 


Das Calorimeter, das im folgenden beschrieben wird, ist 
nach demselben Prinzip gebaut, nach dem Chr. Bohr und 
K. A. Hasselbalch ihr Calorimeter zur Bestimmung der Wärme- 
produktion des Hühnerembryo konstruierten:?) 

Die Wärmeproduktion wird auf thermoelektrischem Wege 
gemessen, indem der Thermostrom, den die durch die tierische 
Wärmeproduktion bedingte Temperaturerhöhung erzeugt, mittels 
einer Wärmequelle kompensiert wird, in der eine genau ge- 
messene Wärmemenge erzeugt wird. 

Mein Calorimeter weicht vom Bohrschen, wie aus fol- 
gender Beschreibung ersichtlich, außer den größeren Dimen- 
sionen, hauptsächlich durch die Art der Wärmeisolierung des 
Tierbehälters ab, die ich durch Verwendung der Dewarschen 
Gefäße noch erhöht habe. Auch mußte die Versuchsmethodik 
dem Umstande angepaßt werden, daß bei Tieren, die während 
des Versuchs Bewegungen ausführen, eine so vollständige und 
konstante Kompensation wie beim Hühnerei nicht möglich ist. 


Beschreibung des Calorimeters. 

Das Calorimeter selbst besteht aus 2 ganz gleichen äußerst 
dünnwandigen (0,3 mm), innen geschwärzten Kupferzylindern, 
deren lichter Querdurchmesser 110 mm und Höhe 210 mm be- 

1) Chr. Bohr und K. A. Hasselbalch, Über die Wärmeprođuk- 


tion und den Stoffwechsel des Embryo. Skandinav. Arch. f. Physiol. 
14, 398, 1903. 


- = Жане r. 











29 F. Tangl: 


trägt (s. Fig. 1,a, die einen schematischen horizontalen Quer- 
schnitt darstellt). Vorn sind diese Zylinder auf einen schmalen 


9— 
| 


чыл, ч 
— 
Ee MI YII Рр учен: AEN den bb ge FR ké Eegen Së 


GE sch 
































aaa nm 
ШЦ ТН 


Messingring gelötet,dessen vordere Fläche sorgfältig planpoliert 
ist, so daß eine Glasplatte (Б), nach Bestreichen der Ring- 


Ein Calorimeter für kleine Tiere. 23 


oberfläche mit etwas Vaselin, den Innenraum des Kupferzylinders 
luftdicht abschließt. Zur Sicherung des luftdichten Abschlusses 
wird diese Glasplatte durch je 4 Klemmschrauben festgehalten. 

Die Kupferzylinder stecken in je einer Dewarschen Flasche 
(Fig. 1, си. с) von ähnlicher zylindrischer Form, deren innerer 
lichter Durchmesser 125 mm beträgt, so daß zwischen Zylinder 
und Flasche ein Zwischenraum von 7,5 mm Durchmesser bleibt. 
Mit ihrem vorderen Rande passen die Dewarschen Flaschen 
in je eine kreisförmige Rinne einer 0,5 сю dicken Ebonitplatte 
(d). Diese Rinne umgibt jene 2 kreisförmigen Ausschnitte der 
Ebonitplatte, durch die die Kuferzylinder so gesteckt sind, 
daß der obenerwähnte Messingring genau auf der vorderen 
Seite der Ebonitplatte ruht. In diese Rinne werden die De- 
warschen Flaschen durch ein Schraubengestell gepreßt und 
fixiert, dessen vorderes Ende in die Ebonitplatte eingelassen 
ist und dessen horizontaler Querast je einen Ebonitzylinder durch- 
setzt (e), durch den der Zapfen der Dewarschen Flaschen ge- 
steckt ist. 

Die äußere Fläche der 2 Kupferzylinder ist blank 
poliert, an 6 symmetrisch verteilten Punkten sind 1 mm 
dicke Konstantandrähte angelötet, die je 2 Punkte der 2 Zy- 
linder verbinden. (In der Abbildung sind nur 2 Paar Lötstellen 
und eine (ў) Konstantanverbindung sichtbar.) Die Konstantan- 
drähte sind vom Kupferzylinder isoliert zwischen diesem und 
der Dewarschen Flasche und vorn in Rinnen der Ebonitplatte 
gezogen. Von jedem Kupferzylinder führt је ein 1 mm dicker 
angeschmolzener Kupferdraht (g und д) zum Galvanometer (h). 
Wir benützen jetzt ein ausgezeichnetes, sehr empfindliches 
Brocasches Galvanometer. 

Zur weiteren Sicherung der Wärmeisolierung sind die De- 
warschen Flaschen in einen blankpolierten Kupferkasten (k), 
dessen vordere Wand durch eine Ebonitplatte (d) gebildet wird, 
во eingesetzt, daß sie und die Kupferzylinder festgehalten wer- 
den. Die Dimensionen dieses Kupferkastens betragen 350 >< 
350 ><210 mm. Der von der Dewarschen Flasche freigelassene 
Raum im Innern des Kupferkastens ist mit Korkabfällen aus- 
gefüllt. Auf der oberen Fläche trägt dieser Kasten — (Calori- 
meterkasten) — 2 Griffe, mittels deren er leicht in den Ther- 
mostat gehoben bzw. aus demselben entfernt werden kann. 














24 Е. Tangl: 


Beide Calorimeterzylinder haben noch 2 Öffnungen: je 
eine hinten und eine vorne; durch sie wird das Innere ventiliert. 
Zur hinteren Öffnung führt die Kupferröhre (¢,), durch sie tritt 
die Luft ein, während durch die vordere Öffnung und die 
Röhre $, die Luft austritt. Diese Zu- und Ableitungsröhren 
sind ebenfalls zwischen Kupferzylinder und Dewarschem Ge- 
fäß gelagert; beide Röhren haben unmittelbar vor dem Kupfer- 
zylinder eine Erweiterung ($,) zur Aufnahme eines Thermo- 





Fig. 2. 


meters, mit dem die Temperatur der ein- und austretenden Luft 
gemessen wird. 

Der ganze Calorimeterkasten befindet sich während des 
Versuches in einem Thermostaten, dessen vertikalen Quer- 
schnitt Fig. 2 zeigt. 

Der Thermostat ist ein auf einem 88cm hohen Eisenge- 
stell ruhender doppelwandiger Kasten aus verzinntem Eisen- 
blech. Nur seine vordere Doppelwand (Fig. 1, A) ist aus Glas, 


Ein Calorimeter für kleine Tiere. 25 


damit man in das Innere sehen kann. Die Dimensionen sind 
aus Fig. 2 ersichtlich. 

Der mit Wasser ausgefüllte Raum (В) der Doppelwand ent- 
hält noch in seinem unteren horizontalen Teile ein Rührwerk, 
eine Flügelschraube (Fig. 2, C), deren vertikale Achse durch eine 
Stopfbüchse durch den Boden des Kastens geführt und mittels 
einer Schnurscheibe (О) von einem Elektromotor angetrieben 
wird. — In das Wasser reichen auch noch der lange zylindri- 
sche Teil eines Toluolregulators, der zur Konstanthaltung der 
Temperatur des Wassers dient, wenn der Thermostat auf eine 
bestimmte Temperatur geheizt werden soll, und ein Thermo- 
meter. 

Die obere Wand des Therinostaten ist so konstruiert, daß 
nach dem Einsetzen des Calorimeterkastens der Thermostat- 
raum auch von oben durch Wasser abgeschlossen werden kann. 
Zu diesem Zwecke sind die äußere und innere Platte der oberen 
Wand voneinander getrennt: Die äußere Platte (D) ist aus Alu- 
minium und von außen mit Linoleum bedeckt und bildet einen 
leicht abnehmbaren Deckel. Die innere Platte besteht aus 
einer dicken Glasplatte (D’), die genau auf einen plangeschlif- 
fenen Metallrahmen D, paßt, der auf den oberen Rand der 
Innenplatte der senkrechten Doppelwand gelötet ist. Die plan- 
gesechliffene Fläche des Metallrahmens wird mit Vaselin be- 
strichen, bevor die Glasplatte aufgesetzt wird, wodurch der luft- 
dichte Abschluß gesichert und leicht kontrolliert werden kann. 

Um die Erhaltung der Temperaturkonstanz des Wasser- 
mantels zu erleichtern, ist die äußere senkrechte Wand des 
Thermostaten mit einer dicken Asbestplatte (Ё) und diese mit 
Linoleum (F) bedeckt. 

Die inneren lichten Durchmesser des Thermostaten sind 
so gewählt, daß der eingesetzte Calorimeterkasten, der auf Holz- 
klötzen (G) ruht, an allen Seiten noch mit einem 2—4 cm 
breiten Luftmantel umgeben ist. Die isolierten Kupferdrähte 
und die Kupferröhren, die vom Calorimeterzylinder kommen, 
sind durch luftdicht eingesetzte Röhren durch die Wand des 
Thermostaten nach außen geleitet. 

Während des Versuches befindet sich in einem der Calori- 
meterzylinder das Versuchstier, im anderen ein Rheostat, mit 
dem die Wärmeproduktion des Tieres kompensiert wird. 





26 Е. Таре]: 


Dieser Rheostat (Fig. 1, D besteht aus einem spiralig ge- 
wundenen 0,2mm dicken Konstantandraht in einem einfachen 
Kupferdrahtgestell, dessen beide Enden gleichzeitig als Pole 
dienen. Sie sind durch einen Kautschukpropfen (1 gesteckt, 
der luftdicht in die kreisrunde Öffnung der dicken Glasplatte 
paßt, die den Calorimeterzylinder nach vorn absperrt. An den 
Polen sind Klemmschrauben zum Anschluß der Kupferkabel 
(m), die zum Akkumulator bzw. zu einem Präzisionszeigergal- 
‚vanometer (о) (Siemens u. Halske) führen. Mittels der letzteren 
wird die Intensität des durch den Konstantanrheostaten ge- 
schickten Heizstrom mit einer Genauigkeit von 0,1°/, gemessen. 
Seine Stärke kann mit einem Regulierwiderstand (о) auf den 
gewünschten Wert eingestellt werden. 

Das Versuchstier kann natürlich nicht unmittelbar in 
den Calorimeterzylinder gesteckt werden, es darf ja nicht 
die Zylinderwand unmittelbar berühren, auch müssen die 
Exkremente gesammelt werden. Es kommt zunächst in einen 
Käfig, der als Einsatz in den Calorimeterzylinder paßt, nur 
etwas kleiner ist, so daß ein Zwischenraum ihn von der Wand 
des letzteren trennt. Fig. 3 zeigt diesen Käfig im vertikalen 
Längsschnitt, wie er im Calorimeter- 
zylinder (а) steckt (in Fig. 1 ist dieser 
Käfig nicht abgebildet). In Fig. 3 sind 
І die Querschnitte von 2 Ebonitrin- 
gen, die den Käfig von der Zylinder- 
wand isolieren und stützen. Die obe- 

Ne ren ?/, (Fig. 3, II) des Кабрв be- 
stehen aus einem feinen Kupferdrahtnetz, das untere Drittel 
(III) aus dünnem, innen verzinntem Kupferblech. Das Tier 
sitzt im Käfig auf einem verzinnten Kupferdrahtnetz (ГУ); 
der Harn kann durch dieses in den unteren Teil III des Ка- 
figs fließen, wo er unter Paraffinöl sich ansammelt. Vorn ist 
der Käfig mit einer Glasplatte (У), die mit Klammern festge- 
halten wird, abgeschlossen. 

Ein ähnlicher Käfig ist auch im anderen Calorimeterzylinder, 
in dem sich der Rheostat befindet. (Nicht abgebildet.) 

Durch die obenerwähnten Röhren — Fig. 1, $, und $, — 
wird im Versuche bloß jener Zylinder ventiliert, in dem sich 
das Tier befindet. Die Röhren des anderen Calorimeterzylinders 





Ein Calorimeter für kleine Tiere. 27 


sind dicht verschlossen. Die Ventilation besorgt eine Wasser- 
strahlluftpumpe oder eine größere Mariottesche Flasche oder 
eine Zentrifugalpumpe (Fig. 1, p), je nach der Größe des Tieres. 

Die in den Apparat eintretende Luft wird mit Natron- 
kalk (Fig. 1, ғ) von der CO, und mit H,SO, (Fig. 1, 8) vom 
Wasserdampf befreit und dann durch ein langes in das Wasser 
der Thermostatwand versenktes schlangenförmiges Kupferrohr 
geleitet, so daß es genau die Temperatur des Thermostaten 
annimmt, bevor es in den Calorimeterzylinder tritt. Die aus 
letzterem austretende Luft wird zunächst durch konz. H,SO, (t) 
geleitet, dann mit Wasserdampf gesättigt (и) und durch zwei 
Pettenkofersche Röhren mit Barytwasser geleitet (v) und mit 
einer Gasuhr gemessen (w). | 

Wie aus der Beschreibung ersichtlich, gehört dieses Calori- 
meter in die Kategorie der Strahlungscalorimeter. Die an- 
gegebenen Isolierungsvorrichtungen dienen zunächst dazu, die 
zwei Zylinder gegeneinander möglichst vollständig zu isolieren, 
damit sie einander nicht beeinflussen. Dann dienten sie auch 
dazu, den Wärmeverlust durch Leitung und Strahlung mög- 
lichst zu verringern, was die Empfindlichkeit erhöht. Voll- 
ständig kann dies ja nicht sein, schon deshalb nicht, da ja die 
vordere Wand nur aus einer Glasplatte besteht und die nicht 
isolierten Metallteile einen Teil der Wärme ableiten. Außer 
diesem Wege wird, da der Zylinder, in dem das Tier sich be- 
findet, ventiliert wird, durch diese sowie mit dem Wasserdampf 
auch Wärme entführt, deren Menge genau berechenbar ist, da 
Menge und Temperaturveränderung der durchströmenden Luft 
und die Menge des mitgeführten dampfförmigen Wassers ge- 
messen werden. Dieser Anteil der Wärmeabgabe kann je nach 
der Ventilationsgröße und ihrem Verhältnis zur Wärmeproduktion 
namhaft sein. Jedenfalls muß die Ventilation so gewählt werden, 
daß eine übermäßige Erwärmung der Luft nicht erfolge — 
(höchstens 3 bis 4°C) und keine Kondensation von Wasser- 
dampf eintrete. 

Die starke Isolierung der Calorimeterzylinder erwies sich be- 
sonders vorteilhaft in jenen Fällen, wo es sich — wie 2. В. bei 
kleinen Kaltblütern, Würmern — um sehr kleine Wärmepro- 
duktion handelt oder bei welchen eine ausgiebige Wasser- 
verdampfung die Temperaturerhöhung kompensiert. Das ist 


28 Е. Tangl: 


verständlich, wenn man bedenkt, daß je vollständiger die 
Wärmeisolierung ist, die durch eine gegebene Wärmemenge 
erzeugte Temperaturerhöhung der Lötstellen desto größer wird. 


Leistungsfähigkeit und Genauigkeit des Respirations- 
Calorimeters. 


1. Als Calorimeter. 


Ich habe schon eingangs erwähnt, daß dieses Calorimeter 
einer viel schwierigeren Aufgabe dienen mußte, als das Kom- 
pensationscalorimeter von Bohr und Hasselbalch, dem es ја, 
wie aus der Beschreibung ersichtlich, nachgebildet ist. Da 
В. und H. in ihrem Calorimeter bloß Hühnereier bebrüteten, 
so hatten sie es mit einer gleichmäßig, stetig wachsenden 
Wärmeproduktion zu tun, während ich mit meinem Calorimeter 
schnell und unregelmäßig wechselnde Wärmeproduktionen zu 
messen hatte. Es war aber schon a priori ausgeschlossen, daß in 
diesem Falle eine so vollständige Kompensation möglich sei, wie in 
den Versuchen von B. und H., und zwar mußte die Kompen- 
sation um so unvollständiger sein, je empfindlicher die Calori- 
metereinrichtung war. 

Die Eichung des Apparates mußte demnach so vorgenommen 
werden, daß auch die Leistungsfähigkeit bei wechselnder Wärme- 
produktion und bei unvollständiger, d. h. nur annähernder 
Kompensation geprüft wurde. 

Zunächst hatten wir uns davon zu überzeugen, ob die Wärme- 
kapazität beider Calorimeterzylinder die gleiche war. Zu diesem 
Zwecke wurde in beide Zylinder je ein Rheostat aus Kon- 
stantandraht von etwa 45 Ohm Widerstand (der Widerstand 
wurde genau bestimmt) genau so eingesetzt, wie er während 
des Tierversuchs in dem einen Zylinder verwendet wird. Die 
Zylinder kamen dann in den Thermostaten, und jeder Rheostat 
wurde mit einem Akkumulator und Galvanometer unter 
Einschaltung eines Regulierwiderstandes verbunden. Nachdem 
berechnet wurde, welche Stromstärke nötig ist, um in beiden 
Rheostaten die gleiche Wärmemenge zu erzeugen, wurde in 
beiden der Strom geschlossen. Bei völliger Gleichheit beider 
Zylinder durfte kein Thermostrom entstehen. Tatsächlich ergab 
sich eine fast vollständige Gleichheit; nach der kleinen gefundenen 


Ein Calorimeter für kleine Tiere. 29 


Differenz berechnete sich die Wärmekapazität des rechten 
Zylinders zu der des linken = 1 : 1,001. Diese Differenz konnte 
vernachlässigt werden. 


Die zweite Prüfung bestand darin, daß wir feststellten, 
daß sowohl bei verschiedener Temperatur des Thermostaten, 
als auch dann, wenn verschieden starke, doch in beiden Zylindern 
gleiche Wärmeproduktion in dem Calorimeter stattfand, die 
beiden Zylinder keinen Thermostrom gaben. Die Gleichheit 
der Kapazität war aber bei verschiedener Erhitzung festgestellt. 
Die Versuche, mit welchen dies festgestellt wurde, dauerten oft 
mehrere Stunden. — 


Damit war auch erwiesen, daß die Wärmeproduktion in 
dem einen Zylinder tatsächlich mit der gleichen Wärmemenge 
im anderen Zylinder kompensiert werden konnte. 


Die Ausschläge des in dem Thermostromkreis geschalteten 
Galvanometers bei unvollständiger Kompensation haben wir — 
mit Rücksicht auf die im Tierversuche gegebenen Verhältnisse — 
in zwei Richtungen eichen müssen: 1. Das Galvanometer kann 
sich auf einen Ausschlag für längere Zeit unveränderlich ein- 
stellen. Das ist der Fall, wenn die Temperaturdifferenz 
zwischen den zwei Calorimeterzylindern für längere Zeit 
konstant bleibt, d. h. die Wärmeproduktion auf der einen 
Seite um einen für den gewählten Zeitraum konstanten Be- 
trag von der der anderen Seite differiert und das Galvanometer 
die nötige Zeit hatte, sich auf diese Differenz einzustellen. 
2. Das Galvanometer verändert ständig seine Stellung innerhalb 
eines gewissen Zeitraums, d. h. die Differenz der Wärme- 
produktion in beiden Zylindern ist veränderlich resp. der 
Galvanometer hat noch nicht seinen definitiven, der Tempera- 
turdifferenz entsprechenden Ausschlag erreicht. 


Аа 1. Die Eichung geschah so, daß in beiden Zylindern 
bei verschiedenen Stromstärken (0,01 bis 0,1 Amp.) vollständig 
kompensiert wurde, dann haben wir auf der einen Seite die 
Stromstärke um einen bestimmten, genau gemessenen Betrag 
(0,01 bis 0,02 Amp.) erhöht und dann gewartet, bis das Galvano- 
meter sich auf einen Ausschlag eingestellt hat. Hieraus konnte 
die Differenz in der Wärmeproduktion und der Calorienwert 
des Galvanometerausschlags berechnet werden. Der in der 








30 Е. Tangl: 


folgenden Tabelle angeführte Versuch möge als Beispiel dieser 
Eichung dienen. Es bedeuten: 
W „,=— Widerstand des Rheostaten im rechten Zylinder = 45,10 Q 


Т, == я n э » linken n = 44,50 Q 
5 == Stromstärke im Rheostat des rechten Zylinders in Ampere 
d == э э э э linken n э” n 


С = Wärmeproduktion pro 30 Minuten in g/Cal.: 
С, = rechts = 1,2 >< H. >< 0,239 >< 1800 





= |1 mm Galv.-Ausschl. 
50 | entspricht einer 
E 
0 









Wärmeproduktion 
pro 30 Minuten 


g/Cal. 
0,092 


Ò è 

F 

d Oh. С, rE- 
z 








0,0350 0,089 
0,0186 0,097 
0,0190 | 0, 0,101 
0,0603 | 0, 0,100 
0,0127 | 0,0000 0,116 
Mittel 0,099 
gleich Calorienwert von 1 mm 
Galvanometerausschlag 


D. h. bei konstantem Galvanometerausschlag entspricht 
1 mm Galvanometerausschlag einer Wärmeproduktion von 
0,1 g-cal. pro 30 Minuten. 

Аа 2. Die Eichung des Galvanometerausschlages bei ver- 
änderlichem Galvanometerausschlag — also während langsamer 
Schwingungen, wie sie in Tierversuchen vorkommen — wurde 
so ausgeführt, daß zuerst in beiden Rheostaten die gleiche 
Wärme erzeugt wurde: der Galvanometer stellt sich genau auf 
О ein. Oder es wurde in dem einen Rheostaten um einen 
konstanten Betrag mehr Wärme erzeugt und so lange ge- 
wartet, bis der Galvanometerausschlag sich nicht mehr änderte. 
Dann wurde die Stromstärke in dem einen Rheostaten ver- 
ändert und der Ausschlag des Galvanometers notiert, den 
er nach 30 Minuten erreichte und die entsprechende Wärme- 
produktion, bzw. der calorische Wert des Galvanometerausschlages 
berechnet. Natürlich haben wir die Stromstärke auf- und ab- 


1) Bei 140 cm Skalenabstand. 





Ein Calorimeter für kleine Tiere. 31 


steigend verändert, so daß die Galvanometerausschläge nach 
beiden Richtungen geeicht wurden. Ein Beispiel dieser Eichung 
enthält folgende Tabelle, in welcher bedeuten: 


$, = die ursprüngliche Stromstärke in Ampere, 
5, == die veränderte Stromstärke, die zum 30-Minuten-Galvano- 
meterausschlag fährte, 
C, = die der Stromstärke $, entsprechende Wärmeproduktion, 
g/Cal. pro 30 Minuten, 
O = die der Stromstärke $, entsprechende Wärmeproduktion, 
g/Cal. pro 30 Minuten. 


Galvano- | 1 mm Galv.-Ausschl. 

meteraus- | entspricht einer 

c,—c, |schlagnach | Wärmeproduktion 
30 Minuten) pro 30 Minuten 







Mittel 0,195 


Bei veränderlicher, d. h. bei, wie aus der Tabelle er- 
sichtlich, mit verschiedener Geschwindigkeit schwingendem 
Galvanometer — ist der calorische Wert von 1 mm Ausschlag 
0,195 g/Cal. pro 30 Minuten. 

Auf Grund dieser Eichungen konnten wir die Wärme- 
produktion mit genügender Genauigkeit auch in unsern Tier- 
versuchen berechnen, wenn auch zugegeben werden muß, daß 
die eben beschriebene Eichung des Galvanometerausschlags nicht 
vollständig den Wärmeproduktionsverhältnissen des Tierversuchs 
entspricht. Doch muß man bedenken, daß ja der größte Teil 
der Wärmeproduktion des Tiers genau kompensiert ist!) und 
daß nur der nicht kompensierte Teil mit geringerer, aber immer- 
hin genügender Genauigkeit aus den Galvanometerausschlägen 
berechnet werden muß. Je vollständiger die Kompensation ist 
(und diese ist um so vollständiger, je ruhiger das Tier sich 
verhält), um so geringer wird der nicht kompensierte Teil der 


1) Die Intensität des Kompensationsstromes wird mit einer Genauig- 
keit von 0,1°/, gemessen. 


32 F. Tangl: 


Strahlungswärme sein. In unsern Versuchen schwankt der 
letztere zwischen 5 bis 10°/, der gesamten Wärmeproduktion. 
Daß übrigens die Eichung der Galvanometerausschläge — also 
die Messung des nicht kompensierten Teils der Wärmeproduktion 
— hinlänglich genau ist, geht aus folgendem Testversuch hervor, 
in welchem absichtlich unvollständig kompensiert wurde, und 
zwar bei der Messung einer sehr kleinen Wärmemenge. 


Testversuche. 


In beiden Calorimeterzylindern die obenerwähnten Rheo- 
staten. Außerdem in dem rechten Zylinder in einem offenen 
Schälchen 5 р dest. Wasser. Dieser Zylinder wird ventiliert, 
gleichzeitig wird durch den Rheostat dieses Zylinders ein Strom 
geschickt. Ist die Joulesche Wärme dieses Stromes genau so 
groß wie Wärme, die zur Verdampfung des Wassers verbraucht 
wird, kompensiert sie also letztere, so wird das Wärmegleich- 
gewicht nicht gestört, das Galvanometer bleibt in der O- Lage, 
Wird im Rheostaten mehr Wärme erzeugt, so gibt es einen 
Galvanometerausschlag in —-Richtung, ist die Verdampfungs- 
wärme größer, schlägt das Galvanometer in der andern (-+-) Rich- 
tung aus. Die Kompensation wurde absichtlich so gewählt, daß 
es in jedem Versuche zu einem Galvanometerausschlag kam, 
die mit obigen Eichzahlen bewertet wurden. Am Schluß des 
Versuchs wurde die Menge des Wassers wieder gewogen, um 
die Menge des verdampften Wassers zu ermitteln. Als Ver- 
dampfungswärme wurde pro 1 g Wasser 0,592 cal gerechnet. 


Die Resultate von 3 solchen Testversuchen führe ich in 
der folgenden Tabelle an. 


































ez © a) Dem | b) Dem |, , 4 
Kä 58 GË = FT: z | Kompen- | Galvano- 85 & o 
ZS 5 = S E в о = a © | sations- meter- |$ ЗЕ 
Seil = Ё тео с’ g| strome |ausschlag| о 2 SS 
Bil = с © E SS icht ei SS = 
Ф б> ь ЗФ 8 entspricht еше = 
> zZ "S < Wärmeproduktion |< ” 
Std Set (a+b) 


















omo || с 


417,7 
323,2 0,0417 — 29 
241,3 [0,0280 +2 


berechnet: Mittel 327,4 gefunden: Mittel 325,6 


Ein Calorimeter für kleine Tiere. 33 


2. Als Respirationsapparat. 


Außer auf Dichtigkeit, die mittels eines Manometers geprüft 
wurde, beschränkte sich die Eichung auf die Feststellung der 
Genauigkeit, mit der die CO,- und Wasserdampfbestimmungen 
ausgeführt werden können. 

CO, haben wir entweder aus Natriumbicarbonat entwickelt 
oder aus einem kleinen Gasometer in den Apparat strömen 
lassen; meist haben wir das erstere Verfahren angewendet, das 
eine genauere Dosierung solcher kleiner Mengen zuläßt, wie sie 
im Tierversuch vorkommen. Ventiliert wurde wie beim Ver- 
such. Beispiel: 


Co 
Nummer 7 Н ш 
des Versuchsj eingeführt gefunden 
g 





Differenz == — 0,840/, 


Die Ermittelung der Genauigkeit, mit der die Wasserdampf- 
produktion im Apparate bestimmt werden konnte, hatte deshalb 
besonderes Interesse, weil es davon abhing, ob mit dem Apparate 
der O,-Verbrauch mit genügender Zuverlässigkeit auf dem be- 
kannten indirekten Wege berechnet werden kann oder nicht. 
Wir stellten eine genau abgewogene Menge Wasser in einer 
Glasschale in den Apparat und ventilierten mit der in den 
Tierversuchen üblichen Geschwindigkeit. Natürlich war auch die 
Temperatur die der Tierversuche. Nach mehreren Stunden 
wurde der Versuch abgebrochen, das Wasser in der Schale 
zurückgewogen. Die folgende Zusammenstellung enthält die 
Ergebnisse dieser Versuche. 


Biochemische Zeitschrift Band 53. 3 








34 F. Tangl: 


— — — 






Wasser 


verdampft | wiedergefunden 







O O со N OO сть с DD мч 


ben 






Mittel 1,206 | 1194 


Differenz = — 1,0°/, 


Wenn auch die Genauigkeit geringer ist als bei der CO,- 
Bestimmung, ist sie doch so groß, daß sie die indirekte Be- 
rechnung des O,-Verbrauchs zuläßt. Natürlich bleibt diese 
Art der Bestimmung des O,-Verbrauchs an Genauigkeit und 
Zuverlässigkeit hinter der direkten zurück. 


Ausführung eines Versuches. 


Nachdem das Calorimeter auf Dichtigkeit geprüft ist, die 
Null-Lage des Galvanometers ermittelt und das Temperaturgleich- 
gewicht festgestellt ist, wird das Tier in dem Köäfigeinsatz, 
der mit dem Paraffinöl beschickt wurde, gewogen und in den 
einen Calorimeterzylinder gesetzt. Dann wird die Ventilation und 
auch gleichzeitig der Kompensationsstrom im Rheostaten des 
zweiten Calorimeterzylinders in Gang gesetzt. Natürlich muß man 
im voraus die annähernde Stärke dieses Kompensationstromes 
berechnen, um eine möglichst rasche Kompensation zu erreichen. 
Immerhin dauert es 1 bis 1'/, Stunden, bis die annähernde Kom- 
pensation erreicht ist. Der Galvanometer wird alle 5 Minuten 
abgelesen. Arbeitet man mit Kaltblütern, die stundenlang ruhig 
sitzen, во ist ein so häufiges Ablesen, wenn einmal das Gleich- 
gewicht erreicht ist, nicht nötig, es genügt '/, bis !/,stündiges. 
Zur Berechnung der Wärmeproduktion werden nur jene Ab- 
lesungen verwendet, die in eine Periode annähernder Kompen- 
sation fallen. Die Dauer eines Versuches beträgt 10 bis 24 Stunden, 
rechnet man die ersten 1 bis 1?/, Stunden, die zur Erreichung der 


Ein Calorimeter für kleine Tiere. 35 


Kompensation oder der optimalen Kompensation nötig sind, ab, 
so kann die Wärmeproduktion für 8 bis 22 Stunden berechnet 
werden. 

Die Ventilationsgröße (Stand der Gasuhr), Temperatur der 
in den Calorimeterzylinder ein- und austretenden Luft wird 
1/ stündlich abgelesen. Da die Absorptionsgefäße nur am An- 
fange und Ende des Versuches gewogen werden, so kann die 
CO,-Produktion und die Wasserdampfabgabe — und somit auch 
die durch Wasserverdampfung gebundene Wärmemenge — nur 
für die gesamte Versuchszeit und nicht für einzelne Perioden 
derselben berechnet werden. 

Sofort nach Beendigung des Versuches wird das Tier samt 
dem Käfigeinsatz wieder gewogen. Da die Wägungen des Körper- 
gewichtes und aller Ausgaben mit großer Genauigkeit (0,01 р) aus- 
geführt werden können und bei entsprechender Ventilation — 
wie die Testversuche zeigten — keine Kondensation von Wasser- 
dampf erfolgt, läßt sich die Berechnung des O,-Verbrauches 
mit genügender Genauigkeit ausführen. 

Mit dem Apparate wurden bisher schon zahlreiche Ver- 
suche ausgeführt, und zwar an Ratten, Mäusen, Fröschen und 
Blutegeln. In einigen der folgenden Arbeiten sind die Ergeb- 
nisse einer Anzahl dieser Versuche mitgeteilt. 

Zum Schlusse möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß die 
ziemlich mühsamen, viel Umsicht und Geduld erfordernden 
Prüfungen und Eichversuche von meinem langjährigen Mit- 
arbeiter Herrn Dr. P. Häri mit großer Gewissenhaftigkeit aus- 
geführt wurden, wofür ich ihm auch an dieser Stelle ganz 
besonders danke. 


3% 








Calorimetrie der Nierenarbeit. 


Von 


Е. Tangl. 
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.) 
(Eingegangen am 14. Juni 1913.) 


Mit dem in vorstehender Mitteilung beschriebenen Calori- 
meter habe ich versucht, die Größe der Nierenarbeit mittels 
direkter Calorimetrie zu bestimmen. Bisher wurden die 
Organarbeiten nur indirekt durch Ermittlung des Gaswechsels 
gemessen, und zwar entweder mittels der ausgezeichneten Blut- 
gasmethode Barcrofts oder mittels der Ausschaltungsmethode, 
die in meinem Institute ausgearbeitet wurde. Nach letzterer 
wird der Ausfall im respiratorischen Gaswechsel bestimmt, den 
die Exstirpation eines Organs beim curarisierten Tiere erzeugt. 

Ich habe nun diese Ausschaltungsmethode am nicht curari- 
sierten Tiere in der Weise angewendet, daß ich unter möglichst 
gleichen Versuchsbedingungen den gesamten Energieumsatz, die 
Wärmeproduktion, beim unversehrten Tiere und dann nach der 
Exstirpation der Nieren bestimmte. Nach demselben Prinzipe 
wie beim Gaswechsel?!) kann der Ausfall im Energieumsatze 
als Maß der Arbeit der Nieren angesehen werden. Diese Ver- 
suche bilden also gewissermaßen eine Ergänzung der Respira- 
tionsversuche, und zwar in mehreren Beziehungen. Zunächst 
wird der Energieumsatz direkt gemessen, zweitens wird die 
Ausschaltungsmethode ohne Curare angewendet, was wegen der 
eventuellen Bedenken gegen die Curareversuche als eine nicht 
unerwünschte Kontrolle dient, und drittens boten sie Gelegen- 
heit, bei einer anderen Tierspezies die Nierenarbeit zu messen, 
was wiederum für die vergleichende Physiologie Interesse hat. 


D Tangl, diese Zeitschr. 34, 1, 1911. 


F. Tangl: Calorimetrie der Nierenarbeit. 37 


Die Versuche habe ich mit der eifrigen Mithilfe des Herrn 
S. Cserna an weißen Ratten ausgeführt. Um möglichst gleich- 
mäßige Versuchsbedingungen zu schaffen, wurden alle Versuche 
an Tieren ausgeführt, die 24 Stunden lang vor dem Versuch 
hungerten. Es sind also Versuche an Hungertieren. Um die 
Größe des Ausfalles im Energieumsatz nach der Nierenexstir- 
pation möglichst zuverlässig messen zu können, wurden mit 
jedem Tiere 2 bis 3 Versuche vor der Operation gemacht. 
Jeder Versuch dauerte 5 bis 10 Stunden. Dann wurden in 
Äthernarkose beide Nieren aseptisch entfernt, die Wunde zu- 
genäht und nach !/„ bis 1'/, Stunden die calorimetrischen 
Versuche fortgesetzt. Leider vertragen die Ratten das Hungern 
nicht sehr gut, auch scheinen sie gegen die Operation sehr 
empfindlich zu sein. So habe ich von 5 Versuchsreihen 3 ver- 
loren, weil die Tiere 2 bis 3 Stunden nach der Operation 
während der Versuche eingingen, so daß ich eigentlich bloß 
2 Versuchsreihen habe, die im folgenden mit den nötigen 
Einzelheiten beschrieben sind. 

Was die Methodik der calorimetrischen Versuche selbst 
betrifft, so kann ich einfach auf meine voranstehende Mit- 
teilung verweisen, wo sie ausführlich beschrieben ist. 


Versuchsreihe 1. 


Weiße Ratte У. Gewicht am 20. XI. 1911: 195,6 g. Ge- 
wogen, nachdem das Tier das letzte Futter 24 Stunden vorher 
verzehrt hatte. 

1. Versuch im Respir.-Calorimeter am 20. XI. Dauer 10 Std. 
2. » n э » 21. ХІ. n H » 


Am 22. ХІ. уш. 11 Uhr: Exstirpation beider Nieren, 40 Min. 
nachher Beginn des 3. Versuchs im Respir.-Calorimeter. 
3. Versuch im Respir.-Calorimeter am 22. XI. Dauer 6,5 Std., 
4. я n n an demselb. Tage. Dauer 
5,2 Std. 
5 Min. nach Beendigung des Versuchs stirbt das Tier. 
Das Tier verhielt sich während der 4 Versuche im Calori- 
meter ganz ruhig. Auch im letzten Versuch nahm es bis zum 
Schlusse die normale sitzende Stellung ein. Gewicht der ex- 
stirpierten Nieren: 2,015 g. 


38 F. Tangl: 


Versuchsreihe П. 


Weiße Ratte VI. Gewicht am 26.11.1912: 151,4 g. Letzte 
Futteraufnahme 24 Stunden vor der Wägung. 

1. Versuch im Respir.-Calorimeter am 26. П. Dauer 8 Std. 
2. n л ng na 27.1. n 6,75» 
3. n nm n » 98.П. n 6,50» 

Am 29. II. vm. 10 Uhr 30 Min.: Exstirpation beider Nieren. 
1:/, Std. später Beginn des 4. Versuchs. 

4. Versuch im Respir.-Calorimeter am 29. П. Dauer 6 Std. 
5. я » ” n»n 29.11. n 5» 

Das Tier lebte noch 40 Std. nach Beendigung des 5. Ver- 
suchs. Gewicht der exstirpierten Nieren: 1,385 р. 

Die zahlenmäßigen Ergebnisse der Versuche enthalten die 
folgenden Tabellen (S. 39). 

In beiden Versuchsreihen führte die Nierenexstirpation zu 
einer Abnahme des Gaswechsels und des Energieumsatzes. Wie 
beim Hunde war der Ausfall in der CO,-Produktion größer als 
der im O,-Verbrauch, so daß auch bei der Ratte der Кевріга- 
tionsquotient stieg. 

Die Abnahme des Stoff- und Energieumsatzes ist in den 
Versuchen sehr verschieden. Von den zwei Versuchsreihen ist 
die zweite zweifellos mit geringeren Fehlern behaftet als die 
erste, da das Tier die Exstirpation besser vertrug, indem es 
noch beinahe 2 Tage nach dem Versuche lebte. Der größere 
Ausfall bei Ratte V nach der Nierenexstirpation muß entschieden 
darauf zurückgeführt werden, daß das Tier in extremis war. 
Dagegen sind bei Ratte VI die 2 Versuche nach der Nieren- 
exstirpation ganz einwandfrei. Um nun aus dem Ausfall im 
Energieumsatz auf die Größe der Nierenarbeit folgern zu können, 
muß in Betracht gezogen werden, daß das Tier zur Zeit der 
Nierenexstirpation ein kleineres Körpergewicht hatte als an den 
Tagen vorher. Das mittlere Körpergewicht vor der Nieren- 
exstirpation — Mittel aus den 3 Versuchen — ist 139,6 g, 
nach der Exstirpation — Mittel aus den 3 Versuchen — 
122,0 g. Nachmittags betrug der Energieumsatz vor der 
Nierenexstirpation im Mittel 619 g-cal. pro Stunde und 100 g 
619 >< 139,6 


100 == 864 g-cal. für das ganze Tier, 


Körpergewicht oder 


39 


Calorimetrie der Nierenarbeit. 


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‘8z Zunyyorg -+ om "ueg чәрппуәЎтунув uonssuodwoyioq owe gep ‘uedlez ZunyyoIy -— зәр ш HBB[UORSNEIEFOUIOUBATEH ө 
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I 919991, 


40 F. Tangl: Calorimetrie der Nierenarbeit. 


122 >< 568 
100 
Wäre der Energieumsatz vor der Nierenexstirpation unbeein- 

flußt geblieben, so müßte er (pro Stunde) 
122 >< 6,19 = 755,2 g-cal. betragen, 
. da er aber nur 693,0 » war, 


so ist der Ausfall pro Stunde 62,2 g-cal., 
den die Exstirpation der Nieren erzeugte. 

Der Energieumsatz — die Arbeit — der Nieren 
beträgt demnach 62,2 g-cal. = 8,29, des gesamten 
Energieumsatzes des Tieres. 

Da das Gewicht der Nieren 1,385 g war, so berechnet sich 
die Minutenarbeit pro 1 g Niere auf 0,75 g-cal. 

Beim Hunde fielen nach meinen Versuchen vom gesamten 
Energieumsatze 7,9°/, auf die Arbeit der Nieren, mithin ist 
der Anteil der Niere am Energieumsatze bei der Ratte 
derselbe wie beim Hunde. 

Wenn ich auch ohne weiteres zugebe, daß eine größere 
Anzahl von Versuchen erwünscht ist, so habe ich mich zur 
Mitteilung dieser zwei Versuchsreihen deshalb entschlossen, weil 
besonders die einwandfreie Versuchsreihe VI beweist, daß man 
mittels der direkten Calorimetrie denselben Wert für 
die Nierenarbeit erhält wie mittels der Blutgas- 
methode Barcrofts und der Curaregaswechselmethode. 
Auch sprechen diese Versuche dafür, daß die Nieren bei den 
verschiedenen Säugetieren annähernd im gleichen Verhältnis 
am Energieumsatz des Organismus beteiligt sind. 


nach der Exstirpation 568 g-cal. bzw. == 693 а-са]. 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 
Experimentelle Untersuehungen. 
Von 
St. Cserna und G. Kelemen. 


(Aus dem Institut für experimentelle Pathologie und physiologische 
Chemie der Universität Budapest. Direktor: F. Tangl.) 


(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 


Als Nierenarbeit bezeichnete F. Tangl!) jene Menge 
chemischer Energie, die durch die Lebensäußerung der Nieren 
in andere Energiearten verwandelt wird. Die Größe dieser 
Arbeit hat er durch Messung des O,-Verbrauchs und der CO,- 
Ausscheidung vor und nach der Ausschaltung der Niere ge- 
messen und ausführlich begründet, daß unter den von ihm 
gewählten Versuchsbedingungen der Ausfall im respiratorischen 
Gaswechsel wirklich als Maß der Nierenarbeit gelten kann. 
Bekanntlich stimmen seine Resultate sehr gut mit denen 
Barcrofts und Brodies?) überein. 

Е. Tangl hat bloß die Arbeit gesunder Nieren gemessen. 
Die verschiedenen pathologischen Veränderungen der Nieren 
verändern — wie allgemein bekannt — mehr oder weniger 
die Funktion der Nieren, was in den Veränderungen der Menge 
und Zusammensetzung des sezernierten Harnes zum Ausdruck 
gelangt. Es konnte mit großer Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt 
werden, daß die pathologischen Veränderungen der Nieren- 
funktion auch den Energieumsatz in den Nieren nicht nur 
qualitativ, sondern auch quantitativ beeinflussen. Daß in den 
kranken Nieren der Energieumsatz verändert ist, beweisen die 
von verschiedener Seite ermittelten, zuerst von A. v. Koränyi 
aufgedeckten Veränderungen der sogenannten „osmotischen 


1) Diese Zeitschr. 84, 1, 1911. 
з) Journ. of Physiol. 82, 88, 1905 bis 1906. 


49 St. Cserna und G. Kelemen: 


Arbeit“ der Nieren, die aber, wie aus den Untersuchungen von 
Barcroft, Brodie und Е. Tangl hervorgeht, nur einen ge- 
ringen Teil der ganzen Nierenarbeit ausmacht. Aber auch die 
Größe der Veränderung der osmotischen Nierenarbeit wurde 
unseres Wissens noch nicht gemessen. 

Auf Anregung des Herrn Prof. F. Tangl unternahmen 
wir es unter seiner Leitung, die Arbeit kranker Nieren 
nach demselben Prinzip zu messen, nach welchem Tangl die 
Arbeit gesunder Nieren gemessen hat. Wir haben bei Hunden 
in verschiedener Weise künstlich Nephritis erzeugt und, nachdem 
sich diese voll entwickelt hat, mit ganz derselben Versuchs- 
anordnung wie Tangl am curarisierten Tiere den respiratori- 
schen Gaswechsel bestimmt. Dann wurden die Nieren exstir- 
piert und der Gaswechsel abermals bestimmt. Der Ausfall im 
Gaswechsel entspricht der Arbeit der kranken Nieren. 

Da wir uns ganz genau an die von F. Tangl beschriebene 
Versuchsanordnung und Methodik hielten, so können wir ein- 
fach auf seine Beschreibung verweisen. 

Die Erkrankung der Nieren erzeugten wir auf zwei Wegen: 

a) durch Nierengifte (Schwermetallsalze, Cantharis), 

b) durch eine kurzdauernde Unterdrückung des Nieren- 
kreislaufes, wobei infolge Sauerstoffmangels Albuminurie und 
die Symptome der Nephritis auftreten. 


I. Durch Gifte erzeugte Nierenentzündung. 


Von den Giften, durch deren Darreichung experimentelle 
Nierenentzündung hervorgerufen werden kann, wurden uran-, 
chrom- und cantharidinsaure Salze verwendet. Die Versuchs- 
tiere wurden vorher in entsprechenden Stoffwechselkäfigen ge- 
halten und die Tagesmenge und Zusammensetzung des normalen 
Harnes bestimmt. Dann wurde, und zwar in sämtlichen Ver- 
suchen auf subcutanem Wege, eine so große Dose des be- 
treffenden Salzes verabreicht, daß die Niere bestimmt erkrankte. 
Einige Tage hindurch wurde dann der Harn chemisch und 
mikroskopisch untersucht und nachdem die Entzündung voll 
entwickelt war, ließen wir das Tier 24 Stunden hungern und 
führten nach vorausgegangener Curarisierung die Respirations- 
versuche vor und nach der Exstirpation der Nieren aus. Die 
Versuchsergebnisse waren die folgenden: 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 43 


1. Uranylacetatvergiftung. 
Hund 1, Gewicht 4570 р. 


27. IX. Harn: normal, Eiweiß kaum in Spuren (mit Sulfo- 
salicylsäure nach längerem Stehen leichte Trübung). Reaktion sauer. 

7 Uhr abends subcutane Injektion von 2 ccm 0,4°/,iger Uranyl- 
acetatlösung (= 8 mg Uranylacetat). 

28. IX. Harn: Eiweiß nachweisbar (0,8°/,, [Esbach]). Zucker 
nachweisbar. Aceton nicht vorhanden. Reaktion alkalisch. Zentrifugat: 
minimaler graubrauner Niederschlag, bestehend aus normalen Form- 
elementen. Keine Cylinder. 

29. IX. Harn: Eiweiß nachweisbar (7,0%, [Esbach]). Zucker 
nachweisbar (1,55°/, [Gärungsprobe]). Aceton nicht vorhanden. Reaktion 
alkalisch. Sehr trüber Harn. 

30.IX. und 1.X. Im Harne geht der Eiweißgehalt langsam zurück. 

2.X. Gewicht 4100 g. 

Harn: 5,5%, Eiweiß (Esbach). Zucker in Spuren. 

11 Uhr 55 Min. vormittags Beginn der Respirationsversuche mit 
Nierenexstirpation: Gewicht der Nieren 23,37 g. 


Tabelle I. 


























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37,81 1281 1һ 25’: Exstirpation der 
37,85 Nieren. 


1a 45°14 18”]1260| 2,61 | 2,05 | 32,9 | 25,8 [0,782 
1248] 2,73 | 2,07 | 34,0 | 25,8 0,759]° 


эһ 407113 54”l1234| 2,81 | 2,06 | 34,6 | 25,5 [0,735135 


8% 45'113’ 581254] 2,68 | 2,02 | 33,6 | 25,3 [0,755]: 
33,05 
38,05 


790138,07|., 4i 
0,738 38.10 142 


1230] 2,77 | 2,08 | 34,0 | 25,6 [0,750 902121125 
1240| 2,64 | 2,06 | 32,8 | 25,5 [0,779 32121100 
38.15 
3293 


© 0: m «л 


4» 15/13 56”11235] 2,73 | 2,05 | 33,7 | 25,3 [0,750 132 
8 


10| 42 457114’ 26”|1226| 2,74 | 2,03 | 33,6 | 24, 
11| 5% 307113" 57” 5 
12) 6% 00/|13' 54” 
13) 6° 30714' 09” 


1226| 2,69 | 1,99 | 33,0 | 24,4 10,739 110 


44 St. Свегпа und С. Kelemen: 


Mikroskopischer Befund der Nieren +): Hochgradige hyaline Degene- 
ration der geraden und gewundenen Harnkanälchen, die teilweise mit 
fettig-hyalinen Cylindern gefüllt sind. Einige Glomeruli — in geringerem 
Maße — auch hyalin verändert. 


Hund 2, Gewicht 8100 g. 

28.IX. Harn: Eiweiß in Spuren. Kein Zucker. Reaktion schwach 
alkalisch. 

10 Uhr vormitags: Subeutane Injektion von 0,5 ccm 0,4°/,iger Uranyl- 
acetatlösung (= 2 mg Uranylacetat). 

29.IX. Harn: Eiweiß in Spuren. Kein Zucker. Reaktion schwach sauer. 

In den folgenden Tagen verschwindet das Eiweiß aus dem Harne. 

7.X. Subcutane Injektion von 8 mg Uranylacetat. 

11. X. Respirationsversuch mit Nierenexstirpation. 

Harn: 300 com. Eiweiß nachweisbar. Zucker nachweisbar. Millon 
schwach. Zentrifugat: spärlicher, graubrauner Niederschlag, wenige 
Nierenepitheleylinder, viel rote Blutkörperchen. 


Tabelle II. 



























































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312% 40/| 8 05” |2266] 2,96 | 2,38 | 67,0 | 54,0 [0,806 10,20 135 
— 40.15 

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39,751120| "der Nie. 


39,75 
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» 1071756” [22810251 | 2,05 |59,5 46,8 0,198 о ug 


5| 1° 35’| 8° 03” 12242] 2,58 | 2,16 | 57,8 | 48,4 [0,838]: 





6 

7 

8| 3° 35’ 8’ 21” |2244 2,60 | 2,08 | 58,3 | 46,8 [0,801]: 39, "01105 
9| A8 007 

10 4 30’ 
11| 52 10 


8’ 17” |2277| 2,61 | 2,02 |59,5 | 46,0 [0,779]: 39, 10 105 
gr 26” |2233] 2,77 | 2,00 |61,8 | 44,8 [0,724]: 39, oni 90 








8’ 15” 12305] 2,82 | 1,95 | 65,1 | 45,0 [0,691]: 39, '95| 85 


1) Die mikrotechnische Verarbeitung der Nieren verdanken wir Herrn 
Dr. Béla Johann, Assistent am I. Path.-Anat. Inst. der Universität; 
wir danken ihm auch an dieser Stelle für seine Bemühungen. 








Größe der Arbeit kranker Nieren. 


Körpergewicht 7100 g. 


Gewicht der rechten Niere 15,68 g 
17,37 n 


n»n linken » 


33,05 g 


45 


Mikroskopischer Befund der Nieren: Epithelien der gewundenen 
Harnkanälchen stark gequollen. Hyaline Degenerationen in den geraden 


Harnkanälchen. 


12 Uhr 5 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche. 


Hund 7, Gewicht 4220 g. 


18.XI. Harn: 255 сот, normal. 


Reaktion schwach sauer. 


4 Uhr 30 Min.: Subcutane Injektion von 2,5 ccm 0,4°/,iger Uranyl- 
acetatlösung (= 10 mg Uranylacetat). 
20. ХІ. Harn (der letzten 2 Tage): 310 ccm. Reaktion stark 











sauer. Eiweiß 1,8°/,, (Esbach). Zucker 1,40°, (Gärung). Zentrifugat: 
Tabelle III. 
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10) 2 411 1271615] 1,97 | 1,64 | 31,8 | 26,5 saach 
11| 32 05/110 2771618] 1,96 | 1,66 | 31,7 | 26,8 [0,5464 
12) З* 25/117 1171602] 2,06 | 1,69 | 33,1 | 27,1 [0,8205764 
13) 3» 45711” 20"[1599] 2,11 | 1,63 | 33,7 | 26,1 |0,776/27:00 


46 St. Cserna апа G. Kelemen: 


Spärlicher, grauweißer Niederschlag, einige gekörnte Cylinder, viele fettig 
degenerierte Nierenepithelzellen, rote Blutkörperchen, Fetttröpfchen; 
Calciumoxalat und Trippelphosphat. 

21. ХІ. 10 Uhr 55 Min. vorm.: Beginn der Respirationsversuche. 
Körpergewicht 4150 g. 


Gewicht der rechten Niere 12,70 g 
n n linken n 13,14 n 


25,84 g 


2. Vergiftung mit cantharidinsaurem Kali. 


Hund 16, Gewicht 7250 g. 


15. П. Harn: Kein Eiweiß, kein Zucker. 

6 Uhr 15 Min.: Subcutane Injektion von 1,0 com einer 0,25°/,igen 
ostharidinsauren Kaliumlösung. 

16.П. Harn: 170 ccm. Spez. Gew. 1031 (t = 159%). Schwach alka- 
lisch, trübe, nach HO klarer. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker. 
Zentrifugat: reicher, grauweißer Niederschlag. Fetttröpfchen in sehr großer 
Zahl, teilweise auf Cylindern, teilweise auf näher unbekannten Grund- 
substanz. 

17. П. Harn: 335 оош. Spez. Gew. 1019 (t = 159%). Schwach al- 
kalisch, hellgelb, trübe. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker. Zentri- 
fugat: weniger als am vorigen Tage, grauweiß, Fetttröpfchen wie am 
vorigen Tage. 

18. und 19. П. Harn: 340 ccm. Spez. Gew. 1019 (t = 15°). Schwach 
sauer. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker. Zentrifugat: spärlicher, 
grauer Niederschlag, weniger Fett als an den vorigen Tagen. Keine 
Cylinder. 

19. П. 6 Uhr 15 Min. abends: Suboutane Injektion von locm einer 
0,5°/,igen cantharidinsauren Kaliumlösung. 

20. П. Harn: 75 com. Spez. Gew. 1034 (= 15°). Stark sauer, 
hellgelb, schwach trübe. Eiweiß in Spuren. Kein Zucker. Zentrifugat: 
spärlicher grauer Niederschlag, Fetttröpfchen, viele runde Epithelzellen 
und Leukocyten. 

Darreichung von 300 eem einer 1°/,igen NaCl-Lösung mittels 
Magensonde. 

21. П. Harn: 255 com. Spez. Gew. 1016 (t= 15°). Sauer, hell- 
gelb, schwach trübe. Eiweiß kaum in Spuren. Kein Zucker. Zentri- 
fugat: spärlicher, grauer Niederschlag; sehr zahlreiche Fetttröpfchen, 
viele Bakterien, einige fettig degenerierte Nierenepithelcylinder; Krystalle 
von oxalsaurem Kalk. 

22. П. Bis 9 Uhr vormittags 62ccm Harn: Eiweiß kaum in Spuren. 
Zentrifugat: reichlicher weißer Niederschlag, einige Nierenepithelzellen, 
einige Cylinder und zahlreiche Fetttröpfchen. 

10 Uhr vormittags: Beginn der Respirationsversuche. Körper- 
gewicht: 6750 g. Gewicht beider Nieren: 27,50 g. 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 47 
Tabelle IV. 









































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812 50| 7 04” [2759| 1,45 | 1,04 | 40,0 | 28,6 [0,715 u 051 188 

9| 12 30| 7 06” [2707] 1,70 1,34 | 46,0 | 36,2 [0,787 3, zo] 148 


10| 1% 55° 7° 17” [2749| 1,60 | 1,24 | 43,9 | 34,0 0,77530 50 160 


| 





Mikroskopischer Befund der Nieren: Stark geschrumpfte Corticalzone, 
mit zahlreichen Blutungen. Die Bowmansche Kapsel der geschrumpften 
Glomeruli größtenteils mit körniger Substanz gefüllt. Teilweise bemerk: 
bare fettige Degeneration in den Tubuli recti. 


Hund 17, Gewicht 6500 g. 


19. II. 6 Uhr nachmittags: Harn schwach alkalisch. 

20. П. Harn: 80 ccm. Spez. Gewicht. 1019 (t= 15%. Schwach 
alkalisch, hellgelb. Kein Eiweiß, kein Zucker. Zentrifugat: spärlicher 
grauweißer Niederschlag; Bakterien, wenig Fetttröpfchen. 

Subcutane Injektion von 1,5 ccm einer 0,5°/,igen cantharidinsauren 
Kaliumlösung. 

21. П. Harn: 385 ccm. Spez. Gew. 1024 (t= 15°). Reaktion am- 
photer, hellgelb. Kein Eiweiß, kein Zucker. Zentrifugat: spärlicher 
graubrauner Niederschlag. Leukocyten, Blasenepithelien, hie und da 
Nierenepithelien. Fetttröpfchen. Keine Cylinder. 

22. П. Harn: 130 ccm. Spez. Gew. 1040 (t= 150). Reaktion 
amphoter, hellgelb, schwach trübe. Eiweiß kaum in Spuren; kein Zucker. 
Zentrifugat: spärlicher weißer Niederschlag, Leukocyten. Hie und da 
Nierenepithelcylinder. 


48 St. Cserna und С. Kelemen: 


Tabelle V. 
























Anmerkungen 


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ro Minute 
Blutdruck 






Ende d, Versuchs 


Arterieller 


Körpertempera- 
tur am Anfang u 


des Versuchs 















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H i d 
4 |12 80/| 7° 21” |2547] 1,91 | 1,75 | 48,6 | 44,6 [0,917150 20 мо |394 


5| 18 20| 7” 14” |2506] 1,85 | 1,72 | 46,4 | 43,0 [0,926 
6| 18 407 7° 24” [2514] 1,93 | 1,75 | 48,5 | 44,0 [0,907]. 
1| 2% 05| 7 21” |2522) 1,68 | 1,63 | 42,3 | 41,0 10,970], 


8| 25 25| 7’ 25” [2516] 1,72 | 1,69 | 43,4 | 42,6 0,982 150 

23. П. Harn: 334 eem Spez. Gew. 1029 (= 15%). Beaktion 
amphoter, hellgelb, schwach trübe. Eiweiß in Spuren; kein Zucker. 
Zentrifugat: spärlicher grauweißer Niederschlag, viele Leukocyten, sehr 
zahlreiche Fetttröpfchen, viele polygonale Epithelzellen. Keine Cylinder. 

24. П. Harn: 250 ccm. Spez. Gew. 1023 (t= 15%). Eiweiß kaum 
in Spuren; kein Zucker. Reaktion amphoter, hellgelb, trübe. 

25. und 26. П. Harn: 370 ccm. Spez. Gew. 1031 (t = 15%). Stark 
alkalisch, hellgelb, sehr trübe. Kein Eiweiß, kein Zucker. Zentrifugat: 
spärlicher grauweißer Niederschlag; Kokken, ovale Epithelzellen. 

27. П. Respirationsversuch. Körpergewicht 6000 g. Gewicht 
beider Nieren 39,80 g. 

Mikroskopischer Befund der Nieren: In der Corticalzone zahlreiche 
Blutungen; Glomeruli geschrumpft; Bowmansche Kapsel größtenteils mit 
körniger Substanz gefüllt; ein Teil der Tubuli recti fettig verändert. 


3. Vergiftung mit Kaliumbichromat. 


Hund 20, Gewicht 5000 g. 


16. III. Harn: normal. 

11 Uhr vormittags subcutan 5 ccm 1°/,ige Kaliumbichromatlösung 
(= 0,05 g Kaliumbichromat) — ca. 10 mg pro kg. 

600 com 1°/,iger NaCl mittels Magensonde. 

17. und 18. ПІ. Harn: Eiweiß 2,5°%, (Esbach); kein Zucker. 
Reaktion stark sauer. 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 49 


Tabelle VI. 











Anmerkungen 


Arterieller 
Blutdruck 


Ende d. Versuchs 





Körpertempera- 
tur am Anfang u. 





ц 
Oe 
B 
B 











1/10% LA 7’ 15” 
21102 35’) Y 04” 
3108 55’) Y 06” 


411% 15| 8' 35” 





11h 85’ Nierenex- 


512% 00° 8 51” 12094 1,79 1,41 87,5 29,5 156 stirpation. 
6/128 207 9 10” |2004] — | 1,50| — | 29,9 152 
712% 40| 8 49” [2078] 1,86 | 1,54 | 38,6 | 31,9 168 


8) 12 007) 8' 42” [2058] 1,86 | 1,58 | 38,2 | 32,5 [0,850 күк 162 


9| 12 20| 9.06” [1995] 1,88 | 1,60 | 37,4 | 31,9 [0,852 Gë 152 


10| 15 40| gr 45” |2057] 1,91 | 1,60 | 39,3 | 32,9 [0,836 Sat 144 


11| 2 057 8.30” [21110 1,85 | 1,54 | 38,1 | 32,5 [0,858|22:00) 152 


12| æ 357 gr 21” |1928] 2,01 | 1,65 | 38,7 | 31,7 [0,820 SEH 148 
13| æ% 55/10" 14 |1926] 1,90 | 1,56 | 36,6 | 30,1 10,82 


3]36,82 150 
14) 3° 20| 8° 48” [1895] 1,93 | 1,53 36,629, 0,793 


36,90 
37,18 


3724| 160 


19. III. Einige Kubikzentimeter Harn, vermengt mit (erbrochenem) 
Schleim. 

10 Uhr 5 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche. Ge- 
wicht 4850 g. 

Während des Versuches wurden durch Katheter einige Kubikzenti- 
meter einer milchigweißen Flüssigkeit aus der Blase entleert, die sich 
unter Mikroskop als Eiter erwies. 

Die Nieren: blutlos, leicht dekapsulierbar. Marksubstanz und 
Rindensubstanz scharf geschieden, die Marksubstanz glänzend weiß mit 
starker Linienzeichnung. 

Gewicht beider Nieren 43,25 g. 

Mikroskopischer Befund der Nieren: Glumeruli teilweise zerstört; 
Tubuli an vielen Stellen in körnige Massen verwandelt. 


Biochemische Zeitschrift Band 58. 4 


50 St. Cserna und С. Kelemen: 


Hund 21, Gewicht 6000 g. (?) 


16. ПІ Harn: normal. 

11 Uhr vormittags: 5,5 ccm einer 1°/,igen Kaliumbichromatlösung 
(= 0,055 g Kaliumbichromat) suboutan injiziert (= 9 mg (?) pro 1 kg 
Körpergewicht). 

18. ПІ. Bis 11 Uhr vormittags Harn: oa. 500 com (von 2 Tagen). 
Eiweiß 1,5°/,, (Esbach). Kein Zucker. 

Der Hund hat viel erbrochen; das Erbrochene vermengte sich mit 
dem Harn, deshalb Sedimentuntersuchung unmöglich. 

19. ПІ. Harn: 70 com. Eiweiß in Spuren. Kein Zuoker. 

20. ПІ. Harn: 270 ccm. Reaktion amphoter. Eiweiß in Spuren. 
Zentrifugat: reicher, gelbbrauner Niederschlag, Fetttröpfchen in großer 
Menge, große flache Epithelzellen, Leukocyten. 

21. III. Harn: einige Kubikzentimeter, stark vermengt mit Blut. 

11 Uhr 10 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche mit 
Nierenexstirpation.e Sektion: Nieren stark geschrumpft. Blase mit 
blutigem Harn gefüllt. 

Körpergewicht 5500 g. 

Gewicht der Nieren 31,80 g. 

Mikroskopischer Befund der Nieren: Randzone stark geschrumpft, 
mit starken Bindegewebssträngen durchzogen. In den randstelligen Tubuli 
Zellstruktur ganz verschwunden. In den Glomeruli häufig Blut. Tubuli 
mit Körnchen und Zelldetritus gefüllt. 


Tabelle VII. 














Anmerkungen 


Arterieller 









E Blutdruck 


ze 
R 


































5 |125 50/10 39711937] 1,76 | 1,26 | 34,1 | 24,4 10,714 ı2h 30’ Nierenexstirpa- 
6| 13 15/| 9° 2511931] 1,80 | 1,29 | 34,7 | 24,8 [0,715 Hon; 
7] 18 35| Y 401901 1,72 | 1,18 | 32,6 | 22,4 [0,687 














Hund 22, Körpergewicht 5000 g. 

1912. 16. III. Harn: 360 ccm. Kein Zucker. Kein Eiweiß. 

11 Uhr 15 Min. subcutane Injektion von 60 mg Kaliumbichromat 
== 12 mg pro Kilogramm Körpergewicht. 

17. III. Harn: 38 ccm, stark sauer. Kein Zucker. Kein Eiweiß. 

Im Zentrifugate Fettkörnchen, ovale und polygonale Epithelien, 
Leukocyten, hyaline und fettig degenerierte Cylinder. 

Das Versuchstier erbricht das dargebotene Wasser. 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 51 

































e А © азд 
Z An Dauer SE В EE Ех 
Sg SIE “ЕНСЕ 
32 Б ЕНЕ 

5 in d. Venti- ICH Ё S Anmerkungen 

5 2 pro Minute a a.S <@ 

д. lationsluft Н ы 

des Versuchs [< EE 


e 
С 





1 1105 25/|8' 44”]2154 38,8 | 31,7 10,815[36,001125 
2 |10 40| 87 46”: 38,1 | 30.3 [0,795|36,09[120 
3 10 557 8 45” 31,1 | 31,6 [0,8599 ро]125 
4 па 10| 8 45” 38,5 | 31,1 ema use 
| DU 
5 [125 107| 8” 45”]2161| 1,75 | 1,41 [37,8 | 30,6 [0,809 32001130] 115 30° Nierenexstirpa- 
D tion. 
6 |122 257 8° 45”]2158[1,81 | 1,43 | 38,9 | 30,7 [0,790 эуе! 185 
7 |12 457) 8° 4572169] 1,81 | 1,44 |39,3 | 31,2 0,7953810125 


8. 1* 05| 8 45"|2129[ 1,79 | 1,42 |38,1 | 30,3 |0,79636,22[130 


18. ПІ. Harn: Einige Kubikzentimeter, schwach sauer, sehr trüb. 
Kein Zucker. Eiweiß in starken Spuren. 
Im Zentrifugate Fettkörnchen, Epithelzellen, hyaline und körnig 
degenerierte Cylinder. 
19. ПІ Harn: Einige Kubikzentimeter, sauer. Kein Zucker. Ei- 
weiß in starken Spuren. 
10 Uhr 25 Min. vormittags: Beginn der Respirationsversuche. Kör- 
pergewicht 4400 g. Gewicht der Nieren 18,40 g. 
Mikroskopischer Befund der Nieren: Corticalzone geschrumpft. Tubuli 
contorti zu homogenen Strängen verschwommen, größtenteils mit körnigen 
Massen gefüllt. Zahlreiche Blutungen. 


Hund 23, Körpergewicht 7000 g. 

1913. 28. ПІ. Subcutane Injektion von 3,5 com einer 1°/,igen 
Kaliumbichromatlösung (= 5 mg pro Kilogramm Körpergewicht). 

29., 30. und 31. IH. Harn: 400 ccm, spezifisches Gewicht (bei 15°) 
1022, hellgelb, wenig trüb, Reaktion amphoter. Eiweiß vorhanden (Es- 
bach: 2,4°/,,). Zucker vorhanden. 

Zentrifugat: wenig, graulich-weißes Sediment, in dem zahlreiche 
körnig und fettig degenerierte Epithelien; Plattenepithelien; zahlreiche 
Fettkörnchen. Keine Cylinder. 

31. III. und 1. IV. Harn: 820 ccm, spezifisches Gewicht (bei 15°) 
1023, hellgelb, sehr trüb; Reaktion schwach sauer. Eiweiß vorhanden 
(Esbach 0,75°/,). Zucker vorhanden. 

Zentrifugat: wenig, graulich-weißes Sediment; viele Epithelien; 
viele Leukocyten; Fettkörnchen; rote Blutkörperchen; hyaline Cylinder; 
Oxalsäure-Kalkkrystalle. 

4* 


52 St. Cserna und G. Kelemen: 
Tabelle IX. 



































| An- я 2 ck L азд 54 
2 | fang Dener 2 
E wei 8 D 
Je аа Уы. с TE ЕЕ Anmerkungen 
S E| Iationsluft | pro Minute | Оз ni 
des Versuchs [< * Уд) G Së Gë 
сет | 9%, | 0), °C [не 
1 |10 40| 7° 5573170] 2,12 | 1,83 | 67,2 58,2 |о,8653278120 
2 10x 55| 7° 29”|3118| 2,24 | 1,86 | 69,9 | 57,9 [0,82837 80]120 
3 112 20| 7° 16”]3110| 2,15 | 1,90 | 67,2 | 59,1 [0,879187 S8]120 








4 |115 507 7° glaad 1,86 | 1,59 | 58,3 | 49,9 |o,85513760]100| 11 35” Nierenexstirps- 
"т, 37,60 gie, 


3760 
3760/105 


6 |12% 507 7 0473133] 1,92 | 1,67 | 60,3 | 52,3 |о,8в2|2720110 


7| 1» 20 7 143140] 1,82 | 1,65 | 57,1 | 51,7 [0,905375 2100 


5/12 207 6° 5913157] 1,84 | 1,63 | 58,2 | 51,4 [0,844 


1. und 2. IV. Harn: 950 ccm, spezifisches Gewicht 1015 (bei 159), 
hellgelb, schwach trüb; Reaktion sauer. Eiweiß vorhanden (Esbach 
0,5°/ н). Zucker vorhanden. 

Zentrifugat: wenig, grau-weißes Sediment; Zellendetritus. 

3. IV. Respirationsversuch. Körpergewicht 7500 g. Gewicht beider 
Nieren 40,00 g. 


Ergebnisse. 


Die oben beschriebenen Versuche müssen in zwei Gruppen 
geteilt werden. Die eine Gruppe bilden jene, in denen durch 
injiziertes Gift eine so schwere Nierenentzündung erzeugt wurde, 
daß nicht nur ein hochgradig pathologischer Harn ausgeschieden 
wurde, sondern auch die Harnsekretion außerordentlich redu- 
ziert war, so daß nur einige Kubikzentimeter Harn täglich 
sezerniert wurden. Es hat sich also auch eine hochgradige 
Ischurie eingestellt. In diese Gruppe gehören die mit Kali- 
bichromat vergifteten Hunde 20, 21 und 22. 

Bei den übrigen Tieren hat sich wohl eine schwere Ne- 
phritis entwickelt, doch mit genügender Harnsekretion, so daß 
die ausgeschiedene Harnmenge nicht abnahm, nur zeigte der 
Harn die typischen pathologischen Merkmale des nephritischen 
Harnes. Die Nieren dieser Gruppe wiesen bei der Autopsie 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 53 


nicht so schwere anatomische Veränderungen auf, wie bei den 
Tieren der ersten Gruppe. 

Wir wollen zunächst die Ergebnisse der zweiten Gruppe 
besprechen. 

Um den durch die Exstirpation der kranken Nieren be- 
dingten Ausfall im Gaswechsel berechnen zu können, haben 
wir — sowie Е. Tangl!) — aus den Werten vor und nach 
der Exstirpation Mittelwerte gezogen und den Ausfall im 0,- 
Verbrauch und in der CO,-Produktion auf die Mittelwerte vor 
der Exstirpation bezogen. 

Diese Mittelwerte baben wir in der folgenden Tabelle X 
zusammengestellt, in der wir auch die von Е. Tangl!) ermittelten 
Mittelwerte für normale Nieren aufgenommen haben. 

Der Vergleich mit den Werten der gesunden Nieren zeigt, 
daß die Ausschaltung der pathologisch funktionieren- 
den Nieren sowohl im O,-Verbrauch als auch in der 
CO,-Produktion des Organismus einen bedeutend grö- 
Вегеп Ausfall bedingt. Daraus folgt weiterhin, daß die 

































Tabelle X. 
Mittelwerte. 
S = 8 won der | Nach der | CO, [Nach der Nierenaus- 
SS [9.3] schaltung | schaltung О, schaltung Abnahme 
GK Die Nierenerkrankun 
+ SS 58 Ge ЧЕ E ы asch — der СО; wurde erzeugt ; 
aS *28 
5 Р р. 8 55 |95 |55 > d. Nieren- ee Жары durch 
2:2 KG” | pro Minute | pro Minute| aus- To 7 йш. | o | 
g сот | ccm | ccm | ccm schaltung ccm ? ccm’ S 
1 Uranylacetat-Vergiftung 
2 л n 
7 А ” ” 
16 |675049,3933,44[43,42:32,68|0,779 0,751 5,97 Cantharidinsaur. Kall-Vergiftg. 
17 16000[55,61|49,39 45 ‚83\43,04[0, ‚8880, 940| 9,78 | 17,6 
21 15500[37,26 23 890,7124 0,702 3.43 | 9.2 | 3.10 11,5 |Kaliumbichromat- Vergiftung 
23 |7500|68,09|58;39158,47 0, 866] 9,62 и Я 
ава 15870)50,06 40,47 0 лае 808| 6,63 | 12,8 al 4,68 |11,18 
Mittel- 
far aie [604051,9 |41,7 147,5 [89,5 fo,802l0,887] 4,4 |87 |22 | 5,1 
normale 
Niere 1) 


1) Siebe: Tangl, Die Arbeit der Nieren usw. Diese Zeitschr. 84, 
70, 1911. 


54 St. Cserna und G. Kelemen: 


krankhaft veränderte — entzündete — pathologischen Harn 
absondernde Niere mehr O, verbraucht und mehr CO, 
produziert als die gesunde Niere. 

Im Durchschnitt ist der Gaswechsel der kranken Nieren 
beinahe doppelt so groß, wie der der gesunden. 

Tabelle XI enthält die Werte für den O,-Verbrauch und 
die CO,-Produktion der Nieren, mit ihrem Gewicht und die auf 
die Gewichteeinheit der Nieren bezogenen Werte des Gas- 
wechsels. 

Tabelle ХІ. 


der Nieren 
pro Minute 





Der Gaswechsel der kranken Nieren unterscheidet sich 
aber nicht nur der Größe nach vom normalen. Es gibt auch 
qualitative Unterschiede, was aus dem Verhalten des respirato- 
rischen Quotienten hervorgeht. Wohl wächst er auch nach der 
Exstirpation der kranken Niere, aber nicht in dem Maße, wie 
nach der Exstirpation der gesunden (Tabelle X). Die kranke 
Niere produziert nämlich nicht nur relativ, sondern auch ab- 
solut mehr CO, als die gesunde. Deshalb ist der Ausfall in 
der CO,-Produktion nach der Exstirpation der kranken Niere 
— im Verhältnis zum Ausfall im O,-Verbrauch — größer, 
weshalb der RQ nicht so anwächst. 

Wir können das als Beweis dafür ansehen, daß der Stoff- 
wechsel der Nierensubstanz durch die Entzündung 
auch qualitativ verändert wird. 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 55 


Aus dem respirstorischen Quotienten und dem O,-Ver- 
brauch kann man nach dem Vorgehen von Zuntz!) den Energie- 
umsatz der Niere — also die Nierenarbeit berechnen: 

O,-Verbrauch (pro Minute) vor der Ausschaltung der Nieren: 

50,1 ccm, CO, _ 0,796; 

О, 

1 ccm О, bei diesem RQ = 4,874 cal. Energieumsatz; 

O,-Verbrauch (pro Minute) nach der Ausschaltung der Nieren: 

43,7 ccm, Со, == 0,808; 

О, 
1 ccm О, bei diesem RQ == 4,883 cal. Energieumsatz. 
Also: 
Energieumsatz vor der Ausschaltung 
50,1 >< 4,874 — 244,18 cal. pro Minute; 
Energieumsatz nach der Ausschaltung 
43,7 >< 4,883 — 113,38 cal. pro Minute, 
demnach Energieumsatz — Arbeit der 
kranken Nieren. . . .. . . . . 80,8 cal. pro Minute, 
was 12°/, des gesamten Energieumsatzes des Organismus be- 
trägt, gegenüber 8°/, bei der gesunden Niere. Die Arbeit 
der kranken Niere beträgt also rund Bical.pro Minute, 
entgegen 20 са]. bei der gesunden. 

Die Arbeit der kranken — entzündeten — Nieren 
betrug demnach etwa um die Hälfte mehr als die Ar- 
beit der gesunden Nieren. 

Die Arbeit der kranken Nieren ist aber nur so lange er- 
höht, als sie das pathologische Sekret in einer Menge liefern, 
die von der normalen Harnmenge nicht um vieles abweicht. 
Sind jedoch die pathologischen Veränderungen so weit vorge- 
schritten, daß eine ausgesprochene Ischurie oder gar Anurie 
entsteht, so ist der Gaswechsel somit auch der Energieumsatz 
nicht größer, ja sogar bedeutend geringer als in gesunden 
Nieren. Dies geht aus der 2. Gruppe der toxischen Nephritiden 
hervor (Hunde 20 bis 23 — mit Chromatnephritis) — deren 
Ergebnisse aber später zusammen mit jenen Versuchen be- 
sprochen werden sollen, in welchen die Ischurie durch Gefäß- 
unterbindung erzeugt wurde. 


1) Zuntz und Loewy, Lehrbuch der Physiologie, 1909, S. 660. 





56 St. Саегпа und О. Kelemen: 


Il. Durch Unterbindung der Blutgefäße erzeugte Erkrankung 
der Nieren. 


Es ist eine bereits lange bekannte Tatsache!), daß Unter- 
brechung des Blutstromes, selbst für kurze Zeit, die Nieren- 
funktion verändert. Nach einer solchen Unterbrechung wird 
kürzere oder längere Zeit hindurch anfangs wenig, dann aber 
eiweiß- und bluthaltiger Harn ausgeschieden. Je nach der 
Dauer der Zirkulationsunterbrechung kann der darauffolgende 
pathologische Zustand mit allen Symptomen einer Nephritis 
Minuten bis mehrere Tage anhalten. 

Wir haben in unseren Versuchen die Blutgefäße beider 
Nieren temporär unterbunden. Die Dauer der Ligatur betrug 
21 bis 60 Minuten. Nach ihrer Lösung stellten sich immer 
leichtere oder schwerere Funktionsstörungen der Nieren ein: 
es wurde Nephritisharn ausgeschieden, auch trat in den Ver- 
suchen mit längerer Ligatur Anurie auf. Unser Ziel war zu 
bestimmen, welcher Ausfall die Ausschaltung (Exstirpation) der 
auf diese Weise pathologisch veränderten Nieren im Gaswechsel 
des Organismus bewirkt. Unsere Versuchsanordnung bot uns 
aber eine günstige Gelegenheit, die Versuche Tangls zu wieder- 
holen, zu welchem Zwecke wir bloß zu bestimmen hatten, 
welche Wirkung die temporäre Ligatur der Nierengefäiße — 
wodurch ja die Nieren aus dem Stoffwechsel des Organismus 
ausgeschaltet wurden — auf den Gaswechsel hatte. So machten 
wir gleichzeitig in jeder Versuchsreihe einen Kontrollversuch 
an demselben Tiere. 

Unsere Versuchseinrichtung war die folgende: Der Hund 
wurde tracheotomisiert, curarisiert, so wie es Tangl beschrieb. 
Um die Blutgefäße beider Nieren wurden Ligaturfäden gelegt, 
doch nicht zugezogen. Wunde mit Klammern geschlossen. Das 
Tier kam in den Thermostaten. Katheter in die Harnblase 
eingeführt. (Zu einem Versuche in die Ureteren) Nun wurden 
3 bis 4 Respirationsversuche ausgeführt. (N = Normalwerte.) Un- 
mittelbar nach Beendigung der Respirationsversuche wurden 
die Ligaturen um die Nierengefäße zugezogen und noch während 
der Dauer der Ligatur 1 bis 2 Respirationsversuche ausgeführt 
(L= Werte nach Ausschaltung der normalen Nieren). Die Diffe- 


1) Cohnheim, Vorlesungen über allgem. Pathologie, 1882, II, S. 321. 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 57 


renz N-L gibt den Ausfall im respirat. Gaswechsel, den die 
Ausschaltung der gesunden Nieren verursacht. Nach dem 
Lösen der Ligatur wurden wiederum Respirationsversuche aus- 
geführt: die Veränderung im Gaswechsel zeigte die Wirkung 
der nunmehr pathologisch funktionierenden Nieren. Es sollen 
die in diesen Versuchen enthaltenen Werte mit P bezeichnet 
werden. Dann wurden schließlich die Nieren exstirpiert, worauf 
mit 3 bis 5 Respirationsversuchen die Versuchsreihe geschlossen 
wurde. Nennen wir die Werte dieser letzten Respirationsver- 
suche gleich Е, so gibt die Differenz P-E den Ausfall im Gas- 
wechsel des Organismus, den die Ausschaltung der pathologisch 
funktionierenden Nieren verursacht, also den Gaswechsel der 
kranken Nieren. 

Die Ergebnisse dieser Versuche zeigen die Tabellen XII 
bis ХУШ. 


Tabelle XII. 


Nummer des Versuchstieres: 5. Körpergewicht: 5200 g. 
Datum: 10. XL 1911. 













Nr. 
An- 
fang 


Dauer 


















in der Ven- Anmerkungen 


tilationsluft 


Arteriellar 
Blutdruck 


pro Minute 





Atemvolum 
u. Ende d. Vers. 


des Versuchs 





Körpertempera 
O tur am Anfang 


S 
B 





Diurese: von 1115’ bis 
155’. Linke Niere: 
4,9 ccm. Rechte Niere: 
4,8 ccm. Diurese: von 
1555’ bis 2555’. Linke 
Niere: 0 ccm. Rechte 
Niere: 0 ccm. 





1112» 10 
2112 30 
8/12» 50 
1è 10 


8’ 00” 
8007 
8 00” 12144 
800” 








1555’: Unterbindung der 








9 
5| 2» 007 8/00” 1,54 | 1,22 | 32,3 | 25,6 10,791 Seier 501 ишене. Тиш 
38.06 der Ligatur: 60 Min. 
6 gp 25| 8 00” 1,56 | 1,24 | 39,9 | 26,1 [0,794|9®'06| 90 










255°: Lö d. Unter- 

25,5 0,777 eet: 62 Бадана. Bä zech 

38 34 der Lösung — 

1,57 | 1,20 | 32,7 | 24,9 |0,760]38°441 68] кь) Stunden hin- 

28 36 Gewicht beider Nieren: 

1,57 | 1,17 |32,5 | 24,2 [0,745 9814 58] 35,05 @. 
| 29, 


1,56 | 1,16 | 32,5 | 24,2 [0,742 Senf 





7| 32 00| 8° 00” 12071 
8! 3% 20| 8° 00” 12079 
9} 3° 40| 8’ 00” 12064 
10) 4% 10| 8° 00” 12088 


1,58 | 1,23 | 32,8 


58 St. Cserna und С. Kelemen: 


Tabelle XIII. 
Nummer des Versuchstieres: 6. Körpergewicht: 5000 g. Datum: 17. XI. 1911. 




































— 
jag] s Ig FHR 
Z & & e = б >{®'© 
= =”, — Шш 
а 9 gas SE 
Ф > 
z © EF £ E Anmerkungen 
> ilationsluft | PTO Minute Ott 
des Versuchs [|< мез 


1/10è 45 11 3011539] 2,97 | 2,58 | 45,7 | 39,7 10,870 г 132 
21118 05117 30°1591] 2,82 | 2,42 | 44,8 | 38,5 [0,859 37 601132 


3111 257117 2071620] 2,81 | 2,35 | 45,5 | 38,2 [0,837|200139 

37,66 
| 2,35 | 44.5 | 37,9 |0,848]37°g3]134 
12% 457/11’ 2871615] 2,64 | 2,16 | 42,7 | 37,8 |0,816|22:2 


4125 10°11 05”]1609] 2,77 







12535’: Unterbindung d. 
Nierenarterien. 

Dauer der Ligatur: 40 Mi- 
nuten. 


5 


6) 18 057,117 39”1597 2,60 | 2,32 | 41,5 137,1 0,8950 


1| 1а 30711, 33” 
8| 1» 50117 32” 














1598] 2,56 | 2,32 
1586] 2,54 | 2,27 


40,9 | 37,1 10,907 
40,3 | 36,0 10,893 


1515’: Lösung der Unter- 
bindung. 
















2137,04 — 
38,7 | 36,1 [0,932 3724 1321 2 к : Nierenexstirpa 


оп. 
Gewicht а. d 
38,7 | 35,0 [0,904 Are IT земе 
эг, Gewicht д. linken Niere: 


40,9 | 34,7 |0,829]27-42]ı40] 15208. i Sa.: 38,05 g. 


37,20 
39,7 | 35,2 [0,864 37.16 140 


37,04 
39,1 | 32,8 [0,840 37.06 140 


37,14 
39,3 | 34,0 [0,845 37.16 13 


Tabelle XIV. 
Nummer des Versuchstieres: 9. Körpergewicht: 5500 р. Datum: 30. XI. 1911. 


9) 2 357113’ 36”|1581| 2,45 | 2,28 
А 3% 10 11° 351589] 2,43 | 2,20 
11) 35 3011’ 291580] 2,59 | 2,20 
19) 3% 5571117 84”]1566] 2,54 | 2,25 


13) 4% 20711’ 28”]1605[ 2,43 | 2,05 
































we: д 2 „ыы 
. ‚ оо © = A Se 
д 543 z sios 925 ым 
* P о з 8° a 
— — pe а а T ‚ш ol“ 
in der Ven- 21585182] Anmerkungen 
tilationsluft | pro Minute 2 Eu < 8 
des Versuchs d SB: 







© 
CH 


1858 2,74 13,16 50,7 |40,0 


ihe oho 38” 
| 


212% 20/117 03” 
31% 10 35” 


1841| 2,77 
1836| 2,75 


2,21 | 51,0 | 40,8 
2,16 50,6 | зол 





Größe der Arbeit kranker Nieren. 59 
Tabelle XIV олда) 



















































— 

А ap © © 3 a SÉ gi 
„|| 8 les ТЕЧ sel, 
Ka ei 35 ei st |= 

ч = E “. 105 ag> 29 
= Sa GA < F EE 
el zs 
с ГКК ЕБЕЕЗ| Anmerkungen 
З Р | tilationsluft | Pro Minute =] in 
des Versuchs [< * SE 
mm 
ос [на 





„|88, 60 102°: Unterbindung der 


— — —— 
4| 1% 04110’ 27'|1811| 2,46 | 1,90 | 44,6 | 34,5 10,772 38.40 129] Nierengefäße 
Dauer der Ligatur 25 Mi- 


5| 1 | g 44"1808| 2,58 | 1,97 | 46,1 | 35,6 [0,762 38,40 129| nuten. 


1è who 39”|[1846 20 |207 48,1 |38,2 |0,795|28:50|зә ымы = Unter. 


e Se Gewicht 4 beider Nieren: 
дь 10110 441816 Een 49,0 | 39,5 [0,805 30,6 8. 


6 

1 386013 
8) æ% 307110” 10”]1831| 2,74 | 2,20 | 50,2 | 40,4 [0,804[2960|130 
9) æ 55/10 30rlısıel 2,72 


38, 60 


„91138,65 
2,12 |49,4 38,6 [0,781 38.68 122 


10 4 30/10 06”1848| 2,82 | 2,17 | 52,2 | 40,1 [0,767 38,52 84 


11| 4 55710” 4871819] 2,85 | 2,16 [51,8 | 39,2 о,756|2850| тә 





Mikroskopischer Befund der Nieren: Capillaren geit: erweitert, mit Blut gefüllt. 


Tabelle XV. 
Nummer des Versuchstieres: 10. Körpergewicht: 7450 g. Datum: 11. XII. 1911. 






















in der Ven- Anmerkungen 


tilationsluft 







Atemvolum 
pro Minute 
Körpertempera- 
tur am Anfang u 
Ended. Versuchs 


WE Arterieller 
RBE Blutdruck 


Q 


38,30 
38.301148 
38,45 
38,50 





52,7 |0,826 
54,5 [0,845 
38,60 


55,6 10,877 38.70 160 


55,2 10,873]38,70]162 


38,65 
53,2 10,833 38.62 168 


158 


5 38,60 ' Unterbindung 4 
6| 2 00| 8’ 10” 12278] 2,78 | 2,35 | 63,4 | 53,7 [0,846 38,60 148 — E SE 


spirationsversuche wäh- 
rend der Ligatur gingen 
verloren. 15 50° Lösung 
d. Unterbindung. Dauer 
der Ligatur: 21”. 


т 38,70 Harnfluß beginnt. H 
7| 2a 25’) 8 33” [2254| 8,04 | 2,47 | 68,6 | 55,6 [0,811 38,80 148 E агп 


60 St. Cserna und G. Kelemen: 
` Tabelle XV (Fortsetzung). 


Dauer 


e ı ор 
ЗЕЕ 








in der Ven- Anmerkungen 


tilationsluft | pro Minute 


Ende d.Versuchs 


as 
м 
Ф 

2 8 
ck 
© 

г< 
S Б 
DG e 
© к 
м 5 


В Arterieller 
В Blutdruck 


© 
Ф 
ze! 

Kei 











8 63,0 | 50,8 [0,806 ++ 148 
9 2,35 51,9 [0,826 dr 148 
10 2,22 49,5 |0,765 6076 149 
11 2,09 47,4 [0,753 SR 154 





еөз Gewicht beider 
13! 5200” 8” 30” [2202] 2,61 | 2,04 | 57,4 | 45,0 [0,783 eg EEE 


12| 42 357 8 44” [9148] 2,59 | 1,89 | 55,6 | 41,7 [0,7312859] 60| ааз», Exstirpation der 


Mikroskopischer Befund der Nieren: Capillare und Tubuli stark erweitert. 


Tabelle ХУІ. 


Nummer des Versuchstieres: 11. Körpergewicht: 6300 g. 
Datum: 21. XII. 1911. | 





Anmerkungen 


in der Ven- 
tilationsluft 


Ende d. Versuchs 


Körpertempera- 
tur am Anfang u 
В Аг{егїеПег 
ә В Blutdruck 


Я 8 
55 
— 

о. 
£ 
Ze 
< E 
оош 





1| 3° 107 | 9° 10” [1996] 2,68 
2| 3° 35’ | Y 04” [2023] 2,67 
3| 42 10° | Y 04” 12029] 2,68 





Ab 80’ Unterbindung der 
Nierengef 


4| 42 30 | Y 38” [1986| 2,54 
5| 48 42° | 8’ 37” 11981] 2,44 


5® 15° | 8' 58” [1974] 2,94 | 2,45 | 58,1 | 48,4 |o,33]30:02| 69] 4\55” Lösung der Unter- 


bindung. 
5» 35" | 9 39” |1967| 2,90 | 2,38 | 57,1 | 45,9 |0,808|2920| 74] Dauer der Ligatur: 25°. 


39,30 
KEE ’ H bsond be- 
5% 557 | 9 49” [1942] 2,99 | 2,34 | 58,2 | 45,4 00,701 EC 78] Нагтаһвордегипа Nieren- 


irpati 2 і. 
ea 15° | 9' 28” |1962] 2,98 2,38 | 58,4 |46,6 Wan 92] weißnnitiger Нат. ` 


о о зо 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 61 


Tabelle XVI (Fortsetzung). 





| ы © Is ag ZS 
kl eg Z RETIE 
242 | а [з "EHER 
| 29 = — FER gE 
“^5 
= in der Ven- THE Anmerkungen 
> tilationsluft | PrO Minute = БЫ 
des Versuchs |“ 2 SG Së SS 


Ф! 
m 
* 






10) m 00 | 9 18” [1940] 2,75 | 2,21 584 |425 VE н — 
і 28 g. 
11| 7» 30 | 9° 37” 54,1 |44,3 [0,818 39,26) 57| Das Versuchstier wird 
getötet. 


Mikroskopischer Befund der Nieren: Glomeruli geschrumpft? Innerhalb 
der Bowmanschen Membran körnige Massen. 


Tabelle XVII. 
Nummer des Versuchstieres: 12. Körpergewicht 7000 g. Datum: 28. XII. 1911. 





























8 „а 2 „53 
. G м о БО “a E 
* з > 5 шоу 
д 42| 38 2 |63 Abe 
= зз < KEE KE 
Mi 
Е 8 |2| Anmerkungen 
pro Minute 2а 2] 5 
FE 
5m mm 
C Hg 





12h 28' Unterbindung der 
Nierengefäße. Dauer der 
Ligatur: 25’. 


6| 125 327 8’ 47” 
71128 42/| 9 30” 


b ‚|; = ' Unter- 
8| 1» 10| gr 09” [2079[ 2,60 41,6 [0,769]3.°65]150 —— E 
t 
9) 12957 8 58” [2117| 2,49 41,2 [0,780 04; СУ euer nie 
3 g 80 wieder eingestellt. 
10) 1245| 9 25” [2126| 9,51 58,8 0,77112°°0[128 
11) 2 gp 9 39” [|9182] 2,60 56,7 | 41,4 [0,730 Saa 126 


, , ” ‹ d irpation. 
12) 25 835| Y 11” [2110] 2,37 | 1,82 | 50,0 | 38,5 [0,770 38,50 —— — 


13| 22557 9 11” [2097 2,44 | 1,85 | 51,1 | 38,8 [0,759 eh ою 2426 


14| 3% 157 9 11” [2077 2,49 | 1,89 | 51,7 | 39,4 [0,762 EST 
15] 3% 55/ Y 28” |2099] 2,54 | 1,90 | 53,4 | 39,9 [0,746.20 


62 St. Cserna und G. Kelemen: 


Tabelle XVIII. 


Nummer der Versuchstieres: 15. Körpergewicht: 6200 g. 
Datum: 20. II. 1912. 

























Anmerkungen 


Körpertempera- 

tur am Anfang u 

Ended. Versuchs 
Arterieller 
Blutdruck 


С 


2441| 2,24 | 1,86 54,9 | 45,5 
2451| 2,18 | 1,80 | 53,5 


4| 12% 30| 7’ 55” 
5| 125 43| 7’ 28” 


124] 12Һһ 29° Unterbindung der 
39,40 Nierengefäße. Dauer der 
39,40 120 Ligatur: 21’. 











44,1 





6| 1220| 7’ 27” 12398] 2,16 
7| 1» 40 7’ 42” 
8| 25007] 8’ 13” 
9| 22207 8' 04” 
10] 2b 40| 8/06” 


1,83 
2415] 2,38 | 1,81 
2393] 2,42 | 1,87 
23761 2,50 | 1,90 
2559] 2,39 


51.8 | 43.9 10.848 39,30 132] 12h 50° Lösung der Unter- 

| 7 Иж 2, bindung. Nach d. Lösen 
57,5 | 43,8 EEN Re TE e уна eimeiß- 
schieden. 


39,20 
57,9 | 44,7 10,773 39.20 130 


59,5 | 45,2 |0.758[8920|119 
61,2 | 48,9 [0,798[39:00|116 











1,91 

















3b 10| 7’ 58” 123781 2,26 | 1,80 | 53,7 | 42,9 
57,0 | 43,6 
61,0 


60,0 


110] 8400’ Nierenexstirpation. 
Gewicht beider Nieren: 


12) 3» 30| or 49” |2369] 2,41 | 1,85 28,95 g. 


18| 3% 55’| 8’ 12” [2885] 2,56 | 1,94 





46,3 10,760 





14| 4% 15’| 8° 18” 12393] 2,51 | 1,84 43,9 10,731]; 


Mikroskopischer Befund der Nieren: In den Glomeruli kleine 
Blutungen. 


Zunächst bestätigen unsere Versuche die Angaben Tangls 
über die Größe des O,-Verbrauches und der CO,-Produk- 
tion gesunder Nieren. Die Ligaturausschaltung der gesunden 
Nieren ergab nämlich durchschnittlich folgenden Ausfall im 
Gaswechsel: 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 63 


Tabelle ХІХ. 


~ Nummer | Ausfall in dem 
des Versuches | O,-Verbrauch (°/,) 





Mittel: 8,6 


Die pathogene Wirkung der Ligatur offenbarte sich im 
Gaswechsel nach der Lösung der Unterbindung in verschiedener 
Weise, je nach ihrer Dauer. In den Versuchsreihen 5 und 6, 
in denen die Gefäße 60 bzw. 40 Minuten unterbunden waren, 
stieg der Gaswechsel nach der Lösung der Ligatur gar nicht, — 
in beiden Versuchen war vollständige Anurie die Folge 
der Ligatur. In den übrigen fünf Versuchen, in denen die 
Ligatur von kürzerer Dauer war — höchstens 25 Minuten —, 
stieg der Gaswechsel nach dem Lösen der Ligatur sehr bald 
an und erreichte nach 20 bis 60 Minuten die Größe vor der 
Ligatur. In diesen fünf Versuchen hat sich — mit Ausnahme des 
Versuches 12 — nach der Ligatur Diurese eingestellt: es wurde 
mehr oder weniger eiweißhaltiger Harn ausgeschieden. Nur 
in Versuch 12 trat keine Diurese auf; leider versäumten wir 
es bei der Sektion nachzusehen, ob die Harnblase Harn ent- 
hielt und ob nicht etwa die Verlegung der Katheteröffnung 
Harnmangel vortäuschte. Wir möchten deshalb aus diesem 
Versuche keine weiteren Folgerungen ziehen. Sieht man von 
diesen ab, so geht aus diesen Versuchen hervor, daß, wenn die 
Ligatur durch ihre lange Dauer das Nierenparenchym so weit 
veränderte, daß nach Wiederherstellung des Blutkreislaufes 
keine Harnsekretion eintritt, der Gaswechsel der Nieren im 
Gaswechsel des Organismus keine bemerkbare Veränderung er- 
zeugt, also höchstens so gering ist, daß er mit unserer Methode 
nicht mehr gemessen werden kann. 

Schon diese Tatsache spricht dafür, daB der Gaswechsel 
der anurischen Niere bedeutend geringer ist als der 
der normal funktionierenden. Bewiesen wird dies durch 
die Exstirpation der anurischen Nieren. In beiden Versuchen 5 
und 6 hat die Exstirpation der anurischen Nieren einen be- 


64 St. Cserna und G. Kelemen: 


Tabelle ХХ. 
Mittelwerte. 






































8 |= Ф Nach der 

© GE: ausschaltung | ausschaltung Nierenausschaltung 
= 15 6 — Abnahme 
e di ak Ursache 
86 IE 5 Sg о S nach] „des De der CO,- а 
g 2 АРКЕ LB yor Ша©з) Verbrauchs | Ausgabe e 
> ФО 9-2 0 Ого ; Erkrankung 
А 4 SS GE: der Nieren- pro 

m vn, з 
РА ee 7 RE Sen Dien, D ` Aen TE ET ET Мір. | a, 
= tung ccm 















24,68 2)132,60%)| 25,84 %)l0,756 0,793 0,03|— 0,911 1,12|+ 4,53lunterbindungtürte 
36,66 1139,41 | 34,64 |0,90010,869|- 1,19!— 2,93(— 2,02|— 5,51 Br” 

бт ора? + 1.10.+ 2.991+ 2,041+ 6.99] Katiumbichromat 
30,72 |0,818(0,797(+ 0,37/+ 0,96[— 0,48|— 1,53 


| 30,60 [|0,817|0,821|+ 0,06| — kam — | 


5200{32,63:) 
5000[40,60:) 
4850[36,79 |29,17 [37,89 | 31,21 
4400[38,15 31,20 [38,52 


Mittel |4860|37,04 [30,43 [37,10 






















deutend geringeren Ausfall im Gaswechsel des Organismus er- 
zeugt als die Exstirpation der gesunden Niere. (Wir sehen 
vom zweifelhaften Versuch 12 ab.) 

Zu denselben Ergebnissen führte die Exstirpation der 
Nieren, deren anurischer (bzw. hochgradig ischurischer) Zustand 
durch Chromvergiftung erzeugt wurde (Versuch 20 und 22, 
Tabelle VI und VIII. Wir haben sowohl für diese wie für 
die Versuche 5 und 6 aus den Versuchen vor und nach der 
Nierenexstirpation die Mittelwerte gezogen und daraus den 
Ausfall im Gaswechsel gleich dem Gaswechsel der Nieren be- 
rechnet (в. Tabelle ХХ). 

Diese Zahlen beweisen zur Evidenz, daß die anurische 
oder hochgradig ischurische Niere bedeutend weniger 
О, verbraucht und CO, produziert als die normale, 
ihre Arbeitsleistung ist also bedeutend geringer als 
die der gesunden Niere. 


Ganz anders verhält es sich mit den Nieren, in denen 
die kürzer dauernde Ligatur keine so schweren Veränderungen 
verursachte, daß es zur Anurie gekommen wäre. 

In allen Versuchen begann gleich nach dem Lösen der 
Ligatur der Gaswechsel zu steigen, um in einigen Minuten 
oder einigen Stunden den Wert vor der Ligatur zu erreichen 


1) Nach Lösung der Unterbindung. 
2) Während der Unterbindung. 


— mn 

















Größe der Arbeit kranker Nieren. 65 
Tabelle XXI. 
Mittelwerte. 

= [э 8 | Vor d. Nieren-|Nach d. Nieren- co Nach der 

5 [2.2 ausschaltung | ausschaltung - Nierenausschaltung 
38 $ s] : : 0, Abnahme Ба 
5S | е, за, 2а, 33 Së ————_—@. 0,-Ver] der O,- ч 
ЕЁ St d'An S Ce dÉ e SÉ vor | nach brauchs Ausgabe * 
ар МА”. S A 2 A © Е SS der Nieren- кыр °/ ко o REN 

З Мір іп. 
Е: g | ccm | eem | ccm | eem ausschaltung com | " (ccm i 





10 {1450[64,20)/51,481)[56,54®)\48,33#)[0,801 1)0,757%)|7,66\11,93|8,15 |15,83ļUnterbindung eet 
11 |6800]57,973)\46,61)]58,75*)43,594)[0,8083)\0,8104)[4,92| 7,2713,02| 6,47 ‚2 
15 [6200|61,225)|48,915)]53,74°),42,92°)0,798)|0,798®)| 7,48 |12,20] 5,99 112,21 з ‚a 


Mittel- kesdet 309 |48,70 [54,30 143,30 [0,801 0,788 Jean 10,50|5,70 11,50 
normale 16040151,90 |41,70 [41,50 |39,50 [0,808 (0,837 |4,40 8,70|2,20| 5,10 





Niere 


oder noch zu übersteigen (в. Tab. XV, ХУІ, XVIII). Wenn 
schon aus diesen Erfahrungen auf eine Erhöhung des Gas- 
wechsels während der pathologischen Harnsekretion gefolgert 
werden konnte, so geht das zweifellos aus dem Ausfall des 
Gaswechsels hervor, den die Exstirpation dieser pathologisch 
veränderten Nieren zur Folge hatte. Die Mittelwerte des Gas- 
wechsels vor und nach der Nierenexstirpation enthält die Ta- 
belle ХХІ. 

Ebenso wie bei den durch Gifte erzeugten Nephritiden 
sehen wir auch hier, daß der Ausfall im Gaswechsel des Or- 
ganismus nach der Entfernung dieser kranken Nieren größer 
ist als nach der Exstirpation der gesunden Nieren. Führt 
also die Unterbrechung des Blutkreislaufs zur Ent- 
wicklung einer Nephritis — ohne hochgradige Ischurie 
oder gar Anurie —, so verbraucht die pathologisch 
funktionierende Niere mehr О, und produziert mehr 
CO, als die gesunde. Die Arbeitsleistung dieser kranken 
Nieren ist größer als die der gesunden. 


1) Berechnet aus Versuchen Nr. 6 bis 11. 
2) Berechnet aus Versuchen Nr. 12, 13. 
з) Berechnet aus Versuchen Nr. 6 bis 9. 
t) Berechnet aus Versuchen Nr. 10, 11. 
5) Berechnet aus Versuch Nr. 10. 


6) Berechnet aus Versuch Nr. 11. 
Biochemische Zeitschrift Band 53 5 


66 St. Свегпа und С. Kelemen: 


Sieht man nun, daß bei hochgradiger Ischurie oder Anurie 
die Arbeitsleistung der kranken Niere bedeutend geringer wird, 
so kann man weiter aussprechen: die erhöhte Arbeits- 
leistung der kranken Niere hört auf, wenn die Menge 
des produzierten pathologischen Harnes auf ein ge- 
wisses Minimum gesunken ist. Wie groß dieses Minimum 
ist, welche Rolle die Zusammensetzung des pathologischen 
Harnes spielt, das müssen erst weitere Untersuchungen ent- 
scheiden. 

An dem erhöhten Gaswechsel der Niere, der unmittelbar 
nach dem Lösen der Ligatur zu beobachten war, kommt sicher- 
lich dem O,-Mangel, den die Ligatur erzeugte, eine wesentliche 
Rolle zu. Das können wir aus den schönen Untersuchnngen 
Е. Verzärs?) folgern, die bewiesen haben, daß O,-Mangel, er- 
zeugt durch Abnahme des Blutsauerstoffes, den O,-Verbrauch 
der Niere um 15 bis 59°/, steigert. Diese Steigerung glaubt 
Verzär auf Reizwirkung von Zwischenprodukten des Stoff- 
wechsels zurückführen zu können. 

Solche Produkte dürften auch in unseren Versuchen nicht 
nur an der Steigerung des Stoffwechsels, sondern auch an den 
pathologischen Veränderungen der Niere nach dem Lösen der 
Ligatur wesentlich beteiligt sein. 

Die Steigerung des Gaswechsels, die wir bei den eben 
besprochenen Nieren gleich nach dem Lösen der Ligatur 
beobachtet haben, die sogar über den Gaswechsel vor der 
Ligatur binausgehen kann, scheint aber außer durch die 
größere Arbeit der pathologisch funktionierenden Niere, noch 
durch andere Momente bedingt zu sein. Dafür sprechen 
ganz besonders die Versuchsreihen 11 und 15 (Tabelle XVI 
und XVIII). 

Die Exstirpation der kranken Niere erzeugte nämlich in 
diesen wie in den übrigen Versuchen einen bedeutend größeren 
Ausfall im Gaswechsel, als die Ausschaltung der gesunden Nieren. 
Trotz dieses größeren Ausfalls ist der Gaswechsel gleich bzw. 
größer als der Gaswechsel mit funktionierenden gesunden Nieren. 
So war: 


1) Е. Verzär, The influence of lack of oxygen on tissue respira- 
tion. Journ. of Physiol. 45, 39, 1912. 


Größe der Arbeit kranker Nieren. 67 







Nach Ausschaltung der 
erkrankten Nieren 


CO,-Aus- 
scheidung 


Normalversuche 


CO,-Aus- 
scheidung 
pro Min. 





O,-Verbrauch 
pro Min. 









Das kann nur so erklärt werden, daß nach dem Lösen 
der Ligatur der Nierengefäße auch in anderen Organen 
der Gaswechsel erhöht war. Es wird die Aufgabe weiterer 
Versuche sein, den Mechanismus dieser sekundären Verände- 
rung des Gesamtstoffwechsels aufzuklärcn und die Bedingungen 
festzustellen, unter denen sie eintritt. Möglicherweise handelt 
ев sich um die Wirkung von Zerfallsprodukten, die sich während 
der Ligatur in der Nierensubstanz bilden und die sich nach 
dem Lösen der Ligatur im Organismus verbreiten. Die Frage 
dürfte für die Pathologie der Nierenkrankheiten von Bedeu- 
tung sein. 

Zum Schlusse möchten wir noch darauf hinweisen, daß 
unsere Versuche auch Beweise gegen M. H. Fischers!) Ansäue- 
rungstheorie der Nephritis ergeben. Durch die Anhäufung von 
Säure, durch die damit erzeugte Schwellung der Niere soll Sauer- 
stoffmangel in der Niere entstehen und so auch die Produktion 
der CO, stören. Dem gegenüber haben unsere Versuche ergeben, 
daß die nephritische Niere — falls keine hochgradige Ischurie 
oder Anurie besteht — bedeutend mehr О, verbraucht und 
nicht nur absolut, sondern auch relativ mehr CO, produziert 
als die gesunde. 

Die wesentlichsten Ergebnisse unserer Versuche können 
wir in folgendem zusammenfassen: 


1. Die Arbeit der kranken, funktionierenden Niere 
ist größer als die der gesunden; dementsprechend ver- 
braucht sie mehr О, und produziert mehr CO, als die 
gesunde. 


1) М. Н. Fischer, Die Nephritis.. Dresden 1912. 
5% 


68 St. Cserna und G. Kelemen: Größe der Arbeit kranker Nieren. 


2. Nur bei hochgradiger Ischurie oder bei Anurie 
ist der O,-Verbrauch und die CO,-Produktion in der 
kranken Niere geringer als in der gesunden. 

3. Bei erhöhter Arbeitsleistung produziert die 
kranke Niere nicht nur absolut, sondern auch relativ 
mehr CO, als die gesunde. 

4. Nach Erkrankung des Nierenparenchyms — die 
als Folge temporärer Zirkulationsunterbrechung ent- 
steht — kann auch in den übrigen Organen der Gas- 
wechsel gesteigert werden. 


Die Größe der Milzarbeit. 
Von 


Fritz Verzär. 


(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest 
Direktor: F. Tangl.) 


(Eingegangen am 5. Juni 1913.) 
Mit 1 Figur im Text. 


Um die Arbeit bzw. den Gaswechsel eines Organs zu be- 
stimmen, können wir zwei verschiedene Methoden anwenden: 
1. die Exstirpationsmethode Tangls!), 2. die Untersuchung des 
Blutgaswechsels des Organs. 

Nach der ersteren Methode wurde bisher von Tangl die 
Arbeit der Nieren, von mir jene des portalen Leberkreislaufes*) 
und des Pankreas?) bestimmt. Mit der zweiten Methode haben 
besonders Barcroft*) und seine Mitarbeiter zahlreiche Unter- 
suchungen ausgeführt. 

Da die Lokalisation der Stoffwechselvorgänge von allge- 
meinerem Interesse ist, wie das z. B. unlängst Zwaarde- 
maker’) ausgeführt hat, so ist es von Interesse, diese Unter- 
suchungen über die Atmung bzw. die Arbeit der einzelnen 
Organe weiter auszudehnen, und es wurde deshalb der Gas- 
wechsel der Milz, über welchen, wie es scheint, bisher keine 
Angaben vorliegen, untersucht’). 


1) Tangl, diese Zeitschr. 84, 1. 

2) Verzär, diese Zeitschr. 84, 52. 

з) Verzär, diese Zeitschr. 44, 201. 

4) Barcroft, Ergebn. d. Physiol. 7, und im Journ. of Physiol. 

5) Zwaardemaker, Ergebn. d Physiol. 1912, 620. 

6) Eine zusammenfassende Darstellung des Milzstoffweohsels hat 
Seemann in den Ergebn. d. Physiol. 8, I, 30 bis 43 gegeben. 


10 F. Verzär: 


Meine Versuche teilen sich in drei Gruppen: 


1. Bestimmung der Respiration der Milz nach der Ех- 
stirpationsmethode. 

2. Blutgasuntersuchungen im Milzblut. 

3. Der Einfluß von Kohlenhydratinjektionen auf den Gas- 
wechsel entmilzter Tiere. 


1. Einfluß der Milzexstirpation auf den Gaswechsel 

des ganzen Organismus. 

Diese Versuche wurden mit derselben Methodik ausgeführt 
wie jene oben erwähnten Arbeiten über Niere, Leber und Pan- 
kreas. Es kann deshalb auf dieselben verwiesen werden. Das 
Wesen dieser Versuchsanordnung ist, daß am curarisierten Tier 
während des Respirationsversuches das Organ exstirpiert wird, 
um die hierdurch bedingte Änderung des Gaswechsels zu be- 
obachten. Als Versuchstiere wurden Hunde benutzt, die 48 Stun- 
den vor dem Versuch zuletzt gefüttert wurden. 

Die Exstirpation der Milz ist technisch sehr einfach. Durch 
einen kleinen Schnitt in der Linea alba läßt sie sich leicht 
ohne jeden Blutverlust hervorholen. Dann wird ihr ganzer 
Mesenteriumstiel mit sämtlichen Gefäßen unterbunden und 
durchschnitten. Da es sich um kurze Versuche handelt, so 
muß natürlich nicht aseptisch vorgegangen werden. Auch 
während der Exstirpation bleibt das Tier im Thermostaten. 

Die Versuche wurden auch hier eo ausgeführt, daß zuerst 
der Gaswechsel des normalen Tieres in 3 bis 4 Versuchen be- 
stimmt wurde Dann folgte die Milzexstirpation, und nun 
wurden wieder Proben der Atmungsluft analysiert. 

Wie aus den Versuchstabellen I bis IV, sowie aus der zu- 
sammenfassenden Tabelle V hervorgeht, verändert sich der Gas- 
wechsel nach der Milzexstirpation so gut wie gar nicht. Die 
beobachteten Unterschiede liegen innerhalb der Fehlergrenzen 
der Methode. Aus der zusammenfassenden Tabelle V ergibt 
sich im Mittel von 4 Versuchsreihen eine geringe Abnahme des 
O,-Verbrauches (0,7°/,) und der CO,-Produktion (1,0°/,). Es 
sei aber nochmals betont, daß solche Schwankungen auch beim 
normalen Tier vorkommen. 

Der Stoffwechsel der Milz ist also so klein, daß er sich 
mit der Exstirpationsmethode nicht messen läßt. Dieses Er- 


Größe der Milzarbeit. 71 


gebnis wird erst dann interessant, wenn wir es mit jenem ver- 
gleichen, das wir nach der Exstirpation anderer Organe er- 
hielten. So erhielt Tangl nach Exstirpation der Niere eine 
Verminderung des O,-Verbrauches um 8,7°/,, ich nach Aus- 
schaltung des portalen Leberkreislaufes eine Abnahme um 12°/,, 
nach Exstirpation des Pankreas um 8°/,. Dabei ist das Ge- 
wicht der Niere bzw. des Pankreas kaum verschieden von dem 
der Milz. Es geht bereits hieraus hervor, daß der Milz ent- 
sprechend diesem geringen Stoffwechsel auch nur eine geringe 
Bedeutung für die Größe des Stoff- und Energieumsatzes zu- 
kommen kann. 


Tabelle I. 


Nummer des Versuchstieres: 1. Körpergewicht: 7200 g. 
Datum: 7.IX. 1910. 































e * © л S г 
Z ER Dauer = 5 ACH 54 
E БЕ Sal SE 
— — > = Ф e e * З 
= in der Ven- de $ = Anmerkungen 
2e tilationsluft | PTO Minute Бый, < E 
des Versuchs | < * SER 
mm 





EM 17” 
H 58” 
7 82” 


2 34’ 
>51’ 
3» 13’ 







Gegen 3" 20’ Exstirpation 






















10°%,iger Traubenzuk- 
Bis 8h 80° 18 cem Harn 
8' 29” | 1868 | 2,88 | 2,70 [53,86 48,82)0,906 53 90 143 | "enthaltend 126g Тева: 


benzucker. 


12 | 827’ 


| 
4 | 35 407 | 77 34” 2,85 | 2,50 139 дег Milz. Gewicht der 
Milz: 35 g. 
5 | 42037 |g 14” 2,71 | 2,36 165 
6 | 4226" | 7 51” 2,77 |9,59 139 
7 | 42407 | 7° 40” 2,75 | 2,49 138 
гоп 4550' bis 5h20” In- 
5 09' | 77 41” 61,5257,04|0,927 = ech A0 "Tusion von — cem 
уйк. 8°%,iger Lösung einer 
9 | 6853| 9 117 66,56156,31[0,846, 0708| 140 ee? 
Віз 8h0’ Harn, 
10 | ™ 39 | 8° 39” | 1957 |3,28 | 2,86 [60,14 52,23|о,88|2971 146 enthaltend vr 
EH benzucker. 
ү b 50” bis 8420’ In- 
11| 807 er 06” | 1993 | 2,94 | 2,67 [58,65151,52l0,880 3989) 148 |" fusion von 100 com 


12 F. Verzär: 


Tabelle П. 


Nummer des Versuchstieres: 2. Körpergewicht: 5600 g. 
Datum: 31. VIII. 1910. 
































;| An- e | TF 
| fang ener) 5 ЕЕ zs 
Дш HEE 
Q 
= о | іа der Ven- Е 8 в Anmerkungen 
+ E | tilationsluft E r 
des Versuchs | < 2‹ ыны am 
cem С Imm H 














1) 1> 40| 9 55”11694,4| 2,58 | 2,41 |43,65139,39|0,90 
2| 2> 00 | 9’ 42”11703,3] 2,58 


3| 2 17’ |10 24''1704,9] 2,62 


4| æ% 45 |10 127169451 2,67 | 2,33 [45,24 \37,99[0,889 107 [мк к 


5| 3b 40’ | 9'89”1780,0[ 2,71 
6 8» 59 (IO 0511750,0] 2,44 





ү ' bis 5' In- 
da 32° | o 311766,4 2,93 | 2,94 |51,7250,48]0,9т6 SIS ар. га Ве 
9870 einer 3°),igen Lösung 
8| 5ь 42° | 9 20”11760,6| 2,55 | 2,61 |45,02|44,51]0,988 8861 von löslicher Stärke. 
9| въ 28° | 9 011797,0] 2,62 | 2,50 J47,08143,38]0,921122°2% 
38,05 Von 6h35’ bis 7h08’ In- 


10| 6% 53° OI 43”|1732,1| 3,03 | 2,99 [52,47|50,39|0,960 38.03 168 fusion von 100 ccm 
pis einer 10°%,igen Trau- 
38,41 benzuckerlös 


1172 38’ 112’ 181774,6] 2,77 | 2,67 |49,23/45,82]0,931 — — 





| 


Tabelle III. 


Nummer des Versuchstieres: 3. Körpergewicht: 7700 g. 
Datum: 28. ПІ. 1910. 























|; © 23 33153 2 ag 
СЕНЕ |2213: |]: 5$| ЕТ 
“| А Sé RE ба | сЕ [е5 * SE 
= СО, Ез) 53 Anmerk 
Bo neor уа pro Minute Oe SE GE — 
des Versuchs | 2 & | “20019 | < 
com | 9, | % °C |mm Hg 





— m 


Größe der Milzarbeit. 13 


Tabelle III (Fortsetzung). 





























u „ 
saj: FURE 
И д 84% E В 
5 gS 8 E Anmerkungen 
K te AA a 
des Versuchs ER un 
m Hg 





10h 08° Exstirpation der 
Milz. 


6 111% 09| 7” 38” [3046,2] 1,82 












Von 11h 27’ bis 125 07’ 
Infusion von 200 cem 
einer 3°/,igen Lösung 
von löslicher Stärke. 


38,35 
38,50 
38,60 
38,76 
38,86 
38,86 


7 |118 507 7° 07” |3025,4| 1,79 | 1,70 [54,03 48,95|0,906 
8 [125 08/| 7’ 27” [8025,4] 1,96 | 1,81 [59,27 52,22|0,881 
9 112% 41’) 7” 27” [2991,7 1,76 | 1,58 152,65/44,6710,848 





Harn nach der Stärke- 
infusion frei von Stärke 
und Zucker, 


Tabelle IV. 


Nummer des Versuchstieres: 4. Körpergewicht: 8500 g. 
Datum: 1.IV. 1913. Temperatur vor dem Versuch: 39,6°. 



























u “а | ‚2 A PS 
sanj $ 5 5] |522] 8% 
= A Eé SA | жые ZE 
EK ZS Anmerkungen 
pro Minute Sy <a 
des Versuchs ZER 
mm 


Blutdruck während des 
ganzen Versuches kon- 
stant. 





3 [11* 26/| Y 15” 13445,3] 2,25 
4 [11> 55| Y 49” 13450,8] 2,15 


’ Milzexstirpati 
5 12% 24| 9 25” [3450,9] 2,20 | 1,95 [75,75 64,36)0,850140°72]| — | "Gewicht d міз: 28,58. 


6 |12 sai 9 07” [3429,9| 2,16 | 1,94 [73,98163,52]o,859]405]| — 


7| 12 17| Y 49” [3444,21 2,18 | 1,91 [75,05/62,93l0,838 äer — 


sl 15 46| 9 04” |з3424,0| 2,23 | 1,89 [76,18\61,940,813 Р = 


74 F. Verzär: 


Tabelle V. 
Veränderungen im respiratorischen Gaswechsel nach der Milzexstirpation. 






O,-Verbrauch 






CO,- Ausgabe 



















ы — 
vor dor | nach der vor der |nach der 
= Milzexstirpation | Veränderung | Milzezstirpation | Veränderung 
d pro Minute pro Minute 

com | сеш ccm | oli 





+ 0,46 | + 0,90 






1 — 0,97 | — 1,59 51,67 

2 +087 | +198 39.04 |—0,19 |—048 
3 — 136 | — 2,57 4143 | 2171-495 
4 — 048 | — 0.64 6319 |+0271+043 






Mittelwert | — 0,71 Mittelwert | — 1,03 


2. Der Blutgaswechsel der Milz. 


Die Bestimmung der Milzarbeit mit der Exstirpations- 
methode führte nur zu dem Ergebnis, daß der Stoffwechsel 
der Milz sehr gering gegenüber jenem anderer parenchymatöser 
Organe sein muß. Genauere Werte waren von Blutgas- 
bestimmungen zu erwarten. 

Diese Versuche wurden wegen der relativ einfacheren 
anatomischen Verhältnisse an Katzen ausgeführt. Es wurde 
im allgemeinen die Barcroftsche Methodik der Blutgasunter- 
suchung befolgt. Das Tier wurde mit Chloroform betäubt, 
dann wurde Urethan subcutan injiziert, tracheotomiert, beide 
Carotiden frei präpariert und in dieselben Kanülen eingebunden. 
Von der einen Carotis aus wurde der Blutdruck gemessen, von 
der anderen wurde das arterielle Blut zur Gasuntersuchung 
entnommen. Ferner wurde auch in eine V. jugularis eine Kanüle 
eingeführt zur Injektion von Hirudin. Sodann wurde ein 
Bauchschnitt in der Mittellinie gemacht, die Milz hervorgeholt 
und in mit lauwarmer physiologischer NaCl-Lösung getränkter 
Watte umgeben. 

Die Milz der Katze hat folgende Venenversorgung (siehe 
die beiliegende Skizze). 

Am oberen Pol der Milz gehen einige kleine Venen im 
Mesenterium (Lig. gastro-lienale) zum Magen (a); am unteren 
Pol sind mehrere Anastomosen zum Netz (b). Beide Gruppen 
werden mit dem entsprechenden Stiel des Mesenteriums unter- 
bunden und durchschnitten. Danach entleert sich das Milz- 


Größe der Milzarbeit. 75 


blut allem Anschein nach ungestört durch die beiden Haupt- 
venen des Organs. Diese haben eine sehr konstante An- 
ordnung. Die obere (c) bringt das Blut aus der oberen Spitze 
der Milz, die untere (d) versorgt den größeren unteren Teil 
der Milz und nimmt, ehe sie sich mit der oberen Vene ver- 
einigt, gewöhnlich einige Venen aus dem Schwanz des Pankreas 
auf (е). Es ist interessant, daB 
diese beiden Venen, wie man 
sich leicht überzeugen kann, zwei 
ganz isolierte Gebiete des Organs 
versehen. Unterbindet man näm- 
lich eine dieser Venen, so ver- 
färbt sich das entsprechende Ge- 
biet sogleich, wird dunkelblau 
und hebt sich in einer scharfen 
Linie, etwa der fett gestrichelten Fig. 1. 

Linie auf der Abbildung ent- | 

sprechend, von dem normalen Milzteil ab. Der Unterschied 
zwischen dem gestauten und dem normalen Milzgebiet ist so 
groß, daß man die beiden Teile nach dem Tode ganz genau 
voneinander trennen und ihr Gewicht bestimmen kann. Das 
Verhältnis der beiden Venengebiete ist ziemlich konstant, wie 
aus den folgenden Daten hervorgeht. 





Tabelle VI. 







Ver- пааша 
er beiden 
such] der oberen | der unteren Venengebiete 


zueinander 





5 1,96 6,07 8,03 1:3 
6 0,82 4,18 5,00 1:5 
7 1,60 -e 4,90 6,50 1:3 


Demnach beträgt das Gebiet der oberen Milzvene etwa 
11, bis !/, der ganzen Milz. 

Diese genaue Abgrenzung in zwei isolierte Venengebiete 
macht es möglich, daß man Milzblut gewinnen kann, ohne 
dabei genötigt zu sein, den entsprechenden Teil der Milz auch 
nur vorübergehend aus dem Kreislauf zu schalten. 


16 Е. Verzär: 


Ich verfuhr nun, um den Sauerstoffverbrauch der Milz zu 
messen, 80, daß ich die eine der beiden Venen unterband und 
in den zentralen Stumpf eine Kanüle einführte. Damit 
wurde zwar der eine Teil der Milz aus dem Kreislauf aus- 
geschaltet, der andere Teil behielt jedoch seine normale Zirku- 
lation. Setzte man nun auf die gemeinsame Milzvene bei f eine 
Aderklemme, so strömte das Milzblut rückwärts durch die 
Kanüle heraus. 

Seine Geschwindigkeit wurde nach Barcrofts Vorgehen 
so gemessen, daß man es durch eine graduierte Pipette fließen 
ließ und jeden !/,, ccm mit einem elektrischen Signal auf dem 
Kymographion registrierte. Gleichzeitig wurde immer auch der 
Blutdruck und die Zeit markiert. 

Um die Blutgerinnung zu verhindern, wurde den Tieren 
kurz vor Beginn des Versuches Hirudin (0,05 g pro Katze) intra- 
venös, in etwa 20 ccm physiol. NaCl gelöst, injiziert. Es erwies 
sich praktisch, dem Hirudin etwas Adrenalin hinzuzufügen, um 
der anfänglichen Blutdrucksenkung durch das Hirudin vor- 
zubeugen. Gleichzeitig mit dem Venenblut oder sofort danach 
wurde 1 ccm arterielles Blut aus der Carotis entnommen und 
die Differenz des Sauerstofigehaltes der beiden mit dem 
Barcroftschen Differential-Blutgasapparat bestimmt. 

Es wurden 3 Versuche mit insgesamt 6 Bestimmungen 
ausgeführt. Das Ergebnis ist in der folgenden Tabelle wieder- 
gegeben. 


Tabelle VII. 














Strömungs- 
geschwindig- 
keit durch den 
untersuchten 
Milzteil 









O,-Verbrauch der 
Milz Benutzter 
pro 1 g/Min. Milzteil 







Anmerkung 


Versuch Nr. 














5 { Oberer Teil 
Gewicht 1,96 р 
Unterer Teil 
6 Gewicht 4,18 р 
SchlechterBlutdruck. 
7 Oberer Teil 
| Gewicht 1,60 р 





Mittel 0,050ccm О, 
pro 1 g/Min. 





Größe der Milzarbeit. 77 


In Versuch 5 und 7 war die Kanüle in die untere (größere) 
Vene eingeführt, und es wurde das Blut des Gebietes der 
oberen Vene, also des kleineren Milzteiles, analysiert. In Ver- 
such 6 war das Verhältnis umgekehrt; es wurde das Blut des 
unteren größeren Milzteiles gewonnen. Alle Ergebnisse sind 
pro Gramm und Minute berechnet. In den Versuchen 5 und 6 
folgten die verschiedenen Bestimmungen in einem Zeit- 
raume von etwa 5 Minuten. Auffallend ist die ziemlich große 
Differenz in den einzelnen Bestimmungen, die in den Versuchen 
mit gutem Blutdruck zwischen 0,018 bis 0,143 com O,-Verbrauch 
pro Gramm und Minute schwanken. Bei ein und demselben 
Tier gewonnene Werte sind allerdings ziemlich gleich, während 
die Werte von verschiedenen Tieren stark voneinander ab- 
weichen. Es muß auch bemerkt werden, daß die Werte einen 
Parallelismus zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Sauer- 
stoffverbrauch zeigen, ein Punkt, auf den ich hier nicht weiter 
eingehen will‘). Inwiefern diese Unterschiede auf die sehr er- 
heblichen Schwierigkeiten der Technik, insbesondere darauf 
zurückzuführen sind, daß das Organ, aus der Bauchhöhle heraus- 
gehoben und in feuchte Watte gewickelt, untersucht werden 
muß, kann ich nicht bestimmen. Jedoch zeigen die gemessenen 
Werte keine größeren Unterschiede, als auch sonst in Blutgas- 
versuchen gefunden werden, und es ist deshalb die Berechnung 
eines Mittelwertes gerechtfertigt. Im Mittel beträgt der 0,- 
Verbrauch der Milz 0,050 ccm О, pro g/Min. Dieser Wert liegt 
in der Größenordnung, die für die anurische Niere und die 
ruhende Submaxillaris zuerst von Barcroft bestimmt wurde, 
und übersteigt diesen sogar. Die Milz hat also einen Stoff- 
wechsel, der der Größe nach dem der ruhenden par- 
enchymatösen Organe entspricht. 

Wie verhält sich dieses Resultat zu jenem der vorigen 
Versuchsreihe? Das Gewicht der Milz der Versuchshunde betrug 


1) Nach Burton-ÖOpitz (Arch. f. а. ges. Physiol. 129, 189, 1909) 
fließen beim Hund durch 100 g Milz im Mittel pro Minute 58 eem 
Blut. Die einzelnen Werte schwanken zwischen 25 bis 87 ccm. In 
meinen Versuchen schwanken (abgesehen vom Versuch vom 6. III.) die 
Werte zwischen 23 und 106 com und geben einen Mittelwert von 51 ccm 
Blut für 100 g Milz. Meine Werte zeigen also eine gute Übereinstimmung 
mit jenen. | 


78 F. Verzär: 


20 bis 30 д. Daraus berechnet sich mittels der durch Blut- 
gasanalyse gefundenen Zahl (0,05 com pro g/Min.) ein О,-Уег- 
brauch für die ganze Milz von 1 bis 1,5 ccm/Min. Dieser Wert 
ist so klein, daß er an der Grenze der mit der Exstirpations- 
methode bestimmbaren Differenzen liegt, und es ist deshalb 
verständlich, daß nach der Exstirpation so gut wie keine Ver- 
minderung des Sauerstoffverbrauches des ganzen Tieres zu be- 
merken war. Indirekte und direkte Methode geben hier, 
ebenso wie in Tangls Versuchen an der Niere, Werte 
‘von derselben Größenordnung. 


8. Einfluß von Kohlenhydratinfusion auf den Gaswechsel 
entmilzter Tiere. 


Den in der ersten Versuchsreihe erwähnten Tieren habe 
ich, nachdem die Respiration nach der Milzexstirpation be- 
stimmt worden war, ebenso wie in meinen früheren Versuchen 
nach Leber- und Pankreasexstirpation Dextrose bzw. lösliche 
Stärke intravenös infundiert. 

Es schien nicht unmöglich, daß die Milz irgendeinen Ein- 
fluß auf die Kohlenhydratverbrennung hat. Daran haben z.B. 
besonders in einem Zusammenhang mit dem Pankreas, dessen 
Fermente die Milz aktivieren sollten, verschiedene Autoren 
(Schiff, Herzen u. a.) gedacht. 

In Versuch 1, 2 und 3 wurde lösliche Stärke, in Versuch 1 
und 2 später noch Dextrose intravenös injiziert. In allen Ver- 
suchen stieg danach sogleich der respiratorische Quotient, zum 
Zeichen, daß diese Kohlenhydrate verbrannt wurden. Die Ände- 
rung der Respiration war dieselbe wie beim normalen Tier. 
Ein Einfluß der Milzexstirpation auf die Verbrennung intra- 
venös eingeführter Dextrose oder Amylum solubile war dem- 
nach nicht zu konstatieren. 


Zusammenfassung. 


1. Exstirpiertt man die Milz curarisierter Hunde, so ist 
keine Änderung des respiratorischen Gaswechsels zu bemerken, 
höchstens läßt sich als Mittel von 4 Versuchen eine geringe 
Abnahme des O,-Verbrauches um 0,7°/,, der CO,-Produktion 
um 1,09! nachweisen. Jedoch liegen diese Werte so sehr an 


Größe der Milzarbeit. 79 


der Grenze der Leistungsfähigkeit der Methode, daß sich daraus 
nur soviel folgern läßt, daß der Stoffwechsel der Milz sehr klein 
sein muß. 

" 2. Bei direkter Bestimmung des Blutgaswechsels der Milz 
von Katzen ergab sich ein O,-Verbrauch im Mittel von 6 Be- 
stimmungen an 3 Tieren von 0,05 ccm О, pro g und Min. Dieser 
Wert entspricht der Größenordnung des in der ersten Versuchs- 
reihe bestimmten Ausfallee.. Der Sauerstofiverbrauch der Milz 
hat etwa dieselbe Größe wie jener der ruhenden Submaxillaris 
oder der anurischen Niere in den Versuchen Barcrofts. 

3. Intravenös injizierte Dextrose und lösliche Stärke wird 
auch nach Milzexstirpation prompt verbrannt. 


Zur Kenntnis des Einflusses des Großhirns auf den 
Stoff- und Energieumsatz. 


Von 
Karl Hannemann (München). 


(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: Е. Tangl.) 


(Eingegangen am 5. Juni 1913.) 


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„Haben gewisse Teile des Gehirns einen meßbaren Ein- 
fluß auf die Größe des Stoffwechsels und kann man durch 
Exstirpation von Gehirnabschnitten eine sichere, stets wieder- 
kehrende Vermehrung oder Verminderung des Stoffumsatzes 
nachweisen?“ 

So lautete meine Fragestellung zu den folgenden Versuchen, 
die ich auf Anregung und unter der Leitung des Herrn Prof. 
Franz Tangl im Herbst 1911 anstellte. 

Meine Versuche habe ich an Fröschen angestellt, und 
zwar an frisch im Herbste eingefangenen Exemplaren von 
Rana esculenta. 


Allgemeine Versuchsanordnung und Methodik, 


Meine Versuchsanordnung war so getroffen, daß ich den Stoff- 
umsatz durch direkte Bestimmung дев O,-Verbrauchs und der 
CO,-Produktion messen konnte. Ich bestimmte an jedem Tiere 
in mehreren Versuchen den Gaswechsel vor und nach der Ex- 
stirpation gewisser Hirnteile. In 3 Versuchsreihen bestimmte 
ich außerdem direkt die Wärmeproduktion vor und nach der 
Gehirnoperation. Wie die Exstirpation der einzelnen Gehirn- 
teile ausgeführt wurde, wird weiter unten bei den einzelnen 
Versuchsgruppen beschrieben werden. 


Karl Hannemann: Einfluß des Hirns auf Stoffi- und Energieumsatz. 81 


Respirationsversuche. 


Hier will ich ganz kurz die allgemeine Einrichtung meiner 
Respirationsversuche beschreiben, soweit das zur Beurteilung 
der Zuverlässigkeit meiner Untersuchungen notwendig ist. 


Meine Versuchseinrichtung war, von einigen Modifikationen 
abgesehen, dieselbe, die Р. Нагі!) bei seinen Fledermausver- 
suchen angewendet hat. 


Als Respirationskammer dienten in chemischen Laboratorien 
gebräuchliche Exsiccatoren von 1!/, bis 2 1 Inhalt, mit einem 
genau aufgeschliffenen, in der Mitte mit einer zur Aufnahme 
eines Stopfens dienenden Öffnung (4 cm Durchmesser) versehenen 
Deckel. 


Über den unteren sonst zur Aufnahme von Chlorcalcium dienenden 
Teil des Gefäßes kam ein weitmaschiges, verzinktes Drahtnetz, das dem 
Versuchstier als Unterlage dienen und zu gleicher Zeit etwaigen Exkreten 
ungehinderten Abfluß ermöglichen sollte. Die Öffnung im Exsicoator- 
deckel wurde mit einem guten, 4fach durchbohrtem Gummistopfen ver- 
schlossen und sorgfältig mit halbweichem Wachs gedichtet. Durch die 
Bohrungen gingen: 1. ein kurzes Glasrohr zum Eintritt der Ventilations- 
luft, 2. ein Austrittsrohr für die Ventilationsluft, das, bis zur halben 
Höhe des Behälters gehend, in die Mitte eines ihm parallel laufenden 
Glasrobres mündet. Die obere Öffnung dieser letzteren Röhre befindet 
sich knapp unterhalb des Exsiocatordeckels, der untere Rohrschenkel 
geht durch das weitmaschige Drahtnetz in den untersten Teil des 
Exsiocators. Diese Einrichtung ermöglicht es, sowohl bei der Ventilation 
vor Beginn des Versuches wie auch nach Beendigung bei der Entnahme 
der zur Analyse benötigten Luftmenge die ganze Behälterluft, die ja 
durch das Drahtnetz mit dem darauf sitzenden Versuchstier in zwei Hälften 
getrennt wird, gründlich und gleichmäßig zu durchmischen. Dieses mit 
der Mischvorrichtung versehene lange Ventilationsrohr ist knapp ober- 
halb des Gummistopfens horizontal umgebogen, beide Glasröhren tragen 
zum Verschluß kurze, dickwandige und enganschließende Gummischlauch- 
stücke, die mittels Wachs und Draht gedichtet waren und durch Klemm- 
schrauben stets an der gleichen Stelle verschlossen wurden. In die 
3. Bohrung des Stopfens kam ein offenes Quecksilbermanometer, das 
mit einer Millimeterskala versehen war, so daß auftretende Druckunter- 
schiede direkt abgelesen werden konnten. Ein kurzes Thermometer mit 
einer in Zehntelgrade geteilten Skala von 15° bis 25° füllte die 4. und 
letzte Bohrung. 

Zur Probe auf ihren hermetischen Verschluß wurde in den Be- 
hältern ein negativer Druck von 50 mm Hg erzeugt; er war nach 3 Stunden 


1) Р. Häri, Arch. f. d. ges. Physiol. 130, 112. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 6 


82 Karl Hannemann: 


unverändert. Jeder so vorbereitete Behälter wurde mittels destillierten 
Wassers sorgfältig kalibriert. Die Kalibrierung ergab für meine 3 Ex- 
siccatoren die folgenden Volumina: 

I. — 2195 eem, II. = 2315 ccm, III. = 1678 ccm. 

An 5 Fröschen stellte ich in Doppelversuchen das spezifische Ge- 
wicht fest, das im Mittel 0,8 betrug. Mit dieser Konstante multipliziert 
ergab sich aus dem mittleren Gewicht des vor und nach den Versuchen 
gewogenen Tieres das mittlere Volumen des jeweiligen Versuchstieres. 
Dies Tiervolumen zusammen mit Behälterfassungsraum und Innendruck 
sowie mit der Innentemperatur und dem Barometerstand vor und nach 
dem Versuch diente zur Berechnung des Behälter-Normalvolumens zu 
Beginn und am Ende eines jeden Versuches Da ich nun, wie auch 
Häri bei den bereits erwähnten Fledermausversuchen, mittels des 
Zuntz-Geppertschen Apparates die prozentualen Veränderungen der 
Behälterluft während der Dauer des Versuches bestimmen konnte, war 
aus den beiden Normalvolumina eines jeden Versuches mit den ent- 
eprechenden Prozentzahlen unschwer der gesamte Sauerstoffverbrauch, 
wie auch die gesamte Produktion von Kohlensäure in einem gemessenen 
Zeitabschnitt zu berechnen. 

Die Handhabung des Apparates, die Gewinnung der zur Analyse 
dienenden Luftmenge sowie die Berechnung der Versuche möchte ich 
an Hand einer kurzen Schilderung des Versuchsganges beschreiben, den 
ich bei allen Respirationsversuchen, die mit den obenerwähnten Арра- 
raten ausgeführt wurden, durchweg einhielt: 

Vor Beginn eines jeden Versuches wurde das Tier aus dem Frosch- 
glas genommen, in dem es sich nachts über in wenig Wasser sitzend 
aufgehalten hatte, und durch leichtes und vorsichtiges Drücken der in 
der Blase befindliche Harn abgedrückt. Nun kam der Frosch in ein 
verschließbares tariertes Wägeglas und es wurde sein Gewicht auf Zehntel- 
gramm genau bestimmt. Hierauf wurde er in den gut ausgetrockneten 
Exsiccator auf das Drahtnetz gesetzt uud der Behälter, nachdem noch 
der untere Schenkel des langen Ventilationsrohres seitlich des Tieres 
durch eine Drahtnetzmasche gesteckt war, sorgfältig durch Aufreiben 
des mit einer Mischung von Wachs und Vaselin bestrichenen Deckels 
verschlossen und mit 3 Schraubenklammern versichert. So hermetisch ab- 
geschlossen wurde der Exsiccator mittels des kurzen Ventilationsrohres 
an eine kleine, elektrisch betriebene Kreiselsaugpumpe angeschaltet, 
während die lange mit der Mischvorrichtung versehene Lufteintrittsröhre 
mit der Straßenluft verbunden wurde. Die Straßenluft mußte zur 
Reinigung und Temperierung erst langsam zwei hintereinandergeschaltete 
mit Wasser von Zimmertemperatur beschickte Gaswaschflaschen passieren, 
trat alsdann durch das doppelschenklige Rohr an zwei weit auseinander 
liegenden Stellen in den Tierbehälter ein, ventilierte diesen und trat 
durch das kurze Rohr zur Saugpumpe aus. Die beiden Wasserpassagen 
dienten dazu, die Behälterluft mit Wasser zu sättigen, so daß nachher 
bei der Berechnung des Normalvolumens die der jeweiligen Innentempe- 
rıtur entsprechende Wasserdampftension eingesetzt werden konnte. 


Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 83 


Bei dieser Art der Lufterneuerung konnte ich nach ca. einstündiger 
Ventilationsdauer annehmen, daß die ganze Behälterluft gleichmäßig 
die Zusammensetzung der konstanten Straßenluft hatte. Nun wurde 
der Zeitpunkt notiert, die Klemmschrauben erst des Luftaustritte-, dann 
des Lufteintritterohres geschlossen und die Behälterinnentemperatur sowie 
der Barometerstand abgelesen. Das Manometerquecksilber stand bei 
Beginn des Versuches auf + 0. So vorbereitet wurde der Exsiocator 
in ein mit Wasser von Zimmertemperatur gefülltes großes Gefäß soweit 
versenkt, daß sich der ganze Apparat unter Wasser befand und nur Thermo- 
meter und Manometer darüber hervorragten. 

Die im weiteren Verlaufe des Versuches eintretenden Veränderungen 
des Manometerstandes waren, außer den in Rechnung zu setzenden 
meist unbedeutenderen Einwirkungen durch Veränderung von Tempe- 
ratur und Barometerstand, durch den respiratorischen Gaswechsel 
hervorgerufen, der zu einem negativen Druck von — 0,5 bis — 17mm Hg 
führte, verursacht durch das geringere Volumen der ausgeatmeten Kohlen- 
säure im Verhältnis zum Volumen des eingeatmeten Sauerstoffs'). 

Die Beendigung des Versuches nach einer dem Gewichte des Ver- 
suchsfrosches entsprechenden Zeitdauer und die Entnahme der Analysen- 
luft geschah folgendermaßen: 

Erst wurde wiederum Barometerstand, Innentemperatur sowie 
Innendruck festgestellt, dann wurde die Behälterluft gründlich durch- 
mischt und die benötigte Menge von 220 oom in eine Bürette über an- 
gesäuertem Wasser abgesaugt. Das Durchmischen und die Probenahme 
geschah nach den bereits oben erwähnten Angaben Häris mit gering- 
fügigen Änderungen: 

Die Dieulafoysche Spritze kam in ihre Teile zerlegt in die flache 
Schale, die mit soviel schwach angesäuertem und durch etwas Lackmus 
rot gefärbtem destilliertem Wasser gefüllt war, daß es die ganze Spritze 
gut bedeckte. Nun wurden die Spritzenteile unter Wasser zusammen- 
gefügt und die eine Mündung des Dreiweghahnes an eine Glasröhre ge- 
schaltet, die an beiden Enden rechtwinklig abgebogen die Spritze der- 
art mit dem langen Ventilationsrohr des Repirationsapparates verband, 
daß die beiden Gummirohrverbindungsstücke sich völlig unter Wasser- 
abschluß befanden. Die zweite Spritzenmündung wurde mit einem 
Bürettengestell verbunden. Aus beiden Leitungen hatte ich selbstver- 
ständlich vor ihrem Abschluß erst jegliche Luft durch angesäuertes 
Wasser verdrängt und die freien Enden sorgfältig unter Wasser vereinigt. 

Nunmehr wurde durch entsprechende Stellung des Dreiweghahnes 
die Verbindung zwischen Behälter und Spritze hergestellt, dann die oben 
erwähnten Daten abgelesen und die den Behälter verschließende Klemm- 


1) Diese Druckabnahme diente zugleich als Maßstab der CO,-An- 
sammlung im Tierbehälter und war mitentscheidend für die Dauer des 
Versuches, die so gewählt wurde, daß die Konzentration der CO, in der 
Bebälterluft etwa 1 bis 1,5°/,, nur in einigen Versuchen über 2°/,, in 
2 Versuchen über 3°/, betrug. 

6* 


84 Karl Hannemann: 


schraube geöffnet. Jetzt wurde die Spritze langsam mit Behälterluft 
vollgesogen, dies Luftquantum wieder in den Behälter zurückgetrieben 
und nach 5maligem Wiederholen dieser Ventilation durfte ich mit Rück- 
sicht auf das Mischrohr annehmen, daß die Behälterluft gründlich durch- 
mischt sei. Nun wurde wiederum der Zeitpunkt notiert, der Hahn um- 
gestellt und die den Weg zur Bürette verschließende Klemmschraube ge- 
lockert. Unter entsprechendem Senken der Niveaukugel und unter wieder- 
holtem Umstellen des Dreiweghahnes füllte ich sodann die Bürette mit 
der zur Analyse nötigen Luftmenge, die alsbald mittels des Zuntz- 
Geppertschen Apparates in Doppelanalysen auf ihren prozentualen 
Gehalt an Sauerstoff und Kohlensäure untersucht wurde. 

Der unter starkem negativen Druck stehende Tierbehälter wurde 
nach der Luftentnahme aus dem Wasser gehoben und entweder für 
einen weiteren Versuch wieder 1 Stunde lang mit Straßenluft ventiliert 
oder aber geöffnet, dann wurde das Versuchstier abermals gewogen und 
für die Nacht in das mit etwas Wasser versehene Froschglas gebracht. 

Das jeweilige Schlußnormalvolumen lieferte zusammen mit den aus 
der Zuntz-Geppertschen Analyse erhaltenen Gasprozentwerten die 
Größen für die gesamte Kohlensäureproduktion und den gesamten Sauer- 
stoffverbrauch (Rubriken c und d der Tabellen), aus denen sich so- 
dann der respirstorische Quotient berechnete. Das Normalvolumen zu 
Beginn des Versuches (a) plus der produzierten Kohlensäuremenge (c) 
minus der verbrauchten Menge Sauerstoff (d) gaben die Berechnungs- 
größe (e) für das Schlußnormalvolumen, die zur Kontrolle der aus den 
Schiußdaten gefundenen Versuchsgröße (b) des gleichen Schlußnormal- 
volumens diente. Die plus- und minus-Differenzen zwischen b und е 
baben gelegentlich einen groben Berechnungsfehler aufgedeckt und sind 
in den Tabellen in Prozenten von b aufgeführt. 


Calorimetrische Versuche. 


In 3 Versuchsreihen habe ich mit dem in diesem Hefte 
von Prof. Е. Tangl beschriebenen Calorimeter die Wärme- 
produktion vor und nach der Exstirpation des Großhirns be- 
stimmt. Ich verweise auf seine Beschreibung. Bemerken möchte 
ich nur, daß in der 1. Versuchsreihe der Apparat mit getrockneter 
Luft ventiliert wurde, wobei der größte Teil der produzierten 
Wärme durch Wasserdampf gebunden wurde. Um die unnatürlich 
groBe Wasserdampfabgabe zu verhüten, wurde in den übrigen 
Versuchen mit Wasserdampf gesättigte Luft zur Ventilation 
verwendet, oder während des Versuchs nicht ventiliertt. Nur 
nach Schluß des Versuchs wurde die CO, ausventiliert. 

Vor dem Versuch wurde der Frosch ausgedrückt, gewogen 
und die Kloakentemperatur — ebenso auch am Ende des Ver- 
suchs — auf Zehntelgrade genau gemessen. 


Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 85 


A. Totalexstirpation des Großhirns. 


Meine erste Frage lautete: Läßt sich durch Gehirnexstir- 
pation überhaupt eine sichere quantitative oder qualitative 
Veränderung des Froschstoffwechsels nachweisen und liegt sie 
außerhalb der Fehlergrenze und der täglichen Schwankungen? 

Zur Beantwortung dienten 5 Respirationsversuchsreihen 
und 3 Calorimeterversuchsreihen. Ich hatte außer diesen Ver- 
suchsreihen noch drei andere, die aber mißglückten. 

Hatte ich nach ungefähr 3 bis 4 Normalversuchen ent- 
sprechend konstante Werte erhalten, so daß ich eine gute Ver- 
gleichsbasis annehmen konnte, dann ging ich daran, den Tieren 
in möglichst kurzer Operationsdauer und ohne größere Blut- 
verluste das Gehirn zu exstirpieren. Hierbei ging ich folgender- 
maßen vor: 


Der Frosch wurde auf ein Froschbrettchen aufgebunden, nachdem 
ich zuvor noch sein Gewicht festgestellt hatte. Um eventuelle Folgen 
dieser Prozedur kontrollieren zu können, habe ich mehrere Tiere vor 
einigen Normalversuchen eine halbe Stunde lang aufgebunden und keine 
größeren als Tagesschwankungen feststellen können. Sodann wurde dem 
sich meist sehr ruhig verhaltenden Tiere die Kopfhaut zwischen den 
Augenkuppeln durch einen Längsschnitt са. 3 bis 4 cm weit gespalten 
und ein Loch von ca. 5 mm Durchmesser in das Schädeldach trepaniert 
und möglichst ohne Berührungen der Hirnmasse diese Öffnung mittels 
einer feinen Knochenschere nach vorne und nach hinten so weit ver- 
größert, daß das ganze Gehirn von den Lobi olfactorii bis einschließlich 
der Cerebellarplatte gut sichtbar freilag. Etwa aufgetretene kleinere 
Blutungen wurden vorsichtig abgetupft, dann das Gehirn mit einem feinen 
scharfen Messerchen zwischen Cerebellum und der Medulla oblongata 
rasch durchschnitten, möglichst ohne diese letztere zu verletzen. . Im 
Augenblick der Durchtrennung trat jedesmal ein letzter gedehnter Quak- 
ton auf und die Tiere nahmen jene schon von Sohrader!) beschriebene 
zurückgebogene Kopfhaltung an, die die meisten auch bis zum Exitus 
beibehielten. Im unmittelbaren Anschluß an die Durchschneidung wurde 
das Gehirn beidseitig mit dem Messerchen vorsichtig von den anhängen- 
den Hirnnerven, insbesondere von den starken Nervi optici losgelöst, 
sodann die Lobi olfactorii an ihrer vorderen Grenze durchtrennt opd 
die ganze Hirnmasse mit einem durchschnittlichen Gewicht von 0,150 g 
mittels einer Pinzette unschwer herausgehoben. Die hierbei auftretende 
Blutung, die im allgemeinen beim vorsichtigen Loslösen des Gehirns 
ziemlich geringfügig war, wurde durch Tamponade mit steriler Gaze 
meist nach kurzer Zeit zum Stehen gebracht. Nun wurden die Wund- 


1) Arch. f. d. ges. Physiol. 41, 75, 1887. 


Karl Hannemann 


86 


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88 Karl Hannemann: 


ränder der Haut durch Seidennaht vereinigt und das Tier alsdann vom 
Operationsbretteben losgebunden und gewogen. 

Die Körperhaltung nach der Operation unterschied sich von der 
normaler Tiere vor allem durch die obenerwähnte Kopfhaltung, ferner 
wurden die Gliedmaßen „unordentlich“ gehalten und z. B. ein weg- 
gezogenes Bein nur unvollkommen angezogen. Der Quakreflex war ver- 
schwunden und die Tiere blieben stumm. Auch von den Atembe- 
wegungen war nichts mehr zu bemerken. Die Frösche hielten die Flanken 
wie auch den Kehlsack eingezogen, und so boten sie, da auch die Augen 
halb geschlossen waren, äußerlich ganz das Bild der Leblosigkeit. Das 
Hellerwerden des Hauptpigments in der Dunkelheit war gesteigert, bei 
einigen Tieren bis zu einer graugelben Färbung. 

Bewegungsreflexe traten nach Beklopfen oder ruckweisem Ver- 
schieben des Behälters auf. Wurden die operierten Frösche mit einem 
spitzen Iustrumente berührt oder ein kräftiger Druck auf die Extremi- 
täten ausgeübt, so machten sie einige unregelmäßige ziellose Kriech- 
schritte nach verne, gleichviel woher die Veranlassung kam, und blieben 
bald wieder mit halb angezogenen Hinterbeinen sitzen. 


Nach der Operation kam eine Erholungspause von ein- 
stündiger Dauer. Die alsdann beginnende Fortsetzung der 
Respirations- bzw. Calorimeterversuche mit den operierten Tieren 
zeigte als Folge dieser „Totalexstirpation“ des Gehirns in sämt- 
lichen 8 Versuchsreihen eine überraschend große Steige- 
rung des Gaswechsels und der damit parallel gehen- 
den Wärmeabgabe. 

Dies geht unzweideutig aus Tabelle I hervor, in welcher 
diese Versuche mit allen Einzelheiten angeführt sind (S. 86, 87). 

Bemerkt sei, daß ich darauf achtete, die Behältertempe- 
ratur vor und nach den Eingriffen möglichst gleich zu erhalten, 
da bekanntlich (Isserlin!) bei den Poikilothermen mit der 
Außentemperatur auch der Stoffwechsel steigt. Mit Ausnahme 
der Versuchsreihe 1 wächst die CO,-Produktion viel stärker wie 
der O,-Verbrauch, der in einer Versuchsreihe (7) ganz unver- 
ändert bleibt, dementsprechend wächst der RQ. Worauf das 
ganz abweichende Ergebnis der Versuchsreihe 1 zurückzuführen 
ist, kann ich nicht angeben. (Möglicherweise handelt es sich 
um einen Versuchsfehler.) 

Die Steigerung des Gaswechsels, die, wie aus der Versuchs- 
anordnung hervorgeht, gleich nach der Exstirpation auftritt, ist 
vorübergehend; am stärksten ist sie am Tage der Operation. Aber 


1) Arch. f. d. ges. Physiol. 90, 472. 


Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 89 


bereits am folgenden Tage ist eine Abnahme zu bemerken, 
wenn auch noch bis zum 3. und 4. Tage besonders die CO,- 
Produktion höhere Werte aufweist als vor der Gehirnexstirpation. 
Freilich tritt eine Komplikation dadurch hinzu, daß meine Tiere 
die Gehirnexstirpation höchstens 5 Tage überlebten, die meisten 
gingen aber viel früher ein. Es dürfte also schwer zu ent- 
scheiden sein, wieviel von der raschen Abnahme des Gaswechsels 
auf Rechnung der prämortalen Abschwächung des Stoffwechsels 
zu schreiben ist. 

Zur Berechnung der Größe der Steigerung des Gaswechsels 
habe ich für jede Versuchsreihe aus den Versuchen vor der 
Gehirnexstirpation für die Stundenwerte des O,-Verbrauchs und 
CO,-Ausgabe die Mittelwerte gezogen und die Veränderungen, 
die der erste Versuch nach der Exstirpation ergab, auf diesen 
Normalwert bezogen (s. Tabelle II). 


Tabelle II. 
Mittelwerte pro 1 Stunde. 














Vor 
der Operation 


Nach 


der Operation Veränderung 


Versuch Nr. 





9,21111,08 
14,20|15,29 








Der Umstand, daß die Steigerung des Gaswechsels gleich 
nach der Exstirpation stattfand, widerlegt den eventuellen Ein- 
wand, daß die Steigerung etwa die Folge einer Infektion wäre, 
in welchem Falle sie an den folgenden Tagen auch nicht 
zurückgehen dürfte. Um aber die Veränderung im Gaswechsel 
als Folge der Entfernung des Großhirns selbst ansprechen zu 
können, mußte noch entschieden werden, ob nicht etwa schon 
die Trepanierung — die ohne Narkose ausgeführt wurde — 
und die Freilegung des Hirnes zu einer Erhöhung des Gas- 
wechsels führt. Dazu diente die Versuchsreihe 9. Die „Kontroll- 


Karl Hannemann 


90 


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Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 91 


operation“ wurde genau so ausgeführt wie die oben beschriebene 
Exstirpation bis zu dem Augenblick der Trennung durch den 
Schnitt. Das Tier wurde vernäht und nach der Erholungs- 
pause wie alle übrigen Tiere in den Versuchsapparat verbracht, 
wobei sich zeigte, daß der Stoffwechsel keine über die täglichen 
Schwankungen hinausgehende Veränderung erlitten hatte. Die 
am 30. IX. alsdann erfolgte Herausnahme des Vorder- bis Mittel- 
hirns hatte nun eine Steigerung der Kohlensäureproduktion um 
729, und des Sauerstoffverbrauches um 42°/,, sowie auch 
eine beachtenswerte Erhöhung des Quotienten zur Folge. 

Auch die Versuchsreihen 13 und 14, über die im nächsten 
Abschnitt die Rede sein wird, sind solche Kontrollversuche. 

Es ist demnach zweifellos, daß die Entfernung 
des Großhirns — und nicht die vorbereitenden Ope- 
rationen — zur Erhöhung des Gaswechsels führte. 

Die vorstehende Tabelle III enthält die Daten der 3 Ver- 
suchsreihen, in denen die Veränderung der Wärmeproduktion 
nach der Entfernung des Großhirns (Vorder-, Zwischen- und 
Mittelhirns) calorimetrisch bestimmt wurde. 

Alle 3 Versuchsreihen beweisen in ausgezeichneter Über- 
einstimmung untereinander und mit den oben besprochenen 
Gaswechselvereuchen, daß die Wärmeproduktion — ebenso 
wie der Gaswechsel — gleich nach der Großhirnexstir- 
pation bedeutend ansteigt, aber bereits am darauffolgenden 
Tage wieder sinkt. In einer Versuchsreihe (8) war die Wärme- 
produktion am nächsten Tage unter den Wert vor der Ope- 
ration gesunken, in den anderen zweien war sie noch immer 
größer als vor der Operation. Berechnet man aus den Werten 
vor der Operation die Mittel und bezieht auf diese die Er- 
höhung der Wärmeproduktion nach der Operation, so ergibt sich: 


Tabelle IV. 
Mittelwerte pro 1 Stunde. 


| 
| 


Versuchsreihe | 


Veränderung 





Nummer der 





ccm ccm 


49,41 | 7596 |+33,55|+ 7911 7,91 | 1125 |+334| +424 
15 | 23,65 | 4921 |+25.561+108.1| 3,75 799 |4+354 +944 
51,43 | 67,36 |+15,93|+ 31,01 9,10 12,40 |+3,30 | + 36,2 





сл CO 





> 


992 Karl Hannemann: 


Die Wärmeproduktion verändert sich ganz parallel mit 
der CO,-Produktion, was aus der ziemlichen Konstanz des 
Quotienten Kg hervorgeht. 

CO, 

Nicht unerwähnt möchte ich eine Beobachtung lassen, die 
ich an zweien meiner Versuchstiere machte (Versuchsreihe 1 
und 4). Bei beiden Tieren begann das Körpergewicht nach 
der Operation zu steigen, so beim ersteren Frosche nach 
4 Tagen bereits um nahezu 50°/,. Bei der Sektion fand ich 
die Harnblase sehr stark ausgedehnt und prall mit Harn ge- 
füllt. Ödeme waren nicht vorhanden, auch war im Blasenharn 
kein Zucker, und Eiweiß nur in Spuren nachzuweisen. Die 
Hirnexstirpation dürfte die reflektorische Entleerung der Harn- 
blase gehemmt haben, wodurch das vom Tiere aufgenommene 
Wasser nicht entleert wurde. Daher die Gewichtszunahme. 
Warum diese Erscheinung in den anderen Versuchsreihen aus- 
blieb, konnte ich nicht ermitteln. 


B. Exstirpation der Großhirnhemisphären. 


Durch weitere Versuche sollte nun festgestellt werden, wie 
weit die einzelnen Abschnitte des Großhirns an der gefundenen 
Erhöhung des Gaswechsels beteiligt sind. Zu diesem Zwecke 
dienten 2 Gruppen von Versuchstieren: in der einen wurden 
nur die Großhirnhemisphären (das Vorderhirn) exstirpiert, in der 
anderen die Lobi optici (das Mittelhirn). 


Die Großhirnhemisphären habe ich bei den Fröschen XIII 
und XIV exstirpiert, nachdem ich am Tage zuvor an beiden 
Tieren, so wie ich es oben bei Frosch IX beschrieb, je einen 
Kontrollversuch ausführte, d.h. nach mehreren Normalversuchen 
das Schädeldach trepanierte, ohne das Gehirn zu verletzen, und 
nach dem Vernähen der Wunde einen Respirationsversuch aus- 
führte. Erst am nächsten Tage wurden mit einem scharfen 
Messerchen die beiden Großhirnhemisphären unter möglichster 
Schonung der nachbarlichen Hirmabschnitte exstirpiert, die 
Wunde vernäht und die Tiere nach der Erholungspause in 
Versuch genommen. 


Diese Frösche ohne Hemisphären sehen auf den ersten 
Anblick aus wie normale Tiere, es bleiben die normalen Atem- 


tz. 93 


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Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Ene 


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94 Karl Наппетапп: 


bewegungen, und auch die Augen sind normal geöffnet. Ев 
tritt jedoch eine übergroße Bewegungssucht in Erscheinung, 
die Tiere kriechen und klettern immer umher, reagieren auf 
den geringsten Reiz und zeigen eine allgemeine Unruhe. Die 
sonst bei den Fröschen nach der Operation auftretende hellere 
Hautfärbung fehlt, die Tiere ohne Hemisphären bleiben auf- 
fallend dunkel. 

In der Tabelle V (S.93) sehen wir als Folge der Hemisphären- 
exstirpation in beiden Fällen erst eine bedeutende Erhöhung, 
sowohl der Kohlensäureabgabe als auch des Sauerstoffverbrauchs, 
also im Gegensatz zu den Versuchen mit Totalexstirpation 
eine der CO,-Steigerung gleiche Steigerung des Sauerstoffs, so 
daß hier der respiratorische Quotient nach der Operation nicht 
wie bei den Versuchen mit Totalexstirpation ansteigt, sondern 
annähernd gleich bleibt. Mittelwerte der Steigerung für die 
beiden Versuchsreihen nach der Exstirpation der Hemisphären 
enthält Tabelle VI. 

Tabelle VI. 
Mittelwerte pro 1 Stunde. 





13| 3,91 | 6,62 0,595 | 7,87 |14,330,549 [+ 3,96 4 101,2 4 7,71 |+116,4|— 0,046 
14] 4,50 | 7,08 [0,638 | 9,05 113,55 0,668 Lt 4,55 |+101,1/+ 6,47 |+ 91,4| 0,030 


Diese Steigerung jedoch von ca. 100°/, sowohl beim Sauer- 
stoff wie bei der Kohlensäure geht so rasch zurück, daß beim 
Frosch XIII noch am Operationstag, bei Frosch XIV am Tage 
nach der Operation die Werte bereits wieder als normal an- 
zusprechen sind. 

Die Normalwerte des Frosches XIII zeigen, wie ich hier 
einfügen möchte, bemerkenswerte Tagesschwankungen: die am 
Vormittag angestellten Versuche ergaben bedeutend höhere Werte 
als die Nachmittagsversuche, besonders der Sauerstoffbedarf. 

Da am Vormittag des auf die Hemisphärenexstirpation 
folgenden Tages bei den beiden parallelen Versuchsreihen 


95 


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Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Ene 








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96 Karl Hannemann: 


Kohlensäure- wie auch Sauerstoffwerte wieder normal geworden 
waren, habe ich bei den Versuchstieren XIII und XIV im An- 
schluß an die Versuche 10 die Hautnaht entfernt und nach 
vorsichtiger Reinigung der Wunde von dem gebildeten Blut- 
koagulum die beiden Lobi optici unter möglichster Schonung 
der darunterliegenden Teile exstirpiert. Die Ergebnisse dieser 
Nachoperation habe ich mit den Ergebnissen der Tabelle V in 
der folgenden 3. Gruppe vereinigt. 


C. Exstirpation der Lobi optici. 


Im Gegensatz zur Hemisphärenexstirpation mit ihrem 
gleichbleibenden respiratorischen Quotienten erhielt ich nach 
Entfernung der Lobi optici eine große Steigerung der CO,- 
Produktion und eine bedeutend geringere des O,-Verbrauchs, 
so wie nach der Totalexstirpation des Großhirns. Außer den 
Fröschen XIII und XIV habe ich noch 2 Versuchsreihen an 
den Fröschen VI und XII, deren Daten die Tabelle VII 
(S. 95) enthält. 





Die Erhöhung des => a . Quotienten ist besonders bei 


2 
Frosch XII sehr groß, weil die Steigerung der CO,-Produktion 
ganz besonders erheblich war. Die folgende Tabelle zeigt die 
Größe der Steigerung des Gaswechsels, bezogen auf den Mittel- 
wert vor der Operation. 


Tabelle VIII. 
Mittelwerte pro 1 Stunde. 


Nach 
der Operation 






Vor 
der Operation 











Veränderung 


Versuch Nr. 





12| 5,18 | 8,89| 0,584[14,61 11,03/1,325 + 9,43 |4182 
13| 3,91 | 6,62 0,595] 6,76| 7,83:0,863 |+ 2,85 |+ 72, 
14| 4,50 | 7,08| 0,638] 7,72| 8,780,885 [+ 3,22 |+ 71, 

Diskussion der Ergebnisse. 


Überblicken wir meine Versuche, so stellt sich als wesent- 
liches Ergebnis derselben die unzweifelhaft festgestellte 


Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 97 


Tatsache heraus, daß sowohl die Entfernung des ganzen 
Großhirns (Vorder-, Zwischen- und Mittelhirn) als auch 
nur der Großhirnhemisphären (Vorderhirn) oder nur der 
Lobi optici (Mittelhirn) eine ganz bedeutende, einen bis 
mehrere Tage anhaltende Erhöhung des Stoffwechsels 
zur Folge hat. Es werden sowohl der O,-Verbrauch, als auch 
die CO,-Produktion erhöht, doch ist — mit Ausnahme der 
Hemisphärenversuche — die Erhöhung der СО, - Produktion 
größer als die des O,-Verbrauchs. 

Dieses auf den ersten Blick etwas überraschende Ergebnis 
bietet indes keine Schwierigkeiten für die Erklärung. Längst 
bekannt ist die hemmende Wirkung des Großhirns auf die 
Reflextätigkeit des Organismus, wenn auch diese Wirkung jetzt 
noch durchaus nicht einheitlich gedeutet wird!). Die ersten 
eingehendsten Versuche am Frosch hat Setschenow’) an- 
gestellt. Aus seinen bekannten Versuchen zog er den Schluß, 
daß in den Thalami optici, in den Lobi optici und in dem 
oberen Teile des Kopfmarkes besondere Hemmungszentren sind. 
Wenn auch gegenwärtig nur wenige an die Existenz spezifischer 
Hemmungszentren im Sinne Setschenows glauben dürften?), 
so steht es doch fest, daß die Erntfernung des Großhirns über- 
haupt eine Erhöhung der Reflextätigkeit zur Folge hat‘). 

Es sind also die gesteigerte Reflextätigkeit und die 
nach Entfernung des Großhirns zweifellos eintretende Erhöhung 
des Muskeltonus die Ursache der Steigerung des Stoffwechsel». 

Freilich ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn z. B. 
ist das äußere Verhalten der Frösche nach der Totalexstirpation 
des Großhirns ganz verschieden von dem der bloß der Hemi- 
sphären oder der Lobi optici beraubten Frösche; die ersteren 
sitzen ganz ruhig, machen keine Atembewegungen, während 
die letzteren atmen, eventuell unruhig herumkriechen. Und 
doch ist bei allen 3 Gruppen der Energieumsatz erhöhlt. Da 
ist noch sehr vieles aufzuklären. 

Von Wichtigkeit ist die Tatsache, daß diese Steigerung 


1) Eckhard in Hermanns Handb. d Physiol. 2, П. Teil, 1879. 
D Setschenow, Physiol. Stud. o d Hemmungsmechanik usw. 
Berlin 1863. 
EK Hering in Asher-Spiros Erg. d. Physiol. 1, II. Teil, S. 503, 1902. 
4“) О. Langendorff, Arch. f. Physiol. 1891, 496. 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 7 


98 Karl Hannemann: 


des Stoffwechsels vorübergehend ist. Das spricht entschieden 
dafür, daß die Steigerung eine Reizwirkung ist und nicht etwa 
die Folge des Ausfalls einer tonischen Wirkung. Ob und wie 
weit diese Steigerung des Stoffwechsels zeitlich mit der Ver- 
änderung der Reflexerregbarkeit zusammenhängt, darüber 
geben meine Versuche keine Aufklärung, das müßten weitere 
Untersuchungen klarstellen. Jedenfalls dürfte der von mir fest- 
gestellten Tatsache der Steigerung des Energieumsatzes eine 
wichtige Rolle zufallen bei der Theorie des Hemmungsmecha- 
nismus bei der Reflextätigkeit; dazu sind aber noch zahlreiche 
in verschiedener Richtung auszuführende Versuche notwendig. 
Ich enthalte mich daher — eben in Ermangelung der nötigen 
experimentellen Daten —, auf eine nähere Diskussion dieser 
Frage einzugehen. 

Hervorheben möchte ich aber, daß keinesfalls die Ver- 
änderungen der Atembewegungen die Veränderung des Gas- 
wechsels verursachen können. Das bewiesen besonders die 
Versuche mit der Totalexstirpation des Großhirns: da hörten die 
Atembewegungen, wie oben erwähnt wurde, ganz auf, bei den 
übrigen nicht, und doch war in allen Versuchen der Gaswechsel 
erhöht. Allerdings ist die Steigerung in den Versuchen mit 
Totalexstirpation durchschnittlich geringer als in den übrigen 
Versuchen. Diese Differenz kann teilweise wohl dem Ausfall 
der Atembewegungen zugeschrieben werden. 

Ebenso wichtig, aber noch weiterer Aufklärung bedürftig 
sind die Differenzen in der Veränderung des Gaswechsels nach 
der Exstirpation verschiedener Gehirnteile.. Diese Differenzen 
sind nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Zur Ver- 
anschaulichung dieser Differenzen habe ich auch für alle Ver- 
suche je einer Gruppe die folgenden Durchschnittswerte berechnet. 

Es verändert sich durchschnittlich: 


— — — 


dor EN - 


8 
Quotient 
um 











nach der Exstirpation des ganzen 











Großhirns . .. 2.2 sss + 54 + 29 + 0,142 
nach der Exstirpation der Großhirn- 

hemisphäre. . . . 2.2 2.2... + 101 + 104 — 0,008 
nach der Exstirpation der Lobi 

Оро жд EEGEN + 101 + 21 | + 0,418 


Einfluß des Großhirns auf den Stoff- und Energieumsatz. 99 


Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß bereits 
Goltz!) in seiner berühmten Arbeit über den großhirnlosen 
Hund Beobachtungen mitteilt, aus denen er selbst auf eine Er- 
höhung des Energieumsatzes folgert. Er sagt wörtlich: „Trotz- 
dem das Tier einige Wochen nach der Operation die Fähigkeit, 
dargereichtes Futter selbständig aufzunehmen, wieder erworben 
hatte, magerte sein Hinterkörper, wie auf S. 586 berichtet, 
trotz daraufhin gegebener überreichlicher Fütterung immer 
mehr und mehr ab.“ Weiterhin auf S. 591: „Zweifellos ist 
also der größte Teil der von dem Hunde aufgenommenen Nah- 
rungsmassen verdaut worden. Wenn das Tier gleichwohl keine 
Zunahme seines Körpergewichts zeigte, so mußte offenbar seine 
Kraftausgabe eine außerordentliche sein.“ Ferner ver- 
mutet Goltz, daß großhirnlose Hunde auch viel mehr Wärme 
durch Strahlung und Leitung verlieren als normale Tiere. Die 
Haut der großhirnlosen Hunde ist seinen Beobachtungen nach 
in der Regel auffallend warm. Wie die Sektion zeigte, hatte 
Goltz’ Hund auch einen beachtenswerten Teil der Vierhügel 
eingebüßt. 

Zusammenfassung. 


1. Die Entfernung des ganzen Großhirns oder nur der 
Großhirnhemisphären oder nur der Lobi optici (Mittelhirn) er- 
zeugt beim Frosche eine bedeutende, einen bis mehrere Tage 
anhaltende Erhöhung des Gaswechsels. 

2. Es werden sowohl der O,-Verbrauch als auch die CO,- 
Produktion erhöht, letztere — mit Ausnahme der Hemisphären- 
exstirpation — stärker als der O,-Verbrauch. 

3. Mit der Erhöhung des Gaswechsels ist eine Erhöhung 
der Wärmeproduktion verbunden, was durch direkte Calori- 
metrie nachgewiesen wurde. 


1) Goltz, Arch. f. d. ges. Physiol. 51, 570. 


Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 
Von 
Franz G. Alexander und Stephan Cserna. 


(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: F. Tangl.) 


(Eingegangen am 5. Juni 1913.) 


Es wird allgemein angenommen, daß die narkotisierende 
Wirkung gewisser Stoffe in einer Störung des Stoffwechsels der 
narkotisierten Zellen besteht. Der Mechanismus dieser Störung 
ist nicht bekannt. Daß eine solche Störung vorhanden ist, 
zeigt das teilweise oder auch vollständige Aufhören gewisser 
Organfunktionen, und daß diese Störung eine reversible Ver- 
änderung ist, zeigt die Wiederkehr der gelähmten Funktionen 
nach der Narkose. Am meisten entspricht dem Bilde der Nar- 
kose eine Verminderung der Reaktionsgeschwindigkeit gewisser 
mit den reduzierten oder ausgeschalteten Lebenserscheinungen 
funktionell verbundenen Reaktionen. Bei der Verminderung 
der Reaktionsgeschwindigkeit kann man zunächst an eine auf 
antifermentativem Wege veränderte Reaktionsgeschwindigkeit 
oder an die Verminderung der Konzentration der an der Re- 
aktion teilnehmenden Stoffe denken. 

Es sind Tatsachen bekannt, die darauf hinweisen, daß die 
Oxydationsvorgänge während der Narkose gestört sind. 

Die Untersuchungen von Max Verworn und seiner Schule?) zeigen, 
daß das ermüdete und narkotisierte Rückenmark des Frosches den 
Sauerstoff während der Narkose nicht, wie das ermüdete aber nicht 


narkotisierte Organ, zur Erholung verwerten kann. Daraus zieht Ver- 
worn den Schluß, daß das Wesen der Narkose die Unterdrückung der 


1) Max Verworn, Ermüdung, Erschöpfung und Erholung der 
nervösen Zentren des Rückenmarks. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. 
Abt., Suppl. 1900. — Н. Winterstein, Zur Kenntnis der Narkose. 
Zeitschr. f. allg. Physiol. 1, 1902. 


Franz С. Alexander u. Stephan Cserna: Einfluß der Narkose usw. 101 


Fähigkeit Oxydationen auszuführen ist, und daß während der Narkose 
der Stoffwechsel nur in einem anoxydativen Zerfall besteht. Da aber 
hier keine quantitativen und gasanalytischen Untersuchungen vorliegen, 
erfahren wir aus diesen Versuchen nicht die Wirkung der Narkotica auf 
die Sauerstoffaufnahme und Oxydationsvorgänge, wenn sie auch auf die 
Richtung dieser Wirkung Schlüsse erlauben. 

Die Abnahme der ÖOxydationen oder exakter die Abnahme der 
Reaktionsgeschwindigkeit der Oxydationen kann, wie schon erwähnt, 
entweder durch antifermentative Prozesse!) (Lähmung der Wirkung von 
Oxydasen) oder durch die Verminderung der Konzentration der an der Reak- 
tion teilnehmenden oxydablen Stoffe?) bzw. des Sauerstoffes erklärt werden. 

Die letztere Möglichkeit ist das Wesen der Theorie vonMansfeld?), 
der auf die Übereinstimmung der Wirkung des Sauerstoffmangels und 
der Narkotica aufmerksam machte und die Narkose durch die vermin- 
derte Fähigkeit der Sauerstoffaufnahme der Lipoide erklärte. 


Vor allem muß aber bewiesen werden, ob die Narkotica 
wirklich den Gaswechsel des Zentralnervensystems 
beeinflussen. Bei den erwähnten Erklärungsversuchen werden 
Funktionslähmung und Abnahme der Oxydationen immer für 
funktionell verbunden gehalten. Daß das prinzipiell nicht an- 
genommen werden darf, zeigen die Untersuchungen von О. 
Warburg‘). Er beobachtete eine funktionshemmende Wirkung 
der Narkotica, die Hemmung der Furchungen von Eiern, ohne 
eine gleichzeitige Wirkung auf den Sauerstoffverbrauch. Hier 
sind also die Oxydationsvorgänge intakt geblieben und ein ganz 
anderer Teil der Stoffwechselvorgänge gelähmt. Bei den roten 
Blutzellen hat Warburg eine Verminderung der Sauerstoff- 
aufnahme durch Narkotica beobachtet. Wenn man die große 


1) Als solche muß auch eine durch die Narkotica verursachte Ver- 
änderung der Strukturteile (Zelloberfläche) der Zellen aufgefaßt werden, 
da О. Warburg zeigen konnte, daß die letzteren eine fermentähnliche 
Wirkung auf die chemischen Vorgänge, an erster Stelle auf die Oxy- 
dationen, haben. Wie die Zerstörung der Strukturteile, kann auch eine 
Veränderung derselben wirken. 

1) Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß in der Narkose die 
Spaltungsprozesse, die zu oxydablen Stoffen führen, gehemmt werden. 
In diesem Falle wäre die Abnahme der Oxydationen die sekundäre Folge 
der Hemmung einer den Oxydationen vorangehenden Phase des Zell- 
stoffwechsels. 

з) Mansfeld, Narkose und Sauerstoffmangel. Arch. f. d ges. 
Physiol. 129, 143. 

4) O0. Warburg, Über die Oxydationen in lebenden Zellen. Zeitschr. 
f. physiol. Chem. 66, 1910. — Ders., Über Beeinflussung der Oxy- 
dationen in lebenden Zellen nach Versuchen an roten Blutkörperchen. 
Zeitschr. f. physiol. Chem. 69, 1910. 


109 F. G. Alexander und St. Cserna: 


Differenzierung der verschiedenen Zellen und Zellfunktionen, 
also die großen Abweichungen in dem physikalisch-chemischen 
Aufbau der verschiedenen Zellen bedenkt, so kann man keines- 
falls eine einheitliche Wirkung der Narkotica auf diese erwarten. 
Wenn man also unter „Narkose“ jede funktionshemmende Wir- 
kung der Narkotica zusammenfaßt, so muß diese bei jedem 
System für sich untersucht werden. 

In den hier folgenden Untersuchungen wollten wir fest- 
stellen, wie die Narkotica den Gaswechsel des Gehirns 
beeinflussen. Wir verglichen den Gaswechsel des Hunde- 
gehirns in der Narkose und im wachen Zustande. Zur Nar- 
kose haben wir drei ganz verschiedene Typen von Narkotica 
angewendet, und zwar: 1. Äthyläther, 2. Morphin, 3. MgSO,. 


Versuchsanordnung und Methodik. 

Den Gaswechsel des Gehirns haben wir in derselben Ver- 
suchsanordnung bestimmt, die F. С. Alexander bereits an- 
gewendet hat. 

Die Hunde wurden in Äthernarkose operiert. Den tracheo- 
tomierten Tieren banden wir eine Kanüle in eine Carotis zur 
Messung des Blutdruckes, eine in eine Vena jugularis zur In- 
fusion der Hirudinlösung und eine in eine Art. femoralis zur 
Entnahme der Blutproben. 

Die Blutproben wurden der Art. femoralis und dem Sinus 
longitud. sup. entnommen. Die Art und Weise, wie wir das 
Hirnblut diesem Sinus entnehmen, ist verschieden von der von 
Hill und Nabarro?) befolgen. Um Gehirnblut zu gewinnen, 
trepanierten sie das Schädeldach in der Gegend des Torcular 
Herophili, durchstachen dieses und gewannen das Blut, indem 
sie eine passende Röhre in das Trepanationsloch befestigten und 
das ausströmende Blut direkt in die Gefäße der von ihnen benütz- 
ten Gaspumpe leiteten. Selbstverständlich schließt diese Methode 
eine Messung der Strömungsgeschwindigkeit aus, ohne deren 
Kenntnis man aber aus dem Blutgasgehalt wenig folgern kann. 

Auch wir trepanierten in der Gegend des Torcular Hero- 
phili bzw. Sinus longitudinalis superior s. sagittalis. Zur Tre- 
panation benützten wir teilweise mit Motor betriebene Kreis- 


1) Hill and Nabarro, On the exchange of blood-gases in brain. 
Journ. of Physiol. 18, 218, 1895. 


Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 103 


sägen, teilweise Handtrepane. Beide bewährten sich gleich 
gut. Man muß eine ziemlich große Öffnung machen, um leicht 
arbeiten zu können. Nach Herausheben des Knochenstückes 
werden die Diplo&blutungen gestillt, was mit Tamponade fast 
immer gelingt. Nun wird eine feine Glaskanüle (Arterienkanüle) 
vorbereitet, ihr Ende mit einem Gummischlauche versehen und 
mit Paraffinöl ausgefüllt. Das Paraffinöl wird durch Abklemmen 
des Schlauches in der Kanüle gehalten, die durch einen kleinen 
Schnitt in den Sinus eingeführt wird. Um einen großen Blut- 
verlust zu verhindern, muß dies möglichst rasch geschehen. 
Die Kanüle wird nun in dem Sinus festgebunden, indem man 
mittels einer kleinen gekrümmten Nadel einen Faden um den 
Sinus führt — was in der Fissura Palli leicht, ohne Be- 
schädigung des Gehirns durchführbar ist. 

Die Blutentnahme kann jetzt direkt in die kalibrierten 
Pipetten erfolgen, wir müssen sie nur durch den Schlauch mit 
der Kanüle verbinden und die Klammer entfernen. Die Mes- 
sung der Strömungsgeschwindigkeit wurde nach Barcrofts Me- 
thode gleichzeitig mit der Blutentnahme ausgeführt, indem wir 
die Ausflußzeit pro 1 ccm bestimmten (Rennuhr, oder am Kymo- 
graphion mit Hilfe der Jacquetschen Uhr). Natürlich achteten 
wir sehr darauf, die Kanüle und die Pipette bei den Blutent- 
nahmen immer in der gleichen Lage zu halten, was mit Sta- 
tiven für Kanüle und Pipette leicht erreichbar war. 

Bei den Blutentnahmen bekamen wir so — infolge starker 
Verzweigung und Kommunikation des Gehirnsinus — immer 
strömendes, frisches Blut, so daß wir aus den Blutproben 
mit Recht auf den Blutgaswechsel des Gehirns schließen konnten. 
Vor den Blutentnahmen muß selbstverständlich die Gerinnungs- 
fähigkeit des Blutes durch Hirudin aufgehoben werden. 

Nach der Operation wurde die Hirudinlösung (1°/,,), zu der 
Adrenalin (0,1 ccm pro 1 kg Körpergewicht der 1°/ igen Lösung) 
zugegeben wurde, infundiert. Das Adrenalin bewirkt, daß der 
Blutdruck einige Minuten nach der Infusion auf den normalen 
Wert zurückkehrt, so daß die blutdrucksenkende Wirkung des 
Hirudins auch bei ganz schneller Infusion fast gar nicht zum 
Ausdruck kam. Dann wurden die Narkose- und Wachversuche 
nacheinander ausgeführt. Nach einer Blutentnahme aus dem 
in tiefer Narkose befindlichen Tiere unterbrachen wir die Nar- 


104 F. О. Alexander und St. Свегпа: 


kose. Mit der nächsten Blutentnahme warteten wir, bis das 
Tier vollständig erwachte. Nur wenn alle Reflexe und will- 
kürlichen Bewegungen, die Aufmerksamkeit auf äußere Reize 
(Pfiff usw.) ganz zurückgekehrt waren, entnahmen wir die mit 
„wach“ bezeichneten Blutproben. Die Blutproben aus Art. 
femoralis und Sinus saggitaliss. longitudinalis superior 
wurden gleichzeitig entnommen und die Strömungsgeschwindig- 
keit im Sinus nach Barcrofts Methode gemessen. Die Blutgas- 
analysen haben wir mit dem Barcroftschen Differentialappa- 
rate!) ausgeführt und immer nur die Differenzen des О,- und 
CO,-Gehaltes — dem arteriellen und venösen Blute be- 
stimmt. 
1. Äthernarkose. 


Tabelle І. 
Nummer des Versuchstieres: 2. Körpergewicht: 6200 g. 
Datum: 28. XI. 1912. 









Nr.| Zeit 


v 


des Versuchs 


ccm pro Min. 






Strömungs- 
‚geschwindigkeit 


4,48 | 5,08 4,05 | 18,14 | 20,57 
2,29 | 5,09 6,60 | 15,11 | 33,59 


16,20 | 95,90] — | _ 
6,70 1108,87 [100,91 | 


Tabelle П. 
Nummer des Versuchstieres: 3. Körpergewicht: 6000 g. 
Datum: 3. XII. 1912. 








125 00’ 
4 [12° 30’ 


wach 
n 




















Ai е D 

2: Anderun 

LÉI - == 
Nr.| Zeit | Art 140, |4C00,|85 E е ө E е8 
Me S |g аё а 
Le з 
en а 2 + 
_ дев Versuc Versuchs E д JA 


0 
1» 50 — 1,60 | 5,08 1,8 2,88 | 9,14 I__g926 | — 843 


3 |2* 35’ | wach | 12,92 | 16,80 2 [41,34 | 53,76 
4 |2 55| n» |16,64 1996 | 41 168,22 | 81,83 


1) J. Barcroft, Differential Method of Blood-Gas Analysis. Journ. 
of Physiol. 37, 1908. 











Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 105 


Tabelle III. 
Nummer des Versuchstieres: 23. Körpergewicht: 7800 g. 
Datum: 10. IV. 1913. 






Arterieller 
Blutdruck 


12% 25° 
12 45’ 
18 15 
18 35’ 





1,94 12,90 | 38 30,1749,02 55.21 19,7 
10,0 


wach | 16,93 | 15,96 | 4,2 |71, me ‚03 
n 14,88 8,7 165,41155,05 
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß die O,-Aufnahme 
des Gehirns in Äthernarkose bedeutend, im Mittel um 
77,2°/, abnimmt, die CO,-Ausgabe um 59,0°/,- 

Diese prozentuelle Abnahme ist direkt aus den Versuchs- 
daten zu berechnen. Wenn wir diese Abnahme mit a, die Ab- 
nahme bzw. Zunahme des O,- und CO,-Gehaltes des venösen 
Blutes in Prozenten gegen die arterielle mit AO, bzw. 4 CO, 
und endlich die Strömungsgeschwindigkeit (in ccm pro Min.) 
mit v bezeichnen, so ist 


(4 О, Glesch — (4 О, V)nark. .100. 





2 


3 
4 























а == 
SS (4 О, V)wach 


Wir wollen hier auf eine merkwürdige Tatsache aufmerk- 
sam machen, und zwar auf die hohen Werte von AO, und 
ACO,, die eine enorme Ausnützung des Blutes im Gehirn, trotz 
seiner großen Blutversorgung, bedeuten.. Im Mittel fanden wir 
für AO, in Sinusblut 16,2°/, (dieser Wert entspricht ganz dem 
von Alexander!) gefundenen, und bei der Berechnung des 
Mittelwertes haben wir auch seine Versuchsergebnisse benützt), 
während diese bei allen anderen Organen bedeutend kleiner 
sind. (Skelettmuskel: 10°, [Zuntz], Speicheldrüse: 4°], 
[Chauveau und Kaufmann] usw.). 

Die niedrigen Werte für AO, und ACO, in der Narkose 
entsprechen ganz den von Hill und Nabarro?) gefundenen 


1) F.G. Alexander, Untersuchungen über den Blutgaswechsel des 
Gehirns. Diese Zeitschr. 44, 1912. 

*) Hill and Nabarro, On the exchange of blood-gases in brain. 
Journ. of Physiol. 18, 218, 1895. 


106 Е. G. Alexander und St. Свегпа: 


(— 3,42°/, für AO,, + 3,87°/, für ACO,), und hier finden wir 
die Quelle ihrer irrtümlichen Folgerung auf eine geringe Oxy- 
dation im Gehirn. Ihre Tiere waren narkotisiert! Wir müssen 
das gerade entgegengesetzte Ergebnis von Alexander und 
Révész!) noch einmal bestätigen, daß im Wachzustande der 
Gaswechsel des Gehirns sehr bedeutend ist. 

Die Abnahme der CO,-Produktion war in jeder Versuchs- 
reihe kleiner als die der O,-Aufnahme. Das zeigt jedenfalls, 
daß sich auch qualitativ der Stoffwechsel im Gehirn während 
der Narkose verändert. 

Die folgende Tabelle zeigt den spezifischen O,-Verbrauch pro 
Minute verschiedener Organe auf 1 р Organgewicht berechnet. 


Tabelle IV. 


O,-Verbrauch der Organe in ccm pro Gramm und Minute. 


Organ | Sauerstoffverbrauch | Nach Versuchsergebnissen von 





Skelettmuskel Verzär 
ae — Baroroft und Dixon 
peicheldrüse . - Barcroft 
Niere . ..... Barcoroft und Brodie 
ЕУ Тап] 
Gehirn . Alexander und Cserna 
40, XxX m 
*) Berechnet naoh der Formel 100 x G 


wo m = Blutversorgung nach Jensen?) — 134,6 com pro 100 g Organ- 
gewicht, pro Min. 
@ = Gehirngewicht im Mittel = 60,8 g, 
АО» = 16,2 (als Mittel aus allen Versuchen berechnet). 


2. Morphinnarkose. 

In dieser Versuchsreihe haben wir die Wirkung des Mor- 
phins auf den Gaswechsel des Gehirns untersucht. Die Opera- 
tion fand hier ebenfalls in Äthernarkose statt, dann wurde die 
Narkose eingestellt und die Wachversuche ausgeführt. Nach- 
dem wir die Morphinlösung (0,2°/,) in die Vena jugularis in- 
fundierten, folgten die Narkoseversuche. Їп Versuchsreihe 8 
(Tabelle VIII) haben wir die Wirkung des Äthers mit der des 
Morphins verglichen, indem wir bei dem morphinisierten Tiere 
die Narkose durch Äther verstärkten. 

1) Alexander und Révész, Über den Einfluß optischer Reize 
auf den Gaswechsel des Gehirns. Diese Zeitschr. 44, 1912. 


2) Р. Jensen, Über die Blutversorgung des Gehirns. Arch. f. d. 
ges. Physiol. 103, 171, 1904. 


U 


Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 107 


Tabelle V. 
Nummer des Versuchstieres: 7. Körpergewicht: 4800 g. 
Datum: 7.1. 1913. 




















ed ы AN 
. 8 x 8 © 
, SE > 1 = 
Nr.| Zeit | Art | 40, |460, |55 S E 
agaj О S Anmerkungen 
Ska |> Së 
des Versuchs + mmHg 










6& 10’ intravenöse Injek- 
tion von 0,085 g Mor- 
phin. hydrochl. 

6Ь 86’ intravenöse Injek- 

tion von 0,024g Mor- 

phin. hydrochl. 


8,61| — 










8,72| 6,16 


















4!17®4 | e 7,42| 6,14 
5 |750, „ | 854| 6,66 
Tabelle VI. 
Nummer des Versuchstieres: 8. Körpergewicht: 5000 g. 
Datum: 9. I. 1913. 
ЕЕЕ ПБН ш т 
m Anderung | » 4 
№. Z | Art | 40, 400 т. с E 
: it rt 4 о si e оя 
— | j ИРЕНЕ; 8 „5° 543 52 Anmerkungen 
| | СЕН | N за Ss E 
dk N од ovi <A 
des Versuchs 016 i s dÉ о„ [mmHg 









1 bn 08” wach 


































2 |118 55"! nark. | 18, 92 11 68 2 65 36, 88/80, 95] — 21,8!— 28,7 118 50° {п{гатепбве In- 
| BER jektion von 0,04 g Mor- 
phin. hydrochl. 
Tabelle VII. 
Nummer des Versuchstieres: 9. Körpergewicht: 5000 g. 
Datum: 81.1. 1913. 
2d Änderung | „ы 
Er DENE E 
| Zeit | A c >| a| za] ¿g| 2E 
Nr i rt | 40, | 4C0, EH © 8 КЕР sàs EE Anmerkungen 
| ран | Sj | däi Säi äs 
` е Q 
des Versuchs di gë "P 01; оу mmHg 


1 [10% 427] wach | 15,48 | 10,46 | 6,0 |92,88162,76| — | — | во 


à | j Be Se 55' 0,06 g Morphi 
2 |118 20| nark. | 13,68 | 9,22 | 3,1 142,41j28,58| — 54,31— 54,4 | 45 ere 0.097 Morphin 


intravenös injiziert. 
3 |118 25 „ 15,19 | 10,15 2,4 
4 |11% 35! „ | 11,78 | 740 | 23,6 


36,45/24,36| — 60,7!— 61,1| 40 
130,63119,24| — 65,9|— 69,3 | 40 





108 Е. С. Alexander und St. Свегпа: 


Tabelle VIII. 
Nummer des Versuchstieres: 8. Körpergewicht: 5000 g. Datum: 9.1. 1913. 





Nr. 


ep O Ae о N m 


Cornealrefex zurückge- 
kehrt. 


2d Änderung | ь м 
Tia > E 
Zeit Art 40, á CO, kb о С 55 , ES 25 
> О | 58 2253| 845 Ў в Anmerkungen 
Бай | “|x| 65| SSlas 
des Versuchs 0, Pie Be 016 ° [mmHg 
11» 08/| wach | 18,76 | 17,38 | 2,50 |46,90148,45| — | — | 70 
11a 557|Morph.| 13,92 | 11,68 | 2,65 |36,88130,95| — 21,3) 28,7| 60 112.80” Intravenöse Tn- 
Morph. phin. hydroch!. = 
19% 25°], gbp 14,83 | 13,50 | 1,68 |24,91|22,68| – 46,81 47,81 45 [Schwache Äthernar- 
+ Ath. kose. 
1» 00/МогРЬ- 17,85 | 18,50 | 2,50 44,62146,25|- 48+ 6,4| 50 
Morpb. 
b gr, MOL = — Äth k bis 
1* 25 + А. 10,16 | 11,82 | 0,67 | 6,80| 7,911 — 85,5[— 81,7] 45 п —* „е — 
Мо h. гепехев. 
дь 10 =. 15,44 | 15,64 | 1,90 


[29,83 29,71| — ge 31,6 


Das Ergebnis dieser Versuche war, daß der Gaswechsel des 
Gehirns in Morphiumnarkose ebenfalls sinkt, aber nicht so stark 
wie in der Äthernarkose. Die Abnahme ist im Mittel 57,2 °/, im 
O,-Verbrauch, 60,9°/, in der CO,-Ausgabe. Besonders klar tritt die 
stärkere Wirkung des Äthers in Versuchsreihe 8 (Tabelle УШ) 
hervor, wo der Sauerstoffverbrauch des morphinisierten Gehirns 
durch Äther noch um 25,5 °/, ber. 80,7 °/, herabgedrückt wurde. 

Man sieht also, daß die Größe des Sauerstoffverbrauchs 
und der Kohlensäureausgabe parallel mit der Tiefe der Narkose 
gehen, und in der Morphinnarkose, wo der Cornealreflex noch 
immer konstatierbar war, der Gaswechsel auch höher ist als 
bei der Äthernarkose, mit der ein totaler Ausfall aller Reflexe 
einhergeht. Aus diesen Untersuchungen ist es aber nicht zu 
entscheiden, ob die geringere Abnahme des Gaswechsels bei 
Morphinwirkung dadurch zu erklären ist, daß sich die Narkose 
auf weniger Gehirnteile erstreckt als beim Äther, oder aber 
einer weniger vollständigen Narkose der Gewebe zuzuschreiben 
ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um beide 
Ursachen, da bekanntlich die verschiedenen Narkotica sich ver- 
schieden gegen die einzelnen Gehirnzentren verhalten und außer- 
dem diese leichter oder schwerer narkotisierbar sind. Aus Ver- 
suchsreihe 7 (Tab. V) sieht man auch, daß weitere Dosen von 
Morphin den Gaswechsel tiefer herabsetzen und nur das Er- 


Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 109 


reichen der tödlichen Dosis die Konstatierung einer dem Äther 
gleichstarken Wirkung verhindert (Versuch 9). (Tab. VII.) 

Von einem Aufhören der Oxydationsvorgänge im Gehirn 
kann natürlich weder in Äther- noch in Morphinnarkose die 
Rede sein, nur von einer Hemmung dieser Vorgänge. Worin 
diese Hemmung besteht, ist aus diesen Versuchen nicht zu er- 
kennen. Bemerkenswert ist aber, daß die CO,-Produktion bei 
Morphinwirkung stärker abnimmt als der O,-Verbrauch, also um- 
gekehrt wie bei Ätherwirkung. Ohne diese Tatsache erklären 
zu wollen, scheint uns durch sie die Folgerung begründet, daß 
das Morphin anders, vielleicht nach einem ganz an- 
deren Mechanismus, den Stoffwechsel der Zellen be- 
einflußt wie der Äther. Wir wollen diesen Umstand be- 
sonders hervorheben, da dieser bei jeder Theorie der Narkose 
besonders in Betracht gezogen werden muß und stark gegen 
eine einheitliche Erklärungsweise der Wirkung der verschiedenen 
narkotisierenden Stoffe spricht. Wie vorher gezeigt, kann die 
Hemmung des Stoffwechsels auf verschiedenen Wegen zustande- 
kommen, und es ist z. B. auch möglich, daß in Morphinnarkose 
die Oxydationen nicht vollständig verlaufen (daher die stärkere 
Abnahme der CO,-Ausgabe), während in Äthernarkose die Oxy- 
dationen zwar gehemmt, aber doch bis zu den Endprodukten 
führen. Auch Spaltungsprozesse, die zu CO,-Bildung führen, 
können verschieden beeinflußt sein. 


8. MgSO,-Narkose. 

Die Untersuchungen von Meltzer und Auer!) führten zu 
dem Resultate, daß die intravenöse Infusion von MgSO, narko- 
tisierend wirkt, und daß diese Wirkung durch CaCl,-Infusion 
aufzuheben ist. 

Zum Narkotisieren unserer Versuchstiere verwendeten wir 
nach Vorschrift eine 3°/,ige Lösung (в/,) von MgSO,, die wir 
langsam in eine Vena jugularis infundierten, bis die Tiere 
in tiefe Narkose verfielen. An den in dieser Weise narko- 
tisiertten Hunden führten wir ähnliche Versuche aus, wie in 
Äther- und Morphinnarkose. In Versuchsreihe 23 (Tab. XIII) 
weckten wir den narkotisierten Hund durch Infusion einer 


1) S. J. Meltzer une J. Auer, Centralbl. f. Physiol. 21, 788 bis 
189; 28, 349 bis 350. 


110 Е. С. Alexander und St. Cserna: 


0,75°/,igen Lösung von CaCl, wieder auf, um kontrollieren zu 
können, ob dieser Zustand auch im Gaswechsel dem „Wach- 
zustand“ vor der Narkose entspricht. 


Tabelle IX. 
Nummer des Versuchstieres: 15. Körpergewicht: 9000 g. Datum: 6. III. 1913. 








gd Änderung | 5 м 

Nr.| Zeit | Art | 40, |АСО, ER > | | 8| ës SE 
BEE © 8 358 И | ES Anmerkungen 

P SS |26 |268 |< 

des Versuchs 0/0 = YA 0%), {mmHg 











Von Oh 00’ Ыз en 15’ 
125 ccm n/,-MgSO,. 
Künstliche Atmung. 


60 





2 Ы 25’ | nark. | 4,08 | 3,72 77 Ss 20,88 goe — 








Tabelle X. 
Nummer des Versuchstieres: 20. Körpergewicht: 5500 g. Datum: 2. IV. 1913. 

ed Änderung | + = 

Nr.| Zeit | Art | 40, 400 553 „| е | fE 
я EEEE 2 228 TE- $ E Anmerkungen 

© K ч © E © ёз < m 

TE 6 X ов оз 
des Versuchs %, s МА ° ImmHg 











11h 80° bis 12h intra- 
venöse Injektion von 
120 ccm n/a- MgSO. 
Künstliche Atmung. 
74 {Künstliche Atmung. 





2 |12® 10’) nark. 5,0 an an +123,2|+153,9] 60 








0,5 | 5,32] 5,601— 77,3)— 66,0 


Tabelle XI. 
Nummer des Versuchstieres: 21. Körpergewicht: 6200 g. Datum: 5. IV. 1913. 


3 1245| » 
















Anmerkungen 


Arterieller 
Blutdruck 





Strömungs- 
geschwindigkeit 
in ccm pro Min. 

v 
40,0 









75 | Von 11b 80' bis А Ba. 
100 ccm 35/,-М 
intravenös ее 
Künstliche Atmung. 





16, 22 17, ‚12 2, 0 32,42 32, ч + 87,7)+225,0 


3 |19» om) nark. 










е — Oh Hirudinei ritz. 
и E са ee 
5 112551 » 11,62 | 12,05 , 75 | Künstliche Atmung. 


Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 111 
Tabelle XII. 


Nummer des Versuchstieres: 22. Körpergewicht: 7500 g. Datum: 7. ТУ. 1913. 





Nr.| Zeit 


des Versuchs 


2 


3 


4 


ar 


128 25’| wach 
12% 50’ 


3% 25’ 


22 30’ 


— — — 


Art 


n 


n 






40, |4CO 
? A Anmerkungen 


Strömungs- 


geschwindigkeit 
in ccm pro Min. 


lo lo 
9,73 | 8,75 9 58,38 52,50 93 
18,50 | 14,16 | 4,1 |55,35/58,05 95 


2% 00’) nark. | 20,40 | 19,96 | 2,0 40,8039,92] — 28,2| — 27,7] 70 [| Хор ih 08’ bis 1ь 50 


чат о 

1 в 

15,81 114,201 04 | 612! seg 89,21 89,71 64 | Тш тарк Mee 
dem Cornealrefl.) ver- 
schwunden. 


10,66 | 12,94 | 0,37 | 3,94| 4,69] — 93,0| — 91,5] 68 j2% 35° bis 3h 10° intra- 


venöse Injektion von 
100ccm einer 0,75°/,Igen 
CaC1,-Lösung. Corneal- 
reflex nur aufeiner Seite 
auslösbar. 

Das Versuchstier lebte 
bis 4h 50°. Aufwecken 
durch mehrere Infusio- 
nen von CaCl, nicht 
möglich. Der Tod er- 
folgte nach wiederhol- 
ten Injektionen (zirka 
800 ccm 0,75°/,iger 
Cal. 


Tabelle XIII. 


Nummer дег Versuchstieres: 23. Körpergewicht: 7800 g. Datum: 10. IV. 1913. 


Nr.| Zeit 


собо ra 


Art 


des Versuchs 


2» 35’ 


2b 55 


Зв 35’ 





nark. 









40, | 4CO, 


Anmerkungen 


Strömungs- 
Arterieller 
Blutdruck 


geschwindigkeit 
in сеш pro Min. 
v 


Von 2b 05° bis 2h 80’ 
11,74 11,66 7 i { e ? intravenöse ` Injektion 
von 90 ccm э/„-МдЗО,. 
Cornealer Reflex ge- 
schwächt, Reflexe feh- 
len. Manchmal krampf- 
hafte Zuckungen. 
10,20 | 10,14 Reflexe nicht auslösbar. 
? Cornealrefiex schwer 
auslösbar. 


wach | 10,91 | 9,24 | 6,0 |65,46|55,44 140 | Von 3» op bis 8h 25’ 


intravenöse Injektion 
von 120 ccm 0,75 ®/ „iger 
СаСі,. Кебехе kehren 
— 0,8|—17, zurück. Bewegt sich 
spontan, trinkt Wasser. 


17,68| — 5,0 188,40 — 140 | Von за 45° bis 8» 55’ 
100 ccm Cola intra- 


12,96 11,98 ` 8,8 49,25 45,52 140 Das Versucheiieh wird 
| getötet. 


112 F. G. Alexander und St. Cserna: 


Tabelle XIV. 
Nummer des Versuchstieres: 24. Körpergewicht: 5500 g. 
Datum: 22. IV. 1913. 








| 2 Änderung | км 
40, |4СО т. К ¿j è ЗЕ 
Nr.| Zeit | Art se |ә | à se [Б 
S в S SE o 2 355 ^$ 85 Anmerkungen 
ag | © | S о вера 
des Versuchs о, | h = lb | % [mmHg 

1 | 4% 50 | wach} 80 | 812| 6,4 151205197] — | — | 86 
2 |4 54/1 n 110,24 |12,32| 4,0 |40,96\49,28| — | — | 86 Е | ‚ 
в |a so anf. d] 18,32 | 15,40 | 2,5 |к,војзв,50] – ол|— 23| зв ("26 ccm м,мзо, tn- 

агк. travenös injiziert. 

4 |6 05° | nark. | 18,60 | 18,48 | 0,4 | 7,44 7,39] — 83,8 - 85,4| 21 [уоп mm bis Баро 


travenös injiziert. 


Aus diesen Versuchen können wir feststellen, daß der Gas- 
wechsel des Gehirns auch in MgSO,-Narkose stark herabsinkt 
(der O,-Verbrauch im Mittel um 76,2°/„ die CO,-Produktion 
74,7°|,). Dies ist der Fall in den Versuchsreihen 15, 22, 23 
und 24 (Tab. IX, XII, XIII, XIV). In Versuchsreihe 20 (Tab. X) 
sehen wir im ersten Narkoseversuch (10 Min. nach der Be- 
endigung der Infusion) eine Zunahme dee O,-Verbrauchs um 
123,2°/, und der CO,-Produktion um 153,9°/,. Bei der nächsten 
Blutentnahme (35 Min. später) findet man schon wieder die üb- 
liche Abnahme des Gaswechsels (77,3°/,, 68,0°/,) Während 
dieser 35 Minuten also veränderte sich der O,-Verbrauch des 
Gehirns um 180°/,! In den Versuchsreihen 22, 23 und 24 
zeigt sich, daß in den ersten Narkoseversuchen, bei denen kurz 
nach der Infusion die Blutproben entnommen wurden, der 
Gaswechsel nur relativ wenig abnimmt (28,2 9/0, 24,1%/,, 0,19/,), 
um später wieder ganz tief herabzusinken. Nur in Versuchs- 
reihe 21 (Tab. XI) sehen wir den Gaswechsel nach der Infusion 
enorm zunehmen (bis 155,6°/, des O,-Verbrauchs und 358,8°/, 
der CO,-Produktion), ohne später herabzusinken. 

Wir wollen hier bemerken, daß sowohl bei dieser wie 
auch in Versuchsreihe 20 das Atemzentrum gelähmt war und 
künstliche Atmung angewendet wurde. 

Bevor wir für diese merkwürdigen Tatsachen eine Er- 
klärung geben, wollen wir die folgenden Erscheinungen zu- 
sammenfassen, die bei der MgSO,-Narkose festzustellen sind 


Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirns. 113 


und größtenteils in den Tabellen IX bis XIV aufgezeichnet 
eind. 

1. In der MgSO,-Narkose verschwinden zuerst die Reflexe 
der Extremitäten und erst später — manchmal überhaupt 
nicht vollständig — der Cornealrefiex. Ganz am Anfang 
treten aber klonische Krämpfe auf. 

2. Der arterielle Blutdruck nimmt in der Mehrzahl der 
Fälle ab. Die Blutströmungsgeschwindigkeit (im Gehirn) nimmt 
trotzdem anfangs meistens zu, später aber immer ab. In 
Versuchsreihe 21 (Tab. XI) wurde der Blutdruck um die Hälfte 
kleiner, die Strömungsgeschwindigkeit aber zweimal so groß. 
Hier folgt aber keine Abnahme der Geschwindigkeit, und auch 
der Gaswechsel bleibt vergrößert. In Versuchsreihe 20 (Tab. X), 
wo in dem ersten Narkoseversuch der Gaswechsel zunimmt, 
wird die Strömungsgeschwindigkeit mehr als 3 mal so groß. 
(Blutdruck sinkt ein wenig.) 

3. Das Atemzentrum wird früh gelähmt, und diese Lähmung 
ist nur bei äußerst langsamer Infusion zu vermeiden. In den 
beiden Versuchen, wo der Gaswechsel des Gehirns während 
der Narkose zunahm (Versuchsreihen 20 und 21), war das 
Atemzentrum gelähmt und es wurde künstliche Ventilation an- 
gewendet. 

Aus diesen Tatsachen kann man sich etwa das folgende 
Bild über den Verlauf der MgSO,-Narkose machen. | 

Zuerst wird nach einem Excitationsstadium (Krämpfe) 
des Rückenmark gelähmt (Ausfall der Extremitäten- 
reflexe). In diesem Stadium sind die obersten Teile des 
Zentralnervensystems noch nicht narkotisiert ev. in Excitation. 
Cornealreflex zwar schwach, noch vorhanden. Bei schneller 
Infusion wird dann das Atemzentrum und das Vasomotoren- 
zentrum gelähmt. (Senkung des Blutdruckes, Аврһухіе.) 

Das Gehirn ist in diesem Stadium entweder noch in Ex- 
citation oder wenigstens noch nicht in tiefer Narkose, seine 
Gefäße aktiv dilatiert. (Erhöhung oder Konstantbleiben 
bzw. relativ geringe Veränderung des Gaswechsels, 
Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit trotz der 
Senkung des Blutdruckes.) Dann hört die Dilatation der 
Gehirngefäße auf und erfolgt die Lähmung des Gehirns. 


(Starke Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit ohne 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 8 


114 . F. G. Alexander und St. Cserna: 


Blutdrucksenkung, Abnahme des Gaswechsels) Bei 
langsamer Infusion kann man die Lähmung des Atemzentrums 
vermeiden. (Es ist also auch in diesem Falle der Reizzustand 
des Gehirns, wie bei optischer Reizung?) mit einer aktiven Dila- 
tation seiner Gefäße begleitet.) 

In der MgSO,-Narkose sinkt die CO,-Produktion ähnlich 
wie bei Äthernarkose, weniger als der O,-Verbrauch. Diese 
Erscheinung zeigt sich aber hier viel geringer ausgeprägt, d. h. 
eine qualitative Veränderung des Gaswechsels ist nicht sicher 
konstatierbar. In dem Excitationsstadium steigt aber die 
CO,-Produktion stärker als der O,-Verbrauch. 

Wir wollen noch bemerken, daB die Wirkung des MgSO, 
nach unserer Erfahrung nicht so einheitlich zu verlaufen scheint, 
wie die des Äthers und Morphins. 

Hauptsächlich ist die Dauer des Excitationsstadiums, die 
beim Äther und Morphium ganz kurz ist, äußerst verschieden 
bei den einzelnen Versuchstieren. 

Веі der Aufhebung der Narkose durch CaCl,-In- 
fusion (0,75°/,) steigt der Sauerstoffverbrauch des 
Gehirns zur ursprünglichen Höhe wieder hinauf. (Ver- 
suchsreihe 23, Tabelle XIII.) 

Bei der Erklärung der narkotischen Wirkung von MgSO, 
ist das Meyer-Overtonsche Prinzip der hohen Verteilungskoeffi- 
zienten kaum anwendbar. Der hohe Lipoidgehalt der Nerven- 
zellen wäre hier ja ein Umstand, der das Eindringen des Salzes 
erschwerte. Das Nächstliegende ist an eine ähnliche Wirkung 
zu denken, wie sie O. Warburg bei der Beeinflussung des Sauer- 
stoffverbrauchs von Eiern durch NaOH beobachtet hat. Hier 
wirkt NaOH enorm fördernd auf den Sauerstoffverbrauch, ohne 
ins Zellinnere zu gelangen. MgSO, scheint eine ähnliche, aber 
entgegengesetzte Wirkung zu haben, die durch CaCl, aufzu- 
heben ist. Man müßte dann also mit Warburg annehmen, 
daß die Zustandsänderungen der Zelloberfläehe die Oxydationen 
im Zellinnern stark beeinflussen. 

Als Endergebnis unserer Untersuchungen stellen wir fest, 
daß in der Narkose der Gaswechsel des Gehirns stark 
herabsinkt und mit der Tiefe der Narkose parallel 


1) Alexander und Révész, Über den Einfluß optischer Reize 
auf den CGiaswechsel des Gehirns. Diese Zeitschr. 44, 1912. 


U ru 0 EC Ee Р "es 


4 


29 - - dh 


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Einfluß der Narkose auf den Gaswechsel des Gehirn». 115 


geht. Es ist das wieder ein Beweis dafür, daß die 
Größe des Sauerstoffverbrauchs des Gehirns von 
seinem Tätigkeitszustande (Erregungszustande) ab- 
hängt (Revesz und Alexander). 


Zusammenfassung. 


1. Der spezifische Gaswechsel des Gehirns ist sehr be- 
deutend. Der O,-Verbrauch des Gehirns beträgt ungefähr 
0,36 ccm pro Minute und pro Gramm Organgewicht. 

2. In der Narkose sinkt der Gaswechsel des Gehirns 
` stark herab (60 bis 90°/,) und geht mit der Tiefe der Narkose 
parallel. 

3. In der Äthernarkose sinkt die Kohlensäureausgabe 
weniger als der O,-Verbrauch. 

In der Morphinnarkose sinkt im Gegenteil die Kohlen- 
säureausgabe stärker als der O,-Verbrauch. 

4. In der Narkose wird demnach der Stoffwechsel auch 
qualitativ verändert. Die Wirkungsweise der verschiedenen 
Narkotica ist also nicht einheitlich, und dieser Umstand muß 
bei jeder Theorie der Narkose berücksichtigt werden. 

5. In der MgSO,-Narkose werden die höheren Zentren 
des Nervensystems zuletzt gelähmt. Der Narkose geht oft ein 
Excitationsstadium voran, in dem der Gaswechsel des Gehirns 
steigt. 

Diese Arbeit wurde auf Anregung und unter Leitung von 
Herrn Prof. Franz Tangl ausgeführt. 


ge 


Weiterer Beitrag zur Kenntnis der Wirkung der 
Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 


von 


Paul Häri. 
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: F. Tangl.) 
(Eingegangen am 30. Mai 1913.) 


In einer früheren Arbeit!) habe ich die Wirkung einer in 
den Magen von hungernden Hunden eingegossenen Trauben- 
zuckerlösung auf den Energieverbrauch sowohl durch Bestim- 
mung des Sauerstoffverbrauches, als auch durch direkte calori- 
metrische Bestimmung geprüft, und gefunden, daß der Trauben- 
zucker, wie bereits früher von zahlreichen Autoren behauptet 
wurde, tatsächlich eine sicher nachweisbare Steigerung der 
Wärmeproduktion verursacht. 

Da Heilner*) der Traubenzuckerlösung jedwede die Wärme- 
produktian steigernde Wirkung abspricht, ob sie Kaninchen 
per ов oder subcutan beigebracht wird, habe ich, da der Trauben- 
zucker in allen meinen obenerwähnten Versuchen bloß per os ein- 
geflößt wurde, nun in einer weiteren Reihe von Versuchen die 
Wirkung subcutan eingeführten Traubenzuckers an 
kleinen Säugern (Ratte, Maus) calorimetrisch geprüft. 

Die Untersuchungen wurden in dem von Prof. Tangl kon- 
struierten, in diesem Heft beschriebenen Respirations-Calori- 
meter vorgenommen, und zwar so, daß einerseits die gesamte 
von den Versuchstieren abgegebene Wärme direkt bestimmt 
wurde, andererseits aus dem gesamten N- und C-Umsatz die 
Wärmeproduktion berechnet werden konnte. 


1) Zur Kenntnis des Einflusses der Kohlenhydrate auf die Energie- 
umsätze. Diese Zeitschr. 44, 66. 

*) Ernst Heilner, Die Wirkung des dem Tierkörper per ов und 
suboutan zugeführten Traubenzuckers. Mit besonderer Berücksichtigung 
der Verdauungsarbeit. Zeitschr. f. Biol. 48, 19#., 1906. 


.- 


Paul Нагі: Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 117 


Zu den Versuchen wurden in zwei Versuchsreihen je eine 
hungernde weiße Ratte, und zu zwei weiteren Versuchsreihen 
eine regelmäßig und gleichmäßig gefütterte weiße Maus verwendet. 

Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich bezüglich 
aller Einzelheiten der Versuchseinrichtung und der Art der Be- 
rechnung auf meine obenerwähnte Arbeit. 

Hier sei nur folgendes bemerkt: Die Versuchsdauer betrug 
durchschnittlich 8 bis 9 Stunden. Die Versuchstiere wurden am 
Beginne und am Ende eines jeden Versuchs mitsamt dem 
Behälter gewogen und so das Gewicht der Tiere und der De- 
jekte berechnet. Die Körpertemperatur der Tiere wurde nicht 
gemessen; daher bei der direkten calorimetrischen Messung der 
Wärmeausgabe eine Korrektion nur für die im Laufe des Ver- 
suches erfolgte Gewichtsveränderung angebracht werden konnte. 

Ein irgendwie nennenswerter Fehler konnte hierdurch nicht 
verursacht werden; denn einerseits habe ich mich an ähnlich 
großen Ratten davon überzeugt, daß ihre Temperatur von 36° 
nur um wenige Zehntel-Grade abzuweichen pflegt; andererseits 
läßt sich (s. Tabelle I) leicht berechnen, daß auch größere Ver- 
änderungen in der Körpertemperatur der Tiere die entsprechende 
Korrektion nur um einen geringen Betrag verändern würden. 

Bei den minimalen Harnmengen, die die Versuchstiere 
entleerten, war an eine Bestimmung der im Harn enthaltenen 
chemischen Energie nicht zu denken; dieselbe wurde annähernd 
aus dem N-Gehalte des Harnes und dem willkürlich angenom- 
menen Quotienten Cal:N—=?7 berechnet. Auch diesbezüglich 
gilt das oben Gesagte. 

Die Ergebnisse des an Ratten einerseits, und an einer 
Maus andererseits ausgeführten Versuche werden, da jene mit 
relativ sehr großen, diese mit kleineren Zuckermengen aus- 
geführt wurden, gesondert besprochen und durch kurze, zu- 
sammenfassende Tabellen im Text erläutert. 

Die zu sämtlichen Versuchsreihen gehörenden General- 
tabellen sind der Besprechung der Versuche vorangestellt. Und 
zwar enthält: Tabelle I die allgemeinen Daten der Respirations- 
versuche; Tabelle II die Daten für die Bestimmung der Wärme- 
produktion (direkte Calorimetrie); Tabelle III, IV, V und VI 
die Daten für die Berechnung der Wärmeproduktion aus dem 
Stoffumsatz (indirekte Calorimetrie); Tabelle VII die CO,- und 


Paul Häri 


118 


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Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 119 


H,O-Ausgabe und O,-Aufnahme pro 24 Stunden und 1 kg 
Körpergewicht. 

Bezüglich aller auf die Körpergewichtseinheit berechneten 
Daten sei bemerkt, daß ich bei dieser Reduktion nicht wie 
üblich von dem „mittleren“ Körpergewicht (Mittelwert vom 
Anfang und Ende des Versuchs) ausging, sondern jedesmal von 
dem Gewicht am Beginne des betreffenden Versuchs. Ich war 
hierzu gezwungen, da die Ratten I und II am Zuckertage einen 
sehr bedeutenden Anteil des ihnen mit dem Traubenzucker 
eingespritzten Wassers bis zum Ende dieses Versuchs nicht 
wieder abgegeben hatten; daher das in der üblichen Weise er- 
mittelte „mittlere Körpergewicht“ nicht das wirkliche Körper- 
gewicht, sondern dieses plus Retentionswasser dargestellt hätte. 


Tabelle II. 


Wärmeproduktion pro 24 Stunden durch direkte Calorimetrie bestimmt. 













































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2162, ‚00 11,554 | 0,138 2,128 - 
3156,28 [11,489 0,109 1,828 З 
4 [47,04 111,253 | 0,136 3,087 ; j ‚1 | Zuckertag 
2| 5170,36 12,827 | 0,107 2,715 115,649 0,235 15,414| 219,0 
6163,38 [12,443 | 0,088 2,302 114,833 0,173 14,660 | 231,7 
7153, ‚04 1)|11 ‚044 0,188 4,736 5,963 0,436 15,527 | 292,7 | Zuckertag 
3] 8121, 7,331| 0,035 1,775 9,141 0,117 9,024 | 427,3 
9 |29, Ze 7,318| 0,086 1,498 8,852 0,169 8,683 | 390,2 
10722, ‚20 7,120| 0,029 1,309 8,458 0,132 8,326 | 375,0 
11 21,63 H 8,207 | 0,039 1,421 9,666 0,215 9,451 | 446,9 | Zuckertag 
12122,07 | 7,121| 0,049 1,319 8,489 0,078 8,411 | 381,1 
4 |18 |22,10 | 7,883 | 0,038 1,315 9,236 0,111 9,125 | 412,9 
14121,85 | 8,077 | 0,034 1,250 | 9,961 0,110 9,851 | 450,9 
15 (21,78 1) 8,804) 0,041 1,265 [10,110 0,032 10,078 | 465,2 | 2искегбас 
16 [22,17 | 8,382 | 0,042 1,207 9,681 0,128 9,508 | 428,9 


1) Nach Abzug des Gewichtes der eingespritzten Traubenzucker- 
lösung, d.i. 10,52 g in Versuchsreihen 1 und 2 und 2,08 g in Versuchs- 
reihen 3 und 4. 


Paul Häri 


120 





чәпцоөләд L = М : IxO USJusNond иәпәшшоцәдив yarınzıya шәр рип A[eyoy)-N шәр NY (, 
'вәҳоп2пәдпваү, пәпәрәтцоѕәдвпв әш WI səp вәзүецәЗә!Згоия səp Anzqy qN (в 
`взәҳәп2иедпе1ү, uouoporiosoasne әшең пп səp гу səp Anzqy ҷову (z 
‘7 pun g иецтәѕцопвзәд ш 3 803 
рип g роп p uoylossyonsioA ur 3 ZGT 1 'р “Funsonlogonzusgneı], пә}2)14вә8шә дәр вәўЧо1мәку səp Anzqy ҷову (ү 





Zeuagonz | тее 
8'822 
0'033 





681,0 | SBE,8T| 866-11 (296.0 (26%) 02271 | 691‹0 | 6<9'1 | сосет Ka erh, вво] su ао) z 
8880 | 986,1 20901 ier — |801 | 9220 | сіст gert! 2200] — [10 8299] 9 
8480 | 92891 ré 628% — | шс SLL | свет | 8061 uo — [того | aal [г 






3=31әоп7 HEFT | POET |%@80'0[%0?6'0 


8801|0101| 92001 — 
OLIT | #601 | 9200| — 
FIST | 8871| 9200| — 





























189/33 |гео/35 leën |r89/33 (189/31 189/32 |r89/3 3 3 3 

KE эй, g E 6 E E Æ a 5 5 8 ; D Be * = 
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(ё рап ү ueyteisyonsieA) зәицоәләд пәЗипт}әвдәу uəp sne uopungg FS оза uoyynpordsuney 
III әпәче, 


Versuchsreihe 


Eë 


Versuchs-Nr. 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 121 


Tabelle IV. 
Futter (Fattingers Hundefutter) in Versuchsreihe 3. 


maen | In der täglich verzehrten“ 
Zusammensetzung Ration (= 3,43 g) enthalten 


— — 


Kohlenstoff ... 38,86 0/9 1,333 g 
Stickstoff . .. . 3,20% 0,110 в 
Energiegehalt . . | pro 1g 4225 Lac 14.492 kg/Cal 


Kot in Seege 3 (lufttrocken) 2,65 g in 5 >< 24 Stunden. 
In der auf 24 Stunden 


Zusammensetzung berechneten Kotmenge 
(= 0,53 g) enthalten 
Kohlenstoff . . . 31,469, 0,167 g 
Stickstoff . . . . 6,039/, 0,032 g 
Energiegehalt . pro 1 g 3,230 kg/Cal 1,712 kg/Cal 


Futter einen Hundefutter) in Versuchereihe 4. 


In der täglich verzehrten 
n Zusammensetzung p (= 8,38 g) enthalten 





Kohlenstoff . . . 39,870, 1,348 g 
Stickstoff . . . . 3,050], 0,103 g 
Energiegehalt pro 1 р 4,236 kg/Cal 14,817 kg/Cal 


Коё іп GEES 4 (lufttrocken) 2,43 g in 4 >< 24 Stunden. 


In der auf 24 Stunden 


Zusammensetzung berechneten Kotmenge 
(= 0,51 g) enthalten 


Tabelle V. 
Stickstoff- und Kohlenstoff-Bilanz (in den Versuchsreihen 3 und 4). 


Kohlenstoff pro 24 Stunden 





5 Ausgaben Ri Einnahmen Ausgaben 
е е U = eg 
Е | A zu- | Bilanz | „8 |8885 Sal; 5.85) ZU- | Bilanz 
im | im 8 |55254 яо | im | im eebe 
sam AS 323% o sam- 
E Harni Kot en 2 ЕЕЕ E Harn) Kot |s е5 men 
g g 8 Е 8 g g g g g g g 
0,110[0,064 | 0,032 0,096] + 0,014 [1,888| — |1,888]0,102|0,167| 0,773 | 1,042] + 0,291 
0,110[0,064 10,032  0,096[ + 0,014 11,383] — 11,33310,102 10,167 | 0,747 1,0161 + 0,317 
0,110|0,064|0,082|0,096|[ + 0,014 | 1,333] — |1,888/0,10210,167| 0,699 |0,968{ + 0,365 
0,110[0,062 | 0,032 | 0,0941 + 0,016 11,333 0,079 |1,412|0,084 0,167 0,813 | 1,064] + 0,347 
0,11010,073 [0,032 0,1051 + 0,005 | 1,833) — |1,333[0,099|0,167| 0,699 |0,9651 + 0,368 


0,146 0,159 | 0,760 | 1,0651 + 0,283 
0,146|0,159| 0,812 |1117| + 0,231 
0,129 10,159 0,840 |1128] + 0,300 
0,145 0,159] 0,793 |1,097| + 0,251 


0,103 [0,088 | 0,024 10,112] — 0,009 [1,348| — |13 
0,103 10,088 10,024 10,112] — 0,009 11,348] — |1,3 
0,103 [0,071 10,024 [0,095| + 0,008 [1,348 | 0,080 |1,42 
0,103 [0,068 0,024 | 0,092 + 0,011 [1,348] — |1,3 


122 Paul Нёгі: 


Tabelle VI. 
Wärmeproduktion pro 24 Stunden, aus den Zersetzungen berechnet 





Versuchsreihe 
Versuchs-Nr 





| 


Körpergewicht 





(Versuchsreihen 3 und 4). 


Chemische Energie 


n g| a a0 
3312 су. 
Sëiksglsë В| а | ъје ае t ат 
GE =ч ~ 0 о 
Фніо5| g B © Ge с |е z 2 im E el be 
Reise E82 EI 33 йы ба gal 6 Loterie |G (Se 
sheet ЕЗ (“ЕЗЕШ ЕНЕНЕ e kat 

21.5 3 & KZ 251 бра E S e I ES 
е5 SE Вечар e" ы 5 О |a & 1:8 о 

- E, jas зм Ев? 


Kilogramm-Calorien 


0,08710,318|14,492) — | — [0,4942,99410,448|1,712]| 8,844 1418,5 
0,087/0,352[14,492! — | — [0,49413,309[0,448|1,712| 8,529 |383,3 
0,08710,415[14,492) — | — [0,49413,901|0,44811,712| 7,937 |357,5 


0,100/0,383]14,492|0,737 


10,081 0,458|14,492| — 0,17514,301(0,51111,712| 7,793 |358,1 


22,10 [0,056] — |0,406[14,317| — 0,316) — |3,81610,616/1,624| 8,577 388,1 
21,85 [0,056] — 10,338]14,317| — 10,316 — |3,177!0,616|1,624| 9,220 |422,0 


21,739] — 10,0500,356|14,31710,748| — |0,2823,3460,497 1,624] 9,316 
22,17 | — 10,06910,279|14,317 — | — |0,390/2,623|0,47611,624]| 9,206 |415,3 


Tabelle VII. 
CO,- und H,0-Produktion und O,-Verbrauch pro 24 Stunden. 





























8 a А 5 Mit der Ven- 
el .15s-= | Ми der Ven-| © . — 
2 12 [85 | tilationsluft | 33 | tilationsluft 
dE wo = | abgeführt A y 
ok * > | in 24 Sta. |= 
р 2 2 Я з d 
léis"? S 






76,31 | 98,70 
64,71 | 55,08 
65,95 | 54,76 
105,49 [109,18 

















2 | 5| 70,36 | 4,795 | 4,590 68,15 | 65,23 
6| 63,28 | 4,393 | 3,891 | 4,096 | 69,42 | 61,49 
71 53,041) | 5,726 | 8,006 | 3,956 [107,96 150,95 





1) Nach Abzug des Gewichtes der eingespritzten Traubenzucker- 
lösung, d.i. 10,52 g in Versuchsreihen 1 und 2 und 2,08 g in Versuchs- 
reihen 3 und 4. 


*) Aus dem N-Gehalt und dem willkürlich angenommenen Quo 
tienten (Cal: ЇЧ = 7) berechnet. 


Bemer- 
kungen 





0,565/3,60010,434 11,712] 8,918 |412,5|Zuckertag 


428,7|Zuckertag 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 123 





















* 
A.o 
Ф с: 5 

ale -Jati tilationsluft | 3 oi 

га еса K abgeführt pro & 2 В, 
313 р 24504. u. к [2 2:5] Bemer- 

o jo in 24 Std. 59.4 
als > gc Kungen 

БЕ RI 

а z 

* 3 









137,96 1111,05 


| Zuckertag 
116,13 1101,04 






, Zuckertag 
2,906 





1. Versuche an hungernden Ratten. 


Versuchsreihe 1. Ratte I wurde eine Woche lang täglich, 
zum letzten Male am 2. ІУ. 1911 mittags mit је 8 р Fattinger- 
schen Hundefutters gefüttert und erhielt von da angefangen 
während der ganzen Dauer der Versuche keine Nahrung. 

Zunächst wurden am 3., 4. und 5. IV. drei Normalver- 
suche gemacht. Am 6. ІУ. morgens erhielt das Tier 10 ccm 
einer 15°/,igen Lösung von Traubenzucker (Merck) unter die 
Rückenhaut gespritzt; es wurde gleich nach der Wägung in 
den Respirationskasten eingesetzt, wo es bloß einige Minuten 
lang Unruhe zeigte, dann aber bis zum Schluß des Versuchs 
sich nicht unruhiger als in den Normalversuchen benahm. In 
dem bis zum Schlusse dieses Versuchs entleerten Harn, der nur 
mit Spülwasser stark (auf 55 ccm) verdünnt gesammelt werden 
konnte, hatte das Tier 0,26°/, (durch Gärung bestimmt), und 
0,32°/, (durch Polarisation bestimmt), im Durchschnitt 0,32°/, 
== 0,15 а Traubenzucker entleert. Nach Schluß des Versuchs 
war es vollkommen munter, wurde aber am nächsten Morgen 
tot im Behälter gefunden. 

Versuchsreihe 2. Ratte II wurde eine Woche lang mit 
Fattingerschem Hundefutter gefüttert, erhielt dann während der 


1) Nach Abzug des Gewichtes der eingespritzten Traubenzucker- 
lösung, а. і. 10,52 g in Versuchsreihen 1 und 2 und 2,08 g in Versuchs- 
reihen 3 und 4. 


124 Paul Häri: 


ganzen Dauer der Versuche keine Nahrung. Der Zuckerein 
spritzung gingen zwei „Normalversuche“ am 19. und 20. IV. 
voran; am 20.IV. morgens wurden dem Tiere 10 ccm einer 
15 °/,igen Lösung von Traubenzucker (Merck) unter die Rücken- 
haut gespritzt. Nach geringen Schmerzäußerungen von kurzer 
Dauer war es während des ganzen Versuchs nicht unruhiger 
als in den Normalversuchen. In dem mit Spülwasser verdünnten 
Harn waren 0,03 g Traubenzucker enthalten. 

Am Schlusse dieses Versuchs fraß das Tier gierig von 
dem ihm vorgelegten Futter, und wurde am nächsten Morgen 
tot im Behälter gefunden. 

Das Körpergewicht. Auffallend ist die sehr bedeutende 
Gewichtsabnahme der hungernden Ratten an den der Zucker- 
einspritzung vorangehenden Tagen. Sie betrug bei 


Ratte I Ratte II 
vom 3.—4. ГУ. (24 Std.) 9,52g vom 19.—20. IV. (24 Std.) 7,08 g 
n 4.—5. » ” 5,72 g » 20.—21. » ” 9,72 g 
n 5.—6. » n 8,72 g — 


Die Gewichtsabname betrug im Tagesdurchschnitt 7,65 g, 
gleich 10,6°/, des Anfangsgewichts bei Ratte І und 8,40 g, 
gleich 11,9°/, des Anfangsgewichts bei Ratte II. 

Pembrey und Spriggs!) bestimmten den täglichen Ge- 
wichtsverlust hungernder, 100 bis 200 g schwerer Ratten zu 
5 bis 8°/, des Anfangsgewichts; daß ich höhere Werte erhielt, 
rührt wohl daher, daß meine Versuche an jüngeren, nicht er- 
wachsenen Tieren ausgeführt wurden. 

Die CO,-Abgabe. Wie den Daten der Tabelle VII zu 
entnehmen ist, erfährt die рег 24 Stunden berechnete CO,-Ab- 
gabe durch die Zuckereinspritzung eine bedeutende Steigerung; 
sie ist noch weit größer, wenn wir die 24-Stunden-Werte auf 
1 kg Körpergewicht beziehen. In nachfolgender Tabelle VIII 
habe ich den Mittelwert aus den sog. Normaltagen (vor der 
Zucokereinspritzung) mit dem Wert vom Zuckertage verglichen 
und die Steigerung berechnet. Sie betrug 52,9°/, in Versuchs- 
reihe 1 und 56,9 °/, in Versuchsreihe 2. 


1) M. S. Pembrey and Е. J. Spriggs, The influence of fasting 
and feeding upon the respiratory and nitrogenous exchange. Journ. of 
Physiol. 31, 320, 1907. 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 125 
Tabelle УШ. 






CO,-Produktion [Steigerung am 
ro 24 Std. u.1kg| Zuckertage 
Körpergewicht 
g 






Art дев Versuchs 















An drei der Zuokereinsprit- 
zung vorangehenden Tagen 
en aus Versuch 1, 

und 3) . . — 










68,99 
105,49 





Am Zuokertag (Versuch 4) . 36,50 | 52,9 







An zwei der Zuckereinsprit- 
zung vorangehenden Tagen 


OLK, жоу сезж. эё жуз 68,79 
Am Zuckertag (Versuch 7) . 107,96 














39,17 | 56,9 

Das Verhalten der CO,-Produktion während der einzelnen 
Perioden eines Versuchs wird weiter unten des näheren zu be- 
sprechen sein.: 

Der respiratorische Quotient. Obzwar eine direkte 
Bestimmung des O,-Verbrauchs in meinen Versuchen nicht 
vorgenommen wurde und in den Werten, die aus der Gewichts- 
veränderung und den Ausgaben der Tiere berechnet wurden, 
alle Fehler der übrigen Bestimmungen sich naturgemäß sum- 
mieren mußten, glaube ich, daß die von mir ermittelten Quo- 
tienten in Versuchsreihe 2, sowie auch in den später zu be- 
sprechenden Versuchsreihen 3 und 4 annähernd richtig sind. 
Die größte Fehlerquelle liegt bei diesen aus dem berechneten 
O,-Verbrauch ermittelten Quotienten gewöhnlich in Mängeln 
der Wasserbestimmung; es ist jedoch, wie aus der vorangehenden 
Mitteilung des Prof. Tangl ersichtlich, die Wasserbestimmung 
im benutzten Calorimeter eine recht genaue. Daher glaubte 
ich den respiratorischen Quotienten in Versuchsreihe 2 um во 
eher anführen zu sollen, als am Zuckertage eine recht deut- 
liche Steigerung des Quotienten die stattgehabte Verbrennung 
des Zuckers anzeigt. 

(Bei Ratte I hat sich infolge ungenügender Ventilation 
am Zuckertage Kondenswasser an den Wänden des Tierraumes 
angesammelt, da ich auf die gewaltige Steigerung der Wasser- 
dampfabgabe nicht gefaßt war. Der direkten Bestimmung der 
Wärmeproduktion tat das Kondenswasser natürlich keinen Ab- 


196 Paul Häri: 


bruch, machte aber eine Berechnung des O,-Verbrauchs und 
des respiratorischen Quotienten unmöglich.) 

Bei Ratte II stieg der Quotient von 0,780 und 0,780 an 
beiden Normaltagen auf 1,060 am Zuckertag, woraus eine aus- 
giebige Zuckerverbrennung hervorgeht. 

Die Wärmeproduktion. Tabelle II enthält die Werte, 
die für die direkte Bestimmung der Wärmeproduktion erhalten 
wurden, die Tabellen III, IV, V und VI die Daten, mittels 
deren die Wärmeproduktion aus den Verbrennungen berechnet 
wurde. In Tabelle IX sind die durch direkte Bestimmung und 
durch Berechnung erhaltenen Werte auf die Körpergewichts- 
einheit bezogen und miteinander verglichen. 


Tabelle ІХ. 








Wärmeproduktion | Die direkt bestimm 
pro 24 Stunden und] Wärmeproduktion 










Versuchs- | Versuchs- _1 kg Körpergewicht | ist größer (+) oder Be- 
reihe | nummer kleiner (—) als die merkung 


berechnete 


Zuckertag 


— 0,4 
+ 3,8 
— 17, 








Zuckertag 


Wir wollen zunächst die Werte miteinander vergleichen, 
die an den der Zuckereinspritzung vorangehenden Tagen mittels 
beider Methoden erhalten wurden. 

Die Übereinstimmung kann keineswegs eine befriedigende 
genannt werden. Die Unterschiede sind an manchen Versuchs- 
tagen recht groß (bis zu 10,8°/,); betragen auch im Durch- 
schnitt der Normaltage 3,6°/,. 

Es ist jedoch zu bedenken, daß dem genauen Sammeln 
und der genauen Analyse der Dejekte die sehr geringen 
Mengen, um die es sich hier handelt, hinderlich im Wege 
stehen. Es können an dieser Unstimmigkeit auch Momente 
anderer Art beteiligt sein, wie etwa unvollkommene Ver- 
brennungen unter Bildung intermediärer Produkte, wie solche 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 127 


für den hungernden Warmblüter sicher festgestellt sind — 
Vorgänge, die mit einer positiven Wärmetönung einhergehen, 
daher bei der direkten Calorimetrie vollinhaltlich zur Geltung 
kommen, während die dabei entstehenden Produkte nicht oder 
nicht sofort zur Ausscheidung gelangen, daher bei der Be- 
rechnung der Wärmeproduktion aus den Zersetzungsprodukten 
in Wegfall kommen und hier ein bedeutendes Minus ver- 
anlassen. 

So ließe sich wenigstens bei Ratte I die gute Überein- 
stimmung in Versuch 1 erklären, die zunehmende Unstimmig- 
keit in Versuchen 2 und 3. 

An den Zuckertagen war nach allem dem, was bereits 
Zuntz hierüber veröffentlichte, und was ich in meiner ge- 
nannten Arbeit ausführlich erörterte, eine Übereinstimmung 
zwischen den für die Wärmeproduktion direkt erhaltenen und 
den aus den Zersetzungen berechneten Werten am Hungertier 
nicht zu erwarten. 

Auffallend und nicht sicher zu begründen ist die Tatsache, 
daß man an den Zuckertagen für die Wärmeproduktion durch 
Berechnung aus den Zersetzungen einen höheren Wert erhält 
als durch direkte calorimetrische Bestimmung. Und zwar auch 
dann, wenn man den gesamten Traubenzucker als verbrannt 
und bloß den in dem Traubenzucker nicht gedeckten Anteil 
des Kohlenstofidefizits von verbranntem Fett herrührend be- 
trachtet. Das Plus beträgt bei dieser Art der Berechnung 
4,7°/, bei Ratte I und 17,2°/, bei Ratte II. Dieses Plus wird 
noch weit größer, wenn wir, was für das Hungertier eigentlich 
auch richtiger wäre, einen mehr oder minder großen Anteil des 
Traubenzuckers als in Form von Glykogen abgelagert be- 
trachten, also einen weit größeren Anteil des Kohlenstoff- 
defizits von verbranntem Fett herrührend in Rechnung bringen. 
In meinen erwähnten früheren Versuchen habe ich gezeigt, daß 
die nach beiden Arten der Berechnung erhaltenen Minimal- und 
Maximalwerte jeweils einen geringeren, resp. größeren Wert 
für die Wärmeproduktion liefern, als durch direkte Calorimetrie 
gefunden wird. Warum іп den jetzt besprochenen Versuchen 
sogar die „Minimalwerte“ größer sind als die direkt erhaltenen, 
kann ich nicht begründen. Möglicherweise hatten sich aus dem 
eingespritzten Traubenzucker chemische Energie enthaltende 


138 Paul Нёгі: 


Zersetzungsprodukte in erheblichen Mengen gebildet, die ent- 


weder im Körper blieben oder aber im Harn entleert wurden, 
und deren Energiegehalt, da sie nicht bestimmt wurden, vom 
Verbrennungswert der zersetzten Stoffe nicht abgezogen werden 
konnten. 

Ich habe die Berechnung der Wärmeproduktion aus den 
Zersetzungen, die ja — wie erwähnt — am Zuckertage keine 
verläßliche sein kann, hier angeführt, um zu zeigen, daß nicht 
nur die direkte Calorimetrie eine Steigerung der Wärme- 
produktion unter dem Einfluß der Zuckereinspritzung anzeigt 
(wie unten ausführlich auseinandergesetzt werden wird), sondern 
such die unter diesen Umständen unzuverlässige indirekte 
Calorimetrie. 

Aus den erwähnten Gründen sollen bei der nun folgenden 
Besprechung der Veränderung in der Wärmeproduktion nach 
der Zuckereinspritzung nur die durch direkte Calorimetrie er- 
haltenen Werte berücksichtigt werden. 

Wird in beiden Versuchsreihen das Mittel aus den pro 1 kg 
und 24 Stunden berechneten Daten der „Normaltage“ mit den 
Werten vom Zuckertag verglichen (Tabelle X), so ergibt sich 
die sehr bedeutende Steigerung von 28,0°/, bei Ratte I und 
29,9°/, bei Ratte II. 


Tabelle X. 


— mu 















Art des Versuchs 


An drei der Zuckereinsprit- 

zung vorangehenden Tagen 
ittelwert aus Versuch 1, 
und 3) . — 


An zwei der Zuckereinsprit- 
zung vorangehenden Tagen 
(Mittelwert aus Versuch 5 

und. 6) ......... 


So überzeugend auch diese Daten auf eine intensive 
Steigerung der Wärmeproduktion hinweisen, konnte doch der 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 129 


Einwand erhoben werden, daß die Steigerung der Wärme- 
produktion nicht von einer unmittelbaren physiologischen 
Wirkung des Traubenzuckers auf den Energieverbrauch her- 
rührt. So könnte z. B. eingewendet werden, daß die Steigerung 
der Wärmeproduktion einer durch die Einspritzung verursachten 
Unruhe der Tiere zuzuschreiben sei. 

Zur Entkräftung dieses möglichen Einwandes dienen zu- 
nächst die S. 123 mitgeteilten Daten, aus denen hervorgeht, daß 
in dem Verhalten der Tiere an den Normal- und Zuckertagen 
kein Unterschied wahrzunehmen war. Ferner mußte, wenn 
eine solche Unruhe durch den Akt der Einspritzung selbst 
verursacht wurde, dieselbe offenbar in den der Einspritzung 
zunächst folgenden Stunden am beträchtlichsten sein. Dies- 
bezüglich konnten meine Versuche über das Verhalten der CO,- 
Ausgabe, die in kürzeren Perioden von je 2 bis 4stündiger 
Dauer bestimmt wurde, besseren Aufschluß geben als die der 
Wärmeproduktion selbst. Denn die durch Strahlung und Leitung 
abgegebene Wärmemenge könnte wohl für jede Periode ge- 
sondert berechnet werden, nicht so die im verdampften Wasser 
abgegebene Wärme, da ich die Wassergabe nicht perioden- 
weise bestimmt hatte. 

In nachstehender Zusammenstellung (Tabelle XI) sind die 
für jede einzelne Periode erhaltenen Werte der CO,-Produktion 
auf je 1 Stunde und 1 kg Körpergewicht umgerechnet; sie sind 
geeignet, den erwähnten Einwand vollständig zu entkräften. 


Tabelle XI. 


CO,-Produktion pro 1 Std. und 1 kg 
Körpergewicht 





Auf die Steigerung der CO,-Abgabe am Zuckertage will 


ich hier, da sie bereits ausführlich besprochen war, nicht wieder 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 9 


180 Paul Häri: 


zurückkommen. Es sollen diese Ziffern nur zeigen, daß die 
Steigerung im Stoffumsatze nicht von einer durch die Ein- 
spritzung verursachten Unruhe der Tiere herrühren konnte, da 
diese doch naturgemäß besonders in der ersten, der Einspritzung 
folgenden Periode eine besonders starke Steigerung der CO,-Pro- 
duktion hätte verursachen müssen. 

Es hatte sich im Gegenteil in beiden Versuchsreihen er- 
geben, daß die CO,-Produktion am Zuckertag in der 1. Periode 
weit geringer war als in den nachfolgenden Perioden; während 
die Normaltage dadurch ausgezeichnet waren, daß die CO,-Pro- 
duktion in allen Perioden eine gleichmäßige blieb (Versuchs- 
reihe 2), oder aber regellos innerhalb eines Versuchs bald in 
einer früheren, bald in einer späteren Periode größer war (Ver- 
suchsreihe 1), wie ja dies bei den kleinen beweglichen Tieren, 
die abwechselnd bald schlummern, dann wieder in bekannter 
Art sich mit den Pfoten säubern, nicht anders zu erwarten ist. 

Zudem war auch in dem Verhalten der Werte für die 
CO,-Produktion am Zuckertage in beiden Versuchsreihen eine 
auffallende Übereinstimmung vorhanden: die CO,-Produktion 
betrug 4,04 und 4,04 in der ersten, 4,63 und 4,82 g in der 
zweiten Periode. 

Ein zweiter, schwerer wiegender Einwand gegen die Be- 
weiskraft der angeführten Versuche könnte aus den relativ 
großen Mengen des eingespritzten Traubenzuckers — 28 resp. 
32 pro 1 kg Körpergewicht — konstruiert werden. Man könnte 
behaupten, daß es sich hier nicht um eine physiologische 
Steigerung normaler Verbrennungsvorgänge, sondern um eine 
förmliche Intoxikation handle, die, wie viele andere Intoxika- 
tionen, vermehrten Stoff- resp. erhöhten Energie-Umsatz ver- 
ursache. 

К ӧвва!) wies bereits im Jahre 1899 in einer Reihe von 
Versuchen nach, daß Rohrzucker, Hühnern in einer Menge von 
1°/, des Körperwichts subcutan eingespritzt, die Tiere in der 
Regel nach der ersten oder zweiten Injektion tötet. 

„Kaninchen vertragen !/, bis 19%, des Körpergewichts 
durch längere Zeit (2 bis 4 Wochen), ohne daß sich äußerlich 


t) Julius v. Kössa, Beitrag zur Wirkung der Zuckerarten. Arch. 
f. а. ges. Physiol. 75, 310, 1899. 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 131 


Zeichen hochgradigen Übelbefindens bemerkbar machen ...“; 
allerdings tritt rasche Abmagerung, vielfach Albuminurie, Blu- 
tungen in der Magen- und Darmschleimhaut auf. 

So blieben drei Kaninchen, denen je 0,5°/, ihres Körper- 
gesichte an Rohrzucker eingespritzt wurden, gegen drei Wochen, 
ein viertes aber, das 1,3°/, täglich erhielt, bloß vier Tage lang 
am Leben. Zwei Hunde, die je 1°/, erhielten, starben nach 
12 resp. 24 Stunden. Kössa hatte auch einige Versuche mit 
Traubenzucker angestellt; da aber in diesen bloß Mengen von 
0,05 bis 0,2°/, des Körpergewichts eingespritzt wurden, können 
zu einem Vergleich mit meinen Versuchen nur die erstgenannten 
Rohrzuckerversuche herangezogen werden. Ein solcher Ver- 
gleich ist aber nicht ohne jeden Vorbehalt gestattet; denn der 
Rohrzucker ist, parenteral eingeführt, nahezu unverbrennbar, 
kann also längere Zeit hindurch in den Körpersäften kreisen 
und seine giftige Wirkung ausüben; während der leicht ver- 
brennende Traubenzucker, in ähnlicher Konzentration eingeführt, 
wohl geringere toxische Wirkungen ausüben dürfte. 

Nun erhielten aber die Ratten nahezu das Dreifache der 
obenerwähnten stärksten Dosis, d. i. zirka 3°/, ihres Körper- 
gewichts an Traubenzucker unter die Haut gespritzt, und da 
muß man zum mindesten annehmen, daB die gefundene Steige- 
rung der Wärmeproduktion teilweise der durch die große Zucker- 
menge verursachten Intoxikation zuzuschreiben ist. Für diese 
Annahme spricht der innerhalb 24 Stunden nach der Zucker- 
einspritzung erfolgte Tod beider Tiere. Gegen sie spricht der 
Umstand, daß in dem Habitus der Tiere während dee Ver- 
suchs nichts wahrzunehmen war; was auf einem Intoxikations- 
zustand hingewiesen hätte. Dagegen spricht auch, daß Ratte II 
am Schlusse des Zuckerversuchs gierig Futter zu sich ge- 
nommen hatte. Und schließlich ließe sich der Tod der Tiere 
auch anders als durch eine Intoxikation ungezwungen erklären. 
Während des protrahierten Hungerns nehmen nämlich die Tiere, 
wie erwähnt, täglich um ca. 10°/, ihres Anfangsgewichtes ab. Wenn 
wir für den letzten Lebenstag, an dem eine richtige Gewichts- 
verlustbestimmung infolge der erwähnten Wasser-Retention 
nicht zu denken war, eine ähnlich große Abnahme, wie an 
den vorangehenden Tagen, annehmen, würde der Gesamt- 


verlust am Ende des vierten Hungertages bei Ratte I 42,8°/,, 
9% 


132 | Paul Häri: 


und am Ende des dritten Hungertages bei Ratte П 35,8°/, des 
Anfangsgewichts betragen. Dieser sehr bedeutende Gewichte- 
verlust konnte an sich bereits den Tod beider Tiere an dem der 
Zuckereinspritzung folgenden Tage herbeiführen. 


2. Versuche an der Maus. 


Da es nach alledem wahrscheinlich ist, daß der Zustand 
der Ratten infolge der großen Zuckermengen kein physiologischer 
war, und die Steigerung der Wärmeproduktion teilweise der 
Intoxikation zuzuschreiben ist, habe ich weiterhin Versuche an 
einer gefütterten Maus angestellt und die Menge des pro 1 kg 
Körpergewicht eingespritzten Traubenzuckers auf den dritten 
Teil, d. i. 1°/, des Körpergewichts, bemessen. Das Tier wurde 
gefüttert, da Mäuse protrahierten Hunger bekanntlich noch 
schlechter als Ratten vertragen. 


Versuchsreihe 3. Das Tier erhielt drei Tage lang je 
ca. 3,5 g Fattingerschen Hundefutters; vom 6. III. 1911 an- 
gefangen, an dem die Respirationsversuche begannen, je genau 
abgewogen 3,43 д. — Am 9. III. erhielt ев 2 ccm einer 9,87°/ igen 
Lösung von Traubenzucker (Merck) unter die Rückenhaut ge- 
spritzt und wurde gleich darauf in den Respirationskasten ein- 
gesetzt. — Das Tier verhielt sich während des ganzen Ver- 
suchs wie in den vorhergehenden Normalversuchen. Der Harn 
enthielt keinen Zucker. Am 10. ПІ. folgte wieder ein Normal- 
versuch, und nach Abschluß desselben wurde das Tier bis zur 
nächsten Versuchsreihe weitergefüttert. 


Versuchsreihe 4. Obige Maus wurde vom 10. III. 1911 
angefangen täglich mit je ca. 3,5 g Fattingerschen Hundefutters 
gefüttert; vom 21. III. 1911 angefangen, an dem die Respira- 
tionsversuche begannen, erhielt sie je genau abgewogen 3,38 g 
des Hundefutters. 


Am 23. III. wurden dem Tiere 2 ccm einer 10°/ igen Lösung 
von Traubenzucker (Merck) unter die Rückenhaut gespritzt, 
worauf es, in den Respirationskasten eingesetzt, sich dort wie 
in anderen Versuchen verhielt. Der Harn hatte keinen Zucker 
enthalten. Am nächsten Tag folgte ein „Normalversuch“; nach- 
her wurde das Tier weitergefüttert und zu anderen Versuchen 
verwendet. 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 133 


In den Versuchsreihen 3 und 4 wurde die Menge des 
Futters auf Grund vorangegangener Fütterungsversuche absicht- 
lich so bemessen, daß der Körperbestand des Tieres möglichst 
konstant erhalten blieb; es ist daher über das Verhalten des 
Körpergewichtse nichts weiter zu berichten. 

CO,-Ausgabe. Wenn wir ähnlich wie in Versuchsreihe 1 
und 2 die mittlere CO,-Produktion aus allen Versuchen vor 
und nach der Zuckereinspritzung berechnen und mit der vom 
Zuckertage vergleichen, erhalten wir, wie aus nachstehender 
Tabelle XII ersichtlich, eine der geringeren Zuckerdosis ent- 
sprechend geringere Steigerung als in den Rattenversuchen, 
und zwar 12,8°/, in Versuchsreihe 3 und 8,1°/, in Versuchs- 
reihe 4. 


Tabelle ХП. 


Steigerung 
am 
Zuckertage 







Art des Versuchs 






Andreider Zuckereinspritzung 
vorangehenden und einem 
folgenden Tage (Mittelwert 
aus Versuchen 8, 9, 10 u. 12) 


Am Zuckertag (Versuch 11) . 


An zwei der Zuckereinsprit- 
zung vorangehenden und 
einem folgenden Tage 
(Mittelwert aus Versuch 18, 
14 und 16) ....... 


Am Zucokertag (Versuch 15). 















122,23 
137,96 
















131,15 
141,78 





10,63 | 8,1 


Der respiratorische Quotient stieg in Versuchsreihe 3 
von 0,77, 0,89, 0,84 an den Normaltagen auf 0,89 am Zucker- 
tag; in Versuchsreihe 4 von 0,77 und 0,79 auf 0,86, um am 
darauffolgenden Normaltag wieder etwas abzufallen. Da die 
Maus ein an Kohlenhydraten reiches Futter erhielt, ist der 
Quotient an den Normaltagen ein auffallend niedriger zu nennen. 
Es ist zwar richtig, daß das Tier an den Normaltagen 0,40 in 
Versuchsreihe 3 resp. 0,55 g Eiweiß in Versuchsreihe 4 resor- 
biert und zersetzt hatte, daher das Eiweiß, wie leicht zu be- 
rechnen ist, zu 19,4 resp. 25,3°/, an dem gesamten Umsatz sich 


134 Paul Häri: 


beteiligte. Doch läßt sich nach Magnus-Levy!) auch für den 
Fall einer so starken Beteiligung des Eiweißes ein höherer 
Quotient berechnen. 

Es mögen hieran Fehler bei der indirekten Bestimmung des 
O,-Verbrauchs die Schuld haben, so daß ich hier nicht auf den 
absoluten Wert, sondern auf die Steigerung der Quotienten am 
Zuckertage das Gewicht legen möchte. 


Die Wärmeproduktion. Was die Fehlerquellen der 
Berechnung der Wärmeproduktion aus den Zersetzungen bei 
der Besprechung der Versuchsreihen 1 und 2 anbetrifft, gilt 
in höherem Maße für die Versuchsreihen 3 und 4. Die Schwierig- 
heiten häuften sich auch dadurch, daß das Tier kleine Mengen 
seines Futters verbröckelte, die dann schwer von den Dejekten 
zu sondern und zu wägen waren. Ferner mußte in den geringen 
Mengen Kot der N-, C- und Energiegehalt bestimmt werden; 
auch war es technisch unmöglich, Fett und Kohlenhydrate im 
Kot zu bestimmen. | 

Die Daten der indirekten Calorimetrie (Tabelle XIII) seien 
also eben nur angeführt, um die ungefähre Übereinstimmung 
mit dem Ergebnis der direkten Calorimetrie zu zeigen. 


Tabelle XIII. 


Wärmeproduktion | Die direkt bestimm 
pro 24 Stunden und| Wärmeproduktion 









Versuchs- | Versuchs- _1 kg Körpergewicht e E e GC 
i direkt einer (— ө 
reihe nummer —— berechnet — 


kg/Cal. 













> 






8 1 
9 8 
5 9 
6 7 1Zucokörtag 
0 9 
388,1 ‚8 4 
422,0 9 8 
428,7 5 8 [|[2исКегбар 
428,9 6 3 





| 415,3 


1) A. Magnus-Levy in Noordens Handb. d Pathol. d. Stoffw. 
1, II. Aufl., S. 207, 1906. 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 135 


Wenn wir die Veränderung der Wärmeproduktion am 
Zuckertage ähnlich wie in Versuchsreihe 1 und 2 berechnen, 
also den Mittelwert der Normaltage mit dem vom Zucokertage 
vergleichen (Tabelle XIV), finden wir dieselbe um 13,2 resp. 
8,0°/, gesteigert. 


Tabelle XIV. 


















Wärmeproduktion | Steigerung 
Ver- (direkt bestimmt) am 
suchs- Art der Versuche pro 24 Std. u. 1 kg Zuck 
reihe Körpergewicht океан : 






kgICal. 


An drei der Zuckereinsprit- 
zung vorangehenden und 
einem folgenden Tage (Mit- 
telwert aus Versuchen 8, 
9, 10 und 12). ..... 


Am Zuckertag (Versuch 11). 
An zwei der Zuckereinsprit- 
zung vorangehenden und 


einem folgenden Tage (Mit- 
telwert aus Versuchen 13, 


Am Zuckertag (Versuch 15). 


Infolge gewisser Schwankungen der Wärmeproduktion an 
den Normaltagen stellen die für Steigerung am Zuckertage an- 
geführten Zahlen gewissermaßen Minimalwerte dar; denn die 
besonders hohen und aus der Reihe springenden Werte am 
ersten Versuchstage in Versuchsreihe 3, sowie am zweiten Ver- 
uchstage in Versuchsreihe 4 rücken den Mittelwert der Normal, 
tage etwas in die Höhe. Die wirkliche Steigerung am Zucker- 
tag ist also noch beträchtlicher, als dies aus obiger Berechnung 
hervorgeht. 

Hiervon abgesehen, ist diese Steigerung zwar weit ge- 
ringer als in beiden Rattenversuchen, was ja bei der geringeren 
Menge des eingespritzten Traubenzuckers auch zu erwarten 
war. Jedoch ist diese geringe Steigerung um so eher be- 
weisend, da die Bedenken, die gegen die Beweiskraft der Ver- 
suche dort mit Recht erhoben werden könnten, hier gegen- 
standslos sind. 


136 Paul Hári: 


Einerseits geht aus dem Verhalten der CO,-Produktion, 
die periodenweise bestimmt wurde, ähnlich wie in Versuchs- 
reihen 1 und 2 hervor, daß die stärkste Steigerung nicht auf 
die erste, der Einspritzung unmittelbar folgende Periode fiel 
(Tabelle XV); daher die vermehrte CO,-Bildung resp. Wärme- 
produktion nicht der durch die Einspritzung selbst hervor- 
gerufenen Unruhe zugeschrieben werden kann. 


Tabelle XV. 





CO,-Produktion pro 1 Std. und 1 kg 
Körpergewicht 





Der fernere Einwand, daß es sich um eine toxische 
Wirkung des Traubenzuckers handeln könnte, ist hier von 
selbst hinfällig; das Tier zeigte nicht die geringsten Zeichen 
von Unbehagen oder verminderter FreßBlust; ist auch nach 
Abschluß beider Versuchsreihen noch längere Zeit am Leben 
geblieben. 


Einer besonderen Besprechung bedarf noch der Anteil, 
den Strahlung und Leitung einerseits und Wasserverdampfung 
andererseits an der gesteigerten Wärmeabgabe an den Zucker- 
tagen haben. 

Wie aus Tabelle XVI ersichtlich, erfährt die durch Strah- 
lung und Leitung abgegebene Wärmemenge in allen Versuchs- 
reihen eine mäßige Steigerung von 9,9 bis 23,5°/,; die durch 
Wasserverdampfung erfolgende eine sehr beträchtliche Steige- 
rung von 53,6 resp. 137,9°/, bei den beiden Ratten und blieb 
fast unverändert in den beiden Mäuseversuchen. 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 137 


Tabelle XVI. 










Wärmeabgabe pro 24 Stunden 
und 1 kg Körpergewicht 


193,6 42,0 
239,2 |+ 45,6 |+ 23,5 | 64,5 |+ 22,5 | + 53,6 
189,4 87,5 
208,2 |+ 18,8 | + 9,9 [ 89,2 [+ 51,7 |+ 137,9 


329,8 67,5 
|381,0 [+51,2 |+ 15,5| 65,9 | —1,6 | — 2,4 


Art 
des Versuchs 






Versuchsreihe 


1 | Ап drei der Zuokerein- 
spritzung vorangehen- 
den Tagen (Mittelwert 
aus Versuch 1, 2 u. 3) . 


Am Zuckertag(Versuch 4) 


2 | Ап zwei der Zuckerein- 
spritzung vorangehen- 
den Tagen (Mittelwert 
aus Versuch 5 und 6) 


Am Zuokertag (Versuch?) 


3 [Ап drei der Zuckerein- 
spritzung vorangehen- 
den und einem folgen- 
den Tag (Mittelwert 
am Versuch 8, 9, 10 
und 12) ...... 


AmZuckertag (Versuchl1) 


4 |An zwei der Zuckerein- 
spritzung vorangehen- 
den und einem folgen- 
den Tag (Mittelwert 


















am Versuch 13, 14а. 16) | 377,8 57,0 
Am Zuckertag (Ver- 
such 15) . ..... 406,8 | 29,5 | + 7,8 | 58,5 | +1,5 | + 2,6 


(Es sei hier nochmals auf die bereits erwähnte Tatsache 
hingewiesen, daß bei Ratte I am Zuckertage sich viel Kondens- 
wasser niedergeschlagen hatte, das der Richtigkeit der direkten 
Calorimetrie wohl keinen Abbruch tat, jedoch zur Folge hatte, 
daß der Wert für die Wärmeabgabe durch Wasserverdampfung 
geringer, als der Wirklichkeit entsprach, ausgefallen war.) 

Der Unterschied zwischen den Ratten, die je 10 ccm, und 
der Maus, die bloß 2 ccm der wässerigen Lösung eingespritzt 
erhielt, ist zu auffallend, um verkannt zu werden oder um sie 
einem Zufall zuzuschreiben. 


188 Paul Нап: 


Meines Erachtens gibt es da zwei Erklärungsmöglichkeiten. 
Die eine wäre, daß, wie übrigens bekannt, durch Strahlung 
und Leitung nur ein ziemlich engbegrenztes Plus an Wärme, 
wenigstens bei unseren dichtpelzigen Tieren, abgegeben werden 
kann; die noch übrige abzugebende Wärme aber nur durch 
vermehrte Wasserverdampfung aus dem Tierkörper eliminiert 
wird. Es würde daraus die große Steigerung der Wasserver- 
dampfung bei Ratten I und II erklärt werden, deren Wärme- 
produktion am Zuckertag um 28,0 resp. 29,9°/, gesteigert war; 
ebenso auch das Ausbleiben jeglicher Steigerung der Wasser- 
dampfausgabe bei der Maus, deren Wärmeproduktion am Zucker- 
tag bloß um 13,2 resp. 8,0°/, gesteigert war, also um eine 
Wärmemenge, deren sich die Maus durch Strahlung und Leitung 
leicht entledigen konnte. 

Die zweite Erklärung wäre, daß nicht die zwingende Not- 
wendigkeit, Wärme in vermehrtem Wasserdampf abzugeben, 
sondern umgekehrt, der große Wasserüberschuß bei den Ratten 
und der weit kleinere bei der Maus, den primären Vorgang 
darstellt. 

Die Eliminierung eines Wasserüberschusses können die 
Nieren besorgen, doch nur zu einem gewissen Anteil. Wenn 
der Überschuß unterhalb der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit 
bleibt, kommt es nicht zu einer vermehrten Wasserdampf- 
abgabe durch die Lungen. Muß jedoch mehr Wasser abgegeben 
werden, als durch die Nieren ausgeschieden werden kann, wird 
dieses Plus durch die Lungen abgegeben. Die hierdurch er- 
folgende bedeutende Abkühlung des Tieres muß dann eine ent- 
sprechende Einschränkung der durch Strahlung und Leitung 
erfolgenden Wärmeabgabe bedingen. Für diese Erklärungs- 
möglichkeit spricht ein Vergleich des Verhaltens der flüssigen 
Ausscheidungen?) der Tiere an den Normal- und Zuckertagen. 


Ihr Gewicht, das wohl überwiegend aus Wasser bestand, 


betrug in Versuchsreihe 


І п ПІ IV 
im Durchschnitt aller Normaltage 0,83 0,94 0,61 0,64 g 
am Zuckertage . . . . . 2... 2,41 1,95 1,78 210g 


1) die wohl hauptsächlich aus Wasser bestanden. 


Wirkung der Kohlenhydrate auf den Energieumsatz. 139 


demnach am Zuckertag ungefähr das Doppelte in Versuchs- 
reihe 2 und das Dreifache in allen übrigen Versuchsreihen. 

Die Maus konnte sich in Versuchsreihe 3 und 4 von 
der ganzen Last des eingespritzten Wassers (2 ccm) durch die 
Dejekte befreien; bei den Ratten hingegen genügte die auf das 
2 bis 3fache gesteigerte Diurese nicht, um die absolut und 
relativ größere Wassermenge abzuscheiden; bei ihnen mußte 
diese bedeutende Steigerung der Wasserabgabe durch die 
Lungen stattfinden. 

Welche von den beiden Erklärungen die richtige ist, soll 
zunächst dahingestellt bleiben. 

Die Ergebnisse der besprochenen Versuche lassen sich kurz 
folgendermaßen zusammenfassen: 

1. Traubenzucker erzeugt in einer Menge von 10g 
pro 1 kg Körpergewicht, in 10°/,iger Lösung einer ge- 
fütterten Maus unter die Haut eingespritzt, eine Stei- 
gerung der Wärmeproduktion um 8,0 bis 13,2°/,. In 
einer Menge von 28 bis 32 g pro 1 kg Körpergewicht, 
hungernden Ratten eingespritzt, beträgt die Steige- 
rung 28,0 bis 29,9 °/,. 

2. Die Steigerung durch große Mengen Trauben- 
zucker (Rattenversuche) kann teilweise von der durch 
den Zucker bedingten Intoxikation herrühren. 

3. Die nach der Zuckereinspritzung in erhöhter 
Menge produzierte Wärme wird, wenn relativ wenig 
Wasser eingespritzt wird, ausschließlich durch Strah- 
lung, wenn viel Wasser eingespritzt wird, zu einem 
großen Anteil auch durch gesteigerte Wasserver- 
dampfung abgegeben. 


Gm ur — — 


Die Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 


Von 


Е. Verzär und A. у. Fejér. 


(Aus dem Institut für allgemeine Pathologie und physiologische Chemie 
der Universität Budapest. Direktor: Е. Tangl.) 


(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 


Einleitung. Literatur und Fragestellung. 


In der Theorie des Pankreasdiabetes stehen sich bis zur 
jüngsten Zeit zwei Ansichten schroff gegenüber. Die Zucker- 
ausscheidung nach totaler Pankreasexstirpation wird von dem 
einen Teil der Untersucher damit erklärt, daß die Verbrennung 
der Kohlenhydrate vollkommen aufhört, während nach anderen 
die Fähigkeit des Organismus, Kohlenhydrate zu verbrennen, 
auch im Pankreasdiabetes nicht verschwindet, sondern eine 
Überproduktion von Zucker ‚vorhanden ist, die zu Hyper- 
glykämie und damit zur Zuckerausscheidung führt. Beide 
Theorien sind sich jedoch gegenwärtig darüber einig, daß es 
sich um den Ausfall einer inneren Sekretion des Pankreas 
handelt. 

Es ist überflüssig, hier auf die ganze riesenhafte Literatur dieses 
Gebietes einzugehen, da diese Frage in letzter Zeit wiederholt Gegen- 
stand von zusammenfassenden Darstellungen war, und wir verweisen des- 
halb auf die vorzüglichen Referate von Biedl?) (1910), Gigon") (1912) 
und Noorden’) (1912), die in den letzten Jahren das Ergebnis aus der 
entsprechenden Literatur gezogen haben. Es wird genügen, wenn wir 
zur Charakteristik der Frage die Ansichten dieser Autoren referieren 
und ihre Befunde mit einigen inzwischen erschienenen Arbeiten ergänzen. 

Biedi (1910) kommt nach Besprechung der verschiedenen Theorien 
des Pankreasdiabetes zu dem Ergebnis (8. 891): „Die bis vor kurzem 


1) Biedl, Innere Sekretion 1910, S. 884 bis 395. 

7) Noorden, Die Zuckerkrankheit. Sechste vermehrte u. veränderte 
Aufl. 1912, 8. 162 bis 163. 

) Gigon, Erg. d Inn. Med. u. Kinderheilk. 9, 235, 1912. 


Е. Verzär u. А. у. Fejér: Verbrennung von Traubenzucker usw. 141 


fast allgemein akzeptierte Auffassung des Pankreasdiabetes, als eine 
Stoffwechselstörung, die in der Hemmung der normalen Zuckerzerstörung 
besteht, erhielt bisher nicht die notwendigen Stützen und verliert auch 
demnach zunehmend an Geltung.“ „Die ältere Hypothese der ge- 
steigerten Zuokerbildung wird wieder mehr in den Vordergrund gestellt 
und unter Heranziehung neuer Argumente vielfach vertreten.“ Die zu- 
erst von Chauveau und Kaufmann und anderen vertretene „Vor- 
stellung, der zufolge die Pankreasfunktion in einer Hemmung der Zucker- 
bildung bestehen dürfte, bildet die Basis der neueren Theorien.“ Weiter 
fährt Віеа! fort (5. 393): „Unter Zugrundelegung unserer Kenntnisse 
über den Angriffspunkt des Adrenalins gelangen wir somit zu der Vor- 
stellung, daß das Pankreashormon auf jenen nervösen Apparat, 
der die Zuokerbildung reguliert, einen hemmenden Einfluß 
ausübt“ und „der Wegfall der Pankreastätigkeit entfernt die 
normalen Hemmungen der Zuokerbildung?).“ Demnach vertritt 
Biedl die Anschauung, daß der Pankreasdiabetes dadurch zustande 
kommt, daß eine Überproduktion von Zucker stattfindet, während die 
normale Zuckerverbrennung nicht gestört sein muß. 

Sehr ausdrücklich wird derselbe Standpunkt von v. Noorden (1912) 
verfochten. Dieser war früher Anhänger der Ansicht, daß im Diabetes 
die Verbrennung des Zuckers vermindert ist. In der letzten Auflage 
seines buches äußert er sich aber dahin, „daß die Theorie sich aber 
kaum aufrechterhalten läßt, denn durch keinerlei Methode konnte bis- 
her nachgewiesen werden, daß die Muskeln ihren Kraftwechsel mit 
anderem Material als mit Kohlenhydrat zu decken vermögen“. Auch 
er betont, daß die Ansicht, daß im Diabetes die Zuckerverbrennung 
vermindert sei, unhaltbar ist, da dies nur „auf indirektem Wege zu be- 
weisen versucht wurde, denn direkte Beweise lagen niemals vor“. 

Er beruft sich dann auf die Versuche von Porges und Salomon, 
nach denen nach Ausschaltung sämtlicher Bauchorgane sowohl beim nor- 
malen als beim pankreasdiabetischen Tiere ein hoher RQ gefunden wird, 
woraus er schließt, daß Kohlenhydrate verbrannt werden. Von diesen 
Versuchen schreibt er, daß sie „die erste sichere experimentelle Stütze 
sind, die erlaubt, zwischen den beiden alten Hypothesen verminderte 
Zuckerzerstörung oder vermehrte Zuckerbildung zugunsten der letzteren 
zu wählen“ (S. 162 bis 163). 

Der eine von uns (Verzär) hat bereits früher darauf hingewiesen, 
daß die Erklärung dieser Versuche, ebenso wie die von ihm gefundene 
Erhöhung des RQ nach Eck-Queiroloscher Fistel nicht zu derartigen 
Sohlüssen berechtigt, und daß deshalb auch durch diese Versuche noch 
nicht die Frage der Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes gelöst ist?). 

Der dritte Referent dieses Gegenstandes, Gigon, steht auf dem 
entgegengesetzten Standpunkte. Er stellt die Frage auf: „Wird beim 


1) Von mir gesperrt. | 
D Siehe hierzu Verzär, diese Zeitschr. 34, 52 und 42, 201. — 
Porges, ebenda 36, 842. 


142 F. Verzär und А. e Fejer: 


experimentellen totalen Pankreasdiabetes überhaupt noch Zucker im 
Organismus auf normalem Wege verbraucht?“ und kommt zu dem 
Schluß: „Eine Verwendung von Zucker scheint, nach vollständigem 
Ausfall des . Pankreas, auch zur Deckung eines vermehrten Energie- 
bedarfes nicht mehr möglich.“ Aus seiner Darstellung ist vor allem er- 
sichtlich, daß alle Beweise einer Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes 
durchaus anfechtbar sind. So ist die scheinbare Retention von per ов 
eingeführtem Zucker, die Steigerung der Zuckerausscheidung durch 
Adrenalin, Phlorizin, den Zuckerstich oder niedrige Temperatur auch 
anders erklärbar, während das angebliche Fehlen einer Ketonurie und 
die Verminderung der Zuckerausscheidung durch Muskelarbeit experi- 
mentell widerlegt wurden. Andererseits muß aber auch zugegeben 
werden, daß die zugunsten eines vollkommenen Fehlens der Zuckerver- 
brennung angeführten Befunde Minkowskis: 1. Suboutan injizierter 
Traubenzucker wird 'vollkommen ausgeschieden, 2. der Quotient = ist 
konstant, auch nur auf ganz indirektem Wege die Frage beleuchten. 


Eine direkte Messung des Zuckerverbrauchs im Diabetes 
wurde erst in jüngster Zeit ausgeführt, und zwar am isolierten, 
künstlich durchbluteten Herzen von pankreasdiabetischen Tieren. 
E. Hamburger?) und J.Knowlton und E. H. Starling’) haben 
gefunden, daß während das isolierte normale Herz einen be- 
deutenden Zuckerverbrauch hat, derselbe beim pankreasdiabe- 
tischen Herzen vollkommen fehlt?). 


1) Мару. Огу. Arch. 12, 279 bis 283. Centralbl. f. Biochem. u. 
Biophys. 18, 27, 1912. 

2) Journ. of Physiol. 45, 146 bis 163, 1912. 

з) Bereits nach Abschluß dieser Arbeit erschien eine Mitteilung 
von Macleod und Pearce: „Über das Verschwinden der Glucose aus 
dem Blut normaler und pankreasloser Hunde nach Entfernung der 
Unterleibsorgane“ (Centralbl. f. Physiol. 26, Nr. 26). Nach den Autoren 
„ist es klar, daß wenn die Hyperglykämie, die auf Entfernung der 
Bauchspeicheldrüse folgt, ihren Grund in der Unfähigkeit der Muskeln, 
Glucose zu verbrauchen, hat, der Zucker im Blute solcher diabetischer 
Tiere nicht verschwinden sollte, bei denen die Unterleibsorgane (ein- 
schließlich der Leber) entfernt worden sind.“ Bei einer experimentellen 
Untersuchung dieser Frage fanden sie, daB die Prozentwerte des 
Blutzuckers sowohl bei normalen als bei pankreasdiabetischen Hunden 
im Laufe eines solches Versuches sanken. Im Gegensatz zu Knowlton 
und Starling glauben sie deshalb, daß die Muskeln pankreasdiabetischer 
Tiere Zucker verbrennen. Aus der vorläufigen Mitteilung der Verfasser 
kann noch kein endgültiges Urteil über ihr Resultat gefällt werden, so 
viel ist aber sicher, daß aus der Abnahme der Blutzuckerprozente 
noch nicht auf Zuckerverbrauch der Muskeln geschlossen 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 143 


Noch wichtiger aber ist, daß es Knowlton und Starling 
gelang, diesen Zuckerverbrauch des Herzens wieder herzustellen, 
wenn sie das Herz mit dem Blut eines normalen Tieres oder 
mit Blut, zu dem ein saurer gekochter Pankreasextrakt hinzu- 
gefügt war, durchströmten. Durch diese Untersuchung wurde 
bewiesen, daß das Pankreas ein Sekret an das Blut ab- 
gibt, das zum Zuckerverbrauch des Herzens durchaus nötig 
ist und durch dessen Abwesenheit im pankreasdiabetischen 
Tier die Zuckerverbrennung des Herzens vollkommen auf- 
gehoben ist. 

Es ist verlockend, dieses Ergebnis zu generalisieren und 
damit die Frage der Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes 
endgültig erledigt zu sehen. Da aber diese Versuche am іво- 
lierten Herzen ausgeführt wurden, so konnte immerhin noch 
daran gedacht werden, daß der ganze Organismus sich in 
dieser prinzipiellen Frage anders verhält als das isolierte 
Organ. So konnte an die folgenden Möglichkeiten gedacht 
werden: 1. Wenn auch das Muskelsystem seine Fähigkeit ver- 
loren haben sollte, Zucker zu verbrennen, so konnte immerhin 
noch in anderen Organen — und besonders mußte man dabei 
an die Leber denken — Zucker verbrannt werden. 2. Konnte 
daran gedacht werden, daß entsprechend der von einzelnen 
Autoren vertretenen Gifttheorie des Pankreasdiabetes in dem 
diabetischen Blut, mit dem das Herz durchströmt wurde, eine, 
die Zuckerverbrennung hemmende Substanz vorhanden ist, die 
im Körper fortwährend durch irgendein Organ entgiftet wird. 
Bei isolierter Durchströmung des Herzens mußte natürlich diese 
entgiftende Wirkung fortfallen. Es erschien uns deshalb von 
Wichtigkeit, am ganzen Tier zu untersuchen, ob im 
Pankreasdiabetes noch Zucker verbrannt wird. 

Die Untersuchung schließt sich direkt an die von Verzär') 
bereits früher über diesen Gegenstand ausgeführte an. 


werden kann, denn eine im Laufe des letalen Versuches even- 
tuell eintretende Hydrämie wird denselben Erfolg haben! 
Ferner haben die Autoren ihren Hunden Adrenalin infundiert, um den 
Blutdruck zu erhöhen. Wir wissen aber nicht, ob diese im Kohlenhydrat- 
stoffwechsel so wichtige Substanz bei solchen Untersuchungen indif- 
ferent ist. 

1) Verzär, diese Zeitschr. 44, 201. 


144 Е. Verz&r und А. v. Fejér: 


Methodik, 


Es wäre freilich am schönsten, wenn man den Zucker- 
verbrauch des ganzen Körpers ebenso direkt messen könnte, 
wie den des isolierten Herzens in den obenerwähnten Ver- 
suchen am isolierten Herz. Das ist aber natürlich nicht mög- 
lich, denn das Verschwinden des Zuckers aus dem Blute bzw. 
der Durchströmungsflüssigkeit könnte ebenso auch durch Aus- 
scheidung durch die Nieren und Darm, Retention in den Ge- 
webesäften, Glykogenbildung usw. hervorgerufen werden. Wir 
müssen uns deshalb eines anderen Kriteriums der Zuckerver- 
brennung bedienen. Ein solches ist die Änderung der Re- 
spiration nach Zuckerzufuhr. Die Verbrennung des Zuckers 
äußert sich bekanntlich in einer Steigerung des respiratorischen 
Quotienten (RQ), die hauptsächlich durch eine Steigerung der 
CO,-Produktion bewirkt wird. Diese Änderung der Respiration 
gibt uns unter Einhaltung der genau gleichen Ver- 
hältnisse mit der Sicherheit einer chemischen Reaktion an, 
ob Zucker verbrannt wird. 

Um aber diese vollkommen gleichen Verhältnisse ein- 
zuhalten, müssen wir den Respirationsversuch mit ganz be- 
sonderen Kautelen ausführen. Da Bewegungen des Tieres die 
Respiration im hohem Grade ändern, müssen wir am durch 
Curare immobilisierten Tier arbeiten. Die Wichtigkeit dieser 
Vorsichtsmaßregel hat Tangl!) hervorgehoben, und wir berufen 
uns auf die von ihm beschriebene Methodik der Respirations- 
versuche und erwähnen hier nur, daß das Tier künstlich venti- 
liert, bei konstanter Temperatur im Thermostaten gehalten 
und die Respirationsgase nach der Methode von Zuntz-Gep- 
pert bestimmt wurden. 

Um die eventuellen Verschiedenheiten in der Resorption 
auszuschalten, brachten wir den Zucker nicht in den Magen, 
sondern führten ihn intravenös ein. Die Injektion des Zuckers 
erfolgte in die У. jugularis. Injiziert wurde gewöhnlich eine 
auf Körpertemperatur erwärmte 10°/ ige Dextroselösung іп 
destilliertem Wasser. Die Injektion selbst dauerte immer 40 Mi- 
nuten. Die Tiere erhielten pro Gramm und Minute die gleiche 
Zuckerquantität. Die Injektion einer solchen Lösung wird von 


1) Tangl, diese Zeitschr. 34, 1. 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 145 


normalen wie von pankreaslosen Hunden, wie wir uns öfters 
überzeugten, auch wiederholt ganz schadlos ausgehalten; von 
einer etwaigen „giftigen Zuckerquantität“ kann in unseren 
Versuchen also nicht die Rede sein. Andererseits mußten aber 
große Zuckerquantitäten eingeführt werden, um möglicherweise 
auch eine geringe Zuckerverbrennung noch zu konstatieren. In 
einem Versuch (Nr. VIII) haben wir 5°/,ige Dextrose verwandt. 

Wir haben auf diese Weise ein vollkommen immbobilisiertes, 
gleich temperiertes, nur unter den willkürlich von uns ge- 
änderten Versuchsbedingungen stehendes Versuchstier, das uns 
eben deshalb absolut klare Vergleichswerte liefern kann. Die 
Versuche wurden immer so ausgeführt, daß wir zuerst in 3 
bis 4 Versuchen die normale Respiration bestimmten. Dann 
folgte eine intravenöse Zuckerinjektion (Dextrose), und nun 
wurde die Respiration sowohl während, als auch sogleich nach 
Beendigung und dann in längeren Pausen noch Stunden lang 
nach der Infusion untersucht. 

Über die operative Behandlung unserer Tiere sei noch 
folgendes angegeben: Unsere Versuchstiere waren Hunde von 
ca. 6 bis 7 kg Gewicht. Die totale Pankreasexstirpation führten 
wir in Morphiumäther-Narkose mit aseptischen Kautelen aus. 
Die Entfernung des Pankreas wurde nach der Methode von 
Нёдор in einer Sitzung ausgeführt‘), Ohne daß meist auch 
nur ein einziges Gefäß unterbunden werden muß, wird das 
ganze Pankreas in einem Stück mit den Fingern stumpf reißend 
entfernt. Nur der Ausführungsgang wird unterbunden. Ent- 
lang der Darmwand bleiben einzelne kleine Stückchen von 
Pankreasgewebe zurück; diese werden nun sorgsam mit den 
Fingern oder der anatomischen Pinzette entfernt. Nun wird 
das Duodenum mit dem Mesenterium umschlungen und die 
Blätter des letzteren durch 1 bis 2 Nähte vereinigt. Endlich 
folgt die Naht der Bauchwand in 3 Etagen und später sorg- 
fältige Wundbehandlung. 

Zum Respirationsversuch wird das Tier ohne Narkose 
tracheotomiert. Zur Messung des Blutdruckes während des Ver- 
suchs, der uns ebenfalls eine Kontrolle ist, ob wir unter 
gleichen Verhältnissen arbeiten, wird in die eine Carotis eine 


1) Нёдоп, Arch. intern. de Physiol. 10, 350, 1911. 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 10 


146 Е. Verzár und А. у. Fejér: 


Kanüle eingeführt. Ferner kommen Kanülen in beide Vv. ju- 
gulares.. Durch die eine wird das Tier curarisiert, durch die 
andere wird die Zuckerlösung injiziert. 


Tabelle I. 
Nummer des Versuchstieres: I. Körpergewicht: 5500 g. Datum: 16.1.1913. 

















ы 
Z 


— Dauer 
ang 








Anmerkungen 






in der Ven- 
tilationsluft 


Körpertempera- 
tur am Anfang u 
Ende d. Versuchs 


Atemvolum 
В pro Minute 


des Versuchs 





© 
о 





6’ 58” 
9' 38” 






8’ 58” 12224 













5/12 33’ 8° 38” 12152 
38, 
612% 50/ 8’ 34” 12152] 2,46 | 2,19 | 52,9 | 47,2 |0,892]38,10 





47,8 10,868]38,00 





55,1 Von 1210’ bis 12һ50' 
134,5 ccm 10°/,ige Dex- 


troselösung-Infusion. 


о 
Ф 


8,28 
7| 12 32’) 8° 32” [2156] 2,24 | 1,94 | 48,3 | 41,9 [0,867[38,28 
38,20 
8| 2% 08” 8° 03” 12233] 2,20 | 1,80 | 49,1 | 40,3 |0,819]38,32 


| 38,30 
9 3% 08" OI 26” 12201] 2,30 | 1,85 | 50,6 | 40,8 [0,806[38,32 
38,30 


Wird intravenös injizierte Dextrose vom pankreasdiabetischen 
Tier verbrannt? 


Wir führen vor allem als Beispiel einen Versuch an einem 
normalen Tier an, um zu zeigen, wie sich die Wirkung einer 
Zuckerinjektion mit der von uns geübten Methode äußert 
(Tabelle D Das Tier erhielt pro Gramm und Minute ebenso- 
viel Zucker, wie die Tiere in den folgenden Versuchen. Man 
sieht, daß sogleich nach Beginn der Zuckerinjektion der RQ 
bedeutend höher wird und längere Zeit auf dieser Höhe verweilt. 

Verzär hat in seiner früheren Arbeit gezeigt, daß wenn 
man 21/„ bis 3 Stunden (Versuch 4 und 5 jener Arbeit) nach der 
totalen Pankreasexstirpation Dextrose intravenös injiziert der 
RQ sogleich steigt. In dem einen Versuch stieg er von 0,864 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 147 


auf 1,020, in dem anderen von 0,824 auf 0,899. Daraus geht 
also hervor, daß auch nach Entfernung des Pankreas Zucker 
im Organismus verbrannt wird. Es ließ sich daraus folgern, 
daß das Pankreas selbst nicht vorhanden sein muß, damit 
Zucker verbrennt, so daß eine Theorie wie die von Baldi, 
nach welcher der Zucker das Pankreas passieren muß, um in 
eine verbrennbare Gestalt zu gelangen, auszuschließen war. 
Übrigens ließ sich derselbe Schluß schon daraus ziehen, daß 
auch isolierte Organe einen Zuckerverbrauch haben. Der Ver- 
such wurde aber dahin erklärt, daß entweder auch ohne Pan- 
kreas die Zuckerverbrennung des Organismus vor sich geht, oder 
daß bei diesen nur kurze Zeit nach der Exstirpation ausge- 
führten Versuchen noch genügend Pankreashormon im Körper 
vorhanden war, um die Verbrennung des injizierten Zuckers 
möglich zu machen. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden 
Möglichkeiten ließ sich damals nicht finden. 

Wir haben nun ähnliche Versuche an Hunden ausgeführt, 
deren Pankreas 2 bzw. 4 und 4 Tage vorher entfernt war 
(Tabelle П). Wie aus der Generaltabelle (Tabelle IV) hervor- 
geht und wie besonders die Betrachtung der entsprechenden 
Versuchstabellen selbst ergibt, ist in allen 3 Versuchen ein 
Ansteigen des RQ nach der Zuckerinjektion zu beobachten. 
Bei Hund IX (2 Tage nach der totalen Exstirpation) stieg der 
RQ von 0,774 auf 0,860. Die Erhöhung des RQ blieb also 
kaum hinter jener zurück, welche die Injektion derselben Zuoker- 
menge beim normalen Tier oder beim Tier, dessen Pankreas 
erst vor 3 Stunden entfernt wurde, hervorruft. Von den Hunden 
XIII und X, deren Pankreas seit 4 Tagen entfernt war, zeigte 
Hund XIII keine, dagegen Hund X eine deutliche Erhöhung 
des RQ, die als Erfolg der Zuckerinjektion eintrat und die be- 
weist, daB dieses Tier noch Zucker verbrannt hat. Ob die 
Zuckerverbrennung noch mit der gleichen Intensität ablief wie 
beim normalen Tier, darüber wollen wir hier keine weiteren 
Betrachtungen knüpfen, denn für unsere Frage genügt vorerst 
die Feststellung, daß bei Tieren, deren Pankreas seit 4 Tagen 
total exstirpiert ist, noch Zucker verbrannt wird. 

Wir haben aber dann weitere Versuche an 12 Hunden 
ausgeführt, und zwar längere Zeit, 5 bis 19 Tage nach der to- 
talen Exstirpation des Pankreas. (Siehe Tabelle III, V, VI.) 

10* 











148 Е. Verzár und А. у. Fejer: 
Tabelle II. 
;| An- TEE 
* fang Dauer He 
FRE Anmerkungen 
Sya 
GET 


des Versuchs 











Nummer des Versuchstieres: IX. Körpergewicht: 4600 g. 
Pankreasexstirpation: 5. XL 1912. Reepirationsversuch: 7. XI. 1912. 


1| 9 26/11 51”11631] 2,27 
2) A 53'111’ 5511651] 2,03 
810% 15°11 0711644] 1,84 


1,68 
1,46 
1,42 
410% 44'111’ 4611652] 2,57 
51118 07'111’ 51”116691 2,54 
6[11% 307111’ 51”]1687| 2,36 
71118 557/117 1811701] 2,40 


2,17 
2,15 
2,03 
1,98 


38,20 
38,25 
38,12 
38,15 
38,13 
38,02 
36,71 
37,68 
38,25 
38,11 
37,81 
37,67 
37,75 
37,95 


37,1 
88,5 
30,2 


27,4 10,739 
24,1 10,713 
23,4 10,774 
42,4 
42,4 
39,8 
40,8 


35,8 }0,845 
35,9 [0,846 
34,8 [0,860 
33,7 10,826 


Von 10127’ bis 11»7' 
180 ccm 10°), ige Dextrose- 
Infusion. 


Nummer des Versuchstieres: XIII. Körpergewicht: 9000 g. 
Pankreasexstirpation: 17. ХП. 1912. Respirationsversuch: 21. XII. 1912. 


7% 36'| 8’ 25126581 3,10 
8» 00/10 0572636] 3,24 
3| 8* 16’) Y 3312617} 3,51 


2,19 
2,22 
2,36 


DD ë m 


4| 8% 467110 2072639] 3,71 
A 9» 067 9’ 85726401 3,61 
6| 9* 32| 9’ 3926051 3,78 
710% 157 9° 08”[2720] 3,32 
810% 58) 8’ 4312771] 3,12 


2,61 
2,60 
2,65 
2,28 
2,10 


39,55 
39,59 
39,59 
39,34 
40,00 
40,00 
40,40 
40,38 
40,33 
40,43 
40,68 
40,80 
40,65 
40,60 
40,40 
40,32 


82,4 
85,4 
91,9 


58,2 [0,706 
61,0 [0,714 
63,9 10,696 
97,9 
95,3 
98,4 
90,2 
86,5 


68,9 [0,704 
68,6 [0,720 
69,0 [0,701 
62,0 [0,688 
58,2 (0,678 


Von 8*26”' bis 9®06' 220 ccm 
10°,, ige Dextrose-Infusion. 


Nummer des Versuchstieres: X. Körpergewicht: 5600 g. 


Pankreasexstirpation: 5. XI. 


20131 2,03 | 1,50 1 40,8 | 80,2 [0,741 
20451 2,03 | 1,38 | 41,6 | 28,3 10,680 


110% 87710” 09 
2/10 587 91 
81118 217 981” 


2,82 | 1,57 | 47,4 | 32,2 [0,676 


1912. 


38,74 
38,69 
38,52 
38,44 
38,68 
38,90 


Respirationsversuch: 9. XI. 1912. 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 149 


Tabelle III. 











| 
| 
| 
| 
| 
| 





























e Ф ж 
© L e а Š ‚Sa 
® An- Ф = | Е D © D e ei Ө 
> — E < 8 УЕ > 5 | 8 GEE 
Z| fang 55| з= | 4 |9 |58 ER 
О = о# | Бя | оғ < co gas 
z ыйы ДЫР Anmerkungen 
in der Ven- 
‘3: ro Minute | О, | ёз 2 
= Ё | tilationsluft | Р SIS og 
des Versuchs |< 2. x a SEE 
[ест | °/, | Dia | ccm | ccm °C 














— 





— — 














Von 11®31’ bis 1211’ 
38,90 150 ccm 10°/,ige Dextrose- 
„| 38,73 | Infusion. 


2,50 | 1,98 | 51,9 | 41,1 |0,792 


| 


4111» 47’) 8’ 52” 





| 
51128 16’, 9’ 25” 





2,29 | 1,73 vele 
б 44 gr 24”|2091| 2,15 | 1,60 | 45,0 | 33,4 [0,742 ier: 
7| a 38| go 25” 214 |1,57 44,1 | 32,4 [0,734 EC 





Nummer des Versuchstieres: XXVIII. Körpergewicht: 5000 g. 
Pankreasexstirpation: 24. I. 1913. Respirationsversuch: 29. I. 1913. 


1| 6% 14’ 71,2 
2| 6% 397 8’ 2712867] 2,51 | 1,87 | 71,9 
61,6 








— АЙ Keier 39,72 | "i0o/, ge Deztrose-Infuston. 
5| 8007| gr 11” SE 
6! 8% 397 8'54” Ss 
7 #137 8'29” au? 
81108 007 8° 13” Sc 


Nummer des Versuchstieres: IV’. Körpergewicht: 6000 g. 

Pankreaexstirpation: 3. VII. 1912. Respirationsversuch: 11. VII. 1912. 
due 16'10' 041929] 3,10 | 2,20 | 59,8 | 42,4 [0,705] 37:85 
olım 40| 8 15”12207| 2,65 2,05 | 58,4 | 45,3 [0,776 29097 
3115 02| 8' 2772193] 2,80 | 2,08 | 61,4 | 45,6 [0,743] 20:00 
аль 247) 9° 04”12159] 2,70 | 1,99 | 58,4 | 42,9 [0,734] 2997 

h 39,68 hon’ har’ 

5/12 03| 8°407)2157] 2,62 | 2,02 | 56,5 | 43,6 10,772] Зу; ——— 
611m 27| 8' 29”|2088/ 2,71 | 2,10 | 56,6 | 43,8 KC Ee) лл 


7/12 51’) 9’ 08”12004| 2,89 | 2,28 | 57,9 | 45,7 [0,789 en 


8| 12 47, 8' 56”|1904| 2,94 | 2,27 | 56,0 | 43,2 [0,772 er 





150 


Е. Versär und А. у. Fejér: 


Tabelle III (Fortsetzung). 











des Versuchs 







in der Ven- 
tilationsluft 










а 93 

SE 

g'g o 

СО» | £ <> 

pro Minute 0, gde 
а = 

oC 


Anmerkungen 


Nummer des Versuchstieres: V. Körpergewicht: 7000 g. 


Pankreasexstirpation: 4. VII. 1912. 


110% (el 9 2719211 3,62 | 2,66 | 69,5 | 51,1 10,734 SE 
910% 34'| 8 55”]2016| 3,67 | 2,57 
310®* 527) 9° 44”l1947] 3,69 | 2,69 
alia 16°) 8° 53”f2062ą 3,58 | 2,65 


5111» 59 
612% 30’ 
7| 12.07 
H 18 52 
H 24 32 
10 3% 29’ 
11) 4 34’ 
12| 5% 48’ 





2,58 
2,41 
2,54 
2,56 
2,77 
2,49 
2,51 
2,59 


39,20 
74,0 | 51,7 10,699 39.25 


71,8 | 52,4 [0,728| 39,80 


39,40 
78,8 | 54,6 [0,742] 3950 


39,55 


39,40 
73,4 | 53,9 [0,788 39,40 


89,45 
72,7 | 52,4 [0,722 39,60 


12,5 | 52,8 [0,721 20% 
18,1 | 52,2 0,714 1010 
79,1 | 54,8 [0,161 308 
72,2 | 53,1 [0,134 St 
71,8 | 51,5 10,722 


40,10 
75,9 | 55,5 10,781 40.30 


Respirationsversuch: 13. VII. 1912. 


Von 11%40° bis 1830, 
185 eem 10®/, ige Dextrose- 
lösung-Infusion. 


Nummer des Versuchstieres: XXV. Körpergewicht: 6000 g. 
Pankreasexstirpstion: 17. І. 1913. Respirationsversuch: 27. І. 1913. 


1110% 3810 05”]8275] 2,20 | 1,45 | 72,0 | 47,4 [0,65 


21118 017 9 58”|3276| 2,14 | 1,39 
311» 817107 0273200] 2,14 | 1,34 


ALS 06’) 9’ 4913247] 2,17 | 1,47 


5112» 257 9 18" 


19] 2,24 | 1,51 


ai 1> 18710 25”18206] 2,21 | 1,43 
ol 1 Aë) 9 51"|8218] 2,28 | 1,48 


7 38,72 
38,82 


38,85 
70,1 | 45,5 10,649 38.90 


39,00 


38,90 
10,8 | 47,6 10,677] 38°90 


38,95 
72,2 | 48,6 10,674 39.00 


39,15 
10,8 | 45,9 10,848] 39°20 


39,25 
73,0 | 48,5 [0,666 39°30 


Von 1145’ bis 19%25/, Infu- 
sion von 146,7 cem 5P/,iger 
Dextroselösung. 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankressdiabetes. 151 


Diese Versuche zeigten nun mit großer Klarheit, 
daß, wenn man längere Zeit (5 Tage) nach der Pan- 
kreasexstirpation verstreichen läßt, die Zuckerver- 
brennung vollkommen verschwindet. Aus der Betrach- 
tung der Tabellen geht ganz eindeutig hervor, daß diese auf 
der Höhe des Pankreasdiabetes befindlichen Tiere die Fähig- 
keit, den injizierten Zucker zu verbrennen, vollkommen verloren 
haben, im Gegensatz zu jenen Tieren, deren Pankreas höchstens 
4 Tage vorher exstirpiert war, und die, wie wir sahen, Zucker 
noch verbrennen konnten. Wir betonen noch einmal, daß alle 
diese Tiere sich unter vollkommen gleichen Verhältnissen (Im- 
mobilisierung, gleichmäßige Ventilation, konstante Temperatur, 
guter Blutdruck) befanden, daß alle Tiere pro Gramm und 
Minute dieselbe Zuckerquantität in gleicher Konzentration in- 
jiziert erhielten (Ausnahmen sind besonders vermerkt!), und daß 
wir also durchaus berechtigt sind, diese Tiere gegenseitig mit- 
einander zu vergleichen. Ganz besonders möchten wir noch 
hervorheben, daß diese Tiere, die sich längere Zeit nach der 
totalen Exstirpation befanden, nicht etwa in einem elenden, 
schwachen Zustand waren, sondern im Gegenteil sich sehr wohl 
befanden und im Stall frei herumliefen. Die Wunden waren 
gewöhnlich noch nicht vollkommen zugeheilt, wie das bei der 
bekannten schweren Heilungstendenz der Wunden von Dia- 
betikern bzw. im Pankreasdiabetes nicht anders zu erwarten 
war. Es ist wohl fast überflüssig, noch besonders hervorzuheben, 
daß wir uns selbstverständlich immer davon überzeugten, daß 
unsere Hunde einen schweren Diabetes hatten‘), Was die 
Lebensdauer unserer Hunde betrifft, so können wir darüber — 
da die Tiere nacb dem Reepirationsversuch getötet werden 
mußten — nur angeben, daß ein Hund, bei dem wir den Re- 
spirationsversuch möglichst lange hinausschieben wollten, am 
19. Tage einging. Dies entspricht der bekannten Lebensdauer 
von Tieren nach totaler Pankreasexstirpation. 

Wir kommen also zu dem Resultat, daß auf der 
Höhe des Pankreasdiabetes der Körper die Fähigkeit, 
zugeführten Zucker zu verbrennen, vollkommen ver- 
loren hat, denn nach Injektion von sehr bedeutenden Quanti- 


1) Es sei bier bemerkt, daß wir nicmals Ketonurie vermißten. 


152 Е. Verzár und A. у. Fejer: 


täten von Dextrose konnte gar keine Steigerung des RQ be- 
obachtet werden. 

In Tabelle IV haben wir alle unsere Versuche in der 
Reihenfolge des Zeitraumes zwischen Pankreasexstirpation und 
Respirationsversuch zusamengestellt. Man sieht, daß bis zum 
4. Tag nach der Zuckerinfusion der RQ steigt. Vom 5. Tage 
an ist keine Steigerung mehr zu beobachten, in manchen Fällen 
sinkt der RQ, in anderen sind die Differenzen kleiner als 0,02, 
was innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler liegt. 


Tabelle IV. 
| Höchsier геврїта- 
Nummer Zeit nach | torischer Quotient 
Nr. des Entfernung | __,. | _,., 1 Differenz 
Versuchstieres |desPankreas| “OF | nach 


der Zuckerinfusion 





1 

2 |№. 2 а. Arbeit | 21, Реасе 

3 Verzärs CND 

4 

5 хш 

6 A 

7 XXVIII 5 Tage 0,815 0,765 į — 0,050 

8 хп То» 0,842 0,842 0,000 

9 IV 8 » 0,776 0,789 [+ 0,013 
10 XLI 8 n 0,662 0,679 | + 0,017 
11 XXXVII H n 0,755 0,680 | — 0,075 
12 у 9 n 0,742 0,761 + 0,019 
13 ХІХ 9» 0,711 0,718 | + 0,007 
14 хху 10 e 0,657 0,677 | + 0,020 
15 XXXIII 12 » 0,711 0,671 — 0,040 
16 XXVI 13 e 0,733 0,688 | — 0,045 
17 XLII 13 e 0,690 0,6841) | — 0,006 3) 
18 XLIII 19 n 0,689 0,645 | — 0,044 


Es könnte gegen unsere Versuche eingewendet werden, daß 
wir durch das Curare und eventuell durch die hierdurch be- 
wirkte Ausschaltung der Muskeln den Zuckergehalt so gestört 
haben, daß unsere Versuche nicht auf das unvergiftete Tier 
angewandt werden können. 

Dieser Einwand ist hinfällig, denn wir brauchen nur auf 
die vollkommen ungestörte Zuckerverbrennung der normalen 
Tiere hinzuweisen, die ebenfalls curarisiert waren. Wir betonen 

:) oder 0,766 (?). 

т) oder 0,076 (?). 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 153 


hier wieder, daß alle unsere Hunde sich auch in dieser Be- 
ziehung unter vollkommen gleichen Verhältnissen befanden und 
deshalb die Unterschiede in der Zuckerverbrennung nur auf 
den Fortfall der Pankreasfunktion zu beziehen sind. 

Besondere Erörterung erfordert die Tatsache, daß, wie wir 
fanden, bis zu 4 Tagen nach der Injektion noch eine an In- 
tensität wohl immer mehr abnehmende Zuckerverbrennung 
zu bemerken ist. Wie ist das zu erklären? Es liegt wohl 
am nächsten anzunehmen, wie das bereits früher getan wurde 
(l.c.), daß nach der Pankreasexstirpation noch genügend inneres 
Sekret (Hormon) übrig bleibt, um eine gewisse Zuckerver- 
brennung einige Tage lang mögiich zu machen. Dieses ver- 
schwindet nach und nach und am 5. Tag ist ев vollkommen 
erschöpft. Es ist allerdings überraschend, daß dieses Hormon 
die Pankreasexstirpation stets so lange überdauern soll. Die 
Zuckerausscheidung beginnt bekanntlich schon wenige Stunden 
nach der Exstirpation; es ist also das Hormon schon bald in 
zu kleiner Quantität vorhanden, um eine Hyperglykämie durch 
Förderung der Zuckerverbrennung zu verhindern. Nichtsdesto- 
weniger bleibt davon bis zum 4. Tag etwas übrig. 

Die zweite Möglichkeit, diesen Befund zu erklären, bildet 
zugleich einen Einwand gegen die obige Erklärungsweise, den 
wir uns selbst gemacht haben. Bei der totalen Pankreasexstir- 
pation ist ев ja immerhin möglich, daß ganz kleine, stecknadel- 
kopfgroße Inselchen von Pankreasgewebe an der Wand des 
Duodenums haften bleiben. Wir zerstören dieselben immer 
noch durch Zerreiben zwischen den Fingern. Bei der Sektion 
ließen sich Überbleibsel nicht vorfinden, es wäre aber eventuell 
denkbar, daß durch den Zerfall und die Aufsaugung dieser ge- 
ringsten Pankreasreste doch noch etwas von jener Substanz in 
das Blut gelangt, die zur Zuckerverbrennung nötig ist, und daß 
die Aufsaugung dieser zerstörten Drüsenreste in den ersten 
4 Tagen abläuft. Wir müssen aber gestehen, daß bei der großen 
Genauigkeit, mit der wir die Drüse entfernten, uns diese Er- 
klärungsweise höchst unwahrscheinlich erscheint und wir uns 
deshalb für die erstere entscheiden. 

Wir möchten auf diesen Befund, daß eine gewisse Zucker- 
verbrennung im pankreasdiabetischen Tier noch bis zum 4. Tage 
nach der Exstirpation vorhanden ist, noch besonders darum 


154 Е. Verzár und А, у. Fejér: 


aufmerksam machen, weil sich daraus vielleicht erklärt, warum 
in manchen Versuchen von Knowlton und Starling sowohl, 
wie in den neueren Versuchen von H. Maclean und I. Smed- 
ley‘!) das Herz von pankreasdiabetischen Hunden noch etwas 
Zucker verbraucht. Es handelt sich dabei immer um Tiere, 
denen vor nicht mehr als 3 Tagen das Pankreas exstirpiert 
worden ist und die deshalb — wie die letzteren Autoren mit 
Recht vermuten — noch eine geringe Fähigkeit, Zucker zu ver- 
brennen, haben. 

Diese Versuche bieten aber auch noch in einer anderen 
Richtung einen Beitrag zur allgemeinen Stoffwechselphysiologie. 
Injiziert man einem normalen Tiere Zucker in den Magen oder 
intravenös oder subcutan, so wird bekanntlich mit dem Steigen 
des RQ, also dem Verhältnis der CO, Produktion zum O,-Ver- 
brauch nicht nur die Menge der ausgeschiedenen CO, vermehrt, 
sondern auch immer jene des verbrauchten Sauerstofis, als 
Zeichen des erhöhten Energieumsatzes. 

Bei den seit längerer Zeit pankreasdiabetischen Hunden 
fehlte teilweise diese „spezifisch dynamische“ Wirkung des 
Zuckers, bei anderen Fällen jedoch war sie vorhanden, trotz- 
dem kein Zucker verbrannt wurde. 

In einigen von unseren Versuchen ist nämlich nach der 
Zuckerinjektion der RQ ganz konstant und gleichzeitig auch 
der O,-Verbrauch unverändert (Hund У, IV, XIX, XXV, XXVIII, 
XII, XXXIII). In anderen Versuchen dagegen (Hund XXXVII, 
XLI, XXVI) erfolgte zwar keine Zuckerverbrennung, der RQ 
blieb konstant, dagegen stieg nach der Zuckerverbrennung der 
Sauerstoffverbrauch dennoch. Während die ersteren Versuche 
auf einen innigen Zusammenhang zwischen spezifisch dynami- 
scher Wirkung und der Verbrennung des Zuckers hinweisen, 
zeigen umgekehrt die letzteren eine gewisse Unabhängigkeit dieser 
beiden Prozesse insofern, als auch ohne Zuckerverbrennung eine 
spezifisch dynamische Wirkung vorhanden sein kann. 

Wir wollen hier noch auf eine andere allgemein physio- 
logisch wichtige Tatsachehinweisen. Füreine wesentliche Quelle der 
Muskelkraft wird der Traubenzucker angesehen. Nun hat zwar 
Zuntz?) und seine Schule schon lange nachgewiesen, daß nicht 


1) Journ. of Physiol. 45, 462 bis 469. 
з) Zuntz, Oppenheimers Handb. d. Biochem. 4, 832. 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 155 


nur Zucker, sondern ebenso Eiweiß und Fett zur Muskelarbeit 
dienen können, andererseits herrscht aber immer noch die alte 
Ansicht, daß der Zucker für die Muskelarbeit unentbehrlich 
sei und gerade dieser Widerspruch zwischen der einerseits be- 
haupteten großen Bedeutung des Zuckers und der angeblichen 
Unverbrennbarkeit des Zuckers im Pankreasdiabetes hat Noor- 
den und Porges und Salomon!) dazu bestimmt, Stellung gegen 
die Theorie der Unverbrennbarkeit des Zuckers im Pankreas- 
diabetes zu nehmen. 

Nun ist aber bereits aus den Untersuchungen von Hambur- 
бег") und Knowlton und Starling?) ersichtlich, daß der Herz- 
muskel auch dann arbeiten kann, wenn er die Fähigkeit, Zucker 
zu verbrennen, verloren hat. Aus unseren Versuchen geht das- 
selbe für den ganzen Körper bzw. die Skelettmuskeln hervor. 
Trotzdem der Körper unfähig war, zugeführten Zucker zu ver- 
brennen, ließ sich dennoch keine Störung der Muskelbewegung 
bei diesen Tieren konstatieren, wie das bekanntlich nach Pan- 
kreasexstirpation nie der Fall ist. 

Wir sehen deshalb in unseren Versuchen einen direkten 
Beweis zugunsten der Zuntzschen Lehre. Ja es scheint sogar, 
daß Dextrose zur Muskelarbeit überhaupt nicht unbedingt nötig 
ist. Man könnte allerdings daran denken, daß der diabetische 
Muskel zwar unfähig wird, Dextrose als solche zu verbrennen, 
während er die Fähigkeit behält, aus Eiweiß sich Zucker zu 
bilden und diesen Eiweißzucker als solchen zu verbrennen. 
Die Möglichkeit eines derartigen Mechanismus können unsere 
Versuche nicht ausschließen, jedoch liegt zur Stütze einer sol- 
chen Hypothese bis jetzt kein Material vor, und es ist deshalb 
gegenwärtig die Annahme, daß der Muskel Dextrose als 
solche zur Arbeitsleistung nicht unbedingt nötig hat, be- 
rechtigt. 

Mit der Zuckerfrage hängt auch die Frage nach der Quelle 
der Milchsäure bei der Muskelarbeit zusammen. Es scheint 
ganz allgemein angenommen zu werden, daß die Milchsäure 
des Muskels bei der Contraction aus dem Zucker entsteht. 
Parnas und Baer haben sich hierüber unlängst so geäußert, 


1) L о. 


9 1. с. 
3) 1. o. 


156 Е. Verzár und А. у. Fejér. 


daß „die Milchsäure als Hauptprodukt des intermediären Zucker- 
abbaues im lebenden tierischen Organismus angesehen wird“!). 
Es ist natürlich eine andere Frage, ob alle bei der Muskel- 
contraction entstehende Milchsäure nur aus der Zuckerverbren- 
nung stammt, da ja die Möglichkeit einer anderen Herkunft 
gegeben ist. Unsere Versuche, nach denen Zucker nicht ver- 
brannt wird, scheinen uns aber zu der Konsequenz Zu führen, 
daß auch die Milchsäure des Muskels nicht allein aus dem 
Zucker stammen kann, denn beim pankreasdiabetischen Tiere 
ist die Zuckerverbrennung verschwunden, und nichtsdestoweniger 
wird in den Muskeln bei der Arbeit Säure gebildet, wovon wir 
uns selbst in einigen Vorversuchen überzeugen konnten. Ent- 
weder entsteht also die Milchsäure nicht nur aus Dextrose, 
oder aber es wäre denkbar, daß beim pankreasdiabetischen 
Tiere ein Zuckerabbau bis zur Milchsäure vorhanden bliebe. 
Eine weitere Verbrennung, insbesondere in der Ruhe, würde 
fehlen. Bei der führenden Rolle, die gegenwärtig der Milch- 
säure im Mechanismus der Muskelcontraction zugeschrieben 
wird (z. B. Pauli), bedarf diese Frage noch weiterer eingehender 
Untersuchung. 


Versuche, die Zuckerverbrennung im Pankreasdiabetes 
wieder herzustellen. 


Wir haben auf die verschiedenste Weise versucht, den 
pankreasdiabetischen Tieren die verlorene Fähigkeit, Zucker zu 
verbrennen, wiederzugeben, bzw. den RQ zu erhöhen, was für 
eine Zuckerverbrennung sprechen würde. Unsere Versuche 
führten wir so aus, daß, nachdem wir uns davon überzeugt 
hatten, daß nach Zuckerinjektion der RQ unverändert blieb, 
wir 1. normales Blut infundierten oder 2. mit gekreuzter Zir- 
kulstion aus einem anderen Hunde transfundierten, oder 3. Pan- 
kreasblut, oder 4. „Pankreashormon“ (nach Knowlton und 
Starling) infundierten. 

Нёдоп?) hat soeben in einer ausführlichen Arbeit gezeigt, 
daß es nicht gelingt, durch Infusion oder Transfusion von nor- 
malem Blut den Pankreasdiabetes zum Verschwinden zu bringen 
Die scheinbare Verminderung des Zuckers im Urin ist auf 


1) Diese Zeitschr. 41, 887, 1912. 
2) Hedon, Journ. intern. de Physiol. 13, 4 bis 53. 


Verbrennung von Traubenzuoker im Pankreasdiabetes. 157 


sekundäre Einflüsse des Eingriffe, Hemmung der Nierensekretion, 
Blutverdünnung usw. zu beziehen. Nun wäre es ja immer- 
hin möglich, daß eine geringe Zuckerverbrennung dennoch bei 
Zuführung von normalem Blut eintritt, wenn auch dieselbe aus 
dem Zuckergehalt des Urins schwer zu beurteilen wäre. Eine 
solche Zuckerverbrennung müßte sich dann in einer Steigerung 
des RQ äußern. 
1. Blutinfusion. 

Hund Nr. XIX erhielt am 9. Tage nach der totalen Pan- 
kreasexstirpation eine Zuckerinfusion in die V. jugularis. Der 
Zucker wurde nicht verbrannt. Hierauf erhielt das Tier eine 
Infusion von 300 осш defibriniertem frischem Hundeblut (durch 
Verbluten aus der Carotis gewonnen; injiziert in 10 Minuten). 
Wie man sieht, ändert die Infusion weder die Quantität der 
ausgeatmeten CO,, noch den O,-Verbrauch, und auch der RQ 
bleibt vollkommen gleich. Dieser Versuch zeigt sehr über- 
zeugend, daß durch normales Blut, das in einer so großen 
Quantität dem Tiere injiziert wurde, daß es der eigenen Blut- 
menge des Tieres entsprach, gar kein Zeichen von wieder- 
gekehrter Zuckerverbrennung bemerkbar ist. 


2. Bluttransfusion. 

Nachdem wir die Zuckerverbrennung des pankreasdiabeti- 
schen Tieres durch Injektion von Zuckerlösung untersucht 
hatten, stellten wir eine gekreuzte Zirkulation zwischen einem 
normalen und dem pankreasdiabetischen Hunde her, indem wir 
je eine Carotis eines jeden Hundes mit je einer V. jugularis 
des anderen mittels Glasröhren verbanden und in einem ge- 
gebenen Moment die die Gefäße verschließenden Klemmen 
öffneten. Hierauf ließen wir das Blut einige Minuten lang ge- 
kreuzt durch beide Tiere zirkulieren. Während dieser Zeit 
mußte natürlich der im Respirationsversuch befindliche diabeti- 
sche, curarisierte Hund auch weiterhin künstlich ventiliert werden. 
Wir führten zwei solche Versuche aus. Als Beispiel diene der 
folgende: 

Hund XII erhielt am 7. Tage nach der Pankreasexstir- 
pation Zucker infundiert, den er nicht verbrannte. Darauf 
wurde eine gekreuzte Zirkulation mit einem normalen Hund 
für 5 Minuten hergestellt. Nach Beendigung derselben war die 


158 Е. Verzár und А. у. Fejér: 


Tabelle V. 











in der Ven- 
tilationsluft 







Körpertempers- 
turamAnfang u 


Ende d. Versuchs 


CH 


Nummer des Versuchstieres: XIX. Körpergewicht: 8650 д. Pankreas- 
exstirpation: 30. XII. 1912. BRespirationsversuch: 8. I. 1913 











(um 17/13” 50”J1292] 3,40 | 2,31 | 44,0 | 29,8 [0,618] 27:59 


21118 4513’ 4511826] 3,13 | 2,22 | 41,5 | 29,5 [0,711 Zon 
3119 167 18° 411387] 3,24 | 2,10 | 44,9 | 29,1 [0,648 en 
412% 507 18 27”lı832] 3,21 | 2,18 | 42,8 | 29,0 Jo,678] 37-62 


37,50 | Von ın 10° bis ın 50 


3% 44/14’ 18”11332] 3,38 


5| 1 31/13 597|1323| 3,33 | 2,33 | 44,1 | 30,8 [0,699] $750 | "вә соъ зове Dex- 
? troseinfusion. 
6| 12 51/18 46”|1321 3,38 | 2,39 | 44,7 | 31,5 [0,705] 5201 
1| æ 35714 01”J1817 er 
ds 49” 37,37 
8| 3 09/13 49”|1337 Ai 
9 


37,80 Von 4h 28’ bis 4h 35° 800 ccm 
8745 Blutinfusion. 
› 





5» 12713’ 43”11292] 3,66 | 2,54 | 47,3 | 32,8 [0,698 


9| 4% 42/12” 5711289] 3,17 | 2,18 | 40,9 | 28,1 [0,699 
5* 46 113° 3411288] 3,48 | 2,41 | 44,8 | 31,1 [0,693 


Dh 34'114’ 4411216] 3,31 | 2,23 | 40,2 | 27,1 10,675 


Nummer des Versuchstieres: XII. Pankreasexstirpation: 14. XII. 1912. 
Respirationsversuch: 21. XII. 1912. 


111% 3471137 06”|2658] 2,28 | 1,70 | 60,6 | 45,2 |0,74 ar 


2/12 00/12” 5572689] 2,29 | 1,84 | 61,7 | 49,5 |о,воо| 38,50 


3125 26112 0712617] 2,22 | 1,87 | 58,1 | 48,9 [0,84 2205 


4| 12 0371117 8272678) 2,33 | 1,88 | 62,4 50, [о,в06| TUTE Dextroseintusion. 
5| 18 27'112’ 17”12654] 2,26 | 1,90 | 60,0 | 50,5 [0,842 Ben 


6| 2% 117127 58”|2659| 2,26 | 1,84 | 60,0 | 49,0 [0,816 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 159 
Tabelle V (Fortsetzung). 











Dauer 





Bea 
А fang 








Anmerkungen 


Atemvolum 
pro Minute 
Ende d. Versuchs 


К ӧгрегіетрега- 
turamAnfang u 


des Versuchs 





© 
Ф! 






7| 25 89711 51” 
8| 3% 13'12' 28” 






2642] 2,34 | 1,83 






9| A 4871137 34”12474| 2,15 | 1,63 | 53,1 | 40,2 0,759] 3855 |" Zeien aus normalen Hund. 


10) 52 137/137 29” 12481] 2,24 | 1,74 | 55,7 | 43,2 [0,772 een 


38,15 
38,24 
38,84 
38,50 


11| 5% 49/13’ 24”]2508] 2,17 | 1,68 | 54,3 | 42,1 [0,775 
12) 6° 16/13’ 4412542] 2,19 | 1,66 | 55,6 | 42,2 10,759 


Nummer des Versuchstieres: XXVI. Körpergewicht: 5750 g. Pankreas- 
exstirpation: 21.1.1913. Respirationsversuch: 3. П. 1913. 


(um 57°13” 43”12477] 2,86 | 2,06 | то, | 51,9 [0,733] 40:20 


91115 21/1% 14”']2562| 2,79 | 1,87 | 71,5 | 47,9 [0,670 ото 


31115 53°12 482546] 2,65 | 1,74 | 67,6 | 44,3 [0,656 рео 


40,05 [Von 12һ 25” bis 11.05’ 140,6 cem 
40,101 10 * Dextroselösung- 
40,40 
40,43 


41125 47'112’ 20712549] 2,67 | 1,84 
5| 12 09°12 5912592] 2,89 | 1,96 
18 39/11’ 84”|2611[ 2,79 | 1,82 
7| 2% 29/12 1412588] 2,58 | 1,72 
З» 00713’ 10712595] 2,62 | 1,76 


46,8 10,688 
50,8 10,679 

40,50 
47,6 10,655 40.35 


39,70 
44,5 10,669 39.73 
39,96 


39,40 | Von 3h40 bis 3h52’ wurden 

0,635 99 14| 90 eem defibriniertes Blut, 

› aus der Vena pancreatica 

45.7 l0 691 39,14 | eines normalen Hundes ge- 

WR 39,50 | wonnen, in die V. lienalis 
39,7 5 injiziert. 


0,636 39 65 


39,80 
38,4 [0,728] 39°20 















оо 


Lt 


9| 3% 4312” 26”[25838| 2,52 
10| 4% 05°12 18”]2498| 2,65 
11| 4 341127 81”]2528| 2,47 
12| 5% 21'113’ 03”12454 


Von 5551’ bis 5556’ intra- 
39,7 10,690 eh косуы Injektion von28ccm 
38.65 Pankresshormonlösung. 
41,1 [0,7021 20° 


38,58 


18| 5% 57'113’ 2912530] 2,28 | 1,57 | 57,6 
14| 6% 2414 21°]2478| 2,37 | 1,66 | 58,6 


160 Е. Verzár und А. у. Fejér: 


Menge der Atmungsgase gefallen, der RQ war nicht höher, 
sondern eher niedriger. Die Zuckerverbrennung war also nicht 
zurückgekehrt. 

3. Pankreasblutinfusion. 

In einer vorläufigen Mitteilung hat H$&don!) die wichtige 
Tatsache mitgeteilt, daß durch Injektion des aus dem Pan- 
kreas abfließenden venösen Biutes in das Gebiet der V. 
portae die Zuckerausscheidung pankreasdiabetischer Tiere außer- 
ordentlich sinkt. Bei Hund XXVI haben wir denselben Ver- 
such ausgeführt. Dieses am 9. Tage nach der totalen Pankreas- 
exstirpation untersuchte Tier verbrannte injizierten Zucker nicht. 
Nach Injektion in die V. lienalis (portae) von 300 ccm aus der 
V. pancreatica eines normalen Hundes abgeflossenem venösen 
Blut blieb der RQ auf dem gleich niederen Wert wie während 
des ganzen vorhergehenden Versuches. Der Zucker wurde also 
auch hier nicht verbrannt. Nach diesem einzigen derartigen 
Versuche müßten wir also folgern, daß auch Pankreasblut nicht 
die Zuckerverbrennung wiederherstellen kann. Diesen Wider- 
spruch mit dem Resultate von H&don sind wir nicht imstande 
zu erklären. (Aus dem nach 2 Stunden eingetretenen etwas 
höheren Quotienten in Probe 12 läßt sich wohl nichts folgern.) 
Weitere Versuche müssen diese Frage noch klären. 

Diese erfolglosen Versuche beweisen übrigens nichts gegen 
die innersekretorische Theorie des Pankreasdiabetes, denn unser 
negativer Erfolg kann durch verschiedene andere Gründe be- 
dingt sein. So kann — um nur eine Möglichkeit zu erwähnen — 
die dem ganzen Körper, aus dem das Pankreashormon voll- 
kommen verschwunden ist, auf diese Weise zugeführte Menge 
immer noch zu klein sein, um eine zur Zuckerverbrennung 
genügende Konzentration zu erreichen. 


4. Infusion von Pankreashormon. 

Das meiste erhofften wir von jenen Versuchen, in denen 
wir das nach Knowlton und Starling?) hergestellte Pankreas- 
hormon (saures Dekokt eines Pankreas) intravenös injizierten. 
Wir hielten uns an die Angaben dieser Autoren in bezug auf die 
Herstellung des Hormons, nur benutzten wir 0,85°/ ige NaCl- 


1) Zit. nach Gigon, 1. с. 8. 289. 
9 1. o. S 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 161 











Tabelle VI. 
| An- 8 d Et ss |, H. 
АТАН 
E el tee 
то u 
des Versuchs | œ en g | SER 
com| °/„ | 9%, | com | ccm ос 





—— — 


Nummer des Versuchstieres: XLI. Körpergewicht: 5700 g. 
Pankreasexstirpation: 31. ПІ. 1918. Bespirationsversuch: 7. IV. 1913. 


1 [10* 89| 9 08”3881| 1,72 | 1,14 | 58,2 | 88,5 [0,662 a 


2 [11% OT 9 04”13328] 1,60 | 1,01 | 53,3 | 33,6 [0,680 — 


37,86 | Von 11h30’ bis 19400’ 140 ccm 
37 ‚80 a м Dextroselösung in 


trav. on. 





P 5’ bis I Or 140 10° 
88,8 [0,684 SE Dextrose + —— 
infusion. 


8| 2 25'| 9 03” [3386] 1,78 
9| 2 Sud e 20” |3341] 1,72 40,0 [0,695] 87:65 
10) a 197] 9° 07” [8862] 1,74 87,6 0,643] 27:72 
11| 32 bal or 09” [3326] 1,62 | 1,08 | 58,8 | 85,9 [0,66 о 
12| 45 417] 9 02” |3851 1,62 | 1,00 | 54,2 | 33,5 [0,6181 37:60 


Nummer des Versuchstieres: XXXIII. Körpergewicht: 4800 g. 
Pankreasexstirpation: 7. П. 1913. Respirationsversuch: 1. III. 1913. 
цала 1410/ 35”]288в| 1,85 | 1,82 | 58,5 | 38,0 [о,111| 3838 


9111» 43110 26712911 1,91 | 1,27 |55,6 | 37,0 [0,665 en 







Von 1920016123 40’ 117,5 com 
10%, ige Dextroseinfusion. 


3112 20/1117 1812911} 1,99 
4112 42°|11’ 08”]2916| 1,91 
5| 1% 19/110’ 32”29331 1,81 


e| æ 32/110 49"|гэвт| 2,87 | 1,50 | 69,5 | 44,1 [о,в35| 38:20 | "Dererose + saure Hormon- 


lösung-Infusion. 
7| 2% 507110’ 3412972] 1,94 | 1,45 | 57,7 | 48,0 [0,746 38.00 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 11 


162 Е. Verzär und А. у. Fejér: 


Tabelle VI (Fortsetzung). 































* o 2 
5 K Ф PEF- 
2 28 ае Е 5 SS: 
ang | "e E Е 2 Е 
+: SE 
= gg Anmerkungen 
3 2 pro Minute u S.S 
des Versuchs |< * ЕЕ 





ccm | ccm 

























H 4500710787” 
IO 30” 


2930] 1,84 | 1,26 | 53,8 | 36,9 [0,686]. 














A 547 35,0 [0,683| 27° 





2855| 1,79 | 1,23 | 51,2 








Nummer des Versuchstieres: XXXVII. Körpergewicht: 4400 g. 
Pankreasexstirpation: 6. III. 1913. Respirationsversuch: 15. III. 1913. 


1| s 49| 8 оигоо 1,51 | 1,14 | 48,8 | 33,1 [0,755] 39:83 | tier“ 


2| 4» 13 7’ 43”|2914| 1,64 | 1,14 | 47,8 | 33,1 [0,698 ENT 


3| 44 41'| 8’ 18”{2891| 1,62 | 1,16 | 46,8 | 33,4 [0,714 — 


38,90 | 108 cem 10°/,ige Dextrose- 
38.82 lösung intravenös von Ab 50° 
? bis 5h 80”. 







A 5> 10| 7” 52”12890| 1,96 38,5 [0,680 










5| 5a 30| 7 48”|9841| 1,99 37,3 [0,659 a: 
6| 5a 57°) 7° 51”]2848| 1,86 34,8 [0,655 ec 


7| въ 35| 8'11”|2793] 2,15 | 1,52 | 60,0 | 42,4 [0,708| 39,40 |1% sem, Mer, Бех!тоне- 


39,40 travenös von 6h 15’ bis 6b 55”, 


8| e 57°| 8' 37” le786| 2,04 | 1,49 | 56,8 | 41,5 [0,781] 925 


9| тъ 27| 8 08”]e775| 1,96 | 1,42 | 54,4 | 39,3 [0,722] 9945 


10| 7 587 8°03”]2757] 2,05 | 1,34 | 56,5 | 37,0 [0,653] 9040) 


11/108 847 7" 46”|2884] 1,66 | 1,13 | 47,9 | 32,6 [0,681 SE 


Nummer des Versuchstieres: XLIII. Körpergewicht: 5900 g. 
Pankreasexstirpation: 3. IV. 1913. Respirationsversuch: 22. IV. 1913. 


11118 857] 9 54”13049| 1,67 | 1,14 | 50,8 | 34,6 [0,681 Sr 


21а 57710 32" 80510 1,65 | 1,14 | 50,4 | 34,8 [0,689] 27:50 


dun 26'| 9 57”]sosı] 1,67 | 1,15 | 51,7 | 35,5 engl 37,72 


37,80 | Von 12h 55° bis 1h 5° 90 ccm 
3780 Hormonlösung-Infusion. 


37 80 (Saure Lösung, entsprechend 
5| 1* 28°) 9 45713060] 1,81 | 1,19 | 55,5 | 36,5 [0,657] 37°85 — — 


4) 1» 06/10 1772992] 1,77 | 1,21 | 53,0 | 36,1 [0,681 





























Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 163 
Tabelle VI (Fortsetzung). 
2 з © ГА SG. це 
52| 28 58 |25 og TE 
2 et — ВЕ ЕЕ. St SE 52 co Е 
2 E 
8 2 d tlo Ме рго Міпиќе | О GES Anmerkungen 
2 k S 
Deen ŽA tilationsluft S5 E 
сеш | °/, | °/, | сет | ccm de 
6| 25 35° [10/ 42” 
dä Sgr |10 10” 
8| an 45/ | 9/25” 
9| 5» 55° 10 20”|2991| 1,94 | 1,24 | 58,0 | 37,2 [0,6421 37.70 1105,1 Dextroseldeung In- 
’ uslon, 
10| 6 15° |10 11”J2881] 1,95 | 1,25 | 58,0 | 37,2 [0,641] 5200 
11 6 53° |11° 042801 1,87 | 1,21 | 52,4 | 33,8 [0,645 Бен 
12| ™ 27 |117 26”]9748| 1,97 | 1,23 | 54,0 | 33,8 [0,626] 22, * 
Nummer des Versuchstieres: XLII. Körpergewicht: 5600 р. 
Pankreasexstirpation: 3. IV. 1913. Respirationsversuch: 16. IV. 1913. 
1| 1> 00 |10 09”2988| 2,16 | 1,38 | 64,4 | 41,2 0,641 зоо 
2| та 27° | 9 51”]8011| 2,05 | 1,41 | 61,6 | 42,5 [0,690 10.0 
з| ла 56’ [10° 22”|3021| 2,05 | 1,39 | 61,9 | 42,1 [0,679 40,15 
€ 2h td 
al 87 | 948” 65,3 | 50,0 10,766] 39780 | einer les Dextrose 
› ung-Infusion. 
5| 25 587 | 9 48" 62,6 | 42,8 [0,684] 3985 
40.12 
40,15 
613% 40 | 9 39” 61,4 | 39,4 10,642] 4019 
; 39,95 
7142 16/| 954 59,4 | 40,0 10,673] 3909 
| 39,65 
8| an 547 | 943 64,3 | 40,6 10,631] 5960 
ү ’ bis 5b 
9| 5» 30 | 9” 3973206] 2,12 | 1,39 | 68,0 | 44,6 [0,655] 3976 neutrale Hormonlösung.In- 
on. 
10) 5 58° | 9° 403139] 2,00 | 1,37 | 62,8 | 42,9 [0,683 30% SS 
11| 6 36 | 9” 43”|3071| 2,02 | 1,83 | 61,9 | 40,8 [0,659 39 e 
12| тъ 257 | 9 41]3044] 2,02 | 1,34 | 61,5 | 40,9 [0,664] 30 05 


11* 


164 F. Versär und А. v. Fejer: 


Lösung statt Ringer-Lösung, weil uns der Einfluß der ersteren 
auf die Respiration aus früheren Versuchen bekannt ist!). Nach 
Zusatz desselben zu dem das diabetisch isolierte Herz nährenden 
Blute sahen diese Autoren den Zuckerverbrauch des Herzens 
wieder erscheinen. Allerdings haben sie dasselbe Ergebnis 
auch mit Blut von einem normalen Tier erreicht, während 
wir nach normalen Bluttransfusionen in das ganze Tier — wie 
erwähnt — keine Erhöhung des RQ erhielten. 

In zwei vorläufigen Versuchen hatten wir Tiere, an denen 
schon längere Zeit gearbeitet wurde und die sich schon in 
einem sehr schlechten Zustand befanden, d. h. deren Sauerstoff- 
verbrauch im Sinken war, Hormoninjektionen gemacht. Diese 
Tiere zeigten kein Steigen des RQ als Zeichen einer Zucker- 
verbrennung, jedoch glauben wir hieraus keinen Schluß ziehen 
zu können, da — wie gesagt — die Tiere nahe am Sterben waren. 

Drei weitere Versuche (XXXIII, XXXVII, XLI) wurden dann 
auf folgende Weise ausgeführt. Wir injizierten den Tieren zuerst, 
ebenso wie in den bisherigen Versuchen, Dextrose, um uns da- 
von zu überzeugen, daß dieselbe nicht verbrannt wird. Da 
die Versuche am 8., 12. bzw. 9. Tage nach der Pankreasexzstir- 
pation gemacht wurden, fand sich tatsächlich keine Erhöhung 
des RQ. Nun wurde demselben Tiere nochmals die gleiche 
Zuckerquantität in derselben Flüssigkeitsmenge injiziert, nur 
wurde als Lösungsmittel „Hormonlösung“* benutzt, d.h. ein 
ganz frisch, kurz vor der Injektion hergestellter Extrakt aus 
einem ganzen Hundepankreas. Wenn also das „Hormon“ wirk- 
sam war, во mußte diese Zuckerinjektion nun den RQ erhöhen. 

Das Ergebnis dieser Versuche war nicht überzeugend ein- 
deutig. Wenn man in allen drei Versuchen die letzten RQ 
vor der Zucker-Hormoninjektion in Betracht zieht, so ist aller- 
dings jedesmal der auf die Zuckerinjektion direkt folgende 
Quotient deutlich höher als die Quotienten vor der Injektion. 
Er steigt in Versuch XLI von 0,597 bis 0,695 CL 0,098), Ver- 
such XXXIII von 0,671 bis 0,746 GL 0,075), Versuch XXXVII 
von 0,655 bis 0,731 (+ 0,076). 

Es ist jedenfalls auffallend, daß diese Erhöhung direkt 
auf die Injektion erfolgte, während die Zuokerinjektion allein 
sicher den RQ nicht erhöhte! 

1) Verzär, diese Zeitschr. 34. 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 165 


Es muß aber bemerkt werden, daß diese Erhöhung des 
RQ nur dann zum Ausdruck kommt, wenn man zum Ver- 
gleich nur den Versuch direkt vor der Zucker-Hormoninjektion 
heranzieht. Zieht man aber aus dem Quotienten der letzteren 
Versuche ein Mittel oder nimmt man gar den höchsten Quo- 
tienten derselben, so ergibt ein Vergleich mit den Hormon- 
versuchen kaum eine, oder höchstens eine ganz unbedeutende 
Erhöhung des Quotienten. Demnach liefern diese Versuche 
noch keinen genügenden Beweis dafür, daß das Hormon 
die Verbrennung des injizierten Zuckers bewirkt. 

Ein derartiger Schluß wäre um so mehr verfrüht, als die 
sog. Hormonlösung noch eine ganz unbekannte Zusammen- 
setzung hat und wir noch nicht wissen, welchen Einfluß die 
verschiedenen in ihr enthaltenen Substanzen (z. B. Albumosen) 
auf den respiratorischen Gaswechsel haben. 

Von dem NaCl, mit dem die Kochsalzlösung injiziert war, 
wissen wir, daß ев in dieser Konzentration keinen wesentlichen 
Einfluß auf die Respiration hat, 

Dagegen kann daran gedacht werden, daß nachdem die 
Lösung vorschriftsgemäß schwach sauer sein soll, die mit der 
Hormonlösung injizierte Säure aus dem Blut CO, frei macht 
und dadurch eine Erhöhung des RQ bewirkt. Gegen diesen 
Einwand spricht, daß unsere Lösungen sehr schwach, gegen 
Lackmus eben nur merklich sauer waren, und daß nach Рогвев!) 
erst viel größere Säurequantitäten eine ähnliche Steigerung des 
RQ bewirken. Ferner ist diese relative Steigerung des RQ am 
deutlichsten nach der Injektion und nicht während derselben, 
also zu einer Zeit, als die injizierte geringe Säuremenge sicher- 
lich bereits gebunden ist. 

Um weiterhin diesem Einwande noch mehr zu begegnen, 
haben wir in Versuch XLI die Zucker-Hormonlösung vor der 
Injektion neutralisiert und sie so injiziert. Wie bereits er- 
wähnt, verlief dieser Versuch aber ebenso wie die beiden 
anderen, in denen die Hormonlösung schwach sauer war: die 
Werte des RQ liegen etwas höher als die kurz vorher erhaltenen. 

Gegen eine etwaige Säurewirkung in den soeben erwähnten 
Versuchen, aber ebenso gegen eine Hormonwirkung spricht 
ferner Versuch XLIII. Hier gingen wir von dem Gedanken aus, 

1) Diese Zeitschr. 46, 1. 


166 Е. Verzär und А. v. Fejér: 


daß, wenn das Pankreashormon die Fähigkeit, Zucker zu ver- 
brennen, dem diabetischen Organismus zurückgibt, sich das 
auch dann äußern muß, wenn wir Hormonlösung allein, ohne 
Zucker injizieren. Der pankreasdiabetische Organismus enthält 
ja, wie die Hyperglykämie beweist, einen Überfluß an Zucker, 
der verbrannt werden müßte, wenn das „Hormon“ wirksam 
ist. Wie man jedoch sieht, hat diese schwach saure (ent- 
sprechend sl, HC) Hormonlösung innerhalb vier Stunden den 
RQ überhaupt nicht verändert, also sicherlich keine Zucker- 
verbrennung hervorgerufen. Als dann noch Dextrose injiziert 
wurde, bewirkte auch diese keine Erhöhung des RQ, zum 
Zeichen, daß das Tier (am elften Tage nach der Pankreas- 
exstirpation) den Zucker selbst nach vorheriger Hormoninjek- 
tion nicht verbrannte. 

Ebenso erfolglos verlief auch Versuch XLII, in dem wir 
. ebenfalls Zucker und Hormonlösung getrennt injizierten, und zwar 
zuerst den Zucker, um uns zu überzeugen, daß derselbe nicht 
verbrannt wird. (In diesem Versuch ist während der Zucker- 
injektion der Quotient hoch, dagegen sogleich nach der Zuoker- 
injektion, wenn bei normalen Tieren die höchsten Quotienten 
zu finden sind, bereits wieder niedrig. Wir glauben nicht, daß 
aus dieser vereinzelt dastehenden Tatsache auf Zuckerverbren- 
nung gefolgert werden kann.) Als dann diesem Tiere, dessen 
Körper mit Zucker überschwemmt worden war, neutrali- 
sierte Hormonlösung (ohne Zucker!) injiziert wurde, erhöhte 
sich der Quotient ebenfalls nicht. 

Gar keine Erhöhung des RQ war also in jenen Versuchen 
vorhanden, in denen Zucker und Hormonlösung getrennt in- 
jiziert wurden, während in den obenerwähnten drei Versuchen 
mit gleichzeitiger Injektion von Zucker und Hormon eine nur 
im Verhältnis zu den direkt vorangehenden Versuchen deut- 
liche, aber kurze Erhöhung des RQ zu beobachten war. 

Dieses Ergebnis ist keinesfalls ein genügender Beweis da- 
für, daß durch das Pankreashormon, dem pankreasdiabetischen 
Organismus die verlorene Fähigkeit, Zucker zu verbrennen, 
wieder zurückgegeben werden kann. 

Wir werden noch weitere Versuche über diesen Gegenstand 
ausführen und wollen hier nur auf einige Möglichkeiten hin- 
weisen, warum das Pankreashormon am isolierten Herzen wirk- 


Verbrennung von Traubenzucker im Pankreasdiabetes. 167 


sam ist, dagegen am ganzen Tier so gut wie keine oder höch- 
stens eine sehr schwache Wirkung hat. 

Es ist möglich, daß der aus einem Pankreas hergestellte 
Extrakt wohl genügend Hormon für die Zuckerverbrennung 
des isolierten Herzens, jedoch zu wenig für ein ganzes Tier 
enthält. 

Ferner ist es möglich, daß solche Substanzen, welche im 
normalen Tier vom Pankreashormon entgiftet werden, im pan- 
kreasdiabetischen Tier dermaßen angehäuft sind, daß die inji- 
zierte Hormonmenge zu ihrer „Entgiftung“ nicht genügt. 

Endlich haben Starling und Knowlton am arbeitenden 
Herzmuskel gearbeitet, wir dagegen an Tieren, deren Muskeln 
durch Curare immobilisiert waren. 

Die Fortsetzung dieser Versuche in verschiedenen Rich- 
tungen wird uns vielleicht diesen Fragen näher bringen. 


Zusammenfassung. 


1. Es wurde untersucht, ob intravenös injizierte Dextrose 
beim Hunde nach totaler Exstirpation des Pankreas eine 
Steigerung des RQ gibt, womit bewiesen wäre, daß der Zucker 
verbrannt wird. 

2. Bis zum 4. Tage nach der Exstirpation wird tatsächlich 
noch Zucker verbrannt. 

3. Später läßt sich beim pankreasdiabetischen Tier keine 
Spur der Zuckerverbrennung mehr erkennen. 

4. In manchen Fällen bewirkt bei den letzteren Tieren 
die Dextroseinjektion eine Steigerung ‚des O,-Verbrauchs, bei 
anderen dagegen nicht. 

5. Mittels Bluttransfusion, Infusion von gewöhnlichem und 
Blut aus dem Pankreas ließ sich keine Erhöhung des RQ, als 
Zeichen einer wiedererlangten Zuckerverbrennung erreichen. 

6. Auch die Injektion des nach Knowlton und Starling 
hergestellten Pankreashormons hatte keine konstante und ein- 
deutige Erhöhung des RQ zur Folge. 


Einfluß des Schmelzpunktes nicht emulgierter Fette auf 
die Geschwindigkeit ihrer Entleerung aus dem Magen. 


Von 
А. von Fejér. 


(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: Е. Tangl.) 


(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 
Mit 1 Figur im Text. 


І. 

Daß die verschiedenen Fette den Magen mit verschiedener 
Geschwindigkeit verlassen, zeigten Fr. Tangl und A. Erdélyi?) 
Sie brachten mit einer Magensonde Fettemulsion von verschie- 
dener Viscosität und verschiedenem Schmelzpunkt in den Magen 
(Leinöl, Olivenöl, Schweinefett und Rinderfett); nach 3 bis 7, 
30 und 60 bzw. 120 Minuten untersuchten sie den Magen- 
inhalt, bestimmten auf diese Weise die in das Duodenum über- 
getretene Fettmenge und fanden, daß stets am schnellsten sich 
das Leinöl entleerte und dann in absteigender Reihe Olivenöl, 
Schweinefett und Rinderfett. 

Von diesen vier Fetten besitzt das Leinöl den niedrigsten 
Schmelzpunkt und die kleinste Viscosität, das Rinderfett da- 
gegen den höchsten Schmelzpunkt und die größte Viscosität- 

Aus diesen Untersuchungen ging hervor, daß „die emul- 
gierten, also fein verteilten Fette nach Maßgabe ihres Schmelz- 
punktes und ihrer Viscosität den Magen mit verschiedener Ge- 
schwindigkeit verlassen, und zwar um so langsamer, je höher 
ihr Schmelzpunkt liegt und je größer ihre Viscosität ist“. 

Da Tangl und Erde&lyis Versuche mit emulgierten 
Fetten ausgeführt wurden, war es von Interesse, zu unter- 


1) Fr. Tangl und A. Erdélyi, diese Zeitschr. 84, 94, 1911. 


А. у. Fejer: Einfluß des Schmelzpunktes von Fetten usw. 169 


suchen, ob die nicht emulgierten, dem Futter beige- 
mengten Fette sich ähnlich verhalten. Diese Frage ist um во 
wichtiger, als hauptsächlich nicht emulgiertes Fett verzehrt wird- 

Vorliegende Untersuchungen führte ich auf Anregung und 
unter Leitung des Herrn Prof. Tangl aus. 


П. Versuchsanordnung. 


Um immer gleiche Verhältnisse zu schaffen, mußte stets 
das gleiche Futter verwendet werden. Zu diesem Zwecke schien 
der Fattingersche Hundekuchen am günstigsten zu sein, von 
dem ich größere Mengen (10 bis 15 kg) fein mahlen ließ. Der 
Fettgehalt dieses Mehles betrug 3,26°/,, der Wassergehalt 6,94 °|,. 
Es wurde zu jedem Versuche 50 g genommen und mit 7,5 bis 
8 g des betreffenden Fettes in einer Reibschale sorgfältig ver- 
rieben. Schweinefett und Rinderfett wurden durch vorsichtiges 
Erwärmen in flüssigem Zustande beigemengt. Der Fettgehalt 
des Gemenges betrug 9,0 bis 9,5 g; es gelangten also annähernd 
solche Mengen Fett in den Magen, wie in den Versuchen Tang] 
und Erde&lyis. Zu dem mit Fett verriebenen Fattingermehl 
wurde dann noch 100 g Wasser hinzugefügt und der so er- 
haltene Brei den Hunden verfüttert. 

Die Tiere hungerten 2 bis 3 Tage vor dem Versuche und 
um ihren Magen vollständig frei von Speiseresten zu bekommen, 
wusch ich außerdem noch ihren Magen 24 Stunden vor dem 
Versuchstage aus (mittels eines weiter unten zu schildernden 
Verfahrens). Tangl und Erdélyi brachten ihre milchartige 
Fettemulsion mit einer Magensonde ihren Hunden bei; das 
war bei der dicken Konsistenz meines Versuchsfutters unmög- 
lich; meine Versuchstiere verzehrten übrigens deri Brei ziem- 
lich schnell, meist in 2 bis 3 Minuten. Die an der Porzellan- 
schale klebenden Überreste wurden gewogen, der Fettgehalt 
bestimmt, von der Gesamtmenge abgezogen und so das in 
den Magen gelangte Fett bzw. Futter berechnet. 

Zur Gewinnung des Mageninhaltes benutzte ich zuerst die 
A.Müllersche Apomorphin-Methode, so wie Tangl und Erdélyi 
in ihren Versuchen. Der Mageninhalt ließ sich aber so während 
des Brechaktes ziemlich schwer quantitativ sammeln und die 
Tiere gewöhnen sich auch in kurzer Zeit an das Apomorphin, 
во daß dasselbe weiterhin wirkungslos wird. ~ 


170 А. v. Fejér: 


Bei den meisten meiner Versuche verwendete ich eine 
meinen Zwecken eher entsprechende Methode. Das Prinzip 
derselben ist das Ausspülen des Magens durch einen konti- 
nuierlichen Wasserstrom. Die eigentliche Magensonde (s. Figur) 
besteht aus zwei ineinander geschobenen Gummischläuchen; 
durch den inneren dünnwandigen (b) fließt das Spülwasser dem 
Magen zu, durch den äußeren (a) wird der Mageninhalt in eine 
mit einer Saugpumpe (g) verbundene Flasche (f) gesogen. Das 
obere Ende der Magensonde ist mit einem doppelten Glasrohr 





a == Magensonde (16 mm) Durchmesser. 

b = Innerer dünnwandiger Gummischlauch. 
c = Äußeres Glaarohr. 

d — Inneres Glasrohr. 

е = Trichter. 

{== Kolben mit durchbohrtem Kork. 

g == Wasserstrahl, Luftpumpe. 


verbunden, дег dünnere Gummischlauch mit dem inneren Rohr (d) 
und dieses mittels eines Schlauches mit einem Trichter (e), durch 
den das Waschwasser in den Magen gegossen wird. Das dioke 
Glasrohr steht mit der Saugflasche (f) in Verbindung. Das dem 
Magen kontinuierlich zuströmende Wasser verhindert die 
Aspiration der Magenschleimhaut an die Sondenöffnungen, wo- 
durch auch keine Nekrosen zustande kommen können. 

Ich mußte mich aber auch davon überzeugen, ob mit dieser 
Methode der Magen quantitativ entleert wird. Dies geschah 


Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d.Magen. 171 


folgendermaßen. Das Tier bekam eine bekannte Menge Fett 
einer Speise beigemengt; nach einer bestimmten Zeit wurde 
sein Magen mit 3 bis 4 1 Wasser durchgespült, hierauf wurde 
es sofort mit Chloroform getötet, der Magen an der Cardia und 
am Pylorus abgebunden und vom Ösophagus und Duodenum 
getrennt aus der Bauchhöhle gehoben. Dann wurde die Magen- 
schleimhaut mit heißem Wasser gründlich abgespült, das Spül- 
wasser mit Petroläther ausgeschüttelt und das Fett bestimmt. 
Tabelle I zeigt die nach dem Magendurchspülen auf der 
Magenschleimhaut haftengebliebene Fettmenge. Es ist daraus 
zu sehen, daß diese Methode ein quantitatives Arbeiten ge- 
stattet. 

Nachdem der Mageninhalt in der mit der Saugpumpe ver- 
bundenen Flasche gesammelt war, folgte das Aufarbeiten des- 
selben. Ich goß das Ganze іп ein großes Porzellangefäß und 
ließ es auf dem Wasserbade eindampfen und trocknete ев bis 
zur Gewicbtskonstanz. Dann wurde es fein zerrieben und in 
einem aliquoten Teile im Soxhletschen Extraktionsapparat mit 
Petroläther von 60° Siedepunkt das Fett Stunden lang ex- 
trahiert. 











Tabelle I. 
а Fett- Fett- | Auf der Schleim- 
5 a 55| Fett | freies | Fett | freies | haut des Magens 
® SC Futter Futter| blieben haften 
Fett © = a Ee 
© fettf rei 
Kid vz [ous dom ke) ро ишш 
e Min. °% g 
Olivenöl... . 60 0 
Schweinefett . 68 0 
Schweinefett . 13 0 
Rinderfett .. 60 0 
Rinderfett .. 30 0 





ПІ. Die Entleerung der Fette aus dem Magen. 


Es ergibt sich aus meinen Versuchen (Tabelle II bis IV), 
daB auch die nicht emulgierten, einem Futter bei- 
gemengten Fette den Magen mit verschiedener Ge- 
schwindigkeit verlassen. Am schnellsten entleert sich 
das Olivenöl, um vieles langsamer das Schweinefett 
und Rinderfett. | 


172 | A. v. Fejer: 
Tabelle П. 


Versuche mit Olivenöl. 











© 
| Б 
| 3 
H © 
= 
dÉ 
g к 8 o 
1 | XII | 9,04 | 43,4 | 3,78 | 46,0 | 10 [5,26 | 58,2 56,6 0 | — 
2 | XII | 8,85 | 42,1 | 3,99 | 47,8 | 10 [4,86 |54,9 0 — 
3 | VII | 7,96 | 28,2 | 3,29 | 29,4 | 35 [4,67 Sch 0 | — 17 H 
4 | VIO | 8,80 | 39,9 | 8,74 | 450 I 35 |5,06 | 58,6 |158,7] 0 | — 
5 | XI | 8,76 | 42,2 | 3,68 | 45,4 | 35 15,18 | 58,6 0|— 
6 | у | 865 | 416 | 4,25 | 40,5 | 60 [4,40 |50,9 1,19| 2,2 
7 | VI | 7,24 | 23,5 | 2,56 | 21,5 | 64 |4,68 64,6 lizo] 20 | 84 || g7 
8 | УП | 7,86 | 82,0 | 3,58 | 29,2 | 61 [4,98 54,6 | | 2,7 | 8,51 
9 [ххш| 9,16 | 45,0 | 3,87 | 36,1 | 63 [5,29 | 57,8 8,9 | 19,8 
10 I 8,23 | 37,1 | 3,92 | 27,4 [119 [4,34 | 52,5 9,7 | 26,2 
11 | п [| 7,82 | 33,3 | 3,25 | 14,5 |125 |4,57 | 58,4 8,9 |46,4 
123| IV | 7,00 | 27,7 | 1,85 | 16,5 [120 [4,69 | 67,1 |159,9 [11,2 | 40,8 |435,6 
13 | XIV | 8,96 | 41,4 | 3,28 | 25,0 [124 [5,68 | 63,4 16,4 | 39,6 
14 | ХУІ | 8,18 | 354 | 8,41 | 26,5 1128 |4,72 | 58,1 8,8 | 24,9 
Tabelle III. 


Versuche mit Schweinefett. 


















Von dem 
— рта fettfreien Futter 
Darm über gingen in den 

Darm über 


Versuchstier 


1] XXI | 9,34 | 45,1 | 7,37 | 47,1 10 [ 1,97 | — 
2| XXII | 9,38 | 44,9 | 6,18 | 45,2 | 13 |3,20 341 |25,4] 0 | — |} 0 
3| XXIII | 9,09 | 44,9 | 7,18 | 44,9 | 10 [1,91 |21, | — 
4| XX 9,49 | 45,0 | 6,89 | 428 | 30 [2,60 | 27,4 2,7 | 61 
5| ххту | 9.22 | 445 | 689 | 444 | 31 [2331253 \a6,5| oul 02/421 
6 | XXIII | 9,29 | 45,0 | 6,81 | 46,2 | 35 [2,48 286,7 D | — 
71 X 9,88 | 42,3 | 7,65 | 41,0 | 61 [2,18 | 22,2 1,3 | 2,9 
9[ XXII | 9,30 | 44,6 | 6,48 | 42,3 | 60 [2,82 |30,3 I 2,3 | 5,2 i 
10 | XXIV | 9,34 | 45,0 | 7,35 | 40,8 | 63 |1,99 | 21,8 ,2| 9,2 
пр П 8,63 | 88,8 | 5,05 | 20,9 [185 [3,58 | 41,2 12,4 | 37,2 
12] IX 8,77 | 41,6 | 5,69 | 30,8 [120 13,08 | 35,1 10,8 | 26,1 
18] XIX | 9,17 | 45,1 | 5,48 | 80,9 [120 |3,69 | 40,2 | 441,4 | 14,2 | 81,5 | 231,2 
14] XVIII | 9,37 | 45,2 | 4,88 | 28,0 1122 |4,49 | 47,9 17,2 | 38,0 
15] XIX | 9,29 | 44,6 | 5,34 | 34,3 [120 | 3,95 | 42,5 10,3 | 23,0 


1) Hund IV wurde nach dem Wiedergewinnen des Mageninhaltes 
sofort mit Chloroform getötet und die an der Magenschleimhaut haften- 
gebliebenen Futterreste auf Fett bzw. auf fettfreies Futter bestimmt und 
dem Mageninhalte zugerechnet. | 


Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d. Magen. 173 


Tabelle IV. 
Versuche mit Rinderfett. 








Fett- Fett- |4 _ 

5 | Fett | freies | Fett | freies |? 55] Vom Fett — Futter 
S Futter Butter ES 9] gingen in den А : 

Ў Б angen indon in den 

RS in den Magen | aus dem Magen |3 g Darm über 

5 golangt wiedergewonnen E E 

5 | Mittel Mittel 

g g g g |Ма| g | 9 | % | 8 |° | ie 

XII | 8,76 | 40,2 | 6,30 | 44,0 9 12,46 | 28,1 D |— 

XV | 8,94 | 41,8 | 6,66 | 43,2 | 10 [2,28 95,5 1406,81] 0 | — |} 0 
XVII | 9,86 | 44,6 | 7,21 | 45,0 | 13 | 2,65 | 26, 0 | — 

XIV | 9,38 | 44,1 | 7,37 | 40,2 | 30 |2,01 |21,4 3,9| 8,8 
XIV | 8,83 | 41,2 | 5,81 | 36,0 | 30 |3,02 5,2 | 12,8 
XIII | 9,69 | 43,7 | 6,25 | 44,9 | 86 | 8,44 | 35,5 |598,8] — | — |; 9,3 
XXVI | 9,46 | 44,9 | 6,92 | 38,3 | 35 | 2,54 | 26,9 6,6 | 14,6 
XXVII; 9,29 | 43,8 | 6,88 | 43,3 | 30 [2,41 | 25,9 0,4| 1,0 
XIV | 9,27 | 44,2 | 6,14 | 37,7 | 60 13,13 | 33,8 6,5 | 14,7 
XXV | 9,18 | 43,5 | 6,61 | 41,0 | 64 |2,57 | 28,0 |432,8] 24| 5,6 (4111 
XXVI | 9,50 | 45,0 | 6,03 | 39,1 | 60 | 3,47 | 36,5 5,9 | 13,1 

ХІ 8,89 | 42,4 | 4,75 | 29,0 1120 [4,14 | 46,6 4 18,4 | 31,5 og 2 
XXII | 9,41 | 45,0 | 5,64 | 32,9 [120 |3,77 |401 ’7112,1 | 26,8 ' 


Zwischen der Entleerung des Schweinefettes und Rinder- 
fettes besteht kein Unterschied; es scheint im Gegenteil das 
viscösere Rinderfett sich schneller aus dem Magen zu entleeren. 
Als aber Fett allein, ohne irgendein beigemengtes Futter, in 
den Magen gelangte (siehe weiter unten), verließ das Schweine- 
fett schneller den Magen als das Rinderfett. 

Ich fand also für die nicht emulgierten Fette dieselben 
Gesetzmäßigkeiten wie Tangl und Erdelyi für die emul- 
gierten, d. h. daß für die Geschwindigkeit ihrer Entleerung 
aus dem Magen ihr Schmelzpunkt und ihre Viscosität be- 
stimmend ist!). 

Es bestehen aber auch interessante Verschiedenheiten in der 
Art und Geschwindigkeit der Entleerung der emulgierten und 
nicht emulgierten Fette. Ioh habe ja in meinen Versuchen 
annähernd dieselben Fettmengen eingeführt wie Tangl und 
Erdelyi, auch war die Zeitdauer ziemlich dieselbe Ein Ver- 
gleich ist also zulässig. 


1) Ol. oliv.: Schmelzpunkt 2,59, Viscosität bei 42° 38,7 
Schweinefett: n 36,59%, ” n n 46,3 
Rinderfett: n 428%, ” n n 495 

Aus Tangl und Erdölyis Arbeit, Le 


174 А. v. Fejer: 


In der folgenden Tabelle V habe ich neben die Mittel- 
werte der Tangl-Erde&lyischen Versuche die aus meinen Ver- 
suchen gezogenen zusammengestellt. 


Tabelle V. 





In den Darm gingen über 
Wie lange |von der Fett- ; 
А vom nicht 
war das Көң emulsion emulgierten dem fettfreien 
Fu 


(Tangl und 
Erdelyi) Fett 








Fett 


— ı/, Stunde 0 
Olivenöl ... d И 10 
2 Stunden 86 

Einige Min. 17 о 0 

Я 1/1, Stunde 30 2 д 
Schweinefett d 67 97 6 
2 Stunden 82 41 81 

Einige m 9 Si 0 

; 1 Stunde 81 9 
Rinderfett . . d Р 62 83 11 
2 Stunden 80 43 | 29 


Der Vergleich ergibt, daß nicht emulgiertes Fett in der 
ersten Viertelstunde nach der Einverleibung schneller entleert 
wird als emulgiertes, und zwar bei allen drei Fettarten, aber 
bereits am Ende der ersten halben Stunde kehrt sich das 
Verhältnis — mit Ausnahme des Olivenöles — um. Am Ende 
der 1. Stunde und ebenso nach 2 Stunden ist vom emulgierten 
Fett schon viel mehr in den Darm übergegangen als vom nicht 
emulgierten. Also nur anfangs — gleich nach dem Ein- 
gießen — gelangt vom nicht emulgierten Fett mehr 
in den Darm, doch wird nicht emulgiertes, mit dem 
Futterbrei vermischtes Fett bedeutend langsamer aus 
dem Magen entleert als eine Fettemulsion. Während 
vom emulgierten Fett nach 2 Stunden etwa */, bereits in den 
Darm übergetreten sind, ist vom nicht emulgierten noch mehr 
als die Hälfte im Magen. 

Weiterhin ist beim emulgierten Fett nach 2 Stunden 
der Unterschied in der Entleerungsgeschwindigkeit zwischen 
den drei Fettarten fast ganz verschwunden, von allen 


Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d. Magen. 175 


dreien sind etwa */, in den Darm gelangt. Dagegen besteht 
beim nicht emulgierten Fett auch noch nach 2 Stunden ein 
Unterschied. | 

Gegen diesen Vergleich meiner Versuche mit denen von 
Tangl und Erdélyi läßt sich indes mancher gewichtige Ein- 
wand erheben. Zunächst haben Tangl und Erdélyi bereits 
3 bis 5 Minuten nach Einführung der Fettemulsion den Magen- 
inhalt untersucht, ich in meinen Versuchen dagegen erst nach 
10 Minuten. Es ist also wohl teilweise diesem Umstande zuzu- 
schreiben, daß in meinen Versuchen in der Periede „einige 
Minuten“ nach der Aufnahme mehr Fett aus dem Magen ver- 
schwunden war. Jedenfalls bedingt aber nicht dieser Umstand 
allein den großen Unterschied. Das gilt besonders für die Ver- 
suche mit Schweine- und Rinderfett, die in den Versuchen von 
Tangl und Erdélyi auf 32° bzw. 42° erwärmt eingegossen 
wurden, die höhere Temperatur aber — wie diese Autoren 
bewiesen — die Entleerung aus dem Magen begünstigte. 
Trotzdem war in ihren Versuchen in den ersten Minuten 
weniger in den Darm übergegangen als in meinen Ver- 
suchen vom nicht emulgierten Fett, das nur Zimmertempe- 
ratur hatte. 

Wichtiger ist der Einwand, daß in Tangl und Erdelyis 
Versuchen die Fettemulsion für sich eingegossen wurde, wäh- 
rend in meinen Versuchen mit dem Fett auch der Fattinger- 
brei verzehrt wurde. Man mußte also daran denken, daß 
dieser Brei, mit dem das Fett vermischt war, den Unter- 
schied zwischen emulgiertem und nicht emulgiertem Fett be- 
dingt. Jedenfalls mußte entschieden werden, ob sich das 
nicht emulgierte Fett allein — ohne Fattingerbreii — 
ebenso verhält. 

Zu diesem Zwecke verfütterte ich in 6 Versuchen reines 
Fett ohne irgendeine Beimischung. Olivenöl wurde mit einer 
Magensonde in den Magen gegossen, während Schweinefett und 
Rinderfett von den Hunden spontan gefressen wurde. Nach- 
dem das Fett 10 bzw. 120 Minuten in dem Magen war, wurden 
die Tiere mit Chloroform getötet, der Magen an seinen beiden 
Enden abgebunden, aus der Bauchhöhle gehoben, mit heißem 
Wasser oft durchgespült und im Spülwasser durch Ausschütteln 
mit Petroläther das Fett bestimmt. 


116 А. v. Ке}: 
Die Ergebnisse zeigt Tabelle VI. 
Tabelle VI. 






Olivenöl . . . . 

Schweinefsett . . 12,9 
Rinderfett . . . 11,2 
Olivenöl. . . . 92,2 
Schweinefett . . 21,7 
Rinderfett . . . 19,6 


Also auch hier dieselbe Reihenfolge in der Geschwindig- 
keit der Entleerung wie beim emulgierten Fett. Gleichzeitig 
ergeben sich aber bedeutende Unterschiede beim Vergleiche 
mit den Mittelwerten der Tabelle V, d.h. der mit dem Fett 
vermischte Futterbrei beeinflußt tatsächlich sehr 
stark die Geschwindigkeit, mit der das Fett den 
Magen verläßt. 

Es stellte sich heraus, daß das Olivenöl ohne Beifutter 
rascher aus dem Magen verschwindet. Nach 2 Stunden waren 
bereits 92°/, in den Darm übergetreten, während mit Fattingerbrei 
verfüttert in derselben Zeit bloß 60°/, in den Darm gelangten. 

Beim Schweinefett und Rinderfett wirkte das Beifutter 
gerade umgekehrt: es beschleunigte die Entleerung dieser Fette 
aus dem Magen. 

Daß die letzteren zwei Fette mit Futterbrei verfüttert 
schneller in den Darm gelangen, dürfte darin seine Erklärung 
finden, daß der mitverfütterte Brei die Magenbewegung und 
die Sekretion des Magensaftes anregt. Beide Momente be- 
günstigen die Entleerung des Mageninhaltes?). Diese beiden 
Momente spielen bei den viscöseren Fetten eine größere Rolle 
als beim Olivenöl, das leicht in den Darm überfließt. Es scheint 
aber, daß die mechanischen Vorgänge nicht bloß darin be- 
stehen, daß der Futterbrei bei der beschleunigten Entleerung 
einfach auch mehr Fett mit sich reißt. Vergleicht man nämlich, 
wieviel Fett und wieviel von der übrigen Trockensubstanz 


1) So kann man auch die allgemein bekannte Erfahrung erklären, 
daB das Brotessen bei stark fetthaltigen Speisen förderlich ist. 


Einfluß d.Schmelzpunktes v. Fetten usw. auf Entleerung aus d.Magen. 177 


gleichzeitig in den Darm gelangen, so stellt sich heraus (siehe 
letzte Kolumne der Tabellen II bis IV), daß in den ersten 
10 Minuten — als vom fettfreien Rest des Futterbreies noch 
gar nichts in den Darm überging — vom Olivenöl 57°/,, vom 
Schweinefett 25°/,, vom Rinderfett 27°/, bereits übergetreten 
waren. Es ist dies um so bemerkenswerter, als das Fett, wie oben 
erwähnt wurde, mit dem Fattingerbrei gründlich vermischt 
wurde, bevor ich es dem Tiere vorgelegt habe. Es muß also 
im Magen gleich im ersten Stadium der Magen- 
verdauung eine Entmischung stattgefunden haben, 
worauf das flüssige Olivenöl rascher, das viscösere Schweinefett 
und Rinderfett langsamer in den Darm überfloß. 

Während das Beifutter die Entleerung des Fettes aus dem 
Magen fördert, hat das Fett selbst ja bekanntlich eine gerade 
entgegengesetzte Wirkung auf Motilität und Sekretion des 
Magens: beide werden durch das Fett verlangsamt!). 

Diese hemmende Wirkung der Fette ist, wie es scheint, 
auch eine Funktion ihrer Viscosität, wenigstens scheinen meine 
Versuche dafür zu sprechen, daß das Olivenöl eine geringere 
hemmende Wirkung hat wie das Schweinefett, und dieses eine 
geringere wie das Rinderfett. Das geht daraus hervor, daß von 
der fettfreien Trockensubstanz des Futters beim Olivenöl in 
derselben Zeit mehr in den Darm überging als beim Schweine- 
fett, und bei diesem mehr als beim Rinderfett. So gingen 
vom fettfreien Teil des Futters in den Olivenölversuchen nach 
2 Stunden 36°/,, in den Schweinefettversuchen 31°/,, in den 
Rinderfettversuchen 29°/, in den Darm über (letzte Kolumne 
der Tabellen II bis IV). Zur sicheren Entscheidung dieser Frage 
sind noch weitere Versuche nötig. Vorderhand kann man nur 
mit großer Wahrscheinlichkeit aussprechen, daß, je niedriger 
der Schmelzpunkt und je geringer die Viscosität der Fette ist, 
desto weniger die Funktion des Magens herabgesetzt wird. 


Zusammenfassung. 

1. Die nicht emulgierten Fette entleeren sich aus dem 
Magen auch „nach Maßgabe ihres Schmelzpunktes und ihrer 
Viscosität“, und zwar um so langsamer, je höher ihr Schmelz- 
punkt liegt und je größer ihre Viscosität ist. 

1) Zuntz-Loewy, Lehrb. d Physiol. d Menschen, 2. Aufl., 1913. 

Biochemische Zeitschrift Band 58. 12 


178 А. у. Fejér: Einfluß des Schmelzpunktes von Fetten usw. 


2. Die einem Futter beigemengten nicht emülgierten Fette 
entleeren sich aus dem Magen langsamer als die Fettemulsionen. 
Noch langsamer entleeren sich die Fette, wenn sie ohne Bei- 
futter verzehrt werden. Eine Ausnahme scheinen die flüssigen 
Fette (Olivenöl) zu bilden. 

3. Die Entleerungsgeschwindigkeit des fettfreien Teiles der 
Nahrung gestaltet sich je nach dem beigemengten Fette: die 
weniger visoösen Fette hemmen die Entleerung weniger als 
die visoösen. 

4. Das einem Futterbrei beigemischte Fett entmischt sich 
teilweise schon nach kurzer Zeit im Magen und wird für sich 
in den Darm weiterbefördert. 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 
Von 
Н. Rohonyi. 
EZ dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität zu Budapest. 
Direktor: Е. Tangl.) 
(Eingegangen am 5. Juni 1913.) 
Mit 1 Figur im Text. 


Inhalt: 


I. Einige Enzym-Eiweißkomplexe. 
II. Über das Paranuclein. 
ПІ. Über „Plasteine“. 


I. Über einige Enzym-Eiweißkomplexe. 


Viele die Adsorption betreffende Versuche beweisen, daß 
Grenzflächen Enzyme zu konzentrieren vermögen. Als solche 
Grenzflächen wurden gewöhnlich Kaolin,Cellulosesuspensionen usw. 
benutzt; von Lab, Pepsin und Trypsin ist es jedoch erwiesen, 
daß dieselben durch Fibrin und auch durch andere koagulierte 
Eiweißkörper aus ihren Lösungen mit ausgeschieden werden’). 
Darüber, ob auch die kolloidalen Spaltungsprodukte der Eiweiß- 
körper, die Albumosen und Peptone Enzyme adsorbieren, liegen 
keine Versuche vor, doch wird es im allgemeinen angenommen, 
daß auch hier Adsorptionsreaktionen stattfinden. 

Der Enzymadsorption wirdim MechanismusderEnzymwirkung 
eine große Bedeutung zugesprochen. Man pflegt anzunehmen, 
daß ein Enzym, um seine Wirkung überhaupt entfalten zu 
können, sich mit seinem Substrate vereinigen muß, und daß 
diese Vereinigung in Formeiner Adsorptionsverbindung stattfindet. 
Nach Bechhold liegt die Wichtigkeit der Enzymadsorption 


1) Bechhold, Die Kolloide in Biologie und Medizin, S. 161. 
Dresden 1912. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 13 


180 Н. Rohonyi: 


darin, daß durch sie ein Enzym in maximaler Konzentration 
auf sein Substrat zu wirken kommt. Die Abhängigkeit der Re- 
aktionsgeschwindigkeit von der Konzentration des Enzyms und 
der gelösten Eiweißkörper wird durch die Annahme der Adsorp- 
tionserscheinungen vereinfacht usw. 

Diejenigen Versuche jedoch, die sich auf die Adsorption 
der Enzyme durch Eiweißkörper beziehen, sind bloß mit ko- 
agulierten Eiweißkörpern angestellt worden, und bestanden darin, 
daß man möglichst fein verteilte Fibrin- oder Caseinsuspensionen 
eine gewisse Zeitlang mit Enzymlösung durchschüttelte, wo- 
durch man nach erfolgter Filtration die Verminderung der Akti- 
vität der Enzymlösung konstatieren konnte. Die Adsorption 
der Enzyme durch gelöste Eiweißkörper schließt Bayliss!) 
aus der Tatsache, daß die Geschwindigkeit der Trypsinwirkung 
eine logarithmische Funktion der Trypsinkonzentration ist, — 
eine Beziehung, die eben bei Adsorptionserscheinungen häufig 
ist. Den experimentellen Nachweis einer solchen Adsorption 
fand ich jedoch nur bezüglich des Pepsin-Ovalbuminkomplexes 
von A Меуег?), der unter diesem Namen den Niederschlag 
beschrieben hat, der bei der Mischung einer reinen Pepsin- und 
Ovalbuminlösung in bestimmten Verhältnissen entsteht. 


Meine Untersuchungen hatten zunächst die Aufgabe, die 
Wechselwirkung verschiedener Enzym- und Eiweißlösungen 
daraufhin zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen 
Reaktionsprodukte entstehen, die als Enzym-Eiweißkomplexe 
aufgefaßt werden können und wie weit diese die Eigenschaften 
der Adsorptionsverbindungen zeigen. 

Ich erwähne zuerst die Tatsache, die die Grundlage meiner 
Versuche bildete. Ich fand, daß bei einem gewissen Konzen- 
trationsverhältnis gewisser Enzyme und Eiweißlösungen, und 
bei einer gewissen H-Ionenkonzentration des Mediums ein Nieder- 
schlag entsteht, der sowohl das Enzym, als auch das Eiweiß 
enthält. Dabei werden die Enzym- und auch die Eiweißlösung 
immer in solchen Konzentrationen usw. verwendet, daß in ge- 


1) Proc. Roy. Soc. 84, Ser. В, 81, 1911. On adsorption as prelimi- 
nary to chemical reaktion. 
з) Compt. rend. Soc. Biol. 60, 542, 1906. 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 181 


trenntem Zustande beide Lösungen ganz klar bleiben. In der 
nachfolgenden Tabelle habe ich diejenigen Enzymeiweißkombina- 
tionen, bei denen ich unter gewissen (später zu detaillierenden) 
Verhältnissen einen Niederschlag beobachtete, mit +- bezeichnet, 
mit — dagegen diejenigen Reaktionen, bei denen kein Nieder- 
schlag entstand. 





Pepsin |Papayotin олуш: Sa ur Trypsin 












Acidalbumin .. . 
Ovalbumin . . . . 
Serumalbumin 

Serumglobulin . . 
Casein in saurer Lö- 





+114 ++++ 
+++++ ++ 11 
(III III 
1111 III 

(III 


Die allgemeinen Bedingungen dieser Reaktionen, unter 
denen diese Niederschlagsbildung erfolgt, sind die folgenden 

1. dürfen die Enzym- und Eiweißlösungen keine 
Salze gelöst enthalten oder höchstens sehr kleine Mengen. 
Die untersuchten Komplexe sind nämlich zumeist in verdünnten 
Salzlösungen löslich, und somit entsteht bei Gegenwart von 
Salzen kein Niederschlag. Darum erweist es sich als zweck- 
mäßig, dialysierte Lösungen zu verwenden; 2 bis 3 tägige Fisch- 
blasendialyse genügt vollauf. 

2. Man muß auf die H-Ionenkonzentration der 
Lösung achten. Sämtliche in Frage stehenden komplexen Ver- 
bindungen sind in destilliertem Wasser unlöslich, in verdünnten 
Laugen, verdünnten oder stärkeren Säuren hingegen löslich. 
Deswegen entstehen die Niederschläge bloß bei neutraler 
Reaktion oder bei sehr kleiner Acidität. Doch muß der H- 
Ionengehalt des Mediums schon darum berücksichtigt werden, 
weil dessen Änderung unter Umständen in der Eiweißlösung 
‚ (Casein, Globulin, Witte-Pepton) oder in der Enzymlösung (Pan- 
kreatin Merck) selbst einen Niederschlag erzeugen kann. Des- 
wegen darf nur jener Niederschlag als Eiweiß-Enzymkomplex 
betrachtet werden, der bei einer Reaktion entsteht, bei der die 
einzelnen Reagenzien selbst sich nicht verändern. 

13* 


182 Н. Коһопу:: 


3. Manche Komplexe lösen sich in dem Überschuß 
des einen oder anderen Bestandteiles, wie wir noch 
weiter unten sehen werden. In diesem Falle entsteht bloß 
dann ein Niederschlag, wenn keiner der reagierenden Körper in 
einer das Optimum beträchtlich übersteigenden Menge vor- 
handen ist. 

а) Pepsin-Ovalbumin. 

Das Pepsin, das ich benutzt habe, war das Mercksche Prä- 
parat Pepsin pur. in lamellis und das Grueblersche Präparat 
Pepsin pur. sicc. Das erstere ist reiner, das letztere wirksamer. 
Die 2°/,ige Lösung des Merckschen Pepsins ist etwas opak, 
reagiert sauer, bei Erhitzung bleibt sie unverändert, sie gibt mit 
Sulfosalicylsäure, Ferrocyankalium -|- Essigsäure keine Re- 
aktionen; die Biuretreaktion ist negativ, die Millonsche ist 
schwach positiv. Seine spezifische Leitfähigkeit nach einer Dia- 
lyse war bei 22° 0,00075 rec. Ohmcm. Die 2°/ ige Lösung 
des Grueblerschen Pepsins ist opak, von saurer Reaktion, bei 
dem Erhitzen trübt sie sich stark; sie gibt die Proben mit 
Sulfosalicylsäure oder Ferrocyankalium ~+- Essigsäure nicht; die 
Biuretreaktion gibt sie wie die Albumosen, die Millonsche Re- 
aktion ist positiv. Nach der Dialyse war ihre spezifische Leit- 
fähigkeit bei 22° 0,00065 rec. Ohmem. Die Lösungen ver- 
ändern sich bei der Verdünnung sowie bei dem Hinzufügen von 
verdünnter Lauge oder Säure nicht. 

Die Ovalbuminlösung habe ich aus nativem Eiweiß nach 
10 facher Verdünnung und Filtrieren hergestellt, oder ich löste 
Mercks „krystallisiertes* Ovalbumin auf. Die 1 bis 2°/,igen 
dialysierten Lösungen sind rein, durchsichtig; bei Verdünnung 
oder Hinzufügen von verdünnter Säure oder Lauge veränderten 
sie sich nicht; ihre spezifische Leitfähigkeit war bei 22° 0,00036 
rec. Ohmcm. 

Die Lösungen sind am zweckmäßigsten so zu verdünnen, 
daß das Ovalbumin 1°/,ig, das Pepsin 0,5°/ ig sei. Wenn wir 
zu 50 ccm einer solchen Ovalbuminlösung 30 ccm Pepsinlösung 
und 5 ccm sl, BO hinzufügen, so entsteht sofort ein starker 
weißer Niederschlag, der sich in der Kälte in einigen Stunden 
absetzt und filtrierbar ist. Der Niederschlag ist in destilliertem 
Wasser unlöslich, in verdünnter Säure und Lauge, sowie in 
verdünnten ROL, NaCl-, Na,SO,-Lösungen leicht löslich. Er 


——— — — 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 183 


gibt sämtliche Eiweißreaktionen; in verdünnter Säure aufgelöst 
und 24 Stunden im Thermostaten bei 38° digeriert, gibt er 
keine Eiweißreaktionen mehr, als Beweis, daß er Рервіп ent- 
hält, das das Eiweiß verdaut hat. Wenn wir den in verdünnter 
Salzsäure aufgelösten Niederschlag zu einer verdünnten, sauren 
Caseinlösung hinzufügen und in den Thermostaten stellen, wird 
nach Verlauf von 24 Stunden das Casein verdaut, und bei der 
Neutralisation der Lösung entsteht kein Niederschlag. 

Der Pepsin-Ovalbuminkomplex ist im Überschuß 
des Ovalbumins etwas, in demjenigen des Pepsins gut 
löslich, wie nachfolgender Versuch beweist: 


а) 10 ccm 1°/,iges Ovalbumin + 2 eem sl, HO + A ccm 
0,5°/ ,iges Pepsin + (30 — (12 + A) ccm destilliertes Wasser. 


А = 0,30ccm . . opak 
А = 100» . . trüb 
А = 3,00 » . . Niederschlag 
А = 500» . . maximaler Niederschlag 
A = 10,00 » opak 
== 18,00 » klar. 


Gerade so verhält sich der Pepsin-Ovalbumin- 
komplex gegenüber dem Säuregehalt der Lösung. Bei 
einer gewissen H-Ionenkonzentration der Lösung bleibt er 
gelöst, bei einer bestimmten größeren Konzentration fällt er 
aus und bei einem noch größeren H-Ionengehalt löst er sich 
wieder auf. Das H-Ion verhält sich also wie ein dritter Be- 
standteil des Komplexes. 

b) 15 ccm 1°/,iges Ovalbumin + 8 ccm 0,5°/,iges Pepsin 
+ А ест sl, HO -+ 30 — (23 4 A) ccm destilliertes Wasser. 


1. A = 0,30 ccm . . . klar, durchsichtig. 

2. А==0,50 „ schwach opak. 

3. A=1,0 „ starker Niederschlag. 
4. A—=2,00 „ а © 

5. А = 3,50 „ wenig 

6. A=450 „ klar, оова. 


Man konnte daran daka daß die Bildung und Auflösung 
des Niederschlages vielleicht mit einer Veränderung der Säure- 
bindung einhergeht. Das müßte an entsprechenden Gestalts- 
veränderungen der Säurebindungskurve ersichtlich werden. Dar- 


184 Н. Rohonyi: 


über suchte ich durch die Messung der elektrischen Leitfähig- 
keit obiger Lösungen Aufschluß zu erhalten. 
Die spezifischen Leitfähigkeiten bei 23,59 waren: 


1. 0,000114 rec. Ohmcm, 4. 0,000733 rec. Ohmcm, 
2. 0,000158 „ 5 5. 0,001489 „ с 
3. 0,000305 „ ý 6. 0,001880 „ 2 


Wenn wir diese Daten graphisch darstellen, erhalten wir 
eine typische Verdünnungskurve, wie bei der graduellen Ver- 
dünnung einer reinen, verdünnten Säure. 

Die Abnahme der Leitfähigkeit verläuft vollkommen stetig 
und gleichmäßig, und zwar ist sie bei kleineren Konzentrationen 
verhältnismäßig stärker, 
entsprechend dem größe- 
ren Dissozistionsgrade der 
Säure. 

Daraus folgt, daß die 
Säurebindung des Pepsin- 
eiweißes unabhängig da- 
von ist, ob dasselbe in 
der Säure gelöst oder 
darin als Niederschlag 
suspendiert ist. 

Weiterhin besagt 

die Kurve, daß die 

Fig. 1. Wirkung der Eiweiß- 

körper, die elektri- 

sche Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen zu vermin- 

dern, nur von ihrer Menge abhängig ist, nicht aber 

von der Größe der Oberfläche, die ihre Teilchen in 
der Lösung einnehmen. 

Die Pepsin-Ovalbuminreaktion ist dermaßen empfindlich, daß mit 
ihrer Hilfe das Мегоквоһе Pepsin noch in einer 0,01°/,igen Lösung mit 
Leichtigkeit nachweisbar ist. Da die Reaktion von dem im Magensaft 
gelösten nativen Pepsin auch gegeben wird", schien es möglich, mit 
der Ovalbuminlösung die Gegenwart und die Menge des Pepsins im 
Magensafte festzustellen. Jedoch ist im Magensafte immer mehr oder 
weniger Mucin vorhanden, und so mußte vor allem bestimmt werden, 





1) А. Meyer (Compt. rend. 60, 542), der diese Reaktion zuerst be- 
schreibt, verwendet ausschließlich Magensaft. 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 185 


ob das Mucin die Reaktion nicht stört. Zu diesem Zwecke wurde aus 
frischen Nabelschnüren mit schwach alkalischem destilliertem Wasser ein 
Auszug gemacht, der reichliche Mengen von mit Essigsäure fällbarem 
Mucin enthielt. In der so erhaltenen klaren, durchsichtigen, etwas zähen 
Lösung entstand bei dem Hinzufügen von Ovalbumin selbst in großer 
Verdünnung ein Niederschlag. Infolgedessen ist der Nachweis des Pepsins 
in Gegenwart von Mucin durch die Entstehung des Mucin-Ovalbumin- 
komplexes nicht verläßlich. 

Wie schon erwähnt, ist der bei dem Hinzufügen von Pepsin 
zu einer Ovalbumin-Säurelösung entstehende Niederschlag im 
Überschusse des Pepsins löslich. Da der Niederschlag auch 
im Falle eines Plus oder Minus an Säure löslich ist, war es 
naheliegend, daran zu denken, daß die Lösung im Überschusse 
des Pepsins dadurch zustande kommt, daß das Pepsin Säure 
bindet. Tatsächlich war zu beobachten, daß, wenn man zu 
einer Lösung, in der der bei Pepsinzusatz entstehende Nieder- 
schlag durch weiteren Pepsinzusatz sich gerade auflöst, 1 bis 
2 Tropfen sl, HO zufügt, der Niederschlag wieder entsteht. 
Es scheint also, daß das Pepsin den Niederschlag da- 
durch auflöste, daß es eine bestimmte Menge von 
Säure neutralisierte. Ganz so einfach scheint jedoch die Sache 
nicht zu sein, denn das geschieht bloß bei der Auflösung in 
einem kleinen Pepsinüberschuß. Wenn man mehr als die zur 
Auflösung unbedingt notwendige Menge von Pepsin zum Nieder- 
schlag gibt, so entsteht dieser nicht wieder. 

Die Reaktion wird in keiner Hinsicht durch die 
"LL stündige Inaktivierung des Рервіпв bei 95 bis 100° 
beeinflußt. Die entgegengesetzte Behauptung A. Meyers 
kann ich mir nur dadurch erklären, дав der im Magensafte 
des Hundes bei der Inaktivierung entstehende und von ihm 
erwähnte Eiweißniederschlag das Pepsin aus der Lösung ent- 
fernte und dadurch die Reaktion hinderte. In der 2°/,igen 
Lösung des Merckschen Pepsins entsteht jedoch bei dereIn- 
aktivierung gar kein Niederschlag; diese Pepsinlösung reagierte 
nach der — sich als vollkommen erweisenden — Inaktivierung 
mit der Ovalbuminlösung gerade so wie vor der Inaktivierung. 

Das Grueblersche Pepsin koagulierte, wie schon früher 
erwähnt, bei dem Erhitzen teilweise; dementsprechend ist die 
Menge des durch Ovalbumin verursachten Niederschlages kleiner 
wie vorher. 


186 Н. Коһопу:: 


b) Pepsin-Serumalbumin. 


Wenn man zu einem stark verdünnten und nach An- 
säuerung mit Essigsäure abfiltrierten Hundeblutserum oder zu 
einer schwach angesäuerten und filtrierten Lösung des Merck- 
schen Serumalbumins eine Pepsinlösung tropfenweise hinzufügt, 
entsteht sofort ein voluminöser Niederschlag, welcher Рервіп 
und Serumalbumin enthält und sich in jeder seiner Eigen- 
schaften dem Pepsin-Ovalbuminkomplex ähnlich verhält. Die 
Lösung des Merckschen Pepsins ist gegen Serumalbumin ein 
ähnlich empfindliches Reagens wie Sulfosalicylsäure; im 10000- 
fach verdünnten Serum ist nach Hinzufügung von Pepsin eine 
noch sehr gut bemerkbare Trübung wahrzunehmen. 


c) Pepsin-Acidalbumin. 


Ich erhitzte eine ca. 2°/ ige Ovalbuminlösung, die sl, HO 
enthielt, 2 Stunden lang in einem Wasserbade von 80 bis 90°. 
Nach dem Erkalten habe ich durch Neutralisation das Acid- 
albumin ausgeschieden, filtriert, ausgewaschen und dann vom 
Filter mit verdünnter Säure entfernt. Wenn man diese Acid- 
albuminlösung 15 bis 20fach verdünnt und sodann zu 10 Teilen 
1 Teil 1 bis 2°/,ige aktive oder inaktivierte Pepsinlösung zu- 
setzt, entsteht sofort ein starker, sich schnell absetzender Nieder- 
schlag. Der Niederschlag löst sich bei Zusatz von Salzsäure 
oder verdünnter Salzlösung auf; im Überschusse des Pepsins 
oder Acidalbumins ist er unlöslich. Läßt man den abfiltrierten, 
mit destilliertem- Wasser gewaschenen und in verdünnter HCl 
aufgelösten Niederschlag 24 Stunden bei 38° stehen, so erhält 
man nunmehr eine sehr schwache Reaktion mit Sulfosalicyl- 
säure. Der Niederschlag enthält also Pepsin. 


а) Pepsin-Serumglobulin. 


‘Den aus Hundeblutserum durch starkes Verdünnen und 
Ansäuern mit Essigsäure gewonnenen Globulinniederschlag wusch 
ich mit Wasser gut aus und löste ihn in verdünnter Salzsäure, 
Diese salzsaure Globulinlösung kann man mit Wasser 4 bis 
5&mal verdünnen, ohne daß Globulin sich abscheidet; bloß bei 
der Neutralisierung der Säure durch Lauge entsteht ein Nieder- 
schlag. Wenn man aber zur salzsauren Globulinlösung ein 
paar Tropfen neutraler oder schwach saurer Pepsinlösung zu- 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 187 


setzt, entsteht sofort ein starker Niederschlag, der sich als 
aus Serumglobulin und Pepsin bestehend erweist. 

DasSerumglobulin (und auch das Acidalbumin) ist in destillier- 
tem Wasser an sich unlöslich; die ihnen entsprechende „isoelektri- 
sche“ H-Ionenkonzentration dürfte demnach 1 >< 10? Gramm- 
äquivalente pro 11 веіп. Durch Hinzufügen von Pepsin scheiden sich 
aber diese Körper aus einer®/,, bis ”/ „HCl enthaltenden Lösung zu- 
sammen mit dem Pepsin aus. Die Entstehung der Serumglobulin- 
(und Acidalbumin-) Pepsinkomplexe kann man also so auffassen, 
daß durch das Pepsin die isoelektrische Zone dieser Eiweiß- 
körper stark nach der sauren Seite hin verschoben wird. 

e) Pepsin-Casein. 

In scha löste ich soviel Casein, bis die Lösung neutral 
wurde (Lackmuspapier); zu der so erhaltenen Natriumcaseinat- 
lösung gab ich sodann so viel ®/,-НС], bis das im Anfang sich 
ausscheidende Casein wieder gelöst wurde. Eine solche saure 
Caseinlösung kann man vielfach verdünnen, ohne daß sie sich 
ändert; jedoch scheidet sich sofort ein Niederschlag ab, wenn 
man einige Kubikzentimeter verdünnte Lauge oder 1 bis 2ccm 
Pepsinlösung hinzufügt. Der letztere Niederschlag enthält Casein 
und Pepsin, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn 
man den Niederschlag, nachdem er filtriert und ausgewaschen 
wurde, in verdünnter Salzsäure löst und in den Thermostaten 
bei 38° stellt; man kann durch Neutralisieren fortschreitend 
immer weniger Niederschlag erhalten. 

Der Pepsin-Caseinkomplex ist im Überschusse des Pepsins un- 
löslich und Let, sich nur im Überschusse des Caseins; ег löst sich in 
verdünnten Salzlösungen. Durch thermische Inaktivierung des 
Pepsins wird die Reaktion nicht beeinträchtigt, die Inaktivierung 
hindert also die Bindung des Pepsins durch das Caseinmolekül nicht. 


f) Pepsin-Albumose. 

1/, bis 10°, ige wässerige, schwach angesäuerte Lösungen 
von Witte-Pepton reagieren mit Pepsin nicht. Verdünnt man 
jedoch die Peptonlösung stark, во daß sie höchstens 0,1°/, Pepton 
enthält, so trübt sich die klare schwach angesäuerte Lösung 
beim Zusatz von 1 bis 2 Tropfen Pepsinlösung. Ich vermutete, 
daß die schwache Reaktion des Witte-Peptons seinem hohen 
Salzgehalt zuzuschreiben ist. Diese Vermutung erwies sich als 


188 Н. Rohonyi: 


richtig; dialysiert man nämlich eine 5°/ ige Witte-Peptonlösung 
48 Stunden hindurch in einer Fischblase gegen destilliertes 
Wasser (spez. Leitfähigkeit am Ende bei 22° — 0,00069 rec. 
Ohmcm), oder reinigt man das Pepton dadurch, daß man eine 
konzentrierte Witte-Peptonlösung 3 bis 4mal mit Alkohol fällt 
und nachher in destilliertem Wasser auflöst (spez. Leitfähigkeit 
einer 3°/ igen Lösung bei 20° = 0,00035 rec. Ohmcm), so geben 
die 2 bis 3°/,igen schwach angesäuerten Lösungen solchen 
Peptons mit dem gleichen Volumen 2°/ iger Pepsinlösung einen 
starken Niederschlag, der sich in 8 bis 10 Stunden absetzt. 
Abfiltriert und gewaschen löst sich dieser Niederschlag in ver- 
dünnter Salzsäure und gibt sämtliche Albumosereaktionen. 
Setzt man zu der Lösung etwas Ovalbumin, so wird dieses bei 
38° in 48 Stunden zersetzt; der Niederschlag besteht folglich 
aus Albumose und Pepsin. 

Der Pepsin-Albumosekomplex löst sich im Überschusse des 
Pepsins als auch der Albumose, außerdem in stark saurer und 
alkalischer und in wenig Salz enthaltenden Medien. Die durch 
die Ammoniumsulfatmethode getrennten und sodann durch 
Dialyse salzfrei gemachten primären und sekundären Albumosen 
geben mit Pepsin auch jede für sich einen Niederschlag. Außer 
diesen Fibrinosen (Witte-Pepton wird aus Fibrin dargestellt) 
untersuchte ich auch die Lösung der peptischen Spaltprodukte 
des Ovalbumins; diese reagieren mit Pepsin ganz analog. 
Die Inaktivierung des Pepsins ändert an der Reaktion — wie 
auch an den übrigen — gar nichts. 


g) Albumin-Pepsin-Albumose. 


In einem aktiven Pepsin-Eiweißsystem sind immer auch 
Albumosen zugegen; so schien es denn von Interesse, dieses 
System auch gesondert darzustellen. Ich fand, daß, unter Um- 
ständen, wo bei Gegenwart von nur je zwei Komponenten gar 
keine Änderung sich zeigte, dagegen sofort eine solche eintrat 
(d. h. sich sofort ein Niederschlag bildete), wenn man die dritte 
Komponente hinzufügte. Dies läßt sich so erklären, daß zu 
den doppelten kolloidalen Komplexen noch eine dritte Kom- 
ponente gebunden wird und daß, da dadurch die Stabilität des 
ganzen Komplexes sich noch mehr vermindert, er sich abscheidet. 
Im folgenden will ich zwei Beispiele anführen: 


Kolloidohemische Eiweißstudien. 189 


a) Acidalbumin-Pepsin-Albumose. 

A. Lösung von Acidalbumin. Eine 2°/ 1де Ovalbumin- 
lösung in */ HO kochte ich 2 Minuten und verdünnte sie 
alsdann 5fach. 

В. Lösung von Albumose. Ich gab zu 5 ccm 20°/,iges 
Witte-Pepton 20 cem al, HO und 75 com destilliertes Wasser, 
С. Eine 1,5°/,ige Pepsinlösung, sl, HO enthaltend. 

D. 2,0, HCL 

Diese Lösungen kombinierte ich in folgender Weise: 


1. 5 ccm A-+0,5 ccm C+5 cem D — 

5 » A-+5 n B-+05n н. карашса 

5 a B+05 n»n C+5 » р etwas opak 

5 » A+5 » В-|-0,5 „ C flockiger Niederschlag 
der schnell absitzt. 


m. 


В Ovalbumin-Pepsin-Albumose 
bei Gegenwart von (NH,),SO,. 
. Eine 1°/,ige Ovalbuminlösung. 
. Eine 20°/ ige Albumoselösung. 
Eine 2°/ ige Pepsinlösung. 
1. 10 ccm A-+0,5ccm B + 0,5 cem C 
2. 10 » А +0,5 » В 
3. 10 n А 0,5 » С 
4. 10 » dest. Wasser -+ 0,5 cem B+0,5 cem С. 


Außerdem fügte ich jedem 0,5 com pl, HCl bei. Dabei 
blieben sie völlig rein und klar. Nun gab ich zu jedem 0,5 ccm 
einer 5°/,igen (NH, ),SO,-Lösung. Daraufhin entstand in 1. ein 
starker gelatinöser Niederschlag, 2. und 3. blieben ganz klar, 
durchsichtig, während 4. etwas opak wurde. 


Q y > 


h) Papayotinkomplexe. 

Das Mercksche pulverige Papayotin „vollkommen rein“ 
löst sich leicht mit basischer Reaktion. Mit verdünnten Säuren 
verändert sich die Lösung nicht, koaguliert jedoch teilweise 
beim Kochen. Ев gibt die Sulfosalicylsäure-, die Biuret- und 
die Ferrocyankaliprobe wie die Albumosen. Es enthält viel 
Calciumsalze. Seine verdünnte, dyalisierte. Lösung (spezifische 
Leitfähigkeit 0,00060 гес. Ohmcem bei 20%), in der mit Oxal- 
säure kein Calcium mehr nachzuweisen war, reagierte mit 


190 Н. Rohonyi: 


Serumalbumin, Serumglobulin, Caseinsäure und mit Albumosen 
wie das Pepsin. 

Die Komplexe von Serumalbumin und Albumose fallen 
schon bei neutraler Reaktion aus. Von der Gegenwart des 
Papayotins im Niederschlag überzeugte ich mich dadurch, daß 
ich den Niederschlag filtrierte, mit Wasser auswusch, in 
wenig Säure oder Lauge löste, und wenige Tropfen dieser 
Lösung mit Milch versetzte und diese bei ca. 60 bis 70° stehen 
ließ. Sie gerann in ein paar Minuten. 

Außer den obengenannten reagiert das Papayotin auch 
mit den Caseosen, den peptischen Spaltprodukten des Caseins. 
Man gibt zu einer sauren Caseinlösung etwas Pepsin und di- 
geriert bei 38°, bis alles Casein zersetzt ist. Fügt man dann 
etwas Papayotinlösung hinzu, entsteht sofort ein voluminöser 
Niederschlag. Dieser löst sich sowohl im Überschusse der 
Caseoselösung, als der Papayotinlösung auf; verdünnte Säuren, 
Laugen und Salzlösungen lösen ihn ebenfalls. Gerade so ver- 
hält sich das Papayotin gegenüber den tryptischen Spaltpro- 
dukten des Caseins. 

Die Löslichkeit im Überschusse der Komponenten wird 
durch folgende Versuche demonstriert: 

Papayotin. Aus einer ca. 1°/,igen dialysierten Lösung 
bereite ich mir durch Verdünnung resp. durch Einengung 0,5°/,, 
1°/» 3°/, und 7°/ ige Lösungen. 

Caseoselösung. Aus der Lösung der peptischen Pro- 
dukte einer ca. 4°/,igen Caseinlösung bereite ich durch Ver- 
dünnung resp. Einengung 0,5°/,, 1°/, 3°], und 7°/,ige Lö- 
gungen. 

1. Zu je 1 ccm der Papayotinlösungen gebe ich je 0,05 ccm 
Caseoselösung. 


Papayotin. 





2. Zu 1 ccm Caseoselösung füge ich je 0,05 ccm Papa- 
yotinlösung. 


Kolloidohemische Eiweißstudien. 191 


Савеове. 


DAT, 1% 300 1°, 





Das Papayotin reagiert auch mit Na-Caseinat. Gibt man 
zu einer durch Neutralisation einer ®/ „„-NaOH-Lösung bereiteten 
Na-Caseinatlösung das gleiche Volumen 1 bis 2°/ ige schwach 
alkalische Papayotinlösung, so entsteht sofort ein starker flockiger 
Niederschlag, der sich im Überschuß der Caseinlösung gut, im 
Überschuß der Papayotinlösung etwas löst. Der Niederschlag 
enthält Casein und Papayotin. 

Falls man zur Na-Caseinatlösung weniger Papayotin hin- 
zufügt als nötig ist, um die sofortige Bildung des Nieder- 
schlages herbeizuführen, so entsteht der Niederschlag, wie 
umstehende Daten beweisen, erst nach längerer Zeit (bei Ther- 
mostatentemperatur, 38°). 

Zu 5—5 ccm Caseinlösung, die durch Neutralisation einer 
a/o -NaOH bereitet wurde, gab ich: 1. 0,05 ccm einer 10°/,igen, 
2. 7°/ igen, 3. 5°/,igen, 4. 3°/,igen und 5. 0,5°/,igen Papa- 
yotinlösung. Bei 1. entstand sofort ein Niederschlag, die 
übrigen blieben klar. Beim Erwärmen auf 38° entstand 
jedoch in 2. nach 2 Minuten ein Niederschlag. In den übrigen 
Lösungen erschien der Niederschlag beim Erwärmen auf 38° in 
3. nach 6 Minuten, in 4. nach 30 Minuten und in 5. nach 
2 Stunden. Auf diese Erscheinung werde ich noch zurück- 
kommen. Wenn ich die 5°/,ige Papayotinlösung !/, Stunde 
lang kochte, so verhielt sich diese Lösung ganz wie die unauf- 
gekochte. 


i) Pankreatin- und Chymosinkomplexe. 


Diese Enzyme bilden mit Caseinsäure komplexe Körper. 
Das Pankreatin, das ich benutzte, war die Lösung des pulve- 
risierten Merckschen Präparates. Als Chymosin fungierte der 
Mercksche Liquor oder das Serum lactis parandum und Lab- 
enzym. Wenn wir diese sauer reagierenden Lösungen zu einer salz- 
sauren Caseinlösung hinzufügen, so entsteht sofort ein starker, 
flockiger Niederschlag, in dem nach Filtration und Waschen 


192 Н. Rohonyi: 


Enzym wie Casein nachweisbar sind. Dieser Niederschlag ent- 
steht auch, wenn wir die Enzymlösungen durch Kochen inak- 
tiviert haben; folglich ist die Bildung des Niederschlages eine 
von der Milchgerinnung unabhängige Erscheinung. 


Allgemeine Bemerkungen. 


Reaktionen der Kolloide mit anderen Kolloiden sind oft 
beobachtete und genügend bekannte Erscheinungen der Kolloid- 
chemie. In solchen Reaktionen der Suspensionskolloide 
spielen bekanntlich ihre elektrischen Eigenschaften die Haupt- 
rolle?); in entsprechender Menge zusammengebracht, werden 
gie gegenseitig koaguliertt, wenn sie entgegengesetzte elek- 
trische Ladungen haben. Die gegenseitige Ausflockung ist aber 
nur dann eine totale, wenn ganz bestimmte gegenseitige Mengen- 
verhältnisse eingehalten werden; ist diese optimale Konzen- 
tration überschritten, entsteht kein Niederschlag, oder es wird 
der schon gebildete Niederschlag aufgelöst?). Bei den hydro- 
phylen Kolloiden bestimmt deren Ladung in viel geringerem 
Maße das Eintreffen oder Ausbleiben einer Ausflockung; auch 
sind diese elektrischen Ladungen viel weniger eindeutig®). Hin- 
gegen findet sich eine Anzahl von Reaktionseigentümlichkeiten, 
die die Einreihung dieser Reaktionen (beispielsweise der Im- 
munkörperreaktionen) unter die Adsorptionsvorgänge begün- 
stigen (Höber, Michaelis usw.). 

Wir wollen in diesem Sinne die erwähnten Enzym-Ei- 
weißkomplexe als Adsorptionsreaktionen auffassen. Chemische 
und Adsorptionsvorgänge voneinander durch Verfolgen der 
quantitativen Verhältnisse des Prozesses zu unterscheiden, stößt 
im allgemeinen auf große Schwierigkeiten, außerdem waren 
unsere Versuche noch besonders ungeeignet zur Prüfung dieser 
Frage. So kann die Menge des Niederschlages — dessen 
Trockensubstanz, N- usw. Gehalt uns zur Bestimmung der Ad- 
sorptionisotherme als Grundlage hätte dienen können —, keines- 
falls als Maßstab der Menge der entstandenen Adsorptions- 
verbindung dienen. Der Niederschlag kann auch bloß ein Teil 
der entstandenen Adsorptionsverbindung sein, deren Menge von 


1) Linder und Picton, Journ. of Chem. Soc. 71, 572, 1897. 
з) Biltz, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 37, 1095, 1904. 
з) Bechhold, Münch. med. Wochenschr. 1907, Nr. 89. 


Kolloidohemische Kiweißstudien. 193 


der H-Ionen- und Salzkonzentration der Lösung, sowie von 
der verhältnismäßigen Menge der Komponenten abhängig ist; 
der andere Teil kann gelöst bleiben. Es ist sehr wohl mög- 
lich, daß die Komplexbildung und die Ausflockung auch nicht 
gemeinsame Bedingungen haben; infolgedessen besagt die Ent- 
stehung resp. das Verschwinden des Niederschlages in der En- 
zym-Eiweißlösung nur soviel, daß die Verbindung oder ein Teil 
davon in einem Falle unlöslich wurde, im anderen Falle sich 
auflöste. 

Was den zeitlichen Verlauf dieser Reaktionen anbetrifft, 
geht die Niederschlagsbildung, wie Adsorptionsprozesse im all- 
gemeinen, in sehr kurzer Zeit, momentan vor sich. Wenn wir 
auch in manchen Fällen, wie z. B. bei dem Komplexe Natrium- 
caseinat-Papayotin beobachten können, daß sich der Nieder- 
schlag erst nach längerer Zeit oder nur beim Erwärmen 
bildet, во besagt das noch nicht, daß die Reaktion auch an 
diese Bedingungen gebunden ist. Viel eher ist es wahrschein- 
lich, daß der Komplex auch in diesem Falle momentan ent- 
steht, und nur der Übergang aus dem gelösten in den unlös- 
lichen Zustand erfordert längere Zeit und erhöhte Tempe- 
ratur. Das will ich deshalb betonen, weil man — wie 
wir es in dem Folgenden sehen werden — manche 
Enzymniederschläge als Produkte der Enzymwirkung 
aufgefaßt hat, einzig aus dem Grunde, weil sie in 
längerer Zeit bei Brutofentemperatur entstanden sind. 

Es ist leicht, sich davon zu überzeugen, daß diese Re- 
aktionen reversibel sind. Zu diesem Zwecke ist z. В. der 
Chymosin-Caseinkomplex gut geeignet. Wenn wir diesen Nieder- 
schlag mehrmals nacheinander in verdünnter Salzsäure lösen 
und nach dem Neutralisieren wieder ausfällen, so bemerken wir, 
daß der Gehalt des in einer bestimmten Menge Salzsäure ge- 
lösten Komplexes an Chymosin immer geringer wird. Der ur- 
sprüngliche Niederschlag, in 50 ccm "/ ‚Salzsäure gelöst, ent- 
hielt in einem Versuche so viel Chymosin, daß 1 ccm der 
Lösung 10 ccm Milch bei 38° in einer Minute zum Gerinnen 
brachten. Nach der zweiten und dritten Neutralisation und 
Auflösung waren hierzu 2 resp. 6 Minuten erforderlich. 

Wie wir gesehen haben, beeinträchtigt die thermische In- 
aktivierung der untersuchten Enzyme die Bildung der Nieder- 


194 Н. Rohonyi: 


schläge gar nicht. Das heißt, wenn wir an der Auffassung 
der Komplexe als Adsorptionsverbindungen festhalten — soviel, 
daß die Adsorption des Enzyms an das Substrat und 
die Wirkung des Enzyms zwei voneinander getrennte 
Vorgänge sind, eine Beziehung, die schon mehrmals 
vermutet wurde, ohne daß dafür genügende experi- 
mentelle Belege erbracht worden віпаӣ!). 


П. Über das Paranuclein. 


1. 

Wenn wir die Lösung eines Nucleoalbumins (Casein, Vitellin) 
der Pepsinwirkung aussetzen, so können wir im Verlaufe von 
2 bis 24 Stunden das Entstehen eines weißen, flockigen oder 
gelatinösen Niederschlages beobachten. Der Niederschlag ist 
in destilliertem Wasser und in verdünnten schwachen Säuren 
unlöslich, in verdünnten Laugen hingegen löst er sich, um 
beim Neutralisieren der Lösung wieder auszufallen, wobei er 
jedoch in einem starken Säureüberschuß löslich ist. Die Xantho- 
protein-, Millonsche, Adamkiewitzsche und die Biuret-Reaktion 
gibt er ganz so wie die Eiweißkörper. Sein P-Gehalt variiert 
zwischen 0,88 bis 6,86°/,?). Diese Variationen beruhen nicht 
bloß darauf, daß verschiedene Autoren verschiedene Eiweiß- 
(Casein-)Präparate und verschiedene Methoden zur Bestim- 
mung des P-Gehaltes benutzt haben, sondern es fanden sich 
bedeutende Unterschiede, je nachdem der P-Gehalt in dem 
am Anfang oder am Ende der Verdauung vorhandenen Nieder- 
schlage bestimmt wird. 

Dieser Körper wurde Paranuclein genannt und allge- 
mein als einheitlicher Körper, als erstes und noch eiweißartiges 
Spaltprodukt des Caseins betrachtet. Robertson unterscheidet 
zumindestens zwei Paranucleine, und der Niederschlag soll aus 


1) W. M. Bayliss (Arch. de Soc. Biol. St. Petersburg 2, 261, 1905, 
zit. bei Robertson, 1. с. 410) z. В. gelangte zu ähnlichen Schlüssen 
durch die Beobachtung, daß die durch Erhitzen inaktivierte Lösung des 
Pepsins die Leitfähigkeit einer Caseinlösung vermindert. Bayliss er- 
klärte dies damit, daß die Inaktivierung bloß die „zymophore“ (ver- 
dauende) Gruppe des Pepsins zerstört, dagegen die „haptophore“ Gruppe, 
durch die sie sich an das Proteinmolekül anschließt, unverändert läßt. 

1) Robertson, Die physik. Chemie d. Proteine. Dresden, Th. Stein- 
kopf. 1912. S. 392. 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 195 


dem Gemenge dieser Körper in wechselnden Verhältnissen be- 
stehen: im Verlaufe der Hydrolyse soll zunächst ein Körper 
von hohem P-Gehalt іп Form einer unlöslichen Verbindung 
sich aus dem Casein abspalten, sodann soll sich aus dieser 
Verbindung eine P-haltige Gruppe abscheiden und in Lösung 
gehen, so daß der zurückbleibende Körper schon weniger P 
enthält. Wie ich im ersten Teile dieser Arbeit 8. 187 er- 
wähnte, verursacht das zu einer sauren Lösung des Caseins zu- 
gefügte Pepein unter gewissen Umständen sofort die Bildung 
eines Niederschlages. Zur sofortigen Bildung дев Niederschlages 
ist ев vor allem nötig, daß eine zureichende Menge Pepsin zu- 
gegen sei. Wenn wir weniger hinzufügen, so bleibt die Lösung 
vorläufig ganz klar und der Niederschlag bildet sich erst in 
längerer Zeit, und zwar bei erhöhter Temperatur schneller als 
bei gewöhnlicher. Das zeigt uns folgende Versuchsreihe: 

Zu je 20 ccm einer 1°/,igen sauren Caseinlösung gab ich 
wechselnde Mengen einer 2°/,igen Pepsinlösung und brachte 
durch Verdünnen mit destilliertem Wasser jede Lösung auf 
25 com. Dann setzte ich je die Hälfte der Lösung auf 
24 Stunden in den Thermostaten (38°), während ich die andere 
Hälfte bei gewöhnlicher Temperatur stehen ließ und von Zeit 
zu Zeit beobachtete, ob sich in beiden ein Niederschlag ge- 
bildet hat. 


Tabelle I. 


Menge der 
2°/,igen Pepsin- 
lösung in 25 ccm 


Zeit des Erscheinens des Niederschlages 





beigewöhnlicher Temperatur bei 38° 


1 sofort sofort 

2 nach 3 Stunden 4, Stunde 
3 n 

4 3 Stunden 
5 5 n 

6 10 n 

7 20 e 


Wie wir sehen, ist die Zeit des Erscheinens des Nieder- 
schlages von der Menge des Pepsins abhängig; ist diese zu- 
reichend, so entsteht auch bei gewöhnlicher Temperatur sofort 
ein Niederschlag. Es ist klar, daß dieser sofort erscheinende 


Niederschlag von niemanden als ein Produkt der Pepsinwirkung 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 14 


196 Н. Rohonyi: 


betrachtet werden wird; dafür ist aber der їп den weniger 
Pepsin enthaltenden Lösungen nach längerer Zeit bei er- 
höhter Temperatur entstehende Niederschlag unzweifelhaft der 
Körper, den man unter dem Namen Paranuclein beschrieben 
hat. In ihren äußeren Eigenschaften, Löslichkeitsverhält- 
nissen und in ihrem Verhalten gegen Eiweißreagenzien be- 
kunden die zu verschiedenen Zeiten entstandenen Niederschläge 
ganz dasselbe Verhalten. Nach den im I. Abschnitte be- 
schriebenen Versuchen konnte ich annehmen, daß dieser Nieder- 
schlag ein Pepsin-Caseinkomplex ist. Dafür sprach folgende 
Erfahrung. Zunächst läßt sich dieses „Paranuclein“ auch 
mit inaktiviertem Pepsin erzeugen. Als ich eine der in Tabelle I 
angeführten Versuchsreihe ganz analoge Reihe mit inaktivier- 
tem Pepsin ausführte, fand ich, daß sich in den Lösungen 1 
und 2 sofort resp. nach einer Stunde ein Niederschlag bildete. 
In den übrigen entstand aber selbst nach längerem Stehen bei 
38° keine Veränderung. Daraus folgt, daß die Bildung der 
Niederschläge in den Lösungen 3 bis 7 bei 38° der ersten 
Versuchsreihe an die Pepsinwirkung gebunden ist. Diese kann 
darin bestehen, daß sich aus dem Casein ein unlöslicher Körper 
von der Natur der Eiweißstoffe abspaltet, — so wie das all- 
gemein behauptet wird. Indessen kann diese Wirkung auch 
darin bestehen, daß sich aus dem Casein durch Einwirkung 
des Pepsins ein lösbarer Körper von der Art der Caseosen ab- 
spaltet, die sich dann mit dem gleichfalls löslichen Casein unter 
den Versuchsbedingungen zu einem unlöslichen Pepsin-Casein- 
Caseose-Komplex vereinigt. Wenn dem so ist, ist die Ana- 
logie des Niederschlages mit dem Casein-Pepsinniederschlag 
verständlich, desgleichen auch, warum sich in den wenig in- 
aktives Pepsin enthaltenden Caseinlösungen kein Niederschlag 
bildet, da ja in diesen natürlich keine Caseosen erscheinen 
können. 

Im Sinne dieser Annahme wäre das Paranuclein nichts 
anderes, als ein Casein-Pepsin-Caseose-Komplex, in dem 
die Menge der einzelnen Bestandteile in weiten Grenzen 
variieren kann. Wenn wir eine genügende Menge aktives 
Pepsin zur Caseinlösung hinzufügen, so besteht der sich sofort 
oder in kurzer Zeit bildende Niederschlag ausschließlich aus 
Casein und Pepsin, wie wir das oben bewiesen haben. Falls 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 197 


wenig aktives Pepsin zugegen ist, wird der Niederschlag erst 
später erscheinen, wenn schon unter der Einwirkung des 
Pepsins eine genügende Menge von Caseose abgespalten wurde. 
Zum Schluß löst sich der ganze Niederschlag auf, wenn näm- 
lich das ganze Casein hydrolisiert worden war, weil das Рервіп 
die Caseosen nicht niederzuschlagen vermag. Wenn die Casein- 
hydrolyse durch Säure und nicht durch Pepsin bewirkt wird, 
so scheidet sich — wie wir wissen — auch ein Paranuclein- 
niederschlag ab; dieser besteht in diesem Falle aus Casein und 
Савеове. 

Daß sich unter den hydrolytischen Spaltprodukten des 
Caseins wirklich ein Körper befindet, der das Casein aus seiner 
sauren Lösung auszufällen vermag, davon können wir uns 
überzeugen, indem wir die Produkte einer vollständigen 
Pepsin-, Trypsin-, Papayotin-, Säure- oder Lauge- 
hydrolyse des Caseins in schwach saurer Lösung zu einer 
sauren Caseinlösung geben. In diesem Falle entsteht immer 
sofort ein starker flockiger Niederschlag, der sich vollkommen 
wie die „Paranuclein“-Niederschläge verhält. Dieser Körper 
erscheint folglich bei sämtlichen Caseinhydrolysen. Der Grund 
dafür, daß der Paranucleinniederschlag nur bei der Pepsin-, 
Papayotin- sowie der Säurehydrolyse beobachtet wurde, ist 
der, daß diese Hydrolysen in saurer Lösung vor sich gehen, 
was die Bedingung der Ausscheidung des Komplexes ist. Die 
Trypsin-Caseinhydrolyse dagegen ist immer eine Natrium- 
caseinathydrolyse in alkalischer oder neutraler Lösung; in dieser 
kann die entstehende Caseose das Casein nicht ausfällen. 

Im Verlaufe der Hydrolyse des Caseins entsteht also ein 
Körper, der das noch unzersetzte Casein zu koagulieren vermag. 
Zur Prüfung der Richtigkeit meiner Auffassung über Entstehung 
und Zusammensetzung der „Paranuclein“-Niederschläge müßten 
diese in ihre von mir angenommenen Bestandteile zerlegt, diese 
identifiziert und möglichst genau quantitativ bestimmt werden. 
Das ist aber bei diesen Adsorptionsverbindungen von wechseln- 
der Zusammensetzung nur zum Teil möglich. Ich mußte 
mich damit begnügen, daß ich im Niederschlage Casein (nach 
Auflösen in Salzsäure durch Neutralisation fällbar) und Caseose 
(durch Neutralisation nicht fällbar, Biuretreaktion gebend) nach- 
wies und den P-Gehalt bestimmte, um ihn mit dem P-Gehalte 

14° 


198 H. Rohonyi: 


des verwendeten Caseins zu vergleichen. Ich bestimmte 1. den 
P-Gehalt des von mir benutzten Caseinpräparates, 2. den 
P-Gehalt des während der Pepsin-Hydrolyse des Caseins ent- 
stehenden Niederschlag, und 3. den P-Gehalt eines bei dem 
Hinzufügen einer Caseoselösung zu der Caseinlösung sofort aus- 
fallenden Casein-Caseosekomplexes. 

1. Ich neutralisierte mit Hilfe der Schüttelmaschine eine 
a/o- NaOH-Lösung mit Casein. Dann fällte ich das Casein mit 
Essigsäure, wusch es nach der Filtration mit Wasser und AL 
kohol-Äther gut aus und trocknete es über konz. H,SO,. Nach 
der Neumannschen Methode verascht, enthält es (in 1,349 g 
und in 0,804 g) im Mittel 1,70°/, P,O,. Ein anderer, gerade 
во behandelter Niederschlag enthielt 1,64°/, Р,0,. 

2. Zu 600 ccm saurer Caseinlösung, die durch Neutralisieren 
von 50 сот */,„ NaOH mit Casein und Hinzufügen einer zum 
Lösen des Niederschlag genügenden Menge von Salzsäure 
bereitet wurde, gab ich 6ccm einer 15°/,igen Lösung von 
Mercks Pepsin. 38° Thermostat, Toluol, in 15 Stunden viel 
weißer Niederschlag, „Paranuclein“. Dieser wurde abfiltriert, 
in Lauge gelöst, mit Essigsäure ausgefällt, zum Schlusse mit 
Alkohol-Äther gewaschen, über konz. H,SO, getrocknet. P-Gehalt 
(in 0,528 g und in 0,806 р) 2,1°/, Р,О,. 

3. a) Eine saure Caseinlösung, ganz so bereitet wie in 2. 
Bei Verdünnen und Hinzufügen von Säure unverändert. 

b) Caseoselösung: Ich neutralisierte ®/„„-Тапде mit Casein 
(1800 ccm), fügte 3 g in wenig Wasser gelöstes Pepsin zu. 
Thermostat von 38°, Toluol. Nach 10 Tagen — ich fügte 
noch zweimal је 2 g Pepsin zu — kochte ich die trübe Lösung 
auf und filtrierte. Ich erhielt eine sauer reagierende, schwach 
gelbe Lösung, die sich beim Verdünnen, Neutralisieren usw. 
nicht verändert [Lösung b)). 

Zu 500 ccm der Lösung a) gab ich 100 ccm dieser Lösung Б); 
sofort starker caseinähnlicher Niederschlag. Im Filtrat entsteht 
beim Neutralisieren kein Niederschlag, zum Zeichen, daß das 
Casein quantitativ im Niederschlag vorhanden ist. Der Nieder- 
schlag wurde wie die früheren behandelt. P-Gehalt (in 1,030 g 
und in 0,999 р) 2,2°/, Р,О,. Parallele Analysen ergaben 2,1], 
und 1,99°/, P,O,- 

Wenn wir auch wenig Gewicht auf die gute Überein- 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 199 


stimmung in dem P-Gehalt des Casein-Caseosekomplexes mit 
dem des „Paranucleins“ legen, so ist es doch zweifellos, daß 
der P-Gehalt des untersuchten Komplexes größer ist als der 
des Савеіпв. Der gefundene P-Gehalt entspricht dann voll- 
kommen der Annahme, daß der in meinen Versuchen ent- 
standene Niederschlag einem „Paranuclein“ entspricht und ander- 
seits wohl ein Casein-Caseosekomplex sein kann. 

Ich muß noch erwähnen, daß die Bildung dieses Kom- 
plexes ganz spezifisch ist, d. h. daß das Casein nur mit Caseosen, 
aber weder mit den Albumosen des Witte-Peptons (Fibrin- 
albumosen), noch mit den (peptischen) Spaltungsprodukten des 
Ovalbumins in dieser Weise reagiert. 


2. 


Die Paranucleinsynthese Robertsons. 

Die grundverschiedene Auffassung T. B. Robertsons über 
die Bildung des Paranucleins erfordert bei der großen Wichtig- 
keit der sehr interessanten und außerordentlich sorgfältigen 
Untersuchungen dieses Autors eine eingehendere experimentell- 
kritische Besprechung seiner Resultate. 


Т. B. Robertson fand, als er zu den peptischen Hydrolyse- 
produkten des Caseins so viel konzentrierte (ungefähr 15°/,) Gruebler- 
sche Pepsinlösung gab, bis das so entstandene Gemisch wenigstens 1,5°], 
Pepsin enthielt, daß in dieser Mischung nach 24 Stunden bei 36° ein 
voluminöser, schwerer Niederschlag entstand, der sich durch die Analyse als 
Paranuclein A erwies. Robertson faßte diese Erscheinung als enzy- 
matische Synthese des Eiweißes auf. Seiner Meinung nach ist nämlich 
das Paranuclein eins der primären und noch eiweißartigen Spaltungs- 
produkte des Caseins; wenn also dieser Körper in der Lösung der Caseosen 
durch Einwirkung des Pepsins auftrittt, so mußte sich dort eine Synthese 
abgespielt haben. 

Nach Robertson müssen die Caseosen dazu in konzentrierter 
Lösung vorhanden sein, denn bei Zimmertemperatur oder bei 36° wäre 
das Reaktionsgleichgewicht Paranuclein „> Caseosen stark nach links 
verschoben. Da aber die Reaktion nach der rechten Seite hin endo- 
thermisch ist, so wäre nach Robertson zu erwarten, daß sie bei höherer 
Temperatur auch bei niedrigerer Caseosekonzentration nach links zu ver- 
läuft. In der Tat fand auch Robertson, daß bei 65° in der ungefähr 
3°, igen Lösung der Caseosen bei einem 0,75°/,igen Pepsingehalt in 
24 Stunden ein Niederschlag entsteht, der in allen seinen Eigenschaften 
(such in seinem P-Gehalt) dem Körper gleichkommt, der in der kon- 
zentrierten Lösung bei 36° entsteht, und so auch dem Paranuclein A. 

Den Umstand, daß Pepsin bei 65° nicht hydrolytisch wirkt, sondern 


200 H. Rohonyi: 


im Gegenteil rasch inaktiviert wird, erklärt Robertson damit, daß 
„das aktive Agens bei der Reversion mit dem aktiven Agens der Hydro- 
lyse nicht identisch ist“. Die Erklärung dafür, daß das Enzym bei der 
Synthese in hoher Konzentration mitwirken muß, obschon die Hydrolyse 
auch bei geringer Enzymkonzentration stattfindet, gibt Robertson in 
folgendem: Bei der Hydrolyse besteht die Reaktion darin, daß das 
Ferment, das die Elemente des Wassers in irgendwelcher lockeren Ver- 
bindung enthält (НЕ, Е[ОН]), dieselben einem Eiweißradikale, —COHN—, 
übergibt, wodurch eine „entwässerte Form“ des Enzyms entsteht (FF); 
diese nimmt dann wiederholt die Elemente des Wassers auf, um sie so- 
fort einem neueren COHN-Radikale zu übergeben; dadurch wirkt es 
hydrolytisch. Die Synthese ist die Umkehrung des ganzen Prozesses. 
Nun überwiegt in der wenig konzentrierten Enzymlösung die mit Wasser 
verbundene Form des Enzyms; die konzentrierte Lösung verhält sich 
umgekehrt. 

Auf Grund des oben über die Zusammensetzung des „Para- 
nucleins* Gesagten dürfte der im Robertsonschen Experi- 
mente entstandene Niederschlag kein Paranuclein sein. Wenn wir 
aber die Reaktionsbedingungen etwas eingehender beobachten, 
wird der Gedanke nahegerückt, daß es sich hier vielleicht um 
keine Synthese, sondern um die Bildung und Fällung eines neuen 
Kolloidkomplexes handelt. Dafür spricht vor allem die Art 
und Weise, wie die Reaktion durch die Mengen Чев Рервіпв 
und der Caseosen beeinflußt wird. Solange sie nicht eine 
gewisse Konzentration erreichen, entsteht überhaupt kein Nieder- 
schlag, bei höherer Konzentration scheidet sich plötzlich ver- 
hältnismäßig viel „Paranuclein“ aus der Lösung ab: 


Robertsons Angaben!'): 


„Paranuclein A“ 
Pepsinmenge produziert am Ende 
in 100 сеш Lösung von 22 Stunden 





25 ccm von 10°/, 296 
20 „ ew 10% 210 
15 » » 10%, 162 
10 e п 10°), d 
5 л n 10% 0 


Für das Entstehen eines Kolloidkomplexes spricht u. a. 
auch der Umstand, daß die Reaktion bei 65° schneller und 
leichter (bei niedriger Konzentration) verläuft, also bei einer 
Temperatur, die die meisten Enzymwirkungen unmöglich macht. 


N) Robertson, l. с. S. 402. 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 201 


Daß aus Pepsin und Albumosen ein in Form eines Nieder- 
schlages darstellbarer Kolloidkomplex entstehen kann, das haben 
wir oben beschrieben. Dieser Niederschlag entsteht sofort, wenn 
Pepsin und Albumosen in geringer Konzentration anwesend 
sind. Man konnte deshalb denken, daß vielleicht in Robert- 
sons Versuchen der nämliche Körper entsteht, und seine lang- 
same Fällung nur durch die hohe Konzentration der Kom- 
ponenten, die große Viscosität der Lösung usw. bedingt ist. 

Um die Reaktion von diesem Gesichtspunkte aus zu unter- 
suchen, wiederholte ich vor allem Robertsons Experimente. 
Ich fand, daß mit Grueblers Pepsin, Robertsons Vor- 
schriften folgend, in der Caseoselösung ein Nieder- 
schlag entsteht, der die von ihm beschriebenen Eigen- 
schaften besitzt. Benutzte ich aber Mercks Pepsin, das 
ein reineres und in seiner Wirkung kaum schwächeres Präparat 
ist, so entstand kein „Paranuclein“, gleichviel welche Kon- 
zentrationen verwendet wurden, weder bei 36° noch bei 65°. 
Daraus wurde klar, daß die in Rede stehende Erscheinung 
nicht an die Pepsinwirkung, sondern an irgendwelche Eigen- 
tümlichkeit des Grueblerschen Pepsinpräparates gebunden ist. 
Dieses Präparat unterscheidet sich hauptsächlich dadurch vom 
anderen, daB es einen durch Hitze koagulierbaren Körper ent- 
hält. Erwärmt man eine konzentrierte (10°/ ige) Lösung dieses 
Pepsins zur Siedehitze, so entsteht darin sofort ein dichter 
Niederschlag; eine dünnere (1 bis 2°/ ige) Lösung wird bei 
90 bis 100° schwach opak. Löst man aber in einer Caseose- 
lösung — die beim Kochen unverändert bleibt — 10°/, bzw. 
1 bis 2°/, Pepsin, so wird in ersterem Falle die Menge des 
Niederschlages viel größer sein, und auch im zweiten Falle 
entsteht sofort ein bedeutender Niederschlag. Dies zeigt, daß 
die Gegenwart von Caseose das Ausfällen des im Pepsinpräparat 
enthaltenen eiweißartigen, koagulablen Körpers fördert. Löst 
man diesen Niederschlag — den Eiweiß-Caseosekomplex — 
nach vorherigem Filtrieren und Auswaschen in schwacher Lauge 
oder Säure, so gibt er dieselben Reaktionen wie das bei 65° 
während 22 Stunden entstandene „Paranuclein A“. Bei 65° 
entsteht in einer reinen 2°/ igen (Grueblerschen) Pepsinlösung 
kein Niederschlag, hingegen wird die Lösung in 1 bis 2 Stunden 
орак. Löst man aber Pepsin bis zu 2°/, in einer 3 bis 4°/ igen 


2023 H. Rohonyi: 


Caseoselösung, so entsteht darin bei 65° in 1 bis 2 Stunden ein 
Niederschlag (Paranuclein А). Nun muß man — bevor man 
das als eine enzymatische Synthese betrachtet — daran denken, 
ob es sich nicht um die eiweißkoagulierende Wirkung der 
Caseose handelt, ähnlich der bei 90 bis 100° gefundenen. Zwei 
Versuche sprechen entschieden dafür. Der eine ist der folgende: 

Man erwärmt den einen Teil von 50 ccm einer ca. A7, 
Caseose und 1,5°/, Grueblersches Pepsin enthaltenden Lösung 
zur Siedehitze: sofortiger starker Niederschlag. Den anderen Teil 
hält. man 24 Stunden bei 65°, worauf auch hier ein reichlicher 
Niederschlag entsteht. Wenn man nun die Lösung. filtriert 
und das Filtrat aufkocht, so bleibt es ganz klar. Das beweist, 
daß der durch Hitze koagulable Körper nicht mehr in der 
Lösung ist; er ist eben in dem Niederschlage, der durch Fil- 
trieren von der Lösung getrennt wurde. | 

Der andere Versuch geht von Robertsons Angabe aus, 
daß das synthetische Pepsinferment durch höhere Temperatur 
nicht zerstört wird; seine Wirkung ist ja bei 65° intensiver 
als bei 38°. Erhitzt man eine Pepsinlösung für 1 bis 2 Minuten 
auf 90 bis 100°, so dürfte dadurch seine Aktivität nicht ab- 
genommen haben. In der Tat erzeugt eine 2 bis 3°/ ige Pepsin- 
lösung — die durch solches Erhitzen opak geworden ist — in 
der Caseoselösung auch nachher einen Niederschlag. Wenn 
man aber eine konzentrierte (10 bis 15°/,ige) Pepsinlösung auf 
90 bis 100° erhitzt (es bildet sich darin ein starker Nieder- 
schlag), so erzeugt nunmehr die filtrierte Lösung bei keiner 
Temperatur und in keiner Konzentration einen Niederschlag 
in der Caseoselösung; es fehlt eben der dazu nötige koagulier- 
bare Eiweißkörper. 

Bezüglich des in der Caseoselösung bei 38° entstehenden 
Niederschlags kann man beide Versuche mit demselben Re- 
sultate wiederholen. Wir finden einerseits, daß in der vom 
im Laufe von 24 Stunden gebildeten Niederschlage abfiltrierten 
Lösung der koagulierbare Körper fehlt, anderseits, daß, wenn 
dieser aus der Pepsinlösung vorher entfernt wird, dieselbe in 
der konzentrierten Caseoselösung keinen Niederschlag zu er- 
zeugen vermag. | 

Allen diesen Tatsachen gegenüber dürfte dem Beweis 
Robertsons für die Identität des Niederschlags mit dem Para- 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 203 


nuclein A, nämlich daß der P-Gehalt beider Körper überein- 
stimmend 1,51°/, P,O, ist, keine Bedeutung zukommen. 

| Das „Paranuclein“ sowie der synthetische Körper sind 
Caseose-Eiweißkomplexe, deren P-Gehalt größtenteils dem in 
der Caseose enthaltenen P entstammt und übereinstimmen kann, 
wenn beide Komplexe ungefähr die gleiche relative Menge 
Caseose enthalten. 

Auf Grund all dessen können wir behaupten, daß der 
durch Einwirkung des Grueblerschen Pepsins in konzen- 
trierter Caseoselösung bei 38°, in einer dünneren Lö- 
sung bei 65° entstehende Niederschlag nicht das Pro- 
dukt einer enzymatischen Synthese ist, sondern ein 
aus Caseose und einem eiweißartigen Körper gebildeter 
Kolloidkomplex. Dieser eiweißartige Körper koaguliert bei 
100° sofort auch an und für sich, bei niedrigerer Temperatur 
nur in Gegenwart von Caseose und nach längerer Zeit; die 
Koagulation erfolgt um so rascher und bei um so niedrigerer 
Temperatur, je konzentrierter die Caseoselösung ist. 


HI. Über „Plasteine“. 


Im Jahre 1866 fand Danilewsky, daß Labferment in 
einer klaren Peptonlösung einen flockigen Niederschlag erzeugt. 

Kurujeff sah dasselbe mit Papayotin, andere mit Pankreasextrakt, 
nativem Magensaft und Autolysat von verschiedenen Organen. Die 
meisten faßten den entstandenen Niederschlag als Eiweiß, die ganze Er- 
scheinung als eine Synthese auf, andere (Levene, Oppenheimer, 
Robertson) hielten die Plasteine für Albumosen. Nach Robertson’) 
ist „Plasteinbildung keine Reversion von Proteinhydrolyse, wie einige 
Autoren annehmen möchten, sondern eher eine Koagulation infolge teil- 
weiser, durch die labgleiche Einwirkung von Fermenten auf gewisse 
Albumosen oder Peptide verursachter Hydrolyse, wobei die letzteren die 
Rolle spielen, die nach unserer bekannteren Erfahrung von Calcium- 
caseinat ausgeübt wird“. Nach Oppenheimer’) ist es möglich, daß es ` 
sich um gar keine Enzymwirkung, sondern um eine einfache Ausflockungs- 
erscheinung handelt. 


Die Art und Weise der Plasteinbildung, so wie sie von 
manchen Autoren beschrieben wird, hat manches, was für eine 
Ausflockungserscheinung, für die Bildung eines Enzym-Albu- 
mosekomplexes spricht. Einige neue Versuche, die ich zur 


1) Physik. Chem. d. Proteine 8. 398. 
9 Oppenheimer, Die Fermente 8. 281. 


204 Н. Rohonyi: 


Klärung dieser Frage angestellt habe, haben mich in dieser 
Anschauung bekräftigt. 

Die Reaktion besteht darin, daß in der sehr konzentrierten 
(20 bis 30°/ igen) Albumoselösung auf Einwirkung einer (meistens 
auch sehr konzentrierten) Enzymlösung bei 36° in einigen 
Stunden ein Niederschlag entsteht. Der Niederschlag ist ein 
albumoseartiger Körper, einige Reaktionen sprechen aber für 
einen zusammengesetzteren Körper als die Albumose. In Ab- 
schnitt I dieser Arbeit zeigte ich, daß das Pepsin und Papa- 
yotin die Albumose in wässeriger Lösung unter gewissen Um- 
ständen sofort, niederschlägt. Vielleicht ist das dieselbe Er- 
scheinung wie die Plasteinbildung, und ist die Notwendigkeit 
der längeren Zeit und höheren Temperatur durch die Kon- 
zentrations- (und die Viscosität betreffenden) Unterschiede bedingt. 

Als ich die Wirkung anderer Kolloide auf die Albumose- 
lösung untersuchte, fand ich, daß die Albumose durch die ver- 
schiedensten Kolloide leicht fällbar ist. Die Art und 
Weise der Niederschlagsbildung ist manchmal ganz die der 
Plasteinbildung; auch der Niederschlag entspricht in manchen 
seiner Eigenschaften den Plasteinen. 

Gibt man zu 20 ccm einer 25°/ igen Witte-Peptonlösung 
5 ccm 10fach verdünnten Liquor ferri oxyd. dialys., so entsteht 
sofort ein starker brauner Niederschlag. Gibt man zu der- 
selben Menge der Albumoselösung 5 ccm unverdünnten oder 
eine 100 fach verdünnte kolloide Eisenlösung, so ist äußerlich 
keine Änderung wahrzunehmen. — Der filtrierte und gut aus- 
gewaschene Niederschlag ist in destilliertem Wasser sowie in 
Salzlösungen unlösbar, löst sich aber sehr leicht in wässeriger 
Lauge, weniger leicht in einer wässerigen Salzsäurelösung; er 
enthält Eisen und Albumose. 

Geben wir zu 20 ccm einer 25°/ igen Witte-Peptonlösung 
(die durch Essigsäure schwach angesäuert wurde), 5 oom einer 
kolloidalen Kongoblaulösung?), so entsteht ein spärlicher, feiner, 


1) Die Kongolösung wurde folgendermaßen bereitet: Man löst 1 g 
Kongorot (Kahlbaum puriss.) in Wasser und fällt durch starke Salzsäure. 
Der Niederschlag wird filtriert und mit Wasser ausgewaschen, bis er sich 
zu lösen anfängt; dann wird er in einen Fischblasendialysator gebracht 
und tagelang gegen destilliertes Wasser dialysiert. Das filtrierte Dia- 
lysat ist eine tiefblaue, klare, kolloidale Lösung. 


— 5 Se 


Kolloidohemische Eiweißstudien. 205 


blauer Niederschlag (das in saurem Medium sich niederschla- 
gende Kongoblau). Erhitzen wir jetzt die Lösung auf 50 bis 
60°, so löst sich der Niederschlag mit roter Farbe, die ganze 
Lösung end rot und bleibt es auch nach dem Abkühlen. Bringen 
wir nun die Lösung so (oder mit Salzeäure schwach angesäuert) 
in einen 38°igen Thermostaten, so wird sie in einigen Stunden ` 
trübe und nach 15 bis 20 Stunden findet sich am Boden des 
Gefäßes in großer Menge ein roter Niederschlag. Der Nieder- 
schlag ist in destilliertem Wasser und schwacher Salzlösung 
unlösbar, löst sich leicht in schwacher Säure und Lauge. In 
der Lauge löst er sich mit roter Farbe, in der Säure in schönem 
violetten Tone, und wird nur dann blau, wenn man konzen- 
triertere Säure zusetzt, aber auch dann bleibt er in Lösung. 
Im Niederschlag sind Kongo und Albumose nachweisbar). 


Diese Versuche zeigen, daß man in einer konzentrier- 
ten Albumoselösung mit einempositiv geladenen (Ferri- 
hydroxyd) sowie mit einem negativ geladenen (Kongo- 


1) W. Bayliss fand (On adsorption as preliminary to chemical re- 
action. Proc. Roy. Soc. 84, 81, 1911), als er zu kolloidem Kongoblau 
kolloide Basen (Aluminiumhydroxyd usw.) gab, daß ein blauer Nieder- 
schlag entsteht, der filtriert und bei 38 bis 40° in Wasser suspendiert 
in einigen Stunden, bei höherer Temperatur sehr bald rot wird. Er hält 
den blauen Niederschlag für einen Kolloidkomplex, den roten gelösten 
Körper aber für ein Salz (Aluminium- usw. Salz) der Kongosäure. Ich 
fand, als ісЬ zur Lösung des Kongoblaus bei neutraler oder nicht sehr 
saurer Reaktion (bis sl, HOD hydrophile Kolloide (Witte-Peptonlösung, 
Ovalbumin, Pepsin) gab, daß der blaue Niederschlag bei 60 bis 70° sehr 
bald und auch bei 33 bis 40° in einigen Stunden rot wird. Auch scheidet 
sioh der größte Teil des roten Körpers, wie wir schon sahen, später aus 
der Lösung; offenbar handelt es sich um Komplexe des Kongos und der 
anderen Kolloide. Aus dem Farbenumschlag folgt also keineswegs, daß 
aus der Adsorptionsverbindung eine chemische Verbindung wird. Es 
scheint, daß in neutralem oder schwach saurem Medium sämtliche Kol- 
loidkomplexe des Kongoblaus rot sind; der Niederschlag ist anfangs des- 
wegen blau, weil die anwesenden Hydrogenionen das Kongo in Form 
der unlöslichen Kongosäure fällen, das Entstehen des Komplexes aber 
erst langsam erfolgt. Mit der Zeit (bei höherer Temperatur schneller) 
adsorbiert dann die Albumose die Kongosäure, und Lösung und Nieder- 
schlag färben sich rot. Die Kolloidkomplexze des Kongos färben also 
bei noch ausgesprochen saurer Reaktion die Lösung rot, und das ist der 
Grund, warum man in Gegenwart von Eiweiß usw. mit Kongotitration 
keine richtigen Resultate erhalten kann. 


206 Н. Коһопу:: 


blau) Kolloide gleich leicht einen Niederschlag er- 
zeugen kann. Diese Niederschläge geben die Reaktion der 
Albumose; sie sind in destilliertem Wasser sowie in schwachen 
Salzlösungen unlösbar, lösen sich leicht in schwacher Lauge 
und in einer etwas konzentrierteren Säurelösung, — gerade so 
wie die Plasteine. Sogar die Art des Entstehens des Nieder- 
schlages war (beim Kongo) der Plasteinbildung ganz ähnlich: 
die Lösung war, als ich sie in den Thermostaten stellte, ganz 
klar, die Bildung des Niederschlags nahm erst nach Stunden 
ihren Anfang. 

Wenn auch diese Analogien unsere Annahme sehr wahr- 
scheinlich machen, so sprechen doch einige andere Tatsachen 
dagegen. Vor allem, daß die Hitzekoagulierung das Pepsin 
auch seiner plasteinbildenden Fähigkeit beraubt, obzwar es da- 
durch, wie ich in dem vorangehenden Abschnitt zeigte, 
nicht seine Fähigkeit, die Albumosen aus ihren wässerigen 
Lösungen zu präcipitieren, verliert, Eine weitere Schwierig- 
keit, das „Plastein“ als einen Pepsin-Albumosenkomplex zu 
identifizieren und so den bindenden Beweis für die Richtig- 
keit meiner Annahme zu erbringen, liegt in der Bestimmung 
der Komponenten und in der Deutung der analytischen Daten. 
Allerdings im Kongo-Albumose- oder Ferrihydroxyd-Albumose- 
komplex ist die Gegenwart von Kongo bzw. Eisen schon durch 
die Farbe des Niederschlags erkenntlich, dagegen kann das 
im „Plastein“ event. vorhandene Enzym nur dann nachge- 
wiesen werden, wenn es in aktiver Form anwesend ist. Filtriert und 
wäscht man den durch die Einwirkung des Pepsins entstandenen 
Niederschlag so lange mit destilliertem Wasser, bis das Wasch- 
wasser noch die Albumosereaktion gibt, und löst dann den 
Niederschlag in Salzsäure, so kann man mittels gekochten Ei- 
weißes noch aktives Pepsin finden. Die Pepsinwirkung, die 
man so erhält, ist allerdings eine sehr schwache; die gekochten 
Eiweißstücke lösen sich nicht einmal in 24 Stunden vollständig 
auf, doch muß man bedenken, daß die vorhandene Albumose 
die Pepsinwirkung hemmt. Andererseits ist eine andere 
Deutung nicht auszuschließen: es ist möglich, daß dieser 
Niederschlag durch Enzymwirkung des Pepsins entsteht und 
daß das Pepsin erst sekundär während seiner Fällung aus der 
Lösung mitgerissen wird. Das Auswaschen mit destilliertem 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 207 


Wasser mag auch in diesem Falle zur vollständigen Entfernung 
des Enzyms nicht genügen. 

Löst man das Plastein in Salzsäure und fällt es wieder 
durch Neutralisation, so enthält dasselbe nach zweimaliger 
Wiederholung dieser Prozedur kein aktives Pepsin mehr. Da 
wir aber das gleiche auch bei der Reversibilität der Komplex- 
bildung fanden, so ist auch diese Tatsache nicht zur Ent- 
scheidung dieser Frage zu gebrauchen. 

Welche von beiden Deutungen die richtige ist, kann auch 
nicht durch die Bestimmung des Enzymgehaltes der Lösung 
vor und nach der Plasteinbildung leicht entschieden werden. 
Denn eobald der Plasteinniederschlag entsteht, kann ja durch 
nachträgliche Adsorption ein Teil des Enzyms aus der Lösung 
mitgerissen werden. Das Chymosin erzeugt, wenn es in ge- 
nügender Konzentration vorhanden ist, keinen Niederschlag in 
der Albumoselösung, sondern gelatiniert diese. Wir können 
so den Labgehalt einer noch halbwegs flüssigen Lösung mit 
dem der ursprünglichen Lösung vergleichen, wenn dieselben 
Mengen beider zu einer bestimmten Quantität Milch gegeben 
werden, und die Zeit bestimmt wird, die beide zur Gerinnung 
der Milch gebrauchen. Ich gebrauchte die Mercksche „Lab- 
essenz“ zu einem Teil in der ursprünglichen Konzentration (L), 
zu einem anderen Teil — bei Zimmertemperatur auf den 
fünften Teil ihres Volumens eingedampft — in fünffacher 
Konzentration (5 L) Ich säuerte die 25°/ ige Witte-Pepton- 
Lösung mit Essigsäure an. 

1. 10 ccm Witte-Pepton-Lösung + 0,20 ccm L 


2. 10 n ” n +2,00 » L 
3. 10 » n n +0,20 e 51 
4. 10 » м n +1,00 e 51 


Nach Mischen und Durchschütteln fand ich, daß je 
0,5 ccm der einzelnen Lösungen bei 40° 10 ccm ungekochte 
Milch in folgender Zeit zur vollständigen Gerinnung brachten 
(во daß es nicht möglich war, die Eprouvette umzukehren): 

1. 21 Minuten, 

2. 2 D 

3. 1 Minute 55 Sekunden, 
4. 30 Sekunden. 


208 Н. Rohonyi: 


Danach stellte ich die Lösungen in einen 38°igen Ther- 
mostaten. Nach 20 Stunden war Lösung 1 unverändert, Lösung 2 
trüb, dickflüssig, Lösung 3 trüb, dickflüssig, Lösung 4 trüb, 
vollständig gelatiniert, verflüssigt sich jedoch beim Schütteln. 
Bei mit den vorigen vollständig identischen Bedingungen waren 
die zur Gerinnung der Milch nötigen Zeiten wie folgt: 

1. 20 Minuten, 

2. 3 n 10 Sekunden, 
3. 2 ” 5 я 

4. 0 э 55 э 


Aus diesen Daten ist ersichtlich, daß, wenn das Lab- 
enzym in solcher Konzentration in der Albumoselösung an- 
wesend ist, es zu keiner Plasteinbildung kommt und seine wirk- 
same Masse bei 38° in 20 Minuten im großen und ganzen un- 
verändert ist; verläuft aber eine Plasteinbildung in der Lösung, 
so verschwindet ungefähr die Hälfte. 

Dieser Versuch scheint wieder dafür zu sprechen, daß das 
Plastein ein Enzym-Albumosekomplex ist. Der Einwand ist 
aber auch hier am Platze, daß das auf Wirkung des Labes in 
der Lösung entstandene Gel das Lab nachträglich adsorbicrt hat. 

Wenn es uns nach allem wegen der methodischen Schwierig- 
keiten nicht gelungen ist, die Richtigkeit unserer Behauptung 
bez. der Plasteine über alle Zweifel zu stellen, so haben wir 
wenigstens die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß man, wenn 
man mit konzentrierten Enzymlösungen arbeitet, mit den 
kolloiden Eigenschaften der Enzyme als kolloide Körper immer 
rechnen тиў. 


Zusammenfassung. 

1. Die Lösungen proteolytischer Enzyme besitzen die 
Eigenschaft, in gewissen Eiweiß- und Albumoselösungen unter 
gewissen Bedingungen einen Niederschlag zu erzeugen, der als 
eine komplexe Verbindung von Enzym und Eiweiß betrachtet 
wird. Es werden mehrere solche Reaktionen beschrieben und 
die Bedingungen ihres Zustandekommens ermittelt. 

2. Diese Reaktionen verlaufen auch nach Inaktivierung 
des Enzyms in der gleichen Weise. 

3. Die durch Leitfähigkeitsmessungen gewonnene Säure- 
bindungskurve einer Eiweißlösung erfährt in ihrer Stetigkeit 


Kolloidchemische Eiweißstudien. 209 


keinerlei Unterbrechung, wenn inzwischen in der Lösung ein 
Eiweißniederschlag entsteht, oder der gebildete Niederschlag 
gelöst wird. Die Säurebindung hängt also bloß von der absoluten 
Menge des Eiweißes ab, nicht aber von dessen Oberfläche. 

4. Vom Paranuclein wird gezeigt, daß letzteres kein 
hydrolytisches Produkt, sondern ein Casein - Caseose- Komplex 
darstellt. 

5. Von dem Paranuclein А (Т. В. Robertsons) wird er- 
wiesen, daß dieses eine komplexe Verbindung von einer Caseose 
und einem im Grüblerschen Pepsin enthaltenen eiweißartigen 
Körper ist. 

6. Es wird wahrscheinlich gemacht, daß die sog. „Pla- 
steine“ komplexe Albumose-Enzym-Verbindungen darstellen. 


Ringfiguren in der gefrorenen Gelatine. 
Von 
H. Rohonyi. 
Aus dem Physiologisch-ohemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: Fr. Tangl.) 
(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 
Mit 1 Tafel. 


Ambronn war der erste, der beim Gefrieren einer dünnen, 
auf eine Glasplatte gegossenen Gelatineschicht das Erscheinen 
schöner Eisblumen von veränderlicher Form beobachtete. Diese 
Erscheinung wurde später eingehender von Molisch!) unter- 
sucht, der für sie die Erklärung gab, daß von den ausfrierenden 
Eiskrystallen die Gelatine zur Seite gedrängt wird und so die 
mannigfaltigen Formen zustande kämen. Liesegang, von dem 
mehrere Aufsätze über diese Erscheinung herrühren, stellt sich 
dieselbe als Ergebnis folgender Prozesse vor?): „An einer Stelle 
bildet sich ein kleiner Eiskrystall. Er hat die Tendenz sich 
zu vergrößern und zieht Wasser aus der Umgebung an sich. 
Dabei wird die benachbarte Gelatine entwässert. Es bildet sich 
also in der Umgebung des Krystalls eine wasserfreie oder 
wasserarme Gelatinelage, und diese hindert die weitere Wasser- 
zufuhr und stört das normale Weiterwachsen des Krystalls. 
Setzt ein plötzlicher sehr starker Frost ein, so bilden sich un- 
zählige Krystallisationszentren, von denen jedes außerordentlich 
klein bleibt und von denen jedes mit einer vollkommen ge- 
schlossenen Hülle von trockener Gelatine umgeben ist. Веі 


1) Untersuchungen über das Erfrieren der Pflanzen. Jena 1891. 

*) Über die Formung der Gelatine durch Salzniederschläge und 
Krystalle. Kolloid-Zeitschr. 1, 364. Dort auch: Formung von Gelen duroh 
Krystalle. Deformation von Gallerten durch Gefrieren. 


Biochemische Zeitschrift Band 53. Tafel I. 





Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. 


Rohonvi. Verlag von Julius Springer in Berlin. 


Н. Rohonyi: Ringfiguren in gefrorener Gelatine. 211 


langsamerem Gefrieren ist die Hüllenbildung nicht an allen 
Stellen so vollkommen, sondern der Krystall hat noch Gelegen- 
heit, nach der einen oder anderen Richtung weiter zu wachsen...“ 

Ich möchte hier über eine besondere, unter Einhaltung 
einer gewissen Versuchsanordnung jedesmal herstellbare Form 
dieser Gelatineeisblumen berichten, die dadurch, daß sie einer 
anderen bekannten Erscheinung bei der Gelatine unverkennbar 
analog ist, über den Mechanismus jener Erscheinung weit be- 
stimmtere Annahmen gestattet. 

Ich machte die Beobachtung, daB man an Stelle schöner 
zweig-, flechten- oder dendritenartiger Gebilde meistens aus kon- 
zentrischen Ringen bestehende Formen erhält, wenn man den 
Versuch auf folgende Weise anstellt: Ein Reagensglas wird mit 
einer 2 bis 5°/ igen Gelatinelösung (käuflicher Gelatine) gefüllt, 
hierauf umgekehrt und der Inhalt so weit ausgegossen, daß nur 
auf der Wand eine dünne Schicht zurückbleibt. Hierauf wird 
der Zylinder in eine — 8° bis — 10°ige Kältemischung gestellt 
und 1 bis 2 Minuten darin gehalten, indem man ihn inzwischen 
einige Male auf eine Sekunde heraushebt, um das Gefrieren 
konstatieren zu können. Sobald es eingetreten ist, ist es rat- 
sam, das Glas in ein 1° bis 2°iges Bad zu stellen, aus dem 
man es dann — indem es nach einiger Zeit wieder für ein 
paar Minuten eingetaucht wird — zeitweilig herausheben und 
die Erscheinung so ohne die Gefahr des Verschwindens beob- 
achten kann. (In der ursprünglichen Kältemischung verschwin- 
det oft die Zeichnung schon nach wenigen Minuten, da die 
Gelatineschicht nach einiger Zeit gänzlich gefriert, bei Zimmer- 
temperatur aber durch das Schmelzen der Gelatine das Bild 
ebenfalls verwischt wird) Wie aus beistehenden Figuren er- 
sichtlich, wird die Wand des Zylinders durch ein System kon- 
zentrischer Ringe bedeckt, solcherart, daß ein Zentrum von 
einer Schar einander regelmäßig folgender dunkler und heller 
Ringe umgeben ist, die nach außen an Breite immer zunehmen. 
Die Ringe haben an verschiedenen Präparaten eine verschiedene 
Dicke. Die hellen Ringe werden, wie schon mit bloem Auge 
zu erkennen ist, von feinen nadelförmigen Eiskrystallen ge- 
bildet, die mit ihrer Längsachse parallel den Radien der Ringe 
stehen. Die dunkleren bestehen aus der erstarrten, durch Aus- 


frieren von Eis konzentrierter gewordenen Gelatinelösung. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 15 


212 Н. Воһолу:: 


Ich konnte ferner feststellen, daß die Erscheinung am 
sichersten hervorgerufen wird, wenn die Gelatinelösung auf 
irgendeine Art (z.B. durch Erwärmen oder Kochen !/, bis 1 Stunde 
lang mit Säure, oder '/,stündige Einwirkung von Trypsin) hydro- 
lysiert wird. Die beiden ersten Figuren wurden aus einer 
2,5°/ Leen, 1 Stunde lang in einem Wasserbade von 80° ge- 
haltenen Gelatinelösung gewonnen (Fig. 1 und 2). Die dritte 
(Fig. 3) entstand aus einer 5°/ igen Lösung, die 1 Stunde bei 
38° mit Trypsin behandelt wurde und bei einer Temperatur 
von + 1° bis 2° erstarrt ist. Es scheint auch, daß die Dicke 
der Ringe vom Grad der hydrolytischen Spaltung (von der 
Konzentration der Gelatosen) abhängt und mit zunehmender 
Spaltung abnimmt. | 

Schon die Form von Ringen, noch mehr aber die Be- 
dingungen ihres Zustandekommens, lassen unabweisbar einen 
Zusammenhang dieser mit der sog. Liesegangschen Diffusions- 
erscheinung erkennen. Diese wird, wie Liesegang berichtet!), 
bei folgendem Versuch beobachtet. Man löst in einer (zweck- 
mäßig mehr oder weniger hydrolysierten) Gelatinelösung Kalium- 
bichromat, schüttet dann eine dünne Schicht der Lösung auf 
eine Glasplatte, worauf man sie erstarren läßt. Wenn nun in 
die Mitte der Platte ein Tropfen Silbernitrat gegeben wird, 
so erscheint nach einiger Zeit um das zentrale Silberchromat 
herum der Niederschlag von Silberchromat in einem System 
von konzentrischen Ringen. Zwischen zwei Ringen ist immer 
eine ringförmige Schicht niederschlagfreier Gelatine. Die Liese- 
gangschen Ringe sind den von mir beobachteten Gefrierfiguren 
ganz und gar ähnlich. 

Es liegt auf der Hand, daß man unter solchen Umständen 
eine einheitliche Erklärung für beide Erscheinungen sucht. Die 
einfachste Erklärung der Liesegangschen Erscheinungen wurde 
von W. Ostwald?) gegeben, die im allgemeinen angenommen 
wurde, obwohl sie gewisse Einzelheiten nicht erklärt (Bechhold). 
W. Ostwalds Erklärung ist folgende: 

„Unter den übersättigten Lösungen gibt es solche, die sich 
beim Ausschluß von Keimen unter bestimmten Bedingungen 

1) Über die Bedeutung дег hydrolytischen Spaltung der Gelatine 


für die Schichtenbildung dee Silberchromats. Koll. Zeitschr. 2, 70. 
1) Ostwald, Lehrb. d. allgem. Chem. П, 2, 778. 


Ringfiguren in gefrorener Gelatine. 213 


anscheinend unbegrenzt lange aufbewahren lassen, ohne jemals 
freiwillig die feste Phase zu bilden. Solche Lösungen sollen 
metastabile heißen.“ ... „Durch die Diffusion des Silbersalzes 
in die chromathaltige Gelatine bildet sich in der Gelatine bald 
eine Lösung, die in bezug auf Silbersalze übersättigt ist. Der 
Niederschlag erfolgt aber nicht sofort, sondern erst, nachdem 
die metastabile Grenze überschritten ist. Dies geschieht natür- 
lich gleichzeitig in einem Kreise, der mit dem Tropfenkreise 
konzentrisch ist. An den entstandenen Niederschlag lagert sich 
das Silberchromat, in bezug auf welche die Umgebung des Ringes 
übersättigt ist, und verstärkt ihn; dies dauert so lange, bis das lös- 
liche Chromat aus der Nähe entfernt und in den Niederschlag 
gegangen ist. Alsdann wandert das Silbersalz über den Ring 
hinaus, übersättigt ein neues ferner liegendes, kreisförmiges 
Gebiet, und der gleiche Vorgang wiederholt sich.“ 

Die Gefrierringe kann man auch auf Grund dieser Theorie 
erklären. Die Gelatinelösung ist überall unter ihren Gefrier- 
punkt gekühlt. Das Gefrieren des Eises wird an einem 
Punkte eingeleitet, der hierfür die günstigsten Bedingungen be- 
sitzt. Die diesem Punkte benachbarten Stellen werden rings- 
herum durch das Ausfrieren von Wasser immer konzentrierter, 
bis die Konzentration einen solchen Grad erreicht, daB bei ge- 
gebener Temperatur (entweder durch die innigere Bindung von 
Wasser oder durch Sinken des Gefrierpunktes) kein Eis mehr 
ausfriert. Außerhalb dieser Zone breitet sich der Gefrierprozeß 
weiter aus, und es entsteht im Bereiche eines entfernter lie- 
genden, weniger konzentrierten Ringes abermals eine Schicht 
von Eiskrystallen. Der folgende Ring besteht dann wieder 
aus konzentrierter Gelatine usw. Die Frage des Weiterschreitens 
des Ausfrierprozesses bzw. wieso das Einimpfen der entfernteren 
Eisschichten durch die scheinbar kein Eis enthaltende Gelatine- 
schicht hindurch geschehen konnte, kann beantwortet werden, 
wenn man diese scheinbar eisfreie Schicht mittels einer Lupe 
betrachtet; man kann dann auch in dieser radiär angeordnete 
Eisnadeln erkennen. 

Wie ersichtlich, unterscheidet sich diese Erklärung von der 
Liesegangschen kaum in etwas anderem, als darin, daß in 
ihr ein einziges Krystallisationszentrum angenommen wird. In 
der Tat ordnen sich die von mir unter der mitgeteilten An- 

15* 


214 | Н. Rohonyi: 


ordnung beobachteten Ringe um ein einziges Zentrum ап. So- 
bald das Gefrieren an einem Punkte in Gang kam, breitet 
ев sich während einer Sekunde über das Ganze aus; es ist 
sehr wenig Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß während 
dieser kurzen Zeit auch die Metastabilität anderer Punkte ver- 
schwinden sollte. 

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß das ringförmige 
Gefrieren nicht eine speziale Form der ohnehin so mannig- 
faltigen Gelatineeisfiguren ist, sondern ihre allgemeine Form, 
und die Gestalten jener zweigförmigen und anderen Figuren- 
formation, ebenso wie auch die Liesegangschen Ringe all- 
gemeine Formen unter gewissen Bedingungen unregelmäßiger 
Diffusionsvorgänge sind. Dabei ist nicht nur die Hydratation, 
sondern auch die vollkommene Gleichmäßigkeit der Unter- 
kühlung von Wichtigkeit. Nimmt man die Ostwaldsche Theorie 
an, so gelangt man zu der interessanten Folgerung, daß der 
metastabile Zustand, gleichwie ob er durch Unterkühlung 
in den Gefrierversuchen oder durch Übersättigung in Liese- 
gangs Versuchen erzeugt wird, zu der gleichen Erscheinung 
führt. In diesem Sinne stützen meine Versuche die Ostwald- 
sche Theorie der Liesegangschen Figuren. | 


Stalagmometrische Studien an kolloiden und 
krystalloiden Lösungen. 
1. Mitteilung. 
Von 
L. Berczeller. 
Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: Е. Tang].) 
(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 


Inhalt: 


I. Beziehung zwischen Oberflächenspannung und Hitzekoagulation der 
Eiweißlösungen. 
П. Oberflächenspannung von Albumoselösungen. 


I. Beziehung zwischen Oberflächenspannung und Hitze- 
koagulation der EiweißBlösungen. 


1. 

Die als „koaguliertes Eiweiß“, „Acidalbumine“ und „Alkali- 
albuminate“ bezeichneten Körper sind durchaus ungenügend 
definierte Verbindungen, deren bisher aufgedeckte Eigenschaften 
nicht ausreichen, ihre näheren Beziehungen zueinander fest- 
zustellen. Und doch ist es sehr wichtig, diese Beziehungen zu 
erforschen, weil alle diese Verbindungen bei der Hydrolyse 
entstehen, und dieser Vorgang bekanntlich eine der wichtigsten 
physiologisch-chemischen Reaktionen ist. Auch darf man hoffen, 
daß die Erkenntnis dieser Beziehungen einen tieferen Einblick 
in den Mechanismus der Hydrolyse ermöglichen wird. 

Nach den neueren Untersuchungen über die Hitze- 
koagulation der Eiweißkörper wird bei diesem Vor- 
gange die Eiweißlösung aus einer hydrophilen Kolloidlösung 
in eine lyophobe verwandelt [Michaelis?). Diese Versuche 


1) Michaelis, diese Zeitschr. 24, 79. 


216 L. Berozeller: 


wurden mit solohen Eiweißlösungen angestellt, die во wenig 
Salz enthielten, daß beim Erhitzen keine Flockung eintrat, 
sondern das Eiweiß gelöst blieb. Während nun das nicht 
koagulierte Eiweiß nur aus sehr konzentrierten Salzlösungen 
sich ausscheidet, fällt das koagulierte schon auf Zusatz von 
ganz wenig Salz aus seiner Lösung, wie die kolloiden Metall-- 
lösungen. 

| Die Untersuchungen von Sörensen und Jürgensen!), 
andrerseits von Quagliariello?) haben bewiesen, daß bei der 
Hitzekoagulation das Vermögen des Eiweißes, Säuren zu binden, 
steigt, da die H--Ionenkonzentration der Lösung abnimmt. 

Aus dieser Beobachtung zogen Sörensen und Jürgensen 
den Schluß, daß die Hitzekoagulation der Proteine kein ein- 
facher physikalischer Vorgang sein kann. 

Chick und Martin?) fassen die Hitzekoagulation als eine 
Reaktion des Eiweißes mit Wasser auf, das durch Säuren 
beschleunigt wird. 

Es sei hier erwähnt, daß auch andere Koagulationen der 
Eiweißkörper auf einer Reaktion mit Wasser beruhen. Die 
Fibrinbildung und die Caseinausscheidung aus der Milch durch 
Labwirkung geschehen auch mit Wasseraufnahme. 

Diesen zwei letzteren Beobachtungen verleiht der Umstand 
ein besonderes Interesse, daß bei der Umwandlung der Eiweiß- 
körper in Albumosen ganz ähnliche Erscheinungen beobachtet 
werden können. Auch diese Reaktion ist eine Reaktion zwischen 
dem Eiweiß. und Wasser (Hydrolyse), und das Säurebindungs- 
vermögen der Albumosen ist viel größer als das der Eiweiß- 
körper. Diese Erscheinung wurde schon von sehr vielen 
Forschern mit den verschiedensten Methoden bei den Eiweiß- 
körpern und Albumosen beobachtet. Ich will da von den 
älteren Untersuchungen nur die von Herth‘) und Paal’) er- 
wähnen, die das Eiweiß bzw. die Albumose aus einer Säure- 
lösung ausflockten und die in der Lösung gebliebene Säure 
bestimmten. Diese Ergebnisse bestätigten die neueren Unter- 


1) Sörensen und Jürgensen, diese Zeitschr. 81, 397. 

9 Quagliariello, diese Zeitschr. 45, 157. 

D Chiok und Martin, Journ. of Physiol. 40, 404. 

*) Herth, Monatsh. f. Chem. 5; Zeitschr. f. physiol. Chem. 1. 
5) Paal, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27. 


Stalegmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. І. 217 


suchungen von Rohonyi!), der die Menge der gebundenen 
Säure durch Messung der H-Ionenkonzentration bestimmte. 

Da die erwähnten zwei Erscheinungen, nämlich die Wasser- 
aufnahme und die Säurebindung, sich bei diesen zwei Vorgängen, 
der Hitzekoagulation des Eiweißes und der Umwandlung des 
Eiweißes in Albumosen, ganz parallel verlaufen, schien es nicht 
uninteressant, die Veränderung anderer Eigenschaften bei diesen 
Vorgängen zu vergleichen. 

Die bereite vor langer Zeit ausgeführten Untersuchungen 
Traubes?) zeigten, daß die Albumosen die Oberflächenspannung 
des Wassers viel stärker erniedrigen als die Eiweißkörper?). 

Wenn auch die neueren Untersuchungen von Michaelis 
und Rona‘) dagegen sprechen, daß das eine charakteristische 
Eigenschaft der Albumosen- und Peptonlösungen ist, schien es 
doch geboten, diese Eigenschaft auch bei der Hitzekoagulation 
zu verfolgen“). Es schien auch schon deswegen wichtig, diese 
Frage näher zu untersuchen, da man, wie schon vorher bemerkt 
wurde, die Hitzekoagulation der Eiweißkörper als Umwandlung 
eines hydrophilen kolloiden Zustandes in einen hydrophoben 
aufgefaßt hat, und andrerseits aber die hydrophoben Kolloide 
die Oberflächenspannung des Lösungsmittels nicht beeinflussen. 


2. 

Wenn man solche Eiweißlösungen, die so wenig Salz ent- 
halten, daß sie beim Aufkochen nicht koagulieren, aufkocht, 
nimmt die Oberflächenspannung der Lösung stark ab. 
Meine Messungen wurden mit dem Traubeschen Stalagmo- 
meter bei Zimmertemperatur ausgeführt. Die Lösungen wurden 
beim Aufkochen manchmal stark getrübt, aber das störte das 
Messen nicht. 


1) Rohonyi, diese Zeitschr. 44, 165. 

D Traube, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 19, 1871. 

5) Bottazzi hat in einer neueren Abhandlung darauf hingewiesen, 
daß einige Eiweißkörper die Oberflächenspannung des Wassers stärker 
erniedrigen. Diese Oberflächenspannungsverminderung ist aber stets 
kleiner als die der Albumosen. Die näheren Daten über das Verhalten 
verschiedener Eiweißkörper werde ich an anderer Stelle besprechen. 

*) Michaelis und Копа, diese Zeitschr. 41, 165. 

5) Über die Oberflächenspannung der Albumoselösungen handelt 
der 2. Teil dieser Mitteilung. 


218 | L. Berereller: 


Die Ergebnisse meiner Untersuchungen sind in der folgen- 
den Tabelle zusammengefaßt. 


Tabelle I. 


Die Oberflächenspannung von densturierten und 
nioht denaturierten Eiweißlösungen. 
Tropfenzahl des Wassers: 43,8. 










Tropfenzahl 
der Eiweißlösung 







1°/,iges Ovalbumin Merck I . . 

л n n II e o 
n n (nativ). . . 
я  Serumalbumin (Merck) . 
* э 


Serum 1:10 verdünnt .... 


Dem Ergebnisse dieser Versuche kommt auch eine gewisse 
theoretische Bedeutung zu, indem es beweist, daß das auf- 
gekochte, aber nicht ausgefällte Eiweiß sich nicht einfach wie 
ein lyophobes Kolloid verhält, wie ев Michaelis und Копа?) 
angenommen haben, da diese Kolloide die Oberflächenspannung 
nicht beeinflussen, sondern daß hier gewisse „chemische“ Pro- 
zesse mitgewirkt haben. 

Allerdings geben das auch Michaelis und Rona zu, zu 
welcher Annahme sie die schon erwähnten Versuche von 
Sörensen und Jürgensen?) veranlaßten, nach denen die 
H'-Ionenkonzentration der Eiweißlösungen sich beim Aufkochen 
vermindert. Die Verminderung der Öberflächenspannung der 
Lösungen legt den Gedanken nahe, daß in denselben gewisse 
Veränderungen stattfinden, welche ähnlich denjenigen sind, die 
bei der Albumosenbildung stattfinden, und doch findet keine 
Albumosenbildung statt. Das hebe ich deshalb hervor, weil 
man daran denken könnte, daß, nachdem minimale Mengen 
oberflächenaktiver Substanzen die Öberflächenspannung des 
Wassers stark herabsetzen, es denkbar wäre, daß bei meinen 
Versuchen durch eine Säure- oder Laugenhydrolyse Albumosen 
in geringen Mengen entstanden wären. Dagegen spricht nun 


1) Michaelis und Rona, Le 
*) Sörensen und Jürgensen, 1. с. 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. L 219 


die folgende Beobachtung, die ich an den aufgekochten Eiweiß- 
lösungen machte: Läßt man nämlich diese längere Zeit stehen, 
so verschwindet die erzeugte Herabsetzung der Ober- 
flächenspannung, wie das aus der folgenden Tabelle er- 
sichtlich ist. 

Tabelle П. 


Die Veränderung der Oberflächenspannung der durch Hitze 
denaturierten Eiweißlösung. 


Tropfenzahl der Lösung 


ünnt 
1°/,iges Serumalbumin (Merck) . 





In den aufgekochten und dann längere Zeit stehenden 
Eiweißlösungen finden also anhaltende Veränderungen statt, 
die bisher nicht bekannt waren'). 

Warum steigt nun wieder nach einiger Zeit die Oberflächen- 
spannung in den aufgekockten Eiweißlösungen ? 

Dieselbe Erscheinung findet man in Alkaloidlösungen, die 
man mit Lauge versetzt?) Auch die Lauge erzeugt in der 
Alkaloidsalzlösung zunächst eine Herabsetzung der Oberflächen- 
spannung. Diese Wirkung hört aber mit der Zeit auf, und 
meistens wird gleichzeitig ein Niederschlag gebildet. Das wird 
damit erklärt, daß die Lauge die Ausscheidung des Alkaloids 
in kolloidalem Zustande bewirkt. Die so entstehenden kleinen 
Teilchen setzen die Oberflächenspannung herab; beim weiteren 
Stehen (oder beim Aufkochen) ballen sich diese Teilchen zu 
größeren zusammen, damit hört aber die Erniedrigung der 
Öberflächenspannung auf. 

Wie es scheint, findet derselbe Vorgang auch in der auf- 
gekochten Eiweißlösung statt. Dafür spricht auch die mit der 


1) Diese eben erwähnte Erscheinung hängt zweifellos mit dem be- 
kannten Vorgang bei der Eiweißfälluug zusammen, daß nämlich die 
Hitzekoagulation der Eiweißkörper nicht momentan stattfindet. 

) J. Traube, diese Zeitschr. 42. — S. Berczeller und Csáki, 
dieser Band II. Mitteilung. 


220 L. Berozeller: 


Zeit entstehende Trübung der Lösungen; es kommt auch vor, daß 
die Lösungen nach einiger Zeit einen Niederschlag ausscheiden. 

Die eben besprochenen Ergebnisse weisen auf einen inter- 
essanten Zusammenhang mit den Befunden von L. Lieber- 
mann!) und J. Traube?) über das „Inaktivieren“ des Serums 
hin. v. Liebermann hat nämlich nachgewiesen, daß bei dem 
„Inaktivieren“ des Blutserums die OH’-Ionenkonzentration 
wächst, so wie ев später Sörensen und Jürgensen und 
Quagliariello auch bei der Hitzekoagulation gefunden haben. 
Andererseits hat Traube nachgewiesen, daß bei dem In- 
aktivieren die Oberflächenspannung der Lösung kleiner wird, 
aber diese Verminderung der Oberflächenspannung nicht kon- 
stant bleibt, sondern mit der Zeit ‚verschwindet. Dasselbe 
konnte ich bei Eiweißlösungen beobachten. 

Die große Übereinstimmung der Versuche macht es zum 
mindesten wahrscheinlich, daß schon beim Inaktivieren dieselbe 
„chemische“ Veränderung stattfindet wie bei der Hitzekoagula- 
tion der Eiweißkörper. 


IL Oberflächenspannung von Albumosenlösungen. 


1: 

Untersuchungen von Michaelis und Копа?) ergaben, daß 
bei Einwirkung von Trypsin und Pepsin auf Eiweiß die Ober- 
flächenspannung der Lösung sich sehr wenig verändert, bei Säure- 
und Laugehydrolyse aber stark vermindert wird. Michaelis 
und Rona nehmen an, daß bei letzteren Lösungen die Ver- 
minderung der Oberflächenspannung nicht von den entstandenen 
Albumosen, sondern von anderen bei der Hydrolyse entstehen- 
den Nebenprodukten bedingt sei. Über die Natur dieser Neben- 
produkte äußern sie nichte Näheres, sie erwähnen, bloß immer 
einen Geruch nach Aceton bemerkt zu haben. 

Lange vorher hat bereits J. Traube) angegeben, daß, 
wenn man Eiweißlösungen mit wenig Säure oder Lauge kocht, die 
Oberflächenspannung schon stark herabgesetzt wird. Das konnte 
auch ich durch eigene Versuche in vollem Maße bestätigen. 


- 1) Liebermann, diese Zeitschr. 4, 29. 
?) J. Traube, diese Zeitschr. 10, 386. 
D Michaelis und Копа, 1 o. 
*) Traube, Ber. d. Deutsch. chem. Оез. 19, 1871. 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 991 


Meine erste Untersuchungsreihe, die gewissermaßen eine 
Weiterführung der Michaelis-Ronaschen Versuche ist, bezieht 
sich auf die Frage, wie die Oberflächenspannung der 
Albumosenlösung durch Trypsin und Pepsin verändert 


wird. 
Benutzt habe ich käufliches Witte-Pepton und Grübler- 
sches Pepton. 


Zunächst stellte sich heraus, daß das Witte-Pepton bei 
gleicher Konzentration die Oberflächenspannung des Wassers 
viel stärker herabsetzt als das Grübler-Pepton. Als Beispiel 
diene der in Tabelle III angeführte Versuch. 


Tabelle III. 










50 ост dest. Wasser 





+0 + 0 48,8 
+ 1 сот 19/,ісе Witte-Peptonlögg. + 1 сот 1°/,ige Grübler-Peptonlösg.| 44,0 
+ 2 » т » + 2 » n n 44,6 
+ 3 „ ” n + Bes n n 45,6 
+4n n n + 4 » n n 46,2 
+5 n n n + Bn * n 48,0 
+10 e n n +10 » n n 49,2 
+20 n n n +30 e n n 51,8 
+30 e n n +40 e n n 52,0 





Diese meine Befunde stimmen mit denen von Traube?) 
überein. Er fand, daß die durch Pepsineinwirkung ent- 
standenen Albumosen die Oberflächenspannung des Wassers 
stark erniedrigen. Seine Zahlen sind die folgenden. 


Pepton- Pepton Pepton 
gehalt der І П 
Lösung 
7 Tropfenzahl der Lösung 

0,01 48°] i — 
0,02 53 — 
0,05 58®/, 511], 
0,10 591/ 521 
0,20 611/ 541/ 
0,50 64'/, 58 
0,90 — 601 
1,00 611], = 


1) J Traube, L с. 


222 L. Berozeller: 


a) Versuche mit Trypsin. 


Aus käuflichem wirksamen Merckschen Trypsin wurde eine 
1°/,ige wässerige Lösung bereitet und zu verschiedenen genau 
abgemessenen Mengen (1 bis 30 cem) je 50 ccm Pepton bzw. 
Albumoselösung zugesetzt. Als Kontrolle wurden stets die- 
selben Mengen der Trypsinlösung zu 50 ccm dest. Wassers zu- 
gesetzt. Die Messung der Oberflächenspannung habe ich gleich 
nach dem Vermischen der Lösungen vorgenommen, so daß bis 
zur Beendigung der ersten Messung ungefähr 3 Minuten ver- 
gingen. 

Dieselbe Menge der Peptonlösungen setzt die 
Oberflächenspannung einer 1°/,igen Trypsinlösung 
viel weniger herab wie die des destillierten Wassers. 
Als Belege mögen je eine Versuchsreihe mit Witte- bzw. 
Grübler-Pepton dienen. 





Tabelle IV. 
Trypsin + Witte-Pepton. 
Tropfen- Tropfen- 
50 com dest. Wasser zahl der 50 осш 1°/,ige Trypeinlösung zahl der 
Lösung Lösung 
+ 0 44,0 + 0 48,8 
+ Leem 20/,ісе Witte-Peptonlösg. 41,4 + Leem 2°/„їде Witte-Peptonlösg. | 48,8 
+ 2» ” n 50,4 + 2 n n n 44,6 
+ H a n э 51,6 + 8 p n n 44,8 
+ A n H ” 52,2 +4 na n ” 44,8 
+5 n я ” 52,6 + 5 » n n 44,8 
+10 » э n 58,2 +15 n n » 48,4 
+20 n э n 54,4 
Tabelle V. 


Trypsin + Grübler-Pepton. 










50 com dest. Wasser 






+0 +0 

+ 600m 1°/,ige Grübler-Peptonlögg. + 6ccm 1°/„1де Grübler-Peptonlösg.| 45,8 
+10 » n » +10 n n n 46,2 
+30 n 9 ” +30 n n n 46,6 
+40 n я ” +40 n n n 47,2 





Warum setzen die Albumosen bei Gegenwart von Trypsin 
die Oberflächenspannung weniger herab? 


Stalagmometr. Studien an kolloid. п. krystalloiden Lösungen. I. 223 


Der erste Gedanke ist, daß das Trypsin durch seine 
hydrolysierende Wirkung das verursacht. DaB die Oberflächen- 
wirkung des Trypsins in so kurzer Zeit sehr deutlich wird, 
macht es wahrscheinlich, daß noch andere Veränderungen eine 
Rolle spielen. Diese beinahe momentane Wirkung des Trypsins 
zeigt, daB es mit der oberflächenaktiven Substanz der Albumose- 
lösung sehr heftig reagiert, was wieder als Beweis dafür gelten 
kann, daß diese Substanz mit den Eiweißkörpern nahe ver- 
wandt sein muß, da nach unseren heutigen Kenntniasen nur 
Eiweißstoffe mit Trypsin spezifisch reagieren. 

Die Oberflächenspannung einer Albumose- Tryp- 
sinlösung ist nicht konstant: sie wächst fortwährend. 
Bei Zusatz größerer Mengen von Trypsin habe ich die stetige 
Zunahme der Oberflächenspannung schon während der Zeit des 
Messens, also im Zeitraume von ca. 3 bis 3'/, Minuten, be- 
obachten können, was sich darin kundgab, daß die Tropfen- 
zahl fortwährend abnahm. 

Die Beweise liefern die Tabellen VI bis VIII. 

Die Erhöhung der Oberflächenspannung ist im Anfang am 
größten und verläuft schnell — dann lange fortdauernd lang- 
sam. Веі dieser zweiten Phase kommt der Hydrolyse der 
Albumosen zweifellos eine Rolle zu. Da nun das Trypsin 
die Albumosen hydrolysiert und dieser Vorgang mit 
Erhöhung der Oberflächenspannung einhergeht, so ist 
es unzweifelhaft, daß die Albumosen und nicht erst 
andere bei der Hydrolyse aus Eiweiß entstandene 
Nebenprodukte ursprünglich —d.h. vor dem Zusetzen 
des Trypsins — die Oberflächenspannung des Wassers 
herabsetzten. 

Tabelle VL 
Trypsin+ Witte-Pepton. 






Tropfenzahl nach 
1%/,ige Trypsinlösung 


d e 


10» 1%, » 


224 L. Berozeller: 


Tabelle VII. 
Witte-Pepton + Trypsin. 
Tropfenzahl der wässerigen 1°/,igen Witte-Pepton-Lösung: 57,6. 





Tropfenzahl der Lösung 





10 oom 1°/,iges en 
+0,1 бш. 1°/,iges Trypsin 57,4 56,4 51,8 48,6 


10 eem 1°/,iges Witte-Pepton 
+ 0,2 com 1 ° iges Trypsin 57,4 52,6 50,0 47,8 


10 com 1°/ Gg Witte- Pepton 


10 eem 1°/ iges Witte-Pepton 
+ 0,8 al 1°/,iges Trypsin 56,8 49,8 48,2 45,8 


10 eem 1°/ iges Witte-Pepton 
+15 eem 19/„1дев Trypsin 55,4 48,8 41,2 44,8 


10 com 1°/,iges Witte-Pepton 
+ 2,5 com 1°/,iges Trypsin 54,4 47,2 46,0 44,6 


10 com 1°), iges Witte-Pepton 54,6 46,6 45,4 444 


+ 5 оош 1°/,iges Trypsin 
Tabelle VIII. 
Witte-Pepton + Trypsin. 
Tropfenzahl der Witte-Pepton-Lösung: 55,6. 
Tropfenzahl der Lösung 

SE | 275 Min. | 12 Bea. 
er 55,4 52,0 49,6 
+0,2 00m 1ejsiges уураа | 554 51,2 48,2 
Ку ге ме Кош 55,4 50,8 412 
nn | ма | ам | а 
+ 15 * үү och? 54,6 15,4 54 
ren | ыз | on | aw 
10 ccm Witte-Pepton 58,8 46,2 44,8 


+ 5 ccm 1°/„їдев Trypsin 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 225 


Der eben geschilderte zeitliche Verlauf der Steigerung der 
Oberflächenspannung könnte damit erklärt werden, daß das 
Trypsin mit der Albumose eine sehr lockere Verbindung ein- 
geht, die im Gegensatz zur freien Albumose die Oberflächen- 
spannung nicht herabsetzt. Mit dieser Annahme könnte auch 
der obenerwähnte Befund von Michaelis und Rona bei der 
Trypsinverdauung erklärt werden. Eine ganz ähnliche Erschei- 
nung fanden übrigens Michaelis und Rona selbst bei der 
Einwirkung von Eiweiß auf die Oberflächenspannung von Seifen- 
lösung, die sie ebenfalls mit der Entstehung von lockerer Ver- 
bindung erklären: Die Seifen vermindern nämlich die Ober- 
flächenspannung des Wassers sehr stark, in Serum aufgelöst 
ist dagegen die Erniedrigung der ÜOberflächenspannung nur 
sehr gering. Außerdem findet ja die Ansicht, daß Kataly- 
satoren mit ihrem Substrat lockere Verbindungen eingehen, 
wofür auch die in diesem Hefte publizierten Untersuchungen 
Rohonyis?) neue Beweise erbringen, immer mehr Anhänger. 

Ich trachtete nun weitere Beweise dafür zu erbringen, daß 
die allmähliche Erhöhung der Oberflächenspannung der Tryp- 
sin-Albumose-Lösungen tatsächlich auf der hydrolysierenden 
Einwirkung des ersteren auf die Albumose beruht. 

Zunächst konnte ich beweisen, daß Faktoren, die die 
hydrolysierende Wirkung des Trypsins beschleunigen, auch 
das Ansteigen der Oberflächenspannung beschleunigen; ent- 
gegengesetzt wirken diejenigen, die die Trypsinwirkung ver- 
langsamen oder hemmen. So verlangamen bzw. hemmen 
Säuren in entsprechender Konzentration die Trypsinwirkung; 
die parallel verlaufende Wirkung auf die Erhöhung der Ober- 
flächenspannung zeigen die Versuche, die in der folgenden 
Tabelle IX angeführt sind. 

Ist die Oberflächenwirkung der Trypsinhydrolyse zuzu- 
schreiben, so muß sie bei inaktiviertem Trypsin ausbleiben. 
Ich habe deshalb einige Versuche mit durch Hitze inakti- 
viertem Trypsin angestellt. Gar so einfach waren aber diese 
Versuche nicht. 

Das Mercksche Trypsinpräparat, das ich benutzte, war 
nämlich stark eiweißhaltig, koagulierte beim Aufkochen seiner 


1) Siehe 8. 179 dieses Bandes. 


226 L. Berozeller: 


Tabelle IX. 
Die Wirkung von Säure auf die Veränderung der Oberflächenspannung 
von Witte-Pepton 4 Trypsinmischungen. 





Tropfenzahl der Lösung 


sofort ach nach nach 
125 Min. | 485 Min. | 12 Std. 





10 ccm Witte-Pepton 
+ 5 ccm 1°/,iges 


10 ccm 1°/„їдев шоно 


+ 5 ccm 1°/,iges Trypsin 
+10 Tropfen BC? 


10 com 1°/,i iges Witte-Pepton 
+5 eem 1°/,igee Trypsin 


+50 Tropfen slk HCl 
Lösung, wobei die Oberflächenspannung stark sank (siehe den 
ersten Teil dieser Mitteilung). Das Koagulieren und die Herab- 
setzung der OÖberflächenspannung blieb jedoch aus, wenn die 
Trypsinlösung vor dem Aufkochen 12 Stunden im Thermostaten 
stand: das Trypsin hat eben das Eiweiß verdaut. Siehe 
Tabelle X. 





Tabelle X. 
Oberflächenspannung in aktiven und denaturierten 
Trypsinlösungen. 
Tropfenzahl Tropfenzahl 
der Lösung der Lösung 


1°/, Тгурвіп, 
sofort gemessen 
1°], A. 
18 Std. im Therm. 
gestanden 





19%, В. 
13 Std. im Eissohrank 


Wenn solche nach Verdauung inaktivierten Trypsinlösungen 
mit Albumosen versetzt wurden, haben die Albumosen (und 
Peptone) die Oberflächenspannung der Lösung weniger ver- 
mindert als die des destillierten Wassers. Also fällt auch die 
Wirkung des denaturierten Trypsins in derselben Richtung wie 
die des aktiven. Aber diese Wirkung ist viel kleiner als die 
des aktiven. (Siehe Tabellen XI und XII.) 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 227 


Tabelle XL 
















— — 


















S |За а Е = g ög 
E © ё | © 50 ccm e Ф 
N |= 50 сет N |м" x g N |м 
50 ccm я 95 1%/ ige Trypsin- d 8 "я | 1°/1ре Trypsin- | & © r 
dest. Wasser 5, (Ep ° йом Р = Ше lösung, e |88 
о S d 8 о = d aufgekocht о | d 

н IG н а =н Іа 








































+0 +0 44,4 +0 
+ 1 cem 1°/,iges -+ 1 ccm 446 + 1 cem 0,8 
Witte-Pepton Witte-Pepton ; Witte-Pepton 08 
+2 ccm 1°/,iges +2 ccm 454 + 2 eem 
Witte-Pepton Witte-Pepton Witte-Pepton 08 
+ 3 ccm 1°/,iges + 3 сот 456 + 3 ccm | 
Witte-Pepton Witte-Pepton ? Witte-Pepton 
Tabelle XII. 























5 ccm 5 com 












= = = 

Ф ч Ф о ~ 

278] 159/,іре Trypsin- EF 19/,іве Trypsinlösung, 5.9 

E lösung Р aufgekocht Р 

Еч Ei Ei 
+0 +0 44,2] + 0 46,2 
+ Leem Witte-Pepton + 1 сот Witte-Pepton 46,6 | + 1 ccm Witte-Pepton| 51,8 
+2 n n +2 n ғ 4781 +2 n n 58,6 
+3 n n +3 n r 486+ 3 » n 54,6 
+5 e » +5 n » 496|+ 5 n ” 54,8 
+10 e 5 +10 n n 52,6 


Dasselbe Ergebnis habe ich erhalten, als ich meine Ver- 
suche mit inaktivierten, aber nicht verdauten Trypsinlösungen 
anstellte.e Die Oberflächenspannung dieser Lösungen ist, wie 
schon vorher bemerkt wurde, kleiner als die der nicht inakti- 
vierten Lösungen und wird ebenfalls nicht so stark durch die 
Albumosen vermindert als die des Wassers. 


b) Versuche mit Pepsin. 


Es wurden dieselben Versuche wie mit Trypsin angestellt. 
Sie führten zu einem gleichlautenden Ergebnis. 

Ganz wie das Trypsin schwächt das Pepsin die die Ober- 
flächenspannung herabsetzende Wirkung der Albumosen (bzw. 
Peptone) ab, d h. dieselbe Albumosenmenge setzt die Ober- 
flächenspannung des destillierten Wassers stärker herab als die 


einer Pepsinlösung (s. Tabellen XIII und XIV). 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 16 


298 L. Berozeller: 


Tabelle XIII. 
Grübler-Pepton + Pepsin. 





50 com ОЕ ‚ 50 сот ` piia 
dest. Wasser zahl 1°/1де Pepsinlösung | zahl 








com 1°/,iges Pepton 
n n 


46,6 
50,8 








Tabelle XIV. 
Pepsin 4 Witte-Pepton. 




















а D 
ek? 50 ccm $ а 
St 20/ ige Pepsinlösung E $ 
ы 
+0 43 0 44,2 
+ Leem 2°/ ,iges Witte-Pepton | 47 1 оош 2°/ iges Witte-Pepton | 46,6 
+2 n » n 50 2» n n 49,0 
+8 n n n 51, 8 n n n 49,8 
+4 n n n 52, 4 e n n 50,6 





Während die Oberflächenspannung einer Trypsin-Albumosen- 
lösung, wie wir oben sahen, allmählich anwächst infolge der 
hydrolysierenden Wirkung des Trypsins, ist diese fortschreitende 
Erhöhung in den Pepsin-Albumosenlösungen anfangs kaum be- 
merkbar und später auch nur sehr gering, weil das Pepsin 
— im Gegensatze zum Trypsin — das Witte-Pepton kaum 
hydrolysiert. Als Beispiel в. Tabellen XV und XVI. 


Tabelle XV. 
Witte-Pepton 4 Pepsin (Merck). 





has Tropfenzahl der Lösung 
1°/ iges Witte-Pepton nach | nach | nach | nach | nach 


sofort os, gra |19 868 |25 864.87 864.96 Std. 


+ 0,1 сеш 1°/,iges Pepsin’) | 56,4 | 56,4 | 55,6 | 56,0 | 55,4 | 55,0 
+05 n e n 56,6 | 56,8 | 55,8 | 56,0 | 55,8 | 54,8 
+10» a » 56,4 | 56,6 | 56,0 | 56,2 | 56,4 | 54,8 
+30 n»n e n 56,2 | 56,4 | 55,4 | 56,2 | 55,8 | 54,4 
+50 n»n e n 55,8 | 56,4 | 55,2 | 55,4 | 55,2 | 54,4 


1) 1°/,iges Pepsin wurde in */,„-НС1 gelöst. 


Stalsgmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. I. 229 


Tabelle ХУІ. 
Witte-Pepton 4 Pepsin (Grübler). 









Tropfenzahl der Lösung 


start nach | nach | nach | nach | nach 
8 Std. [19 Std.|25 Std.|40 Std.|96 Std. 





10 eem 
1 /iges Witte-Pepton 





Diese Versuche beweisen also, daß in Gegenwart von Trypsin 
und Pepsin die Albumosen die Oberflächenspannung der Lösung 
nicht so stark erniedrigen, als wenn diese Enzyme nicht vor- 
handen sind. Weiterhin, daß die hydrolysierende Wirkung zu 
einer fortschreitenden Erhöhung der Oberflächenspannung führt. 

Da die bisher mitgeteilten Versuche von Albumosen bzw. 
Peptonen ausgingen, habe ich, um vom Anfangsstadium der 
Hydrolyse auszugehen, eine größere Anzahl von Versuchen mit 
pulverisiertem Globulin (Merck), Fibrin (Merck, gereinigt) und 
koaguliertem Ovalbumin angestellt. Beispiele sind in den 
Tabellen XVII und XVIII angeführt. 


Tabelle XVII. 
a) 





2,5 g Fibrin (Merck) 
+ 15 com 1°/,igee Trypsin 


2,5 g Globulin (Merck) 
+ 40 com 1°/,iges Trypsin 
2,5 g Globulin 
+ 40 ccm dest. Wasser 


1) 10/, iges Pepsin wurde in */,„-НС1 gelöst. 


16* 


230 L. ВеготеПег: 
0) 








Tropfenzahl der Lösung 








2,5 g koaguliertes Ovalbumin 524 
+ 40 g 1° igo Trypeinlösung i 
Tabelle XVIII. 

a) 


en der Lösung 


nach 
11/, Std. 









nach | nach 


sofort 5 Sta. 16у, Std. 











d wéi 






2,5 g koaguliertes Ovalbumin 488 
+ 20 com 1°/,iges Pepsin (Merck) К 


b) 





Tropfenzahl der Lösung 





2,5 g Globulin (Merck) 
+20 ccm 1°/,igee Pepsin (Merck) 44,8 47,2 46,6 


0) 





nach 
61], Std. 


nach 
5 Std. 











2,5 g Fibrin (Merck) 
+ 20 ccm 19), iges Pepsin (Merok) 

Es ergab sich, daß bei der Pepsin- und Trypsinhydrolyse 
dieser Eiweißkörper anfangs — wohl parallel mit der Albumosen- 
bildung — die Oberflächenspannung ziemlich stark ab- 
nimmt (besonders beim Fibrin-Trypsin.. Später nahm dann 
die Oberflächenspannung in einigen Versuchen wieder zu, so wie 
das oben bei den Albumoseversuchen angegeben wurde. 


Hauptergebnisse meiner Versuche. 


1. Beim Aufkochen solcher salzarmer Eiweißlösungen, die 
nicht koagulieren, wird die Oberflächenspannung stark herab- 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. 1. 231 


gesetzt. Läßt man solche Lösungen längere Zeit stehen, so 
verschwindet diese Herabsetzung der Oberflächenspannung wieder. 
Die Erscheinung kann mit Veränderungen der Teilchengröße er- 
klärt werden. 

2. Albumosen (Witte- und Grübler-Pepton) setzen die Ober- 
flächenspannung des Wassers herab. Das Witte-Pepton wirkt 
stärker als das Grübler-Pepton. 

3. Albumosen (Peptone) setzen die Oberflächenspannung 
einer Trypsinlösung weniger herab als die des destillierten 
Wassers. Die Öberflächenspannung der Albumose - Тгурвіп- 
lösungen ist nicht konstant; sie wächst stetig, anfangs schneller, 
dann langsamer. Das Trypein scheint mit den Albumosen eine 
lockere Verbindung einzugehen, die dann hydrolysiert wird. 

4. Pepsin wirkt ähnlich wie das Trypsin. 

5. Bei der Trypein- und Pepsinhydrolyse verschiedener 
Eiweißkörper wird parallel mit der Albumosenbildung die Ober- 
flächenspannung ziemlich stark herabgesetzt. 


Stalagmometrische Studien an kolloiden und 
krystalloiden Lösungen. 
П. Mitteilung. 
Von 
L. Berczeller. 
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 
Direktor: Е. Tangl.) 
(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 


Über die Oberflächenspannung der Caseinlösungen. 


In den letzten Jahren hat man die physikalisch-chemischen 
Eigenschaften der Milch wiederholt untersucht. Es schien da- 
her interessant zu untersuchen, auf welche Bestandteile der 
Milch und in welchem Maße einige dieser Eigenschaften zurück- 
zuführen sind. 

I. 

Die Oberflächenspannung der Milch ist bedeutend 
geringer als die des Wassers. Die Untersuchungen von 
Bottazzi!) haben gezeigt, daß das Casein in Laugen gelöst 
die Oberflächenspannung des Wassers stark verändert. Er hat 
auch nachgewiesen, daB das Casein von Merck und Kahlbaum 
auch in neutralem Wasser sich löst. Auch diese Lösungen 
erniedrigen die Oberflächenspannung stark. Diese Wirkung 
schreibt Bottazzi Verunreinigungen zu; denn nach wieder- 
holtem Waschen des Caseins mit Wasser verringert sich diese 
Wirkung. 

Dieselbe Erscheinung konnte ich auch nachweisen. Da- 
gegen habe ich aber mit mehreren solchen Caseinsorten ge- 
arbeitet, welche die Oberflächenspannung des Wassers, wenn 
sie mit neutralem Wasser digeriert wurden, nicht beeinflußten, 


1) Bottazzi, Rend. R. Асо. d. Lincei 1912, 365. 


L. Berozeller: Stalagmometr. Studien an kolloiden usw. Lösungen. П. 233 


was Bottazzi nicht gelungen ist. Ich habe meine Versuche 
mit von Herrn Prof. Е. Tangl dargestellten Caseinpräparaten 
angestellt, die zur Bestimmung der elementaren Zusammen- 
setzung und Verbrennungswärme der verschiedenen Caseinsorten 
dienten‘). Dieselben wurden, wie aus der Beschreibung Tangls 
hervorgeht, mit ganz besonderer Sorgfalt rein dargestellt. Den 
sehr großen Unterschied in der Verminderung der Oberflächen- 
spannung bei gereinigten und nicht genügend gereinigten Caseinen 
zeigt sehr schön die folgende Tabelle. 


Tabelle L 
Gereinigte und nicht gereinigte Caseine. 
Tropfenzahl des destillierten Wassers: 43,8. 





бамі Tropfenzahl 





Meine Versuche habe ich in der Weise eingerichtet, daß 
das Casein lange Zeit (1 bis 2 Stunden) mit Wasser im Schüttel- 
apparat geschüttelt wurde. Die Versuche selbst stellte ich bei 
Zimmertemperatur an, und zwar stets mit dem Traubeschen 
Stalagmometer. Die lange Zeit dauernde Lösung war deswegen 
wichtig, da bekanntlich bei Kolloiden die Lösung sehr langsam 
erfolgt, wohl hauptsächlich deshalb, weil die Substanz vom 
Wasser nicht benetzt wird. Unsere gereinigten Caseine be- 
einflussen die Oberflächenspannung des Wassers nicht, während 
sie vom in derselben Weise behandelten Merckschen Präparate 
erheblich erniedrigt wird. 

- Da bei den Eiweißkörpern die Bestimmung der Reinheit 
der Präparate schwierig ist, so dürfte die von mir festgestellte 
Tatsache, daß die ganz besonders sorgfältig gereinigten Casein- 
präparate die Oberflächenspannung des Wassers nicht beeinflussen, 
zur Bestimmung der Reinheit des Caseins verwendet werden. 

Allerdings können Verunreinigungen, die die Oberflächen- 
spannung unbeeınflußt lassen — 2. В. Salze, unlösliche Sus- 
pensoide — auf diese Weise nicht erkannt werden. 


1) Tangl, Arch. f. а. ges. Physiol. 121, 534. 


234 L. Bercozeller: 


Beim Kochen lösen sich auch diese ganz reinen Casein- 
präparate, die in kaltem Wasser unlöslich sind. In diesem 
gelösten Zustande verringern sie dann in ziemlich bedeutendem 
Maße die Oberflächenspannung des Wassers, wie das aus nach- 
stehender Tabelle ersichtlich ist: Beim Aufkochen verändert 
sich auch das Aussehen der Lösungen: sie opalescieren ein 
wenig und schäumen stark. 


Tabelle П. 


Gereinigte Caseine. 





Tropfenzahl der Lösung 





Weitere 5 Min. lang gekocht . . . . . 
48 Std. lang im Eisschrank gestanden . 


In dieser Eigenschaft ist das Casein der Stärke und der 
Gelatine sehr ähnlich. Es ist bekannt, daß beide Substanzen 
in kaltem Wasser fast unlöslich sind. Lange Zeit hindurch 
war ев strittig, ob sie in kaltem Wasser überhaupt löslich sind. 
Das Casein unterscheidet sich aber darin von der Stärke und 
Gelatine, daß es auch in heißem Wasser sehr wenig löslich 
ist. Dagegen weicht es, wie die übrigen Kolloide, von den 
Krystalloiden darin ab, daß mit letzteren sowohl durch Lösen 
in kaltem als auch in warmem Wasser derselbe Gleichgewichte- 
zustand erreicht werden kann, was beim Casein nicht der Fall 
ist. Denn während bei 20° sich vom Casein nichts löst, bleibt 
beim Abkühlen einer aufgekochten Caseinlösung auf 20° ein 
gewisser Teil gelöst. Dieser bleibt auch weiterhin gelöst, fällt 
also nicht, wie das bei übersättigten Krystalloidlösungen der 
Fall ist, beim längeren Stehen spontan aus. 

Bei der Lösung des Caseins in heißem Wasser tritt aller 
Wahrscheinlichkeit nach gleichzeitig Hydrolyse ein. Das steht 
in gutem Einklange mit den Untersuchungen von Robertson!). 


!) Robertson, Journ. of Biolog. Chem. 2, 217. 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. П. 935 


Auch Hammarsten!) hat in einer anderen Versuchseinrichtung 
ähnliche Beobachtungen gemacht. 


II. 

In den folgenden Versuchen prüfte ich, in welchem Maße 
das Casein die Oberflächenspannung in wässerigen 
Lösungen von Säuren und Laugen verändert. 

In beiden Lösungen wird die Oberflächenspannung 
stark vermindert. 

Diese Eigenschaft des Caseins, die Oberflächenspannung so 
stark zu vermindern, unterscheidet es wesentlich von den Albu- 
minen, deren Wirkung eine viel geringere ist. Das zeigt Tabelle III, 
in die ich auch die Zahlen aufgenommen habe, die ich mit Ge- 
latine und Albumoselösungen (Witte-Pepton) erhalten habe. 


Tabelle III. 


Die Oberflächenspannung | Tropfenzahl 
von 1°/,igen Lösungen von: | der Lösung 


8 
Ovalbumin (Merck) . . . . 43,8 
Ovalbumin ege С" 44,0 
Serumalbumin (Merck). . . 44,3 

50,4 
57,2 





Gelatine (gereinigt) - . . . 
Witte-Pepton (Albumose 
Casein (*/,-КОН gelöst) . . 53,6 

Casein (2/„-HC1 gelöst). . .| 55,4 

Tatsächlich geht aus Tabelle III hervor, daß das Casein 
in seiner Wirkung auf die Oberflächenspannung den Albumosen 
und der Gelatine viel näher steht als den Albuminen. Auch in 
manchen Fällungsreaktionen sind diese 3 Substanzen einander 
viel ähnlicher als den Albuminen (Hitzekoagulation, Fällung mit 
Sulfosalicylsäure). 

Aus dieser Zusammenstellung geht auch hervor, daß den 
verschiedenen Eiweißkörpern im allgemeinen nicht die gleiche 
Wirkung auf die Oberflächenspannung zukommt. Es gibt Ei- 
weißkörper, die die Oberflächenspannung des Wassers stärker, 
und solche, die sie weniger stark herabsetzen °). Ä 


1) Hammarsten, Zeitschr. f. phys. Chem. 2, 217. 

2) Nach Iscoovesco (Compt. rend. Soc. Biol. 62, II, 622, 1906) soll 
das Ovalbumin die Oberflächenspannung des Wassers sogar erhöhen. 
Ich habe — allerdings mit nicht reinen Ovalbuminlösungen — nie eine 
Oberflächenspannungserhöhung beobachtet. 


236 L. Berozeller: 


Da ich das Casein stets in Laugen und Säuren löste, geht 
aus den mitgeteilten Versuchen nicht hervor, welchen Einfluß 
die Säuren und Laugen selbst auf die Oberflächenspannung 
der Caseinlösung haben. Um dies festzustellen, habe ich 
die Versuche in der Weise angestellt, daß ich saure und 
alkalische Caseinlösungen mit "/,,-Säure bzw. ®/ ọ- Lauge ver- 
dünnte, und als Kontrolle ebensolche Verdünnungen der Casein- 
lösungen mit destilliertem Wasser gemessen habe (siehe Ta- 
belle IV und V). 


Tabelle IV. 
Die Wirkung von КОН auf Caseinlösungen. 






Zu Beem einer !/,°/,igen | Тгорѓеп- | 5 com einer 1/,%/, igen in | Tropfen- 
їп */,„-КОН gelösten Büffel- | zahl der | /,,-КОН gelösten Büffel-| zahl der 
caseinlösung gegeben: 









0 ccm dest. Wasser 
n n - 52,2 


In - ~ 1 
2, г n 2 e n - 51,8 
3n - ” 3 n H - 51,4 
4 » - n d n - - 51,6 
5» - ” 5 л - - 51,0 
10 e n n 10 e - r 50,4 
Tabelle V. 


Die Wirkung von НСІ auf Caseinlösungen. 


5 ecm einer mit Büffel- | Tropfen- 
der | casein gesättigten */„-HÜClI-| zahl der 
Lösung Lösung versetzt mit: | Lösung 












+ 
+1 „ ö 47,4 +1 „ Caseinlösung 51,2 
+2 n n 50,4 +2 n = 52,6 
+3 n n 51,2 +3 n - 58,0 
+4 n r 52,2 +4 s» ” 58,6 
+6 n n 53,0 +6 n - 54,6 





Vergleicht man die Oberflächenspannung der mit Wasser 
verdünnten Caseinlösungen mit der Oberflächenspannung der 
mit Säure bzw. mit Lauge erhaltenen Lösungen, die das Casein 
in derselben Konzentration enthalten (je eine horizontale Reihe 
in den 2 Tabellen), so sieht man, daß der Unterschied bei 
den Lösungen mit höherer Säure- bzw. Laugenkonzentration 
größer ist, d. h. in konzentrierterer Säure- bzw. Laugenlösung 
setzt das Casein die Oberflächenspannung stärker herab als in 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. II. 237 


dünneren. Dieses Verhalten läßt sich gut mit Traubes!) Er- 
fahrung erklären, daß nämlich bei vielen kolloiden Systemen, 
die die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen, die Ober- 
flächenspannung bereits vor der sichtbaren Flockung wächst, 
um bei der vollständigen Ausflockung die des Wassers zu er- 
reichen. Je weniger Säure oder Lauge die Caseinlösung ent- 
hält, um so näher steht das Casein der Ausflockung, was mit 
der Vergrößerung der Teilchen und der damit verbundenen 
Erhöhung der Oberflächenspannung einhergeht. Ist die Kon- 
zentration der Säure bzw. Lauge gleich Null, bleibt überhaupt 
kein Casein in Lösung. 

Übrigens verhalten sich die Seifen den Laugen gegenüber 
ganz so wie das Casein. Daß die Viscosität der Seifen- und 
Caseinlösung sich dabei parallel verändert, haben schon La- 
queur und Sackur?) gefunden, und Bottazzi?) beobachtete, 
daß ein sehr geringer Zusatz von Lauge die ÖOberflächenspan- 
nung der Natriumoleatlösung stark herabsetzt, was ich in 
eigenen Versuchen bestätigen konnte, 


Die Hauptergebnisse meiner Versuche sind die folgenden: 

1. Das reine Casein beeinflußt die Oberflächenspannung 
des Wassers nicht merklich. Schon durch Kochen verändert 
es sich so, daß die Oberflächenspannung des Wassers erniedrigt 
wird. Wahrscheinlich wird es dabei hydrolysiert. 

2. In Säuren und Laugen gelöst, erniedrigt das Casein die 
Oberflächenspannung ziemlich stark. Je konzentrierter die Säure 
bzw. Lauge ist, um so stärker ist die Wirkung. 


1) Kolloidohemische Beihefte 1912. 
1) Beiträge z. ohem. Physiol. u. Pathol. 8, 197. 
D Bottazzi, Rend. R. Асс. d Lincei 1912, 365. 


Stalagmometrische Studien an kolloiden und 

krystalloiden Lösungen. 

III. Mitteilung. 
Von 
L. Berczeller und L. Csäki. 
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest. 

Direktor: Е. Tangl.) 

(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 


Wirkung von Laugen auf die Oberflächenspannung 
der Alkaloidsalzlösungen. 


І. 

Die Untersuchungen Traubes!) haben ergeben, daß Zusatz 
von Na,CO, die Oberflächenspannung der Alkaloidsalzlösungen 
stark vermindert. Es ist bekannt, daß diese Lösungen viel 
giftiger sind als diejenigen, die Na,CO, nicht enthalten’). 

Traube erklärt die Erscheinung damit, daß die frei 
gewordene Alkaloidbase, die gelöst bleibt, diese Wirkung aus- 
übt. Er untersuchte den Zustand der Alkaloide in den Lösungen 
nicht eingehender, da für ihn nur die Erscheinung Interesse 
hatte, daß mit der Verminderung der Oberflächenspannung 
die Giftwirkung sich verstärkt. 

Unsere Aufgabe war, den Zustand der Alkaloide in diesen 
Lösungen zu untersuchen und damit Traubes Untersuchungen 
zu ergänzen. 

Wir gingen von einem Versuche Traubes aus, den er 
nur nebenbei erwähnt. Er machte in einem Versuche die Er- 
fahrung, daß in einer mit Na,CO, versetzten Alkaloidlösung 

1) Diese Zeitschr. 42, 470. | 

з) Die entsprechende Literatur siehe іп der zitierten Arbeit von 
Traube. Wir möchten nur bemerken, daß die erwähnte Erscheinung, 
daß nämlich Alkaloidsalzlösungen nach Zusatz von Lauge giftiger sind, 
schon Overton bekannt war (Overton, Studien über die Narkose, 8.11). 
Er erklärt diese Erscheinung damit, daß die Alkaloide in Fett viel 
leichter löslich sind als ihre Salze und daher in die Zelle besser ein 


dringen können. Wir erwähnen Overtons Beobachtung und deren Er- 
klärung nicht deshalb, als würden wir letztere für richtig halten. 


L. Berozeller u. Csáki: Stalagmometr. Stud. an koll. usw. Lösungen. III. 239 


die Oberflächenspannung der Lösung mit der Zeit wuchs 
und damit die Giftigkeit der Lösung abnahm. Traube betont, 
daß diese Wirkung nicht etwa durch die Ausscheidung dee 
Alkaloids entstehen konnte, da in seinen Lösungen kein Nieder- 
schlag sichtbar wurde. Andererseits ist es den Ärzten allgemein be- 
kannt, daß man die Alkaloide in basischen Lösungen nicht verordnen 
darf, weil sie sich entweder zersetzen oder sich aus der Lösung aus- 
scheiden. Diese Veränderungen erfolgen nur nach einer gewissen 
Zeit. Um so interessanter ist die Entdeckung Traubes, daß nach 
Zusatz von Lauge zu Alkaloidlösungen die Oberflächenspannung 
verringert wird und gleichzeitig die Giftigkeit der Lösungen steigt. 

Zunächst haben wir die Untersuchungen Traubes damit 
ergänzt, daß wir die Wirkung verschiedener Laugen auf 
Alkaloidlösungen untersuchten. Traube benutzte Na,CO, 
und einige schwache Basen, weil er nach Möglichkeit den physio- 
logischen ähnliche Verhältnisse schaffen wollte. Wir benutzten 
starke Laugen (КОН, NaOH, Ba(OH),), da ев für uns wichtig 
war, mit möglichst einfachen chemischen Systemen zu arbeiten. 

Wie aus den folgenden Tabellen ersichtlich ist, ver- 
ringern auch diese Basen in starkem Maße die Ober- 
flächenspannung der Alkaloidlösungen. 

Tabelle I. 
A. Alkaloide + */,„-КОН. 










: : : : : Tropfen- 
0,33°/,ige Atropinsulfat- 2 10,83°/,ige en ТАМ der 


Lösung 


50 oom Lösung 50 oom Lösung 
+ 0 Tropfen sl BO + 0 Tropfen "KOH | << 
50 com Lösung 50 com Lösung 459 
+ 25 Tropfen a). KOH + 25 Tropfen ы КОН ‚ 


50 com Lösung 458 
+ 50 Tropfen a/o- КОН e 
Tropfen- 
zahl der 


0,33], ige Сосаіп-НС1- 
Lösung Lösung 


0,33°/,ige Physostigmin- 
HCI-Lösung 


5 com Lösung 5 com Lösung 
+ 0 Tropfen sl КОН | 446 | +0 Tropfen °" КОН | 9 
ó com Lösung 562 5 ост Lösung 504 
+ 5 Tropfen */ KOH ; + 5 Tropfen */,,-КОН " 
64,4 5 сот Lösun 514 


5 ccm Lösung g 
+ 15 Tropfen sl, KOR + 10 Tropfen */,„-КОН 


240 L. ВеговеПег und L. Csáki: 
B. Alkaloide -+ */,,-МаОнН. 








0,88°/„1де Atropi 0,88°/, Pil 
Bi ai Ke, Droge | ÈS Y 


233 


50 com Lösung 42 
+0 Tropfen ag 











50 com Lösung 44,4 
+0 — SE 


50 со 
+25 Toplan" sl ed 


5 com Lösun 
+0 Tropfen sde Bag 446 






50 ос 5 com Lösun 
+ 25 Tropfen Se nl 454 +6 Tropfen */,„.Na0H| 590 


` 50 оош Lösung 459 
+ 50 Tropfen °/,,-М№ „NaOH ! 









com Lösung 54,0 
+50 — МОН ? 
С. Alkaloide + konz. NH,-Lösung (28°/,). 


0,83°/,ige Cocain-HCl-Lösung ал 


5 oom Lösung + 0 Tropfen МН,ОН . . | 44,8 
5 ew D +5 n NH,OH с 64,4 


D Alkaloide + */,„„-Ва(ҤО),. 





0,889/,ige ei зше he Р — Song der 


Lösung 











ung 50 com Lösun 
+ 0 Tropfen */,,Ba(OH), +0 Tropfen Ван), 






50 com Lösung 50 ocm Lösung 
+20 Tropfen °/,,-Ва(ОН), + 10 Tropfen */,,-Ва(ОН), 47,6 
50 com Lösung 50 com Lösung 498 
+ 25 Tropfen °/,,-Ва(ОнН), + 25 Tropfen °/,,-Ва(ОН), ? 





tee 
+ 50 Tropfen */,,-Be(OH), 


50 com Lösung 
+ 100 Tropfen */,„-Ва(ОН), 


Die zweite Frage betrifft die Rolle des Lösungsmittele. 
Zeigt sich diese Wirkung auch in anderen als wässerigen Lö- 
sungen?! 

Zu diesem Zwecke haben wir alkoholische Lösungen 
der Alkaloidsalze mit Lauge versetzt und dabei gefunden, 
daß die Oberflächenspannung überhaupt nicht be- 
einflußt wurde. Die Alkaloidbasen selbst sind in Alkohol 
leicht löslich. Diese Beobachtung beweist allerdings nicht ein- 
deutig, daß die Herabsetzung der Oberflächenspannung in ein- 
fachem Zusammenhange mit der Löslichkeit wäre, da die Ober- 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. Ш. 241 


flächenspannung des Alkohols geringer ist als die des Wassers, 
daher Zusatz von oberflächenaktiven Stoffen die Oberflächen- 
spannung des Alkohols weniger vermindern wird als die des 
Wassers. 

In den folgenden Tabellen II und III sind einige dies- 
bezügliche Daten angegeben. 





Tabelle II. 
Alkoholische Alkaloidsalzlösungen +- */, „alkoholische 
KOH-Lösung. 
an der alkoholischen Kalilauge: 55,5. 
| ТТ, Ianni TT To 
Atropinsulfat Ch 3 Cocainchlorid Da 3 Pilocarpinchlorid Б 3 
ЁЗ E ER 

1/,00-Lösung | 57,0 50 com !/,oe-Lögung | 56,5 | 50 eem tọ- Lösung | 56,1 
Tropfen еп", КОН 57,1 [+ 25 Tropfen en »/, „КОН 56,3 |+ 10 Tropfen a „КОН 56,2 
» Se KOR | 56,9 [+100 „ "/,,-КОН| 56,5 |+ 50 я "/,,-КОН | 56,1 
п >o KOH] 56,3 | +200 » "/,,-КОН | 56,1 [+100 „ » KOR 56,1 


Tabelle Ш. 







50 com °/,,-КОН (alkoh.) 
+ 10 Tropfen !/,„-Atropin 
+50 nn }/,оо-Аёгоріп 
+100 » 1/,0-Atropin 


In den weiteren Versuchen untersuchten wir den zeit- 
lichen Verlauf der Abnahme der Oberflächenspan- 
nung der mit Lauge versetzten Alkaloidlösungen. 

Die Oberflächenspannung herabsetzende Wirkung der Lauge 
verschwindet im Laufe von 24 bis 72 Stunden; in den mit 
Na,CO, versetzten Lösungen etwas langsamer als in den mit 
freier Lauge versetzten. 

Dagegen erfolgt die Zunahme der Öberflächenspannung 
beim Kochen der Lösung schneller als bei Zimmertemperatur, 
während sie bei 09 noch langsamer ist. Innerhalb 24 Stunden 
erreicht aber die Oberflächenspannung auch bei 0° ihren An- 
fangswert. 

Die eben besprochenen Versuche sind in Tabelle IV und V 
zusammengestellt. 


242 І. Berozeller und L. Csáki: 


Tabelle IV. 
Atropinsulfatlösung + */,,- КОН. 


Sofort | Nach | Nach 
gemessen | 36 Std. | 90 Std. 






0,33 %/,iges Atropinsulfat + 10 Tropfen*/,„ KOH 





0,33 °/ ,iges » +15 » "/,,-КОН 18,6 
0,83°/, iges n +20 »ь »/„„-КОН 72,6 
0,33 %/ ,iges » +25 sa */„„-КОН 11,8 
Tabelle V. 
Alkaloidlösungen + ”/,„-КОН. 
А Tropfen- 
Zusatz Zeit zahl Anmerkung 
Atropinsulfat 0,33°/ ‚ige Lösung 
0 sofort 69,8 
-+ 25Tropfen ?/ -KOH л 82,6 
+25 » a/o KOH |nach 15 Min.| 73,0 | 15Minuten lang am kochen- 
den Wasserbade gehalten 
(Probe A) 
+25 н  »/ o KOH |nach 62 804. | 74,4 | Im Eisschrank gehalten 
(Probe B) 
+25 n „ROH nach 7 Tagen 70,4 | Probe A 
+25 n alo KOH] n 4 n 71,4 Probe B 


Die Proben wurden bei 
+25 н io KOH] n 4 n 71,0 : 
+25 n» a he KOH n 8 n 71,2 Zimmertemperatur auf- 


bewahrt 
Cooainhydroohlorid 0,33°/,ige Lösung 
0 — 71,4 
+ 25 Tropfen sl, RO 90,0 
+25 » aj KOH nach 15 Min. 74,0 | 12 Minuten lang am kochen- 
den Wasserbade gehalten 
(Probe A) 
+25 » alo KOH |расћ 48Std.| 71,4 | Im Eisschrank gehalten 
(Probe B) 
+25 » a/o KOH Inach гава 71,6 | Probe А 
+25 » %/,-КОН| sa 9 71,6 Probe В 


е Die Proben wurden bei 
+25 пя "КОН „ 8 » e Zimmertemperatur auf- 
+ 25 ” Se КОН э 9 n 10,8 bewahrt 


Physostigminhydrochlorid 0,33°/,ige Lösung 


0 71,8 
+ 25 Tropfen */,,-КОН 77,6 
+25 a "/,,-КОН | пасћ 15 Міп. | 77,6 | 15Minuten lang am kochen- 
den Wasserbade gehalten 
(Probe A) 
+25 a %"/,,-КОН naoh 48 864. | 80,2 | Im Eisschrank gehalten 
(Probe B) 


+25 » %/,,- КОН Inach 7 Tagen| 75,4 | Probe A 
+25 » ®/oKOH| »1 » 78,0 Probe B | 
+25 » экон| » 8 n 72,0 E Proben wurden bei 


к Zimmertemperatur auf- 
+25 n „КОН » 9 » | 720 bewahrt 


Stalagmometr. Studien an kolloid. п. krystalloiden Lösungen. III. 243 


Auffallend ist es, daß Cocain, das auf Zusatz von Lauge 
leichter ausfällt als Atropin, eine größere Oberflächenspannungs- 
erniedrigung verursacht, und daß beim Pilocarpin, das in 
Wasser leichter löslich ist als diese beiden, fast keine Ober- 
flächenspannungserniedrigung eintritt. In konzentrierteren Lö- 
sungen von Pilocarpin konnte Traube allerdings eine sehr 
unbedeutende Herabsetzung der Öberflächenspannung wahr- 
nehmen. 

Diese Versuche machen es wahrscheinlich, daß dennoch 
die Fällung der Alkaloide an dieser Erscheinung beteiligt 
ist, obwohl Traube das nicht zugibt. In dem Versuche mit 
Physostigmin überzeugten wir uns unmittelbar davon, daß, so- 
bald sich die Oberflächenspannung vergrößert, ein Niederschlag 
sichtbar wird. Daß wir in unseren übrigen Versuchen, ebenso 
wie Traube, keinen Niederschlag bemerken konnten, dürfte 
daran liegen, daß es sich beim Niederschlag um ganz kleine 
Mengen handelt. Wir arbeiteten mit 1:300 verdünnten Alkaloid- 
lösungen, davon nahmen wir 50 ccm == са. 0,17 g Alkaloid; 
dazu gaben wir 10 Tropfen al, p KOH, was ungefähr 3,5 mg 
КОН = са. 12 mg Cocain entspricht. Wenn wir nun an- 
nehmen, daß die Lauge eine äquivalente Menge des Alkaloides 
Cocain aus der Lösung freimacht, und daß die Alkaloide in 
Wasser etwas löslich sind, ist es offenbar, daß der Nieder- 
schlag nur sehr minimal sein kann. 

Daß tatsächlich nur eine minimale Menge des Alkaloid- 
salzes mit der Lauge reagiert, wird dadurch bewiesen, daß, 
wenn man nach einiger Zeit, als die Oberflächenspannung sich 
wieder vergrößert hat, der Lösung von neuem Lauge zusetzt, 
die Oberflächenspannung von neuem vermindert wird. 

Wir können uns den Vorgang auf das einfachste so erklären, 
daß die Alkaloide in übersättigter Lösung die Oberflächenspan- 
nung stärker vermindern, und daß mit ihrer Ausscheidung die 
Oberflächenspannung wieder zunimmt. 

Diese Annahme wird durch W eins?) Untersuchungen direkt 
unterstützt. Er hat nämlich gefunden, daß frisch gefällte 
Alkaloide im Wasser übersättigte Lösungen bilden, aus denen 
im Laufe der Zeit die Alkaloide sich ausscheiden. 


1) Wein, Dissertation 1911. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 17 


244 L. Berczeller und L. Csáki: 


Das Ausfällen der Alkaloide geschieht in diesen Versuchen 
in derselben Weise, wie z.B. beim BaSO,. Bei beiden erfolgt 
die vollständige Ausscheidung nicht auf einmal, sondern lang- 
sam nach einiger Zeit. Beim Erwärmen fällt der Niederschlag 
schneller aus. Erklären läßt sich das in folgender Weise: 

Die Alkaloidlösung ist eine kolloide Lösung, deren kleine 
Teilchen sich beim Erwärmen zu größeren Teilchen vereinigen, 
die den sichtbaren Niederschlag bilden. Diese Vereinigung der 
Teilchen wird durch die Erwärmung dadurch vergrößert, daß 
die Bewegung der Teilchen erheblich beschleunigt und damit 
ihr Zusammenstoßen begünstigt wirdt). ' 

Das Morphin und auch noch andere Glieder der Morphin- 
reihe (z. B. Apomorphin) verhalten sich anders wie die hier 
untersuchten Alkaloide Wie schon Traube bemerkt hat, er- 
niedrigen sie auf Zusatz von Lauge nicht die Oberflächen- 
spannung des Wassers. Traube will diese Erscheinung damit 
erklären, daß das Morphin stärker mit der Säure verbunden 
sei, und durch Na,CO, nicht freigemacht wird. Diese Erklärung 
können wir aber nicht annehmen, denn in Morphinsalzlösungen 
scheidet sich das Morphin auf Na,CO, ebenso wie auf Laugen- 
zusatz aus. Während bei den oben erwähnten Alkaloiden bei 
Laugenzusatz eine Erniedrigung der ÖOberflächenspannung ein- 
tritt, konnte beim Morphin und Apomorphin weder vor noch 
nach dem Erscheinen des Niederschlags eine solche beobachtet 
werden. Auf weiteren Zusatz von Lauge zur Apomorphin- 
lösung löst sich dieser Niederschlag, wobei die Oberflächen- 
spannung noch größer wird als die des Wassers. Dabei färbt 
sich die Lösung grün. 

Dieses Verhalten dieser beiden Alkaloide ist um so be- 
merkenswerter, als auch diese so wie die übrigen Alkaloide 
die Neigung haben, übersättigte Lösungen zu bilden. (S. Weine 
Beobachtung vom Morphin.) 


1) Ich muß hier bemerken, daß bei dem Versetzen der Physostigmin- 
lösung mit Lauge noch andere Vorgänge mitspielen dürften, denn nach 
Verlauf einiger Zeit färbt sich die Lösung intensiv rot. Die Rotfärbung 
erfolgt bei höherer Temperatur schneller. Physostigmin unterscheidet sich 
auch darin von den übrigen untersuchten Alkaloiden, daß seine nach 
Zusatz von Lauge verminderte Oberflächenspannung nur sehr langsam 
wächst. 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. II. 945 


Diese Erfahrung spricht dafür, daß bei der Oberflächen- 
wirkung der Alkaloide auch deren chemische Konstruktion eine 
Rolle spielt, was auch mit den physiologischen Beobachtungen 
in gutem Einklange steht. 

So hat Overton die Tatsache, daß das Morphin viel lang- 
samer wirkt, damit erklären wollen, daß es langsamer in die 
Zellen diffundiert als die übrigen Alkaloide. Die Schwierigkeit, 
die diese Erklärung darin findet, daß das Morphin als kleineres 
Molekül eigentlich schneller diffundiert, ist umgangen, wenn 
man die größere Wirksamkeit der übrigen Alkaloide damit er- 
klärt, daß sie stärker adsorbiert werden als das Morphin, so 
wie es die Traubesche Theorie voraussetzt. 


П. 

Dieselben Erscheinungen, die Traube bei den Alkaloiden 
fand, beobachteten wir bei Natriumsalicylat. Es ist bekannt, 
daß die keimtötende Eigenschaft der Salicylsäuse stärker ist, 
als die ihres Natriumsalzes. Unsere Experimente haben ergeben, 
daß bei der Abspaltung der Salicylsäure in der Lösung des 
Salzes die Oberflächenspannung ebenso abnimmt wie bei der 
Abscheidung der Alkaloide aus ihren Salzen, nur wird die 
Salicylsäure durch Säuren, die Alkaloide durch Laugen aus 
ihren Lösungen in Freiheit gesetzt. 


Tabelle VI. 


; А Tropfenzahl 
Natriumsalicylat der Lösung 





5ocm 1°/,ige Lösung von 





Natriumsalicylat . . . . 44,6 
+ 10 Tropfen °/,-Н,80, . . 48,6 
+ 20 n "/.-Н,80, . . 52,6 
+ 22 » /.-Н.,80,1) - 54,6 
nach 1 Stunde . . . .. . 48,6 

a 4Stundn ..... 47,8 

n 12 E E E 46,6 


-< 


Das Natriumsalicylat vermindert in 1°/ iger Lösung in 
geringem Maße die Oberflächenspannung. Auf Zusatz von 
Säuren sinkt die Oberflächenspannung in bedeutendem Maße. 


1) Die Salioylsäure wird aus der Lösung ausgeschieden. 
17* 


246 L. Berczeller und L. Csáki: 


Diese Herabsetzung der Oberflächenspannung ist viel größer 
als bei Sättigung des Wassers mit Salicylsäure, doch bleibt sie 
nicht unverändert. 


Tabelle VII. 


Salicylsäure. 


— — —⸗ 


Tropfenzahl 
der Lösung 





Gesättigte wässerige Lösung 

der Salicylsäure. . . . 45,6 
+5 Tropfen ®/,-H,S0O, . . 46,0 
+15 n Se HSO, . .|* 45,8 


Wir haben es nämlich mit einer übersättigten Lösung zu 
tun, und in dem Maße, wie sich die Salicylsäure ausscheidet, 
wächst die Oberflächenspannung der Lösung und erreicht die 
der gesättigten wässerigen Salicylsäurelösung. 

Diese Erscheinung können wir am einfachsten mit der 
Entstehung einer kolloiden Lösung erklären. Bevor 
sich die Teilchen so weit vergrößern, daß ein sichtbarer 
Niederschlag entsteht, wird die Öberflächenspannung stark 
vermindert; ist dagegen der Niederschlag sichtbar, ver- 
größert sie sich. Es ist dieselbe Erscheinung, die wir bei 
den Alkaloiden, und Traube schon in manchen anderen Fällen 
gefunden hat. 


ID. 


Der Zweck unserer weiteren Untersuchungen war, die Ad- 
sorptionsverhältnisse bei diesen nicht stabilen, die Ober- 
flächenspannung stark vermindernden Lösungen der Alka- 
loide zu untersuchen. 

Nach der Freundlichschen Theorie wäre zu erwarten, 
daß, nachdem diese Lösungen die Oberflächenspannung stark 
herabsetzen, sie in großem Maße adsorbiert würden. Würde 


a diese Annahme sich bestätigen, so wäre das eine starke Stütze 


für Traubes Auffassung von der Aufnahme dieser Substanzen 
durch die Zellen, wofür die Meyer-Overtonsche Theorie keine 
Erklärung bietet. Auch hat bereits Traube nachgewiesen, daB 
(unter den oben angegebenen Verhältnissen) diese Substanzen 
sich ebenso verhalten wie die indifferenten Narkotica, indem 
sie die Oberflächenspannung des Wassers stark vermindern. 


Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. ПІ. 947 


Für mich galt es nun, wie gesagt, die Adsorption dieser 
Substanzen zu prüfen. 

Ich habe bei den Untersuchungen der Adsorptions- 
erscheinungen am meisten Kohle benutzt, außerdem Ver- 
suche mit Stärke, koaguliertem Eiweiß, CaCO, MgSiO, 
und BaSO, angestellt. Als es sich nämlich herausstellte, 
daß die Alkaloide von den verschiedenen Substanzen in ver- 
schiedener Menge adsorbiert werden, bot es ein besonderes 
Interesse, die Rolle der chemischen Beschaffenheit des Adsorbens 
zu ermitteln. | 

In meinen Versuchen habe ich immer 2,5 р des Adsorbens 
und 10 ccm Alkaloidlösung, die mit 5 Tropfen ®/ „KOH ver- 
setzt waren, benutzt. (Die 5 Tropfen Lauge setzten selbst in 
derselben Alkaloidlösung die Oberflächenspannung nicht immer 
mit demselben Betrage herab. Das dürfte darin seine Er- 
klärung finden, daß das Abmessen von 5 Tropfen ziemlich 
ungenau ist, die Oberflächenspannung aber auf die geringste 
Konzentrationsänderung der Lauge mit großer Veränderung 
reagiert.) 

Das Adsorbens habe ich mit der Lösung in einem mit 
gut eingeschliffenem Stöpsel versehenen Glase 100 bis 150 mal 
geschüttelt, dann die Lösung durch Filterpapier filtriert. Durch 
besondere Versuche habe ich mich überzeugt, daß durch das 
Filtrieren allein die Oberflächenspannung der Alkaloidlösungen 
nicht verändert wird 1). 

In den Kontrollversuchen mußte festgestellt werden, 
ob das Adsorbens nicht solche Stoffe abgibt, die die Ober- 
flächenspannung der Alkaloidlösungen beeinflussen. (Naheliegend 
war, daran zu denken, daß sie vielleicht minimale Mengen 
Lauge oder Säure abgeben könnten.) Zu diesem Zwecke habe 
ich 2,5 g Adsorbens mit 10 ccm dest. Wasser geschüttelt; 5 cem 
des Filtrates wurden mit 5 ccm Alkaloidlösung vermischt und 
die Oberflächenspannung dieser Lösung mit der Oberflächen- 
spannung einer Mischung von 5 ccm dest. Wasser mit 5 ccm 
Alkaloidlösung verglichen. Wie nötig diese Prüfung war, be- 
weisen am besten die Versuche mit Kohle: das Filtrat des mit 


1) Die Lösungen mußten filtriert werden, da die Versuche möglichst 
schnell durchgeführt werden sollten, da sich aus früheren Versuchen 
ergab, daß beim längeren Stehen die Oberflächenspannung sich verändert. 


248 L. Berczeller und L. Csáki: 


der Kohle geschüttelten Wassers setzte die Oberflächenspannung 
der Alkaloidlösung herab (wahrscheinlich enthielt die Kohle 
Lauge minimal beigemengt). 

Es sei aber gleich bemerkt, daß dieses Verhalten der Kohle 
meine Adsorptionsversuche gar nicht störte, ja sogar einen Be- 
weis a fortiori zuläßt, da die Oberflächenspannung der mit 
Lauge versetzten Alkaloidlösung nach dem Schütteln mit Kohle 
stieg. Eine Störung wäre nur dann eingetreten, wenn die 
Adsorbentien Säure abgegeben und dadurch die Oberflächen- 
spannung erhöht hätten. Aber das war bei keinem der Adsor- 
bentien der Fall. 

Von den zahlenmäßigen Ergebnissen meiner zahlreichen 
Versuche habe ich einige in der folgenden Tabelle angeführt. 
Die übrigen, der Raumersparnis wegen nicht angeführten Ver- 
suche stimmen mit diesen ganz überein. 

1. Zunächst ergibt sich, daß ein und dasselbe Adsorbens die 
verschiedenen Alkaloide nicht mit gleicher Stärke 
adsorbiert: am stärksten wird Cocain adsorbiert, Atropin 
schon weniger und am wenigsten Physostigmin. 


Tabelle VIII. 
Die Adsorption von Alkaloiden. 
A. Adsorbens: Kohle (Blutkohle: Merok). 


, Tropfen- 
0,339, Cocainhydrochlorid zahl der Bemerkungen 
Lösung 





10 ccm Cocainlösung 
+ 12 Tropfen */,,-КОН 








10 ccm der mit Lauge ver- 
setzten Lösung wurden mit 


von der Kohle abfiltrierte Lösung 
2,5 g Kohle geschüttelt. 













5 ccm 0,33°/,ige Cocain-HCI- 
Lösung + 6 Tropfen */,„-КОН 
+ 5 com dest. Wasser 56,4 
5 оош 0,33°/,ige Сосаір-НС1- 640 
Lösung + 6 Tropfen sl KOR 
+ 5 ccm von der Kohle abfil- 63.4 
triertes dest. Wasser ; 


10 ccm 0,33°/,ige Сосаіп-НСІ- 
Lösung + 12 Tropfen °/,,-КОН 


Durch ein gehärtetes Filter 
abfiltriert 


10 ccm dest. Wasser wurden 
mit 2,5 g Kohle geschüttelt. 








Kontrollversuch, der beweist, 
daß das Filter nicht merk- 
lich adsorbiert. 






Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. III. 249 


Tabelle VIII (Fortsetzung). 


Tropfen- 
0,33°/, Cocainhydrochlorid zahl der Bemerkungen 
Lösung 


10 сот 0,33°/,ige Сосаіп-НС1- 
ösung 
+ 10 Tropfen */,„-КОН 


5 com von der Kohle abfiltrierte 
Lösung 
+ 5 Tropfen °/,,- КОН 
+10 n a, 0 КОН 


0,33°/,ige Atropinsulfatlösung 
10 eem 0,33°/ ige Atropin-H,SO,- 


10 com der mit Lauge ver- 
setzten Lösung wurden mit 
2,5 g Kohle geschüttelt. 





Lösung 44,2 
+ 10 Tropfen */,„-КОН 55,8 
von der Kohle abfiltrierte Lösung | 46,4 Wie in Adsorptionsversuchen 


mit Cocain. 
5 ccm 0,33°/,ige Atropinsulfat- 55.0 
lösung + 5 Tropfen */,„-КОН 4 
+ 5 com dest. Wasser 51,0 
5 com 0,33°/ ‚ige Atropinsulfat- 
lösung + 5 Tropfen a/o KOH 54,6 


+ 5 ccm von der Kohle abfil- 535 10 com dest. Wasser wurden 
triertes dest. Wasser ; mit 2,5g Kohle geschüttelt. 


5 ccm 0,33°/,ige Atropin-H,SO,- 
Lösung + 5 ccm dest. Wasser 51,0 
+ 5 Tropfen ^/,„-КОН 
Durch ein gehärtetes Filter 51.0 
abfiltriert ? 


10 com 0,83°/„1де Atropin-H,SO,- 518 
Lösung + 5 Tropfen */,„-КОН ; 
{ 5 Wie in Adsorptionsversuchen 
von der Kohle abfiltrierte Lösung | 46,2 mit Cocain. 
0,33%) ,ige Physostigmin-HCI- 
Lösung 
10 com Phys.-Lösung 45,8 
+ 10 Tropfen sl, -KOH 52,2 


von der Kohle abfiltrierte Lösung | 47,4 Wie in Adsorptionsversuchen 


mit Cooain. 


5 оош Phys.-Lösung + 5 Tropfen | £04 


a) 107 


+ 5 com dest. Wasser 49,2 
Л n Wie in Adsorptionsversuchen 
von der Kohle abfiltrierte Lösung | 45,4 mit Cooai 


250 L. Berezeller und L. Csáki: 


Tabelle IX. 
Die Adsorption von Alkaloiden. 


B. Adsorbens: Stärke (Weizenstärke). 





0,33°/,ige Cocainhydrochlorid- | Tropfen- 
y 


zahl der Bemerkungen 
аё Lösung 

10 ccm Cocainlösung 44,8 

+ 10 Tropfen %/,,-КОН 61,8 
н А 2,5 g Stärke + 10 сот der 
779 —— Fe чене 50,8 vorigen Lösung (тїї Lauge 
g da versetzt wurden geschüttelt. 

+ 10 Tropfen sl, КОН 64,4 









5 ccm Cocain-HCl-Lösung 612 
+ 5 Tropfen "/,„-КОН f 
+5 ccm dest. Wasser 55,0 

2,5 g Stärke + 10 ccm der 

vorigen Lösung (mit Lauge 

versetzt)wurden geschüttelt. 


von der Stärke abfiltrierte Lösung | 46,3 


5 com Сосаіп-НСІ + 5 Tropfen 
a/o KOH + 5 ccm dest. Wasser 


5 com Сосаіп-НСІ + 5 Tropfen 
a/o КОН + 5 ccm mit Stärke 55,2 
gesch. dest. Wasser 


2,5 g Stärke wurden mit 
10 ccm dest. Wasser ge- 
schüttelt. 


0,33 °/ ige Atropin-H,SO,-Lösung 
10 eem Atropinlösung 44,6 
+ 10 Tropfen nl, KOH 56,0 
von der Stärke abfiltrierte Lösung | 48,2 1|2,5g Stärke+10cem Lösung. 


5 ccm 0,33 "ige Atropin-H,SO,-| 44 6 
ösung ý 


+ 5 Tropfen °/,,-КОН 55,6 
+ 5 ccm dest. Wasser 51,6 
von der Stärke abfiltrierte Lösung | 44,8 [2,5 р Stärke+10ccm Lösung. 


5 ccm dest. Wasser 
+ 5 ccm Atropinsulfatlösung 52,0 
+ 5 Tropfen ^/,„-КОН 
5 com von der Stärke abfiltriertes 
Wasser + 5 com Atropinlösung 51,8 |2,5 gStärke-+10 ccm Lösung. 
+ 5 Tropfen /,,-КОН 


0,33%) ,ige Physostigmin-HCl- 
Lösun 


g 
5 com Phys.-Lösung 46,0 
+ 5 Tropfen °/,,-КОН 51,0 


von der Stärke abfiltrierte Lösung | 45,8 |2,5 g Stärke + 10 com Lösung. 





Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. ПІ. 251 


Tabelle IX (Fortsetzung). 





Tropfen- 


0,33°/,ige Physostigmin-HC]- | zah] 
Lösung h F Bemerkungen 











10 ccm Phys. Lösung 
+ 10 Tropfen "/,„-КОН 


von der Stärke abfiltrierte Lösung 2,5 g Stärke + 10 ccm Lösung. 






5 com Phys.-Lösung + 5 Tropfen | 494 
a/o KOH + 5 com dest. Wasser 3 
5 com Phys.-Lösung + 5 Tropfen | 496 
a/o KOH + 5 ccm abfiltr. Lösung › 


10 ccm dest. Wasser + 2,5 g 
Stärke. 


Tabelle X. 
Die Adsorption von Alkaloiden. 
С. Adsorbens: CaCO,. 





Tropfen- 


0,33°/,ige Cocain-HCl- Lösung | zahl der Bemerkungen 
Lösung 






10 com Cocainlösung 
+ 8 Tropfen "/,„-КОН 





10 com der mit Lauge ver- 
setzten Lösung wurde mit 


von der СаСО, abfiltrierte Lösung. 
2,5 g CaCO, geschüttelt. 


5 ccm Cocain-HCl-Lösung 44,8 


+ 5 com mit СаСО, gesätt. Wasser | 45,0 Das Wasser wurde mit CaCO, 


kalt gesättigt. 
5 eem Cocain-HCl-Lösung 44,8 


44,8 Das Wasser wurde mit CaCO, 


+ 5 ccm mit СаСО, gesätt. Wasser warm gesättigt. 


Cocainlösung 44,8 
mit CaCO, geschüttelt 49,0 |2,5 g CaCO, + 10ccm Lösung. 
0,33°/,ige Atropin-H,SO,-Lösung 
10 eem Lösung 44,8 
+ 10 Tropfen "/,„-КОН 55,4 


von der СаСО, abfiltrierte Lösung | 55,8 1|2,5gCaCO, + 10сош Lösung. 
0,33%/,ige Physostigmin-HCl- 
—— 


ung 
10 сош Lösung 45,0 
+ 10 Tropfen sl, KOH 51,0 


2,5 g СаСО, + 10 com der 


von der СаСО, abfiltrierte Lösung | 51,0 vorigen Lösung 


252 І. Berozeller und L. Csáki: 
Tabelle XI. 


Adsorption von Alkaloiden. 
D. Adsorbens: Talcum (größtenteils Magn. silicat.). 


Tropfen- 
0,33°/,ige Cocain-HCl-Lösung | zahl der Bemerkungen 
Lösung 
10 com Lösung 44,8 
+5 Tropfen */,„-КОН 57,0 
von dem Talcum abfiltrierte 529 2,5 g Talcum + 10 сст 
Lösung ’ Lösung 
10 ccm dest. Wasser 56.8 
+5 Tropfen °/,,-КОН 4 
5 сот dest. Wasser +5 ccm 
vom Talcum abf. dest. Wasser 57,2 
+5 Tropfen °/,,-КОН 
0,33°/,ige Atropin-H,SO,- 
Lösung 
10 ccm Lösung 45,0 
+6 Tropfen sl, -KOH 54,4 
von dem Talcum abfiltrierte 50.0 2,5 g Talcum +10 eem 
Lösung ? Lösung 
0,33°/,ige Physostigmin - HCI- 
Lösung 
10 com Lösung 45,0 
+6 Tropfen °/,,-КОН 51,2 
von dem Talcum abfiltrierte 498 2,5 g Talcum + 10 осш 
Lösung ; Lösung 
Tabelle XII. 


Adsorption von Alkaloiden. 
Е. Adsorbens: BaSO,. 


Tropfen- 
0,33°/,ige Cocain-HCl-Lösung | zahl der 
Lösung 









Bemerkungen 


10 com Lösung 
+6 Tropfen °/,,-КОН 


von der BaSO, abfiltrierte 


Lösung 2,5 g BaSO, + 10 com Lösung 










10 ccm dest. Wasser 
+5 Tropfen "/,„-КОН 


5 com dest. Wasser +5 ccm von 
BaSO, abfiltr. dest. Wasser 
+5 Tropfen */,,-КОН 


10 ccm dest. Wasser wurden 
mit2,5g BaSO, geschüttelt 






Stalagmometr. Studien an kolloid. u. krystalloiden Lösungen. III. 253 


Tabelle XII (Fortsetzung). 


Bemerkungen 


0,33°/,ige Atropinsulfat- en 
Lösung ‚| zehl der 
Lösung 







10 сот Lösung 
+6 Tropfen °/ -KOH 


von der Ва80, abfiltrierte 


Lösung 10 ccm Lösung + 2,5 g BaSO, 





0,33%/,ige Physostigmin-HCl- 





Lösung 
10 eem Lösung 45,0 
+5 Tropfen "*/,„-КОН 50,0 
von der Ва80, — 494 2,5 g BaSO, + 10 com Lösung 
Tabelle XIII. 


Adsorption von Alkaloiden. 
Е. Adsorbens: Durch Hitze koaguliertes Eiereiweiß. 


Tropfen- 


0,33°/,ige Cocain-HCl-Lösung | zahl der Bemerkungen 
Lösung 







10 ccm Lösung 
+5 Tropfen °/,,-КОН 


von dem Eiweiß abfiltrierte 
Lösung 


10 осш dest. Wasser 
+5 Tropfen °/,,-КОН 


5 ccm dest. Wasser +5 ccm von 
Eiweiß abfiltr. Wasser 
+5 Tropfen °/,,-КОН 


0,33°/,ige Atropin H,SO,- 

Lösung 

10 com Lösung 
+5 Tropfen */,„-КОН 

von dem Eiweiß abfiltrierte 

Lösung 
0,33°/,ige Physostigmin-HCI- 

Lösung 
10 com Lösung 
+5 Tropfen ?/ -KOH 

von dem Eiweiß abfiltrierte 
Lösung 


2,5 g Eiweiß +10 com 
Lösung 









10 com dest. Wasser + 2,5 g 
Eiweiß 








2,5 g Eiweiß + 10 oom 
Lösung 





2,5 g Eiweiß + 10 com 
Lösung 


254 L. Berozeller und L. Csáki: 


Von den drei erwähnten Alkaloiden scheidet sich Cocain 
auf Zusatz von Laugen am leichtesten aus der Lösung, und 
bei diesem ist auch die größte Oberflächenspannungserniedrigung 
auf Zusatz von Lauge zu beobachten. Dem Cocain folgt in 
der oberflächenspannungserniedrigenden Wirkung das Atropin 
und dann das Physostigmin. 

Die Verschiedenheit in der Adsorbierbarkeit scheint auch 
mit anderen Eigenschaften der Alkaloide in Beziehung zu 
stehen, so daß es lohnend erscheint, diese Untersuchungen auch 
auf andere Alkaloide auszudehnen. 

2. Die verschiedenen Adsorbentien wirken auch 
auf ein und dasselbe Alkaloid sehr verschieden. 

Kohle und Stärke adsorbieren am stärksten, etwas weniger 
BaSO, und MgSiO, am wenigsten CaCO, Es hat also die 
basische oder saure Natur des Adsorbens bei der Ad- 
sorption einen bedeutenden Einfluß. Stärke und Ei- 
weiß verhalten sich in diesen und auch in anderen Reaktionen 
wie sehr schwache Säuren, sie adsorbieren dementsprechend 
sehr stark die basischen Alkaloide. Das CaCO, reagiert 
immer alkalisch, deshalb adsorbiert es am wenigsten die 
Alkaloide. 

Aus diesen Versuchen können wir auch mit großer Wahr- 
scheinlichkeit folgern, welche Stoffe im Organismus mit den 
Alkaloiden reagieren werden, und wie diese Reaktion statt- 
finden wird. In erster Reihe kommen als schwache Säuren 
Albumin und Lecithin in Betracht. Natürlich wird diese 
Reaktion im Organismus nicht ganz so verlaufen wie in 
meinen Versuchen, da das Verhalten des Albumins in der 
Lösung anders ist als bei meinen Versuchen. Auch die 
höhere Temperatur im Körper wird gewiß von Einfluß 
sein, da bei höherer Temperatur die Adsorption im all- 
gemeinen langsamer erfolgt, und andererseits die Alkaloide 
bei höherer Temperatur leichter aus ihrer Lösung fallen, wie 
wir das nachgewiesen haben, was die Adsorption wahrscheinlich 
beschleunigt ?). 


1) Wären die Versuche bei Körpertemperatur ausgeführt worden, 
hätte diese Frage entschieden werden können, das verhinderte aber die 
Schwierigkeit der Versuchseinrichtungen, denn bei dieser Temperatur 
fallen die Alkaloide sehr leicht aus ihrer Lösungen. 


Stalagmometr. Studien an kolloid. и. krystalloiden Lösungen. III. 255 


Die Ergebnisse unserer Untersuchungen sind: 


1. Es werden die Beobachtungen von Traube über die 
Oberflächenspannungsveränderung der Alkaloidsalzlösungen be- 
stätigt und in manchen Punkten erweitert. 

2. Die Oberflächenspannungserniedrigung auf Laugenzusatz 
verschwindet mit der Zeit. Es werden die näheren Verhält- 
nisse (Einfluß der Temperatur, der chemischen Natur der ver- 
schiedenen Alkaloide dabei) untersucht. 

3. Es wird versucht, das verschiedene Verhalten von Mor- 
phin (und Apomorphin) mit ihren pharmakologischen Wirkungen 
in Zusammenhang zu bringen. 

4. Es wird ein ähnlicher Vorgang bei salicylsaurem Natron 
beschrieben, was dazu beiträgt, den Chemismus des Vorgangs 
zu erklären. 

5. Es werden die Adsorptionsverhältnisse mit verschiedenen 
Adsorbentien untersucht. 


Wirkung des Eisengehaltes des Blutmehles auf den 
Eisenumsatz der mit Blutmehl gefütterten Tiere. 


Von 
Julius Gröh. 


(Aus der Königl. ungar. tierphysiologischen Versuchsstation in Budapest. 
| Vorstand: Е. Tangl.) 


(Eingegangen ат 14. Juni 1913.) 


Unter den künstlichen Futtermitteln ist das Blutmehl zu 
den wichtigsten zu zählen, es enthält ja dessen Trockensubstanz 
96°/, Eiweiß. Demgemäß verbreitet sich auch die Verfütterung 
desselben immer mehr und mehr. Es wird meistens gemischt 
mit anderen Futtermitteln, neuerdings mit Kleie zu Knödeln 
geformt und getrocknet („Lukullus“) verabreicht. 

Die Bedeutung dieses Futtermittels brachte es mit sich, daß 
damit an der kgl. ung. Versuchsanstalt für Tierphysiologie und 
Futtermittellehre Versuche angestellt wurden!). Diese Ausnüt- 
zungsversuche wurden an zwei Yorkshire-Schweinen ausgeführt. 

In Verbindung mit diesen Versuchen untersuchte ich auf 
Anregung des Herrn Prof. Dr. Tangl, welchen Einfluß der 
Eisengehalt des Blutmehls — herstammend vom Eisen- 
gehalt des Bluthämoglobins — auf den Eisenumsatz der 
Versuchstiere hat. Bekanntlich ist es unmöglich auf Grund der 
üblichen Ausnützungsversuche, überdie Resorption des Eisens eisen- 
haltiger Futtermittel ein klares Bild zu erhalten. Eine Er- 
klärung hierfür finden wir in der Tatsache, daß ein großer 
Teil des im Dünndarm resorbierten Eisens nicht auf dem ge- 
wöhnlichen Wege, wie dies für andere resorbierte, aber nicht 
angesetzte Aschenbestandteile gilt, durch die Nieren, sondern 
hauptsächlich im Dickdarm ausgeschieden und daher mit dem 


1) A. Zaitschek, Über das Blutmehl. Landw. Jahrbücher 1908. 


d. Gröh: Wirkung des Eisenblutmehls auf den Fe-Umsatz usw. 257 


Kote entleert wird). Es kann daher durch einfache Aus- 
nützungsversuche kein Verdauungskoeffizient des Eisens be- 
stimmt werden. Es war dies auch nicht meine Absicht, sondern . 
es sollte nur ermittelt werden, in welcher Weise die im Ver- 
gleich zu anderen Futtermitteln sehr große Eisenmenge, die 
bei Blutmehlverfütterung vom Tier aufgenommen wird, den 
Eisenumsatz der Tiere beeinflußt. 

Was die Einzelheiten der Versuchsanordnung anbelangt, 
verweise ich auf die bereits zitierte Arbeit und bemerke bloß 
folgendes: 

Als Versuchstiere dienten zwei junge Yorkshire-Schweine 
(Nr. 12 und 13), deren Körpergewicht zu Beginn der Blutmehl- 
periode 79 bzw. 63 kg. war. Das Körpergewicht der Tiere 
nahm während des ganzen Versuchs ständig zu. Da Blutmehl 
für sich an Schweine nicht verfüttert werden kann, zerfielen 
die Versuche in zwei Perioden, und zwar: Maisperiode und 
Mais + Blutmehlperiode. Während der Maisperiode betrug die · 
tägliche Ration des Schweines Nr. 12 2 kg, die des anderen 
1,5 kg Maisschrot. Der eigentliche Versuch begann beim 
Schweine Nr. 12 nach 18 tägiger Verfütterung und dauerte 
8 Tage lang; beim anderen Schweine begann er nach 8 tägiger 
Verfütterung und dauerte 10 Tage lang. 

Der Versuchsperiode Mais + Blutmehl ging je eine 21 tägige 
Vorfütterung voran. Der Versuch selbst dauerte je 10 Tage. Jedes 
Tier erhielt täglich 1300 р Maisschrot und 200 g Blutmehl. 

An jedem Versuchstage wurde ein genauer proportionaler 
. Teil des Kotes abgewogen und getrocknet. Am Schlusse der Ver- 
suchsperiode wurden sämtliche Proben vereinigt und gemahlen. 
Ähnlicherweise wurde täglich auch ein proportionaler Teil des 
Harnes in eine große Sammelflasche gebracht. 

Für jeden Versuch bestimmte ich bei beiden Schweinen 
das im Futter aufgenommene gesamte Eisen, als auch das im 
Harn und Kot abgegebene Eisen. Als analytische Bestimmungs- 
methode erwies sich im vorliegenden Falle, da stets Calcium, 
Magnesium und Phosphor zugegen sind, als beste Methode, die 
gravimetrische Bestimmung als Ferriphosphat?). Ich verfuhr 

D Asher u. Spiro, Ergebn. d. Physiol. 5, 1—2, 698, 1906. 


*) Hoppe-Seyler-Tierfelder, Chemische Analyse VII. Aufl. 
8. 401. 


258 J.Gröh: Wirkung des Eisenblutmehls auf den Fe-Umsatz usw. 


kurz folgendermaßen: Die Asche des Materials wurde mit Salz- 
säure zwecks Entfernung der Kieselsäure mehrmals mit konz. 
Salzsäure eingedampft und endlich mit verdünnter Salzsäure 
aufgelöst und filtriert. Zum Filtrat gab ich einige Kubikzenti- 
meter Na,HPO, und machte die Lösung ammoniakalisch. Da 
weder das Blutmehl noch Mais, Kot und Harn Aluminium 
enthalten, verblieb nach Zusatz von Essigsäure im Nieder- 
schlag bloß Ferriphosphat, das nach Filtrieren und Glühen zur 
Wägung gebracht wurde. 

Bei Verfütterung reinen Maises gestaltete sich der Eisen- 
ansatz folgendermaßen: 


Schwein Nr. 12 Schwein Nr. 13 
Aufnahme mit dem täglichen 


Mais . . 2.22 202. 0,425 g Fe 0,323 р Fe 
Ausgabe im täglichen Kot . 0,451» n 0,305 n » 
n я n Harn nur Spuren 


Bilanz: — 0,026 g Fe -+ 0,018 g Fe 


Während der Maisperiode befanden sich demnach die 
Tiere — innerhalb der Versuchsfehler — im Eisengleich- 
gewicht. 

Nach Abschluß dieser Periode wurde die tägliche Mais- 
portion auf 1,3 kg pro Tier herabgesetzt und je 200 g Blutmehl 
täglich hinzugefügt. Nach dreiwöchentlicher Verfütterung be- 
gann die Versuchsperiode, Sammlung des Kotes, Harnes usw. 
Der Eisenumsatz gestaltete sich jetzt folgendermaßen: 

Schwein Nr. 12 Schwein Nr. 13 
Tägliche Aufnahme im Mais 0,283 g Fe 0,283 g Кө 
n ” » Blut- 


mehl. . .... 1,206» » 1,206» » 
” Aufnahme insgesamt 1,489 » » 1,489 » » 
n Ausgabe im Kot . 1,483» n 1,509» » 
n n n Ham . nur Spuren 


Bilanz: +0,006 Pe —.0,020 g Fe 


Aus obigen Daten folgt also, daß die Versuchstiere trotz 
der großen Eisenaufnahme im Eisengleichgewicht blieben. 


Über das biologische Verhalten der 


p-Chlor-m-Kreosotinsäure. 
Von 
E. Sieburg. Я 


(Aus dem Institut für Pharmakologie und physiologische Chemie der 
Universität zu Rostock.) 


(Eingegangen am 18. Juni 1913.) 


Der Anlaß zu nachstehender kleinen Studie bildete eine 
Anfrage von chemisch-industrieller Seite her, ob einer klinischen 
Prüfung des in Frage stehenden Präparates vom toxikologischen 
Standpunkte aus Bedenken entgegenständen, und ob solche 
ev. einen Zweck hätte, d. h. ob therapeutisch brauchbare Eigen- 
schaften vorauszusehen wären. 

Die p-Chlor-m-Kreosotinsäure 


ОН (1) 

OH (2) 
сн, CR, o 
“р (5) 


ist chemisch ein Homologon дег Salicylsäure. Als solche gibt 
sie denn auch die für diese bekannten Reaktionen: Rotfärbung 
beim Erwärmen mit Millons Reagens, Violettfärbung mit 
Eisenchlorid, noch in einer Verdünnung 1:30000 deutlich, die 
aber durch freie Mineralsäure und freies Alkali verhindert bzw. 
zum Verschwinden gebracht wird; endlich Fällbarkeit durch 
Bromwasser bis zu einer Grenzkonzentration 1:15000. 

Über die physiologischen Eigenschaften von Kreosotin- 
säuren berichtet Demme?). Im Vergleich mit der Salicylsäure 
fand er o-Kreosotinsäure als die physiologisch wirksamste, 


1) Demme, Ber. des Kinderspitals Bern 1888, 49. Zitiert nach 
S. Fränkel, Arzneimittelsynthese, 8. 529. Berlin 1912. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 18 


260 Е. Sieburg: 


therapeutisch aber nicht verwertbar, da sie nach verhältnis- 
mäßig kleinen Gaben eine Lähmung des Herzmuskels verur- 
sacht. p-Kreosotinsäure ist zwar wirksam und wird vom 
Organismus gut vertragen, steht aber bezüglich ihres quantita- 
tiven Effektes weit hinter der Salicylsäure zurück. m-Kreosotin- 
säure ist als ganz unwirksam anzusehen. 

Wie P. Ehrlich und H. Bechhold!) fanden, erhöht die 
Einführung von Halogen, besonders von Chlor in den Kern 
von Benzolderivaten deren antiseptische Kraft in erheblicher 
Weise. | | 
Eine sehr einfache und handliche Methode, diese Eigen- 
schaft festzustellen, hat R. Kobert егвоппеп?). Die normale 
frische Kuhmilch des Handels enthält unter ihrer normalen 
Bakterienflora Stämme von Mikroben, die die Fähigkeit haben, 
zu reduzieren, u. a. aus zugesetztem Schwefelpulver Schwefel- 
wasserstoff zu bilden. Diese Eigenschaft läßt sich bequem als 
Indicator für das Leben und den Stoffwechsel dieser Mikroben- 
arten benutzen. Werden sie durch Zusatz von Stoffen (Anti- 
septica) abgetötet oder in ihrer Entwicklung gehemmt, so bleibt 
natürlich die H,S-Entwicklung aus. 

Die Technik besteht darin, daß in gleich weite Reagens- 
gläser 5 ccm frische Kuhmilch gegeben und eine Messerspitze 
von fein zerriebenem Sulfur depuratum zugesetzt wird. Dann 
werden fallende Mengen: 5, 4, 3, 2 und 1 ccm einer wässerigen 
Lösung der zu prüfenden Substanz von bestimmter Konzen- 
tration eingebracht, mit Wasser, wo nötig, auf 10 ccm aufgefüllt 
und gut durchgeschüttelt. In die Öffnung der Gläser wird je 
ein mit Bleiscetat getränkter Filtrierpapierstreifen eingebracht 
und durch einen die Öffnung verschließenden Wattebausch fest- 
gehalten. Die so beschickten Gläser kommen in den Thermo- 
staten bei 38° und bleiben 24 Stunden darin. Von Zeit zu 
Zeit werden die Gläser sanft bewegt, um zu verhindern, daß 
die an der Oberfläche angesammelte Rahmschicht den ev. sich 
gebildet habenden H,S in der Milch zurückhält und so einen 


1) P. Ehrlich und Н. Beohhold, Zeitschr. f. physiol. Chem. 47, 
178, 1906. 

т) Siehe Ausführliches hierüber u. a. bei К. Geinitz, Vergleichende 
Versuche über die narkotischen und desinfizierenden Wirkungen der gang- 
barsten ätherischen Öle und deren wirksame Bestandteile. Rostock 1912. 


Biologisches Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotinsäure. 961 


Kontakt desselben mit dem Bleipapier unmöglich macht. Nach 
24 Stunden wird der Versuch abgebrochen und nachgesehen, 
wo eben noch eine Dunkelfärbung des Bleipapiers eingetreten, 
und bei welcher Konzentration des Antisepticums sie eben 
ausgeblieben ist. Letztere gilt als Grenzkonzentration. 

Auf diese Weise fand sich, daß das p-chlor-m-kreosotin- 
saure Natrium die Entwicklung von H, S noch in einer Ver- 
dünnung von 1:950 hintanhielt. Wie Geinitz (1. с.) feststellt, 
liegt die analoge Grenzkonzentration für Phenol bei 1:160 und 
für salioylsaures Natrium bei 1:33,3. Hiernach wirkt das 
p-chlor-m-kreosotinsaure Natrium sechsmal stärker 
desinfizierend als Phenol und etwa 30 mal stärker als 
salicylsaures Natrium. — Die freie Säure eignet sich 
ebensowenig wie die Salicylsäure zu diesen Versuchen wegen 
ihrer geringen Löslichkeit in Wasser. 

Weiter wurde festgestellt, daß das p-chlor-m-kreosotinsaure 
Natrium auch auf für den Menschen unter Umständen pathogene 
Bakterien abtötend oder entwicklungshemmend wirkte. Als 
Beispiel hierfür wurden gewählt Bouillonkulturen von Strepto- 
kokkenstämmen, Staphylokokkenstämmen, Typhus, 
Paratyphus A, Paratyphus B, Gärtner und Coli. In 
sterile Röhrchen wurden je 5 ccm frischen sterilen Menschen- 
harns gegeben, dazu 5 ccm der 0,4°/ igen Lösung unserer Sub- 
stanz nebst einer Öse der betr. Mikrobenkultur. Als Kontrollen 
dienten Gläser mit Harn und Mikroben, die statt der desinfi- 
zierenden Flüssigkeiten 5 ccm sterilen Wassers zugesetzt erhielten. 
Nach 48stündigem Verweilen im Brutschrank waren die Kon- 
trollen, die kein Desinficiens enthielten, trübe und faulig, 
während der Inhalt der anderen Röhrchen klar geblieben war. 
Aus diesem Versuch geht hervor, daß das p-chlor-m-kreo- 
sitinsaure Natrium in vitro bei der gewählten Ver- 
dünnung 1:500 auf die genannten Mikroben stark 
entwicklungshemmend wirkt. 

Nach Ehrlich und Bechhold (l. с.) bewirkt bei manchen 
Phenolderivaten der Eintritt von Halogen in den Kern nicht 
nur einen höheren antiseptischen Effekt, sondern steigert auch 
deren Giftigkeit. 

Die Verfütterung von be der Substanz zeigte bei einem 
mittelschweren Hunde keine Erscheinungen. In einem 

18” 


262 E. Sieburg: 


Selbstversuch mit 2 g Substanz war das Wohlbefinden 
ungestört; Reizerscheinungen von seiten des Magen-Darm- 
Traktus fehlten, ebenso jede Gefäßerweiterung, wie man das 
von einem Präparat, das chemisch der Salicylsäure so nahe 
steht, vielleicht vermuten könnte. 

Nach allen Erfahrungen werden Benzoloxycarbonsäuren 
vom Organismus entweder unverändert oder gepaart ausge- 
schieden. Die am häufigsten anzutrefienden Paarlinge sind 
Schwefelsäure, Glucuronsäure und Glykokoll. In vorliegendem 
Falle gab der neutralisiertte Harn die Eisenchloridreaktion 
nicht, wohl aber, nachdem er einige Zeit mit Mineralsäure 
gekocht und dann neutralisiert war. Reduktionsvermögen war 
vor und nach dem Zerkochen nicht vorhanden. Hieraus geht 
hervor, daß unsere Verbindung nicht unverändert im 
Harn erscheint, aber auch nicht in Paarung mit Glu- 
curonsäure. 

Um die Art der Paarung festzustellen, wurden zu gleicher 
Zeit 4 Versuchspersonen je 2 g der Säure per os verabfolgt 
und während der Versuchsdauer von ca. 36 Stunden durch 
reichliche Flüssigkeitszufuhr die Diurese gesteigert. Die inner- 
halb dieser Zeit gesammelten Harnmengen, die in keinem Falle 
die unveränderte Substanz enthielten, wurden nach dem Neu- 
tralisieren vereint auf dem Wasserbade bis zur Breikonsistenz 
eingedunstet und dann mit Alkohol aufgenommen. Der stark 
eingeengte alkoholische Auszug wurde in viel Wasser einge- 
gossen, das mit Phosphorsäure angesäuert war. Allmählich 
bildete sich hierin ein weißer mikrokrystallinischer Bodensatz, 
der abfiltriert, mit Wasser ausgewaschen und wiederholt aus 
Ätheralkohol umkrystallisiert wurde. Der Rückstand bildete 
schöne, etwa 5 bis 10 mm lange atlasglänzende prismatische 
Säulen, die oberhalb 200° unter Zersetzung schmolzen. Die 
isolierte Menge betrug rund 0,9 g. Der Körper war frei von 
Asche und Stickstoff, dagegen chlor- und schwefelhaltig. 


Gefunden: Cl == 13,459/,; S = 11,78°|,. 


Es dürfte hiernach eine Paarung der p-Chlor-m-Kreoso- 
tinsäure mit Schwefelsäure vorliegen. 

Zur Sicherstellung wurde versucht, diese vom Organismus 
gebildete Substanz außerhalb des Körpers darzustellen. Hierzu 


Biologisches Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotinsäure, 263 


wurde die Methode von E. Baumann!) — etwas modifiziert — 
benutzt, durch deren Anwendung er eine ganze Reihe solcher 
„Ätherschwefelsäuren* synthetisch darstellte. 10 g p-chlor- 
m-kreosotinsaures Natrium wurden mit 4 g Kaliumhydroxyd 
unter schwachem Erwärmen in möglichst wenig Wasser ge- 
löst und nach und nach unter beständigem Schütteln und zeit- 
weiligem Erwärmen 9 g gepulvertes Kaliumpyrosulfat zugesetzt. 
Nach einigen Stunden wurde die Masse mit reichlichen Mengen 
starken Alkohols extrahiert, dieser Auszug auf ein geringes Vo- 
lumen eingeengt und in mit Phosphorsäure angesäuertes Wasser 
gegossen. Die ausgeschiedenen Krystallmassen wurden erst mit 
Wasser ausgewaschen und nach dem Abtrocknen mit Äther, 
worin sich die die unveränderte p-Chlor-m-Kreosotinsäure sehr 
viel leichter löst, als die mit Schwefelsäure gepaarte, Die 
aus Alkoholäther umkrystallisierten Massen zeigten 
dasselbe Äußere wie die aus dem Harn isolierten, Die 
Ausbeute betrug 1,6 g. 
Gefunden: Cl = 13,38°/,; S= 12,149/,. 

Für eine p-Chlor-m-Kreosotinschwefelsäure: 

OH 
Z 0--50,—0H 
СН, он, ` 
wird verlangt: СІ = 13,30°/,; S = 12,03°|,. 

Hieraus dürfte mit Sicherheit hervorgehen, daß die im 
Organismus gebildete und die synthetisch hergestellte 
Substanz identisch sind. Beim Menschen wird also die 
p-Chlor-m-Kreosotinsäure in Form einer Ätherschwefelsäure 
ausgeschieden. 

Als Stätte einer solchen Paarung wird allgemein an erster 
Stelle die Leber angenommen. 

Neuerdings wird jedoch der Hauptanteil dieses Organs an 
der Bildung solcher gepaarten Säuren von Е. Lade?) be- 
stritten, da er an Hunden nach völliger Ausschaltung der Leber 
keine Verminderung der Ätherschwefelsäuren fand. Er ver- 
mutet, daß die Möglichkeit zu dieser Synthese überall im 
Körper, vornehmlich aber wohl im Darm besteht. 


1) Е. Baumann, Zeitschr. f. physiol Chem. 2, 835, 1878/79. | 
1 Е. Lade, Zeitschr. f. physiol. Chem. 79, 327, 1912. 


264 E.Sieburg: Biologisches Verhalten der p-Chlor-m-Kreosotinsäure. 


Über die unmittelbaren Vorstufen der Schwefelsäure- 
komponente, d. h. des schwefelhaltigen Komplexes, der sich an 
die Hydroxyle der Phenole unter eventueller Oxydation oder 
einer Art Anhydridbildung anlagert, herrschen noch Unklar- 
heiten. S. Tauber!) erzielte bei experimentellen Phenolver- 
giftungen, bei denen er antidotarisch die verschiedensten an- 
organischen und organischen Schwefelverbindungen versuchte, 
nur mit Sulfiten einen gewissen begrenzten entgiftenden Ef- 
fekt. Folgernd schließt er, daß die Bildung der Äetherschwefel- 
säuren durch Paarung von Phenolen mit Sulfiten unter gleich- 
zeitiger Oxydation erfolgt. 

Eine ganz frische grob zermahlene Hammelleber wurde 
mit reichlich Blut desselben Tieres in schwach sodaalkalischer 
physiologischer Kochsalzlösung, die äquimolekulare Mengen 
p-chlor-m-kreosotinsaures Natrium und Natriumsulfit enthielt, 
unter ständiger Sauerstoffdurchströmung ca. 10 Stunden bei 
Körpertemperatur gehalten. Es ließ sich darauf aber keine 
Spur der erwarteten Ätherschwefelsäure nachweisen. 

Anhangsweise sei bemerkt, daß der schön krystallisierende 
Aoetylester der p-Chlor-m-Kreosotinsäure, der durch Eisenchlorid 
nicht gefärbt wird, durch Enzyme: Bierhefe, Trypsin, Taka- 
Diastase, Kaninchenpankreas und Kaninchenleber in ganz 
kurzer Zeit gespalten wird, so daß sich die unveresterte Säure 
nunmehr durch Eisenchlorid nachweisen läßt. 

Untersuchungen über weitere Derivate dieser Chlorkreoso- 
tinsäure sind im Gange. 


1) 8. Tauber, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 86, 197, 1895. 


Über den Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf 
den Stoffwechsel im Hunger. 


Von 
Arthur Schloßmann und Hans Murschhauser. 


(Aus der Akademischen Kinderklinik in Düsseldorf.) 
(Eingegangen am 7. Juni 1913.) 


Schon bei unseren ersten Versuchen, den Gasstoffwechsel 
nüchterner Kinder zu verfolgen, fielen uns merkwürdige Diffe- 
renzen in bezug auf den respiratorischen Quotienten auf, die 
wir uns nicht recht erklären konnten. Wenn 18 bis 24 Stunden 
seit der letzten Nahrungsaufnahme vergangen sind und die 
Versuchsobjekte sich während der Beobachtungszeit ganz ruhig 
verhalten, so ist nur eine minimale Zersetzung von Glykogen 
zu gewärtigen; die Leistungen des Organismus im Grundumsatz 
werden vielmehr durch Abbau von Eiweiß und Fett bestritten. 
Betrachten wir den Versuch von Zuntz!) am hungernden 
Menschen, so sehen wir, daß am 2. bis 7. Hungertage der re- 
spiratorische Quotient immer zwischen 0,75 und 0,74 schwankt, 
also innerhalb sehr enger Grenzen. Der hungernde Mensch zeigt 
sich eben als „Fleischfresser“ und weist den typischen Wert 
des reinen Fleischfressers.. Der respiratorische Quotient von 
0,75 besagt uns, daß wenig Kohlenhydrat verbraucht worden 
ist und daß Eiweiß und Fett mit ihren theoretischen Werten 
von 0,809 bzw. 0,707 an seiner Gestaltung mitgewirkt haben. 
Als wir nun unsere ersten Bestimmungen des Grundumsatzes 
beim Säugling zusammenstellten, waren wir erstaunt, ganz 
wesentliche Unterschiede in der Höhe der respiratorischen 
Quotienten zu finden, obschon doch die Versuchsbedingungen 
ganz die gleichen waren. Es schwankten die Werte bei den 

1) Zuntz und Loewy, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 


1. Aufl. 1909, 8. 665. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 19 


266 A. Schloßmann und Н. Murschhauser: 


damals von uns mitgeteilten Versuchen zwischen 0,856 und 
0,73. Bei einem respiratorischen Quotienten von 0,85 muß 
natürlich eine erhebliche Menge von Glykogen abgebaut wor- 
den sein. Das Kind, das diesen Wert zeigte, hatte sich aber 
keineswegs mehr bewegt als das Kind mit dem niedrigen Quo- 
tienten. Wir verweisen in bezug auf die Einzelheiten der Ver- 
suche auf die genauen Protokolle, die wir seinerzeit unserer 
Veröffentlichung!) beigegeben haben, und führen nur die re- 
spiratorischen Quotienten nochmals auf: 


Kind Simons, respiratorischer Quotient 0,847 bzw. 0,824 

» Развірер, ý = 0,856 „ 0,832 

„  Lübbert, Ў | e 073 „ 0,76 

Aus den erläuternden Bemerkungen über die Art der 
Kinder ersehen wir, daß Simons ausdrücklich als fettarm, 
Passipen als sehr fettarm, Lübbert dagegen als auffallend fettes 
Kind bezeichnet wurden. Simons und Passipen waren in der 
den Versuchen vorausgehenden Zeit unnatürlich, und zwar mit 
fettarmen, kohlenhydratreichen Mischungen, nämlich vorzugs- 
weise Buttermilch, ernährt worden, dahingegen Lübbert ein 
Brustkind. Die beiden magern Säuglinge haben im Hunger- 
versuche hohe respiratorische Quotienten, das fette Kind einen 
niederen, einmal sogar einen sehr niederen! 

Aus den Erwägungen über die Gründe dieser merkwürdigen 
Tatsache heraus kamen wir auf den Gedanken, ob und in 
welchem Maße eine vorausgegangene einseitige oder doch mehr 
oder weniger einseitige Ernährung ihren Einfluß auf den Stoff- 
abbau im Hunger ausübt. Zur Beantwortung der aufgeworfenen 
Frage mußten wir uns natürlich des Tierversuchs bedienen. Um 
recht eindeutige Ausschläge zu erhalten, ließen wir die Versuchs- 
hunde, die wir hierbei benutzten, zunächst 16 Tage völlig hun- 
gern, um sie ihre Glykogen- und Fettvorräte nach Möglichkeit 
aufzehren zu lassen. Sodann wurden die Tiere wieder aufge- 
füttert, und zwar ganz einseitig: 

Hund I mit Pferdefleisch und Speck, 
n П mit etwas magerem Fleisch und Reis, 
» ПІ erst mit Fisch und dann mit magerem Fleisch. 


1) Schloßmann und Murschhauser, Grundumsatz und Nahrungs- 
bedarf des Säuglings. Diese Zeitschr. 26, 14ff. 


— * 


—— —— 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 267 


Hund I sollte also der Typus eines vorwiegend durch Fett- 
zersetzung seinen Kraftbedarf deckenden Tieres werden, Hund П 
auf die rapide Zersetzung von Kohlenhydrat trainiert werden, 
und Hund III als eigentlicher Fleischfresser im engeren Sinne 
des Wortes auf den Eiweißabbau eingestellt werden. Die Ver- 
suche wurden von Dr. med. vet. Kleinert?) ausgeführt, der aus- 
führlich über Technik und Ergebnisse berichtet hat. Die er- 
haltenen Befunde waren überaus interessant. 

In Kürze zusammengezogen ergab sich folgendes: 


Tabelle I. 










О,- 


СО,- 
Ver- Produktion | Verbrauch in 5 Sta. 
pro Std. | pro Std. abeolute 
und kg und kg Menge 


1 1 





Hund I (Fetthund). 
Ursprüngliches Gewicht: 11,2 kg. 
Nach 16tägigem Hungern: 






































| 817 | оез | ово | ол | 14828 | 19,8 

wieder aufgefüttert, alsdann 24 Stunden gehungert 
1 10,61 0,519 0,769 0,674 27,534 40,848 
2 | 10,45 0,521 0,795 0,656 27,259 41,533 
8 | 10,48 0,518 0,718 0,726 27,014 87,189 

Hund II (Reishund). 
Ursprüngliches Gewicht: 9,25 kg. 
Nach 16tägigem Hungern: 

| 672 | 0,389 | 0494 | 0788 | 13,079 | 16,590 

wieder aufgefüttert, alsdann 24 Stunden gehungert 
1 9,29 0,557 0,700 0,796 25,882 92,517 
2 9,62 0,542 0,638 0,849 26,058 30,681 
3 I 10,10 0,543 0,615 0,892 27,450 80,770 

Hund III (Eiweißhund). 
Ursprüngliches Gewicht: 10,25 kg. 
Nach 16tägigem Hungern: 

| 830 | 0376 | 0,489 | 0,767 | 15,589 | 20,809 

wieder aufgefüttert, alsdann 24 Stunden gehungert 
1 | 10,75 0,398 0,501 0,793 21,387 26,964 
2 | 10,62 0,409 0,521 0,784 21,706 27,688 
3 | 10,63 0,391 0,515 0,759 20,786 27,375 




















1) Kleinert, Über den Einfluß einseitiger Mast auf die Zusammen- 
setzung des Körpers und auf den respiratorischen Stoffwechsel bei spä- 
terem Hungern. Zeitschr. f. Biol. 61, 1913. 


19* 


268 A. Schloßmann апа Н. Murschhauser: 


Es wurde also jeder Hund auf circa ?/„ seines Gewichts 
heruntergehungert, dann ein Versuch, und zwar immer am 
16. Hungertage, angestellt, und nun die Tiere wieder annähernd 
auf ihr ursprüngliches Gewicht aufgefüttertt. Dann ließ man 
sie 24 Stunden hungern, um Nüchternwerte zu bekommen, und 
untersuchte wieder. Sodann wurden sie wieder einige Tage 
wie bisher gefüttert und die Versuche noch ein oder zweimal 
jeweils nach 24 stündigem Hungern wiederholt. 

Fassen wir die Resultate ins Auge, so fällt zunächst die 
enorme Differenz zwischen den respiratorischen Quotienten bei 
Hund I und Hund II auf. Während der Fetthund Werte von 
0,656 bis 0,726 aufweist, hat der Reishund solche von 0,796 
bis 0,892. 

Es ist also bei letzterem trotz des 24 stündigen Hungerns 
ein so hoher Quotient, wenigstens in zweien der Versuche, vor- 
handen, daß erhebliche Mengen Glykogen verbrannt worden 
sein müssen, um uns seine Entstehung zu erklären. Dabei 
steigt der respiratorische Quotient bei diesem Tiere mit dem 
Anwachsen des Gewichts. Bei dem Fetthund liegen aber die re- 
spiratorischen Quotienten 2 mal sogar ganz wesentlich unter 
dem theoretischen Fettverbrennungswerte. Nun hat das Tier ja 
sicherlich erhebliche Mengen Eiweiß zersetzt, wohl eine wenn 
vielleicht nur geringe Menge Glykogen, und doch dieser niedrige 
Wert. 

Wenden wir uns zunächst der Frage zu, wie es wohl zu 
erklären ist, daß die drei Hunde, die verschieden aufgefüttert 
worden waren, so offensichtliche Unterschiede in den respira- 
torischen Quotienten zeigen, auch nachdem sie 24 Stunden 
gehungert haben. Von der Hand zu weisen ist dabei der Ge- 
danke, daß die vorausgegangene Nahrungsaufnahme noch direkt 
ihren Einfluß ausgeübt habe. Man nimmt ja allgemein an, daß 
schon nach 12 bis 14 Stunden die Einwirkung der Ernährung 
auf den Gasstoffwechsel vollendet ist, daß wir es dann mit 
Nüchternwerten zu tun haben. Da wir aber 24 Stunden nach 
dem Beginn des Versuchs gewartet haben, und diese eich über 
die 25. bis 29. Stunde nach der letzten Mahlzeit erstrecken, so 
können wir wohl nach dieser Richtung völlig beruhigt sein. 
Die zweite Möglichkeit wäre die, daß die wochenlang voran- 
gegangene einseitige Ernährung zu einer Überschwemmung des 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 269 


Organismus einseitig mit eben den Substanzen geführt habe, 
die bei der Ernährung verwendet worden sind, daß also sofort 
greifbare Mengen von Glykogen oder von Fett vorhanden sind, 
die nun im Hunger abgebaut werden. Der Fetthund hätte 
z. B. in der Leber viel Fett, der Reishund viel Glykogen, und 
diese ohne weiteres zur Verfügung stehenden Vorräte würden 
sich beim Abbau zunächst in den Vordergrund drängen. Einer 
derartigen Annahme stehen aber doch Bedenken gegenüber. 
Zunächst führt doch auch eine Mästung mit Kohlenhydrat zur 
starken Fettbildung. Umgekehrt finden wir selbst bei glykogen- 
freigemachten Tieren wieder eine Glykogenbildung selbst bei 
Meidung der Darreichung von Kohlenhydraten, sei es nun, daß 
die Glykogenbildung aus Fett oder aus Eiweiß erfolgt!)?); ев 
steht also immer Fett und Glykogen außer dem Eiweiß zur 
Verbrennung zur Verfügung. Die Verschiedenheit der гевріга- 
torischen Quotienten, die doch auf eine fast elektive Verbren- 
nung von Fett im einen, und Kohlenhydraten im anderen Falle 
hinweisen, läßt sich so nicht erklären. 

Viel wahrscheinlicher will es uns erscheinen, daß wir hier 
einen Anpassungsvorgang vor uns haben. Geraume Zeiten 
hindurch ist dem Tiere eine einseitige Nahrung geboten worden, 
ев hat sich daran gewöhnt, seine Lebensvorgänge durch Zer- 
setzung dieser speziellen Nahrung, die ihm zur Verfügung stand, 
sich abspielen zu lassen. Im Hunger greift das Tier nun ge- 
wohnheitsmäßig auf das zurück, was es bisher aus dem Ge- 
reichten verbrannte. Es sondert also etwa besonders reichlich 
das Ferment ab, mit Hilfe dessen Reserveglykogen für den Ver- 
brauch vorbereitet wird, oder im anderen Falle wieder das 
Ferment, durch das Fett aus den Depots zum Verbrauch frei- 
gemacht wird. Die Gewöhnung während der Mast hat zur 
einseitigen Zersetzung einer bestimmten Komponente 
desKörperbestandes auch im Nüchternzustande geführt. 

Akzeptieren wir diese letztere Erklärung, so müssen wir 
uns aber auch die Frage vorlegen, wie die abnorm niedrigen 
respiratorischen Quotienten bei dem Fetthunde zu deuten sind. 


1) Rolly, Über die Neubildung von Glykogen bei glykogenfreien 
und auf Karenz gesetzten Kaninchen. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 88. 

9 Pflüger und Junkersdorf, Über die Muttersubstanzens des 
Glykogens, Arch. f. d ges. Physiol. 181. 


270 A. Schloßmann und H. Murschhauser: 


Daß der Reishund einen hohen Wert zeigt, ist ohne weiteres 
verständlich. Neben Kohlenhydrat hat er natürlich Eiweiß, 
ev. auch gewisse Mengen Fett zersetzt: als Durchschnitt aus 
dem Verhalten von CO, zu O in der Verbrennung der drei 
Substanzen kommen wir auf 0,8 bis 0,9. Ebensowenig gibt der 
respiratorische Quotient des Eiweißhundes zu Erwägungen An- 
laß: hier ist eben in erster Linie Eiweiß neben Fett und auch 
wieder Spuren von Glykogen abgebaut worden, und auch hier 
sind die Durchschnittswerte, die sich im respiratorischen Quo- 
tienten zeigen, ganz verständlich. Absurd erscheint es nur zu- 
nächst, daß der Fetthund einen respiratorischen Wert zeigt, der 
bis 0,656 heruntergeht. Trotzdem also hier doch auch Glykogen, 
wenn auch in sehr geringer Menge, verbrannt worden ist, ganz 
sicher aber Eiweiß in nicht unerheblichem Maße, liegt der respira- 
torische Quotient unter dem theoretischen Werte, der sich für 
die Fettverbrennung rechnerisch ermitteln läßt. Es muß somit 
entweder die CO,-Ausscheidung durch die Respiration herab- 
gesetzt oder die O-Aufnahme aus irgendwelchem Grunde in die 
Höhe gegangen sein. 

Respiratorische Quotienten, die unter dem Fettwert, also 
unter 0,71 liegen, sind durchaus nichts Seltenes. Zuntz und 
Lehmann!) fanden z. B. bei dem Hungerkünstler Cetti ge- 
legentlich einen resp. Quotienten von 0,68, bei Breithaupt sogar 
bis 0,63. 

Welche Möglichkeiten sind nun in Betracht zu ziehen, um 
die Entstehung dieser niedrigen Werte zu erklären? Man könnte 
zunächst annehmen, daß Kohlenstoff auf andere Weise als durch 
die Ausatmung von CO, den Körper verläßt, und das ist ja in der 
Tat beim Hunger der Fall. Wir wissen, daß nicht unerhebliche 
Mengen von Kohlenstoff den Körper in der Atemluft und im 
Harn als Aceton und ß-Oxybuttersäure verlassen. Hierdurch 
wird auf die respiratorischen Quotienten erniedrigend eingewirkt. 
Die Bedeutung dieses Vorganges entspricht aber nicht unserem 
Befunde, denn dann müßte bei dem Eiweißhunde genau die- 
gelbe Herabsetzung des respiratorischen Quotienten, ja sogar 
noch eine erheblichere statthaben. Aus Versuchen von Maignon 


1) Zuntz und Lehmann, Untersuchungen an zwei hungernden 
Menschen. Virchows Archiv 181, Suppl.-Heft 23, 1913. 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 271 


und Moraud?) ergibt sich z. В. geradezu als Ergänzung des 
_ hier Erörterten, daß Hunde, die mit gekochtem Fleisch ernährt 
wurden, beträchtlichere Mengen Aceton ausscheiden als solche, 
die Speck erhielten. 

Wenn also die Ausscheidung von Aceton und ß-Oxybutter- 
säure im Sinne einer Herabsetzung des respiratorischen Quo- 
tienten wirkt, so kann der Einfluß dieses Vorganges doch sicher 
nicht so stark sein, um gerade beim Fetthund die niederen 
Werte zu erklären. 

Der Einfluß, den die Ausscheidung von Aceton und f-Oxybutter- 
säure auf den respiratorischen Quotienten ausüben, ergibt sich aus fol- 
genden Zahlen: 

Jedes Gramm Aceton, das der Körper ausscheidet, vermindert die 
CO,-Ausscheidung durch die Lunge um 1,162] СО,, und vermindert den 
O-Verbrauch um 1,544 1. Der respiratorische Quotient, der sich hieraus 
‚ergibt, ist 0,75. 

Jedes Gramm f-Oxybuttersäure vermindert die CO,-Ausscheidung 
um 0,8635 1 CO,, und die O-Aufnahme um 0,9689 1 O,. Der sich hier- 
aus ergebende respiratorische Quotient ist 0,891. 

Es wird also bei der Ausscheidung von Aceton beim fettzersetzenden 
Hunde der respiratorische Quotient sinken, noch viel erheblicher wird 
er bei der Ausscheidung von ß-Oxybuttersäure sinken. Kennt man die 
Menge des ausgeschiedenen Acetons und der ausgeschiedenen f-Oxy- 
buttersäure, so kann man mit Hilfe der hier angegebenen Zahlen die 
Beeinflussung, die dem respiratorischen Quotienten im einzelnen Falle 
zufallen muß, leicht berechnen. Leider fehlt uns in den hier be- 
sprochenen Versuchen die Bestimmung der ß-Oxybuttersäure wie des 
Acetons. 

Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, daß wir eine O-Auf- 
speicherung im Organismus, also Oxydationsvorgänge haben, 
die an dem besonders niederen respiratorischen Quotienten die 
Schuld tragen. 

Diese Erklärung geben auch Zuntz und Lehmann in 
ihren oben erwähnten Versuchen an den Hungerkünstlern; die 
niederen respiratorischen Quotienten werden auf eine О-Аш- 
speicherung im Organismus zurückgeführt, die auf eine Bildung 
und Anhäufung von Kohlenhydraten im Organismus hinweisen; 
das so gebildete Kohlenhydrat dient dann als Material zur Er- 
zeugung von Muskelarbeit. 


1) Maignon et Moraud, Étude comparative du pouvoir céto- 
gòne de la viando et de la graisse chez le ohien. Soc. Biol. 71, 
705, 1911. 


272 A. Schloßmann und H. Murschhauser: 


Gegen diese Anschauung von Zuntz und Lehmann er- 
hebt Jaquet!) Bedenken, indem er meint, daß die erzwungene 
absolute Muskelruhe leicht eine Verflachung der Atmung zur 
Folge hat; іп der Tat zeigt sich, daß die Atemgröße von Breit- 
haupt von 14000 cbm auf 6700 cbm in der Rückenlage sank. 
Aber all diese Einwände kommen bei unseren Hunden 
nicht in Betracht, da ja unsere Versuche 5 Stunden 
Dauer hatten und unsere Werte das Gesamtergeb- 
nis des Gasstoffwechsels in diesen 5 Stunden wieder- 
geben. 

Unsere Hunde haben sich im allgemeinen sehr gut be- 
nommen. Tiere, die sich ungeberdig zeigen und die durch 
Beweglichkeit die Versuche hätten beeinflussen können, haben 
wir ausgeschieden. Wir hätten noch eine Reihe von anderen, 
teilweise parallel verlaufenden Untersuchungen anführen können; 
die Zahlen, die sich aber aus diesen Versuchen ergaben, sind 
gar nicht erst berechnet worden, weil es sich dabei um Tiere 
handelte, die sich eben nicht zur Ruhe zwingen ließen. Wenn 
unter den drei Versuchshunden übrigens in bezug auf die völlige 
Wahrung der Ruhe während der Versuche ein Unterschied be- 
steht, so war der Eiweißhund der musterhafteste, der Fetthund 
noch der relativ beweglichste. 

Wir können uns also auf Grund unserer Untersuchung der 
Meinung von Zuntz und Lehmann anschließen, daß eine 
O-Speicherung im Organismus unseres Fetthundes in ganz er- 
heblichem Maße stattgefunden hat. Infolge seiner einseitigen 
Ernährung dürfte das Tier dauernd genötigt gewesen sein, durch 
Oxydationsprozesse im Körper die Glykogenmengen herzustellen, 
die es zu seinen Muskelleistungen mit verbraucht. Gewohn- 
heitsmäßig darauf eingestellt, Kohlenhydrate aus anderen Be- 
standteilen der Nahrung herzustellen, hat das Tier auch nach 
24stündigem Hungern an dieser seiner Tätigkeit festgehalten 
und dabei Glykogen auf Kosten seiner anderen Körperbestand- 
teile gebildet. 


1) Jaquet, Der respiratorische Gaswechsel. Ergebn. d. Physiol., 
2. Jahrg., 1. Abt., S. 457. — Hier findet sich die Literatur über den 
ganzen Gegenstand vortrefilich zusammengestellt und verarbeitet. Wir 
zitieren im allgemeinen nur Arbeiten, die nach dieser Zusammenstellung 
erschienen sind (1903). 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 273 


Die Frage, ob das Eiweiß des Körpers oder das Fett für 
die Glykogenbildung herangezogen worden sind, soll dabei völlig 
unerörtert gelassen werden. 

Der bisherige Gang unserer Untersuchung hat also 
ergeben, daß auch nach Ausschaltung der direkten 
Einwirkung vorausgegangenerMahlzeiten sich der Ein- 
flußeiner vorausgegangenen einseitigen Mast insofern 
geltend macht,alsauchim Hungerdiejenigen Nährstoffe 
für die Leistungen des Körpers herangezogen werden, 
an deren Abbau sich der Organismus gewöhnt hatte. 
Die Tatsache ist an und für sich durchaus nicht befremdlich; 
sie reiht sich ähnlichen Beobachtungen an, die z. B. darauf 
hinweisen, daß bei gewohnheitsmäßiger Luxuskonsumption über- 
haupt auch im Beginn des Hungerns der Stoffwechsel größer 
ist, als bei vorausgegangener genügender, aber doch knapper 
Zufuhr. In der Literatur finden wir allerdings nur eine ein- 
zige?) Arbeit, die sich mit diesen Dingen beschäftigt, aber auch 
nicht auf den Umsatz im eigentlichen Hunger eingeht, nämlich 
die Arbeit der drei Amerikaner Benedict, Emmes und Riche. 

Benedict, Emmes und Riche gingen bei ihren Versuchen во 
vor, daß den Versuchsobjekten eine Mahlzeit mit viel oder wenig Kohlen- 
hydraten am vorhergehenden Abend verabreicht wurde. 12 Stunden 
darauf begannen die Untersuchungen, die sich auf CO,-Ausscheidung und 
O-Verbrauch erstreckten. Die Untersucher gingen dabei von der An- 
nahme aus, die sich aus den bisher vorliegenden Versuchen an hun- 
gernden Menschen ergibt, daß nämlich der Umsatz in den zwei ersten 
Versuchstagen noch nicht konstant ist, daß die Gleichmäßigkeit in der 
Zersetzung sich vielmehr erst am dritten Hungertage einstellt. Bei den 
hier beschriebenen Versuchen war die Hauptaufgabe, den Einfluß voran- 
gegangener Mahlzeiten auf den Stoffwechsel 12 Stunden später zu er- 
mitteln. Der respiratorische Quotient ist dann einmal höher, einmal 
niedriger. Immerhin ergab sich doch, zumal bei Darreichung von großen 
Mengen Kohlenhydrat (300 g und auch mehr), daß im allgemeinen der 
reepiratorische Quotient dann höher war, als nach einer kohlenhydrat- 
armen Mahlzeit. Die Gesetzmäßigkeit dabei ist aber keine bindende. 
So ist in Tabelle III bei einem Versuchsobjekt nach kohlenhydratreicher 
Mahlzeit der respiratorische Quotient 0,85, bei einer anderen Versuchs- 
person nach kohlenhydratarmer Mahlzeit ebenfalls 0,85! Ein und die- 
selbe Versuchsperson hat einmal nach hoher und einmal nach geringer 


1) Вепөдісё, Emmes and Riche, The influence of proceeding 
diet on the respiratory quotient after active digestion has ceased. Amer. 
Journ. of Physiol. 27, 383 bis 405. 


274 A, Schloßmann und Н. Murschhauser: 


Kohlenhydratfütterung resp. Quotienten, die ziemlich gleich sind, 0,85 bzw. 
0,84 usw. Die amerikanischen Autoren sind in ihren Schlüssen daher auch 
sehr vorsichtig, zumal eins ihrer Versuchsobjekte gar keine Tendenz zeigte, 
den respiratorischen Quotienten zu erniedrigen. Demgegenüber wies 
eine Versuchsperson von Magnus-Lev у!) die Tendenz auf, trotz Ver- 
fütterung von Kohlenhydraten auf einem niedrigen respiratorischen Quo- 
tienten zu verharren. Alle diese Absonderlichkeiten scheinen erklär- 
licher, wenn man unsere Versuche nach unseren Ideen deutet. 

Die vorausgehend beschriebenen Untersuchungen ließen es 
uns wünschenswert erscheinen, durch weitere Beobachtung der 
Versuchstiere festzustellen, wie sich bei andauernder Nahrungs- 
entziehung der Abbau der Körpersubstanz vollzieht. Das Pro- 
gramm für die neue Untersuchungsreihe lautete also: Die 
drei Hunde I, II und III werden wieder in völlige Nahrungs- 
karenz gesetzt und nun in bestimmten Perioden, nämlich nach 
24 Stunden, nach 2 >< 24 Stunden, nach 4 >< 24 Stunden, 
nach 7 oder 8 >< 24 Stunden, nach 12 >< 24 Stunden und nach 
.16 >< 24 Stunden des Hungerns immer wieder ein 5 stündiger 
Respirationsversuch vorgenommen. Da nicht alle Versucbe 
zugleich begonnen werden konnten, werden die Tiere bis 
zum Beginn der neuen Versuchsreihe natürlich einseitig wie 
bisher ernährt, der Fetthund mit Fett und Fleisch, der Reis- 
hund mit Reis und Fleisch und der Fleischhund nur mit 
Fleisch. 

Das übersichtliche Resultat dieser Versuche ergibt Tabelle П. 

Auch in dieser Versuchsreihe fällt uns sofort auf, daß die 
respiratorischen Quotienten des Fetthundes auffallend niedrig 
sind. Sie schwankten’zwischen 0,724 am 7. Tage des Hungerns 
und 0,729 am 2. Tage, erreichen aber niemals 0,73! Umge- 
kehrt schwanken die Werte beim Reishund zwischen 0,744 und 
0,783. Während der Fetthund nach i6tägigem Fasten einen 
fast idealen Fettquotienten hat, nämlich 0,728, hat der Reis- 
hund einen solchen von 0,762. Die Werte beim Eiweißhund 
stehen wieder gerade in der Mitte und sind richtige Eiweiß- 
quotienten (Schwankungen zwischen 0,744 und 0,759). Am 
16. Tage des Hungerns ist der Wert beim Eiweißhund 0,744. 
Interessant sind auch die Gewichtsabnahmen der drei Hunde, 
für die wir ja gute Vergleichswerte in der ersten 16 tägigen 
Hungerperiode besitzen. 


1) Arch. f. Physiol. 1894, 25. 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 275 

























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Hund I (Fetthund). 
Ursprüngliches Gewicht: 11,2 kg. 
Aufgefüttert mit Fett, alsdann gehungert. 


1><24 | 10,28 | 0,488 | 0,869 | 0,728 | 25,090 | 34,484 | 0,5256 | 0,1051 
2><24 | 10,00 | 0,479 | 0,657 | 0,729 | 23,974 | 32,858] 0,3049 | 0,0610 
4><24| 9.82 | 0.455 | 0,626 | 0,727 | 22.363 | 30,757 | 0,2990 | 0,0598 
7><24| 9,36 | 0,418 | 0,577 | 0,724 | 19,570 | 27,000] 0,3029 | 0,0606 
12><24| 8,82 | 0,371 | 0,512 | 0,725 | 16,362 | 22,578] 0,4800 | 0,0960 
16><24| 8,39 | 0,394 | 0,541 | 0,728 | 16,532 | 22,706 | 0,4268 | 0,0854 2) 


Hund II (Kohlenhydrathund). 
Ursprüngliches Gewicht: 9,25 kg. 
Aufgefüttert mit Kohlenhydrat, alsdann gehungert. 


26 | 10,050| 0,359 | 0,458 | 0,783 | 18,029 | 23,011 | 0,5452 | 0,10908 
2><24| 9,550| 0,365 | 0,488 | 0,748 | 17,412 | 23,290 | 2,5933) | 0,10800 3 
4><24 | 9,060| 0,353 | 0,464 | 0,761 | 16,018 | 21,041] — — 
8><24 | 8,850| 0,373 | 0,501 | 0,744 | 15,589 | 20,943 
13>x<24 | 7,670) 0,332 | 0,438 | 0,758 | 12,759 | 16,817 
16><24 | 7,220 0,341 | 0,448 | 0,762 | 12,333 | 16,195 


Hund III (Eiweißhund) 
Ursprüngliches Gewicht: 10,25 kg. 
Aufgefüttert mit Fleisch, alsdann gehungert. 


1><24 | 10,63 | 0,391 | 0,515 | 0,759 | 20,786 | 27,375 
2><24 | 10,41 | 0,372 | 0,498 | 0,748 | 19,396 | 25,912 
4><24 | 9,95 | 0,358 | 0,487 | 0,735 | 17,817 | 24,249 
8><24| 9,50 | 0, 0,457 | 0,744 | 16,167 | 21,728 
12><24| 8,95 | 0,346 | 0,463 | 0,748 | 15,508 | 20,731 
16><24 |] 8,50 | 0,343 | 0,461 | 0,744 | 14,575 | 19,600 


Es nahmen ab bei: 


16 tägigem Fasten 16 tägigem Fasten 
nach gemischter nach Ernährung 
Ernährung mit 


Hund I 27,1%, Fett 18,4%, 
e U 97,4%, Reis 28,29, 
» Ш 19,0°/, Fleisch 20,0%), 


1) Der C-Gehalt betrug pro Stunde 0,0758 g, also C:N=1:1,12. 
2) C: N = 1 : 1,20, С pro Stunde: 0,5905 g. 

з) C: N = 1 : 1,86, C pro Stunde: 0,0792 g. 

1) In 24 Standen, und zwar von der 48. bis 72. Stunde. 


276 A. Schloßmann und H. Murschhauser: 


Während Hund II und III nach der einseitigen Ernährung 
mit Reis oder Eiweiß genau so abnehmen wie bei gewöhnlicher 
gemischter Ernährung, hatte sich Hund I eine solidere, dem 
Hunger besser widerstehende Körperzusammensetzung durch die 
Fettkost angeeignet. Hier ist die Abnahme in der zweiten 
Hungerperiode nur zwei Drittel von der in der ersten Periode 
beobachteten. Der einseitig mit Fett gemästete Hund nimmt 
also viel langsamer ab als Hunde, die sich freiwillig die Nah- 
rung aussuchen, oder als solche, die mit Kohlenhydrat oder mit 
Eiweiß gemästet wurden. Der Fetthund schont offensichtlich 
sein Eiweiß; das Fett bewährt sich als guter Eiweißsparer. 
Leider verfügen wir beim Reishund und Eiweißhund nicht durch- 
gehend über die N-Ausscheidungszahlen wie beim Fetthund. 
Für den Reishund stehen uns nur für die beiden ersten Ver- 
suche im Respirationsapparate entsprechende N-Bestimmungen 
zur Verfügung. Dagegen konnten wir den Eiweißabbau beim 
Fetthund in jedem Versuche mit verfolgen. 

Es ergab sich dabei folgendes: 


Tabelle III. 
Der Eiweißabbau des Hundes I im Hunger. 








er Hund zersetzte 


; р 
Der Hund schied pro Kilogramm 


Dauer | per Hund schied 


— в [aus pro Stunde N | 08 Pro Kilogramm und Stunde Eiweiß 


und Stunde N (N >< 6,25) 





Für den Reishund II lauten die entsprechenden Werte: 
Tabelle IV. 





Der Hund schied |Per Hund zersetzte 


Daner Der Hund schied pro Kilogramm 


des aus pro Kilogramm — 
aus pro Stunde N und Stunde Eiweiß 
und Stunde N (N >< 6,25) 





Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 277 


Während sich also unser Fetthund, nachdem die ersten 
30 Stunden des Hungerns vorüber sind, auf eine minimale Ei- 
weißzersetzung einstellt, baut der Reishund auch nach 48 Stunden 
noch erhebliche Eiweißmengen mehr ab; der Eiweißumsatz ist 
hier nicht niedriger, sondern sogar auf das Kilogramm Gewicht 
berechnet größer geworden. 

Auf einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen unseren 
Versuchshunden sei dabei ausdrücklich hingewiesen. Unser Reis- 
hund zeigt nämlich in bezug auf seinen Gasstoffwechsel diejenigen 
Verhältnisse, die nach dem in der Literatur niedergelegten zu 
erwarten sind. CO,-Ausscheidung und O,-Verbrauch stellen sich 
schon nach 24 Stunden auf ein gewisses Maß ein und bleiben 
pro Kilogramm Tier bis zum 16. Hungertage gleich (siehe 
Tabelle II auf S. 275). Während CO,-Produktion des Tieres 
insgesamt nach 16tägigem Hunger um 31,6°/, und der O-Ver- 
brauch um 29,6°/, gegenüber den Werten nach den ersten 
24 Stunden des Hungerns gesunken ist, sind die Differenzen pro 
Kilogramm Tier minimal und unbeachtlich; sie betragen 5 °/, 
bei der CO, und 2,2°/, beim Sauerstoff. Ganz anders verhält 
sich der Fetthund. Hier betragen die Abnahmen der absoluten 
CO,- und O,-Mengen je 34,1 °/,, aber pro Kilogramm Tier ist 
zwischen dem Versuch nach 24stündigem Hunger und dem 
nach 16tägigem Hunger ein Unterschied von etwas über 19°/,. 
Der Gaswechsel bei diesem Tier hat also nicht nach 24 Stunden 
sein Minimum erreicht, sondern sinkt, und zwar kontinuierlich, 
bis zum 12. Hungertage ab. 

Das einseitig mit Fett gemästete Tier unterscheidet 
sich also von den bisher beobachteten Versuchstieren 
dadurch, daß sein Sauerstoffwechsel langsam absinkt. 
Mit dem Moment, da der Gasstoffwechsel sein Minimum erreicht 
hat, beginnt auch die stärkere Inanspruchnahme des Eiweiß- 
bestandes. Das Tier hat also zunächst dadurch sein Eiweiß 
zu schützen gewußt, daß der Gasstoffwechsel auf immer gerin- 
сеге Intensität — pro Kilogramm Tier — gebracht wurde. 
Erst als ein Minimum erreicht war, wird das Eiweiß in erheb- 
licherem Maße angegriffen. 

Wir sind nun in der Lage, für den Fetthund den gesamten 
Stoffumsatz zu verfolgen, indem wir aus den von uns ermit- 
telten Zahlen, respiratorischem Quotienten, N des Harns, СО,- 


278 A. Sohbloßmann und Н. Murschhauser: 


Produktion und O-Verbrauch nach den Zuntzschen Formeln 
die Zersetzungsvorgänge konstruieren. 
Tabelle V. 
Hund I (Fetthund) zersetat 





Aus den Zahlen für den Stoffumsatz ergibt sich folgende Energie- 
bilanz für den Fetthund während der Hungerperiode. 


Tabelle VI. 





Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 279 





Nachdem das Tier Von den zersetzten Calorien stammten also 


gehungert hatte aus Fett aus Olykogen aus Eiweiß 
Std. vi 0 wv 0 







Im Gegensatz hierzu ergeben sich für den Reishund, soweit wir 
bei diesem den Abbau verfolgen können, folgende Werte: 


Tabelle VII. 
Hund II (Reishund) zersetzte: 





Nachdem das Tier 
gehungert hatte 
Std. 














1>< 24 1,520 1,120 0,10908 

2 >< 24 1,840 0,432 0,10800 
Pro Kilogramm Gewicht 

1x 24 0,151 0,111 0,06800 

2 x 24 | 0,192 | 0,045 | 0,07070 


Von der umgesetzten Energie bei Hund II stammen: 


on асаа — aus Fett jausGlykogen| aus Eiweiß 
Sta. Std. Cal. Cal. Cal. 





1x 24 19,175 14,136 4,592 0,447 

2 x 24 19,326 17,112 1,771 0,443 
Pro Kilogramm Tier 

1>< 24 2,138 1,404 0,455 0,279 

2>< 24 2,260 1,786 0,184 0,290 


Von den zersetzten Calorien stammten also: 


Ger Raster aus Fott | aus Glykogen aus Eiweiß 
Std. 0 A 0 e 0 lo 


1 >< 24 65,58 21,84 13,08 
2 x 24 79,06 8,14 12,80 








Leider können wir den Reishund nicht weiter verfolgen, 
es ergibt sich aber aus der Höhe des respiratorischen Quo- 
tienten bis nach dem 16. Hungertage, daß von diesem Tiere 


280 A. Schloßmann und Н. Murschhauser: 


andauernd noch nicht ganz unbeträchtliche Mengen Glykogen 
zersetzt sein müssen. Wir sind jetzt dabei, bei zwei Hunden, 
die mit verschiedenen Kohlenhydraten aufgefüttert worden sind, 
die entsprechenden Werte vollständig zu ermitteln. Aus den 
hier vorliegenden Zahlen ergibt sich aber schon, daß die ein- 
seitige Mast lange nachdem die Einwirkung der Fütterung an 
und für sich ausgeschlossen ist, wenn wir also schon Nüchtern- 
werte zu gewärtigen haben, ihren Einfluß weiterhin auf den 
Körperabbau ausübt. Der mit Fett gemästete Hund ist an 
den Abbau, an die Verbrennung von Fett gewöhnt; auch er 
hat natürlich gewisse Glykogenvorräte zur Verfügung, auch er 
zersetzt etwas Glykogen, doch sind die Mengen sehr gering. 
Ja, am 13. Tage ist zeitweise der Glykogenvorrat aufgebraucht 
und es muß Eiweiß vikariierend dafür eintreten. Am 16. Tage 
ist endlich wieder eine kleine Menge Glykogen zur Verfügung. 
Im strikten Gegensatz dazu deckt der mit Reis aufgezogene 
Hund auch noch nach 26stündigem Fasten in den nächsten 
Stunden ein Fünftel seiner Calorien durch Glykogenverbren- 
nung. Auch nach 48stündigem Fasten haben wir über 8°/, 
der Calorien aus Glykogenzersetzung gedeckt, immer noch dop- 
pelt so viel, als bei dem Fetthund. 

Aus dem Gesagten ergibt sich: 

1. Die Höhe des respiratorischen Quotienten beim Men- 
schen und beim Tier ist auch im Nüchtern- und Hungerzustande 
abhängig von den Nährstoffen, die vorzugsweise am Aufbau 
des Körpers beteiligt waren. 

2. Der Einfluß einseitiger Fütterung ist auch dann noch 
deutlich nachweisbar, wenn die direkte Einwirkung der letzten 
Mahlzeit längst ausgeschaltet ist. 

3. Einseitig genährte oder gemästete Individuen stellen bei 
Nahrungsentziehung den Abbau im Körper entsprechend den 
Verbrennungsvorgängen in der vorausgegangenen Zeit der Mast 
ein. Durch einseitige Mast gewöhnt sich der Organismus daran, 
mehr oder weniger Glykogen oder mehr oder weniger Fett zu 
verbrennen. 

4. Der respiratorische Quotient nähert sich bei einseitig an 
Fettnahrung gewöhnten Tieren auch im Nüchternzustande dem 
theoretischen Fettquotienten, bei dem einseitig mit Kohlenhydrat 
gemästeten Tiere dem theoretischen Kohlenhydratquotienten. 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 281 


5. Bei länger andauerndem Hunger zeigt sich der Einfluß 
vorangegangener Fettmast länger als der Einfluß vorangegan- 
gener Kohlenhydratmast, da die Glykogenvorräte eben rascher 
bei starker Inanspruchnahme zu Ende gehen. Immerhin deckt 
der an Fettnahrung gewöhnte Hund noch in den ersten 5 Stun- 
den des 5. Hungertages seinen Stoffwechsel fast genau in der 
Art wie am 2. Hungertage, daß etwa 90°/, der Calorien auf 
Fettzersetzung und etwa 3°/, der Calorien auf Glykogenzer- 
setzung kommen. Dahingegen stammen bei dem an Kohlen- 
hydrat gewöhnten Hund am 2. Hungertage 21°/, der Calo- 
rien aus Glykogen und nur 65°/, aus Fett, in den ersten 
5 Stunden des 3. Hungertages 79°, aus Fett und nur 8°/, 
aus Glykogen. Trotz des Abfalles überragt aber hier immer 
noch die Glykogenzersetzung die beim Fetthund um mehr als 
das Doppelte. 

6. Durch die Art der Ernährung kann man also über die 
Zeit hinaus, in der Bestandteile der Nahrung direkt auf den 
respiratorischen Stoffwechsel einwirken, den Körper zur höheren 
Fettzerlegung oder zur höheren Glykogenzerlegung „trainieren“, 


Protokolle. 3 
Versuch vom 3. І. 13. 
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter ca. 8 Jahre. 


Gewicht Dauer 8 
vorher des Versuchs Ernährung 
10,28 kg 5 Std. 24 Std. nach der 


letzten Fettmablzeit 


Anfangswerte: Temp. 21,1°; Bar. korr. 759,7; Manometer -+ 0,04; 
Thermobar. — 0,06; Hygr. 51. 

Endwerte: Temperatur 20,4°; Bar. korr. 759,7; — -+ 5,00; 
Thermobar. — 0,07; Hygr. 100. 
Anfangsvolumen . ‚ 197,800 1 bei 21,1° und 750,82 mm Hg = 181,244 1 
Endvolumen . . . 197,8001 » 21,1° » 746,97 » » = 180,435 1 


Analysen ' 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis 
СО, = 0,07%, 0,519, СО, = 0,089, 
О, = 20,869/, 19,58%, О, = 96,21%], 
N, == 79,079], 79,969, М№, = 8,719 
100,005, 100,00°/, 100,00°/, 


1) Ein Teil der Protokolle ist in der Arbeit von Kleinert (Zeitschr. 
f. Biol. 61, 1913) veröffentlicht und bleibt daher hier fort. 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 20 


282 A. Schloßmann und H. Murschhauser: 


i Sauerstoffbilanz. 


Vorher vorhanden. . . . . . . . . 87,8071 
Nachher >» e...» o. › o 85,289] 


2,568 1 
Anfangsgewicht des Gasometers — 33,275 kg bei 109,32 Thermobarom. 
Endgewicht » я == 69,405 n » 109,21 э 
zugeführt = 33,121 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, іп О, = 1,2291 
» » CO, » О, = 0,0261 
dazu 2,568 1 


Nettosauerstoffverbrauch 34,434 1 — 49,206 р. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde — 0,669 1. 


Kohlensäurebilanz. 

Vorher vorhanden. . 0,1271 Aus Lauge. . . . . . = 24,297 1 CO, 

Nachher e .. 0,9201 Gesamtkohlensäureprod. = 25,0% 1 
0,793 1 == 49,162 g 

Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,488 1 

Respirstorischer Quotient . . . . . . . = 0,728 





Stickstoffbilenz. 


= Vorher vorhanden. . 143,8101 N, aus О, (8,71%) . .= 1,2291 


Nachher э e e 144,276 1 
0,966 1 Differenz. . . . . . = — 0,263 1 


Versuch vom 4. І. 13. 
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter са. 8 Jahre. 


Gewicht Dauer 8 
vorher des Versuchs Ernährung 
10,0 kg 5 Std. 2>< 24 Std. nach der 


letzten Fettnahrung 


Anfangswerte: Temp. 19,8%; Bar. korr. 762,7; Manometer -+ 0,04; 
Thermobar. — 0,08; Hygr. 52. 

Endwerte: Temperatur 19,99; Bar. korr. 762,3; Manometer + 4,93; 
Thermobar. -+ 2,68; Hygr. 100. 
Anfangsvolumen . . 198,075 1 bei 19,8° und 753,88 mm Hg = 183,170 1 
Endvolumen . . . 198,075 1 n 19,89 » 747,65 » n = 181,661 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis 
СО, = 0,07%, 0,559, СО, = 0,08%, 
О, = 20,869, 19,07°/, О, = 96,21 °/ 
N, = 79,07, 80,389], N, = 8,71 °% 


100,00°/,, 100,00 °/, 100,009), 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 283 


Sauerstoffbilanz. 
Vorher vorhanden. . . . . . . . . 88,209 1 
Nachher э e ae oo o o o o 84,6421 


8,567 1 
Anfangsgewicht des Gasometers — 46,945 kg bei 108,75 Thermobarom. 
Endgewichtt n n == 79,990 » n 108,65 » 


zugeführt — 80,445 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, іп О, = 1,130 1 
я л e » О, = 0,0241 
dazu 8,567 1 
Nettosauerstoffverbrauch 32,858 1 — 46,958 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,657 1. 


Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden. . 0,1281 Aus Lauge. . . . . . = 28,108 1 CO, 
Nachher n ‚ . 0,9991 _Gesamtkohlensäureprod. — 28,974 1 
0,8711 = 46,975 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,479 1 
Respirsatorischer Quotient . . . . . . . = 0,729 


Stiokstoffbilanz. 
Vorher vorhanden. . 144,8331 N, aus О, (8,719/,) . . = 1,1801 
Nachher » e o 146,020 1 

1,1871 Differenz. .. . . . = + 0,057 1 


Versuch vom 6б. 1. 13. 
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter ca. 3 Jahre. 


Gewicht Dauer 
vorher des Versuchs Ernährung 
9,820 kg 5 Std. 4 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,0%; Bar. korr. 764,0; Manometer -+ 0,06; 
Thermobar. — 0,02; Hygr. 47. 

Endwerte: Temperatur 20,1%; Bar. korr. 762,8; Manometer -|- 4,10; 
Thermobar. -+ 0,37; Hygr. 100. 
Anfangsvolumen . . 198,255 1 bei 21,09 und 755,39 mm Hg = 182,952 1 
Endvolumen . . . 198,2551 » 21,09 wv 1750,23 » » = 181,708 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07%, ‚ 0,48%, СО, = 0,08°/, 
О, = 20,869, 19,36°/, О, = %,21°/, 
N, = 79,07 lo 80,16°/, М„= 8,71 Wb 
100,00%/, 100,00 °/,, 100,00°/, 
Sauerstoffbilanez. 

Vorher vorhanden . . . . . . . ə . 88,164 1 

Nachher нь ә... .... ‚ 35,178 1 

2,986 1 


20% 


284 A. Sobloßmann und Н. Murschhauser: 


Anfangsgewicht des Gasometers — 41,050 kg bei 108,46 Thermobarom. 
Endgewicht n n == 72,805 » » 108,42 
zugeführt == 28,865 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in О, = 1,0711 
sn » CO, » О, = 0,0281 
dazu 2,986 1 
Nettosauerstoffverbrauch 30,757 1 = 43,952 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,626 1. 


Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden . . 0,1281 Aus Lauge. . .. . . = 21,619 1 СО, 
Nachher n . . 0,8721 Gesamtkohlensäureprod. — 22,363 1 
0,744 1 == 43,819 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,455 1 
Respiratorischer Quotient . . . . . . . = 0,727 


Stiokstoffbilanae. 


Vorher vorhanden . . 144,6601 N, aus О, (3,71%) . . = 10711 
Nachher » e . 145,653 1 


0,993 1 Differenz. . . . . . = — 0,018 1 


Versuch vom 9.1 13. 
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter ca. 3 Jahre. 


Gewicht Dauer = 
vorher des Versuchs Ernährung 
9,36 kg 5 Std. 7 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,0%; Ваг. korr. 764,1; Manometer -+ 0,08; 
Tbermobar. — 0,03; Heer. 40. 

Endwerte: Temperatur 20,4%; Bar. korr. 763,6; Manometer -+ 6,45; 
Thermobar. 40,15; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 199,215 1 bei 21,0° und 756,81 mm Hg = 184,183 1 
Endvolumen . . . 199,215 1 » 21,00 » 75260 » » == 183,158 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07%, 0,459/, СО, = 0,089, 
О, = 20,86 °/, 19,38°/, О, = 96,21 °/, 
N, = 79,07 °% 80,17°/, М„== 3,71°], 
100,00°/, 100,00°/, 100,00°,, 
Sauerstoffbilane. 
Vorher vorhanden. . . . . . 2... 88,420 1 


Nachher . A оо ө ө э ө о o е 35,496 1 
2,924 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 985 


Anfangsgewicht des Gasometers 
Endgewicht 


== 46,250 kg bei 108,67 Thermobarom. 
== 13,385 » 108,55 


zugeführt — 25,023 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in О, = 0,928 1 
н » CO, я О, = 0,0201 
dazu 2,924 1 
Nettosauerstoffverbrauoh 26,999 1 = 88,588 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,577 1. 
Kohlensäurebilane. 
Vorher vorhanden. . 0,1291 Aus Lauge. . . . . . = 18,8751 СО, 
Nachher n . . 0,8241 Gesamtkohlensäureprod. = 19,570 1 
0,695 1 == 88,346 g 


Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde —0,4181 


Reepiratorischer Quotient . . . . . . . = 0,724 
Stickstoffbilanz. 
Vorher vorhanden. . 145,6831 М, aus О, (3,71°/,) . . = 0,9281 
Nachher n . . 146,838 1 
1,205 1 Differenz. ..... = + 0,2771 


Versuch vom 14. I. 13. 
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter са. 8 Jahre. 


Gewicht Dauer 
vorher des Versuchs Ernährung 
8,820 kg 5 Std. 12 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,1%; Bar. korr. 758,2; Manometer + 0,12; 


Thermobar. — 0,09; Hygr. 46. 
Endwerte: Temperatur 20.00: Bar. korr. 756,6; Manometer -+ 6,20; 


Thermobar. + 0,58; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 199,755 1 bei 21,1° und 749,86 mm Hg == 182,926 1 
746,42 » == 182,086 1 


Endvolumen . . . 199,755 In 21,19 n n 
Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07°%), 0,41%, СО, = 0,089, 
О, = 20,86 9%, 19,849], О, = %,21°], 
N, = 79,07°/ 79,759], N, = 8,71 WË 
100,00°/, 100,00°/, 100,009/, 
Bauerstoffbilanz. 
Vorher vorhanden. . . . . » . 88,158 1 
Nachher ьн ...... e . • 36,1261 


286 A. Schloßmann und H. Murschhauser: 


Anfangsgewiobt des Gasometers — 52,760 kg bei 109,79 Thermobarom. 
Endgewicht n я == 76,190 » » 110,02 D 
zugeführt — 21,355 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in О, = 0,7921 
» » CO, » О, = 0,0171 
dazu 2,082 1 
Nettosauerstoffverbrauch 22,578 1==82,268 р. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,512 1. 


Kohlensäurebilanz. 


Vorher vorhanden. . 0,1281 Aus Lauge. . . . . . = 15,748 1 СО, 
Nachher » .. 0,747 1 Gesamtkohlensäureprod. = 16,862 1 


0,619 1 = 32,060 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,871 1 
Respirstorischer Quotient . . . . . . . = 0,725 

Stiokstoffbilanz. 


Vorher vorhanden . . 144,6401 М, aus О, (8,71%) . . = 0,7921 
Nachher я .. 145,2181 
0,573 1 Differenz. . . . . . = — 0,219 1 


Versuch vom 18. І. 13. 
Versuchsobjekt: Hund I (Fetthund). Alter са. 8 Jahre. 


Gewicht Dauer 
vorher des Versuchs Ernährung 
8,39 kg 5 Std. 16 >< 24 Std. nüchtern 


Anfengswerte: Temp. 21,19; Bar. korr. 750,4; Manometer +0,11; 
Тһегтођаг. +- 0,02; Heger, 48. 

Endwerte: Temperatur 20,2°; Bar. korr. 751,8; Manometer + 6,25; 
Thermobar. — 1,52; Hygr. 100. 


Anfengsvolumen . . 200,185 1 bei 21,1° und 741,56 mm Hg = 181,286 1 
Endvolumen . . . 200,1851 » 21,19 » 740,57 n n = 181,046 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofls 
СО, = 0,07% 0,4790 СО, = 0,08°/, 
О, = 20,86 °/, 19,91%, О, = 96,219, 
N, = 79,079], 79,62%], N, = 371% 
100,00 °/, 100,00], 100,009/, 
Sauerstoffbilanz. 


Vorher vorhanden. . . . . . . . . 87,8161 
Nachher n e.s. o o 36,046 1 
1,770 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 287 


Anfangsgewicht des Gasometers — 56,620 kg bei 110,91 Thermobarom. 
Endgewicht я я == 80,700 » » 110,75 n 
zugeführt == 21,760 l bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in O, = 0,8071 
n в vs O, = 0,0171 
dazu 1,770 1 
Nettosauerstoffverbrauch 22,706 1 = 32,447 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,541 1. 


Kohlensäurebilanz. 


Vorber vorhanden. . 0,1271 Aus Lauge. . . . . . = 15,808 1 СО, 
Маоһһег » e . 0,8511 Gesamtkohlensäureprod. = 16,532 1 


0,724 1 == 32,394 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,394 1 
Respiratorischer Quotient e o ө е о ө ө — 0,728 

Stiokstoffbilanz. 


Vorher vorhanden . . 143,343 1 N, aus О, (3,71%) . . = 0,8071 
Nachher n ‚ . 144,149 1 
‚ 0,806 1 Differenz. . . . . . = — 0,001 1 


Versuch vom 31. III. 13. 
Versuchsobjekt: Hund II (Kohlenhydrathund). Alter ca. 5 Jahre. 


Gewicht Gewicht Dauer a 
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung 
10,05 kg 790 g 5 Std. 26 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,1°; Bar. korr. 751,4; Manometer 4 0,11; 


Thermobar. -+ 0,09; Hygr. 56. 
Endwerte: Temperatur 19,9%; Ваг. korr. 751,4; Manometer -+ 7,84; 


Thermobar. — 1,58; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 197,785 1 bei 21,19 und 741,00 mm Hg = 178,985 1 
Endvolumen . . . 197,7851 n 21,19 n 748,52 a » = 179,550 1 





Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07%, 0,43%), СО, = 0,10%, 
a == 20,869/, 20,169/, О, = 98,41%, 
N, = 79,07, 79,419], N, = 6,49%, 
10000, 100,009, 100,007), 
Sauerstoffbilanez. 
Vorher vorhanden . . . . . e 87,3261 
Nachher. » e... o o o o 36,1971 


1,129 1 


288 A. Schloßmann und Н. Murschhauser: 


Anfangsgewicht des Gasometers — 53,945 kg bei 110,88 Thermobarom., 
Endgewicht D n == 79,870 a » 110,82 э 
zugeführt == 28,425 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab М№ іп О, = 1,5201 
sn » CO,» O, = 0,0231 
dazu 1,129 1 
Nettosauerstoffverbrauch 23,011 1 = 82,888 g. 
Bauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,458 1. 





Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden. . 0,125 1 Aus Lauge . . . . . . = 17,8821 СО, 
Nachher ” . . 0,7721 Gesamtkohlensäureprod. — 18,029 1 
0,647 1 == 35,327 g 


Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde == 0,359 1 
Respiratorischer Quotient . . . . . . . = 0,788 


Stiokstoffbilane. 
Vorher vorhanden. . 141,4841 N, aus О, (6,49°%,) . .= 1,5201 
Nachher n . . 142,581 1 


1,097 1 Differenz. .. . . . = — 0,428 1 


Versuch vom 1. IV. 13. 
Versuchsobjekt: Hund II (Kohlenhydrathund). Alter ca. 5 Jahre. 


Gewicht Gewicht Dauer Е 
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung 
9,55 kg 790 g 5 Std. 3 Min. 2 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 19,1°; Bar. korr. 755,8; Manometer -+ 0,12; 


Thermobar. + 0,06; Heer 61. 
Endwerte: Temperatur 19,3°; Bar. korr. 756,2; Manometer -+ 4,28; 


Thermobar. + 2,21; Heer. 100. 


Anfangsvolumen . . 198,235 1 bei 19,1% und 745,86 mm Hg == 181,808 1 
Endvolumen . . . 198,235 1 » 19,19 „ 741,17 » » = 180,658 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07%), 0,559, СО, = 0,10°), 
О, = 20,869, 19,18%, О, = 93,419, 
М№, = 79,07 0/0 80,279/, N, = 6,49°], 
100,00°], 100,00°/, 100,00°/, 
Sauerstoffbilansz. 
Vorher vorhanden . . . . . . ww 87,9251 
Nachher n оао о o 84,6511 


8,274 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 289 


Anfangsgewicht des Gasometers — 53,770 kg bei 110,02 Thermobarom. 
Endgewicht я » == 77,570 n » 109,88 n . 
zugeführt — 21,678 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N,in О, = 1,4071 
» » CO, » О, = 0,0221 
dazu 8,274 1 
Nettosauerstoffverbrauch 23,523 1 == 33,614 g. 
23,290 1 in 5 Stunden. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,488 1. 


Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden. . 0,1271 Aus Lange . . . . . . = 16,7191 СО, 
Nachher я e ,. 0,9941 Gesamtkohlensäureprod. — 17,586 1 


0,8671 Ја 5 Stunden. . ... == 17,412 1 СО, 
== 34,118 g 


Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,865 1 
Respiratorischer Quotient „..... . = 0,748 


Stickstoffbilanz. 
Vorher vorhanden . . 143,7531 N, aus О, (6,49°%/,) . . = 1,4071 
Nachher n ‚ . 145,0181 
` 1,260 1 Differenz .. . . . = — 0,147 1 


Versuch vom 3. IV. 13. 
Versuchsobjekt: Hund II (Kohlenhydrathund). Alter ca. 5 Jahre. 


Gewicht Gewicht Dauer А 
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung 
9,06 kg 790 g 5 Std. 4 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 17,09; Bar. korr. 760,5; Manometer -+ 0,07; 
Thermobar. + 0,05; Heer. 56. 

Endwerte: Temperatur 19,2°; Ваг. korr. 758,8; Manometer + 5,00; 
Thermobar. -+ 7,88; Hygr. 100. 
Anfangsvolumen . . 198,725 1 bei 17,09 und 752,45 mm Hg = 185,200 1 
Endvolumen . . . 198,725 1 » 17,0 » 74110 » » = 182,405 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07%, 0,890/, СО, = 0,10%, 
О, = 20,869/, 18,99), О, = 98,41 °/, 
N, == 79,07%, 80,620], N, = 6,499], 
100,00°/, 100,00 °/, 100,00°/, 
Sauerstoffbilanz. 
Vorher vorhanden . . . . . . „ . 38,6381 
Nachher в . e. > o o o o 834,688 1 


8,995 1 


290 A. Schloßmann апа Н. Murschhauser: 


Anfangsgewicht des Gasometers =— 41,850 kg bei 108,14 Thermobarom. 
Endgewicht a » == 61,590 » » 108,45 2 
: zugeführt = 18,248 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, іп О, = 1,1841 
» a СО, » О, = 0,0181 
dazu 3,995 1 
Nettosauerstoffverbrauch 21,041 1 = 80,068 g, 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde — 0,464 1. 


Kobhlensäurebilanz. 


Vorher vorhanden. . 0,1301 Aus Lauge . . . . . . = 15,4871 СО, 
Nachher n . . 0,711 1  Gesamtkohlensäureprod. = 16,018 1 


0,581 1 + = 81,386 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,853 1 
Respiratorischer Quotient „ . . . . . . = 0,761 

Stickstoffbilanz. 


Vorher vorhanden . . 146,436 1 N, aus О, (6,499/,) . . = 1,1841 
Naohher D е ө 147,052 1 | 
0,616 1 Differenz . . . . . = — 0,568 1 


Versuch vom 7. ІУ. 13. 
Versuchsobjekt: Hund П (Kohlenhydrathund). Alter са. 5 Jahre. 


Gewicht Gewicht Dauer 2 
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung 
8,35 kg 790 g 5 Std. 8 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 18,8°; Bar. korr. 747,4; Manometer + 0,11; 
Thermobar. +4 0,14; Heer, 54. 

Endwerte: Temperatur 18,99; Bar. korr. 748,5; Manometer -+ 4,18; 
Thermobar. + 0,59; Hygr. 100. | 
Anfangsvolumen „ . 199,435 1 bei 18,89 und 738,68 mm Hg = 181,325 1 
Endvolumen . . . 199,485 1 n 18,8% „ 734,80 n я» «= 180,371 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis 
СО, = 0,07%, 0,289, СО, = 0,10%, 
О, = 20,86, 19,699, О, = 98,419, 
N, = 79,079 80,039), N, = 6,49%], 
100,00", 100,009), 700,009, 
‚Sauerstoffbilanz. 
Vorher vorhanden . . . e.. . . 87,8241 
Nachher. .» narka ee 85,516 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 291 


Anfangsgewicht des Gasometers = 49,110 kg bei 110,25 Thermobarom. 
Endgewicht R я == 71,060 » » 110,07 » 
zugeführt — 19,950 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N,inO, = 1,2951 
» » СО, » O, = 0,0201 
dazu 2,808 1 
Nettosauerstoffverbrauch 20,948 1 = 29,927 а. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,501 1. 


Kohlensäurebilanz, 


Vorher vorhanden. . 0,1271 Aus Lauge , . . . . . = 15,211 1 CO, 
Nachher ` e ‚ . 0,5051 Gesamtkohlensäureprod. = 15,589 1 


0,378 1 == 30,546 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,378 1 
Respiratorischer Quotient „,.... . = 0,744 

Stiokstoffbileanz. 


Vorher vorhanden e o 148,873 l N, aus О, (6,49 oj 0) e е = 1 ‚295 1 
Nachher в e „ 144,350 1 
0,977 1 Differenz . . . . .= — 0,3181 


Versuch vom 12. IV. 13. 
Versuchsobjekt: Hund П (Kohlenhydrathund). Alter са. 5 Jahre. 


Gewicht Gewicht Dauer 
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung 
7,670 kg 790 g | 5 Std. 13 >< 24 Std. nüchtern 


rte: Temp. 20,7%; Bar. korr. 743,2; Manometer 4 0,10; 


Thermobar. +4 0,15; Heer, 40. 
Endwerte: Temperatur 19,7°: Bar. korr. 751,4; Manometer -+ 10,50; 


Thermobar. — 3,60; Hygr. 100. 
Anfangsvolumen . . 200,115 1 bei 20,7° und 740,9 mm Hg = 181,288 1 
Endvolumen . . . . 200,115 1 » 20,79 » 745,2 » » = 182,365 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07% 0,35%), СО, = 0,10%, 
о, == 20,86 0/ 0 20,33 °| 0 о, == 98,419] 0 
N, = 79,079, 79,829, № == 6,499, 
100,00°/, 100,00 %/, 100,00, 
Sauerstoffbilanz. 
Vorher vorhanden ...„. oe e » 37,8161 
Nachher ` n e e. ө o о ө ө 87,075 1 


0,741 1 


292 . А. Schloßmann und Н. Murschhauser: 


Anfangsgewicht des Gasometers == 50,300 kg bei 110,95 Thermobarom. 
Endgewicht n n = 69,320 n n 110,41 n 
zugeführt — 17,210 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab М„їп О, = 1,1171 
nn a n” О, = 0,0171 
дыш A9 1. 
Nettosauerstoffverbrauch 16,817 1 = 24,032 g. 

Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,488 1. 


Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden . . 0,1271 Aus Lauge . . . . . . = 12,248 1 СО, 
Nachher e . . 0,688 1 Gesamtkohlensäureprod. = 12,759 1 
0,5111 == 25,001 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,382 1 
Respiratorischer Quotient „..... . = 0,758 


Stiokstoffbilanz. 


Vorher vorhanden . . 148,340 1 N, aus О, (6,49%,). . = 11171 
Nachher a . e 144,650 1 | 
1,8101 Differenz e .= | 0,193 1 


Versuch vom 15. IV. 13. 
Versuchsobjekt: Hund П (Kohlenhydrathund). Alter са. 5 Jahre. 


Gewicht Gewicht Dauer > 
vorher der Unterlage des Versuchs Ernährung 
7,220 kg 790 g 5 Std. 16 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,00; Bar. korr. 761,0; Manometer + 0,13; 
Thermobar. + 0,09; Heer, 42. 

Endwerte: Temperatur 19,8°; Ваг. korr. 759,8; Manometer -} 7,98; 
Thermobar. — 0,52; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 200,565 1 bei 21,09 und 753,27 mm Hg == 184,565 1 
Endvolumen . . . 200,5651 » 21,09 » 1752,30 » » = 184,828 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft dee Sauerstofis 
СО, = 0,07%, 0,209, СО, = 0,10%, 
О, = 20,86%, 20,15%, О, = 93,419, 
N, = 79,079/, 79,659/, N, = 6,499], 
100,00, 100,00 9, 100,009, 
Sauerstoffbilanz. 
Vorher vorhanden „. e xx o . 38,5001 
Nachher > +» >. 2. 2 0... o o 87,1421 


1,358 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 293 


Anfangsgewicht des Gasometers — 54,360 kg bei 109,24 Thermobarom. 
Endgewicht n n == 71,690 » a 109,32 n 
zugeführt == 15,884 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in О, = 1,0311 
я =» CO, » О, = 0,0161 
dazu 1,358 1 
Nettosauerstoffverbrauch 16,195 1 = 23,143 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,448 1. 


Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden. . 0,1291 Aus Lauge . . . . . . = 12,093 1 СО, 
Nachher e e . 0,3691 Gesamtkohlensäureprod. == 12,333 1 
0,240 1 == 24,166 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,341 1 
Respirstorischer Quotiept . . . . e . . == 0,762 


Stiokstoffbilanz. 


Vorher vorhanden . . 145,9331 N, aus О, (6,49%). . = 1,0811 
Nachher n ə o 146,813 1 2 | 
0,880 1 Differenz . .. . . = — 01511 


Versuch vom 10.1. 13. 
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter oa. 9 Jahre. 


Gewicht Dauer = 
vorher des Versuchs Ernährung 
10,63 kg 5 Std. 1 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,0°; Bar. korr. 762,8; Manometer + 0,10; 
Thermobar. — 0,03; Нурт. 39. 

Endwerte: Temperatur 20,19; Bar. korr. 762,4; Manometer -+ 6,15; 
Thermobar. — 0,55; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 197,945 1 bei 21,09 und 755,72 mm Hg = 182,750 1 
Endvolumen . . . 197,945 1 » 21,09 » 752,00 2 » = 181,850 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstofis 
СО, == 0,07%, 0,589, СО, == 0,08%, 
О, = 20,869/, 19,32°/, О, = 96,21 °/, 
N, = 79,07%, 80,109, №, == 8,71 lo 
100,00 °/, 100,00°/, 100,00°,, 
Sauerstoffbilanz. 
Vorher vorhanden . . . . . . . . 38,1221 
Nachher 85,188 1 


2,989 1 


994 A. Schloßmann und Н. Murschhauser: 


Anfangsgewicht des Gasometers = 48,350 kg bei 108,71 Thermobarom. 
Endgewicht я я == 75,860 » » 108,68 » 
zugeführt — 25,346 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in О, = 0,9401 
» э» CO, » О, = 0,0201 
dazu 2,989 1 
Nettosauerstoffverbrauoh 27,375 1 = 89,118 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,515 1. 


Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden. . 0,1281 Aus Lauge . . . .. . „== 19,859 1 ОО, 
Nachher э ‚ . 1,0551 Gesamtkohlensäureprod. == 20,786 1 
0,927 1 == 40,129 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,391 1 
Respirstorischer Quotient . . . . . . . = 0,759 


Stickstoffbilanz. 


Vorher vorhanden. . 144,501 М, aus О, (8,71°/,) . . 
Nachher e ‚ . 145,660 1 


1,1601 Differenz .... .==--0,2201 


0,940 1 


Versuch vom 11.1. 13. 
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter oa. 9 Jahre. 


Gewicht Dauer S 
vorher des Versuchs Ernährung 
10,41 kg 5 Std. 2>< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,2°; Ваг. korr. 760,8; Manometer -+ 0,11; 
Thermobar. — 0,06; Hygr. 86. 


Endwerte: Temperatur 20,8°; Bar. Zei 758,4; Manometer + 5,40; 
Thermobar. + 1,68; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . „ 198,165 1 bei 21,2° und 754,24 mm Hg = 182,465 1 
Endvolumen . . . 198,165 1 » 21,29 „ 74622 » » = 180,525 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Bauerstoffs 
СО, = 0,07%, 0,49°/, СО, = 0,08°/, 
О, = 20,86%, 18,850, О, == 96,21 °% 
N, = 79,07%, 80,66%, М№, == 8,71%, 
100,00°%/, 100,00°/, 100,00°%/, 
Sauerstoffbilanz. 


Vorher vorhanden . . . 38,062 1 
Nachher » ‚ . + 84,029 1 


4,033 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 295 


Anfangsgewicht des Gasometers = 51,745 kg bei 109,23 Thermobarom. 
Endgewicht п я == 76,570 я » 109,45 я 
zugeführt — 22,741 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, іп О, = 0,844 1 | 
H » CO,» О, = 0,0181 
dazu 4,0881 
Nettosauerstoffverbrauch 25,912 1 = 87,028 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,498 1. 


Kohlensäurebilanz: 


Vorher vorhanden . . 0,1281 Aus Lauge . . . . . . ==18,640 1 CO, 
Nachher n . + 0,8841 Gesamtkohlensäureprod. == 19,396 1 


0,756 1 == 38,005 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde == 0,872 1 
Respirstorischer Quotient . . . . .. ‚ == 0,748. 
Stickstoffbilanz: 


Vorher vorhanden . . 144,273 1 N, aus О, (8,719) . . = 0,844 1 
Nachher я e . 145,613 1 
1,340 1 Differenz. . . . . . = -|- 0,496 1. 


Versuch vom 13.1. 13. 
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter oa. 9 Jahre. 


Gewicht Dauer 2 
vorher des Versuchs Ernährung 
9,95 kg 5 Std. 4 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,9°; Bar. korr. 755,7; Manometer +0,10; 
Thermobar. — 0,07; Hygr. 48. 

Endwerte: Temperatur 20,5°; Bar. korr. 756,6; Manometer -+ 5,58; 
Thermobar. — 4,45; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 198,625 1 bei 21,9° und 746,51 mg Hg = 180,586 1 
Endvolumen . . . . 198,625 1 » 21,9% » 747,83 » » == 180,906 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, = 0,07% 0,56°%/, СО, = 0,08°], 
О, = 20,86%, 19,90%], О, == 96,21 °/, 
N, = 79,07%, 79,549], N, = 3,71% 
100,009, 100,00, 100,00 9), 
Sauerstoffbilane. 


Vorher vorhanden . . . 87,670 1 
Nachher я . . + 36,000 1 
1,670 1 


996 A. Schloßmann und Н. Murschhauser: 


Anfangswioht des Gasometers = 52,640 kg bei 110,86 Thermobarom. 
Endgewicht n n = 78,500 я » 110,40 я 
zugeführt == 23,469 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in O,= 0,8711 
я » СО, a О, = 0,019 1 
дата 1,670 1 
Nettosauerstoffverbrauch 24,249 1 = 34,652 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,487 1. 


Kohlensäurebilanz. 


Vorher vorhanden . . 0,1261 Aus Lauge. . . . . ‚ . = 16,9301 CO, 
Nachher n . . 1,013 1 Gesamtkohlensäureprod. . = 17,817 1 


0,887 1 = 34,911 g 


Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,858 1. 
Respiratorischer Quotient. . . . . . . = 0,7385. 
Stiokstoffbilanz: 


Vorher vorhanden. . . 142,7901 N, aus О, (3,719/,). . = 0,8711 


Nachher n e e ө 143,899 1 
11091 Differenz .... . =-+0,2821 


Versuch vom 17. I. 13. 
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter ca. 9 Jahre. 


Gewicht Dauer 
vorher des Versuchs Emährung 
9,50 kg 5 Std. 8>< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 22,0°; Bar. korr. 747,2; Manometer -|- 0,11; 


Thermobar. 4 0,10; Heer. 51. 
Endwerte: Temperatur 20,4°; Bar. korr. 747,1; Manometer -+ 4,35; 


Thermobar. — 2,70; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 199,075 1 bei 22,0° und 738,21 mm Hg = 178,915 1 
Endvolumen . . . . 199,075 1 » 22,09 » 73645 п » = 178,490 1 





Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
со, == 0,07 °| 0 0,89°/, со, == 0,08 °% 
О, = 20,86°/, 19,98°/, О, = 96,21°/, 
N, = 79,07%, 79,639], N, = 3,71%, 
100,00°/, 100,009, 100,00°/, 
Sauerstoffbilenz. 


Vorher vorhanden . . . 87,322 1 
Nachher n e e . 35,662 1 
1,660 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 297 


Anfangsgewicht des Gasometers — 53,195 kg bei 111,42 Thermobarom. 
Endgewicht n л = 76,390 n»n » 111,34 я 
zugeführt — 20,859 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, іп О, = 0,774 1 
n n»n СО, » О, = 0,0171 
dazu 1,660 1 
Nettosauerstoffverbrauch 21,728 1 = 31,050 р. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde == 0,457 1. 


Kohlensäurebilanz. 
Vorher vorhanden. .... 0,1251 Aus Lauge.. . . . . == 15,496 1 CO, 
Nachher n . . . 0,696 1 Gesamtkohlensäureprod. = 16,167 1 
0,5711 = 31,678 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,340 1 
Respiratorischer Quotient . . . . . . . == 0,744. 
Stiokstoffbilanz. 


Vorher vorhanden. . . 141,468 1 N, aus О, (3,71%/,) . . = 0,7741 
Nachher » . . . 142,132 1 
0,6641 Differenz... . . . . = — 0,1101. 


Versuch vom 21.1. 13. 
Versuchsobjekt: Hund III (Eiweißhund). Alter ca. 9 Jahre. 


Gewicht Dauer " 
vorher des Versuchs Ernährung 
8,95 kg 5 Std. 12 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 20,0°; Ваг. korr. 736,2; Manometer -+ 0,08; 
Thermobar. + 0,01; Hygr. 55. 

Endwerte: Temperatur 20,0°; Bar. korr. 739,7; Manometer + 2,00; 
Thermobar. — 1,79; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 199,625 1 bei 20,0° und 726,70 mm Hg = 177,821 1 
Endvolumen . . . . 199,025 1 » 20,09 „ 72259 n» n = 176,283 1 





Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffis 
СО, = 0,07°], 0,489, СО, = 0,089, 
О, = 20,869, 19,389, О, = 96,219, 
N, = 79,07%, 80,149, № = 3,71%, 
100,00°/, 100,009, 100,009, 
Sauerstoffbilanz: 


Vorher vorhanden . . . 37,094 1 
Nachher n» . . . 84,168 1 
2,931 1 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 21 


298 A. Schioßmann und Н. Murschhauser: 


Anfangsgewicht des Gasometers = 46,375 kg bei 112,61 Thermobarom. 
Endgewicht ” a == 67,115 » » 111,92 D 
zugeführt = 18,508 1 bei 0° und 750 mm Hg 
davon ab N, in О, = 0,686 1 
n у СО, » О, = 0,0151 
dazu 2,931 1 
Nettosauerstoffverbrauch 20,731 1 = 29,624 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,463 1. 


Kohlensäurebilane: 
Vorher vorhanden. . . 0,1241 Aus Lauge. . . . . „= 14,786 1 СО, 
Nachher » ‚ . „ 0,846 1 Gesamtkohlensäureprod. — 15,508 1 
0,722 1 == 30,386 g 


Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde == 0,846 1. 
Respiratorischer Quotient . . e . . . . = 0,748. 


Stiokstoffbilane: 


Vorher vorhanden . . . 140,608 1 N, aus О, (8,71%/,). . = 0,684 1 
Nachher я e . . 141,274 1 
0,671 1 Differenz . . . . . = — 0,0131 


Versuch vom 25. І. 13. 
Versuchsobjekt: Hund Ш (Eiweißhund). Alter са. 9 Jahre. 


Gewicht Dauer 
vorher des Versuchs Ernährung 
8,50 kg 5 Std. 16 >< 24 Std. nüchtern 


Anfangswerte: Temp. 21,8°; Bar. korr. 751,1; Manometer 40,11; 
Thermobar. + 0,06; Hygr. 51. 

Endwerte: Temperatur 21,7°; Bar. korr. 751,8; Manometer -|- 3,43; 
Thermobar. — 0,58; Hygr. 100. 


Anfangsvolumen . . 200,075 1 bei 21,8° und 741,26 mm Hg = 180,678 1 
Endvolumen . . . . 200,0751 n 21,89 » 735,81 » я» = 179,855 1 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffs 
СО, == 0,07% 0,329, СО, = 0,089/, 
О, = 20,86%, 19,699, О, = 96,21 °/, 
N, = 79,079, 79,999/, О, = 38,710, 
100,00 °%/, 100,00°/, 100,009, 
Sauerstoffbilanz: 


Vorher vorhanden . . . 37,689 1 
Nachher n , . . 85,315 1 
2,874 1 


Einfluß der vorangegangenen Ernährung auf den Hungerstoffwechsel. 299 


Anfangsgewicht des Gasometers == 61,450 kg bei 111,04 Thermobarom. 
Endgewioht в » = 81,280 » » 110,88 я 
zugeführt = 17,904 1 bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in О, = 0,664 1 
»  » CO,» О, = 0,0141 
dazu 2,8741 
Nettosauerstoffverbrauch 19,600 1 = 28,009 g. 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Stunde = 0,461 1. 


Kohlensäurebilans: 
Vorher vorhanden . . . 0,126 1 Aus Lauge . e « . e . = 14,1271 СО, 
Nachher » ‚ . „ 0,574 1 Gesamtkohlensäureprod. = 14,575 1 
0,448 1 == 28,558 g 
Kohlensäure pro Kilogramm und Stunde = 0,343 1. 
Respiratorischer Quotient . o . • • » = 0,744. 


Sticokstoffbilanz: 


Vorher vorhanden. . . 142,8631 М, aus О, (8,71%/,). „= 0,664 1 
Nachher e ө ө 143,466 1 
0,608 1 Differenz .....=—0,061 1 


21* 


Studien über die Topographie der Peroxydasen im 
Verdauungsschlauch und über ihren Nachweis. 


Së Von 
Arthur Scheunert, Walter Grimmer und Peter Andryewsky. 


(Aus dem Physiologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule 
zu Dresden.) 


(Eingegangen am 12. Juni 1913.) 


Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiten über 
das oxydierende Vermögen verschiedener Gewebe des Tier- 
körpers veröffentlicht worden sind, ist man merkwürdigerweise 
über das Vorkommen solcher Fermente in den Schleimhäuten 
und Sekreten des Verdauungstraktus der höheren Tiere fast 
gar nicht unterrichtet. Das ist um so auffälliger, als der Oxy- 
dasegehalt des Speichels schon seit langem bekannt ist!) und 
auch in Extrakten von Speicheldrüsen solche Fermente auf- 
gefunden worden sind?), und ferner bei Wirbellosen ebenfalls 
zahlreiche Untersuchungen in dieser Richtung vorliegen’). 

Es erschien uns deshalb geboten, bei einigen Haustier- 
arten in dieser Richtung Versuche anzustellen. Nachdem Vor- 
versuche, in verschiedenen reinen Fistelsekreten oxydierende 
Fermente nachzuweisen, negative Ergebnisse gehabt hatten, 
richteten wir unser Augenmerk auf die Schleimhäute und 
einige Drüsen des Verdauungsschlauches, und zwar ge- 
langten außer den Speicheldrüsen noch die Tonsillen, in einigen 
Fällen auch die Leber zur Verarbeitung. Auf Pankreas ver- 
zichteten wir. 


1) Schönbein, Poggendorfs Annal. 75, 351, 1848. — Carnot, Compt. 
rend. Soc. Biol. 48, 552, 1896. 

2) Slowzoff, Über die Oxydasen des Tierkörpers. Diss. St. Peters- 
burg 1899 (russisch). — Sieber, zit. nach Malys Jahresber. 32, 944, 1903. 

3) Literatur vgl. bei Battelli und Stern, „Die Oxydationsfermente“ 
in: Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. 12, 159, 232, 1912. 


A.Scheunert, W. Grimmer u. Р. Andryewsky: Topographie usw. 301 


Eine Entscheidung der Frage, ob in den untersuchten 
Organen sog. echte Oxydasen oder Peroxydasen enthalten 
seien, haben wir nicht versucht. Einmal muß berücksichtigt 
werden, daß die Beantwortung dieser Frage an dem Umstande 
scheitern mußte, daß unser Material mit absoluter Sicherheit nie- 
mals völlig bis auf die letzten Spuren blutfrei zu erhalten war. 
Andererseits existiert ein derart prinzipieller Unterschied nach 
der nicht unbegründeten Anschauung von Bach und Chodat!) 
zwischen den beiden Fermenttypen überhaupt nicht. Ver- 
schiedene eigene Erfahrungen, die wir beim Aufsuchen einer 
zum einwandfreien Nachweise einer fermentativen Oxydation 
geeigneten Reaktion machten, scheinen auch uns für die Be- 
rechtigung einer solchen Annahme zu sprechen. Wir be- 
trachten also die von uns gefundenen Oxydations- 
erscheinungen als die Wirkung von Peroxydasen, zu- 
mal das von uns gewählte Reagens ein ausgesprochenes Per- 
oxydasereagens ist. 


Methodik des Nachweises der Peroxydasen. 


Hinsichtlich der Methodik sei folgendes vorausgeschickt 

Die zu oxydierende Substanz mußte verschiedenen An- 
forderungen genügen: 

1. Sie mußte bei einfacher Ausführung in rascher und 
unzweideutiger Weise eine stattgehabte Oxydation erkennen 
lassen. Diese Forderung wurde durch den Umstand diktiert, 
daß wir genötigt waren, zwecks vergleichender Untersuchungen 
stets auf einmal größere Versuchsserien anzustellen, deren Re- 
sultate bei einer komplizierten und vor allem zeitraubenden 
Technik leicht getrübt werden konnten. 

2. Durch Blut, das dank seines Hämoglobingehaltes be- 
kanntlich ähnliche Wirkung entfaltet, durfte diese Reaktion 
keinesfalls ausgelöst: werden. 

Die erste Anforderung läßt sich ohne weiteres erfüllen. 
Wir besitzen in einer großen Zahl von aromatischen, leicht 
oxydablen Substanzen vorzügliche Reagenzien, die eine Oxy- 
dation durch das Auftreten mehr oder minder ausgesprochener 
Farbenreaktionen erkennen lassen. 


. 1) Bach und Chodat, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 36, 600, 1903. 
— Chodat und Bach, ebenda 86, 606, 1903. 


302 A. Scheunert, W. Grimmer опа Р. Andryewsky: 


Viel größer ist die Unsicherheit hinsichtlich des zweiten 
Punktes, wie auch aus den zahlreichen Widersprüchen ver- 
schiedener Autoren hervorgeht. 

In erster Linie kam das klassische Reagens, die Guajac- 
tinktur, in Frage, das bis in die neuere Zeit den ersten Platz 
unter den Oxydase- und Peroxydasereagenzien behauptete. 
Erst seit kurzem sind Stimmen gegen die Verwendbarkeit der 
Guajactinktur zum Nachweise oxydierender Fermente іп tieri- 
schen Geweben laut geworden!), die nicht mit Unrecht darauf 
hinweisen, daß auch Blut bei Gegenwart von Superoxyden 
Oxydationserscheinungen in der Tinktur auslöst, so daß irrige 
Schlüsse hinsichtlich oxydierender Substanzen fermentativer 
Natur leicht möglich sind. Auch der Umstand, daß Blut auch 
nach dem Erhitzen noch eine Oxydation auslöst, ein Ferment 
aber nicht, kann nicht vor Irrtümern schützen, denn es ist 
sehr leicht denkbar, daß, besonders wenn in den zu unter- 
suchenden Extrakten nur sehr geringe Blutmengen enthalten 
sind, das Hämoglobin, das die Oxydation bewirkt, von koagu- 
lierendem Eiweiß eingeschlossen und so der direkten Berührung 
mit dem oxydablen Bestandteile der Guajactinktur entzogen 
wird?). Diese Einwände müssen aber schließlich für alle Sub- 
stanzen, die nur bei Gegenwart von Superoxyden oxydiert 
werden, Geltung behalten. 

Wir sahen uns infolgedessen veranlaßt, zu versuchen, ob 
sich mit Hilfe von Guajactinktur nicht doch ein Nachweis 
oxydierender Fermente ermöglichen läßt. Blut bewirkt be- 
kanntlich, und davon haben wir uns mehrfach beim Blute von 
Rind, Schaf, Pferd, Schwein, Hund, Kaninchen überzeugt, nur 
bei Gegenwart eines Superoxyds (altes Terpentinöl, Wasser- 
stoffsuperoxyd usw.) eine Blaufärbung, während andere einwand- 
frei blutfreie Substrate (Milch) oft auch, besonders bei An- 
wendung älterer Guajactinkturen, ohne Zusatz von Super- 
oxyden wirksam sind. Gegenüber roher Milch unwirksame 
Guajactinkturen lassen sich leicht in brauchbare Tinkturen 
überführen, wenn man zu 100 ccm 5°/,iger alkoholischer Harz- 


1) v.Czyhlarz und e Fürth, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
10, 358, 1907 — Battelli und Stern, diese Zeitschr. 46, 317, 1912. — 
Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. 3. Aufl. 1909. 
De Czyhlarz und у. Fürth, |. с. 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 303 


tinktur (aus Harz nach Entfernung der oberflächlichen Schicht 
frisch bereitet) 3 bis 5 Tropfen (= 0,1 bis 0,2 ccm) 3°/,igen 
Wasserstoffsuperoxyds fügt!). Solche Tinkturen entfalten eine 
außerordentliche Wirksamkeit gegenüber roher Milch, nicht 
aber gegenüber Blut. Bei Blut tritt erst nach dem Zu- 
satze von Terpentinöl eine Reaktion auf?) Größere Mengen 
von Wasserstoffsuperoxyd sind unter allen Umständen zu ver- 
meiden, da einerseis die Intensität der fermentativen Oxydation 
darunter leidet, andererseits Gefahr vorhanden ist, daß eine 
ev. Reaktion auch durch Blut hervorgerufen sein könnte. Die 
in nachstehender Tabelle niedergelegten Resultate eines in 
dieser Richtung unternommenen Versuchs erläutern das eben 
Gesagte. 
0,5 com Gusjactinktur, enthaltend 

in 100 com 
о|1][|з [|5 | 8 | 10 
Tropfen H,O, (3%/,ісе Lösung) 








2ccm Milch . ..... ++ 
2ccm Submaxillarextrakt + 
2 ccm verd. Blut (1:500 H,O) +? 


An weiteren Reagenzien benutzten wir Rothenfußers 
Reagens (1 Teil Paraphenylendiaminchlorhydrat in 15 Teilen 
H,O + 2 Teile Guajacol, kryst. in 135 Teilen 96°/,igen Alko- 
hols) und die von Battelli und Stern?) angegebene Jod- 
kaliumstärke. In beiden Fällen konnten wir keine ein- 
deutigen Resultate erhalten, da beide Reagenzien auch durch 
Blut oxydiert werden und aus Jodwasserstofisäure durch Wasser- 
stoffsuperoxyd bzw. Äthylhydroperoxyd schon spontan Jod frei- 
gemacht wird. Wir haben die mit diesen Regenzien erhaltenen 
Resultate zwar mit in unsere Tabellen aufgenommen, möchten 
aber ausdrücklich betonen, daß wir sie in keiner Weise als 
maßgebend betrachten. Wir geben sie gewissermaßen nur zur 


1) Über die Verwendbarkeit von wasserstoffsuperoxydhaltiger Guajac- 
tinktur bei der Milchuntersuchung berichtet schon Sohern, Berl. Tier- 
ärztl. Wochenschr. 1911, Nr. 48. 

*) Eine in demselben Sinne wirksame Tinktur liefert auch die Firma 
Hauptner-Berlin, die wir mehrfach geprüft und anfangs auch benutzt 
baben, über deren Herstellung uns aber nichts bekannt ist. 

H Battelli und Stern, diese Zeitschr. 18, 44, 1907. 


304 A. Scheunert, W. Grimmer und P. Andryewsky: 


Illustration der Unsicherheit und daher Unbrauchbarkeit dieser 
Methoden für die vorliegenden Zwecke wieder. 

Da es uns sehr wünschenswert erschien, unsere Resultate 
möglichst auch mit einer quantitativen Methode zu verfolgen, 
versuchten wir, uns das von Battelli und Stern vorgeschlagene 
Verfahren der Ameisensäurezersetzung!) dienstbar zu machen. 
Wir verfuhren dazu zunächst mit unseren Extrakten genau 
nach Vorschrift der genannten Autoren und wichen von dieser 
nur insofern ab, als wir die gebildete CO, titrimetrisch im 
vorgelegten Barytwasser ermittelten. Zahlreiche solche Ver- 
suche verliefen aber völlig negativ. Dies veranlaßte 
uns, unter genauer Befolgung der Vorschriften auch Leberbrei 
verschiedener Tierarten, mit dem die genannten Autoren 
vielfach gearbeitet haben, heranzuziehen. Sehr zahlreiche Ver- 
suche ergaben auch hiermit anfänglich überhaupt keine Re- 
sultate, erst in jüngster Zeit erhielten wir, ohne die Gründe 
hierfür erkennen zu können, eindeutige Resultate im Sinne 
von Battelli und Stern. 

Hierdurch ermutigt, versuchten wir die Methodik auch für 
unsere Extrakte brauchbar zu gestalten und hielten es dazu, 
dem Beispiel von Battelli und Stern folgend, für erforderlich, 
zunächst die Optima der Säurekonzentration für die Wirkung 
der Guajacperoxydase in unseren Extrakten festzustellen. Diesen 
Versuchen dienten ausschließlich Submaxillarextrakte des Rindes, 
von denen wir је 2ccm mit 2 ccm Wasser oder Säure ver- 
schiedener Konzentration auf 4 ccm auffüllten und dann mit 
је 0,5 ccm Guajactinktur versetzten. Die Versuchsanordnung 
und die erhaltenen Resultate sind aus nachstehender Tabelle 
ersichtlich. 

Wir sehen, daß es zwar gelingt, durch Zusatz von Salz- 
säure die Reaktionsfähigkeit einiger Extrakte gegenüber Guajac- 
tinktur zu steigern, daß diese Säuremengen aber ganz minimale 
sind. Bereits eine Konzentration von höchstens 0,1°/, Salz- 
säure hebt in der größten Zahl der Fälle die Reaktion voll- 
kommen auf, in einem einzigen Falle steigt das Aciditäts- 
maximum auf 0,11°/, HCl, ist aber immer noch bei weitem 
niedriger als die von Battelli und Stern angegebenen Säure- 


1) Battelli und Stern, Le 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 305 


konzentrationen bei der Oxydation der Ameisensäure durch 
Gewebe. Wir müssen allerdings berücksichtigen, daß wir Ge- 
webe und Extrakte nicht ohne weiteres identifizieren können 
und daß die ersteren sicher ein größeres Säurebindungsvermögen 
besitzen als die letzteren. 


Tabelle I. 






Reaktionsausfall in Submaxillardrüsen- 
extrakt von 





2 | 2,00 | 0,00 | 0,00 + | ++ + + ++ 
2 1,95 0,05 0,01 + оа ++ ++ — 
2 | 190 | 010 | 008 | ++ » ++ ышы ` 
2 1,85 0,15 0,04 + n ++ n n 
2 1,80 0,20 0,05 + n + ” n 
2 | 175 | 025 [006 | + | + — + + 
2 | 170 | 0,30 | 0,08 | =] + — e + 
2 | 165 | 0,35 | 0,09 | — | ++ |, ? 
2 | 1,60 | 0,40 | 010 | — + n _ — 
2 1155 | 0,45 | 01 | — + n — _ 
2 | 150 | 050 | 018 | — = n _ — 
2 |1,5 | 0,75 | 019 | - = a | - — 


Zeichenerklärung. Es bedeuten: — keine; + schwache; + deut- 
liche; ++ starke; +++ sehr starke Guajacreaktion. 


Wir versuchten nun mit Hilfe der für unsere Extrakte 
ermittelten Säureoptima eine Ameisensäurezersetzung zu er- 
halten. Wir setzten dazu je 50 ccm Submaxillarextrakte der 
Rinder П, III, У mit je 100 ccm Calciumformiatlösung an 
und brachten die Gemische auf die für die Guajactinktur 
günstige Reaktion von 0,06°/, (Rind П), 0,02°/, (Rind III) 
und 0,01°/, (Rind У) HCl. Diese Versuche verliefen aber 
völlig negativ. Wir konnten ebensowenig eine Oxydation 
beobachten wie bei einer höheren Säurekonzentration von 
0,3%) ,- 

Durch weitere Versuche mit Leber und Niere von Rind 
und Pferd stellten wir fest, daß weder diese Gewebe selbst 
noch die daraus hergestellten Extrakte imstande waren, unsere 
aktive Guajactinktur zu oxydieren, während die ersteren eine 
ziemlich weitgehende Zersetzung der Ameisensäure bewirkten. 
Wir benutzten in allen Fällen 30 g Brei bei einer Acidität 
von 0,2°/, Salzsäure. Die Ergebnisse sind folgende: 


306 A. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewaky: 


Gebildete CO,-Menge 
Leber vom Pferd. . . . 17,2 mg 


Niere » no a... 26,4 » 
Leber » Rind. . . . 58,1 » 
Меге » no e.. . 18,2 np 


Auf Grund der vorliegend geschilderten Versuche können 
wir uns der Ansicht von Battelli und Stern, daß es sich 
bei der Oxydation von Ameisensäure einerseits, von Guajac- 
tinktur andererseits, um Wirkungen desselben Fermentes han- 
delt, nicht anschließen, denn 

1. konnten wir mit Drüsen- und Schleimhautextrakten, 
die positive; Peroxydasereaktion zeigten, keine Oxyda- 
tion der Ameisensäure bewirken; 

2. konnten wir umgekehrt in Geweben und deren Ex- 
trakten (Leber, Niere), die Ameisensäure zu oxydieren ver- 
mögen, keine Guajacperoxydase nachweisen. 



























Tabelle П. 
Submaxillarextrakt Rind VI Submaxillarextrakt Rind VII 
0 8 Й g 
Reaktion gegen 5 |Я Reaktion gegen 2 
Datum Ze EER 56 ЕЕ 
89 8 E| Gunjaool |Jodkalium| 2 | SZ $ 5| Guajacol |Jodkalium|s FF 
р Ё EK allein T allein + Eë" E ck allein T allein Fia 
53 HO, H,0,| 3 |н |55 H,O, H,O, $ 
25.17.01 -ı+| -|+|-I|+|+|-|+|-|+|i-| +|+ 
26.IV. i+|i+|-|+|-|+|+|+| +|-|+]|-|+]|+ 
27.17. | +|+|-|+|-|+|+ | +|+|-|+])-|+]|)+ 
28.17. I+|+| -| +! -| +|+|*+| +r|--| +|-|+!|+ 
29.IV. I+| +| - | +|-|+| + Téik kl tik 
80.17.91 +|+|-|+|-|+| + | + | MECH EE AE 
8. V. + Гор И Е Р a a О De a е же шш Ковш 
10. V ок]. ne ж Ee же, яз. Беке Косшы Үш aa | “же | 
17.V ak ls ЕЕ zl se КЕН: +!—|—— Is LI — Il sl Ah 








Über die Natur der oxydierenden Agenzien läßt sich vor- 
läufig nichts sagen. Nach Battelli und Stern werden sie 
durch eine kurz andauernde Digestion mit Trypsin nicht zer- 
stört, ein Umstand, der gegen die Eiweißnatur des Fermentes 
zu sprechen scheint. Unsere eigenen Versuche ergaben eine 


1) Gleich nach erfolgter Prüfung erfolgte die Verdauung mit Pan- 
kreatin. 

2?) An diesem Tage wurden die Extrakte mit dem gleichen Volumen 
Wasser versetzt. 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 307 


große, aber keine völlige Resistenz gegen Trypsin. Zum Ver- 
suche dienten die hochgradig wirksamen Submaxillarextrakte 
von zwei Rindern, die, mit Pankreatin versetzt, längere Zeit 
bei Bruttemperatur belassen wurden. Das Verhalten derselben 
ist aus vorstehender Tabelle II ersichtlich. 

Es ergibt sich daraus, daß die Guajacreaktion selbst nach 
einer 16tägigen Verdauung mit Trypsin noch bestehen blieb, 
erst nach dieser Zeit verschwand sie. Die übrigen Reaktionen 
(mit Guajacol und Jodkaliumstärke) wurden etwas früher unter- 
drückt, bei Rind VI war nach 14 Tagen die Reaktion noch 
positiv, bei Rind VII um dieselbe Zeit bereits negativ. Wir 
haben es demnach bei den Guajactinktur und Guajacol sowie 
Jodwasserstoff oxydierenden Substanzen mit Substraten zu tun, 
die von Trypsin, wenn auch schwer, angreifbar sind. 


Über das Vorkommen von Peroxydasen im Verdauungstrakt. 
1. Versuchsanordnung. 


Bei unseren Versuchen wurden stets die ganz frischen, 
meistens noch lebenswarmen, von geschlachteten Tieren stam- 
menden Organe benutzt, die wir in folgender Weise präparierten: 

Nach genügender Säuberung der Eingeweide mit Leitungs- 
wasser wurde die drüsenhaltige Partie der Schleimhaut, die 
Lamina propria (glandularis) des betreffenden Organs möglichst 
rein von den darunterliegenden Teilen abpräpariert bzw. ab- 
zupräparieren gesucht. In einigen Fällen gelang es, die Propria 
vollkommen isoliert zu gewinnen, in anderen war es dagegen 
nicht möglich, dieselbe von der Muscularis mucosae und der 
Submucosa vollständig abzutrennen (z. B. beim Dünndarm 
von Hund und Schwein, und beim Dickdarm vom Rind). Alle 
sichtbaren Blutgefäße der an der Schleimhaut verbleibenden 
Reste wurden in diesem Falle sorgfältig entfernt. 

Die Drüsen (Speicheldrüsen) sowie die Tonsillen und Lymph- 
knoten präparierten wir so, daß sie möglichst frei von Blut- 
gefäßen, Nerven und Bindegewebe waren, zerstückelten sie dann 
mit der Schere und wuschen diese Teile, wie auch die in der 
geschilderten Art abpräparierte Mucosa des Verdauungstraktus - 
häufig in physiologischer Kochsalzlösung, um sie völlig von 
etwaigen Blutresten zu befreien. Hierauf wurden sie möglichst 
fein gehackt. 


308 A. Scheunert, W. Grimmer und P. Andryewsky: 


Der so hergestellte Brei wurde dann mit der doppelten 
Gewichtsmenge physiologischer Kochsalzlösung unter Zusatz von 
Toluol bei Zimmertemperatur im Dunkeln ca. 20 bis 30 Stunden 
stehen gelassen. 

Die Extrakte stellten schwachgelbliche, eiweißreiche Flüssig- 
keiten dar, die besonders bei den Submaxillar- und Sub- 
lingualspeicheldrüsen und einigen Teilen des Verdauungstraktus 
infolge der Anwesenheit größerer Mengen von Schleim eine 
sehr zähe Konsistenz aufwiesen. Die weitere Aufbewahrung 
der Extrakte geschah unter Toluol bei Zimmertemperatur im 
Dunkeln. Zahlreiche Versuche haben gezeigt, daß solche Ex- 
trakte die unverminderte Oxydationsfähigkeit mindestens 3 bis 
4 Wochen behalten. Nach 2 bis 3 Monaten verschwindet diese 
Fähigkeit vollständig. 

Zur Untersuchung auf Guajacperoxydase verwendeten 
wir је 2 ccm der Extrakte und 0,5 ccm Guajactinktur, die 
Prüfung mit Rothenfußerschem Reagens wurde in der gleichen 
Extraktmenge mit 3 Tropfen Rothenfußerschem Reagens und 
3 Tropfen Äthylhydroperoxyd (0,1°/,) ausgeführt; bei der Prü- 
fung mit Jodkaliumstärke folgten wir den Angaben von 
Battelli und Stern. 


2. Versuchsergebnisse. | 


Unsere Untersuchungen erstreckten sich auf Omnivoren, 
Herbivoren und Carnivoren. 

Als Vertreter der Omnivoren verwendeten wir das 
Schwein. Die Resultate sind in Tabelle III zusammengestellt. 
Es sei nochmals dazu bemerkt, daß wir den Hauptwert den 
mit Guajactinktur erhaltenen Resultaten beimessen, während 
wir den mit den anderen Reagenzien gewonnenen Ausschlägen 
nur eine Bedeutung als Kontrolle zuerkennen. 

Die folgende Tabelle III zeigt, daß bei den beiden zur Unter- 
suchung herangezogenen Tieren die Guajacprobe eine recht gute 
Übereinstimmung ergab. Widersprechende Resultate ergab nur 
die Untersuchung der Parotiden, deren Extrakte bei Schwein I 
gar keine, bei Schwein II hingegen eine rasche und starke 
Bläuung der Guajactinktur bewirkten. Die Ursache dieses 
Unterschiedes vermögen wir nicht zu erklären. Er war jeden- 
falls vorhanden und bestand nicht nur gegenüber der Guajac- 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 309 


tinktur, sondern auch den beiden Kontrollreagenzien gegen- 
über. Wir haben zur Erklärung noch die Parotiden einiger 
anderer Tiere untersucht und dabei gefunden, daß bei weiteren 
drei Tieren die Reaktion mit Guajactinktur positiv ausge- 
fallen ist. 












Tabelle III 
| Schwein. 
Extrakte von Schwein I Schwein II 
© rt , а С т Ог 
8 4. г». Bis г» 
SEA TIE 
og Kal Ek Kai 
= (2 Ss 


Reagenzien Reagenzien 








-+ 






Submaxillarisdrüsen . . . .| + 
Sublingualisdrüsen . . . . . +++ 
Oesophagusschleimhaut . 
Cardiadrüsenschleimhaut . . | + 
-- 
+ 


+ 
rt 
-- 
+ 
Ре. 4 
+ 
+ 
+++ 1 
+ 


Fundusdrüsenschleimhaut . . 
Pylorusdrüsenschleimhaut 
Duodenalschleimhaut 
Jejunalschleimhaut e 
Ileumschleimhaut . . . . . 
Caecalschleimhaut . . . . . 
Colonschleimhaut . .... 
Rectalschleimhaut . . . . . 
RA BC we 8 ee A 


EEE FT 
FENISTIL IT 
FIRE RA 





Se RK EA EE) 
ERT Lé AE? 


Zeichenerklärung: +++ sehr stark positiv; ++ stark positiv; 
+ deutlich positiv; + schwache, aber deutliche Reaktion; 4 schwache, 
zweifelhafte Reaktion; — negativ; (—) nach +-Zeichen rasche Entfärbung. 

Diese Zeichen beziehen sich auf alle Tabellen. 

Wir können somit als Regel annehmen, daß der Parotis- 
extrakt des Schweines eine Guajactinktur stark oxydierende 
Substanz enthält. 

Submaxillar- und Sublingualextrakte verhielten sich 
bei den beiden Tieren übereinstimmend und gaben durchweg 
positive Reaktionen. Bezüglich der Sublinguales ist zu be- 
merken, daß wir bei diesen Drüsen bekanntlich zwei durch 
ihren anatomischen Bau charakterisierte Drüsen, die Gl. sub- 
lingual. polystomatica und Gl. sublingual. monostomatica unter- 
scheiden. Diese wurden bei einem Schwein getrennt verarbeitet 
und extrahiert: beide Extrakte gaben übereinstimmend stark 
positive Reaktionen. 


310 A. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewsky: 


Sehr interessant ist das Verhalten der Magenschleim- 
hautextrakte des Schweine. Die Cardiadrüsen führende 
Schleimhautpartie des Magens enthält nach diesen Befunden 
Guajactinktur oxydierende Fermente; die anderen, Fundus- 
und Pylorusdrüsen führenden Schleimhautzonen hingegen 
nicht. Wir haben noch bei acht weiteren Tieren Cardia- 
drüsenschleimhautextrakte hergestellt, und nur in einem Falle 
einen negativen Ausfall der Guajacprobe erhalten. Dieser Befund 
ist besonders deshalb von Interesse, weil über die Funktionen der 
Cardiadrüsen durch Untersuchungen aus unserem Institut be- 
kannt ist, daß sie ein pepsin- und salzsäurefreies alkalisches 
Sekret, das eine Diastase enthält, absondern. Das Sekret der 
Cardiadrüsen ist also ganz anders zusammengesetzt als der von 
den übrigen Drüsen der Magenschleimhaut abgesonderte Magen- 
saft. Es werden demnach in ihnen auch andere Vorgänge ab- 
laufen, die die Anwesenheit eines oxydierenden Ferments in 
der Cardisadrüsenschleimhaut und seine Abwesenheit in der 
übrigen Magenschleimhaut erklären. Da die Cardiadrüsen- 
schleimhaut sehr reich an Lymphknötchen ist, glaubten wir 
auch das Vorhandensein des oxydierenden Ferments auf diese 
zurückführen zu müssen. Diese Auffassung ließ sich aber, wie 
weiter unten ausführlich belegt werden soll, nicht bestätigen. 

Von der Schleimhaut des Darmes äußerten nur die 
Extrakte der Schleimhaut von Jejunum und Ileum oxydierende 
Wirkung auf Guajactinktur. Auch dieses Verhalten wurde mehr- 
fach kontrolliert. Unter 6 Tieren fiel bei einem die Guajac- 
tinkturreaktion im Jejunalextrakte negativ aus. 

Auf Grund der zahlreichen, bei verschiedenen Individuen 
erhaltenen übereinstimmenden positiven Reaktionen mit Guajac- 
tinktur in Extrakten ganz bestimmter Schleimhautabschnitte 
ist es wohl als sicher anzunehmen, daß hier keine Zufalls- 
erscheinung vorliegt, sondern in der Tat in diesen Schleim- 
häuten Peroxydasen vorhanden sind. 

Andererseits zeigten die Ergebnisse der Untersuchungen mit Rothen- 
fuBerschem Reagens und Jodkaliumstärkekleister nicht immer überein- 
stimmende Resultate. Beide Reaktionen sind, wie schon in der Ein- 
leitung erwähnt, sehr unsicher und können offenbar außer von Peroxydasen 
auch von anderen Substanzen hervorgerufen werden. Hierauf weist auch 


bei der Rothenfußerschen Reaktion die Tatsache hin, daß sie häufig 
in gekochten Extrakten positiv verläuft. 


Topographie d. Регохудавеп im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 311 


Bei der Besprechung des Verhaltens der Cardiadrüsenschleimhaut 
gegen Guajactinktur war schon auf den Reichtum dieser Schleimhaut 
an Lymphknötchen hingewiesen worden. Auch von der Darmschleim- 
haut des Schweines ist bekannt, daß sie reichlich Lymphfollikel enthält. 
Ganz besonders reich an oytoblastischem Gewebe sind aber die distalen 
Darmabschnitte. Hier liegen gerade beim Schwein besonders mächtige 
Peyersche Platten‘). Es lag infolgedessen nahe, das Iymphadenoide Ge- 
webe mit dem Vorhandensein von Peroxydasen in Verbindung zu bringen, 
dieses um so mehr, als das Iymphadenoide Gewebe Leukooyten produziert 
und Leukocyten oxydierende Fermente, wie seit langem bekannt ist, 
enthalten. 

Portier’, Vitali, Е. Meyer‘), Brandenburg?) u. a. baben 
unzweideutig nachgewiesen, daß Leukooyten Quajactinktur direkt ohne 
Zusatz eines Peroxyds, also ebenso wie unsere Extrakte, zu bläuen ver- 
mögen. 

Wir haben deshalb in der Richtung Versuche angestellt, 
die zeigen sollten, ob die von uns beobachtete Oxydation der 
Guajactinktur etwa durch die in der Schleimhaut des Ver- 
dauungstraktus vorhandenen Iymphadenoiden Gewebe, die ја 
auch Leukocyten enthalten, hervorgerufen werden. 

Die Ergebnisse dieser Versuche sind, wie vorausgeschickt 
sei, durchweg so verlaufen, daß wir das cytoblastische Gewebe 
der untersuchten Schleimhäute nicht als Träger der beobach- 
teten oxydierenden Substanz anzusehen vermögen. 

Wir stellten zunächst von Mesenteriallymphknoten 
und von den Tonsillen (vgl. Tabelle III) Extrakte her. Diese 
Extrakte vermochten Guajactinktur nicht zu bläuen. Bezüglich 
der Mesenteriallymphknoten hatte das schon Schultze®) fest- 
gestellt. 


1) May, Vgl. anatomische Untersuchungen der Lymphfollikel- 
apparate des Darmes der Haussäugetiere. Diss. Dresden/Gießen 1903. 

N) Portier, Oxydation du sang des mammifères. Compt. rend. 
Soc. Biol. 50, 452, 1898. 

з) Vitali, Über ein oxydierendes Ferment im Eiter. R. Acad. delle 
бо. di Bologna 1901; zitiert nach Referat i. Jahresber. f. Tierchem. 
81, 877. 

t) Е. Meyer, Beiträge zur Leukooytenfrage. Münch. med. Wochen- 
schr. 1908, 1489. — Über die oytodiagnostische Bedeutung der Guajac- 
reaktion. Ebenda 1904, 1578. 

5) Brandenburg, Über die Reaktion der Leukocyten auf die 
Guasjactinktur. Münch. med. Wochenschr. 1900, 183. 

6) Sohultze, Oxydasenreaktionen an Gewebsschnitten. Zieglers 
Beiträge 45, 127, 1909. 


312 А. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewsky: 


Ferner wurden aus der Schleimhaut von Jejunum und 
Ileum des Schweines die Peyerschen Platten herauspräpariert 
und diese gesondert von der übrigen Schleimhaut extrahiert. 
Bei der vergleichenden Prüfung dieser Extrakte mit denen der 
übrigen Schleimhaut derselben Darmabschnitte zeigte sich dann, 
daß ein Unterschied zwischen der Schnelligkeit und Intensität 
der Bläuung nicht bestand. Die Extrakte aus an cytoblasti- 
schem Gewebe armer Schleimhaut verhielten sich genau so, wie 
die Extrakte aus den Peyerschen Platten. 

Endlich ist zu bemerken, daß die stark oxydierend wirkenden 
Extrakte, besonders von Speicheldrüsen, die sehr arm an cyto- 
blastischem Gewebe sind, im Gegensatz zu den an Leukocyten 
reichen Schleimhäuten der Endabschnitte des Darmes, die Guajac- 
tinktur nicht zu bläuen vermögen, die Guajactinktur ausge- 
Sprochen stark bläuen. Die oxydierende Wirkung der 
Magendarmschleimhautextrakte ist also nicht auf die 
Anwesenheit Iymphatischer Gewebe oder von Lympho- 
cyten zurückzuführen, vielmehr müssen wir unsere Ansicht 
dahin aussprechen, daß die Schleimhäute an sich eine 
Guajacperoxydase enthalten. 

Als Vertreter der Herbivoren haben wir Pferd, Rind 
und Schaf zu unseren Untersuchungen herangezogen und wollen 
zunächst die an Pferden gewonnenen Ergebnisse hier besprechen. 
Die an zwei Tieren gewonnenen Ergebnisse sind in der Tabelle IV 
geordnet. 

Die bei beiden Tieren mit Hilfe der Guajacreaktion 
gewonnenen Ergebnisse stimmten in durchaus befriedigender 
Weise überein. Sie sind insofern interessant, als eine deutliche 
Reaktion nur in den Extrakten der Sublingualdrüsen kon- 
statiert werden konnte. Die Extrakte von Fundusdrüsen und 
Jejunalschleimhaut bewirkten zwar zunächst eine geringfügige 
Bläuung der Guajactinktur, der aber binnen kurzem eine 
Entfärbung folgte. Im übrigen aber verhielten sich, wie 
aus der Tabelle ersichtlich ist, die Extrakte sämtliche 
Schleimhautpartien negativ. Es besteht also keinerlei Über- 
einstimmung mit den Ergebnissen, die wir bei der Unter- 
suchung des Verdauungsapparates des Schweines erhalten 
hatten. 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 313 


Tabelle IV. 
Pferd. 





Parotisdrüsen `... e ex sl — [+++ 
Submaxillardrüsen . . . . .I — ++ 
Sublingualdrüsen . . . . . + ++ 
Oesophagusschleimhaut . .| — — 
Pars oesophagea des Magens | — + 
Fundusdrüsenschleimhaut . . |с (—) Y +++ 
Pylorusdrüsenschleimhaut . | — ++ 
Duodenalschleimhaut . A + 
Jejunalschleimhaut . + 
Deumschleimhaut . . + 
Caecalschleimhaut . . . . . +++ 
Colonschleimhaut ..... — + 

+ 

+++ 

4 


Lober е е о e ° е ° ° І ; — 


tr 


III ı a I I IHII+I 1 I 


жаяа афф 
ганына фа 


Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle III, 8. 309. 


Im Gegensatz zur Guajacreaktion hatten die Reaktionen 
mit Rothenfußerschem Reagens und mit Jodstärke weit öfter 
positive Ergebnisse, die aber, wie ebenfalls die Tabelle zeigt, 
bei den beiden Tieren durchaus nicht parallel verliefen. Es 
ergibt sich hieraus zweierlei, erstens die Unsicherheit dieser 
Reaktion überhaupt, deren Ausfall offenbar von unkontrollier- 
baren Faktoren weitgehend beeinflußt wird, zweitens, daß diese 
Reaktionen von Substanzen bewirkt werden, die nicht mit 
denjenigen, die die Guajacbläuung hervorrufen, iden- 
tisch sind. Besonders die Unsicherheit dieser Reaktionen be- 
stärkte uns immer mehr in der Ansicht, daB weder die Rothen- 
fußersche noch die Jodstärkereaktion geeignet sind, entschei- 
dende Auskünfte über das Vorkommen oxydierender Fermente 
in tierischen Geweben oder deren Extrakten zu geben. 

Als Vertreter der wiederkäuenden Herbivoren 
wurden Rind und Schaf zur Untersuchung herangezogen. 


1) (—) schnelle Entbläuung. 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 22 


314 A. Scheunert, W. Grimmer und Р. Andryewaky: 


Die Ergebnisse der Versuche am Rinde finden sich in 
Tabelle V. 


Tabelle V. 
Rind. 





Rothen- 
fußer 
Jodstärke 





Reagenzien 


Tonsillen . . ....... — 
Parotisdrüsen . . . . . . . — 
Submaxillarisdrüsen . . . . | +++ 
Sublingualisdrüsen . . . . . + 
Oesophagusschleimhaut . . . | — 
Psalterschleimhaut . . . . . — 
Fundusdrüsenschleimhaut . . | +++ 
Pylorusdrüsenschleimhaut . | +++ 
Duodenalschleimhaut . . . .| + 
Jejunalschleimhaut. . .. .I ++ 
Deumschleimhaut . . . . . | +++ 
Caecalschleimhaut . . . . . — 
Colonschleimhaut . . . . . + 
Rectalschleimhaut . . . . .| — 
Leber ° ө ө е е э оо ө е ө е 


+++ 

+++ 
+ 
+ 
+ 


++ 
+++! 


їл! ПЕТЕ 1 


жагана +! 


+| 


Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle ПТ, S. 809. 


Im Gegensatz zum Pferd findet sich beim Rinde viel 
häufiger ein positiver Ausfall der Guajacreaktion, die zum 
Teil, und zwar in Extrakten von Submaxillaris-, Pylorus- 
drüsen-, Jejunal- und Ileumschleimhäuten, außerordent- 
lich kräftig war. Unterschiede bestehen bei den beiden ver- 
wendeten Individuen nur bezüglich der Extrakte der Parotis- 
und der Fundusdrüsenschleimhaut. Bezüglich der Parotis 
haben wir an drei anderen Tieren Kontrollen angestellt, die 
ergaben, daß in keinem Falle eine Oxydationswirkung eintrat. 
Wir müssen demnach auf Grund der beobachteten vier nega- 
tiven Fälle, denen nur ein positiver Fall gegenübersteht, 
annehmen, daß ebenso wie beim Pferde auch beim Rinde die 
Parotidenextrakte in der Regel keine Peroxydasen enthalten. 

Bezüglich der Fundusdrüsenschleimhaut möchten wir 
auf den Widerspruch der beiden Resultate wenig Wert legen, 
da die Fundus- und Pylorusdrüsenschleimhaut allmählich in- 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 315 


einander übergehen, und zwar durch eine makroskopisch schwer 
erkennbare Übergangs- (Intermediär-) zone, die sowohl Fundus- 
als Pylorusdrüsen enthält. Es ist nicht ausgeschlossen, daß 
diese Intermediärzone mit zur Fundusschleimhaut gelangt und 
-mit dieser extrahiert worden ist, so daß Fundusdrüsenextrakt 
noch Extrakt aus Pylorusdrüsen enthielt. 

Was die Rothenfußersche und die Jodstärkereaktion 
anlangt, so sehen wir auch beim Rind, daß der Ausfall der- 
selben durchaus nicht konstant ist und auch nicht mit dem 
der Guajacreaktion übereinstimmt. Wir haben im Gegenteil 
bei starker Guajacreaktion oft schwache oder negative Rothen- 
fußersche und Jodstärkereaktion und umgekehrt. Interessant ist, 
daß auch Leberextrakt keine Gusjacbläuung hervorzurufen 
imstande war. 

Als weiteren Vertreter der Wiederkäuer wählten wir das 
Schaf. 


Tabelle VI. 
Schaf. 
Extrakte von Schaf I Schaf II 
' © ` © 

ЧЕЧЕ |ан | 1Д 3 

Eé Е а 

35 |а 13 [55 |а | 3 

Reagenzien Reagenzien 

Tonsillen ......... _ + — | — + Ма 
Parotisdrüsen . . . . . . . — ++ + — 4 + 
Submaxillardrüsen . . . . . — + + = + = 
Sublingualdrüsen ..... + — + + — + 
Oesophagusschleimhaut . . _ + + _ _ + 
Psalterschleimhaut . . . . . _ _ _ = =: = 
Fundusschleimhaut gel F — _ _ — = 
Pylorusschleimhaut . . . .I ++ — _ + = z 
Duodenalschleimhaut . . . . {| + _ — == — = 
Jejunalschleimhaut. . . . . +++ 1 — — | +++ 1 — = 
Deumschleimhaut `... ++! ze = [+++ — = 
Caecalschleimhaut . . . . . + _ — + = _ 
Colonschleimhaut . . . . . +++ | — _ + = _ 
Rectalschleimhaut . . . . . — — — — _ — 
Leber: o Ze # жа ж ж жез — — — 
Serum .......... — — _ _ — 
Blut а.а... = + — — + 


Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle III, S. 309. 


Die hierbei erhaltenen Resultate stimmen mit denen beim 
Rinde durchaus überein, nur in einem Punkte ergab sich eine 
22% 


316 А. Soheunert, W. Grim mer und Р. Andryewsky: 


Differenz, insofern als die Submaxillarextrakte des Schafes 
keine Reaktion gegen Guajactinktur zeigten, während diese beim 
Rinde außerordentlich wirksam waren. Der Parotidenextrakt 
des Schafes war unwirksam. Der Sublingualextrakt ver- 
hielt sich dem des Rindes entsprechend. Von der Magen- 
schleimhaut gab die Fundusportion beim ersten Tiere eine 
sehr schwache Reaktion. Zwischen der Pylorusdrüsenschleim- 
haut und den Schleimhäuten des Darmes bestanden bezüglich 
der sonst positiv verlaufenden Reaktionen graduelle Unter- 
schiede von den Befunden beim Rinde. Nur der Duodenal- 
extrakt verhielt sich insofern anders, als derselbe bei Schaf II 
überhaupt negativ reagierte. 


Tabelle VII. 
Hund. 


Extrakte von Hund I 





TO EE — 
Parotisdrüsen . „ . . . é +++ 
Submaxillardrüsen . . . . . — 
Sublingualdrüsen ..... + 
Oesophagusschleimhaut . . .| + 
+ 
+ 
4- 


117171 
I+II] 


Fundusschleimhaut `, . . . . 
Fundus muscularis. . . .. 
Pylorusschleimhaut .... 
Duodenalschleimhaut. . . . 
Jejunalschleimhaut . . . .. 
Ileumschleimhaut ..... 
Caecalschleimhaut . . . . . 
Colonschleimhaut ..... 
Rectalschleimhaut . . .. . 
eme, u kA e жэ 


жанне +++ ++ 
tere 
IE 


++ 1 ҥ+1]+1{ 


атта 1 


Zeichen sind dieselben wie auf Tabelle III, 8. 309. 


Auffällig ist ferner, daß die Rothenfußersche und die 
Jodstärkereaktion bei den zwei untersuchten Wiederkäuer- 
arten gar nicht übereinstimmten, indem beide beim Schaf meist 
negativ verliefen. Auch eine Übereinstimmung der Ergebnisse 
dieser Reaktionen mit denen der Guajacprobe bestand nicht. Es 
deutet dies unseres Erachtens wieder darauf hin, daß zwischen 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihrNachweis. 317 


den Bestandteilen der Extrakte, die die Gujacreaktion, die 
Rothenfußersche und die Jodstärkereaktion hervorrufen, keine 
Übereinstimmung besteht, sondern, daß für jede der drei Reak- 
tionen verschiedene Ursachen vorliegen. 

Als Vertreter der Carnivoren untersuchten wir den 
Verdauungsapparat des Hundes in der gleichen Weise. 

Übereinstimmend mit den Resultaten Slowzoffs war hier 
in den Parotidenextrakten ein überaus starkes Gujactink- 
tur oxydierendes Ferment enthalten. Die Submaxillaris- 
drüsenextrakte reagierten hingegen negativ, während Sublin- 
gualisdrüsenextrakte wie bei den anderen Tieren wieder 
positive Reaktionen ergaben. Von Interesse ist, daß sich bei 
einem Hund der Extrakt der oesophagealen Schleimhaut 
als peroxydasehaltig erwies. Eine Erklärung dieser vielleicht 
auffälligen Tatsache ist wohl darin zu erblicken, daß 
die Oesophagusschleimhaut des Hundes reich an Drüsen ist, 
die des Pferdes und der Wiederkäuer aber frei davon sind, 
während die des Schweines nur in der Anfangshälfte Drüsen 
und cytoblastisches Gewebe enthält. Die Magenschleimhaut 
enthielt kein oxydierendes Ferment, hingegen war ein solches 
in der gesamten Dünndarmschleimhaut aufzufinden. Durch- 
weg war in dieser die Reaktion aber nicht so stark wie irf der 
Parotis und den entsprechenden Extrakten der Wiederkäuer. 
Die Dickdarmschleimhautextrakte reagierten negativ bis auf 
die Caecalschleimhaut von Hund I, die eine schwach positive 
Reaktion zeigte. 

Die Ergebnisse der mit den beiden anderen Reagenzien 
angestellten Versuche zeigen hier besonders auffällig durchaus 
keine Übereinstimmung. Weder ergeben die Befunde unter- 
einander und mit der Guajacreaktion noch bei den beiden In- 
dividuen eine Übereinstimmung. 


Zusammenfassung der Resultate. 


Die im vorstehenden geschilderten Versuche haben folgende 
Ergebnisse gehabt: 

1. Es gelingt mit Guajactinktur ein gut brauchbares 
Peroxydasereagens herzustellen, wenn man zu 100 ccm 
frischer inaktiver Tinktur 0,1—0,2 ccm 3°/ ige Wasserstoff- 
superoxydlösung hinzufügt. Eine solche Mischung (aktive 


318 А. Scheunert, W. Grimmer апа Р. Andryewsky: 


Guajactinktur) gibt mit peroxydasehaltigen Gewebsextrakten 
und blutfreien Flüssigkeiten (Milch, Speichel) eine sofortige 
Bläuung. Blut hingegen bewirkt keine Oxydation. Diese er- 
folgt mit Blut erst dann, wenn größere Mengen Wasserstoff- 
superoxyd oder andere Superoxydlösungen (Äthylhydroperoxyd, 
Terpentinöl) zugesetzt werden. 

2. Die Reaktionen nach Rothenfußer und diejenigen 
mit Jodstärkekleister geben Resultate, die weder bei ein- 
zelnen Individuen derselben Art untereinander, noch mit der 
gleichzeitig angestellten Guajacreaktion übereinstimmen. Schon 
infolge der Unsicherheit der Resultate sind diese Res- 
genzien zum Nachweis oxydierender Fermente in Gewebs- 
extrakten nicht geeignet, außerdem wird ihr Ausfall schein- 
bar von Substanzen bewirkt und beeinflußt, die nicht mit 
den eine positive Guajacreaktion hervorrufenden 
Substanzen identisch sind. 

3. Mit Hilfe der Guajactinktur konnten wir folgendes 
feststellen: 

a) Die Extrakte von Tonsillen enthalten keine Per- 
oxydase. | 

b) Die Speicheldrüsen verhalten sich bezüglich des Ge- 
haltes an oxydierenden Fermenten bei den einzelnen Tier- 
arten verschieden: Bei sämtlichen Tieren sind die Sublin- 
gualdrüsen sehr reich an Peroxydase, während die Submaxillar- 
drüsen von Pferd, Schaf und Hund gar keine, die des Schweines 
nur geringe, die des Rindes hingegen sehr große Mengen dieser 
Fermente enthalten. Die Parotiden von Pferd, Rind und Schaf 
enthalten keine Peroxydase, während diejenigen von Schwein 
und Hund ein sehr stark wirkendes Ferment enthalten. 

c) Die Extrakte cutaner Schleimhäute des Verdauungs- 
apparates sind bei allen Tieren frei von Peroxydasen. 

d Die Magenschleimhaut verhält sich verschieden. 
Beim Hund enthält dieselbe überhaupt keine Guajactinktur 
bläuenden Fermente; beim Schwein ist dies nur bei der Cardia- 
drüsen · führenden Region der Fall; beim Pferd ist nur die 
Schleimhaut der Fundusdrüsenregion befähigt, eine schwache 
Guajactinkturbläuung hervorzurufen; beim Schaf und Rind hin- 
gegen liegen die Verhältnisse nicht so klar, doch ist sicher, 
daß die Pylorusdrüsenschleimhaut eine Peroxydase enthält. 


Topographie d. Peroxydasen im Verdauungsschlauch u. ihr Nachweis. 319 


e) Die Darmschleimhaut verhält sich bei den ein- 
zelnen Tieren außerordentlich verschieden: 

a) Im Dünndarm enthält die Duodenalschleimhaut beim 
Pferd und Schwein keine Peroxydase; beim Rind, Schaf und 
Hund dürfte hingegen eine solche vorhanden sein, doch ist 
ihre Wirksamkeit nur unbedeutend. Die Schleimhaut von 
Jejunum und Пешт ist mit Ausnahme des Pferdes, bei dem 
nur in einem Falle durch Jejunalschleimhaut eine vorüber- 
gehende undeutliche Bläuung erzielt werden konnte, peroxy- 
dasehaltig. Besonders energisch ist die Wirkung dieses Fer- 
mentes bei Wiederkäuern. Es scheint danach, als ob die 
distalen Dünndarmabschnitte reicher an Peroxydase als die 
proximalen seien. 

В Bezüglich des Enddarmes bestehen charakte- 
ristische Unterschiede, und zwar ist die Rectalschleimhaut 
bei allen Tieren durchweg frei von oxydierenden Fermenten. 
Caecal- und Colonschleimhaut enthalten nur bei den Wieder- 
käuern solche, während beim Schwein, Pferd und Hund die 
Anwesenheit dieser Fermente mit Sicherheit nicht festgestellt 
werden konnte, 

f) Leberextrakte (Pferd, Rind, Schaf) waren durch- 
weg frei von Guajactinktur bläuenden Substanzen. 

4. Die Oxydation der Ameisensäure wird allem An- 
scheine nach nicht durch dieselben Substanzen bewirkt, 
die aktive Guajactinktur zu bläuen vermögen, da ver- 
schiedene Gewebe und Extrakte entweder die eine oder die 
andere, nicht aber beide Reaktionen zusamen zeigten. 

5. Die Gusjacperoxydasen der Submaxillardrüsen 
des Rindes besitzen eine große, aber keine vollkommene 
Resistenz gegen Trypsin. Nach einer 2 bis 3wöchigen Di- 
gestionsdauer ging die oxydierende Fähigkeit der aus diesen 
Drüsen hergestellten Extrakte verloren. 


Untersuchungen über die Katalase der Leber. 
Von 


L. Michaelis und H. Pechstein. 
(Eingegangen am 1. Juni 1913.) 
Mit 39 Figuren im Text. 


Für das Studium der Kinetik der Fermente muß man 
heute die Berücksichtigung der Wasserstoffionenkonzentration 
als unbedingt notwendig hinstellen. Die ersten dieser Bedingung 
genügenden Arbeiten sind eigentlich die von Sörensen?), denen 
sich die von L. Michaelis und Н. Davidsohn?)®), Kurt 
Меуег?), P. Rona’), Palitzsch und Wallbaum®), Н. David- 
sohn’) anschlossen. Sörensen hat in seiner ersten Arbeit 
zunächst einmal diesen Einfluß rein empirisch beobachtet, ohne 
seinen ursächlichen Zusammenhang ergründen zu wollen, und 
wählte als Versuchsobjekt das Invertin, die Katalase und das 
Pepsin. Inzwischen ist die innere Ursache dieser H-Ionen- 
wirkung von L. Michaelis und H.Davidsohn?) für das Invertin 
aufgeklärt worden, und es erwies sich, daß die dort entwickelten 
Anschauungen auf einige Fermente glatt übertragbar waren 
[Trypsin®), Lipase’)]. Das Gemeinschaftliche an allen diesen Fer- 
menten ist ein außerordentlich großer Einfluß der Wasserstoff- 
ionenkonzentration und ein verschwindend kleiner sämtlicher 
anderen bisher untersuchten Ionenarten. Daraus konnte der 
Schluß gezogen und auch experimentell bestätigt werden, daß 


1) І. Р. L. Sörensen, diese Zeitschr. 21, 131, 1909. 

з) L. Michaelis und Н. Davidsohn, diese Zeitschr. 85, 386, 1911. 
3) L. Michaelis und H.Davidsohn, diese Zeitschr. 86, 280, 1911. 
¢ Kurt Meyer, diese Zeitschr. 22, 274, 1911. 

5) Р. Копа, diese Zeitschr. 88, 413, 1911. 

6) S. Palitzsch und L. Е. Walbum, diese Zeitschr. 47, 1, 1912. 
) H. Davidsohn, diese Zeitschr. 45, 284, 1912. 


L. Michaelis und Н. Pechstein: Katalase der Leber. 321 


ein Ferment ein Elektrolyt ist und seine Wirksamkeit nur an 
einem seiner elektrolytischen Dissoziationsprodukte resp. seinem 
undissoziierten Anteile haftet. 

Es war nun zu erwarten, daß diese Befunde nicht bei 
allen Fermenten in gleicher Weise streng zutreffen würden, 
weil die notwendigen Bedingungen, wie z. B. vor allem die 
Vorbedingung, daß die Reaktion sich im homogenen System 
abspielt, nicht für alle Fermente zu erwarten sind. Als ein 
solches Ferment, für welches die bisher entwickelten Gesetze 
einer gewissen Modifikation bedürfen, fanden wir die Katalase. 
Sörensen hat, nachdem wir unsere Theorie der Einwirkung 
der Wasserstoflionen auf die Fermente entwickelt hatten, ver- 
sucht, seine früheren Versuche dieser Theorie einzuordnen, und 
ist scheinbar zu einer vollständigen Bestätigung dieser Theorie 
auch für die Katalase gelangt, wobei er sich allerdings selbst 
bewußt war, daß die nicht ad hoc angestellten Versuche doch 
in manchen Punkten noch Unklarheiten bestehen ließen. Unsere 
eigentliche Absicht war ursprünglich, die von Sörensen noch 
als fehlend bezeichnete Bestimmung des isoelektrischen Punktes, 
sowie einige andere noch fehlende Daten als Ergänzung seiner 
Arbeit hinzuzufügen. Bei dieser Arbeit zeigte sich jedoch, daß 
die Verhältnisse bei der Katalase unter gewissen Umständen 
komplizierter lagen und viel eingehendere Untersuchungen er- 
forderten, als wir uns vorgenommen hatten. 

Bevor wir die Verhältnisse näher erkannt hatten, litten die 
Versuche, solange sie nach dem Schema der Invertinarbeit an- 
gestellt wurden, an einer unerklärbaren Irreproduzierbarkeit. 
Nicht etwa, daß Parallelversuche an sich nicht reproduzierbar 
gewesen wären, aber Bedingungen, die sich für das Invertin 
als ganz gleichwertig erwiesen, z. B. gleiche H-Ionenkonzentration 
durch Phosphate, Acetate usw., bewirkten die divergentesten 
Resultate. Andererseits erwies sich eine andere Befürchtung für 
die Irreproduzierbarkeit, die wir auf Grund der Untersuchung 
von Waentig und Steche!®) hegten, als unbegründet. Diese 
Autoren hatten beschrieben, daß der bei der Katalyse des Wasser- 
stoffsuperoxydes freigewordene molekulare Sauerstoff durch seine 


1) Percy Waentig und Otto Steche, Zeitschr. f. physiol. Chem. 
a) 72, 226, 1911; b) 76, 177, 1911; c) 79, 446, 1912; d) 83, 315, 1913. 


322 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


Adsorption an die Fermentteilchen hemmend auf die Katalyse 
wirke. Daher erhielten sie verschiedene Resultate, je nachdem 
sie den bei der Reaktion entstehenden Sauerstoff durch Schütteln 
entfernten oder nicht. Wäre dies wirklich der Fall gewesen, 
so hätte es die größten Schwierigkeiten gemacht, irgendeinen 
Versuch zu reproduzieren; denn das Entweichen des entwickelten 
Sauerstoffes hängt von во vielen ‚unkontrollierbaren Bedingungen 
ab, wie Staubgehalt, Eiweißgehalt, Beschaffenheit der Gefäßwände, 
Temperatur, geringsten Erschütterungen usw., daß man unmög- 
lich hätte bestimmen können, wieviel von diesem hemmenden 
Körper, dem Sauerstoff, im Einzelfall noch in Lösung war, und 
wieviel nicht. 

Nun können wir aber die Angaben von Waentig und 
Steche für unsere Versuchsanordnung nicht bestätigen. Wir 
erhielten in Versuchen, in denen der ganze entwickelte Sauerstoff 
in übersättigter Lösung blieb, und andererseits in Versuchen, 
in denen er durch Schütteln teilweise oder durch einen Wasser- 
віоЁвігот gänzlich entfernt wurde, stets übereinstimmende Re- 
sultate. Ohne vorläufig auf die Frage einzugehen, ob Sauerstoff 
überhaupt eine Wirkung auf den Ablauf des Prozesses hat, 
können wir jedenfalls sagen, daß die Reproduzierbarkeit 
unserer Versuche durch verschiedenen Gehalt an gelöstem 
Sauerstoff nicht gestört wird. 

Die Ursache der vorher erwähnten Unstimmigkeit erkannten 
wir in der Anwesenheit der Salze. Wir haben in der Katalase 
ein Ferment vor uns, dessen Wirkung nicht nur von der Kon- 
zentration der Wasserstoffionen allein, sondern auch von anderen 
Ionen abhängt. Hierdurch aber war der Untersuchungsweg ge- 
geben. Um die reine Wirkung der Wasserstoffionen zu erkennen, 
mußte man die Wirkung der als Regulatoren für die Wasser- 
stoffionenkonzentration notwendigen Salze möglichst ausschalten, 
und um die Salzwirkung zu untersuchen, mußte man die Wasser- 
stoffionenkonzentration für verschiedenen Salzgehalt resp. für 
verschiedene Salze konstant halten. Aber nicht einmal insofern 
ließ sich der Arbeiteplan der Invertinarbeit auf die Katalase 
übertragen, als die dort und an vielen anderen Fermenten fest- 
gestellte „Zeitumsatzregel“ für die Katalase keine strenge Gel- 
tung hat. 


Katalase der Leber. 323 


1. Die Zeitumsatzregel für die Katalase. 


In der älteren Zeit der Fermentforschung wurde sehr häufig 
der Fehler gemacht, daß man die in einer bestimmten Zeit er- 
reichten Umsätze als Funktion der Fermentmenge darstellen 
wollte. Diese Funktionen sind meist sehr kompliziert und un- 
überblickbar. Der einfachere Weg ist vielmehr der, die zur 
Erreichung eines bestimmten Umsatzes notwendige Zeit als 
Funktion der Fermentmenge darzustellen. Die Notwendigkeit 
dieser Betrachtung ist besonders von Вгейір!) klargelegt worden. 
Es ergab sich theoretisch das Gesetz, daß die zur Erreichung eines 
bestimmten Umsatzes notwendige Zeit der Fermentmenge umge- 
kehrt proportional ist. Der Umsatz hängt außer von der Zeit ge- 
wöhnlich auch noch von vielen anderen Dingen ab; insbesondere 
von der Anfangsmenge des Substrates, von der Wasserstoff- 
ionenkonzentration, von der Temperatur, von der ursprünglichen 
Anwesenheit irgendwelcher hemmender Substanzen usw. Halten 
wir aber alle Bedingungen bis auf die Fermentmenge konstant, 
so läßt sich dieses Gesetz am einfachsten in folgende Regel 
kleiden: ®.t— f(x), wobei Ф die Fermentmenge, t die Zeit 
und f(x) irgendeine für den betreffenden Katalysator cha- 
rakteristische Funktion ist, z. B. für die Katalyse des Rohr- 


zuckers durch Salzsäure ist f(x) == k In у für das Invertin 


ist fe) =т= + пш —— 
beschriebene Bedeutung haben. 

Es erwies sich nun, daß für die Katalase dieses Gesetz nicht 
zutrifft, d.h. die zur Erreichung gleicher Umsätze notwendige 
Zeit ist der Katalasemenge nicht genau umgekehrt propor- 
tional, sondern die doppelte Katalasemenge braucht weniger 
als die halbe Zeit, in Übereinstimmung mit der früheren . 
Angabe von Senter). Die Versuche wurden in der Weise 


usw., wobei m und п die in der Arbeit?) 





1) Bredig, in Asher-Spiro’s Ergebn. d. Physiol., Bd. 1. 

DL Michaelis und М. Menten, diese Zeitschr. 49, 333, 1913. 

5) Georgo Senter, Zeitschr. f. physikal. Chem. 44, 257; 51, 673 
(übrigens nicht bestätigt durch Waentig und Steche, Zeitschr. f. 
physiol. Chem. 79, 446). Da aber diese Autoren alle ihre Versuche 
ohne exakte Festlegung der Wasserstoffionenkonzentration gemacht haben, 
und der Einfluß der Kohlensäure aus der Luft mangels von Regulatoren 
unberechenbar und variabel ist, bedürfen diese Angaben alle der Revision. 


324 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


angestellt, daß innerhalb einer Versuchsreihe die ganze Be- 
schaffenheit der Flüssigkeit konstant gehalten wurde, d. h. das 
Gesamtvolumen, die Wasserstoffsuperoxydmengen, die H-Ionen- 
konzentration, der Salzgehalt des Puffergemisches, und nur 
die Fermentmenge wurde variiert. In geeigneten Abständen 
wurden Proben entnommen, durch Schwefelsäurezusatz unter- 
brochen und mit Kaliumpermanganat titriert. Derartige Ver- 
suchsreihen wurden nun einerseits für verschiedene Mengen 
Ferment, andererseits für verschiedene Wasserstoffsuperoxyd- 
mengen durchgeführt. Als Katalasepräparat benutzten wir einen 
genau nach den Angaben von Sörensen hergestellten Preßsaft 
aus Kalbsleber. In konzentrierter Lösung hergestellt, setzte 
dieser allmählich einen Niederschlag ab, der mehrmals abfiltriert 
wurde, schwächte sich aber in seiner Wirkung über Monate 
nicht wesentlich ab. Als Ausgangslösung für jede Versuchsreihe 
benutzten wir meist eine 50000fache Verdünnung dieser Ori- 
ginallösung, die nun je nach den Versuchsbedingungen weiter 
verdünnt wurde. Die H-Ionenkonzentration wurde jedesmal 
elektrometrisch bestimmt. Da nun in H,O,-haltigen Lösungen 
eine elektrometrische Bestimmung nicht möglich ist wegen der 
am Platin stattfindenden katalytischen Zersetzung des Wasser- 
stoffsuperoxydes, wurde stets eine Probe der Flüssigkeit vor 
dem H,O,-Zusatz oder eine parallel ohne Wasserstoffsuperoxyd 
angesetzte Flüssigkeit zur elektrometrischen Bestimmung be- 
nutzt. Als Wasserstoffsuperoxyd benutzten wir Perhydrol von 
Merck und wandten es gewöhnlich in einer Verdünnung von 
1:1000 an. Die Proben, je 25 ccm, wurden durch reichlichen 
Zusatz von verdünnter Schwefelsäure unterbrochen und sofort 
mit Kaliumpermanganat in pl, oder ®/ „Lösung titriert. Sämt- 
jiche Versuche wurden bei Zimmertemperatur von 17 bis 18°C 
angesetzt, eine eventuelle spontane Zersetzung der Wasserstoff- 
superoxydlösung durch Kontrollen beobachtet; sie trat übrigens 


Besonders läßt sich gar nicht kontrollieren, inwieweit bei den 
Schüttelversuchen von Waentig und Steche Aufnahme und Abgabe 
von CO, mitgespielt haben. Regulatorfreie Lösungen können je nach 
dem CO,-Austausch gegen die Umgebung in ihrer [Н`] zwischen 10-* 
und über 10-° variieren! Den Einfluß der CO, haben Waentig und 
Steche übrigens durchaus erkannt (lb), hatten aber noch nicht die 
Mittel, ihn auszuschalten oder in Rechnung zu ziehen. 


Katalase der Leber. 395 


fast nie in merkbarer Weise während der verhältnismäßig kurzen 
Versuchszeiten in Erscheinung. Die angeführten Konzentrationen 
erwiesen sich als die günstigsten, um bei möglichst kleinen 
Versuchsfehlern möglichst deutliche Umsätze zu erhalten. Relativ 
zu große H,0O,-Mengen sind deshalb ungeeignet, weil sie die 
Fermentwirkung nach kurzer Zeit ganz zum Stillstand bringen, 
worauf wir später noch zu sprechen kommen werden. Größere 
Fermentmengen sind ungeeignet, weil die Wirkung so schnell 
von statten geht, daß während der Entnahme mit der Pipette 
eine merkliche Zersetzung stattfindet. Andere Methoden als 
die Titration mit Kaliumpermanganat, die gasanalytischen Me- 
thoden zur Bestimmung des entwickelten Sauerstoffes, sind unter 
allen Umständen unbrauchbar. Man hat es durchaus nicht in der 
Hand, ob und wieweit der entwickelte Sauerstoff entweicht. Es 
kann vorkommen, daß in zwei vollkommen parallelen Versuchen 
in dem einen sich reichliche Sauerstoffblasen entwickeln und in 
dem anderen ohne Umschütteln nicht eine einzige. Trotzdem gibt 
die Permanganatmethode hier in beiden Proben gleiche Resultate. 

Wir geben unsere Resultate nur graphisch wieder. Die 
einzelnen Beobachtungspunkte sind mit möglichst großer Exakt- 
heit eingetragen, so daB die Diagramme direkt als Protokolle 
angesehen werden dürfen. 

In den folgenden Koordinatensystemen ist jedesmal die 
Zeit als Abscisse, der Umsatz in Kubikzentimetern sl. oder %/,,- 
Kaliumpermanganatlösung als Ordinate eingetragen. Die jedesmal 
angegebene Fermentverdünnung bezieht sich immer auf die erste 
der zusammengehörigen Kurven, die folgenden Kurven stellen 
dann graphisch die Wirksamkeit dieser Fermentlösung in dem 
ebenfalls überall angegebenen Verdünnungsverhältnisse dar. Die 
Fermentlösung 1 ist unsere Stammlösung, d. h. der Leberpreß- 
saft, dessen wirkliche Konzentration an Katalase wir natürlich 
nicht kennen. Von diesen, vor jedem Versuche hergestellten 
Verdünnungen wurden dann stets 50 ccm mit 100 bis 125 ccm 
Wasserstoffsuperoxydlösung in der ebenfalls jedesmal angegebe- 
nen Verdünnung zusammengetan, so daß also die endgültige 
Katalasekonzentration noch auf ein Drittel verringert wurde. 

Als Einheitskurve ist diejenige bezeichnet, deren Umsatz- 
werte der Berechnung des später noch zu besprechenden Ex- 
ponenten zugrunde liegen. Die an den Kurven eingetragenen 


326 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


Zahlen bedeuten die Größe dieses Verdünnungsexponenten in 


bezug' auf die Einheitskurve. 


Wir haben z. В. in Kurve 1 bei einem Umsatz von 1,6 com 
Permanganatlösung folgende Werte für die einzelnen Zeiten: 10,21, 





H,O,-Lösung 1: 1000. 
Die Fermentmengen der 4 Kurven verhalten sich 
wie 1: 1,5-1: 1,5-3: 1,53. 
Fermentkonzentration der ersten Kurve 2:50 000. 
Regulator: Aoetatgemisch. 
[H] = LR. 10". 
Natriumacetatgebalt */,,. 


32 und 551). Da die 
erste Kurve als Ein- 
heit der Berechnung 
gelten soll, so erhalten 
wir, durch den Zeit- 
wert dieser Kurve 
dividiert, die Zahlen 
1:2,1:8,2:5,5. Da 
die Verdünnung nun 
nach dem Ansatze des 
Versuches sich wie 
1 : 1,57? : 1,573 : 1,57? 
verhält, so müßten 
die entsprechenden 
Zeiten nach der ge- 
wöhnlichen Zeitum- 
satzregel sich wie 
1:1,5:1,5°:1,5° ver- 
halten, oder, was 
dasselbe ist, wie 
1:1,5:2,25:3,38. Wir 
sehen aber, daß diese 
Zahlen keineswegs mit 
den gefundenen über- 
einstimmen, sondern 
größer sind. Diejenige 
Zahl nun, mit der die 
berechnetenWerte po- 
tenziert werden müs- 


sen, um die gefun- 


denen zu ergeben, ist der in den Kurven eingetragene Ехроперё.!) 


1) Diese Zahlen bedeuten Millimeter auf den (unverkleinerten) 


Originalzeichnungen. 


2?) Derselbe ist an den Kurven überall versehentlich mit einem 


Minuszeichen versehen. 


Katalase der Leber. 327 


Da dieser im Laufe des Umsatzes nicht konstant ist, so sind 
an verschiedenen Stellen der Kurven diese Exponenten be- 
sonders ermittelt und an verschiedenen Stellen der Kurven 
einzeln angeschrieben. 

Das allgemeine Ergebnis dieser Versuche ist zunächst das, 
daß die gewöhnliche Zeitumsatzregel nicht genau gilt. Wir können 
aber empirisch mit brauchbarer Annäherung folgende Beziehung 
aufstellen: g? -t =f = Dieser Exponent п schwankt, wenn wir 
voneinigen offenbar 
mit Fehlern behaf- 
teten Versuchen ab- 
sehen, überhaupt 
nur zwischen 1,05 
und 2,3 und dürfte 

durchschnittlich 
1,35 betragen. Die 
Schwankungen des 
Exponenten stehen 
nicht sicher in einer 
Beziehung zur ab- 
soluten Ferment- 
menge. Wir können 
höchstens sagen, 
daß häufig bei sehr 
kleinen absoluten 





Fermentmengen 
der Exponent unter 
dem Durchschnitt, — 

S g. 2. 
Bei roae uber dem __ -H,0,-Lösung 1: 1000. 
Durchschnitt ist, Fermentmengen 1:2-1:2-*:2-3. 
aber nicht so regel- Fermentkonzentr. der ersten Kurve 2:50000. 
mäßig und deutlich, Acetatgemisch. [H] = 1,0.10—. 


Natriumacetat */„. 


daß wir Fehler- 
quellen sicher ausschließen können. Wir variierten die Fer- 
mentmengen zwischen ЕЕ und io — 000° (hiervon im Ver- 
such 50ccm auf 150 Flüssigkeit), und in diesem Bereich trat 
sicher eine größere, gröbere Verschiedenheit des Exponenten 
nicht auf. Mit etwas größerer Sicherheit können wir wohl 


398 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


sagen, daß der Exponent innerhalb einer Versuchsreihe mit der 
Zeit ein wenig größer wird. Wenn wir z.B. in 2 Fermentlösungen, 
deren Gehalt sich wie 2:1 verhält, die zur Erreichung eines be- 
stimmten Umsatzes notwendigen Zeiten vergleichen, so verhalten 
sie sich z. B. wie 1:212, wenn wir die zur Erreichung eines 
größeren Umsatzes erforderlichen Zeiten vergleichen, so ver- 
halten sie sich wie 1:2! usw. Wenn wir mit mittleren 
Umsätzen arbeiten, können wir ohne größeren Fehler einen 
mittleren Exponenten von 1,35 anwenden. Wenn also ceteris 
paribus die zur Erreichung eines bestimmten Umsatzes erforder- 
lichen Zeiten in zwei verschiedenen Fermentlösungen sich wie 
1:a verhalten, so verhalten sich die in ihnen enthaltenen 


1 
Fermentmengen wie Laus, 





H,O,-Lösung 2: 1000. 

Fermentmengen 1:372: 3-2: 3—8, 
Fermentkonzentration der ersten Kurve 1: 50000. 
Acetatgemisch. [H] = 3,6. 10-23 

Natriumacetat ®”/ so- 


Die Regel ist eine rein empirische, etwa so, wie man auch 
die Adsorptionsieotherme in eine ähnliche, rein empirische Regel 
gekleidet hat. Das eigentliche derselben zugrunde liegende 
Gesetz können wir bisher nicht durchschauen. Man könnte 
vielleicht an folgende Möglichkeiten denken: 


Katalase der Leber. 329 


1. Es könnte auf Adsorptionserscheinungen beruhen. Wir 
arbeiteten mit außerordentlich verdünnten Substanzlösungen, und 
es wäre nun möglich gewesen, daß die Gefäßwände einen meß- 
baren Teil des Fermentes adsorbierten. Dann hätten wir aus 
verdünnteren Lösungen durch die Adsorption relativ mehr Fer- 
ment verlieren müssen und dies hätte zur Erklärung des Ex- 
ponentialgesetzes genügt. Diese Vermutung bestätigte sich aber 


experimentellnicht; 
denn wenn wir die 
Oberfläche unserer 
Gefäßwand durch 
Hinzufügung von 
30 Glasperlen be- 
trächtlich vergrö- 
Berten, veränderte 
sich die Wirkung 
nicht. 

Eine 2. Möglich- 
keit wäre in der 
kolloidalen Natur 
des Fermentes ge- 
wesen. Man könnte 
meinen, ein Teil des 
Fermentes sei in 
echter Lösung, ein 
Teil in Suspension, 
und nun könnte sich 
das Gleichgewicht 
zwischen beiden mit 
der Verdünnung 
ändern. Nehmen 
wir z. B. an, daß 
die Wirksamkeit дев 
Fermentes je nach 
seinem Dispersitäts- 
grad sich ändert und 





Fig. 4. 
H,0,-Lösung 4: 1000, 
Fermentmengen 1:8—1:8—%#:8—%:8—&. 
Fermentkonzentr. der ersten Kurve 1:50000. 
Acetatgemisch. [H] = 3,6 -10*, 
Natriumaoetat pl, 


dieser von der Konzentration abhängig ist, so würde das zu der 
Folgerung führen, daß die Wirksamkeit des Fermentes seiner Kon- 


zentration nicht genau proportional zu sein braucht. Wir halten 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 23 


330 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


diese Erklärung nicht gerade für wahrscheinlich, weil sich diese 
Erscheinung am Invertin und besonders am Trypsin hätte doch 


wohl ebenfalls zeigen müssen. 


Eine 3. Möglichkeit ist folgende: Nehmen wir an, daß das 
Ferment ф durch Zusammentritt zweier Körper a und b ent- 
steht, so daß eine chemische Reaktion vorliegt: а |5 < 0, 
oder, was dasselbe ist, nehmen wir an, daß das Ferment hydro- 





Fig. 5. 

H,0,-Lösung 1 : 1000. 
Fermentmengen 1: 1,5-21: 1,579: 1,573: 1,5—4. 
Fermentkonzentr. der ersten Kurve 4: 50000. 

Acetatgemisch. [Н ] = 3,6- 10-8. 
Natriumacetat ?/ 50- 


lytisch in zwei Kom- 
ponenten spaltbar ist, 
so sind zwei Grenz- 
fälle zu unterschei- 
den. Entweder ist 
die Affinität von a zu 
b sehr groß, d. h. es 
wäre praktisch keine 
Hydrolyse des Fer- 
mentes vorhanden 


> und die Konzentra- 


tion der wirksamen 
Fermentmenge wäre 
gleich der der ge- 
samten. Oder die 
Affinität ist sehr 
klein; dann wäre die 
Konzentration der 
wirksamen Ferment- 
menge proportional 
dem Quadrat der 
gesamten Ferment- 
menge. Hat die Affi- 
nität eine mittlere 
Größe, so muß die 
wirksame Ferment- 
menge einer zwar 
nicht dauernd, aber 
doch innerhalb eines 


gewissen Intervalles einigermaßen konstant bleibenden, zwischen 
der 1. und 2. gelegenen Potenz der Gesamtfermentmenge pro- 
portional sein. Es ist uns allerdings der experimentelle Nach- 


Katalase der Leber. 331 


weis einer solchen hydrolytischen Fermentspaltung bisher nicht 
gelungen, doch würde die Annahme, daß ein Ferment durch 
Zusammentritt zweier an sich unwirksamer Körper entsteht, 
im Bereich der Möglichkeit liegen. Was gegen die Richtigkeit 
dieser Annahme spricht, ist folgender Umstand: Wenn man 
irgendwelche zwei beliebigen Kurven, die den Umsatz verschie- 
dener Fermentmengen bei gleicher H-Ionen- und Wasserstoff- 
superoxydkonzentration darstellen, vergleicht, so findet man, daß 
die umgesetzte Menge mit fortschreitender Zeit einem immer 
größer werdenden Exponenten proportional ist. Die für das 
Augenmaß am regelmäßigsten verlaufenden Kurven scheinen 
darauf hinzudeuten, daß ganz zu Anfang des Versuches der 
Exponent nahezu gleich 1 ist, d. h. daß für den allerersten An- 





H,0,-Lösung 1: 1000. 
Fermentmengen 1 : 1,5-1: 1,572: 1,5-3: 1,5—4, 
Fermentkonzentration der ersten Kurve 1: 62500. 
Acetatgemisch. [H] = 3,6- 10-8. 
Natriumacetat Sa, 
fang die gewöhnliche Zeitumsatzregel gültig wäre. Nach etwa 
5 bis 15 Minuten pflegt dann der Exponent den Wert 1,3 bis 
1,5 erreicht zu haben und weiterhin besonders bei den Kurven 
mit großer Umsatzgeschwindigkeit noch höher, manchmal bis 
zu 2 zu steigen. Ein solches Verhalten ist auf Grund der vor- 
her gemachten Annahme nicht vorauszusehen und wir müssen 
deshalb noch zu einer anderen Erklärungsmöglichkeit greifen. 
4. Möglichkeit. Diese hängt mit der Beobachtung zu- 
sammen, daß das Ferment während seiner Wirkung allmählich 
23* 


382 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


zerstört wird. Zwar glauben wir nicht, daß es der molekulare 
Sauerstoff ist, der das Ferment schädigt, denn Versuche, bei 
‚denen der ganze entwickelte Sauerstoff in übersättigter Lösung 
blieb, und andere, bei denen er durch Schütteln teilweise entfernt 
wurde, ferner Versuche mit ständiger Wasserstoffdurchströmung 
verliefen untereinander so gleich, daß wir überhaupt keinen 
sicheren Einfluß des molekularen Sauerstoffes bemerken konnten. 

А. Ferment-Wasserstoffsuperoxydlösung, während der Ver- 
suchszeit ständig durch einen Wasserstoffstrom durchgerührt. 

B. Dieselbe Lösung in zugekorkter Flasche. Entnahmen 
möglichst ohne Erschütterung des Gefäßes. 

In beiden Gefäßen dieselbe H-Ionenkonzentration, festge- 
legt durch ein Essigsäure-Acetatgemisch. 

Verbrauch von 25ocm des Gemisches an °/,, Kaliumpermanganat. 


sofort 5 Min. 11 Min. 18 Min. | 28 Min. 
A 6,82 5,06 8,75 2,70 1,72 
B 6.82 5.02 3.73 2.67 1,80 


О und D. Andere untereinander gleiche Gemische. С 
ständig geschüttelt, D in Ruhe. 


Verbrauch von 25 com an °/,, Kaliumpermanganat. 


| sofort | nach 10 Min. | nach 25 Min. 


С 6,90 6,40 5,67 
D 6,85 6,37 5,72 
Trotzdem zeigte es sich, daß ein Ferment, nachdem es 
eine gewisse Menge Wasserstoffsuperoxyd zersetzt hat, in seiner 
Wirkung abgeschwächt ist. Wenn man nämlich nach voll- 
ständigem Ablauf der Zersetzung neues Wasserstoffsuperoxyd zu- 
setzt, во erweist es sich, daß ein Teil des Fermentes zugrunde 
gegangen ist, während an sich unter gleichen Bedingungen durch 
ЪоВев Stehen während mehrerer Stunden das Ferment in seiner 
Wirksamkeit nicht abgeschwächt wird. 


Kurve (Fig. 7). 
А 100ccm H,O,-Lösung + 50ccm Wasser -|- 50ccm For- 
mentlösung. Sofort titriert. 


р! 50 сеш H,O,-Lösung +- 50 ccm Fermentlösung. 


В 50ccm Wasser + 50ccm Fermentlösung. 


Katalase der Leber. 333 


Die H-Ionenkonzentration ist in allen dieselbe, durch ein 
Essigsäure-Acetatgemisch festgelegt. 

С, D und B stehen 2 Stunden, während der Zeit іп С und 
D das zugesetzte Wasserstoffisuperoxyd vollständig zersetzt wird. 
D hierauf kräftig geschüttelt und zu allen drei Lösungen je 
100ccm derselben H,O, — zugesetzt. Während der er- 
neuten Zersetzung wird 
durch D und B ein Wasser- 
stoffstrom durchgeleitet. 

Es zeigt sich also aus 
den Kurven, daß das Ste- 
hen in verdünnter Lösung, 
wenigstens für geraume 
Zeit nicht schädlich ist, 
vgl. Aund B. Ebenso übt 
der durchgeleitete Wasser- 
stoffstrom keinen Einfluß 
aus. 

О und D zeigen je- 
doch eine deutliche Ab- 
schwächung in ihrer Wir- 
kung durch die vorherige 
Zersetzung; denn die 
zweite, graphisch darge- 





stellte Zersetzung findet in 
der gleichen Zusammen- Fig. 7. 
setzung der Flüssigkeiten Abszisse: Zeit in Minuten. 


Ordinate: Menge des versetzten H,O, 
in com ®/,,-Permanganat. 


statt wie die erste bei A 
und В. 

Es ergibt sich ferner wieder, daß das Schütteln, sowie die 
Rührwirkung durch den Wasserstoffstrom keinen Einfluß auf 
die Wirksamkeit des Ferments ausüben; eher ist ja sogar die 
Kurve D in ihrer Wirkung etwas schlechter gegenüber С. 

Daß der durchgeleitete Wasserstoffstrom wirklich allen ge- 
lösten Sauerstoff aus einer Lösung entfernt, zeigte eine Oxy- 
hämoglobinlösung, die bei der Behandlung unter ganz gleichen 
Bedingungen in wenigen Minuten vollständig reduziert wurde 
(spektroskopisch nachgewiesen). 

Wurden sehr große Mengen von Wasserstoffsuperoxyd zu- 


334 L. Michaelis und H. Pechstein: 


gegeben, so trat die Schädigung so schnell ein, daß nach we- 
nigen Minuten die Zersetzung zum Stillstand kam. Auch hier 
wurde die Wirkung, selbst durch lebhaftes Schütteln, nicht 
wieder hergestellt, was man nach der Adsorptionstheorie von 
Waentig und Steche zu erwarten gehabt hätte. Wir können 
das in dem Sinne deuten, daß das Wasserstoffsuperoxyd selbst 
resp. der bei der Zersetzung frei werdende, atomistische Sauer- 
stoff das Ferment zerstört. Das Gesetz, nach dem diese Zer- 
störung geschieht, können wir vorläufig nicht angeben, es ist 
jedenfalls so denkbar, daß es uns die Abweichungen von der 
Zeitumsatzregel erklären könnte, wenn nämlich ceteris paribus 
die relative Zerstörung des Ferments in verdünnteren Ferment- 
lösungen größer ist als in konzentrierteren. Wir neigen am meisten 
zu dieser Erklärung der gefundenen Abweichung. Es ist viel- 
leicht im teleologischen Sinne unwahrscheinlich, daß ein Fer- 
ment durch die von ihm hervorgerufene Katalyse gleichzeitig 
zerstört werden sollte (wenn es nicht überhaupt das Wasser- 
stoffsuperoxyd selbst ist, das die Zerstörung hervorruft). Wir 
müssen aber bedenken, daß unsere Versuchsbedingungen ganz 
künstliche sind; denn im lebenden Organismus ist es ja sicher 
nicht die Funktion der Katalase, Wasserstoffsuperoxyd zu zer- 
setzen. 

Mit diesen Untersuchungen ist die Frage nach der Zeit- 
umsatzregel für die Katalase durchaus nicht erschöpft. Für uns 
genügen aber diese Angaben, weil sie uns in den Stand setzen, 
aus dem Reaktionsablauf die relative, wirksame Fermentmenge 
mit genügender Genauigkeit zu erschließen, und das genügt 
uns zur Durchführung der in dieser Arbeit weiterhin zu stellenden 
Aufgaben. 


2. Der isoelektrische Punkt der Katalase. 


Da es in Anbetracht der früheren Versuche auf jeden Fall 
zunächst von Wichtigkeit war, den isoelektrischen Punkt zu 
kennen, so bestimmten wir zunächst diesen. Es zeigte sich, 
daß er mit großer Genauigkeit feststellbar ist. Da später an- 
geführte Versuche auf eine besondere Bedeutung der Salze 
hinweisen werden, führten wir diese Versuche bei verschiedenem 
Salzgehalte aus. (®/,„, Phos Phi 8. die Tab.) Als Regulator 
dienten Acetatgemische. Es ergab sich, daß der isoelektrische 


Katalase der Leber. 335 


Punkt der Katalase, wie auch bei anderen Ampholyten, vom 
Salzgehalt der Lösung unabhängig ist und nur von der H-Ionen- 
konzentration abhängt. 


Wanderung der Katalase im elektrischen Stromfelde: 






Elektrometr. 
Messung der 
Н -Іопеп- 
konzentration | anod. | kathod. 








Definitiver Wanderung 






— 
111111 


+++++++++F 


о оза ет доро 
+++++++++ ++ 






+ 





Die Lage des isoelektrischen Punktes ergibt sich demnach 
aus dem geometrischen Mittel von 3,09-10”° und 6,03. 10? 
= 4,31 . 107°, sein Logarithmus = — 5,37. Der Salzgehalt hat 
keinen erkennbaren Einfluß, da schon bei [H’]=2-10”® eine 
entschieden anodische Wanderung stattfindet, mochte der Salz- 
gehalt al, oder ®/,., sein, und bei 5 bis 6.107 eine ent- 
schieden kathodische Wanderung bei denselben Variationen des 
Salzgehaltes. 


8. Der Einfluß дег H-Ionenkonzentration. 


Um den Einfluß der H-Ionenkonzentration zu studieren, 
mußten wir diese durch Salzpuffergemische festlegen. Nun 
zeigten aber, worauf wir später noch zurückkommen werden, 
die Salze ebenfalls einen großen Einfluß auf die Wirksamkeit 
der Katalase. Da dieser Einfluß sich aber erst bei einer 
Konzentration von Sa oder höher wesentlich bemerkbar 
macht, so arbeiteten wir, wenn wir die Konzentrationen unter 
San hielten, mit praktisch salzfreien Lösungen und konnten 
so den reinen Einfluß der H-Ionenkonzentration studieren. 


336 L. Michaelis und H. Pechstein: 


Als Puffergemische dienten im wesentlichen Essigsäure-Acetat- 
gemische und nur zur Vervollständigung der Kurven im alka- 
lischen Gebiete Phosphat- und Karbonatgemische. Der Salz- 
gehalt war innerhalb der einzelnen Versuche selbstverständlich 
konstant, meist ®/„„. Die Carbonatgemische hatten des besseren 
Regulationsvermögens wegen einen Salzgehalt von ®/,,. Die 
Versuche ergaben folgendes Resultat: 

Bei den folgenden Kurvenscharen ist jedesmal wieder die 
Zeit als Abszisse, als Ordinate der Umsatz in Kubikzentimetern 
D/o oder Dia Kaliumpermanganatlösung eingetragen. Die an 
den einzelnen Kurven angegebenen Zahlen bedeuten den Loga- 
rithmus der Wasserstoffionenkonzentration; die Konzentration 
der zugesetzten Wasserstoffsuperoxyd- und Fermentlösung, 
also nicht die, die nach der Mischung beider bestand, ist unter 
jedem Diagramm angegeben. 





Fig. 8. Fig. 9. 
Fermentlösung 1:50000. Fermentlösung 2: 50000. 
H,0,-Lösung 1: 1000. H,0,-Lösung 1 : 1000. 
Acetatgemische. Acetatgemische 


Definitiver Gehalt an Natriumacetat überall */„„,. Natriumacetat Bloc. 


Katalase der Leber. 337 





Fig. 10. Fig. 11. 
Fermentlösung 3 : 50000. Fermentlösung 1: 50000. 
H,0,-Lösung 1: 1000. H,0,-Lösung 8: 1000. 
Acetatgemische. Acetatgemische. 
Natriumacetat ®/,00- Natriumacetat */,o- 


Jetzt besteht nun unsere Aufgabe darin, festzustellen, welcher 
Bruchteil des Fermentes bei einer bestimmten H-Ionenkonzentra- 
tion in wirksamer Form vorhanden ist. Bei Fermenten, bei denen 
die einfache Zeitumsatzregel gilt, ist die Aufgabe dadurch gelöst, 
daß man die Zeiten gleichen Umsatzes miteinander vergleicht. 
Die Zeiten sind dann der wirksamen Fermentmenge umgekehrt 
proportional. Im Falle der Katalase war dies nach dem früher 
Angeführten nicht möglich. Hier mußte jeder einzelne Versuch 
geeicht werden. Dies geschah auf folgende Weise: Der Ver- 
such mit optimaler Wasserstoffionenkonzentration wurde in 
einer zum Hauptversuch parallel gehenden Reihe derart wieder- 


338 L. Michaelis und H. Pechstein: 





Fig. 12. 
Fermentlösung 2:50000. 
H,0,-Lösung 1: 1000. 
Acetatgemische. 
Natriumacetat ° /,„„. 





а Fig. 13. b 
Fermentlösung 1 : 50000. 
H,0,-Lösung 1 : 1000. 
Acetatgemische. 

Natriumacetat */,,,. 


Katalase der Leber. 339 





a Fig. 14. b Fig. 15. 
Fermentlösung 1 : 50000. Fermentlösung 1 : 50000. 
H,O,-Lösung 1: 1000. H,O,-Lösung 1: 1000. 
Phosphatgemische. Gemische von Natriumbicarbonat 
Gesamtphosphorsäure überall sl, und Natriumcarbonat. 


Natriumgehalt überall zi 


holt, daß erstens die gleiche Fermentmenge wie im Hauptver- 
such, zweitens die halbe Menge usw. angesetzt wurde. So 
wurde durch graphische Interpolation für jede Fermentkon- 
zentration bei optimaler Wasserstoffionenkonzentration die ihr 
zukommende Umsatzgeschwindigkeit empirisch festgestellt. Durch 
Aufeinanderlegen dieser Eichungs- und der anderen Kurve, die 
die Wirkung bei wechselnder H-Ionenkonzentration, aber kon- 
stanter Fermentmenge darstellt, wurde der bei jeder beliebigen 
H-Ionenkonzentration wirksame Anteil des Gesamtfermentes 
durch graphische Interpolation ermittelt. 

In dem folgenden Koordinatensysteme (Fig. 16) sind die 
Wirkungskurven bei verschiedener H-Ionenkonzentration und bei 
verschiedener Verdünnung der optimalen H-Ionenkonzentration 
zur Veranschaulichung des eben Gesagten gemeinsam einge- 





340 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


zeichnet. Es ist selbsverständlich, daß wir uns vorher davon 
überzeugt hatten, ob die betreffende H-Ionenkonzentration 
wirklich ein Optimum für die Katalasewirkung bei dem je- 
weiligen Salzgehalt bedeutete. Praktisch die gleichen Werte 
erhielten wir auch, wenn wir die nach der Zeitumsatzregel be- 
stimmten Werte mit einem Wurzelexponenten von 1,35 berech- 
neten. Die folgenden 
Kurven sind jedoch 
sämtlich durch Ei- 
chung gewonnen. 
Wenn wir jetzt in 
einem Koordinaten- 
system, auf dessen 
Abszisse der Loga- 
rithmus der H-Ionen- 
konzentration einge- 












N tragen ist, die auf die 
y angeführte Weise be- 
rechneten, relativen 

| b р Werte der wirksamen 
H М Fermentmengen als 


Ordinate eintragen, 
wobei der optimale 
Wert als Einheit der 
Ordinate gesetzt ist, 

so bekommen wir fol- 
Fig. 16. 


Fermentlösung der (von oben gerechnet) ge nde Bilder (Fig. 17 
1., 2., 3., 5. Kurve 1:50000. Verdünnung- bis 23). Die Kurven 
verhältnis der 1. zur 4. zur 6. zur 7. Kurve mit einem Salzgehalt 


EE 

zu einer Kurve ver- 

einigt. Die Kurven mit einem Salzgehalt von pi... sind für 

sich allein behandelt aus einem Grunde, auf den wir später 
noch zu sprechen kommen werden. 

Wenn wir nun im Sinne unserer früheren Arbeiten die 
Beziehung dieser Kurven zur Dissoziation unseres Elektrolyten 
deuten wollen, müssen wir die Lage des isoelektrischen Punktes 
berücksichtigen. Diese ist nun, wie man aus der Fig. 24 ersieht, 
so gelegen, daß er ziemlich dicht vor dem überhaupt erreichbaren 


E 





8 
= 





Katalase der Leber. 341 





5 4s -6 
Tig.23. Berechnet aus Fig. 12 mit Ergänzung durch einen nicht protokollierten Versuch. 


L. Michaelis und Н. Pechstein: 


| -45 






Fig. 24. 
Vereinigte Kurve aus Fig. 17 bis 21 (d. h. den Versuchen mit 
a/s- Natriumacetat). 


Maximum der Wirkung gelegen ist. Im Sinne der elektrolytischen 
Dissoziation ist die einfachste Erklärung die, daß die Kationen 
unwirksam sind, dagegen, da die Wirkung auch jenseits des 
isoelektrischen Punkts nicht abnimmt, sondern zunächst noch 
ein wenig ansteigt, die unelektrischen Teile und die Anionen 
gleich wirksam sind. Wenn es wahr ist, daß das Absteigen 
der Kurve auf dem Auftreten von Kationen beruht, so muß 
der Gang dieser Kurve einer Dissoziationskurve entsprechen, 
deren Säurendissoziationskonstante K aus der halben Höhe 
gefunden werden kann. Diese Dissoziationskonstante finden 
wir demnach == 2,88. 10-75. (Ihr Logarithmus — 4,54.) 
Wenn wir hiernach eine Dissoziationskurve konstruieren 
2 , wobei о den Dissoziationsrest, 
ır 
[H] 
K die Dissoziationskonstante und [H] die Wasserstoffionenkon- 
zentration bedeutet), so erhalten wir diejenige Kurve, die in 
den Figuren 17 bis 24 ausgezogen ist. Diese Kurve fügt sich 
der Beobachtung innerhalb der erlaubten Fehlergrenzen an. 


(nach der Formel о = 


Wenn wir nun noch einmal die Wirksamkeit des Fermentes 
bei wechselnder H-Ionenkonzentration betrachten, so ergibt 
sich folgendes: Bei stark saurer Reaktion, bis herab zu etwa 


Katalase бег Leber. 343 


1073, ist das gesamte Ferment als Kation vorhanden und da- 
her gänzlich unwirksam. Bei sinkender Acidität treten dann 
neben den Kationen auch einige unelektrische Teile auf, bei 
10454 ist gerade die Hälfte des Fermentes Kation und die 
andere Hälfte unelektrisch, und hier haben wir die halbe 
Wirksamkeit. Im isoelektrischen Punkte sind überwiegend 
neutrale Teilchen und noch eine kleine Menge von Anionen 
und Kationen, und, da die letzteren unwirksam sind, so 
folgt daraus, daß das Optimum fast, aber noch nicht 
ganz erreicht ist. Bei weiterer Verminderung der H-Ionen- 
konzentration verschwinden schließlich die Kationen gänz- 
lich, und das ganze Ferment ist in wirksamer Form, d. h. 
unelektrisch -++ Anion oder weiterhin nur als Anion ent- 
halten. Das erreichte Optimum hält sich auf dieser Höhe, so 
weit wir es untersuchten, bis zu einer H-Ionenkonzentration 
von mindestens 10-9. 

Unsere Ergebnisse weichen also ziemlich erheblich von 
dem Befunde Sörensens ab, der eine halbe Wirksamkeit bei 
== — 5,2, ein Optimum bei са. — 7 und darauf ein ziemlich 
schnelles Absinken der Kurve beobachtet hatte. Was zu- 
nächst die Verschiebung unseres Optimums nach der sauren 
Seite anbetrifft, so glaubten wir zunächst, daß es seinen 
Grund in der Temperaturdifferenz zwischen Sörensens Ver- 
suchen bei 0° und unseren bei 18° hätte. Ein diesbezüg- 
licher Versuch bestätigte unsere Vermutung nicht (s. Kurve 14), 
Wir erhielten in 2 Parallelversuchen von 0° und 20° in einem 
Bereiche von — 6,34 bis — 7,61 keine Verschiebung dee Op- 
timums, und zwar lag die beste Wirksamkeit in beiden Ver- 
suchen bei —6,34 und nahm nur wenig, eigentlich fast 
innerhalb der Fehlerquellen liegend, nach der alkalischen 
Seite zu ab. Diese Kurven ergeben aber noch ein anderes 
interessantes Resultat. Es bestätigt sich nämlich die Angabe 
von Senter, daß die Geschwindigkeit der Katalasewirkung 
von der Temperatur nur sehr wenig abhängig sei. In unseren 
Versuchen unterscheiden sich die Anfangsgeschwindigkeit bei 0° 
und bei 18° kaum um 10°/, voneinander, wohl ein in der 
chemischen Kinetik einzig dastehender Fall 

In einem 2. Versuche, dessen H-Ionenkonzentration wir 
mit Carbonatgemischen regulierten, hielt sich das Optimum bis 


344 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


herunter zu einer Wasserstoffionenkonzentration von 3,2. 10! 
(Fig. 15). Wir können uns das schnelle Absteigen der Kurve 
Sörensens vorläufig nur auf folgende Weise erklären. Wie wir 
in einem späteren Abschnitte unserer Arbeit noch zeigen werden, 
üben die Salze, und zwar ihr Anion, selbst in verhältnismäßig 
niederen Konzentrationen einen großen hemmenden Einfluß 
auf die Wirksamkeit der Katalase aus; und es wäre nun denk- 
bar, daß das zweiwertige Anion der Phosphorsäure, das ja 
nach der alkalischen Seite zu in den Regulatorgemischen immer 
mehr überwiegt, einen stärker hemmenden Einfluß ausübt. 
Auch bei uns machte sich in dem Versuche mit Phosphaten, die 
übrigens in noch niedrigerer Konzentration wie von Sörensen 
angewandt waren, vor allem bei 0° eine sicher schon außer- 
halb der Fehlerquellen liegende Abnahme der Wirksamkeit bei 
— 7,61 bemerkbar (Fig. 14). 

Es erhebt sich nun die Frage, wenn wir annehmen, daß 
die einzelnen elektrolytischen Dissoziationsprodukte eines Fer- 
mentes eine verschiedene Wirksamkeit haben, wie es da zu 
erklären ist, daß das Kation und die unelektrischen Teile 
gleiche Wirksamkeit haben können. Diese Erscheinung deutet 
offenbar darauf hin, daß die Beladung oder Nichtbeladung mit 
Elektrizität nicht das eigentlich ursächliche Moment der Wirk- 
samkeit ist, sondern eine damit im Zusammenhang stehende 
chemische Konstitutionsänderuug. Hierfür haben wir in der Farb- 
stoffchemie reichliche Analogien. Bei vielen Farbstoffen hängt 
die Farbnuance von der H-Ionenkonzentration ab. Während 
man nun anfänglich wohl der Meinung war, daß diese Farben- 
änderung direkt darauf beruhe, daß z. B. das Phenolphthalein 
eine andere Farbe habe als sein Ion, hat sich, besonders durch 
die Untersuchungen von Hantzsch eine andere Auffassung 
als richtig herausgestellt. Das Phenolphthalein existiert in 
zwei tautomeren Modifikationen, einer farblosen laktoiden Form 
und in einer roten chinoiden Form. Die Ionen leiten sich 
nur von der einen, der chinoiden Form ab. Daher ist das 
Auftreten von Phenolphthaleinionen stets begleitet von einer 
Umwandlung in die gefärbte rote Modifikation. Es ist also 
nicht die Beladung mit Elektrizität, die dem Phenolphthalein 
die rote Farbe erteilt, sondern eine chemische Konstitutions- 
änderung. So kann es auch hier sein, daß die unelektri- 


Katalase der Leber. 345 


schen Teile und die Anionen die gleiche Konstitution haben, 
daß dagegen bei der Bildung der Kationen eine chemische 
Umlagerung eintritt. Die Analogie zum Phenolphthalein ist, 
wie man sieht, nicht vollkommen. Es soll nur an einem solchen 
Beispiel in Erinnerung gebracht werden, daß die Eigenschaften 
eines Ions nicht immer direkt auf seiner elektrischen Ladung, 
sondern auf chemisch konstitutiven Eigenschaften beruhen. 
. Die Wirkung verschiedener Wasserstoffionenkonzentrationen 
wäre demnach gar keine elektrische Wirkung, sondern nur 
eine durch die Bildung unelektrischer Teilchen resp. von Kat- 
ionen hervorgerufene tautomere Umlagerung. 


4. Die Wirkung der Salze. 


Wie bereits erwähnt wurde, zeichnet sich die Katalase 
dadurch aus, daß ihre Wirksamkeit außer von den Wasserstoff- 
ionen auch von den Neutralsalzen in einer verhältnismäßig nie- 
deren Konzentration beeinflußt wird. Der Einfluß der Salze 
offenbarte sich uns durch folgende Versuchsanordnung. Wenn 
wir die Wirksamkeit des Fermentes als Funktion der H-Ionen- 
konzentration darstellten, so erhielten wir so lange überein- 
stimmende Kurven, als der Salzgehalt einen gewissen Betrag 
nicht überstieg. Die im vorigen Kapitel beschriebene Wirkung 
der H-Ionen gibt das beschriebene Bild, wenn der Gehalt an 
Natriumacetat ®/ œo nicht überschreitet. Die bei einem Acetat- 
gehalt von al, gewonnenen Kurven fügen sich diesem Bilde 
vielleicht noch innerhalb der Fehlerquellen ein. Bei höherem 
Salzgehalt aber schien der Einfluß der H-Ionenkonzentration 
ein anderer zu sein. Wenn wir z. B. nach dem früher be- 
schriebenen Schema die Versuche wiederholten, aber bei einem 
Natriumacetatgehalt von ?/,, oder "®/,„, so erhielten wir fol- 
gende Bilder!). 


1) Die Titration in Gemischen mit reichlichem Aoetatgehalt ist nicht 
mehr ganz so scharf wie in fast acetatfreien Gemischen, weil Acetate 
durch Permanganat auch allmählich oxydiert werden. Die Geschwindig- 
keit dieser Reaktion ist aber in der Kälte gegenüber der Reaktion des 
Permanganats gegen H,O, so gering, daß man den Endpunkt der Н,О,- 
Titration selbst bei höherem Acetatgehalt genügend scharf erkennen kann, 


wenn man nur die sofortige Entfärbung des Permanganats gelten läßt. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 24 


346 L. Michaelis und Н. Pechstein: 












Fig. 25 bis 27. 
Fermentlösung 1: 50000. 
H,O,-Lösung 1: 1000. 
Aoetatgemische. 
Natriumaoetat */,,. 


Die erhaltenen Bilder passen sich ebenfalls dem Verlaufe einer 
Dissoziationskurve annähernd an, und wir würden unbefangen 
aus Fig. 31 bzw. 29 den Schluß ziehen, daß die Dissoziations- 
konstanten unseres Fermentes den Wert 10-53 resp. 1057 hätten, 
und mithin gegen den salzfreien Versuch um ca. drei Viertel bis 
eine ganze Zehnerpotenz verschoben wären. Nun ist es zwar 
bekannt (Arrhenius, Euler), daß die Dissoziationskonstanten 
schwacher Säuren in salzreichen Lösungen etwas verändert 
werden, jedoch war diese Änderung immer nur minimal, und 
eine Deutung in diesem Sinne wenig wahrscheinlich. Hinzu 
kommt noch, daß die experimentelle Bestimmung des isoelek- 


trischen Punktes in 
salzreichen Lösungen 
keinerleiAbweichung 
gegen die in salz- 
armen Lösungen er- 
gab. Eine so starke 
Änderung der Disso- 
ziationskonstanten 

wäre aber nur durch 
eine Änderung der 
ganzen chemischen 
Konstitution der Ka- 
talase, z. B. infolge 
einer Verbindung mit 
dem Salze, zu erklä- 
ren, und es ist wenig 
wahrscheinlich, daß 
dieser neu entstan- 
dene Körper densel- 
ben isoelektrischen 
Punkt haben sollte. 
Dieser neue Körper 
hätte außerdem fol- 
gende widerspruchs- 
volle Eigenschaft: 
Seine Säuredissozia- 
tionskonstante wäre 





Katalase der Leber. 347 


Fermentlösung 2: 50000. 
H,O,-Lösung 1: 1000. 
Acetatgemische. 
Natriumacetat */,,. 





Fig. 29. 


Scoheinbare Dissoziationskurve, zusammengestellt aus den Versuchen 
Fig. 25 bis 28, mit */ „-Aoetatgehalt. 


24% 


348 L. Michaelis und Н. Peohstein: 


10758 resp. 105”, und sein isoelektrischer Punkt hätte den da- 
mit fast identischen Wert von 10-527, Es ist aber nicht möglich, 
daß der isoelektrische Punkt und eine der Dissoziationskonstanten 
eines Ampholyten so 
dicht beieinander lie- 
gen. Wir haben also 
kein Recht, die erhal- 
tenen Kurven ohne 
weiteres als Dissozie- 
tionskurven zu deuten. 
Ferner kommt aber 
hinzu, daß die Wirkung 
der Salze nicht einfach 
eine Verschiebung der 

3 | Wirkungskurve nach 
Fig. 30. der alkalischen Seite 





КО! — bedeutet, sondern daß 
Aostatgemische. | das erreichbare Opti- 
Natriumaoetat ®/,. mum bei Salzgegen- 





Scheinbare Dissoziationskurve, zusammengestellt aus Fig. 30 
(mit Salzgehalt */,,). 


wart immer gegen das überhaupt erreichbare Optimum ohne 
Salze zurückbleibt. Die Wirkung der Salze besteht also auf alle 
Fälle zunächst einmal in einer Hemmung. Es ist aber nicht 
ohne weiteres möglich, durch diese Hemmung die Verschiebung 
zu erklären. Nehmen wir z.B. an, daß die Salzwirkung darin be- 
steht, daß sie jedesmal die Hälfte des vorhandenen Fermentes 
unwirksam macht, so würden wir die folgenden Kurven (Fig. 32): 
А, die salzfreie, В, die salzreiche, erhalten. 





349 


Fig. 32. 


Theoretisch konstruierte Wirkungskurve. 
А unter der Annahme, daß die wirksamen Bestandteile nicht gehemmt 
werden; B unter der Annahme, daß von den wirksamen Bestandteilen 
je die Hälfte in Beschlag gelegt wird. 


Aus ihnen geht hervor, 
daß sich die halbe Höhe 
nicht verschieben kann, und 
mithin der Wert der Disso- 
ziationskonstanten derselbe 
bleibt. Eine einfache Hem- 
mung konnte also die Ver- 
schiebung unserer Kurve 
nicht erklären. Es folgt 
aus unseren Versuchen mit 
Sicherheit, daß die rela- 
tive Hemmung einer be- 
stimmten Salzmenge ver- 
schieden groß ist, je nach 
der herrschenden H-Ionen- 
konzentration. 

Ein Versuch zur Deu- 
tung wäre folgender: Die 
Neutralsalze hemmen nur 
die Wirkung der unelek- 
trischen Teile, während sie 
die Wirkung der Ionen fast 
unbeeinflußt lassen. Da- 


60 





Fig. 33.1) 
Verschiedene relative Hemmung durch 
steigenden Salzgehalt bei 3 verschie- 
denen H'-Konzentrationen. 


1) Bei sehr hohem Gehalt an Natriumacetat (*/,; bemerkbar, wenn 
auch praktisch nicht störend sogar schon bei */,,) ist der Umschlag beim 
Titrieren nicht mehr scharf, weil Acetat ebenfalls, wenn auch viel lang 
samer als H,O,, das Permanganat reduziert. 


350 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


durch wäre zu erklären, daß bei stärker alkalischer Re- 
aktion, wo nur Anionen noch vorhanden sind, die Hemmung 
sehr gering ist, daß dagegen im isoelektrischen Punkte, wo 
fast nur unelektrische Teile vorhanden sind, durch immer ge- 
steigerten Salzzusatz die Wirkung fast völlig unterdrückt wird, 
während sie ohne Salz hier schon fast maximal ist (в. Fig. 37). 





Verschiedene relative Hemmung durch steigenden Salzgehalt bei 
3 anderen (höheren) H'-Konzentrationen. 


Wir können zurzeit eine andere Möglichkeit für die ganzen 
Salzerscheinungen nicht finden. Kurz zusammengefaßt wäre 
also das Verhalten der Katalase folgendes: In sehr salzarmen 
Lösungen wirken die unelektrischen Teile und die Anionen in 
gleicher Weise, Salze machen die unelektrischen Teile mehr 
oder weniger unwirksam, haben aber keinen nennenswerten 
Einfluß auf die Wirksamkeit der Anionen. Daher kommt es, 
daß die hemmende Wirkung der Salze je nach dem Dissozia- 
tionszustand des Fermentes, daher also auch je nach der Wasser- 
stoffionenkonzentration verschieden ist. 

Es stellen daher die Wirkungskurven des Fermentes bei 
höherem Salzgehalte überhaupt keine Dissoziationekurven dar, 
und ihre halbe Höhe mithin auch keine Dissoziationskonstante. 


1) Vgl. Fußnote 8. 349. 


Katalase der Leber. 351 





Fig. 35. 
Wirkung der Katalase im isoelektrischen Punkt (d. h. log [H] = — 5,37) 
bei verschiedenem Gehalt an Natriumacetat. 





Fig. 36. 
Wirkung der Katalase im isoelektrischen Punkt bei steigendem Zusatz 
von CINa. log [Н] überall = — 5,37, hergestellt durch ein Acetat- 
gemisch mit Natriumacetat Pl, 


352 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


Dies ist nur in ganz salzarmen Lösungen der Fal. Wenn wir 
die Wirkungskurven bei verschiedenem Salzgehalte in einem 
einzigen Koordinatensysteme darstellen, so erhalten wir fol- 
gende Kurvenschar (Fig. шз 





Fig. 37. 
Wirkungskurven der Katalase in ihrer Abhängigkeit von der Wasserstoff- 
ionenkonzentration und dem Salz{Natriumacetat-)Gehalt. Die Kurve Slkag 
ist als praktisch salzfrei, also nur abhängig von der [Н] zu betrachten. 


Diese Figur wurde erhalten, indem das Verhältnis der bei ver- 
schiedenem Salzgehalte überhaupt erreichbaren Maxima in Parallel- 
versuchen (Fig. 38) ermittelt wurde. Ä 

Wir haben hier offenbar wieder 
ein neues Beispiel für die rätselhafte 
Neutralsalzwirkung, die sich bisher in 
folgendem gezeigt hatte!): Einfluß 
auf die Inversionsgeschwindigkeit der 
Saccharose durch die H-Ionen, Ein- 
#08 auf die Verseifungsgeschwindig- 
keit der Ester durch Laugen, auf 
die katalytische Zersetzung des Di- 
azoessigesters durch Säuren; Einfluß 
auf die Resistenz der roten Blut- 
körperchen in anisotonischen Lö- 





| Fig. 38. 
sungen, Einfluß der Salze auf die Vergleich der bei zl, Sle 


Flockungsgeschwindigkeit von Ei- und */,-Acetatgehalt über- 


NL: E . А haupt erreichbaren Optima. 
weißkörpern in ihrem isoelektrischen Die Zeiten gleicher Umsätze 


Punkte und die damit in Zusam- verhalten sich durchschnitt- 
menhang stehende Asymmetrie der lich etwa wie De: 20/,: Ja. 
1) Vgl. darüber Höber, Physikalische Chemie der Zelle und Gewebe. 


Katalase der Leber. 353 


Reihe usw. In allen diesen Versuchen zeigte es sich, soweit 
es überhaupt untersucht ist, daB die Wirkung entweder allein 
an den Kationen oder allein an den Anionen dieser Salze hängt. 
Die Reihenfolge der Wirksamkeit dieser Anionen oder Kationen ist 
überall die gleiche, 4 
die Richtung dieser 
Reihe bald in einem, 
bald im anderen 
Sinne Die Rich- 
tung dieser Reihe 
kann sogar für ein 
und dasselbe Objekt 
umgekehrt werden, 
wie Höber für die 
Fällung der Eiweiß- 
körper insaurer und 
alkalischer Lösung 
fand. 

So war auch bei 
der von uns be- 
obachteten Wir- 
kung der Salze die 
Fragestellung sofort 
gegeben, ob die 
Anionen oder die 
Kationen hemmend 
wirkten, und in wel- 


er ш." Einfluß d Be | — uf die Wi 
à er verschiedenen a e Wir- 
Wir haben anter: -kang dèr Katalnss im isoelektrischon Punkt. 
sonst gleichen Be- log [Н] = — 5,37, hergestellt durch Acetat- 
dingungen folgende gemisch mit einem Gehalt an Natriumacetat 
Salze untersucht: von ?/o Die angeschriebenen Salze alle in 


der Konzentration Sa 
Die Sulfate von Na- 
trium und Magnesium, die Chloride von Natrium, Calcium und 
Magnesium, Natriumacetat und Nitrat (Fig. 39). 

Wir sehen aus den Kurven, daß es bei der Hemmung 
auf das Kation fast nicht ankommt, denn namentlich die Chloride 
von Na, 1/, Ca und !/, Mg haben so gut wie identische Wir- 
kung. Ausschlaggebend ist vielmehr das Anion und zwar in 





354 L. Michaelis und Н. Pechstein: 


folgender Reihenfolge: SO, < СІ < Acet. <NO,. Die Reihen- 
folge ist ungefähr die auch bei anderen Erscheinungen beob- 
achtete, vielleicht mit Ausnahme des Acetate. Auf den ex- 
zeptionell hemmenden Einfluß des Nitrates kommen wir an 
späterer Stelle noch einmal zu sprechen. 

Der hemmende Einfluß auf die Wirksamkeit der Katalase 
scheint uns nun keine neue Erscheinung der Neutralsalze zu 
bieten, sondern auf andere, bekannte zurückführbar zu sein. 
Wir glauben nämlich die Wirkung der Salze auf eine Zustands- 
änderung der unelektrischen Teile der Katalase zurückführen 
zu dürfen. Bei allen Ampholyten besteht bekanntlich im iso- 
elektrischen Punkte ein Ionenminimum, und für den Fall, daß 
die unelektrischen Teile schwer löslich sind, ein Löslichkeits- 
minimum, das bei colloiden Körpern sich als Flockungsoptimum 
äußert, wenn anders der Körper durch Änderung der H-Ionen- 
konzentration allein ausflockbar івё!). Diese Ausflockung im iso- 
elektrischen Punkte wird nun durch die Neutralsalze bei einigen 
Körpern begünstigt, bei anderen gehemmt, ohne daß dadurch 
das Flockungsoptimum, bezogen auf die H-Ionenkonzentration, 
verschoben wird. Die Wirkung der Salze besteht also, kurz 
gesagt, in einem Einfluß auf den Zustand der colloidalen Lö- 
sung der unelektrischen Teile. Nehmen wir nun solche Ver- 
hältnisse für die Katalase an, so können wir die Wirkung der 
Salze durch die Annahme erklären, daß sie die Dispersität der 
unelektrischen Teile der Katalase verringern und dadurch ihre 
Wirkung herabsetzen. Das in unseren Versuchen mit extrem 
verdünnten Fermentlösungen (Ocem */, ооо Біз !/, оодоо аш 
150 bis 175 ccm Flüssigkeit) eine sichtbare Flockung nicht ein- 
zutreten brauchte, ist nicht weiter verwunderlich. Dahin zie- 
lende Versuche durch Aufstellung der üblichen Flockungsreihen 
verliefen, übrigens selbst bei Salzzusatz, negativ. Doch spricht 
. dies keineswegs gegen unsere Annahme, da eine Dispersitäts- 
änderung keinesfalls zu einer Ausflockung führen muß. 

Hier müssen wir aber noch einmal auf die Nitrate zu sprechen 
kommen, deren hohes Hemmungsvermögen schon Senter (L с.) 
erkannt hat. Diese flockten nämlich aus den Fermentstamm- 


1) Vgl. darüber L. Michaelis, Die allgemeine Bedeutung der 
H'-Konzentration für die Biologie. Handb. d. Biochem. von Oppen- 
heimer, Nachtragsband (1913). 


Katalase der Leber. 355 


lösungen in energischer Weise einen anderen Körper als die Kata- 
lase aus, dessen Flockungsoptimum bei einer ziemlich hohen 
H-Ionenkonzentration, bei са. 10°* lag, dessen Flockungsbereich 
sich aber ziemlich weit nach der Seite der abnehmenden Acidität 
zu erstreckte bis in den Bereich des isoelektrischen Punktes der 
Katalase. Die extrem hemmende Wirkung der Nitrate ist also 
wohl so zu erklären, daß sie nicht nur die Dispersität der un- 
elektrischen Teile der Katalase am stärksten beeinflussen, sondern 
daß sie aus der Lösung noch einen anderen Körper ausflocken, 
der dabei einen Teil der Katalase adsorbiert und mit sich reißt, 
Als besonders auffälligen Nebenbefund möchten wir also hierbei 
hervorheben, daß in unseren Leberpreßsäften ein Körper vor- 
handen ist, der in einer bisher wohl noch nicht beschriebenen 
Weise bei schwach saurer Reaktion gerade durch Nitrate in 
einer ganz auffälligen Weise geflockt wird. 


Zusammenfassung. 

Die Katalase ist ein Ampholyt mit einer Säurendissozia- 
tionskonstanten von 2,88-10”° und einem isoelektrischen Punkt 
von 4,31.10-% Die katalytische Wirksamkeit auf Wasserstoff- 
superoxyd kommt in gleicher Weise den Anionen und den un- 
elektrischen Teilchen zu, dagegen sind die Kationen unwirksam. 

Neutralsalze hemmen die Wirkung der unelektrischen 
Teilchen bedeutend, die der Anionen kaum. Das hemmende 
Agens der Neutralsalze sind ihre Anionen, und zwar in der 
Reihenfolge SO, < СІ < Acet. < NO, 

Aus der verschiedenen Wirksamkeit auf die unelektrischen 
Teile und die Anionen erklärt sich, daß der hemmende Ein- 
fluß der Salze bei verschiedener Wasserstoffionenkonzentration 
verschieden ist. 

Die gewöhnliche Zeitumsatzregel ist für die Katalase nicht 
streng anwendbar, vielmehr ist die Zeit, die zur Erreichung 
eines bestimmten Umsatzes notwendig ist, einer bestimmten 
Potenz der Fermentmenge umgekehrt proportional, deren Ex- 
ponent während der Einwirkung allmählich zu wachsen scheint. 

Das Ferment wird während seiner Wirkung auf Wasser- 
stoffsuperoxyd allmählich geschwächt, jedoch nicht durch den 
schon entstandenen molekularen, gelösten Sauerstoff. 


Zur Lehre von der Gelatinequellung in wässerigen 
Lösungen. 
Von 
Rudolf Ehrenberg. 
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Göttingen.) 
(Eingegangen am 4. Juni 1913.) 
Mit 8 Figuren im Text. 


Seit den grundlegenden Arbeiten Е. Hofmeisters über 
die Aufnahme resp. Abgabe von Wasser und wässerigen Lösungen 
durch Gelatinestücke ist von zahlreichen Forschern — Spiro, 
Pauli, Wo. Ostwald, v.Schröder, М.Н. Fischer u. a — 
weiteres Material zur Lösung dieses wichtigen Problems ег- 
bracht worden. In dem folgenden soll auf die Quellung 
trockener oder hochkonzentrierter Gelatine in Wasser und auf 
den Mechanismus dieses Vorgangs nicht eingegangen werden, 
dieser ist von Katz!) neuerdings bearbeitet und der Theorie 
der konzentrierten Lösungen untergeordnet worden. Es handelt 
sich für uns nur um die Frage der Beeinflussung der Quellung 
durch gelöste Stoffe bei einer bereits wasserreichen Gelatine, 
Wir gehen dabei von der Anschauung aus, daß eine Identität 
der Mechanismen beider Vorgänge — der reinen Quellung und 
der in Lösungen — in dem Sinne etwa, daß der gelöste Stoff 
den immer gleicherweise verlaufenden Quellungsvorgang nur 
katalytisch beeinflußte, nicht besteht. 

Im ganzen ergibt sich aus der vorliegenden Literatur etwa 
folgendes Bild des Einflusses gelöster Stoffe auf die Gelatine- 
quellung: 

Am stärksten quellungsfördernd (die Quellung immer ge- 
gemessen an der Gewichtszunahme) wirken Säuren und Alkalien, 


1) Nernst-Festschrift. 


R. Ehrenberg: Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 357 


und zwar die verschiedenen Säuren und Basen verschieden 
stark, sowohl in Abhängigkeit von ihrer „Stärke“ als auch von 
individuellen Verschiedenheiten, zugehörig dem Säure- resp. 
Basenradikal. Die einzelnen Radikale lassen sich in einer be- 
stimmten, bei den Salzen wiederkehrenden Reihenfolge der 
Wirkung anordnen. 

Dabei wirken Säuren im ganzen stärker als Basen, und 
auch die Konzentrationen der Lösungen sind von Bedeutung der- 
gestalt, daß bis zu einer gewissen — in jedem Falle besonderen — 
Konzentration die Wirkung ansteigt, um dann bei weiterer 
Konzentration wieder abzunehmen. 

Das gleiche Bild der Abhängigkeit der Wirkung von der 
Konzentration zeigen auch die Salzlösungen: die Kurven, die 
den Konzentrationen die entsprechenden Quellungsgrade zu- 
ordnen, gehen alle durch ein Maximum. Die verschiedenen 
Salze zeigen, untereinander verglichen, verschiedene quellungs- 
fördernde resp. -hemmende Wirkungen, und zwar ordnen sich 
dabei Kationen wie Anionen in der Anordnung der „Iytotropen“ 
Reihe; die Anionen sind von größerer Bedeutung für den Effekt 
als die Kationen. 

Auf der Seite der Quellungsförderung stehen in dieser 
Reihe die Halogenide, Rhodanide, dann weiter Nitrate, auf der 
Seite der Hemmung stehen die Sulfate, Acetate, Citrate; von den 
Kationen stehen entsprechend auf der einen Seite die Alkalien 
auf der anderen die mehrwertigen Metalle. 

Als weitere wesentliche Beeinflussung ergibt sich, daß der 
Zusatz von neutralen Elektrolyten zu den Säure- resp. Alkali- 
lösungen deren quellungsfördernde Wirkung hemmt, und zwar 
wiederum in dem Grade der Iytotropen Stellung, so daß die 
auf der Sulfatseite stehenden Anionen am stärksten hemmen, 
und entsprechend die mehrwertigen Kationen. 

Die Nichtelektrolyte wirken viel schwächer auf die Quellung 
in Wasser und in Säuren und Basen ein, ein geringer Ein- 
fluß in verschiedener Richtung (hydroxylreiche Stoffe ver- 
halten sich wie die Anionen der Sulfatgruppe) ist vorhanden. 

Eine Erklärung dieser verschiedenen Einflüsse und ihrer 
Regelmäßigkeit ist auf dem Boden der Molekularkinetik noch 
nicht gegeben worden; viele Forscher, besonders J. Traube, 
deuten dieselben vielmehr als Argumente gegen die van’t 


358 R. Ehrenberg: 


Hoffsche Lösungstheorie und schreiben die verschiedenen Wir- 
kungen spezifischen Eigenschaften der betreffenden Ionen zu, 
sie sprechen von einer Erhöhung des Quellungsdruckes, und 
allgemeiner von dem spezifischen Haftdrucke der einzelnen 
Ionen. Dieser spezifische Haftdruck wird dann auch bei den 
anderen Erscheinungen innerhalb der Kolloidchemie, die den 
Typus der Jetotropen Reihe ebenfalls hervortreten lassen (es 
sei nur an die Erhaltung und Ausfällung kolloidaler Lösungen 
durch Elektrolyte erinnert), zur Erklärung eingeführt. 

Hier kann auf diese Anschauungen nicht weiter eingegangen 
werden, man wird aber doch sagen müssen, daß mit solchen Be- 
griffen wie „Haftdruck“ so lange nicht viel gewonnen ist, als es 
nicht gelingt, kinetische Vorstellungen damit zu verbinden, die 
zu den quantitativ darstellbaren Molekularvorgängen überleiten. 

Die nachfolgend mitgeteilten Untersuchungen sind ent- 
standen im Anschluß an Quellungsversuche mit tierischen Ge- 
weben; bei der Frage der Erklärung der Wasserbindung von 
Geweben auf Grund der Tatsachen des Gallertquellungsver- 
suches war mir aufgefallen, daß in der vorliegenden Literatur 
die Versuche an Gelatine und anderen Gallerten fast durchweg 
mit äquimolekularen und nicht isosmotischen Elektrolytlösungen 
angestellt waren. Dieser Umstand ist wohl dadurch bedingt, 
daß die Ansicht, es könne sich nur um „spezifische“ Erschei- 
nungen und nicht um allgemein-molekulare Vorgänge im Sinne 
der van’t Hoffschen Theorie handeln, von vornherein fest- 
stand. Weiter fiel mir auf, daß — abgesehen von den Ver- 
suchen mit Säuren und Alkalien — zumeist mit relativ recht 
hoch konzentrierten Lösungen gearbeitet war, auch dieses findet 
seine Erklärung wohl in dem gleichen Grunde. 

Ich wiederholte deshalb an verschieden konzentrierten 
Gelatineplatten die Quellungsversuche unter Anwendung von 
Lösungen, deren Gefrierpunktserniedrigungen ungefähr der von 
Körpersäften entsprachen und die demnach untereinander 
einigermaßen gleich waren, absolute Gleichheit wurde nicht 
erstrebt, sondern jeweils die Gefrierpunkte bestimmt und ver- 
gleichsweise in Betracht gezogen'). Dabei zeigte sich nun, daß 

1) Ich verfuhr so, daß ich durch die jeweilige Abweichung von der 


völligen Isosmie einen etwaigen Fehler überkorrigierte, d. h. die wirk- 
samere Lösung gegenüber der weniger wirksamen schwächte. 


So - 


Gelatinequellung їп wässerigen Lösungen. 359 


die lyotrope Reihe in dem Sinne, in dem sie bisher maß- 
gebend gefunden war (auch von mir mit konzentrierteren Lö- 
sungen), bei diesen Konzentrationen nicht wiederkehrte, sondern 
daß sich eine Abhängigkeit der Wirkungsreihe von den ange- 
wandten Konzentrationsbereichen zeigte. Веі den niedrigen 
Konzentrationen mit Gefrierpunkten um —0,5° kehrte sich 





Fig. 1. 


die Reihe annähernd geradezu um?), d.h. die Gelatine quoll 
jetzt in Sulfatlösungen stärker als іп Chloridlösungen (в. z. В. 
Tab. I und II und die Kurven dazu). In CaCl, war die Quellung 


ebenfalls stärker als in den 
Alkalichloriden?). Aus diesen 
Tafeln und den Kurven ist 
auch zu ersehen, daß bei 
diesen Konzentrationen die 
herabdrückende Wirkung der 
Salze gegenüber der Säure- 
quellung sich in derselben 
Reihenfolge äußert, in der die 
Salze allein fördernd wirken, 
diese Reihenfolge der Hem- 
mungswirkungen bleibt aber 
— im Gegensatz zu der Rei- 













4 
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Stunden 
Fig. 2. 


1) In Tab. I und II ist die CaCl,-Lösung konzentrierter als die Alkali- 
chloride, aber das Verhältnis blieb das gleiche bei einer schwächeren 


(0,07n) CaCl,-Lösung. 


"e Höber (Hofm. Beitr. 11, 35) findet gleiches bei der Fällung 


des Hühnereiweißes. 


360 R. Ehrenberg: 


henfolge der fördernden Wirkungen der Salze allein — bei 
Steigerung der Konzentration bestehen. 

In den Tabellen sind außerdem die Änderungen der Ge- 
frierpunkte der Lösungen — umgerechnet auf gleiche Gelatine- 
und Lösungsmengen — zu sehen; es ergibt sich, daß aus den 
Chloridlösungen allgemein mehr Moleküle (resp. Ionen) ver- 
schwinden, d.h. in die Gelatine gehen als aus den Sulfat- 
lösungen, auch die Harnstofflösung verliert relativ viel Mole- 

küle, sie befördert dabei 









SIIIITTTT Te» ebenfalls die Quellung 
| / und wirkt in dieser Kon- 
zentration der Säurequel- 


lung, allerdings sehr viel 
schwächer als die Salze 
entgegen. Die HCl-haltige 
Sulfatlösung verringerte 
ihre Gefrierpunktsernied- 
rigung erheblich mehr als 
die reine, 

Um zu sehen, bei 
m, сеч welchen Konzentrationen 
“as, deeg sich das Verhältnis der 
fördernden Wirkung von 
Sulfat und Chlorid um- 
kehrt, verglich ich ver- 
schiedene Konzentratio- 
nen, ein solcher Versuch 

а" ist in Tab. III und der 
Fig. 8. entsprechenden Kurve 

verzeichnet; man ent- 
nimmt, daß bei 0,1п und 0,2n das Sulfat noch überwiegt, bei 
0,4 bleibt es bereits erheblich zurück und bei 0,6n wirkt ев 
schon entquellend. 

Da aus diesen Tatsachen ein Einfluß der Konzentration 
auf die Stellung des Ions in der Wirkungsreihe hervorging, 
schien es untersuchenswert, wie die Quellung stattfindet, wenn 
die Gelatine gleich mit Zusatz gelöster Bestandteile angesetzt 
wird; ein solcher Versuch ist auf Tab. IV verzeichnet. Es 
wurde einmal ein Elektrolyt (0,15n NaCl-Lösung) und dann 





SS ES ERR RR RS RRE 
МЕСА 
анача иЕаЕБ иии 
КЕ О EE 
ОЕ ОЕ 
ЕОМ 
ЖЕЕ Б ШЗ ЧЕШИ рО БЇ ОС 
ЙЕ БЕ БЕ ШЕ УЛТ ЕБ БЕ ЖЕ ШҮ БЕ ЖШ] ЫС 
ГГА EE 


0з яв 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 361 


ein Nichtleiter (0,2n Dextrose) zum Ansetzen der 20°/, івеп 
Gelatine verwendet. 

Hervorgehoben sei daraus: Die NaCl-Gelatine quillt im 
allgemeinen erheblich stärker als die Zuckergelatine, die 
beiden einzigen Fälle wo letztere stärker quoll, waren: 1. in 
Sal, wo sich die hemmende Wirkung des Kochsalzes in 
der Gelatine geltend machte, und 2. bemerkenswerterweise die 
Quellung іп 0,3n-Dextroselösung, sowie in Pottasche?). 


Weiter zeigt sich, daß die дю 
Kochsalzgelatine in Kalium % |I|] || | keck 






und Natriumsulfatlösungen 7 - 
sehr bedeutend viel stärker W 
quilt als in den Chlorid- ” = 
lösungen (der Unterschied ist E 
noch viel größer als bei der W 
Wassergelatine), die Dextrose- 
gelatine verhält sich dagegen „4 
umgekehrt. ke 
Gefrierpunktsbestimmung, EF 
Leitfähigkeitsmessung und 
Analyse ergaben ein Auswan- 
dern der gelösten Moleküle 
aus der Gelatine. Die bisherigen w 
Ergebnisse machten die Vor- 
stellung, daß es sich bei der 2 
quellungsfördernden Wirkung 
allgemein um eine Reaktion 
zwischen dem Elektrolytteil- Fig. 4. 
chen und dem Gelatineteilchen 
(welcher Art auch immer) handele, nicht wahrscheinlicher, sie 
legten vielmehr nahe, doch an einer Art molekularkinetischer 
Wirkung zu denken. 

Um nun zu sehen, ob sich Hindeutungen auf eine Wirk- 
samkeit des „Gefälles“ finden ließen, machte ich folgenden 
Versuch: ich ließ Gelatine in Lösungen quellen, bis die Quellungs- 
kurve, die anfangs steiler ansteigt, zu dem flachen Teile über- 
gegangen war, und brachte die Stücke dann in reines Wasser. 


а pe GC иша SR 


N 
NT М 





ааа мю 
_ МАМ М 
Ee таа шин а 





и НН ШШ 


1) Bei der Pottasche handelt es sich wohl um Quellung in alka- 


lischer Lösung, die durch das Salz gehemmt wird. 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 25 


362 R. Ehrenberg: 


Es ergab sich das überraschende Resultat, daß die Stücke, die 
aus Säuren- oder Alkalilösungen kamen, tatsächlich in dem 
Wasser sehr erheblich viel stärker weiterquollen, als wenn sie 
in der Lösung belassen oder in frische Lösung der gleichen 
Art gebracht wurden. Dabei gingen, wie sich aus der Mole- 
kularbestimmung der Lösungen, sowie aus Titrationen ergab, 
Teile des vorher aufgenommenen Elektrolyten in die Lösung. 
(Tab. V mit Kurve, VI, XIV, XV mit Kurve, XVIII.) 

In den Salzlösungen war 
diese Erscheinung nicht so 
deutlich, immerhin zeigte sie 
sich doch auch in einigen 
Fällen (Tab. VI Na,SO,-Lö- 
sungen), und auch nach der 
Quellung in konzentrierteren 
Chloridlösungen quollen die 
Stücke nachher im Wasser 
erheblich stärker weiter, als 
der reinen Gelatinewasserquel- 
lung entspricht (Tab. XIV). 

Diese Erscheinung könnte 
also, ganz oberflächlich be- 
trachtet, den Gedanken an 
einen gewöhnlichen osmoti- 
schen Vorgang erwecken; daß 
sie so einfach nicht ist, zeigt 

5° &, „2 — ganz abgesehen von der 
Fig. 5. Unmöglichkeit, beide Phasen 

des Prozesses, die in der Elek- 
trolytlösung und die in Wasser, osmotisch zu verstehen — ein 
genaueres Eingehen. 

Einmal ersieht man schon aus den angeführten Tabellen, 
daß in den Salzversuchen erheblich mehr Teilchen aus der 
Gelatine in das Wasser gehen als bei der Säure — was ja 
auch der sehr viel größeren Konzentration der verwendeten 
Salzlösungen entspricht —, weiterhin ist bekanntlich die Diffu- 
sionsgeschwindigkeit der Säure erheblich größer als die des 
Salzes, der osmotische Ausgleich müßte also bei der säure- 
gequollenen Gelatine unter geringerer Wasserbewegung möglich 














E йөк! 
КИЮ ШИШ RES ИКИ ИШГЕ И БН 
SSES ЕЕЕ ЮБИ 
ашаа а 





= 
T 
8 
гое аа ааа 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 363 


sein als bei der salzgequollenen. Man könnte vielleicht fragen, 
ob auch der Übergang zwischen Wasser und Gelatine für die 
Säure so leicht bleibt; in Tab. VIII!) und IX habe ich die Ge- 
schwindigkeit der Säureverarmung der Lösung während der 
Quellung titrimetrisch bestimmt, die Kurve zu Tab. IX zeigt, daß 
der HCI-Gehalt der Lösung abnimmt entsprechend einer Kurve, 
die ein recht vollkommenes Gegenstück der Quellungskurve ist. 


Ф 
р WEE ee bës 





Eine einfach-osmotische Deutung ist also unangebracht, 
dagegen schien mir der Einfluß des „Gefälles“ in irgendeiner 
Form sehr diskutabel, man beachte dazu noch einmal die Kurve 
zu Tab. IX, die in ihren ersten Kurventeilen sehr gut als Ge- 
fällefunktion zu deuten wäre. 

Dabei sieht man aber auch gleich, daß das Gefälle 
— rein theoretisch — sich während des Quellungsganges um- 
kehren muß, die Säurekonzentration in der Außenflüssigkeit 
wird schließlich so gering, daß die Konzentration im Volumen 
der Gelatine beträchtlich größer sein muß, trotzdem bleibt aber 
die Quellung in der einen Richtung bestehen, und wenn die" 
Gelatine in reines Wasser überführt wird, setzt unter Säure- 
austritt eine sehr große Steigerung der Quellung ein. 

Anschließend hieran sei zunächst darauf hingewiesen, daß, 
wie schon früher bekannt (M. H. Fischer), Stoffe, die im gleich- 


1) Tab. VIII, Versuche mit trockener Gelatine sind — auch wegen 


der geringeren titrierten Flüssigkeitsmengen — weniger verwertbar. 
25% 


364 R. Ehrenberg: 


zeitigen Einwirken einen Antagonismus zeigen — Säure und 
Salz, Säure und Alkali — auch im Nacheinander der Anwen- 
dung diesen Gegensatz ergeben (Tab. V, VII, X, XIII). 

Eine naheliegende Frage war nun, ob sich ein solcher 
Einfluß des Gefälles auch nachweisen ließe, wenn gleich bei 
der Bereitung der Gelatine eine bestimmte Konzentration ge- 
löster Stoffe in der Gelatine erzeugt wurde, d. h. wenn dieselbe 
mit Lösungen statt mit reinem Wasser angesetzt war. 

Es sei dazu bemerkt, daß die Erscheinungen an diesen 
Gelatinestücken nicht notwendig mit denen identifiziert zu werden 
brauchen, die bei resp. nach der Elektrolytaufnahme während 
der Quellung beobachtet waren. Die Erhitzung der Gelatine 
auf ca. 70°, die feine Verteilung von Gelatine und gelöstem 
Stoff in der heißen, flüssigen Auflösung, das Fehlen einer 
„Struktur“ während der Salzaufnahme, all dieses sind wesent- 
lich andere Bedingungen als im Quellungsversuch. Wir wollen 
nun die Erscheinungen an solcher Gelatine betrachten. 

Einen Versuch erwähnten wir schon, den von Tab. V, wir 
sahen, daß die Gelatine den mit ihr aufgelösten Stoff sehr wohl 
abgeben kann, und daß ferner dieser Stoff bei der Quellung 
mitwirkt im ganzen in demselben Sinne, wie wenn er in der 
Außenlösung wäre. 

In Tab. VII sind Versuche mit 3 Arten von Gelatine unter- 
einander verglichen: Gelatine in al, a: НСІ, solche in pl. a: NaOH 
und Wassergelatine. 

Es ergibt sich: in Wasser quellen die beiden ersten Arten 
mehr als die Neutralgelatine, sie geben dabei etwas von der 
Säure resp. Base an die Außenflüssigkeit ab. | 

In ®/,oo-HCI quillt die Säuregelatine am stärksten, dann 
folgt die Neutralgelatine und endlich die basische, dabei ist 
die Lösung, welche die Basengelatine umgab, nachher am 
schwächsten sauer, es folgt die um die Säuregelatine, und am 
sauersten ist die um die Neutralgelatine (titrationssauer!), kryo- 
skopisch zeigt merkwürdigerweise die Neutralgelatine die größte 
Molekülabgabe, dann die basische, am wenigsten die saure. 

In diesem Falle tritt also ein Einfluß des Gefälles höch- 
stens in den kryoskopischen Daten hervor. 

In ?/ io- NaOH quilt die Basengelatine am meisten, dann 
die Neutralgelatine und endlich die saure, also auch hier wohl 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 365 


ein Einfluß der Antagonismen, aber gar keiner des Gefälles, ja 
es zeigen sogar die Gelatinearten, die — theoretisch — kein 
Gefälle gegen die betreffenden Lösungen haben, eine Verstärkung 
der Quellung gegenüber der Neutralgelatine. Man hat also hier 
das Bild der „spezifischen“ Wirkung der Stoffe im Innern der 
Gelatine, gleichgültig wie sie dort hinein gekommen sind. 

In den Lösungen von Kochsalz und Glaubersalz quillt 
die Basengelatine stärker als die beiden anderen Arten, die 
saure am schwächsten, alle aber stärker als in reinem Wasser. 
Die saure und neutrale Gelatine quellen in Sulfat mehr als in 
Chlorid, die basische umgekehrt. In allen Fällen sind aber die 
Außenlösungen nachher konzentrierter als am Anfang, eine ins 
Gewicht fallende Verdunstung war dabei zwar nicht völlig aus- 
geschlossen, aber doch tunlichst herabgedrückt. 

Entsprechende Versuche sind in Tab. X und XIII verzeich- 
net, hier wurde 20°/,ige Gelatine verwendet, die mit ®/ , und 
Saar: НСІ, ferner mit Un und !/„n-Na0l, sowie mit 
Wasser angesetzt war. Die Erscheinungen sind nicht ganz 
gleichmäßig, es macht sich 
eben hier, wie mehrfach auch 
in früheren Untersuchungen, 
der Einfluß der Unmöglich- 
keit absolut gleichartiger Vor- 
behandlung geltend: immerhin 
sind einige Regelmäßigkeiten 
deutlich erkennbar. 

Zunächst war in diesen 
Fällen die Quellung in Sale 
und ”/ioọ- HCl bei der HCI- 
Gelatine nicht stärker, son- 
dern schwächer als bei der 
Neutralgelatine; erheblich 
schwächer quoll nur die stark _ 
kochsalzhaltige Gelatine. Се егетин 

In reinem Wasser quoll Fig. 7. 

(Tab. XIII Kurve) die pl a 

НС1-Сејабпе etwas mehr als die neutrale, die Kochsalzgelatinen 
quollen erheblich mehr als die beiden ersteren. In Versuch 
Tab. X quillt allerdings die ®2/ „-HCl-Gelatine in Wasser sogar 


|||, Д7 
! E RE 





366 В. Ehrenberg: 


etwas weniger als die neutrale, wir werden aber sehen, daß 
dies ein Ausnahmefall war, beruhend anscheinend auf dem 
Alter der Gelatine seit der Ansetzung. Man bekommt nämlich 
den Eindruck, als ob die Gelatine die Eigenschaften, die ihr 
die mitangesetzte Säure verleiht, bei längerer Aufbewahrung 
wieder einbüßt; vielleicht kommen aber auch kleine Unter- 
schiede bei der Herstellung in Betracht. 

Bei der Quellung in Kochsalzlösungen quoll die konzen- 
triertere Kochsalzgelatine am stärksten, und zwar abnehmend 
stark in konzentrierter, schwächerer Kochsalzlösung und reinem 
Wasser; also auch hier im Gegensatz zu den Unterschieden 
des Gefälles. 

Um einen deutlicheren Einblick in den Einfluß des Ge- 
fälles bei der Quellung in Salzlösungen zu erhalten, habe ich 
Gelatine einmal mit Kochsalzlösungen verschiedener Konzen- 
tration, dann mit solchen von Glaubersalz angesetzt und diese 
Gelatinearten in Lösungen desselben Salzes quellen lassen. 
Dabei ließ ich jede Gelatineart in einer schwächer konzen- 
trierten, einer gleich starken und einer stärkeren Lösung quellen. 

Das Resultat war bei der Kochsalzgelatine gleichartig und 
sehr überraschend: es quoll nämlich jede Gelatine am stärksten 
in der gleich konzentrierten Lösung, schwächer also sowohl in 
der schwächeren als in der stärkeren. 

Das ist ein deutlicher Einfluß des Konzentrationsgefälles, 
aber ein solcher, wie ihn unsere osmotischen Vorstellungen zu- 
nächst rätselhaft erscheinen lassen. (Tab. XI.) 

Bei der Sulfatgelatine waren die Erscheinungen nicht ganz 
einheitlich, annähernd regelmäßig ließ sich ersehen, daß die 
Gelatine in der schwächeren Sulfatlösung am stärksten quoll, 
aber in der Tabelle sieht man auch hiervon eine Ausnahme 
(allerdings in einem Versuche, der auch sonstige Atypien zeigt, 
also vielleicht Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung erfahren 
hatte). 

Auffallen muß aber noch, daß die Sulfatgelatine (und zwar 
erheblich) in Sulfatlösungen von solcher Konzentration quillt, 
wie sie gegenüber der reinen Gelatine schon Hemmung und 
Entquellung bewirkt. Dies letztere weist wiederum deutlich 
auf einen bestimmenden Einfluß des Gefälles hin, denn es ist 
nicht einzusehen, wie sich bei verschiedener „Heranbringung“ 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 367 


des Sulfations etwa die „spezifische“ Wirkung an der Gelatine 
ändern sollte. 

Die Änderungen der elektrischen Leitfähigkeit in den Koch- 
salzlösungen gehen dabei im ganzen mit dem Gefälle, das Leit- 
vermögen nimmt wohl in allen Fällen zu, aber entgegen 
dem osmotischen Gefälle weniger als mit ihm. 

Bei den Sulfatlösungen dagegen ist die Zunahme des Leit- 
vermögens (absolut) in der jeweiligen konzentrierteren Lösung 
im allgemeinen eher stärker als in der schwächeren. 

Ich verglich nun weiter den Einfluß des Gefälles bei meh- 
reren Gelatinearten und in verschiedenen Lösungen. 

Zunächst Neutralgelatine (Tab. XIV): 

Es zeigte sich wieder nach 3 stündiger Quellung in al, HO 
eine mehr als doppelt so starke Weiterquellung in Wasser ver- 
glichen mit der Weiterquellung in der alten Lösung. Wurde 
nun nach dem Wasser wieder frische HCl-Lösung verwendet, 
so trat kaum noch Quellung ein, während die in der Säure 
verbliebene Gelatine, in frische Säure überführt, ohne Steigerung 
langsam weiterquoll. 

Dabei nahm die erstere Gelatine bei dem erneuten Auf- 
enthalt in Säure noch ziemlich viel Säureteilchen auf, die letz- 
tere Gelatine fast gar keine mehr. 

Wir haben hier also eine neue Erscheinung: die abermalige 
Anwendung des ersten Gefälles wirkt nicht weiter quellungs- 
fördernd, sondern hemmend. 

Ganz analoge Erscheinungen zeigen sich in der ?/ „NaOH, 
auch hier wieder starkes Weiterquellen in Wasser, danach fast 
völliges Sistieren der Quellung in der frischen NaOH trotz 
gleichzeitiger beträchtlicher Alkaliverarmung der Lösung. 

In der ”/i oo HCl-Lösung dagegen bleibt in diesem Falle 
— also nach 3 stündigem Aufenthalt in der Säure — die Weiter- 
quellung in Wasser etwas gegenüber der weiteren Säurequellung 
des Parallelversuches zurück und steigt nach der Überführung 
in frische Säure wieder — in beiden Fällen — stark an. — 
Das Gefälle ist bei diesen Versuchen ja erheblich geringer als 
bei den obigen, die Erscheinung ähnelt hier mehr derjenigen 
in Salzlösungen. 

Von den Salzlösungen nämlich zeigt nur die 7°/,ige Sul- 
fatlösung ein verstärktes Weiterquellen in Wasser gegenüber 


368 R. Ehrenberg: 


dem Parallelversuch, diese Lösung hat еіп A von etwa 0,6 
bis 0,65°. 

Bei den anderen Salzlösungen (n- und ?/,,- NaCl, 
3,5°/, Na,SO,) quillt das in der Lösung belassene Stück stärker 
weiter, aber immerhin quellen auch die in Wasser überführten 
Stücke erheblich mehr als reine Gelatine, die von Anfang an 
in Wasser quoll. 

Der Gang der Leitfähigkeitsänderungen ist, wie zu er- 
warten; die ?/, n-Chloridlösungen geben mehr Teilchen an die 
Gelatine ab als die Sulfat- 
lösungen, und entsprechend 
steigt nachher die Leitfähig- 
keit des Wassers im Chlorid- 
versuch ca. 3 mal mehr als im 
Sulfatversuch und damit auch 
relativ zu den Ausgangsleit- 
fähigkeiten mehr. 

Die Versuche in Tab. XV 
(в. Kurve dazu, die Zahlen 
entsprechen denVersuchsnum- 
mern in Tab. XV) zeigen wie- 
der einen sehr charakteristi- 
schen Einfluß des Gefälles. 
Zum Vergleich sind in die 
KurventafeldieKurven zu den 
Versuchen, die mit Neutral- 
EZ лж. gelatine in den beiden Säure- 
Fig. 8. lösungskonzentrationen ange- 
stellt waren, eingezeichnet. 

Aus den Kurven ersieht man folgendes: am stärksten ist 
die Quellung von al, HO Gelatine in ”/ oo- HCl mit nach- 
folgender Überführung in Wasser, danach kommt die Quellung 
nur in Wasser und dann diejenige nur in ®/, ọọ- HCl. 

Weiter: Neutralgelatine quillt in ?®/, „HCl mehr als 
Säuregelatine, Neutralgelatine quillt in ?/ „HCl verschwindend 
wenig gegenüber ?/, ,-HCI-Gelatine (Gefälle!). 

Und schließlich quillt wieder die Säuregelatine aus ”/ o- 
НСІ in Wasser überführt bedeutend stärker weiter. 

In den Salzversuchen ergibt sich der alte Befund. 





bebe ||| ||| | | 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 369 


Aus den Untersuchungen der Lösungen sei hervorgehoben: die 
Säuregelatine von Nr. 1 gibt sehr beträchtliche Säuremengen an 
das Wasser ab, ebenso immer noch recht viel die von Nr. 5. Aus 
a/o HCl nimmt sie in 20 Stunden nur recht wenig auf, bei Er- 
neuerung der sauren Außenlösung gibt sie sogar nochmals ab. 

Aus der sl, œo- HCl nimmt die Säuregelatine immer noch 
relativ beträchtliche Mengen Säure auf, wenn auch viel weniger 
als die Neutralgelatine in Tab. XIV. 

In dem Versuch von Tab. ХУІ quillt umgekehrt *®/,„,-НС1- 
Gelatine in °/,,-НСІ erheblich mehr als in ®/,„-НС1], in Wasser 
quillt sie nicht sehr viel mehr als reine Gelatine. 

In Kochsalz- und Glaubersalzlösungen zeigt sie das Ver- 
halten reiner Wassergelatine, d. h. nicht den Typus der Säure- 
hemmung. 

Ebenso zeigt auf Tab. ХУІ der Versuch: „Na,SO,-Gelatine 
in Säure“ mehr die Säure- als die Salzwirkung. Sulfat-Gela- 
tine quillt ferner in gleich konzentriertem Sulfat mehr als in 
Chlorid. 

Immerhin ist hier sowie bei der normalen NaCl-Gelatine 
(Tab. ХУШ) die Salzhemmung doch etwas vorhanden (vgl. 
Tab. XIV). 

Die Kochsalzgelatine quillt im übrigen in der gleich kon- 
zentrierten Kochsalzlösung am stärksten, in Wasser erheblich 
mehr als reine Gelatine, in Harnstofflösung etwa wie in Wasser. 

Harnstoffgelatine (Tab. XIX) quillt in Säure mehr als reine 
Gelatine, in Harnstofflösung mehr als in Wasser, in den Salz- 
lösungen wie zu erwarten. 

Endlich sei noch ein Versuch angeführt (Tab. XX), der 
über den Einfluß des Alters der verschiedenen Gelatinen Mate- 
rial erbringen sollte. | 

Die Quellung von =; -НС-Сејабйпе in Wasser war nach 3, 
nach 16 und nach 25 Stunden ungefähr die gleiche, ebenso die 
Abgabe von Elektrolyten. 

Dagegen nahm die Quellung іп sl, HCl-Lösung nach 25 
Stunden etwas ab, und entsprechend nahm die Gelatine dann 
auch weniger aus der Säure an solcher auf. 

Die ?/ oo- HCl-Gelatine quoll anscheinend in den späteren 
Versuchen etwas mehr, die Neutralgelatine in Wasser weniger, 
in Säure vielleicht etwas mehr. 


370 R. Ehrenberg: 


Im ganzen war ein deutlicher Einfluß des Alterns in 
diesen Zeiten noch nicht zu erweisen. 

Fassen wir für die Diskussion dieser Versuche die Tat- 
sachen noch einmal zusammen: 

1. Die Wirkungsreihe der Elektrolyte bei der Gelatine- 
quellung ist abhängig von den Konzentrationsbereichen. 

2. Mit der Gelatine aufgelöste Salze, Säuren oder Basen 
wirken im selben Sinne, wie wenn sie in der Außenlösung 
wären, sie diffundieren dabei hinaus. 

Für den Einfluß des „Gefälles“: 

1. Gelatine, die in Säure oder Base gequollen ist, quillt 
danach in reinem Wasser bedeutend verstärkt weiter. 

2. ®/,„-НС1-Се!айпе quillt in Wasser etwas mehr als Neu- 
tralgelatine, al, HOL Gelatine bedeutend mehr. 

Bei 1. und 2. gehen entsprechend verschieden große Men- 
gen von Säure und Base in das Wasser. 

3. al, cHOL- Gelatine quillt in al, HCl mehr als in ®/, „HCl. 

2/ 00-HClI-Gelatine quillt in al, HO mehr als in ®/,„-НС]. 

n| o-HCl-Gelatine quillt in ®/ „HCl weniger als in Wasser. 

n/ o HCl-Gelatine quillt in al, HO weniger als Neutral- 
gelatine und als ?/ „-HCl-Gelatine. | 

4. Natriumsulfatgelatine quillt im allgemeinen in der schwä- 
cher konzentrierten Lösung dieses Salzes mehr als in der gleich 
oder der höher konzentrierten. 

Nicht im gleichen Sinne des Gefälles deutbar: 

1. ?/ oo HCl-Gelatine quilt in Si, HU) meist etwas stärker 
als Neutralgelatine, gelegentlich allerdings auch schwächer. 

2. Kochsalzgelatine quillt — abgesehen von dem Fall sehr 
viel größerer Konzentration in der Außenlösung — in gleich 
konzentrierter Kochsalzlösung stärker als in der nächstschwä- 
cheren und der nächststärkeren. 

Bei der Besprechung dieser Ergebnisse will ich mich kurz 
fassen, weil der Versuch einer detaillierteren Theorie doch ver- 
früht wäre. 

Ich glaube, man wird mehrere gleichzeitig verlaufende 
Vorgänge annehmen müssen, von denen je nach den Ver- 
suchsbedingungen bald der eine, bald der andre überwiegt. 

Daß eine Erklärung nach einfachen osmotischen Prinzipien, 
d. h. die Annahme einer osmotischen Zelle, nicht ausreicht, 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 371 


wurde schon oben dargelegt und ist evident; immerhin ist ein 
„Teilvorgang“ rein osmotischer Natur nicht ausgeschlossen. 
Während z. B. das starke Weiterquellen der säuregequollenen 
Gelatine in Wasser nicht so einfach verständlich ist, könnte das 
Ausbleiben weiterer Quellung in der 2. Säureperiode mit Ein- 
diffusion der Säuremoleküle rein osmotisch sein. 

Wenn man die in der 2. Gruppe zusammengefaßten Vor- 
gänge betrachtet, wird man aber doch genötigt, das Gelatine- 
stück hierbei als ein System zu betrachten, d. h. von der Vor- 
stellung einer Wirkung zwischen Gelatineteilchen und Elektro- 
lytteilchen zu der einer Abhängigkeit der Gelatine als Ganzem 
von der Elektrolytwanderung überzugehen. 

Es lag nun nahe, an einen elektrischen Vorgang zu 
denken, und ich habe in einer großen Zahl von Versuchen, zu 
denen das oben Mitgeteilte nur die Basis bilden sollte, danach 
gefahndet. Ich benutzte als Arbeitshypothese die Vorstellung, 
daß es sich bei der Wasserbewegung um einen elektro-endos- 
motischen Prozeß handele, ich faßte danach das Galetinestück 
als einen von einer polarisierbaren Membran umgebenen Raum 
auf und dachte mir, daß die erforderliche — im elektro-endos- 
motischen Systeme außen angelegte — elektromotorische Kraft 
durch Diffusionspotentialdifferenzen oder Membranpotentialdiffe- 
renzen an der Grenze Gelatine-Wasser geliefert würde. Girard 
hat in seinen Versuchen gezeigt, daß die Gelatine tatsächlich 
die Rolle des Capillarbündels der klassischen Elektro-endosmose 
übernehmen kann, leider fand ich aber über spezifische Ände- 
rungen der Ionenbeweglichkeiten in Gelatine gegen Wasser kein 
Material vor. 

Ich untersuchte in vielen Versuchen mit der Poggen- 
dorffschen Methode die Potentialdifferenzen zwischen Gelatine 
und den verschiedenen Lösungen; dabei verwandte ich ver- 
schiedene Elektroden, einmal schmolz ich Platinelektroden in 
die Gelatine ein, dann legte ich Kalomelelektroden an Gelatine 
und Lösung an, in anderen Fällen schaltete ich die Gelatine 
als Ganzes zwischen die verschiedenen Flüssigkeiten ein und 
maß so deren Potentialdifferenz, um zu sehen, ob das Kon- 
zentrationspotential sich durch die Gelatinezwischenschaltung 
geändert hätte. Das war auch der Fall, und auch bei anderer 
Anordnung fand ich Potentialsprünge, aber die waren so klein 


372 В. Ehrenberg: 


und unregelmäßig; wahrscheinlich hatte ich auch noch durch 
die Versuchsanordnung bedingte Polarisationsstellen darin, jeden- 
falls ist das Material noch nicht zur Mitteilung geeignet. 

Umgekehrt legte ich auch außen Potentialdifferenzen an, 
nachdem ich die Leitfähigkeit der Gelatine durch Bereitung in 
entsprechenden Salzlösungen erhöht hatte; bei schwächeren 
Stromquellen sah ich keine eindeutige Wirkung, bei starken trat 
Elektrolyse und Auflösung der Gelatine ein. 

Ich nahm an, daß bei den schwächeren Strömen (Poten- 
tialdifferenz bis zu 40 Volt) sogleich durch Polarisation der 
Effekt verhindert werde (ich konnte auch im Amperemeter 
keinen Strom nachweisen) und schaltete deshalb eine ziemlich 
langsame Unterbrechung ein: alles ohne Erfolg. 


Tabelle 1. 
10°/, Gelatineblöcke in Aqu. dest. 


































Е sel oE 2 9 g 5% 

Sep 23 Во Sé? Зое BC zf 
EICH Доре Sa EF Së) ЕЁ 
d béi kA © j ZS Sr E ó ei © 
БЕД ож свн se» S Bé БЕЙ | u 
=ВА| |28 Ze СИЕ 
8 g чей 8 g ч 












— — — — 



















































































































O | 0 10,0302|0,605 1. 8,78 g 7. 10,80 g 
3 | 9 0,0325 in 25 ccm Ringe in 25 ccm Саі, 
18,5 [11,10,03290,524 0,0923 "ou 265 in H,O 0,326 in H,O 
0 10 |0,0302l0,561 2. 12,22 Reaktion am 
8 6,9 in 25 ccm Vo Schluß wie bei 6, 
13,5 | 4,9|0,02910,458 0.0843 "o, 369 in H,O nr — 
SCHWAC . REg. 
0 |0 [0,030210,527 3. 11,25 g Roela an S 
3 166 in 25 cem KCl 1 Tr. sl Kaf 
13,5 | 9,00,0282|0,433|0,0834| 0,339 in H,O gegen 
0 |0 [0,0302!0,496 4. 10,818 2 Tr. %/, HCI 
3 | 7,3 іп 25 ccm Na,SO, 
13,5 |11,9/0,0334!0,444!0,0403| 0,326 in H,O || 0 | 0 |0,0802|0,77 8. 10,90 di 
| 3 | 6,1 OI in 75 ccm Ca 
Art men E а — [05880230 | +10 ecm Ur 
(2) | 0,329 in 
13,5 | 5,8/0,0306!0,685|0,128 0, 269 g in H,O Bonn 
о |0 0,03020,702 6. 8,728 Schluß в. bei 7. 
3 | 7,2 in 15 ccm Ur 
13,5 Web 0,0307'0,590'0,128 [+ De о | о |оозоә| 0 9. 855 8 
Reaktion am Ende 3 8,8 Kee in 25 ccm 
| geg.Ronols, neutral-—|| 13,5 | 2,310,0267/0,02110,0245ј Ааа. dest. 
| | alk. 1 Tr. n/,..Na — 0,258 in H,O 


2 Tr. n/i HC 





Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 373 


Ich schließe nun aus diesen Versuchen aber nicht auf eine 
Unfruchtbarkeit der elektrischen Hypothese, sondern werde die 
Versuche mit variierter Methodik fortsetzen; Zweck der vor- 
liegenden Mitteilung war, der Übertragung der Tatsachen der 
Gelatinequellung auf biologische Prozesse neues Material zu 
liefern. Es sei beispielsweise darauf hingewiesen, daß die 
Quellungstheorie der Muskelkontraktion sich die Frage vorzu- 
legen hat, ob sie nicht besser mit der Vorstellung arbeitet, daß 
die Quellung durch Säureaustritt statt -eintritt an der quel- 
lenden Faser bedingt sei; sie käme dabei mit der Annahme 
nur einer Richtung der Säurewanderung aus. 


Tabelle II. 
10°/, Gelatineblöcke in Aqu. dest. 


| 













































































































a КЕКЕ" g salos "Te cuy 
1342 EIER Zeg A8 zëel fe) Bäi 
PERHERE EREECHEN 
SE SE SER | um SÉ 58 ‚ка| ым "о 
28512“ 25" g =#Д| Eé |55 |55 
\ BN _ 6 ч ғ ‹/ 8 ч a3 = en 
nn en 2 == 
о |0 10,0280) 0 0 Н 7. 7,54 g in 
1540”) 2,5 1540’ N 25 com CaCl, 
16% | 7.810,022410,021/— 0,0315] Aqu. dest. 
To 0, 0280 0,678 8. 7,10 g in 
о | 0 |0,0280.0,003 1240| 6,3 25 осш CaCl, 
16.5 119310,01760,024— о,0381 17% 11,40,02920,563| 0,162 rien" BD 
| са. 9,5 com = 
0,04 d -NaOH 
| D 10 
1235 2; [0,028010,527 0 [о [0,02800,794 9. 5,92 g in 
16,5% 12,7|0,0258/0,455|+ 0,0916 12407) 5,7 25 com Urea 
175 | 2'310,0266'0,713| 0,1368 
о [о |o,o280l0,517 In 0 0, 028010,763 10. 6,56 
140’ 6,7 40’ 25 com Urea 
16,55 | 8,9 0,0250[0,442'+ 0,0932] 1 cem "/,,-НСІ || 17° оў Уо, 0199:0,683! 0,122 | + 1 com HCI 
| o [о [0,028010,418 11. 6,00 g in 
Ee 505 25 vom NESO 1540] 7,8 b 25 com NaCNS 
4 b 
16,5» [17,4 \0,0296|0 а 0,0750 17% 118,810,023010,895| 0,0299 1. en ok saner) 
| 1 9 
о | o [0,0280/0,506 ae pre en 
1885' 5,6 25 com Na SOJ] 17һ | 8,010,024910,391| 0,0278 |+1 сош"/,,-НСІ 


24 


16,5®| 7,2/0,0318/0,430; 0,1002]++1ссш^/,„-НОС! 





ee 10 ccm = 
| 10 com = 0,09 Si, NaOH 
0,11 %/,,-№а | | Hydrolyse! 


374 R. Ehrenberg: 


Tabelle III. 


— — — — —— — — — — — — — EE EE м — 









Anordnung Anordnung 


— 


5,92 g 185 304 47,8 | ‚Außenschicht 8,63 g 186 201 46,9 | Außenschicht 
20°/,ige Gelatine — 200/ ige Gelatine re 


in 25 ccm h , Innenschicht in 25 ccm 29 00° 11 8 Innenschicht 
0,1 n-Na,SO, 29 00 13,0 in 1g feuchtes 0,1 n-NaCl in 18 feuchtes 
0,1408 g trocknes 0,1255 g trocknes 


e A ee 
5,50 g 18° 304 48,9 209 ige Gelatine Se 


20°/,ige Gelatine |298 00°) 12,9 in 25 ccm Quellung. 
in 25 ccm 14400 118 0,2 n-NaCl Joo 007 12,8| їп 0.4697 g 


Trocken-Subst. 
0,2 n-Na,SO, 445 00 15,2 | 0,0464 g Asche, 







5,45 д 185 30’ 
20°) ige Gelatine 29% 00’ 
in 25 ccm 44% 00’ 


0, 0422 g Asche 





0,4 n-Na,SO, 
in 25 ccm 
0,4 n-NaCl 
5,28 g 18° 30'— 9,8 4,94 һ on 
А 2 7 g 18° 304 46,1 
20 Чо ae 29 00'|— 1,0 Den 20°],ige Gelatine E dé 18,0 
44% 00+ 8,8 in 25 ccm ‚ 
н a М / 0, 6 n-N аС1 
— e 00.21, 5 кыо Fre, 
0,6 n-NaCl 17% 00° 14,0 0,4 n-Na,SO, |172 004 3,8 
24 007 11 9 24 00'|— 5,9 


Tabelle IV. 
Arabische Ziffern = NaCl-Gelatine. 20°/,ige Gelatine in 0,15 n-NaCl. 
Römische Ziffern — Dextrose-Gelatine. 20°/,ige Gelatine in 0,2 n-Dextrose. 










Spezifische 
Leitfähigkeit 


Anordnung 












. 6,20 g 
NaCl-Gel. іп 25 ccm 
H,O 











I. 4,92 g 
Dextr.-Gel. in 25 ccm 
H,O 








2 






2. 5,89 g 
NaCl-Gel. in 25ocm | 455 |+ 52 0,460 0,0085 
0,1 n-NaCl 











II. 5,14 g 
Dextr. Gel, in25ccemi 45% d 50,5 


Йй 0065 | Zuoker + 
0,1n-NaCl K 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 375 


Tabelle IV (Fortsetzung). 










Spezifische 


Leitfähigkeit | Varia 















3, 492g | 
NaCl-Gel.in25ccm | 45% |+ 72 0,585 . 10,0182 
0,1 n-BaCl, | 
III. 5,44 g 
Dextr.-Gel.in?25ccm| 45° |+ 62,5 0,560 Zucker + 
0,1 n-BaCl, 
4. 6,45 g 
NaCl-Gel. in 05 ccm | 455 + 45 o 480 o ‚0082 
0,1 n-NaNO, 
IV. 5,52 g 
Dextr.-Gel.in25ccm| 458 |+ 53,5 0,450 0,0061 
0,1n-NaNO, | 
5. 4,94 р | 
NaCl-Gel. in 25 сеш | 45° |+ 97,5] 0,451 | 0,556 | 0,0124!0,0140 
0,1 п-К,80, 











5,23 g 
se ‘Gel. in 25 оош 45b А 50 [0,451 | 0,518 10, nu 0,0115 | Zucker + 
0,1 KSO, 
6. 5,80 g 
NaCl-Gel. in 95 сот | 45° |+ 83,5 0,555 
0,1 п-№а,-80, 
VI. 5,42 g 
Dextr.-Gel.i ш > ccm] 45b u 45 0,504 0,0094 
0,1 Na,SO 
NaCl- G in mE ccm | 458 |4100 [0,490 | 0,601 10, Er K 0124 
0,1n-K,CO, 
УП. 3,80 g 
Dextr. ке in25oom 455 1+107 10,490 | 0,575 1 0,011910,0110 
NaCl- SCH A G ccm | 45% |+ 63 | 0,025 | 0,160 [0,00260,0035 
See H 


ҮШ. 3,42 g 
Dextr.-Gel. in25 сеш] 45% ны 0,025 | 0,090 10, ES | ‚0012 
un 
NaCl- Пе: ОЕ ccm | 45° |+ 33 0,000 10,0020 
0,3 n-Dextrose 


ІХ. 3,58 g 
Dextr.-Gel. in 25 com 45° Lt 36,6 0,756 | 0,000 10,0006 
0,3 n-Dextrose 



































376 R. Ehrenberg: 


Tabelle V. 








Anordnung Anordnung 
3,88 g 4,59 g 4 30| 15,7 
10°/,ige Gelatine | 1% 00’) 12,1 10°/,ige Gelatine 172 50| 18,1 
in 25 ccm 1° 15 54 in 25 ccm 7 25) 7,5 
a/o- HCI 1230| 5,4 NaCl + Urea, |16 35) 10,6 |2 лв дє 
145 00" 32,2 Lösung ist für Bug 
in 25 ост H,O | 1% 45| 32,5 0,15 n-NaCl, 
ze ал. 6 0071 438 für Urea 2,59/,, 
A = 1,327 
4,15 в 48 107+ 80,9 | > ein wenig ab- 






10°/,іве Gelatine | 5 007, 948] GrPröckelt 


4 Std. in 25 ccm| ть 15/|_ 5,1 


Saa НС, 1* 20... 5,3 


8,80 g 18 
10° ‚ige Gelatine 17° 20 23, 
in 25 ccm 7 25 6 
11 


dann in 25 ccm |145 304. 55 0.15 n-Na,SO sauer 
0,15 n-Na,SO, | 7 15/4 5,1 —— 
3,16 4b 90714 13,3 3,15 e 
10°/,ige Gelatine 10°/,ige Gelatine [16% 45’ 
in 25 ccm 7 30’ 
0,15 n-NaCl коше к 1), n-NaCl 16’ 30’ reag. sauer 





a/o- N8 











3,69 g 5ь 00'|+ 20,3 

10° igo Gelatine 17° 204 23,9 
in 25 com 72 25 7,0 
0,11 n-Na,SO, |16° 35) 11,4 


5a 304 22,7 


3,80 g 
10°/,ige Gelatine [17° 00° 27,3 
in 25 ccm 7a 15’ 6,7 
0,2 n-NaCNS }16% 307 14,2 | sauer 


sauer, 10 ccm 
= 0,12 ao- Na 





4,00 g 
10°/,іре бене аЛ oza ооо Acker d 99 Eh 95 
4 Std. in 25 ccm Je 10е нде Gelatine 172 00” 
НО аат но |1710 
ann 25 ccm Осст=0,10 Sien 
? "wi der 1 SC 
H,O п. 18 Std. | 
5а 80/+ 20,7 
4,52 g 100 / FH — 17% 10 б 29,0 
109[,ige Gelatine | тк 10/— 4,6 | тешен ap, | im 012m [тоу 76 
Be rt [мушкш һе ты 
1007 р a 
dann in 25 ccm 148 30 — 2,9 in neutral. Verh. 
"io NaOH | myvi 1,5 (Michaelis) 
165 404 6,0 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 


Tabelle VL 


377 








3,85 g 50°/,ige 
Gelatinein25com 
в/\»- HCl, in der 
achon Gelatine 

4 Stunden 
gequollen hat 


4,71 в 
50 °/,ige Gelatine 
in 25 ccm H,O 


DEE ж же ET ла о жа ж тсз з лез 


8,56 g 
50 lo ige Gelatine 
in 25 cem 
0,15 n-Na,S0, 


Burn бл езж TG TT соб» 


v» ++ жж а, жс жал» в» зз» в тез EEN 


frisch H,Ö 


4,05 g 
50°/,ige Gelatine 
in 25 ccm 
0,15 n-NaCl 


DEET EE ET TTT 


DEET 244 


in frisch H,O 
3,27 g 50°/,ige 


Gelatine і. 25 ccm 
eho HO — 


DT re ee ren ee 


3,60 g 50° ige 
Gelatine i i.25 ccm 


16° 00’ 

7a 25 
16% 30’ 
24% 15 
248 15’ 
488 00’ 


DEET 


16° 30’ 
24: 00’ 


DEET 


16% 30’ 


24a 00 


gaer 


16° 00” 
7a 20’ 


165 00’ 
72 20’ 


De E 


оозе, зз, зә» 


frisch МаОН 


— 


tauchte nicht 
mehr ganz ein 


Biochemische Zeitschrift Band 53. 












Varia 
s8 5b 10 
Бове Gelatine |18% 00’ 
in 25 ed 24h 00/ — 
1, n-Na,S 24» 00’ Beginn ‹ 
48% 00' größerer Kon- 
glomerate. 
(6) > 
— 
nicht ganz ein. 





3,89 g 50°/ 1де 
Gelatinei. 25ccm 





Маон ү р 


“зз о б» жес ова rennen ооо е 


іп 25 ccm 
0,15 п-КС1 


DD ООС ЕО ТЕГЕ 


zurück in alte | 7% 00° 


"wieder in in BO 17 00 991 


3,15 g 6° 00 2 
50%/,ige Gelatine 172 807 3 


6% 30’ 
17° 00° 
24% 00’ 


-M „у, еу» уа, TEE EE 


48» 00’ 


26 


378 R. Ehrenberg: 


Tabelle VII. 















Säuregelatine, 
Gelatineblock, 
10 g Gelatine auf 
100 ccm d" 165 10 
24° 00| 8,2| 0,021 






in 25 ccm H,O 


Basengelatine, 
10 g Gelatine 
auf 100 ccm 


5,1 
in 25 cem H,O |> 


4,46 р Säure- 
gelatine in 

25 сет °/,„-НС1 | 48 10/|38, 

Dh 10’ 49, 


10 ccm 
—1,03®/,, NaOH 


fr 


0,096 | 0,052 5 сет Viel gelöst und zer- 
— 0,14 = J1o-Na bröckelt. 


10 ccm 
= 1,08% /,,-МаОН 









4,69 р Basen- 
gelatine іп 
25 ccm nl, HCl 












о4ъ 00178 0,095 10 com 


— 0,21 */„„-Ма 


4,83 р Neutral-| 0 0 | 0,030 | 0,050 10 сет 
gelatine in 88 20/|71,2 == 1,08 */,,-М№а 
25 com */,„-НС1| 3° 50725,5 
17° 0041,4 
24% 80'|11,8 0,146 | 0,099 5 сет 
| = 0,15 °/,,-М№а 





Zerbrochen, etwas ver- 
loren. 











4,52 g 0,031 | 0,030 10 com | Flüssigkeit sofort röt- 
Säuregelatine | 3° ү, 24. 6 0, 022 = 0,97 */,„-НС] ө 
(mit Rosolsäure) | 4% 107] 7,5 ü geg CU ei 
in 25 сеш |16®00]23, ‚3| 0,018 | 0,095 | 0,072 10 ccm Nach 1 Std. — 
"NaOH 124 101189 0,015 = 005 lebt) hen gob. "7 7 
"dann in H ‚0, 


Nach 24 Std. Rötung 
der Flüssigkeit viel 
geringer, Block ganz 
gelb. 


dies reagiert 
nachher schwach 


+ 
бв 40’124,5| 0,012 
alkalisch 






Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 379 


Tabelle VII (Fortsetzung). 







E 
© 
> 
Anordnung k- Titration 
Е 
nn d 
5,15 g о | о 0,031 | 0,030 10 ccm Flüssigkeit sofort ge- 
Basengelatine | 3% 15/|32,8 es MT SLL) То» ‚SEE VER 
(mit Rosolsäure) | 4% 00711,2 "е рима ее 
іп 25 ccm 165 45128,2 
"aer NaOH 124 00”|19,0 0,015 | 0,090 | 0,058 10 eem Flüssigkeit bleibt 
== 0,11 */,,-НСІ stark gerötet, Block 
? 10 innen hell, außen 
| (Kanten) stark rot. 
5,20 g 0 | о | 0,030 | 0,030 10 com 
Neutralgelatine | 3® 20725,9 == 0,97 3/ -HCI 
in 25 ccm 3° 507] 7,1 
a/o- NaOH [17® 00721,0 


24% 30'| 18,8 0,069 | 0,038 10 eem 
| == 0,04 */,,-НСЇ 


4,54 g 0 0 | 0,031 | 0,560 
Säuregelatine | 3° 10711,4 0,028 
in 25 ccm Ah 00’ 6,4 | 
0,15 n-NaCl [16% 15’[16,1| 0,025 
24% 10]18,9| 0,024 | 0,575 | 0,017 











4,20 g 
Basengelatine 
in 25 ccm 
0,15 n-NaCl 
4,80 g 0 0 | 0,030 | 0,560 
Neutralgelatine | 3° 25| 12,9| 0,029 
in 25 ccm 38 457] 9,2 | 
0,15 n-NaCl 117% 007]18,5| 0,026 
24 30/|15,0 0,024 | 0,587 | 0,028 
5,07 g 0 0 | 0,031 | 0,503 


Säuregelatine | 3° 10412,8 0,026 
in 25 ccm 4b 007] 6,3 
0,11 n-Na,SO, 116° 207117,2| 0,024 
24% 10’|16,0| 0,023 | 0,535 | 0,032 


4,36 g 0,503 Die Gelatineblöcke, die 


E in NaSO, gelegen 
Basengelatine haben, verringern 
in 25 сет ihr Gewicht auf der 


Mohrschen Wage 
0.515 schneller als die 
А NaCl-Blöcke. 


0,11 n-Na,SO, 





5,40 0 0 | 0,030 | 0,503 
Neutralgelatine | 3° 30113,7 | 0,034 
in 25 ccm 3b 45'| 7,0 
0,11 n-Na,SO, [17® 00719,5 0,031 
24ь 30’116,3| 0,030 | 


dann in H,O | 5 00] 4,4 | 


H,O erneuert [16° 45/7] 3,1 | 
26* 


886 - 86 6 odunsort әшәш Ysuos ‘“Zunsojout 19219/,'/, шоо DH „Б 
u от әш 38 о[әш%[әр) t jo li ОТ 199 HO®N ЮН 


`әзпәвәлп® ләр (og (вМ-°'/„ 2) == Zunsoppungepor) 0ә819/,°/; "вә ләшә шәә (]) 
Sau шә 2931, чәр }чцәїцәвләл NONFISSEN] y Upu NZ ләшә NZ дипво[әшұв[әұ) ләшә 29807, 


HO®N- In ОН'[« 














| 'Р38 I og | 
| wm Gg + 
| (сє'в1—601) | чәосрш (00°1 = wə 01) | (0103—01) | Wo0 cz ш 
OH, DH II, um с PAS L { "огу с 'PISZ 
00° == шоо 01 | 00:0 =W 01|  +8LI 3 out 05 0 = шоо O'T | 070 = woo O'I 8/81 3 1071 
шоо 95 en 
2 | i / пияр ‘W CZ 
S ? (30 = 90 01) | (gr ST <— 0'1) а (180 = шоо 00) | (8685 +——01°1) | ч pg say 
E IOH-" I OH u sw, {| ew, mm ST 'PIS < 
Ё с\т = шоо GL | 6[°0= шоо с“, 9181 yı=wo, | 1910 = «00 } 89% 3011 
e шоо с, пәўвлә 
= (171—660) (gg‘0z +— 660) [чәр nz шәә gg 
DOT, IOH-""/u шоо cz ш doit BN- "u 'PIS I YN 
00‘ == un (I | 810 == Un QI ПРІ Ppas 3 3 6:0 || 00 = шоо 01 | 80 = w (I L993 'PIS с 3 e60 
(LEZI—OLT) | (ep0 = шоо 0р), (1991—01) шоо $6 
OTI, ЮН-""/% шоо cz ш uN-"/u BN-"/u ш Junone 
00% = шоо (I | 250 == Wd (I #201 PIS I Z Orar || ZI=Uung | 150 == шоо 9 2991 |035 ı 301 
ont d 1931], 7 
199813791094 I, ксы, рвлЗвЗипәпбу 192 1әҶ213әлоәҷу, чоне, | рвлЯвЗипүәпбу "92 
HO®N-"/u ш OH /. ш 
SS пәшшопәЭвпвдләч пәзә иәпәрәгцәѕләд цо®п otgioäetopugt IUII, 
со ee 








ТПА Oqe L 


Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 381 


Tabelle IX. 


10°/,igd Gelatine in je 25 cem sl HCl verschieden lange Zeit. 
10 eem sl, HCl = 1,03 °/,,-МаОН. 














Titration be- 
rechnet auf 
10 g u. 25 ccm 





Zeit С h 
ewichts- zunahme Titration 


und 
Gewicht 
























1 Std. 1,97 23,1 10 com = 0,51 °/,,-М№ә | 10 ост = 0,43 
8,52 g | 
2 Std. 2,79 35,8 10 ccm ==0,87*/,„-Ма | 10 ccm = 0,29 
7,80 g 2. Titration 
(5 ccm = 0,20 2/,,-№а) 

4 Std 3,17 37,4 10 ccm = 0,19*/,„-Ма | 10 com = 0,16 
8,49 g (5 ccm = 0,09 elo №) 
6 Std. 8,98 50,4 10 com = 0,17 */,„-Ма | 10 com = 0,18 
7,89 g (5 сот = 0,07 °/,,-№а) 

161), Std. 4,55 59,1 10 com = 0,14 з /,,-№Ма | 10 eem = 0,11 
7,70 g (eem = 0,07 */,„-Ма) 





Tabelle X. 
Gelatine A == 20°/, Gelatine in sl HO) Gelatine C — 20°/, Gelatine in ма 


n В = 20°/, » » ®/,-NaCl n р = 20°, n n 





















— Spezifische без | Spezifische 
е- | Leitfähigkeit e- | Leitfähigkeit 
Anordnung map | bie EE 
lo 

4,25 g 8» 40/|+ 35,0 2,58 g 8% 40/|+ 74,0 
A іа H,O [16° 00/5 34,4|0,000 oam Bin H,O [165 001+ 54,0 [0,000 (0,0113 
ern I Пы 

C in H,O |165 00714 88,0 | 0,000 |0,0036 

4,61 g ; i 
A in 25 cem | 8% 40'|+103,5 | 0,02550,0225 || B in 25 com | 8% 40/|+ 89,2 | 0,02550,0382 
һенс II IT `, "шын le cal en 

4,95 g 275g | I 7 


C in 25 ccm | 8° 40’|4-122,0 | 0,0255|0,0310 1 D in 25 com | & 40 +199,0 | 0,0255|0,0335 


a/o- НСІ sl. НО 
4,39 g — 2,17 g 





































Мый" emp eso оогоо В ра fer oof 

сш Sem = zk 7 — D Б 16 00 0,0905 
‚8 А 

^а 25 баш t ool 35 ` 0,0069 0,0159 вш бев e 0252 
GE МЫНЫ имана ШЕ ЖЕ НЫЗЫ Мамы мнне 

сий 23 em 16 KOR 304 EN D, in 25 eem he Ин 338 oonsol.1oo 











382 


R. Ehrenberg: 


Gelatine A — 20°/, Gelatine іп 0,1 n-NaCl Gelatine Р = 20°/, Gelatine іп 0,1 n-Na,SO, 
н sn 0,2 я 

n n 0,4 n 

* n 0,6 n 

N = Stickstoff in den Lösungen nachher (Kjeldahl). 


„ В — 20%, 
н С 205, 
„ Р“ = 20%, 








6,05 g 18% 


Tabelle XI. 
n n 0,2 ” ” Q == 20°/, 
n n 0,4 я n R = 20°), 
"06 e „ 8 = 209, 





+ 24,0 10,000 6,50 g 


Р in 25 com 







cessos essessosses -o —. ...--. Mer rer ee er ee er 






































15% 
26% 


54 3) 








+ 54,5 
+ 23,2 


+157 
+ 15, 
ы 


0,0049| in 
5 ccm 
0,0067 04 093 Е 


+184 10,0080 — 
+ 13,5 5 ос 
+ 18,8 0,0112 0,048 g 


+ 25,4 |0,0049 


+ 14,2 
— 11,2 (0,0075 


+ 15,9 [0,0080 
+ 26,6 
0,0116 |. 


0,0156 
+ 81,4 
— 1,9 0,0180 | 


+ 34,8 [0,0080 | 
+ 14,0 
+ 13,7 0, 0137 














ә 





+ 30,9 
+ 13,9 
+ 12,9 


0,0156 
0,0204 


in 
5 ccm 
0,044 с 








ILL N ernennen er ee anne. 







А in 25 ccm 
О 
6, 89 g 18% 
А іп 25 ccm | 26% 
Ginet) | 54%) 
6,88 в 185 
A in 25 ccm 26h 
0,2 n-NaCl 54а 
6,17 g 18% 
В in 25 com 26b 
0,1 n-NaCl 545 
— — SS 
B in 25 com 26% 
0, 2 п-МаСі 548 
6,42 g 188 
В іп 25 ccm 26% 
0,4 п-МаС] 543 
6,44 g 183 
С in 25 сот 26% 
H 2 n-NaCl 54a 
6, 87 g 18% 
С in 25 ccm 26% 
0,4 n-NaCl 54b 
5,80 g 


0,4 n-NaCl 













+ 28,9 10,0065 in 6,68 g 
ec 5 ccm Р in 25 ccm 
— 0,5 10, 0093 0, 059 g 0, 1 п-Ма,8О, 
+18,80,0123| in 6,43 g 
+ 11,2 5 ccm P in 25 ccm 
+ 2,3 10,0146 |0, 043 || 0,2 п-№а,80, 
+ 35,4 [0,0065 | in 6,67 g 
+ 145 Beem || Q іп 25 com 
+ 9,2 0,0106 |0, 050 || 0, 1 n-Na,SO, 
+ 38,9 |0,0123] 6,33 g ‚ 15, 
+ 13,9 Q in 25 ccm 
+ 9,2 0,0158 0, 2 n-Na,S0, 
+ 36,4 |0, 0299 | 6 ‚36 g 
+ 20,0 Q in 25 ccm 
+ 12,5 |0,0261 0,4 n-Na,SO, 
+ 35,0 10,0123 6,95 g 
+ 12,0 R in 25 ccm 
+ 72 10,0200 0,2 о-№,80, 
+ 43,5 [0,0222 | in 6,82 g 
+ 22,3 50 R in 25 ccm 
+ 14,5 10,0276 |0, 060; Eu 0,4 п-М№а,80, 
40,8 10,0825 | in 6,97 g 
6 5 соп H R in 25 ccm 
0,044 el 0,6 n-Na,SO, 


+ 27,4 10,0214 in 
+ 11,8 5 com 
+ 14,2 |0,0265 0,046 g 


+ 23,0 |0,0156 


+17,6 
+ 16,4 0,0215 











DE Ze ze zer ze u ar rar zer зз» з u ze ne ee a жк өе НЭ сэ жеө э, ч э ө жое жузу ee с с жө ы ө ә + + э за өя Er жс боз ез уа я + МЕС О жо ж э бз э за жез жуаз б + бз өз жже EE EE ET е,» n 


6.77 g 
D in 25 com 
0,6 n-NaCl 


6,68 g 
D in 25 com 
0,6 n-Na,SO, 


1) Weich. 














6,42 g 
S in 25 ccm 
0,4 n-Na,S0, 
+ 2 — 6,58 g 
+ 17,8 S in 25 ccm 
+ 16,6 10,0445 0,6 n-Na,SO, 
6,42 g 
+ ag р S іп 25 ccm 
+ 11,5 |0,0302 | 0,6 n-NaCl 





з) Etwas gebröckelt. 


+ 23,4 0,0214 
+ 16,4 


+ 12,5 0,0295 


+ 33,5 [0,0325 
+ 13,4 
+ 19,8 ‚0,0425 











Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 


Tabelle XII. 
80°/, Gelatine in 0,1 n-NaNO,. 


383 





in 25 com e М Na-Tartrat 762 0,0128 
Te ги fee 
in 25 — së E + 88,5 0,808 0,0027 

in 25 оош 85 0, Urea | 29 [+45 | 1,090 0,0035 


Tabelle XIII. 
Gelatine A = 20°/, Gel. in Ss BOL 
n В 209%, n 


» ®/,-МаС] n 


Gelatine С == 20°/„ Gel. in */,„-МаС1 
D = 20°/„ » 


„ H,O. 

















ai ol 28,2 [0,0044 0,0018 || B бшш 
ei Al 96:5 [0,0044 [0,0029 E 
| DK St 28.7 [0,0885 0,0810|| В ës 
МА т + E ah ),0835 зз вз рп Be 
oi ovl 290 [0.0106 0,0106} B Les 
E P . — 107 кайа» 
ka ash Н 35 ck 0,0106 воо 0180|| р E on |; 
3,68 g 


m 40/14 21,3 
22a golt, 13,9 [00000 (0,0014 





оооооооофое ` ve 


m 40| 46,0 
озь oyla 18.1 100044 [0,0145 


Ver N с» езе ж е ез EE б» EEE TEL Sera ern rem EE TEE VN е з +з зезетет» ез зс вс «з »зззе®е ее өз зө»о узу. -a 


Т» 45’ — 


T 40’14+ 47,0 0,0885 


23» 00+ 27,5 0,090 








22» 00’ 


7а 40+ 34,0 l0 0108 


28» 0014 22,8 | 0,0231 





оь 004.194 


Т> 45'{+ 26,4 


23a ООН. 23,0 | 0,0000] 0,0158 


DEZENT LEET TTT 1 nor or er «+. er ET V — 


7% 45'[+ 15,5 
222 00 14,4 





d 0,0011 


384 R. Ehrenberg: 
Tabelle XIV. 














Spezifische 
Leitfähigkeit 







4,33 g 
20°/, H,O-Gelatine 10 ccm = 7,2 eem 
in 25 cem ®/, „HCl a/o NaOH 


TTT TT LT EEE ET TTT TTT TTT REECH TTT CEET ECG EC TELE 











a/o NaOH 


BET CEET LTE ELLE ELLE CLLK 


їп — 0,039 |0,0310 | 10 com = 7,7 ccm 
10 a/o- NaOH 






4,52 g 10 ccm — 7,38 ccm 


H,O-Gelatine in A 
25 ccm sl, „HCl 0,039 10,0290 1 NaOH 


in erneuten 25 сеш | an am lues Ia neg Ja neen) An a ara me | 
о CHCI 0,039 (0,0380 









10 ccm = 9,69 ccm 
a/o NaOH 










9,978 


H,O-Gelatine in 10 cem = 0,25 ccm 


25 cem „нї | | | ata aaa RE ое A 
dann in 25 оош H,O | 13° 00’ | + 36,0 0,0009 | 10 ccm = 0,05 ccm 
a/o- NaO 


en ee 
0,004 10,0013 
a HO 004 o 


5,07 g u 
H,O-Gelatine in 10 an ccm 
25 ccm "/„-НС] 10 


у ar I ЖОЛ ЕТИН. WE E WEE 
sl. HO 0,004 ooois 


5,02 g 
H,O-Gelatine in 
25 com nl, Na) 


ir en 


in 25 com H,O | 13% 00 


4,57 р 
H,O-Gelatine in 
25 com sl, Na 0,084 10,0780 


DT LTE ET EEE LE EEE KEELT EEE EEE ET ET ne 


in 25 com H,O 10,0170 


2,49 g 
H,O-Gelatine in 
25 com */,-МаС1 


sr оеоовевовесоооаоов оосо ов еовававоваво о gege ооо ео овооевеоооо er is ES EIERE ERR зезозәФ»э®Фә»зэзФФэез ет RE RER ege Ee  өозойозооәзвзазевззөзэазеззззо» з, ефе -o 


in 25 ccm H,O 0,0014 


2,83 р 
H,O-Gelatine in 
25 ccm 2 /,,-М№аСі 



































0,0103 











Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 385 


Tabelle XIV (Fortsetzung). 














Spezifische 


Anordnung Leitfähigkeit Titration 










2,58 g 

H,O-Gelatine in 

25 com 3,5 °/, ige 
М№а,80, 


Re DE BE an Zu zu Ze ze ZU Zu Zu Ze Ze Ze ze Zu зол» зз зая зона» «бее С ET er э зө б са зө те ажа, , э тө өе ө о ee э зе ж зө ж об а= о зб ae ze EEE EEE * 


in 25 com H,O 


2,50 g 
H,O-Gelatine in 
25 ccm 3,5 °/, ige + 14,8 10,0178/0,0180 
Na,SO, 


2,42 р 

H,O-Gelatine in 

25 ccm 7 /,ige 
Na,SO, 


in 25 ccm H,O 18° 00’ 


2,44 g 
H,O-Gelatine in 
25 ccm 7 °/,ige 
Ba 


















212 00’ 























4 
3,22 g 

H,O-Gelatine in 10 cem = 6,65 ccm 
25 ccm ?/,, NaOH Sie HCl 


—2— 











er ET ER IT ВО ОООО э ө ө өз уе зав ООО 


in 25 ccm frischer __ 
a/ „NaOH 0,0098 } 10 ош че ccm 





3,02 g 
H,O-Gelatine in 
25 ccm ?/, „NaOH 


TER LT TE EEE TEE ET IE ET TE ET ET ET nen 








in 25 ccm frischer 10 ccm = 7,5 ccm 
| selen) бопе |19 «ао 
Tabelle XV 
1 Spezifische 
Anordnung Zeit Ände- _ Titration 














1. 3,81 g 
20%) ige de? 
Gelatine 2 in 25 ccm 

"e 


— -2—2 


dann 25 ccm H,O ° 0062 | 10 ccm = 1,46 ccm 
a/ „NaOH 





1) Gelatine dieser Versuche erst seit 3 жш erstarrt. 


386 R. Ehrenberg: 


Tabelle XV (Fortsetzung). 











Spezifische 
Leitfähigkeit 


vorher|nachh. 


Anordnung Titration 











.HCHGelstine in| 2 40 
a/ o- HCI- o in = 
frische sl BO | 5 00 0,0390 0,0410 | 10 ост = 10,41 оош 
a/ „NaOH 





3. 4,00 g - 
a/ o- HCl-Gelatine in| 2 15’ 0,0040/0,0033 | 10 eem = 0,5 com 





25 com ^/,„-НС1 a/o NaOH 
dann = о осш | 17 30 | + 254,0 0,0013 | 10 eem = 0,34 cem 
2 a/o- NaOH 


4. 3,64 

дь 15° |+ 118,0 

чево Gelatine) in | ут 30° | + 176,0 | 0,0040'0,0032 | 10 com = 0,8 eem 
com ®/,-Н 2/ „NaOH 


5. 3,13 g 
d in | 20? 00° | + 329,0 | 0 ке 0,0012 | 10 ccm = 0,24 сот 
25 com H,O a/o- NaO H 
6. 3,43 g 
215 00 | + 42,5 
а | -НС:Оеівеіпе іп , 
a 1 Rat? 18 00’ | + 14,5 |0,08400,0800 
1. 2,99 g , 
212 00 | + 91,0 
wi -HCI-Gelatine i ın , 
99 сот a/ -NaCl 1800| + 9, 4 0,0108 0,0114 


8. 2,76 g 
vi НС: бев ніпе і in | 21° 00 | + 58,0 
25 ccm 3,5 %,іве | 18° 00 | + 12,8 0,0178'0,0186 
N 






















2,50, 
Tabelle XVI. 
an Spezifische 
Anordnung © | Leitfähigkeit Titration 





rung 
уогһег|паоһһ. 


3,47 g 20°/,ige 
a/ o0- HCl-Gelatine :) 
in 25 com */,„-НС1] 







5a 15 [| +89,0 
16% 30 | + 56,0 | 0,004 [0,0017 | 10 com = 0,21 ост 
OH 


1) Gelatine schon mehrere Tage erstarrt. 


Gelatinequellang in wässerigen Lösungen. 387 


Tabelle XVI (Fortsetzung). 












Gew.- | Spezifische 


Anordnung Zeit Ände- Leitfähigkeit 
rung I. 
Di, 


+ 106,0 
16° 30’ | + 89,0 | 0,039 |0,035 
— + 31,5 1 0,000 |0,0010 










2,48 д 
a/ ioo HCl-Gelatine 


in 25 com ®/, „HCl 10 ccm = 8,78 ccm 


a/o- NaOH 













3,18 g 
Hl BCL Gelatine 
in 25 com H,O 10 cem = са. 0,1 eem 


в 0-МаОН 






3,12 g 
la HCl-Gelatine +43,5 0,0106 
in 25 com ®/ ¿NaCl 





2,92 g 
Se HCI-Gelatine in | 213 30° | + 58,01 0,0178|0,0177 
25 ccm 3,5°/, NaSO, | 





Tabelle XVII. 


— — — — — — — — 


Spezifische 
Ände- | Leitfähigkeit Titration 


vorherinachh. 









— — — — — — — — 
— —— ————— nn ——— 


3,00 e 20°, 
3,59, Na,SO,-Gelat.| 35 45 | + ЕЯ 6 
in 25 com Zeil 165 00° | + 36,4 | 0,004 |0,0038 


го; Gs + 44,5 
in 25 GC Rn 


NaSO’ ы 
ы g 235 00° | +53,5 [0,0178 020 


25 ccm 3 50, Na,SO, 


3,5%, 
Na,S0,. “Gelatine + 47,5 | 0,031 [0,0335 
in 25 oom, т Na,SO, 


Na,s0 ‚Odin 23% 00° | + 48,5 | 0,0103 А 0128 
іп 25 com */,„-МаС! 





388 R. Ehrenberg: 


Tabelle ХУШ. 





Spezifische 
Anordnung і Ände- Leitfähigkeit Titration 


vorherinachh. 


2,66 g 
20%, "Gelatine 
in®/, Na angesetzt 
іп 25 ccm °/,-НО 


en nee TE Le ET een 


аш е. + 73,5 —J— EN 


3% 15' | + 37,5 
18° 00° | + 54,0 | 0,004 [0,0108 


‚*/ı-Na0l-Gelatine 8% 10° | + 27,0 
in 25 0 ccm ®/ NaCl | 18° 00 | +55, 0 


2,70 g 
ат -МаС1- Gelatine 21% 00’ | + 81,0 
in 25 ccm ?/,-NaCl | 20° 00 | + 16, 3 | 0,084 |0,088 
Хаббл 21? 00 | + 58,5 [0,01080,022 
in 25 ccm pl Nat) 


3,60 g 
n/,-NaCl-Gelatine 21» 00° | + 50,5 
іп 25 сеш 2,5°/, Urea | 20° 00’ Н 18,0 | 0,000 * 


3,48 g 
2 /.-МаС1-Сејайпе іп | 21% 00 | + 60,0 
25 ест 3,5°/, NaSO, | 18° 30 | + 12, ,4 [0,01 d 0,0275 
+ 53,0 







3 10° | +39,0 [0,004 !0,0104| 10 com = 0,44 ccm 












2,69 g 
2/ -NaCl-Gelatine 
in 25 cem ”/ o HCl 


2,70 g 















0,084 








3,32 g 
a’ -NaCl-Gelatine | 21% 00’ 
in 25 cem H,O 185 30’ 


53, 
+ 8,7 [0,000 be 





Tabelle XIX. 





Spezifische 
Leitfähigkeit 






Anordnung Titration 






vorher! nachh. 









209%, 
290%, Urea-Gelatine 
3,19 g in 25 ccm 


Bloe H 


10 eem 
= 0,18 */,„-МаОН 





Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. ` 389 


Tabelle XIX (Fortsetzung). 






Gew.- Spezifische 
Ande- | Leitfähigkeit Titration 


МА vorher] nachh. 


Lt + 35,0 } 0,000 |0,0010 
== + 38,8 10,0103. оти 


+ 43,0 |0, — 0,0180 


Anordnung 







2,5°/, Urea-Gelatine 
3,27 g in 25 com 
2,59, Urea 


2,5°/, Urea-Gelatine 
3,12 g in 25 ccm 
a/o- NaCl 


2,5°/, Urea-Gelatine 
3,17 g іп 25 ccm 
3,5%, Na,SO, 















Tabelle ХХ. 


20°/, Gelatine von ®/,o-, Blog und */„-НС] bereitet, verschieden lange Zeit 
nach der Bereitung benutzt. 





— —— —— —— — — — ———— In mn 


Spezifische 
Ände- Leitfähigkeit 






Anordnung Titration 






vorher!nachh. 




























3,69 в = 
a „HOCH -Gelatine SECH Fer an 
in 25 eem H,O 10-8 
— a u эллез E 
Le НО: Gelatine 16> 007] 9» 30’) + 140,0| 0,000 10,0016 то oo 
in 25ccm H,O 
ERE Der 2,68 g Я . — 


Si, HClI-Gelatine | 25° 30 140 00 4 163,0] 0,000 
іп 23ccm H,O 


0,0014 






































3,788 

le HCl-Gelatine | 2% 45'[13* 00| + 232,0] 0,004 [0,0034 | 500m — 032 cem 
in 25ccm °/,,у- НСІ I10-Na 
ee E E 
vi BO Gelatine [16% 007 9+ 30/1. 239,0] 0,004 kee оош 0,38 com 
А lho NaOH 
in 25сош °/,„-НС] | 

=з ann Ge E E e denen 


la CL Gelatine 25% 30| 14* 007] + 182,0| 0,004 ву „NaOH 


ір 25ccm sl, HUT 





390 R. Ehrenberg: Gelatinequellung in wässerigen Lösungen. 


Tabelle XX (Fortsetzung). 





Gew.- | Spezifische | `` 
Ände- | Leitfähigkeit 







Titration 





3,208 
2/ .0-HCI-Gelatine] 2* 45/|13° 00|4+ 21,2| 0,0000 0,0009 
іп 25 eem H,O 


. EE EEN E EE DT ET EE TTT TTT НАНО ENEE 


| 


3,27 g — 
SL oo- HCl-Gelatine 0,0010 Heem R 2 ccm 
in 25ccm H,O | ho-Na 


2,28 g 
a/ oo- HCl-Gelatine} 25° 30’ 
in 25 ccm H,O 


16% 007] 9% 30’) + 20,8 






















14» 00| 25,0, 0,0008 




















3,05 6 * 
» Le HCl-Gelatino| 2 45718» 00714 114,0] 0,004 (0,0016 |? Ton ош 
in 25 com ?/ a HO 1078 








Sg т-с бк TETERE en EE EE СЕ жс ж жж ж, ж С „жб ООЖ ӨО Э TEE TEE EE TEEN DEE EEN 


8,47 @ = 
a/o- HCl-Gelatine 5 0 = АТ + ccm 
in 25ccm ?/, НСІ 10 


Sa a ee 
a/ oo- HOI-Gelatine | 25* 30 14% 00’ 
in 25 cem ?/ o- HCI 


8,10 g 
H,O-Gelatine 


165 00| 9° 201 115,0] 0,004 0,0017 
























5 cem = 0,11 cem 
a/o -NaOH 







+ 154,0] 0,004 |0,0018 








2% 45’ 13° 001 28,6| 0,000 0,0008 





N ee EELER 


Reagiert neutral 


h £ 
16209 gegen Rosolsäure 


4,55 8 
H,O-Gelatine 9b 30’ 


іп 25 cem H,O 


3,22 g 


H,O-Gelatine + 17,2] 0,000 10,0009 
in 25 cem H,O 


H,O-Gelatine on Apr 
іп 25ccm sl, HO 


+ 185 


0,000 


0,0010 








































25% 30°] 14% 00’ 









4,43 


8 
H,O-Gelatine [16 00] 9% 30’) 77,5 














2,81 
H,O-Gelatine 
іп 25 cem sl, НС 


256 30" 14 00°|+ 139,0 

















= — 


Über die Anpassung уоп Fundulus an höhere 
Konzentrationen. 
Von 
Jacques Loeb. 
(Aus dem Rockefeller Institute for Medical Research, New York.) 
(Eingegangen am 28. Mai 1913.) 


I. 

1. Unter Anpassung versteht man bekanntlich die Tat- 
sache, daß die Änderung der Lebensbedingungen eines Or- 
ganismus dessen Struktur oder Konstitution in dem Sinne 
ändert, daB er die neuen Lebensbedingungen besser erträgt. 

Versuche über die Anpassung an höhere Temperaturen 
und an höhere Konzentrationen der umgebenden Lösungen 
haben ergeben, daß diese Anpassung nur oder besser dann 
stattfindet, wenn die Änderung der Konzentration oder der 
Temperatur allmählich erfolgt, während eine rasche Änderung 
zum Tode führt. 

Bei Versuchen, die Loeb und Wasteneys!) über die 
Anpassung von Fundulus an höhere Temperaturen jüngst ver- 
öffentlichten, machten sie die Beobachtung, daß dieser Fisch 
eine höhere Temperatur ertragen kann, wenn er in M/,-Lösung 
von NaCl + KCI + CaCl, ist, als wenn er in einer niedrigeren 
Konzentration, etwa ®/,,, ist; obwohl die Fische bei gewöhn- 
licher Temperatur beliebig lange in einer solchen Lösung leben. 
Das legte den Gedanken nahe, daß vielleicht eine Änderung der 
Permeabilität der Kiemen des Fisches bei diesen Anpassungs- 
erscheinungen im Spiele sei. Das regte uns dazu an, Versuche 

über die Anpassung derselben Fische an höhere Konzentrationen 
` anzustellen. Diese Versuche waren um so mehr von Interesse, 
als Fundulus in weiten Grenzen von der Konzentration des um- 
gebenden Mediums unabhängig ist und es deshalb von Interesse 
war, zu sehen, wie weit die Anpassung an höhere Konzentra- 
tionen bei diesem Tier getrieben werden kann. 


1) Loeb und Wasteneys, Journ. experim. Zool. 21, 543, 1912. 


392 J. Loeb: 


Eine Zusammenstellung der Literatur über die Anpassung 
von Organismen an höhere Konzentrationen findet sich in einer 
Arbeit von Derpnogchecki Dernoscheck hat unter der 
Leitung von Wo. Ostwald Versuche an Daphnien angestellt 
und ist zu dem Schluß gekommen, daß für die Tatsachen der 
Anpassung an höhere Konzentrationen eine rein osmotische 
Erklärung unzureichend ist, und daß die Erfahrungen über 
antagonistische Salzwirkungen mit zu berücksichtigen sind. Wir 
werden sehen, daß unsere Erfahrungen diesen Schluß unterstützen. 

2. Die Frage, die wir beantworten wollten, war in erster 
Linie, wie es kommt, daß die rasche Änderung einer Lebens- 
bedingung (z. B. Temperatur, Konzentration der umgebenden 
Lösung) den Tod eines Organismus herbeiführt, während eine 
langsamere Änderung derselben Lebensbedingung um denselben 
Betrag ohne Schaden ertragen wird. 

Wir untersuchten den Mechanismus der Anpassung dieser 
Fische an höhere Konzentrationen. Bei der Einfachheit der 
Versuche dürfen wir die Resultate wohl in aller Kürze mit- 
teilen. Jeder der hier mitgeteilten Versuche ist sehr oft 
wiederholt worden. 

Eine Mischung von NaCl -+ KCI Col, in dem Verhältnis 
in dem diese Salze im Seewasser enthalten sind, bezeichnen 
wir als künstliches Seewasser. Die zu den Versuchen be- 
nutzten Fische, die natürlicherweise im Seewasser leben, waren 
weniger als 1 Jahr alt. Je 4 Fische wurden in eine Reihe 
zylindrischer Gefäße mit је 500 ccm Lösung gebracht. Für 
jeden Anpassungsversuch wurden 100 oder mehr Fische benutzt. 


П. 

3. Bringen wir Fische aus natürlichem Seewasser in künst- 
liches Seewasser höherer Konzentration, so finden wir, daß die- 
selben in wenigen Stunden sterben, wenn die Konzentration !°/, m 
oder höher ist; daß sie aber in ?/„ m und darunter leben können. 
Man kann aber alle Fische іп !°/,m dauernd am Leben er- 
halten, wenn man folgendermaßen verfährt. Die Fische werden 
іп 500ccm ml künstliches Seewasser gebracht, dem man nach 
folgenden Intervallen folgende Mengen von 2'/,m künstliches 
Seewässer zufügt: 


1) Dernoscheck, Arch. f. d. ges. Physiol. 148, 303, 1911. 


Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 393 


Nach 24 Stunden 50 ccm 2!/, m künstliches Seewasser 
nach weiteren 24 ” 50 e 2!,n э ” 
” ” 24 n 25 » 21, n ” ” 
n n 24 э 25 n 21|» n n 


Läßt man die Verdunstung unberücksichtigt, so ist jetzt 
die Lösung ungefähr m. Von hier können die Fische ohne 
Schaden in eine 1°), m-Lösung von NaCl + ROL CaCl, ge- 
bracht werden. Sie bleiben in einer solchen Lösung dauernd 
(beobachtet über 1 Monat) am Leben; sie sind also nunmehr 
an eine Konzentration „angepaßt“, in der sie bei plötzlicher 
Übertragung in wenigen Stunden sterben. 

Bei dem angegebenen Verfahren bleiben praktisch alle 
Fische am Leben. Steigert man die Konzentration rascher, во 
sterben eine Reihe von Fischen im Laufe der Anpassung, und 
um so mehr je rascher die Konzentrationssteigerung. 

4. Bringt man Fische in der vorhin angegebenen Weise 
allmählich in eine m-Lösung und läßt man sie in dieser Lösung 
so nimmt die Konzentration der Lösung durch Verdunstung 
sehr langsam zu. Man kann nun prüfen, bis zu welcher Kon- 
zentration die Fische am Leben bleiben. Die Fische starben 
rasch ab, als das spezifische Gewicht der Lösung 1,0644 überstiege 
Das würde also etwas höher als '?/, m-NaCl + KCI -+ CaCl, sein. 
Wir dürfen wohl sagen, daß die Fische an eine Lösung von 
künstlichem Seewasser, die höher ist als '?/,m, nicht mehr 
durch die von uns gewählte Methode angepaßt werden können. 
Vermutlich ist die maximale Grenze noch etwas niedriger. 

5. Wenn man Fische in der in 3. beschriebenen Weise 
vorbehandelt und sie in der m-Lösung stehen läßt, so nimmt 
die Konzentration der letzteren durch Verdunstung langsam 
zu. Es läßt sich zeigen, daß zunächst mit Zunahme der Kon- 
zentration auch die Widerstandsfähigkeit der Fische gegen 
höhere Konzentrationen zunimmt. 

Eine Partie Fische war vom 24. III. bis 28. IIL, eine zweite 
vom 3. IV. bis 7. IV. auf m-NaCl -+ КС1 -+ CaCl, gebracht worden. 
Am 8. IV. war das spezifische Gewicht der Lösung der ersten 
Gruppe 1,0586 (also Konzentration etwas höher als !0/, m), und 
das der zweiten Gruppe 1,0439 (also Konzentration etwas höher 
als °/ m). Je 4 Fische jeder Gruppe wurden dann in 500 ccm 


10/ le MB 1gs 15/ m künstliches Seewasser gebracht 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 27 


394 J. Loeb: 


und ihre Lebensdauer bestimmt. Es zeigte sich, daß die Fische, 
die in !°/),m gewesen waren, erheblich resistenter waren als 
die Fische, die in ®/),m gewesen waren. Tabelle I gibt die 
Zahl der überlebenden Fische nach 24 Stunden. 

Tabelle L 


Zahl der nach 24 Stunden überlebenden Fische in 


че. Ж | ч | aa oh: 
Seewasser 


Angepaßt 10 | 
an а 





KOREA 


Die auf 10 |, т angepaßten Fische blieben in 11 /, m längere Zeit 
am Leben; die = 8 1 mangepaßten blieben nur in 1°/, m am Leben. 

Zur Kontrolle waren gleichzeitig Fische direkt aus See- 
wasser in dieselben Lösungen gebracht worden. In 3 Stunden 
waren alle tot; auch die in !°/,m. 

Ein zweites umfassenderes Beispiel möge noch angeführt 
werden. Eine größere Zahl von Fischen wurde am 5. III. in 
verschiedene Lösungen gebracht, deren Konzentrationen ver- 
schieden rasch erhöht wurden, so daß am 18. III. je eine Zahl 
von Fischen in folgenden Lösungen vorhanden war: m/,, */,m, 
sj та, 20/6 m, lem und !/, m-NaCl -+ KCI -+ CaCl. Diese 
Fische wurden in folgende Lösungen gebracht: 1%/,, 11/„, 1%/,, 
18/ und 1t/ m. Tabelle II gibt die Zahl der überlebenden 
Fische nach 48 Stunden. Je vier Fische in einem Gefäß. 

Tabelle П. 








РЕТ Zahl der überlebenden Fische nach 48 Stunden in 
й | 


а 307: 


wa F Se ч» T 5 
NaCl -+ KCI + Call, 





— 
—— 


# CO со со 


0 
0 
0 
0 
0 
8 





A СО бо O O 
d CO с» сос» 


3 Tage später waren alle Fische ір 1#/„ und ?*/, m tot und die 
in 1?/, m starben den folgenden Tag. Am längsten lebten die Fische, 
die in PL m gewesen und іп !°/,m gebracht waren. 

Wir dürfen darausschließen, дав іе günstige Veränderung, die 
dasWesender Anpassung ausmacht, mit zunehmender Erhöhungder 
Konzentration zunimmt; bis die Grenzkonzentration erreicht wird. 


Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 395 


6. Fundulus kann ohne Schaden aus Seewasser in sehr 
niedrige Konzentrationen und auch in Süßwasser übertragen 
werden. Es war von Interesse zu ermitteln, ob Fische, die 
mehrere Wochen in ?°/, m-NaCl+ KCI -+ CaCl, gelebt haben, 
diese Immunität gegen sehr verdünnte Lösungen noch besitzen. 
Das ist der Fall. Fische, die mehrere Wochen in 201. m-See- 
wasser gelebt haben, können unmittelbar und ohne Schaden 
іп ™®/ o- NaCl -+ KCI + GaCl, übertragen werden. Sie leben be- 
liebig lange in dieser Lösung. Auch wenn sie in gewöhnliches 
Wasserleitungswasser übertragen werden, so leben sie darin 
ebenso lange und ebenso gut, wie die aus Seewasser über- 
tragenen. Durch Anpassung an höhere Konzentrationen wird 
also die Toleranz gegen niedere Konzentrationen von Fundulus 
nicht beeinträchtigt. 

7. Diese Beobachtungen sowie unsere früheren Erfa en 
über die Anpassung dieser Fische an höhere Temperaturen 
legten den Gedanken nahe, zu untersuchen, ob die Anpassung 
an höhere Konzentrationen irreversibel sei. Zu dem Zweck 
wurden Fische erst an 1°/, m-Seewasser angepaßt und dann in 
normales oder verdünntes Seewasser zurückgebracht, um zu 
sehen, ob sie die erworbene Anpassung wieder verlieren würden. 
Diese Versuche ergaben, daß die Anpassung längere Zeit er- 
halten bleibt. Die Konzentration des Seewassers wurde wie 
gewöhnlich langsam auf m erhöht, und 4 Tage später wurde 
die Hälfte der angepaßten Fische in ®/,-Seewasser gebracht. 
Am folgenden Tage wurden je 4 Fische der beiden Partien 
in 22/6, 13/„ und !*/, m-Seewasser gebracht. Die Fische, die 
einen Tag in der m/,-Lösung gewesen waren, lebten ebenso 
lange in den ??/,, 1#/„ und **/, m-Lösungen, wie die Fische, 
die direkt aus der m-Lösung genommen wurden; d. h. es dauerte 
über 3 Tage, bis alle Fische in den ??/, bis !*/, m-Lösungen 
tot waren. Bringt man nicht angepaßte Fische aus normalem 
Seewasser in diese Lösungen, so sterben sie alle in wenigen 
(2 bis 4) Stunden. 

Dieser Versuch beweist auch des weitern, daß, wenn die 
Tiere einmal an eine hohe Konzentration angepaßt sind, sie 
ohne Schaden den plötzlichen Wechsel aus niederer in hohe 
Konzentration und umgekehrt ertragen. 

Der rasche Wechsel von niederer auf hohe (!P/, m-) 

27% 


396 J. Loeb: 


Konzentration ist nur für nicht angepaßte Organismen 
schädlich. 

8. Bei der weiteren Fortsetzung dieser Versuche ergab sich 
nun, daß, wenn für höhere Konzentration angepaßte Tiere in 
Lösungen niederer Konzentration zurückgebracht werden, doch 
allmählich eine Abschwächung der erworbenen Anpassung für 
höhere Konzentration eintritt, die sich versuchsmäßig nach- 
weisen läßt. Es scheint ferner, daß diese Abschwächung 
um so rascher erfolgt, je niedriger die Konzentration ist, in 
welche die Fische nach der erworbenen Anpassung zurück- 
gebracht werden. Der folgende Versuch möge als Beispiel 
dienen. 

Eine größere Partie von Fischen wurde in der gewöhn- 
lichen Weise vom 1. ІУ. bis 4. IV. an m-NaCl-+ KCI -+ CaCl, 
angepaßt. Am 12.IV. wurden diese Fische in folgende drei 
Lösungen verteilt: ®@/,,-, 2/,- und ®/,-NaCl + RO CaCl,. Nach 
2, 4 und 7 Tagen wurden je 2 Fische aus jeder dieser Lö- 
sungen in ?°/, m-NaCl +- KCI -4 CaCl, gebracht, um zu sehen, 
ob sie noch in dieser Lösung zu leben vermögen. Zur Kon- 
trolle wurden jedesmal auch 2 nicht angepaßte Fische aus 
normalem Seewasser in diese konzentrierten Lösungen gebracht. 

Tabelle III. 


Zahl der überlebenden Fische in 1°/„ m-Seewasser 


Nach Fische für :0/, т adaptiert, aber 2 Tage in | Nicht 
WI | Die: | Hie — ` | Fische adaptierte 
| 


NaCl + KCI -+ CaCl, Fische 
Zahl der überlebenden Fische іп !0/, m-Seewasser 









Tabelle IV. 


Nach Fische für !%/,m adaptiert, aber 4 Tage in Nicht 
wl 80° | SI 87 | wl CR 


NaCl + KCI + Саб, 





Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 397 


Tabelle V. 







Zahl der überlebenden Fische in ?%/, m-Seewasser 


Fische für !°/,m adaptiert, aber 7 Tage in Nicht 
Pla | mj- | mj adaptierte 
NaCl +- KCI + CaCl, Fische 


Nach 





6 Stunden 2 2 2 0 
2 Tagen 0 2 ] 0 
3 n 0 0 0 0 








Das Resultat ist völlig eindeutig: Auch nach 7 tägigem 
Aufenthalt der Fische in der verdünnten Lösung ist noch eine 
deutliche Resistenz gegen die 1°/, m-Lösung vorhanden; denn 
die nicht vorbehandelten Tiere sterben in dieser Lösung in 
weniger als 6 Stunden, während die vorbehandelten Tiere alle 
länger leben. Es ist ferner deutlich, daß die Adaptierung in 
m/o- NaCl + KCI -+ CaCl, rascher abgeschwächt wird als in 
m/,- und ™/ -Lösungen derselben Salze. Daß aber auch bei 
den Fischen, die in die ®/,- und m/,-Lösungen gebracht waren, 
eine deutliche Abnahme der Resistenz gegen hohe Konzen- 
trationen eintrat, ist dadurch bewiesen, daß die einmal an 
10) m angepaßten Fische in dieser Lösung beliebig lange am 
Leben bleiben, wenn man sie dauernd in dieser Lösung läßt. 

9. Es wurden Versuche angestellt, um zu ermitteln, ob 
schon eine Abnahme der Widerstandsfähigkeit zu bemerken 
ist, wenn man die an 1°/„ m adaptierten Fische nur auf 
3 Stunden in eine verdünnte Lösung bringt. Es stellte sich 
heraus, daß, wenn adaptierte Fische auf 3 Stunden in eine 
m/.-Lösung von NaCl -+ KCl -+ CaCl, gebracht werden, keine 
Spur einer Abnahme der Anpassung wahrnehmbar ist. 


ПІ. 

10. Die theoretischen Erwägungen, zu denen die bisher 
erwähnten Versuche führten, legten den Gedanken nahe, zu 
untersuchen, ob Fische, die für höhere Konzentrationen (!°/, m) 
von NaCl -+ KCI -+ CaCl, angepaßt sind, damit auch für höhere 
Konzentrationen solcher Salzlösungen angepaßt sind, die in 
viel niedrigerer Konzentration schädlich wirken als NaCl + КО 
—-CaCl,. Zunächst wurden reine NaCl-Lösungen untersucht. 
Fische, die an künstliches Seewasser so weit angepaßt waren, 
daß sie beliebig lange in 1°/, m-NaCl--KC1--CaCl, lebten, 


398 J. Loeb: 


wurden in ®/,, ?/, und ®/, m-NaCl gebracht, um festzustellen, 
ob sie in diesen Lösungen länger leben als Fische, die direkt 
aus normalem Seewasser genommen werden. Ehe die Fische 
in die NaCl-Lösungen gebracht wurden, wurden sie zweimal 
in m/ -NaCl-Lösung gewaschen; d.h. sie wurden frei von See- 
wasser (mittels eines Porzellantrichters) in eine ®/,-NaCl-Lösung 
gebracht, in der sie 15 Minuten blieben, und dann in eine 
zweite m/,-NaCl-Lösung ebenfalls auf 15 Minuten gebracht. 
Das war nötig, um das äußerlich am Fisch haftende CaCl, 
loszuwerden, da ja geringe Mengen von CaCl, bereits entgiftend 
auf NaCl wirken. 

Die Versuche ergaben das Resultat, daß die für höhere 
Konzentrationen von NaCl- KCl--CaCl, angepaßten Tiere 
auch in höheren Konzentrationen von reinen NaCl-Lösungen 
etwas länger leben als die nicht angepaßten Tiere. 

Die ursprüngliche Zahl der Fische, die in jede der Lö- 
sungen gebracht wurden, betrug 4. Die Fische waren auf 
®/, m-Seewasser gebracht worden und blieben in dieser Lösung 
4 Tage. Dann wurden sie in ®/,, ?/, und ®/, m-NaCl gebracht. 
Zur Kontrolle wurden gleichzeitig nicht vorbehandelte Fische 
in reine NaCl-Lösungen derselben Konzentrationen gebracht. 
Die letzteren Fische waren in 2 Stunden alle tot. Das Ver- 
halten der anderen wird in Tabelle VI erwähnt. 


Tabelle VI. 














Zahl der überlebenden, auf !0/, m-See- 
wasser adaptierten Fische in 








4 Stunden 4 | 4 3 
1 Tage 4 | 2 0 
2 Тареп 3 | 1 0 
3 n 3 | 0 0 


Während also die nicht angepaßten Fische in /, m-NaCl 
in 2 Stunden starben, überlebten die auf !%/, m angepaßten 
Fische in dieser Lösung mehr als 3 Tage. 

In einem zweiten Falle waren Fische in 4 Tagen auf 
8 1» m-NaCl +- KCI -+ CaCl, gebracht worden und 2 Tage später 
der NaCl-Lösung ausgesetzt worden. Tabelle VII gibt die Zahl 
der angepaßten Tiere, die in den verschiedenen Lösungen über- 
lebten. 


Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 399 





Tabelle VII. 
Zahl der überlebenden, auf 8’, m-See- 
Nach wasser adaptierten Fische in 
| 7 m-NaCl 
4 Stunden 4 4 3 
1 Tage 8 2 1 
2 Тареп 2 1 0 








Die zur Kontrolle in dieselben Lösungen gebrachten nicht 
vorbehandelten Fische starben alle in weniger als 4 Stunden. 
Diese Versuche wurden oft mit demselben Erfolg wiederholt. 
Wir dürfen also sagen, daß die für Seewasser höherer Kon- 
zentrationen angepaßten Fische länger in reinen NaCl-Lösungen 
höherer Konzentrationen leben als die nicht angepaßten Fische. 

11. Die früheren Versuche des Verfassers hatten gezeigt, 
daß in reinen NaCl-Lösungen von ml, oder noch geringerer 
Konzentration Fundulus beliebig lange leben kann, daß aber 
eine ml -NaCl-Lösung schon als giftig angesehen werden muß, 
da die Fische hier nach einiger Zeit sterben. Es fragte 
sich nun, ob die an 1°/, m-Seewasser angepaßten Fische auch 
in m/,- oder =/,-NaCl-Lösungen länger leben als die nicht an- 
gepaßten. Diese Versuche des Verfassers haben zu keinem 
entscheidenden Resultat geführt. 

12. Ich versuchte nun, ob auf noch anderem Wege eine 
Anpassung der Fische an höhere Konzentrationen von NaCl 
möglich sei. Die Versuche über die Entgiftung von NaCl durch 
CaCl, bei Fundulus legten den Gedanken nahe, daß die größere 
Widerstandsfähigkeit angepaßter Fische gegen reine NaCl- 
Lösungen vielleicht dadurch bedingt sei, daß dieselben einen 
stärkeren Niederschlag eines unlöslichen Calciumsalzes an ihrer 
Oberfläche besitzen. Um diese Ansicht zu prüfen, wurde der 
Versuch gemacht, Fische gegen reine NaCl-Lösungen durch 
Vorbehandlung mit CaCl, widerstandsfähiger zu machen. Es 
wurden deshalb Fische aus Seewasser in Schalen mit 500 ccm 
m/ -NaCl +- KCI -+ CaCl, gebracht, dem noch 10 ccm 2!/, m- 
CaCl, zugesetzt wurden. Die absolute molekulare Konzentration 
dieser Lösung war also nur ungefähr '/,, der Calciumgehalt 
war aber ungefähr 6mal so groß wie der des Seewassers. 

Die Fische waren vor dem Versuch 2 Tage in dieser 
Lösung gewesen. Ihre Widerstandsfähigkeit gegen °/,, ’/, und 


400 J. Loeb: 


SL m-NaCl wurde mit derjenigen verglichen, welche Fische be- 
saßen, die an !0/. m-Seewasser adaptiert waren. Gleichzeitig 
wurde auch ein Kontrollversuch mit nicht adaptierten Fischen 
angestellt. Die letzteren waren nach 6 Stnnden alle tot. In 
jede Lösung wurden 4 Fische gebracht. 


Tabelle VIII. 






Zahl der überlebenden 
Fische in 


la | "a |*/, m-NaCl 





Nach 






Vorbehandelt mit Ca!) 
n в o! m-Seewasser 
a 


10/, m-Seewasser 
Ca 
10/, m-Seewasser 


а, 
10/, m-Seewasser 


333333 
339339393 


Aus diesem Versuch geht hervor, daß Vorbehandlung mit 
Ca etwas Schutz gegen höhere Konzentration von NaCl ver- 
leiht, daß aber der Schutz durch die Vorbehandlung mit 
10/, m-Seewasser merklich größer ist. 

13. Es wurde dann der Versuch gemacht, ob es möglich 
sei, Fische dadurch gegen höhere Konzentrationen von reinen 
NaCl-Lösungen zu immunisieren, daß man sie mit reinen NaCl- 
Lösungen behandelte Man spricht ja in gewissen Fällen von 
einer „Gewöhnung an Gifte“, und es wurde der Versuch ge- 
macht, ob diese „Gewöhnung“ auch für Salze bestehe. Es 
wurden deshalb Fische längere Zeit in eine =/, und ™/, reine 
NaCl-Lösung gebracht und dann ihre Widerstandsfähigkeit gegen 
Da, "le und °/,m mit derjenigen der nicht vorbehandelten 
Fische verglichen. Es trat in keinem Falle durch die Vor- 
behandlung mit reinen NaCl-Lösungen eine Erhöhung der Wider- 
standskraft gegen NaCl-Lösungen höherer Konzentrationen ein, 
sondern eher das Gegenteil?). 


1) Alle Fische wurden erst durch zweimaliges Waschen in ®/,-NaC] 
von allen Spuren von Ca befreit, welche die Oberfläche oder die Kiemen 
benetzten. 

*) Nebenbei sei auch bemerkt, daß es nicht gelang, durch Vor- 
behandlung der Fische mit CaCl,-Lösungen niedriger Konzentration die- 
selben an höhere Konzentrationen von CaCl, anzupassen. 


Anpassung уоп Fundulus an höhere Konzentrationen. 401 


14. Dieser Versuch wurde in folgender Weise abgeändert. 
Fische wurden, wie am Eingang dieses Aufsatzes geschildert 
wurde, allmählich vom 12. П. bis 16. П. in eine m-Lösung von 
NaCl -+ KCI -+ CaCl, gebracht. Aus dieser Lösung wurde ein 
Teil derselben an den darauf folgenden Tagen in Lösungen 
mit zunehmend höherem NaCl-Gehalt, aber demselben osmoti- 
schen Druck gebracht, nämlich: 

am 17. II.: in 100 ccm 2!/, m-NaCl +- 100 ccm 21/, m-NaCl 


-+ KCI -+ CaCl, + 300 ccm HO, 

am 18. II.: іп 150ccm 2?/, m-NaCl -+ 50 сеш 21, m-NaCl 
-+ KC1-+ CaCl, - 300 ccm H,O, 

am 19. II.: in 175 ccm 2'/,m-NaCl-- 25ccm 21/, m-NaCl 
-+ KCI -+ CaCl, + 300 ccm H,O. 


Es wurde nun untersucht, ob diese Tiere eine höhere Wider- 
standskraft gegen °/,, "Lk und °/, m-NaCl-Lösung besaßen, als 
Fische desselben Versuchs, die dauernd in der °/, m-Lösung 
geblieben waren. Das war nicht der Fall, wie folgende Tabelle 
zeigt. Je 4 Fische wurden in eine Lösung gebracht. 


Tabelle ІХ. 








Zahl der überlebenden 
Fische in 












Aus °/, m-Seewass 


5 Stunden » 175 oem —— ccm NaCl+KCI+CaCl, 
n es m- wass 

1 Tage „ 175 com —— com МаС1+ КС1+СабС1, 
"үз vom Na01+25 com NaCl +KC1+CaCl, 


Die zur Kontrolle ohne Vorbehandlung direkt aus nor- 
malem Seewasser іп ®/,, ?/„ und °/,m-NaCl gebrachten Fische 
starben in 5 Stunden. 

Dieser und ähnliche Versuche beweisen, daß Erhöhung des 
NaCl-Gehaltes in der ®/, m-Lösung die Widerstandskraft der 
Fische gegen reine NaCl-Lösungen herabsetzt. 

Aus diesen und ähnlichen Versuchen müssen wir schließen, 
daß es nicht gelingt, durch Vorbehandlung mit NaCl die Wider- 
standskraft der Fische gegen NaCl-Lösungen zu erhöhen. Eine 
„Gewöhnung“ der Fische an reines NaCl fand also nicht statt. 

15. Es wurden Versuche angestellt, ob Fische, die bis auf 


409 J. Loeb: 


m-Seewasser gebracht waren, auch gegen höhere Konzentra- 
tionen von Na,SO, widerstandsfähiger seien als nicht angepaßte 
Fische. Die Konzentration reiner Na,SO,-Lösung, die Fische 
ertragen können, schwankt etwas, im allgemeinen aber sterben 
sie rasch in Lösungen, die ml, Na SO, übersteigen. Fundulus, 
die seit 2 Wochen auf "71. m-Seewasser angepaßt waren, wurden 
in reine Lösungen von Na,SO, verschiedener Konzentration 
übertragen, und gleichzeitig nicht angepaßte Fische in dieselben 
Lösungen. Die Fische wurden erst zweimal in =/,,-Na,SO, ge- 
‘waschen, ehe sie in die Lösungen gebracht wurden. 


Tabelle X. 
Zahl der überlebenden Fische in 








Angepaßt 
Nicht angepaßt 
Angepaßt 

Nicht angepaßt 


Am nächsten Tage starben aber auch die angepaßten 
Fische. Eine Wiederholung des Versuchs bestätigte das Re- 
sultat. 

Es zeigt sich also, daß Fische, die für Seewasser von hö- 
herer Konzentration angepaßt sind, auch damit eine erhöhte 
Widerstandskraft gegen höhere Konzentrationen von Na SO, 
besitzen. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die ab- 
soluten Konzentrationen von Na,SO,, die in diesem Versuche 
in Anwendung kamen, geringer sind als die des Seewassers. 
Es kann sich also nicht in diesem Versuche um eine 
Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen etwaigen 
Wasserverlust von seiten des Fisches handeln. 

16. Schließlich wurden auch noch Versuche über den Wider- 
stand von adaptierten und nicht adaptierten Fundulus gegen 
höhere Konzentrationen von NaNO, angestellt. NaNO, ist 
erheblich giftiger als Na,SO,, und um mit höheren Konzentra- 
tionen von NaNO, arbeiten zu können, wurde es zum Teil mit 
NaCl + KCI -+ CaCl, entgiftet, d h. NaNO, wurde in ®/,-Lö- 
sungen dieser letzteren drei Salze anstatt in destilliertem Wasser 
gelöst. Tabelle XI gibt ein Beispiel Fische, die seit einer 
Woche ап 1°/, m-Seewasser angepaßt waren, wurden mit nicht 


Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 403 


angepaßten Fischen verglichen. Je 4 Fische wurden in eine 


Lösung gebracht. 
Tabelle XI. 


Zahl der überlebenden Fische in 
Nach | 15 | 20 | 25 | зо | 35 | 40 | 45 
21/1. m-NaNO, in 500 сеш ®/,-Seewasser 











3 3 Angepaßt 
2 Tagen 1 0 Nicht angepaßt 
4 1 1 Angepaßt 
ў 0 0 Nicht angepaßt 
6 0 0 Angepaßt 
Р 0 0 


Nicht angepaßt 


Wie man sieht, sind die angepaßten Fische widerstands- 
fähiger gegen die höheren Konzentrationen von NaNO, als die 
nicht angepaßten. In einer früheren Arbeit haben wir gezeigt, 
daß die Fische in NaNO, bald Vergiftungserscheinungen zeigen 
und auf der Seite oder dem Rücken liegen. Diese Symptome 
treten bei den angepaßten Tieren ebenso früh ein wie bei den ` 
nicht angepaßten Tieren. 

Dieser Versuch wurde mehrfach mit demselben Resultat 
wiederholt. 


Theoretische Bemerkungen. 


Wenn wir Fundulus plötzlich aus normalem Seewasser in 
10/ m künstliches Seewasser bringen, so sterben die Fische in 
wenigen Stunden. Erhöhen wir aber die Konzentration des 
Seewassers nur langsam, so leben sie beliebig lange und ohne 
Schaden zu leiden in Seewasser. Da ich im vorigen Sommer 
beobachtet habe, daß Eier von Fundulus in !°/, m, ja selbst in 
11/ m-Seewasser noch ausschlüpfen können, so dürfen wir sagen, 
daß solche Fische dauernd in !°/, m-Seewasser werden leben 
können. 

Wie sollen wir es uns vorstellen, daß eine langsame Er- 
höhung der Konzentration die Tiere nicht schädigt, während 
eine plötzliche Erhöhung die Tiere tötet? Das wird klar, wenn 
wir annehmen, daß die Erhöhung der Konzentration des See- 
wassers zwei verschiedene Wirkungen ausübt, eine schädigende 
und eine modifizierende oder reparierende; und wenn wir zwei- 
tens annehmen, daß die reparierende oder modifizierende re- 
lativ langsam erfolgt, während die schädigende Wirkung um 


404 J. Loeb: 


so rascher erfolgt und um so stärker ist, je größer der Kon- 
zentrationsunterschied. Erfolgt nun die Erhöhung der Kon- 
zentration langsam, so kann die modifizierende oder reparie- 
rende Wirkung mit der schädigenden Schritt halten, oder rich- 
tiger, die Ausbesserung des kleinen Schadens, den die langsame 
Konzentrationserhöhung bewirkt, kann stattfinden, ehe der 
Schaden dem Tiere gefährlich wird. Findet aber plötzlich eine 
sehr hohe Konzentrationserhöhung statt, so ist die Schädigung 
so stark, daß das Tier stirbt, ehe die reparierende Wirkung 
Zeit hat, den ganzen Schaden auszubessern. 

Über die Natur der schädigenden Wirkung der höheren 
Konzentration können wir nichts aussagen. Beobachtungen 
an Seeigeleiern zeigen, daß jede Salzlösung zerstörend (cytoly- 
tisch) wirkt, wenn sie nur eine genügende Konzentration er- 
reicht. Diese Konzentration ist für physiologisch-äquilibrierte 
Lösungen höher als für nicht äquilibrierte. Noch weniger wissen 
wir über die Natur der reparierenden Wirkung. Am einfachsten 
wäre es, anzunehmen, daß die Salze mit der Oberflächenlamelle 
des Fisches (der Kiemen) chemisch reagieren und dabei die 
Widerstandskraft dieser Lamelle ändern; NaCl L KCI -+ CaCl,- 
üben eine Art „gerbende Wirkung“ aus, die nur langsam re- 
versibel ist, und diese Gerbung ist um so gründlicher, je höher 
innerhalb gewisser Grenzen die Konzentration der Lösung. 
Lösungen von höherer Konzentration als ??/, m schädigen unter 
allen Umständen. Ist die Oberflächenlamelle einmal mit 1°/, m- 
Seewasser gegerbt, so erträgt der Fisch eine plötzliche Über- 
tragung aus H,O in !%/,m-Seewasser und umgekehrt ohne 
Schaden. 

In diesem Zustande ist der Fisch auch etwas widerstands- 
fähiger gegen reine Lösungen von NaCl, NaNO, und Na,SO, 
und vermutlich viele andere schädliche Salze. 

Von großer Bedeutung für alle Theorien der Anpassung 
ist die Tatsache, daß auch im letzteren Falle die Widerstands- 
fähigkeit gegen höhere Konzentrationen nur wenig erhöht werden 
kann, daß also die Anpassungsfähigkeit sehr beschränkt ist. 


Zusammenfassung der Resultate. 


1. Es wird gezeigt, daß, wenn man Fundulus aus Seewasser 
plötzlich in 201. m-Seewasser bringt, der Fisch in wenigen Stun- 


Anpassung von Fundulus an höhere Konzentrationen. 405 


den stirbt. Bringt man ihn aber im Laufe von 2 oder 3 Tagen 
allmählich in ?°/, m-Seewasser, so kann der Fisch dauernd in 
der Lösung leben. 

2. Diese Anpassung beruht auf einer nur langsam rever- 
siblen Änderung. Denn wenn der angepaßte Fisch in Seewasser 
oder verdünntes Seewasser zurückgebracht wird, so behält er 
seine Anpassung eine Reihe von Tagen. Er kann innerhalb 
dieser Zeit ohne jeden Schaden jederzeit plötzlich aus sehr 
verdünnten Lösungen in 1°/„ m-Seewasser gebracht werden und 
umgekehrt. 

3. Ist ein Fisch einmal für "21. m-Seewasser angepaßt, so 
ist gleichzeitig auch seine Widerstandsfähigkeit gegen Lösungen 
von Na,SO,, NaNO, und NaCl erhöht. Da die beiden ersteren 
Lösungen in niedrigerer Konzentration angewendet werden wie 
das Seewasser, so kann es sich nicht um eine Anpassung an 
„Wasserverlust“* handeln. 

4. Während es möglich ist, durch Erhöhung der Kon- 
zentration von NaCl + KCI + CaCl, den Widerstand der Fische 
gegen eine reine NaCl-Lösung zu erhöhen, gelingt das gleiche 
nicht durch eine Vorbehandlung mit einer reinen NaCl-Lösung. 
Wohl aber gelingt eine wenn auch geringere Widerstands- 
erhöhung gegen eine reine NaCl-Lösung durch eine Vorbehand- 
lung der Fische mit Calciumchlorid. 

5. Diese Tatsachen weisen darauf hin, daß der Anpassung 
möglicherweise eine „Gerbung“ der Oberfläche des Tieres durch 
die höhere Konzentration der Salze des Seewassers, besonders 
des Calciums, zugrunde liegt. 


Über zuckerfreie Hefegärungen. ХП. 


Über die Vorgänge bei der Hefegärung'). 
Von 
C. Neuberg und Joh. Kerb. 


(Aus der chemischen Abteilung des Tierphysiolog. Instituts der Kgl. 
Landwirtschaftlichen Hochschule, Berlin.) 


Das Studium der alkoholischen Gärung ist von jeher aufs 
engste mit den Interessen der Chemiker und Biologen verknüpft. 
103 Jahre sind vergangen, seitdem der Altmeister Gay Lussac 
im Prinzip die noch heute gültige Gärungsgleichung ge- 
funden hat: 

COH 


| 
НСОН 


| 
Gert 200 2 * 
нбон u dë CH,OH. 


non 
Lo op 

Niemandem aber, der im Wechsel der Zeiten sich їп das 
Gärungsproblem vertieft hat, ist es zweifelhaft geblieben, daß 
unmöglich das Traubenzuckermolekül zu den Trümmern Alkohol 
und Kohlensäure einfach einstürzen kann. Sind doch die 
Reste, die die Endprodukte charakterisieren, Kohlensäure- und 
Äthylgruppe, im Zuckermolekül nicht präformiert. 


Es hat sich daher die Überzeugung befestigt, daß eine 
Zwischenstufe des Zuckerabbaues oder mehrere existieren müssen. 


1) Vorgetragen in der Sitzung der Deutschen chem. Ges. in Berlin 
am 9. Juni 1913; vgl. den Auszug in den Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 
46, 2225, 1913. 


С. Neuberg und J. Kerb: Zucokerfreie Hefegärungen. XII. 407 


Zahlreiche Theorien des Zuckerzerfalles sind aufgestellt und 
wieder verlassen worden, da keine einzige den Tatsachen ge- 
recht geworden und zugleich experimentell bestätigt ist. 

Nun besteht die Möglichkeit, daß Zwischenprodukte in 
dem Maße wie sie gebildet werden, alsbald wieder verschwinden, 
d. h. daß sie besonders schnell umgesetzt werden. Daher ist 
es zweifelhaft, ob es gelingen wird, sie aus gärenden Zucker- 
lösungen abzufangen. Es müssen jedoch diese Zwischenprodukte 
von Hefe weiter verarbeitet werden können, daher bleibt zur- 
zeit als aussichtsvollerer Weg das Bestreben, Substanzen aus- 
findig zu machen, die definierte Abbauprodukte des 
Zuckers sind, ein kleineres Molekül als Glucose be- 
sitzen und von Hefe leicht und glatt angegriffen 
werden. 

Chemische wie biologische Tatsachen sind es gewesen, die 
den Weg in die Dreikohlenstoffreihe wiesen als die 
Richtung, in der man auf Zwischenprodukte fahnden mußte). 

Emil Fischers bekannte Synthese der Hexosen aus 
den Triosen, die Umwandlung aller 6-Kohlenstoff-Zucker und 
vieler Kohlenhydrate anderer Reihen durch Alkali in Milch- 
säure, die Bildung eben dieser Milchsäure bei bakteriellen 
Zerlegungen zahlreicher Kohlenhydrate, ihre Anhäufung im 
Tierkörper bei Sauerstoffmangel, ihre Entstehung als erstes 
Produkt der sogenannten Gilykolyse, der glatte Aufbau 
von Traubenzucker im Tierkörper aus Glycerin und Gly- 
cerose sind Tatsachen, die beredt für die Bedeutsamkeit 
der Dreikohlenstoff-Reihe für den Zuckerab- wie -aufbau 
sprechen. 

Diese Fülle einzelner Befunde hat jedoch den Kardinal- 
punkt des Gärungsproblems, die Entstehungsweise von 
Äthylalkohol und Kohlensäure, der Lösung nicht zugeführt. 
Hierzu reichten auch die Fortschritte nicht aus, die auf dem 
engeren Gebiete der Gärungschemie selbst errungen sind, wie 
der Sieg der Traubeschen Enzymtheorie und die glückliche 


1) Die gesamte Literatur, die wegen ihres großen Umfangs im 
folgenden nicht angegeben wird, findet sich kritisch zusammengestellt 
bei C. Neuberg, „Der Zuckerumsatz der Zelle“ in Oppenheimers Handb. 
d. Biochemie, Ergänzungsband, 1918, und bei C. Neuberg, Monographie. 
Jena 1913, bei Gustav Fischer. 


408 С. Neuberg und J. Kerb: 


Loslösung der zuckervergärenden Zymase von den lebenden 
Zellen durch Buchner. 

Die Enträtselung der unbefriedigenden Endgleichung ist 
nicht erfolgt. 

Auch die bedeutsame Entdeckung Iwanoffs, daß der 
Zucker vor seiner Vergärung an Phosphorsäure gebunden wird, 
und die hierauf sich gründende Lehre, daß eigentlich gar nicht 
der Zucker, sondern ein Zuckerphosphorsäureester zer- 
fällt, berührt die Frage nach dem eigentlichen Zwischenprodukt 
nicht direkt. An dieser Sachlage ändert auch nichts die Erkenntnis, 
daß die Dreikohlenstoff-Zucker, Glycerinaldehyd und Dioxy- 
aceton, durch Hefe, wenn auch nicht besonders glatt, vergoren 
werden. Diese Vergärung, die Emil Fischer und Tafel an 
der Glycerose entdeckt und die an deren Komponenten Glycerin- 
aldehyd und Dioxyaceton Bertrand, Buchner und Meisen- 
heimer sowie v. Lebedew bestätigt haben, ist keineswegs 
mit allen Heferassen zu erzielen, die Hexosen zum Zerfall 
bringen. Manche Autoren (Harden und Young, Slator) 
nehmen überdies an, daß die Vergärung nur durch eine vor- 
hergehende Polymerisation zur Hexose zustande kommt. Man 
kann auch sagen, die Triosen gären unter Umständen, nicht 
weil sie Zwischenprodukte sind, sondern weil auch aus ihnen 
das eigentliche Zerfallsprodukt hervorgehen kann. Wie dem 
auch sei, auf alle Fälle handelt es sich nur um eine Ver- 
schiebung der Frage aus der Reihe C, in die Reihe C,. Nicht 
die Auflösung der Aldolbindung zwischen dem 3. und dem 
4. Kohlenstoffatom der Hexosen bietet nach den vorauf- 
gegangenen Darlegungen dem Verständnis Schwierigkeiten. Diese 
stellen sich erst ein bei der experimentellen Herleitung der 
Gruppen CO, und C,H, aus den Gebilden 


CH,OH.(CHOH)..CHO bzw. H(CHOH),.CO.CH,OH, 


einerlei, mag x den Wert 1 oder 4 haben. 

Man darf es daher wohl als einen Fortschritt betrachten, 
daß durch die Arbeiten Neubergs und seiner Mitarbeiter aus 
den letzten 3 Jahren endlich eine Säure ermittelt ist, die 
— ohne eigentlich zu den Zuckern zu gehören — aus gär- 
fähigen Kohlenhydraten hervorgehen kann, und mit Hefe 
ebenso leicht und schnell in Gärung gerät wie der Trauben- 


Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 409 


zucker selbst. Diese Substanz fanden wir in der Brenztrauben- 
säure. Wohl niemand hätte dieser ehrwürdigen Verbindung 
solch heimliche revolutionäre Gärungsneigungen zugetraut. 

Die Gärung der Brenztraubensäure ist vor 2 Jahren als 
Vorlesungsversuch beschrieben'). 

Ergänzend bemerken wir, daB man dieses Phänomen einem 
größeren Kreise noch bequemer in folgender Weise demon- 
strieren kann: 

Man bringt in einen Literkolben 200 g Preßhefe 
und gießt 500 com 1°/,ige Brenztraubensäure darauf. 
Man schüttelt um, setzt einen Gummistopfen auf, 
durch dessen Durchbohrung ein oben ausgezogenes 
Glasrohr bis fast auf den Boden des Kolbens führt. 
Beim Eintauchen in ein Wasserbad von 40° schleudert 
die stürmisch entwickelte Kohlensäure die Flüssigkeit 
wie einen Springbrunnen nach wenigen Augenblicken 
heraus. 

Als Produkte dieser außerordentlich glatt verlaufenden 
Gärung erhält man, wie Neuberg und Karczag vor Jahren 
bewiesen haben, Kohlensäure und Acetaldehyd: 

СН, .СО.СООН = СО, + CH,.COH. 


Damit scheint zunächst die Schwierigkeit überwunden, die 
Bildung von Kohlensäure bei der Gärung zu erklären. Веі 
der Struktur des Traubenzuckers ist eine direkte Abspaltung von 
Kohlendioxyd unmöglich. Nur aus einer Carbonsäure kann 
Kohlensäure auf dem Wege der Decarboxylierung so leicht in 
Freiheit gesetzt werden, wie es beim Gärungsakt geschieht! 
In der Brenztraubensäure ist die erste Säure bekannt 
geworden, die durch lebende Hefe und durch Hefen- 
fermente (в. S. 411) in wirklich glatter Weise unter 
Bildung von CO, vergoren wird. 

Auch das zweite von uns aufgefundene Produkt der Ver- 
gärung, der Acetaldehyd, steht — wie wir mehrfach betont 
haben — in näherer Beziehung zum Äthylalkohol als irgend- 
eine Substanz, die jemals mit dem Gärungsproblem in Ver- 
bindung gebracht worden ist. 


1) С. Neuberg und L. Karczag, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 44, 


2477, 1911. 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 28 


410 С. Neuberg und J. Kerb: 


Es erhebt sich nun die Frage: Wie kann Brenztrauben- 
säure aus Glucose hervorgehen? 

Beide Substanzen sind in mehrfacher Weise verknüpft. 
Alle Wege, die von der Glucosereihe in die С,-Кеіће gehen, 
führen auch zur Brenztraubensäure. 

Für die Milchsäure, dem erwähnten Produkt chemischer und 
biologischer Zuckerumsetzungen, ist diese Beziehung ohne weiteres er- 


sichtlich: Brenztraubensäure ist das erste und einfachste Oxydations- 
produkt der Milchsäure: 


CH,.CHOH.COOH —— CH, со. СООН. 


Will man den Zerfall durch Aldolauflösung über den Glycerin- 
aldehyd leiten, so vermittelt die zugehörige Säure, die Glycerin- 
säure, den Zusammenhang, indem bekanntlich Erlenmeyer ihre 
Überführung in Brenztraubensäure durch einfache Wasserabspaltung 
gelehrt hat: 


CH,OH . CHOH . COOH — Н,0 = en. СОН . СООН. 


Eine andere wichtige Verbindung stellt das Methylglyoxal her. 
Nach Versuchen von Pinkus liefert der Traubenzucker beim Erwärmen 
mit Alkalihydroxyd Methylglyoxal. Ähnlich wirken nach Feststellungen 
von Oertel Soda, Natriumbikarbonat, Dinatriumphosphat, Borax und 
Natriumacetat. Das bekannte Schema von Wohl, dem wir die folgende 
einfachste Form geben möchten 


CHO CHO CHO 
HoH он бон „Сон 
онн Сй їн — бн, 
HCOH = nom 
нбон он бон 

nm н бн, 


veranschaulicht diesen Übergang. Brenztraubensäure ist aber nichts 
anderes als die Säure des Methylglyoxals. 


Chemisch ist also der Zusammenhang von Brenztrauben- 
säure mit dem Traubenzucker begründet. Biologisch kommt 
diese Beziehung in der glatten Vergärbarkeit der Säure und 
in ihrer relativen Ungiftigkeit zum Ausdruck. Es ist höchst 
erstaunlich, wieviel von der außerordentlich starken Brenz- 
traubensäure die Hefe vertragen kann. Sie wie ihr Umwand- 
lungsprodukt Acetaldehyd gelten sonst als schwere Protoplasma- 
gifte. Immerhin haben beide Substanzen nicht die physiologi- 
sche Indifferenz einer Zuckerlösung. Man muß es daher als 


Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 411 


ein treffliches Ergebnis bezeichnen, daß wir 40°/, der theore- 
tisch möglichen Menge Acetaldehyd isolieren konnten’). 

Für die biologische Bedeutung der Brenztraubensäure- 
gärung spricht auch der Umstand, daß diese bekanntlich durch 
pyrogene Prozesse gewonnene und außerordentlich beständige 
Substanz durch das Hefeferment in wenigen Minuten, ја 
selbst Sekunden, in Kohlensäure und Acetaldehyd ge- 
spalten wird. Hinsichtlich solcher Zerfallsbedingungen ver- 
hält sich also die Brenztraubensäure genau wie Zucker! 

Von einem wirklichen Zwischenprodukt muß man ferner 
verlangen, daß ев von den verschiedensten Varietäten 
der Hefen umgesetzt wird. 

Durch das große Entgegenkommen des Herrn Geheimrat 
Delbrück ist es uns möglich gewesen, 8 obergärige und 5 
untergärige Bier- wie Branntweinhefen zu prüfen, und wir 
wollen mit besonderem Dank an dieser Stelle betonen, daß nur 
die reichliche Unterstützung mit vortreffllichem Hefematerial, 
die uns Direktor und Beamte des Instituts für Gärungsgewerbe 
gewährt haben, diese jahrelangen Untersuchungen ermöglicht hat. 

Tatsächlich greifen alle diese 13 Reinzuchthefen sowie 
5 Weinhefen, die wir der Königl. Preuß. Lehranstalt zu 
Geisenheim verdanken, in gleicher Weise die Brenztrauben- 
säure an. 

Ferner muß ein Zwischenprodukt der alkoholischen Gärung 
gleich dem Traubenzucker auch durch leblose Hefe und 
Hefenfermente vergärbar sein. 

Sowohl Trockenhefen, Aceton-Dauerhefen, (Zymin) 
Hefenpreßsaft wie Lebedewscher Macerationssaft 
spalten die Brenztraubensäure?). 

Die Vergärung der Brenztraubensäure hat sich 
somit als ein echter enzymatischer Vorgang erwiesen. 
Das Ferment haben Neuberg und Karczag wegen seiner 
augenfälligsten Wirkung, der Abspaltung von Kohlensäure, 
Carboxylase genannt. Den Vorgang selbst kann man zweck- 
mäßig als zuckerfreie Hefengärung bezeichnen, da hier 
ein Fall vorliegt, wo ein Nichtzuckerstoff typisch von Hefe 
zerlegt wird. 

1) Diese Zeitschr. 47, 405, 1912. 

з) Diese Zeitschr. 81, 170; 39, 323; 86, 60, 68, 76; 87, 176; 51, 128. 

28* 


412 С. Neuberg und J. Kerb: 


Von besonderem Interesse mußte es nun sein, die Gärung 
der Brenztraubensäure so zu leiten, daß statt des Acetaldehyds 
der um zwei Wasserstoffatome reichere Äthylalkohol entstand. 

In welcher Weise Brenztraubensäure aus Zucker hervor- 
gehen mag, sei es über die Milchsäure, sei es über den Glycerin- 
aldehyd, веі ев über das Methylglyoxal, auf alle Fälle enthält 
die Brenztraubensäure = С,Н,О, zwei Wasserstoffatome weniger 
als ein halbes Hexosenmolekül = C,H,O,. 

Es lag zunächst der Gedanke nicht fern, daß bei der Um- 
wandlung des Zuckers in die Brenztraubensäure ein diesem 
Oxydationsprodukt entsprechendes Reduktionsprodukt gebildet 
wird. 

Nachdem die Cannizzarosche Reaktion als ein physio- 
logischer Prozeß erkannt worden ist, lag es nahe, anzunehmen, 
daß wie die tierische Zelle auch die pflanzliche zur Katalysierung 
der Cannizzaroschen Umlagerung befähigt sei. Nimmt man den 
aus verschiedenen Gründen nicht unwahrscheinlichen Abbauweg 
über das Methylglyoxal an, so gelangt man zu folgender 
Formulierung: 

CH,.CO.COH Н, CH,.CO.CH,OH bzw. CH,.CHOH.COH 


CH,.00.C0H Ò СН, .СО.СООН, 
d. h. es könnte neben Brenztraubensäure Acetol oder der 
isomere Milchsäurealdehyd entstehen, und man könnte sich 
vorstellen, daß die gemeinsame Vergärung dieser Substanzen mit 
Brenztraubensäure glatt Äthylalkohol und Kohlensäure liefert. 
Die notwendigen großen Mengen Brenztraubenalkohol und 
Milchsäurealdehyd sind etwas schwierig zu beschaffen; wir haben 
deshalb unsere Aufmerksamkeit zunächst einem anderen Körper 
der Dreikohlenstoff-Reihe zugewandt, der auch in gewissem Sinne 
ein Reduktionsprodukt des Methylglyoxals darstellt, nämlich 
dem Glycerin’): 
CH, : COH . COH -+ H,0 + H, = CH,OH . CHOH . CH,OH. 
Schon vor mehr als Jahresfrist haben wir in Laboratoriums- 
versuchen gefunden?), daß bei der gemeinschaftlichen Vergärung 
von Brenztraubensäure und Glycerin in der Tat beträchtliche 


1) Bezüglich des Übergangs von Glycerin in Acetol siehe У. Meyer 
und Jacobson, Lehrbuch, 1, II, 156, 1909. 


”C.Neuberg und J. Kerb, Zeitschr. f. Gärungsphyjsiol. 1, 114, 1912. 


Zuckerfreie Hefegärungen. ХП. 413 


Mengen von Äthylalkohol gebildet werden. Die Wiederholung 
dieser Versuche im großen schien uns nun so wichtig, daß wir 
uns zur Anstellung von Gärversuchen mit bedeutenden Mengen 
Brenztraubensäure entschlossen haben. Da man zweckmäßig 
nur in 1°/,igen Lösungen arbeitet, so kommt man bei Ver- 
wendung von 1 kg Brenztraubensäure ohne weiteres auf 100 1 
Flüssigkeit. Die gleich zu erwähnenden notwendigen Kontrollen 
ergaben 3 weitere Hektoliter, also Flüssigkeitsmengen, auf deren 
Verarbeitung unser Laboratorium nicht eingerichtet ist. Hier 
war es wieder Herr Geheimrat Delbrück, der uns durch die 
Überlassung der im Wasserbade heizbaren Gärbottiche und 
schönen Destillationsapparate seines Instituts die Ausführung 
unserer Versuche ermöglicht hat, während uns die Chemische 
Fabrik auf Aktien, vorm. E. Schering, in liberaler Weise durch 
Überlassung von Brenztraubensäure gefördert hat. 

Wir haben 4 Versuche angestellt, wobei uns folgende Über- 
legungen leiteten: 

1. Die benutzte Hefe mußte eine möglichst geringe 
Selbstgärung bei möglichst hoher Gärenergie besitzen. Diesen 
Anforderungen entsprach nach unseren Erfahrungen am besten 
die Reinzuchthefe II des Instituts für Gärungsgewerbe. 

2. Es mußte die Alkoholmenge bestimmt werden, die 
durch die unvermeidliche Selbstverzuckerung des Hefe- 
glykogens entsteht. 

3. Es mußte der Einfluß ermittelt werden, den ein Zu- 
satz von Glycerin wie Brenztraubensäure, beide allein, 
auf die Selbstgärung ausüben und 

4. mußte die Menge des präformierten Alkohols bekannt 
sein, den die Hefe nach unseren Erfahrungen stets einschließt. 

Die Resultate sind in folgender Tabelle zusammengestellt. 
Wir bemerken dazu, daß die verwendete Hefe in einem Würze- 
ansatz gezüchtet war, also als völlig gleichmäßig gelten kann. 








Sofort | Gärdauer 4 Tage, Temp. 28°. 
1021 H,0102 1 H,01101 1 H,O |1011 H,O [1001 H,O 
















22k g Hefej22kg Hefe 1,1 kg Gly- |1 kg Brenz- | 1 kg Brztrbs. 
| cerin traubeng. 1,1 n Glycerin 
22 n Hefe |22 » Hefe |22 » Hefe 


Alkohol | 170g | 2088 | 26618 | 489g 626,1 g 


414 . C. Neuberg und J. Kerb: 


Diese Zahlen zeigen ohne weiteres, daß bei der gemein- 
schaftlichen Vergärung von Brenztraubensäure und Glycerin 
eine sehr beträchtliche Menge von Alkohol gebildet wird, die 
weit das durch Selbstgärung entstandene Quantum übertrifft. 
Diese Ergebnisse bestätigen vollkommen unsere früheren Ver- 
suche im kleinen, auch entspricht das Verhältnis der erhaltenen 
Alkoholmengen recht annähernd den damaligen Resultaten. 
Bemerkenswert ist der Befund, daß bei der Vergärung von 
Brenztraubensäure allein ebenfalls unzweifelhaft Alkohol 
entsteht. Diese Bildung kommt naturgemäß bei Versuchen im 
kleinen nicht so deutlich zum Ausdruck. 

Dieser Umstand läßt es nun durchaus möglich erscheinen, 
daß die Wirkung des Glycerins überhaupt nur eine indirekte 
ist, indem es in irgendeiner Weise die der Hefe eigene Re- 
duktionskraft erhöht; bekannt ist ja die enzymkonservierende 
Kraft des Glycerins. 


In Wirklichkeit dürften die Zahlen für den aus Brenztrauben- 
säure gebildeten Alkohol noch etwas höher zu veranschlagen 
sein, und zwar aus folgendem Grunde: 


Wir haben in allen Fällen den Alkohol nach den üb- 
lichen Methoden der anreichernden Destillation!) abgeschieden. 


1) Um Wiederholungen zu vermeiden, wollen wir nur die (sich an die 
bekannte Methodik der Spiritusgewinnung anschließende) Aufarbeitung 
des Hauptversuchs beschreiben: Von dem Gärgut, das bei der 4tägigen 
Digestion von 1,0 kg Brenztraubensäure, 1,1 kg Glycerin, 100 1 Leitungs- 
wasser und 22 kg Hefe gebildet war, wurden vorsichtig 40 1 abgetrieben. 
Von diesen wurden 33,33 І, das sind 5/, der Gesamtmenge, verarbeitet. 
Durch fortgesetzte Destillationen wurden diese 33,33 1 auf 16,8 und 6 1 
gebracht. Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß bei: Behandlung 
von wässerigem Acetaldehyd mit Fehlingscher Mischung kein Äthyl- 
alkohol gebildet wird, wurden die 6 1 Enddestillat in 2 Portionen zu 31 
mit je 2 1 konz. Fehlingscher Lösung 20 Stunden in Jenenserkolben am 
Rückflußkühler gekocht. Nach dem Erkalten wurden aus jedem Kolben 
8 1 abdestilliert und das Übergegangene in Kupfergefäßen mit je 300 g 
Silberoxyd 8 Stunden im Sieden belassen. Nach dieser Zeit fielen die 
Aldehydproben negativ aus, während die Destillate nach Behandlung 
mit Fehlingscher Mischung allein noch aldehydhaltig gewesen waren. 
Durch erneute Destillation der 6 1 wurden 2,5 1 Spiritus vom spez. Gew. 
0,97055 erhalten = 20,87 Сез.-°/. Die Gesamtmenge entstandenen Al- 
kohols ergibt sich daraus zu 20,87.25.6/, — 626,1 р. Durch Sättigen 
mit Kaliumcarbonat, Abhebern und Trocknung über frisch geglühten 


Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 415 


Dabei zeigte sich, daß die aus Brenztraubensäure gewonnenen 
Destillate natürlicherweise emen sehr viel stärkeren Aldehyd- 
gehalt aufwiesen, als die Destillate von Hefe allein, bzw. 
Hefe -+ Glycerin, die nur jene geringen Mengen von Aldehyd ent- 
hielten, wie sie bekanntlich bei jeder normalen Gärung auftreten. 
Die größeren Quantitäten Aldehyd haben wir zunächst versucht, 
mit Alkali und Fehlingscher Mischung zu entfernen. Dies ge- 
lang jedoch nur bis zu einem gewissen Grade, und wir haben 
kein anderes einfaches Verfahren zur völligen Vernichtung des 
restierenden Aldehyds ausfindig machen können, als das Kochen 
und Abdestillieren über frisch gefälltem Silberoxyd!). 

Dabei wird wohl auch etwas Alkohol zerstört. Wir haben 
jedoch diesen Verlust in Kauf genommen, um zu einem ein- 
wandfreien Sprit zu gelangen. Die uns aus unserem Haupt- 
versuch nach verschiedenen Manipulationen übrig gebliebene 
Menge 95°/,igen Alkohols stellt die erste größere Menge Spiri- 
tus (ca. !/, 1) dar, der durch einen Gärakt aus einem Nicht- 
zuckerstoff gewonnen ist. І 

Die Spiritusindustrie braucht noch keinerlei Beunruhigung über 
diese Konkurrenz zu empfinden. Denn unter Zugrundelegung des Kahl- 
baumschen Preises für Brenztraubensäure stellen sich die Kosten für 1 kg 
dieses Alkohols auf genau 275 Mark, ungerechnet aller Aufwendungen 
für Hefe und Verarbeitung. 

Der Gedanke, daß in der Hefe selbst gelegene Faktoren 
die Reduktion des Acetaldehyds zu Äthylalkohol zuwege 
bringen, ist durchaus nicht unerhört. Wir wollen hier nicht 
im einzelnen auf die hierüber von uns?) sowie von Palladin, 
v. Lebedew und Kostytschew entwickelten Anschauungen 
eingehen und nur auf die erste fundamentale Beobachtung von 
Lintner und v. Liebig (1911) hinweisen, derzufolge Hefe 
Furfurol nahezu quantitativ zu Furfuralkohol hydrieren kann. 

Der Vorgang der zuckerfreien Hefegärung ist nun keines- 
wegs auf die Gärfähigkeit der Brenztraubensäure beschränkt, 


l i 


Ätzkalk erhielten wir ohne Schwierigkeit fast 500 ост 95°/ igen 
Alkohols. 

1) Siehe Anmerk. S. 414. 

з) C. Neuberg und Joh. Kerb, Zeitschr. f. Gärungsphysiol. 1, 
116, 1912; vgl. auch C. Neuberg und H. Steenbook, diese Zeitschr. 
52, 494, 1913. 


416 С. Neuberg und J. Kerb: 


vielmehr läßt sich die Analogie mit der Gärung der wahren 
Kohlenhydrate noch weiter treiben, 

In ähnlicher Weise wie niedere und höhere Homologe 
sowie Stereoisomere des Traubenzuckers der alkoholischen 
Gärung fähig sind, werden auch homologe a-Ketosäuren 
von Hefe umgesetzt. Genauer untersucht haben wir bisher die 
Verhältnisse bei der Oxalessigsäure und bei der а-Кефбо- 
buttersäure. 

Die Oxalessigsäure zerfällt durch Hefe ganz analog der 
Brenztraubensäure in Acetaldehyd und 2 Moleküle Kohlen- 
säure, entsprechend der Gleichung: 

COOH.CH,.C0.COOH = 2 СО, -++ CH,.COH. 

Nun existieren von der Oxalessigsäure zwei віегеоівотеге 
Formen, die man als Oxyfumarsäure und Oxymaleinsäure 
erkannt hat. Die Salze der Oxalessigsäure leiten sich dagegen 
von der Ketoform ab. Die drei Gebilde 


COOH COOH COOH 
но н co 
оно бон бн, 
боон боон соон 


stehen zueinander etwa im Verhältnis von Traubenzucker, 
Mannose und Fructose Genau wie diese 3 Kohlenhydrate 
fand Paul Mayer im hiesigen Laboratorium die 3 Oxalessig- 
säuren zur zuckerfreien Gärung mit Hefe befähigt. 

Eine andere interessante Substanz der 3-Kohlenstoff-Reihe, 
die alte Willsche Oxybrenztraubensäure, gärt mit Hefe, 
wenn auch unvollkommen. Sie liefert nach der Gleichung: 

CH, ,OH.CO.COOH = СО, -+ CH,0OH.COH 
Glykolaldehyd. Da letzterer der einfachste Zucker ist, liegt 
hier ein wohl einzig dastehendes Paradoxon vor, daß durch 
einen Gärakt Zucker gebildet statt zerstört wird. 

Die erwähnte @-Ketobuttersäure, CH,.CH,.CO.COOH, 
schließt sich in ihrem Verhalten eng an die Brenztraubensäure 
ап. Sie zerfällt mit Hefe und Hefefermenten fast noch vehe- 
menter als die Brenztraubensäure. Neben CO, fanden wir zu- 
nächst Propionaldehyd. Allein die Ausbeute an Propion- 
aldehyd war im Verhältnis zur Kohlensäureentwicklung gering. 


Zuckerfreie Hefegärungen. XII. | 417 


Es mußte also noch ein anderes Produkt entstehen. Wir 
konnten auch dieses fassen und als Propylakohol identi- 
fizieren'). 

Wir wollen nebenbei bemerken, daß sich uns zur Abscheidung 
kleiner Mengen von Alkohol außerordentlich das Naphthylisocyanat 
bewährt hat, das z. B. mit dem Propylalkohol das schön krystallisierende 
Naphthylurethan, C,,H,.NH.COOC,H,, liefert. | 

Auch in diesem Falle offenbart sich die Fähigkeit der 
Hefe, Aldehyde zu reduzieren. Diese Beobachtungen sind uns 
Veranlassung gewesen zu ausgedehnten Versuchen über das Ver- 
halten verschiedener Aldehyde zu Hefen. Das Ergebnis war ein 
überraschendes, indem es sich nach Versuchen mit Herrn Steen- 
bock und Herrn Ohta zeigte, daß zugesetzter Isobutylaldehyd 
sowie Valeraldehyd mit großer Leichtigkeit in die entsprechen- 
den Alkohole übergeführt werden. Valeraldehyd lieferte so 85°/, 
der möglichen Menge Amylalkohol. Darin darf man weitere 
Beweise dafür erblicken, daß sich die Alkoholbildung ganz 
allgemein über die Stufe der Aldehyde?) vollziehen kann. 
Auch sonst verdienen diese Reduktionsprozesse Beachtung. 
Denn oxydative Leistungen der Zelle, die sich in letzter Linie 
auf Kosten des atmosphärischen Sauerstoffs vollziehen, sind 
vielfach bekannt, während die Kenntnis neuer Reduktions- 
prozesse recht wünschenswert ist. 

Nachdem die Entstehung von Äthylalkohol aus einem 
Nichtzuckerstoff sichergestellt und somit ein neues Argument 
zugunsten der Auffassung gewonnen war, daß die Brenztrauben- 
säure ein intermediäres Produkt des Zuckerabbaus sein könne, 
war es notwendig, über die Stellung der Carboxylase im 
System der zuckerspaltenden Fermente Klarheit zu 
schaffen. Alle Enzympräparate, die Zucker umsetzen, vergären 
auch Brenztraubensäure; d.h. wo Zymase zugegen ist, findet 
sich auch Carboxylase. Den ersten Unterschied zwischen beiden 
Fermenten fanden Neuberg und Karczag vor 2 Jahren durch 
die Feststellung, daß frische Hefen bei Gegenwart von Chloro- 


1) Erscheint demnächst ausführlich in dieser Zeitschrift. 

2) Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Spuren von Acetaldehyd 
und Homologen, die bei allen Gärungen auftreten, solche Reste sind. 
Zwingend sind jedoch die bisher für diese Anschauung angeführten Tat- 
sachen nicht. (Siehe Neuberg und Kerb, diese Zeitschr. 48, 494, 1912.) 


418 С. Neuberg und J. Kerb: 


form zwar brenztraubensaure Salze, nicht aber Zucker vergären. 
Denn bekanntlich hebt dieses Antisepticum die Wirkung der 
lebenden Hefen auf Zucker vollständig auf. Seither ist es nun 
Neuberg und Rosenthal gelungen, eine ganze Reihe unterschied- 
licher Merkmale zwischen Carboxylase und Zymase aufzufinden. 
Für Hefepreßsaft hatte vor Jahren schon Buchner fest- 
gestellt, daß er beim Lagern, Erwärmen oder Dialysieren seine 
Wirksamkeit auf Zucker veriert Wir fanden nun, daß der 
treffliche Hefemacerationssaft nach у. Lebedeff, der auf 
51° erwärmt wurde, oder dialysiert ist, oder beim Lagern wohl in- 
folge Wirksamkeit des in ihm enthaltenen tryptischen Fermentas 
gärunwirksam auf Traubenzucker oder Saccharose geworden ist, 
Brenztraubensäure noch spaltet. Einen weiteren wesentlichen 
Unterschied in der Wirkung der Carboxylase und Zymase fanden 
wir in den zeitlichen Verhältnissen. Während 2. В. die 
Vergärung der Brenztraubensäure durchschnittlich in 5 Sekunden 
einsetzte, kam die Vergärung von Glucoselösung auch mit unse- 
rem frischen Macerationssaft erst in etwa 3 Stunden in Gang. 
Rund 2000 mal schneller kann also Kohlensäure aus Brenztrauben- 
säure als aus Zucker entwickelt werden!). Dieser Umstand weist 
darauf hin, daß offenbar zunächst ein Ferment einsetzt, das aus 
den C,-Zuckern C,-Körper erzeugt und dazu eben Zeit braucht. 
Was sich bei vielen biologischen Prozessen offenbart hat, 
scheint sich nun auch für die Zuckerspaltung zu ergeben: 
Der Zuckerabbau erfolgt in Stufenreaktionen. Jenen 
Carboxylasepräparaten, die nur auf Brenztraubensäure einwirken, 
fehlen die Agenzien, die Hexosen zur Dreikohlenstoffreihe abbauen 
bzw. zu Brenztraubensäure umformen. Alle Phasen des Ab- 
baus, die vor der Brenztraubensäuregärung liegen, sind 
im weitesten Sinne des Wortes Hydrolysen und Umlage- 
rungen, bewirkt durch Abspaltung und Aufnahme von 
H,O. Der wesentliche Vorgang ist die Zerreißung der 
Kohlenstoffkette, die zu C,- und C,-Körpern, in letzter 
Linie zu CO, und Äthylalkohol, führt. Der einzige biologische 
Prozeß dieser Art, den wir bisher kennen, ist die Spaltung der 
Brenztraubensäure durch die Carboxylase. Es ist im höchsten Maße 
unwahrscheinlich, daß die Carboxylase in allen Hefevarietäten 


1) Diese Zahlen sind aus direkten rohen Beobachtungen gewonnen; 
vielleicht ist die Differenz noch viel größer. 


Zuckerfreie Hefegärungen. XII. 419 


lediglich als „Zufallsenzym“ auftreten sollte. Alles spricht dafür, 
daß die Carboxylase ein Glied in dem Fermentsystem bildet, das 
wir bisher unter dem Begriff Zymase zusammengefaßt haben. 

Noch ganz kurz sei erwähnt, daß die Carboxylase auch 
in höheren Pflanzen gefunden ist, in den Samen von Erbsen, 
Bohnen und Lupinen. Das Ferment dieser Provenienz spaltet 
gleichfalls Brenztraubensäure in Kohlendioxyd und Acetaldehyd. 

Nach den Untersuchungen der letzten Zeit nimmt Brenz- 
traubensäure auch im Kohlenhydratstoffwechsel des 
Tieres eine zentrale Stellung ein. 

Auf einen Punkt möchten wir noch die Aufmerksamkeit 
lenken, der von hohem Interesse für die Kenntnis der Regu- 
lationsmechanismen der Zelle zu sein scheint. Der Übergang 
des neutralen Zuckers, der nach den Untersuchungen von 
Michaelis und Rona als eine äußerst schwache Säure mit 
der Dissoziationskonstante 6,6-101? aufgefaßt werden kann, 
in Brenztraubensäure (Dissoziationskonstante 5,6 · 10-1) bzw. die 
nahe verwandte Milchsäure (Dissoziationskonstante 1,38 - 10%) 
bedeutet eine gewaltige Produktion von H-Ionen. Es ist nun 
höchst interessant, daß bei der Vergärung von brenztrauben- 
sauren Alkalien kohlensaures Kalium gebildet wird: 

2CH,.C0.COOK + H,O =2CH,.COH -+ СО, + К,СО,. 

Es liegt hier, wenn man so sagen darf, der erste Fall 
vor, wo auf enzymatischem Wege fixes Alkali in Frei- 
heit gesetzt wird. Die Carboxylase kann also durch einfache 
Loslösung von Kohlensäure aus neutralen Substanzen mit er- 
heblicher Schnelligkeit Alkalicarbonat bilden. Es ist klar, daß 
ein solcher Prozeß als Regulationsbetrieb der Zelle eine große 
Bedeutung haben kann. 

So mannigfache Einzelheiten über den Mechanismus des 
Zuckerabbaus bekannt geworden sind, es kann kein Zweifel 
sein, daß von einer restlosen Aufklärung dieser Vorgänge keine 
Rede ist. Insbesondere scheint es das Schicksal der alkoholi- 
schen Gärung zu sein, daß dieser der Menschheit seit Jahr- 
tausenden vertraute Prozeß die Einzelheiten seiner Eigenart 
nur jeweils nach langen Etappen verrät. Man darf vielleicht 
die Hoffnung hegen, daß die Beobachtungen über die zucker- 
freien Hefegärungen eine neue Periode einleiten. 


Erwiderung auf E. Salkowskis Mitteilung „Über die 
Wirkung der Antiseptica auf Toxine“. 
(Diese Zeitschr. 50, 483.) 


Von 
A. Bertolini. 


(Eingegangen am 16. Juni 1913.) 


In seinem im 50. Band dieser Zeitschrift Seite 483 erschienenen 
Aufsatze, bezugnehmend auf meine im 48. Band, Seite 448 veröffent- 
lichte Arbeit „Über die das Diphtherietoxin entgiftende Wirkung der 
autolysierenden Leber“, scheint E. Salkowski zu glauben, daß seine 
15 Jahre zurückliegenden und in der Berl. klin. Wochenschr. 1898 er- 
schienenen Versuche mir entgangen sind, weil ich in meiner Arbeit sie 
nicht zitiert habe. Jene interessanten und wichtigen Mitteilungen von 
Salkowski wurden aber nicht erwähnt, weil ioh in dieser Zeitschrift 
möglichst nur den experimentellen Teil, ohne Literaturangabe, veröffent- 
lichen wollte; die komplette Arbeit mit der ganzen betreffenden Literatur 
wird in der „Clinica medica italiana“ bald erscheinen (sie ist seit No- 
vember 1912 eingegangen), und in jener sind die Mitteilungen Sal- 
kowskis angegeben. Ich möchte aber dabei bemerken, daß ich, da ich 
die Rolle erfahren wollte, die der Leber bei der Zerstörung des Diphtherie- 
toxins zukommt, wenn man Leber, Toxin und Antisepticum mischt, und 
da es aus den Versuchen Salkowskis mir bekannt war, daß verschie- 
dene Antiseptica (Salicylaldehyd, Formalin, Phenol, Chloroform) eine zer- 
störende Wirkung auf Diphtherietoxin auszuüben imstande sind, gerade 
auf diese Versuche mich stützend, in meinen Versuchen Toluol als Anti- 
septicum gebrauchte. Bekannterweise ist Toluol bei Eisschrank- und 
Zimmertemperatur vollständig wirkungslos auf Diphterietoxin. In seiner 
1898 erschienenen Arbeit gebrauchte Salkowski selbst in einer Ver- 
suchsreihe das unter Toluol ihm von Ehrlich übergebene Diphtherie- 
toxin — (Toluoldiphtherietoxin); bei Körpertemperatur stellte ich selbst 
bei früheren Versuchen fest, daß Diphtherietoxin auch nach einem Auf- 
enthalte von 4 Tagen im Brutschrank bei 37° von Toluol durchaus nicht 
angegriffen wurde: eine tödliche Einheit des einen Teils desselben Diph- 
therietoxins bestand nach dieser Zeitdauer bei 37° aus derselben Menge 
wie ein anderer im Eisschrank aufbewahrter Teil. 


A. Bertolini: Erwiderung. 421 


Der Widerspruch, den Salkowski zwischen meinen und seinen 
Beobachtungen zu sehen scheint (in meinen dauernd bei neutraler Re- 
aktion erhaltenen Mischungen blieb die Giftigkeit des Diphtherietoxins 
unverändert; nach den Beobachtungen Salkowskis über die Wirksam- 
keit der Antiseptica allein hätte die zerstörende Wirkung des Anti- 
septicums in die Erscheinung treten müssen), fällt also vollständig fort, 
da ich einerseits mit Alkalizusatz die zerstörende Wirkung der H-Ionen 
verhinderte, und sioh anderseits Toluol zweifellos und vollständig wir- 
kungslos zeigt. 

Was den Vorschlag von Е. Salkowski anbetrifft, den Mechanismus 
der Zerstörung des Diphtherietoxins durch die von ihm angewandten 
Antisepticis zu erforschen, so nehme ich mir vor, meinem hochverehrten 
früheren Lehrer, Prof. Е. Salkowski, für seine technischen Indicationen 
dankend, neue Versuche anzustellen, um zu erforschen, ob ein soloher 
Mechanismus, der kompliziert und für die verschiedenen angewandten 
Körper verschieden erscheint, nicht in einer viel einfacheren Weise zu 
erklären sei; das heißt, daß die Zerstörung von dem H-Ionengehalt, in 
derselben Weise wie für die Autolyse der Leber, abhängt, wo weder lös- 
lichen Oxydationsfermenten nooh oxydierenden Eigenschaften der Zellen 
oder Katalasen oder anderen die auf Diphtherietoxin zerstörende Wir- 
kung zukommt. 


Bemerkungen zu der „Erwiderung“ von Bertolini 
(diese Zeitschr. 58, 420). 
Von 
E. Salkowski. 


(Eingegangen am 24. Juni 1913.) 

Allerdings habe ich angenommen, daß Bertolini meine Mitteilung 
über die Wirkung дег Antiseptica auf Diphtherietoxine in der Вегі. klin. 
Wochenschr. nicht gekannt habe. Diese Annahme scheint mir auch durch- 
aus berechtigt gewesen zu sein. Ich habe untersucht, wie sich Diphtherie- 
toxin verhält, wenn man es mit Leber und einem Antisepticum zusammen 
digeriert. Bertolini hat u. a. dieselben Mischungen angesetzt, nur war sein 
Antisepticum ein anderes. Da liegt es nun in der Tat, wenn sich Differenzen 
n der Deutung der Befunde herausstellen, sehr nahe, ja ich möchte 
beinahe sagen, es ist selbstverständlich, daß man zu dieser Differenz 
Stellung nimmt. Bertolini hat das nicht getan, daraus schloß ich, daß 
er meine Mitteilung nicht gekannt habe und erinnerte an dieselbe. 

Bertolini teilt jetzt mit, daß er auf meine Ausführungen in einer 
Arbeit eingegangen sei, die in der Clinica italiana erscheinen werde, und 
daß er in der Biochem. Zeitschr. nur seine experimentellen Ergebnisse 
möglichst ohne Literaturangaben habe veröffentlichen wollen. Einige 
Literaturangaben hat Bertolini doch machen müssen, und meiner An- 
sicht nach hätte er gut daran getan, auch meine Mitteilung zu berück- 
sichtigen, um so mehr, als die Mehrzahl der deutschen Leser von seiner 
Arbeit in der Clinica italiana nicht direkt Kenntnis nehmen werden; 
mindestens wäre ein Hinweis darauf, daB er meine in gewisser Be- 
ziehung abweichenden Ergebnisse in der Clinica italiana besprechen 
werde, angebracht gewesen, denn das konnte ich doch nicht wissen. 

Nun findet sich aber in dieser „Erwiderung“ noch eine neue be- 
merkenswerte Angabe. 

Ich hatte gesagt: „Es ist wohl möglich, daß dieses Antisepticum 
(nämlich Toluol) auf Diphtherietoxin nicht zerstörend wirkt.“ Natürlich 
habe ich gemeint bei Körpertemperatur. Aus seiner Erwiderung geht 
hervor, daß er diesen Versuch bereits gemacht und sich überzeugt hat, 
daß in der Tat Diphtherietoxin auch bei 4tägiger Digestion bei Körper- 
temperatur von Toluol nicht angegriffen wird. Vorauszusehen war das 
nicht bestimmt, wie Bertolini annimmt, wenn er mich daran erinnert, 
daß ich ja selbst mit Toluol konserviertes Diphtherietoxin angewendet 
hätte: Konservierung bei niedriger Temperatur beweist noch nicht Resi- 
stenz bei Körpertemperatur. 

Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß es mir durchaus fern- 
gelegen hat, Bertolini „anzugreifen“, um so weniger, daß seine Arbeit 
zu sehr bemerkenswerten Ergebnissen geführt hat; ich bedauere, wenn 
Bertolini diesen Eindruck erhalten hat. Ich habe auch Bertolini 
keinen Vorwurf daraus gemacht, daß ihm meine Arbeit, wie ich annahm, 
entgangen ist, im Gegenteil, ich habe das sehr erklärlich gefunden. An- 
dererseits ist es jedoch durchaus verständlich, daß wenn jemand in einer 
Frage gearbeitet hat, er zu einer denselben Gegenstand behandelnden oder 
ihn berührenden Arbeit, wie ich es getan habe, Stellung nimmt. 


Synthetische $-Glucoside der Terpenalkohole. III’). 
Von 
J. Hämäläinen. 


(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Helsingfors.) 


(Eingegangen am 25. Mai 1913.) 


Über «-Santenol- und Camphenhydratglucosid. 


Wenn man Santen bzw. Camphen nach der Reaktion von 
Bertram und Wahlbaum behandelt, gelangt man zu a-San- 
tenol bzw. Camphenhydrat?). Beide sind gesättigt, jenes ist 
ein sekundärer, dieses dagegen ein tertiärer Alkohol. 

Das «-Santenol reagiert nicht besonders schwer mit Aceto- 
bromglucose bei Gegenwart von Silbercarbonat unter Bildung 
von «-Santenol-Tetraacetyl-glucosid. Das Camphenhydrat liefert 
dagegen schlechte Ausbeuten. In diesem Falle mußte man 
Acetobromglucose und Silbercarbonat in die absolut-ätherische 
Lösung des Alkohols portionsweise eintragen, um zu faßbaren 
Resultaten zu gelangen. Das «-Santenolglucosid zeichnet sich 
u.a. dadurch aus, daß es sehr empfindlich gegen Emulsin ist: 
in einigen Stunden wird es bei 37° durch Emulsin völlig ge- 
spalten. 


a-Santenol-tetraacetyl-d-glucosid. 
C,C,,0.C,H,O, (COCH,), - 
In die Lösung von 34 g «a-Santenol (opt. inaktiv.) in 
150 ccm absoluten Äthers wurden 20 g Acetobromglucose und 
15 g frisch dargestelltes, mit Alkohol und Äther getrocknetes 


1) Frühere Mitteilungen: Diese Zeitschr. 49, 398 und 50, 209, 1913. 
з) ©. Aschan. Öfvers. Finsk. Vetensk. Soc. Förh. 1910 bis 1911. 


A. Nr. 8, 12. Annal. d Chem. 17, 383, 1911. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 29 


494 J. Hämäläinen: 


Silbercarbonat eingetragen. Nach 6tägigem Schütteln auf der 
Maschine bei Zimmertemperatur wurde die trübe Lösung durch 
doppeltes Filter filtriert. Nach dem Verjagen des Äthers er- 
starrte der Rückstand krystallinisch. Derselbe wurde so lange 
im Dampfstrom destilliert, bis kein Öl mehr überging. Der 
nichtflüchtige, bräunliche, zähe Rest erstarrte allmählich zu 
einer bröckligen Masse, die abfiltriert und in Aceton gelöst 
wurde Beim spontanen Verdunsten der Lösung blieb der 
Acetylkörper in farblosen Nadeln zurück. Zur völligen Reini- 
gung wurde die Substanz aus siedendem, verdünntem Alkohol 
umkrystallisiert. Ausbeute an exsiccatortrockener, analysen- 
reiner Substanz 6,5 g oder auf die angewandte Menge der 
Acetobromgluoose berechnet 28,5°/, der Theorie. 

0,2410 g Substanz gaben 0,5185 g CO, und 0,1497g H,O. 


Ber. für C,,H,,0,0 (470,272): Gef.: 
С = 58,69%, 58,68 9/, 
H= 17,29%, 6,95 °, 


Das Tetrascetylglucosid bildet lange, glänzende, ziemlich 
derbe Nadeln, schmilzt bei 135,5 bis 137° (korr.) zu einer farb- 
losen Flüssigkeit, löst sich sehr leicht in Aceton, Chloroform 
und Benzol, leicht in Essigester, ziemlich leicht in Äther und 
Methylalkohol, schwerer in Äthylalkohol, sehr schwer in kochen- 
dem Wasser und gar nicht in Petroläther. 


a-Santenol-d-glucosid. 
СН, ,0.С,Н,,0,. 

Zur Abspaltung der Acetylgruppen wurden 4 р Tetraacetyl- 
glucosid, in 75 ccm Alkohol gelöst, in die Lösung von 16 g 
reinem, wasserhaltigem Bariumhydroxyl unter Umrühren por- 
tionsweise eingetragen. Hierbei fiel der Acetylkörper milchig 
aus. Die trübe Lösung wurde unter zeitweiligem Schütteln bei 
ca. 60° gehalten. Nach 10 Stunden war alles in Lösung ge- 
gangen. In die warme Flüssigkeit wurde Kohlensäure so lange 
eingeleitet, bis das Bariumcarbonat sich gut absetzte. Der 
Niederschlag wurde abfiltriert, mit Alkohol gewaschen und die 
vereinigten Filtrate im Vakuum zur Trockne verdampft. Der 
feste Rückstand wurde mit absolutem Alkohol ausgekocht und 
das Filtrat wiederum unter vermindertem Druck eingeengt. 


Synthetische $-Gluooside der Terpenalkohole. Ш. 425 


Hierbei blieb das Glucosid in farblosen Krystallen zurück. 
Zur völligen Reinigung wurde es in siedendem Essigäther ge- 
löst und nach Zugabe von Ligroin bis zur leichten Trübung 
stark abgekühlt, wodurch es in Nadeln herauskam. Ausbeute 
an reiner Substanz 2,52 g oder 92,6°/, der Theorie. 

| Zur Analyse wurde das Glucosid im Vakuum bei 56° zur 
Gewichtskonstanz getrocknet. 


0,1339 g Substanz gaben 0,2917 g CO, und 0,1034g H,O. 


Ber. für С,,Н„,О, (302,208): Gef.: 
С == 59,56 9%, 59,41 0), 
H= 8,7%, 8,64 9%, 


Zur optischen Bestimmung wurde das wasserfreie Glucoeid 
in absolutem Alkohol gelöst. Substanz: 0,1553 g; Gesamt- 
gewicht der Lösung: 8,7989 g; dl, = 0,7997; p= 1,7650; 
1=1 dem; a = — 0,63° (bei 20° und Na-Licht) 


[a]. = — 44,63°. 


Das wasserfreie Glucosid krystallisiert in feinen, farblosen, 
sehr bitter schmeckenden Nadeln, schmilzt bei 122,5 bis 125,59 
(korr.) zu einer farblosen Flüssigkeit, löst sich sehr leicht in 
Wasser, Methyl- und Äthylalkohol, leicht in Aceton, Chloro- 
form, Essigester und Äther, schwer in Benzol, gar nicht in 
Petroläther. 

Beim spontanen Verdunsten der wässerigen Lösung scheidet 
sich das Glucosid mit Krystallwasser aus. Das wasserhaltige 
Glucosid bildet feine, glänzende Nadeln, schmilzt bei 96,5 bis 
100° (korr.) unter Aufschäumen zu einer farblosen Flüssigkeit 
und verliert, im Vakuumexsiccator aufbewahrt, schon bei Zimmer- 
temperatur in einigen Tagen ziemlich vollständig sein Krystall- 
wasser. 

Von siedenden, verdünnten Mineralsäuren wird es rasch 
hydrolysiert, ebenso durch Emulsin: 0,085 д wasserfreies Gluco- 
вій, in 10 ccm Wasser gelöst, wurden mit 0,085 g Emulsin 
und einigen Tropfen Chloroform bei 37° aufbewahrt. Nach 
8 Stunden ergab die Titration mit Fehlingscher Lösung 0,05 g 
Glucose, während 0,0507 g entstehen konnten. Das entspricht 
99°/, der Theorie. 


29* 


426 J. Hämäläinen: 


Camphenhydrat-tetraacetyl-d-glucosid. 


C,0H,,0.0,H,0 (COCH,), . 

38 g Camphenhydrat, in 100 com absoluten Äthers gelöst, 
wurden mit insgesamt 25,5 g Acetobromglucose und 17 g Silber- 
carbonat, die in 4 je etwa gleichgroßen Portionen jeden dritten 
Tag eingetragen wurden, bei Zimmertemperatur auf der Ma- 
schine geschüttelt. Der in obiger Weise isolierte Acetylkörper 
wurde aus siedendem, verdünntem Alkohol umkrystallisiert. 
Ausbeute an exsiccatortrockener, analysenreiner Substanz 5,2 g 
oder auf die angewandte Menge der Acetobromglucose be- 
rechnet 17,3°/, der Theorie. 


0,1120 g Substanz gaben 0,2449g CO, und 0,0763g H,O. 


Ber. für О,,Н,,О,, (484,288): Gef.: 
C= 59,47 9%, 59,63 9, 
H= 1,499, 7,62], 


Das Tetraacetylglucosid bildet lange, farblose, biegsame 
Nadeln, schmilzt bei 115 bis 117° (korr.) zu einer farblosen 
Flüssigkeit, löst sich sehr leicht in Aceton, Chloroform, Essig- 
ester und Benzol, leicht in Äther, ziemlich leicht in Methyl- 
alkohol, schwerer in Äthylalkohol, sehr schwer in Wasser und 
gar nicht in Petroläther. 


Camphenhydrat-d-glucosid. 
С,Н,,О j C,H, ,0,. 

2,6 g Tetraacetylglucosid, in 30 ccm Alkohol gelöst, wur- 
den in die Lösung von 8g Bariumhydroxyd in 120 ccm Wasser 
eingetragen. Nach 12stündigem Aufbewahren bei 50 bis 60° 
war alles in Lösung gegangen. Die durch Kohlensäure vom 
Baryt befreite Lösung wurde im Vakuum zur Trockne ver- 
dampft und der Rückstand mit abs. Alkohol ausgekocht. Das 
Filtrat hinterließ nach dem Verjagen des Alkohols unter ver- 
mindertem Druck ein farbloses Öl, das bald krystallinisch er- 
starrte. Zur Reinigung wurde das Glucosid in siedendem Essig- 
ester gelöst und nach Zugabe von Ligroin bis zur leichten 
Trübung durch starkes Abkühlen wieder ausgeschieden. Aus- 
beute an reiner Substanz 1,5g oder 83,6%/, der Theorie. 


Synthetische $-Glucoside der Terpenalkohole. III. 427 


0,1281 g Substanz (bei 8 mm und 75° getr.) gaben 
0,2851g CO, und 0,1022g H,O. 


Ber. für CB, (316,224): Gef.: 
C= 60,72°], 60,709, 
Н = 8,93%, 8,939], 


Zur optischen Bestimmung wurde das wasserfreie Glucosid 
in absolutem Alkohol gelöst. Substanz: 0,2326 g; Gesamt- 
gewicht der Lösung 8,7661 р; р = 0,2326; 4%°], = 0,8017; 

== — 0,65° (bei 20° und Na-Licht) 
[a] 2° = — 30,56°. 


. Das wasserfreie Glucosid bildet feine, farblose, biegsame, 
sehr bitter schmeckende Nadeln, sintert gegen 90° (korr.) und 
schmilzt bei 96,5 bis 102,5° (korr.) zu einer farblosen Flüssig- 
keit. Es löst sich leicht in Wasser, Aceton, Chloroform, Essig- 
ester, Äther, Methyl- und Äthylalkohol, schwer in Benzol und 
gar nicht in Petroläther. 

Von verdünnten Mineralsäuren wird das Glucosid in der 
Siedehitze rasch gespalten. Emulsin wirkt langsamer: 0,0733 g 
Glucosid wurden in 10 ccm Wasser gelöst und mit 0,07 g Emulsin 
nebst einigen Tropfen Chloroform versetzt. Nach 2tägigem 
Stehen im Brutraum ergab die Titration 0,011 g Glucose, d. h. 
27°/, der Theorie. 


Das angewandte «-Santenol und Camphenhydrat verdanke 
ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. О. Aschan. 
Bei der Ausführung der Versuche wurde ich von Herrn stud. 
chem. K. A. Stählberg auf das beste unterstützt. 


Nachtrag zu meiner Arbeit: Glucoside mit olefinischen und 
monocyclischen Aglykonen'). 

Leider war es mir entgangen, daß das von mir beschrie- 
bene Cyclohexanolglucosid schon vor etwa 2 Jahren vonE.Fischer 
und Helferich?) dargestellt worden ist. Meine Resultate stim- 
men mit den Angaben der genannten Forscher gut überein, 
wie diese Zusammenstellung zeigt: 


1) Diese Zeitschr. 49, 402, 1913. 
9 Annal. d. Chem. 888, 74, 1911. 


428 J.Hämäläinen: Synthetische $-Gluooside der Terpenalkohole. ПГ 


Cyclohexanoltetraacetyl-d-glucosid Cyclohexanol-d-glucosid 
Schmelzpunkt [0] 1° Schmelzpunkt [ва] 
Fischeru. Helferich 120-121° —29,41° 133—137? (korr.) — 41,55 


(korr.) (wäss. Leg.) 
Hämäläinen. . . 119-1200 — 133-135° (korr.) — 42,52% 
(korr.) (Alk.-Lag.) 


Betreffend die Löslichkeitsverhältnisse dieser beiden Ver- 
bindungen stehen die Angaben von E. Fischer und Helferich 
mit den meinigen in guter Übereinstimmung. Nur die Spalt- 
barkeit des Glucosids durch Emulsin wird von den genannten 
Autoren zu 70°/, angegeben, während ich 29°/, gefunden hatte, 
was ja auf verschiedene Wirksamkeit der Enzympräparate zu- 
rückzuführen ist. 


Beiträge zur Kenntnis der Fermente der Milchdrüse und 
der Milch. 


Von 
W. Grimmer. 


(Aus der physiologisch-ohemischen Versuchsstation der Kgl. Tierärztlichen 
Hochschule zu Dresden.) 


(Eingegangen am 12. Juni 1913.) 


Unsere Kenntnisse über das Vorkommen von Fermenten 
in der Milch sind erst neueren Datums. 

Wir finden zwar auch in der älteren Literatur einige wenige Arbeiten 
über Fermentwirkungen in der Milch. So fand z. В. Böchamp') im 
Jahre 1883 das stärkespaltende Vermögen der Frauenmilch, das Bouchut?) 
im Jahre 1885 bestätigte, und schon 1881 beschreibt Arnold®) die Eigen- 
schaft der rohen Kuhmilch, Guajactinktur bei Anwesenheit von Wasser- 
stoffsuperoxyd zu bläuen. Eine intensive Bearbeitung dieses Themas be- 
ginnt aber erst um die Jahrhundertwende. In sehr kurzer Zeit ist seit- 
dem eine Fülle von Arbeiten veröffentlicht worden, die ein reiches Tat- 
sachenmaterial zutage gefördert haben. Mit diesen zugleich aber ist auch 
eine Fülle der widerstreitendsten Ansichten entstanden, die in der Natur 
der Sache begründet sind. In erster Linie erhoben sich Meinungsver- 
schiedenheiten über den originären Ursprung dieser Stoffe, die, auf Grund 
ihrer Eigenschaft, nach dem Erhitzen der Milch keine Reaktion mehr 
auszulösen, meist ohne weiteres als Fermente angesprochen wurden. Diese 
Differenzen sind verständlich, wenn man bedenkt, daß wohl kaum ein 
anderes Sekret des tierischen Körpers einer Infektionsgefahr in dem 
Maße ausgesetzt ist wie die Milch, so daß es nur äußerst selten gelingt, 
der Milchdrüse eine vollkommen sterile Milch zu entnehmen. In der 
Zitze befindet sich bekanntlich stets ein Bakterienpfropfen, der von von 
außen eingedrungenen Mikroorganismen herrührt. Die Schwierigkeit hat 
vielfach dazu geführt, indirekte Methoden der Herkunftsbestimmung der 


1) Böchamp, Compt. rend. 96, 1508, 1883. 

©) Bouchut, Hygiène de la premiere enfance. Paris 1885; zitiert 
nach Raudnitz in Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. 2, 1903. 

з) Arnold, Arch. d. Pharm. 219, 41, 1881. 


430 W. Grimmer: 


Milochenzyme anzuwenden, deren gebräuchlichste lange Zeit die war, daß 
man sterilisierte Milch mit den verschiedenen normaliter in der Milch 
vorkommenden Bakterienarten impfte und die hierbei entstehenden 
Enzyme beobachtete. Diese Methode liefert nur bedingt richtige Werte, 
nämlich dann, wenn die Bakterien irgendein Enzym, das in der Milch 
vorkommt, nicht produzieren. Im anderen Falle ist eine Entscheidung 
nicht möglich gewesen. Infolge dieser Schwierigkeiten hat es großer 
Arbeit bedurft, um unsere jetzigen EE über den Ursprung 
der Fermente zu fundieren. 

Dafür wurden nun in neuerer Zeit vielfach Zweifel an der Ferment- 
natur dieses oder jenes Enzyms, z. B. der Salolase, der Aldehydkatalase 
(Perhydridase) usw. laut, die sich darauf gründen, daß es möglich ist, 
die Reaktionen, die man bisher einem Fermente zuschrieb, auch durch 
chemische Agenzien herbeizuführen, und durch Stoffe und unter Ver- 
hältnissen auszulösen, die sich vielfach auch in der Milch wiederfinden, 
z. B. die Verseifung des Salols durch schwache Alkalien. 


Unter diesen Umständen erschien es mir nicht unzweck- 
mäßig, bei meinen Versuchen über die Natur der Milchfermente 
nicht die Milch in den Vordergrund zu stellen, sondern in erster 
Linie in dem Organ selbst, das die Milch produziert, nach diesen 
Fermenten zu fahnden. 


Derartige Untersuchungen sind bisher nur in ganz geringer Zahl 
ausgeführt worden und verfolgen zum Teil auch einen ganz anderen 
Zweck, indem sie in erster Linie die Entstehung der typischen Milch- 
bestandteile, Casein und Milchzucker, die sich ja im ganzen tierischen 
Organismus nicht wiederfinden, zu erklären bezwecken. Es sei an die 
älteren Untersuchungen von Dähnhardt!) und Thierfelder*) erinnert, 
die in den Milchdrüsen ein Ferment vermuteten, das imstande sei, Al- 
bumin in Casein umzuwandeln. Thierfelder sucht auch den Milch- 
zucker als das Produkt eines Fermentes hinzustellen. Aus neuerer Zeit 
datieren die Arbeiten von Basch?), Hildebrandt‘) und Borrino?). 
Der erstere versuchte ohne Erfolg, die Komponenten des Milchzuckers, 
Dextrose und Galaktose, mit Hilfe eines möglicherweise in den Milch- 
drüsen enthaltenen Fermentes zu kuppeln. Hildebrand fand, daß bei 
der Autodigestion von Milchdrüsenbrei eine weitgehende Proteolyse vor 
sich geht, die bei lactierenden Drüsen weitaus intensiver ist als in nicht- 
milchenden Drüsen. Borrino endlich konnte in den milchenden Drüsen 
des Rindes eine Nuclease nachweisen, die in den nichtmilchenden Drüsen 


1) Dähnhardt, Arch. f. d. ges. Physiol. 8, 587, 1870. 

2) Thierfelder, Arch. f. а. ges. Physiol. 82, 619, 1884. 

з) Basch, Ergebn. d Physiol. 2, 1903. 

4) Hildebrandt, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 5, 463, 1904. 
5) Borrino, Revista di clin. реа. 1911. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 431 


fehlte. Die Arbeiten von Rosell!) und Slowzoff?) berühren das Vor- 
kommen von Fermenten in der Milchdrüse nur ganz kurz. 

Die vorliegende Arbeit bezweckt in erster Linie, festzu- 
stellen, ob die Enzyme, soweit sie in der Milch gefunden wurden, 
auch in der lactierenden Milchdrüse enthalten sind, anderer- 
seits suchte ich die Unterschiede kennen zu lernen, die zwischen 
der tätigen und der ruhenden Drüse hinsichtlich ihres Ferment- 
gehaltes bestehen, da die eventuell vorhandenen Differenzen 
Schlüsse gestatten könnten auf die Funktion der lactierenden 
Drüsen und die Entstehung der verschiedenen Milcharten. Zur 
Untersuchung gelangten die Drüsen von Rind, Schaf, Schwein 
und Pferd, die nach Entfernung von Fett und Bindegewebe 
sowie aller sichtbaren Blutgefäße mittels des Hackmessers in 
einen Brei verwandelt wurden. Anfangs stellte ich aus diesen 
durch Extraktion mit der doppelten Gewichtsmenge Glycerin 
Glycerinextrakte her, hielt es aber später für zweckmäßiger, 
Preßsäfte und Kochsalzextrakte herzustellen, die gegenüber den 
Glycerinextrakten zwar den Nachteil hatten, sehr viel eiweiß- 
reicher zu sein als diese, dafür andererseits den Vorteil boten, 
daß sie leichter dialysiert werden konnten und besser aussalz- 
bar waren. Ein Teil des Drüsenbreies wurde in vielen Fällen 
zur Bereitung von Autodigestionsextrakten verwendet, indem 
der in der doppelten Gewichtsmenge physiologischer Kochsalz- 
lösung verteilte Drüsenbrei mit Toluol geschüttelt und unter 
häufigem Ersatz desselben 3 Monate bei Bruttemperatur auf- 
bewahrt wurden. Die Extrakte wurden auf das Vorkommen 
folgender Fermente geprüft: Protease, Ereptase, Mono- 
butyrase, Amylase, Salolase, Peroxydase. In den oben- 
erwähnten Glycerinextrakten erfolgte weiterhin еше Prüfung 
auf Aldehydkatalase, Reduktase und Hydrogenase. Ein 
kleiner Teil der von mir erhaltenen Resultate ist bereits früher 
an wenig zugänglicher Stelle publiziert worden), aus diesem 


1) Rosell, Nachweis und Verbreitung intracellulärer Fermente. 
Diss. Straßburg. 1901. 

1) Slowzoff, Über die Oxydasen des Tierkörpers. Diss. St. Peters- 
burg (russisch). 1899. 

®© Grimmer, Festschr. f. Otto Wallach, Göttingen 1909, S. 452. 
Milchwirtschaftl. Centralbl. 1909, 243; 1911, 395; 1909, 165. 


432 W. Grimmer: 


Grunde habe ich einige der damals erhaltenen Untersuchungs- 
ergebnisse auch an dieser Stelle eingehender besprochen. 

Der Nachweis der Fermente erfolgte in folgender Weise: 
Das proteolytische Ferment konnte lediglich an den Ver- 
änderungen erkannt werden, die durch die Autodigestion be- 
dingt wurden, da keiner der von mir geprüften Extrakte im- 
stande war, innerhalb kurzer Zeit Eiweiß anderer Art (Fibrin, 
Hühnereiweiß, Gelatine) deutlich wahrnehmbar anzugreifen. Zur 
Prüfung auf peptolytisches Ferment (Ereptase) wurden die 
Extrakte und Preßsäfte mit dem gleichen Volumen einer 
50°/ igen Lösung von Seidenpepton versetzt, von dem Abder- 
halden gezeigt hatte, daß es sich infolge seines hohen Gehaltes 
an Tyrosin vorzüglich zum Nachweise peptolytischer Fermente 
eignet, da das bei der Spaltung auftretende Tyrosin wegen 
seiner Schwerlöslichkeit sofort ausfällt. Monobutyrase er- 
kannte ich dadurch, daß je 2 ccm der Extrakte mit 5 ccm 
einer gesättigten Monobutyrinlösung unter Toluol 15 Stunden 
lang in den Brutschrank gestellt wurden, nachdem ich bei einer 
anderen Probe die Anfangsacidität festgestellt hatte. Durch 
Verwendung erhitzter Extrakte wurde mehrfach eine Kontrolle 
ausgeübt. Auf Amylase prüfte ich mit Stärkekleister, indem 
ich је 2 ccm der Extrakte mit 10 ccm eines 1°/,igen Stärke- 
kleisters und Toluol versetzte und die Gemische ebenfalls 
15 Stunden lang bei Bruttemperatur beließ. Da viele Extrakte 
gegenüber Fehlingscher Lösung Reduktionserscheinungen zeigten, 
so konnte bei diesen diese Reaktion natürlich nicht als Kriterium 
für eine stattgehabte Verzuckerung gelten, ich benutzte daher 
das Verhalten des Digestionsgemisches gegen Jod, um einen 
Stärkeabbau zu erkennen. Bei der Verwendung von dialysierten 
Extrakten und von Eiweißfällungsfraktionen derselben (mit 
Magnesium- und Ammoniumsulfat) wurde stets darauf geachtet, 
daß diese Fehlingsche Lösung nicht reduzierten, also keine irgend- 
wie nachweisbaren Zuckermengen enthielten. Der Nachweis 
einer Salol spaltenden Wirkung erfolgte durch Zusatz von 
Eisenchlorid zu dem 15 Stunden bei 37° gehaltenem Gemisch 
von Extrakt und Salol. Violettfärbung zeigt die Spaltung des 
Salols in seine Komponenten, Phenol und Salicylsäure, an. Be- 
züglich des Peroxydasenachweises sei auf das dieses Ferment 
behandelnde Kapitel verwiesen. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 433 


I. Proteasen. 

Der erste, der auf ein Oasein bildendes Ferment in der Milchdrüse 
fahndete, war Dähnhardt!), der indessen nicht nach Abbauprodukten 
der autodigerierten Milchdrüse suchte, sondern mit Hilfe von Milch- 
drüsenextrakten des Meerschweinchens Eieralbumin in Casein umwandeln 
wollte. Ähnliche Untersuchungen mit Kaninchenmilchdrüsen und Ka- 
ninchenblutserum stellte Thierfelder”) an. Beide glaubten auf Grund 
ihrer Resultate nachgewiesen zu haben, daß das von ihnen zu den Drüsen- 
extrakten zugesetzte Albumin in Casein umgewandelt worden sei. Dähn- 
hardt vermutete dies auf Grund der Erscheinung, daß er eine mit Essig- 
säure fällbare Substanz erhielt, die sich in Alkalien wieder löste. Thier- 
felder machte die Beobachtung, daß bei der gemeinsamen Autodigestion 
von Milchdrüsenbrei und Blutserum eine größere Menge Stickstoff in den 
Extrakten enthalten war, als wenn beide Substanzen getrennt vonein- 
ander digeriert wurden. Die Frage, ob in der Milchdrüse proteolytische 
Fermente enthalten sind, die Eiweiß zu niedermolekularen Substanzen 
abzubauen vermögen, beantworten diese Autoren ebensowenig wie Basch?), 
der glaubte, durch Kuppelung der Milchdrüsennuocleinsäure mit Rinder- 
blutserum Casein zu erhalten. Der erste, der nach solchen spaltenden 
Fermenten suchte, war Hildebrandt‘), der milchende und nicht- 
milchende Drüsen vom Rind und der Frau der Autodigestion unterwarf 
und in allen einen deutlichen Abbau von Eiweiß feststellen konnte, der 
in den lactierenden Drüsen ungleich umfangreicher war als in den nicht- 
milchenden. Aus den Extrakten der letzteren konnte mit Essigsäure ein 
Niederschlag gefällt werden, der in Alkalien wieder löslich war, der 
jedoch bei der gleichen Behandlung eines von einer laotierenden Drüse 
stammenden Autodigestionsextraktes nicht mehr erhalten werden konnte. 
Während in den Extrakten der nichtmilchenden Drüsen hitzekoagulable 
und durch Ammoniumsulfat fällbare Substanzen in reichlicher Menge 
nachweisbar waren, war dies in den Extrakten der milchenden Drüsen 
nicht mehr der Fall. Diese zeigten auch eine viel schwächere Biuretreaktion 
als der der nichtmilchenden Drüsen. Des weiteren fand Hildebrandt 
bei den milchenden Drüsen eine größere Menge gelösten Stickstoffs als 
bei den nichtmilchenden Drüsen. Dieser Unterschied konnte dadurch, 
daß die letzteren bei schwach saurer Reaktion zur Autodigestion an- 
gesetzt wurden, ausgeglichen werden. Pferde- und Rinderblutserum 
wurden von dem Fermente nicht angegriffen. 

Die hier zitierten Arbeiten können die Frage nach dem Vorkommen 
proteolytischer Fermente in der Milch nicht beantworten, immerhin 
sind sie deshalb von großem Werte, weil die eventuelle Anwesenheit 
einer Protease, die nichtbakteriellen Ursprungs ist, in der Milch das Vor- 
handensein einer solchen in der lactierenden Drüse zur Voraussetzung hat. 


1) Dähnhardt, 1. о. 
1) Thierfelder, Le 
5) Basch, L o. 

4) Hildebrandt, 1. с. 


434 W. Grimmer: 


In der Milch selbst glaubten Babcock und Russel!) ein proteo- 
lytisches Ferment nachgewiesen zu haben. Sie fanden, daß angeblich 
steril aufgefangene und sofort mit Antisepticis versetzte Kuhmilch im 
Verlaufe von 8 Monaten eine Zunahme des gelösten, durch Essigsäure 
nicht fällbaren Stickstoffs von 25°/, bis auf 73°/, des Gesamtstickstoffs 
erfuhr. Ein solches Ferment fanden sie weiterhin auch in Büffel-, 
Schaf-, Ziegen-, Pferde-, Esel- und Frauenmilch. v. Freuden- 
reich*®), Jensen?), Spolverini*), Vandevelde’) und Hippius®) be- 
stätigten diese Befunde, konnten sich aber, mit Ausnahme von Vande- 
velde und Spolverini, nicht dazu entschließen, diese Erscheinung auf 
die Wirkung einer originären, nicht bakteriellen Protease zurückzuführen. 
Die Untersuchungen anderer Autoren wie Friedjung und Hecht’), 
Moro’) und Zaitscheck?°) lassen das Vorkommen eines proteolytischen 
Fermentes in der Milch zum mindesten zweifelhaft erscheinen. 

Die negativen Befunde der letztgenannten Autoren sprechen mit 
größerer Wahrscheinlichkeit für das Fehlen proteolytischer Enzyme als 
die positiven Befunde der anderen für das Vorhandensein solcher Fer- 
mente. Es muß stets berücksichtigt werden, daß selbst unter asepti- 
schen Kautelen die Gewinnung einer vollständig keimfreien Milch fast 
immer Glückssache ist, und daß durch die Antiseptica, die Baboook 
und Russel verwendeten, Benzol und Äther, keine sichere Sterilisierung 
erreicht werden kann. Bei der Verwendung des als Antisepticum un- 
gleich wirksameren Formalins fanden v. Freudenreich und Jensen 
јә auch nur eine sehr geringe Zunahme des durch Essigsäure nicht fäll- 
baren Stickstoffs in der Milch. 


Meine Untersuchungen in dieser Richtung konnten nur 
den Zweck haben, etwas Näheres über die Funktion der Milch- 
drüse in lactierendem Zustande zu erfahren. Dazu war es aber 
auch nötig, nichtmilchende Drüsen zum Vergleiche heranzu- 
ziehen. Der Umstand, daß wir im Casein einen von der Milch- 
drüse gebildeten Eiweißkörper haben, der sich sonst in keinem 
anderen tierischen Sekrete vorfindet, fordert geradezu zu der 
Annahme heraus, daß die lactierende Drüse ein proteolytisches 


1) Babcock und Russel, Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 6, 
17, 1900. 

N v.Freudenreich, Centralbl.f. Bakteriol. u. Parasitenk. 6, 332, 1900. 

з) Jensen, Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 6, 734, 1900. 

“) Spolverini, Revue d’Hygiöne et de med. infantile 1, 8, 1902. 

5) Vandevelde, de Waele und Sugg, Beiträge z. chem. — 
п. Pathol. 5, 571, 1904. 

6) Hippius, Jahrb. f. Kinderheilk. 61, 865, 1905. 

) Friedjung und Hecht, Arch. f. Kinderheilk. 87, 177, 346, 1903. 

8) Moro, Jahrb. f. Kinderheilk. 56, 392, 1902. 

°) Zaitsoheck, Arch. f. d. ges. Physiol. 104, 539, 1904. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 435 


Ferment enthält, das eine sehr mächtige Wirksamkeit besitzen 
muß, da es den Zellen der Milchdrüse aus den Eiweißkörpern 
die Bausteine liefern muß, die zum Aufbau des Caseins nötig 
sind. 

Bei der Prüfung der mir zur Verfügung stehenden Glycerin- 
extrakte auf das Vorkommen eines proteolytischen Fermentes 
fand ich in Übereinstimmung mit Hildebrandt, daß zu den- 
selben hinzugefügtes Eiweiß — koaguliertes Hühnereiweiß, 
Fibrin und Gelatine in Form Mettscher Röhrchen — weder 
bei der normalen schwach-sauren Reaktion der Glycerinextrakte, 
noch bei alkalischer Reaktion (0,1°/ ige Na,CO,), noch bei salz- 
saurer Reaktion (0,2°/ ige Salzsäure) angegriffen wird. Auch 
die Kochsalzextrakte und Preßsäfte der Milchdrüsen von Rind, 
Schaf, Schwein und Pferd vermochten weder Fibrin noch 
Hühnereiweiß zu verdauen. Ich war also ebenfalls, wenn ich 
eine proteolytische Wirksamkeit feststellen wollte, auf die Auto- 
digestion der Milchdrüsen angewiesen, bei denen nach Abbau- 
produkten des Eiweißes gesucht werden mußte. 

In den Preßsäften und Kochsalzextrakten der nicht auto- 
digerierten Drüsen aller Tiere waren sehr reichliche Mengen 
durch Essigsäure fällbarer Substanzen vorhanden, in vielen 
derselben war die Ausscheidung eine so starke, daß die Masse 
breiartig erstarrte. Die Biuretprobe fiel in ihnen allen sehr 
stark positiv aus; wurden die Extrakte schwach angesäuert 
und erhitzt, so fielen sämtliche Eiweißsubstanzen aus. Die 
Filtrate hiervon gaben keine Biuretreaktion mehr, durch Gerb- 
säure konnte ich in diesen keine Fällung mehr hervorrufen, 
Albumosen und Peptone waren in den frischen Extrakten und 
Preßsäften der Drüsen somit nicht vorhanden. Die Auto- 
digestionsextrakte waren in der Weise hergestellt worden, daß 
der Milchdrüsenbrei mit der doppelten Gewichtsmenge physio- 
logischer Kochsalzlösung unter Toluol 3 Monate im Brutschranke 
gehalten und nach dieser Zeit filtriert wurde. Das Verhalten 
der Filtrate ist aus Tabelle I ersichtlich. Wir sehen, daß die 
Autodigestionsextrakte der nichtmilchenden Drüsen eine sehr 
starke Biuretreaktion geben, die auch nach dem Erhitzen der- 
selben unter Zusatz von Essigsäure noch vorhanden ist und 
weiterhin im Filtrat der mit Ammoniumsulfat gesättigten Ex- 
trakte auftritt. Nach der Dialyse der Autodigestionsextrakte 


W. Grimmer: 


436 





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Fermente der Milchdrüse und der Milch. 437 


trat die Biuretreaktion nur noch sehr schwach auf, entsprechend 
dem geringen Gehalte der beim Erhitzen mit Essigsäure fäll- 
baren, nicht dialysablen Eiweißkörper. Im Dialysat hingegen 
waren die herausdiffundierten Biuretkörper nachweisbar. Bei 
den milchenden Drüsen hingegen war die Biuretreaktion 
der Extrakte entweder vollständig verschwunden oder trat nur 
noch in ganz geringem Maße ein; die Menge der hitzekoagu- 
lablen und durch Ammoniumsulfat fällbaren Substanzen war 
eine außerordentlich geringe geworden, es trat zunächst stets 
nur eine Trübung auf, die erst nach mehrtägigem Stehen in 
eine sehr geringe Flockenbildung sich verdichtete. In den 
milchenden Drüsen war also offenbar, ebenso wie Hildebrandt 
das gefunden hatte, der Eiweißabbau ein viel energischerer 
gewesen als in den nichtmilchenden Drüsen. In dieser An- 
nahme werden wir durch das Verhalten der Autodigestions- 
extrakte gegenüber Essigsäure bestärkt. Die Extrakte der 
nichtmilchenden Drüsen gaben eine noch immer sehr starke 
Fällung, während in den Autodigestionsextrakten der milchenden 
Drüsen nur noch eine ganz schwache Trübung erzielt werden 
konnte. Die Natur der mit Essigsäure ausfallenden Substanz 
wurde nicht näher untersucht, festgestellt wurde lediglich, daß 
sie durch verdünnte Natronlauge wieder in Lösung geht. 
Hildebrandt gibt an, daß diese Substanz phosphorfrei ist, 
also nicht Nuclein oder Nucleinsäure vorstellt. 

Der prägnanteste Unterschied gibt sich aber in der Trypto- 
phanreektion zu erkennen. Sämtliche einwandfrei nicht- 
milchenden Drüsen spalten bei der Autodigestion kein Trypto- 
phan ab, nur bei einer Drüse (Kuh 8) war dies in sehr ge- 
ringem Maße der Fall. Веі dieser Drüse läßt sich aber nicht 
mit Bestimmtheit sagen, ob sie als nichtmilchende Drüse gelten 
kann, da sowohl der Preßsaft als auch der Kochsalzextrakt 
der Drüse dieses Tieres eine, wenn auch nur schwache, Per- 
oxydasereaktion (s. dort) gab, welche die übrigen nichtmilchen- 
den Drüsen nicht geben. Es läßt sich vermuten, daß diese 
Drüsen entweder in einem Vorbereitungsstadium der Lactation 
standen oder daB das Tier seine Lactation nahezu beendet 
hatte. Makroskopisch konnte eine Milchbildung jedenfalls aber 
nicht mehr wahrgenommen werden. In den autolysierten Ex- 
trakten der milchenden Drüsen hingegen war stets eine 


438 W. Grimmer: 


deutliche Tryptophanreaktion erkennbar. Hildebrandt gibt 
an, daß er in den Autodigestionsextrakten der nichtmilchenden 
Drüsen auch Leucin und Tyrosin gefunden habe, daB also 
auch hier ein Abbau bis zu einfachen Aminosäuren statt-- 
gefunden habe. Aus diesem Verhalten ließ sich vielleicht ver- 
muten, daß in den Eiweißkörpern der nichtmilchenden Drüsen 
kein Tryptophan enthalten ist, eine Vermutung, die sich aller- 
dings zu keiner bestimmten Behauptung verdichten kann, da 
nach Mandel?) das Milchdrüsennucleoproteid tryptophanhaltig 
ist und auch Serumeiweiß, dessen Vorhandensein in den Drüsen- 
extrakten wir wohl kaum bezweifeln können, Tryptophan als 
Baustein besitzt. Andererseits ließ sich vermuten, daß das 
proteolytische Ferment der nichtmilchenden Drüse nicht im- 
stande ist, Tryptophan aus den Eiweißkörpern abzuspalten. 
Ich versetzte daher die fein zerhackte Milchdrüse einer nicht- 
milchenden Kuh zu einem Teile mit Kochsalzlösung allein, zu 
einem anderen mit Kochsalzlösung und Pankreatin, und unter- 
warf beide Portionen einer 3monatigen Digestionsdauer. Nach 
dieser Zeit wurde in beiden Proben die Tryptophanreaktion 
mit Bromwasser ausgeführt. Der nur mit Kochsalzlösung di- 
gerierte Anteil der Drüse gab, wie nach den bisherigen Re- 
sultaten nicht anders zu erwarten war, keine Tryptophan- 
reaktion, diese trat aber äußerst intensiv in dem mit Pan- 
kreatin digerierten Anteile der Drüse auf. Das Fehlen des 
Tryptophans in den Extrakten der nichtmilchenden Drüsen ist 
somit nicht auf die Abwesenheit eines tryptophanhaltigen 
Eiweißkörpers in der nichtmilchenden Drüse, sondern darauf 
zurückzuführen, daß das proteolytische Ferment der nicht- 
milchenden Drüse nicht imstande ist, aus den Eiweißkörpern 
Tryptophan abzuspalten. Aus der Arbeit von Hildebrandt 
geht nicht mit Sicherheit hervor, ob die von ihm verwendeten 
Milchdrüsen vollkommen ruhten oder sich vielleicht in einem 
derartigen Stadium befanden wie die von mir beobachtete 
Drüse von Kuh 8, die ja ebenfalls eine, wenn auch nur 
schwache, so doch deutliche Tryptophanreaktion gab. Anderer- 
seits ist daran zu denken, daß das in den nichtmilchenden 
Drüsen enthaltene proteolytische Ferment zur Gruppe der auch 


1) Mandel, diese Zeitschr. 23, 245, 1909. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 439 


in anderen Organen, z. B. in der Leber, gefundenen auto- 
lytischen Fermente gerechnet werden könnte, die nach zahl- 
reichen Beobachtungen wohl Tyrosin und Leucin, nicht aber 
Tryptophan aus den von ihnen angreifbaren Eiweißkörpern 
abspalten. Aus diesem Grunde erschien es mir notwendig, den 
Hildebrandtschen Befund zu kontrollieren und nachzuprüfen, 
ob in den tryptophanfreien Autolysaten der nichtmilchenden 
Drüsen andere Aminosäuren vorhanden seien. In dem Um- 
fange, wie dies wünschenswert wäre, habe ich leider wegen 
der allzu geringen Menge des mir zur Verfügung stehenden 
Materials die Untersuchung nicht durchführen können, doch 
sind neue Versuche in dieser Richtung mit entsprechend großen 
Mengen Drüsensubstanz bereits im Gange. 

Zur Verfügung standen mir ca. 50 bis 100 ccm auto- 
lytische Extrakte von zwei nichtmilchenden Kühen und einer 
milchenden Kuh. In keinem derselben konnte ich mit Sicher- 
heit Tyrosin nachweisen, nur in einem Falle war es mir mög- 
lich, eine sehr geringe Substanzmenge zu erhalten, die sich in 
Wasser sehr schwer, leichter nach Zusatz von etwas Ammoniak 
löste und nach dem Verjagen desselben durch die Siedehitze 
und beim Erkalten der Lösung wieder abschied, ein Verhalten, 
das für das Vorhandensein von Tyrosin zu sprechen scheint. 
Hingegen konnte ich in allen drei Fällen Glykokoll und Leucin 
erhalten, die durch ihre Löslichkeit, ihre Krystallform und 
durch die Analyse des Kupfersalzes identifiziert wurden. Außer- 
dem erhielt ich sehr geringe Mengen durch Phosphorwolfram- 
säure fällbarer, sehr stark alkalisch reagierender Substanzen, 
deren Reindarstellung infolge der sehr geringen Mengen mir 
nicht möglich war. Immerhin erscheint dieser Befund hin- 
reichend, um auf das Auftreten auch von Diaminosäuren 
bei der Autolyse sowohl milchender wie nichtmilchender Drüsen 
schließen zu dürfen. 

Ob in der nichtmilchenden Drüse ein anderes Ferment 
enthalten ist als in der milchenden, oder ob etwa die herr- 
schenden Reaktionsverhältnisse diese Differenzen verursachten, 
läßt sich nicht ohne weiteres sagen. Nach Hildebrandt be- 
schleunigt eine schwach saure Reaktion die Autodigestion der 
nichtmilchenden Drüsen ganz bedeutend, sie kann dann, ge- 
messen an der Menge des löslichen Stickstoffs, die Digestion 

Biochemische Zeitschrift Band 53. 30 


440 W. Grimmer: 


der lactierenden Drüsen ganz erheblich überschreiten. Bei der 
Autodigestion der milchenden Drüsen ist es sehr leicht denk- 
bar, daß hier eine saure Reaktion eintritt, die der Wirksam- 
keit des Fermentes förderlich wäre. Zur Klärung dieser 
Verhältnisse setzte ich von der nichtmilchenden Drüse einer 
Kuh 3 Portionen mit physiologischer Kochsalzlösung an, 
derart, daß die eine neutral reagierte, die zweite 0,1°/, 
Salzsäure, die dritte 0,1°/, Natriumbicarbonat enthielt. Die 
Dauer der Digestion betrug wieder 3 Monate. Das Salz- 
säure-Autodigestionsprodukt gab keine Fällung mit Essigsäure 
und beim Erhitzen, einen nur geringen Niederschlag bei der 
Sättigung mit Ammoniumsulfat und eine sehr schwache Biuret- 
reaktion, die im Filtrate des erhitzten Extraktes ausblieb, und 
keine Tryptophanreaktion. Der neutrale Extrakt verhielt sich 
ganz so wie bereits geschildert wurde, der Bicarbonatextrakt 
enthielt sehr reichliche Mengen durch Essigsäure und beim 
Erhitzen fällbarer Substanzen, ergab weiterhin die Biuret- 
reaktion; das Filtrat vom hitzekoagulierten Eiweiß hingegen 
gab diese Reaktion nicht mehr. Durch Sättigung des Extraktes 
mit Ammoniumsulfat fielen reichliche Mengen Eiweiß, das 
Filtrat hiervon zeigte die Biuretreaktion ebenfalls nicht mehr, 
Tryptophan war nicht nachweisbar. Das völlige Fehlen von 
Digestionsprodukten sowohl im salzsauren wie im alkalischen 
Extrakte läßt nur die Deutung zu, daß das proteolytische 
Ferment durch 0,1°/,ige Salzsäure wie durch 0,1°/,ige Bi- 
carbonatlösung an seiner Wirkung verhindert wird. Es ist, 
nach den Beobachtungen von Hildebrandt zu urteilen, nicht 
ausgeschlossen, daß andere Säuren, z. B. Essigsäure oder Milch- 
säure, eine günstigere Wirkung auf das Ferment ausüben, 
wenngleich berücksichtigt werden muß, daß die Nucleoproteide, 
Nucleine und Nucleinsäuren, die ja wesentlichen Anteil an der 
Entstehung der Abbauprodukte zu haben scheinen, durch Säuren 
gefällt und dadurch für das Ferment möglicherweise schwerer 
angreifbar werden. Lediglich auf Grund der hier geschilderten 
Versuche liegen jedenfalls noch keine Gründe vor, anzunehmen, 
daß das proteolytische Ferment der ruhenden und das der 
tätigen Milchdrüse miteinander identisch sind; das der letzteren 
ist dadurch charakterisiert, daß es imstande ist, aus den Eiweiß- 
körpern der Milchdrüse Tryptophan abzuspalten, während das 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 441 


Ferment der nichtmilchenden Drüsen einen Abbau dieser Eiweiß- 
körper hauptsächlich bis zu Albumosen und Peptonen bewirkt, 
in geringerem Maße auch zu Aminosäuren, wie Glykokoll, 
Leucin und vielleicht auch Tyrosin, keinesfalls aber Tryptophan 
abzuspalten vermag. Auf andere Eiweißkörper — Hühner- 
eiweiß, Fibrin, Gelatine — erstrecken die Fermente ihre Tätig- 
keit nicht. 


П. Ereptasen. 


Die Spaltung von Polypeptiden durch Milch wird bisher nur in 
zwei Arbeiten erwähnt, in der von Wohlgemuth und Strich!) und 
von Warfield®). Die genannten Autoren benutzten zu ihren Versuchen 
Glycyltryptophan, das durch die bekannte Tryptophanreaktion einen 
einwandfreien und sehr leicht ausführbaren Nachweis einer Spaltung in 
seine Komponenten gestattet. Warfield beschränkte sich in seinen 
Untersuchungen auf Frauenmilch, während Wohlgemuth und Strich 
außerdem Kuh-, Ziegen-, Hunde-, Kaninchen- und Meerschweinchenmilch 
in den Kreis ihrer Untersuchungen zogen. In allen der genannten Milch- 
arten wurde das Gilycyltryptophan spaltende Ferment gefunden, am 
stärksten in Frauen- und Kaninchenmilch. Gegen höhere Temperaturen 
ist das Ferment außerordentlich empfindlich, beim Erhitzen der Milch 
auf 75 bis 80° wird ев nach Warfield vernichtet, während es durch 
14stündiges Erwärmen der Milch auf 74,5° nioht abgetötet wird. 

Nach den im vorausgehenden Abschnitte geschilderten 
Untersuchungen konnte es nicht unwahrscheinlich sein, daß 
auch in der Milchdrüse eine Spaltung von höhermolekularen 
Abbauprodukten der Eiweißkörper, z. B. von Polypeptiden und 
Peptonen, erfolgt, das Auftreten von Aminosäuren in den Auto- 
digestionsextrakten spricht sogar sehr dafür. Als zu spaltendes 
Mittel wählte ich das von Abderhalden empfohlene Seiden- 
pepton, das infolge seines hohen Gehaltes an Tyrosin als Bau- 
stein zum Nachweise peptolytischer Fermente sehr geeignet 
erscheint. Ein Blick auf Tabelle II lehrt uns, daß in der Tat 
die Extrakte und Preßsäfte aller von mir untersuchten Drüsen 
befähigt sind, aus Seidenpepton Tyrosin abzuspalten. Dieses 
Vermögen erstreckt sich auch auf die autolytischen Kochsalz- 
extrakte, die mit einer einzigen Ausnahme (Pferd 1), wenn 
such nur in sehr geringem Maße, aus dem Seidenpepton 


1) Wohlgemuth und Strich, Sitzungsber. d. Kgl. Preuß. Akad. 
d. Wissensch. 1910, 8. 56. 
*) Warfield, Journ. of med. research. 25, 235, 1911. 
30* 


442 W. Grimmer: 


Tyrosin abspalteten. Das Ferment ist weder durch Magnesium- 
sulfat noch durch Halbsättigung mit Ammoniumsulfat fällbar, 
erst durch vollständige Sättigung mit Ammoniumsulfat wird 
es aus seinen Lösungen ausgeschieden. 











Tabelle II. 
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytisches Kochsalzextrakt 
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E E Saee] $ 5 | аа а $ 
1. Nicht- 
milchende Tiere. 
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s 6 ++! less |+ [+ 
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» 11 ++ ++ 
Schaf 1 ttj + 
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» 5 ++ | + 
n 6 ++ [1-1 - || + 
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Pferd 1 | + |+ | | 





2. Milchende 
Tiere. 

Kuh 3 +/+| +| + 

n 4 н + KH + - | + 

n 5 + + 

“ка| | HEI EEE | 
n 8 + EFT FR PET TE EIER 
en | | | карето 
n 3 +|+|-|-|+|=+ 

еа? |+ ab | | | I+|+|-|-Ie®l#t 


Zeichenerklärung: +++ nach 15 Stunden reichliche Tyrosin- 
abscheidung; ++ nach 15 Stunden geringe Tyrosinabscheidung, die später 
stärker wird; + nach 24 Stunden geringe Tyrosinabscheidung; + nach 
48 Stunden geringe Abscheidung von Tyrosin; — nach 48 Stunden keine 
Tyrosinabscheidung. 


Fermente der Milohdrüse und der Milch. 443 


Auffällig ist, daß die dialysierten Preßsäfte und Kochsalz- 
extrakte ein sehr viel schwächeres Spaltungsvermögen besitzen 
als die nicht dialysierten. Es scheint, als ob der durch die 
Dialyse bis auf ein Minimum reduzierte Salzgehalt und die 
dadurch veränderte Reaktion auf die Stärke der Ferment- 
wirkung von Einfluß seien. Nicht anders läßt sich auch die 
geringe Wirksamkeit der durch Ammoniumsulfat erhaltenen 
Fällung nach dem Wiederlösen und Dialysieren erklären. Es 
ist auffällig, daß die Wirksamkeit der letzteren fast stets in 
der gleichen Intensität verläuft wie die der dialysierten Ex- 
trakte. 

Ob wir es hier mit einem besonderen Fermente zu tun 
haben, das von dem proteolytischen Ferment, das eingangs 
erwähnt wurde, verschieden ist, oder ob die Spaltung des 
Seidenpeptons durch das proteolytische Ferment der Drüsen 
bewirkt wurde, ist schwer zu entscheiden. Der Umstand, daß 
das Vorhandensein proteolytischer Elemente in der Milch zum 
mindesten zweifelhaft ist, während peptolytische Fermente nach 
den Befunden von Wohlgemuth und Strich und von War- 
field sicher vorzukommen scheinen, läßt die erstgenannte Auf- 
fassung nicht ungerechtfertigt erscheinen, andererseits muß be- 
rücksichtigt werden, daß nach den bisherigen Untersuchungen 
anderer Autoren die autolytischen Fermente der verschiedenen 
Organe eine rein spezifische Tätigkeit auszuüben scheinen; so 
fand z.B. Jacoby), daß das proteolytische Ferment der Leber 
nicht imstande ist, die Eiweißkörper der Lunge zu spalten, 
während die aus diesen entstandenen Albumosen weiter ge- 
spalten wurden. Wir könnten uns also denken, daß in der 
Milch ein proteolytisches Ferment enthalten ist, das zwar im- 
stande ist, die nativen Eiweißkörper der Milchdrüse zu spalten, 
nicht aber die aus den Abbauprodukten wiederentstandenen 
Eiweißkörper der Milch oder sonstige fremde Eiweißkörper, 
wie Fibrin, Gelatine usw., das aber imstande ist, einmal ent- 
standene Albumosen und Peptone weiter abzubauen. Dieses 
Ferment würde also in seiner Wirkung etwa dem Erepsin des 
Darmsaftes vergleichbar sein, das an nativen Eiweißkörpern 
nur Proteine und das Casein, im übrigen aber die Albumosen 


1) Jacoby, Beiträge ғ. chem. Physiol. u. Pathol. 8, 446, 1903. 


444 W. Grimmer: 


und Peptone einer großen Anzahl anderer Eiweißkörper, die 
in nativem Zustande durch das Erepsin nicht spaltbar sind, 
zu spalten vermag. 

Andererseits muß aber berücksichtigt werden, daß das 
durch die Milch spaltbare Polypeptid — Glycyltryptophan — 
eine ganz andere Substanz ist als das Seidenpepton, das durch 
die Extrakte sowohl der milchenden wie auch der nichtmilchen- 
den Drüsen aller untersuchten Tierarten gespalten wird, und 
daß die Abspaltung von Tryptophan gerade das Charakteri- 
stikum eines Fermentes der lactierenden Drüsen ist. Wir 
müssen also auch die Möglichkeit, die vielleicht die größere 
Wahrscheinlichkeit für sich hat, in Betracht ziehen, daß die 
von mir beobachtete Abspaltung von Tyrosin aus Seidenpepton 
gar nicht der Wirksamkeit eines besonderen peptolytischen 
Fermentes zuzuschreiben ist, sondern der des proteolytischen 
Fermentes. Wenn es mir auch nicht gelang, unter den Abbau- 
produkten der Eiweißkörper der autolysierten Milchdrüsen 
Tyrosin nachzuweisen, so ist es doch im Hinblick auf die Be- 
funde von Hildebrandt immerhin sehr wahrscheinlich, daß 
dieses gebildet wurde. Der Umstand, daß gerade in den Auto- 
lysaten der lactierenden Drüsen, in denen Tryptophan nach- 
weisbar war, nur noch ganz geringe Mengen von Albumosen 
und Peptonen enthalten waren, scheint mit großer Wahrschein- 
lichkeit dafür zu sprechen, daß nicht das Tyrosin abspaltende, 
sondern das Tryptophan abspaltende Ferment das peptolytische 
ist. Wir würden dann zu dem Schlusse kommen, daß die 
proteolytischen Fermente in den tätigen und ruhenden Drüsen 
vielleicht die gleichen sind, während die lactierenden Drüsen 
noch ein spezifisches peptolytisches Ferment enthalten, das be- 
fähigt ist, aus den höheren Abbauprodukten der Eiweißkörper, 
den Albumosen und Peptonen, Tryptophan abzuspalten. Die 
endgültige Entscheidung dieser Frage muß weiteren Forschungen 
vorbehalten bleiben. 

ПІ, Monobutyrinase. 

Ein Monobutyrin spaltendes Ferment wurde von Marfan!) in 

Kuh- und Frauenmilch, von Luzzatti und Biolchini®) in der Milch 


1) Marfan und Gillet, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1, 57, 1902. 
2) Luzzattti und Biolchini, 216. п. Raudnitz in Asher-Spiro 
Ergebn. d. Physiol. 2, 1903. 


Fermente der Milohdrüse und der Milch. 445 


von Frau, Kuh, Ziege, Esel und Hund nachgewiesen. Gillet", der 
sich des näheren mit dieser Eigenschaft der Milch beschäftigte, gibt an, 
daß das Ferment bei 65° abgetötet wird und nicht dialysabel ist. Durch 
Alkalien wird seine Wirksamkeit erhöht, durch Säuren sowie Salzlösungen 


geschwächt. 
Bei der allgemeinen Verbreitung, die die Monobutyrinase 


im tierischen Organismus besitzt, war es nicht anders zu er- 
warten, als daB sie sich auch in der Milchdrüse vorfinden 
würde. Leider muß auf die ganz einwandfreie Beantwortung 
der Frage, ob die von mir in den Milchdrüsenextrakten ge- 
fundene Monobutyrinase ein der Milch originäres Enzym ist 
oder nicht, verzichtet werden, da auch Blut Monobutyrin zu 
spalten imstande ist und es so gut wie unmöglich ist, ein so 
stark durchblutetes Organ, wie die Milchdrüse vorstellt, voll- 
kommen blutfrei zu erhalten. Immerhin darf bei der sehr ge- 
ringen Wirksamkeit des Blutes, und in Anbetracht des Um- 
standes, daß der Blutgehalt der untersuchten Extrakte nur 
ein außerordentlich geringer war, geschlossen werden, daß im 
vorliegenden Falle ein großer Teil der Spaltung des Butter- 
säureglycerinesters auf Rechnung eines von der Milchdrüse ge- 
bildeten Fermentes zu setzen ist. 

Besondere Gesetzmäßigkeiten in dem Gehalte der ver- 
schiedenen Milchdrüsen an Ferment existieren nicht. Wir 
finden beispielsweise in den Preßsäften der nicht milchenden 
Drüsen vom Rinde sehr hohe Säurewerte, 2. В. 3,9 ccm al 
Buttersäure bei Kuh 2 neben sehr niedrigen, wie 0,3 ccm al, 
Buttersäure bei Kuh 11. In den Kochsalzextrakten sind die 
erhaltenen Werte fast ausnahmslos sehr viel niedriger als in 
den Preßsäften, eine Erscheinung, die wohl auf Kosten des 
Kochsalzgehaltes der Extrakte zu setzen ist, da nach Gillet 
Salze auch in geringen Konzentrationen die Wirksamkeit des 
Fermentes herabsetzen. 

Diese hemmende Wirkung hätte sich durch die Ent- 
fernung der Salze mittels Dialyse beseitigen lassen, es muß 
indessen berücksichtigt werden, daß hierbei auch die die Spal- 
tung fördernde alkalische Reaktion verschwindet, so daß eine 
sehr wesentliche Erhöhung der Spaltung in den dialysierten 
Säften und Extrakten kaum zu erwarten war. Bei der Prü- 


1) Gillet, Journ. de Physiol. et Pathol. gen. 4, 439,1902; 5, 503, 1903, 


446 W. Grimmer: 














Tabelle III 
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytischer Kochsalzextrakt 
Milchdrüse pel ` Le pp > | Le pel apl s 
; Ч ‚ С „# \ — 20| 
S | | ШЕЛЛИ, |5 ШШДЕ: 
er ez = чады äs 
1. Nichtmil- 
ohenden Tieren. 
Kuh 1 1,80 | 0,60 | 0,40 
n 2 8,90 | 0,80 | 0,90 | 0,40 | 0,00 | 0,05 | 0,20 | 0,20 | 0,65 | 0,10 | 0,00 | 0,00 | 0,15 | 0,20 
„ 6 0,70 | 0,15 | 0,05 | 0,00 | 0,15 | 0,15 
» 7 0,80 
„ 8 _ 10,90) 0,40 10,20 0,45 | 0,10 | 0,00 | 0,00 | 0,10 | 0,10 
e 9 0,50 0,30 | 0,20 
„ 10 0,40 0,40 0,00 | 0,00 | 0,20 | 0,15 
» 11 0,30 0,75 
Schaf 1 0,20 | 0,25 
n 2 1,00 | 0,60 
n 8 0,90 | 0,20 
n 4 0,70 | 0,20 
n 5 0,65 | 0,30 
» 6 0,90 | 0,55 | 0,10 | 0,05 | 0,30 | 0,80 
Schwein 1 | | [|0,55 |0,80 |0,15 |0,20 |0,50 |0,40|0,20|030| | | | 





Schaf 7 0,75 | 0,60 | 0,10 | 0,10 | 0,40 | 0,35 
n 8 0,80 | 0,50 | 0,05 | 0,10 | 0,35 | 0,30 | 0,70 ! 0,20 | 0,00 | 0,00 | 0,15 | 0,20 
Schwein 2 4,95 | 0,80 | 0,90 | 0,60 | 0,05 | 0,10 | 0,40 | 0,40 
s $ 0,50 | 0,40 | 0,00 | 0,15 | 0,45 | 0,30 


Pferd 2 |0,45 |0,20 | 0,40 | 0,80 | 0,15| 0,00 | 0,10 | 0,20 | 0,15 


Die Zahlen bedeuten die Zunahme der Acidität, ausgedrückt in 
com ®/,, NaOH während der l5stündigen Digestionsdauer іп 5 оош des 
Extraktes. 


fung ergab sich nun, daß die Dialyse in den meisten Fällen 
einen ganz enormen Abfall der Wirksamkeit des Fermentes 
zur Folge hatte, so daß es in einzelnen Fällen gewagt er- 
scheint, überhaupt von einer Fermentwirkung zu sprechen. 
Nur in einigen Fällen hat keine wesentliche Abnahme der 
Fermentwirkung der dialysierten Substrate gegenüber den 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 447 


nicht dialysierten stattgefunden, in einem Falle (Kochsalz- 
extrakt von Schwein 1) machte sich sogar eine Erhöhung der 
Wirksamkeit bemerkbar. Es sei hierbei darauf hingewiesen, 
daß in den dialysierten Extrakten der Einwand hinfällig wird, 
der für die nichtdialysierten ev. erhoben werden könnte, daß, 
besonders bei den zuckerhaltigen Extrakten und Preßsäften der 
milchenden Drüsen eine Zunahme in der Acidität auch auf 
Rechnung einer Milchsäurebildung gesetzt werden könne, denn 
die dialysierten Säfte uud Extrakte zeigten keine Zuckerreak- 
tion mehr. 

Die Fällungsgrenzen des Fermentes sind nicht sehr scharf 
ausgeprägt. In einigen Extrakten finden wir bereits bei der 
Magnesiumsulfatsättigung und bei der Halbsättigung mit Am- 
moniumsulfat eine geringe Fällung des Fermentes, in der Haupt- 
sache aber geht ев erst bei vollständiger Fällung mit Ammonium- 
sulfat in den Niederschlag über, wie auch aus den Zahlenwerten 
derjenigen Fraktionen ersichtlich ist, die durch Sättigung der 
halbgesättigten Filtrate mit Ammoniumsulfat erhalten wurden. 

Bei der Autodigestion der Extrakte wird das Ferment 
nicht zerstört, wenngleich die für die dialysierten Autolysate 
erhaltenen Werte mit einer Ausnahme sehr niedrige sind, во 
daß sie nahe an die Fehlergrenze heranrücken. Die Fällungs- 
verhältnisse sind hier die gleichen wie bei den nicht digerierten 
Kochsalzextrakten. 


IV. Amylase. 


Über das Vorkommen amylolytischer Fermente liegen nur relativ 
spärliche Angaben vor. B6öchamp') fand ein solches im Jahre 1883 
in Frauenmilch, ein Befund, der von Мого*), Spolverini®), Zait- 
scheck®), Hippius) und anderen später bestätigt wurde. Nach 
Bechamp sollte das Ferment in Kuhmilch fehlen, nach Spolverini 
auch in Ziegenmilch, während es in Hunde- und Schweinemilch, aller- 
dings in erheblich geringerer Menge als in der Frauenmilch, ebenfalls 
enthalten ist. Zaitscheok hingegen fand in allen von ihm unter- 
suchten Milcharten — Frauen-, Esel-, Stuten-, Kuh-, Ziegen- und Büffel- 
milch — eine Amylase, keine der genannten Milcharten zeichnete sich 


1) Вёсһатр, Compt. rend. 96, 1508, 1883. 

3) Мого, Jahrb. f. Kinderheilk. 56, 392, 1902. 

TI Spolverini, Rev. d’hygiene et de med. infant. 1, 3, 1902. 
4) Zaitscheck, Arch. f. а. ges. Physiol. 104, 539, 1904. 

D Hippius. Jahrb. f. Kinderheilk. 61, 365, 1905. 


448 W. Grimmer: 


vor den anderen durch einen besonders hohen Gehalt an diesem Fer- 
ment aus. Koning?) fand es ebenfalls in Kuhmilch und arbeitete eine 
sinnreiche Methode zur quantitativen Bestimmung seiner Menge aus. 
Er fügt zu je 10 com Milch steigende Mengen einer 1°/,igen Lösung 
von löslicher Stärke (0,05ccm, 0,1 сот usw.) und setzt nach 30 Minuten 
eine Jodjodkaliumlösung zu dem Gemisch. Nach dieser Methode fand 
Koning in der zuerst ermolkenen Milch mehr Diastase als in der zu- 
letzt ermolkenen. Spolverini sieht auch in der Diastase ein Exkre- 
tionsprodukt des Organismus, seine mit Eiern, Milch und rohem Kuh- 
pankreas gefütterte Ziege lieferte nach 1'/,monatlicher Ernährung mit 
dieser Kost eine Milch, die Stärke zu Егуёһгодехігіп abbaute. Auf 
diesen Befund ist indessen jetzt kein allzu großer Wert mehr zu legen, 
seit die neueren Arbeiten von Zaitsoheck das Vorkommen eines diasta- 
tischen Fermentes in allen von ihm untersuchten Milcharten erwiesen 
haben. 

In der Milchdrüse selbst hat man meines Wissens noch nicht nach 
einem saccharifizierenden Fermente gesucht, obgleich dies sehr nahe ge- 
legen hätte, nachdem B&öchamp*®), Herz?) und andere auf das Vor- 
kommen höhermolekularer Kohlenhydrate von dextrinartigem Charakter 
in der Milch aufmerksam gemacht hatten. Nur Basch‘) hatte ver- 
sucht, mit Hilfe von Milchdrüsenextrakten Traubenzucker und Galaktose 
miteinander zu Milchzucker zu verbinden. Ein positiver Ausfall dieses 
Versuches hätte nach unserer heutigen Anschauung von der Reversibilität 
auch der fermentativen Wirkungen auf das Vorhandensein eines Fer- 
mentes schließen lassen, das befähigt ist, höhermolekulare Kohlenhydrate 
abzubauen. 

Meine Untersuchungen an den Milchdrüsen stellte ich in 
der Weise an, daß ich je 2 ccm der Preßsäfte und Extrakte 
mit 10 ccm einer 1°/ igen Stärkelösung versetzte, kräftig mit 
Toluol schüttelte und die Gemische ca. 15 Stunden im Brut- 
schranke beließ. Nach dieser Zeit wurden die Digestions- 
gemische teils mit Jodjodkalium, teils mit Fehlingscher Lösung 
geprüft. Es ist ohne weiteres klar, daß das letzte Verfahren 
bei den Extrakten und Preßsäften der milchenden Drüsen, die 
stets zuckerhaltig waren, keine eindeutigen Resultate zu geben 
vermag, auch eine quantitative Bestimmung hätte meines Er- 
achtens keinen Erfolg versprochen, da mit der Möglichkeit 
gerechnet werden mußte, daß der Milchzucker bei der Di- 


gestion eine Spaltung durch eine Lactase hätte erleiden können, 


1) Koning, Milchwirtschaftl. Zentralbl. 8, 41, 1907. 
°?) B&ohamp, Bull. Soc. Chim. 6, 82. 

8) Herz, Chem.-Zeitg. 16, 1594. | 

4) Basch, Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. 2, 1903. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 449 


wodurch natürlich eine Steigerung der Reduktionskraft bedingt 
worden wäre, in allen diesen Fällen konnte lediglich die Prü- 
fung mit Jodjodkalium Aufschluß über einen eventuellen Stärke- 
abbau geben. Deshalb wurden in Kontrolluntersuchungen alle 
verwendeten Preßsäfte und Extrakte gegen täglich mehrfach 
gewechseltes destilliertes Wasser bis zur völligen Zuckerfreiheit 
dialysiert, ein Verfahren, das bei der Verwendung von Dialysier- 
hülsen von Schleicher und Schüll ca. 10 bis 14 Tage in An- 
spruch nahm. Einen Nachteil hat das Verfahren zweifellos. 
Wir wissen, daß die Neutralsalze der Alkalien, insbesondere 
Chlornatrium und schwach alkalische Salze, z. B. Phosphate, 
die Amylolyse in ganz bedeutendem Maße zu fördern imstande 
sind. Indessen glaubte ich von einem Zusatze solcher Salze 
absehen zu können, da mir zunächst weniger daran lag, die 
Reaktion quantitativ zu verfolgen, als vielmehr das Vorhanden- 
sein eines stärkespaltenden Fermentes festzustellen und die 
dialysierten Extrakte sowie die verschiedenen Fällungen im 
ganzen durchaus eindeutige Resultate ergaben. Prägnante 
Unterschiede zwischen milchenden und nichtmilchenden Drüsen 
ergaben sich beim Schafe, wie aus Tabelle IV ersichtlich ist. 
Die nichtmilchenden Drüsen dieser Tiere waren bis auf 
einen Fall, in dem ein Preßsaft Stärke in geringem Maße ab- 
zubauen vermochte, frei von einem amylolytischen Enzym, 
während bei zwei Milchschafen ein deutlicher Stärkeabbau zu 
verzeichnen war, was sich sowohl durch die Jodfärbung (Violett- 
färbung), wie auch durch die Reduktionsfähigkeit gegenüber 
Fehlingscher Lösung zu erkennen gab. Beim Rinde liegen die 
Verhältnisse wesentlich anders. Hier besitzen die Drüsen der 
nicht milchenden Tiere fast ausnahmslos ein zum Teil sehr 
stark wirkendes amylolytisches Ferment, wie aus der Jod- 
reaktion hervorging. In allen Fällen trat nach Zusatz von 
Jodjodkalium eine rote bis rotviolette Färbung auf, die nach 
Zusatz gesteigerter Mengen allerdings, da nicht alle Stärke an- 
gegriffen worden war, in Blau überging. In einem Falle (Preß- 
saft von Kuh 11) trat sogar eine reine Gelbfärbung, die von 
Jod herrührte, auf. Auffälligerweise konnte bei der Probe mit 
Fehlingscher Lösung niemals eine erhebliche Reduktionsfähigkeit 
erhalten werden, die gebildeten Zuckermengen waren stets nur 
sehr geringe. Ob hier vorzugsweise eine Spaltung in nicht- 


450 W. Grimmer: 








Tabelle IV. 
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytischer Kochsalzextrakt 
E E el ым, eel pT E e| ol e BR 
SI | ЕЕ ЗЫ к аза ШЕ ы 
3) ааа ааа з 
1. Nicht- 
milchendeTiere: 
Kuh 1 LE AER 
n 2 SEA EAR + Bu Жш шш зше ш рс 
" 6 +|+|+|+р+|+ 
л 7 ++ | ++ 
-8 |++р++ HHH ++ |+ | | + 
з 9 +| + ++ | ++ 
n 10 + +++ [рар —- 
» 1l ++ + | + 
Н | 
s 2 + |+ 
n 8 2 9 
— + |+ 
в 5 ger 
n 6 м киы we BR LEERE Ин 
Sohweia 1 | | нн + || | | | 
Pferd 1 |+| + |+|] | | l-l- | 
2. Milchende 
Tiere: 
Kuh 8 +|-|—-|+ J = l-l- 
n 4 - | +|I+|+|+|+ + 
n Š T+ E: 
=з | BPR -Ile 
n 8 +/i+|i+|+|/+|-1I-|+|+|+|+]|]- 
+ ee 
„ 3 IH) HH +++ |+ | — 
кезг ee | I [| [=|+[+[+|+[- 


Zeichenerklärung: + mit Jodjodkali Blauviolettfärbung, + Rot- 
violettfärbung, ++ Rotfärbung, +++ keine Färbung. 


reduzierenden Substanzen stattgefunden hatte oder ob der ge- 
bildete Zucker weiter verarbeitet wurde, konnte nicht einwand- 
frei festgestellt werden. Ich dachte zunächst an die Bildung 
von Milchsäure, die sich durch das Uffelmannsche Reagens 
sowie durch eine Zunahme der Acidität hätte bemerkbar machen 
müssen; die hierüber angestellten Versuche lassen aber keinen 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 451 


bestimmten Schluß in dieser Richtung zu., Wohl erhielt ich 
in vielen Fällen nach Zusatz von Uffelmannschem Reagens 
zu dem Digestionsgemisch eine Gelbfärbung, diese war aber 
von sehr geringer Intensität und entsprach auch einer nur sehr 
geringen Aciditätezunahme, meist nur von 0,05 bis 0,10 ccm in 
Б ccm des Digestionsgemisches, also Differenzen, die innerhalb 
der Fehlerquellen zu suchen sind. 

In den milchenden Drüsen des Rindes ging der Abbau der 
Stärke, nach der Jodreaktion zu urteilen, in viel geringerem 
Maße vor sich. Hier wurde eine reine Rotfärbung (Erythro- 
dextrin) niemals beobachtet, die Farbentöne schwankten immer 
zwischen Rotviolett und Blauviolett. Wohl aber konnte hier 
eine sehr viel deutlichere Kupferoxydulbildung in den dialy- 
sierten Extrakten und Preßsäften sowie in den Fällungen nach- 
gewiesen werden. Es sei hier nochmals ausdrücklich betont, 
daß die dialysierten Substrate vollkommen zuckerfrei waren 
und gegen Fehlingsche Lösung keinerlei Reduktionserscheinungen 
zeigten. 

Während nun die Drüsen von Schaf und Rind eine im 
allgemeinen nur schwache amylolytische Fähigkeit entfalten, 
ist die stärkeabbauende Wirkung beim Schweine und beim Pferde 
eine ganz ausgesprochene. Der Kochsalzextrakt der Drüse eines 
nichtmilchenden Schweines baute die vorgelegte Stärke fast voll- 
ständig ab, auch nach der Dialyse; mit Jod war das Vorhanden- 
sein dextrinartiger Substanzen nicht mehr nachweisbar. Beim 
milchenden Schweine war eine derart intensive Wirkung nicht 
vorhanden, aber auch hier erfolgte der Abbau in sehr energischer 
Weise bis zu Erythrodextrin. Bei allen Tieren wurde auch 
Fehlingsche Lösung sehr stark reduziert. Ganz analoge Ver- 
hältnisse haben wir beim Pferde. Hier scheint indes das mil- 
chende Tier das stärkere amylolytische Vermögen zu besitzen. 

In den durch Autolyse gewonnenen Extrakten finden wir 
bei zwei nichtmilchenden Drüsen des Rindes eine sehr viel 
stärkere Amylolyse als in den frischen Preßsäften, während bei 
einem Rinde, dessen Preßsaft und Kochsalzextrakt nur eine 
sehr schwache amylolytische Fähigkeit entwickelte, das stärke- 
spaltende Vermögen nach der Autolyse vollkommen verloren 
gegangen war. In den milchenden Drüsen des Rindes hatte 
das amylolytische Vermögen ebenfalls stark abgenommen bzw. 


459 W. Grimmer: 


war verloren gegangen. Веі den nichtmilchenden Drüsen 
des Schafes war ein direkter Vergleich nicht möglich, doch 
dürfen wir hier die amylolytische Fähigkeit der autolytischen 
Extrakte wohl vernachlässigen. Bei der milchenden Drüse eines 
Schafes ergab sich, daß nach der Dialyse der autolytische Ex- 
trakt eine deutliche Wirksamkeit auch in bezug auf die Re- 
duktionsfähigkeit gegenüber Fehlingscher Lösung erlangte, wäh- 
rend das nicht dialysierte Autolysat ein vollkommen negatives 
Resultat zeitigte. 

Beim Schweine beobachten wir im Autolysat der nicht- 
milchenden Drüse eine Abnahme des Stärkeabbauvermögens, 
beim milchenden Tiere ergab sich, wie schon beim Schafe, nach 
der Dialyse eine deutliche Zunahme der Amylolyse. Das gleiche 
war bei der lactierenden Drüse des Pferdes zu beobachten. 
Es scheint, als ob bei der Autolyse der Drüsensubstanz Stoffe 
gebildet werden, die die Wirkung des Ferments zu beeinträch- 
tigen vermögen und nach deren Entfernung bei der Dialyse 
das Ferment seine volle Wirksamkeit auszuüben vermag. 

Bezüglich der Fällungsverhältnisse fand ich, daß die Amy- 
lase bei sämtlichen Tierarten durch Sättigung mit Magnesium- 
sulfat und Halbsättigung mit Ammoniumsulfat gefällt wird; in 
dem daraus erhaltenen Filtrat lassen sich durch Ganzsättigung 
mit Ammoniumsulfat höchstens noch Spuren des Ferments 
nachweisen. 

У. Salolase. 

Das salolspaltende Vermögen von Frauen- und Eselmilch wurde von 
Noböcourt und Merklen!) entdeckt, von Luzzatti und Biolohini?), 
Moro®), Spolverini*) und Hippius’), neuerdings von Usener°) be- 
stätigt. Auch Hundemilch besitzt diese Eigenschaft, während sie in den 
Milcharten der Wiederkäuer vermißt wird Nur Vandevelde”) hat 


auch in Kuhmilch Salolase gefunden, und Spolverini konnte sie in 
Ziegenmilch beobachten, wenn das Tier mit Malzkeimen gefüttert wurde. 


1) Nob6court und Merklen, Compt. rend. Soo. Biol. 58, 148, 1901. 

N) Luzzatti und Biolchini, zit. п. Raudnitz in Asher-Spiro, 
Ergebn. d. Physiol. 2, 1903. 

3) Мого, Jahrb. f. Kinderheilk. 56, 392, 1902. 

1t) Spolverini, Rev. d’hyg. et de med. inf. 1, 8, 1902. 

6) Hippius, Jahrb. f. Kinderheilk. 61, 365, 1905. 

6) Usener, Zeitschr. f. Kinderheilk. 5, 431, 1912. 

”) Vandevelde, zit. п. Raudnitz, Die Arbeiten auf dem Gebiete 
der Milchwissenschaft usw. Monatsschr. f Kinderbeilk. 7, Heft 7, 1908. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 453 





Tabelle V. 
Preßsaft Kochsalzextrakt Autolytischer Kochsalzextrakt 
Milchdrüse | | = g |; sl „7 
von р Бр | б Rest BE, og Rest 
gaj азаа bien |40 я] © VNE 
1. Nichtmil- 
chenden Tieren. 
Kuh 1 ++ 
sg 2 HH + — + +++ — |+ -L 
n е +++|8рши|+++|+++|8$риг 
a 
» 8 +++ +++ + |+ | ++ |Spur 
» 9 +++ 
» 10 Spur| ++ | ++ Spur 
a 11 
Schaf 1 
n 2 
„ 3 + ++ 
n 4 ++ EA 
» 5 
n 6 ae СИН DE +++|Spur 


a 


Schwein 1 |а |+ + |+ | + |Spur| + Jr 
| 






Tieren. 


a, vi 
Schaf 7 4414461 + |4614 
„ 8 +++ +++ 
Schwein 2 | + HH 


Spur 








+ рваны ы 
en 
+ 44 + Hee — 
Мей? ball | | | нн = нчы Spur 
Zeichenerklärung: tiefintensivo Dunkelviolettfärbung, ++ durch- 
scheinende Violettfärbung, + Hellviolettfärbung. 


Nach Untersuchungen von Moro ist die die Reaktion in der Frauen- 
milch auslösende Substanz thermostabil, kann also nicht zu den Fer- 
menten gerechnet werden, wie dies vorher von Nob&court und Merklen 
getan worden war. Bönoit!) konnte erst durch 15 Minuten langes Er- 
hitzen der Frauenmilch auf 115° ihre salolspaltende Wirkung zum Ver- 
schwinden bringen. 


1) Benoit, zit. п. Raudnitz, Die Arbeiten usw. Monatsschr. f. 
Kinderheilk. 2, Heft 12, 1904. 


454 W. Grimmer: 


In striktem Gegensatze hierzu gibt Hippius an, daß die Salolase 
der Frauenmilch bereits beim Erwärmen auf 55 bis 60° deutlich ge- 
schwächt, beim Erwärmen auf 65° nahezu vollständig vernichtet wird. 
Desmoulidres') faßt die salolspaltende Wirkung als eine durch die 
alkalisch reagierenden Aschenbestandteile der genannten Milcharten be- 
dingte Verseifung auf und stützt diese Annahme durch Versuche: Eine 
Sodalösung von derselben Alkalinität wie der der Frauenmilch war im- 
stande, Salol zu spalten, ebenso eine gegen Lackmus neutralisierte Lösung 
von 1,5 g sekundärem Natriumphosphat, 1 g Citronensäure, 50 g Milch- 
zucker im Liter. Als Miele und Willen?) Kuhmilch alkalisierten, 
fanden sie auch in dieser Salolspaltung und vertreten infolgedessen eben- 
falls den Standpunkt, daß hier eine durch die Alkalinität bedingte Ver- 
seifung vorliegt. 

Die von mir mit Hunde- und Schweinemilch vorgenom- 
menen Prüfungen ergaben in beiden das Vorkommen von Salo- 
lasen. Ebenso wurde sie in sehr stark wirkendem Maße in 
Preßsäften, Kochsalzextrakten und autolytischen Extrakten der 
Milchdrüsen von Rind, Schaf, Schwein und Pferd (Tabelle V), 
sowie in den Gilycerinextrakten von milchenden und nicht- 
milchenden Drüsen von Schaf, Ziege, Schwein und Pferd, sowie 
in den nichtmilchenden Drüsen des Rindes gefunden, während 
sie auffälligerweise in den Glycerinextrakten der milchenden 
Drüsen dieses Tieres (3 Fälle) fehlte. In sämtlichen wirksamen 
Extrakten konnte die salolspaltende Eigenschaft durch Erhitzen 
zerstört werden, ein Umstand, der dafür spricht, daß wir es 
hier mit fermentativen Vorgängen zu tun haben. Diese An- 
schauung erhält eine wesentliche Stütze durch die Reaktions- 
verhältnisse der Glycerinextrakte gegenüber Phenolphthalein 
und Lackmus. Keiner der genannten Extrakte reagierte näm- 
lich alkalisch, sondern ziemlich intensiv sauer, wie nachfolgende 
Zusammenstellung zeigt. (S. Tabelle VI.) 

Wesentlich anders lagen die Verhältnisse bei den Koch- 
salzextrakten und Preßsäften. Hier war ebenfalls in der Regel 
eine gegen Phenolphthalein saure, gegen Lackmus aber alkalische 
bis höchstens neutrale Reaktion vorhanden (Tabelle VII). 

Diese Unterschiede in der Reaktion lassen sich meines 
Erachtens nur durch den verschiedenen Dissoziationsgrad der 
Salze in den Glycerinextrakten einerseits, den Kochsalzextrakten 
andererseits erklären. Daß immerhin die gegen Lackmus be- 


1) Desmoulidres, Journ. de Pharm. et de Chim. 17, 252, 1903. 
2) Miele und Willen, Compt. rend. 137, 135, 1903. 


Fermente der Milcohdrüse und der Milch. 455 


Tabelle VI. 





Angewandte | Verbrauchte oom2/, Na 
Extrakt- 





Tabelle УП. 












Kuh 1 (Kochsalzextrakt) . . 5 1,2 H,SO, 
Kuh 2 (Kochsalzextrakt) . . 5 02 e 
Kuh 2 (autol. Extrakt). . . 5 09 n 
Kuh 3 (Kochsalzextrakt) . . 5 80 n» 
Kuh 3 (autol. Extrakt). . . 5 08 n 
Schaf 1 (Kochsalzextrakt).. . 5 19 e 
Schwein 1 (Kochsalzextrakt) 5 1,15 e 
Schwein 1 (autol. Extrakt). . 5 17 e 


usw. 


stehende alkalische Reaktion kaum die Salolspaltung hervor- 
rufen kann, ergibt sich daraus, daß die gekochten Extrakte, 
die ausnahmslos unwirksam waren, eine gegenüber den rohen 
Extrakten kaum veränderte, in den meisten Fällen sogar um 
ein geringes erhöhte alkalische Reaktion zeigten. Ich versuchte 
nunmehr, die alkalische Reaktion dadurch auszuschalten, daß 
ich die Extrakte gegen Lackmus neutralisierte, erhielt aber 
hierbei keine eindeutigen Resultate. In den meisten Fällen 
ging die Intensität der Reaktion stark zurück, in einigen schwand 


1) In diesen Drüsenextrakten war keine Salolase enthalten. 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 31 


456 W. Grimmer: 


sie vollkommen und nur in wenigen blieb sie in unveränderter 
Stärke bestehen. Dieses Verhalten scheint ja nun dafür zu 
sprechen, daß die Alkalinität doch die Ursache der Salolspaltung 
gewesen sei; dann hätte man aber erwarten dürfen, daß bei 
erneuter Alkalisierung die Reaktion wieder auftreten würde, 
was jedoch nicht der Fall war. Wir können diese Ausfalls- 
erscheinungen aber ebensogut mit Denaturierungsvorgängen er- 
klären, wie sie uns aus der Eiweißchemie zur Genüge bekannt 
sind. Diese lassen sich aber vermeiden, wenn man einen an- 
deren Weg, die die Reaktion beeinflussenden Salze zu ent- 
fernen, einschlägt, die Dialyse. In der Tat besaßen die dialy- 
sierten Extrakte, die entweder vollkommen neutral oder nur 
noch ganz schwach alkalisch reagierten,. noch immer die Fähig- 
keit, Salol zu spalten, im vollsten Umfange, teilweise sogar in 
verstärktem Maße. Beim Erhitzen wurde dieses Vermögen 
vollkommen zerstört. 

Hiermit dürfte der Beweis erbracht sein, daB im vor- 
liegenden Falle die Zerlegung des Salols nicht auf die 
Alkalinität der Substrate, sondern auf ein Ferment 
zurückzuführen ist, das seine Wirksamkeit sowohl bei 
gegen Lackmus schwach alkalischer Reaktion, wie wir 
sie in den natürlichen Gewebssäften und Extrakten 
vorfinden, wie auch bei neutraler Reaktion aus- 
üben kann. 

Die Salolase ist aus ihren Lösungen durch vollständige 
Sättigung mit Magnesiumsulfat nicht vollständig fällbar, wohl 
aber wird sie durch Halbsättigung mit Ammoniumsulfat aus 
ihren Lösungen fast vollständig mit niedergerissen. In den 
halbgesättigten Filtraten sind höchstens noch Spuren des Fer- 
ments vorhanden, die durch vollständige Sättigung ausgesalzen 
werden können. Das durch Halbsättigung gefällte Ferment 
geht mit Wasser leicht wieder in Lösung. Im Dialysat, das 
stets vollkommen neutral reagierte, wurde regelmäßig eine Salol- 
spaltung beobachtet, die sich hinsichtlich ihrer Intensität nicht 
oder nur in geringem Maße von der Ausgangsflüssigkeit unter- 
schied. 

In den Extrakten der autolysierten Milchdrüsen fand sich 
die Salolase ebenfalls vor; vielfach allerdings war das Spaltungs- 
vermögen nicht sehr hervortretend. Diese Erscheinung hat 


Fermente der Milchdrüse. und der Milch. 457 


ihren Grund allem Anscheine nach in einer Hemmung, die von 
bei der Autodigestion entstandenen dialysablen Substanzen her- 
rührt. Nach der Dialyse der Extrakte trat in diesen Fällen 
das Spaltungsvermögen wieder sehr viel stärker in Erscheinung. 
Die Fällungsverhältnisse hatten sich auch bei den autodigerierten 
Extrakten nicht wesentlich verändert; die Hauptmenge des 
Ferments fiel bei der Halbsättigung mit Ammoniumsulfat aus, 
während die Sättigung mit Magnesiumsulfat keine oder nur 
eine ungenügende Fällung bewirkte. 


VI. Peroxydase. 


Die oxydierende Eigenschaft der Kuhmilch auf Guajactinktur bei 
Gegenwart eines Peroxyds (Wasserstoffsuperoxyd, Terpentinöl usw.) wurde 
im Jahre 1881 durch Arnold!) bekannt. Auch Schaf- und Ziegenmilch 
besitzen diese Eigenschaft, während den sogenannten Albuminmiloharten, 
Frauen-, Hunde-, Esel-, Stuten- und Schweinemilch, diese Fähigkeit ab- 
geht. Hier findet sich eine derartige Substanz nach Angaben von 
Raudnitz°) und Rullmann°®) nur im Colostrum und in der gegen 
Ende der Lactation sezernierten Milch. Daß diese Milcharten nun voll- 
kommen frei von oxydierenden Substanzen sind, darf hieraus nicht ge- 
schlossen werden; für die Frauenmilch muß auf Grund der Angaben von 
Raudnitz®), Kollo®), Graziani’), Schellhase®);, Kastle und 
Porch), Marfan und Weill-Hall&®), die teils mit Guajacol, teils mit 
Paraphenylendiamin arbeiteten, als sicher angenommen werden, daß auch 
sie ein oxydierendes Prinzip enthält, das allerdings nicht auf Guajac- 
tinktur wirkt. Graziani fand weiterhin еіп Paraphenylendiamin oxy- 
dierendes Agens in Pferde-, Esel- und Hundemilch, ich selbst in Hunde- 
und Schweinemilch, während ich eine Guajactinktur bläuende Substanz 
nur ein einziges Mal in dem 5 Tage vor der Geburt abgesonderten Sekret 
eines Hundes nachweisen konnte. 

Daß das oxydierende Prinzip der Milch ein Ferment sei, ist lange 
Jahre angesichts der Tatsache, daß es beim Erhitzen, sowie durch einige 
Fermentgifte, z. В. Wasserstoffisuperoxyd, Blausäure, Rhodankalium ver- 
nichtet wird, als feststehend angesehen worden, ebenso, daß es ein origi- 
näres Produkt der Milchdrüse und nicht ein bakterielles Enzym dar- 
stellt. Eine Ausnahmestellung zu dem letzten Punkte nimmt nur Spol- 


2) Arnold, Arch. d. Pharmakol. 219, 41, 1881. 

2) Raudnitz, Centralbl. f. Physiol. 1898, Heft 24. 

3) Rullmann, Zeitschr. f. Nahrungs- u. Genußmittel 7, 81, 1904. 

“) Kollo, Pharm. Post 86, 741, 1903. | 
5) Graziani, Giornale della К. Soc. Ital. d Igiene 20, Nr. 4, 1907. 
6) Sohellhase, Berliner tierärztl. Wochenschr. 1908, 723. 

7) Kastle und Porch, Journ. of Biolog. Chem. 4, 801, 1908. 

6) Marfan und Weill-Hall&, Compt. rend. Soc. Biol. 69, 396, 1910. 

31* 


458 W. Grimmer: 


verini!) ein, der alle Milchfermente als Exkretionsprodukte des tieri- 
sohen Körpers ansieht und die Ansicht verficht, daß die Milohperoxydase 
der Herbivoren aus dem Futter stamme und vom Organismus durch die 
lactierende Drüse abgeschieden werde, da es ihm angeblich gelungen 
war, von einer Ziege, nachdem sie auf animalische Kost gesetzt worden 
war, eine peroxydasefreie Milch zu erhalten. Diese Beobachtung kann 
nicht ohne weiteres als beweiskräftig angesehen werden. Die Veränderung 
in der Nahrung des Tieres — Milch, Eier, Fleisch — ist eine so ein- 
schneidende, und diese Nahrung selbst so wenig den natürlichen Be- 
dürfnissen dieses Tieres angepaßt, daß Funktionsstörungen aller Organe, 
auch der Milohdrüse, leicht die Folge davon sein können. Wie leicht solche 
abnormen Verhältnisse die Eigenschaften der Milch verändern können, 
zeigen folgende von mir gemachte Beobachtungen. Im Versuchsstalle 
unseres Instituts steht eine Ziege, die seit mehr als 6 Jahren ununter- 
brochen Milch gibt, in der ich, trotzdem das Tier reichliche Heugaben 
erhält, im Verlaufe des letzten Jahres mehrfach vergebens nach einer 
Peroxydase suchte). Bei der Untersuchung der Milch einer thyreoid- 
ektomierten Ziege, also ebenfalls eines Tieres, das an schweren Funk- 
tionsstörungen litt, konnte ich eine nur sehr unbedeutende und später 
keine Peroxydasereaktion mehr beobachten. Die Ansicht Spolverinis 
hat sich auch Orla Jensen?) zu eigen gemacht. 

Erst in neuerer Zeit sind Zweifel an der Fermentnatur der Per- 
oxydase der Kuhmilch laut geworden, nachdem die oxydierende Wirk- 
samkeit des Blutes von v. Fürth auf das Hämoglobin, dessen Wirk- 
samkeit durch das Erhitzen nicht zerstört wird, zurückgeführt worden 
war, und seit von verschiedenen Autoren, so z. В. von Alsberg‘), 
Sarthory°) auf das Oxydationsvermögen verschiedener anorganischer 
Salze aufmerksam gemacht worden war. Auch Wolf£®) berichtet über 
eine große Zahl von teils komplexen Eisensalzen, die befähigt sind, 
Oxydationserscheinungen auszulösen. Die ersten, die die Fermentnatur 
der Milchperoxydase bezweifelten, waren Bordas und Touplain"), 
die dem Casein die oxydierende Wirkung zuschreiben. Nach J. Meyer?) 
sowohl wie auch nach Sarthou?) und Nikolas!") ist diese Auffassung 


1) Spolverini, Rev. d’hygiöne et de med. infant. 1904, Nr. 2. 

*) Das Tier hat während dieser ganzen Zeit niemals geworfen. 

3) Orla Jensen, Centralbl. f. Bakt. u, Parasitenk. II, 18, 211, 
1907. 

t4) Alsberg, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Suppl.-Bd. 
1908, 39. 

6) Sarthory, Compt. rend. Soo. Biol. 70, 700, 1911. 

6) Wolff, Thöse de Paris 1910. 

) Bordas und Touplain,t Compt. rend. 148, 1057, 1909. 

5) J. Meyer, Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 84, Heft 1, 
1910. 

9%) Sarthou, Journ. Pharm. Chim. (7), 1, 113. 

10) Nikolas, Bull. Soc. Chem. de France 9, 266, 1911. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 459 


durchaus nicht haltbar, Bordas und Touplain waren zu ihrer irrigen 
Ansicht dadurch gekommen, daß sie für ihre Peroxydasereaktionen ein 
10 bis 12°/,iges Weasserstoffsuperoxyd verwendeten, das allein schon 
imstande war, Paraphenylendiaminlösungen langsam zu oxydieren. Neuer- 
dings haben Hesse und Коорег!) mit ziemlicher Energie den Stand- 
punkt vertreten, daß Mineralbestandteile der Milch die Ursache der 
Oxydationserscheinungen sind. 

Meine in dieser Richtung mit Kuh-, Ziegen- und Schaf- 
milch angestellten Versuche, die den Zweck verfolgten, die 
Natur des oxydierenden Prinzips dieser Milcharten zu er- 
kennen, können diese Anschauungen nicht stützen. Die Nach- 
prüfung des Befundes von Raudnitz, nach. dem die Kuhmilch- 
peroxydase durch Ganzsättigung mit Magnesiumsulfst oder 
Halbsättigung mit Ammoniumsulfat fällbar ist, ergab, daß diese 
Annahme nicht zutrifft. Meine an Lab- und Bleiserum ange- 
stellten Versuche ergaben vielmehr, daß hierbei eine Fällung 
des Fermentes nicht stattfindet, daß also die Kuhmilchper- 
oxydase, wenn sie überhaupt zu den Milcheiweißkörpern in 
Beziehungen steht, mit der Globulinfraktion nicht in solche 
gebracht werden kann. Hingegen wird das oxydierende Agens 
durch alle Reagenzien gefällt, von denen auch Milchalbumin 
gefällt wird. 

Um größere Mengen an Substanz zu erhalten, versuchte 
ich zunächst nach dem Vorbilde von Waentig?) aus dem 
Serum die Eiweißkörper und mit ihnen das Ferment durch 
Alkohol zu fällen. Dieses Verfahren erwies sich aber bei 
größeren Flüssigkeitsmengen als undurchführbar, da innerhalb 
kurzer Zeit das gefällte Eiweiß denaturiert und gleichzeitig das 
Ferment vernichtet wurde. Nur bei geringen Flüssigkeitsquanten, 
die innerhalb weniger Minuten nach dem Zusatze des Alkohols 
filtriert werden konnten, gelang es, bei nachfolgender Behand- 
lung mit Wasser das Ferment teilweise in Lösung zu bringen, 
wobei stets auch Albumin gelöst wurde. Es zeigte sich also 
hier wie überhaupt ein weitgehender Parallelismus zwischen 
Milchalbumin und dem oxydierenden Prinzip der Milch. Ver- 
suche, den schädigenden Einfluß des Äthylalkohols dadurch zu 


1) Hesse und Kooper, Zeitschr. f. Nahrungs- u. Genußmittel 
21, 385, 1911. 

2%) Waentig, Arbeiten а. d. Kaiserlichen Gesundheitsamte 26, 
464, 1907. 


460 de W. Grimmer: 


vermeiden, daß ich an seiner Stelle Methylalkohol oder Aceton 
verwendete, ergaben immer das gleiche Resultat, daß nämlich, 
sobald das gefällte Eiweiß denaturiert, d. h. vollkommen un- 
‚löslich gemacht worden war, auch die Oxydationsfähigkeit ver- 
schwand, während andererseits noch Milchalbumin gelöst wurde, 
so lange sich eine Oxydationswirkung der Lösung gegenüber 
Guajactinktur und Paraphenylendiamin-Guajacol (Rothenfußers 
Reagens) bemerkbar machte. Dieser Befund steht im Gegen- 
satze zu dem von Waentig, der auch nach der vollständigen 
Denaturierung des Milchalbumins durch sehr stark verdünnte 
Essigsäure eine Lösung der Peroxydase erzielen. konnte. Um 
die Zerstörung des Fermentes zu vermeiden, wandte ich später- 
hin nur noch die Fällung mit Ammoniumsulfat an, das einer- 
seits keine Schädigung des Fermentes bewirkte und mir an- 
dererseits die Möglichkeit zu bieten schien, durch spontan ent- 
stehende indifferente Niederschläge Ferment und Eiweißkörper 
voneinander zu trennen. Diese Hoffnung hat sich allerdings 
nicht erfüllt, meine Versuche, in einer Ammoniumsulfat ent- 
haltenden Milchalbuminlösung durch Zusatz von Bleiacetat, 
Calciumchlorid oder Bariumchlorid, ebenso durch Schütteln 
einer solchen Lösung mit Kohle das Ferment von dem Eiweiß 
zu trennen, verliefen stets егређпівіов. Auch durch Fällung 
mit Uranylacetat, einem vielfach mit Erfolg angewendeten Ver- 
fahren, konnte eine Trennung nicht erzielt werden. 

Bei pflanzlichen Oxydasen, die gegen chemische Einflüsse 
sehr viel widerstandsfähiger zu sein scheinen als die tierischen, 
konnte van der Haar eine Eliminierung des Eiweißes dadurch 
erhalten, daß er die eiweißhaltigen Fermentlösungen bis zum 
Koagulationspunkt des Eiweißes erhitzte; bei der Milchperoxy- 
dase war das Verfahren nicht anwendbar, sobald das Eiweiß 
anfing zu koagulieren, ging stets auch die Oxydationsfähigkeit 
der Lösung zurück und erreichte den 0-Punkt, wenn alles Ei- 
weiß geronnen war. Schließlich sei noch eine Beobachtung 
erwähnt, die gleichfalls die Parallelität der Peroxydase und 
‘des Milchalbumins erweist. Wenn ich sehr konzentrierte Albu- 
min-Fermentlösungen zum Zwecke der Konservierung mit 
Chloroform versetzte, so entstand sehr bald ein immer reich- 
licher werdender Niederschlag von denaturiertem Eiweiß, gleich- 
zeitig ging die Peroxydasereaktion in auffälliger Weise zurück. 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 461 


Wurde von dem Niederschlage abfiltriert und das vollkommen 
klare Filtrat erneut mit Chloroform versetzt, so wiederholte 
sich die Erscheinung, bis schließlich die Peroxydasereaktion 
vollständig verschwunden und das Milchalbumin gänzlich dena- 
turiert war. 

Einen letzten Versuch zur Isolierung des Fermentes machte 
ich, indem ich die durch Dialyse nach Möglichkeit von Am- 
moniumsulfat befreite Albuminlösung der peptischen und tryp- 
tischen Verdauung unterwarf. Die letztere ließ ich bei voll- 
kommen neutraler Reaktion vor sich gehen, die peptische Ver- 
dauung hingegen in einer 0,02°/ igen Salzsäure. Eine höhere 
Säurekonzentration durfte ich nicht wählen, da hierdurch die 
Wirksamkeit des oxydierenden Fermentes erheblich beeinträch- 
tigt wurde, andererseits schien mir diese Konzentration hin- 
reichend, da Fibrin, wenn auch langsam, in einer solchen 
Lösung von Pepsin verdaut wurde. Nach 24stündiger Digestion 
hatten indessen die Albuminlösungen ihre oxydierenden Eigen- 
schaften vollkommen verloren, die proteolytischen Fermente 
hatten also die Peroxydase zerstört. 

Mit diesen Versuchen fallen auch die Bestrebungen, die 
oxydierende Wirkung der Wiederkäuermiich — meine an 
Ziegen- und Schafmilch angestellten Versuche stimmten voll- 
kommen mit denen bei Kuhmilch überein — auf anorganische 
Substanzen zurückzuführen. Insbesondere stellte ich durch 
weitere Versuche fest, daß die gegen einige Indicatoren (Lack- 
mus, Helianthin) alkalische Reaktion der Milch nicht die Ur- 
sache ihrer Oxydationsfähigkeit sein kann. 100 ccm normale 
Kuhmilch besitzen eine Alkalinität von rund 35 ccm ?/ -Schwefel- 
säure, die wohl fast ausschließlich auf Rechnung primärer und 
sekundärer Phosphate zu setzen ist. Die letzteren fallen bei 
der Labgerinnung der Milch mit aus, so daß Labserum bereits 
eine erheblich niedrigere Alkalinität (12 bis 15 com al -Schwefel- 
säure) hat. Bei der Fällung mit Ammoniumsulfat werden nun 
auch die primären Phosphate eliminiert, sei es, daß sie in Lö- 
sung bleiben, sei es, daß sie in Sulfate übergeführt werden. 
In der Tat zeigten mit Ammoniumsulfat mehrfach umgefällte 
Milchalbuminlösungen, die auf dasselbe Volumen gebracht 
wurden, wie die angewandte Serummenge betrug, nur noch 
eine ganz geringe Alkalinität (0,4 com al, -Schwefelsäure), der 


462 W. Grimmer: 


Aschengehalt der Albuminlösung betrug nur noch 0,01°/,, die 
beiden Werte waren somit bis auf den 80. Teil derjenigen der 
Milch herabgesunken, die Intensität der Peroxydasereaktion 
jedoch war vollkommen unverändert geblieben, während Al- 
kalien in dieser Verdünnung keine bemerkenswerte Reaktion 
mehr hervorzurufen vermögen. 

Es ergibt sich somit aus den vorliegenden Versuchen, daß 
die oxydierende Wirkung der rohen Milch nicht durch an- 
organische Katalysatoren, insbesondere nicht durch ihre alka- 
lische Reaktion bedingt werden kann, da die von mir erhal- 
tenen Albuminlösungen im Vergleiche zum Ausgangsmaterial 
— Milch bzw. Serum — so aschenarm waren, daß diese ge- 
ringe Menge praktisch vernachlässigt werden kann. Vielmehr 
deuten alle meine Untersuchungsergebnisse darauf hin, daß 
Milchalbumin selbst der Träger der Peroxydasewirkung ist. 
Dafür sprechen die gleichen Fällungsverhältnisse sowie der Um- 
stand, daß jede tiefer greifende Veränderung des Milchalbumins 
eine zerstörende Wirkung der oxydierenden Eigenschaften zur 
Folge hat, wie dies bei der Denaturierung des Albumins durch 
Äthyl- und Methylalkohol, Aceton und Chloroform sowie bei dem 
peptischen und tryptischen Abbau des Eiweißes zum Ausdruck kam. 

Es war nun von vornherein zu erwarten, daß das oxy- 
dierende Ferment sich auch in den lactierenden Drüsen der 
Wiederkäuer vorfinden würde, ungewiß dagegen, ob es in den 
nichtmilchenden Drüsen derselben Tiere und in den Drüsen 
derjenigen Tierarten, deren Milch keine so ausgesprochene oxy- 
dierende Wirkung besitzt, enthalten ist. Bei diesen Unter- 
suchungen müssen wir uns die Schwierigkeiten vergegenwärtigen, 
die dem einwandfreien Nachweise eines oxydierenden Fer- 
mentes in den Drüsenextrakten wie in Gewebsextrakten über- 
haupt entgegenstehen. Die früher gehegte Anschauung, daß 
im Blute ein oxydierendes Ferment enthalten sei, kann als 
endgültig widerlegt betrachtet werden; als den Träger der oxy- 
dierenden Wirkung haben Moitessier?), Lesser?),v.Fürth und 
v.Czyhlarz®) das Hämoglobin erkannt, das auch nach dem Er- 


1) Moitessier, Compt. rend. Soc. Biol. 57, 878, 1904. 

9) Lenger, Zeitschr. f. Biol. 49, 571. 

) v. Czyhlarz und у. Fürth, Beiträge z. chem. Physiol. u. 
Pathol. 10, 358, 1907. 


Fermente дег Milchdrüse und der Milch. 463 


hitzen seiner Lösungen sowie des Blutes eine unverminderte 
Reaktion gibt. Im Bilutserum selbst aber ist, wie die ge- 
nannten Autoren schon erwähnten, und wie ich mich selbst 
mehrfach überzeugen konnte, kein oxydierendes Agens ent- 
halten. 

Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist nun in der 
neueren Literatur die Guajactinktur als Mittel zum Nachweise 
oxydierender Substanzen, die nicht aus dem Blute stammen, 
durchaus verworfen worden, und man hat andere Reaktionen 
vorgeschlagen, die nicht durch das Blut bedingt werden. So 
empfehlen v. Czyhlarz und v. Fürth die Oxydation von 
Jodwasserstoffsäure bei Anwesenheit eines Peroxydes, die wohl 
durch ein Ferment, nicht aber durch das Blut bewirkt werden 
soll, während Battelli und Stern!) auch dieses Verfahren 
als nicht einwandfrei anerkennen können und die Oxydation 
verschiedener organischer Säuren (Ameisensäure, Äpfelsäure, 
Bernsteinsäure, Citronensäure) als den Ausdruck einer fermen- 
tativen Wirkung betrachten. Gelegentlich ähnlicher Versuche 
wie der vorliegenden aus unserem Institute ergab sich, daß 
sich weder die Oxydation von Jodwasserstoff noch die von 
Ameisensäure in der von Battelli und Stern geübten Aus- 
führungsform zur Beantwortung der Frage nach der Ferment- 
natur der oxydierenden Eigenschaften der Milch und der Milch- 
drüse eignen, während sich die uns zur Verfügung stehende 
Guajactinktur als ein sehr brauchbares Mittel hierfür erwies. 
Wir konnten nämlich feststellen, daß das Blut der verschie- 
densten Tierarten (Rind, Schaf, Schwein, Pferd, Hund, Ka- 
ninchen) nicht imstande war, diese Guajactinktur für sich allein 
zu bläuen, sondern stets nur in Gegenwart eines stark wirken- 
den Peroxydes, als welches Wasserstoffsuperoxyd in 0,2 bis 
0,3°/ iger Lösung, da dieses durch die Blutkatalase geradezu 
explosionsartig zersetzt wird, nicht in Frage kommen kann. 
Als wirksam erwiesen sich nur konzentriertes (3°/,ірев) Wasser- 
stoffsuperoxyd und solche Peroxyde, die von der Katalase nicht 
angegriffen werden, z. B. altes Terpentinöl oder Äthylhydro- 
peroxyd. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß in der 





1) Battelli und Stern, diese Zeitschr. 18, 44, 1908; ebenda 81, 
478, 1911. 


464 W. Grimmer: 


Milch eine Oxydation der Gusjactinktur vielfach bereite bei 
Abwesenheit eines der genannten Peroxyde vor sich geht (das 
dann bereits in der Guajactinktur enthaltene Peroxyd, das hier 
als Sauerstoffträger fungiert und dessen Existenz ich nachwies, 
indem ich Guajactinktur mit der 5 bis 6fachen Menge Wasser 
versetzte, die entstandene Emulsion mehrfach mit Äther aus- 
schüttelte und den wässerigen Rückstand mit Jodkalium und 
etwas Schwefelsäure versetzte, ist nach den vorliegenden Unter- 
suchungen nicht imstande, mit Blut eine Reaktion hervorzu- 
rufen) konnte angenommen werden, daß eine spontan eintretende 
Blaufärbung nach dem Zusatze einer solchen Tinktur zu einem 
Extrakte auf die Anwesenheit eines oxydierenden Fermentes 
zurückzuführen ist, besonders wenn es gelang, durch Erhitzen 
der Extrakte diese Reaktion zu unterdrücken. Daß nicht etwa 
geringe Blutmengen die Oxydation bewirkten, ging sowohl aus 
der obenerwähnten Wahrnehmung hervor, sowie auch daraus, 
daß ein Zusatz von Blut zu unwirksamen Extrakten in einer 
solchen Menge, daß die Art der Färbung derselben eine ganz 
unverkennbare war und in keinem Verhältnisse zu der der von 
mir sonst benutzten Extrakte stand, keine Blaufärbung der 
Guajactinktur hervorzurufen vermochte. Das war immer erst 
der Fall nach Zusatz eines der stärker wirkenden Peroxyde. 

Die Verwendung des bei der Milchuntersuchung so vor- 
züglich wirkenden Rothenfußerschen Reagenses verbot sich aus 
dem Grunde, weil auch Blut dasselbe zu oxydieren vermag. 
Wenn bei der Herstellung meiner Extrakte auch peinlichst 
darauf geachtet wurde, daß die Drüsen möglichst entblutet 
waren und größere Blutgefäße stets vor der Verarbeitung der 
Drüsen beseitigt wurden, so war es doch immerhin nicht mög- 
lich, die Anwesenheit von Blut in den Extrakten vollkommen 
zu vermeiden. 

Die ersten meiner Versuche, die an Glycerinextrakten von 
Pferd, Rind, Schaf, Ziege und Schwein in der Weise ausgeführt 
wurden, daß ich die Extrakte zu sterilisierter Milch hinzufügte 
und dann die Reagenzien (Guajactinktur-Wasserstoffsuperoxyd 
bzw. Paraphenylendiamin - Wasserstoffsuperoxyd), veranlaßten 
mich seinerzeit zu dem Schlusse, daß in den durch einfache 
Giycerinextraktion erhaltenen Extrakten keine Peroxydase ent- 
halten веі, daB diese vielmehr erst dann auftritt, wenn der 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 465 


bereite mit Glycerin extrahierte Drüsenbrei mit Quarzsand ver- 
rieben und von neuem extrahiert wurde. Dieser Schluß ist, 
wie meine späteren Untersuchungen zeigten, nicht haltbar. 
Denn es stand mir damals zunächst nur eine Guajactinktur 
zur Verfügung, die auch bei Milch nur unter Mitwirkung von 
Wasserstoffisuperoxyd reagierte, in dieser Hinsicht also keine 
Unterscheidung zwischen Blut und Ferment gestattete; weiter- 
hin aber verwandte ich ein Peroxyd, das durch die in den 
Drüsenextrakten enthaltene Katalase zerstört wurde. Ев ist 
deshalb sehr leicht erklärlich, daß ich in den zuerst gewonnenen 
Extrakten keine Peroxydasereaktion erhielt. Daß ich bei der 
zweiten Extraktion positive Resultate erzielte, kann wohl da- 
durch erklärt werden, daß in diesen Extrakten bei weitem 
weniger Katalase enthalten war, so daß nun das Wasserstoff- 
superoxyd auch zu Oxydationszwecken verwendet werden konnte. 
Bei meinen späteren mit Kochsalzextrakten und Preßsäften 
ausgeführten Versuchen stand mir eine Guajactinktur zur Ver- 
fügung, die gegen Milch, also ein blutfreies Substrat, ohne den 
Zusatz eines Peroxydes wirksam war, während sie gegen Blut, 
wie schon erwähnt, nur bei Gegenwart eines stark wirkenden 
Peroxydes reagierte. Die nunmehr erhaltenen Resultate dürfen 
somit als durchaus einwandfrei bezeichnet werden. Als Kon- 
trollprobe, der indessen kein Wert beigemessen werden kann, 
wurde die Rothenfußersche Reaktion angestellt, wobei ich 
das Wasserstoffsuperoxyd durch 0,1°/,iges Äthylhydroperoxyd 
ersetzte, das vor dem ersteren den Vorzug hat, durch die in 
den tierischen Geweben enthaltene Katalase nicht zersetzt zu 
werden. Bei den lactierenden Drüsen von 3 Kühen und 
2 Schafen trat mit Guajactinktur prompt eine intensive Reaktion 
ein, wobei ein Unterschied in der Intensität zwischen Drei. 
säften und Kochsalzextrakten nicht zu konstatieren war, während 
bei den lactierenden Drüsen zweier Schweine und eines Pferdes 
sowie den nichtmilchenden Drüsen von 7 Kühen, 6 Schafen, 
. 1 Schwein und 1 Pferd keine Guajacbläuung beobachtet 
werden konnte. In einigen dieser Fälle konnte nach Zusatz von 
Äthylhydroperoxyd eine mehr oder weniger intensive Bläuung 
hervorgerufen werden, während bei Anwendung erhitzter 
Extrakte diese Erscheinung nicht mehr oder nur in sehr ge- 
ringem Maße auftrat. Ich will es dahingestellt sein lassen, ob 


466 W. Grimmer: 


wir es hier mit einer Reaktion des Blutes oder anderer Sub- 
stanzen zu tun haben, wichtig für die Beantwortung der Frage, 
ob in diesen Drüsen ein der Milchperoxydase analog wirkendes 
Ferment enthalten ist oder nicht, ist diese Erscheinung jeden- 
falls nicht. 

Die in den lactierenden Drüsen von Rind und Schaf vor- 
handene Peroxydase zeigt eine weitgehende Übereinstimmung 
in ihren Eigenschaften mit denen der Milchperoxydase. Sie 
iet nicht dialysierbar, wird nicht durch Ganzsättigung mit 
Magnesiumsulfat oder Halbsättigung mit Ammoniumsulfat ge- 
fällt, sondern erst durch vollständige Sättigung mit diesem 
Salze. In den Autodigestionsextrakten wurde sie in keinem 
Falle mehr angetroffen, sie wird also bei der Autodigestion 
ebenso zerstört wie die Milchperoxydase bei der Verdauung 
durch Pepsin oder Trypsin. 

Wesentlich anders verhielten sich die Extrakte gegen 
Rothenfußersches Reagens unter Verwendung von Äthyl- 
hydroperoxyd. Sämtliche Extrakte ohne Ausnahme, auch die 
von der Autodigestion herrührenden, gaben eine mehr oder 
weniger intensive Reaktion, die bei der Mehrzahl der Fälle, 
und zwar bei sämtlichen Autodigestionen auch nach dem 
Kochen erhalten blieb. Daraus, daß bei einigen Extrakten 
nach dem Erhitzen die Reaktion ausblieb, zu schließen, daß 
wir in diesen Fällen eine Fermentwirkung haben, ist verfehlt. 
Denn diese Extrakte oder Preßsäfte gaben, abgesehen von 
denen aus milchenden Drüsen, in rohem Zustande die Reaktion 
nur sehr schwach, und die dazu gehörenden autodigerierten 
Extrakte gaben die Reaktion auch nach dem Erhitzen. Diese 
Erscheinung ist dadurch zu erklären, daß in den Preßsäften 
und Kochsalzextrakten das Hämoglobin beim Erhitzen von dem 
sehr reichlich niederfallenden Eiweißniederschlag umhüllt und 
so seiner Wirkung entzogen wurde, während in den auto- 
digerierten Extrakten infolge des Abbaues des Eiweißes beim 
Erhitzen nur noch sehr geringe Mengen koagulablen Eiweißes 
vorhanden waren, die dem Hämoglobin oder dessen wirksamen 
Abbauprodukten nicht mehr hinderlich sein konnten. Bemerkt 
sei, daß auch in allen diesen Fällen das Verhalten des oxy- 
dierenden Agens gegen Dialyse, Magnesium- und Ammonium- 
sulfat das gleiche war wie bei der echten Peroxydase, ent- 


Fermente der Milchdrüse und der Miloh. 467 


sprechend den Fällungsverhältnissen des Hämoglobins, und daß 
die gegen Rothenfußersches Reagens wirksamen Preßsäfte 
und Extrakte, wenn die Reaktion nicht sehr schwach war, 
auch auf den Zusatz von Guajactinktur + Terpentinöl reagierten. 

Diese Beobachtungen nahmen mir leider die Möglichkeit, 
festzustellen, ob in den lactierenden Drüsen von Pferd und 
Schwein ein oxydierendes Prinzip enthalten ist, das fermen- 
tativer Natur ist und nicht das Hämoglobin als Ursache hat, 
und weiterhin, ob ein derartiges Ferment auch in den übrigen 
milchenden und nichtmilchenden Drüsen enthalten ist. Gleich- 
zeitig konnte auch die Frage nicht geklärt werden, ob das 
Gusjactinktur bläuende Ferment und das Paraphenylendiamin 
oxydierende Agens identisch sind oder nicht. Der Umstand, 
daß bei den Wiederkäuermilcharten beide Reaktionen stets 
nebeneinander und hinsichtlich ihrer Intensität, abgesehen von 
den Grenzfällen bei der Verdünnung, stets nahezu proportional 
verlaufen, und daß es bisher nicht gelungen ist zwei Fraktionen 
darzustellen, von denen die eine ausschließlich Guajactinktur, 
die andere ausschließlich Paraphenylendiamin zu oxydieren 
imstande ist, läßt sich das erstere vermuten. Der Umstand, 
daß die Milcharten von Mensch, Pferd, Esel, Hund und Schwein 
zwar Paraphenylendiamin, nicht aber Guajactinktur oxydieren, 
lassen die zweite Möglichkeit nicht ausgeschlossen erscheinen, 
wenn man nicht, was schließlich auch möglich ist, kon- 
stitutionelle Differenzen in den Fermenten der verschiedenen 
Milcharten annehmen will. 

Die wesentlichsten Ergebnisse der vorliegenden Unter- 
suchungen über die Peroxydasen in der Milch lassen sich 
folgendermaßen zusammenfassen: 

Die Guajactinktur oxydierenden Eigenschaften der Milch 
von Rind, Schaf und Ziege sind nicht auf die Wirkung an- 
organischer Katalysatoren zurückzuführen, sie sind vielmehr 
fermentativer Natur. Das Ferment muß als ein originäres, 
von der Milchdrüse selbst produziertes aufgefaßt werden, das 
erst dann gebildet wird, wenn die Milchdrüse zu sezernieren 
beginnt. In der nichtmilchenden Drüse ist keine Guajactinktur 
bläuende Substanz enthalten. In den Milchdrüsen von Pferd 
und Schwein fehlt dieses Ferment, ebenso in der Milch von 
Schwein und Hund. In diesen Milcharten ist nur ein Para- 


468 ` W. Grimmer: 


phenylendiamin oxydierendes Ferment enthalten, das beim Er- 
hitzen der Milch zerstört wird. Ein solches findet sich auch 
in der Milch der Wiederkäuer. Die Feststellung dieses Ferments 
in den Milchdrüsen der von mir untersuchten Tiere scheiterte 
daran, daß auch Hämoglobin, sowohl in rohem wie in erhitztem 
Zustande, Paraphenylendiamin bei Anwesenheit eines Peroxydes 
zu oxydieren imstande ist, und daß dieses die gleichen Fällunge- 
verhältnisse besitzt wie die Milchperoxydase. 


Zusammenfassung und Schlußbetrachtungen. 

Die vorstehend geschilderten Untersuchungen hatten, wie 
einleitend bemerkt, in erster Linie den Zweck, Näheres über 
die Herkunft einiger Milchenzyme zu erfahren, andererseits 
konnte es nicht ausbleiben, daß bei den vergleichenden Studien 
über die Fermente der milchenden und der nichtmilchenden 
Drüse auch das Problem der Milchbildung berührt wird. Nach 
dieser Richtung hin sind die Resultate der vorliegenden Arbeit 
als die Basis zu betrachten, auf der weitere Versuche auf- 
zubauen sind, die uns die Funktionen der lactierenden Drüse 
in umfangreicherem Maße, als dies bisher möglich war, kennen 
lehren sollen. 

Bisher wurden folgende Resultate gezeitigt: 

1. Sowohl in der tätigen wie in der ruhenden Milchdrüse 
sind proteolytische Fermente vorhanden, die anscheinend nur 
die Eiweißkörper der Milchdrüse selbst, nicht aber andere 
Eiweißkörper (Fibrin, Gelatine, Hühnereiweiß) abzubauen ver- 
mögen. Als Spaltungsprodukte der in den Kuhmilchdrüsen 
tätigen Fermente konnten sicher Glykokoll und Leucin, sowie 
zur Gruppe der Aminosäuren gehörige Substanzen, deren 
Identifizierung wegen der allzu geringen Menge nicht möglich 
war, festgestellt werden. Ob auch Tyrosin gebildet’ wurde, ist 
mit Sicherheit nicht festzustellen gewesen. 

Die proteolytischen Fermente der tätigen und ruhenden 
Milchdrüsen aller untersuchten Tierarten unterschieden sich 
dadurch voneinander, daß unter den Abbauprodukten der Eiweiß- 
körper der lactierenden Drüsen stets Tryptophan auftrat, das 
in den Autodigestionsextrakten der ruhenden Drüsen niemals 
nachweisbar war. - 

Dieser Befund läßt zweifellos wichtige Schlüsse auf die 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 469 


Funktion der tätigen Milchdrüse zu. Das in der ruhenden 
Drüse enthaltene proteolytische Ferment wird, wie auch die 
autolytischen Fermente anderer Organe, wohl lediglich die 
Aufgabe haben, den Zellstoffwechsel der Drüse zu bewerk- 
stelligen, wozu eine Abspaltung von Tryptophan aus dem mit 
dem Bilutstrome zugeführten Körpereiweiß, ebenso wie dies 
nach Beobachtungen von Biondi?) bei der Leber der Fall ist, 
nicht nötig ist. Die lactierende Drüse hingegen, die ja einen 
Eiweißkörper — Casein — produziert, der im ganzen tierischen 
Organismus außer in der Milchdrüse bzw. der Milch nicht wieder 
vorkommt, braucht ein Enzym, das auf die Synthese desselben 
eingestellt ist und das zu diesem Zwecke sich die Bausteine 
verschaffen muß, die zum Aufbau des Caseins nötig sind. Wir 
werden vielleicht nicht fehlgehen, wenn wir die Annahme, 
zu der uns die umfassenden Arbeiten Abderhaldens ver- 
anlassen können, daß nämlich der Organismus das dem Körper 
zugeführte Nahrungseiweiß, um es in Körpereiweiß umzuwandeln, 
vollständig in seine Bausteine zerlege, sinngemäß auch auf die 
Umwandlung von Körpereiweiß in Milcheiweiß ausdehnen. Da- 
für spricht auch der Umstand, daß, während in den Auto- 
digestionsextrakten der nichtmilchenden Drüsen noch reichliche 
Mengen von die Biuretreaktion gebenden Substanzen, die sich 
zum Teil durch Ammoniumsulfat fällen ließen, vorhanden 
waren, in den Autolysaten der lactierenden Drüsen derartige 
Substanzen (Albumosen und Peptone) nur noch in ganz geringem 
Maße oder gar nicht mehr auftraten. 

2. Die Preßsäfte, Kochsalzextrakte und Autolysate der 
milchenden und nichtmilchenden Drüsen sind befähigt, aus 
Seidenpepton Tyrosin abzuspalten. Es muß vorläufig un- 
entschieden bleiben, ob diese Spaltung auf die proteolytischen 
Fermente der Drüsen, also diejenigen Fermente, die natives 
Eiweiß abzubauen vermögen, zurückzuführen ist, oder ob ein 
besonderes Ferment, das nur Peptone und Polypeptide spaltet, 
nach der Art des Erepsins den Abbau bewirkt. Wenn wir 
uns vergegenwärtigen, daß das Vorkommen proteolytischer 
Fermente originären Ursprungs in den verschiedenen Milcharten 
durchaus nicht als bewiesen angesehen werden kann, und daß 


1) Biondi, Virchows Archiv 144, 343, 1896. 


470 W. Grimmer: 


andrerseits die peptolytischen Fermente, die Wohlgemuth und 
Strich und Warfield in verschiedenen Milcharten fanden und 
die aus Polypeptiden Tryptophan abzuspalten vermögen, aller 
Weahrscheinlichkeit nach als originäre Fermente anzusprechen 
sind — dieser Schluß erscheint infolge des Auftretens von 
Tryptophan in den Autolysaten der lactierenden Drüsen ge- 
rechtfertigt —, so kann wohl angenommen werden, daß auch 
das peptolytische Ferment der Milchdrüse nicht identisch ist 
mit dem proteolytischen Ferment. Da die obenerwähnten 
Autoren die Spaltung von Gilycyltryptophan durch Milch be- 
obachteten, so läßt sich die Möglichkeit nicht von der Hand 
weisen, daß die Abspaltung von Tyrosin aus Seidenpepton 
durch die Extrakte der ruhenden und tätigen Drüsen dem 
autolytischen Fermente zuzuschreiben ist, während ein be- 
sonderes peptolytisches Ferment der tätigen Milchdrüsen die 
Abspaltung von Tryptophan aus Polypeptiden bewirkt. 

Seine größte Wirksamkeit entfaltet das seidenpepton- 
spaltende Ferment in den nicht weiter behandelten Preßsäften 
und Extrakten. Durch Autolyse der Drüsen, sowie durch 
Dialyse der fermenthaltigen Lösungen wird seine Wirksamkeit 
erheblich geschwächt. 

3. Die tätige und die ruhende Milchdrüse der von mir 
untersuchten Tierarten enthalten ein monobutyrinspaltendes 
Ferment, dessen Wirksamkeit durch die Dialyse erheblich 
herabgesetzt wird. Das Vorkommen eines solchen Fermentes 
in der Milch ist somit auf sein Vorhandensein in der Milch- 
drüse zurückzuführen. 

4. Die Milchdrüsen von Pferd und Schwein besitzen so- 
wohl in lactierendem wie in ruhendem Zustande in hohem 
Maße die Fähigkeit, Stärke abzubauen. Beim Rinde erwiesen 
sich die ruhenden Drüsen in höherem Maße befähigt, Stärke- 
kleister abzubauen als die tätigen. Die ruhenden Drüsen des 
Schafes besaßen keine bemerkenswerte amylolytische Wirksam- 
keit. Da die erhaltenen Resultate nicht eindeutig verlaufen, 
lassen sie vorläufig auch keine Schlüsse über die Entstehung 
des Milchzuckers zu. Sie gestatten lediglich den Schluß, daß 
die in den verschiedenen Milcharten enthaltene Amylase als ein 
originäres Ferment angesprochen werden muß. 

5. Sämtliche von mir untersuchten Preßsäfte und Koch- 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 471 


salzextrakte besaßen in hohem Maße die Fähigkeit, Salol zu 
spalten. Dieses salolspaltende Vermögen der Milchdrüsen muß 
als eine rein fermentative Wirkung aufgefaßt werden, es kann 
nicht, wie verschiedene Autoren, die es hinsichtlich der gleichen 
Eigenschaft der alkalisch reagierenden Milcharten versuchten, 
durch eine infolge der natürlichen Alkalescenz der Medien be- 
dingte Verseifung, die ohne Mitwirkung von organischen Kata- 
lysatoren verläuft, erklärt werden. Gegen diese Auffassung 
spricht zunächst der Umstand, daß es mir gelang, durch Dialyse 
die gegen Lackmus alkalische Reaktion der Extrakte zum Ver- 
schwinden zu bringen, ohne daß hierbei die Fähigkeit derselben, 
Salol zu spalten, verloren gegangen wäre. Durch Erhitzen der 
erhaltenen neutralen Lösungen wurde weiterhin die Salolase 
zerstört, ebenso wie in den Extrakten und Preßsäften selbst, 
‚ohne daß in diesen die Alkalinität in wesentlichem Maße ver- 
ändert worden wäre. Schließlich ist das salolspaltende Agens 
durch Ammoniumsulfat fällbar und läßt sich durch Behandlung 
des Niederschlages mit Wasser wieder in Lösung bringen. 

6. Die Guajacperoxydase konnte nur in den lactierenden 
Drüsen der Wiederkäuer gefunden werden, in allen anderen 
Drüsen fehlte віе Der Umstand, daß auch Blut eine große 
Zahl von Peroxydasereaktionen gibt, z. B. mit Paraphenylen- 
diamin bzw. Rothenfußerschem Reagens, Jodstärke usw., und 
‚daß die Gewinnung von blutfreien Drüsenextrakten so gut wie 
unmöglich ist, gestattete nicht die Beantwortung der Frage, ob 
in allen untersuchten Drüsen auch ein diese Agenzien oxy- 
dierendes Enzym enthalten ist, oder ob es beispielsweise in 
den nichtmilchenden Drüsen fehlt. Daß ein solches Ferment 
in den lactierenden Drüsen enthalten ist, läßt sich indirekt 
auf Grund der Tatsache wohl behaupten, daß die Milch von 
Frau, Pferd, Esel, Schwein und Hund ein Paraphenylendiamin 
oxydierendes Ferment enthält. Es ist anzunehmen, daß die 
Guajacperoxydase und die Paraphenylendiaminperoxydase der 
'Wiederkäuermilcharten nicht miteinander identisch sind, da 
man sonst erwarten müßte, daß auch in den übrigen Milch- 
arten, die zum Teil Paraphenylendiamin sehr energisch oxy- 
dieren, z. B. der Schweinemilch, eine Parallelität beider Oxy- 
‚dationserscheinungen beobachtet werden müßte, die aber tat- 


sächlich nicht besteht. 
Biochemische Zeitschrift Band 58. 32 


472 W. Grimmer: 


Die Annahme, daß das oxydierende Prinzip der ver- 
schiedenen Milcharten kein Ferment sei, hat auf Grund unserer 
bisherigen Kenntnisse und der vorliegenden Untersuchungen 
über die Eigenschaften desselben keine Stütze erhalten können, 
insbesondere ist die zeitweise geäußerte Anschauung, daß die 
alkalisch reagierenden Stoffe der Milch die Oxydationswirkung 
bedingten, als völlig unzutreffend zu verwerfen. 


Welche Bedeutung ist nun dem Vorkommen von Fermenten 
іп den verschiedenen Milcharten beizumessen? Verschiedentlich 
hat man versucht, die vielfach beobachtete ungünstige Wirkung 
erhitzter Milch auf das Wohlbefinden und die Entwicklung 
menschlicher und tierischer Säuglinge auf das Fehlen der in 
der rohen Milch enthaltenen Fermente zurückzuführen. Hin- 
sichtlich eines eventuell in der Milch enthaltenen proteolytischen 
Fermentes sind Zweifel darüber wohl nicht unangebracht, denn 
die proteolytische Wirksamkeit der Milch ist, wenn überhaupt 
vorhanden, eine so geringe, daß sie zur Unterstützung der Ver- 
dauungsvorgänge im Magendarmkanal der Säuglinge kaum in 
Betracht kommen kann. Welche Bedeutung der in der Milch 
enthaltenen Amylase für die Verdauung zukommen soll, ist 
überhaupt nicht einzusehen, da die Milch ja eine stärkefreie 
Nahrung vorstellt, auch den oxydierenden Fermenten muß jede 
Bedeutung für die Mitwirkung bei der Verdauung abgesprochen 
werden, um so mehr als sie ja, wenigstens was die Guajac- 
peroxydase anlangt, durch so geringe Säurekonzentrationen, wie 
sie im Magensafte enthalten sind, bereits abgetötet werden. 

Für die Milch selbst werden die in ihr enthaltenen 
Fermente also kaum eine tiefergehende Bedeutung besitzen, 
wir können sie wohl als Produkte der Milchdrüse betrachten, 
die sie benötigte, um die Milch zu bilden, schwerlich aber als 
Produkte, die dem zu ernährenden Säugling zugute kommen 
sollen. Die Bedeutung der proteolytischen Fermente, besonders 
der lactierenden Drüsen, liegt klar auf der Hand, sie dienen 
ganz offenbar dazu, das Körpereiweiß in die typischen Milch- 
eiweißkörper überzuführen. Auch über den Zweck des uns als 
Guajacperoxydase bekannten Fermentes der Wiederkäuermilch- 
arten scheinen Vermutungen nicht unangebracht. Es ist eine 
ganz auffällige Tatsache, daß gerade die Milcharten der Wieder- 


Fermente der Milchdrüse und der Milch. 473 


käuer, die ja die Guajacperoxydase enthalten, ein Fett besitzen, 
das außerordentlich reich an niedermolekularen Fettsäuren ist, 
während das guajacperoxydasefreie Colostrum derselben Tier- 
arten ein Fett mit einer sehr viel geringeren Menge an nieder- 
molekularen Fettsäuren besitzt, ebenso wie die Milcharten der 
anderen Tiere und des Menschen. Es ist dies zunächst nur 
eine Hypothese, die durch keinerlei experimentelles Material 
über eine Wirkung der oxydierenden Fermente nach dieser 
Richtung hin gestützt ist, eine Hypothese aber, die durch 
die erwähnten Tatsachen nicht ganz unbegründet erscheint 
und als Arbeitshypothese zweifellos Berechtigung hat. Unter- 
suchungen über diesen Gegenstand sind beabsichtigt. 

Ob andere Fermente, die sich sowohl in der milchenden 
Drüse wie auch in der nichtmilchenden vorfinden, und die wir 
auch in anderen Milcharten antreffen — Amylase, Salolase —, 
für die Milchbildung von Bedeutung sind, oder ob wir sie 
lediglich als Exkretionsprodukte beim Zerfall der Zellen zu 
betrachten haben, läßt sich schwierig sagen. Der Amylase läßt 
sich vielleicht noch eine Bedeutung für die Milchzuckerbildung 
zuschreiben, welche, muß vorläufig noch dahingestellt bleiben. 


32% 


Über die Kondensierung der Aminosäuren vermittelst 
des Formaldehyds. | 


Von 
С. Galeotti. 


(Institut für Allgemeine Pathologie der K. Universität Neapel.) 
(Eingegangen am 12. Juni 1913.) 
Mit 1 Figur im Text. 


Wie bekannt, treten die Aldehyde und insbesondere der 
Formaldehyd leicht in Reaktion mit Stoffen, die die Gruppe NH 
oder die Gruppe NH, enthalten, und infolge der polymeri- 
sierenden Neigungen des Aldehyds bilden sich häufig kompli- 
zierte Körper, in denen sich verschiedene Moleküle miteinander 
verbinden. 


Als Typus dieser Stoffe will ich das Urotropin (Hexamethylen- 
tetramin) erwähnen, das durch die Einwirkung des polymerisierten 
Aldehyds auf Ammoniak entsteht. 

Mit den primären Aminen bilden sich Verbindungen der allgemeinon 
Formel RN CH, OH (Henry!), und Sachs?) sagt, in jedem Falle, in 
dem eine Imidogruppe in dem in Verbindung tretender Körper ent- 
halten веі, müsse eine Kondensierung der Gruppe N.CH,.OH eintreten. 

Verschiedene Verbindungen mit den primären und sekundären 
Aminen wurden studiert von Kolotow®), Brochet und Gambier‘t), 
Duden und Soharf?), Franchimont und van Erp®), Ehrenberg?) 


1) Henry, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 26, 934, 1893; 28, 851, 
924, 1895; Compt. rend. de l’Acad. d Be 120, 837, 1895. 

2) Saohs, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 81, 3230, 1898. 

з) Kolotow, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 18, 611, 1885. 

1) Brochet, Cambier, Compt. rend. de l’Acad. d. Sc. 120, 449, 1895. 

5) Duden, Scharf, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 28, 936, 1895. 

6) Franchimont, van Erp, Reo. d. travaux chimiques des 
Pays-Bas 15, 169, 1896. 

) Ehrenberg, Journ. f. prakt. Chem. 86, 118. 1887. 


С. Galeotti: Kondensierung d. Aminosäuren verm. Formaldehyd. 475. 


usw., mit den Säureamiden von Reich!), Einhorn?) und von vielen 
anderen. 

Über den Einfluß des Formaldehyds auf das Kreatin und das 
Kreatinin schrieb Jaffe®), der eine Verbindung erhielt, deren wahr- 
scheinliche Formel 


 N.CH,.OH 
GR CH,.OH 
N N. (CH), .CH,CO 


ist und die er Dioxymethylenkreatinin nannte. 

Die Kombinationen mit der Harnsäure wurden von Weber und- 
Tollens‘) studiert, die ein Krystallprodukt erhielten, das sich aus der 
Hinzufügung eines Moleküls Harnsäure zu zwei Molekülen Formaldehyd 
ergab, und eine nicht krystallisierbare Verbindung, die bis zu vier oder 
fünf Molekülen Formaldehyd enthält. Aus jüngster Zeit datiert eine 
Arbeit von Schittenhelm?°) über dasselbe Thema. 

Was die Aminosäuren anbelangt, muß ich vor allem bemerken, 
daß die Verbindungen des Benzaldehyds mit dem Glykokoll von Curtius 
und Lederer®), Plöchl?) und namentlich von Erlenmeyer®), der 
darüber eine Reihe von Arbeiten veröffentlichte, studiert wurden. Dieser 
Autor sagt, das Glykokoli besitze ein beträchtliches Kondensations- 
vermögen und könne deshalb mit den Aldehyden zur Zusammensetzung 
anderer Aminosäuren dienen. 

So erhielt er das Phenylserin 


C,H,—CHOH—CHNH,— COOH 


und gedachte auch das Serin aus dem Glykokoll und dem Formaldehyd 
zu erhalten, was ihm aber nicht gelang. 

Wohl bekannt ist die Schiffsche®) Reaktion, zwischen den 
Lösungen von Aminosäuren und Formaldehyd, da diese Reaktion von 
neuem große Verwendung als Titriermittel des Aminstiokstoffes (Sörensen) 
gefunden hat. Schiff beschäftigte sich insbesondere mit dem Studium 
der Eigenschaften der erwähnten Mischungen und verweilte nicht lange 
bei den Krystallverbindungen, die man aus diesen Mischungen erhalten 
kann, indem man sie bei mittlerer Temperatur verdunsten läßt. Immer- 


1) Reich, Monatsh. а. Chem. 25, 933, 1904. 

2) Einhorn, Liebigs Аппа]. 848, 207, 1905. In dieser Arbeit und 
in der von Reich findet sich eine reichhaltige Literatur über das Thema. 

з) Jaffe, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 85, 2896, 1902. 

4) Weber und Tollens, Liebigs Аппа]. 299, 340, 1898. 

5) Schittenhelm, Münch. med. Wochenschr. 1912, 2377. 

6) Curtius und Lederer, Ber. а. Deutsch. chem. Ges. 19, 2462, 1886. 

7) Plöchl, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 16, 2815, 1883. 

в) Erlenmeyer, Liebigs Annal. 887 u. 838, 205, 1905. — Erlen- 
meyer und Stoop, ebenda 887 u. 888, 236, 1905. 

D Schiff, Liebigs Annal. 810, 25, 1900; 819, 59, 1901; 825, 348, 1902. 





476 G. Galeotti: 


hin erhielt er auf diese Weise einige Methylenverbindungen. Von diesen 
führe ich hier das Methylenalanin an, das er gewann, indem er eine 
Lösung von Alanin und Formaldehyd einen oder zwei Tage lang auf 
Schwefelsäure einwirken ließ. Die den Rückstand bildende Krystall- 
masse war in Wasser sehr leicht löslich und von saurer Reaktion. Die 
Konstitutionsformel dieser Substanz erwies sich als 

N.CH, 


OH. 

Schiff erhielt, ebenfalls als Krystalle, Dimethylenasparagin und 
Monomethylenasparagin. Er bemerkt jedoch, damit die Krystalli- 
sation eintrete, dürfe man die Mischungen von Asparagin und Formaldehyd 
nicht über 50° oder 60° erwärmen, sonst werde die Flüssigkeit gelb, er- 
lange ein sirupartiges Aussehen und krystallisiere nicht mehr. 

In neuester Zeit erhielt Homer!) ein Kondensationsprodukt, in- 
dem er eine Tryptophanlösung mit Formalin mischte und verschiedene 
Stunden lang auf 38° erwärmte. Die Lösung ist von hellgelber Farbe. 
Aus ihr setzen sich Krystalle ab, die in Wasser und Alkohol nicht 
sehr löslich, unlöslich in verschiedenen Feettlösungsmitteln sind. Die auf 
höhere Temperatur erwärmte Substanz wird von dunklerer gelber Farbe. 

Aus der Elementaranalyse ergab sich für ein im luftleeren Raum 
getrooknetes Präparat: im Mittel 
С 57,28%, Н 6,48°/„, N 10,80°%,, 
entsprechend der Formel 
С..Н,.0,М,.2Н,0, 
für ein zwischen 110 und 130° getrooknetes Präparat im Mittel 
С 61,28°/„, Н 6,359, N 11,68°%,, 


entsprechend der Formel 
С,.Н,.0,М,.Н,0. 

Im Verlauf weiterer Untersuchungen mit den Aminosäuren?) 
habe ich einige Tatsachen gefunden, die auf die Verbindungen 
zwischen diesen Stoffen und dem Formaldehyd Bezug haben. 

Ich verwendete die folgenden Aminosäuren: 

Glykokoll, 
Alanin, 
Leucin, 
Asparaginsäure, 
Phenylalanin, 
Tyrosin, 
1) Homer, The bioohem. Journ. 7, 102, 1903. 
1) Die ersten Resultate dieser Untersuohungen wurden von mir der 


Italienischen Chemischen Gesellschaft (Sektion Neapel) in den Sitzungen 
om 9. Juni 1912 und 28. Mai 1913 mitgeteilt. 


CH,.CH 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 477 


die mir von der Firma Kahlbaum geliefert wurden. Der Form- 
aldehyd wurde durch Destillation des gewöhnlichen Formalins 
erhalten. 


Verbindungen des Glykokolls und des Formaldehyds. | 

Die zusammen mit Formalin erwärmte Glykokollösung 
nimmt allmählich eine hellgelbe Färbung an, die jedoch in 
6 oder 8 Stunden zuletzt rotgelb wird. Bringt man die Flüssig- 
keit zur Trockne und setzt Wasser zu, so gelingt es durch 
wiederholte Operationen den freien Formaldehyd vollständig 
zu entfernen, und man erhält auf diese Weise eine klebrige, 
hygroskopische, in Wasser sehr lösliche braune Masse. Die 
intensiv gefärbten wässerigen Lösungen werden auf keine Weise 
durch Tierkohle entfärbt. 

Aus den wässerigen Lösungen wird das Produkt mit abso- 
lutem Alkohol, in dem es fast unlöslich ist, gefällt. Bei dieser 
Fällung bilden sich zuerst leichte Flocken, die dann rasch zu- 
sammenkleben und in Gestalt einer braunen Masse den Wänden 
und dem Boden des Gefäßes anhaften, während der Alkohol 
klar und farblos bleibt oder leicht gelb gefärbt ist. Wieder- 
holt man die Manipulation, so gelingt es auf diese Weise, ein 
verhältnismäßig reines Produkt zu erhalten. Ich will gleich 
bemerken, daß es mir auf keine Weise gelungen ist, eine 
Krystallisation dieser Substanzen zu erhalten, weder aus den 
wässerigen Lösungen, die ich in der Kälte oder Wärme oder 
im luftleeren Raum verdunsten ließ, noch aus anderen Lösungs- 
mitteln; übrigens ist die Substanz in den gewöhnlichen Lösungs- 
mitteln, außer im Wasser, unlöslich. 

Die wässerigen Lösungen haben eine deutlich saure Reak- 
tion. Sie ergeben keinen Niederschlag nach Zusatz von Alkalien 
(Soda, Baryt oder Ammoniak) oder verdünnten oder konzen- 
trierten Säuren. Mit den Alkalien werden gewiß Salze erzeugt, 
aber auch diese krystallisieren nicht. Die aus der Fällung mit 
Alkohol erhaltene Substanz hat zuerst ein harzartiges Aussehen 
und ist sehr hygroskopisch und zerfließbar. Auf 100° erhitzt, 
schäumt sie und verliert allmählich den Alkohol und das 
Wasser, mit dem sie durchtränkt war. Trocknet man sie im 
Vakuum bei 100 bis 105° in Anwesenheit von Calciumchlorid, 
so gelingt es, sie auf konstantes Gewicht zu bringen. 


478 | G. Galeotti: 


Bestimmung des Sohmelzpunktes. 

Diese Bestimmung läßt sich nur in geschlossenen Capillaren 
ausführen. Zu diesem Zwecke zieht man Capillaren aus gewöhn- 
lichen Probierröhren und trennt zuerst die Capillare nicht von 
. dem breiten Teil der Röhre, so daß man eine Art Trichter 
erhält. In diesen wirft man rasch einige Schüppchen der Sub- 
stanz, die einem zuerst bei konstantem Gewicht getrockneten 
kleinen Gefäß entnommen sind, dann bringt man sogleich die 
Capillare in den Brutschrank bei 100° und evakuiert den 
Raum in Anwesenheit von CaCl,. Nach 24stündigem Verweilen 
wurde die Capillare rasch aus dem Brutschrank genommen 
und über der Lampe geschlossen. Diese Operationen sind nötig 
in Anbetracht der großen Hygroskopizität der Substanz, weil 
die Absorption von Wasser, auch nur in geringer Menge, den 
Schmelzpunkt sehr verändert. 

Als Mittel verschiedener Bestimmungen kann ich das 
Resultat angeben, daß die trockene Substanz bei 150° teigig 
wird und bei 164° völlig schmilzt. Bei noch höherer Tem- 
peratur wird sie schaumig. 


Bestimmung des Molekulargewichtes. 
Verschiedenen Teilen der bis zu konstantem Gewicht ge- 
trockneten Substanz wurde Wasser zugesetzt und dessen Menge 
durch Abwiegen bestimmt. In den verschiedenen Lösungen 
werden dann die kryoskopischen Bestimmungen ausgeführt. 
Ich erhielt folgende Zahlen: 











Zusammen- 


der Substanz | дев Wassers — 





11,784 
11,670 9,74 

Aus anderen Bestimmungen, die bei geringeren Konzen- 
trationen gemacht wurden, ergaben sich mir für das Molekular- 
gewicht kleinere Werte, was dem Umstand zugeschrieben werden 
kann, daß die Substanz gewiß eine elektrolytische Dissoziation 
erfährt. Berücksichtigt man die bei konzentrierteren Lösungen 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 479 


gemachten Bestimmungen, d. h. die vier letzten Zahlen der 
letzten Kolumne in der vorstehenden Tabelle, so erhält man 
als Molekulargewicht 288. 


Chemische Eigenschaften. 

Eine sehr wichtige chemische Veränderung, die das Gly- 
kokoll erleidet, wenn es sich in der Wärme mit dem Form- 
aldehyd verbindet, ist die, welche die Eisenschaften seines Amin- 
stickstoffes betrifft. Es ist bekannt, daß der Aminstickstoff der 
Aminosäuren unter Einwirkung der salpetrigen Säure sich in 
Gestalt von gasförmigem Stickstoff frei macht. Man erhält 
nämlich die Reaktion 

RNH, + HNO, = ROH + H,O +N,. 

Ich konnte konstatieren, daß die Reaktion, während sie 
bei dem eben mit dem Formaldehyd vereinigten Glykokoll ein- 
tritt, nicht mehr eintritt, wenn es lange und in der Wärme 
mit dem Formaldehyd behandelt worden ist. Die Reaktion 
läßt sich quantitativ mit der Methode und dem Apparat von 
v. Slyke gut studieren. 

Zunächst wollte ich mir Gewißheit darüber verschaffen, 
daß nicht einfach ein Stickstoffverlust eintritt, weshalb ich 
folgendermaßen verfuhr. 

1 g Glykokoll wurde in 100 g Wasser gelöst; 10 ccm der 
Lösung dienten zur Bestimmung des Aminstickstoffes. Weiteren 
10 ccm wurde Formaldehyd zugesetzt und die Bestimmung des 
Aminstickstoffes wiederholt. Der Rückstand der Lösung (80 ccm) 
wurde genau gewogen, dann wurden 25 ccm Formaldehyd zu- 
gesetzt, im Wasserbad 8 Stunden lang erwärmt, verdunsten 
gelassen und die Lösung wieder auf das Anfangsgewicht ge- 
bracht. Веі 10 ccm wurde der Aminstickstoff bestimmt und 
bei weiteren 10 ccm der Stickstoff, nach der Kjeldahlschen 
Methode. Ich erhielt die folgenden Werte: 


10 сот Glykokollösung, Aminstickstoff . . . . . 0,0137 g 
10 » Gilykokollösung mit Zusatz desFormaldehyds, 
Aminstickstoff . . . 2 2 2000. . 0,0124 р 


10 » Gilykokollösung mit Formaldehyd nach 8stün- 

diger Erwärmung, Aminstickstoff . . . 0,0004 g 
10 » derselben Lösung, mit der Kjeldahlschen 

Methode behandelt, N. . . . . . . . 0,0126 g. 


480 G. Galeotti: 


Aus diesen Bestimmungen ersieht man, daß in der Wärme 
bei der Verbindung des Glykokolls mit dem Formaldehyd 
kein Stickstoffverlust eintritt, sondern nur eine derartige Mole- 
kularveränderung, daß der Stickstoff nicht mehr auf die 
v. 51у кевсһе Reaktion reagiert. 

Das Verschwinden dieser Reaktion hält gleichen Schritt 
mit dem Braunwerden der Lösung, und man kann sogar auf 
diese Weise die Geschwindigkeit der Reaktion bestimmen. 


Zu diesem Zweck machte ich folgenden Versuch: 


Ungefähr 1 g Glykokoll wurde in 75 ccm Wasser ge- 
löst; dann wurden 25 ccm Formalinlösung zugesetzt. Von 
dieser Lösung nahm ich 10 ccm und bestimmte darin sofort 
den Aminstickstoff. Hierauf wog ich den Rückstand, brachte 
ihn eine Stunde lang ins Wasserbad unter Rückflußkühlung, 
stellte dann genau das Anfangsgewicht wieder her und nahm 
davon 10 ccm. In diesen bestimmte ich .den Aminstickstoff, 
wog dann den Rückstand von neuem, brachte ihn wieder 
ins Wasserbad, stellte das Anfangsgewicht wieder her und 
wiederholte die Bestimmung. Auf diese Weise erhielt ich die 
folgenden Werte des in 10 ccm der Lösung enthaltenen Amin- 
stickstoffes: 


Zeit Aminstickstoff in 10 com der Lösung 
0 0,0143 g 
1 Stunde 0,0067 g 
5 Stunden 0,0046 g 
10 Stunden 0,0037 g 
23 Stunden 0,0012 g 


Die Flüssigkeit wurde zur Trookne 
gebracht, die Substanz mehrere 
Stunden lang auf 100 bis 105° er- 
hitzt und dann bis zum Anfangs- 
gewicht wieder aufgelöst. 0,0004 g 


Mit diesen Werten wurde die Kurve der Figur 1 kon- 
struiert, von der man annehmen kann, daß sie die Art und 
Weise darstellt, wie die Reaktion der Kondensierung des Glyko- 
kolls mit dem Formaldehyd verläuft. Wie man sieht, wird 
die Reaktion erst vollständig, wenn das Präparat zur Trockne 
gebracht und mehrere Stunden lang bei einer Temperatur von 
100° oder etwas darüber erhitzt wird. 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 481 





Fig. 1. Geschwindigkeitskurve der Reaktion zwischen Glykokoll 
und Formaldehyd. 


Weitere chemische Eigenschaften der Verbindung Glykokoll- 

Formaldehyd: 

Aus konzentrierten Lösungen fällt sie nach Zusatz von absolutem 
Alkohol oder Aceton aus. — Sie ist unlöslich in Äther, 

die wässerige Lösung gibt keine Niederschläge nach Zusatz 
von Alkalien oder Säuren (Essig-, Schwefel-, Salz-, Salpeter- 
säure, mögen sie verdünnt oder konzentriert sein), 

mit Phosphorwolframsäure reichlicher käsiger Niederschlag, 

mit Molybdänsäure: kein Niederschlag, 

mit Gerbsäure: Niederschlag, 

mit Pikrinsäure: Niederschlag, 

mit Kupfersulfat: erbsengrüne Färbung ohne Niederschlag. Keine 
Veränderung nach Zusatz von NaOH und bei Erwärmung 
keine Reduktion, 

mit Silbernitrat entsteht kein Niederschlag, auch nicht nach 
Zusatz von Ammoniak; bei Erwärmung bräunt sich die 
Flüssigkeit, 

mit Nickelsulfat: kein Niederschlag, 

mit Sublimat: Niederschlag, 

mit Bleiacetat: Niederschlag, 

mit Eisenchlorid: kein Niederschlag, 


482 G. Galeotti: 


mit Goldchlorid : Niederschlag, der sich in Alkohol löst, 

mit Kaliumchromat: dunkle Färbung, 

mit Ferrocyankalium: braune Färbung, 

mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung: kein Niederschlag, 
Diazoreaktion, gelbliche Färbung. 


Suspendiert man in der Flüssigkeit etwas frisch bereitetes 
Kupferhydroxyd so löst sie eine gewisse Kupfermenge und man 
erhält eine klare, glänzende Flüssigkeit, die malachitgrün ge- 
färbt ist. Behandelt man diese Flüssigkeit mit viel absolutem 
Alkohol, so entsteht ein reichlicher Niederschlag, während der 
Alkohol grün oder blau gefärbt bleibt. 


Elementaranalyse der Substanz. 

Die mittels aufeinder folgender Fällungen mit Alkohol ge- 
reinigte Verbindung Glykokoll-Formaldehyd wird zum Trocknen 
in die gewöhnlichen Porzellanschiffichen und auf konstantes 
Gewicht gebracht, indem man sie 8 bis 10 Tage in einem 
Calciumchlorid-Exsiccator hält, der bei 100° erhalten und in 
dem Vacuum hergestellt wird. Man muß Sorge dafür tragen, 
daß das Schiffchen aus dem Wägegläschen in die Verbrennungs- 
röhre so schnell übergeht, daß sie kein Wasser aus der atmo- 
sphärischen Luft absorbiert. Das Mittel aus drei untereinander 
gut übereinstimmenden Analysen war: 

С 50,6°/, Н oan, 

Bei anderen Proben bestimmte ich den Stickstoff nach der 
Kjeldahlschen Methode und erhielt als Mittel aus vier Be- 
stimmungen 

N 14,19%. 

Mithin läßt sich die prozentuale Zusammensetzung der 
Substanz folgendermaßen feststellen: 

C = 50,6, Н = 7,3, N = 14,1, O = 28,0. 

Zieht man das Molekulargewicht in Betracht, das als Mittel 
aus verschiedenen Bestimmungen 288 ergab, so kann man der 
Substanz die Formel | 

C.H,,0,N; 
zuerkennen, die der prozentualen Zusammensetzung 


С = 50,2, H=7,3, N = 14,6, О = 27,9 
entspricht. 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 483 


Ich will hier nicht die Wahrscheinlichkeit der Konstitutions- 
formel erörtern, sondern nur bemerken, daß es mir wahrschein- 
lich erscheint, daß die von mir studierte Verbindung aus der 
Vereinigung von drei Molekülen Glykokoll mit sechs Molekülen 
Formaldehyd resultiert, mit Wasserverlust und unter Bildung 
уоп CO,!). Die Reaktion ließe sich folgendermaßen darstellen: 


30,H,0,N + 8CH,0 = C,H, 0,N,+2C0,+5H,0. 


Diese Hypothese muß aber mit allem Vorbehalt formuliert 
werden, und ich behalte mir vor, auf diese Frage zurückzukommen, 
Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß unter anderen Be- 
dingungen die Kondensierung mit einer geringeren Anzahl von 
Molekülen eintritt. Und da es sich um nicht krystallisierte 
Stoffe handelt, kann man einer absoluten Konstanz in der Zu- 
sammensetzung des Produktes nicht sicher sein. 

Die Kupferverbindung des Glykokollformaldehydproduktes 
erhält man sehr leicht, wenn man in letzterem frisch hergestelltes 
Kupferoxyd auflöst. Dieses Oxyd wird mit einer Ammoniak- 
lösung von Kupferacetat bereitet, der man Ätzsoda zusetzt. 
Das Präcipitat wird lange gewaschen. 

Es ist nötig, der Lösung der Glykokoll-Formaldehyd-Ver- 
bindung einen Überschuß von Kupferhydrat, der dann durch 
die Filtration entfernt wird, zuzusetzen. So erhält man eine 
schöne klare Flüssigkeit von malachitgrüner Färbung. Diese 
Flüssigkeit ergibt die Reaktion des Cu-Ions, ändert aber ihre 
Färbung nicht in Blau nach Ammoniakzusatz. Aus ihr wird 
die Substanz mit absolutem Alkohol gefällt und kann durch 
&Aufeinanderfolgende Fällungen gereinigt werden. Die Substanz 
wird zur Trockne bis zu konstantem Gewicht gebracht. 

In einigen Teilen dieser Substanz habe ich den Stickstoff 
nach der Kjeldahlschen Methode und das Kupfer nach der 
elektrolytischen Methode bestimmt. Für diese zweite Analyse 
werden 0,2 g=0,25 g Substanz mit Salpetersäure oxydiert. 
Dann läßt man die Säure verdunsten und wandelt durch Er- 
hitzen das Nitrat іп Kupferoxyd um. Dieses wird in H,SO, 
‚gelöst und die verdünnte Lösung in einer Platinkapsel der 
Elektrolyse unterzogen. 


1) In der Tat bildet sich bei der Reaktion eine nicht unbedeutende 
Menge CO,. | 


484 С. Galeotti: 
Als Mittel von vier Bestimmungen erhielt ich 
N 11,95°/, Cu 15,8°/,. 


Weist man der Gilykokoll-Formaldehyd-Verbindung die 


Formel 
Cs H,, О, N, 


zu und nimmt an, daß zwei H-Atome darin durch ein Cu-Atom 
ersetzt sind, so erhält man die Formel 


Gel, UR, Cu, 
N 12,05°/„ Cu 18,10%, 


die 


entspricht. 

Obwohl die hinsichtlich des Prozentsatzes des Cu berech- 
neten und gefundenen Werte keine genügende Übereinstimmung 
zeigen, so gestatten sie doch keine andere Hypothese als die, 
daß ein Cu-Atom sich mit einem Molekül der Glykokoll-For- 
maldehyd-Verbindung kombiniert. Wahrscheinlich treten bei 
der elektrischen Bestimmung des Kupfers Verluste ein, die zu 
vermeiden mir nicht gelungen ist. 


Verbindung des Alanins mit Formaldehyd. 


Ich verwendete ein inaktives a-Alanin von Kahlbaum. 
100 ccm einer 2°/,igen Alaninlösung setzte ich 20 com 30°/, (geg 
Formaldehyd zu. Die Flüssigkeit brachte ich in einen lang- 
halsigen Kolben 8 Stunden lang ins Wasserbad bei 100°. Dann 
goß ich sie in eine Schale und ließ sie verdunsten, setzte Wasser 
hinzu und ließ wieder verdunsten, bis die Reaktionen auf freien 
Formaldehyd nicht mehr eintraten. Auf diese Weise erhielt ich 
eine braune, hygroskopische, in Wasser sehr lösliche Masse. 

10 ccm der 2°/ igen Alaninlösung ergeben mit der van 
Siykeschen Methode 

0,0930 g N. 

Ein entsprechendes Volumen der Lösung der Alaninver- 

bindung mit dem Formaldehyd ergab 


0,0003 g N. 
Die Lösung ist so stark gefärbt, daß es nicht möglich ist zu 
konstatieren, ob sie Rotationsvermögen besitzt. Sie hat saure 
Reaktion. 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 485 


Die Substanz erscheint nach Verdunstung des Wassers 
und nachdem sie zur Trockne gebracht ist, wie eine glas- 
artige, durchsichtige, gelbbraune Masse, die bis auf hohe Tem- 
peraturen erhitzt, schmilzt und schäumt. 

Nach der Fällung mit Alkohol kann man, wenn man ver- 
hindert, daß die Substanz Wasser absorbiert, durch vollständiges 
Austrocknen ein hellgelbes Pulver erhalten. 


Chemische Eigenschaften: 


Mit Alkali oder verdünnten Säuren erfolgt kein Niederschlag; 

mit absolutem Alkohol oder mit Aceton flockiger Niederschlag; 

unlöslich in Äther; 

mit Molybdänsäure: Niederschlag; 

mit Phosphorwolframsäure, Pikrin-, Gerbsäure: reichlicher Nieder- 
schlag; 

mit Kaliumchromat: in der Wärme, Bräunung; 

mit Ferrocyankalium: in der Wärme, gelber Niederschlag; 

mit Kupfersulfat: kein Niederschlag, nach Zusatz von NaOH 
in der Wärme brauner Niederschlag, aber keine Reduktion; 

mit ammoniakalischem Silbernitrat: leichte Bräunung; 

mit Sublimat: leichter Niederschlag; 

mit Eisenchlorid: Bräunung; 

mit Goldchlorid: Niederschlag, der sich in Alkohol löst; Diazo- 
reaktion — gelbrote Färbung; 

mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung erfolgt Niederschlag. 
Die Lösung dieser Substanz löst Kupferhydroxyd und man 

erhält so eine schöne malachitgrüne Flüssigkeit. Sie löst auch 

Nickelhydroxyd und man erhält dann eine gelbe Lösung. 
Diese Lösungen fallen nach Zusatz von absolutem Alko- 

hol aus. 


Verbindungen des Leucins mit Formaldehyd. 

Auch das Leucin, das ich verwendete, war inaktiv. Ich 
machte eine 2°/ ige Lösung davon. Diese wurde mit 30°/ (gem 
Formaldehyd gemischt und 8 Stunden lang bei 100° gehalten. 
Sie wurde wie gewöhnlich vom Überschuß an Formaldehyd 
befreit und zur Trockne gebracht. Der Rückstand ist ein 
nicht sehr hygroskopischer gelber Teig. Er löst sich leicht 
im Wasser mit hellgelber Farbe. Aus letzterer fallen wenige 


486 С. Galeotti: 


mikroskopische kleine Krystalle in Gestalt rhomboider Täfelchen 
aus. Nach zwei Monaten war die Krystallisation der in einem 
mit einer Glasglocke bedeckten Becher aufbewahrten Flüssigkeit 
sehr wenig fortgeschritten. Läßt man die Flüssigkeit rasch ver- 
dunsten, so erfolgt keine Krystallbildung, und man erhält letz- 
tere auch nicht aus wässerig alkoholischen Lösungen. Die Lösung 
hat saure Reaktion. Mit der у. Slyke schen Methode tritt keine 
Stickstoffentwicklung ein. 


Chemische Eigenschaften: 


Die Substanz ist in Alkohol und Aceton löslich, fällt aber aus 
diesen Lösungen nach Ätherzusatz aus; 

mit Alkalien und verdünnten Säuren erfolgen keine Nieder- 
schläge; 

mit BaCl,: geringer Niederschlag; 

mit Ferrocyankalium tritt Bräunung ein; 

mit Molybdänsäure: Niederschlag; 

mit Phosphorwolfram-, Gerb-, Pikrinsäure: reichlicher Nieder- 
schlag; 

mit Kupfersulfat: erbsengrüne Färbung. Nach Zusatz von 
NaOH erfolgt ein malachitgrüner Niederschlag. Bei Er- 
hitzung tritt keine Reduktion ein; 

mit Silbernitrat: brauner Niederschlag; 

mit Sublimat: reichlicher, flockiger Niederschlag; 

mit Eisenchlorid: Präcipitat und violett-braune Färbung; 

mit Goldchlorid: flockiger Niederschlag, der sich in Alkohol löst; 
Diazoreaktion, gelbrote Färbung; 

mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung: pulveriger, rosafarbiger 
Niederschlag. 


Die Lösung dieser Verbindung löst Kupferhydroxyd und 
Nickelhydroxyd. Im ersteren Falle erhält man eine dunkel- 
grün gefärbte Flüssigkeit, im zweiten eine Flüssigkeit von gelber 
Färbung. ' 


Verbindung der Asparaginsäure mit Formaldehyd. 


_ 100 ccm Lösung von 2°/ iger Asparaginsäure setze ich 
25 com 30°/, Formaldehyd zu, das Gemisch wurde 8 Stunden 
lang im Wasserbad erwärmt. Die Lösung wird dunkelgelb. 


Tre — в 5 о 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 487 


10 com der Asparaginsäurelösung ergeben mit der van 
Siykeschen Methode 0,0213 g N; nach 8 stündiger Behandlung 
in der Wärme mit Formalin 0,0040 g N. Nach der Ver- 
dunstung erhalte ich wie gewöhnlich eine dunkelgelbe, hygro- 
вкорівсһе Masse. 


Chemische Eigenschaften: 

Die Asparaginsäure-Formaldehyd-Verbindung fällt nicht mit 
Alkalien oder mit verdünnten oder konzentrierten starken 
Säuren aus; 

mit Alkohol oder Aoeton: flockiger Niederschlag; 

in Äther ist sie unlöslich; 

mit Molybdänsäure: leichter Niederschlag; 

mit Phosphorwolframsäure, Pikrin-, Gerbsäure: reichlicher ge- 
latinöser Niederschlag; | 

mit Kupfersulfat: erbsengrüne Färbung, die nach Zusatz von 
NaOH sich nicht ändert. Bei Erhitzung keine Reduktion; 

mit ammoniakalischem Silbernitrat: Bräunung; 

mit Sublimat und Bleiacetat: Niederschlag; 

mit Goldchlorid: Niederschlag, der sich in Alkohol nicht löst; 

Diazoreaktion, rote Färbung; 

mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung: flockiger, reichlicher 
Niederschlag. 


Die zum Experiment dienende — löst Kupferhydroxyd 
wenig, indem sie sich erbsengrün färbt. 


Verbindung des Tyrosins mit Formaldehyd. 

1 g krystallisiertes Tyrosin wird in 50 g Wasser suspendiert. 
Der größte Teil des Stoffes bleibt ungelöst, auch wenn die 
Flüssigkeit bis zum Sieden erhitzt wird. Ich setze 25 ccm 
40°/,iges Formalin hinzu. Indem ich fortfahre, im Wasserbad 
zu erhitzen, löst sich das Tyrosin zuletzt vollständig, während 
die Flüssigkeit sich allmählich immer gelber färbt. Ich bringe 
sie zur Trockne und setze zu wiederholten Malen Wasser 
hinzu, bis der ganze freie Formaldehyd verdunstet ist; auf 
diese Weise erhalte ich eine harzige, klebrige Masse von dunkel- 
gelber Farbe. Diese Masse löst sich fast ganz in siedendem 
Wasser (50 bis 70 ccm), fällt aber bei der Abkühlung in Gestalt 


von Flocken wieder aus, die sich dann zusammenballen und 
Biochemische Zeitschrift Band 53. 33 


488 G. Galeotti: 


wieder klebrige gelbe Massen bilden. Die Lösung ist neutral 
gegen Lackmuspapier. Die Substanz ist unlöslich in Äther, 
Aceton und Äthylalkohol. Aus der wässerigen warmen Lösung 
fällt sie in Flocken nach Zusatz von Äthylalkohol aus; diese 
Flocken kleben nicht zusammen, wie es bei den anderen schon 
beschriebenen Verbindungen der Fall ist. 

Die Verbindung ist sehr löslich in Alkalien, auch wenn 
sie sehr verdünnt sind, und sowohl in Soda als in Baryt und 
Ammoniak, und die ein klares Aussehen zeigenden Lösungen 
haben eine sehr ausgesprochene grünlichgelbe Färbung. Wenn man 
ansäuert, fällt die Substanz in Flocken aus, die sich von neuem 
lösen, wenn man wieder neutralisiert. Die mit Baryt bereitete 
Lösung zeigt keine Niederschläge, wenn man CO, hindurchleitet. 
Behandelt man die Lösung mit der у. 51у кевсһеп Methode, во 
findet keine Entwicklung von N, statt. In konzentrierter 
Schwefelsäure löst sie sich mit rotbrauner Färbung. In einiger- 
maßen konzentrierter Salpetersäure löst sie sich in der Wärme, 
fällt aber bei Abkühlung wieder aus. Alkalisiert man alsdann mit 
Ätzsoda, so nimmt die Flüssigkeit eine orangengelbe Färbung an. 


Weitere chemische Eigenschaften: 


Mit chromsaurem Na in der Wärme tritt braune Färbung ein; 

mit Ferrocyankalium: rötliche Färbung, die Flüssigkeit wird trüb; 

mit Phosphorwolframsäure entsteht ein käsiger Niederschlag; 

mit Pikrin- oder Gerbsäure: dichter Niederschlag; 

mit Kupfersulfat: malachitgrüne Färbung; mit NaOH in der 
Wärme tritt keine Reduktion ein; 

mit ammoniakalischem Silbernitrat: leichte Bräunung; 

mit Sublimat: reichlicher Niederschlag; 

mit Bleiacetat: reichlicher Niederschlag; 

mit Eisenchlorid: dunkelviolette Färbung. Es tritt also etwas 
Ähnliches ein wie bei der Piriaschen Reaktion; 

mit Goldchlorid: Niederschlag, der sich in Alkohol löst; 

die Diazoreaktion tritt ein mit kirschroter Färbung; 

mit dem Deniges-Mörnerschen Reagens in der Wärme tritt 
rosa oder rote Färbung ein; 

mit dem Millonschen Reagens tritt rote Färbung ein; 

mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung erfolgt ein геіоШісһег 
flockiger rosagefärbter Niederschlag. 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 489 


Die Lösung löst wenig Kupferhydroxyd und man erhält 
dabei eine gelb-grünliche Flüssigkeit. 


Verbindung des Phenylalanins mit Formaldehyd. 


Das (inaktive) Phenylalanin, wie ich es verwendet habe, 
ist in kaltem Wasser und in Alkohol wenig löslich. Ungefähr 
2 g der Substanz in Gestalt von Blättchen werden in 100 eem 
Wasser suspendiert. Beim Erhitzen trat noch keine Lösung der 
Substanz ein. Es wurden 25 com 30°/, Formaldehydlösung hinzu- 
gesetzt, wobei sich in der Wärme das Phenylalanin allmählich 
löst, während die Flüssigkeit gelb wird. Nach ca. 10 Stunden 
lasse ich die Lösung abkühlen, wobei eine braune, klebrige 
Masse ausfällt. Einige Partikelchen dieser Substanz in Ge- 
stalt von öligen Tropfen schwimmen an der Oberfläche der 
Flüssigkeit. 

Diese Substanz ist sehr leicht löslich in absolutem Alkohol 
und in Aceton, unlöslich in Äther. 

Sie löst sich gut in den Alkalien (Soda, Baryt, Ammoniak) 
und fällt aus diesen bei Ansäuerung wieder aus. Sie löst sich 
in konzentrierter Schwefel- oder Salpetersäure. 


Weitere chemische Eigenschaften: 


Mit chromsaurem Na: gelber, starker Niederschlag; 

mit Phosphorwolfram- oder Gerb- oder Pikrinsäure: voluminöser 
Niederschlag; 

mit Kupfersulfat: hellgrüner Niederschlag, der infolge Alkali- 
sierung mit Soda dunkelgrün wird. In der Wärme tritt 
keine Reduktion ein; 

mit Silbernitrat: reichlicher Niederschlag, der sich in Ammoniak 
löst; 

mit Sublimat und Bleiacetat: reichlicher Niederschlag; 

mit Eisenchlorid: reichlicher gelb-grünlicher Niederschlag; 

mit Goldchlorid: reichlicher Niederschlag, der sich in Alko- 
hol löst; 

Diazoreaktion: rote Färbung; 

mit übersättigter Ammoniumsulfatlösung: flockiger Niederschlag. 


Die Lösung löst Kupferhydroxyd nicht. 


33% 


490 G. Galeotti: 


Schlußfolgerungen. 


1. Erhitzt man die Aminosäuren lange mit Formaldehyd, 
so erhält man Verbindungen, die chemische Eigenschaften be- 
sitzen, die verschieden von denen der reinen Aminosäuren und 
auch verschieden von denen der frischen Mischungen von 
Lösungen von Aminosäuren und Formol sind. 

Man erhält zuerst gelbe oder gelbrote Lösungen, die keine 
Tendenz zur Krystallisierung haben. Der Rückstand ist stets 
eine amorphe, hygroskopische Masse, die jedoch getrocknet und 
im leeren Raum über Calciumchlorid bei 100 bis 110° auf kon- 
stantes Gewicht gebracht werden kann. 

2. Die wichtigsten chemischen Eigenschaften dieser Ver- 
bindungen sind: 
die Lösungen sind im allgemeinen sauer; 
mit verdünnten Alkalien entsteht kein Niederschlag, mit ver- 

dünnten Säuren fällt nur die Verbindung des Tyrosins aus; 
in Alkohol oder Aceton sind unlöslich die Glykokoll-, Alanin-, 

Asparaginsäure- und Tyrosinverbindungen, löslich die Leu- 

cin- und Phenylalaninverbindungen. Alle sind unlöslich in 

Äther; 
mit Phosphorwolframsäure, mit Pikrinsäure und mit Gerbsäure 

ergeben sie voluminöse Niederschläge; 
sie fallen mit den Salzen der Schwermetalle (Sublimat, Blei- 

` acetat) aus. Die Präcipitate, die man stets mit dem Gold- 
chlorid erhält, haben die Eigentümlichkeit, daß sie sich in 

Alkohol lösen; 
sie reduzieren Kupfersalze in alkalischer Lösung nicht, es tritt 

eine grüne oder dunkelgrüne Färbung ein; 
sie fallen infolge Sättigung mit Ammoniumsulfat aus; 
sie zeigen die Diazoreaktion mit gelbroter oder kirschroter 

Färbung; 
sie lösen Kupferhydroxyd (und einige Verbindungen, auch 

Nickelhydroxyd), und auf diese Weise erhält man glänzende, 

malachitgrün gefärbte Раве кенев, die nach Zusatz von 

Alkohol ausfallen. 


3. Bei den Verbindungen aller von mir studierten Amino- 
säuren mit Formaldehyd tritt die у. Slykesche Reaktion nicht 
mehr ein, d.h. man erhält keinen freien Stickstoff durch Ein- 


Kondensierung der Aminosäuren vermittelst Formaldehyd. 491 


wirkung von Salpetrigeäure. Diese Erscheinung, die einer intra- 
molekularen Veränderung des Aminstickstoffes entspricht, hält 
in ihrem weiteren Verlauf gleichen Schritt mit dem Fort- 
schreiten der Reaktion. Mithin kann man bei Verwendung der 
v.Siykeschen Methode die Kurve der Reaktion aufzeichnen. 

4. Die Verbindung des Glykokolls mit dem Formaldehyd, 
die von mir eingehender studiert wurde, hat folgende Eigen- 
schaften: 


sie schmilzt bei 164°; 
sie hat ein Molekulargewicht (in konzentrierten Lösungen) 
von 288; 
sie hat die molekulare Zusammensetzung 
C= 50,6, Н = 7,3, N=141, 0=38,3, 
und entspricht wahrscheinlich der Formel 
С, Н,,0,М,. 

5. Wenn man diese letzten mit dem Glykokoll erhaltenen 
Resultate berücksichtigt und bedenkt, daß auch die anderen 
Aminosäuren sich auf gleiche Weise verhalten, kann man die 
Behauptung aufstellen, daß die Reaktion, die langsam und in 
der Wärme zwischen den Aminosäuren und dem Formaldehyd 
eintritt, eine Kondensierung einiger Moleküle von Aminosäuren 
ist, die durch Formaldehydreste vereinigt worden sind. Bezüg- 
lich des Glykokolls würde man eben die Kondensierung von 
3 Molekülen Aminosäure erhalten. Es ist jedoch wahrscheinlich, 
daß unter anderen Bedingungen die Kondensierung einer größeren 
oder geringeren Zahl von Molekülen eintritt. 

6. Diese Überlegung, die Daten der prozentualen Zusammen- 
setzung und des Molekulargewichtes der Glykokollverbindung, 
die obenerwähnten Reaktionen und insbesondere die mit der 
Phosphorwolframsäure, der Gerb- und Pikrinsäure mit den 
Salzen der Schwermetalle, mit dem Ammoniumsulfat in ge- 
sättigter Lösung, lassen den Gedanken an eine Ähnlichkeit 
zwischen den von mir studierten Verbindungen und den Poly- 
peptiden entstehen. 

7. Kurz, es scheint mir, daß man mit allem Vorbehalt die 
Behauptung aufstellen kann, daß die polymerisierenden und 
kondensierenden Funktionen, die der Formaldehyd besitzt und 
durch die nunmehr bewiesen ist, daß in den Pflanzen syn- 


492 G. Galeotti: Kondensierung der Aminosäuren verm. Formaldehyd. 


thetische Vorgänge eintreten, die zu den Kohlenhydraten führen, 
auch für die Aminosäuren Geltung haben könnten, und daß 
deshalb auf diese Weise beim Chemismus der lebenden Orga- 
nismen der Formaldehyd auch die stickstoffhaltigen Stoffe auf 
dem Wege zur Synthese der Eiweißkörper führen könnte. 


Ich hatte die vorliegende Arbeit schon beendet, als ich 
das Heft 1/2 (Bd. 51) dieser Zeitschr. zu Gesicht bekam, in dem 
sich ein Artikel von W. Loeb über die Methylierung des Glyko- 
kolls mittels Formaldehyds befindet. 

Die von diesem Autor dargelegten experimentellen Resul- 
tate decken sich zum Teil mit den meinen, zum Teil unter- 
scheiden sie sich einigermaßen davon. 

Auch Loeb hat gefunden, daß man, wenn man eine 
Lösung von Gilykokoll mit Formalin erhitzt, eine dunkelgelbe 
oder rote Flüssigkeit erhält, die nach Verdunstung einen sirup- 
artigen Rückstand hinterläßt, der in Alkohol wenig löslich ist 
und nicht krystallisiert. Nach Loeb kann man aus ihm noch 
freien N, mit der v. 51у кевсһеп Methode erhalten. 

Dieser Unterschied von meinen Resultaten erklärt sich 
dadurch, daß Loeb die Reaktion nicht zu Ende geführt hat, 
weil sie, wie es scheint, nur 2?/, Stunden gedauert hat. In 
dieser Hinsicht möge man meine Kurve auf S. 481 einer 
Prüfung unterziehen. Ferner sagt Loeb, mit der Salzsäure ver- 
laufe die Reaktion auf verschiedene Weise und man erhalte 
alsdann eine Krystallmasse, die die у. Siykesche Reaktion 
nicht mehr ergebe und aus Dichlorhydrat des Methylendiglyko- 
kolls bestehe. Am Schlusse behauptet dieser Autor, durch Ein- 
wirkung des Formaldehyds trete Methylierang des Glykokolls 
ein und dies liefere eine experimentelle Basis für die Hypothese, 
daß auch bei den Vorgängen in der Natur der Formaldehyd 
als Methylierungsmittel wirke. 

Wie ich oben auseinandergesetzt habe, glaube ich, daß 
eher als zwei Glykokollmoleküle sich drei kondensieren. Diese 
Meinungsverschiedenheit läßt sich dadurch erklären, daß wahr- 
scheinlich die Kondensierungsreaktion nur dann vollständig 
wird, wenn die Substanz auf hohe Temperatur erhitzt und zur 
Trockne gebracht wird. 


Über Blutlipoide und Phagocytose. 
Von 


B. Stuber. 
(Aus der Medizinischen Klinik zu Freiburg i. Br.) 
(Eingegangen am 14. Juni 1913.) 


Nachdem wir in unserer früheren Arbeit?) die Bedeutung 
der Lipoide, im speziellen des Cholesterins und Lecithins für 
die Phagocytose klargelegt hatten, schien es uns von In- 
teresse, auch die Wirkung der Cholesterinester näher kennen 
zu lernen. 

Es kamen der Ölsäure- und Palmitinsäureester des Chole- 
sterins zur Verwendung. Beide liefern haltbare Emulsionen, 
wenn sie in heißem Aceton gelöst tropfenweise unter starkem 
Schütteln in heißes Wasser eingetragen werden. Es wurden 
0,5°/,ige Emulsionen verwandt. Die Methode der Wertbe- 
stimmung der Phagocytose und die Technik der Versuche 
waren genau dieselben, wie sie in unserer früheren Arbeit an- 
gegeben sind. 

Als Lecithin gebrauchten wir das Lecithinum ovo purissimum 
und ein Cerebrosid’?). 

Die Mengen der eingespritzten Emulsionen betrugen durch- 
schnittlich 30 ccm. 

Wir geben im folgenden die Versuchsprotokolle wieder. 


1) Siehe diese Zeitschr. 51, 3, 211, 1913. 

*) Die Firma Blattmann & Co. in Waedenswil war во liebens- 
würdig, uns zwei garantiert ganz frisch dargestellte Präparate zur Ver- 
fügung zu stellen. Das eine war reines Eierlecithin, das andere Gehirn- 
lecithin. Letzteres enthält Galaktose, dürfte deshalb wohl mit einem Cere- 
brosid identisch sein. Beide Präparate wirkten dem freien Cholesterin 
gegenüber genau, wie es in unserer früheren Publikation beschrieben 
wurde. 


494 В. Stuber: 


Wir beginnen mit den in-vitro-Versuchen mit Cholesterin- 
palmitinsäureester. Es wurden jedesmal 0,1 ccm 0,5°/, ige 
Esteremulsion dem Blutgemische zugefügt. 


Tabelle XV. 


Versuchs- Phagocytärer Index | Phagooytärer Index 
en Blut mitCholesterin- | Kontroliblut ohne 


tinsäureester Lipoidzusatz 


nummer 





Es ergibt sich also genau wie beim freien Cholesterin eine 
starke Herabsetzung des phagocytären Vermögens der Leuko- 
cyten durch den Palmitinsäureester des Cholesterins, durch- 
schnittlich um 65 bis 75°/> 

Wir gingen nun in derselben Weise vor wie früher und 
prüften den Einfluß eines Gemisches von 0,1 com 0,5°/,igen 
Palmitinsäureester des Cholesterins und 0,1 ccm 1°/,iger Le- 
cithinemulsion. 

Tabelle XVI. 





Versuchs- | Phagooytärer Index — rg 


Lipoidzusatz 


nummer | Ester -+ Lecithin 





Wir finden in obiger Tabelle die volle Wirkung des Pal- 
mitinsäureesters auf die Phagocytose, eine Beeinträchtigung 
derselben um durchschnittlich 70°. Das Lecithin war, im 
Gegensatz zu den früher mitgeteilten Versuchen mit freiem 
Cholesterin, ohne jeden Einfluß. Weitere Versuche mit in- 
aktiviertem Lecithin erübrigten sich dadurch von selbst. 

Die Tierversuche wurden ebenfalls wieder an Katzen 
"ausgeführt. Wir spritzten 20 bis 30 com 0,5°/ ige Palmitin- 
säureesteremulsion in die Jugularis. Vor und eine halbe Stunde 
nach erfolgter Injektion wurde jedesmal aus der Carotis Blut 
zur Indexbestimmung entnommen. 


Blutlipoide und Phagocytose. 495 


Tabelle XVII. 
Tierversuche mit Cholesterinpalmitinsäureester. 








Phagocytärer Index | Injizierte | Phagocytärer Index 
Blut vor der Blut !/, Stunde nach 
der Injektion 


Auch hier finden wir, genau wie im Reagensglasversuch, 
eine intensive Schädigung der Phagocytose um 70 bis 80°/,. 
Von kombinierten Versuchen von Palmitinsäureester zusammen 
mit Lecithin glaubten wir im Tierexperiment absehen zu können, 
da wir ja schon in unseren obigen in vitro angestellten Ver- 
suchen ein negatives Resultat erhalten hatten. Wir suchten 
nun die Wirkungsdauer des Palmitinsäureesters festzustellen. 
Wir spritzten zwei Katzen je 20 ccm Esteremulsion ein und 
entnahmen nach 24 und 48 Stunden Blut zur Indexbestimmung. 
Die Versuche mißlangen jedoch, da jedesmal die Gerinnungs- 
zeit des Blutes derartig herabgesetzt war, daß es sofort nach 
Entnahme aus dem Blutgefäß koagulierte.e Auch ein erhöhter 
Natriumcitratzusatz schützte nicht davor, wenn wir nicht eine 
derartig starke Konzentration anwenden wollten, daß dadurch 
auch die Phagocytose geschädigt worden wäre. Das Blut der 
Tiere. vor der Injektion zeigte ganz normale Gerinnungszeiten, 
so daß diese Herabsetzung wohl nur auf den Palmitinsäureester 
ursächlich bezogen werden kann. 

Dieselbe Versuchsreihe stellten wir nun mit dem Ölsäure- 
ester des Cholesterins an. Wir stießen hierbei jedoch auf 
wesentliche Schwierigkeiten, da der Ölsäureester die Blut- 
gerinnungszeit noch in weit stärkerem Maße herabsetzte als 
der Palmitinsäureester. Im Tierversuche gerann das Blut 
spontan beim Öffnen der Arterie, so daß es unmöglich war, in 
vivo weiter zu arbeiten. Aber auch bei unseren Reagensglas- 
versuchen trat nach Zufügen weniger Tropfen 0,5°/,igen Chole- 
sterinölsäureesters trotz erhöhten Natriumcitratzusatzes Ge- 
rinnung ein. Wir glaubten auf diese Befunde speziell hinweisen 
zu müssen, da ja gerade in neuester Zeit von Bordet und 


496 В. Stuber: 


Delange?) ein in Toluol, Petroläther usw. leicht, in Aceton 
aber schwer löslicher Lipoidkörper als ursächliches Moment für 
die Blutgerinnung angesprochen wurde. Also ein Körper, der 
in seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften mit den 
obigen Cholesterinestern übereinstimmt. Wir sind zurzeit mit 
diesbezüglichen Untersuchungen beschäftigt und werden bald 
darüber ausführlicher berichten. Daß in unseren Versuchen 
diese Veränderung der Blutgerinnungszeit auf das Zufügen der 
Ester zu beziehen war, ergab sich aus den normalen Gerinnungs- 
zeiten des Blutes vor der Einspritzung. Vermutlich dürfte die 
Wirkung auf die Fettsäurekomponenten zurückzuführen sein. 
Es erklärt sich dann auch die erst längere Zeit nach der In- 
jektion eintretende Erhöhung der Blutgerinnungsfähigkeit beim 
Palmitinsäureester, wenn man einen zeitlich verschiedenen 
Abbau beider Esterarten im Organismus annimmt. Beim Öl- 
säureester tritt die Wirkuhg beinahe sofort ein. 

Kehren wir nun zu unseren Phagooytoseversuchen mit dem 
Cholesterinölsäureester zurück, so verzichteten wir aus den oben 
genannten Umständen auf die Tierversuche ganz. Zu unseren 
in-vitro- Versuchen benützten wir defibriniertee Blut vom 
Menschen und von Katzen. Wir überzeugten uns zunächst, daß 
das Defibrinieren keinerlei Einfluß auf die Phagocytose ausübt, 
wir benützten zu dieser Prüfung nochmals den Palmitinsäure- 
ester und erhielten mit defibriniertem Blute genau dieselben 
Werte wie früher mit nichdefibriniertem Blute. Es wurde wieder 
jedesmal 0,1 com 0,5°/,ige Esteremulsion bei jedem Versuche 
dem Blutgemische zugefügt. 


Tabelle ХУШ. 
Versuche in vitro mit Cholesterinölsäureester 0,5°/,. 





Versuche. каар суш Index | Phagocytärer Index 


nummer Blut mit Kontrollblut ohne 
Esterzusatz Lipoidzusatz 
67 0,61 1,44 
68 0,67 1,40 
69 0,64 1,48 


1) J. Bordet u. L. Delange, Betrachtungen über die Rolle der 
Blutlipoide bei der Blutgerinnung. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 
71, 4, 1918. 


Blutlipoide und Phagocytose. 497 


Wir entnehmen hieraus, daß auch der Ölsäureester intensiv 
auf die vitalen Funktionen der Leukocyten einwirkt, indem er 
eine Herabsetzung der Phagocytose um ca. 55°/, bedingt. Er 
wirkt aber schwächer als der Palmitinsäureester. 

Auch in den Kombinationsversuchen mit Lecithin zeigte 
der Ölsäureester dasselbe Verhalten wie oben. Die Quantität 
der zugefügten Emulsionen war dieselbe wie in den früheren 
Versuchen. 


Tabelle XIX. 
Versuche in vitro Cholesterinölsäureester + Lecithin. 





Phagocytärer Index | Phagocytärer Index 
Versuchs- Blut mit Kontrollblut ohne 
Lipoidzusatz Lipoidzusatz 


nummer 





Das Lecithin ist also ohne jeden Einfluß auf die phago- 
cytosehemmende Wirkung des Ölsäureesters. 

Nach den Untersuchungen von Abderhalden, le Count 
und Hausmann wissen wir, daß für die antitoxische Wirkung 
des Cholesterins die Hydroxylgruppe desselben verantwortlich 
gemacht werden muß. Wir haben nun auch Versuche mit 
Cholesterylacetat und Cholesterylbenzoat angestellt. Beide 
lassen sich in derselben Weise wie die Fettsäureester gut 
emulgieren. Sie wurden in derselben Konzentration wie letztere 
angewandt. 


Tabelle XX. 
Versuche in vitro mit Cholesterylbenzoat 0,5°/,. 


Phagocytärer Index | Phagocytärer Index 
Versuchs- Blut mit Kontrollblut ohne 


Lipoidzusatz 


nummer 





498 В. Stuber: 


Tabelle XXI. 
Versuche in vitro mit Cholesterylacetat 0,5°/,. 


Versuchs- Phagocytärer Index | Phagocytärer Index 


Blut mit Kontrollblut ohne 
пише Lipoidzusatz Zusatz 
80 1,44 1,41 
81 1,40 1,88 


Wie aus beiden Tabellen ersichtlich, übt sowohl das Chole- 
sterylbenzoat als auch das Cholesterylacetat keinerlei Wirkung 
auf die Phagocytose aus. In beiden Körpern ist die Hydroxyl- 
gruppe des Cholesterins durch Substitution verändert. Es muß 
als auch für das Zustandekommen der phagocytosehemmenden 
Wirkung des Cholesterins das Vorhandensein seiner Hydroxyl- 
gruppe als Bedingung erachtet werden. Wir haben weiterhin 
noch einige Versuche mit dem eingangs erwähnten Gehirn- 
phosphatid, wahrscheinlich ein Cerebrosid, angestellt. Wir 
vermengten es in gleicher Konzentration und Menge mit 


Cholesterin. 
Tabelle XXII. 


Versuche in vitro mit Cholesterin 4 Cerebrosid. 


Phagocytärer Index | Phagocytärer Index 
Versuchs- Blut mit Kontrollblut ohne 


— Lipoidzusatz Zusatz 





Wir sehen auch hier eine ähnlich neutralisierende Wirkung 
der hemmenden Wirkung des freien Cholesterins durch Cerebrosid 
wie durch Lecithin. 


Zur Theorie der Phagocytose. 


Vergegenwärtigen wir uns nochmals das Gesamtresultat 
unserer Untersuchungen, so konnten wir in unserer früheren 
Arbeit nachweisen, daß das freie Cholesterin schon in kleinen 
Mengen die Phagocytose fast völlig hemmt. Wir konnten ferner 
zeigen, daß diese Hemmung durch Zufügen einer Lecithinemulsion, 
wenn dieser Zusatz von Lecithin zum Cholesterin quantitativ 
im Verhältnis 2:1 erfolgt, völlig aufgehoben werden kann, 


Blutlipoide und Phagooytose. 499 


indem das Lecithin das Cholesterin bindet und neutralisiert. 
Durch kurzes Erhitzen auf ca. 70° wird jedoch das Lecithin 
zersetzt, es wird inaktiviert, so daß es nicht mehr fähig ist, 
das Cholesterin zu binden und dessen biologische Wirkung auf- 
zuheben. Es ist uns fernerhin gelungen, Tiere durch Lecithin 
auf kurze Zeit gegen die phagocytosehemmende Wirkung 
des freien Cholesterins unempfänglich zu machen, zu immuni- 
sieren. In den vorliegenden Zeilen konnten wir nun noch die 
intensiv phagocytosehemmende Wirkung des Ölsäure- und 
Palmitinsäureesters des Cholesterins nachweisen. Wir konnten 
zeigen, daß diese hemmende Wirkung der Cholesterinester 
durch Lecithin nicht neutralisierbar ist. Weiterhin konnte 
erwiesen werden, daß das Cholesterin durch Substitution 
seiner Hydroxylgruppe wirkungslos wird. Wir müssen so die 
Hydroxylgruppe des Cholesterins als Hauptfaktor für die Be- 
einflussung der vitalen Äußerungen der Leukocyten geltend 
machen. Es scheint uns damit auch wahrscheinlich, daß die 
Wirkung der Fettsäureester des Cholesterins nur auf die Fett- 
säurekomponenten zu beziehen ist, spielen ja letztere auch 
sonst in der Immunitätschemie eine bedeutende Rolle. Nicht 
uninteressant erscheint uns die umgekehrte Proportionalität 
zwischen Phagocytosehemmung und Herabsetzung der Blut- 
gerinnungsfähigkeit als Funktion der Cholesterinester, indem 
der stärker phagocytosehemmende Ester die Blutgerinnungs- 
fähigkeit weniger vermindert, und umgekehrt. Wir müssen 
ferner auf Grund unserer Untersuchungen annehmen, daß die 
Bindung des Cholesterins mit Lecithin in des ersteren Hydroxyl- 
gruppe stattfindet und so die für unsere Frage wichtigste 
Gruppe des Cholesterinmoleküls wirkungslos verankert. 

Wenn wir diese Resultate überblicken und bedenken, daß 
es sich bei all diesen intensiv die Lebensäußerungen der Leuko- 
cyten beeinflussenden chemischen Individuen um Körper handelt, 
die normal im Organismus vorkommen, die schon unter nor- 
malen, noch mehr aber unter pathologischen Verhältnissen 
solchen quantitativen Schwankungen unterworfeu sind, wie wir 
sie hier im Experiment nachgeahmt haben, so wird man ihre 
führende Rolle in dem wechselvollen Bilde der Phagocytose 
nicht abstreiten können. Es fällt dann auch eine weitere Beziehung 
der Lipoide zu einigen ihrer chemischen Natur nach noch 


500 В. Stuber: Blutlipoide und Phagocytose. 


hypothetischen Körpern des Serums auf, nämlich den von 
Wright postulierten Opsoninen des Normalserums. Es geht 
aus unseren Versuchen hervor, daß sich die von Wright fest- 
gelegten biologischen Charaktere der Normalopsonine durch 
qualitativ und quantitativ wechselnden Lipoidzusatz zum Serum 
unschwer experimentell hervorrufen lassen. Wir hätten die- 
selben Verhältnisse noch für die Immunsera nachzuweisen, wir 
sind zurzeit noch damit beschäftigt. Aber auch heute schon 
glauben wir uns auf Grund unserer Untersuchungen dazu be- 
rechtigt, den Opsoninen einen Lipoidcharakter zuzuerkennen. 
Es erscheint uns fraglich, ob man im Sinne Wrights für die 
so vielfach wechselnden Bilder in den Lebensäußerungen der 
Leukocyten immer spezifische Substanzen des Serums annehmen 
kann. Es erscheint uns auf Grund unserer Experimente weit 
plausibler, das quantitative Verhältnis der einzelnen Lipoide · 
zueinander hierfür verantwortlich zu machen. Wobei zu be- 
denken ist, daß eine einseitige Vermehrung einer Lipoidsubstanz 
uns noch nichts sagt, solange wir nicht auch über die quanti- 
tativen Verhältnisse der übrigen Serumlipoide orientiert sind, 
denn es ist klar, daß z. B. eine Vermehrung des freien Chole- 
sterins, wenn eine analoge Zunahme der Phosphatide statt- 
findet, in ihrem Effekt auf die vitalen Äußerungen der Leuko- 
cyten unter Umständen gleich Null sein kann, wie wir in 
unseren obigen Untersuchungen gezeigt haben; ganz anders 
verhält es sich darnach aber mit den Estern des Cholesterins. 
Wir sehen also, wie auf Grund solcher quantitativer Änderung 
der Serumlipoide in ihrer Gesamtheit, also des Serumlipoid- 
spiegels, die mannigfachsten Kombinationen denkbar sind, und 
wir können uns so auch sehr gut die so labilen Funktions- 
zustände der Leukocyten erklären. Vielleicht repräsentiert во 
der Begriff der Opsonine gar nichts einheitlich Substantielles, 
sondern ist nur der relativ faßbare Ausdruck der biologischen 
Reaktionsmöglichkeiten zwischen Lipoiden der Zelle und des 
Serums, so daß man sich einen gewissen Lipoidtonus vorstellen 
kann, dem die serumumspülte Zelle untersteht, und dessen 
sichtbarer biologischer Effekt bei den Leukocyten in der Phago- 
cytose zutage tritt. 


Die „Methode von Gabriel Bertrand“ zur Zucker- 
bestimmung. 


Von 


G. Sonntag. 
(Eingegangen am 28. Mai 1913.) 


M. Rosenblatt empfiehlt in seiner Arbeit „Über die 
quantitative Bestimmung von Glucose bei Gegenwart von 
fremden Stoffen nach der analytischen Methode von Gabriel 
Bertrand“ ein Verfahren zur Bestimmung des beim Kochen 
von Zuckerlösung mit alkalischer Kupfer-Tartratlösung erhaltenen 
Kupferoxyduls, das auf der Reduktion von Ferrisulfat durch 
das Kupferoxydul und Titration des entstandenen Ferrosulfats 
mit Permanganatlösung beruht!).. Er bezeichnet das Verfahren 
nach einer im Jahre 1906 erschienenen Arbeit von Gabriel 
Bertrand?) als „Bertrandsche Methode“. Unter gleichem Namen 
ist es auch in das Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden 
(1910, 2, 181) aufgenommen. 

Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß dem Ver- 
fahren diese Bezeichnung nicht zukommt. 

Im Jahre 1903 habe ich eine kleine Abhandlung „Ver- 
suche über Zuckerbestimmungen“?) veröffentlicht, in der mit- 
geteilt wird, daß das Prinzip der Methode schon im Jahre 1852 
von Schwarz zur Kupferbestimmung und im Jahre 1873 zu- 
erst von Mohr für die Bestimmung des Traubenzuckers an- 
gewandt und seitdem von mehreren Forschern ihren Versuchen 


1) M. Rosenblatt, diese Zeitschr. 48, 478, 1912. 

DH Bertrand, Bull. Soo. Chim. de France 85, 1285, 1906. 

з) G. Sonntag, Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 19, 447, 1908 
(Referate: Chem. Zentralbl. 1, 998, 1903; Zeitschr. f. Unters. а. Nahrungs- 
u. Genußmittel 7, 285, 1904). 


502 О. Sonntag: 


zugrunde gelegt worden ist (Literatur daselbst?) — Eigene 
Versuche haben damals die Brauchbarkeit des Verfahrens in 
einer von mir vorgeschlagenen Ausführungsweise gezeigt, die 
folgende ist: 

Das Kupferoxydul wird in einem Porzellan-Siebtiegel (Gooch- 
Tiegel) über Asbestfilter gesammelt, wobei die im Erlenmeyer- 
Kolben zurückbleibenden Reste mit kaltem Wasser leicht und 
sicher übergespült werden können, und im Tiegel mit kochen- 
dem Wasser gut ausgewaschen. Dann wird das Asbestfilter 
mit dem Niederschlag aus dem Tiegel genommen, in eine Flasche 
mit Glasstöpsel gebracht, der Tiegel mit Wasser nachgespült 
und die Flasche einige Sekunden kräftig geschüttelt, wodurch 
Asbest und Kupferoxydul fein verteilt werden. Hierauf werden 
50 ccm einer Lösung von 50 р Ferriammonsulfat und 50 ccm 
konzentrierter Schwefelsäure in 1 1 hinzugefügt, und zwar 
werden diese, da an den Wandungen des Siebtiegels meist 
kleine Mengen von Kupferoxydul hartnäckig haften, über den 
Tiegel, der in einem Trichter auf die Flasche aufgesetzt wird, 
ausgegossen. Das fein verteilte Kupferoxydul löst sich beim 
Umschwenken schnell vollständig auf; es entsteht eine hell- 
grüne Lösung, in der nur der Asbest umherschwimmt und die 
nun sofort mit '/,„,-Permanganatlösung titriert wird. 

G. Bertrand verfährt im wesentlichen ebenso, nur benutzt 
er statt eines Siebtiegels ein Filterröhrchen, statt der Ferri- 
ammonsulfatlösung eine Ferrisulfatlösung mit höherem Schwefel- 
säuregehalt. Diese Abweichungen stellen keine Verbesserungen 
dar. Das Asbestfilter läßt sich im Siebtiegel jedesmal sehr 
leicht und schnell herstellen, die Flüssigkeit filtriert auch bei 
schwachem Saugen schnell hindurch und das auf dem Filter 
gesammelte Kupferoxydul läßt sich leichter mit heißem Wasser 
vollständig auswaschen, als beim Dekantieren, das von Bertrand 
empfohlen wird zur Vermeidung eines Zusammenballens des 
Kupferoxyduls im Filterröhrchen, wodurch es dem Aufgelöst- 
werden Widerstand entgegensetzt. In der Tat kommt dies vor 
und hat zu dem Verfahren geführt, daß das Kupferoxydul 


1) Von С. Bertrand (8а. а. О.) selbst werden außer Mohr noch 
aufgeführt Wolff: Ann. et Rev. de chim. analyt. 1905 und Gatin: 
Recherches anatom. et chim. sur la germination des palmiers. Thöse de 
Paris 1906. 


Die „Methode von С. Bertrand“ zur Zuckerbestimmung. 503 


durch Schütteln fein verteilt wird; dann löst es sich ohne Er- 
wärmen leicht auf, und die Lösung braucht zudem nicht mehr 
filtriert und damit unnötigerweise der Luft ausgesetzt zu werden. 
Zur sicheren Vermeidung der Oxydation des Ferrosalzes durch 
den Sauerstoff der Luft habe ich ferner empfohlen, in das 
Schüttelgefäß vorher und während des Auflösens Kohlensäure 
einzuleiten, was in der angegebenen Weise keinerlei Umständ- 
lichkeit mit sich bringt. Daß, wie bei allen derartigen Be- 
stimmungen, luftfreies Wasser angewendet und daß die Ferri- 
salzlösung auf etwaige Reduktionsfähigkeit gegen Permanganat 
geprüft wird, ist wohl selbstverständlich. — Ferriammonsulfat 
ist als gut krystallisierendes und daher leicht rein zu erhaltendes 
Salz nach Mohrs Empfehlung dem Ferrisulfat vorzuziehen, 
ein höherer Schwefelsäuregehalt der Lösung ist überflüssig. 

Nach allem ist es nicht berechtigt, dieses längst vor 
G. Bertrand bekannte und angewandte, von mir durch im 
Jahre 1903 veröffentlichte Untersuchungen eingehend geprüfte 
und ausgearbeitete Verfahren auf Grund der Bertrandschen 
Veröffentlichung aus dem Jahre 1906 als die „Bertrandsche 
Methode“ zu bezeichnen. 


Biochemische Zeitschrift Bend 53. 34 





Autorenverzeichnis. 


Alexander, Franz G., und Ste- 
phan Cserna. Einfluß der Nar- 
kose auf den Gaswechsel des Ge- 
hirns. S. 100. 

Andryewsky, Peter, siehe 
Scheunert, Grimmer und Andry- 
ewaky. | 

Вётор, Julius, und Michael 
Pölänyi. Über die Anwendung 
des zweiten Hauptsatzes der 


Thermodynamik auf Vorgänge | 


im tierischen Organismus. 8. 1. 

Bercozeller, L. Stalagmometrische 
Studien an kolloiden und kry- 
stalloiden Lösungen. I. 5. 215. 
П. 8. 232. 

— und L. Csáki. Stalagmometri- 
sche Studien an kolloiden und kry- 
stalloiden Lösungen. III. 8. 288. 

Bertolini, A. Erwiderung auf 
E. Salkowskis Mitteilung „Über 
die Wirkung der Antiseptica auf 
Тохіпе“. 8. 420. 

Csáki, L., siehe Berczeller und 
Csáki 


Cserna, Stephan, siebe Alex- 
ander und Cserna. 

— und G. Kelemen. Größe der 
Arbeit kranker Nieren. 8. 41. 
Ehrenberg, Rudolf. Zur Lehre 
von der Gelatinequellung in wässe- 

rigen Lösungen. 8. 356. 

Fejér, A. v. Einfluß des Schmelz- 
punktes nicht emulgierter Fette 
auf die Geschwindigkeit ihrer Ent- 
leerung aus dem Magen. 8. 168. 

— siehe Verzár und Fejér. 

Galeotti, G. Über die Kondensie- 
rung der Aminosäuren vermittelst 
des Formaldehyde. S. 474. 

Grimmer, W. Beiträge zur Kennt- 
nis der Fermente der Milchdrüse 
und der Milch. 5. 429. 


Grimmer, Walter, siehe Scheu- 
nert, Grimmer und ү ы шо 
Gröh, Julius. Wirkung des Eisen- 
haltes des Blutmehles auf den 
isonumsatz der mit Blutmehl 
gefütterten Tiere. 8. 256. 
Hämäläinen, J. Synthbetische 
es der Terpenalkohole. 


Hannemann, Karl. Zur Kennt- 
nis des Einflusses des Großhirns 
rg Stoff- und Energieumsatz. 


 Hári, Paul. Weiterer Beitrag zur 


"Kenntnis derWirkung der Kohlen- 
пучан auf den Energieumsats. 


Kelemen, G., siehe Cserna und 
Kelemen. 
ко Joh., siehe Neuberg und 


erb. 

Loeb, Jacques. Über die An- 
assung von Fundulus an höhere 
onzentrationen. 8. 391. 

Michaelis, L., und Н. Pechstein. 


Untersuchungen über die Katalase 
der Leber. S. 320. 
Murschhauser, Hans, siehe 


Schloßmann und Murschhauser. 

Neuberg, C., und Joh. Kerb. 
Über zuckerfreie Hefegärungen. 
ХП. Über die Vorgänge bei der 
Hefegärung. 8. 406. 

Pechstein, H., siehe Michaelis 
und Pechstein. 

Pólányi, Michael, siehe Bäron 
und Pölänyi. 

Rohonyi, Н. Kolloidohemische 
Eiweißstudien. S. 179. 

— Ringfiguren in der gefrorenen 
Gelatine. 8. 210. 

Salkowski, E. Bemerkungen zu 
Ce ашай von Bertolini. 

. 422. 


Autorenverzeichnis. 


Scheunert, Arthur, Walter 
Grimmer und Peter Andry- 
ewsky. Studien über die To 
graphie der Peroxydasen im Ver- 
dauungsschlauch und über ihren 
Nachweis. S. 300. 

Schloßmann,Arthur,undHans 
Murschhauser. den Ein- 
fluß der vorangegangenen Er- 
nährung auf den Stoffwechsel im 
Hunger. 8. 265. 

Sieburg, Е. Über das biologische 
Ver n der p-Chlor-m-Kreo- 
sotinsäure. Б. 259. 


505 


Sonntag, G. Die „Methode von 
Gabriel Bertrand“ zur Zuoker- 
bestimm 


ung. 8. 501. 

Stuber, B., Über Blutlipoide und 
Phagocoytose. 8. 498. 

Tangl, F. Ein Calorimeter für 
kleine Tiere. 8. 21. 

ae der Nierenarbeit. 

. 86. 

Verzár, Fritz. Die Größe der 
Milzarbeit. 8. 69. 

— und А. v. Fejér. Die Verbren- 
nung von Traubenzucker im 
P iabetes. 8. 140. 


348 


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